Des Königs Liebste.

Damals lebte unweit der Wechslerbrücke ein Goldschmied, dessen Töchterlein ob seiner zauberhaften Schönheit und Anmut in ganz Paris berühmt war. So ward sie allenthalben umworben und zumal ein Advokat beim Parlament, ein Kerl, der mit Silbenstechen mehr Geld verdiente als ein Hund Flöhe hat, war in sie vernarrt und bot dem Vater ein Prunkhaus, um seine Einwilligung zur Ehe zu erkaufen. Der Goldschmied schlug ein und obwohl der Freiersmann eine Affenfratze besaß, deren Backenfalten nur wenige Zahnstümpfe bargen, und er zudem vor Dreck stank wie alle, die zwischen fauligen [59] Prozeßakten und ähnlich mulmigem Müll hocken zwang, er seiner Tochter diese Ehe auf. Selbige aber erklärte stracks auf den ersten Blick: »Gott behüte – nicht um die Welt!« Der Vater schleckte sich bereits den Mund nach dem Hause und rief daher: »Das wollen wir sehen! Ich will es so und du hast zu gehorchen. Mag er dann zusehen, wie er sich dir genehm macht!«

»Ach so,« entgegnete sie. »Nun dann will ich ihm erst meine Ansicht sagen, ehe ich gehorche!«

Und als am selbigen Abende der Advokat nach dem Essen anhub, ihr seine Liebesglut zu entdecken und zu erklären, wie er sie künftig in Gold und Watte packen wolle, da sagte sie kurz und bündig: »Mein Vater hat Euch meinen Leib verhandelt. Aber wißt: wenn Ihr darauf beharrt, dann macht Ihr mich zur Metze, denn eher nehme ich den ersten besten von der Straße als Euch. Und wie man dem Gatten ansonsten Treue schwört, so schwöre ich Euch Untreue bis zum Tode, dem Euren oder meinem!« Und damit weinte sie wie ein richtiges junges Ding (maßen eine rechte Frau nur mehr mit den Augen weint).

Der Advokat hielt das aber nur für Ziererei, die ihn noch gefügiger machen sollte, also daß er sich daran nicht kehrte und sie mit vergnügtem Grinsen fragte: »Also wann die Hochzeit?«

»Morgen,« erwiderte sie, »damit ich mich wenigstens sofort mit Liebhabern ergetzen und ein freies Freudenleben führen kann.«

[60] Der Advokat war vor Liebe blind. Stracks macht er sich auf den Weg, läuft von Hinz zu Kunz, trifft alle Vorbereitungen und läßt über seinen Liebestraum Prozesse Prozesse sein. Indeß vernahm der König, der just von der Reise kam, es gäbe da ein bildhübsches junges Ding, das die glänzensten Anerbieten ausschlüge und die schönsten Mannsbilder abblitzen ließe. Solch Leckerbissen reizte den König und so begab er sich geradeswegs zu dem Goldschmied unter dem Vorgeben, ein Geschmeide für seine Herzliebste zu kaufen, in Wahrheit aber um jenes einzigartigen Juweles willen, das der Laden barg. So konnte er sich natürlich für die vorgelegten Schmuckstücke nicht erwärmen; derweile aber der Alte einen Kasten durchstöberte, um einen besonders prächtigen Diamanten zu suchen, sprach der König zu dem Mägdelein: »Weiß Gott, Ihr seid nicht geschaffen, um Edelsteine zu verkaufen, sondern um sie zu besitzen. Und unter all diesen Schätzen sehe ich nur einen, der mich bezaubert, also daß ich ihm gern minnig zu Diensten wäre und ein Königreich dafür hingeben möchte!«

»Ach, Sire,« erwiderte sie, »morgen werd' ich getraut. Wollet Ihr mir aber jenen Dolch an Eurem Gürtel geben, dann wüßte ich meiner Jugend Blüte Euch zu wahren nach den Worten der Schrift: ›Gib dem Kaiser, was des Kaisers ist‹!«

