[][][][][][][[I]]

Reiſe
durch
einen Theil
von Europa, Afrika und Aſien,
hauptſaͤchlich
in Japan,
in den Jahren 1770 bis 1779
.


Mit Kupfern.

Zweyter Band.

Berlin:
bey Haude und Spener,1794.

[[II]][[III]]

Vorrede des Verfaſſers.


Dieſer zweyte Band meiner Reiſebeſchreibung
enthaͤlt die Reiſe von Batavia nach Japan,
den Aufenthalt auf der Inſel Dezima, die Reiſe
nach Jedo, der Hauptſtadt von Japan, den Auf-
enthalt daſelbſt, die Ruͤckreiſe nach Dezima,
mannichfaltige Nachrichten von dieſem Lande
und deſſen Einwohnern; Ferner meine Ruͤckreiſe
nach Batavia, Nachrichten von Java, die Reiſe
nach Ceylon, einige Reiſen laͤngs den Kuͤſten
dieſer Inſel, Nachrichten von Ceylon, und meine
Zuruͤckreiſe uͤber Cap durch Holland, England
Deutſchland nach Schweden.


Auch dieſem Bande habe ich einige Abbil-
dungen, und zwar von verſchiednen japaniſchen
Gegenſtaͤnden, beygefuͤgt.


a 2
[IV]Vorrede des Verfaſſers.

Japan, von welchem in dieſem Bande vor zuͤglich
die Rede iſt, iſt, in Vergleichung mit andern euro-
paͤiſchen Laͤndern, in vielen Ruͤckſichten ein ganz be-
ſonderes Land! Die Regierungsverfaſſung iſt
dort ſeit ſehr langer Zeit unveraͤndert dieſelbe;
die Geſetze ſind ſtrenge und unwandelbar; die
Polizey in Staͤdten, Doͤrfern und auf den
Landſtraßen iſt unverbeſſerlich; die Kleider-
tracht, Putz und Art das Haar zu tragen iſt
durchaus gleichfoͤrmig und, ſo wie die Sitten,
Gewohnheiten und Gebraͤuche, ſeit Jahrhunder-
ten unveraͤndert; eine unzaͤhlige Menge von Ein-
wohnern lebt dort ohne Partheyen, ohne Zwie-
ſpalt und Uneinigkeit, ohne Misvergnuͤgen, Elend
und Auswanderung; der Ackerbau iſt im bluͤhend-
ſten Zuſtande; die Erde gebauet und benutzt wie
in keinem andern Lande der Welt; alle Beduͤrfniſſe
ſind, im Lande ſelbſt, in ſolchem Ueberfluß vorhan-
den daß kein auswaͤrtiger Handel noͤthig iſt; doch
faſt moͤchte ich ſagen: wer kann die Vorzuͤge und
Vortheile dieſes gluͤcklichen Landes alle zaͤhlen? —
Weder bey dem Monarchen, noch bey ſeinen Unter-
regenten findet man Thron, Scepter, Krone,
noch irgend ſonſt etwas von dem Prunk, der bey
uns die Augen des Haufens blendet; nicht Hof-
ſtaat, nicht Hofjunker, nicht Hofdamen; keine
[V]Vorrede des Verfaſſers.
große, praͤchtige Marſtaͤlle, keine Menge von Pfer-
den, Elephanten und Stallmeiſtern. Man
kennt keine Equipagen und Wagen; keine Reu-
terey; keinen Krieg; keine Geſandten, keine Be-
amte oder oͤffentliche Staatsdiener, die zu ihrem
Amt und Geſchaͤft nicht taugen oder es nicht
kennen; keine Gilden, keine Monopolien; keine
Zoͤlle; keine Spiel- und Kaffeehaͤuſer; keine
Weinkeller, Bier- und Brantweinkruͤge; keine
privilegirte, von oͤffentlichen Laſten und Abga-
ben ausgenommne Landguͤther und andre liegende
Gruͤnde; kein ungebauetes Land, keine Wieſen
und Aenger; keine National- oder Staatsſchuld,
kein Papiergeld, weder Wechſel noch Wechſel-
cours. Man trinkt nicht Wein, nicht Biſchof,
nicht Punſch, nicht Brantwein, nicht Kaffee,
nicht Chokolade. Und — Land und Einwohner ſind
gluͤcklicher, als wo man dies alles hat und thut:


Java und Ceylon, von denen dieſer Band
gleichfalls handelt, gehoͤren zwar in Anſehung
ihrer Lage in einem warmen Erdſtriche, der vor-
zuͤglichen Fruchtbarkeit des Bodens, und der
gehoͤrigen, ſich jaͤhrlich gleichen, Menge Regen
zu den gluͤcklichern Inſeln; aber die Regierung
in dieſen Laͤndern iſt doch wenn gleich von mehr als
a 3
[VI]Vorrede des Verfaſſers.
einer Art, durchgaͤngig despotiſch und die Reli-
gion meiſtens mahomedaniſch. Daher iſt und bleibt
das Volk dumm und aberglaͤubig, kriechend
und aufruͤhriſch, arm und faul, — frey-
lich das alles nicht uͤberall in gleichem Grade —
aber doch ohne Ausnahme mitleidswuͤrdig. Dies
Elend iſt um ſo viel druͤckender fuͤr ſie geworden, da
die handelnden Europaͤer, in den letzten Jahrhun-
derten von der Aufklaͤrung, von der Religion und
der Menſchlichkeit, deren ſie ſich ruͤhmen, keinen
Gebrauch gemacht haben, um den Zuſtand dieſer
Leute zu verbeſſern und ihre Ketten ihnen leichter
zu machen; ſondern da ſie im Gegentheil durch
ihre Habſucht und unerſaͤttliche Geldbegier ihr
Joch vervielfaͤltiget, und nicht nur die Menge
ſondern auch die Arten ihrer Laſten vermehrt
haben. Wie ſollten auch wohl die Leute in einem
Lande gluͤcklich ſeyn koͤnnen, wo es keine Geſetze,
ſondern nur Gutduͤnken und Willkuͤhr giebt; wo
der Menſchen Leben dem Leben der Thiere gleich ge-
achtet wird; wo keine Sicherheit, kein Eigen-
thumsrecht, kaum irgend ein Begriff von Frey-
heit und edlen Handlungen Statt hat?


Von der Anwendung und dem Nutzen ſo
mancher Naturproducte jener fernen Laͤnder iſt
[VII]Vorrede des Verfaſſers.
auch in dieſem Bande getreulich Auskunft mitge-
theilt. Um jedoch dem Leſer eine unnoͤthige Wieder-
holung zu erſparen, will ich davon hier nichts im Vor-
aus erwaͤhnen, ſondern auf die eigne Leſung die-
ſer Bogen verweiſen. Zum Schluß ſey es mir
erlaubt, von mir und meinen Schriften hier noch
einiges hinzuzufuͤgen, das fuͤr die Litterargeſchichte
brauchbar ſeyn kann.


In den neun Jahren, die ich in fremden Laͤn-
dern zubrachte, habe ich mannichfaltige Gelegen-
heit gehabt, neue, vorher unbekannte Schaͤtze der
Natur zu entdecken und zu ſammeln. Was ich
davon bisher habe naͤher beſtimmen, in Ord-
nung bringen und beſchreiben koͤnnen, macht
eine nicht unbetraͤchtliche Summe. Die neuen
Thiere belaufen ſich auf vierhundert, die neuen
Geſchlechte von Pflanzen auf fuͤnf und ſiebenzig,
die beſondern Arten oder Gattungen aber auf
funfzehnhundert; alles das nicht mitgerechnet, was
ich bisher noch nicht genau habe unterſuchen
koͤnnen.


Als ich im April 1779 nach Stockholm kam,
hatte ich die Ehre zuerſt beym Lever, hernach in
einer beſondern Audienz, unſerm großen und guten
Koͤnige von meinen Reiſen, von den merkwuͤrdig-
a 4
[VIII]Vorrede des Verfaſſers.
ſten Sachen und Vorfaͤllen, beſonders dem ſo
wenig bekannten Japan, von meinen eignen Schick-
ſalen, und von meinen etwanigen Entdeckungen
Bericht abzuſtatten.


Waͤhrend meiner Abweſenheit war ich im Jahr
1777 vom Kanzler der Univerſitaͤt Upſala, Reichs-
rath Rudenſchoͤld, zum Demonſtrator der Bota-
nik daſelbſt ernannt; bey meiner Ruͤckkunft empfieng
ich aus der Hand meines Goͤnners, Archiater Baͤck,
die Beſtallung dazu. Als Profeſſor Linnee 1781
eine Reiſe außerhalb Landes antrat, wurde ich
zum Aufſeher des daſigen botaniſchen Gartens be-
ſtellt; auch wurden mir die mit dieſem Amte ver-
bundenen oͤffentlichen Vorleſungen aufgetragen.
In eben demſelben Jahre ward ich zum außeror-
dentlichen Profeſſor mit Vermehrung meines Ge-
halts ernannt. 1784 wurde ich als ordentlicher
Profeſſor der Medicin und Botanik angeſetzt. 1784
erwies man mir die Ehre, mich zum Praͤſes der
Akademie der Wiſſenſchaften zu Stockholm zu er-
waͤhlen. 1785 wurde ich zum Rector der Univer-
ſitaͤt gewaͤhlt, und bald darauf vom Koͤnige zum
Ritter des Waſaordens ernannt.


Auch haben verſchiedne auswaͤrtige Societaͤ-
ten der Wiſſenſchaften mir die Ehre erzeigt, mich
[IX]Vorrede des Verfaſſers.
zu ihrem Mitgliede zu ernennen, nemlich: 1771
die kaiſerliche Naturae curioſorum; 1772 die Nor-
wegiſche; 1773 die phyſiographiſche zu Lund; 1777
die Upſalaſche; 1780 die Stockholmſche; 1781
die Haarlemmer und die Amſterdammer; 1782
die vaterlaͤndiſche oͤkonomiſche zu Stockholm; 1784
die zu Montpellier; 1785 die Pariſer Geſellſchaft
des Ackerbaues; die Zeelaͤndſche zu Vlißin-
gen
und die Berliniſche Geſellſchaft naturforſchen-
der Freunde; 1786 die Societas naturae ſtudio-
ſorum
und die mediciniſche zu Edimburg; 1787
die Florentiniſche, die Akademie der Wiſſenſchaften
zu Paris, und die halliſche Geſellſchaft der Na-
turforſcher; 1788 die Societaͤt der Wiſſenſchaften
und die Societas Linnaeana zu London; 1789
die mediciniſche eben daſelbſt, und die Societaͤt
der Wiſſenſchaften zu Batavia; 1791 die Pariſer
Geſellſchaft der Naturgeſchichte und die Akademie
der Wiſſenſchaften zu Philadelphia; und 1791 die
naturhiſtoriſche zu Koppenhagen.


Die von mir nach meiner Zuruͤckkunft her-
ausgegebenen Schriften ſind folgende:


Die Beſchreibung meiner Reiſe in 4 Theilen,
Upſala 1788 bis 1793, wovon nicht nur die deut-
ſche, ſondern auch zu London eine engliſche und zu
a 5
[X]Vorrede des Verfaſſers.
Paris eine franzoͤſiſche Ueberſetzung erſcheint. Des
Sprengelſchen Auszuges aus den erſten drey Theilen
in deutſcher Sprache nicht zu gedenken. Ferner:


Tal vid praeſidii nedläggande Stockholmſ-
ka Vetenſkaps Academien, om Japanſka Na-
tionen,
(Rede bey Niederlegung des Praͤſidiums
in der Akademie der Wiſſenſchaften zu Stockholm,
Nachrichten von der japaniſchen Nation enthaltend,
den 3. November 1784, ins deutſche uͤberſetzt von
Stridsberg, Frankfurt 1785.


Åminnelſe-Tal öfver Aſſeſſoren och Pro-
vincial-Medicus Doctor Montin,
(Gedaͤchtniß-
rede auf den Aſſeſſor und Provinzialmedicus Doctor
Montin), Stockholm 1791, 8.


Flora Japonica, Lipſiae, 1784, 8., mit 39
Kupfertafeln.


An akademiſchen Disputationen habe ich
geſchrieben.


  • 1. De venis reſorbentibus, Praeſ. C. v. Linné, 1767.
  • 2. De Iſchiade, Praeſ. J. Lidrén, 1770.
  • 3. De Gardenia, Reſp. Djupedius, 1780. 2 Tabb. (recen-
    ſirt in den Zeitungen der gelehrten Societaͤt zu Upſala 1781
    Nr. 49.)
  • 4. De Protea, Reſp. Gevalin, 1781. 5 Tabb.
  • 5. Oxalis, Reſp. Haft, 1781. 2 Tabb.
  • 6. Nova plantarum genera, P. 1. Reſp. C. Hornſtedt 1781.
    1 Tab.
  • 7 Novae inſectorum ſpecies, P. 1. Reſp. Caßſtröm 1781.
    1 Tabb.

[XI]Vorrede des Verfaſſers.
  • 8. Nova plantarum genera, P. H. Reſp. Sahlberg 1782. 1 Tab.
  • 9. Iris, Reſp. Ekman 1782. 2 Tabb.
  • 10. Novae Inſectorum ſpecies, P. II. Reſp. Ekelund 1783.
    1 Tab.
  • 11. Nova plantarum genera, P. III. Reſp. Lodin 1783.
    1 Tabb.
  • 12. Ixia Reſp. Rung, 1783. 2 Tabb.
  • 13. Novae Inſectorum Species, P. III. Reſp. Lundahl,
    1784. 1 Tab.
  • 14. Novae Inſectorum Species, P. IV. Reſp. Engeſtröm,
    1784. 1 Tabb.
  • 15. Gladiolus Reſp. Ajmelaeus, 1784. 2 Tabb.
  • 16. Nova genera planrarum, P. IV. Reſp. Berg 1784.
  • 17. Nova Genera plantarum, P. V. Reſp. Blumenberg
    1784. 1 Tabb.
  • 18. Inſecta Svecica, P I. Reſp. Borgſtröm 1784. 1 Tabb.
  • 19. Alöe Reſp. Heſſelius 1785.
  • 20. Medicina Africanorum Reſp. Berg. 1785.
  • 21. Erica Reſp. Struve, 1785. 6 Tabb.
  • 22. Ficus Reſp. Gedner, 1786. 1 Tab.
  • 23. Muſeum naturale academiae Upſalienſis, P. I. Reſp.
    Radloff
    1787.
  • 24. — — — — P. II. Reſp. Holmer 1787.
  • 25. — — — — P. III. Reſp. Ekeberg 1787.
  • 26. — — — — P. IV. Reſp. Bjerken 1787. 1 Tabb.
  • 27. — — — — P. V. Reſp. Gallén 1787.
  • 28. Moraea Reſp. Zach. Colliander, 1787. 2 Tabb.
  • 29. Muſeum naturale academiae Upſalienſis[i], P. VI. Reſp.
    Schalén 1788. 1 Tab.
  • 30. Reſtio Reſp. Petr. Lundmark, 1788. 1 Tab.
  • 31. Arbor toxicaria Macaſſarienſis Reſp. Ajmelaeus 1788.
  • 32. Moxae atque ignis in medicina rationali uſus, Reſp.
    Hallman
    1788.
  • 33. Myriſtica Reſp. Radlof 1788.
  • 34. Cariophylli aromataci Reſp. Haſt.

[XII]Vorrede des Verfaſſers.
  • 35. Muſeum naturale academiae Upſalienſis, P. VII. Reſp.
    Branzell
    1789.
  • 36. Characteres generum inſectorum, Reſp. Törner 1789.
  • 37. Muſeum naturale academiae Upſalienſis, P. VIII. Reſp.
    Rademine
    1789.
  • 38. Novae Inſectorum ſpecies, P. V. Reſp. Noraeus, 1789
    1 Tab.
  • 39. Muraena et Ophichtus Reſp. Ahl. 1789. 2 Tabb.
  • 40. Remedia non nulla indigena, Reſp. Holmer 1790.
  • 41. Muſeum naturale academiae Upſalienſis, Append. I.
    Reſp. Lundelius
    1791.
  • 42. — — — — App. II. Reſp. Yman 1791.
  • 43. — — — — P. IX. Reſp. Ekelund 1791.
  • 44. Novae inſectorum ſpecies, P. VI. Reſp. Lagus 1791.
  • 45. Muſeum naturale academiae Upſalienſis, P X. Reſp.
    Kugelberg
    1791.
  • 46. Flora Stregneſenſis Reſp. Carlſon 1791.
  • 47. Inſecta Svecica, P. II. Reſp. Bechlin 1791. 1 Tab.
  • 48. — — — — P. III. Reſp. Åckermann 1792.
  • 49. — — — — P. IV. Reſp. Sebaldt 1792. 1. Tab.
  • 50. Genera nova plantarum, P. VI. Reſp. Ström 1792.
  • 51. — — — — P. VII. Trafvenfeldt 1792.
  • 52. Muſeum naturale academiae Upſalienſis, P. XI. Reſp.
    Sjöberg
    1792.
  • 53. — — — — P. XII. Reſp. Lindbladh 1792.
  • 54. — — — — P. XIII. Reſp. Feretius 1792.

An Societaͤten der Wiſſenſchaften habe ich
folgende Abhandlungen, uͤber verſchiedne Gegen-
ſtaͤnde, eingeſandt:


An die Akademie der Wiſſenſchaften zu Stockholm.


  • 1. Händelſe, aſ Blyhvit af förſeende blifvit brukadt i mat
    (Vorfall, da Bleyweiß durch ein Verſehen ans Eſſen ge-
    braucht worden), 1773. 1 Quartal, S. 29.

[XIII]Vorrede des Verfaſſers.
  • 2. Beſkrifning på en beſynnertig och obekant Svamp,
    Hydnora Africana.
    (Beſchreibung eines beſondern und
    unbekannten Schwamms, Hydnora Africana), 1775.
    1 Qu. S. 69. 1 Kupfertafel.
  • 3. Beſkrifning på et nitt Genus i bland Jnſecterne, Pneu-
    mora.
    (Beſchreibung eines neuen Geſchlechts von Inſecten,
    Pneumore), 1775. 3 Qu. S. 254. 1 K. T.
  • 4. Rothmannia, et nytt Örte-Genus. (Die Rothmannie,
    ein neues Pflanzengeſchlecht 1776), 1 Qu. S. 65. 1 K. T.
  • 5. Beſkrifning på et nytt Örte-Genus kalladt Raderma-
    chia.
    (Beſchreibung eines neuen Pflanzengeſchlechts, Ra-
    dermachie genannt), 1776. 3 Qu. S. 250.
  • 6. Anmärkningar vid Hydnora africana. (Anmerkungen
    zur afrikaniſchen Hydnore), 1777. 2 Qu. S. 144. 1 K. T.
  • 7. Beſkrifning på en Bezoar Equinum. (Beſchreibung ei-
    nes Pferdebezoarſteins), 1778. 1 Qu. S. 27.
  • 8. Et nytt och Til Sitt ſlägte för obekant Grüs, kalladt
    Ehrhardta.
    (Eine neue und in Anſehung ihres Geſchlechts
    bisher unbekannte Grasart, Ehrhardte genannt), 1779.
    3 Qu. S. 216. 1 K. T.
  • 9. Anmärkningar vid Canelen, gjorde på Ceilon. (Be-
    merkungen uͤber den Kaneel, auf Ceilon gemacht.) 1770
    1 Qu. S. 55. uͤberſetzt und in die Abhandlungen der vli-
    ßingſchen Societaͤt der Wiſſenſchaften, 12 Th. 1 Adth. S.
    296., eingeruͤckt von Doctor Houtuyn.
  • 10. Beſkrifning på Weigelia Japonica, en ſälſynt örl fran
    Japan.
    (Beſchreibung der japanſchen Weigelie, eines ſel-
    tenen Gewaͤchſes aus Japan) 1780. 2 Qu. S. 137.
  • 11. Beſkrifning på nagra varme Bäden i Africa och Aſien
    (Beſchreibung einiger warmen Baͤder in Afrika und Aſien.)
    1781. 1 Qu. S. 72.
  • 12. Beſkrifning på tvänne nya Jnſecter. (Beſchreibung
    zweyer neuer Inſecten), 1781. 2 Qu. S. 168.
  • 13. Noctua Serici, enny Silkes-malk. (Die Seideneule, Noc-
    tua Serici,
    ein neuer Seidenwurm), 1781. 3 Qu. S. 240. 1 K. T

[XIV]Vorrede des Verfaſſers.
  • 14. Beſkrifning på tvänne Species äkta Muſkot ifrån
    Öen Banda.
    Beſchreibung zweyer Arten aͤchten Muſkats
    von der Inſel Banda), 1785. 1. Qu. S. 46. 1 K. T.
  • 15. Några anmärkningar vid Ornithologion. (Einige or-
    nithologiſche Bemerkungen), 1782. 2 Qu. S. 118.
  • 16. Beſkrifning på et nytt Örte-Genus Fagraea Ceilanica.
    (Beſchreibung eines neuen Pflanzengeſchlechts, die ceilon-
    ſche Fagraͤe), 1782. 2 Qu. S. 132. 1 K. T.
  • 17. Om Cajoputi Oljan och deß nytta Medicinen. (Vom
    Kajoputioͤl, und deſſen Nutzen in der Medicin), 1782. 3
    Qu. S. 223.
  • 18. Nipa, et nytt Genus ibland Palmträden. (Nipa, ein
    neues Geſchlecht der Palmbaͤume), 1782. 3 Qu. S. 231.
  • 19. Om Palmträden i almänhet och i ſynnerhet om Li-
    cuala Palmen.
    (Von den Palbaͤumen uͤberhaupt, und
    der Likualapalme insbeſondre), 1782 4 Qu. S. 284.
  • 20. Beſkrifning på Houtuyiana cordata, et Japanſk
    Örte-Genus.
    (Beſchreibung der herzfoͤrmigen Houtuyiane,
    eines japanſchen Pflanzengeſchlechts), 1783. 2. Qu. S.
    149. 1 K. T.
  • 21. Ytterligare Anmärkningar om Aſterier. (Weitere Be-
    merkungen, die Sternblume betreffend), 1783. 3. Qu.
    S. 224.
  • 22. Beſkrifning på Ön Ceilons Mineralier och ädla Ste-
    nar.
    (Beſchreibung der Mineralien und Edelſteine auf
    der Inſel Ceilon), 1784. 1 Qu. S. 70.
  • 23. Anmärkningar om Foglar af Loxiae-Slägtet på Go-
    da-Hopps-Udden.
    (Bemerkungen, betreffend einige Voͤ-
    gel aus dem Geſchlechte der Kernbeißer am Vorgebirge
    der guten Hoffnung
    ), 1784. 4. Qu. S. 206.
  • 24. Anmärkningar och Beſkrifning på Albucae örte-
    ſlägte.
    (Anmerkungen, das Pflanzengeſchlecht der Stift-
    blume betreffend und Beſchreibung deſſelben), 1786. 1. Q.
    S. 57.
  • 25. Anmärkningar vid de växter, ſom kallas Orchides.
    [XV]Vorrede des Verfaſſers.
    (Anmerkungen uͤber diejenigen Gewaͤchſe, welche Ragwurz
    heißen), 1786. 4. Qu. S. 254.
  • 26. Beſkrifning på några ſälſynta och okanda Ödlor
    (Beſchreibung einiger ſeltnen und unbekannten Eidechſen),
    S. 1787. 2. Qu. S. 123.
  • 27. Beſkrifning på trenne Sköldpaddor. (Beſchreibung
    dreyer Schildkroͤten), 1787. 3. Qu. S. 178.
  • 28. Beſkrifning på Wildenovia, et ſynnertigt och nytt
    Gräs-ſlag.
    (Beſchreibung der Wildenowie, einer beſon-
    dern und neuen Grasart), 1790. 1. Qu. S. 26. 1 K. T
  • 29. Beſkrifning på tvänne Fiſkar ifrån Japan. (Beſchrei-
    bung zweyer Fiſche aus Japan), 1790. 2. Qu S. 106. 1 K. T.
  • 30. Wahlbomia indica beſkrefven. (Die oſtindiſche Wahl-
    bomie beſchrieben), 1790. 3. Qu. S. 215. 1 K. T.
  • 31. Tvänne utländſka Fiſkar, Gobius patella och Silu-
    rus lineatus.
    (Zwey auslaͤndiſche Fiſche, der flache Gruͤn-
    del, und der ſchmalgeſtreifte Wels), 1791. 3. Qu. S.
    190. 6 K. T.
  • 32. Tvänne japanſke Fiſkar, Callionymus japonicus,
    och Silurus lineatus.
    (Zwey japanſche Fiſche, der ja-
    panſche Schellfiſchteufel und der ſchmalgeſtreifte Wels,
    1792. 1. Qu. S. 29. 1 K. T.
  • 33. Beſkrifning på okände Fiſkar perca ſex-lineata och
    picta.
    (Beſchreibung unbekannter Fiſche, des ſechslinirten
    und des bunten Baͤrſchlings), 1792. 2. Qu. S. 141.
    5 K. T.

An die gelehrte Geſellſchaft zu Upſala.


  • 1. Cycas Caffra. 1775. c. fig. Vol. II.
  • 2. Kaempferus illuſtratus. P. 1. 1780. Vol. III.
  • 3. Cuſſoniae genus 1780. c. figg. Vol. III.
  • 4. Novae Species inſectorum Sveciae. 1783. c. figg. Vol. IV.
  • 5. Kaempferus illuſtratus. P. II. 1783. Vol. IV.
  • 6. Curculio Cycadis. 1783. Vol. IV.
  • 7. Deſcriptiones inſectorum Svecicorum. 1792. Vol. V.
    pag.
    85.

[XVI]Vorrede des Verfaſſers.
  • 8. Obſervationes in linguam Japonicam. 1792. Vol. V.
    pag.
    258.

An die phiſiographiſche Geſellſchaft zu Lund.


  • 1. Retzia capenſis. 1776. c. figg.
  • 2. Montinia et Papiria.
  • 3. Aloe-kådans libredning i Africa (Zubereitung des
    Aloegummi in Africa.
  • 4. Aitonia capenſis.
  • 5. Falkia repens.
  • 6. Syngnathi nova Species.

An die norwegiſche Geſellſchaft zu Drontheim.


  • 1. Hypoxis.
  • 2. Cliffortiae genus.

An die Societaͤt der Wiſſenſchaften zu Harlem.


  • 1. Obſervationes thermometricae in Japonia habitae.
  • 2. Cryptogamarnm fructificatio in Cycade et Zamia.

An die Societaͤt der Wiſſenſchaften zu London.


  • 1. Nachrichten von meiner Reiſe nach Japan.
  • 2. Oekonomiſcher Nutzen und Zubereitung des Citodium,
    oder der ſogenannten Brodfrucht.

An die kaiſerliche Societaͤt naturae curioſorum.


  • 1. Craſſulae novae ſpecies 28.
  • 2. Meſembryanthemi ſpecies novae 21.

An die


Dilatris genus.


An die Societas hiſtoriae naturalis zu Paris.


  • 1. Ein neues Pflanzengeſchlecht, Boſcia undùlata.
  • 2. Beſchreibung von dreyzehn japanſchen und vier und drei-
    ßig capſchen, bisher unbekannten Pflanzengeſchlechten.

Upſala, den 4. Maͤrz 1793.


Carl Peter Thunberg.


Inhalt.
[]

Karl Peter Thunbergs
Reiſen
.

Zweyten Bandes erſter Theil,
welcher

des Verfaſſers Reiſe von Batavia nach Japan, ſeine Reiſe in
dieſem Lande als Hollaͤndiſcher Geſandtſchafts-Medicus an den
Hof des Kaiſers zu Jedo, ſeinen Aufenthalt daſelbſt, ſo
wie in Japan uͤberhaupt enthaͤlt.


[][]

Inhalt.


Erſte Abtheilung.
Reiſe von Batavia nach Japan, und Aufenthalt im
Hafen von Nangaſaki und auf der Inſel Dezima.


Abreiſe von Batavia. Nachricht von den beyden dahin ge-
henden Schiffen. Amt und Beſtimmung des Verfaſſers. Schiffs-
Officiere. Sklaven zu ihrer Bedienung, und freye Bekoͤſtigung.
Straet Banca. Pulo Sapato. Chineſiſche Kuͤſte. Sturm.
Ungluͤck des andern Schiffs. Einige Muſchelarten und derglei-
chen. Fieber unter den Matroſen. Phosphoriſcher Schein auf
Krebſen und Blackfiſchen. Chineſiſche Fiſcherboͤte. Formoſa.
Ehemahlige Herrſchaft der Hollaͤnder uͤber dieſe Inſel. Aber-
mahlige Stuͤrme. Auf der Reiſe nach Japan verungluͤckte
Schiffe. Inſel Meaxima. Seite 1 bis 8.


Hafen von Nangaſaki. Japaniſche Vorpoſten. Einpacken
der Bibeln und Geſangbuͤcher. Muſterrolle des Schiffsvolks.
Bette zum Sitzen fuͤr die Japaniſchen Beamten. Ankunft ei-
nes Boots von Dezima. Großer weiter Rock des Capitains.
Fahrt bis zum Ankerplatze. Seite 8 bis 10.


Beſuch am Bord. Verboth des weiten Rocks. Gebrauch
deſſelben zum Behuf des Schleichhandels. Ankunft Japaniſcher
Beamten und andrer. Deren Geſchaͤfft auf dem Schiffe, und
Bewirthung. Ueberlieferung der Buͤcher, des Gewehrs und
der Ammunition an die Japaner. Muſterung. Wachſchiffe.
[]Inhalt.
Mitgebrachtes Schlachtvieh der Hollaͤnder, und deſſen Fuͤtte-
rung. Ausladung des Schiffs. Strenge Viſitirung der Perſo-
nen und Sachen Japaniſcher Arbeiter und Ruderer. Anfang
der neuen Ladung. Schwierigkeit, an oder vom Bord zu kom-
men. Beſuch von den Gouverneuren. Tod und Beerdigung
eines Matroſen. Seite 10 bis 18.


Freyheit von Zollabgaben. Strenge Aufſicht auf alles, was
an Land kommt; ſcharfe Viſitirung. Urſache davon. Kunſt-
riffe der Hollaͤnder beym Schleichhandel. Haß der Japaner
gegen ſie. Privat-Handel. Strafe des Schleichhandels. Pack-
haͤuſer. Japaniſche Dolmetſcher. Deren Verrichtungen und
Beſchaͤfftigung mit der Arzneykunſt. Des Verfaſſers Bekannt-
ſchaft mit ihnen. Deſſen Anſuchen um Freyheit zu botaniſiren,
und endliche Bewilligung derſelben. Japaniſches Woͤrterbuch.
Seite 18 bis 26.


Beſchreibung des Hafens. Japaniſche und Chineſiſche Fahr-
zeuge. Einziger Einlaufsort fuͤr fremde Schiffe. Beſchreibung
[d]er Stadt Nangaſaki. Gouverneur und Stadt-Regierung.
[I]nſel Dezima. Factorey und Aufenthalt der Hollaͤnder auf der-
elben. Uebrige Haͤuſer. Aufſicht und Wache. Gegend um
die Stadt. Begraͤbnißplaͤtze. Aufſammeln des Miſts. Gaͤr-
ten. Europaͤiſche Gartengewaͤchſe. Des Verfaſſers Beſchaͤffti-
gung in der Zwiſchenzeit; Unterweiſung der Dolmetſcher in der
Medicin. Herrſchende Diarrhoͤe. Entlaufung und ſcharfe Auf-
ſuchung eines Sklaven. Seite 27 bis 33.


Ruͤckreiſe des Schiffs. Abfahrt nach Papenberg. Wieder-
e[m]pfang der bey der Ankunft abgegebenen Sachen. Vollendung
[de]r Ladung. Spatzierfahrten nach den kleinen Inſeln umher.
Beſchreibung der Inſeln. Merkwuͤrdige Gewaͤchſe: Chinawur-
[zel], Pfefferſtrauch und andre. Abgang des Verfaſſers vom Schif-
[fe] zuruͤck nach Dezima. Seite 34 bis 38.


[]Inhalt.

Ruͤckkunft einiger Japaner aus China und Batavia. Neu-
jahrsfeyer der Hollaͤnder. Gluͤckwuͤnſchungs-Beſuche der Ja-
paniſchen Beamten bey ihnen. Feyerliche Bewirthung derſelben,
Japaniſche Luſtmaͤdchen dabey. Leichtigkeit, das Japaniſche
Frauenzimmer zu ſehen. Allgemeine Geldauszahlung an die
Hollaͤnder. Botaniſche Wanderungen des Verfaſſers. Gefun-
dene Gewaͤchſe: unter andern Erdaͤpfel, Kartoffeln, Bohnen,
Erbſen, Buchweitzen, Ingber, Spaniſcher Pfeffer, Tobak,
Kalmuswurzel, Bamborohr u. a. Lebensart der Hollaͤnder auf
Dezima: Einſamkeit und Eingeſchraͤnktheit; Zeitvertreibe; Ja-
paniſche Bedienung; Speiſen; Fiſchgerichte; (von einem gif-
tigen Fiſche); Wohnung; Tiſch und Ausgaben; Gebrauch
und Unterhaltung Japaniſcher Luſtmaͤdchen aus der Stadt.
Von Europaͤern erzeugte Kinder. Kaͤlte und Einheitzungsart,
Seite 38 bis 47.


Japaniſcher Handel der Hollaͤnder. Kurze Geſchichte deſ-
ſelben. Ehemahlige Ausdehnung, Freyheit und Eintraͤglichkeit.
Allmaͤhlige und jetzige Einſchraͤnkung, und geringer Ertrag.
Abgaben an die Stadt. Verluſt am Gelde. Handel der Par-
ticuliers. Waaren, welche die Hollaͤnder von Japan ausfuͤh-
ren: beſonders Kupfer, Kampher, Porcellain. Sachen, deren
Ausfuhr verbothen iſt. Waaren, welche die Hollaͤnder hierher
bringen. Oeffentlicher Verkauf der mitgebrachten Waaren. Dies
jaͤhriger Preis des Einhorns und der Ninſiwurzel. Art der
Bezahlung des Verkauften. Tauſchhandel. Chef der Hollaͤn-
diſchen Handlung. Seite 48 bis 56.


Japaniſcher Handel der Chineſer. Ehemahlige Freyheit und
jetzige Einſchraͤnkung, und geringer Ertrag deſſelben. Ver-
ſchiedenheit der Japaner und Chineſer an Sprache, Sitten
u. ſ. w. Gegenſtaͤnde ihres Handels. Oeffentlicher Verkauf
ihrer Waaren. Abgaben. Art der Bezahlung. Chineſiſche.
Fahrzeuge. Seite 56 bis 59


[]Inhalt.

Zweyte Abtheilung.
Reiſe von Dezima nach Jedo
.


Zuruͤſtung. Mitgenommene Geſchenke. Abſendung des
Gepaͤckes zu Waſſer. Abſchied vom Gouverneur. Viſitirung.
Abreiſe. Reiſegeſellſchaft. Anfuͤhrer. Art der Reiſe. Be-
ſchreibung der Norimon oder Portchaiſen. Transport der Ba-
gage. Was wir zur Bequemlichkeit und Erfriſchung mit uns
fuͤhrten. Auf- und Anzug unſrer Japaner. Ehrenvolles und
Angenehmes der Reiſe. Seite 61 bis 65.


Aufnahme im erſten Logis. Vorſchuß der kleinen Reiſeko-
ſten. Reiſe bis Sinongi; andrer Weg dahin zu Kaͤmpfers Zeit.
Warmes Bad zu Oriſſino. Fabriken fuͤr große irdene Kruken
zu Swota. Provinz Fiſen; ihre Beſchaffenheit und Einwohner.
Vortreffliches Procellain. Stadt Sanga; Taiſero. Provinz
Tſikudſen. Hoͤflichkeit der Japaner uͤberhaupt, und der Pro-
vinzial-Fuͤrſten insbeſondere, gegen die Hollaͤnder. Stadt Koku-
ra
. Zimmer und Schlafſtelle fuͤr die Hollaͤnder in den Herber-
gen. Merkwuͤrdige Kraͤuter und Gewaͤchſe. Reiſe zu Waſſer
nach Simonoſeki; Aufenthalt daſelbſt; Beſchreibung der Stadt.
Gebrauch einer Art Tang. Seite 66 bis 73.


Anfang der großen Waſſerreiſe. Dreywoͤchentlicher Auf-
enthalt zu Kaminoſeki. Gebirgige Gegend. Einiges von der
Stadt. Fernere Waſſerreiſe bis Fiogo. Menge kleiner Inſeln.
Wilde Enten. Hafen bey Fiogo. Aufnahme zu Oſaka. Koſten
der Seereiſe. Beſchreibung der Stadt Oſaka. Reiſe bis Mia-
ko
. Loͤffelgaͤnſe. Seite 74 bis 81.


Aufenthalt zu Miako. Beſchreibung der Stadt. Audienz
bey den Befehlshabern. See bey Oits. Lachſe. Große Bruͤ-
cken bey Tſetta. Provinz Omi. Angekommene Kranke. Pro-
[]Inhalt.
vinz Iſt. Unreinlichkeiten an den Landſtraßen. Reiſe an der
Kuͤſte von Jokaits an. Bettelnonnen. Provinz Owari. Stadt
Kwana. Waſſerreiſe bis Mia. Beſchreibung der Stadt. Pro-
vinz Mikawa. Stadt Okaſaki. Sehr große Bruͤcke. Stadt
Array. Scharfe Viſitirung daſelbſt. Gefaͤhrlicher Weg durch
den Fluß Ojingawa. Bergige Gegend. Fluß Fuſikowa. Ho-
her Berg Fuſi. Bettelknaben. Reiſe uͤber den Berg Fakonie.
See Fakonie. Thujabaum. Japaniſche Cedern. Ahornbaͤu-
me. Merkwuͤrdige Kraͤuter, Stauden und Straͤuche. Gedoͤrr-
te Eidechſen. Abermahlige Viſitirung. Beyde letzte Tagerei-
ſen. Staͤdte Banningawa und Totſka. Benutzung einiger See-
gewaͤchſe. Vorſtaͤdte von Jedo. Hafen. Neugierige Zuſchauer.
Ankunft zu Jedo. Logis der Hollaͤnder daſelbſt. Gluͤcklich voll-
endete Reiſe. Durchreiſete Provinzen. Kaͤmpfers Reiſe. Jaͤhr-
lich nach Hofe reiſende Fuͤrſten; Beſchreibung ſolcher Reiſen.
Verboth der Beſuche bey den Fuͤrſten. Beſuch eines Fuͤrſten bey
den Hollaͤndern. Witterung waͤhrend der Reiſe. Seite 81 bis 103.


Dritte Abtheilung.
Aufenthalt zu Jedo
.


Beſuche der Vornehmen und Gelehrten bey den Hollaͤndern.
Beſuche zweyer Aſtronomen. Beſuche verſchiedner Aerzte; Un-
terredungen mit ihnen; naͤhere Nachrichten von ihnen; vom
Verfaſſer ihnen ertheilter Unterricht; ihre Buͤcher. Audienz
beym Kaiſer, dem Kronprinzen und den Großen. Zug dahin.
Beſchreibung der Kaiſerlichen Reſidenz. Anweſenheit des Kai-
ſers in einem der Vorzimmer. Audienz-Zimmer. Cerimonie
der Audienz. Audienz beym Kronprinzen, den Reichsraͤthen
und andern Großen. Ausſicht uͤber die ganze Stadt. Abſchieds-
Audienz. Geſchenke des Hofes an die Hollaͤnder. Witterung.
Seite 104 bis 113.


[]Inhalt.

Beſchreibung der Stadt. Haͤuſer. Regierung. Feuer-
anſtalten. Nachtwache. Seite 113 bis 114.


Ein Wolf. Frauen mit geſchornem Kopfe. Fortſchritte der
Schuͤler des Verfaſſers. Der Verfaſſer bekommt eine Kaiſerli-
che Prinzeſſin zur Patientin. Vom Verfaſſer ſeinen Schuͤlern
ertheiltes Teſtimonium. Merkwuͤrdige Baͤume und Pflanzen.
Nahmen des Kaiſers und des Kronprinzen. Seite 115 bis 119.


Vierte Abtheilung.
Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima
.


Abreiſe. Anſtalten zu einer großen Reiſe des Kaiſers.
Conchylien zu Kauf. Ein merkwuͤrdiger Fichtenbaum. Reiſe
uͤber den Berg Fakonie. Eine merkwuͤrdige Vanille. Berg Fuſi.
Botaniſche Merkwuͤrdigkeiten. Von Rohr geflochtne Sachen.
Schutz gegen die Muͤcken des Nachts. Gebrechliche Leute.
Seite 120 bis 125.


Aufenthalt zu Miako. Merkwuͤrdige Gewaͤchſe. Stink-
kaͤfer. Beſuch beym Oberrichter und den Gouverneuren. Ge-
ſchenke von ihnen. Beſuch des Leibarztes des Dairi beym Ver-
faſſer. Tempel zu Miako. Beſchreibung des Tempels und der
ungeheuern Statuͤe des Daibud. Tempel des Quanwon und
Menge der daſigen Gottesbilder. Seite 125 bis 128.


Aufenthalt zu Oſaka. Comoͤdien und Ballette daſelbſt. Vo-
gelſammlungen. Botaniſcher Garten. Kupfer-Schmelzhuͤtte,
und Verfahren beym Gießen des Kupfers in Staͤbe. Medici-
niſcher Gebrauch der Moxa. Einige botaniſche Bemerkungen.
Seite 129 bis 134.


Seereiſe. Leuchtende Kaͤfer. Ankunft zu Nangaſaki und
Dezima. Vorſicht bey Mitbringung von Muͤnzen und Land-
karten. Seite 135 bis 136.


[]Inhalt.

Fuͤnfte Abtheilung.
Allgemeine Bemerkungen und Nachrichten, Japan und
die Japaner betreffend.


Erſter Abſchnitt.
Von der natuͤrlichen Beſchaffenheit des Landes.

Lage. Entdeckung durch die Portugieſen. Gebirgige Be-
ſchaffenheit. Berge. Boden und Fruchtbarkeit. Erdbeben.
Hitze und Kaͤlte. Witterung. Stand des Thermometers. Me-
teorologiſche Beobachtungen. Nachleſe merkwuͤrdiger Natu-
ralien. Seite 137 bis 154.


Zweyter Abſchnitt.
Beſchaffenheit und Character der Japaner.

Leibesbeſchaffenheit und Bildung. Character im allgemei-
nen Verſtande. Freyheitsliebe. Hoͤflichkeit und Unterthaͤnig-
keit. Neugier und Wißbegierde. Natuͤrliche Geſchicklichkeit
und Induͤſtrie. Sparſamkeit und Frugalitaͤt. Reinlichkeit.
Gute Gemuͤthsart. Gerechtigkeitsliebe und Entfernung von
Eroberungsſucht. Ehrlichkeit. Neigung zum Argwohn. Aber-
glaube. Stolz und hohe Meinung von ſich. Tapferkeit und
kriegeriſcher Muth; verſchiedne Anekdoten davon. Unverſoͤhn-
lichkeit und kaltbluͤtige Rachſucht. Unzucht. Seite 154 bis 166.


Dritter Abſchnitt.
Haͤuſer und Hausgeraͤth
.

Beſondre Bauart der Haͤuſer, und ganz eigne innere Ein-
richtung derſelben. Abtheilung der Zimmer durch papierne
[]Inhalt.
Rahmwaͤnde. Ziegel- und Schindeldaͤcher. Hervor ſtehende
Daͤcher. Seitenbedeckung der Haͤuſer. Papierne Fenſter. Fuß-
boden-Matten. Tapeten. Stockwerke und Hoͤhe der Haͤuſer.
Gebrauch der vordern und der hintern Zimmer. Hofplatz. Ein-
richtung zum Baden. Kuͤche; Herd; Abtritt. Feuerfreyes
Nebengebaͤude. Mangelhaftigkeit der Japaniſchen Haͤuſer.
Bauart der oͤffentlichen Gebaͤude. Bauart, Groͤße und Unter-
ſchied der Staͤdte und Doͤrfer. Haͤuſer in den Doͤrfern, um
den Urin und dergleichen zu ſammeln. Art des Heitzens der
Zimmer. Seite 166 bis 173.


Mangel an Meubeln in den Zimmern. Art zu ſchlafen,
zu ſitzen und zu eſſen, und was die Stelle der Betten, Stuͤhle
und Eßtiſche vertritt. Kleine Toilett-Schraͤnke. Metallne
Spiegel. Schirme. Seite 173 bis 175.


Vierter Abſchnitt.
Kleidung und Putz
.

Eigenthuͤmlichkeit der Kleidertracht. Lange weite Talare,
und Art ſie zu tragen. Tracht der geringen Leute bey der Ar-
beit. Kurzes Obergewand und Beinkleider der Vornehmen.
Feſtliches Oberkleid. Arten der Zeuge: ſeidne, baumwollne
Zeuge; Hanf- und Neſſel-Leinwand; Zeug aus einer Art Maul-
beerbaum-Rinde. Vorzuͤge und Unbequemlichkeiten der Japa-
niſchen Tracht. Kamaſchen. Socken. Stroherne und hoͤlzerne
Schuhe. Oberſchuhe. Schuhe der Hollaͤnder. Art das Haar
zu tragen und zu ſchmuͤcken. Reiſehuͤte. Weibermuͤtzen. Son-
nen- und Regenſchirme. Reiſemaͤntel. Wapen auf den Klei-
dern. Schnupftuͤcher. Faͤcher. Frauenzimmer-Schminke.
Schwarze Zaͤhne und ausgeriſſene Haare der Augenbraunen bey
den Frauen. Seite 175 bis 187.


[]Inhalt.
Fuͤnfter Abſchnitt.
Muͤnzen und Gewicht
.

Gewicht. Art das Geld zu rechnen. Nur klingende Muͤnze.
Waͤgen des Geldes. Gangbare Muͤnzſorten. Goldne. Silber-
ne. Kupferne, meſſingne und eiſerne. Seltne Muͤnzen.
Goldne. Silberne. Seite 188 bis 191.


Sechster Abſchnitt.
Zeitrechnung und Feſte
.

Monathe. Aere. Zwoͤlf himmliſche Zeichen. Mondenjahr.
Auszug aus dem Japaniſchen Kalender. Ruhetage. Art die
Stunden zu zaͤhlen. Luntenuhren. Pulveruhren. Oeffent-
liche Anzeige der Stunden. Art das Alter der Kinder zu rech-
nen. Allgemeine Abrechnungs- und Zahlungs-Termine. Neu-
jahr. Neujahrs-Gratulation. Cerimonie, da Crucifix und
Marienbild mit Fuͤßen getreten werden. Jaͤhrliche Feſte. Jahr-
maͤrkte. Seite 192 bis 197.


Siebenter Abſchnitt.
Uebrige Sitten, Gewohnheiten und Einrichtungen der
Japaner.

Familien-Nahmen und Vornahmen. Titel. Ordnung der
taͤglichen Mahlzeiten. Miſo-Suppe. Die Japaner ſchlachten
auf der See kein Thier. Eingemachte Fruͤchte. Nudeln. Reiß-
kuchen. Gebrauch des Zuckertangs zum Eſſen und bey den
Geſchenken. Bohnenmehl ſtatt Seife. Lichte von Firnißbaum-
Oehl. Leuchter. Lampen. Oehl zum Brennen. Große Lichte
fuͤr den Hof zu Jedo. Feuerzeug. Zunder. Verſiegeln mit
Papier. Seile und Taue von Neſſel. Oehlpreſſen. Schnupf-
[]Inhalt.
tobak. Wapen auf den Meubeln und andern Sachen. Kar-
tenſpiele. Gaͤnſeſpiel. Art Zither oder Davids-Harfe. Ge-
ſchenke bey den Beſuchen, und ſonſt. Zinſen. Behandlung der
Frauen. Oeffentliche Maͤdchenhaͤuſer; deren Menge, Einrich-
tung und Urſprung. Erziehung der Kinder; Schulen. Oef-
fentliche Baͤder. Warme Baͤder. Landſtraßen. Schuhe der
Pferde. Art zu reiſen. Einrichtung der Tragſaͤnften, und Art
ſie zu tragen. Raͤder-Fuhrwerk. Seite 197 bis 214.


Achter Abſchnitt.
Von der Japaniſchen Sprache
.

Vergleichung der Japaniſchen Sprache mit der Chineſiſchen.
Schwierigkeit fuͤr Fremde, ſie zu lernen. Mangel an Woͤrter-
buͤchern. Einige allgemeine Anmerkungen uͤber die Japaniſche
Sprache. Probe eines nach dem Alphabete, und zugleich nach
Abſtammung und Verwandtſchaft der Woͤrter geordneten Japa-
niſchen Woͤrterbuchs. Seite 214 bis 242.

[[1]]

Erſte Abtheilung.
Reiſe von Batavia nach Japan,
und Aufenthalt im Hafen von
Nangaſaki, und auf der Inſel
Dezima
.


Der 20. Junius 1775 war es, als ich Batavia ver-
ließ, und mich an Bord des Schiffes begab, das mich
nach Japan bringen ſollte. Dies Schiff war einer von
den nach dieſem Lande beſtimmten Dreydeckern, und fuͤhr-
te den Nahmen Staveniſſe. Die Hollaͤndiſche Oſtin-
diſche Compagnie hat ſchon ſeit langer Zeit jaͤhrlich nur
zwey Schiffe nach Japan geſchickt. Die Regierung zu
Batavia ſucht dieſe Schiffe aus. Gewoͤhnlich ſind bey-
de, wenigſtens aber eins, große Dreydecker, und zwar
von denen, welche der Provinz Seeland zugehoͤren, weil
man die Fahrt von Java nach Japan fuͤr eine der aller-
gefaͤhrlichſten in ganz Oſtindien haͤlt. Waͤhrend dieſer
Reiſe war ich auf dem Schiffe als erſter Chirurgus an-
geſtellt. Nach gluͤcklicher Ankunft in Japan, war mei-
ne Beſtimmung, ein Jahr da zu bleiben, und in der
Eigenſchaft eines Legations-Medicus den Hollaͤndiſchen
Ambaſſadeur an den Kaiſerlichen Hof nach der Haupt-
ſtadt Jedo zu begleiten. Dies war meine Station im
Dienſte der Compagnie. Außerdem aber hatte ich mich
zu Amſterdam anheiſchig gemacht, fuͤr den daſigen me-
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. A
[2]Erſte Abtheilung.
diciniſchen Garten und einige vornehme Privat-Perſo-
nen in dieſem Lande, ſo weit ich Freyheit und Gelegen-
heit dazu haben wuͤrde, lebendige Gewaͤchſe und Sa-
men, beſonders von Straͤuchen und Baͤumen zu ſam-
meln, und mit zuruͤck gehenden Schiffen nach Europa zu
ſchicken, wo man ſie pflanzen wollte. Das Schiff
wurde vom Capitain van Eß gefuͤhrt. Als alles zur Ab-
reiſe fertig war, kam Herr Feith an Bord, der jetzt zum
vierten Mahl die Stelle eines Chefs des Japaniſchen Han-
dels und eines Abgeſandten an den Kaiſerlichen Hof an-
trat, und den Supercargeur Haringa, nebſt vier Aſſi-
ſtenten, als Gehuͤlfen beym Handel, bey ſich hatte.
Das andre Schiff, das fertig war, uns Geſellſchaft zu
leiſten, war etwas kleiner, und ein Supercargeur und
ein Aſſiſtent befanden ſich darauf. Alle Schiffs-Offi-
ciere*) hatten einen oder mehrere Sklaven mit ſich am
Bord, zu ihrer Bedienung, ſo wohl auf der Reiſe, als
waͤhrend ihres Aufenthalts in Japan, wo ſie ein Jahr
bleiben ſollten. Dies haben die Japaner vor mehr als
hundert Jahren erlaubt, obgleich die Sklaven nicht au-
ßerhalb der Factorey, oder der dabey belegenen Stadt
Nangaſaki kommen duͤrfen.


Am folgenden Tage lichteten wir die Anker, loͤſeten
die Kanonen, und giengen von Batavia unter Segel,
legten uns aber hernach nicht weit von dieſem Orte wie-
der vor Anker, um alles zu der bevor ſtehenden Reiſe in
Ordnung zu bringen. Den Officieren machte indeſſen
ihre Verproviantirung nicht viel zu ſchaffen, weil der
Chef jetzt ſo wohl als waͤhrend der ganzen Reiſe, theils auf
[3]Reiſe von Batavia nach Japan u. ſ. w.
ſeine, theils auf der Compagnie Koſten, ihnen allen
freyen Tiſch gab, und ſie mit Liqueuren, Bier und
Wein verſorgte.


Erſt nach ſechs Tagen ſegelten wir weiter. Wir
kamen theils mit wenig Wind, theils mit der Fluth in
die Meerenge Banca (Straet Banca), die beynahe ſo
breit iſt, als der Kanal zwiſchen Frankreich und England.
Zur Linken ſahen wir Sumatra, das einen ebenen und
flachen Strand hat, zur Rechten Java: beyde prangen
mit haͤufigen Waldungen. Uebrigens lagen wir hier ei-
nen Tag ſtill, um das andre Schiff zu erwarten, das
langſamer ſegelte und zuruͤck geblieben war.


Am 30. kamen wir aus dem Sunde gluͤcklich in
die offne See. Beyde Schiffe begruͤßten einander mit
Kanonenſchuͤſſen, und man wuͤnſchte ſich Gluͤck zur
Reiſe. Den 3. Julius paſſirten wir die Linie. Nach
acht Tagen ſahen wir die Klippe Pulo Sapato, die an-
fangs in der Ferne wie ein Schiff, hernach in der Naͤhe
wie ein quer abgeſchnittener Schuh ausſieht; der Nah-
me bedeutet auch Schuhinſel. Pulo heißt in der Malayi-
ſchen Sprache Inſel und Sapato Schuh.


