Zwanzigstes Abenteuer.
Wie König Etzel um Kriemhilden sandte.
Das war in jenen Zeiten, / als Frau Helke starb,
Und der König Etzel / um andre Frauen warb,
Da rieten seine Freunde / in Burgundenland
Zu einer stolzen Witwe, / die war Frau Kriemhild genannt.
[173]Seit ihm die schöne Helke / erstarb, die Königin,
Sie sprachen: »Sinnt ihr wieder / auf edler Frau Gewinn,
Der höchsten und der besten, / die je ein Fürst gewann,
So nehmet Kriemhilden; / der starke Siegfried war ihr Mann.«
Da sprach der reiche König: / »Wie ginge das wohl an?
Ich bin ein Heide, / ein ungetaufter Mann;
Sie jedoch ist Christin; / sie tut es nimmermehr.
Ein Wunder müßt es heißen, / käm sie jemals hierher.«
Die Schnellen sprachen wieder: / »Vielleicht, daß sie es tut
Um euern hohen Namen / und euer großes Gut.
Man soll es doch versuchen / bei dem edeln Weib:
Euch ziemte wohl zu minnen / ihren wonniglichen Leib.«
Da sprach der edle König: / »Wem ist nun bekannt
Unter euch am Rheine / das Volk und auch das Land?«
Da sprach von Bechlaren / der gute Rüdiger:
»Kund von Kindesbeinen / sind mir die edeln Könige hehr,
Gunther und Gernot, / die edeln Ritter gut;
Der dritte heißt Geiselher: / ein jeglicher tut,
Was er nach Zucht und Ehren / am besten mag begehn;
Auch ist von ihren Ahnen / noch stets dasselbe geschehn.«
Da sprach wieder Etzel: / »Freund, nun sage mir,
Ob ihr wohl die Krone / ziemt zu tragen hier?
Und hat sie solche Schöne, / wie man sie zeiht,
Meinen besten Freunden / sollt es nimmer werden leid.«
»Sie vergleicht sich an Schöne / wohl der Frauen mein,
Helke der reichen: / nicht schöner könnte sein
Auf der weiten Erde / eine Königin:
Wen sie erwählt zum Freunde, / der mag wohl trösten den Sinn.«
[174]Er sprach: »So wirb sie, Rüdiger, / so lieb als ich dir sei.
Und darf ich Kriemhilden / jemals liegen bei,
Das will ich dir lohnen, / so gut ich immer kann;
Auch hast du meinen Willen / mit großer Treue getan.
Von meinem Kammergute / laß ich so viel dir geben,
Daß du mit den Gefährten / in Freude mögest leben;
Von Rossen und von Kleidern / was ihr nur begehrt,
Des wird zu der Botschaft / euch die Genüge gewährt.«
Zur Antwort gab der Markgraf, / der reiche Rüdiger:
»Begehrt' ich deines Gutes, / das ziemte mir nicht sehr.
Ich will dein Bote gerne / werden an den Rhein
Mit meinem eignen Gute; / ich hab es aus den Händen dein.«
Da sprach der reiche König: / »Wann denkt ihr zu fahren
Nach der Minniglichen? / So soll euch Gott bewahren
Dabei an allen Ehren / und auch die Fraue mein;
Und möge Glück mir helfen, / daß sie uns gnädig möge sein.«
Da sprach wieder Rüdiger: / »Eh wir räumen dieses Land,
Müssen wir uns rüsten / mit Waffen und Gewand,
Daß wir vor den Königen / mit Ehren dürfen stehn:
Ich will zum Rheine führen / fünfhundert Degen ausersehn,
Wenn man bei den Burgunden / mich und die Meinen seh,
Daß dann einstimmig / das Volk im Land gesteh,
Es habe nie ein König / noch so manchen Mann
So fern daher gesendet, / als du zum Rheine getan.
Und wiß, edler König, / stehst du darob nicht an,
Sie war dem besten Manne, / Siegfrieden untertan,
Siegmundens Sohne; / du hast ihn hier gesehn;
Man mochte ihm große Ehre / wohl in Wahrheit zugestehn.«
[175]Da sprach der König Etzel: / »War sie dem Herrn vermählt,
So war so hohes Namens / der edle Fürst erwählt,
Daß ich nicht verschmähen / darf die Königin.
Ob ihrer großen Schönheit / gefällt sie wohl meinem Sinn.«
Da sprach der Markgraf wieder: / »Wohlan, ich will euch sagen,
Wir heben uns von hinnen / in vierundzwanzig Tagen.
Ich entbiet es Gotelinden, / der lieben Fraue mein,
Daß ich zu Kriemhilden / selber wolle Bote sein.«
Hin gen Bechelaren / sandte Rüdiger
Boten seinem Weibe, / der Markgräfin hehr,
Er werbe für den König / um eine Königin:
Der guten Helke dachte / sie da mit sehnlichem Sinn.
Als die Botenkunde / die Markgräfin gewann,
Leid war es ihr zum Teile, / zu sorgen hub sie an,
Ob sie wohl eine Herrin / gewänne so wie eh.
