[298] Aus: Ein Neuer Kern recht-geistlicher
lieblicher Lieder.

1704.

118.

Mel: Was mein Gott will das etc.


Als ich das nichts nahm wohl in acht/ Und mich darein ergeben: Ward ich zum rechten ziel gebracht/Wornach ein Christ muß streben: Und wurde lebend in dem tod/ o wunder über d' massen! Ich kriegt das höchste Gut in Gott/ So bald ich mich verlassen.


2.

So bald der creaturen dunst Ich floh und gantz ließ fahren, da wust' mein geist voll liebes-brunst Sich mit dem Eins zu paaren. Ich hab erlangt nach langen streit/ den meine seel begehret/ Und leb in nichts als lauter freud Weil ich so hoch gewehret.


[299] 3.

Auch weil ich blöd und alber bin/ Und alles lasse sincken/ So find ich Gott in meinem sinn/ Der mir sein licht läßt blincken. Selbst finsterniß ist ietzt mein licht/ Weil ich in nichts mich übe; denn nichts eröffnet mein gesicht/ Nichts führt ins land der liebe.


4.

Nichts quählt/ und wär es noch so scharff/ Den/ der im nichts stets wohnet; Weil nichts ist/ das ein mensch bedarff/ dem Gott mit sich selbst lohnet. Laß Gott zu schauen mit reiner brunst/ Die welt nichts in dir werden; Es lescht sonst nichts der seelen-lust/ Als bloß das nichts auff erden.


5.

Es sucht das nichts/ in dieser welt Was etwas/ nicht zu schauen; Nichts hat sich gantz in Gott gestellt/Und will sonst auff nichts bauen; Wohl mir/ daß ich in dieser zunfft Werd glaubig stehend funden/ Weil ich die blinde unvernunfft Hierdurch hab überwunden.


6.

Es kan die lieb mit ihrem gut/ das Gott ist/ also handeln/ das nichts/ durch ihre feuer-glut/ Sich muß in all's verwandeln/ Nichts/ ist so arm/ bloß/ g'ring und klein/ Kan sich mit nichts verbinden/ drumb suchts sein reichthum bloß allein Im lautern nichts zu finden.


7.

Als ich diß dunckle nichts erwehlt/ Zu gehn auf sei nen wegen/ Werd ich von den nicht mehr gequält/ das mir z'vor stund entgegen/ Ich kunt in diesem reichen nicht Nichts creatürlichs lieben/ Weil ich in Gottes glantz und licht All' meine zeit vertrieben.


8.

Gelehrte/ kommt zum nichts heran/ Sonst ist eur thun gewirre; Wer sich nicht find auff diese bahn/ Bleibt ewig in der irre. Ohn nichts ist nichts was je geschicht. Im nichts muß ichts verschwinden/ Im nichts auch wenn ichs recht bericht/ Ist ichts allein zu finden.


9.

Die enge schmale lebens-pfort Von Christo hoch gepriesen/ Vor etwas mich geführet hat/ Und bloß zum nichts gewiesen/ Denn wer sein seel einmahl verliert/Im grund des nichts verdrungen/ Der wird zur allzeit eingeführt Und davon gantz verschlungen.


[300] 10.

Fürwahr aus nichts kommt alles her Was jemahls war verborgen/ Nichts macht das leben ohn beschwer/Nichts hat für nichts zu sorgen/ Es ist der reichst' auff dieser welt/ der ärmste an begehren/ Dann was er mehr als nichts behält Kan ihn von all abkehren.


11.

Das nichts ist arm/ das nichts ist reich Vor allen andern dingen; Es acht als unflat alles gleich/ Das nichts kan nichts bezwingen: Das nichts das redt/ Das nichts ist stumm/ Sein ruffen ist ein schweigen/ Sein gantzes leben um und um Ist/ sich in Gott zu neigen.


12.

Nichts ruhet stets/ nichts läufft und hüpfft/ Sein lauff ist stilles bleiben/ das nichts ist gantz mit nichts verknüpfft/ Nichts kan sein' ruh vertreiben/ Das nichts ists schwerste vom gewicht/ Und ist doch leicht zu tragen. Das blinde nichts hats schärfste g'sicht/ Nichts weiß von nichts zu klagen.


