Tragödie

Nach Joh. Georg Tibianus Narration von Wallfahrten. Constanz bey Straub 1598.


Ein Graf von frommem edlem Muth,
An Sitten hochgeehrt und gut,
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Ging täglich in die Kirch zur Zeit,
Von seiner Burg nicht sonder weit.
Und einmal trug es sich da zu,
Daß er sich niedersetzt in Ruh,
Entschläft er betend vorm Altar
Der Sankt Kathrina heilig war.
Ein Jungfrau sah er vor sich stehn,
Mit einer Krone blinkend schön.
Wie Spinngeweb voll Himmelsthau
Wenn Morgenlicht auf Rosen schaut,
Von Demant schien es eine Laube,
Voll Strahlen schien hindurch der Glaube.
An ihrer Seite konnt er schauen
Zwey schöne stehende Jungfrauen,
Doch wie viel schöner die Gekrönte
Aus tausend bunten Vögeln tönte.
Der Jüngling fürcht sich vor dem Wunder,
Er neigt sich, schlägt die Augen unter.
Sie sprach: »Da du doch edel bist,
Wie zeigst du dich unadelich,
Wir kommen darum, wie wir sollen,
Daß wir dich jezt ansehen wollen;
So deckst du deine Augen zu,
In dieser deiner müden Ruh,
Willt du dir ein Gemahl gern freyen,
Hier unter uns erwähl von dreyen!«
Da er nun diese Wort gehört,
Aus seinem Schlaf geschwind auffährt,
Erwacht mit himmlischer Lieb durchgossen,
Seine Augen rannen von ihm erschlossen;
Ein Jungfrau sprach zu ihm da gnädig:
»Nimm die, so jezt mit dir geredet,
Dann wie sie schöner ist als wir
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Kann ich jezund versprechen dir,
Also ist sie vor Gott auch höher,
Und deiner Bitt Gewährung näher,
Ihr Name ist dir wohlbekannt,
Sankt Katharina ist genannt.«
Darauf der Jüngling sie thät grüssen,
Und fiel der Jungfrau still zu Füssen,
Hub an zu weinen inniglich,
Und bat die Heilige demüthlich,
Sie wolle seiner sich des Armen
Allzeiten über ihn erbarmen.
Sie setzt' ihm auf ein Rosenkranz,
Der gab von sich ein Sonnenglanz,
Und sprach: »Nimm diesen Kranz der Liebe
Von mir, die du sollst stetig üben!«
Verschwand also vor seinen Augen,
Mit ihren zweyen Beyjungfrauen.
Da nun der Graf jezund erwacht,
Hat er des Rosenkranz gedacht,
Auf seinem Haupt thät er den finden,
Thät ihn mit Wohlgeruch umwinden.
Nachdem es aber sich begab,
Daß man dem Grafen sehr oblag,
Und wider Willen muß er freyen,
Das ihm doch übel thät gereuen! –
Ihm ward in seinem jungen Leben
Ein schöne edle Jungfrau gegeben,
Ließ doch von der Gewohnheit nicht
All Tag er Katharinen bitt,
Daß sie ihn darum nicht woll hassen,
In seinen Nöthen nicht verlassen.
Da nun sein Hausfrau schwanger ging,
Sie einen Argwohn auch empfing,
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Wenn er ging nach Kathrinen Kirche
Thät sie in ihrem Herzen fürchten,
Er möcht vielleicht in diesen Tagen
Ein lieber dann sie selber haben.
Einsmals bestellt sie eine Magd,
Zu der sie diese Worte sagt:
»Wo geht mein Herr all Morgen hin?«
Die Magd sagt ihr aus bösem Sinn:
»Ich weiß wohl, wo er hingegangen,
Hat nach des Pfaffen Schwester Verlangen.«
Die Frau ward ob dem Wort betrübt,
Weil sie den Grafen allein nur liebt,
Da nun der Graf zurücke kam,
Der Frauen Traurigkeit vernahm,
Fragt er, warum sie traurig wär,
Sie sagt, sie hörte böse Mähr,
Wie er ging täglich umher buhlen,
Zu des Pfarrers Schwester in die Schulen.
Er sagt: »Du hast nicht recht gehört,
Oder bist sonst worden bethört,
Die ich lieb hab in meiner Pflicht,
Die ist des Pfarrers Schwester nicht,
Es ist ein andere der Frist,
Die tausendmal viel schöner ist.«
Stand also auf von seinem Bett,
Als wenn er noch zu buhlen hätt,