Den 10. zeigte ſich das Chineſiſche Land. Der
Anblick erweckt auf dieſer Reiſe allezeit Freude, weil
man dann ganz ſicher weiß, wie weit man gekommen iſt.
Auf dieſer Hoͤhe hat man faſt immer Sturm. Uns
gieng es auch ſo. Unſer Capitain, ein ſehr kluger und
vorſichtiger Mann, machte deswegen ſo gleich Anſtalt,
daß die Segel groͤßtentheils feſt gebunden, die Spitzen
der Maſten geſtrichen, und die Naaen herunter genom-
men wurden. Dieſer Vorſicht bediente man ſich her-
nach allezeit, ſo bald ſich boͤſes Wetter und Sturm ein-
ſtellten, und der Erfolg lehrte, daß ſie ſehr nuͤtzlich war.
Dagegen ſahen wir, daß das andre Schiff, welches et-
A 2
[4]Erſte Abtheilung.
was zuruͤck geblieben war, noch vor vollen Segeln ging,
bis die Spitzen der Maſten vom Winde herab gewor-
fen wurden, bey Fortdauer des Sturms der eine Maſt
nach dem andern verlohren ging, und das Schiff vom
Hin- und Herwerfen ſo beſchaͤdigt und zugleich ſo leck
wurde, daß es im Hafen von Macao mit Muͤhe vom
Sinken gerettet wurde. Von Macao brachte man es
hernach nach Canton, wo es ausgebeſſert wurde. Die
Reiſe nach Japan konnte es nicht fortſetzen. Die La-
dung, welche meiſt aus Puder-Zucker beſtand, war faſt
ganz verdorben. Nach einigen Tagen hatten wir wie-
der ſchrecklichen Sturm, dem gewaltige Orkane folgten,
die zwey Tage und Naͤchte, zwar mit vielem Regen,
aber doch ohne Gewitter, anhielten. Als der Sturm
ſich gelegt hatte, ſahen wir ein umgeworfenes Chineſi-
ſches Fiſcherboot in die See treiben. Die Fiſcher wa-
ren umgekommen.


Den 22. bekamen wir das Chineſiſche Land aber-
mahls zu Geſicht. Vier Fiſcherboͤte kamen mit Fiſchen
mehrerer Gattungen zu uns. Ich fand darunter die
ſchoͤne und durchſichtige Muſchelart (Oſtrea pleuro-
nectes
), deren eine Schale weiß, die andre roth iſt, da-
her die Hollaͤnder ihr den Nahmen Mondmuſchel (Maan-
Moſſel
) gegeben haben. Auch waren Blackfiſche (Se-
pia
), einige Taſchenkrebſe, und der Schwanenkrebs
(Cancer Mantis), darunter. Man verkaufte uns die
ganze Ladung, durch Tauſch gegen Reiß und Arrak:
Waaren, welche die Fiſcher ungemein gerne nahmen.


Seit unſrer Reiſe von Batavia hatten kalte Fie-
ber unter den Matroſen ſehr ſtark geherrſcht, aber ſo bald
mit dem ſtarken Winde die Kaͤlte zunahm, hoͤrten ſie
auf. Bontius ſagt, zu ſeiner Zeit ſeyen die kalten Fie-
ber in Oſtindien ſehr rar geweſen; jetzt ſind ſie von allen
[5]Reiſe von Batavia nach Japan u. ſ. w.
Arten ſehr allgemein. Der Unterſchied des Grades der
Waͤrme war indeſſen bey ſchoͤnem Wetter nicht von
Erheblichkeit. Zu Batavia ſtand das Thermometer von
80 bis 86, und auf der noͤrdlichen Hoͤhe, die wir jetzt
hatten, 78 bis 79 Grad nach Fahrenheit.


Auf den letzten Sturm folgte ſtarker Regen, die-
ſer war uns nicht weniger beſchwerlich, als die Orkane.
Denn alles, was wir zur Hand hatten, war naß, und
mußte heraus gelegt, und getrocknet werden; manches
war ganz verdorben.


Die Krebſe und Blackfiſche, die ich mir ausge-
ſucht hatte, um ſie zu trocknen und aufzubewahren, ga-
ben mir gegen Abend, ſo bald es dunkel wurde, den ſchoͤn-
ſten Anblick, indem jene ſtellenweiſe, dieſe beynahe ganz
und gar, meine kleine Kajuͤte mit einem blaͤulichen phos-
phoriſchen Lichte erhelleten. Dieſer Schein hatte das
Sonderbare, daß er, beſonders an den Krebſen, nur hie
und da zu ſehen war, aber keinen Theil des Koͤrpers
ganz bedeckte, ſo daß auf der einen Seite des Schwan-
zes ein Fleck leuchtete, auf der andern nicht. Der
Schein blieb zwey Tage lang, wenn aber das Thier am
Tage aufs Verdeck genommen wurde, war nichts von
Schein zu ſehen. Mit bloßen Augen konnte ich weder
See-Ungeziefer oder ſonſt etwas, das die Urſache des
Scheins ſeyn konnte, entdecken. Wenn ich eine leuch-
tende Stelle mit dem Nagel rieb, blieb der Schein, oh-
ne ſich zu vermindern.


Die Chineſiſchen Fiſcherboͤte ſind ſehr groß und
lang, aber von duͤnnen Planken gebauet, haben ein
Verdeck, und ſind an beyden Enden abgeſtutzt. Der
Hintertheil iſt viel breiter, als der Vordertheil, und beym
Steuer offen. Sie haben einen Maſtbaum, aber nur
ein einziges Segel. Mit ſolchen Boͤten gehen vier bis
[6]Erſte Abtheilung.
fuͤnf Mann Tag und Nacht weit in die See, um zu
fiſchen. Unſre Officiere, die verſchiedne Mahl hier vor-
bey geſegelt waren, erzaͤhlten mir, daß dieſe Fiſcherboͤ-
te bey gutem Wetter bisweilen in ſolcher Menge bey ein-
ander gefunden werden, daß ſie den Horizont beynahe
verdunkeln.


Nachdem wir die Inſel, welcher die Hollaͤnder den
Nahmen Met zyn Gat (mit ihrem Loche) zu geben pfle-
gen, paſſirt waren, kamen wir in der Meerenge bey
Formoſa an. Den 29. erblickten wir die Inſel Formo-
ſa
, die vor dieſem der Hollaͤndiſchen Compagnie gehoͤrt
hat. Sie iſt lang, groß und ſehr fruchtbar. In vori-
gen Zeiten legten die nach Japan gehenden Schiffe hier
an. Dies machte die Reiſe bequemer und ſicherer, da-
gegen ſie jetzt, ſelbſt bey Stuͤrmen, keinen Hafen zum
Einlaufen haben. Der damahlige Gouverneur Coyet
uͤbergab die daſige Citadelle Zeeland im Jahr 1662 nach
einer neunmonathlichen Belagerung dem aufruͤhreriſchen
und von den Tataren aus China vertriebenen Chineſen
Coxinja. (Die Geſchichte hievon findet man in Het
Verwaarloozd Formoſa, door C. E. S.
(das verwahr-
loſete Formoſa.) Amſterdam, 1675. 4.). Jetzt ſteht
die Inſel wieder unter Chineſiſcher Botmaͤßigkeit.


Auch in dieſen Tagen hatten wir verſchiedne Stuͤr-
me mit Regen auszuſtehen, die aber doch bald voruͤber
gingen. Nur einer hielt volle drey Tage an, er war
ſehr heftig, und mit vielem Regen begleitet. Die See
ging ſehr hoch und war in ſolcher Empoͤrung, daß das
Waſſer auf das Schiff herab fiel, als wenn es beſtaͤndig
regnete. Officiere und Schiffsvolk behielten zuletzt kaum
trockne Kleider, um ſich umzuziehen, und man hatte
viel Muͤhe, das Schiff gegen Wind und Wellen auf-
recht zu halten. Mir ging es auch ſehr uͤbel. Bey
[7]Reiſe von Batavia nach Japan u. ſ. w.
den heftigen Stoͤßen und ſtetem Hin- und Herſchwanken
des Schiffs hielt ich mich meiſtens auf dem Verdecke in
freyer Luft auf. Zum Schutz gegen das heran ſtuͤrmen-
de Waſſer hatte man an einer Seite ein Segeltuch auf-
geſpannt, das auch wirklich etwas ſchuͤtzte. Dagegen
erfuhr ich ſehr bald eine andre große Unbequemlichkeit da-
von. Bey einem heftigen Stoße wurde ich von dieſer
Seite uͤber das rund erhabne ſchluͤpfrige Verdeck nach der
andern Seite geworfen, und das mit ſolcher Gewalt, daß
ich Gefahr lief, uͤber Bord zu fallen: zum Gluͤck war
die Bruſtlehne, wie auf allen Oſtindiſchen Schiffen, ſehr
hoch. Beynahe haͤtte ich aber doch das rechte Bein ge-
brochen, weil der Stoß gegen den Bord ſo heftig war;
nun kam ich noch mit einer großen Beule davon. Nach
Verlauf einiger Tage uͤberfiel uns zum fuͤnften Mahl
Sturm und Regenwetter, das vier und zwanzig Stun-
den dauerte.


Hieraus kann man ſehen, wie beſchwerlich und ge-
fahrvoll die Reiſe nach Japan, und wie unruhig und
ſtuͤrmiſch das Meer auf beyden Seiten von Formoſa iſt,
und zwar ſelbſt in der beſten Jahrszeit, der einzigen, da
Schiffe drey bis vier Monathe in einem Japaniſchen
Hafen mit Sicherheit liegen koͤnnen. Eine umſtaͤndliche
und ausfuͤhrliche Beſchreibung der Stuͤrme in dieſen
Fahrwaſſern findet man beym Kaͤmpfer. Die Com-
pagnie rechnet von fuͤnf hieher gehenden Schiffen, eins
fuͤr verlohren. Daß dies mit einer mehr als hundertjaͤh-
rigen Erfahrung uͤberein ſtimmt, kann man aus dem vor-
handnen Verzeichniſſe der verungluͤckten Schiffe ſehen,
von denen man zum Theil gar nicht weiß, wo ſie geblie-
ben ſind. In folgenden Jahren naͤmlich ſind, in je-
dem ein Schiff verlohren gegangen: 1651, 1652,
1653, 1658, 1659, 1664, 1668, 1670, 1671,
[8]Erſte Abtheilung.
1697, 1708, 1714, 1722, 1724, 1731, 1748,
1758, 1768, 1770, 1772, 1775. Im Jahr
1642 und 1669 ſind zwey und 1719 gar drey verun-
gluͤckt. Dazu kommt eins, das 1770 nach China ge-
hen mußte, ohne ſeine Reiſe fortſetzen zu koͤnnen, weil
es leck geworden war, und eins, das 1660 in einem
Gefechte mit den Chineſern in die Luft flog. Das letzte
war das mit uns abgegangene zweyte Schiff, das ſo
ſchadhaft geworden war, daß es in einen Chineſiſchen
Hafen einlaufen mußte, wo es ausgebeſſert wurde, und
von da es nach Batavia zuruͤck ſegelte.


Den 13. Auguſt fruͤh zeigte ſich die Inſel Meaxi-
ma
mit ihren hohen und ſpitzen Bergen. Am Nachmit-
tage ſahen wir ſchon Japaniſches Land. Abends um
neun Uhr gingen wir beym Eingange in den Hafen von
Nangaſaki vor Anker. Hier bilden die hohen Berge einen
runden Binnenhafen, der wie ein halber Mond geſtal-
tet iſt.


Auf den Bergen umher ſahen wir verſchiedne Vor-
poſten ſtehen. Dieſe werden auf Befehl der Japani-
ſchen Regierung dahin geſtellt, und mit Fernroͤhren ver-
ſehen, damit ſie die Schiffe von weitem entdecken und
dem Statthalter zu Nangaſaki ſo gleich von ihrer Ankunft
Nachricht geben koͤnnen. Jetzt zuͤndeten dieſe Schild-
wachen mehrere Feuer an.


Auf unſerm Schiffe waren wir heute auch ſehr ge-
ſchaͤfftig. Die Matroſen mußten ihre Bibeln und Ge-
ſangbuͤcher hergeben; dieſe wurden in einen Kaſten ge-
packt, und der Kaſten zugenagelt. Dieſer wird her-
nach den Japanern in Verwahrung gegeben, die ihn bis
zur Abreiſe behalten, da denn jeder ſein Buch wieder
bekommt. Die Abſicht iſt, zu verhuͤten, daß keine
chriſtlichen oder katholiſchen Buͤcher ins Land kommen. —
[9]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
Auf dem Verdecke ſchlug man ein Bett mit einem Him-
mel, aber ohne Gardinen, auf. Dies war fuͤr die an-
kommenden Japaniſchen Beamten beſtimmt, darauf zu
ſitzen. — Auch verfertigte man eine Muſterrolle von der
ganzen Beſatzung, die ungefaͤhr hundert und zehn Mann
und vier und dreyßig Sklaven ausmachte. Eines jeden
Alter wird in einer ſolchen Rolle angegeben, aber nicht
das Vaterland, weil alle fuͤr Hollaͤnder angeſehen werden;
diesmahl waren verſchiedne aus Schweden, Daͤnnemark,
Deutſchland, Portugal und Spanien darunter. Sie
wird hernach den Japanern eingehaͤndigt, die unmittel-
bar nach ihrer Ankunft, und in der Folge jeden Mor-
gen und Abend an den Tagen, da das Schiff geloͤſchet oder
geladen wird, und die Fahrt zwiſchen dem Schiffe und
der Factorey offen iſt, die ganze Beſatzung nach Inhalt
derſelben muſtern. Hierdurch wiſſen ſie gewiß, daß oh-
ne ihr Vorwiſſen oder Erlaubniß niemand heimlich ent-
kommen, oder aus der Factorey zuruͤck bleiben kann.


Am folgenden Tage gingen wir wieder unter Segel.
Kaum hatten wir die Anker gelichtet, als wir ein Boot
vom Lande uns entgegen kommen ſahen. Unſer Capitain
zog deswegen einen blauen, mit Silber beſetzten, ſeidnen
Rock an, der ſehr groß und weit ausgeſtopft, und vorn
vor dem Bauche mit einem großen Kiſſen verſehen war.
Dieſer Rock war ehedem ſeit langer Zeit dazu gebraucht,
Contrebande heimlich einzubringen, und auszufuͤhren,
weil der Chef und der Capitain die einzigen waren, die
nicht viſitirt wurden. Der letztere machte in dieſem ganz
voll gepfropften Rocke jeden Tag gewoͤhnlich dreymahl den
Weg vom Schiffe nach der Factorey, und zwar manch-
mahl mit Waaren ſo bepackt, daß ihn unter jedem Ar-
me ein Matroſe unterſtuͤtzen mußte, wenn er ans Land
ſtieg. Dies brachte ihm jaͤhrlich anſehnliche Summen,
[10]Erſte Abtheilung.
bisweilen mehrere Tauſend Thaler ein, nicht nur durch
das, was er fuͤr eigne, ſondern auch fuͤr Rechnung der
Officiere mitnahm. In dem gedachten Boote kamen
von der Factorey, im Nahmen des daſigen Chefs, ein
Supercargeur und drey Aſſiſtenten an, um uns zu unſ-
rer Ankunft Gluͤck zu wuͤnſchen, und ſich nach den
Schiffen, der Ladung, Neuigkeiten von Batavia und
dergleichen zu erkundigen.


Mittlerweile waren auf dem Schiffe mancherley
Arten Flaggen und Wimpel aufgezogen, um unſre Ein-
fahrt in den Hafen glaͤnzend zu machen. So bald wir
uns den beyden an jeder Seite des Hafens befindlichen
Kaiſerlichen Wachen, deren eine des Kaiſers, und die
andre der Kaiſerin Wache heißt, naͤherten, feuerten
wir die Kanonen ab, um ſie zu ſalutiren. Waͤhrend
dieſer ganzen Fahrt in einem langen und krumm her-
um gehenden Hafen hatten wir die ſchoͤnſte Ausſicht von
der Welt: rund umher ſahen wir Berge und Huͤgel, die
bis in die Spitze angebauet waren: ein Anblick der in
andern Laͤndern ſelten iſt.


Endlich kamen wir beym Ankerplatze ſelbſt an.
Hier ließen wir froh die Anker nieder, und blieben einen
Buͤchſenſchuß weit von der Stadt Nangaſaki und der da-
bey liegenden kleinen Inſel Dezima, auf welcher die
Hollaͤndiſche Factorey iſt, liegen.


Nachdem die von der Factorey an uns abgeſchick-
ten Perſonen ſich wieder an Land begeben, und die Brie-
fe der Compagnie ſo wohl als andre, mitgenommen hat-
ten, kam bald nachher der dies Jahr in Japan zuruͤck
gebliebene Chef an Bord. Er hielt ſich nur kurze Zeit
auf, und nahm den neu angekommenen Chef, den Ca-
pitain, den Supercargeur und die Aſſiſtenten mit nach
der Factorey.


[11]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.

Die Neuigkeit, welche er uns mitgebracht hatte,
war uns ſehr unangenehm. Vom Hofe waren ſehr
ſcharfe Befehle angekommen, um allen ferneren Schleich-
handel zu hemmen. Der Chef ſo wohl als der Capitain
ſollen von nun an, ohne Unterſchied wie jeder andre,
viſitirt werden, welches bis dahin nie geſchehen war;
der Capitain ſolle ſich in Zukunft wie andre kleiden, und
den weiten Oberrock, der bisher zur Befoͤrderung des
Schleichhandels gedient habe, ablegen, entweder beſtaͤn-
dig an Bord bleiben, oder, wenn er an Land gehen wol-
le, nicht die Erlaubniß haben, waͤhrend der ganzen Zeit
ſeines Aufenthalts daſelbſt, mehr als zweymahl von da ſich
auf das Schiff zu begeben. In Anſehung dieſes letzten
Punctes gab man indeſſen ſehr nach. Der Capilain
durfte ſchon am dritten Tage wieder an Bord gehen, um
das Schiff vor zwey Anker zu legen. Die Erlaubniß
hiezu gab der Gouverneur zu Nangaſaki, theils auf Bit-
ten, theils durch die Drohung bewogen, daß, wenn das
Schiff Schaden naͤhme, ſolches fuͤr des Kaiſers Rech-
nung ſeyn, und, wenn dem Kaiſer das gleichguͤltig ſeyn
ſollte, die Compagnie es gewiß raͤchen wuͤrde. Die
Veranlaſſung zu dieſem ſtrengen Befehle hatte die im
Jahr 1772 gemachte Entdeckung gegeben, da das von
den Hollaͤndern verlaſſene Schiff an die Japaniſche Kuͤſte
angetrieben kam, und man beym Ausladen fand, daß
es viele, beſonders dem Chef und dem Capitain zugehoͤri-
ge, verbothne Waaren, mit ſich fuͤhrte. Dies Schiff
war auf der Reiſe hieher ſo leck geworden, daß man es
verließ, und ſo gewiß glaubte, es muͤſſe binnen einigen
Stunden untergehen, daß man es nicht in Brand ſteck-
te, welches ſonſt in ſolchem Falle, dem Befehl der Com-
pagnie gemaͤß, geſchehen muß. Deſſen ungeachtet war
es verſchiedne Tage nach dem Lande hin umher getrieben,
[12]Erſte Abtheilung.
da denn die Japaner es entdeckt, und in den Hafen von
Nangaſaki bogſiert hatten. Da hatten dieſe nun alle
Ecken und Winkel durchſucht, und eine Menge, den vor-
nehmſten Officieren gehoͤrende, mit den am ſchaͤrfſten
verbothnen Waaren angefuͤllte, und mit ihren Nahmen
bezeichnete Kiſten entdeckt. Beſonders waren ſie uͤber
eine dem Chef zugehoͤrige Kiſte aufgebracht worden, die
mit falſchem Som, oder Ginſengwurzel, welche durch-
aus nicht eingefuͤhrt werden darf, angefuͤllt war, und
daher außerhalb des Waſſerthors der Factorey mit allem,
was ſie enthielt, verbrannt wurde. Außerdem, daß
es fuͤr den Chef ein Schimpf iſt, viſitirt zu werden, ver-
lieren der Schiffs-Capitain und alle Officiere jaͤhrlich ei-
nen betraͤchtlichen Gewinn auf ihre Waaren, und der
erſtere auch noch eine anſehnliche Summe dafuͤr, daß er
die Waaren der letzteren mitnahm. Vor dieſem hatte
der Capitain nicht nur den weiten Oberrock, ſondern
auch große weite Hoſen an, die ebenfalls mit Contreban-
de angefuͤllt waren, aber dieſe waren verdaͤchtig gewor-
den, und man hatte ſie ſchon vor mehreren Jahren able-
gen muͤſſen; nun mußte man den Rock, dieſe letzte Zu-
flucht, auch fahren laſſen. Uebrigens ſah es gar laͤcher-
lich aus, wie die meiſten Japaner unſern, nunmehr an
Dicke den gewoͤhnlichen Menſchen aͤhnlichen Capitain
mit vieler Verwunderung anſahen, da ſie ſich vorher immer
eingebildet hatten, alle unſre Schiffs-Capitaine waͤren ſo
dick und fett, als ſie ſie zu ſehen gewohnt waren.


Kaum war das Schiff vor Anker gelegt, und Nan-
gaſaki
von unſern Kanonen begruͤßt, als zwey Japaniſche
Oberbeamte (Banjoſen) und einige Unterbeamte (Un-
terbanjoſen) nebſt Dolmetſchern und Bedienten an Bord
kamen. Die Banjoſen nahmen ihren Platz auf der auf-
geſchlagnen Bettſtelle ein, worauf eine dicke Japaniſche
[13]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
Matte von Stroh, und daruͤber eine cattunene Decke
lag. Vor dem Bette ſtand ein Fußſchemel, damit man
bequem hinauf kommen konnte. Das Ganze war gegen
den Regen mit einem Zelte von Segeltuch bedeckt.
Nachdem ſie die Schuhe ausgezogen hatten, ſtiegen ſie
hinauf und ſetzten ſich, nach Landesſitte, auf die Ferſen,
und die Fuͤße untergeſchlagen. Da ſie dieſer Art zu
ſitzen gewohnt waren, konnten ſie es lange aushalten;
daß es ihnen aber endlich unbequem wurde, konnte man
daraus ſehen, daß ſie deſſen bisweilen uͤberdruͤßig wur-
den, und ſich eine Weile auf Europaͤiſche Art ſetzten.
Das Geſchaͤfft dieſer Banjoſen war, waͤhrend der ganzen
Zeit, da das Schiff auf der Rhede lag, dahin zu ſehen,
daß alle Perſonen und Guͤther, die an Land gebracht wur-
den, oder aufs Schiff kamen, genau viſitirt wurden;
die Befehle vom Gouverneur in der Stadt anzunehmen;
alle Paͤſſe und Papiere, womit Leute verſehen werden
mußten, zu unterſchreiben, und dergleichen. Ihr Zeit-
vertreib waͤhrend ihres langen und ermuͤdenden Sitzens
war, Tobak zu rauchen, bisweilen ein Paar Worte mit
einander zu ſprechen, Thee zu trinken, und ein Glas
Europaͤiſchen Branntwein zu nehmen. Zu dieſem En-
de ließ der Schiffs-Capitain zwey kryſtallne Flaſchen
mit verſchiednen Liqueuren, und zwey geſchliffne kryſtall-
ne Glaͤſer, wie auch Confect auf einem Teller, auf-
ſetzen, wiewohl ſie nicht viel Liqueur trinken, ſondern meiſt
nur davon probiren.


Als alles Salutiren mit den Kanonen vorbey war,
ſollte nach Gewohnheit das uͤbrige Pulver, nebſt den
Kugeln, allem Gewehr, und der oben gedachten Buͤ-
cherkiſte den Japanern in Verwahrung gegeben werden.
Man uͤberlieferte ihnen eine gewiſſe Quantitaͤt Pulver,
ſechs Kiſten mit Kugeln, ſechs Musketen, ſechs Piſto-
[14]Erſte Abtheilung.
len, ſechs Saͤbel und ſechs Bajonette, und bildete ih-
nen ein, dies ſey unſer ganzer Vorrath von Ammunition.
Es wurde in einem Packhauſe verwahrt, bis das
Schiff bey ſeiner Ruͤckreiſe die Rhede verließ, da die
Japaner es von ſelbſt zuruͤck gaben. Auch das Schiffs-
boot und die Sch[a]lupen nahmen ſie in ſichere Verwah-
rung, und weder Perſonen noch Sachen konnten anders
als mit Japaniſchen Boͤten und Japaniſchen Seeleuten
hin- und herkommen. Dieſe Maaßregeln befolgen die
Japaner bey jedem Hollaͤndiſchen Schiffe. Vor dieſem
nahmen ſie ſo gar auch das Steuerruder, die Segel und
die Kanonen mit an Land ins Packhaus, welches ihnen
aber unſaͤgliche Laſt machte; jetzt ſind ſie ſo vernuͤnftig,
dieſe Sachen nicht anzuruͤhren. Wenn nun die Japa-
ner uns voͤllig entwaffnet zu haben glauben, laſſen ſie die
Muſterung auf dem Schiffe das erſte ſeyn, die ſie her-
nach an den Tagen, da geloͤſcht oder geladen wird, Mor-
gens und Abends wiederhohlen. Sie zaͤhlen dabey nur
bis zehn, und fangen immer wieder mit Eins an, eben
ſo zaͤhlen ſie bey Guͤthern und Sachen. Jedesmahl wird
genau angeſchrieben, wie viel Mann an Land gegangen,
wie viele krank, und wie viel auf dem Schiffe anwe-
ſend ſind. An allen den Tagen, da etwas ein- oder aus-
geſchiffet wird, ſind Oberbanjoſen, Unterbanjoſen, Dol-
metſcher, Schreiber und Beſucher am Bord, bis gegen
Abend, da ſie ſaͤmmtlich ans Land gehen, und den Eu-
ropaͤern auf dem Schiffe Freyheit laſſen. Bey ſolchen
Gelegenheiten laͤßt man allezeit die Flaggen auf dem
Schiffe ſo wohl, als auf der Factorey, wehen. Wenn
beyde Schiffe gluͤcklich angekommen ſind, wird auf jedem
einen Tag um den andern gearbeitet.


Damit weder die Hollaͤnder ſelbſt vom Schiffe,
noch die Japaner dahin kommen koͤnnen, um, beſonders
[15]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
des Nachts, unter Beguͤnſtigung der Dunkelheit, und
da keine Japaniſchen Officiere am Bord ſind, heimlich
Handel zu treiben, werden verſchiedne große Wachſchiffe
in einiger Entfernung rund um das Schiff gelegt, und
außerdem muͤſſen mehrere kleine Boͤte bey Nachtzeit alle
Stunden ſehr nahe um das Schiff herum rudern.


Unter dem erſten, das an Land gebracht wurde,
waren die von Batavia mitgebrachten Kaͤlber, Ochſen,
Schweine, Ziegen, Schafe und Hirſche. Die Japa-
ner haben gar keine Schafe, auch keine Schweine.
Ochſen und Kuͤhe ſind auch etwas ſeltnes, und dazu un-
gemein klein, werden auch nur bisweilen zum Ackerbau
gebraucht; das Fleiſch iſſet der Japaner nicht, auch
macht er ſich die Milch auf keine Art zu Nutze. Weil
daher die Europaͤer hier dieſe Arten Vieh zum Schlach-
ten nicht kaufen koͤnnen, ſehen ſie ſich genoͤthigt, ſo wohl
zu friſcher Proviſion, auf der Factorey, als auch zum
Behuf der Schiffe bey der Abreiſe, dergleichen mitzu-
bringen. Dies Vieh ſteht beſtaͤndig auf der Inſel auf
dem Stalle, der im Sommer offen, im Winter zuge-
ſchloſſen iſt. Es wird mit Gras und Laub gefuttert, das
taͤglich dreymahl von Japaniſchen Knechten rund um die
Stadt geſammelt und hergebracht wird. Des Winters
beſteht das meiſte Futter in etwas Reiß und in Zweigen
von Baͤumen, auch Stroh von ausgedroſchnem Reiß.
Ich pflegte dies Futter, jedesmahl ſo wie es gebracht wurde,
zu durchſuchen, und die darunter befindlichen ſeltnen
Gewaͤchſe heraus zu nehmen, die ich hernach trocknete
und in Herbarien ſammelte; denn auf dem Felde durfte
ich dergleichen ſelbſt nicht ſammeln.


In den folgenden Tagen wurden die Kleidungs-
ſtuͤcke und Meublen der Officiere, nebſt ihrem Vorrath
von Eßwaaren, Wein, Bier, und was ſonſt Privat-
[16]Erſte Abtheilung.
Perſonen gehoͤrt, und nicht verkauft werden ſoll, an Land
gebracht. Dies muß allezeit beſonders geſchehen, ehe
irgend etwas von Handelswaaren ausgeladen werden
darf. Man pflegt es in den drey erſten Tagen zu thun.


Den 4. September wurde das Schiff von den Ja-
panern viſitirt, nachdem alles, was nicht verkauft wer-
den ſollte, ans Land geſchafft war. Alle von Privat-
Perſonen zum Verkauf bereits angegebene Waaren, wur-
den heute abgeſchickt; vergaß jemand in der Eile etwas,
ſo durfte er es hernach nicht ans Land bringen, noch ver-
kaufen. Die Viſitation geſchah allenthalben, und zwar
ſehr genau, außer ganz unten und in der Pulverkam-
mer. Der uͤbrige Theil dieſes Monaths wurde zum Loͤ-
ſchen der Waaren der Compagnie angewandt.


Beym Ein- und Ausladen zu helfen, wie auch die
Boͤte hin- und herzurudern, ſind eine Menge Arbeits-
kerl (K[u]li) beſtellt, nebſt andern, die uͤber dieſe die Auf-
ſicht haben. Dieſe Leute haben zur Gewohnheit, alle-
zeit, wenn ſie etwas aufheben oder tragen ſollen, im-
gleichen wenn ſie rudern, zu ſingen, und zwar jedes-
mahl nach einem gewiſſen Tacte, in einem gewiſſen Tone
und mit anpaſſenden aufmunternden Worten. In vo-
rigen Zeiten nahmen die Hollaͤnder ſich die Freyheit, die-
ſe Arbeitsleute, die von der geringern Volks Claſſe ſind,
fuͤr begangne Fehler abzuſtrafen und zu ſchlagen; jetzt
aber iſt dies, als etwas, das die Nation fuͤr ſchimpflich
haͤlt, gaͤnzlich und bey ſchwerer Strafe von der Regie-
rung verbothen. Wenn ein Europaͤer vom Schiffe ans
Land geht, oder umgekehrt, er habe Sachen mit, oder
nicht, ſo geht allezeit ein Bedienter mit, und er muß ei-
nen Paß bey ſich haben, worauf ſein Nahme, ſeine Uhr
und was er ſonſt bey ſich hat, aufgeſchrieben iſt.


So
[17]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.

So bald das Schiff zur Haͤlfte geloͤſchet war, fing
man ſchon wieder an zu laden, und zwar Kupfer in Staͤ-
ben, das in hoͤlzernen Kiſten lag. Dies Jahr, da nur
ein Schiff hieher gekommen war, brachte man in daſſel-
be anderthalb ſo genannte Laſten Kupfer, oder 6700 Ki-
ſten, jede ein Pikel oder 125 Pfund ſchwer.


An den Tagen, da keine Ein- oder Ausſchiffung
geſchieht, kommen weder Japaniſche Beamte noch andre
Japaner an Bord. Auch die Hollaͤnder ſelbſt kommen
an ſolchen Tagen weder nach dem Schiffe, noch davon.
Das Waſſerthor der Stadt iſt alsdann auch verſchloſſen.
Wenn eine wichtige Urſache es nothwendig macht, daß
ein Officier, zum Beyſpiel der Capitain oder der Doctor,
ſich nach dem Schiffe begeben muß, welches man vom
Schiffe durch Aufziehen der Flagge zu erkennen giebt,
ſo muß die Erlaubniß dazu vom Gouverneur in der
Stadt geſucht werden. Wird ſie gegeben, ſo wird den-
noch das Waſſerthor nicht geoͤffnet, ſondern man wird
von Dolmetſchern und Beamten durch einen kleinen
Theil der Stadt nach einer kleinen Bruͤcke begleitet, von
wo man, nach vorgaͤngiger ſehr genauer Viſitation, in
einem Boote nach dem Schiffe gebracht wird. Jene
Leute ſteigen jedoch nicht ſelbſt mit aufs Schiff, ſondern
warten in ihren Boͤten, bis man ſein Geſchaͤfft verrichtet
hat. Alsdann wird man auf gleiche Art und auf dem
naͤmlichen Wege wieder nach der Factorey gefuͤhrt. In
der Stadt ſammelt ſich waͤhrend dieſes Aufzuges allezeit
eine Menge Volk, den Europaͤer zu beſchauen, und ein
zahlreicher Schwarm Kinder, die uͤber die großen run-
den Augen deſſelben, durch ihr Geſchrey Hollanda O-Me
ihre Verwunderung bezeigen.


Einmal bekamen wir auf dem Schiffe Beſuch von
einigen Fuͤrſten und beyden Gouverneuren der Stadt.
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. B
[18]Erſte Abtheilung.
Neubegierde trieb ſie zu uns, unſer Admiral-Schiff zu be-
ſehen, das ein ſehr großer und zugleich ſehr ſchoͤner Drey-
decker war, dergleichen ſeit vielen Jahren in Japan nicht
geweſen war. Einer der Dolmetſcher behauptete, waͤh-
rend der dreyßig Jahre, die er auf der Factorey gedient,
habe er nie ein ſo großes und praͤchtiges Hollaͤndiſches
Schiff geſehen.


In dieſen Tagen geſchah es auch, daß wir einen
unſrer Matroſen verlohren, der nebſt andern Kranken in
das auf der Inſel befindliche Krankenhaus gebracht war.
Man zeigte dem Gouverneur von Nangaſaki den Todes-
fall an, und bekam Erlaubniß zur Beerdigung. Die
Leiche wurde von dazu verordneten Japanern ſehr genau
viſitirt, darauf in einen breternen Sarg gelegt, und von
den Japanern ſelbſt auf die andre Seite des Hafens ge-
bracht, und in die Erde gegraben. Einige wollten be-
haupten, ſolche Todte wuͤrden von den Japanern wieder
ausgegraben und verbrannt; ich habe hievon aber nichts
gewiſſes erfahren koͤnnen.


Zoͤlle kennt man in Japan nicht, weder im Lande,
noch an den Kuͤſten; und Zollabgaben werden niemahls,
weder von ein- noch ausgehenden Waaren, weder von
Fremden noch Einheimiſchen gefordert. Ein ſehr wich-
tiger Vorzug, den dies Land vor ſo vielen andern hat.
Damit aber keine verbothne Waaren heimlich eingebracht
werden moͤgen, wird die ſtrengſte Aufſicht gehalten, und
Menſchen und Sachen ſo genau durchſucht, daß es alle
Vorſtellung uͤbertrifft. Geht ein Europaͤer ans Land, ſo
wird er zuerſt auf dem Schiffe, und hernach, ſo bald er
ans Land kommt, viſitirt. Dieſe gedoppelte Viſitirung
iſt ſehr ſcharf. Man befuͤhlt die Taſchen, und ſtreicht
mit den Haͤnden an den Kleidern den Leib und die Lenden
herab; nicht genug: bey geringen Leuten durchſucht man
[19]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
ſo gar die heimlichen Oerter, und bey den Sklaven die
Haare auf dem Kopfe. Auf gleiche Weiſe werden auch
alle Japaner, die an Bord kommen, viſitirt, und nie-
mand iſt davon ausgenommen, als die Ober-Banjoſen.
Alle Sachen, die ein- oder ausgeſchifft werden, ſind eben
einer ſolchen zwiefachen Durchſuchung, am Bord naͤmlich
und auf der Factorey, unterworfen, nur große Kiſten
nicht; dieſe werden auf der Factorey ausgepackt, und ſo
genau unterſucht, daß man ſo gar gegen die Breter
ſchlaͤgt, ob ſie etwa hohl ſind. Die Betten werden
nicht ſelten aufgeſchnitten und die Federn umgeruͤhrt; in
die Buttergefaͤße und Confituͤr-Kruken werden duͤnne ei-
ſerne Stangen geſteckt; oben in die Kaͤſe wird ein vier-
eckiges Loch geſchnitten, und mit einem langen ſpitzigen
Eiſen von da der ganze Kaͤſe nach allen Seiten durch-
ſtochen. Ihr Argwohn ging diesmahl ſo weit, daß ſie
von den Eyern, welche wir bey uns hatten, eins und
das andre nahmen und entzwey ſchlugen. Eben dieſe
Strenge wird beobachtet, wenn man von der Factorey
nach dem Schiffe, oder aus der Stadt Nangaſaki nach
der Inſel Dezima, und umgekehrt, geht. Die Uhr
muß man aus der Taſche ziehen und vorzeigen, und ſie
wird jedesmahl angeſchrieben. Bisweilen wird auch der
Hut viſitirt. Geld und Muͤnze darf von Particuliers
gar nicht eingefuͤhrt werden, ſondern es wird meiſtens
bis zur Abreiſe in Verwahrung genommen. Briefe
duͤrfen nicht einmahl verſiegelt nach oder von dem Schif-
fe geſchickt werden, ſondern man oͤffnet ſie, und die Dol-
metſcher muͤſſen ſie ſo gar bisweilen leſen; das geſchieht
auch wohl mit andern Papieren. Religions-Buͤcher,
beſonders mit Kupferſtichen, einzubringen, iſt ſehr gefaͤhr-
lich. Buͤcher andrer Art koͤnnen die Europaͤer zu ihrem
eignen Gebrauche, ſo viel ſie wollen, einfuͤhren; in An-
B 2
[20]Erſte Abtheilung.
ſehung dieſer war das Viſitiren am wenigſten genau: ſie
ſahen nur einige an. Lateiniſche, Franzoͤſiſche, Schwe-
diſche und Deutſche Buͤcher gehen uͤberhaupt beſſer, als
Hollaͤndiſche, durch, weil die Dolmetſcher ſie nicht ver-
ſtehen. Waffen und Gewehr duͤrfen zwar nicht einge-
bracht werden; man erlaubte uns aber doch noch, unſre
Degen mitzunehmen. Uebrigens ſitzen am Waſſertho-
re von Dezima, wenn etwas aus- oder eingeſchifft wird,
eben ſo als auf dem Schiffe, allezeit Ober- und Unter-
Banjoſen, und Ober- und Unter-Dolmetſcher, vor deren
Augen alles durchſucht wird. Und damit die Europaͤer
nicht im Stande ſeyn moͤgen mit den Beſuchern Bekannt-
ſchaft zu machen, werden dieſe ſo oft umgewechſelt, daß
dazu keine Gelegenheit iſt.


An dieſem uͤbertriebenen Viſitiren, deſſen Strenge
bey verſchiednen Gelegenheiten ſo zugenommen hat, daß
ſie nun zu ihrer groͤßten Hoͤhe geſtiegen iſt, ſind die Hol-
laͤnder ſelbſt Schuld. Die weiten Hoſen und der unge-
heure Rock des Capitains, und hundert andre Kunſt-
griffe wurden angewandt, verbothne Sachen heimlich
nach der Factorey zu bringen, und die Dolmetſcher, die
vormahls gar nicht viſitirt wurden, brachten die Contre-
bande-Waaren allmaͤhlig nach der Stadt, wo ſie fuͤr
baares Geld verkauft wurden. Oft machte man dies ſo
fein, daß man dergleichen Sachen vorn in die Hoſen
und in die Haare ſteckte. Vor einigen Jahren fanden
die Japaner bey einem Schiffs-Unterbedienten einen Pa-
pagey in den Hoſen, wo er waͤhrend der Viſitirung an-
fing zu ſprechen, und dadurch entdeckt wurde. Dies-
mahl traf man bey einem Aſſiſtenten in den Unterhoſen
verſchiedne Thaler und Dukaten verſteckt.


Hiezu kommt der Hochmuth, den einige unverſtaͤn-
dige Officiere gegen die Japaner auf eine ſehr unvorſichti-
[21]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
ge Art blicken laſſen, indem ſie ihnen zur Unzeit wider-
ſprechen, ſie uͤber die Achſel anſehen, ſie auslachen und
ihnen veraͤchtlich begegnen. Dies erzeugt bey den Ja-
panern Haß und Verachtung: dieſe Verachtung nimmt
ſehr zu, wenn ſie ſehen, wie unfreundſchaftlich und un-
hoͤflich die Europaͤer nicht ſelten mit einander ſelbſt um-
gehen, und wie barbariſch ſie ihre Matroſen mit Fluchen,
Pruͤgeln und andern Grauſamkeiten behandeln. Dies
alles hat denn die Japaner von Jahr zu Jahr mehr ge-
reitzt, die Handelsfreyheit der Hollaͤnder einzuſchraͤnken,
und ſie ſo genau und ſcharf viſitiren zu laſſen, daß ſie
mit den ausgedachteſten Kniffen kaum im Stande
ſind, Leuten von einer ſo wachſamen Nation die Augen
zu blenden.


Alle dieſe Anſtalten ſollen gleichwohl nur den eigent-
lichen Schleichhandel, nicht aber den Privat-Handel
hindern, ſondern jedermann kann alles, was verkauft wer-
den darf, und wozu ſich Kaͤufer finden, ja ſo gar ſolche
Sachen, die nicht verkauft werden duͤrfen, einbringen,
wofern es nur nicht heimlich geſchieht. Nur mit Suma-
traſchem Kampfer und mit Schildkroͤten-Schalen duͤrfen
Privat-Perſonen nicht handeln, weil das ein ausſchließen-
des Recht der Compagnie iſt. Die Urſache, warum
Particuliers ſolche Waaren, deren Verkauf in oͤffentlicher
Auction nicht verbothen iſt, ſo gern heimlich herein brin-
gen, iſt die, daß ſie fuͤr das, was vermittelſt der Auction
verkauft wird, kein baares Geld bekommen, ſondern an-
dre Waaren zur Bezahlung nehmen muͤſſen. Dieſe be-
ſtehen entweder in Porcellain, oder in lackirten Sachen,
und ſind, weil dergleichen jaͤhrlich mitgebracht werden,
zu Batavia ſo wohlfeil, daß man bisweilen weniger da-
fuͤr bekommt, als man dafuͤr bezahlt hatte. Hingegen
wenn die Sachen heimlich verkauft werden, ſo bekommt
[22]Erſte Abtheilung.
man oft noch einmahl ſo viel als ſonſt, und zwar in klin-
gender Goldmuͤnze.


Vor einigen Jahren, da der Schleichhandel noch
im Flor war, wurde zwar das meiſte durch die Dol-
metſcher von der Factorey nach der Stadt gebracht;
manchmahl warf man aber auch die Waaren uͤber die
Mauer von Dezima und nahm ſie in einem dazu beſtell-
ten Japaniſchen Boote in Empfang. Verſchiedne Mahl
ſind Dolmetſcher und andre Japaner hiebey ertappt und
meiſtens am Leben geſtraft. Auch die Hollaͤnder haben
von jeher, wenn man Schleichhandel entdeckt hat, an-
ſehnliche Geldſtrafe bezahlen muͤſſen, die in neuern Zei-
ten ſo erhoͤhet iſt, daß ein Europaͤer, wenn er betroffen
wird, zwey hundert Katjes Kupfer erlegen muß, und
auf immer Landes verwieſen wird. Ueberdem werden
fuͤr Rechnung der Compagnie alsdann zehn tauſend Kat-
jes Kupfer abgezogen, und wenn die Sache entdeckt
wird, nachdem das Schiff ſchon die Rhede verlaſſen hat,
muß ſo wohl der Chef als der Capitain zwey hundert
Katjes Kupfer Strafe geben.


Die Waaren der Compagnie ſind keinem Viſitiren
unterworfen, ſondern werden ſo gleich nach den Packhaͤuſern
gebracht, welche von den Japanern verſiegelt werden,
und wo ſie liegen bleiben, bis man ſie abhohlt, um ſie
zu verkaufen.


Die Dolmetſcher ſind alle gebohrne Japaner und
ſprechen mehr oder weniger fertig Hollaͤndiſch. Keinem
Auslaͤnder erlaubt die Regierung, die Sprache zu ler-
nen, damit niemand in den Stand geſetzt werde, irgend
Kenntniß des Landes zu bekommen. Dagegen haͤlt ſie
vierzig bis funfzig Dolmetſcher, die auf der Factorey
beym Handel und andern Gelegenheiten die Hollaͤnder
bedienen muͤſſen. Sie werden gemeiniglich in drey Claſ-
[23]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
ſen getheilt. Die aͤlteſten, welche das Hollaͤndiſche am be-
ſten ſprechen, bekommen den Nahmen Ober-Dolmetſcher;
die, welche es nicht ſo gut ſprechen, heißen Unter-Dolmet-
ſcher; und diejenigen, welche es noch weiter lernen muͤſ-
ſen, nennt man Lehrlinge. Vor dieſem unterrichteten
die Hollaͤnder ſelbſt die Japaniſchen Lehrlinge; beſonders
war dies das Geſchaͤfft des Arztes; jetzt aber bekommen
ſie den Unterricht von den aͤltern Dolmetſchern. Die
Lehrlinge hatten ehemahls auch die Freyheit, nach Belie-
ben auf die Factorey und in die Zimmer der Hollaͤnder
zu kommen; allein nunmehr duͤrfen ſie nicht eher und
oͤfter hinkommen, als ſie wirklich gebraucht werden,
und alsdann gehen allezeit ein oder zwey Ottona mit.
Auch haben ſie allezeit etliche Schreiber mit ſich, die an-
ſchreiben, was ein- und ausgeladen wird, und Paͤſſe und
dergleichen ſchreiben muͤſſen. Die Dolmetſcher ovan-
ciren ſo wohl im Range als in Einkuͤnften nach der An-
ciennitaͤt, ohne zu andern Bedienungen genommen zu
werden. Ihre Amtspflicht iſt, daß, gewoͤhnlich einer,
bisweilen zwey, von jeder Claſſe zugegen ſeyn muͤſſen,
wenn die Japaner und Hollaͤnder, es betreffe den
Handel, oder andre Gegenſtaͤnde, etwas mit einan-
der abzumachen haben. Sie dolmetſchen entweder
muͤndlich oder ſchriftlich, wenn beym Statthalter, bey den
Beamten oder andern, etwas zu ſuchen, zu klagen, oder
ſonſt anzubringen iſt. Auch muͤſſen ſie bey den Viſiti-
rungen auf dem Schiffe ſo wohl, als auf der Factorey zu-
gegen ſeyn, ingleichen auf der Reiſe nach Hofe mitge-
hen. Von den aͤlteren unter ihnen ſprechen einige das
Hollaͤndiſche, wenn von gewoͤhnlich vorkommenden Ge-
genſtaͤnden die Rede iſt, ziemlich fertig und verſtaͤndlich.
Weil aber die Japaniſche Sprache in Ausdruͤcken ſo wohl
als in Wortfuͤgungen von den Europaͤiſchen ſo ſehr ab-
[24]Erſte Abtheilung.
weicht, ſo hoͤrt man gar oft von ihnen recht laͤcherliche
Ausdruͤcke und ſonderbare Redensarten. Manche ler-
nen es nie richtig ſprechen. Wenn ſie Hollaͤndiſch ſchrei-
ben, gebrauchen ſie ſtatt der Feder ihren gewoͤhnlichen
Pinſel, ihren Tuſch und ihr eignes Papier, ſchreiben
aber doch nach Europaͤiſcher Art von der Linken zur Rech-
ten, und zwar meiſtens ſehr anſehnliche und ſchoͤne Ita-
liaͤniſche Buchſtaben.


Die Dolmetſcher ſind ſehr große Liebhaber von Eu-
ropaiſchen Buͤchern und verſchaffen ſich deren jaͤhrlich eins
oder mehrere von den ankommenden Kaufleuten. Sie
beſitzen ſie nicht nur, ſondern leſen auch fleißig darin,
und behalten ſehr gut, was ſie daraus gelernt haben.
Ueberhaupt laſſen ſie es ſich ſehr angelegen ſeyn, von den
Europaͤern etwas zu lernen, und nach allem, beſonders
was ins mediciniſche, phyſikaliſche und naturhiſtoriſche
Fach ſchlaͤgt, zu fragen: ſie fragen ſo unglaublich viel
und ſo mancherley, daß man deſſen oft ſehr muͤde wird.
Die meiſten legen ſich foͤrmlich auf die Arzneywiſſen-
ſchaft; dieſe ſind auch die einzigen, welche ſie nach Eu-
ropaͤiſcher Methode und mit Europaͤiſchen Arzneymitteln
ausuͤben. Hiedurch bekommen ſie nicht nur Gelegenheit
Geld zu verdienen, ſondern erwerben ſich auch etwas
mehr Anſehen. Bisweilen nehmen ſie ſo gar Schuͤler in
dieſer Wiſſenſchaft an. So wohl ihre Kenntniſſe als
die Arzneyen bekommen ſie von den Hollaͤndiſchen
Aerzten.


So bald ich ans Land geſtiegen war, ließ ich meine
erſte Sorge ſeyn, mir die Bekanntſchaft der Dolmet-
ſcher zu verſchaffen, und mich, ſo viel moͤglich war, bey
den Beamten, welche ſich ſehr oft auf unſrer kleinen
Handels-Inſel einfanden, in Gunſt zu ſetzen. Dies ge-
lang mir auch. Denn mein Betragen gegen die Japa-
[25]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
ner war ſehr freundſchaftlich und aufrichtig. Als Arzt
aber hatte ich beſonders verſchiedne erwuͤnſchte Gelegen-
heiten dazu. Es traf ſich oft, daß ich ihnen oder ihren
zu Hauſe gelaßnen Kranken, Angehoͤrigen und Freun-
den mit nuͤtzlichem Rath und heilſamen Medicamenten
an Hand gehen konnte. Den Nutzen meiner medicini-
ſchen Kenntniſſe ſahen ſie noch mehr ein, als ich nach
und nach unter den in ihrem eignen Lande wild wachſenden
Gewaͤchſen verſchiedne ſehr wirkſame Arzneymittel ent-
deckte. Und weil ich nicht zu der handelnden Claſſe ge-
hoͤrte, war ich weniger verdaͤchtig als andre.


So wohl durch die Dolmetſcher als die auf der In-
ſel oft befindlichen Beamten ſuchte ich mir eine Freyheit
zu verſchaffen, die ſonſt keinem Europaͤer ertheilt wird,
naͤmlich auf dem Felde um die Stadt zu botaniſiren.
Anfangs ſchien meine Bemuͤhung ziemlich zu gluͤcken,
und ich erhielt wirklich die Erlaubniß des Gouverneurs;
in kurzem aber wurde ſie wieder aufgehoben. Die Urſa-
che davon war ſehr laͤcherlich. Die Japaner ſind in Ruͤck-
ſicht auf die Europaͤer ſehr argwoͤhniſch, und der Statt-
halter ſcheuet ſich ungemein, ihnen etwas zu bewilligen,
wovon man vorher noch kein Exempel hat. Wie ich
nun um Verſtattung botaniſcher Excurſionen anſuchte,
ſahe man in den Tagebuͤchern nach, ob ein Hollaͤnder ir-
gend vorher dergleichen Freyheit gehabt habe. Man
fand, daß vor langer Zeit, als viele Krankheiten graſſirt,
und es an Arzneymitteln zu fehlen angefangen hatte, ein
Chirurgus in der Gegend der Stadt umher gewandert
war, um dergleichen zu ſuchen, und bewilligte mein Ge-
ſuch ohne Bedenken. Hernach aber bey genauerer Un-
terſuchung zeigte es ſich, daß jener nur Unter-Feldſcher
geweſen ſey, mir alſo als Ober-Feldſcher dergleichen Er-
laubniß nicht zu Theil werden koͤnne. Ein ſo kleiner Um-
[26]Erſte Abtheilung.
ſtand iſt oft ſehr bedeutend in den Augen der Japaner,
die mit dem moͤglichſten Eifer ihre Pflichten zu erfuͤllen
ſuchen, und den Geſetzen ihres Regenten blinden Gehor-
ſam leiſten, ohne in ihren Sinn einzudringen, ſie gehoͤ-
rig zu erklaͤren, und nach Beſchaffenheit der Umſtaͤnde
zu aͤndern oder neue zu machen. Fuͤr mich war jener
Umſtand auch von nicht geringer Erheblichkeit. Von
allen mir bisher zugeſtoßnen Widerwaͤrtigkeiten hatte ich
keine ſo ſehr gefuͤhlt, als dieſe. Ich ließ indeſſen noch
nicht alle Hoffnung ſinken, ſo ſehr ich mich auch graͤmte,
daß der Herbſt vielleicht ungenutzt vorbey gehen wuͤrde.
Mittlerweile munterte ich die Dolmetſcher, welche ich
taͤglich in der Medicin und Chirurgie unterwies, auf, aus
der ganzen Gegend von allen Gewaͤchſen, Blaͤtter, Blu-
men und Samen zu bringen. Auch ſuchte ich ſo wohl
ſie, als die Beamten zu uͤberzeugen, daß zwiſchen einem
Ober- und Unter-Feldſcher wenig oder gar kein Unterſchied
ſey, daß ein Ober-Feldſcher vorher Unter-Feldſcher gewe-
ſen ſeyn muͤſſe, und daß, ſo bald jener ſterbe, dieſer ſo
gleich ſeinen Platz einnehme. Dies wirkte ſo viel, daß ich
die Verguͤnſtigung des Gouverneurs wieder bekam, aber
ſo ſpaͤt, daß ich nicht eher, als im Anfange des Fe-
bruars Gebrauch davon machen konnte.


