[][][][][[I]]
Einleitung
in das
poſitive

Europaͤiſche Voͤlkerrecht

auf
Vertraͤge und Herkommen
gegruͤndet


Goͤttingen,:
bey Johann Ch[riſti]an Dieterich.
1796.

[[II]][[III]]

Vorbericht.


Da von meinem im Jahr 1789 gedruckten Precis
du droit des gens moderne de l’Europe
nur
noch wenig Exemplare in den Haͤnden des Verlegers
uͤbrig ſind, ſo habe ich bey der Wahl zwiſchen einer
neuen franzoͤſiſchen Auflage und einer Umarbeitung
deſſelben in teutſcher Sprache, letztere vorgezogen,
da ich geglaubt, daß dadurch dieſer Leitfaden viel-
leicht hin und wieder zur Grundlage bey Vorleſun-
gen brauchbarer werden koͤnnte; und ſelbſt wenn
dieſe in franzoͤſiſcher Sprache gehalten werden, iſt
es vielleicht manchem Zuhoͤrer nicht unangenehm, eine
Anleitung in einer Sprache vor ſich zu haben, die
ihm wahrſcheinlich die gelaͤufigſte iſt.


Daß uͤbrigens die gegenwaͤrtige Einleitung
keine bloße Ueberſetzung ſey, davon kann einen jeden
eine auch nur oberflaͤchliche Vergleichung belehren.
Das Syſtem ſelbſt iſt zwar in der Hauptſache unver-
aͤndert geblieben, da die vorhin von mir gewaͤhlte
Ordnung mir auch jetzt noch die natuͤrlichſte ſcheint,
daß nemlich zuvoͤrderſt das Subject der Wiſſenſchaft
eroͤrtert und unterſucht werde, wiefern Europa als
ein Ganzes betrachtet werden koͤnne, und wie die
Staaten dieſes Welttheils in Anſehung ihrer politi-
ſchen Wichtigkeit, in Anſehung ihrer Regierungs-
a 2form,
[IV]Vorbericht.
form, ihrer Religion verſchieden ſind, dann zu dem
Object oder den Rechten und Verbindlichkeiten uͤber-
gegangen und erklaͤret werde, wie 1) dieſe Rechte
entſtehn, durch Occupation, durch Vertraͤge, durch
Herkommen und Analogie, und ob durch Verjaͤh-
rung? 2) worin dieſe Rechte beſtehen, und 3) wie
ſie verloren gehn. Daß in Anſehung des zweyten
Hauptpuncts die Angelegenheiten der Voͤlker, ſowohl
die inneren als auswaͤrtigen, und die Privatangele-
genheiten der Regenten und ihrer Familie, von der
Art unterſchieden werden, wie freye Voͤlker ihre
Rechte geltend machen, bald auf guͤtlichen Wegen
ſchriftlicher oder geſandſchaftlicher Verhandlungen,
bald durch thaͤtliche Mittel durch Retorſion, Repre-
ſalien und Krieg, da denn in Anſehung des letzteren
Puncts die Rechte der Hauptkriegfuͤhrenden Maͤchte,
ihrer Alliirten und der neutralen Voͤlker zu unter-
ſcheiden ſind, bis der Krieg ſelbſt durch Schließung
des Friedens beendiget wird.


Nur zwey Abſchnitte ſind neu hinzugekommen,
nemlich B. II. Cap. I. von Erwerbung des Eigen-
thums durch Occupation, wovon in der vorigen
Ausgabe bey Gelegenheit der Erwerbung der Rechte
uͤber das Meer gehandelt worden, und dann B. VII.
Cap. I. uͤber den Beweis zwiſchen voͤllig und nicht
voͤllig Souverainen Staaten.


In der Ausfuͤhrung der einzelnen Materien aber
iſt nicht leicht eine uͤbrig geblieben, die nicht naͤhere
Beſtimmungen oder Zuſaͤtze erhalten haͤtte; und dieß
laͤßt ſich auch zu einer an Voͤlkerrechtlichen Begeben-
heiten und Neuerungen ſo reichhaltigen Zeit nicht
anders erwarten.


In
[V]Vorbericht.

In mehr als einer Ruͤckſicht haͤtte ich gewuͤnſcht,
die Herausgabe dieſer Schrift bis zu der Zeit eines
allgemeinen Friedens verſchieben zu koͤnnen; aber
dazu war beym Anfange der Ausarbeitung die Aus-
ſicht noch zu ungewiß.


Einzelne Abaͤnderungen, welche von dieſem
Frieden die Folge ſeyn koͤnnten, ſind jedoch der Art,
daß ſie leicht durch den muͤndlichen Vortrag ergaͤnzt
werden koͤnnen, welches auch z. B. in Anſehung der
jetzt mit Polen erfolgten Zertheilung, und der Un-
terwerfung Thorns unter Preußiſchen Zepter, der
Fall iſt.


Daß aber dieſer Friede uns ein ganz neues
Voͤlkerrecht bringen werde, wird wohl niemanden
mehr wahrſcheinlich duͤnken. Zwar war in Frank-
reich ſchon im Jahre 1793 in Vorſchlag gekommen,
ſo wie vorhin eine declaration des droits de l’homme
die unveraͤußerlichen Rechte der Menſchheit feſtſtellen
ſollte, ſo auch eine declaration du droit des gens
abzufaſſen, die als ein unwandelbarer Codex aller
Voͤlker angenommen werden ſolle; und obgleich
damals dieſer Antrag keinen Beyfall fand, ſo uͤber-
reichte doch Gregoire im April 1795 dem National-
convent ein ſolches Project, worin er unter heftigen
Ausfaͤllen wider die bisherige ſo genannte vieille
diplomatie
in 21 Saͤtzen, das was er als Voͤlkerrecht
angeſehn wiſſen wollte, vortrug *); doch auf ſehr
gegruͤndete Vorſtellungen des Wohlfarts-Ausſchuſſes
ward damals der ſchon beſchloſſene oͤffentliche Druck
der Rede und des Projects wieder eingeſtellet.


a 3Wer
[VI]Vorbericht.

Wer nur einigermaßen mit unſerm Voͤlkerrecht
bekannt iſt, weiß daß es nicht an Puncten fehlt, uͤber
deren Abaͤnderung oder Feſtſtellung es ſehr zu wuͤn-
ſchen waͤre, daß die Hauptmaͤchte in Europa ſich ver-
einigen koͤnnten; daß es in dem Ceremoniel der Voͤl-
ker manche Puncte giebt, welche ohne Noth die Ver-
handlungen der Geſchaͤfte erſchweren, welche ſelbſt
dem herrſchenden Geſchmack unſerer Zeiten nicht
mehr angemeſſen ſind, und die man zum Theil kaum
von dem Vorwurf der Abgeſchmacktheit zu befreyen
im Stande iſt; daß es auch manche andere weit
wichtigere Gegenſtaͤnde des Voͤlkerrechts, ſowohl in
Friedens- als in Kriegszeiten giebt, die, eben weil
das natuͤrliche Recht ſie nicht mit Evidenz zu ent-
ſcheiden vermag, ſo lange ein beſtaͤndiger Gegen-
ſtand des Streits bleiben werden, als nicht die Voͤl-
ker ſich daruͤber auf eine [dauerhafte] Weiſe durch
Vertraͤge auf die eine oder die andere Art verglichen
haben werden. Sofern waͤre alſo eine Vereinigung
der Voͤlker uͤber gewiſſe feſtgeſetzte Grundſaͤtze, uͤber
gewiſſe Verbeſſerungen in der Art ihres gegenſeitigen
Betragens ein reizender Gedanke, bey welchem man
gern vergeſſen koͤnnte, ob die erſte Veranlaſſung dazu
von Feinden oder von Freunden herruͤhre, ſofern
jene nur nicht ihre Uebermacht dazu anwenden wollen,
um das als Geſetz vorzuſchreiben, was, um dauer-
haft beſtimmt zu werden, nur das Reſultat voͤllig
fr[e]yer Berathſchlagungen ſeyn kann.


Es laͤßt ſich auch nicht als chimaͤriſch anſehn,
daß uͤber dieſen oder jenen einzelnen Punct des Voͤl-
kerrechts bey Gelegenheit eines kuͤnftigen Friedens,
es
[VII]Vorbericht.
es ſey ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend, von mehre-
ren Maͤchten Beſtimmungen getroffen werden, die
in der Folge auf eine veraͤnderte Handelsweiſe der-
ſelben Einfluß haben wuͤrden, wie in Anſehung ſo
mancher einzelner Puncte der Weſtphaͤliſche Friede
hier zum Beyſpiel dienen kann; wie auch das Syſtem
der bewaffneten Neutralitaͤt davon bey einer anderen
Veranlaſſung ein Beyſpiel gegeben hat.


Daß aber unſere Europaͤiſchen Voͤlker je zu-
ſammentreten ſollten, um uͤber den Umfang der
Rechte der Voͤlker allgemeine poſitive Beſtimmungen
zu machen, oder um die von einem Volk gemachte
déclaration du droit des gens zu unterſchreiben,
und ſo ſich eines codicis iuris gentium poſitivi zu
vergleichen, das duͤnkt mir von aller Wahrſcheinlich-
keit entbloͤßet zu ſeyn, und in die Reihe des Projects
eines ewigen Friedens zu gehoͤren, das, wie oft
auch die alten Ideen wieder aufgewaͤrmt und unter
veraͤndertem bald lichteren bald dunkleren Gewande
wieder dem Publicum dargeſtellt werden, hoͤchſtens
nur ein lieblicher Traum iſt, mit dem man ſich einige
muͤſſige Augenblicke hindurch angenehm unterhalten
kann, der aber ſo lange Menſchen Menſchen bleiben,
ſo lange ſie, wie ſehr auch immer an der aͤußeren
Schale ihrer Staatsverfaſſung gekuͤnſtelt und geruͤt-
telt wird, von ihren Leidenſchaften beherrſcht und
von ihrem Eigennutz verblendet werden, ſowohl in
Anſehung ſeiner Ausfuͤhrung, als des davon gehoften
Nutzens eine bloße Chimaire bleiben wird.


Wenn man ſich auch nur oberflaͤchlich die Er-
forderniſſe eines ſolchen codicis iuris gentium poſi-
tivi
[VIII]Vorbericht.
tivi gedenkt, ſo wird man ſchon Schwierigkeiten
gewahr, die nicht leicht zu uͤberwinden ſind, und ſieht
wenigſtens bald, daß es mit einem Entwurf der
Grundſaͤtze des natuͤrlichen Voͤlkerrechts, wie der
des Deputirten Gregoire ſeyn ſoll, nicht gethan ſey.


Nicht die Wiederholung unbezweifelter Grund-
ſaͤtze des allgemeinen Voͤlkerrechts iſt es, von der
ſich erhebliche Wirkungen erwarten laſſen, und welche
die Muͤhe belohnte die Voͤlker zu einem uͤbereinſtim-
menden Vertrage zu vermoͤgen. Wenn daher die
declaration du droit des gens folgende Saͤtze enthaͤlt:
art. 1. les peuples ſont entre eux dans l’état de
nature; ils ont pour lien la morale univerſelle;
art. 2. les peuples ſont reſpectivement independans
et ſouverains, quel que ſoit le nombre d’individus
qui le compoſent et l’étendue du territoire qu’ils
occupent; art. 6. chaque peuple a droit d’organiſer
et de changer les formes de ſon gouvernement;
art. 10. chaque peuple eſt maitre de ſon territoire;
art. 17. un peuple peut entreprendre la guerre
pour defendre ſa ſouveraineté, ſa liberté, ſa pro-
prieté; art. 21. les traités entre les peuples ſont
ſacrés et inviolables,
ſo ſind das alles zwar ſehr
wahre, aber auch eben ſo unbeſtrittene Saͤtze, von
denen die Erfahrung uͤberzeugend gelehret hat, wie
ſie alle theoretiſch eingeraͤumt werden, und dabey
gleichwohl alles moͤgliche Boͤſe geſchehn koͤnnen, was
Voͤlker einander wider ihre urſpruͤnglichen oder er-
worbenenen Rechte zufuͤgen moͤchten. Solche Saͤtze
koͤnnen daher nur in ſofern hier eine Stelle verdie-
nen, als aus ſelbigen andere, die minder anerkannt
find, mit Beſtand gefolgert werden moͤgen.


Es
[IX]Vorbericht.

Es iſt ferner leeres Wortgepraͤnge, wenn in
einer ſolchen declaration des droits Saͤtze der Voͤl-
kermoral aufgeſtellet werden, die ſelten verkannt aber
noch ſeltner befolget worden, und denen es in der
Zukunft nicht beſſer ergehn wuͤrde, wenn auch alle
Voͤlker dieſe Artikel unterſchrieben haͤtten, falls dieſe
nicht zugleich einen Grad der Aufklaͤrung und mora-
liſchen Vervollkommnung erreicheten, bey welchen die
mehreſten Vertraͤge als uͤberfluͤßig wegfallen wuͤrden;
dahin gehoͤrt z. B. der Satz: art. 3. un peuple doit
agir à l’égard des autres comme il deſire qu’on
agiſſe à ſon égard; art. 4. les peuples doivent en
paix ſe faire le plus de bien, et en guerre le moins
de mal poſſible.


Soll eine ſolche declaration du droit des gens
ihres Zwecks nicht verfehlen, ſo muß ſie theils auf
die Abſchaffung widerrechtlicher, oder doch unzweck-
maͤßiger Gebraͤuche, theils auf die Feſtſetzung ſtrei-
tiger Grundſaͤtze des allgemeinen Voͤlkerrechts, theils
auf die Einfuͤhrung neuer, der Wohlfart der Voͤlker
nuͤtzlicher, Beſtimmungen gerichtet ſeyn. Zu dem
allen fehlt es zwar nicht an Stoff, aber eine faſt
unuͤberſteigliche Kluft trennt den Gedanken von der
Ausfuͤhrung, und nicht ſelten die Studirſtube vom
Cabinet.


Wenn man ſich aller der laͤcherlichen, zum Theil
ſelbſt blutigen Auftritte erinnert, zu denen die Praͤ-
cedenzſtreitigkeiten der Geſandten Anlaß gegeben
haben, ſo moͤchte man es fuͤr einen großen Gewinn
achten, wenn feſtgeſetzt wuͤrde, wie art. 20 vorge-
ſchlagen wird: il n’y a pas de préſéance entre les
agens publics des Nations;
und daß dieſer Satz
a 5dem
[X]Vorbericht.
dem reinen natuͤrlichen Voͤlkerrecht gemaͤß ſey, wird
nicht leicht jemand bezweifeln. Sollte aber wohl
uͤberhaupt, ſollte viel dabey gewonnen werden wenn
man auf dieſen Satz zuruͤckginge? Die gewaltſamen
Auftritte, wie ſie weiland zwiſchen einen Batteville
und d’Eſtrades vorfielen, ſind nach dem Geſchmack
unſres Zeitalters ohnehin nicht leicht mehr zu beſor-
gen; man hat laͤngſt Mittel ausfuͤndig gemacht um,
es ſey durch Alternation, oder durch Reverſe u. ſ. f.
zu verhindern, daß nicht wichtige Geſchaͤfte, dann
wenn es allen Theilen ein Ernſt iſt, um der Praͤcedenz-
ſtreitigkeitenwillen gehemmt werden; und wenn ein
Theil Ausfluͤchte ſucht, ſollte es wohl da an Vor-
wand zum Abſprung fehlen, geſetzt auch, daß die
Praͤcedenz dazu nicht mehr dienen koͤnnte? Ja wenn
es wirklich zur Abſchaffung aller Praͤcedenz kaͤme,
wenn der Deputirte der Republik St. Marino dem
Franzoͤſiſchen Ambaſſadeur nicht mehr zu weichen
haͤtte, folglich wer zuerſt kommt ſich dahin ſtellte,
ſetzte, ſchriebe, wo er es fuͤr gut faͤnde; wuͤrde es nicht
leicht oft uͤber die Frage, wer zuerſt gekommen ſey
zu eben ſo laͤcherlichen und ſelbſt thaͤtlichen Auftritten
kommen koͤnnen als bisher uͤber die Praͤcedenz ent-
ſtanden ſind, oder kann man der Meynung gebieten,
daß ein Platz, waͤre es auch nur dießmal, nicht beſſer
wie der andere ſey, und iſt Verwirrung nicht noch
ſchlimmer als eine mangelhafte Ordnung? Immer
wuͤrde man am Ende auf Alternation zuruͤckkommen
muͤſſen; dieſe iſt aber ſchon zwiſchen vielen der
groͤßeren Maͤchte eingefuͤhrt, und was gewinnt die
Menſchheit dabey, wenn nun auch kleine Staaten
auf dieſe Alternation grundgeſetzmaͤßig pochen duͤrf-
ten
[XI]Vorbericht.
ten — und doch wohl in vielen Faͤllen darauf nicht
pochen wuͤrden.


Wenn man an alle die Neckereyen und zum
Theil beſchwerliche Haͤndel gedenkt, die uͤber die
wahren und vermeinten Vorrechte der Geſandten,
uͤber die Unabhaͤngigkeit ihrer Perſon, ihres Hotels,
ihres Gefolges, ihrer Guͤter entſtanden ſind, ſo
koͤnnte es allerdings wuͤnſchenswuͤrdig ſcheinen, daß
dieſe Vorzuͤge naͤher beſtimmt und in zweckmaͤßige
Schranken zuruͤckgefuͤhrt werden koͤnnten. Wuͤrde
aber der Sache geholfen ſeyn, wenn man auf den
reinen Satz des natuͤrlichen Rechts zuruͤckkehrte, wie
er ſeit mehr als 100 Jahren in allen Lehrbuͤchern des
Naturrechts ſich findet, und wie Gregoire ihn im
19ten Artikel vorſchlaͤgt: les agens publics que les
peuples s’envoyent ſont independans des lois du
pays où ils ſont envoyés dans tout ce qui concerne
l’objet de leur miſſion
,
wuͤrde wohl dieß dem gehof-
ten Zweck entſprechen, wuͤrde dieſe Einſchraͤnkung,
nach welcher Geſandte nur in dem was ihre Sendung
anbetrifft von dem Hofe bey welchen ſie reſidiren
unabhaͤngig ſeyn ſollen, nicht zu unzaͤhligen neuen
Streitigkeiten Anlaß geben, wuͤrde ſie nicht den
Geſandten manchen wahrhaftig fuͤr die Fuͤhrung
ſeiner Geſchaͤfte nicht gleichguͤltigen Chicanen bloß
ſtellen, und ſo das Uebel auf der einen Seite ver-
groͤßern wenn man es auf der andern zu verringern
ſuchte. Daß unzaͤhlige Streitigkeiten wegen des
ius aſyli, wegen der Gerichtbarkeit uͤber das Ge-
folge der Geſandten u. ſ. f. erwachſen ſeyn, iſt wahr,
und man braucht eben nicht an den Lakeyen-Streit
in Utrecht zu gedenken, um dieſe Haͤndel unanſtaͤndig
zu
[XII]Vorbericht.
zu finden. Aber wann entſtanden wohl bedeutende
Haͤndel der Art, wo nicht ganz andere Staats-
Urſachen zum Grunde lagen; und wo dieſe kuͤnftig
vorhanden ſeyn werden, wuͤrde da auch trotz jener
Beſchraͤnkung nicht Veranlaſſung genug uͤbrig ſeyn,
um die wahren Triebfedern der Handlungen durch
Schein-Vorwand zu bedecken. Wenn vielleicht
kleineren Staaten, die den Neckereyen großer Ge-
ſandten mehr als die groͤßeren ausgeſetzt ſind, durch
Beſchraͤnkung der Geſandſchaftlichen Vorrechte einiger
Vortheil zuwuͤchſe, ſo wuͤrde dieß fuͤr die Wohlfart
der Voͤlker uͤberhaupt warlich nicht viel ſeyn.


Sobald man aber in Puncte hinein geht, deren
Feſtſetzung fuͤr das Wohl der Voͤlker wichtiger iſt,
ſo zeigt ſich, daß in Anſehung mancher derſelben
das Intereſſe der Voͤlker ſich ſo durchkreuze, daß
ſchon aus dieſem Grunde ſchwerlich an eine allge-
meine Vereinbarung zu gedenken ſey, und der Satz
den Gregoire art. 5 vortraͤgt que l’intérêt particulier
d’un peuple eſt ſubordonné à l’intérêt général de
la famille humaine
moͤchte wohl, wie ſchoͤn er auch
klingt, weder ohne Einſchraͤnkung als natuͤrlich wahr
angeſehn werden koͤnnen, noch auch von irgend einem
Volk ſo uͤberzeugend gefuͤhlt werden, daß es ſich
entſchloͤſſe ſeinen eigenen Nachtheil zu unterzeichnen.


So moͤchte zum Beyſpiel es eine ſehr wichtige
und wuͤnſchenswuͤrdige Sache ſeyn, daß alle Maͤchte
ſich vereinigten in Seekriegen den verderblichen Ca-
pereyen ein Ende zu machen; laͤßt ſich aber erwarten,
daß alle Seemaͤchte hieruͤber je gleichfoͤrmig denken
werden, und koͤnnte, da dieſe Capereyen dem ſtren-
gen
[XIII]Vorbericht.
gen aͤußeren Voͤlkerrecht nicht entgegen ſind, ein
Buͤndniß der uͤbrigen fuͤr rechtmaͤßig gehalten werden,
ſich gemeinſchaftlich dieſem Gebrauch mit Gewalt
entgegen zu ſetzen?


So mag immerhin der Satz den Gregoire
art. 14 vortraͤgt: le baniſſement pour crime eſt une
violation indirecte du territoire étranger
ſehr ſchein-
bar, und deſſen Befolgung insbeſondere fuͤr Teutſch-
land wuͤnſchenswuͤrdig ſeyn, aber man frage manchen,
inſonderheit der kleinen Staͤnde in Teutſchland, ob
er auch ausfuͤhrbar ſey, und die Antwort wird ſchwer-
lich bejahend ausfallen.


Es zeigt ſich ferner, daß auch gerecht und billig
dankenden Staaten die Einwilligung in allgemeine
Saͤtze eines willkuͤhrlichen Voͤlkerrechts ſchon um
deswillen oft ſehr mißlich ſcheinen muͤßte, weil ſich
nicht voraus ſehen laͤßt, wie nachtheilig dieſe Saͤtze
kuͤnftig einmal ihrem eigenen Intereſſe werden koͤnn-
ten, ſo ſcheinbar auch die augenblicklichen Vortheile
deſſelben ſeyn moͤchten. So waͤre es zwar in mancher
Ruͤckſicht gut, wenn in Angelegenheiten der Voͤlker
kuͤnftig die exceptio praeſcriptionis mit eben dem
Nachdruck als in Haͤndel der Privatperſonen in vim
litis ingreſſum impediendi
entgegen geſetzt, und zu
dem Ende die Zeit und uͤbrige Erforderniſſe der Ver-
jaͤhrung durch einen allgemeinen Vertrag feſtgeſetzt
werden koͤnnten. Aber welche Macht wird unvor-
ſichtig ſich in eine willkuͤhrliche Beſtimmung einlaſſen,
von der ſie nicht vorausſehn kann, wie ſie kuͤnftig
einmal zu ihrem groͤßeſten Nachtheil gereichen koͤnnte;
was gewinnt man hingegen wenn mit der déclaration
du
[XIV]Vorbericht.
du droit des gens art. 11. feſtgeſetzt wuͤrde: la poſ-
ſeſſion immémoriale établit le droit de préſcription
entre les peuples,
denn wenn hier immémoriale
jeder Beſitz heißen ſoll der uͤber der lebenden Men-
ſchen-Gedenken ſich erſtreckt, ſo wuͤrden ihm eben
die Bedenklichkeiten entgegenſtehn, die ſich der Ein-
fuͤhrung einer Verjaͤhrung von 50, 60, 70 u. f.
Jahren entgegenſtellen, und dieſer Satz der, ſo ver-
ſtanden, kein Grundſatz des natuͤrlichen Rechts iſt,
wuͤrde nie zum Satz des poſitiven gemacht werden;
ſoll aber immémoriale voͤllig unvordenklich heißen,
ſo iſt das nicht mehr Verjaͤhrung, ſondern favor
poſſeſſionis,
und das hat noch kein vernuͤnftiger
Menſch gelaͤugnet, bedarf alſo keiner déclaration des
droits,
daß wenn nicht erhellet, daß je vor mir ein
anderer beſeſſen habe, keiner da ſeyn koͤnne der mich
aus meinem Beſitz verdraͤngen darf, weil keiner ein
beſſeres Recht als das meinige darzuthun vermag.


Endlich giebt es Saͤtze die kaum vorſichtig
genug gefaßt werden koͤnnen, um nicht freyen Maͤch-
ten, die ihre Vertraͤge ſelbſt ausdeuten, Veranlaſ-
ſung zu geben, ſie wider die Rechte anderer Voͤlker
zu mißbrauchen; und ſo dadurch mehr Uebel als
Gutes zu ſtiften. Davon giebt die oftgenannte
déclaration ein paar recht auffallende Beyſpiele. Im
art. 6. heißt es: chaque peuple a droit d’organiſer
et de changer les formes de ſon gouvernement,

im 7ten un peuple n’a pas le droit de ſ’immiſcer
dans le gouvernement des autres;
aber im art. 8.
il n’y a de gouvernement conforme aux droits des
peuples que ceux qui ſont fondés ſur l’égalité et

la
[XV]Vorbericht.
la liberté. Alſo wenn eine Nation eine Verfaſſung
annimmt, die nicht auf Freyheit und Gleichheit ge-
gruͤndet iſt, oder, welches zwiſchen freyen Voͤlkern
eben ſo viel iſt, wenn eine dritte Macht findet, daß
die Verfaſſung einer andern nicht auf dieſe Grund-
pfeiler geſtuͤtzt ſey, folglich daß dieſe kein Recht gehabt
habe ſie ſich zu geben, ſo darf ſie in ihre Verfaſſung
ſich einmiſchen! alſo beguͤnſtiget das neue Voͤlker-
recht die propaganda!! Ferner art. 16. les ligues
qui ont pour objet une guerre offenſive, les traités
ou alliances qui peuvent nuire à l’interêt d’un
peuple ſont un attentat contre la famille humaine.

Alſo von der ſchwankenden ſo oft zweifelhaften, ſo oft
beſtrittenen Frage, ob ein Krieg oder eine Allianz
nach der Meinung eines dritten Volks offenſiv oder
defenſiv ſey, ſoll die Frage abhaͤngen, ob es dieſe,
wenn gleich nicht wider ſich geſchloſſene Allianz als
ein Attentat wider die Menſchheit betrachten, folglich
auch als eine Beleidigung gegen ſich anſehn und
raͤchen koͤnne — alſo iſt jede Allianz der Critik aller
uͤbrigen Voͤlker unterworfen, und wenn ſie dieſe als
dem Intereſſe eines dritten Volks nachtheilig anſehn,
ſo koͤnnen ſie ohne weitere Umſtaͤnde, das was frem-
den geſchah als ſich ſelbſt, als dem ganzen Menſchen-
geſchlecht gethan anſehn — und wo bleibt bey dieſem
unbegraͤnzten Einmiſchungsrecht fremder Staaten die
ſo hoch geruͤhmte Freyheit der Voͤlker. Konnte die
alte Diplomatik das Einmiſchungsrecht weiter er-
ſtrecken? ſollen ſo gefaͤhrliche Saͤtze die Subſtanz
einer neuen déclaration du droit des gens ausmachen,
ſo erhalte der Himmel uns unſre vieille diplomatie
mit allen ihren Luͤcken, mit allen ihren Wortſtreitig-
keiten,
[XVI]Vorbericht.
keiten, mit allen ihren zum Theil altmodiſchen Ver-
zierungen — wir wuͤrden beym Tauſch nur verlieren,
alte Schaumuͤnzen gegen Aſſignate verwechſeln.


Doch vielleicht irre ich in der zu geringen Er-
wartung von einer kuͤnftigen Europaͤiſchen Voͤlker-
Legislation, vielleicht verfuͤhrt mich unvermerkt die
Anhaͤnglichkeit an eine Wiſſenſchaft der in hohem Po-
ſaunenton eine gaͤnzliche Revolution geweißaget wird,
vielleicht mißleitet mich die Furcht, daß manches
von dem was in dieſem kleinen Buche geſagt iſt nun
kuͤnftig ganz anders lauten muͤſſe — es iſt vielleicht
der Aufklaͤrung des letzten Luſtrums dieſes Jahrhun-
derts vorbehalten, in Ausſpruͤchen der reinſten Weiß-
heit die Wohlfart der kommenden Jahrhunderte zu
gruͤnden, Haß und Eiferſucht der Voͤlker in Bruder-
liebe umzuſchaffen, Eroberungsſucht von der Erde
zu verbannen, Herſchſucht in Regierungskunſt, Stolz
und Prachtliebe in Beſcheidenheit und Simplicitaͤt
umzuwandeln, und vielleicht werden Voͤlkerrecht und
Voͤlkergeſchichte die im 18ten Jahrhundert ſo oft mit
einander im Widerſpruch waren, im 19ten in ſchoͤn-
ſter Eintracht nur ein Studium ſeyn — vielleicht
aber — und wieviel wahrſcheinlicher iſt dieſes viel-
leicht — iſt die letzte Spur dieſes Buͤchleins laͤngſt
vergeſſen, ehe zu jener großen Unternehmung der
erſte Schritt geſchehen iſt.


Goͤttingen den 5ten Januar 1796.


Inhalt.
[[XVII]]

Inhalt.


  • Einleitung.
  • Begriff des natuͤrlichen Voͤlkerrechts §. 1. Poſitives Voͤlkerrecht
    einzelner Voͤlker §. 2. Poſitives Europaͤiſche Voͤlkerrecht §. 3.
    Begriff deſſelben §. 4. Ob es ein allgemeines poſitives Voͤlker-
    recht gebe §. 5. Urſprung des heutigen Europaͤiſchen Voͤlker-
    rechts §. 6. Geſchichte deſſelben §. 7. Geſchichte der Wiſſen-
    ſchaft des Voͤlkerrechts §. 8. 9. Voͤlkerrechts-Bibliothek §. 10.
    Ueberſicht des folgenden §. 11.
  • Erſtes Buch. Von den Europaͤiſchen Staaten uͤberhaupt.
  • Erſtes Hauptſtuͤck. Gattungen und Verbindungen der-
    ſelben.
  • Gattungen der Europaͤiſchen Staaten §. 12. Urſprung
    ihrer heutigen Verbindung §. 13.
  • Zweytes Hauptſtuͤck. Haupteintheilungen der Europaͤi-
    ſchen Staaten.
  • Souveraine und nicht Souveraine Staaten §. 14. Ganz
    Souveraine denen honores regii zuſtehn §. 15. Uebrige
    ganz ſouveraine Staaten §. 16. Nicht ganz ſouveraine
    Staaten §. 17. Staaten deren Souverainetaͤt beſtritten
    wird §. 18. See- und Landmaͤchte §. 19.
  • Drittes Hauptſtuͤck. Regierungsform der Europaͤiſchen
    Staaten.
  • Monarchien und Republiken §. 20. Erbreiche und Wahl-
    reiche §. 21. Deſpotiſche, unumſchraͤnkte, eingeſchraͤnkte
    Monarchien §. 22. Ariſtokratien, Demokratien §. 23.
    Staatenſyſteme, zuſammengeſetzte Staaten §. 24.
  • Viertes Hauptſtuͤck. Religionszuſtand in Europa.
  • Chriſtliche und nicht chriſtliche Religionen §. 25. Roͤmi-
    ſche und griechiſche Kirche §. 26. Catholiſche und refor-
    mirte §. 27. Herrſchende und geduldete Religionen §. 28.
  • Zweytes Buch. Arten der Erwerbung poſitiver Rechte
    unter den Voͤlkern.
  • Erſtes Hauptſtuͤck. Erwerbung des Eigenthums durch
    Occupation.
  • Recht Eigenthum zu erwerben §. 29. Die Occupation
    muß moͤglich ſeyn §. 30. Sie muß wirklich erfolget
    ſeyn §. 31. Wie weit ſie ſich erſtrecke §. 32. Eigenthum
    auf Landſeen, Fluͤſſe §. 33. Auf Meerengen, Meerbuſen,
    Mare proximum §. 34. Auf angraͤnzende Meere §. 35.
    Deren Freyheit und Unterwuͤrfigkeit §. 36. Auf das große
    Weltmeer §. 37. Wirkungen des Eigenthums; Oberherr-
    ſchaft §. 38. Recht auf den Zuwachs §. 39.
  • Zweytes Hauprſtuͤck. Vertraͤge.
  • Begriff eines Staatsvertrags §. 41. Erforderniſſe eines
    Staatsvertrags, Bevollmaͤchtigung §. 42. Die Einwilli-
    gung muß erfolget ſeyn §. 43. Sie muß frey ſeyn §. 44.
    Gegenſeitig §. 45. Die Erfuͤllung des Vertrags muß
    moͤglich ſeyn §. 46. Wirkung der Vertraͤge §. 47. Be-
    dingungen, Zeit §. 48. Verſchiedene Gegenſtaͤnde der
    Vertraͤge §. 49. Gattungen derſelben §. 50. Tranſitori-
    ſche Vertraͤge, Buͤndniſſe §. 51. Verſchiedene Artikel
    eines Vertrags §. 52. Buͤndniſſe ſind perſoͤnlich oder reel
    §. 53. Folgen dieſes Unterſchieds §. 54. Gleiche oder
    ungleiche Buͤndniſſe §. 55. Mittel zu Beſtaͤrkung der Ver-
    traͤge §. 56. Beſtaͤdtigung und Erneuerung derſelben §. 57.
    Stillſchweigende Vertraͤge §. 58.
  • Drittes Hauptſtuͤck. Herkommen und Analogie.
  • Begriff und Verbindlichkeit des Herkommens §. 59. Aeußere
    Gruͤnde fuͤr die Dauer des Herkommens §. 60. Verhaͤlt-
    niß zwiſchen Herkommen und Vertragsrecht §. 61. Ana-
    logie §. 62.
  • Viertes Hauptſtuͤck. Verjaͤhrung.
  • Ob die Verjaͤhrung in dem allgemeinen Voͤlkerrecht gegruͤn-
    det ſey §. 63. ob in dem poſitiven E. Voͤlkerrecht §. 64.
  • Drittes Buch. Rechte und Verbindlichkeiten der Voͤlker
    unter einander in Ruͤckſicht auf die innere Staats-
    verfaſſung des Landes.
  • Erſtes Hauptſtuͤck. Rechte eines jeden Staats auf ſein
    Gebiet.
  • Folgen des Eigenthumsrechts §. 65. Oberherrſchaft §. 66.
  • Zweytes Hauptſtuͤck. Rechte und Verbindlichkeiten frem-
    der Voͤlker in Anſehung der Staatsverfaſſung eines
    Landes uͤberhaupt.
  • Allgemeine Grundſaͤtze §. 67. Erbfolge in Monarchien
    §. 68. Beſetzung des Throns in Wahlreichen §. 69. No-
    tification des Antritts der Regierung §. 70. Innere Ver-
    faſſung uͤberhaupt §. 71. Revolutionen §. 72.
  • Drittes Hauptſtuͤck. Gegenſeitige Rechte in Anſehung
    der einzelnen auf die innere Staatsverwaltung ab-
    zweckenden Hoheitsrechte.
  • Allgemeine Grundſaͤtze §. 73. Geſtattung des Eintritts,
    Durchgangs und Aufenthalts der Fremden §. 74. Hoͤchſte
    Aufſicht uͤber Fremde §. 75. Polizey uͤber Fremde §. 76.
    Sorge fuͤr die Ehre der Fremden §. 77. Auswanderung
    §. 78. Geſetzgebende Gewalt §. 79. Wirkung der Geſetze
    außerhalb Landes §. 80. Bekanntmachung fremder Ge-
    ſetze §. 81. Privilegien §. 82. Ertheilung der Aemter
    §. 83. Titel, Wuͤrden, Rang §. 84. Wirkung derſelben
    in fremden Landen §. 85. Verbot fremde Dienſte zu nehmen
    §. 86. Fremde Titel und Wuͤrden §. 87. Beſteurungs-
    recht §. 88. Zoͤlle, Stapelrecht §. 89. ius albinagii §. 90.
    Abzugsrecht, Nachſteuer §. 91. Richterliche Gewalt §. 92.
    Rechte der Auslaͤnder in Hinſicht der Landesgerichte §. 93.
    Recurs an ihren Souverain 1) wenn die Juſtiz nach den
    Landesgeſetzen zu verwalten war §. 94. wenn. 2) der Fall
    aus dem Voͤlkerrecht zu entſcheiden war §. 95. wenn 3) die
    Juſtiz verweigert oder verkehrt verwaltet worden §. 96.
    Wirkung der Erkenntniſſe außerhalb Landes §. 97. Frey-
    willige Gerichtbarkeit §. 98. Criminal-Gewalt §. 99.
    Recht fremde Verbrecher zu beſtrafen oder auszuliefern
    §. 100. Verbindlichkeit Verbrechen der Fremden zu be-
    ſtrafen §. 101. Handlungen der Criminal-Gewalt auf
    fremden Gebiet §. 102. Wirkung eines Criminal-Urtheils
    außerhalb Landes §. 103. Begnadigungsrecht §. 104.
    Muͤnze, Papiergeld §. 105. Recht der Poſten §. 106.
    Rechte des Staats in Hinſicht der Religion §. 107. Unter-
    ſchied zwiſchen catoliſchen und andern Staaten §. 108. Ob
    ein Volk ſeine Religion einen andern aufdringen duͤrfe
    §. 109. Wieweit ein Volk ſeinen Glaubensgenoſſen bey-
    ſtehn duͤrfe §. 110. Voͤlkerrechts-Dienſtbarkeiten §. 111.
  • Viertes Buch. Rechte und Verbindlichkeiten der Voͤlker in
    Ruͤckſicht auf ihre auswaͤrtigen Angelegenheiten.
  • Erſtes Hauptſtuͤck. Unabhaͤngigkeit der Voͤlker und
    Sorge fuͤr ihre Freyheit und Sicherheit.
  • Freyheit der Voͤlker in ihren Handlungen §. 112. Rechte
    fuͤr ihre Sicherheit Zuruͤſtungen zu machen §. 113. Her-
    kommliche Art hieruͤber Erklaͤrungen zu geben §. 114. Recht
    Vertraͤge einzugehn oder nicht einzugehn §. 115. Ausnah-
    men davon in der Praxis §. 116. Recht ſich auf erlaubte
    Weiſe zu vergroͤßern §. 117. In welchen Faͤllen dritte
    Voͤlker ſich ſolchen Vergroͤßerungen widerſetzen koͤnnen §. 118.
    Syſtem der Erhaltung des Gleichgewichts in Europa §. 119.
    Gleichgewicht in einzelnen Theilen §. 120. Wenn und wie
    das Gleichgewicht zu erhalten ſey §. 121.
  • Zweytes Hauptſtuͤck. Gleichheit der Voͤlker; Wuͤrden,
    Rang und andere Ehrenbezeugungen
  • Grundſaͤtze des natuͤrlichen Rechts §. 122. Europaͤiſches
    Voͤlkerceremoniel §. 123. Kaiſerliche und Koͤnigliche Wuͤrde
    §. 124. Anerkennung der Titel und Wuͤrden §. 125. Koͤ-
    nigliche Ehrenbezeugungen §. 126. Praͤcedenz §. 127.
    Gruͤnde zu Behauptung derſelben §. 128. Rang des Pabſts
    und des Kaiſers §. 129. Rang der uͤbrigen gekroͤnten
    Haͤupter §. 130. Rang der Churfuͤrſten und Republiken
    §. 131. Rang der uͤbrigen, inſonderheit der Italieniſchen
    und Teutſchen Staaten §. 132. Ausnahmen in Anſehung
    der Praͤcedenz §. 133. Mittel den Rangſtreitigkeiten aus-
    zuweichen §. 134.
  • Drittes Hauptſtuͤck. Rechte der Voͤlker in Anſehung des
    Handels.
  • Von dem Handel uͤberhaupt §. 135. Natuͤrliche Handels-
    freyheit §. 136. Geſchichte des Handels §. 137. Handel
    in fremde Welttheile §. 138. Handel mit den Europaͤiſchen
    Beſitzungen §. 139. Theorie der Handelsvertraͤge §. 140.
    Handel in Friedenszeiten §. 141. Neutraler Handel §. 142.
    Fall eines Bruches §. 143. Conſuln §. 144. Rechte der-
    ſelben §. 145. General-Conſuln, Viceconſuln, Commiſſai-
    res §. 146. Uebergang zum folgenden §. 147.
  • Viertes Hauptſtuͤck Rechte der Voͤlker in Hinſicht der
    Meere und Gewaͤſſer.
  • Verſchiedenheit der Rechte und Anſpruͤche §. 148. Ius
    littoris
    §. 149. Strandrecht in beſonderm Sinn §. 150.
    Recht der Bergung §. 151. Rechte uͤber groͤßere Landſeen,
    Meerbuſen, Meere §. 152. Ueber das weite Weltmeer
    §. 153. Seeceremoniel §. 154. In unterworfenen Thei-
    len des Meers §. 155. Auf offnen Meer oder in dritter
    Maͤchte
    [XXI]Inhalt.
    Maͤchte Gebiet §. 156. Außerordentlicher Schiffsgruß
    §. 157. Gruß von Kauffarthey-Schiffen §. 158. Aus-
    wege zu Vermeidung der Streitigkeiten §. 159.
  • Fuͤnſtes Buch. Perſoͤnliche u. Familien-Rechte der Souveraine.
    Allgemeine Anmerkung §. 160. Notificationen §. 161.
    Vermaͤhlungen §. 162. Gevatterſchaften §. 163. Ge-
    ſchenke §. 164. Ritterorden §. 165. Empfang fremder
    Fuͤrſten §. 166. Bewillkommung durchreiſender Fuͤrſten
    §. 167. Exterritorialitaͤt fremder Monarchen §. 168.
    Privatguͤter derſelben §. 169. Auswaͤrtige Verwandte der
    Fuͤrſten §. 170.
  • Sechstes Buch. Von der Art wie die Angelegenheiten der
    Voͤlker ſchriftlich verhandelt werden.
  • Verbindung mit dem Vorhergehenden §. 171. Verſchie-
    dene Arten der Verhandlungen §. 172. Gattungen von
    Staatsſchriften §. 173. Canzley-Schreiben §. 174. Ca-
    binets-Schreiben §. 175. Eigenhaͤndige Schreiben §. 176.
    Wahl der Briefform §. 177. Canzley-Fehler §. 178.
    Denkſchreiben §. 179. Gebrauch der Memoires §. 180.
    Uebrige Staatsſchriften §. 181.
  • Siebentes Buch. Geſandſchaftsrecht.
  • Erſtes Hauptſtuͤck. Geſandſchaftsrecht uͤberhaupt.
  • Verbindung mit dem Vorhergehenden §. 182. Begriff
    eines Geſandten §. 183. Recht Geſandte zu ſchicken §. 184.
    Recht Geſandte anzunehmen §. 185. Erwerbung und Ver-
    luſt des Geſandſchaftsrechts §. 186. Verbindlichkeit Ge-
    ſandte zu ſchicken oder anzunehmen §. 187.
  • Zweytes Hauptſtuͤck. Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.
  • Urſprung der verſchiedenen Klaſſen §. 188. Geſandte der
    erſten Klaſſe §. 189. der zweyten §. 190. der dritten §. 191.
    Praͤcedenz der Geſandten unter einander §. 192. Agenten
    u. ſ. f. §. 193. Deputirte §. 194. Grade des Geſand-
    ſchaftsrechts § 195. Wahl der Klaſſe und Zahl §. 196.
    Wahl der Perſon der Geſandten §. 197.
  • Drittes Hauptſtuͤck. Von den zu Antretung der Geſand-
    ſchaft noͤthigen Stuͤcken.
  • Gefolge und Hausgeraͤth §. 198. Beglaubigungsſchreiben
    §. 199. Empfehlungsſchreiben §. 200. Vollmacht §. 201.
    Inſtruction, Chifre §. 202.
  • Viertes Hauptſtuͤck. Geſandſchaftsceremoniel.
  • Audienz eines Bothſchafters §. 203. Audienz der Geſand-
    ten der unteren Klaſſen §. 204. Antritts-Beſuche §. 205.
    b 3Praͤce-
    [XXII]Inhalt.
    Praͤcedenz bey feyerlichen Beſuchen §. 206. Rang der Ge-
    ſandte gegen andere Standesperſonen §. 207. Excellenz-
    titulatur §. 208. Uebriges Ceremoniel gegen Geſandte
    §. 209. Audienzen waͤhrend der Geſandſchaft §. 210.
  • Fuͤnftes Hauptſtuͤck. Unabhaͤngigkeit und Unverletzlichkeit
    des Geſandten.
  • Unverletzlichkeit ſeiner Perſon §. 211. Exterritorialitaͤt
    §. 212. Befreyung ſeiner Perſon von der Civilgerichtbar-
    keit § 213. ſeiner Guͤter §. 214. Befreyung von der Eri-
    minalgerichtbarkeit §. 215. Gerichtbarkeit uͤber ſein Ge-
    folge §. 216. Ius aſyli §. 217. Quartiersfreyheit §. 218.
  • Sechstes Hauptſtuͤck. Geſandſchaftlicher Gottesdienſt.
  • Begriff des Hausgottesdienſts §. 119. Ob er nach dem
    allgemeinen Voͤlkerrecht dem Geſandten zuſtehe §. 220.
    Nach dem Herkommen §. 221. Umfang dieſes Rechts
    §. 222. Dauer deſſelben §. 223.
  • Siebentes Hauptſtuͤck. Befreyung des Geſandten von
    Abgaben
  • Zoll und Aecisfreyheit der Geſandten §. 224. Abgaben von
    nicht geſandſchaftlichen Guͤtern §. 225. Wege-Gelder,
    Briefporto §. 226.
  • Achtes Hauptſtuͤck. Geſandſchaftliche Verhandlungen.
  • Ceremoniel- und Geſchaͤfts-Geſandte §. 227. Art in Ver-
    handlung zu treten §. 228. Mittel §. 229.
  • Neuntes Hauptſtuͤck. Gefolge des Geſandten.
  • Gemahlin des Geſandten §. 230. Cavaliere, Edelknaben
    §. 231. Geſandſchaftsſecretaire §. 232. Uebriges Gefolge
    §. 233.
  • Zehntes Hauptſtuͤck. Endigung der Geſandſchaft.
  • Arten der Endigung §. 234. Erloͤſchung der Creditive
    §. 235. Rappel §. 236. Abreiſe ohne Rappel §. 237.
    Tod des Geſandten §. 238. Verſieglung der Effecten §. 239.
    Recht der nachgelaſſenen Familie §. 240. Endigung der
    Geſandſchaft einer gewiſſen Klaſſe.
  • Eilftes Hauptſtuͤck. Rechte der Geſandten in Anſehung
    dritter Staaten.
  • Grundſaͤtze des allgemeinen Voͤlkerrechts §. 242. Her-
    koͤmmliches Voͤlkerrecht §. 243.
  • Zwoͤlftes Hauptſtuͤck. Geheime Geſandſchaften.
  • Gattungen und Rechte derſelben §. 245.
  • Dreyzehntes Hauptſtuͤck. Couriere.
  • Rechte derſelben in Kriegs- und Friedenszeiten §. 246.
  • Achtes Buch. Vertheidigung und Verfolgung der Rechte
    der Voͤlker durch thaͤtliche Mittel.
  • Erſtes Hauptſtuͤck. Vom Beweiſe.
  • Beweiß unter freyen Voͤlkern §. 247. Anwendung auf
    teutſche Reichsſtaͤnde §. 248.
  • Zweytes Hauptſtuͤck. Retorſion und Repreſalien.
  • Grade der Selbſthuͤlfe §. 249. Retorſion §. 250. Repre-
    ſalien §. 251. Wann ſie ſtatt haben §. 252. Gegen-
    ſtaͤnde der Repreſalien §. 253. Hauptgattung derſelben,
    Arreſt §. 254. Wer das Recht habe Repreſalien zu uͤben
    §. 255. Ob zum Beſten dritter Staaten §. 256. Allge-
    meine Repreſalien §. 257.
  • Drittes Hauptſtuͤck. Krieg und deſſen naͤchſte Folgen.
  • Begriff des Kriegs §. 258. Wer das Recht habe Krieg zu
    fuͤhren §. 259. Rechtfertigungsgruͤnde des Kriegs §. 260.
    Vertheidigungs- und Anfalls-Kriege §. 261. Kriegs-An-
    kuͤndigung §. 262. Embargo §. 263. Avocatorien, De-
    hortatorien und Inhibitorien §. 264.
  • Viertes Hauptſtuͤck. Rechte der Hauptkriegfuͤhrenden
    Maͤchte gegen einander.
  • Kriegsgeſetze, Kriegsraiſon §. 265. Wer an den Krieg
    Antheil nehmen duͤrfe §. 266. Recht auf das Leben des
    Feindes §. 267. Mittel dem Feinde zu ſchaden §. 268.
    Kriegsliſten; Spione §. 269. Kriegsgefangene §. 270. an-
    dere Ueberwundene §. 271. wehrloſe Feinde §. 272. Feind-
    licher Regent und Familie §. 273. Betragen gegen feind-
    liche Guͤter §. 274. In Landkriegen §. 275. In See-
    kriegen §. 276. Erwerbung des Eigenthums uͤber feind-
    liche Guͤter §. 277. Poſtliminium §. 278. Von einzelnen
    militairiſchen Unternehmungen §. 279. Schlachten §. 280.
    Belagerungen §. 281. Eroberungen §. 282. Kleiner Krieg
    §. 283 Capereyen §. 284.
  • Fuͤnftes Hauptſtuͤck. Vertraͤge welche der Feind waͤh-
    rend des Kriegs ſchließt.
  • Allgemeine Vertraͤge §. 285. Capitulationen §. 286.
    Contributions-Sauvegarde-Neutralitaͤtsvertraͤge §. 287.
    Waffenſtillſtands-Vertraͤge §. 288. Art mit dem Feinde
    in Verhandlungen zu treten §. 289. Verbindlichkeit der
    Kriegsvertraͤge §. 290. Geißel §. 291.
  • Sechstes Hauptſtuͤck. Von Alliirten, Huͤlfs- und Sub-
    ſidien-Voͤlkern.

    Recht an einem Kriege Theil zu nehmen §. 292. Gat-
    tungen der Kriegsbuͤndniſſe §. 293. Streit uͤber den caſus
    foederis
    [XXIV]Inhalt.
    foederis §. 294. Von Alliirten in einem gemeinſchaftli-
    chen Kriege §. 295. Von huͤlfleiſtenden Theilen §. 296.
    Von Subſidien-Truppen §. 297. Gegenſchutz des huͤlf-
    leiſtenden Theils §. 298. Rechte gegen Alliirte des Fein-
    des §. 299.
  • Siebentes Hauptſtuͤck. Rechte der Neutralitaͤt.
  • Recht neutral zu bleiben §. 300. Vollkommne und unvoll-
    kommne Neutralitaͤt §. 301. Vertrags-Neutralitaͤt §. 302.
    Hauptgegenſtaͤnde der Neutralitaͤt §. 303. R. und V.
    in Anſehung der Huͤlfleiſtung §. 304. Natuͤrliche R. des
    neutralen Staats in Anſehung ſeines Gebiets §. 305. Na-
    tuͤrliche R. der kriegfuͤhrenden Maͤchte in Anſehung des neu-
    tralen Gebiets §. 306. Praxis in [Anſehung] beider Puncte
    §. 307. Neutrale Guͤter in dem Gebiet einer kriegfuͤhren-
    den Macht §. 308. Neutraler Handel nach dem natuͤrli-
    chen Voͤlkerrecht §. 309. Handel mit Kriegsbeduͤrfniſſen
    §. 310. Feindliche Guͤter auf neutralen und neutrale auf
    feindlichen Schiffen §. 311. Entſcheidung ſtreitiger Pri-
    ſen-Faͤlle §. 312. Grundſaͤtze des poſitiven Voͤlkerrechts
    in Anſehung des neutralen Handels 1) Kriegscontrebande
    §. 313. Strafe des Contrebande-Handels §. 314. 2)
    Handel mit blockirten Orten §. 315. 3) Freyer Handel
    neutraler Voͤlker §. 316. Gerichtbarkeit in Priſen-Sachen
    §. 317. Ob freyes Schiff freyes Gut mache §. 318. Ur-
    ſprung des Syſtems der bewaffneten Neutralitaͤt §. 319.
    Grundſaͤtze deſſelben §. 320. Schickſale deſſelben §. 321.
  • Achtes Hauptſtuͤck. Von Wiederherſtellung des Friedens.
  • Erſte Schritte zum Frieden §. 322. Praͤliminair-Conven-
    tion §. 323. Congreß §. 324. Unterhandlungen an Hoͤfen
    §. 325. Praͤliminair-Friede §. 326. Definitiv-Friede
    §. 327. Unterzeichnung der Friedensſchluͤße §. 328. Se-
    paratartikel §. 329. Mehrere Friedens-Inſtrumente, Ein-
    ſchluß und Beytritt dritter Maͤchte §. 330. Form des Bey-
    tritts §. 331. Garantie und deren Form §. 332. Voll-
    ziehung des Friedens §. 333.
  • Neuntes Buch. Untergang erworbener Rechte der Voͤlker
    gegen einander.
  • Untergang urſpruͤnglicher Rechte §. 334. Untergang er-
    worbener Rechte und zwar 1) der erworbenen durch Occu-
    pation §. 335. 2) durch Vertraͤge §. 336. 3) durch ſtill-
    ſchweigende Vertraͤge §. 337. Endigung der Gewohnheits-
    rechte §. 338.

Einlei-[[1]]

Einleitung.


§. 1.
Begriff des natuͤrlichen Voͤlkerrechts.


Wenn eine Zahl freyer Menſchen und Familien ſich zu
dem fortdaurenden Zweck der Befoͤrderung ihrer
Sicherheit und Wohlfarth in eine Geſellſchaft begiebt, ſo
macht ſie ein Volk, und wenn ſie in dieſer Abſicht ſich
einer gemeinſamen hoͤchſten Oberherrſchaft unterwirſt, einen
Staat aus. In beyden Faͤllen entſteht fuͤr ſie eine zwie-
fache Gattung von Rechten und Verbindlichkeiten, in
ihrem inneren, und in ihrem auswaͤrtigen Verhaͤltniſſe.


Die Rechte und Verbindlichkeiten der Mitglieder
eines Volks, als ſolche gegen einander, fließen, theils aus
den natuͤrlichen Grundſaͤtzen des Geſellſchaftsrechts, theils
aus beſondern Vertraͤgen.


Die Rechte und Verbindlichkeiten, welche in einem
Staate in dem Verhaͤltniß des Verwalters der hoͤchſten
Gewalt auf der einen, und der Unterthanen, als Unter-
thanen, auf der andern Seite eintreten, fließen theils aus
den Begriffen eines Staats uͤberhaupt, oder eines Staats
einer gewiſſen Art, und deren Inbegriff macht das natuͤr-
liche allgemeine Staatsrecht aus, theils aus den Grund-
vertraͤgen und Grundherkommen eines jeden Staats ins-
beſondere, deren Inbegriff das poſitive beſondere Staats-
recht
deſſelben ausmacht.


AWenn
[2]Einleitung.

Wenn man die poſitiven Staatsrechte mehrerer Staa-
ten, z. E. der einzelnen ſieben Provinzen der vereinigten
Niederlande, der teutſchen Territorien, der europaͤiſchen
Reiche mit einander vergleicht; ſo kann man durch Abſtrac-
tion der darin aͤhnlichen Puncte, ein generelleres Staats-
recht dieſer Staaten wiſſenſchaftlich bilden, welches aber
von einem Staatsrecht der Union der vereinigten Nieder-
lande, von einem teutſchen Reichsſtaatsrecht und von der Idee
eines europaͤiſchen Staatsrecht ſehr verſchieden ſeyn wuͤrde.


Auf dieſe Art laͤßt ſich ein teutſches oder europaͤiſches
Privat Fuͤrſtenrecht entwerfen, welches, ſofern es auf
Grundgeſetze und Grundherkommen beruhet, einen Theil
dieſes Staatsrecht ausmacht.


Die Rechte und Verbindlichkeiten der Voͤlker und
Staaten gegen Auswaͤrtige, werden allgemein mit dem
Nahmen des Voͤlkerrechts belegt. Dieſes iſt entweder
ein natuͤrliches oder poſitives Recht. Voͤlker und Staa-
ten ſind im Verhaͤltniß gegen andere als moraliſche, in
dem Naturſtande gegen einander fortlebende Perſonen zu
betrachten. Das natuͤrliche Voͤlkerrecht iſt daher nichts
anders, als das Naturrecht der einzelnen Menſchen zweck-
maͤßig auf Voͤlker angewendet. Aber die Verſchieden-
heiten welche aus dieſer Anwendung entſpringen, erhe-
ben das Voͤlkerrecht zu einer eigenen, von dem Naturrecht
der einzelnen Menſchen noch zu unterſcheidenden, [Wiſſen-
ſchaft]
a). Man nennt es das allgemeine, weil es alle
Voͤlker, das nothwendige, weil es ſie auch ohne ihren
Willen bindet; und wie im Naturrecht das Zwangsrecht
von der Moral verſchieden iſt, ſo iſt auch das aͤußere,
vollkommene oder Zwangs-Voͤlkerrecht von der Voͤlker-
moral zu unterſcheiden.



§. 2.
[3]Einleitung.

§. 2.
Poſitives Voͤlkerrecht einzelner Voͤlker.


Sobald zwey Voͤlker mit einander in Verkehr tre-
ten, ſo reicht das natuͤrliche Voͤlkerrecht allein nicht mehr
hin, um ihre Rechte zu beſtimmen. Sie ſehen ſich veran-
laßt in manchen Puncten von der Strenge des natuͤrlichen
Zwangsrechts etwas nachzulaſſen, das was das Naturrecht
unbeſtimmt ließ zu beſtimmen, oft ſelbſt mit Abweichung
von dem natuͤrlichen Rechte der Gleichheit eines dem andern
Rechte einzuraͤumen, welche ihm von dieſem nicht wieder
gewaͤhret werden. Aus dem Inbegriff dieſer Beſtimmun-
gen entſteht im Gegenſatz des natuͤrlichen, allgemeinen und
nothwendigen Voͤlkerrechts, ein poſitives, beſonderes, will-
kuͤhrliches Voͤlkerrecht dieſer beyden Voͤlker a). Man theilt
es wiederum in das Vertragsrecht, das auf ausdruͤckliche
oder ſtillſchweigende Vertraͤge, und in das Gewohnheits-
voͤlkerrecht, das auf Herkommen oder Gewohnheit b) beru-
het. In dieſem Sinn hat jedes Volk in ſeinem Verhaͤlt-
niſſe mit jedem der uͤbrigen Voͤlker, die mit ihm Verkehr trei-
ben, ſein eigenes Voͤlkerrecht (auswaͤrtige Staatenrecht).




§. 3.
Poſitives europaͤiſche Voͤlkerrecht.


Gebenkbar waͤre es wohl, daß mehr als zwey Voͤl-
ker, daß z. B. ſelbſt alle europaͤiſche Voͤlker zuſammen-
traͤten und ihre gegenſeitigen Rechte durch allgemeine Ver-
A 2traͤge
[4]Einleitung.
troͤge feſtſetzten, deren Inbegriff dann einen Codex eines
allgemeinen poſitiven europaͤiſchen Voͤlkerrechts ausmachen
wuͤrde. Aber weder die ehemahligen Concilien, noch das
zernichtete Project einer allgemeinen europaͤiſchen Voͤlker-
republik haben je auch nur einen, von den mehreſten euro-
paͤiſchen Voͤlkern eingegangenen, Vertrag hervorgebracht;
in dem Sinne exiſtirt alſo kein allgemeines europaͤiſches
Voͤlkerrecht, und wird vermuthlich nie eines entſtehn.


Auf der andern Seite iſt unlaͤugbar, daß das, was
von zweyen oder mehreren Voͤlkern durch Vertraͤge oder
Gewohnheit eingefuͤhrt worden, an ſich a) die uͤbrigen nicht
binden koͤnne; daß auch von keinem Puncte behauptet werden
moͤge, daß er von jeder europaͤiſchen Macht in ihren ein-
zelnen Verhaͤltniſſen gegen jede der uͤbrigen ſo gleichfoͤr-
mig feſtgeſetzt ſey, daß dieſe einzelnen zuſammen genom-
menen Vertraͤge voͤllig die Stelle eines allgemeinen Ver-
trags vertreten b). Indeß 1) wenn man die einzelnen
Vertraͤge der europaͤiſchen Maͤchte mit einander vergleicht,
ſo laſſen ſich Puncte angeben, die faſt von allen den
Maͤchten, welche Vertraͤge daruͤber errichtet haben, im
weſentlichen gleichfoͤrmig beſtimmt ſind. 2) Eben dieſes
gilt von vielen in einzelnen Verhaͤltniſſen beſtehenden Ce-
remonial- und andern Gebraͤuchen. 3) Gewohnheitsrechte,
die einmahl von den mehreſten der groͤßeren europaͤiſchen
Maͤchte eingefuͤhrt worden ſind, und nicht etwa ihren be-
ſonderen Grund in der Verfaſſung derſelben haben, wer-
den nicht nur leicht von den uͤbrigen, inſonderheit den
mittleren und kleinen Staaten, ſo weit ſie auf ſie paſſen,
angenommen und nachgeahmt, ſondern man ſieht auch
4) aus den eigenen Aeußerungen und dem Betragen der
europaͤiſchen Maͤchte, daß ſie dem in Europa hergebrachten
Gewohnheitsrechte ſelbſt dann einige Kraft beylegen, wenn
man auch nicht zeigen koͤnnte, daß in jedem individuellen
Verhaͤltniß gegen ſie die Gewohnheit ſchon bisher beſtanden
habe. Und wenn ſich gleich nicht eben dieſes von den Ver-
trags-
[5]Einleitung.
tragsrechten behaupten laͤßt, ſo dienen doch 4) Vertraͤge,
welche eine Macht mit einer andern eingegangen hat, oft
ihr und andern zum Muſter bey Schließung eines Ver-
trags aͤhnlicher Art mit andern Staaten c); oft wird
ſelbſt das, was mit einigen Voͤlkern durch Vertraͤge feſt-
geſetzt worden, gegen andere durch Herkommen eingefuͤhret
und als Gewohnheitsrecht beobachtet, ſo daß es Puncte
giebt, welche bey einigen als Vertrags-, bey andern als
Gewohnheitsvoͤlkerrecht gelten.





§. 4.
Begriff deſſelben.


Aus dem Inbegriff dieſer am allgemeinſten unter
den mehreſten, inſonderheit den groͤßeſten europaͤiſchen
Staaten, es ſey durch viele unter einander uͤbereinſtim-
mende beſondere, ausdruͤckliche, oder ſtillſchweigende Ver-
traͤge, oder durch Herkommen eingefuͤhrten Puncte, laͤßt
ſich ein allgemeines poſitives, oder practiſches europaͤi-
ſche a) Voͤlkerrecht bilden. Es iſt leicht, dieſe Wiſſen-
ſchaft von andern Theilen der Staatswiſſenſchaft uͤber-
haupt, von dem Staatsrecht im engeren Sinne, von
dem Privat Fuͤrſtenrechte, von dem particulaͤr Voͤlker-
recht oder auswaͤrtigen Staatsrechte, von der Staats-
klugheit, Statiſtik
u. ſ. f. zu unterſcheiden.



§. 5.
Ob es ein allgemeines poſitives Voͤlkerrecht gebe


Daß, ſo wie unter den Menſchen uͤberhaupt, ſo
auch unter allen Voͤlkern eine natuͤrliche Geſellſchaft beſtehe,
laͤßt ſich zwar behaupten; aber eben ſo gewiß iſt es, daß
keine
[7]Einleitung.
keine allgemeine poſitive Geſellſchaft unter ihnen errichtet
worden. Daher gehoͤren die aus dem Begriff einer ſolchen
Ciuitas maxima herzuleitenden Rechte und Verbindlich-
keiten in das natuͤrliche Voͤlkerrecht und in die Voͤlker-
moral, und das Wolfiſche ſogenannte ius gentium volun-
tarium a),
welches andere das modificirte nennen b) iſt
nicht als ein allgemeines poſitives Voͤlkerrecht zu betrach-
ten. Am wenigſten laͤßt ſich auf eine bloße, auf Ver-
nunftſchluͤſſe, nicht auf Handlungen beruhende, Vermuthung
des Willens eine poſitive Zwangsverbindlichkeit gruͤnden.
Daß zwiſchen Voͤlkern, die in eine poſitive Geſellſchaft
erweislich getreten ſind, aus dieſem Eintritte ſelbſt beſon-
dere Pflichten erwachſen, iſt wohl unlaͤugbar; aber auch
dieſe gehoͤren in das hypothetiſche natuͤrliche, nicht in das
poſitive Recht, auch dafuͤr iſt daher der Ausdruck ius
gentium voluntarium
, oder willkuͤhrliches oder frey-
williges Voͤlkerrecht nicht voͤllig paſſend; paſſender iſt wohl
der des natuͤrlichen Geſellſchaftsrechts der Voͤlker.




§. 6.
Urſprung des heutigen europaͤiſchen Voͤlkerrechts.


Schon bey den alten Voͤlkern, inſonderheit bey den
Griechen und Roͤmern, findet man Spuren eines poſitiven
Friedens- und Kriegs Voͤlkerrechts a). Aber darauf laͤßt
ſich unſer heutiges Voͤlkerrecht nicht gruͤnden. Seit den
Zeiten der Voͤlkerwanderungen, gewann ganz Europa eine
neue Geſialt; erſt ſeit dieſer Zeit, und groͤßtentheils erſt
weit ſpaͤter, bildeten ſich ſtuffenweiſe unſere heutigen Sit-
ten. Hauptveranlaſſungen dazu gaben: die Einfuͤhrung
der chriſtlichen Religion b), des Syſtems der Hierarchie
mit allen ſeinen Folgen im geiſtlichen und weltlichen, die
Erfindung des Schießpulvers, die Entdeckungen Amerikas
A 4und
[8]Einleitung.
und des neuen Weges nach Indien, zunehmender Geſchmack
an Pracht und Luxus der Hoͤfe, Eroberungsſucht einzelner
in Europa hervorragenden Maͤchte, und dadurch vermehrte
Veranlaſſungen zu fortdauernden Beduͤrfniſſen, Einfuͤhrung
beſtaͤndiger Geſandſchaften, verfeinerte Handelspolitik und
Handelseiferſucht. Obgleich es daher bey manchen Punc-
ten unterhaltend und wichtig iſt, ihrer Quelle bis in die
fruͤheren Zeiten des Mittelalters nachzuſpuͤren, ſo kann
doch die zweyte Haͤlfte des 15ten Jahrhunderts als die
erſte Hauptepoche, die Zeit der Regierung Heinrichs IV.
von Frankreich als die zweyte, der weſtphaͤlſche Friede
als die dritte, und in mancher Ruͤckſicht der Anfang des
jetzigen Jahrhunderts als eine vierte Hauptepoche ange-
ſehen werden. Ob nicht mit der franzoͤſiſchen Revolution
auch im Voͤlkerrecht eine ganz neue Hauptepoche anzu-
fangen ſey, daruͤber kann erſt die Folge entſcheiden.




§. 7.
Geſchichte des [europaͤiſchen] Voͤlkerrechts.


Die Geſchichte dieſes poſitiven Voͤlkerrechts muß
aus der Geſchichte, inſonderheit der letzteren Jahrhunderte,
ſo wohl von Europa uͤberhaupt, als von den einzelnen euro-
paͤiſchen Staaten geſchoͤpft werden, und nur in ausfuͤhr-
licheren Geſchichtsbuͤchern und Urkundenſammlungen kann
man Nachricht von den einzelnen, oft in ihrem Urſprunge
geringen Vorfaͤllen erwarten, denen manche unſrer heutigen
Gewohnheitsrechte ihr Daſeyn verdanken.


§. 8.
Geſchichte der Wiſſenſchaft des natuͤrlichen und poſitiven
Voͤlkerrechts.


Griechen und Roͤmer kannten ein allgemeines Voͤl-
kerrecht, aber ohne es als einen beſonderen Zweig des von
den
[9]Einleitung.
den ſtoiſchen Weltweiſen mit dem allgemeinen Nahmen
ius gentium belegten Naturrechts zu behandeln a). Unter
den Truͤmmern des occidentaliſchen Kayſerthums mit begra-
ben, litt dieſe Wiſſenſchaft noch lange unter dem Drucke
der glaubenpredigenden Kirchenvaͤterb), unter dem Dunſt
ſcholaſtiſcher Spitzfindigkeiten und unter dem Unfug des
rechtverſchmaͤhenden Fauſtrechts; bis, nachdem in manchen
Landen Landfriede und Gerichte dem Unterthan das Schwert
aus den Haͤnden gewunden, und die Reformation die Feſſeln
des Geiſtes zerbrochen, auch fuͤr dieſen Zweig der proktiſchen
Philoſophie eine neue Morgenroͤthe daͤmmerte. Schwach
waren im 16ten Jahrhunderte die erſten Verſuche eines
Oldendorpc), Hemmingd) u. a., tieferdringender die nur
zu oft durch roͤmiſche und canoniſche Rechtsſaͤtze mißleiteten
Forſchungen des Albericus Gentilise); doch erſt Hugo
Grotius
f) erwarb ſich durch ſein unſterbliches Werk
de iure belli et pacis g), das, um die Rechte der Voͤl-
ker zu entwickeln, tief bis zu den Rechten der einzelnen
Menſchen herunter geht, den Nahmen des Vaters der
Wiſſenſchaft beydes des Natur- und Voͤlkerrechts; ſelbſt
das poſitive Voͤlkerrecht erkennt ihn als ſeinen erſten Lehrer,
obwohl er es faſt nur durch Beyſpiele aͤlterer Voͤlker
erlaͤuterte. Seinem Ruhm ſich anzuſchließen bemuͤht,
brachten einzelne ſein Werk unter ſehr verſchiedenen Formen
wieder hervor h), und uͤberhaupt wuchs nun ſichtbar der
Geſchmack an dem Studium des natuͤrlichen Rechts. Hob-
beſens
i) uͤbertriebene, oft auch mißverſtandene Grundſaͤtze
wuͤrden der Wiſſenſchaft Gefahr gedrohet haben, haͤtte
er nicht an Lockek) und Cumberlandl) ihm gewach-
ſene Gegner gefunden. Puffendorfm), Gribnern),
Wolfo), unter den Teutſchen, Ruthenforthp) und
Burlamaquiq) u. a. unter den Auslaͤndern, leiſteten fuͤr
das Studium des allgemeinen Voͤlkerrechts wichtige Dienſte;
aber ſeit Puffendorf die Exiſtenz eines allgemeinen poſiti-
ven Voͤlkerrechts beſtritten, und Wolf ſich zu weit in
abſtrackte Speculationen verloren, ſchien das Studium
A 5des
[10]Einleitung.
poſitiven Voͤlkerrechts faſt vergeſſen zu ſeyn; nur daß doch
ſchon fruͤher Zuchaͤus r), nachmahls Textor s), Glafey t),
vorzuͤglich aber Vattel u) die Saͤtze des natuͤrlichen Rechts
durch haͤufigere Beyſpiele aus der neueren Geſchichte zu
erlaͤutern ſuchten.


















r) Ri-
[12]Einleitung.




§. 9.
Fortſetzung.


Das poſitive Voͤlkerrecht mußte aus den aͤchten
Quellen deſſelben, aus Staatsvertraͤgen und andern oͤffent-
lichen Urkunden geſchoͤpft werden; daher diejenigen, die,
wie inſonderheit Leibnitz a) angefangen, Urkunden Samm-
lungen zu veranſtalten, den eigentlichen Weg, der zu dieſem
Studium fuͤhrt, gebahnt haben. Da dieſe Sammlungen
ſeitdem ſehr vervielfaͤltiget worden, da ſo manche ausfuͤhr-
lichere Geſchichtsbuͤcher, geſandſchaftliche Berichte u. ſ. f.
als reichhaltige Quellen fuͤr dieſes Studium erſchienen ſind,
ſo ſcheint es auffallend, daß eine Wiſſenſchaft von ſo aus-
gebreitetem Nutzen fuͤr alle Staͤnde, ſo lange unbearbeitet
geblieben; bis Moſerb) ſie aus der Vergeſſenheit gezo-
gen, und ſie, obwohl zu ſehr von dem allgemeinen Voͤl-
kerrecht getrennt, in ein Syſtem zu bringen verſuchte.
Seitdem ſind, theils in, theils außerhalb Teutſchland c),
obwohl mit ſehr verſchiedenem Gluͤcke, Verſuche in dieſer
Wiſſen-
[13]Einleitung.
Wiſſenſchaft gemacht worden, die zum Theil das fernere
Aufbluͤhn dieſer noch jungen Pflanze hoffen laſſen.





§. 10.
Voͤlkerrechts-Bibliothek.


Eine fuͤr das Studium des poſitiven Voͤlkerrechts
geſammelte Bibliothek wuͤrde aus folgenden Hauptclaſſen
von Schriften beſtehen muͤſſen.


I) Staatsvertraͤge, theils einzeln a) theils in
Sammlungen b) und andere Staatsacten, theils
in Sammlungen c), theils zerſtreuet in einigen politi-
ſchen Zeitſchriften d).


  • a) In den mehreſten Landen werden ſeit dem 17ten Jahrhundert
    die fuͤr das Publikum beſtimmten Staatsvertraͤge einzeln unter
    oͤffentlicher Autoritaͤt gedruckt; dieſe haben faſt gleichen Werth
    mit Archival-Abſchriften, nur daß zuweilen Separat-Artikel
    fehlen. Von England und Holland ſ. Chalmerscollection of
    treaties
    in der Vorrede S. IV und IX.
  • b) Eine kurze Geſchichte dieſer Sammlungen liefert Chalmers
    a. a. O. S. IV ‒ XI. Man kann ſie eintheilen in
    1) allgemeine, der Vertraͤge der verſchiedenen Staaten unter
    einander. Dahin gehoͤren, naͤchſt dem ſchon erwaͤhnten Leibnitzi-
    ſchen
    Codex, das Recueil des traités de paix, de trêve etc. depuis
    la naiſſance de I. C. jusqu’a preſent à Amſt. et la Haye 1700.
    T. I ‒ IV. fol.
    (536 ‒ 1700); ward die Grundlage der folgenden
    Hauptſammlung: I. du Montcorps univerſel et diplomatique du
    droit des gens.
    à Amſt et la Haye 1726 ‒ 1731. T I ‒ VIII.
    jeder
    Band in 2 Theilen ſol. (800 ‒ 1731.) mit den Supplemen von
    Rouſſet à Amſt. et la Haye 1739. fol. in V. Baͤnden wovon der
    Ite (IX.) des Barbeyrac anciens traités bis 800, der IIte und IIIte
    (X. XI.) die Ergaͤnzung des du Montſchen Werks von 800 bis

    1731
    [15]Einleitung.
    1731 und die Fortſetzung deſſelben bis zum Jahr 1739 enthaͤlt.
    Der IV. und Vte (XII. XIII.) enthaͤlt das Ceremonial diplomatique.
    Frid. Aug. Wilh. Wenckcodex iuris gentium recentiſſimi T. I.
    Lipſ. 1781. 8. (1735 ‒ 1743) T. II. 1788. (‒ 1753) T. III. 1796.
    (‒ 1772).
    Mein Recueil des principaux traités d’alliance, de paix,
    de trêve de neutralité, de commerce, de limites, d’échange
    etc.
    T. I ‒ V. à Gottingue
    1791 ‒ 1795. 8. (1761 ‒ mit 1794.) A col-
    lection of ſtate papers relating to the war againſt France now car-
    rying on by Great Britain and the Several other European Powers.
    London
    1794. 8. Unter den Handſammlungen welche zum Theil
    nur Auszuͤge enthalten iſt die beſte: J. J. Schmausscorpus iuris
    gentium academicum.
    Lipſ.
    1730. u. f. T. I. II. 8. (1096 ‒ 1731).
    2) beſondere, der Vertraͤge eines einzelnen Staats mit den
    uͤbrigen; dahin gehoͤren:
    a) Fuͤr Teutſchland Luͤnigs Reichsarchiv. Leipzig 1710 —
    1722. 24 B. in fol.; zum Theil auch Schmauſſenscorpus
    iuris publici academicum.
    Leipzig 1774. 8.
    b) Fuͤr Frankreich:Recueil des traités de paix de trêve etc.
    faits par les Rois de France avec tous les Princes de l’Europe
    depuis près de trois ſiecles par Fr. Leonhard. à Paris 1693.
    6 Voll.
    4. Dieſe Sammlung iſt durch die du Montſche ent-
    behrlich geworden. Recueil des traites de paix, d’amitié d’alliance,
    de neutralité et autres conclus entre la République Françaiſe et les
    differentes Puiſſances de l’Europe jusqu’ à la paix generale I. Part.
    Sept. 1792 — Aout 1795. Gött.
    1796. 8.
    c) Fuͤr Spanien:Colleccion de los tratados etc. hechos por
    los pueblos reyes y principes de E [...]panna, por D. Joseph Antonio
    de Abreu y Bertodano. Madrid 1740 ‒ 1752. fol.
    (1598 ‒ 1700);
    in allen 12 Folio Baͤnde, wovon 2 die Regierung Philipp II.,
    7 die Regierung Philipp IV. und 3 die Regierung Carls II.
    enthalten.
    d) Fuͤr GroßbritannienThomae Rymerfoedera conuentio-
    nes
    etc. inter reges Angliae et quosuis Imp. reges etc.
    erſte ſel-
    tene Ausgabe London 1704. u. f. 20 B. in fol. (1101 ‒ 1654)
    dritte etwas vermehrte Ausgabe. Haag 1739 u. f. 10 B. in fol.
    A General Collection of treaties of peace and commerce etc. Lond.
    IV.
    B. 8. (1648 ‒ 1731). Collection of all the treaties between
    Great Britain and other Powers.
    Lond. 1772. T. I. II.
    und 1 Sup-
    plementband 8.; die neue Ausgabe erſchien unter Jenkinson’s

    Nah-
    [16]Einleitung.
    Nahmen 1785. in 3 Baͤnden 8. G. Chalmersa Collection of
    treaties between Great Britain and other Powers.
    London 1790.
    T. I. II.
    8. Eine muſterhaft eingerichtete Sammlung, der nichts
    als die Originalſprache der Vertraͤge abzugehn ſcheint.
    e) Fuͤr Polen: (M. Dogiel) Codex diplomaticus regni Poloniae
    et M. ducatus Lithuaniae in quo pacta foedera, tractatus pacis
    etc.
    continentur Vilnae fol.
    Das ganze, aus den polniſchen Archiven
    gezogene Werk, ſollte 8 Baͤnde ausmachen, wovon aber nur der
    1ſte 1758, der 5te 1759 und der 4te erſt 1764, der 2te und 3te
    aber gar nicht erſchienen ſind. Viele Staatsvertraͤge finden ſich
    auch in: Conſtitutiones Poloniae, Prawa Konſtytucye y Przywileje
    Kroleſtwa Polſkiego y Wielkiego Kieſtwa Litewſkiego y wſzyſt-
    kich Prowincyi Varſav. Vol. I ‒ VIII. fol.
    (1347 ‒ 1780). Fuͤr
    neuere Zeiten ſind noch 2 Handſammlungen erſchieneu: Jez-
    jerski
    Traktaty Polſkie etc. Varſaviae
    1789. 8. enthaͤlt die Ver-
    traͤge von 1618 ‒ 1775, doch nur im Auszuge und zum Theil
    polniſch. Traktaty Konvencye Handlowe y Graniczne etc. Varſaviae
    1791. T. I. II.
    enthaͤlt in einem maͤßigen Octavbande die Vertraͤge
    von 1764 bis 1791, und zwar mehrentheils in der Urſprache.
    f) Fuͤr Preußen:Recueil des deductions manifeſtes, déclara-
    tions, traités etc. redigés et publiés pour la cour de Pruſſe par le
    Min. d’Etat Comte de Hertzberg. à Berlin T. I. 1788. T. II.
    1789. T. III.
    (1791.) 1795. (1756 ‒ mit 1790). 8.
    g) Fuͤr Schweden:(G. R. Modée) Utdrag af de emellan Hans
    Konglige Majeſtaet och Cronan Suerige a ena, och utrikes Mag-
    ter a andra ſidar ſedan 1718 ſlutna allianſe Traktater och afhand-
    lingar. Stockholm
    1761. 4. (1718 ‒ 1753). Manche ſchwediſche
    Vertraͤge finden ſich auch in deſſen Utdrag utur Publique Hand-
    lingar etc. Stockholm 1742 ‒ 1783. T. I ‒ XI.
    4. (1718 ‒ 1779).
    Ein von Perinskioͤld veranſtaltetes opus diplomaticum fuͤr
    die aͤlteren Zeiten, im Rymerſchen Geſchmack in 23 Baͤnden,
    iſt leider noch ungedruckt: ſ. M. a Celſe apparatus ad hiſtoriam
    Sueo-Gothicam S. I. p.
    3.
    h) Fuͤr Daͤnemark iſt eben jetzt eine Sammlung der Staats-
    ſchriften, ſeit der Regierung des jetzigen Koͤnigs, von Herrn
    Clauſſen angekuͤndiget; ſ. Hamb. Correſp. 1795. N. 106.
    i) Fuͤr die vereinigten Niederlande:Recueil van de Tra-
    ctaaten tuſſchen de H. M. S. G. ende verſcheyde Koningen etc.
    item Vervolg van het recueil II.
    B. 4. (1576 ‒ 1788 —; eine

    bloße
    [17]Einleitung.
    bloße durch die Buchdrucker Scheltus veranſtaltete Sammlung
    der einzelnen auf Befehl der Gen. Staaten abgedruckten Vertraͤge,
    durch Nummern verbunden; ſie wird daher immer fortgeſetzt.
    k) Fuͤr die Schweiz (J. R. Holzer) die Buͤndniſſe und
    Vertraͤge der helvetiſchen Nation, welche theils die unterſchie-
    denen Staͤdte und Republiken unter einander, theils alle ins-
    geſammt mit auswaͤrtigen Potenzen haben; alles nach den wah-
    ren Originalien zum gemeinen Beſten ans Licht geſtellet. Bern
    1737. 4. ſ. Meuſel Litteratur der Statiſtik S. 260.
    Zur Erleichterung des Nachſchlagens dienen uͤberhaupt
    P. G [...]orgischregeſta chronologica diplomatica. Halae 1740 ‒ 1744.
    T. I ‒ IV. fol.
    (315 ‒ 1730) und allenfalls das Regiſter zu dem
    5ten Theil meines recueil des traités (1731 ‒ 1794). In Hinſicht
    einzelner Staaten, fuͤr Großbritannien die Regiſter in Chalmers
    collection of treaties;
    fuͤr die vereinigten NiederlandeA. Kluit
    index Chronologicus ſiſtens federa ab OO. B. F. inita cum gentibus
    intra et extra Europam.
    Lugd. Bat.
    1789. 8. (1276 ‒ 1789) und
    nach dieſem Muſter fuͤr DaͤnemarkJ. Quistgaardindex Chronolo-
    gicus ſiſtens foedera a regibus Daniae et Norvegiae inita cum genti-
    bus intra et extra Europam.
    Gott.
    1792. 8. Fuͤr Schweden ſollte
    Wärmholtzbibliotheca Sueo-Gothica ein ſolches Verzeichniß im
    IV. Buch Cap. 8. enthalten, aber leider iſt das dritte Buch die-
    ſes mit Recht geprieſenen Werks mit dem 6ten 1791 erſchiene-
    nen Theile noch nicht vollendet.
  • c) Hieher gehoͤren insbeſondere 1) ſolche Sammlungen von Staats-
    acten, welche ſich auf einen gewiſſen Friedensſchluß beziehen,
    wie fuͤr den weſtphaͤliſchen Frieden die bekannte von Meiernſche
    Sammlung, fuͤr den Pyrenaͤiſchen, Oliviſchen, Nimweger,
    Ryswiker, Utrechter, Badener, Aachener Friedensſchluß ver-
    ſchiedene in von Ompteda Litteratur Th. II. §. 179. u. f.
    angezeigte Werke; 2) ſolche, die einen gewiſſen Zeitraum der
    Geſchichte umfaſſen, wie des Vittorio Siri memorie recondite
    dall’ anno 1601 al 1640. T. I ‒ VIII.
    4. und Il mercurio ouero
    Hiſtoria dei correnti tempi T. I‒XV.
    4. 1644‒1682. (1635‒1655).
    Die Memoires pour ſervir à l’hiſtoire du 18eme ſciecle contenant
    les negociations, traités etc. concernant les affaires d’état
    von Lam-
    berty,
    à la Haye
    1724. u. f. T. I ‒ XIV. 4. (1700 ‒ 1718), das
    Recueil hiſtorique d’actes, negociations etc. depuis la paix d’Utrecht
    von Rousset. Amſt. 1728 ‒ 1752. T. I ‒ XXI.
    8. Sammlung
    einiger Staatsſchriften nach CarlsVI. Ableben Th. I ‒ IV. 8.
    B(1741 ‒
    [18]Einleitung.
    (1741 ‒ 1743) unter CarlVII. Th. I ‒ III. 8. (1744 ‒ 1747) un-
    ter FranzI. Th. I ‒ VIII. 8. (1749 ‒ 1754). Teutſche Kriegscanz-
    ley ſeit 1756 ‒ 1763. Th. I ‒ XVIII. 4. A. Fabri europaͤiſche
    Staatscanzley
    Th. I. bis CXV. (1697 ‒ 1760). Neue europ.
    Staatscanzley Th. I. bis I.V. (1760 ‒ 1782.) 8, die jedoch in
    den letzteren Jahrgaͤngen faſt bloß teutſche Reichsſachen enthaͤlt.
  • d) Unter den teutſchen Schriften dieſer Art gehoͤren hieher inſon-
    derheit das Theatrum Europaeum. Francof. fol. T. I. ‒ XXI.
    (1617 ‒ 1618) das Diarium Europaeum. Francof. 1659 ‒ 1683
    T. I. ‒ XLV.
    4. (1657 ‒ 1681); die europaͤiſche Fama Th. I.
    360. 8. (1702 ‒ 1734), die neue europaͤiſche Fama Th. I. ‒ 192
    (1735 ‒ 1756). (M. Ranft) der genealogiſche Archivarius
    Th. I. ‒ 50. 8. 1732 u. f. Genealogiſch hiſtoriſche Nachrichten.
    Leipz. 1739 ‒ 1750. Th. I. ‒ 145. 8. Neue genealogiſch hiſtoriſche
    Nachrichten. Leipzig 1750 ‒ 1762. Th. I. ‒ 160. 8. Fortgeſetzte
    neue genealogiſch hiſtoriſche Nachrichten 1762 ‒ 1777. Th. I.
    168 (H. M. G. Koͤſter); die neueſten Staatsbegebenheiten
    mit hiſtoriſchen und politiſchen Anmerkungen 1776 ‒ 1782
    Th. I. ‒ VII. 8. Politiſches Journal Hamb. (1781 ‒ ) Nie-
    derelbiſches Magazin, nachmahls unter dem Titel hiſtoriſches
    Magazin, wovon ſeit 1787 ſo wie von dem politiſchen Jour-
    nal jaͤhrlich 2 Baͤnde erſcheinen. Unter den auslaͤndiſchen
    Schriften gehoͤren hieher inſonderheit Le mercure hiſtorique et
    politique de la Haye
    (1686 ‒ April 1782) 187 Baͤnde 12. Eu-
    ropiſche Mercurius. Amſt.
    1690 ‒ 1756. 67 Baͤnde 4. Nederland-
    ſche Iaarboeken. Amſt. 8. 1747 ‒ 1766. Niewe Nederlandſche
    Iaarboeken
    eine Fortſetzung des vorigen, welche zu Amſterdam
    ſeit 1767 erſcheint. Von der Storia del’anno erſcheint ſeit
    1731 jaͤhrlich ein Band anfangs unter der Aufſchrift Amſter-
    dam, nachmals unter der von Venedig. 8. Mehreres uͤber Schrif-
    ten dieſer Art kann in I. G. Meuselbibliotheca hiſtorica Vol. I.
    P. I. p.
    162. u. f. nachgeſehen werden.

II) Groͤßere hiſtoriſche Werkea).


  • a) S. Meusel bibliotheca hiſtorica von welchem unſchaͤtzbaren Werke
    der Ite Band 1782, der VIIIte 1795. 8. erſchienen iſt. Zur kur-
    zen Ueberſicht der europaͤiſchen Staatshaͤndel und Vertraͤge ſeit
    den 3. letzten Jahrhunderten dienen MablyDroit public de l’ Eu-
    rope.
    à Geneve 1776. T. I ‒ III.
    8. und auch in deſſen Oeuvres
    T. I‒
    [19]Einleitung.
    T. I. II. und J. G. Buͤſch Grundriß einer Geſchichte der
    neueſten Welthaͤndel 2te Aufl. Hamburg 1783. 8.

III) Ausfuͤhrlichere Lebensbeſchreibun-
gen großer Herrn, beruͤhmter Seehelden

u. ſ. f. a).


  • a) Z. B. Sam. l. B. de Puffendorff de rebus geſtis Caroli Guſtavi.
    Norib. 1696. fol. De rebus geſtis Friderici Wilhelmi. Berolin.
    1695. fol. De rebus geſtis Frid. III. Berolin. 1784. fol. Nord-
    berg
    hiſtoire de Charles XII. à la Haye 1742 ‒ 1784. 4. Voll.
    4.
    und teutſch ſtark vermehrt. Hamburg 1745. u. f. Th. I ‒ III. fol.
    Campbelllife of the Britiſh Admirals and other Seamen. London
    1750. T. I ‒ IV.
    4. teutſch durch Totze uͤberſetzt. Goͤttingen 1755.
    in 2 Baͤnden 4.

IV) Geſandſchaftliche Memoires, theils
ſolche, die eine Geſchichte der Geſandſchaft, theils ſolche,
die eine Sammlung von geſandſchaftlichen Berichten,
Memorialen u. ſ. f. enthalten a).


  • a) Unter einer großen Menge dieſer Schriften koͤnnen etwa folgende
    nach der Zeitordnung gemerkt werden: Memoires et inſtructions
    pour les ambaſſadeurs ou lettres et negociations de Walsingham.
    Amſt. 1700. 4. Memoires de Mrs. de Bellievre et de Sillery
    ſur la paix de Vervins. 1677. II. Voll. 8. Lettres du Cardinal d’Os-
    sat
    à Paris 1627. fol.
    nachmals mit den Noten des Amelot de
    la Houssaye. Amſt. 1732. T. I ‒ V. 8. Negociations du Preſident
    Jeannin. à Paris 1656. fol. Memoires de Max. de Bethune duc
    de Sully.
    à Londres 1747. T. I ‒ III.
    4. und ebendaſelbſt 1778.
    Th. I ‒ IX. 12. Ambaſſades de M. de la Boderie en Angleterre
    1750. T. I ‒ V. 8. Du Perron ambaſſades et negociations. à Paris
    1623. 1715 fol. Ambaſſades de Mr. le duc d’Angoulème par le
    comte de Bethune. Paris 1667. fol. Lettres et negociations du
    Marquis de Feuquieres. à Amſt. 1753. T. I ‒ III. 8. Memoires
    et negociations ſecretes de Mr. de Rusdorf redigées par E. G. Cuhn
    T. I. II. 1789. 8. Negociations à la cour de Rome etc. de Meſſire
    Henry Arnauld 1748. T. I ‒ V. 8. Negociations ſecrettes tou-
    chant la paix de Munſter et d’ Osnabrug à la Haye
    1725. u. ſ.
    Th. I ‒ IV. fol. Ein Theil derſelben iſt auch in 4 Theilen 8.
    erſchienen. Memoires de Chanut Ambaſſadeur pour le Roi de Fr.
    B 2en
    [20]Einleitung.
    en Suède. à Cologne 1667. 3. B. 12. Lettres du Cardinal Maza-
    rin
    où l’on fait voir le ſecret des negociations de la paix des Py-
    renées. à Paris 1690. 12. Lettres du Chevalier Temple. à la Haye
    1700. 12. Lettres du comte d’Arlington. à Utrecht 1701. 8.
    Lettres memoires et negociations du comte d’Estrades.
    Die beſte
    Ausgabe iſt die Londoner von 1743. Th. I ‒ IX. 12. Negocia-
    tions du comte d’Avaux en Hollande depuis 1679 ‒ 1687. à Paris
    1752. T. I ‒ IV. 8. Lettres et negociations de M. Jean de Witt.
    à Amſt. 1725. T. I ‒ V. 8. de Torcy memoires pour ſervir à
    l’hiſtoire des negociations depuis le traité de Ryswik jusqu’à la
    paix d’Utrecht. à la Haye (Paris) 1756. T. I ‒ III. 12. à Londres
    1757. T. I ‒ IV. 12. Memoires du comte de Harrach par Mr. de
    la Torre T. I. II. 12. Memoires de diverſes cours de l’Europe par
    Mr. de la Torre. à la Haye 1721. T. I ‒ V. 12. Memoires de
    l’abbé Montgon
    1750. u. f. Th. I ‒ VIII. 12. Laugier hiſtoire
    des negociations pour la paix de Belgrade 1768. T. I. II.
    8.

V) Syſteme und Abriſſe des allgemeinen
und poſitiven Voͤlkerrechtsa).


  • a) Unter den groͤßeren Werken uͤber das allgemeine Voͤlkerrecht
    ſind aus den oben §. 9. benannten die Schriften des Grotius,
    Puffendorf, Vattel,
    unter den Abriſſen, die des Grib-
    ner, Wolf
    (inſtitutiones) Achenwall,
    welchen noch (I. F. L.
    Schrodt) Syſtema iuris gentium. Pragae
    1768. 4. beygefuͤgt zu
    werden verdient, unter den Werken uͤber das poſitive Voͤlker-
    recht die Schriften von de Real,Moſer, inſonderheit aber
    K. G. Guͤnther zu merken.

VI) Vermiſchte Schriften uͤber das Voͤlker-
recht a).


  • a) H. de Cocceii exercitationes curioſae. Lemgov. 1722. 4. N.
    Hertii opuſcula. Francf. 1737. T. I. II. 4. C. v. Bynkershoek
    quaeſtiones iuris publici 1737. T. I. II.
    4. J. J. Moſer ver-
    miſchte Abhandlungen aus dem europaͤiſchen Voͤlkerrecht.

    Hanau 1750. 8. F. C. v. Moſer kleine Schriften. Frank-
    furt 1751. u. f. Th. I ‒ XII. 8. Ebend. Beytraͤge zu dem
    europaͤiſchen Staats- und Voͤlkerrecht
    1764 ‒ 1772. Th. I ‒ IV. 8.
    verſchiedene zum Theil anonymiſch erſchienene Schriften des
    Geheimde Legationraths von Steck, unter dem Titel: Ver-
    ſuche uͤber einige erhebliche Gegenſtaͤnde, welche auf den Dienſt
    des
    [21]Einleitung.
    des Staats Einfluß haben. Frankf. u. Leipz. 1772. 8. Ausfuͤh-
    rungen politiſcher und rechtlicher Materien. Berlin 1776. 8.
    Obſeruationum ſubſeciuarum ſpecimen. Halae 1779. 8. Eſſais ſur
    divers ſujets de politique et de iurisprudence
    1779. 8. Verſuche
    uͤber verſchiedene Materien politiſcher und rechtlicher Kenntniſſe.
    Berlin und Stralſund 1783. Ausfuͤhrungen einiger gemeinnuͤtz-
    licher Materien 1784. 8. Eclairciſſemens de divers ſujets intereſ-
    ſans pour l’homme d’état et de lettres. à Ingolſtad
    1785. 8. Ab-
    muͤſſigungen. Halle 1787. 8. Echantillon d’eſſais ſur divres ſujets
    intereſſans pour l’homme d’état et de lettres. à Halle 1789. 8.
    Eſſais ſur divers ſujets relatifs à ls navigation et au commerce pen-
    dant la guerre. à Berlin
    1794. 8. D. Nettelbladt Eroͤrte-
    rungen einiger Lehren des Staatsrechts.
    Halle 1773. 8.
    Hagemeiſter Beytraͤge zu dem europ. Voͤlkerrecht 1790.
    1s Stuͤck. Ehrhardt Amalthea 1789. 2 Bde. 8.

VII) Einzelne Deductionena) und Ab-
handlungen
b).


  • a) Eine Deductionsbibliothek fuͤr das Voͤlkerrecht iſt ein noch un-
    erfuͤllter Wunſch.
  • b) Nach alphabetiſcher Ordnung der Materien verzeichnet in Mei-
    ſter
    bibliotheca iuris natura et gentium,
    und in M. Lippenii
    bibliotheca iurisdicta realis. Lipſ. 1757. T. I. II.
    mit den Supple-
    menten von A. F. Schott. Lipſ. 1775. und von R. C. l. B. de
    Senkenberg.
    Lipſ. 1789. fol.

VIII) Litteraͤriſche Schriftena).


  • a) A. F. Glafey Geſchichte des Rechts der Vernunft, nebſt
    einer bibliotheca iuris naturae et Gentium. Leipzig 1739. 4. (J.
    F. W. de Neumann in Wolfsfeldt) bibliotheca iuris imperantium
    quadripartita. Norimb. 1727. 4. C. F. G. Meister bibliotheca
    iuris naturae et gentium. Gott. 1749. T. I ‒ III.
    8. inſonderheit
    aber D. H. L. Freyherr v. Ompteda Litteratur des ge-
    ſammten ſowohl natuͤrlichen, als poſitiven Voͤlkerrechts.

    Regensburg 1785. Th. I. II. 8.

B 3§. 11.
[22]Einleitung.

§. 11.
Uebergang zu dem folgenden.


Da die Voͤlker Europens das Subject, die gegen-
ſeitigen Rechte aber das Object unſerer Wiſſenſchaft aus-
machen, ſo muß, ehe letztere eroͤrtert werden, eine Ueber-
ſicht der Voͤlker aus welchen Europa beſteht, vorangehn,
und naͤher unterſuchet werden, theils wie fern ſie zuſammen
genommen, im Gegenſatz der uͤbrigen Voͤlker des Erd-
bodens, als ein Ganzes angeſehen werden koͤnnen, theils
wie ſie unter ſich in Anſehung ihrer politiſchen Wichtig-
keit, ihrer Verfaſſung, ihrer Religion verſchieden ſind.


Erſtes
[23]

Erſtes Buch.
Von den Europaͤiſchen Staaten uͤberhaupt.


Erſtes Hauptſtuͤck.
Gattungen und Verbindungen derſelben.


§. 12.
Gattungen der Europaͤiſchen Staaten.


Ganz Europa iſt in Staaten und deren Territorien ver-
theilt, die, als eben ſo viele moraliſche Perſonen, unmit-
telbar auf dem Staatstheater von Europa eine Rolle ſpie-
len. Viele dieſer Staaten ſind voͤllig unabhaͤngig d. h. ſie
beherrſchen ſich durch ſich ſelbſt, ohne außer ſich auf der Erde
einen Oberherrn in Verwaltung ihrer Hoheitsrechte a)
anzuerkennen. Und da dieſer weſentliche Character der Un-
abhaͤngigkeit durch bloße Schutz- Tribut- oder Lehnverbin-
dung nicht aufgehoben wird, ſo koͤnnen auch Staaten die
Kraft eines ſolchen ungleichen Buͤndniſſes einen andren als
Schutz- b) Zins- c) oder Lehnherrn d) anerkennen, noch
als voͤllig Souverain angeſehn werden. Selbſt eine gleiche
Verbuͤndung mehrerer Staaten zu gemeinſchaftlicher Aus-
uͤbung gewiſſer Hoheitsrechte, hindert nicht, daß jeder derſel-
ben Souverain ſey. Auch die Macht oder Schwaͤche eines
Staats entſcheidet nichts in Anſehung ſeiner Souveraine-
taͤt, wenn ſchon ſchwache Staaten an Ausuͤbung mancher
Rechte verhindert werden, die ſie beſitzen e).


Es giebt aber in Europa auch Staaten die, obwohl
ſie ſich durch ſich ſelbſt beherrſchen, theils weil ihnen ein-
zelne Hoheitsrechte abgehn, theils inſonderheit weil ſie außer
ſich noch einen hoͤheren Oberherrn auf der Erde anerkennen
nicht als voͤllig. Souverain anzuſehn ſind, Abhaͤngige
B 4(halb-
[24]Erſtes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
(halbſouveraine) Staaten. Sofern indeß dieſe das Recht
haben in eigenem Nahmen mit Auswaͤrtigen in Verhand-
lung zu treten, und in allen den Puncten, in welchen ſie
durch ihre Unterwuͤrfigkeit nicht beſchraͤnkt werden, unter
einander und gegen Auswaͤrtige auf den Fuß unabhaͤngiger
Voͤlker ſich zu betragen, ſofern gehoͤren auch dieſe abhaͤngige
Staaten unmittelbar zu dem Subject unſrer Wiſſenſchaft.
Unterworfene Staͤdte, Provinzen u. ſ. f. eines Staats oder
Staatenſyſtems f) hingegen, ſofern ſie nur von dieſem be-
herrſcht werden, und ihre auswaͤrtige Angelegenheiten nur
von dieſem, oder aus deſſen Auftrage von ihnen betrieben
werden, gehoͤren nur mittelbar zu dem Subject des Euro-
paͤiſchen Voͤlkerrechts, wenn ihnen auch gleich in Anſehung
ihrer inneren Einrichtung und Verwaltung manches uͤber-
laſſen waͤre.


Die Zahl der Europaͤiſchen Staaten hat ſeit den Zei-
ten der Voͤlkerwanderungen ſich unaufhoͤrlich veraͤndert; ſie
iſt bald durch die ehemahls ſo haͤufigen Theilungen, oder
durch Bildung einzelner unterworfener Theile eines Staats
zu eigenen unabhaͤngigen oder abhaͤngigen Staaten ver-
mehrt, bald durch reelle, gleiche oder ungleiche Union meh-
rerer Staaten in einen, oder durch Zerſplitterung eines
Staats vermindert worden.








§. 13.
Urſprung ihrer heutigen Verbindung.


Man kann auf eine Zeit zuruͤckgehn, wo zwiſchen den
Voͤlkern Europens gar keine allgemeine Verbindung beſtand.
Erſt nachdem die Roͤmer nach der Unterjochung Griechen-
lands ſich Meiſter von dem groͤßeſten Theil Europens mach-
ten, konnten die mehreſten Voͤlkerſchaften dieſes Erdtheils
als einem Scepter unterworfen angeſehn werden. Das
ſchwache Band das aus dieſer Nominal-Verbindung ent-
ſtand, ward durch das beruͤhmte Decret des Caracalla, das
B 5allen
[26]Erſtes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
allen Ueberwundenen das Roͤmiſche Buͤrgerrecht ertheilte a),
durch Gleichfoͤrmigkeit der Geſetze, aber mehr noch durch
die chriſtliche Religion befeſtiget, zu der die mehreſten der
uͤberwundenen Voͤlker ſich bekannten. Zwar loͤſte ſich dies
Band mit dem Sturz des occidentaliſchen Kaiſerthums wie-
der auf, aber zum zweytenmahl knuͤpfte Rom daſſelbe dauer-
hafter an, ſeit deſſen Biſchof ſich zum geiſtlichen Oberhaupt
der ganzen, unzertrennlich uͤber alle chriſtliche Staaten er-
ſtreckten Kirchen-Geſellſchaft erhob, und an ſeiner Seite
den von ihm hervorgerufnen Roͤmiſchen Kaiſer als das welt-
liche Oberhaupt der chriſtlichen Kirche geltend zu machen
wuſte. Jetzt glich Europa in mancher Ruͤckſicht einer großen
ungleichen Staatengeſellſchaft, die dem Pabſt im Geiſtlichen
unterworfen, dem Kaiſer untergeordnet waͤre.


Zwar ward auch dieſes Verhaͤltniß ſehr veraͤndert, als
mit der Reformation eine betraͤchtliche Zahl Staaten ſich
von der Roͤmiſchen Kirche trennte, und das Sinken des
Anſehns des Pabſts, auf das des Kaiſers zuruͤckwirkte; Koͤ-
nige nun in dem geglaubten Nachfolger des Oberherrn der
Welt, nur ihres Gleichen erblickten.


Doch ſchon hatte gegenſeitiges Intereſſe, gelaͤuterte
Staats- und Handelspolitik, Aehnlichkeit der Sitten, Bluts-
verwandſchaft unter den Fuͤrſten, der einzelnen Verbindungs-
Faͤden ſo viele angeſponnen, daß ſelbſt die Theilung welche
blutige Religionskriege eine zeitlang veranlaßten, weder alle
dieſe Bande zerreiſſen, noch das Anknuͤpfen neuer, von der
Religions-Verſchiedenheit unabhaͤngiger, Verbindungen
hemmen konnten. Und dieſe zahlloſen Verbindungen eines
jeden dieſer Staaten mit den mehreſten der uͤbrigen, dieſe
Aehnlichkeit der Sitten, des Intereſſe, ſind es, um deren
willen das chriſtliche Europa nicht bloß in geographiſcher,
ſondern in politiſcher und rechtlicher Ruͤckſicht, als ein von
den uͤbrigen Voͤlkern des Erdbodens unterſchiedenes Ganze,
gleichſam als ein aus Staaten zuſammengeſetztes Volk, das
ſeine ihm eigene Geſetze, Gebraͤuche, Grundſaͤtze hat, zu
betrachten
[27]Allgemeine Verbindung der Europ. Staaten.
betrachten iſt. Eine Verbindung, der erſt ſpaͤter Rußland, die
Tuͤrkey nie im Ganzen beygetreten iſt. Wie uͤbrigens in
einem Volke gewiſſe Staͤmme und Gemeinheiten in noch
naͤherer, andere in entfernterer Verbindung ſtehn koͤnnen,
ſo giebt es auch unter den Europaͤiſchen Staaten einige die
in engerem Verhaͤltniß gegen einander ſtehn; bald ſo daß
ſie eine Perſon zum Oberherrn haben, oder Kraft ewiger
Buͤndniſſe ſich zu einem eigenen Staatenſyſtem vereiniget
haben, bald ſo, daß ſie in ungleichem Verhaͤltniſſe gegen ei-
nen andren, wie z. B. die catholiſche Staaten gegen den
Pabſt und die Kirche, oder die Mitglieder eines zuſammen-
geſetzten Staats gegen deſſen Oberhaupt ſtehn, bald ſo, daß
ihre geographiſche Lage ſie zu einem gemeinſamen Intereſſe
vereiniget; wohingegen es andern giebt, die weder Vertraͤge
noch Verkehr mit einander haben, und ſich kaum zu kennen
ſcheinen.


Daß dieſes große Europaͤiſche Staatenvolk ſich je ent-
ſchließe zu Erhaltung eines ewigen Friedens in einen Staat,
in eine Univerſal-Monarchie oder Republik ſich zu verei-
nigen b), iſt weder zu erwarten, noch in aller Hinſicht zu
wuͤnſchen. Reichstaͤge und Gerichte gewaͤhren nicht ewigen
Frieden, wo die Vollziehung Armeen erheiſcht.




Zweytes
[28]Erſtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

Zweytes Hauptſtuͤck.
Haupt-Eintheilungen der Europaͤiſchen Staaten.


§. 14.
Souveraine und nicht Souveraine.


Wenn die Politik die Staaten von Europa, bald
nach ihrer geographiſchen Lage und dem daraus erwachſenen
Intereſſe, in nordiſche, ſuͤdliche, oͤſtliche und weſtliche Maͤchte,
bald nach der Verſchiedenheit ihrer politiſchen Wichtigkeit in
Maͤchte der erſten, 2ten, 3ten, 4ten Ordnung eintheilt a),
ſo iſt in dem Voͤlkerrecht die Eintheilung in voͤllig Sou-
veraine, (unabhaͤngige) und nicht ganz (halb) Souveraine,
(abhaͤngige) und ſolche uͤber deren Souverainetaͤt noch
geſtritten wird, wichtiger. Und da der zufaͤllige Umſtand
daß die maͤchtigſten Staaten in Europa Koͤnigreiche waren,
dieſen vor andren Vorzuͤge verſchaft hat, deren Inbegriff
man mit dem Nahmen der Koͤniglichen Ehrenbezeigungen
belegt, zum Theil aber auch auf andern Staaten ausge-
dehnt hat, ſo iſt im poſitiven Voͤlkerrecht auch die Einthei-
lung der Staaten in ſolche die dieſer Vorzuͤge genießen
und nicht genießen, erheblich, und vielleicht der unbeſtimm-
ten Eintheilung in große und kleine Staaten b) vorzuziehn,
obwohl beide im natuͤrlichen Recht nicht gegruͤndet ſind.




§. 15.
Ganz Souveraine Staaten denen honores regii zuſtehn.


Zu den voͤllig Souverainen monarchiſchen Staaten
welche in den unſtreitigen Beſitz der Koͤniglichen Ehrenbe-
zeugungen ſind, gehoͤren: im Mittelpunct Europens. 1) das
teutſche Reich; im Suͤdlichen Theil von Europa 2) Por-
tugal,
(Luſitanien und Algarbien) 3) die aus vielen urſpruͤng-
lich
[29]Eintheilung der Europaͤiſchen Staaten.
lich verſchiedenen Koͤnigreichen zuſammengeſetzte Spaniſche
Monarchie
4) Frankreich (ob Koͤnigreich oder Republik
iſt noch unentſchiedene Frage); 5) Neapel und Sicilien,
6) Sardinien; 7) der Kirchenſtaat; im Norden 8) Daͤ-
nemark
und Norwegen, 9) Schweden und Gothland,
10) Preußen 11) Rußland 12) Polena) 13) unter Oeſterrei-
chiſchem Zepter Ungarn und Boͤhmen, Gallicien und Lo-
domerien; im Weſten
14) Großbritannien und Irland
im Oſten 15 die Tuͤrkey. Unter den anerkannten Republi-
ken: im Suͤden Venedig; endlich die beiden Syſteme frey
verbuͤndeter Staaten, die vereinigten Niederlande im We-
ſten b) und die Schweizer Eidgenoſſenſchaftc). Ob auch
Genua und der Maltheſer Orden dieſen Koͤniglichen Staa-
ten beyzuzaͤhlen ſeyn, wird geſtritten.





§. 16.
Uebrige ganz ſouveraine Staaten.


Zu den uͤbrigen ganz Souverainen Staaten gehoͤren,
unter den monarchiſchen, Schleſien und die Grafſchaft Glatz,
das Fuͤrſtenthum Neuburg, das Bisthum Baſel; die
Abtey Engelberga) die Fuͤrſtenthuͤmer Monaco, Bouil-
lon
(ſonſt auch Henrichemont und Boisbelle), unter den
Republicaniſchen Lucca, San-Marino, Raguſa, die
einzelnen 7 Provinzen der vereinigten Niederlande ſamt
dem Laͤndchen Drenthe, die einzelnen eidgenoſſiſchen Can-
tons und die mehreſten der zugewandten Orte [Aſſociirte b)
und Alliirte c)], imgleichen, der kleinſte aller Europaͤiſchen
Staaten, der Flecken Gerſaud).


a) Buͤ-
[30]Erſtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.




§. 17.
Nicht ganz ſouveraine Staaten.


Zu den nicht ganz unabhaͤngigen Staaten gehoͤren
1) die Territorien der Churfuͤrſten (welche allein ſich auf
den Beſitz der Koͤniglichen Ehrenbezeugungen berufen koͤn-
nen) der Fuͤrſten und uͤbrigen Staͤnde des Reichs, ſelbſt
mit Inbegriff der Beſitzungen der Reichsritterſchaft und
einzelnen Reichsritter 2) diejenigen der Italieniſchen Fuͤr-
ſtenthuͤmer
welche vom teutſchen Reich abhaͤngig ſind, und
zu Lehn gehn a), 3) die Hoſpodaren der Moldau und Wal-
lachey
b) 4) die Staͤdte Thorn und Biel; Danzig kann
ſeit ſeiner Unterwerfung an Preußen c). Curland und Sem-
gallen
ſeit ſeiner Unterwerfung an Rußland d) eigentlich
nicht mehr hieher gezaͤhlet werden.






§. 18.
Staaten deren Souverainetaͤt beſtritten wird.


Endlich giebt es Staaten deren voͤllige Unabhaͤngig-
keit noch beſtritten wird. Dahin gehoͤren in Hinſicht der
Anſpruͤche des teutſchen Reichs (Boͤhmen, Schleſien,)
Belgien, Genua, Lucca,
einige der zugewandten Orte der
Schweiz; unter den Italieniſchen Staaten inſonderheit Tos-
cana, Parma, Piacenza
u. ſ. f. a) Auch fehlt es in Teutſch-
land nicht an Beyſpielen von beſtrittener Landeshoheit b).


a)Guͤn-
[31]Eintheilung der Europaͤiſchen Staaten.


§. 19.
See- und Landmaͤchte.


Die mehreſten der groͤßeren Europaͤiſchen Staaten
graͤnzen mit einem Theil ihrer Beſitzungen an das Meer,
und koͤnnen in ſofern Seeſtaaten genannt werden. Weil
aber zu einer Seemacht die Unterhaltung einer Kriegs-
flotte erfordert wird a), ſo ſind in dieſem Sinne, im Ge-
genſatz der bloßen Landmaͤchte, nur folgende als Seemaͤchte
zu betrachten: 1) Großbritannien, 2) die vereinigten Nie-
derlande
, 3) Spanien, 4) Portugal, 5) Sicilien, 6)
Daͤnemark, 7) Schweden, 8) die Tuͤrkey 9) die Repu-
blik Venedig, wozu auch 10) ſeit dem 17ten Jahrhundert
Frankreich
und 11) ſeit dem 18ten Rußland hinzugekom-
men; die uͤbrigen ſind entweder nie Seemaͤchte geweſen,
wie das teutſche Reichb), Polen die Schweiz, Ungarn,
mehrere Staaten Italiens, oder haben aufgehoͤret es zu
ſeyn, wie die Hanſeeſtaͤdte, und Genuac).


In noch engerem Sinne ſetzt man zuweilen diejeni-
gen die ihre Hauptmacht zur See haben, oder deren Macht
uͤberwiegend zur See iſt, als Seemaͤchte den uͤbrigen ent-
gegen. In beiden Ruͤckſichten nannte man ſeit dem Ende
des 17ten Jahrhunderts d) Großbritannien und die ver-
einigten Niederlande
die Seemaͤchte: jetzt paßt auf die
Niederlande dieſer beybehaltene Ausdruck nur noch in der
erſteren Ruͤckſicht.




c) Doch
[32]Erſtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.


Drittes Hauptſtuͤck.
Von der Regierungsform der Europ. Staaten.


§. 20.
Monarchien und Republiken.


So verſchieden die Europaͤiſchen Staaten in ihrer
Macht und Ausdehnung ſind, eben ſo ſehr ſind ſie es in
Anſehung ihrer Verfaſſung; und obgleich die naͤheren Un-
terſuchungen hieruͤber in das Staatsrecht gehoͤren, ſo iſt
doch bey dem Einfluſſe der Verſchiedenheit der inneren Ver-
faſſung auf manche Gegenſtaͤnde des Voͤlkerrechts, eine all-
gemeine Ueberſicht derſelben hier nicht am unrechten Orte.


Die Hauptveraͤnderung welche durch den Uebergang
aus dem natuͤrlichen in den buͤrgerlichen Zuſtand erfolget,
iſt die Vereinigung des Willens und der Kraft der ein-
zelnen Mitglieder in einen gemeinſamen Willen und in eine
gemeinſame Kraft fuͤr alles was auf den Zweck des Staats,
hoͤchſtmoͤgliche Sicherheit und Wohlfahrt aller Mitglieder,
abzielt. Aus dieſem vereinigten Willen und dieſer verei-
nigten Kraft beſteht die reelle Majeſtaͤt, welche als ein
bloßes ens rationis keinen Staat regieren kann. Noth-
wendig muß feſtgeſetzt werden, wer das Recht haben ſoll
zu beſtimmen was als der Wille aller, in den Handlungen
der Mitglieder gelten ſoll, und wie die Kraͤfte der Indi-
viduen fuͤr den Zweck des Staats verwendet werden ſollen;
wem dieſes Recht uͤbertragen iſt, der iſt der Verwalter der
geſetzgebenden und vollziehenden Gewalt, auf die ſich alle
Hoheitsrechte zuruͤckfuͤhren laſſen.


Iſt dieſes Recht einer phyſiſchen Perſon uͤbertragen,
ſo iſt die Verfaſſung monarchiſch, und perſoͤnliche Majeſtaͤt,
Unab-
[33]Verſchiedenheit der Regierungsformen.
Unabhaͤngigkeit und Unverletzlichkeit des Regenten ſind un-
zertrennliche Folgen dieſer Verfaſſung.


Iſt dieſes Recht einer moraliſchen Perſon uͤbertra-
gen, ſo iſt der Staat Republicaniſch, wenn auch die Aus-
uͤbung eines oder andern Hoheitsrechts einer phyſiſchen Perſon
anvertrauet waͤre, die als Beamter Unterthan des Staats
iſt. Democratiſch nennt man dieſe Verfaſſung, wenn alle
oder der groͤßeſte Theil der natuͤrlich regierungsfaͤhigen Mit-
glieder an dieſer Verwaltung Theil zu nehmen berechtiget
ſind und wirklich (mittelbar oder unmittelbar) Theil neh-
men, Ariſtocratiſch wenn dies ein vorzuͤgliches Recht einer
kleineren Zahl Familien iſt.


Daher iſt unter den Staaten die ein gekroͤntes Ober-
haupt haben auch Teutſchland noch eine Monarchie, daher
ſind Venedia und Genua, ungeachtet ihres Dogen, Repu-
bliken a), daher waren die einzelnen 7 Provinzen der ver-
einigten Niederlande
auch unter einem erblichen Statthal-
ter Republiken b).




§. 21.
Erbreiche oder Wahlreiche.


In Anſehung der Thronfolge ſind monarchiſche Staa-
ten entweder Erbreiche, oder Wahlreiche, oder aus beiden
gemiſcht. In den Erbreichen iſt Erbfolge-Recht und Ord-
nung a) entweder durch Herkommen, oder durch Grund-
geſetze, oder durch Familienvertraͤge oder ſelbſt, wie in Eu-
ropa mehrmahls geſchehn, durch Vertraͤge mit auswaͤrtigen
Maͤchten beſtimmt oder beſtaͤdtiget b). In Wahlreichen iſt
das Recht der Wahl entweder in den Haͤnden der Staͤnde,
wie in Polen der Fall war, oder einiger unter ihnen, wie
in Teutſchland, oder, wie in geiſtlichen Staaten und in
Rom, in den Haͤnden der Capitel- oder des Cardinals-
CColle-
[34]Erſtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Collegiums. In einigen Monarchien iſt ein Gemiſch c)
von Wahl und Erbrecht, wie in Rußland, ſofern die Ukaſe
PeterI. noch als verbindliches Grundgeſetz anzuſehn iſt c),
und in der Tuͤrkey, ſofern dem Divan aus mehreren Nach-
kommen des Propheten einen Thronfolger zu ernennen
zuſteht e).







§. 22.
Deſpotiſche, unumſchraͤnkte, eingeſchraͤnkte Monarchien.


Wenn in monarchiſchen Staaten dem Regenten der
ganze Inbegriff der hoͤchſten Gewalt ohne poſitive Be-
ſchraͤnkun-
[35]Verſchiedenheit der Regierungsformen.
ſchraͤnkungen, zu verwalten zuſteht, ſo iſt der Staat deſpo-
tiſch, wie die Tuͤrkeya) und ein großer Theil des Ruſſi-
ſches
Reichs b); iſt er zwar dem Regenten allein uͤbertra-
gen, aber die Ausuͤbung deſſelben an poſitive, in Grundver-
traͤgen oder Grundherkommen gegruͤndete Einſchraͤnkungen
gebunden, ſo iſt der Staat monarchiſch im eigentlichen Sinn
(unpaſſend, aber gewoͤhnlich unumſchraͤnkte Monarchie ge-
nannt.) Dies iſt der Fall mit Daͤnemark, einem großen
Theil Spaniens, Preußen, Sicilienc). Iſt er end-
lich dem Regenten ſo uͤbertragen, daß an der Ausuͤbung
eines Theils der Hoheitsrechte das Volk noch Antheil hat,
ſo iſt der Staat eine eingeſchraͤnkte Monarchie. Auch hievon
giebt es mannigfaltige Stuffen, je nachdem dieſer Antheil
entweder nur in Rath, oder in Einwilligung, oder in wahre
Vertheilung der Rechte beſteht, und entweder nur in Anſe-
hung einzelner, oder vieler, oder der mehreſten Rechte eintritt.
So war ehemahls in Frankreichd) und iſt noch in Por-
tugall
(in der Theorie) in Ungarne), Boͤhmenf) und
Schwedeng) die Einwilligung der Staͤnde zu einzelnen
Hoheitsrechten noͤthig; ſo iſt in Großbritannienh) die ge-
ſetzgebende Gewalt mit Inbegriff des Rechts der Steuern
zwiſchen dem Koͤnig und dem Volk vertheilt; ſo ſind in
Teutſchland die mehreſten und wichtigſten Hoheitsrechte
an den Conſens der Staͤnde gebunden, oder gar zwiſchen
Kaiſer und Staͤnden getheilt. Iſt endlich die geſetzgebende
Gewalt dem Volk allein beygelegt, und dem Oberhaupt
wohl gar nur ein Theil der executiviſchen uͤberlaſſen, ſo er-
haͤlt ſich nur noch ein Schatten der Monarchie in der per-
ſoͤnlichen Unabhaͤngigkeit des Regenten und verſchwindet
wenn ihm dieſe entzogen wird i).











§. 23.
Ariſtocratien, Democratien.


Faſt eben dieſe Stuffenfolge laͤßt ſich auf republica-
niſche Verfaſſung anwenden. Iſt dem ariſtocratiſchen, von
ausſchließlich (durch bloße Geburth oder durch hinzugekom-
mene Wahl) regierungsfaͤhigen Mitgliedern zuſammengeſetz-
ten Senat die hoͤchſte Gewalt ohne poſitive Schranken uͤber-
tragen, ſo iſt dieſer Freyſtaat! deſpotiſch; iſt ſie zwar ſei-
ner alleinigen Ausuͤbung uͤberlaſſen, aber an poſitive Geſetze
gebunden, ſo heißt er unumſchraͤnkt; wie Venedig und Ge-
nua;
iſt die Ausuͤbung derſelben noch an den Rath, Ein-
willigung oder Theilnahme a) des Volks, oder ſeiner Re-
preſentanten gebunden, ſo naͤhert ſich dieſe Verfaſſung ſtuf-
fenweiſe der Democratie, und verliert ſich in ſelbige, wenn
dieſer Senat dem Volk unterthan gemacht wird.


Die
[37]Verſchiedenheit der Regierungsformen.

Die voͤlligſte Democratie ſetzt Theilnahme aller na-
tuͤrlich regierungsfaͤhigen Mittglieder an den Beſchluͤßen der
Landesgemeine voraus (wie in Schwiz, Uri, Unterwalden).
Iſt, wie nothwendig in großen Staaten, die Theilnahme
der mehreſten Mitglieder nur eine mittelbare, durch von
ihnen ernannte Repreſentanten, oder ſonſt an poſitive Er-
forderniſſe gebunden, ſo traͤgt dieſe aͤußerlich noch democra-
tiſche Verfaſſung oft unter der Larve der Gleichheit und Frey-
heit den Keim der Ariſtocratie in ſich, und die Allgewalt der
Verſammlung graͤnzt an Deſpotismus.



§. 24.
Staatenſyſteme, zuſammengeſetzte Staaten.


Wenn mehrere freye Staaten ſich durch ein gleiches
ewige Buͤndniß zu gegenſeitiger Vertheidigung, wie die
Eidgenoſſenſchaft, oder zu gemeinſamer Ausuͤbung gewiſ-
ſer Hoheitsrechte, wie die Provinzen der vereinigten Nie-
derlande,
verbinden, ſo bilden ſie ein Staatenſyſtem, das
zwar in Hinſicht auswaͤrtiger als ein Ganzes, aber ſo lange
nicht als ein Staat oder Republik angeſehn werden kann,
als ſie keine gemeinſame hoͤchſte Gewalt uͤber ſich erkennen;
ſelbſt wenn ſie, wie bisher in den Niederlanden, eine phy-
ſiſche Perſon erblich zum eminenten Haupt dieſer Union be-
ſtellet haͤtten. Erſt dann, wenn mehrere Staaten unter
einer gemeinſamen hoͤchſten Gewalt einen Staat bilden,
entſteht der Begriff eines zuſammengeſetzten Staats. Da-
von giebt Teutſchland ein Beyſpiel, nicht aber die Ita-
lieniſchen Reichslande.


C 3Viertes
[38]Erſtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

Viertes Hauptſtuͤck.
Von dem Religions-Zuſtande in Europa.


§. 25.
Chriſtliche und nicht chriſtliche Religionen.


Ein großer Theil von Europa und ſelbſt von Aſien
und Africa war ſchon zur chriſtlichen Religion a) uͤberge-
gangen, als im Anfang des 7ten Jahrhunderts Mahomet
ſeine Irrlehren zu verbreiten anfing. Seine Nachfolger,
nicht zufrieden in Perſien, Sirien, klein Aſien, Egypten
und Africa ihre Religion mit dem Schwerdt in der Hand
eingefuͤhret zu haben, uͤberfielen auch im 8ten Jahrhundert
Spanien und beſiegten es. Zwar wurden ſie aus dieſem
Staat ſtuffenweiſe verdraͤngt und ihr Ueberreſt 1610 gaͤnz-
lich verjagt; auch war es auf einer andren Seite Gewinn
fuͤr die chriſtliche Religion, daß ſie in Teutſchland im
7ten in Schweden, Daͤnemark, Boͤhmen im 10ten,
in Preußen im 13ten Jahrhundert, und durch Miſſionen
vom Orient aus in Ungarn, Polen und Rußland einge-
fuͤhret wurde. Aber die Schwaͤche der griechiſchen Kaiſer
und ihrer Nachbarn, und der erkaltende Religions Eifer
der uͤbrigen Maͤchte, gaben den Tuͤrken Veranlaſſung 1360
feſten Fuß im Oſten von Europa zu faſſen, und durch Er-
oberung von Conſtantinopel 1453 den Grund zu der einzi-
gen noch in Europa beſtehenden nicht chriſtlichen Monarchie
zu legen, deren dauerhafteſte Stuͤtze jetzt nur noch die eifer-
ſuͤchtige Sorge einzelner Europaͤiſchen Maͤchte fuͤr das Gleich-
gewicht des Handels und der Macht zu ſeyn ſcheint.



§. 26.
Roͤmiſche und griechiſche Kirche.


In dem Schooße der chriſtlichen Kirche ſelbſt aber
entſtand ſeit, unter mehreren Biſchoͤfen von hervorragenden
Anſehn, dem Biſchof zu Rom und dem Patriarchen zu
Conſtantinopel das Feld allein uͤbrig geblieben war, ein
Heer
[39]Von dem Religions-Zuſtande in Europa.
Heer von Zwiſtigkeiten, die im 11ten Jahrhundert eine
gaͤnzliche Trennung der griechiſchen und lateiniſchen Kirche
bewuͤrkten, von welchen jene nur noch in Rußland die
herrſchende iſt, und in Ungarn Polen und der Tuͤrkey
auch hin und wieder in Theilen anderer Staaten geduldet
wird, aber kein gemeinſames hoͤchſte geiſtliche Oberhaupt
erkennt, indeß die Lateiniſche die bis ins 16te Jahrhundert
die uͤbrigen Theile von Europa begriff, im geiſtlichen den
Pabſt als Oberhaupt der Kirche erkannte, dem auch ein
Theil der Griechen, unter dem Nahmen der Unirten, ſich
wieder bedingt unterworfen hat.


§. 27.
Catholiſche und Reformirte.


Seit aber Luthers Reformation in Teuſchland und
Zwingli hernach Calvins Reformation in der Schweiz feſten
Fuß gefaßt, und, obwohl unter ungluͤcklichen hier und dort
zwiſchen den Anhaͤngern dieſer beiden Reformationen, ent-
ſtandenen Streitigkeiten Luthers Lehre in Preußen 1525, bald
darauf in Danemark, ſpaͤter in Schweden angenommen,
Calvins Lehre in Holland, und mit ungleichem Schickſal
in Frankreich verbreitet worden, England und Schott-
land
nach dieſen Muſtern ihre eigene Reformation vor-
genommen, ward das Ende der nahmenloſen Streitigkei-
ten, Verfolgungen und blutigen Kriege denen dieſe Ver-
ſchiedenheit der Glaubensmeinungen, bald zum Grund, bald
zum Vorwand dienten, dieſes, daß ein betraͤchtlicher Theil
Europens ſich ganz von der Roͤmiſchen Kirche getrennt und
jeder dieſer Staaten fuͤr ſich eine Kirche gebildet hat, ohne
zwiſchen mehreren Staaten auch nur eine gleiche Geſell-
ſchaft zu Ausuͤbung der kirchlichen Gewalt zu ſchließen a);
der uͤbrige Theil der ehemahligen Mitglieder der Roͤmi-
ſchen Kirche, als der groͤßeſte Theil von Europa aber,
zwar noch jetzt den Pabſt als gemeinſames Oberhaupt der
Kirche erkennt, doch nach Verſchiedenheit des angenommenen
Syſtems, und der geſchloßenen Concordate b), deſſen allge-
mein beſchraͤnktere Macht zum Theil noch mehr beſchraͤnkt hat.
C 4Frank-
[40]Erſtes B. Viert. Hptſt. V. d. Relig. Zuſtande ꝛc.
Frankreich hat bey ſeiner Revolution ſich von der Roͤmiſchen
Kirche getrennt, ohne noch eine andere an deren Stelle zu
ſetzen.




