287. Die dreieckte Wevelsburg

Hoch überm Almetale unterhalb Paderborn erhebt sich auf einem steilen Felsenberge die Trümmer der alten Wevelsburg über dem gleichnamigen Dorfe. Ein Ritter Wevelo von Büren soll ihr den Namen verliehen haben, da er ein Jagdhaus auf der Stätte einer viel ältern Burg sich erbaute, die schon der heilige Mainolf, ein Sachse von Geburt, dessen Taufpate Karl der Große in eigner Person gewesen, besaß und bewohnte. Aus dem Jagdhaus Wevelos ward aber später wieder ein fester Burgsitz, und als solcher umfing die Burg als ein Gefängnis den heiligen Norbert, allwo dieser fromme Mann in einem tiefen Burgverlies schmachtete, das noch bis heute gezeigt und das Norbertsloch genannt wird. Damals besaß Friedrich Graf von Arensberg die Feste, er war es, der Norbert so hart gefangen hielt. Allen Vorstellungen, Norbert freizugeben, widerstand der Arensberger auf das hartnäckigste und verschwur sich hoch und teuer bei einem Mahle, das auf der Burg gehalten wurde. Da geschahe aber etwas sehr Unerwartetes und gar Schreckliches vor den Augen aller Gäste, denn plötzlich schrie Friedrich von Arensberg: Helft, helft! Ich erplatze! – und da erplatzte er auch alsbald, und seine Gedärme fielen ihm aus dem Leibe heraus auf die Erde. Darauf wurde Norbert sogleich freigegeben.

Die Wevelsburg ist in eines Dreieckes Form erbaut; sie wurde noch mancher Fehde und manches Kampfes Ursache. Von den Arensbergern kam sie an die Grafen von Waldeck, dann an andere Besitzer und zuletzt an das Hochstift Paderborn. Fürstbischof Dieterich erbaute ein neues, schönes Schloß auf der Wevelsburg altem Grund; das kostete ohne die Frondienste und Fuhren sechsunddreißigtausend Taler, aber die Schweden unter Krusemark verwüsteten es vierzig Jahre nachher auf die greulichste Weise. In dem alten vergessenen Ritterroman Kuno von Kyburg ist der Wevelsburg auch eine Rolle zu spielen vergönnt worden, und nicht unanziehend ist, was sich zu damaliger Zeit, als Kuno von Kyburg durch die Leserkreise spuken ging, auf ihr begab. Ein reicher Lord in England besaß eine im Dreieck erbaute Burg, und diese Seltsamkeit dünkte den Seltsamkeiten liebenden Sohne Albions ein unschätzbares Besitztum. Er meinte, sagte und glaubte, eine dreieckige Burg sei in der ganzen Welt nicht mehr zu finden als nur einzig und allein in England, und auch da nur einzig und allein in **shire, und die sei die seine, des Lords. Da führte das Mißgeschick dem Lord einen Emigranten aus Frankreich zu, der hatte sich in der Welt umgesehen, war auch in Deutschland, in Westfalen und auf der Wevelsburg gewesen, und da nun der Lord so hoch Rühmens machte von seiner dreieckten Burg, so sagte der Emigrant, solcher Burgen gebe es mehr, in Deutschland [207] wisse er auch eine. Das wollte der Lord nimmermehr glauben, nein, dreieckte Burgen könne es nicht weiter geben, der Franzose solle mit auf die Reise, diese Burg müsse der Lord sehen, sagte er, und alle Kosten wolle er tragen und verlange nichts weiter, als daß der Franzose beschämt eingestehen solle, nur der Lord besitze eine dreieckte Burg.

Da haben sich die beiden Herren miteinander auf die Reise gemacht und sind Tag und Nacht gereist, über den Kanal und nach Amsterdam, durch Holland und durch das schöne Land Ober-Yssel, nach Westfalen herein, nach Münster und Telgte, über Warendorf nach Rheda und Wiedenbrück, durch Rietberg über das Lauer Bruch, bis sie dahin gekommen sind, wo die Lippe und die Alme sich einen, und endlich sind sie auch auf die Wevelsburg gekommen. Und da hat sich der Lord die Burg recht genau angesehen, und dann hat er gesagt, es sei leider wahr, er sei nicht allein ein dreieckter Burgbesitzer, und ist nach Hause gereist voller Zorn und hat seine Burg abbrechen lassen und sich eine neue vieleckte gebaut, weil er nicht mehr haben sollte eine dreieckte Burg allein.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 287. Die dreieckte Wevelsburg. 287. Die dreieckte Wevelsburg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-2571-0