[465] 705. Heidenstadt und Wihtehöhle

Nahe beim Örtchen Alberndorf, das nach Muggendorf eingepfarrt ist, liegt ein Platz von einigen tausend Schritten Umfang, den nennen die Umwohner die Heidenstadt, aber auch die Hundsbrücke. Gespenster und das wütende Heer haben alldort sich häufig sehen und vernehmen lassen; altheidnisch Geld ward dort gefunden von Kupfer wie vom besten Silber; auf der Ebene sind eine große Anzahl trichterförmige Gruben, Mauerreste finden sich noch, und nur eine oder zwei Viertelstunden davon entfernt ist der hohle Berg, sonst das hohle Loch genannt, jetzt aber nach einem Romane bisweilen auch Oswaldshöhle geheißen, darinnen gar mancherlei ober- und unterirdisches Geklüft, absonderlich die Witzenhöhle, mit einem natürlichen Wasserbecken, dabei die Heiden, die hier einen Götzen verehrt, ihre Reinigungen vorgenommen haben sollen. Dieser Götze hieß Witte oder besser Wihte und war ein riesiggedachter Haingott, denn wîhe war in der uralt-deutschen Sprache das gleiche Wort für Hain wie für Tempel, weil andere Tempel nicht vorhanden waren, darin schon an sich der Begriff des Geweihten lag, daher Wicht als Elementargeist, nicht gerade Zwerg, daher die alten Namen Witicho und Wittechind, daher unser Wort weihen, daher der Weihkessel in des Naturgottes Wihte Höhle, welche Benennung der Sprache spätere Abwandlung in Witzenhöhle verdarb; dahin deuten auch die vielen Witchensteine, meist sagenhafte Felsen in waldreicher Umgebung. Will jemand dabei noch an die uralte Benennung der Unholden und runischen Hexenweiber: Pilwizen oder Bilbitzen, denken, so wäre auch solche Deutung nicht uneben, aber der Wihte steht höher. Diese Höhle ist fünfhundert Schritte lang, so lang, als man vom obern Tor zu Bayreuth bis zum untern zu gehen hat; in drangvoller Kriegszeit diente sie den Umwohnern als bergender Zufluchtsort. Manche haben von einem ehemals vorhandenen Bilde des Wihte erzählt, es ist aber, daß es ein solches gegeben, nicht wahrscheinlich, oder es war ein Machwerk späterer Zeiten.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Bechstein, Ludwig. Sagen. Deutsches Sagenbuch. 705. Heidenstadt und Wihtehöhle. 705. Heidenstadt und Wihtehöhle. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-210D-3