§ 28.
Herrſchende und geduldete Religionen.


Eine Folge dieſer Religions-Schickſale iſt auch dieſe,
daß in einigen Landen wie in Daͤnemark, Schweden, England,
Holland die proteſtantiſche Religion, in andren, wie in Por-
tugal, Spanien, Italien, Polen, die catholiſche Religion
allein oͤffentlich geuͤbt wird, in andren, wie im teutſchen
Reich im Ganzen beide Religionen gleicher Rechte genießen.
Wo nur eine Religion die herrſchende iſt, da beſtimmen
Grundgeſetze, zuweilen ſelbſt Vertraͤge mit auswaͤrtigen Maͤch-
ten, oder in deren Ermangelung der Wille des Souve-
rains, wiefern und in welchem Grad die andern, imgleichen
wiefern eine oder die andere der vielen ſonſt entſtandenen
chriſtlichen Religions-Secten, wie die der Socinianer Ana-
baptiſten, Herrnhuter
u. ſ. f., deren keine in einem Staat
die herrſchende iſt, wiefern ſelbſt Juden ihre Religion uͤben,
oder geduldet werden ſollen a).




[41]

Zweytes Buch.
Von den verſchiedenen Arten der Erwerbung
poſitiver Rechte unter den Voͤlkern.


Erſtes Hauptſtuͤck.
Von Erwerbung des Eigenthums durch Occupation.


§. 29.
Von dem Recht Eigenthum zu erwerben.


Wenn man unter Eigenthum das ausſchließliche Recht
eine Sache zu gebrauchen und uͤber ſie zu diſponiren ver-
ſteht, ſo ſind in dem abſoluten Zuſtande der Voͤlker, wie
der Individuen gegen einander, alle Guͤter in der Welt
von Eigenthum frey (res nullius) und dem Gebrauch eines
jeden zu ſeinem Beduͤrfniß, Nutzen und Vergnuͤgen uͤber-
laſſen; und darinn beruhet die ſo hoch geruͤhmte communio
bonorum primaeva a
). Aber nicht nur das Recht des Ge-
brauchs, ſondern auch das Recht der Erwerbung des Eigen-
thums gehoͤret zu den abſoluten Rechten der Menſchen b)
als ein Mittel ihren Zuſtand vollkommener zu machen: das
Eigenthum ſelbſt aber, zu den erworbenen. Erwerbungs-
mittel deſſelben ſind Occupation und Vertraͤge. Beide ſind
zwar auch zwiſchen Voͤlkern nach den Grundſaͤtzen des Na-
turrechts zu beurtheilen, doch leidet dieſes in Anwendung
auf ſie manche eigene natuͤrliche und poſitive Modificationen.




§. 30.
Die Occupation muß moͤglich ſeyn.


Soll durch Occupation Eigenthum erworben werden,
ſo muß 1) phyſiſch moͤglich ſeyn die zu erwerbende Sache
in die Umſtaͤnde zu bringen, daß man ausſchließlich daruͤber
diſponiren kann. Dies iſt zwar Voͤlkern in ausgedehnte-
rem Maaße als Individuen moͤglich, doch entſtehn auch in
Anſehung ihrer hieraus Beſchraͤnkungen z. B. in Anſehung
des weiten Weltmeers; es muß 2) moraliſch moͤglich ſeyn
andere von dem urſpruͤnglich gemeinſchaftlichen Gebrauch
auszuſchließen. Dies iſt aber nur dann der Fall, wenn
unſer Nutze oder unſre Sicherheit den ausſchließlichen Beſitz
erfordert, daher kann nach natuͤrlichem Recht eine Nation
ihre Occupation nicht ins unendliche ausdehnen a), daher
koͤnnen die Sachen die, wie das weite Weltmeer, zu Be-
friedigung der Beduͤrfniſſe des Menſchengeſchlechts auch dann
hinreichen, wenn ſie gemeinſchaftlich bleiben, und deren Com-
munion niemandem Gefahr drohet, nicht mit Recht von
einer Nation occupirt werden, 3) die zu erwerbende Sache
muß noch herrenlos geblieben, oder wieder geworden ſeyn.
Da das Recht Eigenthum zu erwerben allen Menſchen, un-
abhaͤngig von ihrer Religion und Aufklaͤrung, auf gleiche
Weiſe zuſteht, ſo koͤnnen chriſtliche Voͤlker Lande welche
die Wilden ſchon wirklich occupirt haben nicht mit Recht
in Beſitz nehmen b).




§. 31.
Die Occupation muß wirklich erfolget ſeyn.


Es muß auch 3) die Occupation wirklich erfolget ſeyn;
dieſe erfordert Beſitznahme, und hinreichend erklaͤrten Willen
Eigen-
[43]Erwerbung des Eigenthums.
Eigenthuͤmer der Sache zu werden. Daher kann 1) die
bloße Erklaͤrung einer Nation, daß ſie einen Diſtrickt ſich
zueignen wolle, den ſie noch nicht in Beſitz genommen, die
uͤbrigen Maͤchte an den Gebrauch oder die Beſitznahme
deſſelben nicht verhindern; eben ſo wenig kann 2) eine Schen-
kung des Pabſts a) ſelbſt wenn dieſer als Statthalter
Chriſti betrachtet wird, oder ein Vertrag zweyer Voͤl-
ker b) den Rechten anderer Voͤlker Grenzen ſetzen; auch
3) das bloße Beſuchen eines Landes oder einer Inſel, wenn
dieſe ohne Zeichen des behaupteten Eigenthums zuruͤckzu-
laſſen wieder verlaſſen worden, andere Voͤlker an deren Oc-
cupation nicht verhindern. Ob aber bloße Zeichen, wie
Wappen, Kreuze, Inſchriften u. ſ. f. zu Erwerbung und
Erhaltung des Eigenthums hinreichen, und nicht wirklicher
Anbau erfordert werde, iſt, wenigſtens zweifelhaft, und
mehrmahls geſtritten c).





§. 32.
Wie weit ſich die Occupation erſtrecke.


Wenn eine Nation einen Landdiſtrict in Beſitz ge-
nommen hat, ſo ſind alle innerhalb ſeines Umkreiſes gele-
gene herrenloſe Landtheile auch ohne ſpecielle Beſitznahme
als
[44]Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
als ihr ausſchließliches Eigenthum anzuſehn, ſelbſt diejeni-
gen, welche ſie unbenutzt, oder als oͤffentliche Wege fuͤr den
Gebrauch aller frey laͤßt. Der aͤußere Umkreis des Landes
iſt zuweilen durch natuͤrliche Grenzen (Meere, Fluͤſſe, Ge-
waͤſſer, Berge, Waldungen) zuweilen, in deren Ermange-
lung, durch kuͤnſtliche, (Landwehre, Saͤulen, gezeichnete
Baͤume u. ſ. f.) beſtimmt. Wenn es aber hieran fehlt,
ſo kann die Ausdehnung des Gebiets nicht weiter angenom-
men werden, als das Land von dieſer Nation benutzt oder
deſſen Occupation erwieſen wird. Weiter hat ſie daher kein
Recht fremde Voͤlker an der Beſitznahme zu hindern a),
wenn dieſe nicht auf ſolche Verzicht geleiſtet haben b).
Iſt zwiſchen zweyen Voͤlkern die Grenze zwar durch Berge,
Heerſtraßen, Waͤlder u. ſ. f. beſtimmt, aber das Eigenthum
derſelben ſtreitig, ſo gehoͤren ſie im zweifelhaften Fall einem
jeden zur Haͤlfte.




§. 33.
Landſeen, Fluͤſſe.


Alle innerhalb des occupirten Diſtricts gelegene Land-
ſeen und Fluͤſſe ſind, ſo wie das Land ſelbſt, Eigenthum
der Nation, mit Ausſchluß aller Fremden. Auch von
Grenzfluͤſſen ſammt den in ſelbigen befindlichen Inſeln, iſt
im zweifelhaften Fall anzunehmen, daß ſie, ſo weit das
Gebiet reicht, und bis ans entgegengeſetzte Ufer unter der
Occupa-
[45]Erwerbung des Eigenthums.
Occupation mit begriffen ſeyn. Iſt aber das entgegenge-
ſetzte Ufer ebenfalls occupirt, und nicht auszumachen, welche
von beiden Nationen zuerſt Beſitz ergriffen, ſo iſt, bey
der Gleichheit ihrer Rechte, anzunehmen, daß beide zugleich
occupirt haben, und in der Mitte des Fluſſes ſich begeg-
neten, folglich jede Eigenthuͤmerinn des Fluſſes bis zur
Haͤlfte, und der in dieſer Haͤlfte gelegenen Inſeln oder
der Theile derſelben geworden a), wenn ſie nicht durch
Vertraͤge ein anderes feſtgeſetzt haben b). Eben dieſe
Grundſaͤtze ſind auf Landſeen anwendbar, die von mehreren
Gebieten umgeben ſind c).


Veraͤndert der Fluß ſeinen Lauf, ſo bleiben die vori-
gen Eigenthuͤmer deſſelben in eben dem Maaße, Eigen-
thuͤmer des verlaſſenen Fluß Beetes. Aber unvermerkt
erfolgende An- und Abſpuͤhlungen der Ufer, veraͤndern nicht
die Eigenthumsrechte auf den Fluß d).






§. 34.
[46]Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.

§. 34.
Meerengen, Meerbuſen.Mare proximum.


In eben dem Maaße, in welchem eine Nation das
Eigenthum uͤber einen Fluß behaupten kann und darf, iſt
ſie auch im Stande und befugt das Eigenthum uͤber eine
Meerenge, oder Meerbuſen, die von den Ufern aus mit
Canonen beſtrichen werden koͤnnen, entweder bis an das
entgegengeſetzte Ufer, oder bis an die Mitte ſich beyzule-
gen. Aus eben dieſen Gruͤnden kann eine Nation auch die
zunaͤchſt angrenzenden Theile des Meeres (mare proxi-
mum
) ſich zueignen, und zwar nach einem natuͤrlichen und
jetzt allgemein anerkannten Grundſatze a) wenigſtens ſo
weit, als ſie daſſelbe von dem Ufer aus mir Canonen be-
ſtreichen kann b).




§. 35.
Angraͤnzende Meere.


Kann aber eine Nation nicht auch auf Fluͤſſe,
Meerengen, Meerbuſen die zu breit ſind, um von den
Ufern aus mit Canonen beſtrichen zu werden, auf groͤßere
Theile eines angraͤnzenden Meeres ſich ein Eigenthum er-
werben a)? Phyſiſch moͤglich iſt es ein ſolches Eigenthum
zu erwerben und zu behaupten, es ſey mit Huͤlfe des Lo-
cals b), oder durch eine Flotte; auch als widerrechtlich laͤßt
ſich
[47]Erwerbung des Eigenthums.
ſich dieß nicht anſehn, ſofern die Sicherheit der uͤbrigen
Beſitzungen dieſe Beſitznahme erfordert, oder andere Na-
tionen dieß Elgenthum durch Vertraͤge anerkannt haben c).
Einige dieſer groͤßeren Meerengen, Meerbuſen, angraͤnzen-
den Meere in Europa ſind anerkannt frey, andere aner-
kannt beherrſcht (clauſa); uͤber das Eigenthum anderer
wird geſtritten.





§. 36.
Ihre Freyheit und Unterwuͤrfigkeit.


1) Anerkannt [frey] ſind unter den groͤßren Europaͤiſchen
Meerengen, I. die Straße von Gibraltar, ſofern ſie nicht
vom Ufer aus beſtrichen werden kann a), unter den an-
graͤnzenden Meeren, II. das ſpaniſche, III. das aquitani-
ſche Meer, IV. die Nordſee b), V. das weiße und VI.
das mittellaͤndiſche Meer.


2) Anerkannt unterworfen: I. die Meerenge zwiſchen
Schottland und Irland oder der Canal von St. George
dem Koͤnige von Großbritannien, II. der große und kleine
Belt und der Oereſund dem Koͤnige von Daͤnemark c),
III.
das Aegaͤiſche Meer, das Mar di Marmora nebſt
den Meerengen, der Helleſpont, der Boſphorus Thraci-
cus,
das ſchwarze Meer der Tuͤrkey; IV. die Meerenge
zwiſchen Sicilien und Calabrien (Faro di Meſſina) dem
Koͤnige von Neapel, V. die Súderſee der Republik der
vereinigten Niederlande, VI. der Finniſche Meerbuſen
dem Koͤnigreich Schweden.


3) Be-
[48]Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.

3) Beſtritten wird I. Großbritannien, das Eigenthum
und die Oberherrſchaft uͤber die 4 Meere, welche dieſe Inſel
umfließen, beſonders uͤber den britanniſchen Canal und die
Meerenge von Calaisd), II. Venedig das Eigenthum
uͤber das Adriatiſchee), III. Genua uͤber das Liguſtiſche
Meer f), IV. ſowohl unter den Staaten welche an der
Oſtſee graͤnzen, als zwiſchen dieſen und den uͤbrigen Voͤlkern
die Freyheit oder Unterwuͤrfigkeit der Oſtſee g). In An-
ſehung der Beſitzungen der Europaͤer, außerhalb Europa
giebt es dieſer Streitigkeiten noch weit mehrere, und nur
ein Theil derſelben iſt durch Vertraͤge beygelegt h).










§. 37.
[49]Erwerbung des Eigenthums.

§. 37.
Das große Weltmeer.


Das weite Weltmeer hingegen, welches weit den
groͤßeſten Theil unſrer Erdkugel bedeckt, und die 4 großen
Meere in welche dieſes idealiſch getheilt wird, inſonderheit
das indiſche Meer, woruͤber am mehreſten geſtritten wor-
den, koͤnnen nicht nur von keiner Macht voͤllig beſeſſen
werden, ſondern es fehlt hauptſaͤchlich an dem Rechtferti-
gungsgrunde dieſer Erwerbung, da es unbeſchadet des Ge-
brauchs und der Sicherheit aller Voͤlker gemeinſchaftlich
bleiben kann, und bloße Handelseiferſucht kein Grund zu
Erwerbung eines Ausſchließungsrechts iſt. Weder die erſte
Beſchiffung deſſelben, noch paͤbſtliche Verguͤnſtigung, noch
Verjaͤhrung, hat den uͤbrigen Voͤlkern das Recht auf den
gemeinſchaftlichen Gebrauch beſchraͤnken koͤnnen a). Das
weite Weltmeer iſt daher frey, und muß es bleiben, auch
wird heutiges Tages von allen Maͤchten, ſelbſt von Por-
tugal und Spanien, nach den vergeblich im 16ten und 17ten
Jahrhundert daran gemachten Anſpruͤchen, ſelbſt das indi-
ſche Meer, obwohl mit Ausſchluß der auf betraͤchtliche
Theile deſſelben noch fortwaͤhrenden Anforderungen b) fuͤr
frey, und dem Gebrauch aller Voͤlker offen anerkannt.
Daß indeß eine Nation dem Recht, ſelbiges zu beſchiffen,
zum Vortheil einer andern entſagen koͤnne, leidet keinen
Zweifel c), doch erlangt alsdenn nur dieſe dadurch ein
Recht des Widerſpruchs.





D§. 38.
[50]Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.

§. 38.
Wirkungen des Eigenthums. Oberherrſchaft.


Schon aus dem Begriffe des Eigenthums fließt, daß
eine Nation das Recht habe, alle andere von dem Ge-
brauch und der Diſpoſition uͤber ihr rechtmaͤßig erworbenes
Eigenthum auszuſchließen; ſie hat daher auch das Recht,
denen, welchen ſie einen Gebrauch deſſelben einraͤumt,
hierinn Geſetze vorzuſchreiben. Sofern iſt Oberherrſchaft
Folge des unumſchraͤnkten Eigenthums. Auch auf Guͤter
die keinen Eigenthuͤmer haben, iſt eine Oberherrſchaft ge-
denkbar; aber dieſe ſetzt Einwilligung desjenigen voraus,
uͤber den ſie ausgeuͤbt werden ſoll, und kann daher nur
uͤber dieſen rechtmaͤßig behauptet werden. Daher koͤnnte
zwar Oberherrſchaft uͤber nicht occupirte Lande, uͤber nicht
occupirte Theile des Meers, ſelbſt uͤber das weite Welt-
meer ſtatt haben. Aber letztere iſt nie einem Europaͤiſchen
Volk von den uͤbrigen eingeraͤumt worden, und wiefern er-
ſtere hin und wieder von einzelnen Voͤlkern anerkannt wor-
den, wird erſt unten bey Eroͤrterung der Rechte vorkom-
men, welche Kraft eines erworbenen oder behaupteten Ei-
genthums oder Oberherrſchaft zu Lande und zu Waſſer aus-
geuͤbt werden.


§. 39.
Recht auf den Zuwachs.


Das Recht des Eigenthums erſtreckt ſich auch auf
den natuͤrlichen Zuwachs, und es laͤßt ſich zwiſchen An-
ſpielungen und Anwurf nach dem natuͤrlichen Recht kein
Unterſchied machen, auch die Nothwendigkeit einer beſon-
deren Occupation des letzteren nicht erweiſen a).



Zweytes
[51]Von Vertraͤgen.

Zweytes Hauprſtuͤck.
Von Vertraͤgen.


§. 40.
Unterſchied der Vertraͤge und des Herkommens.


Auch durch gegenſeitige Einwilligung der Voͤlker koͤn-
nen ihre urſpruͤnglichen Rechte gegen einander auf mannig-
faltige Weiſe vermehret werden, ſo daß ſie das was ſie
nach dem abſoluten Naturrecht zu thun, zu unterlaſſen,
oder zu leiden nicht, oder doch nicht vollkommen verbunden
waren, nunmehr zu thun, zu unterlaſſen oder zu leiden ver-
pflichtet ſind. Der Grund dieſer Verpflichtungen iſt alſo
der Wille der Voͤlker. Dieſer kann entweder 1) ausdruͤcklich
erklaͤret ſeyn, es ſey durch Worte, oder durch andere den Wor-
ten gleich geachtete Zeichen der Einwilligung, oder 2) ſtill-
ſchweigend durch Handlungen, die, ob ſie gleich fuͤr ſich
nicht als Wortzeichen angeſehn werden, doch den Beweis
der Einwilligung enthalten, oder endlich 3) blos aus der in
aͤhnlichen Faͤllen beobachteten Art zu handeln fuͤr kuͤnftige
Faͤlle gemuthmaßet werden. Daraus entſteht eine dreyfache
Quelle des poſitiven Voͤlkerrechts: ausdruͤckliche Vertraͤge,
ſtillſchweigende Vertraͤge, Herkommen
oder Gewohnheit.


§. 41.
Begriff eines Staatsvertrags.


Vertraͤge welche von ganzen Voͤlkern unter einander,
oder in ihrem Nahmen eingegangen werden, heißen Staats-
vertraͤge. Diejenigen hingegen welche der Regent fuͤr ſich
als Privatmann, oder die er zwar als Regent, aber mit
Privatperſonen eingeht, werden nicht Staatsvertraͤge ge-
nannt a), und ſind kein Gegenſtand unſerer Wiſſenſchaft.


Wiefern unterworfene Theile eines Staats fuͤr ſich
Staatsvertraͤge eingehn koͤnnen, haͤngt in zuſammengeſetz-
ten Staaten von der Verfaſſung, in einfachen von der be-
ſondren Erlaubniß ihres Souverains oder dem Herkommen
D 2ab
[52]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ab b). Wo dieſe nicht fuͤr ſie ſprechen, da wuͤrde in letz-
teren die Schließung eines Buͤndniſſes fuͤr ſie ein Maje-
ſtaͤtsverbrechen ſeyn c).





§. 42.
Erforderniſſe zur Guͤltigkeit eines Staatsvertrags 1) wer
ihn ſchließt muß dazu bevollmaͤchtiget ſeyn.


Da zur Guͤltigkeit eines jeden Vertrages die Ein-
willigung beider Theile weſentlich erforderlich iſt, ſo muß
derjenige der im Nahmen eines Staats einen Vertrag
ſchließt von dieſem a) bevollmaͤchtiget ſeyn, uͤberhaupt, und ſo,
wie er geſchloßen hat, zu contrahiren. Wiefern der Regent
ohne Theilnahme des Volks Staatsvertraͤge eingehn und
Staatsbeamte dazu bevollmaͤchtigen koͤnne, iſt aus der po-
ſitiven Verfaſſung eines jeden Landes zu beurtheilen b).
Was der Regent c), oder der Geſandte u. ſ. f. uͤber die
Grenzen der ihm anvertraueten Gewalt verſpricht, iſt als
eine bloße Sponſion anzuſehn und erſt mit hinzugekom-
mener ausdruͤcklichen oder ſtillſchweigenden Genehmigung
des Staats fuͤr dieſen verbindlich d). Was hingegen von
einem Geſandten oder andrrn Subalternen innerhalb der
Grenzen ſeiner Vollmacht geſchloßen worden, iſt nach dem
natuͤrlichen Voͤlkerrecht ſelbſt dann fuͤr den Staat verbind-
lich, wenn er auch ſeine geheime Inſtruction uͤberſchritten
haͤtte. Dazu bedarf es nicht erſt einer Ratification des
Staats.
[53]Von Vertraͤgen.
Staats. Da aber Voͤlker ſich genoͤthiget ſehn ihren Ge-
ſandten ſehr ausgedehnte Vollmachten zu geben, und ſie
daher, wenn der Geſandte aus boͤſen Willen oder Verſehn
ſich von den Schranken ſeiner geheimen Inſtruction ent-
fernte, leicht in einen Schaden geſtuͤrzet werden koͤnnten,
deſſen ſie ſich an den Geſandten nicht wieder erholen moͤgen,
ſo iſt es ein anerkannter Grundſatz des poſitiven Euro-
paͤiſchen Voͤlkerrechts geworden, daß Staatsvertraͤge nicht
ehe als verbindlich angeſehn werden, als bis die Genehmi-
gung des Staats hinzugekommen e). Durch dieſe erlangt
aber alsdann der Vertrag ſeine Kraft vom Tag der Un-
terzeichnung an gerechnet f), falls nicht ein anderes verab-
redet worden g). Der ganze Grund dieſer Sitte aber er-
giebt, daß wenn ein Theil ſich zur Ratification erbietet, der
andere ſie nur dann mit Recht verweigern koͤnne, wenn
ſein Geſandter ſich von den Graͤnzen ſeiner Inſtruction ent-
ſernt hat, und daher ſtraffaͤllig iſt h).


Staatsvertraͤge welche von den dazu befugten Regenten
ſelbſt unterzeichnet worden, beduͤrfen keiner Ratification i).


Auch ſind in Kriegszeiten Capitulationen und andere
militairiſche Uebereinkuͤnfte welche von Befehlshabern einer
Beſtung, eines Truppencorps u. ſ. f. innerhalb der Grenzen
ihres Amts eingegangen worden, ohne alle Ratification ver-
bindlich k).












§. 43.
2) Die Einwilligung muß wirklich erfolget ſeyn.


Es muß auch 2) die Einwilligung wirklich erfolget
ſeyn. Alle bis dahin von beiden Theilen gepflogene Unter-
handlun-
[55]Von Vertraͤgen.
handlungen haben, als bloßen Tractaten, noch keine ver-
bindliche Kraft a). Die Einwilligung ſelbſt kann durch
Worte, oder anerkannte Wortzeichen, oder, wie bey ſtill-
ſchweigenden Vertraͤgen, durch andere Handlungen zu er-
kennen gegeben werden. In Anſehung der Verbindlichkeit
iſt es gleichguͤltig, ob die Erklaͤrung blos muͤndlich b) oder
ſchriftlich geſchehn, ob wohl jetzt zu Erleichterung des Be-
weiſes alle Vertraͤge der Voͤlker ſchriftlich verfaſſet zu wer-
den pflegen.




§. 44.
3) Die Einwilligung muß frey ſeyn.


Die Einwilligung muß 3) frey ſeyn. Wuͤrde einem
Regenten oder deſſen Bevollmaͤchtigten durch phyſiſchen
Zwang die Unterſchrift abgenoͤthiget, ſo waͤre dieſe paſſive
Handlung unverbindlich. Wenn aber bloß Furcht vor der
gegenwaͤrtigen oder bevorſtehenden Gewalt einer andren
Macht ihn zu Schließung eines obwohl ungern eingegan-
genen Vertrages beſtimmt, ſo kann er den Mangel der
Einwilligung nicht vorſchuͤtzen. Ob aber dieſe Macht die
Erfuͤllung eines ſolchen Vertrages fordern koͤnne, haͤngt von
der Rechtmaͤßigkeit oder Unrechtmaͤßigkeit der gebrauchten
Gewalt ab, da niemand aus ſeiner ungerechten Gewalt ein
Recht erwerben kann a). Da indeß eine Nation nicht
Richterinn der andren iſt, und beide keinen hoͤheren Rich-
D 4ter
[56]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ter erkennen, die Sicherheit, Freyheit und Unabhaͤngigkeit
der Voͤlker auch nicht beſtehn kann, wenn ein Volk nicht
im zweifelhaften Fall die Gewalt welche eine andere an-
wendet als nicht erwieſen ungerecht anſieht b), ſo leidet
das eigene Beſte derſelben nicht ſich von Vertraͤgen unter
dem Vorwand, daß ſie mit Gewalt erzwungen ſeyn, loß
zu ſagen, außer hoͤchſtens in dem Fall, wo die Unrecht-
maͤßigkeit der Gewalt ſo in die Augen fallend waͤre, daß
es daruͤber keines Beweiſes beduͤrfte. Nimmt man den
Begriff einer natuͤrlichen oder poſitiven Voͤlkergeſellſchaft
hinzu (§. 5.) ſo wuͤrde dieſes auch als ein Grundſatz des
natuͤrlichen Geſellſchaftrechts der Voͤlker anzuſehn ſeyn.




§. 45.
4) Gegenſeitig.


Die Einwilligung muß gegenſeitig ſeyn, d. h. Ver-
ſprechen und Acceptation muͤſſen zuſammen treten. Wo
dieſes iſt, da iſt die Form des Vertrags gleichguͤltig, es
mag, wie gewoͤhnlich, ein Inſtrument von beiden Theilen
unterſchrieben, oder auf eine einſeitige Declaration eine Ge-
gendeclaration erfolget, oder ſonſt die Acceptation zum vor-
aus oder nachmahls erklaͤret ſeyn a).


Sie muß aber auch in demſelben Gegenſtande zuſam-
mentreffen. Irrthum in Anſehung eines Puncts der den
Grund des geſchloßenen Vertrages enthaͤlt, macht ihn un-
verbindlich, die Rede ſey von einem bloßen Irrthum, oder
von einem ſolchen, der durch Betrug des Contrahenten (in
welchem Fall noch ein neuer Grund hinzukommt) oder
eines dritten veranlaſſet worden b). War indeß der Irr-
thum
[57]Von Vertraͤgen.
thum leicht vermeidlich, ſo kann der irrende zur Entſchaͤ-
digung verbunden ſeyn.


Bloße Verletzung in einem Vertrage aber iſt kein
natuͤrlicher Rechtfertigungsgrund um ſich von demſelben loß
zu ſagen, da 1) jede Nation berechtiget und verbunden iſt
die Vortheile und Nachtheile welche aus einem Vertrag
fuͤr ſie entſtehn vorher abzuwaͤgen 2) es nicht unerlaubt iſt
auch uͤberwiegende Vortheile ſich von einer andren Nation
verſprechen zu laſſen 3) in dem Naturſtande niemand be-
ſtimmen kann, wie groß die Verletzung ſeyn muͤſſe, um von
dem Vertrag abzugehn, und ob ſie wirklich vorhanden ſey;
daher verbietet auch das eigene Beſte der Voͤlker ihnen,
ſich einer Einrede zu bedienen, welche den Grund aller Ver-
traͤge, und folglich ihre eigene gegenſeitige Sicherheit un-
tergraͤbt c).





D 5§. 46.
[58]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

§. 46.
Die Erfuͤllung des Vertrags muß moͤglich ſeyn.


Der guͤltig geſchloßene Vertrag muß auch verbind-
lich, das iſt, ſeine Erfuͤllung muß phyſiſch und moraliſch moͤg-
lich ſeyn. Wenn daher 1) deſſen Erfuͤllung entweder nach
der Natur des Verſprechens (welches in Vertraͤgen ver-
nuͤnftiger Voͤlker nicht leicht zu erwarten iſt) oder nach den
eingetretenen Umſtaͤnden phyſiſch unmoͤglich iſt, ſo kann eine
Nation nicht zu deſſen Erfuͤllung, wohl aber dann zur Ent-
ſchaͤdigung aufgefordert werden, wenn ſie dieſe Unmoͤglich-
keit voraus gewuſt, oder nachher veranlaſſet hat. Eben ſo
wenig kann 2) ein Vertrag verbindlich ſeyn, deſſen Erfuͤl-
lung die Rechte eines dritten kraͤnken wuͤrde a). Daß eine
Nation einen Vertrag unerfuͤllt laſſen koͤnne, deſſen Erfuͤllung
ihren Untergang nach ſich ziehn wuͤrde, wird richtiger aus
den Regeln des Nothrechts, als aus der falſchen Idee erklaͤ-
ret, daß der Regent der den Vertrag ſchließt und das Volk
das ihn erfuͤllen ſoll zwey von einander getrennte Perſo-
nen ſeyn von denen die eine nichts zum Schaden der an-
dren verſprechen koͤnne b). Eben daher berechtiget auch
nicht jeder Nachtheil den die Erfuͤllung eines Staatsver-
trags nach ſich zieht, von ſelbigem abzugehn.




§. 47.
Wirkung der Vertraͤge.


Aus einem guͤltig und verbindlich geſchloßenen Ver-
trage entſteht fuͤr Voͤlkern wie fuͤr Privatperſonen das voll-
kommene Recht des Contrahenten von dem Mitcontrahenten
die Erfuͤllung deſſelben zu fordern ſofern, er ſeinerſeits ſeiner
Verbindlichkeit Genuͤge geleiſtet hat. Gegen dritte Voͤlker
hat der Staat das vollkommene Recht zu fordern, daß dieſe
ihn an den Genuß dieſer Vertragsrechte nicht ſtoͤhren, folg-
lich auch ſeinen Mitcontrahenden an Erfuͤllung des Ver-
trags nicht hindern.


§. 48.
Bedingungen Zeit.


Auch Staatsvertraͤge koͤnnen entweder unbedingt oder
bedingt geſchloßen werden, und die Bedingung entweder
reſolutiv oder ſuſpenſiv, entweder dem Vertrag ausdruͤcklich
oder ſtillſchweigend a) hinzugekommen ſeyn. Sie koͤnnen
ebenmaͤßig mit Hinzufuͤgung einer Zeitbeſtimmung oder
ohne dieſelbe eingegangen werden, und die beſtimmte Zeit
entweder den Anfang (pactum ex die) oder das Ende der
Erfuͤllung (pactum in diem) bezeichnen. Da aber hierin
weder das allgemeine noch das hergebrachte Voͤlkerrecht von
dem Naturrecht erheblich abweicht, ſo iſt es genug dieſe
Puncte hier zu beruͤhren.


a) Sa
[60]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

§. 49.
Verſchiedene Gegenſtaͤnde der Vertraͤge.


Sofern alle Verſprechungen die wir uns durch einen
Vertrag leiſten laſſen auf unſren Vortheil abzielen, und
dieſen zu befoͤrdern natuͤrliche unvollkommne Pflicht der
Voͤlker, wie der Individuen unter einander iſt, ſofern kann
man wohl mit Mendelſon a) behaupten, daß alle Vertraͤge
darauf abzwecken unvollkommene Rechte und Verbindlich-
keiten in vollkommene zu verwandeln. Indeß iſt doch un-
laͤugbar 1) daß es Staatsvertraͤge giebt, welche nur Be-
ſtaͤdtigungen des vollkommenen aͤußeren Naturrechts enthal-
ten b) 2) andere die auf Vortheile abzielen deren Gewaͤhrung
wir von dem Contrahenten wegen Colliſion mit ſeinen andern
Pflichten gegen ihn ſelbſt oder gegen dritte auch nicht un-
vollkommen zu fordern oder zu erwarten berechtiget waren c).





§. 50.
Gattungen der Vertraͤge.


Die Eintheilung der Vertraͤge in unvergeltliche,
(Schenkung, Verleihen, Hinterlegung), vergeltliche
(Kauf, Miethe, Tauſch, und unbenannte Vertraͤge)
und
[61]Von Vertraͤgen.
und ſolche die bald als vergeltliche, bald als unvergeltliche
eingegangen werden, (Darlehn, Bevollmaͤchtigung) hat
zwar allerdings auch in dem Voͤlkerrecht ſtatt a); da aber
einige dieſer Vertraͤge nicht leicht auf den Fuß wirklicher
Staatsvertraͤge eingegangen werden, in Anſehung mancher
andern das Naturrecht keine beſondere Modification leidet,
auch wenn es auf Voͤlker angewendet wird b), von den
uͤbrigen aber in der Folge an ſeinem Ort bequemer wird ge-
handelt werden koͤnnen, ſo bedarf es hier keiner umſtaͤndlichen
Wiederholung der in Anſehung dieſer einzelnen Gattungen
der Vertraͤge eintretenden Theorie des natuͤrlichen Rechts.


Wichtiger fuͤr unſere Wiſſenſchaft iſt die Eintheilung
der Vertraͤge in ſolche die auf einmahl erfuͤllet (Vertraͤge
im ſtrengen Sinn, pacta tranſitoria) und ſolche die nur
nach und nach in der Folge der Zeit ins Werk geſetzt wer-
den koͤnnen (Buͤndniſſe, federa.). Zu jenen gehoͤren inſon-
derheit Ceſſions, Grenz, Tauſchvertraͤge, auch ſolche wo-
durch einem andren eine beſondre Voͤlkerrechts-Dienſtbar-
keit
auf unſer Gebiet eingeraͤumet wird; zu dieſen inſonder-
heit, Freundſchafts- Handels und Schiffarths- Lehns-
Schutz- Kriegs-Buͤndniſſe.
Doch fehlt es auch nicht an
Staatsvertraͤgen, von denen einige Artikel die Natur eines
pacti tranſitorii, andern die eines Buͤndniſſes haben. (ge-
miſchte Vertraͤge.) Dahin gehoͤren inſonderheit die meh-
reſten Friedensſchluͤße.




§. 51.
Unterſchied zwiſchen tranſitoriſchen Vertraͤgen u. Buͤndniſſen.


Tranſitoriſche Vertraͤge ſind ihrer Natur nach ewig;
wenn ſie daher von beiden Theilen erfuͤllet und nicht gegen-
ſeitig
[62]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ſeitig wieder aufgerufen worden; ſo beſtehen ſie unaͤbhaͤn-
gig von der Veraͤnderung die ſich mit der Perſon der Re-
genten, mit der [Verfaſſung] und ſelbſt mit der Unabhaͤngig-
keit des Staats der ſie ſchloß zutraͤgt. Selbſt wenn um
einer andren, mit dieſem Vertrage in keine Verbindung ſtehen-
den Urſache willen zwiſchen den Contrahenten ein Krieg ent-
ſteht, ſo zerfallen dieſe tranſitoriſchen Vertraͤge nicht von
ſelbſt, obwohl nicht nur die Wirkung derſelben durch den
Krieg unterbrochen wird, ſondern auch dem Feinde nach dem
Rechte des Kriegs das Befugniß zuſteht auch dieſe Vertraͤge
dem Feinde aufzukuͤndigen und ihm das daraus erwachſene
Recht fuͤr immer zu entziehn, wenn der Zweck des Kriegs
dies erfordert.


Buͤndniſſe hingegen, wodurch ein Staat ſich zu kuͤnf-
tigen ſucceſſiven Praeſtationen anheiſchig macht, erloͤſchen,
auch wenn ſie fuͤr immer errichtet worden 1) wenn der Staat
der ſie ſchloß ſeine Unabhaͤngigkeit ſo verliert, daß er un-
terworfene Provinz eines andern Reichs wird, 2) wenn der
Staat ſeine bisherige Verfaſſung veraͤndert, und das Buͤnd-
niß in Hinſicht der vorigen Verfaſſung errichtet worden;
nicht aber in den uͤbrigen Faͤllen a). 3) Da die Fortdauer
der Freundſchaft weſentliche Bedingung eines jeden Buͤnd-
niſſes iſt, ſo zerfallen ſie durch einen jeden neuen Krieg,
ohne Ruͤckſicht auf den Gegenſtand deſſelben, von ſelbſt,
nur mit Ausnahme der Artikel die fuͤr dieſen Fall errichtet
worden b); um ſo mehr iſt alſo jeder Contrahent befugt ſie
dann einſeitig aufzurufen, welches ehemahls ſelbſt zu dem
herkoͤmmlichen Voͤlkerrechte gehoͤrte c). Buͤndniſſe muͤſſen
daher in einem jeden Friedensſchluße erneuert werden, wenn
ſie noch kuͤnftig gelten ſollen.





§. 52.
Verſchiedene Artikel eines Vertrags.


Unter mehreren Artikeln eines Vertrages ſind
einige, welche als der Hauptgrund des geſchloſſenen Ver-
trags anzuſehn ſind (Hauptartikel, articuli principales),
andere bey denen dieſes nicht der Fall iſt (Nebenartikel
articuli acceſſorii); ferner oft einige welche in Anſehung
des Inhalts mit einander in unmittelbarer Verbindung
ſtehn (articuli connexi) andere bey denen dieß nicht der
Fall iſt (articuli non connexi) a). Unabhaͤngig von
ihrem Inhalt aber ſtehn alle Haupt-Artikel eines Vertra-
ges, ſelbſt ohne Unterſchied ob ſie in dem Hauptinſtru-
ment eingeruͤckt, oder Separat-Artikel ſind, in einer allge-
meinen Verbindung, nach welcher jeder dieſer Artikel die
Erfuͤllung der uͤbrigen zur Bedingung hat, und nicht als
ein beſonderer Vertrag fuͤr ſich beurtheilt werden kann.
Das Zerfallen der Hauptartikel zieht die Unverbindlichkeit
der Neben-Artikel nach ſich, aber nicht umgekehrt, auch
kann in jenem Falle Billigkeit und Klugheit oft rathſam
machen, ſich dieſes Rechts nicht in Anſehung aller Neben-
Artikel zu bedienen b). Hieraus iſt zu beurtheilen, wiefern
auf gemiſchte Vertraͤge, (§. 50) die Grundſaͤtze anzuwen-
den ſind, welche in Anſehung des Zerfallens der Buͤnd-
niſſe eintreten.



b) Daß
[64]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

§. 53.
Buͤndniſſe ſind entweder perſoͤnliche oder reelle.


Man theilt die Buͤndniſſe auf eine zwiefache Weiſe
in perſoͤnliche und reelle ein 1) in Anſehung des Gegen-
ſtandes nennt man perſoͤnliche die zum Beſten des Regen-
ten und ſeiner Familie a), reelle die zum unmittelbaren
Beſten des Staats eingegangen werden; inſonderheit aber
2) in Anſehung der Dauer nennt man perſoͤnliche diejeni-
gen, welche die Contrahenten fuͤr ihre oder ihrer Familie
Lebenszeit, reelle aber welche ſie unabhaͤngig von deren Le-
ben fuͤr den Staat eingegangen haben. Die mehreſten
Buͤndniſſe welche in der einen Ruͤckſicht perſoͤnlich ſind,
ſind es auch in der andern.


Alle Buͤndniſſe der Republiken unter einander ſind
reel. Alle ausdruͤcklich fuͤr eine beſtimmte Zeit oder auf
ewig eingegangene Vertraͤge ſind es ebenfalls. Bey Buͤnd-
niſſen monarchiſcher Staaten unter einander, oder mit
Republiken, in welchen die Dauer derſelben nicht feſtge-
ſetzt worden, muß auf die Worte des Vertrags, auf die
Umſtaͤnde und auf die Verfaſſung der ſchließenden Staa-
ten Ruͤckſicht genommen werden b). Jetzt pflegt man ſich
hieruͤber ſo deutlich zu erklaͤren, daß faſt nur noch in An-
ſehung aͤlterer Vertraͤge hieruͤber Streit entſtehn kann.




§. 54.
[65]Von Vertraͤgen.

§. 54.
Folgen dieſes Unterſchieds.


Die Wichtigkeit dieſes Unterſchieds aͤußert ſich darinn,
daß der Nachfolger, er mag durch Erbrecht oder Wahl
auf den Thron kommen, alle reelle Vertraͤge ſeines Ver-
fahrers zu halten ſchuldig iſt, ohne daß es einer Erneue-
rung derſelben beduͤrfe a); hingegen perſoͤnliche Vertraͤge
erloͤſchen, 1) wenn der, oder diejenigen, fuͤr welche, oder
auf deren Lebenszeit ſie eingegangen worden, geſtorben
ſind, 2) wenn dieſe durch Abdankung oder Abſetzung den
Thron verlieren, dafern nicht das Buͤndniß eben fuͤr die-
ſen Fall hauptſaͤchlich eingegangen worden, und noch weder
Verzichtleiſtung erfolget, noch alle vernuͤnftige Hoffnung
ihnen wieder auf den Thron zu helfen verloren iſt b).




§. 55.
Gleiche oder ungleiche Buͤndniſſe.


Buͤndniſſe werden in gleiche und ungleiche einge-
theilt, wobey aber die Gleichheit und Ungleichheit der Be-
dingungen, mit der des Buͤndniſſes nicht verwechſelt wer-
den muß. Jene haͤngt von der Gleichheit oder Ungleich-
heit der Vortheile ab, welche fuͤr beide Contrahenten aus
dem Buͤndniſſe erwachſen, deren Abwaͤgung fuͤr die Politik
gehoͤret a); dieſe aber von der Gleichheit oder Ungleichheit
des Verhaͤltniſſes, welches durch das Buͤndniß zwiſchen
den Contrahenten feſtgeſetzt wird; iſt dieſes ungleich, ſo
daß ein Theil Kraft des Buͤndniſſes dem andern mehr
Ehrerbietung ſchuldig wird, als er von dieſem wieder er-
haͤlt, wie z. B. in Schutz- Zins- Lehn- Verbuͤndungen,
ſo iſt das Buͤndniß ungleich. Im entgegengeſetzten Fall
iſt es gleich, auch wenn vor dem Vertrage das Verhaͤltniß
zwiſchen beiden in Anſehung des Ranges, der Ehre u. ſ. f.
Eungleich
[66]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ungleich war. Es kann ſeyn, daß eine Verbuͤndung in An-
ſehung der Bedingungen gleich, in Anſehung des Buͤndniſſes
ungleich, oder umgekehrt, oder zugleich in beider Ruͤckſicht
gleich oder ungleich ſey.



§. 56.
Mittel zu Beſtaͤrkung der Vertraͤge.


Da die Erfahrung von jeher gelehret hat, daß Maͤchte
oft bereitwilliger zu Schließung, als zu Erfuͤllung der Ver-
traͤge ſind, ſo iſt man fruͤhe darauf bedacht geweſen, durch
acceſſoriſche Sicherheitsmittel ſich der Beobachtung der Ver-
traͤge beſſer zu verſichern. Einige, ehemahls, wenigſtens
ſelbſt unter den Staͤnden des teutſchen Reichs, uͤbliche Mit-
tel dieſer Art, ſind als abgeſchmackt jetzt verworfen z. B.
die Verbindlichkeit zum Schelmſchelten, Schandgemaͤhlden
u. ſ. f. Sehr haͤufig ward ehemahls die Religion mit ins
Spiel gebracht, es ſey durch Empfang des Abendmahls, oder
durch Eid a), durch Unterwerfung unter der geiſtlichen Cen-
ſur des Pobſts b), u. ſ. f. welche Mittel dem letzteren er-
wuͤnſchte Gelegenheit gaben ſich in die weltlichen Angelegen-
heiten der Staaten zu miſchen c). Von dieſen Mitteln iſt
nur noch der Eid nicht ganz außer Gebrauch, obwohl er ſeit
dem weſtphaͤliſchen Frieden immer ſeltener in Vertraͤgen Sou-
verainer Maͤchte vorkommt d).


Pfand und Hypothek e) kommen noch jetzt, theils in
Vertraͤgen Souverainer Maͤchte, theils inſonderheit bey teut-
ſchen
[67]Von Vertraͤgen.
ſchen Reichsſtaͤnden vor, doch haͤufiger fuͤr Darlehne, als
fuͤr irgend eine andere Gattung eigentlicher Staatsvertraͤge.


Geißel koͤnnen entweder fuͤr die Beobachtung eines
ganzen Staatsvertrags, oder eines einzelnen Artikels deſſel-
ben, oder einer in Kriegszeiten geſchloßenen Capitulation
u. ſ. f. als Buͤrgen gegeben werden. Nur in den beiden letz-
teren Faͤllen f), inſonderheit in dem letzten, wird noch jetzt
von Geißeln Gebrauch gemacht.


Endlich war ehemahls ſehr gewoͤhnlich, daß aus maͤchtigen
Unterthanen und Vaſallen beider Theile einige mit der Ver-
pflichtung gewaͤhlet wurden, als warrandi oder conſerva-
tores pacis
dem verletzten Mitcontrahenten wider ihren
eigenen Landes- und Lehnherrn aufgefordert beyzuſtehn, um
dieſen von der Verletzung des Vertrags abzuhalten und zu
Erfuͤllung deſſelben zu zwingen. Da dieſe Sitte mit der
Erhaltung der inneren Ruhe und Verfaſſung ſich nicht ver-
einbaren ließ, ſo wurden ſeit dem Anfange des 16ten Jahr-
hunderts g) ſtatt der eigenen Unterthanen dritte Maͤchte
aufgefordert conſervatores und warrandi eines Staats-
vertrags zu werden. Dies iſt der Urſprung unſerer heuti-
gen Garantienh) deren haͤufiger Gebrauch mehr Nutzen
verſpricht als gewaͤhret i).











§. 57.
Beſtaͤdtigung und Erneuerung der Vertraͤge.


So lange ein geſchloßener Staatsvertrag nach der
Abrede der Paciſcenten beſteht, bedarf er zwar keiner Be-
ſtaͤdtigung, wie auf der andren Seite wenn er ſeine Kraft
verloren hat, er nicht beſtaͤdtiget, ſondern erneuert werden
muß, falls er fernerhin gelten ſoll: Um aber den inſonderheit
unter unabhaͤngigen Maͤchten ſo mißlichen Streitigkeiten
uͤber die Frage, ob ein vormahls geſchloßener Staatsvertrag
noch gelte moͤglichſt vorzubeugen, pflegen 1) Regenten bey
dem Antritt ihrer Regierung, ſie moͤgen durch Wahl oder
Erbrecht auf den Thron kommen, den Maͤchten mit welchen
ſie Vertraͤge haben allgemein zu erklaͤren, daß ſie die von
ihren Vorgaͤngern geſchloßenen Vertraͤge zu halten bereit
ſeyn a); obwohl dieſe Erklaͤrung, da ſie ganz allgemein und
oft nur muͤndlich durch den Weg der Geſandten geſchieht,
nicht hinreichend iſt, um die Streitigkeiten uͤber einzelne
Vertraͤge zu heben; 2) pflegen Maͤchte in manchen in Frie-
denszeiten errichteten Vertraͤgen, inſonderheit in Grenzver-
traͤgen, die aͤlteren Vertraͤge zu beſtaͤdtigen welche mit ſelbi-
gen in Verbindung ſtehn, und die ſie noch beobachten wollen,
im entgegengeſetzten Fall aber ſie aufzuheben b), 3) in Frie-
dens-
[69]Von Vertraͤgen.
densſchluͤßen nicht nur diejenigen Vertraͤge welche offenbar
durch den Krieg zerfallen, oder ausdruͤcklich aufgerufen ſind
zu erneuern, ſondern auch ſolche, in Anſehung deren ein Zwei-
fel eintreten koͤnnte, zu beſtaͤdtigen und zu erneuern. Dar-
aus allein aber, daß dies in Anſehung der letzteren unter-
laſſen worden, laͤßt ſich noch nicht ſchließen, daß der Ver-
trag fuͤr unverbindlich anzuſehen ſey c), ſo wie auf der an-
dern Seite die Erneuerung eines, oder einiger Artikel, noch
nicht auf die Erneuerung des ganzen Vertrags ſchließen
laͤßt d), uͤberhaupt aber die Kraft einer ſolchen Erneuerung
oder Beſtaͤdtigung eines Vertrags ſich nicht weiter anneh-
men laͤßt, als dieſer die Contrahenten des neuen Vertrags
betrift e).







§. 58.
Stillſchweigende Vertraͤge.


Wie in ausdruͤcklichen Vertraͤgen die Einwilligung
durch Worte oder Wortzeichen gegeben wird, ſo ſetzen ſtili-
ſchweigende Vertraͤge andere Handlungen voraus, die ohne
hergebrachte Wortzeichen zu ſeyn a), gleichwohl den Beweis
der Einwilligung enthalten. Wo dieſe erweißlich vorhanden
ſind, und die uͤbrigen Erforderniſſe eines guͤltigen und ver-
bindlichen Vertrages eintreten, da entſteht aus ſelbigen eine
eben ſo vollkommene und unwiderrufliche Verbindlichkeit, als
aus einem ausdruͤcklichen Vertrage, da nicht die Art wie der
Wille erklaͤret wird, ſondern die Gewißheit deſſelben das
Weſen des Vertrags ausmacht.


Nun giebt es viele Handlungen, welche den Beweis
einer Einwilligung in einem gegenwaͤrtigen Falle enthalten.
Auch ſind allerdings Handlungen gedenkbar, aus welchen
eine Einwilligung fuͤr die Zukunft gefolgert werden kann;
dazu aber wird erfordert, daß 1) ſie nicht nur frey und mit
Vorwiſſen unternommen worden, ſondern auch 2) entweder
der handelnde ſich fuͤr vollkommen verbunden geachtet ſo
zu handeln, oder doch die Handlung der Art ſey, daß die
Gleichfoͤrmigkeit des Betragens in der Zukunft eine noth-
wendige Folge dieſer erſten Handlung ſey b).


Unter
[71]Von Vertraͤgen.

Unter dieſen Umſtaͤnden kann eine einzige Handlung
den Beweis der ſtillſchweigenden Einwilligung enthalten.
Er wird aber verſtaͤrkt durch oͤftere Wiederholung der Hand-
lung. Daß uͤbrigens der kleinſte Theil unſres Voͤlkerrechts
auf wahrhafte ſtillſchweigende Vertraͤge beruhe, und daß
auch dieſer mehr Verzichtleiſtungen oder einſeitige Verbind-
lichkeiten, als gegenſeitige poſitive Praͤſtationen enthalte, das
kann wohl nur von denen gelaͤugnet werden, welche ſtill-
ſchweigende Vertraͤge und Gewohnheit fuͤr einerley halten.




Drittes Hauptſtuͤck.
Herkommen und Analogie.


§. 59.
Begriff und Verbindlichkeit des Herkommens.


Handlungen zu welchen ein Volk ſich entweder gar
nicht, oder doch nur unvollkommen durch die Vorſchriften
E 4der
[72]Zweytes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
der Menſchlichkeit, des Wohlſtandes, der Hoͤflichkeit ver-
bunden hielt, und die es daher zu unternehmen oder zu
unterlaſſen das vollkommene Recht hatte, geben nicht nur
dann wenn ſie einmahl, ſondern ſelbſt wenn ſie Jahrhun-
derte lang gleichfoͤrmig und noch ſo oft unternommen wor-
den, nie einen Beweis, daß dieſes Volk ſich gegen ein an-
deres vollkommen verpflichten wolle, in Zukunft ſeine Hand-
lungen auf gleiche Weiſe einzurichten, und koͤnnen ihm nie
das Recht nehmen von ſeiner bisherigen Handelsweiſe, ſobald
es dies fuͤr gut findet, abzuweichen, ohne einem andren davon
Rechenſchaft zu geben.


Nur eine natuͤrliche Vermuthung kann aus der bis-
her beobachteten Art zu handeln erwachſen, daß dieſes Volk
in kuͤnftigen Faͤllen unter aͤhnlichen Umſtaͤnden eben ſo wie
bisher ſich betragen werde, ſo lange es das Gegentheil nicht
erklaͤret hat.


Eine ſolche Vermuthung kann zuweilen aus einer
einzigen Handlung entſtehn, ſie wird aber beſtaͤrkt durch die
Laͤnge der Zeit und durch die Menge der Faͤlle in welchen
eine gleichfoͤrmige Handelsweiſe beobachtet worden, und ſich
zum Herkommen oder zur Gewohnheit gebildet hat. Ein
ſolches Herkommen gruͤndet ſich daher nicht auf eine ſtill-
ſchweigende Einwilligung, ſondern auf den aus Handlungen
gemuthmaaßten Willen eines Volks.


Aber eben dieſe gegruͤndete Vermuthung die ein Volk
bey andren erregt hat, macht es ihm zu einer Pflicht, wenn
es das bisherige Herkommen abſchaffen will, den uͤbrigen
Voͤlkern welche durch dieſe Muthmaaßung in Schaden ge-
ſetzt werden koͤnnen, in Zeiten ſeinen veraͤnderten Willen
anzuzeigen. Und obgleich dieſe Pflicht an ſich betrachtet nur
unvollkommen iſt, ſo geben doch die Freundſchafts- und Han-
delsbuͤndniſſe einen neuen Grund zu Beobachtung derſelben
an die Hand, und ſie wird uͤberdies von den Europaͤiſchen
Voͤlkern nicht nur anerkannt (wenn gleich nicht als eine
Zwangspflicht) ſondern auch ſtandhaft beobachtet.


§. 60.
[73]Herkommen und Analogie.

§. 60.
Aeußere Gruͤnde fuͤr die Dauer des Herkommens.


Alles dieſes verhindert jedoch nicht, daß 1) das bloße
Herkommen nur eine unvollkommene Verbindlichkeit mit
ſich fuͤhret, und daher 2) eine Nation zu deſſen Beobachtung
nicht rechtmaͤßig gezwungen werden kann, vielmehr 3) es
jederzeit abzuſchaffen befugt iſt, wenn ſie ſich nur zeitig zum
voraus daruͤber erklaͤrt; daher dieſer betraͤchtliche Theil des
poſitiven Voͤlkerrechts auf ſehr ſchwache und wankende
Stuͤtzen zu beruhen ſcheint; aber je weniger innere Kraft
die Verbindlichkeit deſſelben hat, deſtomehr aͤußere Gruͤnde
ſichern in gewiſſem Grade die Beobachtung deſſelben. Zu
dieſen Gruͤnden gehoͤrt: 1) die natuͤrliche Kraft der Ge-
wohnheit, welche in minder wichtigen und oft wiederkom-
menden Puncten ihre Gewalt ſo gut uͤber Voͤlker, als uͤber
Individuen aͤußert. 2) Der Vortheil den einzelne Puncte
des Herkommens gewaͤhren 3) der Wunſch fuͤr eine aufge-
klaͤrte, geſittete, wohlgeſinnte Nation gehalten zu werden 4)
die Furcht, daß wenn wir uns von dem Herkommen entfernen
ein anderes Volk ſich der Retorſion bedienen oder 5) andere
uns wichtigere Gewohnheitsrechte uns verweigern werde, oder
wohl gar 6) mehrere Voͤlker gemeinſchaftliche Sache in
Verweigerung der Gewohnheitsrechte gegen uns machen
moͤchten; inſonderheit aber 7) die Beſorgniß, daß die Ver-
letzung einer zwiſchen freundſchaftlich geſinnten Voͤlkern uͤbli-
chen Gewohnheit, von andern als ein Vorbote wirklicher Ver-
letzungen des Voͤlkerrechts ausgelegt a), und unter dieſem
Geſichtspunct als ein Rechtſertigungsgrund wirklicher Ver-
letzungen angeſehn werden moͤchte.



E 5§. 61.
[74]Zweytes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

§. 61.
Verhaͤltniß zwiſchen Herkommen und Vertragsrecht.


Uebrigens iſt unlaͤugbar, und durch Geſchichte und
Erfahrung hinreichend dargethan, daß bloße Voͤlkerrechts-
Gewohnheiten mit der Zeit und den Umſtaͤnden allerdings
eine Abaͤnderung leiden a). Nur diejenigen Gewohnhei-
ten (wenn man anders ſie ſo nennen will), welche bloß das
natuͤrliche Voͤlkerrecht beſtaͤdtigen, ſollten in allen den Faͤllen
nicht veraͤndert werden, in welchen dieſes unveraͤnderlich iſt.


Uebrigens kann das, was anfangs bloß Herkommens
war, in der Folge durch ausdruͤckliche oder ſtillſchweigende
Vertraͤge in vollkommene Verbindlichkeit verwandelt wer-
den, ſo wie auf der andern Seite gedenkbar iſt, daß aus-
druͤckliche Vertraͤge in der Folge durch Herkommen erklaͤrt,
abgeſchaft oder veraͤndert werden.



§. 62.
Analogie.


Endlich iſt auch die Analogie eine ergiebige Quelle
der Entſcheidungen in Angelegenheiten der Voͤlker. Auch
im Voͤlkerrecht kann nemlich von dem was fuͤr gewiſſe
Faͤlle durch Vertraͤge oder Herkommen feſtgeſetzt iſt, auf
andere dieſen aͤhnliche und noch unentſchiedene Faͤlle eine
Anwendung gemacht werden. Daß die Richtigkeit und
Kraft dieſes analogiſchen Schlußes von der Aehnlichkeit der
Faͤlle welche mit einander verglichen werden abhaͤnge, er-
giebt die Natur der Sache.


Viertes
[75]Von der Verjaͤhrung.

Viertes Hauptſtuͤck.
Von der Verjaͤhrung.


§. 63.
Ob die Verjaͤhrung in dem allgemeinen V. R. gegruͤndet ſey.


Eine der ſtreitigſten Fragen des Voͤlkerrechts iſt die,
ob die Verjaͤhrung a) mit unter die Quellen des Voͤlker-
rechts gezaͤhlet werden koͤnne; ob durch ſie Rechte erworben
und verloren werden koͤnnen; ob ſie in dem allgemeinen,
oder doch in dem poſitiven Voͤlkerrecht ihren Grund habe.


Daß man ſeinem Eigenthum oder einem andren
Rechte das man beſaß, nicht nur ausdruͤcklich, ſondern auch
ſtillſchweigend, durch Handlungen entſagen koͤnne, welche
den Beweiß dieſer Verzichtleiſtung enthalten, und dadurch
andere berechtigen koͤnne dieſe Guͤter, oder Rechte oder Be-
freyungen zu erwerben, wird nicht bezweifelt. Ob aber
der bloße Nicht-Gebrauch des Eigenthums, oder eines an-
dren Rechts, ob das freywillig und wiſſentlich beobachtete
Stillſchweigen, wenn wir ſehn, daß ein anderer unſer Gut
beſitzt oder un fren Rechten entgegen handelt, dann, wenn
dieſer Nicht Gebrauch oder dieſes Stillſchweigen lange fort-
geſetzt worden, uns um unſer Eigenthum oder um unſere
Rechte bringen, und hinreichen kann um dem Beſitzer ein
unanfechtbares Recht zu erwerben, das iſt es, worauf es
bey Beſtimmung der Frage ankommt, ob die Verjaͤhrung
zwiſchen freyen Voͤlkern ſtatt habe. Nun hat der bloße
Nicht-Gebrauch, das bloße Stillſchweigen, fuͤr ſich betrach-
tet, nicht die Kraft der Verzichtleiſtung oder Einwilligung,
ſofern wir nicht verbunden ſind uns unſres Rechts zu be-
dienen, oder zu reden. Eine ſolche Verbindlichkeit iſt aber
nach dem abſoluten natuͤrlichen Voͤlkerrecht nicht vorhanden;
wir begehn auch dadurch keine ſtrafbare Nachlaͤſſigkeit; die
bloße unlaͤugbare Vermuthung aber, die aus unſrem Still-
ſchweigen
[76]Zweytes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
ſchweigen erwaͤchſt, bringt uns noch nicht um unſere Rechte.
Die Verjaͤhrung hat daher nach dem abſoluten natuͤrlichen
Voͤlkerrecht nicht ſtatt. Und wenn gleich das Beſte der
Voͤlker wuͤnſchen laͤßt, daß die Verjaͤhrung anerkannt werde,
und ſie daher, fuͤr erweißlich in Geſellſchaft lebende Voͤlker,
zu dem natuͤrlichen Geſellſchaftrecht derſelben gezaͤhlet wer-
den koͤnnte b), ſo iſt doch in der Wahrheit nichts gewon-
nen, ſo lange man nicht die Zeit beſtimmen kann welche
zum Verluſt, oder zur Erwerbung der Rechte durch Ver-
jaͤhrung erfordert wird, und daß das natuͤrliche Voͤlkerrecht
dieſe nicht genau beſtimmen koͤnne c), iſt in die Augen
fallend.


Zwar hat jeder Beſitzer einer Sache ſo lange ein
Recht ſeinen Beſitz fortzuſetzen, bis ein anderer ein beſſeres
Recht auf dieſe Sache dargethan hat; wenn man ſich daher
einen ſo unvordenklichen Beſitz gedenkt, daß nicht darge-
than werden kann, daß je ein anderer als der jetzige Be-
ſitzer oder deſſen Vorfahren die Sache beſeſſen, ſo iſt es
Folge von dieſen Umſtaͤnden, daß er einen jeden mit ſeinen
Anſpruͤchen abweiſen kann. Aber ſehr uneigentlich wird
dieſer favor poſſeſſionis unvordenkliche Verjaͤhrung ge-
nannt d).






§. 64.
[77]Von der Verjaͤhrung.

§. 64.
Ob die Verjaͤhrung in dem poſitiven V. R. gegruͤndet ſey.


Die Europaͤiſchen Maͤchte a) berufen ſich zwar oft in
ihren Schriften auf Verjaͤhrung; ſie ſcheinen ſie auch an-
zuerkennen, indem ſie um ihre Rechte zu erhalten zu Pro-
teſtationen ihre Zuflucht nehmen; es ſcheint auch, daß von
der anerkannten Verbindlichkeit durch zeitige Erklaͤrungen
zu verhindern, daß erregte gegruͤndete Vermuthungen an-
dere Voͤlker nicht in Schaden ſetzen, ein analogiſcher Schluß
auf die Verbindlichkeit gelte zu proteſtiren, wenn ſie ihre
Rechte nicht aufgeben wollen: allein 1) ſind die Aeußerun-
gen der Maͤchte oft ſo widerſprechend, daß nicht ſelten eine
Macht die Verjaͤhrung die ſie bey einer Gelegenheit be-
hauptete, bey einer andern ableugnet 2) oft verſtehn aber
auch die Verfaſſer der Staatsſchriften unter Verjaͤhrung
die Erloͤſchung eines Rechts auf das man ſtillſchwei-
gend durch Handlungen Verzicht geleiſtet hat, welche
die Einwilligung beweiſen; 3) oft ſind Proteſtationen noth-
wendig, um zu verhindern, daß nicht aus kuͤnftigen, vielleicht
unvermeidlichen Handlungen, ihre ſtillſchweigende Einwilli-
gung gefolgert werden moͤge; und wenn 4) auch in andren
Faͤllen der Weg der Proteſtationen, als der ſicherſte ge-
waͤhlet wird, ſo iſt dies kein Geſtaͤndniß der Ueberzeugung
daß ſonſt dieſe Rechte verloren gehn wuͤrden, wie auch
5) die Verbindlichkeit anderen einen aus rechtmaͤßigen Ver-
muthungen entſtehenden Irrthum zu benehmen ſelbſt von
dem Europaͤiſchen Maͤchten nicht als eine wahrhaft voll-
kommene Verbindlichkeit anerkannt wird.


Da uͤberdies weder durch einen allgemeinen, noch
durch irgend einen einzigen beſondren Vertrag, oder durch
Herkommen, die zur Verjaͤhrung erforderliche Zeit unter den
Europaͤiſchen Voͤlkern feſtgeſetzt worden, ſo kann die eigent-
liche Verjaͤhrung nicht als Quelle der Rechte der ſouverai-
nen Staaten in Europa unter einander angeſehn werden,
und man gewinnt nichts dabey ſie anzunehmen.


Abhaͤn-
[78]Zweytes Buch. Viert. Hptſt. V. d. Verjaͤhrung.

Abhaͤngige (halbſouveraine) Staaten hingegen, welche
noch einen gemeinſamen Geſetzgeber uͤber ſich erkennen,
der durch poſitive Geſetze die Kraft und Erforderniſſe der
Verjaͤhrung feſtgeſetzt hat, muͤſſen allerdings unter einander
die Verjaͤhrung anerkennen b); in ihrem Verhaͤltniſſe gegen
Auswaͤrtige aber nur in den Faͤllen, in welchen der Streit
vor den Gerichten ihres Oberherrn, und nach deſſen Ge-
ſetzen zu entſcheiden iſt.





[79]

Drittes Buch.
Von den Rechten und Verbindlichkeiten der
Voͤlker unter einander in Ruͤckſicht auf die
innere Staatsverfaſſung eines Landes.


Erſtes Hauptſtuͤck.
Von den Rechten eines jeden Staats auf ſein Gebiet.


§. 65.
Folgen des Eigenthumsrechts.


Sobald ein Volk einen Diſtrict occupirt hat, (§. 38.)
ſo erlangt es dergeſtalt das Eigenthum uͤber alles was
innerhalb dieſes Bezirks gelegen iſt, daß es mit Ausſchluß
aller anderen Voͤlker davon Gebrauch machen, und daruͤber
auf jede Art diſponiren kann, die nur nicht die vollkom-
menen Rechte eines dritten verletzt. Wieviel von dieſen
Guͤtern als Privat-Eigenthum den einzelnen Mitgliedern
zufallen ſolle, haͤngt von dem Willen der Geſellſchaft, oder
von den Umſtaͤnden der Occupation ab. Was in dieſer
Vertheilung der Guͤter nicht zu Privat-Eigenthum ange-
wieſen wird, oder wieder aufhoͤret einen Privateigenthuͤ-
mer zu haben, das bleibt gemeinſchaftliches Gut der Ge-
ſellſchaft, oder wird es wieder, es mag dieſe es auf den
Fuß des Privateigenthums benutzen, oder wie oͤffentliche
Wege, gemeine Weiden, Fluͤſſe u. ſ. f. einem jeden Mit-
gliede zum Gebrauch frey, oder endlich ganz unbenutzt
laſſen a). Ein Fremder hat hieran uͤberall keinen Anſpruch
zu machen.


Geſetzt ein Volk wird nicht durch Occupation, ſon-
dern durch einen freywilligen, oder guͤltig erzwungenen Ver-
trag,
[80]Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
trag, Eigenthuͤmer eines Diſtricts, ſo kann dieß zwar auf
die Vertheilung der Guͤter, und auf die Rechte der Pri-
vat-Eigenthuͤmer Einfluß haben, aber in Anſehung der
Fremden iſt dieſer Fall von dem Vorhergehenden nicht we-
ſentlich verſchieden; nur daß, da niemand mehr Rechte
abtreten kann als er ſelbſt beſitzt, falls die vorigen Eigen-
thuͤmer an auswaͤrtige ſchon Rechte auf den Fuß der Dienſt-
barkeiten oder ſonſt veraͤußert hatten, der neue Eigenthuͤ-
mer dieſe Rechte anzuerkennen verbunden iſt b).




§. 66.
Oberherrſchaft.


Findet ein ſolches Volk fuͤr gut ſich in einen Staat
zu vereinigen, ſo erſtreckt ſich die hoͤchſte Gewalt in dem-
ſelben uͤber alle Guͤter, ſie ſeyn Privat- oder Staats-Ei-
genthum, und uͤber alle Perſonen die ſich in dieſem Staat
befinden, oder die in deſſen Gebiet eintreten.


Wie die innere Verfaſſung dieſes Staats eingerichtet
werden ſolle, dieß zu beſtimmen haͤngt der Regel nach von
dem alleinigen Ermeſſen des ſich bildenden Staats, mit
Ausſchluß aller fremden Theilnahme ab.


Zweytes Hauptſtuͤck.
Von den Rechten und Verbindlichkeiten fremder
Voͤlker in Anſehung der Staatsverfaſſung eines
Landes uͤberhaupt.


§. 67.
Allgemeine Grundſaͤtze.


Die innere Verfaſſung eines Landes beruhet auf die
Beſtimmung folgender 2 Puncte: 1) wer ſoll die hoͤchſte
Gewalt
[81]Rechte d. Voͤlker in Anſehung d. Staatsverf. uͤberh.
Gewalt verwalten, eine phyſiſche oder eine moraliſche Per-
ſon; in dem erſteren Falle, wer ſoll dieſe phyſiſche Perſon
ſeyn, und wie ſoll bey ihrem Abgang ihre Stelle erſetzt
werden, in dem andern, wie ſoll dieſe moraliſche Perſon
gebildet und ergaͤnzt werden; 2) wie ſoll dieſe hoͤchſte Ge-
walt verwaltet werden. Beides feſtzuſetzen iſt zwar, als
eine innere Angelegenheit der Geſellſchaft, der Regel nach
ein Recht das ſie mit Ausſchluß aller Fremden zu uͤben
befugt iſt, es ſey von der erſten Bildung oder der nach-
mahligen Abaͤnderung der Staatsverfaſſung die Rede;
doch leidet die e Regel Ausnahmen, ſo daß I) ſelbſt wenn
die Nation auch in Anſehung aller dieſer Puncte einig waͤre,
es moͤglich iſt, daß 1) eine dritte von ihr zuvor ein beſon-
ders Recht erhalten habe, einer ſolchen Abaͤnderung zu wi-
derſprechen; oder 2) ihre eigene Selbſterhaltung ſie berech-
tige ſolchen Abaͤnderungen ſich zu widerſetzen und daher im
Colliſionsfall dieſe den uͤbrigens vollkommnen Pflichten ge-
gen andere vorzuziehn, daß II) wenn, wie faſt immer der
Fall iſt, in dem Staat ſelbſt Streit und Trennung in
verſchiedene Partheyen erwaͤchſt, einer dritten Nation frey
ſteht 1) ihre guten Dienſte oder ihre Vermittelung anzu-
bieten, und wenn ſie angenommen werden ſie zu verwen-
den, 2) wenn ſie von einer Parthey, welche das Recht
auf ihrer Seite hat, zu Huͤlfe gerufen wird, dieſe Huͤlfe
durch zweckmaͤßige Mittel zu leiſten 3) in dieſe Streitig-
keiten auch unaufgefordert ſich dann einzumiſchen, wenn ſie
dazu entweder ein beſonderes Recht erlangt hat, oder durch
die Sorge fuͤr ihre Selbſterhaltung dazu berechtiget wird.


Dieſe in der Theorie unlaͤugbare Ausnahmen ſind in
dem Munde unabhaͤngiger, ihrer eigenen Einſicht folgen-
den, Nationen von ſo weitem Umfange, daß kein Wun-
der iſt, wenn ſie faſt die Regel aufzuheben ſcheinen, und
wenn in Europa nicht leicht erhebliche Streitigkeiten dieſer
Art entſtehn, an welchen nicht eine oder die andere fremde
Macht, dann, wenn es ihr Intereſſe zu erfordern ſcheint,
FAntheil
[82]Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Antheil unter irgend einem Vorwande nimmt, durch wel-
chen ſie ſich gegen den Vorwurf einer Verletzung des Voͤl-
kerrechts zu ſchuͤtzen ſucht.


Dabey ſind jedoch noch drey Hauptfaͤlle zu unterſchei-
den, ob nemlich 1) von der Beſetzung des Throns in mo-
narchiſchen Staaten, oder 2) von Einfuͤhrung einer mehr
oder minderen Gewalt des Regenten, oder 3) von foͤrmli-
chen Revolutionen die Rede iſt.


§. 68.
Erbfolge in Monarchien.


Iſt die Rede von Beſetzung des Throns in monar-
chiſchen Staaten, ſo hat zwar jede Nation 1) das Befugniß
einer Familie das Recht der Regierung erblich zu uͤbertra-
gen und zwiſchen den Mitgliedern derſelben das Recht und
die Ordnung der Erbfolge feſtzuſetzen 2) nach Ausſterben
der zur Erbfolge berechtigten ein neues Oberhaupt fuͤr ſeine
Perſon oder Familie zu waͤhlen 3) bey entſtehendem Erb-
folgeſtreit zwiſchen mehreren Praͤtendenten denjenigen an-
zuerkennen, deſſen Recht ſie fuͤr am Beſten gegruͤndet haͤlt a),
oder wenn ſich dies nicht beſtimmen laͤßt, einen unter ihnen
zu erwaͤhlen b); aber 1) haͤlt nicht nur ein auswaͤrtiger Praͤ-
tendent ſich fuͤr berechtiget ſeinen Anſpruch allenfalls mit
den Waffen in der Hand durchzuſetzen, auch 2) den Bey-
ſtand ſeiner Alliirten hiezu aufzufordern, ſondern auch dritte
Maͤchte finden bald 3) in ihrer Freundſchaft und Nachbar-
ſchaft, bald 4) in ihren mit dem einen Theil geſchloßenen
Vertraͤgen, bald 5) in einem erworbenen beſondren Recht
des Widerſpruchs, bald 6) in der Sorge fuͤr die Erhaltung
des Gleichgewichts einen mehr oder minder gegruͤndeten
Vorwand, ſich nachdruͤcklich in dieſe Streitigkeiten zu mi-
ſchen; daher ſind, inſonderheit ſeit den letzten Jahrhunderten,
wo die mehr befeſtigte innere Ruhe und die verfeinerte Po-
litik den Staaten mehr Gelegenheit gegeben ſich um fremde
Angelegenheiten zu bekuͤmmern, die mehreſten und wichtig-
ſten
[83]Rechte d. Voͤlker in Anſehung d. Staatsverf. uͤberh.
ſten Streitigkeiten uͤber die Erbfolge in Europa mehr nach
dem Willen auswaͤrtiger Maͤchte und durch Vertraͤge, als
durch freyen Willen des Staats, um deſſen Beherrſchung
es galt, beendiget, und oft der letztere gar nicht darum be-
fragt worden c). Nur der Einfluß den ehemahls die Paͤbſte
ſich in Entſcheidung ſolcher Streitigkeiten und in Verge-
bung der Kronen anmaaßten d) wird ihnen jetzt, ſelbſt von
catholiſchen Staaten, nicht mehr eingeraͤumt.






§. 69.
Beſetzung des Throns in Wahlreichen.


Eben ſo ſteht im Wahlreichen dem Volk, oder denen
unter ſeinen Mitgliedern, welchen es dieſes Recht uͤbertra-
gen hat, das Befugniß zu, einen Regenten zu waͤhlen, und
eine fremde Nation hat ſo wenig das Recht ihm einen Be-
herrſcher aufzudringen, als den welchen das Volk erwaͤhlen
F 2will,
[84]Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
will, von der Wahl auszuſchließen a), oder zu unterſuchen
ob die Wahl grundgeſetzmaͤßig ſey, ſo lange die Nation
ſelbſt wider die Wahl nichts erinnert. Doch kann einer
fremden Nation 1) nicht verwehrt werden, durch guͤtliche
Vorſtellungen einen Croncandidaten zur Wahl zu empfeh-
len, oder von der Wahl eines andern abzurathen; 2)
iſt gedenkbar, daß ſie durch Vertrag oder Herkommen ein
Ausſchließungsrecht erlangt habe, oder 3) aus Sorge fuͤr
ihre eigene Sicherheit ſich der Wahl eines ſchon zu maͤchti-
gen Fuͤrſten mit Recht widerſetzen koͤnne. Auch kann 6)
wenn uͤber die Guͤltigkeit der Wahl das Urtheil des Volks
ſelbſt getheilt iſt, Auswaͤrtigen das Recht nicht abgeſprochen
werden, derjenigen Parthey beyzutreten, die nach ihrer Ueber-
zeugung das beſte Recht hat b); und eben dieſes tritt 7)
in Faͤllen einer zwieſpaͤltigen Wahl ein c).


Daher iſt kein Wunder, wenn faſt jede Wahl der
drey großen Europaͤiſchen Wahlfuͤrſten, des Pabſts d), des
roͤmiſchen Kaiſers e) und bisher des Koͤnigs von Polen f)
von dem Einfluſſe fremder Maͤchte, inſonderheit derer ge-
litten hat, welche ſich dabey auf ein beſonders erworbenes
Recht zu gruͤnden geſucht.





d) Seit
[85]Rechte d. Voͤlker in Anſehung d. Staatsverf. uͤberh.



§. 70.
Notification des Antritts der Regierung.


Wenn ein neuer Regent, es ſey durch Erbrecht oder
Wahl, auf den Thron ſteigt, ſo pflegt er davon allen den
Staaten Nachricht zu geben, mit welchen er in Verbindung
ſteht, und obwohl dies Herkommen an ſich ſelbſt nicht ver-
bindlich iſt a), ſo wuͤrde doch, wenn es unterbliebe, der neue
Regent von anderen Staaten nicht leicht anerkannt werden;
und
[87]Rechte d. Voͤlker in Anſehung d. Staatsverf. uͤberh.
und eben dieſe Ruͤckſicht veranlaſſet, daß ſelbſt zwiſchen
kriegfuͤhrenden Maͤchten b) dieſes Herkommen beobachtet wird.
Auf eine ſolche Notification wird durch Gluͤckwuͤnſche geant-
wortet. Beides geſchieht den Umſtaͤnden nach entweder
blos ſchriftlich, oder durch einen Courier, oder durch den
ordentlichen Geſandten, oder durch eine außerordentliche Ge-
ſandſchaft, die wohl gar aus mehreren Perſonen beſteht c).
Zwiſchen Staaten gleicher Wuͤrde pflegt hierinn eine Gleich-
heit beobachtet zu werden; die Art ſelbſt der Notification
aber haͤngt von der beſondren Obſervanz der einzelne Hoͤfe
gegen einander ab. Es hat ſchon Faͤlle gegeben, wo ein
Staat die Notification oder den Gluͤckwunſch d) anzuneh-
men geweigert hat, wenn er ein ausgezeichneteres Ceremo-
niel begehren zu koͤnnen glaubte.






F 4§. 71.
[88]Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

§. 71.
Innere Verfaſſung uͤberhaupt.


Wie einer jeden Nation das ausſchließliche Recht zu-
ſteht, ſich einen Regenten zu waͤhlen, ſo hat jeder Staat
auch das Recht ſich ſeine Verfaſſung zu waͤhlen und ab-
zuaͤndern. So lange der Regent und das Volk uͤber ſolche
Abaͤnderungen einig ſind, ſo lange kann eine auswaͤrtige
Macht ſich dieſen ſelbſt dann nicht widerſetzen, wenn ſie
Garant der vorigen Verfaſſung geworden waͤre a). Auch
der Vorwand, daß der Staat durch die neue Verfaſſung zu
maͤchtig werde, iſt kein Rechtfertigungsgrund, um ihn an
ſeiner inneren Vervollkommnung zu verhindern b).


Noch weniger darf eine auswaͤrtige Macht ſich es
erlauben, einem Staat wider ſeinen Willen eine neue Ver-
faſſung aufzudringen, oder zwiſchen ruhig lebenden Buͤrgern
den Saamen der Empoͤrung, durch Freyheitsprediger u. ſ. f.
auszuſtreuen c), oder alte Zwiſtigkeiten zwiſchen Haupt und
Glieder wieder aufzuwecken d).


Geſetzt es entſtehn aber in dem Staat ſelbſt Strei-
tigkeiten uͤber die Abaͤnderung der bisherigen Verfaſſung,
ohne daß noch weder von Abſetzung des Regenten, noch
von einer gaͤnzlichen Staatsumwaͤlzung die Rede waͤre, ſo
hat zwar auch der Regel nach kein auswaͤrtiger Staat das
Recht ſich in dieſe einheimiſche Angelegenheiten zu miſchen e).
Doch koͤnnen ihm 1) Freundſchaft und Nachbarſchaft die
Veranlaſſung geben ſeine guten Dienſte oder ſeine Ver-
mittelung anzubieten; 2) er kann ſelbſt durch Garantie f)
oder andere Vertraͤge g) ein Recht erlangt haben ſich derer
anzunehmen, deren Rechte in Gefahr ſind unterdruͤckt zu
werden, und die ſeine Huͤlfe aufzufordern berechtiget ſind h)
und auffordern; es iſt endlich 4) gedenkbar, daß die Ge-
fahr welche der eigenen Sicherheit des Nachbaren drohet,
dieſen berechtige, ſich in ſolche Haͤndel zu miſchen i).




c) S.
[89]Rechte d. Voͤlker in Anſehung d. Staatsverf. uͤberh.







§. 72.
Revolutionen.


Arten endlich die inneren Streitigkeiten in eine foͤrm-
liche Revolution aus, ſo daß entweder eine bisher unter-
worfene Provinz ſich von ihrem Oberherrn unabhaͤngig
machen a), oder ein Volk ſeinen Regenten, entweder fuͤr
ſeine Perſon abſetzen b), oder eine gaͤnzliche Umwaͤlzung der
Verfaſſung vornehmen will c), ſo treten zwar auch hier die
eben bemerkten Grundſaͤtze ein, ſo daß eine auswaͤrtige
Macht ſich in dieſe innere Angelegenheit nicht anders mi-
ſchen darf, als ſofern ſie entweder innerhalb der Grenzen
einer guͤtlichen Vermittelung bleibt, oder durch Vertraͤge d)
oder als zu Huͤlfe gerufener Theil, oder aus Sorge fuͤr
ihre eigene Sicherheit dazu berechtiget iſt; doch treten hiebey
noch eigene Ruͤckſichten ein, ſofern entweder von der bloßen
F 5Anerken-
[90]Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Anerkennung des alten oder neuen Souverains, oder von
wirklicher Huͤlfleiſtung die Rede ſeyn kann. Nun hat zwar,
ſoviel das erſtere betrift, bey ſolchen Streitigkeiten im zwei-
felhaften Fall der bisherige Oberherr, theils aus ſeinem Be-
ſitz, theils aus ſeinem Verhaͤltniß gegen Unterthanen alle-
mahl die Vermuthung fuͤr ſich. Da indeß aͤußerſte Faͤlle
gedenkbar ſind, wo eine ſolche Revolution gerechtfertiget wer-
den kann e), und eine dritte Nation nicht vollkommen ver-
bunden iſt in zweifelhaften Faͤllen zu unterſuchen, welche von
beiden, hier nothwendig entſtehenden, Partheyen das Recht
auf ihrer Seite habe, ſo beleidiget ſie das Voͤlkerrecht und die
Neutralitaͤt nicht, wenn ſie die Provinz als unabhaͤngig
behandelt, die in facto in Beſitz der Unabhaͤngigkeit iſt,
und denjenigen Regenten, oder diejenige Gewalt als Ver-
walter der hoͤchſten Gewalt behandelt, die in Beſitz der
hoͤchſten Gewalt ſind, ohne uͤbrigens an den Streit ſelbſt
thaͤtigen Antheil zu nehmen; wenn ſchon nach der Praxis
der Gegentheil auch hieruͤber ſich ſo lange beſchweren zu koͤn-
nen glaubt, als er auf ſeinen Anſpruch nicht Verzicht ge-
leiſtet hat f).


Iſt aber von thaͤtiger Einmiſchung die Rede, ſo hat
zwar eine fremde Macht das natuͤrliche Recht in den oben
beruͤhrten Faͤllen demjenigen Theil Huͤlfe zu leiſten, der das
Recht auf ſeine Seite hat, wenn ſie nicht verſprach neutral
zu bleiben, wie es umgekehrt den Grundſaͤtzen des natuͤr-
lichen Rechts widerſpricht, eine ſchlechte Sache vertheidigen
zu helfen. Da aber nothwendig das Urtheil der entgegengeſetz-
ten Partheyen uͤber die Rechtmaͤßigkeit ihrer Sache wider-
ſprechend ſeyn muß, ſo iſt unvermeidlich, daß der geleiſtete
Beyſtand von dem Gegentheil als eine Verletzung des Voͤl-
kerrechts angeſehn wird, wenn ſchon die Macht, welche
dem bisherigen rechtmaͤßigen Oberherrn Beyſtand leiſtet,
die Vermuthung der Rechtmaͤßigkeit fuͤr ſich hat. Was
aber fuͤr Maaßregeln dawider ergriffen werden, haͤngt von
den Umſtaͤnden und der Politik ab.


Hat
[91]Rechte d. Voͤlker in Anſehung d. Staatsverf. uͤberh.

Hat endlich der Staat die Unabhaͤngigkeit der ſich
loßreiſſenden Provinz ausdruͤcklich g) oder ſtillſchweigend an-
erkannt, oder [d]er Praͤtendent auf den Thron Verzicht ge-
leiſtet h), ſo koͤnnen dritte Maͤchte ſich nicht weigern, den
neuen Staat oder Regenten anzuerkennen, und es bedarf
keiner foͤrmlichen Anerkenntniß von ihrer Seite i).











Drittes Hauptſtuͤck.
Von den gegenſeitigen Rechten der Voͤlker in
Anſehung der einzelnen auf die innere Staatsver-
waltung abzweckenden Hoheitsrechte.


§. 73.
Allgemeine Grundſaͤtze.


Da der Zweck des Staats die hoͤchſtmoͤgliche Wohl-
farth und Sicherheit der Mitglieder iſt, ſo muß die hoͤchſte
Gewalt das Recht haben, alles das anzuordnen und ins
Werk zu ſetzen, was als nothwendiges Mittel zu Errei-
chung dieſes Zwecks anzuſehn iſt, und ſofern laͤßt ſich die
Souverainetaͤt als ein Ganzes als ein, viel umfaſſendes,
Recht anſehn. Aber nichts verhindert die verſchiedenen
Mittel wodurch dieſer Zweck erreicht wird als eben ſo viele
in der Souverainetaͤt, als dem Inbegriff, enthaltene ein-
zelne Hoheitsrechte anzuſehn, welche denn wieder auf man-
nigfaltige Weiſe, entweder in innere und auswaͤrtige, und
die inneren in Theile der geſetzgebenden und executiſchen
Gewalt, oder auch uͤberhaupt in weſentliche und zuſaͤllige,
und jene in geiſtliche und weltliche, die weltlichen in allge-
meine und beſondere u. ſ. f. eingetheilet werden koͤnnen a).
Was aber auch hier in Hinſicht der inneren Hoheitsrechte fuͤr
eine Eintheilung zum Grunde gelegt wird, ſo iſt in An-
ſehung
[93]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
ſehung auswaͤrtiger Voͤlker unſtreitig: 1) daß alle dieſe
Rechte dem Staat ausſchließlich zuſtehn und ſich uͤber alle
Perſonen, ſie ſeyn Eingebohrne oder Fremde, und uͤber alle
Guͤter die ſich im Staat befinden erſtrecken, und nach dem
Gutfinden des Staats ausgeuͤbt werden koͤnnen; daß hin-
gegen 2) ſie ſich auch nicht außerhalb der Grenzen des Ge-
biets erſtrecken, ſo daß nicht nur ein Staat der Regel
nach kein Recht hat irgend eines dieſer Hoheitsrechte auf
fremden Gebiet auszuuͤben, ſondern auch daß das, was er
Kraft deſſelben bey ſich zu Hauſe unternommen hat, der
Strenge nach bey Auswaͤrtigen gar keine Wirkung hervor-
bringt. Sieht man hingegen auf die, theils auf Herkom-
men, theils ſelbſt auf Vertraͤge gegruͤndete Praxis der Eu-
ropaͤiſchen Voͤlker, ſo zeigt ſich ſehr haͤufig, daß 1) fremde
Maͤchte fuͤr ihre Unterthanen welche in ein fremdes Gebiet
eintreten, oder ſich dort niederlaſſen, oder von Haus aus
mit den Unterthanen dieſes Staats in Verkehr ſind, man-
ches zu fordern berechtiget ſind, was nach den ſtrengen Grund-
ſaͤtzen des natuͤrlichen Rechts dieſer Staat zu ihrem Vor-
theil zu leiden, zu unterlaſſen, oder zu unternehmen nicht
verbunden waͤre. 2) Daß in manchen Faͤllen demjenigen,
was ein Staat bey ſich zu Hauſe unternommen hat, auch
bey Auswaͤrtigen eine Kraft und Wirkung beygelegt wird,
auf welche er nach der Strenge keinen Anſpruch zu machen
haͤtte. Dieſe gegenſeitigen Rechte, welche ein Staat und
deſſen Unterthanen gegen einen andren Staat und deſſen
Unterthanen haben, kommen dem Begriff einer Staats-
dienſtbarkeit, ſervitus iuris publici ſehr nahe; und nichts
hindert ſie ſo zu benennen, wenn man nur dieſe allgemei-
nen, gegenſeitigen und großentheils auf Herkommen, mit-
hin auf unvollkommenes Recht, beruhende Dienſtbarkeiten
[ſervitutes iuris publici generales b)] nicht mit den be-
ſondren einſeitigen, auf Vertraͤge beruhenden Dienſtbarkei-
ten (ſervitutes iuris publici particulares) Kraft deren
ein Staat zum Beſten eines einzelnen anderen etwas zu
thun, zu leiden, oder zu unterlaſſen vollkommen verbunden
iſt,
[94]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
iſt, ohne von jenem eben dieſes fordern zu koͤnnen. Von
dieſen letzteren wird unten §. 111. gehandelt werden; zu Er-
oͤrterung der erſteren iſt rathſam, die vorzuͤglichſten inneren
Hoheitsrechte durchzugehn, in Anſehung deren ſich ſolche
von dem ſtrengen Voͤlkerrecht abweichende Rechte zeigen.




§. 74.
Von Geſtattung des Eintritts, Durchgangs und Aufent-
halts der Fremden.


Als eine Folge des ausſchließlichen Eigenthumsrechts
uͤber ihr Gebiet, hat eine Nation das ſtrenge Recht, allen
Fremden ſowohl zu Waſſer als zu Lande den Eintritt in
ſelbiges, die Durchreiſe und den Aufenthalt, auch wenn
dieſe ihr unſchaͤdlich waͤren a), zu verbieten, folglich auch
zu verlangen, daß ohne ihre beſondere Erlaubniß niemand
ihr Gebiet beruͤhre, nur Nothfaͤlle, welche inſonderheit
theils aus der phyſiſchen Lage eines eingeſchloſſenen Staats b),
theils aus erlittener Seegefahr, oder aus der Flucht vor
dem Feinde erwachſen koͤnnen, geben einem fremden Volk
oder deſſen Unterthanen das Recht den Eintritt und Durch-
gang ſich mit Gewalt zu verſchaffen.


Noch weniger haben Fremde ein vollkommenes Recht
ſich in einem andern Staat nieder zu laſſen, und Grund-
ſtuͤcke anzukaufen c).


Nach der heutigen Praxis aber erlaubt jede euro-
paͤiſche Nation den Unterthanen der uͤbrigen in Friedens-
zeiten allgemein und ohne beſondere Erlaubniß den Ein-
tritt, Durchgang und Aufenthalt in Anſehung ihrer euro-
paͤiſchen Beſitzungen d) ſowohl zu Waſſer e) als zu Lande;
auch
[95]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
auch außerhalb der Nothfaͤlle; und dieſe Freyheit des
Durchgangs beruhet theils auf Vertraͤge, inſonderheit auf
Friedenſchluͤſſe, Grenz- und Handelsvertraͤge f) theils auf
Herkommen, theils in Anſehung der teutſchen Staaten
unter einander ſogar zum Theil auf Geſetze g). Auch das
Verboth des Ankaufs liegender Gruͤnde fuͤr Fremde iſt in
neueren Zeiten ſeltner geworden, und zum Theil durch
Vertraͤge h) gehoben.


Dieſe Freyheit des Eintritts und Aufenthalts iſt
jedoch nur im allgemeinen und ſo weit ſie dem Staat un-
ſchaͤdlich iſt anerkannt, daher jeder Staat noch jetzt das
Recht uͤbt 1) ſich beym Eintritt eines Fremden nach ſei-
nem Nahmen, Stand u. ſ. f. zu erkundigen i). Zum Be-
weiſe dieſer Umſtaͤnde dienen die Paͤſſe k) der Obrigkeit
des Orts von welchem der Fremde kommt, und denen,
wenn ſie von Perſonen ausgeſtellt ſind, welche dazu das
Recht haben, wie fremde Souveraine, deren Gerichte, Ge-
ſandte, Generaͤle u. ſ. f. vorlaͤufig uͤberall Glauben beyge-
meſſen wird. 2) Verdaͤchtigen oder ſonſt dem Staat ge-
faͤhrlichen Leuten den Eintritt zu verſagen, oder ſie fort zu
ſchaffen l). 3) Gewiſſen Gattungen von Fremden oder
gewiſſen Gattungen von Guͤtern ohne beſondere Erlaubniß
den Eingang ganz zu verſchließen, es ſey fuͤr immer, oder
fuͤr eine gewiſſe Zeit, oder die Zeit des ihnen geſtatteten
Aufenthalts abzukuͤrzen, wenn die Umſtaͤnde dies erfordern;
4) ganzen Haufen, inſonderheit bewaffneter Leute, den Ein-
und Durchgang nicht anders als auf erfolgte Requiſition
zu erlauben m), und eben ſo 5) zwar wohl Kaufarthey-
ſchiffen, nicht aber Kriegsſchiffen, den Nothfall ausgenom-
men, den Eintritt in das Seegebiet ohne beſondere Er-
laubniß zu geſtatten, ſofern nicht in Vertraͤgen dieſe Frey-
heit fuͤr eine gewiſſe Zahl Kriegsſchiffe feſtgeſetzt iſt n).















§. 75.
Von der hoͤchſten Aufſicht uͤber Fremde und Fremde
Inſtitute
.


Da das Recht der hoͤchſten Aufſicht ſich uͤber alle
in dem Staat befindliche Perſonen und Guͤter erſtreckt, ſo
ſind auch alle Fremden, ſo gut wie die Eingebohrnen des
Landes der Regel nach allen Wirkungen deſſelben unter-
worfen. Nur in Anſehung ſolcher Fremden, die, wie re-
gierende Fuͤrſten und Geſandte, der Exterritorialitaͤt ge-
nießen, leidet dieſe Regel Abfaͤlle. Wie uͤberhaupt alle
oͤffentliche Inſtitute der hoͤchſten Aufſicht unterworfen ſind
und nur mit Genehmigung des Staats errichtet werden
duͤrfen, ſo koͤnnen auch Fremde nicht ohne beſondere Er-
laubniß dergleichen, z. B. Lotterien, Collecten, Comedien,
oͤffentliche Handelsgeſellſchaften u. ſ. f. einfuͤhren; und eben ſo
ſteht auch jedem Staat zu, ſeinen Unterthanen alle Theil-
nahme an den in andren Landen errichteten Handelsgeſell-
ſchaften, Lotterien u. ſ. f. bey willkuͤhrlicher Strafe zu un-
terſagen a).



G§. 76.
[98]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

§. 76.
Von der Policey uͤber Fremde.


Mit dem Recht der hoͤchſten Auſſicht iſt das Recht
alle diejenigen Nachforſchungen, Geſetze und Anordnungen
zu machen, welche auf die Erhaltung der inneren Sicher-
heit, Ruhe und Ordnung im allgemeinen abzwecken, oder
das Recht der Policey genau verbunden. Und da auch
Fremde dieſem Zweck nicht entgegen handeln duͤrfen, ſo
ſind ſie, und ſelbſt diejenigen unter ihnen, welche ſich der
Exterritorialitaͤt zu erfreuen haben, verbunden, die dahin
abzielende Verordnungen a) zu beobachten, wenn ſchon ge-
gen letztere im Uebertretungsfall nicht immer ſo wie gegen
die uͤbrigen Fremden und Eingebohrne des Landes verfah-
ren werden kann.



§. 77.
Von der Sorge fuͤr die Ehre der Fremden in und
außerhalb Landes
.


Auch dahin hat unter unzaͤhligen andren Puncten die
Policey zu wachen, daß nicht durch beleidigende Geruͤchte,
Druckſchriften u. ſ. f. die Ehre, nicht nur der im Lande be-
findlichen Fremden, welche ohnehin des Schutzes des Staats
genießen, ſondern auch auswaͤrtiger Regenten und ihrer
Unterthanen ungeſtraft angetaſtet werde. Und dieſe Pflicht
wird auch von freundſchaftlichen Maͤchten anerkannt, und
theils von freyen Stuͤcken, theils auf desfalls gefuͤhrte Be-
ſchwerde erfuͤllet a). Doch koͤnnen auswaͤrtige hierinn nicht
mehr verlangen, als nach der Verfaſſung des Landes ge-
ſchehn koͤnnte, wenn der Fall den eigenen Souverain oder
deſſen
[99]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
deſſen Unterthanen betrift c). Auch kann nicht jedes frey-
muͤthige Urtheil eines Schriftſtellers uͤber die Fehler aus-
waͤrtiger Staatsverfaſſungen u. ſ. f. eine Genugthuung nach
ſich ziehn, ſo lange die Freyheit der Preſſe nicht zu Libel-
len gemißbraucht wird, in welchen die Ehrerbietung gegen
auswaͤrtige Souveraine, oder die Achtung gegen ihre Un-
terthanen aus den Augen geſetzt wird c).





§. 78.
Vom Verbot der Auswanderung.


Bey der genauen Verbindung in welcher die Be-
voͤlkerung des Staats mit dem Beſten deſſelben ſteht, hat
jeder Regent das Recht Sorge zu tragen, daß nicht durch
zu haͤufige Auswanderungen der Staat entvoͤlkert werde.
Wiefern er aus dieſem Grunde befugt ſey, die einzelnen Ein-
gebohrnen in ihrer natuͤrlichen Freyheit einzuſchraͤnken, ſich
auf lange Zeit von dem Staat zu entfernen, oder ihn
ganz zu verlaſſen, iſt der Regel nach aus den Grundſaͤtzen
des allgemeinen a) und beſondren b) Staatsrechts, zuweilen
auch aus Vertraͤgen c) zu beurtheilen. Auswaͤrtige Staa-
ten handeln zwar wider das Voͤlkerrecht, wenn ſie Unter-
thanen eines andern Landes wider Willen ihres Souverains
zum Auswandern verleiten d), und daher koͤnnen ihre
Emiſſarien geſtraft werden, aber freywillig Ausgewanderte
aufzunehmen, iſt keine Beleidigung des Voͤlkerrechts, ſo
lange dieſe ſich ruhig gegen ihr Vaterland verhalten.


G 2Ein
[100]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

Ein Fremder hingegen, ſo lange er nicht die Rechte
und Verbindlichkeiten der Eingebohrnen erlangt hat, und
weder fuͤr ſeine Perſon Schulden gemacht e) noch Verbre-
chen begangen hat, behaͤlt das Recht, ſobald er es fuͤr gut
findet, den Staat wieder zu verlaſſen, den er beſuchet hat,
und nur Colliſions- oder Repreſalien-Faͤlle koͤnne einen
Staat berechtigen, ſolche Fremde eine Zeilang wider ihren
Willen zuruͤckzuhalten. Dieſer Grundſatz des allgemeinen
Voͤlkerrechts iſt auch durch ſehr viele Vertraͤge beſtaͤdtiget,
und oft noch weiter erſtreckt f), auch wird er in Friedens-
zeiten ſelten verletzt.


Iſt hingegen ein Fremder naturaliſirt g) worden, es
ſey durch foͤrmliche Patente, oder durch die geſetzlich be-
ſtimmte Zeit ſeines Aufenthalts, ſo hat er nicht mehr Frey-
heit auszuwandern, als die Eingebohrnen des Staats, falls
nicht dieſe Freyheit ihm vorbehalten, oder die Bedingun-
gen der Naturaliſation verletzet worden h).










§. 79.
Geſetzgebende Gewalt.


Das Recht den Unterthanen verbindliche Vorſchriften
fuͤr ihre Handlungen zu ertheilen, oder die geſetzgebende Ge-
walt erſtreckt ſich uͤber alle, auch die temporairen Unter-
thanen des Staats.


Sofern in Anfehung der fremden Einwohner keine
Ausnahmen, zu ihrem Vortheil oder Nachtheil a) gemacht
worden, ſofern ſind ſie den allgemeinen Landesgeſetzen un-
terworfen, und ihre Angelegenheiten ſind nach dem gemei-
nen Recht zu beurtheilen b).


Nun iſt zwar das gemeine Privatrecht des einen
Landes, von dem eines andren in unzaͤhlig vielen Puncten
verſchieden. Doch zeigt ſich im allgemeinen eine auffallende
Aehnlichkeit der Privatrechte der chriſtlichen Voͤlker, welche
ſich theils daraus, daß das natuͤrliche Recht die Grundlage
aller iſt, theils daraus erklaͤret, daß das roͤmiſche Recht in
einem ſo großen Theil Europens als ſubſidiariſches Recht
aufgenommen worden, und wo dies auch nicht der Fall iſt,
doch bey Abfaſſung der Geſetze zum Muſter gedient hat c).


G 3a) Ehe-
[102]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.



§. 80.
Wirkung der Geſetze außerhalb Landes.


Der Strenge nach wuͤrde ein Geſetz das in einem
Lande gegeben worden, auf ein anderes Land und deſſen Ein-
wohner gar keine Wirkung haben. Aber dieſer allgemeine
Grundſatz leidet, theils nach der Natur der Sache, theils
Kraft poſitiver Beſtimmungen a) mehrere Abfaͤlle; ſo liegt
es in der Natur der Sache, daß 1) ein Auswaͤrtiger der
einen
[103]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
einen andren in deſſen Lande belangt, ſich nach den Geſetzen
dieſes Landes richten laſſen muß 2) daß die Guͤltigkeit
eines auswaͤrts vorgenommenen Acts, Vertrags u. f. uͤberall
nach den Geſetzen beurtheilt werden muß, wo dieſer Act
unternommen worden b); ſo iſt ferner moͤglich daß 3) Pri-
vatperſonen ſich in Anſehung eines geſchloßenen Vertrags
den Entſcheidungen eines fremden Geſetzes unterworfen haben,
oder auch 4) daß einem fremden Geſetz foͤrmlich die Kraft
eines ſubſidiariſchen Rechts beygelegt worden c); ſo fehlt es
5) nicht an Beyſpielen, wo fremden Einwohnern durch Pri-
vilegia, Vertraͤge oder Herkommen, das Recht eingeraͤumt
worden, nach ihren eigenen Geſetzen gerichtet zu worden d),
wie auch 6) nach einem allgemeinen Herkommen denjenigen
Geſetzen welche den Rang und andern perſoͤnliche Vorzuͤge
der eigenen Unterthanen beſtimmen, auch im Auslande
uͤberall Kraft beygelegt wird. (§. 85.)






G 4§. 81.
[104]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

§. 81.
Bekanntmachung der Geſetze.


So hat zwar auch ein Staat kein vollkommnes Recht
von dem andren zu fordern, daß er die von ihm gegebe-
nen Geſetze und Verordnungen oͤffentlich bekannt mache, oder
die Einruͤckung derſelben in die Zeitungen u. ſ. f. geſtatte;
doch wird, ſowohl unter den Europaͤiſchen als den Teutſchen
Staaten unter einander, ein ſolches Geſuch nicht leicht ab-
geſchlagen, falls der Inhalt der Verordnungen nicht ihre
Bekanntmachung bedenklich macht a).



§. 82.
Privilegia.


Das Recht Privilegia zu ertheilen iſt als ein An-
hang der geſetzgebenden Gewalt anzuſehn. Da jedes guͤn-
ſtige Privilegium ein Recht des damit begnadigten, eine
Verbindlichkeit aber fuͤr die welche es beobachten ſollen ent-
haͤlt, ſo ergiebt ſich hieraus wiefern ſich das Recht Privi-
legia zu ertheilen auf Fremde erſtrecke. Da nemlich der
Staat nur ſeinen Unterthanen Verbindlichkeiten auflegen
kann, ſo kann er zwar Fremden Privilegia ertheilen, welche
ſeine Unterthanen zu beobachten ſchuldig ſind a), auch kann
ſeyn, daß ein ſelbſt einem Unterthanen ertheiltes Privile-
gium ſofern Auswaͤrtigen entgegengeſetzt werden kann, als
dieſe vor den Gerichten des Privilegiirten ſich nach den
Verordnungen des Landes richten zu laſſen verbunden ſind.
Außerhalb ſeines Gebiets kann hingegen kein Staat frem-
den Unterthanen durch ertheilte Privilegia Verbindlichkei-
ten auflegen, wenn ihn nicht etwa eine Staatsdienſtbar-
keit dazu berechtiget. Auffallend war es daher, wenn in
mittleren Zeiten die Paͤbſte und Kaiſer b) ſo oft Privilegia
in fremden Landen zu ertheilen verſuchet haben. Jetzt be-
ſchraͤnkt ſich das Recht des Pabſts nicht nur bloß auf geiſt-
liche Gegenſtaͤnde, ſondern es iſt auch hier faſt eben den
Beſchraͤnkungen der landesherrlichen Genehmigung als die
geſetzge-
[105]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
geſetzgebende Gewalt deſſelben unterworfen. Die Kaiſer
haben laͤngſt aufgehoͤret dergleichen Privilegia zu ertheilen,
da ſie hiezu nicht mehr Recht als andere Souveraine haben.




§. 83.
Recht der Ertheilung der Aemter.


Da der Regent nicht alle Theile der Staatsverwal-
tung ſelbſt uͤbernehmen kann, ſo muß er das Recht haben
Beamte (Hof-Staats-Kriegs-Civil-Beamte) zu ernen-
nen. Die Wahl derſelben, die Zulaſſung oder Ausſchlieſ-
ſung der Fremden, die Abdankung der ernannten haͤngt
von der Verfaſſung oder dem Willen des Regenten ab;
auswaͤrtige Maͤchte haben kein Recht ſich in dieſe haͤußliche
Angelegenheiten zu miſchen, oder davon Rechenſchaft zu
begehren, ob es gleich nicht an Beyſpielen fehlt, wo die
Abdankung eines Staatsbeamten begehret a), oder von
der vorgenommnen Veraͤnderung im Miniſterium Anzeige
gethan worden b); beides laͤßt ſich aber nicht aus einem
allgemein herkoͤmmlichen Voͤlkerrecht ableiten.




§. 84.
Titel, Wuͤrden, Vorrang.


Daß dieſe Aemter nach ihrer verſchiedenen Wichtig-
keit mit beſondren Titeln, Wuͤrden und andren perſoͤnlichen
G 5Vorzuͤ-
[106]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Vorzuͤgen verknuͤpft werden, iſt, wenigſtens eine natuͤrliche
Einrichtung. Daß auch ohne Ertheilung eines Amts, der
Regent durch Titel, Standeserhoͤhungen a) u. ſ. f. Ver-
dienſte erwecken oder belohnen koͤnne, iſt zweckmaͤßig, und
ſofern auch der Rang zu den perſoͤnlichen Vorzuͤgen gezaͤhlt
wird, hat der Staat das Recht dieſen fuͤr ſeine Untertha-
nen feſtzuſetzen. Aber alle Anordnungen welche er desfalls
macht, wuͤrden nach dem ſtrengen natuͤrlichen Recht außer-
halb der Grenzen ſeines Gebiets gar keine Wirkung her-
vorbringen.



§. 85.
Wirkung derſelben in fremden Landen.


Nach dem herkommlichen Voͤlkerrecht a) hingegen
macht man 1) in Anſehung der Militair Chargen, deren
Stuffenfolge in aller chriſtlichen Europaͤiſchen Staaten faſt
gleich iſt, keine Schwierigkeit einem fremden Officier nicht
nur den Titel der ihm in ſeinem Vaterlande beygelegt wor-
den, ſondern auch die ſeinem Grade anklebende Praͤcedenz
und Ehrenbezeugungen angedeihen zu laſſen, ohne daß ſelbſt
der hoͤhere oder niedrigere Rang ſeines Souverains b)
dabey anders, als hoͤchſtens in Anſehung voͤllig willkuͤhr-
licher Ehrenbezeugungen, in Betracht gezogen wird. Eben
dies wird 2) auch in Anſehung aller uͤbrigen Hof-Staats-
und Civil-Beamten und auch in Anſehung bloßer Titel und
Wuͤrden beobachtet c), nur daß in Anſehung der Praͤcedenz
in ſolchen Landen wo nicht der Rang der Civil-Beamten
nach dem Militair abgemeſſen iſt, es nicht immer moͤglich
iſt,
[107]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
iſt, bey der Verſchiedenheit und der Unvollſtaͤndigkeit man-
cher Rangordnungen einem Fremden genau den Platz an-
zuweiſen, der ihm in ſeinem Vaterlande zukommen wuͤrde.
Daß uͤbrigens die Gleichheit des Titels nicht immer Gleich-
heit des Ranges d), noch weniger aber Anſpruch auf die
nach der Landesverfaſſung nur den Eingebohrnen gebuͤhren-
den reellen Vorzuͤge gewaͤhre, iſt eben ſo in die Augen
fallend, als daß ein Civil-Beamter nicht in einem frem-
den Gebiet ſein Amt zu verwalten berechtiget ſey e).







§. 86.
Verbot fremde Dienſte zu nehmen.


Wiefern ein Staat ſeinen eigenen Unterthanen er-
lauben wolle in fremde Civil- oder Militairdienſte zu treten,
haͤngt von ſeinem eigenen Ermeſſen ab, und ſobald ein
Verbot der Art allgemein und nicht wider einen gewiſſen
Staat gerichtet iſt, kann kein fremdes Volk ſich hieruͤber
beſchweren. Doch pflegt in Friedenszeiten nicht leicht im
allgemeinen den Unterthanen, welche noch nicht in Dienſten
ihres Vaterlandes ſind, unterſagt zu werden, Civil- und
ſelbſt Militaͤrdienſte bey Auswaͤrtigen zu ſuchen a). Da
uͤbrigens dieſe dadurch nicht aufhoͤren Unterthanen ihres
Vaterlandes zu ſeyn, und mithin auch die Unterthanen-
Pflichten zu erfuͤllen verbunden ſind, ſo behaͤlt der Staat
das Recht ſie, im Nothfall zuruͤckzuberufen, und inſonder-
heit ihnen zu verbieten, wider ihr Vaterland zu dienen b).




§. 87.
Fremder Titel und Wuͤrden.


Eben ſo hat auch der Staat das Recht ſeinen Un-
terthanen und inſonderheit denen welche in ſeinen Dienſten
ſind zu unterſagen, ſich keine Titel, Standeserhoͤhungen a)
u. ſ. f. von Auswaͤrtigen ertheilen zu laſſen. Nur wenige
Staaten bedienen ſich dieſes Rechts in ſeiner ganzen
Strenge b), obwohl uͤberall die Genehmigung des Staats
hinzukommen muß, wenn der Unterthan der Wirkungen
dieſer fremden Gunſtbezeugungen in ſeinem Vaterlande
genießen will.




§. 88.
Rechte des Staats uͤber die Guͤter der Ftemden
1) Beſteurungsrecht
.


Die Koſten welche die Verwaltung der Regierung
erfordert, muͤſſen von denen beſtritten werden, welche der
Vortheile
[110]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Vortheile des Staats genießen. Wenn daher die Einkuͤnfte
aus hiezu beſtimmten Domainen nicht hinreichen, ſo wer-
den Steuren ein nothwendiges Uebel. Auch der Fremde
der ſich im Lande aufhaͤlt kann zu deren Entrichtung mit
angehalten werden, weil 1) er des Schutzes des Staats mit
genießt; 2) dies ihm zur Bedingung ſeiner Aufnahme ge-
macht werden konnte; dies tritt noch mehr ein, wenn 3)
er buͤrgerliche Nahrung treibt. Es iſt ſelbſt dem aͤußeren
Voͤlkerrecht nicht entgegen, Fremde haͤrter als eigene Un-
terthanen zu beſteuern. In der Praxis wird 1) zwiſchen
perſoͤnlichen und reellen Abgaben, der Unterſchied gemacht,
daß jene nicht von blos durchreiſenden Fremden, ſondern
nur von denen erhoben zu werden pflegen, die ſich wenig-
ſtens eine Zeitlang aufhalten und haͤußlich niederlaſſen a),
die reellen Abgaben hingegen, ſowohl die Grundſteuern b)
als die auf die Einfuͤhrung und Conſumtion haftende Auf-
lagen werden von allen Fremden erhoben die keine beſon-
dere Befreyung fuͤr ſich anfuͤhren moͤgen c). Auch iſt
2) haͤufig durch Vertraͤge d) feſtgeſetzt, daß die Untertha-
nen des einen Theils nicht mehr Abgaben als die eigenen
Unterthanen des andern bezahlen ſollen.


Noch weniger zweifelhaft iſt es, daß diejenigen Gel-
der, welche hauptſaͤchlich als ein verhaͤltnißmaͤßiger Beytrag
zu Unterhaltung oͤffentlicher auf die Sicherheit und Be-
quemlichkeit der Durchreiſenden gerichteten Inſtitute, z. B.
Bruͤcken, Chauſeen, Feuer-Bluͤſen, Baaken, Seeton-
nen
u. ſ. f. angeſehn werden, von allen denen ohne Unter-
ſchied entrichtet werden muͤſſen, die dieſe Inſtitute benutzen.






§. 89.
Zoͤlle, Stapelrecht u. ſ. f.


Zoͤlle ſind diejenigen Abgaben welche fuͤr die Erlaub-
niß der Ein- Durch- und Ausfuhr gewiſſer Guͤter erhoben
werden. Da dieſe Erlaubniß an Bedingungen gebunden
werden kann, ſo laͤßt ſich die Rechtmaͤßigkeit der Zoͤlle zwi-
ſchen freyen Voͤlkern nicht bezweifeln, und die allgemein
anerkannte oder beſonders verabredete Freyheit der Ein-
und Durchfuhr ſchließt den Gebrauch der Zoͤlle nicht aus.
Jeder Staat koͤnnte ſelbſt willkuͤhrlich die Zoͤlle erhoͤhen,
wenn nicht oft Handelsbuͤndniſſe a), oder in deren Erman-
gelung, eine vernuͤnftige Handelspolitik dieſer Willkuͤhr Gren-
zen ſetzte.


Zwiſchen Mitgliedern deſſelben Staats iſt dieſe Ab-
gabe unnatuͤrlich, obwohl ſelbſt in einfachen Staaten nicht
ohne Beyſpiel. Die mehreſten b) teutſchen Reichsſtaͤnde
ſind in Anſehung der Zoͤlle auf mannigfaltige Weiſe durch
Reichsgeſetze beſchraͤnkt c), welche Beſchraͤnkungen ſelbſt auf
Auslaͤnder mittelbar zuruͤckwuͤrken d).


Aus eben dem allgemeinen Grunde, daß man dem
Handel der Auswaͤrtigen mit und durch unſere Lande Be-
dingungen vorſchreiben kann, laſſen ſich auch nach dem
ſtrengen Recht, das auswaͤrtige Stapelrecht, Krahnrecht,
Stadteinlagerrecht, und andere dem Staat zwar eintraͤg-
liche,
[112]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
liche, aber dem Handel der Fremden und Nachbaren ſehr
ſchaͤdliche Erfindungen des Mittelalters rechtfertigen e). Un-
abhaͤngige Staaten werden indeß jetzt oft durch Vertraͤge,
oder durch Furcht vor der Retorſion, oder durch andere po-
litiſche Gruͤnde verhindert neue Rechte der Art einzufuͤh-
ren f). In Teutſchland iſt der Mißbrauch und die neue
Einfuͤhrung ſolcher Rechte, inſonderheit des Stapelrechts
noch mehr durch Geſetze beſchraͤnkt g).









§. 90.
Heimfallsrecht, Fremdlingsrecht:ius Albinagii.


Aus dem ſtrengen Grundſatze, daß man Fremde ganz
von ſeinem Gebiet ausſchließen koͤnne, leitete man auch das
Heimfalls-
[113]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d einzelnen Hoheitsrechte.
Heimfalls- oder Fremdlingsrecht droit d’Aubaine a)
her, Kraft deſſen die Verlaſſenſchaft eines im Lande ver-
ſtorbenen Fremden, deſſen auswaͤrtigen Erben nicht ausgeant-
wortet, ſondern, wenn er keine erbfaͤhige Nachkommen im
Lande hinterlaſſen, dem Staat, oder der Obrigkeit des Orts
wo der Sterbfall erfolgete b), beygelegt wird. Dieſes,
wenigſtens hoͤchſt unbillige, Recht wurde ehemahls in Frank-
reich allgemein, ſelbſt in Anſehung fremder dort verſtorbe-
nen Fuͤrſten c) ausgeuͤbt, und von den uͤbrigen Staaten,
inſonderheit auch von Teutſchland, obwohl mehrentheils nur
als Vergeltungsrecht gegen Frankreicht eingefuͤhret. Nach-
dem Frankreich nicht nur in vielen Vertraͤgen mit Aus-
waͤrtigen dieſes Recht gegenſeitig aufgehoben d), ſondern
auch die National-Verſammlung durch ihren Schluß vom
6ten Auguſt 1790 die gaͤnzliche Abſchaffung dieſes Rechts
beſchloſſen e), und auch andere Staaten f) es theils durch
Vertraͤge abgeſchaft, theils nur Vergeltungsweiſe es uͤben zu
wollen ſich erklaͤret, bleiben nur noch wenig Spuren dieſes
Rechts in dem Verhaͤltniſſe einiger Staaten, beſonders gegen
Boͤhmen uͤbrig.


Wo dieſes Recht noch beſteht, da kann in einem vor-
kommenden Falle von ſelbigem zwar wohl zum Nachtheil
des Fiſcus, aber nicht zum Schaden der entfernteren Erben
diſpenſirt werden g).









§. 91.
Abzugsrecht, Nachſteuer.


Weit weniger unbillig iſt das auf das Heimfallsrecht
gefolgte Abzugsrecht, (d. d. detraction) nach welchem von
allen Erbſchaften die ins Ausland gehn, ſie moͤgen von
Fremden oder Eingebohrnen hinterlaſſen ſeyn, ein Theil von
dem Fiſcus zuruͤckbehalten wird. Noch auf mehrere Gruͤnde
beruhet die oft mit dem Nahmen des Abzugsrechts be-
legte Nachſteuer a) (gabelle d’emigration), Kraft wel-
cher von dem Vermoͤgen derer welche den Staat ganz ver-
laſſen, ſie ſeyn Eingebohrne oder Einheimiſch geworden b),
ein Theil von dem Fiſcus inne behalten wird. Beide
Rechte ſind zwar auch in neueren Zeiten haͤufig durch Ver-
traͤge abgeſchaft c), oder beſchraͤnkt, auch wohl durch Geſetze
oder Declarationen auf den Retorſionsfall eingeſchraͤnkt,
aber ſie beſtehn doch noch in ſehr vielen Faͤllen, theils im
Verhaͤltniſſe auswaͤrtiger Maͤchte unter einander, theils im
Verhaͤltniſſe der teutſchen Reichsſtaͤnde, ſowohl gegen dieſe,
als unter einander d).






§. 92.
Richterliche Gewalt.


Eines der wichtigſten inneren Hoheitsrechte iſt die
richterliche Gewalt. Sie erſtreckt ſich der Regel nach auf
alle Guͤter und Perſonen innerhalb des Gebiets des Staats,
ſie ſeyn Eingebohrne oder Fremde, und ſteht in demſelben
niemandem als dem Staat ſelbſt, oder dem welchem er ſie
anvertrauet zu. Doch giebt es 1) Fremde welche Kraft
der ihnen beygelegten Exterritorialitaͤt von der Gerichtbar-
keit des Landes befreyet ſind, wie fremde Souveraine, Ge-
ſandte, und beider Gefolge. Auch wird 2) zuweilen frem-
den Unterthanen erlaubt ſich von ihren eigenen Richtern,
als Conſuln, ius Conſervador u. ſ. f. richten zu laſſen.


§. 93.
Rechte und Verbindlichkeiten der Auslaͤnder in Hinſicht
der Landesgerichte.


Daß fremde Einwohner vor den Landesgerichten der
Regel nach Recht nehmen und geben muͤſſen, leidet keinen
Zweifel. Aber auch Auswaͤrtige, wenn ſie uͤber einen Un-
terthanen Klage zu erheben haben, ſind, ob ſie gleich gegen
dieſen im Naturſtande fortleben, ſchuldig ſtatt Gewalt zu
gebrauchen ihn vor ſeinem competenten Richter zu belan-
gen; dies erfordert nicht nur die Erhaltung der Ruhe ihres
eigenen Staats und die Beobachtung der hieruͤber, zumahl
H 2ſeit
[116]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
ſeit dem 14ten Jahrhundert faſt uͤberall gegebenen Geſetze,
ſondern es iſt auch ihre Pflicht gegen den auswaͤrtigen
Staat, ſowohl nach der natuͤrlichen Verbindlichkeit gelinde
Mittel den haͤrteren vorzuziehn, als in Gefolge der zahl-
loſen hieruͤber vorhandenen Vertraͤge, ſeit Gerichte und
Recht in die Stelle der Repreſalien und des Fauſtrechts ge-
ſetzt wurden.


Dagegen iſt aber jeder Staat vollkommen ſchuldig
den Fremden, ſo wie ſeinen eigenen Unterthanen, die Wege
Rechtens zu eroͤfnen, und ihnen eine ſchleunige und unpar-
theyiſche Juſtitz angedeyhen zu laſſen.


Doch haben auch fremde Staaten außerhalb der Ver-
traͤge kein Recht zu verlangen, daß beſondere Gerichts-
ſtuͤhle a) oder Commiſſionen b) zum Vortheil ihrer Unter-
thanen errichtet, oder ihre Sachen den Rechtshaͤndeln der
Unterthanen vorgezogen werden c).





§. 94.
Recurs an ihren Souverain 1) wenn ihnen die Juſtitz
nach den Landesgeſetzen verwaltet worden.


Wenn daher der Auslaͤnder vor dem competenten Ge-
richte ordnungsmaͤßig gehoͤret, ihm gleich den uͤbrigen Un-
terthanen nach Maaßgabe der Umſtaͤnde der Weg der Be-
rufung an die hoͤhere und letzte Inſtanz des Landes eroͤfnet
worden,
[117]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
worden, und nachdem er dieſen ergriffen, oder darauf ent-
ſaget hat, ein endliches Urtheil, in einem aus Landesgeſetzen
zu entſcheidenden Falle erfolget iſt; ſo iſt er ſowohl als
deſſen Oberherr ſchuldig, ſich bey dieſem Urtheil zu beru-
higen, und jener darf ſo wenig bey dieſem Beſchwerde fuͤh-
ren, als dieſer eine richterliche Unterſuchung uͤber die Frage
anſtellen, ob die Geſetze richtig auf den vorliegenden Fall
angewendet worden a).



§. 95.
2) Wenn der Fall aus dem Voͤlkerrecht zu entſcheiden war.


Eine eigene Schwierigkeit entſteht aber in den Faͤllen,
wo die Sache nicht nach Landesgeſetzen, ſondern nach dem
allgemeinen Voͤlkerrecht oder den Vertraͤgen zu entſcheiden
iſt, und die Staaten ſelbſt in Anſehung der Grundſaͤtze
oder der Auslegung uneins ſind. Da hier kein Staat dem
andren ſeine Grundſaͤtze aufzudringen, oder ſich ein aus-
ſchließliches Interpretationsrecht der Vertraͤge beyzulegen
berechtiget iſt, ſo ſcheint es, daß wenn auch die Compe-
tenz des Richters außer Zweifel war, ein auswaͤrtiger Staat
fuͤr ſich und ſeine Unterthanen bey ſolchen Entſcheidungs-
puncten ſich zu beruhigen nicht vollkommen verbunden ſey,
und hier die Angelegenheiten der Privatleute die Natur
der Streitigkeit zweyer Hoͤfe gewinnen a).



§. 96.
3) Wenn die Juſtiz verweigert oder verkehrt verwaltet
worden.


Wenn hingegen dem Auslaͤnder entweder die Juſtitz
foͤrmlich verweigert, oder verfaſſungwidrig verzoͤgert, oder
der Lauf des Proceſſes und der Inſtanzen gehemmet, oder
erweißlich boͤslicher Weiſe das Recht auf eine Art gebeu-
get worden, deren Abſtellung er von dem Oberherrn des
Richters nicht hoffen durfte, ſo muß er offenbar das Recht
haben, bey ſeinem Landesherrn Schutz zu ſuchen, und die-
ſer iſt nach vorgaͤngiger Unterſuchung ihm ſelbigen ſo an-
gedeyen zu laſſen berechtiget, daß wenn glimpfliche Vor-
ſtellungen nicht anſchlagen a) er zu Retorſionen, zu Repre-
ſalien und ſelbſt zum Kriege zu ſchreiten befugt iſt, um
den Staat zur Genugthuung wegen Verletzung ſo voll-
kommner Pflichten zu zwingen b).




§. 97.
Wirkung der Erkenntniſſe außerhalb Landes.


Von der bisherigen Eroͤrterung iſt noch die Frage zu
unterſcheiden, was ein in einem Lande guͤltig geſprochenes
Urtheil
[119]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
Urtheil in einem andren fuͤr Wirkung hervorbringe, ſofern
theils von der Vollziehung deſſelben, theils von der darauf
gebaueten Einrede des ſchon rechtshaͤngigen oder entſchiede-
nen Rechtsſtreits die Rede iſt a).


Da die richterliche Gewalt ſich nicht uͤber die Gren-
zen des Gebiets erſtreckt, ſo iſt kein Staat natuͤrlich voll-
kommen berechtiget zu fordern, daß das Urtheil welches er
geſprochen hat von einem andren Staat an den in deſſen
Gebiet befindlichen Perſonen oder Guͤtern vollzogen werde b);
auch iſt uͤber dieſen Punct kein allgemeines Herkommen
vorhanden. Doch ſind 1) hin und wieder zwiſchen ſouve-
rainen c) und verbuͤndeten d) Staaten, auch den teutſchen
Staaten e) unter einander hieruͤber Vertraͤge errichtet, auch
bewegen oft 2) gegenſeitige Freundſchaft, Nachbarſchaft und
Nutzen, die Staaten eine ſolche Vollziehung auf gehoͤriges
Nachſuchen des competenten Richters und gegen Erbietung
ad reciproca nicht zu verweigern f).


In dem Verhaͤltniſſe freyer Voͤlker laͤßt ſich zwar
der Grundſatz des poſitiven Rechts, daß die auf einſeitige
Klage erlaſſene und dem Gegentheil inſinuirte Citation die
Gerichtbarkeit des Richters ausſchließlich begruͤnde, nicht
anwenden. Wie aber in dem natuͤrlichen Recht Partheyen
die auf einen Schiedsrichter compromittirt haben vollkom-
men verbunden ſind deſſen alleiniges Urtheil zu erwarten,
ſo tritt eben dieſes in Staaten in Anſehung der Gerichte
ein, wenn der Beklagte ſich einmahl auf die Klage einge-
laſſen und den Krieg rechtens befeſtiget hat. Wenn daher
ein Theil nachmahls die Sache vor deren Entſcheidung in
einem andern Lande anhaͤngig machen wollte, ſo koͤnnte
er nicht nur von dem erſten Richter geſtraft werden, ſon-
dern ſollte billig auch in jenem Lande abgewieſen werden g);
obwohl das Herkommen in dieſen Faͤllen nicht gleichfoͤrmig iſt.


Iſt die Sache von dem competenten Richter, 1) end-
lich und hauptſaͤchlich, und zwar 2) nach den Landesgeſetzen
welche den Umſtaͤnden nach zum Grund der Entſcheidung
H 4dienen
[120]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
dienen muͤſſen, entſchieden, auch 3) das Urtheil nur uͤber Ge-
genſtaͤnde die ſeiner Gerichtbarkeit unterworfen waren ge-
faͤllet, ſo darf kein fremder Richter ſich es erlauben, uͤber
eben den Gegenſtand zwiſchen eben den Partheyen ein
zweytes Verfahren zu veranlaſſen, oder zu geſtatten, da der
obſiegende Theil aus dem Erkenntniſſe ein eben ſo vollkom-
menes Recht, als aus einem Vertrage erworben hat, und
kein dritter Staat ihm dieſes entziehn kann h). Daher
kann auch nach Abtretung einer Provinz der neue Ober-
herr ihre alten Streitigkeiten nicht wieder in Unterſuchung
ziehn, wenn dieſe von ihrem bisherigen Oberherrn ſchon
rechtskraͤftig entſchieden waren i).










i) Daher
[121]Rechte d. Voͤlker in Anſ d. einzelnen Hoheitsrechte.

§. 98.
Von der freywilligen Gerichtbarkeit.


Nach eben dieſen Grundſaͤtzen iſt die freywillige Ge-
richtbarkeit, im Gegenſatz der ſtreitigen zu beurtheilen.
Auch dieſe erſtreckt ſich ordentlicher Weiſe uͤber alle inner-
halb des Gerichtsbezirks befindliche Perſonen und Guͤter,
und kann hingegen der Regel nach nicht uͤber die außer-
halb deſſelben belegenen ausgeuͤbt werden a); doch giebt es
Handlungen der willkuͤhrlichen Gerichtbarkeit, die, weil ſie
bloß die Autoritaͤt irgend eines Gerichts ohne alle cauſae
cognition
erfordern, auch in jedem andern Gericht als dem
foro rei ſitae vorgenommen werden koͤnnen b).


Was nun aber ein Richter, Kraft der ihm zuſtehen-
den Gerichtbarkeit, guͤltig unternommen hat, das iſt in
allen Landen in welchen hievon Gebrauch gemacht werden
ſoll, fuͤr guͤltig anzuſehn c).



H 5b) Hie-
[122]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.


§. 99.
Criminal-Gewalt.


Der Zweck des Staats erfordert weſentlich, daß die
hoͤchſte Gewalt das Recht habe die dem Staat und deſſen
Mitgliedern nachtheiligen Handlungen zu verbieten, dieſen Ge-
ſetzen durch Strafen Kraft zu geben, gegen Verbrecher Un-
terſuchungen anzuſtellen, ſie zu richten und die Urtheile zu
vollziehn. Aus dem Inbegriff dieſer Rechte beſteht die
Criminal-Gewalt. Sie erſtreckt ſich uͤber alle in dem
Staat befindliche Perſonen, ſie ſeyn Eingebohrne oder Fremde.
Und wenn gleich fremde Fuͤrſten und Geſandte ihr nicht ſo
wie die uͤbrigen Fremden unterworfen ſind, ſo kann doch
aus andren Gruͤnden wider dieſe alles das geſchehn, was
die Sicherheit des Staats erheiſcht, wie unten naͤher er-
hellen wird.


