Ludwig Achim von Arnim
Nachlese

[1] Die Zurückhaltende

Wär mir's an die Stirn geschrieben
Wär ich nimmer hier geblieben,
Wär's am Aug mir abzusehen
Würde ich in Angst vergehen,
Könnte er ins Herz mir sehen,
Würd es lange stille stehen!
Sey gepriesen blinde Nacht,
Wo ich ruhig sein gedacht,
Sey gepriesen dunkler Schleier
In die Welt seh ich nun freyer,
Sey gepriesen edle Kraft,
Die im Schlafe bildend schafft,
Ja der Herr verlässt doch keinen,
Giebt's im Schlafe all den Seinen.

[1] [6]Verlorene Zeit

Für die Liebe zu zart,
Für die Gedanken zu schnelle,
Eilest du Gegenwart,
Nahende fliehende Welle;
Alles sich spiegelt in dir,
Dir nach sehen wir sehnend von hier,
Stürzten uns gerne dir nach:
Dich erreichet kein Ach!
[6]
Dich erreichet nur die Lust,
Strebend dir nach in der schwimmenden Brust,
Dich erreicht sie im Meer;
Ach wer nur dort erst wär',
Wo viel tausend Wellen
Sich in der Sonne gesellig erhellen!

Ermunterung

Thue doch die Augen auf,
Liebe Seele, aus dem Überdrusse,
Sieh den Fluß im schnellen Lauf
Sieh der Wolken ruhend Bild im Flusse!
Steht das fest und kann nicht mitverfließen,
O so bleibt auch ruhiges Genießen,
Stehet überm Strom der flüchtgen Zeit,
Schafft sich träumend eine Ewigkeit.
Weinet auch die Rebe heut,
Sie muß grünen, blühen, Früchte tragen;
Laß der Knospe Heimlichkeit
Vor dem hellen Lichte anfangs zagen;
Daß sie aufbricht, möcht' das Herz ihr brechen,
Doch sie wird sich bald im Glanze rächen,
Wie's ihr geht, so ging's ja aller Welt,
Liebe Seele, sei zur Lust gesellt!

[7] [9]Wär' mir Lautenspiel nicht blieben

Wär' mir Lautenspiel nicht blieben,
Ach wie sagt ich dir was lieben?
Doch die vielgebrauchten Worte
Öffnen klingend sich die Pforte,
Zu der tiefen Herzenskammer.
Neue Freude, alter Jammer,
Alles was in mir empfunden,
Ruft in einem Klang verbunden.
Wär mir Lautenspiel nicht blieben,
Wie ertrüg ich all das Lieben,
Dieses Rauschen in den Wellen,
Dieses Mondes früh Erhellen,
Dieser Bäume tausend Zungen.
Was gelebt ist nicht verklungen,
Alles, alles kehret wieder,
Holde Geister, selge Lieder.

[9] Nachtgefühl bey einer Rose

Ein Stern der Lieb' im Himmelslauf
Die offne Brust mit Glanz mir kühlt
Ein Frühling warm im Herzen spielt,
Ein neues Röslein blüht darauf:
Du bist der Stern voll Lieb und Lust,
Dein Athem kühlet meine Brust,
Du bist der Frühling, der mich wärmt,
Der in des Herzens Blume schwärmt,
Du hast die Ros' ans Herz gelegt,
So blühst du aussen, blühst darin,
Die Frühlingskraft sich doppelt regt,
Das Röslein wächst und füllt den Sinn,
Ich schwebe in dem Liebes Duft,
Unendlich scheint das Blau der Luft.
Ihr Sterne wähnt in Winternacht,
Daß ich von süssem Weine glüh'.
O freut euch, wie ich einsam blüh,
Mein Herz bey einer Rose wacht;
Sie ist der Wein von dem ich glüh,
Die ich tiefathmend an mich zieh,
Sie ist von dir der Liebesschein,
Du bist in ihr nun doppelt mein,
Gern thät sich Lust in Worten kund
So lebenswarm, wie Tropfen Blut,
Doch mir das Röslein schliest den Mund
Und thut da kühlend mir so gut;
Die Augen füllt ein süsser Drang:
O Liebesthau, inThränen Dank.

[10] Stolze Einsamkeit

Melodie von Louise Reichardt


Im Walde, im Walde, da wird mir so licht,
Wenn es in aller Welt dunkel,
Da liegen die trocknen Blätter so dicht,
Da wälz ich mich rauschend daunter,
Da mein ich zu schwimmen in rauschender Fluth,
Das thut mir in allen Adern so gut,
So gut ist's mir nimmer geworden.
Im Walde, im Walde, da wechselt das Wild
Wenn es in aller Welt stille,
Da trag ich ein flammendes Herz mir zum Schild,
Ein Schwerdt ist mein einsamer Wille,
Da steig ich, als stieß ich die Erde in Grund,
Da sing ich mich recht von Herzen gesund
So wohl ist mir nimmer geworden.
Im Walde, im Walde, da schrei ich mich aus,
Weil ich vor aller Welt schweige,
Da bin ich so frey, da bin ich zu Haus.
Was schadt's, wenn ich thörigt mich zeige,
Ich stehe allein, wie ein festes Schloß,
Ich stehe in mir, ich fühle mich groß,
So groß als noch keiner geworden.
Im Walde, im Walde, da kommt mir die Nacht,
Wenn es in aller Welt funkelt,
Da nahet sie mir so ernst und so sacht,
Daß ich in den Schoß ihr gesunken,
[11]
Da löschet sie aller Tage Schuld,
Mit ihrem Athem voll Tod und voll Huld,
Da sterb ich und werde geboren.

Abendempfindung

Wie die Tage nehmen ab!
Dunkel wird's hier wie ein Grab,
Abend glänzt, die Bäum am Fenster
Funkeln, rauschen hin und her,
Und die Schwalben, wie Gespenster
Schiessen pfeilschnell kreutz und quer.
In den Büchern wird es trübe
Aller Sinn mir fast vergeht,
Zwielicht scheut der Weisheit Liebe,
Lieb im Freyen sich ergeht;
Und die Nächte nehmen zu
Zu der Liebe Lust und Ruh.

[12] [17]Nur was ich liebe, das ist mein

Nur was ich liebe, das ist mein,
Und kann nur immer meiner werden,
Du magst mich fliehn, du bleibst mit mir allein,
Was ich in dir geliebt, das bleibt mir rein.
Gehört dem Flügel dieser Ton,
Den meine Finger traurig weckten,
Nein du bist mein, dir selber recht zum Hohn,
Was ich in dir erblickt, gehört mir schon.
Dein Haus ist meine, denn von dir
Ist es erfüllt mit schönen Düften
Ist mein die Perl, gehört die Schal auch mir,
Was ist sie ohne dich, die ihre Zier.
Und was ich habe, das ist dein,
Ich kann es ohne dich nicht leiden,
Ich muß ihn fliehn, den lichten grünen Hayn,
Der liebe Waldhorn Klang wird mir zur Pein.
[17]
Ich werf ins Feuer, was von dir,
So manch erstohlnes Angedenken
Du bist ganz mein, ich nichts dabey verlier,
Daß dieser Abgott brennt, der Gott bleibt mir.
Ich geb die Seele, du bist mein,
Du kleines Teufelchen must mir nun dienen,
Du hast verführt mit schönem Augenschein,
Sey alles falsch und untreu, du bist mein.

[18] Liebe sucht die heitern Töne

Liebe sucht die heitern Töne,
Aller Zeiten Frühlingsschöne,
Einzig schmerzt ihr, daß die Töne
Fliehen, eh sie Liebe kröne.
Suche auf in grünen Bergen,
Wo die Töne sich verbergen,
Ob sie sind bewacht von Zwergen,
Ob geraubt von Morgenlerchen?
Suche sie im stillen Thale,
In dem dunklen Sternensaale,
In der Seen grüner Schale,
Auf der Felsen moosger Kahle.
Felsen selbst, von Lieb umrungen,
Hat die Wurzel kühn durchdrungen,
Nicht dem Haß ist Sieg gelungen,
Liebe hält sie fest umschlungen.
[19]
Sie vereinet ferne Ströme,
Eint den Fels mit Wolkenschöne.
Daß der holde Sieg dich kröne,
Sei wie meines Liedes Töne;
Das so still in meiner Seele,
Nimmer dringt durch meine Kehle:
So verhehle dich und stehle
Meinen Gruß aus meiner Seele!

So bist du nicht verloren

So bist du nicht verloren,
So warst du dennoch mein!
So bin ich nicht verloren,
So bin ich wieder dein!
Ich ging in mir verloren
Weit in die Welt hinein,
Ich ging mit tausend Thoren
Und fand mich ganz allein.
[20]
Ich hatt' den Weg verloren
In tiefer Nacht allein,
Da klangs mir vor den Ohren,
Im Aug ward Dämmerschein.
Es klang: Was du verloren,
Das ist der Glaub allein,
Die Liebe, treu beschworen,
Die wird auch ewig sein.
So stand ich vor den Thoren
Und ging zu Liebchen ein,
Da hat sie neu beschworen,
Daß sie doch einzig mein.
Ich bin zum Glück geboren,
Und war in schwerer Pein,
Die Lieb hat mich erkoren
Aus einer Welt allein.
Ich bin wie neugeboren,
Von allem Leben rein,
Und was mir angeboren
Ist alles, alles Dein.

Je tiefer wir in uns versinken

Je tiefer wir in uns versinken,
Je näher dringen wir zur Hölle,
Bald fühlen wir des Gluthstroms Welle,
Und müssen bald darin vertrinken;
Er zehrt das Fleisch von unserm Leibe,
Und öde wird's im Zeitvertreibe,
In uns ist Tod!
Die Welt ist Gott!
O Mensch, laß nicht vom Menschen los,
Ist deine Sünde noch so groß,
Meid nur die Sehnsucht nach den Sünden,
[21]
So kannst du noch viel Gnade finden;
Wer hat die Gnade noch ermessen?
Es kann der Mensch so viel vergessen!

Sing, Vöglein, das den Zweig bewacht

Sing, Vöglein, das den Zweig bewacht,
Ich leg nicht an zum Schießen!
Du singest mir von guter Nacht,
Du mußt mein Liebchen grüßen:
O könnt' ich mich so singen aus,
Sie müßt' es einmal hören,
Sing, Nachtigall, hier ohne Graus,
Ich will dich nicht mehr stören.
So weich wie deine Federlein
Bin ich von süßen Wehen,
Ich gehe in den Wald hinein,
Mag doch kein Blut mehr sehen.
Ein Thränlein auf das Pulver fällt,
Und löschet alles Feuer;
Dir Nachtigall bin ich gesellt,
Und traure in der Feier.

[22] An Bettine

Ein Sternenhauch vom Himmelslauf,
Die offne Brust mit Glanz umkühlt,
Ein Frühling neu im Herzen spielt,
Ein neues Röslein blüht darauf;
Du hast es mir an's Herz gelegt,
So bist du draußen, bist darin,
Des Frühlings Kraft sich doppelt regt,
Das Röslein wächst und füllt den Sinn;
Ich schwimme in dem Liebesduft,
Unendlich scheint das Blau der Luft.
Du fragst mich, Stern der Winternacht,
Ob ich von süßem Weine glüh';
O freu dich, wie ich duftend blüh'!
Mein blühend Herz beim Röslein wacht,
Gern thät' es sich mit Worten kund,
So lebenswarm, wie Tropfen Blut,
Doch schließt das Röschen schon den Mund,
Und thut da kühlend mir so gut;
Die Augen füllt ein süßer Drang,
O Liebesthau, o frommer Dank!

Wiegenlied im Freyen

Goldne Wiegen schwingen
Und die Mücken singen,
Blumen sind die Wiegen,
[23]
Kinder drinnen liegen,
Auf und nieder geht der Wind,
Geht sich warm und geht gelind.
Wie viel Kinder wiegen?
Wie viel soll ich kriegen?
Eins und zwey und dreye,
Und ich zähl auf's neue,
Auf und nieder geht der Wind,
Tausend Blumen wiegt geschwind.
Was zu viel, das ist zu viel,
Und ich frage nicht zum Spiel.
Drüben auf den Aesten wiegen
Sich zwey Aepfel ganz allein
Sich zu mir so freundlich biegen
Röthen ihre Backen klein
Und ich les' in ihren Zügen
Schuldlos Küssen, mein Vergnügen.
Und ich brech mit heiterm Singen
Diese Aepfel mir zum Schmaus
Und aus meinen Wangen dringen
Auch zwey Kinderköpf heraus,
Werd so viele Kinder bringen
Als hier rothe Aepfel hingen.

Goldne Wiegen schwingen

Goldne Wiegen schwingen
Und die Mücken singen,
Blumen sind die Wiegen,
Kindlein drinnen liegen,
Auf und nieder geht der Wind,
Geht sich warm und geht gelind.
[24]
Wie viel Kinder wiegen?
Wie viel soll ich kriegen?
Eins und zwei und dreie,
Und ich zähl' auf's neue!
Auf und nieder geht der Wind,
Und ich weine, wie ein Kind!

[25] [32]Hochzeit-Karmen

Glücklich bist du junger Mann,
Der ein Weib gefunden,
Die kein andrer leiden kann,
[32]
Du bist fest verbunden;
Ohne Argwohn bleibt dein Herz
Bei der Jungfrau Kranze,
Lachend weicht der leere Scherz
Von dem Hochzeittanze.
Du nur kennest ihren Reitz,
Andern scheint sie häßlich,
Doch sie bringet deinem Geitz
Reichthum unermeßlich;
Geld zu zählen ist dein Glück,
Liebe stört dich nimmer,
Und du siehst im schielen Blick
Nur des Gelds Geflimmer.
Hat Rubinen im Gesicht
Satan ihr gedroschen,
Ist die eitle Lust doch nicht
In dem Weib erloschen;
Täglich tüncht sie weiß und roth
Ihre falben Wangen,
Und in Kleidern überbot
Alle, die hier prangen.
Eine Brille must du heut,
Dir zur Hochzeit kaufen,
Deren Gläser allezeit
Russig angelaufen;
Wie zur Sonnenfinsterniß
Kannst du so sie schauen,
Und kein blendend Hinderniß
Macht dir vor ihr Grauen.
Zweye machen stets ein Paar,
Schlafe fest und lange,
Eifersucht krümmt dir kein Haar,
Sei davor nicht bange;
Weil es der Gewohnheit List
Kriegst du bald auch Kinder,
[33]
Töchter, wie die Mutter ist,
Häßlich auch nicht minder.
Schlag nur alle Spiegel ein,
Eh es morgen helle,
Doppelt wär sonst deine Pein
Armer Schlafgeselle;
Leite ab den glatten Bach,
Laß kein Silber putzen,
Daß bei ihrem Bild kein Ach
Kann der Liebe trutzen.
Zieh mit ihr ins Morgenland,
Wo das Weib den Schleier
Für die Häßlichkeit erfand,
Naht der schöne Freier:
Zieh in jedem Fall von hier
Mit dem lieben Weibe,
Denn beim Stix, ich schwöre dir,
Daß ich sonst nicht bleibe.

[34] [64]Nochmals

Ich sehe ihn wieder
Den lieblichen Stern,
Er winket hernieder,
Er nahte mir gern;
Die Haare ihm fliegen,
Er eilet mir zu!
Das Volk träumt von Kriegen,
Ich träume von Ruh';
Die Andern sich deuten
Was künftig daraus;
Vergangene Zeiten
Mir leuchten in's Haus.

[64] [66]Neuer Baustil

Die alte Kirche ragt so hoch empor,
Ein festes Haus, obgleich schon lang ergraut,
Als würfe sie den andern Häusern vor,
Wie sie so blinkend und so schwach gebaut.
Den Vorwurf nimmt die Stadt gar übel auf,
Sie wünscht sich eine Kirche, die wohl paßt
Zu ihren Häuschen, rings gebaut zum Kauf,
Die Kirche scheint ein fremder, stolzer Gast.
Viel Meister senden ihre Plane ein,
Kein einziger der Bürgerschaft gefällt,
[66]
Sie scheinen alle für den Platz zu klein,
Zu großem Bau fehlt doch das alte Geld;
Bis sich der jüngste Meister hat erdacht,
Wie droben an den alten Thurm sich stellt
Ein römisch Säulenheer, und jung ihn macht,
Indem er es in Vaterarmen hält.
Ein römisch Basrelief ist angebracht,
Und Götter, die zu Heil'gen umgetauft,
Auch der Titanen alte Riesenschlacht
Als Satans Fall rings um die Simse lauft;
Es wird kein Stein des Alten abgehaun,
Nur wie die Schwalbe klebt ihr kleines Nest,
So ist das neue Werk im Plan zu schaun,
Ihn wählt und rühmt die Stadt und hält dran fest.
Gar bald umkleidet sich das alte Werk
Mit glattem Marmor weiß, mit Porphir roth,
Und trägt das alles, denn es hat die Stärk',
Und mancher Bildner findet da sein Brot.
Im Wettkampf mit antiker Bildnerei
Meint jeder Künstler, daß er schaffe neu,
Doch bleibt es beim gewohnten Einerlei,
Denn wer nicht vorwärts dringt, trifft nebenbei.
Das Kleid ist angelegt dem Kirchenthurm,
Und nächtlich wird die Rüstung abgethan,
Da rauscht am Morgen Jubelschrei wie Sturm,
Und macht sich froh durch alle Gassen Bahn,
Und jeder bringt ein dreifach Lebehoch
Dem jungen Meister, der den Bau vollbracht,
Der wie ein Sieger früh zum Werke zog,
Das jetzt so jung und frisch zum Himmel lacht.
Die Stadt läßt ihm zur Ehr die Glocke ziehn,
Sie war's die sonst verkündet Fest und Sieg,
Die große Glocke, die von Alter grün,
Und die beim Bau so lange traurig schwieg:
Doch wie er kaum den ersten Ton gehört,
[67]
So sieht er wanken seiner Säulen Pracht,
Die Schwingung hat den Steinverband zerstört,
Der Neu und Alt zu einem Bau gemacht.
Die Säulen, Bilder stürzen in den Staub,
Gern hemmte er den starken Glockenklang;
Doch die da läuten, sind dem Rufe taub,
Kein Schrein durch diese Glockenstimme drang;
Die Glockenzieher hören nicht die Noth,
Der mächt'ge Klang ihr ganzes Ohr erfüllt,
Sie läuten, wie die Bürgerschaft gebot,
Die volle Stunde, bis die Uhr sie stillt.
Ja, als sie nun zur Thüre gehn hinaus,
Sie sehn verwundert angehäufte Stein',
Als wär zerschossen dieses Gotteshaus,
Als ob der Erde Toben brach herein;
Der Meister hat der Menge sich versteckt,
Daß ihn ihr blindes Wüthen nicht erfaßt,
Da ist's, als ob ein Freudenruf ihn weckt,
Und ihn entreißt des Vorwurfs schwerer Last.
Wohl ist es Freude, die so laut erschallt,
Und die ihm leicht vergiebt sein Ungeschick,
Der Anblick ist so neu und auch so alt,
Erinnerung erfüllt mit Glanz den Blick,
Denn aus dem Abgefallnen unversehrt
Steht da der alte Thurm in Glaubensmacht,
Der schwarze Staub ist von ihm abgekehrt,
Die alte Zeit erscheint in neuer Pracht.
Hört, wie das falsche Kleid herniederfiel,
So war es wie ein Ruf aus aller Brust:
Der alte Bau war ächter deutscher Styl,
Laßt jenen Römern ihre eigne Lust:
Ein wahrhaft Neues was dies Alte einst,
Ein Strahl des Ew'gen in den Geist der Zeit,
Wenn du im Geist zu neuem Werk erscheinst,
Gieb neuem Bau des Alten Haltbarkeit.

