[325] Die Psyche ist ein Reh und ihr Geliebter ein Jäger worden
1
Ihr Schäferinnen, höret an,
Was unsere Psyche hat getan,
Was sich mit ihr begeben!
Sie hat in eine Wüstenei
Die Flucht genommen, um da frei
In Einsamkeit zu leben.
2
Sie hat gleichwie ein junges Reh
Durchs ebne Feld hin auf die Höh
Der Berge sich geschwungen.
Hat manches Tal und manche Kluft,
Die ihrem Laufen nachgeruft,
Gar listig übersprungen.
3
Als dies gehört des Höchsten Sohn,
Hat er verlassen seinen Thron
Und ist ein Jäger worden.
Er ist gelaufen früh und spat
Auf ihrer Spur nach ihrem Pfad
Von Osten bis zum Norden.
4
Er hat mit großem Fleiß gesucht,
Daß er sie könnt aus dieser Flucht
Mit seinem Netze fangen.
Und endlich hat er sie allein
Bei einem frischen Brünnelein
Erblicket und ergangen.
[326] 5
Da hat er sie in schneller Eil
Mit seinem scharfen Liebespfeil
Verwundet und gefället.
Er hat ihr abgeschiednes Herz
Genommen und mit süßem Schmerz
Dem seinen zugesellet.
6
Nun liegt sie ohne Herz und Kraft
In bittersüßer Liebeshaft
Und führt ein sterbend Leben.
Ihr ganz Gemüt und ganzer Sinn
Geht nur nach Jesu Herze hin,
Mit welchem ihrs umgeben.