Gedachte sie an Helke, / das tat ihr inniglich weh.
Nach sieben Tagen Rüdiger / ritt aus Heunenland,
Worüber frohgemutet / man König Etzeln fand.
Man fertigte die Kleider / in der Stadt zu Wien;
Da wollt er mit der Reise / auch nicht länger mehr verziehn.
Zu Bechlaren harrte / sein Frau Gotelind,
Und die junge Markgräfin, / Rüdigers Kind,
Sah ihren Vater gerne / und die ihm untertan.
Da ward ein liebes Harren / von schönen Frauen getan.
Eh der edle Rüdiger / aus der Stadt zu Wien
Ritt nach Bechlaren, / da waren hier für ihn
Kleider und Gewaffen / auf Säumern angekommen.
Sie fuhren solcherweise, / daß ihnen wenig ward genommen.
[176]Als sie zu Bechlaren / kamen in die Stadt,
Für seine Heergesellen / um Herbergen bat
Der Wirt mit holden Worten: / die gab man ihnen da.
Gotelind die reiche / den Wirt gar gerne kommen sah.
Auch seine liebe Tochter, / die Markgräfin jung,
Ob ihres Vaters Kommen / war sie froh genung.
Aus Heunenland die Helden, / wie gern sie die sah!
Mit lachendem Mute / sprach die edle Jungfrau da:
»Willkommen sei mein Vater / und die ihm untertan.«
Da ward ein schönes Danken / von manchem werten Mann
Freundlich geboten / der jungen Markgräfin.
Wohl kannte Frau Gotlind / des edeln Rüdiger Sinn.
Als sie des Nachts nun / bei Rüdigern lag,
Mit holden Worten fragte / die Markgräfin nach,
Wohin ihn denn gesendet / der Fürst von Heunenland.
»Meine Frau Gotlind,« sprach er, / »ich mach es gern euch bekannt.
Meinem Herren werben / soll ich ein ander Weib,
Da ihm ist erstorben / der schönen Helke Leib.
Nun will ich nach Kriemhilden / reiten an den Rhein:
Die soll hier bei den Heunen / gewaltge Königin sein.«
»Das wollte Gott!« sprach Gotlind, / »möcht uns dies Heil geschehn,
Da wir so hohe Ehren / ihr hören zugestehn.
Sie ersetzt uns Helken / vielleicht in alten Tagen:
Wir mögen bei den Heunen / sie gerne sehen Krone tragen.«
Da sprach Markgraf Rüdiger: / »Liebe Fraue mein,
Die mit mir reiten sollen / von hinnen an den Rhein:
Denen sollt ihr freundlich / bieten euer Gut:
Wenn Helden reichlich leben, / so tragen sie hohen Mut.«
[177]Sie sprach: »Da ist nicht einer, / wenn er es gerne nähm,
Ich wollt ihm willig bieten, / was jeglichem genehm,
Eh ihr von hinnen scheidet / und die euch untertan.«
Da sprach der Markgraf wieder: / »Ihr tut mir Liebe daran.«
Hei, was man reicher Zeuge / von ihrer Kammer trug!
Da ward den edeln Recken / Gewand zuteil genug
Mit allem Fleiß gefüttert / vom Hals bis auf die Sporen;
Die ihm davon gefielen, / hatte Rüdger sich erkoren.
Am siebenten Morgen / von Bechlaren ritt
Der Wirt mit seinen Degen. / Sie führten Waffen mit
Und Kleider auch die Fülle / durch der Bayern Land.
Sie wurden auf der Straße / von Räubern selten angerannt.
Binnen zwölf Tagen / kamen sie an den Rhein,
Da konnte diese Märe / nicht lang verborgen sein:
Dem König und den Seinen / ward es kund getan,
Es kämen fremde Gäste. / Der Wirt zu fragen begann,
Ob sie jemand kennte: / das sollte man ihm sagen.
Man sah die Saumrosse / schwere Lasten tragen:
Wie reich die Helden waren, / ward daran erkannt.
Herberge schuf man ihnen / in der weiten Stadt zuhand.
Als die Gäste waren / in die Stadt gekommen,
Ihres Aufzugs hatte man / mit Neugier wahrgenommen.
Sie wunderte, von wannen / sie kämen an den Rhein.
Der Wirt fragte Hagen, / wer die Herren möchten sein.
Da sprach der Held von Tronje: / »Ich sah sie noch nicht;
Wenn ich sie erschaue, / mag ich euch Bericht
Wohl geben, von wannen / sie ritten in dies Land.
Sie waren denn gar fremde, / so sind sie gleich mir bekannt.«
[178]Herbergen hatten / die Gäste nun empfahn.
Der Bote hatte reiche / Gewänder angetan
Mit seinen Heergesellen, / als sie zu Hofe ritten.
Sie trugen gute Kleider, / die waren zierlich geschnitten.
