Weihe.
1.

Zu Leipzig in Auerbachs Keller sass einer still und trank,
Und in der Vorzeit Tage sein sinnender Blick versank.
Zu Leipzig in Auerbachs Keller ist traun, ein rechter Ort,
Der alten Sagen zu denken, der Wunder verklungnem Wort.
Er sass im kleinen Gewölbe, war drin der einzige Gast;
Ihm fiel kein leeres Geplauder, ja, keine Seele zur Last.
Bald sah er in den Römer, voll ächten Burgunder klar;
Bald auf uralte Bilder, gedunkelt und wunderbar.
Dort stehn dreihundert Jahre zwei Bogen, gerundet stolz;
Von Meisterhand gemalet sind Bilder auf das Holz,
Und wenn Du sie recht lange mit stillem Geist beschaut,
Spricht wohl lebendges Leben aus den zwei Bildern laut.
[5]
Dort sitzt der wackre Doktor, umher die Schüler sein;
Erst las er ein Kollegium wohl über den edlen Wein.
Dann nahm er seine Hefte, warf jedes an die Wand,
Und alle Studenten nahmen die vollen Römer zur Hand.
Dann klang's aus ihrem Munde: In dulci jubilo
Vivamus! Evoe Bacche! Cantamus in gandio!
Vivas o domine Fauste! Professor clarissime!
Sis semper felix et faustus, praeceptor carissime!
So sangen die lustgen Studenten, hell klang der Pokale Rand;
Es waren auch fahrende Spielleut' im Keller, aus Böhmenland.
Die rührten gar wacker die Saiten, dass es den Keller durchdrang;
Man hörte sie fröhlich begleiten den schallenden hallenden Sang. –
Und auf dem zweiten der Bilder da fährt der kühne Patron,
Der zaubermächtige Faustus auf einem Fass davon.
Auf einem Fass voll Weines; wie seltsam klingt doch das?
Ein schwarzes Hündlein, ein kleines, zieht Faustum sammt dem Fass. –
Je mehr Du die Bilder betrachtet, je herrlicher scheinen sie Dir,
In farbenprangender Schöne des Auerbachkellers Zier.
Zuletzt gar werden lebendig die alten Gesichter dort,
Die stehn und staunen ohn' Ende, die singen in einem fort.
Da kommt Dir mancher Gedanke, dass noch eir mächtger Faust,
Ein redekundger Professor in Auerbachs Keller haust,
Der stets zur guten Stunde geheime Weisheit erschleusst,
Und dass im Schoos der Fässer ein aureus rivus fleusst. –
[6]
Sei Goldbach mir gepriesen, Du Schlüssel zum Geisterreich,
Der Pforten des Lichtes aufthut, dem Salomons-Schlüssel gleich.
Du bringst auf goldner Welle, was grave Vorzeit sah,
In magischholder Helle dem Seher wieder nah! –

2.

Ich hatte lang' gesessen, halb träumend und halb wach,
Und sann den wundermähren vergangner Zeiten nach.
Auf jenen Bildern ruhte mein Blick, wie festgebannt,
Nicht sah ich, dass die Kerzen vor mir schon ausgebrannt.
Und wie mit heilgem Dunkel mich sanft die Nacht umfing,
Spann sich um jene Bogen ein Zauberfarbenring,
Sie glänzten und sie glühten mit den Gestalten klar,
Gleich hellen Frühlingsblüthen und magischwunderbar.
So webt in alten Domen ein zauberischer Glanz;
Die Riesenfenster stehen um den Altar im Kranz;
Und in die Feierstille, die durch die Räume weht,
Tritt die Gestaltenfülle in Königsmajestät.
In Purpurflammen brennend sah ich die Bilder glüh'n,
Lazur und Gold erglänzten, und Saphir und Rubin.
Und wie mich so umleuchtet die Wunderfarbenpracht,
Sah ich zwei Männer stehen in dunkler, alter Tracht.
[7]
Des einen Blick war Lohe, sein Kinn vom Bart umkraust,
Das war, o Glück! der hohe, der weitgenannte Faust.
Des andern Blick war Demuth, und Friede war sein Gruss;
Das war der treue Wagner, des Doktors Famulus.
»Du trugst nach mir Verlangen, längst hing Dein Herz an mir;«
So sprach der alte Magus; »und ich erscheine Dir!
Du hast ein wohlgefallen an Bildern alter Zeit,
Und freust Dich an dem Abglanz entschwundner Herrlichkeit.«
»Du willst mein Leben malen in Liedern, still für Dich?
Mein Wagner hat's gedichtet in Farben wunderlich;
Was er erschauen mochte von meiner Zauberei,
Davon hat er geschaffen manch treues Konterfei.«
Und Wagner überreichte dem Herrn ein dunkles Buch,
Der meinem Blick es darbot, kein Blatt er überschlug.
Mit Feuerschrift geschrieben war manches an den Rand,
Und Bild auf Bild, hell leuchtend, dem Aug' vorüber schwand.
Und wieder sprach der Doktor: »Magie mit Malerei
Und Sangeskunst im Bunde giebt eine gute Drei.
Der Zaubrer ist ein Dichter, der Maler sollt' es sein;
Der Dichter ist ein Zaubrer, und Maler obendrein.«
»So magst Du singend schildern, was Du von mir gesehn;
Mein Bild soll Deinen Bildern allgegenwärtig stehn.
Mein Sehnen, mein Verlangen, mein nie gestillter Drang,
Mein Zagen, mein Erbangen, mein Fluch, mein Untergang.« –
[8]
Er sprach's, und war verschwunden, den ich so freudig sah;
Mir blieben nur die Kunden von seinem Leben nah.
Ach, matt nur blüht im Liede, was einst so glühend war,
Es bleicht der Glanz der Mythe, der einst so wunderbar.
[9]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Lyrik. Faustus. Ein Gedicht. Weihe. Weihe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-23AE-9