Frühling

1835.


Wann die leisen Bächlein rauschen,
Säuseln durch die Blätter bebt,
Muß ich horchen, muß ich lauschen,
Ob der Liebste niederschwebt;
Wann die Frühlingsvöglein singen,
Und die ganze Blumenflor
Nur ein Blühen ist und Klingen,
Singt und klingt und blüht er nur.
Und ich rufe meinen Schmerzen
Unter manchem lauten Ach:
Blüht auch ihr! – Ich will euch herzen,
Werdet frisch im Lenze wach!
Bringt die schönste meiner Gaben,
Bringt mir das verlorne Glück,
Bringt mir meinen süßen Knaben
In der alten Pracht zurück.
Und die Tränen fließen milder,
Und es schmilzt das starre Herz,
Und die holden Liebesbilder
Zaubert neu der neue Schmerz,
Liebesbilder, Liebesschatten,
Sie bevölkern jeden Raum;
Was wir haben, was wir hatten,
Was wir lieben, heißet Traum.
Ach! Ein süßer Traum, verdunkelt
In der Erde Nebelluft,
Dessen hellstes Bild erfunkelt,
Wann wir weinen auf der Gruft:
[213]
Erde müssen wir begraben
Und was in uns irdisch ist,
Wollen wir im Lichte haben,
Was vom Himmel göttlich ist.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Arndt, Ernst Moritz. Gedichte. Gedichte. Frühling [1]. Frühling [1]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0002-0541-D