Flugs gab ihr der König den Dolch; und die Anmut ihrer Antwort warf ihn in einen solchen Liebestaumel, daß er ungesäumt ein Prunkhaus in der Schwalbengasse [61] für sie richten ließ. Indes verlor auch der Advokat keine Zeit und führte zum Kummer seiner Nebenbuhler sein Bräutlein unter Glockenklang und Paukenschall zum Altar. Man praßte bis die Därme platzten, und abends nach dem Tanze betrat er frohgemut das Zimmer, darin die Schöne im Ehebette seiner harren sollte. Aber er fand statt des holden Mägdeleins einen feuersprühenden Drachen, einen rasenden Teufel. Sie kauerte in einem Stuhle vor dem Kamin, dessen Glut ihrem Zorn noch recht einheizte. Als er sich weidlich erstaunt ihr zu Füßen warf, hüllte sie sich noch in totes Schweigen. Als er aber den Rock ein weniges zu lüften suchte, um ein Stücklein ihrer so teuer bezahlten Schönheit zu erblicken, da bekam er einen Schlag, davon die Knochen knackten. Das hob seine Stimmung, sintemalen er so mählig zum erstrebten Ziele zu gelangen vermeinte. Und darum holte er sich vergnügt Hieb auf Hieb und bei der Balgerei konnte es natürlich nicht ausbleiben, daß er ihr bald einen Ärmel zerriß, bald den Rock und so am Ende gar mit der Hand zu dem lieblichen Ziele seines Liebeskampfes gelangte. Darob aber fuhr sie gar grimmig in die Höhe, zückte des Königs Dolch und schrie: »Was wollt Ihr von mir?«

»Alles natürlich!« entgegnete er.

»Hoho, eine Hure wäre ich ja, wenn ich mich wider Willen hingäbe. Glaubtet Ihr meine Jungfernschaft unbeschirmt, so irrtet Ihr. Hier seht des Königs Dolch, mit dem ich Euch töte, sowie Ihr mir nochmals zu nahen [62] wagt!« Dann nahm sie ein Stück Kohle, zog, ohne den Advokaten aus dem Auge zu lassen, einen Strich auf der Diele und fuhr fort: »Dies die Grenze zu des Königs Eigen; wenn Ihr sie überschreitet, gehts Euch schlimm.« Dem Advokaten bedünkte der Dolch kein sonderlich anmutendes Liebesgewaffen. Drum blieb er geknickt abseits und knabberte an dem grausamen Verdikt, dessen Kosten er bereits bezahlt hatte. Wie er nun aber so durch die Risse und Fetzen des Gewandes manch blinkes Stücklein ihres prallen Schenkels und sonstige Herrlichkeiten schimmern sah, da vermeinte er, solch holder Besitz sei auch mit dem Tode nicht zu teuer bezahlt und warf sich mit dem Rufe: »Was schiert mich der Tod!« kühn in des Königs Gebiet. Und sein Überfall gelang so wohl, daß das Mägdelein recht unglücklich auf das Bett taumelte. Doch verlor es nicht den Kopf und verteidigte sich gar gewandt, also daß er nur das Fell des Tierlein zu packen kriegte und dafür einen Dolchstich abbekam, der ihm ein gut Stück Speck aus dem Buckel setzte, ohne ihn aber ernstlich zu verwunden. So kam er leidlich billig davon und sein karger Erfolg verblendete ihn derart, daß er ausrief: »Ohne diesen Wonneleib und seine Liebeswunder vermag ich nicht zu leben! So töte mich denn!«

Und von neuem lief er wider des Königs Veste Sturm. Aber das Mägdelein entgegnete ungerührt: »Gut: wenn Ihr nicht ablaßt, dann töte ich eben nicht Euch, sondern mich!« Und dabei schaute sie gar ingrimmig drein, [63] warob dem Ärmsten angst und bange wurde. Wehklagend ließ er sich auf einen Stuhl sinken und verbrachte die Nacht unter Jammern, Fluchen, Bitten und Versprechungen; ja, er verhieß ihr gar, sie immerdar ungeschoren zu lassen, wenn sie ihm gestatte, nur eine Lanze zu Amors Ehren zu brechen. Aber sie blieb munter, auch als der Tag dämmerte und erwiderte, sein Tod allein könne ihr eine Freude sein: »Ich betrog Euch nicht, ja ich mildere meinen Eid, indem ich mich dem Könige bewahre und Euch solchermaßen nicht mit Lumpen und Fuhrknechten entehre.«