§. 100.
Von dem Recht fremde Verbrecher zu ſtrafen, oder ſie
zuruͤck zu ſchicken.


Nicht diejenigen Fremden allein, welche in unſrem
Staat Verbrechen begingen, ſondern auch diejenigen die,
nachdem
[123]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
nachdem ſie in einem andren Staat etwas verbrochen, in
den unſrigen geflohen ſind, koͤnnen von uns ergriffen und
geſtraft werden a); in keinem von beiden Faͤllen iſt der
Staat vollkommen ſchuldig, auch auf erfolgres Nachſuchen,
den Verbrecher an die Obrigkeit ſeines Wohnorts, oder
des Orts des begangenen Verbrechens zuruͤckzuſchicken b),
ſelbſt wenn in dem letzteren Falle auch ſchon die Unterſu-
chung wider ihn dort angefangen, oder das Urtheil geſpro-
chen worden waͤre.


Die Praxis iſt auch in Anſehung ſolcher Auslieferun-
gen der Verbrecher nichts weniger als gleichfoͤrmig. Es
giebt einige Staaten, wie inſonderheit Frankreich, Groß-
britannten, Rußland
, welche der Regel nach in keinem
Falle in die Auslieferung willigen. Andere, wohin außer
vielen kleinen Staaten, die Schweizc) gehoͤret, die in
beiden Faͤllen mit der Auslieferung ſehr willfaͤhrig ſind.


Im allgemeinen aber wird die Auslieferung von dem
Staat wo der Verbrecher blos ergriffen worden, an den
Staat in, oder wider den, das Verbrechen begangen wor-
den d), auf erfolgte Requiſition und erbotene Erwiderung
viel leichter geſtattet, als die von der Obrigkeit des Orts
wo das Verbrechen begangen worden, an den Ort der Ge-
burt oder Wohnung des Verbrechers, welches letztere nur
Kraft der Vertraͤge, oder einer außerordentlichen Deferenz
kleiner Staaten gegen maͤchtigere zu geſchehn pflegt e).
Auch die teutſchen Reichsſtaͤnde unter einander ſind nicht
allgemein f) zu ſolchen Auslieſerungen verbunden, und ver-
willigen ſie daher nur Kraft beſonderer Vertraͤge, oder aus
gegenſeitigen guten Willen g).





d) S.
[124]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.




§. 101.
Von der Verbindlichkeit die von Fremden oder gegen
Fremde begangene Verbrechen zu beſtrafen.


Kraft des Schutzes welchen der Staat den frem-
den Einwohnern fuͤr ihre Perſon und Guͤter zu leiſten ſchul-
dig iſt, muß er die in ſeinem Gebiet wider ſelbige began-
gene Verbrechen mit eben der Sorgfalt und Strenge un-
terſuchen und beſtrafen, als wenn ſie gegen ſeine Einge-
bohrne Unterthanen begangen worden waͤren. Der Ver-
brecher ſey ein Fremder oder Eingebohrner.


Wenn aber Verbrecher die in einem andren Lande
ein Verbrechen begangen haben, ſein Gebiet betreten, oder
ſich da aufhalten, ſo hat er außerhalb der Vertraͤge keine
vollkommene Verbindlichkeit gegen dieſes Land ſolche Ver-
brecher, ſelbſt nach erfolgter Requiſition, zu ergreifen, und
(wenn er ſie nicht ausliefern will) zu beſtrafen, oder ein
dort wider ſie gefaͤlletes Urtheil an ihre Perſon oder Guͤter
zu vollziehn.


Auch giebt es in der Praxis Verbrechen, wohin in-
ſonderheit Deſertion a) und Schleichhandel gehoͤren, wegen
deren der Regel nach kein Staat eine Arreſtirung verfuͤget,
wenn er es nicht durch Cartels oder andere Vertraͤge ver-
ſprochen
[125]Rechte d. Voͤlker in Anſ d. einzelnen Hoheitsrechte.
ſprochen hat b). Iſt hingegen von groͤberen Verbrechen,
durch welche die Sicherheit der Staaten unmittelbar in
Gefahr geſetzt wird, inſonderheit von Staatsverbrechen die
Rede, ſo ſcheint die gegenſeitige Wohlfarth der Staaten
zu erfordern, ſolche Verbrechen nicht ungeſtraft zu laſſen;
auch weigert kein Staat gerade zu c) in dieſen Faͤllen zu
unterſuchen und zu beſtrafen, wenn er gebuͤhrendd) darum
erſuchet worden.






§. 102.
Handlungen der Criminal-Gewalt in einem fremden Gebiete.


Da jeder Staat die Criminal-Gewalt ausſchließlich
innerhalb der Grenzen ſeines Gebiets hat, ſo kann kein
Theil derſelben auf einem fremden Gebiet ohne Verletzung
der Territorialrechte des letzteren mit Recht ausgeuͤbt wer-
den. Weder die Arreſtirung und Aufhebung eines fluͤch-
tigen Verbrechers, noch ſelbſt die gewaffnete Nacheile, noch
die bewaffnete Durchfuͤhrung eines Inculpaten kann daher
in einem fremden Gebiet ſtatt finden, wenn nicht die be-
ſondere Erlaubniß des Staats, oder ein Vertrag, oder eine
Staatsdienſtbarkeit dazu berechtiget. Und dieſe Grundſaͤtze
werden auch nicht nur von den Europaͤiſchen Maͤchten, ſon-
dern auch von den teutſchen Staaten gegen ſie und unter
einander ſo anerkannt, daß die Uebertretung derſelben a)
als eine grobe Verletzung des Voͤlkerrechts betrachtet, und
wo
[126]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
wo moͤglich geahndet wird. Nur das Recht der bewaffne-
ten Nacheile gilt in Teutſchland Kraft der Reichsgeſetze b),
obwohl uͤber die Ausdehnung dieſes Recht hier geſtritten
wird; außerhalb Teutſchlands kann die bewafnete Nach-
eile wohl nicht als ein allgemein anerkanntes Recht ange-
ſehn werden c).





§. 103.
Wirkung eines Criminal-Urtheils in fremden Landen.


Aus eben dieſen Gruͤnden erſtreckt ſich auch die Wir-
kung eines Criminal-Urtheils nicht außerhalb der Grenzen
des
[127]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
des Gebiets auf die Ehre und Guͤter des verurtheilten;
ſo daß derjenige der in einem Lande fuͤr ehrlos erklaͤret
worden a) in einen andren Lande zwar wohl infamiam
facti
erduldet, aber nicht im Rechtsverſtande ehrlos wird b),
daß wer aus einem Lande verbannet worden, in einem an-
dren aufgenommen werden kann c), und das Urtheil das
ſeine Guͤter fuͤr conſiſcirt erklaͤret, nicht die Confiſcation der
außerhalb Landes gelegenen nach ſich zieht, vielmehr es ein
neues Urtheil und eine neue Strafe enthalten wuͤrde, wenn
er in einem andren fuͤr ehrlos erklaͤrt, verbannt oder ſeiner
Guͤter verluſtig erklaͤret wuͤrde.





§. 104.
Begnadigungsrecht.


Gleichmaͤßig hat zwar jeder Regent das Recht einen
Criminal-Proceß aufzuheben, oder den Verbrecher zu be-
gnadigen; dies hindert aber einen fremden Staat nicht die-
ſen, er habe in ſeinem Gebiet das Verbrechen begangen,
oder ſich nur betreten laſſen, zu beſtrafen; will daher ein
Staat verhindern, daß ein Angeklagter in einem andren
Lande nicht zur Strafe gezogen werde, ſo hat er der Regel
nach keinen andren Weg, als den der guͤtlichen Vorſtel-
lungen; doch ſind Faͤlle gedenkbar wo die offenbare Unſchuld
des Angeklagten, oder die offenbare Incompetenz des Rich-
ters,
[128]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
ters, oder die evidente Ungerechtigkeit ſeines Verfahrens
einen fremden Staat berechtigen koͤnnte, ſich des Angeklag-
ten, zumahl wenn dieſer als Unterthan oder ſonſt auf ſei-
nen Schutz einen Anſpruch zu machen hat a), ſelbſt mit
den Waffen in der Hand anzunehmen.



§. 105.
Muͤnze, Papiergeld.


Die Befoͤrderung des Handels macht die Einfuͤhrung
der Muͤnze, und ihre Verwandlung in ein Hoheitsrecht
rathſam. Der Staat kann das Schrot und Korn der
Muͤnze und den aͤußeren Zahlwerth derſelben beſtimmen.
So lange hiemit nicht offenbarer Mißbrauch getrieben wird,
kann der Auslaͤnder und fremde Einwohner ſich nicht be-
ſchweren, wenn er den Eingebohrnen gleich die Zahlungen
in der Landesmuͤnze zu leiſten a) und zu empfangen ange-
halten wird. Daß in Nothfaͤllen der Staat zu Muͤnzzei-
chen und Papiergeld, z. B. Banco-Noten, Steuerſcheine,
Aſſignaten u. ſ. f. ſeine Zuflucht nehmen koͤnne, iſt nicht zu
laͤugnen; auch in Anſehung dieſer kann der Fremde ſich
nicht beſchweren, wenn er den Unterthanen gleich zur An-
nahme derſelben genoͤthiget wird, ſofern der Staat ſich zu
kuͤnftiger Einloͤſung derſelben verpflichtet. Wenn aber durch
gewaltſame Finanzoperationen b) der Staat ſich dieſer na-
tuͤrlichen Verpflichtung ganz oder zum Theil entziehn will,
ſo entſteht daraus eine ſo augenfaͤllige Kraͤnkung der Ei-
genthumsrechte des Beſitzers, daß ein fremder Staat ſich
desfalls ſeiner Unterthanen annehmen, und durch alle zwi-
ſchen freyen Voͤlkern eintretende Mittel ihnen zu ihrer vol-
len Zahlung zu verhelfen berechtiget iſt c).


Da auch das Muͤnzrecht jedem Staat nur innerhalb
der Grenzen ſeines Gebiets zuſteht, ſo iſt kein fremder
Souverain vollkommen verbunden fremden Muͤnzen oder
Papier-
[129]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
Papiergelde den Lauf in ſeinen Landen z laſſen; er kann
ſie daher entweder ganz verbieten, oder nach erfolgter Pruͤ-
fung des Gehalts der Muͤnze ihren Zahlwerth herabſetzen d);
ſo wie umgekehrt das Verbot einer gewiſſen Muͤnze in
einem Lande nicht verhindert, ſie in einem andren beyzube-
halten e). Unter fremdem Stempel Muͤnze zu praͤgen,
laͤßt ſich, wenigſtens in Friedenszeiten f), nicht als erlaubt
anſehn. Dieſe ſtrengen Grundſaͤtze des allgemeinen Voͤl-
kerrechts ſind auch in der Praxis der Europaͤiſchen Voͤlker
in einem fuͤr das Eigenthum des Staats und ſeiner Unter-
thanen ſo wichtigen Punct voͤllig beybehalten. Auch die
teutſchen Reichsſtaͤnde, obgleich ſie in Anſehung des Muͤnz-
rechts ſelbſt und der Ausuͤbung deſſelben den aus der reut-
ſchen Reichsverfaſſung entſpringenden Beſchraͤnkungen un-
terworfen ſind g), bedienen ſich theils unter einander, theils
gegen Auswaͤrtige eben der Rechte, welche freyen Voͤlkern
in Anſehung der Muͤnzen zuſtehn.









J§. 106.
[130]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

§. 106.
Recht der Poſten.


Auch das Recht der Poſten ſteht außer dem Fall
der Staatsdienſtbarkeiten jedem Staat nur bis an ſeiner
Grenze a) zu. Daher koͤnnte jeder Staat Poſten angelegt
haben, und doch keine allgemeine Verbindung vorhanden
ſeyn. Wenn aber, wie inſonderheit in Europa, nach dem
Muſter Frankreichs, ſeit dem 15ten Jahrhunderte nach und
nach in einzelnen Landen Poſten angelegt worden b), ſo
bedarf es nur der Vertraͤge benachbarter Staaten wegen
Uebernehmung und Verrechnung der Briefe, Paquete u. ſ. f.
an der Grenze, um die Vortheile dieſes Inſtituts auf meh-
rere Lande zu erſtrecken c); und durch ſolche in zahlloſer
Menge getroffene, und nach und nach vervollkommte Ver-
abredungen ſind jetzt die Poſten das allgemeine Band der
Vereinigung des Handels und der Cultur, faſt fuͤr alle Win-
kel des Erdbodens geworden.


In einem jeden Lande ſtehn ſie unter dem beſondren
Schutze d) des Voͤlkerrechts und die auf die erſten Grund-
ſaͤtze des Eigenthums geſtuͤtzte Unverletzlichkeit der ihnen an-
vertraueten Briefe und Effecten, muß von allen Souve-
rainen zum Beſten der Auslaͤnder, wie der eigenen Unter-
thanen, anerkannt werden e). Nur Faͤlle einer Colliſion
koͤnnen in dringenden Umſtaͤnden eine Ausnahme rechtfer-
tigen; da aber jeder Regent uͤber die Exiſtenz dieſer Colli-
ſionen zu urtheilen ſich erlaubt, und Mißbraͤuche gedenkbar
ſind f), ſo hat dies die Nothwendigkeit der Geheim-Schrei-
berey (Chifriren) in allen erheblichen Staatscorreſponden-
zen nach ſich gezogen.


Da zwiſchen kriegfuͤhrenden Maͤchten der Lauf und
die Unverletzlichkeit der Poſten ganz, oder doch groͤßeſten-
theils, gehemmt zu werden pflegt, ſo wird oft die Wieder-
herſtellung derſelben in Friedensſchluͤſſen ausdruͤcklich be-
dungen g).


a) So-
[131]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.







§. 107.
Von den urſpruͤnglichen Rechten jeden Staats in Hinſicht
der Religion
.


Wenn man die Rechte der weltlichen Oberherr-
ſchaft uͤber die Kirche
(ius circa ſacra) von den Rech-
ten unterſcheidet, welche der Kirche ſelbſt als Geſellſchaft
zuſtehn (ius ſacrorum), ſo gehoͤret zu jenen I) das Recht
zu beſtimmen welche Religionen in einem Lande geduldet
oder geuͤbt werden, und wie weit ſich ihre geſellſchaftlichen
Rechte erſtrecken ſollen (ius reformandi); 2) die im Lande
eingefuͤhrte Religion zu ſchuͤtzen und ihre Rechte zu ver-
theidigen (ius advocatiae) 3) uͤber alle im Lande befindliche
Religionen die hoͤchſte Aufſicht zu uͤben, damit unter dem
Vorwande derſelben dem Staat nicht geſchadet werde (ius
ſupremae inſpectionis).
Die Rechte der Kirche als Ge-
J 2ſellſchaft
[132]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
ſellſchaft hingegen, begreifen das Recht den Zweck derſelben
mit gemeinſchaftlichen Kraͤften zu befoͤrdern, und was ihm
entgegen ſeyn wuͤrde zu entfernen, folglich in dieſer Ruͤck-
ſicht die noͤthigen Geſetze zu geben, geiſtliche Aemter zu be-
ſetzen, und Mitglieder welche den Geſetzen der Geſellſchaft
zuwider handeln durch zweckmaͤßige Mittel zu beſſern, oder
auszuſchließen.


Dieſes ius ſacrorum ſteht urſpruͤnglich in jedem Staat
der in dieſem ſich gebildeten kirchlichen Geſellſchaft allein
zu, mit Ausſchluß aller fremden Gewalt außerhalb des
Staats. Gedenkbar iſt aber daß die Kirchen mehrerer
Staaten ſich zu gemeinſchaftlicher Ausuͤbung dieſer Rechte
vereinigen, und ſofern eine große gleiche Geſellſchaft oder
Kirche bilden. Das war auch in den erſten Jahrhunder-
ten der chriſtlichen Religion auf den beſondren und oͤcu-
meniſchen Concilien geſchehn, bis ſich die Paͤbſte zu Haͤuptern
dieſer gleichen Geſellſchaft aufwarfen, ſie in eine ungleiche
umſchufen, und ihre angemaaßte Oberherrſchaft uͤber alle
Mitglieder der Kirchen der einzelnen chriſtlichen Staaten
ohne Unterſchied, uͤber Koͤnige wie uͤber Unterthanen, und
noch dazu oft weit uͤber die Grenzen der kirchlichen Gewalt
auf Gegenſtaͤnde erſtreckten, die nicht der Kirche ſondern
der weltlichen Oberherrſchaft angehoͤren.


§. 108.
Von dem Unterſchied zwiſchen catholiſchen und andren
Staaten
.


In Gefolge der Reformation aber trennte ſich nicht
nur eine betraͤchtliche Zahl Staaten ganz von dieſer un-
gleichen roͤmiſchen Kirchengeſellſchaft und bildete fuͤr ſich
ihre eigenen unabhaͤngigen Kirchengeſellſchaften (§. 27.) ſon-
dern ſelbſt diejenigen Staaten welche in dem Schooße der
roͤmiſchen Kirche als Mitglieder einer großen ungleichen
Kirchengeſellſchaft die Oberherrſchaft des Pabſts anzuerken-
nen fortfuhren, haben theils nach und nach die Rechte der
weltlichen Oberherrſchaft uͤber die Kirche wiederum an ſich
zu ziehn und ungekraͤnkter zu uͤben angefangen, theils die
Rechte,
[133]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
Rechte, ſowohl ihrer beſondren Kirche und der Vorſteher
derſelben, als der Kirche uͤberhaupt, gegen die uͤbertriebenen
Anmaaßungen der Paͤbſte mit mehr oder weniger Nach-
druck zu vertheidigen und zum Theil durch Concordate zu
ſichern geſucht. Inſonderheit aber ſind die unter ſo man-
nigfaltigem Vorwande ehemahls verſuchten paͤbſtliche Ein-
miſchungen in weltliche Angelegenheiten der Voͤlker unter
einander, die unberufenen Entſcheidungen, die angemaaß-
ten Verſchenkungen der Kronen, vor dem Glanze gelaͤuter-
ter Grundſaͤtze des Staats- und Voͤlkerrechts verſchwunden,
und die Bannſtrahle des Vaticans entſcheiden nicht mehr
uͤber die Schickſale der Voͤlker.


§. 109.
Ob ein Volk ſeine Religion einem andern aufdringen duͤrfe.


Da Kraft des iuris reformandi jeder Staat ſich
beſtimmen kann, ob er neben der Religion des Landes noch
anderen Duldung oder Uebung geſtatten will, ſo haben
fremde Maͤchte einer andern Religion außerhalb der Ver-
traͤge a) kein vollkommenes Recht fuͤr ihre Unterthanen
Freyheit ihrer Religionsuͤbung zu fordern. Blos der ein-
fache haͤußliche Gottesdienſt (devotio domeſtica ſimplex)
kann als ein Recht der natuͤrlichen Freyheit und als der
geringſte Grad der Duldung von jedem gefordert werden,
dem die Aufnahme verwilliget worden.


Aus eben dieſen Gruͤnden kann keine fremde Macht
ohne Verletzung des Voͤlkerrechts ſich erlauben, ihre Re-
ligion wider Willen eines andren Staats in demſelben ein-
zufuͤhren; weder durch ohnehin dieſem Zweck ſchlecht ent-
ſprechende gewaltſame Mittel, noch durch heimliche Wege
unberufener Miſſionen. Auch die lebhafteſte Ueberzeugung
daß ihre Religion die vorzuͤglichere oder allein ſeeligma-
chende ſey, kann, bey der Gleichheit der Rechte der Voͤlker,
welche auch auf ihre Meinungen ſich erſireckt, ihr kein Be-
fugniß geben, mit Verletzung der offenbareſten Rechte eines
andern, ihm das, was ihr Wahrheit ſcheint, aufzudringen.


J 3a) Da-
[134]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

§. 110.
Wieweit ein Volk ſeinen Glaubensgenoſſen beyſtehn duͤrfe.


Entſtehn in einem Staat Streitigkeiten uͤber die
Rechte der verſchiedenen Religionspartheyen, ſo haben fremde
Maͤchte nicht mehr Rechte in dieſe, als in andere haͤußliche
Angelegenheiten ſich zu miſchen; ſie koͤnnen daher nichts
mehr als guͤtliche Vorſtellungen a) thun, falls ſie nicht
rechtmaͤßig zur Huͤlfleiſtung aufgefordert, oder durch Ver-
traͤge b) oder durch ſonſt erworbene Rechte aus einem be-
ſondren Grunde zur Einmiſchung berechtiget ſind. Aber
uͤber dieſe Grenzen hinaus glauben die Europaͤiſchen Maͤchtt
ein vollkommenes Recht zu haben, ſich ihrer in einem an-
dren Lande bedraͤngten Glaubensgenoſſen, ſelbſt mit den
Waffen in der Hand anzunehmen; nur ob dies wirklich ge-
ſchehe, haͤngt von politiſchen Ruͤckſichten ab; denn die Ge-
ſchichte aller Religionskriege lehret, daß 1) nie ein Krieg
von den Regenten blos um der Religion w [...]n gefuͤhret
worden. 2) Wo politiſches Intereſſe es erheiſcht oder ge-
ſtattet, die Sache der Religion wirklich verfochten worden,
hingegen 3) auch der heißeſte Religionseifer einer Macht vor
dem politiſchen Intereſſe erkalte, und 4) letzteres ſie nicht
ſelten zu ganz entgegengeſetzten Schritten verleite c).





§. 111.
Voͤlkerrechts-Dienſtbarkeiten.


Außer den bisher eroͤrterten gegenſeitigen, auf Ver-
traͤge oder Herkommen beruhenden Rechten der Voͤlker in
Anſehung ihrer inneren Angelegenheiten, laſſen ſich noch
mannigfaltige Faͤlle gedenken und anfuͤhren, wo eine Macht
ein vollkommnes Recht auf das Gebiet der andern erwor-
ben hat, Kraft deſſen dieſe zu ihrem Beſten etwas zu dul-
den, zu thun, oder zu unterlaſſen verpflichtet iſt, wozu ſie
ſonſt nicht verbunden waͤre, und welches ſie auch von jener
nicht hinwiederum zu fordern berechtiget iſt; daraus ent-
ſteht der Begriff der beſondren Voͤlkerrechts-Dienſtbar-
keiten
Servitutes iuris publici ſ. gentium particulares
(§. 73.). Es giebt nicht leicht ein Hoheitsrecht in Anſehung
deſſen ſich nicht Beyſpiele ſolcher Voͤlkerrechts-Dienſtbar-
keiten anfuͤhren ließen. So lange eine ſolche Servitut nur
entweder ein oder anderes zufaͤllige Hoheitsrecht zum Ge-
genſtande hat, oder doch nur auf einen Theil des Gebiets
des andern, auf einzelne Orte u. ſ. f. ſich beſchraͤnkt, ſo lange
verhindert ſie den Staat, der ihre Laſt traͤgt, nicht frey und
unabhaͤngig zu ſeyn. Sobald hingegen ein auswaͤrtiger
Staat entweder ein oder mehrere weſentliche Hoheitsrechte
uͤber das ganze Gebiet eines andren Staats ausuͤbt, oder
dieſer letztere wenigſtens ohne deſſen Wiſſen und Einwil-
ligung ſie nicht ausuͤben darf, ſo iſt die voͤllige Unab-
haͤngigkeit des Staats verloren, und er iſt zum Theil der
Oberherrſchaft des andern unterworfen a).


Da uͤbrigens ein Staat Theile ſeines Eigenthums
und ſeiner Oberherrſchaft zu veraͤußern befugt iſt, auch auf
einen Theil ſeiner natuͤrlichen Rechte und Vortheile Ver-
zicht leiſten kann, ſo koͤnnen auch ſolche Voͤlkerrechts-Dienſt-
J 4barkeiten,
[136]Drittes B. Drittes Hptſt. Rechte d. Voͤlker ꝛc.
barkeiten, wie laͤſtig ſie auch immer dem Staat der ſie
uͤbernommen hat fallen, nicht als widernatuͤrlich angefoch-
ten werden b); und wenn daher der Vertrag auf welchen
ſie ſich gruͤnden die Erforderniſſe eines guͤltigen und ver-
bindlichen Vertrags hat, ſo koͤnnen ſie nicht anders, als nur
in ſolchen Faͤllen einſeitig aufgehoben werden, in denen man
von einem Vertrage abzugehn berechtiget iſt.





[137]

Viertes Buch.
Von den Rechten und Verbindlichkeiten der
Voͤlker in Ruͤckſicht auf ihre auswaͤrtigen
Angelegenheiten.


Erſtes Hauptſtuͤck.
Von der Unabhaͤngigkeit der Voͤlker, und der Sorge
fuͤr die Erhaltung ihrer Freyheit und Sicherheit.


§. 112.
Freyheit der Voͤlker in ihren Handlungen.


Wie ein jeder ſouveraine Staat das Recht hat ſeine in-
nere Verfaſſung im ganzen und in ihren Theilen ſo einzu-
richten, wie er es fuͤr die Erreichung der inneren Sicher-
heit und Wohlfarth am nuͤtzlichſten findet, ſo hat er auch
ebenmaͤßig das Recht, alles was auf die Befoͤrderung der
aͤußeren Sicherheit und Wohlfarth abzweckt, zu beſchließen
und zu unternehmen und was ihr entgegen ſteht zu unter-
laſſen; eine dritte Nation iſt, ſo lange ihre vollkommnen
Rechte dadurch nicht gekraͤnkt werden, im allgemeinen ſo
wenig befugt, Rechenſchaft von ſeinem Thun und Laſſen zu
begehren, als ihn zu Unternehmung, oder Unterlaſſung ſol-
cher Handlungen zu noͤthigen. Doch leiden dieſe Grund-
ſaͤtze nicht ſelten Modificationen, welche, theils in dem poli-
tiſchen Verhaͤltniſſe der Europaͤiſchen Voͤlker uͤberhaupt,
theils in Vertraͤgen ihren Grund haben.


§. 113.
1) Recht eines Staats fuͤr ſeine Sicherheit Zuruͤſtungen
zu machen
.


So hat zwar jeder Staat als eine Folge ſeiner Frey-
heit und Unabhaͤngigkeit das Recht bey ſich zu Hauſe alle
J 5die
[138]Viertes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
die Vorkehrungen zu treffen, welche ſeine Sicherheit von
außen zu erfordern ſcheint, um ſich entweder wider den An-
griff einer andren Macht zu vertheidigen, oder der Gefahr
mit der er bedrohet wird zuvorzukommen. Er kann daher
ſowohl mitten im Lande, als an den Grenzen, ſoviel Veſtungen
erbauen, oder wieder ausbeſſern laſſen, als er fuͤr gut findet;
er kann ſoviel Truppen werben, Schiffe ausruͤſten, Allianzen
und Subſidienbuͤndniſſe ſchließen, als er fuͤr noͤthig haͤlt,
kurz alle Arten von Kriegszuruͤſtungen unternehmen, ſo lange
ihm nicht etwa in ein oder anderem Puncte durch Vertraͤge a)
die Haͤnde gebunden ſind, und er iſt nicht ſchuldig von die-
ſen Ruͤſtungen und deren Abſichten einer auswaͤrtigen Macht
Rechenſchaft zu geben.



§. 114.
Herkoͤmmliche Art hieruͤber Erklaͤrungen zu geben.


Da aber dergleichen außerordentliche Kriegsruͤſtun-
gen leicht bey andren, inſonderheit benachbarten Staaten
Bedenklichkeiten und Verdacht feindſeeliger wider ſie gerich-
teter Abſichten erregen, und es dem Staat ſelbſt der ſich ruͤſtet
wichtig iſt, ihnen dieſe zu benehmen, wenn ſie ungegruͤndet
ſind, damit ſie dadurch nicht zu nachtheiligen Schritten ver-
leitet werden, ſo hat eine natuͤrliche Staatsklugheit es in
Europa zur Sitte gemacht, daß in ſolchen Faͤllen Erklaͤ-
rungen begehrt, und dieſe ſelbſt auf Anfrage minder maͤch-
tiger Staaten befriedigend ertheilet werden, wenn die An-
frage auf eine anſtaͤndige Weiſe geſchehn iſt und die Antwort
den Umſtaͤnden nach befriedigend gegeben werden kann a).
Oſt werden ſelbſt von freyen Stuͤcken ſolche Erklaͤrungen
an
[139]Erhaltung der Freyheit und Sicherheit.
an Maͤchte gegeben, die man zu beruhigen wuͤnſcht b).
Nur dann, wenn man keine beruhigende Antwort zu erthei-
len im Stande iſt, erfolgen zweydeutige, unbeſtimmte Ant-
worten c), oder man beruft ſich auf die Unabhaͤngigkeit der
Voͤlker, nach welcher ſie keine Rechenſchaft von ihren Hand-
lungen zu geben haben d).


Wie es nun ſchon natuͤrliche Pflicht iſt gelindere Mit-
tel den haͤrteren vorgehn zu laſſen, ſo finden die Maͤchte
in jener Sitte einen neuen Grund des Rechts zu verlan-
gen, daß erſt freundſchaftliche Erklaͤrungen gefordert wer-
den muͤſſen, ehe man zu Thaͤtlichkeiten ſchreitet e). Daß
indeß zuweilen Umſtaͤnde dergleiche Anfragen als uͤberfluͤſſig
und wegen des Zeitverluſts nachtheilig betrachten laſſen koͤn-
nen, iſt unlaͤugbar f).








§. 115.
2) Recht Vertraͤge einzugehn oder nicht einzugehn.


So hat auch jeder unabhaͤngige Staat das Recht
nach ſeiner Willkuͤhr Vertraͤge aller Art mit andren einzu-
gehn, die er ſeinem Intereſſe gemaͤß findet, und eine dritte
Macht iſt nicht befugt ihn hieran zu hindern, wenn da-
durch ihren vollkommnen Rechten nichts entzogen wird.


Auf der andern Seite aber iſt er auch befugt, Ver-
traͤge die ihm angetragen werden abzulehnen, und dritte
Maͤchte haben ſo wenig das Recht ihn zu Schließung ſol-
cher
[140]Viertes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
cher Vertraͤge zu noͤthigen, als durch ihre Vertraͤge mit
andern ihm wider ſeinen Willen Verbindlichkeiten aufzulegen.


§. 116.
Ausnahmen hievon in der Praxis.


Wie ſehr auch dieſe Grundſaͤtze von den Europaͤiſchen
Maͤchten in der Theorie anerkannt werden, ſo leiden ſie
doch in der Praxis manche Abfaͤlle. Nicht nur 1) ſofern
es mehrere Beyſpiele giebt, wo freye Maͤchte ſich durch ihre
mit einer Macht eingegangenen Vertraͤge in Anſehung der
mit andren zu ſchließenden die Haͤnde gebunden haben a),
oder ſofern nicht voͤllig unabhaͤngige Staaten durch die Ge-
ſetze die ſie uͤber ſich erkennen in ihrer Freyheit gewiſſe
Vertraͤge zu ſchließen beſchraͤnkt ſind b); ſondern 2) viele
minder maͤchtige Staaten in Europa ſehen ſich durch poli-
tiſche Ruͤckſichten verhindert ſich ihrer natuͤrlichen Freyheit
Vertraͤge zu ſchließen in ihrer ganzen Ausdehnung zu bedie-
nen, und manche derſelben ſind bey aller ihnen zuſtehenden
foͤrmlichen Unabhaͤngigkeit, in einer ſehr reellen Abhaͤn-
gigkeit von ihren maͤchtigen Nachbaren. Endlich 3) fehlt
es nicht an Beyſpielen neuerer Zeiten c), daß Maͤchte eine
andere wider ihren Willen genoͤthiget haben, einem von
ihnen geſchloßenen Vertrage beyzutreten, und ſelbſt zum vor-
aus ſie unter die Zahl der Contrahenten mit aufgefuͤhret
haben d).





d) von
[141]Erhaltung der Freyheit und Sicherheit.

§. 117.
3) Recht ſich auf erlaubte Weiſe zu vergroͤßern.


Da jeder Staat auch das natuͤrliche Recht hat ſich
moͤglichſt zu vervollkommnen, ſo iſt er auch befugt ſeine
Vergroͤßerung und die Vermehrung der Macht und des
Anſehns ſeines Regenten auf jede an ſich ſelbſt erlaubte
Weiſe zu beſoͤrdern, es ſey durch Occupation herrnloſer ihm
nuͤtzlicher Lande, oder durch friedliche Tauſch- und Ceſſions-
Vertraͤge oder durch moͤglichſt vortheilhafte Friedensſchluͤſſe;
oder durch Buͤndniſſe, oder dadurch daß ſein Oberherr
durch Erbrecht oder Wahl die Oberherrſchaft uͤber neue Laͤn-
der erwirbt, oder durch Heyrath ſie auf ſeine Nachkom-
men bringt. Sofern hiedurch die vollkommnen Recht eines
dritten nicht gekraͤnkt werden, hat dieſer im allgemeinen
kein Recht ſolchen Erwerbungen, oder der daraus entſtehen-
den Schwaͤchung eines andren Staats ſich zu widerſetzen.


§. 118.
In welchen Faͤllen dritte Voͤlker ſich dieſer Vergroͤßerung
widerſetzen koͤnnen
.


Indeß ſind unlaͤugbar Faͤlle gedenkbar, wo die un-
verhaͤltnißmaͤßige Vergroͤßerung eines ſchon maͤchtigen
Staats, zumahl dann, wenn ſie mit Schwaͤchung eines
andren der ihm das Gegengewicht halten konnte, verbunden
iſt, der Unabhaͤngigkeit oder der wirklichen Freyheit a)
anderer, vorzuͤglich benachbarter Staaten, gegenwaͤrtig oder
fuͤr die Zukunft Gefahr drohet, welche die bloße dereinſlige
Verbindung mehrerer Staaten wider kuͤnftige Mißbraͤuche
nicht zu heben vermag. In dieſen Faͤllen entſteht eine
Colliſion der Rechte bey welcher dieſe Staaten aus Sorge
fuͤr ihre Selbſterhaltung berechtiget ſind, einzeln oder mit
vereinigten Kraͤften ſich einer ſolchen Vergroͤßerung, und
zugleich
[142]Viertes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
zugleich der Schwaͤchung eines andern Staats, ſelbſt mit
Gewalt der Waffen, und ohne Ruͤckſicht auf die Recht-
maͤßigkeit, der bezweckten Vergroͤßerung zu widerſetzen.
Faͤlle der Art koͤnnen leichter und haͤufiger zwiſchen benach-
barten, in einer Art einer geſellſchaftlichen Verbindung
ſtehenden, als zwiſchen entfernten zerſtreuet lebenden Voͤl-
kern eintreten, und daher paßt das Syſtem der Erhaltung
des Gleichgewichts, worauf die mehreſten europaͤiſchen
Maͤchte b) als auf ein ihnen zuſtehendes Recht ſich beru-
fen, mehr auf Europa, als auf einen der uͤbrigen Welt-
theile, und kann fuͤr Europa und fuͤr einzelne Theile deſ-
ſelben, bey allen Maͤngeln und Mißbraͤuchen denen es aus-
geſetzt iſt, weder fuͤr eine Chimaire, noch fuͤr eine politi-
ſche Charlatanerie gehalten, noch als unnuͤtz oder widerrecht-
lich verworfen werden.




§. 119.
[143]Erhaltung der Freyheit und Sicherheit.

§. 119.
Syſtem der Erhaltung des Gleichgewichts in Europa.


Von jeher ſahen Voͤlker eines Erdſtrichs die unver-
haͤltnißmaͤßige Vergroͤßerung eines unter ihnen mit eifer-
ſuͤchtigen Augen an. Auch laſſen ſich mehrere Beyſpiele
aus der Geſchichte aͤlterer Voͤlker anfuͤhren, wo einzelne,
ſpaͤt concertirte Verſuche gemacht worden, um ſich dem
Uebergewicht eines ſchon zu maͤchtigen Staats und ſeiner
Eroberungsſucht zu widerſetzen a). Aber keines dieſer Voͤl-
ker ſcheint die Erhaltung eines Gleichgewichts zum herr-
ſchenden Syſtem gemacht, oder eine andre Furcht, als die,
erobert zu werden, gekannt zu haben. Der unge[he]ure An-
wachs der roͤmiſchen Macht, das ſeltſame Phenomen der
Voͤlkerwanderungen, die ruhige Gleichguͤltigkeit anderer
Staaten bey der Macht Carls des Großen, bey der Er-
nennung Heinrichs V. zum Koͤnige von Frankreich, zeugen,
daß die europaͤiſchen Voͤlker erſt ſpaͤter angefangen haben,
auf Gefahren der Art mit weit vorausſehender Vorſorge
zu wachen. So lange ſtete Befehdungen die innere Ruhe
der Staaten truͤbten, war eine Wachſamkeit der Art weni-
ger moͤglich, und ſelbſt anſcheinende Vergroͤßerung oft
minder gefaͤhrlich. Als aber im Anfang des 16ten Jahr-
hunderts die ſo ſehr angewachſene Macht des Hauſes
Oeſterreich nur kaum noch durch die Macht des an inne-
rer Staͤrke gewachſenen Koͤnigreichs Frankreich aufgewogen
wurde, und dieſe zwey hervorragenden Maͤchte wetteifernd
jede nach Univerſal-Monarchie ſtrebten, da bildete ſich in
Europa ein Syſtem der Erhaltung eines Gleichgewichts,
das zwar zunaͤchſt eine zwiſchen dieſen beyden Maͤchten zu
erhaltende ungefaͤhre Gleichheit zum Gegenſtande hatte,
aber bald ausgedehnter, verwickelter, unter oft wandelbarer
Form b) ſich nie wieder aus den Augen der europaͤiſchen
Maͤchte verloren hat; ſo daß wenn ſchon in mehr als einem
Falle einzelne derſelben, durch ihr augenblickliches Intereſſe
verleitet, ſich von den Grundſaͤtzen deſſelben entfernt haben,
und vielleicht ſeit dem 16ten Jahrhundert c) keine Macht
oͤfter
[144]Viertes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
oͤfter und ernſtlicher an Herſtellung und Erhaltung des
Gleichgewichts gearbeitet hat, als ſeit dem Anfange dieſes
Jahrhunderts Großbritannien, und ſpaͤterhin Preußen ge-
than, gleichwohl die mehreſten europaͤiſchen Maͤchte noch
jetzt auf die Erhaltung des Gleichgewichts als auf ein ih-
nen zuſtehendes Recht ſich berufen d).






§. 120.
Gleichgewicht in einzelnen Theilen.


Eben dieſe Grundſaͤtze treten auch in Anſehung der
Erhaltung des beſondren Gleichgewichts zwiſchen Bewoh-
nern eines gewiſſen Theils von Europa, zwiſchen oͤſtlichen,
weſtlichen, ſuͤdlichen oder nordiſchen a) Maͤchten insbe-
ſondere, in Anſehung eines Gleichgewichts in Italien b),
in Teutſchlandc) ein. Auch von der Erhaltung eines
Gleich-
[145]Erhaltung der Freyheit und Sicherheit.
Gleichgewichts in Anſehung der Beſitzungen der Europaͤer
in America d) iſt mehrmahls die Rede geweſen. Wenn
aber in neueren Zeiten auch die Erhaltung eines Gleichge-
wichts zur See in Anregung gebracht worden e), ſo ſcheint
dabey mehr Handels-Eiferſucht als wahre Sorge fuͤr Er-
haltung der Sicherheit und Freyheit der Voͤlker zum Grunde
zu liegen.







§. 121.
Wann und wie das Gleichgewicht zu erhalten ſey.


Wann das Gleichgewicht in Gefahr ſey, was fuͤr deſ-
ſen Erhaltung geſchehn muͤſſe, bleibt der Politik der Cabi-
netter zu beurtheilen uͤberlaſſen. Nur ſo viel lehrt Ver-
nunft und Erfahrung 1) daß nicht jede, ſelbſt ausgedehnte,
ſelbſt unvergeltliche Vergroͤßerung eines maͤchtigen Staats
das Gleichgewicht in Gefahr ſetze 2) daß ſelbſt ein anſchei-
nend gleicher Laͤndertauſch, daß eine Erwerbung von gerin-
Kger
[146]Viertes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
ger Ausdehnung es in Gefahr ſetzen koͤnne 3) daß auch
Buͤndniſſe maͤchtiger Staaten das Gleichgewicht zerruͤtten
koͤnnen a) 4) daß die innere Schwaͤchung oder Zerſtuͤcke-
lung eines Staats dem Gleichgewicht oft eben ſo gefaͤhr-
lich werden koͤnne, als die Vergroͤßerung eines andern b).


Unter den Mitteln c) laͤßt ſich zwar die Rechtmaͤßig-
keit guͤtlicher, von einzelnen oder von mehreren vereinigten
Staaten gemeinſchaftlich verſuchter Vorſtellungen, Abmah-
nungen u. ſ. f. d) nicht bezweifeln, wo aber dieſe nicht
hinreichen, koͤnnen auch Buͤndniſſe, es ſey mit dem Staat
auf deſſen Koſten ein anderer ſich vergroͤßern will, oder
mit anderen Maͤchten, und in Gemaͤßheit deren, die Gewalt
der Waffen nicht als unrechtmaͤßig angeſehn werden. Nur
die Rechtmaͤßigkeit des in neueren Zeiten ſo beliebten ſy-
ſteme copartageant,
nach welchem ein Staat die Ver-
groͤßerung eines anderen nur unter der Bedingung zugiebt,
daß auch er ſich verhaͤltnißmaͤßig vergroͤßern duͤrfe, laͤßt
ſich billig dann bezweifeln, wenn dieſe Vergroͤßerungen auf
Koſten eines dritten ſchuldloſen Staats vorgenommen wer-
den ſollen.


Eben ſo laͤßt ſich zwar die Sorge eines jeden Staats
durch Erweiterung ſeines Handels und ſeiner Schiffarth
einer andren Nation das Gleichgewicht zur See zu halten
nicht verwerfen, auch koͤnnen mehrere Seemaͤchte in Buͤnd-
niſſen ihre Sicherheit wider den gegenwaͤrtigen Mißbrauch
der Gewalt einer hervorragenden Seemacht ſuchen e), aber
nie kann das Syſtem des Gleichgewichts einen Rechtferti-
gungsgrund abgeben, eine Nation wegen ihres zu ausgebrei-
teten Handels zu bekriegen, oder ſie zu noͤthigen ihre See-
macht einzuſchraͤnken.






e) Von
[147]Erhaltung der Freyheit und Sicherheit.

Zweytes Hauptſtuͤck.
Von der Gleichheit der Voͤlker und den unter
ihnen eingefuͤhrten Wuͤrden, Rang, und anderen
Ehrenbezeugungen.


§. 122.
Grundſaͤtze des natuͤrlichen Rechts.


Wie im Naturſtande alle Menſchen unabhaͤngig von
ihrer phyſiſchen und moraliſchen Verſchiedenheit in Anſehung
ihrer vollkommenen abſoluten Rechte einander voͤllig gleich
ſind, ſo genießen auch Staaten unabhaͤngig von der Ver-
ſchiedenheit ihrer Ausdehnung, ihrer Volksmenge, ihrer Macht
ihrer Religion, ihrer Verfaſſung, ihres Alters, einer voͤlli-
gen Gleichheit der vollkommenen Rechte gegen einander,
es ſey von den Rechten eines jeden Staats auf ſich ſelbſt
und auf ſeine Selbſterhaltung, oder von ſeiner Freyheit
und Unabhaͤngigkeit, von dem Recht der Benutzung und
Erwerbung herrnloſer Guͤter, oder endlich von dem Recht
auf ſeine Ehre die Rede.


Kraft dieſes letzteren Rechts iſt zwar jeder Staat
befugt zu fordern, daß kein anderer ihn laͤſtere, oder poſitive
Zeichen ſeiner Verachtung blicken laſſe, aber er hat auch
kein vollkommenes Recht auf irgend ein poſitives Zeichen
der Hochachtung, noch weniger auf irgend einen Vorzug
vor anderen Voͤlkern.


Wenn daher eine Nation ihren Regenten durch die
Wuͤrde welche ſie ihm beygelegt, und durch andere perſoͤn-
liche Vorzuͤge die ſie ihm einraͤumt, zu ehren ſucht, ſo kann
K 2dies
[148]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
dies auswaͤrtige Voͤlker nicht vollkommen verpflichten, ihm
eben dieſe Wuͤrde und Vorzuͤge einzuraͤumen; dieſe koͤnnen
ſie ihm daher ganz verweigern, oder nur unter gewiſſen
Bedingungen und Beſchraͤnkungen anerkennen.


Doch kann der Wunſch in freundſchaftlichem Verkehr
mit einer Nation zu treten, oder zu bleiben, das Verlan-
gen, daß auch ſie gegen unſeren Regenten ein gleiches thue,
eine dringende Veranlaſſung werden, ſolche Wuͤrden, und
ſofern das Herkommen mit dieſen Wuͤrden und mit dem
Beſitz der Unabhaͤngigkeit noch andere Ehrenbezeugungen
verbunden hat, auch dieſe Ehrenbezeugungen einer anderen
Nation einzuraͤumen.


Eben ſo hat zwar urſpruͤnglich kein Staat irgend ein
Recht vor einem andren den Vorrang oder andere Vor-
zuͤge zu begehren. Doch koͤnnen ſchwaͤchere Staaten ſich
leicht veranlaſſet ſehn, maͤchtigeren, deren Freundſchaft ſie
beduͤrfen, und deren Feindſchaft ſie zu fuͤrchten haben, gut-
willig den Rang und andere vorzuͤgliche Rechte einzuraͤu-
men, zumahl ſie nicht verhindern koͤnnen, daß dritte Staa-
ten, da wo dies von ihrer Willkuͤhr abhaͤngt, ſie den
maͤchtigeren nachſetzen.


§. 123.
Europaͤiſches Voͤlker-Ceremoniel.


Durch dieſe Veranlaſſung ſind auch in Europa in
Hinſicht der Wuͤrden, des Rangs und anderer Ehrenbezeu-
gungen der Staaten, ihrer Regenten und Repreſentanten,
ſo mannigfaltige Beſtimmungen eingefuͤhret, daß daraus
eine eigene Wiſſenſchaft des Voͤlker-Ceremonielsa), im
Gegenſatz des inneren Staats-Ceremoniels, gebildet wer-
den kann, die wenn ſie gleich mehrentheils auf bloßes Her-
kommen ſich ſtuͤtzt, gleichwohl in dem Voͤlkerrecht eine
Stelle verdient; zumahl die angenommenen Grundſaͤtze der-
ſelben oft heiliger, als die feyerlichſten Vertraͤge erfuͤllet
werden. Dieſes Voͤlker-Ceremoniel zerfaͤllt wiederum in
verſchiedene Theile, nach der Verſchiedenheit der Gegenſtaͤnde
wobey
[149]Gleichheit Wuͤrden und Rang.
wobey es ſich aͤußert, ſo daß man es in das perſoͤnliche-
Canzley-See-Geſandſchafts-Kriegs-Ceremoniel
u. ſ. f.
eintheilen kann; da von dieſen bey den einzelnen Materien
des Voͤlkerrechts, worinn ſie einſchlagen, bequemer wird ge-
handelt werden koͤnnen, ſo ſind hier nur noch erſt die in
Anſehung der Titel und des Ranges eingefuͤhrten Cere-
moniel-Rechte zu eroͤrtern, da ſich dieſe auf mehrere Theile
der Wiſſenſchaft erſtrecken.



§. 124.
Kaiſerliche und Koͤnigliche Wuͤrde.


Wie der vernuͤnftigſte Grund der vorzuͤglichſten Eh-
renbezeugungen gegen einen Regenten in ſeiner Eigenſchaft
eines Anfuͤhrers und Repreſentanten einer großen Geſell-
ſchaft zu ſetzen iſt, ſo wuͤrde an ſich betrachtet der Grad ſei-
ner Macht und die Groͤße des Staats den er beherrſcht
mehr als die Verſchiedenheit der Wuͤrde die er annimmt,
uͤber die Ehrenbezeugungen entſcheiden, die er von andren
zu erwarten Urſache haͤtte. Aber die Unbeſtimmtheit die-
ſes Principiums, und der zufaͤllige Umſtand daß die Be-
herrſcher der maͤchtigſten Staaten in Europa den Kaiſer-
oder Koͤnigstitel gefuͤhret haben, haben veranlaſſet dieſe
Titel als die hoͤchſten weltlichen Wuͤrden anzuſehn und denen,
welche ſie fuͤhren, unabhaͤngig von der Verſchiedenheit ihrer
Macht a) vor andren Fuͤrſten Vorzuͤge einzuraͤumen; ſo
wie die ungeheure Macht der ehemahligen roͤmiſchen Kaiſer,
denen ſelbſt Koͤnige unterthan waren, der Kaiſerlichen Wuͤrde
noch vor der Koͤniglichen Vorzuͤge verſchaffet hat, deren auch
nach Carl dem Großen die roͤmiſchen Kaiſer als angebliche
K 3Nachfol-
[150]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Nachfolger der Herrn der Welt und als Oberhaͤupter der
Chriſtenheit noch lange genoſſen b), und die nicht blos auf
den Vorzug des Ranges ſich beſchraͤnkten, ſondern ſelbſt
auf einen hoͤheren Grad des Anſehns und der Unabhaͤn-
gigkeit c) deuteten; bis man den Irrthum der Hypotheſe
erkannte und ſeitdem die Koͤnige dem Kaiſerlichen Titel fuͤr
ſich allein keine nothwendige Vorzuͤge vor dem Koͤniglichen
einraͤumen.





§. 125.
Anerkennung der Titel und Wuͤrden.


In Anſehung der Anerkennung der Titel und Wuͤr-
den der Regenten uͤberhaupt gilt jetzt, da das ehemahls
von den Kaiſern a) und Paͤbſten b) angemaaßte Recht
Kronen zu vergeben, und dadurch die uͤbrigen Voͤlker zu
Anerkennung der neuen Koͤnigswuͤrde zu noͤthigen ihnen nicht
mehr
[151]Gleichheit Wuͤrden und Rang.
mehr eingeraͤumt wird c), durch ganz Europa der Grundſatz,
daß zwar jedes Volk ſeinem Regenten jeden neuen Titel den
es fuͤr gut findet, beylegen koͤnne, auswaͤrtige Maͤchte aber
nicht ſchuldig ſind ihn anzuerkennen, vielmehr alles auf
Vertraͤge und Herkommen mit Auswaͤrtigen beruhe, folg-
lich die Anerkennung auch bedingt geſchehn koͤnne e).







§. 126.
Koͤnigliche Ehrenbezeugungen.


Da die Kaiſerliche und Koͤnigliche Wuͤrde fuͤr die
hoͤchſten unter den weltlichen in Europa gehalten werden,
und daher auch die hoͤchſten Ehrenbezeugungen nach ſich
ziehn, ſo hat man den Inbegriff der letzteren mit dem
Nahmen der Koͤniglichen Ehrenbezeugungen belegt, wohin
man außer den Rang vor den uͤbrigen Staaten, das Recht
Geſandte der erſten Claſſe zu ſchicken, und manche andere
faſt in alle einzelne Theile des Ceremoniels einſchlagende
Ehrenbezeugungen zaͤhlt. Dieſe Koͤnigliche Ehrenbezeugun-
gen ſtehn, obwohl mit verſchiedenen Modificationen, auch
einigen Staaten die nicht Koͤnige zu Oberhaͤuptern haben,
zu, wie ſchon oben §. 15. in Anſehung der Republik Vene-
dig
, die ehemahls zwey Koͤnigreiche unter ſich hatte, der
Republik der v. Niederlande, der Schweiz, der Chur-
fuͤrſten
, und einiger anderen Staaten welche dieſen Vorzug
begehren, erinnert worden.


§. 127.
Was Praͤcedenz ſey.


Einen vorzuͤglichen Werth ſetzen die Europaͤiſchen
Maͤchte auf den Vorrang, oder die Praͤcedenza), als dem
Recht bey vorkommenden Gelegenheiten unter mehreren
Plaͤtzen den ehrenvolleſten einzunehmen. Die Gelegenhei-
ten dazu geben inſonderheit theils perſoͤnliche Zuſammen-
kuͤnfte der Souveraine, oder der ſie vorſtellenden Geſandte,
bey Beſuchen, feyerlichen Verſammlungen, Proceſſionen
u. ſ. f. theils die Abfaſſung und Unterſchrift oͤffentlicher
Staatsſchriften.


K 5Bey
[154]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

Bey Beſtimmung der Frage was der Ehrenplatz
ſey, iſt die allgemeine Regel bey perſoͤnlichen Zuſammen-
kuͤnften, daß zwiſchen zweyen Perſonen in der geraden Linie
der vorderſte Platz, in der Querlinie der Platz zur rechten
Hand b) zwiſchen dreyen in beiden Faͤllen der Ehrenplatz in
der Mitten, der zweyte in der Querlinie zur Rechten, in
der geraden mehrentheils voran, der dritte in der Querlinie
zur Linken, in der geraden hintenan ſey, und ſo ferner der
Rang mit der Entfernung vom Ehrenplatze abnehme. Ob
indeß in Verſammlungen wo einer den Vorſitz hat, der erſte
Platz zur Linken, dem zweyten zur Rechten vorzuziehn ſey,
iſt nicht immer auf gleiche Weiſe beurtheilet worden c).


Auch treten inſonderheit bey zahlreichen Verſamm-
lungen manche herkommliche d) oder willkuͤhrliche e) Ab-
weichungen von dieſen Regeln ein.


In oͤffentlichen Schriften, inſonderheit in Vertraͤgen
hat in der Schrift ſelbſt die Macht die zuerſt genannt
wird den erſten, die zweyte den zweyten Platz u. ſ. f. Bey
der Unterſchrift iſt der Ehrenplatz, der welcher dem Leſer zur
Linken iſt (heraldiſch zur Rechten), der zweyte in paraleler
Linie auf einer zweyten Columne zur Rechten (heraldiſch zur
Linken). Dieſer iſt ehrenvoller als der zweyte auf der er-
ſten Columne zur Linken f).


Uebrigens ſind zwey Gattungen von Praͤcedenzſtrei-
tigkeiten zu unterſcheiden, die nicht ſelten in Schriften ver-
wechſelt werden. Es fordert nemlich entweder 1) ein Staat
beſtimmt die Praͤcedenz oder den Vorrang vor einer an-
dren, oder 2) er begehrt nur die Gleichheit, und will daher
dem andren nicht fortwaͤhrend die Praͤcedenz einraͤumen,
fordert ſie aber auch nicht fuͤr ſich.



b) Ehe-
[155]Gleichheit Wuͤrden und Rang.





§. 128.
Gruͤnde zu Behauptung der Praͤcedenz.


Wie in mittleren Zeiten die Concilien die haͤufigſten
Gelegenheiten zu zahlreichen Verſammlungen der Maͤchte
durch ihre Repreſentanten gaben, ſo boten ſie auch theils
eine fruchtbare Veranlaſſung zu Praͤcedenzſtreitigkeiten, theils
dem Pabſt eine Gelegenheit dar, ſich in dieſe Praͤcedenz-
ſtreitigkeit zu miſchen. Hier ward bald das Alter der Un-
abhaͤngigkeit, der Regenten-Familie, des eingefuͤhrten
Chriſtenthums, bald die Regierungsform, die Zahl der Kro-
nen, die Wuͤrde, Titel, Erhabenheit der Thaten, der ge-
leiſteten Dienſte, der Beſitz u. ſ. f. angefuͤhrt, um eine Praͤ-
cedenzforderung zu unterſtuͤtzen a) und mit Huͤlfe paͤbſtlicher,
oft nach den Umſtaͤnden auf ganz verſchiedene Gruͤnde ge-
baueten Entſcheidungen geltend zu machen. Die von Pabſt
Julius
[156]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Julius II. 1504 entworfene Rangordnung verdient vor an-
dern gemerkt zu werden b).


Wie jedoch die Maͤchte deren Rang auf Concilien
ihrer Behauptung nach zu niedrig beſtimmt worden, davon
nie einen Schluß auf Faͤlle außerhalb der Concillen haben
gelten laſſen, und keine Macht dem Pabſt mehr ein Ent-
ſcheidungsrecht beylegt, ſo wird jetzt nicht nur uͤberhaupt
ſelten auf eine paͤbſtliche Entſcheidung provocirt ſondern
unter Maͤchten gleicher Wuͤrde von allen ehemahls hervor-
geſuchen Gruͤnden jetzt faſt blos der Beſitz, und nur in
einigen Faͤllen gegen die Staaten welche ſpaͤter zu ihrer
jetzigen Wuͤrde gelangt c) ſind, das Alter der Wuͤrde zum
Grund des behaupteten Ranges gelegt. Da jedoch dieſer
letztere Grund ſelten gebraucht werden kann, und von dem
Gegentheil nicht anerkannt wird, der Beſitzſtand aber ſel-
ten voͤllig unbeſtritten iſt, ſo giebt es eine zahlloſe Menge
unentſchiedener Praͤeedenzſtreitigkeiten. Doch ſind einige
Faͤlle durch Vertraͤge entſchieden, andere durch ein unbe-
ſtrittenes Herkommen gegen alle, oder gegen viele Staaten
feſtgeſetzt.





§. 129.
Rang des Pabſts und des Kaiſers.


Alle catholiſche Maͤchte und ſelbſt der roͤmiſche Kaiſer a)
raͤumen I) dem Pabſts als Statthalter Chriſti und Nach-
folger Petri den Rang uͤber ſich ohne Widerrede ein. Da
aber Rußland und die proteſtantiſchen Maͤchte in ihm nur
den Biſchof von Rom und den weltlichen Oberherrn eines
mittelmaͤßigen Staats in Italien ſehn, ſo fordern alle die-
jenigen unter ihnen welche Koͤnigliche Ehrenbezeugungen ge-
nießen den Rang uͤber ihn. II) Der roͤmiſche Kaiſer iſt
in
[157]Gleichheit Wuͤrden und Rang.
in den unbeſtrittenen Beſitz des Ranges uͤber alle chriſt-
liche Europaͤiſche Maͤchte b), ſelbſt Frankreich c) und Ruß-
land d) nicht ausgeſchloſſen. Der tuͤrkiſche Kaiſer aber be-
gehrt voͤllige Gleichheit mit ihm, die auch auf Vertraͤge be-
ruhet e), obwohl die uͤbrigen Maͤchte dem tuͤrkiſchen nicht
ſo wie dem roͤmiſchen Kaiſer den Rang einraͤumen f).








§. 130.
Rang der uͤbrigen gekroͤnten Haͤupter.


III) Unter den uͤbrigen gekroͤnten Haͤuptern ſind 1)
einige welche beſtimmt den Rang naͤchſt nach dem roͤmiſchen
Kaiſer vor den uͤbrigen Maͤchten fordern. Dahin gehoͤren
der roͤmiſche Koͤnig a), die bisherigen Koͤnige von Frank-
reich b), der Koͤnig von Spanien c), und in den neueren
Zeiten Rußlandd). Doch ſind dieſe nicht nur unter ein-
ander, ſondern auch mit den mehreſten der uͤbrigen im Streit.
2) Andere begehren zwar nicht die Praͤcedenz, aber ſie wol-
len ſie auch keinem der uͤbrigen fortwaͤhrend einraͤumen,
ſondern
[158]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ſondern dringen auf Gleichheit, wohin Großbritanniene),
Daͤnemarkf), Schwedeng) gehoͤren, wovon die beiden
letzteren aber ſelbſt unter einander wegen der Praͤcedenz ſtrei-
ten h). 3) Endlich ſind mehrere die Kraft der Vertraͤge
oder des Herkommens, einigen gekroͤnten Haͤuptern den Rang
in ſolchen Gelegenheiten einraͤumen i), aber in andren Faͤl-
len, inſonderheit in Schriften, ſelbſt mit dieſen auf Gleich-
heit dringen, gegen die uͤbrigen Maͤchte entweder den Vor-
rang oder allgemeine Gleichheit behaupten k).








g) Bey
[159]Gleichheit Wuͤrden und Rang.




§. 131.
Rang der Republiken und Churfuͤrſten.


Nach der bisherigen Regel des Voͤlkerrechts hatten die
Koͤnige den Rang vor allen Republiken und nur kaum
kann man das als eine Ausnahme anſehn, daß das Cor-
pus der teutſchen Reichsſtaͤnde (corps germanique) den
Koͤnigen zuweilen vorgeſetzt worden a). Wie indeß Crom-
well zur Zeit wo er dem Engliſchen Statt das aͤußere An-
ſehn einer Republik gegeben hatte, den Rang behauptete,
den das Koͤnigreich England gehabt b), ſo iſt ſchon aus den
bisherigen Vorgaͤngen abzunehmen c), daß Frankreich, wenn
dieſer Staat auch ſich als Republik behaupten ſollte, dieſelbe
Stelle die es bisher in Europa eingenommen, auch ferner
zu beſitzen verlangen werde.


Die uͤbrigen Republiken raͤumen den Koͤnigen den
Rang ein d), ſtreiten aber mit den teutſchen Churfuͤrſten die
ſich unmittelbar an die regierenden e) Koͤnige anzuſchließen
und den Republiken vorzugehn verlangen, auch nicht nur
von dem Kaiſerlichen Hofe ſich dieſe Praͤcedenz ausbedun-
gen
[160]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
gen haben f), ſondern auch an einigen fremden Hoͤfen
den Rang vor den vereinigten Niederlanden g) und der
Schweiz h), und wenigſtens die Gleichheit mit Venedig i)
zu beſitzen behaupten.


Unter den drey Republiken haben jetzt Venedig den
erſten, die vereinigten Niederlande den zweyten und die
Eidgenoſſenſchaft k) den dritten Platz einander anerkannt l);
und fordern den Rang uͤber Genua, das mit Venedig die
Gleichheit und vor der Eidgenoſſenſchaft den Rang begehrt.













§. 132.
[161]Gleichheit Wuͤrden und Rang.

§. 132.
Rang der uͤbrigen, inſonderheit der italieniſchen und
teutſchen Staaten.


Ein ganzes Heer von Praͤcedenzſtreitigkeiten zeigt
ſich noch inſonderheit in Anſehung der italieniſchen a) Fuͤr-
ſtenthuͤmer und Republiken, theils unter einander, theils mit
den teutſchen Staaten, theils mit anderen kleinen Staaten.


Die Praͤcedenz der Reichsſtaͤnde unter einander iſt
zwar fuͤr Reichstaͤge und andere Reichsverſammlungen meh-
rentheils durch Vertraͤge oder Herkommen beſtimmt; da
aber weit nicht alle Staͤnde die auf Reichsverſammlungen
geltende Beſtimmungen auch fuͤr andere Faͤlle außerhalb
derſelben anerkennen, ſo bleibt noch eine unuͤberſehbare
Menge Rangſtreitigkeiten, zwiſchen den Churfuͤrſten unter
einander, zwiſchen den altweltlichen Fuͤrſten unter einander,
zwiſchen dieſen und den geiſtlichen Fuͤrſten, zwiſchen den
Praͤlaten unter einander, zwiſchen den Reichsgrafen unter
einander, zwiſchen den evangeliſchen Reichsgrafen und den
catholiſchen Praͤlaten, zwiſchen den Reichsſtaͤdten unter ein-
ander, und ſelbſt — zwiſchen den Reichsſtaͤdten und ein-
zelnen Reichsrittern, zu deren Ergruͤndung ein Menſchen-
leben verſchwendet, kaum hinreichen wuͤrde b).




§. 133.
Ausnahmen in Anſehung der Praͤcedenz.


Unbeſchadet dieſer Rangſtreitigkeiten raͤumen 1) Re-
genten gleicher Wuͤrde einem andren der ſie beſucht bey ſich
zu Hauſe den Rang ein, ſo daß der Koͤnig dem Koͤnige a),
Lder
[162]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
der Churfuͤrſt dem Churfuͤrſten und ſelbſt den regierenden
altweltlichen Fuͤrſten b), und letztere einer dem andren den
Rang einraͤumen; ſelbſt Republiken betragen ſich gegen ein-
ander nach dieſem Grundſatze c). Nur der roͤmiſche Kaiſer
hat nie Koͤnigen bey ſich den Rang eingeraͤumt d); 2) bey
Friedenscongreſſen wird dem Geſandten des Vermittlers
vor den uͤbrigen der Rang allemahl eingeraͤumt.






§. 134.
Mittel den Rangſtreitigkeiten auszuweichen.


Wenn ein Praͤcedenzſtreit von keiner von beiden Sei-
ten fuͤr voͤllig entſchieden anzuſehn iſt, ſo ſucht man theils
durch Abwechſelung, inſonderheit in Schriften a) theils durch
Gleichfoͤrmigkeit der Ceremonien b), unbeſchadet der gemach-
ten Anſpruͤche, die Gleichheit ſolange herzuſtellen, bis man
ſich auf eine andere Weiſe vereinigen kann. Nur dann,
wenn ein Theil ſeine Praͤcedenz als voͤllig entſchieden an-
ſieht, raͤumt er auch dieſe Alternation nicht ein. Daher
alterniren zwar die mehreſten Koͤnige unter einander in
Schriften, zum Theil ſelbſt kraft der Vertraͤge c), aber eini-
gen wird auch dieſes Vorrecht ſtreitig gemacht d). Auch die
Churfuͤrſten bedienen ſich außerhalb der Reichsverſammlungen
der Alternation e). Dritte Maͤchte f) koͤnnen zwar bey
ſich zu Hauſe die Praͤcedenz ſo wie ſie es fuͤr gut finden
feſtſetzen, aber nicht andere Maͤchte noͤthigen ſich ihren Ver-
fuͤgungen
[163]Gleichheit Wuͤrden und Rang.
fuͤgungen zu unterwerfen, daher ſie lieber, wo moͤglich, bey
ſolchen Streitigkeiten neutral bleiben.


Kann ein Staat den Vorrang, oder die Gleichheit
die er begehrt nicht erhalten, ſo bleiben zu Vermeidung
ehemahls haͤufiger anſtoͤßiger Auftritte g) nur noch folgende
Wege uͤbrig 1) der Regent kommt incognito oder ſchickt
einen Geſandten eines andren Ranges als der mit dem er
wegen der Praͤcedenz ſtreitet, oder 2) er oder der Geſandte
erſcheinen nicht bey der Feyerlichkeit, um nicht nachzugeben,
oder 3) man erſcheint und giebt nach, aber proteſtirt an ſei-
ner Seite, oder laͤßt ſich an der andern einen Revers geben.








L 2g) Wie
[164]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

Drittes Hauptſtuͤck.
Von den Rechten der Voͤlker in Anſehung des
Handels.


§. 135.
Von dem Handel uͤberhaupt.


Je nuͤtzlicher der auswaͤrtige Handel eines Staats
fuͤr die Wohlfarth ſeiner Mitbuͤrger und fuͤr den Reichthum,
das Anſehn und die Macht des Staats ſelbſt iſt, deſto
wichtiger iſt die Eroͤrterung der in Abſicht auf denſelben ein-
tretenden Rechte der Voͤlker unter einander. Die Einthei-
lungen des Handels a) in Anſehung des Gegenſtandes deſ-
ſelben in Producten- und Manufactur-Handel, Zwi-
ſchen-Handel, Colonie-Handel, Fracht-Handel, ſo-
denn in Anſehung der Art ihn zu treiben, in Activ- und
Paſſiv-Handel und in Anſehung ſeines Erfolgs in Ge-
winn- und Verluſt-Handel koͤnnen, ob ſie gleich eigent-
licher in die Handelspolitik gehoͤren, auch in dem Voͤlker-
rechte nicht ganz bey Seite geſetzt werden.



§. 136.
[165]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.

§. 136.
Natuͤrliche Handelsfreyheit.


Da nicht leicht ein Land alles das erzeuget, was
zum Beduͤrfniſſe, zum Nutzen und Vergnuͤgen ſeiner Ein-
wohner gereicht, oft aber das eine an demjenigen Ueber-
fluß hat, an welchem ein anderes Mangel leidet, ſo iſt der
Handel der natuͤrlichſte Weg, um durch einen unter ſehr ver-
ſchiedenen Formen vorgenommen Austauſch des uͤberfluͤſſigern
gegen das nothwendigere, das gegenſeitige Wohlſeyn der
Voͤlker zu vermehren. Und da die Befoͤrderung des letz-
teren ſelbſt eine natuͤrliche, obwohl unvollkommene Pflicht
der Voͤlker wie der Individuen iſt, ſo iſt auch jede Na-
tion unvollkommen und im allgemeinen verbunden, einem
ihr unſchaͤdlichen Handel mit anderen Voͤlkern die Haͤnde zu
bieten. Aber eine vollkommene Verbindlichkeit dazu hat
ſie nicht, und iſt daher ſo wenig von einem andren Volk
zu kaufen, als dieſem, den Nothfall abgerechnet a), ihren
Ueberfluß zu verkaufen, oder mit ihm zu vertauſchen ſchul-
dig. Jeder Staat hat alſo das natuͤrliche vollkommene
Recht ſich in jedem einzelnen Falle nach ſeinem Intereſſe
zu beſtimmen, ob er mit einem andren Handel treiben
wolle; er kann folglich auch die Erlaubniß dieſes Handels
an alle Bedingungen und Beſchraͤnkungen die er fuͤr gut
findet binden b). Noch weniger hat ein Volk ein natuͤr-
liches Recht auf den ausſchließlichen Handel mit einem an-
dren ihm nicht unterworfenen Volke c). Geſetzt daher es
hat noch ſo lange mit dieſem den Handel, wohl gar aus-
ſchließlich, getrieben, ſo entſteht daraus allein fuͤr daſſelbe
noch keine Verbindlichkeit, ihn fortzuſetzen, oder gar ihn
mit keinem anderen Volk zu treiben. Doch kann eine Na-
tion guͤltig einer anderen das ausſchließliche Recht mit ihr
Handel zu treiben ertheilen d) und dadurch ſeiner Handels-
freyheit Grenzen ſetzen. Wo aber dies nicht geſchehn iſt,
da hat, wenn zwey Voͤlker mit einander Handel treiben
wollen, ein drittes kein Recht ſich dem zu widerſetzen; und
darinn beſteht eben die natuͤrliche Handelsfreyheit der Voͤlker.


L 3a) Daß
[166]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.




§. 137.
Geſchichte des Handels.


Nach der Zerſtoͤhrung des occidentaliſchen Kaiſer-
thums, gerieth der auswaͤrtige Handel der Europaͤer in und
außerhalb Europa theils durch die unaufhoͤrlichen Placke-
reyen denen er zu Waſſer und zu Lande ausgeſetzet war,
theils durch die Verachtung mit welcher der des Kriegs
gewohnte Freye auf ihn herabſah, theils ſelbſt durch die
Beſchaffenheit und Lage derer die ihn trieben in tiefen Ver-
fall. Wenn hin und wider fruͤhe Zoͤlle, Stapelrecht u. ſ. f.
angelegt wurden, ſo lag dabey mehr Haß und Bedruͤckung
gegen den Auslaͤnder a), als eine vernuͤnftige Handelspo-
litik des um den Handel wenig bekuͤmmerten Regenten zum
Grunde. Als aber die Kreuzzuͤge die Voͤlker Europens
an aſiatiſchen Luxus gewoͤhnt, die Erfindung des Compaſſes
die Schiffarth erleichtert, das Beyſpiel einiger ſpaniſchen
und italieniſchen Handelsſtaͤdte und ſeit, dem 13ten Jahrhun-
dert
[167]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.
dert das Beyſpiel der Hanſe gelehrt, wie maͤchtig der Han-
del auf den Flor der Staaten zuruͤckwuͤrke, da fingen die
Maͤchte an, uͤber die ausgebreitete Wichtigkeit des Handels
die Augen zu oͤffnen, und die Entdeckung des neuen Welt-
theils und des neuen Wegs der nach Indien fuͤhret, eroͤff-
nete ganz neue Ausſichten fuͤr den Handel, aber auch zu-
gleich eine ergiebige Quelle durch Handelseiferſucht erzeug-
ter Streitigkeiten und Kriege, welche ſeitdem die Ruhe
Europens und der uͤbrigen Welttheile truͤbten.


Manche der Europaͤiſchen Maͤchte wuſten fruͤhe oder
ſpaͤter ſich Colonien und Beſitzungen in fremden Weltthei-
len zu verſchaffen, die mehrentheils der Handel allein ihnen
wichtig machte. Andere, denen ihre Lage und Beſchaffen-
heit nicht Gelegenheit zu ſolchen Erwerbungen gaben, ſuch-
ten wenigſtens den Handel ihrer Unterthanen auf andere
Weiſe zu erweitern; durch Geſetze und Handelsbuͤndniſſe
ſich wetteifernd mit anderen Voͤlkern Handelsvortheile
zu verſchaffen, und in Anſehung des Handels ihres Staats
mit den uͤbrigen das Gleichgewicht wenigſtens moͤglichſt
zu erhalten, wenn ſie ſich nicht eines Uebergewichts bemei-
ſtern koͤnnen.


Jetzt beruhen daher die wichtigſten Handelsrechte der
Voͤlker auf Geſetze und Vertraͤge der einzelnen Maͤchte;
doch giebt es theils einige Grundſaͤtze, die, unabhaͤngig von
den Vertraͤgen, als eingefuͤhret angeſehn werden koͤnnen,
auch laſſen ſich manche Puncte der Vertraͤge ſelbſt auf all-
gemeinere Grundſaͤtze zuruͤckfuͤhren. Dabey iſt inſonderheit
der Handel außerhalb Europa, von dem der mit den Eu-
ropaͤiſchen Beſitzungen in Europa gefuͤhret wird, weſentlich
zu unterſcheiden, ſo daß ſelbſt die Handelsvertraͤge im zwei-
felhaften Fall immer nur von letzterem zu erklaͤren ſind.



L 4§. 138.
[168]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.

§. 138.
Von dem Handel der Europaͤer in fremde Welttheile.


1) Alle Europaͤiſchen Maͤchte welche Beſitzungen in
fremden Welttheilen erworben und daſelbſt Colonien ge-
gruͤndet haben, ſind einem einfoͤrmigen Grundſatze gefol-
get, nach welchem ſie ſich ſelbſt in dem Beſitz des aus-
ſchließlichen durch ihre Unterthanen einzeln oder in Handels-
geſellſchaften a) zu fuͤhrenden Handels mit dieſen Beſitzun-
gen geſetzt, ihren Colonien nur einen ſehr beſchraͤnkten Han-
del mit Voͤlkern außerhalb Europa geſtattet, und hingegen
die uͤbrigen Europaͤiſchen Voͤlker dergeſtalt von allen Han-
del mit dieſen Beſitzungen ausgeſchloſſen haben, daß ihnen
außerhalb der Nothfaͤlle ſogar weder in ſelbigen anzulan-
den, noch auch unterhalb der Canonen der Veſtungen durch-
zuſeegeln b) geſtattet wird. Nur wenig Orte und Inſeln
der Europaͤer in dieſen Welttheilen machen davon eine Aus-
nahme, und ſind dem Handel aller oder einiger Europaͤi-
ſchen Voͤlker eroͤffnet c).


2) Einige Voͤlker außerhalb Europa, inſonderheit in
Indien haben ein oder anderer Europaͤiſchen Macht das
Recht des ausſchließlichen Handels mit ihnen durch Ver-
traͤge eingeraͤumt, und ſich dadurch die Haͤnde gebunden
dieſen Handel nicht mit anderen Voͤlkern zu errichten d).


3) Es giebt Beyſpiele daß Europaͤiſche Maͤchte zum
Vortheil einiger anderen Maͤchte auf den Handel nach In-
dien oder auf die fernere Ausdehnung deſſelben Verzicht
geleiſtet haben e).


Sofern aber keine dieſer drey Beſchraͤnkungen eintritt,
iſt der Handel und die Schiffarth ſowohl uͤberhaupt, als
insbeſondere nach Indien f) ungeachtet der daruͤber im 16ten
und 17ten Jahrhundert von einigen Maͤchten erregten un-
gegruͤndeten Zweifel fuͤr ſo frey anzuſehn, und anerkannt,
daß jetzt eine jede Europaͤiſche Macht befugt iſt neuerdings
einen Handel mit allen den Voͤlkern anzufangen, welche
dieſem Handel die Haͤnde bieten wollen g). Nicht alle
Voͤlker
[169]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.
Voͤlker außerhalb Europa ſind aber dazu in gleichem Maaße
mit den Europaͤiſchen geneigt.









§. 139.
Von dem Handel mit den Europaͤiſchen Beſitzungen.


Der Handel mit den Europaiſchen Beſitzungen der
Maͤchte Europens iſt hingegen jetzt allgemein ſo frey, daß
wenn man Kriegs- und Repreſalien-Faͤlle a) ausnimmt,
kein Europaͤiſcher Staat den Unterthanen des andren, ſelbſt
wenn er keinen Vertrag mit dieſem eingegangen iſt, den
Handel mit ſeinen Europaͤiſchen Beſitzungen ganz unter-
ſagt. So lange indeß keine Handelsbuͤndniſſe eingegangen
worden, hindert jene unbeſtimmte Handelsfreyheit nicht die-
ſen Handel, ſo wie man es fuͤr gut findet, zu beſchraͤnken,
und daher nicht nur 1) gewiſſe Orte oder Provinzen von
dieſem Handel auszunehmen b), ſondern auch 2) die Art
vorzuſchreiben, wie er von Fremden gefuͤhret werden koͤnne c),
3) die Einfuhr gewiſſer Waaren ganz zu verbieten und das
Verzeichniß dieſer Contrebande willkuͤhrlich zu erweitern,
4) Zoͤlle anzulegen und zu erhoͤhen, 5) hierinn eine Nation
vor der andern zu beguͤnſtigen, wie man es ſeinem Vortheil
gemaͤß findet, 6) die Rechte der Oberherrſchaft unbeſchraͤnkt
uͤber alle Fremden welche des Handels wegen in einen Staat
eintreten, oder ſich niederlaſſen, und uͤber ihre Guͤter aus-
zuuͤben; endlich 7) im Fall eines Bruches, nach der Strenge
des natuͤrlichen Voͤlkerrechts zu verfahren.


a)
[171]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.



§. 140.
Allgemeine Theorie der Handelsvertraͤge.


Dieſe unbeſtimmte allgemeine Handelsfreyheit iſt fuͤr
Voͤlker welche ein betraͤchtliches Handelsverkehr mit einander
treiben weit nicht hinreichend um ihnen alle die Vortheile
zu ſichern, deren Erlangung fuͤr das Aufbluͤhn ihres Han-
dels wuͤnſchenswuͤrdig iſt. Daher haben ſie ihre Zuflucht
zu Handelsbuͤndniſſen genommen, deren Zahl, insbeſondere
ſeit dem 16ten Jahrhundert, ſich ſehr betraͤchtlich vermehrt
hat. So verſchieden auch der Inhalt derſelben nach der
Verſchiedenheit des Handelsintereſſe der Contrahenten in
manchen Puncten iſt, ſo laͤßt ſich doch eine allgemeine
Theorie derſelben entwerfen a), und die Artikel aus welchen
ſie zu beſtehn pflegen, laſſen ſich auf drey Hauptclaſſen zu-
ruͤckfuͤhren, von welchen die erſte den Handel in Friedens-
zeiten, die zweyte den neutralen Handel des einen Theils,
wenn
[172]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
wenn der andere mit dritten Maͤchten Krieg fuͤhret, die
dritte den Fall eines Bruchs zwiſchen den Contrahenten
zum Gegenſtande hat b).




§. 141.
1) Handel in Friedenszeiten.


In Anſehung des Handels in Friedenszeiten pflegt
1) im allgemeinen die Art feſtgeſetzt zu werden, wie die
gegenſeitigen Unterthanen in Ruͤckſicht des Handels beguͤn-
ſtiget werden ſollen. Dahin gehoͤren inſonderheit die ſo
haͤufigen Clauſuln: den eigenen Unterthanen gleich, oder:
wie die am meiſten beguͤnſtigte Nation a) behandelt zu
werden, uͤber deren Sinn und Ausdehnung aber nicht ſel-
ten geſtritten wird b). 2) Werden die einzelnen Rechte
naͤher beſtimmt, deren die gegenſeitigen Unterthanen welche
ſich in dem anderen Lande aufhalten, theils in Hinſicht ihrer
Perſon z. B. in Abſicht auf ihre Religion, ihre Gerichtbar-
keit, ihre Handelsgeſchaͤfte, Handelsbuͤcher u. ſ. f., theils in
Hinſicht ihrer Guͤter, insbeſondere in Anſehung der Ab-
gaben,
[173]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels
gaben, des Fremdlingsrechts, des Abzugsrechts, des
Strandrechts, des Beſchlags ihrer Guͤter u. ſ. f. genießen
ſollen, 3) wird beſtimmt welche Gattungen von Waaren ein-
aus- und durchgefuͤhret werden duͤrfen, wieviel Zoͤlle und
Abgaben dafuͤr entrichtet werden ſollen c).





§. 142.
2) Neutraler Handel.


In Anſehung der Rechte der Neutralitaͤt auf den
Fall da der Mitcontrahente im Krieg verwickelt wuͤrde,
kommen hauptſaͤchlich folgende Puncte in Betracht: 1) Be-
freyung der Schiffe vom Embargo. 2) Beſtimmung der
Frage welche Waaren in Kriegszeiten als Kriegscontra-
bande angeſehn werden ſollen. 3) Feſtſetzung der Art wie die
Durchſuchung der neutralen Schiffe auf offener See ge-
ſchehn ſolle. 4) Entſcheidung der Frage: ob freyes Schiff
freyes Gut machen ſolle. 5) Betragen des neutralen Con-
trahenten gegen die Schiffe des Mitcontrahenten und des
Feindes deſſelben, welche in ſein Seegebiet einlaufen u. ſ. f.
wovon unten unter der Materie von der Neutralitaͤt naͤher
gehandelt werden wird.


§. 143.
3) Fall eines Bruches zwiſchen den Contrahenten.


Fuͤr den Fall des Bruches zwiſchen den Contrahen-
ten kommt es inſonderheit an, zu beſtimmen 1) von welcher
Zeit dieſer Bruch angerechnet werden ſoll a) 2) wiefern die
gegenſeitigen Unterthanen fuͤr ihre Perſon und Guͤter beym
Ausbruch
[174]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Ausbruch des Kriegs vom Arreſt frey ſeyn ſollen, 3) wie
lange Zeit ihnen gelaſſen werden ſolle, um mit ihren Guͤ-
tern aus dem Lande zu gehn, 4) ob und unter welchen
Bedingungen ſie waͤhrend des Kriegs dort bleiben duͤrfen b).




§. 144.
Von den Conſuln.


Wie einzelne Staaten ſchon ſehr fruͤhe bey ſich zu
Hauſe eigene Richter fuͤr Handels- und Seeſachen, zum
Theil unter dem Nahmen der Conſuln ernannt hatten, ſo
gaben die Kreuzzuͤge zuerſt einigen italieniſchen Staͤdten
die Veranlaſſung, ſich von aſiatiſchen Fuͤrſten unter andren
Vorzuͤgen auch das Recht ertheilen zu laſſen, dort ihre
eigene Conſuls a) als Richter und Beſchuͤtzer der dorti-
gen Handelsleute ihrer Nation zu ernennen; dieſes Bey-
ſpiel ward nachmahls nicht nur von andren Europaͤiſchen
Staaten fuͤr die Handelsplaͤtze in der Levante und ſpaͤterhin
durch Vertraͤge mit den Africanern fuͤr die africaniſchen
Handelsplaͤtze, ſondern auch zwiſchen den Europaͤiſchen Maͤch-
ten unter einander, zum Theil ſchon ſeit dem 15ten, all-
gemeiner aber im 16ten Jahrhundert nachgeahmet b), ſo
daß jetzt die Zahl der Conſuln in und außerhalb Europa
ſehr betraͤchtlich iſt, obwohl ſie nur dahin geſchickt werden
koͤnnen, wo Vertraͤge oder ein beſonderes Herkommen dazu
berechtigen, auch das Recht ſie abzuſchicken als ein Ho-
heitsrecht anzuſehn iſt, das weder Municipalſtaͤdten noch
Handelsgeſellſchaften zuſteht c).





§. 145.
Rechte der Conſuln in und außerhalb Europa.


Alle Conſuln kommen zwar darinn uͤberein, daß ſie
der Schutz und Beyſtand der Handelsleute und Schiffer
ihrer Nation ſeyn, auf die Beobachtung der Handelsver-
traͤge wachen, und von dem was den Zuſtand und das
Intereſſe des Handels ihres Souverains an dem Ort ihres
Conſulats anbetrifft, an ihren Hof berichten ſollen a). In
Anſehung der Vorrechte derſelben aber ſind die Conſuln in
Africa und der Levante von denen in den mehreſten Eu-
ropaͤiſchen Plaͤtzen in verſchiedenen Puncten zu unterſcheiden.


Jene haben nicht nur faſt durchgaͤngig die willkuͤhr-
liche und ſtreitige Civil-Gerichtbarkeit uͤber die Untertha-
nen ihres Souverains in deren Angelegenheiten unterein-
ander, und ſelbſt oft in Klagen der Auslaͤnder gegen ſie,
ſondern ſie werden auch uͤberhaupt in dieſen Plaͤtzen faſt
ganz auf den Fuß der Geſandten behandelt, wenn ſchon
die Conſuln in der Levante b) mehrentheils in einer Art
der Abhaͤngigkeit von dem Geſandten ihres Hofes zu Con-
ſtantinopel ſtehn.


Die mehreſten Conſuln in Europa hingegen haben
entweder blos die freywillige Gerichtbarkeit, und koͤnnen
bey entſtehenden Streitigkeiten nur als Schiedsrichter be-
trachtet werden c), oder ſie haben doch nur eine ſehr be-
ſchraͤnkte Civil-Gerichtbarkeit uͤber die Unterthanen ihres
Souverains in den Handelsſtreitigkeiten derſelben unter ein-
ander d). Und obwohl ſie unter dem beſonderen Schutz
des Voͤlkerrechts ſtehn, und ſofern der Staat ihnen ſeine
Handels-
[176]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Handelsangelegenheiten uͤbertraͤgt, im allgemeinen Sinn als
Miniſter (Miniſtri publici) des Staats der ſie ernennt an-
zuſehn ſind e), ſo koͤnnen ſie doch den Geſandten, auch der
unterſten Claſſe, in Anſehung der Vorrechte nicht gleichgeſetzt
werden, nicht nur weil ſie keine Creditive, ſondern mehren-
theils nur Beſtallungsbriefe aufzuweiſen haben, denen der
Staat bey dem ſie als Conſuln ſich aufhalten ſollen, erſt das
exequatur d. i. die Beſtaͤdtigung ertheilen muß f), und
außerdem nur etwa Empfehlungsſchreiben mitbringen, ſon-
dern auch weil ſie weit nicht aller Vorzuͤge genießen, welche
das Herkommen den Geſandten der verſchiedenen Claſſen bey-
legt, indem ſie der Regel nach weder auf Befreyung von
der Gerichtbarkeit g) oder den Abgaben h), noch auf ge-
ſandſchaftlichen Gottesdienſt i), noch uͤberhaupt auf das ge-
ſandſchaftliche Ceremoniel und die darauf ſich beziehende
Praͤcedenz k) Anſpruch machen koͤnnen.









Mb) Auch
[178]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.



§. 146.
General-Conſuln, Vice-Conſuln,Commiſſaires.


Zuweilen werden General-Conſuln fuͤr mehrere Plaͤtze
oder uͤber mehrere Conſuln ernannt; zuweilen dem Conſul
ein Vice-Conſul beygegeben. Die Rechte und Geſchaͤffte
derſelben kommen, in Hinſicht des Staats in dem ſie ihr Amt
verwalten, mit denen der Conſuln in der Hauptſache uͤberein.


Die commiſſaires de la marine welche an einigen
Orten ſtatt der Conſuln angeſtellt werden, ſind a) von dieſen
nur darinn inſonderheit verſchieden, daß ihre Geſchaͤffte ſich
auf den Ort der Reſidenz beſchraͤnken b).


Auch die ius conſervadores c) kommen in der Haupt-
ſache mit den Conſuln uͤberein, und ſind hauptſaͤchlich als
Nationalrichter anzuſehn.


Endlich kommen zwar auch die Courtmaſter welche
an einigen Orten d) als Haͤupter und Richter einer
Geſellſchaft fremder Kaufleute angeordnet ſind, in einigen
Stuͤcken den Conſuln nahe, ſie genieſſen aber doch ſonſt man-
cher von dieſen abweichenden und nicht uͤberall gleichfoͤrmi-
gen Rechte.






§. 147.
Uebergang zu dem folgenden.


Der Handel wird theils zu Lande, theils zur See
getrieben; daß letzterer der wichtigſte ſey iſt bekannt. Auch
dient das Meer durch ſeine Producte auf mannigfaltige
Weiſe zu Befoͤrderung des Handels; nachdem daher von den
Rechten des Handels uͤberhaupt geredet worden, iſt der
Uebergang zu den in Anſehung der Schiffahrt und Be-
nutzung der Fluͤſſe und Meere geltenden Rechten natuͤrlich.


Viertes Hauptſtuͤck.
Von den Rechten der Voͤlker in Ruͤckſicht der
Meere und Gewaͤſſer.


§. 148.
Verſchiedenheit der Rechte und Anſpruͤche auf das Meer.


Da einige Theile des Meers und der uͤbrigen Ge-
waͤſſer fuͤr einer Nation unterworfen, andere fuͤr voͤllige frey
anerkannt werden, das Eigenthum und die Oberherrſchaft
uͤber andere Theile aber beſtritten wird (§. 33—37.) ſo er-
waͤchſt daraus eine große Verſchiedenheit der Rechte und
Anſpruͤche der Voͤlker in Anſehung der Benutzung derſelben
und des Seeceremoniels, je nachdem nemlich ein Staat
uͤber einen gewiſſen Seediſirict Eigenthum und Oberherr-
ſchaft, oder doch Oberherrſchaft allein beſitzt oder behauptet,
oder dieſen Diſtrict als einem andren Volk [unterworfen] an-
erkennt, oder ihn fuͤr frey haͤlt, und in dem letzteren Fall
entweder nur auf die Rechte Anſpruch macht, welche das
M 2natuͤr-
[180]Viertes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
natuͤrliche Voͤlkerrecht jeder Nation an herrenloſe Dinge
beylegt, oder hier gewiſſe herkommliche Vorzuͤge, inſonder-
heit in Anſehung des See-Ceremoniels, begehren zu koͤn-
nen glaubt.


§. 149.
Ius littoris.


Da Fluͤſſe, Landſeen, kleine Meerengen und Meer-
buſen, und uͤberhaupt alle unterhalb der Kanonen welche an
dem Ufer aufgepflanzet ſind, (oder werden koͤnnten) gelegene
Theile des Meeres der Regel nach dem Oberherrn des Ufers
unterworfen ſind, und ſein Fluß- oder Seegebiet ausmachen,
ſo ſtehn ihm uͤber daſſelbe alle Rechte des Eigenthums und
der Oberherrſchaft zu, und der Inbegriff dieſer Rechte wird
zuweilen mit dem Nahmen des Strandrechts (ius littoris)
im aller allgemeinſten Sinn a) belegt. Es gehoͤren dahin
inſonderheit:


  • 1) die ausſchließliche Benutzung der Producte dieſer Ge-
    waͤſſer, theils derer welche aus den Fluͤſſen oder dem Meer
    gefiſchet werden, wie Fiſche, Perlen u. ſ. f. theils derer
    welche das Meer an den Strand auswirft, (eiecta) wie
    Bernſtein, Corallen, auch zuweilen große Fiſche u. ſ. f.
    und obgleich die Verfaſſung eines jeden Staats entſchei-
    det, wiefern auch Privat-Unterthanen z. B. Gutsbeſitzer
    oder andere Bewohner des Ufers daran Antheil haben
    koͤnnen b), ſo ſind doch der Regel nach alle Fremden
    von dieſer Benutzung ausgeſchloſſen.
  • 2) Das ausſchließliche Recht der Schiffahrt, es ſey von
    der Durchfahrt unterhalb der Kanonen, oder von dem Ein-
    laufen und dem Aufenthalt in den Hafen und auf der
    Rhede des Staats die Rede. Doch iſt als eine Folge
    der oben in Anſehung der Freyheit des Durchgangs, des
    Aufenthalts und des Handels angefuͤhrten Grundſaͤtze, und
    ſelbſt der Furcht vor Retorſionen anzuſehn, daß [wenn
    man einige Fluͤſſe ausnimmt c)] in Friedenszeiten, ſo-
    wohl die Durchfahrt auf Fluͤſſen Meerengen und den
    naͤchſt
    [181]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Meers.
    naͤchſt angrenzenden Theilen der See, als das Einlau-
    fen in die Europaͤiſchen Seehaͤfen, theils durch Vertraͤge
    und Herkommen, theils in Anſehung der teutſchen Retchs-
    ſtaͤnde unter einander ſelbſt durch Geſetze d) eingefuͤhret
    iſt, und nur in Anſehung der Kriegsſchiffe außerhalb der
    Vertraͤge und der Nothfaͤlle eine beſondere Erlaubniß vor-
    hergehn muß. (§. 74.)
  • 3) Sowohl fuͤr die Freyheit und Sicherheit der Durchfahrt
    durch Meerengen, Zoͤlle e) und andere Ungelder, als
    auch fuͤr die durch das Fluß- oder Seegebiet uͤberhaupt
    durchgefuͤhrte Waaren, tranſito Zoͤlle, fuͤr die in den
    Hafen eingefuͤhrten, dann wenn ſie ausgeladen werden,
    importations- fuͤr die auszufuͤhrenden exportations-
    Zoͤlle, fuͤr den Aufenthalt der Schiffe Hafengeld fuͤr die
    auf den Strand geſeegelte Grundgeld (groundage) zu
    erheben f).
    Unter den offenen Europaͤiſchen Meerengen iſt indeß
    der Sund der einzige wo fuͤr die Freyheit der Durchfahrt
    ein Zoll bezahlet wird g), der mit den mehreſten Voͤl-
    kern durch Vertraͤge feſtgeſetzt iſt h); unter den offenen
    Haͤfen ſind in Anſehung der Einfuhr die Freyhaͤfen von
    den uͤbrigen zu unterſcheiden i).
  • 4) Das Recht in dem ganzen Umfange des Seegebiets der
    Schiffahrt der Fremden wie der Einheimiſchen Geſetze vor-
    zuſchreiben, Polizey, Gerichtbarkeit, und alle andere Ho-
    heitsrechte auszuuͤben welches Recht zuweilen unter den
    allgemeinen Nahmen der Strandgerichtbarkeit begrif-
    fen wird.










§. 150.
Strandrecht in beſonderem Sinn.


Auf keine Weiſe aber kann dem Herrn des Ufers das
insbeſondere ſogenannte Strandrecht, Grundruherecht (com-
pendium naufragiorum, droit de naufrage
) oder das
Recht
[183]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Meers.
Recht auf ſchiffbruͤchige Guͤter, oder ſolche welche um der
Gefahr des Schiffbruchs zu entgehn geworfen worden, bey-
gelegt werden a); weder das Recht auf herrnloſe Guͤter,
wozu dieſe nicht gehoͤren, noch der Vorwand die Nachlaͤſſig-
keit des Schiffers zu beſtrafen, oder beſchwerliche Proceſſe zu
vermeiden, noch das Recht Fremde von unſrem Gebiet aus-
zuſchließen, noch das Eigenthum des Grundes den dieſe Guͤ-
ter beruͤhrt haben, koͤnnen den Herrn des Ufers berechtigen
ſich mit dem Schaden verungluͤckter Fremden zu bereichern b).
Dennoch galt dieſes unmenſchliche Recht ehemahls faſt in
ganz Europa. Aber ſchon ſeit dem 13ten Jahrhundert ward
die Ausuͤbung deſſelben, durch Privilegia, durch Geſetze c)
und Vertraͤge d) eingeſchraͤnkt, und es iſt ſeitdem nach und
nach ſo vielfaͤltig aufgehoben worden, daß man es jetzt als
aus Europa uͤberhaupt verbannt anſehen kann, und nur ſo
fern noch hie und da Spuren deſſelben in einzelnen Winkeln
ſich erhalten haben e), dawider Retorſion gebraucht wird und
gerechtfertiget werden kann f).







M 4f)
[184]Viertes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

§. 151.
Recht der Bergung;droit de ſauvement.


Ganz verſchieden von dieſem Recht aber iſt das
der Bergung a) (ius colligendi naufragium, droit de
ſauvement
) oder das Recht des Oberherrn des Ufers den
verungluͤckten Schiffen zu Huͤlfe zu eilen, geworfene oder
ſchiffbruͤchige Guͤter zu retten und aufzubewahren, und fuͤr
dieſe verwendete Muͤhe und Gefahr ſich von den Eigenthuͤ-
mern eine verhaͤltnißmaͤßige b) Belohnung bezahlen zu laſ-
ſen, bis dahin aber einen Theil der geborgenen Guͤter zu-
ruͤck zu behalten. Dieſes Recht wird noch jetzt uͤberall, ob-
wohl auf verſchiedene Weiſe c) geuͤbt, dagegen werden aber
auch den Eigenthuͤmern der Guͤter dieſe herausgegeben, wenn
ſie binnen der ziemlich allgemein auf Jahr und Tag von Zeit
des ihnen kund gewordenen Unfalls beſtimmten Verjaͤhrungs-
friſt d) ſich melden und nachmahls ihr Eigenthum erweiſen
koͤnnen.






§. 152.
Rechte uͤber groͤßere Landſeen, Meerbuſen, Meeren.


Da ferner einige Voͤlker auch uͤber die Grenzen hinaus
welche vom Ufer aus durch Kanonen beſtrichen werden koͤn-
nen Eigenthum oder doch Oberherrſchaft auf groͤßere Land-
ſeen, Meerbuſen, eingeſchloſſene oder angrenzende Meere
beſitzen oder behaupten (§. 36.) ſo entſtehn hieraus inſonder-
heit folgende Rechte und Anſpruͤche:


  • 1) Unter den Landſeen iſt es hauptſaͤchlich der Bodenſee
    uͤber welchen geſtritten wird, da die mehreſten Anwohner
    deſſelben behaupten, daß er innerhalb der Haldinen dem
    Eigenthum und Oberherrſchaft der Beſitzer der Ufer ge-
    hoͤre, in der Mitte aber von aller Oberherrſchaft frey
    ſey. Oeſterreich hingegen eine Oberherrſchaft und kraft
    derſelben eine geſetzgebende Gewalt und Aufſicht uͤber den
    ganzen Bodenſee behauptet, und desfalls theils mit dem
    ſchwaͤbiſchen Kreiſe, theils inſonderheit mit der Stadt Lin-
    dau im Streit iſt, welche hervorragende Rechte vor den
    uͤbrigen Beſitzern der Ufer ſich anmaaßt a).
  • 2) Der tuͤrkiſche Kaiſer geſtattet kraft ſeines Eigenthums
    und ſeiner Oberherrſchaft uͤber das ſchwarze Meer, deſſen
    Ufer bis auf die neueren Zeiten ihm allein unterworfen
    waren, und zu welchem ihm die Dardenellen den Schluͤſ-
    ſel geben, keiner Nation den Handel oder die Schiffahrt
    auf dem ſchwarzen Meer, der er ſie nicht durch Vertraͤge
    eingeraͤumt hat. Sonſt war Frankreich die allein be-
    guͤnſtigte Nation b). In neueren Zeiten aber hat Ruß-
    M 5land
    [186]Viertes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
    land nicht nur dieſe Freyheit c), ſondern auch an dem
    ſchwarzen Meer betraͤchtliche Beſitzungen durch Vertraͤge
    erworben. Auch Oeſterreich hat ſich die Freyheit des
    Handels auf dem ſchwarzen Meer von den Tuͤrken ver-
    ſprechen laſſen d).
  • 3) Daͤnemark will alle Voͤlker von aller Schiffahrt und
    Fiſchfang in der Entfernung von 4 Meilen von den Kuͤ-
    ſten von Island und in der Entfernung von 15 Meilen von
    Groͤnland ausſchlieſſen. Aber die auswaͤrtigen Voͤlker
    inſonderheit die vereinigten Niederlaͤnder, ob ſie gleich
    auf den Handel mit dieſen daͤniſchen Beſitzungen keinen
    Anſpruch machen, wollen ſich vom Robben- und Wall-
    fiſchſang nicht ausſchlieſſen laſſen e).
  • 4) Großbritannien hat nicht nur im 17ten Jahrhundert
    das Recht behauptet, fremde Voͤlker, beſonders die Hol-
    laͤnder, von der Heringsfiſcherey bis auf die Entfernung
    von 10 Meilen von den Kuͤſten der ſchettlaͤndiſchen In-
    ſeln
    auszuſchlieſſen f), ob es gleich den letzteren dieſe Fi-
    ſcherey nachmahls durch Vertraͤge eingeraͤumet hat g) ſon-
    dern auch in noch weiterer Entfernung die Oberherr-
    ſchaft h) und unbeſtimmt in allen 4 Meeren welche Groß-
    britannien umflieſſen die Ehre des Seegelſtreichens be-
    gehrt, welchen letzteren Punct jedoch nur die vereinigten
    Niederlaͤnder
    durch Vertraͤge und zwar bis auf feſtge-
    ſetzte Grenzen anerkannt haben i).
  • 5) Venedig behauptet noch jetzt wegen ſeiner angemaßten
    Oberherrſchaft uͤber das adriatiſche Meer die darauf ſich
    beziehenden Ehrenbezeugungen; aber weder Oeſterreich,
    Neapel und der Pabſt, mit denen am heftigſten geſtrit-
    ten worden, noch andere Voͤlker raͤumen dieſes Recht ein,
    und die geſchwaͤchte venetianiſche Seemacht ſetzt dieſe Re-
    publik außer Stand eine Forderung nachdruͤcklich zu be-
    haupten, in deren Beſitz eine leere Ceremonie ſie nicht
    erhalten kann k).

6)
[187]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Meers.
  • 6) Auch Genua l) iſt zu ſchwach um das See-Ceremoniel
    zu behaupten, auf das jetzt ſeine Anſpruͤche uͤber das
    liguſtiſche Meer (Golfe de Gênes) ſich beſchraͤnken.
  • 7) Zwiſchen einigen Anwohnern der Oſtſee iſt zwar das
    See-Ceremonial jetzt feſtgeſetzt und auf dieſes ſcheinen
    ſich auch hauptſaͤchlich die Anſpruͤche des Koͤnigs von
    Schweden auf den bothniſchen Meerbuſen (uͤber die or-
    dentlichen Grenzen des Seegebiets hinaus) zu beſchraͤn-
    ken; aber als getheilt zwiſchen dieſen Anwohnern kann die
    Oſtſee nicht angeſehn werden m). Nur Daͤnemark wel-
    ches die Schluͤſſel zur Oſtſee hat, haͤlt ſich fuͤr berechtiget
    in Kriegszeiten den Kriegs- und Caperſchiffen fremder
    Maͤchte den Eingang zu verſchlieſſen, und fuͤr ſie die Oſtſee
    als neutral zu erklaͤren n).














§. 153.
Rechte in Anſehung des weiten Weltmeers.


Da endlich das weite Weltmeer jetzt fuͤr frey aner-
kannt wird, (37.) ſo iſt zwar keine Nation berechtiget die
Schiffahrt auf daſſelbe zu verbieten, oder ihr Geſetze vor-
zuſchreiben, und nur einige Voͤlker begehren auch hier fuͤr
ihre Schiffe ein ausgezeichnetes See-Ceremoniel, aber in
Anſehung der an ihre jenſeits deſſelben belegenen Beſitzun-
gen angrenzenden Theile des Meeres behaupten die Euro-
paͤiſchen Maͤchte nicht nur eben die Rechte deren ſie in Eu-
ropa auf das mare proximum genieſſen, und uͤben ſie mit
der groͤßeren Strenge die eine Folge ihrer Handelsverbothe
iſt a), die aber nur nicht in Seeraͤubereyen der Kuͤſtenbewah-
rer ausarten ſollte, aus, ſondern es fehlt auch da nicht an Bey-
ſpielen von Anforderungen einzelner Maͤchte auf ausſchließ-
liche Schiffahrt und Fiſcherey in weit betraͤchtlicherer Ent-
fernung von dem Ufer, als der welche mit Kanonen beſtrichen
werden kann b).


a)
[189]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Meers.


§. 154.
See-Ceremoniel.


Der Werth welchen die Voͤlker auf alle Zeichen der
Oberherrſchaft zur See legen, hat dem See-Ceremoniel
einen ſo hohen Grad der Wichtigkeit verſchafft, daß die Ver-
nachlaͤſſigung deſſelben mehr als einmahl zum Grund, oder
doch zum Vorwand, der groͤßeſten Gewaltſamkeit und ſelbſt
blutiger Kriege gedient hat a). Dieſes See-Ceremoniel b)
faßt folgende Hauptpuncte in ſich:


  • 1) den Schiffsgruß durch Loͤſung der Kanonen; wobey die
    Frage in welcher Entfernung, von wem zuerſt, mit wie-
    viel Schuͤſſen gegruͤßet, und wann und mit wieviel Schuͤſ-
    ſen gedankt werden ſolle ſchon bey dieſer bloßen Hoͤflich-
    keitsbezeugung nicht ſelten Streit erregt c).
  • 2) Das Flaggenſtreichen durch einziehn, herunterneigen,
    oder abnehmen der Flagge welches nicht als eine bloße
    Hoͤflichkeitsbezeugung, ſondern als eine Anerkennung ent-
    weder der Oberherrſchaft uͤber den Theil des Meers wo
    dieſer Gruß geſchieht, oder doch der Uebermacht des an-
    dren angeſehn wird d).
  • 3) Das Herablaſſen des Marsſeegels bis an den Fockmaſt,
    oder das Seegelſtreichen, welches jedoch, außerhalb der
    Vertraͤge, mehrentheils nur von Kauffartheyſchiffen ge-
    fordert wird.





§. 155.
Seeceremoniel in unterworfenen Theilen des Meers.


Alle Seeſtaaten, ſowohl Republiken als Monarchien
fordern daß alle fremde Schiffe, ſie ſeyn Kriegs- oder Han-
dels- und jene Linienſchiffe oder Fregatten, einzeln oder in
Escadren und Flotten 1) wenn ſie unterhalb der Kanonen
einer Feſtung vorbey ſeegeln, oder ehe ſie in den Hafen ein-
laufen, die Feſtung oder den Hafen ſowohl mit Kanonenſchuͤſ-
ſen als durch Flaggenſtreichen begruͤßen ſollen, worauf die
Feſtung den Kriegsſchiffen durch Kanonenſchuͤſſe (zuweilen
auch durch das Wehen eines Wimpels) dankt, die nach der
Zahl und Beſchaffenheit dieſer Kriegsſchiffe Schuß um Schuß,
oder nach geendigtem Gruß in gleicher oder geringerer Zahl
abgefeuert werden. 2) Daß wenn ſie ihren Kriegsſchiffen
in ihrem Seegebiet begegnen, oder dieſe vor Anker liegend
finden, ſie dieſelben nicht nur durch Kanonenſchuͤſſe ſondern
auch durch Flaggenſtreichen begruͤßen, ihnen aber nur durch
Kanonenſchuͤſſe gedankt werde. Allgemein ſind dieſe beiden
Puncte zwar auch in Europa anerkannt a): allein 1) Großbri-
tannien und (bisher) nach deſſen Muſter Frankreich wollen
nicht
[191]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Meers.
nicht zugeben daß ihre Admiralſchiffe allen Republiken dieſe
Ehre, ſelbſt beym Einlaufen in den Hafen erweiſen und be-
gehren von einigen derſelben den erſten Gruß, den jedoch die
mehreſten unter dieſen zu thun weigern. 2) Wenn die Ober-
herrſchaft welche einzelne Maͤchte uͤber gewiſſe Meere behaup-
ten ihnen von anderen nicht eingeraͤnmt wird, ſo entſtehn
daraus unvermeidlich Streitigkeiten uͤber die Anwendung je-
ner Grundſaͤtze b).




§. 156.
See-Ceremoniel auf offenem Meer oder in dem Gebiet
dritter Maͤchte.


Auf den Theilen des Meers welche entweder fuͤr voͤllig
frey, oder fuͤr einer dritten Macht unterworfen anerkannt wer-
den,
[192]Viertes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
den, giebt es im allgemeinen gar keine Verbindlichkeit fuͤr
die Schiffe zweyer Nationen einander zu begruͤßen, und oft
wird hier der Gruß ganz unterlaſſen. Indeß iſt doch herge-
bracht, daß 1) ein Kriegsſchiff von hoͤherem Rang von Schif-
fen eines geringeren Ranges a) zuerſt begruͤßt wird und die-
ſen dann mit einer geringeren Zahl von Schuͤſſen dankt. 2)
Daß ein einzelnes Kriegsſchiff; eine Escadre oder Flotte der es
begegnet, eine Huͤlfsescadre die Hauptflotte zu der ſie ſtoͤßt b)
zuerſt mit Kononenſchuͤſſen begruͤßen. Auch fordern 3) alle
koͤnigliche Kriegsſchiffe daß die Kriegsſchiffe der Republiken
ſie nicht bloß durch Kanonenſchuͤſſe ſondern auch durch Flag-
genſtreichen begruͤßen, oder widrigenfalls lieber den Gruß
ganz unterlaſſen, und wollen im erſteren Falle bloß durch
Kanonen danken c). 4) Großbritannien und nach deſſen
Beyſpiel Frankreich begehren daß ihre Admiralſchiffe in allen
Meeren von den Kriegsſchiffen aller anderen Voͤlker nicht
nur durch Kanonenſchuͤſſe begruͤßt, ſondern auch vor ihnen die
Flaggen geſtrichen werden ſollen.





§. 157.
Außerordentlicher Schiffsgruß.


Unabhaͤngig von den uͤber den Seegruß in gewiſſen
Theilen des Meers vorhandenen Streitigkeiten der Voͤlker
pflegt ein Schiff das einen regierenden Herrn, einen Prinzen
von koͤniglichem Gebluͤt a), einen Bothſchafter fuͤhrt, von
den Schiffen und ſelbſt von den Feſtungen fremder Maͤchte
zuerſt mit Kanonen begruͤßt zu werden; doch auch dieſer
Punct hat zuweilen zu Streitigkeiten Anlaß gegeben b).


a) Wie
[193]Nechte der Voͤlker in Anſehung des Meers.


§. 158.
Kauffarthey-Schiffe.


Weit minder Schwierigkeit hat das See-Ceremoniel der
Kauffarthey-Schiffe, da dieſe ſich nicht weigern koͤnnen, dann
wenn ſie einem Kriegsſchiffe begegnen, oder unterhalb der
Kanonen eines fremden Staats durchſeegeln oder ſich einem
Hafen naͤhern, die Flagge zu ſtreichen, das Marßſeegel fal-
len zu laſſen, und, wenn ſie Kanonen fuͤhren, mit Kanonen
zu gruͤßen a). Schiffen die im Lauf ſind wird aber zuweilen
unbedenklich ein Theil dieſes Grußes, dann wenn er ihnen
laͤſtig wird, erlaſſen.



§. 159.
Auswege zu Vermeidung der Streitigkeiten.


Will ein Schiff, dann wenn es zum ſalutiren durch
einen Schuß mit looſem Kraut (ſemonce) aufgefordert
wird, nicht, oder doch nicht gehoͤrig gruͤßen, ſo fehlt es
nicht an Beyſpielen, daß es ſofort durch Scharfſchuͤſſe dazu
genoͤthiget, oder von dem Seegebiet entfernt worden. Da
aber eine ſolche Behandlung fuͤr freundſchaftliche Staaten
eben ſo nachtheilig, als unpaſſend iſt, ſo haben einige Maͤchte
ſchon das nachahmungswuͤrdig- Beyſpiel gegeben, den
Schiffsgruß in einzelnen Faͤllen a) oder fuͤr immer b) durch
Vertraͤge abzuſchaffen, und Frankreich hat ſich jetzt zur
Ngaͤnzli-
[194]Viert. Buch. Zweyt. Hptſt. Rechte d. Voͤlker ꝛc.
gaͤnzlichen Abſchaffung deſſelben erklaͤret. Auch ſcheint
es, daß die ſtrengen Verordnungen, welche den Befehlsha-
bern der Kriegsſchiffe mitgegeben werden, nicht ſelten durch
geheime Inſtructionen gemildert werden.




Fuͤnſtes
[195]

Fuͤnftes Buch.
Von den perſoͤnlichen und Familien-Rechten
der Souveraine.


§. 160.
Allgemeine Anmerkung.


Wie die vielfaͤltigen Familien-Verbindungen zwiſchen
den chriſtlichen Europaͤiſchen Souverainen, von welchen ſo
manche entweder von einem gemeinſamen Stammvater ent-
ſprungen, oder doch durch Heyraten miteinander verwandt
und verſchwaͤgert ſind, am mehreſten dazu beygetragen ha-
ben, daß ſich die Europaͤiſchen Regenten uͤberhaupt gleich-
ſam als eine Familie anſehn, ſo hat die Aehnlichkeit der
Sitten, der Geſchmack an Luxus und Pracht, der Wunſch
fuͤr geſittet und freundſchaftlich geſinnt geachtet zu werden,
zu mancherley Hoͤflichkeits-, Freundſchafts-, oder Achtungs-
Bezeugungen Anlaß gegeben, welche die Souveraine und
unter dieſen vorzuͤglich die Familien-Hoͤfe in ihren per-
ſoͤnlichen Verhaͤltniſſen an den Tag zu legen pflegen; und
wenn ſchon die allerwenigſten derſelben auf Vertraͤge, die
mehreſten auf bloße Regeln des Wohlſtandes beruhen, und
mehr die Perſon der Fuͤrſten, als ihre Staaten betreffen,
ſo ſcheint es doch, daß man in dem poſitiven Voͤlkerrecht
ſie nicht unberuͤhrt laſſen duͤrfe, zumahl manche derſelben
nicht nur in Friedenszeiten oft ſorgfaͤltiger als die heilig-
ſten Vertraͤge, ſondern ſelbſt mitten im Kriege nach dem
Grundſatz beobachtet werden, daß der Krieg nur die Staa-
ten die ihn fuͤhren entzweye, und auf die perſoͤnlichen Ge-
ſinnungen der Souveraine keinen Einfluß habe a).



§. 161.
Notificationen.


So iſt es zwiſchen den mehreſten Europaͤiſchen Sou-
verainen hergebracht, einander von den traurigen und fro-
hen Begebenheiten welche ſich mit der Perſon und Familie
des Regenten zutragen, Nachricht zu geben, wie z. B. von
dem Abſterben eines Regenten, ſeiner Gemahlinn, der
Prinzen und Prinzeſſinnen vom Gebluͤt; von der Thronbe-
ſteigung, von Vermaͤhlungen a), Schwangerſchaften, Ge-
burten u. ſ. f. Dieſe Notificationen erfolgen entweder blos
ſchriftlich, oder auch muͤndlich, durch den Weg eines or-
dentlichen oder außerordentlichen Geſandten; ſie werden durch
ein Condolenz- oder Gluͤckwuͤnſchungs-Compliment beantwor-
tet, welches unter Staaten gleicher Wuͤrde auf gleiche Weiſe
wie die Notification abgelegt zu werden pflegt; zuweilen
wird die Theilnahme noch thaͤtiger, durch Anlegung der
Trauer b) auf laͤngere oder kuͤrzere Zeit nach den Umſtaͤn-
den, durch Haltung feyerlicher Obſequien u. ſ. f. zuweilen
auch durch Dank- und Freudenfeſte, Fuͤrbitten in den Kir-
chen u. ſ. f. an den Tag gelegt.




§. 162.
Vermaͤhlungen.


Wie uͤberhaupt Souveraine kein Recht haben ſich in
fremde Familien-Angelegenheiten zu miſchen, ſo haͤngt die
Wahl eines Gemahls oder einer Gemahlinn der Regel
nach von dem Willen beider Theile ab, und ſelbſt die Un-
ſtandesmaͤßigkeit einer Ehe giebt den auswaͤrtigen weder
nach dem natuͤrlichen noch nach dem hergebrachten Voͤlker-
recht ein Recht, die Anerkenntniß dieſer Wahl oder des aus
dieſer Ehe erzeugten Kronerben zu verweigern a). Die
beym Heyraths-Antrag und den Vermaͤhlungen herge-
brachte Ceremonien, haͤngen von den Umſtaͤnden und dem
Haus-Ceremoniel jeden Hofes ab. Auch in die Ehe- und
Familienhaͤndel der Souveraine hat kein fremder Hof das
Recht, ſich weiter als durch guͤtliche Vorſtellungen einzu-
miſchen.



§. 163.
Gevatterſchaften.


Die Fuͤrſten und beſonders diejenigen welche wirklich
miteinander verwandt ſind, pflegen ſich auch gegenſeitig zu
Gevattern a) zu bitten. Bey der Wahl dieſer Taufzeu-
gen ſieht man jetzt nicht mehr ſo wie im 16ten Jahrhun-
dert auf ihre Religions-Gleichheit b). Da uͤbrigens die
Fuͤrſten ſelten in Perſon dieſes Geſchaͤfft verrichten, ſo er-
nennen ſie dazu einen Geſandten, oder der Fuͤrſt der ſie ein-
geladen hat, ſchlaͤgt dazu bey der Einladung jemanden vor.
Auch Republiken und andere moraliſche Perſonen werden
zuweilen zu Gevattern gebeten c). Außer den auch bey
Fuͤrſten uͤblichen Gevatter-Geſchenken iſt auch im teutſchen
(ſelten im Lateiniſchen und niemahls im Franzoͤſiſchen) der
N 3Titel
[198]Fuͤnftes Buch.
Titel Gevatter zwiſchen Fuͤrſten gleicher Wuͤrde noch her-
gebracht.





§. 164.
Geſchenke.


Auch durch gegenſeitige Geſchenke pflegen oft Fuͤr-
ſten ihre Freundſchaft an den Tag zu legen. Dahin ge-
hoͤren: 1) Geſchenke zu welchen man durch Vertraͤge ſich an-
heiſchig gemacht hat a), 2) andere die dem Herkommen nach
jaͤhrlich b) oder doch bey gewiſſen Gelegenheiten c) gemacht
zu werden pflegen. 3) Andere die voͤllig von der freyen
Willkuͤhr der Hoͤfe abhaͤngen d).






§. 165.
Weltliche Ritterorden.


Nach dem Muſter der geiſtlichen Ritterorden deren
Mitglieder ſich durch aͤußere Kennzeichen vor andren un-
terſchieden, fingen auch Fuͤrſten an, theils diejenigen mit
denen ſie als vertraueteren Freunden Geſellſchaften errich-
teten, theils in der Folge auch andere die ſie eines vorzuͤg-
lichen buͤrgerlichen oder militairiſchen Verdienſts wegen zu
belohnen wuͤnſchten, durch aͤußere Merkmahle vor andren
auszuzeichnen. Dies iſt der Urſprung der weltlichen Rit-
terorden, dergleichen nicht nur die mehreſten Koͤnige a)
und einige Republiken b) ſondern auch die mehreſten der
altweltfuͤrſtlichen Haͤuſer in Teutſchland einen, oft aber auch
mehrere und von ſehr verſchiedenen Klaſſen geſtiften haben c).
Dieſe Orden werden nicht nur eigenen oder fremden Unter-
thanen als Zeichen der Gnade und des Wohlwollens er-
theilt, ſondern auch die erſten koͤniglichen Hausorden, nicht
ſelten fremden koͤniglichen und fuͤrſtlichen Perſonen beiderley
Geſchlechts und zwar mit Diſpenſatien d) von den Sta-
tuten des Ordens als Zeichen der Freundſchaft zugeſandt e),
und von dieſen in Friedens- und Kriegszeiten getragen.


Sonſt iſt aus den Geſetzen des Ordens zu beurthei-
len, wiefern er mit andren zu vereinbaren ſey f). Auch
behaͤlt der Ordensmeiſter das Ausſchließungsrecht; und da
das Recht den Orden zu tragen blos perſoͤnlich iſt, ſo wer-
N 4den
[200]Fuͤnftes Buch.
den die Zeichen (nicht immer die Verzierungen) des Or-
dens von den Erben zuruͤckgeſandt.


Daß zwey Hoͤfe Orden deſſelben Nahmens ſtifren
koͤnnen iſt außer Zweifel, aber uͤber das Recht der Erthei-
lung ein und deſſelben Ordens iſt zwiſchen Großbriton-
nien und Spanien in Anſehung des Ordens des goldenen
Vließes g) ein beruͤhmter und noch unentſchiedener Rechts-
ſtreit entſtanden.









§. 166.
[201]Von perſoͤnlichen und Familien-Rechten.

§. 166.
Empfang fremder Fuͤrſten.


So verſchieden das Hof-Ceremoniel der einzelnen
Europaͤiſchen Hoͤfe in manchen Puncten iſt, ſo aͤhnlich iſt
es wiederum in vielen andren und inſonderheit in Anſe-
hung der Art des Empfangs fremder Fuͤrſten und ihrer
Geſandten. Da indeß ſehr vieles von dem Verhaͤltniſſe des
Beſuchenden und des beſuchten Hofes abhaͤngt, ſo laͤßt ſich
nur im allgemeinen bemerken, wodurch der hohe Gaſt geeh-
ret werden koͤnne. Dahin gehoͤret inſonderheit: das Ent-
gegenfahren, die Loͤſung der Kanonen und andere militai-
riſche Ehrenbezeigungen, das Ablegen der Trauer, die Ein-
raͤumung der rechten Hand (unter Fuͤrſten gleicher Wuͤrde)
Freudenfeſte aller Art, Geſchenke, zuweilen auch Fuͤrbit-
ten in der Kirche, Freyhaltung, Wohnung in dem Pallaſt
u. ſ. f. Die Beſchwerlichkeiten des Ceremoniels und die
damit verbundene Koſten haben Anlaß zu dem in neueren
Zeiten ſo haͤufigen incognito der großen Herrn auf ihren
Reiſen gegeben, bey welchem ſich kein Ceremoniel mehr
feſtſetzen laͤßt, da die Strenge deſſelben verſchiedene Grade
hat, und das mehreſte von dem Geſchmack des Fremden
und den allenfalls vorher getroffenen Abreden abhaͤngt.


§. 167.
Bewillkommung durchreiſender Fuͤrſten.


Selbſt dann wenn ein fremder Monarch nur das
Gebiet eines andren und nicht ſeine Reſidenz betritt, oft
ſogar wenn er nur nahe an den Grenzen vorbey reiſet,
pflegt man ihm einige Hoͤflichkeiten zu bezeugen; insbe-
ſondere ihm durch einen Prinzen von Gebluͤt oder durch
einen der erſten Hofbedienten Gluͤck wuͤnſchen zu laſſen;
doch laſſen ſich keine Regeln in Anſehung eines Puncts
feſtſetzen, der ganz von Umſtaͤnden abhaͤngt, und bey dem
von vollkommnen Pflichten nicht die Rede ſeyn kann a).


N 5a) Doch
[202]Fuͤnftes Buch.

§. 168.
Exterritorialitaͤt fremder Monarchen.


Ob fremde Monarchen, wenn ſie das Gebiet eines
andren Staats beruͤhren, ihre perſoͤnliche Unabhaͤngigkeit mit
hinein bringen, ſo daß ſie weder den Geſetzen, noch den
Gerichten dieſes Landes unterworfen werden koͤnnen, und als
voͤllig exterritorial angeſehn werden muͤſſen, iſt nach dem
ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht zweifelhaft a). Das Herkom-
men aber gewaͤhret wenigſtens den gekroͤnten Haͤuptern und
voͤllig ſouverainen Fuͤrſten dieſe perſoͤnliche Exterritorialitaͤt,
ſofern ſie 1) nicht insgeheim kommen b) (obwohl ſie in
cognito
kommen moͤgen), 2) noch in den wirklichen Beſitz
der Souverainetaͤt ſind, oder doch einen fuͤr gegruͤndet an-
erkannten Anſpruch an ſelbige haben c); 3) ſich dieſem
Staat nicht dadurch unterworfen haben, daß ſie in deſſen
Dienſten z. B. in Militair Dienſten getreten ſind d). Be-
ginge aber ein ſolcher fremder Monarch ein der Sicherheit
dieſes Staats unmittelbar Gefahr drohendes Verbrechen,
ſo wuͤrde dieſer das Recht haben nicht nur ihn auszuſchaffen,
ſondern auch wider ihn wie gegen ſeinen erklaͤrten Feind zu
verfahren e).


Kraft dieſer herkommlichen Exterritorialitaͤt geſtattet
man auch fremden Monarchen eine buͤrgerliche Gerichtbar-
keit uͤber ihr Gefolge. Daß ſie aber berechtiget ſeyn alle
Handlungen der hoͤchſten Gewalt an dem Ort ihres Aufent-
halts auszuuͤben, laͤßt ſich nicht behaupten f).








§. 169.
Privatguͤter derſelben.


Die Exterritorialitaͤt fremder Monarchen erſtreckt ſich
zwar auch auf diejenigen Mobilien die ſie in einem fremden
Lande mit ſich fuͤhren. Auch gewaͤhret ein ziemlich allgemei-
nes Herkommen in und außerhalb Teutſchlands dem zum
eigenen Gebrauch des Monarchen oder ſeiner Familie be-
ſtimmten Fuͤrſtengut bey ſeiner Durchfuͤhrung, auf erfolgte
Requiſition, eine Befreyung von Zoͤllen a). Unbewegliche
Guͤter derſelben ſind der Regel nach nicht von Abgaben frey.


Auch ſind bewegliche oder unbewegliche Guͤter welche
der Perſon eines abweſenden fremden Monarchen zuſtehn, ſo
gut wie die welche ſeinem Staat oder deſſen Unterthanen ge-
hoͤren, der Gerichtsbarkeit b) des Staats und folglich auch
dem Arreſt c) und der Sequeſtration auf ein im Wege
Rechtens von den Unterthanen des letzteren erfolgtes An-
ſuchen d), in allen den Faͤllen unterworfen, in welchen ſonſt
ein Arreſt ſtatt hat und die Gerichtbarkeit begruͤndet.


Entſtehn aber zwiſchen zween Fuͤrſten uͤber ihre Pri-
vatguͤter Streitigkeiten, ſo kann, ſo wie in Streitigkeiten der
Voͤlker, keiner zugleich Parthey und Richter des andren
ſeyn e). Daher ſind Arreſte die in ſolchen Faͤllen ange-
legt werden, als Repreſſalien anzuſehn f) und ihre Recht-
maͤßigkeit iſt nach eben den Grundſaͤtzen zu beurtheilen wel-
che uͤberhaupt in Anſehung der Thaͤtlichkeiten und Kriege
zwiſchen
[204]Fuͤnftes Buch.
zwiſchen Voͤlkern zu Beſchuͤtzung und Verfolgung ihrer
Rechte eintreten. Wiefern aber der Regent zu Verfolgung
ſeiner Privat-Anſpruͤche auf Guͤter, Provinzen u. ſ. f. die
Kraͤfte ſeiner Nation aufbieten duͤrfe, iſt aus dem Staats-
recht, nicht aus dem Voͤlkerrecht zu beurtheilen.








§. 170.
Auswaͤrtige Glieder der Familie.


Eben ſo iſt die Frage wiefern Fuͤrſten ſich der Prin-
zen und Prinzeſſinnen ihres Hauſes die einen andren Staat
beherrſchen oder mit deſſen Oberhaupt vermaͤhlt ſind, dann
wenn ſie hier widerrechtlich behandelt werden a), nicht blos
durch Vorſtellungen ſondern ſelbſt mit Gewalt der Waffen
annehmen
[205]Von perſoͤnlichen und Familien-Rechten.
annehmen duͤrfen, in zwiefacher Ruͤckſicht, des Staats- und
Voͤlkerrechts, zu beurtheilen. In jener Hinſicht iſt zwar
in wahren Colliſionsfaͤllen die Erhaltung des Staats allen
uͤbrigen Pflichten vorzuziehn und ſofern der Satz wahr, daß
der Staat keine Verwandte habe, in andren Faͤllen aber
verlieren Prinzen die einen fremden Staat beherrſchen und
Prinzeſſinnen die durch ihre Vermaͤhlung nicht ſelten das
Opfer der Politik ihres Staats wurden nicht allen Anſpruch
auf den Schutz des Landes in welchem ſie geboren wurden.
Das Voͤlkerrecht aber wird nicht beleidiget, wenn ein Re-
gent ſich der gerechten Sache ſeiner auswaͤrtigen Verwand-
ten in Faͤllen annimmt in welchen er ſich ſelbſt des gering-
ſten ſeiner Unterthanen oder ſogar eines voͤllig fremden Fuͤr-
ſten aufgefordert annehmen duͤrſte.



Sechstes
[206]

Sechstes Buch.
Von der Art wie die Angelegenheiten der
Voͤlker ſchriftlich verhandelt werden.


§. 171.
Verbindung mit dem Vorhergehenden.


Auch in dem Voͤlkerrecht laſſen ſich wie in anderen Zwei-
gen der Rechtsgelehrſamkeit die Rechte ſelbſt von den Mitteln
unterſcheiden dieſe Rechte zu vertheidigen und zu verfolgen;
bey dieſen Mitteln aber treten wiederum außer den Grund-
ſaͤtzen des natuͤrlichen Rechts, manche auf Herkommen oder
Gewohnheit beruhende Beſtimmungen ein.


Da freye Voͤlker keinen hoͤheren Richter auf der Welt
haben, vor dem ſie ihre Beſchwerden anbringen und von
welchem ſie die Entſcheidung ihrer Streitigkeiten erwarten
koͤnnten, ſo bleiben ihnen keine andere Mittel uͤbrig als der
Weg der guͤtlichen Verhandlung, oder, in deſſen Erman-
gelung die Selbſthuͤlfe.


§. 172.
Verſchiedene Arten der Verhandlungen.