Da sprach der schnelle Hagen: / »So viel ich mag verstehn,
Da ich seit langen Tagen / den Herrn nicht hab ersehn,
So sind sie so zu schauen, / als wär es Rüdiger
Aus der Heunen Lande, / dieser Degen kühn und hehr.«
»Wie sollt ich das glauben?« / der König sprachs zuhand,
»Daß der von Bechlaren / käm in dieses Land?«
Kaum hatte König Gunther / das Wort gesprochen gar,
So nahm der kühne Hagen / den guten Rüdiger wahr.
Er und seine Freunde / liefen ihm entgegen:
Da sprangen von den Rossen / fünfhundert schnelle Degen.
Wohl empfangen wurden / die von Heunenland;
Niemals trugen Boten / wohl so herrlich Gewand.
Da rief von Tronje Hagen / mit lauter Stimme Schall:
»Nun sei'n uns hochwillkommen / diese Degen all,
Der Vogt von Bechelaren / mit seiner ganzen Schar.«
Man empfing mit Ehren / die schnellen Heunen fürwahr.
Des Königs nächste Freunde / drängten sich heran:
Da hub von Metzen Ortewein / zu Rüdigern an:
»Wir haben lange Tage / hier nicht mehr gesehn
Also liebe Gäste, / das muß ich wahrlich gestehn!«
Sie dankten des Empfanges / den Recken allzumal.
Mit dem Heergesinde / gingen sie zum Saal,
Wo sie den König fanden / bei manchem kühnen Mann.
Der stand empor vom Sitze; / das ward aus höfscher Zucht getan.
[179]Wie freundlich dem Boten / er entgegenging
Und allen seinen Degen! / Gernot auch empfing
Den Gast mit hohen Ehren / und die ihm untertan.
Den guten Rüdger führte / der König an der Hand heran.
Er bracht' ihn zu dem Sitze, / darauf er selber saß.
Den Gästen ließ er schenken / (gerne tat man das)
Von dem guten Mete / und von dem besten Wein,
Den man mochte finden / in den Landen um den Rhein.
Geiselher und Gere / waren auch gekommen,
Dankwart und Volker; / die hatten bald vernommen
Von den werten Gästen. / Sie waren wohlgemut:
Sie empfingen vor dem König / die Ritter edel und gut.
Da sprach von Tronje Hagen / zu Gunthern seinem Herrn:
»Mit Dienst vergelten sollten / stets eure Degen gern,
Was uns der Markgraf / zuliebe hat getan;
Des sollte Lohn empfangen / der schönen Gotlinde Mann.«
Da sprach der König Gunther: / »Ich lasse nicht das Fragen:
Wie beide sich gehaben, / das sollt ihr mir sagen,
Etzel und Frau Helke / in der Heunen Land?«
Der Markgraf gab zur Antwort: / »Ich mach es gern bekannt.«
Da erhob er sich vom Sitze / und die ihm untertan
Und sprach zu dem König: / »Laßt mich Erlaub empfahn,
Daß ich die Märe sage, / um die mich hat gesandt
Etzel der König / hierher in der Burgunden Land.«
Er sprach: »Was man uns immer / durch euch entboten hat,
Erlaub ich euch zu sagen / ohne der Freunde Rat.
Die Märe laßt vernehmen / mich und die Degen mein:
Euch soll nach allen Ehren / zu werben hier gestattet sein.«
[180]Da sprach der biedre Bote: / »Euch entbietet an den Rhein
Seine treuen Dienste / der große König mein,
Dazu den Freunden allen, / die euch zugetan;
Auch wird euch diese Botschaft / mit großer Treue getan.
Euch läßt der edle König / klagen seine Not:
Sein Volk ist ohne Freude, / meine Frau, die ist tot,
Helke die reiche, / meines Herrn Gemahl:
An der sind schöne Jungfraun / nun verwaist in großer Zahl,
Edler Fürsten Kinder, / die sie erzogen hat.
Darum hat im Lande / nun große Trauer statt:
Sie haben leider niemand mehr, / der sie so treulich pflegt,
Drum wähn ich auch, daß selten / des Königs Sorge sich legt.«
»Nun lohn ihm Gott,« sprach Gunther, / »daß er die Dienste sein
So williglich entbietet / mir und den Freunden mein.
Ich hörte gern die Grüße, / die ihr mir kund getan;
Auch wollen sie verdienen / die mir treu und untertan.«
Da sprach von Burgunden / der edle Gernot:
»Die Welt mag wohl beklagen / der schönen Helke Tod
Und manche höfsche Tugend, / die sie gewohnt zu pflegen.«
Das bestätigte Hagen / und mancher andre Degen.
Da sprach wieder Rüdiger, / der edle Bote hehr:
»Erlaubt ihr mir, Herr König, / so sag ich euch noch mehr,
Was mein lieber Herre / euch hierher entbot;
Er lebt in großem Kummer / seit der Königin Helke Tod.
Man sagte meinem Herren, / Kriemhild sei ohne Mann,
Da Siegfried gestorben: / und sprach man wahr daran,
Und wollt ihr ihrs vergönnen, / so soll sie Krone tragen
Vor König Etzels Recken: / das gebot mein Herr ihr zu sagen.«
[181]Da sprach König Gunther / mit wohlgezognem Mut:
»Sie hört meinen Willen, / wenn sie es gerne tut.