Als es dann Tag ward, schmückte sie sich bräutlich und wartete geduldig, bis ihr abgeblitzter Gatte seinen Geschäften nachging. Kaum war er weg, so eilte sie auf die Straße, um den König zu suchen. Und schon nach wenigen Schritten stieß sie auf einen Untergebenen des Königs, der ihrer harrte und sie allsogleich fragte: »Suchet Ihr den König?«

»Freilich,« erwiderte sie, worob der Höfling geschmeidig sagte:

»So betrachtet mich als Euern ergebensten Freund und geruhet, gleichermaßen meine Interessen zu wahren, wie ich für die Euren sorge.« Und dann schilderte er ihr des Königs Eigenheiten; wie er zu nehmen sei, wie seine Launen wechselten, wie sie aber mit genügender Erfahrung ihn sehr wohl dauernd an sich ketten könne. Und so war sie durch seine Ratschläge bereits eine vollendete Buhle geworden, als sie das Haus in der Schwalbengasse [64] betrat. – Indeß heulte der arme Ehemann wie ein Schloßhund, als er sein Weib nicht mehr daheim vorfand, und sein Jammer rührte sogar seine stets spottbereiten Amtsbrüder, also daß sie auf seinen Trost bedacht ihm zu erweisen suchten: daß er gar kein Hahnrei sei, maßen er seine Eherechte nicht habe ausüben können; und daß sie leichtlich eine Scheidung bewerkstelligt hätten, wäre der Hornemacher nicht just der König. Alles das aber minderte nicht seinen Gram, daran er schier verschied. Und nur die Hoffnung hielt ihn aufrecht, daß er sie doch einmal besitzen und solche Nacht gern mit einem Leben voll Schande bezahlen würde. Aber derweile er seinen Beruf vernachlässigte, blieb sein Weib des Königs Liebste, der an ihr gar nicht genug bekommen konnte, so wohl wußte sie ihn durch ihre Liebeskünste immer neu zu entflammen.

Da geschah es, daß ein Herr von Bridoré sich umbrachte, weil sie ihn nicht hatte erhören wollen, obgleich er ihr all sein Hab und Gut geboten hatte, und das ging ihr gewaltig nahe. Und als sie gar ihr Beichtvater ob jenes Falles hart anließ, da schwor sie sich, ohngeachtet ihres ›Amtes‹ doch künftig solche Angebote anzunehmen und geheime Freuden dafür zu gewähren, um fürder kein Leben mehr auf dem Gewissen zu haben. Solchermaßen schuf sie das große Vermögen, das ihr später soviel Achtung erwarb und rettete gar manches Menschenleben, ohne daß der König merkte, wie sie ihm half, seine Untertanen glücklich zu machen. Obgleich sie [65] allerdings nur den schönsten und angesehensten Herren des Hofes ihre Gunst schenkte, so verbreiteten doch ihre Neider, für zehntausend Gülden könne der simpelste Edelmann sich mit dem Könige in dessen Liebste teilen. Davon ist natürlich kein Wort wahr, denn als ihr selbiger das vorhielt, rief sie stolz: »Tod und Teufel über den, der Euch so etwas vorlog. Niemals hab' ich jemanden erhört, der nicht zum mindesten dreißigtausend Gülden darangab!« Darob mußte der König trog seines wilden Grimmes lachen und um den Klatsch zum Schweigen zu bringen, behielt er sie noch etzwan einen Monat bei sich. Alber zurück zur Geschichte.

