219. Wolfartsweier.

Dieses Dorf war in alten Zeiten dreimal so groß als jetzt, und seine Markung erstreckte sich bis Grötzingen, wohin seine Kinder in die Schule gingen. Durch den Schwedenkrieg kam es aber so herunter, daß es nur noch sieben Bürger zählte, die, weil die damalige Markung für sie zu groß war, ruhig geschehen ließen, daß die Durlacher einen beträchtlichen Theil derselben (worunter die ganze Strecke vom Tiefenthaler Bache herwärts) an sich rissen. Als die letzteren jedoch hiermit noch nicht zufrieden waren und bis in die Nähe des Dorfs vordrangen, widersetzten sich ihnen die sieben Bürger, indem sie den Mund aufthaten und über ihr Recht vollgültiges Zeugniß abgaben; wodurch sie auch die Durlacher von weiterem Umgreifen abhielten. Die Gegend, wo dies geschehen, heißt im siebenten Mund, und das dortige Gäßlein das siebente Mundgäßlein. Von diesem an bis zum Tiefenthaler Bach muß der Durlacher Rathsherr, welcher an der erwähnten Beraubung die meiste Schuld trägt, seit seinem Tode umgehen. Er erscheint bald als schwarzer Mann ohne Kopf, bald als Fuchs, bald als Hase, oder fährt unsichtbar, wie mit einem Schubkarren, durch die Kronen der Bäume, daß die Aeste brechen. Als der Förster von Au einst am Tag nach dem Fuchse schoß, verschwand derselbe vor seinen [207] Augen, und ihm wurden das Gewehr und einige Finger verdreht.

Wolfartsweier hat seinen Namen daher, weil vor Zeiten dahin in die Kirche gewallfahret worden ist. Damals hat auch auf den Heiligenäckern ein Heiligenhäuslein gestanden. Die Wallfahrt war unter der Pflege von Kapuzinern, die bei der Kirche wohnten und einen großen Schatz zusammenbrachten. Denselben haben sie in das Gewölb unter dem jetzigen Pfarrgarten verborgen, und deßwegen müssen drei von ihnen in dem Garten und dessen Umgebung bei Nacht umgehen. Sie waschen manchmal an dem vorbeifließenden Bach, oder binden in dem Haus beim Garten das Vieh los, welches dann noch am Morgen ganz mit Angstschweiß bedeckt ist. Einer von ihnen trägt in der Brust ein hellscheinendes Licht, und ein anderer, der um Mitternacht an dem hölzernen Steg gesessen, wurde beim Aufstehen und Weggehen so hoch wie ein Baum und von fürchterlichem Krachen begleitet. Auf dem Geländer dieses Stegs hängt zuweilen nachts eine goldne Stole, und in dem Garten zeigen sich öfters nächtliche Flämmchen, wie auch drei Kälber, die die drei Kapuziner sind.

In frühern Jahren fuhr oft im Herbste, gleich nach der Abendglocke, das wilde Heer über Wolfartsweier. Man sah nichts, hörte aber Schießen, Hundegebell und Jagdgeschrei. Vor dem Zuge her rief einer: »Wenn du beschädigt wirst, so verbinde dich mit rohem Garne!«

An der steinernen Brücke gegen Au sahen eines Abends nach der Betglocke der Förster und der Waldhüter einen Haufen glühender Kohlen liegen. Um des Försters Pfeife anzuzünden, hob der Hüter drei dieser Kohlen nach einander auf; sie erloschen aber augenblicklich [208] und wurden von ihm wieder weggeworfen. Plötzlich erblickte jener bei dem Feuer einen schwarzen Mann und hieß nun seinen Begleiter schnell mit fortgehen. Als sie am nächsten Morgen wieder auf den Platz kamen, fanden sie keine Kohlen mehr, wohl aber jene drei, welche der Waldhüter aufgehoben hatte, als baierische Dreußigkreuzerstücke daliegen.

Auf den dortigen Feldern wandelt in den Adventsnächten ein blaues Licht, das bis zum ersten Hause von Wolfartsweier kömmt und dann wieder zurückgeht.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 219. Wolfartsweier. 219. Wolfartsweier. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1A78-8