[303] 332. Heimliches Gericht.

Als der Kurfürst Karl Theodor noch in Mannheim Hof hielt, kamen nachts zu dem Scharfrichter in Landau zwei unbekannte Männer und sagten ihm, er könne ein schönes Stück Geld verdienen, wenn er mit ihnen ginge und ein ganz gerechtes Todesurtheil vollzöge, jedoch ohne zu wissen, wo und an wem. Der Scharfrichter erklärte sich bereit, ließ sich von den Männern die Augen verbinden und fuhr mit ihnen davon. Während der Fahrt achtete er genau auf deren Dauer, merkte, daß es über eine Brücke und durch ein Festungsthor gehe, und bald darauf die Kutsche halte. Nachdem man ihn aus dieser gehoben, führte man ihn viele Staffeln hinauf, welche er heimlich zählte, blieb kurz nachher mit ihm stehen und nahm ihm das Tuch von den Augen. Er befand sich in einem von vielen Lichtern erhellten Gemache, worin um einen Tisch eine Anzahl schwarzvermummter Herren saß. Vor dem Tische stand eine Frau, auch mit verhülltem Gesicht, und in ihrer Nähe ein Richtblock. Einer der Herren las nun der Frau ihr Todesurtheil vor, worauf sie an dem Block niederknieete und ihren Kopf darauf legte. Ohne Bedenken trat der Scharfrichter hinzu und enthauptete sie. Nach diesem ward er reichlich ausbezahlt und mit verbundenen Augen nach Landau zurückgeführt. Um zu erfahren, wo er gewesen, besuchte er mehrere Schlösser und brachte endlich, mit Hülfe dessen, was er sich gemerkt hatte, heraus, daß die Hinrichtung im dritten Stocke des Mannheimer Schlosses geschehen sei. Dies war auch der Fall, und die Enthauptete ein Hoffräulein. Der Grund ihrer Hinrichtung ist unbekannt. [304] Gleich nach derselben wurde die Treppe, auf welcher der Scharfrichter aus dem zweiten Stock in das Vorzimmer des Gemachs geführt worden war, oben und unten zugemauert, auch außen an letzterm ein Kreuz von Erz in die Wand gefügt. In dem Gemache geht das Hoffräulein in weißer Gestalt noch heute um und klagt in wimmernden Tönen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Baader, Bernhard. Sagen. Volkssagen aus dem Lande Baden und den angrenzenden Gegenden. 332. Heimliches Gericht. 332. Heimliches Gericht. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1A59-E