Das will ich euch berichten / von heut in dreien Tagen:
Wenn sie es nicht weigert / wie sollt ichs Etzeln versagen?«
Man ließ Gemach bescheiden / den Gästen allzuhand.
Sie fanden solche Pflege, / daß Rüdiger gestand,
Er habe gute Freunde / in König Gunthers Lehn.
Gerne dient' ihm Hagen: / ihm war einst Gleiches geschehn.
So verweilte Rüdiger / bis an den dritten Tag.
Der Fürst berief die Räte, / wie er weislich pflag,
Und fragte seine Freunde, / ob es sie gut getan
Deuchte, daß Kriemhild / Herrn Etzeln nähme zum Mann.
Da rieten sie es alle; / nur Hagen stands nicht an.
Er sprach zu König Gunther, / diesem kühnen Mann:
»Habt ihr kluge Sinne, / so seid wohl auf der Hut,
Wenn sie auch folgen wollte, / daß ihr doch nimmer es tut.«
»Warum,« sprach da Gunther, / »ließ' ich es nicht ergehn?
Was künftig noch der Königin / Liebes mag geschehn,
Will ich ihr gerne gönnen: / sie ist die Schwester mein.
Wir müssen selbst drum werben, / sollt es ihr zur Ehre sein.«
Da sprach aber Hagen: / »Das sprecht ihr unbedacht.
Wenn ihr Etzeln kenntet, / wie ich, und seine Macht
Und ließt ihr sie ihn minnen, / wie ich euch höre sagen,
Das müßtet ihr vor allen / mit großem Rechte beklagen.«
»Warum?« sprach da Gunther: / »leicht vermeid ich das,
Ihm je so nah zu kommen, / daß ich durch seinen Haß
Leid zu befahren hätte, / würd er auch ihr Mann.«
Da sprach wieder Hagen: / »Mich dünkt es nimmer wohlgetan.«
[182]Da lud man Gernoten / und Geiselhern heran,
Ob die Herren beide / deuchte wohlgetan,
Wenn Frau Kriemhild nähme / den mächtgen König hehr.
Noch widerriet es Hagen / und auch anders niemand mehr.
Da sprach von Burgunden / Geiselher der Degen:
»Nun mögt ihr, Freund Hagen, / noch der Treue pflegen:
Entschädigt sie des Leides, / das ihr ihr habt getan.
Was ihr noch mag gelingen, / das säht ihr billig neidlos an.«
»Wohl habt ihr meiner Schwester / gefügt so großes Leid,«
Sprach da wieder Geiselher, / der Degen allbereit,
»Ihr hättets wohl verschuldet, / wäre sie euch gram:
Noch niemand einer Frauen / so viel der Freuden benahm.«
»Daß ich das wohl erkenne, / das sei euch frei bekannt.
Und soll sie Etzeln nehmen / und kommt sie in sein Land,
Wie sie es fügen möge, / viel Leid tut sie uns an.
Wohl kommt in ihre Dienste / da mancher weidliche Mann.«
Dawider sprach zu Hagen / der kühne Gernot:
»Es mag dabei verbleiben / bis an beider Tod,
Daß wir niemals kommen / in König Etzels Land.
Laßt uns ihr Treue leisten; / zu Ehren wird uns das gewandt.«
Da sprach Hagen wieder: / »Das laß ich mir niemand sagen:
Und soll die edle Kriemhild / Helkens Krone tragen,
Viel Leid wird sie uns schaffen, / wo sie's nur fügen kann:
Ihr sollt es bleiben lassen, / das ständ euch Recken besser an.«
Im Zorn sprach da Geiselher, / der schönen Ute Kind:
»Wir sollen doch nicht alle / meineidig sein gesinnt.
Was ihr geschieht zu Ehren, / laßt uns froh drum sein.
Was ihr auch redet, Hagen, / ich dien ihr nach der Treue mein.«
[183]Als das Hagen hörte, / da trübte sich sein Mut.
Geiselher und Gernot, / die stolzen Ritter gut,
Und Gunther der reiche / vereinten endlich sich,
Wenn es Kriemhild wünsche, / sie wolltens dulden williglich.
Da sprach Markgraf Gere: / »So geh ich ihr zu sagen,
Daß sie den König Etzel / sich lasse wohlbehagen.
Dem ist so mancher Recke / mit Furchten untertan:
Er mag ihr wohl vergüten, / was sie je Leides gewann.«
Hin ging der schnelle Degen, / wo er Kriemhilden sah.
Sie empfing ihn gütlich: / wie balde sprach er da:
»Ihr mögt mich gern begrüßen / und geben Botenbrot:
Es will das Glück euch scheiden / nun von all eurer Not.
Es hat um eure Minne, / Frau, hierher gesandt
Der Allerbesten einer, / der je ein Königsland
Gewann mit vollen Ehren / und Krone durfte tragen:
Es werben edle Ritter: / das läßt euch euer Bruder sagen.«
Da sprach die Jammerreiche: / »Verbiete doch euch Gott
Und allen meinen Freunden, / daß sie keinen Spott
Mit mir Armen treiben: / was sollt ich einem Mann,
Der je Herzensliebe / von gutem Weibe gewann?«
Sie widersprach es heftig. / Da traten zu ihr her
Gernot ihr Bruder / und der junge Geiselher.
