Der preußische Adler

Dezember 1805.

In das Stammbuch des junge Goethe geschrieben.

Im Wagen schwank' ich hin und her,
Beschaue mir die Welt.
Den Kopf so voll, den Sinn so schwer,
Der mir auf's Herze fällt.
[8]
Die Pferde treib' ich rauchend fort,
Daß mir die Luft versagt;
Für jeden Sinn ist nur ein Ort,
Ein Wort nur das ihn klagt.
Der stillen Tannen Fackeltanz,
Wo ich vorüber wall,
Er tanzt vorbei im Abendglanz
Ermüdet überall.
Ich wein, weil in den kalten Wind
Zu viel Vernunft gelegt.
Als wär' die Sonn zu heiß gesinnt,
Die mir im Herzen wegt.
Was leidend schafft und schafft in Leid,
Kam mir nicht wieder vor.
Und hinter mir, da liegt es weit,
Verschlossen ist das Thor.
O Wissenschaft, wie sprichst du leis,
Du hast die schwächste Brust;
O süße Kunst, verbrennst du heiß
Das Herz in Liebeslust.
Ich halte auf die raschen Pferd',
Nun bleibt die Welt mir stehn;
Mein Herz so dumpf, mein Sinn so leer,
Muß wieder rückwärts sehn.
Wo ist mein eigner Schatten hin,
Den ich rings um mir sah?
Verzogen ist er ohn' Gewinn,
Und war mir doch so nah!
[9]
Ich stör die Vögel in dem Wald
Mit meinen Klagen auf;
Sie fallen aus dem Neste bald,
Ich heb' sie nimmer auf.
Doch wie mit zweien Flügel strebt
Ein Kriegesheer herbei,
Mein Herz wird still, mein Ohr sich hebt,
Die Welt wird wieder neu.
Was singet ihr von Jugendbraus!
Wie euch ein Schloß erscheint,
Ihr dringet in kein Hochzeithaus,
Ihr dringet in den Feind.
Das Kriegsheer

»Warum der Wald so wiederklingt,
Die Sonn' sich wieder zeigt?
Der Lorbeer aus der Erde dringt,
Wie sich der Berg ersteigt.
Warum wir singen, thun wir kund;
Wie's im Gefieder weht,
So singen wir aus unserm Mund,
Wohl dem, der es versteht.
Macht keine Langenweile Gott,
So seid ihr tugendhaft,
Die Klagen sind auf ihn ein Spott,
Sein Lob ist unsre Kraft.«
Ja, ich versteh des Vogels Sang,
Verstehe seinen Flug;
Was mich zuerst macht angst und bang,
O tief geheimer Zug!
[10]
Du gleicher Takt, du Trommelschlag,
Du ziehst mich wie Magnet,
Was mich aus Eisen hat gemacht,
Mich richtet auf, erhöht.
Ich spanne meine Pferde aus,
Laß frei, die ich gesellt,
Mir zeigt ein Vogel nun sein Haus,
Mich in den Flügeln hält.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Gedichte. Ausgewählte Gedichte. Der preußische Adler. Der preußische Adler. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0F13-1