Eines Tages ließ sich des Königs Liebste in ihrer Sänfte in der Stadt umhertragen, um neuen Schmuck und sonstiges Liebesgewaffen einzukaufen. Und der Anblick ihrer Schönheit ließ jeden Vorübergehenden vermeinen, er sehe den Himmel offen. Da gewahrte sie unweit des Kreuzes von Trahoir ihren Ehegatten, und ihr zierliches Füßlein, das eben zur Erde niedergleiten wollte, schnellte zurück, als sei es auf eine Natter getreten. Denn sie war eine gute Frau und ich kenne welche, die voll schmählich-kränkender Mißachtung ihren Mann völlig geschnitten hätten. Dem beklagenswerten Advokaten barst schier das Herz beim Anblick dieses holden Füßleins und seines vielgeliebten Eheweibes. Heiße Zähren troffen ihm aus den Augen, und er ward so verwirrt, daß er fast einen biederen Greis über den Haufen gerannt hätte, der sich an den Reizen der Königsbuhle die alten Augen[66] labte. Diese Begegnung ließ des Advokaten Liebesraserei wieder neu aufleben und er schwor sich Leben, Gut und Ehre daranzugeben, um sie zum wenigsten einmal zu umfangen.

Es gibt bisweilen ganz eigenartige Zufälle, wie man sie selbst gar nicht ausdenken könnte. Einen solchen erlebte der Advokat: denn just am Morgen nach dieser Begegnung besuchte ihn ein Klient, ein überaus angesehener Hofmann und bat, ihm unverzüglich zwölftausend Gülden zu leihen. Der gerissene Anwalt entgegnete, eine solche Summe ließe sich nicht aus dem Ärmel schütteln, und abgesehen von den notwendigen Sicherheiten und Bürgschaften gelte es zunächst, einen Menschen zu finden, der soviel Geld herzugeben bereit sei. Solchermaßen wand er sich listig und erkundigte sich dann: »Ihr seid wohl einem Halsabschneider in die Fänge geraten?«

»So annähernd!« meinte jener. »Es handelt sich um des Königs Liebste, also bitte strengste Diskretion! Ich will ihr heut abend gegen zwanzigtausend Gülden und mein Gut zu Brie das Maß nehmen.« Darob erblich der Advokat und der Höfling merkte, daß er sich verhauen haben müsse. Maßen er aber erst eben vom Kriege zurückgekommen war, wußte er natürlich nicht, was vorlag. »Weshalb erblaßt Ihr?« fragte er.

»Ich fiebere etwas,« erwiderte der Kravattenmacher. »Also für diese ist das Geld bestimmt?! Aber wer schließt den Handel ab? Auch sie selbst?«

[67] »O nein, die geschäftliche Abwickelung überläßt sie einer Zofe, die mit allen Hunden gehetzt ist und der sicherlich mancher derartige Gülden an den Fingern kleben bleibt.«

»Aha! Ich kenne nämlich einen Geldgeber, aber auch von dem würdet Ihr keinen roten Heller besehen, dafern nicht die Zofe hier bei mir den Handel abschließt, der so zauberhafte Wirkungen hat.«

»Hei, das wäre ein Spaß, wenn Ihr Euch eine Quittung von ihr geben ließet!« lachte der Edelmann. Und richtig kam die Zofe pünktlich zu dem Advokaten. Die Güldenrollen standen sorglich in einer Reihe wie Nonnen beim Vespergang auf dem Tische, und der blinke Glanz der edlen Herrn machte einem das Herz im Leibe lachen. Und auch dem Zöflein lief offensichtlich das Wasser im Munde zusammen. Angesichts ihrer lüsternen Blicke flötete ihr der Advokat die güldenen Worte ins Ohr: »Dies alles soll Euer sein, ohne Euch sonderlich zu beschweren ...« und dann auf Umwegen: »Jener Herr sagte Euch wohl nicht meinen Namen? So wißt, ich bin der Ehemann Eurer Herrin, die mir der König weggefangen hat. Bringet ihr also dies Geld und seht: hier ist die gleiche Summe für Euch – dafür könnte ich Güter, Männer, Frauen und das Gewissen dreier Pfaffen erkaufen, und so gehe ich wohl nicht fehl in der Annahme, Euch dafür mit Leib und Seele und allem was drum und dran ist, zu kaufen. Als einzige Gegenleistung wünsche ich, daß Ihr dem Edelmann vorerzählt, [68] daß er seine Absichten verschieben müsse, weil der König heute seinen Abend dort verbringen will. Und daß Ihr es sodann einrichtet, daß ich an die Stelle des edlen Knaben und des Königs trete.«

»Aber wie soll ich das machen?« fragte sie.