[68] Fabel von einer kleinen Kirche in einer großen Stadt

Lang stand die Kirche klein und enge,
Von hohen Häusern fast versteckt,
Ihr Glöcklein gab nur sanfte Klänge,
Kein Reicher ward davon erweckt;
Nur Handwerksleute, ganz geringe,
Die gingen alle Sonntag hin,
Daß sie ein heilig Wort durchklinge
Mit treuem Muth, mit mildem Sinn.
In diesem Kirchlein abgelegen,
Gar unbeachtet von der Welt,
Ein alter Herr mit großem Segen
Seit funfzig Jahren Predigt hält;
Und Keiner wußte in Pallästen,
Daß er so herrlich dient der Stadt,
Von seinen armen Sonntagsgästen
Wird jeder geistig voll und satt.
Da kommt ein Krieg, macht bang die Reichen;
Wohl Mancher hört das Glöcklein nun,
Und möchte sich mit Gott ausgleichen
Und gleich den armen Leuten thun,
Und hört des ew'gen Worts Vertrauen,
Im Kirchlein von dem Gottesmann,
Und fühlt ein kräftiges Erbauen
Und fährt im Glück da wieder an.
Bald rollen nach die hohen Wagen,
Und einer zieht den andern fort,
Die Brillen junger Leute sagen:
Daß viel zu sehen sey am Wort.
Die bunten Pelze, Federhüte,
Die ziehen hin, auch wenn's zu spät:
Sie nennen dies der Kirche Blüthe,
Als ob nun Andacht erst geräth.
[69]
Sie drängen sich zu allen Stühlen,
Die Armen machen willig Platz,
Sie freuen sich, daß Reiche fühlen,
Was in dem Alten für ein Schatz;
Der Duft der Werkstatt ganz verschwindet
In Wohlgerüchen geistig fein;
Doch der Gebildete jetzt findet:
Daß arme Leute gar sehr schrein.
Ist voll ihr Herz, ihr Mund geht über,
Wer singen lernte, singet sacht;
Bequem seyn ist den Reichen lieber,
Sie nehmen alle Stühl' in Pacht,
Das treibt die Armen von den Sitzen,
Die Mancher ein halbhundert Jahr:
Durch die Verjährung zu besitzen
Und zu vererben sicher war.
Wär Glaube bei euch Reichen mächtig,
Ihr schafftet Platz für jedermann,
Ihr bautet eine Kirche prächtig,
Die Kutscher führen Steine an,
Ihr lobt den Plan zur großen Kirche,
Doch euer Lob regt keinen Stein,
Fabriken baut ihr wie Gebirge,
Die Gotteshäuser fallen ein.
Getrost ihr Armen, laßt euch lehren,
Vorüber ging hier Manches schon,
Bald wird die Neugier andre ehren,
Und spricht dann eurem Alten Hohn;
Ich seh vor manchem Gotteshause
Der Kutschen Reih, als wär da Schmaus,
Und jetzt, als wär es arm vom Schmause,
Wächst Gras davor, sie blieben aus.

[70] [80]O grüner Baum des Lebens

O grüner Baum des Lebens,
In meiner Brust versteckt,
Laß mich nicht flehn vergebens!
Ich habe dich entdeckt.
O zeige mir die Wege
Durch diesen tiefen Schnee,
Wenn ich den Fuß bewege,
So gleit' ich von der Höh'.
Ich bliebe dir gern eigen,
Ich gäb' mich selber auf, –
Willst du den Weg mir zeigen,
Soll enden hier mein Lauf?
Mein Denken ist verschwunden,
Es schlief das Haupt mir ein,
Es ist mein Herz entbunden
Von der Erkenntniß Schein.
Ich werd' in Strahlen schwimmen,
Aus dieses Leibes Nacht,
Wohin kein Mensch kann klimmen,
Mit des Gedankens Macht.
Es ward mein Sinn erheitert,
Die Welt mir aufgethan
Der Geist in Gott erweitert,
Unendlich ist die Bahn!

[80] Wacht auf mit innern Sinnen

Wacht auf mit innern Sinnen,
Erhebt die Augenlieder,
Von denen Thränen rinnen,
Von Innen strahlts hernieder:
In tiefe Kerkernacht
Unsichtbar Lauernden,
Strahlt frei des Herren Macht,
Unschuldig Trauernden.
In Geistes Dämmerungen
Naht euch der Unerreichte,
Hat euer Herz durchdrungen,
Daß Geist vom Geiste leuchte;
In seiner Gnade Macht
Strahlt der Verachtete,
Er hat ans Licht gebracht,
Schuldlos Umnachtete.
Ihr hebt die trüben Blicke
Hinauf zu dunklen Fernen,
Sie bauen euch die Brücke,
Aus ewgen Himmelssternen:
Ein jeder Blick zum Herrn
Vom still Erliegenden,
Glänzt hell als ew'ger Stern
Am Thron des Siegenden.
Er braucht nicht Menschenhände,
Mit seinen Gnadenworten
Durchbricht er Kerkerwände,
Und öffnet Himmelspforten:
Was euch geschieht auf Erden,
Ihr schuldlos Leidenden,
Wird reich vergütigt werden
Euch selig Scheidenden.

[81] Blumen

Nieder zieht der Abendwind,
Wiegt in Schlaf manch schönes Kind,
Löscht die Lichter,
Doch es weckt der Vollmondglanz
Blumen zu dem Abendtanz,
Himmlische Gesichter.
Blumen springen aus dem Bett,
Waschen sich im Tau so nett
Und sich schmücken;
Manches krause weiche Blatt
Sich erst neu entfaltet hat
Ahnendem Entzücken.
Jede sich im Bach besieht,
Nun sie hin zum Tanze zieht,
Ob sie glänze.
Und das Bächlein wird so glatt,
Jeder zugemurmelt hat:
»Amor bringt dir Kränze.«
Alle Blumen schwesterlich
Grüßen, küssen, herzen sich
Hier im Kreise.
Jede wartet auf den Gott,
Der so oft nur leichten Spott
Giebt nach seiner Weise.
Nachtigall ist auch bestellt,
Sich im Laub verstecket hält,
Spielt zum Tanze;
Und ein jedes Gartenbeet,
Schon voll schöner Tänzer steht,
In dem Vollmondglanze.
Doch die Frauen sehen kalt
Auf die Herren jung und alt,
[82]
Und sich brüsten;
Denn ein Gott, der gilt viel mehr,
Als der Nachbarn Lustverkehr,
Die zum Tanz sich rüsten.
Nachtviole bleibt zu Haus,
Wagt sich nicht zum Tanz hinaus,
Steht vergessen;
Doch ihr Duft die Luft durchzieht,
Und der Feuerwurm erglüht,
Fliegt ihr zu vermessen.
Amor ist der Feuerwurm,
Und sein Licht, das löscht kein Sturm,
Machts nur heller;
Und er leuchtet Liebchen vor,
Führt sie selbst zum Tanz vors Thor,
Und der Tanz rauscht schneller.
Eintracht schien im bunten Saal,
Zwietracht kommt zu aller Qual,
Mit den beiden;
Weil der Gott von Lust und Leid
Einer zuflog, sucht der Neid
Sie mit List zu scheiden.
Gänseblümchen weiß nur nicht,
Wie sie zornge Blicke richt',
Ist verlegen;
Stetes Lachen läßt nicht gut,
Gar zu traurig sie nun thut,
Muß sich viel bewegen.
Ob wir schon viel klüger sind,
Als dies liebe weiße Kind,
Ruft Peone,
Kommt es uns doch nimmer ein,
Amor könne unser sein
Auf dem Götterthrone.
[83]
Doch wir bleiben hier allein,
Weil wir ganz geruchlos rein
Keinen locken;
So die Lilien seufzen still,
Weil sie niemand nehmen will,
Trotz der großen Glocken.
Tulpe hängt den Kopf sogleich,
Wie ein Vöglein hängt am Zweig,
Zu Narzissen;
Hat den Kelch ihm zugewandt
Spricht von Ehre und von Stand,
Und von dem Gewissen.
Rose lockt mit hellem Strahl
Nachtgevögel ohne Zahl,
In dem Zorne;
Jedem ihre Dornen reicht,
Daß er an dem Gott hinstreicht,
Und ihn blutig sporne.
Rittersporn und Eisenhut
Wählet sie im wilden Muth,
Zu dem Fechten;
Und das Tausendgüldenkraut
Bietet sie zur Werbung laut,
Als ein Lohn den Knechten.
Gleich der hohen dunklen Stadt,
Die sich rings gelagert hat
An dem Garten,
War hier Stille nur zum Schein,
Neid schlägt Licht zu seiner Pein,
Schlägt in Klingen Scharten.
Doch des Gottes leicht Geschoß
Jagt zurück den wilden Troß,
[84]
Ohne Schaden:
»Stören lasse ich mich nicht,
Gönne jeder ihren Wicht,
Bin ein Gott der Gnaden.«
Nachtviole hebt das Haupt,
Amors Feuer sanft bestaubt
Ihre Wangen:
»Jeder regt der Gott die Brust,
Gönnt dies Heute meiner Lust,
Laßt mich einmal prangen.
Morgen ist ein andrer Tag,
Wo er andre lieben mag
Nach Gefallen;
Zeigt nur, daß ihr würdig seid
Dieser Liebe, die sich weiht
In der Einen allen.«
Frau Peone klüglich denk
An das goldene Geschenk,
Heb' den Schleier,
Sieh die Flamme an dem Platz,
Der jetzt trägt den reichen Schatz,
Heb' ihn auf den Freier;
Rose, sieh des Sternes Schein,
Er will ein Komet nun sein,
Er will schießen,
Spann die weichen Blätter aus,
Fällt der Stern dir nicht ins Haus,
Fällt er dir zu Füßen.
Und ihr Lilien, seht herab,
Steht er nicht auf einem Grab,
Seht die Flammen,
Sieh ihn, der mit Irrlichtschein
Sinkt in deinen Kelch hinein,
Nacht bringt euch zusammen.

[85] Geschwindigkeit

Göttlich ist auf Erden die Geschwindigkeit,
Sie besiegt den weiten Raum, die enge Zeit,
Gegenwärtig macht sie überall zugleich
Spiegelnd hoher Götter ewig Reich;
Mit dem Anfang eint das Ende ihre Hand
Sich zum Siegeskranze; wie der Feuerbrand,
Schnell geschwungen, wird zum Feuerkreise,
So erscheinen ihres Wagens Gleise;
Eh das Auge aufblickt ist ihr Bogen
Durch die weite Rennbahn hingezogen.
Ihr gehört die Schönheit, weil sie flüchtig,
Der Gestirne Wallen, ruhlos richtig,
Ihr vertraut der Gott die mächt'gen Worte
In dem Blitzstrahl aus der Himmelspforte,
Die da aufschlägt, Schauende verblendet,
Eh sie zuschlägt, schon ihr Leben endet.
Träger rollt nach ihrer Flammengeißel Schwung
Donner über alle zur Erinnerung,
Träger rollen sich die schwarzen Wolken auf
Nach des glühen Donnerwagens Lauf;
Ja die Welt erschiene todt in Leere,
Hübe nicht Geschwindigkeit die Schwere.

Ja wüßt' ein Mensch recht, wer er wär'

Ja wüßt' ein Mensch recht, wer er wär',
Das Sterben würd ihm gar nicht schwer;
Das Leben ist nur ein Vergessen
Von dem, was wir in uns besessen;
Das Leben ist nur ein Vermählen
Mit dem, was uns will ewig quälen;
Das Leben ist ein Angewöhnen
An das, was uns will ewig höhnen;
Das Leben ist ein Zeitverderben,
Ein seelentödtend Flucherwerben, –
Ja, wüßt ein Mensch recht, wo er wär',
Er führe heut' noch über's Meer,
[86]
Sich neue Welten zu entdecken,
Denn Mond und Sonne sind voll Flecken,
Und diese alte Welt voll Ecken,
Kann blinde Leute leicht erschrecken.

Der wandernde Gesell

Wie glänzt mir jede Stadt so hell,
Wo mir kein Haus gebauet,
Wo ich als wandernder Gesell,
Mich lustig umgeschauet;
Wenn in der leichten Abendtracht,
Die Mädchen in den Thüren,
Weil sie vom hellen Mond bewacht,
So manchen Muthwill spüren.
»Hilf Gott,« so spricht mich eine an,
»Das nenne ich noch gähnen,
Bist du nicht auch ein Leiermann,
Sing mir von Lust und Thränen! –
Sing langsam, daß ichs von dir lern,
Ich wills dem Liebsten singen,
Das Wetter leuchtet still von fern,
Die Grillen Ständchen bringen.«
Ich sing von einem Ort im Rhein,
Da liegen große Glocken,
Und wird im Jahr ein edler Wein,
Da stehen sie ganz trocken,
Und schlagen drauf die Schiffer an,
Da rufen sie nach Weine;
Ich bin ein durst'ger Leiermann,
Und habe müde Beine.
»Hier hast du eine Flasche Wein,
Und hier die Bank von Steinen,
Und denk, du säßest hier am Rhein,
Und tränkst von edlen Weinen;
[87]
Und greif mir nicht nach meinem Arm,
Ich wärm ihn in der Schürze,
Und singe nur, es ist nicht warm,
Und mir die Zeit verkürze.«
Am Rheine war ein geiz'ger Abt,
Der gönnt es nicht den Leuten,
Daß sie an Trauben sich erlabt,
Wenn sie zur Lese schreiten;
Darum erfand der listge Mann,
Sie mußten immer singen:
Dieweil dann keiner essen kann,
Und die in Butten springen.
So soll ich singen vor der Thür,
Und möcht dich lieber küssen,
O Mädchen nimm mich doch zu dir,
Und morgen will ich grüßen,
Mit allem süßen Zaubersang,
Geschöpft aus deinem Munde,
Jetzt schweigt mein Mund in Liebesdrang,
Der Wächter ruft die Stunde.
»Der Wächter singt sein Verslein gut,
So gut magst du nicht singen;
Er hat so einen tapfern Muth,
Und kann Gespenster zwingen.
Er hat ein gar gewaltig Horn,
Und bläßt recht mir zum Spaße,
Sein Lieb zu mir hat grimmen Zorn,
Darum zieh deine Straße.«
Als ich die Warnung kaum vernehm',
Hör ich die Hunde heulen,
Da ist's auch mir so unbequem,
Daß ich davon muß eilen:
Ich seh den Wächter an der Thür,
Er thut mein Mädchen küssen,
Doch hat sie drauf, das glaubet mir,
Die Thür ihm zugeschmissen.
[88]
Und wie er nun in seinem Grimm
Und ich in meinem Lachen,
Da ruft er mir mit starker Stimm:
Was hast du Nachts zu machen? -
Die Lieb ist leer, die Flasch ist aus,
Auf dir sei sie zerschmissen!
Das that ich und sie lacht im Haus;
Dann bin ich ausgerissen.

Morgenlied

Meint ihr, Sterne löschen aus
Wenn der Morgen strahlt ins Haus?
Höher spielen Herzensflammen
In der lichten Morgenblendung
Und die schmelzen dann zusammen
Die getrennt durch Himmelswendung,
Die von ferne sich nur schauten,
Zu Vertrauten.
Meint ihr, Lampen löschen aus,
Wenn die Sonne strahlt in's Haus?
Freier flammt das Herz im Morgen,
Wie die Lampe, die vergessen,
Weil sie in dem Licht verborgen,
Dach und Haus entflammt vermessen,
Ach dann werdet ihr sie sehen,
Wenns geschehen!

Morgengruß

Wachet ihr Treuen
Ich bin zurück
Euch zu erfreuen
Wincket das Glück
[89]
Winckt mit den Fahnen
Droben am Thor
Goldene Bahnen
Zeichnet es vor
Reisset den Schleier
Der mich umwand
Zeigt mir den Freier
Hier in dem Land.

[90] [92]Grün im Grünen Glanzesstellen

Grün im Grünen Glanzesstellen,
Wo die Engel Nachts getanzet,
Wo sie küssend sich gesellen
Sind die Blumen eingepflanzet,
Die zum jüngsten Tag bewahren
Wenn die Nacht in Lust entschwunden,
Scheue Lieb' in jungen Jahren
Hat zur Wallfahrt sie gefunden.
Weg und Aussicht ist erschlossen
An des Abhangs steilstem Pfade,
Nun die Sonne hat ergossen
Ihre Thränen ihre Gnade,
Und so sind wir Mitgenossen,
Die hier Liebend sich begegnen,
Aller Liebe die verflossen,
Und empfinden neu ihr Segnen.
Seht nun steht der Irisbogen
Fest auf diesen steilen Höhen,
Wo die Liebenden geflogen,
Können Wir nur schwindelnd gehen,
Ausser Athem füllt mit Tönen
Sich der Mund und süssem Bangen;
Raphael, dich hier zu krönen
Möchten wir uns unterfangen.
Kann das Lied als Kranz nicht prangen
Ei was sollten wir's verschliessen!
Hör, die Grasemücken sangen
Dich im Grase zu begrüßen.
[92]
Hast du sie für Nachtigallen
Hier aus inn'rer Lust gehalten,
Niemand nimmt dir das Gefallen,
Und es läßt dich nicht erkalten.

[93] Der starke König

Ein König von dem Throne
Mit seinem Stab von Gold
Den Adel schlug zum Hohne,
War keinem Menschen hold.
[94]
Den Hunden an dem Tische
Der Adel die Teller hält,
Er füttert gut die Fische;
Sein Volk in Hunger fällt.
Sein Völkchen war beritten,
Er ärgert sie so bas,
Daß sie sind fortgeritten,
Da ward der König blaß.
Er konnte sie nicht halten,
Sein ganzes Reich ritt fort,
Er konnt' allein nur walten
An seinem Hundeort.
»Wenn mein die Hunde bleiben,
So bin ich doch noch reich,
Die Zeit mir zu vertreiben,
Das Andre ist mir gleich.«
Die Hunde, schlecht bedienet,
Die wurden falsch und wild,
Und als er sich erkühnet,
Zerrissen sie sein Schild.
Du mußt die Lehre fassen,
Mein edler Fürstensohn,
Den schon die Besten verlassen,
Der sitzt nicht fest auf dem Thron.
Wer sich an Huren hänget,
Sein Weib darum verläßt,
Dem ist es auch verhänget,
Daß er die Herrschaft läßt.

[95] Der deutsche Völkerbund

Dem 24. Januar 1813.

Erster Sänger.

Tag der Krone, Tag des Großen
Der sie glanzvoll hat erhoben,
Tag, den alle Herzen loben,
Tag der deutschen Tischgenossen,
Deine hellen Strahlen locken
Frühling aus geschmolznem Schnee,
Heilger Sonntag, deine Glocken
Rufen ernst aus heitrer Höh.
Chor.

Zum Gebete fehlt die Ruhe,
Neugier fragt auf allen Gassen,
Was ein frisches Herz jetzt thue,
Was zu lieben, was zu hassen?
Zweiter Sänger.