Waͤhrend dieſer Zeit ſuchte ich mir einige Kennt-
niß der Japaniſchen Sprache zu erwerben, obgleich dies
ſcharf verbothen iſt, und die Schwierigkeiten dabey ge-
genwaͤrtig weit groͤßer, als je vorher waren. Ich erkun-
digte mich daher bey den Dolmetſchern, ob keine gedruck-
ten Woͤrterbuͤcher oder andre Huͤlfsmittel dazu vorhanden
waͤren. Nach vielem vergeblichen Nachfragen trieb ich
endlich ein altes Lateiniſch-Portugieſiſch-Japaniſches
Dictionnaire auf, wobey die Portugieſiſchen Geiſtlichen
Calepins bekanntes Lexicon zum Grunde gelegt hatten.
[27]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
Das Titelblatt fehlte ganz, und ich konnte die Jahrzahl
des Drucks nicht ausfindig machen. Aus der Vorrede
aber ſahe ich, daß die Societas fratrum Europaeorum
ſimul et lapanicorum
es in Japan gemeinſchaftlich aus-
gearbeitet hatte. Das Buch war in Quart, auf Ja-
paniſches Papier gedruckt, und enthielt außer dem Titel-
blatte, und dem letzten Blatte, worauf die Druckfehler
ſtanden, 906 Seiten. Es ſah alt aus, und war auch
an einer Ecke etwas verbrannt. Einer der aͤlteren Dol-
metſcher beſaß es als ein Erbſtuͤck von ſeinen Vorfahren
in der Familie. Es mußte wohl eine gar große Raritaͤt
ſeyn, weil weder ich noch der Hollaͤndiſche Chef auf kei-
ne Art und fuͤr keinen Preis es durch Tauſch oder Kauf
an uns zu bringen im Stande waren.


Nun einige topographiſche Nachrichten. Der Ha-
fen von Nangaſaki iſt ungefaͤhr eine Meile lang, und vier
Buͤchſenſchuͤſſe breit, und kruͤmmt ſich an der einen Sei-
te etwas ins Land hinein. Er erſtreckt ſich von Suͤden
nach Norden, hat Modergrund, und iſt ſo tief, daß
die Schiffe ſich in der Naͤhe eines Flintenſchuſſes gegen
die Factorey legen koͤnnen. Ebbe und Fluth iſt im Ha-
fen ſehr ſtark. Die Berge umher ſind ſehr ſteil, und
der Strand iſt abſchuͤſſig. Im Hafen trifft man eine
Menge großer und kleiner Japaniſcher Fahrzeuge an,
manchmahl uͤber hundert, die große Anzahl aus den um-
her liegenden Gegenden dahin kommender Fiſcherboͤte un-
gerechnet. Bey unſrer Ankunft fanden wir auch eilf
Chineſiſche Fahrzeuge (lonke), die ſo dicht am Lande la-
gen, daß ſie zur Zeit der Ebbe nur den Schlammgrund
unter ſich hatten. Einige bekamen bald hernach ihre La-
dung und ſegelten ab; aber ſieben blieben den Winter
uͤber liegen. Jedes dieſer Fahrzeuge iſt gewoͤhnlich von
einer großen Menge Leute beſetzt, manchmahl von ſieb-
[28]Erſte Abtheilung.
zig bis achtzig. Daher kommts, daß des Winters hier
jaͤhrlich ungefaͤhr ſechs hundert Mann zuruͤck bleiben, die
ſich auf einer zur Seite der Hollaͤndiſchen Factorey außer-
halb der Stadt liegenden Inſel aufhalten. Der Hafen
bey Nangaſaki iſt der einzige im ganzen Reiche, wo
fremde Schiffe vor Anker gehen duͤrfen. Wird ein frem-
des Schiff durch Sturm oder Ungluͤcksfaͤlle an die Japani-
ſche Kuͤſte getrieben, oder iſt es genoͤthigt, anderswo einzu-
laufen, ſo wird davon ſo gleich Bericht an den Hof zu Je-
do
abgeſtattet, und das Schiff nach Nangaſaki gewieſen.


Die Stadt Nangaſaki iſt eine von den fuͤnf ſo ge-
nannten Reichsſtaͤdten, und durch ihren Handel mit
Auslaͤndern eine der anſehnlichſten Handelsſtaͤdte im Rei-
che. Sie gehoͤrt dem weltlichen Kaiſer allein, die Ein-
kuͤnfte aus derſelben fließen in ſeine Schatzkammer, und
ein Statthalter uͤbt in ſeinem Nahmen den Oberbefehl
darin aus. In ehemahligen Zeiten reſidirten hier zwey
Gouverneure; heutiges Tages ſind zwar auch allezeit
zwey beſtellt, aber nur einer iſt am Regiment, und ſie loͤ-
ſen einander jaͤhrlich im October ab. Der dienſtfreye rei-
ſet jedesmahl nach Jedo, und bringt ſeine muͤßige Zeit da-
ſelbſt bey ſeiner Familie zu, die waͤhrend ſeiner Anweſen-
heit zu Nangaſaki, allezeit als Unterpfand ſeiner Treue, da
bleiben muß. Die jaͤhrliche Beſoldung eines Statthalters
betraͤgt ungefaͤhr zehn tauſend Thaler, wozu noch manche
außerordentliche Einnahme kommt. Indeſſen kann er,
theils wegen der Geſchenke, die er bey Hofe machen muß,
und andrer Ausgaben, die er da hat, theils wegen der Men-
ge hoher und niedriger Bedienten, die er auf eigne Koſten
halten muß, nicht viel davon eruͤbrigen. Der Gouverneur
hat den hoͤchſten Befehl nicht nur in der Stadt, ſondern
auch uͤber die beyden, die Hollaͤndiſche und die Chineſiſche,
Factoreyen. Die Stadt ſelbſt iſt auf allen Seiten land-
[29]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
waͤrts mit hohen, nach dem Hafen ſich herab ſenkenden
Bergen umgeben, und von ganz anſehnlichem Umfange.


Die Stadt iſt offen, und hat weder Wall und
Graben, noch eine Citadelle. Die Gaſſen ſind krumm.
Durch die Stadt gehen einige Kanaͤle, die das Waſſer
von den umliegenden Bergen ſammeln und ableiten, und
ſich ganz bis zum Hafen herab erſtrecken. An jedem Ende
der Straßen iſt ein hoͤlzernes Thor, das zugeſchloſſen und
dadurch alle Gemeinſchaft mit andern Straßen abgeſchnit-
ten werden kann. Des Nachts ſind dieſe Thore allezeit
verſchloſſen. Die Straßen ſind ſelten laͤnger als dreyßig
bis vierzig Laden, und enthalten auch eben ſo viel Haͤuſer.
Ueber jede Straße iſt ein Beamter zur Aufſicht angeſetzt,
ſo wie auch jede Straße ein Haus hat, worin ihre Ge-
raͤthſchaften zum Loͤſchen des Feuers aufbewahret werden.
Die Haͤuſer ſind ſelten zwey Stockwerke hoch; das zwey-
te Stockwerk iſt auch gemeiniglich niedrig. Das Stadt-
regiment fuͤhren vier Buͤrgermeiſter, die eine hinlaͤngliche
Anzahl Stadtbedienten von verſchiednem Rang und An-
ſehen (Ottonas) unter ſich haben, und wodurch Ordnung
und Sicherheit in ſo hohem Grade, daß man es bewun-
dern muß, erhalten wird. Ehe die Portugieſen hieher
kamen, war Nangaſaki nur ein kleines Dorf; hernach
aber hat es ſich dadurch, daß um des Handels willen im-
mer mehr Leute dahin gezogen ſind, zu ſeiner jetzigen Groͤ-
ße allmaͤhlig ausgedehnt.


Die Inſel Dezima wird von der Stadt an die Hol-
laͤndiſche Compagnie vermiethet, und nur wie eine zur
Stadt gehoͤrige Straße angeſehen. Die Stadt laͤßt da-
her alle Wohnhaͤuſer auf derſelben bauen, unterhaͤlt ſie
auch, und beſſert ſie, wenn ſie baufaͤllig ſind. Indeſſen
muß jeder Bewohner auf ſeine Koſten Fenſterrahmen ein-
ſetzen, und das Haus weißen laſſen, auch das Dach und die
[30]Erſte Abtheilung.
Waͤnde mit Tapeten verſehen, und andre Einrichtungen
zu ſeiner Bequemlichkeit ſelbſt machen laſſen. Die Inſel
haͤngt mit der Stadt und dem feſten Lande zuſammen,
und iſt bey niedrigem Waſſer bloß durch einen Graben da-
von getrennt; nur bey hohem Waſſer iſt ſie eine Inſel.
Gemeinſchaft mit der Stadt hat ſie vermittelſt einer Bruͤ-
cke. Ihre Groͤße iſt unbetraͤchtlich; ſie hat etwa 600
Fuß in die Laͤnge und 240 in die Breite. Rund umher
iſt ſie mit einer Planke eingeſchloſſen. Sie hat zwey Tho-
re, eins nach der Stadt bey der Bruͤcke, das andre nach
der See. Dies letztere wird nur an ſolchen Tagen geoͤff-
net, da das Schiff geloͤſcht oder geladen wird; das erſte-
re wird am Tage ſtets von einer Anzahl Japaner bewacht,
und des Nachts zugeſchloſſen. Zugleich ſteht ein Wach-
haus dabey, worin die Ein- und Ausgehenden viſitirt
werden. Laͤngs am Strande ſind zu beyden Seiten ver-
ſchiedne Packhaͤuſer und Krankenhaͤuſer fuͤr die Compa-
gnie, und mehrere Haͤuſer zur Wohnung fuͤr ihre Bedien-
ten angelegt. Dieſe ſind zwey Stockwerke hoch, wovon
nur das obere bewohnt, das untre aber zu Buden, Staͤl-
len und ſtatt andrer Nebengebaͤude gebraucht wird. Zwi-
ſchen dieſen Haͤuſern laufen zwey Gaſſen hin, die ſich in
der Mitte durchkreutzen. Außer den großen feuerfreyen
Packhaͤuſern ſind die Gebaͤude alle von Fachwerk mit
Lehm, mit Ziegeln gedeckt, und nach Landesſitte mit pa-
piernen Fenſtern, und Strohmatten auf dem Fußboden
verſehen. In neuern Zeiten haben einige von Batavia
entweder kleine Glasfenſter oder einzelne Fenſterſcheiben
mitgebracht, um ihren Zimmern mehr Licht zu geben, und
Ausſicht zu bekommen. In der Naͤhe des Waſſerthors
ſtehen allerhand Geraͤthſchaften zum Feuerloͤſchen bereit.
Am andern Ende iſt ein Luſt- und Kuͤchengarten, und ein,
zwey Stockwerke hohes, anſehnliches Luſthaus befindlich.
[31]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
Zur ſteten und genauen Aufſicht auf die Hollaͤnder ſind
verſchiedne Beamte, Dolmetſcher und Leute zur Wache
beſtellt. In drey Ecken ſtehen Wachhaͤuſer, worin roaͤh-
rend der Zeit, da die Schiffe auf der Rhede liegen, Wa-
che gehalten wird; nach ihrer Abreiſe wird bloß eins da-
von gebraucht. Die Wache geht wie eine Nachtwache,
nicht nur bey Nachtzeit, ſondern auch am Tage, ver-
ſchiedne Mahl auf der Inſel herum. Die Dolmetſcher
haben ein anſehnliches Haus, das ihr Collegium genannt
wird, und wo die Handelszeit uͤber, eine betraͤchtliche An-
zahl, aber wenn keine Schiffe da ſind, einer oder zwey,
taͤglich ſich aufhalten, die alle vier und zwanzig Stunden
von andern ordentlich abgeloͤſet werden, welches gemeinig-
lich Nachmittags geſchieht, damit die Abgehenden vor
Abend zu Hauſe kommen koͤnnen. Ein andres Haus iſt
fuͤr die Ottona (der Nahme ſagt ungefaͤhr ſo viel als
Rapportir-Buͤrgermeiſter), deren ſich, ſo lange die Han-
delszeit waͤhrt, mehrere hier verſammeln, außerdem aber
nur einer oder zwey da ſind. Sie werden, wie die Dol-
metſcher, abgeloͤſet; ſie haben die Aufſicht auf alles, was
auf der Inſel vorgeht, und muͤſſen dem Gouverneur Be-
richt davon abſtatten. In dem kleinen Bezirke dieſer In-
ſel muͤſſen uͤbrigens die Hollaͤnder ihre Zeit zubringen: ei-
ne Einſchraͤnkung, die denen, welche das Jahr uͤber hier
bleiben, nicht wenig laͤſtig iſt.


Um die Stadt her auf den Anhoͤhen und an den ſchoͤn-
ſten Stellen ſtehen Tempel in großer Menge. Bey den
Doͤrfern und Hoͤfen in der Nachbarſchaft der Stadt fin-
det man meiſt auf den Anhoͤhen und am Wege eine große
Menge in die Hoͤhe ſtehender Grabſteine von allerhand Ge-
ſtalten. Man ſagte mir, jedem Verſtorbenen werde ein ſol-
cher Leichenſtein errichtet. Vor dieſen Steinen fand ich oft
ein oder zwey dicke Bamboroͤhre hingeſetzt, die mit Waſſer,
[32]Erſte Abtheilung.
laub oder Blumen angefuͤllt waren. Die Steine ſind
zum Theil roh, ſehr haͤufig aber mit Kunſt gehauen,
theils mit, theils ohne Inſchrift, dieſe letztern auf eini-
gen vergoldet, auf andern nicht. Der vielen in die Hoͤhe
ragenden Grabſteine wegen kann man dieſe Begraͤbniß-
plaͤtze oft in ſehr weiter Entfernung ſehen. — An den
Wegen traf ich auch hie und da große ausgegrabene Loͤcher
an, worin der Landmann den Urin und den Unrath des
Viehes ſammelt. Dergleichen ſammelt man hier mit vie-
ler Sorgfalt, um hernach den Acker damit zu duͤngen,
verurſacht aber dadurch den Vorbeypaſſirenden einen haͤß-
lichen und nicht ſelten unausſtehlichen Geſtank.


In den Gaͤrten in und vor der Stadt fand ich
verſchiedne Europaͤiſche Kuͤchengewaͤchſe, die man hier
bauet, und wovon ich bereits einen Theil an Bord des
Hollaͤndiſchen Schiffes und nach der Factorey hatte brin-
gen ſehen: rothe Ruͤben, die hier roͤther ſind, als ich ſie
irgend ſonſt außer Europa geſehen habe; Moͤhren oder
gelbe Wurzeln; Fenchel, Dill, A[ni]s, Peterſilie; Spar-
gel; verſchiedne Sorten Zwiebeln, als Porre, Zipollen;
Ruͤben; Lactue, Cichorien, Endivien, und mehrere andre.


Da Amtsgeſchaͤffte fuͤr mich ſehr ſelten vorfielen,
brachte ich meine Zeit mit Sammlung, Unterſuchung
und Aufbewahrung von Inſekten und Gewaͤchſen, in dem
Umgange mit den Dolmetſchern, und, als ich erſt Er-
laubniß dazu hatte, mit Botaniſiren zu. Die Dolmet-
ſcher nahmen bey mir Unterricht in verſchiednen Wiſſen-
ſchaften, beſonders in der Kraͤuterkunde und der Arzney-
kunſt. Mir machte dieſe Beſchaͤfftigung Vergnuͤgen, und
ſie bewieſen ſich als wißbegierige und gelehrige Schuͤler.
Verſchiedne von ihnen hatten unter meiner Anfuͤhrung eine
ausgebreitete und eintraͤgliche Praxis in der Stadt. Eini-
ge brachten mir verſchiedne ſchoͤne, ſeltne, mir bis dahin
ganz
[33]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
ganz unbekannte, und dieſem Lande eigne Gewaͤchſe, die
ſie theils ſelbſt geſammelt, theils durch ihre Freunde aus
den inneren Provinzen bekommen hatten. Zugleich ver-
ſchaffte ich mir durch ihre Huͤlfe allmaͤhlig zuverlaͤſſige
Nachrichten, die Regierung, Religion, Sprache, Sit-
ten, Haushaltung des Volks und dergleichen betreffend.
Auch erhielt ich durch ſie unterſchiedliche Buͤcher und an-
dre Seltenheiten.


Im October und November herrſchten ſo wohl auf
dem Schiffe, als zu Nangaſaki Diarrhoͤen mit ſtarkem
Stuhlgangszwang (Teneſmus). Unter dem Schiffs-
volke entſtand dieſe Krankheit von der ſtarken Tageshitze
und naͤchtlichen Kaͤlte. In der Stadt kam noch eine
Urſache hinzu, naͤmlich das haͤufige Eſſen der Perſimone
oder Kaki (Diospyros Kaki), die um dieſe Jahrszeit
reif iſt und verkauft wird, angenehm ſchmeckt und mit
gelben Pflaumen Aehnlichkeit hat.


Nicht lange nach meiner Ankunft betraf mich ein
unvermutheter Unfall, der anfangs von keiner Bedeu-
tung zu ſeyn ſchien, aber doch viel Laͤrm, und mir viel
Verdruß verurſachte. Da zu Batavia meine Umſtaͤnde
mir nicht erlaubt hatten, mir einen eignen Sklaven zu
kaufen, und nach Japan mitzunehmen, war einer von
den Supercargeuren ſo gefaͤllig, mir einen von ſeinen
Sklaven ſo lange zu leihen, bis er uͤbers Jahr wieder hie-
her kommen wuͤrde. Dieſer Kerl, welcher zu Batavia
eine Frau zuruͤck gelaſſen, und ſich bis jetzt mit der Hoff-
nung geſchmeichelt hatte, dies Jahr zu Hauſe zu reiſen,
und die Seinigen zu ſehen, wurde hieruͤber ſehr mißver-
gnuͤgt und zuletzt milzſuͤchtig. Endlich fiel ihm ein ſich
zu verſtecken, und er verſchwand, ohne daß jemand wußte,
wo er geblieben waͤre, oder was ihn dazu angetrieben ha-
ben moͤchte. Anfangs ließen wir ihm durch die andern
Thunbergs Reiſe 2. Bandes 1. Theil. C
[34]Erſte Abtheilung.
Sklaven nachſuchen, aber wir konnten ihn nicht auffin-
den. Am folgenden Tage ſpuͤrten die Dolmetſcher und
die uͤbrigen auf der Inſel befindlichen Japaner ſelbſt ihm
noch genauer nach, aber auch vergeblich. Am dritten
Tage kam endlich auf Befehl des Gouverneurs aus der
Stadt eine große Menge Dolmetſcher, Ober- und Un-
ter-Banjoſen, nebſt vielen andern Leuten, um noch ge-
nauere Nachſuchung anzuſtellen. Auch dieſe fanden ihn
nicht eher, als gegen Abend, und zwar in einem alten
Packhauſe. Haͤtte man ihn heute noch nicht angetroffen,
ſo waͤre am folgenden Tage auf Befehl des Statthalters
noch ſtrengere Viſitation uͤber die ganze Inſel und in allen
Zimmern der Haͤuſer angeſtellt worden. Waͤre auch dies
umſonſt geweſen, ſo wuͤrde uͤber das ganze Land der Be-
fehl ergangen ſeyn, den Entlaufnen aufzuſuchen, und
die Sache haͤtte nach Hofe muͤſſen berichtet werden. Von
einem ſo geringen Vorfalle machen die Japaner gewalti-
ges Aufheben, aus Furcht, es moͤchte ſich jemand ins
Land einſchleichen, welches doch kaum auf irgend eine Art
moͤglich iſt. Der Sklave wurde hernach mit Stockſchlaͤ-
gen beſtraft und in Ketten geſchloſſen, und damit war
der ganze große Laͤrm zu Ende.


Den 24. October wurde das Hollaͤndiſche Schiff
von der Stadt nach dem ſo genannten Papenberge ge-
bracht. Hier ſollte es vor Anker liegen und den ruͤckſtaͤn-
digen Theil der Ladung einnehmen. Meine Obliegenheit
brachte es mit ſich, mitzugehen und an Bord zu bleiben,
bis mein Vorgaͤnger, der hernach mit dieſem Schiffe nach
Batavia gehen ſollte, mich abloͤſen wuͤrde. Es wird
naͤmlich, einige Tage nachdem das Schiff bey ſeiner
Ankunft im Hafen ſich vor Anker gelegt hat, vom Statt-
halter der Tag feſt geſetzt, da es wieder abſegeln ſoll. Die-
ſer Befehl muß ſchlechterdings befolgt werden, und wenn
[35]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
der Wind auch noch ſo ſtark, oder gar Sturm iſt, muß
das Schiff dennoch ohne Einwendung hinaus. Wir
hatten heute auch in der That widrigen Wind, der ſo
heftig wehete, daß das Schiff mit mehr als hundert gro-
ßen und kleinen Boͤten hinaus bogſirt werden mußte. Alle
dieſe, in verſchiedne lange Reihen geſtellten, kleinen Fahr-
zeuge, die ein ungeheuer großes Schiff durch Huͤlfe lan-
ger Taue fortſchleppten, gaben einen gar ſonderbar auf-
fallenden Anblick; luſtig war dabey das aufmunternde
Freudengeſchrey der mehreren hundert Japaner, die jene
Boͤte ruderten.


Ehe das Schiff die Rhede verlaͤßt, wird das zu An-
fange ihm abgenommene Schießpulver, Gewehr und
Buͤcherkaſten wieder ausgeliefert. Auch werden die Kran-
ken aus dem Hoſpitale vorher aufs Schiff gebracht. Mitt-
lerweile das Schiff ausſegelt, werden die Kanonen geloͤſet,
um die Stadt und die Factorey, und hernach die beyden
Kaiſerlichen Wachen zu ſalutiren.


Unter dem Papenberge liegen auch die Chineſiſchen
Fahrzeuge vor Anker, nachdem ſie einen Theil ihrer La-
dung eingenommen haben, bis ſie mit gutem Winde ab-
ſegeln koͤnnen.


Waͤhrend der Zeit nun, da das Schiff hier liegen
blieb, wurde der uͤbrige Theil des Kupfers und des Kam-
pfers, wie auch die den Privat-Perſonen gehoͤrigen Waa-
ren und andere Sachen umgeladen. Dies geſchieht aber
nur einen Tag um den andern. Alsdann muͤſſen ſo wohl
die Japaniſchen Beamten als die Dolmerſcher dieſen, eine
ganze Meile langen Weg zu Waſſer machen, um auf
dem Schiffe zugegen zu ſeyn. Hier wird auch das, was
das Schiff auf der Ruͤckreiſe gebraucht, beſonders Waſ-
ſer in Menge, eingenommen. Wachſchiffe liegen auch
hier, um auf die Hollaͤnder ein Auge zu haben; groͤßten-
C 2
[36]Erſte Abtheilung.
theils aber doch in ziemlicher Entfernung. Und da in
dieſer Gegend verſchiedne große und kleine Inſeln liegen,
ſo duͤrfen die Hollaͤnder, ohne von den Japanern daran
gehindert zu werden, mit ihrer Schaluppe, die ſie nun-
mehr auch wieder bekommen haben, ſich zu ihrem Ver-
gnuͤgen mit denſelben hinrudern laſſen. Verweilen ſie
aber lange daſelbſt, beſonders auf den großen unter dieſen
Inſeln, die bewohnt ſind, ſo kommen Wachſchiffe nach,
jedoch ohne daß die darauf befindlichen Beamten, die
alsdann den Hollaͤndern nur Geſellſchaft leiſten, ſie im
geringſten hindern, umher zu gehen. Kommt man auf
ſolchen Spatziergaͤngen zu einem Dorfe, (die Doͤrfer
ſind zum Theil ſehr groß), ſo ſtroͤmt eine unglaubliche
Menge Leute und Kinder herbey, die mit großem Ge-
ſchrey die in ihren Augen gar ſonderbaren Europaͤer be-
ſchauen, und ſich vorzuͤglich uͤber ihre großen runden
Augen luſtig machen, und daher allezeit Hollanda
O-me rufen.


Papenberg iſt eine kleine Inſel, die ganz bis an den
Strand hin von einem ſpitzigen Berge bedeckt wird, der
auf zwey Seiten ſo allmaͤhlig herab geht, daß man ihn
da beſteigen kann, welches gemeiniglich in Zeit einer Vier-
telſtunde geſchieht. Auf den beyden andern Seiten iſt er
ſehr ſteil. Die Inſel ſoll ihren Nahmen davon bekommen
haben, daß die Japaner damahls, als ſie die Chriſten
und Portugieſen verjagten, wie man erzaͤhlt, viele von
den Portugieſiſchen Moͤnchen von dieſem Berge ins Meer
geſtuͤrzt haben. Zur Seite von Papenberg liegt die Fi-
ſcher-Inſel
, welche nur aus einem, wiewohl etwas laͤng-
lich rundem Berge beſteht, womit ſie bis an den Strand
bedeckt iſt; ſie iſt wie jene ganz unbewohnt.


Ich ermangelte nicht, ſo lange ich mich auf dem
Schiffe aufhalten mußte, alle Gelegenheit zu benutzen,
[37]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
auf dieſen Inſeln und Bergen zu botaniſiren. Auch ſam-
melte ich wirklich dieſen Herbſt verſchiedne Samen von ſelt-
nen Kraͤutern, Straͤuchen und Baͤumen, die ich mit dem
abgehenden Schiffe nach Batavia ſchickte, von da ſie wei-
ter nach Amſterdam befoͤrdert werden ſollten. Unter den
Gewaͤchſen, die ich hier antraf, bemerke ich folgende:
Die Chinawurzel (Smilax China) waͤchſt hier uͤberall in
Menge. Deſſen ungeachtet kaufen die Japaner jaͤhrlich fuͤr
anſehnliche Summen eine große Quantitaͤt von den Chi-
neſern. Die Wurzel wird in Decoct als ein blutreinigen-
des Mittel, und in vielen Krankheiten, ſehr haͤufig ge-
braucht. Die Japaniſchen Dolmetſcher freueten ſich ſehr,
von mir zu hoͤren, daß dieſes nuͤtzliche Gewaͤchs in ihrem
eignen Lande waͤchſt, welches ſie bisher nicht gewußt hat-
ten. — An den Steinhaufen und Mauern ſah ich
haͤufig ſo wohl zwerg- als hochſtaͤmmige Feigenbaͤume
(Ficus pumila, erecta) ſtehen, die zwiſchen den Steinen
ſich hindurch ſchlaͤngelten. Die Feigen werden gegeſſen,
ſind aber ſo klein als Pflaumen. — Die dreylappige
Trichterwinde (Ipomoea triloba) waͤchſt ſo wohl wild
als gebauet. Die Wurzeln ſind entweder weiß oder
ſchwarz, die letztern werden als ein abfuͤhrendes Mittel
gebraucht. — Der Pfefferſtrauch (Fagara piperita)
ſteht hier allenthalben. Die Beeren waren jetzt reif.
So wohl die Blaͤtter als die Fruͤchte haben einen gewuͤrz-
artigen Geſchmack, hitzen ſehr, und haben zugleich etwas
unangenehmes. Die Huͤlſe der Frucht, oder die Kapſel,
treibt die Blaͤhungen und iſt bisweilen wirkſam gegen die
Kolik. Nicht nur dieſe, ſondern auch die Blaͤtter wer-
den allgemein ſtatt Pfeffers in den Suppen gebraucht.
Die Blaͤtter allein, und mit Reißmehl zu einem Brey
geſtoßen, werden anſtatt Spaniſcher Fliegen auf Ge-
ſchwuͤre und Stellen, wo man rheumatiſche Glieder-
[38]Erſte Abtheilung.
ſchmerzen fuͤhlt, gelegt. — Die herzblaͤtterige Faͤrber-
roͤthe (Rubia cordata), gebraucht der Landmann hier
zum Faͤrben, eben wie die gemeine Faͤrberroͤthe (Rubia
tinctorum
). — Auch waͤchſt hier eine Menge verſchied-
ner Arten Neſſeln. Aus dem Samen der ſchneeweißen
(Urtica nivea) preßt man Oehl.


Nachdem ich verſchiedne Monathe unter Papenberg
mich am Bord aufhalten muͤſſen, wurde ich endlich im
Anfange des Novembers von dem bisherigen hieſigen Arzte
abgeloͤſet, der nunmehr nach Batavia zuruͤck gehen mußte,
um mir, der ich die Abſicht hatte, wenigſtens ein Jahr
hier zu bleiben, Platz zu machen.


Gegen Neujahr kamen zu Nangaſaki zwey Kauf-
fahrteyſchiffe (Jonke) von China an, welche verſchiedne
Japaner mitbrachten, die durch Sturm an die Chineſiſche
Kuͤſte getrieben waren. Dieſe Japaner wurden ſo gleich
nach ihrem Geburtsorte gebracht; denn kein Japaner
darf ſich von ſeiner Heimath wegbegeben. Eben ſo hatte
unſer Chef vor einigen Jahren einen Japaner von Bata-
via
hieher gebracht, der beym Fiſchen auf der See vom
Winde verſchlagen war, und ſich verſchiedne Jahre außer
ſeinem Vaterlande aufgehalten hatte. Endlich war er
nach Batavia gekommen, ging wie ein Maleye gekleidet,
und redete die Maleyiſche Sprache fertig.


Am erſten Januar 1776 feyerten wir unſern Neu-
jahrstag, und viele von den Japanern trugen dazu bey,
ihn feyerlich zu machen. (Die Kaͤlte war ſehr ſtark und
empfindlich; Schnee lag gar nicht.) Gegen Mittag
kamen nach Gewohnheit die meiſten von denjenigen Japa-
nern, welche mit dem Hollaͤndiſchen Handel irgend etwas
zu thun haben, als Ober- und Unter-Banjoſen, Ottonas,
Ober- und Unter-Dolmetſcher, Aufſeher, Voͤgte und der-
gleichen, nach der Factorey, um uns ein gluͤckliches Neu-
[39]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
jahr zu wuͤnſchen. Sie hatten ihre Feyerkleider an, leg-
ten bey dem Chef einen feyerlichen Beſuch ab, und wur-
den hernach von ihm zum Mittagseſſen gebethen. Das
Eſſen war meiſtentheils auf Europaͤiſche Art zubereitet,
daher waren der Gerichte wenige, wovon die Japaner
koſteten. Indeſſen ging doch alles darauf. Von der
Suppe aßen alle; von den andern Gerichten aber, als:
gebratnen Ferkeln, Schinken, Salat, Kuchen, Tor-
ten und anderm Backwerk, nahmen ſie wenig oder nichts.
Statt deſſen wurde von jedem Gerichte ein Stuͤck auf ei-
nen Teller gelegt, der, wenn er voll gepackt war, mit
einem Blatte Papier, worauf der Nahme deſſen, dem er
gehoͤrte, geſchrieben war, zugedeckt, und nach der Stadt
geſchickt wurde. Dies geſchah mehreremahl nach einander.
Geſalzenes Fleiſch und dergleichen, das die Japaner nicht
eſſen, heben ſie auf und brauchen es als Medicin. Eben
ſo machen ſie es mit geſalzner Butter, wovon ich ihnen
oft auf ihr Bitten etwas mittheilte; ſie machen Pillen
daraus, und geben davon den Schwindſuͤchtigen und
andern Kranken taͤglich eine gewiſſe Anzahl. Nach
der Mahlzeit wird mit warmen Sakki (dem bekannten
von Reiß praͤparirten Getraͤnke) tractirt, das aus lackir-
ten hoͤlzernen Taſſen getrunken wird. Bey dieſer frohen
und feſtlichen Gelegenheit laͤßt der Chef auch verſchiedene
galante Maͤdchen aus der Stadt nach der Inſel bitten,
deren Beſtimmung iſt, theils den Sakki-Trank zu ſerviren,
theils zu tanzen und den auf der Inſel bereits befindlichen
Maͤdchen Geſellſchaft zu leiſten. Dieſe tractirten auch nach
Mittage die Japaner mit verſchiednen Gerichten des Lan-
des, die auf kleinen viereckigen Tiſchen ſtanden, welche
ſie mit kuͤnſtlichen Fichtenbaͤumen geſchmuͤckt hatten, de-
ren Blaͤtter von gruͤner Seide gemacht, und hie und da
mit kleinen Zoͤpfen weißer Baumwolle, die Schnee vor-
[40]Erſte Abtheilung.
ſtellen ſollten, beſtreuet waren. Das Sakki bothen die
Maͤdchen nie ſtehend, ſondern nach Landesſitte ſitzend,
an. Abends tanzten ſie auf Japaniſche Art. Um fuͤnf
Uhr nahmen die Gaͤſte ihren Abſchied.


Dies war jedoch nicht das einzige Mahl, daß ich
von den Toͤchtern des Landes welche zu ſehen bekam. Denn
da das weibliche Geſchlecht bey den Japanern nicht einge-
ſchloſſen gehalten wird, war es mir ſehr leicht, auf den
Straßen in der Stadt und ſelbſt in den Haͤuſern ſie in
Augenſchein zu nehmen.


Den 20. Januar wurde Geld fuͤr Rechnung der
Hollaͤnder ausgezahlt, und alle ihre Aſſignationen liqui-
dirt, welches nur einmahl im ganzen Jahre geſchieht.
Zu dieſem Ende fanden ſich auf der Rent-Kammer
in der Stadt Dolmetſcher, Bediente, Kaufleute,
Compradore und alle andre, die etwas zu fordern
hatten, ein. Jeder, der Geld empfangen ſoll, muß
ſelbſt zugegen ſeyn, ſonſt wird nichts fuͤr ihn aus-
gezahlt.


Den 7. Februar wanderte ich zum erſten Mahl in
der Gegend der Stadt umher, um zu botaniſiren, nach-
dem ich endlich ſo gluͤcklich geweſen war, vom Gouver-
neur dazu die Erlaubniß zu erhalten. Mich begleiteten
verſchiedne Ober- und Unter-Dolmetſcher, Ober- und Un-
ter-Banjoſen, Compradore, und eine große Menge Unter-
bediente. Dies zahlreiche Gefolge hinderte mich zwar
nicht, auf allen Bergen und Huͤgeln nach Herzensluſt
umher zu ſtreifen; machte aber meine Excurſionen ſehr
koſtbar. Denn meine Schuldigkeit war, ihnen gegen
Abend, wenn ſie muͤde waren, in einem Wirthshauſe
etwas vorſetzen zu laſſen, wovon die Koſten jedesmahl
ſechszehn bis achtzehn Thaler betrugen. Deſſen ungeachtet
bediente ich mich woͤchentlich ein- oder zweymahl der be-
[41]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
kommenen Freyheit, bis die Reiſe nach dem Hofe des
Kaiſers den Anfang nahm.


Auf den Anhoͤhen vor der Stadt ſah ich bey allen
Doͤrfern ganze Strecken mit Bataten oder Erdaͤpfeln
(Convolvulus edulis) bepflanzt, die locker und ange-
nehm von Geſchmack waren. Die Stauden lagen ſammt
den Stengeln und Blaͤttern an der Erde, und hatten
keine einzige Blume. Dieſe Erdfrucht iſt weit wohl-
ſchmeckender und leichter zu verdauen, als die Kartoffeln,
deren Bau man hier auch verſucht hat, die aber nicht gut
arten wollen. — Hin und wieder fand ich Wachholder
(luniperus communis), der gewoͤhnlich im noͤrdlichen
Europa zu Hauſe iſt: indeſſen war er nur ſelten; mei-
ſtens traf ich ihn nahe an den Tempeln. — Die Kal-
muswurzel (Acorus calamus) waͤchſt hier auch, und
zwar an naſſen Stellen, wild. Wegen ihres ſtarken
aromatiſchen Geſchmacks ſehen die Japaner ſie zwar als
ein kraͤftiges Heilmittel an, kennen aber doch ihren rech-
ten und eigentlichen Nutzen nicht. — Ferner waͤchſt
hier eine Art Ingber (Amomum Mioga), wiewohl nur
an einigen wenigen Stellen, und ſehr ſparſam, wild.
Die Wurzel iſt ziemlich heiß und ſcharf, und beynahe ſo
gut, als der gewoͤhnliche Ingber, ſtatt deſſen er auch
von den Einwohnern bisweilen gebraucht wird. —
Epheu ſtand an mehrern Orten im ſchoͤnſten Gruͤn. An-
fangs ſchien er mir von dem gewoͤhnlichen Europaͤiſchen
unterſchieden zu ſeyn, denn er hatte ſehr haͤufig ganze und
ungetheilte Blaͤtter. Hernach aber ſah ich, daß er ſich
in Anſehung der Geſtalt und Groͤße der Blaͤtter ſehr ver-
aͤnderte. — Buchsbaum (Buxus virens) iſt nicht ſelten.
Man trifft ihn ſo wohl wild als gepflanzt an. Von ſei-
nem feinen und ſchoͤnen Holze macht man Kaͤmme, die
mit rothem Firniß uͤberzogen, und vom Frauenzimmer
[42]Erſte Abtheilung.
zum Schmuck in den Haaren getragen werden. — Das
Bamborohr (Arundo bambos), dieſe einzige Grasart,
die zu der Hoͤhe eines Baums hinan waͤchſt, findet man
an vielen Stellen, und von ſehr ungleicher Hoͤhe und
Dicke. Die Wurzel davon wird hier, ſo wie auf an-
dern Indiſchen Inſeln zu Atjar gebraucht, das heißt mit
Eſſig eingemacht. Die dicken Staͤmme gebraucht man
Laſten zu tragen, und die einzelnen Zweige zu Pinſelſtielen,
und zerſchnitten zu Faͤcherſtaͤben und mancherley anderm
Behufe. — In der Naͤhe einiger Hoͤfe und beſonders
bey den Tempeln, fand ich einen ſonderbaren Buſch, drey
bis vier Ellen hoch, vom Geſchlechte der Celaſter (Ce-
laſtrus alatus
), der laͤngs der Zweige hervor ſtehende, ab-
gebrochne und zuſammen geballte Kanten hat, und jetzt
voll reifender Fruͤchte ſtand. Man erzaͤhlte mir, die
Freyer bedienten ſich der Zweige, um ſie vor der Thuͤr
desjenigen Hauſes, wo ſie ſich eine Braut zu nehmen ge-
daͤchten, zu befeſtigen. — Den biſamartigen Gaͤnsfuß
(Chonopodium ſcoparium) gebrauchen hier zu Lande
einige als ein Arzneymittel. — Die Roſenpappel (Al-
cea roſea
) und die Stockroſe (Malva mauritiana) hat
man hier ihrer großen ſchoͤnen Blumen wegen ſehr haͤufig
in den Gaͤrten. — Die Pfeffermuͤnze (Mentha pipe-
rita
) waͤchſt an vielen Stellen wild. — Die krauſe
Baſilie (Ocymum criſpum), welche noch die Huͤgel
ſchmuͤckte, gebraucht man zu einem Thee (Infuſum)
gegen Erkaͤltungen und Fluͤſſe. Das Kraut giebt gekocht
einen rothen Decoct, womit die Japaner die Rettiche
und Ruͤben zu faͤrben pflegen. — Von ſuͤßen Potatos
(Dioſcorea) wachſen mehrere Arten wild. Ich bemerkte
aber nicht, daß ſie zur Nahrung gebraucht werden, au-
ßer eine Gattung, die im Syſteme die Japaniſche heißt,
deren wohlſchmeckende Wurzeln man in Scheiben ſchnei-
[43]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
det und kocht. — Hanf waͤchſt nicht nur wild, ſondern
man bauet ihn auch. — Von Spaniſchem Pfeffer traf
ich zwey Arten, meiſtens gebauet, an. Die jaͤhrige
Beißbeere (Capſicum annuum) iſt die gewoͤhnlichſte.
Die Japaner ſelbſt machen wenig Gebrauch davon, ſon-
dern verkaufen ſie gemeiniglich an die Sklaven auf der
Factorey. Die andre iſt das Capſicum groſſum. Dieſe
zieht man in Toͤpfen, hindert ſie mit Gewalt, groß, und
zwingt ſie, ganz ungeſtalt zu werden: eine Gewohnheit,
welche die Japaner, mehr als irgend ein andres Volk,
bey vielen Gewaͤchſen lieben. — Tabak ſah ich hie und
da, aber nirgend große Pflanzungen davon. Dies Ge-
waͤchs haben die Portugieſen zuerſt hieher gebracht, und
es iſt faſt das einzige, was man von ihnen im Lande noch
aufzuweiſen hat. Die Japaner haben keinen eignen Nah-
men dafuͤr, ſondern nennen es auch Tabaco. Sie rau-
chen den Tabak aus ſehr kleinen metallnen Pfeifen, und
ſchneiden ihn ſo fein, als Haar. — Ein Thalkraut oder
Zauken (Convallaria laponica), ſah ich mit Frucht be-
ſetzt. Die Knollen an den Wurzeln macht man mit Zu-
cker ein, und ſo gebraucht, werden ſie ſo wohl von den
Chineſen, als den Japanern als ein herrliches Mittel in
Krankheiten geruͤhmt. — Buchweitzen, ſo wohl den
gemeinen (Fagopyrum), als den vielblumigen (multi-
florum
) trifft man in der Naͤhe der Hoͤfe und an hohen
Stellen nicht ſelten an; den erſteren bauet man, der
letztere waͤchſt wild. Aus jenem bereitet man Mehl,
woraus kleine Kuchen gemacht werden, die man gewoͤhn-
lich faͤrbt und an geringe Leute verkauft. Die Wurzel
des letzteren ſoll herzſtaͤrkend ſeyn, und wird zu dem Ende
ganz roh genoſſen; in Aſche gebraten ſchmeckt ſie barſch. —
Große Gartenbohnen (Vicia faba), Erbſen (Piſum
fativum
), nebſt einigen Arten Tuͤrkiſcher Bohnen, naͤm-
[44]Erſte Abtheilung.
lich die gemeine (Phaſeolus vulgaris) und die geſtrahlte
(radiatus) traf ich bey den Bauern als allgemeine Gar-
tengewaͤchſe an, welche ſie nicht nur nach der Stadt,
ſondern auch nach der Hollaͤndiſchen Factorey zu Kauf
brachten.


Das Leben, welches die Hollaͤnder auf ihrer Inſel
fuͤhren, iſt hoͤchſt einſam, langweilig und eingeſchraͤnkt;
nicht viel beſſer als buͤrgerlicher Arreſt. Man denke ſich
vierzehn Europaͤer mit einigen Sklaven und Japanern, in
den Bezirk der kleinen Inſel eingeſchloſſen und nicht nur
von der ganzen Chriſtenheit, ſondern vielmehr von der
ganzen uͤbrigen Welt abgeſondert! Iſt nicht der Euro-
paͤer, welcher hier zuruͤck bleibt, und ein Jahr aushalten
muß, wie in einem Winkel der Erde begraben? Man
erfaͤhrt hier weder Neues noch Altes, weder Gutes noch
Boͤſes; man bekommt weder Zeitungen noch Briefe.
Die Seele kann nur eine ihrer Hauptkraͤfte gebrauchen:
den Verſtand; der Wille iſt ganz unthaͤtig; denn fuͤr
den Europaͤer giebt es keinen andern Willen, als den
Willen der Japaner, der in allen Stuͤcken puͤnktlich be-
folgt werden muß.


Uebrigens iſt die Lebensart der Europaͤer hier mei-
ſtentheils dieſelbe, als an andern Orten in Oſtindien, uͤp-
pig und unordentlich. Auch macht man hier, eben ſo
als zu Batavia, jeden Abend Beſuche, am oͤfterſten
beym Chef. Vorher pflegt man ein- oder zweymahl, die
beyden Straßen auf und nieder, auf der Inſel umher
zu ſpatzieren. Die Abendbeſuche waͤhren von ſechs bis
eilf oder zwoͤlf Uhr in der Nacht, und geben einen erbaͤrm-
lichen Zeitvertreib; nur wer in die Tobakspfeife ſein groͤß-
tes Vergnuͤgen ſetzt, befindet ſich wohl dabey.


Zur Bedienung ihrer Perſon gebrauchen die Hol-
laͤnder ihre mitgebrachten Sklaven. Zu allen andern
[45]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
Dienſten fuͤr ſie aber ſind Japaner beſtellt, als Compra-
dore, oder Schaffer von verſchiedner Art, welche die
Eßwaaren und was ſonſt in der Haushaltung gebraucht
wird, herbey ſchaffen; Koͤche, die das Eſſen auf Hollaͤn-
diſche Weiſe zurichten; und Bediente, die zwar gebohrne
Japaner und dabey keine Dolmerſcher ſind, aber doch das
Hollaͤndiſche ſprechen gelernt haben: von dieſen letzteren
bekommt der Chef vier, der Secretair einen und der
Doctor einen, welche zuſammen die Reiſe nach Hofe ma-
chen. Hat man Handwerksleute aus der Stadt noͤthig,
ſo bekommen dieſe vom Gouverneur Erlaubniß nach der
Inſel zu kommen.


Die Hollaͤnder eſſen hier, ſo wie zu Batavia, viel
Reiß, es wird aber doch zu ihrem Gebrauche in der Stadt
Weitzenbrot gebacken, und taͤglich friſch nach der Inſel
gebracht.


Fiſchſpeiſen eſſen die Hollaͤnder hier haͤufig. Einige
von den Fiſchen, die auf unſern Tiſch kamen, ſchienen
mir merkwuͤrdig, Unter andern: ein Fiſch aus dem Ge-
ſchlechte der Umberfiſche (Sciaena), deſſen Bauchfloſſen
aus einer dicken, mit vielen Graͤten verſehenen Zacke be-
ſtehen, und deſſen Haut ſehr hart und knochenartig iſt;
die Haut wird abgezogen, und der Fiſch gekocht: er
hat feſtes und wohlſchmeckendes Fleiſch; wie auch huͤbſch
ausſehende Barſche mit ſieben ſchmalen Strichen. —
Auch iſſet man hier eine ſehr große und dabey ſehr laͤng-
liche Art Auſtern, die hier zu Lande fallende Auſtern
heißen, weil ſie nicht wie andre an den Klippen feſt ſitzen.
Sie ſchmecken gut; weil ſie aber ſo groß ſind, werden
ſie meiſtens gekocht oder geſtobt, und mit etwas Bruͤhe
gegeſſen. — Ferner bereitet man hier etwas, das ſich
mit Kaviar vergleichen laͤßt, auch, wie dieſer, roh gegeſ-
ſen wird. Es ſieht wie ein Stuͤck Kaͤſe aus. Ich hielt
[46]Erſte Abtheilung.
es fuͤr Fiſchrogen, den man eingeſalzen, etwas gepreßt
und hernach gedoͤrret hatte. — Vor der Seeflaſche
(Tetrodon hiſpidus) muß man ſich hier in Acht neh-
men. Er iſt ſo giftig, daß er denen, welche davon eſſen,
nicht ſelten den Tod zuzieht. Die Japaner haben ihm
deswegen auch einen Nahmen gegeben, welcher ſo viel ſagt,
als dieſer Fiſch mache Norden dem Menſchen zum Kopf-
kiſſen, weil unter ihnen der Gebrauch allgemein iſt, daß,
wenn jemand mit dem Tode ringt, der Kopf allezeit nach
Norden gekehrt ſeyn muß.


Die Officiere, naͤmlich der Secretair, der Doctor
und die Aſſiſtenten bewohnen jeder zwey oder drey ſchoͤne
Zimmer, und zwar umſonſt, außer daß ſie Tapeten,
Meublen und Hausgeraͤth ſelbſt anſchaffen muͤſſen. In
den Packhaͤuſern haben ſie ihre Sachen liegen. Die Of-
ficiere ſpeiſen auch Mittags und Abends unentgeldlich
beym Chef am Tiſche der Compagnie. Ihre gewoͤhnlichen
Ausgaben betragen daher wenig, wenn ſie nicht unter
einander oft koſtbare Geſellſchaften halten und zu Abend
tractiren, oder auch Geld an das ſchoͤne Geſchlecht
wenden.


Hiezu hat man hier ſo viele und bequeme Gelegen-
heit, als irgendwo in Europa. In den meiſten Japani-
ſchen Staͤdten ſind in einer gewiſſen Straße mehrere Wei-
berhaͤuſer eingerichtet. Nangaſaki iſt hievon nicht aus-
genommen. Selbſt die Hollaͤnder und Chineſer koͤnnen
Antheil an dieſen Anſtalten nehmen. Wuͤnſcht man ſich
in ſeiner Einſamkeit weibliche Geſellſchaft, ſo giebt man
es einem gewiſſen Manne zu erkennen, der zu dieſem Ende
alle Tage auf die Inſel kommt. Gegen Abend ſchafft
dieſer ein Maͤdchen her, die eine kleine Aufwaͤrterin bey
ſich hat, welche Kabro heißt, und taͤglich aus der Stadt
alles hohlt, was ihre Herrſchaft zum Eſſen und Trinken
[47]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
gebraucht, auch das Eſſen und das Theewaſſer fuͤr ſie
kocht, alles rein haͤlt und Gewerbe beſtellt. Eine ſolche
Geſellſchaft muß man wenigſtens drey Tage behalten;
man kann ſie aber auch laͤnger behalten, ſo lange man
will, waͤre es auch ein oder mehrere Jahre. Auch hat
man Freyheit, uͤber kurz oder lang zu tauſchen. Allein
jeden Tag muß das Maͤdchen, wenn ſie laͤnger als drey
Tage bleibt, ſich am Stadtthore zeigen und den Banjo-
ſen melden, ob ſie laͤnger bleibt, oder nicht. Fuͤr jeden
Tag werden acht Mas an den Herrn des Maͤdchens be-
zahlt; ſie ſelbſt aber muß nicht nur in allem frey gehalten
werden, ſondern man muß ſie auch bisweilen mit ſeidnen
Kleidern, Guͤrteln, Kopfputz und dergleichen beſchenken.
Merkwuͤrdig iſt es, daß ſelten eins dieſer Maͤdchen von
einem Europaͤer ein Kind bekommt. Geſchieht es, ſo
wird, (wenn es anders wahr iſt, was man hier glaubt),
zumahl wenn es ein Knabe iſt, ums Leben gebracht.
Andre haben mich dagegen verſichern wollen, daß man
ſolche Kinder genau bewache, bis ſie funfzehn Jahr alt
ſind, und alsdann mit den Hollaͤndiſchen Schiffen nach
Batavia ſchicke. Ich kann indeſſen nicht glauben,
daß zu dem erſteren die Japaner unmenſchlich genug
ſeyn ſollten; und von dem letzteren hat man kein
Exempel.


In der Mitte des Octobers wurde es auf unſrer
Inſel ſchon empfindlich kalt, beſonders ruͤhrte dies von
den ſtarken Oſt- und Nord-Winden her, die jetzt weheten.
Wir fingen daher nun auch ſchon an einzuheitzen. Dies
hilft aber nicht ſehr viel, weil weder Thuͤren noch Fenſter
recht dicht ſind. Das Einheitzen ſelbſt verrichteten wir
mit Kohlen, die aus der Stadt gehohlt, und in einem
großen kupfernen Topfe mit breitem Rande mitten ins
Zimmer geſtellt wurden. Dies muß aber oft wiederhohlt
[48]Erſte Abtheilung.
werden, weil das Zimmer dadurch jedesmahl nur auf ei-
nige Stunden warm wird.


Nun iſt noch uͤbrig, von dem hieſigen Handel der
Hollaͤnder und Chineſer einige Nachricht zu geben. Die
Hollaͤnder und Chineſer ſind bekanntlich die einzigen Voͤl-
ker des Erdbodens, die Erlaubniß haben, mit ihren
Schiffen hieher zu kommen, und hier Handlung zu
treiben.