»Oh, dafür müßt Ihr schon selbst sorgen, sintemalen Eure Schlauheit nun in meinen Diensten steht. Seht Euch nur die Gülden recht gut an, dann wird Euch schon das Nötige einfallen. Und bedenket, daß Ihr ein gar gottgefälliges Werk tut, wenn Ihr ein Pärchen zusammenbringt, das bereits von Priesterhand getraut wurde.«

»I du meine Güte, natürlich!« meinte sie. »Kommt nur: nach dem Essen werden die Lichter gelöscht und dafern Ihr sein den Mund haltet, könnt Ihr Euch an meiner Herrin nach Herzenslust ergegen. Zum Glück pflegt sie in solchem Schäferstündlein mehr zu quietschen als zu schwatzen, zumal sie gar schamhaft ist und so kitzliche Redensarten nicht mag, wie sie bei den Hofdamen im Schwange sind.«

Dann besprachen sie alle Einzelheiten und die Zofe machte sich wie ein Packesel beladen davon. Der Advokat aber stürzt sich in die feierlichen Vorbereiten, als da ist balbieren, salben, parfümieren und was ansonsten einen Aktenwurm zum Stutzer machen könnte; er zieht sich schmucke Wäsche an, verkneift sich beim Essen die Zwiebel, um bei reinlichem Atem zu bleiben, übt sich im Schwänzeln und Schöntun und arztet sogar an seiner [69] Fratze herum. Aber die blieb irreparabel und die Duftwässer hatten nur die Folge, daß er noch ärger stank als sonst. Kurz, er war derselbe widerwärtige alte Rechtsverdreher geblieben, als er sich endlich, trotz der grimmigen Kälte nur schmuckhaft-leicht gekleidet, nach der Schwalbengasse aufmachte. Alldorten mußte er eine gute Weile warten. Aber als er just vermeinte, daß man ihn zum Narren hielte, öffnete ihm das Zöflein die Tür, nun es genügend dunkel war, und so schob er sich überglücklich in des Königs Haus hinein. Das listige Ding brachte ihn in eine Kammer, daran das Bett seiner Eheliebsten stieß und durch eine Spalte konnte er deren Reize bewundern, maßen sie sich just entkleidete und für den bevorstehenden Liebeskampf mit einem gar durchsichtigen Linnenhemde wappnete. Und da sie sich mit ihrer Zofe allein glaubte, ließ sie ihre Zunge lustig spazieren: »Findest du nicht, daß ich heut Abend wohl die zwanzigtausend Gülden mit samt dem Gute wert bin?«


In Selbstbewunderung

Dabei umfaßte sie ihre holden Vorgebirge, die so fest waren wie Bastionen, so manchem Ansturme gewachsen sind. Und wirklich hatten ihnen die grimmen Liebeskämpfe bisher nichts anzuhaben vermocht. »Meine Schultern allein sind ein Königreich wert,« prahlte sie weiter, »und der König selbst vermöchte sie mir nicht zu ersetzen. Aber, weiß Gott, mein Amt wird mir langweilig, immer dieselbe Quälerei, nicht die geringste Abwechslung!« Und als die Zofe lächelte, da meinte die [70] Schöne: »Ich möchte dich einmal an meiner Stelle sehen.«