Guͤtliche Verhandlungen koͤnnen entweder blos unmit-
telbar zwiſchen den Voͤlkern angeſtellet werden, unter wel-
chen ein Streit entſtanden iſt, oder mit Zuziehung eines
dritten Volks das entweder 1) blos ſeine guten Dienſte
(bons offices) verwendet um eine guͤtliche Auskunft zu be-
foͤrdern, oder 2) als Vermittler (mediateur) a) von bei-
den Theilen erwaͤhlet worden, um unpartheyiſche Vorſchlaͤge
zu einem Vergleich zu thun, die jedoch angenommen oder
verworfen werden koͤnnen, oder 3) als erwaͤhlter Schieds-
richter
[207]Von ſchriftlichen Verhandlungen der Voͤlker.
richter b) einen auf Rechtsgruͤnde beruhenden Ausſpruch thun
ſoll, dem beide Theile Folge zu leiſten ſich verpflichtet haben.


Alle dieſe Verhandlungen koͤnnen theils muͤndlich,
es ſey von den Regenten in Perſon, oder von deren Bevoll-
maͤchtigten, theils ſchri[f]tlich betrieben werden. Und außer-
halb der eigentlichen Verhandlungen giebt es zwiſchen Voͤl-
kern mannigfaltige Veranlaſſungen zu ſchriftlichen Aufſaͤtzen,
ſofern es bald darauf ankommt das ganze Publicum von der
Rechtmaͤßigkeit unſerer Sache, von unſren getroffenen Maaß-
regeln u. ſ. f. zu unterrichten, theils durch ſchriftliche Abfaſ-
ſung muͤndlich geſchloſſenen Vertraͤge ſie der Vergeſſenheit
und dem Zweifel zu entreiſſen.




§. 173.
Gattungen von [Staatsſchriften].


Man kann daher alle Schriften welche in den Ver-
haͤltniſſen der Voͤlker vorkommen und die allgemein mit dem
Nahmen
[208]Sechstes Buch.
Nahmen der Staatsſchriften (acta publica) belegt werden,
in ſolche eintheilen die an eine gewiſſe Perſon oder an einen
gewiſſen Hof gerichtet oder doch fuͤr dieſe beſtimmt ſind,
und in ſolche die fuͤr das ganze Publicum beſtimmt ſind,
welche letztere in dieſer Ruͤckſicht zuweilen in beſonderem Sinn
oͤffentliche Staatsſchriften genannt werden. Jene haben
entweder die Form eines Briefes oder die eines Memorials,
Decrets u. ſ. f. a).



§. 174.
Canzley-Schreiben.


Unter den Briefen der Monarchen ſind die Canzley-
Schreiben von den Cabinets- und eigenhaͤndigen Schrei-
ben zu unterſcheiden. In Republiken hat dieſer Unterſchied
nicht ſtatt.


Canzley- oder Staats-Schreiben (Lettres de
conſeil, de Chancellerie
) welche aus der Staatscanzley
ausgefertiget werden, und worin das ſtrengſte Ceremoniel
beobachtet wird, unterſcheiden ſich durch folgende Puncte:
1) Sie werden der Regel nach in der Staatsſprache a)
des ſchreibenden Hofes abgefaßt. 2) Wenn ſie an gleiche b)
oder geringere gerichtet werden, ſo faͤngt der Schreibende
mit
[209]Von ſchriftlichen Verhandlungen der Voͤlker.
mit ſeiner eigenen Titulatur c) an, hierauf folget der Titel
deſſen an den das Schreiben gerichtet iſt, die Bezeichnung
des gegenſeitigen Verhaͤltniſſes, die Begruͤßungsformel, und
ſodenn erſt die Anrede. Z. B. N. N. par la grace de
Dieu d) Roi etc. à très-haut très-puiſſant et très-
illuſtre Prince N. N. par la même grace Roi N. N.
nôtre bon frére, couſin e), ami et allié ſalut. —
Très-haut très-puiſſant et très-illuſtre Roi
. 3) Im
Context, welcher unabgeſetzt auf die Anrede folgt, redet der
Schreibende von ſich ſelbſt in der mehreren Zahl Wir f)
und giebt dem, an welchen er ſich wendet, die Majeſtaͤt g),
Durchlaucht h) u. ſ. f. i). 4) Der Brief wird mit einer
hergebrachten Schlußformel geendiget k). Dann folget vom
Briefe abgeſetzt die Bezeichnung des Orts, des Tages,
des gemeinen und Regierungsjahres wo er ausgefertiget
worden. 5) Hierauf wird entweder die Anrede wiederho-
let l), oder auch nach den Umſtaͤnden der Brief ſchlecht-
weg von dem Fuͤrſten unterſchrieben, nach dem er von dem
Miniſter contraſignirt worden. 6) Die Ausfertigung ge-
ſchieht auf groͤßerem Papier, mehrentheils ohne Briefdecke,
und immer mit Aufdruͤckung des großen Staatsſiegels. 7)
Die Aufſchrift enthaͤlt den ganzen Titel deſſen, an wel-
chen der Brief gerichtet iſt, und ſein Verhaͤltniß zu dem
Schreibenden.











k) Die
[213]Von ſchriftlichen Verhandlungen der Voͤlker.


§. 175.
Cabinets-Schreiben.


Cabinets- oder Handſchreiben, welche der Fuͤrſt aus
ſeinem Cabinet erlaͤßt, ſind einem weniger ſteifen Ceremo-
niel unterworfen, und in dieſen werden zuweilen Titel ge-
geben, die man in den Canzley-Schreiben verweigert. Sol-
che Cabinets-Schreiben werden 1) zwiſchen Fuͤrſten die nicht
dieſelbe Sprache gebrauchen, gewoͤhnlich im franzoͤſiſchen
als der faſt allgemeinen Hofſprache abgefaßt; 2) gleich mit
der Anrede, die oft ſehr kurz iſt, angefangen 3) der Schrei-
bende redet von ſich in einfacher Zahl, giebt aber dem an
welchen er ſchreibt die Majeſtaͤt, Durchlaucht, u. ſ. f. 4)
Der Styl iſt weniger zuruͤckhaltend und verbindlicher 5)
oft wird die Unterſchrift mit der letzten Periode des Brie-
fes in Verbindung geſetzt, nachdem allenfalls die Anrede
wiederholet worden, 6) dieſe Briefe pflegen mit einer Brief-
decke verſehn, in kleinerer Form geſchrieben und mit dem
Cabinets-Siegel beſiegelt zu werden. Die Aufſchrift iſt
ganz kurz.


§. 176.
Eigenhaͤndige Schreiben.


Davon koͤnnen noch die eigenhaͤndigen Schreiben unter-
ſchieden werden, die nicht mehr Ceremoniel als die Briefe
eines Privatmannes haben, obwohl auch hier die franzoͤſiſche
Sprache die uͤblichſte iſt. Sie kommen nicht ſehr haͤufig a)
in Staatsgeſchaͤften vor. Sehr uneigentlich nennen einige
dieſe lettres en forme de billet.



O 3§. 177.
[214]Sechstes Buch.

§. 177.
Wahl der Briefform.


Wann Canzley- und wann Cabinets-Schreiben ge-
waͤhlet werden muͤſſen, laͤßt ſich nicht auf ſichere Vorſchriften
zuruͤckfuͤhren, da Umſtaͤnde und Geſchmack des Fuͤrſten
hier entſcheiden; doch kann man anmerken, daß 1) in wich-
tigen und ſehr feyerlichen Gelegenheiten zumahl zwiſchen Hoͤ-
fen die nicht auf ſehr vertrauetem Fuß ſtehn Canzley-Schrei-
ben uͤblicher ſind, obgleich in einem ſehr ungleichen Verhaͤlt-
niß der geringere ſich an den hoͤheren nicht in Canzley Schrei-
ben wendet; 2) es fuͤr unhoͤflich gehalten werden wuͤrde ein
Cabinets oder gar ein eigenhaͤndiges Schreiben durch ein
Canzley Schreiben zu beantworten, ſelbſt wenn jenes von
einem geringeren herkaͤme. 3) Fuͤrſten die ein Cabinet ha-
ben ſich nicht leicht zuerſt in einem vertraulicheren eigenhaͤn-
digen Schreiben an einen hoͤheren wenden.


§. 178.
Canzley-Fehler.


Daß in Schreiben großer Herrn mancherley Fehler
wider das Ceremoniel einſchleichen koͤnnen, ergiebt ſich aus
dem bisher geſagten. Wird in dieſem Fall der Fehler nicht
von dem Schreibenden ſelbſt, ſobald er ihn bemerkt, ent-
ſchuldiget, ſo kann der welcher den Brief empfaͤngt, wenn
er ſich dabey nicht beruhigen will, entweder blos den Fehler
ruͤgen, oder dawider fuͤr die Zukunft proteſtiren, oder erklaͤ-
ren, daß er vor erfolgter Verbeſſerung ihn nicht beantworten,
oder in aͤhnlichem Falle den Brief zuruͤckſchicken werde, oder
ihn wirklich zuruͤckſchicken. Gemeiniglich begnuͤget man ſich
mit den beiden erſten [Mitteln] ſo lange man vermuthet, daß
der Fehler nur aus Nachlaͤſſigkeit begangen worden a).



§. 179.
[215]Von ſchriftlichen Verhandlungen der Voͤlker.

§. 179.
Denkſchreiben.


Sehr haͤufig iſt im Voͤlkerrecht der Gebrauch der
Denkſchreiben, memoires, pro memoria denen die Foͤrm-
lichkeiten der Briefe alle, oder groͤßeſtentheils, inſonderheit
die Beſiegelung fehlen. Man unterſcheidet eine dreyfache
Gattung derſelben; 1) einige ſind mit einer Anrede, Datum
und Unterſchrift verſehn, und der Verfaſſer redet von ſich
in der erſten, von dem an den er ſich wendet in der zweyten
Perſon; dieſe kommen den Briefen am naͤchſten, daher man
ſie memoires en forme de lettre nennt; 2) andere enthal-
ten zwar eine Anrede, Datum und Unterſchrift, aber der
Schreibende redet von ſich in der dritten Perſon; dieſe nennt
man insbeſondere memoires; 3) andere ſind ohne Anrede,
zuweilen ſelbſt ohne Unterſchrift, und ſowohl von dem Aus-
ſteller als dem fuͤr welchen die Schrift beſtimmt iſt wird in
dritter Perſon (unperſoͤnlich) geredet. Dieſe werden ins-
beſondere Noten genannt.


§. 180.
Gebrauch derſelben.


Solche Denkſchreiben werden theils von den Hoͤfen,
theils von ihren Geſandten abgefaßt und uͤbergeben. Zu
den Denkſchriften der Hoͤfe gehoͤren: 1) die Circular-Noten
welche zuweilen ein Hof an alle bey ihm reſidirende fremde
Geſandte, oder das ſogenannte corps diplomatique, ge-
meiniglich mit Unterſchrift des Staatsſecretairs ergehn laͤßt,
um ſie von etwas zu benachrichtigen oder um etwas zu er-
ſuchen; imgleichen 2) die Antworten die er einem Geſandten
auf deſſen Memorial ertheilet, die jedoch nach der Verſchie-
denheit der Verfaſſung zuweilen in Form eines Decrets,
einer Signatur a), Reſolution u. ſ. f. ertheilet werden. 3)
Die Noten welche der Hof entweder geradezu an ein aus-
waͤrtiges Staats-Miniſterium einſendet, oder die er ſeinem
auswaͤrtigen Geſandten uͤberſchickt, um ſolche nebſt einem
O 4von
[216]Sechstes Buch. V. ſchriftl. Verhandl. d. Voͤlker.
von ihm gefaßten Memoire zu uͤberreichen. Letztere werden
zuw [...]ilen ohne Unterſchrift ausgefertiget. Davon ſind die
Inſtructionen zu unterſcheiden welche ein Hof ſeinem Ge-
ſandten zuſchickt, und die zuweilen zwar die Form eines P.
M. oder Reſcripts, gemeiniglich aber die eines Briefes des
Staatsſecretairs oder des Fuͤrſten haben.


Die Denkſchreiben der Geſandten an den Hof bey
welchem ſie reſidiren, werden jetzt ſelten in Geſchaͤften en
forme de lettre
ausgefertiget; am gewoͤhnlichſten ſind die
insbeſondere ſogenannte memoires, doch kommen auch die
Noten oft vor. Die Depechen welche der Geſandte an ſeinen
Hof einſchickt, haben mehrentheils die Form eines Briefes.



§. 181.
Uebrige Staatsſchriften.


Unter den Schriften die in noch engerem Sinn oͤffent-
liche Staatsacten genannt werden, weil ſie fuͤr das ganze
Publicum beſtimmt ſind, haben einige zugleich den Styl
und die Form offener Briefe lettres patentes, wie z. B.
Vollmachten, Paͤſſe und einige Manifeſte, andere formam
libelli,
wie Staatsvertraͤge, Ratificationen, Proteſtatio-
nen u. ſ. f. Die ausfuͤhrlicheren Voͤlkerrechts-Deductionen,
welche unter dem Nahmen Manifeſte, Anfuͤhrung der
Urſachen u. ſ. f. durch oͤffentlichen Druck bekannt gemacht
werden, ſind in Anſehung der Form keinen andren Vor-
ſchriften, als denen unterworfen, welche die Natur der Sache
auch bey Deductionen der Privatperſonen an die Hand giebt.


Siebentes
[217]

Siebentes Buch.
Geſandſchaftsrecht
.


Erſtes Hauptſtuͤck.
Von dem Geſandſchaftsrecht uͤberhaupt.


§. 182.
Verbindung mit dem vorhergehenden.


Nicht leicht koͤnnen wichtige und verwickelte Angelegenhei-
ten blos durch ſchriftliche Correſpondenz der Hoͤfe und ihrer
Miniſter beendiget werden. Daher ſind muͤndliche Unter-
redungen nothwendig; und da Fuͤrſten ſelten in Perſon mit
einander handeln koͤnnen, ſo ſehen ſie ſich genoͤthiget Man-
datarien zu ſchicken die mit Vollmacht und Inſtruction ver-
ſehn, ihre Angelegenheiten bey auswaͤrtigen Maͤchten be-
treiben; dies iſt der Grund des Geſandſchaftsrechts a).



§. 183.
Begriff eines Geſandten.


Unter Miniſter verſteht man im allgemeinen Sinn
jeden Diener des Staats; in engerem Sinn denjenigen der
einem Departement als Haupt deſſelben vorſteht; (z. B.
Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten;) unter auswaͤr-
tigen Miniſter oder Geſandten (legatus, Ambaſſadeur
im allgemeinen) denjenigen der zu Betreibung oͤffentlicher
Staatsangelegenheiten an Auswaͤrtige abgeſchickt wird. Da
der Staat zu Fuͤhrung der auswaͤrtigen Geſchaͤfte ſolcher
Geſandten nicht entbehren kann, ſo iſt das Geſandſchaftsrecht
als ein weſentliches Recht des Staats, und ſo fern ſolche
Geſandte von gemeinen Mandatarien der Privatperſonen
verſchieden ſind, als ein Hoheitsrecht anzuſehn. Das all-
gemeine Voͤlkerrecht gedenkt ſich unter Geſandte ſolche denen
die Fuͤhrung wirklicher Staatsgeſchaͤfte anvertrauet wird
(miniſtres negociateurs). Jetzt werden nicht nur zuwei-
len Geſandte auch zu bloßen Ceremoniel-Geſchaͤften, ſondern
ſeit der Einfuͤhrung der beſtaͤndigen Geſandten auch oft ohne
einen beſtimmten Auftrag zu Erhaltung der gegenſeitigen
Freundſchaft und zu [Erforſchung] deſſen was an einem Hofe
merkwuͤrdiges vorfaͤllt abſchickt. Indeß legt das Herkom-
men
[219]Geſandſchaftsrecht uͤberhaupt.
men den Ceremoniel- und beſtaͤndigen Geſandten faſt ohne
Ausnahme alle die Vorrechte bey, deren ein wirklicher Ne-
gociateur genießt, obgleich dies aus allgemeinen Gruͤnden
nicht zu folgen ſcheint.


§. 184.
Recht Geſandte zu ſchicken.


Der urſpruͤngliche und hauptſaͤchliche Zweck der Ge-
ſandſchaften ergiebt, daß 1) alle diejenigen welche in ihrem
eigenen Nahmen mit Auswaͤrtigen in Verhandlung zu tre-
ten berechtiget ſind, auch das Recht haben muͤſſen Geſandte
zu ſchicken, folglich daß nicht nur alle ganz unabhaͤngige
Staaten a), ſie moͤgen ungleiche Buͤndniſſe mit anderen ein-
gegangen haben oder nicht, ſondern auch alle diejenigen nicht
unabhaͤngigen (halb ſouveraine) Staaten welche das Recht
des Kriegs, des Friedens und der Buͤndniſſe haben, be-
fugt ſeyn muͤſſen Geſandte abzuſchicken, daher auch dieſes
active Geſandſchaftsrecht ſowohl den teutſchen Reichsſtaͤn-
den b), als einigen anderen abhaͤngigen Staaten c) jetzt un-
beſtritten zuſteht. Die Frage aber, wer in monarchiſchen
Staaten dieſes Recht auszuuͤben habe, ob der Regent allein
oder mit Zuziehung der Staͤnde, iſt aus dem poſitiven
Staatsrecht eines jeden Landes zu beurtheilen d). Hinge-
gen alle die unterworfene Theile eines Staats welche kein
Recht haben in eigenem Nahmen mit Auswaͤrtigen in Ver-
handlungen zu treten, und alle phyſiſche Perſonen denen die-
ſes Recht nicht zuſteht, wie hoch auch uͤbrigens ihre Geburt
oder das Amt welches ſie bekleiden ſeyn mag e), haben das
Geſandſchaftsrecht nicht, obſchon ſie in ihren Angelegenheiten
anderen Privatperſonen gleich, bloße Mandatarien ſchicken
koͤnnen. In dem Verhaͤltniß zwiſchen dem Oberherrn und
deſſen Unterthanen und Staͤnden, koͤnnen dieſe ihm zwar
Abgeordnete ſchicken, ſo wie er ihnen Commiſſarien ſendet,
aber beide ſind nicht als Geſandter anzuſehn, jene nicht
weil die welche ſie abgeordnet haben ihnen dieſe Eigenſchaft
nicht beylegen koͤnnen, dieſe nicht, weil der Oberherr ſie ihnen
nicht
[220]Siebentes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
nicht beylegen wollen, noch auch beyzulegen brauchte, um
ihnen die Vorzuͤge zu verſchaffen deren er ſie genießen laſ-
ſen will f). Ein Regent kann indeß das Recht in ſeinem
Nahmen das Geſandſchaftsrecht auszuuͤben mittheilen, und
ſofern koͤnnen zuweilen Prinzen vom Gebluͤtg), Statt-
halter, Vice-Koͤnige, Generale, Geſandte
h) ſelbſt Per-
ſonen abſenden, die des Characters, der weſentlichen Rechte
und des Anſehns wirklicher Geſandten genießen.










§. 185.
Recht Geſandte anzunehmen.


Wer das Recht hat Geſandte zu ſchicken, hat auch das
Recht ſie anzunehmen, und nur ſofern ihm das erſtere zu-
ſteht, kann er auf das letztere Anſpruch machen, ſo daß das
active und paſſive Geſandſchaftsrecht ſowohl uͤberhaupt, als
in Anſehung der verſchiedenen Grade der Geſandſchaft in
unzertrennlicher Verbindung ſteht.


§. 186.
Erwerbung und Verluſt des Geſandſchaftsrechts.


Da das Geſandſchaftsrecht ein Theil der hoͤchſten Ge-
walt iſt, ſo faͤllt es im Fall einer Erledigung des Throns
auf das Volk oder diejenigen zuruͤck, denen nach der Ver-
faſſung des Landes die Verwaltung waͤhrend des Zwiſchen-
reichs zuſteht. Der Regent welcher die Regierung freywillig
niederlegt,
[222]Siebentes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
niederlegt, kann ſelbiges nicht mehr ausuͤben. Auch der-
jenige Fuͤrſt nicht, der in oder außerhalb Landes in Gefan-
genſchaft gerathen waͤre, ſo lange dieſe Gefangenſchaft fort-
dauert. Sonſt aber kann der unwillkuͤhrliche Verluſt des
Throns den rechtmaͤßigen Beſitzer deſſelben, oder der ent-
behrte Beſitz den rechtmaͤßigen Praͤtendenten nicht des Ge-
ſandſchaftsrechts berauben, ſo wenig ein unrechtmaͤßiger Be-
ſitz fuͤr ſich allein das Geſandſchaftsrecht giebt. Eben daher
wird aber auch in Europa die Annahme oder Abſendung ei-
nes oͤffentlichen Geſandten von Seiten eines dritten Volks,
als ein Beweis angeſehn, daß es den der ihn ſendet oder
empfaͤngt als rechtmaͤßigen Regenten betrachte, obgleich nach
dem was ſchon oben §. 72. erinnert worden nach den all-
gemeinen Grundſaͤtzen ein Volk das ſich blos nach den ge-
genwaͤrtigen Beſitzſtand richtet, die Rechtmaͤßigkeit deſſelben
noch nicht nothwendig anerkannt zu haben ſcheint.


§. 187.
Verbindlichkeit Geſandte zu ſchicken oder anzunehmen.


So wenig ein Staat im allgemeinen verbunden iſt,
Geſandte zu ſchicken, wenn er dies nicht durch Vertraͤge ver-
ſprochen hat, ſo wenig giebt es auch außerhalb der Ver-
traͤge eine vollkommene Verbindlichkeit in Friedens- oder
Kriegszeiten Geſandte, zumahl fuͤr beſtaͤndig anzunehmen.
Daher kann jeder Staat auch die Bedingungen unter wel-
chen er Geſandte annehmen will, und die Art ihrer Auf-
nahme beſtimmen. Indeß wuͤrde 1) nach der Europaͤiſchen
Voͤlker-Praxis in Friedenszeiten ein Staat die Annahme
eines Geſandten einer freundſchaftlichen Macht uͤberhaupt
nicht leicht verweigern; 2) wenn deſſen Aufnahme einmahl
verwilliget worden, ſo giebt es einige Rechte deren er ſchon
nach dem allgemeinen Voͤlkerrecht zu genieſſen hat; 3) an-
dere beruhen auf einzelne Vertraͤge oder auf Geſetze einzel-
ner Europaͤiſchen Maͤchte; 4) andere ſind durch ein gleich-
foͤrmiges Herkommen ſo eingefuͤhrt, daß ſie fuͤr ſtillſchwei-
gend eingeraͤumt anzuſehn ſind, ſobald desfalls nichts aus-
bedungen
[223]Geſandſchaftsrecht uͤberhaupt.
bedungen wird; 5) andere endlich, inſonderheit manche Ce-
remonielrechte, haͤngen von dem beſondren Gebrauch ein-
zelner Hoͤfe ab, und laſſen ſich daher nicht auf allgemeine
Grundſaͤtze zuruͤckfuͤhren.


Zweytes Hauptſtuͤck.
Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.


§. 188.
Geſchichte des Urſprungs der verſchiedenen Klaſſen.


Das allgemeine Voͤlkerrecht kennt keine Eintheilung
der Geſandten in verſchiedene Klaſſen; es betrachtet ſie alle
als oͤffentliche Geſchaͤftstraͤger des Staats den ſie, jedoch nur
in Hinſicht der ihnen aufgetragenen Geſchaͤfte, vorſtellen,
und laͤßt ſie der hieraus flieſſenden weſentlichen Rechte ge-
nießen. Das poſitive Europaͤiſche Voͤlkerrecht aber hat nach
und nach mehrere in Anſehung des Ceremoniels von einan-
der weſentlich verſchiedene Klaſſen eingefuͤhrt a).


In fruͤheren Zeiten kannte man nemlich auch in Eu-
ropa in Staatsgeſchaͤften nur eine Gattung von Geſandten
unter dem Nahmen Bothſchafter, Ambaſſadeurs. Fuͤr
Privat-Angelegenheiten des Fuͤrſten wurden wohl hie und
da beſondere Agenten angenommen, und in Ceremoniel oder
anderen minder wichtigen Geſchaͤften ein adelicher Hofbediente
an einen andren Hof geſchickt; aber weder dieſe noch die
Agenten konnten irgend ein geſandſchaftliches Ceremoniel
oder anderes Vorrecht begehren. Als aber im 15ten und
mehr noch im 16ten Jahrhundert die Idee von dem perſoͤn-
lichen Repreſentativ-Character des Geſandten manche Strei-
tigkeiten und einen hoͤheren Aufwand veranlaßte, auch zu
dieſer Zeit nicht nur die Geſandſchaften haͤufiger wurden
ſondern ſelbſt in beſtaͤndige verwandelt zu werden anfingen,
ſo gab dies Veranlaſſung eine geringere Klaſſe von Geſand-
ten, ohne den hohen Repreſentativ-Character, einzufuͤh-
ren
[224]Siebentes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ren b), und ſie unter dem Nahmen von Reſidenten, von
jenen welche nun ausſchließlich Ambaſſadeurs genannt wur-
den zu unterſcheiden. Daß gleichwohl dieſe Reſidenten den
bloßen Agenten vorgehen muͤſten, ſchien ſelbſt dann ſich von
ſelbſt zu verſtehn, wenn, wie wohl manchmahl geſchah, ſolche
Agenten auch zu Staatsangelegenheiten gebraucht wurden.
Agenten dieſer letzteren Art wurden in der Folge unter dem
Nahmen Chargés des affaires, agentes in rebus,Ge-
ſchaͤftstraͤger
, immer mehr von denen unterſchieden die
entweder nur die Privat-Angelegenheiten ihres Fuͤrſten,
oder gar keine zu beſorgen hatten und der immer weniger
geſchaͤtzte Titel Agent faſt blos fuͤr letztere beybehalten.


Ueberdies fing man in der erſten Haͤlfte des 17ten
Jahrhunderts an, den an Hoͤfe ohne weiteren Character
geſandten Adelichen (gentilhommes envoyés) ein obwohl
im Anfange ſehr unbeſtimmtes Geſandſchafts-Ceremoniel c)
angedeyhen zu laſſen, das zuweilen der Behandlung der
Bothſchafter, oft der Reſidenten naͤher kam, bis erſt nach
und nach und inſonderheit ſeit dem Anfange des jetzigen Jahr-
hunderts das Ceremoniel derſelben ſo feſtgeſetzt wurde, daß
nach dem Gebrauch der mehreſten Hoͤfe ſie unter dem Nah-
men der Envoyés eine beſondere Klaſſe ausmachen die zwar
dem Bothſchafter weit nachſteht, aber auch uͤber den Reſiden-
ten betraͤchtlich hervorragt. Wie indeß der Willkuͤhr eines
jeden Hofes neue geſandſchaftliche Wuͤrden zu ertheilen uͤber-
laſſen bleibt, auch die Verſchiedenheit oder Unbeſtimmtheit
ſolcher Wuͤrden zuweilen zu Vermeidung einiger Ceremoniel-
Streitigkeiten beytragen kann, ſo hat ein neuerer Gebrauch
noch die Wuͤrde eines blos bevollmaͤchtigten Miniſters
(miniſtre plénipotentiaire) eines Miniſters, Miniſtre
Reſident, Miniſtre chargé d’affaires
d) hervorgebracht
zwiſchen welchen jedoch nicht an allen Hoͤfen ein gleicher Un-
terſchied gemacht wird.






§. 189.
Geſandte der erſten Klaſſe.


Geſandte der erſten Klaſſe ſind diejenigen, denen der
Repreſentativ-Character beygelegt worden, kraft deſſen ſie
ihren Souverain nicht nur in den ihnen aufgetragenen Ge-
ſchaͤſten ſondern auch in ſeiner Perſon ſo vorſtellen, daß ſie
im allgemeinen die Vorzuͤge begehren koͤnnen deren er, wenn
er ſelbſt gegenwaͤrtig waͤre, genießen wuͤrde a). In dieſe
Klaſſe gehoͤren: 1) die Cardinaͤle, wenn ſie als legati à la-
tere
oder de latereb) abgeſandt werden, die paͤbſtliche
Nuntien c), die Bothſchafter (Embaxadores, Ambaſſa-
deurs, Ambaſciatores, Oratores, Magni legati
d),
Großbothſchafter) und der venetianiſche Bailo zu Conſtan-
tinopel e). Die Nuntien und Bothſchafter werden in ordent-
liche und außerordentliche eingetheilt, wobey ehemahls der
Unterſchied ob ſie nur fuͤr ein gewiſſes Geſchaͤft oder fuͤr be-
ſtaͤndig an einen Hof geſchickt wurden zum Grunde lag; jetzt
aber wird der Character eines außerordentlichen Bothſchaf-
Pters
[226]Siebentes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ters da er fuͤr etwas hoͤher geachtet wird f), zuweilen auch
den letzteren beygelegt g).









§. 190.
Geſandte der zweyten Klaſſe.


Alle uͤbrige Geſandte haben den eigentlichen Repre-
ſentativ-Character nicht und ſtellen außer in den Geſchaͤften
(in Anſehung deren jeder Mandatarius ſeinen Conſtituenten
vorſtellt) ihren Souverain nur auf eine unbeſtimmte Weiſe
vor a), und ſofern die Art der Repreſentation bey allen dieſen
Geſandten gleich iſt, ſofern giebt es nur zwey Klaſſen von
Geſandten. Sieht man aber auf die Verſchiedenheit der
ihnen
[227]Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.
ihnen beygelegten Wuͤrde, und auf den jetzt an den mehre-
ſten Hoͤfen in Anſehung einiger derſelben beobachteten Un-
terſchied des Ceremoniels, ſo kann man eine Eintheilung der-
ſelben in Geſandte der zweyten und dritten Klaſſe nicht
wohl entbehren. In ſofern gehoͤren zu den Geſandten der
zweyten Klaſſe die Envoyés b) (Envoyés, Inviati, Ab-
legati
)
die gevollmaͤchtigten Miniſter oder Geſandten c)
[miniſtres plenipotentiaires d)] die kaiſerlichen und paͤbſt-
lichen Internuntii e).







§. 191.
Geſandte der dritten Klaſſe.


Zu den Geſandten der dritten Klaſſe aber gehoͤren nach
dieſer Eintheilung die Miniſter, Miniſtres reſidens, die
Reſidenten a) und die miniſtres chargés d’affaires.


P 2Die
[228]Siebentes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

Die bloßen Geſchaͤftstraͤger, Chargés d’affaires, der-
gleichen zuweilen waͤhrend der Abweſenheit des ordentlichem
Geſandten, oft aber auch an Hoͤfen an welchen man keine
characteriſirte Geſandte halten kann oder will ernannt wer-
den, haben zwar nicht den Character als Miniſter, ſie legi-
timiren ſich auch gemeiniglich b) nicht durch eigene Beglau-
bigungsſchreiben an den Staat ſondern werden nur muͤnd-
lich von dem abreiſenden Geſandten dem Hofe in der Ei-
genſchaft vorgeſtellt, oder bekommen nur ein Schreiben an
den Staatsſecretair mit, das Ceremoniel deſſen ſie genießen
iſt auch weder hinreichend noch gleichfoͤrmig an den mehreſten
Hoͤfen beſtimmt, gleichwohl ſtehn ihnen alle weſentlichen
Rechte der Geſandten der dritten Klaſſe zu, daher ſie auch
dieſen nicht mit Unrecht beygezaͤhlt werden koͤnnen.




§. 192.
Praͤcedenz der Geſandten der verſchiedenen Klaſſen.


Unter den Geſandten der verſchiedenen Klaſſen haben:
I. die Geſandten der erſten Klaſſe kraft des ihnen zuſte-
henden Repraͤſentativ-Characters: 1) unſtreitig den Rang
uͤber alle Geſandten der unteren Klaſſen ohne Ruͤckſicht auf
die Praͤcedenz ihrer Hoͤfe, 2) untereinander geben oder for-
dern ſie den Rang nachdem ihre Hoͤfe ihn einraͤumen, be-
ſitzen oder behaupten a), ſo daß dabey weder die Verſchieden-
heit der Benennung ihrer geſandſchaftlichen Wuͤrde, noch
der Unterſchied zwiſchen den außerordentlichen und ordentli-
chen Bothſchaftern b) u. ſ. f. noch auch auf irgend eine Weiſe
ihre Geburt oder irgend eine Wuͤrde oder Amt die ſie neben
dem bekleiden, ſondern allein ihr Repreſentativ-Character in
Betrachtung gezogen werden kann c).


II. Unter den Geſandten der zweyten und dritten Klaſſe
wird zwar an einigen Hoͤfen ſelbſt in Anſehung der Praͤce-
denz
[229]Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.
denz kein Unterſchied gemacht d); an den mehreſten aber
gehn die Geſandten der zweyten Klaſſe denen der dritten
vor. Unter den Geſandten der zweyten Klaſſe unter einander
haben zwar die Envoyés extraordinaires einige Vorzuͤge
vor den bloßen Miniſtres plenipotentiaires, aber die Praͤ-
cedenz ſteht ihnen uͤber dieſe wenigſtens nicht allgemein zu,
und in dieſem Punct kann auch ihre Geburt ſo wenig als
andere Aemter die ſie bekleiden etwas entſcheiden. Auch die
Geſandten der dritten Klaſſe behaupten ohne Unterſchied der
Benennung ihrer Wuͤrde die Praͤcedenz auf den Fuß ihrer
Hoͤfe, und ſelbſt der Chargé d’affaires weicht dem Mini-
ſter nicht, wenn ſein Hof dem Hofe des letzteren nicht den
Rang einraͤumt.






§. 193.
Agenten u. ſ. f.


Bloße Agenten fuͤr Privat-Angelegenheiten eines
Fuͤrſten a), Titular-Reſidenten, Legationsraͤtheb), Agen-
P 3ten
[230]Siebentes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
ten gehoͤren als ſolche gar nicht unter die Geſandte und ha-
ben ſo wenig auf ein geſandſchaftliches Ceremoniel als auf
geſandſchaftliche Vorrechte und Befreyungen c) einen An-
ſpruch; ſie ſind vielmehr dem Staat in welchem ſie leben
unterthan.





§. 194.
Deputirte.


Geſandte die an einen Congreß oder von einer Ver-
ſammlung von Staaten oder Staͤnden (wie von den verei-
nigten Niederlanden, von der Schweiz, von dem teutſchen
Reich) abgeſchickt werden bekommen zuweilen den Nahmen
Deputirte. Dieſer Titel giebt ihnen zwar fuͤr ſich keine
geſandſchaftliche Rechte, er nimmt ſie ihnen aber auch nicht,
und hindert nicht, daß ſie als Geſandte der erſten, zweyten,
oder dritten Klaſſe betrachtet werden. Nur ſolche Deputirte
welche von Unterthanen an ihren Souverain geſchickt werden
koͤnnen nicht auf das Geſandſchaftsrecht ſich berufen a). So
bekommen zuweilen Geſandte die zu Berichtigung der Gren-
zen abgeſchickt werden, den Titel Commiſſarien, welches ihre
Eigenſchaft als Geſandte nicht aufhebt, obgleich eigentlich
unter Commiſſarien diejenigen verſtanden werden, denen der
Souverain ein Geſchaͤft mit ſeinen Unterthanen auftraͤgt.


a) Auch
[231]Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.

§. 195.
Grade des Geſandſchaftsrechts.


Da die Eintheilung der Geſandten in verſchiedene
Klaſſen, die Beſtimmung der einer jeden gebuͤhrenden Eh-
renbezeugung und inſonderheit der perſoͤnliche Repreſentativ-
Character eines Geſandten nur in dem poſitiven Voͤlkerrecht
ihren Grund haben, ſo kann einem Staat das Geſandſchafts-
recht im allgemeinen zuſtehn, ohne daß ihm darum Geſandte
von jeder Klaſſe zu ſenden eingeraͤumet werde. Inſonder-
heit wird das Recht Geſandte der erſten Klaſſe zu ſchicken
nicht allen Staaten anerkannt. Unter den unabhaͤngigen
Monarchen ſind alle Kaiſer und Koͤnige wie auch der Pabſt,
unter den Republiken Venedig, die vereinigten Niederlande
und die Schweiz a) in den anerkannten Beſitz dieſes Rechts;
auch der Republik Genua und dem Maltheſer Orden b)
wird es an einigen Hoͤfen eingeraͤumet. Unter den nicht ganz
unabhaͤngigen Staaten haben die Churfuͤrſten ſich dieſes
Recht von dem Kaiſer kraft der Wahlcapitulation c) zu-
ſichern laſſen. Auswaͤrtige Maͤchte erkennen es ihnen auch
in den von Reichs wegen gehaltenen Verſammlungen, auf
Reichs- und Kroͤnungstaͤgen an. Daher fordern es auch
die Churfuͤrſten an allen Hoͤfen und beziehn ſich auf mehrere
Beſitzhandlungen. Doch ſuchen einige der auswaͤreigen
Maͤchte die foͤrmliche Anerkennung dieſes Rechts zu vermei-
den d). Die alt-weltlichen Fuͤrſten in Teutſchland machen
zwar auch darauf Anſpruch, aber ohne in Beſitz zu ſeyn e).
Sie und die uͤbrigen Staͤnde Teutſchlands f) wie auch an-
dere unabhaͤngige und abhaͤngige Staaten g), ſchicken nur
Geſandte der zweyten und dritten Klaſſe an Europaͤiſche Hoͤfe.


Wem man das Recht Geſandte der erſten Klaſſe zu
ſchicken nicht einraͤumt, dem ſendet man auch der Regel nach
keinen Bothſchafter.


P 4a) Ob
[232]Siebentes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.







§. 196.
Wahl der Klaſſe und Zahl.


Wem einmahl das Geſandſchaftsrecht in allen Klaſ-
ſen zuſteht, der hat auch der Regel nach die Wahl von
welcher
[233]Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.
welcher Klaſſe, und wieviel a) Geſandte er ſchicken wolle.
Indeß pflegen 1) die Maͤchte welche gegenſeitig Geſandte
ſchicken (welches aber bekanntlich mit dem teutſchen Reich
und mit der Tuͤrkey der Fall nicht iſt) hierin eine Gleich-
heit zu beobachten, ſo daß nicht leicht ein Staat einen Ge-
ſandten von hoͤherem Rang ſchickt als er ihn empfaͤngt;
2) giebt es einige Ceremoniel-Geſandſchaften die man nur
annehmen will, wenn ſie in der Zahl und Klaſſe geſchickt
werden die durch ein beſonderes Herkommen eingefuͤhrt iſt b).
3) Zuweilen hat man Schwierigkeiten gemacht mehrere Ge-
ſandte eines Staats zugleich als Bothſchafter anzuerkennen,
wenn man ſchon einem derſelben die Anerkenntniß nicht ver-
weigerte c).


Uebrigens kann umgekehrt auch ein Geſandter zugleich
an mehrere Staaten accreditirt werden, wovon die Schweiz
inſonderheit aber Teutſchland viele Beyſpiele geben.





§. 197.
Wahl der Perſon des Geſandten.


Gleichfalls ſteht dem ſendenden Hofe die Wahl der
Perſon des zu ernennenden Geſandten der Regel nach a)
frey, und weder die Geburt b) noch der Stand noch die
P 5Religion
[234]Siebentes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Religion c) noch ſelbſt das Geſchlecht d) begruͤnden hierinn
eine nothwendige Ausſchlieſſung. Doch ſteht jedem Staat
bey welchem der Geſandte accreditirt werden ſoll e) frey, die
Annahme eines ſolchen zu verbitten der ihm perſoͤnlich miß-
faͤllt, oder der nach den Landesgeſetzen nicht zulaͤſſig waͤre f).








Drittes Hauptſtuͤck.
Von den Stuͤcken welche dem Geſandten zu An-
tretung ſeiner Geſandſchaft noͤthig ſind.


§. 198.
Von dem Gefolge und Hausgeraͤth des Geſandten.


Auf die Ernennung des Geſandten folgt die Beſtim-
mung ſeines Gehalts a), ſeines Gefolges, und anderer zu
ſeiner Geſandſchaft noͤthigen Stuͤcke.


Eine militairiſche Begleitung hat nur noch jetzt zu-
weilen bey den großen Geſandſchaften welche mit der Pforte
nach hergeſtellten Frieden gewechſelt werden, und zwar an
beiden Seiten bis auf die Grenze ſtatt. Ein militairiſches
Gefolge wird nicht mehr geſtattet b), obwohl Bothſchafter
einige Schweizer halten duͤrfen. Uebrigens iſt das ganze
Gefolge nach der Klaſſe der Geſandſchaft und den Umſtaͤn-
den ſehr verſchieden. Zu einem vollſtaͤndigen Gefolge eines
Both-
[236]Siebentes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Bothſchafters rechnet man: mehrere Geſandſchafts Cavaliere
und Edelknaben, mehrere Geſandſchafts-Secretaire (ſecre-
taires d’ambaſſade
), Canzelliſten, Schreiber, (zuweilen
einen Canzler) einen oder mehrere Dollmetſcher (ſecretaire
interprete,
oder in Miſſionen bey der Pforte Truchemans,
Dragomans
) einen Geſandſchafts-Prediger (aumonier)
eine Zahl Hausofficianten, viele Livreebediente u. ſ. f. Zu
ſeinem Hausgeraͤth ein Silberſervice, drey Zuͤge von 6 Pfer-
den u. ſ. f. Das Gefolge eines Geſandten der zweyten Klaſſe
braucht weit weniger zahlreich zu ſeyn, ſelten trift man
hier Geſandſchafts-Cavaliere und mehr als einen Legation-
Secretair (Sécrétaire de la legation) an. Noch einge-
ſchraͤnkter pflegt das Gefolge eines Geſandten der dritten
Klaſſe zu ſeyn.


Manche Hoͤfe bedienen ſich zu Vermeidung der Koſten
und Ceremoniel Beſchwerden ihres Rechts Bothſchafter zu
ſchicken fuͤr beſtaͤndige Geſandſchaften gar nicht, oder doch
hoͤchſt ſelten c).





§. 199.
Beglaubigungsſchreiben.


Soll der Geſandte in dieſer Eigenſchaft von dem Staat
an welchen er abgeſchickt wird anerkannt werden, ſo muß er
ein Beglaubigungsſchreiben a) (lettre de creance) uͤber-
reichen. Dieſes iſt ein Schreiben des Souverains der ihn
ſendet an den welchem er zugeſandt wird, und enthaͤlt außer
der Erwaͤhnung Veranlaſſung der Geſandſchaft den Nahmen
und Character des Geſandten mit dem Geſuch ihm in dem
was er im Nahmen ſeines Hofes vortragen wird Glauben
beyzumeſſen b). Gemeiniglich wird hiezu ein Canzley-
Schreiben gewaͤhlt, obwohl ein Cabinets-Schreiben gleiche
Wirkung hat. Werden zwey Geſandte derſelben Klaſſe zu-
gleich abgeſandt, ſo kann ein Beglaubigungsſchreiben fuͤr
beide hinreichen. Neben dem verſchloſſenen Original muß
dem Geſandte eine offene beglaubigte Copey zum Vorzeigen
beym Staatsſecretair mit gegeben werden c).


Iſt der Geſandte an mehrere Staaten zugleich d)
oder an einen Souverain aber in verſchiedener Eigenſchaft
accreditirt, ſo muß er mehrere Beglaubigungsſchreiben
mitbringen.






§. 200.
Empfehlungsſchreiben.


Von Begiaubigungsſchreiben ſind bloße Empfehlungs-
ſchreiben zu unterſcheiden a) welche dem Geſandten zuweilen
fuͤr Perſonen mitgegeben werden, die das Geſandſchafts-
recht nicht haben, wie Prinzen oder Prinzeſſinnen des Hau-
ſes, Miniſter b) u. ſ. f. oder auch fuͤr den Magiſtrat des
Orts c) wo er reſidiren ſoll.





§. 201.
Vollmachten.


Geſchaͤftsgeſandte muͤſſen auch mit einer Vollmacht
verſehn werden, aus welcher erhelle wieviel Gewalt ihnen
ertheilet worden. Der allgemeinen Bevollmaͤchtigung a)
muß, wenn ein Geſandter zu einem beſondren Geſchaͤft er-
nannt iſt, eine beſondere fuͤr dieſes Geſchaͤft ſo hinzugefuͤgt
werden, daß erhelle wie weit er daſſelbe beendigen koͤnne, ob
er das Recht einen andren an ſeiner Stelle zu ſetzen habe,
und
[239]Noͤthige Stuͤcke zu Antretung der Geſandſchaft.
und falls mehrere bevollmaͤchtiget ſind, ob dieſe nur gemein-
ſchaftlich oder ſamt und ſonders ſollen handeln koͤnnen.


Obwohl dieſe Vollmacht auch in das Creditiv einge-
ruͤckt werden koͤnnte, ſo iſt es doch uͤblich eine beſondere Ur-
kunde daruͤber in Form eines offenen Briefes auszufertigen.


Geſandte welche nicht an einen Hof ſondern an einen
Congreß, Reichstag u. ſ. f. geſchickt werden bekommen kein
Creditiv, ſondern blos eine Vollmacht die zugleich zu ihrer
Beglaubigung als Geſandte dient, wenn ſie ſelbige unter
einander in vidimirter Abſchrift auswechſeln, oder dem Ver-
mittler einhaͤndigen b).




§. 202.
Inſtruction. Chifre.


Der Geſchaͤftsgeſandte muß auch mit einer In-
ſtruction a) verſehen ſeyn, in welcher ihm ſowohl uͤberhaupt
vorgeſchrieben werde, wie er ſich in Anſehung des Hofes an
welchen er geſchickt wird und der uͤbrigen dort anweſenden
Geſandten zu verhalten habe, als auch insbeſondre wie er
in dem ihm anvertraueten Geſchaͤft dem Willen ſeines Hofes
gemaͤß zu handeln habe. Dieſe erſte Inſtruction pflegt in
Form eines Memorials entworfen zu werden. Zu ſeiner
ferneren Belehrung dienen die Depechen ſeines Hofes zu-
weilen
[240]Siebentes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
weilen aber auch neue foͤrmliche Inſtructionen. Alle dieſe
Stuͤcke ſind nur fuͤr ihn beſtimmt, und er kann weder zu
deren Vorzeigung genoͤthiget werden, noch ſich dieſe ohne
beſondren Befehl ſeines Hofes oder doch bey ganz beſondren
Umſtaͤnden ohne ſehr große Vorſicht erlauben b). Zuwei-
len erhaͤlt der Geſandte eine doppelte Inſtruction eine zum
vorzeigen (oſtenſible) eine geheime (ſecrête).


Endlich muß auch dem Geſandten der Schluͤſſel zum
Chifriren und Dechifriren mitgegeben werden.




Viertes Hauptſtuͤck.
Vom Geſandſchafts-Ceremoniel
.


§. 203.
Audienz eines Bothſchafters.


Sobald der Geſandte an den Ort ſeiner Beſtimmung
angekommen iſt, uͤberreicht er dem Miniſter der auswaͤrti-
gen Angelegenheiten ſein Beglaubigungsſchreiben und zwar
der Geſandte der erſten und zweyten Klaſſe in vidimirter
Capey, mit der Bitte zur Audienz zugelaſſen zu werden.
Dieſe iſt entweder eine oͤffentliche oder Privat-Audienz.
Von der erſteren Art iſt die feyerliche Audienz der Geſand-
ten der erſten Klaſſe. Vor dieſer pflegte ſonſt der feyerliche
Einzug a) der Geſandten herzugehn, der zwar jetzt unter
den chriſtlichen Maͤchten ſeltener geworden, mit den Tuͤr-
ken aber noch im Gebrauch iſt.


An
[241]Geſandſchafts-Ceremoniel.

An dem zur Audienz beſtimmten Tage ſchickt der Hof
denjenigen welcher den Geſandte einfuͤhren ſoll, von anderen
Hofbedienten begleitet nach dem Hotel des Bothſchafters,
welcher von ſeinem ganzen Gefolge, und ehemahls b) ſelbſt
von den Auswaͤrtigen Geſandten begleitet, ſich in den ihm
geſandten ſechsſpannigen Hofwagen ſetzt, und ſeine eigene
ſechsſpannige Waͤgen folgen laͤßt. Bey ſeiner Ankunft in
den inneren Schloßplatz wird er von dem einfuͤhrenden Hof-
beamten c) empfangen, und von der Schloßwache militai-
riſch begruͤßt; worauf er die große Schloßtrepped) (eſca-
lier des ambaſſadeurs)
hinauf in den zu ſeiner Audienz
beſtimmten Sahl nach Eroͤffnung beider Fluͤgelthuͤren ge-
fuͤhrt wird. Hier ſitzt der Souverain auf einem erhabenen
Seſſel unter einem Baldachin, ihm zur Seite der Canzler
oder ein anderer Staatsminiſter, rechts und links die koͤnig-
lichen Prinzen und Prinzeſſinnen, und in langen Reihen die
Hofleute, die auswaͤrtigen Geſandten und andere Standes-
perſonen. Der Geſandte, von einigen ſeines Gefolges be-
gleitet, naͤhert ſich mit drey Verbeugungen dem Souverain
welcher nachdem er aufgeſtanden und ſein Haupt entbloͤßt
dem Geſandten ein Zeichen giebt ſich zu bedecken indem
er es ſelbſt thut. Der Geſandte bedeckt ſich e), haͤlt
hierauf eine kurze Rede f) und indem er in dieſer ſei-
nes Beglaubigungsſchreibens erwaͤhnt, nimmt er es aus den
Haͤnden ſeines Geſandſchaftsſecretairs oder Cavaliers und
uͤbergiebt es dem Souverain oder vielmehr dem dieſem zur
Seite ſtehenden Miniſter; welcher, nach geendigter Rede
dieſe beantwortet, falls nicht, wie ſelten geſchieht der Sou-
verain ſelbſt dem Geſandten antwortet g). Nach ſo vollen-
deter Feyerlichkeit entfernt der Geſandte ſich ſo wie er ge-
kommen war aus dem Audienzſahl und wird dann gemeinig-
lich zur Audienz der Gemahlinn und anderer Prinzen und
Prinzeſſinnen vom Gebluͤt die einen Hofſtaat haben ge-
fuͤhrt h), bey deren jeden er wiederum Reden zu halten hat
die ihm in Perſon oder durch einen Hofbeamten beantwor-
tet werden.


QRepubli-
[242]Siebentes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

Republiken haben jede ihr eigenes Ceremoniel fuͤr die
Audienz eines fremden Bothſchafters i).


Ueberhaupt iſt aber die oͤffentliche Audienz nicht we-
ſentlich k) zum Empfang eines Bothſchafters, und wegen
der Beſchwerlichkeit des Ceremoniels begnuͤgt ſich dieſer zu-
weilen mit einer Privat-Audienz.









h) Moſer
[243]Geſandſchafts-Ceremoniel.



§. 204.
Audienzen der Geſandten der unteren Klaſſen.


An einigen Hoͤfen kann zwar auch der Envoyé ex-
traordinaire
eine oͤffentliche Audienz bekommen a), doch
iſt weit gewoͤhnlicher daß er ſowohl als alle andere Geſandte
der zweyten Klaſſe eine Privat-Audienz bey verſchloſſenen
Thuͤren erhalten, wo nur der Souverain und einer oder ei-
nige ſeiner Miniſter gegenwaͤrtig ſind, und in welchen der
Geſandte nach gehaltener, oft ſehr kurzen, Anrede ſein Be-
glaubigungsſchreiben uͤbergiebt.


Wiefern Geſandte der dritten Klaſſe, insbeſondere
Reſidenten und Geſchaͤftstraͤger ein Beglaubigungsſchreiben
an den Staat ſelbſt, oder nur eines an den Staatsſecretair
mitbringen, und jenes in einer Antritts-Audienz dem Sou-
verain ſelbſt praͤſentiren koͤnnen, muß aus dem Ceremoniel
eines jeden Hofes beurtheilet werden. Dieſes iſt nicht nur
uͤberhaupt verſchieden, ſondern oft ſo, daß den Reſidenten
oder Geſchaͤftstraͤgern gewiſſer Staaten geſtattet wird, was
man nicht allgemein den uͤbrigen einraͤumet b). So iſt auch
die davon noch verſchiedene Frage, wiefern ein Reſident und
Geſchaͤftstraͤger bey Hofe erſcheinen koͤnne, nicht an allen
Hoͤfen gleichfoͤrmig zu beantworten c).





§. 205.
Antritts-Beſuche.


Wenn auch der Geſandte ſchon vor erhaltener Audienz
den uͤbrigen anweſenden Geſandten Privat-Beſuche gemacht
hat, ſo muß er doch nach erfolgter Legitimation ihnen foͤrm-
liche Beſuche abſtatten, um in der Eigenſchaft als Geſandter
von ihnen anerkannt zu werden. Ueber dieſe Beſuche ſind
viele zum Theil noch unentſchiedene Streitigkeiten entſtanden.


Nach dem Ceremoniel der mehreſten Hoͤfe laͤßt der
zuletzt angekommene Bothſchafter den anweſenden Both-
ſchaftern und uͤbrigen Geſandten ſeine Legitimation durch ei-
nen Geſandſchafts Cavalier, Geſandſchafts Secretair u. ſ. f.
notificiren, und erwartet ſodenn den erſten ſollennen Beſuch
der Bothſchofter den er erwiedert a). Geſandte der unteren
Klaſſen muͤſſen vor Abſtattung dieſer Viſite von ihm die
Stunde dazu begehren, und bekommen dann einen Gegen-
beſuch par carte.


Den zuletzt angekommenen Bothſchaftern der Repu-
bliken haben aber koͤnigliche Bothſchafter zuweilen dieſen er-
ſten feyerlichen Beſuch verweigert, und begehrt, daß dieſe
ihnen die erſte Notifcations-Viſite in Perſon abſtatten ſol-
len b). Geſandte der zweyten und dritten Klaſſe, wenn
ſie zuletzt angekommen ſind, machen den anweſenden Both-
ſchaftern zu der ihnen geſetzten Stunde c), den Geſandten
der zweyten und dritten Klaſſe aber gerade zu und par
carte d)
den erſten Beſuch in Perſon, und erwarten dann
den Gegenbeſuch von allen durch Vorfahren.


Einige
[245]Geſandſchafts-Ceremoniel.

Einige Geſandte der zweyten Klaſſe aber wollen den
Geſchaͤftstraͤgern die Notifications-Viſite nicht in Perſon
ſondern nur durch einen Legationſecretair machen und erwar-
ten von dieſen die erſte Viſite, die ihnen aber nicht durch-
gaͤngig eingeraͤumet wird.


So lange die Beſuche und Gegenbeſuche nicht auf
befriedigende Weiſe gemacht, oder einer Auskunft verglichen
worden, erkennen die ſtreitenden Theile einander im Sinn
des Rechts nicht als Geſandte an.






§. 206.
Praͤcedenz bey den feyerlichen Beſuchen.


Bey Ceremoniel-Beſuchen der Geſandten raͤumet
1) jeder Bothſchafter dem Bothſchafter der ihn beſucht die
rechte Hand ein, ohne Ruͤckſicht auf ſtreitige oder entſchie-
dene Praͤcedenz a), 2) kein Bothſchafter aber raͤumet ſie
einem Geſandten der unteren Klaſſen bey ſich ein b), wenn
auch deſſen Hof entſchieden die Praͤcedenz vor dem ſeinigen
hat. Die Beſuche der Geſandten der zweyten und dritten
Klaſſe ſind minder feyerlich, und hier giebt jeder ohne Unter-
ſchied dem der ihn beſucht die rechte Hand.




§. 207.
Rang der Geſandten gegen andere Staatsperſonen.


Im Verhaͤltniß der Geſandten gegen andere Perſo-
nen vom Stande am Hofe fehlt es auch nicht an mannig-
faltigen Streitigkeiten, ſofern theils von Beſuchen, theils von
Rang und anderen Vorzuͤgen am Hofe die Rede iſt.


Bothſchafter wollen niemandem als Prinzen von koͤ-
niglichem Gebluͤt weichen und fordern den Rang vor den
uͤbrigen Fuͤrſten in Perſon a) und vor allen Hof- und
Staatsbeamten des Hofes, wie auch vor den Cardinaͤlen b).


Noch mannigfaltiger ſind die Rangſtreitigkeiten der
Geſandten der unteren Klaſſen, deren Anforderungen nicht
nur nach der Verſchiedenheit ihres geſandſchaftlichen Cha-
racters, ſondern auch nach der Verſchiedenheit der Wuͤrde
ihres Hofes ſowohl als desjenigen an welchen ſie reſidiren,
bald hoͤher, bald weniger hoch geſpannt ſind c).





§. 208.
Excellenztitulatur.


Vorzuͤglich ſeit dem weſtphaͤliſchen Frieden iſt der Titul
Extellenz a) den Geſandten der erſten Klaſſe eigen gewor-
den, ſo daß ohne Ruͤckſicht auf Geburt und andere Wuͤrden
jeder Bothſchafter dieſen Titel, aber auch nie einen hoͤheren b),
und zwar von allen außer von dem Fuͤrſten ſelbſt c) bey dem
er reſidirt erhaͤlt. Hingegen kommt keinem Geſandten der
unteren Klaſſen die Excellenz von rechtswegen zu, und wenn
dieſer Titel entweder in Hinſicht ſeiner Geburt oder uͤbrigen
Wuͤrden, oder auch ſonſt an mittleren und kleinen Hoͤfen
aus Politik oder Hoͤflichkeit dem Geſandten der zweyten
Klaſſe nicht ſelten gegeben wird, ſo gehoͤrt dies gleichwohl
nicht zum Staats-Ceremoniel d).


Q 4a) Daß
[248]Siebentes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.




§. 209.
Uebriges Ceremoniel gegen Bothſchafter und Geſandte.


Außerdem giebt es noch manche Puncte des Ceremo-
niels gegen Geſandte worin zum Theil Bothſchafter vor den
uͤbrigen großer Vorzuͤge genleßen, doch ſind ſie zu ſehr von
der Verſchiedenheit der Gebraͤuche der Hoͤfe abhaͤngig oder
auch zu willkuͤhrlich um auf feſtgeſetzte Grundſaͤtze zuruͤckge-
fuͤhrt zu werden. Dahin gehoͤrt z. B. das Recht mit ſechs
Pferden a) mit fiocci b) zu fahren, Ehrenwachen c) und
andere militairiſche Chrenbezeugungen d) zu begehren, zu
den Feyerlichkeiten des Hofes eingeladen zu werden e) u. ſ. f.
Daß an großen Hoͤfen den Geſandten der zweyten und drit-
ten Klaſſe weniger eingeraͤumet werde, als an mittleren und
kleinen, an denen zuweilen der Reſident ſo wie anderswo ein
Envoyé behandelt wird, iſt leicht zum voraus einzuſehn.
Ein Geſandter kann daher an einem Hofe der Regel nach
nur das begehren, was den gleichartigen Geſandten anderer
Hoͤfe hier eingeraͤumet wird.



b) Der
[249]Geſandſchafts-Ceremoniel.




§. 210.
Audienzen waͤhrend der Geſandſchaft.


Die Audienzen zu welchen der Geſandte waͤhrend ſei-
ner Reſidenz gelanget, ſind theils ordentliche, an dazu feſt-
geſetzten Tagen, theils außerordentliche, welche wiederum in
Privat und oͤffentliche eingetheilt werden koͤnnen. Letztere
haben nur bey außerordentlichen Ceremoniel-Gelegenheiten,
zuweilen auch beym Abſchied des Geſandten ſtatt.


Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Perſoͤnliche Unabhaͤngigkeit und Unverletzlichkeit
des Geſandten.


§. 211.
Unverletzlichkeit ſeiner Perſon.


Alle Fremde in einem Staat ſind unter dem Schutz
des Voͤlkerrechts und duͤrfen von keinem ungeſtraft verletzt
werden. Wenn aber den Geſandten der verſchiedenen Klaſ-
Q 5ſen
[250]Siebentes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
ſen in beſondrem Sinn Unverletzlichkeit a) beygelegt, und
ihre Perſon als heilig betrachtet wird, ſo iſt es weil die
Wuͤrde des Staats den ſie vorſtellen und das Intereſſe das
jeder Staat hat, daß die Bevollmaͤchtigten des andren ſicher
und ungeſtoͤrt mit ihm handeln koͤnnen, es in noch hoͤherem
Grad nothwendig macht alle Beleidigungen von ihnen abzu-
wenden. Ein Souverain muß daher nicht nur ſich ſelbſt
aller Verletzungen gegen fremde Geſandte enthalten, ſon-
dern muß auch die von andren an ſie veruͤbte Verbrechen
[unabbittlich] und als Staatsverbrechen b) mit noch haͤrte-
rer Strafe als das Vergehn ſonſt mit ſich bringen wuͤrde
ſtrafen, ſofern nemlich 1) der Verbrecher es gewuſt oder
wiſſen muͤſſen, daß der Beleidigte ein Geſandter ſey, und
2) der Beleidiger ſeiner Gerichtbarkeit unterworfen iſt.


Alle Europaͤiſche Maͤchte erkennen dieſe Unverletzlich-
keit den Geſandten der verſchiedenen Klaſſen an, und zwar
von dem Augenblick an wo der Geſandte von deſſen Sen-
dung ſie voraus unterrichtet waren c), ihr Gebiet beruͤhrt,
bis zu dem wo er es wieder verlaſſen hat, ſo daß die chriſt-
lichen Maͤchte ſelbſt den Geſandten ihres Feindes der zur
Zeit des Bruchs bey ihnen iſt ſicher ziehn laſſen. Nur die
Tuͤrken haben die rohe Sitte d) beybehalten, bey Annaͤhe-
rung, oder im Fall eines Bruches, den Geſandten ihres Geg-
ners in die ſieben Thuͤrme zu werfen.





d) Ob
[251]Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten.

§. 212.
Exterritoriglitaͤt der Geſandten.


Daß der Geſandte in dem was die Fuͤhrung des ihm
anvertraueten Geſchaͤfts angeht dem Staat an welchen er
geſchickt wird auf keine Weiſe unterworfen ſeyn koͤnne, fließt
weſentlich aus dem ganzen Zweck der Geſandſchaft; ſofern
erkennt daher das ſtrenge aͤußere Voͤlkerrecht die Exterrito-
rialitaͤt des Geſandten. Aber das poſitive Voͤlkerrecht faſt
aller, inſonderheit aber der Europaͤiſchen Nationen erſtreckt
dieſe Exterritorialitaͤt viel weiter und dahin, daß im allge-
meinen der Geſandte, fuͤr ſich, fuͤr ſein Gefolge ſein Haus
ſeine Waͤgen ſo beurtheilet wird, als ob er den Staat der
ihn ſendet nicht verlaſſen habe, und daher außerhalb des Ge-
biets lebe, in welchem er reſidirt. Da indeß dieſe weite
Ausdehnung des Vorrechts der Exterritorialitaͤt nicht in dem
allgemeinen Voͤlkerrecht, ſendern allein in dem Vertrags-
oder herkoͤmmlichen Recht ihren Grund hat, ſo iſt ſie Ein-
ſchraͤnkungen faͤhig und leidet ſie wirklich a).



§. 213.
[252]Siebentes Buch. Fuͤnſtes Hauptſtuͤck.

§. 213.
Perſoͤnliche Befreyung des Geſandten von der Civil-
gerichtbarkeit
.


Daß nach dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht der Ge-
ſandte von aller buͤrgerlichen Gerichtbarkeit des Orts wo er
reſidirt befreyet ſeyn muͤſſe, laͤßt ſich ſchwerlich befriedigend
erweiſen a). Aber nach der herkommlichen Exterritoriali-
taͤt, genießt er fuͤr ſeine Perſon einer voͤlligen Befreyung
von der Civil-Gerichtbarkeit des Staats an den er geſandt
worden, und kann nur vor den Tribunalen ſeines eigenen
Souverains in Anſpruch genommen werden, es waͤre denn
1) daß er zur. Zeit ſeiner Ernennung Unterthan des Staats
war bey welchem er reſidirt und dieſer ſeine Gerichtbarkeit
nicht aufgegeben b), oder daß er zugleich in deſſen Dienſten
ſteht; 2) daß er freywillig die Gerichtbarkeit des Staats an-
erkannt hat, oder daß er als Klaͤger wider einen Unterthan
des Staats auftritt, und daher dieſem auch in der Appel-
lation c) folgen, oder in der Wiederklage zu Recht ſtehn
muß. Selbſt Schulden die er vor oder waͤhrend ſeiner Ge-
ſandſchaft d) gemacht hat, koͤnne ſeinen perſoͤnlichen Arreſt
nicht nach ſich ziehn; und obwohl zweifelhafter iſt, ob nicht
wenn er nach geendigter Geſandſchaft abreiſen will, ohne
ſeine Schulden zu bezahlen, ein perſoͤnlicher Verhaft wider
ihn ſtatt haben koͤnne, oder doch die zur Abreiſe noͤthige Paͤſſe
ihm verweigert werden koͤnnen, ſo erlaubt doch ein Staat
auch dieſen Schritt ſich nur in außerordentlichen Faͤllen e),
und hin und wieder iſt auch ſelbſt dieſer Arreſt ausdruͤcklich
durch Geſetze verboten f).





d) Gro-
[253]Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten.



§. 214.
Befreyung ſeiner Guͤter von der Gerichtbarkeit.


Auch diejenigen Guͤter des Geſandten welche zur ge-
ſandſchaftlichen Function deſſelben gehoͤren, wohin im zwei-
felhaften Fall alle bewegliche Guͤter deſſelben gerechnet wer-
den muͤſſen, werden, mehr nach dem Herkommen als nach
dem allgemeinen Voͤlkerrecht von aller Gerichtbarkeit des
Staats bey dem er reſidirt, folglich auch vom Arreſt be-
freyet. Doch ſind hievon 1) alle unbewegliche Guͤter aus-
genommen, in Anſehung deren er die Gerichtbarkeit des
Staats anerkennen muß, 2) auch ſolche bewegliche Guͤter die
ihm offenbar in einer andren als ſeiner geſandſchaftlichen Ei-
genſchaft gehoͤren, z. B. wenn er zugleich Handel treibt a)
ſeine unſtreitige Kaufmannswaaren, oder wenn er eine
fremde Erbſchaft verwaltet dieſe Erbſchaftsguͤter u. ſ. f. ſo
daß er wegen der in dieſer Eigenſchaft wider ihn entſtehenden
Klagen durch verfuͤgten Real-Arreſt zur Einlaſſung genoͤthi-
get werden kann. 3) Dingliche Klagen wider einen Ge-
ſandten der Unterthan des Staats iſt wo er reſidirt, koͤnnen
bey den Landesgerichten angebracht werden b). Obgleich
uͤbrigens auch der Arreſt der Guͤter eines Geſandten der nach-
dem er Abſchied genommen folglich ſeine geſandſchaftliche
Functionen beendiget ſind, dann wenn er ohne ſich mit ſei-
nen Glaͤubigern abzufinden das Land verlaſſen wollte, gar
wohl
[254]Siebentes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
wohl gerechtfertiget werden koͤnnte, ſo giebt es doch davon
wenig Beyſpiele, und zum Theil iſt ſelbſt dieſes durch Ge-
ſetze verboten c).





§. 215.
Befreyung der Geſandten von der Criminal-Gerichtbarkeit.


Weit dringender ſind die Gruͤnde die ſchon nach dem
allgemeinen Voͤlkerrecht fuͤr die Befreyung des Geſandten
von der Criminalgerichtbarkeit des Staats bey welchem er
reſidirt, theils aus der Natur des davon unzertrennlichen
Verfahrens, theils aus den hier leichter zu beſorgenden Miß-
braͤuchen und den der noͤthigen Freymuͤthigkeit des Geſand-
ten hinderlichen Beforgniſſen ſtreiten a). Daß der Geſandte
durch jedes Verbrechen ſeine Vorrechte verwuͤrke, laͤßt ſich
nicht behaupten, da ihm dieſe mehr um ſeines Hofes als um
ſeiner ſelbſt willen eingeraͤumet werden b). Auf der andren
Seite iſt kein Staat ſchuldig einen Verbrecher in ſeinem
Lande zu dulden; er kann ihn daher nicht nur ausſchaffen,
ſondern auch in Faͤllen ſolcher Verbrechen welche die Sicher-
heit des Staats und des Regenten unmittelbar in Gefahr
ſetzen, alle diejenigen Mittel wider ihn ergreifen, welche die
Sicherheit des Staats erheiſchen. Aber die Quelle dieſer
Befugniſſe wird richtiger in dem Vertheidigungsrecht wider
einen erklaͤrten Feind des Staats, als in der nur auf Unter-
thanen ſich erſtreckenden Criminal-Gewalt des Regenten
geſetzt.


In
[255]Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten.

In der Praxis der Europaͤiſchen Voͤlker ſieht man
daß im Fall eines Privatverbrechens mehrentheils nur die
Zuruͤckberufung des Geſandten begehret wird c). Im Fall
eines Staatsverbrechens aber begnuͤgen ſich die Maͤchte in
dringenden Faͤllen ſich ſo lange der Perſon des Geſandten
zu bemaͤchtigen bis die Gefahr voruͤber iſt, und laſſen ihn
dann los. In minder dringenden Faͤllen wird oft nur die
Zuruͤckberufung begehrt, oder der Geſandte ausgeſchaffet d).






§. 216.
Gerichtbarkeit uͤber das Gefolge des Geſandten.


Daß der Zweck der Geſandſchaft ſchlechterdings die
Befreyung des Gefolges des Geſandten von der buͤrgerlichen
Gericht-
[256]Siebentes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Gerichtbarkeit des Staats wo er reſidirt erfordre, iſt wohl
aus allgemeinen Gruͤnden nicht erweißlich. Da indeß aus
dieſer Unterwuͤrfigkeit mancherley Unbequemlichkeiten fuͤr den
Geſandten entſtehn wuͤrden, ſo behaupten nicht nur alle Ge-
ſandte nach den Herkommen eine gaͤnzliche Befreyung ihres
geſammten Gefolges a) von aller buͤrgerlichen Gerichtbar-
keit, ſondern es wird auch dieſe von den mehreſten Hoͤfen,
inſonderheit den Geſandten der erſten und zweyten Klaſſe
dergeſtalt eingeraͤumt, daß auch in buͤrgerlichen Verbrechen
auf Reclamation des Geſandten die Auslieferung des aus
Verſehn oder im Auflauf ergriffenen nachgegeben wird b).


Eben dieſe Befreyung ihres Gefolges fordern die Ge-
ſandten in Anſehung der Criminal-Gerichtbarkeit; aber
daß dieſe bey Verbrechen die außerhalb dem Hotel des Ge-
ſandten begangen worden allgemein anerkannt wuͤrde, laͤßt
ſich nicht erweiſen, daher alles in Ermangelung der Ver-
traͤge auf das beſondre Herkommen anzukommen ſcheint c).


Sofern das Gefolge des Geſandten von der Ge-
richtbarkeit des Staats befreyet iſt, ſofern haͤngt es von den
beiden Hoͤfen d) ab, wie weit ſie der Geſandte ſelbſt uͤber
ſein Gefolge uͤben, oder alles an ſeinen Landesherrn verwei-
ſen ſolle. Daher behaupten zwar alle Geſandte die voͤllige
Civil-Gerichtbarkeit uͤber ihr Gefolge. Dieſe wird auch
den Bothſchaftern eingeraͤumt, und allen Geſandten geſtat-
tet man eine ausgedehntere Gewalt uͤber ihr Gefolge, als
ſonſt dem Brodtherrn zuſteht. Daß aber alle ſtreitige oder
auch nur freywillige e) Gerichtbarkeit den Geſandten der
unteren Klaſſen, beſonders den Reſidenten und Chargés
d’affaires
eingeraͤumt werde, laͤßt ſich wohl von den wenig-
ſten der groͤßeren Hoͤfe mit Wahrheit behaupten.


Eben ſo begehren zwar die Geſandten in Criminal-
Verbrechen ihres Gefolges, wenn ſchon jetzt nicht leicht mehr
den ganzen Umfang der Criminal-Gewalt f), gleichwohl
das Recht den Verbrecher in ihrem Hotel binden zu laſ-
ſen, und ihn ihrem Landesherrn zur Beſtrafung zu uͤber-
liefern.
[257]Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten.
liefern. Doch auch dieſes Recht wird ihnen nicht allenthal-
ben unbeſtritten anerkannt.








§. 217.
Ius aſyli.


Die Befreyung des Geſandten von der Gerichtbar-
keit erſtreckt ſich auch in ſofern auf ſein Hotel, daß den
gemeinen Polizey- Zoll- und anderen Bedienten des Staats
in daſſelbige einzudringen und hier Durchſuchungen ſo wie
in dem Hauſe eines bloßen Privatmanns anzuſtellen nicht
zuſteht. Dieſer Punct iſt außer Streit a). Kann aber
der Geſandte ſein Haus zum Zufluchtsort b) fuͤr Verbre-
cher machen, und der Obrigkeit die ſie verfolgt ihre Auslie-
ferung verweigern, und wie weit gehn in dieſem Fall die
Rechte der letzteren?


Waͤre der Grundſatz der Exterritorialitaͤt in ſeiner
ganzen Ausdehnung gegruͤndet, ſo wuͤrde ein Verbrecher
der in das Haus eines Geſandten gefluͤchtet iſt angeſehn
werden muͤſſen, als ob er außer Landes geflohen waͤre, und
daher
[259]Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten.
daher wuͤrde weder deſſen Auslieferung als ein vollkomm-
nes Recht begehrt, noch er mit Gewalt herausgezogen wer-
den duͤrfen.


Aber das allgemeine Voͤlkerrecht geht ſo weit nicht,
und das poſitive leidet Beſchraͤnkungen, wenn unbeſchadet
des Zwecks der Geſandſchaft die Sicherheit des Staats ſie
erfordert. Nun hat der Geſandte kein Recht einen ihm
nicht unterworfenen Verbrecher der Juſtiz des Landes vor-
zuenthalten; wenn er daher demjenigen den der Staat er-
wieſener oder geargwohnter Verbrechen wegen verfolgt, in
ſeinem Hauſe Zuflucht ertheilet, und auf erfolgte Requiſi-
tion deſſen Auslieferung verweigert, ſo iſt der Staat, wenn
er von der Aufnahme gewiß iſt, berechtiget nicht nur die
Flucht des Aufgenommenen durch alle zweckmaͤßige Mittel
von außen zu verhindern, ſondern ſelbſt ihn mit Gewalt
aus dem Hauſe des Geſandten wegzufuͤhren, der alle Fol-
gen ſeines unrechtmaͤßigen Betragens ſich ſelbſt beyzumeſ-
ſen hat c).


Nach der Praxis ward zwar ehemahls, ſo lange uͤber-
haupt mit den privilegiis aſyli verſchwenderiſch umgegan-
gen, wurde den Geſandten ein ius aſyli fuͤr ihre Haͤuſer
faſt durchgehends eingeraͤumt, und noch jetzt behauptet es
jeder Geſandte, auch giebt es noch einige Hoͤfe in welchen
das Herkommen zum Vortheil der Geſandten iſt d), und
an manchen andren wird in Faͤllen von Privatverbrechen
(fuͤr welche aber der Geſandte ſelten Schutz ertheilt) nach-
geſehn, aber jeder Staat haͤlt ſich fuͤr berechtiget diejenigen
die er als Staatsverbrecher verfolgt, im Weigerungsfall
mit Gewalt aus den Haͤuſern der Geſandten wegzufuͤhren e);
daher ſind Streitigkeiten in ſolchen Faͤllen unvermeidlich,
die aber mehrentheils ſchon eine Mißhelligkeit der Hoͤfe
zum Grunde haben.


Was von dem Hotel des Geſandten geſagt worden,
gilt auch von deſſen Waͤgen, die wenn ſie gleich an den
mehreſten Hoͤfen von der gewoͤhnlichen Durchſuchung der
R 2Zollbeam-
[260]Siebentes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Zollbeamten befreyet ſind, gleichwohl nicht dienen duͤrfen,
um Verbrecher den Haͤnden der Juſtiz zu entziehn, und ſie
außer Landes zu ſchaffen f).








§. 218.
Quartiers-Freyheit.


Noch weniger vernuͤnftige Gruͤnde ſtreiten fuͤr die
ſogenannte Quartiers-Freyheit(a) (Franchiſe des quar-
tiers)
der Geſandten, kraft welcher ſie an einigen Orten
ganze Quartiere der Stadt in welchen ihr Hotel gelegen
iſt durch Aufhaͤngung der Wappen ihres Souverains b)
von der Gerichtbarkeit des Landes auszunehmen begehren.
Dieſer ehemahls an verſchiedenen Hoͤfen beſonders zu Rom c)
geduldete Mißbrauch, beſteht nur ſchwach an wenig Orten d),
und iſt weißlich an allen uͤbrigen abgeſchaft.


a) J.
[261]Unverletzlichkeit u. Unabhaͤngigkeit des Geſandten.




Sechstes Hauptſtuͤck.
Von geſandſchaftlichen Gottesdienſt.


§. 219.
Begriff des Hausgottesdienſts.


Wenn man von der bloßen Hausandacht(devotio
domeſtica ſimplex)
welche nur diejenigen gottesdienſtlichen
Handlungen begreift, die ein Hausvater mit den Seinigen
ohne Zuziehung eines Geiſtlichen verrichtet, den Privat-
Gottesdienſt
(devotio domeſtica qualificata, privata
ſacra)
unterſcheidet, welchen ein Hausvater mit den Sei-
nigen mit Zuziehung eines Geiſtlichen uͤbet, ſo ſieht man
leicht, daß jene, welche als ein bloßes Recht der natuͤrlichen
Freyheit anzuſehn iſt, ſo wenig dem Geſandten als irgend
einem anderen der im Lande geduldeten Fremden gewei-
R 3gert
[262]Siebentes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
gert werden koͤnne. Da hingegen der Privat-Gottesdienſt
oder die ſacra privata bald nach Einfuͤhrung der chriſtli-
chen Religion aus mehreren Gruͤnden theils in den Con-
cilien a), theils durch buͤrgerliche Geſetze b) den Privatper-
ſonen im allgemeinen unterſagt worden, und er daher nur
denen zuſteht, welche dazu eine beſondere Erlaubniß erhal-
ten haben, ſo entſteht die Frage: wiefern dem Geſandten
dieſes ius privatorum ſacrorum, es ſey nach dem allge-
meinen, oder herkommlichen Voͤlkerrecht zuſtehe?




§. 220.
Ob der Geſandte ihn nach dem A. V. begehren koͤnne.


Nun iſt nicht nur dieſer Privat-Gottesdienſt dem
Geſandten dann entbehrlich, wenn ſeine Religion in dem
Lande oͤffentlich geuͤbt wird in welchem er reſidirt, ſondern
wenn auch dieſes nicht der Fall iſt, ſo laͤßt ſich, da ſelbſt
nach den Grundſaͤtzen der catholiſchen Religion im Noth-
falle die bloße Hausandacht auf eine Zeitlang ohne Gefahr
der Seele hinreichen kann, das ius ſacrorum privatorum
fuͤr den Geſandten nicht als ſchlechterdings unentbehrlich
anſehn, obwohl es bey laͤnger fortgeſetzten oder beſtaͤndigen
Geſandſchaften kaum wuͤrde entbehret werden koͤnnen.


Naͤhme man den Begriff der Exterritorialitaͤt der
Geſandten in ſeinem ganzen Umfange an, ſo wuͤrde es
blos von dem Willen des ſendenden Hofes abhaͤngen, ſei-
nem Geſandten in deſſen Hotel den haͤuslichen Gottesdienſt
einzuraͤumen. Daß aber das allgemeine Voͤlkerrecht dieſe
[Exterritorialitaͤt] auf Puncte nicht erſtrecke, die zu dem Zweck
der Geſandſchaft nicht weſentlich erfordert werden, iſt ſchon
oben erinnert worden.


§. 221.
[263]Geſandſchafts Gottesdienſt.

§. 221.
Ob er in dem Herkommen gegruͤndet.


Nach einem allgemeinen Herkommen hingegen, wel-
ches unter den chriſtlichen Europaͤiſchen Staaten a) ſich im
16ten Jahrhundert gebildet hat b), wird allen Geſandten der
erſten, zweyten und dritten Klaſſe c) von dem Staat bey
welchem ſie reſidiren die Ausuͤbung des iuris privatorum
ſacrorum
dann eingeraͤumt, wenn 1) an dem Ort ihrer
Reſidenz weder oͤffentliche noch Privat Uebung d) ihrer Re-
ligion ſtatt hat; 2) nicht ſchon ein Geſandter ihres Hofes e)
an dem Ort vorhanden iſt, in deſſen Kapelle ſie ihren Got-
tesdienſt halten koͤnnten. Da es aber von dem Willen des
ſendenden Hofes abhaͤngt, ob er ſeinem Geſandten das Recht
dazu ertheilen, und den dazu erforderlichen betraͤchtlichen
Aufwand machen will, ſo iſt nicht zu verwundern, daß man ſo
viele Geſandſchaften, inſonderheit der zweyten und dritten Klaſſe
antrifft, welche von dieſem Recht keinen Gebrauch machen.







R 4§. 222.
[264]Siebentes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.

§. 222.
Umfang dieſes Rechts.


Dieſer Hausgottesdienſt der Geſandten enthaͤlt 1) das
Recht einen Geiſtlichen a (aumonier) und andere Kirchen-
diener zu halten, 2) in der Kapelle des Geſandten alle dieje-
nigen gottesdienſtlichen Handlungen vornehmen zu laſſen,
die ihre Wirkung nicht außerhalb des Hotels des Geſandten
erſtrecken b). Da aber dieſer Gottesdienſt blos zum Beſten
des Geſandten und ſeiner Familie eingefuͤhret worden, ſo
darf nicht nur der Geſandſchaftsprediger außerhalb dem Hotel
des Geſandten, keine Art der Amtsverrichtung ſich erlauben c),
ſondern es iſt auch außerhalb der Vertraͤge kein Staat
ſchuldig zu leiden, daß andere Unterthanen des Souverains
des Geſandten, oder andere Fremde, inſonderheit aber eigene
Landes-Unterthanen den Gottesdienſt in der Geſandſchafts-
Kapelle beſuchen, und zumahl ſich hier die Sacramente
verwalten laſſen. Doch iſt man in neueren Zeiten vorzuͤg-
lich gegen fremde Unterthanen, es ſey durch Connivenz, oder
ſelbſt durch Vertraͤge nachgiebiger geworden d), und ſo
giebt es ſelbſt einige, obwohl ſeltenere Faͤlle, wo dem Ge-
ſandſchafts-Prediger einzelne Amtsverrichtungen außerhalb
dem Hotel des Geſandten vorzunehmen geſtattet, oder er
wohl gar dazu aufgefordert worden e).







§. 223.
Dauer des Geſandſchafts-Gottesdienſts.


Da der geſandſchaftliche Gottesdienſt nur zum Beſten
des Geſandten und ſeines Gefolges eingefuͤhret worden, ſo
muß er der Regel nach aufhoͤren, ſobald der Geſandte nicht
mehr anweſend iſt. Entfernt dieſer ſich indeß nur auf eine
zeitlang auf Urlaub und behaͤlt ſein Hotel, in dieſem auch
einige ſeines Gefolges bey, ſo laͤßt man die Fortſetzung des
geſandſchaftlichen Gottesdienſts zu. Iſt aber die Geſand-
ſchaft voͤllig geendiget, oder doch das Hotel aufgekuͤndiget,
ſo muß der Gottesdienſt aufhoͤren, und nur ſelten geſtattet
man daß in dem Hauſe des Geſchaͤftstraͤgers oder gar des
Conſuls a) der Gottesdienſt fortgeſetzt werde. Stirbt der
Souverain des Geſandten, oder der Fuͤrſt bey dem er ac-
creditirt worden, ſo koͤnnte zwar der geſandſchaftliche Got-
tesdienſt ſofort aufgehoben werden, da die Geſandſchaft da-
durch geendiget wird; doch pflegt nur dann darauf gedrungen
zu werden, wenn, wie bey Geſandten eines Wahlfuͤrſten
R 5eintritt,
[266]Siebentes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
eintritt, noch kein Nachfolger da iſt der neue Creditive
ſchicken koͤnnte b).




Siebentes Hauptſtuͤck.
Befreyung der Geſandten von Abgaben.


§. 224.
Zoll- und Accis-Freyheit der Geſandten.


Da der Geſandte fuͤr ſeine Perſon der Exterritoria-
litaͤt genießt, ſo iſt er fuͤr ſich und ſein Gefolge von allen
den perſoͤnlichen Abgaben befreyet die nur von Unterthanen
erhoben werden. Daß aber auch die Guͤter die er zu ſeinem
Gebrauch kommen laͤßt nothwendig von Zoͤllen und anderen
Auflagen befreyet ſeyn muͤßten, iſt unerweißlich.


Als der ehemahlige Gebrauch Geſandte ganz oder
doch großentheils frey zu halten a), nach Einfuͤhrung der
beſtaͤndigen Geſandſchaften faſt ganz aufgehoben wurde a),
geſtattete man faſt ganz allgemein denſelben eine Befreyung
von Zoͤllen, Conſumtionsſteuern u. ſ. f. b). Aber der un-
verantwortliche Mißbrauch dieſer Befreyung den manche Ge-
ſandte an gewiſſen Hoͤfen ſich erlaubten, hat veranlaſſet,
daß nach und nach an ſehr vielen Hoͤfen dieſe Befreyung
entweder ganz aufgehoben, oder doch eingeſchraͤnkt, oder
auf ein Aequivalent geſetzt worden, daher ſie jetzt weit nicht
mehr als allgemein hergebracht angeſehn werden kann c),
und jeder Geſandte ſich mit dem begnuͤgen muß, was die
uͤbrigen
[267]Befreyung von Abgaben.
uͤbrigen Geſandte an dieſem Hofe zu fordern haben, falls
er nicht eine beſondere Ausnahme inſonderheit die Recipro-
citaͤt zu ſeinem Vortheil anfuͤhren kann.


Eben ſo hat auch der Staat das Recht die Einſuͤh-
rung der fuͤr Contrebande erklaͤrten Guͤter den fremden Ge-
ſandten ganz zu unterſagen.


In beiden Ruͤckſichten muß daher der Geſandte ſich
die Viſitation ſeiner Guͤter d) auf den Zollhaͤuſern u. ſ. f.
gefallen laſſen. Nur in ſeinem Hotel hat wider ſeinen Wil-
len eine ſolche Durchſuchung nicht ſtatt e); ob er eben dieſe
Befreyung auch in Anſehung ſeiner Waͤgen fordern koͤnne,
ſcheint von dem deſondren Herkommen der einzelnen Hoͤfe
abzuhaͤngen.







§. 225.
Abgaben von nicht geſandſchaftlichen Guͤtern.


Hat der Geſandte Guͤter die ihm offenbar in einer
anderen Eigenſchaft als der eines Geſandten zugehoͤren, ſo
hat er fuͤr dieſe gar keine Befreyung von Abgaben zu for-
dern a).


Das Haus welches er bewohnt, iſt zwar von militai-
riſchen Einquartirungen b) oder deren Surrogat an Gelde
befreyet, aber ſonſt muß er ſowohl von dieſem, wenn es ihm
oder ſeinem Hofe c) eigen gehoͤret, als von anderen unbe-
weglichen Guͤtern die er etwa beſitzt oder ankaͤuft, alle or-
dentliche Abgaben und uͤbrige Landeslaſten tragen.




c) Einige
[269]Befreyung von Abgaben.

§. 226.
Wege-Gelder, Briefporto.


Endlich hat der Geſandte der Regel nach gar keine
Befreyung von ſolchen Ungeldern zu fordern, die, wie
Bruͤcken-Wege-Gelder u. ſ. f. als ein verhaͤltnißmaͤßiger
Beytrag zu den Koſten eines Inſtituts billig von allen
denen getragen werden, die der Vortheile derſelben mit ge-
nießen. Eben dieſes gilt auch der Regel nach vom Brief-
porto a) und es fehlt ſehr viel daran, daß den Geſandten
außerhalb der Staaten ihres Oberherrn eine ſolche Be-
freyung zuerkannt wuͤrde. Da wo (wie in England) die
Brieftaxe in eine wahre Auflage ausartet, haͤtten die Ge-
ſandten mehr Anſchein fuͤr eine ſolche Befreyung, die ihnen
jedoch nicht eingeraͤumet wird.



Achtes Hauptſtuͤck.
Von geſandſchaftlichen Verhandlungen.


§. 227.
Unterſchied zwiſchen Ceremoniel und Geſchaͤfts-
Geſandſchaften.


Es giebt Geſandſchaften bey denen keine Verhandlun-
gen vorfallen, wie bloße Ceremoniel-Geſandſchaften, Ge-
nugthungs-Geſandſchaften, auch nicht ſelten gewiſſe hoͤchſt
unwichtige beſtaͤndige Geſandſchaften. Wenn aber von
wirkli-
[270]Siebentes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.
wirklichen Verhandlungen die Rede iſt, ſo iſt die Art a) in
Conferenz zu treten nicht uͤberall gleichfoͤrmig, und inſon-
heit an Hoͤfen anders wie in Republiken.



§. 228.
Art in Verhandlung zu treten.


In monarchiſchen Staaten kann zuweilen der Gefandte
unmittelbar mit dem Regenten a) in Verhandlungen treten,
und ihm in Privat-Audienzen, ſowohl muͤndlich, als ſchrift-
lich durch Ueberreichung von Memorialien b) Vortraͤge
machen; weit gewoͤhnlicher aber iſt es, daß er mit dem Mi-
niſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten, oder auch wohl mit
einem oder mehreren dazu auf Bitte des Geſandten von
dem Souverain erwaͤhlten Perſonen in Conferenz tritt. Dieſe
Conferenzen werden bald in dem Hotel des Geſandten, bald
in dem Hotel des Staatsminiſters, oder des dazu ernannten
Commiſſairs, zuweilen auch wohl an dritten Orten gehalten.


In den Republiken c) pflegt man Abgeordnete zu er-
nennen mit welchen der Miniſter, es ſey in ſeinem Hotel,
oder an einem dazu beſtimmten Ort Conferenzen haͤlt. Die
Wahl dieſer Deputirten haͤngt allein von der Republik
ab, und es iſt als ein Mißbrauch anzuſehn, wenn in
kleinen Staaten zuweilen dem Miniſter das Recht einge-
raͤumet wird die erwaͤhlten zu verwerfen.


Oft uͤbergiebt der Geſandte den Hauptinhalt deſſen
was er muͤndlich vorgetragen hat ſchriftlich in einem Me-
morial,
[271]Geſandſchaftliche Verhandlungen.
morial, und einige Republiken d) haben ſich auf den Fuß
geſetzt uͤber keinen Punct zu berathſchlagen der ihnen nicht
zuvor ſchriftlich eingehaͤndiget worden. Wenn aber keine
Berathſchlagung gefordert wird, ſo kann man den Geſand-
ten nicht allgemein noͤthigen das was er muͤndlich vorgetra-
gen hat ſchriftlich zu uͤbergeben, oder eine davon genommene
Abſchrift zu unterzeichnen.







§. 229.
Mittel.


Darf der Miniſter ſich Beſtechungen erlauben um den
Zweck ſeiner Sendung oder des Intereſſe ſeines Hofes zu
befoͤrdern? dieſe Frage verdient wenigſtens theoretiſch un-
terſucht zu werden a).


Es iſt nicht als eine wirkliche Beſtechung anzuſehn,
wenn der Geſandte durch Geſchenke des Wohlwollen oder
die Freundſchaft derer zu gewinnen ſucht, die ihm zu ſeinen
Zwecken behuͤlflich ſeyn koͤnnen, aber ohne weder ausdruͤcklich
noch
[272]Siebentes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.
noch ſtillſchweigend etwas unerlaubtes von ihnen zu begeh-
ren. Iſt hingegen von Geſchenken die Rede um einen Ver-
raͤther zu vermoͤgen ſeine Pflicht wider ſein Vaterland zu
verletzen, ſo iſt zwar in jedem Falle dieſe Beſtechung gegen
den Beſtochenen als eine Verletzung des erſten Naturgeſetzes
anzuſehn, niemanden zu verfuͤhren; ob aber der Staat eine
ſolche Beſtechung als eine Verletzung unſerer vollkommenen
Pflichten b) gegen dieſen anſehn koͤnne, haͤngt nicht nur von
der Frage ob der Verraͤther ſich zur Verraͤtherey anbot, oder
erſt dazu verleitet worden, ſondern auch von der Beſchaffen-
heit der Handlung ſelbſt ab, die durch eine ſolche Beſtechung
bewuͤrkt werden ſoll, in welcher letzteren Ruͤckſicht noch zwi-
ſchen der Entdeckung eines Staatsgeheimniſſes und zwiſchen
Aufwiegelung der Unterthanen ein Unterſchied zu machen iſt.
Auch kann der Staat der ſich gegen uns Beſtechungen er-
laubt ſich nicht beſchweren, wenn wir in eben dem Maaße ge-
gen ihn Repreſſalien gebrauchen. Endlich ſind obwohl ſeltene,
Nothfaͤlle gedenkbar, wo unſere Selbſterhaltung dieſe Ver-
letzung unſerer vollkommnen Pflichten rechtfertigen koͤnnte.


Wie haͤufig in der Praxis von Beſtechungen Gebrauch
gemacht werde, iſt bekannt; aber darum kann man ſie nicht
aus dem herkommlichen Recht rechtfertigen wollen. Denn
1) kein Herkommen kann, ſofern es unerlaubt iſt, als guͤltig
angeſehn werden; 2) die Europaͤiſchen Maͤchte geſtehn ent-
weder die ihnen Schuld gegebenen Beſtechungen nicht ein,
oder leugnen daß ſie auf ihren Befehl unternommen worden,
und halten ſich vielmehr fuͤr berechtiget, ſich uͤber Beſtechungen
welche fremde Hoͤfe oder deren Geſandte ſich bey ihnen erlau-
ben, als uͤber Verletzungen des Voͤlkerrechts zu beſchweren.


Daß auch das Betragen des Geſandten gegen andere
und ſelbſt feindliche an dem Ort ſeiner Reſidenz ſich befin-
dende Geſandte nicht nur den Pflichten gegen dieſe, ſondern
auch den Pflichten gegen den Hof der ihn aufgenommen
hat, angemeſſen ſeyn muͤſſe, iſt unlaͤugbar, und wenn gleich
der Geſandte nicht durch jede Verletzung der Art ſeine
geſand-
[273]Geſandſchaftliche Verhandlungen.
geſandſchaftliche Vorrechte verliert, ſo behaͤlt doch der Staat
das Recht ſich ſeiner zu entledigen.




Neuntes Hauptſtuͤck.
Von dem Gefolge des Geſandten
.


§. 230.
Von der Gemahlinn des Geſandten.


Vor [Einfuͤhrung] der beſtaͤndigen Geſandſchaften war
es gar nicht Sitte, daß der Geſandte ſeine Gemahlinn mit-
bringe und ſelbſt der Titel Geſand[t]inn war nicht uͤblich a).
Erſt im 17ten Jahrhundert b) kam beides auf, ſeit die be-
ſtaͤndigen Geſandſchaften haͤufiger wurden.


Die Gemahlinn eines Geſandten genießt als ſolche
eines noch hoͤheren Grades der Unverletzlichkeit als ihr ſonſt
ſchon ihre Geburt und ihr Geſchlecht zuſichern. Sie theilt
die Befreyungen ihres Gemahls und verlangt in Anſehung
des Ceremoniels, ſoviel die Viſiten und Reviſiten, die Praͤ-
cedenz und den Empfang bey Hofe angeht eben die Gleich-
heit oder die Vorzuͤge vor den am Hofe befindlichen Frauen-
zimmern vom Stande, die ihr Gemahl vor den Ehegemah-
len derſelben begehrt c).




Sc) Die
[274]Siebentes Buch. Neuntes Hauptſtuͤck.

§. 231.
Geſandſchafts-Cavaliere, Edelknaben.


Die Geſandſchafts Cavaliere und Edelknaben dienen
bey feyerlichen Gelegenheiten der Geſandſchaft mehr Glanz
zu geben a). Ob ſie vom Hofe oder vom Geſandten, oder gar
nicht beſoldet werden, iſt in Anſehung ihrer Vorrechte gleich,
ſofern ſie nur der Geſandſchaft wirklich angehoͤren. Alsdenn
genießen ſie der Unverletzlichkeit und Freyheiten, auf die all-
gemein die Geſandten fuͤr ihr Gefolge Anſpruch zu machen
haben. Edelleute und andere hingegen welche den Geſand-
ten etwa nur begleiten, haben der Regel nach fuͤr ſich gar
keine geſandſchaftliche Vorrechte zu begehren.



§. 232.
Geſandſchaftsſecretaire.


Geſandſchaftsſecretaire werden mehrentheils unmittel-
bar von dem Hofe ernannt und beſoldet a). Bothſchafts-
ſecretaire (ſecretaires d’Ambaſſade) pflegen dem Souve-
rain an den der Geſandte accreditirt iſt vorgeſtellt zu wer-
den. Dies geſchieht bey Geſandſchaftsſecretairen der zwey-
ten Klaſſe (ſecretaires de la legation) gewoͤhnlich nur
dann
[275]Gefolge des Geſandten.
dann, wenn ſie in Abweſenheit des Geſandten zu Chargés
d’affaires
beſtellt werden. Uebrigens genießen beide der
Unverletzlichkeit und Befreyungen der Geſandſchaft, ſowohl
fuͤr ihre eigene Perſon, als ſofern ſie zum Gefolge der Ge-
ſandſchaft gehoͤren.


Sie dienen nicht blos zu einigen Ceremoniel-Geſchoͤf-
ten, wie Notifcations-Viſiten, Complimenten u. ſ. f. ſon-
dern auch zu wirklichen Geſchaͤften, zur Aufſicht des Archivs,
zum Chifriren, Dechifriren, oft auch zur Entwerfung von
Memorialien, Depechen, Protocollen u. ſ. f. b). Daß der
Geſandte in Verhinderungsfaͤllen ſeinen Legationſecr tair zu
muͤndlichen Verhandlungen gebrauchen, und auch durch ihn
Memoriale die er ſelbſt unterzeichnet hat uͤberreichen koͤnne,
hat nicht leicht Anſtand. Ob aber in Abweſenheit oder Ver-
hinderungsfaͤllen der Legationsſecretair in eigenem Nahmen
Memoriale uͤberreichen koͤnne, wenn er nicht gehoͤrig als
Chargé d’affaires beſtellet worden, daruͤber hat man hin
und wieder geſtritten c).





§. 233.
Uebriges Gefolge des Geſandten.


Bey groͤßeren Geſandſchaften pflegen dem Geſandten
außerhalb dem Legationſecretair, noch einige Canzelliſten
zuweilen auch ein Canzler, Geſandſchaftsprediger u. ſ. f. mit-
gegeben zu werden.


S 2Dazu
[276]Siebentes Buch. Zehntes Hauptſtuͤck.

Dazu kommen noch die von dem Geſandten allein ab-
haͤngigen Privatſecretaire, die Officianten, und die Livreebe-
dienten u. ſ. f. die jedoch ſaͤmtlich ohne Unterſchied als zum
geſandſchaftlichen Perſonale und Gefolge gehoͤrig, und in des
Geſandten Dienſten ſtehend, der an dem Hofe der Geſand-
ſchaft zuſtaͤndigen Freyheiten, inſonderheit auch der ſchon
oben eroͤrterten Befreyung von der Gerichtbarkeit genießen,
oder ſie behaupten.


Zehntes Hauptſtuͤck.
Von Endigung der Geſandſchaft
.


§. 234.
Verſchiedene Arten der Endigung.


Geſandſchaften koͤnnen auf mannigfaltige Weiſe zu
Ende gehn; durch Erloͤſchung der Creditive, durch Zuruͤck-
berufung, durch freywillige oder gezwungene Abreiſe des Ge-
ſandten, durch Abſterben deſſelben. Zuweilen wird die Ge-
ſandſchaft nur auf eine Zeitlang unterbrochen; zuweilen nur
in gewiſſem Grade geendiget.


§. 235.
1) Erloͤſchung der Creditive.


Da Geſandte Mandatarien des Staats ſind der ſie
abſendet, ſo fließt aus der Natur der Sache, daß ihre Be-
glaubigungsſchreiben und Vollmachten durch den Tod ſo-
wohl desjenigen der ſie in ſeinem Nahmen a) beglaubiget
hat, als desjenigen an welchen ſie fuͤr deſſen Perſon b) ac-
creditirt worden erloͤſchen. So lange ſie daher keine neue
Beglaubigungsſchreiben oder Vollmachten beygebracht haben,
ſo lange haben ſie weder ein vollkommnes Recht zu verlan-
gen, daß man mit ihnen die Conferenzen fortſetze, noch auch
daß man ſie aller geſandſchaftlichen Vorrechte ferner genießen
laſſe; nur ihre Unverletzlichkeit muß ihnen ſo lange Zeit gelaſſen
werden
[277]Endigung der Geſandſchaft.
werden als ſie noͤthig haben um bequem den Staat zu ver-
laſſen an den ſie accreditirt worden. Doch faͤhrt man nach
der Praxis fort ſie als Miniſter zu behandeln, wenn zu ver-
muthen iſt, daß die Geſandſchaft nicht lange werde unter-
brochen werden c), und es fehlt ſelbſt nicht an Beyſpielen
daß man die Conferenzen mit ihnen fortgeſetzt habe.


Iſt ein Geſandter nur Interimsweiſe, oder auf eine
beſtimmt ausgedruͤckte Zeit beglaubiget, ſo erliſcht die Kraft
ſeines Creditivs in dem erſten Falle bey der Ankunft des or-
dentlichen Geſandten, ohne daß es hier eines foͤrmlichen Rap-
pelſchreibens beduͤrfte d), in dem letzteren durch Ablauf der
Zeit e).







S 3§. 236.
[278]Siebentes Buch. Zehntes Hauptſtuͤck.

§. 236.
2) Rappel.


Die Zuruͤckberufung oder der Rappel des Geſandten
endiget die Geſandſchaft, wenigſtens von dem Augenblick an,
wo das Rappelſchreiben uͤbergeben worden. Dieſe Zuruͤck-
berufung erfolget: 1) wenn der Zweck der Sendung erreicht
oder vereitelt iſt, 2) aus Privat-Urſachen die auf das Ver-
haͤltniß der Hoͤfe keinen Einfluß haben; 3) wegen entſtande-
nen Mißverſtaͤndniſſes, wenn entweder der Hof die Zuruͤck-
berufung des bey ihm reſidirenden Geſandten begehrt, oder
der ſendende Hof uͤber Verletzung des Voͤlkerrechts ſich be-
ſchwert, oder Retorſion a) uͤbt, oder die entſtandenen Miß-
helligkeiten einen Bruch veranlaſſen oder beſorgen laſſen. In
den beiden erſten Faͤllen muß der Geſandte, wenn er anwe-
ſend iſt, erſt um eine oͤffentliche oder Privat-Abſchiedsau-
dienz bitten in welcher er ſein Rappelſchreiben uͤberreicht
und ſeine Abſchiedsrede haͤlt b), nach welcher er, wenn nicht
neue Creditive erfolgen, kein Staatsgeſchaͤft mehr fuͤhren
kann. Iſt der Geſandte abweſend, ſo kann er ſchriftlich
mit Beyfuͤgung ſeines Rappelſchreibens Abſchied nehmen.
In beiden Faͤllen erhaͤlt er ein Recreditiv, die gewoͤhnlichen
oder außerordentlichen Geſchenke c), da wo uͤberhaupt Ge-
ſchenke hergebracht ſind d), und endlich die noͤthigen Paͤſſe.
Hierauf macht der Geſandte ſeine Abſchiedsviſiten, bekommt
die Gegenviſiten und reiſet ſodenn ab. Wird der Geſandte
wegen entſtandenen Mißverſtaͤndniſſes abberufen, ſo haͤngt
es von Umſtaͤnden ab, ob er ein Rappelſchreiben bekommt
und zu einer Abſchiedsaudienz zugelaſſen wird, auch die ge-
woͤhnlichen Geſchenke angeboten und angenommen werden.




c) Ob
[279]Endigung der Geſandſchaft.


§. 237.
3) Abreiſe ohne Rappel.


Bey außerordentlichen Geſandſchaften 1) kann zuwei-
len der Geſandte kraft ſeiner Inſtruction Abſchied nehmen,
ohne ein beſonderes Rappelſchreiben zu erwarten. Sonſt
koͤnnen 2) auch Faͤlle vorkommen, wo der Geſandte, es ſey
wegen ſeines perſoͤnlichen Betragens, oder retorſionsweiſe,
oder aus anderen Staatsurſachen von dem Hofe bey welchen
er reſidirt ausgeſchafft a) wird, ſo daß man ihm entweder
wiſſen laͤßt, daß er Abſchied nehmen koͤnne, oder ihm be-
fiehlt in nahmhafter Friſt ſich zu entfernen, oder ihn mit Ge-
walt uͤber die Grenze ſchafft. Endlich giebt es 3) Faͤlle,
wo der Geſandte ohne ſeinen Rappel zu erwarten von freyen
Stuͤcken den Hof ohne Abſchied verlaͤßt, wenn er ſich uͤber
grobe Verletzung des Voͤlkerrechts gegen ſeine Perſon be-
ſchweren zu koͤnnen glaubt.



§. 238.
4) Tod des Geſandten.


Daß auch durch den Tod des Geſandten die Geſand-
ſchaft zu Ende geht, leidet keinen Zweifel. In dieſem Fall
kann fuͤr ihn ein anſtaͤndiges Begraͤbniß gefordert werden.
Hat aber an dem Ort ſeiner Reſidenz keine oͤffentliche Uebung
ſeiner Religion ſtatt, ſo haͤngt, außerhalb der Vertraͤge, die
Frage ob er auf dem Kirchhofe und mit einem feyerlichen
S 4Leichen-
[280]Siebentes Buch. Zehntes Hauptſtuͤck.
Leichenzuge begraben werden koͤnne, von den Grundſaͤtzen der
herrſchenden Religion und von dem Gutfinden des Staats
ab. In Entſtehung deſſen aber kann er entweder an einem
benachbarten Ort begraben, oder ſein Leichnam in das Ge-
biet des Hofes der ihn ſandte geſchickt werden, in welchem
Falle es uͤblich iſt ihn uͤberall von den Stol-Gebuͤhren bey
der Durchfuͤhrung zu befreyen.


§. 239.
Verſiegelung der Effecten.


Bey Abſterben des Geſandten hat, wenn ein zweyter
Geſandte, oder ein Legationsſecretair deſſelben Hofes zuge-
gen iſt, dieſer das naͤchſte Recht die Verſieglung der Guͤter
zu beſorgen. In Ermangelung deſſen uͤbernimmt zuwei-
len a) der Geſandte eines anderen freundſchaftlichen Hofes,
kraft eines Vertrages, oder wenn der Geſandte, oder deſſen
Hof darum erſuchet hat, das Geſchaͤft der Verſieglung.
Der Staat bey welchen der Geſandte reſidirte iſt der letzte
der ſich ein Recht hiezu anmaaſſen koͤnnte b).




§. 240.
Rechte der nachgelaſſenen Familie.


Obwohl der ſtrenge nach die geſandſchaftlichen Vor-
rechte mit dem Tode des Geſandten endigen, ſo iſt gleich-
wohl hergebracht, der Wittwe a) fuͤr ſich ihre Kinder und
Geſinde noch eine Zeitlang diejenigen geſandſchaftlichen Vor-
rechte zu laſſen, deren ſie bey Lebzeiten ihres Gemahls ge-
noß; auch ſind wenn ſie außer Landes geht ihre und ihres
Gemahls hinterlaſſene Guͤter vom Fremdlings- und Ab-
zugsrecht befreyet b). Bleibt ſie noch geraume Zeit im
Lande, ſo kann ihr unſtreitig ein Termin geſetzt werden, nach
deſſen Ablauf ſie als Unterthan der Gerichtbarkeit, den Ge-
ſetzen und den Abgaben des Landes unterworfen ſeyn ſolle.
Nur wenn dies nicht geſchehn, bleibt die Frage zweifelhaft,
ob ſie auch nach Jahren c) auf jene Vorzuͤge Anſpruch
machen koͤnne.


In Streitigkeiten uͤber die Erbſchaft des Geſandten,
iſt zwar, wenn dieſer ein Auslaͤnder war, nicht nur die Form
des etwa errichteten Teſtaments d), ſondern auch die Erb-
ſchaft ſofern ſie in bewegliche Guͤter beſieht nach den Geſetzen
des ſendenden Staats zu beurtheilen; aber die Erbſchaft un-
beweglicher Guͤter iſt allemahl, und wenn der Geſandte Un-
terthan des Staats war bey welchen er reſidirte, die ganze
Erbſchaft (und das Teſtament?) nach den Geſetzen des
Landes wo der Geſandte reſidirte zu beurtheilen e).



S 5b) Wild-
[282]Siebentes Buch. Zehntes Hauptſtuͤck.




§. 241.
Endigung der Geſandſchaft einer gewiſſen Klaſſe.


Zuweilen geht nicht die ganze Geſandſchaft zu Ende,
ſondern es wird nur der Grad derſelben veraͤndert. Dies
kann entweder 1) ſo geſchehn, daß der Geſandte in eine hoͤ-
here Klaſſe aufſteigt z. B. der Envoyé wird Ambaſſadeur,
in welchem Fall er in der Audienz ſein neues Creditiv uͤber-
reicht; oder 2) ſo daß der Ambaſſadeur oder der außerordent-
liche Envoyé dieſen Character ablegt, und in der Eigenſchaft
eines Geſandten der zweyten oder dritten Klaſſe an dem
Hofe bleibt. In dieſem Fall muß er in einer Abſchieds-
Audienz ſein Rappelſchreiben uͤberreichen, in der er zugleich
ſein neues Creditiv uͤbergiebt a). Von dem Augenblick an
fallen die Ehrenbezeugungen weg, die dem hoͤheren Character
eigen ſind b). Ob er in dieſem Fall Geſchenke bekomme,
haͤngt vom Gebrauch der einzelnen Hoͤfe ab c).





Eilfres Hauptſtuͤck.
Rechte der Geſandten in Anſehung dritter Staaten
an welche ſie nicht accreditirt ſind.


§. 242.
Grundſaͤtze des allgemeinen Voͤlkerrechts.


Alle bisher eroͤrterte geſandſchaftliche Rechte haben der
Strenge nach nur in dem Verhaͤltniß zwiſchen dem Hofe der
den Geſandten ſchickt, und dem der ihn empfaͤngt ſtatt.
Dritte Maͤchte deren Gebiet ein ſolcher, es ſey auf der Hin-
oder Herreiſe, oder ſonſt durchreiſet, oder bey denen er ſich
eine Zeitlang aufhaͤlt, ohne ein Beglaubigungsſchreiben an
ſie zu uͤbergeben, ſind berechtiget ihn als einen bloßen Privat-
Mann zu behandeln, ohne ihm fuͤr ſeine Perſon, fuͤr ſein
Gefolge, oder fuͤr ſeine Guͤter irgend ein geſandſchaftliches
Vorrecht einzuraͤumen a). Ob aber der Geſandte der an
eine Verſammlung von Staaten accreditirt iſt auch von ein-
zelnen derſelben alle Vorrechte eines Geſandten begehren koͤnne,
ſcheint theils von der Verfaſſung dieſer Verſammlung ſelbſt b),
theils von den Geſchaͤften abzuhaͤngen, in welchen er durch-
reiſet oder ſich bey ihnen auf haͤlt.




§. 243.
Herkommliches Voͤlkerrecht in Anſehung der Perſon ſol-
cher Geſandten
.


In Friedenszeiten wird zwar nicht nur nach der allge-
mein hergebrachten Freyheit des Durchzugs und Aufenthalts,
dem an einen dritten Staat accreditirten Geſandten freye
Durchreiſe und Aufenthalt g ſtattet a), ſondern es pflegen
auch bey ſich ereignender Gelegenheit einem ſolchen Geſand-
ten manche Hoͤflichkeiten bezeuget und wohl gar manche Vor-
rechte eingeraͤumet zu werden, die man ſonſt nur anerkannten
Geſandten zugeſteht. Doch wird dieß nicht als eine Vor-
ſchrift des Voͤlkerrechts, ſondern als eine willkuͤhrliche Hoͤf-
lichkeitsbezeugung angeſehn, ſo daß man bey entſtehenden
Streitigkeiten auf den Unterſchied ſich beruft, der zwiſchen
einem acceditirten und nicht accreditirten Geſandten zu ma-
chen iſt b).


In Kriegszeiten haͤlt man ſich zwar fuͤr verbunden die
in einen eroberten feindlichen Lande befindlichen Geſandte ſol-
cher Hoͤfe mit denen man nicht im Krieg iſt einer voͤlligen
Unverletzlichkeit genießen zu laſſen c), aber es iſt nicht wider
das Voͤlkerrecht ſolche Geſandten zu arretiren die ohne beſon-
dere Erlaubniß das Gebiet eines Staats beruͤhren, mit deſſen
Oberherrn der ihrige im Krieg begriffen iſt d).






§. 244.
2) In Anſehung ihrer Guͤter.


Noch weniger kann ein ſolcher Geſandte auf Befreyung
ſeiner Guͤter die er durchfuͤhret oder nachkommen laͤßt von
Zoͤllen und aͤhnlichen Abgaben einen Anſpruch machen, und
was hierinn aus einem beſonderen gegenſeitigen Herkommen
einzelner Staaten gegen einander, oder aus Deferenz ſchwaͤ-
cherer gegen maͤchtigere Staaten auf erfolgte Requiſition
geſchieht, reicht nicht hin um darauf ein allgemeines Herkom-
men zu bauen a).


Weit
[286]Siebentes Buch. Zwoͤlftes Hauptſtuͤck.

Weit ſeltner noch iſt der Fall der Freyhaltung eines
durchreiſenden Geſandten, obwohl dieß in Anſehung der afri-
caniſchen Geſandten nicht ohne Beyſpiel iſt.



Zwoͤlftes Hauptſtuͤck.
Geheime Geſandſchaften.


§. 245.
Gattungen und Rechte derſelben.


Nicht ſelten werden zu Betreibung geheimer, wichti-
ger und eiliger Geſchaͤfte Perſonen von Vertrauen geſchickt
denen man entweder keinen geſandſchaftlichen Character bey-
legt, oder doch erſt dann ihn oͤffentlich anzunehmen erlaubt,
wenn das ihnen aufgetragene Geſchaͤft es geſtattet a).


Auch fehlt es nicht an Beyſpielen, daß von Hoͤfen, von
welchen man aus ein oder anderen Grunde keine Geſandten
annehmen will, zu Betreibung ihrer Geſchaͤfte Perſonen
angenommen werden denen gar kein oͤffentlicher Character
beygelegt iſt b).


In beiden Faͤllen iſt der Hof dem die Beſchaffenheit
dieſer Perſonen bekannt iſt, ſchuldig ihnen voͤllige Unverletz-
lichkeit angedeihen zu laſſen, obwohl ſie kein geſandſchaftli-
ches Ceremoniel begehren koͤnnen, und in Anſehung dritter
Leute als bloße Privatperſonen zu betrachten ſind.


Heimliche Emiſſairs c) aber die in einem andren Staat
ohne deſſen Vorwiſſen Staatsangelegenheiten ihres Hofes
betreiben ſollen, koͤnnen nicht nur als bloße Privatperſonen
behandelt, ſondern auch nach Verſchiedenheit der Umſtaͤnde
geſtraft werden.


a) Ein
[287]Von geheimen Geſandſchaften.



Dreyzehntes Hauptſtuͤck.
Von Courieren.


§. 246.
Ihre Rechte in Kriegs- und Friedenszeiten.


Couriere a) oder Eilboten ſind Boten welche der
Souverain, deſſen Geſandte oder andere denen er das Recht
Couriere zu ſchicken eingeraͤumet hat an einen Hof, Miniſter,
General u. ſ. f. zu eiliger Unterbringung einer Sache oder
einer Nachricht abſchickt. Sie ſind von einer Eſtafette, bey
welcher der Ueberbringer bey jeder Poſt wechſelt, aber auch
ſowohl in Anſehung des Geſchaͤfts als des Ceremoniels von
den Geſandten weſentlich verſchieden.


In Friedenszeiten genießen ſie nach dem Anerkenntniß
aller Voͤlker zum Theil ſelbſt kraft der Vertraͤge fuͤr ihre
Perſon und Depechen des hoͤchſten Grades der Unverletzlich-
keit, ſo, daß jede an ſie veruͤbte Gewaltthaͤtigkeit als eine
grobe Verletzung des Voͤlkerrechts betrachtet wird, es ſey
in dem Lande fuͤr welches ſie geſchickt werden, oder in dritten
Staaten auf ihrer Durchreiſe b). Doch muͤſſen ſie ſich als
Couriere
[288]Siebentes Buch. Dreyz. Hptſt. Von Courieren.
Couriere angeben, und entweder durch ein Schild (Schild-
couriere) oder durch Paͤſſe, die von dazu berechtigten Perſo-
nen ausgeſtellet worden, in dieſer Eigenſchaft legitimiren c).


Auch geſtattet man ihnen fuͤr die mit ſich fuͤhrenden
Guͤter eine Befreyung von Durchſuchung und Abgaben,
obwohl ſie im Fall eines Mißbrauchs dieſes Vorrechts, die
Folgen ſich ſelbſt beyzumeſſen haben.


In Kriegszeiten hingegen haͤlt man es fuͤr erlaubt ſich
der Couriere des Feindes und ſeiner Alliirten zu bemaͤchtigen,
ſo lange nicht durch gegenſeitige Vertraͤge ihre Unverletzlich-
keit hergeſtellet worden, welcher Punct oft einer der erſten iſt,
die bey annaͤhernder Ausſicht zu einer Friedensnegociation
verabredet werden muͤſſen.






[289]

Achtes Buch.
Von Vertheidigung und Verfolgung der Rechte
der Voͤlker durch thaͤtliche Mittel.


Erſtes Hauptſtuͤck.
Vom Beweiſe.


§. 247.
Vom Beweiſe unter freyen Voͤlkern.


Wenn eine Nation ſich uͤber die Kraͤnkung ihrer urſpruͤng-
lichen oder erworbenen Rechte beſchwert, oder Anſpruͤche ge-
gen eine andere macht welcher dieſe nicht geſtaͤndig iſt, ſo iſt
ſie, falls die Wahrheit ihrer Behauptung nicht in die Au-
gen faͤllt, ſchuldig ſelbige zuvoͤrderſt zu beweiſen; das heißt
bey Ermangelung eines Richters, dem Gegentheil die Wahr-
heit des zum Grunde liegenden Factums ſo gruͤndlich darzu-
thun, daß dieſem keine vernuͤnftige Zweifelsgruͤnde uͤbrig
bleiben. Das Recht braucht nur dann erwieſen zu werden,
wenn von einen erworbenen die Rede iſt.


Weit das gewoͤhnlichſte Beweißmittel unter Voͤlkern
ſind Urkunden. Zeugen und Eyd kommen nicht leicht an-
ders als in den Faͤllen vor, wo Privat-Angelegenheiten der
Unterthanen zu Angelegenheiten der Voͤlker gemacht werden.
Auch der kuͤnſtliche Beweiß laͤßt ſich nicht ausſchließen.


Eine natuͤrliche Folge von der Gleichheit und Unabhaͤn-
gigkeit der Voͤlker iſt, daß ihre Archive gleiche Glaubwuͤrdig-
keit haben, und daß die Frage ob der Beweiß hinreichend
gefuͤhret worden, der Einſicht und dem Gewiſſen einer jeden
Macht uͤberlaſſen bleibt.


T§. 248.
[290]Achtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.

§. 248.
Anwendung auf teutſche Reichsſtaͤnde.


Anſpruͤche gegen Staͤnde des teutſchen Reichs, ſie moͤ-
gen von Mitſtaͤnden, oder von Auswaͤrtigen gemacht werden,
gehoͤren zwar der Regel nach vor die Reichsgerichte, ſo daß
hier das Beweißverfahren nach Grundſaͤtzen des poſitiven
buͤrgerlichen Rechts zu beurtheilen iſt a); doch giebt es un-
laͤugbar Ausnahmen von dieſer Regel, wo nicht nur bey
Anforderungen Auswaͤrtiger, ſondern ſelbſt teutſcher Mit-
ſtaͤnde die Reichsgerichte entweder uͤberhaupt, oder nach den
Umſtaͤnden nicht erkennen koͤnnen, und daher der Beweis
nur auf den Fuß des Voͤlkerrechts ſich fuͤhren laͤßt.


Eben dies tritt allgemein bey Anforderungen teutſcher
Reichsſtaͤnde gegen Auswaͤrtige ein, ſie moͤgen von dem be-
ſchwerten Theile allein, oder mit Vertretung des Reichs
verfolget werden.



Zweytes Hauptſtuͤck.
Retorſion und Repreſalien
.


§. 249.
Grade der Selbſthuͤlfe.


Iſt die Anforderung gehoͤrig ins Licht geſetzt, ſo muß
der Regel nach eine guͤtliche Anmahnung, ſie geſchehe un-
mittelbar, oder mittelbar durch einen dritten, vor den wirk-
lichen Thaͤtlichkeiten hergehn; doch iſt bey einer gegruͤndeten
Anforderung eine Nation ſo wenig einen Schidesrichter, als
uͤberhaupt einen Vergleich ſich gefallen zu laſſen ſchuldig.
Schlaͤgt daher der Weg der Guͤte nicht an, oder man ſieht
voraus, daß er nicht gelingen werde, ſo bleibt unter freyen
Voͤlkern, da ſie keinen hoͤheren Richter uͤber ſich erkennen,
kein
[291]Retorſion und Repreſalien.
kein anderer Weg als der der Selbſthuͤlfe uͤbrig a); die Grade
der erlaubten Selbſthuͤlfe aber ſind ſehr verſchieden und be-
ſtimmen ſich nicht nur 1) nach dem Erforderniß des dadurch
zu erreichenden Zwecks, ſondern auch inſonderheit 2) nach
der Natur der zum Grunde liegenden Verletzung; und wie
dieſe entweder vollkommen oder unvollkommen ſeyn kann, ſo
koͤnnen auch auf dem Wege der Selbſthuͤlfe entweder blos
unvollkommne oder auch vollkommne Rechte des andern ge-
kraͤnkt werden. Dies begruͤndet den Unterſchied zwiſchen
Retorſion und Repreſalien b).




§. 250.
Retorſion.


Unvollkommene Rechte, welche blos in dem Wohlan-
ſtande, der Billigkeit, dem Herkommen ihren Grund ha-
ben, koͤnnen auf mannigfaltige Weiſe verletzet werden. Vor-
zuͤglich gehoͤret dahin: 1) die Verweigerung eines bloßen
Gewohnheitsrechts, 2) die Einfuͤhrung eines unbilligen Un-
T 2terſchieds
[292]Achtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
terſchieds zwiſchen Fremden und Einheimiſchen in ihren Pri-
vatrechten; ius iniquum a).


Nach der Natur unvollkommner Rechte kann im Fall
ſolcher Verletzung zwar weder Gewalt gebraucht, noch des-
falls ein vollkommenes Recht geweigert werden. Aber ſie
koͤnnen durch Verletzungen aͤhnlicher Art erwidert werden,
durch Verweigerung eben deſſelben oder eines anderen Ge-
wohnheitsrechts, durch Einfuͤhrung deſſelben, oder auch eines
anderen iuris iniqui, und darinn beruhet die Retorſion,
deren Zweck theils die Abſtellung der Verletzung, theils die
Herſtellung einer Gleichheit ſeyn kann. Retorſionen der Art
ſind ſehr gewoͤhnlich in Europa, und auch abhaͤngigen
(halb ſouverainen) Staaten unverwehrt b).




§. 251.
Repreſalien.


Werden hingegen vollkommene Rechte eines Staats
gekraͤnkt, es ſey urſpruͤngliche, oder durch Occupation, durch
ausdruͤckliche oder durch ſtillſchweigenden Vertraͤge erwor-
bene, ſo bringt der Begriff derſelben ſchon mit ſich, daß
wider ſolche Verletzung zwiſchen freyen Voͤlkern Zwang ſtatt
habe, es beſtehe dieſer in bloßer Verweigerung ſonſt voll-
kommen verbindlicher Rechte oder in wirklichen Gewaltthaͤ-
tigkeiten.
[293]Retorſion und Repreſalien.
tigkeiten. Beides wird unter dem Nahmen von Repreſa-
lien
begriffen a).



§. 252.
Wann ſie ſtatt haben.


Da jeder Staat auf der einen Seite ſeine Unterthanen
gegen Auswaͤrtige zu ſchuͤtzen berechtiget, auf der andren
aber auch Auswaͤrtigen gegen ſeine Unterthanen unpar-
theyiſche Gerechtigkeit angedeihen zu laſſen vollkommen ver-
bunden iſt, ſo koͤnnen nicht nur Verletzungen die ein anderer
Staat unmittelbar gegen unſren Staat oder deſſen Unter-
thanen begangen hat, ſondern auch diejenigen, welche unmit-
telbar von deſſen Unterthanen begangen worden, dann
wenn die geforderte Genugthuung verweigert oder un-
gebuͤhrlich verzoͤgert wird a), den Gebrauch der Repre-
ſalien rechtfertigen.



§. 253.
Gegenſtaͤnde der Repreſalien.


Sofern jeder Unterthan fuͤr die Schulden und Ver-
letzungen ſeines Staats mit ſeiner Perſon und ſeinen Guͤ-
tern haftet, ſofern, aber nicht weiter, koͤnnen Repreſalien
nicht nur unmittelbar gegen den Staat, oder gegen den
Urheber der Verletzung, ſondern auch gegen die Perſon und
Guͤter der uͤbrigen Unterthanen geuͤbet werden. Hieraus
iſt zu beurtheilen wie weit die ſtrenge Wiedervergeltung
(talion) erlaubt ſey; offenbar iſt ſie es nicht in allen Faͤllen a).



§. 254.
Hauptgattung derſelben, Arreſt.


Eine der gewoͤhnlichſten Gattungen von Repreſalien
iſt der Arreſt und die Wegnahme der Perſon und Guͤter
einiger Unterthanen des verletzenden Staats, es ſey derer
die ſich in unſerem Gebiet aufhalten, ſofern hier nicht Ver-
traͤge im Wege ſtehn a), oder ſolcher, die außerhalb unſerer
Grenzen auf offenem Meer, oder in dem Gebiet des ver-
letzenden Staats angetroffen werden.



§. 255.
Wer das Recht habe Repreſalien zu uͤben.


Dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht wuͤrde es nicht
entgegen ſeyn, daß verletzte Unterthanen ſich ſelbſt dieſes
Wegs der Selbſthuͤlfe wider Unterthanen bedienten mit
denen ſie im Naturſtande fortleben. Auch war in mittle-
ren Zeiten nichts haͤufiger als dergleichen Privatrepreſalien
einzelner Unterthanen. Da aber die Natur der Sache und
Erfahrung gelehret, wie gefaͤhrlich es fuͤr die innere und aͤußere
Ruhe ſey den Gebrauch dieſes Rechts der Willkuͤhr der
Unterthanen zu uͤberlaſſen, ſo iſt daſſelbe ſchon ſeit dem 14ten
Jahrhundert durch Geſetze und Vertraͤge an eine beſondere
Erlaubniß des Staats gebunden a); dieſe wird in ſoge-
nannten Repreſalien oder Markbriefen (lettres de mar-
que)
[295]Retorſion und Repreſalien.
que) ertheilet, deren Gebrauch in Friedenszeiten aber im-
mer ſeltner geworden b), da nicht nur uͤberhaupt dieſe Re-
preſalien haͤufig durch Vertraͤge naͤher beſchraͤnkt worden,
ſondern uͤberdles in den mehreſten Faͤllen rathſamer ſcheint,
daß ſie auch zum Beſten der Unterthanen unmittelbar von
dem Staat geuͤbt werden.




§. 256.
Repreſalien zum Beſten dritter Staaten.


Repreſalien haben nur zum Beſten unſeres Staats und
deſſen Unterthanen a) aber nie auf Anrufen und zum Vor-
theil eines dritten Staats, zumahl in Anſehung ſolcher Per-
ſonen und Guͤter ſtatt, die in unſrem Gebiet aufgenommen
ſind, und daher des Schutzes des Voͤlkerrechts genießen b).




§. 257.
Allgemeine Repreſalien.


Das Weſen der Repreſalien beruhet in einzelnen, be-
ſtimmten Verletzungen ſonſt vollkommener Pflichten; ſie
verhindern daher nicht im uͤbrigen auf den Fuß einer friedli-
T 4chen
[296]Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
chen Macht fortzuleben. Wie aber der Zweck der Repre-
ſalien dahin geht, durch ſelbige den verletzenden Staat zur
Genugthuung zu bewegen, oder uns dieſe ſelbſt zu verſchaffen,
ſo koͤnnen, wenn eine Gattung derſelben [nicht] hinreicht, meh-
rere derſelben einzeln geuͤbt werden. Beſchließt aber ein
Staat allgemeine Repreſalien, ſo geht er aus dem fried-
lichen Zuſtande in den Stand des Kriegs uͤber a).



Drittes Hauptſtuͤck.
Vom Krieg und deſſen naͤchſten Folgen.


§. 258.
Begriff des Kriegs.


Krieg iſt der Zuſtand fortdaurender und unbeſtimmter
Gewaltthaͤtigkeiten der Menſchen unter einander. Er iſt
entweder Privatkrieg, wie er zwiſchen einzelnen Menſchen
im Naturſtande ſich gedenken laͤßt, oder oͤffentlicher Krieg
(bellum publicum). Letzterer wird wiederum in den buͤr-
gerlichen, der zwiſchen den in einem Staat unter den Mit-
buͤrgern entſtandenen Partheyen (bellum civile) und in
den Voͤlkerkrieg eingetheilt. Der buͤrgerliche Krieg kann
in einfachen Staaten nur in den aͤußerſten Faͤllen gerechtfer-
tiget werden, wo die hoͤchſte Gewalt ihn fuͤhrt, um rebelli-
ſche Unterthanen zum Gehorſam zu bringen, Executions-
krieg, oder wo ein Theil der Unterthanen in ſeinen buͤrger-
lichen Rechten ſo gekraͤnkt worden, daß er dem Regenten den
Gehorſam aufkuͤndigen und ſeine Freyheit mit den Woffen
vertheidigen kann; unter den Mitgliedern eines zuſammenge-
ſetzten Staats hat der Krieg außerdem auch in den Faͤllen ſtatt,
in welchen ſich die Mitglieder auf den Fuß freyer Voͤlker be-
handeln duͤrfen. Der Voͤlkerkrieg wird zwiſchen freyen Voͤl-
kern unter einander gefuͤhrt.