Denkt an Friedrichs hohe Ehre,
Statt der Zeiten Drang zu denken,
Laßt zu ihm die Blicke lenken,
Daß sein Geist uns heut belehre;
Wenn der Tag, der ihn geboren,
Noch in allen Herzen lebt,
So ist Friedrich nicht verloren
Und sein Geist sein Volk umschwebt.
Chor.

Große Seelen, Völkerhirten,
Lassen nicht von ihrer Heerde,
Friedrich lehrt uns, wo wir irrten,
Wirket noch im Geist zur Erde.
Dritter Sänger.

Schwach wie alle Erdensöhne
Ward der Große euch geboren,
Da erklangen seinen Ohren
Der Kanonen Freudentöne,
[96]
Die den Neugebornen feiern,
Und er hob sich von der Brust,
Blickte um sich bei dem Feuern
Ahndend seines Siegs bewußt.
Chor.

Völker auch sind schwach geboren,
Werden stark im Ruf zum Streiten,
Weise werden erst erkoren
An der Prüfung böser Zeiten.
Vierter Sänger.

Friedrich lehrt in sieben Jahren,
Über alle Welt im Siege,
Daß Ein Stamm der Deutschen gnüge
Völkerfreiheit zu bewahren.
Wenn auch alles scheint verloren,
Bleibt uns doch als Zeichen stehen,
Was er mit der That beschworen:
Freiheit soll nicht untergehen!
Chor.

Völkerstimme, Gottes Wille,
Wort, das ewig wahr geboren
Wer dir folgt in Demuth stille,
Dem ist keine Zeit verloren.
Fünfter Sänger.

Wo jetzt Volkesstimme hören?
Heimlich wird die Welt berathen,
Heimlich, wie die Missethaten,
Kommt Gesetz und kommen Lehren!
Nur wo frei mit offnem Muthe
Zu dem Volk der Herrscher spricht,
Dient es frei mit seinem Blute,
Blinder Herrschaft dient es nicht.
[97] Chor.

Volkes Wille, Gottes Wille,
Wort, das ewig wahr geboren,
Wer dich hört in Herzensfülle,
Ist zu frommer That erkoren.
Sechster Sänger.

Nimmer gegen innern Glauben
Dürfen wir die Waffen führen, –
Diese Lehre soll uns zieren,
Wenn die Zeiten alles rauben;
Diese Lehre ist verkündet
In dem frischvergoßnen Blut,
Und die Noth hat neubegründet
Nur im Glauben Heldenmuth.
Chor.

Gott lass' uns das Rechte kennen,
Daß wir Schlechtes nicht verfechten,
Unsre Herzen sehnlich brennen
Nach dem Ächten, nach dem Rechten!
Siebenter Sänger.

Völkerkriege, Gottsgerichte
In dem Jahr der heil'gen Zwölfe,
Wunderbare Weltgeschichte!
Ach daß Gott uns wieder helfe!
Himmelswärme, Gottes Athem,
Weicht von der entweihten Welt,
Bis bestraft, die ihn verrathen,
Bis die Reinen sich gesellt.
Chor.

Volkesstimme, Gottesstimme,
Neubegründet ist der Glaube;
Wer dir trotzt in seinem Grimme,
Lernt dich fürchten in dem Staube.
[98] Achter Sänger.

Sagt, wer kennt die heil'gen Zeichen,
War's das Jahr der Weissagungen,
Wo das Heil der Welt errungen,
Wo das Böse ihm soll weichen?
Alle Scherze sind verklungen
In dem ernstlichen Gericht;
Die von Andacht sind durchdrungen,
Schauen Gottes Angesicht.
Chor.

Schauen wir die Glaubenssaaten
Grünen an der Thaten Quellen,
Wie sich alle deutsche Staaten,
Schon in Einem Haß gesellen!
Neunter Sänger.

Nicht im Hasse, in der Liebe
Sei der Völker Bund geschlossen,
Denn die eigenen Genossen
Stürzt der Haß im wilden Triebe.
Friedrich einst im Fürstenbunde
Friedlich deutsche Macht verband,
Doch der Kranz der letzten Stunde
Sank dem Todten aus der Hand.
Chor.

Völker sollen sich verbünden,
Wo die Fürsten sich getrennet,
Lieb und Treue soll verkünden;
Wer mit Recht sich Deutscher nennet.
Zehnter Sänger.

Fried' im deutschen Völkerbunde,
Krieg dem, der uns trennt im Grimme!
Rufen All mit Einer Stimme
Heut zu Friedrichs Feierstunde.
[99]
Doch kein Frieden ohne Freiheit,
Freiheit vom Franzosenjoch!
Zögernd nahet deutsche Freiheit, –
Rufet ihr ein Lebehoch!
Chor.

Deutsche tragen gleiche Bande,
So vergeßt denn allen Neid!
Löscht in Thaten eure Schande,
Deutscher Freiheit schwört den Eid!
Eilfter Sänger.

Wer das Schwert des Siegers wendet,
Und mit Falschheit nutzt das Glücke,
Daß er Brüder unterdrücke,
Sei verfluchet und geschändet!
Aber der sei hochbelohnet
Und dem Throne nahgestellt,
Der in Treue unsre Krone
Mit dem Siegerarm erhält.
Chor.

Hoch soll leben unsre Krone,
Und die deutschen Kronen alle,
Und ein deutscher Kaiser throne
Neugewählet über alle!
Zwölfter Sänger.

Alle hat die Noth belehret,
Was dem Reich der Deutschen fehlte,
Doch die Noth, die Alle stählte,
Hat den innern Feind bekehret,
Und kein Glaube soll mehr trennen
Die in Einem Geist vereint;
Allen, die sich Christen nennen,
Eine Gnadensonne scheint.
[100] Chor.

Heilig frei sei jeder Glaube,
Ausgetilget Haß und Zweifel,
Komm du heil'ge Friedenstaube,
Wenn besiegt der fremde Teufel!

[101] [105]Dem 24. Januar 1814

Melodie: Gaudeamus igitur etc.


Wiederum zum hohen Fest
Klingt des Tisches Glocke,
Doch viel wenger sind der Gäst,
Manchen hält das Grab schon fest
In dem hölzern Rocke.
[105]
Wer zum Feste kommen will
Komm' im Freudenkleide,
Schweig mein Herz von Todten still,
Wenn ich meinen Becher füll
Zu der Tafelweide.
Zwingen läßt sich nicht das Herz,
Nichts von ihm erzwingen,
Gönnt ihm den geliebten Schmerz,
Bis sich in des Lebens Scherz
Lebende umschlingen.
Unsern Todten dieser Wein,
Den die Thräne weihte,
Nun ich nicht mit mir allein,
Ist auch die Versammlung klein,
Rückt der Schmerz zur Weite.
Weit und öde wird die Welt,
Wenn so viele fallen,
Nicht mehr fest zusammenhält,
Was der leichte Scherz gesellt
Freunden zum Gefallen.
Fremde wurden wir uns nicht,
Sahen uns doch selten,
Wenn Gewohnheit heut gebricht,
Guter Wein vertraulich spricht,
Und das soll heut gelten.
Nahe schien, was jetzt erreicht
Uns beim vorgen Feste,
Daß der Feind aus Deutschland weicht,
Schien uns damals schon so leicht,
Und vollbracht das Beste.
Wer den Becher trinken soll,
Muß ihn vorher füllen;
Bis das Maaß des Guten voll,
Prüft die Zeit uns zweifeltoll,
Wer von echtem Willen.
[106]
Wer vor sich bestanden hat,
Dem kann sie auch glauben,
Sei erkannt die Ehrenthat,
Auch vergebner Mühe Saat
Läßt sich keiner rauben.
Großes hat die Zeit gethan,
Größres zu verlangen,
Fühlet jedem auf den Zahn,
Prüft, ob er auf steilrer Bahn
Würde schwindelnd bangen.
Friedrich sieht von seinem Stern
Glänzend zu uns nieder,
Denn er gründete von fern,
Als Magnet den Eisenkern,
Gab dem Pfeil Gefieder.
Während alle Deutsche schon
Sich dem Joche beugten,
Sahn wir noch auf seinen Thron,
Sprachen allem Unglück Hohn,
Muth in Hoffnung zeugten.
Und an Preußens Hand sich hob
Deutschland aus den Ketten,
Das ist Friedrichs höchstes Lob,
Daß sein Kriegsgeist die erhob,
Die ganz Deutschland retten.
Keiner läßt von Frankreichs Wahn,
Sich jetzt mehr bethören,
Daß auf künstlich neuer Bahn
Große Völker steigen an,
Wie in Springbrunns Röhren.
Wo ein Strom sich bilden soll,
Muß er weit entstammen,
Und der Quellen reicher Zoll,
Der aus stiller Flur entquoll
Trifft von selbst zusammen.
[107]
Wie von selbst erfüllt sich auch,
Wo umsonst wir sinnen,
Nicht durch listger Worte Hauch,
Durch der Menschen frommen Brauch
Wächst ein Volk tief innen.
Krieg zerstört den Eigensinn,
Lehrt im Ganzen leben,
Dann durchdringt des Ganzen Sinn
Die Verfassung mit Gewinn,
Wird Gesetze geben.
Diese goldne künftge Zeit
Laßt uns all erleben,
Schwört es heut mit lustgem Eid,
Keiner soll aus Traurigkeit
Sich dem Tod ergeben.
Und so leb denn jeder hoch,
Der den Tag verehrte,
Unsre Krone lebe hoch
Unser Volk, – der König hoch,
Der es siegen lehrte.

Fichte

Gestorben am 29. Januar 1814.


Sonett


Auch dich hat uns die Pest der Zeit entrissen,
Dich muthigsten Bestreiter schlechter Zeit;
Du hattest dich als Opfer ihr geweiht,
Als du ihr strafend riefest in's Gewissen.
Es war die Welt von Zweifeln lang zerrissen,
Du sahst den Abgrund, wie er tief und weit,
Doch wie der Römer warst du kühn bereit
Ihn zu verschließen nach dem besten Wissen;
[108]
Du warfest dich hinein, um ihn zu füllen,
Du sprachst zu Deutschen, als die Andern schwiegen,
Du riefst uns aus der Schmach zu neuen Siegen.
»Bekämpft die Zeit in euch mit heil'gem Willen!«
So riefest du. – Den Bogen spannt im Stillen
Die tück'sche Zeit, – auch du mußt ihr erliegen.

[109] [124]Hier zu Land

Hier zu Land
Gilt die Hand,
Die mit Kunst
Lohnt die Gunst
Sündger Frauen,
Daß sie schauen
Sich im Bild
Heilig mild.
»Raphael,
Gut Gesell,
Mahle mich,
Ich bitt' Dich, stich
Mark Anton,
Lieb ist Lohn,
Und ein Kuß,
Helfen muß.«
[124]
Andre Staaten
Andre Saaten,
Andre Städtchen
Andre Mädchen,
Andre Orte
Andre Worte,
Andre Kleidung
Und Bescheidung,
Andre Seen
Andre Ehen,
Andre Flüsse
Andre Fische,
Andre Netze
Und Geschwätze,
Laut und leise
Um die Preise,
Andre Küche
Und Gerüche,
Hier nach Knoblauch
Dort nach Lob-Rauch,
Frische Fische
Gute Tische,
Kommt ein frischer
Herzensfischer,
Wird gebraten,
Mit Salaten
Froh gegessen,
Und vergessen,
Denn der Fang
Hält nicht lang
Nur wer stirbt
Der verdirbt.

Der Puppenspieler

Was ist für Freude noch bei großen Bühnen,
Da ist nichts Lustges mehr, kein wild Erkühnen,
Auch ich war einst dabei, hab mitgemacht,
Und hab in Jahren nicht dabei gelacht.
[125]
Die guten alten Spieler werden schwach,
Und ach das junge Volk wächst schwächlich nach,
Was kann die Welt für Lust an Kindern haben?
Es dankt das Publikum für künftige Gaben,
Will Fertges sehn; was sich erst bilden soll,
Das mache kein Geschrei, sonst heißt es toll.
Den Kindern springt die Quint, wie ichs gehört
Das Publikum ward ganz von Haß bethört,
Es pocht, es lärmt, und keiner schien mehr recht,
Es flohn die Schauspielleut aus dem Gefecht.
Da nahm ich nun mein Tuch, macht einen Knoten,
Und hab ein Kinderspiel dem Volk geboten,
Und wackelte damit und ließ es tanzen,
Ich ward vergnügt und es gefiel im Ganzen.
Ich nahm das Buch recht wie ein Kind in Lehre,
Als obs das Publikum, das edle wäre,
Und fragt es aus, wie es uns möchte haben?
Da sprachs so viel von hohen Künstlergaben,
Doch wußt es nicht, wo die zu Kaufe wären;
Da mußte ich es billig drin belehren,
»Die Kunst ist frei, sie brauchet viel Theater,
Das Eine bild' das Kind, dies zeig den Vater,
Wenn jenes reif, da tret' es hier erst ein!
Doch weil für jetzt dies Schauspielhaus allein,
So müßt ihr auch den Schülern gnädig sein.«
Auf dieses Wort folgt Klatschen allgemein,
Ei dachte ich, und konnt es gar nicht fassen,
Dies Schnupftuch kann jetzt mehr als Künstler spaßen;
Die Künstler sind zum Spaß zu vornehm worden,
Und doch nicht groß genug zum tragschen Morden.
Ich ging davon und machte kleine Puppen;
Viel hatt ich nicht zu brocken in die Suppen,
Doch essen auch nicht viel die kleinen Leut,
Sie sind zu jeder Rolle stets bereit,
Um Kleider ist kein Streit, auch nicht um Tugend,
Auch nicht um Liebhaber, auch nicht um Jugend.
Sie sind so alt, wie ich sie eben brauch,
Die weißgenasten häng ich in den Rauch.
[126]
Mein Kopf füllt mein Theater ganz allein;
Sind meine Menschen gegen mich nur klein,
So bin ich darum wahrlich groß zu nennen,
Kann sie verbinden, und sie trennen,
Nach Eigensinn und nach Verstand
Und bin ein rechter Gott in diesem Land;
Weiß ich nichts mehr aus meinem Kopf zu sagen,
So brauchen sie nur tüchtig sich zu schlagen,
Und weil mein Casperl trefflich Tritte giebt,
So schweigt Kritik und ich bin stets beliebt,
Ein jeder lacht, ein jeder giebt sein Geld,
Jetzt ist mein Casperl hier der größte Held.

Reime zu einem Gemälde

Arme Seele.

Ach gnäd'ger Herr, wie ist's gekommen,
Daß ich im Himmel bin aufgenommen?
Bin keiner Tugend mir bewußt,
Und was ich that, geschah in Lust;
Es muß dabei ein Irrthum seyn,
Ich gehöre sicher wo anders hinein!
Der Herr.

Du Simplex! sey doch damit zufrieden,
Willst du denn lieber dort höllisch sieden?
Als hier im Schatten bei kühlen Früchten
Dich ausruhn von den ird'schen Geschichten;
Viel Fragen macht auch viel Antwortgeben,
Sey froh, daß du zogst ins himmlische Leben.
Arme Seele.

Mit nichten, das war nie meine Sach:
Mich einzudrängen in ein Gefach,
Dem ich nicht völlig gewachsen war;
Erst machet mir, Herr, das alles klar,
Womit ich diesen Himmel verdient,
Sonst geh ich hinaus, deß bin ich erkühnt.
[127] Der Herr.

Sey nicht so kurz ab, du sollst gleich wissen,
Warum wir dich ungern im Himmel missen.
Wer kann auf Erden was Sonderlichs thun?
Doch mochtest du auch nicht träge ruhn,
Gingst deines Wegs, ließest Andre sprechen
Von hohen Planen und menschlichen Schwächen,
Du hast so manches nicht angerührt,
Womit sich Andre als treflich beschmiert;
Hast alles so willig ganz unterlassen,
Wozu dein Ingenium nicht thäte passen,
Hast niemals dich gegen mich verstellt,
Hast gebetet als Mensch, wie das Hündlein bellt;
Bist niemals mir in den Weg getreten,
Mit plumpen Fäusten ein Schicksal zu kneten:
Genug, du bliebst wie ich dich geschaffen,
Du bliebst ein Mensch unter himmlischen Affen.
Arme Seele.

Das nenne ich alles noch Kleinigkeit,
Ich stehle mich nicht in die Seeligkeit.
Der Herr.

Wo ich ein Kleines dir aufgetragen,
Da hast du nicht höhnisch dich überschlagen;
Du hast es vollbracht, als wär's das Größte
Und hast gewendet daran das Beste:
Den vollen Willen, den ganzen Verstand
Und jeden Strahl, den ich dir gesandt.
Arme Seele.

Das ist wohl etwas, ich laß' es gelten,
Doch wollte es Jeder auf Erden schelten,
Und nannte es schier ein Kinderspiel,
Was ich durchdacht mit ganzem Gefühl;
Das Kleinste im Schaffen rein zu halten,
Kostet mehr als die größten Lügen gestalten,
Doch was ich mit stillem Fleiße vollbracht,
Das wurde von allen Narren belacht.
[128] Der Herr.

Ich hab' dich knapp gehalten in Ehr,
Du warst es zufrieden, nun hast du mehr,
Hast mehr auf Erden, als du je verlangt,
Sieh hinab, wie dort dein Wohnsitz prangt!
Denn sieh, das Kleine ist groß geworden,
Um deine Hütte sammeln sich Horden,
Um deinen einsamen Altarstein
Erhebt sich ein Münster mit hohem Schein;
Wo du die Kerne der Früchte gesteckt,
Ein freudiger Wald die Erde bedeckt;
Wo du dir einsam Muscheln gesucht,
Da flaggt die beschiffte Hafenbucht;
Es streitet die Welt um den heiligen Ort
Und glaubt sich da näher der Himmelspfort,
Und wer nur ein Wörtlein von dir verkündet,
Der meint, er habe dich selber ergründet,
Sie streiten sich, wie du jedes gemeint,
Was sonst sie verwarfen als ungereimt.
Arme Seele.

Es ist doch gar ein seltsam Geschlecht,
Es ist wohl nur dumm, es ist doch nicht schlecht!
Doch freu' ich mich, daß ich's überstanden;
Es that mir leid, als ich mißverstanden,
Doch weher thut's mir, daß ich überschätzt,
Daß meine Dummheit jetzt Andre ätzt,
Daß mit dem Guten das Böse bleibt,
Daß Besseres lebt und es nicht vertreibt.
Ich möchte jetzt sichten, mich widerlegen,
Und kann mich nicht zur Erde bewegen.
Der Herr.

Du wolltest ja nicht zufrieden seyn,
Dich an dem Himmel umsonst zu erfreun!
Arme Seele.

Wohl hätt' ich das Fragen hier lassen sollen,
Nun muß ich noch mit der Erde recht grollen,
[129]
Die ich mir immer vom Leibe hielt;
So ist nun der Leib und die Seele verspielt.
Der Herr.

O könnt' ich dir andre Gedanken machen,
Der Thoren auf Erden solltest du lachen.
Was schiert's dich, wenn du warst ein Prophet,
Darum dir noch kein Jammer ansteht;
Was brummst du, daß du ein lieber Sohn?
Was sprichst du nun deiner Weisheit Hohn?
Was ärgert dich all das Weltgetümmel?
Du bist doch einer der Besten im Himmel!
Arme Seele.

Ich dank' euch für dieses gnäd'ge Wort,
Doch nimmt es von mir die Sorgen nicht fort;
Wie wäre mir jetzt ein Vergessen willkommen,
Sonst machte es mich so angst und beklommen.
Der Herr.