Sie baten sie in Minne / zu trösten ihren Mut:
Und nehme sie den König, / es gerat ihr wahrlich gut
Bereden mochte niemand / doch die Königin,
Noch einen Mann zu minnen / auf Erden fürderhin.
Da baten sie die Degen: / »So laßt es nur geschehn,
Wenn ihr denn nicht anders wollt, / daß euch der Bote möge sehn.«
[184]»Das will ich nicht versagen,« / sprach die Fraue hehr.
»Ich empfange gerne / den guten Rüdiger
Ob seiner höfischen Sitte: / wär er nicht hergesandt,
Jedem andern Boten, / dem blieb' ich immer unbekannt.«
Sie sprach: »So schickt den Degen / morgen früh heran
Zu meiner Kemenate. / Ich bescheid ihn dann:
Wes ich mich beraten, / will ich ihm selber sagen.«
So war ihr jetzt erneuert / das große Weinen und Klagen.
Da wünschte sich auch anders nichts / der edle Rüdiger,
Als daß er schauen dürfte / die Königin hehr.
Er wußte sich so weise: / könnt es irgend sein,
So müßt er sie bereden, / diesen Recken zu frein.
Früh des andern Morgens / nach dem Meßgesang
Kamen die edeln Boten; / da hub sich großer Drang.
Die mit Rüdigeren / zu Hofe sollten gehn,
Die sah man wohlbekleidet, / manchen Degen ausersehn.
Kriemhilde die arme, / in traurigem Mut
Harrte sie auf Rüdiger, / den edeln Boten gut.
Er fand sie in dem Kleide, / das sie für täglich trug;
Dabei hatt ihr Gesinde / reicher Kleider genug.
Sie ging ihm entgegen / zu der Türe hin
Und empfing Etzels Recken / mit gütlichem Sinn.
Nur selbzwölfter trat er / herein zu der Fraun;
Man bot ihm große Ehre; / wer möcht auch bessre Boten schaun?
Man hieß den Herren sitzen / und die in seinem Lehn.
Die beiden Markgrafen / sah man vor ihr stehn,
Eckewart und Gere, / die edeln Ritter gut.
Um der Hausfrau willen / sahn sie niemand wohlgemut.
[185]Sie sahen vor ihr sitzen / manche schöne Maid.
Da hatte Frau Kriemhild / Jammer nur und Leid.
Ihr Kleid war vor den Brüsten / von heißen Trännen naß.
Das sah der edle Markgraf, / der nicht länger vor ihr saß.
Er sprach in großen Züchten: / »Viel edles Königskind,
Mir und den Gefährten, / die mit mir kommen sind,
Sollt ihr, Frau, erlauben, / daß wir vor euch stehn
Und euch melden, weshalb / unsre Reise sei geschehn.«
»Ich will euch gern erlauben,« / sprach die Königin,
»Was ihr wollt zu reden; / also steht mein Sinn,
Daß ich es gerne höre: / ihr seid ein Bote gut.«
Da merkten wohl die andern / ihren abgeneigten Mut.
Da sprach von Bechelaren / der Markgraf Rüdiger:
»Euch läßt entbieten, Herrin, / Etzel der König hehr
Große Lieb und Treue / hierher in dieses Land;
Er hat um eure Minne / viel gute Recken gesandt.
Er entbeut euch freundlich / Liebe sonder Leid;
Er sei steter Freundschaft / nun euch hinfort bereit
Wie Helken einst der Königin, / die ihm am Herzen lag:
Ihr sollt die Krone tragen, / deren sie vor Zeiten pflag.«
Da sprach zu ihm die Königin: / »Markgraf Rüdiger,
Wenn meines Herzeleides / jemand kundig wär,
Der würde mir nicht raten / zu einem zweiten Mann:
Ich verlor der Besten einen, / die je ein Weib noch gewann.«
»Was tröstet mehr im Leide,« / sprach der kühne Mann,
»Als freundliche Liebe? / Wer die gewähren kann
Und hat sich den erkoren, / der ihm zu Herzen kommt,
Der erfährt wohl, daß im Leide / nichts so sehr als Liebe frommt.
[186]Und geruht ihr zu minnen / den edeln Herren mein,
Zwölf reicher Kronen / sollt ihr gewaltig sein.
Dazu von dreißig Fürsten / gibt euch mein Herr das Land,
Die alle hat bezwungen / seine vielgewaltige Hand.
Ihr sollt auch Herrin werden / über manchen werten Mann,
Die meiner Frauen Helke / waren untertan,
Und viel der schönen Maide, / einst ihrem Dienst gesellt,
Von hoher Fürsten Stamme,« / sprach der hochbeherzte Held.