§. 259.
[297]Vom Krieg und deſſen Folgen.

§. 259.
Wer das Recht habe Krieg zu fuͤhren.


Da das Recht Krieg zu fuͤhren als eines der weſent-
lichſten Hoheitsrechte anzuſehn iſt, ſo kann es der Regel nach
nur auf Befehl der hoͤchſten Gewalt ausgeuͤbet werden, und
jeder Eingriff in daſſelbe von Seiten der Unterthanen iſt als
ein hoͤchſt ſtrafbares Verbrechen anzuſehn. Doch kann die
hoͤchſte Gewalt das Recht des Kriegs Unterthanen erthei-
len a), oder ſie zu Ausuͤbung rechtmaͤßiger Gewaltthaͤtigkei-
ten bevollmaͤchtigen b).




§. 260.
Rechtfertigungsgruͤnde des Kriegs.


Keine Verletzung unvollkommner Pflichten kann fuͤr
ſich betrachtet, je ein Rechtfertigungsgrund a) des Krieges
werden. Jede Verletzung einer vollkommnen Pflicht hin-
gegen, ſie ſey ſchon veruͤbt, gegenwaͤrtig, oder aus wahr-
ſcheinlichen Gruͤnden zu befuͤrchten b) kann, wenn nicht ein
anderes verabredet worden c), wenigſtens ſtufenweiſe, wenn
gelindere Mittel vergebens verſuchet worden, oder verſuchet
werden wuͤrden, nach dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht ein
guͤltiger Rechtfertigungsrund des Krieges werden d); und
da jede Nation hierinn ihren beſten Einſichten zu folgen be-
rechtiget, keine aber Richterinn der andren iſt, ſo behaͤlt
zwar jedes Volk das Recht Gewalt mit Gewalt zu vertreiben,
aber Kriege freyer Voͤlker muͤſſen in jedem irgend zweifelhaf-
ten Falle e) als aͤußerlich gerecht an beiden Seiten beurthei-
let werden, ſofern von Behandlung des Feindes und von
Kriegsvertraͤgen und Friedensſchluͤſſen die Rede iſt (§. 44).


T 5a) Ueber
[298]Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.





§. 261.
Vertheidigungs- und Anfalls-Kriege.


Man theilt die Kriege in Vertheidigungs- und An-
falls-Kriege
a) (guerres defenſives et offenſives) ein.
Der Regel nach iſt der Krieg offenſiv von Seiten desjenigen
der ihn zuerſt erklaͤret, oder der zuerſt allgemeine Gewalt-
thaͤtigkeiten wider den andren, es ſey in deſſen Gebiet oder
auf
[299]Vom Krieg und deſſen Folgen.
auf offenem Meer uͤbt; er iſt alſo defenſiv von der Gegen-
ſeite. Allein 1) giebt es Faͤlle wo derjenige, der um einem
Anfalle, mit dem er bedrohet wird, zuvorzukommen, oder um
ſich in den Beſitz der außerhalb ſeines Gebiets ihm zuſte-
henden und gekraͤnkten Rechte zu erhalten, zuerſt die Waf-
fen ergreift, die Grenzen eines Defenſiv-Krieges nicht uͤber-
ſchreitet. 2) Koͤnnen oft Zweifel entſtehn, wiefern eine ge-
gebene oder verweigerte Erklaͤrung einer Kriegs-Erklaͤrung,
oder wiefern einzelne Gattungen von Thaͤtlichkeiten einem
foͤrmlichen Friedensbruch gleich zu achten ſind; daher iſt kein
Wunder, wenn faſt in jedem Kriege uͤber die Frage geſtritten
wird b), an welcher Seite er fuͤr defenſiv zu achten ſey c).





§. 262.
Kriegs-Ankuͤndigung.


Daß eine Kriegs-Ankuͤndigung von Seiten desjeni-
gen nicht erfordert werde, der bloß innerhalb der Grenzen ſei-
nes Gebiets ſich vertheidiget, iſt in die Augen fallend. Aber
auch
[300]Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
auch von Seiten desjenigen der den andren zuerſt uͤberfaͤllt,
laͤßt ſich die Nothwendigkeit einer vorhergehenden Ankuͤndi-
gung des Kriegs an den Feind aus dem ſtrengen aͤußeren
Voͤlkerrecht nicht, oder doch nicht allgemein, erweiſen a).
Viele der aͤlteren Voͤlker hielten indeß eine feyerliche Kriegs-
Ankuͤndigung zur Rechtmaͤßigkeit des Kriegs fuͤr nothwen-
dig b). Dieſe war auch in Europa bis in die Mitte des
17ten Jahrhunderts hergebracht c); ſeitdem hat ſie allgemein
aufgehoͤret und man hat an deren ſtatt die bloße Kriegs Er-
klaͤrung d) d. i. die Bekanntmachung des Kriegs an die
eigenen Unterthanen durch Manifeſte e), und die Ent-
wickelung der Urſachen derſelben in Druckſchriften, die allen
Hoͤfen mitgetheilt zu werden pflegen, geſetzt. Dieſe Kriegs-
Erklaͤrung wird noch jetzt fuͤr ſo weſentlich angeſehn, daß
man das was vorher genommen worden hin und wieder bey
Friedensnegociationen zuruͤckfordern zu koͤnnen geglaubt f);
aber auch hiebey erregt die Frage wer der leidende Theil
geweſen, und wiefern der Krieg ſtillſchweigend erklaͤret wor-
den, neue Schwierigkeiten in Beſtimmung des Zeitpuncts
der als der Anfang des Kriegs anzuſehn iſt g).





d) Von
[301]Vom Krieg und deſſen Folgen.




§. 263.
Embargo.


Wie Repreſalien auch gegen die Perſon und Guͤter
der Unterthanen ſtatt haben koͤnnen, ſo koͤnnte der Feind bey
Ausbruch des Krieges der Strenge nach nicht nur die Guͤ-
ter des Feindes die er in deſſen Gebiet, oder auf offener
See antrifft, ſondern auch diejenigen ſofort wegnehmen, die
in ſeinem Land- oder Seegebiet angetroffen werden. Da aber
dieſe Schiffe und Guͤter im Vertrauen auf den Schutz des
Voͤlkerrechts bey uns eingefuͤhret worden, der ſchuldloſe und
von dem Bruche nicht unterrichtete Privatmann auch nicht
ohne große Haͤrte ſein Eigenthum ohne Hoffnung einer Ent-
ſchaͤdigung verlieren wuͤrde, ſo iſt in den mehreſten neueren
Handelsvertraͤgen beſtimmt, daß 1) die Schiffe und Guͤter
die beym Ausbruch des Kriegs ſich bey uns befinden, 2)
diejenigen welche ſelbſt nach der Kriegserklaͤrung aus einem
Hafen in welchem beym Auslaufen die Kriegserklaͤrung noch
nicht bekannt war, bey uns einkommen, nicht ſollen mit
Embargo belegt, ſondern ihnen eine nahmhafte Friſt a)
zum freyen Abzug und Verkauf der Guͤter gelaſſen werden.
Eben
[302]Achtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Eben dieß iſt hin und wieder durch Geſetze beſtaͤdtiget b).
Gleichwohl fehlt es nicht an Beyſpielen daß ſolche Guͤter
entweder vorlaͤufig, bis erhellet wie ſich der Feind gegen
unſre Guͤter betrage, in Beſchlag genommen, oder wegen
angeſchuldigter Verletzung des Gegentheils wirklich confis-
cirt und verkauft worden c). Und wo keine Geſetze oder
Vertraͤge uͤber den Punct vorhanden ſind, da iſt das Betra-
gen der Europaͤiſchen Maͤchte hierinn nichts weniger als
gleichfoͤrmig.


In einigen Vertraͤgen iſt ſogar feſtgeſetzt, daß die
gegenſeitigen Unterthanen ſollen waͤhrend des Kriegs ihren
Aufenthalt bey dem Feinde fortſetzen koͤnnen, ſo lange ſie ſich
ruhig verhalten d). Allemahl noͤthiget man jedoch den Ge-
ſandten des Feindes ſammt ſeinem Gefolge den Staat zu
verlaſſen e); aber die chriſtlichen Maͤchte geſtatten ihm einen
freyen und ſicheren Abzug; nur die Tuͤrken erlauben ſich ihn
feſtzuſetzen (§. 211.).







§. 264.
[303]Vom Krieg und deſſen Folgen.

§. 264.
Avocatorien und Deſortatorien.


Gegen ſeine eigenen Unterthanen hat I) der Staat
das Recht alle diejenigen die bey dem Feinde oder ſelbſt in
dritten Staaten ſich auf halten, dann zuruͤck zu berufen, wenn
er ihres Arms bedarf; inſonderheit aber ihnen nachdruͤcklich
zu verbieten, nicht wider ihr Vaterland, es ſey Kriegs- oder
Civildienſte zu leiſten. Die veraͤnderte Art Krieg zu fuͤhren
macht, daß die zu Anfang des Kriegs desfalls erlaſſene Avo-
catorien und Dehortatorien a) gemeiniglich nur auf die in
Civil- oder Militairdienſten des Feindes oder auch in unſren
Dienſten ſtehende erſtreckt wird. Dieſe Avocatorien werden
immer bey Strafe der Confiscation der Guͤter, zuweilen auch
bey Strafe der Infamie erlaſſen b). II) Nicht weniger iſt
jeder Staat nach dem Voͤlkerrecht befugt durch erlaſſene In-
hibitoriales den Unterthanen allen Briefwechſel, alle Gat-
tungen der Ausfuhr nach dem Feinde, alle Einfuhr feindli-
cher Produkte oder Manufacturen, alle Aſſecuranz fuͤr feind-
liche Rechnung zu unterſagen.


Da aber die gaͤnzliche Aufhebung aller Verbindung
oft beiden Theilen hoͤchſt nachtheilig iſt, ſo fehlt es nicht an
Beyſpielen, daß 1) durch Vertraͤge einige Correſpondenz
beybehalten worden c), 2) die freye Ein- und Ausfuhr ge-
wiſſer oder aller nicht zur Contrebande gehoͤrenden Guͤter
allgemein oder fuͤr gewiſſe Seehaͤfen ausdruͤcklich oder ſtill-
ſchweigend erlaubt worden d) wohingegen die Aſſee[r]anz fuͤr
Feindes Rechnung durchgehenos verboten iſt e).





d) Bou-
[304]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.


Viertes Hauptſtuͤck.
Von den gegenſeitigen Rechten der hauptkriegfuͤh-
renden Maͤchte bey Fuͤhrung des Kriegs.


§. 265.
Kriegsgeſetze, Kriegsraiſon.


Da das allgemeine Voͤlkerrecht alle nothwendige Mit-
tel zu Erreichung des Zwecks um deſſen Willen der Krieg
gefuͤhret wird erlaubt, ſo laͤßt ſich kein Mittel dem Feinde
zu ſchaden nach dem aͤußeren Recht als im allgemeinen ver-
werflich anſehn, und nur die Umſtaͤnde koͤnnen in jedem ein-
zelnen Falle uͤber die Rechtmaͤßigkeit des Gebrauchs deſſel-
ben entſcheiden. In ſofern iſt alſo das Recht des Kriegs
unbegraͤnzt (ius belli infinitum.). Allein die civiliſirten
Voͤlker Europens haben inſonderheit ſeit der Einfuͤhrung
regulirter Truppen in der Abſicht Kriege minder zerſtoͤrend a)
zu machen und durch Erfahrung uͤberzeugt, daß der Ge-
brauch mancher Mittel entweder ohne Noth den Krieg grau-
ſamer mache, oder doch auf denjenigen der ſie anwendet ſchwer
wieder zuruͤckfalle, durch Vertraͤge, Herkommen und eigenes
Anerkenntniß gewiſſe ſogenannte Kriegsgeſetze (loix de la
guerre,
Kriegsmanier) eingefuͤhret, nach welchen einige
Mittel ſchlechterdings und unter allen Umſtaͤnden, blos den
Fall
[305]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
Fall der Repreſalien ausgenommen fuͤr verwerflich, andere
der Regel nach fuͤr verboten und nur dann fuͤr zulaͤſſig an-
geſehn werden, wenn entweder der Gegentheil ſie zuerſt
uͤbertreten, oder die beſondren dringenden Umſtaͤnde eines ein-
zelnen Falles nach der Kriegsraiſon [raiſon de guerre b)]
eine Ausnahme rechtfertigen.




§. 266.
Wer an den Krieg Theil nehmen duͤrfe.


So war es laͤngſt anerkannter Grundſatz unſres Voͤl-
kerrechts, daß ſelbſt nach erfolgter Kriegserklaͤrung (nicht
allen Unterthanen ohne Unterſchied freyſtehe auf den Feind
loszugehn a), daß in Landkriegen dies nur den von dem
Staat geworbenen Regimentern und den mit deſſen Be-
willigung von Privatperſonen errichteten Freycorps, in See-
kriegen den Kriegsſchiffen des Staats und den mit Mark-
briefen deſſelben verſehenen Capern zuſtehe, hingegen alle
uͤbrige Unterthanen wenn ſie offenſive verfahren als unrecht-
maͤßige Feinde behandelt und beſtraft werden ſollen b).


Und obwohl nicht nur 1) die zu Vertheidigung des
Landes errichtete Nationalmiliz innerhalb der Grenzen dieſer
Vertheidigung gleicher Rechte mit den ſtehenden Regimen-
tern genieſſen muß c), auch 2) in den in neueren Zeiten
ſeltenen Faͤllen eines allgemeinen Aufgebotsd) alle zur
Vertheidigung bewaffneter Buͤrger eines Staats, und 3)
ſelbſt diejenigen die aus einem muthmaßlichen Auftrage die
Vertheidigung eines Orts gegen den Feind uͤbernehmen fuͤr
rechtmaͤßige Feinde zu achten ſind, ſo glaubte man doch
nicht nur allen dieſen jedes offenſive Verfahren unterſagen,
ſondern auch die in Vertheidigung des Landes ergriffenen
Buͤrger und Bauren haͤrter als die uͤbrigen Krieger behan-
Udeln
[306]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
deln zu koͤnnen. Unlaͤugbar entfernt ſich Frankreichs Ver-
fahren in dem gegenwaͤrtigen Kriege in manchen, wenn
gleich nicht in allen Puncten, von der bisher eingefuͤhrten
Kriegsmanier, und wiefern dieſes und die dawider hin und
wieder ergriffene Gegen-Maaßregeln in der Folge auf eine
veraͤnderte Art Krieg zu fuͤhren wirken werden, kann erſt die
Folge Zeit lehren.






§. 267.
Von dem Recht auf das Leben des Feindes.


Sobald der Krieg ausgebrochen iſt, werden zwar alle
Unterthanen des feindlichen Staats unſere Feinde, und es
iſt erlaubt unſere Genugthuung wider ſie zu verfolgen. Da
aber wegen eines rechtmaͤßigen Kriegs kein Theil den andren
ſtrafen kann, ſo beruhet in dieſem das Recht den Feind zu
verwunden und zu toͤdten allein auf die Gewalt die er uns
entgegen ſetzt. Daher duͤrfen I) diejenigen die an den Ge-
waltthaͤtigkeiten keinen Theil nehmen weder verwundet noch
getoͤdtet werden. Dahin gehoͤren nicht nur 1) Kinder, Greiſe,
Weiber und uͤberhaupt alle diejenigen welche die Waffen
nicht ergreifen duͤrfen und wirklich nicht ergriffen haben,
auch 2) die im Gefolge der Armee befindlichen Perſonen
die nicht zum Wehrſtande gezaͤhlt werden, wie Feldpredi-
ger, Aerzte, Wundaͤrzte, Marquetenter, auch nach dem
Herkommen quartiermeiſter, Tambour und Pfeiffer, ſo-
ern die drey letzteren verſchonet werden koͤnnen. Hingegen
II)
[307]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
II) alle Officiere und Soldaten, deren Pflicht es iſt of- und
defenſive Gewalt zu uͤben, koͤnnen ſo lange rechtmaͤßig ver-
wundet und getoͤdtet werden, als nicht erhellet, daß ſie ent-
weder den Willen, oder das Vermoͤgen Gewalt zu gebrau-
chen verloren haben. Sobald ſie hingegen entweder 1) ſo
ſchwer verwundet oder 2) ſo von dem Feinde umringt ſind,
daß ſie nicht mehr Gewalt brauchen koͤnnen, oder 3) ſie die
Waffen wegwerfen und um Quartier bitten, ſobald iſt der
Feind vollkommen verpflichtet ihnen das Leben zu laſſen,
dafern nicht 1) ſeine eigene Sicherheit ihn daran hindert a),
oder 2) er das Recht der Wiedervergeltung oder ſonſt Re-
preſalien b) uͤben kann, oder 3) der feindliche Unterthan
Verbrechen begangen hat um deren Willen er an Leib und Le-
ben geſtraft werden kann; inſonderheit wenn er die Kriegs-
geſetze verletzet hat.


In Kriegen die, wie mehrentheils die buͤrgerlichen
Kriege, auf der einen Seite fuͤr unrechtmaͤßig erklaͤret wer-
den, glaubt man ſich zwar berechtiget dem gefangenen Feind
ohne Unterſchied das Leben zu nehmen, aber Menſchenge-
fuͤhl und Furcht vor Repreſalien veranlaßten in den mehre-
ſten Faͤllen, daß man auch hier die Behandlung rechtmaͤßi-
ger Feinde an beiden Seiten verſprach c).


In Kriegen freyer Voͤlker iſt die Ermordung der Ge-
fangenen und folglich auch die dahin abzweckende Drohung den
erſten Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts entgegen, man mag
dieſes auf Gefuͤhl, oder auf Vernunftſchluͤſſe bauen d).






§. 268.
Von den Mitteln dem Feinde zu ſchaden.


Wenn gleich das natuͤrliche Recht keines der Mittel
dem Widerſtand leiſtenden Feinde das Leben zu nehmen in
ſeinem ganzen Umfange verwirſt, ſo haben doch die civili-
firten Voͤlker Europens, theils durch Vertraͤge, theils durch
Herkommen und eigenes Geſtaͤndniß manche ſolcher Mittel
als der Kriegsmanier entgegen erklaͤret, wohin unter den
heimlichen Mitteln Meuchelmorda) und Gift b) unter
den offenbaren Mitteln der Gewaltthaͤtigkeit der Gebrauch
gewiſſer Waffenc) welche die Grauſamkeit des Kriegs
fuͤr beide Theile ohne Noth vermehren, zu zaͤhlen ſind.





§. 269.
Kriegsliſten, Spione.


In allen den Faͤllen in welchen der Feind nicht aus-
druͤcklich dem Feinde Aufrichtigkeit verſprochen iſt erlaubt,
dann wenn das Intereſſe des Kriegs es erfordert, ihn zu
taͤuſchen, ſofern nicht auch hierin das Herkommen Einſchraͤn-
kungen eingefuͤhret hat a).


Auch Beſtechungen feindlicher Officiere und Untertha-
nen um ſie zu Entdeckungen eines Geheimniſſes, zur Ue-
bergabe eines Platzes, zum Aufruhr b) u. ſ. f. zu bewegen
laſſen ſich in Kriegszeiten weder nach dem allgemeinen, noch
nach dem herkommlichen Voͤlkerrecht fuͤr verwerflich anſehn,
obgleich jeder Staat das Recht hat durch die Haͤrte der an-
gedroheten Strafen ſich dawider moͤglichſt zu ſchuͤtzen.


U 3Nach
[310]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

Nach eben dieſen Grundſaͤtzen iſt die Abſendung oder
Beſoldung von Spionen die unter der Geſtalt eines Freun-
des ſich auf heimliche Kundſchaft, Bothſchaft u. ſ. f. legen c)
erlaubt, obgleich jeder Staat durch harte und ſchimpfliche
Strafen dem Feinde dies gefaͤhrliche aber nothwendige Mit-
tel zu erſchweren ſuchen kann.





§. 270.
Von Kriegsgefangenen.


Wenn der Feind ſeinen bewaffneten Feind a) zur
Uebergabe genoͤthiget hat ohne ihm freyen Abzug zu ver-
ſprechen, ſo iſt er zwar, den Fall der Repreſalien oder Ver-
brechen abgerechnet, weder befugt ihn zu toͤdten, noch ihn
in Sclaverey abzufuͤhrena), er iſt aber berechtiget ihn zum
Kriegsgefangenen zu machen und in ſichere Verwahrung zu
halten, falls er nicht kraft eines Cartels in ſeine Ranzion b)
oder Auswechſelung williget, oder ihn auf ſein Ehrenwort
entlaͤßt, binnen einer feſtgeſetzten Zeit, oder bis zu ſeiner
Auswechſelung oder waͤhrend des ganzen Krieges nicht wieder
gegen ihn zu dienen, oder ſich auf ſeinen Befehl an einen
gegebenen Ort wieder zu ſtellen c).


Wer
[311]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.

Wer mit Verletzung dieſes Ehrenworts freywillig
wiederum die Waffen ergreift, indeß der Gegentheil ſeinen
Vertrag erfuͤllet, konn fuͤr ehrlos erklaͤret, und falls er dem
Feinde wieder in die Haͤnde faͤllt, am Leben geſtraft werden.





§. 271.
Von andren Ueberwundenen.


Wer hingegen entweder unbefugt Gewaltthaͤtigkeiten
geuͤbt, wie der Soldat ohne Befehl ſeines Oberern, oder
der Regel nach Buͤrger und Bauern, oder wer wider die
Geſetze des Krieges gehandelt, oder Ueberlaͤufer geworden,
hat keinen Anſpruch auf Kriegsgefangenſchaft, ſondern kann
den Umſtaͤnden nach ſelbſt am Leben geſtraft werden.


Auch diejenigen Perſonen bei der Armee die nicht
zum Wehrſtande gehoͤren a), werden nicht zu Kriegsgefan-
genen gemacht, und pflegen zuruͤckgeſchickt zu werden.



§. 272.
Von wehrloſen Feinden.


Obgleich nach dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht auch
wehrloſe Unterthanen des Feindes als ein Gegenſtand der
Genugthuung betrachtet und als Gefangene abgefuͤhret wer-
den koͤnnten, und ſelbſt die Tranſplantationa) derſelben
nicht voͤllig verwerflich iſt, ſo pflegt man doch denen die
U 4kein
[312]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
kein Verbrechen begangen haben ihre Freyheit zu laſſen,
und begnuͤget ſich bey entſtehender Veranlaſſung einige der-
ſelben als Geiſſel ſich geben zu laſſen, oder ſie mit Gewalt
wegzufuͤhren.



§. 273.
Von dem feindlichen Regenten und deſſen Familie.


Nach dem allgemeinen Voͤlkerrecht kann zwar der
feindliche Souverain fuͤr ſich und ſeine Familie keine Be-
freyung von den Gewaltthaͤtigkeiten des Feindes begehren.
Vielmehr kann jeder von ihnen der ſich bewaffnet, ſo wie
jeder andere Feind getoͤdtet, und außer dieſem Fall gefan-
gen genommen werden. Aber unter den geſitteten Europaͤi-
ſchen Voͤlkern wird 1) fuͤr der Kriegsmanier entgegen ange-
ſehn, abſichtlich auf einen feindlichen Souverain oder auf
deſſen Prinzen das Geſchuͤtz zu richten a). 2) Die Familie
des feindlichen Souverains wird, wenn der Feind ſie in ſeine
Gewalt bekommt, nicht nur glimpflicher behandelt, ſondern
auch gemeiniglich von aller Gefangenſchaft befreyet b). 3)
Ueberhaupt ſuchen feindliche Souveraine ſich in dem was
auf das Schickſal des Kriegs keinen Einfluß hat, die Laſt
deſſelben zu erleichtern. Man laͤßt dasjenige was fuͤr die
Tafel des [feindlichen] Souverains beſtimmt iſt frey paſſiren,
macht auch wohl einander Geſchenke, und befolget den ange-
nommenen Grundſatz, daß der Krieg nur die Staaten, nicht
die Perſon der Souveraine entzweye c).





§. 274.
Betragen gegen feindliche Guͤter und Gerechtſame
uͤberhaupt
.


Nach dem allgemeinen Befugniß welches der Feind
hat ſich die ihm gebuͤhrende Genugthuung zu verſchaffen,
kann er 1) dem Feinde alle die Rechte entziehn welche die-
ſer aus vorhergehenden Staatsvertraͤgen gegen ihn erlanget
hat, und daher nicht nur dieſe Vertraͤge waͤhrend des
Kriegs, ſondern auch ſelbſt diejenigen dem Feinde fuͤr im-
mer aufkuͤndigen, die nicht durch den Krieg ſchon von ſelbſt
zerfallen ſind (§. 51.) er koͤnnte auch 2) die Schulden ein-
ziehn mit welchen der Staat dem Feinde oder deſſen Unter-
thanen verhaftet iſt. Da aber hiedurch der Credit des
Staats zerſtoͤret wuͤrde, ſo pflegt dies nur in außerordent-
[li]chen Faͤllen a) zu geſchehn, und ſelbſt die Zinszahlungen
werden nicht immer gehemmt. Er kann 3) dem Feinde ſo
viel Guͤter, es ſey in ſeinem Gebiet (nur mit der § 263.
bemerkten Einſchraͤnkung) oder auf offener See, oder in
dem feindlichen Gebiet wegnehmen, als zu Erreichung ſeiner
Genugthuung, zur Entſchaͤdigung fuͤr ſeine Kriegskoſten,
zur Schwaͤchung des Feindes um ihn zum Frieden zu noͤ-
thigen, und zu ſeiner kuͤnftigen Sicherheit erforderlich iſt.
Die Wegnahme unbeweglicher Guͤter wird Eroberung,
(conquète) die Wegnahme beweglicher, Beute (butin)
genannt.



§. 275.
In Landkriegen.


Wenn der Feind eine feindliche Provinz erobert, ſo iſt er
daher 1) berechtiget ſich alle Domainen, alle Landesrevenuͤen,
U 5alle
[314]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
alle Feſtungen, Kriegsſchiffe und alles was zum Kriege
dient zuzueignen.


Er iſt auch 2) befugt die bisherige Landesverfaſſung
abzuaͤndern, ſich von den Unterthanen huldigen zu laſſen,
alle einzelne Hoheitsrechte uͤber ſie auszuuͤben, folglich Ge-
ſetze zu geben, Steuern zu erheben, Truppen zu werben,
Muͤnze praͤgen zu laſſen u. ſ. f. a), und diejenigen die ſich
ſeiner Gewalt wiederum entziehn wollen, als Rebellen zu
beſtrafen. Doch entſcheidet oft der Zweck der Beſitznahme
wiefern er ſich dieſer Rechte in ihrem ganzen Umfange
bediene; oft ſetzen auch ſeine eigene Erklaͤrung, oder ge-
ſchloſſene Capitulationen dieſem Recht Graͤnzen.


Er koͤnnte ſelbſt 3) der Strenge nach ſich der Pri-
vatguͤter des Fuͤrſten und der Unterthanen ſo weit es ſeine
Genugthuung erfordert bemaͤchtigen b). Allein ſchon laͤngſt
war in Landkriegen eingefuͤhret, daß nicht nur dem Unter-
than ſein unbewegliches Eigenthum verbleibe, ſondern daß
auch (mit Ausnahme der dem Widerſtand leiſtenden Feinde
entriſſenen Beute, welche dem Sieger zufaͤllt,) die beweg-
lichen Privatguͤter des Fuͤrſten c) inſonderheit aber der Un-
terthanen von der angedroheten Pluͤnderung und Verhee-
rung durch Bezahlung der von dem Feinde oft wiederho-
let ausgeſchriebenen Brandſchatzung an Geld und Natura-
lien verſchonet blieben d), und daß nachmahls dasjenige
was der Feind ſich außerdem liefern laͤßt frey gekauft und
bezahlet werden muͤſſe e); nur daß Kriegsfuhren unentgelt-
lich gefordert werden koͤnnen, und auch Fouragirungen fuͤr
erlaubt angeſehn werden.


Und wenn ſchon 4) das ſtrenge aͤußere Voͤlkerrecht
auch die Pluͤnderung und Verheerung der feindlichen Guͤter
in ſehr ausgebreitetem Maaße zulaͤßt, ſo erkennen doch
die civiliſirten Voͤlker Europens, daß beides nach den Ge-
ſetzen des Kriegs dem Feinde nicht der Regel nach, ſon-
dern nur in den ausgenommenen Faͤllen erlaubt ſey, wenn
entweder 1) von ſolchen Guͤtern die Rede iſt deren man
ſich nicht bemaͤchtigen kann, ohne ſie zu zerſtoͤren, und deren
Beſitz
[315]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
Beſitz das Beſte des Kriegs erfordert, 2) von ſolchen die
man nicht b [...]haupten, aber doch auch dem Feinde nicht zu
ſeiner Verſtaͤrkung uͤberlaſſen kann f), 3) die man nicht
verſchonen kann ohne den Militairoperationen zu ſchaden g),
4) wenn die geforderte Contribution nicht nach Moͤglichkeit
bezahlet wird, 5) wenn es darauf ankommt eine Gegend
fuͤr den Feind unhaltbar zu machen, oder ihn aus ſeinen
Hinterhalt zu locken, 6) wenn der Feind die Geſetze des
Kriegs verletzt hat h). Die Pluͤnderung wird insbeſondere
auch fuͤr erlaubt angeſehn, wenn eine Feſtung mit Sturm
eingenommen wird.









b) Groß-
[316]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

§. 276.
In Seekriegen.


Nur in Seekriegen wird es noch jetzt fuͤr erlaubt
angeſehn, ſelbſt friedlich fahrende feindliche Kauffarthey-
Schiffe ſammt ihrer Ladung aufzubringen, und ſie dem
Kriegsſchiff oder Caper das ſie genommen hat zuzuſpre-
chen a), ſo daß ſelbſt in den mehreſten Staaten dem Ero-
berer nicht einmahl erlaubt iſt, gegen ein angebotenes Loͤ-
ſegeld das feindliche Schiff loszulaſſen, oder doch dies nur
in wenig Faͤllen geſtattet wird b).




§. 277.
[317]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.

§. 277.
Von Erwerbung des Eigenthums uͤber feindliche Guͤter.


Der Krieg hemmt die Wirkungen des Eigenthums
zwiſchen den kriegfuͤhrenden Maͤchten, aber nicht zwiſchen
dieſen und dritten Maͤchten. Daher kann zwar der krieg-
fuͤhrende Theil ſich des Eigenthums ſeines Feindes ſo wie
herrnloſer Guͤter bemaͤchtigen, und damit nach ſeinem Gut-
finden ſchalten, aber dadurch erliſcht noch das Eigenthum
des erſten Beſitzers nicht, ſo lange er noch nicht ausdruͤck-
lich oder ſtillſchweigend darauf Verzicht geleiſtet, oder alle
Hoffnung verloren hat es wieder zu erlangen. Daher kann
er nicht nur dieſe Guͤter dem Eroberer wieder entreißen
(welches er koͤnnte, falls auch dieſer ausſchließlichen Eigen-
thuͤmer geworden waͤre) ſondern er iſt ſelbſt berechtiget bey
erfolgter Veraͤußerung ſie aus den Haͤnden eines jeden
dritten Beſitzers zuruͤck zu fordern, und ſie dieſem zu ent-
reißen a).


Dieſer Grundſatz iſt auch anerkannt in Hinſicht der
Eroberung unbeweglicher Guͤter b). Aber in Anſehung
der Beute gemachten feindlichen Guͤtern iſt in Landkriegen
der Grundſatz eingefuͤhret, daß wenn ſie 24 Stunden in
Feindes Haͤnden geweſen, ſie von einem dritten guͤltig er-
kauft werden koͤnnen, ohne daß eine Zuruͤckforderung Platz
greiſe c).


In Seekriegen iſt der alte Grundſatz des roͤmiſchen
Rechts d) und des Conſulats der See e), daß der Feind
dann Eigenthuͤmer ſeiner rechtmaͤßigen Beute werde wenn
er ſie in Sicherheit (z. B. in einen Hafen oder mitten
unter einer Flotte) gebracht, zwar noch von einigen Voͤl-
kern beybehalten, weit haͤufiger aber der Grundſatz ange-
nommen, daß er es dann werde, wenn er ſie 24 Stunden
in ſeinen Haͤnden gehabt f).



b) Meer-
[318]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.





§. 278.
Poſtliminium.


Geſetzt daß eine Macht, eine von dem Feind gemachte
Eroberung oder Beute ihm wieder abnimmt, ſo ſcheint es
daß nach dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht alle Guͤter, ſie
ſeyn beweglich oder unbeweglich, dem vorigen Eigenthuͤmer
und Oberherrn wieder zufallen muͤſſen, ohne daß es hiebey
einmahl der Fiction eines iuris poſtliminii beduͤrfte.


Dieſer Grundſatz wird auch in Anſehung der unbeweg-
lichen Guͤter ſo befolget, daß ohne Ruͤckſicht auf die Zeit
der Wiedereroberung 1) der vormahlige Oberherr des Landes
wiederum in ſeine vorige Rechte tritt, aber auch die vorige
Verfaſſung und Landesfreyheiten wieder herzuſtellen verbun-
den iſt, wenn nicht die Unterthanen dieſe auf eine ſtrafbare
Weiſe verſcherzt haben a); folglich 2) auch die Domainen
wiederum ihre vorige Eigenſchaft annehmen; daß 3) auch
die unbeweglichen Guͤter der Privatperſonen, wenn der Feind
ſie in Beſitz genommen, außerhalb des Falles eines Verbre-
chens dem vorigen Eigenthuͤmer wieder zugeſtellet werden.


In Anſehung der beweglichen Guͤter des Mitunter-
thanen b) wird in Landkriegen (allgemein?) die Zuruͤckgabe
an den Eigenthuͤmer nur dann verfuͤget, wenn die Wieder-
erbeutung binnen 24 Stunden geſchah c); in Seekriegen wird,
wenn
[319]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
wenn das Schiff oder Gut dem Feinde der es rechtmaͤßig
genommen, ehe wieder abgejaget worden, ehe er fuͤr den Ei-
genthuͤmer deſſelben geachtet wird (§. 277) es dem Eigenthuͤ-
mer zuruͤckgegeben, und nur ein Theil fuͤr die Koſten der
Wiedererbeutung inne behalten; wird es ihm ſpaͤter wieder
abgejaget, ſo bekommt in einigen Landen der vorige Eigen-
thuͤmer gar nichts, in andren nur einen Theil, und in eini-
gen dieſen Theil nur dann zuruͤck, wenn die Wiedererbeutung
durch ein Kriegsſchiff des Staats geſchehn iſt.


War die Beute von einem unrechtmaͤßigen Feinde
z. B. von Seeraͤubern, oder auf eine dem Voͤlkerrecht ent-
gegenlaufende Weiſe gemacht worden, ſo bekommt der vorige
Eigenthuͤmer faſt uͤberall d) ſein Eigenthum wieder, wie
ſpaͤt auch die Wiedererbeutung gemacht ſey, nur daß der
rechtmaͤßige Wiedereroberer einen Theil fuͤr die Koſten ſeiner
Wiedererbeutung erhaͤlt.


Nach eben dieſen Grundſaͤtzen iſt eine zweyte Wieder-
eroberung zu beurtheilen e).







§. 279.
Von einzelnen militairiſchen Unternehmungen.


Da der Hauptzweck aller militairiſchen Unternehmun-
gen im Kriege darauf gerichtet iſt, entweder dem eindrin-
genden Feinde Widerſtand zu leiſten, oder ſelbſt auf den
Feind einzudringen, uns ſeiner Laͤnder, Inſeln u. ſ. f. zu
bemaͤchtigen, oder ſonſt ihn bey entſtehenden Gelegenheiten
zu ſchwaͤchen, um ihn zum Frieden geneigter zu machen
und uns die gebuͤhrende Genugthuung zu verſchaffen, ſo
kann man die militairiſchen Unternehmungen auf mannig-
faltige Weiſe eintheilen; inſonderheit aber verdienen die
groͤßeren Unternehmungen, wie ſie in Landkriegen durch
ganze Armeen oder große Truppencorps gegen einander,
in Schlachten, Treffen, Affairen u. ſ. f. oder gegen Feſtun-
gen, feſte Orte, Laͤger, wie in Blockaden, Belagerungen,
Ueberrumpelungen, Beſtuͤrmungen, oder zur Beſitznahme
offener Orte und ganzer Landdiſtricte, in Seekriegen durch
ganze Kriegsflotten und Escadern, in Seeſchlachten, Blo-
quaden feſter Seeplaͤtze, Landungen u. ſ. f. ſtatt finden koͤn-
nen, von den kleinen Unternehmungen unterſchieden zu
werden, welche um den Feind zu ſchwaͤchen in Landkriegen
von kleine Partheyen, beſonders durch errichtete Freycorps,
in Seekriegen durch einzelne zum Kreuzen beſtimmte Kriegs-
ſchiffe oder Fregatten, inſonderheit aber durch Privatcaper
ins Werk geſetzt werden.


§. 280.
Schlachten.


Wie in allen Gattungen von Gefechten, ſo ſind bey
Schlachten die Kriegsgeſetze theils in Anſehung des Gebrauchs
erlaubter Mittel, theils in Anſehung der Behandlung der
Ueberwundenen zu beobachten. Bleſſirte die auf dem
Schlacht-
[321]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
Schlachtfelde liegen bleiben ſollen nicht ausgepluͤndert a),
hingegen die Todten nicht unbegraben gelaſſen werden. Wer
Meiſter des Schlachtfeldes geblieben iſt, hat das Recht fuͤr
die Verwundeten und Todten zu ſorgen, und nur wenn kei-
ner von beiden Theilen ſich in dieſer Eigenſchaft behaupten
kann b), wird zuweilen ein kurzer Waffenſtillſtand von 1
oder 2 Tagen gemacht, damit waͤhrend deſſelben jeder Theil
fuͤr ſeine Todten und Bleſſirten Sorge tragen koͤnne.




§. 281.
Belagerungen.


Eine Feſtung oder ein haltbarer Ort kann entweder
durch Ueberrumpelung, oder nach vorgaͤngiger Blockade (blo-
cus
) oder foͤrmlicher Belagerung (ſiège), und in dem letzteren
Falle entweder durch Capitulation, oder im Sturm einge-
nommen werden.


Alle den Umſtaͤnden nach zur Einnahme oder Verthei-
digung einer Feſtung nothwendige, und nicht ſchlechterdings
wider das poſitive Voͤlkerrecht laufende Mittel koͤnnen aus
der Kriegsraiſon gerechtfertiget werden. Daher giebt es
Faͤlle, wo es von beiden Seiten erlaubt iſt die Vorſtaͤdte zu
zerſtoͤren und zu verbrennen, Bomben in die Haͤuſer, Ma-
gazine u. ſ. f. der Feſtung zu werfen, auch den Comendan-
ten zur Uebergabe bey Strafe der Verweigerung aller Capi-
tulation aufzufordern. Aber, wahre Nothfaͤlle ausgenommen,
iſt den Geſetzen des Krieges der Regel nach nicht gemaͤß,
das Geſchuͤtz gegen oͤffentliche oder Privatgebaͤude in der
Stadt zu richten a), ſondern dieß ſoll nur wider die Feſtungs-
werke geſchehn, wie auch in der Folge nur dieſe geſchleift,
oder ſonſt unhaltbar gemacht werden duͤrfen.


XSchlech-
[322]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

Schlechterdings wider das Voͤlkerrecht aber iſt es
den Commandanten einer Feſtung unter Bedrohung der
Todesſtrafe zur Uebergabe aufzufordern b).




§. 282.
Eroberungen.


Nach den Kriegsgeſetzen muß eine Feſtung oder halt-
barer Ort vor Anfang des Bombardements wenigſtens ein-
mahl zur Uebergabe aufgefordert werden a); oft werden
dieſe Aufforderungen zum Capituliren mehrmahls wieder-
holt, oder die Feſtung ſelbſt giebt ein Zeichen daß ſie zu
Capituliren begehre. In dieſen Faͤllen pflegen zum Be-
huf der Capitulation von der einen Seite Bevollmaͤchtigte
zur Abfaſſung und Unterzeichnung derſelben abgeſandt, von
der andren bis dahin Geiſſel gegeben zu werden. Koͤmmt
aber dieſe nicht zu Stande, es erfolget auch kein Entſatz,
und die Feſtung wird mit ſtuͤrmender Hand erobert, ſo
haben die Garniſon ſowohl als die Einwohner, da ſie ſich auf
Discretion ergeben muͤſſen, außer ihrem Leben nichts zu
fordern
[323]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
fordern, und es iſt nicht wider die Kriegsgeſetze den Ort
der Pluͤnderung zu uͤbergeben, obgleich auch dieſer zuwei-
len bald Einhalt gethan wird.



§. 283.
Vom kleinen Krieg.


Zu kleineren Kriegsunternehmungen in Landkriegen,
oder dem ſogenannten kleinen Krieg a), dienen inſonderheit
die Freycorps, obwohl zuweilen auch kleine Derachements
aus regulirten Regimentern dazu gebraucht werden. So-
bald dieſe Partheygaͤngerb) auf Befehl ihres Oberen und
den Kriegsgeſetzen gemaͤß verfahren, ſo iſt kein Zweifel,
daß ſie nicht als rechtmaͤßige Krieger zu behandeln ſeyn,
und die Zahl derſelben kann hieruͤber an ſich nichts ent-
ſcheiden. Da aber die Erfahrung gelehrt hat, daß die
Vertheilung derſelben in gar zu kleine Haufen oft fuͤr beide
Theile mit Nachtheilen verknuͤpft ſey, ſo iſt zuweilen von
den kriegfuͤhrenden Maͤchten durch Vertraͤge die Zahl feſt-
geſetzt unter der keine Parthey Cavalerie oder Infanterie
abgeſchickt werden ſolle c). Trifft der Feind ſie alsdenn in
kleineren Haufen an, ohne daß ſie beweiſen koͤnnen, daß ſie
durch Unfaͤlle ſo verringert worden, ſo iſt er befugt, ſie als
unrechtmaͤßige Feinde und ſo wie Marodeurs und Schnapp-
hahne
(parti bleu) zu beſtrafen.





X 2§. 284.
[324]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.

§. 284.
Von Capereyen.


Außer den einzelnen Kriegsſchiffen und Fregatten
welche zum Kreuzen wider den Feind Auftrag erhalten,
pflegen die Seemaͤchte beym Ausbruche des Krieges durch er-
laſſene Proclamationen, Privatperſonen aufzumuntern, Schiffe
auf Caperey auszuruͤſten, und ſie desfalls mit mancherley
Privilegien zu verſehn. Wenn dieſe ſodenn, nachdem ſie
Caution beſtellt, mit Markbriefen (lettres de marque)
verſehn worden, und ſich theils den ihnen ertheilten In-
ſtructionen, theils uͤberhaupt den Kriegsgeſetzen gemaͤß be-
tragen, ſo iſt nicht nur der Feind ſchuldig ſie als recht-
maͤßige Feinde zu behandeln, ſondern wenn ſie dieſem
Schiffe oder Guͤter abgenommen haben, ſo werden ihnen dieſe
ohne Zulaſſung eines Loͤſegeldes, nachdem ſie zuvoͤrderſt ſel-
bige in den Haſen ihres Souverains, oder im Nothfall in
einen dritten Hafen eingebracht, auf angeſtellte Unterſu-
chung durch ein Urtheil des Admiralitaͤtsgerichts ihres Staats,
ganz, oder mit Abzug des dieſem letzteren zuſtehenden An-
theils, als gute Priſe zuerkannt, auch noch uͤberdies die in
den Caper-Verordnungen ausgelobten Premien bezahlt a).
Von der Abſchaffung dieſer in mancher Ruͤckſicht ſo verderbli-
chen Capereyen iſt verſchiedentlich, obwohl vergeblich ge-
handelt worden b).


Wer hingegen ohne Auftrag oder Erlaubniß des
Staats, auf Caperey ausgeht, iſt als Seeraͤuber zu be-
trachten, und ſoll billig von beiden Theilen nachdruͤcklich ge-
ſtraft werden.




Fuͤnf-
[325]Von Kriegsvertraͤgen.

Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Von den Vertraͤgen welche die Feinde waͤhrend
des Krieges ſchließen.


§. 285.
Allgemeine Vertraͤge.


Unter mancherley Vertraͤgen, welche die Feinde mit
einander zu Anfang des Krieges oder waͤhrend deſſelben ein-
gehn, treffen einige im allgemeinen die Art wie ſie ſich in
Anſehung des Krieges gegen einander betragen wollen.
Dieſe werden uͤberhaupt mit dem Nahmen Cartel belegt.
Sie enthalten zuweilen Beſtimmungen uͤber den Gebrauch
gewiſſer Waffen a), uͤber den Handel b), uͤber den Brief-
wechſel c), ſodenn uͤber Sauvegarden, Sicherheit der Trom-
peter u. ſ. f. d), inſonderheit aber, und am haͤufigſten Verab-
redungen wegen Auswechſelung und Ranzionirung der
Officiere und Soldaten e).


Solche Conventionen werden fuͤr den ganzen Krieg,
oder fuͤr gewiſſe Jahre geſchloſſen. Auf jeden Fall endigen
ſie wenn der Friede erfolget f).








X 3§. 286.
[326]Achtes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.

§. 286.
Capitulationen.


Unter den beſondren Vertraͤgen wozu waͤhrend des
Krieges Veranlaſſung entſteht, gehoͤren zuvoͤrderſt die Ca-
pitulationen a), wodurch ein Corps Truppen b), eine Fe-
ſtung, eine Provinz c), unter gewiſſen Bedingungen dem
Feinde uͤbergeben wird. In dieſen pflegen außer den Be-
ſtimmungen welche die Truppen, ihren freyen Abzug, oder
ihre Kriegsgefangenſchaft, die Deſerteurs, die Waffen,
Kriegsmunition u. ſ. f. betrift, auch bey Uebergabe der Fe-
ſtungen und Provinzen Bedingungen uͤber das Staats-
und Privateigenthum, uͤber die Rechte und Verfaſſung der
Buͤrger u. ſ. f. gemacht zu werden, die nach den Umſtaͤn-
den mehr oder minder guͤnſtig ſind. Von andren Staats-
vertraͤgen ſind ſolche Capitulationen, theils in der Form d),
theils darin verſchieden, daß ſie auch ohne Ratiſication des
Staats verbindlich ſind, dafern nur der welcher ſie ſchloß
die Gewalt, die ihm anvertrauet war, nicht uͤberſchritt e)
und nicht von dem Feinde beſtochen war.







§. 287.
Contributionsvertraͤge, Sauvegarden; Neutralitaͤts-
vertraͤge.


Beym Eindringen des Feindes pflegen auch wohl
mit einzelnen Orten und Diſtricten Contributionsvertraͤge
uͤber die Summe der zu erhebenden Kriegscontributionen,
uͤber
[327]Von Kriegsvertraͤgen.
uͤber die Termine der Bezahlung u. ſ. f. geſchloſſen, und
zu deren Sicherheit, Geiſſel gegeben zu werden.


Einzelnen Orten, Landguͤtern u. ſ. f. ertheilet auch
wohl der Feind auf Nachſuchen der Beſitzer Sauvegar-
den, deren es eine zwiefache Gattung giebt, 1) die Leben-
dige, welche aus einem oder mehreren Soldaten beſteht um
den Ort, allenfalls mit Gewalt, wider Streifereyen der
Truppen, Marodeurs und Geſindel in Schutz zu nehmen.
Fuͤr dieſe pflegt außer ihrer Freyhaltung und Beſchenkung,
noch etwas bezahlt zu werden, und wenn der vorige Lan-
desherr den Feind wieder verdraͤngt, ſo muß die Sauve-
garde unverletzt dem der ſie ertheilte, zuruͤckgeſchickt werden.
Weit minder wirkſam iſt 2) die Schriftliche; ſie beſteht in
einem von dem Chef des feindlichen Truppencorps ertheil-
ten Schutzbriefe a) oder in aufgepflanzten Pfaͤhlen mit In-
ſchriften, woraus erhellet, daß hier keine Gewaltthaͤtigkeit
geuͤbet werden ſolle.


Zuweilen werden durch Staatsvertraͤge der kriegfuͤh-
renden Maͤchte, einzelne dem einen Theil zugehoͤrige Pro-
vinzen fuͤr Neutral erklaͤret b), obwohl im uͤbrigen der
Krieg zwiſchen beiden fortgeſetzt wird.




§. 288.
Waffenſtillſtands-Vertraͤge.


Außer den Vertraͤgen wegen Einſtellung der Feind-
ſeeligkeiten auf einige Stunden oder Tage, wie ſie zuwei-
len zwiſchen einzelnen Truppencorps, inſonderheit bey Be-
lagerungen, oder nach gelieferten Schlachten eingegangen
zu werden pflegen, (ceſſation oder ſuſpenſion d’armes)
wird zuweilen auf laͤngere Zeit die Einſtellung der Thaͤt-
X 4lichkeiten,
[328]Achtes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
lichkeiten, in einem Waffenſtillſtands-Vertrage (trêve im
eigentlichen Sinne) verabredet. Solche Vertraͤge werden
entweder allgemein fuͤr die beiden kriegfuͤhrenden Maͤchte,
oder blos insbeſondere fuͤr einen Theil ihrer Kriegsmacht,
entweder fuͤr eine beſtimmte, oder fuͤr unbeſtimmte Zeit ein-
gegangen.


Allgemein entſteht aus jedem Waffenſtillſtands-Ver-
trage fuͤr die ſchlieſſenden Theile die Verbindlichkeit, ſich
waͤhrend deſſelben aller Gewaltthaͤtigkeiten und auch aller
derjenigen Kriegsunternehmungen zu enthalten, die blos
unter dem Schutz des Waffenſtillſtands ins Werk geſetzt
werden koͤnnten. Iſt der Waffenſtillſtand auf laͤngere Zeit
eingegangen, ſo iſt es dem Herkommen gemaͤß, das er
vor Anfang der Gewaltthaͤtigkeiten aufgerufen werde, und
wo hieruͤber in dem Vertrage nichts feſtgeſetzt waͤre, wird
eine dreytaͤgige Aufkuͤndigung fuͤr herkommlich gehalten.


Jeder Anfuͤhrer eines Truppencorps kann zwar fuͤr
dieſes die Einſtellung der Feindſeeligkeiten auf kurze Zeit
guͤltig verſprechen; ſoll aber ein Waffenſtillſtand auf lange
Zeit eingegangen werden, ſo wird dazu die Einwilligung
des oberſten Befehlshabers, ſoll er allgemein geſchloſſen
werden, die Einwilligung des Staats, oder die beſondere Voll-
macht deſſelben erfordert a). Wird ein ſolcher allgemeiner
Waffenſtillſtand auf mehrere Jahre b) eingegangen, ſo iſt
er oft von einem Friedensſchluſſe nur darinn verſchieden,
daß der Hauptſtreit unentſchieden bleibt, und nach Ablauf
des Waffenſtillſtandes um eben der Urſache willen die Waf-
fen wieder ergriffen werden koͤnnen, indeß uͤbrigens Handel
und Verkehr zwiſchen den Unterthanen, ſo wie durch Frie-
densſchluͤſſe hergeſtellt wird.




§. 289.
Art mit dem Feinde in Verhandlungen zu treten.


Da waͤhrend des Krieges der Regel nach, alles Ver-
kehr mit dem Feinde abgebrochen iſt, ſo war es nothwen-
dig gewiſſe Mittel einzufuͤhren um ſich ihm wieder naͤhern
und mit ihm in Verhandlungen treten zu koͤnnen. In
dieſer Ruͤckſicht ſind 1) gewiſſe Zeichen als Merkmahle an-
genommen, daß man die Einſtellung der Feindſeligkeiten
begehre und verſpreche, und unterhandeln wolle. Dahin
gehoͤrt das Aushaͤngen einer weiſſen Fahne von Seiten
eines belagerten Orts und die Antwort mit dem Trommel-
ſchlag aus den Tranchéen; das Abnehmen der Kriegs-
und Aufſtecken einer weiſſen Flagge in Seegefechten, als
ein Zeichen, daß das Schiff ſich ergeben wolle, 2) werden
ſtatt der ehemahls uͤblichen Herolde a) jetzt die Trompeter
und Tambour, wenn ſie an den Feind abgeſchickt wer-
den, und ihr gewoͤhnliches Zeichen geben, oder mit einem
beſondren Friedenszeichen verſehen ſind, als Friedensboten
betrachtet, die der Feind zwar abweiſen, aber nicht verletzen
darf, ſo lange ſie ſich nicht von ihren Pflichten entfernen b).
X 5Sie
[330]Achtes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
Sie dienen auch zur ſicheren Bedeckung fuͤr diejenigen, welche
dem Feinde zugeſchickt werden, um mit ihm zu unterhan-
deln u. ſ. f.; 3) ertheilet man Paͤſſec) und ſicheres Geleit
fuͤr diejenigen, welche der Feind in das feindliche Gebiet
oder Lager abſchicken will, um in Unterhandlungen zu treten.
4) Bedient man ſich oft dritter neutraler Maͤchte und ihrer
Geſandten, um dem Feinde das noͤthige wiſſen zu laſſen.





§. 290.
Verbindlichkeit der Kriegsvertraͤge.


Vertraͤge welche mit dem Feinde eingegangen wor-
den, muͤſſen, wenn ſie uͤbrigens die Erforderniſſe guͤltiger
Vertraͤge haben, eben ſo heilig gehalten werden a), als die
welche in Friedenszeiten mit freundſchaftlichen Maͤchten ein-
gegangen werden. Denn wenn gleich ſonſt der Feind ſei-
nem Feinde deſſen Vertragsrechte ſo gut wie deſſen Be-
ſitzungen entziehn kann, ſo hat er doch in Anſehung der
fuͤr den Krieg b) eingegangenen Vertraͤge dieſem Recht
ſtillſchweigend entſagt, inſonderheit aber iſt er ſich ſelbſt es
ſchuldig, nicht von einem Vorwande Gebrauch zu machen,
durch welchen alle Wiedervereinigung mit dem Feinde wuͤrde
unmoͤglich gemacht werden. Auch wird dieſe Verbindlich-
keit in den Kriegen freyer Voͤlker von allen Maͤchten an-
erkannt c).


Wiefern auch die Verletzung eines Artikels derſelben
berechtige von dem ganzen Vertrage abzugehn, iſt nach
der allgemeinen Theorie der Vertragsrechte zu beurtheilen d).




c) [Selbſt]
[331]Von Kriegsvertraͤgen.


§. 291.
Geiſſel.


Zur Sicherheit der geſchloſſenen Kriegsvertraͤge, zu-
weilen aber auch zur Sicherheit fuͤr die Beobachtung anderer
Puncte des Kriegsvoͤlkerrechts, werden oft Geiſſel a) dem
Feinde auf deſſen Begehren gegeben, oder mit Gewalt von
dieſem genommen b). Wider dieſe Geiſſelſchaft ſchuͤtzt kein
Stand, wohl aber, nach den Sitten civiliſirter Voͤlker, das
Geſchlecht c) und gewiſſermaßen das Alter.


Die mit Gewalt genommenen Geiſſel koͤnnen mit Ge-
walt dem Feinde wieder entriſſen werden, ob dies aber auch
von den Freywilligen gelte, ſcheint zweifelhafter. Entfliehen
die Geiſſel, ſo koͤnnen ſie von dem Feinde den Ueberlaͤufern
gleich geſtraft werden d).


Iſt der Zweck der Geiſſelſchaft erreicht, ſo muͤſſen die
Geiſſel entlaſſen und mit Paͤſſen verſehn werden, falls man
ſie nicht aus andren Urſachen zuruͤckbehalten kann e). Wird
aber dem Feinde das Recht gekraͤnkt, um deſſenwillen er
Geiſſel genommen hatte, ſo iſt es zwar erlaubt die Geiſſel
hart zu behandeln; aber ſie am Leben zu ſtrafen, erlaubt das
poſitive Voͤlkerrecht nicht f), dafern ſie kein Verbrechen be-
gangen haben, oder Repreſalien ſtatt finden.







Sechstes Hauptſtuͤck.
Von Alliirten, Huͤlfs- und Subſidien-Voͤlkern.


§. 292.
Recht an einem Kriege Theil zu nehmen.


Bey dem Ausbruch eines Krieges zwiſchen zweyen
Maͤchten, kann ein dritter Staat ſich veranlaſſet ſehn, An-
theil an ſelbigen zu nehmen, entweder weil er dazu kraft
der mit einem Theile geſchloſſenen Buͤndniſſe, oder des be-
ſondren mit ihm beſtehenden Verhaͤltniſſes verpflichtet iſt,
oder aus freyem Willen. Durch dieſe Theilnahme belei-
diget er in keinem dieſer Faͤlle das Voͤlkerrecht, ſofern er
eine gerechte Sache unterſtuͤtzt. Es entſtehn aber daraus
fuͤr ihn in einem zwiefachen Verhaͤltniſſe Rechte und Ver-
bindlichkeiten: 1) gegen den Staat mit welchem er ſeine
Kraͤfte vereiniget, 2) gegen denjenigen wider welchen er ſie
anwendet.


§. 293.
[333]Von Alliirten, Huͤlfs- und Subſidien-Voͤlkern.

§. 293.
Gattungen der Kriegsbuͤndniſſe.


Durch Kriegsbuͤndniſſe koͤnnen zwey Maͤchte ſich ent-
weder 1) verpflichten gemeinſchaftlich gegen eine dritte Krieg
zu fuͤhren, oder 2) dem Mitcontrahenten in ſeinem Kriege
Beyſtand zu leiſten; beide Gattungen der Buͤndniſſe koͤn-
nen allgemein, oder nur fuͤr einen gewiſſen Fall, oder gegen
eine gewiſſe Macht eingegangen, vor oder nach Ausbruch
des Kriegs geſchloſſen, blos zur Vertheidigung oder auch
fuͤr Anfallskriege a) errichtet, fuͤr eine beſtimmte, oder un-
beſtimmte Zeit, oder fuͤr immer b) eingegangen werden.
Davon iſt noch 3) der Fall verſchieden, wenn ein Staat
dem andren nur eine Zahl Truppen zu ſeinem Dienſt ver-
miethet.




§. 294.
Streit uͤber dencaſus foederis.


Aus der Verſchiedenheit dieſer Verbindlichkeiten iſt
bey eintretendem Falle zunaͤchſt die Frage zu beurtheilen,
ob der Alliirte zur Theilnahme verpflichtet, d. i. ob der
caſus foederis vorhanden ſey, ſodenn was von ihm ge-
fordert werden koͤnne. In Anſehung des erſten Puncts
kommt es nicht nur auf die Erklaͤrung und Anwendung des
Vertrags auf den vorliegenden Fall, ſondern auch darauf
an, ob nicht aͤltere Vertraͤge, oder eigenes Beduͤrfniß der
Verbind-
[334]Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
Verbindlichkeit des Vertrages entgegen geſetzt werden koͤn-
nen, und da jede Macht hierinn ihrer eigenen Einſicht
folget, ſo iſt nicht zu verwundern, wenn in einem ſo be-
denklichen Punct ſo oft entweder die begehrte Theilnahme
verweigert, oder aufgeſchoben, oder unvollſtaͤndig geleiſtet
wird a).



§. 295.
Von Alliirten in einem [gemeinſchaftlichen] Kriege.


In gemeinſchaftlichen Kriegen zweyer Alliirten gegen
einen dritten Staat ſind jene, in dem was den Krieg be-
trifft, als eine Macht zu beurtheilen, es ſey von Fuͤhrung
des Kriegs, oder von Schlieſſung des Friedens die Rede. Da-
her muͤſſen ſie 1) die Operationsplane gemeinſchaftlich ver-
abreden a), es ſey daß ſie einen gemeinſchaftlichen Ober-
befehlshaber erwaͤhlen oder nicht 2) Beute und Eroberun-
gen die mit gemeinſchaftlichen Waffen gemacht worden ſind
unter ihnen zu theilen, und bey Schlieſſung eines Friedens
zum Vortheil beider in Anſchlag zu bringen b); 3) das
ius poſtliminii hat in Wiedereroberungsfaͤllen unter ihnen
gleichmaͤßig ſtatt c). 4) Kein Theil darf der Regel ſich
einſeitig fuͤr neutral erklaͤren, allgemeinen Waffenſtillſtand
oder Frieden ſchlieſſen, es waͤre denn, 1) daß ein wahrer
Nothfall ihn zwaͤnge, oder 2) der Alliirte ſeinen Pflichten
nicht nachgekommen waͤre, 3) der Zweck der Allianz gar
nicht mehr zu erreichen ſtuͤnde, oder 4) der Alliirte einen
billigen Frieden der ihm angeboten wird anzunehmen wei-
gerte. Vielweniger kann es daher erlaubt ſeyn, ſich mit
dem bisher gemeinſchaftlichen Feinde gegen den Alliirten
zu verbuͤnden.


Alle dieſe Pflichten flieſſen zwar ſchon aus der Natur
der Allianz von ſelbſt, doch pflegt uͤberdieß in den Kriegs-
buͤndniſſen ausdruͤcklich beſtimmt zu werden, daß man ſich
von dem Alliirten nicht trennen wolle.


a) Dar-
[335]Von Alliirten, Huͤlfs- und Subſidien-Voͤlkern.



§. 296.
Von huͤlfleiſtenden Alliirten.


In bloßen Huͤlfsbuͤndniſſen, dergleichen die mehreſten
Defenſiv-Alliirten ſind a), wird zuvoͤrderſt die erſte Huͤlfe
an Mannſchaft, Schiffen oder Geld b), feſtgeſetzt, ſodann
beſtimmt wie ſie im Nothfall vermehrt und endlich allenfalls
mit allen Kraͤften geleiſtet werden ſolle. Das Huͤlfscorps
wird 1) der Regel nach von dem der es ſendet auf ſeine allei-
nige Koſten c) unterhalten und ergaͤnzt. 2) Es iſt in dem
was die Kriegsoperationen angeht dem Willen des Oberbe-
fehlshabers der kriegfuͤhrenden Macht unterworfen d). 3)
Die Macht die es ſchickt hat keinen Theil an den Eroberun-
gen, obwohl den Truppen die Beute gleichmaͤßig mit denen
der kriegfuͤhrenden Macht uͤberlaſſen zu werden pflegt. Dieſe
hat auch 4) allein das Recht Frieden zu ſchließen e), doch
muß ſie die huͤlfleiſtende Macht mit darinn einſchließen; hin-
gegen darf dieſe ohne ihre Genehmigung f), außer in den
oben beruͤhrten Faͤllen, weder die Neutralitaͤt ergreifen, noch
Frieden ſchließen.








§. 297.
Von Subſidientruppen.


Bloße Subſidientractaten gehn der Regel nach a)
dahin, daß eine Macht gegen jaͤhrliche Subſidiengelder einen
Theil ihrer Kriegsmacht der andren, ſo lange der Vertrag
waͤhret zum Dienſt uͤberlaſſe b), wogegen dieſe ſie beſolden
und verpflegen, gemeiniglich auch ein gewiſſes fuͤr Werbegel-
der und fuͤr den Abgang bezahlen muß. Dieſe Truppen
ſind dem Befehl und der Diſpoſition der Macht die ſie in
ihren Dienſte nimmt unterworfen, ſofern keine Ausnahmen
feſtgeſetzt werden c). Uebrigens hat der Staat der dieſe
Truppen
[337]Von Alliirten, Huͤlfs- und Subſidien-Voͤlkern
Truppen vermiethet weder Theil an den Eroberungen d) noch
an dem Friedensſchluſſe e), und die Umſtaͤnde muͤſſen ent-
ſcheiden, wiefern es nothwendig ſey ihn in den Frieden mit
einzuſchließen.







§. 298.
Schutz des huͤlfleiſtenden Theils.


Wer dem andren kraft einer Allianz oder eines Sub-
ſidientractats Huͤlfe leiſtet, kann begehren daß dieſer ihm
beyſtehe, wenn er um dieſes Vertrags willen in Gefahr
von dem Feinde kommt. Aber die Vergleichung des Ver-
luſts und der Eroberungen und das ius poſtliminii hat in
ſeiner ganzen Ausdehnung nur zwiſchen denen Staaten ſtatt,
die gemeinſchaftlich Krieg fuͤhren a). Daß uͤbrigens der
Alliirte in den Landen ſeines Alliirten gegen dieſen keine Ge-
Ywaltthaͤ-
[338]Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
waltthaͤtigkeiten uͤben und den Unterthanen wenigſtens das
angedeyhen laſſen muͤſſe, was ſogar neutrale Maͤchte fordern
koͤnnten, laͤßt ſich nicht bezweifeln.



§. 299.
Rechte gegen Alliirte des Feindes.


Dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht nach wuͤrde eine
kriegfuͤhrende Macht alle diejenigen Staaten feindſeelig behan-
deln koͤnnen, welche kraft irgend eines Vertrags oder aus freyen
Willen die Macht des Feindes verſtaͤrken, waͤre es auch nur
um ſie zu noͤthigen ihre Huͤlfstruppen zuruͤckzuziehn a). Wie
aber ſchon darin ein Grund eines billigen Unterſchiedes liegt,
daß diejenigen welche kraft allgemeiner vor Ausbruch des
Kriegs geſchloſſener Vertraͤge die Tractatenmaͤßige Huͤlfe
leiſten, dadurch nicht die Abſicht dem Feinde zu ſchaden, ſon-
dern nur ihre Vertragsverbindlichkeit zu erfuͤllen an den Tag
legen, ſo hat inſonderheit die Politik, zu Einfuͤhrung eines
Grundſatzes Veranlaſſung gegeben, auf welchen die Maͤchte
als auf eine Vorſchrift des poſitiven Voͤlkerrechts ſich beru-
fen: daß nemlich nicht nur die Macht welche bloß kraft ge-
ſchloſſener Subſidientractaten einer andren Macht fuͤr Geld
einen Theil ihrer Kriegsmacht uͤberlaͤßt dadurch nicht Fein-
dinn des Staats werde, wider den die Voͤlker gebraucht wer-
den, vielmehr bloß die Huͤlfsvoͤlker feindlich behandelt wer-
den koͤnnen, ſondern auch daß diejenige Huͤlfsmacht (puis-
ſance auxiliaire
) welche kraft allgemeiner, vor Ausbruch des
Kriegs geſchloſſener, Defenſiv-Allianzen die beſtimmte Trac-
tatenmaͤßige Huͤlfe zur Vertheidigung ihres Alliirten ſchickt,
ohne uͤbrigens directen Antheil an den Krieg zu nehmen,
nicht als Feindinn desjenigen zu behandeln ſey, wider den dieſe
Huͤlfe geleiſtet wird, und daß die mit dieſem geſchloſſenen Ver-
traͤge beſtehn b).


Es fehlt zwar nicht an Beyſpielen wo Maͤchte die kraft
der waͤhrend des Kriegs geſchloſſenen Buͤndniſſe, oder uͤber
die
[339]Von Alliirten, Huͤlfs- und Subſidien-Voͤlkern.
die Grenzen des Tractats hinaus, oder doch faſt mit allen ih-
ren Kraͤften Huͤlfe leiſten, und wohl gar durch ihren Beyſtand
die Haupturſache des Krieges oder der Fortſetzung deſſelben
geworden, noch auf jenen Grundſatz ſich berufen und auf die
Neutralitaͤt Anſpruch gemacht haben; aber dann kann bloß
die Politik den Feind veranlaſſen dieſer Neutralitaͤt ſtatt zu
geben c).


Fuͤhren endlich zwey Maͤchte gemeinſchaftlich gegen
eine dritte Krieg, ſo iſt kein Zweifel daß ſie beide feindlich
behandelt werden koͤnnen und muͤſſen, und in dieſen Faͤllen
pflegen auch die gegenſeitigen Kriegserklaͤrungen nicht unter-
laſſen zu werden.





Siebentes Hauptſtuͤck.
Von der Neutralitaͤt.


§. 300.
Recht neutral zu bleiben.


Wenn man die Faͤlle ausnimmt in welchen ein Staat
entweder 1) kraft des beſonderen Bandes nach welchem er als
ein Theil einer der kriegfuͤhrenden Maͤchte anzuſehn iſt, wie
z. B. die Mitglieder eines Staatenſyſtems, oder die eines
zuſammengeſetzten Reichs a), oder 2) kraft eines ungleichen
Buͤndniſſes z. B. des Lehn- oder Schutzbuͤndniſſes einem der
kriegfuͤhrenden Theile Beyſtand leiſten muß, oder 3) aus
einem gleichen Buͤndniſſe verpflichtet iſt Theil an den Krieg zu
nehmen, ſo iſt bey Entſtehung eines Krieges zwiſchen zweyen
Maͤchten jeder dritte Staat berechtiget, ſein bisheriges freund-
ſchaftliche Verhaͤltniß gegen beide kriegfuͤhrende Theile fort-
zuſetzen, d. i. neurralb) zu bleiben; die kriegfuͤhrenden
Maͤchte ſind auch, ſo lange er die Pflichten der Neutralitaͤt
erfuͤllet, vollkommen verbunden ihn als eine neutrale Macht
zu behandeln.


Und da Kriege die Sache der Voͤlker, nicht der Per-
ſon der Souveraine ſind, ſo kann weder deren Verwand-
ſchaft
mit einem der kriegfuͤhrenden Theile (ſie ſey eheliche c),
elterliche oder bruͤderliche u. ſ. f.), noch die bloß perſoͤnliche
Verbindung zweyer Staaten unter einem Oberhaupte (beide
Staaten, oder einer derſelben, moͤgen voͤllig ſouverain oder
abhaͤngig (halbſouverain) ſeyn) denjenigen der wider einen
dieſer Staaten Krieg fuͤhret berechtigen wider den andren, ſo
lange dieſer ſich neutral verhaͤlt, feindlich zu verfahren. Nur
wenn zwey Staaten in reeller Verbindung ſtehn, ſie ſey eine
gleiche
[341]Von der Neutralitaͤt.
gleiche oder ungleiche, hat keiner derſelben ein vollkommnes
Recht auf neutrale Behandlung des Feindes d), geſetzt auch
daß er ſich zu einem neutralen Betragen erboͤte.






§. 301.
Vollkommne und unvollkommne Neutralitaͤt.


Zu Beobachtung einer vollkommnen Neutralitaͤt wird
erfordert daß die neutrale Macht 1) ſich alles Antheils an
Y 3den
[342]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
den Kriegs-Unternehmungen enthalte, 2) in dem was den
kriegfuͤhrenden Maͤchten in Hinſicht des Krieges nuͤtzlich oder
noͤthig iſt ſich voͤllig unpartheyiſch betrage, und daher keiner
derſelben etwas zu geſtatten oder zu verweigern anfange,
was ſie nicht auch der andren geſtattet oder verweigert, mit-
hin gegen beyde ſich voͤllig gleich, oder doch ſo betrage, wie
ſie ſich in Friedenszeiten zu betragen gewohnt war a). So
lange ein Staat dieſe Pflichten beobachtet, hat er das Recht
zu verlangen, daß er von den kriegfuͤhrenden Theilen freund-
ſchaftlich behandelt, mit allen Gewaltthaͤtigkeiten verſchonet
und in den Genuß der Rechte nicht geſtoͤret werde die jeder
unabhaͤngigen Nation als ſolcher zuſtehn; die Ausnahmen
welche hier ſtatt haben koͤnnen, ſind bloß aus dem Nothrechte
herzuleiten.


Sobald hingegen eine neutrale Macht ſich in einem
Punct von dieſen Vorſchriften entfernt, wenn ſie gleich die
uͤbrigen noch beobachtet, ſo iſt ihre Neutralitaͤt unvollkom-
men, und daher ihr Recht der Neutralitaͤt, zwar noch nicht
immer in ſeinem ganzen Umfange erloſchen, aber beſchraͤnkt
(neutralité limitée).



§. 302.
Vertrags-Neutralitaͤt.


Kein Staat iſt zwar genoͤthiget zum voraus, allge-
mein, oder den kriegfuͤhrenden Maͤchten zu erklaͤren, oder
zu verſprechen, daß er neutral bleiben wolle a); doch pflegen
neutral geſinnte Maͤchte nicht nur bey entſiehenden Kriege
ſolche Erklaͤrungen zur Richtſchnur fuͤr ihre Unterthanen zu
erlaſſen b), auch den kriegfuͤhrenden Maͤchten auf deren An-
frage hieruͤber [befriedigende] Antworten zu ertheilen, ſondern
oft iſt es auch nuͤtzlich mit einem oder beyden der kriegfuͤhren-
den Theile Neutralitaͤtsvertraͤge einzugehn. Durch ſolche
Vertraͤge kann auch theils ſolchen Staaten oder deren Thei-
len, die auf Neutralitaͤt kein vollkommnes Recht haben c),
ſelbige
[343]Von der Neutralitaͤt.
ſelbige zugeſichert, theils der Umfang der Rechte und Ver-
bindlichkeiten der Neutralitaͤt naͤher beſtimmt, erweitert oder
verenget werden, in welchem Falle eine Vertrags-Neu-
tralitaͤt
(neutralité conventionelle) entſteht.


Vertraͤge der letzteren Art koͤnnen nicht bloß waͤhrend
des Kriegs, ſondern auch zum voraus in Friedenszeiten er-
richtet werden, und jetzt enthalten faſt alle Handelsbuͤndniſſe
Beſtimmungen welche ſich hierauf beziehn.





§. 303.
Hauptgegenſtaͤnde der Neutralitaͤt.


Die Rechte und Verbindlichkeiten neutraler Voͤlker
treten inſonderheit in Anſehung nachfolgender Puncte ein,
ſofern nemlich 1) von unmittelbarer Huͤlfleiſtung zum Beſten
der kriegfuͤhrenden Maͤchte, 2) von dem Betragen in Anſe-
hung des neutralen Gebiets, 3) von neutralen Guͤtern in
dem Gebiet kriegfuͤhrender Maͤchte, 4) von dem Handel
neutraler Voͤlker die Rede iſt, in Anſehung welcher Puncte
die Wichtigkeit des Gegenſtandes eine beſondere Eroͤrterung
des allgemeinen und des poſitiven Voͤlkerrechts erheiſcht.


§. 304.
Rechte und Verbindlichkeiten in Hinſicht der Huͤlfleiſtung.


Da zu Beobachtung einer vollkommnen Neutralitaͤt
zuvoͤrderſt erfordert wird, daß der neutrale Staat ſich alles
Antheils an den Kriegs-Unternehmungen enthalte, ſo darf
er zum Beſten einer der kriegfuͤhrenden Maͤchte, weder ſelbſt
Truppen, Schiffe oder Subſidien-Gelder a) ſchicken,
noch auch ſeinen Unterthanen einige Theilnahme an den Feind-
Y 4ſeelig.
[344]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
ſeeligkeiten zu Lande oder zu Waſſer geſtatten b). Und
wenn gleich nach unſrem heutigen Voͤlkerrecht der bloß huͤlf-
leiſtende Theil von demjenigen dem er die Huͤlfe leiſtet nicht
immer als Feind betrachtet wird, ſo kann doch ſeine un-
vollkommen beobachtete Neutralitaͤt ihm nicht den Genuß al-
ler der Rechte gewaͤhren, die nur der vollkommenen zuſtehn.




§. 305.
Natuͤrliche Rechte und Verbindlichkeiten des neutralen
Staats in Hinſicht ſeines Gebiets.


Da ein dritter Staat durch den Ausbruch eines Krie-
ges keines ſeiner Territorial-Rechte verliert, ſo iſt er 1) voll-
kommen befugt in Kriegs- wie in Friedenszeiten beiden krieg-
fuͤhrenden Theilen fuͤr ihre Truppencorps den Durchmarſch,
den Aufenthalt, folglich noch mehr die Beſetzung der Feſtun-
gen, Kriegsruͤſtungen, Werbungen u. ſ. f. zu unterſagen,
und zu Schuͤtzung ſeiner Rechte allenfalls ſie mit Gewalt
daran zu verhindern.


2) Er verletzet aber auch die Neutralitaͤt nicht, wenn
er beiden Theilen, oder demjenigen der darum nachſuchet,
den bewaffneten oder unbewaffneten Durchzug durch ſein Ge-
biet geſtattet, und ihn dabey derjenigen Rechte genießen laͤßt,
die entweder dieſer Durchzug weſentlich erfordert a), oder
uͤber welche er ſich mit ihm verglichen hat. Noch weniger
iſt er ſchuldig zu Beobachtung der Neutralitaͤt ſich dem
Durchzuge des einen Theils mit gewaffneter Hand entgegen
zu ſetzen. Es ſind endlich 3) Faͤlle gedenbar, wo ein Staat
der
[345]Von der Neutralitaͤt.
der hierinn eine Ungleichheit beobachtet dadurch die Pflichten
der Unpartheylichkeit nicht verletzet, wenn nemlich dieſe un-
gleiche Behandlung ſchon in Friedenszeiten beobachtet wurde,
oder in allgemeinen, vor Ausbruch des Kriegs geſchloſſenen,
Vertraͤgen ihren Grund hat.


Nur dann verletzt ein Staat die Neutralitaͤt wenn er
aus freyem Willen nach ausgebrochenem Kriege dem einen
Theile Durchmarſch und Werbungen geſtattet und dieſe dem
andren verweigert, oder dem einen Theile kriegeriſche Zuruͤ-
ſtungen, Anlegung oder Beſetzung der Feſtungen u. ſ. f. in
ſeinem Gebiet geſtattet, wovon nicht leicht gedenkbar iſt, daß
er ſie beyden Theilen zugleich erlauben wolle b).




§. 306.
Rechte und Verbindlichkeiten der kriegfuͤhrenden Maͤchte
in Hinſicht des neutralen Gebiets.


So lange ein neutraler Staat die Pflichten der Neu-
tralitaͤt nicht verletzet, hat der Regel nach der kriegfuͤhrende
Theil kein Recht wider deſſen Willen ſein Land oder Seege-
biet zu beruͤhren, viel weniger in ſelbigem wider ſeinen Feind,
deſſen Unterthanen oder Guͤter Gewaltthaͤtigkeiten anzufan-
gen oder fortzuſetzen; er kann daher aus einem neutralen
Gebiet
keine feindliche Guͤter hinwegnehmen, ohne die
vollkommnen Pflichten zu verletzen, die er gegen den Staat
unter deſſen Schutz ſie ſtehn zu beobachten hat.


Erſt dann wenn die Pflichten der Neutralitaͤt von die-
ſem verletzet worden, hat der kriegfuͤhrende Theil das Recht
wider den Willen des neutralen Staats mit bewaffneter
Macht in deſſen Gebiet einzudringen, um den Feind zu
ſchwaͤchen, zu verdraͤngen, und ſelbſt um Genugthuung an
Y 5den
[346]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
den neutralen Staat zu ſuchen. Nur ein wahres Nothrecht
kann uͤberdieß zuweilen den kriegfuͤhrenden Theil entſchuldi-
gen
der durch ein Gebiet das ſich neutral betraͤgt wider deſſen
Willen den Durchmarſch nimmt, oder hier Zuflucht vor dem
Feinde ſuchet.


§. 307.
Praxis in Anſehung des neutralen Gebiets.


In einem ſo wichtigen Punct iſt die Praxis der Euro-
paͤiſchen Voͤlker nichts weniger als gleichfoͤrmig. Zwar er-
kennet man den Grundſatz an, daß 1) in einem neutralen Land-
oder Seegebiet keine Feindſeeligkeiten wider Guͤter des Fein-
des angefangen oder fortgeſetzt a), mithin auch feindliche
Guͤter aus einem neutralen Gebiet nicht weggenommen
werden duͤrfen.
In ſehr vielen Vertraͤgen b) iſt auch aus-
druͤcklich feſtgeſetzt, daß ſolche Feindſeligkeiten weder began-
gen noch geduldet werden ſollen, die neutralen Maͤchte pflegen
uͤberdieß in ihren Neutralitaͤts-Verordnungen bey Ausbruch
eines Kriegs desfalls nachdruͤckliche Verfuͤgungen zu treffen c),
und wenn ſchon Verletzungen dieſer Art oft genug begangen
worden d), ſo geben doch die daruͤber gefuͤhrten Beſchwerden
und nicht ſelten ergriffene gewaltſame Maaßregeln ſowohl,
als die Entſchuldigungsgruͤnde zu welchen der Feind ſeine
Zuflucht nimmt, den Beweiß der Anerkenntniß jenes Grund-
ſatzes des Voͤlkerrechts. Eben daher aber, und da das
freundſchaftliche Verhaͤltniß der neutralen Macht unpartheyiſch
gegen beyde kriegfuͤhrende Theile fortgeſetzt werden muß, kann
dem kriegfuͤhrenden Theil der ſeine Beute in ein neutrales
Gebiet einfuͤhret dadurch ſein Recht auf ſelbige nicht entzo-
gen, und ſelbſt der Verkauf derſelben kann unbeſchadet der
Neutralitaͤt ihm geſtattet werden, falls nicht ein anderes in
Vertraͤgen feſtgeſetzt worden e). Man erkennt 2) den
Grundſatz an, daß ohne Erlaubniß ſelbſt der bloße Eintritt
und Durchmarſch der Truppen ſo wenig in Kriegs- als
in Friedenszeiten der Regel nach ſtatt finde; allein 3) das
Nothrecht welches hier Ausnahme macht, wird nicht ſelten,
zumahl
[347]Von der Neutralitaͤt.
zumahl gegen minder maͤchtige Staaten in ein weit ausge-
dehntes Convenienzrecht verwandelt f). 4) Jede Ungleich-
heit des Betragens einer neutralen Macht zum Vortheil
einer der kriegfuͤhrenden Maͤchte in Hinſicht des Durchmar-
ſches, Aufenthalts u. ſ. f. wird ohne Ruͤckſicht auf ihre Ver-
anlaſſung als hinreichend angeſehn, um uns zu berechtigen das
mit Gewalt uns zu verſchaffen, was dem Gegner geſtattet,
uns aber verweigert wird; nicht ſelten wird auch 4) die Gleich-
heit welche eine neutrale Macht gegen beyde Theile zu beobach-
ten ſucht als nur ſcheinbar angegeben und ihre Schritte ei-
ner wirklichen Partheylichkeit beſchuldiget, die entweder zur
Rechtfertigung eines Bruches, oder doch zu Beſchoͤnigung
der Verletzung ihrer Territorial-Rechte benutzt werden, und
daher iſt nicht zu verwundern, wenn ſo oft Staaten, denen
nichts erwuͤnſchter als die Beybehaltung des Friedens war,
der Schauplatz eines verheerenden Krieges geworden ſind.








§. 308.
[348]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.

§. 308.
Neutrale Guͤter in dem Gebiet einer kriegfuͤhrenden Macht.


Da ein Fremder in Hinſicht unbeweglicher Guͤter die
er in einem andren Lande beſitzt, Unterthan deſſelben iſt, ſo
kann der Feind zwar auch unbewegliche Guͤter neutraler Un-
terthanen in feindlichen Landen feindlich behandeln a); be-
wegliche Guͤter eines neutralen Unterthanen verlieren aber
dadurch ihre Neutralitaͤt nicht, daß ſie in Feindes Lande ſich
befinden, daher hat der Feind auf dieſe kein Recht, welcher
Grundſatz auch in Landkriegen, ſo weit es die Kriegsunru-
hen geſtatten, beobachtet wird b).


Zweifelhaft iſt es, ob nach dem allgemeinen Voͤlker-
recht, den Fall der aͤußerſten Noth ausgenommen, ein Staat
ſich es erlauben koͤnne, beym Ausbruch eines Krieges auf die
in ſeinem Seegebiet befindliche neutrale Schiffe Beſchlag
(Embargo) c) zu legen, um ſie gegen billige Bezahlung
eine Zeitlang fuͤr Geld zum Dienſt ſeiner Flotte zu gebrau-
chen d). Das Herkommen hat dieſes Recht eingefuͤhrt,
aber in den neueren Handelsvertraͤgen iſt es immer mehr
und mehr abgeſchaffet worden e).







§. 309.
Neutraler Handel nach dem Nat. V. R.


In Anſehung des Handels a) hat zwar jede kriegfuͤh-
rende Macht das Recht 1) ihren eigenen Unterthanen allen
Handel mit dem Feinde zu verbieten, ſofern ſie dieß in aller
Ruͤckſicht rathſam findet. 2) Wenn ſie ſich feindlicher Pro-
vinzen bemaͤchtiget hat, auch hier in eben dem Maaße allen
Handel mit dem Feinde zu unterſagen, 3) ſofern ſie einem
feindlichen Ort, Feſtung, Hafen oder Lager dergeſtalt blok-
kirt hat, daß ſie im Stande iſt alle Zufuhr zu denſelben zu
hemmen, auch allgemein allen Handel mit dieſem Platze zu
unterſagen, und in allen dieſen Faͤllen auf die Verletzung ſol-
cher Verbote die Strafe der Confiſcation, der Guͤter, oder
Schiffe, oder auch Leibesſtrafe wieder diejenigen die dieſen
Handel treiben zu verhaͤngen, aber ein Recht den neutralen
Maͤchten den uͤbrigen Handel mit ihrem Feinde im allgemei-
nen zu unterſagen und auf die Fuͤhrung deſſelben die Strafe
der Confiſcation der Schiffe und Guͤter zu ſetzen, ſteht kei-
ner kriegfuͤhrenden Macht zu. Nur ſofern iſt ſie berechtiget
dieſen Handel zu hindern, als er entweder 1) eine Verletzung
der Pflichten der Neutralitaͤt enthaͤlt, oder 2) wahre Colli-
ſions-Faͤlle eintreten, in welchen ſie die Sorge fuͤr ihre
Selbſterhaltung den ſonſt vollkommen Pflichten gegen andere
vorzuziehn befugt iſt.



§. 310.
Handel mit Kriegsbeduͤrfniſſen.


Wie eine neutrale Macht in Friedenszeiten das Recht
hatte jeder Nation die ihr den Handel geſtattete alle Gattun-
gen von Waaren zu verkaufen und zuzufuͤhren, ſo behaͤlt ſie
auch dieſes Recht nach Ausbruch des Krieges, ſo, daß ſie
nach dem allgemeinen Voͤlkerrecht ihren Unterthanen geſtat-
ten darf alle Gattungen von Waaren, dieſe moͤgen fuͤr den
Krieg unbrauchbar ſeyn, oder zugleich, oder ausſchließlich fuͤr
dieſen gebraucht werden, beiden kriegfuͤhrenden Theilen oder
einem unter ihnen, mit welchem dieſer Handel am vortheil-
hafteſten fortgeſetzt werden kann, zuzufuͤhren, und ſie ver-
letzet dadurch der Regel nach die Neutralitaͤt nicht. Selbſt
durch Benutzung der Gelegenheit welche ihr der Krieg dar-
bietet einen neuen Zweig des Handels oder der Schiffarth fuͤr
ſich zu eroͤffnen, verraͤth ſie noch nicht immer feindliche Ge-
ſinnungen gegen den Staat fuͤr deſſen Feinde ſie die Zufuhr
geſtattet, da mehrentheils die bloße Gewinnluſt des Kauf-
manns die Triebfeder davon iſt.


Aber dann verletzt ſie die Pflichten der Neutralitaͤt
wenn ſie 1) den Handel mit Kriegsbeduͤrfniſſen mit dem ei-
nen kriegfuͤhrenden Theile erlaubt, mit dem andren aber ver-
bietet, oder 2) durch einen Vertrag verſprochen hatte, dieſe
Waaren dem Feinde des Mitcontrahenten nicht zuzufuͤhren,
und ſie ihm gleichwohl zufuͤhret; auch laſſen ſich als Aus-
nahme von der Regel außerordentliche Faͤlle gedenken, wo
das Erbieten beyden Theilen dieſen Handel zu geſtatten nur
den
[351]Von der Neutralitaͤt.
den Anſchein der Unpartheylichkeit, und der Handel nur das
Anſehen einer bloßen Privat-Angelegenheit haͤtte, in der
Wahrheit aber der Staat durch Geſtattung oder eigene Betrei-
bung dieſer Zufuhr eine Partheylichkeit zum Vortheil einer
der kriegfuͤhrenden Maͤchte an den Tag legte.


In dieſen Faͤllen der verletzten Neutralitaͤt wuͤrde die
kriegfuͤhrende Macht nicht nur zu Conſiſcation ſolcher Schiffe
und Guͤter neutraler Maͤchte und ihrer Unterthanen, ſondern
auch zu Verletzung anderer Pflichten und ſelbſt ſtuffenweiſe
zum Krieg wieder dieſe offenbaren oder verdeckten Anhaͤnger
ihres Feindes aͤußerlich berechtiget ſeyn.


Sofern aber eine neutrale Macht durch Verkauf oder
Zufuhr ſolcher Waaren die Neutralitaͤt nicht verletzet hat,
ſofern hat der kriegfuͤhrende Theil kein Recht die mit ſelbi-
gen beladenen, fuͤr offene Haͤfen des Feindes beſtimmten
Schiffe ſammt ihrer Ladung zu confiſciren; nur ſofern in ei-
nem jeden Kriege weſentlich nothwendig iſt, daß der Feind
nicht durch ſolche Guͤter die unſtreitig zum Gebrauch des Kriegs
beſtimmt ſind verſtaͤrkt werde, und ſofern es außerordentliche
Faͤlle giebt in welchen den beſondren Umſtaͤnden nach dem
Feinde eben ſo nothwendig iſt auch die Zufuhr ſolcher Waa-
ren die beydes fuͤr Krieger und friedliche Unterthanen noth-
wendig ſind, zu hemmen, ſofern hat er das Recht die damit
beladenen Schiffe anzuhalten, und mit Loßlaſſung und billiger
Entſchaͤdigung der Schiffe die Waaren entweder dem neutra-
len Eigenthuͤmer zu bezahlen, oder bis zu Endigung der Ge-
fahr oder des Kriegs zuruͤckzuhalten.


§. 311.
Feindliche Guͤter auf neutralen, und neutrale auf feindli-
chen Schiffen.


Iſt aber von Guͤtern die Rede, die ihrer Natur oder
den Umſtaͤnden nach nicht als Contrebande auzuſehn ſind, ſo
iſt zwar außer Zweifel, daß der Feind feindliche Schiffe und
Guͤter confiſciren koͤnne; da er aber kein Recht hat an einem
neutra-
[352]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
neutraler Ort Feindſeeligkeiten zu uͤben, ſo ſcheint es daß er
auch nach dem natuͤrlichen Voͤlkerrecht nicht aus neutralen
Schiffen feindliche Guͤter dieſer Art wegnehmen duͤrfe a),
noch weniger darf er die Schiffe confiſciren; und da neutrale
Guͤter auch aus feindlichem Gebiet nicht geraubt werden duͤr-
fen, ſo darf er auch die auf feindlichen Schiffen geladene neu-
trale Guͤter nicht, ſondern die Schiffe allein ſich zueignen,
ſo daß nach dem natuͤrlichen Voͤlkerrecht freyes Schiff,
freyes Gut, hingegen verfallenes Schiff, nicht verfalle-
nes Gut macht.



§. 312.
Entſcheidung ſtreitiger Priſen-Faͤlle.


Entſteht endlich uͤber die Rechtmaͤßigkeit einer auf offe-
nen See gemachten Priſe ein Streit zwiſchen den Eigenthuͤ-
mern des Schiffs oder der Waaren und den Nehmern, ſo
hat nach dem aͤußeren Voͤlkerrecht keiner der beyden Souve-
raine ein ausſchließliches Recht ſich daruͤber eine Erkenntniß
anzumaßen, ſondern dieſer Streit ſollte als eine Angelegen-
heit zweyer Voͤlker entweder durch guͤtlichen Vergleich beyge-
legt, oder durch von beyden Theilen erwaͤhlte Richter entſchie-
den werden a).



§. 313.
Grundſaͤtze des poſitiven Voͤlkerrechts in Anſehung des
neutralen Handels. I) Kriegscontrebande.


Nach dem poſitiven Voͤlkerrecht aber haben manche
der bisher beruͤhrten Satze ihre veraͤnderte Beſtimmung er-
halten. So iſt es zwar auch nach dem poſitiven Voͤlkerrecht
erlaubt bey uns zu Hauſe jedem Einkaufer Waaren aller
Art, und ſelbſt Kriegsmunition zu verkaufen a). Hingegen
wird es allgemein in Europa fuͤr der Neutralitaͤt entgegen
angeſehn, Kriegscontrebande Waaren einer oder der andern,
oder beiden kriegfuͤhrenden Maͤchten zuzufuͤhren b). Was
Kriegscontrebande ſey, beſtimmen zunaͤchſt die unter den
Maͤchten vorhandenen Vertraͤge, welche zwar nicht voͤllig
gleichfoͤrmig das Verzeichniß derſelben entwerfen, mehren-
theils aber darin uͤbereinkommen, daß ſie nur ſolche Waaren
zur Contrebande zaͤhlen, welche gerade zu und ungezweifelt
fuͤr den Krieg beſtimmt ſind, wie Waffen c) und deren
Ladung, Soldaten, Pferde und deren Ruͤſtung, Kriegs-
ſchiffe; hingegen daß alle uͤbrige Gattungen von Waaren,
wenn ſie ſchon auch dem Feinde ſehr nuͤtzlich ſeyn koͤnnen,
wie Getraide, Wein und andre Lebensmittel, Schiffbau-
holz, Tauen, Maſten, Theer und andere Materialien zum
Schiffbau, baares Geld, auch ſelbſt Schwefel und Sal-
peter, entweder ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend fuͤr freye
Waaren erklaͤrt werden d), wie denn eben daher dieſe im
zweifelhaften Fall auch nach dem herkommlichen Recht fuͤr
frey zu erklaͤren ſind.


Ob aber eine kriegfuͤhrende Macht ſich, wie inſonder-
heit ſeit dem Ende des vorigen Jahrhunderts geſchehn iſt e),
erlauben koͤnne, zu Anfang des Kriegs einſeitige Declara-
tionen zu geben, und in dieſen die Zahl der Waaren die
ſie als Contrebande zu confiſciren oder doch aufzubringen und
gegen Bezahlung an ſich zu halten ſich genoͤthiget ſehe, zu
Zver-
[354]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
vervielfaͤltigen, laͤßt ſich, wenn man auch dieſe Verordnun-
gen nicht fuͤr Geſetze, ſondern fuͤr Warnungen an neutrale
Maͤcht ausgiebt, billig bezweifeln; am wenigſten kann dieß
zum Nachtheil derer geſchehn, die mit ihr Vertraͤge uͤber Con-
trebande Guͤter eingegangen ſind.


Wenn ſchwaͤchere neutrale Maͤchte ſich ſolchen Ver-
ordnungen unterwerfen, und dieſen gemaͤß Warnungen und
Verbote an ihre Unterthanen ergehen laſſen, ſo iſt dieſes
noch kein Beweis, daß ſie jenes Betragen fuͤr rechtmaͤßig
anerkennen.







§. 314.
Strafe des contrebande Handels.


Wenn eine neutrale Macht anerkannte Contrebande-
Guͤter dem Feinde zufuͤhrt, ſo haͤlt der Gegentheil ſich fuͤr
berechtiget dieſe Verletzung der Neutralitaͤt mit Confiſcation
dieſer Guͤter, und zuweilen ſelbſt der Schiffe zu beſtrafen.
Letzteres konnte vormals ſelbſt als Regel angeſehn werden,
das Schiff mochte ganz oder zum Theil mit ſolchen Guͤtern
beladen ſeyn. Jetzt iſt aber faſt in allen Handelsvertraͤgen
feſtgeſetzt a), daß dieſe Confiscation entweder gar nicht, oder
doch nur in gewiſſen Faͤllen b) ſtatt haben, hingegen der
Regel nach bloß die contrebande Guͤter confiſcirt, aber die
uͤbrige Ladung ſamt dem Schiffe losgegeben werden ſolle c).


Wo indeß keine Vertraͤge vorhanden ſind, da iſt noch
jetzt das Betragen der Europaͤiſchen Maͤchte in Anſehung
dieſes Puncts nichts weniger als gleichfoͤrmig.


Bey andren Waaren welche die kriegfuͤhrende Macht
zur eigentlichen Contrebande zu zaͤhlen ſich nicht getrauet,
erklaͤret ſie ſich zuweilen zu Bezahlung ihres Werths.





§. 315.
2) Handel mit blockirten Orten.


Daß aber blockirten Haͤſen, Laͤgern u. ſ. f. weder
Kriegsmunition noch andere Waaren, inſonderheit Lebens-
mittel zugefuͤhrt werden duͤrſen, wird nach dem Herkommen
und den Vertraͤgen ſo wenig als nach dem allgemeinen
Voͤlkerrecht bezweifelt, und in dieſen Faͤllen wird nicht nur die
Conſiscation des Schiffes ſamt den Guͤtern, ſondern auch
ſelbſt Leib und Lebensſtrafe gegen den der dieſen Handel vor-
ſaͤtzlich treibt verhaͤngt. Nur daß oft und auf mannigfaltige
Weiſe uͤber die Frage geſtritten wird, von welcher Zeit an
ein Hafen fuͤr blockirt zu achten ſey a); daß die bloß woͤrt-
liche Erklaͤrung einer kriegfuͤhrenden, oft noch ſehr entfernten
Macht dazu nicht hinreichen koͤnne, iſt in die Augen fallend.



§. 316.
3) Freyer Handel neutraler Maͤchte.


Mit dieſen Ausnahmen hingegen iſt jetzt, nach einzel-
nen vergeblichen Verſuchen a) den neutralen Maͤchten allen
Handel mit dem Feinde zu unterſagen, der Grundſatz aner-
kannt: daß dieſen der Handel und die Schiffart nach allen
offenen feindlichen Plaͤtzen und Kuͤſten freyſtehe.


Da indeß eine kriegfuͤhrende Macht bey dem Anſchein
der neutralen Flagge eines ihr begegnenden Schiffes ſich
nicht
[357]Von der Neutralitaͤr.
nicht beruhigen kann, ſo iſt anerkannt, daß neutrale Schiffe
denen ein feindliches Kriegs- oder Caper-Schiff auf offener
See begegnet, ſich auf ein gegebenes Zeichen (ſemonce)
der Viſitation unterwerfen muß, die jedoch der Regel nach
auf die bloße Vorzeigung der Seebriefe b) ſich beſchraͤnken
ſoll, ſo daß nur dann, wenn dieſe verdaͤchtig befunden wer-
den, eine Durchſuchung des Schiffs Statt haben, auch falls
der Schiffer zu Abtretung der confiscablen Guͤter ſich er-
bietet, das Schiff ſamt der ubrigen Ladung an ruhiger Fort-
ſetzung der Reiſe der Regel nach nicht gehindert werden ſollte c).


In mehreren neueren Vertraͤgen iſt feſtgeſetzt, daß,
falls das Schiff unter Convoy faͤhrt, dem bloßen Ehrenwort
des commandirenden Officiers geglaubt, und alle fernere
Viſitation eingeſtellt werden ſolle d).






§. 317.
Gerichtbarkeit in Priſen-Sachen.


In Faͤllen in welchen ein Schiff, es ſey feindlich oder
neutral, auf offener See weggenommen worden, kann zwar
der Nehmer nicht ehr uͤber daſſelbe ein Eigenthumsrecht aus-
uͤben, bis er durch Urtheil und Recht eines Admiralitaͤts-
gerichts ihm zugeſprochen worden; das Herkommen und viele
Z 3Ver-
[358]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
Vertraͤge a) aber legen die Gerichtbarkeit in dieſen Streitig-
keiten ausſchließlich dem Souverain des Eroberers und ſogar
mehrentheils ſelbſt dann bey, wenn er mit ſeiner Priſe in
den Hafen einer dritten Macht einzulaufen ſich genoͤthiget
geſehn haͤtte b). Obwohl in dieſem Gericht der Eroberer
als Klaͤger erſcheint, ſo wird doch dem genommenen Schiff
als Beklagten der Beweis, daß die Nehmung unrechtmaͤßig
ſey auferlegt, hin und wieder ſogar nicht einmal jeder neue
Beweis zugelaſſen c), und obwohl hier die Entſcheidung
nicht nach den Landesgeſetzen, ſondern nach den Vertraͤgen
oder dem allgemeinen Voͤlkerrecht geſchehn ſoll d), ſo wird
doch der oft ſehr erhebliche Koſtenpunct nach den Landes-
geſetzen beurtheilt, und ſobald die Aufbringung des Schiffs
nicht ohne Schein war, der Aufbringer mit allen Koſten-
erſatz verſchont und wohl gar der Gegentheil in alle Koſten
verurtheilt e).







§. 318.
Ob freyes Schiff freyes Gut mache.


Ob aber feindliche Guͤter aus neutralen Schiffen weg-
genommen, und neutrale Guͤter auf feindlichen Schiffen ge-
laden ſamt dieſen confiscirt werden duͤrfen, daruͤber ſind nicht
immer in Europa gleiche Grundſaͤtze herſchend geweſen.


In
[359]Von der Neutralitaͤt.

In aͤlteren Zeiten nahm man nach der Beſtimmung
des Conſolato del Mare a) an, daß allein auf das Eigen-
thum der Guͤter zu ſehn ſey, daß folglich feindliche Guͤter aus
neutralen Schiffen weggenommen werden duͤrfen, jedoch
neutrale Guͤter, obwohl auf feindlichen Schiffen geladen,
herauszugeben ſeyn. Da aber der erſtere Grundſatz fuͤr
neutrale Maͤchte aͤußerſt laͤſtig und eine Quelle mannigfal-
tiger Streitigkeiten wurde, nahm man in der Folge, inſon-
derheit in den ſeit dem 17ten Jahrhundert geſchloſſenen Ver-
traͤgen b) den entgegenſtehenden Grundſatz an, daß freyes
Schiff freyes Gut mache, verband jedoch damit auch um-
gekehrt den Grundſatz, daß verfallnes Schiff verfallnes Gut
mache, und dieſe Art des Verfahrens ward von den mehre-
ſten Maͤchten, ſelbſt gegen diejenigen Voͤlker beobachtet, mit
denen ſie keine Vertraͤge geſchloſſen hatten. Nur in einigen
Vertraͤgen ward die alte Regel beybehalten c) oder noch
eine andere feſtgeſetzt d), oder endlich die Frage unentſchie-
den gelaſſen e).





Z 4d) In
[360]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.


§. 319.
Urſprung des Syſtems der bewaffneten Neutralitaͤt.


Da indeß theils Großbritannien in dieſem Jahrhun-
dert zu dem alten Grundſatze zuruͤckzukehren fuͤr rathſam
fand, auch ſonſt mannigfaltige Beſchwerden neutraler Maͤchte
uͤber das Verfahren der Kriegfuͤhrenden, inſonderheit in zu
weiter Ausdehnung der Liſte der Contrebande Guͤter und des
Begriffs eines blockirten Hafens erwuchſen, ſo ſah in dem
Brittiſch Amerikaniſchen Kriege Rußland, das damals neu-
tral war, ſich 1780 veranlaſſet a), ein Syſtem der Rechte
des neutralen Handels zu entwerfen, bey deren Genuß es
ſeine Unterthanen allenfalls mit gewaffneter Hand zu ſchuͤtzen
geſonnen ſey; machte dieſes den kriegfuͤhrenden Maͤchten
bekannt, und lud die neutralen Staaten ein ſelbigem bey-
zutreten, und ſich zu Aufrechthaltung einer bewaffneten Neu-
tralitaͤt gemeinſchaftlich zu verbinden b).




§. 320.
[361]Von der Neutralitaͤt.

§. 320.
Grundſaͤtze dieſes Syſtems.


Dieſes Syſtem der bewaffneten Neutralitaͤt beruhet
auf folgende Grundſaͤtze: 1) daß feindliches Gut, nur mit
Ausnahme der Contrebande, auf neutralen Schiffen frey ſey.
2) Daß, wo Vertraͤge vorhanden, nur diejenigen Waaren
fuͤr Contrebande zu achten die in dieſen Vertraͤgen dafuͤr er-
klaͤret worden. 3) Daß neutralen Schiffen die freye Schiffart
nach den Haͤfen und Kuͤſten der kriegfuͤhrenden Maͤchte offen
ſtehe. 4) Daß nur derjenige Ort fuͤr blockirt zu achten,
den eine kriegfuͤhrende Macht mit ihren in der Naͤhe gela-
gerten Schiffen dergeſtalt umgiebt, daß man ohne augen-
ſcheinliche Gefahr in denſelben nicht einlaufen koͤnne. 5) Daß
nach dieſen Grundſaͤtzen uͤber die Rechtmaͤßigkeit der gemach-
ten Priſen zu erkennen ſey a).



§. 321.
Schickſale dieſes Syſtems.


Da nun die mehreſten damals neutralen Maͤchte dieſem
Syſtem in ihren Beytritts-Urkunden und Vertraͤgen, theils
mit Rußland theils unter einander a), mittelbar oder un-
mittelbar, nur mit den beſondren Modificationen beytraten,
die ans der Verſchiedenheit ihrer Vertraͤge mit einzelnen
der kriegfuͤhrenden Maͤchte nothwendig erwachſen muͤſſen b),
und unter den kriegfuͤhrenden Frankreich und Spanien ſich
beyfaͤllig erklaͤrten c), ſo ſahe Großbritannien d), obwohl
es dieſen Grundſaͤtzen bis auf den heutigen Tag nicht bey-
getreten iſt, ſich durch Vereinigung ſo vieler Maͤchte veran-
laſſet, denſelben gemaͤß ſich zu betragen e). Und wie ſchon
bey dem erſten Urſprunge dieſes Syſtems die erklaͤrte Abſicht
zum Grunde lag f), es auch in kuͤnftigen Kriegen zur
Baſis anzunehmen, auch ſeit dieſer Zeit viele der geſchloſ-
Z 5ſenen
[362]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
ſenen Handelsvertraͤge auf eben dieſen Grundſaͤtzen gebauet
ſind, wirklich auch in dem nachmaligen Kriege Rußlands
mit Schweden und der Pforte ſich bleibende Wirkungen
deſſelben geaͤußert haben g), ſo iſt zu hoffen, daß ſelbſt die
Schritte zu welchen Rußland in dem gegenwaͤrtigen Kriege
ſich veranlaſſet geſehn h), ein Syſtem nicht uͤber den Haufen
ſtoßen werden, deſſen wohlthaͤtiger Einfluß auf den neutra-
len Handel es allen friedlichen Staaten ſo theuer macht.





d) S.
[363]Von der Neutralitaͤt.





Achtes
[364]Achtes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.

Achtes Hauptſtuͤck.
Von der Wiederherſtellung des Friedens.


§. 322.
Erſte Schritte zum Frieden.


Nach der Theorie ſollte der Feind wenigſtens dann
dem Kriege ein Ende machen, wenn ihm ſeine Genugthuung
mit Inbegriff der Kriegskoſten und, wo er dieſe zu fordern
berechtiget iſt, auch Sicherheit fuͤr die Zukunft von dem
Feinde angeboten wird. Wie aber in der Praxis oft ſchwer
zu beſtimmen iſt, ob das was ihm angeboten wird allen
dieſen Gegenſtaͤnden Genuͤge leiſte, ſo entſcheidet gemeiniglich
Kriegsgluͤck und Politik die Frage, wie lange der Krieg
fortgeſetzt werde, ob die geſuchte Genugthuung noch weiter
verfolget, oder, ehe ſie erlangt worden, Friede geſchloſſen
werden ſolle.


Daß der Feind den Antraͤgen ſeines Feindes einen Frie-
den mit ihm zu verhandeln jederzeit Gehoͤr geben muͤſſe, laͤßt
ſich nicht ohne Ausnahmen behaupten. Uebrigens thut bald
der Feind ſelbſt, bald eine neutrale Macht die erſten Schritte
zu kuͤnftiger Wiedervereinigung. Und ſo werden auch die
Friedensunterhandlungen bald unmittelbar zwiſchen den krieg-
fuͤhrenden Maͤchten, bald mit Zuziehung eines dritten Staats
betrieben, der entweder bloß ſeine guten Dienſte (bona
officia)
verwendet, oder mit Einwilligung beider Theile
zum Vermittler (mediateur) oder wohl gar zum Schieds-
richter (arbitre) angenommen wird. (§. 172.)


So koͤnnen auch die Verhandlungen entweder an dem
Hofe eines der Kriegfuͤhrenden Theile, oder eines neutralen
Staats, oder auch an einem dritten Ort gehalten werden.
Die Verſammlung der zu dieſem Ende abgeſandten Bevoll-
maͤchtigten wird Congreßa) genannt.



§. 323.
[365]Von der Wiederherſtellung des Friedens.

§. 323.
Praͤliminair-Convention.


Zuweilen macht einer der kriegfuͤhrenden Theile einen
Punct dergeſtalt zur unumgaͤnglichen Bedingung einer kuͤnf-
tigen Friedensverhandlung, daß er nur wenn dieſer einge-
raͤumet worden ſich in Negotiationen einlaſſen will. Dieß
kann zu der erſten Gattung von Praͤliminair-Vertraͤgen
Anlaß geben a).



§. 324.
Congreß.


Soll ein Congreß gehalten werden, ſo muß Ort a)
und Zeit der Zuſammenkunft feſtgeſetzt, zuweilen uͤber die
Neutralitaͤt des Orts und der umliegenden Gegend, uͤber die
Sicherheit der Geſandten und ihrer Couriere, uͤber das Ce-
remoniel der Geſandten, uͤber ihre Bevollmaͤchtigung, uͤber
die Frage von welchen Maͤchten Geſandte auf den Congreß
zuzulaſſen ſeyn b) u. ſ. f. das noͤthige beſtimmt werden; und
auch dieſe Puncte koͤnnen zu einer zweyten Gattung von
Praͤliminair-Conventionenc) und ſelbſt zu Praͤliminair-
Congreſſen Anlaß geben.


Nach Ankunft der Geſandten auf dem Congreß und
der gewoͤhnlichen Bewillkommnung, werden, nachdem der
Tag zu Eroͤffnung des Congreſſes feſtgeſetzt worden, auf
dieſem zuvoͤrderſt die Vollmachten verleſen und in vidimirten
Abſchriften entweder unter den Geſandten ausgewechſelt, oder,
wenn ein Mediateur vorhanden iſt, dieſem uͤbergeben. So
werden auch die Conferenzen entweder unmittelbar unter den
Geſandten der kriegfuͤhrenden Maͤchte, oder mit dem Me-
diateur gehalten, es ſey an dem dazu beſtimmten oͤffentlichen
Ort, oder abwechſelnd bald in dem Hauſe des Vermittlers
bald
[366]Achtes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.
bald in dem eines Geſandten der kriegfuͤhrenden Maͤchte,
in welchem Falle dem Geſandten des Vermittlers der Vor-
rang gebuͤhrt.


So werden theils muͤndlich theils ſchriftlich die Con-
ferenzen und Verhandlungen fortgeſetzt, bis man ſich im
Stande ſieht den Tractat zu unterzeichnen, oder nach ver-
geblichen Verſuchen erhellet, daß man nicht zum Zweck ge-
langen koͤnne und durch Zuruͤckberufung der Geſandten der
Congreß getrennt wird d).






§. 325.
Unterhandlungen an Hoͤfen.


Wird unmittelbar zwiſchen zweyen Hoͤfen uͤber den Frie-
den gehandelt, ſo pflegt man, da hiezu durch bloße ſchrift-
liche Correſpondenz nicht leicht zu gelangen ſteht a), Ge-
ſandte einander zu ſchicken. Dieſe werden 1) gemeiniglich
gegenſeitig und zu gleicher Zeit von beiden Theilen abgeſandt;
2) mit einer Vollmacht verſehn; 3) ſie uͤberreichen bloß
dem
[367]Von der Wiederherſtellung des Friedens.
dem Staatsſecretair ein Beglaubigungsſchreiben, da ſie nicht
desfalls zur Audienz gelaſſen zu werden pflegen; 4) ſie werden
zum voraus mit den noͤthigen Paͤſſen von dem Feinde verſehn,
deſſen Gebiet ſie betreten ſollen. Uebrigens genießen ſolche
Geſandte aller geſandſchaftlichen Vorrechte, die ihnen in
Friedenszeiten zukommen wuͤrden. Sie treten mit dem
Staatsſecretair oder mit einem Vermittler in Conferenzen,
die ſie fortſetzen bis der Friede gezeichnet wird, oder ſie
zuruͤckberufen oder ausgeſchafft werden.



§. 326.
Praͤliminair-Friede.


Wenn man in Anſehung aller Friedenspuncte unter
allen Maͤchten welche daran Theil nehmen ſollen einig iſt,
ſo hindert nichts ſofort einen Definitivfrieden zu ſchließen.
Wenn man aber zwar in Anſehung der Hauptpuncte einig
iſt, aber in Anſehung ein oder anderen Nebenpuncts, der
gleichwohl nicht wichtig genug ſcheint, um desfalls den Krieg
fortzuſetzen oder die Waffen wieder zu ergreifen ſich noch
nicht vereinbaren kann, aber kuͤnftig noch ſich zu vergleichen
hoft, ſo entſteht die Veranlaſſung zu Schließung eines
Praͤliminair-Friedens-Tractatsa). Solche Friedens-
Inſtrumente werden zuweilen nur ganz kurz mit Beruͤhrung
bloß der weſentlichen Puncte in Form einer Punctation, bald
ausfuͤhrlich mit dem gewoͤhnlichen Eingange und den herge-
brachten Clauſuln und Erweiterungen eines foͤrmlichen Defi-
nitivtractats abgefaßt, und in b [...]iden Faͤllen ſo wie der Friede
unter-
[368]Achtes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.
unterzeichnet und ratificirt. Nach erfolgter Ratification ſind
ſie verbindlich und wuͤrden es bleiben, ſelbſt wenn kein De-
finitivtractat darauf erfolgte; es waͤre denn daß ein anderes
verabredet und dadurch der Praͤliminair-Friede fuͤr ein bloßes
Project erklaͤret worden waͤre.


Nach Abſchließung dieſes Praͤliminair-Friedens arbei-
ten die Geſandte an eben demſelben oder einem andern dazu
beſtimmten Ort an Wegraͤumung der noch uͤbrigen Anſtaͤnde,
damit der Definitiv-Friedensſchluß moͤge geſchloſſen und
unterzeichnet werden koͤnnen.



§. 327.
Definitiv-Friede.


In einem jeden Friedensſchluſſe kann man die allge-
meinen
Artikel die faſt in allen Friedensſchluͤſſen auf aͤhnliche
Weiſe gefaßt werden, von den beſondren unterſcheiden die
jedem Friedensſchluſſe eigen und nicht leicht einer Verglei-
chung faͤhig ſind.


Nach Anrufung des goͤttlichen Nahmens a) folgt die
allgemeine Einleitung, worin nebſt der Veranlaſſung zu
dem Tractat, der verſamleten Geſandten und ihrer Vollmach-
ten Erwaͤhnung geſchieht; hierauf pflegen zunaͤchſt die allge-
meinen Artikel den Anfang zu machen, welche die Wieder-
herſtellung des Friedens und der Freundſchaft b), die Ein-
ſtellung der Feindſeligkeiten c), die Aufhebung der noch
ruͤckſtaͤndigen Kriegscontributionen, die Auswechſelung oder
Loßlaſſung der Gefangenen, die allgemeine Amneſtied)
oder Vergeſſenheit des vergangenen, welche ſich nicht nur
auf den Feind, ſondern auch auf deſſen Alliirte und auf unſere
eigene Unterthanen und Vaſallen erſtreckt, die Herſtellung
des Handels, Briefwechſels u. ſ. f. betreffen.


Auf
[369]Von der Wiederherſtellung des Friedens.

Auf dieſe folgen die beſondren und eigentlichen Haupt-
artikel des Friedens, in welchen nebſt Beſtaͤdtigung derje-
nigen aͤlteren Vertraͤge und Friedensſchluͤſſe, welche dem
gegenwaͤrtigen zur Grundlage dienen, billig alle diejeni-
gen Streitpuncte entſchieden werden ſollen, welche zu dem
Kriege Veranlaſſung gegeben, oder durch das Schickſal
des Krieges ſelbſt in Anregung kommen e). Der ſchwie-
rigſte Punct iſt gemeiniglich der der gegenſeitigen Beſitzungen
in Anſehung deren man entweder 1) den Beſitzſtand zum
Grunde legt, entweder den ſtatus quo ſtrict d. i. den Be-
ſitzſtand beider Theile zur Zeit des Ausbruches des Kriegs,
oder das vti poſſidetis d. i. den Beſitzſtand beider Maͤchte
es ſey zur Zeit des Friedensſchluſſes, oder zu gewiſſen
feſtgeſetzten Zeiten, vor dem Friedensſchluſſe (vti poſſide-
batis
) oder nach Schließung deſſelben (vti poſſidebitis).
Dieſe verſchiedene Grundlage verhindert jedoch nicht, daß
man ſich als Ausnahme von derſelben in einzelnen Puncten
gewiſſer Compenſationen vergleiche; oder 2) man waͤhlt den
Weg der allgemeinen Compenſationen auf welchem man
ohne Ruͤckſicht auf den Beſitzſtand ſich daruͤber vergleicht,
was jeder abtreten und was er dagegen abgetreten oder ein-
geraͤumt erhalten ſolle.


Den Beſchluß macht der Artikel welcher die Zeit und
zuweilen auch den Ort der Auswechſelung der Ratificationen
enthaͤlt.







§. 328.
Von Unterzeichnung der Friedensſchluͤſſe.


Jetzt ſucht man ſo viel moͤglich den Schwierigkeiten
auszuweichen, welche ehemals ſo haͤufig uͤber die Unter-
zeichnung der Tractaten entſtanden, und bedient ſich ent-
weder auf verſchiedene Weiſe der Alternation a) oder der
Proteſtationen und Reverſe, ſo lange der Ceremonial-Punct
unentſchieden bleibt b); die Unterzeichnung und Beſieglung,
wie auch die Auswechslung der Ratificationen geſchieht ent-
weder in der Stille, oder mit Feyerlichkeit, in welchem letzte-
ren Falle noch zuweilen die bevollmaͤchtigten Miniſter den
Character als Botſchafter annehmen, um mit mehrerem
Glanze die Unterzeichnung oder Auswechſelung zu vollziehn.




§. 329.
[371]Von der Wiederherſtellung des Friedens.

§. 329.
Separat-Artikel.


Zuweilen werden einem Friedensſchluſſe aus verſchie-
denen Gruͤnden Separat-Artikel angehaͤngt, aber ausdruͤck-
lich fuͤr eben ſo verbindlich als das Haupt-Inſtrument er-
klaͤret, und wie dieſer unterzeichnet. Dieſe Separat-Artikel
ſind von zwiefacher Gattung: Einige enthalten Hauptpuncte
welche auf den Frieden ſelbſt und deſſen Vollziehung Bezug
haben, und ſind entweder oͤffentliche oder geheime. Andere
haben die Eigenſchaft eines bloßen Vorbehalts, und betreffen
inſonderheit theils die in dem Friedens-Inſtrument ge-
brauchten Titel, daß nemlich wenn dieſe etwa nicht allge-
mein anerkannt werden, aus deren Zulaſſung kein Recht fuͤr
die Zukunft folgen ſolle, theils die Sprache deren man ſich
in dem Friedens-Inſtrument bedient hat. Da nemlich in
neueren Zeiten die Franzoͤſiſche Sprache auch in Friedens-
ſchluͤſſen haͤufig in die Stelle der Lateiniſchen getreten, in der
ſonſt Voͤlker von verſchiedenen Zungen zu ſchließen pflegen,
ſo hat man es inſonderheit in den Vertraͤgen an welchen
Frankreich Antheil nimmt fuͤr rathſam gefunden, ſich zu ver-
wahren, daß daraus fuͤr die Zukunft keine Schuldigkeit ge-
folgert werden ſolle a).



§. 330.
Von mehreren Friedens-Inſtrumenten, dem Einſchluß
und Beytritt dritter Maͤchte.


Wenn mehr als zwey Maͤchte an einem Kriege directen
Antheil genommen haben, folglich auch als Hauptfriedens-
ſchließenden Theile zu dem Frieden concurriren muͤſſen ſo
iſt moͤglich, daß 1) jeder fuͤr ſich ſein Hauptfriedens-Inſtru-
ment mit ſeinem Gegner errichte, aus welchem ſodann die
uͤbrigen weder Rechte noch Verbindlichkeiten erlangen, dafern
hieruͤber nicht ausdruͤcklich etwas feſtgeſetzt worden; oder
2) ein gemeinſchaftliches Haupt-Inſtrument errichtet werde
in Anſehung deſſen ein jeder als Hauptcontrahent anzuſehn
iſt; oder 3) daß eine dieſer Maͤchte dem von den uͤbrigen
zugleich fuͤr ſie geſchloſſenen Hauptfrieden als Hauptcontrahent
beytrete a), wodurch ſie alle Rechte und Verbindlichkeiten
erlangt, die ſie durch unmittelbare Unterſchrift des Haupt-
Inſtruments wuͤrde erlangt haben.


Aber auch von ſolchen Maͤchten die keinen directen
Antheil an dem Kriege genommen, ſondern entweder bloß
als huͤlfleiſtende Theile Truppen u. ſ. f. geſandt, oder ſonſt
bey dem Gegenſtande des Kriegs oder dem Frieden ein In-
tereſſe haben, kann auf mannigfaltige Weiſe in einem Frie-
densſchluſſe die Rede ſeyn.


Es iſt moͤglich 1) daß einer der Hauptcontrahenten zu
ihrem Beſten etwas in dem Friedensſchluſſe ſtipulirt, ent-
weder ſo, daß ſelbige in dem Frieden mit eingeſchloſſen
werden (comprehenſi), ſo daß Friede und Freundſchaft ſich
auf ſie mit erſtrecken, ohne daß ſie dadurch uͤbrigens die
Rechte und Verbindlichkeiten eines Hauptcontrahenten er-
halten b), oder ſo daß einzelne Puncte in dem Frieden zu
ihrem
[373]Von der Wiederherſtellung des Friedens.
ihrem Vortheil beſtimmt werden c), da es denn in beiden
Faͤllen einer foͤrmlichen Acceptation an ihrer Seite der Regel
nach nicht bedarf. 2) Koͤnnen einem Hauptfriedens- In-
ſtrument Separat-Conventionen angehaͤngt, und fuͤr einen
Theil deſſelben erklaͤrer werden, wenn die Macht mit welcher
ſie errichtet worden als Hauptcontrahent [des Friedensſchluſſes]
nicht wohl betrachtet werden konnte d). 3) Koͤnnen dritte
Maͤchte zum Beytritt e) eingeladen werden, es ſey um in
den Frieden einzuwilligen, wo dieß erfordert wird, oder
ehrenhalber, um ihre Zufriedenheit mit ſelbigem zu bezeugen,
in welchen beiden Faͤllen ſie durch ihren Beytritt den Frieden
zwar genehmigen, jedoch keineswegs Hauptcontrahenten des-
ſelben werden.


Endlich 4) giebt es Faͤlle da Maͤchte zu Wahrung
ihrer Gerechtſame wider einen Friedensſchluß oder einzelne
Artikel deſſelben eine feyerliche Verwahrung (Proteſtation)
einlegen und den Hauptcontrahenten einhaͤndigen f).








A a 3§. 331.
[374]Achtes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.

§. 331.
Form des Beytritts.


So oft eine Macht beytritt, es geſchehe dieß als Haupt-
contrahent, oder um ihre Einwilligung oder ihre Zufrieden-
heit zu bezeugen, fertiget ſie eine eigene Beytritts-Urkunde
[...] [...] welcher eine Abſchrift des ganzen Friedens-Inſtru-
ments eingeruͤckt wird, worauf die Hauptcontrahenten dage-
gen eine Acceptations-Urkunde, welche den Friedensſchluß
ſamt dem Beytritt enthaͤlt, ausfertigen.


Auf die eingereichten Proteſtations-Urkunden dritter
Maͤchte wird gemeiniglich durch eine Gegenproteſtations-
Urkunde geantwortet.


§. 332.
Garantie und deren Form.


Endlich werden zuweilen dritte Maͤchte erſuchet die
Garantie a) des Friedensſchluſſes zu uͤbernehmen. Dieſe
iſt entweder, wie gewoͤhnlich allgemein zum Beſten aller
Contrahenten b), und fuͤr den ganzen Friedensſchluß, oder
beſonders zum Vortheil eines Contrahenten, oder in Hinſicht
ein oder andern Artikels. Sie wird in der Hauptſache in
eben der Form wie die Beytritts-Urkunden ausgefertiget
und durch eine Acceptations-Urkunde erwidert.


Nach der Natur der Garantie verpflichtet ſich der
Garant, demjenigen beyzuſtehn, fuͤr welchen er dieſe uͤber-
nommen, wenn er ihn im Fall einer Verletzung des Tractats
zum Beyſtand auffordert. Sie kann ſich daher auch nur
auf Verletzungen erſtrecken, welche demjenigen Schuld gege-
ben werden, wider den die Garantie uͤbernommen worden c).
Auch giebt ſie dem Garant kein Recht der mit Bewilligung
der Contrahenten vorzunehmenden Abaͤnderung des Tractats
ſich zu widerſetzen; nur daß alsdann die Verpflichtung des
Garants erliſcht.



b) Auch
[375]Von der Wiederherſtellung des Friedens.


§. 333.
Vollziehung des Friedens.


Wenn der Friedensſchluß unterzeichnet, von den Sou-
verainen in eigenhaͤndig unterzeichneten Urkunden ratificirt,
und die Ratificationen ausgewechſelt worden, ſo bleibt nur noch
der leichte Punct der Bekanntmachung, und der ſchwere der
Vollziehung deſſelben uͤbrig. Jene pflegt mit Feyerlichkeit
theils an der Spitze der Armeen, theils in der Reſidenz und
andren Orten zu geſchehn. Die Vollziehung des Friedens
leidet dann am mehreſten Schwierigkeit, wenn es auf die
Abtretung ſolcher Provinzen und Gerechtſame ankommt, in
deren Beſitz der Erwerber ſich noch nicht befindet; auch die
Raͤumung der vormals feindlichen Provinzen hat ſchon oft
Anſtand veranlaſſet; ſie kann nur ſtuffenweiſe von beiden
Seiten begehret werden. Oft giebt dieß noch Veranlaſſung
zu eigenen Friedensexecutions-Congreſſen und Executions-
Receſſen a); gluͤcklich wenn mindeſtens auf dieſe Weiſe der
Saame zu kuͤnftigen neuen Kriegen unterdruͤckt werden kann.



A a 4Neuntes
[376]Neuntes Buch. Von dem Untergange

Neuntes Buch.
Von dem Untergange erworbener Rechte der
Voͤlker gegen einander.


§. 334.
Untergang urſpruͤnglicher Rechte der Voͤlker.


Die urſpruͤnglichen Rechte der Voͤlker ſind ſo unzertrenn-
lich mit dem Weſen derſelben verknuͤpft, daß ein Volk ſelbige
nicht in ihrer ganzen Ausdehnung verlieren kann, ohne auf-
zuhoͤren ein freyes Volk zu ſeyn; aber es kann Theile dieſer
Rechte durch Vertraͤge zum Beſten eines anderen Staats
aufopfern, oder ſich einſchraͤnken laſſen; auch koͤnnen Ver-
letzungen deſſelben berechtigen dieſe zu kraͤnken.


§. 335.
Untergang erworbener Rechte 1) erworben durch Occupation.


Rechte welche eine Nation durch Occupation erworben
hat, koͤnnen fuͤr ſie wie fuͤr Privatperſonen verloren gehn
1) durch den Untergang des Gegenſtands derſelben; 2) durch
Dereliction, ſo fern dieſe mit hinreichenden Zeichen der Ab-
ſicht nicht mehr Eigenthuͤmer zu ſeyn verbunden iſt; 3) durch
Uebertragung auf einen andern. Wiefern aber 4) der bloße
unwillkuͤhrliche Verluſt des Beſitzes, die entferntere Hofnung
zu demſelben wieder zu gelangen, der bloße Nichtgebrauch
den Verluſt ſolcher Rechte nach ſich ziehn koͤnne, iſt aus dem
zu beurtheilen was oben von den Gruͤnden des Eigenthums
(§. 29 u. f.) und von der Verjaͤhrung bemerkt worden.


§. 336.
2) Durch ausdruͤckliche Vertraͤge.


Wiefern Vertragsrechte erloͤſchen oder aufgehoben wer-
den koͤnnen, iſt zwiſchen Voͤlkern nach eben den Grundſaͤtzen
wie zwiſchen Privatperſonen zu beurtheilen.


Der
[377]erworbener Rechte der Voͤlker gegen einander.

Der Vertrag erliſcht wenn die reſolutoriſche Bedingung
eintritt, oder die beſtimmte Zeit abgelaufen iſt, dafern nicht
derſelbe entweder ausdruͤcklich, oder ſtillſchweigend erneuert
oder verlaͤngert wird.


Eine gaͤnzliche Veraͤnderung derjenigen Umſtaͤnde, welche
den Grund des Vertrags enthalten, macht den Vertrag
unverbindlich, obwohl wenn ſie durch Schuld des einen Theils
ſich zugetragen, dafuͤr oft von dem andern Entſchaͤdigung
gefordert werden kann. Eben dieß tritt ein, wenn der Ge-
genſtand des Vertrags aufhoͤret zu ſeyn, oder veraͤndert wird.
Daß auch eine Verbindlichkeit durch Erfuͤllung derſelben er-
loͤſchen koͤnne leidet keinen Zweifel.


Mit gegenſeitigen Willen der Contrahenten, er ſey
ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend erklaͤret, kann zwar jeder
Vertrag aufgehoben werden, aber einſeitig hat der Regel
nach kein Theil das Recht von einem guͤltigen und verbind-
lichen Vertrage abzugehn. Nur dann kann er es, wenn
entweder ſeine Selbſterhaltung es erfordert, oder der Gegen-
theil zuerſt von dem Vertrage abging. Nicht jede Ver-
letzung eines Artikels a) eines Vertrages berechtiget den
Gegentheil ſofort von dem Vertrage abzugehn, ſie giebt ihm
nur zunaͤchſt das Recht auf die Erfuͤllung des Vertrags zu
dringen, oder ihn in ſo weit zu verletzen, als es zu ſeiner
Genugthuung nothwendig iſt. Da aber alle Hauptartikel
eines Vertrags in einer natuͤrlichen Verbindung ſtehn, nach
welcher unabhaͤngig von ihrem Inhalt jeder die Erfuͤllung
der uͤbrigen zur Bedingung hat, ſo kann der Verletzte ſtuffen-
weiſe bis zur Aufkuͤndigung des ganzen Vertrags gehn, falls
er nicht auf dieſes Recht Verzicht geleiſtet hat (§. 260. c).