Du hast so oft ums Gedächtniß gebetet,
Doch sey jetzt das Unkraut all ausgejätet,
Du machtest dich meiner Liebe so werth:
Dir sey jetzt ein volles Vergessen bescheert.
Arme Seele.

Von der ganzen verheißnen Ewigkeit
Ist Vergessen die größte Seligkeit.

[130] [133]Zauberei

Klagt ihr Mahler, die mich küßten,
Vor dem geistlichen Gericht,
Daß ich zaubre? allen Christen
Zeige ich mein Angesicht,
Das ihr zaubernd habt gemahlet
Und erhöhet zum Altar;
Reichlich ward es euch gezahlet,
Wunderwerkt das ganze Jahr!
Gönnt mir auch die Zaubereien,
Zaubert nicht allein, ihr Herrn!
In den ersten Liebeleien
Duldetet ihr Zaubern gern.
Rühmtet es als Gnadensegen,
Als der Schönheit Eigenthum,
[133]
Zoget Pinsel, zogt den Degen,
Um zu sichern meinen Ruhm.
Wie? nun wollt ihr mich enthaupten,
Mich versenken tief ins Meer?
Wollt mich um mein Bild berauben,
Denn nun schein ich euch so leer!
Lustig scheinet euch das Leben,
Das euch fleissig Nachts umspann,
Ward euch andre Lust gegeben,
Klaget ihr mich darum an?
Jede Frau ist eine Hexe,
Doch in erster Frühlingszeit
Glänzen lieblich die Gewächse,
Die ihr dann als Gift verschreit!
Und die Küsse sind vergessen,
Ist ihr Zauber winterkalt,
Von dem Teufel scheint besessen
Was sonst Amors Allgewalt!

[134] [137]Trinklied im Vollmondschein

Was ist's, das wir in Ahnung fühlen
Und was erhöhet jede Stirn?
Im Herzen dunkle Wurzeln wühlen,
Die Knospen brechen auf im Hirn;
Was ist in dieser Nacht geschehen,
Das uns so freudig will umwehen?
Ob wir in süßer Liebe wachten
Vor manchem Jahr um diese Zeit?
War heut ein Jahres-Tag der Schlachten,
Die unser Vaterland befreit?
Doch der Kalender in dem Herzen
Weiß nichts von Sieg und süßen Scherzen.
Ihr Sterne, nennet mir dies Zeichen,
Das heute über uns regiert?
Ich sah: ihr Alle müsset weichen,
Nun es den Himmelsrand berührt;
Des Vollmonds blühend rothe Wangen
Sind uns zum Vorbild aufgegangen.
Weil heut der Vollmond uns bescheinet,
So schenken wir die Gläser voll,
Wir wissen, was der Himmel meinet,
Warum er heut uns scheinen soll:
Wir sollen sehn, wie er sich füllte,
Seit er den Durst im Thaue stillte.
[137]
Aus vollen Flaschen werden Neigen
Und leere Menschen werden voll,
Es hängt der Himmel voller Geigen:
Weil heut ein Jeder tanzen soll;
Die Erde dreht sich schon im Kreise,
Die Pfropfen springen nach der Weise.
Auf Pfropfen steigen wir zum Monde
Der allen Wein der Erde reift,
Und machen gern mit ihm die Ronde,
Wenn queer er durch den Himmel schweift.
Heut ist im Mond die große Faßnacht,
Und alles Wein da, was hier naß macht.
Die große Noth in den Finanzen
Und der Verfassung Schwierigkeit,
Löst sich, nun wir die Welt im Ganzen
Beschaun, als eine Kleinigkeit;
Kommt Zeit, kommt Rath! im Wein ist Wahrheit
Und wer gespart, der zahlet baar heut.
Ein Glück, daß ich kein Gott geworden,
Denn ich vertränk' mein Bischen Welt,
Den diamantnen Sternen-Orden
Und auch das blaue Himmelszelt,
Dies Zelt, das mir so wohlgefallen,
Seit unsre Stimmen drin erschallen.
Ja, morgen würd' ich's recht bereuen:
Wenn über uns der Himmel leer;
Ich würd' ein neues Zelt mir leihen,
Und wenn es bei dem Teufel wär;
Ja Freunde, laßt uns das bedenken,
Eh wir vom Glauben was verschenken.
Am Himmel ist nichts überflüßig,
Und auf der Erde nichts zu viel,
Und wenn wir ihrer überdrüßig
Und wenn der Himmel uns zu kühl,
[138]
Steigt süßer Schlaf aus edlem Weine
Und hüllet in Träumen die Gemeine.

Ein Trinklied beim Sternenklang

Liebe Hand, Dich darf ich drücken,
Bringst mir einen Becher Wein,
Und die holden Sterne blicken
In den Becher froh hinein;
Zweifelnd bin ich im Entzücken,
Trink ich erst den duftgen Wein?
Soll ein Kuß mich erst beglücken?
Beides, beides ist nun mein!
Rathet mir treulich, liebliche Sterne,
Grüße Euch alle, nahe und ferne!
Fliehst Du scheu vor meinem Blicke
Und verschüttest meinen Wein,
Führt mein Ruf dich nicht zurücke,
Ach, so bist Du doch nicht mein!
Heiße Liebe, Deine Tücke
Läßt mich schmerzlich hier allein,
Als ich meinem stillen Glücke
Wollte froh entgegen schrein;
Feurige Zungen sind da erklungen,
Aber mein Liebchen ist mir entsprungen.
Wandelt weiter, kalte Sterne,
Spiegelnd im vergoßnen Wein,
Suchet Ihr doch stets die Ferne,
Nah und ferne, nichts ist mein.
Nur der Tropfen, den ich hege,
Löset meines Herzens Klang,
Schweigend geht Ihr Eure Wege,
Euren stillen, gleichen Gang;
Als ich noch hoffte, seid Ihr erklungen,
Jetzt wie so stille, feurige Zungen.

[139] Die Tamburinschlägerin

Wie Fliegen summt herum mein Sinn
Und wiegt sich leicht auf Halmen,
Als wollt' er sie zermalmen
Und Lachen spielt mir über's Kinn.
Ich that, als zög ich fort von ihr
Den Hut beschatten Rosen,
So trat ich zu der Losen
Und sprach: »Ich ziehe fort von hier.
Mich zieht, mich treibt, ich weiß nicht was,
In allen meinen Adern;
Ich fühl ein stockend Hadern,
Ha fühlt den Puls, die Wangen blaß.
Nach Welschland schweift mein feiner Sinn,
Ich bin von Luft getragen,
Die Wolken ziehn den Wagen,
Es rollet laut mein Sinn darin.
Hinab, hinab im Thränenstrom
Zerfließen meine Augen,
Was können sie mir taugen,
Wenn sie nicht sehn das hohe Rom.«
Sie sah mich an aus losem Schlaf,
Misst mich mit großen Augen,
Muß in die Händchen hauchen,
Um klar zu sehn, was mich betraf.
Dann springt sie von der Rasenbank
Gar leicht auf meinen Rücken,
Ich will mich boshaft bücken,
Doch Sie mir nicht vom Rücken sank.
Sie singt mit hellem, hellem Ton:
So wandern wir nun alle
[140]
Im hellen Morgenschalle
Zu unsres Papstes goldnem Thron.
Ich küsse sein Pantöffelein,
Er bittet mich um Küsse,
Damit er sicher wisse,
Ob ich auch eine Christin rein.
Wohlauf, wohlan mein Pegasus,
Ich will Dich schön umfassen,
Sollst mich nicht fallen lassen,
Nach Rom ich heut noch reiten muß.
Es flieget neben uns die Welt,
Die Wälder untertauchen,
Von Flammen bunt sie rauchen,
Als wär es heut für uns bestellt.
Sie singet wie das Morgenblau
Aus allen tausend Orten,
Sie weiß von keinen Worten,
Doch spricht zu ihr die bunte Au.
Uns hebt aus Süd ein süßer Duft
Verspielt in ihren Haaren,
Und aller Träume Schaaren
Sie kommen mit der neuen Luft.
Der Wald ist frei, der Abend mein,
Leg Dich ins Gras ganz schnelle,
Ein Brünnlein rieselt helle,
Der Mond sieht sich so froh darein.
Sie legt das Köpfchen in die Hand
Den bunten Beutel unter,
Das Tamburin gar munter
Ist Helm dem Schelm mit Schellenrand.
[141]
Hoch aus der Schellen hellem Blitz
Sich drängt der Locken Fülle,
Der Blumen heil'ge Stille
Bewacht sie auf dem sel'gen Sitz.
Da ist, da ist Italia,
Ich fühl im Marmorbilde
Die Wangen weich und milde,
Mein Liebchen ist Italia.

[142] [146]Kunz von Rosen

Platz, Platz uns jungen Gesellen,
Wir wollen zum Tanze uns stellen,
Wer reicht mir den Kranz,
Ich führe den Tanz.
Ich bin ein Geschlechter,
Ein stattlicher Fechter,
Ich kann Euch beschützen
Mit Messern und Witzen,
Will einer Euch kränken,
Ich will's ihm nicht schenken.
[146]
Kann schweben und schwanken
Mit Herz und Gedanken,
Kann treten und springen,
Wie Pfeifen erklingen,
Kann drehen und wenden
Mit drückenden Händen,
Mit klopfendem Herzen,
Mit jauchzenden Scherzen;
Es folgen mir alle
Mit freudigem Schalle,
Schnell spielen die Geigen
Den freudigen Reigen,
Es schwanken die Dielen
Je höher sie spielen,
Es stäubet das Haus,
Da geht es zum Schmaus,
Da geht es zum Wein:
Nun Liebchen schenk ein!

Hippolita

Sie

(singt in der Kammer).


Nur einen Tag mir dauert
Der Ehrenblume Pracht,
Das hab' ich lang betrauert,
Sie haben mich verlacht.
Warum so kurz die Freude,
Warum so lang das Leid?
Bey meinem Hochzeitkleide
Liegt jetzt mein Trauerkleid.
Hier war ein herrlich Wesen
Von Reitern schön und kühn,
Und der mich hat erlesen
Vor allen thäte ziehn;
[147]
Sie folgten ihm doch alle,
Wenn er vor ihnen ritt,
Bey dem Trompetenschalle
Lief auch mein Blut so mit.
Ich fuhr in hohem Wagen,
Mein Herr, der führte ihn,
Die Rappen wiehernd jagten,
So hell die Sonne schien,
Ich sah noch fern die Hütte,
Zum Himmel stieg ihr Rauch;
Aus ihrer stillen Mitte
Ich zog, verflog nun auch.
Die Kirche frisch gestreuet
Mit buntem, krausen Sand,
Vom leisen Tritte schreiet,
Ich reiche ihm die Hand.
»Nicht Mutter weint gebeuget,
Der Ring ist golden ganz.«
Doch sie den Goldschaum zeiget,
Auf manchem Sterbekranz.
Der Priester trat zurücke,
Mein Mann mich hielt so lieb,
Mich grüßten alle Blicke,
Das Blut zur Wange trieb;
Mein Glück, wer kann es fassen,
Es faßte mich so fest,
Und hat mich doch verlassen,
Mich so verlassen läßt.
Ich träumte keine Sorgen,
Mein Aug' der Sonne lacht;
Wo bliebst du Lieber im Morgen,
Eh ich noch war erwacht?
Wo bliebst du Lieber im Morgen,
Es hat dich keiner gesehn;
Mein Kind blieb mir verborgen,
Ich sah es nicht in den Wehn.
[148]
Ich sitze zwischen Seen
In meiner Eltern Haus,
Muß dienen und muß gehen
Mit Pilgern ein und aus;
Viel Knaben Mitleid haben
Mit meiner Traurigkeit,
Ihr Trost könnt mich wohl laben,
Ach, blieben sie nur heut!
Muß selber ihnen reichen
Den Pilgerstab und Huth,
Die Hand ich möchte reichen,
Dem, der so traurig thut.
Doch könnte er wohl meinen
Ich liebte ihn wohl gar,
So aber muß ich weinen
Das ganze, ganze Jahr.

Ein Pilger.


Die Pilgersleut vergaßen
Den Rosenkranz im Haus.
Sie kamen wieder, saßen,
Bey diesem Ohrenschmaus;
So schön sie hörten singen
Der Wirthin Töchterlein,
Ganz heimlich zu ihr gingen
Wohl in das Kämmerlein.
Sie gaben ihr die Hände,
Und nahmen sie auch mit,
Daß sie zur Wallfahrt wende
Den hohen, edeln Schritt,
Zu jenen heil'gen Gipfeln,
Die Gottes Lieb' erbaut,
Wo in der Bäume Wipfeln
Ihr Schmerzensbilder schaut.
[149]
Da fand sie leer ihr Leiden,
Sie fand ihr Herz so voll,
Sang da zu aller Freuden,
Daß hoch die Kirch erscholl;
Viel Knaben knieten nieder,
Die Noten halten ihr,
Sie dienen ihr wie Brüder,
Und wie die Engel schier.
Darum viel Pilger glauben,
Cäcilien zu sehn,
Mit Ros' und blauen Trauben
Sie da umwinden schön;
Ein Lämmlein zu ihr führen
An einem rothen Band,
Mit hohen Kerzen zieren
Der Kirche dunkle Wand.
Da fühlet sie ein Wehen,
Die Taube fliegt zu ihr,
Mit tiefster Ehrfurcht sehen
Die Lästrer auf zu ihr;
Mit hellen Blicken schauet
Der Muttergottes Bild,
Wer sich ihr ganz vertrauet,
Dem zeiget sie sich mild.

Der Kaiser

Der Kaiser flieht vertrieben,
Flieht das eigne Land;
Das Heer ist aufgerieben
Fliehend seine Schand.
Nur Die sind ihm geblieben,
Die er oft verkannt,
Denn streng sind, die uns lieben,
Noth hat Lieb erkannt.
[150]
Er grüßt die alten Tage
Seiner Jugendzeit,
Vergißt der Zeiten Plage
In Vertraulichkeit.
Zum Fluß ist er gekommen,
Findet keine Brück,
Da wird sein Herz beklommen,
Er kann nicht zurück.
Da kommt ein Schiff mit Netzen:
»Schiffer nimm zum Lohn,
Willst du uns übersetzen,
Meine goldne Kron.«
Der Schiffer hat genommen
Seine goldne Kron
Doch eh er über kommen,
War der Feind dort schon.
»So lieb dir ist dein Leben,
Fahr zurück ans Land,
Den Schifflohn will ich geben
Mit der eignen Hand.«
Der Kaiser droht zu schlagen
Mit dem goldnen Stab,
Doch schnell zurückgetragen,
Ihn dem Schiffer gab.
Jetzt sah er wie die Feinde
Ihn am Ufer sehn,
An Freundes Busen weinte,
Wollte schier vergehn.
»Ich hab nichts mehr zu geben,
Als den Mantel mein,
Der giebt mir Noth im Leben,
Bald auch Todespein:
War meiner Noth Beglücken
Eurer Tage Preis,
Den Purpur reißt in Stücken,
Geb ihn allen preis!«
[151]
Er faßt soviel er konnte,
Jeder riß sein Stück,
Es auf dem Herzen sonnte,
Wie ein Stern im Glück.
Die Stücke heften Alle
Auf die Kleider fest,
Und vor dem Feind mit Schalle
Halten Ordensfest.
Dann stellen sie sich Alle
Rings zum Kaiser treu,
Daß er von einem Walle
Rings geschützet sey.
Der Purpurstern kann blitzen,
Wärmt auch wohl das Herz,
Kann nicht als Harnisch schützen
Vor der Pfeile Erz.
»Jetzt flieht!« befiehlt der Kaiser,
»Flieht, ich sterb allein!«
Sie rufen all zum Kaiser:
»Das soll nimmer seyn,
Der Purpur ist zerrissen,
Aus ist nun Dein Reich,
Vor Gott wir stehen müssen
Bald mit Dir zugleich.
Wir wollen hier vergehen,
Froh des ewgen Muths;
Aus unserm Blut erstehen
Rächer Deines Bluts.«
Die Feinde sehn sie blicken,
Sehn die Sterne hell,
Und ihre Pfeile drücken
In die Herzen schnell.
Nach aller Edlen Falle,
Fällt der Kaiser auch,
Sein Segen über alle
Ist sein letzter Hauch.
[152]
Die blutgen Purpurstücke
Halten frisch die Farb,
Der Feind ist groß im Glücke,
Nicht den Schmuck verdarb.

Heldenlauf

Frisch zu! das ist mein erster Ruf,
Will rasch die Welt beschau'n:
Wie sie der frische Morgen schuf,
Und mich daran erbau'n.
Ich schwing' mich auf mein Ritterpferd
Und werfe weg den Zaum,
So rennt und gras't es auf der Erd'
Bei meinem Morgentraum.
Geht auch mein Pferdchen mit mir durch,
Es geht nicht zu geschwind,
Denn unten dröhnt noch feste Burg
Und oben saust der Wind;
Der Wind, der durch die Haare saust,
Der singt mein Morgenlied:
Vom Adler, der sich kaum gemaust
Und schon zur Sonne zieht.
Gern dräng' ich in den Morgenglanz,
Doch steh ich schon am Meer;
O wie so golden eins und ganz
Scheint Meer und Himmel her;
Wie einer Muschel offnes Haus
Ist Meer und Luft vereint
Und eine Perle steigt heraus:
Ein Schifflein so erscheint.
Vom Schiffe treten auf den Strand
Zwei Frau'n von edlem Blick,
Als wären sie von heil'gem Stand,
Und Zeichen vom Geschick.
[153]
Die Eine stets voraus gesehn,
Tritt erst in meinen Lauf;
Es mißt ihr Schritt den Weg im Gehn,
Sie schreibt sich Alles auf.
Der tret' ich neckend ins Geheg,
Sie reizt den Eigensinn;
Ach, wäre ich nur wieder weg,
Sonst bin ich wahrlich hin.
Vom Pferde zieht sie mich herab,
Die Schleppe trag' ich ihr;
Ihr Auge tief, so wie ein Grab,
Blickt selten nur nach mir.
Sie nennet sich die Wissenschaft,
Sie nimmt mich in die Lehr',
Und giebt nichts meiner Leidenschaft,
In der ich mich verzehr'.
Ich schleiche sanft von ihr mich fort
Zur andern, die mir singt:
»Für jeden Sinn ist nur ein Ort,
Ein Klang nur, der ihn zwingt.
Wer dieses Wort im Herzen hält,
Und singt es nicht heraus,
Der ist wohl unstät auf der Welt
Und Qual ist ihm sein Haus.
Du armes Herz, sag mir dein Wort,
Zu meinem hellen Klang,
Ein gutes Wort hat seinen Ort
Unsterblich im Gesang.«
Wie wird mir da auf einmal leicht
Im Herzen, im Verstand;
Ein heller Strahl zum Himmel steigt:
Ich gab ihr Wort und Hand.
Die Sängerin nennt sich die Kunst,
Ach, wie gefällt sie mir!
Doch Wissenschaft verlangt auch Gunst,
Weil ich zuerst bei ihr.
[154]
Und sagen möcht' ich aller Welt,
Was ich gefühlt, gelernt,
Da hat sich Niemand mir gesellt,
Mein Ernst die Welt entfernt.
Ich klag: »Ihr seid mir Beide nichts,
Wenn ich mit euch allein,
Wenn sich kein Volk des innern Lichts
In Unschuld will erfreu'n.
Schafft mir ein Volk, das mit mir fühlt,
Und gern die Lehre faßt,
Daß dieser Strahl in mir nicht kühlt
Und nicht mit mir erblaßt.«
Sie weisen mich nun zur Geduld,
Die uns als Magd gedient,
Doch ich verschmähe ihre Huld,
Mein Muth hat sich erkühnt.
»Noch habe ich mein Ritterpferd,
Noch kann ich euch entfliehn,
Eh Abend löscht den Feuerheerd,
Will ich mit Vielen glühn.
Es blinkt die Welt von neuer Sonn':
Es ist der Waffen Licht;
Gehabt euch wohl ich reit davon,
Dort fehlt das Volk mir nicht!«
Es zieht der Krieg zu uns heran,
Ein Jüngling mit der Fahn'
Theilt Waffen aus an Jedermann
Und löst mir jeden Wahn.
Er spricht: »Ich hab' dich lang' belauscht
Und auch die beiden Frau'n,
Sie haben dich schier ausgetauscht,
Darfst ihnen nicht vertrau'n.
Mach' keine Langeweil der Welt,
So bist du tugendhaft,
Nur That und Tod ihr jetzt gefällt,
Gott's Lob ist deine Kraft.
[155]
Er giebt ins Herz Zerstörungslust,
Wo Schöpfungskraft gehemmt,
Du zwingst die Welt dir unbewußt,
Wenn nichts dein Herz beklemmt.
Wie Schwerd am Schwerdte wiederklingt,
Klingt Herz am Herzen auch;
Gemeinsam ist, was uns verjüngt,
Zur Flamme wird der Rauch.«
Und ein Vertrauen wunderbar
Ergreift mich bei dem Wort,
Verbrüdert mich der Heldenschaar
Und zieht mich freudig fort.
Ja ich ersah der Waffen Ziel,
Versteh der Fahnen Flug,
Und Wissenschaft erscheint als Spiel
Und Kunst als ein Betrug.
Frisch drauf! das ist mein letzter Ruf,
Die weite Welt ist mein:
So weit noch meines Rosses Huf
Haut Funken aus dem Stein.

