629. Hans Jagenteufel

Zu Dresden ging am 13. Oktober 1644 Sonntags früh eine Frau mit ihrer Tochter in die Heide und lasen Eicheln auf bis mittags elf Uhr. Da sie zur Predigt läuten hörten, ging die bereits verheiratete Tochter von der Mutter hinweg und nach der Stadt zurück. Es regnete stark, und eine Viertelstunde später befand sich die Mutter in einem Waldgründchen links der Radebergischen [418] Straße in der Nähe der Stelle, wo man es das verlorene Wasser nennt. Da hörte sie den Schall eines stark geblasenen Jägerhorns, dann einen krachenden Fall, wie wenn ein Baum fiele, glaubte Förster nahe und barg ihr Eichelsäcklein im Gebüsch; darauf hörte sie noch einmal den Hornschall und sah gleich darauf einen Jäger ohne Kopf auf einem Grauschimmel mit aller Jagdwehr, Hirschfänger und Hifthorn, im langen grautuchenen Rock, gestiefelt und gespornt. Er ritt anfänglich etwas geschwinde, dann langsam und still vorüber, und sie konnte ihm ziemlich weit nachsehen. Hierauf setzte sie ihr Eichelsuchen fort und ging erst am Nachmittage nach Hause. Neun Tage später ging dieselbe Frau allein in die Heide, sammelte wieder Eicheln, setzte sich der Radebergischen Straße rechts am Fürstenberge ins Gebüsch und begann einen Apfel zu schälen, da scholl hinter ihr eine Stimme: Habt Ihr den Sack voll? Seid Ihr nicht gepfändet worden? Ihr habt wohl gute Förster? – Sie antwortete: Die Förster sind fromm, sie haben mir nichts getan. Ach Gott, bis mir Sünder gnädig! – Da sie nun zur Seite aufwärts sahe, erblickte sie denselben Mann, aber ohne Pferd, an ihrer Seite, der hatte den Kopf mit bräunlichem Kraushaar unterm Arm und sprach: Ihr tut wohl, daß Ihr um Vergebung der Sünden bittet, mir hat es also gut nicht werden sollen, und die Förster tun wohl, wenn sie den Armen nicht allzu scharf sind. Dadurch kam ich vor hundertundeinunddreißig Jahren in die Verdammnis. Mein Vater – o daß ich ihm nachgefolgt wäre – hieß Hans Jagenteufel, wie ich, sein einziger Sohn. Wir waren beide hier Förster. Sage den Menschen, sie sollen Buße tun! Große Strafe wird Gott über Dresden verhängen, zwei neue Heere werden kommen, eins ist schon im Anzuge. Gott droht mit einem so großen Sterben, daß an Totengräbern Mangel sein wird. Saget es, daß die Menschen abstehen sollen von ihren Lastern. Dann wird Gott das nächste Jahr segnen mit Früchten aller Art. Wollet Ihr das ansagen? Gebt mir die Hand darauf! – Das heftig erschrockene Weib stand verstummt und zitternd. Wollet Ihr es sagen? fragte noch einmal der Mann, und sie stammelte ein: Ja! – So gebt mir die Hand darauf! – Und sie tat es in Gottes Namen, und die Hand des Mannes war kalt wie Schnee, und sie zuckte zurück mit unsäglichem Grauen. Der Mann aber sprach wieder: Fürchtet Euch nicht! Euch scheint meine Hand kalt anzufühlen, mir aber brennt sie ewiglich und ohn Ende – ich quäle niemand – oh – ich bin selbst gequält! – und damit verschwand Hans Jagenteufels ruheloser Geist. – Wohl verkündete die Frau die gehabte Erscheinung, aber die Menschen haben sich wenig gebessert und sind selbst Jagenteufel geblieben nach allen Lüsten.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 629. Hans Jagenteufel. 629. Hans Jagenteufel. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-23FC-A