»Dazu gibt euch der König, / gebot er euch zu sagen,
Wenn ihr geruht die Krone / bei meinem Herrn zu tragen,
Gewalt, die allerhöchste, / die Helke je gewann:
Alle Mannen Etzels / werden euch da untertan.«
»Wie möchte jemals wieder,« / sprach die Königin,
»Eines Helden Weib zu werden / gelüsten meinem Sinn?
Mir hat der Tod an einem / so bittres Leid getan,
Daß ichs bis an mein Ende / nimmermehr verschmerzen kann.«
Die Heunen sprachen wieder: / »Viel reiche Königin,
Das Leben geht bei Etzeln / so herrlich euch dahin,
Daß ihr in Wonnen schwebet, / weigert ihr es nicht;
Mancher ziere Degen / steht in des reichen Königs Pflicht.
Helkens Jungfrauen / und eure Mägdelein,
Sollten die beisammen / je ein Gesinde sein,
Dabei möchten Recken / wohl werden wohlgemut.
Laßt es euch raten, Fraue, / es bekommt euch wahrlich gut.«
Sie sprach mit edler Sitte: / »Nun laßt die Rede sein
Bis morgen in der Frühe; / dann tretet zu mir ein,
Daß ich auf die Werbung / euch gebe den Bescheid.«
Da mußten Folge leisten / die kühnen Degen allbereit.
[187]Als zu den Herbergen / sie kamen allzumal,
Nach Geiselhern zu senden, / die edle Frau befahl
Und nach ihrer Mutter: / den beiden sagte sie,
Ihr gezieme nur zu weinen / und alles andere nie.
Da sprach ihr Bruder Geiselher: / »Mir ahnt, Schwester mein,
Und gerne mag ichs glauben, / dein Leid und deine Pein
Wird König Etzel wenden: / und nimmst du ihn zum Mann,
Was jemand anders rate, / so dünkt es mich wohlgetan.
Er mag dir's wohl ersetzen,« / sprach wieder Geiselher.
»Vom Rotten bis zum Rheine, / von der Elbe bis ans Meer
Weiß man keinen König / gewaltiger als ihn.
Du magst dich höchlich freuen, / heischt er dich zur Königin.«
Sie sprach: »Lieber Bruder, / wie rätst du mir dazu?
Weinen und Klagen, / das käm mir eher zu.
Wie sollt ich vor den Recken / da zu Hofe gehn?
Hatt' ich jemals Schönheit, / um die ists lange geschehn.«
Da redete Frau Ute / der lieben Tochter zu:
»Was deine Brüder raten, / liebes Kind, das tu.
Folge deinen Freunden, / so mag dir's wohlergehn.
Hab ich dich doch so lange / in großem Jammer gesehn.«
Da bat sie, daß vom Himmel / ihr würde Rat gesandt:
Denn hätte sie zu geben / Gold, Silber und Gewand
Wie einst, da er noch lebte, / ihr Mann der Degen hehr.
Sie erlebe doch nicht wieder / so frohe Stunden nachher.
Sie dacht in ihrem Sinne: / »Und sollt ich meinen Leib
Einem Heiden geben? / Ich bin ein Christenweib:
Des müßt ich billig Schelte / von aller Welt empfahn;
Gäb er mir alle Reiche, / es bliebe doch ungetan.«
[188]Da ließ sie es bewenden. / Die Nacht bis an den Tag
Die Frau in ihrem Bette / voll Gedanken lag.
Ihre lichten Augen / trockneten ihr nicht,
Bis sie hin zur Mette / wieder ging beim Morgenlicht.
Nun waren auch die Könige / zur Messezeit gekommen;
Sie hatten ihre Schwester / an die Hand genommen
Und rieten ihr zu minnen / den von Heunenland.
Niemand doch die Fraue / ein wenig fröhlicher fand.
Da ließ man zu ihr bringen, / die Etzel hingesandt,
Die nun mit Urlaub wollten / räumen Gunthers Land,
Wie es geraten möge, / mit Nein oder Ja!
Da kam zu Hofe Rüdiger: / die Gefährten mahnten ihn da,
Recht zu erforschen / des edeln Fürsten Mut
Und zeitig das zu leisten; / das dauchte jeden gut;
Ihre Wege wären ferne / wieder in ihr Land.
Man brachte Rüdigeren / hin, wo er Kriemhilden fand.
Da bat alsbald der Recke / die edle Königin
Mit minniglichen Worten, / zu künden ihren Sinn,
Was sie entbieten wolle / in König Etzels Land.
Der Held mit seinem Werben / bei ihr nun Weigerung fand.
»Sie wolle nimmer wieder / minnen einen Mann.«
Dawider sprach der Markgraf: / »Das wär nicht recht getan:
Was wolltet ihr verderben / so minniglichen Leib?
Ihr werdet noch mit Ehren / eines werten Recken Weib.«
Nichts half es, was sie boten, / bis daß Rüdiger
Insgeheim gesprochen / mit der Königin hehr,
E hoff' ihr zu vergüten / all ihr Ungemach.
Da ließ zuletzt ein wenig / ihre hohe Trauer nach.