13.

Nichts ist gantz loß und höchst befreyt/ Ist Herr/ und wirds wohl bleiben; Sein herrschafft streckt sich weit und breit/ Kan alle feind vertreiben. Das nichts ist von so edler art/ Es kan kein mund aussprechen/ Wer sich mit nichts nur einmahl paart/ Dem kan nichts mehr gebrechen.


14.

Denn nichts macht ihn durchaus vergnügt/ Wer hat diß ja vernommen? Ein sturm/ wann er das nichts bekriegt/ Muß bald zur ruhe kommen/ Das nichts allein triffts rechte ziel/ Wann etwas nichts kan richten/Nichts mit dem reichsten all/ im spiel/ Kan alle zwietracht schlichten.


15.

Wie wenig sind/ den nichts beliebt? Weil man so viel muß lassen: Denn wer dem nichts nur etwas gibt/ Der muß sich selber hassen. Es find sich nichts das nichts will seyn/ das nichts heist ichts auff erden/ Es ist dem ichts die schwerste pein/ Wenn es zu nicht soll werden.


16.

Allein das nichts/ wie g'ring es ist/ Kan spreu vom weitzen scheiden/ Der böse kan zu keiner frist Solchs in dem Hertzen leiden: Dem ichts ist bey dem nichts nicht wohl/ Weil solchs ihm gantz entgegen/ daß man an ichts nicht kleben soll/ Lernt man auff dessen wegen.


[301] 17.

Nichts führt dahin/ da der verstand Sich selber muß entwehnen/ dafern er suche das reiche pfand Sich nach dem nichts zu sehnen. Nichts kennen macht das all bekandt/ Nichts sehn ist Nichts ab'r gebieret sicherheit/ da ist kein wahl zu spüren/ Leid Gott mit grund vertrauen.


18.

Vertrauen wo kein g'wißheit ist/ Streit't gegen unsre sinnen/ Natur/ vernunfft und kluge list Hält diß für närrsch beginnen/ Nichts ab'r gebieret sicherheit/ da ist kein wahl zu spüren/ Leid ist ihm freud/ und freud wie leid/ Dann nichts kan nichts verlieren.


19.

O selges nichts höchst lobens werth/ du fels/ drauff all's gegründet! Der steig gen Himmel von der erd/Wer dich wahrhafftig findet. Nun komm ich auch mit nichts zum ziel/ Draus jeder leicht kan ziehen daß/ der Gott selber schmecken will/ Sich nichts zu seyn muß mühen.

Nr. 122.

Mel: Zion klagt mit angst und schmertzen.


O du allertiefste liebe/ die in Christo Jesu ist/ In der ich mich stetig übe/ Der mein Hertze nicht vergisst: Schencke mir doch deine kron/ und dein perlein/ o mein lohn/ Drück es doch in meine seele/ die ich dir nun gantz befehle.


2.

O du allersüßste liebe/ Ich bin zwar unrein für dir/daß ich mich drumb stets betrübe/ Und fast schäme selbst für mir: Aber du/ mein Herr und Gott/ Ach! zerbrich durch deinen tod/ Was die arme seel beflecket/ Und sie ins verderben stecket.


3.

Führe meiner seelen dürsten Doch durch deinen tod und grauß/ O du Fürst der sieges-fürsten/ Zu den thriumphiren aus! O mein Gott!/ Herr Zebaoth/ Schlage doch in deinen tod Mich den alten gantz darnieder/daß der neue lebe wieder!


4.

Bist du doch in mir erschienen/ Ey so bleib doch auch in mir/ Ich will dir ja willig dienen/ Und dein bleiben für und für: Fasse mich doch gantz in dich/ Halt mich in dir festiglich/ daß ich nicht von dir kan weichen/Laß mich dieses heyl erreichen.


[302] 5.