Das Heidenmädchen

Der Sohn des Himmels und der Erde
Sah, aus der Weihnacht Abendroth,
Ein schönes Kind bei einer Heerde,
Und keiner da Geschenke bot.
Der Glaube war noch nicht gedrungen
Zu diesen spät erschaffnen Aun,
Denn von den Felsen ganz umschlungen,
Konnt' wenig Sonne überschaun.
Doch freut die Kleine sich am Lichte,
Das neu durch Felsenschatten strahlt,
Sie hat so gar ein lieb Gesichte,
Ein edles Blut die Wangen malt.
[156]
Sie muß im Lichte zierlich springen
So glatt und weich schien ihr das Grün
Und zu dem holden Echo singen;
Der Herr will sie zum Glauben ziehn.
Es sprengt der Herr mit Strahlenzügen
Die Ziegen ihr weit auf den Fels,
Sie klettert sorgsam nach den Ziegen,
Er zeigt den Weg im Blick des Hells.
Hin über die bemoosten Platten
Sie wagt sich, schaut ein andres Land,
Da will ihr Herz vor Schreck ermatten,
Denn alles scheint vor ihr in Brand.
Da stehen tausend kleine Tische
Mit bunten Lichtern rings besteckt,
Und Brodt und Wein steht im Gemische,
Schön Meßgewand die Tische deckt.
Und statt der Puppen heilge Bilder
Bewohnen dieses Paradies,
Und Kinder ziehen sanft und milder
Und sehn wie dies so herrlich ließ.
Das Mädchen sieht's und meint ihr eigen,
Was ihr kein andrer wehren will,
Doch bald sich viele Knaben zeigen,
Die bitten drum in Demuth still.
Der eine will ihr Händchen küssen,
Dem wirft sie Aepfel ins Gesicht;
Der will sie schön mit Reden grüßen,
Dem hält sie in den Mund das Licht.
Doch einer kommt mit Witz zu streiten,
Da nimmt sie alle heilgen Bild',
Beginnt sie närrisch umzukleiden,
Verliert sie dann im Spiele wild.
[157]
Was so viel tausend Engel säten,
Zerstört das Kind aus Unverstand,
Warum viel fromme Kinder beten,
Geschenk des Herren ist ihr Tand.
Da kam der Herr zu ihr gegangen,
Als armes Kindlein angethan,
Und thät nach etwas nur verlangen,
Was sie verworfen und verthan.
Da fand sie leer die reichen Tische,
Die Lichter waren fast verbrannt,
Es dampften schon die Buxbaumbüsche, –
Noch fand sie was, das sie nicht kannt.
Es war die Ruthe, die verguldet
Mit leeren Nüssen ausgeziert,
Die giebt sie ihm so unverschuldet,
Dem Herren dem sie nicht gebührt.
Es nimmt der Herr die goldne Ruthe
Und zeigt sich, wie er einst erschien,
Gegeißelt, daß vom rothen Blute
Auf Erden rothe Rosen blühn.
Sein Haupt hängt schwach, er kanns nicht tragen,
Sein Blick ist jammervoll gesenkt,
Er spricht: »So willst auch Du mich schlagen,
Die ich so reichlich hab' beschenkt.«
Was sie verworfen und zertreten,
Sieht sie mit andern Augen an,
Des Herrn Geschenk in den Geräthen
Zeigt sich im einfach tiefen Plan.
Im Wein, im Brod sein Angedenken
Und seiner Mutter heilig Bild,
Sie muß den Blick zur Erde senken,
Manch heilig Bild dort auf sie schilt.
[158]
Sie schauet rings zu ihren Füßen
Sein kunstreich Werk, daß sie zertrat,
Zusammen hätte bleiben müssen,
Des Spieles Lust, der ernste Rath.
Des Buxbaums Flechtwerk war die Kirche,
Der glatte Fels war der Altar,
Doch öde steht nun das Gebirge,
Die Kirche ist verbrannt sogar.
Das Kind will nach den Gaben langen
Und sammeln, was es erst verwarf; –
Da wacht es auf und sieht mit Bangen
Sich ganz verschneiet, kalt und scharf.
Es kommt ein Tag, doch ohne Klarheit,
Die Kälte mit Entsetzen spricht:
Was du versäumet ist die Wahrheit,
Was du verspielet ist das Licht.

Vier Waldstädtersee auf dem Schiffe

Dort drüben in den Bergen,
Da gräbt der Wind sein Haus,
Er muß sich heute bergen,
Kein Wölklein bläßt ihn aus:
Gelähmet ist sein Wille,
Das Wasser scheint so glatt,
Es tönt durch heiße Stille
Ihr Seufzen leise matt.
Wallfahrer traurig singen
Ihr wechselndes Gebet,
Doch mit dem Teufel ringen,
Wohl nimmer einer thät:
So drängen böse Zeiten
Heuschrecken, Schrecken ein,
Wer wird sich heut bereiten
Von Schmach uns zu befrein.
[159]
Die Bretter schwitzen Thränen,
Die Ruderer beim Wein
Verschlafen in den Kähnen
Des nahen Sturmes Dräun:
Du schaust mein Herz die Platte,
Sie rettete den Tell,
Den Muth, den Tell der Gatte,
Dem Schmerz entgegen stell.
Der Sturm trieb auf und nieder,
Sein Schiff zur Schreckens-Bahn,
Der Tell sang frohe Lieder,
Gefangen in dem Kahn:
Des Geislers kann er lachen,
Der ihn gefangen hält,
Den Bösen treiben Drachen,
Wenn Tod ihm Netze stellt.
Er lößt dem Tell die Banden,
Er soll bekämpfen Tod,
Den sie mit Schimpf umwanden,
Nach tiefer Vaternoth:
Er soll sie jetzt erretten,
Der nur für Freiheit stritt,
Den sie gelegt in Ketten,
Zum Kerker führten mit.
Die Stürme von den Bergen,
Sie waren frei zum Kampf,
Es fluthet von den Bergen,
Der grauen Wolken Dampf
Hinaus hinüber über
In Wind und Gegenwind;
Der Liebe Himmel trüber,
Die Felsen deckt geschwind.
Wer giebt dem Tell die Kräfte
Wer giebt ihm solchen Muth,
Es sind der Engel Kräfte,
Die ihn beschützt beim Huth:
[160]
Schon ist er nah am Ufer,
Jetzt springt er aus dem Kahn,
Und stößt ihn rasch vom Ufer,
Zurück zur Todes-Bahn.
Die Sklaven sollen vergehen,
Gelobt sei Wilhelm Tell,
Durch sie Tyrannen bestehen,
Die Freiheit steht durch Tell!
So wurden frei die Brüder,
Der Himmel ward ihr Haus,
Es schallten frohe Lieder
Wär diese Zeit nicht aus!

Aloys

»Wer rasselt mit den Ketten
Auf Arburg in dem Schloß,
Eilt keiner ihn zu retten,
Sein Blut schon röthlich floß?«
Die Folter hats getrunken,
Er rufet: Tröste dich,
Der Tag ist bald versunken
Auf Rosen liege ich.
Ihr grüßt mich Abendstrahlen
Gefärbt mit meinem Blut,
Die Rache mir zu malen,
Zu wecken meinen Muth,
Ich höre Abendlieder
In einsam stillen Thal,
Ich sehe Rosen wieder
Am Berg im Abendstrahl.
O sieh die Alpenrose,
Der lieben Freiheit Bild,
Mein Röschen auf dem Moose.
Uns deckt das blaue Schild,
[161]
Das milde ausgespannet
Der Freiheit Streiter lohnt,
Wer von der Welt verbannet,
Auf hohen Alpen thront.
Wir haben treu gestritten
Für unser heilig Recht,
Und was wir hier erlitten,
Gerechte Nachwelt rächt:
Auf denk der ältern Brüder,
Der Todten Seligkeit,
Wir sehen heute wieder
Den Tell, der uns befreit.
Du siehst das Eiland scheinen,
So still im milden See,
Drei Palmen zu vereinen,
Auf seiner stillen Höh;
Es grünen ihre Blätter
Im Tode Siegertrost,
Die Freiheit siegt im Wetter
Im Blitzstrahl und im Frost.
Es gehen in dem Schatten
Die drei vom alten Bund,
Was sie geschaffen hatten
Geht wahrlich nicht zu Grund:
Das Alphorn soll erschallen,
Zum hohen Strafgericht,
Die Feinde sollen fallen,
Wenn unsre Kette bricht.
Mein Aloys ich höre,
Spricht Werner, Unken schrei'n,
O sehe ich beschwöre
Des Hochgerichtes Schein:
Da winket keine Palme,
Es rauscht das gelbe Laub,
Am Felsen dürre Halme,
Sind schon der Winde Raub.
[162]
So sollen wir verwehen,
Wenn wir hier nicht bekannt,
Da sollen wir vergehen
Wenn wir sie nicht genannt:
Die sich in Tells Kapelle
Mit uns zum neuen Bund
Verschworen an der Stelle,
Wo Tell entfloh gesund.
Wir können nicht entfliehen
Drei Pfeiler seh ich stehn,
Die Todtentänze ziehen,
Mein Weib nur möcht ich sehn:
Sieh das ist unser Himmel,
Da steigen wir hinan,
Der Geister bunt Gewimmel,
Schaut uns schon grüßend an.
Vergebens sind gestorben
Die Edlen in dem Kampf,
Der Feind hat schlau erworben,
Den Preis von unserm Kampf:
Verträge schlau gebrochen,
Durch Falschheit uns besiegt,
Die Freiheit ist gebrochen,
Ihr Held in Ketten liegt.
Ach alles ist verloren,
Die Freiheit zog nun fort
Wo sie vom Tell geboren,
Genährt in heil'gem Ort:
Dem Sommer folgen Schauer,
Der Berge Haupt wird weiß,
Der Winter auf der Lauer,
Berühret sie schon leis.
Der Winter wird vergehen,
Spricht Aloys mit Lust,
Der Frühling wird erstehen,
Und Rache füllt die Brust:
[163]
Und wenn wir auch gestorben,
Es fließ der Henker Blut,
Die Freiheit jetzt erstorben,
Ersteht aus unserm Blut.
Bewaffnet sind die Schaaren,
Der Morgenstern ihr Hort,
Die Nacht wird sie bewahren,
Sie ziehn von Ort zu Ort.
Dann sammeln sich die Brüder,
Im heil'gen Gotteshaus,
Dann flammen hohe Lieder,
Die Freiheit hoch hinaus.
Sie werden eingeweihet
Zum Leben und zum Tod,
Die Fremden bald zerstreuet,
Ein Fremdling alle Noth.
So sterben wir für jene
Und wachen herrlich auf.
Der Freiheit höchste Töne,
Sind Auferstehungs-Kauf.
Nur das will mich betrüben,
Ich lasse meine Braut,
Mein Röslein Feindestrieben
Verlasse meine Braut,
Die Treue mir geschworen,
Auf's Schwert, das sie mir reicht,
Ich hab das Schwert verloren,
Auch Treue weicht vielleicht.
Wer rasselt mit den Ketten
Auf Arburg in dem Schloß,
Eilt keiner ihn zu retten,
Sein Blut schon röthlich floß?
Sein Röschen hats gehöret,
Als Wächter ist sie nah,
Verkleidet ungestöret,
Die Rettung sie ersah.
[164]
Sie steiget in das Zimmer,
Wo beide eng bewahrt,
Die Rose bei dem Schimmer,
Den noch der Mond bewahrt,
Still lößt sie ihre Ketten
Sie folgen ihr so gern,
Sie hoffen sich zu retten,
Er siehet seinen Stern.
Sie steigen auf und nieder,
Die Rose führt sie leicht,
Auf geistigem Gefieder
Der feuchte Nebel streicht.
Sie redet keine Worte,
Mit ihrem Bräutigam
Sie horcht an jedem Orte,
Ihr Haar weht ohne Kamm.
O Rose flüstert jener,
Du bist es liebe Braut
Ein Engel ist nicht schöner!
Sie spricht: Nur mir vertraut,
Und bin ich auch verblichen
Aus Gram und Angst um dich,
Die Ketten sind gewichen,
Die Freiheit rette ich.
Doch bald scheint sie verschwunden
Zum Morgen ging ihr Lauf,
Die Täuschung reißt die Wunden
Der alten Hoffnung auf:
Sie wagen nicht zu regen,
Den Fuß vom Boden auf,
Sie beten Abendsegen,
Da geht die Sonne auf.
Sie staunen, zweifeln, fassen,
Die Brüder an im Wahn,
Die Brüder sie umfassen
Auf ihrer Siegerbahn.
[165]
Es fehlte noch der Führer,
Zum kühnen Überfall,
Und Aloys als Führer,
Begrüßt des Alphorns Schall.
Die Freunde ausgezogen
Vom hohen Alpenland,
Vom Feinde fortbetrogen,
Führt jetzt des Helden Hand:
Und wer ihn hat geführet
Aus finsterm Schloß den Held,
Die Liebe hat geführet,
Die Freiheit in die Welt.
Sein Liebchen ruht im Arme,
Auf Aloys die Braut,
Doch ach, daß Gott erbarme,
Zugleich des Todes Braut:
Die Angst hat sie erdrücket,
Der Freiheit reicht der Held,
Zur Leiche hingebücket,
Den Arm, den sie noch hält.
So stirbt die Mutter kreißend,
Ihr Kindlein in dem Schooß,
Die Lieb zum Himmel reißend
Bleibt Freiheit nackt und blos:
O Held auf dir gebauet
Stehn wir am Felsenrand,
O Fels auf dir vertrauet
Der Freiheit Mutterland.

Straßburger Münster

Laß, o Herr, das Werk der Zeiten,
Das Dein Hauch hat angereget,
Heut durch meinen Mund ausdeuten,
Großes Wort sich schwer beweget,
[166]
Schwer und langsam wie die Steine,
Die aus rauhem Fels gespalten,
Sich erhoben zum Vereine
Und den hohen Thurm gestalten.
Gott erschuf am zweiten Tage,
Der vom Wasser schied die Erde,
Zeugen dieser heil'gen Sage,
Felsen sich zum Opferheerde;
Erwin sah die heil'gen Zeugen
Drüben harrend an dem Rheine,
Und im Geiste ward ihm eigen,
Was ein jeder sag' und meine.
Wie sie alle ihm gebieten,
Daß er sie hinüber führe,
Daß sie heil'gen Dienst behüten,
Daß die heil'ge Kunst sie ziere;
Daß aus felsenfestem Kerne
Sich erbaue Gottes Kirche,
Darum treiben Gottes Sterne
Goldne Adern durch's Gebirge.
Seht mit diesem Goldgewinne,
Den sie zu dem Rheine senden,
Regen sie der Menschen Sinne,
Wirken sie in fleiß'gen Händen,
Daß sie große Gaben schenken,
Zu der großen Münsterkirche,
Die der Erwin will erdenken
Aus den Felsen im Gebirge.
Erwin reißt mit schnellem Bleie
Viele Pläne zu dem Baue,
Doch es fehlt die rechte Weihe,
Daß er auch das Rechte schaue,
Zu der Wildniß jener Berge
Dringt er in Verzweiflung weiter,
Klagt, daß Wahrheit sich verberge
Auf des Schönen Himmelsleiter.
[167]
Betend kommt er so zur Kirche,
Die der erste Christ erbaute,
In dem wildesten Gebirge,
Daß er seinen Herren schaute;
Sieht ein zierlich Bild des Stalles,
Wo der Herr einst ward geboren,
Und das geht ihm über alles,
Und er hat es gleich erkoren.
Die Kapell' aus Stabgeflechten
Ist mit Blumen reich verzieret,
Und was andre bilden möchten,
Diesem Plan der Preis gebühret;
Nein kein Tempel alter Zeiten,
Kann entzücken wie die Hütte,
Soll sich Dauerndes bereiten,
Steigt es nur aus frommer Sitte.
Wo die Krippe einst gestanden,
Ist der Altar aufgerichtet,
Wo das Kind, die Hirten standen,
Hat der Morgen ihn umlichtet,
Und zwei Thürme, wo der Tauben
Keusch getrennte Liebe wohnet,
Sich erheben, wie der Glauben
Der im Geist hoch oben thronet.
Unser guter Meister sinnet,
Daß der Bau in Stein sich gründet,
Bischof Conrad's Herz gewinnet,
Und der Bau wird weit verkündet,
Und Vergebung aller Sünden
Wird zu diesem Bau verliehen,
Jedem, der sich da wird finden,
Treu und muthig im Bemühen.
Bischof Conrad wohl berathen,
Kommt mit heilgem Öl und Weine,
Mit dem Stabe, mit dem Spaten,
Legt geschickt die Gründungssteine,
[168]
Ringsum stehn die Arbeitsleute,
Alle Geistliche des Landes,
Alle Zünfte graben heute,
Selbst die Herren edlen Standes.
Als die Weihung ist vollendet,
Tritt der Bischof still zurücke,
Doch ein Streit hat bald geschändet
Dieser Sonne Gnadenblicke,
Wohl mit Recht ist lang verkündet,
Daß der Teufel sich bestelle,
Wo die Kirche wird begründet,
Seinem Dienste die Kapelle.
Eh der Bischof sie kann trennen,
Ist ein Kampf da ausgebrochen,
Brüder wild im Kampf entbrennen
Und der Eine ist erstochen.
»Wer hat diesen Streit entzündet?«
Ruft der Bischof mit Entsetzen,
»Neu sei dieser Bau begründet,
Nicht mit Blut dürft ihr ihn netzen.«
Und es sprach der Mordgeselle:
»Wo Dein heil'ger Arm gegraben,
Von der lieben Gnadenstelle,
Stieß er mich wie einen Knaben;
Weiß, ich hab den Tod verdienet,
Daß ich Bruderblut vergossen,
Doch es sei die Welt versühnet,
Ihr zum Heil sei es geflossen.
Wißt, es fließen hier im Grunde
Zwei versteckte böse Quellen,
Stopft Ihr nicht die Doppelwunde,
Werdet Ihr den Thurm nicht stellen,
Ganz umsonst sind hier die Pfähle,
Steine, Mörtel ganz vergebens,
Wenn ich's nicht zum Grab erwähle
In der Fülle meines Lebens.
[169]
Eine Quelle will ich laben
Mit des armen Bruders Leiche,
Und ein Grab mir selber graben,
Daß das Wasser schaudernd weiche.
Dann erst ist der Thurm begründet,
Und das Wasser ist bezwungen,
Und die Säulen hoch verbündet
Sind vom Sumpfe nicht verschlungen.
Eilet euch ihr starken Hände,
Daß ihr euer Grab vollendet,
Weh ihr glüht wie Feuerbrände,
Erde reinigt, was sie schändet,
Seid begrüßt ihr Rein'gungs-Quellen,
Schaudert nicht vor mir zurücke,
Ich umspanne eure Wellen,
Bin des Heiles feste Brücke.«
Und der Bischof sieht zum Heile
Hier das Unheil ausgedeutet,
Viele Schuh tief grub in Eile
Dieser Mörder und erstreitet
Sich ein Grab in tiefen Quellen,
Die dem Meister sich verbargen,
Sicher kann er Mauern stellen
Auf dem Leichnam dieses Argen.
Wo die Brüder eingegraben
Weiht der Bischof neu die Stelle,
Friedlich werden böse Knaben
Nun des heilgen Baues Schwelle,
Und der Thurm ersteigt in Eile
Ohne Streit die höchste Höhe,
Wo ich jetzt zu meinem Heile
Zu der Gnadenmutter flehe.
Flehe, daß sie mich von hinnen
Zu dem Bau des Himmels nehme,
Neue Lehre zu gewinnen,
Denn als Meister ich mich schäme,
[170]
Daß ich diesen Thurm verdorben,
Weil der Plan schon hier erfüllet;
Was vollendet ist gestorben
Und die Sehnsucht nicht mehr stillet.
Ja ich fleh um Ungewitter,
Flehe um der Blitze Strahlen,
Daß sie durch das graue Gitter
Dieser Steine Flammen malen,
Daß sie brechen und zerschmettern
Diesen Thurm, den ich geschlossen,
Und schon blick' ich zu den Wettern,
Fest entschlossen, unverdrossen.