Die Portugieſen, welche die erſten Entdeckungen in
Oſtindien gemacht haben, waren es auch, welche die Ja-
paniſchen Inſeln
entdeckten, und zwar durch einen Zufall,
als ſie ums Jahr 1542 durch Sturm an die Kuͤſten ver-
ſchlagen waren. Sie wurden wohl aufgenommen, und
trieben hier beynahe hundert Jahr lang den eintraͤglichſten
Handel. Als Portugal und Spanien hernach unter ei-
nem Regenten vereinigt waren, nahmen die Spanier
Theil daran. Auch die Englaͤnder handelten einige Zeit
hieher. Endlich wurden die Hollaͤnder zufolge eines ſchrift-
lichen Tractats mit dem Kaiſer im Jahr 1601 ausſchließ-
lich die Beſitzer des ſo ſehr bereichernden Japaniſchen Han-
dels, der anfangs noch ſehr ergiebig fuͤr ſie war, hernach
aber von Zeit zu Zeit eingeſchraͤnkt und wenig eintraͤglich
wurde. In den erſten Zeiten hatten ſie ungleich mehr
Freyheit als jetzt. Sie durften mit ihren Schiffen in den
Hafen Finandos einlaufen, mehrere Schiffe, oft fuͤnf,
bisweilen ſo gar ſieben, hieher ſchicken, und eine Menge
Silber, Gold und andre Waaren ausfuͤhren, deren Aus-
fuhr jetzt gaͤnzlich verbothen iſt. Auch war keine gewiſſe
Summe feſt geſetzt, uͤber die ihr jaͤhrlicher Handel nicht
hinaus gehn durfte, ſondern ſie hatten darin unbegraͤnzte
Freyheit. Endlich wurde ihnen im Jahr 1641 befohlen,
ihre Factorey auf der Inſel Dezima, bey der Stadt Nan-
gaſaki
anzulegen; eine gewiſſe Summe wurde beſtimmt,
uͤber
[49]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
uͤber welche der Belauf ihres jaͤhrlichen Handels nicht ſtei-
gen ſollte; und nur drey Schiffen jedes Jahr ſollte ver-
ſtattet ſeyn, hieher zu kommen. Im Anfange des jetzi-
gen Jahrhunderts wurde dieſe Zahl gar auf drey herun-
ter geſetzt. Ueberhaupt iſt ſeitdem die Freyheit der Hol-
laͤnder und die Anzahl ihrer Handelswaaren allmaͤhlig
mehr und mehr vermindert, ſo daß man jetzt nicht mehr
als ein Paar Millionen Gulden in dem hieſigen Handel
anwendet, da vorher gewoͤhnlich fuͤr mehrere Millionen
umgeſetzt wurde. Im Jahr 1685 kam, nachdem die
Flotte mit einer reichen Ladung im Hafen eingelaufen
war, vom Hofe der ſtrengſte Kaiſerliche Befehl, daß
die Hollaͤnder zwar, der ihnen gegebnen Erlaubniß zufol-
ge, alle und jede Waaren, nach Belieben, und in ſo
großer Menge als ſie wollten, nach der Factorey einbrin-
gen duͤrften, daß aber von nun an jaͤhrlich fuͤr nicht mehr
als drey hundert tauſend Thails oder Thaler verkauft,
ſondern der Ueberreſt bis zum folgenden Jahre aufbe-
wahrt werden ſollte. Dies war ein ſehr empfindlicher
Stoß fuͤr ihren Handel. Außerdem aber erſann ein den
Hollaͤndern eben nicht guͤnſtiger Gouverneur noch zwey
andre Mittel, den Gewinn, welchen ſie von ihren Waa-
ren haben konnten, noch mehr zu vermindern, einen
Theil davon den Beamten der Stadt zufließen zu laſſen,
und den Einwohnern ſelbſt auch einen ſehr anſehnlichen
Vortheil zuzuwenden. Der eine Kunſtgriff beſtand dar-
in, daß die Kaufleute, welche Hollaͤndiſche Waaren
kauften, davon, ehe ſie ſie wieder verkauften, gewiſſe
Prozente, funfzehn und daruͤber, als eine Abgabe an die
Stadt entrichten ſollten. Dies Geld heißt Fannagin
(Blumengeld) und wird unter die Magiſtrats-Perſonen
und Buͤrger vertheilt. Weil nun dieſe Abgabe hernach
auf die Waaren geſchlagen werden mußte, ſo war die
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. D
[50]Erſte Abtheilung.
natuͤrliche Folge, daß die Japaniſchen Kaufleute nicht
mehr ſo viel als ſonſt dafuͤr bezahlten, und die Hollaͤn-
der einen betraͤchtlichen Verluſt erlitten. Der andre
war der, daß der Werth des Geldes fuͤr die Hollaͤnder
erhoͤhet wurde, ſo daß ein Kobang, der ſonſt im Lande
allgemein 60 Mas gilt, ihnen zu 68 berechnet wurde.
Dadurch verlohren ſie auf jeden Kobang 8 Mas, und
dieſer Verluſt wurde ein bedeutender Gewinn fuͤr die
Stadt, ihre Einwohner und einige ihrer Beamten.
Wenn alſo die Compagnie das Recht hatte, fuͤr 300000
Thail von ihren Waaren zu verkaufen, ſo bekam ſie in
der That nicht mehr als den Werth von 260000 Thail
dafuͤr. Die fehlenden 40000 Thail wurden daher
den Particuliers, welche bisher ebenfalls ihre Waaren
in beliebiger Quantitaͤt und zu dem moͤglichſt hohen Prei-
ſe hatten verkaufen duͤrfen, zugelegt; ſo daß dieſe Sum-
me unter die Chefs, Kaufleute, Schiffs Capitaine,
Aſſiſtenten und andre vertheilt wurde. Auch fuͤr die
Particuliers war der Japaniſche Handel vor dieſem viel
eintraͤglicher als nun. Er brachte ihnen ſo viel ein, daß
man nur vorzuͤgliche Guͤnſtlinge als Chefs hieher ſchickte;
und wenn ein Chef zwey Reiſen hieher gemacht hatte,
hielt man ihn fuͤr ſo reich, daß er von ſeinen Kapitalien
leben koͤnne, und einem andern Platz machen muͤſſe.
Nunmehr kann ein Chef die Reiſe verſchiedne Mahl ma-
chen; ſein Gluͤck iſt doch nicht mehr beneidenswerth, und
ſeinen Gewinn ſchaͤtzt man ſehr geringe.


Jetzt ſchicken die Hollaͤnder jedes Jahr nicht mehr
als zwey Schiffe hieher, die zu Batavia im Junius aus-
geruͤſtet werden, und gegen Ende des Jahrs dahin zu-
ruͤck kommen. Kupfer und roher Kampfer ſind die vor-
nehmſten Handelswaaren, welche die Compagnie hier auf-
kauft und ausfuͤhrt. Das Kupfer betraͤgt den groͤßten
[51]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
Theil. Es wird fuͤr beſſer, goldhaltiger und feiner, als
alles andre Kupfer gehalten. Die Hollaͤnder verkaufen
es meiſtentheils auf der Kuͤſte Koromandel, und zwar
mit gutem Vortheile. Es iſt allezeit in Stangen oder
Staͤben, die einen halben Fuß lang und einen Finger dick,
auf der einen Seite flach, auf der andern rund erhaben
ſind, und eine ſchoͤne glaͤnzende Farbe haben. Jeder
wiegt ungefaͤhr ⅓ Pfund. Dieſe Staͤbe werden in bre-
terne Kiſten, jede zu einem Pickel oder 125 Pfund, ge-
packt, und jede Schiffsladung beſteht aus 6 bis 7000
ſolcher Kiſten. Naͤchſt Kupfer wird auch roher Kampfer
in Menge ausgefuͤhrt; man packt ihn in hoͤlzerne Faͤſſer.
Das uͤbrige beſteht in großen ſeidnen Schlafroͤcken, die
mit ſeidnen Watten unterlegt ſind, etwas wenigem Por-
cellan, Soja, eingemachten Fruͤchten und dergleichen.
Das Kupfer wird aus entlegnen Gegenden des Landes
hieher gebracht, und in einem beſondern Packhauſe ver-
wahrt. So bald ein Theil der Ladung des Schiffes ge-
loͤſchet iſt, wird mit Einſchiffung des Kupfers angefan-
gen. Es wird alsdann in Gegenwart Japaniſcher Be-
amter und Dolmetſcher, und Hollaͤndiſcher Supercar-
geure und Aſſiſtenten gewogen, und in den oben beſchrieb-
nen Kiſten von Japaniſchen Knechten (Kuli) nach der
Bruͤcke getragen, von da es weiter an Bord geſchafft
wird. Beym Tragen gehen allezeit einige Matroſen mit,
die darnach ſehen muͤſſen, daß die Traͤger unterweges
nichts ſtehlen; denn das thun ſie, wenn ſie koͤnnen, ſo
viel lieber, da ſie das geſtohlne Kupfer an die Chineſer
verkaufen koͤnnen, welche es beſſer, als die Hollaͤnder
bezahlen. Das Porcellan wird in Stroh gepackt, und
zwar ſo gut und feſt, daß auf der Reiſe ſelten etwas da-
von beſchaͤdigt wird. Bekanntlich iſt dies Porcellan gar
nicht ſchoͤn, ſondern plump und dick, und die Mahlerey
D 2
[52]Erſte Abtheilung.
taugt vollends nicht. In dieſen Stuͤcken kommt es alſo
mit dem Chineſiſchen, das von Canton gebracht wird,
ſehr uͤberein, es hat aber doch den Vorzug vor dieſem,
daß es von der Hitze, ſo gar von gluͤhenden Kohlen, nicht
leicht ſpringt. — Folgende Sachen duͤrfen, einem ſehr
ſtrengen Verbothe gemaͤß, gar nicht, weder von Privat-
Perſonen, noch von der Compagnie, ausgefuͤhrt werden:
Japaniſches Geld, Japaniſche Landkarten und Riſſe von
Staͤdten, und Japaniſche Buͤcher, beſonders ſolche, die
Nachrichten vom Lande und deſſen Regierung enthalten;
ferner alle Arten von Waffen und Gewehr, inſonderheit
aber ihre vortrefflichen Saͤbel, die an Guͤte und Staͤrke,
ſo wie an Werth, alle Saͤbel, die ſonſt irgendwo verfer-
tigt werden, uͤbertreffen. — Die Waaren, welche
dies Jahr von Particuliers gekauft und mitgenommen
wurden, beſtanden meiſtens in großen braunen irdenen
Kruken, worin ſich das Waſſer gut haͤlt; Soja in ir-
denen Gefaͤßen; Sakki; Faͤchern; Japaniſchen ſeidnen
weiten oder Schlafroͤcken; lackirter Arbeit von verſchied-
ner Art; grobem und feinem gemahlten und weißen
Porcellan; ſchmalen ſeidnen Zeugen und Sowas-Arbeit;
auch feinem, in papiernen Paketen pfundweis eingepack-
tem, Reiß.


Unter den Waaren, welche die Officiere dies Jahr
zum Verkauf nach Japan brachten, war beſonders Kam-
pfer, feines Rohr, Schildkroͤten-Schalen, Hoͤrner von
Einhornfiſchen (Monodon monoceros) oder ſo genanntes
Einhorn (Unicornu verum), Glaswerk, große und klei-
ne Taſchenuhren, Chitze, Safran, Theriak, Lakritz,
Ninſiwurzel, und Nuͤrnberger Arbeit, als Spiegel und
dergleichen. Auch hatten ſie Hollaͤndiſche Buͤcher aus
verſchiednen Wiſſenſchaften mitgebracht; dieſe wurden
aber nicht ſo wohl in der gewoͤhnlichen Auction verkauft,
[53]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
als vielmehr mit anſehnlichem Gewinn an die Dolmet-
ſcher gegen andre Sachen vertauſcht.


Wenn alle von den Hollaͤndern mitgebrachte, ſo
wohl der Compagnie, als Privat-Perſonen gehoͤrige
Waaren viſitirt, und nach den Packhaͤuſern gebracht
ſind, und dem Kaufleuten im Lande Nachricht davon ge-
geben iſt, ſo wird mit dem Verkauf derſelben der Anfang
gemacht. Vor dieſem wurden die Waaren in oͤffentli-
cher Auction verkauft. Jetzt geſchieht es auf folgende
Art: Die Kaufleute beſehen im Hauſe des Gouverneurs
zu Nangaſaki Proben von allen Waaren, und thun dar-
auf ihr Geboth, ſo wohl in Anſehung der Quantitaͤt, die
ſie haben wollen, als des Preiſes. Hernach kommen
ſie ſelbſt oder ihre Commiſſionaire nach der Inſel, um ſie
mehrere Tage hindurch in den Packhaͤuſern noch genauer
in Augenſchein zu nehmen. Darauf zeigen gewiſſe dazu
ernannte Commiſſarien den Hollaͤndern ohne zu fragen,
was ſie fuͤr ihre Waaren begehren, an, wie viel ſie fuͤr
jede Sorte geben wollen. Das erſte Geboth pflegt ſehr
geringe zu ſeyn: kann es nicht angenommen werden, ſo
wird zum zweyten Mahl etwas mehr gebothen. Wird
auch dieſes geweigert, ſo biethen ſie zum dritten Mahl.
Iſt der Verkaͤufer hiemit noch nicht zufrieden, ſo wird
gefragt, was er fuͤr ſeine Waare verlangt. Dieſer pflegt
alsdann vorzuſchlagen, damit die Kaͤufer noch etwas ab-
dingen koͤnnen. Iſt es nun den Japanern darum zu
thun, ſo wird gemeiniglich von ihnen noch etwas zugelegt,
und von jenem etwas abgelaſſen. Wenn nicht, ſo wird
die Waare entweder bis zum folgenden Jahre aufbe-
wahrt, oder nach Batavia zuruͤck genommen. Die
Japaner biethen allezeit nach Mas und nicht nach Kat-
je, zum Exempel fuͤr ein Mas Einhorn acht Mas Sil-
ber, und dergleichen. Nach geſchloßnem Handel wer-
[54]Erſte Abtheilung.
den die Waaren gewogen und nach der Stadt gebracht,
wo jene Aufkaͤufer ſie an die Kaufleute im Lande theuer
wieder verkaufen. Dieſer oͤffentliche Verkauf heißt
Kambang, welches ungefaͤhr ſo viel als bey uns Markt
bedeutet. —


Einhorn wurde dies Jahr auf dem Kambang ziem-
lich theuer verkauft. Vor dieſem wurde es gewoͤhnlich
heimlich herein gebracht, und mit unglaublichem Vortheil
abgeſetzt. Die Japaner haben eine uͤbertriebne Mei-
nung von dem mediciniſchen Nutzen deſſelben in Verlaͤn-
gerung des Lebens, Staͤrkung der Lebensgeiſter und des
Gedaͤchtniſſes, und Heilung aller Kraͤmpfe. Dieſer
Handelszweig iſt den Hollaͤndern erſt vor einiger Zeit,
und zwar durch einen Zufall bekannt geworden. Ein nach
Europa zuruͤck gegangner Chef des hieſigen Handels ſchick-
te einem ſeiner Freunde unter den Dolmetſchern nebſt an-
dern Seltenheiten ein großes und ſchoͤn gewundnes Groͤn-
laͤndiſches Einhorn, und dieſer Mann wurde durch den
Verkauf deſſelben ein ungemein reicher Mann. Seit
dieſer Zeit haben die Hollaͤnder aus Europa alles nur
aufzutreibende Einhorn verſchrieben, und in Japan ſehr
viel darauf gewonnen. Im Anfange wurde jedes Katje
oder 5/4 Pfund fuͤr 100 Kobang oder 600 Thaler ver-
kauft, hernach iſt der Preis allmaͤhlig bis 70, 50 und
30 Kobang gefallen. Da dies Jahr der weite Rock des
Capitains abgelegt werden mußte, und nicht heimlich
eingebracht werden konnte, ſah man ſich genoͤthigt, alles
auf dem Kambang zu verkaufen, da jedes Katje zu
136 Thaler angebracht wurde, 1 Mas Japaniſches Sil-
ber fuͤr 8 Mas und 5 Coederyn Einhorn gerechnet. Konn-
te man auf dem Schiffe ein oder andres Einhorn heim-
lich verkaufen, ſo wurde es mit 15 bis 16 Kobana be-
zahlt. Die 37 Katje, 4 Thail und 6 Mas Einhorn, die
[55]Reiſe von Batavia nach Japan u. ſ. w.
ich mitgebracht hatte, wurden mir daher mit 5071 Thail
und 1. Mas gut bezahlt, und ich kam dadurch in Stand
meine vorher gemachten Schulden zu bezahlen und zugleich
auf meine Lieblingswiſſenſchaft hier 1200 Thaler zu
verwenden.


Die Ninſiwurzel, welche bey den Japanern Niſii
und bey den Chineſern Som heißt, wird hier nicht weni-
ger theuer bezahlt. Die Chineſer ſind die einzigen, wel-
che die aͤchte und unverfaͤlſchte Sorte davon hieher brin-
gen. Sie waͤchſt im noͤrdlichen Theile von China, haupt-
ſaͤchlich in Corea. Eine unaͤchte Gattung bringen die Hol-
laͤnder nicht ſelten her. Dieſe wird gebraucht, die aͤch-
te zu verfaͤlſchen und zu durchmengen. Man ſagt, daß
die Franzoſen ſie aus Amerika nach China bringen, und
vielleicht iſt es die Ginſengwurzel. Die aͤchte Ninſi
wurde dies Jahr das Katje fuͤr 100 Kobang verkauft,
wenn ſie groß und von alten Wurzeln war. Die kleine
war wohlfeiler. Die unaͤchte, wovon die beſten Stuͤcke die
zweygeſpaltnen und weißen ſind, iſt hier als Contreban-
de ſcharf verbothen; ſie darf fuͤr keinen Preis verkauft,
ſondern muß, um allem Unterſchleife und Betruge vor-
zubeugen, ganz und gar verbrannt werden.


Das Kambang-Geld, oder die Summe, welche
man fuͤr die gleichſam auf dem Markte verkauften Waa-
ren zu gut hat, wird nie in baarer Muͤnze ausgezahlt,
(denn Geld darf nicht aus dem Lande gebracht werden),
ſondern man aſſignirt nur darauf, und zieht Wechſel auf
alles, was man nicht nur das Jahr uͤber, ſondern auch
hernach, auf dem Markte der Inſel kauft. Dies Kam-
bang-Geld iſt, wie man es zu nennen pflegt, viel leichter,
oder am Werth geringer, als baares Geld, ſo daß man
mit dieſem Gelde, das man aſſignirt, alles beynahe
doppelt bezahlen muß. Alle durch ſolche Aſſignationen
[56]Erſte Abtheilung.
gemachte Kambang-Rechnungen werden nicht eher, als
wenn die Japaner Neujahr haben, bezahlt. Ehe die
Schiffe abſegeln, wird jedes Rechnung aufgeſetzt, und
im Collegium der Dolmetſcher vorgezeigt und acceptirt,
worauf die Buͤcher abgeſchloſſen werden. Alles was
man nach Neujahr noͤthig hat, nimmt man auf Credit
fuͤr das ganze folgende Jahr.


Wenn die Hollaͤnder hier nicht fuͤr baares Geld kau-
fen oder verkaufen, ſo iſt ihr Handel nicht viel anders als
ein Waaren-Tauſch. Zu dieſem Ende wird vierzehn Ta-
ge vor Muſterung des Schiffs und ſeiner Abreiſe nach
Papenberg gleichſam ein Markt gehalten, da gewiſſe
Kaufleute mit Erlaubniß des Gouverneurs und gegen ei-
ne gewiſſe Abgabe ihre Waaren dahin bringen und in
aufgeſchlagnen Buden zu Kauf haben.


Der Chef der Hollaͤndiſchen Handlung wird jaͤhr-
lich abgewechſelt, ſo daß jedes Jahr einer von Batavia
ankommt, und einer dahin zuruͤck reiſet. Vor dieſem,
da die Handlung noch eintraͤglicher war, machte ein Chef
die Reiſe hieher ſelten mehr als zweymahl; jetzt kann er
dieſe gefaͤhrliche Fahrt wohl drey- und mehrmahl machen,
ohne dennoch ſo große Reichthuͤmer, als ehemahls, ſam-
meln zu koͤnnen. Herr Feith, der dies Jahr hieher kam,
machte jetzt als Chef ſeine vierte Reiſe; diesmahl war er
Herrn Armenaults Nachfolger. Außer dem Chef blei-
ben nach Abgang der Schiffe zwoͤlf bis dreyzehn Euro-
paͤer, die Sklaven nicht gerechnet, hier, und von die-
ſen machen drey die Reiſe nach dem Hofe des Kaiſers
zu Jedo.


Die Chineſer haben ſeit den aͤlteſten Zeiten nach
Japan Handel getrieben, und ſind vielleicht das einzige
Aſiatiſche Volk, das dies je gethan hat. Vor Zeiten lie-
fen ſie mit ihren Fahrzeugen im Hafen Oſakka ein, ſo ge-
[57]Reiſe von Batavia nach Japan u. ſ. w.
faͤhrlich er auch ſeiner Klippen und Sandbaͤnke wegen iſt.
Die Portugieſen lehrten ſie zuerſt den Weg nach Nanga-
ſaki
, wo ſie nunmehr allezeit einlaufen muͤſſen. Anfangs
ſtieg die Zahl ihrer Kauffahrtey-Schiffe auf hundert bis
zwey hundert, davon jedes mit funfzig Mann und druͤ-
ber bemannt war. Obgleich die Chineſer die naͤchſten
Nachbaren der Japaner ſind, unterſcheiden ſie ſich doch
in verſchiednen Stuͤcken von ihnen. Jene tragen Buſa-
ronen, oder ein weites Wamms und weite lange Hoſen;
dieſe gehen allezeit in weiten Roͤcken wie unſre Schlafroͤ-
cke. Jene brauchen Stiefeln von Leinwand und Schuhe
mit Oberleder; dieſe gehen mit bloßen Beinen, und haben
nur Socken und Sohlen an. Ihrer beyder Sprache iſt
eben ſo weſentlich verſchieden, als ihre Grund-Religion.
Dagegen ſind ſie einander an Farbe und Bildung gleich;
ſie ſchreiben auf Eine Art, und haben mehrere Reli-
gions-Secten und Sitten gemein. Auch ſind von alten
Zeiten her Auswanderungen von China nach Japan ge-
ſchehen, beſonders nach den ſuͤdlichen Inſeln, die Liquejo
heißen, und unter Japaniſcher Herrſchaft ſtehen, aber
doch dem Kaiſer in China jaͤhrliche Geſchenke geben.


Die Freyheit, deren ſie hier ehemahls im Handel
genoſſen, iſt ebenfalls jetzt ſehr eingeſchraͤnkt, ſeitdem
man ſie im Verdacht hat, ſie moͤchten den katholiſchen
Miſſionairen in China ergeben ſeyn, und ſeitdem ſie die
Unvorſichtigkeit begangen haben, in China gedruckte,
katholiſche Buͤcher nach Japan zu bringen. Heutiges
Tages werden ſie eben ſo argwoͤhniſch und ſtrenge, und in
einigen Ruͤckſichten noch ſtrenger, als die Hollaͤnder be-
handelt. Man ſchließt ſie auf eine kleine Inſel ein, und
viſitirt ſie genau, wenn ſie kommen und weggehen. In-
deſſen haben ſie den Vorzug vor den Hollaͤndern, daß
ſie in der Stadt zur Verrichtung ihres Gottesdienſtes ei-
[58]Erſte Abtheilung.
nen Tempel haben und beſuchen duͤrfen, auch zu taͤgli-
chen Ausgaben Japaniſche Muͤnze haben, weswegen ſie
auch am Thore das, was ſie zu ihrem Unterhalte gebrau-
chen, ſelbſt kaufen koͤnnen. Wenn ein Fahrzeug von
China hier angekommen, und im Hafen vor Anker ge-
gangen iſt, werden alle Leute, die es an Bord hat, ans
Land gebracht, und ſie duͤrfen ſich von der Zeit an mit
dem Schiffe gar nicht eher wieder befaſſen, als bis alles
zur Abreiſe fertig iſt. Die Japaner laden ſelbſt alles aus,
und bringen hernach das Schiff naͤher ans Land, wo es
waͤhrend der Ebbe ganz trocken auf dem Grunde liegt.
Im folgenden Jahre laden ſie ihnen andre Waaren wie-
der ein.


Den Chineſern wird nicht verſtattet, eine Reiſe an
den Kaiſerlichen Hof zu machen. Hiedurch erſparen ſie
anſehnliche Summen, welche die Hollaͤnder theils auf
der Reiſe, theils zu Geſchenken an den Hof und die
Vornehmern anwenden muͤſſen. Japaniſche Dolmet-
ſcher haben ſie bey ihrer Handlung eben ſo noͤthig, als
die Hollaͤnder, weil ihre Sprache von der Japaniſchen ſo
ſehr abweicht, daß beyde Voͤlker einander nicht verſtehen.


Die Chineſer duͤrfen zwar eine doppelt ſo große
Summe, als die Hollaͤnder, hier verhandeln; allein da
ihre Reiſe hieher weder ſo weit noch ſo gefaͤhrlich iſt, ſo
hat man ſie auch genoͤthigt, zum Vortheil der Stadt
Nangaſaki viel mehr beyzutragen, als jene. Sie muͤſ-
ſen an 60 Prozent Fannagin oder Blumengeld bezahlen.
Zoll und andre Abgaben fordert man aber auch von ih-
nen nicht.


Ihre Waaren, welche gemeiniglich auf ſiebzig
Schiffen hieher gebracht werden, verkaufen ſie jaͤhr-
lich zu drey verſchiednen Mahlen. Der erſte Markt iſt
im Fruͤhlinge, da ſie die Ladung von zwanzig; der zwey-
[59]Reiſe von Batavia nach Japan, u. ſ. w.
te im Sommer, da ſie die von dreyßig; und der letzte im
Herbſte, da ſie die von den uͤbrigen zwanzig Schiffen
verkaufen. Kommen in einem Jahre mehr, als ſo
viele Schiffe, ſo muͤſſen die uͤberzaͤhligen zuruͤck ſegeln,
ohne einmahl etwas ausladen zu duͤrfen. Der groͤßte
Handel der Chineſer beſteht in roher Seide, und ver-
ſchiednen Droguen, die zu Medicamenten eingebracht
werden, als Ninſiwurzel, Terpenthin, Myrrhe, Ka-
lumbakholz; ingleichen Zink nebſt einigen gedruckten
Buͤchern, die aber erſt die Cenſur zweyer Gelehrten paſ-
ſiren muͤſſen, ehe ſie verkauft werden.


Obgleich ihre Reiſen hieher weit weniger koſtbar
ſind, als die der Hollaͤnder, und ſie auch nicht noͤthig
haben, hier einen Directeur und andre Bedienten zum
Behuf der Handlung zu halten, ſo iſt doch ihr Gewinn
wegen der mehreren Prozente, die ihnen abgezogen wer-
den, viel geringer, als der Gewinn der Hollaͤnder.
Und da ſie nunmehr auch kein baares Geld mitnehmen
duͤrfen, muͤſſen ſie ebenfalls Japaniſche Waaren auf-
kaufen, um ſich bezahlt zu machen, als: Kupfer, lackir-
te Arbeit und dergleichen.


Wenn ihre Fahrzeuge die voͤllige Ladung haben
und zur Abreiſe fertig ſind, werden ſie von einer Menge
Japaniſcher Wachſchiffe nicht nur aus dem Hafen, ſon-
dern auch eine gute Strecke weit in die offne See beglei-
tet, um zu hindern, daß ſie ja nichts von den Waaren,
die ſie unverkauft wieder mitnehmen muͤſſen, an Schleich-
haͤndler verkaufen koͤnnen.


Die Chineſiſchen Fahrzeuge ſind duͤnn und leicht
gebauet, ſehr hoch und mit noch hoͤhern Gallerien verſe-
hen, die an den Enden, beſonders am Vordertheile, ſehr
in die Hoͤhe ragen. Nach hinten ſind ſie ſehr offen.
Steuer und Segel ſind groß und unbehuͤlflich.


[60]Erſte Abtheilung. Reiſe von Batavia u. ſ. w.

Unter den Droguen, welche die Chineſer als Arzney-
mittel hieher bringen, iſt auch etwas, wovon die Japa-
ner glauben, es ſey des Sommers ein kriechender Wurm,
des Winters aber ein Gewaͤchs. Selbſt die Dolmet-
ſcher ſtehen in dieſem Wahn. Zuerſt verſchaffte ich mir
eine Abbildung davon, und hernach die Drogue ſelbſt.
Da ſah ich denn deutlich, daß es nichts anders war, als
eine Schmetterlings-Larve, die gegen die Zeit ihrer Ver-
wandlung in eine Puppe, in die Erde gekrochen war,
und ſich da an die Wurzel eines Gewaͤchſes feſt ge-
ſetzt hatte.


[61]

Zweyte Abtheilung.
Reiſe von Dezima nach der Kaiſer-
lichen Reſidenz-Stadt Jedo.


Die Geſandtſchaft ſelbſt macht die Reiſe nach Jedo
zu Lande. Ein großer Theil Sachen aber wird zur
See nach Simonoſeki, Fiogo und andern Oertern ge-
ſchickt. Wir luden daher in ein ziemlich großes Fahr-
zeug verſchiedne Kiſten mit Wein auf Bouteillen, Li-
queuren, Bier auf Bouteillen, allerley Hausgeraͤth
und einige leere Kiſten zum Einpacken der im Lande zu
kaufenden Handelswaaren. Dies Fahrzeug ſollte zu-
erſt nach Simonoſeki gehen, und nach unſrer Ankunft
daſelbſt, auch unſre Perſonen nach Fiogo uͤberfuͤhren.
Hierauf beſorgten wir die mitzunehmenden Geſchenke,
die in Tuch von verſchiedner Farbe und Feinheit, in Chit-
ſen, ſeidnen Zeugen und dergleichen beſtanden. Dieſe
Geſchenke waren fuͤr den regierenden weltlichen Kaiſer,
den Kronprinzen, die Reichsraͤthe und andre vornehme
Herren am Hofe beſtimmt. Wir packten ſie in große
Kaſten; wagten es aber nicht ſie Wind und Wellen
Preis zu geben, ſondern ſie mußten den ganzen Weg ei-
ne Strecke von 320 Meilen getragen werden.


Den 25. Februar ging unſer Chef, von einigen
Supercargeuren, Aſſiſtenten und Dolmetſchern begleitet,
nach der Stadt, um vom Gouverneur Abſchied zu neh-
men. Einige Tage darauf wurden unſrer aller, welche
die Reiſe mitmachen ſollten, Kaſten und Koffer, die
Medicin-Kiſte nicht ausgenommen, auf der Inſel viſi-
tirt, und ſo gleich hernach von unſern Zimmern nach ei-
[62]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
nem Packhauſe gebracht, wo ſie bis zum Tage der Abrei-
ſe verſiegelt ſtehen blieben.


Den 4. Maͤrz 1776 begab ſich die Ambaſſade von
der Inſel Dezima auf den Weg. Der 15. oder 16.
Tag im erſten Monathe des Japaniſchen Jahres, iſt zum
Antritt dieſer Reiſe ein fuͤr allemahl feſt geſetzt. Hol-
laͤnder, welche ſie machten, waren nur drey: der Am-
baſſadeur als Chef der Handlung, Herr Feith; ich als
Doctor oder Legations-Medicus; und ein Secretair,
Nahmens Koͤhler. Der uͤbrige Theil unſrer anſehnli-
chen beynahe aus zwey hundert Menſchen beſtehenden
Geſellſchaft waren alle Japaner: Beamte, Dolmetſcher,
Bediente, Aufwaͤrter.


Ein Banjos war abſeiten des Gouvernements zu
Nangaſaki Anfuͤhrer der ganzen Reiſe-Geſellſchaft, und
hatte den Befehl in allen Stuͤcken. Er wurde in einem
großen Norimon getragen, und vor ihm her trug man
eine Pike zum Zeichen ſeiner Wuͤrde und Befehlshaber-
ſchaft. Zur Ausfuͤhrung ſeiner Befehle waren verſchied-
ne Unter-Banjoſen verordnet. Der oberſte Dolmetſcher
(gemeiniglich iſt dies ein bejahrter Mann) wurde in ei-
nem Kango getragen. Dieſer iſt auf der Reiſe Verwal-
ter der Caſſe, beſorgt und veranſtaltet alles was zur Rei-
ſe gehoͤrt, bezahlt im Nahmen der Hollaͤndiſchen Com-
pagnie alle Koſten, und zwar meiſtentheils mit ſo ge-
nauer Sparſamkeit und Vorſicht, daß er ſelbſt dabey an-
ſehnlich gewinnt, und eine ſolche Reiſe allezeit fuͤr ſehr
eintraͤglich gehalten wird. Um das Eſſen fuͤr den Am-
baſſadeur und die an ſeiner Tafel eſſenden Hollaͤnder zu-
zurichten, gehen zwey Japaniſche Koͤche von der Facto-
rey mit. Ferner werden ſechs Japaniſche Bediente, die
Hollaͤndiſch ſprechen, zur Aufwartung fuͤr die Hollaͤnder
mitgenommen, außer denjenigen, welche der Gouver-
[63]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
neur zu ihrer Bedienung mitſchickt, die aber die Hollaͤn-
diſche Sprache nicht verſtehen. Die Koͤche reiſeten alle-
zeit eine Meile voraus, um das Eſſen fertig zu haben,
wenn wir in der Herberge ankaͤmen. Sie nahmen zu-
gleich den noͤthigen Proviant, einen Feldtiſch, drey Feld-
ſtuͤhle, Tiſchtuch, Servietten und Tiſchgeraͤth mit, wel-
ches alles wir in Ordnung fanden, ſo wohl wenn wir zu
Mittage als zu Abend eintrafen. Mit den Koͤchen gin-
gen außer den Kerlen, welche dieſe Sachen trugen, ei-
nige Schreiber, um in unſerm Logis das Noͤthige fuͤr
die ganze Suite zu beſorgen, und die Ausgaben anzu-
ſchreiben.


Der Ambaſſadeur, der Arzt und der Secretair,
reiſeten ſaͤmmtlich in großen, ſchoͤnen, lackirten Nori-
mon. Zu Kaͤmpfers Zeiten mußten die beyden letzteren
reiten, und Kaͤlte, Regen und Wind ſich gefallen laſ-
ſen. Die Norimon oder Portchaiſen ſind aus duͤnnen
Bretern und Bamborohr verfertigt, laͤnglich viereckig, und
ſo wohl vorn als zu beyden Seiten mit Fenſtern verſehen.
Die Seitenfenſter ſind in der Thuͤr befindlich, deren auf
jeder Seite eine iſt. Ueber die Decke geht eine lange
eckige Stange, womit dieſer Tragſeſſel von den Traͤgern
auf der Schulter getragen wird. Er iſt ſo geraͤumig,
daß man mit Bequemlichkeit darin nicht nur ſitzen, ſon-
dern auch, wiewohl mit etwas zuſammen gezognen Fuͤ-
ßen, liegen kann. Auswendig iſt er mit mancherley
Zierrath geſchmuͤckt, und inwendig mit Sammet und
ſeidnen Stoffen aufs koſtbarſte uͤberzogen. Auf dem
Boden liegt eine, mit Sammet uͤberzogne Matratze.
Hinten und auf beyden Seiten haͤngen laͤngliche eben-
falls mit Sammet uͤberzogne Kiſſen. Auf dem Sitze
liegt ein rundes, in der Mitte mit einem Loche ver-
ſehenes Polſter. Auch findet man eine los liegende
[64]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
duͤnne Decke, gleichfalls von Sammet, oder anderm
koſtbaren Zeuge, zu beliebigem Gebrauch. Vorn ſind
ein oder zwey Breter, um Schreibkaſten, einige Buͤ-
cher und andre Kleinigkeiten hinzuſetzen. Die Seiten-
fenſter kann man niederlaſſen, wenn man friſche Luft
ſchoͤpfen will; und will man nicht geſehen werden, ſo
kann man ſie mit ſeidnen Gardinen und einem Rouleau
von Bamborohr zumachen. In dieſer Saͤnfte reiſet
man mit vieler Bequemlichkeit, und das lange Sitzen
darin ermuͤdet ſelten. Die Zahl der Traͤger, welche ſie
auf ihren Schultern tragen, richtet ſich nach Stand
und Wuͤrde deſſen, der darin ſitzt: ihrer ſind von ſechs
bis zwoͤlf, und daruͤber; ſind ihrer mehrere, ſo gehen ei-
nige los zu beyden Seiten, um ſich von Zeit zu Zeit ab-
zuloͤſen. Wenn mehrere zugleich tragen, ſo ſingen ſie
oft dazu, um alle gleichen Schritt zu halten.


Diejenigen von unſern Sachen, die nicht zu
Schiffe weggeſchickt waren, wurden theils von Pferden,
theils von Leuten getragen, naͤmlich unſre kleinen Kleider-
Koffer, Leuchten im Dunkeln zu gebrauchen, ein Vor-
rath Wein zum taͤglichen Gebrauche, Bier und derglei-
chen, nebſt einem Japaniſchen Geraͤthe zu Theewaſſer,
worin man daſſelbe ſo gar waͤhrend des Marſches kocht,
und immer ſo oft man davon gebrauchen will, zur Hand
haben kann. Wir Europaͤer bedienten uns indeſſen ſel-
ten dieſes den Magen erſchlaffenden Getraͤnks, und tran-
ken lieber ein Glas rothen Wein oder Hollaͤndiſches Bier,
von welchen beyden wir ſtets eine Bouteille bey uns fuͤhr-
ten, die wir, nebſt einer laͤnglichen lackirten Buͤchſe,
worin ein eben ſo laͤngliches doppeltes Butterbrot ſteckte,
zu den Fuͤßen in unſern Norimon ſtehen hatten. Jeder
wer hier im Lande reiſet, fuͤhrt allezeit ſein Bett mit ſich;
dies mußten auch wir auf der ganzen Hin- und Herreiſe
thun.
[65]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
thun. Und da zur Behauptung des Anſehens der Hol-
laͤndiſchen Compagnie, die Pracht in allem groß ſeyn
muß, mußten auch unſre Bettdecken, Kiſſen und Ma-
tratzen mit dem koſtbarſten durchbrochnen Sammet und
ſeidnem Stoffe uͤberzogen ſeyn. Die Japaner, welche
entweder zu Fuß gingen, oder den Weg zu Pferde mach-
ten, waren mit einem kegelfoͤrmigen, unter dem Kinn
feſt gebundnen Hute; einem Faͤcher, der zugleich zum
Wegweiſer gemacht war; einem Sonnen- oder Re-
genſchirme; und zum Theil mit einem Regenmantel ver-
ſehen, der aus in Oehl getraͤnktem Papier verfertigt, ſehr
weit, und wie eine Feder leicht war. Die, welche zu
Fuß wandern mußten, als: Knechte, Aufwaͤrter und
dergleichen, hatten ſich auch mit duͤnnen Kamaſchen und
verſchiednen Paaren ſtroherner Schuhe verſorgt, und
ihre weiten, unſern Schlafroͤcken aͤhnliche, Roͤcke auf-
geſchuͤrzt.


Dieſe aus ſo ſehr vielen Menſchen beſtehende, und
auf ſo ungleiche Art einher ziehende zahlreiche Caravane,
gab in der That einen ſchoͤnen Anblick. Uns Europaͤern
war die Reiſe gar angenehm und behaglich. Allenthalben
begegnete man uns mit eben der Achtung und Ehrenbe-
zeigung, wie den Großen des Landes ſelbſt. Dazu
ſorgte man ſo fuͤr unſre Sicherheit in jeder Ruͤckſicht,
daß uns unmoͤglich ein Unfall begegnen konnte, und man
bediente uns ſo, daß wir uns um nichts mehr zu bekuͤm-
mern hatten, als ein Kind, das an der Mutter Bruſt
liegt. Unſre ganze Beſchaͤfftigung beſtand darin, zu
eſſen, zu trinken, zu ſchlafen, uns aus- und anzuziehen,
zu unſerm Vergnuͤgen zu leſen oder zu ſchreiben, und uns
tragen zu laſſen.


Als wir bey der Bruͤcke, welche die Stadt Nanga-
ſaki
mit der Factorey verbindet, an die Wache kamen,
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. E
[66]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
wurden wir ſehr genau viſitirt, unſre Koffer und andre
Sachen aber, die vorher unterſucht und verſiegelt waren,
gingen jetzt frey durch. Zugleich wurden wir von den
auf der Factorey befindlichen Hollaͤndern, und denjenigen
Japanern, welche daſelbſt im Dienſt ſtanden, oder et-
was zu thun hatten, und eine große Anzahl ausmachten,
durch die Stadt begleitet. Die letzteren gaben uns bis
zu einem draußen vor der Stadt ſtehenden Tempel das
Geleit, wo wir eine Weile ausruheten, und unſre muntre
Geſellſchaft mit Sakki tractirten. Als wir hernach unſre
Reiſe von hier weiter fortſetzten, hatten alle dieſe Japa-
ner, welche ſich nun von uns trennen ſollten, ſich zu
beyden Seiten des Weges, den wir zu nehmen hatten,
mehr als eine halbe Meile in die Laͤnge, haufenweiſe,
nach Stand, Rang und Wuͤrden, hingeſtellt, welches
nicht nur ungemein ſchoͤn ausſah, ſondern von uns auch
mit Recht als die groͤßte Ehre angeſehen wurde. Es
waren die Ottona der Stadt und der Inſel, Ober- und
Unter-Dolmetſcher, nebſt Dolmetſcher-Lehrlingen, Ober-
und Unter-Compradore, Ober- und Unter-Banjoſen,
Kuli und viele andre, die mit den Hollaͤndern in einiger
Verbindung ſtanden.


Am erſten Tage reiſeten wir uͤber Fimi und Jagami,
bis Iſafaga, wo wir das erſte Nachtlager bekamen.
Dieſer Weg betrug ſieben Meilen *).


Zu Jagami, wo wir zu Mittag aßen, wurden wir
von unſerm Wirthe auf eine ſo hoͤfliche und dienſtfertige
Art aufgenommen, als ich es bisher an keinem Orte der
[67]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Welt erlebt hatte. Es iſt hier zu Lande allgemeine Sitte,
daß der Wirth den Reiſenden eine Strecke entgegen
kommt, ſie mit den tiefſten Ehrenbezeigungen willkom-
men heißt, und darauf ſich geſchwind wieder nach Hauſe
begiebt, um ſeine ihm nachkommenden Gaͤſte eben ſo ehr-
erbiethig in Empfang zu nehmen. Als wir im Hauſe an-
gekommen waren, brachte man uns auf einem kleinen nie-
drigen viereckigen Tiſche ein unbedeutendes Geſchenk, dar-
auf Thee, und Tobak und Pfeifen; die letztern gebrauch-
ten wir nicht. Dann fuͤhrte man uns in die fuͤr uns
zurecht gemachten Zimmer, wo wir unſern Tiſch gedeckt
fanden, unſer Glas Branntwein nahmen, unſer Mit-
tagseſſen und unſern Kaffee uns gut ſchmecken ließen,
dann, ſo viel unſrer rauchten, unſre Pfeifen anſteckten,
und uns wieder auf den Weg machten.


Hier bekamen wir auch auf Rechnung der Compagnie
funfzig Japaniſche Thail, welche ungefaͤhr eben ſo viel Hol-
laͤndiſche Thaler betragen, um damit die kleinen Ausgaben
zu beſtreiten, die einem jeden von uns beſonders bey vor-
kommenden Gelegenheiten unterweges zuſtoßen moͤchten,
und ſo genau berechnet waren, daß davon nichts uͤbrig
bleiben konnte. Dies war die erſte Japaniſche Muͤnze,
die in unſre Haͤnde kam. Die erſte Ausgabe beſtand in
Neujahrsgeſchenken an unſre Aufwaͤrter und Knechte auf
Dezima, und auch an unſre Norimons-Traͤger, welche
fuͤr meinen Theil uͤber zehn Thaler betrugen.


Am folgenden Tage gingen wir uͤber Omura nach
Sinongi, wo wir uͤbernachteten. Heute waren wir acht
Meilen gereiſet. Als Kaͤmpfer im Jahr 1691 dieſe
Reiſe machte, nahm die Geſandtſchaft einen andern Weg
nach Sinongi, naͤmlich uͤber den Meerbuſen bey Omura.
Um dieſem auszuweichen, nahmen wir jetzt den Umweg
uͤber Iſafaja, jedoch ohne von da, wie Kaͤmpfer 1692
E 2
[68]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
bey ſeiner zweyten Reiſe, uͤber die große Bucht bey Si-
mabara
zu ſegeln.


Am Tage darauf kamen wir nach einem Wege von
zehnthalb Meilen uͤber Oriſſino, Takkiwo, Swota, Oda,
nach dem Orte unſers Nachtlagers Otſinſu.


Zu Oriſſino iſt ein ſchwefelhaltiges warmes Bad.
Wir beſahen es. Es iſt ſiedend heiß, umher eingeſchloſ-
ſen, und mit einem ſchoͤnen und bequemen Hauſe fuͤr die
Kranken, welche es gebrauchen, verſehen. Das heiße
Waſſer wird nach verſchiednen Stellen abgeleitet und
vertheilt, wo die Kranken ſitzen, und ſelbſt, ſo wohl
heißes, als kaltes Waſſer, welches letztere durch Kunſt
hieher getrieben wird, fuͤr ſich abzapfen koͤnnen. Außer-
dem ſind verſchiedne Einrichtungen vorhanden, nicht nur
nach dem Baden ſich niederzulegen und auszuruhen, ſon-
dern auch ſpatzieren zu gehen. Alles iſt hier ſehr nett
und reinlich.


Swota iſt der ſehr großen Kruken wegen, die da
verfertigt werden, (gewiß die allergroͤßten in der Welt),
merkwuͤrdig. Sie ſind von braunem Thon, ſehr gut ge-
brannt, und ſo groß, daß ſie mehrere Zuber enthalten.
Die Hollaͤnder kaufen jaͤhrlich eine Menge davon, und neh-
men ſie mit nach Batavia, wo ſie, ſo wohl als an andern
Oertern in Oſtindien, mit Vortheil verkauft, und, Waſ-
ſer darin ſtehen zu haben, gebraucht werden. Das zum
taͤglichen Getraͤnk beſtimmte Waſſer haͤlt ſich darin kalt,
und ſchlaͤgt alle Unreinigkeit voͤllig nieder; wird alſo durch
den abgeſonderten Bodenſatz auch reiner und geſunder.


Unſer bisheriger Weg war ſehr gebirgig, ſteinig
und beſchwerlich. Nun aber kamen wir in die Provinz
Fiſen, und hier iſt das Land viel fruchtbarer, ſchoͤner,
ſtaͤrker bewohnt und volkreicher. Die Doͤrfer liegen dich-
ter bey einander, ſind ſehr groß und lang, und nicht ſel-
[69]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
ten ſind zwey, deren jedes eine Meile lang iſt, ſo nahe
beyſammen, daß nur ein Fluß, eine Bruͤcke oder derglei-
chen ſie trennt. Das Land iſt allenthalben vortrefflich
angebauet, und man ſieht die ſchoͤnſten Reiß- und andre
Felder. Die Leute, beſonders das weibliche Geſchlecht,
ſind in dieſer Landſchaft kleiner, als in der vorigen. Die
verheuratheten Frauen entſtellen ſich, da ſie ſonſt wohl-
gebildet, und zum Theil ſchoͤn ſind, hier doch bis zu ei-
nem hohen Grade von Haͤßlichkeit dadurch, daß ſie alle
Haare aus den Augenbraunen geriſſen haben. Dies ſoll
ein Zeichen des verheuratheten Standes ſeyn, ſo wie zu
Nangaſaki ſchwarze Zaͤhne es ſind. Uebrigens iſt dieſe
Provinz ihres ſchoͤnen und koſtbaren Porcellans wegen
ſehr bekannt. Verſchiednes davon hatte ich ſchon in der
Marktzeit auf der Hollaͤndiſchen Factorey geſehen; jetzt
hatte ich Gelegenheit, mich naͤher darnach zu erkundigen.
Es wird aus einer ganz weißen Thonerde gemacht, die an
ſich ſelbſt ſchon ſehr fein iſt, aber dennoch mit der groͤßten
Muͤhe unbeſchreiblich gut bearbeitet wird, ſo daß die da-
von verfertigten Sachen durchſichtig, ſchneeweiß und
uͤber die Maße ſchoͤn werden.


Am folgenden Tage paſſirten wir den ziemlich großen
Fluß Kaſſanga, und die Staͤdte: Sanga, die anderthalb
Meilen lang iſt, Fioſabara, Kanſaki, Nakabara und
Todoriki, worauf wir nach einer Tagereiſe von neun
Meilen zu Taiſero eintrafen, wo wir das Nachtlager
nahmen. Kaͤmpfer erzaͤhlt: zu ſeiner Zeit habe man es
fuͤr Ungluͤck bringend gehalten, und es ſey verbothen
geweſen, in dieſer Stadt zu uͤbernachten, weil einmahl
auf einer ſolchen Reiſe der Banjoſe und der Ober-Dol-
metſcher hier in Streit gekommen, wobey jener die-
ſen getoͤdtet, und dieſer hernach ſich ſelbſt auch entlei-
bet habe.


[70]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima

Sanga iſt die Hauptſtadt dieſer Landſchaft. Sie
hat ein Schloß, wo der Fuͤrſt derſelben reſidirt, Wall
und Graben, und an den Thoren Wache. Sie iſt, wie
die meiſten Staͤdte, ordentlich gebauet, und ihre Straßen
ſind, wie auch faſt allenthalben, gerade und breit.
Auch hat ſie verſchiedne Waſſerkanaͤle, die ganz durch
ſie hingehen.


Den 8. Maͤrz reiſeten wir ungefaͤhr zehn Meilen
bis zu der Stadt Itſka. Der Weg ging verſchiedne
große und kleine Doͤrfer vorbey, und uͤber ſehr hohe Berge.
Zuerſt kamen wir nach Farda, von da nach Jamayo,
und uͤber einen hohen Berg nach Fiamits. Dies liegt
in einer herrlichen Gegend. Wir raſteten hier auch eine
Zeit lang, tractirten uns und die Japaniſchen Beamten
mit Sakki, machten der Wirthin ein Geſchenk an Geld
von ſieben Mas und fuͤnf Konderyn, welches an dieſem
Orte ſo hergebracht iſt, und reiſeten weiter bis Utſini.


Waͤhrend wir heute unſre Reiſe in der Landſchaft
Tſikudſen fortſetzten, wurden wir von einem Beamten be-
gleitet, den der Fuͤrſt derſelben uns entgegen geſchickt
hatte, um uns eine gluͤckliche Ankunft zu wuͤnſchen, und
uns durch ſein Land das Geleit zu geben. So verachtet
der Europaͤer auf ihrer Factorey, und ſo ſchlecht alle Aus-
laͤnder in den Augen der Japaner ſind, mit ſo vorzuͤg-
licher Hoͤflichkeit und Dienſtfertigkeit begegnet man auf
der Reiſe nach Hofe und zuruͤck der Hollaͤndiſchen Am-
baſſade. Man beweiſet ihr eben die Achtung und Ehrer-
biethung, die den eignen Befehlshabern des Landes erzei-
get wird, wenn ſie ihre jaͤhrliche Reiſe zum Kaiſer, und
von da zuruͤck machen. Wenn wir an der Graͤnze einer
Provinz ankamen, kam uns, wie diesmahl, allezeit ein von
ſeinem Herrn abgeſchickter Beamte entgegen, der uns nicht
nur in deſſen Nahmen allen erforderlichen Beyſtand an
[71]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Leuten, Pferden, Fahrzeugen u. dgl. anboth, ſondern uns
auch bis an die andre Graͤnze begleitete, wo er von uns
Abſchied nahm, und von einem andern abgeloͤſet wurde.
Die geringen Leute erzeigten uns eben die unterthaͤnigen
Ehrfurchtserweiſungen, als dem Fuͤrſten, und buͤckten ſich
mit der Stirn bis auf den Erdboden, kehrten uns auch
wohl den Ruͤcken zu, um zu erkennen zu geben, ihre
Niedrigkeit ſey nicht werth, uns anzuſehen.


Von Utſini reiſeten wir uͤber den Fluß Nagata,
durch die Staͤdte Koijanoſſa und Kuroſakki nach Kokura,
wo wir bis folgenden Nachmittag blieben, — zuſammen
zehnthalb Meilen.


Kokura iſt eine große und reiche Handelsſtadt, wird
auch zu den großen Staͤdten des Reichs gerechnet. Ihr
Flor beruhet auf dem ſehr anſehnlichen Handel, der hier
getrieben wird. Der Hafen iſt indeſſen jetzt ſo ſeicht,
daß nur kleine Fahrzeuge und Boͤte an die Stadt kommen
koͤnnen. Die Stadt iſt eine Japaniſche Meile lang,
macht ein laͤngliches Viereck, und wird von einem durch
die Straßen nach der See fließenden Fluſſe durchſchnitten.
Die Thore haben militaͤriſche Wachen, die von Officieren
commandirt werden. An dem einen Ende der Stadt,
und zwar am Fluſſe, liegt das Schloß des Befehlshabers
oder Fuͤrſten der Landſchaft Kokura, das ſehr ſchoͤn, und
nach Landesart gut befeſtigt zu ſeyn ſcheint, mit Graͤben
und Mauern umgeben iſt, und durch einen hohen Thurm
beſchuͤtzt wird. Gern haͤtten wir die Stadt in naͤheren
Augenſchein genommen, allein wir bekamen nicht die Er-
laubniß, darin herum zu gehen.


Ehe wir an dieſem Orte ankamen, wurden wir im
Nahmen des Fuͤrſten von zwey jungen Edelleuten, die er
uns vom Schloſſe entgegen ſchickte, empfangen und nach
unſerm Quartier begleitet. Wir logirten hier ſehr gut. So
[72]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
wohl hier als auf der ganzen Reiſe wurden wir in die hin-
tern Zimmer des Hauſes, welches hier zu Lande den ſchoͤn-
ſten und vornehmſten Theil deſſelben ausmacht, quartiert.
Eben ſo bemerke ich hier ein fuͤr allemahl, daß, da die
Japaner in ihrem ganzen Hauſe gar keine Meublen, mit-
hin auch keine Bettſtellen haben, unſre Matratzen und
Betten auf den Fußboden, der allezeit mit dicken Stroh-
matten bedeckt iſt, gelegt wurden. Die Japaner von
unſerm Gefolge lagen des Nachts eben ſo auf dem Fuß-
boden, hatten aber keine Kopfkiſſen, ſondern ſtatt deren
ein laͤngliches Stuͤck lackirtes Holz, das ſie unter den
Kopf legten. Einem alten Herkommen gemaͤß bekam
hier der vom Statthalter zu Nangaſaki zu unſerer Auf-
wartung mitgegebene Diener ein Trinkgeld von ein Thail,
fuͤnf Mas, oder ungefaͤhr ein und einen halben Thaler.


Unter andern in dieſen Gegenden haͤufig anzutref-
fenden Baͤumen und Gewaͤchſen, als: der gemeinen Fichte
(Pinus ſylveſtris), dem Indianiſchen Felſenkraute (Aza-
lea Indica
), der Indianiſchen Wucherblume (Chryſan-
themum Indicum
), fand ich hier auch einen Baum,
der den Nahmen Ankuba fuͤhrt, und einen andern, den
man Nandina nennt, und von welchen beyden man glaubt,
daß ſie dem Hauſe Gluͤck bringen.


Gegen Abend fuhren wir mit einer Jacht drey Mei-
len weit uͤber den Meerbuſen nach Simonoſeki, wo wir
in einem Wirthshauſe uͤbernachteten.


Zwiſchen dieſem Orte und Kokura liegt eine nie-
drige laͤngliche Klippe, die bey flachem Waſſer und zur
Zeit der Ebbe nur ein wenig uͤber das Waſſer hervor ſteht,
von der Fluth aber ganz bedeckt wird. Man erzaͤhlt, an
dieſer Klippe ſey ein Fahrzeug, das den Kaiſer Taiko
uͤberſetzen ſollen, geſcheitert und verungluͤckt; der Kaiſer
ſey zwar gerettet worden, der Schiffer aber habe ſich
[73]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
nach Japaniſcher Sitte den Bauch aufgeſchnitten, um
ſich ſelbſt zu ſtrafen. Zum Andenken dieſes Ungluͤcks habe
man nachmahls auf der Klippe einen viereckigen gehaue-
nen Stein, ungefaͤhr eine Elle hoch, aufgeſtellt.