Wird von mehreren Vertraͤgen einer verletzt, ſo hoͤren
zwar dadurch die uͤbrigen nicht ſofort auf verbindlich zu ſeyn,
es iſt auch weit nicht immer zwiſchen ihnen eben die Verbin-
dung, die zwiſchen mehreren Artikeln ein und deſſelben Ver-
trags beſteht. Da aber der beleidigte Theil das Recht hat
dem andren ſo viel vollkommene Rechte zu kraͤnken als ſeine
Genugthuung erheiſcht, ſo kann eine Macht wegen der Ver-
A a 5letzung
[378]Neuntes Buch. Von dem Untergange ꝛc.
letzung eines Vertrags auch auf den Fuß der Repreſalien einen
anderen Vertrag brechen und ſeinen Mitcontrahenten ſelbſt
aller aus anderen Vertraͤgen herfließenden Rechte berauben.


Vertraͤge die zwiſchen mehreren Contrahenten geſchloſſen
worden, hoͤren dadurch daß ein Theil ſich von ſelbigen ent-
fernt nicht auf fuͤr die uͤbrigen Mitglieder verbindlich zu
ſeyn, ſo lange dieſe noch zu deren Erfuͤllung faͤhig bleiben.



§. 337.
3) Durch ſtillſchweigende Vertraͤge.


Was von der Art ausdruͤckliche Vertraͤge zu endigen
geſagt worden, gilt auch von wahrhaft ſtillſchweigenden Ver-
traͤgen (§. 58) da nicht die Art der Erklaͤrung des gegen-
ſeitigen Willens, ſondern die Gewißheit deſſelben die Ver-
bindlichkeit der Vertraͤge beſtimmt.


§. 338.
Endigung der Gewohnheitsrechte.


Sofern endlich von bloßen Gewohnheitsrechten die
Rede iſt, ſo behaͤlt jede Macht das Recht ſie einſaitig auf-
zuheben, wenn ſie nur zeitig ihre Abſicht ausdruͤcklich oder
ſtillſchweigend zu erkennen giebt; daß noch vielmehr mit ge-
genſeitiger Bewilligung der Voͤlker Gewohnheitsrechte auf-
gehoben und abgeaͤndert werden koͤnnen leidet keinen Zweifel.
Nach der natuͤrlichen Unabhaͤngigkeit der Voͤlker aber koͤnnen
ſolche Veraͤnderungen, welche von einigen Maͤchten beliebt
werden, die uͤbrigen zu einer gleichen Abaͤnderung nicht
noͤthigen, dafern nicht die bisherige Gewohnheit dem ſtrengen
aͤußeren Voͤlkerrecht entgegen, und daher als unerlaubt und
beleidigend zu betrachten iſt a).



Regiſter.
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
[]
[...]
Notes
*)
Moniteur 1795. n. 217.
Notes
a)
S. wider Puffendorffelem. iur. vniv. L. I. §. 24‒26. und ins
naturae et gentium
L. II. c. III. §. 23. Racheliusde iure naturae
et gentium diſſertationes
. Kilon. 1676. 4. J. W. Textorſynopſis
iuris gentium
1680. cap. I.
u. a. Vergl. v. Ompteda Litte-
ratur des Voͤlkerrechts Th.
I. §. 69 u. f.
a)
Einige nennen dieſes das auswaͤrtige Staatsrecht; ein nicht
unpaſſender Ausdruck, wenn man dabey nur nicht vergißt, daß es
nicht, wie das eigentliche Staatsrecht, auf Grundgeſetze und Grund-
herkommen, ſondern auf aͤchte Quellen des Voͤlkerrechts beruhe.
b)
Der Unterſchied, der im poſitiven buͤrgerlichen Rechte zwiſchen Her-
kommen und Gewohnheit gemacht wird, paßt auf das Voͤlkerrecht
nicht, daher hier und im folgenden dieſe Ausdruͤcke gleichfoͤrmig
gebraucht werden. Aber zwiſchen einem bloßen Herkommen oder
Gewohnheit, und einem ſtillſchweigenden Vertrag iſt ein weſent-
licher Unterſchied, der aus dem folgenden erhellen wird.
a)
Es giebt zwar wohl Beyſpiele, daß zwey Voͤlker einen von dritten
Maͤchten geſchloſſenen Vertrag auch gegen einander gelten zu laſ-
ſen verſprochen haben, wie z. B. Spanien und Portugel in dem
2ten Artikel ihres Tractats von 778 den zwiſchen Großbritannien
und Spanien 1667 geſchloſſenen Tractat auch gegen einander zu
beobachten verſprochen, aber wer ſieht nicht, daß hier ein neuer
Vertrag ſey. — Wenn der Koͤnig von Preußen als er 78 der
bewaffneten Neutralitaͤt beytrat, ſich erklaͤrte, daß er den 11ten
Artikel des Handelstractats zwiſchen Großbritannien und Ruß-
land wegen Beſtimmung der Kriegscontrebande auch in ſeinem
Verhaͤltniß gegen Großbritannien, Spanien und Frankreich gel-
ten laſſen wolle, ſ. m. Recueil des traités T. II. p. 131. ſo konnte
dieß, wohl nur entweder mit Bewilligung dieſer Maͤchte, oder in
der Vorausſetzung geſchehen, daß dieſer Artikel genau mit dem
allgemeinen Voͤlkerrecht uͤbereinſtimme, oder daß hier nur von
einer Verbindlichkeit auf preußiſcher Seite die Rede war.
b)
Selbſt von dem Syſtem der bewaffneten Neutralitaͤt, laͤßt ſich
dieß, auch nur in Hinſicht der Seemaͤchte, auch wenn man Groß-
britannien abrechnet, nicht behaupten, ob wohl ſonſt die uͤber die-
ſes Syſtem errichteten Vertraͤge einem ſolchen, durch Zuſammen-
ſetzung hervorgebrachten, allgemeinen Vertrage am naͤchſten kom-
men. S. m. Eſſai concernant les armateurs les priſes et les repriſes
Cap. III.
§. 59.
c)
Man braucht nur wenige Handels- und Kriegsbuͤndniſſe nach der
Zeitfolge zu durchblaͤttern, um ſich zu uͤberzeugen, wie oft aͤltere
Vertraͤge in einzelnen Artikeln den neueren zum Muſier gedient
haben, ſo, daß daraus ſelbſt fuͤr die Zukunft eine herkommliche
Art zu contrahiren erwachſen iſt. Auch ſcheint nichts natuͤrli-
cher, als bey Schließung eines Vertrags, andere Vertraͤge aͤhnli-
cher Art zum Grunde zu legen. So geſchieht es ſelbſt oft im buͤr-
A 3gerli-
[6]Einleitung.
gerlichen Rechte, daß eine Wechſel-See- oder Aſſecuranz-Ord-
nung in andern Laͤndern bey Abfaſſung ſolcher Geſetze zum Muſter
genommen, wohl gar hin und wieder abgeſchrieben wird, oder
daß ſich aus ſelbigen eine Kaufmanns Uſançe bildet. S. a. mein
Programm von der Exiſtenz eines poſitiven europaͤiſchen Voͤl-
kerrechts und dem Nutzen dieſer Wiſſenſchaft.
Goͤttingen 1787. 4.
a)
Dieſe Benennung ſcheint immer noch die paſſendſte zu ſeyn, wenn
ſchon in Europa ein Volk, die Tuͤrken nehmlich, in vielen Punc-
ten daſſelbe nicht beobachtet, und außerhalb Europa die vereinig-
ten Staaten von Ametika ſich ſelbſt zufolge ihrer ausdruͤcklichen
Erklaͤrung demſelben gemaͤß betragen. Dieſe Benennung bleibt
darum à potion immer richtig, und ſcheint zweckmaͤßiger, als die
des Voͤlkerrechts civiliſirten Nationen, welche zu unbeſtimmt
iſt, zumahl es außerhalb Europa Voͤlker giebt, denen man die
Eigenſchaft civiliſirter Nationen nicht abſtreiten kann, ob ſie
gleich unſer Voͤlkerrecht nicht angenommen haben.
a)
Wolfius gentium. Proleg. §. 7. u. f. Vergl. Vatteldroit des
gens
. Prelim
. §. 21.
b)
v. Ompteda Abhandlung von dem Begriffe des Voͤlker-
rechts
, in deſſen Litteratur Th. 1. §. 3.
a)
C D Ritterde fecialibus populi Romani. Lipf. 1732. 4. F. C.
Conradide fecialibus et iure feciali populi Romani. Helmſt. 1734. 4.
b)
Tyge Rothe Wirkung des Chriſtenthums auf den Zuſtand
der Voͤlker in Europa
1775. u. f. Th. I‒IV. 8.
a)
Cicerode officiis Lib. III. c. 5 §. 1. Inſt. de Iure nat. Gent. et civ.
l. 1. §. 3. l. 9. D. de iuſt. et iure l. 1. D. de acq. rerum dominio.

Vergl. v. Ompteda Litteratur Th. l. S. 140 ‒ 161.
b)
Barbeyractraité de la morale des peres de l’Egliſe.Schmauß
Geſchichte des Rechts der Natur
S. 73 u. f.
c)
Joh. Oldendorp (Prof. zu Marburg + 1567) Iſagoge iuris naturae
gentium et ciuilis. Colon.
1539. 8.
d)
N. Hemmingius (Prof. zu Copenhagen) apodictica methodus de
lege naturae. Witeb.
1562.
e)
Albericus Gentilis, geboren zu Mark-Ancona, fluͤchtete der
Religion wegen nach England, wo er als Profeſſor zu Oxfort
1611 ſtarb; von ſeinen Schriften gehoͤren folgende Abhandlungen
hieher: De legationibus L. III. Oxon. 1585. 4. Hanov. 1596.
1607. 4. De iure belli commentationes Lib. III. Oxon. 1588.
Hanov. 1598. 1612. 8. De iuſtitia bellica Oxon. 1590. 4. Rega-
les diſputationes tres. Lond. 1605. 8. Hanov. 1605. 8. Alt. 1662 8,
Helmſt.
1669. 4.
f)
Hugo de Groot geboren zu Delft 1583. Aduocatus fiſci
1600, Fiſcal von Holland 1607, Penſionarius zu Rotterdam
1613, nach mancherley Schickſalen ſchwediſcher Geſandte in
Frankreich 1635 + 1645. Sein Leben findet ſich faſt vor allen Aus-
gaben ſeines Werks uͤber das Recht des Kriegs und Friedens,
inſonderheit vor der Barbeyracſchen Ueberſetzung deſſel-
ben,
und in Schroͤcks Abbildung und Beſchreibung beruͤhm-
ter Gelehrten
B. II. S. 257 ‒ 376.
g)
Dieſes Werk erſchien zuerſt zu Paris 1625. 4. Von den uͤbrigen
Ausgaben ſ. des Frherrn v. Ompteda Litteratur des Voͤl-
kerrechts
Th. II. S. 392. §. 122.
h)
1) Einige wurden deſſen Commentatores wie J. von Felden,
Graswinkel, Boͤckler, Tesmar, Obrecht, Oſian-
der, Ziegler, Gronovius, Simon, Waͤchtler

u. a. und I. C. Becmann gab heraus: Grotius cum notis variorum
Francf.
1691. 4. 2) Andere, wie ſein Bruder Wilh. Gro-
tius, G. A. Kulpis, Scheffer, Klenk, Vitria-

rius,
[11]Einleitung.
rius, J. P. Muͤller machten Auszuͤge aus demſelben, Ta-
bellen u. ſ. f. 3) Ueberſetzt ward er ins Hollaͤndiſche zu Har-
lem 1635 und beſſer 1705. 4; ins Franzoͤſiſche durch Courtin
Paris 1637, und weit beſſer durch Barbeyrac, der ihn mit No-
ten herausgab. Amſt. 1724. T. I. II. 4to; ins Engliſche zu Lon-
don 1654. 1682. fol. 1715. 8; ins Teutſche durch Schuͤtz
1704. 4; nachmals zu Frankfurt 1709. fol; auch ins Daͤniſche,
ins Schwediſche u. ſ. f.
i)
Thomas Hobbes geboren zu Malmesbury 1588, + zu Hard-
wik 1679 ſchrieb Elementa philoſophica de ciue 1647. 12.
Amſt. 1669. 12. Leuiathan. Lond. 1651. fol.
Beyde in deſſen
opera philoſophica latina. Amſt. 1668. T. I-IV. 4.
k)
J Locke on civil Government in deſſen zuſammen gedruckten
Werken Th. II.
l)
Cumberland de legibus naturalibus commentatio in qua ſimul refu-
tantur elementa Hobbeſii Lond
1672. Franzoͤſiſch uͤberſetzt mit
Anmerkungen von Barbeyrac. Amſt. 1744. 4.
m)
Samuel L. B. de Puffendorf (geboren 1731 Prof zu Heidel-
berg. Zu Lund 1668, churbrandenburgiſcher Geheimderath
1690 + 1694). Elementa iuris naturae methodo mathematica Lugd.
Bat. 1660. 8. Ius naturae et gentium. Lond. Goth.
1672. 4. wel-
ches Werk Barbeyrac mit ſeinen Noten begleitet ins Franzoͤſiſche
uͤberſetzt herausgegeben. Amſt. 1724. 4. Baſel 1771. T. I. II. 4.
De officio hominis et ciuis Lond. Goth.
1673. 8.
n)
M. H. Gribner principiorum iurisprudentiae naturalis libri IV. Vi-
teb.
1710. 1715. 1717. 1723. vermehrt 1727. 1733. 1748. 8.
o)
Christian L. B. de Wolf (geboren 1679. Prof. zu Halle 1707.
Zu Marburg 1723 + 1754) ius gentium methodo ſcientifica per-
tractatum. Halae
1749. 4. kann ohne ſein ius naturae 1740 ‒ 1748.
T. I ‒ VIII 4to.
nicht wohl benutzt werden. Ein Auszug aus
beyden erſchien unter dem Titel: Inſtitutiones iuris naturae et Gen-
tium. Halae
1750. 8. wovon zu Halle 1754. 1769. 8. eine teutſche,
und zu Leyden 1772. 12. durch E. Luzac eine franzoͤſiſche Ueber-
ſetzung herausgegeben worden.
p)
T. Rutherforth inſtitutes of natural law, Cambridge 1754.
T. I. II.
8.
q)
J. J. Burlamaqui Principes du droit naturel Genêve 1747. T. I. II. 4.
Principes du droit de la nature et des gens avec la ſuite du droit de
la nature augmenté par Mr. de Felice T. I ‒ VIII. Yverdon
1766‒
1768. 8.
r)
Richard Zouchaeus iuris et iudicii fecialis, ſeu iuris inter Gentes
et quaeſtionum de eo explicatio. Oxon. 1650. 4. Lugd. Bat. 1654.
Hagae Com. 1659 12. Mogunt. 1661. 12 Hagae Com. 1759. 12.
s)
J. Wolfg Textoris Synopſis imis Gentium Baſil. 1680. 4.
t)
Ad Frid. Glafey Vernunft und Voͤlkerrecht. Frankfurt
1723. 4 dritte Ausgabe 1746; deſſen Voͤlkerrecht beſonders
und vermehrt Nuͤrnb. Frankfurt und Leipzig 1752. 4to.
u)
Emer. de Vattel (geb. 1714. churſaͤchſ. Legat-Rath und Mi-
niſter bey der Republik Bern 1746. Churſaͤchſ. Geheimde Rath
1758 + 1767). Le Droit des Gens ou principes de la loi naturelle
appliqués à la conduite et aux affaires des Nations et des Souverains
à Leide 1758. T. I. II. 4. 1758. T. I. III. 12. Nouvelle ed.
augmentée à Neufchatel 1773. T. I II. 4;
mit einigen Noten ver-
mehrt. Amſt. 1775. T. I. II. 4. mit einigen Verbeſſerungen, zum
Theil aus den Handſchriften des Verf. zu Baſel 1777. T. I ‒ III.
12 ohne dieſe Zuſaͤtze Neufchatel 1777. T. I ‒ III. 8. auch teutſch
durch J. P. Schulin uͤberſetzt. Frankf. u. Leipz. 1760. Th.
I. ‒ III. 8.
a)
G. W. L. Codex iuris gentium diplomaticus Hannoverae 1693. Man-
tiſſa
ibid. 1700. fol.
b)
J. J. Moſer Anfangsgruͤnde der Wiſſenſchaft von der
heutigen Staatsverfaſſung von Europa und dem unter den
europaͤiſchen Potenzen uͤblichen Voͤlker- und allgemeinen
Staatsrecht. Tuͤbingen 1732. 8. Entwurf einer Einleitung
zu dem allerneueſten Voͤlkerrecht in Kriegs- und Friedens-
zeiten
1736 in ſeinen vermiſchten Schriften Th II.Grund-
ſaͤtze des jetzt uͤblichen europaͤiſchen Voͤlkerrechts in Friedens-
zeiten 1750. 8. Grundſaͤtze des jetzt uͤblichen europaͤiſchen
Voͤlkerrechts in Kriegszeiten 1752. 8. Erſte Grundlehren
des jetzigen europaͤiſchen Voͤlkerrechts.
Nuͤrnberg 1778. 8.
Hernach fing er noch in hohem Alter ein ausfuͤhrlicheres Werk
unter dem Titel an: Verſuch des neueſten europaͤiſchen Voͤl-
kerrechts, vornehmlich aus Staatshandlungen
ſeit 1740.
1te Band 1777, und beendigte es mit dem Xten 1780 erſchie-
nenen Bande. Dazu folgten noch: Beytraͤge zu dem neueſten
europaͤiſchen Voͤlkerrecht in Friedenszeiten,
wovon 5 Baͤnde
1777 bis 1780 und: Beytraͤge zu den neueſten europaͤiſchen
Voͤlkerrecht in Kriegszeiten,
wovon 3 Baͤnde 1779 bis 1781 8.
erſchienen, aber der Tod uͤbereilte den ehrwuͤrdigen Greis vor
Vollendung dieſer Beytraͤge, die nebſt dem Verſuch viele, zum
Theil ſchaͤtzbare Materialien enthalten.
c)
G Achenwall, (deſſen ius naturae, wovon die erſten Ausgaben
gemeinſchaftlich von ihm und dem Geh. Juſtizr. Puͤtter Goͤtt.
1780 und 1752. 8. bearbeitet worden, zum 8tenmal 178 auf-
gelegt iſt), iuris gentium Europae practici primae lineae. Ein
Fragment eines Syſtems des europaͤiſchen Gewohnheitsvoͤlkerrechts,
deſſen Vollendung ſein 1772 erfolgter Tod verhinderte. I. I Ney-
ron
principes du droit des gens Europeeen conventionel et coutumier
à Brunſwic 1783 T.
1. 8. Der Zeitfolge nach: meine primae lineae
iuris Gentium Europearum practici Gott.
1785. 8. umgearbeitet
unter dem Titel: Principes du droit des gens moderne de PEu-
rope Gott 1789. T. I II.
8. C. G. Guͤnther (Churſaͤch-
ſiſche Geheime Secretair und Geheime Archivsregiſtrator:
Verfaſſer des Grundriſſes eines europaͤiſchen Voͤlker-
rechts.
Regensburg 1777. 8.) Europaͤiſches Voͤlker-
recht
in Friedenszeiten I. Theil 1787. II. Theil 1792. 8.
Moͤge
[14]Einleitung.
Moͤge die verſprochene Fortſetzung dieſes, ſowohl in Anſehung
der Methode, als der Ausfuͤhrung aͤußerſt ſchaͤtzbaren Werks
nicht lange mehr vergebens erwartet werden. C. H. von Roͤ-
mer
Voͤlkerrecht der Deutſchen.
Halle 1789. 8. Der Verf-
leugnet Abſchn. I. §. 3. die Exiſtenz eines poſitiven europaͤiſchen
Voͤlkerrechts, empfielt aber doch Abſchnitt III §. 4. das Stu-
dium deſſelben. J. C. L. Zechin Abhandlungen uͤber das
europaͤiſche Voͤlker, Kriegs- und Friedensrecht.
Halle 1793. 8.
ſcheint ſelbſt die Guͤntherſchen Schriften nicht gekannt zu haben.
a)
Die Abhaͤngigkeit der catholiſchen Staaten von dem Pabſt iſt
kein Einwurf wider ihre Souverainetaͤt, ſofern ihnen das ius
circa ſacra
(im Gegenſatz das iuris ſacrorum) unbeſchraͤnkt zuſteht.
b)
So iſt die Republik Raguſa unabhaͤngig, ob ſie gleich den
Großſultan als ihren Schutzherrn anerkennt; ſo waren es die
kleinen Fuͤrſtenthuͤmer Monaco, Bouillon, Henrichemont und
Boisbelle, obwohl unter dem Schutz der Koͤnige von Frankreich.
c)
Sofern man unter Tribut ein jaͤhrliches Loͤſegeld fuͤr die er-
kaufte Freyheit verſteht, ſofern giebt es jetzt keinen Staat in
Europa mehr, der im eigentlichen Sinn Tributar des andern
waͤre. Der ſogenannte Tribut den die Fuͤrſten der Moldau und
Wallachey dem Großherrn zahlen, hat mehr die Natur einer
Auflage als eines Tributs. In etwas kommen die jaͤhrlichen
Geſchenke, welche Frankreich, England, Spanien und nach
deren
[25]Allgemeine Verbindung der Europ. Staaten.
deren Beyſpiel Holland, Daͤnemark, Schweden u. a. den afri-
kaniſchen Staaten zu entrichten ſich nicht ſchaͤmen, dem Begriff
eines Tributs nahe. Die Raubfuͤrſten brauchen Gewalt, ſobald
die Geſchenke ausbleiben. ſ. Neues deutſche Muſeum 1791.
St. 1. S. 2. u. f. Nimmt man aber Tribut in weitlaͤuftigerem
Sinn fuͤr jede jaͤhrliche Geldpraͤſtation, ſo gehoͤren auch Sub-
ſidiengelder und die Lehngelder, welche der Pabſt von Neapel
fordert, hieher.
d)
Von den vielen Staaten die ehemals den Pabſt als Lehnherrn
anerkannten, iſt nur noch Neapel, obwohl unter mancherley
neueren Streitigkeiten Vaſall des Pabſts. Siehe den Lehneyd
in le Bret Vorleſungen uͤber die Statiſtik Th. II. S. 347. und
uͤber die neueren desfalls entſtandenen Streitigkeiten hiſtoriſch po-
litiſches Magazin
B. IV. S. 910. u. f. 1136. u. f. Maltha iſt ſeit
1529 ſicilianiſches Lehn. Preußens Lehnverbindung ward durch
den Velauer Vertrag 1657 und die Reverſibilitaͤt durch den Ver-
trag von 1773. art. 2. 3. 4. 5. Herzbergrecueil T. I. p. 396
u. f. 407. in der Note, aufgehoben. Von einzelnen Provinzen
und Orten, welche von andern zu Lehn gehen, giebt es ſelbſt
unter unabhaͤngigen Staaten weit mehr Beyſpiele. H. G. Schei-
demantel
diſſ. de nexu feudali inter gentes. Jen.
1767. 4. Noch
mehr unter den teutſchen Staaten.
e)
Der Unterſchied den hierauf Leibnitzinter ſuprematum et
potentatum
bauete, ſ. Caes. Fursteneriide ſuprematu princi-
pum
cap.
12. aͤußert zwar allerdings in facto große Wirkungen;
er ſcheint aber in der Theorie des Rechts nicht gegruͤndet zu ſeyn.
f)
Wie die Generalitaͤtslande in den Niederlanden, wie die Land-
vogteyen in der Schweitz.
a)
Dio Cassius Lib. LXXVIII. Spanhemiiorbis Romanus II. 5.
b)
HeinrichsIV. Project einer Univerſal-Monarchie, zerſtoͤrte
Ravaillacs Mordmeſſer. Der gutmeinende Abt von St. Pierre
rief in ſeinem Projet d’une paix perpetuelle dieſes Project wieder
hervor. J. J. Rousseau verſchoͤnerte den lieblichen Traum in
ſeinem extrait du projet d’une paix perpetuelle de l’abbé de St.
Pierre. Amſt.
1761. 8. Friedrich der Große belachte die Grille
Oeuvres poſthumes T. VI. p. 197. (Embſer) in Abgoͤtterey
unſers philoſophiſchen Jahrhunderts. Manheim 1779. 8. erſter
Abgott: ewiger Friede, nahm die Muͤhe ſie zu widerlegen.
Siehe auch (v. Lilienfels) neues Staatsgebaͤude, in drey
Buͤchern von L. Leipzig 1767. 4. Ueber die europaͤiſche Repu-
blik. Frankf. 1787. 8. Nouvel eſſai du projet de paix perpetuelle.
à Lauſanne
1789. 8. Hiſt. pol. Mag. B. II. S. 935.
a)
le Baron de Bielefeldinſtitutions politiques T. II. chap. IV. §. 14.
b)
J. J. Moſer Verſuch Th. 1. S. 3 u. f. hat die letztere vor-
gezogen; mir ſcheint unnatuͤrlich Schleſien, Holland, Bern, die
weltlichen Churfuͤrſtenthuͤmer, kleine Staaten zu benennen.
a)
Wie lange der Staat in dieſer ihm gefaͤhrlichen Mitte noch fort
exiſtiren, ob ſich noch Truͤmmer von ihm als Monarchie oder
Republik erhalten werden, das wird vielleicht bald nicht mehr
zweifelhaft ſeyn.
b)
L. B. de Meermannde ſolutione vinculi quod olim fuit inter S. R.
I. et foed. Belg. reſpublicas
. Lugd. B.
1774. 4.
c)
J. J. Moſer gerettete voͤllige Souverainetaͤt der Schwei-
zeriſchen Eydgenoſſenſchaft.
Tuͤbingen 1731. 4.
a)
Buͤſching Erdbeſchreibung Th. X. S. 571.
b)
Die Abtey und Stadt St. Gallen.
c)
Die Graubuͤnder, Wallis, Muͤhlhauſen, Genf.
d)
Buͤſching Erdbeſchreibung Th. X. S. 573.
a)
Inſonderheit Mayland, Mantua, Modena, Mirandola,
Maſſa-Carrara, Novellara, Montferrat. Moſer Ver-
ſuch
Th. I B. I. c. 1. §. 12. B. II. c. 1. §. 20. Vergl. Guͤn-
ther
B. I. S.
b)
le Bret Magazin Th. I. n. 2. S. 149 u. f.
c)
m. Recueil d. traités T. V. p. 120.
d)
ſ. die Unterwerfungsacte in hiſt. pol. Magazin 1793. April N. 8.
a)
Guͤnther Europ. Voͤlkerrecht Th. I. S. 120.
b)
J. J. Moſer teutſches Staatsrecht Th. 30. S. 76. Th. 35.
S. 187. Th. 37. S. 91. Th. 40. S. 77.
a)
Weder Handelsflotten, noch einzelne zu Bedeckung der Kuͤſten
oder zu Beſchuͤtzung der Handelsſchiffe unterhaltene Kriegsſchiffe
oder Fregatten, noch ſelbſt eine Galeerenflotte reichen in dieſem
Sinne zu einer Seemacht hin. In dieſer letzteren Ruͤckſicht iſt
auch der Pabſt nicht unter die Seemaͤchte zu zaͤblen.
b)
H. com. de Bunaude iure Imperatoris atque Imperii circa maria.
Lipſ.
1744. 4. beſonders §. 31.
c)
Doch genießen dieſe letzteren noch einiger Vorrechte die ſonſt
nur die Seemaͤchte ſich unter einander einzuraͤumen pflegen.
d)
E. C. de Hertzbergdiscours ſur la veritable richeſſe des états
1786. p.
16.
a)
Von Venedig ſ. le Bret Vorleſungen uͤber die Statiſtik
Th. I. S 230 u. f. uͤber Genua Loiſirs du Chevalier d’Eon
T. VI. p.
80.
b)
Pestelcommentarii de republica Batava. Lugd. B. 1782. 8.
a)
Wie dieſe beſtimmt ſey, lehrt das Staatsrecht der einzelnen
Reiche; doch verdient hier angemerkt zu werden, daß jetzt in
allen Erbreichen dem Mannsſtamm vor den weiblichen Nach-
kommen ein Vorzug eingeraͤumt ſey; entweder mit gaͤnzlichem
Ausſchluß der letzteren, wie bisher in Frankreich, und jetzt in
Schweden und Sardinien, oder ſo daß erſt nach Ausſterben des
Mannsſtamms in allen Linien die Prinzeſſinnen folgen, wie in
Daͤnemark, Spanien, Sicilien, Preußen, oder ſo, daß nur in
einer Linie der Mannsſtamm den weiblichen Deſcendenten vor-
geht, wie in Großbritannien und Ireland und in Portugal.
b)
Auffallende Beyſpiele neuerer Zeit liefert hiervon die ſpaniſche
Erbfolge nach dem Tode Carls II. und die Oeſterreichiſche nach
dem Tode Carls VI.
c)
Gemiſchte Erbfolge wird ſonſt insbeſondere diejenige genannt,
nach welcher der Thronerbe nicht ehe ein voͤlliges Recht auf
den Thron hat, bis er von der Nation beſtaͤdtiget worden.
Achenwallde regnis mixtae ſucceſſionis. Gottingae 1762. 4. Von
dieſer ehemals haͤufigen Art der Erbfolge haben ſich nur noch
hin und wieder ſchwache Spuren in den Kroͤnungsceremonien
einzelner Koͤnige erhalten.
d)
Dieß leugnet Schloͤtzer in: hiſtoriſche Unterſuchungen uͤber
Rußlands Reichsgrundgeſetze. Gotha 1777. 8. hingegen Buͤ-
ſching
i. ſ. Magazin
Th. X. u. Currius uͤber das ruſſiſche
Succeſſionsgeſetz, in Dohms Materialien 3te Lieferung be-
jahen es.
e)
Doch kann man wohl darum nicht mit Herrn NeyronPrincipet
du droit des gens
p.
97. den Tuͤrkiſchen Thron als das Patri-
monium des Mufti anſehen.
a)
Stoͤver hiſtoriſch-ſtatiſtiſche Beſchreibung des Gsmanni-
ſchen Reichs.
Hamburg 1784. 8. Le Bret Magazin der
Staaten- und Kirchen-Hiſtorie B. I N. 2. B II. N. 2.
b)
Die von fremden Maͤchten, inſonderheit von Schweden, abge-
tretene Provinzen, koͤnnen nicht deſpotiſch beherrſcht werden,
wenn den Vertraͤgen nachgelebt werden ſoll, die hier die Stelle
C 2von
[36]Erſtes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
von Grundgeſetzen vertreten; ſ. z. B. Nyſtaͤdter Friede 1721.
art. 9. 10. 11. Aboer Friede 1743. art. 8 9.
c)
Jos. Bastainſtitutiones iuris publici Neapolitani T. I. II. Napoli
1783. 8.
d)
Maximes du droit public T. I. II. 4. Boulainvilliers hiſtoire
des anciens parlemens avec 14 lettres ſur les aſſembleés des états
generaux.
Außer dem Rath den die aſſemblées des notables. und
der Einwilligung welche die états generaux ertheilten, waren in
den ſogenannten pays d’etats Provincial-Staͤnde, von deren
Rechten ſich noch ein Schatten, bis zur Revolution erhalten hatte.
e)
S. Roſemann Staatsrecht des Koͤnigreichs Ungarn.
Wien 1792. 8.
f)
Puͤtters Handbuch der teutſchen Staaten B. I. S. 157.
g)
Mein Grundriß der Staatsverfaſſung der vornehmſten Eu-
ropaͤiſchen Staaten
Th. I. S. 76.
h)
de Lolmeconſtitution de l’Angléterre neue (5te) Auflage 1790.
T. I. II. 8. cap. 5. auch mein Grundriß a. a. O. S. 138.
i)
Daher kann die franzoͤſiſche Conſtitution von 1791 nur kaum
noch mit dem Nahmen der Monarchiſchen belegt werden ſ. Tit.
III. art. 1. et Chap. II Sect. I Chap. III Sect. III.
in la Croix
conſtitutions des principaux Etats de l’Europe T. I. p.
346.
a)
Dahin gehoͤren alſo auch die ſogenannten gemiſchten Republi-
ken, in welchen der Senat zum Theil aus privilegirten Fami-
lien, zum Theil aus dem Volk zuſammen geſetzt iſt, wie der in
einzelnen der 7 Provinzen der vereinigten Niederlande aus Adel
und Staͤdten, Pestelcommentarii de rep. Batav. T. II. §. 184.
oder wie in Baſel, Solothurn, Schafhauſen, ſ. Leonh.
Meiſter Eydgenoͤßiſches Staatsrecht
1786. 8. Leu
Schweizer-Lexicon. B. S.
a)
Spittler Grundriß der Geſchichte der chriſtlichen Kirche.
3te Aufl. Goͤttingen 1791. 8.
a)
Von der beſondren zwiſchen den 7 Provinzen der vereinigten Nie-
derlande beſtehenden gleichen Geſellſchaft, iſt ſeit der Dortrechter
Synode faſt nur noch eine Ceremonie uͤbrig. Die Verbindung
des Corporis Euangelicorum und Catholicorum in Teutſchland, iſt
ganz andrer Art; ſie hat nicht die gemeinſchaftliche Ausuͤbung
der Kirchen Gewalt, ſondern die Vertheidigung der auf Grund-
geſetze, inſonderheit den weſtphaͤliſchen Frieden beruhenden Rechte
beider Religionstheile und ihrer Mitglieder zum Gegenſtand.
b)
Das Verzeichniß der Concordate iſt eingeruͤckt in le Bret Vor-
leſungen uͤber die Statiſtik
Th. II. S. 352 u. f.
a)
Selten iſt von den Rechten dieſer nur geduldeten Religionsſecten
im Voͤlkerrecht die Rede. Doch nahmen Großbritannien und
Holland ſich der in Boͤhmen bedraͤngten Juden 1745 an Moſer
Verſuch
Th. VI S 96. und Rußland, indem es ſich aller Diſſi-
denten in Polen ſeit 1764 annahm, ſchuͤtzte auch einzelne dieſer
chriſtlichen Secten mit, und ſchloß auch fuͤr ſie den 1ten Sepa-
rat Artikel des Vertrags von 1768 in m. Recueil T. I. p. 398.
a)
Die Grille von einer urſpruͤnglichen poſitiven Gemeinſchaft des
Eigenthums hat inſonderheit widerlegt Cocceji in Grotius illu-
ſtratus
L. II. cap. II.
§. 2.
b)
Es bedarf alſo hiezu keiner Einwilligung und keines Verzichts der
uͤbrigen Menſchen, wie Grotiusde iure belli et pacis L. II. c. 2.
§. 5. Puffendorffde iure naturae et Gentium L. IV. c.
4. §. 5.
annehmen; ſiehe Lockeon civil Government cap. 4. Feder
C 5Lehr-
[42]Zweytes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
Lehrbuch der practiſchen Philoſophie NaturrechtII. Haupt-
ſtuͤck I. Aſchn. §. 13.
a)
Barreyracnot. ad Puffendorff L. IV. c. 4. §. 4.
b)
Guͤnther E. V. R. a. a. O. S. 10. und die daſelbſt ange-
fuͤhrten Schriften. Daß das Land occupirt werden koͤnne, welches
nomadiſche Voͤlker inne haben behauptet Pfeffelprincipes du
droit naturel
L. III. cap. IV.
§. 21.
a)
Bulle Pabſt Nicolaus V. von 1454 in du Mont Corps D.
T. III. P. I. p.
200. Die Beſtaͤdtigungen Sixtus IV. von 1481.
Schmausscorp. iuv. Gent. T. I. p. 112. Alexander VI. 1493.
Schmauss T. I.
S. 130. du Mont T. III. P. II. p. 302.
b)
Vertrag zwiſchen Spanien und Portugal zu Tordeſillas 1494 vom
Pabſt 1506 beſtaͤdtiget. RoussetSuppl. T. II. P. I. p. 28. ſ. hie-
von uͤberhaupt Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 7. not. a.
c)
Siehe die engliſche Erklaͤrung gegen Spanien 1580, in Camb-
deni
Brit. annales ad h. a.
und dagegen das brittiſche Verfah-
ren als die Englaͤnder die Falklands-Inſeln verließen 1774. in
m. Recueil T. III. p. 252. Viele lehrreiche Beyſpiele hieruͤber
hat Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 13 u. f. angefuͤhrt. Auch
der neuere Streit zwiſchen England und Spanien uͤber den Han-
del nach Nutka-Sund gehoͤret hieher; ſ. Nouv. extraord. 1790.
n. 39. 39 ſupp. 47 ſ. 53 ſ. 55. 61 ſ. 62 ſ. 66 ſ. 68 ſ. 70 ſ. 79 ſ. 85 ſ.
a)
Beyſpiele von Anforderungen der Art ſ. in Moſer[Beytraͤ-
gen]
Th. V. S. 515. 521 556. Ueber die neueren Streitigkei-
ten Spaniens mit England, wegen der Beſitzungen an den weſt-
lichen Kuͤſten von Amerika; ſ. hiſt. pol. Magazin 1790. B. II.
S. 182.
b)
Zuweilen ſind durch Vertraͤge Landdiſtricte, oder Inſeln fuͤr neu-
tral erklaͤret worden Z. B. zwiſchen Großbritannien und Frank-
reich im Utrechter Frieden die antilliſchen Inſeln Lucia, St.
Vincent, Granada, Dominique und Tabago. Zwiſchen Spa-
nien und Großbritannien die Inſel Cortola. Moſer Ver-
ſuch
Th. V. S. 25. Beytraͤge Th. V. S. 97. 354. 452. 460.
a)
Dieß iſt nicht nur im zweifelhaften Fall die Regel, ſondern oft
iſt auch ausdruͤcklich in Grenzvertraͤgen die Mitte des Fluſſes zur
Grenze angenommen. Beyſpiele davon ſ. in Moſers Ver-
ſuch
Th. V. S 284. 288. 307. Guͤnther Europ. V. R.
Th. II. S. 20. not. b.
b)
Beyſpiele davon in und außerhalb Teutſchland; ſ. bey Guͤn-
ther
a. a. O. S. 21. not. c. und in den daſelbſt angefuͤhrten
Schriften, auch Moſers Verſuch Th. V. S. 229. Beytraͤge
Th. V. S. 237.
c)
Strauchiusde imperio maris cap. IV. §. 3. Buderde dominio
maris Sueuici
vulgo: lacus Bodamici. Jenae 1742. 4. p.
35. wel-
chem eine Deduction angehaͤngt iſt, unter dem Titel: Warum
dem Hauſe Oeſterreich von dem hochloͤblichen ſchwaͤbiſchen
Crayße das ſogenannte neuerlicher Dingen praͤtendirende Do-
minium Maris weder in petitorio noch in poſſeſſorio eingeſtan-
den werden koͤnne 1711. Moſer nachbarliches Staatsrecht
S. 440. Guͤnther Th. II. S. 55 u. f.
d)
Grotius B. II. c. 3. §. 17.
a)
Ehemahls behaupteten einige, das Eigenthum gehe ſo weit als die
Stimme eines Menſchen vom Ufer aus gehoͤret werden koͤnne, an-
dere ſo weit ein Wurfſpieß trage, andere beſtimmten willkuͤhrlich
eine Meilenzahl. Von dieſen verſchiedenen Meinungen und dem
heutigen Grundſatze ſehe man: Locceniusde iure maritimo in
Heinecciiſcriptores rei maritimae p. 921. Bodinusde republica
Lib. I. cap. 10. p.
170. d. Pariſer Ausgabe. Bynkershofkde
dominio maris
cap.
2.
b)
Pfeffelin principes du droit naturel L. III. cap. IV. §. 15. giebt
als jetzt herkoͤmmlichen Grundſatz die Entfernung von 3 lieues
an. Dieſer iſt [nach] in vielen Vertraͤgen angenommen, obgleich
keine Canone, zumahl uͤber See, ſo weit traͤgt.
a)
Die uͤber dieſe beruͤhmte Frage gewechſelte Schriften, ſind
geſammlet in Hagemeyerſylloge diſſertationum de imperio maris.
Francof.
1663. 12. und in CoccejiGrotius illuſtratus T IV.
b)
Das auffallendſte Beyſpiel hievon giebt das mittellaͤndiſche Meer,
zu der Zeit als die Roͤmer Herren ſeiner Ufer waren. Bynkers-
hoek
de dom. maris cap.
3.
c)
Z. B. Vertrag zwiſchen Spanien und Großbritannien 1790.
in m. Recueil T. III. p. 184.
a)
Polit. Journal 1783. S. 684.
b)
S. jedoch Guͤnther Th. II. S. 41.
c)
Dieſe 9 Meilen lange Meerenge iſt bey Helſingoͤr nur ½ Meile,
bey Kopenhagen aber 4 Meilen breit. Buͤſching Erdbe-
ſchreibung
Th. I. S. 120. Da wegen der Untiefen an der Seite
von Schonen alle Schiffe unterhalb der Canonen von Cronenburg
durchſegeln muͤſſen, ſo iſt auch ſchon in dieſer Ruͤckſicht Daͤnemark
Herr des Sundes. Daher behielt Schweden im Bromſebroeſchen
Frieden 1645. art. I. 14. ſich die freye Fahrt durch den Sund
und Belt aus.
d)
Seidenimare clauſum 1635 fol. und in Cocceji G. J. The So-
vereignty of the Britiſh ſeas in the year 1633. proved by records hi-
ſtory and the municipal laws of this Kingdom
by Sir John Bor-
roughs
1651. 12. Welwoodde dominio maris. Hagae Com.

1703. 8. Dagegen: Th Graswinkeliivindicatio maris liberi
aduerſus
G. Welwood. Hagae 1653. 4. C. v. Bynkershoek
diſſ de dominio maris.
e)
Die Schriften hieruͤber ſ. in Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 46.
f)
Guͤnther E. V. R. Th II. S. 47.
g)
Mare Balticum: i. c. hiſtorica deductio vtri regum Daniae ne an
Poloniae praedictum mare ſe deſponſatum agnoſcat 1738. 4. Anti-
mare Balticum 1639 4. Stypmann de jure marit. L. I. c. 6. n.
179. 358 ſq.
Daͤniſche Erklaͤrung vom Jahr 1781. in m. Re-
cueil
T. II. p.
84
h)
Z. B. Utrechter Frieden zwiſchen Frankreich und Portugal art.
10. 12. Vertrag zwiſchen Spanien und Großbritannien 1790.
m. Recueil III. 184. S. uͤberhaupt Moſers Nordamerica
Th. III.
a)
Grotiusmare liberum ſeu de iure quod Batauis competit ad Indica
commercia
1609. 8. und nebſt mehreren Schriften beym Hage-
meyer
und Cocceji.
b)
Span. Erklaͤrung vom 4. Jul. 1790. Hiſt. pol. Magazin 1790.
B. II. S. 182.
c)
Wiener Vertrag zwiſchen Geſterreich und Großbritannien 1731.
Rousset Suppl. T. II. P. II. p. 288, mit Beytritt von Holland
1732. ibid. p. 287.
a)
S. uͤberhaupt Vattel L. I. c. 22. §. 268. 275. Guͤnther Th.
II, S. 57. u. f. Von den Streitigkeiten zwiſchen Holland und
den Gen. Staaten, uͤber die Grenzen von Flandern und uͤber
das Eigenthum auf Hoogeplaat. S. den Vergleich vom 23 Febr.
1776. Pestelcommentarii §. 268.
a)
Grotius B. II. Cap. 15. §. 1. u. f. Vattel L. II. chap. XII. §. 154.
b)
Daß die teutſchen Reichsſtaͤnde das Recht haben, Staatsvertraͤge
einzugehn, iſt nach der teutſchen Reichsverfaſſung außer Zweifel.
W. Fr. art. VIII. §. 2. Wahlcap. art. VI. §. 4. Daß aber im
Mittelalter, wo die Begriffe von dem ausſchließlichen Rechte des
Souverains Buͤndniſſe zu ſchließen weniger entwickelt waren, auch
oft den Municipalſtaͤdten dieſes Recht nach dem Herkommen
zugeſtanden habe, lehren die haͤufigen Beyſpiele der Vertraͤge
auswaͤrtiger Maͤchte, inſonderheit mit den ſpaniſchen und nieder-
laͤndiſchen Seeſtaͤdten und mit der Hanſe.
c)
Moſer Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts S. 528.
a)
Eine eigene Schwierigkeit entſteht daher in Faͤllen von Revolu-
tionen, wenn die Autoritaͤt welche die Vollmacht ertheilet, noch
nicht anerkannt wird, wie dieß die Beyſpiele der niederlaͤndiſchen,
americaniſchen und franzoͤſiſchen Revolution gelehrt haben. Al-
les haͤngt hier von limſtaͤnden ab, und kann daher nicht wohl
auf Grundſaͤtze zuruͤckgefuͤhrt werden.
b)
So kann z. B. der roͤmiſche Kaiſer keinen Staatsvertrag fuͤr das
teutſche Reich ohne vorhergehenden Auftrag oder nachmalige Geneh-
migung d. Staͤnde guͤltig ſchließen. v. Steck Abmuͤßigungen S. 53.
c)
Daher kann auch ein durch Staͤnde nicht eingeſchraͤnkter Monarch
nichts wieder die Fundamentalgeſetze angehends fuͤr ſich allein
guͤltig verſprechen. Dieß wandten die franzoͤſiſchen Geſandten
wider die von Großbritannien geforderte Verzichtleiſtung Phi-
D 3lipps
[54]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
lipps V. auf die franzoͤſiſche Thronfolge 1711 ein; Memoires de
Torcy
T. III. p. 180. Memoires de Montgon T. II. p. 252. 491.
T. III. p.
70. Schmauß Einleitung in die Staatswiſſen-
ſchaft
Th. I. S. 389.
d)
Beyſpiele aus der roͤmiſchen Geſchichte findet man in Livius lib.
9. cap. 1. Chr. Thomasius diſſ. de ſponſione Romanorum Caudina.
Lipſ.
1684. 4. Ebenderſelbe de ſponſione Romanorum Numantina.
Lipſ.
1688. 4. Aus neueren Zeiten ſ. unter andren Vatteldroit
des gens
L. II. cap. XIV.
§. 212. Auch die Erklaͤrung des hollaͤn-
diſchen Geſandten bey der Reichenbacher Convention von 1790.
in m. Recueil T. IV. p. 568. gehoͤret hieher.
e)
Vattel §. 156. de Real T. V. p. 640. Heroldde ratificatione.
Lipſ. 1687. 4. de Meiernde iure ratihabitionis. Lipſ.
1724. 4.
f)
Mein eſſai concarnant les armateurs §. 41. not c. §. 61. not. y.
g)
Baſeler Friede zwiſchen Frankreich und Preußen 1795. art. 12.
Zwiſchen Frankreich und Spanien 1795. art. 17. Hiſt. pol. Ma-
gazin 1795. Auguſt.
h)
Hartmann progr. de variatione a pactis gentium ante ratificationes
illicito.
Kilon.
1736. 4. Viele Vertraͤge ſind (mit Recht oder
Unrecht) unratificirt geblieben. Grotius L. II. C XV. p. 617 Bey-
ſpiele aus der Geſchichte der Niederlaͤnder fuͤhrt an Kluithiſt.
fed. Belgii
T. II. p.
506. Aus der franzoͤſiſchen Geſchichte de Real
T. V. p.
644. Oeſterreich ratifieirte zwar den Frieden mit der
Pforte 1739, glaubte ſich aber nicht dazu verbunden zu ſeyn,
ſ. Laugierhiſtoire de la paix de Belgrade; auch die Haager Con-
vention von 1790 blieb unratificirt, ſ. Hertzbergrecueil. T.
III. p. 223. not. [✶]).
i)
The ſecret hiſtory of the armed neutrality p. 46. not. [✶]).
k)
Daher ward zwiſchen Frankreich und dem Koͤnig von Großbri-
tannien uͤber die Convention zu Kloſter Zeven vom Jahr 757
geſtritten, ob ſie als ein arrangement militaire, oder als ein Staats-
vertrag der Hoͤfe zu betrachten ſey. Teutſche Kriegscanzley
Th. IV. S. 634. Th. V. S. 558. Th. VI. S. 126. Th. VII. S.
922. Th. VIII. S. 4. Th. IX. S. 650. Moſer Verſuch Th. X.
Th. I. S. 185. u. f.
a)
Ein Beyſpiel von Anwendung dieſes Grundſatzes ſ. in m. Eſſai
concernant les amateurs
§. 65. p.
192. Vergl. §. 41. not. c. p. 117.
b)
Daß jetzt muͤndlich geſchloſſene Vertraͤge nicht mehr verbindlich
ſeyn behauptet Hr. Neyronde vi foederum, ſpeciatim de obliga-
tione ſucceſſ. ex foed anteceſſorum
§. 23, aber wie ich glaube,
ohne Grund, wenn gleich alle Vertraͤge ſchriftlich aufgeſetzt zu
werden pflegen, und einige Staaten z. B. die vereinigten Nie-
derlande uͤber keinen Vorſchlag einer fremden Macht berath-
ſchlagen, der ihnen nicht [ſchriftlich] vorgelegt worden. Daß
indeß auch ſie eine muͤndliche Erklaͤrung fuͤr verbindlich halten,
zeiget noch ein neueres Beyſpiel. Nouv. extr. 1785. n. 21.
22. ſuppl.
a)
Puffendorfins naturae et Gentium. L. III. cap. 6.
b)
Die Folgen dieſes Satzes, daß eine jede Nation, obwohl ſie
ihrer Seits ihren Einſichten gemaͤß zu handeln befugt iſt, doch
auch die Handlungen des Gegentheils nicht als erwieſen unge-
recht anſehn darf, aͤußern ſich 1) in der Behandlung des Geg-
ners als rechtmaͤßigen Feind waͤhrend des Kriegs, 2) in Beur-
theilung der Guͤltigkeit des mit ihm geſchloſſenen Vertrags.
a)
So ſind z. B. die gegenſeitigen Declarationen zwiſchen Daͤnemark
und Schweden 1772 in m. Recueil T. III. p. 248, zwiſchen Groß-
britannien und Frankreich 1787. e. d. S. 103. Zwiſchen Groß-
britannien und Spanien 1790. e. d. S. 166. Zwiſchen Preußen,
Oeſterreich und den vereinigten Niederlanden 1790. e. d. S. 170
und T. IV. S. 565. als wahre Vertraͤge anzuſehn. Je mehr
man in das Detail der einzelnen Verhaͤltniſſe zweyer Staaten
eindringt, je mehr wird man finden, daß ein betraͤchtlicher
Theil des particulair Voͤlkerrechts auf einſeitige von dem an-
dern Theil ausdruͤcklich oder ſtillſchweigend angenommene Er-
klaͤrungen, Reverſe u. ſ. f. beruhe. Hierauf iſt wie mir ſcheint
von den Lehrern des Voͤlkerrechts noch nicht genug Ruͤckſicht
genommen worden. Eine eigene Form hat der Handelstractat
zwiſchen Rußland und Oeſterreich von 1785. in m. Recueil T. II.
p.
620, wovon vielleicht der Grund in dem Alternationsſtreit
der beiden Hoͤfe zu ſuchen iſt.
b)
Puffendorffdroit de la nature et des gens L. III. cap. 6. §. 6.
Grotius L. II. cap. XI. n. 6. cap. XII. n. 12. Vattel L.
§.
c)
Doch mußte Philipp V. von Spanien, als er Verzicht auf den
franzoͤſiſchen Thron leiſtete, auch der leſion enidente, enorme et
trè énorme
entſagen. S. die Renunciationsacte vom 12. Nov.
1712. in Actes et memoires de la Paix d’ Utrecht P. II. p. 164. be-
ſonders p. 185.
a)
Wenn daher eine Nation zweien Voͤlkern etwas verſprochen hat
was ſie nur einem halten kann, ſo geht der aͤltere Vertrag dem
juͤngeren vor; denn was ſie kraft des aͤlteren verſprochen hatte
war nicht mehr unter ihrer Diſpoſition. Dieß ſchuͤtzte Frankreich
vor als es nach dem Tode Carls VI. ſeine angeblich aͤltere Allianz
mit Baiern der uͤbernommenen Garantie der pragmatiſchen
Sanction vorzog. Eben daher konnten die Tuͤrken im Frieden
von 1774 der Kaiſerinn von Rußland nicht verbindlich verſpre-
chen, daß ihr Geſandter den Rang unmittelbar nach dem des
roͤmiſchen Kaiſers vor allen andren haben ſolle, da ſie dieſe
Stelle ſchon kraft des Vertrags von 1604. art. 20. 27. 1673.
art. 10. 1740. art.
1. dem franzoͤſiſchen Geſandten eingeraͤumt
hatten. Aus eben dieſem Grundſatze iſt auch eine Veraͤußerung
einer Sache die einem dritten gehoͤret nach dem Voͤlkerrecht ſo
wenig als nach dem Naturrecht guͤltig; aber zur Entſchaͤdigung
kann
[59]Von Vertraͤgen.
kann ſie verpflichten; Oeſterreich konnte daher in dem Worm-
ſer Tractat 1743 das ſchon an Genua veraͤußerte Marquiſat Fi-
nale nicht verbindlich dem Koͤnige von Sardinien verſprechen.
Aber die Entſchaͤdigung die er dafuͤr im Aachener Frieden er-
hielt war gerecht, obwohl ſehr unvollkommen ſ. Prelim. art.
VII. Def. art. XII.
b)
Merkwuͤrdig iſt es wie Friedrich II. uͤber dieſen Punct in der
Einleitung zu ſeiner hiſtoire de mon tems 1746 und anders 1775
ſeine Meinung geaͤußert hat, obwohl jene Trennung des Fuͤr-
ſten von ſeinem Volk in beiden Stellen zum Grunde liegt, ſ.
C. de Hertzberg memoire hiſtorique ſur la derniere année de la
vie de Frederic II.
1787. 8. S. 33. u. f. Vergl. mit S. 41 u. f.
a)
So ſind z. B. alle in Friedenszeiten geſchloſſene Cartels im zwei-
felhaften Fall als unter der ſtillſchweigenden Reſolutiv-Bedin-
gung des Friedens geſchloſſen anzuſehn, ſelbſt wenn eine Zahl
Jahre in ſelbigen ausgedruͤckt waͤre.
a)
Phaͤdon S. 219. Jeruſalem S. 53. u. f.
b)
Dahin gehoͤren inſonderheit manche Artikel der Friedens- und
Handels-Vertraͤge mit den Africanern. Aber auch in den Staats-
vertraͤgen der chriſtlichen Maͤchte unter einander fehlt es nicht
an Beyſpielen ſolcher Artikel, welche darum nicht als unnuͤtz
angeſehn werden koͤnnen.
c)
Kann man z. B. ſagen daß die Fuͤrſten von Ceylon eine natuͤr-
liche unvollkommene Verbindlichkeit haben mit den vereinigten
Niederlanden ausſchließlich Handel zu treiben? Ohne Ruͤckſicht
auf Colliſionen allerdings. Aber wenn man auf dieſe Ruͤckſicht
nimmt, ſo bleibt auch kein unvollkommnes Recht uͤbrig die Ge-
waͤhrung dieſes ausſchließlichen Handels zu fordern oder zu er-
warten, und darauf ſcheint es mir doch eigentlich anzukommen.
a)
Beyſpiele von den mehreſten dieſer Vertraͤge ſ. in Guͤnther
Voͤlkerrecht
Th. II. S. 92. u f.
b)
Die mehreſten Streitfragen welche uͤber ſolche Vertraͤge zwiſchen
Voͤlkern entſtehn koͤnnen, gehoͤren mehr in das Staats- als in
das Voͤlkerrecht, ſo fern es nemlich darauf ankommt, ob der
Regent berechtiget geweſen die Schenkung, den Kauf, den Tauſch
u. ſ. f. zu unternehmen.
a)
So zerfallen z. B. die Garantien der Verfaſſung eines Staats,
wenn dieſer ſeine Verfaſſung abaͤndert. Hatte das Buͤndniß
aber mit der Verfaſſung keine Verbindung, ſo kann es nicht
fuͤr erloͤſchen angeſehn werden, wenn z. B. ein halb ſouverainer
Staat unabhaͤngig, oder ein monarchiſcher eine Republik wird;
obwohl die vereinigten Niederlaͤnder nach erfochtener Freyheit
uͤber
[63]Von Vertraͤgen.
uͤber die Guͤltigkeit ihres Vertrags von 1495 mit England,
und uͤber die des Vertrags von 1544 mit Daͤnemark in Streit
geriethen, ſ. Kluithiſt. federum T. II. p. 490. Wenn auch da-
her die franzoͤſiſche Revolution mit Feſtſetzung einer republicani-
ſchen Verfaſſung endigen ſollte, ſo wuͤrden darum nicht alle
vorige Buͤndniſſe dieſes Staats mit den neutral gebliebenen
Maͤchten erloͤſchen. Decret des N. Conv. vom 17. Nov. 1793
in Hiſt. pol. Magazin B. XIV. S. 617.
b)
Z. B. welche die Behandlung der Unterthanen, ihrer Schiffe
und Guͤter im Fall eines Bruches zum Gegenſtand haben.
c)
Leibnitz Cod. iur. Gent. Vorrede.
a)
Wolfins gentium cap. VIII. §. 1022.
b)
Daß z. B. Frankreich den durch einen Neben- und Separat-
Artikel des Utrechter Friedens dem Koͤnige von Preußen aner-
kannten Majeſtaͤts-Titel, auch in nachfolgenden, ſelbſt uͤber
den Utrechter Frieden entſtehenden Kriegen nicht verweigern
wuͤrde, war voraus zu ſehn, ob aber darum mit Moſern be-
hauptet werden koͤnne, daß es dieß nicht duͤrfe, ſcheint mir
zweifelhaft ſ. deſſen Abhandlung von Verbindlichkeit der Frie-
densſchluͤſſe bey entſtehendem neuen Krieg
in ſ. vermiſchten
Abhandlungen
Th. I. n. 1. S. 24.
a)
Wiefern der Regent ſolche Vertraͤge eingehn duͤrfe, iſt aus
Grundſaͤtzen des allgemeinen oder poſitiven Staatsrechts zu
beurtheilen.
b)
Grotius L. II. cap. 16. §. 16. Vattel L. II. chap. 12. §. 190.
a)
Grotius L. II. c. XIV. §. 10. cap. XVI. §. 16. Neyronde vi foe-
derum inter Genteſ
. Gottingae
1778. 4.
b)
Buͤndniſſe Frankreichs mit Jacob II.; Familienpact von Frank-
reich und Spanien 1761.
a)
Offenbar iſt nicht jedes Buͤndniß ungleich, in welchem die ver-
ſprochene Summe der Huͤlfe ungleich iſt, weil die Ungleichheit
der Macht oder des Intereſſe hier das Gleichgewicht herſtellen
kann. Z. B. das Bourboniſche Familien-Pact von 1761 oder
die Allianz von 1785 zwiſchen Frankreich und den vereinigten Nie-
derlanden find nicht darum fuͤr ungleich zu halten, weil in jenem
Spanien, in dieſem die vereinigten Niederlande weniger Huͤlfe
als Frankreich verſprochen haben. Daß auf der andern Seite
auch die Vortheile ſehr ungleich ſeyn koͤnnen, wenn gleich die
Huͤlfe in gleicher Anzahl verſprochen waͤre, iſt offenbar.
a)
Grotius Lib. II. cap. XIII.
b)
Z. B. Friede zn Cambray zwiſchen Franz I. und Carl V. 1529.
de Real T. V. p. 660.
c)
Leibnitzcodex diplomaticus iuris Gentium in der Vorrede. Vat-
tei
. T. II. L. II. c. XV.
§. 223.
d)
Man findet noch Beyſpiele davon bey Gelegenheit des pyrenaͤi-
ſchen Friedens von 1659 ſ. Reboulethiſtoire du regne de Louis
XIV. T. III. p.
225, des ryswikiſchen Frieden 1697 art. 38, und,
vielleicht als das neueſte Beyſpiel, in dem von beiden Theilen
feyerlich beſchwornem Buͤndniſſe zwiſchen Frankreich und der Eyd-
genoſſenſchaft vom Jahr 1778. ſ. Moſer Verſuch B. VIII.
S. 287.
e)
Guͤnther Voͤlkerrecht Th. II. S. 153 u. f.
f)
So ſchickte z. B. bey Gelegenheit des Aachener Friedens Großbri-
tannien Geißel nach Paris zur Sicherheit fuͤr die Zuruͤckgabe von
E 2Cap.
[68]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Cap Breton. S. Aachener Friede art. IX. WenckCod. I. G.
T. II. p.
352.
g)
In dem Frieden zu Senlis 1493 zwiſchen Max. I. und Carl VIII.
wurden noch gegenſeitig Unterthanen zu Conſervatoren ernannt;
in dem Frieden zu Blois 1505 zwiſchen Frankreich und Arrago-
nien aber ward England zum Garant beſtellt.
h)
v. Steck von den Geißeln und Conſervatoren und dem Ur-
ſprung der Garantien
in deſſen: Verſuch uͤber verſchiedene
Gegenſtaͤnde
u. ſ. f. 1772. N. 5. S. 48. NeyronEſſai ſur les
garanties.
à Gottingue
1777. 8.
i)
Toutes les garanties, ſagt Friedrich der Große in ſeiner hiſtoire
de mon tems. Oeuv. poſth. T. I. cap. 9. p. 229. ſont comme de l’ou-
vrage de filigrane, plus propres à ſatisfaire les yeux, qu’à être de
quelque utilité.
a)
S. z. B. Allgem. Geſch. der vereinigten Niederlande Th. VII.
S. 247.
b)
S. z. B. die Vertraͤge vom 1. Oct. 1777. und 1. Maͤrz 1778.
zwiſchen Spanien und Portugal, in m. Recueil T. I. p. 634. 709.
c)
So wollten z. B. die vereinigten Niederlaͤnder 1784 die Anfor-
derungen, welche der Kaiſer auf Maſtricht aus dem mit ſeinem
Vorgaͤnger dem Koͤnige von Spanien von den vereinigten Nie-
derlanden 167 [...] errichteten Buͤndniſſe machte, dadurch widerle-
gen, daß dieſer Vertrag beym Aachener Frieden 1748 nicht er-
neuert worden.
d)
Ob durch den Aboer Frieden von 1743 der Nyſtaͤdter Friede
von 1721 erneuert worden, daruͤber ward ſeit 1749 zwiſchen
Rußland und Schweden geſtritten, und auch der Friede von
1790 hat dieſen Streit nicht entſchieden. Moſer Verſuch
Th. VI. S. 391 u. f.
e)
Wenn daher in dem Art 12. des Teſchner Friedens zwiſchen Oeſter-
reich und Preußen von 1779, dem das Reich beygetreten, die weſt-
phaͤliſchen Friedensſchluͤſſe beſtaͤdtiget und erneuert worden, als
ob ſie demſelben von Wort zu Wort einverleibt waͤren, ſo kann
Rußland, des den Teſchner Frieden garantirte ſich darum nicht
als Garant der ganzen weſtphaͤliſchen Friedensſchluͤſſe anſehn.
Nur wenn zwiſchen Preußen und Oeſterreich uͤber Verletzung des
weſtphaͤliſchen Friedens Streit entſtuͤnde, koͤnnte die ruſſiſche
Garantie aufgefordert und geleiſtet werden. Ueber dieſe wich-
tige Frage, welche Moſer in ſ. Teſchner Friedenſchluß mit
E 5Anmer-
[70]Zweytes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
Anmerkungen S. 148. zuerſt aufgeworfen, ſind nachmals in-
ſonderheit folgende Schriften erſchienen: (v. Roth?) Frage:
iſt die Kaiſerinn von Rußland Garant des weſtphaͤliſchen Frie-
dens. Frankf. u. Leipzig 1791. 8. Unpartheyiſche Pruͤfung der
Frage: ob die Kaiſerinn von Rußland durch den Teſchner Frie-
den die Garantie des weſtphaͤliſchen Friedens erhalten habe.
Frankf. und Leipzig 1791. 8. Unpartheyiſche Gedanken uͤber die
vom churtrierſchen Hofe geſchehene Anrufung der Kaiſerinn von
Rußland, um Unterſtuͤtzung gegen die Eingriffe Frankreichs.
Frankfurt und Leipzig 1792. 8. Auch eine Beantwortung der
Frage: Iſt die Kaiſerinn von Rußland Garant der weſtphaͤliſchen
Friedensſchluͤſſe 1793. 4. (Wackerhagen) Verſuch eines Be-
weiſes daß die Kaiſerinn von Rußland den weſtphaͤliſchen Frie-
den weder garantiren koͤnne noch duͤrfe 1794. 8.
a)
Unter Wortzeichen werden diejenigen verſtanden welche dem
Herkommen nach gewiſſen Worten gleich gelten, z. E. das Aus-
ſtecken einer weiſſen Flagge in einem Seegefecht; dieß laͤßt ſich
aber nicht von allen Handlungen behaupten, aus welchen unſere
Einwilligung durch eine Schlußfolge hergeleitet wird, obwohl
auch dieſe den Beweis unſerer Gedanken enthalten, die ſich ohne
Worte nicht faſſen laſſen.
b)
Wenn z. B. das teutſche Reich Venedig beym weſtphaͤliſchen Frie-
den zum Vermittler angenommen, ſo liegt hierin eine ſtillſchwei-
gende Anerkenntniß der Unabhaͤngigkeit der Republik, ſo wie
die Unabhaͤngigkeit der vereinigten Niederlande dadurch von Sei-
ten des Reichs bewilliget worden, daß es im R. A. von 1654
gute Nachbarſchaft mit ſelbigen zu halten beſchloſſen. Beides
wirkt ein unwiderrufliches Recht fuͤr die Zukunft, da hier der
Rechtsgrundſatz: ad ſemel renunciata non datur regreſſus anwend-
bar iſt. Anders ſieht es hingegen aus, wenn aus einer ſolchen
Handlung eine bloße, wenn gleich noch ſo dringende, Vermu-
thung fuͤr die Zukunft erwaͤchſt. Z. E. aus der freywilligen Er-
theilung des Majeſtaͤts oder Koͤnigstitels u. ſ. f.
a)
So erklaͤrte der Koͤnig von Preußen den fremden Geſandten zu
Berlin 1750 daß er die Abreiſe des ruſſiſchen Geſandten ohne
Abſchied zu nehmen als einen Vorboten eines Bruches anſehe,
und Rußland betrachtete ſeiner Seits es als einen Beweis der
uͤblen Geſinnungen des preußiſchen Hofes, daß der ruſſiſche Ge-
ſandte zu einem Feſt in Charlottenburg nicht mitgebeten worden.
a)
So war es z. B. ehemahls Sitte daß vor Anfang des Kriegs die
Vertraͤge foͤrmlich aufgeſagt, und der Krieg dem Feinde foͤrmlich
angekuͤndiget werden mußte. Beides iſt jetzt nicht mehr uͤblich.
So war es ehemahls uͤblich Geſandte frey zu halten; jetzt iſt dieß,
und zwar zum Theil durch Vertraͤge, abgeſchafft, ſ. z. E. den
Friedensſchluß zwiſchen Rußland und Schweden 1721. art. 20.
a)
Grotius L. II. c. 4. Puffendorfde iure nat. et Gent. L. IV. c. 12.
Vattel L. II. cap. XI. Cuiacius ad l. 1. D. de uſucapione.
Fe-
der
Recht der Natur
Th. I. Cap. II. Sect. 1. §. 22. Cap. III.
§. 79. Guͤnther Th. II. S. 117.
b)
Grotius l. c. §. 9. Wolfius gent. §. 366.
c)
Selbſt der unvordenkliche Beſitz, ſofern hierunter nur ein ſolcher
verſtanden wird, von deſſen Anfang keiner der jetzt lebenden
Menſchen Wiſſenſchaft hat, iſt keine natuͤrliche Zeitbeſtimmung
zur Verjaͤhrung.
d)
I. G. Walther diſſ. de praeſcriptione inter liberas gentes ad Hug.
Grotii I. B. et P.
L. II. c. 4. §. 1—9. Witeb.
1751. §. 17.
Guͤnther Voͤlkerrecht Th. II. S. 131. u. f.
a)
Beyſpiele verſchiedener Art ſ. in Moſer Verſuch Th. V. S. 4.
u. f. Beytraͤge Th. I. S. 12. Th. V. S. 2. u. f. Guͤnther
Voͤlkerrecht
Th. II. S. 126. u. f. Memoires des commiſſaires de
S. M. T. C. et de ceux de S. M. Britannique ſur les poſſeſſions et
les droits reſpectifs des deux couronnes en Amerique T. I. P. I. II.
T. II. Amſt. et Leipzig
1755. 3 Baͤnde 8.
b)
Puͤtter Beytraͤge zu dem teutſchen Staatsrecht Th. I
S. 297.
a)
Guͤnther Th. II. S. 216. not. b.
b)
S. jedoch Hiſt. pol. MagazinV. Bd. S. 538.
a)
Dieß Recht haben die Staͤnde in Portugal ſich ausdruͤcklich vor-
behalten. S. die Schluͤſſe des Reichstags von Lamego; in
SchmauſſCorp. iur. gent. acad. p. 4. und das Manifeſt der Staͤnde
von 1641 in du MontCorps dipl. T. VI. P. I. p. 202. Auch das
Parlement in Großbritannien hat ſich das Recht in ſolchen zwei-
felhaften Faͤllen zu entſcheiden, und ſelbſt die Succeſſionsordnung
abzuaͤndern vorbehalten ſ. 6 Anna cap. 7. in m. Sammlung
von Reichs-Grundgeſetzen
Th. I. S. 941.
b)
I. H. Boͤhmerprincipia iuris publici vniuerſalis L. III. c. 4. §. 20.
Daß wenn einer der Praͤtendenten ſchon in Beſitz des Throns iſt,
die Nation dieſen vor andern anerkenne, kann der Klugheit ge-
maͤß ſeyn; aber ſchuldig iſt ſie dieß nicht immer ſ. Barbeyrac
in ſ. Noten uͤber Puffendorf L. VII. c. 7. §. 15. und uͤber Gro-
tiuſ
L. II. c. 7. §. 27. not.
4.
c)
So ward zu Anfang dieſes Jahrhunderts, die ſpaniſche Erb-
folge anfangs durch Partage Tractate, endlich durch die Frie-
densſchluͤſſe von 1713. 1714; nachmahls wieder die Erbfolge in
Sicilien und Sardinien durch die Vertraͤge von 1718. 1735,
die oͤſterreichiſche Erbfolge nach Carls VI. Tode durch den Aache-
ner Frieden 1748, die Bairiſche nach 1777 durch den Teſchner
Frieden 1779 theils feſtgeſetzt, theils beſtaͤdtiget.
d)
Vattel L. I. ch. V. §. 67.
a)
von Juſti ob die Proteſtationes der auswaͤrtigen Monar-
chen wieder eine auf die Wahl gebrachte Perſon zu Beherr-
ſchung eines Wahlreichs in dem Natur- und Voͤlkerrecht eini-
gen Grund haben; in deſſen hiſt. und juriſtiſchen Schriften

Th. I. S. 185.
b)
Wenn daher Frankreich zunaͤchſt nach der Kaiſer-Wahl Franz I.
ihn anzuerkennen weigerte, ſo hatte es ein anſcheinendes Recht
dazu, ſo lange einige Churfuͤrſten die Freyheit der Wahl anfoch-
ten, wenn es aber auch, nachdem der Widerſpruch von Pfalz
und Brandenburg gehoben war, dieſe Anerkenntniß bis zum
Aachener Frieden unter dem Vorwand verweigerte: qu’il n’étoit
pas de ſa convenance de reconnoitre Francois comme Empereur,
ſo
laͤßt ſich dieß ſchwerlich aus dem Voͤlkerrecht rechtfertigen.
c)
Wieviel hier indeß von Umſtaͤnden abhaͤnge, lehrt das Beyſpiel
von Polen nach dem Tode Auguſt II.
d)
Seit die Wahl der Paͤbſte unter Alexander III. aus den Haͤnden
des Volks und der Geiſtlichkeit in die der Cardinaͤle uͤbergegan-
gen iſt, cap. 6. X. de electione cap. 3. de elect. in 6to haben zwar
die roͤmiſchen Kaiſer nachdem ſie 1122 auf die Inveſtitur Ver-
zicht geleiſtet und der Beſtaͤdtigung der Wahl ſich enthalten,
außer dem Schutz den ſie dem Cardinalscollegium bey erledig-
tem Stuhl, aus einem Ueberreſt ihrer kirchlichen Vogtey, ange-
deihen laſſen, faſt kein vorzuͤgliches Recht vor andern Maͤchten
bey dieſer Wahl behalten ſ. W. Ottode iure Imperatoris circa
Electionem pontiſicis Romani
cap. 1.
Doch ſind ſie wie andre
große catholiſche Fuͤrſten, als Spanien, und bisher Frankreich, in
den Beſitz des Rechts einem auf die Wahl gebrachten Candida-
ten einmal die excluſiuam zu geben ſ. Moſer Staatsrecht
Th. III. S. 559 u. f. und der Streit ob dieſe vollkommen ver-
bindlich ſey iſt jetzt unerheblich; ſ. Haͤberlin roͤmiſches
Conclave
S. 153; G. L. Boͤhmerprinc. iur. Canon. § 496. auch
gewaͤhret einigen Maͤchten das einen mittelbaren Einfluß auf die
Wahl, daß der Kaiſer, Spanien, (bisher Frankreich) Ungarn,
Polen, Sardinien, Portugal das Ernennungsrecht und Vene-
dig das Vorſchlagsrecht eines Candidaten zum Cardinalshut ha-
ben ſ. Haͤberlin roͤmiſches Conclave S. 125, wenn ſchon
auch uͤber die Ausdehnung dieſes Rechts geſtritten wird ſ. Mo-
ſer
Staatsrecht
Th. IV. S. 7. Boͤhmerpr. iur. Can. §. 128.
und der auf die Weiſe vom Pabſt ernannte Cardinal nach der
bisherigen Praxis nicht Hoffnung hat Pabſt zu werden, oder,
wie einige behaupten, gar nicht waͤhlbar iſt; ſ. Roussetſupple-
ment
T. V. (cerem. dipl. T. II.) p.
4. Haͤberlin a. a. O.
S. 151.
e)
Wider den paͤbſtlichen Einfluß haben zwar die Churfuͤrſten durch
ihre Vereine dieſe Wahl ſo nachdruͤcklich geſchuͤtzt, daß das an-
maßliche paͤbſtliche Unterſuchungs-Beſtaͤdtigungs- und Entſchei-
dungsrecht jetzt nicht mehr wirkſam iſt, auch kann Ungarn,
Preußen, Großbritannien darum kein beſonderes Recht der Theil-
nahme an dieſe Wahl beygelegt werden, daß die Beherrſcher
dieſer Reiche in ganz anderer Eigenſchaft Churfuͤrſien des Reichs
ſind. Auch Frankreich und Schweden haben als Garants des
weſtphaͤliſchen Friedens nicht eher, als bis ſie rechtmaͤßig zu
Huͤlfe gerufen worden, ein Recht in das Wahlgeſchaͤft ſich einzu-
miſchen. Und wenn ſchon die ſtrenge Verordnung der goldenen
Bulle, nach welcher alle Fremde waͤhrend der ganzen Zeit der
Wahlverſammlung die Wahl-Stadt meiden ſollen, ſeit Maxi-
F 3milian
[86]Drittes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
milian II. nach und nach ſo gemildert worden, daß bis zu dem
Tage der Wahlfeyerlichkeit ſelbſt die Geſandten auswaͤrtiger
Maͤchte an dem Ort des Convents zugelaſſen werden, ſ. Buder
de legatis principum exterorum ad Electionem Imperatoris
in ſeinen
obſernationibus iuris n. 1. p. 23, ſo verſchaft doch dieß ihnen nicht
nur keinen Zugang zu den Wahlconferenzen ſelbſt, ſondern die
Zulaſſung der fremden Geſandten uͤberhaupt, ſelbſt des franzoͤ-
ſiſchen und ſchwediſchen, und noch mehr des Pabſts iſt nicht als
eine vollkommene Verbindlichkeit der Churfuͤrſten anzuſehn.
Gleichwohl ſind die Wahlen Carl VII. und Franz I. nicht die
einzigen die an fremden Einfluß und fremde Gewalt erinnern.
f)
Seitdem mit Ausſterben des Jagelloniſchen Mannsſtammes Po-
len ein Wahlreich wurde, war faſt jede Wahl ein Spiel des
Einfluſſes fremder Maͤchte, und doch konnte keine derſelben ein
beſonderes Recht fuͤr ſich anfuͤhren, bis der Grundſatz, daß Po-
len ein Wahlreich bleiben, nur ein Piaſte gewaͤhlt und der Sohn
des vorigen Koͤnigs erſt nachdem 2 andere Koͤnige vor ihm
regiert, ſolle gewaͤhlt werden koͤnnen, in Vertraͤgen mit auswaͤr-
tigen Maͤchten feſtgeſetzt, und die polniſche Conſtitution von frem-
den Maͤchten garantirt worden, (obwohl auch die aus dieſer
Garantie entſpringenden Rechte ihre natuͤrlichen Grenzen hat-
ten). S. Tractat zwiſchen Rußland und Polen 1768 art. V. in
m. Recueil T. IV. p 587. und den beygefuͤgten Actus ſeparatus ſe-
cundus. Leges Cardinales art. V.
e. d. S. 596. Traité entre l’Au-
triche et la Pologne 1773. art. VII.
e. d. S. 120. Traité entre la
Ruſſie et la Pologne 1773. art. VII. VIII.
e. d. S. 139. u. f.
Traité entre la Pruſſe et la Pologne 1773. art. IX. e. d. Th. I.
S. 494. und den in Gefolge dieſer Vertraͤge errichteten Acte ſe-
paré entre la Ruſſie et la Pologne
von 15. Maͤrz 1775. art. II.
n.
1. 2. 3. e. d. Th. IV. S. 144. u. f.
a)
Nur der Pabſt ſieht es als eine Schuldigkeit an, daß catho-
liſche Regenten ihm ihre Thronbeſteigung durch eine Obedienez-
oder wie man ſie in neueren Zeiten genannt hat, Reverenz-Ge-
ſandſchaft kund thun. Buderde legationibus obedientiae Romam
miſſis
Cap.
1. 2. Selbſt Joſeph II. unterwarf ſich dieſer Sitte.
b)
So ließ die Koͤniginn Ulrica Eleonora von Schweden dem
Czaar Peter I. ihre Thronbeſteigung 1719 kund thun, und er
antwortete darauf durch ein Gluͤckwuͤnſchungs-Compliment,
obgleich beide Staaten damahls im Krieg begriffen waren.
c)
So war es ſchon im vorigen Jahrhundert uͤblich, daß die ver-
einigten Niederlaͤnder einem Koͤnige von England zu dem An-
tritt ſeiner Regierung durch eine Geſandſchaft von 3 Perſonen
Gluͤck wuͤnſchen ließen, ſ. Memoires du comted’Avaux T. IV. p.
284. Die Republik Venedig ſchickt in dieſen Faͤllen einigen Koͤ-
nigen eine Geſandſchaft von 2 Perſonen, ſ. Moſer Verſuch
Th. III. S. 101. Beytraͤge zum E. Geſandſchaftsrecht S. 36.
d)
So geriethen Venedig und der Koͤnig von Sardinien 1774
daruͤber in Mißhelligkeiten, daß die Republik ihm nicht wie an-
dren Koͤnigen durch eine Geſandſchaft von 2 Bothſchaftern Gluͤck
wuͤnſchen wollte. Moſer Verſuch Th. III. S. 71. Beytraͤge
zum E. Geſandſchaftsrecht
S. 36. u. f.
a)
S. die §. 69. not. f) angefuͤhrten Vertraͤge.
b)
S. jedoch die ruſſiſche Erklaͤrung gegen Schweden von 1749 in
Adelung Staatshiſtorie B.VII. S. 46. u. f. und die Daͤni-
ſche e. d. S. 51.
c)
S die engliſche Erklaͤrung zu Anfang des gegenwaͤrtigen Krie-
ges, Hiſt. pol. Magazin B.XIII. S. 170. 171. 183. 226.
d)
Ob Rußland dieß 1789 in Schweden zur Abſicht gehabt, ſiehe
die gegenſeitigen Schriften in hiſt pol. Magazin B.IV. V. VI.
Was Frankreich in Holland im 17ten Jahrhundert gethan, zeu-
gen die Memoires d’Estrades und d’Avaux, was im 18ten waͤh-
tend der Revolution die Staatsacten mehrerer Reiche.
e)
Von großen Staatsveraͤnderungen welche ohne oͤffentliche Theil-
nahme fremder Maͤchte erfolget ſind, lieferte Daͤnemark 1660,
Schweden 1772. 1789 Beyſpiele.
f)
So wurden Frankreich und Schweden Garants des weſtphaͤli-
ſchen Friedens; Preußen, Oeſterreich, Rußland der polniſchen
Conſtitution von 1775. Frankreich, Sardinien, Bern, Garants
der Genfer Pacification von 1781.
g)
Friedensſchluͤſſe zwiſchen Frankreich und dem Reich 1648, 1679,
1697. Zwiſchen Schweden und Rußland 1721. 1743.
h)
Wiefern iſt aber ein kleiner Theil der Nation, hiezu berechti-
get, zumahl wenn ſein ius quaeſitum nicht verletzt, ſondern er nur
uͤberſtimmt worden? Wiefern ſind es ein paar unruhige Koͤpfe?
i)
Moſer Abhandlungen verſchiedener Rechtsmaterien St. 1‒4.
Erklaͤrungen gegen Polen 1792 in Hiſt. pol. Magazin B.XI.
S. 585.
a)
Z. B. die Schweiz von Oeſterreich und dem Reich, die Nie-
derlaͤnder ſeit 1581, Portugal ſeit 1641 von Spanien, die
brittiſchen Colonien in America ſeit 1776 von Großbritannien,
die oͤſterreichiſchen Niederlande 1790 von Oeſterreich.
b)
Ueber aͤltere Beyſpiele ſ. C. G. Heyne progr. reges a ſuis fugati
externa ope in regnum reducti
. Gott. 1791. fol.
Die mittlere Ge-
ſchichte liefert viele Beyſpiele ſolcher Thronentſetzungen, zum
Theil ohne Einmiſchung fremder Maͤchte. Aus der neueren
Geſchichte iſt die Ausſchließung Jacobs II. und ſeiner catholi-
ſchen Deſcendenten und Agnaten von dem brittiſchen Thron 1688
in Anſehung des Betragens auswaͤrtiger Maͤchte, inſonderheit
Frankreichs, Spanien, Venedigs, des Pabſts eines der lehrreich-
ſten fuͤr dieſe Frage.
c)
Beyſpiele einer gewaltſamen Staatsumwaͤlzung liefern Vene-
dig 1298. England 1649. Frankreich ſeit 1792.
d)
Hieher gehoͤren inſonderheit, in Anſehung des erſten Falles, die
gegenſeitigen Garantien der Beſitzungen welche in neueren Zei-
ten ſo haͤufig geworden; in Anſehung des zweyten, die perſoͤnli-
chen Vertraͤge, wie die Buͤndniſſe Frankreichs mit Jacob II, das
bourbonſche Familien-Pact von 1761, auch einige Garantien
der Erbfolge wie die der Brittiſchen im Utrechter, der Oeſter-
reichiſchen
im Aachener Frieden; in Anſehung des dritten die
Garantien der Conſtitution.
e)
Was dieß fuͤr Faͤlle ſeyn, iſt aus den Grundſaͤtzen des allgemei-
nen und poſitiven Staatsrechts zu beurtheilen; oft ſind die voll-
kommenen Rechte gegen den Regenten noch durch die Pflichten
der Nation gegen ſich ſelbſt beſchraͤnkt. Die Eroͤrterung dieſer
Frage liegt außerhalb der Grenzen unſerer Wiſſenſchaft.
f)
Achenwallde iure in aemulum regni vulgo: Praetendentem. Marb.
1747. 4. v. Steck von Erkennung der Unabhaͤngigkeit einer
Nation in deſſen Verſuche 1783 n. 8. S. 49. u. f. Guͤnther
europ. Voͤlkerrecht
Th. I. S. 78. u. f. Sehr natuͤrlich kommt
auch hier manches auf die Umſtaͤnde und auf den Grad der
Hoffnung
[92]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Hoffnung an, alles noch auf den vorigen Fuß zuruͤck zu bringen.
Daß aber der Verzicht des Anſpruch machenden Theils ſchlech-
terdings vorhergehen muͤſſe, ehe das Voͤlkerrecht erlaube den
Gegentheil anzuerkennen, davon kann ich mich nicht uͤberzeugen.
g)
Z. B. das teutſche Reich die Unabhaͤngigkeit der Schweiz und
der vereinigten Niederlande 1648. 1654, Spanien die der
vereinigten Niederlande 1648, Portugals 1668, Großbri-
tannien
die der americaniſchen Freyſtaaten 1783.
h)
Z. B. Stanislaus Leseinsky auf den polniſchen Thron 1735.
i)
von Steck a. a. O. S. 49.
a)
Wenn Rouſſeau in ſeinem Contract Social Chap. II. ſich der
Theilung der Souverainetaͤt in mehrere von einander getrennte
Hoheitsrechte widerſetzt, ſo laͤuft am Ende auch dieſer Einfall
auf einen Wortſtreit hinaus.
b)
I. H. Feizde ſeruitutibus iuris publici, ſeu de iure in alieno terri-
torio
. Arg. 1701. 1737. C. I. C. Engelbrechtde ſeruitntibus
iuris publici
. Helmſt. 1715. Lipſ. 1749. 4. Sect. I.
a)
G. L. Böhmerde iure principis libertatem commerciorum reſtrin-
gendi
§. 16. u. f. in ſeinen Electis iur civ. T. III. exerc. 19.
b)
Wie weit ſich hier der Nothfall erſtrecken laſſe, ſcheint zweifel-
haft. Bey kleinen ganz eingeſchloſſenen Staaten iſt er in die
Augen
[96]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Augen fallend, aber kann aus dieſem Grunde z. B. Portugal
den Durchgang von Spanien, koͤnnen die Anwohner der Oſt-
ſee den Durchgang durch den Sund mit Gewalt nehmen? N.
Hertiusde ſeruitute naturaliter conſtituta, cum inter diuerſos popu-
los, tum inter einsdem reip. cines
in ſ. Opuſc. Vol. II. T. III.
p.
103‒154.
c)
Moſer Verſuch Th. VI. S. 37. Guͤnther Th. II. S. 216.
d)
Nicht ſo in Anſehung ihrer Colonien, wovon unten bey Eroͤrte-
rung der Rechte des Handels das naͤhere vorkommen wird.
e)
Nicht alle Fluͤſſe ſind jedoch fuͤr die Schiffarth der Fremden offen.
f)
Als daher Spanien durch eine Verordnung vom 20. Jul. 1791
dieſe Freyheit des Aufenthalts beſchraͤnken wollte, ſahe es ſich
auf Vorſtellung auswaͤrtiger Maͤchte veranlaßt dieſe Verordnung
wiederum einzuſchraͤnken ſ. m. Recueil T. V. p. 8. u. f.
g)
W. Fr. art. 9. §. 2. Auch in England iſt die Freyheit des Ein-
und Ausgangs fremder Kaufleute ſchon ſehr fruͤhe zum Grundge-
ſetz gemacht. Magna charta cap. 30. in m. Sammlung von
Grundgeſetzen
Th. I. S. 723.
h)
Vertrag zwiſchen Rußland und Oeſterreich 1785. art. 24. zwi-
ſchen Rußland und Portugal 1787. art. 36.
i)
Ueber das Recht in cognito zu reiſen, ſ. Moſer Verſuch
Th. VI. S. 44. Guͤnther Th. II. S. 219. not. f.
k)
I. C. Langius (I. W. Textor) de litteris comeatus. Heidelb.
1679. 4. I. W. Engelbrechtde iure peregrinantium. Helmſt.

1711. 4. Fredersdorf Anweiſung fuͤr Juſtizbeamte Th.
I. S. 177. u. f.
l)
Moſer Verſuch Th. VI. S. 43. u. f. Guͤnther Th. II.
S. 220. Polit. Journal 1791. S. 409.
m)
Oſt iſt ſogar die Nothwendigkeit einer ſolchen Requiſition aus-
druͤcklich durch Vertraͤge feſtgeſetzt, z. B. Vertrag zwiſchen
Spanien und den Niederlaͤndern 1609. art. 10, zwiſchen
Großbritannien und den vereinigten Niederlanden 1667.
art. 3. 4, zwiſchen Portugal und Spanien 1715. art. 19, meh-
rere Beyſpiele hat Kluithiſt. fed. T. II. p. 459. Dieß tritt
daher noch mehr im Fall einer Escorte von Verbrechern u. ſ. f. ein.
n)
Es giebt viele Vertraͤge der Art, inſonderheit zwiſchen Daͤne-
mark
und den uͤbrigen Seemaͤchten; die Zahl der Schiffe aber
welche kraft derſelben ohne beſondere Erlaubniß einlaufen, oder
unterhalb der Kanonen durchſegeln duͤrfen, iſt nicht uͤberall
gleich; ſehr haͤufig iſt ſie auf 3 feſtgeſetzt, aber in einigen Ver-
traͤgen
[97]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
traͤgen iſt ſie bis auf 6 wie in dem Frieden zwiſchen Portugal
und Frankreich 1713. art. 7, in andern bis auf 8 ausgedehnt.
Z. B. Vertrag zwiſchen Spanien und England 1667. art. 16.
in andern auf 1 beſchraͤnkt. Nothfaͤlle ſind uͤberall ausgenommen.
a)
Wenn kleine Staaten ſich dieſes Rechts oft mit mehr Maͤßi-
gung als die groͤßeren bedienen, ſo iſt es, weil die Klugheit ih-
nen dieſes rathſam macht. So haben die Gen. Staaten durch
e. V. vom VI. Aug. 1698 ihren Buͤrgern bey Strafe des vier-
fachen Erſatzes verboten an auswaͤrtigen indiſchen Handelsge-
ſellſchaften Theil zu nehmen. In Hamburg verfuhr man 1720
weil glimpflicher in Anſehung der engliſchen Suͤdſee Compagnie
ſ. Langenbeck Schiff- und Seerecht Suppl. 6. Beylage A.
S. 424. So haben viele Staaten in Teutſchland alles Einſetzen
in fremde Zahlenlotterien verbothen; in Hamburg ſchlug man
1777 den Weg der Negotiationen mit Auswaͤrtigen ein Moſer
Verſuch
Th. VIII. S. 45. welcher erſt 1785 den gewuͤnſchten
Erfolg hatte.
a)
Z. B. Verboth des Fahrens mit Fackeln; ſchwediſche V. vom
28. Sept. 1748. in ModeeUtdrag T. IV. p. 2799. Verboth
oͤffentlicher Luſtbarkeiten, Baͤlle u. ſ. f in Faſten Zeiten; nur
wenn das Polizey-Geſetz in die Ausuͤbung der geſandſchaftlichen
Functionen, z. B. Praͤcedenz Einfluß haͤtte, kann die Sache
zweifelhafter werden; ſ. ein merkwuͤrdiges Beyſpiel in memoires
d’Estrades T. II. p.
445.
a)
S. z. B. Merc. h. et pol. 1748. T. II. p. 157. Moſer Ver-
ſuch
Th. I. S. 292. u. f. Th. VIII. S. 38. u. f. Adelung
Staatshiſtorie
B III. Th. I. S. 236.
b)
S. die Antwort welche Großbritannien an Frankreich auf
deſſen Beſchwerden uͤber den Chev. (Fraͤulein) d’Eon de Bau-
mont
. ertheilte Moſer Verſ. Th. I. S. 292. Beytraͤge Th. IV.
S. 284, und die ſie in einen andren Fall 1770 an Spanien
gab. Moſer Verſuch Th. VI. S. 80.
c)
Ueber die Beſchwerden welche desfalls der engliſche Geſandte
Hailes in Coppenhagen fuͤhrte. S. Nouv. extr. 1794. n. 27. 31.
47. 52. 53.
a)
Grotius B. II. Cap. V. §. 25. Puffendorf B. VIII.
Cap. XI. §. 2.
b)
S. in Anſehung Teutſchlands den W. Fr. Art. V. §. 36. J. J.
Moſer Landeshoheit
in Policeyſachen Cap. VI. §. 5. I. A. L.
Seidenstickerde iure emigrandi ex moribus Germanorum. Gott.
1788. 4. E. Lethcomment. de iure emigrandi ex vno territorio in
alind Germaniae
. Gott.
1788. 4.
c)
Beyſpiele ſ. in Guͤnther V. R. Th. II. S. 308. not. d.
d)
Moſer Verſuch Th. VI. S. 118. Guͤnther E. V. R. Th. II.
S. 301. 303.
e)
Kein Fremder kann wegen der Schulden ſeines Landsmannes
mit Recht arreſtirt oder zu deren Zahlung angehalten werden.
In den Vertraͤgen mit den Tuͤrken und Africanern pflegt dieß
noch ausdruͤcklich feſtgeſetzt zu werden. In den Vertraͤgen der
chriſtlichen Voͤlker bedarf es dieſer Clauſel nicht mehr.
f)
Faſt in allen Handelsbuͤndniſſen findet man hieruͤber Artikel,
und in den mehreſten iſt jetzt feſtgeſetzt, daß ſelbſt im Fall eines
Bruches den Fremden freye Abreiſe ſoll gelaſſen werden.
g)
Ueber die verſchiedenen Folgen einer ſolchen Naturaliſation ſ.
Moſer Verſuch Th. VI. S. 8. welcher auch behauptet, daß
wenn
[101]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
wenn ein teutſcher Landesherr einen Auslaͤnder naturaliſirt, die-
ſer dadurch in ganz Teutſchland die Rechte eingebohrner Teut-
ſchen erlange.
h)
Ueber die desfalls, nach erfolgtem Widerruf des Edicts von
Nantes, zwiſchen Frankreich und den Niederlaͤndern entſtande-
nen Streitigkeiten ſ. Memoires du comted’Avaux T. V. p. 169.
172. T. VI. p.
14. Nicht blos in Anſehung der Emigration,
ſondern auch in mannigfaltiger anderer Ruͤckſicht iſt oft die Frage
wichtig, wer fuͤr einen Eingebohrnen zu halten ſey; aber ſie iſt
nicht immer leicht zu beſtimmen ſ. Guͤnther E V. R. Th. II.
S. 256. u. f. Daß dabey ordentlicher Weiſe auf den Wohnſitz
der Eltern zu ſehen ſey iſt richtig; iſt aber dieſer Character
indelebitis, und wie ſteht es, wenn eine Provinz fuͤr unabhaͤngig
erkannt oder abgetreten wird? Was in Kriegszeiten daruͤber fuͤr
Streitigkeiten entſtehn koͤnnen, lehren noch neuere Beyſpiele ſ.
Morning Chronicle 1795. n. 8052.
a)
Ehemahls gab es haͤufige Beyſpiele ſolcher zum Nachtheil der
Fremden eingefuͤhrten, zum Theil offenbar unrechtmaͤßigen Un-
gleichheiten in der Geſetzgebung ſ. z. B. Gutſchmidtmercaturae
legum auxilio iunandae ratio
§. 12. FrankInſtitut. iuris Cambialis
L. II. S. 5. tit. 3. §. 4. mantiſſa
§. 4. Kunde Grundſaͤtze des
teutſchen Privatrechts
§. 314. Jetzt finden ſich nur wenig Ue-
berbleibſel davon, weil eine aufgeklaͤrtere Handelspolitik, und
die Erfahrung, was fuͤr beſchwerliche Retorſionen daraus erwach-
ſen, gelehret haben, wie zweckwidrig dergleichen Ungleichheiten
in den mehreſten Faͤllen ſind.
b)
Puffendorffde iure nat. et gentium L. III. c. 5. §. 4. I. P. Wal-
deck
inflitutiones iuris ciuilis §. 83. 84. (ed. 1794.)
Entwurf einer
allgem. Geſetzgebung f. die preußiſchen Staaten
. Einleit. §. 32.
c)
So iſt das roͤmiſche Recht als ſubſidiariſches anzuſehn in Teutſch-
land
, einen Theil der Schweitz, in den vereinigten Nieder-
landen
, in einem Theil von Frankreich (ſonſt pays de droit ecrit)
in Italien, in Portugal, in Polen und in einzelnen engli-
ſchen
Gerichtshoͤfen, wie auch in Schottland, ſ. Blackſtone
commentaries on the laws of England T. I. p. 83. T. IV. p. 265.
(ed. n. 1768. 4.) Gatzertde iure communi Angliae. Gott.
1765.
In Spanien, in den uͤbrigen Theilen von Frankreich (ſonſt pays
de droit coutumier
) kann wenigſtens das roͤmiſche Recht angefuͤhret
werden; wo aber auch dieß der Fall nicht iſt, wie in Schwe-
den, Daͤnemark, Rußland, Ungarn
u. ſ. f., da hat es doch
ſichtbar bey der Geſetzgebung zum Grunde gelegen. S. uͤber-
haupt Arthur Duckede vſu et autoritate iuris ciuilis Romanorum
Lib. II.
und in Hinſicht des Gebrauchs des roͤmiſchen Rechts in
Seeſachen ſ. l’EſtocqAuszug der Hiſtorie des allgemeinen
und preußiſchen Seerechts
Cap. I.
a)
HuberI. P. Univ. L. III. cap. 8. §. 7. u. f.
b)
Frankde conflictu inrium Cambialium diuerſorum in Mantiſſa iuris
Camb
. Tit. 1. 2. 3. Hertiusde colliſione legum
in deſſen Opuſcula
Vol. I. P. I. p.
169. u. f. H. Coccejide fundata in territorio et
plurium locorum concurrente poteſtate
. Exerc. curios. Vol. I. n.
54.
c)
Dieſer Fall war in mittleren Zeiten ſo ſelten nicht, ſo daß z. B.
das luͤbeckiſche Recht in einzelnen teutſchen Staaten, das Mag-
deburgiſche ſelbſt in einigen polniſchen Staͤdten in ſubſidinm
galt. Noch jetzt findet man, obwohl ſeltuere Beyſpiele davon,
inſonderheit im Lehn- und Wechſelrecht.
d)
S. z. B. den Vertrag der Stadt Hamburg mit den engliſchen
Adventurier Kaufleuten vom Jahr 1611 in Marquard de iure
Mercatorum app. p
194. Die Handelsvertraͤge in welchen den
Conſuln fremder Maͤchte geſtattet wird, die Streitigkeiten ihrer
Mitbuͤrger nach den Geſetzen ihres Landes zu richten; von
Steck Handelsvertraͤge
1782. 8. Deſſelben eſſai ſur les con-
ſuls
1790 8. Endlich das allgemeine Herkommen nach welchem
ein Kriegsſchiff auch in einem fremden Seegebiet ſeine Gericht-
barkeit nach den Geſetzen ſeines Souverains zu uͤben berechtiget
iſt Vatteldroit des gens L. I. Chap. 19. §. 216.
a)
Moſer Verſuch Th. VIII. S. 51.
a)
I. H. Böhmerprincipia iuris publ. vninerſalis R. ſp. L. II. c. 5.
§ 58. So ertheilen z. B. oft die Schweizer Eidgenoſſen teut-
ſchen Buchhaͤndlern Privilegia wider den Nachdruck Moſer
Verſuch
Th. VII. S. 275.
b)
Moſer Staatsrecht Th. I. S. 327.
a)
Z. B. Eliſabeth v. England, die Entfernung des Grafen Lenox,
von Schottland, Rußland die des Grafen Teſſin, von Schweden
Moſer kl. Schriften Th. VI. S. 315. Spanien die des Staats-
miniſters Acton, von Neapolis. Nouv. extraord. 1786. n. 3. 10.
18. 31 in den Suppl.; daß durch Vertraͤge hierin etwas verabre-
det werden koͤnne, iſt kein Zweifel; nur ob die Provinz Holland
1654 mit England die Acte van Seclnſie guͤltig eingehen koͤnnen
ward geſtritten. A. G. die verein. Niederlande Th. V. S. 376.
b)
Moſer Verſuch Th. VI. S. 22.
a)
Bey aller Verſchiedenheit des Urſprungs und der Klaſſen des
Adels in einzelnen Landen iſt doch anzumerken, daß die mehre-
ſten adelichen Wuͤrden welche jetzt zu dem hohen Adel gezaͤhlet
werden, ehemahls faſt allgemein perſoͤnliche Staatsaͤmter waren,
wie die der Herzoge, Margrafen, Grafen; in der Folge erblich
wurden, nach und nach das Amt erloſch, und nur die Wuͤrde
blieb, welche denn, ſo wie der niedere Adel, ſtuffenweiſe mehr
und mehr auch ſolchen ertheilet worden, auf die er nicht durch
die Geburt vererbet ward.
a)
PfeffingerVitr. illuſtratus T. III. p. 112. J. St. Puͤtter
Eroͤrterungen des teutſchen Staats- und Fuͤrſtenrechts
1. Heft
S. 10.
b)
Daher beſtimmt zwiſchen Offizieren deſſelben Grades die Ancien-
netaͤt den Rang, und ſelbſt kaiſerliche Offiziere koͤnnen vor fuͤrſt-
lichen Offizieren ihres Grades nicht weiter den Rang fordern.
c)
Doch muß dieſe hergebrachte Anerkennung einer ſolchen, erweiß-
lich von einem Fremden, dazu berechtigten, Souverain ertheil-
ten Wuͤrde nicht mit der Anerkennung der Rechtmaͤßigkeit der
Anſpruͤche eines Fremden verwechſelt werden, der in einem drit-
ten Staat fuͤr das aufgenommen iſt, wofuͤr er ſich ausgab. Die-
ſer letztere Umſtand hindert die uͤbrigen Staaten, auch nach dem
Herkommen nicht, die Rechtmaͤßigkeit ſeiner Anſpruͤche naͤher zu
unterſuchen, und wiefern ihm ſein bisheriger Beſitzſtand dabey
zu Gute kommen koͤnne, haͤngt von den Umſtaͤnden ab. Am
wenigſten kann eine ſolche Anerkennung eines dritten Staats dem
Praͤtendenten in auswaͤrtigen Landen ein Erbfolgerecht gewaͤhren
ſ. z. B. Holzſchuer Deductionsbibliothek Th. II. n. 286.
u. f. Reuß teutſche Staatscanzley Th. XIV. S. 50.
d)
Wer in einem Lande zum Grafen u. ſ. f. oder zum Geheimde-
rath u. ſ. f. erklaͤret worden, wird dieſen Titel uͤberall, wo er
hinkommt, erhalten; aber dieß hebt den Unterſchied nicht auf
der zwiſchen titulaͤr und regierenden, zwiſchen alten und neuen
Grafen u. ſ. f., zwiſchen titulaͤr und wirklichen Geheimderaͤthen
u. ſ. f. gemacht wird. Auch die Entfernung in der er von ſei-
nem Souverain ſteht, kann bey der Verſchiedenheit der Verfaſ-
ſungen nicht immer entſcheiden. Sonderbarer Fall wo aus die-
ſem Grunde ein Grande d’Eſpagne ſich einem teutſchen Chutfuͤr-
ſten gleich ſtellen wollte in Moſers Verſuch Th. IV. S. uͤber-
haupt I. C. I. Hellbachmeditationes iuris prooedriae moderni. Lipſ.
1742.
[108]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
1742. 4. I. W. de Neumannius priu. principum T. I. L. II. Tit.
9. p.
168.
e)
Sehr ſonderbar war es daher, wenn in mittleren Zeiten nicht
nur paͤbſtliche, ſondern ſelbſt kaiſerliche Notarien ihr Amt in
fremden Landen ausuͤbten, ſ. du Freſnegloſſcrium unter dem W.
Notarius; Maſcardusde probatiouibus Vol. II. Concl 926. n. 19.
Erſt nach und nach waren dieſe Staaten bemuͤhet, dieſem Miß-
brauch Einhalt zu thun, und alle Amtsverrichtungen der kaiſer-
lichen Notarien in ihren Landen zu verbieten, wie dieß Eng-
land
1320 ſ. Rymerfedera T. III. S. 829. Schottland 1469
ſ. Pütterſpecim. iur. publ. medii aeui cap. XI. § 113. Frankreich
1490 gethan ſ. du Freſne a. a. O. Auch die Amtsverwaltun-
gen der paͤbſtlichen Notarien ſind jetzt in vielen Landen einge-
ſchraͤnkt ſ. Stöberde notariis inuentaria conficientibus. Argentorati
1778. p.
16.
a)
S. jedoch z. B. die ruſſiſche Verordnung von 1762. Moſer
Verſuch
Th. VI. S. 25.
b)
Ob aber dieß noch anwendbar ſey, wenn Unterthanen ſich mit
ihren geſammten Guͤtern aus dem Lande begeben haben, haͤngt
von der oben beruͤhrten Frage ab, ob der Character eines Unter-
thanen indelebilis ſey. Wo der Staat z. B. durch Erhebung der
Abzugs-
[109]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
Abzugsgelder in die Trennung gewilliget hat, da ſcheint die
Verneinung jener Frage nicht mehr zweifelhaft.
a)
Moſer auswaͤrtiges Staatsrecht S. 321 merkt als ſonder-
bar an, daß die roͤmiſchen Kaiſer ſchon lange auch die fuͤrſtliche
und graͤfliche Wuͤrde an Auslaͤnder ertheilet haben, daß aber dieß
ſelten und erſt in neueren Zeiten von fremden Souverainen an
Teutſche geſchehen ſey.
b)
Venedig erlaubt keinem ſeiner Staatsbeamten eine fremde Wuͤrde
von einem auswaͤrtigen Staat anzunehmen: ſ. Le Bret Vor-
leſungen uͤber die Statiſtik
Th. I. S. 200; ſo wollte auch Po-
len in neueren Zeiten nicht, daß von den durch auswaͤrtige Fuͤr-
ſten enthaltenen Wuͤrden des hohen Adels am Reichstage Ge-
brauch gemacht werde ſ. Totzens Staatsverfaſſung Th. II.
S. 342. Verſchiedene teutſche Reichsſtaͤnde geſtatten eben ſo we-
nig ihren Beamten Titel von auswaͤrtigen ohne beſondere Er-
laubniß anzunehmen, und ertheilen ſelbſt dieſe nicht leicht. Die
kaiſerlichen Standeserhoͤhungen ſind ſie zwar anzuerkennen ver-
bunden, doch ſteht ihnen frey einzelnen ihrer Unterthanen zu
unterſagen ſie zu ſuchen, oder ſich deren zu bedienen. Moſer
Staatsrecht
Th. V. S. 402. u. f.
a)
Die naͤhere Beſtimmung hieruͤber bleibt jedem Staat vorbehal-
ten, und iſt nicht uͤberall dieſelbe. In den hieſigen Landen muß
ein Fremder der nicht exemt iſt, dann wenn er ſich in einem Pri-
vathauſe eingemiethet hat, die perſoͤnlichen Steuern von dem 2ten
Monath ſeines Aufenthalts an bezahlen. Willich Auszug
aus den Braunſchw. Luͤneburgiſchen Landesordnungen
S. 67.
b)
Die ehemahls hin und wieder in Teutſchland eingefuͤhrte immu-
nitas forenſium,
nach welcher ein fremder Teutſche in Anſehung
ſeiner
[111]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
ſeiner angekauften Grundſtuͤcke ſteuerfrey war, beruhete auf kei-
nen vernuͤnftigen Grund, war nie allgemein hergebracht, und
iſt jetzt faſt uͤberall aufgehoben. Mynſinger obſeruationum Centu-
ria V. obſ.
22. (Ausgabe von 1615.)
c)
Wiefern dieſe Befreyung den Geſandten zuſtehe, wird in der
Folge eroͤrtert werden. Die Befreyungen der Studirenden, des
Militaͤrs u. ſ. f. beſchraͤnken ſich gemeiniglich blos auf die per-
ſoͤnlichen Abgaben.
d)
Jetzt iſt dieß in den mehreſten Handelsvertraͤgen, entweder be-
ſtimmt feſtgeſetzt, oder in der allgemeinen Clauſel den Untertha-
nen, oder der beguͤnſtigteſten Nation gleich gehalten zu werden,
enthalten.
a)
Daher wird der Punct der Zoͤlle mit Recht als einer der aller
wichtigſten in Handelsvertraͤgen angeſehen, und zuweilen dem
Vertrag ein Zolltarif beygefuͤgt, der nicht immer fuͤr eben ſo viel
Jahre als der Vertrag ſelbſt errichtet wird. Daͤnemark hat faſt
mit allen Staaten, deren Unterthanen durch den Sund ſchiffen,
Vertraͤge uͤber den Sundzoll ſ. von Steck Abbhandl. vom
Sundzoll in ſ. Verſuche
S. 39. de Marientableau des droits
et vſages de commerce relatifs au paſſage du Sund
. Copenh.
1778. 8.
b)
Bekanntlich berufen ſich Oeſterreich und Brandenburg auf un-
begraͤnzte Zoll-Privilegia ſ. Moſer Landeshoheit in Steuer-
ſachen
S. 732. u. f.
c)
Wahle. Art. 8. 17. Pütterinſtitutiones iuris publ. §. 337. (ed. V.)
d)
Moſer auswaͤrtiges Staatsrecht S. 135.
e)
G. L. Böhmerde iure principis libertatem commerciorum reſtringendi
§. 22. Barbeyrac
in ſeinen Noten uͤber Puffendorff L. III.
cap. 3. §. 6. not. e
); der entgegengeſetzten Meinung iſt Hertius
in ſeineu Noten uͤber Puffendorff a. a. O.
f)
Eine der wichtigſten in neueren Zeiten uͤber das Stapelrecht
entſtand [...]en Streitigkeiten iſt die, zwiſchen dem Koͤnig von
Preußen und der Stadt Danzig ſeit 1773 uͤber das von letzterer
behauptete ius emporii. Einige Hauptſchriften daruͤber findet
man in Hertzbergrecueil de deductions T. I. S. 408 bis 443.
ſ. a. Schreiben eines Elbingers an ſeinen Freund mit einer Vor-
rede des Herrn von Dohm 1783. 8.
g)
Wahlcap. Art. 8. §. 17. 22. Pütterinſtitutiones iuris publici
§. 361. (ed. V.)
a)
Ueber den Urſprung des Worts Aubaine ſ. du Cange etymol.
vocab. Ling. Gall.
und Menage dict. etymologique unter dem Worte
Aubain. Ueber den Urſprung des Rechts ſelbſt ſehe man Mon-
teſquieu
esprit des Loix. Liv. XXI. c. 17. Bonhoͤferde iure de-
tractus
Cap. II. S. I. §. 4. Schubakde Saxonum transportatione ſub
Carolo M.
c.
4. §. 5.
b)
In Frankreich hatte der Koͤnig dieß Recht, das ehemahls auch
der Adel auf ſeinen Guͤtern geuͤbt hatte, an ſich gezogen ſ. Bac-
quet
du dreit d’Aubaine
in ſeinen Oenvres T. I. p IV. cap. 27.
In Teutſchland haben auch die unteren Obrigkeiten es nicht ſel-
ten ausgeuͤbt.
c)
du Puytraité touchant les droits du Roi T. I. p. 975.
d)
Das Verzeichniß der Vertraͤge, offenen Briefe u. ſ. f. wodurch
Frankreich dieſes Recht theils in Hinſicht anderer Maͤchte theils
Hin
[114]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
in Hinſicht der mehreſten teutſchen Reichsglieder aufgehoben hat
ſ. in de St. Gerensde vſu albinagii in Gallia. Argent. 1778. 4.
und Schloͤtzer Staatsanzeigen Heft 31. 1786. S. 293. u. f.
e)
Code politique ou Collection des decrets de l’aſſemblée nationale
T. V. p.
35.
f)
Von den vereinigten Niederlaͤndern f. Kluithiſt. federum T. II.
p.
463. u. f. von Teutſchland Moſer auswaͤrtiges Staats-
recht
S. 331. u. f.
g)
Puffendorffanimaduerſ. iuris T. I. a. 53.
a)
I. F. Bonhöfer diſſ. qua ius detractus ſuperioritati territoriali vin-
dicatur.
Gott.
1773. 4.
b)
Wie lange ein Fremder ſich im Lande aufgehalten haben muͤſſe,
um dieſem Recht unterworfen zu ſeyn, pflegt durch Geſetze be-
ſtimmt zu werden.
c)
Von Teutſchland ſ. Bonhöfer a. a. O. von Holland Kluithiſt.
fed.
P. II. p.
464. Die inneren Vertraͤge Daͤnemarks und einiger
anderer Staaten hieruͤber ſind in m. Recueil T. IV. p. 79. 81.
83. 174. 175. 176. 431. 452. 575. T. V. p.
93. eingeruͤckt. Die
franzoͤſi-
[115]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
franzoͤſiſche National-Verſammlung hat durch das oben ange-
fuͤhrte Decret vom 6. Aug. 1790 auch das Abzugsrecht abge-
ſchaft; ob darunter aber auch die Nachſteuer zu verſteben ſey,
ſcheint zweifelhaft.
d)
Da in Teutſchland das Abzugsrecht nicht ſelten ſelbſt Munici-
palſtaͤdten und adelichen Gerichtsherrn eingeraͤumt worden, ſo
fehlt es nicht an Beyſpielen, wo es ſelbſt gegen ſolche geuͤbt
wird, die nur ihren Wohnort veraͤndern, ohne das Territorium
zu verlaſſen. Aus eben dieſem Grunde beſchraͤnken ſich auch oft
die Vertraͤge, Reverſales u. ſ. f. der teutſchen Landesherrn
bloß auch die Faͤlle, wo ihr Fiſcus zur Erhebung berechtiget
ſeyn wuͤrde.
a)
Es giebt zwar eine Menge ſolcher entweder fuͤr immer oder fuͤr
gewiſſe Jahreszeiten, inſonderheit in großen Handelsſtaͤdten fuͤr
Meſſen und Maͤrkte errichtete Gaſt- Meß- Marktgerichte in und
außerhalb Teutſchland. S. Willembergexercit. ſabbathiuae P. II.
n. 62. de iudicio peregrinantis
vom Gaſtrecht; aber dieſe gruͤnden
ſich mehrentheils auf den freyen Willen eines jeden Orts, ſo daß
kein Fremder ein Recht hat auf ihre Beybehaltung zu dringen,
wenn er ſich auf keinen Vertrag beziehen kann.
b)
S. z. B. den Handelsvertrag zwiſchen Frankreich und Hamburg
1769. Art. 9; etneuert 1789.
c)
Doch verordnet der J. R. Abſchied §. 156 daß die Rechtshaͤndel
der Fremden vielmehr vor andern beſchleuniget werden ſollen.
a)
Vatteld. d. gens L. II. chap. VII. §. 84.
a)
Zu den beruͤhmteſten hieruͤber entſtandenen Streitigkeiten gehoͤret
wohl der zwiſchen Preußen und Großbritannien uͤber die nach
1745 von engliſchen Capern aufgebrachte und in brittiſchen See-
haͤften gerichtete preußiſche Schiffe entſtandene beſchwerliche Han-
del ſ. Expoſé des motifs qui ont determiné le Roi de Pruſſe à mettre
arrêt ſur les capitaux dûs ſur la Sileſie
, à la Haye
1753. 4. Teutſch.
Anfuͤhrung der im allgem. Voͤlkerrecht begruͤndeten Urſachen
u. ſ. [f.] Berlin 1752. 4. Und die Antwort welche brittiſcher
Seits ertheilet wurde: The duke of Newcaſtles letter by his ma-
jeſty’s order to Mr
, Mitchel. Lond.
1753. auch teutſch und fran-
zoͤſiſch 4to. Dann: an impartial foreigner’s remarks upon the pre-
ſent diſpute between England and Pruſſia
, Engliſch und Teutſch
H 31752.
[118]Drittes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
1752. 4. Auszuͤge aus dieſen Schriften finden ſich in Mere. hiſt.
et pol
. 1753. T. I p.
217. und in Moſer Verſuch Th VI. S.
441. Ueber das Ende dieſes Handels ſiehe den Vertrag von 1756
in Jenkinſoncollection T. III. p. 58.
a)
Um den ehemahls der Ruhe zwiſchen Voͤlkern ſo oft gefaͤhrli-
chen Repreſalien moͤglichſt Einhalt zu thun, iſt immer mehr
und mehr in den Vertraͤgen feſtgeſetzt, daß dieſe erſt ſtatt haben
ſollen, nachdem guͤtliche Vorſtellungen vergeblich gethan worden
und daher die Verweigerung der Juſtiz manifeſt iſt.
b)
Konnten aber die Gen. Staaten mit Grunde der Republik Ve-
nedig in der beruͤchtigten Streitſache der Herrn Chomel und
Jordan wider den venetianiſchen Reſidenten Cavalli eine Ver-
weigerung der Juſtiz vorwerfen, als ſie 1785 wider dieſelbe Re-
preſalien beſchloſſen? S. die Schriften daruͤber in Hauſens
Staatskunde von Holland
I. Stuͤck S. 153. II. Stuͤck S. 41.
Nouvelles extraordinaires 1785. n. 21. 22 ſ. (Niederelbiſches) Hiſt.
pol. Magazin
B. I. S. 324. u. f.
a)
I. A. Ferd. Haas diſſ. de effectu exceptionis rei iudicatae in territo-
rio alieno
. Goͤtt.
1791. 4.
b)
I. H. Böhmer pr. iur. publ. vniv. P. ſpec. L. I. c. 4. §. 6.
c)
Z. B. Traité d’alliance entre la France et l’evèque de Bâle 1780.
art.
7. m. Recueil T. II. p. 93.
d)
Die vereinigten Niederlaͤnder haben hieruͤber unter ſich keine allge-
meine Abrede genommen Peſtelcommentarii §. 357. 358. Die
Schweizer Eidgenoſſen aber geſtatten in vielen Faͤllen dieſe Exe-
cution. Simleri de Rep. Helv. L. II. §. XV. XVII.
e)
Auch fuͤr die teutſchen Staaten iſt aus der allgemeinen Reichs-
verbindung kein Grund der Verpflichtung zu ſolchen Vollziehun-
gen herzunehmen, es beruhet daher alles auf beſondere Vertraͤge
und Herkommen.
f)
Siehe uͤber einen Fall der Art zwiſchen Schweden und Holland
den Brief des von Beuningen an de Witt vom 15. Oct. 1666 in
Lettres et memoiresde de Witt.
g)
S. jedoch Haas a. a. O. §. 12. u. f.
h)
Indeß fehlt es nicht an Beyſpielen, wo man ſich von dieſen
Grundſaͤtzen entfernt hat, z. B. in dem Proceß der Marquiſe
von Favras gegen den Fuͤrſten von Anhalt-Schaumburg ſ.
Puͤtters Rechtsfaͤlle B. III. Th. I. S. 43 u. f. Moſer Zu-
ſaͤtze zu ſ. neuen Staatsrecht
Th. II S. 553. auch franzoͤſiſcher
Seits in dem Proceß der Nachkommen des Fuͤrſten Franz von Naſ-
ſau-Siegen wider das Haus Naſſau ſ. Deductions-Bibliothek
Th. II. n. 4286. u. f. Reuß t. Staatscanzley Th. XIV. S. 50.
i)
Daher konnte mit Recht von Frankreich verlangt werden, daß
es, nachdem Naſſau-Saarbruͤcken ihm in dem Grenzvertage von
1766 die Abtey Wadgaſſen mit abgetreten, diejenigen Rechte
der Abtey ungekraͤnkt ließe, welche ſie von dem Fuͤrſten von N.
Saarbruͤcken durch rechtskraͤftige Erkenntniſſe der Reichsgerichte
erſtritten hatte. S. Haas l. c §. 20. Aber Frankreich hegt uͤber-
haupt in Anſehung der Frage von der Guͤltigkeit auswaͤrtiger
Erkenntniſſe ſehr auffallende Grundſaͤtze ſ. Emerigontraité des
aſſurances
T. I. p.
123.
a)
Hannesende iurisdictione p. 40. u. f. T. I. Reinharthde in
dice iurisdictionem voluntariam extra territorium perperam exercente.