Nun lachte die Kleine hellauf und sagte: »Nicht so laut, Fräulein, er ist da!« – »Wer?« – »Euer Gemahl.« – »Welcher?« – »Der richtige.« – »Sst,« machte die Schöne und ließ sich schnell die ganze Geschichte erzählen. Dann sagte sie: »Schön, er soll etwas für sein Geld haben. Erst mag er noch gehörig frieren und dann wirst du mich würdig vertreten und solchermaßen deine zwölftausend Gülden ehrlich verdienen. Sag' ihm nur, daß er sich frühzeitig davon machen muß, damit ich nichts von dem Betruge merke. Und bevor es dämmert, werde ich mich statt deiner neben ihn legen.«

Indessen fror der Ärmste, daß ihm die Zähne klapperten. Einmal kam die Zofe in die Kammer, angeblich um ein Stück Wäsche zu holen und sagte dabei: »Wärmt Euch noch eine Weile an der Glut Eurer Wünsche. Die Gnädige trifft heute große Vorbereitungen und Ihr werdet auf Eure Kosten kommen. Aber redet um Gottes Willen nicht mit ihr, sonst bin ich verloren.« – Endlich, als er schon schier zum Eisklumpen erstarrt war, ging das Licht aus; die Zofe kündigte leise an, daß der Herr da sei und schlüpfte dann flugs ins Bett, derweile die Schöne hinausging, als ob sie die Zofe sei. Der Advokat kam darob aus der kalten Kammer, kroch erleichtert unter die Bettdecke und murmelte für sich: »Ha, das tut wohl!« Und alsbald schuf ihm das Zöflein Seligkeiten, die wohl ihre hunderttausend Gülden wert gewesen wären und [71] der Wackere begriff so recht den Unterschied zwischen königlichen Leckerbissen und einer schlicht-bürgerlichen Mahlzeit. Das Kammerkätzlein quietschte und wand sich, sprang und zappelte wie ein Karpfen auf dem Sande und erübrigte durch gefühlvolles Ächzen jedes Plauderwort, kurz, sie spielte ihre Rolle vollendet, nicht ohne vor Vergnügen schier zu bersten. Und sie ging wider alle Angriffe so unermüdlich vor, daß der Advokat schließlich wie ein leerer Sack zusammenklappte und einschlief. Doch hatte er zuvor als Angedenken an diese Wonnenacht seiner Partnerin im Kampfgetümmel ein Büschel Haare ausgerissen (wo, weiß ich nicht, da ich ja nicht dabei war) und diese köstliche Siegesbeute behielt er krampfhaft in der Faust.

Als dann der Morgen dämmerte, glitt die richtige Gattin in das Bett und stellte sich schlafend, worauf das Zöflein ihm auf die Stirn tippte und zuflüsterte: »Es ist Zeit. Rasch in die Hosen und weg! Es wird Tag.«

Der Wackere ward tief betrübt, seinen Schatz schon lassen zu müssen und wollte die Spenderin seines Glückes nochmals anschauen. Dabei blickte er auch prüfend auf seine Beute und murmelte: »Oho! hier blond und dort schwarz?!« Aber die Zofe eiferte:

»Was habt Ihr da angestellt! Wenn nun die Gnädige den Verlust merkt?!« Und dann auf seinen Hinweis mit viel Verachtung: »Wißt Ihr denn bei all Eurer Gelehrsamkeit nicht, daß alles, was man entwurzelt, abstirbt und verblaßt?«

[72] Und damit warf sie ihn hinaus und sie wie ihre Herrin barsten schier vor Lachen über den Spaß. Aber der sprach sich herum und der arme Eisener (so hieß der Alte) starb vor Kummer darüber, daß er am Ende der einzige war, der seine Frau nie besessen hatte. Sie aber, die hinfort nur die schöne Eisenerin hieß, heiratete, nachdem ihr der König den Abschied gegeben hatte, einen jungen Grafen von Buzançois, und noch auf ihre alten Tage lachte sie Tränen, wenn sie diesen Spaß erzählte. Und die Moral davon? Hängt euch nie an Frauen, die nichts von euch wissen wollen!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Balzac, Honoré de. Erzählungen. Die drolligen Geschichten. Des Königs Liebste. Des Königs Liebste. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1E65-0