[189]Er sprach zu der Königin: / »Laßt euer Weinen sein;
Hättet ihr bei den Heunen / niemand als mich allein,
Meine getreuen Freunde / und die mir untertan,
Er sollt' es schwer entgelten, / hätt euch jemand Leid getan.«
Davon ward erleichtert / der Frauen wohl der Mut.
Sie sprach: »So schwört mir, Rüdiger, / was mir jemand tut,
Ihr wollt der Erste werden, / der rächen will mein Leid.«
Da sprach zu ihr der Markgraf: / »Dazu bin ich, Frau, bereit.«
Mit allen seinen Mannen / schwur ihr da Rüdiger,
Ihr immer treu zu dienen, / und daß die Recken hehr
Ihr nichts versagen wollten / in König Etzls Land,
Was ihre Ehre heische: / das gelobt' ihr Rüdigers Hand.
Da gedachte die Getreue: / »Wenn ich gewinnen kann
So viel steter Freunde, / so seh ich's wenig an,
Was auch die Leute reden, / in meines Jammers Not.
Vielleicht wird noch gerochen / meines lieben Mannes Tod.«
Sie gedachte: »Da Herr Etzel / der Recken hat so viel,
Denen ich gebiete, / so tu ich, was ich will.
Er hat auch solche Schätze, / daß ich verschenken kann;
Mich hat der leide Hagen / meines Gutes ohne getan.«
Sie sprach zu Rüdigeren: / »Hätt ich nicht vernommen,
Daß er ein Heide wäre, / so wollt ich gerne kommen,
Wohin er geböte, / und nähm ihn zum Mann.«
Da sprach der Markgraf wieder: / »Steht darum, Herrin, nicht an.
Er ist nicht gar ein Heide, / des dürft ihr sicher sein:
Er ist getauft gewesen, / der liebe Herre mein,
Wenn er auch zu den Heiden / wieder übertrat:
Wollt ihr ihn, Herrin, minnen, / so wird dawider noch Rat.
[190]Ihm dienen so viel Recken / in der Christenheit,
Daß euch bei dem König / nie widerfährt ein Leid.
Ihr mögt auch leicht erlangen, / daß der König gut
Zu Gott wieder wendet / so die Seele wie den Mut.«
Da sprachen ihre Brüder: / »Verheißt es, Schwester mein,
Und all euern Kummer / laßt in Zukunft sein.«
Des baten sie so lange, / bis sie mit Trauer drein
Vor den Helden willigte, / den König Etzel zu frein.
Sie sprach: »Ich muß euch folgen, / ich arme Königin!
Ich fahre zu den Heunen, / wann es geschehe, hin,
Wenn ich Freunde finde, / die mich führen in sein Land.«
Darauf bot vor den Helden / die schöne Kriemhild die Hand.
Der Markgraf sprach: / »Zwei Recken stehen in euerm Lehn;
Dazu hab ich noch manchen: / so kann es wohl geschehn,
Daß wir euch mit Ehren / bringen überrhein.
Ich laß euch nun nicht länger / hier bei den Burgunden sein.
Fünfhundert Mannen hab ich / und der Freunde mein:
Die sollen euch zu Diensten / hier und bei Etzeln sein,
Was ihr auch gebietet; / ich selber steh' euch bei
Und will michs nimmer schämen, / mahnt ihr mich künftig meiner Treu.
Eure Pferdedecken / haltet euch bereit;
Was Rüdiger geraten hat, / wird euch nimmer leid.
Und sagt es euern Mägdlein, / die ihr euch gesellt:
Uns begegnet unterweges / mancher auserwählte Held.«
Sie hatte noch Geschmeide, / das sie zu Siegfrieds Zeit
Beim Reiten getragen, / daß sie mit mancher Maid
Mit Ehren reisen mochte, / so sie wollt hindann.
Hei! was man guter Sättel / den schönen Frauen gewann.
[191]Hatten sie schon immer / getragen reich Gewand,
So wurde des zur Reise / die Fülle nun zur Hand,
Weil ihnen von dem König / so viel gepriesen ward;
Sie schlossen auf die Kisten / so lang versperrt und gespart.
Sie waren sehr geschäftig / wohl fünftehalben Tag
Und nahmen aus dem Einschlag, / soviel darinne lag.
Ihre Kammer zu erschließen / hub da Kriemhild an,
Sie Alle reich zu machen, / die Rüdigern untertan.
Sie hatte noch des Goldes / von Nibelungenland:
Das sollte bei den Heunen / verteilen ihre Hand.
Sechshundert Mäule mochten / es nicht von dannen tragen.
Die Märe hörte Hagen / da von Kriemhilden sagen.
Er sprach: »Mir wird Kriemhild / doch nimmer wieder hold:
So muß auch hier verbleiben / Siegfriedens Gold.
Wie ließ' ich meinen Feinden / wohl so großes Gut?
Ich weiß gar wohl, was Kriemhild / noch mit diesem Schatze tut.
Brächte sie ihn von hinnen, / ich glaube sicherlich,
Sie würd ihn nur verteilen / zu werben wider mich.