Erfordiae
1735. 4. So kann z. B. eine Obrigkeit nur in Anſe-
hung der in ihrem Gerichtsbezirk belegenen Guͤter Curatores an-
ſetzen. Selbſt die Obrigkeit des Wohnorts des Minderjaͤhrigen
kann dem Curator die Verwaltung der außerhalb Landes gele-
genen Guͤter nicht auftragen, wenn ſie nicht durch Vertraͤge
dazu berechtiget iſt, wie z. B. nach dem Handelsbuͤndniſſe zwiſchen
Frankreich und den vereinigten Niederlanden 1739. art. 37. So
erlangt ein Minderjaͤhriger wenn er in einem Lande fuͤr volljaͤh-
tig erklaͤret worden iſt, dadurch nicht die freye Verwaltung ſei-
ner in einem andren Lande gelegenen Guͤter.
b)
Hieher rechnet man inſonderheit die gerichtliche Aufnahme eines
Teſtaments. Zweifelhafter iſt es hingegen ob eine Hypothek in
einem andren Gerichte, als dem, wo die Guͤter gelegen ſind,
guͤltig beſtellet werden koͤnne, und die poſitive Verfaſſung eines
Landes, inſonderheit die Frage: ob daſelbſt auch hypothecae
quaſi publicae
gelten, ſcheint dabey mit in Betracht gezogen wer-
den zu muͤſſen. C. Schwederde auctoritate publica ad pignoris ſeu
hypothecae conſtitutionem neceſſaria
. Tub.
1716. 4. in deſſen diſſ.
T. II. p. 311. Puffendorffobſern. T. III. obſ.
53. Struben
rechtl. Bedenken Th. I. n. 18. S. 49.
c)
So wird z. B. einer vor der Obrigkeit errichteten oder legali-
ſirten Vollmacht uͤberall Glauben beygemeſſen; ſo iſt bey Fuͤh-
rung eines Proceſſes fuͤr einen Minderjaͤhrigen in einem Lande
worin er weder wohnt noch Guͤter hat, hinreichend, daß wenn
er einen Curator hat, deſſen Curatorium, oder wenn er fuͤr voll-
jaͤhrig erklaͤret worden, die daruͤber in ſeinem Wohnort ausge-
fertigte Urkunden beygebracht werde u. ſ. f.
a)
G. L. Böhmerde delictis extra territorium admiſſis Elect. T. III.
ex.
20. was in dieſem Falle fuͤr Strafen ſtatt haben ſ. Meiſter
vollſtaͤndige Einleitung zur peinlichen Rechtsgelehrſamkeit

Th. III. S. I. c. 10. §. 14.
b)
C. T. Gutjahrde exhibitione delinquentium ſecundum principia iu-
ris publici vniuerſalis, gentium, Romani atque Saxonici
. Lipſ.
1795 4.
c)
Vatteldroit des Gens L. II. c. 6. §. 76.
d)
S. z. B. uͤber die Auslieferung von Bechade und la Roche
Hamb. Correſp. 1787. n. 3. Beylage. Zuweilen kann aber ein
Streit uͤber die Frage entſtehn, wer von zween fremden Staa-
ten das naͤchſte Recht zur Auslieferung habe. So forderten z. B.
Rußland und Frankreich jeder die Auslieferung des Grafen de
la Sale von dem Magiſtrat zu Danzig 1748. Adelung Staats-
hiſtorie
Th. VI. S. 303. u. f.
e)
Beyſpiele ſ. in Moſer Verſ. Th. IV. S. 123. Th. VI. S. 428.
f)
Der einzige Fall in welchem die Geſetze eine ſolche Auslieferung
vorſchreiben, kann nur in Reichskriegen vorkommen. R. A. 1641
§. 47. Wahlde foro arreſti priuilegiato § 25.
g)
Reussde iuribus et obligationibus ſpecialium Rerumpublicarum Ger-
maniae inter ſe in exercenda iurisdictione criminali obuiis.
Stutt-
gard
1787. 4.
a)
S. jedoch ein Beyſpiel in Merc. hiſt. et politique T. 142. 125.
b)
So haben z. B. Daͤnemark und Sicilien in dem Handelsbuͤnd-
niſſe von 1748. art. 7. und Schweden und Stcilien in dem
Handelsbuͤndniſſe von 1742. art. 7. einander die gegenſeitige Be-
ſtrafung der Contrebandiers verſprochen.
c)
d’Avauxmemoires T. V. p. 19.
d)
Ueber den merkwuͤrdigen neuerlich zwiſchen Schweden und Nea-
pel wegen der von jenem Hofe begehrten, von dieſem aber ver-
weigerten Arretirung des ſchwediſchen Geſandten am neapolita-
niſchen Hofe B. v. Armfeldt entſtandenen Streit, findet man die
Hauptſchriften in Hiſt. pol. Magazm B. XV S. 645. B. XVI.
S. 160. 203. 264. 384. Nouvelles extraordinaires 1794. 23 ſ. 27 ſ. \&c.
a)
Es fehlt nicht an Beyſpielen ſolcher Uebertretungen die man
auf verſchiedene Weiſe zu rechtfertigen oder doch zu entſchuldi-
gen geſucht. Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel einer auf franzoͤſiſchen
Befehl verſuchten Aufhebung eines Comte de Cerdan aus Hol-
land findet ſich in allgemeine Geſchichte der vereinigten Nie-
derlande
Th. VI. S. 377. Ein andres, der Aufhebung des von
Kalkſtein aus Warſchau auf Befehl des Churfuͤrſten von Bran-
denburg in Puffendorfres geſtae Fr. Wilhelmi L. XI. § 103, ein
andres des auf Befehl des Koͤn. von Frankreich in Savoyen
aufgehobenen beruͤchtigten Mandrins in Moſer Verſuch Th.
VI. S. 385. ein andres e. d. S. 464. Ueber die 1793 erfolgte
Aufhebung der Agenten des franzoͤſiſchen Nationalconvents Se-
monville und Maret, zu Novate, auf Befehl des Wiener Hofes
ſ. eine zu Rechtfertigung dieſer Handlung beſtimmte Schrift:
L’empereur a-t-il pu legitimement faire arrèter en Valteline les
agens de la convention nationale
8. teutſch mit Anmerkungen in
Hiſt. pol. Magazin Th. XV. St. I. n. 3.
b)
R. A. von 1559. §. 22. 26. Ob aber dieſe Nacheile auch ge-
gen andere Verbrecher als gegen Landfriedensbrecher ſtatt habe
wird geſtritten, ſ. Pütterinſtitut. inris publici §. 470. (ed. V.)
c)
Dieß behaupten jedoch Moſer Verſuch Th. IX. S. 463.
Quiſtorp Einleitung in die peinliche Rechtsgelehrſamkeit
Th. II. §. 824. Aber es ſcheint daß man zwiſchen bewaffne-
ter und unbewaffneter Nacheile unterſcheiden muͤſſe. Letztere
iſt kein Eingriff in ein Hoheitsrecht. Daß erſtere nicht allge-
mein gebilliget werde, lehret noch ein neueres Beyſpiel ſ. Hamb.
Correſp.
1783. n. 184.
a)
Doch verſieht ſich uͤbrigens von ſelbſt, daß wer in einem Lande
von dem competenten Richter, ſeines Adels, ſeiner Orden u. ſ. f.
verluſtig erklaͤret wuͤrde, in keinem andren Lande ſich dieſer Vor-
zuͤge mehr wuͤrde bedienen koͤnnen.
b)
Engelbrechtde ſeruitutibus iuris publici p. 98. u. f. Doch ent-
halten die kaiſerlichen Avocatorien vom Jahr 1793 hievon ge-
wiſſermaßen eine Ausnahme.
c)
Doch haben die Schweizer Eydgenoſſen es zu einem Grundver-
trage gemacht, daß wer aus einem Canton verbannet worden,
in keinem der uͤbrigen geduldet werden ſolle. Simlerrespublica
Heluetiorum
Th. II. §. XVII. Daß in Teutſchland keine Verab-
redung der Art vorhanden ſey, iſt aus der taͤglichen Erfah-
tung bekannt. Ueber Holland ſ. Bynkerſhoekq. iuris publ. p. 299.
a)
Wiefern kann ein Regent ſich der in einem andren Lande pein-
lich verfolgten Prinzen und Prinzeſſinnen ſeines Hauſes anneh-
men? Daß er dieß gar nicht koͤnne, laͤßt ſich nach dem Voͤlker-
recht nicht behaupten. S. unten das 5te Buch.
a)
Doch koͤnnen Vertraͤge hievon eine Ausnahme machen. So
ward in dem Handelsbuͤndniſſe zwiſchen Großbritannien und Ruß-
land 1766. art. 5. beſtimmt, daß die Englaͤnder nicht gehalten
ſeyn ſollen ihre Zoͤlle in Reichsthalern zu bezahlen. Ob die ver-
einigten Niederlaͤnder eben dieſen Vorzug begehren koͤnnen, ward
1783 geſtritten.
b)
Z. B. dient, was in Schweden nach dem Tode Carls XII. mit
den Muͤnzzeichen, in Frankreich unter dem Herzog Regenteen mit
den Banco Noten geſchah; ſ. Buͤſch Welthaͤndel S. 229. und
S. 276.
c)
So machte der Koͤnig von Preußen es zum voraus zur ausdruͤck-
lichen Bedingung des Hubertsburger Friedens, daß ſeinen Unter-
thanen die ſaͤchſiſchen Steuerſcheine zu voll bezahlet werden ſoll-
ten. Friede zwiſchen Preußen und Sachſen 1763. art. 7. und
art. ſep. 2. in m. Recueil T. I. p. 75. 77.
d)
Z. B. Roussetrecueil de memoives etc. T. X. p. 56. u. f. Mo-
ſer
Verſuch
Th. VIII. S. 15‒45.
e)
Z. B. in Teutſchland die franzoͤſiſchen Louisd’or v. Ludwig XIII. XIV.
f)
Ob dieß in Kriegszeiten geſchehn koͤnne ward inſonderheit im
ſiebenjaͤhrigen Kriege wider Preußen geſtritten ſ. unten B. VIII.
g)
Puͤtterinſtitut. iuris publici Germ. L. VIII. cap. II.
a)
Sofern nemlich von einem ausſchließlichen Hoheitsrechte die
Rede iſt. Daß alle Voͤlker ihre Poſten uͤber freye Meere, herrn-
loſe Wuͤſten u. ſ. f. fuͤhren duͤrfen, verſteht ſich von ſelbſt.
b)
Eine kurze Geſchichte der Poſten in den verſchiedenen europaͤi-
ſchen Staaten findet ſich in v. Beuſt vom Poſtregal Th. I.
S. 67. Th. II. S. 34. Reichard Handbuch fuͤr Reiſende
aller Staͤnde
. Leipzig 1784. S. 25.
c)
C. a. Perponcher Sedlnitzky diſſ. de curſu publico. Lugd. 1756. 4.
uͤber die verein. Niederlande ſ. Kluithiſt. fed T. II. p. 467.
d)
Wie weit aber der Staat verbunden ſey fuͤr gewaltſame Be-
raubungen der Poſten einzuſtehn, iſt aus dem allgemeinen und
poſitiven Staatsrecht, oft auch aus den eigenen Erklaͤrungen
des Landesherrn zu beurtheilen. Fremde koͤnnen fuͤr ihre Unter-
thanen nicht mehr Erſatz fordern, als den eigenen Unterthanen
des Oberherrn der Poſt zuſteht.
e)
Viele Handelsbuͤndniſſe erwaͤhnen zwar der Poſten z. B. das zwi-
ſchen Schweden und Holland 1675. art. 15. zwiſchen Frankreich
und Savoyen 1696. art. 6. zwiſchen Großbritannien und Hol-
land
1715. art. 14, aber mehrentheils in allgemeinen Ausdruͤcken.
f)
Wicquefortle parfait ambaſſadeur T. I. S. 27. p. 409.Mo-
ſer
Verſuch
Th. IV. S. 145.
g)
Z. B. Friede zwiſchen Oeſterreich u. der Pforte 1718. 1739. art. 21.
a)
Daher pflegt in Handelsbuͤndniſſen zweyer Voͤlker von verſchie-
dener Religion der Grad der Duldung oder Religionsuͤbung
beſtimmt zu werden, welchen man den gegenſeitigen Untertha-
nen einraͤumen will.
a)
Wie die Englaͤnder und Niederlaͤnder fuͤr die Valdenſer in
Savoyen, wie die Schweden fuͤr die Proteſtanten in Polen
1707, wie anfangs Rußland, Preußen, Oeſterreich, in Polen
fuͤr die ſeit 1764 noch mehr unterdruͤckten Diſſidenten.
b)
Z. B. wenn in einem Friedensſchluſſe, Grenzvertrage u. ſ. f.
uͤber den Religionszuſtand abgetretener Provinzen Beſtimmun-
gen gemacht werden, wie im Breslauer Frieden 1742. art. 6.
zwiſchen Oeſterreich und Preußen, im Aboer 1743. art. 8. zwi-
ſchen Rußland und Schweden, in dem Abtretungs-Vertrag
zwiſchen Polen und Preußen 1773. art. 8.; wie fuͤr die naͤchſten
25 Jahre
[135]Rechte d. Voͤlker in Anſ. d. einzelnen Hoheitsrechte.
25 Jahre in dem Grenzvertrage zwiſchen Sardinien und Genf
1754. art. 12. u. ſ. f.
c)
D. Strube von den Religionskriegen in ſeinen Neben-
ſtunden
Th. II. n. 7.
a)
So konnte das kraft des Barriere Tractats den verein. Nie-
derlanden
von Oeſterreich eingeraͤumte Beſatzungsrecht in ein-
zelnen niederlaͤndiſchen Feſtungen der Unabhaͤngigkeit der oͤſter-
reichiſchen Niederlande ſo wenig, als das von Frankreich ſo oft
an Großbritannien gegebene, jetzt erloſchene Verſprechen Duͤnkir-
chen nicht zu befeſtigen, der Unabhaͤngigkeit Frankreichs ſchaden.
So haben mehrere teutſche Reichsſtaͤnde unbeſchadet ihrer Lan-
deshoheit einem benachbarten oder fremden Fuͤrſten das Poſtre-
gal in ihrem Gebiet einraͤumen koͤnnen — als aber die Car-
thaginenſer nach dem zweyten puniſchen Kriege den Roͤmern
verſprechen mußten, ohne ihre Einwilligung keinen Krieg zu fuͤh-
ren, da war die Unabhaͤngigkeit der Carthaginenſer verloren;
ſo hoͤrte auch Polen auf voͤllig unabhaͤngig zu ſeyn, ſeit es mit
Rußland die Allianz von 1793 geſchloſſen ſ. m. Recueil T. V.
p. 222.
b)
Daher konnte man von der im 14ten Artikel des muͤnſterſchen
Friedens zwiſchen Spanien und den vereinigten Niederlanden
ſtipulirten Sperrung der Schelde nicht mit Grund behaupten,
daß ſie wider das Naturrecht, und daher unguͤltig ſey. Nouv.
extraordinaires
1784. n. 101‒104 ſuppl.
a)
Wie z. B. Frankreich durch die Friedensſchluͤſſe von 1713, 1748,
1763. an Großbritannien verſprochen hatte Duͤnkirchen von der
Seeſeite nicht zu befeſtigen, bis der Friede von 1783 dieſes Ver-
ſprechen vernichtete. Wie Genua ſich durch den Vertrag von
1685. art. 4. du MontCorps diplom. T. VII. P. II. p. 88. gegen
Frankreich anheiſchig gemacht, einen Theil ſeiner Kriegsſchiffe
abzuſchaffen.
a)
F. C. von Moſer von dem Recht eines Souverains den
andern zur Rede zu ſtellen
, in deſſen kleinen Schriften Th. VI.
S. 287. J. J. Moſer Verſuch Th. VI. S. 409. Guͤn-
ther
Th. I. S. 293‒319.
b)
Guͤnther a. a. O. S. 303.
c)
Moſer Verſuch Th. VI. S. 413. Beytraͤge zu der neue-
ren Staats- und Kriegsgeſchichte
Th. I. S. 170. u. f.
d)
Merc. hiſt. et pol. 1748. T. I. p. 194.
e)
Montgonmemoires T. II. app. n. 4. 5.
f)
S. z. B. Buͤſch Welthaͤndel S. 231.
a)
Z. B. die indiſchen Fuͤrſten welche ein oder andren europaͤiſchen
Macht das Recht des ausſchließlichen Handels mit ihnen ein-
geraͤumt haben, oder Oeſterreich das durch ſeine Vertraͤge von
1731 zum Beſten Großbritanniens und der verein. Nieder-
lande
dem Handel von Belgien aus nach Indien entſagte; oder
Polen das in der Allianz von 1793. art. 11. alle ſein kuͤnftigen
Buͤndniſſe der ruſſiſchen Einwilligung unterwarf m. Recueil
T. V.
S. 222.
b)
S. in Anſehung der teutſchen Reichsſtaͤnde W. Fr. art. 8. §. 2.
Wahl. Capit. art. 6. §. 5.
c)
Z. B. die Partage Tractaten uͤber die ſpaniſche Erbfolge, die
Quadruple-Allianz 1718. den Aachener Frieden 1748. Moſer
Verſuch
Th. VIII. S. 307.
d)
von Steck von der Einſchließung einer dritten Macht in
einem Tractat, und von dem Beytritt eines dritten Staats
zu einem geſchloſſenen Buͤndniſſe in deſſen Ausfuͤhrungen po-
litiſcher und rechtlicher Materien
1776. n. 8. S. 48. u. f.
a)
Guͤnther Th. I. S. 322. u. f. Schmauß Einleitung in
die Staatswiſſenſchaften
I. Th. Anhang.
b)
Wenn einzelne Maͤchte dieſes Syſtem in ihren Aeußerungen ver-
worfen haben, ſo war es, weil man die Grundſaͤtze deſſelben vor-
zuͤglich gegen ſie geltend machen wollte; oft fochten ſie auch we-
niger das Syſtem, als die Anwendung deſſelben an. Zwiſchen
den Schriftſtellern iſt viel fuͤr und wider die Nothwendigkeit,
die Rechtmaͤßigkeit, die Nutzbarkeit und die Exiſtenz eines ſol-
chen Syſtems geſtritten worden. B. de Liſola le bouclier d’etat
et de juſtice 1667. 12.
ſtellte unter den Schriftſtellern das Sy-
ſtem zuerſt auf. Lehmann trutina Europae. Jena 1710. 8. L. M.
Kahle de trutina Europae quae vulgo appellatur
die balance, praeci-
pua belli et pacis norma. Gott. 1744. 8.
behaupteten es. D. G.
Strube
in ſeinen Nebenſtunden Th. II. S. 8. vertheidigte
es, und pruͤfte die wider daſſelbe erſchienene reflexions touchant
l’equilibre;
J. H. G. v. Juſti hielt es fuͤr eine Chimgire ſ. deſſen
Abhandlung Chimaire des Gleichgewichts von Europa. Altona
1758. 4. E. C. de Hertzbergſur la veritable richeſſe des etats,
la balance du commerce, et celle du pouvoir. à Berlin 1786
recht-
fertigte das Lieblings-Syſtem das er ſelbſt hatte erhalten helfen.
G. von Schmettow in: patriotiſche Gedanken eines Daͤ-
nen uͤber ſtehende Heere
1793. 8. ſchalt, von patriotiſchem
Eifer zu weit gefuͤhrt, das ganze Syſtem eine polit. Charlatanerie.
a)
Hertzberg l. c. p. 8. C. G. Heyne progr. de foederum ad Ro-
manorum opes imminuendas initorum euentis eorumque cauſis
. Got-
tingae 1785. fol.
b)
In den fruͤheren Zeiten war das ſinnliche Bild einer Waag-
ſchale, die durch das Anhaͤngen dritter Maͤchte an eine dieſer
Schalen, an Frankreich oder Oeſterreich, im Gleichgewicht erhal-
ten wuͤrde, nicht ganz unpaſſend. Jetzt iſt dieß Bild voͤllig
verwerflich; man koͤnnte ehe Europa mit einer ſehr zuſammen-
geſetzten Maſchine vergleichen, die in Gefahr iſt zerruͤttet zu wer-
den, wenn die Kraft eines Haupttriebrades ſehr verſtaͤrkt, oder
das was ihm zum Gegengewicht diente gehoben wird; aber
richtiger als alle dieſe ſinnliche Bilder iſt wohl der in der Herz-
bergiſchen Abhandlung S. 9. feſtgeſetzte Begriff.
c)
Die Geſchichte des Gleichgewichts in Europa findet ſich in
Schmaußens Einleitung in die Staatswiſſenſchaft im
1ſten Theil und Hertzberg a. a. O. §. 8.
d)
Guͤnther europ. Voͤlkerrecht Th. I. S. 346. u. f. Ade-
lung
Staatsgeſchichte
Th. I. S. 337. u. f. Daß es uͤbrigens
Staaten gebe, die nach ihrer politiſchen Unwichtigkeit, nach ih-
rer Lage u. ſ. f. nicht Urſache haben auf die Erhaltung des
Gleichgewichts fortdaurend ſchwere Koſten zu verwenden, kann
dem Verf. der patriotiſchen Gedanken eines Daͤnen uͤber ſtehende
Heere eingeraͤumt werden.
a)
Schmauß Einleitung in die StaatswiſſenſchaftenII. Th.
b)
Moſer Verſuch Th. I. S. 73. Guͤnther Th. I. S. 375.
c)
Guͤnther Th. I. S. 376. Von der Sorge fuͤr dieſes Gleich-
gewicht in Teutſchland, das erſt ſeit der Regierung Friedrich II.
oͤffentlich zur Sprache gekommen, zeigt inſonderheit der bayri-
ſche Erbfolgekrieg 1778. und der teutſche Fuͤrſtenbund 1785.
m. Recueil T. II. S. 553. C. W. Dohm uͤber den teutſchen
Fuͤrſtenbund 1785. 8. Pruͤfung der Urſachen einer Aſſocia-
tion
. Pol. Journ. 1785. S. 1113. Beantwortung der zu
Wien herausgekommenen ſogenannten Pruͤfung der Urſachen

e. d. S. 1244. ſ. auch Reuß teurſche Staatscanzley Th. XII.
S. 193. u. f.
d)
Moſer Nordamerica nach den Friedensſchluͤſſen von 1783.
Th. III. S. 316.
e)
S. die Erklaͤrung des franzoͤſiſchen Geſandten zu Petersburg 1758.
Moſer Beytraͤge Th. I. S. 72. La voix libre du Citoyen d’ Am-
ſterdam ou reflexions ſur les offaives preſentes
(1755.) v. Juſti
Chimaire des Gleichgewichts der Handlung und der Schif-
farth
. Altona 1759. 4. Obſeruations ſur le memoire juſtificatif de
la Cour de Londres
1779.
a)
Z. B. die Oeſterreich-Ruſſiſche Allianz, das Familienpact u. ſ. f.
b)
Wuͤrde Polen getheilt ſeyn, wenn Frankreich nicht durch innere
Zerruͤttung unwirkſam geworden waͤre?
c)
Guͤnther Th. I. S. 362.
d)
Davon giebt die vor dem Frieden zu Jaſſy zwiſchen Rußland
und der Pforte hergegangene Brittiſch-Preußiſche Negotiation
ein treffendes Beyſpiel in m. Recueil T. V. S. 53.
e)
Von der Art war das Syſtem der bewaffneten Neutralitaͤt, die
Convention zwiſchen Daͤnemark und Schweden vom 27. Maͤrz
1794. u. ſ. f. aber wer fuͤhlt nicht, daß hier nicht ſowohl von
Erhaltung eines Gleichgewichts, als von der Beſchuͤtzung der
behaupteten Rechte wider gegenwaͤrtige Eingriffe die Rede war.
a)
Leticeremoniale hiſtovico-politico. Amſt. T. I—VI. 1685. 12.
Agostino Paradisitheatro de uom nobile
in dem 1ſten und 2ten
Bande. I. C. Lünigtheatrum ceremoniale hiſtorico-politicum oder
hiſtoriſch-politiſcher Schauplatz ꝛc. Leipzig 1719. 1720. T. I. II. fol.
RoussetCeremonial diplomatique des Cours de l’Europe. Amſt. et
la Haye 1739. T. I. II. fol.
(macht den IV. und Vten Band der
Rouſſetſchen Supplemente des duͤ Montſchen Werks aus.)
a)
Es giebt 3 Koͤnigreiche in Europa, die zuſammengenommen
nicht mehr Einkuͤnfte haben, als wailand der Koͤnig von Frank-
reich von der einzigen Stadt Paris erhob.
b)
Struve grundmaͤßige Unterſuchungen von den kaiſerlichen
Titel und Wuͤrde. Moſer Nebenſtunden
S. 285.
c)
Dieß ſieht man inſonderheit aus mehreren Beyſpielen des Mit-
telalters, wo Koͤnige um die Unabhaͤngigkeit ihrer Krone von
dem roͤmiſchen Kaiſer zu behaupten, ſie eine kaiſerliche Krone
und ihr Reich imperium nannten. Von England, deſſen Krone
noch jetzt in allen Staatsacten imperial crown genannt wird,
obgleich die Koͤnige nie den Kaiſer Titel fuͤhrten, ſiehe Black-
stone
commentaries T. I. p. 235. Rymerfedera. T. VII. P. II.
p.
72. 125. Von Spanien ſ. du Cange. T. III. p. 636. 1336.
Vayracétat preſent d’Eſpagne T. II. p. 98. de Realſcience du
gouvernement
T. V. p.
837. Ueber Frankreich: gelehrte Bey-
traͤge zu den Meklenb. Schwerinſchen Nachrichten 1773. n 43—45.
Die Koͤnige von Frankreich ſind die einzigen geweſen die bis auf
die Zeit der Revolution von den Tuͤrken und Africanern foͤrmlich
den Kaiſertitel (Empereur de France) erhielten. v. SteckEchan-
tillons d’eſſais ſur divers ſujets intereſſans
1789. p. 3. Laugier
hiſtoire de la paix de Belgrade T. I. p. 65. n.
1.
a)
So erhob Kaiſer Heinrich II. 906 das Herzogthum Ungarn zum
Koͤnigreich; ſo ernannte Kaiſer Heinrich IV. 1086 den Herzog
Wratislaw zum Koͤnig von Boͤhmen, und Otto IV. ernannte gar
einen Koͤnig von Armenien. Merkwuͤrdig iſt es, daß die Genue-
ſer dem Kaiſer Friedrich I. 4000 Mark Silders anboten, wenn
er ihre Inſel Sardinien zum Koͤnigreich erheben wolle. Han-
noͤveriſche gelehrte Anzeigen
1750. S. 173. I. P. Ludewigde
iure reges appellandi
2tes Hauptſt. §. 7. in deſſen Opuſcula T. I.
p. 62. de Realſcience du Gouvernement T. V. p.
842.
b)
So ernannte Pabſt Sylveſter II. dem Kaiſer zum Trotz 1005
einen Koͤnig von Ungarn, Pabſt Eugen erhob Alfonſus I. zum
Koͤnig von Portugal; Honorius II machte Rogern Grafen von
Sicilien zum Herzog, und ſein Gegenpabſt Anaclet machte ihn
zum Koͤnig 1136. So gab, um ſich in Beſitz dieſes Rechts zu
erhalten der Pabſt der Koͤniginn Maria von England die uner-
betene Erlaubniß den Titel Koͤniginn von Irland zu fuͤhren, da
ſchon Heinrich VIII. ſich ohne den Pabſt zu fragen zum Koͤnig
von Irland hatte ausrufen laſſen Raynald ad. a. 1555. de Real
ſcience du Gouvernement T. V. p.
837. u. f.
c)
Friedrich I. erhob ſich ſelbſt zum erſten Koͤnige von Preußen, ob-
wohl in dem Krontractat den er zum voraus mit Kaiſer Leo-
pold desfalls 1700 errichtete, die, nicht unentgeltlich erlangte,
kaiſerliche Genehmigung in kuͤnſtlich gewandten Ausdruͤcken noch
Anſpielungen auf das alte angemaßte kaiſerliche Recht enthaͤlt.
RoussetSupplements T. II. P. I. p. 461. — Ob, falls der Kaiſer
noch jetzt die koͤnigliche Wuͤrde ertheilen wollte, die Staͤnde
des Reichs als ſolche ſie anzuerkennen ſchuldig waͤren, laͤßt ſich
zweifeln. Weder Geſetz noch paſſender Beſitzſtand entſcheiden die
Frage; nur Analogie bleibt uͤbrig. Moſer von den kaiſerli-
chen Regierungsrechten
S. 421. Auch dem Pabſt wird kein
Recht mehr eingeraͤumt Kronen zu vergeben. Umſonſt berief er
ſich darauf und proteſtirte wider die Anerkenntniß Friedrichs I.
K 4als
[152]Viertes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
als Koͤnias von Preußen. Lamberty T. I. p. 383. I. P. Lude-
wig
naeniae pontificis de iure reges appellandi. Halae
1702. 4.
Keine der uͤbrigen Maͤchte kehrte ſich daran.
d)
Davon zeugen die Beyſpiele der erſt nach und nach erfolgten
Anerkennung des preußiſchen Koͤnigs- und des ruſſiſchen Kaiſer-
Titels. So ward der Koͤnigstitel den Preußen 1701 annahm
von dem Kaiſer in dem Tractat von 1700 zum voraus und nach-
mahls wiederholet anerkannt. RoussetSupplem. T.II. P. I. p. 461.
P. II. p.
2 Noch im Jahr 1701 erkannten ihn England, die verei-
nigten Niederlande
und die Schweiz, ſ. allgem. Geſchichte
der verein. Niederlande
Th. VIII. S. 236. Lambertymemoires
T. I. p. 710,
Daͤnemark ſ. Luͤnig teutſche Reichscanzley
T. V. p 316. und Portugal an. Erſt 1713 erkannten ihn Spa-
nien
und Frankreich bey Gelegenheit des Utrechter Friedens,
erſt 1723 Schweden ſ. Moſer Verſuch Th. I. S. 247; erſt
1764 Polen an Hertzbergrecueil d. deductions T. I. p. 310. m.
Recueil T. I. p. 5. Am allerlaͤngſten weigerten die Paͤbſte, ihrer
Proteſtation eingedenk, die Anerkennung. Benedict der XIV.
hatte zwar zuweilen den Titel gegeben, aber erſt Pius VI. er-
kannte ihn 1786 und foͤrmlich 1787 dem jetzigen Koͤnige an, und
befahl ihm den Titel in allen oͤffentlichen Acten zu geben ſ. G.
v. Hertzberg hiſtoriſche Nachrichten von dem ehemahls be-
ſtrittenen nunmehro aber anerkannten preußiſchen Koͤnigs-
titel Berliner Monathsſchrift
1786. Auguſt n. 1. 2. Vergl.
1787. Maͤrz S. 299. und Storia del anno 1787. p. 287.
Der Kaiſertitel den der Czaar Peter I. 1721 annahm, ward
1723 von Preußen, den vereinigten Niederlanden und Schwe-
den, 1732 von Daͤnemark; Moſer Verſuch Th. I. S. 261.
vorlaͤufig 1732, foͤrmlicher aber 1742 von Großbritannien.
Wenckcod. iur. Gent. T. I. p. 670, 1739 von der Pforte Wenck
l. c. T. I. p.
383, 1742 von Ungarn, 1744 vom roͤmiſchen Kai-
ſer Merc. hiſt. et pol. 1744. S. 199, 1747 vom teutſchen Reich
in corpore.Faber europ. StaatscanzleyT. 92. Adelung
Staatsgeſchichte
Th. VI. S. 35, von Frankreich 1745, von
Spanien 1759, von Polen 1764. m. Recueil T. IV. p. 42. aner-
kannt. S. uͤber den ruſſiſchen Kaiſertitel uͤberhaupt Ev. Otto
de tit. Imp. Rufforum Ultraj. 1722. Halae
1724. 4. und andre in
v. Ompteda Litteratur d. V. R. Th. II. S. 508. verzeich-
nete Schriften.
e)
So ließen Frankreich und Spanien ſich von der Kaiſerinn Eli-
ſabeth reuerſales geben, daß dieſer Titel nicht auf den Vorrang
Einfluß
[153]Gleichheit Wuͤrden und Rang.
Einfluß haben ſolle; und als die jetzige Kaiſerinn die Erneue-
rung dieſer Reverſe verweigerte, und nur ein fuͤr allemahl eine
allgemeine Erklaͤrung gab, proteſtirten dieſe Maͤchte, daß ſie
im Fall verſuchter Neuerungen in der Praͤcedenz, den Kaiſertitel
kuͤnftig nicht mehr geben wuͤrden; ſiehe die Erklaͤrungen in
Faber europ. Staatscanzley Th. X. S. 1. u. f. und in m.
Recueil d. traités T. I. p. 30. u. f.
a)
Gothofredusde iure praecedentiae. Genev. 1664. 4. A. Para-
disi
theatro de nom nobile. Venet. 1731. fol. T. I. cap. 4. 5. T. V.
Z. Zwanzigtheatrum praecedentiae. Frankf. 1709. fol. Rousset
ſur le rang et la preſéance entre les ſouverains. à Amſt.
1746. 4.
Vorzuͤglich aber verdient Guͤnther Voͤlkerrecht Th. I. Cap. III.
S. 198—279. nachgeleſen zu werden.
b)
Ehemahls ſoll in ſacris die linke Hand die Ehrenſeite geweſen
ſeyn Le Bret VorleſungenT. II. p. 96. Eben dieß behauptet
Buͤsbecq von den Tuͤrken ſ. Gothofredus l. c. p. 154. Daß
ſelbſt jetzt die Regel der rechten Hand hin und wieder Ausnah-
men leide, zeigen z. B. die Gondeln in Venedig, ſ. v. Rohr
Ceremonial-Wiſſenſchaft
S. 109. Das Fußgaͤnger-Recht in
London, das Voorheut in dem Haag u. ſ. f.
c)
So hat z. B. bey Reichsverſammlungen der Churfuͤrſt von der
Pfalz den dritten Platz zur Rechten des Kaiſers fuͤr ehrenvoller,
als den zweyten zur Linken angeſehn.
d)
S. z. B. die zwiſchen den teutſchen Churfuͤrſten nach Verſchie-
denheit der Gelegenheiten verſchieden beſtimmte Rangfolge Püt-
ter
inſt. iur. publ. §. 89. not b (ed. V.)
e)
Da jeder Staat bey ſich zu Hauſe Herr des Ceremoniels iſt, ſo
koͤnnen auch bey zahlreichen Verſammlungen, Prozeſſionen u. ſ. f.
willkuͤhrliche Beſtimmungen, z. B. durch Bildung mehrerer von
einander verſchiedener Koͤrper, gemacht werden.
f)
Frankreich hat im 17ten Jahrhundert lange den verein. Nieder-
laͤndern das Recht auf einer zweyten Columne zu unterzeichnen
beſtritten, aber nachmahls eingeraͤumt. Jetzt ſcheint es faſt daß
man auf dieſe Spitzfindigkeit weniger Werth lege.
a)
Ueber die Unzulaͤnglichkeit aller dieſer Gruͤnde ſ. Guͤnther
a. a. O. S. 203—214. auch Moſers Beytraͤge Th. I. S. 45.
b)
Sie ſteht in Guͤnthers V. Recht a. a. O. S. 218. u. f.
c)
Z. B. Preußen, Sardinien ſiehe Merc. hiſt. et pol. 1763. T.
I. p.
145.
a)
Roussetmemoire ſur le rang etc. cap. 1. Auch Joſeph II. that
dieß als ihn Pabſt Pius VI. 1782 zu Wien beſuchte; nur einen
hoͤheren Thron als den ſeinigen wollte er ihm nicht bauen laſſen.
Polit. Journ. 1782. April S. 383. Guͤnther a. a. O. S. 222.
b)
Humler von dem allerhoͤchſten Range, Titel und Wuͤrde
der roͤmiſchen Kaiſer
. Frankfurt 1770. 8.
c)
S. jedoch die ſonderbare Aneedote welche Guͤnther a. a. O.
S. 221. not. c. anfuͤhret.
d)
Doch ſcheint es daß Rußland in Vertraͤgen die Alternation begehre.
The ſecret hiſtory of the armed neutrality p. 46. not. †.
e)
Paſſarowitzer Friede 1718. art. 17. Belgrader Friede 1739. art.
20. 21. Moſer Staatsrecht Th. III. S. 106. Lunigtheatrum
ceremoniale
T. II. p.
1438.
f)
Daß ſie aus dem mit einer dritten Macht eingegangenen Ver-
trage dazu nicht verbunden ſeyn koͤnnen, iſt in die Augen fallend.
Ueberhaupt aber iſt auch in der Materie der Praͤcedenz mehr
auf das individuelle Herkommen der einzelnen Hoͤfe, als auf
analogiſche Schluͤſſe zu bauen.
a)
Nettelbladt Beweiß daß dem roͤmiſchen Koͤnig der Rang
vor allen auswaͤrtigen regierenden Oberhaͤuptern zuſtehe
,
in deſſen Eroͤrterungen 1773. S. 87.
b)
Godefroimemoires concernant la préſéance des Rois de France.
Paris
1612. 4. 1618. 1653.
c)
Waldesiipraerogatina Hiſpaniae. Ueber die daraus mit Frank-
reich entſtandenen Streitigkeiten ſ. Bynkershoekquaeſt iuv. publ.
L. II. c. IX p. 24. Schmausscorp. iur. gentium T. I. p.
760. Die
in dem Familienpact 1761. art. 27. m. Recueil T. I. p. 10. ent-
haltene Verabredung iſt mit dieſem erloſchen.
d)
Ueber die ruſſiſchen Praͤcedenzſtreitigkeiten, beſonders mit Frank-
reich ſ. Fortgeſetzte neue Genealogiſch hiſtoriſche Nachrichten
Th. 33. S. 597—601. Moſer auswaͤrtiges Staatsrecht
S. 17. Ueber die 1770 zu Regensburg entſtandene Streitigkei-
ten ſ. Moſer Verſuch Th. I. S. 57. uͤber die zu Wien 1784
der Gleichheit mit Frankreich halber entſtandene Pol. Journal
May 1784. S. 518. 541. Jun. S. 650. Nouvelles extraordinaires
1784. n.
58. 60. Daß aber Rußland den Rang uͤber Frankreich
begehre, zeigt der Friede von 1774 wo es ſich art. 13 von den
Tuͤrken den Platz unmittelbar nach dem roͤmiſchen Kaiſer ver-
ſprechen laſſen, den doch die Tuͤrken ſchon 1604. art. 20. 27.
1673. art. 10. 1740. art.
1. an Frankreich zugeſagt haben.
e)
Howeldiſcourſe concerning the precedency of King. Lond. 1664. fol.
f)
Doch hat Daͤnemark bey einigen Gelegenheiten an Frankreich
den Rang eingeraͤumt. Z. B. 1742 auf dem Wahltage, 1771
bey dem Leichenbegaͤngniß des Koͤnigs von Schweden. Moſer
Beytraͤge in Friedenszeiten
Th. I. S. 41.
g)
Bey Gelegenheit des W. Friedens erklaͤrte Schweden an Frank-
reich: qu’elle pretendoit ne ceder en rien à la France in prae-
cedentia et prerogatiua. Roussetmem. ſur le rang chap. VII.

Moſer Beytraͤge zu dem europ. Voͤlkerrecht in Friedenszei-
ten
Th. I. S. 41.
h)
Daͤnemark fordert den Rang uͤber Schweden unter andern,
weil die Unionskoͤnige jenen Titel voran geſetzt haben.
i)
So weichen in ſolchen Faͤllen Portugal, Preußen, Sardinien,
an Spanien, Frankreich, England
, fordern aber in allen
uͤbrigen Faͤllen die Gleichheit. Moſer Verſuch Th. I. S. 71.
Beytraͤge Th. I. S. 43.
k)
So verlangt z. B. Daͤnemark den Rang uͤber Schweden und
Polen, ſo verlangen mehrere Koͤnige den Rang uͤber Sardinien,
Ungarn, obgleich dieſe wenigſtens auf Gleichheit dringen; die
Schriften uͤber dieſe beſondere Praͤcedenz Streitigkeiten ſ. in von
Ompteda Litteratur
Th. II. §. 194. u. f.
a)
Guͤnther Th. I. S. 209. und die von ihm angefuͤhrten Schrift-
ſteller.
b)
Vattei. L. II. chap. III. §. 39.
c)
S. die Baſeler Friedensſchluͤſſe Frankreichs mit Preußen v. 5.
Apr. 1795. Hiſt. Pol. Magazin B. XVII. S. 403. mit Spanien
v. 12. Jul. 1795. e. d. B. XVIII. S. 170.
d)
Die vereinigten Niederlande machten keine Schwierigkeit,
Preußen kurz nach angenommener Koͤnigswuͤrde den Rang ein-
zuraͤumen, obwohl Janiçonétat preſent des prov. unies T. I. p.
103. behauptet, daß ſie es nicht ſchuldig geweſen. Venedig be-
ſtritt
, obwohl ohne Erfolg, den Rang anfaͤnglich an Preußen.
e)
Blos Titulaͤrkoͤnigen, wie dem Stanislaus Leſcinsky ſeit 1735,
oder denen die nur in ihren Titeln Koͤnigreiche auffuͤhren, die
ſie nicht beſitzen, weichen ſie nicht Guͤnther V. R.I. S. 256.
f)
W. Cap. art. 5. ſeit Leopold I.
g)
Sie gruͤnden ſich auf Beyſpiele ihres Beſitzes in Polen 1625.
1660, in Daͤnemark 1670, in England unter andern 1685, in
Schweden 1771.
h)
Moſer auswaͤrtiges Staatsrecht S. 236.
i)
Venedig begehrt aber ſchlechterdings den Vorrang vor den Chuͤr-
fuͤrſten. Beyſpiele auf die man ſich bezieht ſ. in Guͤnther V.
Recht
Th. I. S. 256.
k)
Die vereinigten Niederlande beſchloſſen 1635 den Rang an Ve-
nedig einzuraͤumen: Aitzema T. IV. p. 68. 120. ſ. jedoch Kluit
hiſt. fed. T. II. p.
521.
l)
Pestelcommentarii de rep. Bataua §. 436.
a)
Zwanzigtheatrum praecedentiae L. I. tit. 43. 49. So z. B. be-
gehrt Savoyen den Rang uͤber alle andere italiaͤniſche Fuͤrſten,
ſelbſt uͤber Mantua, Modena und Parma; ſo ſtreiten Flo-
renz
und Venedig uͤber den Rang; ein Theil dieſer Streitig-
keiten ruhet jetzt wegen der zwiefachen oft unzertrennlichen Ei-
genſchaften der Beſitzer einiger dieſer Lande.
b)
S. Guͤnther V. R. Th. I. S. 254. u. f. Moſer nach-
barliches Staatsrecht
B. I. S. 11. u. f.
a)
Sobald Ludwig XIV. das Teſtament Carls II. anerkannt hatte
gab er ſeinem Enkel Philipp von Anjou an ſeinem Hofe die
rechte Hand. Memoires de la Torre T. II. p. 168.
b)
Moſer nachbarliches Staatsrecht S. 10. u. f.
c)
Pestelcommentarii de rep. Bat. §. 352. Vergl. §. 24.
d)
Roussetſur le rang etc. p. 13. u. f. Moſer auswaͤrtiges
Staatsrecht
p. 17. Doch wollen die Koͤnige dem Kaiſer an
ſeinem Hofe den Rang nicht eingeſtehn; nur Frid. Wilhelm I.
von Preußem raͤumte ihn Carl VI. ein. F. C. Moſer Hof-
recht
Th. I. S. 26.
a)
In Vertraͤgen zwiſchen zweyen Maͤchten werden zwey Exem-
plare gemacht, und entweder jedes nur von einem Theil unter-
ſchrieben, oder von beiden, ſo, daß jeder ein Exemplar bekommt,
in welchem er den Ehrenplatz in dem Vertrage und der Unter-
ſchrift hat. Sind mehrere Contrahenten ſo muß oft die Zahl
der Exemplare betraͤchtlich vermehrt werden. So wurden von
der Qu[a]druple-Allianz 12 Exemplare gemacht. Wie es beym
Aachener Frieden gehalten wurde ſ. Moſer Beytraͤge Th. I.
S. 45. u. f. Adelung Staatsgeſchichte Th. VI. S. 328.
b)
Wovon inſonderheit der Pyrenaeiſche und Ryswickiſche Friede
merkwuͤrdige Beyſpiele geben.
c)
So haben z. B. Frankreich und England ſich ſchon ſeit 1546
der Alternation verglichen. Roussetmemoires ſur le rang etc. p. 66.
d)
Z. B. Sardinien und Ungarn beym Aachener, Portugal beym
Fontaineblauer Frieden. Auch Großbritannien bezweifelte
dieſes Recht an Preußen 1742.
e)
Z. B. Hannoveriſche Allianz zwiſchen Sachſen und Braun-
ſchweig-Luͤneburg
1731. Teſchner Convention zwiſchen Sach-
ſen
und Pfalz 1779.
f)
Ob der Kaiſer das Recht habe die Praͤcedenz zwiſchen den
teutſchen Staͤnden feſtzuſetzen, haͤngt von der Frage ab, ob
daruͤber vor den Reichsgerichten Streit entſteht, welcher Fall
nicht leicht eintreten wird. Moſer von den kaiſerlichen Re-
gierungsrechten
S. 13. Nachbarliches Staatsrecht S. 13.
Guͤnther Th. I. S. 268. Der Pabſt hat kein Entſcheidungs-
recht, auch nicht in Anſehung des Ranges der geiſtlichen Fuͤrſten.
g)
Wie z. B. der Zwiſt zwiſchen England und Spanien auf dem Coſt-
nitzer Concilium, zwiſchen Frankreich und Spanien im Haag 1657,
zu London 1661. Noch in neueren Zeiten hat es einige obwohl
weniger gewaltſame Auftritte der Art, z. B. zwiſchen den ruſ-
ſiſchen und franzoͤſiſchen Geſandten zu London gegeben.
a)
Ueber die verſchiedenen Begriffe und Eintheilungen des Handels
ſ. Meloneſſai ſur le commerce 1735. 8. Heinecciusde iure prin-
cipis circa libertatem commerciorum tuendam.
Halae 1738. Bachhof
abEchtde eo quod iuſtum eſt circa commercia inter gentes. Jenae
1730. 4. G. L. Boͤhmerde iure principis libertatem commerciorum
reſtringendi in vtilitatem ſubditorum
in deſſen Elect. iur. civ. T. III.
exerc. 19. Bouchaudthéorie des traités de commerce. à Paris
1777. 8.
J. G. Buͤſch kleine Schriften uͤber Staatswirthſchaft und
Handlung
Th. I. II. 8.
a)
Daß es Faͤlle gebe, in welchen eine Nation wegen eintretender
Hungersnsth eine andere zwingen koͤnne, ihr von ihrem Ueber-
fluſſe zu verkaufen, iſt wohl unlaͤugbar. Aber in Friedenszeiten
laͤßt ſich von der Menſchlichkeit der europaͤiſchen Maͤchte nicht
erwarten, daß es desfalls eines Zwangs beduͤrfen werde; viel-
mehr giebt die neuere Geſchichte auffallende Beweiſe der in ſol-
chen Faͤllen bezeugten Willfaͤhrigkeit. Vatteld. d. gens L. II.
chap.
1. § 5.
b)
Sofern laſſen ſich alſo nicht nur Zoͤlle, ſondern auch Stapelrecht,
Stadteinlagerrecht, auch die brittiſche Navigationsacte von 1660,
das ſchwediſche Productplacat von 1724 u. ſ. f. nach dem allge-
meinen Voͤlkerrecht rechtfertigen.
c)
Wenn diejenigen Staaten die Colonien in anderen Welttheilen
angelegt haben, ſich den mehreſten Handel derſelben ausſchließ-
lich beylegten, ſo iſt dieß nicht aus dem Voͤlkerrecht, ſondern
aus dem beſondren Verhaͤltniſſe der Unterwuͤrſigkeit derſelben
gegen das Mutterland zu erklaͤren.
d)
Ueber die Voͤlker die dieſes zum Beſten der vereinigten Nieder-
lande gethan ſiehe Kluithiſt. federum T. II. p. 339. u. f.
a)
Schilterde iure hoſpitii Diſſ. I. §. 6. Bouchaudtheorie des
traités de commerce
p.
15. u. f.
a)
I. F. L. B. BachhoffabEchtde eo quod iuſtum eſt circa commer-
cia inter gentes, ac praecipue de origine ac inſlitia ſocietatum morca-
toriarum maiorum.
Halae
1751. 4. Verſchiedene ſolcher auf ge-
wiſſe Jahre ertheilten Octroyen fuͤr dieſe Handelsgeſellſchaften
finden ſich in Moſer Verſuch Th. VII. S. 313 u. f.
b)
Stritigkeiten hieruͤber finden ſich unter andern erzaͤhlt in Lettres
du chevalier Temple
S. 13. und an verſchiedenen Stellen.
c)
So erklaͤrte z. B. Frankreich den Handel mit St. Lucie und
St. Nicolas fuͤr frey, ſo Daͤnemark eine Zeitlang (bis 1777)
den Handel mit St. Thomas, Großbritannien 1766 den Han-
del mit Jamaica, Holland den mit St. Euſtache.
d)
Ueber Vertraͤge der Art mit den vereinigten Niederlaͤndern ſ.
Kluithiſt. federum T. II. p. 339.
e)
So verſprach Spanien in dem Muͤnſterſchen Frieden 1648.
art. 6. den vereinigten Niederlaͤndern ſeinen Handel in Oſtin-
dien nicht weiter zu erſtrecken, woruͤber nachmahls der beſchwer-
liche Handel mit Oeſterreich wegen der von Carl VI. zu Oſtende
errichteten indiſchen Handelsgeſellſchaft erwuchs, bis dieſer
in dem Vertrage von 1731 zum Beſten der Englaͤnder und Hol-
laͤnder die Geſellſchaft aufhob und dem Handel von den Nieder-
landen aus nach Oſtindien entſagte. Die verſchiedenen Schrif-
ten uͤber dieſe Handelsgeſellſchaft ſind in von Ompteda Lit-
teratur
Th. II. S. 600. u. f. angezeigt. So entſagte Frankreich
in dem Utrechter Frieden mit Portugal 1713 art. 10. aller Schif-
farth auf den Amazonen-Fluß; mehrere Beyſpiele der Art fin-
det man in Bouchaudtheorie p. 202. u. f.
f)
Surland erlaͤutertes Recht der Teutſchen nach Indien zu
handeln
1752. 4.
g)
Die Erklaͤrungen welche Holland hieruͤber ſchon 1663 an Frank-
reich that, finden ſich in Lettres et negociations deJean de Witt
T. II. p.
566. Die Schriften uͤber die zu Altona 1728 errichtete
daͤniſche oſtindiſche Handelsgeſellſchaft in RoussetRecueil T. V.
p.
41. u. f. Die uͤber die ſchwediſche 1731 errichtete oſtindiſche
Handelsgeſellſchaft e. d. Th. VIII. S. 343. u. f. Die merkwuͤr-
digen Erklaͤrungen welche England und Holland dem Koͤnige von
L 5Preußen
[170]Viertes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
Preußen bey Gelegenheit der von dieſem zu Embden errichteten
oſtindiſchen Handelsgeſellſchaft gaben, finden ſich in Moſer
Verſuch
Th. VII. S. 449. Ueber die Trieſter Handelsgeſellſchaft
in Merc. h. et politique 1750. p. 520. 1776. T. II. p. 53. 328. und
in Moſer Verſuch Th. VII. S. 359. u. f. Die bey Gelegen-
heit des letzteren Streits zwiſchen Spanien und Großbritannien
uͤber den Handel nach Nutkaſund 1790 von ſpaniſcher Seite er-
folgte Aeußerungen ſ. Hiſt. pol. Magazin 1790. S. 182. ent-
halten, ſo weit ſie auch getrieben worden, keinen Widerſpruch
des allgemeinen Grundſatzes der Freyheit des Handels und der
Schiffarth in alle Welttheile, wenn ſchon Portugal und Spa-
nien ihn nie foͤrmlich anerkannt zu haben ſcheinen.
a)
Z. B. ſ. das ſpaniſche Verboth des hamburgiſchen Handels 1751,
des daͤniſchen Handels 1755. Moſer Verſuch Th. VII. S.
421. 432. u. f.
b)
Beſchraͤnkungen dieſer Art ſind gemeiniglich allgemein, und
werden auch durch Handelsbuͤndniſſe nicht gehoben; wie z. B.
Daͤnemark allen Fremden den Handel mit Ißland und den Fa-
roerſchen Inſeln und mit dem von ihm in Beſitz genommenen
Theile von Groͤnland unterſagt hat, wie Schweden allen aus-
waͤrtigen Handel auf die 34 Stapelſtaͤdte beſchraͤnkt hat; ſ. m.
Grundriß der Staatsverfaſſung der europaͤiſchen Maͤchte
Th. I. S. 18. und 120.
c)
Die beruͤhmte engliſche Navigationsacte von 1660. in meiner
Sammlung von Grundgeſetzen Th. I. S. 794. konnte daher
im allgemeinen auch nicht als dem herkoͤmmlichen Recht entge-
gen angeſehn werden. S. die Geſchichte dieſer Navigationsacte
von Herrn Buͤſch in Hamb. Addreß-Comtoir Nachrichten
1774. n. 35. u. f. und in Buͤſch und Ebelings Hand-
lungs-Bibliothek
Th. II. S. 630. Auch das ſchwediſche Pro-
ductplacat von 1724 iſt dem Voͤlkerrecht nicht enigegen. Mo-
dee
Utdrag D. I. p.
575.
a)
Mascovde foederibus commerciorum. Lipſ 1735. 4. I. G. Pestel
de ſeruitutibus commerciorum. Rintel 1763. 4. Bouchaudtheorie
des traités de commerce.
à Paris
1777. 8. v. Steck Handlungs-
vertraͤge.
Halle 1782. 8. In Beziehung auf einzelne Staaten
gehoͤret hieher v. Steck von den Handlungsvertraͤgen der
tuͤrkiſchen Pforte
in ſeinen Verſuchen 1772. S. 86. Ebender-
ſelbe von den Handlungsvertraͤgen des ruſſiſchen Reichs in
deſſen Verſuchen 1783. S. 61. Von den Handelsvertraͤgen ſelbſt
iſt in England eine eigene Sammlung erſchienen: a Collection of
all the marine treaties between Great Britain and other Powers

1779. 8. Die Vertraͤge der uͤbrigen Maͤchte muͤſſen in den all-
gemeinen Urkunden Sammlungen aufgeſuchet werden.
b)
In dieſer Ordnung pflegen auch die Artikel auf einander zu
folgen. Als ſonderbar kann angemerkt werden, daß das Han-
delsbuͤndniß zwiſchen Großbritannien und Frankreich vom
Jahr 1786 gleich art. 2. mit den Puncten anfaͤngt, die im Fall
eines Bruches ſtatt haben ſollen.
a)
Dieſe Clauſul ward zuerſt in den Vertraͤgen mit den Tuͤrken
eingeruͤckt v. Steck Handlungsvertraͤge S. 23. u. f.
b)
Ueber den Sinn dieſer Clauſeln ſ. m. eſſai concernant les arma-
teurs, les priſes et les repriſes
§. 57. 58.
c)
Dieſer Artikel iſt als einer der allerwichtigſten und mißlichſten
in den Handelsbuͤndniſſen anzuſehn; eben daher wird zuweilen
der verglichene und dem Vertrag angehaͤngte Zoll-Tarif auf
kuͤrzere Zeit als der Vertrag ſelbſt eingegangen.
a)
Dieß iſt zwar in dem Handelsbuͤndniſſe zwiſchen Frankreich und
Großbritannien vom Jahr 1786 art. 2. aber ſonſt in den wenig-
ſten Handelsvertraͤgen geſchehen, ſo wichtig auch jetzt dieſer Punct
zu Vorbeugung vieler oͤffentlichen und Privatſtreitigkeiten waͤre.
b)
Handelsbuͤndniß zwiſchen Großbritannien u. Frankreich 1786. art. 2.
a)
Dictionaire du Citoyen unter dem Wort Conſul. Mislerébauche
d’un diſcours ſur les Conſuls
1754 4. Am vollſtaͤndigſten hat der
Herr v. Steck, welcher ſchon in ſeinen obſeruationibus ſubſeci-
vis
und in ſeinen Verſuchen 1772, S. 120. u. f. einige ſchaͤtz-
bare
[175]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.
bare Beytraͤge uͤber den Urſprung und die Rechte der Conſuln
geliefert hatte, dieſe Materie in ſeinem eſſai ſur les Conſuls. à Ber-
lin
1790. 8. bearbeitet.
b)
v. Steckeſſai p. 14. u. f.
c)
Valincomment. ſur l’ord. de la marine de Louis XIV. L. I. T. 9.
Tit. I. p. 245. de Steckeſſai ſur les Conſuls p.
56.
a)
Ueber die Geſchaͤfte der Conſuln ſehe man Diſcours politiques
T. III. p.
29. u. f. (Fortbonnais) recherches et conſiderations ſur
la France
T. I. p. 409. 410. v. Steckeſſai ſur les Conſuls p.
18.
u. f. 22. u. f.
b)
Die Rechte und Pflichten dieſer Conſuln ſind theils durch Ge-
ſetze, wie z. B. in Frankreich durch das edit concernant les droits
des Conſuls dans l’Archipel et en Afrique
von 1781 in de Steck
eſſai p.
71. theils durch Vertraͤge feſtgeſetzt, da faſt in allen
Friedens- und Handelsduͤndniſſen der chriſtlichen Staaten mit
den Africanern, und in den Handelsbuͤndniſſen und Capitulatio-
nen mit der Pforte die Rechte der Conſuln ausfuͤhrlich beſtimmt
ſind. Ein Auszug derſelben findet ſich in v. Steck a. a. O.
S. 24.
c)
S. z. B. Vertrag zwiſchen England u. Daͤnemark 1664. art. 15.
16. 22. 24. 36. Zwiſchen Schweden und Sicilien 1742. art. 4.
Zwiſchen Daͤnemark und Sicilien 1748. art. 4. Zwiſchen Daͤne-
mark und Genua
1789. art. 4. u. ſ. f.
d)
Mehrere Staaten haben eigene Verordnungen uͤber die Pflich-
ten ihrer Conſuln gegeben, z. B. Daͤnemark eine Verordnung
vom 10. Febr. 1749. Moſer E. V. R. Th. VII. S. 831.
Frank-
[177]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.
Frankreich eine Verordnung vom 7. Apr. 1759. in Nouv. ex-
traord. 1759. n.
44. Außer den Artikeln welche ſich in den ein-
zelnen Handelsbuͤndniſſen finden, giebt es auch eigene Vertraͤge
uͤber die Rechte der Conſuln, wohin der zwiſchen Spanien und
Frankreich 1769 geſchloſſene Vertrag gehoͤret in m. Recueil T. I.
p.
242. Formulare der Beſtattungen und Inſtructionen fuͤr die
niederlaͤndiſchen Conſuln finden ſich in Groot Placaat Boek T. VI.
p. 300. T. VII. p.
521. 531‒537.
e)
In den Streitigkeiten der Hollaͤnder mit Frankreich nach der
Widerrufung des Edicts von Nantes behaupteten jene geradezu,
daß ihre Conſuln eine Gattung von Miniſtern ſeyn ſ. memoires
d’Avaux T. V. p.
171. 210. Wenn man zugiebt daß ſie unter
dem beſondren Schutz des Voͤlkerrechts ſtehn, ſo ſcheint es,
daß der Streit verſchiedener Schriftſteller uͤber die Frage ob die
Conſuln Miniſter ſeyn, mehr das Wort als die Sache ſelbſt
treffe. Bynkershoekdu juge competent des ambaſſadeurs cap. 10.
§. 6. Wiquefort T. I. L. I. S. 5. p. 63. de Real T. V. p. 58.
Vattel T. I. L. II. chap. II. Sect.
14. wollen ſie gar nicht als
Miniſter gelten laſſen, ſ. aber v. Steckeſſai p. 18.
f)
de Steck l. c. p. 58. Die Conſuln in der Levante und in Africa
hingegen werden foͤrmlich accreditirt e. d.
g)
Der Regel nach ſind die Conſuln in Europa der Civil-Gericht-
barkeit des Orts wo ſie als Conſuln angeſtellt ſind unterworfen.
Bynkershoekde foro comp. leg. T. 10. §. 5. 6. Wiquefortle
parfait ambaſſadeur
L. I. S.
5. Daher muͤſſen ſie eine beſondre
Befreyung erweiſen, wenn ſie auf ſelbige Anſpruch machen wol-
len. Ein Beyſpiel eines hieruͤber zu Neapel 1764 entſtandenen
Streits ſ. in Merc. h. et pol. 1764; andere Beyſpiele in Merc.
h. et pol
. 1755. T. II. p.
273. Moſer Verſ. Th. VII. S. 843.
de Real T. V. p. 65. In Anſehung der Criminal-Gerichthar-
keit behauptet Vattel zwar L. II. c. 2. §. 34. daß ſie von
ſelbiger befreyet ſeyn muͤſſen; doch ſcheint er die Nothwendigkeit
nicht erwieſen zu haben, und wenn gleich in manchen Faͤllen
die Auslieferung ohne Schwierigkeit geſchehn wuͤrde ſ. Bouchaud
theorie des traités de commerce p.
150. ſo beweiſet dieß keine Ver-
bindlichkeit. Daß dieſe wenigſtens nicht allgemein anerkannt
werde, zeigt ein neueres Beyſpiel eines hollaͤndiſchen Conſuls
zu Livorno 1786.
h)
Auch auf Befreyung von perſoͤnlichen Abgaben hat der Conſul
der Regel nach keinen Anſpruch zu machen.
i)
Daß in Europa einem Conſul der geſandſchaftliche Gottesdienſt
in ſeinem Hauſe geſtattet werde, iſt ein ſehr ſeltener Fall; ſ.
jedoch den Handelsvertrag zwiſchen Frankreich und Hamburg
1769. art. ſep. 2. In den Vertraͤgen mit den Africanern wird den
Conſuln dieſer Gottesdienſt faſt ohne Ausnahme eingeraͤumt.
k)
Die Conſuln unter einander ſtreiten zwar wohl uͤber die Praͤ-
cedenz auf den Fuß ihrer Hoͤfe; Moſer Verſuch Th. VII.
S. 844. aber kein Conſul wird in dieſer Eigenſchaft einem Ge-
ſandten, ſelbſt der dritten Klaſſe, den Rang ſtreitig machen.
a)
So verabredeten Frankreich und die vereinigten Niederlaͤnder
in ihren Vertraͤgen von 1697. art. 39. u. 1739. art. 40. gegenſei-
ſeitig keine Conſuln zu ſchicken, ſeitdem aber hat Frankreich ver-
ſchiedent-
[179]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Handels.
ſchiedentlich commiſſaires de la marine nach Holland geſchickt.
Kluithiſt. fed. T. II. p. 556.
b)
de Steckeſſais ſur les Conſuls p. 55.
c)
Kluithiſt. federum T. II. p. 561. 564.
d)
Z. B. in Hamburg, Rotterdam u. ſ. f.
a)
Eigentlich verſteht man unter Strand nur den Theil des Ufers
den die hoͤchſte Fluth beſpuͤlt und die niedrigſte Ebbe trocken
laͤßt. Daher nehmen einige das Wort Strandrecht in viel enge-
ren Sinn, unterſcheiden es auch noch von der Strandgerichtbar-
keit. J. Schubackde iure littoris T. I. S. I. §. 1 u. f. §. 5. not. ſ.
b)
Schubackde iure littoris S. I. §. 5
c)
Auf den Fluͤſſen welche nur durch das Gebiet eines Staats ihren
Lauf nehmen, iſt die Schiffahrt den Fremden nicht durchgaͤngig
M 3frey
[182]Viertes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
frey. Auf ſolchen Fluͤſſen aber deren Ufer verſchiedenen Herrn
zuſtehn, iſt ſie es der Regel nach, ob es gleich auch hier Ausnah-
men giebt, z. B. bisher in Anſehung der Schelde kraft des muͤn-
ſterſchen Friedens 1648 art. 14. und des Vertrags von 1785 zwi-
ſchen Oeſterreich und den vereinigten Niederlanden; in Anſe-
hung der Weſer kraft des Stapelrechts der Stadt Muͤnden u. ſ. f.
d)
I. P O. art. 9. §. 1. 2. Wahlcap. art. 8. §. 7.
e)
Daß auch dieſe von einem jeden Staat der Regel nach in ſeinem
Seegebiet erhoben werden koͤnnen iſt kein Zweifel. Wie aber
uͤberhaupt die teutſchen Reichsſtaͤnde nur kraft kaiſerliche Privi-
legien-Zoͤlle anlegen koͤnnen, ſo behaupten die 4 Churfuͤrſten
insbeſondere auch in dieſem Punct ein mit Ausſchluß aller andren
teutſchen Staͤnde ihnen zuſtehendes Recht der Oberherrſchaft uͤber
den Rhein. I. C. Klipsteinde dominio Rheni inter plures con-
trouerſo
. Gieſſae
1740. 4. Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 22.
f)
Schuback a. a. O. §. 7. S. 39.
g)
Moſer Verſuch Th. V. S. 473. 489.
h)
v. Steck vom Sundzoll in deſſen Verſuchen S. 39. de Ma-
rien
Tableau des Droits et uſages de commerce relatifs au paſſage
du Sund
. Coppenhague
1778. 8.
i)
Es giebt 3 Gattungen von Haͤfen: 1) geſchloſſene, wo, den
Nothfall ausgenommen, Fremden das Einlaufen verboten iſt;
dahin gehoͤren faſt alle Haͤfen der europaͤiſchen Colonien außer-
halb Europa. 2) Offene Haͤfen, welche dem Handel aller Voͤl-
ker, doch gegen Bezahlung der Einfuhr-Zoͤlle frey ſtehn. 3)
Freyhaͤfen, welche nicht nur offen ſondern auch in Anſehung
allerley Gattungen von Waaren von Zoͤllen befreyet ſind. Das
Verzeichniß der Freyhaͤfen in Europa findet ſich in Moſer
Verſuch
Th, VII. S. 730. Ueber den Begriff der Freyhaͤfen ſ.
Emerigontraité des aſſurances T. I. p. 190. auch nouv. extraordi-
naires
1784. n. 79 ſuppl.
a)
I. Schuback diſſ. de iure littoris. Gott. 1750. 4. worauf nach-
mahls deſſen vortrefflicher Commentarius de iure littoris. Hamb. 1571.
fol. T. I.
folgte, welcher in einer teutſchen Ueberſetzung in Ham-
burg 1767. 4. erſchien. Zu dieſer Ueberſetzung iſt ein zweyter
Theil, welcher die Urkunden und andere Beylagen enthaͤlt 1781.
hinzugefuͤget. Sonſt verdient auch noch uͤber dieſe Materie nach-
geſehn zu werden: Dreyerſpecimen iuris publici Lubecenſis circa
inhumanum ius naufragii
. Lub.
1762. 4. Weit minder wichtig
ſind die nachmals erſchienenen Schriften des I. B. Forsteniusde
bonis naufragorum
. Groͤningae 1776. 4. Rainutiusde iure littoris
liber ſingularis
. Luccae
1778. 8.
b)
Schuback l. c. S. I. §. 29.
c)
Beckers luͤbeckiſche Geſchichte Th. I. S. 175. 180. 202. Daͤh-
nert
Samml. pommeriſcher Geſetze
B. III. S. 14.
d)
Z. B. in dem Vertrage zwiſchen Daͤnemark und Schweden 1743.
du MontCorps dipl. T. I. P. II. p. 223. Zwiſchen England u. Spa-
nien 1495 e. d. und in einer Menge ſeitdem geſchloſſener Vertraͤge.
e)
Schuback a. a. O. §. 30.
f)
Aus ganz andern Gruͤnden kann der Staat ſich noch jetzt geſtran-
dete Contrebande Guͤter, oder Guͤter und Schiffe der Seeraͤuber
oder rechtmaͤßiger Feinde zueigenen, obgleich in Anſehung der
letzteren zuweilen ein großmuͤthiges Mitleiden bewegt ſich der
Strenge des Rechts nicht zu bedienen. Emerigontraité des aſſu-
rances
T. I. p.
455. 528.
a)
J. H. Böhmerde ſeruaticio. Halae 1743. 4. Schele diſſ. de iure
naufragii colligendi
1674. 4.
b)
Dieſes Verhaͤltniß iſt nicht in allen Staaten auf dieſelbe Weiſe
feſtgeſetzt, und durch keine der gewaͤhlten Arten kann Mißbrauch
ganz vermieden werden. Gewiß iſt aber, daß da wo, wie in eini-
gen Landen, das Berggeld uͤberhaupt gar zu hoch beſtimmt iſt,
dieſes Recht leicht in Ungerechtigkeit ausartet, und ſich dem
Strandrechte wieder naͤhert, deſſen Abſchaffung ſich die Maͤchte
doch zur Ehre anrechnen, ſ. Beyſpiele in Buͤſch Darſtellung
des Handels in ſ. mannigf. Geſchaͤften Th. I. S. 110 u. f.
c)
An den mehreſten Orten wird deſſen Ausuͤbung den Bewohnern
des Strandes uͤberlaſſen, an andern ſind außerdem oͤffentlich dazu
beſtimmte Perſonen, und in Schweden Taͤuchergeſellſchaften.
Cattrau
[185]Rechte der Voͤlker in Anſehung des Meers.
Catteautableau de la Suède T. II. p. 82. Daß fremde Bewohner
eines benachbarten Strandes von der Huͤlfleiſtung ausgeſchloſſen
werden, beruhet auf viele die Menſchheit beſchaͤmende Erfahrun-
gen, daß dieſe Ausſchließung fuͤr die Nothleidenden ſelbſt eine
Wohlthat iſt.
d)
Schubackde iure littoris §. 39. ſ. z. B. den Vertrag zwiſchen
Daͤnemark und Schweden 1748. art. 24. Zwiſchen Daͤnemark
und Genua 1756. 1789. art. 27. m. Recueil T. IV. p. 532.
a)
Buderde dominio maris Sueuici vulgo lacus Bodamici 1742. 4. Mo-
ſer
Wahlcap.
Carls VII. S. 19. Moſer nachbarl. Staats-
recht
S. 440. u. f. Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 55. u. f.
b)
Peysonnelſur le commetce de la mer noire; avant propos p. VIII.
und p 296. (Ausgabe von 1787.) ſ. auch Moſer Verſuch Th.
V. S. 472.
c)
Dieſes Ziel der Wuͤnſche Peter I. ward zuerſt durch den Frieden
von 1774. art. XI. erlangt. m. Recueil Th. IV. S. 606. Viele
noch nachmahls entſtandene Schwierigkeiten, von denen Buͤſch
und Ebelings Handlungsbibliothek Th. I. St. 2. S. 286.
Nachricht giebt, veranlaßten den art. 6. der Convention explica-
catoire
von 1779. m. Recueil T. III. p. 349. und im Frieden von
1784. den art. 30 u. f. e. d. Th. II. S. 389. Doch weder dieſe
Vertraͤge, noch der Friede von Jaſſy 1792. e. d. Th. V. S. 67.
ſcheinen alle Schwierigkeiten aus dem Wege geraͤumet zu haben.
d)
S. d. tuͤrkiſchen Befehl von Febr. 1784 in m. Recueil T. IV. p. 458.
e)
Eine kurze Geſchichte der beſonders ſeit 1740 desfalls entſtande-
nen Streitigkeiten findet ſich in Moſer Verſ. Th. VII. S. 678,
vorzuͤglicher aber in Pestelſelecta capita iuris gentium maritimi
§. 9. Ueber den Streit von 1740 ſ. Etat [Politique] de l’Europe
T. IX. p.
114. u. f. C. L. Scheidde iure regis Daniae prohibendi
nauigationes et piſcationes exterorum in mari Boreali contra nouiſſi-

mas
[188]Viertes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
mas Batauorum praetenſiones. Hafniae 1741. uͤber den Streit von
1776. Merc. hiſt. et pol. h. a. T. I. p. 412. II. 314. N. Nederl.
Iaarboeken
1777. p.
253‒262; ſ. uͤberhaupt Kluithiſt federum
T. II. p.
422 u. f.
f)
Allgemeine Geſchichte der verein. Niederlande Th. IV. S. 244. 444.
Th. V. S. 124. 459. Th. VI. S. 21. 95. 107. 253. Kluithiſt. fe-
derum
T II. p.
4 9 u. f. Moſer VerſuchV. 473; uͤber den
Streit mit Daͤnemark wegen des Fiſchfangs bey den orcadiſchen
Inſeln ſ. Moſer Verſuch Th. V. S. 495.
g)
Hannoͤveriſches Magazin 1771. St. 53. 54.
h)
Seldenimare clauſum cap. 22.
i)
Fr. zu Breda 1667. art. 19. du Mont T. VII. P. I. p. 44. Ver-
trag von 1674. art. 4. du Mont T. VII. P. I. p. 253.
k)
Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 45 u. f.
l)
Guͤnther a. a. O. S. 47.
m)
Guͤnther Th. II. p 42.
n)
Erklaͤrung des Koͤnigs von Daͤnemark vom 8 May 1781 in m.
Recueil T. II. p. 84.
a)
Ueber die wichtigen Streitigkeiten wegen des Fiſchfangs auf Terre
Neuve ſ. Sprengel Geſch. der Europ. in Indien Th. I.
S. 35 u. f. Moſer Verſuch Th. V. S. 497. Nordamerica
Th. II. S. 401. 583. Th. III. S. 350.
b)
Z. B. Tractat zwiſchen Großbritannien und Spanien 1670.
art. 15. 1790. art. 4.
a)
Engelbrechtde ſeruitutibus iuris publici Sect. I. §. 5. p. 42.
b)
Ueber den Urſprung deſſelben ſ. Bouchaudthéorie des traités de
commerce
p.
411 u. f. I. Sibrandde velorum ſubmiſſione §. 6. uͤber
die Rechte deſſelben iſt vorzuͤglich C. v. Bynkershoekquando et
quorum
[190]Viertes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
quorum nauibus praeſtanda ſit reuerentia in deſſen Quaeſt. iur. publ.
L. II. c.
21. zu merken. S. auch J. J. Moſer Abhandl. von
dem Flaggen und Seegelſtreichen
in deſſen vermiſchten Ab-
handlungen aus dem Voͤlkerrecht
n. 6. Sehr weitlaͤuftig ſind
J. C. v. Moſer Abhandlungen von dem Seegelſtreichen u.
Schiffsgruß nach den Grundſaͤtzen und der Praxis der Voͤlker

in deſſen kleinen Schriften Th. IX. p. 287. Th. X. S. 218. Th.
XIII. S. I u. f. Aber aus bloßen Beyſpielen laſſen ſich nicht
richtige Grundſaͤtze in einem Punct faſſen, wo oft der kleinſte nicht
angemerkte Umſtand die ganze Entſcheidung veraͤndert.
c)
Faſt alle Maͤchte gruͤßen mit ungleicher Zahl 3. 5. 7. bis 21. Nur
Schweden, gruͤßt, wenigſtens mehrentheils mit einer gleichen Zahl.
d)
Das abnehmen der Flagge pflegt nur in Seegefechten zu geſchehn
und wird nebſt dem Aufſtecken einer weißen Flagge als ein Zeichen
angeſehn, daß das Schiff ſich ergeben wolle.
a)
Die Forderungen der einzelnen Maͤchte leuchten am Beſten aus
ihren Geſetzen und Inſtructionen hervor. S. die brittiſchen In-
ſtructionen wegen des Seegruſſes in Laws of the admiralty T. II.
p.
303. Die franzoͤſiſchen in Ordonnance de Louis XIV. pour les
armées navales 1689. L. III. T. I.
Die ſpaniſchen von 1664. in
Abreuy Bertod. Celleccion Phil. IV. P. VII. p. 642. von 1671. e. d.
Carl. II. P. I. p. 549. Die daͤniſchen in Verordnung von 1748.
Merc. h. et pol. 1748. P. II. p. 171. Die niederlaͤndiſchen zum
Theil in Verordnung v. 1750. Recueil van Zeezaken T. VI. p. 367.
b)
Am mehreſien und heftigſten iſt uͤber den Seegruß in [den] 4 Mee-
ren welche Großbritannien umgeben geſtritten. Großbritannien
begehrt, daß in dem ganzen Umfange dieſer Meere deſſen Flagge
von den Kriegsſchiffen aller Voͤlker ſie ſeyn einzelne Fregatten,
Linienſchiffe oder ganze Escadren und Flotten, durch Kanonen-
ſchuͤſſe und Flaggenſtreichen geehret werden ſolle. Auswaͤrtige
Maͤchte raͤumen dieß aber nicht ein, daher die Gelegenheit zu
Streitigkeiten leicht entſteht ſobald man will. Nur die vereinig-
ten Niederlande haben durch die Vertraͤge von 1667. att. 19. und
1674. art. 4. welche in dieſem Puncte durch den Frieden von
1783 beſtaͤdtiget worden, die brittiſche Flagge in der hierin be-
ſtimmten Grenzen zu ehren verſprochen. S. uͤber dieſen Streit
Pestelſelecta capita iuris gentium maritimi §. 7.
a)
Wie es zwiſchen Schiffen gleichen Ranges gehalten werde iſt mit
unbekannt. Ob die Praͤcedenz der Hoͤfe zu Lande entſcheiden koͤnne
ſcheint zweifelhaft. ſ. lettres et mem. de M. de Witt T. III. p. 506.
Am oͤfterſten unterbleibt wohl dieſe Hoͤflichkeit.
b)
Allianz zwiſchen Frankreich und Holland 1635. art. 12. Mem.
d’Eſtrades T. IV. p.
293. Allianz zwiſchen Daͤuemark u. Schwe-
den
1679. 1734.
c)
Moſer kleine Schriften Th. IX. S. 351. u. f.
a)
Wie dieſer Gruß von dem der zur Ehre der Nationalflagge ge-
ſchiebt unterſchieden werde, lehrt inſonderheit der Vorfall zwiſchen
Rußland und Schweden vor Ausbruch des Kriegs von 1788. ſ.
Nouv. extraord. von 1788. n. 59. ſ. 61. ſ. 62. und die ruſſiſche De-
claration
vom 30 Jun. 1788. e. d. n. 63.
b)
Khevenhullerannales T. XI. p. 956. Allgem. Geſchichte der
verein. Niederlande Th
. VI. S. 95.
a)
Auch daruͤber ſind zuweilen in Vertraͤgen Beſtimmungen gemacht;
ſ. z. B. Vertrag zwiſchen Frankreich und den vereinigten Nie-
derlaͤndern
1646. Zwiſchen Frankreich und den Hanſeeſtaͤdten
1655. 1716.
a)
Z. B. Zwiſchen Frankreich und den Niederlaͤndern 1685. Me-
moires du Chev. de Forbin T. I. p.
94. Zwiſchen Großbritannien
u. den verein. Niederlanden 1692. du Momt T. VII. P. II. p. 310.
b)
Z. B. in Anſehung der Oſtſee Vertrag zwiſchen Rußland und
Daͤnemark 1730. Roussetſuppl. T. III. p. 285. Zwiſchen Ruß-
land und Schweden 1743. art. 17. Wenckcod. inr. gent. T. II.
p
. 72. Frankreich hat ſchon 1787 in ſeinem Handelsvertrage mit
Rußland art. 20. allen Seegruß aufgehoben. ſ. m. Recueil T. III.
p
. 13.
a)
Wie oft perſoͤnliche Zwiſtigkeiten, perſoͤnlicher Haß und Abnei-
gung der Fuͤrſten in Europa Kriege veranlaßt, oder verlaͤngert
N 2habe,
[196]Fuͤnftes Buch.
habe, iſt aus der europaͤiſchen Geſchichte nur zu ſehr bekannt;
dennoch ward jener Grundſatz in den Kriegen neuerer Zeiten ſtand-
haft beobachtet, und man hatte laͤngſt aufgehoͤrt ſich wie Homers
Helden zu ſchimpfen. Nur die ſogenannten Neufranken riefen
die alte rauhe Sitte wieder hervor, ſchalten und laͤſterten die
Fuͤrſten die ſie bekriegten.
a)
Im ſiebenjaͤhrigen Kriege und gerade zu der Zeit als 1761 die
zwiſchen Frankreich und Großbritannien angefangene Friedensun-
terhandlungen abgebrochen wurden, notificirte der Koͤnig von
Großbritannien dem Koͤnige von Frankreich ſeine bevorſtehende
Vermaͤhlung und dieſer bezeugte den waͤrmſten Antheil daran ſ.
Memoires hiſtoriques des negociations de 1761. S. 181 u. f. (der
Ausgabe in 8.)
b)
So trauerte Ludwig XIV. fuͤr den Kaiſer Leopold I. und fuͤr Jo-
ſeph I. welche heide waͤhrend des Krieges wider ihn ſtarben; ſo
ließ
[197]Von perſoͤnlichen und Familien-Rechten.
ließ Carl VI. als er im Krieg mit Ludwig XIV. begriffen war dem
Dauphin der Dauphine und dem Herzog von Bretagne 1712 fey-
erliche Obſequien halten.
a)
Guͤnther E. V. R. Th. II. S. 483.
a)
J. C. v. Moſer von den Gevatterſchaften großer Herren
in deſſen kleinen Schriften Th. I. S. 291.
b)
Zuerſt lud Carl IX. 1573 die proteſtantiſche Koͤniginn Eliſabeth
zu Gevatterinn ein, und Heinrich IV. bat neben dieſer auch den
Pabſt der ſie excommunicirt hatte zum Gevatter. Bey der Taufe
Peter II. waren 4 Gevatter verſchiedener Religion, Peter I. Carl
VI. Georg I. und die verwitwete Herzoginn von Braunſchweig.
Moſer a. a. O. S. 321.
c)
Die vereinigten Niederlande ſind oft zu Gevattern gebeten, ſo
auch in Teutſchland die Reichsritterſchaft, nicht ſelten Landſtaͤnde;
und daß ein Fuͤrſt auch ein Regiment zu Gevatter bitten koͤnne,
lehrt ein neueres Beyſpiel.
a)
In den Friedensſchluͤſſen mit der Pforte iſt es noch uͤblich ſich
zum Zeichen der hergeſtellten Freundſchaft Geſchenke zu verſprechen.
ſ. Belgrader Friede 1739. att. 10. Friede zu Jaſſy 1792. art. 10.
Eben dieß geſchieht in den Vertraͤgen mit den Africanern.
b)
So pflegten Daͤnemark und Maltha dem Koͤnige von Frankreich
jaͤhrlich einige Falken zu ſchenken; Moſer Verſ. Th. I. S. 347.
ob die jaͤhrliche feyerliche Ueberlieferung eines Zelters an den
Pabſt ein bloß unverbindliches Herkommen und ein freywilliges
Geſchenk ſey, ward 1788 geſtritten. S. Hiſt. pol. Magazin
B. IV. S. 910. Die Geſchenke welche ſo viele Maͤchte jaͤhrlich
den Africanern entrichten muͤſſen, verdienen kaum dieſen Nahmen.
c)
Z. B. die geweyheten Windeln welche der Pabſt den roͤmiſch ca-
tholiſchen Koͤniginnen waͤhrend ihrer Schwangerſchaft zu ſchicken
pflegt;
[199]Von perſoͤnlichen und Familien-Rechten.
pflegt; die Gevatterngeſchenke; die Geſchenke bey perſoͤnlichen
Beſuchen großer Herrn u. ſ. f.
d)
Wer koͤnnte hier der Freygebigkeit der Souveraine Regeln vor-
ſchreiben und beſtimmen was oder wann geſchenkt werden ſolle,
da beides von Geſchmack und Umſtaͤnden abhaͤngt. Das ſonder-
barſte Geſchenk das wohl einer Koͤniginn gemacht worden erzaͤhlt
la Torre in memoires du comtede Harrach T. II. p. 2 [...]2. S.
uͤberhaupt Moſer Verſuch Th. I. S. 344. Beytraͤge Th. I.
S. 469. auch F. C. Moſer von der Staatsgalanterie in
deſſen kleinen Schriften Th. I. S. 1.
a)
Unter den gekroͤnten Haͤuptern ſind der Kaiſer und der Koͤnig
von Boͤhmen die einzigen die keine Orden geſtiftet haben.
b)
Venedig hat zwey Ritterorden, den des heil. Marcus und der
goldenen Stola, Genua den des heil. Georgs; die vereinigten
Niederlande
und die Schweiz haben keinen errichtet.
c)
Ein obwohl ſehr unvollkommenes Verzeichniß der Ritterorden
findet ſich in Rammelsberg Beſchreibung aller Ritteror-
den
Berlin 1744. und in Abbildung und Beſchreibung aller
hohen Ritterorden
. Augsb. u. Leipzig 1772. 12.
d)
Dieß erhellet oft ſchon aus den Statuten des Ordens ſelbſt z. B.
denen des Elephanten-Ordens, des ſchwarzen Adler-Ordens u. ſ. f.
e)
Beyſpiele ſ. Moſer Verſuch Th. I. S. 333. Beytraͤge Th. I.
S. 461.
f)
Wo nicht wird doch zuweilen diſpenſirt. Ob aber wie Moſer
in ſeinen Beytraͤgen Th. II. S. 549 behauptet derjenige der
einen hoͤheren Orden erhaͤlt, den geringeren den er bisher von
einem andern Hofe empfangen hatte ohne Beleidigung zuruͤck-
ſchicken koͤnne, ſcheint mir zweifelhaft und unerwieſen.
g)
Dieſen in den burgundiſchen Landen geſtifteten Ritterorden hatten
ſeit Carl I. die Koͤnige von Spanien da ſie Beſitzer der Nieder-
lande waren ertheilet. Seit nach dem Tode Carls II. dieſe 1713.
1715 an Oeſterreich kamen, ſtritten Spanien und Oeſterreich ins-
beſondere zu Cambray uͤber die Ertheilung dieſes Ordens, und
dieſer Streit ward auch durch den Aachener Frieden nicht beyge-
legt. Unter vielen Schtiften ſehe man Ayrermagnum magiſte-
rium ordinis aurei Velleris
. Goͤtt. 1748. 4. Rouſſetrecueil T. XX.
p
. 220.
a)
Doch machte Peter I. dem ſchwediſchen Hofe bittere Vorwuͤrfe
daruͤber, daß, als er in cognito im Gefolge ſeiner eigenen Ge-
ſandſchaft durch Riaa gereiſet war, er weder frey gehalten noch
genug geehrt worden ſey. S. Lambertymemoires T. I. p. 125. 148.
a)
Puffendorfde iure nat. et gentium L. VIII. c. 4. n. 21. Byn-
kerſhoek
de indice competente legatorum c. 3. §. 13. c. 9. §. 10.
Neumannde proceſſn iudiciario in cauſis principum
§. 46. Strube
rechtliche Bedenken
Th. III. S. 47 behaupten es, hingegen Hel-
merſhauſen
de ſubiectione territoriali perſonarum illuſtrium
§. 26.
Coccejus
[203]Von perſoͤnlichen und Familien-Rechten.
Coccejusde fundata in territorio et plurium concurrente poteſtate
P. II
. §. 12. leugnen es.
b)
S. ein Beyſpiel in de Realſcience du gouvernement T. V. p. 178.
c)
Konnte die Koͤniginn Chriſtina nach ihrer Abdankung noch auf
dieſe Exterritorialitaͤt Anſpruch machen? ſ. Hiſtoire de la Reine
Chriſtine en Suède avec un veritable récit du ſéjour de la Reino à
Rome
etc. Bynkerſhoek
a. a. O. §. 16.
d)
de Real a. a. O. S. 165.
e)
Bynkekſhoek a. a. O. §. 16.
f)
Leibnitzde ſuprematu principum Germaniae cap. 6. p. 27.
a)
Es giebt ſelbſt Vertraͤge welche dieſer Befreyung erwaͤhnen. S.
den Dreßdner Frieden zwiſchen Preußen und Sachſen 1745 art. 10.
Auch die Republiken laſſen den Fuͤrſten dieſe unerwiederte Be-
freyung angedeihen. Von den vereinigten Niederlanden ſ. Pestel
comment. de rep. Batava
§. 438.
b)
So citirten die Staaten von Holland zu Anfang dieſes Jahrhun-
derts den Koͤnig von Preußen vor ihren Gerichten in Betreff der
oraniſchen Erbſchaft, und ob er gleich anfangs uͤber die Form
dieſer Ladung ſich nachdruͤcklich beſchwerte, ſo erſchien er doch
durch einen Gevollmaͤchtigten und appellirte von dem 1716 ge-
ſprochenen Urtheil ſ. Lambertymemoires T. II. p. 367. u. f.
c)
Bynkershoekde iudice comp. leg. c. 4. §. 2 ‒ 5. c. 16. §. 6. ſ. je-
doch Huber ad tit. D. de in iur. voc. n. 1.
d)
Daß indeß aus dringenden Gruͤnden der Politik ein ſolcher Arreſt
abgeſchlagen werden koͤnne, hat, zumahl dann wern Entſchaͤdi-
gung erfolget, ſchon in dem allgemeinen Staatsrecht ſeinen Grund.
Strube rechtliche Bed. Th. III. S. 51. Aitzema Zaaken van
Staet en Oorlogh
c. 34. p. 76. l. 48. p
. 1033 u. Bynkershoek
a. a. O. §. 3. u. f.
e)
Beyſpiele ſ. in Moſer Beytraͤge Th. I. S. 449. u. f.
f)
Arreſte dieſer Art ſind daher den teutſchen Staͤnden unter einan-
der durch die conſtitutio de arreſtis und andere ſpaͤtere Geſetze
verboten. Pütterepitome proceſſus imp. §. 147.
a)
Beyſpiele neuerer Zeiten wurden auf ſehr verſchiedene Weiſe Ca-
roline Mathilde in Daͤnemark, Friderike Sophie in Holland,
Marie Antoinette in Frankreich.
a)
Zwiſchen der Verwendung guter Dienſte und der Vermittelung
iſt ein erheblicher Unterſchied. Letztere ſetzt die Einwilligung bey-
der Theile voraus und ihr erſtes Geſetz iſt Unpartheylichkeit.
Der Vermitteler hat ein Recht den Conferenzen bey zu wohnen.
Dieß laͤßt ſich nicht in eben dem Maaße von dem behaupten der
bloß bona officia verwendet. Man kann daher letztere von einem
Hofe annehmen und gleichwohl ſeine Vermittelung verwerfen,
wie dieß 1742 von Rußland in ſeinem Kriege mit Schweden in
Hinſicht Frankreichs geſchahe. S. uͤberhaupt Bielefeldinſtitu-
tions politiques
T. II. cap. 8. §. 17. Treuerde prudentia circa offi-
cium pacificationis inter gentes
.
b)
A. G. S. Haldimand diſſ. de modo componendi controuerſias inter
aequales et potiſſimum arbitris compromiſſariis
. Lugd. B. p
. 1738. 4.
Die mittlere Geſchichte iſt voll von Beyſpielen ſolcher Entſchei-
dungen durch Schiedsrichter ſ. Kluithiſt. federum T. II p. 500.
Da aber ihre Spruͤche ſelten befolget und vielmehr oft der Schieds-
richter ſelbſt in die Haͤndel mit verwickelt worden die er ſchlichten
ſollte, ſo iſt in neueren Zeiten der Antrag und noch mehr die Ue-
beruehmung einer ſchiedsrichterlichen Entſcheidung ſelten geworden.
a)
Ueber dieſen Theil des Voͤlker-Ceremoniels ſind einige ausfuͤhrliche
Werke vorhanden, wie: Lunigtheatrum ceremoniale hiſtorico poli-
ticum
. Lipſ. 1720. T. I. II. fol. Rouſſetle ceremonial diploma-
tique
à la Haye T. I. II. fol
. (macht den IV. und Vten Band des
Rouſſetſchen Supplemente zu dem Duͤ Montſchen Werke aus). Un-
ter den Abriſſen ſind zu merken: Sneedorfeſſai d’un traité du
ſtile des cours
. Goͤtt. 1758. 8. revu et corrigé par de Colom du Clos

1776. 8. Beck Verſuch einer Staatspraxis. Wien 1754. 8.
Mit vorzuͤglicher Ruͤckſicht auf Teutſchland Puͤtter Anleitung
zur juriſtiſchen Praxis
Th. I. II. 1753. 3te Auflage 1765. Auch
gehoͤret hieher J. J. Moſer Einleitung in die Canzley-Wiſ-
ſenſchaften
. Hanau 1750. 8. F. C. v. Moſer Verſuch einer
Staatsgramattik
1749, und verſchiedene Abhandlungen in deſ-
ſen kleinen Schriften.
a)
Wie die Staatsſprache von der Hofſprache unterſchieden ſey, ſ.
F. C. v. Moſer von den europaͤiſchen Hof- und Staats-
ſprachen nach deren Gebrauch im Reden und Schreiben
.
Frankfurt 1750. 8. Was die Roͤmer in Anſehung des Gebrauchs
ihrer eigenen Landesſprache zu verſchiedenen Zeiten fuͤr verſchiedene
Grundſaͤtze geheget ſ. A. Dukede vſu et autoritate iuris Romani
L. II. c. 1. p
. 150. Jetzt wird es fuͤr einen Vorzug gehalten, ſich
ſeiner eigenen Sprache gegen andere zu bedienen, und von andren
nur in dieſer Schriften anzunehmen. Da aber zwiſchen freyen
Voͤlkern keines der Regel nach auf dieſen Vorzug ein Recht hat,
ſo bediente man ſich ſeit dem Wiederaufbluͤhn der Wiſſenſchaf-
ten in Staatsverhandlungen der lateiniſchen Sprache, welche
Oaber
[210]Sechstes Buch.
aber im 17ten Jahrhundert durch die franzoͤſiſche faſt ver-
draͤngt worden iſt. Letztere iſt jetzt nicht nur in Vertraͤgen ſon-
dern auch in Canzley-Schreiben ſehr gebraͤuchlich, doch beſtehn
einige Staaten noch auf ihre Staatsſprache, entweder uͤberhaupt,
oder gegen einige Staaten, und zumahl dann, wenn von andren
gegen ſie ein gleiches geſchieht. Das reurſche Reich will nur
Teutſch oder Latein ſchreiben und an ſich ſchreiben laſſen. Daͤne-
mark, Großbritannien
, der Pabſt, Polen, Portugal, Schwe-
den
, die verein. Niederlande haben die lateiniſche Sprache als
Staatsſprache, theils gegen alle, theils gegen gewiſſe Staaten
beybehalten. Frankreich, Rußland, die Tuͤrkey haben ihre
Landesſprache zur Staatsſprache gemacht; oft bedienen indeß Ruß-
land ſich der franzoͤſiſchen, die Tuͤrken der italieniſchen oder la-
teiniſchen Sprache, oder es wird doch eine Ueberſetzung beygefuͤgt.
b)
Churfuͤrſten koͤnnen zwar an Koͤnige Canzley-Schreiben ſchicken,
doch ſetzen ſie dann ihre eigene Titulatur nicht oben an, ſondern
nach der Unterſchrift; dieß iſt die Regel wenn Geringere an Hoͤ-
here ſchreiben.
c)
Wie verſchieden die Ausfuͤhrlichkeit dieſer Titulatur ſey, iſt be-
kannt. Man vergleiche die Titulatur der bisherigen Koͤnige von
Frankreich mit der der ruſſiſchen Kaiſerinn. Außer den wirkli-
chen Beſitzungen werden oft ehemahlige, oder ſolche die noch in
Anſpruch genommen werden aufgefuͤhrt, woraus nicht ſelten Streit
erwaͤchſt; außer dem haben einige Koͤnige noch beſondere Praͤdi-
cate die ſie von dem Pabſt oder durch ein langes Herkommen
erlangt haben, und die fremde Maͤchte ihnen ohne Widerſpruch
anerkennen. So hat der Kaiſer den Titel ſemper Auguſtus, (ſehr
uͤbel allzeit Mehrer des Reichs uͤberſetzt), der Koͤnig von Frank-
reich fuͤhrte den Titel Roi [...]ès-Chretien,allerchriſtlichſte Maje-
ſtaͤt, der Koͤnig von Spanien ſeit 1496 Catholique,catholiſche
Majeſtaͤt, der Koͤnig von Großbritannien ſeit 1521 defenſor fidei,
Beſchuͤtzer des Glaubens der Koͤnig von Portugal ſeit 1748
R. très fidèle,allerglaͤubigſte (allergetreueſte) Majeſtaͤt ſ. Mont-
gon
mem. T. VIII. add. 17.
Der Koͤnig von Ungarn R. Apoſto-
lique,
apoſtoliſche Majeſtaͤt ſeit 1758. ſ. die paͤbſtliche Bulle in
Wenckcod. iur. gent. T. III. p. 184. Nur der Kaiſer und der
Koͤnig von England fuͤhren dieſe Praͤdicate von ſich ſelbſt, die
uͤbrigen laſſen ſie ſich nur von Auswaͤrtigen geben, und die Koͤ-
nige
[211]Von ſchriftlichen Verhandlungen der Voͤlker.
nige von Frankreich wollten nicht daß man gegen ihre eigenen Un-
terthanen ſich deſſen, ſtatt des bloßen: le Roi bediene; ſ. die
Streitigkeiten zwiſchen d’Avaux und Servien beym muͤnſterſchen
Frieden in Negociations ſecrétes T. I p. 112. (8.) und uͤberhaupt
Piganiolde la Ferce T. I. p. 92.J. J. Moſer vermiſchte
Abhandlungen aus dem Voͤlkerrecht
n. 2.
d)
Dieſer Titel: von Gottes Gnaden der ehemahls aus Demuth
gebraucht wurde, wird als ein Vorrecht der Kaiſer, Koͤnige und
Fuͤrſten angeſehn, ſeit der Satz aufkam, daß die Majeſtaͤt von
Gott ſey. Eine ſonderbare Spitzfindigkeit iſt es, wenn in Brie-
fen an etwas niedrigere das Wort eadem gratia ausgelaſſen wird.
e)
Dieſe Verwandſchafts-Titel werden theils im natuͤrlichen Sinn
gebraucht, um die wirklich vorhandene Verwandſchaft zu bezeich-
nen, theils im politiſchen Sinn, in welchem Bruder die Gleich-
heit, Vater, Oheim, Neve, Vetter aber ein ungleiches Ver-
haͤltniß andeutet. Oft werden im Canzley-Styl Titel verbun-
den welche die Natur nicht zu vereinigen weiß. S. J. J. Mo-
ſer
von dem Brudertitel
in ſeinem opuſc. academ. p. 413.F.
C. Moſer der Titel: Vater, Mutter und Sohn
nach dem
Hof-Welt- und Canzley-Gebrauch in deſſen kleinen Schriften
Th. I. n. 4. eben derſelbe von den Gevatterſchaften großer
Herrn
e. d. n. 3. Koͤnige und Churfuͤrſten unter ſich und gegen
einander gebrauchen jetzt den Bruder Titel.
f)
Ob auch Reichsgrafen Wir ſchreiben duͤrfen, ward in neueren
Zeiten, doch nur am Reichshofrath in Anſehung ihrer Vollmach-
ten geſtritten, aber zu ihrem Beſten vom Kaiſer entſchieden. ſ.
Reuß Deductionsſammlung Th. IV. S. 324.
g)
Von dem Titel Majeſtaͤt ſ. uͤberhaupt F. C. v. Moſer von
dem Titel Majeſtaͤt
in deſſen kleinen Schriften Th. VI. N. 2.
In Frankreich ließen die Koͤnige ſich den Titel erſt gegen das Ende
des 15ten Jahrhunderts geben ſ. Henaultabrégé chronol. T. II.
p. 413.
In Daͤnemark nahm ihn Koͤnig Johann zuerſt an ſ.
v. Hollberg daͤn. Reichshiſtorie Th. I. S. 477. in Spanien
Carl I. (V.) In England Heinrich VIII. ſ. Leticeremoniale
hiſt. politico
T. VI. p. 483.
In Portugal Koͤnig Sebaſtian 1578.
ſ. Henaultabrégé T. II. p. 560. nachmahls fiengen die Koͤnige
an ſich ihn gegenſeitig zu geben, wie dieß zuerſt von Frankreich
O 2und
[212]Sechstes Buch.
und England 1520, von Schweden und Daͤnemark erſt 1685
geſchah. S. Puffendorffres geſtae Caroli Guſtavi L. V. §. 25.
p. 393.
von Frankreich erhielt ihn Daͤnemark erſt zu Anfang dieſes
Jahrhunderts; und Preußen erſt durch einen Separat-Artikel
des utrechter Friedens ſ. du Mont T. VIII. P. I. p. 358. Er
ſcheint daher noch jetzt aus der bloßen anerkannten Koͤnigswuͤrde
nicht von ſelbſt zu fließen, obgleich alle jetzige Koͤnige ihn von
Koͤnigen, Churfuͤrſten, Fuͤrſten und geringeren erhalten. Am
mehrſten Schwierigkeiten machten die Kaiſer ihn den Koͤnigen zu
geben; beſonders bey Gelegenheit des W. Friedens ſ. Mem. et
negoc. ſecrétes
u. Wiquefortl’ambaſſadeur et ſes fonctions p. 734.
noch nachmahls entſtanden desfalls Streitigkeiten ſ. Puffendorff
de rebus geſtisFrid. Wilh. L. X. §. 17.
Als aber Leopold I.
ihn kraft des Krontractats von 1700 an Preußen verſprochen, er-
hielt ihn auch Daͤnemark 1702, und ſeit Carl VII. gaben die roͤ-
miſchen Kaiſer ihn allen Koͤnigen ſ. Puͤtter juriſtiſche Praxis
Th. II. S. 117. Der tuͤrkiſche Kaiſer bekommt ihn aber nicht,
ſondern mehrentheils den Titel Hauteſſe. Roussetcerem. dipl.
T. II. (V.) p. 742.
h)
Sonſt hatten ſelbſt die Koͤnige den Titel alteſſe, nachmahls nah-
men ihn im 16ten Jahrhundert die Fuͤrſten die ſonſt die excellen-
tiam
hatten, mit manchen Widerſpruͤchen; im 17ten Jahrhundert
begehrten nun die koͤniglichen Prinzen die alteſſe royale, die Chur-
fuͤrſten die alteſſe ſereniſſime electorale, die altweltlichen Fuͤrſten
die alteſſe ſereniſſime. Der Zuſatz ſereniſſime wird jedoch in unglei-
chem Verhaͤltniß nicht immer gegeben.
i)
Den Republiken geben die Koͤnige im Context der Regel nach
bloß Vos, Vous; doch ſind die Gen. Staaten im Beſitz des Titels
Vos hautes Puiſſances, den ſie ſeit 1639 anzunehmen beſchloſſen;
einige Maͤchte gaben ihn ſchon am Ende des 17ten Jahrhunderts,
der Kaiſer 1710 ſ. allgem Geſchichte der verein. Niederlande
Th. VII. S. 365. Lamberty Th. VI. S. 76. 78. Frankreich 1717.
Spanien 1729. ſ. Pestelcomment. de rep. Batava §. 366. All-
gemeine Geſchichte der verein. Niederlande
Th. VIII. S. 113.
Ueber die Titel welche die Republik Venedig und die Schweiz
von auswaͤrtigen erhalten ſ. Roussetceremonial dipl. T. II. (V.)
p. 811. 818.
k)
Die gewoͤhnliche Schlußformel im franzoͤſiſchen iſt: Sur ce nous
prions Dieu qu’il Vous aïe très-haut très-puiſſant et très-illeſtre
Prince en ſa Sainte et digne garde.
l)
Z. B. de Votre Majeſté le bon frêre etc. oder bloß: Votre bon
frere etc.
oder bloß N. N.
a)
Ein Beyſpiel einer ſolchen fortgefuͤhrten Staatscorreſpondenz
zwiſchen dem Berliner und Wiener Hofe vom Jahr 1778 findet
ſich in Oeuvres poſthumes du Roi de Pruſſe T. III. p. 365—407.
a)
Mancherley Beyſpiele aller Art finden ſich in F. C. Moſer
von Ahndung fehlerhaften Schreiben
. Frankfurt 1750. 8.
a)
Moſer Staatsgramattik S. 69.
a)
Ein Verzeichniß der vielen uͤber das Geſandſchaftsrecht erſchiene-
nen theils ausfuͤhrlicheren, theils kuͤrzeren Schriften findet ſich
in Meisterbibliotheca iuvis gentium unter dem Wort: Legatu[s],
in v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 351. und in v. Roͤ-
mer
Handbuch
fuͤr GeſandteI. Theil Litteratur des natuͤrli-
chen und poſitiven Geſandſchaftsrechts
. Leipzig 1791. 8. Ein
Verzeichniß der uͤber das Geſandſchaftsrecht in Holland erſchiene-
nen Diſſertationen findet ſich in Kluithiſt. federum T. II. p. 527.
Folgende Schriften verdienen der Zeitordnung nach in verſchiede-
ner Ruͤckſicht gemerkt zu werden. Conradi Bruni libri V. de le-
gationibus
etc. Mog. 1548. fol. Alber. Gentilisde legationibus
libri III. Lond. 1583. 4. Le parfait Ambaſſadeur par Antonio
de Vera et de Cuniga
. à Paris 1642. (A. de Wiquefori) me-
moires touchant les ambaſſadeurs
par L. M. P. 1677. 12. (Gail-
lardi
) Reflexions ſur les memoires pour les ambaſſadeurs. à Villa-

O 5franche
[218]Siebentes Buch. Erſtes Hauptſtuͤck.
franche 1677. 12. Abraham de Wiquefortl’ambaſſadeur et ſes
fonctions.
à la Haye 1680. T. I. II. à Cologne 1690. 4. Amſt.
1746. 4. de Sarras de Franquenayle miniſtre public dans les
cours étrangères.
à Paris 1731. Uhlichles droits des ambaſſadeurs.
Lipſ. 1731. 4.
v. Pacaſſi Einleitung in die Geſandſchafts-
rechte
. Wien 1777. 8.; von den Moſerſchen Verſuch und
Beytraͤgen
des neueſten E. V. R. gehoͤren der III. u. IV. Band,
imgleichen deſſen Beytraͤge zu dem europaͤiſchen Geſandſchafts-
recht
1780. 8. hieher. C. G. Ahnert Lehrbegriff der Wiſ-
ſenſchaften, Erforderniſſe u. Rechte der Geſandten
. Dreßden
1784. Th. I. II. 8.C. H. v. Roͤmer Verſuch einer Einleitung
in die rechtlichen moraliſchen und politiſchen Grundſaͤtze uͤber
die Geſandſchaften
. Gotha 1788. 8.
a)
Selbſt den einzelnen Provinzen der verein. Niederlande kann man
das Geſandſchaftsrecht nicht ganz abſprechen, obwohl die Ange-
legenheiten der Union mit Auswaͤrtigen nur von der Union und
den von dieſer abgeſchickten Geſandten betrieben werden ſollen.
Pestelcommentarii §. 356.
b)
W. Fr. art. VIII; uͤber das Geſandſchaftsrecht der Reichsritter-
ſchaft ſ. Mader reichsritterſchaftliches Magazin Th. VII.
S. 617.
c)
So hatten es bisher die Herzoge von Kurland ſ. le droit de lega-
tion des ducs de Courlande 4.
ſo haben es noch einige Staͤdte der
Schweiz ſ. Vattel l. IV. §. 60. Selbſt den Hoſpodaren der
Moldau und Wallachey raͤumt der 16te Art. des Friedens zwi-
ſchen Rußland und der Pforte von 1774 eine Art eines Geſand-
ſchaftsrechts, obwohl in ſehr demuͤthigenden Ausdruͤcken ein.
d)
Daß der Kaiſer auch als Kaiſer allein einen Geſandten ernennen
koͤnne leidet keinen Zweifel, wenn ſchon zu verbindlichen Vertraͤ-
gen mit Auswaͤrtigen die Einwilligung der Staͤnde erfordert wird.
Der Koͤnig von Polen konnte zwar Ceremoniel-Geſandte allein
ſchicken, aber um Geſchaͤfts-Geſandte zu ſchicken ward die Auto-
riſirung von Seiten der Republik erfordert. S. das Beyſpiel
der Sendung des Hrn. v. Borch nach Rußland 1763. Moſer
Verſuch
Th. III. S. 119.
e)
So kann der Prinz von Oranien zwar wohl als teutſcher Reichs-
fuͤrſt Geſandte ſchicken, aber als Statthalter der Union konnte
er es nicht.
f)
Es iſt daher als eine Eigenheit unſerer teutſchen Verfaſſung an-
zuſehn, daß die teutſchen Reichsſtaͤnde nicht nur an den kaiſerli-
chen Hof, ſondern auch an den Reichstag Geſandte ſchicken, und
daß der Kaiſer wenn er gleich zu Reichs- und Deputationstaͤgen
einen
[221]Geſandſchaftsrecht uͤberhaupt.
einen Commiſſarius ſchickt, gleichwohl an Kreiſe, an einzelne
Reichsſtaͤnde, (imgleichen zu dem Wahlconvent eines roͤmiſchen
Koͤniges) nicht Commiſſarien ſondern nur Geſandte ſchicken ſoll.
S. was daruͤber bey Gelegenheit der Wahl Joſephs II. zum roͤ-
miſchen Koͤnig vorgefallen. Moſer Zuſaͤtze zu ſeinen neuen
Staatsrechte Th. I. S. 78.
g)
Dieß war in Frankreich ehemahls nicht ſo ſelten als in neueren
Zeiten; ſ. Wiquefort l’ambaſſadeur et ſes fonctions T. I. p. 35.
(A. von 1690). Ob die waͤhrend der Revolution ausgewander-
ten Prinzen vom Gebluͤth, oder das auswaͤrtige Frankreich, ein
actives und paſſives Geſandſchaftsrecht hatten, iſt aus andern
Gruͤnden und mit Unterſcheidung der Zeit vor und nach der Er-
mordung des Koͤnigs und dem Tode Ludewig XVI. zu beurtheilen.
h)
Den hieruͤber bey Gelegenheit der Abſendung des Hrn. v. Reck
durch das Corpus euangelicorum an den Churfuͤrſten von d. Pfalz
entſtandenen Streit erzaͤhlt Moſer Verſuch Th. III. S. 13.
und e. d. von der Religionsverfaſſung in Teutſchland S. 402.
ſ. auch Schaurothconcl. corp. Euangelicorum T. III. p. 9. u. f.
Ueber andere hieher gehoͤrige Faͤlle ſ. de Realſcience du Gouver-
nement
T. V. p. 96.
u. f.
a)
S. hieruͤber J. J. Mascovprincipia iuris publici L. VI. c. 4.
§. 13—28. (Hagedorn) diſcours ſur les différens caractères des
Envoyés ordinaires ou reſidens
etc. Amſt. 1736.
in J. J. Moſer
Vorrede
[225]Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.
Vorrede zum Belgrader Friedensſchluß; inſonderheit aber Gut-
schmidt
(oder der reſp.Ferber) diſſ. de prerogatiua ordinis inter
legatos.
Lipſ. 1755. 4. Bielefeldinſtitut. politiques T. II. p. 174.

Von Teutſchland insbeſondere: Kulpisde legationibus ſtatuum
Imp.
L. II. c. II. §. 4. p. 460
b)
Daß dieſer Gebrauch nicht aͤlter ſey, ſieht man aus Howeldi-
ſcourſe on precedency of Kings, whereunto is alſo adjoyned a treatiſe
of ambaſſadors.
Lond. 1664. p. 181.
u. f. Leticerem. hiſt. pol.
T. VI.
an verſchiedenen Orten.
c)
S. inſonderheit den angefuͤhrten diſcours ſur les differens caractè-
res etc.
d)
Dieſer Titel ſcheint neu und erſt 1784 von dem Koͤnige von
Schweden fuͤr ſeinen damahligen Geſchaͤftstraͤgen in Konſtantino-
pel eingefuͤhret zu ſeyn. Wenigſtens iſt zweifelhaft ob der in
Mercure hiſt. et pol. 1753. T. I. p. 117. und daraus in Moſer
Verſuch
Th. IV. B. IV. Cap. 27. angefuͤhrte Fall hieher zu zaͤh-
len ſey. S. jedoch auch Bielefeldinſtitut. politiques T. II. p. 281.
a)
Dieß ſcheint mir die einzige richtige Vorſtellung des eigentlichen
Repreſentativ-Characters zu ſeyn, obwohl, da die ganze Sache
auf Herkommen beruhet, manche Abweichungen ſtatt haben, ſo
daß der Bothſchafter nicht in allen Stuͤcken ſo behandelt wird,
wie man dem Souverain begegnen wuͤrde, wenn er ſelbſt gegen-
waͤrtig waͤre.
b)
J. S. de la Torrede autoritate gradu et terminis legati a latere.
Rom. 1656. 4. G. Wagenseilde legato a latere. Altorf 1696.
De legatis et nunciis pontificum eorumque fatis. Salisburg
1785. 8.
Selten werden jetzt legati a latere von dem Pabſt geſchickt, wovon
Le Bret Vorleſungen uͤber die Statiſtik Th. II. S. 317. und
Bielefeldinſt. pol. T. II. p. 276. die Urſachen anfuͤhren. Mit
den legatis a latere ſind aber die Legaten des Pahſts die er als
Statthalter in ſeinen Staaten anſetzt nicht zu verwechſeln. Lega-
tus natus
des Pabſts iſt ein bloßer Ehrentitel der mit der Geſand-
ſchaft nichts zu thun hat.
c)
(Weidenfeld) gruͤndliche Entwickelung der Diſpens- und
Nuntiatur-Streitigkeiten
1788. 4. IIIr Abſchn. Nachtrag 1788. 8.
d)
Lunigtheatrum ceremoniale T. I. p. 746.
e)
Le Bret Vorleſungen uͤber die Statiſtik Th. I. S. 327 u. f.
f)
Lunigtheatrum ceremon. T. I. p. 368.
g)
Moſer Vorrede zu dem Belgrader Friedensſchluß S. 16
not. I. ebendeſſelben Beytraͤge zu dem europaͤiſchen Voͤlkerrecht
Th. III. S. 21 u. f.
a)
Vatteldroit des gens LIV. § 69 u. f. Moſer Vorrede zu dem
Belgr. Frieden
S. 20; daß ſie ihn gar nicht weiter als in Anſehung
ihrer Geſchaͤfte vorſtellen laͤßt ſich indeß nicht behaupten, ſonſt
wuͤrde von der Praͤcedenz der Geſandten der unteren Klaſſe auf
den Fuß ihrer Hoͤfe nicht die Rede ſeyn koͤnnen. Wie ſchwankend
und mangelhaft uͤbrigens dieſer Begriff ſey ſieht ein jeder leicht.
b)
Der Titel Envoyé ordinaire iſt jetzt nicht mehr gebraͤuchlich, doch
unterſcheidet man noch die Titel Envoyé, Envoyé extraordinaire,
Envoyé extraordinaire et plenipotentiaire,
wovon der letzte der eh-
renvolleſte iſt.
c)
Daß zwiſchen gevollmaͤchtigten Miniſter und gevollmaͤchtigten
Geſandten
ein Unterſchied ſey ward nur zu Bonn 1787 behaup-
tet. S. politiſches Journal 1787. S. 447.
d)
Erſt gegen die erſte Haͤlfte dieſes Jahrhunderts wurden die mini-
ſtres plenipotentiaires
als Geſandte der 2ten Klaſſe behandelt.
Das erſte Beyſpiel gab Frankreich 1738, dem 1740 Oeſterreich
folgte. S. de Real T. V. p. 48. Moſer Beytraͤge Th. III.
S. 28.
e)
Moſer Beytraͤge S. 8. Bielefeldinſtitutions politiques T. II.
p.
276 zaͤhlt irrig dieſe zu den Geſandten der dritten, und die
Nuntien zu den Geſandten der zweyten Klaſſe.
a)
Zwiſchen dieſen wird an einigen Hoͤfen gar kein Unterſchied ge-
macht, wie er denn uͤberhaupt nirgend ſehr erheblich iſt.
b)
Doch machen hierin die Agenten der Hanſeeſtaͤdte an einigen Hoͤ-
fen eine Ausnahme.
a)
So raͤumen z. B. die kaiſerlichen und catholiſchen Bothſchafter
den paͤbſtlichen Nuntien den Rang ein; die proteſtantiſchen aber
geſtehn ihnen dieſen nicht zu ſ. Wahl- und Kroͤnungs-Diarium
Carls VI. S. 77.
b)
Zwiſchen zween Bothſchaftern deſſelben Hofes geht zwar gemei-
niglich der außerordentliche dem ordentlichen vor; doch haͤngt
dieß von der Beſtimmung ſeines Hofes ab. Auf fremde Both-
ſchafter hat dieſer Unterſchied keinen Einfluß.
c)
Moſer Verſuch Th. III. S. 504.
d)
Noch im 17ten Jahrhundert erklaͤrte einmal Frankreich, qu’elle
n’entendoit point que l’envoyé extraordinaire qui étoit de ſa part
à Vienne fut autrement conſidéré qu’un reſident ordinaire
ſ. Diſcours
ſur le rang
§. 7. Moſer Vorrede zu dem Belgrader Frie-
densſchluß
S. 41. Doch ſcheint der Franzoͤſiſche und der Wiener
Hof beſonders ſeit dem Anfang dieſes Jahrhunderts am erſten zu
Feſtſetzung eines Unterſchieds beygetragen zu haben. Noch jetzt
macht Venedig keinen Unterſchied zwiſchen Geſandte der zweyten
und dritten Klaſſe und ſchickt immer nur Bothſchafter oder Reſt-
denten, fordert aber fuͤr letztere eben die Vorrechte deren an
andren Hoͤfen Geſandte der 2ten Klaſſe genießen.
a)
Dieſe haben kein Beglaubigungsſchreiben ſondern bloß Beſtal-
lungen
und allenfalls Empfehlungsſchreiben aufzuweiſen. In
Holland muͤſſen ſie ſogar ausdruͤcklich geloben daß ſie dem Staat
unterthan ſeyn wollen ſ. Peſtelcommentarii P. I. cap. 5. §. 66.
b)
Zuweilen wird der Titel Legationsrath, einem Legationsſeeretaͤr
oder Geſchaͤftstraͤger, der Titel Geheimde Legationsrath wohl gar
einem Geſandten gegeben. Daß dieſe dann in der letzteren Ruͤck-
ſicht geſandſchaftliche Perſonen ſind und bleiben verſteht ſich
von ſelbſt.
c)
Wenn kleine Staaten zuweilen einem Agenten oder Titular-Reſi-
denten einige Befreyungen von der Gerichtbarkeit oder von Ab-
gaben angedeyhen laſſen, ſo laͤßt ſich dieß darum nichts weniger
als fuͤr eine Regel anſehn.
a)
Auch hier kann der Nahme nichts entſcheiden, ſie moͤgen wie bey
den Roͤmern legati, oder wie ſtaͤdtiſche Deputirte in Spanien
embaxadores genannt werden ſ. de Real T. V. p. 51.
a)
Obwohl die Eydgenoſſenſchaft nie die voͤllig gleiche Behandlung
mit den Bothſchaftern der beyden anderen großen Republiken in
Frankreich erlangen koͤnnen. Doch kommt dieſe Frage nicht leicht
vor. Denn die Eydgenoſſenſchaft ſchickt ſelten gemeinſchaftlich
einen oder zwey Geſandte, wie dieß 1700 nach Wien geſchah,
ſ. Etat et delices de la Suiſſe T. I. chap. 13. Gemeiniglich ſchickt
jeder Canton ſeine Deputirten, und dieſe koͤnnen dann nur als
Geſandte der 2ten Klaſſe behandelt werden. S. de Real T. V.
p.
50.
b)
So ward ein Geſandter des Maltheſer Ordens 1747 zu Rom,
1749 zu Wien als Bothſchafter behandelt ſ. Moſer Verſuch
Th. III. S. 5. Die Erklaͤrung der Republik Venedig hieruͤber
ſ. in Merc. h. et pol. 1749. T. I. p. 372.
c)
Wahlcap. art. 23. §. 2.
d)
Was zu Wien 1765 in Anſehung des churbayriſchen, und zu
Turin 1781 in Anſehung des churſaͤchſiſchen Bothſchafters vor-
gefallen, dient hieruͤber zur Belehrung, wenn ſchon beyde Faͤlle
den Beſitz der Churfuͤrſten beſtaͤdtigen. S. uͤber den erſteren Fall
Moſer auswaͤrtiges Staatsrecht S. 229. Zuſaͤtze zu ſeinem
neuen Staatsrecht
Th. I. S. 102.
e)
Annotaten uͤber die fuͤrgefallene Quaeſtion ob Reichsfuͤrſten
befugt ſind Ambaſſadeur zu ſchicken mit einigen Remarquen
1780. ſ. Neue juriſtiſche Litteratur
1780.
f)
Ueber das Geſandſchaftsrecht der Grafen ſ. Moſer Beytraͤge
Th. III. S. 10. Ueber das der Reichsſtaͤdte J. H. de Cramerde
pari iure ciuitatum Imperialium ac Gentium liberarum in recipiendis
legatis
.
Ueberhaupt aber Kulpisde legationibus ſtatuum Imperii.
g)
Einige italieniſche Fuͤrſten haben zwar in neueren Zeiten hin und
wieder Geſandte der erſten Klaſſe empfangen oder geſchickt Mo-
ſer
Beytraͤge
Th. III. S. 7. Doch ſcheint dieß nur von Fami-
lienhoͤfen mehr in perſoͤnlicher Ruͤckſicht ihres Fuͤrſten als der
Staaten geſchehn zu ſeyn.
a)
Zuweilen ſchickt ein Staat zugleich mehtere Geſandte von ver-
ſchiedenen Klaſſen an denſelben Hof. Die Faͤlle wo Frankreich
dieß gethan hat der Chevalier (Mlle) d’Eon de Beaumont in lettres
memoires et négociations
p.
101. (8.) aufgezaͤhlt. Auch die teut-
ſchen Reichsſtaͤnde ſchicken zum Theil mehrere Geſandte nach Wien,
fuͤr die Reichs und fuͤr die auswaͤrtigen Angelegenheiten.
b)
S. oben §. 70. not. c. d.
c)
So erkennt zwar der Kaiſer den Churfuͤrſten kraft der Wahlcap.
art. 3. §. 20. das Recht mehrere Bothſchafter zugleich zu ſchicken an.
Aber bey Gelegenheit des Nimwegiſchen Friedens ſ. Wiquefort
L. I. S.
26. und auf dem Wahltage 1742 machten einige Maͤchte in-
ſonderheit Frankreich, obwohl vergeblich, Schwierigkeit den zwey-
ten Bothſchafter in dieſer Eigenſchaft anzuerkennen. Moſer
Verſuch
Th. III. S. 106.
a)
Nur die Nuncien welche der Pabſt bisher dem Kaiſer, Frank-
reich, Spanien und einigen anderen catholiſchen Hoͤfen geſandt
hat, werden von dieſen ausgeſucht, und die Paͤbſte bemuͤheten
ſich umſonſt dieſes Herkommen zu beſchraͤnken. Haͤberlins
Roͤm. Conclave
S. 23.
b)
Wie oft ehemahls Doctores Juris Bothſchafter geweſen iſt be-
kannt. Seit die lateiniſche Sprache aus den Verhandlungen ver-
draͤngt worden, iſt dieſer Fall ſelten geworden und man hat mehr
auf Geburt geſehn. Wegen Mangel an Ahnen einen Geſandten
zu verbitten wuͤrden jetzt nur wenig Staaten ſich erlauben, ob
dieß gleich nicht ohne Beyſpiel iſt. Sehr treffend war die Ant-
wort des franzoͤſiſchen Bothſchafters Jeanin an den Koͤnig von
Spanien. S. auch Lettres mem. et neg. du Chevalierd’Eon
p.
65. (8.)
c)
Der Geſandte braucht weder von der Religion des Hofes der ihn
ſendet, noch von der an den er abgeſchickt wird zu ſeyn. Bey-
ſpiele des erſteren ſind in neueren Zeiten immer haͤufiger gewor-
den. K. Wilhelm III. ſoll einmahl einen (heimlichen) Juden als
Geſandten nach Madrit geſchickt haben. Memoires de Harrach
par la Torre T. I. p.
287.
d)
Unter mehreren Beyſpielen daß ein (nicht verkapptes) Frauen-
zimmer als Geſandtinn beglaubiget worden, ſcheint mir nur das
einzige der Marechalle de Guebriant zu paſſen. Der Fall deſſen
Bynkerſhoekqui recte legati mittuntur obſ. iur. publ. L. II. c. 5.
gedenkt, enthaͤlt keine Beglaubigung; auch die Graͤfinn Koͤnigs-
mark hatte kein Beglaubigungsſchreiben an Carl XII. Siehe je-
doch Moſer die Geſandtinn nach ihren Rechten und Pflich-
ten
in deſſen kleinen Schriften Th. III. n. 2.
e)
Daß dieß indeß nicht leicht geſchehn koͤnne erkannte ſelbſt Lude-
wig XIV. ſ. Memoires du comted’Eſtrades T. I. p. 237. 263.
Und wenn von einem Geſandten die Rede iſt, der an eine Ver-
ſammlung von Staaten z. B. an einen Crays geſchickt worden
und
[235]Verſchiedene Klaſſen von Geſandten.
und nur in dieſer Eigenſchaft dem Director ſein Beglaubigungs-
ſchreiben zu uͤberreichen hat, ſo kann dieſer aus Privat-Ruͤckſich-
ten deſſen Annahme nicht verweigern. Moſer Zuſaͤtze Th. III.
S. 1192. Schloͤtzer Staatsanzeigen B. IV. S. 458.
f)
Um den Streitigkeiten zu entgehn welche in Anſehung der geſand-
ſchaftlichen Vorrechte und Befreyungen erwachſen koͤnnen, wenn
ein gebohrner Unterthan zum Geſandten einer auswaͤrtigen Macht
bey uns ernannt wuͤrde, haben einige Staaten den Entſchluß
gefaßt nie einen ihrer gebohrenen Unterthanen als Geſandten ei-
ner auswaͤrtigen Macht anzunehmen. S. fuͤr SchwedenCod.
Lex. Suec. Tit. de crimin.
§ 7 fuͤr die verein. Niederlaͤnder die
Revolution vom Jahr 1727 in Groot Placaat Bock T. VII. p. 522.
Pestelcommentarii
§. 491. Auch Frankreich ſcheint, einen einzi-
gen Fall ausgenommen, keinen gebohrnen Unterthan zum Geſand-
ten einer auswaͤrtigen Macht angenommen zu haben ſ. Moſer
Verſuch
Th. III. S. 89. bloß naturaliſirte Fremde ſind weit oͤfter
in dieſer Eigenſchaft in Frankreich angenommen worden.
a)
F. C. Moſer von dem Appointement oder Gehalt eines
Geſandten
in deſſen kleinen Schriften Th. I. S. 182. Seit die
ehemahlige Sitte Geſandte frey zu halten abgekommen, fallen
die Koſten dem ſendenden Staat (oft auch zum Theil dem Ge-
ſandten ſelbſt) zur Laſt. Die naͤhere Eroͤrterung hieruͤber gehoͤ-
ret nicht ins Voͤlkerrecht, fuͤhrt auch zu keinen ſichern Grund-
ſaͤtzen. Nur im Vorbeygehn iſt anzumerken, daß außerordent-
liche Geſandſchaften auf den Fuß der Diaeten beſoldet zu werden
pflegen, und daß an vielen Hoͤfen ſelbſt die ordentlichen mit einem
feſten Jahrgehalt verſehenen Geſandſchaften nicht als ein Amt,
ſondern als eine Commiſſion beurtheilet werden, welches man-
cherley Folgen hat.
b)
Wahlcap.art. 28. §. 2. und Moſer Anmerk. zur Wahlcap.
Joſeph II Th. II. S. 364.
c)
Dahin gehoͤren Preußen, Daͤnemark, auch Schweden und Ruß-
land. In Friedenszeiten zaͤhlt man außer den paͤbſtlichen Nun-
tien ungefaͤhr 40 beſtaͤndige Bothſchafter. Die mehreſten ſand-
ten bisher die Bourbonſchen Maͤchte und unter dieſen Frankreich
allein
[237]Noͤthige Stuͤcke zu Antretung der Geſandſchaft.
allein eilf. Von Abſchaffung der Geſandſchaften der erſten Klaſſe
iſt in unſerm ſtaatswirtſchaftlichen Jahrhundert zwar hin und
wieder geredet worden, doch ſcheint die Verſchiedenheit des In-
tereſſe eine Uebereinkunft zu verhindern.
a)
Juglerde litteris legatorum credentialibus. Jenae 1741. 4. J. G.
Estorde inre poſcendi litteras quas vocant credentiales a legatis. Je-
nae
1748. 8.
b)
D. Nettelbladtde forma litterarum credentialium. Sneedorff
eſſai d’un ſtyle des Cours P. ſp. c. 1. art.
1.
c)
Bielefeldinſtitutions politiques T. II. p. 296. Beck Verſuch
einer Staatspraxis
B. V. Cap. 1. S. 240.
d)
So pflegen die Geſandte bey der Eydgenoſſenſchaft, außer dem
Beglaubigungsſchreiden fuͤr dieſe, eines fuͤr die proteſtantiſchen,
eines fuͤr die catholiſchen Cantons, eines fuͤr den Canton bey
dem
[238]Siebentes Buch. Drittes Hauptſtuͤck.
dem ſie reſidiren, auch wohl noch fuͤr andere Cantons oder zuge-
wandte Orte mit zu bringen. So in Teutſchland die Craysge-
ſandte u. ſ. f.
a)
So brachten die Geſandte fremder Maͤchte an die Generalſtaaten
fuͤr den Erbſtatthalter kein Beglaubignngsſchreiben ſondern nur
ein Empfehlungsſchreiben mit. Nur die der Verfaſſung und des
Ceremoniels weniger kundige Africaner haben zuweilen ihren
Geſandten zugleich an die Generalſtaaten und an den Statthalter
accreditirt. S. ein Beyſpiel in Kluithiſt. fed. T. II. p. 545.
b)
Alle Geſandte an den tuͤrkiſchen Kaiſer muͤſſen ein ſolches Schrei-
ben fuͤr den Großvezir mitbringen ehe ſie zur Audienz gelangen
koͤnnen.
c)
Craysgeſandte welche in Reichsſtaͤdten refidiren bringen zwar zu-
weilen ordentliche Beglaubigungsſchreiben, zuweilen aber bloße
Empfehlungsſchreiben mit. v. Ickstadtde legatorum in ciuitati-
bus immediatis ac liberis reſidentium priuilegiis et iuribus
. Wuͤrzburg