Die Pfalz

Im See auf Felsenspitzen
Wird bald Dein Schloß, die Pfalz,
So eckig weiß Dir blitzen,
Als wär's ein Körnlein Salz,
Und rings in dem Kessel von Felsen,
Da siedet das Wasser am Grund,
Ich rath es Euch Wagehälsen,
Verbrennet Euch nicht den Mund.
Es glänzen da sieben Thürme,
Von sieben Strudeln bewacht,
Und wie der Feind sie stürme,
Der alte Thürmer lacht;
Die alten Salme lauern
Auf frische Helden voll Muth,
Wenn Heldenbräute trauern,
Da füttern sie ihre Brut.
Denn sieh, die Schiffe kommen
Gerüstet bis zum Schloß,
Gar prächtig angeschwommen,
Da trifft sie Wirbelstoß,
[171]
Und wie ein Rad der Mühle,
So drehn sie sich geschwind,
Als wär' es nur zum Spiele,
Bis sie verschwunden sind.
Doch willst Du einen retten,
Dem wirft der Thürmer dreist
Um den Leib den Haken an Ketten
Und ihn hinüber reißt;
Zeigt ihm des Schlosses Thüre,
Doch wer nicht fliegen kann,
Der braucht der Leitern viere,
Eh er zur Thüre hinan.
Und ist er eingetreten,
Da stehn vier eiserne Mann,
Die stechen, eh er kann beten,
Hält sie der Thürmer nicht an;
Sie scheuen keinen Degen
Und haben doch kein Herz,
Stahlfedern sie bewegen,
Sie sind gegossen aus Erz.
Und ist er da vorüber
Im grünen ummauerten Platz,
Da wird ihm wohler und trüber,
Als wär' er bei seinem Schatz,
Da stehen die Kirschen in Blüthen
Und Kaiserkronen in Glanz,
Die Nachtigal singet im Brüten,
Kein Mädchen führt ihn zum Tanz.
Der Thürmer nimmer leidet
Ein Mädchen in der Pfalz,
Und ist sie als Ritter verkleidet,
So kostet's ihr den Hals.
Doch hat er den Bart gefühlet,
Dann läßt er ihn zu Dir ein,
Zum Schloßhof, wo Wasser spielet,
Mit buntem Strahlenschein.
[172]
Da fließet ein Brünnlein helle,
Das wie der Himmel rein,
Wie auch der See anschwelle
Von irdisch gelbem Schein;
Der Blumen stehen da viele
Am schwarzen Gemäuer entlang
Und eine kleine Mühle
Steht mitten in dem Gang.
Die Mühle drehet und netzet
Den Schleifstein grau und fein,
Ein Alter schleifet und wetzet
Beständig auf dem Stein:
Da schleifet er alle Stunden
Ein Heldenschwert am Stein,
Und hat nicht Zeit gefunden,
Daß alle würden rein.
Nun Fremdling geh nur vorüber,
Dir springen die Funken in's Aug',
Bald wäre es Dir viel lieber
Du lägst bei den Andern auch,
Denn keiner kömmt zurücke,
Der einmal hier oben war,
Es sei denn, daß er sich bücke,
Und daß ihm gebleicht sein Haar.
Die Zimmer des Schlosses sind enge,
Gewölbt von Doppel-Kristall,
Und blankes Silbergepränge,
Das spielt mit den Strahlen Ball;
Da sitzet auf einem Löwen
Des letzten Grafen Sohn,
An solchen gefährlichen Höfen
Ist das der sicherste Thron.
Er denkt an Vater und Mutter
Und an des Unsterns Nacht,
Das ist ein Heldenfutter,
Das nährt des Herzens Macht;
[173]
Da sieht er in die Schrecken
Wie in Alltäglichkeit,
Und läßt sich nimmer necken
Von falscher Sorglichkeit.
Er ist so sicher in Kräften,
so herrlich von Angesicht,
So glücklich in allen Geschäften,
Des Unsterns achtet er nicht;
Ihm scheint der Tag der Sage
Schon freudig durch die Nacht,
Die Nacht vor'm jüngsten Tage
Wird schweigend zugebracht.

Beichte

Der Sonntag winkt mit stillen Blicken
Und schmückt ein jedes Blumenbeet,
Der Gärtner will ein Sträußlein pflücken,
Weil seine Frau zur Kirche geht.
Und kann sich immer nicht entschließen,
Wo er sein Messer brauchen soll,
Die Blumen sich im Thau noch küssen
Und Herz am Herzen hängt so voll.
Da kommt sein junges Weib gegangen,
Ihr schwarz Gebetbuch in der Hand,
Ihr Blick gesenkt im frommen Bangen,
Zur Laube hat sie sich gewandt;
Wie heimlich glüht die Geisblattlaube,
Ihr Schatten ist ein duftig Bad,
Und drinnen girrt die Turteltaube
Und Nelken glänzen an dem Pfad.
Da spricht die Frau mit bangen Sorgen:
Vergessen ist die Sündenschuld,
Was wollt ich beichten heute Morgen,
Ach Gott, hab nur mit mir Geduld.
[174]
Ach hätte ich nur eine Stunde,
Mir fielen wieder Sünden ein,
Aus welchem bösen Sündengrunde
Mag ich wohl so vergeßlich sein.
Der Gärtner hat sich nicht verstecket,
Doch ist er nicht von ihr gesehn,
Die Reben haben ihn gedecket,
Er staunet still, wie sie so schön;
Es kniet sein Weib am Bänklein nieder
Und deckt das holde Angesicht,
Und steht dann auf und saget wieder:
Was ich gesündigt, weiß ich nicht.
Der Mann will eben zu ihr springen,
Und ihr in Kraft von Lieb und Lust,
Vergebung für die Sünde bringen,
Die ihrem Herzen unbewußt,
Da hört er eine Harfe klingen,
Sieht eine Frau mit grünem Hut,
Die ihr will süße Früchte bringen,
Die Frau sagt wahr und ist ihr gut.
Sie küßt die Hand des schönen Weibes
Und rufet mit Verwundrung aus;
»Du bist gesegnet Deines Leibes,
Und Segen kommt nun in Dein Haus!«
Beschämt will es die Frau nicht glauben,
Und klagt wie schwer zu Muthe ihr,
Tyrola spricht: »Eh reif die Trauben,
Die jetzt so hart, dann glaubst Du mir.«
Ihr glaubt die Frau und heil'ge Blicke
Wie Perlen sie umkränzen schön,
Tyrola singt von ihrem Glücke
Zu ihrer Harfe Vollgetön;
Was sie gedrückt war keine Sünde,
Es war die ungewohnte Lust,
Daß sie den Dank zu Gott verkünde,
Erhebt Gesang die freud'ge Brust.
[175]
In wessen Herz die Sünde schweiget,
Da klingt des Herren Lobgesang,
Das Dasein sich so freundlich zeiget,
Wenn neue Hoffnung es durchdrang,
Sie fleht, daß sie der Herr durchdringe
Mit seines Geistes Gegenwart,
Daß früh ihr Kind den Geist empfinge,
Wenn es noch bildsam, rein und zart.
Da kann der Gärtner sich nicht halten,
Er stimmt in's fromme Lied mit ein,
Und muß die Hände betend falten:
So muß sich eine Kirche weihn!
Und er gelobt, an dieser Stelle,
Zum Angedenken dieser Gunst,
Will er erbauen die Kapelle
Mit hocherfahrner Bildner Kunst.
Es steht die Frau in Scham betroffen,
Woher er ihr Geheimniß weiß?
Er spricht: »Ich sah den Himmel offen,
Ein Engel sagte es mir leis:
Und alles Geld, was Du gesparet,
Den Armen gieb zum Freudenmahl,
Daß Gott, der Herr, Dein Kind bewahret
Und führt es leicht zum Sonnenstrahl.«

Flammenruh nach Weisheit streben

Flammenruh nach Weisheit streben
Senkt den Jünger tief in Schlaf,
Und es glüht sein innres Leben,
Als wenn Blitz die Tanne traf.
Festlich statt der schwarzen Krone
Trägt sie einen Flammenkranz,
Weihrauch träufelt von dem Throne,
Halme wirbeln rings im Tanz.
[176]
Sonst da dräuten ihm die Bilder,
Schrecklich roth und blau gemalt,
Und die Zeichen noch viel wilder
Und das Thier in Flaschen schalt;
An den tausend Messingscheiben,
Wo das Blei am Faden hängt,
Mußt er sich erst müde treiben,
Eh der Schlaf ihn süß umfängt.
Liebchen kommt nun ihn zu küssen,
Aber er vernimmt sie nicht,
Himmlisch mild die Sterne grüßen
Und er steht in vollem Licht,
Und sie setzt sich ihm zu Füßen
Und umfasset seine Knie,
Sollt sie ihn nicht wecken müssen,
Er erwachet sonst wohl nie.
Leise kam sie erst geschlichen,
Doch nun schreit sie ihm in's Ohr,
Und der Schlaf ist nicht gewichen,
Es ist ein verschloßnes Thor,
Und sie nimmt die Bücher alle,
Die ihn magisch tief versenkt,
Hat die mächtgen Geister alle
In des Ofens Gluth gesenkt.
Und der Ofen wollt sich wundern,
Schüttelt mit dem alten Kopf,
Und aus allen alten Plundern
Stieg so mancher grüne Knopf;
Wüst im Kopfe, wild zum Schelten,
Wacht er auf und schaut sie an,
Die gern Alles will entgelten,
Wenn sie ihn nur retten kann.
Aber er mit wilden Tritten
Stößet Liebchen an die Erd,
Höret nicht auf ihre Bitten,
Sieht die Gluth nur auf dem Heerd:
[177]
»O ihr Zeichen, ihr verbrennet,
Nun ihr sie mir zugeführt,
Ach woran wird nun erkennet
Ob die rechte ich erspürt!«
Wärst Du Mädchen mir ganz eigen,
Wie ein Mädchen lieben muß,
Ganz geduldig Dich zu zeigen
Wär gewesen Dein Genuß;
Wär ich Mädchen Dir ganz eigen,
Nimmer zweifelte ich mehr,
Sondern müßt die Kniee beugen,
Und mein Herz wär mir nicht schwer.
Herrschen nicht und auch nicht dienen,
Zweifel war mein Weltgeschick,
Nur beschwören, nicht verdienen
Läßt sich jedes Götterglück:
Weiber-Vorwitz, wer beschwört dich,
Da es selbst nicht Lieben kann,
Denn die Liebste selbst, sie stört mich,
Da ich war in ihrem Bann.

Schweizerlied

Lebet ihr Schweizer hoch,
Sterbe die Feindesbrut,
Die uns belog,
Streitet in Himmelshuth,
Trinket der Feinde Blut,
Heute befreit zu sein
Schlingt den Verein.
Schwühl ist die Sommerluft,
Kühl ist die Sternennacht,
Decket die Kluft!
Euer ist Leibes-Macht,
[178]
Brücken sind leicht gemacht
Über sie schreitet hin
Sieg und Gewinn.
Jubelnd zum wilden Rhein
Hallet der Kühe-Reihn
Muthig allein! –
Wär es das weite Meer
Nimmer verweilt das Heer,
Suchet mit Augenblitz
Waffenbesitz.
Hört ihr den tiefen Klang
Schauert euch Feinden bang?
Herz aus uns sang!
Blut in die Wangen drang,
Wuth in den Sehnen rang,
Wonne es stürmt das Horn
Gegen euch Zorn.
Ordnet die schnellen Reihn,
Schauet im Mondenschein
Geister sich freun:
Weihet den Schützen ein,
Decket mit Kranzes Schein,
Einen der Feind er traf
Sinkend zum Schlaf.
Dränget die Lücke voll,
Jubelnd mein Tod erscholl
Kugel nun roll;
Grase am Boden toll,
Tod ist des Lebens Zoll
Zahlet des Vaterland's
Kühlenden Sand.
Dringt mit dem Morgenstern
Kühn in die Spieße ein.
Schaut nur den Stern.
Schlucket die Spieße ein,
[179]
Krankheit ist böse Pein,
Wer von den Spießen sinkt
Himmelthau trinkt.
Schauet beim Morgenschein
Ruhend im Dämmerhayn
Feindes Gebein:
Höret den Siegsgesang
Der von den Brüdern klang! –
Feinde nur klagen bang,
Wonnegesang.

Schwingeliedchen nach der Sicilischen Melodie

Werf ich ab den Kittel
Mädchen schaue an
Wie ich ohne Knittel
Männer schlagen kann:
Schau die Sehnen schwellen
An der Schenkel Muth,
Wie zur Erde quellen
Sie in fester Wuth.
Singend schwinget schlinget
Ringet Brust an Brust,
Wer den andern zwinget
Fühlet frei die Lust
Denn wer hingestrecket
Reichet ihm den Kranz,
Eichengrün bedecket,
Seiner Stirne Glanz.
Welchem Mädchen bringet
Er den Siegerkranz,
Jedes ihn umschlinget
Froh zum Schlingetanz:
[180]
Dreht ihn schnell im Kreise
Ringt im schnellen Sprung,
Sucht nach Mädchenweise
Sieg in Tanzesschwung.
Und wer heut' besieget
Suchet morgen Sieg,
Keiner stets erlieget
David krönte Sieg:
Schwachen hilft die Schnelle,
Dauer giebt der Muth;
Schweizer von der Stelle
Nimmer weich' uns Blut.
Singet: Ringet schlinget
Dringet Brust an Brust
Auf den Feind, und bringet
Sieg und Siegerlust:
Andacht doppelt Kräfte,
Muth nur sichert Gut,
Treue im Geschäfte
Leiht euch Himmels Huth.

Die heiligen Zeichen

Romanze


Wunder! schreit's durch alle Gassen,
Auch die Priester Wunder! schreien:
»Ihr sollt neuen Glauben fassen,
Euch durch diese Zeichen weihen.
Seht die Brust der kranken Nonne
Ist bezeichnet mit dem Kreutze,
Mit des Dornenkranzes Sonne
Glüht die Stirn vom Schmerzensreitze.
[181]
Und die heilgen Nägelmahle
Schimmern roth an Händ' und Füßen,
So will Gott im Erdenthale
Lange Leiden ihr versüßen.
Wie der Herr des Walds erst stellet
Zeichen zu den schönsten Eichen,
Eh er sie zur Kirche fället
Die den Himmel soll erreichen;
So ist Gott der Sohn gekommen
Oeffnet mit den heilgen Wunden
Kopf und Herz, die noch beklommen
Von den letzten Erdenstunden.
Seht sie sterben, seht sie scheiden
Sie ist unser, bleibt uns eigen,
Solcher Tod ist zu beneiden
Und sie wird einst für uns zeugen.
Auf dem Altar unsrer Kirche
Wird der Leichnam bald verehret,
Daß sie segnend Wunder wirke
In dem Glauben, den sie lehret.«
Tausend stehen an dem Bette,
Einer ruft: »was soll ich denken,
Gnädger Gott, die Heilge rette
Statt dies Zeichen ihr zu schenken.
Daß sie hier mit ihrer Lehre
Aus dem nahen selgen Anschaun
Unsern irdschen Wahn zerstöre
Und des Herzens Eis mag aufthaun.
Dieses Wunder mich nicht wärmet,
Dieses Zeichen mir nicht strahlet,
Wo ein Volk im Glauben schwärmet
Ist ein Trugbild leicht gemahlet.«
[182]
Zornig drohet ihm die Menge,
Doch die Nonne winket Frieden,
Wieder kniet nun das Gedränge,
Ruft nach Segen bey der Müden.
Und mit ihrem letzten Athem
Hebt die Fromme ihre Stimme:
»Segne Gott, der mich berathen,
Der mich führt, wohin ich klimme.
Achtet höher nicht die Zeichen
Als den Geist, der ist das Wesen,
Diese Zeichen müssen weichen
Dem Genesen, dem Verwesen.
In dem ausgezehrten Leibe
Wurden frey der Seele Flügel,
Und im heilgen Zeitvertreibe
Drückte sie mir auf das Siegel.
Wo ich innen Gott gefühlet,
Aeusserlich das Kreutz geschlagen,
Wo die Hände mich gekühlet,
Wenn der Geist zu Gott getragen.
Wo die Händ' im Schlaf gefalten,
Und die Füße sich geschlossen,
Mußte Krankheit mir gestalten,
Was mich innerlich durchflossen.
Kron und Kreutz auf Stirn und Herzen
Sind der Leiden blutge Kunde,
Linderten der Krankheit Schmerzen,
Floß das Blut aus jeder Wunde.
Wenn mein Herz zu Gott beweget
An dem Tag, wo er gelitten,
Floß das Blut, vom Geist erreget,
Wohlseyn lohnte meine Bitten.
[183]
Fühlt den Schmerz, den ich gelitten,
Betet stets bey diesen Zeichen,
Und natürlich wird erstritten,
Was dem Wunder wohl mag gleichen.
Eine Wahrheit glaubt den Zeichen,
Daß ich nie vom Herrn gewichen,
Nur der Geist kann ihn erreichen
Nie hat er den Leib bestrichen.
Wenn die Zeichen hier erblassen
Ehret ihn in seinen Worten,
Die er sterbend uns gelassen,
Sie eröffnen Himmelspforten.
Betet nicht zu todten Leichen,
Lebend Wort ist Fleisch geworden,
Wohnet unter uns als Zeichen,
Weihte mich zum keuschen Orden.«
Bey dem Worte sinkt sie nieder,
Und der Eine, der gesprochen,
Ruft: »Ich seh dich Seele wieder,
Wenn die Augen mir gebrochen.
Fromme Lüge nahm mir Glauben
Trieb aus Kirchen mich ins Freye,
Wenn das Blatt fällt reifen Trauben,
Wahrheit führt zurück zum Glauben.
Wahrheit, die dem Volk gebeichtet
Ist der echte Glaubens Zunder,
Wahrheit wärmet und erleuchtet
Nie erlischt ihr ewges Wunder.«

