Vom Wasser und vom Wein

Mündlich.


Ich weiß mir ein Liedlein, hübsch und fein,
Wohl von dem Wasser, wohl von dem Wein,
Der Wein kanns Wasser nit leiden,
Sie wollen wohl alleweg streiten.
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man führt mich in alle die Länder hinein,
Man führt mich vor's Wirth sein Keller,
Und trinkt mich für Muskateller.
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Ich laufe in alle die Länder hinein,
Ich laufe dem Müller ums Hauße,
Und treibe das Rädlein mit Brauße.
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man schenkt mich in Gläser und Becherlein,
Und trinkt mich für süß und für sauer,
Der Herr als gleich, wie der Bauer.
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Man trägt mich in die Küche hinein,
Man braucht mich die ganze Wochen,
Zum Waschen, zum Backen, zum Kochen.
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man trägt mich in die Schlacht hinein,
Zu Königen und auch Fürsten,
Daß sie nicht mögen verdürsten.
[38]
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Man braucht mich in den Badstüblein,
Darin manch schöne Jungfraue
Sich badet kühl und auch laue.
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Bürgermeister und Rath insgemein
Den Hut vor mir abnehmen,
Im Rathskeller zu Bremen.
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Man gießt mich in die Flamm hinein,
Mit Spritz und Eimer man rennet,
Daß Schloß und Haus nicht verbrennet.
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man schenkt mich den Doktoren ein,
Wenns Lichtlein nit will leuchten,
Gehn sie bei mir zur Beichte.
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Zu Nürnberg auf dem Kunstbrünnlein,
Spring ich mit feinen Listen
Den Meerweiblein aus den Brüsten.
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Ich spring aus Marmorbrünnelein,
Wenn sie den Kaiser krönen,
Zu Frankfurt wohl auf dem Römer.
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Es gehn die Schiffe groß und klein
Sonn, Mond auf meiner Straßen,
Die Erd thu ich umfassen.
[39]
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man trägt mich in die Kirch hinein,
Braucht mich zum heiligen Sakramente,
Dem Menschen vor seinem Ende.
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Man trägt mich in die Kirch hinein,
Braucht mich zur heiligen Taufen,
Darf mich ums Geld nicht kaufen.
Da sprach der Wein: Bin ich so fein,
Man pflanzt mich in die Gärten hinein,
Da laß ich mich hacken und hauen,
Von Männern und schönen Jungfrauen.
Da sprach das Wasser: Bin ich so fein,
Ich laufe dir über die Wurzel hinein,
Wär ich nicht an dich geronnen,
Du hättst nicht können kommen.
Da sprach der Wein: Und du hast Recht,
Du bist der Meister, ich bin der Knecht,
Das Recht will ich dir lassen,
Geh du nur deiner Straßen.
Das Wasser sprach noch: Hättst du mich nicht erkannt,
Du wärst sogleich an der Sonn verbrannt!
Sie wollten noch länger da streiten, –
Da mischte der Gastwirth die beiden.
[40]

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 2. Vom Wasser und vom Wein. Vom Wasser und vom Wein. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-1273-5