Die Opferung.

Du bist wie Paphia aus weißem Schaum geboren,
Aus Muschelschalen stieg dein Leib so zart und fein,
Die Perle aber ward aus ihrem Schooß erkoren,
Des feinen Geistes jungfräulicher Stoff zu sein.
Du gleichst Cytheren, wenn der Grazien Hand sie schmückte,
Nur daß ihr Herz an Threu' lang' nicht dem deinen gleicht;
Als ohne Gürtel sie dort Priam's Sohn erblickte,
Ward ihr der Schönheit Preis im Apfel überreicht:
Doch Paris hätt' ihn dir vor Cyprien gegeben,
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Hätt' er dich gürtellos, verschämt, wie ich, erblickt.
Ein Kuß nach zärtlichem, unschuld'gen Widerstreben
Auf Höhen, die ein rothes Beerchen schmückt,
Ein Blick in's sanfte Thal, das diese Hügel schaffen,
Und das an ein Gewölb' von Atlasglätte gränzt,
Berauschen mich – ich fiel – da siegten Amors Waffen,
Die er, des Siegs gewiß, mit Myrthen schon umkränzt.
Da fing er mich im Netz, gewebt von jenen Bogen,
Der Stirn' und Augen Schmuck, von lockigschwarzem Haar,
Das duftend, weich, den Wollustthron umzogen,
Und führt bezaubert mich zum heiligsten Altar;
Aglaja hatte ihn mit selt'nem Fleiß erbauet,
Und ihren Rosenmund beim Bau zum Riß gelieh'n,
Nach zarter Lippen Roth, mit Nektar überthauet,
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Schuf sie kunstvoll den Rand, den Altar zu umzieh'n;
Der Zunge, die der Witz beredtsam dort beweget,
Glich hier ein Streif, der sich schmal und gefühlvoll bog:
Dann winkt ein Vorgebirg', von Venus angeleget,
Mit Moos bedeckt, das kraus sich um das Ufer zog.
Am Fuß lag unentweiht die wunderthät'ge Grotte,
Die Fleisch versteinern kann und Mark und Bein durchdringt,
Wenn man in ihr dem Liebesgotte
Das süß'ste Menschenopfer bringt.
Ein Goldstrom rauscht aus ihr, der oft die Urne netzet,
Wenn's Lachen kitzelnd sich zu inn'rer Lust gesellt,
Ein Purpurbach, dem Fluth und Ebbe Luna setzet,
Und dann der Thau, der nur in Schäferstunden fällt.
»Hier,« sprach der Gott zu mir, »bist du bestimmt zu dienen.«
Er sprach's und weihte mich zu seinem Priesterthum,
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Und Düfte, süßer als wie Lindenduft den Bienen,
Entstiegen seinem Heiligthum.
Nun fing ich an Altar und Grottwerk zu besehen,
Kam an den schmalen Weg, vor dem ein Vorhang hing,
Und stockte – selbst beim Wunsch, das Heil'ge durchzuspähen,
Fiel schnell der Muth, mit dem ich erst zum Tempel ging. –
»Verzagter, wie? kannst du dich nicht entschließen
Zum Opfer? Jammert's dich?« schrie Amor voller Wuth –
Da scheut' ich dann nicht mehr – der Vorhang ward zerrissen,
Und aus dem Heiligthum, o Chloris, floß – dein Blut.

Anonym. [205]

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2011). Anonym. Gedichte. Nuditäten oder Fantasien auf der Venusgeige. Die Opferung. Die Opferung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0001-DF4E-A