[184] Zur Weihnachtszeit

Was leuchtet durch die Nacht so helle
Und weckt das Haus mit heilgem Graus?
Ein Kind tritt aus des Himmels Schwelle
Und klopft an's ird'sche Lebenshaus.
Wer hat die Thür so fest verschlossen,
Daß es so lange harren muß?
Das Kindlein klopfet unverdrossen
Der Mutter scheint's ein Todesgrus.
Mit Schmerz und Tod hat sie gerungen
Weil ihr das Kind verloren schien,
Und unverhofft ist's eingedrungen,
Sie sieht in ihm ihr Leben blühn.
Ja, wo ein Kind der Welt geboren,
Da scheint die Nacht wie Tag so klar,
Die Nachbarn grüßen an den Thoren,
Als finge an ein neues Jahr.
Nur Hirten kennen ganz den Segen,
Der durch Geburt die Welt erneut,
Wenn sie das Lamm zur Mutter legen,
Die Mutter sich am Anblick freut.
Der Anfang lag im Ew'gen Geiste,
Im Menschenwillen lag er nicht,
Und wie der Hochmuth sich erdreiste,
So bildet Kunst kein Angesicht.
Ein jedes Kind ist neuerfunden
Und überrascht das Mutteraug',
Verborgne Zukunft wird entbunden
In seinem ersten Lebenshauch.
Die Mutter freut sich nun der Erde,
Von der sie schon der Schmerz erhob,
Und schnell vergessen ist Beschwerde
In dieser Schöpfung erstem Lob.
[185]
Es fließen ihre Wonnezähren,
Sie tritt zurück ins Paradies,
Das Weib wird selig durch Gebären
Und die Erlösung ist so süß.
Doch Keine, die nicht ist geweihet
Durch Gottes Geist, durch Engelgrus,
Erträgt, was heut Maria freuet
In ihres Kindes erstem Kuß:
Was Hirten Engeln nachgesungen,
Was himmlisch ihr verkündet ist,
Daß sie von Gottes Geist durchdrungen,
Und daß ihr Kind der heilge Christ.
In Freudentaumel würde brechen
Das stärkste Herz in Weibesbrust,
Wenn Engel aus dem Himmel sprechen,
Dein Kind ist Gott, des Himmels Lust.
Nur eine Jungfrau kann's ertragen,
Der ird'sche Lust noch unbewust,
Daß diese Weihe heilger Sagen
Jetzt ruht an ihrer keuschen Brust.
Maria selbst muß sich in Sorgen
Zerstreun beym heilgen Kind im Stall,
Daß sie erträgt den freudgen Morgen,
Sie winket still dem Hirtenschall.
Sie winkt, daß sie ihr Kind nicht wecken
Mit ihrem Jubel auf der Flur,
Sie muß das Kind im Frost zudecken,
Den Frühling menschlicher Natur.
Es kann die Welt noch nicht erlösen
Von ihres Winters harter Zeit,
Sie dient noch neben ihm dem Bösen,
Zur Prüfung dient ihr noch der Streit;
[186]
Und alle Weisen werden kommen
Und biethen ihm Geschenke dar
Und haben doch noch nicht vernommen,
Was dieses Kind urewig war.
Allmälig wird die Welt sich stärken
Zu schaun sein göttlich Angesicht,
Wenn sich in treuer Liebe Werken
Das Auge weiht dem neuen Licht.
Doch keiner kann voraus verkünden
Wann diese Welt dem Ewgen reift,
Wann Er von Tugenden und Sünden
Mit Richterhand die Hülle streift.
Wer wagt von uns mit irdschen Ohren
Zu hören dieses Tags Gebot,
Wenn aus den hohen Himmelsthoren
Vernichtung unsrer Erde droht,
Wenn ewger Frühling dort geboren,
Und hier des Winters ewges Reich,
Und die erkoren, die verloren
Sich scheiden für die Ewigkeit.

Sylvester-Lied

Vorsänger.

Herzchen im Thurme:
Schlagende Uhr,
Klinge im Sturme
Durch die Natur;
Bring' uns die ferne
Sonne zurück,
Feurige Sterne
Ahnen dies Glück:
Himmlisch getragen
Bringst du das Jahr:
Zwölf hat's geschlagen
Deutlich und klar!
[187] Chor.

Oeffnet die Fenster
Allem Geschrei,
Wolkengespenster
Zieht nun vorbei!
Was heut die sinkende
Sonne bedacht,
Zeigen schon blinkende
Sterne der Nacht,
Sind schon von wärmender
Sonne durchblickt,
Sind schon von schwärmender
Liebe entzückt.
Vorsänger.

Dreht sich das alte
Jahr nun zurück:
Daß sich erhalte
Aelteres Glück, –
Kommt nun das neue
Jahr in die Welt:
Daß sich zerstreue,
Was uns mißfällt, –
So ist gestaltet
Göttergeschick,
Treulich verwaltet
Alle dies Glück!
Chor.

Hände verschlinget,
Herzen vereint:
Was uns durchdringet
Festlich erscheint;
Wir, als die Wissenden,
Thun uns hier kund:
Schließen mit küssenden
Lippen den Mund,
[188]
Daß uns magnetische
Weihung durchglüht
Und das poetische
Neujahr erblüht.
Vorsänger.

Geistig beginnet,
Was sich erneu't,
Geistig gewinnet
Jeder die Zeit;
Tief im Gemüthe
Waltet die Kraft,
Daß sich die Blüthe
Hoffend erschafft;
Wünschet heut offen:
Was euch erfreut,
Sehet im Hoffen
Alles erneut.
Chor.

Immer im Dunkel
Kommt uns das Jahr,
Weines-Gefunkel
Machet es klar;
Bringt uns die klingenden
Gläser herbei!
Schließet die singenden
Kehlen aufs neu:
Sammelt die feurigen
Wünsche beim Glas,
Keiner der Eurigen
Beiße in's Gras!
Vorsänger.

Fröhliche Schwestern!
Trinkt auf die Zeit:
Eben war gestern,
Eben ist heut;
[189]
Herrliche Brüder!
Schenket euch ein:
Zeitengefieder
Rauschet beim Wein;
Hebt uns zum Tanze,
Dreht uns im Kreis,
Schwinget im Kranze,
Jüngling und Greis.
Chor.

Lasset uns schweben
Ueber die Welt,
Allem ergeben,
Was uns gefällt;
Wenn der geflügelte
Gott aus uns spricht,
Flieht das geklügelte
Faltengesicht,
Und im erheiternden
Hauche der Zeit
Ziehen die scheiternden
Schiffe noch weit!

Die Polizei und der Vielgläubige

Polizei.

Welcher Glaube ist der deine,
Nenn' uns heute die Gemeine.
[190] Vielgläubige.

Ich hoffe auf den Glauben
Und habe ihn noch nicht,
Ich wart' auf reife Trauben
Mit sauerem Gesicht;
Bald war ich jetzt katholisch,
Bald wieder Protestant,
Das macht mich melancholisch:
Ich glaub' an allerhand.
Polizei.

Jeder muß sich hier bekennen,
Wie wir ihn beim Glauben nennen.
Vielgläubige.

Nun freilich ich benannte
Mich erst ein Protestant,
Ich hatte viel Verwandte
Die sich dazu bekannt;
Dann sah ich Prozessionen
Und einen Wallfahrort,
Da, meint' ich, sey gut wohnen,
Ich schwor auf Papstes Wort.
Polizei.

Vaterland und Vaterglauben,
Ließest du vom Schein dir rauben.
Vielgläubige.

Ich hab's auch bald bereuet,
Beim ersten Fasttag schon,
Wie da der Magen schreiet,
Als prellt' ich ihn ums Lohn;
Mit Milch und Mehl und Eiern
Vertrage ich mich nicht,
Soll ich den Fasttag feiern,
Verlang' ich Fleischgericht.
[191] Polizei.

Wer das »A« gewagt zu sagen,
Muß das »O« und »W« ertragen.
Vielgläubige.

Ich könnt' es nicht ertragen,
Ich aß als Protestant,
Da hab' ich's mit dem Magen
In rechter Tief' erkannt;
Ich lacht' in starkem Muthe,
Wenn einer Katholik,
Da drang zu meinem Blute
Ein schöner Himmelsblick.
Polizei.

Endlich, endlich kommt die Gnade,
Denn es war um euch doch schade.
Vielgläubige.

Ein Mädchen kam gegangen,
Ein fromm katholisch Kind,
Die hat mein Herz gefangen
Und wandt' es gar geschwind;
Sie schwur, mich zu vermeiden,
Weil sie die Ketzer scheu',
Ich schwor mit tausend Eiden:
Daß ich katholisch sey.
Polizei.

Ey, wer wird so fälschlich schwören,
Schöne Mädchen zu bethören.
Vielgläubige.

Ich hatte wahr geschworen
Der Jungfrau klar und rein,
Sie hatte mich erkohren,
Der Glaube war nun mein;
[192]
Ich könnt' andächtig knieen,
Es that kein Knie mir weh,
Auch fastend mich erziehen,
Sie nahm mich zu der Eh.
Polizei.

Wenn's nur wäre von Bestande,
Wäre Glaub' aus Lieb' nicht Schande.
Vielgläubige.

So ward ich an dem Tage
Vermählt und Katholik;
Bald lernte ich die Plage,
Vergaß gar bald mein Glück.
Denn hinter heil'gen Augen
Trug sie ein Alltagspaar,
Und Worte, scharf wie Laugen
Gab sie das ganze Jahr.
Polizei.

Nun, du bist nicht zu beneiden,
Denn der Tod kann euch nur scheiden.
Vielgläubige.

Das mußte ich vernehmen
Als ich um Scheidung bat;
Ich mußte mich bequemen
Und folgte gutem Rath;
Weil Protestanten schieden,
Glaubt' ich mich Protestant,
So wechselt stets hienieden
Mit Glauben Unbestand.
Polizei.

Nein, das heißt zu viel changiren,
Wird dich nicht zum Glauben führen.
[193] Vielgläubige.

Ja wohl! Die Protestanten –
Woll'n all' was Eignes seyn! –
Schnell aus der Kirche rannten
Und ließen mich allein;
Selbst Prediger und Küster
Lief aus der Kirche gleich,
Die leere Kirch' ist düster,
Ich bring' die Schlüssel euch.
Polizei.

Lauf nur nach, zu der Gemeine,
Frag' sie, wie ihr das erscheine?
Vielgläubige.

Ich kann sie nicht erreichen,
Mir geht der Athem aus;
Ihr müßt zum Lerchenstreichen
Mit einem Netz heraus;
Sie hassen das Gemeine,
Entliefen gern der Welt,
Doch tragen ihre Beine
Sie nicht ins Himmelszelt.
Polizei.

Unbegreiflich, daß wir Alle
Nichts gewußt von diesem Falle.
Vielgläubige.

Sie sind in sich verzücket,
Wie hinter einem Wall,
Und haben nichts erblicket,
Als ihrer Verse Fall;
Sie fangen an zu pred'gen
Und wissen nicht den Text,
Sie müssen sich entled'gen,
Als wären sie behext.
[194] Polizei.

Nun, die sollen schön bezahlen,
Wenn sie sich so thöricht prahlen.
Vielgläubige.

Sie wollen nicht bezahlen,
Als mit dem Wörterhauch,
Sie glauben, daß sie strahlen,
Ich sehe lauter Rauch;
Sie können prophezeihen,
Doch hört noch Keiner zu,
Sie müssen drum so schreien,
Gott gebe ihnen Ruh.
Polizei.

Bis wir die Gemeine fassen,
Bist du vom Gericht entlassen.

Klage beim Bundestage

Chor.

Warum schweigst du alter Zecher,
Siehst in deinen leeren Becher?
Einer.

Ich schwieg nur, weil ich kalkulirte
In Adam Riesens Rechenbuch:
Wie viel des Weines mir gebührte,
Es giebt des Weines schon genug;
Ich hab' den rheinschen Berg gemessen
Und den Ertrag rein abgeschätzt,
Ein Jeder kann in Deutschland essen
Und trinken soll ein Jeder jetzt.
Chor.

Sprich, was Jedem hier gebühret,
Ob du richtig kalkuliret.
[195] Einer.

Auf jeden Deutschen kommt gerade
Tagtäglich ein Maaß rheinscher Wein;
Seht unsres Gottes große Gnade,
Die uns bescheert am guten Rhein!
Doch ach! die bösen rheinschen Leute,
Die trinken täglich schier zehn Maaß,
So ward nun unser Wein zur Beute
Des Volks, das nah' am Rheine saß.
Chor.

Rück' es ein in jede Zeitung,
Wahrheit siegt in höh'rer Leitung.
Einer.

Wahrhaftig, übrig müßte bleiben,
Gäb's nicht am Rhein so durst'ge Dieb',
Sie würden uns darum verschreiben:
Daß er nicht auf dem Lager blieb;
Ich möchte nur den Schelmen wissen,
Der meinen Wein trinkt täglich aus!
Ich rührte sicher sein Gewissen,
Daß er mich ladet in sein Haus.
Chor.

Fall ins Haus ihm mit der Thüre,
Einen Jeden quotisire!
Einer.

Und will er nicht, so soll entscheiden
Der deutsche Bund vor Allem dies:
Ob nicht die Rechnung ganz bescheiden,
Und daß ich nicht zu viel verhieß;
Verjährung nimmt nicht Menschenrechte,
Und löscht nicht Adams Rechenbuch,
Im deutschen menschlichen Geschlechte
Hat jeder künftig Wein genug.
[196] Chor.

Sey zum Bundestags-Gesandten
Heut ernannt von Zechverwandten.

Literaturgeschichte

An Dorothea.


Thema.

Sonst, da blieb es noch beim Sprechen,
Jetzt ach! schreiben schon die Meisten,
Schreiben giebt gleich ein Erdreisten,
Tinte kann nicht widersprechen.
Glosse.

Saßen sonst die alten Basen
Bei dem Kaffee rings im Kreise,
Dünkten sie sich auch schon weise
Und vergaßen drein zu blasen;
Doch wenn sie verbrannt die Zungen,
Kam Vernunft im Widersprechen,
Rächte alle Mißhandlungen,
Sonst, da blieb es noch beim Sprechen.
Statt Gesellschaft kommt jetzt Zeitung,
Wird beim Kaffee still gelesen
Und es stäubt der krit'sche Besen
Jede voll in der Verbreitung,
Bis nun Jede eingesehen:
Daß sie dies auch könne leisten,
Ohne etwas zu verstehen,
Jetzt ach! schreiben schon die Meisten.
[197]
Von dem Isop bis zur Ceder,
Jedes Fräulein Alles meistert,
Statt zu fliegen frohbegeistert,
Schneidet sie die Flügelfeder:
Schreibet auf das Ungedachte
Und verachtet gleich die Meisten,
Daß sie sich so höher achte:
Schreiben giebt schon ein Erdreisten.
Wenn nun Alle schreiben wollen,
Bleiben Keine mehr zum Lesen
Und die heiter thät'gen Wesen
Müssen mit den Menschen grollen:
Daß sie ihren Rath nicht achten,
Müssen sich vergötternd rächen,
Sich am eignen Altar schlachten,
Tinte kann nicht widersprechen.

Variazionen

Thema.

Was nur reiche Geister ahnen
Glaubst du dein, du winzig Ding?
Deine Mittel sind gering
Fort Profaner zu Profanen!
1. Gegen die Aesthetiker

Du Professor schöner Künste
Lösest in der Pfeife Dünste
Aller holden Dichter Gaben
In gar wenige Buchstaben
Schenk jezt deinen Unterthanen
Was nur reiche Geister ahnen.
Funken, die aus kaltem Stahle
Springen bey dem Siegesmahle
Lichter die nur fromme Augen
Aus dem heilgen Geiste saugen,
[198]
Feuer, das aus Blitzen ging
Glaubst du dein du winzig Ding?
Zünd dein Schwefelholz im Dunkeln
Bey des Phosphors schwachem Funkeln,
Kurzer Glanz, denn wie so ärmlich
Brennt es nun und stinkt erbärmlich, –
Und verbrannt ist nun das Ding. –
Deine Mittel sind gering.
Was in einem reinen Busen
Für euch schlägt ihr heilgen Musen,
Was in ewiger Gemeinde
Sie verkünden ihrem Freunde
Soll uns jetzt zusammen mahnen,
Fort Profaner zu Profanen.
2. An eine witzige und trotzige Jungfer

Ob du schon gescheidt zu nennen,
Deine Worte weist zu stellen
Und wie Kirschenkern zu schnellen
Daß sie, wo sie treffen, brennen
Besser muß ich dich doch kennen,
Denn ich ging auf gleichen Bahnen,
Ernst bin ich wie du gewesen! –
Solch ein witzig trotzig Wesen
Ist der Wahrheit schmerzlich Zahnen, –
Was nur reiche Geister ahnen.
Sprich, was willst du von der Welt?
Denk, sie lebt schon manches Jahr
Sah, was groß und wunderbar
Ob sie gleich dir nicht gefällt,
Dennoch hat sie dich erhellt.
Weil mit Pracht die Sonn aufging
Ist dein Auge strahlend schön. –
Kann doch nicht die Sonn ansehn! –
Und das Licht, das dich umfing,
Glaubst du dein du winzig Ding?
[199]
Zier dich nicht in eigner Art!
Lieber stell dich schön verschämt,
Bis sich alles leicht bequemt,
Statt zu scheinen klug und hart,
Wirst gewiß bald weich und zart.
Sieh den Apfel der da hing
Kalt und hart und grün zugleich
In den Händen ward er weich,
Daß ich ihn zum Frühstück bring;
Deine Mittel sind gering.
Wie du wirfst ihn an die Erde
Schmähst der Schönheit Preis und Gabe?
Hexe, daß dich Satan labe
An dem kleinen Zauberheerde
Kommt er mit dem Fuß vom Pferde,
Schwören sollst du seinen Fahnen
Und als alternde Kokette
Allen Knaben zum Gespötte
Wird ein Bock zur Höll dich mahnen,
Fort Profane zu Profanen.
3. Gegen einen Tyrannen

Wie? du weist, was Gott verborgen?
Durchs Geheimniß des Geschicks
Dringt die Klugheit deines Blicks
Und du stehst in hellem Morgen,
Wo wir alle dunkel sorgen
Willst in deines Lebens Bahnen
Willst zu deinen Stolzes Fahnen
Mächtige Nazionen zwingen,
Armer, du must selbst vollbringen
Was nur reiche Geister ahnen.
Als Prometheus Feuer stahl
Aus des Himmels ewgem Glanz
Träumt er sich zum Gotte ganz
In der Menschen regen Zahl,
Sah noch nicht des Feuers Qual.
[200]
Als er an dem Felsen hing
Selbstgeschmiedet an den Ring
Sprach ein Menschlein ihm zum Spotte:
Feuer das du stahlst dem Gotte
Glaubst du's dein, du winzig Ding?
Und der Alte starrte auf,
Wollte stürzen, was er schuf,
Doch vergebens war sein Ruf,
Alles hatte ewgen Lauf
Langsam hölt den Stein die Trauf
Wer mit sich die Welt anfing
Wer nicht in die Schule ging
Wer sich gegen sie verschwor
Muß ihr dienen als ein Thor,
Seine Mittel sind gering.
Frevle rasch zu deinem Ziele,
Hast mich immer langeweilet
Wo du grossen Ruhm ereilet
Denn es war doch nur zum Spiele,
Bahn zu sprengen dem Gefühle,
Das da folgt den heilgen Fahnen,
Unsrer Völker frommen Ahnen,
Und in deinem höchsten Glanze
Fallen die Blätter von deinem Kranze,
Fort Profaner zu Profanen.