Simonoſeki liegt an dem einen Ende von Nipon,
der groͤßten von allen Inſeln dieſes Reichs, auf welcher
beyde Hauptſtaͤdte deſſelben liegen. Die Stadt iſt zwar
keine Fuͤrſtliche Reſidenz, auch keine der groͤßten im Lan-
de, aber doch ſehr bluͤhend und anſehnlich. Dies hat
ſie ihrer Lage zu danken. Sie hat einen ſehr beruͤhm-
ten Hafen, der ungemein haͤufig beſucht wird: man
ſieht oft zwey bis drey hundert Fahrzeuge von verſchied-
ner Groͤße vor Anker liegen. Gewoͤhnlich laufen alle
die, welche von den weſtlichen Kuͤſten des Reichs
nach den oͤſtlichen, und umgekehrt, ſegeln, hier ein,
entweder um Waaren abzuhohlen, oder bey widri-
gem Winde und Sturme ſicher zu liegen. Wegen der
faſt aus allen Oertern und Provinzen des ganzen Reichs
hieher zuſammen ſtroͤmenden Menge Menſchen iſt Han-
del und Verkehr hier ſehr groß. Man findet daher hier
auch eine große Menge Waaren, die aus andern Land-
ſchaften zum Verkauf hieher gebracht werden, und welche
man in andern Staͤdten und Haͤfen nicht immer findet:
denn jeder Handelsort handelt hauptſaͤchlich nur mit den
Waaren und Producten, die er ſelbſt, und die Provinz,
worin er liegt, hervorbringt und verfertigt. Wir be-
ſtellten jetzt zu unſrer Ruͤckkunft, theils zu eignem Ge-
brauch, theils zum Verkauf, außer andern Waaren,
Reiß, der in dieſer Gegend ganz vorzuͤglich gut iſt, und
Kohlen, die man zur Feuerung im Winter und zum
Eſſenkochen gebraucht. — Daß es an einem Orte wie
dieſer, nicht an oͤffentlichen Maͤdchenhaͤuſern fehle, wird
man leicht glauben. Wir Hollaͤnder hatten nicht die
[74]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
Erlaubniß ſie zu beſehen, ſondern wenn wir, nach er-
haltner Freyheit, in der Stadt ſpatzieren gingen, wur-
den die Thore zu den Straßen, wo ſie ſtehen, ſorgfaͤl-
tig verſchloſſen.


Am Strande ſammelt man in dieſer Gegend eine
Art Watt (Ulva), die hier Awa Stori heißt. Sie
wird getrocknet, uͤber Feuer geroͤſtet, und zu einem ſehr
feinen Pulver zerrieben, und mit gekochtem Reiß, bis-
weilen in der Miſoſuppe gegeſſen.


Von Simonoſeki geht zwar zu Lande ein Weg nach
Jedo; wir bedienten uns deſſen aber nicht, weil er ge-
birgig und beſchwerlich iſt, ſondern zogen die Waſſerreiſe
vor. Zu dieſem Ende begaben wir uns den 10. Maͤrz
an Bord eines großen, 90 Fuß langen, Japaniſchen
Fahrzeuges. Dies Schiff wird zur Ueberfahrt der Am-
baſſade nach Fiogo, fuͤr Rechnung der Compagnie, jaͤhr-
lich fuͤr 480 Thaler gemiethet, und zwar zu einer Reiſe
von etwa 130 kleinen Seemeilen, die bey gutem Winde
bisweilen in Zeit von acht Tagen zuruͤck gelegt werden.
Ein aͤhnliches Fahrzeug fuͤhrte einen Theil der Bagage
und des Gefolges. Wir logirten uns in die Kajuͤte.
Unſer Banjos bekam ſein abgetheiltes Zimmer auf einer,
und wir Hollaͤnder die andre groͤßre Seite. Dieſe war
auch in zwey Gemaͤcher vertheilt: eine ganz kleine Schlaf-
kammer fuͤr den Ambaſſadeur, und ein groͤßeres fuͤr mich
und den Secretair, welches zugleich zum Speiſeſaale ge-
braucht wurde. Die uͤbrigen Gemaͤcher im Schiffe nah-
men die Dolmetſcher und andre ein.


Wir ſegelten ſechs und dreyßig Meilen bis Kamiro,
von da wir weiter gingen, aber nach einer Fahrt von ſie-
ben Meilen widrigen Wind bekamen, und uns deswe-
gen bey Nakaſſima vor Anker legen mußten. Allein da
dieſer Wind nicht nur anhielt, ſondern auch Sturm ent-
[75]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
ſtand, ſahen wir uns genoͤthigt unſere Anker wiederum
zu lichten, und ganze vierzehn Meilen bis Kaminoſeki
zuruͤck zu ſegeln, um in den daſigen bequemern und ſiche-
rern Hafen einzulaufen. Hier mußten wir gegen drey
Wochen zubringen, ehe wir guͤnſtigen Wind bekamen,
und die Reiſe fortſetzen konnten. Dieſe ganze Zeit wa-
ren wir beſtaͤndig auf dem Schiffe, hatten aber doch ver-
ſchiedne Mahl Gelegenheit, ans Land zu gehen, und uns
in den Wirthshaͤuſern und Tempeln umzuſehen. Es war
jetzt auf dem Schiffe ſo kalt, daß wir in den Zimmern ein-
heitzen mußten, und doch Schnupfen und andre Erkaͤl-
tungen davon trugen. Die Japaner vertrieben ſich die
Zeit mit allerhand Spielen. Meine Freunde unter ihnen
beſchaͤfftigte ich theils mit mediciniſchen Vorleſungen, theils
mit Erkundigungen nach dem Lande, der Regierung, der
Haushaltung, der Sprache und dergleichen. Die
Sprache ſtudierte ich beſonders fleißig, und bereicherte
jetzt ſehr mein ſchon angefangnes Woͤrterbuch.


Die Kuͤſten, welche wir bisher vorbey gefahren wa-
ren, ſind uͤberall bergig, dennoch aber aufs hoͤchſte ange-
bauet. Die Berge ſahen meiſtens wie ſchoͤne Gaͤrten aus.


Zu Kaminoſeki und zu Simonoſeki bemerkte ich,
daß die oͤffentlichen Beamten zum Theil zwey Saͤbel, zum
Theil aber nicht mehr als einen tragen duͤrfen: jene
heißen Samrai, dieſe Tjonen. In beyden Staͤdten ha-
ben auch junge Leute aus der Buͤrgerſchaft, wirkliche
Buͤrgerſoͤhne, bey dem Buͤrgermeiſter auf eine gewiſſe
Zeit die Aufwartung. Sie werden Kodom genannt,
ſind wohlgekleidet, und tragen, wie Perſonen in oͤffent-
lichen Aemtern, lange Beinkleider. Nach Verlauf ei-
ner gewiſſen Zeit werden ſie von andern abgeloͤſet.


Endlich nach langem Harren machte ſich ein guͤnſti-
ger Wind auf, und wir konnten weiter unter Segel ge-
[76]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
hen. Wir fuhren bis Dſino Kameru, wo wir wieder
ſtill lagen. Allenthalben ſahen wir, ſo wie auf der bis-
herigen Reiſe, uns von großen und kleinen Inſeln umge-
ben, zwiſchen denen wir hinſchifften, und womit dieſe
ganze Gegend beſaͤet iſt. In allen dieſen Fahrwaſſern
trafen wir auch mehrere Arten wilde Enten, beſonders
die Federkappe (Anas galericulata) an. Sie verſam-
meln ſich bey ſchoͤnem Wetter in ſolcher Menge, daß
man ſie in der Ferne fuͤr große Inſeln anſehen ſollte, und
ſcheuen ſich weder vor Schiff noch vor Menſchen, ſo gar
nicht einmahl, wenn man unter ſie ſchießt. Hier, und
wo wir uns ſonſt vor Anker legten, unterließen unſre
Japaner nicht, ſich ans Land ſetzen zu laſſen, und zu ba-
den. Unſre Fahrt ging zwiſchen unzaͤhligen Inſeln, und
durch einen engen Kanal zwiſchen zwey großen Landſchaf-
ten, weiter bis Materai. Der Hafen daſelbſt iſt geraͤu-
mig und ſicher, und liegt daher immer voll Schiffe in
großer Menge. Man fiſchet hier eine Art Auſtern, Si-
gaki genannt, die ſehr gut ſchmecken.


Nach einer beſchwerlichen und gefahrvollen Reiſe
von ſechs und zwanzig Tagen langten wir endlich, da wir
die letzte Zeit ſehr guten Wind hatten, zu Fiogo an.
Dieſer Ort liegt ungefaͤhr zehn Meilen, oder dreyzehn
Seemeilen von Oſaka, an demſelben Meerbuſen, und
zwar ſchraͤge gegen uͤber. Er hat einen großen ins Land
hinein gehenden Hafen, der gleichwohl auf der Suͤd-Seite
offen und daher von Natur unſicher und gefaͤhrlich iſt.
Er iſt dies aber nicht mehr, ſondern vielmehr ſehr ſicher
und brauchbar, ſeitdem der Kaiſer Feki mit unglaublicher
Muͤhe, Arbeit und Koſten, ſelbſt mit Verluſt einer
Menge Leute, die dabey ums Leben gekommen ſind, dem
Uebel abgeholfen hat. Dieſer Kaiſer ließ auf der Suͤd-
Seite des Hafens einen hohen Damm anlegen, um den
[77]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Anlauf der Wellen abzuhalten, der wie eine lange ſchmale
Sandbank ausſieht, und eben nicht tief unter dem Waſ-
ſer liegt. Mehrere hundert Schiffe hatten jetzt mit uns
ihre Zuflucht hieher genommen. Dieſer Hafen iſt auch
deſto wichtiger, da das Fahrwaſſer nach Oſaka ſeicht iſt
und von großen Fahrzeugen nicht befahren werden kann.
Die Stadt liegt eben ſo als Nangaſaki, laͤngs am
Strande des Hafens, und am Fuße der hinterwaͤrts
empor ſteigenden Berge, und iſt ziemlich groß und ſchoͤn.
Der Zuſammenfluß von Menſchen iſt anſehnlich.


Kaͤmpfer reiſete mit ſeiner Caravane in kleinen
Boͤten von Fiogo nach Oſaka. Wir aber waͤhlten den
Landweg uͤber Fiogo nach Iſinomia und Amagaſaki,
eine befeſtigte Stadt an der Seekuͤſte, nach Kanſaki,
einem Dorfe, das an der Muͤndung eines großen Fluſſes
liegt. Dieſer Weg betrug drey Meilen. Von Kanſaki
ließen wir uns nach dem Ausfluſſe des großen Fluſſes,
welcher durch die Stadt Oſaka ins Meer laͤuft, drey
Meilen weit in Boͤten uͤberſetzen.


Unſer zukuͤnftiger Wirth kam uns in einem Boote
entgegen, und begleitete uns den Strom hinauf durch
die Vorſtaͤdte, die am Strande liegen, und die man vor
den vielen hundert hier ſich aufhaltenden Fahrzeugen kaum
ſehen kann. Wir paſſirten verſchiedne Bruͤcken, Thore
und auf beyden Seiten liegende Wachhaͤuſer, und merk-
ten nunmehr, daß wir in der Stadt ſelbſt waren. Hier
fanden wir vortreffliches Logis und eben ſo erwuͤnſchte Auf-
nahme. Unſer Wirth kam, in ſeinem feſtlichſten An-
zuge, mit dem heiterſten Blicke und den ehrerbiethigſten
Geberden, ſo gleich herein, um uns durch den Dol-
metſcher zur Beendigung der langweiligen und laͤſtigen
Seereiſe Gluͤck zu wuͤnſchen. Er hatte einen Bedienten
bey ſich, der einen gewoͤhnlichen kleinen viereckigen Tiſch
[78]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
hinſetzte, worauf ein, ebenfalls aufs ſchoͤnſte geſchmuͤck-
tes, Geſchenk lag. Dies beſtand in einigen Apfelſinen,
von gewoͤhnlicher Groͤße, aber ſehr dicker Schale, einigen
Mikan oder kleinen Apfelſinen mit duͤnner Schale, und
einigen gedoͤrrten Feigen oder Kaki. Oben auf lag ein
zuſammen gelegtes, mit rothen, vergoldeten papiernen Faͤ-
den umwundnes Papier, an deſſen Enden ein Streif
von Tank (Fucus) feſt geklebt war. Umher lagen ei-
nige, auch aus Tank geſchnittne kleine Wuͤrfel. Dies
alles gehoͤrt zum Cerimoniell, und bezeichnet die groͤßte
Achtung gegen die ankommenden Fremden. Zu Abend
bekamen wir unter andern Gerichten eine Art Fiſch,
die man hier Abrame nennet, und von ſehr gutem Ge-
ſchmacke iſt.


Das erſte, was wir zu thun hatten, war: dem
Schiffs-Capitain, welcher uns mit dem großen Fahr-
zeuge gluͤcklich bis Fiogo gebracht, und nebſt einigen von
der Beſatzung hieher begleitet hatte, unſre Dankbarkeit
zu beweiſen. Fuͤr mich mußte ich ihm ſechs Thail, und den
Matroſen ſieben Mas, fuͤnf Konderyn bezahlen. Auch
mußte, dem Gebrauche gemaͤß, hier jeder von uns den
Leuten, welche unſre Norimon in Verwahrung gehabt hat-
ten, ſechs Thail, und den vom Gouverneur uns mitge-
gebenen Bedienten gleichfalls ſechs Thail bezahlen. Zu-
ſammen belief ſich dies auf ſechzehn Thaler.


Zu Oſaka hielten wir uns nur einen Tag und Nacht
auf. In dieſer Zeit beſuchten uns verſchiedne Kaufleute,
bey denen wir, nach Muſtern, die ſie bey ſich hatten,
allerley Sachen beſtellten, die zu unſrer Wiederkunft
fertig ſeyn ſollten, nahmentlich nachgemachte und uͤber-
firnißte Inſecten von Kupfer und Holz, verſchiedne Ar-
ten Faͤcher, Papier zum Schreiben und zu Tapeten, und
dergleichen mehr.


[79]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.

Oſaka iſt eine von den ſo genannten fuͤnf Reichs-
ſtaͤdten, die dem weltlichen Kaiſer gehoͤren, im Nahmen
deſſelben von zwey Statthaltern regiert werden, welche
ein Jahr ums andre nach Hofe reiſen, und die dann wie-
der ein Jahr ums andre die Regierung verwalten. Zu-
gleich iſt ſie eine von den groͤßten Handelsſtaͤdten des
Reichs, wozu ihre bequeme Lage an der Seekuͤſte und
beynahe mitten im Lande viel beytraͤgt. Wegen der un-
glaublich großen Zufuhr aller Sachen aus allen Gegen-
den des Reichs ſind hier die Eßwaaren wohlfeil. Die
reichſten Kaufleute und Kuͤnſtler haben ſich hier nieder-
gelaſſen. Der Fluß Jedogawa, auf dem wir die Stadt
hinein ſegelten, fließt durch die Straßen, und wird durch
Graͤben in verſchiedne Arme vertheilt. Sie hat beynahe
eine Meile im Umfange ins Gevierte, iſt nach hieſiger
Art wohl befeſtigt, und hat eine ſtarke Citadelle, die
ſeitwaͤrts neben der Stadt liegt. Ueber den Fluß gehen
nicht nur koſtbare Bruͤcken von Japaniſchem Cedernholz,
ſondern ihrer ſind auch ſehr viele, und einige von unge-
meiner Laͤnge, funfzig bis ſechzig Faden lang. Faſt in
allen Haͤuſern beſteht die Vorderſeite des unterſten Stock-
werks entweder aus Werkſtaͤtten, die nach der Straße
offen ſind, oder aus großen Kaufmannsbuden, wo aller-
ley Waaren ausgehaͤngt ſind, und Kaͤufer anlocken.
Viele Reiche laſſen ſich hier nieder, um hier ihr Geld zu
verzehren, weil dieſe Stadt der angenehmſte Aufenthalts-
ort im ganzen Lande iſt. Sie iſt in Japan, was Paris
in Europa iſt. Man kann hier alles moͤgliche Vergnuͤ-
gen haben. In der Feſtung haben die Stadt-Gouver-
neure nichts zu befehlen. Sie hat zwey beſondre Gou-
verneure oder Commandanten, die ſich auch abloͤſen,
und zwar alle drey Jahr, in der Stadt aber auch nichts
zu ſagen haben. Einer von ihnen haͤlt ſich allezeit bey
[80]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
Hofe auf, und, wenn er herunter reiſet, um ſeinen
Vorgaͤnger abzuloͤſen, wird dabey der Umſtand gar ſorg-
faͤltig beobachtet, daß ſie mit einander nicht ſprechen duͤr-
fen; ſondern wenn der eine einzieht, muß der andre aus-
ziehen, und ſich unverzuͤglich zum Kaiſer verfuͤgen, um
von ſeiner Verwaltung Rede und Antwort zu geben.


Weil wir von Oſaka nach Miako dreyzehn Meilen
hatten, mußten wir uns den 9. April des Morgens ſehr
fruͤh auf den Weg begeben. Wir wurden deswegen noch
vor Tage in aller Eile geweckt, tranken eine Taſſe Kaffee,
machten unſer Fruͤhſtuͤck-Butterbrot zurecht und ſetzten uns
in unſre Saͤnften. Die Japaner gingen mit einer Menge
brennender Fackeln und unter beſtaͤndigem Singen voran.
Unterwegens hielten wir verſchiedne Mahl ſtill, um aus-
zuruhen, und Erfriſchungen oder das Mittagseſſen zu
uns zu nehmen; in den Doͤrfern Morikuts, Firakatta
und Fuſimi, und in der Stadt Jodo. Dieſe Doͤrfer
ſind von ungeheurer Groͤße; Fiſimi iſt drey Meilen lang,
und erſtreckt ſich ganz bis an die Kaiſerliche Hauptſtadt
Miako, wovon ſie wie eine Vorſtadt angeſehen werden
konnte. Jodo iſt eine kleine, aber nette und an Waſſer
ſehr reiche Stadt. Ihre Bruͤcke iſt eine der groͤßten im
Reiche: ihre Laͤnge betraͤgt vier hundert Schritt. Sie
wird durch ein an der Seite liegendes feſtes Schloß, wo
zugleich ein Fuͤrſt reſidirt, beſchuͤtzt.


Außer in Holland habe ich keine ſo angenehme Reiſe
als dieſe gemacht, ſo ſchoͤn, reitzend und bezaubernd iſt
das Land. Die Menge ſeiner Einwohner und ſeine Cul-
tur uͤbertrifft alle Beſchreibung. Das ganze Land iſt zu
beyden Seiten, ſo weit das Auge reicht, nichts anders als
ein einziges fortgehendes fruchtreiches Feld, und unſre
ganze heutige Reiſe ging durch Doͤrfer, wovon das eine
aufhoͤrt, wo das andre anfaͤngt, und die an der ganzen
Landſtraße hin liegen.


Auf
[81]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.

Auf dem Fluſſe Miaco halten ſich Pelikane, die
in den Fichten am Wege ihre Neſter haben, wie auch
wilde Enten und andre Voͤgel in Menge auf, obgleich
das Ufer ihnen keinen ruhigen Wohnplatz gewaͤhret, ſon-
dern allenthalben bewohnt und angebauet iſt. In meiner
Hoffnung aber, auf einer ſo weiten Reiſe, in einem Lande,
wohin ſo ſelten Europaͤer kommen, eine Menge ſeltner
und unbekannter Gewaͤchſe zu ſammeln, fand ich mich
gar ſehr betrogen. Nirgends habe ich je weniger Gele-
genheit dazu gehabt, als jetzt. Auf den meiſten Aeckern,
die gegenwaͤrtig beſaͤet ſtanden, konnte ich nicht den klein-
ſten Halm Unkraut entdecken, faſt auf keinem einzigen
in der ganzen Provinz. So genau jaͤtet man alles Un-
kraut aus.


Zu Miaco wurden wir im obern Stockwerke des
fuͤr uns beſtimmten Hauſes einquartiert, welches ſonſt
in Japan nicht zu geſchehen pflegt. Vier Tage lang
mußten wir hier verweilen. Jetzt oͤffneten wir auch un-
ſere großen Koffer, um weiße Waͤſche und andre Klei-
dungsſtuͤcke, nebſt noͤthigem Proviant zu dem noch ruͤck-
ſtaͤndigen Theile der Reiſe heraus zu nehmen. Der
oberſte Dolmetſcher haͤndigte uns hier eine Summe Gel-
des in neuen Kobang ein, um davon auf der Reiſe nach
Belieben Gebrauch machen zu koͤnnen. Ich und der Se-
tretair bekamen jeder drey hundert Thaler, die wir aber
hernach zu Nangaſaki von unſerm Kambangs-Capitale er-
ſetzen mußten. Bey den Kaufleuten, welche Erlaubniß
hatten, uns zu beſuchen, beſtellten wir zu unſrer Zuruͤck-
kunft allerley Handelswaaren, als Sowa-Arbeit, Faͤcher,
lackirte Sachen und dergleichen.


Waͤhrend unſers hieſigen Aufenthalts hatten wir
Audienz bey dem Oberrichter und den beyden Gouverneu-
ren der Stadt, welche alle von der Hollaͤndiſchen Compa-
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. F
[82]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
gnie mit Geſchenken bedacht wurden. Wir wurden in
unſern Norimon nach ihren Pallaͤſten getragen, und da-
ſelbſt mit gruͤnem Thee, Tobak und Zucker-Backwerk
regalirt.


Miaco iſt nicht allein die aͤlteſte Hauptſtadt des
Reichs, und der Wohnſitz des Dairi, oder des geiſtli-
chen Kaiſers, ſondern auch die groͤßte Handelsſtadt im
ganzen Lande. Der Dairi hat ſein Reſidenz-Schloß
und ſeinen Hof gleichſam in einem beſondern Quartier der
Stadt, das an ſich ſelbſt ſchon eine anſehnliche Stadt
ausmacht, und mit Waſſergraͤben und ſteinernen Mauern
umgeben iſt. Wir hatten nicht das Gluͤck, ſie anders
als von weitem zu beſehen. Die Lage der Stadt unge-
faͤhr mitten im Lande verſchafft ihr den ungemein großen
Vortheil der vorzuͤglichen Handlung. Sie erſtreckt ſich
auf einer großen Ebene ungefaͤhr eine Deutſche Meile in
der Laͤnge und eine halbe Meile in der Breite. Die mei-
ſten und geſchickteſten Handwerker, Fabrikanten und Kuͤnſt-
ler und die angeſehenſten Kaufleute haben ſich hier ſeß-
haft niedergelaſſen. Alles was man will, kann man hier
zu Kauf haben, beſonders lackirte Sachen, Sammete,
ſeidne Zeuge, Gold- und Silberſtoffe, Arbeit von Gold,
Silber und Kupfer; Sowa; Kleider und die vortreff-
lichſten Waffen. Das an ſich ſchon vortreffliche Japa-
niſche Kupfer wird hier gelaͤutert und veredelt, nachdem
es bey den Gruben nur geroͤſtet und geſchmelzt worden iſt.
Alles Geld wird hier gepraͤget. Und da nur am Hofe
des Dairi, gleichſam als auf einer Reichs-Akademie,
Litteratur und Gelehrſamkeit cultivirt werden, ſo werden
hier auch alle Buͤcher gedruckt.


Den 14. April verließen wir Miaco und kamen
uͤber Keagi, JakoTjaja, Faſiri, Iſiba oder Oits,
Tſetta und Skinowa nach Kuſats, wo wir das Nacht-
[83]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Logis nahmen: eine Tagereiſe von etwas mehr als ſieben
Meilen.


Oits liegt an einem Landſee gleiches Nahmens, der
gegen ſeine Laͤnge von vierzig Japaniſchen Meilen ſehr
ſchmal iſt. Wenn man alten Erzaͤhlungen glauben kann,
ſo iſt derſelbe in Einer Nacht durch ein Erdbeben, das
dieſe ganze Strecke Landes einſtuͤrzen gemacht, entſtan-
den. Er befoͤrdert gar ſehr den Transport der Waaren
aus den umliegenden Gegenden nach Miaco. Auch iſt
er deswegen merkwuͤrdig, daß Lachſe ſich darin aufhalten,
welche Art Fiſche ſonſt in ganz Oſtindien ſo außerordent-
lich ſelten iſt. Diejenigen, welche wir hier davon aßen,
waren vortrefflich. Die groͤßten wogen ungefaͤhr ein
halbes Ließpfund. Auf unſrer ferneren Reiſe trafen wir
noch an mehr Oertern Lachs; wir ließen daher verſchiedne
raͤuchern, um ſie bey unſrer Zuruͤckkunft mitzunehmen;
dieſe kamen aber weder an Groͤße und Fett, noch in An-
ſehung der Art, wie ſie geraͤuchert waren, den Europaͤi-
ſchen gleich.


Kuſats iſt nur ein Dorf, aber von fuͤnf hundert
Feuerſtellen. Bey Tſetta kamen wir uͤber eine ſehr lan-
ge Bruͤcke, die auf einer kleinen, nahe nach der einen
Seite liegenden Inſel ruhet, etwa 350 Schritte lang,
nach Japaniſcher Art ſchoͤn gebauet, und mit Gelender
verſehen iſt.


Am folgenden Tage hatten wir eilf Meilen zu ma-
chen, und zwar durch die große reiche und fruchtbare Pro-
vinz Omi. Hier liegen die Staͤdte und Doͤrfer ganz dicht
an einander. Die merkwuͤrdigſten, welche wir paſſirten,
waren Menoki, Iſſibe, Naſumi, Iſami, Minakuts, Ono,
Matſu, Fitsjoma, Inofana Sawa und Sakanoſta.


Minakuts iſt eine anſehnliche Stadt. So wohl
hier als vorher an verſchiednen Orten, waren Kranke
F 2
[84]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
aus den umliegenden Gegenden angekommen, um ſich
gegen ihre chroniſchen Krankheiten von dem Hollaͤndi-
ſchen Arzte Rath und Medicin geben zu laſſen. Bey
vielen beſtand das Uebel entweder in Verhaͤrtung der
Druͤſen und offenen Krebsſchaͤden, oder in veneriſchen
Symptomen, die zu ſehr uͤberhand genommen hatten.


Gegen Abend kamen wir in die Landſchaft Iſi, und
zwar durch verſchiedne am Wege liegende, ſehr lange
und faſt an einander ſtoßende Doͤrfer nach der zu unſrer
Nacht-Herberge beſtimmten Stadt Seki. Die heutige
Reiſe war nicht weniger angenehm, als die geſtrige.
Denn auch dieſe Provinz iſt dicht bewohnt, fruchtbar
und volkreich. Nur ſchlimm, daß wir hier, ſo wie
uͤberall in den Doͤrfern, den Geruch des geſammelten
Urins und Unraths auszuſtehen hatten, der alles Ver-
gnuͤgen verbitterte, und uns zwang, die Fenſter in un-
ſerm Norimon faſt immer zuzuhalten.


Den Tag darauf legten wir zehn Meilen zuruͤck.
Nachdem wir durch Noſin, Kamirujammi, Moirino-
ſta
, Sono, Tjakuſi, Sutski, Ojiwaki, die anſehnli-
che Stadt Jokaits, Tomida und Matsdera gekommen
waren, trafen wir gegen Abend zu Kwana ein, wo
wir in einem ſchoͤnen und bequemen Logis die Nacht zu-
brachten. Bey Jokaits waren wir wieder an der Kuͤſte,
in deren Naͤhe wir hernach faſt ganz hin bis Jedo blie-
ben. Auf dieſem Wege aber hatten wir viele große und
gefaͤhrliche Fluͤſſe zu paſſiren, uͤber welche man wegen ih-
res ſtarken Anſchwellens in den Regenzeiten keine Bruͤ-
cken hat anlegen koͤnnen, durch welche daher Reiter,
Laſtthiere, Traͤger und Fußgaͤnger hindurch muͤſſen.


Nicht weit von Jokaits bekamen wir unterweges
drey Bettelnonnen zu Geſellſchafterinnen. Bey jedem
unſrer Norimon ging eine her, um von uns Hollaͤndern
[85]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Geld zu bekommen. Sie begleiteten uns mehrere Stun-
den lang, und bettelten unaufhoͤrlich, obſchon ſie ſo
gleich zu Anfange eine artige Gabe in Silbermuͤnze em-
pfangen hatten. Sie waren nett und reinlich gekleidet;
aber mit ihrem ungeſtuͤmen und hartnaͤckigen Betteln fie-
len ſie uns ſehr zur Laſt. Wir wechſelten daher ein Gold-
ſtuͤck, um von der kleinen Kupfermuͤnze eine Partey zu be-
kommen, die durch ein in der Mitte befindliches vierecki-
ges Loch auf eine Schnur gereihet wird, und Seni heißt.
Hievon theilten wir von Zeit zu Zeit ein Paar Stuͤcke
aus, und nun konnten wirs aushalten. Die Maͤdchen
waren von ſechzehn bis achtzehn Jahr alt, und ihr Be-
tragen, das eigenſinnige Betteln ausgenommen, anſtaͤn-
dig. Unſre Dolmetſcher beſchrieben ſie uns als Toͤchter
von Bergprieſtern, einer Art Moͤnche, die den Nahmen
Jammabo haben, und ſagten uns, ihr vornehmſter Er-
werb ſey das Betteln, ſie ſeyen verbunden, von ihren Al-
moſen eine jaͤhrliche gewiſſe Abgabe an den Tempel zu
Iſi zu erlegen, ihre Sittſamkeit und Keuſchheit ſey aber
nicht ſo groß, als ſie uns vorkomme. Sie heißen Ko-
mano Bikuni.


Kwana iſt eine anſehnliche, große und ſtark be-
feſtigte Stadt in der Landſchaft Owari, einer der reich-
ſten und bedeutendſten unter den Fuͤrſtlichen Provinzen
des Reichs. Sie hat zwey Citadellen, und iſt mit
Mauern und Graͤben eingeſchloſſen. Die Citadellen ha-
ben hohe Thuͤrme, die einen ſchoͤnen Anblick geben. So
wohl in dieſen als in den Stadtmauern ſieht man allent-
halben kleine laͤngliche Oeffnungen, die zu Schießſchar-
ten dienen, um mit ihren Pfeilen, vor den feindlichen
Schuͤſſen ſicher, hindurch zu ſchießen.


Am folgenden Morgen fuhren wir uͤber den Meer-
buſen, ſieben Seemeilen weit, nach Mia. Dieſe See-
[86]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
reiſe war eine der ſonderbarſten. Zu Kwana hatten wir
uns mit unſerm Gefolge und Gepaͤcke in große Fahrzeu-
ge eingeſchiffet. Als wir aber dem Hafen bey Mia nahe
kamen, fanden wir ihn ſo untief, daß wir uns in kleine
Boͤte begeben mußten, um weiter zu kommen. So klein
dieſe auch waren, konnten wir damit doch auf keine an-
dere Art zur Stadt gelangen, als daß jedes Boot von
zwey Kerlen auf dem wenigen Waſſer, das uͤber dem
Moder ſtand, mit den Haͤnden fortgezogen werden
mußte.


Mia hat daher, ob es gleich an einer Bugt der
See liegt, einen elenden, ſo wohl fuͤr kleine als große
Fahrzeuge wenig brauchbaren Hafen, wiewohl deren
deſſen ungeachtet eine ziemliche Menge vor Anker lag.
Waͤlle oder andre Befeſtigungswerke hat die Stadt nicht.
Sie iſt aber ſehr volkreich und hat großes Verkehr. Auch
hat ſie das Beſondre, daß die mittelſte Straße außerhalb
der Stadt ſelbſt, noch zwey Meilen weit an einem gro-
ßen Fluſſe bis nach der Stadt Nangaja hinlaͤuft. Die-
ſe letztere iſt befeſtigt und die Hauptſtadt in der Provinz
Owari.


Von Mia ging unſre Reiſe durch Kaſſadera, Ma-
rumi
, Singo und Imo Kawa, nach Tjiriu, und von
da am folgenden Tage unter Uſida, Ofama, Jafagi,
Okaſaki, Kaginoies, Fuſikowa, Motoſiku, Akaſaki,
Goju, Djokaſen und Jootſia nach Joſida: welches un-
gefaͤhr eilf Meilen ausmacht.


Okaſaki liegt ſchon in der Provinz Mikawa, und
iſt eine Feſtung. Ueber den bey der Stadt vorbey flie-
ßenden Fluß geht eine ſehr merkwuͤrdige Bruͤcke, die fuͤr
die laͤngſte im ganzen Reiche gehalten wird. Sie iſt
158 Klafter lang, von Holz gebauet, und ſoll 30000
Kobang oder 300000 Thaler gekoſtet haben. In der
[87]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
ſehr ſtarken, und mit hohen Thuͤrmen und Mauern pran-
genden Citadelle reſidirt der Fuͤrſt dieſer Landſchaft.


In dieſer Gegend iſt das Land gebirgig. Die
Ebenen und Thaͤler zwiſchen den Bergen ſind gleichwohl
vortrefflich angebauet. Jetzt pflanzte man den Reiß um.
Die See wirft an dieſen Kuͤſten Zuckertang (Fucus ſac-
charinus;
Japaniſch Komb oder Kobu) aus, der ſehr
breit und lang iſt.


Den 19. April reiſeten wir, fuͤnf Meilen weit,
durch Imuri, Ftagawa, Jetſuri jama mura, Siraſka
und Moto Siraſka und Array.


Array iſt eine kleine offne Stadt, dicht an einem
Buſen des Meers. Wenn der Grund deſſelben ſo gut
als ſeine Geſtalt und Lage iſt, ſo muß er den beſten und
ſicherſten Hafen abgeben, der ſich gedenken laͤßt; und
wenn dieſer zugleich auf Europaͤiſche Art befeſtiget wuͤrde,
muͤßte er ganz unuͤberwindlich werden. Uebrigens iſt die-
ſer Ort deswegen merkwuͤrdig, weil hier die Waaren und
andre Sachen aller Reiſenden, beſonders der Fuͤrſten der
Provinzen, wenn ſie zum Kaiſer reiſen, viſitirt werden.
Dies geſchieht von dazu beſtellten Kaiſerlichen Beamten,
die beſonders genau dahin ſehen muͤſſen, daß keine
Frauensperſonen, und keine Waffen durchpaſſiren, wo-
durch Unruhe im Lande entſtehen koͤnnte. Unſer Gepaͤcke
wurde jedoch nur ganz gelinde unterſucht, worauf wir je-
nen Beamten unſern Beſuch machten.


Von hier nahmen wir unſern Weg, ungefaͤhr eine
Meile weit, in flachen Boͤten, uͤber die Bugt, zu der
gegen uͤber liegenden Stadt Maiſaki, darauf durch Si-
nowara
, Nimbutsdo, Tammamats, eine große und
anſehnliche Stadt, Tinſjemmats, in Boͤten uͤber den
Fluß Tindingawa, durch Ikeda, Daiſoin nach Mitſke,
wo wir zu Nacht blieben; ferner uͤber Mikano, Fuku-
[88]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
roi
, Nakuri, Firagowa, Kakegawa, eine große und
befeſtigte Stadt, Jamma Fano, Niſſaka, Kikugawa,
Komaja, und den Fluß Ojingawa nach Simada, ei-
nem ungefaͤhr eine Viertelmeile langen Dorfe, welches
zuſammen gegen ſechzehn Meilen ausmachte.


Der Fluß Ojingawa iſt fuͤr Reiſende einer der ge-
faͤhrlichſten. Er ſchwillt nicht nur waͤhrend der Regen-
zeit, wie andre, ſehr hoch an, ſondern ſein Lauf nach der
See hinab iſt auch unglaublich ſchnell, und der Boden
alsdann oft mit großen Steinen bedeckt, die der reißende
Strom von den Bergen herunter gewaͤlzt hat. Bey al-
len denjenigen großen Fluͤſſen, uͤber die man keine Bruͤ-
cken hat anlegen koͤnnen, hat die Regierung Anſtalt ge-
troffen, daß Reiſende entweder in Boͤten uͤbergeſetzt, oder
von dazu beſtellten Leuten hindurch getragen werden.
Bey der gefaͤhrlichen Stelle, die wir jetzt zu paſſiren hat-
ten, und wo weder Bruͤcke noch Boot gebraucht werden
kann, iſt dieſe Vorſorge verdoppelt. Hier ſind Leute
in Menge beſtellt, die nicht nur den Grund genau ken-
nen, ſondern auch durch Uebung gelernt haben, die Rei-
ſenden ſicher durchzutragen. Ihre Bezahlung ſteht mit
der verſchiednen Hoͤhe des Waſſers, mithin auch der je-
desmahligen Gefahr, im Verhaͤltniſſe. Sie muͤſſen
aber auch mit ihrem Leben vor alles Ungluͤck ſtehen.
Man bleibt in den Norimon ſitzen, und wird ſo durch-
getragen. Fuͤr uns hatte dies etwas ganz ſchreckliches,
obwohl das Waſſer jetzt eben nicht hoch war, ſondern den
Traͤgern nur etwas uͤber die Knie ging. Mehrere Kerl
trugen den Norimon auf beyden Seiten, und neben die-
ſen gingen andre, um ſie zu unterſtuͤtzen, damit ſie von
der Gewalt und dem reißenden Laufe des Stroms nicht
fortgetrieben wuͤrden. Auf gleiche Art werden auch die
Pferde durchgebracht, indem zu jeder Seite einige Mann
[89]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
neben ihnen hergehen. Die Bagage wird ebenfalls
durchgetragen. Als wir gluͤcklich hindurch waren, theilte
jeder von uns zwey Schnuͤre mit aufgereiheter Kupfer-
muͤnze unter unſere Traͤger aus.


Zu Simada verweilten wir zwey Tage und Naͤchte.
Darauf kamen wir durch verſchiedne Doͤrfer, als: Cet-
to
, Fuſida, Awuni, Okabe, Utsnoja und Mariko,
dann uͤber den Fluß Abikawa durch Futsjo und Gurida-
ma
, nachdem wir an dieſen Tagen uͤber zehn Meilen ge-
reiſet waren. Am folgenden Tage mußten wir uns ſehr
fruͤh auf den Weg begeben, weil wir dreyzehn Meilen
zuruͤck zu legen hatten. Wir reiſeten uͤber Jeſero no-
kaits
, Okits no fraſawa, Jui, Kambara, den großen
Fluß Fuſikowa in Boͤten, Moto itſiban oder Siro
Sakki
, Joſiwaro, Kaſiwabara, Ipomats, Farra, Nu-
matſo
und Kiſigawa nach Miſima.


Bisher waren wir an der Kuͤſte hingereiſet; bey
Farra aber entfernten wir uns davon. Hier faͤngt eine
ſehr gebirgige Gegend an, durch welche unſer Weg ging.
Auch iſt das Land hier reicher an Fichten und andern
Baumarten.


Der Fluß Fuſikowa iſt ungemein gefaͤhrlich, und
man kann nur an einer Stelle uͤberkommen. Er iſt et-
was tief; beſonders aber iſt er ſehr breit und von ſo
ſchnellem Lauf, daß die Ruderer mit aller Macht das
Boot kaum ſchraͤg uͤberbringen koͤnnen.


Bey Joſiwara waren wir dem Berge Fuſi ſo na-
he, als wir ihm auf unſrer Reiſe kommen konnten. Sei-
ne Gipfel hatten wir ſchon vor mehreren Tagen erblickt.
Er iſt der hoͤchſte Berg im ganzen Lande, und faſt das
ganze Jahr hindurch mit Schnee bedeckt, daher ſeine
weiße Spitze weit uͤber die Wolken hervor ſcheint. Die
Japaner ſchaͤtzen ſeine ganze Hoͤhe auf ſechs Meilen.
[90]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
Seine Geſtalt iſt wie ein Rhinoceroshorn oder wie ein
Zuckerhut, indem der Fuß ſehr dick und breit, der uͤbrige
Theil aber ſehr ſpitzig iſt. Die Landeseinwohner glau-
ben, der Gott des Windes habe auf dieſem Berge ſeine
Reſidenz. Wenn ſie ihn beſuchen, bringen ſie gewoͤhn-
lich zwey Tage auf der Hinaufreiſe zu. Die Herunter-
reiſe geſchieht gemeiniglich nicht ſo langſam, bisweilen
ſo gar in Zeit von einigen Stunden, da ſie denn ſich ge-
wiſſer dazu eingerichteter kleiner Schlitten bedienen, die
aus Stroh gemacht ſind, und vor den Leib gebunden
werden.


Auf dieſer Reiſe ſahen wir am Wege verſchiedne
Knaben, die auf dem ſandigen Boden ein Rad ſchlugen,
und uns auf dieſe Weiſe eine ganze Strecke begleiteten,
um Geld von uns zu bekommen, das wir ihnen denn
auch in kleiner kupferner Muͤnze hinwarfen.


Heute kamen wir nicht eher, als ſpaͤt am Abend in
voller Dunkelheit, mit Leuchten und Fackeln in unſerm
Nacht-Quartiere an. Am folgenden Tage ſtand uns
eine beſchwerliche Reiſe uͤber die ſo genannten Fakonie-
Berge
bevor. Der ganze Vormittag wurde damit zuge-
bracht, hinauf zu kommen. Oben ruheten wir aus,
und den ganzen Nachmittag gebrauchten wir, auf der
andern Seite wieder hinunter zu kommen. Der Weg
ging durch Skawaro, Jamma Nakka, Kapto Jes.


Auf dieſer Reiſe ließ ich mich ſelten tragen, ſon-
dern ſo oft es ſich thun ließ, ging ich die mit Buͤſchen
und wilden Baͤumen reichlich bewachſenen Anhoͤhen zu
Fuß hinauf: die einzigen, die ich außer denen um
Nangaſaki, habe beſuchen und darauf botaniſiren koͤn-
nen. Aber in eben demſelben Verhaͤltniſſe, als ich mei-
nen Traͤgern die Laſt erleichterte, machte ich den Dol-
metſchern, beſonders den Unterbedienten, die mir wech-
[91]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
ſelsweiſe auf dem Fuße nachgehen mußten, die Reiſe
laͤſtig. Ich hatte zwar nicht die Erlaubniß, mich weit
vom Wege zu entfernen, weil ich mich aber auf den
Afrikaniſchen Gebirgen vorhin ſo gut geuͤbt hatte, die
Klippen hinauf zu laufen, machte ich vor meinen, manch-
mahl ziemlich aͤngſtlichen und keuchenden Begleitern, oft
artigen Vorſprung, und gewann dadurch Zeit, eine
ziemlich große Menge der ſeltenſten Gewaͤchſe, die in
Bluͤthe gekommen waren, zu ſammeln und in mein
Schnupftuch zu legen.


Auch in dieſer gebirgigen Gegend war das Land
an vielen Stellen ſehr gut angebauet und bewohnt.


Von der Hoͤhe des Berges kamen wir zuerſt in
das Dorf Fakonie. Hier aßen wir zu Mittag, beſtell-
ten zu unſrer Zuruͤckkunft einige lackirte Sachen und
andre Handelswaaren, und beſahen dieſe, ſo hoch auf
einem weitlaͤuftigen Berge liegende ſchoͤne Stelle. Un-
ter andern iſt hier ein ziemlich großer und fiſchreicher
Landſee mit einer mitten darin belegenen Inſel; er hat
ſuͤßes Waſſer und unter andern Fiſcharten auch Lachſe,
von denen wir nicht nur aßen, ſondern auch eine Partey
zum Raͤuchern beſtellten, die wir mitnehmen wollten,
wenn wir wieder durchreiſeten. Stroͤmlinge, dieſe in der
Oſt-See allenthalben, ſonſt ſehr ſelten, vorhandne He-
ringsart, wovon Kaͤmpfer erzaͤhlt, daß ſie auch hier be-
findlich ſey, hatte ich nicht Gelegenheit zu ſehen. Das
Dorf liegt am Ufer des Sees, welcher auf allen Seiten
von Bergen umgeben iſt. Es beſteht aus wenigſtens
hundert und funfzig Haͤuſern, ob es gleich ſo hoch hin-
auf liegt, daß das Erdreich umher wenig gebauet werden
kann. Der See ſoll eine Meile lang und eine Viertel-
meile breit ſeyn; mir kam er an einigen Stellen hoͤch-
ſtens zwey Buͤchſenſchuͤſſe breit vor. Er ſoll durch Erd-
[92]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
beben entſtanden ſeyn, dergleichen im ganzen Lande, be-
ſonders im noͤrdlichen Theile, durchgaͤngig und oft ver-
ſpuͤrt werden. Dies iſt um ſo viel glaublicher, da noch
vom Boden des Sees durch Taͤucher große, ehemahls
mit dem Lande ſelbſt niedergeſunkne Cedernbaͤume ſind
herauf gehohlt worden.


Unter den ſchoͤnſten und groͤßten Baͤumen, die ich
hier ſah, war der praͤchtige und unvergleichliche Lebens-
baum (Thuja dolabrata), der allenthalben am Wege ge-
pflanzt war. Ich halte ihn fuͤr den ſchoͤnſten von allen
Nadelbaͤumen, nicht nur wegen ſeiner Hoͤhe und ſeines
geraden Stamms, ſondern auch wegen ſeiner Nadeln oder
Blaͤtter, die beſtaͤndig auf der obern Seite gruͤn, und auf
der untern ſilberweiß ſind. Da ich ihn nicht in Bluͤthe,
auch keine Zapfen davon mit Samen fand, gab ich mir
alle Muͤhe, durch die Dolmetſcher und andere meiner
Freunde mir etwas Samen und lebendige Pflanzen zu
verſchaffen, die ich hernach nach Holland geſchickt habe.


Ich fand hier einen mir bisher ganz unbekannten
Strauch, den ich Lindere (Lindera) nannte. Er hat
weißes und weiches Holz, woraus die Japaner Zahnbuͤr-
ſten machen, womit man die Zaͤhne ſcheuert und reini-
get, ohne den Zaͤhnen ſelbſt oder dem Zahnfleiſche im ge-
ringſten zu ſchaden, und welche eben ſo haͤufig, als
Schwefelſticken verkauft werden. — Die Berberis- oder
Saurachſtaude (Berberis), ſo wohl die gewoͤhnliche (vul-
garis
), als die Cretiſche (Cretica) waͤchſt hier und ſtand
jetzt in Bluͤthe. An der Oſyris Oſyris laponica) fand
ich einen ſonderbaren Buſch. Sie hat verſchiedne kleine
Blumen mitten auf den Blaͤttern; eine in der Natur
ſonſt ſo ſeltne Erſcheinung. — In den Gebuͤſchen trifft
man haͤufig die rauhe Deuzie (Deozia ſcabra) an, einen
Strauch, der ſo ſtarre Blaͤtter hat, daß die Tiſchler ihn all-
[93]nach der Kaiſerl Reſidenz-Stadt Jedo.
gemein wie Winter Kannenkraut gebrauchen, damit zu
bohnen. — Da in dieſem noͤrdlichen und gebirgigen
Theile von Japan das Land betraͤchtlich kalt iſt, giebt es hier
verſchiedne Arten Baͤume und Straͤuche, die ſonſt in Eu-
ropa
zu Hauſe ſind, wiewohl mir die Gattungen groͤßten-
theils neu waren. So fand ich hier verſchiedne Arten Ei-
chen, einige Gattungen der Preuſelbeere (Vaccinium),
Schwelken (Viburnum), Maßholdern (Acer), und
eine wilde Art Birnen (Pyrus laponica).


In den Gaͤrten ſo wohl hier, als in verſchiednen
andern Gegenden traf ich auch mancherley Gewaͤchſe an,
die theils zu Hecken gebraucht, theils um ihrer ſchoͤnen
Blumen willen gezogen wurden. Dahin rechne ich ver-
ſchiedne neue Gattungen der Schwelken (Viburnum),
ſo wohl mit gewoͤhnlichen als doppelten Blumen (Flores
radiati
), wovon einige voͤllig ſo ausſahen, als der
Schwediſche ſo genannte Schneeballen-Strauch, oder der
gemeine Schwelken (Opulus). Vom Spierkraute (Spi-
rea
) wird das chamanderblaͤttrichte (chamaedrifolia) und
das gekerbte (crenata) zu Hecken gebraucht, wo es mit
ſeinen ſchneeweißen Blumen ſehr zum Zierrath gereicht.
Den dreyblaͤttrigen Citronbaum (Citrus trifoliata), wel-
cher ganz ſteife und fingerlange Zacken hat, braucht man
nicht ſo haͤufig zu dieſem Behuf. Er bluͤhete jetzt, ob-
gleich die Zweige noch ganz kahl waren, und die Blaͤtter
kaum angefangen hatten, ſich zu zeigen. Die Frucht
ſoll laxiren. An Schoͤnheit uͤbertrifft nichts die praͤchti-
gen, und dieſem Lande eignen Maßholdern oder Ahorn-
baͤume (Acer disſectum, Iaponicum, palmatum, ſeptem-
lobum, pictum
und trifidum) die hier gezogen werden.
Sie fingen nun erſt an ihre Blumen zu zeigen. Reifen
Samen konnte ich nirgends bekommen. Ich mußte
nur daher zu meiner Ruͤckreiſe kleine, in Toͤpfe geſetzte
[94]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
Pflanzen davon beſtellen, und dieſe hernach mit unglaub-
licher Muͤhe und Behuthſamkeit, auch anſehnlichen Ko-
ſten, nach Nangaſaki mitnehmen. — Die ſchoͤne blu-
menprangende Gardenie (Gardenia florida), die ich hier
ſo wohl mit doppelten als einfachen Blumen ſah, und
welche man anderwaͤrts ſo ſelten antrifft, wird ebenfalls,
wiewohl nur von ſehr vornehmen Leuten in ihren Pracht-
gaͤrten zu Hecken benutzt. Die Samenkapſeln davon
werden in den Krambuden verkauft, und zu gelber Far-
be gebraucht.


In den Gaͤrten bauet man hin und wieder auch
Drachenwurz (Arum dracontium), Schlangenkraut
(Dracunculus) und Zehrwurzel (Dracontium polyhyllum),
wie auch eßbaren Aron (Arum eſculentum). Die Wur-
zeln von allen dieſen Gewaͤchſen ſind ſehr ſcharf. Die von
der Zehrwurz wird von liederlichen Weibsperſonen ge-
braucht, die Frucht abzutreiben; aber die von der eßba-
ren iſt, wenn ſie von ihrer Schaͤrfe gereinigt, und in
Stuͤcke geſchnitten wird, eine gute und nahrhafte Spei-
ſe. Die Blumen der Zehrwurz ſind groß, und haben
einen Leichengeruch.


Cypreſſen oder ſo genannte Cedern (Cupreſſus Ia-
ponica
) wachſen in dieſen Gegenden, und auch in den
meiſten uͤbrigen Provinzen im Ueberfluß; nirgends aber
finden ſie ſich, wie ich glaube, ſchoͤner und in groͤßerer
Menge. Sie ſind ohne Zweifel die ſchlankſten, gerade-
ſten und hoͤchſten von allen Nadelbaͤumen. Der Stamm
geht in ganz gerader Linie in die Hoͤhe. Das Holz wi-
derſteht lange der Faͤulniß, und wird nicht nur zu Schif-
fen, Bruͤcken, und andern Waſſerbauen gebraucht,
ſondern man macht auch allerhand große und kleine Tiſch-
lerarbeit daraus, die lackirt durch den Lackfirniß noch alle
Adern zeigen. Wenn es nun eine Zeit lang in die Erde
[95]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
gegraben und vom Waſſer ganz durchdrungen wird, ſo
bekommt es eine blaͤuliche Farbe; wird es alsdann mit
durſichtigem Lack uͤberzogen, ſo nimmt es ſich vorzuͤglich
ſchoͤn aus. Es wird von hieraus in Menge in die uͤbri-
gen Provinzen verfuͤhrt.


In den bergigen Gegenden um Fakonie traf ich
eine Art langer ſchmaler Eidechſen (Lacerta laponica)
ſehr haͤufig an. Die Dolmetſcher hielten ſie fuͤr einen
Meerſtint (Stincus marinus), und die Japaner nennen
ſie in ihrer Sprache Sansjo no iwo. Auch ſah ich ſie faſt
in allen Kramladen zu Kauf hangen. Man trocknet ſie,
ſteckt eine hoͤlzerne Pinne durch den Kopf, und reihet
mehrere darauf. Sie werden zu Pulver geſtoßen und
als ein ſtaͤrkendes Mittel, wie auch gegen die Lungenſucht,
und bey Kindern gegen die Wuͤrmer gebraucht.


Endlich verließen wir dieſe ſchoͤne Stelle und reiſe-
ten den Berg hinunter. Ich ermangelte nicht, Blumen
und Samen von den am Wege ſtehenden Gewaͤchſen
und Straͤuchen fleißig aufzuſuchen und zu ſammeln. Un-
terwegs ſahen wir ſehr viele, von den Einwohnern zum
Nutzen und zur Bequemlichkeit auf ihren Hoͤfen und
Aeckern angelegte Waſſerfaͤlle und Waſſerleitungen aus
dem See.


Ehe wir am Fuße des Berges anlangten, kamen
wir bey einer Kaiſerlichen Wache an, die uns in Gegen-
wart der dabey angeſtellten Kaiſerlichen Bevollmaͤchtig-
ten, genau viſitirte. Dies iſt die zweyte Wache, wel-
che Reiſende, die aus den weſtlichen Landſchaften nach
Jedo wollen, paſſiren muͤſſen. Die Lage und Beſchaf-
fenheit des Landes in dieſer Gegend iſt von der Art, daß
man gar keinen andern Weg als dieſen nehmen kann,
ſondern durchaus uͤber den Berg Fakonie und durch die-
ſen engen Paß, der nicht nur bewacht, ſondern auch mit
[96]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
Thoren verſchloſſen wird, reiſen muß. Die Obliegen-
heit der Beamten iſt beſonders, genau dahin zu ſehen,
daß keine Waffen durch dieſen Paß in den nord-oͤſtlichen
Theil des Reichs, worin Jedo liegt, und keine Frauens-
perſonen, beſonders ſolche nicht, die als Unterpfaͤnder
der Redlichkeit ihrer Maͤnner in der Verwaltung ihrer
Aemter, und ihrer Treue als Unterthanen des Kaiſers,
zu Jedo beſtaͤndig in Verwahrung gehalten werden, aus
dieſem in den andern Theil gebracht werden. Die-
ſer Platz iſt daher gleichſam eine Vormauer des noͤrd-
lichen Theils, und der Hauptſtadt. Die Reiſenden
muͤſſen hier ihre Paͤſſe vorzeigen; haben ſie keine bey ſich,
ſo werden ſie angehalten und nicht durchgelaſſen.