1740. 4. und in deſſen opuſcula Th. II. S. 501.
a)
Allgemeine Vollmacht wird in zwiefachem Sinn genommen; zu-
weilen fuͤr diejenige wodurch ein Geſandter unbeſtimmt mit allen
Hoͤfen in Verhandlung zu treten befugt wird, welches man actus
ad omnes populos
nennt. Dieſe ſind ſelten, doch finden ſich davon
zwey Beyſpiele in Lambertymemoires T. VIII. p. 748. T. IX.
p.
653. Am oͤfterſten aber verſteht man unter allgemeine Voll-
macht im Gegenſatz der beſonderen in welcher der Geſandte ohne
nahmhafte Beſtimmung eines gewiſſen Geſchaͤfts zu Verhandlun-
gen bevollmaͤchtiget wird.
b)
Sneedorfeſſai d’un ſtyle des cours P. ſp. chap. 1. art. 1. p. 187.
de Callièresmunière de negocier chap. XI. BielefeldInſt. pol.
T. II. p.
296. Doch werden die auswaͤrtigen Geſandten an den
teutſchen Reichstag accreditirt.
a)
Muſter ſolcher Inſtructionen finden ſich in memoires de Wal-
singham
T. I. p.
260 u. f. in den memoires du comted’Estrades,
in AitzemaZaken van Staet and Oorlogh an verſchiedenen Orten
u. ſ. f. von der Einrichtung dieſer Inſtructionen handelt Puͤt-
ter
juriſtiſche Praxis
Th. I. S. 232. Beck Verſuch einer
Staatspraxis
S. 245.
b)
Beyſpiele hiervon finden ſich an verſchiedenen Orten der Memoi-
res du comte
d’Avaux.
a)
Daß dieſe an Familien-Hoͤfen niemahls uͤblich geweſen behauptet
de Real T. V. p. 309. Die Tuͤrken wollen nicht allen Maͤchten
fuͤr ihre Bothſchafter dieſe Ehre einraͤumen Le Bret Maga-
zin
Th. II. n. 2. Die Paͤdſte geſtatteten ſie nur bey Obedienz-Ge-
ſandſchaften Roussetceremonial dipl. T. II. p. 175. Die daruͤber
entſtandene Ceremoniel-Streitigkeiten haben ſie ſeltner gemacht doch
giebt es noch Beyſpiele derſelben, welche mit der Beſchreibung
der Feyerlichkeiten in Moſer Verſuch Th. III. S. 251. 260 u. f.
Beytraͤge Th. III. S. 304. 309 u. f. nachgeſehn werden koͤnnen.
b)
Dieſe Begleitung der fremden Geſandten ſoll bey Gelegenheit des
1661 zu London entſtandenen Streits abgekommen ſeyn. ſ. de Real
T. V. p.
309. Doch erfolgte ſie noch 1785 in Madrit beym Ein-
zuge des portugiſtiſchen Marquis de Lourizal Nouv. extr. 1785. n. 31.
c)
An einigen Hoͤfen giebt es eigene introducteurs des Ambaſſadeurs.
Zu Wien verrichten die Oberkaͤmmerer dieß Geſchaͤft.
d)
Sowohl in Anſehung der Treppen als des Sahls wird an eini-
gen Hoͤfen ein Unterſchied gemacht. Genua both vergebens dem
Pabſt eine Million daß er deſſen Bothſchafter in der Sale royale
aufnehmen moͤchte.
e)
Dieß iſt der Hauptpunct des Ceremoniels der Audienz eines Both-
ſchafters; er wird nicht als Bothſchafter empfangen wenn er nicht
die Erlaubniß erhaͤlt ſich zu bedecken. Doch bedeckt er ſich
nicht wirklich in Audienzen der Kaiſerinnen und Koͤniginnen ſon-
dern macht nur ein Zeichen als wolle er es thun. Auch bey Au-
dienzen des Pabſts bedeckt ſich der Bothſchafter nicht.
f)
Mehrentheils wird dieſe in franzoͤſiſcher Sprache gehalten; be-
ſteht er aber auf ſeiner Staatsſprache, ſo wird ihm in der Staats-
ſprache geantwortet. Ein Beyſpiel davon findet ſich in Moſer
Verſuch
Th. III. S. 406. 430.
g)
Nach geendigter Antwort wird der Bothſchafter, doch nur bey
Audienzen eines Frauenzimmers zum Handkuß gelaſſen.
h)
Moſer Beytraͤge Th. III. S. 402. Beytraͤge zum Geſand-
ſchaftsrecht
S. 145. von den Staatsſprachen S. 9 u. f.
i)
Von der Audienz der Gen. Staaten ſ. Janiçonétat preſent des
provinces unies
P. I. p.
92. Von der in Venedig ſ. Amelotde
la
Houssaye hiſt. de Veniſe T. I. p.
37.
k)
Lamberty T. I. p. 29.
a)
S. z. B. von den verein. Niederlanden Janiçon T. I. p. 97.
b)
So iſt z. B. in Frankreich, in Spanien, in Rußland die Regel
daß der Reſident und Geſchaͤftstraͤger nur ein Creditiv an den
Miniſter der auswaͤrtigen Angelegenheiten mitbringt und zu ſei-
ner Antritts-Audienz gelaſſen wird; ſ. z. B. von Rußland Ade-
lung
Staatsgeſchichte
Th. VII. S. 130. aber die Geſchaͤftstraͤ-
ger der Hanſeeſtaͤdte und einiger anderer kleiner Staaten welche keine
Q 2Envoyés
[244]Siebentes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
Envoyés ernennen, haben hierin Vorzuͤge und werden zur Audienz
zugelaſſen. Zu Wien werden alle Geſandte der dritten Klaſſe, we-
nigſtens der teutſchen Reichsſtaͤnde, zur Audienz des Kaiſers zu-
gelaſſen.
c)
So erklaͤrte der Kaiſer 1776 alle Reſidenten der auswaͤrtigen
Hoͤfe fuͤr apartemensfaͤhig Moſer Beytraͤge Th. IV. S. 498.
So ward in Spanien 1783 feſtgeſetzt daß auch Geſchaͤftstraͤger
dem Koͤnige vorgeſtellt werden koͤnnen. Hamb. Correſpondent
1783, Jan. 31.
a)
Auch uͤber die Ordnung dieſer Erwiederung iſt zuweilen Streit
entſtanden. Callieresmaniere de negccier avec les Souverains
p.
118.
b)
Wicquefort T. I. p. 286. 292. Gutschmidtde praerogatiua or-
dinis inter legatos
§. 34.
c)
Daher zu Regensburg die vielen Streitigkeiten uͤber den erſten
Beſuch theils zwiſchen den chutfuͤrſtlichen und fuͤrſtlichen, theils
mit den auswaͤrtigen Geſandten. S. Faber neue europaͤiſche
Staatscanzley
Th. 33. S. 100. Th. 43. S. 183. Th. 47. S. 9.
Th. 55. S. 12.
d)
Sonſt pflegte eine eigene Art eines offenen Billets hinterlaſſen
zu werden; jetzt faͤngt man an einigen Orten an ſich gewoͤhnlicher
Viſitencarten zu bedienen.
a)
Auch daruͤber find zwar ſonſt den Geſandten der Republiken zu-
weilen Schwierigkeiten gemacht; in neueren Zeiten aber hat der
Q 3franzoͤ-
[246]Siebentes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
franzoͤſiſche Bothſchafter auch den Bothſchaftern der verein. Nie-
derlande ſ. de Real S. 41, und auch den Bothſchaftern der
Churfuͤrſten auf Wahltaͤgen ſ. Roussetdiſcours ſur le rang p. 87.
den Rang bey ſich zu Hauſe eingeraͤumt. Selbſt die kaiſerlichen
Bothſchafter geſtatten den koͤniglichen und churfuͤrſtlichen Both-
ſchaftern den Rang. Gutschmidtde praerogatina ordinis inter
legatos
§. 31. not. h.
b)
Memoiresd’Eſtrades T. II. p. 38. 469. 480. Daher am Reichs-
tage der Streit zwiſchen den churfuͤrſtlichen und fuͤrſtlichen Ge-
fandten unter einander und zuweilen ſelbſt mit auswaͤrtigen.
a)
Sogar haben kaiſerliche und einige koͤnigliche Bothſchafter zuwei-
len den Rang vor Churfuͤrſten und Fuͤrſten an welche ſie geſchickt
wurden begehrt: Memoires et negociations ſecrettes touchant la
paix de Munſter T. III. p.
565. (8.) Moſer kleine Schriften
Th. VII. S. 190. de Real T. V. p. 51. Roussetdiſcours p. 88.
aber die weltlichen Chutfuͤrſten und die altweltlichen Fuͤrſten ha-
ben dieß nie eingeraͤumt.
Ein merkwuͤrdiger Streit des franzoͤſiſchen Bothſchafters mit
dem Prinzen von Oranien findet ſich in Memoiresd’Estrades
T. II.
[247]Geſandſchafts-Ceremonial.
T. II. p. 429. 432. 434. 439. 447. Die Frage wegen des erſtern
Beſuchs ward 1749 zum Vortheil des Erbſtatthalters verglichen.
de Real T. V. p. 303. N. Nederl. Iaurboeken 1776. p. 1366.
Ein neuerer Streit dieſer Art zwiſchen dem ſchwediſchen Ambaſſa-
deur und dem Prinzen Carl von Heſſen, Gemahl der Schweſter
des Koͤnigs von Daͤnemark, imgleichen dem Erbprinzen von Au-
guſtenburg entſtand 1788 und ward zum Vortheil der letzteren
verglichen ſ. Niederelb. Magazin Th. III. S. 152.
Auf dieſe Forderung der koͤniglichen Bothſchafter gruͤndet ſich
auch die Rangbeſtimmung der churfuͤrſtlichen Geſandten im art. III
§. 20. der Wahlcapitulation.
b)
Obwohl der Pabſt den Rang fuͤr dieſe fordert ſ. das paͤbſtliche
Breve von 1750 in Merc. h. et pol. 1751. T. I. p. 382; auch
Moſer Verſuch Th. IV. S. 52. Beytraͤge 3. Geſandſchafts-
recht
S. 100.
c)
Merc. h. et pol. 1765. T. I. p. 330. Am hoͤchſten treiben die koͤ-
niglichen Envoyés ihre Anforderungen an fuͤrſtlichen Hoͤfen, wo
ſie nicht nur gleich auf die Familie des Regenten zu folgen, ſon-
dern zuweilen ſogar den Prinzen des Hauſes, wenigſtens den ap-
panagirten Fuͤrſten vorzugehn begehrt haben. Und was laͤßt ſich
nicht mancher Fuͤrſt gefallen, um einen koͤniglichen Envoyé extra-
ordinaire
an ſeinem Hofe glaͤnzen zu ſehn.
a)
Daß hier nur von der Staats-nicht von der Schul-Excellenz die
Rede ſey verſteht ſich von ſelbſt. Jene ward ehemahls ſogar Koͤ-
nigen, nachmahls Fuͤrſten, dann Grafen gegeben. Beym W.
Frieden befeſtigte ſich dieſer Ceremonielpunct fuͤr Geſandte Gur-
ſchmidt
l. c.
§. 33. und not. k.Moſer aktenmaͤßige Ge-
ſchichte der Excellenz-Citulatur in
deſſen kleinen Schriften
Th. II. S. 100. Th. III. S. 1 u. f.
b)
Moſer Verſuch Th. III. S. 504.
c)
Aus dieſer Analogie geben die Cardinaͤle waͤhrend der Erledigung
des paͤbſtlichen Stuhls den Excellenztitel nicht; auch der Wochen-
praͤſident in den verein. Niederlanden giebt ihn nicht; wohl aber
der Doge in Venedig Moſer Beytraͤge Th. IV. S. 116.
d)
J. J. Moſer von der Excellenz-Citulatur der Geſandten
vom zweyten Rang
1783. 4.
a)
J. J. Moſer von dem Recht mit 6 Pferden zu fahren in ſ.
Abhandlungen beſonderer Rechtsmaterien St. 1. S. 126.
b)
Der Pabſt ließ desfalls in Rom 1743 ein eigenes Edict ergehn
ſ. Merc. h. et pol. 1743. T. I. p. 54. Auch zu Wien ſind hieruͤber
Beſtimmungen vorhanden. Aber nicht an allen Hoͤfen kennt man
dieſe Grille.
c)
Dieſe ehemahls noͤthigen Sicherheitswachen ſind in Europa durch-
gaͤngig abgeſchaft; am laͤngſten erhielten ſie ſich in Rußlaud, wo
ſie erſt 1763 den Geſandten genommen wurden. Merc. h. et pol.
1763. T. II. p.
355. 597. Nur in der Tuͤrkey werden noch, jedoch
bloß den außerordentlichen Geſandten, einige Janitſcharen zur
Wache gegeben.
d)
F. C. Moſer von den militaͤriſchen Ehrenbezeugungen der
Geſandten in
deſſen kl. Schriften Th. VI. S. 347.
e)
Was fuͤr ein ernſthafter Streit daruͤber zwiſchen Preußen und
Rußland 1750 entſtand erzaͤhlt Adelung Staatsgeſchichte
Th. VII. S. 136.
a)
C. v. Bynkershoekde foro competente legatorum C. I. §. 8. J.
Hoogeveenlegationum origo et ſanctimonia Lugd. Batav. 1763. 4.
Schleusingde legatorum inuiolabilitate. Lipſ. 1690. Viteb.
1743. 4.
b)
L. 7. D. ad L. Jul. de vi publica L. vlt. D. de legationibus.
c)
Iſt der Staat hiervon nicht zum voraus benachrichtiget, ſo kann
der Geſandte keines der geſandſchaftlichen Vorrechte ehe fordern,
ehe ſein Beglaubigungsſchreiben angenommen worden. S. ein
Beyſpiel eines hieruͤber in Betreff des franzoͤſiſchen Grafen de la
Sale
entſtandenen Streits in Adlung Staatsgeſchichte Th. VI.
S. 303 u. f. Merc. h. et pol. T. 124. p. 419. 525. 670. Kein Staat
iſt daher auch ſchuldig einen Gefangenen loszulaſſen, wenn dieſer
ein Beglaubigungsſchreiben erhaͤlt.
d)
Ob ſie dem ſtrengen aͤußeren Voͤlkerrecht entgegen ſey mag be-
zweifelt werden ſ. Bynkershofk l. c. cap. 2. §. 6. Daß dieß ge-
ſchehe um den Geſandten vor der Wuth des Poͤbels zu ſchuͤtzen,
inſonderheit aber weil ſie die Geſandten als Geißel fuͤr ihre Ver-
traͤge betrachten zeigt Le Bret Magazin Th. II. S. 205 u. f.
Laugierhiſt. de la paix de Belgrade T. I. p. 23. 84. u. f. Zuwei-
len bewegt ihre Politik ſie Ausnahmen zu machen. So ließen ſie
1736 den ruſſiſchen Geſandten ziehn, ſetzten aber den oͤſterreichi-
ſchen gefangen. Umgekehrt 1787.
a)
Offenbar kann der Geſandte auch mit Einſtimmung ſeines Hofes,
in und außerhalb ſeines Hotels weit nicht alles wozu das Recht
aus dieſem ausgedehnten, viel umfaſſenden Begriff der Exterri-
torialitaͤt hergeleitet werden koͤnnte, wie aus dem folgenden deut-
lich erhellen wird. So theuer daher auch den Geſandten dieſes
Kleinod iſt, ſo reicht die bloße Beziehung auf daſſelbe nicht hin,
um den Beweiß eines jeden von ihnen begehrten Rechts zu vertreten.
a)
Ein claſſiſches Werk uͤber dieſen Gegenſtand iſt C. v. Bynkers-
hoeck
de indice competente legatorum
in welchem auch die verſchie-
denen Meynungen uͤber dieſen Punct im letzten Abſchnitt geſamm-
let ſind.
b)
Bynkershoeck l. c. cap. XI. Umſonſt bemuͤht ſich Wicquefort
das Gegentheil zu behaupten.
c)
Ein Beyſpiel eines hieruͤber zwiſchen Schweden und Holland ent-
ſtandenen Streits findet ſich in Bynkershoeck l. c. cap. XVI. §. 15.
d)
Grotius L. II. cap. 18. §. 9. KulpisColleg. Grotianum l. c. §. 3.
p.
109.
e)
Es fehlt zwar nicht an Beyſpielen daß Geſandte theils waͤhrend,
theils inſonderheit nach geendigter Geſandſchaft, Schulden wegen
arretirt worden, aber gemeiniglich lag dabey perſoͤnlicher Wider-
wille gegen den Geſandten und deſſen uͤbriges Betragen zum
Grunde. Ein Beyſpiel verweigerter Paͤſſe findet ſich in Moſer
Verſuch
Th. IV. St. 545. 555. Merc. h. et pol. 1772. T. I. p. 266.
f)
V. der Gen. Staaten der verein. Niederlande vom 9. Sept. 1679.
Brittiſche Parlementsacte 10 Anna cap. 7. Portugieſiſche V.
von 1748.
a)
v. Steck von einem Geſandten der Handel treibt in deſſen
Ausfuͤhrungen 1776. S. 17. Bynkershoeck l. c. cap. 14.
b)
Dieſen Grundſatz ſtellte das franzoͤſiſche Miniſterium in einer
Streitſache uͤber die Verlaſſenſchaft eines in Frankreich naturali-
ſirten modeneſiſchen Geſandten Herrn de Forges 1778 auf.
c)
Wie in den verein. Niederlanden durch die V. d. Gen. Staaten
vom 11 Aug. 1676. 9 Sept. 1679. der Staaten von Holland vom
8 Aug. 1659. 30 Jul. 14 Aug. 1681. In England durch die
Parlementsacte 10 Anna Cap. 7 in Portugal durch die V. v. 1748.
a)
Cassius (Wilde) diatribe de iure et iudice legatorum. Frf. ad. M.
1717. 4. Doch beruͤhren die oben angefuͤhrten Geſetze den Fall
der Verbrechen nicht, daher inſonderheit in England die Geſandte
hier auf eine Befreyung von der Gerichtbarkeit nicht zaͤhlen koͤn-
nen. Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel in Anſehung des franzoͤſiſchen
Bothſchafters Grafen von Guerchy erzaͤhlt v. Archenholz
Briefe uͤber England
. 8ter Abſchnitt (1 Ausg.)
b)
Wenn daher der ſendende Hof ſelbſt (wie in der Armfeldſchen Sache)
um den Arreſt ſeines Geſandten nachſucht, ſo koͤnnen deſſen ge-
ſandſchaftliche Vorrechte
ihn wider den Verhaft nicht ſchuͤtzen.
c)
Moſer Beytraͤge Th. IV. S. 277.
d)
Unter den Verbrechen welche Geſandten vorgeworfen worden, ſind
Staatsverbrechen weit die haͤufigſten. Außer den aͤlteren Beyſpie-
len welche beym Wicquefort und Bynkershoeck nachzuſehn
ſind dient hier zur Beiehrung des Betragen Großbritanniens ge-
gen den ſchwediſchen Geſandten Gyllenborg 1711. ſ. (Glafey)
diſquiſitio iuris naturalis et Gentium de iuſto Gyllenbergii et Goert-
zii
Sueciae legatorum in Britannia et confoed. Belgio arreſto. Lat.
et Germ. Frf. et Lipſ. 1717. 4. Lamberty memoires T. I.
Frank-
reichs gegen den ſpaniſchen Prinzen von Cellamare 1718. Memoi-
res de la regence du duc d’Orleans T. II. p.
153. Rußlands gegen
den Marquis de la Chétardie in Adelungs Staatsgeſchichte
Th. IV. S. 134, gegen den Marquis de Botta d’Adorno 1744.
Moſer Verſuch Th. IV. S. 374. Beytraͤge Th. IV. S. 290.
a)
Unter dieſem Gefolge laſſen ſich jedoch nur diejenigen begreifen,
welche wirklich der Geſandſchaft angehoͤren, nicht andere die ihn
zufaͤllig begleiten, oder ſich unter deſſen Schutz zu begeben ſuchen.
In England muß jeder auswaͤrtige Miniſter bey ſeiner Ankunft
ein Verzeichniß der zu ſeinem Gefolge gehoͤrigen Perſonen einrei-
chen und in der Folge die Veraͤnderungen anzeigen ſ. Parlements-
acte 10 Anna. cap. 7; eine aͤhnliche Beſchraͤnkung enthaͤlt die
portugiſiſche Verordnung von 1748. Waͤre es nicht rathſam
dieß uͤberall einzufuͤhren? Auf der andern Seite laͤßt ſich der bey
einem neueren Falle 1790 zu Muͤnchen gemachte Unterſchied zwiſchen
dem eigentlichen Gefolge und der uͤbrigen Suite (wozu man
Hausofficianten und Bediente zaͤhlen wollte) wohl weder rechtfer-
tigen noch anwenden. Auch das kann keinen Unterſchied machen
ob der Bediente des Geſandten Unterthan oder Fremder ſey Byn-
kershoeck
l. c. cap.
15.
b)
Beyſpiele bat Moſer Beytraͤge Th. IV. S. 249.
c)
Ein Beyſpiel eines Streits zwiſchen Großbritannien und Frank-
reich hieruͤber hat Moſer Verſuch Th. IV. S. 324.
d)
Willenbergde invisdictione legati in comites ſuos. Gedani 1705. 4.
Bynkershoeck l. c. cap.
15. glaubt aus dem Grundſatze der Ex-
territorialitaͤt ſtehe hieruͤber dem Souverain des Geſandten allein
das Entſcheidungsrecht zu; dieß ſcheint zuviel behauptet. Sehr
gut ſagt Kluithiſt fed. T. II. cap. 10. der Souverain des Ge-
ſandten ertheile ihm das Recht ſelbſt, der Hof aber an den er
geſandt wird die Erlaubniß es auszuuͤben.
e)
Das Recht 1) Paͤſſe zu ertheilen, ſteht allen Geſandten zu, ſofern
von Unterthanen ihres Sonverains die Rede iſt die in ihr Vater-
land reiſen wollen; aber andren Fremden und beſonders eigenen
Unterthanen des Staats wo ſie reſidiren ſind ſie nicht berechtiget
Paͤſſe zu geben, obgleich jenes zuweilen durch Connivenz geſtattet
wird. Ob aber 2) allen Geſandten der unteren Klaſſen geſtattet
werden wuͤrde, Leute ihres Gefolges welche vor den Landesgerich-
ten als Zeugen vorgeſchlagen wuͤrden ſelbſt abzuhoͤren ſcheint mir
zweifelhaft, obwohl der Verf. der Effais fur divers ſujet. de poli-
tique 1778. 8. p.
36. dieß hehauptet. Daß 3) Geſandte ein Te-
Rſtament
[258]Siebentes Buch. Fuͤnftes Hauptſtuͤck.
ſtament einer Perſon ihres Gefolges aufnehmen und dadurch die-
ſem die Kraft eines gerichtlichen Teſtaments beylegen koͤnnen,
ſcheint mir ungezweifelt; ob aber eben dieſes ſtatt habe wenn ein
Fremder bey ihm ein Teſtament niederlegt, ſcheint, ſofern dazu die
Competenz des Richters nicht erfordert wird, von der Frage abzu-
haͤngen, ob dem Geſandten uͤberhaupt voͤllige Gerichtbarkeit aner-
kannt werde.
f)
Das Recht in ſeinem Hotel ein Criminial-Urtheil zu ſprechen
und zu vollziehn wird jetzt kein Geſandter der chriſtlichen Maͤchte
leicht behaupten, ob es gleich ehemahls Beyſpiele der Art gege-
ben und noch jetzt die tuͤrkiſchen Geſandten ſich dergleichen zuwei-
len erlaubt haben, wenn ſchon die ausgedehntere Gerichtbarkeit
die man zu Conſtantinopel den auswaͤrtigen Geſandten geſtattet,
ſich nicht bis dahin erſtreckt. Moſer Verſuch Th. IV. Cap. 19.
Dieſes Recht wuͤrde man ſelbſt den fremden Souverainen wenn ſie
in Perſon kaͤmen nicht einraͤumen, und mehr als dieſe koͤnnen die
Geſandten nicht begehren. Frankreich wuͤrde uͤber das Betragen
der Koͤniginn Chriſtina gegen Monaldeſchi gewiß ſelbſt dann ſich
beſchwert haben, wenn ſie auch noch regierende Koͤniginn gewe-
ſen waͤre.
a)
In Faͤllen der Art iſt vielmehr der Hof zu einer Genugthuung
fuͤr den Geſandten bereit ſ. z. B. den Fall des hollaͤndiſchen Ge-
ſandten zu Paris in Merc. h. et pol. 1749. T. I. p. 661. und Kluit
hiſt. ſed. T. II. p.
541. und den in Rußland 1752. Moſer Ver-
ſuch
Th. IV. S. 307.
b)
Thomasiusde iure aſyli legatorum aedibus competente. Lipſ. 1689. 4.
und in diſſ. Lipſiens. p. 1103.
c)
Vattel T. II. L. IV. cap. IX. §. 118.
d)
So ward in Spanien das ius aſyli durch eine Verordnung von
1684 fuͤr das Haus des Geſandten anerkannt. Gleichwohl er-
laubte man ſich 1726 den Herzog von Ripperda aus dem Hotel
des engliſchen Geſandten mit Gewalt heraus zu holen, obwohl
dieſer ihn mit Genehmigung des Hofes aufgenommen hatte.
Memoires de Montgon T. I. n. XI. XII. XIII. Rousset recueil
T. IV. p.
69.
e)
Merc. h. et pol. 1748. T. I. p. 53 u. f. 205 u. f. Moſer Ver-
ſuch
Th. IV. S. 265 u. f. Kluithiſt. fed. T. II. p. 540.
f)
Vattel L. IV. cap. IX. §. 119. Ein Beyſpiel eines hieher gehoͤ-
rigen Falles zu Rom 1750. ſ. in Moſer Verſuch Th. IV. S.
266; ein anderes zu Copenhagen von 1789 in Nouvelles extraor-
dinaires
1789. 26. 27 ſuppl.
a)
J. Upmark ſ. reſp. O. Toernede franchiſia quarteriorum ſeu iure
aſyli apud legatos
. Upſal.
1706. 8.
b)
Von dieſem Gebrauch des Aufhaͤngens der Wapen und den Fol-
gen deſſelben ſ. F. C. v. Moſer von den Rechten der Ge-
ſandten in Anſehung der Wapen ihres Souverains in
Schott juriſt. Wochenblatt
IIIr Jahrgang A. 33.
c)
Ueber den beruͤhmten Streit zwiſchen Ludwig XIV. und Pabſt
Innocenz XI. wegen der Quartiersfreyheit ſ. Lavardini legatio
Romana eiusque cum Romano pontifice Innocent XI. diſſidio 1688.
ad. 2. 1697. 12. Thomasius de iure aſyli. Lipſ. 1689. 4.
Schmausscorp. iur. gent. acad. T. I. p.
1069.
d)
In Spanien wo dieſer Mißbrauch ehemahls beſtand ſuchte man
ſchon 1594 ihn aufzuheben ſ. Khevenhulleraunales T. IV. p.
1340, und durch die ſchon erwaͤhnte Verordnung von 1684 ward
das ius aſyli auf das Hotel des Geſandten beſchraͤnkt. Zu Vene-
dig haben die Geſandte noch ein Schutzrecht auf gewiſſe ihrem
Hotel nahe gelegene Haͤuſer. Der Schutz den der franzoͤſiſche
Bothſchafter in Conſtantinopel einigen Kirchen und Haͤuſern er-
theilet, ſcheint auf andere Gruͤnde zu beruhen. S. jedoch Lau-
gier
hiſtoire de la paix de Belgrade T. I. p.
84.
a)
Concil. Gangrenſe c. 5. 6. Laodicenſe can. 57. ſ. J. H. Böhmer
de priuatis legatorum ſacris cap. I.
§. 15.
b)
Nov. 18. L. c. C. de ſumma trinitate L. 3. C. de heret. L. 15. C.
de ep. et clericis.
a)
Auch die Tuͤrken und Africaner geſtatten dieſes Recht den Ge-
ſandten und Conſuln der chriſtlichen Maͤchte, aber bey dieſen
beruhet es auf ausdruͤckliche Vertraͤge.
b)
Spaͤterhin iſt dieſes Recht zum Theil in den Geſetzen ausdruͤck-
lich anerkannt. S. z. B. fuͤr Daͤnemark V. vom 6. April 1676;
Leges Dan. Chriſt. V. L. VI. cap. I. art. 5. fuͤr Schweden Ver-
ſicherungsacte der K. Ulr. Eleonora vom 21. Febr. 1719 und des
Prinzen Friedrich vom 22. Maͤrz 1720. ModèeUtdrag T. I.
p.
9. 135.
c)
Ueber einen merkwuͤrdigen Streit der zu Coͤln in Anſehung des
Gottesdienſtes des preußiſchen Reſidenten 1708 entſtanden ſ. Fa-
ber
europ. Staatscanzley
T. XIV. p. 166. und 220; auch J.
H. Bohmerde priuatis legatorum ſacris. Halae
1713. 1721. 4.
d)
So konnte Kaiſer Joſeph II., nachdem er den Proteſtanten die
Privatuͤbung ihrer Religion in Wien geſtattet hatte, erklaͤren, daß
nun der Gottesdienſt in den Kapellen der proteſtantiſchen Geſand-
ten aufhoͤren muͤſſe.
e)
Aber kein Geſandter kann genoͤthiget werden ſich mit dem Got-
tesdienſt in der Kapelle eines fremden Geſandten zu begnuͤgen.
a)
Aber die Zahl der Geiſtlichen kann beſchraͤnkt, auch verboten
werden daß kein Eingebohrner ſich dazu ſoll brauchen laſſen. S.
uͤber die Koͤn. Großbritanniſche Proclamation vom Jahr 1746.
Moſer Verſuch Th. IV. S. 158 u. f.
b)
Daher darf der Geſandte ſeiner Kapelle nicht die aͤußere Geſtalt
einer Kirche geben, keine Glocke darauf anlegen, auch keine Or-
gel ſpielen laſſen; noch weniger iſt von Proceſſionen außerhalb
der Geſandſchaftskapelle die Rede. Und obwohl an ſich betrach-
tet dem Staat gleichguͤltig ſeyn koͤnnte, wie der Gottesdienſt in
der Kapelle gefeyert wird, ſo iſt doch eine ſehr gewoͤhnliche Be-
dingung deſſelben, daß er in der Landesſprache gehalten werde;
ſ. Memoiresd’Avaux T. V. p. 201. von Daͤnemark Leg. Chriſt V.
L. VI. Cap. I. art.
5. zuweilen aber iſt durch Vertraͤge Abwechſe-
lung
[265]Geſandſchafts Gottesdienſt.
lung eingefuͤhrt worden. Z. B. in Anſehung des ſchwediſchen
Geſanoſchafts, Gottesdienſts in Paris Schloͤtzer Briefwechſel
Th. III. S. 76.
c)
Z. B. Koͤn. Schwed. Reſcript an d. Conſiſtor. von 1742. Mo-
ſer
Verſuch
Th. IV. S. 187.
d)
Nicht bloß an catholiſchen Hoͤfen, ſondern auch an proteſtantiſchen
war man hierinn ehemahls ſehr ſtrenge ſ. z. B. fuͤr Daͤnemark
Leg. Chriſt. V. L. VI. cap. I. art. 5. fuͤr Schweden Erklaͤrung des
Erbprinzen Friedrich von 1720. art. 3. ModèeUtdrag T. I. p. 135.
hin und wieder aber hat man durch Vertraͤge entweder in Anſe-
hung der uͤbrigen Unterthanen des Herrn des Geſandten, wie z. B.
zwiſchen Frankreich und Holland 1624, zwiſchen Frankreich und
Schweden, zwiſchen Daͤnemark und Oeſterreich, oder auch all-
gemeiner in Anſehung der Fremden dieſe Strenge gemildert. Am
nachgebendſten ſind die Africaner in ihren Vertraͤgen mit den
chriſtlichen Voͤlkern in Anſehung des Gottesdienſts in dem Hauſe
der Conſuln.
e)
Beyſpiele ſ. in Moſer Verſuch Th. IV. S. 187.
a)
Vertrag zwiſchen Frankreich und Hamburg 1769. art. ſep. 2.
Wenn dieß bey den Africanern kraft der Vertraͤge durchgaͤngig
geſchieht, ſo iſt es, weil dieſe die Conſuln faſt ganz auf den Fuß
der Geſandten behandeln.
b)
Mit Recht konnte daher der Magiſtrat zu Hamburg nach dem
Tode Carls VI. auf die Einſtellung des catholiſchen Gottesdienſts
in der kaiſerlichen Kapelle dringen. Moſer Verſuch Th. IV.
S. 192.
a)
Sonſt war dieſe Sitte faſt allgemein. Man findet noch Spuren
derſelben bey Gelegenheit der Geſandſchaft des Czaren Peters I.
nach Holland. Rußland und Schweden ſchaften ſie foͤrmlich ab
im Nyſtaͤdter Frieden 1721. art. 10; im Aboer Frieden 1743. art. 18.
Nur bey den außerordentlichen Geſandten welche die Tuͤrken
ſchicken und empfangen, und bey den Geſandſchaften die zu Zei-
ten die Africaner an einzelne europaͤiſche Staaten ſchicken, iſt noch
eine Freyhaltung, bald an Lebensmitteln, bald an Gelde uͤblich.
Moſer von dem Appointement oder Gehalt eines Geſand-
ten
in deſſen kleinen Schriften Th. I. S. 182 u. f.
b)
F. C. v. Moſer von der Zoll- und Acciſefreyheit der Ge-
ſandten
in deſſen kleinen Schriften Th. VII. S. 1.
c)
Von der Zollfreyheit der Geſandten teutſcher Reichsſtaͤnde in Teutſch-
land hat Moſer a. a. O. §. 25 u. f. umſtaͤndlich gehandelt. An
auswaͤrtigen Hoͤfen ſind daruͤber in dieſem Jahrhundert beſondere
Verordnungen ergangen; Daͤnemark ſoll dieſe Zollfreyheit zu An-
fang dieſes Jahrhunderts abgeſchaft haben. Journal de voyage fait en
Danemarc à la ſuite de M. l’Envoyé d’Angleterre p.
77. Rußland hob
ſie durch eine Verordnung von 1747 auf welche in Merc. h. et pol.
1747. T. II. p.
531. eingeruͤckt iſt; diſpenſirte aber wiederum nach-
mahls zum Vortheil einzelner Hoͤfe 1762. Moſer Beytraͤge
Th. IV. S. 197. Die verein Niederlande hoben dieſe Zollbefreyung
1749 auf Pestelcomment. de rep. Batava §. 433. Sachſen gab
desfalls
[268]Siebentes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
desfalls 1748 eine Verordnung Moſer Beytraͤge Th. IV. S. 197.
Schweden gab eine Verordnung im Jahr 1766 ſ. Maandl. ne-
derl. Mercurius
1766. P. I. p.
3. Preußen eine andere 1787 ſ. m.
Recueil T. IV. p. 516. Ueber England ſ. Memoires et négociations
du Chevalier
d’Eon p
186 u. f. Am allergemeinſten ſcheint es
jetzt an den groͤßeren Hoͤfen zu ſeyn, daß man dem Geſandten eine
Befreyung fuͤr die erſte Zeit (6 Monath 1 Jahr) nach ſeiner An-
kunft, und dann fuͤr die Folge entweder gar keine oder nur eine be-
ſchraͤnkte Befreyung einraͤume. Doch ſind zuweilen an einem und
demſelben Hofe nicht nur die Geſandten nach der Verſchiedenheit
ihrer Klaſſe verſchiedentlich privilegirt, ſondern zuweilen ſtehn
dem Geſandten gewiſſer Hoͤfe beſondere Vorrechte zu; z. B. den
Churfuͤrſtlichen am R. kaiſerlichen Hofe. An mittleren und klei-
nen Staaten pflegt man weit nachgiebiger als an groͤßeren gegen
die Geſandte zu ſeyn.
d)
Ob der Geſandte auch genoͤthiget werden koͤnne Briefpaquete auf
dem Zollhauſe zu eroͤffnen, daruͤber entſtand 1706 zu Copenhagen
mit dem hollaͤndiſchen Geſandten ein weitlaͤuftiger Handel. Mem.
de
Lamberty T. IV. p
220.
e)
Moſer Verſuch Th. IV. S. 303. Merc. hiſt. et pol. 1749.
T. I. p. 661. 1751. T. I. p.
538.
a)
Vatteldroit des gens L. IV. chap. VIII. §. 114.
b)
Daß auch reichsſtaͤndiſche Craysgeſandte dieſe Befreyung fordern
koͤnnen wird mit Recht behauptet.
c)
Einige Hoͤfe haben an gewiſſen Orten eigene Hotels fuͤr ihre Ge-
ſandſchaft angekauft. Dieſe genoſſen in den verein. Niederlan-
den
anfangs einer Befreyung, die aber 1649 im allgemeinen auf-
gehoben wurden, obwohl Frankreich und Spanien ſich noch in
neueren Zeiten 1757 auf dieſe Befreyung bezogen. Matth. van
der Pot
de tributo praediali quod in Hollandia exigitur ſub nomine
de ordinaire Verponding
. Leyd.
1782. 4.
a)
Moſer Verſuch Th. IV. 145.
a)
Die Art in Verhandlung zu treten muß mit der Kunſt geſchickt
zu verhandeln nicht verwechſelt werden. Letztere laͤßt ſich wohl
nicht auf Grundſaͤtze zuruͤckfuͤhren; ſie iſt Folge von natuͤrlicher
Anlage, von Kenntniß der Hoͤfe und von dem Studium der wich-
tigſten Verhandlungen voriger Zeit. Einiges dahin gehoͤrige hat
Mably in ſeinen principes des negotiations. Was zu einem geſchick-
ten Geſandten erfordert werde lehret Pecquetde l’art de negocier
arec les ſouverains;
auch verdient Callieresde la maniere de ne-
gocier avec les ſouverains nouvelle ed
. à Londres 1757. T. I. II.
12.
uͤber verſchiedene hieher gehoͤrige Puncte nachgeſehn zu werden.
a)
Die Frage wiefern der Regent berechtiget ſey allein mit den
fremden Geſandten ohne Zuziehung der Staͤnde in Verhandlung
zu treten, haͤngt von der Verfaſſung eines jeden Staats und den
Umſtaͤnden ab. Kein Miniſter aber hat ein Recht auf die unmit-
telbare Conferenz mit dem Souverain zu dringen.
b)
Wenn ein Premier Miniſter an dem Hofe iſt, ſo erfordert es die
Achtung fuͤr dieſen daß der Geſandte ihm Abſchrift von dem Me-
morial mittheile welches er in der Audienz zu uͤbergeben geſon-
nen iſt.
c)
Ueber die Art wie die Geſandten der verſchiedenen Klaſſen in Hol-
land mit den General-Staaten in Verhandlung treten ſ. Jani-
çon
état preſent des provinces unies T. I. p.
96 u. f. Ueber die
Art wie in Venedig mit einem Collegium von 26 Perſonen confe-
rirt wird ſ. Le Bret Vorleſungen Th. I. S. 252.
d)
Ueber die verein. Niederlande ſ. Memoiresd’Avaux T. II. p. 127.
T. IV. p.
353. 363.
e)
Memoiresd’Estrades T. III. p.228.
a)
Vattel Liv. IV. chap. VII. §. 93. Pecquetde l’art de negocier
p.
71.
b)
Nur von vollkommnen Pflichten iſt hier die Rede; forſchte man
nach dem was gewiſſenhaft, edel, großmuͤthig gethan ſey, ſo
muͤßte man weit in den allermehreften Faͤllen der Beſtechungen
verwerfen, in welchen ſie nach dem aͤußeren Voͤlkerrecht gerecht-
fertiget oder entſchuldiget werden koͤnnte.
a)
F. C. v. Moſer die Geſandtinn nach ihren Rechten und
Pflichten
in deſſen kleinen Schriften Th. III. n. 2.
b)
Noch 1649 hielt ſich ein franzoͤſiſcher Geſandte in dem Haag dar-
uͤber auf, daß ein ſpaniſcher Bothſchafter ſeine Gemahlinn mit
ſich gebracht hatte und ſagte: que c’étoit une Ambaſſade hermaphro-
dite,
ſ. Bynkershoekde foro competente legatorum cap. 15. §. 7.
c)
Die Gemahlinn eines Bothſchafters will alſo nur Koͤnigl. Prin-
zeſſinnen und den Gemahlinnen derjenigen Bothſchafter weichen,
denen ihr Gemahl den Rang einraͤumt. In Anſehung der Viſiten
der Gemahlinnen der Geſandten der verſchiedenen Klaſſen haben
aͤhnliche Streitigkeiten wie bey den Viſiten der Geſandten ſtatt.
Auch in Anſehung der Praͤſentation bey Hofe, des Tabourets,
des Kuſſes der Koͤniginn auf der Wange (in Schweden) verlangt
die Geſandtinn gleiche Behandlung mit den Gemahlinnen derje-
nigen Perſonen, mit denen der Geſandte gleiche Behandlung for-
dert. Doch ſcheint es, daß in Anſehung der Praͤſentation am
Hofe die Geburt mehr bey den Geſandtinnen, als bey deren Ge-
mahlen in Betracht gezogen werde; wenigſtens bey Geſandſchaf-
ten der unteren Klaſſen.
a)
Moſer Verſuch Th. III. S. 136. Beytraͤge Th. III. S. 150.
a)
Einige Staaten uͤberlaſſen bey gewiſſen Geſandſchaften dem
Geſandten die Wahl und Beſoldung des Geſandſchaftsſecretaͤrs;
aber ſelbſt dann iſt ein ſolcher von einem Privatſecretaͤr des Ge-
ſandten verſchieden, der ordentlicher Weiſe nur zu den Privat-
geſchaͤften des Geſandten gebraucht wird. ſ. jedoch uͤber die affaire
ſecrète
in Frankreich. Politique de tous les Cabinets de l’Europe
T. I. p. 1—155. (ed. de Hamburg.)
b)
Bey zahlreichern Geſandſchaften ſind dieſe Geſchaͤfte unter meh-
reren Perſonen vertheilt, bey andren faͤllt zuweilen alles auf den
Legationsſecretaͤr.
c)
Moſer Beytraͤge Th. IV. S. 25. Neue europ. Staatscanz-
ley
Th. 32. S. 43.
a)
Hat daher ein Fuͤrſt nicht in ſeinem Nahmen, ſondern als Di-
rector einer moraliſchen Perſon z. B. eines Crayſes, einer Gra-
fen-Curie u. ſ. f. das Beglauhigungsſchreiben, oder die Voll-
macht unterzeichnet, ſo zieht ſein Tod nicht die Erloͤſchung des
Creditivs nach ſich. S. m. Eſſai ſur la légitimation des Envoyès
de la part des Comtes de l’Empire
. Goͤttingue
1782. 8.
b)
Iſt der Geſandte nicht an die Perſon deſſen der ſeine Legitimation
angenommen hat accreditirt, ſondern an eine moraliſche Perſon,
deren Vorſteher nur in dieſer Eigenſchaft die Creditive oder Voll-
machten annahm, ſo kann deſſen Tod die Kraft derſelben nicht
aufheben.
c)
In Erbſtaaten pflegt das neue Creditiv dem Benachrichtigungs-
ſchreiben des Abſterbens des Landesherrn gleich beygefuͤget zu wer-
den; dann entſteht im Sinn des Rechts nicht einmahl eine Un-
terbrechung.
d)
Ueber den Streit der desfalls in Betreff des Chev. (Mlled’Eon)
in England mit dem franzoͤſiſchen Bothſchafter entſtand ſ. Lettres
memoires et negociations de M
. d’Eon p.
85.
e)
Die Republik hat es zur Staatsmaxime gemacht, keinen ihrer
Geſandten laͤnger als 3 Jahr an einem Hofe zu laſſen; doch muß
er erſt die Ankunft des neuen Geſandten erwarten ſ. Le Bret
Vorleſungen
Th. I. S. 328.; auch ſcheint es nicht daß dieſe Zeit
in dem Beglaubigungsſchreiben ausgedruͤckt werde.
a)
Z. B. auch wenn man ſich beſchweret daß der Hof ſeinen Geſand-
ten ohne Grund rappellirt habe Adelung Staatshiſtorie
Th. VI. S. 331.
b)
Iſt der neue Geſandte ſchon angekommen, oder der Legationsſe-
cretaͤr wird inzwiſchen zum Geſchaͤftstraͤger beſtellt, ſo pflegt der
abgehende Geſandte in ſeiner Abſchiedsaudienz dieſe dem Hofe
vorzuſtellen.
c)
Ob der Geſandte dieſe ohne beſondere Erlaubniß ſeines Staats
annehmen duͤrfe haͤngt von der Landesverfaſſung ab. Die Ve-
netianiſchen duͤrfen es nicht; auch nicht die Niederlaͤndiſchen
Kluithiſt. fed. T. II. p. 570.
d)
Wo, wie am Reichstage, Geſchenke der Art nicht hergebracht
find, da unterbleibt zuweilen der ſchriftliche Abſchied.
a)
F. C. Moſer von Ausſchaffung der Geſandten in deſſen
kleinen Schriften
Th. VIII. S. 81. Th. IX. S. 1. C. H. Breu-
ning
ſpecimen iuris controuerſi de iure expellendi legatum alterius
gentis liberum
. Lipſ.
1764. 4.
a)
In Rom uͤbernehmen in Ermangelung eines Geſandſchafts-Se-
cretaͤrs die Cardinales protectores dieſes Geſchaͤft. An andren
Orten iſt nicht ohne Beyſpiel daß einem anderen in Dienſten des
Staats des Geſandten ſtehenden Beamten die Verſieglung uͤber-
laſſen wird.
b)
C. F. Paulide obſignatione rerum legati eiusque comitatus diſſ. Ha-
lae
1751. 4. Zu Wien machte man ehemahls viel Schwierigkeit
ſelbſt die Verſieglung der Effecte auswaͤrtiger Geſandten dem Le-
gationsſecretaͤr oder einem dritten Geſandten zu uͤberlaſſen, mußte
aber aus Furcht vor Retorſionen nachgeben. Am laͤngſten ward
uͤber die Befreyung der reichsſtaͤndiſchen Geſandten, Reſidenten
und Geſchaͤftstraͤger, inſonderheit dann wenn letztere zugleich die
Geſchaͤfte am Reichshofrath betrieben von der Gerichtbarkeit des
Reichshofraths- und Marſchallamts uͤberhaupt und beſonders in
Sperr- und Inventur-Sachen geſiritten; Treitſchke Verſuch
einer Beſtimmung und Beantwortung der Frage ob die am
kaiſerlichen Hofe reſidirenden reichsſtaͤndiſche Geſandten der
Gerichtbarkeit des Reichshofraths unterworfen ſind
. Leipzig
1777.
[281]Endigung der Geſandſchaft.
1777. 8. Faͤlle neuerer Zeiten ſ. in Reuß teutſche Staatscanz-
ley
Th. II. S. 224. Th. XV. S. 408 u. f. Jetzt, und inſonder-
heit ſeit in der Wahlcapitulation Leopold II. art. 25. §. 7. ein hie-
her gehoͤriger Artikel beſtimmter als in den vorhergehenden gefaßt
worden, ſteht dieſe Befreyung allen den Geſandten mit Inbegriff der
Reſidenten, Geſchaͤftstraͤger und Angehoͤrigen zu, die nicht beſonders
beym Reichshofrath zu allda anhaͤngigen Proceſſen legitimirt ſind.
a)
J. J. Moſer Abhandlung uͤber verſchiedene Rechtsmaterien
VItes Stuͤck S. 438. Wie lange eines Geſandten Wirwe ſich
ihres verſtorbenen Gemahls gerechtſame zu erfreuen habe
.
b)
Wildvogelde teſtamento legati L. I. cap. II. §. 10 u. f.
c)
Reuß Staatscanzley Th. I. S. 226. Die Witwen der hollaͤn-
diſchen Geſandten bekommen von dem Gen. Staaten nur dann
die Reiſekoſten, wenn ſie binnen einem Jahr abreiſen. Kluit
hiſt. fed. T. II. p.
572. koͤnnen ſolche und aͤhnliche Beſtimmungen
nicht auch bey dieſer Frage einigen Betracht verdienen?
d)
Wildvogelde teſtamento legati. Jenae 1711. 4. J. J. Kayser
de l [...]to teſtatore. Gieſſae
1740. 4.
e)
Ein merkwuͤrdiger Rechtshandel hieruͤber trug ſich in Frankreich
1778 in Anſehung der Mobiliar-Verlaſſenſchaft eines in Frank-
reich naturaliſirten Maylaͤnders zu, der als modeneſiſcher Geſandte
an den franzoͤſiſchen Hof ſtarb. Der Graf von Vergennes ent-
ſchied nur darum fuͤr die Anwendbarkeit der franzoͤſiſchen Geſetze,
weil Herr de Forges in Frankreich naturaliſirt worden war.
a)
Nur wenn der Interims-Miniſter oder Charge´ d’Affaires nach
Ankunft des ordentlichen Geſandten wieder Geſandſchaftsſecretaͤr
wird, kann von neuen Creditiven nicht die Rede ſeyn. Doch
pflegt der Interims-Miniſter Abſchied zu nehmen. S. uͤber die
hieher
[283]Endigung der Geſandſchaft.
hieher gehoͤrigen Fragen Lettres memoires et negociations du Chev
d’Eon
an verſchiedenen Stellen.
b)
Moſer von der Excellenz der Geſandten vom 2ten Rang.
c)
Memoires et negoc. du Chevd’Eon p. 96.
a)
Leyserde legatis transenntibus Med. ad D. ſp. 672. Achenwall
de tranſitu et admiſſione legati et pacto repetendis. Gottingae
1748. 4.
b)
So iſt z. B. außer Zweifel daß ein bey den Gen. Staaten der
verein. Niederlande beglaubigter Geſandte in jeder Provinz auf
die Vorrechte eines Geſandten Anſpruch machen koͤnne; zweifel-
hafter aber iſt es, ob ein auswaͤrtiger Reichstags- oder Crays-
Geſandte von jedem teutſchen Reichs- oder Craysſtande alle ge-
ſandſchaftliche Vorrechte begehren koͤnne, wenn er nicht in Reichs-
oder
[284]Siebentes Buch. Eilftes Hauptſtuͤck.
oder Craysgeſchaͤften zu ihnen kommt. Sonſt wuͤrde es uͤberfluͤſ-
ſig ſeyn ihm, wie jedoch oft geſchieht, beſondern Beglaubigungs-
ſchreiben fuͤr einzelne Hoͤfe mitzugeben.
a)
In Teutſchland iſt dieß ſogar in den Geſetzen in Anſehung der
auf Reichs- und Crays-Verſammlungen reiſenden oder von die-
ſen zuruͤckkehrenden als eine Pflicht vorgeſchrieben. Wahlcap. 1711.
art. 8. §. 31.
b)
Merkwuͤrdig war der Fall der zu Anfang dieſes Jahrhunderts in
England accreditirten ſchwediſchen Geſandten Gyllenborg und
Goͤrz, von welchen jener in England, dieſer in Holland arre-
tirt wurde
. Bynkerſhoek q. iur. publ. p. 100. mehrere Schriften
uͤber dieſen Fall ſind angezeigt in v. Ompteda Litteratur des
E. V.
[285]Rechte der Geſandten in dritten Staaten.
E. V. Rechts S. 571 u. f. Noch verwickelter war der Fall des zu
Caſſel arretirten Geſandten der verein. Niederlaͤnder beym Ober-
theiniſchen Crayſe Grafen von Wartensleben. Moſer Verſuch
Th. IV. S. 130 u. f. Merc. h. et pol. 1764. T. I. p. 101. 104.
T. II. p. 357. Nederlandſche Iarboeken 1763. p. 854. 1764. p. 621.
659. 681. Waldinlegationis ins vniuerſum
4. Schreiben des
Geheimenraths von * in B, an den Geheimenrath von ***
in W, die Wartenslebiſche Sache betreffend 1764. Kurze
Anmerkungen uͤber die Vertheidigung des Hrn. Grafen von
Wartensleben gegen die Heſſen-Caſſelſchen Beſchuldigungen
.
Caſſel 1765. fol. Selbſt Schulden halber kann ein ſolcher durch-
reiſender Geſandte arretirt werden. S. Jaͤger ob ein Sou-
verain berechtigt ſey fremde Geſandten arretiren zu laſſen; in
Schott
juriſtiſchen Wochenblatt Th. I. S. 173. Puͤtt-
mann
Grundſaͤtze des Wechſelrechts
§. 167.
c)
Der beruͤhmte Fall der Arretirung des Marquis de Monti nach
der Uebergabe Danzigs an die Ruſſen 1733 enthaͤlt keine Ver-
letzung dieſer Regel ſ. einige daruͤber vorhandenen Schriften in
Roussetrecueil de memoires T. I. p. 9. in Faber E Staats-
canzley
Th. 65. S. 591 ‒ 616. und mehrere angezeigt in v.
Ompteda Litteratur
Th. II. S. 572 u. f.
d)
Moſer Verſuch Th. IV. p. 120. und auf Veranlaſſung der
Arretirung des Marechal de Bellisle zu Elbingerode (J. W.
v. Goͤbel oder Scheid
?) S’il eſt permis de faire arrêter un
Ambaſſadeur qui paſſe ſans paſſeports par les états de ceux avec qui
ſon maitre eſt en guerre
1745. 4.
a)
Die Guͤter der reichsſtaͤndiſchen Geſandten auf Reichsverſamm-
lungen ſollen in ganz Teutſchland von Zoͤllen frey ſeyn. W. Cap.
1711. art. VIII. §. 11. Aktenkundig ſind die uͤber den Mißbrauch
dieſes Vorrechts inſonderheit von Bayern am Reichstage ange-
brachte bittere und oft vergeblich wiederholte Beſchwerden. S.
Moſer kleine Schriften Th. VII. S. 43.
a)
Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel der Art war die Sendung des Ba-
ron nachmahls Herzog von Ripperda von Spanien nach Wien
zu Schließung des Friedens von 1725. Moſer Verſuch Th. IV.
S. 572.
b)
Von den geheimen Chargès d’affaires zu Rom ſ. Bielefeldinſti-
tutions politiques
T II. p.
278. 284. Zuweilen wird auch einem
Geſandten ein anderer ſo ſubſtituirt, daß er erſt bey eintretendem
Falle ſich legitimiren ſolle, daher er bis dahin nicht als Geſand-
ter zu behandeln iſt.
c)
Bielefeld l. c. p. 284. Von den mancherley Emiſſairs die vor-
mahls Frankreich unterhielt ſehe man Anecdoten vom franzoͤſi-
ſchen Hofe in Briefen der
Ducheſſe d’Orleans. Auch das Bey-
ſpiel des Abbe’ Montgon gehoͤrt hieher; ſ. deſſen Memoires T. I.
an verſchiedenen Orten.
a)
F. C. Moſer der Courier nach ſeinen Pflichten in deſſen klei-
nen Schriften
Th. IV. n. 2. J. J. Moſer Verſuch Th. IV.
S. 616. Beytraͤge Th. IV. S. 542.
b)
Ueber die Ermordung des ſchwediſchen Couriers Majors von
Sinclair bey ſeiner Durchreiſe durch Schleſien 1739. ſ. Umſtaͤnd-
licher Bericht von dem 1739 an dem K. Schwed. Major Mal-
com Sinclair fuͤrſetzlich veruͤbten grauſamen Mord; Berlin
1741. 4. Buͤſching Magazin Th. VIII. S. 309.
c)
Ueber den Arreſt eines engliſchen Couriers zu Belgrad ſ. Mont-
gon
memoires T. I. p.
458 u. f. die Beylagen N. VIII. IX.
a)
Hier kann alſo die in dem Herkommen gegruͤndete juriſtiſche Be-
weißkraft der Archive in ganz anderem Betracht kommen als zwi-
ſchen freyen Voͤlkern. Die Schriften uͤber dieſe Beweißkraft ſ.
in Puͤtter juriſt. Litteratur Th. III. S. 202 u. f.
a)
Nur mit mancherley Einſchraͤnkungen laͤßt ſich dieß von den teut-
ſchen Reichsſtaͤnden unter einander behaupten; denn da dieſe ei-
nen hoͤheren Richter ihrer vollkommenen Rechte anerkennen, ſo
ſind ſie der Regel nach ſchuldig ſich an dieſen zu wenden und der
Weg der Selbſthuͤlfe hat nur ſtatt ſofern 1) von ſolchen Mitteln
die Rede iſt, wodurch nicht vollkommne Rechte des andern gekraͤnkt
werden (§. 250) oder 2) die Faͤlle eintreten in welchen die Reichs-
geſetze ihnen ausdruͤcklich den Weg der Selbſthuͤlfe geſtatten, wie
in Zoll-Stapel-Religions-Beſchwerden u. a. Wernherobſer-
vationes forenſes
P. III. obſ.
115. 3) Faͤlle gedenkbar ſind in wel-
chen die Reichsgerichte uͤberall, oder den Umſtaͤnden nach, nicht
Richter ſeyn koͤnnen. In dem Verhaͤltniſſe der teutſchen Reichs-
ſtaͤnde gegen Auswaͤrtige koͤnnen dieſe ſich nur mittelbar verhin-
dert ſehn ſich uneingeſchraͤnkt der Wege zu bedienen, die das Voͤl-
kerrecht unabhaͤngigen Nationen eroͤffnet.
b)
In wie verſchiedenem Sinn jedoch dieſe Worte von verſchiedenen
Schriftſtellern genommen werden, erhellet aus den im folgenden
angefuͤhrten Schriften.
a)
Weit nicht jede Ungleichheit in der Geſetzgebung zweyer Staa-
ten kann als unbillig fuͤr den einen Theil angeſehn werden
und Retorſionen begruͤnden. Z. B. wenn ein Staat Wechſelrecht
einfuͤhret der andere nicht. Nur dann wenn ein Staat zwiſchen
Fremden und Einheimiſchen einen Unterſchied zum Nachtheil der
erſteren macht hat retorſio iuris iniqui ſtatt. Ludewig ge-
lehrte Anzeigen
Th. I. S. 73. J. G. Bauermeditationes de vero
fundamento quo inter ciuitates nititur retorſio iuris
. Lipſ.
1740. 4.
Entwurf einer allgemeinen Geſetzgebung fuͤr die preußiſchen
Staaten
. Einleitung §. 33.
b)
Kahlede iuſtis repreſaliarium limitibus cum a gentibus tum a ſtati-
bus Imperii obſeruandis
. Gottingae 1746. 4.
a)
Lynkerde iure repreſaliarum Jen. 1691. 4. C. v. Bynkerſhoek
quaeſt. iur. publ. Lib. I. cap. 24. Kahle
a. a. O.
a)
Daß nur dann Repreſalien ſtatt haben ſollen, wenn dieſe Genug-
thuung vergebens begehret worden, iſt ſeit dem 15 Jahrhundert
immer mehr in den Vertraͤgen der europaͤiſchen Maͤchte feſtgeſetzt
worden. m. Eſſai concernant les armateurs Chap. I. §. 4.
a)
Allgemein haftet der unſchuldige Unterthan nur in ſofern mit ſeiner
Perſon und ſeinen Guͤtern fuͤr die Verletzungen des Staats, als ihn
T 3dieſer
[294]Achtes Buch. Zweytes Hauptſtuͤck.
dieſer fuͤr das was er fuͤr alle leidet entſchaͤdigen kann. Daher
kann ſeine Perſon arretirt, ſein Gut confiscirt werden. Geſetzt
aber z. B. in Friedenszeiten waͤre unſer Geſandte, unſer Cou-
rier u. ſ. f. in einem andren Staat, und ſogar auf deſſen Befehl
ermordet, ſo wuͤrde uns dieß nicht berechtigen den unſchuldigen
Geſandten oder Courier dieſes Staats umzubringen; wenn dieß
in Kriegszeiten wegen Verletzung der Kriegsgeſetze geſchehn koͤnnte,
ſo iſt das aus dem Nothrecht zu erklaͤren, welches aber in Frie-
denszeiten in jenem Falle nicht vorhanden war, da es andere
Mittel unſerer Genugthuung und Sicherheit gab.
a)
S. m. Eſſai concernant les armateurs §. 4. p. 30. Teutſch S. 29.
a)
Bouchaudthéorie des traités de commerce p. 483 u. f. de Real
T. V. p.
401. m. Eſſai concernant les armateurs Chap. I. § 4.
b)
Ein Formular eines ſolchen engliſchen Repreſalienbriefes findet
ſich in Laws of the admiralty T. I. p. 220; ein anderes eines fran-
zoͤſiſchen Repreſalienbriefes von 1778 in Code des Prifes T. II.
p.
657. und in de Steckeſſais 1794. p. 42.
a)
Vattel P. II. L. II. §. 348. Grotius L. III. chap. 2. Barbeyrac
in den Noten uͤber Bynkerſhoekdu juge competent des ambaſſadeurs
cap. 22. §. 5. n. 1. 3. Voetad D. tit. de iudiciis n.
31. Doch
haben die Schweizer Cantons kraft ihrer Vereinigung es zum
Grundſatz machen koͤnnen, auch zum Beſten eines benachbarten
Cantons Repreſalien zu uͤben.
b)
Von ſolchen Repreſalien ſind jedoch Arreſte der Guͤter eines
Schuldners auf Antufen fremder Glaͤubiger weſentlich verſchie-
den; dieſe arreſta iuris ſind unſtreitig erlaubt.
a)
Vattel T. II. L. II. §. 345.
a)
So iſt zum Theil den großen Oſtindiſchen Handelsgeſellſchaften,
wie uͤberhaupt eine dem Staat untergeordnete Landeshoheit, ſo
auch ein, obwohl beſchraͤnktes, Recht mit Voͤlkern außerhalb Eu-
ropa Krieg zu fuͤhren ertheilet worden. Paulide iure belli ſocie-
tatum mercatoriarum maiorum
. Halae
1751. 4.
b)
Dieß iſt z. B. der Fall mit den Markhriefen, welche in Kriegs-
zeiten den Unterthanen auf ihr Geſuch ertheilet werden.
a)
Ueber die Rechtfertigungsgruͤnde des Kriegs iſt viel geſchrieben
worden; ſ. v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 626 u. f.
b)
Daß eine Nation welche Unterthanen anderer Staaten zum Auf-
ruhr verleitet, mit Recht von dieſen bekriegt werden koͤnne, leidet
gar keinen Zweifel da hier die Verletzung vollkommner Pflichten
unlaͤugbar iſt. Kann aber ein Volk auch darum bekriegt werden
weil es Grundſaͤtze bey ſich aufſtellt, die mit der Erhaltung und
dem Wohl der Voͤlker nicht beſtehn koͤnnen? Dieß glaube ich
allerdings, zumahl ſolche Grundſaͤtze dem Naturrecht gerade zu
entgegen ſind. Davon iſt die Frage, wiefern ein Strafkrieg ſtatt
habe noch zu unterſcheiden; von dieſer ſiehe die Schriften in v.
Ompteda Litteratur
Th. II. S. 632.
c)
Zuweilen wird in Vertraͤgen der chriſtlichen Maͤchte unter einan-
der, inſonderheit aber mit den Tuͤrken und Africanern feſtgeſetzt,
daß wegen Verletzung eines Artikels nicht ſolle Krieg angefangen
werden; doch verſteht ſich dabey die Bedingung von ſelbſt, daß
dafuͤr Genugthuung gegeben werde; wenn daher dieſe nicht erfuͤl-
let wird, ſo verliert die Clauſul mehrentheils ihre Kraft.
d)
Daß aber von den Rechtfertigungsgruͤnden (raiſons inſtificatiues)
die Beweggruͤnde (motifs) noch oft zu unterſcheiden ſind, iſt
ſehr bekannt.
e)
Vielleicht eben ſo ſehr aus Politik, als aus Rechtsgruͤnden werden
ſelbſt die Kriege der Africaner, deren wahrer Beweggrund doch
ſo oft bloß Raubgier iſt, als aͤußerlich gerecht in Anſehung der
Behandlung der Feinde angeſehn. Eben dieß geſchieht oft in dem
Verfolg eines buͤrgerlichen Krieges, ohne daß gleichwohl dadurch
die Unabhaͤngigkeit aufruͤhreriſcher Unterthanen anerkannt wuͤrde.
S. die 1778 zwiſchen Frankreich und Großbritannien gewechſel-
ten Schriften in Hennings Sammlung Th. I. S. 5 u. f.
a)
D. S. Wolf diff. de ratione belli offenſiui et defenſiui. Halae 1677.
Abhandlung von dem Unterſchiede der Offenſiv- u. Defenſiv-
Kriege in teutſche Kriegscanzley
B. I. S. 773. Vattel L. III.
cap.
1. §. 5. aber auch Galliani Recht der Neutralitaͤt
I. B. V. H. S. 164.
b)
Nicht der Wunſch allein in den Augen des Publicums fuͤr den
angegriffenen Theil gehalten zu werden, ſondern vorzuͤglich die
Ruͤckſicht auf die Huͤlfe unſerer und unſeres Feindes Defenſio-
Alliirten macht es jedem Staat wichtig, die Schuld des Anfalls
auf den Gegentheil zu waͤlzen. Beyſpiele ſ. in Moſer Bey-
traͤge
Th. I. S. 3 u. f. inſonderheit die Streitſchriften bey An-
fang des Americaniſchen Krieges 1756 zwiſchen Großbritannien
und Frankreich, imgleichen des ſiebenjaͤhrigen Krieges, auch des
jetzigen Krieges wider Frankreich.
c)
Man koͤnnte noch eine dritte Gattung: den Entſcheidungskrieg
hinzufuͤgen, wo beyde Theile zugleich die Waffen ergreifen und
auf das Schickſal der Waffen zu compromittiren ſcheinen; die
Geſchichte liefert Beyſpiele genug davon, aber alle Rechtsfragen
drehen ſich doch um den Punct wer der angefallene ſey.
a)
H. Coccejuſde clarigatione. Heidelb. 1624. C. v. Bynkerſhoek
vt bellum legitimum ſit indictionem belli non videri neceſſariam
ſ. deſ-
ſen Quaeſt. juris publ. L. I. c. 12. Vattel L. III. chap. IV. meh-
rere in v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 629.
b)
Man glaubte ſelbſt daß eine feyerliche Aufkuͤndigung der Ver-
traͤge vorhergehn muͤſſe. Leibnitz Vorrede zu ſ. Cod. i. gent.
und Urkunden S. 41. 115. Dieß geſchieht jetzt nur unter beſon-
dren Umſtaͤnden z. B. Hennings Staatsſchriften Th. I.
S. 65. n. 9.
c)
Die letzten Beyſpiele einer ſolchen Kriegsankuͤndigung ſind von
Frankreich das von 1635 ſ. le Vaſſor hiſtoire de Louis XIII.
P. I. L. 38. p.
399. und von Daͤnemark 1657 ſ. Hollberg daͤ-
niſche Reichshiſtorie
Th. III. S. 241. ſ. auch J. G. Gonne
Entdeckung der Urſachen warum die Kriegsankuͤndigung un-
ter freyen Voͤlkern fuͤr noͤthig gehalten worden; ſ. Siben-
kees
juriſtiſches Magazin
Th. I. n. 3.
d)
Von der neueren Art der Kriegserklaͤrung und deren Wirkungen
handelt ausfuͤhrlich Emerigontraité des aſſurances T. I. chap. 12.
Sect. 35. p.
559 u. f.
e)
In England geſchieht dieſe Erklaͤrung gemeiniglich mit vielen
Feyerlichkeiten durch Herolde. S. Adelung Staatsgeſchichte
Th. VIII. S. 57. Ayrerde iure ſolenni circa declarandum bellum
inter gentes moratiores accepto
. Goͤtt.
1757. Aus beſondren Urſa-
chen unterblieb ſie 1778. S. Archenholz Briefe uͤber Eng-
land
Th. I. S. 453.
f)
S. z. B. die Negociationen zwiſchen Frankreich und Großbritan-
nien vom Jahr 1761.
g)
In mannichfaltiger Ruͤckſicht wuͤrde es den Voͤlkern wichtig ſeyn,
hieruͤber einen feſten Grundſatz einzufuͤhren. In dem Handels-
tractat zwiſchen Großbritannien und Frankreich von 1786 ward
art. 2. die Zuruͤckberufung des Geſandten fuͤr den Anfang der
Feindſeligkeiten erklaͤrt.
a)
Bynkerſhoekquaeſt. iur. publ. L. I. c. 2. p. 12. Die Friſt ſelbſt
iſt verſchiedentlich beſtimmt bald auf 6 Monath wie zwiſchen
England und den verein. Niederlande 1667. art. 32, zwiſchen
Frankreich und America 1778. art. 20, bald auf 9 Monath wie
zwiſchen Frankreich und den verein. Niederlande 1739. art 13,
bald auf ein Jahr wie zwiſchen Spanien und den verein. Nie-
derlande
1714. art. 36 zwiſchen England und Rußland 1766.
art. 12. Bald auf 2 Jahr wie zwiſchen Portugal und den ver-
einigten Niederlande
1661. art. 16. zwiſchen Daͤnemark und
Sicilien 1748. art. 39. zwiſchen Daͤnemark und Genua 1756.
art. 38. 1789. art. 36. zwiſchen den verein. Niederlanden und
Sicilien 1753. art. 43.
b)
Emerigontraité des aſſurances T. I. p. 563 u. f.
c)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 52. 54. 59.
d)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 46 u. f. ſ. auch den Handels-
tractat zwiſchen Großbritannien und Frankreich 1786. art. 2.
e)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 55.
a)
v. Steck von der Abberufung der in auswaͤrtigen Kriegs-
dienſten ſtehenden Reichsglieder und Vaſallen; ebenderſelbe
Vertheidigung der Grundſaͤtze welche in der Abhandlung von
Avocatorien ſind aufgeſtellt worden;
in deſſen Abhandlungen
aus dem teutſchen Staats- und Lehnrecht
. Halle 1758. 8.
b)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 43 u. f. S. z. B. die nach-
druͤcklichen kaiſerlichen Avocatorien vom Jahr 1793.
c)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 46. 60.
d)
Bouchaudthéorie des traités de commerce p. 250 u. f. Maſer
Verſuch
Th. IX. S. 72. Wie wichtig es fuͤr das Ganze teutſche
Reich ſey daß in Reichskriegen den teutſchen Seeſtaͤdten nicht al-
ler Handel mit dem Reichsfeind unterſagt werde, hat Buͤſch in
ſeiner Abhandlung uͤber die durch den jetzigen Krieg veran-
laßte Zerruͤttung des Seehandels
. Hamb. 1793. 8. und Nach-
trag zu dieſer Abhandlung
. Hamb. 1794. 8. entwickelt.
e)
v. Steck von Verſicherung feindlicher Schiffe und Guͤter;
in deſſen Ausfuͤhrungen 1776. n. 9. Magens von Aſſecu-
ranzen
in der Vorrede.
a)
C. G. Heyne progr. de bellis internecinis eorumque cauſſis et euen-
tis
. Gott. 1794. fol.
b)
Gruͤndliche Nachricht vom Kriegsceremoniel und der Kriegsma-
nier 1745. 8. Strubede la raiſon de guerre im Anhange zu ſei-
ner Ebauche des loix naturelles.
a)
Ungeachtet man in den Kriegserklaͤrungen noch die alte Formel
de courre fûs à l’ennemi beybehalten hat, ſo iſt allgemein aner-
kannt, daß dieſe ihre Kraft verloren habe. Vattel L. III. chap.
XV.
§. 227.
b)
Vatteldroit des Gens a. a. O. §. 223.
c)
Offenbar widerrechtlich war die Erklaͤrung des oͤſterreichiſchen
Oberſten Menzel als er 1742 in Bayern einruͤckte, ſ. Moſer
Verſuch
. B. IX. Th. I. S. 268.
d)
Ein Beyſpiel eines ſolchen allgemeinen Aufgebots gab der Koͤ-
nig von Sardinien 1742. Moſer Verſuch Th. IX. S. 206.
a)
Vattel L. III. chap. VIII. §. 151.
b)
Ein merkwuͤrdiges Beyſpiel beſchloſſener Repreſalien der Art im
Nordamericaniſchen Kriege ſ. in Nouv. extraord. 1783. n. 17.
c)
Im Anfange des Kriegs zwiſchen den verein. Niederlaͤndern und
Spanien ließ dieſes die gefangenen Niederlaͤnder unter den ſchreck-
lichſten Martern hinrichten; das veranlaßte Repreſalien und bald
darauf gegenſeitige Verabredungen ſich auf den Fuß rechtmaͤßiger
Krieger zu behandeln. Auch in dem Kriege Großbritanniens
mit ſeinen revoltirten Colonien in Nordamerica ward dieſen
U 2bald
[308]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
bald die Behandlung rechtmaͤßiger Feinde zugeſtanden; aber in
dem jetzigen Kriege mordeten die Franken die gefangenen Emi-
grirten, ohne dafuͤr Repreſalien zu fuͤrchten.
d)
Das wuͤthende Decret des Nationalconvents vom Jahr 1794 alle
den Englaͤndern abgenommene Gefangene zu ermorden, ward
nicht vollzogen. S. dagegen die Erklaͤrung des Herzogs von
York in Girtanners pol. Annalen 1794.
a)
Doch fehlt es nicht an Beyſpielen neuerer Zeiten daß ein krieg-
fuͤhrender Theil ſeinem Gegner Attentate des Meuchelmords vor-
geworfen hat. Moſer Verſuch B. IX. Th. I S. 131 u. f. Aus
eben dem Grunde iſt es auch wider die Kriegsgeſetze einen Preis auf
den Kopf eines feindlichen Befehlshabers zu ſetzen, und nur Re-
preſalien koͤnnen dazu das Recht geben Moſer Verſuch B. IX.
Th. II. S. 257 u. f. Iſt es erlaubt auf den Kopf eines jeden
Feindes eine Belohnung zu ſetzen?
b)
Gift kann auf verſchiedene Weiſe gebraucht werden, zu Vergif-
tung der Waffen, zu heimlicher Hinrichtung des feindlichen Sou-
verains, Befehlshabers u. ſ. f. zu Vergiftung der Magazine,
Brunnen u. ſ. f.; alle dieſe Arten der Vergiſtung ſind den Kriegs-
geſetzen entgegen ſ. Trinkhusiusde illicito venenatorum armorum
vſu
. Jen.
1667. v. Beuſt in ſ. Kriegsanmerkungen Th. V.
S. 236. fuͤhrt noch ein Beyſpiel eines Vertrags von 1675 wegen
Nichtgebrauchs vergiſteter Waffen an ſ. auch H. Coccejide avmis
illicitis
. Frf. ad Viadr.
1698. 4. Aus eben dem Grunde iſt wider
die
[309]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
die Kriegsgeſetze Perſonen die mit Peſt oder anſteckender Krank-
heit behaftet ſind, oder verpeſtete Kleidungsſtuͤcke dem Feinde zuzu-
ſchicken, um bey ihm dieß Uebel zu verbreiten. Nur Repreſa-
lien koͤnnten dieß rechtfertigen.
c)
So iſt zwar der Gebrauch der Kardetſchen- und im Nothfall
nicht ganz abgerundeter Bleyſtuͤcke (mitraille im allgemeinen)
nicht verwerflich, aber mit Stuͤcken von Eiſen, Glas, Naͤ-
geln u. ſ. f. zu ſchießen (tirer à la mitraille in beſondrem Sinn)
iſt wider die Kriegsmanier, eben ſo, die Musquete abſichtlich
mit 2 Kugeln, oder mit zwey halben, oder mit zackigen Kugeln
zu laden, letzteres weil es ohne Noth die Quaal und Gefahr
der Verwundeten vermehrt. Selbſt der Gebrauch der gluͤhenden
Kugeln (welche 1574 bey der Belagerung von Danzig erfunden
worden) inſonderheit aber der Kettenkugeln, Stangenkugeln,
boule s à chaine, à bras) der Pechkraͤnze (cercles poiſſes) iſt hin
und wieder in Seekriegen durch Vertraͤge aufgehoben worden,
die jedoch nur fuͤr den Krieg und fuͤr Seegefechte der Schiffe
gegen einander gelten koͤnnen. Die Machine Infernale uͤber
deren Rechtmaͤßigkeit verſchiedentlich geſtritten worden, ſcheint
ihrer Zweckloſigkeit wegen ganz abgekommen zu ſeyn. Dict. de
Trevoux
unter dem Wort machine.
a)
So iſt es z. B. zwar in Landkriegen erlaubt, durch anziehn der
feindlichen Uniform den Feind zu taͤuſchen; auch iſt in Seekriegen
der Gebrauch falſcher Flaggen nicht im allgemeinen verboten,
aber ehe das Schiff ſich in ein Seegefecht einlaͤßt muß es ſeine
wahre Flagge aufſtecken. Bouchaudtheorie des traités de com-
merce
p.
377.
b)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 317.
c)
Nur der iſt als Spion anzuſehn der unter der Geſtalt eines Freun-
des ihm heimlich zu ſchaden ſucht; nicht der Officier oder Sol-
dat in ſeiner Uniform. S. Brucknerde explorationibus et explo-
ratoribus
. Jenae
1700. 4. Hannov. gelehrte Anzeigen 1751.
S. 383 u. f. Ueber den merkwuͤrdigen Streit wegen des Major
Andre im americaniſchen Kriege ſ. Allgemein hiſtoriſches Ta-
ſchenbuch fuͤr
1784. 12.
a)
Rousseaucontrat ſocial L. I. chap 4. Der ehemahlige Mißbrauch
Gefangene in die Sclaverey zu fuͤhren iſt unter den chriſtlichen Voͤl-
kern ganz abgeſchaft. Da aber die Africaner ihn noch beybehal-
ten haben, ſo werden gegen dieſe mit Recht Repreſalien gebraucht.
Bynkershoekquaeſt. iur. publ. L. I. cap. 3. Nouv. extraord. 1787.
n. 2. 32 ſuppl.
b)
Hertiusde lytro in deſſen Opuſcula T. I. diſſ. 4.
c)
Moſer kleine Schriften Th. X. S. 67 u. f. Teutſche Kriegs-
canzley
1760. Th. I. S. 575. 1761. Th. I. S. 123.
a)
Davon gilt die Paroemie: wer ſich nicht wehrt, den man
nicht ehrt.
a)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 299.
a)
Ausnahme von dieſem Grundſatz als Carl XII. Thorn belagerte;
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 130. Elliot beobachtete ihn
genau waͤhrend der Belagerung von Gibraltar.
b)
Moſer Verſuch Th. IX. S. 146 u. f. Adelung Staats-
geſchichte
Th. VIII. S. 274.
c)
Daß in dem gegenwaͤrtigen Kriege die franzoͤſiſchen Patrioten alle
dieſe Gewohnheiten aus den Augen ſetzten und ſich ſelbſt zu den
groͤbeſten Unanſtaͤndigkeiten gegen fremde Fuͤrſten erniedrigten,
hing zum Theil mit ihrem ſchlecht erfuͤllten Vorgeben zuſammen,
daß
[313]Gegenſeitige Rechte waͤhrend des Krieges.
daß ſie den Huͤtten Frieden und nur den Pallaͤſten Krieg brin-
gen wollen.
a)
Emerigontraité des aſſurances T. I. p. 567 u. f. So drohete
Oeſterreich 1747 die Forderungen der Genueſer an die Wiener
Bank einzuziehn, als dieſe Capitulationswidrig die Oeſterreicher
verjagten. Mercure hiſt. et politique 1747. P. I. p. 536. P. II. p. 52.
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 301. 351.
a)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 296. Wie weit die Erobe-
rung eines Landes ſich erſtrecke ſ. Bynkershoeck quousque exten-
datur immobilium poſſeſſio bello quaeſita. Quaeſt. I. P. L. I. cap.
6.
b)
Grotiusde iure belli et pacis L III. c. 6. §. 1.
c)
Beyſpiele ſehr verſchiedener Art des Betragens in Anſehung der
fuͤrſtlichen Privatguͤter ſ. Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 159.
d)
Vogelde lytro incendiario. Kiloniae 1703. F. C. Vogtde lytro
incendiario
. Lipf.
1719. 4. Das Maaß dieſer Behandlung haͤngt
von der Diſeretion des Feindes ab. Ein Verſuch zum voraus
hieruͤber zwiſchen den kriegfuͤhrenden Beſchraͤnkungen zu machen,
findet ſich [...] einzelnen Kriegen des vorigen Jahrhunderts Vattel
L. III. Chap. IX.
§ 165. Er iſt aber ſeitdem unnachgeahmt geblieben.
Auch erlaubt ſich der Feind der wiederkehrt nachdem er vertrieben
worden zum zweytenmahl Brandſchatzung aufzulegen. Nur dann
ſollte er es nicht wenn er dieß vorher verſprochen hat.
e)
Wiefern daher die von den franzoͤſiſchen Patrioten eingefuͤhrte
gewaltſame Requifitionen mit dem bisher eingefuͤhrten Voͤlker-
recht ſich raͤnmen laſſen, iſt aus den Umſtaͤnden zu beurtheilen.
f)
Daher iſt erlaubt Feſtungswerke zu ſchleifen oder in die Luft zu
ſprengen, Schiffe zu verſenken, Kanonen zu vernageln, Maga-
zine zu verbrennen u. ſ. f.
g)
So iſt zwar bisher anerkannt worden, daß Luſtgaͤrten, Wein-
berge, Waldungen u. ſ. f. verſchont werden ſollen, wo aber die
Errichtung eines Lagers oder einer Verſchanzung es erfordert, da
iſt es erlaubt ſie zu zerſtoͤren.
h)
Großbritannien gab im Nordamericaniſchen Kriege folgende Gaͤtze
fuͤr anerkannte loix de la guerre aus: 1) Une armée qui occupe
le pays de l’ennemi peut y demander des proviſions, y lever des
contributions, et pour forcer les habitans à ſatisfaire à ſes demandes
peut mettre l’execution militaire en uſage, ravager et detruire. 2)
Lorsque l’ennemi étant dans ſon propre pays trouve de l’avantage
à trainer la guerre en longueur, à eviter d’en venir à une action, il
eſt permis de ravager le pays en ſa preſence. pour l’engager à s’ex-
poſer en tachant de couvrir le pays. 3) Lors qu’en guerre on ne
peut nuire à la partie adverſe on l’amener à la raiſon qu’en reduiſant
ſon pays à la detreſſe, il eſt permis de porter la detreſſe dans ſon
pays. 4) Lorsque les habitans ſont eux mêmes des parties princi-
pales de la guerre, ce qui arrive dans le cas de revolte ou de rebel-
lion ils ſont eux mêmes les objets principaux des hoſtilités que l’on
eſt dans la neceſſité de diriger contre eux pour atteindre le but de
cette guerre.
a)
S. m. Eſſai concernant les armateurs Chap. I. §. 6. p. 37. Nur Preußen
und die Americaniſchen Freyſtaaten gaben zuerſt in ihrem Trac-
tat von 1785 art. 23. das Beyſpiel einer Beſtimmung nach wel-
cher ſelbſt im Fall eines Krieges alle Kauffarthen- und Handels-
ſchiffe welche zur Auswechſelung der Producte der verſchiedenen
Handelsplaͤtze beſtimmt waren frey und ohne beunruhiget zu wer-
den ihre Fahrt ſollen fortſetzen koͤnnen. C. de Hertzbergrecueil
Vol. I. p. 475. m. Recueil T. II. p.
566.
b)
de Steckeſſais 1794. p. 50. m. Eſſai concernant les armateurs
Chap. II.
§. 23.
a)
Grotius L. II. c. VII. §. 2. Puffendorf L. IV. c. VI. §. 12. 14.
Vattel L. III. cap. 9. 13. 24. m. Eſſai concernans les armateurs
Chap. III.
§. 42-45.
b)
Meermann von dem Recht der Eroberung nach dem
Staats- und Voͤlkerrecht
. Erfurt 1774. 8. Dieſer Punct kam
inſonderheit in Anfrage, als Frankreich dem Koͤnige von England
das von den Spaniern eroberte Duͤnkirchen abkaufte. Memoires
du comte d’Estrades T. I. p.
346. Auch als im nordiſchen Kriege
Rußland 1713 dem Koͤnige von Preußen Stettin abtrat, ehe es
von Schweden durch einen Friedensſchluß aufgegeben worden war.
c)
Vatteldroit des gens L. III. §. 196. de Steckeſſais 1794. p. 73.
d)
§ 17. Inſt. de rerum diuis I. 1. §. 8. D. ad l. Falcid. l. 105. D. de
ſolutionibus l 5. § 1. D. de capt. et poſtlim.
e)
Conſolato del mare cap. 287.
f)
m. Eſſai concernant les armateurs Chap. III. ſect. 2.
a)
Als nach dem ſpaniſchen Erbfolgekriege der Koͤnig von Spanien
den Cataloniern ihre wichtigſten Privilegia nahm, fuͤhrte er zum
Rechtfertigungsgrunde an daß ſie waͤhrend des Kriegs gegen Spa-
nien rebellirt haben.
Aus einem andren Grunde weigerten die verein. Niederlande
den ihnen im Muͤnſterſchen Frieden abgetretenen Theilen von
Flandern, Brabant und Geldern die Herſtellung der ihnen als
Theilen dieſer Provinzen zugeſtandenen Gerechtſamen. Pestel
commentarii de rep. Batava
§. 407.
b)
Von Guͤtern alliirter oder neutraler Unterthanen welche dem
Feinde wieder abgejaget worden, wird erſt unten zu reden ſeytz
ſ. d. VII. Hauptſtuͤck.
c)
Ein Beyſpiel von 1595 hat de Thou hiſt. ſui temporis ad h. a.
lib.
13.
d)
Nur Spanien eigenet auch eine ſolche Wiedereroberung, ſo wie
wenn die Beute rechtmaͤßig geweſen waͤre, dem Wiedernehmer zu.
e)
Die Geſetze der einzelnen europaͤiſchen Maͤchte uͤber dieſe Puncte,
die nur in ſofern in das Voͤlkerrecht gehoͤren, als ſie die Grund-
lage
[320]Achtes Buch. Viertes Hauptſtuͤck.
lage der Entſcheidungen uͤber Wiedereroberung der Guͤter neutra-
ler und alliirter Maͤchte enthalten, finden ſich in m. eſſai concer-
nant les armateurs, les priſes et les repriſes Chap. III. Sect. II.
a)
In den Kriegsvertraͤgen pflegt dieſe Pflicht der Menſchlichkeit
noch ausdruͤcklich vorgeſchrieben zu werden, aber vergebens wuͤrde
man ihre genaue Beobachtung erwarten.
b)
Moſer Verſuch B. IX. Th. II. S. 81.
a)
Wohl aber um Magazine in den Brand zu ſtecken; auch geſchah
es ſonſt wohl, daß alles Zeichengeben von den Kirchthuͤrmern mit
der Bedrohung verboten ward, dieſe in den Brand zu ſtecken;
wie dieß z. B. von den Tuͤrken 1683 bey der Belagerung von
Wien geſchahe. Vielleicht zielt Moſer in ſ. Grundlehren d. V. R.
S. 245 und Verſuch Th. IX. S. 109 hierauf bey ſeiner ſonderba-
ren Behauptung, daß waͤhrend der Belagerung alle Glocken und
Uhren ſtille ſtehn muͤſſen, widrigenfalls ſie dem Feinde verfallen
ſeyn. Die Glocken ſind ohnehin dem Feinde verfallen, wenn die
Stadt ſich vertheidiget hat, und muͤſſen daher beſonders ausge-
loͤſet werden.
b)
Vattel L. III. §. 143. Doch koͤnnen diejenigen mit der Todes-
ſtrafe bedrohet werden, die in ihrer Vertheidigung die Geſetze
des Kriegs verletzen. Sofern giebt es, obwohl ſeltene Faͤlle, wo
diejenigen die ſich aus einem ganz unhaltbaren Ort z. B. aus
einem einzelnen Hauſe hartnaͤckig vertheidigen, mit der Todes-
ſtrafe bedrohet werden koͤnnen.
a)
S. die Beſchwerden Preußens uͤber die Ruſſen wegen Einaͤſche-
rung von Cuͤſtrin 1758. Moſer Verſuch B. IX. Th. II. S. 137.
a)
la Croixtraité de la petite guerre 1752. Ewald von dem
kleinen Krieg
. Caſſel 1785. 8.
b)
J. J. Moſer von den Parthiegaͤngern, in dem Anhange zu
deſſen Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts in Kriegszeiten 1750. 8.
c)
Oft iſt die Zahl einer ſolchen Parthey Cavallerie auf wenigſtens
15, der Infanterie auf wenigſtens 19 geſetzt; aber eine allgemeine
Regel laͤßt ſich hierauf nicht bauen.
a)
Willenbergde eo quod iuſtum eſt circa excurſiones maritimas. Ge-
dani
1711. 1726. 8. m. Eſſai concernant les armateurs. cap. I. II.
b)
m. Eſſai cap. I. § 9 Auch in dem jetzigen Kriege ſollen die fran-
zoͤſiſchen Patrioten anfangs auf die Abſchaffung der Capereyen
angetragen haben ſ. Buͤſch Eroͤrterung der Frage: was hat
Deutſchland in Anſehung ſ. Land- und Seehandels von den
ſo nahen Friedensunterhandlungen zu erwarten?
(Hamb.
1795. 8.) S. 10.
a)
S. z. B. die Conv. von 1692. in du Montcorps diplom. T. VII.
p.
310.
b)
Moſer Verſuch B. IX Th. I. S. 46.
c)
S. z. B. die Convention zwiſchen Frankreich und Großbritan-
nien 1744. in Moſer Verſuch a. a. O.
d)
Selbſt uͤber Contributionen ſind wohl zum voraus Abreden ge-
troffen worden. Vattel L. III. §. 165.
e)
Ein Muſter eines ſehr ausfuͤhrlichen Cartels dieſer Art fuͤr See-
kriege, iſt das welches 1780 zwiſchen Frankreich und Großbritan-
nien geſchloſſen wurde, in m. Recueil d. traités T. IV. p. 276. meh-
rere andere finden ſich in Moſer Verſuch B. IX. Th. II. S
388. 401. 406.
f)
Z. B. 1741 ward zwiſchen Oeſterreich und Preußen ein Cartel
auf 6 Jahre geſchloſſen. Es endigte aber von ſelbſt mit dem
Breslauer Fieden 1742.
a)
Comes de Arcode capitulationibus. J. C. Meisde ciuitatis dedi-
tione
. Lipſ. 1689. 4. Ludovicide capitulationibus bellicis. Halae

1707. 4. ſ. Frhn. v. Ompteda Litteratur Th. II. S. 648.
b)
Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 157.
c)
Moſer a. a. O. S. 176.
d)
Mehrentheils werden die Bedingungen in Artikel verfaßt, welche
der eine Theil vorſchlaͤgt, und unter deren jedem der andere ſeine
Genehmigung oder Verweigerung ſchreibt, worauf ſie von beiden
Theilen unterzeichnet werden ſ. z. B. in m. Recneil T. IV. p. 466.
e)
Wattevillehiſtoire de la confederation helvetique P. II. p. 185.
a)
Von der Freygebigkeit in Ertheilung ſolcher Schutzbriefe, und
dem Leichtſinn in Verletzung derſelben, lieferten die Franzoſen im
jetzigen Kriege auffallende Beyſpiele.
b)
Z. B. die Oeſterreichiſchen Niederlande in dem Kriege zwiſchen
Frankreich und Oeſterreich nach 1733.
a)
Waffenſtillſtand zwiſchen Oeſterreich und der Pforte zu Giurgewo
d. 19. Sept. 1790. in m. Recueil d. traités T. IV. p. 571.
b)
Im Mittelalter, beſonders im 13ten und 14ten Jahrhunderte wa-
ren dergleichen Waffenſtillſtandsvertraͤge auf einige Jahre weit
gewoͤhnlicher als Friedensſchluͤſſe. Noch ſpaͤterhin ſelbſt im 16ten
und
[329]Von Kriegsvertraͤgen.
und 17ten Jahrhunderte findet man noch manche Beyſpiele der-
ſelben bey den nordiſchen Maͤchten. Aber zwiſchen den uͤbrigen
chriſtlichen europaͤiſchen Maͤchten waren ſie ſchon im 17ten Jahr-
hundert ſelten, doch enthaͤlt der 12jaͤhrige Waffenſtillſtand zwi-
ſchen Spanien und den Niederlaͤndern von 1609, und der auf
20 Jahr verabredete Waffenſtillſtand zwiſchen dem Kaiſer, Frank-
reich und Spanien 1684 Beyſpiele davon. Jetzt hat dieſe Sitte
ſich nur noch im Verhaͤltniſſe mit den Tuͤrken erhalten, die nach
ihren Religionsgrundſaͤtzen ſich fuͤr verpflichtet halten keinen ewigen
Frieden mit den Chriſten zu ſchließen; doch haben ſie in neueren
Zeiten davon hin und wieder Ausnahmen machen muͤſſen, wie
denn z. B. die neueſten Vertraͤge zu Siſtow und Jaſſy 1791 ewige
Friedensſchluͤſſe ſind. S. hiervon uͤberhaupt v. Steck von den
Friedensſchluͤſſen der Osmanniſchen Pforte in deſſen Verſuch
uͤber erhebliche Gegenſtaͤnde
1772. n. 9.
a)
Wicquefortl’ambaſſadeur et ſes Fonctions T. I. p. 36. de Real
T. V. p. 486. Vattel L. III. chap. X.
b)
Wildvogelde buccinatoribus eorumque inre. Jenae 1711. 4. §. 41.
c)
Hertiusde litteris commeatus pro pace in deſſen Opuſcula T. I. p. 319.
a)
Abhandlung von der Unverletzlichkeit der Waffenvertraͤge.
b)
Dieß gilt daher auch von ſolchen Artikeln der in Friedenszeiten
geſchloſſenen Vertraͤge, welche den Fall eines kuͤnftigen Bruches
betreffen; ſie behalten ihre Guͤltigkeit, dafern ſie zur Zeit wo der
Krieg ausbrach noch beſtanden.
c)
Selbſt in Kriegen wider Unterthanen muͤſſen dieſe Vertraͤge heilig
gehalten werden, da man auch hier durch Schließung eines Ver-
trags auf die Einrede ſtillſchweigend Verzicht leiſtet, daß der
Gegentheil unrechtmaͤßiger Feind ſey. S. jedoch die Streitigkeiten
uͤber die Lilienſteiner Capitulation Moſer Verſuch B. IX. Th. II.
S. 321 beſonders 355 u. f.
d)
S. uͤber die Convention zu Kloſter Zeven Teutſche Kriegscanz-
ley
Th. IV. S. 634. Th. V. S. 558. Th. VI. S. 126. Th. VII.
S. 922. Th. VIII. S. 4. Th. IX. S. 650. Moſer Verſuch
B. X. Th. I. S. 183 u. f.
a)
J. Schilterde iure et ſtatu obſidium. Rudolſt. 1664. 8. Jen. 1673. 4.
C. L. Crellde iure obſidium inuitorum; Witeb. 1734.
u. in diſſ.
Crellian. Faſcic. IV. de Steckobſ. ſubſeciuae cap. 1. 2. 20. 22.

Die
[332]Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
Die Zwecke zu Nehmung der Geiſſel ſind zu mannigfaltig, um
auf eine gewiſſe Zahl gebracht zu werden; doch gehoͤren dahin
inſonderheit 1) Sicherheit waͤhrend des Capitulirens, 2) Sicher-
heit fuͤr die Capitulation, fuͤr Contributionsvertraͤge u. ſ. f.
3) Sicherheit fuͤr die Bezahlung ausgeſchriebener Contribution.
4) Fuͤr die glimpfliche Behandlung der beym Abmarſch zuruͤck-
gelaſſenen, 5) Bewirkung der Befreyung der von dem Gegen-
theil mitgenommenen Geiſſel (Gegengeiſſel), 6) um Repreſalien
zu uͤben.
c)
de Steckde femina obſide in obſerv. ſubſeciv. n. 1. Aber — in
dem jetzigen Kriege!
d)
C. H. Breuningde fuga obſidum. Lipſ. 1766. 4.
e)
Grotius L. III. c. 20. n. 55.
f)
Grotius L. II. cap. 15. n. 7. cap. 21. n. 55. de Steckobſerv-
ſubſeciuae
cap. 22.
a)
Es waͤre zwar moͤglich daß eine Allianz bloß offenſiv waͤre; aber
nicht leicht werden ſo Allianzen geſchloſſen. Die mehreſten Offen-
ſiv-Buͤndniſſe ſind fuͤr gewiſſe Faͤlle eingegangen, doch giebt es
auch allgemenie Offenſiv-Buͤndniſſe z. B. das Familienpact. Die
mehreſten Defenſiv-Allianzen ſind allgemein gefaßt. Ueber das
ſchwankende dieſer ganzen Eintheilung ſ. Galliani B. I. Cap. V.
S. 160 u. f.
b)
Viele, vor Ausbruch des Kriegs geſchloſſenem Defenſiv-Buͤnd-
niſſe werden auf ewig errichtet; die nachher geſchloſſenen meh-
rentheils nur auf gewiſſe Jahre.
a)
Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 43.
a)
Daruͤber werden zuweilen eigene Vertraͤge geſchloſſen. S. ein
Beyſpiel von 1748 in Moſer Verſuch B. IX. Th. I. S. 71.
b)
So eng wie ſich in Anſehung dieſes Puncts Frankreich und Spa-
nien durch das Familienpact verbanden, werden nicht oft Allian-
zen geſchloſſen.
c)
m. Eſſai concernant les armateurs Cap. III. §. 49. 50.
a)
Auch die gegenſeitigen Garantien der Beſitzungen, welche in neue-
ren Vertraͤgen ſo haͤufig vorkommen, haben die Natur einer allge-
meinen und beſtaͤndigen Defenſiv-Allianz, aber die Zahl der zu
leiſtenden Huͤlfsvoͤlker wird darinn nicht beſtimmt, welches einer
der Gruͤnde ihrer Erfolgloſigkeit iſt.
b)
Zuweilen wird einem Theil die Wahl gelaſſen, ob er ſeinen Bey-
ſtand wirklich, oder ein Aequivalent an Gelde leiſten wolle. Dann
iſt nothwendig die Infanterie, Cavallerie, Kriegsſchiffe zu Gelde
anzuſchlagen. Gemeiniglich wird die Cavallerie gegen die Infan-
terie wie 3 zu 1 geſetzt; doch giebt es davon Ausnahmen ſ. z. B.
die
[336]Achtes Buch. Sechstes Hauptſtuͤck.
die Allianz zwiſchen Preußen und den verein. Niederlanden in m.
Recueil T. III. p. 133. Noch willkuͤhrlicher iſt alles uͤbrige. S.
jedoch J. J. Moſer von der unter den europaͤiſchen Sou-
verainen uͤblichen Porportion zwiſchen der Huͤlfe an Mann-
ſchaft, Schiffen oder Geld
in deſſen vermiſchten Abhandlun-
gen 1750. Th. I. S. 84.
c)
Doch fehlt es nicht an Beyſpielen wo den huͤlfleiſtenden Theilen
Subſidien bewilliget werden z. B. d. Tractat v. Worms 1743.
Und mehrere in dem gegenwaͤrtigen Kriege von Großbritannien
mit andren Maͤchten eingegangene Buͤndniſſe.
d)
Doch koͤnnen auch hierinn gewiſſe Beſchraͤnkungen feſtgeſetzt wer-
den, unter welchen die haͤufigſte iſt, daß die Truppen nicht außer-
halb Europa gebraucht werden ſollen. Auch in Europa koͤnnen
Lande ausgenommen werden; ſ. z. B. Allgemeine Geſchichte d.
verein. Niederlande
Th. VIII. S. 300.
e)
Wenn, wie z. B. in der Ruſſiſch Oeſterreichiſchen Allianz von
1746. art. 10. und art. ſep. 4., verabredet wird, daß nur mit ge-
meinſchaftlicher Bewilligung Friede geſchloſſen und auch dem Ge-
gentheil zu ſeine ebemahligen Beſitzungen verholfen werden ſolle,
ſo entfernt ſich die Allianz von den Grenzen eines bloßen Huͤlfs-
buͤndniſſes.
f)
Z. B. die daͤniſche Neutralitaͤts Ergreifung 1788 waͤhrend des
Ruſſiſch-Schwediſchen Krieges geſchah mit Genehmigung Ruß-
lands. S. d. Acten in m. Recueil T. IV. p. 529 u. f.
a)
Es giebt aber auch Subſidientractaten, wo dem andren Theile
bloß dafuͤr Subſidien verſprochen werden daß er neutral bleibe,
ſich in beſſeren Vertheidigungszuſtand ſetze u. ſ. f.
b)
Ueber den Urſprung dieſer Subſidientractaten ſ. Galliani L. I.
cap 5.
Nicht bey bevorſtehendem Kriege allein, ſondern ſelbſt
mitten im Frieden werden zuweilen ſolche Subſidientractaten er-
richtet, dergleichen verſchiedene Maͤchte mit den Schweizern, auch
mit einzelnen teutſchen Fuͤrſten geſchloſſen haben. Noch haͤufiger
aber kommen ſie bey bevorſtehenden oder ſchon ausgebrochenen
Kriegen vor.
c)
So durften z. B. die von den Schweizern an Frankreich uͤber-
laſſene Regimenter nach der Capitulation nicht uͤber den Rhein
gefuͤhret werden. So bedang ſich der Churfuͤrſt von Coͤln bey
Erneuerung ſeines Subſidientractats mit den verein. Niederlaͤn-
dern 1784 aus, daß die Truppen nicht wider Kaiſer und Reich
gebraucht werden ſollten m. Recueil T. II. p. 540. Weit außer-
ordentlicher waren die Beſchraͤnkungen die ſich Großbritannien
und die verein. Niederlaͤnder in ihrem Subſidientractat mit Preußen
vom 19. April 1794 gefallen ließen m. Recueil T. V. p. 283.
d)
Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 139.
e)
Moſer Verſuch e. d. S. 147.
a)
m. Eſſai concernant les armateurs §. 50.
a)
Galliani Rechte der Neutralitaͤt B. I. Cap. V. S. 144 u. f.
b)
S. das Gutachten des churſaͤchſiſchen Miniſteriums in Betreff
des Beytritts zu dem 4ten Separatartikel der Ruſſiſch-Oeſterrei-
chiſchen Allianz von 1746. Moſer Verſuch Th. VIII. S. 180.
verglichen mit Comte de Hertzbergrecueil T. I. p. 8. ſ. auch
G. Fr. de Beulwitzde auxiliis hoſti praeſtitis more gentium hodierno
hoſtem non efficientibus.
Halae
1747. 4.
c)
Daher findet man Beyſpiele einer in dieſen Faͤllen [z]ugeſtandenen
und verweigerten Neutralitaͤt. S. Moſer Verſuch B. X. Th. I.
S. 145 u. f. La liberté de la navigation et du commerce Einlei-
tung §. 18. Ein neueres Beyſpiel des zwiſchen dieſem und dem
vorhergehenden Falle gemachten Unterſchiedes giebt der Schwediſch-
Ruſſiſche Krieg in Hinſicht der daͤniſchen Huͤlfleiſtung. S. die Daͤ-
niſche Note vom 19. Aug. 1788. Nouv. extraord. 1788. n. 71 ſuppl.
Die Schwediſche vom 11. Sept. e. d. n. 79. Die Daͤniſche Ant-
wort vom 13. Sept. e. d. Die Schwediſche Note vom 5. Oct.
1788. e. d. n. 87. und die nachmaligen Acten in m. Recueil T. III.
p. 151. T. IV. p.
529 Eine andere Frage aber iſt noch die, ob
jedes von einem Staat mit dem einen kriegfuͤhrenden Theile ge-
ſchloſſene Buͤndniß, auch wenn es noch nicht vollzogen worden
den Gegentheil ſofort berechtige dieſen Staat als Feind zu behan-
deln. S. uͤber die Frage ob die verein. Niederlaͤnder durch ihr
mit Frankreich am 17. May 1795 geſchloſſenes Buͤndniß Feinde
des Reichs geworden, Schreiben des K. K. Feldmarſchalls Gra-
Y 2fen
[340]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
fen von Clerfait an den Magiſtrat der Reichsſtadt Hamburg vom
4ten Aug. 1795, Antwort des Magiſtrats vom 22ſten October,
Schreiben des Feldmarſchalls vom 12ten Nov. 1795.
a)
Reichsgeſetzmaͤßige Eroͤrterung der Frage ob und in welchen
Faͤllen die Neutralitaͤt der Staͤnde und Kreiſe des heil. roͤm.
Reichs ſtatt hat. S. Ceutſche Kriegscanzley 1762. Th. II.
N. 58. Ueber die Neutralitaͤt der teurſchen Reichsſtaͤnde in
Reichskriegen 1793. 8.
b)
Ueber den wichtigen Punct der Rechte der Neutralitaͤt iſt, zumal
in neueren Zeiten, viel geſchrieben worden; die mehreſten Schrift-
ſteller aber haben ſich blos, oder doch groͤßeſtentheils auf die Rechte
des neutralen Handels beſchraͤnkt. Inſonderheit verdienen ge-
merkt zu werden: Hubner de la ſaiſie des batimens neutres 1757.
T. I. II.
8. Abhandlung von der Neutralitaͤt in Kriegszeiten
1758. 4. (Galliani) dei doveri dei principi guerregianti verſo i
neutrali etc.
1782. 8. Ueberſetzt durch Hr. Prof. Caͤſar unter
dem Titel: das Recht der Neutralitaͤt.
Leipzig 1790. Th. I. II. 8.
A. Hennings Abhandlung uͤber die Neutralitaͤt und deren
Rechte beſonders bey einem Seekriege, in deſſen Sammlung
der Staatsſchriften die waͤhrend des Seekrieges 1775—1783.
oͤffentlich bekannt gemacht worden Th.
I. Lampredidel com-
mercio di popoli neutrali in tempo di guerra.
Piſa 1788. T. I. II.
8.
uͤberſetzt durch Hr. Prof. Caͤſar. Leipz. 1790. 8.
c)
S. jedoch Galliani B. I. Cap. 5.
d)
Die hieher gehoͤrigen Fragen hat Galliani a. a. O. Cap. 3.
am ausfuͤhrlichſten eroͤrtert, obwohl zum Theil anders entſchieden.
S. auch Hagemeisterde eo quid interucniente bello Suecico intereſt
Pomeraniam Suecicam eſſe partem Imp. Rom. Germanici.
Berolini

1788. 8. Daß in Praxi der kriegfuͤhrende Theil nicht immer den
angegebenen Grundſaͤtzen gemaͤß die Neutralitaͤt anerkannt habe,
iſt unlaͤugbar, es fragt ſich aber ob dieß mit Recht geſchehn ſey;
oft erfuͤllt auch der Staat der die Neutralitaͤt begehrt nicht alle
Pflichten derſelben.
a)
Hubner a. a. O. P. I. c. 2. §. 1. ſ. jedoch Lampredi P. I. §. 4.
a)
Galliani B. I. Cap. IV. §. 4. S. 68.
b)
S. z. B. m. Recueil T. IV. p. 204. 216. 233. 240. 244. 255. T. V.
p.
235. 278.
c)
So wurden z. B. 1733 die Oeſterreichiſchen Niederlande in dem
Kriege mit Frankreich fuͤr neutral erklaͤret. Buͤſch Welthaͤn-
del
S. 290.
a)
S. jedoch hieruͤber Grotius L. III. cap. 1. §. 5. Vattel L. III.
cap. VI.
GallianiI. B. Cap. V. S. 140. Cap. IX. S. 107.
b)
Eine neutrale Macht darf daher ihren Unterthanen nicht erlau-
ben von einem der kriegfuͤhrenden Theile Caperbriefe anzuneh-
men. Dieß iſt uͤberdieß in vielen Handelsvertraͤgen ausdruͤcklich
verabredet, und pflegt in allen Neutralitaͤtsverordnungen unter
nachdruͤcklicher Strafe verboten zu werden. S. z. B. m. Recueil
T. IV. p. 204. 216. 233. 240. 255. T. V. p.
235. 278.
a)
Galliani B. I. Cap. VIII. §. 4. 5. 6. S. 313 u. f.
b)
Selbſt wenn ein Staat ſich erboͤte beiden Theilen z. B. die Aus-
ruͤſtung von Caper- oder Kriegsſchiffen in ſeinen Haͤfen zu geſtatten
wuͤrde bey der hier oft auffallenden Verſchiedenheit des Intereſſe
dieſes zu Beobachtung der Neutralitaͤt nicht hinreichen.
a)
d’Abreutraité des priſes maritimes P. I. c. V. §. 14. Bouchaud
théorie des traités de commerce p. 283. Bynkershoekquaeſt. iur.
publ.
L. I. cap. VIII.
b)
Hubner T. II. P. II. p. 160. d’Abreutraité des priſes P. I. c. V.
§. 10 u. f.
c)
Eben daher darf, wenn zwey feindliche Schiffe in einem neu-
tralen Hafen zuſammen treffen, und das eine unter Seegel geht,
das andere nicht gleich, ſondern erſt nach Ablauf einer Zahl Stun-
den (mehrentheils 24) nachfolgen. Dieß iſt theils in vielen Ver-
traͤgen und ſelbſt mit den Africanern feſtgeſetzt ſ. z. B. die Ver-
traͤge Großbritanniens mit Marocco 1750. 1751 mit Cunis
1751. 1762 mit Cripolis
1751. 1762, theils auch in den Neu-
tralitaͤtsverordnungen haͤufig beſtimmt. S. z. B. Moſer Ver-
ſuch
B. X. Th. I. S. 159. 311. m. Recueil T. IV. p. 204. 216.
233. 240. 244. 255 T. V. p.
235. 278. ein merkwuͤrdiges Beyſpiel
ſ. in N. Ned. Iarboeken 1780. p. 515.
d)
de Real T. V. p. 529. 530.
e)
Bynkershoekquaeſt. iur. publ. L. I. cap. 15. Moniteur 1793. n. 265.
f)
Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 218 u. f.
a)
Wolfius Gent. cap. 7. §. 842. Vatteldroit d. gens L. IV. c. 5.
§. 73. Lampredidel commercio di popoli neutrali T. I. p.
168. Gal-
liani
I. B. VIII Cap. S. 330 u. f.
b)
S. jedoch Galliani a. a. O.
c)
E. F. Rhetii diſſ. de iurisdictione ac vectigalibus portuum et de iure
ab iis quos volunt avcendi et angariarum nauibus imperandi.
Francof.
ad Viadr.
1671. 4. und in deſſen diſſ. p. 487. J Schultze diſſ.
de iure Angariarum;
vom Beſchlag der Schiffe. Danzig 1686. 4.
de Steckeſſais 1794. chap. 1. 2. 3.
d)
de Realſcience du Gouvernement T. V. c. 2. p. 536 u. f. de
Steck
l. c. chap.
2. GallianiI. B. X. Cap. S. 284.
e)
S. z. B. den Vertrag zwiſchen Spanien und Frankreich 1659.
art. 9 Zwiſchen Spanien und Holland 1714. §. 21. Zwiſchen
Spanien und Oeſterreich 1725. art. 25 Zwiſchen Frankreich u.
den verein. Niederlanden 1739. art. 13. Zwiſchen Frankreich u.
Daͤnemark 1742. art. 30. 31. Zwiſchen Sicilien und den verein.
Nieder-
[349]Von der Neutralitaͤt.
Niederlanden 1753. art. 12. Zwiſchen Daͤnemark und Genua
1756. 1789. Zwiſchen Rußland und Großbritannien 1734. 1766.
Zwiſchen Rußland und Daͤuemark 1782. art. 14. Zwiſchen Ruß-
land und Frankreich 1787. art. 24. Mablydroit public p. 301.
a)
Ueber dieſen wichtigen Gegenſtand ſind außer den bereits ange-
fuͤhrten Schriften des Huͤbner, Galliani und Lampredi zu
merken: Heinecciuſde nauibus ob vecturam vetitarum mercium
commiſſis.
Halae 1721. Bynkershoeckquaeſt. iuris publici L. I.
cap.
8 u. f. Obſervation du droit de la nature et des gens touchant
la capture et la détention des vaiſſeaux et effets neutres en tems de guerre
tirée du nouveau droit controuerſe latin de
J. E. Behmer. Hamb. 1771.

La
[350]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
La liberté de la navigation et du commerce des nations neutres pen-
dant la guerre. Lond. et Amſt.
1780. und Eſſai ſur un code mari-
time general Européen. Leipzig
1782. beide teutſch uͤberſetzt zu
Leipzig 1780. 1782. 8. A. W. B. von Uechtritz von Durch-
ſuchung der Schiffe neutraler Voͤlkerſchaften.
Rothenburg
1781. 8. Pestelſelecta capita iuris gentium maritimi. Lugd. B.
1785. 4. Sam. Collianderde iure priucipum belligerantium mer-
ces et nauigia neutralium vel pacatarum gentium intercipiendi
T. I. II.
a)
Dieſer von den Schriftſtellern des Voͤlkerrechts uͤberhaupt und
der Neutralitaͤt insbeſondere ſo ſehr verſchieden beurtheilte
Satzhat indeß ſo viel Gruͤnde fuͤr und wider ſich, daß die Wahr-
heit durch bloß allgemeine Schluͤſſe ſchwerlich je wird zur Evidenz
gebracht werden. Grotius L. III. c. 6. § 26. n. 3. behauptete daß
es erlaubt ſey feindliche Guͤter aus neutralen Schiffen wegzuneh-
men, welcher Satz damahls auch in der Praxis befolgt wurde.
Unter den ſpaͤteren behauptet dieſen vielleicht am ſcheinbarſten Jen-
kinſon
diſcourſe on the conduct of the governement of Great Bri-
tain in reſpect to neutral nations
in dem ſupplement to the collection
of treaties
1781. 8. S. 101 u. f.; unter den neueſten hat auch
Lampredi del commercio dei popoli neutrali T. I. §. 10. 11. ihn
vertheidiget.
a)
Hübner l. c. Th. II. P. I. chap 2. §. 2. vergebens bemuͤhet ſich
Lampredi die ausſchließliche Gerichtbarkeit des Souverains des
Erobe-
[353]Von der Neutralitaͤt.
Eroberers aus allgemeinen Gruͤnden zu erweiſen ſ. deſſen Tractat
dei doveri dei popoli neutrali T. I. §. 14. p. 202.
a)
Lampredi T. I. p. 53. §. 5; ſiehe dagegen Galliani cap. 9. §. IV.
p. 338. § 8 p. 83.
b)
Schon fruͤhe ward es fuͤr verboten erklaͤret daß eigene Untertha-
nen den Feinden Waffen [zufuͤhren]: l. I. l. 2. D. quae res expor-
tari non debeant, l. vn. C. de litoris et itinerum cuſtodia;
auch
Pabſt Alexander III. c. 6. 12. 17. X. de Judaeis et Saracenis, Pabſt
Innocenz III Clemens V. Nicolaus V. Calixtus III. verboten
den Chriſten bey Strafe des Bannes und der Confiſcation den
Unglaͤubigen Waffen zuzufuͤhren, ſ. die Freyheit der Schiffarth
u. ſ. f. §. 66. Galliani Th. II. S. 42. not. *. Auch
in dem Conſolato del maro, den Oleronenſiſchen, Wysbyi-
ſchen, Hanſeeatiſchen Geſetzen finden ſich Verbote der Art ſ.
von den Hanſeeſtaͤdten Marperger neu eroͤffnetes Handels-
gericht
S. 175. In der Folge ward aber auch dritten Staaten
theils durch Vertraͤge, theils durch Geſetze neutraler Maͤchte, im-
gleichen durch Verordnungen der kriegfuͤhrenden Maͤchte die Zu-
fuhr der Kriegsmunitionen gegen den Feind unterſagt, und eben
daher der Nahme Contrebande contra bannum gewoͤhnlich.
c)
Merkwuͤrdig iſt daß in zwey Vertraͤgen nemlich dem zwiſchen Eng-
land und den Herzog von Bretagne von 1468 und [zwischen] Por-
tugal und den verein. Niederlanden von 1661 Waffen dem Feinde
zuzufuͤhren fuͤr erlaubt erklaͤret ward.
d)
Nur in wenigen Vertraͤgen werden auch einige dieſer Waaren
zum Contrebande gezaͤhlt, wie in dem Vertrage zwiſchen Spanien
[und] Frankreich 1604. art. 9, 1630. art. 18, wie in dem Vertrage
zwiſchen England und Holland 1654. art. 7. Geld und Lebens-
mittel
[355]Von der Neutralitaͤt.
mittel in dem Vertrage zwiſchen Spanien und den Niederlanden
1650. art. 6, Salpeter, in dem zwiſchen Rußland und England
1766, Schwefel und Salpeter u. ſ. f. S. uͤberhaupt v. Steck
eſſais 1794. p. 127.
e)
Ein Beyſpiel der Art gab ſchon England 1589 ſ. Buͤſch uͤber
die Urſachen der Zerruͤttung des Seehandels S. 146. Lude-
wig XIV. 1681. Hennings Abhandlung uͤber die Neutra-
litaͤt
S. 30. Wie oft ſeitdem aͤhnliche Erklaͤrungen gegeben wer-
den iſt bekannt. Ueber das Begehren Rußlands und Großbritan-
niens im Jahr 1794 daß Frankreich auch kein Getreide von den
neutralen Maͤchten zugefuͤhret werden duͤrfe ſ. die Staatsacten in
m. Recueil T. V. p. 238. 251. 254. 259.
a)
S. jedoch Bouchaudtheorie cap. 12. p. 334. 343. 352.
b)
Z. B. wenn das Schiff mit Rekruten beladen iſt. Vertrag zwi-
ſchen Frankreich und den verein. Niederlanden 1646. Zwiſchen
Fraukreich und England 1655. S. auch Lampredi T. I. p. 104.
Z 2not. l.
[356]Achtes Buch. Siebentes Hauptſtuͤck.
not. l. Ob das Schiff confiſcirt werden koͤnne wenn der groͤßeſte Theil
der Ladung Contrebande geweſen ſ. Bouchaudtheorie p. 352, auch
daruͤber pflegen die Handelsvertraͤge Beſtimmungen zu enthalten.
c)
Nur in einem einzigen Vertrage iſt bisher feſtgeſetzt worden, daß
ſogar die eigentliche Contrebande nicht ſolle confiſcirt ſondern nur
angehalten werden duͤrfen. Vertrag zwiſchen Preußen und den
Americaniſchen Freyſtaaten 1785. art. 13. m. Recueil T. II. p. 566.
a)
Peſtelſelecta capita iur. gent. mar. §. 11. nicht nur vor dem Ur-
ſprunge des Syſtems der bewaffneten Neutralitaͤt, ſondern auch
jetzt noch wird oft uͤber die Frage geſtritten; ſ. einen merkwuͤrdi-
gen Fall in MorningChronicle 1795. n. 8052.
a)
Solche Verſuche machten die verein. Niederlaͤnder zu Anfang
des 17ten Jahrhunderts Buͤſch uͤber die Zerruͤttung des See-
handels p. 151. Jenkinſondiſcourſe p. 115.England und Hol-
land
1689. ſ. Bouchaudtheorie S. 252. 841. Nicht viel weni-
ger ausgedehnt waren die Anforderungen Großbritanniens und
Rußland an Frankreich in dem gegenwaͤrtigen Kriege, welche mit
der beſondren Beſchaffenheit deſſelben entſchuldiget werden ſollten,
aber doch auch dieſesmahl unerfuͤllt blieben. S. einige dahin ge-
hoͤrige Staatsacten in m. Recueil T. V. p. 138-262.
b)
Lampredidel commercio T. I. p. 187.
c)
Von der Art wie dieſe Durchſuchung geſchehen ſollte, und wie
ſie zu geſchehn pflegt, habe ich ausfuͤhrlich gehandelt in m. eſſai
concernant les armateurs
chap. II. §. 18
u. f.
d)
m. Eſſai concernant les armateurs chap. II. §. 20.
a)
de Steckeſſais 1794. p. 82 u. f. S. jedoch das Expoſé des mo-
tifs qui ont engagé de le Roi de Pruſſe etc.
oben §. 95. not. a.
b)
m. Eſſai concernant les armateurs chap. II. §. 36. 37.
c)
La liberté de la navigation et du commerce des Puiſſances neutres
§. 114. de Stfckeſſais 1794. p. 68.
m. Eſſai concernant les ar-
matours
chsp. II. §.
d)
Reponſe du duc de Newcaſtle à Mr. Michel p. 39. Reponſe de
la Gr. Brétagne à la Daclaration de la Ruſſie de Mars 1780.
Dohm
Materialien
L. IV. p. 189. und in m. Recueil T. II. p. 74.
T. IV. p. 345.
Verordnung der Gen. Staaten vom 11. Dec.
1747. und 14. Febr. 1748.
e)
m. Eſſai chap. II. §. 30.
a)
cap. 273. Von den aͤlteren Vertraͤgen ſeit dem 15ten Jahrhun-
dert welche dieſe Regel enthalten; ſ. Lampredi T. I. p. 122. auch:
la liberté de la uavigation neutre §. 93 u. f. auch §. 109. Jenkin-
ſon
diſcourſe on the conduct of the brittiſh governement p.
110 u. f.
b)
Merkwuͤrdig iſt daß ſchon in dem Vertrage zwiſchen England und
den ſpaniſchen Handelsſtaͤdten von 1351 das Recht der neutra-
len Flagge anerkannt wurde. du Mont Corps dipl. T. I. P. II.
p. 265.
eben dieß geſchah in der Capitulation zwiſchen Frankreich
und der Pforte 1604. und ſeitdem in den mehreſten Vertraͤgen des
17ten und 18ten Jahrhunderts Hübner T. II. P. II. chap. 4. La
liberté de la navigation
etc.
§. 97. 100 u. f. Lampredi T. I. p. 125.
Großbritannien ſelbſt hat dieſe neue Regel feſtgeſetzt in ſeinen
Vertraͤgen mit Frankreich 1767. 1713. art. 17. 1786. art. 20. mit
Spanien 1667. art. 21. 22. 1713. art. I. mit den vereinigten
Niederlanden 1668. art. 16. 1674. art. 8. 1678. S. auch hieruͤber
Galliani B. I. Cap. X. S. 263 u. f.
c)
Vertrag zwiſchen Großbritannien und Schweden 1661. art. 13.
Zwiſchen Großbritannien und Daͤnemark 1670. art. 20.
d)
In dem Vertrage zwiſchen Frankreich und den Hanſeeſtaͤdten von
1655. und wiederum ganz anders in dem von 1716.
e)
Wie in den Handelsvertraͤgen Großbritanniens mit Rußland von
1734. 1766. 1793.
a)
Eine kurze Entwickelung der Entſtehung des Syſtems findet ſich
in Buͤſch Welthaͤndel;p. 421. Ueber die geheime Geſchichte
der Veranlaſſung deſſelben ſ. The ſecret hiſtory of the armed neutra-
lity together with memoirs official letters and ſtate papers illuſtrative
of that celebrated confederacy never before publiſhed; Written origi-
nally in French by a german nobleman tranſlated by
A***** H****
London 1792. 8.
b)
S. die ruſſiſche Declaration von 1780. in m. Recueil T. II. p. 74.
Eine Sammlung der durch dieſes Syſtem veranlaßten Staats-
ſchriften findet ſich in Dohm MaterialienIVte Lieferung, in
Hennings Sammlung der Staatsſchriften Th. II. und in
m. Recueil T. II. T. IV. T. V.
a)
S. d. ſchon angefuͤhrte Memoire de la Cour de Ruſſie aux Cours
de Verſailles de Madrid et de Londres du M. d. Mars 1780.
Hen-
nings
Sammlung
Th. II. S. 408. m. Recueil T. II. p. 74.
a)
So trat Daͤnemark bey durch die Convention mit Rußland vom
\frac{1}{9} Jun. 1780. Schweden durch die vom 1780. Die
verein. Niederlaude Preußen den 8. May 1781.
Der Roͤm. Kaiſer den 9. Oct. 1781. Portugal den 13. Jul. 1782.
Neapel 1783. und notificirten groͤßtentheils ihren Beytritt nicht
nur den kriegfuͤhrenden Maͤchten, ſondern auch einander, worauf
zum Theil Acceptations-Urkunden erfolgten. S. m. Recueil
T. II. IV.
Wiefern durch dieſe einzelnen Beytritte, Erklaͤrungen,
Acceptationen eine Art eines allgemeinen Vertrags bewuͤrkt wor-
den ſey; ſ. m. Eſſai concernant les armateurs §. 59.
b)
So legte damahls Rußland in Anſehung der Beſtimmung der
Contrebande, Guͤter den 10. und 11. Art. ſeines Vertrags mit
Großbritannien von 1766 zum Grunde, und dehnte deſſen Wir-
kung auch auf Frankreich und Spanien aus. Daͤnemark bezog
ſich gegen Großbritannien auf ſeinen Vertrag von 1670. art. 3.
gegen Frankreich auf ſeinen Vertrag von 1670. art. 27, den es
auch auf Spanien erſtreckte. Schweden bezog ſich gegen Groß-
britannien
auf ſeinen Vertrag von 1661. art. 11. gegen Frank-
reich
auf den von 1741 den es auf Spanien erſtreckte. Die ver-
einigten Niederlande bezogen ſich gegen Spanien auf den Ver-
trag von 1674. art. 3, gegen Frankreich auf den von 1739. art. 16.
Preußen das keine Vertraͤge uͤber den Punct mit den kriegfuͤhren-
den Maͤchten hatte, erklaͤrte ſich in Anſehung der Contrebande,
die Beſtimmung des 10ten und 11ten Artikeis des Tractats zwi-
ſchen Großbritannien und Rußland von 1766 anzunehmen.
c)
S. die Antworten in Dohm MaterialienIVte Lieferung
S. 191. 193. in m. Recueil T. IV. p. 345. 346. 348.
d)
S. die brittiſche Antwort in Dohms MaterialienIVte Liefe-
rung S. 189. in m. Recueil T. IV. p. 345.
e)
Buͤſch Welthaͤndel S. 421.
f)
S. das Ruſſiſche Memoire an die neutralen Maͤchte vom April
1790. in Dohms MaterialienIVte Lieferung S. 180. “Afin-
que par des ſoins communs de toutes les puiſſances maritimes neu-
tres, on put établir et légaliſer, en faveur de la navigation commer-
çante des nations neutres un ſyſteme naturel et fondé ſur la juſtice,
et qui par ſon avantage réel ſervît de regle aux ſiecles à venir.”
Da-
hin deuten auch mehrere Ausdruͤcke in den uͤber die bewaffnete
Neutralitaͤt errichteten Vertraͤgen, inſonderheit in dem zwiſchen
Rußland und Preußen vom Jahr 1781. in m. Recueil T. II. p. 130.
art. ſep. III. “A l’époque plus ou moins éloignée de la paix entre
les puiſſances belligérantes, S. M. le Roi de Pruſſe, et S. M. l’Imp.
de toutes les Ruſſies s’employeront de la manière la plus efficace au-
près des puiſſances maritimes en general, pour faire recevoir et recon-
noitre univerſellement et dans toutes les guerres maritimes qui, par
la ſuite du tems pourront ſurvenir, le ſyſteme de neutralité, et les
principes établis dans le preſent acte, ſervant à former la baſe d’un
Code maritime univerſel.”
g)
Als daher Schweden durch Verordnung vom 8. Jul. 1788 das
baare Geld unter die Contrebande zaͤhlen wollte, beſchwerten ſich die
verein. Niederlande, daß dieſes gegen die Vertraͤge, das Voͤl-
kerrecht und die bewaffnete Neutralitaͤt ſey. S. Reſolut. d. G.
St. vom 14. May 1790; und der Koͤnig hob ſeine Verordnung
auf ſ. Kluithiſt. federum T. II. p. 428.
h)
m. Recueil T. V. p. 138. 259 u. f.
a)
Dictionaire de Trevoux verbo Congrès.
a)
So machte z. B. Großbritannien 1712 die Verzichtleiſtung Phi-
lipps V. auf den franzoͤſiſchen Thron und den Aſſiento mit den
Spaniern zur vorlaͤufigen Bedingung aller Friedensverſuche. S.
actes et memoires de la paix d’Utrecht. T. I.
a)
Bey der Wahl des Orts kommt inſonderheit auch in Betracht
ob er in Feindes oder in neutralen Landen gelegen ſey. Jenes
wollte ehemahls der Feind ſich nicht gern gefallen laſſen, damit
es nicht ſcheine als ob er um Frieden bitten muͤſſe, jetzt ſetzt man
weniger Werth auf dieſe [Spitzfindigkeit], und hebt die Schwierig-
keit allenfalls durch gegenſeitige Abſendung von Geſandten.
b)
Daruͤber entſtanden inſonderheit bey Gelegenheit des weſtphaͤli-
ſchen Friedens Schwierigkeiten ſ. Puͤtter Geiſt des weſtphaͤ-
liſchen Friedens
S. 22. u. f. Auch beym Congreß zu Breda 1747.
ſ. Moſer Verſuch B. X. Th. II. S. 240 u. f.
c)
S. ein Beyſpiel vom Jahr 1748 in Adelung Staatsge-
ſchichte
Th. VI. S. 324 u. f.
d)
So hatten z. B. in dieſem Jahrhundert zwar die Congreſſe zu
Åbo 1743, zu Aachen 1748, zu Hubertsburg 1762 Friedensſchluͤſſe
zur Folge, aber der zu Cambray 1721 bis 1725, zu Soiſſon 1729,
zu Breda 1747, zu Focſani 1772, zu Buchareſt 1773, gingen
fruchtloß auseinander. S. Moſer Verſuch B. X. Th. II.
S. 248 u. f.
a)
Die Negociation zwiſchen Frankreich und Großbritannien ſeit
den 26. Maͤrz 1761, begann zwar mit einer Miniſteriellen Cor-
reſpondenz, aber bald ſahe man die Nothwendigkeit ein, einander
gegenſeitig Geſandte zu ſchicken. Die neuere Geſchichte liefert nur
ein einziges Beyſpiel eines bloß durch zwey Briefe geſchloſſenen
Friedens; nemlich zwiſchen Schweden und Polen 1729. Aber hier
galt es nur noch um eine bloße Formlichkeit. S. de Steck eſſais
ſur diverſes ſujets de politique n. 2. Montgonmemoires T. VII. ſup-
plem. n. 25. 26. ModéeUtdrag af Tractater p.
161. 163.
a)
Beyſpiele neuerer Zeit geben: der Praͤlim. Friede zu Wien 1735,
zu Breslau 1742, zu Åbo 1743, zu Fuͤßen 1745 (zwiſchen Oe-
ſterreich und Churbayern), zu Aachen 1748, zu Fontainebleau
1762, zu Hubertsburg 1763, zu Paris 1783, zu Jaſſy 1791.
a)
Dieſe fehlt in den Baſeler Friedensſchluͤſſen 1795.
b)
Moſer Teſchner Friedensſchluß mit Anmerkungen S. 94 u. f.
c)
Wenn noch kein Waffenſtillſtand geſchloſſen worden ſo pflegt wohl
verabredet zu werden, daß dieſer Artikel ſo fort und noch vor
Auswechſelung der Ratificationen in Erfuͤllung geſetzt werden ſolle;
doch leidet dieß Ausnahmen; z. B. in den Baſeler Friedensſchluͤſ-
ſen 1795. Uebrigens iſt die Endigung der Feindſeligkeiten eine
natuͤrliche Folge des geſchloſſenen Friedens, ſo daß was nach die-
ſer Zeit genommen worden zuruͤckgegeben werden muͤſte. Da aber
in entfernten Seekriegen uͤber die, nach dem Frieden, aber vor
Bekanntwerdung deſſelben gemachten Priſen leicht Streit entſtehn
A akoͤnnte,
[370]Achtes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.
koͤnnte, ſo pflegen in dieſem verſchiedene Epochen nach dem Grad
der Entfernung feſtgeſetzt zu werden, ſo daß nur die nach dieſen
Epochen gemachten Priſen zuruͤckgefordert werden koͤnnen. So
geſchah es z. B. im Aachner-, Fontaineblauer- und Pariſer- Frie-
den zwiſchen Frankreich und Großbritannien; m. eſſai concernant
les armateurs
chap. II.
§. 38. Daß indeß, wenn der Friede in die-
ſen Gegenden vor der beſtimmten Epoche bekannt wuͤrde, die Feind-
ſeligkeiten fruͤher aufhoͤren muͤſſen, ſcheint ſich von ſelbſt zu verſtehn.
d)
Ueber dieſen wichtigen Punct ſ. de Steck de amneſtia in ſ. obſ. ſub-
ſeciv. n.
13. Weſtphal Abhandlung von der Amneſtie ſ.
deſſen teutſches Staatsrecht. Halle 1748. 8. Abhandl. 2. Mo-
ſer
Verſuch
B. X. Th. II. Cap. XI. S. 522 u. f.
e)
Hingegen koͤnnte man auch nur von dieſen erwarten ſie entſchie-
den zu ſehn, doch fehlt es nicht an Beyſpielen daß entweder ein-
zelne dieſer Puncte unberuͤhrt bleiben, oder auch andere zugleich
mit entſchieden werden. Moſer Verſuch B. X. Th. II. S.
364 u. f.
a)
S. z. B. uͤber den Aachner Frieden 1748. Allgem. Geſch. der
verein. Niederlande Th. VIII. S. 441 u. f. Moſer Verſuch
B. X. Th. II. S. 377 u. f. Roussetrecueil T. XX. p. 174 u. f.
b)
de Real T. V. p. 41.
a)
Ueber den Gebrauch der Staats- und Hofſprachen uͤberhaupt
ſ. oben §. 174. Inſonderheit ſeit dem Nimmweger Frieden ward
die franzoͤſiſche Sprache zwiſchen Maͤchten von verſchiedenen Zun-
gen in Verhandlungen und Friedensſchluͤſſen der lateiniſchen vor-
gezogen. S. Comte de Rivarol diſſertation ſur Univerſalité de la
Langue Françoiſe. à Berlin 1784. 4. p.
33. Von Friedensſchluͤſſen
zwiſchen teutſchen Fuͤrſten giebt der Breslauer Friede von 1742
das erſte Beyſpiel des Gebrauchs der franzoͤſiſchen Sprache, wel-
ches nachmahls 1745. 1763. 1779 erneuert wurde. Moſer
Teſchner Friedensſchluß mit Anmerkungen
S. 48. Sonſt fehlt
es nicht an Beyſpielen neuerer Zeit, daß Staatsvertraͤge zweyer
Voͤlker zugleich in zwey Sprachen aufgeſetzt worden. Und da,
nach dem was de Real T. V. p. 558. anfuͤhrt, die Osmanen nur
dann einen Friedensſchluß fuͤr verbindlich halten, wenn er in
A a 2ihrer
[372]Achtes Buch. Achtes Hauptſtuͤck.
ihrer Sprache abgefaßt worden, ſo pflegt man die Friedensſchluͤſſe
und Vertraͤge mit der Pforte in 2 oder wohl gar 3 verſchiedenen
Original-Sprachen abzufaſſen. So iſt z. B. der Friede von 1774
mit Rußland in Tuͤrkiſcher, Ruſſiſcher und Italieniſcher Sprache
abgefaßt. S. den art. 28. in m. Recueil T. IV. p. 607.
a)
Von der Art war z. B. der Beytritt Spaniens, Siciliens, Sar-
diniens 1738, Oeſterreichs zu dem Aachner Frieden 1748.
b)
Dieß iſt inſonderheit in Anſehung aller derer rathſam, die auf
einige Weiſe thaͤtigen Antheil an dem Kriege genommen haben.
So behielten beym Hubertsburger Frieden Oeſterreich und Preußen
ſich art. 20. das Recht bevor diejenigen zu benennen, die ſie in
dem Frieden eingeſchloſſen wiſſen wollten, und errichteten daruͤber
in der Folge eine Separatacte ſ. m. Recueil T. I. p. 69. Zuweilen
werden aber auch dritte Maͤchte bloß ehrenhalber mit eingeſchloſſen.
c)
So ſtipulirte z. B. der Koͤnig von Preußen im Teſchner Frieden
art. 15. fuͤr den Herzog von Meklenburg das priuilegium de non
appellando illimitatum.
d)
Von der Art ſind die dem Teſchner Frieden angehaͤngten Separat-
conventionen zwiſchen Oeſterreich und Churſachſen, zwiſchen Oe-
ſterreich und Churpfalz, zwiſchen Churpfalz und Churſachſen u. ſ. f.
e)
v. Steck von der Einſchleißung einer dritten Macht in ei-
nem Tractate
ſ. deſſen Ausfuͤhrungen politiſcher und rechtli-
cher Materien
1776. S. 43 u. f.
f)
Z. B. der Aachner Friede 1748. Wenckcod. i. gent. T. II. p. 310.
a)
Neyroneſſai ſur les garanties. Gottingue 1777. 8. von Steck
von den Geiſſeln und Conſervatoren der Vertraͤge und dem
Urſprung der Garantien
in deſſen Verſuchen 1772. S. 48.
b)
Auch von einer Garantie der Hauptcontrahenten unter einander
iſt zuweilen in Friedensſchluͤſſen die Rede. Die gegenſeitige Ga-
rantie der Beſitzungen iſt zwar ganz anderer Art und kann nur
mittelbar auch auf die Feſthaltung des Friedens Einfluß haben.
Sie hat die Natur einer allgemeinen und unbeſtimmten Defenſiv-
Allianz. Wenn aber der Friede zwiſchen mehr als zwey Haupt-
contrahenten eingegangen wird, ſo koͤnnen dieſe einander auch
den Frieden und deſſen Beobachtung in Hinſicht der uͤbrigen ga-
rantiren, wovon nicht nur der Weſtphaͤliſche Friede, ſondern auch
der Aachner Friede art. 23. der Pariſer Friede 1763. art. 26. Bey-
ſpiele liefern. S. jedoch Ehrhardproluſio de ſponſoribus iuris gen-
tium
. Lipſ.
1787. 4.
c)
Daher kann z. B. die ruſſiſche Garantie des Teſchner Friedens
nur dann Anwendung finden, wenn uͤber dieſen Frieden zwiſchen
den Hauptcontrahenten deſſelben Streit entſteht.
a)
Moſer Verſuch B. X. Th. I. S. 491 u. f.
a)
Grotiusde iure belli et pacis L. II. cap. XIV. §. 15. Vatteldroit
des gens
L. II. cap. XIII. §. 202. Buddaeusde contranentionibus
foederum
cap.
3. §. 14.
a)
Daher haͤngt die Frage ab, ob Großbritannien nach dem Bey-
ſpiel ſo vieler Seemaͤchte ſchuldig ſey auch gegen Maͤchte mit
denen es keine Vertraͤge hat den Grundſatz anzunehmen, daß freyes
Schiff freyes Gut mache, oder ob es berechtiget ſey den alten
entgegengeſetzten Grundſatz beyzubehalten, oder wieder anzunehmen,
am Ende ganz von der Frage ab, welcher von den beiden Grund-
ſaͤtzen dem allgemeinen Voͤlkerrecht gemaͤß, welcher ihm entgegen ſey.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Einleitung in das positive Europäische Völkerrecht auf Verträge und Herkommen gegründet. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqdr.0