Bibliothek

Da sitz ich nun so manchen Tag
Ganz müssig vor den Schräncken,
Weil ich kein Buch mehr lesen mag,
Weil mich die Worte kräncken.
Ich hör kein Wort von Ihm und Ihr,
Verschlossen ist die Kerkerthür.
[201]
Ich sehe voll Bewundrung an
Dies schlechte Buch mit Schwäncken
Wie einer sowas schreiben kann
Ich kann's nicht überdencken
Ich denck und schreib' an ihn an Sie,
Und beug' zum Beten meine Knie.
Wie soll ich Ordnung bringen hier
In so viel tausend Bände?
Des Feuers Ungeduld in mir
Wirft Blicke hin wie Brände;
Es brennt in mir nach Ihm nach Ihr,
Verbrennen möcht ich alles hier!
Ich sprech' wie jener Muselmann
Von den Bibliothecken:
»Was gut, im Koran treff ich's an,
Das andre sind Schartecken,«
Was ich nicht find in Ihm in Ihr
Ist unwerth das ichs registrir.

Auf den Tod der ungenannten Verfasserin der neuen Volksmährchen

Sonett


Der Masken Fest verstummt im Büchersaale,
Die Stunde schlug, was mag sie so betrüben?
Sie eilen fort und Staub ist nur geblieben
Von Bildern alter Zeiten bei dem Mahle.
Die Wagen rollend mit dem Fackelstrahle
Durch dunkle Gassen Trauerzeilen schrieben
In Asche, als die letzten Funken trieben
Und nicht, wie erste, aus dem festen Stahle.
Und diese Funken sich zusammenfinden
Beim Haus der Dichterin, am Leichenwagen,
Die Masken ihr als Mutter Kränze winden.
[202]
Doch keine kann der Todten Namen sagen!
Die alle reif zur Geistestauf' getragen,
Will selbst auf Erden namenlos verschwinden.

[203] [206]Elegie aus einem Reisetagebuche in Schottland

Der Verfasser bittet, diese Verse nicht für Hexameter und Pentameter zu halten.


Genua seh ich im Geist, so oft die unendlichen Wellen
Halten den Himmel im Arm, halten die taumelnde Welt;
Seh ich die klingenden Höhlen des nordischen Mohren-Basaltes,
Seh ich die Erde gestützt auf den Armen der Höll;
Dann, dann sehne ich mich in deine schimmernde Arme,
Weisser Cararischer Stein, kühlend die schwühlige Luft,
Denk ich der Treppen und Hallen von schreienden Menschen durchlaufen.
Keiner staunet euch an, jedem seyd ihr vertraut.
Fingal! Fingal! klinget so hell, mir wird doch so trübe,
Frierend wähn ich mich alt, Jugend verlorene Zeit!
Dreht sich die Achse der Welt? Wie führt mich Petrarca zu Fingal,
War es doch gestern, ich mein, daß ich nach Genua kam.
Ja dort sah ich zuerst das Meer, des nunmehr mir grauet,
Weil es vom Vaterland mich, von den Freunden mich trennt.
Damals von der Bochetta herab in des Frühroths Gewühle,
Lag noch die Hoffnung darauf, weichlich im schwebenden Bett,
Nicht am Anker gelehnt, nein sorgenlos schlummernd sie dreht sich,
Daß die Schifflein so weiß, flogen wie Federn davon;
Lässig band sich vor mir die Göttin das goldene Strumpfband,
Zweifelnd daß frühe so hoch steige der lüsterne Mensch.
Und so stehend und ziehend am Strumpfe sie bebte und schwebte
Wie ein Flämmelein hin über die spiegelnde Welt.
Fiametta! ich rief, mir schaudert, sie faßte mich selber,
Ja ein Mädchen mich faßt, lächelnd ins Auge mir sieht.
Hier! hier! sagt sie und peitschte den buntgepuschelten Esel,
Daß aus dem ledernen Sack, schwitzte der röthliche Wein:
Lieber, was willst du? sie fragt, du riefest mich eben bey Namen:
Wenn sie nicht Blicke versteht, Worte die weiß ich noch nicht.
Der Beschämung sich freuend sie strich mir die triefenden Haare,
[206]
Thau und Mühe zugleich hatten die Stirne umhüllt.
Wie ein Bursche der Schweiz ich schien ihr nieder zu wandeln,
Um zu suchen mein Glück und sie wollte mir wohl,
Als sie den Stein erblicket, den sorglich in zärtlicher Liebe
Auf den Händen ich trug, daß der Anbruch nicht leid,
Ey da lachte sie laut und riß mir den Stein aus den Händen,
Warf ihn über den Weg, daß er zum Meere hinroll,
Und dann spielte sie Ball sich freuend meiner Verwirrung
Mit der Granate die schnell kehrte zu ihr aus der Luft.
Nicht der schrecklichen eine, die rings viele Häuser zerschmettert,
Doch die feurige Frucht, mystisch als Apfel bekannt.
Sie verstand mich doch wohl? O Einverständniß der Völker,
Das aus Babylons Bau blieb der zerstreuten Welt,
Suchte doch jeder den Sack beym brennenden Thurme und fragte,
Also blieb auch dies Wort, Sack den Sprachen gesammt,
Also auch Zeichen der Lieb' im Blick, in guter Geberde,
Scheidend sie winkten sich noch, fernhin trieb sie die Macht. –
Folgend dem trabenden Esel, sie blickte sich um so gelenkig,
Die Granate entfiel und ich grif sie geschickt.
Kühle vielliebliche Frucht, einst Göttern und Menschen verderblich,
Wohl du fielest auch mir, zaudr' ich, wo ich gehofft?
Doch ich zögerte noch, gedenkend an Helena traurend,
An Proserpina dann, beyde erschienen mir eins
Mit der Eva, da wollt ich sie stille verscharren der Zukunft,
Daß nur das Heute was mein, bleibe vom Frevel befreyt,
Daß ich dem Zufall vermach zu treiben die Kerne in Aeste,
Daß ich dem Zufall befehl, daß er die Blüthe verweht;
Aber ich mocht nicht wühlen im Boden voll zierlicher Kräuter,
Jegliches Moos noch zart, drängte sich üppig zum Tag.
Zweifelnd ging ich so hin, nicht sehend stand ich am Meere,
Fern mich weckte ihr Ruf, daß ich nicht stürze hinein:
Nein zu seicht ist die Küste, sie würde nicht bergen das Uebel,
Nur die Tiefe des Meers birgt ein unendlich Geschick.
Also kam ich zum Meer und sahe die Fischer am Fischzug
Springend durch kommende Well, ziehend ein bräunliches Netz,
Roth die Mützen erschienen wie Kämme von tauchenden Hähnen,
Bräunliche Mäntler umher, schrieen als jagten sie die.
Andere stießen halbnackt ins Meer die schwarze Feluke,
Trugen die Leute hinein, die zur Fahrt schon bereit.
[207]
Auch mich trugen sie hin, ich dacht nur des Apfels des Bösen
Und des unendlichen Meers, das mich zum erstenmal trug,
Wie sie enthoben das Schiff begann in dem Schwanken und Schweben,
Daß mir das Herz in der Brust recht wie von Heimweh zerfloß,
Durch die fließenden Felsen erscholl ein liebliches Singen,
Und ich verstopfte das Ohr, bin vor Sirenen gewarnt.
Bald belehrte ich mich, es sang ein Weib in dem Kahne,
Das im Mantel gehüllt deckte vier Knaben zugleich,
Wechselnd die Händ bewegt sie wie Flügel der Windmühl
Und als Zigeunerin singt, wie sie Maria begrüst.
Sagt die Geschickne ihr wahr des heiligen Kinds, das sie anblickt,
Wie es im Krippelein lag, Oechslein und Eslein es sah'n,
Sahn wie der himmlische Stern wie Hirten und heilige König,
Alles das sah sie sogleich an den Augen des Herrn,
Auch das bittere Leiden, den Tod des Weltenerlösers;
Hebt er den Stein von der Gruft, von der Erde den Leib.
Alles Verderben mir schwand, ich sahe das Böse versöhnet,
Statt zur Tiefe des Meers, warf ich den Kindern die Frucht:
Engel versöhnt ihr das Herz, das tief arbeitende Böse,
O so versöhnt auch die Frucht und vernichtet sie so!
Dankend die Mutter sie nahm, hellsingend sie öffnet die Schale,
Nahm mit der Nadel heraus jeglichen einzelnen Kern;
Wie im Neste die Vöglein, also im Mantel die Kindlein
Sperren die Schnäblein schon auf, eh ihr Futter noch da.
Also sie warten der Kerne mit offenem Munde zur Mutter,
Und die Mutter vertheilt gleich die kühlende Frucht.
Wälze dich schäumendes Meer, ich habe die Frucht dir entzogen,
Nichts vermagst du allhier, schaue die Engel bey mir,
Stürze die Wellen auf Wellen, erheb dich höher und höher,
Du erreichst uns nicht, höher treibst du uns nur,
Schon vorbey dem brandenden Leuchtthurm schützt uns George,
Der im sicheren Port zähmet den Drachen sogleich.
Wie von Neugier ergriffen, so heben sich übereinander
Grüßend der Strassen so viel, drüber hebt sich Gebirg,
Höher noch Heldengebirg, da wachet der Festungen Reihe,
Schützet uns gegen den Nord und wir schweben im Süd.
Ey wie ists, ich glaubte zu schauen und werde beschauet,
Amphitheater erscheint, hier die Erde gesammt:
Spiel ich ein Schauspiel euch ihr bunten Türken und Mohren,
[208]
Daß ihr so laufet und schreit an dem Circus umher?
Kommen von Troja wir heim, am Ufer die Frauen und Kinder,
Kennen den Vater nicht mehr, freuen sich seiner denn doch?
Also befreundet ich wandle auf schwankendem Boden und zweifle,
Aber sie kennen mich bald, bald erkenne ich sie.
Fingal! Fingal! riefs schon, muß ich erwachen in Schottland,
Bin ich noch immer kein Held, bin ich noch immer im Traum?
Muß ich kehren zur Erdhütt, keinen der Schnarcher versteh ich,
Muß mir schlachten ein Lamm, rösten das lebende Stück,
Mehl von Haber so rauch mir backen zum Brodte im Pfännchen
Und des wilden Getränks nehmen vieltüchtige Schluck:
Wandrer Mond du schreitest die stumpfen Berge hinunter,
Nimmer du brauchtest ein Haus, dich zu stärken mit Wein,
Alle die Wolken sie tränken dich froh mit schimmernden Säften,
Ja dein Ueberfluß fällt, thauend zur Erde herab.
Nimmer du achtest der gleichenden Berge und Gräser und Seen
Denn im wechselnden Schein, du dich selber erfreust;
Siehe mein Leiden o Mond durch deine gerundete Scheibe,
Schmutzig ist Speise und Trank, was ich mir wünsche das fehlt.

Der Weber und die Spinnerin

Als ich Geselle noch war und webte geschäftig beim Meister,
Sprang ich für Augenblickslohn oft zu der Tochter hinein;
Immer fand ich die Braut beim schnurrenden spinnenden Rädchen,
Ungeduldig einmal schwieg ich tückisch in mir;
Doch sie fragte mich nicht, da brach ich das Schweigen erglühend:
»Wahrlich, die Göttin that recht, als sie Arachnen bestraft;
Denn nur Eitelkeit ist's, zu lieben und Andres zu schaffen,
Als das zierliche Werk, dessen Rädchen das Herz.«
Ungeschickter, sie sagt, ganz ruhig beschaut sie den Faden,
Stören die Hände Dich je, die beschäftigt im Werk?
Höre den ruhigen Takt, das Ungeordnete gleichend,
Und das Auge es weiß, was Dir erlaubt sei dabei! –
Wohl ich nützte auch gleich die zart mir gegebene Erlaubniß,
Und ich gab ihr den Kuß, doch nur den Backen er traf.
»Ach«, so seufzte ich dann, »kein duldendes Weibchen ich wollte,
Sondern das harrend gelauscht, mich im Kommen umschließt!«
[209]
Bläulich blühet der Flachs, entgegnet sie, Hoffnung der Liebe,
Daß ein bräutliches Bett wachse in Blumen darauf;
Doch die Blume, sie täuschet, es fallen die bläulichen Blätter,
Und der Faden erwächst unter der Blume versteckt,
Tief gebücket wir ziehen ihn aus zum Brechen und Spinnen,
Ehe die Blumen so hell stehen im Laken gewebt.
Nun verzweifelst Du schon, noch ehe die Arbeit geworden,
Und schon mürrisch Du bist, eh noch gesponnen der Flachs. –
Und es brach ihr der Faden, da bat sie flehend um Gnade,
Spann nun selber da an, wo ihr gebrochen das Herz;
Grob ward der Faden, ich glaub es, doch hält er länger und länger,
Und sie zeigte mir ihn, streifig im Laken verwebt,
Als ich zum eigenen Heerd mir holte mein liebliches Bräutlein,
Und das Bette so weiß stand in dem Zimmer bereit.
Seit nun die webende Zeit uns einte, priesterlich segnend,
Was die liebende Brust früher gesegnet in sich.
Da vergaß ich so oft den Faden, vergaß auch die Lehre,
Denn das Eigenste ist, was sich am leichtsten vergißt.
Heute vergaß ich ihn ganz, als zürnend ich aufsprang vom Bette,
Und im flatternden Hemd schimpfte die rastlose Frau,
Die den Mund nur verschließt beim ersten Krähen der Hähne,
Um zu sagen die Stund, die mich zum Webstuhl verbannt.
»War es schimpflich dem Gott«, so rief ich, »zu spinnen beim Weibe,
Ich ertrüg es so gern, denn ich säh Dich dabei.
Doch so muß ich zum Webstuhl, zu schauen die seidenen Faden
Und Du selber, Du spinnst mich wie den Seidenwurm ein,
Förderst dies flüchtige Rädchen vom Morgen bis wieder zum Abend,
Wäre dies Rädchen entzwei, würde die Liebe mir neu;
Kurzweil wird Dir zu lang, die lustgen Gesellen mir werden
Alle jetzunder so fremd, fremd wird der kühlende Wein;
Früh muß ich weben und spät noch, was Du gesponnen geschäftig,
Müßig ins Aug Dir zu schaun, wär mir ein süßer Geschäft.
Wozu hilft mir das Geld, Du sammelst sorgsam den Kindern,
Ich bin ein dienender Greif, der die Schätze bewacht.«
Wüthend ergriff ich das Spinnrad und wollte durchs Fenster es schmettern,
Doch der Faden wie Gold glänzte im Morgenlicht hell,
Und die Kinder sie beteten laut im Bettchen zusammen,
Was der Ältste gesagt, spricht ihm der Jüngere nach.
[210]
Und ich horchte, er sprach: »Du Kleiner falte die Hände,
Mutter, das tägliche Brot, Vater, gieb es auch heut!«
Und sie reichte den Beiden ein Brötchen mit Butter bestrichen,
Das sie am Abend sich selbst hatte vom Munde gespart.
»O Du goldene Frau!« so rief ich, »daurend in Elend,
Ja Du spinnest in Gold Fäden zum Leben mir fest;
Zeit, die vergangen mir sonst in die Launen, die läßt mir Gewebe,
Und zur Zukunft ich werf ruhig mein webendes Schiff.
Jegliches mehrt sich bei Dir, als ruhte ein göttlicher Segen,
Wo Du helfend mir nahst, wo Du tröstend mir hilfst.
Unsere Enkel dereinst, sie sollen erstaunen des Werkes,
Das in gemeinsamem Fleiß wir zusammen vollbracht.«

Zum Abschiede

Was du so vielen geschenkt aus frommen innerm Berufe,
Kranken Gesundheit und Trost, wie ein heilender Quell,
Suchest du selber nun auf, erschöpft von sorgender Mühe,
Bey dem heilenden Quell, der schon viele erfrischt.
Immer später für sich, für andere früher und später
Sorget ein heiliger Sinn, und er vergisst sich so leicht;
Sorge für andere minder, so fliesset im innern Gemüthe
Dir der heilende Quell wiederkehrender Kraft.
Freilich ein schöneres Leben, es strebt nach aussen zu fliessen
Um zu tränken die Flur, schlängelnd weiter und weit,
Doch das Bedürfniß es zieht den Quell zum Brunnen zusammen
Sammle dich selber für dich, Leben sammelnd in dir.
Ruhig im engeren Spiegel schweben die wechselnden Bilder,
Bäume beweget vom Wind, gerne nahte der Freund;
Der dir im Kummer vertraute zu zeigen thränende Blicke
Wahrlich der räthe auch gut, denn er kennt dich so gut.
Sey dir gesegnet der Quell, so wie du mich tröstend gesegnet,
Keiner weiß es woher, komme der Quell und der Trost,
Aber die Thränen trüben ihn nicht und nimmer ihn kälten,
Und er wandelt sie um, wärmend in heilende Kraft.

[211] [227]Ehe

Eine glückliche Ehe vergleich ich dem Pendel der Uhren,
Der aus verschiednem Metall schon im Verhältniß gefügt,
Wenn es im Innern auch spannt im ewigen Wechsel der Wärme,
Nimmer von außen es zeigt, nimmer verwirret die Uhr;
Blinkend erscheint er im Anfang und rostig gedunkelt im Alter,
Doch sein Innres vereint gleiche Vertraulichkeit stets.

Notes
Die Nachlese basiert auf dem zweiten, erst 1976 veröffentlichten Teil von Bettina von Arnims Auswahl aus den Gedichten ihres Mannes, berücksichtigt jedoch nur die bereits zu Arnims Lebzeiten publizierten Gedichte. Vgl. die bibliographische Notiz zu den »Ausgewählten Gedichten«.
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TextGrid Repository (2011). Arnim, Ludwig Achim von. Nachlese. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0AD8-4