Nunmehr kamen wir durch die Doͤrfer, Fatta,
Kawa batta, Jomoto und Kaſamats. Zu Odowara
blieben wir die Nacht, nachdem wir fuͤnf Stunden ge-
reiſet waren. Nicht weit von Jomoto ſoll, nach dem
Berichte der Dolmetſcher, ein warmes Bad ſeyn. Her-
nach kamen wir zu einem großen, ſchnell fließenden Fluſ-
ſe, Nahmens Sakkawa, uͤber den wir in platten Boͤ-
ten mit duͤnnen Boͤden, fuhren. Von da reiſeten wir
durch Miſawa, Koſinkſif, Koiſo, Firaſka, uͤber den
Fluß Banningawa, durch Nango, Kwada, die Stadt
Fuſiſawa, die an dem Fluſſe gleiches Nahmens liegt,
und Fukanoſikos nach der Stadt Totſka, in allem eilf
Meilen. In Totſka uͤbernachteten wir. Bis Fuſiſawa
ging der Weg laͤngs der Kuͤſte hin.


Der Banningawa iſt einer von den groͤßern Fluͤſ-
ſen. Er fließt ſehr ſtark und iſt gefaͤhrlich. Eine Bruͤ-
cke hat man gar nicht anlegen koͤnnen. Man laͤßt ſich in
eigentlich dazu eingerichteten flachen Boͤten uͤberſetzen.
Hier endigen ſich die gebirgigen Gegenden; dagegen oͤff-
nete ſich uns eine Ebene, die weiter reichte, als das Au-
ge
[97]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
ge ſehen konnte. Totſka liegt von der Seekuͤſte ent-
fernt. Das Land bildet hier eine ins Meer hervor ſprin-
gende ſehr bergige Ecke. Wir kamen aber bald wie-
der an die Kuͤſte, in deren Naͤhe wir bis zur Haupt-
ſtadt blieben.


Unſre letzte Tagereiſe machten wir den 27. April,
da wir ungefaͤhr zehn Meilen bis Jedo hatten. So
wohl heute als geſtern ging der Weg durch ein ſehr volkrei-
ches und cultivirtes Land, wo Staͤdte und Doͤrfer faſt
durchgaͤngig in einer ununterbrochnen Reihe fortgehen,
und wo große Schaaren Reiſende auf einander ſtießen.
Wir paſſirten Sinamo, Odagaia, Kanagawa, Suru-
mi
, Kawaſakki, den Fluß Rokogawa, Omuri, Obo-
toki
, Okido und Sinagawa.


Die hieſige Kuͤſte hat hie und da Vorrath an Au-
ſtern und eine große Menge mancher andrer Arten aus-
geworfner Conchylien, wovon ich aber keine bekommen
konnte. Auch ſammelt man hier ſo wohl gruͤne als braͤun-
liche Seegewaͤchſe aus den Geſchlechtern des Tangs (Fu-
cus)
und des Watts (Ulva). Man gebraucht ſie zum
Eſſen, ob ſie gleich an ſich ſehr zaͤh ſind. Man ſpuͤhlt
ſie wohl ab, daß das Salzige, der Sand und andre Un-
reinlichkeiten abgehen, ſchneidet ſie in kleine Stuͤcke,
waͤſcht dieſe nochmahls, und handthiert ſie ſo lange, bis
ſie in kleinen Kuchen zubereitet und gegeſſen werden
koͤnnen.


Sinagawa und Takanawa ſind ſind zwey Vorſtaͤdte
von Jedo. Die erſtere faͤngt ganze zwey Japaniſche
Meilen von der Stadt ſelbſt an, und laͤuft an der See-
kuͤſte hin. Wir raſteten hier eine gute Stunde, er-
friſchten uns mit etwas Speiſe und Trank, und ergoͤtz-
ten uns an der ſchoͤnen Ausſicht, welche die groͤßte Stadt
des Reichs, die ohne Zweifel auch die weitlaͤuftigſte auf
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. G
[98]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
dem ganzen Erdboden iſt, mit ihrem ſchoͤnen Hafen uns
gewaͤhrte. Der Hafen iſt indeſſen außerordentlich un-
tief und ſchlammig. Die groͤßten Fahrzeuge liegen bis-
weilen volle fuͤnf Meilen von der Stadt vor Anker; die
weniger großen zwey Meilen, und die kleinen, nebſt
den Boͤten in verſchiednen Reihen neben einander zu vie-
len Hunderten, je nachdem ſie groß und ſchwer ſind, naͤ-
her oder weniger nahe. Dieſe Seichtheit des Hafens
ſichert die Stadt zwar vor feindlichen Angriffen zur See,
legt aber dem Transport der Waaren von andern Oer-
tern unuͤberſteigliche Hinderniſſe in den Weg.


Mit eben ſo neugierigen Augen, als wir die Stadt,
den Hafen und die umliegende Gegend anſahen, wurden
wir von den Japanern betrachtet. Dieſe ſtroͤmten von
allen Seiten herbey, und formirten um uns, die wir in den
Norimon eingeſchloſſen waren, ein ganzes Lager. So gar
befand ſich vornehmes Frauenzimmer darunter, das ſich
in Norimon hatte hertragen laſſen, und recht ungeduldig
zu ſeyn ſchien, wenn wir unſre Rouleaus bisweilen nie-
derließen. Dieſe Saͤnften, ſo wie ſie rund um uns her
auf der Erde ſtanden, ſchienen ein kleines Dorf fuͤr ſich
auszumachen, deſſen kleine tragbare Haͤuſer nach einer
kleinen Weile verſchwanden.


Als wir die aus einer einzigen Straße beſtehenden
Vorſtaͤdte Sinagawa und Takanawa zuruͤck gelegt hatten,
merkte ich an der Wache, der groͤßeren Menge Men-
ſchen in den Straßen, der Stille unſers Gefolges und
dem ordentlicheren Gange unſrer Traͤger, daß wir in der
Hauptſtadt ſelbſt angelangt waren. Nicht lange darauf
kamen wir uͤber eine Bruͤcke, die Niponbas heißt, eini-
ge und vierzig Klafter lang iſt, und von welcher die We-
ge nach allen uͤbrigen Staͤdten im ganzen Reiche abgemeſ-
ſen ſind. Nachdem wir vor den Wachhaͤuſern beym
[99]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
Eingange in die Stadt vorbey waren, ging der Weg ei-
ne gute Stunde lang durch eine große und breite Straße,
ehe wir in der gewoͤhnlichen Herberge der Hollaͤndiſchen
Ambaſſade eintrafen. Hier wurden wir durch die Hin-
terthuͤr hinein, und darauf durch einen ſchmalen Gang
nach dem andern Ende des Hauſes getragen. Der er-
ſte Eintritt ſchien uns nicht viel großes und ſchoͤnes zu
verſprechen. Als wir aber die Treppe hinauf waren,
fanden wir unſre Zimmer ziemlich nett, obgleich nicht ſo
anſtaͤndig, als ich ſie in Ruͤckſicht auf eine foͤrmliche aus-
waͤrtige Ambaſſade erwartet hatte. Ein großes Zimmer
machte unſer Vorzimmer, unſern Audienz-Saal und un-
ſern Speiſeſaal aus. Außer dieſem ſtand nur noch eine
beſondre Kammer fuͤr den Ambaſſadeur, eine andre, die
abgeſchauert werden konnte, fuͤr den Doctor und den
Secretair, und ein kleines Gemach zum Baden, bereit.
Dies war alles, was wir zu unſrer Bequemlichkeit hat-
ten, und damit mußten wir uns die ganze Zeit uͤber be-
gnuͤgen. Die Ausſicht ging nach einer kleinen Gaſſe, die
ſelten leer von Jungen war, welche beſtaͤndig jauchzten,
und ſchrien, ſo bald ſich nur einer von uns ſehen ließ,
und bisweilen ſo gar an den Waͤnden der gegen uͤber ſte-
henden Haͤuſer hoch hinauf kletterten, um uns zu ſehen.


So hatten wir denn mit Geſundheit und Vergnuͤ-
gen unſre weite Reiſe vollendet, und waren wohlbehalten
in der, ganz im oͤſtlichen Theile des Landes liegenden
Hauptſtadt des ganzen Reichs angekommen. Niemand
als der Secretair war krank geweſen; ihn hatte auf den
Waſſerreiſen das Podagra geplagt. Die Provinzen,
durch welche wir gereiſet waren, waren vierzehn. Omu-
ra
, Fiſen, Tſikungo, Tſikudſen, Budſen, Jammaſiwo,
Omi, Iſi, Owari, Mikawa, Tootomi, Surunga,
Sagami und Muſafi. Außer dieſen waren wir zur
G 2
[100]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
See an den Kuͤſten von acht andern hergefahren: Na-
gatto
, Suwo, Aki, Bingo, Bitſju, Bidſen, Fari-
ma
und Sidſju.


Unſer Weg war an einigen Orten von demjenigen
verſchieden, welchen die Geſandtſchaft zu Kaͤmpfers Zei-
ten nahm. Auch wurde hie und da ein andrer Ort zum
Ausruhen und zum Mittagseſſen gebraucht, als da-
mahls. Die Waſſerreiſe, welche beynahe einen ganzen
Monath dauerte, hielt uns ungewoͤhnlich lange auf, und
machte, daß wir zu Jedo ſpaͤter eintrafen, als je vorhin
geſchehen ſeyn mag. Mir verſchaffte dieſer Umſtand
aber den Vortheil, daß der Fruͤhling mehr zu Ende ging,
und der Sommer naͤher heran ruͤckte, und daher mehr
Baͤume und Gewaͤchſe in Bluͤthe ſtanden, als ich ſonſt
Gelegenheit gehabt haben wuͤrde zu ſehen und zu ſam-
meln, wenn die Reiſe um einen Monath kuͤrzer gewe-
ſen, und wir alſo auch um einen Monath fruͤher nach
Nangaſaki zuruͤck gekommen waͤren.


Unterweges hatte ich verſchiedne von den Fuͤrſten
oder Befehlshabern des Landes, ſo wohl von den groͤße-
ren und reicheren, als kleineren, mit einem angemeßnen
Gefolge auf ihrer jaͤhrlichen Reiſe nach der Hauptſtadt
und dem Kaiſerlichen Hofe geſehen. Wenige zuruͤck
kommende von ihnen begegneten uns; die meiſten reiſe-
ten hin. Vor denen, welche von großem Anſehen wa-
ren, mußten wir, indem ſie vorbey zogen, ſtill halten,
wenn wir nicht vorher eine Herberge hatten erreichen koͤn-
nen. Wenn dann ihre Suite ſehr groß war, hatten
wir gewoͤhnlich auch den Verdruß, daß wir uns mit
den ſchlechteren Logis behelfen mußten, beſonders, wenn
es ſich traf, daß wir in ſolchen Gegenden zuſammen ſtie-
ßen, wo nur kleine Doͤrfer vorhanden waren. Ja ſo
gar trug es ſich einmahl zu, daß wir in einer Stadt das
[101]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
ſchon bezogne Quartier wieder raͤumen, und uns nach ei-
nem vor der Stadt ſtehenden Tempel verfuͤgen, und da-
ſelbſt zwey Tage ſtill liegen mußten, ehe wir genug Traͤ-
ger, Pferde und andre Nothwendigkeiten zur Fortſetzung
unſrer Reiſe bekommen konnten. Nicht ſelten beſteht die
ganze Reiſegeſellſchaft eines ſolchen Fuͤrſten aus meh-
reren hundert, ja wohl aus ein bis zwey tauſend Mann.
Dies ganze Heer zieht in foͤrmlicher Ordnung einher.
Sie haben eine Menge Gepaͤcke bey ſich, das theils von
Menſchen, theils von Pferden getragen wird. Ihre
Wapen und Fuͤrſtlichen Inſignien werden allezeit vor ih-
nen hergetragen, einige in ziemlicher Entfernung, andre
dicht vor ihren Norimon. Gemeiniglich werden auch
ein oder zwey ſchoͤne Handpferde vor ihnen hergefuͤhrt.
Einige hatten auch einen oder mehrere, zur Jagd abge-
richtete Falken bey ſich, die an einer um den Fuß ge-
bundnen Kette auf dem Arme getragen wurden. Fer-
ner wurden in der Naͤhe ihrer Saͤnften verſchiedne große
und kleine Kiſten, Betten, Theegeraͤth; ja ſo gar von
beſondern Bedienten Sonnenſchirme, Faͤcher, Hut,
Pantoffeln und dergleichen getragen, um alles ſo gleich
bey der Hand zu haben. Wo ſie durchkamen, entſtand
tiefe und allgemeine Stille: die Leute auf und an den
Wegen legten ſich nieder, den Kopf gegen die Erde ge-
neigt, um ihre Ehrfurcht zu erkennen zu geben. Die
Norimon-Traͤger trugen die Livree ihres Herrn, und alles
war mit dem Wapen deſſelben bezeichnet. Wenn ſie uns
vorbey paſſirten, hatten ſie gemeiniglich die Gardinen nie-
dergelaſſen. Nur hie und da einer hatte die Hoflichkeit,
ſie aufzuziehen, und im Vorbeygehen uns zu gruͤßen. Ei-
nige waren gar ſo artig, daß ſie jemanden von ihrem Hof-
ſtaate zu uns ſchickten, und uns Gluͤck wuͤnſchen ließen.
Waren wir aber vorher an einem Orte angekommen, ſo
[102]Zweyte Abtheilung. Reiſe von Dezima
hatten wir Gelegenheit, in einem fuͤr uns dazu beſtellten
Hauſe an der Hauptſtraße den ganzen Zug vorbey kom-
men zu ſehen. Die Gardinen waren alsdann gewoͤhn-
lich aufgezogen, und wir ſahen den Fuͤrſten in ſeinem
Norimon ſitzen, aber an Farbe und Anſehen allen an-
dern Leuten voͤllig gleich, auch eben ſo gekleidet, und oh-
ne ſeinen großen Hofſtaat und praͤchtigen Aufzug von
andern nicht zu unterſcheiden.


So hoͤflich wir auch, wenn wir an der Grenze
des Gebieths eines ſolchen Fuͤrſten ankamen, in ihrem
Nahmen von beſonders dazu abgeſchickten Perſonen em-
pfangen und complimentirt wurden, ſo hatten wir doch
nirgends Erlaubniß, einen von ihnen zu beſuchen, wenn
wir gleich durch ſeine Reſidenz-Stadt reiſeten. Eben
ſo wenig bekamen wir von ihnen Beſuch. Jenes konnte
deswegen nicht geſchehen, weil es uns anſehnliche Ge-
ſchenke gekoſtet haben wuͤrde. Denn nach der Sitte
des Landes muͤſſen allezeit koſtbare Geſchenke voraus ge-
ſchickt werden, ehe der Beſuch abgeſtattet wird. Das
letztere hat auch ſeine Urſachen. Einmahl iſt es verbo-
then, um zu verhuͤthen, daß die Hollaͤnder mit den Fuͤr-
ſten im Reiche keine Bekanntſchaft machen, die vielleicht
in einer oder andrer Ruͤckſicht demſelben nachtheilig ſeyn
koͤnnte. Dann laͤßt aber auch ihre eigne Hoheit es nicht
zu; ſie wuͤrden ſich, wenn es geſchehen ſollte, in ihrer gan-
zen Hofpracht zeigen muͤſſen. Deſſen ungeachtet wider-
fuhr uns doch einmahl die eben ſo ſeltne als unvermuthe-
te Ehre, daß wir an einem Abend in unſerm Logis von ei-
nem dergleichen Landesfuͤrſten einen Beſuch erhielten. Er
kam aber incognito, und hatte nur zwey ſeiner Hofleute
bey ſich. Er blieb eine gute Weile, ſprach mit uns von
allerhand Dingen, und ſchien eben ſo neugierig zu ſeyn,
als er ein artiger und hoͤflicher Herr war. Alles was
[103]nach der Kaiſerl. Reſidenz-Stadt Jedo.
wir von Europaͤiſchen Sachen bey uns hatten, beſah er
ſehr genau und mit vieler Aufmerkſamkeit, und er blieb
mit ſeiner Unterredung nicht bey Japaniſchen Gegen-
ſtaͤnden ſtehen, ſondern lenkte ſie auch auf Europaͤiſche
Materien.


Auf der ganzen Reiſe hatten wir nur wenig Regen.
Die Kaͤlte war auch ertraͤglich, ob wir gleich bisweilen
in unſern Zimmern einheitzen mußten. Unſre Japaner
hielten die Kaͤlte beſſer, als das regnige Wetter aus,
weil ſie beſtaͤndig mit bloßem Kopfe und nackten Fuͤßen
gingen. Wenn es ſtark regnete, machten ſie ſich ſehr
ungern auf den Weg.


[104]Dritte Abtheilung.

[Dritte] Abtheilung.
Aufenthalt in der Hauptſtadt
Jedo
.


Gleich anfangs nach unſrer Ankunft zu Jedo bekamen
wir taͤglich Beſuch von vielen Japanern. Wir ſelbſt
hatten nicht anders Erlaubniß auszugehen, als zur Au-
dienz. Aber auch uns zu beſuchen, hatte niemand die
Freyheit als die, welche ſie von der Regierung ausdruͤck-
lich erhalten hatten. Anfaͤnglich machten uns nur vorneh-
me Herren und Gelehrte die Viſite; hernach fanden ſich
auch Kaufleute und andre ein. Die allererſten waren
fuͤnf Aerzte und zwey Aſtronomen, die nach empfangner
Erlaubniß vom Reichsrathe, auf eine ſehr feyerliche
Weiſe kamen, um ihre Freude uͤber unſre Ankunft zu be-
zeugen. Der Ambaſſadeur, ich und der Secretair, nebſt
unſern Dolmetſchern und den uͤbrigen Japaniſchen Ober-
Bedienten von unſrer Geſellſchaft, nahmen ſie in unſerm
Saale an, und unterredeten uns mit ihnen verſchied-
ne Stunden lang. So bald die Complimente und das
gewoͤhnliche allgemeine Geſpraͤch vorbey waren, wandten
alle ſich mit ihren Fragen faſt ganz allein an mich. Sie
hielten mich fuͤr bewandert in den Wiſſenſchaften, worin
ſie uͤber manche Materien Erlaͤuterung wuͤnſchten. Die
beyden Sternkundigen hießen Sakaki Bonſin und Su-
bokawa Sulo
, und waren ernſthafte, etwas bejahrte
Maͤnner. Ihre Erkundigungen betrafen meiſt die Ver-
finſterungen, welche ſie, wie ich merkte, nicht auf Mi-
nuten, oft nicht einmahl auf Stunden ausrechnen konn-
[105]Auſenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
ten. Da unſre Fragen und Antworten allezeit durch den
Mund der Dolmetſcher gehen mußten, trat nicht ſelten
der Fall ein, daß wir einander nicht deutlich verſtehen
konnten. Dazu kam, daß ich ſelbſt nicht ſolche aſtrono-
miſche Kenntniſſe beſaß, als ich wuͤnſchte, und daß we-
der ſie noch ich Buͤcher zur Hand hatten, die uns haͤtten
behuͤlflich ſeyn koͤnnen. Mit den Aerzten war die Un-
terredung viel leichter. Zwey von ihnen verſtanden ſelbſt
das Hollaͤndiſche etwas, und die Dolmetſcher ſind uͤber-
all in der Arzneywiſſenſchaft nicht unerfahren. Die
Aerzte will ich doch naͤher beſchreiben. Einer hieß Oka-
da Jeoſin
, ein Mann uͤber ſiebzig Jahr. Er fuͤhrte
meiſt immer das Wort. Unter andern verlangte er vom
Krebs, Beinbruch, Naſenbluten, Geſchwuͤren, Phi-
moſis, Wunden im Halſe, Zahnſchmerzen und der
goldnen Ader vieles zu hoͤren. Ihn begleitete gewoͤhnlich
ein junger Mann, Kuriſuki Dofa. Zwey andre,
Amano Reosjun, und Fokuſmoto Doſin verhielten ſich
gemeiniglich nur als Zuhoͤrer. Dieſe vier wiederhohlten
ihren Beſuch nicht oft, legten ihn auch in der Folge nicht
feyerlich, ſondern privatim bey mir ab. Zwey andre aber
kamen nicht nur alle Tage zu mir, ſondern blieben auch zum
oͤftern ſpaͤt in der Nacht, um ſich von mir in der Phyſik,
Oekonomie, beſonders aber in der Botanik, Chirurgie
und Medicin, Wiſſenſchaften, die ſie ſehr liebten, un-
terrichten zu laſſen. Einer von ihnen, Nahmens Kat-
fragawa Fosju
, war Leibarzt des Kaiſers, deſſen Wa-
pen er auch auf ſeinen Kleidern trug, ein ganz junger
lebhafter Mann, ein guter Kopf und dabey von gutem
Gemuͤths-Charakter. In ſeiner Geſellſchaft war allezeit
einer ſeiner Freunde, Nakagawa Sunnan, etwas aͤlter,
und Leib-Medicus im Dienſte eines der vornehmſten
Fuͤrſten des Landes. Beyde, inſonderheit der letztere, ſpra-
[106]Dritte Abtheilung.
chen das Hollaͤndiſche ziemlich gut, und beſaßen eini-
ge Einſicht in die Mineralogie, Zoologie und Kraͤu-
terkunde, und uͤberhaupt in die Naturgeſchichte, die
ſie theils Chineſiſchen und Hollaͤndiſchen Buͤchern, theils
den Hollaͤndiſchen Aerzten, die ehemahls hier geweſen
waren, zu verdanken hatten. Sie waren beyde unbe-
ſchreiblich freundſchaftlich, dienſtfertig und lernbegierig.
Sie ſuchten mich um ſo viel mehr zu benutzen, da ſie bey
mir Kenntniſſe, die ſie vorher bey andern vermißt hatten,
zu finden glaubten, und da lange vor unſrer Ankunft
durch die Dolmetſcher das Geruͤcht ſich hieher verbreitet
hatte: dies Jahr wuͤrde ein Hollaͤndiſcher Doctor nach
Jedo kommen, der gelehrter waͤre, als die, freylich oft
ſehr unwiſſenden, Feldſchere, die man hier zu ſehen ge-
wohnt iſt. Dieſe bereits zum Voraus gefaßte gute Mei-
nung von mir wurde durch die vortrefflichen chirurgiſchen
Inſtrumente, welche ich von Paris und Amſterdam mit-
genommen hatte, noch mehr erhoͤhet. Manchmahl wur-
de mir ihr unablaͤſſiges Fragen wirklich zur Laſt, dies abge-
rechnet aber brachte ich in ihrer Geſellſchaft viele angeneh-
me, unterhaltende, mit unter fuͤr mich ſo gar lehrreiche
Stunden zu. Sie brachten oft, bald zum Geſchenk,
bald zum Beſehen, kleine Sammlungen von Droguen,
Mineralien und friſchen Kraͤutern, theils mit, theils ohne
Bluͤthe mit. Die Kraͤuter trocknete und verwahrte ich.
Sie lehrten mich ihre Japaniſchen Nahmen, und den
Gebrauch, den man hier zu Lande davon macht; ich ſie da-
gegen die Lateiniſchen und Hollaͤndiſchen Benennungen,
und den zweckmaͤßigern Gebrauch, den die Europaͤer da-
von machen. Ihre Hauptbuͤcher in der Botanik waren
Jonſtonshiſtoria naturalis und Dodonaͤus Herbarium;
in der Medicin, Woyts Schatzkammer, die ſie von den
Hollaͤndern gekauft hatten. In der Wundarzneykunſt
[107]Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
gebrauchten ſie die Hollaͤndiſche Ueberſetzung vom Heiſter.
Ich verkaufte ihnen außer andern Buͤchern auch eine ſehr
ſchoͤne Ausgabe von Muntings Kraͤuterbuche. Die hie-
ſigen Aerzte unterſchieden ſich uͤbrigens von andern Leuten
dadurch, daß ſie entweder alles Haar auf dem ganzen
Kopfe, oder ganz und gar nichts davon abgeſchoren hat-
ten; bekanntlich ſcheren ſonſt die Japaner einen Theil des
Haars ab.


Wir waren nicht lange zu Jedo geweſen, als wir
unter die Leute von unſerm Gefolge anſehnliches Trink-
geld austheilen mußten. Unſer Aufwaͤrter bekam vier
Thaler, die Norimon-Traͤger drey, die Handlanger bey
den Norimon auch drey, und zwey andre Bediente drey
Thaler, 7 Mas, 5 Konderin.


Der 18. May war zu unſerm Audienz-Tage ange-
ſetzt. Die Beſtimmung dieſes Tages geſchieht nie vor der
Ankunft zu Jedo. Fruͤh Morgens waren wir ſchon fer-
tig, in unſerm beſten Schmuck uns, nach reichlich ge-
noßnem Fruͤhſtuͤck in unſre Norimon zu ſetzen, und uns
nach dem Kaiſerlichen Pallaſte tragen zu laſſen. Wir
hatten Europaͤiſche Kleidung an, aber von koſtbaren ſeid-
nen Stoffen, und entweder mit Silber durchwirkt, oder
mit goldnen Treſſen beſetzt. Auch gehoͤrt zur Feſtlichkeit
des Tages, daß wir den Degen, und einen ſehr weiten,
ſchwarzen ſeidnen Mantel, den gewoͤhnlichen Prediger-
maͤnteln aͤhnlich, anlegten. Die ſaͤmmtlichen Geſchen-
ke, ſo wohl fuͤr den Kaiſer, als den Kronprinzen, die
Reichsraͤthe und uͤbrigen Beamten, waren bereits hinge-
ſchickt, und in den Zimmern, wo wir Audienz haben
ſollten, an den Seiten in Ordnung gelegt.


Eine ziemliche Weile wurden wir durch die Stadt
getragen, ehe wir in denjenigen Theil derſelben komen,
der die Reſidenz des Kaiſers enthaͤlt. Dieſer macht an
[108]Dritte Abtheilung.
ſich ſelbſt ſchon eine anſehnliche Stadt aus, und hat
fuͤnf Meilen im Umkreiſe. Er enthaͤlt den Pallaſt des
Kaiſers und den des Kronprinzen, welche durch breite
Graͤben, Mauern, Thore und andre Befeſtigungswer-
ke von einander abgeſondert ſind. In der aͤußern Cita-
delle, welche die groͤßte von allen iſt, ſind große, ſchoͤne
Straßen, mit huͤbſchen und großen Haͤuſern, welche den
Fuͤrſten und Prinzen des Reichs, den Reichsraͤthen und
andern hohen Staats- und Hofbeamten gehoͤren, und
worin auch die zahlreichen Familien derſelben, die eben-
falls das ganze Jahr uͤber ſich am Hofe aufhalten muͤſ-
ſen, wohnen. Beym erſten Thore ſahen wir ſchon eine
ſehr ſtarke Wache; die aber beym zweyten beſteht taͤglich
aus tauſend Mann. Ehe wir in dieſes Thor kamen,
ſtiegen wir aus. So bald wir hindurch waren, wurden
wir in ein Zimmer gefuͤhrt, wo wir eine ganze Stunde
warten mußten, ehe wir uns in den eigentlichen Pallaſt
des Kaiſers begeben durften. Endlich bekamen wir denn
Erlaubniß, uns demſelben zu naͤhern. Wir gingen
durch eine lange Reihe bewaffneter und gut gekleideter
Soldaten, die zu beyden Seiten bis an die Schloßthuͤre
aufgeſtellt waren. Das eigentliche Kaiſerliche Schloß
ſteht auf einer Anhoͤhe, hat zwar nur ein einziges Stock-
werk, iſt aber doch viel hoͤher als andre Haͤuſer, und
nimmt einen ſehr großen Platz ein. Man fuͤhrte uns
ſo gleich in ein Vorgemach, wo wir abermahls eine gute
Stunde warten mußten. Die Japaniſchen Ober-Be-
dienten von unſerm Gefolge ſetzten ſich an der einen, und
die Hollaͤnder nebſt den Dolmetſchern an der andern Sei-
te. Wir Hollaͤnder mußten uns ebenfalls auf Japani-
ſche Art ſetzen. Das war uns nun zwar aͤußerſt laͤſtig;
als wir es aber nicht laͤnger aushalten konnten, warfen
wir die Fuͤße auf die Seite, und bedeckten ſie mit unſern
[109]Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
großen Maͤnteln, die uns hiebey gar wohl zu Statten
kamen. Die Zeit, da wir hier warten mußten, wurde
uns gar nicht lang, weil immer eine ſehr große Menge
Menſchen herein und heraus ſtroͤmte, um uns in Augen-
ſchein zu nehmen, und mit uns zu ſprechen. So gar ei-
nige von den Fuͤrſten des Reichs beſuchten uns. Zwar
kamen dieſe incognito, wir konnten aber doch aus dem Ge-
murmel, das in den innern Zimmern anfangs auf einige
Augenblicke entſtand, und aus der Stille, die darauf
folgte, allezeit merken, daß es ein Fuͤrſt war, der her-
ein kam. Ihre Neubegierde in allen Dingen ging ſehr
weit; am ſtaͤrkſten aber aͤußerte ſie ſich in Anſehung unſe-
rer Art zu ſchreiben. Man bath uns daher, entweder
auf ein Stuͤckchen Papier, oder auf ihre Faͤcher etwas
zu ſchreiben. Einige zeigten uns auch Faͤcher, worauf
Hollaͤnder vorher etwas geſchrieben, und die ſie als eine
große Raritaͤt ſorgfaͤltig aufgehoben hatten.


Endlich kam der Augenblick, da der Ambaſſadeur
Vortritt haben ſollte. Die Ceremonie hiebey war von
derjenigen ganz verſchieden, die vor hundert Jahren zu
Kaͤmpfers Zeit gebraͤuchlich war. Der Ambaſſadeur
wurde in das Zimmer des Kaiſers gefuͤhrt. Wir Uebri-
gen blieben auf unſern Plaͤtzen, bis er nach einer kleinen
Weile zuruͤck kam. Nach ſeiner Zuruͤckkunft mußten
wir wieder eine ziemliche Zeit im Vorgemache verweilen,
um Beſuche und Fragen von verſchiednen Hofleuten an-
zunehmen, bey deren Ankunft verſchiedne Mahl ein all-
gemeines und tiefes Stillſchweigen entſtand. So gar
der Kaiſer ſelbſt fand ſich auf dieſe Art incognito bey uns
ein, um die Hollaͤnder und ihre Kleidertracht genauer zu
beſehen. Unſre Dolmetſcher und Japaniſchen Ober-Be-
dienten hatten ſich alle Muͤhe gegeben, durch ihre Freun-
de von allem Nachricht einzuziehen, und durch ſie wuß-
[110]Dritte Abtheilung.
ten wir denn auch alles. Der Kaiſer iſt ein Mann
von mittlerer Groͤße und ſtarker Leibes-Conſtitution, und
ſchien ein Alter von einigen und vierzig Jahren zu haben.
Als endlich alle Beſuche voruͤber waren, bekamen wir
Erlaubniß, verſchiedne Zimmer im Pallaſte, und ſelbſt
das Audienz Zimmer zu beſehen. Der Ambaſſadeur war
aus dem Vorzimmer uͤber eine lange, mit Bretern be-
legte Diehle hinein gefuͤhrt worden, worauf ſich eine große
Schiebthuͤre geoͤffnet hatte. Das innere Zimmer beſteht
gleichſam aus drey Zimmern, von denen das eine immer
eine Stufe hoͤher, als das andre iſt. Jedes hat eine
Laͤnge von ungefaͤhr zehn Schritten, ſo daß der Abſtand
zwiſchen dem Kaiſer und unſerm Geſandten etwa drey-
ßig Schritt betragen mochte. In dem innerſten naͤm-
lich befindet ſich der Kaiſer bey der Audienz und zwar ſte-
hend, nebſt dem Kronprinzen, der ihm zur Rechten ſteht.
An der rechten Seite dieſes Zimmers iſt ein großer Saal,
deſſen Fußboden mit hundert Matten bedeckt iſt, wovon
er auch der Hundert-Mattenſaal heißt. Er hat drey
hundert Ellen in der Laͤnge, und hundert und funfzig in
der Breite, und iſt fuͤr die hoͤchſten Beamten, Raͤthe
und Fuͤrſten des Reichs beſtimmt, die bey ſolchen feyer-
lichen Gelegenheiten alle nach Rang und Wuͤrden ihre
Plaͤtze in demſelben einnehmen. An der linken Seite im
Audienz-Zimmer ſelbſt ſtanden die Geſchenke theils aufge-
ſtellt, theils in Haufen gelegt. Die ganze Audienz be-
ſteht uͤbrigens bloß darin, daß der Ambaſſadeur, ſo
bald er ins Zimmer getreten iſt, auf die Knie niederfaͤllt,
die Haͤnde auf die Matte legt, und den Kopf gegen die
Erde beugt, alles auf gleiche Art, als die Japaner ſelbſt
ihre Unterthaͤnigkeit und Ehrerbiethung bezeugen. Darauf
ſteht er auf, und wird genau den vorigen Weg ins Vorge-
mach zuruͤck gefuͤhrt. Die uͤbrigen Zimmer, welche wir
[111]Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
beſahen, hatten keine Meublen. Der Fußboden war
mit großen und ſehr weißen Strohmatten belegt; die Lei-
ſten und Thuͤren ſchoͤn lackirt und der Beſchlag ſehr ſtark
vergoldet.


Wie wir uns allenthalben umgeſehen hatten, wur-
den wir in den Pallaſt des Kronprinzen gefuͤhrt, der
gleich neben dem Kaiſerlichen ſteht, und nur durch eine
Bruͤcke davon getrennt wird. Hier wurden wir von
Seiten des Kronprinzen, der jetzt nicht zu Hauſe, ſon-
dern noch beym Kaiſer war, entgegen genommen und
complimentirt, und darauf wieder zu unſern Norimon
begleitet.


Der Tag war ſchon großentheils verſtrichen, und
uns hungerte ſehr, weil wir ſeit dem Fruͤhſtuͤck nichts genoſ-
ſen hatten. Nichts deſto weniger mußten wir heute noch
bey allen Reichsraͤthen, ſo wohl den ſechs ordentlichen,
als den ſechs außerordentlichen, und zwar in eines jeden
eignem Hauſe, Beſuch ablegen. Da indeſſen dieſe Her-
ren noch nicht vom Hofe zuruͤck gekommen waren, wur-
den wir von ihren Bevollmaͤchtigten auf die artigſte und
hoͤflichſte Weiſe empfangen, und auch von ihren Damen
und Kindern in Augenſchein genommen. Jede Viſite
waͤhrte eine halbe Stunde. Meiſtens wurden wir in einem
großen Saale angenommen, und zwar auf einem ſolchen
Platze, daß man uns durch duͤnne Gardinen von allen
Seiten ſehen konnte, ohne daß wir jedoch das Gluͤck ha-
ben konnten, die Schoͤnheiten des Hofes zu ſehen. Nur
einmahl waren wir ſo gluͤcklich, daß die Damen ſich ſehen
ließen, die Gardinen weggezogen, und wir ſo gar er-
ſucht wurden, weiter ins Zimmer hervor zu treten. Ge-
woͤhnlich wurden wir von zwey vornehmen Beamten em-
pfangen, allenthalben aber mit gekochtem gruͤnen Thee,
Tobak und Confect bewirthet, welches alles auf beſon-
[112]Dritte Abtheilung.
dern kleinen Tiſchen, und fuͤr jeden beſonders, vorgeſetzt
wurde. Bisweilen tranken wir von dem Thee eine Taſ-
ſe; den Tobak aber ruͤhrten wir nicht an, und den Con-
fect nahmen unſre Dolmetſcher mit nach Hauſe.


So langweilig es war, ſich ſo von einem Hauſe
zum andern tragen zu laſſen, ſo hatte ich doch unterwe-
ges einen Anblick, der ſo groß und ſchoͤn war, daß er
mir immer lebhaft vorſchweben wird. Von einer Anhoͤhe,
wo wir ſtill hielten, uͤberſah ich die ganze unermeßliche
Stadt, deren Umfang, nach Angabe der Japaner, ein
und zwanzig Meilen, das iſt ungefaͤhr eben ſo viele Stun-
den zu gehen betraͤgt.


Jetzt war es Abend, und wir kamen muͤde und
hungrig in unſerm Quartiere wieder an.


Am folgenden Tage mußten wir die ſo genannten
Tempelherren, die beyden Gouverneure der Stadt und
die beyden Commiſſarien uͤber die Fremden, beſuchen.


Hierauf gingen nur wenige Tage hin, als wir beym
Kaiſer und dem Kronprinzen ſchon unſre Abſchieds-Au-
dienz bekamen. Sie ging den 23. May in groͤßter Ei-
le, und zwar nur in Gegenwart ihrer dazu verordneten
Raͤthe vor ſich.


Die folgenden Tage wandten wir dazu an, die
Geſchenke entgegen zu nehmen, und uns zu der bevor
ſtehenden Abreiſe anzuſchicken. Die weiten ſeidnen Roͤ-
cke (die Hollaͤnder nennen ſie Schlafroͤcke), welche der
Kaiſer und der Kronprinz ſchenken, werden bey der Ab-
ſchieds-Audienz uͤbergeben; die Geſchenke der uͤbrigen
Großen aber nach dem Logis der Hollaͤnder geſchickt. Je-
der von den ordentlichen Reichsraͤthen ſchenkt am Tage
nach der Abſchieds-Audienz zehn ſolche Japaniſche Tala-
re, jeder von den außerordentlichen ſechs; jeder Tempel-
herr fuͤnf, jeder Gouverneur fuͤnf, jeder Commiſſarius
und
[113]Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
und der Statthalter von Nangaſaki zwey. Sie ſind von
dem feinſten Japaniſchen ſeidnen Zeuge gemacht, ſehr
weit, reichen bis auf die Fuͤße, haben große weite Aermel
nach Japaniſcher Art, und ſind theils mit ſeidnen, theils
baumwollnen Watten ausgeſtopft. Unſer Banjos bekam
deren zwey, ich und der Secretair jeder auch zwey, und
der Geſandte behielt fuͤr ſich vier. Das Zeug iſt entweder
ſchwarz, oder auf verſchiedne Art gebluͤmt. Die uͤbrigen
blieben fuͤr die Oſtindiſche Compagnie, und wurden fuͤr
jede in Europa befindliche Kammer derſelben eingepackt,
und hernach von Batavia nach Holland geſchickt.


Die Witterung war waͤhrend der ſechs und zwanzig
Tage unſers Aufenthalts zu Jedo nicht die beſte. Die
meiſte Zeit hatten wir feuchtes, und am Tage truͤbes Wet-
ter; manchmahl Staubregen, manchmahl ſtarken Re-
gen, entweder Vormittags oder Nachmittags.


So ungeheuer groß und weitlaͤuftig die Stadt Jedo
iſt, eben ſo volkreich iſt ſie auch. Beſonders ſtroͤmt hier
eine unzaͤhlige Menge Fremder aus allen Theilen und Ge-
genden des Reichs zuſammen. Jede Haushaltung hat
zwar ihr eignes Haus, und die Haͤuſer ſind nur ein oder
zwey Stockwerke hoch; indeſſen wohnen doch viele bey
einander, und packen ſich in ein Haus zuſammen. Nach
der Gaſſe ſind allezeit Werkſtaͤtten und Buden. Vor je-
nen haͤngt gemeiniglich ein großes Laken, das ſie entwe-
der ganz oder doch zum Theil verdeckt, damit man von
der Straße nicht gut ſehen moͤge, was gearbeitet wird.
In den Kaufmannslaͤden aber ſieht man Muſter und
Proben beynahe von allem, die ſo gleich vorgezeigt wer-
den. Die Straßen, wenigſtens die vornehmſten, ſind
ſehr lang und breit; die Breite betraͤgt oft vierzig bis
funfzig Ellen. Die Stadt wird, wie Nangaſaki, von
zwey einander wechſelsweiſe abloͤſenden Gouverneuren,
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. H
[114]Dritte Abtheilung.
einigen Buͤrgermeiſtern, und vielen Ottona, das iſt
Aufſehern oder Vorgeſetzten, deren uͤber jede Straße ei-
ner iſt, regiert. Die Haͤuſer ſind, wie in andern
Staͤdten, mit Dachpfannen gedeckt; die obere Etage
wird ſelten bewohnt.


Die Fuͤrſten und Prinzen des Landes haben nicht
nur in der erſten Citadelle ihre gewoͤhnlichen Palais fuͤr
ihre Familien, ſondern auch in der Stadt ſelbſt in ver-
ſchiednen Gegenden eigne Haͤuſer, um bey Feuersgefahr
allezeit eine gewiſſe Zuflucht zu haben.


In allen Japaniſchen Staͤdten ſind vortreffliche
Feueranſtalten, und uͤberhaupt die beſten Anſtalten zur
Verhuͤthung von Ungluͤcksfaͤllen. Allenthalben ſind ſichere,
aufmerkſame und hinreichende Nachtwachen vorhanden,
die ſchon fruͤh des Abends, ſo bald es nur dunkel wird,
umher gehen, und ſich die Nacht hindurch vielfaͤltig hoͤren
laſſen. Zu Jedo ſind dieſe Wachen doppelt. Die eine
zeigt nur an, was die Uhr iſt. Dies geſchieht vermit-
telſt zweyer Stuͤcken Holz, die gegen einander geſchlagen
werden, und dies Schlagen thun ſie faſt in einem fort,
faſt bey jedem Hauſe; die beyden letzten Schlaͤge folgen
dicht auf einander, zum Zeichen, daß man nicht mehr
zu erwarten hat. Solcher Wachen ſind beynahe fuͤr
jede Straße eine. Die andre iſt die eigentliche Brand-
wache. Man kennt ſie daran, daß ſie einen geklobnen
Bambo-Stock, oder eine, oben mit einem Ringe ver-
ſehene eiſerne Stange auf der Straße hinter ſich her
ſchleppt, welches einen eignen ſehr unangenehmen Laut
giebt. Am Ende einer jeden Straße, da, wo ſie mit
Thoren verſchloſſen werden kann, iſt allezeit eine hohe
Leiter, wo die Wache hinauf ſteigen kann, um zu ſehen,
ob irgendwo Feuer iſt. Oben auf jedem Hausdache iſt
ein mit einem Gelaͤnder eingeſchloßner vierſeitiger Platz,
[115]Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
wo jederzeit ein Gefaͤß mit Waſſer ſteht, das bey entſte-
hender Feuersbrunſt ſo gleich zur Hand iſt. An ſehr
vielen Stellen ſind in der Naͤhe der Haͤuſer feuerfreye
ſteinerne Packhaͤuſer aufgebauet, wo Waaren und Meu-
blen ſicher hingebracht werden koͤnnen. An den Seiten
derſelben ſind mehrere eiſerne Haken eingemauert, an de-
nen man naſſe Matten aufhaͤngen kann, um die Ver-
breitung des Feuers zu hindern. Da die Haͤuſer leicht
Feuer fangen, traͤgt es ſich hier oft zu, daß eine Feuers-
brunſt entſteht, und ganze Reihen von Haͤuſern und
Straßen in die Aſche legt. Waͤhrend unſers hieſigen
Aufenthalts kam einigemahl Feuer aus, das aber ge-
ſchwind gedaͤmpft wurde. Unſer Ambaſſadeur erzaͤhlte
aber von einem ſchrecklichen Brande, der ſich bey ſeiner
Anweſenheit im Jahr 1772 zugetragen hatte. Das
Feuer brach des Mittags aus, dauerte bis den andern
Tag Abends um acht Uhr, und griff ſo weit um ſich,
daß eine Strecke von ſechs Meilen in die Laͤnge und drey
in die Breite verheert wurde. Bey dieſer Gelegenheit
brannte das Haus, wo die Hollaͤndiſche Geſandtſchaft zu
logiren pflegt, auch ab, und die Hollaͤnder mußten ſich
in einer Nacht dreymahl nach einem andern Hauſe, und
zuletzt nach einem Tempel begeben.


Unter andern Merkwuͤrdigkeiten, die man uns zu
Jedo zeigte, war auch ein junger Wolf, der in den
noͤrdlichſten Gegenden gefangen, und als ein ſeltnes Thier
hieher gebracht war. Die Leute in der Stadt kannten
dies Thier gar nicht, und man machte uns eine ſo wun-
derliche Beſchreibung davon, daß unſre Neugier, es zu
ſehen, ſehr hoch geſpannt wurde. Wir gingen dahin,
wo das ſonderbare Thier zu ſehen war, und ſiehe, es war
ein kaum halb ausgewachſener Wolf. Luſtig war es zu
ſehen, wie ſorgfaͤltig man das arme Thier, dem ſelbſt
H 2
[116]Dritte Abtheilung.
weit mehr bange war, als daß es gefaͤhrlich ſeyn konnte,
um den Leib und an den Fuͤßen feſt gebunden hatte. Als
ich erzaͤhlte, ſolche Thiere liefen in meinem Vaterlande
ſcharenweiſe umher, wuͤrden ſehr groß und thaͤten viel
Schaden, wurde den Japanern gar Angſt.


Eines Tages kam eine von ihrem Manne verſtoßne
Frau, nach dazu erhaltner Erlaubniß, zum Ambaſſa-
deur, um zu betteln. Sie hatte ſich alle Haare ganz
abſcheren laſſen, und ging mit voͤllig kahlem Kopfe, ohne
ihn mit irgend etwas zu bedecken: ein gar ſeltſam auffal-
lender Anblick. Man ſagte uns, dies geſchehe allezeit,
wenn eine Frau aus einer oder der andern Urſache von
ihrem Manne geſchieden worden iſt.


Die beyden Hof-Medici, meine lieben Schuͤler,
die mich faſt taͤglich beſuchten, hatten durch meine unver-
droßne Bemuͤhung ſo wohl, als durch eignen ununter-
brochnen Fleiß in der Arzneykunſt, beſonders demjenigen
Theile derſelben, der die Krankheiten kennen und beur-
theilen lehrt, anſehnliche Fortſchritte gemacht. So gar
hatten ſie durch Benutzung meines Raths angefangen,
bey ihren Patienten ſolche Mittel, als wir Europaͤiſchen
Aerzte gebrauchen, und wovon ſie ſich einen kleinen Vor-
rath verſchafft hatten, anzuwenden, um dadurch gluͤck-
liche Curen zu verrichten. Da es nun bekannt wurde,
daß ich es ſehr oft war, der die zu gebrauchenden Mittel
vorſchrieb, ſo wurde ich auch einmahl in Betreff eines ſehr
vornehmen Patienten am Kaiſerlichen Hofe, um Rath
gefragt. Als ich aber wuͤnſchte, von dem Geſchlechte, Alter
und andern einem Arzte zu wiſſen noͤthigen Umſtaͤnden des
Kranken benachrichtiget zu werden, benahm man ſich ſo
geheimnißvoll, daß es mir unmoͤglich war, etwas zu ver-
ordnen. Bekanntlich laſſen die Vornehmen ſich aͤußerſt
ſelten vor den eignen Einwohnern ihres Landes ſehen,
[117]Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
noch viel weniger von Fremden, und die zur Kaiſerlichen
Familie gehoͤrigen Perſonen ſind oft ſo unbekannt, daß
ſehr wenige Leute im ganzen Reiche den Nahmen des re-
gierenden Kaiſers eher, als nach ſeinem Tode, zu wiſſen
bekommen. Ich konnte daher gar nicht erwarten, mei-
nen hohen Patienten kennen zu lernen. Anfangs drang
ich zwar darauf, mit dem Kranken ſelbſt zu ſprechen,
und ihm die noͤthigen Fragen zu thun. Der Gefahr we-
gen, worin derſelbe war, waͤre mir dies vielleicht auch
gegluͤckt. Allein man haͤtte doch dabey die Vorſicht beob-
achtet, mich nur im naͤchſten Zimmer bleiben zu laſſen,
und dabey noch die Gardinen vorzuziehen. Ich haͤtte
ihn alſo doch weder ſehen, noch nach dem Pulſe fuͤhlen
koͤnnen. Da mir alſo jenes nichts geholfen haben wuͤrde,
nahm ich den Ausweg, durch die Dolmetſcher und meine
Schuͤler ganz von fern die Umſtaͤnde zu erforſchen, welche
ich ſchlechterdings wiſſen mußte. Darauf konnte ich
denn endlich dienſame Mittel verordnen, und der vor-
nehme Patient, der, ſo viel ich aus allen Umſtaͤnden
ſchließen konnte, eine von den Kaiſerlichen Prinzeſſinnen
war, wurde ſehr bald wieder hergeſtellt.


Vor meiner Abreiſe erſuchten mich meine, in der
Europaͤiſchen Praxis nun ziemlich unterwieſenen und ge-
uͤbten Schuͤler, um ein ſchriftliches Zeugniß von dem
genoßnen Unterrichte und ihren Progreſſen. Ich gab
es ihnen, und zwar in Hollaͤndiſcher Sprache. Sie
wurden ſo erfreuet, und zugleich ſo ſtolz darauf, daß ge-
wiß weder ich, noch irgend ein andrer ſo eben creirter
Doctor, uns auf unſern herrlichen Doctor-Hut und das
gedruckte Diplom mehr zu gut gethan haben. Ich hatte
das Gluͤck gehabt, mir ihre Liebe und Freundſchaft in ſo
hohem Grade zu erwerben, daß ſie nicht nur gegen meine
Kenntniſſe und das Wohlwollen, womit ich ſie unter-
[118]Dritte Abtheilung.
richtete, Hochachtung hegten, ſondern mir auch mit
dem waͤrmſten Herzen zugethan waren, und uͤber meine
Abreiſe betruͤbt wurden. Ich habe auch hernach ver-
ſchiedne Jahre hindurch ſo wohl mit ihnen, als mit mei-
nen Freunden unter den Dolmetſchern, nicht allein Brief-
wechſel unterhalten, ſondern ihnen auch verſchiednes, was
ihnen angenehm ſeyn konnte, zum Geſchenke geſchickt,
und dagegen allerley Samen fuͤr den botaniſchen Garten
zu Upſala, und verſchiedne merkwuͤrdige Sachen fuͤr die
akademiſche Naturalien-Sammlung zuruͤck erhalten.


Unter den Gewaͤchſen und Baͤumen, die ich zu
Jedo ſah, und die ich anderwaͤrts im Lande nicht geſehen
hatte, waren folgende: ſchwarze Wallnuͤſſe (luglans
nigra
); aͤchte Caſtanien (Fagus caſtanea), die ich
doch hernach zu Miako antraf; der wahre Alant (Inula
helenium
), deſſen aromatiſche Wurzel zur Staͤrkung
des Magens gebraucht wird, und unſre gewoͤhnliche
Tanne oder Rothtanne (Pinus abies), wovon ich auf
dem Wege nach der Kaiſerlichen Burg verſchiedne Baͤu-
me anſichtig wurde. Auch zeigten mir die Dolmetſcher
eine Wurzel, vermuthlich von einer Art Farrenkraut
(Filix), welche ſie Jaboki nannten, und die quer
durchſchnitten eine ſternartige Figur zeigt, die von ihnen
fuͤr etwas beſonderes gehalten wird.


Ehe ich mich von Jedo trennte, konnte ich nicht
umhin, zu erfahren zu ſuchen, theils was wenige Japa-
ner ſelbſt erfahren, den Nahmen des Monarchen, deſſen
Hof zu beſuchen ich die ſeltne Ehre genoſſen hatte; theils
die Nahmen der ſaͤmmtlichen, ſo wohl geiſtlichen als welt-
lichen Regenten, welche ſeit Kaͤmpfers Zeit dies geſeg-
nete Land, dies gluͤckliche Volk beherrſcht haben. Die
Schwierigkeiten hiebey kannte ich, und an jedem andern
Orte als hier, wo meine vertrauten Freunde mir dazu
[119]Aufenthalt in der Hauptſtadt Jedo.
behuͤlflich ſeyn konnten, waͤre es mir durchaus unmoͤglich
geweſen, einige Kunde davon zu bekommen. Ich hielt
mich daher fuͤr nicht wenig gluͤcklich, und bildete mir gar
viel darauf ein, als ich einige Tage vorher, ehe wir die
Hauptſtadt verließen, ein Verzeichniß erhielt, das fuͤr
kein Geld zu bekommen iſt. Minamoto no Je Faru Koo
iſt der Nahme des damahls regierenden weltlichen Kai-
ſers oder Kubo, der zugleich vom Dairi, welchem es zu-
kommt hoͤhere Titel zu ertheilen, folgende Beynahmen
bekommen hat: Sjo ji tſi ji naij daijſin Sakonje no
taij ſio Zeij ji taij Siogun. Minamoto iſt der Familien-
Nahme, Je Far der perſoͤnliche Nahme, und Koo heißt
Herr, wird aber nur hohen Perſonen beygelegt, unge-
faͤhr wie das Franzoͤſiſche Seigneur. Sein Alter war
damahls drey und vierzig Jahr. Der Kronprinz hieß
Minamoto no Je Moto Koo, und mit dem vom Dairi
ihm beygelegten Titel: Su nieji daijnagon; er war etwa
zwoͤlf Jahr alt.


[120]Vierte Abtheilung.

Vierte Abtheilung.
Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima
.


