301. Kind dem Teufel verschrieben.

Ein Bauer, welcher früher reich, jetzt aber arm war, ging einst, über diesen Wechsel betrübt, auf einem seiner vorigen Aecker umher. Da begegnete ihm ein unbekannter Jäger und fragte, warum er so traurig sei. Als der Jäger die Ursache erfahren, sagte er, der Bauer solle ihm [281] dasjenige verschreiben, was derselbe, ohne es zu wissen, besitze, dann wolle er ihm einen großen Geldbetrag geben. In der Meinung, daß er alles, was er habe, kenne, ging der Bauer den Vertrag ein und erhielt, nachdem die Verschreibung gefertigt war, das versprochene Geld. Er brachte es nach Hause und erzählte alles seiner Frau. Da erschrack dieselbe sehr und jammerte, daß sie schwanger sei und er, der dies nicht gewußt, nun sein Kind dem Teufel verschrieben habe. Beide weinten über das große Unglück und beschlossen zuletzt, daß derjenige Mensch, welcher zuerst in ihr Haus komme, das Kind aus der Taufe heben solle. Dies war ein armer Schüler, der um Herberge bat, welche ihm auch gleich gewährt wurde. Auf die Bitte des Bauers, bei ihm Gevatter zu stehen, wollte er, wegen seiner schlechten Kleider, nicht eingehen; als ihm aber bessere versprochen wurden, willigte er gern ein. Demnach hob er das Kind, dessen trauriges Schicksal ihm der Bauer erzählt hatte, aus der Taufe und sagte: es solle, bis es sieben Jahre alt sei, im Kloster unter strengen Andachtsübungen erzogen werden; alsdann wolle er wiederkommen, um, wo möglich, die Rettung desselben zu vollbringen. Nach seiner Abreise wurde das Kind ins Kloster gethan, wo es ein solches Bußleben führte, daß, während die andern Kinder auf Silber aßen, es mit einem hölzernen Teller und Löffel vorlieb nahm. Als dasselbe sieben Jahre alt war, holte es der Schüler ab, und versprach den Eltern, so lange mit ihm umherzuwandern, bis dessen Erlösung ihm gelungen sei. Bald anfangs der Reise kam er in einen großen Wald, zur Hütte eines Einsiedlers, der so fromm war, daß täglich zwei Engel ihn besuchten. Er übernachtete bei demselben, erzählte ihm die Geschichte des [282] Kindes und bat ihn um Hülfe. Der Einsiedler erwiederte, daß er diese nicht zu leisten vermöge, übrigens den Schüler warnen müsse, tiefer in den Wald zu gehen; denn dort wohne sein Bruder, ein Mörder, der ihn sicher umbringen würde. Dieser Warnung ungeachtet, ging am andern Morgen der Schüler mit dem Kinde, welches er stets auf dem Rücken trug, zur Wohnung des Mörders und hielt bei dessen Frau um Herberge an. Sie verweigerte dieselbe, weil ihr Mann, der jetzt abwesend, bei seiner Rückkunft ihn, wo er auch versteckt sei, riechen und dann ermorden würde. Der Schüler ließ jedoch von seiner Bitte nicht ab, erzählte die Geschichte des Kindes, und daß er von dem Mörder Hülfe hoffe. Hierauf versteckte sie ihn mit dem Kind in den Backofen; als aber ihr Mann heimkam, war sein erstes Wort: »Frau, ich rieche Menschenfleisch!« Sie berichtete ihm nun alles und mußte nachher die Versteckten, denen er kein Leid zu thun versprach, herbeiholen. Nachdem der Mörder sich auch vom Schüler die ganze Geschichte hatte erzählen lassen, erbot er sich, dem Kinde zu helfen und hieß ihn mit ihm gehen. Sie kamen an eine Höhle, wo der Mörder zu dem Schüler sagte: »Hier ist der Eingang zur Hölle, in welcher meinem Worte gehorcht werden muß; gehe ohne Furcht hinein und fordere in meinem Namen die Verschreibung zurück; auch gib genau Acht auf alles, was du dort siehst, daß du bei deiner Rückkehr es mich wissen lassen kannst!« Der Schüler ging in die Höhle und durch einen langen unterirdischen Gang bis zu einem Thore, durch welches er in die Hölle kam. Hier richtete er den Befehl des Mörders aus, worauf er die Verschreibung von dem bösesten der Teufel zurück erhielt, der an einer gewaltigen Kette lag. [283] Von demselben erfuhr er auf seine Frage: welchen Zweck der brennende Stuhl habe, der leer in der Hölle stehe – daß dieser für den Mörder, nach dessen Tode, bestimmt sei. Nachdem er wieder heraus und zu dem Mörder gekommen war, berichtete er ihm, was er in der Hölle gesehen und gehört hatte. Da ließ derselbe in seiner Wohnung einen großen Kessel voll Oel über das Feuer stellen, setzte sich, zur Buße für seine Sünden, hinein, schnitt so viele Gelenke, als er Mordthaten begangen, jedes mit einem andern Messer, sich vom Leibe und in den Kessel, und starb so, gräßlich verstümmelt, im siedenden Oel des martervollsten Todes. Hierauf kamen die Engel und trugen seine Seele in den Himmel. Als jene Engel, welche den Einsiedler zu besuchen pflegten, am andern Tage zu demselben kamen, fragte er, warum sie gestern sich nicht hätten sehen lassen, und als sie gesagt, daß sie seinen Bruder in die Seligkeit geführt, rief er voll Grimm und Mißgunst: »So viele Engel meinen Bruder in den Himmel getragen, so viele Teufel sollen mich in die Hölle schleppen!« Da kamen die Teufel und holten ihn in die Hölle, wo er auf den feurigen Stuhl kam, der für seinen Bruder bestimmt gewesen. Das Kind brachte der Schüler den Eltern glücklich zurück, welche für dessen Erlösung Gott und ihm nicht genug danken konnten.

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TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 301. Kind dem Teufel verschrieben. 301. Kind dem Teufel verschrieben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1E2A-7