Ging doch nur wieder von ihr hin,
Wie vor auch zu Sankt Katharin.
Ob dieser Antwort das Gemüth
Der Gräfin war so tief betrübt,
Sie sprang im Zorn vom Bett herab
Und stach sich selbst die Kehle ab.
Der Graf von dem Gebet heimkam,
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Die Trauerbotschaft nun vernahm,
Sah sein Gemahl des Tods verschieden
Und dort im Blut umwälzet liegen,
Erschrack er sehr, sein Herz ward kühl,
Daß er in ein Ohnmacht hinfiel.
Da er nun wieder zu sich kam
Hub bitterlich zu weinen an,
Klopft an sein Herz, rauft aus sein Haar,
Und sprach zu sich in der Gefahr:
»O heilge, heilge Katharin,
Sieh an, in welcher Noth ich bin,
Ach ich hab meine Treu verloren,
Und bin meineidig an dir worden.«
Mit diesen Worten lief er hin
Zur Kirche der Sankt Katharin,
Mit Seufzen er sein Bitt vorbracht,
Bis um ihn her war dunkle Nacht,
Und traurig prächtig Stern bey Stern,
Durchs Kirchenfenster sah von fern.
Mit ihren Jungfrauen da erschien,
Die heilge Jungfrau Katharin,
Dem Grafen, der vor dem Altar,
Da lag und halb entschlafen war.
Ging zu ihm hin, wischt seine Augen
Mit ihren beyden Beyjungfrauen.
Sie sprach zu ihm: »Hast unrecht gethan,
Daß du mich so verlassen Mann,
Auf dich genommen andre Last,
Dein Treu an mir gebrochen hast,
Doch hast du mich ziemlicher massen
Geliebt und mich nicht gar verlassen.
Steh auf und geh mit Freuden heim,
Dir soll diesmal geholfen seyn.
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Dein Hausfrau ist lebendig worden,
Hat eine Tochter dir geboren.
Die wird dir lange Zeit nachleben,
Der sollst du meinen Namen geben,
In ihrem Gebet wird sie sich üben,
Daß Gott der Herr sie sehr wird lieben,
Also, daß sie in einem Jahr
Den Großvater aus grosser Gefahr
Des Fegefeuers erlösen wird,
Der immer noch im Feuer irrt.«
Sie neigt sich ihm, wischt seine Augen,
Die Thränen ihr Händ einsaugen.
Doch wie der Bircken weisse Rinde,
So wächst ein Handschuh davon geschwinde
Auf ihren Händen weiß wie Schnee,
Den streift sie ab, als sie zur Höh,
Der fällt und weckt ihn am Altar.
Da er vor Kummer schlafen war,
Er findet einen Handschuh weiß,
Wie niemand ihn zu weben weiß.
Ein Bote kam: Herr kommt herüber,
Denn euer Gemahl, die lebet wieder,
Und hat in diese Welt geboren
Ein schöne Tochter auserkohren.
Ob dieser fröhlichen Botschaft
Erhielt der Graf zurück die Kraft,
Stand auf und dankte Katharin,
Den Handschuh steckt zum Helme kühn,
Zog wiederum zu seiner Frauen,
die er mit Freuden an thut schauen,
Und küßt das Kind, umfängt das Weib,
Drückt sie zu sich an seinen Leib,
Fing an zu weinen gleich dem Kind,
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Bat um Verzeihung seiner Sünd,
Die Gräfin sprach: »Wir sollen loben
Sankt Katharin im Himmel droben,
Denn da ich mich vor Leid getödtet,
Und lag in allen meinen Nöthen,
Zu mir schon kamen höllsche Knaben,
Mein Seel sie wollten genommen haben,
Da hat die heilge Katharin
Für mich gebeten; Gott verziehn,
Daß er den Leib der Seel noch liesse,
Daß sie in ihm noch könnte büssen.« –
Die Gräfin ließ ein Kloster bauen,
Die Tochter im Gebet zu schauen,
Der Graf zog ins gelobte Land
Vom Handschuh grosse Kraft empfand,
Den Rosenkranz, den Handschuh weiß
Ins Kloster gab nach seiner Reis.

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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Des Knaben Wunderhorn. Band 2. Tragödie. Tragödie. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-113A-D