Unſre Abreiſe von Jedo war auf den 25. May an-
geſetzt. An dieſem Tage mußten wir ſie auch unabaͤnder-
lich antreten, weil der 13. Siguats, oder der 30. May,
zur Reiſe des Kaiſers nach dem Tempel zu Niko beſtimmt
war. Dieſer Tempel iſt ſehr groß, liegt ſechs und drey-
ßig Meilen von Jedo oſtwaͤrts, und jetzt ſollte daſelbſt
ein großes Feſt gefeyert werden. Schon vor drey Jah-
ren hatte man dieſe Reiſe vorgenommen, es wurden auch
bereits große Anſtalten dazu gemacht; ſie war aber von
einem Jahre zum andern aufgeſchoben. Da ſo wohl der
Monarch, als alle Fuͤrſten im Reiche, voͤllig eben ſo ge-
kleidet ſind, und ihr Haar eben ſo tragen, als alle an-
dre Einwohner des Landes, auch weder durch Thron,
Juwelen, noch dergleichen etwas ſich auszeichnen, mithin
von andern gar nicht unterſchieden werden koͤnnen, ſo ha-
ben ſie ein anderes Mittel ausfindig gemacht, ſich zu un-
terſcheiden. Dies beſteht darin, daß ſie nach Verhaͤlt-
niß ihres Standes und ihrer Wuͤrde auf Reiſen und bey
feyerlichen Gelegenheiten ſich von einem ungeheuer großen
Gefolge von Beamten, Bedienten mancherley Art und
andern Leuten, die um ſie herum wimmeln, ſehen laſſen.
Kein Wunder daher, wenn zur Reiſe des oberſten Lan-
des-Regenten ungewoͤhnlich große Zuruͤſtungen gemacht
wurden. An den Landſtraßen ſollten neue Haͤuſer gebauet
werden, um darin am Tage auszuruhen und des Nachts
zu logiren. Alle nur erſinnliche Beduͤrfniſſe und Be-
quemlichkeiten ſollten an Ort und Stelle vorher in voͤlliger
[121]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.
Bereitſchaft ſeyn. Jeder ſollte ſo wohl vorher als waͤh-
rend der Reiſe auf ſeinem Poſten aͤußerſt aufmerkſam
ſeyn. Waͤhrend der Abweſenheit des Kubo ſollte die
Kaiſerliche Citadelle dem Fuͤrſten der Landſchaft Mito,
und die Regierung zugleich einigen Reichsraͤthen anver-
trauet werden. Ueber das ganze Land war bereits der
Befehl ergangen, allenthalben die genaueſte Sorge zu
tragen, daß Feuersbrunſt, Aufruhr und andern Un-
gluͤcksfaͤllen vorgebeugt wuͤrde. Die zur Beſtreitung der
Koſten dieſer Reiſe angeſchlagne Summe belief ſich auf
280,000 Kobang, oder 1,680,000 Thaler. Ein
Theil dieſes Geldes wurde unter die Reichsraͤthe, Land-
des-Befehlshaber und andre, welche mitreiſen ſollten,
vertheilt. Die Reiſe ſelbſt ſollte in drey Tagen zuruͤck
gelegt werden; den erſten Tag nach der Ankunft Ruhetag
ſeyn; am 17. Siguats oder den 3. Junius das Feſt ge-
feyert werden, und Tages darauf die Ruͤckreiſe den An-
fang nehmen. Bey unſrer Abreiſe von Jedo ſahen wir
bereits zahlreiche Vortruppen jenes Heers vorauf ziehen.
Drey Tage vor des Kaiſers Abreiſe aber fangen ſolche
Scharen an, in großer Menge nach einander abzuge-
hen, und am letzten Tage vorher geſchieht es ſo haͤufig,
daß jede halbe Stunde ein neuer Haufe abgeht, welches
bis fuͤnf Uhr des andern Morgens waͤhrt, da der Kaiſer
mit dem Kronprinzen ſelbſt ſich auf den Weg macht.
Unter dieſer unzaͤhlbaren Menge Leute ſind auch verſchied-
ne alte Maͤnner, Bettler und Buͤttel. Man nimmt ſo
gar Saͤrge mit, damit es unterwegs auch hieran nicht
fehlen moͤge.


Am 21. May 1776, Morgens fruͤh, traten wir
alſo unſre Ruͤckreiſe nach Nangaſaki an. Wir machten
ſie meiſtens auf dieſelbe Art, und auf demſelben Wege,
als die Hinreiſe. Gewoͤhnlich bedienten wir uns auch
[122]Vierte Abtheilung.
wieder der vorigen Herbergen, ſo wohl zum Mittagseſſen,
als zum Nachtlager. Nur ſelten richteten wir es [an-
ders]
ein.


Zu Totſka kauften wir verſchiedne ſchoͤne, obwohl
kleine, flache Kaſten mit Conchylien, die ſehr ſauber und
zierlich auf gekratzte Baumwolle gelegt waren. Derglei-
chen kaufen die Hollaͤnder hier zu Lande ſehr viele auf,
entweder um ſie hernach mit Vortheil wieder zu verkau-
fen, oder ſie als Seltenheiten aus einem ſo entfernten
Reiche ihren Freunden und Verwandten in Europa zu-
zuſchicken. Die Conchylien waren alle mit Reißleim an
die Baumwolle befeſtigt, damit ſie nicht abfallen ſollten.
Ich pfluͤckte aber doch alle die darunter aus, die bisher
in Europa unbekannt, oder ſehr ſelten waren, und die
jetzt in der Sammlung der Univerſitaͤt zu Upſala aufbe-
wahrt werden.


Unterweges beſahen wir einen Fichtenbaum (Pi-
nus ſylveſtris
), deſſen Zweige ſich horizontal ausgebrei-
tet hatten, und gleichſam ein Laubendach formirten, dar-
unter man ſpatzieren gehen konnte. Aehnliche Fichten
hatte ich zwar vorher ſchon an verſchiednen Oertern geſe-
hen, aber keine von ſo großem Umfange, als dieſe,
deren Zweige ſich uͤber zwanzig Schritt in die Laͤnge
ausbreiteten, und von untergeſetzten Pfaͤhlen unter-
ſtuͤtzt wurden.


Den 27. May reiſeten wir uͤber das hohe Gebirge
Fakonie, wo es uns eben ſo, als auf der Hinreiſe erging.
Zu Fakonie aßen wir zu Mittag, bekamen und bezahlten,
was wir vorher da beſtellt hatten, und zogen darauf das
Gebirge auf der andern Seite hinab.


Zu Miſima ſah ich eine Art Vanille (Epidendrum
monile
), ein paraſitiſches Gewaͤchs, das die Wurzeln
nicht in die Erde treibt, in Buͤndel gebunden, und drau-
[123]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.
ßen vor den Haͤuſern aufgehaͤngt. Auf dieſe Art dauert
daſſelbe ohne Waſſer und irgend die mindeſte Nahrung
nicht nur verſchiedne Jahre lang aus, ſondern waͤchſt
und bluͤhet ſo gar noch. Auch zieht man hier vollbluͤhen-
den Farrn (Acroſtichum baſtatum) zum Vergnuͤgen in
Toͤpfen, ſo ſchwer ſich auch dieſe Gattung Gewaͤchs in
Europa verpflanzen laͤßt.


Den hohen Berg Fuſi betrachteten wir, als wir
vorbey kamen, noch genauer als das vorige Mahl. Sein
Fuß ſcheint beſonders auf einer Seite ſehr allmaͤhlig her-
ab zu gehen. Die Spitze erſchien jetzt ſehr hoch und ſchnee-
weiß uͤber die Wolken erhaben.


Zu Niſſaka mußten wir, wegen der Menge Leute,
die mit den reiſenden Fuͤrſten eintrafen, ganze drey Tage
verweilen.


In dieſen Gegenden wachſen Waſſernuͤſſe oder
ſchwimmende Stachelnuͤſſe (Trapa natans) allenthal-
ben auf den Reißfeldern. Die ſchwarzen Wurzeln der-
ſelben werden, in Suppe gekocht, ſehr haͤufig gegeſſen, ob
ſie gleich herbe und unangenehm ſchmecken. — In den
Krambuden ſah ich vielfaͤltig Zapfen von Erlenbaͤumen
(Betula alnus) zu Kauf hangen. Auf meine Frage,
wozu man ſie gebrauche, bekam ich zur Antwort, man
bediene ſich ihrer, ſchwarz zu faͤrben. — Zu Hecken
braucht man hier durchgaͤngig eine eigne Art Bocksdorn
(Licium Iaponicum), einen kleinen, ſchoͤn ins Auge
fallenden Strauch. — Faſt vor allen Haͤuſern ſah ich
Indianiſches Felſenkraut (Azalea Indica) in der ſchoͤn-
ſten Bluͤthe ſtehen; die Blumen haben verſchiedne Farben
und ſehen uͤber die Maße ſchoͤn aus. — Hin und wieder
traf ich auch Zwergpalmen von der hohen Art (Chamae-
rops excelſa
) an. Sie haben mehr als Mannshoͤhe.
Aus der, den Stamm umgebenden netzfoͤrmigen Rinde
[124]Vierte Abtheilung.
werden Beſen gemacht, die zum Verkauf umher getra-
gen, und allgemein zum Fegen gebraucht werden. —
Die hieſigen Miſpeln (Meſpilus Iaponica) fingen nun
an, reife Fruͤchte zu bekommen. Sie ſchmecken wie an-
dre Miſpeln, und zerſchmelzen im Munde. An heißen
Tagen loͤſchen ſie vortrefflich den Durſt. — An vielen
Orten ſah ich langaͤhrige Faſeln (Dolichos polyſtachyos),
eine Art Erbſen, die wie große Tuͤrkiſche Bohnen an
Stangen hinauf ranken, in Geſtalt von Lauben gezogen,
wozu ſie ungemein brauchbar ſind. Die ſehr ſchoͤn ſich
ausnehmenden Blumen, welche jetzt aufbrachen, haͤn-
gen an langen Stielen herunter, und thun ſehr gute Wir-
kung. — Sehr haͤufig bauet man in dieſer Gegend
morgenlaͤndiſchen Seſam (Seſamum Orientale). Aus
dem Samen davon, ſo klein er auch iſt, ſchlaͤgt man
Oehl, das ſo wohl hier, als in andern Oſtindiſchen Laͤn-
dern, allgemein an Speiſen und zu anderm Behufe ge-
braucht wird.


Zu Futju kauften wir verſchiedne große und kleine
Koͤrbe, auch Schraͤnke mit Schubladen, alle aus Faͤden
von Rohr aufs feinſte und ſchoͤnſte geflochten.


Bey der jetzigen regnigen Jahrszeit hatten wir
von einer Art Muͤcken (Culex irritans) viel auszu-
ſtehen, die uns beſonders des Nachts ſo beunruhigten,
daß wir oft nicht ſchlafen konnten. Wir ſahen uns
daher in der Nothwendigkeit, uns Gardinen von duͤn-
nem gruͤnen Zeuge anzuſchaffen, die hier durchgaͤngig
zum Schutz gegen das blutſaugende Ungeziefer ge-
braucht werden. Dieſe Gardinen ſind ſehr weit, wer-
den an der Decke des Zimmers feſt gebunden, und
um das ganze Bette ſo ausgebreitet, daß an den
Seiten gar keine Oeffnung bleibt. Sie ſind ſehr be-
quem auf Reiſen mitzunehmen, und ſo duͤnne, daß ſie
[125]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.
den freyen Durchgang der Luft im mindeſten nicht
hindern.


Nachdem wir uns nunmehr hinlaͤnglich ausgeruhet
hatten, begaben wir uns den 4. Junius wieder auf den
Weg. Den 11. kamen wir zu Miako an.


Zwiſchen Jedo und Miako ſahen wir hie und da
an den Landſtraßen Bettler, die, und zwar meiſtens an
den Fuͤßen, gebrechlich waren. Dies war mir ein gar
ungewohnter Anblick, da gebrechliche Leute in dieſem Lan-
de ſehr ſelten ſind. Auch traf ich in dieſen Gegenden
rothe und triefende Augen ſehr haͤufig an, beſonders bey
armen Leuten, ſo wohl Alten, als kleinen Kindern. Dieſe
Krankheit kommt hauptſaͤchlich von zwey Urſachen her:
dem Kohlendampfe in den Haͤuſern, und dem Geſtanke,
den die in allen Doͤrfern bey jedem Hauſe befindlichen
Urintoͤpfe von ſich geben.


In der Gegend von Miako waͤchſt eine eigne Gat-
tung Corchorus (Corchorus Iaponicus), in der Landes-
ſprache Jamma Buki, wild. Er hat doppelte, ſehr
ſchoͤne Blumen. Getrocknet und zu Pulver gerieben,
werden dieſe gegen Blutfluͤſſe gebraucht; um Naſenblu-
ten zu ſtillen, wird das Pulver durch eine Federſpuhle in
die Naſe geblaſen. — Auch trifft man hier eine Art
Gagelbaͤume (Myrica) an, welche die Einwohner Nagi
nennen, und deren Holz ſehr weiß und fein iſt, und zu
Kaͤmmen und dergleichen gebraucht wird. Ein andrer
Baum, aus deſſen Holz auch Kaͤmme gemacht werden,
nennen die Japaner Fjun no ki.


Unſre Dolmetſcher verſchafften ſich hier verſchiedne
Stinkkaͤfer von der Gattung, die den Nahmen Feuergluth
(Bupreſtis ignita) fuͤhrt, womit ſie mir ein Geſchenk
machten. Die Japaner nennen ſie Tamma Muſi.


[126]Vierte Abtheilung.

Zu Miako hielten wir uns einen Tag und zwey
Naͤchte auf: hier machten wir ſo wohl dem Kaiſerlichen
Hofmarſchall, oder dem ſo genannten Oberrichter, als den
beyden Gouverneuren der Stadt, die Aufwartung. Wir
wurden von ihnen eben ſo, als von den Großen zu
Jedo empfangen. Der Hofmarſchall erwiedert die Ge-
ſchenke, welche er bekommt, mit fuͤnf großen Japani-
ſchen Kleidern. Die Statthalter aber geben dem Am-
baſſadeur ſtatt deſſen nur eine Summe Geldes in Silber-
muͤnze, jeder die Summe von ein und zwanzig Thalern.
Dies Geld iſt auf die hier zu Lande gebraͤuchliche beſondre
Art in ein laͤngliches Stuͤck Papier gewickelt, das her-
nach zuſammen geleimt, und wo bisweilen auf einer, bis-
weilen auf beyden Seiten, aufgeſchrieben wird, wie viel
darin iſt. Solche Geſchenke in Silbergeld ſind hier et-
was gewoͤhnliches. Das Geld kommt oft unmittelbar
aus der Muͤnze, und geht in dem Pakete erſt durch viele
Haͤnde. Der Muͤnzmeiſter, welcher den Werth des
Paͤckchens darauf ſchreibt, iſt fuͤr denſelben verantwortlich.


Nachmittags hatte ich einen Privat-Beſuch vom
Leibarzte des Dairi oder geiſtlichen Kaiſers, einem Manne
von mittleren Jahren. Er hieß Ogino Saffioge je no
Sakon
. Ogino war ſein Familien-Nahme, je no Sakon
ſein Vornahme, und Saffioge ein vom Dairi ihm bey-
gelegter Ehren-Titel. Er hatte verſchiedne, meiſtentheils
friſch gepfluͤckte Kraͤuter bey ſich, deren Nutzen er zu wiſ-
ſen wuͤnſchte. Auch fragte er mich nach den Heilarten
einiger Krankheiten. Unſer Geſpraͤch geſchah durch Dol-
metſcher. Er erſtaunte aber nicht wenig, als ich ein-
mahl die Nahmen der Gewaͤchſe, um ſie ihm deſto
zuverlaͤſſiger anzugeben, mit Japaniſchen Buchſtaben
aufſchrieb.


[127]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.

Auf der Herreiſe von Jedo wird den Hollaͤndern
allezeit mehr Freyheit, als auf der Hinreiſe verſtattet.
Wir bekamen auch die Erlaubniß, zu Miako verſchiedne
der groͤßten, praͤchtigſten und die ſchoͤnſte Lage habenden
Tempel zu beſehen. Die Tempel liegen nirgends in den
Staͤdten ſelbſt, ſondern am Abhange der Berge und auf
den Anhoͤhen draußen vor der Stadt, und haben die
reitzendſte Ausſicht. Bey den hieſigen Tempeln ſah ich
durch Kunſt angelegte Teiche, worin die Moͤnche ver-
ſchiedne lebendige ſchwarze Schildkroͤten zu ihrem Vergnuͤ-
gen hielten. Der Tempel des Daibud iſt unter allen der
groͤßte und merkwuͤrdigſte. Er ruhet auf ſechs und neun-
zig Pfeilern und hat verſchiedne Eingaͤnge, die zwar ſehr
hoch, aber dabey ſchmal ſind. Das Gebaͤude beſteht
gleichſam aus zwey Stockwerken, die in einander laufen,
und hat daher ein doppeltes Dach, wovon das obere
durch unterſchiedliche, uͤber ein Klafter im Umfange ha-
bende, angemahlte Pfeiler unterſtuͤtzt wird. Der Fuß-
boden iſt, (welches mir vorher nirgends vorgekommen
war), mit viereckigen Marmorſteinen belegt. Schade,
— denn weiter fehlte hier nichts — daß die Japaner
nicht ſo viel von der Baukunſt verſtehen, einem ſo großen
und praͤchtigen Gebaͤude hinreichendes Licht zu verſchaffen.
Das Bild des Gottes ſteht beynahe in der Mitte. Sein
Anblick erregt zu gleicher Zeit Entſetzen und Ehrfurcht:
Entſetzen durch ſeine Groͤße, die ſchwerlich in der ganzen
Welt ihres gleichen hat; Ehrfurcht, in Anſehung der
Betrachtungen, die man dabey anzuſtellen Gelegenheit
bekommt. Die Figur iſt ſitzend, und zwar auf India-
niſche Art, die Fuͤße kreutzweiſe nach vorn gelegt. Die
Statuͤe ſteht ungefaͤhr ein Klafter hoch von der Erde,
und iſt vergoldet. Die Ohren ſind lang, das Haar ge-
kraͤuſelt, die Schultern nackt, der Leib mit einem Schleyer
[128]Vierte Abtheilung.
bedeckt, die rechte Hand aufgehoben, und die linke mit
der Seite gegen den Unterleib anliegend. Die Moͤglich-
keit der Groͤße kann man ſich nicht vorſtellen, ohne es
zu ſehen. Auf der flachen Hand koͤnnen, wenn es wahr
iſt, was die Dolmetſcher verſicherten, ſechs große Per-
ſonen auf Japaniſche Art, die Ferſen unter das Geſaͤß
geſteckt, geraͤumig ſitzen. Die Figur ſcheint indeſſen
ziemlich proportionirt, ob ſie gleich ſo breit iſt, daß die
Schultern von einem Pfeiler zum andern reichen, die
dem Augenmaaße nach funfzehn bis ſechzehn Ellen von ein-
ander abſtehen. Das Goͤtzenbild ſo wohl, als die es
verehrende Secte leiten ihren Urſprung aus Indien her.
Die Kenntniß deſſelben iſt vermuthlich zuerſt aus Siam,
China, oder einem andern Oſtindiſchen Lande, in jenen
Zeiten, da nicht nur Fremde in Japan, ſondern auch
die Japaner mit eignen Schiffen in andern Laͤndern freyen
Handel treiben durften, hieher gekommen.


Ich war von der Groͤße dieſes ungeheuern Bildes
noch ganz betaͤubt, als wir in einen andern Tempel ge-
fuͤhrt wurden, der beynahe eben ſo majeſtaͤtiſch und be-
wundernswuͤrdig, als jener, iſt. Seine Hoͤhe und
Breite iſt zwar nicht außerordentlich, aber die Laͤnge auf-
fallend groß. Er iſt dem Quanwon heilig. Das Bild
dieſes Gottes, nebſt den Bildern aller ſeiner Untergoͤtter
und dienſtbaren Geiſter, ſtehen in unglaublicher Anzahl
in dieſem Gebaͤude umher geſtellt. Mitten unter ihnen
ſitzt der Quanwon, mit ſechs und dreyßig Haͤnden aus-
geruͤſtet. Die naͤchſten Plaͤtze um ihn her nehmen, aber
gleichſam in einem fuͤr ſie beſonders abgetheilten Raume,
ſechzehn Helden ein, deren Statuͤen von uͤbermenſchlicher
Groͤße, aber doch kleiner als die Statuͤe des Hauptgottes
ſind. Zu beyden Seiten zunaͤchſt ſtehen in zwey Reihen
vergoldete Goͤtterbilder, jedes mit zwanzig Haͤnden.
Weiter-
[129]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.
Weiterhin ſieht man auf beyden Seiten, ebenfalls in
Reihen, Goͤtterfiguren von gewoͤhnlicher Menſchengroͤße,
die ganz dicht bey einander ſtehen, und deren Menge ich
haͤtte zaͤhlen muͤſſen, um ſie zu beſtimmen. Die nach
vorn ſtehenden ſind kleiner, und die hintern werden von
Reihe zu Reihe groͤßer, ſo daß man alle zwoͤlf Reihen
ſehr gut ſehen kann. Auf den Haͤnden und Koͤpfen aller
dieſer Statuͤen ſtehen wieder kleinere Goͤtterbilder. Die
ganze Anzahl ſoll drey hundert drey und dreyßig tauſend
drey hundert drey und dreyßig betragen.


Zu Fuſimi ſetzten wir uns kurz vor Sonnen Unter-
gang in kleine Boͤte, und fuhren den Fluß hinunter nach
Oſaka, wo wir nach einer angenehmen Nachtreiſe am
folgenden Morgen ankamen.


Zu Oſaka hielten wir uns zwey Tage auf. Hier
war es, wo wir auf der ganzen Reiſe das meiſte Vergnuͤ-
gen genoſſen. Wir beſahen mehrmahls in unſern Nori-
mon die Stadt, wohnten den Schauſpielen bey, ſahen
den Balletten zu, und nahmen mancherley Merkwuͤrdig-
keiten, woran dieſe Stadt einen Ueberfluß hat, in Au-
genſchein. Welche ich fuͤr meine Perſon am meiſten
ſchaͤtzte, waren Sammlungen von Japaniſchen Gewaͤch-
ſen in einem wohl eingerichteten Garten, Sammlungen
ſehr vieler einheimiſcher Voͤgel und das Schmelzen des
Kupfers in Staͤbe.


Die Comoͤdien der Japaner ſind luſtig, aber ſo ſon-
derbar, daß ich ſie beynahe ungereimt nennen moͤchte.
Die Dolmetſcher mußten ſie mir ausdeuten. Die mei-
ſten haben Liebeshaͤndel oder Heldenthaten zum Gegen-
ſtande. Die Schauſpieler ſchienen in ihrer Art ihre
Rollen gut zu ſpielen; die Buͤhne aber war ſehr klein und
eng. Die Taͤnze werden meiſtens von Kindern beyderley
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. J
[130]Vierte Abtheilung.
Geſchlechts aufgefuͤhrt, deren jedesmahl zwey, auch
wohl mehrere zuſammen tanzen. Sie haben mit unſern
Contre-Taͤnzen einige Aehnlichkeit, und ſtellen ungefaͤhr
eben dergleichen vor, als die Comoͤdien. Die Tanzen-
den beugen den Koͤrper auf hunderterley Art, und rich-
ten ſich dabey allezeit nach der Muſik oder dem Geſange,
womit der Tanz begleitet wird. Die praͤchtige und koſt-
bare Art, wie ſie, beſonders die Maͤdchen, und zwar
nach Gewohnheit des vornehmen Frauenzimmers, mit
faſt unzaͤhligen, ſaͤmmtlich von dem feinſten und duͤnnſten
ſeidnen Zeuge gemachten, weiten Gewaͤndern, die ſie
eins uͤber das andre ziehen, gekleidet ſind, iſt das, was
dabey am ſchoͤnſten ins Auge faͤllt. Weil aber dieſe Klei-
der ſo außerordentlich duͤnn und leicht ſind, kann man
ihre Menge, die oft zu zwanzig, dreyßig und daruͤber
ſteigt, nicht bemerken. Waͤhrend des Tanzens ziehen
ſie, theils weil ihnen warm wird, theils um ihre Klei-
derpracht zu zeigen, ein Gewand nach dem andern ober-
waͤrts aus, ſo daß ein ganzes Dutzend von dem Guͤrtel,
womit ſie um den Leib feſt gebunden ſind, herab haͤngt,
ohne ſie in ihren ſchnellen Wendungen zu hindern.


Die Vogelſammlungen ſind in der ſo genannten
Vogelſtraße befindlich. Man hat hier eine große Menge
Voͤgel aus allen Gegenden zuſammen gebracht. Sie
werden theils fuͤr Geld gezeigt, theils zu Kauf gebothen.


Der botaniſche Garten liegt in der Stadt. Er iſt
ziemlich gut eingerichtet, hat aber keine Orangerie. Es
werden darin allerhand Gewaͤchſe, Baͤume, Straͤuche
und Stauden, die man aus andern Provinzen hieher ge-
bracht hat, aufbewahrt oder gezogen. Man verkauft
auch davon. Ich ermangelte nicht, fuͤr ſo viel Geld, als
ich darauf verwenden konnte, von den ſeltenſten Sachen,
[131]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.
beſonders Baͤume und Straͤuche in Toͤpfe gepflanzt, aus-
zuſuchen und zu kaufen. Dahin rechne ich die ſchoͤnſten
Arten von den praͤchtigen Ahornbaͤumen, die in dieſem
Lande wachſen, und zwey von der eben ſo raren, als aus-
zufuͤhren ſcharf verbothnen, Sagupalme (Cycas re-
voluta
), einem Palmbaume, auf den die Japaner um
ſeines Sagu aͤhnlichen und ſehr nahrhaften Marks willen,
ſo großen und uͤbertriebnen Werth ſetzen, und nicht wiſ-
ſen, daß er auch in China anzutreffen iſt. Alle dieſe
ließ ich in einen großen hoͤlzernen Kaſten pflanzen, uͤber
welchen Bogen oder Spriegel geſtellt, und von Bindfa-
den eine Bedeckung geflochten wurde, damit ſie auf keine
Art Schaden nehmen konnten. Dieſen Kaſten ſchickte
ich zu Waſſer nach Nangaſaki, von da er in Geſellſchaft
eines andern Kaſtens, der auf der Factorey in Ordnung
gebracht wurde, nach Batavia, und hernach weiter nach
Amſterdam, als eine Lieferung fuͤr den daſigen medicini-
ſchen Garten abging.


Das Schmelzen des Kupfers verrichtete man in
dieſen Tagen lediglich um unſertwillen, damit wir es, auf
mein inſtaͤndiges Bitten, das unſer Chef ſo wohl, als
unſre Japaniſchen Anfuͤhrer unterſtuͤtzt hatten, moͤchten zu
ſehen bekommen. Die Methode dabey iſt weit einfacher,
als ich mir vorgeſtellt hatte. Die Schmelzhuͤtte iſt zehn
bis zwoͤlf Ellen weit. An einer von den Waͤnden geht
eine Mauer mit einem Schornſteine, wie eine Niſche in
die Hoͤhe. Unten in dieſer Vertiefung, mit dem Fuß-
boden gleich, iſt ein Herd, worauf das Erz mit Huͤlfe
von Handblasbaͤlgen vor unſrer Ankunft geſchmelzt war.
Gegen uͤber iſt im Fußboden, der da aber nicht belegt iſt,
ein etwas laͤngliches, ungefaͤhr eine halbe Elle tiefes Loch
gegraben. Ueber dieſes liegen der Laͤnge nach zehn vier-
J 2
[132]Vierte Abtheilung.
ſeitige eiſerne Stangen, und zwar nur einen Finger breit
von einander, und mit der Schaͤrfe einer Seite in die
Hoͤhe ſtehend. Ueber die Stangen iſt ein Stuͤck Se-
geltuch gezogen, das zwiſchen denſelben eingedruͤckt iſt.
Ueber das Segeltuch wird Waſſer gegoſſen, das einen
Zoll hoch ſteht. Darauf wird das geſchmolzne Erz mit
eiſernen Kellen aus der Herdgrube genommen, und in
die jetzt beſchriebene Form gegoſſen. Auf dieſe Art gießt
man zehn bis zwoͤlf Stangen oder Staͤbe von der Laͤnge
einer Viertelelle auf einmahl. So bald man dieſe heraus
genommen hat, faͤhrt man mit dem Gießen fort. Zwi-
ſchendurch gießt man von neuem kaltes Waſſer auf. Auf
dieſe Art Kupfer in Waſſer zu gießen, ungefaͤhr ſo, als
man bey uns in Schweden uͤber zarte kranke Kinder Bley
zu gießen pflegt, hat man bisher in Europa nicht gewußt,
eben ſo wenig, daß das Japaniſche Kupfer eben davon
ſeine hohe und glaͤnzende Farbe hat. Ich war zugleich ſo
gluͤcklich, durch Vorſchub meiner Freunde, der Dolmet-
ſcher, einen Kaſten zum Geſchenk zu bekommen, worin
ſo wohl auf jene Art gegoßnes reines Kupfer, als auch
Stufen von jedem vorher damit genommenen Prozeſſe,
als rohen Kupferkies mit ſeiner Erdart (Matrix), Pro-
ben von Roſtbrennen oder Roͤſten, dem erſten und zwey-
ten Schmelzen, und dergleichen, lagen. Dieſen Ka-
ſten ſchickte ich in der Folge nach Schweden, als ein Ge-
ſchenk fuͤr das Mineralien-Cabinett der Univerſitaͤt zu Up-
ſala
, und machte meinem ehemahligen verehrten und gelieb-
ten Lehrer, Herrn Bergmann, dadurch eben ſo große
Freude, als bey meiner Zuruͤckkunft durch die Nachricht
vom Gießen des Kupfers in Waſſer. Hernach beſahen
wir auch eine Menge gegoßnes Kupfer, nicht nur von
dem, das auf die beſchriebne Art in Staͤbe gegoſſen, und
[133]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.
in dieſer Form an die Hollaͤnder und Chineſer verkauft,
ſondern auch ſolches, das in große und kleine, viereckige
und runde, dicke und duͤnne Stuͤcke zu Keſſeln, Pfannen
und anderm Hausgerath gegoſſen wird.


Wir beſahen auch die hieſigen Tempel, und hatten
bey beyden Ober-Befehlshabern der Stadt Vortritt.


Unter andern kaufte ich hier eine Parthey Moxa,
von verſchiedner Feinheit und Guͤte. Der allerfeinſte iſt
weiß, und wird hier zu Lande allgemein als ein brennen-
des Arzneymitel (Cauſticum) gebraucht, um Krankhei-
ten zu heilen oder vorzubeugen. Der grobe iſt braun,
und man braucht ihn ſtatt Zunder. Beyde Arten wer-
den von gemeinem Beyfuß (Artemiſia vulgaris), naͤm-
lich von dem Rauhen und Wolligen, womit die Blaͤtter
beſetzt ſind, gemacht. Die Blaͤtter werden im Junius
geſammelt, darauf getrocknet und bis zu weiterer Bear-
beitung aufbewahret. Wenn man den Moxa bereiten
will, werden ſie ſo lange geſtoßen, geklopft und gerieben,
bis das Faſrige ſich abgeſondert hat, und man das Rau-
he ganz rein bekommt. Es giebt verſchiedne Feldſcher,
die ſich nur mit dieſem brennenden Mittel befaſſen, und
ſorgfaͤltig ſtudiren, wenn, wie, an welchen Stellen des
Koͤrpers, und gegen welche Krankheiten und Uebel daſ-
ſelbe anzuwenden iſt. Es faͤngt ſehr leicht Feuer und
brennt allmaͤhlig ab. Wenn daher ein kleiner Tuͤpfel
davon irgendwo auf den Koͤrper gelegt, und angezuͤndet
wird, brennt er eine ziemlich große und tiefe Wunde hin-
ein, die einige Zeit hernach die dahin ziehenden Feuchtigkei-
ten und Saͤfte heraus fließen laͤßt. Auf dem Ruͤcken wird
dies ſo allgemein gebraͤuchliche Mittel am oͤfterſten appli-
cirt, und ungeachtet es wenig Krankheiten giebt, gegen
die man es nicht gebraucht, ſo thut es doch die beſte Wir-
[134]Vierte Abtheilung.
kung gegen Gicht und Erkaͤltungen. Kein Alter, kein
Stand, kein Geſchlecht iſt von der Nothwendigkeit des
Gebrauchs deſſelben ausgenommen.


Dieſer Theil unſrer Reiſe gab mir auch zu ver-
ſchiednen in die Botanik einſchlagenden Bemerkungen
Gelegenheit. Hier ſind einige davon. Die ſeeblumen-
artige Zotenblume (Menyanthes nymphoides), das gan-
ze Gewaͤchs mit Blaͤttern und Bluͤthe, macht man hier
in Salzlake ein, und braucht es, wie eingemachte Gur-
ken, als Salat. Aus Buchsbaum, der uͤberall im
Lande waͤchſt, verfertigt man Kaͤmme, die lackirt und
vom Frauenzimmer zum Zierrath im Haar getragen
werden. — Die Nelumbo-Pflanze (Nymphaea nelum-
bo
) waͤchſt an verſchiednen Oertern im Waſſer, und
wird ihrer Schoͤnheit wegen als ein heiliges und den Goͤt-
tern angenehmes Kraut angeſehen. Man ſieht auch
wirklich die Goͤtter oft ſo abgebildet, daß ſie auf den gro-
ßen Blaͤttern derſelben ſitzen. — Das anisartige Illi-
cium (Illicium aniſatum) wird hier durchgehends fuͤr ei-
nen giftigen Baum ausgegeben. Man wollte ſich gar
nicht uͤberzeugen, daß er denſelben aͤchten Sternanis
(Aniſum ſtellatum) hervor bringe, den die Japaner
jaͤhrlich von den Chineſern kaufen. Die Koͤrner werden
indeſſen hier zu Lande nicht gut reif, haben auch keinen
ſo ſtarken und angenehmen Gewuͤrzgeſchmack, als die,
welche man gewoͤhnlich in unſern Apotheken findet. Den
Baum ſelbſt ſchaͤtzt man hier uͤbrigens ſehr hoch, pflanzt
ihn, beſonders bey den Tempeln, weil man glaubt, die
Goͤtter lieben ihn ſehr, und Zweige davon ſtehen faſt alle-
zeit mit andern Blumen in großen Blumentoͤpfen in den
Tempeln. — Aus der Frucht der gemeinen Melia oder
Zederach (Melia azedarach) wird auf naͤmliche Art als
[135]Ruͤckreiſe von Jedo nach Dezima.
aus dem Samen vom unaͤchten Firnißbaume (Rhus ſuc-
cedanea
) Oehl gepreßt, das wie Talg hart, und zu Licht
gebraucht wird.


Den 15. Junius reiſeten wir weiter nach Fiogo.
Hier ſchickten wir uns zu der bevor ſtehenden weiten See-
reiſe an, und ſchifften uns auf das gewoͤhnliche große
Fahrzeug ein, das uns nach Simonoſeki bringen ſollte.
Diesmahl ging die Fahrt gluͤcklich und geſchwind von
ſtatten, und nach einigen Tagen kamen wir in dieſem
Hafen wohlbehalten an.


Zu Fiogo bekamen unſre Aufwaͤrter bey den Nori-
mon fuͤr ihre Muͤhe von uns 1 Thaler 5 Mas, und
zu Fiamits Loge die Wirthin, nach hergebrachter Ge-
wohnheit, 7 Mas 5 Konderyn, nachdem ſie uns mit
Sakki tractirt hatte.


An den jetzigen Sommerabenden genoſſen wir oft
das Vergnuͤgen eines der ſchoͤnſten Anblicke in der ganzen
Natur. Ich meine den hieſigen leuchtenden Kaͤfer
(Lampyris Iaponica). Dies Inſect hat am Steiße
zwey kleine Blaſen, die einen blaͤulichen, phosphoriſchen
Schein, wie die Europaͤiſchen Scheinkaͤfer, von ſich ge-
ben. Es unterſcheidet ſich aber von dem letzteren dadurch,
daß es gefluͤgelt iſt und frey umher fliegt, dagegen dieſer
keine Fluͤgel hat, und in den Wachholder-Straͤuchen
ſtill liegt. Sie flogen zu Tauſenden herum, einige hoͤ-
her, andre niedriger, und das Ganze ſtellte einen von
unzaͤhligen funkelnden Sternen ſchimmernden Him-
mel dar.


Ehe wir nach Nangaſaki kamen, wurden unſre
Koffer verſiegelt, damit ſie undurchſucht nach dem Pack-
hauſe gebracht werden konnten. Wir ſelbſt aber, nebſt
unſern Portchaiſen, und was wir ſonſt bey uns hatten,
[136]Vierte Abtheilung. Ruͤckreiſe nach Dezima.
wurde genau viſitirt. Ich hatte zwar eben nicht viel ver-
bothne Sachen bey mir, wollte aber doch die ſeltnen
Muͤnzen und Landkarten, die ich mir mit ſo vieler Muͤhe
und Beſchwerden verſchafft hatte, ungern miſſen, auch
nicht gern jemanden dadurch ungluͤcklich machen. Die
Karten ſteckte ich daher unter andre Papiere, die dicken
Muͤnzen beklebte ich rund umher mit Pflaſter, und die
duͤnnen verwahrte ich in meinen Schuhen, und ſo kam
ich gluͤcklich durch.


Den 30. Junius 1776 langten wir denn im be-
ſten Wohlſeyn auf unſrer Factorey endlich wieder an.
Wir ſchenkten jedem unſrer Aufwaͤrter 1 Thail 5 Mas,
und wurden von unſern Freunden mit der lebhafteſten
Freude empfangen. Die Reiſe hatte wider alle Ge-
wohnheit ſehr lange gewaͤhrt, und man hatte uns zu De-
zima
ſchon eine geraume Zeit mit Sehnſucht erwartet.


[137]

Fuͤnfte Abtheilung.
Allgemeine Bemerkungen und Nach-
richten, Japan und die Japaner
betreffend
.


Manches von dem, was ſich auf die natuͤrliche Be-
ſchaffenheit dieſes Landes, auf Denkungsart, Lebens-
weiſe, Sitten, Gewohnheiten und Einrichtungen der
Einwohner, und auf die Japaniſche Sprache bezieht,
iſt im Vorhergehenden bey Gelegenheit meiner Reiſe-
bemerkungen bereits vorgekommen, worauf ich hier ver-
weiſe. Das uͤbrige will ich jetzt nachhohlen, und um
beſſerer Ordnung und Ueberſicht willen unter einige allge-
meine Rubriken ordnen.


Erſter Abſchnitt.
Von der natuͤrlichen Beſchaffenheit
des Landes
.


Japan liegt auf der Oſt-Seite von Aſien, iſt von
dieſem Welttheile ganz und gar getrennt, und beſteht
aus drey großen, und vielen kleinen Inſeln. Es erſtreckt
ſich vom 30. bis zum 41. Grade noͤrdlicher Breite, und
vom 143. bis zum 161. Grade der Laͤnge, nach dem
Meridian von Teneriffa gerechnet. Es liegt mithin ſo
viel oͤſtlicher als Stockholm, daß man dort Sonnen
Aufgang und Mittag acht Stunden fruͤher als
hier hat.


[138]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Die meiſten Europaͤer nennen dies Land Japan
oder Japon. Die Einwohner ſelbſt nennen es Nipon
oder Nifon. Die Chineſer Sippon oder Jepuen.


Die Japaniſchen Inſeln ſind in aͤltern Zeiten nicht
ganz unbekannt geweſen. Man glaubt, Japan ſey das
Land, wovon Marcus Paulus Venetus von den Chi-
neſern unter dem Nahmen Zipangro reden hoͤrte. Un-
ter den Europaͤiſchen Nationen ſind die Portugieſen die
erſten, die es entdeckt und da gelandet haben. Anton
de Mota
, Franz Zeimoto und Anton Peixota wurden
auf einem großen Chineſiſchen Fahrzeuge, das von Siam
nach China gehen ſollte, durch Sturm an die Kuͤſten
dieſes Landes geworfen. Nach ihrer Zuruͤckkunft nach
China und erhaltner Nachricht von dieſem Vorfalle wur-
den nachher andre Portugieſen, nebſt Miſſionarien dahin
geſchickt. In welchem Jahre jene Entdeckung gemacht ſey,
iſt nicht voͤllig ausgemacht. Einige behaupten, im Jahr
1535, andre 1542, andre 1548, andre noch ſpaͤter.


Das ganze Land beſteht faſt aus nichts anderm, als
Bergen und Thaͤlern. Große Ebnen bekommt man
ſelten zu ſehen. Die Kuͤſten ſind rund umher mit Ber-
gen und Klippen, und einem unruhigen, ſtuͤrmiſchen
Meere umgeben. Die meiſten Haͤfen ſind den Euro-
paͤern ganz unbekannt, und die wenigen bekannten ent-
weder mit einer Menge Klippen angefuͤllt, oder ſeicht
und voll Sand, ſo daß die Einfahrt ſehr gefaͤhrlich iſt.


Die Berge ſind von ſehr verſchiedner Hoͤhe. Ei-
nige hangen in Gebirgsreihen zuſammen, andre liegen
einzeln und zerſtreut. Etliche ſind auch Vulkane. Ein
großer Theil von ihnen iſt mit Wald bewachſen. Andre,
die nicht eine allzu ſteile Lage haben, ſind in Abſaͤtzen,
einem uͤber dem andern, nicht ſelten bis oben auf dem
Gipfel angebaut. Der Fuſi iſt einer der hoͤchſten.


[139]Von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.

Das Erdreich iſt in Thaͤlern und ebnen Gegenden
verſchieden. Meiſtens beſteht es aber aus Lehm oder
Sand, oder einem Gemiſche von beyden. Im allge-
meinen kann man zwar mit Recht behaupten, daß der
Boden ſehr unfruchtbar iſt; allein durch Arbeit, Dung,
Waͤrme und hinlaͤnglichen Regen wird er in hohem Gra-
de fruchtbar gemacht.


Erdbeben verſpuͤrt man in Japan nicht ſelten.
Waͤhrend unſers Aufenthalts zu Jedo zeigte ſich derglei-
chen verſchiednemahl, wiewohl ſehr gelinde.


Die Hitze iſt im Sommer ſehr ſtark, und wuͤrde
unertraͤglich ſeyn, wenn die Seewinde ſie nicht milder-
ten. Eben ſo iſt auch die Kaͤlte des Winters ſehr ſtreng,
wenn Nord Wind und Nord-Oſt-Wind wehet. Man
fuͤhlt ſie indeſſen allezeit ſtaͤrker, als ſie nach der Anzeige
des Thermometers wirklich iſt; denn der heftige kalte
Wind ſchneidet wie Pfeile von Eis durch den Koͤrper.


Die Witterung iſt das ganze Jahr hindurch ſehr
unbeſtaͤndig. Regen faͤllt im Ueberfluſſe. Es regnet faſt
das ganze Jahr, beſonders aber in den ſo genannten
Regenmonathen (Satſuki), die mitten im Sommer einfal-
len. Gerade dieſer Ueberfluß von Regen aber iſt die Ur-
ſache der Fruchtbarkeit, und der davon herruͤhrenden
ſtarken Volksmenge. Gewitter ſind nicht ſelten; Stuͤr-
me und Orkane ſehr haͤufig.


Ich ſtellte waͤhrend meines Aufenthalts in Japan
ſorgfaͤltige thermometriſche Beobachtungen an. Da der-
gleichen meines Wiſſens bisher niemand bekannt gemacht
hat, und ſie das Klima dieſes Landes genau kennen leh-
ren, glaube ich, die Mittheilung derſelben werde demjeni-
gen Theile meiner Leſer, welchen es um eine genaue
Kenntniß des Landes zu thun iſt, nicht unangenehm ſeyn.
Sie ſind groͤßtentheils auf der Inſel Dezima bey Nanga-
[140]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſaki
, welches die ſuͤdlichſte Stadt iſt; einige aber auch auf
der Reiſe und zu Jedo gemacht: ich werde dieſen Unter-
ſchied in der Tabelle bemerken. Das dabey gebrauch-
te Thermometer iſt ein in 112 Grade eingetheiltes und
den Gefrier-Punct beym 32. Grade anzeigendes Fah-
renheitiſches, mit doppeltem Glas und Queckſilber, das
bey der geringſten Veraͤnderung ſeinen Stand veraͤndert.
Ich hatte es allezeit draußen vor dem Fenſter meines
Zimmers an der Mauer, und zwar auf der Nord-Seite,
in freyer Luft haͤngen. Zu Nangaſaki war die groͤßte
Hitze im Auguſt 98, und die ſtaͤrkſte Kaͤlte im Januar des
Abends 35 Grad. Die Kaͤlte trat, wie alle bezeugten,
dies Jahr ſpaͤter, als andre Jahre, ein, und hielt auch
kuͤrzere Zeit an. Wir heitzten daher auch unſre Zimmer
ſpaͤter als gewoͤhnlich.


Ein Barometer hatte ich nicht, konnte alſo damit
auch keine Obſervationen anſtellen. Im allgemeinen
merkte ich aber doch folgendes an. Oſt-, Nord-, und
Nord-Oſt-Wind, welche hier Landwinde ſind, ſind ſehr
kalt. Suͤd-, Weſt-, und Suͤd-Weſt-Wind, die von der
See herkommen, ſind allezeit waͤrmer, und ſo bald es
regnet, iſt die Witterung milder. Im Sommer wehet
zu Nangaſaki faſt jeden Nachmittag Suͤd-Wind, welcher
erfriſchend iſt; des Nachts und Morgens hingegen Oſt-
Wind. Wenn des Abends Nebel aufſteigt, und Wol-
ken ſich ſammeln, ſo faͤllt die Nacht darauf gemeiniglich
Regen; ſteigt aber der Nebel des Morgens auf, ſo wird
am Tage ſchoͤnes Wetter. Wenn im Winter die Luft
in Oſten und Suͤden truͤbe iſt, ſo folgt gewoͤhnlich Re-
gen mit ſtarkem Wind und Sturm; aber wenn es in
Weſten und Norden aufklaͤrt, wird ſchoͤnes Wetter.
Im December und Januar zeigte ſich ein Paar Mahl in
der Luft feiner Schnee, der auf Dezima eher ſchmolz,
[141]Von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.
als er zur Erde kam. Sonſt faͤllt manchen Winter viel
Schnee, der einige Zeit liegen bleibt. Blitz, Donner
und Gewitterregen hat man bisweilen im Junius und
Julius, meiſt aber im Auguſt und September, ſo wohl
des Abends, als ganze Naͤchte hindurch.


Hier iſt die ganze Folge meiner Beobachtungen.


[142]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
[143]Von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.
[144]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Tag.
[145]Von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. K
[146]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
[147]Von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.
K 2
[148]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
[149]Von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.
[150]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
[151]Von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.
[152]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

An merkwuͤrdigen Naturalien hat Japan keinen
Mangel. Verſchiedner Baͤume, Kraͤuter und andrer
Gewaͤchſe; einiger Fiſche und andrer Thiere, wie auch
des Kupfers, habe ich oben in der Beſchreibung meiner
Reiſe bey vorkommenden Gelegenheiten erwaͤhnt. Jetzt
will ich, außer einigen andern Naturalien, die hauptſaͤch-
lichſten Mineralien mit ihren Japaniſchen Nahmen an-
fuͤhren. Dieſe und noch mehrere brachten mir die Japa-
ner zu Jedo. Golderz von Simar, Japaniſch Kin nab.
Asbeſt, eine unreife Art: Iſiwatta, Kupferkies von
[153]von der natuͤrl. Beſchaffenheit von Japan.
Simotſke aus dem Berge Aſjo: Aſjo jamma. Aus Chi-
na
hieher gebrachtes Kupfererz: Simoo Seki; es ent-
haͤlt Schwefel in Menge, und das daraus gebrannte
Pulver wird gegen den Huſten gebraucht. Weiße, viel-
leicht feuerfeſte, Porcellainerde: Fak Sekiſi. (Dieſe
nebſt vielen andern Mineralien vom Cap, auch Bezoar,
und verſchiedne Edelſteine, habe ich hernach Herrn Pro-
feſſor Bergmann geſchickt, und ſie werden im Cabinett
der Univerſitaͤt zu Upſala aufbewahrt). Weißer, wei-
cher und feinfaſriger Asbeſt, Sekima, der geſponnen und
woraus Zeug gewebt wird. Rother Arſenik, Owoo
oder Kyquan Seki. Gelber Schneckenſand: Awa,
Sna. Fleiſchfarbner, ſehr ſchoͤner Speckſtein: Saku-
ſekis oder Iſuwatta. Bimsſtein: Karuiſi. Spathar-
tiger Tropfſtein: Tſurara iſt. Pulveriſirter Zinnober:
Sju. Runder Quarzſtein: Tſugaro iſt von Tſugara,
woher er kommt, genannt. Weißer Marmor: Nikko
iſt oder Nikkoroſik. Bleyglanz mit Kupferkies: Sei no
Megin. Feines Bergoͤhl von Sinam: Keſoſo no Abra.
Salpeter: Siro Jinſo. Aus der Erde beym warmen
Bade zu Booſa gekochtes Brunnenſalz (Sal fontanum).
Verſteinerungen von Blaͤttern (Phytolithus lithophyl-
lum
) vom Berge Fakonie: Konofa iſt. Verſteinerun-
gen von Roͤhrenkorallen (Tubiporus): Luukuv Sango-
du. Verſteinerter Meerſchwamm (Spongia): Uniwatta.
Aeſtige Hornkorallen (Gorgonia ramoſa): Umemats.
Rothe Korallen (Corallia rubra) von Kamaku: San-
godin; eben dergleichen von Sangami: Sangoſju. Ei-
ne dicke rothe Punctkoralle (Millepora) von der Inſel
Sjoſuſima in der Provinz Sannoki: Djukuts. Fol-
gende Conchylien: die Falte (Anomia plicatella): Seki
Jen; der Papiernautilus (Argonauta Argo): Tako ſu-
ne aus Jotſijo; der Schlangenkopf (Cypraea Mauritani-
[154]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ca): Kino kui. Von Inſecten: ein eigene Art Sandlaͤu-
fer (Cicindela Iaponica), von Oſi: Hammao; der Erdviel-
fuß (Iulus terreſtris): Jaſude; der Kellerwurm (Oni-
ſcus aſellus
): Saori koſi, welches ſo viel heißt, als
Hausungeziefer; die Seeaſſel (Oniſcus Oceanicus):
Funa muſi, daß heißt Seeungeziefer: Ferner ein See-
pferdchen (Hippocampus): Kaij ba. Der Achtfuß,
eine Art Blackfiſch (Sepia octapodia); er wird haͤufig
gefangen, getrocknet, und allgemein gegeſſen, er heißt
Ika. Eine Gattung Fiſche, mit rothen Floßfedern,
aus den Baͤchen im Gebirge Fakonie; man nennt ihn Ja-
mamo; pulveriſirt ſoll er bey Bruſtkrankheiten des weib-
lichen Geſchlechts gute Dienſte thun. Die Winterhalb-
ente (Anas querquedula): Kama. Rogen von einem
gewiſſen großen Fiſche, der geſalzen, platt gepreßt und
getrocknet, zum Reißbrey gegeſſen wird: Karaſumo.
Verſchiedne Gattungen Seitenſchwimmer oder Flundern
(Pleuronectes): Kali, Makotje, Niga kotje und
Iſaka kotje.


Zweyter Abſchnitt.
Beſchaffenheit und Charakter der
Japaner
.


Die Japaner ſind gut gewachſen, geſchmeidig und be-
hende, und haben ſtarke Gliedmaßen, wiewohl ſie den
noͤrdlichen Einwohnern Europa’s an Staͤrke nicht gleich
kommen. Die Mannsperſonen ſind nicht ſehr groß,
auch nicht ſehr klein, gewoͤhnlich auch nicht fett und dick;
nur ſelten ſah ich einen, der etwas Fett hatte. Die
Farbe der Japaner iſt durchgaͤngig gelblich, doch ſo, daß
ſie bey einigen ins Braune, bey einigen ins Weiße faͤllt.
[155]Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
Geringe Leute, die des Sommers bey ihrer Arbeit mit
dem obern Theile des Koͤrpers nackt gehen, werden von
der Sonne gebrannt und dadurch braun. Das vorneh-
me Frauenzimmer aber, welches ſelten in die freye Luft
geht, ohne bedeckt zu ſeyn, iſt voͤllig weiß. Die Augen
unterſcheiden dies Volk[,] eben ſo wie die Chineſer, von
allen andern Voͤlkern, und man kann ſie ſo gleich daran
kennen. Sie haben nicht die Ruͤnde, wie bey andern
Nationen, ſondern ſind laͤnglich ſchmal, liegen tiefer und
haben immer gleichſam etwas liebaͤugelndes, ſehen uͤbri-
gens dunkelbraun oder vielmehr ſchwarz aus. Das Augen-
lied bildet mit dem großen Augenwinkel eine tiefe Furche;
dies giebt ihnen das Anſehen von Scharfſichtigkeit, und
iſt hauptſaͤchlich das, was ſie, wie ich eben geſagt habe,
auf eine ſo merkliche Art auszeichnet. Die Augen-
braunen ſitzen auch etwas hoͤher, als bey andern Men-
ſchen. Der Kopf iſt bey den meiſten groß; der Hals
kurz; das Haar ſchwarz, dick und von Oehl glaͤnzend;
die Naſe zwar nicht platt, aber doch etwas dick und
kurz.


Die Schilderung des Charakters der Nation ent-
haͤlt im allgemeinen folgende Zuͤge: verſtaͤndig und vor-
ſichtig, frey, gehorſam und hoͤflich, neugierig, fleißig
und in Handarbeit geſchickt, ſparſam und nuͤchtern, rein-
lich, gut geſinnt und freundſchaftlich, aufrichtig und ge-
recht, ehrlich und treu, argwoͤhniſch, aberglaͤubig, hoch-
muͤthig und ſtolz, unverſoͤhnlich, tapfer und unuͤber-
windlich.