Du bist mir gantz auserlesen/ O du meiner seelen gut/Jesu/ ach dein himmlisch Wesen Sey mein brod/ mein tranck dein blut/ Tränck aus deinem brünnelein Meine seel und führe ein deine lieb in mein verlangen/ Laß mich seyn in dir gefangen.


6.

Adam ist von dir gewichen/ Und ich auch in ihm zugleich/ drumb ist auch mein bild verblichen/ Und ist tod am himmelreich: Nun so weck es durch dein wort Wieder in mir auf/ mein hort/ Gib du wieder geist und leben/ Ich will mich dir wieder geben.


7.

Es hat ja all deinen frommen Zugesagt dein treuer mund/ daß du wilt zu ihnen kommen/ Wohnen in des hertzens grund/ Ja dein süsser mund verheisst denen deinen guten Geist/ die in deiner heilgen hütten Suchen dich/ und darumb bitten.


8.

Nun ich führ in die zusage Meiner seelen hunger ein/diß wort soll mein lebetage Mein brod in dem hunger seyn: Ach vermehre du in mir Meinen hunger stets nach dir/ Stärcke mich/ o süsse liebe/ In des geistes krafft und triebe.


9.

Weck in dir mich auf zum leben/ Daß ich deine süßigkeit Möge schmecken/ und erheben Meinen geist aus dieser zeit: Bleibe doch durch deine krafft Selbst in mir: ach gib doch safft/ Edler weinstock/ deinen reben/ Ohne dich kan ich nicht leben.


10.

O du allersüßte liebe/ Durch die liebe bitt ich dich/Die des Vaters zorn vertriebe/ Und verschlang zur lieb in sich: Ach! verschling doch auch den zorn/ Der in meiner seel erbohrn/ Durch dieselbe grosse liebe/Daß sie sich in lieben übe.


11.

Führe dich in meinen willen/ Und mich auch in deinen ein./ Laß dein hertz mein hertze stillen/ Laß mein hertz in deinem seyn: Dein gehorsam sey in mir/ Mein gehorsam sey in dir/ daß ich dir noch auf der erden Möge gantz gehorsam werden.

12.

Was soll ich mich hier noch quälen/ Und der welt anhängig seyn? Nimm du den durst meiner seelen doch in deine wunden ein! In die wunden/ da dein blut Ausqvall und des zornes glut In der süssen liebe dämte/ Und den grimm der höllen hemmte.


[303] 13.

Führ in deine hole seiten/ Daraus blut und wasser rann/ Meinen hunger jederzeiten/ Nimm/ o felß/ dein täublein an: Wirff mich gantz und gar darein/ Ich bin dein/ sey du doch mein/ Habe mich in deinem leben/Laß mich fest an dir bekleben.


14.

Edler weinstock/ dem ich diene/ Gib doch deiner reben safft/ daß ich in dir wachs und grüne/ Aus dir ziehe meine krafft: Bring durch deine krafft in mir Eine rechte krafft herfür/ Ach/ laß mich mit früchte bringen Nach des Vaters seegen ringen.


15.

Dich will ich mir auserwählen/ Denn du bist mein süsses licht/ Leuchte meiner armen seelen/ Du weist/daß es ihr gebricht: Weil diß fleisch und blut/ der mist/ Ihr ein finster kercker ist/ Führe sie auff rechter strasse/ daß sie von dem irrthum lasse.


16.

Triff mein hertz mit deinem Hammer/ Führe mich/ o Jesu/ du/ Durch des grimmes todes-kammer Ein in deinen tod und ruh: daß mein leib am jüngsten tag In dir aufferstehen mag Auff dein wort/ aus deinem sterben/ Und dein ewigs leben erben.


17.

Lehre du mich alles halten/ Was du von mir forderst nun; Laß mich dich nur lassen walten/ Sey mein wissen/ will und thun; Ach mein leiter/ laß doch mich Nirgends gehen ohne dich/ denn ich hab mich deinem Nahmen Gantz und gar ergeben/ amen.


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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2011). Arnold, Gottfried. Aus: Recht-geistliche Lieder. TextGrid Digitale Bibliothek. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-FD15-7