[329] Sie erzählt seine Treue
1
Der edle Schäfer, Gottes Sohn,
Von Ewigkeit verliebt,
Verließ sein Reich, verbarg die Kron
Und ging herum betrübt.
Er ging und sucht aus Lieb und Pein
Mit ängstlichen Gebärden
Sein arms verlornes Schäfelein,
Das sich verirrt auf Erden.
2
Und als er es gar glücklich fand,
Liebkoset und umfing
Und gleich in seiner Armen Band
Mit ihm nach Hause ging,
Da kam der Wolf und fiel ihn an
Mit seinen Rottgesellen
Und wollt ihn da auf frischer Bahn
Samt seinem Schäflein fällen.
3
Als dies der treue Schäfer sah,
Gab er sich in Gefahr,
Sprang vor und machte sich ihm nah
Und bot allein sich dar.
Er stritt, er rang, empfande Schmerz
Von diesen höllschen Hunden
Und ließ sich auch gar bis aufs Herz
Zerreißen und verwunden.
4
Er stritt, bis er von Kräften kam
Und seinen Geist aufgab,
[330]Daß man ihn tot von dannen nahm
Und kläglich trug ins Grab.
Es ist ihm aber dieser Tod
Und Fall sehr wohl gelungen,
Weil er damit die Wölf als Gott
Erschlagen und verdrungen.
5
Dies teur erhaltne Schäfelein
Bist du, o meine Seel,
Für dich kam er in diese Pein,
Für dich ins Grabeshöhl.
Drum geh nun hin und sag ihm Dank
Mit Treu und reinem Leben
Und tu dich ihm zum Lobgesang
Mit Leib und Seel ergeben.