Sie hat auch nicht die Rosse, / um ihn hinwegzutragen:
Behalten will ihn Hagen, / das soll man Kriemhilden sagen.«
Als sie vernahm die Märe, / das schuf ihr grimme Pein.
Es ward auch den Königen / gemeldet allen drein:
Sie gedachten es zu wenden. / Als das nicht geschah,
Rüdiger der edle / sprach mit frohem Mute da:
»Reiche Königstochter, / was klagt ihr um das Gold?
Euch ist König Etzel / so zugetan und hold,
Ersehn euch seine Augen, / er gibt euch solchen Hort,
Daß ihr ihn nie verschwendet; / das verbürgt euch, Frau, mein Wort.«
[192]Da sprach zu ihm die Königin: / »Viel edler Rüdiger,
Nie gewann der Schätze / eine Königstochter mehr
Als die, deren Hagen / mich ohne hat getan.«
Da kam ihr Bruder Gernot / zu ihrer Kammer heran.
Mit des Königs Macht den Schlüssel / stieß er in die Tür.
Kriemhildens Schätze / reichte man herfür,
An dreißigtausend Marken / oder wohl noch mehr,
Daß es die Gäste nähmen: / des freute Gunther sich sehr.
Da sprach von Bechelaren / der Gotelinde Mann:
»Und gehörten all die Schätze / noch Kriemhilden an,
Die man jemals brachte / von Nibelungenland,
Nicht berühren sollt es / mein noch der Königin Hand.
Heißt es aufbewahren, / da ich's nicht haben will.
Ich bracht aus unserm Lande / des Meinen her so viel,
Wir mögens unterwegs / entraten wohl mit Fug:
Wir haben zu der Reise / genug und übergenug.«
Zwölf Schreine hatten / noch ihre Mägdelein
Des allerbesten Goldes, / das irgend mochte sein,
Bewahrt aus alten Zeiten, / das nun verladen ward,
Und viel der Frauenzierde, / die sie brauchten auf der Fahrt.
Die Macht des grimmen Hagen / bedeuchte sie zu stark.
Des Opfergoldes hatte / sie wohl noch tausend Mark:
Das gab sie für die Seele / von ihrem lieben Mann.
Das deuchte Rüdigeren / mit großen Treuen getan.
Da sprach die arme Königin: / »Wo sind die Freunde mein,
Die da mir zuliebe / im Elend wollen sein
Und mit mir reiten sollen / in König Etzels Land?
Die nehmen meines Goldes / und kaufen Ross' und Gewand.«
[193]Alsbald gab ihr Antwort / der Markgraf Eckewart:
»Seit ich als Ingesinde / euch zugewiesen ward,
Hab' ich euch stets getreulich / gedient,« sprach der Degen,
»Und will bis an mein Ende / desgleichen immer bei euch pflegen.
Ich führ auch mit der Meinen / fünfhundert Mann,
Die biet ich euch zu Dienste / mit rechten Treuen an.
Wir bleiben ungeschieden, / es tu es denn der Tod.«
Der Rede dankt' ihm Kriemhild, / da er's so wohl ihr erbot.
Da brachte man die Rosse: / sie wollten aus dem Land.
Wohl huben an zu weinen / die Freunde all zur Hand.
Ute die reiche / und manche schöne Maid
Bezeigten, wie sie trugen / um Kriemhilden Herzeleid.
Hundert schöner Mägdelein / führte sie aus dem Land;
Die wurden wohl gekleidet / jede nach ihrem Stand.
Aus lichten Augen fielen / die Tränen ihnen nieder;
Manche Freud erlebten / sie auch bei König Etzel wieder.
Da kam der junge Geiselher / und König Gernot
Mit ihrem Heergesinde, / wie es die Zucht gebot:
Die liebe Schwester wollten sie / begleiten durch das Land;
Sie hatten im Gefolge / wohl tausend Degen auserkannt.
Da kam der schnelle Gere / und auch Ortewein;
Rumold der Küchenmeister, / der ließ sie nicht allein.
Sie schufen Nachtlager / der Frauen auf den Wegen;
Als Marschall sollte Volker / ihrer Herberge pflegen.
Bei Abschiedsküssen hatte / man Weinen viel vernommen,
Eh sie zu Felde waren / von der Burg gekommen.
Ungebeten gaben viele / Geleit ihr durch das Land.
Vor der Stadt schon hatte / sich König Gunther gewandt.
[194]Eh sie vom Rheine fuhren, / hatten sie vorgesandt
Ihre schnellen Boten / in der Heunen Land,
Dem König zu melden, / daß ihm Rüdiger
Zum Gemahl geworben / die edle Königin hehr.
Die Boten fuhren schnelle: / Eil war ihnen not
Um die große Ehre / und das reiche Botenbrot.
Als sie mit ihren Mären / waren heimgekommen,
Da hatte König Etzel / so Liebes selten vernommen.
Der frohen Kunde willen / ließ der König geben
Den Boten solche Gaben, / daß sie wohl mochten leben
Immerdar in Freuden / hernach bis an den Tod:
Mit Wonne war verschwunden / des Königs Kummer und Not.