Verſtand und geſetztes Weſen zeigen die Japaner
bey allem, was ſie thun. In Kenntniſſen, Einſicht,
Cultur und Aufklaͤrung haben ſie es ſo weit gebracht, als
es ohne Gelehrſamkeit, Wiſſenſchaften und ſchoͤne Kuͤnſte,
deren Strahlen freylich noch nicht bis zu dieſem Volke
[156]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
hingedrungen ſind, moͤglich iſt. Zu den aufgeklaͤrteſten
Nationen kann man ſie freylich nicht rechnen. Aber
wenn man ſie den ſo genannten wilden Nationen beyzaͤh-
len wollte, ſo wuͤrde man ihnen großes Unrecht thun.
Vielmehr verdienen ſie unter den geſittetſten einen Platz.
Ihre jetzige Regierungsform, die Einrichtung und Art
ihres Handels mit den Auslaͤndern, ihre Kuͤnſte und
Handwerke, ihr Ueberfluß an allem Nothwendigen, und
ſo manches andre, ſind unwiderſprechliche Beweiſe ihres
Verſtandes, ihrer Klugheit, und ihrer ernſthaften und
reellen Denkungsart. Nie findet man unter ihnen eine
Spur von der kindiſchen Eitelkeit und albernen Putzluſt,
die man bey andern Aſiatiſchen und Afrikaniſchen Voͤl-
kern ſo haͤufig antrifft, welche ſich mit Muſcheln, Glas-
korallen, blanken Metallblaͤttchen, und dergleichen
ſchmuͤcken. Eben ſo wenig aber kennen ſie den unnuͤtzen
und nur glaͤnzenden Schmuck und Prunk der Europaͤer
mit Gold, Silber, Juwelen und was mehr dahin ge-
hoͤrt. Auch ahmen ſie in keinem Stuͤcke auslaͤndiſchen
Luxus nach, ſondern machen aus einheimiſchen Produ-
cten huͤbſche Kleider, wohlſchmeckende Gerichte und vor-
treffliche Waffen.


Freyheit iſt das Leben der Japaner; keine ſolche,
die in Ungebundenheit, Muthwillen und Eigengewalt
uͤbergeht, ſondern die durch Geſetze auf die gehoͤrige Art
eingeſchraͤnkt iſt. Viele glauben zwar, der gemeine
Mann in Japan ſey nichts anders, als Sklave einer de-
ſpotiſchen Regierung, weil die Geſetze ſehr ſtreng ſind.
Aber ein Knecht, der ſich auf ein Jahr bey einem Herrn
vermiethet, iſt darum kein Sklave und ein Soldat,
der auf gewiſſe, oft viele Jahre, gemiethet und viel
ſchaͤrfer gehalten wird, iſt ebenfalls darum kein Sklave,
ob er gleich den ſtrengſten Befehlen ſeiner Vorgeſetzten
[157]Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
gehorchen muß. Die Japaner haſſen und verabſcheuen
den unmenſchlichen Sklavenhandel der Hollaͤnder und die
unbillige Behandlung ihrer Sklaven. Die Freyheit und
Rechte nicht nur der Vornehmen, ſondern auch der Nie-
dern werden durch die Geſetze geſchuͤtzt, und die außeror-
dentliche Strenge und unfehlbare Ausuͤbung der Geſetze
haͤlt jeden in den gebuͤhrenden Schranken. In Ruͤckſicht
auf Auslaͤnder iſt keine Nation in ganz Indien, die ſo
eiferſuͤchtig uͤber ihre Freyheit wacht, als dieſe. Auch iſt
keine ſo frey von Beeintraͤchtigung, Betruͤgerey, Zwang
und Gewaltthaͤtigkeit andrer Voͤlker. Die in dieſem
Betracht genommenen Maaßregeln haben auf den Erd-
boden nicht ihres gleichen. Denn ſeitdem allen Einwoh-
nern ohne Unterſchied bey Lebensſtrafe verbothen iſt, aus
dem Reiche zu gehen, iſt kein Japaner im Stande hinaus
zu kommen. Eben ſo wenig iſt irgend einem Fremden er-
laubt, ins Land herein zu kommen, außer einigen wenigen
Hollaͤndern und Chineſern, die, wie die Leſer bereits wiſſen,
gleichſam in einem Civil-Arreſt gehalten werden. Die
Vornehmen und Reichen haben eine große und zahlreiche
Bedienung. Sonſt hat faſt ein jeder jemanden zur Be-
dienung und Aufwartung im Hauſe, der, wenn der Herr
ausgeht, mitgehen, und Mantel, Schuhe, Regenſchirm,
Laterne und dergleichen tragen muß.


An Hoͤflichkeit und Unterthaͤnigkeit haben die Ja-
paner
wenige ihres Gleichen. Gehorſam und Unterwuͤr-
figkeit gegen Aeltern und Obrigkeit werden den Kindern
ſchon in den erſten Jahren eingepraͤgt, und die Alten in
jedem Stande gehen ihnen hierin mit dem beſten Beyſpie-
le ſtets vor. Daher kommts auch, daß die Kinder hier
ſelten geſcholten oder mit koͤrperlichen Zuͤchtigungen be-
ſtraft werden. Die Geringeren erweiſen den Vorneh-
meren und ihren Vorgeſetzten tiefe und feyerliche Verbeu-
[158]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
gungen, und gehorchen blindlings und ohne Vorbehalt.
Ihres gleichen gruͤßen ſie allezeit, ſo wohl wenn ſie ein-
ander begegnen, als auch beym Weggehen, ſehr hoͤflich.
Gewoͤhnlich buͤcken ſie ſich mit dem ganzen Koͤrper ſo, daß
der Kopf ſich vorwaͤrts ſenkt, und legen die Haͤnde ent-
weder gegen die Knie, oder unterhalb der Knie an den
Beinen hinunter, ja wohl gar bis auf den Fuß hinab, je
nachdem mehr oder weniger tiefe Ehrerbiethung bewieſen
werden muß. Je tiefer dieſe ſeyn muß, deſto mehr wird
auch der Kopf zur Erde gebogen. Wenn jemand ſie an-
redet, oder ſie jemanden etwas hingeben oder uͤberreichen,
geſchieht es allezeit mit einer ſolchen Verbeugung. Be-
gegnet ein Geringerer einem Vornehmeren auf der Stra-
ße, ſo bleibt er in jener Stellung ſo lange ſtehen, bis
dieſer vorbey iſt. Begegnen zwey, die ſich gleich ſind,
einander, ſo ſtehen beyde ſtill und machen ebenfalls das
oben beſchriebne Compliment, und gehen darauf einan-
der ein wenig in krummer Stellung vorbey. Wenn ſie
in ein Haus kommen, ſo fallen ſie auf die Knie und buͤ-
cken ſich, mehr oder weniger tief, mit dem Kopfe; und
ehe ſie aufſtehen um wegzugehen, machen ſie wieder die-
ſelbe Verbeugung. — Bey aller ihrer Hoͤflichkeit ha-
ben die Japaner aber doch die unartige Gewohnheit, in
jedermanns Gegenwart ohne Zuruͤckhaltung, ſo oft es ih-
nen ankommt, aus dem Magen aufzuſtoßen und zu
ruͤlpſen; dies wird bey ihnen, die ſonſt in ihrem Betra-
gen ſo geſittet, als irgend ein cultivirtes Volk, ſind, fuͤr
gar nichts unanſtaͤndiges gehalten.


Die Neugier geht bey den Japanern ſehr weit.
Was die Europaͤer mitbringen und bey ſich haben, beſe-
hen ſie ſo genau, als moͤglich iſt. Sie erkundigen ſich
nach allem, und werden durch ihre Fragen ſehr laͤſtig.
Bey den Audienzen koͤnnen ſie ſich an den Hollaͤndern
[159]Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
nicht ſatt ſehen: ſie beſehen ſie unablaͤſſig vom Kopf bis
zu den Fuͤßen, und alles was ſie an ſich haben, Hut,
Degen, Kleidung, Knoͤpfe, Treſſen, Uhr, Stock,
Ringe und ſo weiter; ſie bitten ſie, in ihrer Gegenwart
zu ſchreiben, weil ſie ihre Buchſtaben, und ihre ganze
Art zu ſchreiben zu ſehen wuͤnſchen. Eben ſo wißbegie-
rig ſind auch in Anſehung deſſen, was ſich auf die Wiſ-
ſenſchaften bezieht, die Gelehrten unter ihnen. Und da
ſehen ſie denn den Leibarzt der Geſandtſchaft als den ein-
zigen Gelehrten unter den ſich hier aufhaltenden Hollaͤn-
dern, und als das Orakel an, das ihnen uͤber alles, was
ſie wiſſen wollen, Erlaͤuterung geben kann. Dieſer
wird denn auch nicht nur auf der Inſel Dezima, ſondern
auch auf der Hofreiſe und zu Jedo, von ihnen mit Fra-
gen ſtets gequaͤlt. Hauptſaͤchlich betreffen ihre Fragen
Gegenſtaͤnde aus der Matheſis, Geographie, Phyſik,
Pharmacie, Zoologie, Botanik und Medicin.


Die Japaner haben viel natuͤrliche Geſchicklichkeit,
alle Arten Handarbeit leicht zu lernen, und ſehr gut zu
machen; auch ſind ſie darin ſehr erfinderiſch. An In-
duͤſtrie, Fleiß und Arbeitſamkeit uͤbertreffen ſie die mei-
ſten andern Voͤlker. Sie ſchraͤnken ſich aber auf das
Noͤthige und Nuͤtzliche ein. Ihre Kupfer- und Metall-
arbeit iſt ſchoͤn. Was ſie von Holz verfertigen, iſt ſau-
ber und dauerhaft. Ihre vorzuͤglich gut gehaͤrteten Saͤ-
belklingen, und ihre ſchoͤne lackirte Arbeit thun es allem
zuvor, was man in andern Laͤndern von dergleichen bis-
her hat zum Vorſchein bringen koͤnnen. Wie viel Sorg-
falt, Muͤhe und Fleiß der Landmann und Bauer auf
die moͤglichſte Cultur und Bearbeitung ſeines Feldes wen-
det, wie erfinderiſch und unverdroſſen er in dieſen Stuͤ-
cken iſt, kann ſchlechterdings niemand glauben oder ſich
vorſtellen, als wer es ſelbſt ſieht.


[160]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Sparſamkeit und Haͤuslichkeit haben in dieſem
Lande gleichſam ihren Wohnſitz. Sie iſt die allgemein
geſchaͤtzte Tugend, nicht nur am Hofe und in den Pal-
laͤſten der Großen, ſondern auch in der niedrigſten
Huͤtte. Sie macht denn auch, daß der Aermere mit ſei-
ner wenigen Habe zufrieden iſt, und der Reiche ſeinen
Ueberfluß nicht in Unmaͤßigkeit und Wolluſt verſchwen-
det. Sie macht aber auch eben dadurch, daß man, was
in andern Laͤndern Theurung und Hungersnoth heißt,
gar nicht kennt, und daß in dieſem ſo großen und volk-
reichen Lande aͤußerſt ſelten ein Nothleidender oder ein
Bettler angetroffen wird. Im allgemeinen ſind die Ja-
paner
weder geitzig noch habſuͤchtig. Vor Freſſen und
Saufen haben ſie Abſcheu. So wie ſie das Land nicht
zum Tobak und andern unnuͤtzen Gewaͤchſen verſchwenden,
verbrauchen ſie auch ihr Getreide nicht durch ſo genannte
Veredlung zu ſtarken Getraͤnken.


Reinlich und ſauber ſind die Japaner in hohem
Grade. Sie beobachten dieſe Tugend nicht nur in Ruͤck-
ſicht auf ihren Koͤrper, ſondern auch in ihren Haͤuſern,
in ihrer Kleidung, in ihren Geraͤthen, im Eſſen und
Trinken und allen uͤbrigen Stuͤcken. Sie waſchen und
baden ſich nicht etwa einmahl in der Woche, ſondern je-
den Tag; und zwar bedienen ſie ſich dazu warmer Baͤ-
der, die taͤglich in jedem Hauſe, und auch fuͤr wenig
Geld in allen Wirthshaͤuſern fuͤr die Reiſenden bereitet
werden.


Von der guten Gemuͤths-Beſchaffenheit und der
freundſchaftlichen Denkungsart der Japaner habe ich
ſelbſt oft mit Bewunderung ſehr viele Beweiſe erfahren.
Ich konnte dergleichen um ſo viel weniger erwarten, da
ſie immer mehr Urſache haben, die hier handelnden Eu-
ropaͤer, ihres ſchlechten Betragens und ihrer feinen Be-
truͤ-
[161]Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
truͤgereyen wegen, aufs moͤglichſte zu verachten, zu haſ-
ſen, und gegen ſie vorſichtig zu ſeyn. Der Japaner iſt
zwar ſtolz, aber gut; mit Sanftmuth und Freundlich-
keit laͤßt er ſich lenken und bewegen; Drohungen aber
und Trotz wirken auf ihn nicht.


Die Gerechtigkeit wird im ganzen Lande ſehr heilig
gehalten. Der Monarch beeintraͤchtiget keinen ſeiner
Nachbaren. Man hat in der ganzen Geſchichte weder
aͤlterer noch neuerer Zeiten kein Beyſpiel, daß je ein Ja-
paniſcher Regent ein fremdes Land angegriffen, oder Luſt
ſein Reich zu erweitern gezeigt haͤtte. Zwar ſind die Jahr-
buͤcher der Japaner voll von Heldenthaten, aber nur zur
Vertheidigung des Vaterlandes gegen auswaͤrtige Gewalt,
oder gegen Aufruhr in ſeinen eignen Grenzen. Daß
Laͤnder erobern etwas Großes, und Thaten in Kriegen, die
um zu erobern gefuͤhrt werden, etwas Ruͤhmliches ſeyen,
davon haben ſie keinen Begriff. Sie bleiben in dieſem,
ſo wie in allen andern Stuͤcken bey der Denkungsart ih-
rer Vorfahren, und nehmen auch jene Sitte von andern
Voͤlkern nicht an. Moͤchten doch die Beherrſcher unſers
Europa ſich von ihnen nicht laͤnger beſchaͤmen laſſen!
Sie haben aber auch nie von ihrem Lande ſich etwas weg-
nehmen laſſen, und wuͤrden es auch jetzt nicht thun.
Eben ſo herrſcht Gerechtigkeit in allen ihren Gerichten.
Alle Rechtsſachen werden ſehr bald, ohne Weitlaͤuftig-
keit und ohne Intrigue abgemacht. Der Verbrecher fin-
det nirgends Zuflucht. Die Perſon wird nicht angeſehen.
Begnadigung zu hoffen wagt niemand. Aber auch ge-
gen die Europaͤer beobachten ſie Gerechtigkeit. Ihre
Tractaten, Vergleiche und Verbindungen mit ihnen, he-
ben ſie nicht auf, gehen nicht ein Haar breit davon ab,
aͤndern keinen Buchſtaben daran, wofern nicht die Euro-
paͤer ſelbſt Anlaß und Urſache dazu geben.


Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. L
[162]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Eben ſo allgemein trifft man Redlichkeit und Treue
an. So wenig als in dieſem Lande wird wohl in keinem
andern Diebſtahl begangen; man hoͤrt kaum davon.
Raͤuberey iſt vollends etwas ganz unbekanntes. Die
Europaͤer ſind auf ihrer Reiſe durch das Land ſo ſicher,
daß ſie auf die Sachen, welche ſie bey ſich haben, faſt
gar nicht Acht geben. Indeſſen muß ich doch ſagen, daß
die geringen Leute, wenigſtens auf der Factorey, es fuͤr
keine Suͤnde halten, den Hollaͤndern Kleinigkeiten, be-
ſonders an Zucker und Kupfer, indem dieſe Waaren
von und nach der Schiffsbruͤcke gebracht werden, weg-
zumauſen.


Argwoͤhniſch ſind die Japaner ſehr. Es iſt aber
wahrſcheinlich, daß ſie es nicht zu allen Zeiten in ſolchem
Grade geweſen ſind. Vermuthlich haben die vorigen in-
nerlichen Unruhen und Kriege, noch mehr aber die Be-
truͤgereyen der Europaͤer dieſe Unart, die jetzt, wenigſtens
im Handel und Wandel mit den Hollaͤndern und Chi-
neſern ohne Grenzen iſt, bey ihnen hervor gebracht und
vergroͤßert.


Auch Aberglaube herrſcht unter dieſem Volke ſo all-
gemein und in ſo hohem Grade, als vielleicht unter kei-
nem andern. Dies ruͤhrt von ihrer Unwiſſenheit in den
meiſten Wiſſenſchaften, und von den verkehrten und un-
gereimten Begriffen und Grundſaͤtzen her, die ihre Reli-
gion und ihre unwiſſenden Prieſter ihnen einpraͤgen. Be-
weiſe des Aberglaubens geben ſie in reichem Maaße an
ihren Feſten, bey ihrem Gottesdienſte, bey ihren Ge-
luͤbden, beym Gebrauche ihrer Arzneymittel, bey der
Wahl gluͤcklicher und der Vermeidung ungluͤcklicher Ta-
ge, und dergleichen mehr.


Stolz und hoher Duͤnkel iſt ein Hauptfehler dieſer
Nation. Sie glauben eben den heiligen Urſprung von
[163]Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
den Goͤttern, Himmel, Sonne und Mond zu haben,
den ſich mehrere Aſiatiſche Voͤlker zueignen. Kein
Wunder, wenn ſie waͤhnen, etwas mehr als andre
Menſchen zu ſeyn, und wenn ſie beſonders die Europaͤer
ſehr geringe achten. Ertruͤge ein Japaner auch jede an-
dere Beleidigung, ſo wuͤrde er doch Stolz an andern nicht
ertragen koͤnnen. Stolz und Hochmuth waren es, wel-
che die Portugieſen aus dem Lande verjagten, und ſie
ſind es auch, welche dem Hollaͤndiſchen Handel hier mit
der Zeit vielleicht ein Ende machen werden.


Daß das Japaniſche Volk nie, auch nicht ein-
mahl in den aͤlteſten Zeiten, von irgend einer auswaͤrti-
gen Macht beſiegt oder unterjocht geweſen iſt, weiß man.
Aber in ihren Geſchichtbuͤchern lieſet man auch von ihrer
Tapferkeit und ihrem unbeſiegbaren Muth ſolche Erzaͤh-
lungen, die man weit eher fuͤr Fabeln, als fuͤr wirkli-
che Thatſachen zu halten Urſache haͤtte, wenn man nicht
in ſpaͤteren Jahrhunderten redende Beweiſe davon haͤtte.
Als die Tataren zum erſten Mahl, im Jahr 799, mit
einem unzaͤhlbaren Heere einen Theil von Japan uͤber-
ſchwemmt hatten, und die Japaniſche Flotte durch einen
heftigen Sturm verungluͤckt und in einer einzigen Nacht
ganz ruinirt war, brach am folgenden Tage der Feldherr
der Japaner auf, griff die zahlloſe und muthige Armee
der Feinde an, und richtete ſie ſo ganz zu Grunde, daß
auch nicht ein Mann am Leben blieb, der haͤtte zuruͤck
gehen und von einer ſo unerhoͤrten Niederlage die Nach-
richt uͤberbringen koͤnnen. Eben ſo groß und eben ſo eh-
renvoll war der Sieg der Japaner im Jahr 1281, als ſie
von den Tataren, die 240,000 Mann ſtark waren, zum
andern Mahl angegriffen wurden. Die Vertreibung der
Portugieſen und die zugleich geſchehene Ausrottung der
chriſtlichen Religion im Anfange des ſiebzehnten Jahr
L 2
[164]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
hunderts haben ſie ſo vollkommen bewerkſtelliget, daß
man heutiges Tages kaum eine Spur ihres ehemahligen
Daſeyns findet. Der Krieg mit ihnen, und die Verhee-
rung wurden vierzig Jahr lang fortgeſetzt. Mehrere
Millionen Menſchen wurden in dieſer Zeit aufgeopfert;
allein bey der letzten Belagerung verlohren 37000 das Le-
ben. Dieſe Siege ſind gleichwohl nicht die einzigen,
welche der Japaner Muth und Tapferkeit verbuͤrgen.
Folgendes Beyſpiel iſt noch auffallender. Im Jahr
1630 kam ein kleines Japaniſches Fahrzeug nach For-
moſa
, um da Handel zu treiben. Die Inſel gehoͤrte
damahls der Hollaͤndiſchen Compagnie. Der Gouver-
neur Peter Nuytz behandelte die mit dem Schiffe ange-
kommenen Japaniſchen Kaufleute ſehr uͤbel. Nach ihrer
Zuhauſekunft beklagten dieſe ſich bey dem Fuͤrſten ihrer
Landſchaft, uͤber die nicht nur ihnen, ſondern auch ihm
ſelbſt, dadurch widerfahrne Beleidigung und Beſchim-
pfung. Der Fuͤrſt wurde zwar hieruͤber deſto mehr auf-
gebracht, da es verachtete Fremde waren, die derglei-
chen ausgeuͤbt hatten, glaubte ſich aber nicht im Stande
ſich zu raͤchen. Seine Leibwache redete ihn darauf alſo
an: Wir halten uns nicht fuͤr wuͤrdig, deine Perſon laͤn-
ger zu bewachen, wofern wir nicht Erlaubniß bekom-
men, deine Ehre wieder herzuſtellen. Nichts als das
Blut der Frevler kann dieſen Schandfleck wegwaſchen.
Befiehl nur, und wir wollen dem Boͤſewicht den Kopf
abhauen, oder ihn lebendig hieher bringen, damit er nach
deinem Gutbefinden und ſeinem Verdienſte beſtraft wer-
de. Unſrer ſieben ſind genug. Weder die Gefahr der
See, noch die Staͤrke der Citadelle, noch die Anzahl
ſeiner Wache ſoll ihn vor unſerm Zorne ſichern. — Der
Fuͤrſt willigte ein. Sie entwarfen einen klugen Plan,
zogen ab und kamen auf Formoſa an. Hier bathen ſie
[165]Beſchaffenheit u. Charakter der Japaner.
um Vortritt beym Statthalter. Kaum waren ſie in ſei-
nem Zimmer, als ſie alle zugleich die Saͤbel zogen, ihn
gefangen nahmen und unverzuͤglich nach ihrem Schiffe
brachten. Dies geſchah am hellen Tage, im Angeſicht
der Wache und aller Leute im Pallaſte, ohne daß jemand
es wagte ſich zu regen, um ſeinen Herrn zu befreyen.
Der Gouverneur war keinen Augenblick am Bord gewe-
ſen, als ſein Kopf mitten von einander geſpalten wur-
de. — Kaͤmpfer erzaͤhlt dieſe Geſchichte auch.


Kennt man den Stolz, die Gerechtigkeitsliebe und
den Muth der Japaner, ſo verwundert man ſich gewiß
nicht, daß ſie, wenn ſie beleidigt worden ſind, ganz un-
verſoͤhnlich gegen ihre Feinde ſind. Dies geht ſo weit,
daß ſie jede Beleidigung dem andern beſtaͤndig, waͤre es
auch noch ſo lange, nachtragen. Nichts kann ſie aus-
ſoͤhnen. Aber ſie laſſen ihren Groll nicht in Hitze aus-
brechen, ſondern wiſſen ihn unter einer unnachahmlichen
Kaltbluͤtigkeit zu verbergen, und auf Gelegenheit, wo
ſie ſich raͤchen koͤnnen, zu lauern. Nie habe ich unter
irgend einem Volke Menſchen geſehen, die der Leiden-
ſchaft des Zorns ſo wenig unterworfen ſind, als ſie. Man
kann faſt ſagen, daß ſie nie hitzig werden. Man mag
ſie ſchelten, ſchmaͤhen, ihre Ehre beleidigen, ſo ſehr man
will: ſie antworten nicht ein einziges Wort, ſondern
geben nur durch ein langſames aͤ aͤ gleichſam ihr großes
Befremden zu erkennen. Aber ſo ſchweigend faſſen ſie ge-
gen den andern den bitterſten Haß, der hernach weder
durch Gutmachen der Beleidigung, durch Schadener-
ſetzung, durch Wiederherſtellung der Ehre, noch durch
die Laͤnge der Zeit, noch durch veraͤnderte Umſtaͤnde je-
mahls ausgeloͤſcht werden kann. Sie pflegen daher ih-
rem Feinde nicht leicht durch ein unhoͤfliches Wort oder
eine unhoͤfliche Miene zu nahe zu kommen, ſondern viel-
[166]Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
mehr durch verſtellte Freundſchaft ſo wohl ihn als andre
zu taͤuſchen, bis fruͤh oder ſpaͤt ſich eine Gelegenheit zeigt,
wo ſie ihm betraͤchtlichen Schaden oder großes Ungluͤck
zufuͤgen koͤnnen.


Sonſt muß ich hier noch eine Untugend der Japa-
ner ruͤgen, ich meine die Unzucht. Dieſe ſcheint unter
ihnen allgemein zu herrſchen. Die Schamhaftigkeit
ſteht in geringem Werth bey ihnen. Selbſt das weibli-
che Geſchlecht uͤbt dieſe Tugend wenig aus. Selten be-
kuͤmmern ſie ſich darum, ſich zu bedecken, wenn ſie ſich
baden, ſelbſt dann nicht, wenn es auf offnen Plaͤtzen
geſchieht. Auch nicht einmahl zu Nangaſaki thun ſie es
an ſolchen Stellen, wo ſie von den Hollaͤndern geſehen
werden koͤnnen und wo dieſe vorbey kommen.


Dritter Abſchnitt.
Haͤuſer und Hausgeraͤth
.


Die Haͤuſer der Japaner ſind von Fachwerk und weiß
uͤbertuͤncht, und ſehen daher von außen voͤllig wie ſtei-
nerne Gebaͤude aus. Ihre Bauart iſt ganz beſonders.
Das Holz hat nur ſenkrechte und horizontale Richtung;
ſchraͤg, wie ſonſt bey Fachwerk zu geſchehen pflegt, iſt
nichts davon angebracht; es beſteht daher bloß aus Solen,
Balken, Riegeln und Stendern. Dieſe alle ſind viereckig
und nicht dick. Die Faͤcher zwiſchen denſelben werden
mit Bamborohr zugeflochten, und dieſes mit Moͤrtel,
von Lehm, Sand und Kalk beworfen und verkleibt. Die
Mauern oder Waͤnde werden daher eben nicht dick.
Jedes Haus nimmt einen anſehnlichen Raum ein.
Im Hauſe ſelbſt hat man gar keine Zwiſchenwaͤnde.
Es wird bloß von den Stendern unterſtuͤtzt. Zwiſchen
dieſen ſind an der Decke und dem Fußboden andre
[167]Haͤuſer und Hausgeraͤth.
Querhoͤlzer, mit eingehauenen Vertiefungen oder lan-
gen ſchmalen Einſchnitten angebracht, die zur Abtheilung
der Zimmer dienen. Anfangs macht alſo das ganze
Haus ein einziges Zimmer aus, daß ſich vermittelſt die-
ſer Querhoͤlzer durch uͤberzogene Rahmen, oder einzelne,
kleine, leichte Waͤnde, die nach Belieben eingeſetzt,
weggenommen oder hinter einander geſchoben werden koͤn-
nen, in mehrere abtheilen laͤßt. Dieſe Rahmen beſte-
hen aus lackirten hoͤlzernen Leiſten, die mit dickem, mit
Farbe uͤberſtrichenem und daher undurchſichtigem Papiere
uͤberzogen werden, und in jene Vertiefungen ſehr bequem
und nett einpaſſen. Dergleichen Zimmer wurden fuͤr
uns und unſer Gefolge auf der Reiſe oft abgetheilt, und
wenn wir zum Speiſen oder andern Behufe ein groͤßeres
Zimmer gebrauchten, wurden jene Rahmwaͤnde wegge-
nommen, und hernach, wenn es noͤthig war, wieder
eingeſetzt: eine Arbeit, die in einem Augenblick verrichtet
iſt. Man kann zwar nicht ſehen, was in den angren-
zenden Zimmern geſchieht; aber doch meiſtens ſehr gut
hoͤren, was geſprochen wird. Die Decke der Zimmer
iſt getaͤfelt, beſteht aus dicht in einander gefuͤgten Bre-
tern, und faͤllt ziemlich gut ins Auge.


Die Haͤuſer werden mit Ziegeln und Dachpfannen
gedeckt, die auf eine ganz eigne Art gemacht, ſehr dick
und ſchwer ſind. Schlechte Haͤuſer deckt man aber ge-
woͤhnlich nur mit Schindeln, die man gemeiniglich mit
einer Menge Steine belegt, welche die Schindeln feſt
halten und dem Dache die noͤthige Schwere geben. Das
Dach ſteht allezeit weit uͤber dem Hauſe hervor, und
wird oft mit einem beſondern kleinen Dache vermehrt,
das uͤber einem ſchmalen ausgebaueten Gange oder einer
Gallerie draußen vor den Fenſtern hingeht. Von dieſem
kleinen Dache gehen nach inwendig und niederwaͤrts ei-
[168]Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
nige vierſeitige hoͤlzerne Leiſten, zwiſchen welche man von
Binſen gemachte Jalouſie-Matten haͤngt, die aufgezogen
und niedergelaſſen werden koͤnnen, und verhindern ſollen,
theils daß die Vorbeygehenden nicht ins Haus hinein ſe-
hen, theils hauptſaͤchlich aber, daß der Regen nicht an
die papiernen Fenſter kommen kann. In den Doͤrfern
und kleinen Staͤdten ſind die Haͤuſer auf den Seiten, be-
ſonders die Hinterſeite, ebenfalls mit Schindeln, und
zwar von Borke, belegt, die durch darauf genagelte ganz
ſchmale und duͤnne hoͤlzerne Leiſten zuſammen gehalten
werden, und das Eindringen des Regens in der Wand
verhuͤthen.


Fenſter ſind in jedem Zimmer zwey oder mehrere.
Sie fangen beynahe unter der Decke an, und gehen bis
auf eine Elle vom Fußboden hinab. Sie beſtehen aus
leichten Rahmen, die man ausnehmen, einſetzen und in
zwey, zu dieſem Ende in den Querhoͤlzern und Riegeln
oben und unten angebrachten, Vertiefungen oder Ein-
ſchnitten vor einander ſchieben kann. Dieſe Rahmen
ſind durch Leiſten oder Sproſſen in kleine Parallelogram-
me, deren bisweilen an vierzig ſind, eingetheilt. Auf
der auswendigen Seite ſind dieſe kleinen Faͤcher, die
gleichſam die einzelnen Fenſterſcheiben ausmachen, mit
feinem weißen Papier uͤberzogen, das ſelten oder nie-
mahls mit Oehl getraͤnkt wird, und zwar einen guten
Theil des Tageslichts durchlaͤßt, aber alle Ausſicht be-
nimmt, weil man nicht durchſehen kann. Glaͤſerne Fen-
ſter werden nicht gebraucht, eben ſo wenig als man Per-
lenmutter oder Glimmer dazu nimmt.


Der Fußboden iſt allezeit mit Matten bedeckt, die
aus feinen Binſen (Iuncus) geflochten, mit Reißſtroh
ausgefuͤllt, drey bis vier Zoll dick und im ganzen Lande
von einerley Groͤße, naͤmlich ein Klafter lang und ein hal-
[169]Haͤuſer und Hausgeraͤth.
bes Klafter breit, und an den beyden laͤngern Seiten
mit duͤnnem, blauem oder ſchwarzem Bande eingefaßt
ſind. Nur im Kaiſerlichen Schloſſe zu Jedo ſah ich
Matten, die groͤßer als die gewoͤhnlichen waren. In
den Haͤuſern der geringen Leute iſt der vordere oder aͤußere
Theil des Zimmers nicht mit Matten belegt, ſondern dient
zur Diele oder zum aͤußern Vorzimmer, wo man die
Schuhe abſetzt; darauf folgt ein erhoͤheter Fußboden, der
mit Matten bedeckt iſt, das Wohnzimmer ausmacht, und
durch Rahmwaͤnde in mehrere abgetheilt werden kann.


Inwendig im Hauſe werden ſo wohl die Waͤnde
als das Dach mit ſchoͤnem dicken Papier uͤberklebt, wor-
auf mancherley Blumen gedruckt ſind. Dieſe Tapeten
ſind gruͤn, gelb oder weiß; bisweilen iſt auch Silber und
Gold darauf angebracht. Der Leim, welchen ſie dazu
brauchen, beſteht aus einem duͤnnen Brey von Reiß.
Da der Rauch des Winters die Tapeten ſehr verdirbt,
ſo klebt man alle drey bis fuͤnf Jahr neue auf.


Die Haͤuſer ſind ſehr geraͤumig, allein niemahls
mehr als zwey Stockwerke hoch, wovon aber gewoͤhnlich
nur das untere bewohnt wird. Im oberen wohnt ſelten
jemand, ſondern es wird als Boden, oder dergleichen ge-
braucht, um allerhand Sachen hinzuſetzen oder zu ver-
wahren. Es iſt auch gemeiniglich niedriger. Die Haͤu-
ſer der Reichen und Vornehmen unterſcheiden ſich zwar
durch Groͤße, Anſehen und Schoͤnheit, ſind aber doch
nicht uͤber zwey Etagen oder zehn Ellen hoch.


In den Haͤuſern der Kaufleute und Handwerker
macht der an der Straße liegende Vordertheil gewoͤhnlich
die Bude oder Werkſtaͤtte aus. Darauf folgt die Kuͤche
und die Stuben fuͤr die Dienſtbothen. Der nach dem
Hofe gehende Theil iſt eigentlich der, welcher bewohnt
wird. Die dicht an den Hof ſtoßenden Zimmer werden
[170]Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
fuͤr die vornehmſten und bequemſten gehalten, weil ſie
von dem Geraͤuſche und Laͤrmen auf der Straße am
weitſten entfernt ſind; zugleich ſind ſie die ſchoͤnſten.
Sie haben die Ausſicht und auch eine Thuͤr nach ei-
nem mit verſchiednen Baͤumen, Buͤſchen, Gewaͤchſen
und Blumentoͤpfen beſetzten Hofe oder leeren Platze,
der nach Umſtaͤnden groß oder klein, auch wohl in der
Mitte mit einem kleinen Berge geziert iſt. Aus die-
ſen Urſachen werden die hinterſten Zimmer allemahl
den Fremden eingeraͤumt. Sie waren es daher auch,
wo wir auf der Reiſe und zu Jedo logirt zu werden die
Ehre hatten.


Selten findet man ein Haus, das nicht ein zum
Baden eingerichtetes, und mit den dazu noͤthigen Wan-
nen und Geraͤthſchaften verſehenes Zimmer hat. Es
liegt gewoͤhnlich an der Seite des Hofes. In beſſern
Haͤuſern, wo beſondre Zimmer fuͤr Fremde ſind, iſt
dicht bey denſelben eine kleine Badeſtube fuͤr dieſe befind-
lich, wo ſie ſich baden koͤnnen, wenn ſie Luſt haben.


In derjenigen Abtheilung des Hauſes, welche die
Kuͤche vorſtellt, iſt kein andrer Herd, als ein großes
viereckiges Loch, daß im Fußboden, oft gerade in der
Mitte angebracht, und mit einigen Steinen, in der
naͤmlichen Flaͤche mit den umher liegenden Matten, belegt
iſt. Der Kohlenrauch macht das Haus ſchwarz, weil
es keinen andern Schornſtein, als nur ein Loch im Dache
hat; und die Naͤhe der Fußboden Matten verurſacht oft
Schaden und Ungluͤck, wenn die Leute ſich mit dem Feuer
nicht ſehr in Acht nehmen.


Bey jedem Hauſe iſt in einem kleinen abgeſonderten
Gebaͤude ein Abtritt befindlich. Dieſer beſteht aber bloß
aus einer im Fußboden angebrachten laͤnglichen Oeff-
nung, auf welche die Japaner ſich ſetzen. An der
[171]Haͤuſer und Hausgeraͤth.
Wand iſt eine Art Lade oder Kaſten, der ſchraͤge herun-
ter geht, unten ein Loch hat, und worin ſie ihr Waſſer
abſchlagen. Nahe dabey findet man allezeit ein porzella-
nenes Geſchirr mit Waſſer, womit ſie ſich, wenn ſie ihr
Geſchaͤft verrichtet haben, jedesmahl die Haͤnde waſchen.


In verſchiednen Staͤdten, zum Beyſpiel zu Jedo,
iſt bey jedem Hauſe auch ein ſteinernes Packhaus ange-
legt, das feuerfrey iſt, und wo ſie bey Feuersgefahr ihre
Sachen hinbringen.


Die Haͤuſer der Japaner haben, wie man ſchon aus
dieſer Beſchreibung ſehen kann, nicht das Anſehen, auch
nicht die Bequemlichkeit als die Haͤuſer der Europaͤer.
Die Zimmer ſind nicht ſo hell und heiter, und im Win-
ter nicht ſo warm. Auch ſind die Haͤuſer ſelbſt weder
ſo ſicher vor Feuer, noch ſo dauerhaft. Daß ſie ſich ſo
wohl von innen als von außen ſehr ſchlecht ausnehmen,
daran ſind hauptſaͤchlich die nur halb durchſichtigen pa-
piernen Fenſter Schuld.


Die oͤffentlichen Gebaͤude, als Tempel und Pallaͤ-
ſte, ſind zwar groͤßer und anſehnlicher, aber alle von ei-
nerley Bauart. Die mit verſchiednen, eine ganz eigne
Geſtalt habenden, Thuͤrmen gezierten Daͤcher machen ih-
re groͤßte Schoͤnheit aus.


Die Staͤdte ſind zum Theil ſehr groß, zum Theil
auch mit Waͤllen und Graͤben umgeben, und mit einer
Citadelle und Thuͤrmen verſehen, beſonders wenn ein
Fuͤrſt darin ſeine Hofhaltung hat; alle aber haben Thore.
Der Umfang der Hauptſtadt Jedo, welche an Groͤße der
Stadt Peking den Vorzug beynahe ſtreitig macht, wird
zu ein und zwanzig Stunden Weges zu Fuß angegeben,
welches ungefaͤhr eben ſo viel Franzoͤſiſche Meilen betraͤgt.
Doch ich erinnere mich, hievon, und von anderm, was
die Staͤdte dieſes Landes betrifft, in der Erzaͤhlung mei-
[172]Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
ner Reiſe bereits Nachricht gegeben zu haben. Eben
dies gilt von den Doͤrfern, von welchen ich hier alſo nur
noch zwey Bemerkungen nachhohlen will. Sie unterſchei-
den ſich von den Staͤdten lediglich dadurch, daß ſie of-
fen ſind, und nur eine einzige Straße haben. Ihre
Laͤnge iſt oft unglaublich. Die meiſten ſind eine Viertel-
meile lang. Bey einigen gebraucht man gar mehrere
Stunden Zeit, um zu Fuß hindurch zu kommen.
Manchmahl liegen ſie auch ſo nahe bey einander, daß
nur eine Bruͤcke, ein Fluß, oder der Nahme ſie un-
terſcheidet.


In den Doͤrfern ſteht der zu jedem Hauſe gehoͤ-
rige Abtritt allezeit an der Straße zur Seite des Wohn-
hauſes. Er iſt unten offen, und unter demſelben iſt
an der Straßenſeite ein großes irdenes Geſchirr in die
Erde gegraben, wo jeder Vorbeygehende ſein Waſſer hin-
ein laſſen kann. Der von dieſem geſammelten Urin, dem
was ſonſt im Abtritte ſich ſammelt, und auch von dem
was aus der Kuͤchengoſſe hinein fließt (dies alles ſammelt
man hier zu Lande mit vieler Sorgfalt zum Duͤngen des
Ackers), entſtehende Geſtank iſt des Sommers an heißen
Tagen ſo ſtark und unausſtehlich, daß kein Zuſtopfen der
Naſe und keine Wohlgeruͤche dagegen helfen. Die Ein-
wohner haben ſich daran gewoͤhnt, aber er iſt auch den
Augen hoͤchſt ſchaͤdlich. Daß ſo viele, beſonders alte
Leute, mit rothen, wunden und triefenden Augen geplagt
ſind, kommt hauptſaͤchlich von den ſcharfen Ausduͤnſtun-
gen jener Sammlungen her. Das geſtehe ich inzwi-
ſchen gern, daß dieſer Geſtank und die haushaͤlteriſche
Muͤhe und Sorgfalt, welche man anwendet, das alles
aufs genaueſte zuſammen zu ſammeln, durch den Ertrag
des Ackers reichlich belohnt wird.


[173]Haͤuſer und Hausgeraͤth.

Camine und Stubenoͤfen kennt man im ganzen
Lande nicht, obwohl die Kaͤlte ſtrenge iſt, und die Ein-
wohner noͤthigt, vom October bis zum Ende des Maͤrzes
die Zimmer zu heitzen. Dies Heitzen der Zimmer ge-
ſchieht vermittelſt kupferner Toͤpfe, von unterſchiedlicher
Groͤße, mit breitem uͤberſtehenden Rande, die unten
mit Moͤrtel oder Aſche angefuͤllt werden, worauf man
gut gebrannte Kohlen legt, die man alsdann anzuͤndet.
Den Topf ſtellt man entweder mitten ins Zimmer, oder an
eine Seite, und die Japaner ſetzen ſich um denſelben her.
Weil die Waͤnde nicht dicht ſind, muͤſſen ſie mehrmahls
des Tages auf dieſe Art einheitzen, oder auch das Kohlen-
feuer den ganzen Tag uͤber unterhalten. Dieſe Art des
Heitzens fuͤhrt aber mancherley Unbequemlichkeiten mit
ſich. Oft dunſten die Kohlen. Von dem aufſteigen-
den Kohlendampfe wird das Zimmer ſehr ſchwarz. Den
Augen ſchadet der Rauch auch.


So einfach die Bauart der Japaner iſt, ſo einfach
iſt auch ihr Ameublement, oder vielmehr, ſie haben gar kei-
ne Meublen. Ihre Zimmer und Haͤuſer entbehren mithin
auch des Anſehens und Schmucks, den huͤbſche Meublen
geben. Aber auch die Leute ſelbſt entbehren dadurch
manche Bequemlichkeit. Schraͤnke, Commoden, Bu-
reaux, Sofa, Betten, Tiſche, Stuͤhle, Uhren, Spie-
gel oder dergleichen findet man in keinem Zimmer. Die
meiſten von dieſen Dingen ſind ihnen unbekannt. Die
weichen Strohmatten auf dem Fußboden dienen ihnen
ſtatt Betten und Stuͤhle. Eine weiche mit Baumwolle
ausgeſtopfte Matratze wird uͤber die Matte ausgebreitet,
wenn ſie ſchlafen gehen wollen. Unter den Kopf legen
ſie ein laͤngliches Stuͤck lackirtes Holz. Anſtatt der De-
cke gebrauchen ſie ihren weiten Talar. Bey dieſer Art zu
ſchlafen kommt ihr Haar des Nachts nicht in Unordnung,
[174]Fuͤnfte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
und des Morgens ſind ſie in dem Augenblicke, da ſie
aufſtehen, auch gekleidet; denn den weiten Rock koͤn-
nen ſie in einem Hui anziehen und zubinden. Beym Si-
tzen ſind ebenfalls die Matten und ihre Ferſen ihr Stuhl.
Denn ſie ſetzen ſich auf die Matte nieder, und legen die
Fuͤße unter das Geſaͤß. Hiedurch unterſcheiden ſie und
die Chineſer ſich von den meiſten andern Oſtindiſchen
Voͤlkern, die, wenn ſie ſitzen, die Beine und Fuͤße kreutz-
weiſe vor ſich liegen haben. Beym Eſſen wird fuͤr jede
Perſon ein kleiner viereckiger, eine halbe Elle langer und
breiter, und vier Zoll hoher Tiſch hinein gebracht und hin-
geſetzt, auf welchem ſtatt der Gabel ein kleines hoͤlzernes
Stift, oder keins liegt, und worauf von jedem Gerichte
eine Portion in lackirten hoͤlzernen Naͤpfen, die mit
einem Deckel zugedeckt ſind, befindlich iſt. Was ſie von
Schraͤnken, Kiſten, Laden, Koffern und dergleichen ha-
ben und gebrauchen, ſteht alles im Packhauſe oder in be-
ſondern Zimmern.


Bey ihrer Toilette brauchen ſie kleine Schraͤnke
mit mehreren Schubladen. Ein ſolcher Schrank iſt eine
halbe Elle lang und wenig uͤber eine Viertelelle hoch.
Unſerm Ambaſſadeur wurde zu Jedo ein dergleichen
Schrank, und zwar von ſo genannter alter Lackirung
(vieux Lacq) zu Kauf gebracht. Er war weit beſſer la-
ckirt, als heut zu Tage geſchieht, und die Blumen dar-
auf waren ſehr erhoben, welches ſich ungemein ſchoͤn
ausnimmt. Dergleichen Arbeit bekommt man jetzt ſelten
zu ſehen, noch ſeltner zu Kauf. Aber jenes Stuͤck er-
ſtehen hieß ſo viel als es mit Gold aufwaͤgen. Man for-
derte ſiebzig Kobang, das iſt vier hundert und zwanzig
Thaler dafuͤr. So ſehr es alle neuere Arbeit dieſer Art
hinter ſich zuruͤck ließ, duͤnkte mir doch der Unterſchied
des Preiſes zu groß.


[175]Haͤuſer und Hausgeraͤth.

Spiegel paradiren zwar nicht in den Zimmern,
aber beym Nachttiſche werden ſie allgemein gebraucht.
Allein die Japaniſchen Spiegel ſind nicht von Glas, ſon-
dern werden aus Metall, und zwar einer Compoſition
von Kupfer und Zink, gegoſſen, und ſehr gut polirt.
Man hat ſie von ſehr verſchiedner Groͤße. Ein ſolcher
Spiegel wird auf einem ſchief herab gehenden hoͤlzernen
Geſtelle befeſtigt, und das ſchoͤne Geſchlecht kann ſeine
Reitze darin vollkommen ſo gut, als in einem Europaͤi-
ſchen glaͤſernen Spiegel, beſchauen.


In den Haͤuſern braucht man vielfaͤltig Schirme,
die vier Ellen hoch, und um der Bequemlichkeit willen ſo
eingerichtet ſind, daß ſie mehrere Mahl zuſammen geklappt
werden koͤnnen. Man ſetzt ſie vor die Schlafſtellen,
wenn mehrere in einem Zimmer ſchlafen; verdeckt da-
mit im Zimmer, was nicht in die Augen fallen ſoll;
theilt die Zimmer damit ab; ſetzt ſie vor die Fenſter, um
die Zugluft abzuhalten; ſtellt ſie des Winters um den
Feuertopf, damit die Waͤrme mehr bey einander bleibe;
und wozu man ſonſt Schirme gebraucht. Man hat ſie
groß und klein. Manche ſind recht ſchoͤn angemahlt, oder
mit bemahltem dickem Papier uͤberzogen. Meiſtens ſind
ſie aus ſechs beſondern Rahmen zuſammen geſetzt, deren
jeder eine Elle breit iſt.


Vierter Abſchnitt.
Kleidung und Putz
.


Die Japaniſche Kleidertracht verdient mehr, als die in
irgend einem Lande, den Nahmen einer National-Klei-
dung. Sie unterſcheidet ſich nicht allein von der Tracht
aller uͤbrigen Voͤlker und Menſchen, ſondern iſt auch eine
[176]Fuͤnfte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
und dieſelbe bey allen Einwohnern, vom Monarchen bis
zum geringſten Unterthan; gleich bey beyden Geſchlech-
tern; und, welches faſt alle Glaubwuͤrdigkeit uͤberſteigt,
ſeit dritthalb tauſend Jahren ganz unveraͤndert.


Der Hauptanzug iſt durchgaͤngig bey allen und je-
den Japanern, von jeglichem Stand, Geſchlecht und Al-
ter, ein langer und weiter Talar, der unſern Schlafroͤ-
cken aͤhnlich iſt. (Die Hollaͤnder nennen ihn auch einen
Schlafrock). Jeder hat deren einen oder mehrere. Die
Vornehmen und Reichen tragen ihn vom feinſten ſeid-
nen, die Armen und Geringen von baumwollnem Zeu-
ge. Beym weiblichen Geſchlechte reicht er bis auf die
Fuͤße, beym maͤnnlichen nur bis auf die Ferſen. Zu
Fuß Reiſende, das Militair, und Arbeitsleute ſchuͤrzen
ihn entweder auf, oder tragen ihn ſo kurz, daß er nicht
weiter als an die Knie geht, um bequemer gehen, ih-
ren Dienſt verrichten und arbeiten zu koͤnnen. Die
Mannsperſonen nehmen gemeiniglich einfarbiges Zeug
dazu, die Frauensperſonen gebluͤmtes, und nicht ſelten
mit hinein gewirkten goldnen Blumen. Im Sommer
traͤgt man dieſe Roͤcke entweder ungefuͤttert, oder bloß mit
duͤnnem Unterfutter; des Winters, um der Kaͤlte wil-
len, mit baumwollnen oder ſeidnen Watten ganz dicht
ausgeſtopft. Die Mannsperſonen ziehen ſelten viele
uͤber einander; die Frauensperſonen aber haben oft drey-
ßig bis funfzig, ja wohl noch mehr zugleich an, immer
einer uͤber den andern, jedoch alle ſo duͤnn, daß ſie zu-
ſammen kaum vier bis fuͤnf Pfund wiegen. Das un-
terſte dieſer Gewaͤnder vertritt die Stelle des Hemdes,
und iſt deswegen entweder weiß oder blaͤulich, gewoͤhn-
lich duͤnn und durchſichtig. Sie alle werden rund um
den Leib, und zwar um die Weichen, mit einem Guͤrtel
befeſtigt, der beym maͤnnlichen Geſchlechte ungefaͤhr
eine
[177]Kleidung und Putz.
eine Hand, beym weiblichen hingegen beynahe eine halbe
Elle breit iſt, und ſolche Laͤnge hat, daß er wenigſtens
zweymahl um den Leib geht, und in einen Knoten mit
großen Schleifen bequem zuſammen geknuͤpft werden
kann. Der Knoten mit der Schleife iſt, zumahl beym
Frauenzimmer, von anſehnlicher Groͤße, und man kann
zugleich daran ſehen, ob eine Frauensperſon verheira-
thet oder unverheirathet iſt; denn bey dieſen ſitzt er hin-
ten auf dem Ruͤcken, bey jenen aber vorn vor dem Leibe.
In dieſen Guͤrtel ſtecken die Mannsperſonen den Saͤbel,
den Faͤcher, die Tobakspfeife, den Tobaksbeutel und die
Arzneydoſe. Am Halſe iſt der Habit allezeit rund aus-
geſchnitten, ohne Kragen, und vorn offen, ſo daß der
Hals bloß iſt, mit dem ſie auch beſtaͤndig bloß gehen,
ohne je ein Halstuch oder dergleichen zu gebrauchen.
Die Aermel ſind ſehr unfoͤrmlich und uͤber alle Maaße
weit, die Weite betraͤgt eine halbe Elle. Vorn bey der
Oeffnung ſind ſie zur Haͤlfte zuſammen genaͤhet, ſo daß
ſie unterwaͤrts einen Beutel formiren, der ihnen ſtatt ei-
ner Taſche dient, Papier und andre Sachen, die nicht
ſchwer ſind, hinein zu ſtecken, und wo ſie auch bey kaltem
Wetter die Haͤnde hinein ſtecken. Vorzuͤglich ſind ſie
bey jungen Maͤdchen lang, bey denen ſie oft bis auf die
Erde hangen.


So ohne Unterſchied allgemein dieſe Tracht im
ganzen iſt, findet doch, in Ruͤckſicht auf Geſchlecht,
Alter, Stand und Lebensart, einige, wiewohl nicht be-
traͤchtliche, Verſchiedenheit dabey Statt. Geringe Leute,
Arbeiter, Fiſcher, Matroſen und dergleichen ſieht man
oft, wenn ſie ihre Arbeit verrichten, ganz oder halb
nackt. Im erſteren Falle haben ſie weiter nichts als ei-
nen Guͤrtel um den Leib, der die Geſchlechtstheile ein-
ſchließt und bedeckt, von da zwiſchen den Beinen hin-
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. M
[178]Fuͤnfte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
durch nach hinten geht, und auf dem Ruͤcken feſt ge-
macht wird.


Die Mannsperſonen von beſſerm Stande tragen,
wenn ſie ausgehen, außer dieſen langen Talaren, auch
noch ein kurzes Obergewand und eine Art Beinkleider.
Jenes ziehen ſie uͤber die langen Talare. Am Halſe und
an den Armen iſt es eben ſo zugeſchnitten und gemacht,
als dieſe. Es reicht aber bloß bis auf den Unterleib, und
hier wird es nicht mit einem Guͤrtel, ſondern vorn und
oberwaͤrts mit einem Bande zuſammen gebunden. Das
Zeug dazu iſt ſo duͤnn, als Flor, und gewoͤhnlich von
ſchwarzer, bisweilen von gruͤner Farbe. Wenn ſie
zu Hauſe kommen, wie auch in ihren Amtszimmern,
wenn keine Vorgeſetzte oder hoͤhere Beamte zugegen ſind,
nehmen ſie dieſen Oberhabit ab, und legen ihn nett zu-
ſammen.


Die Hoſen ſind von einer eignen Art Zeug, das
weder von Seide noch Baumwolle, ſondern von einer
Gattung Hanf gemacht wird, und zwar fein und duͤnn,
aber zugleich ſehr dicht iſt. Sie haben mehr Aehnlichkeit
mit einem Frauenzimmer-Rocke als mit Manns-Bein-
kleidern. Unten bey den Fuͤßen an der inwendigen Seite
ſind ſie zuſammen genaͤhet, aber an beyden Seiten,
zwey Drittheil ihrer ganzen Laͤnge, offen gelaſſen. Sie
reichen ganz bis an die Knoͤchel, und oben bis an die
Weichen, wo ſie mit einem Bande, das ſo wohl von vorne
als von hinten um den Leib gewickelt wird, befeſtigt wer-
den. An dem Hintertheile dieſer ſo genannten Beinklei-
der iſt ein dreyeckiges duͤnnes Bretchen, kaum eine Vier-
telelle lang, und mit eben dem Zeuge uͤberzogen, einge-
naͤhet, das uͤber dem gedachten Bande am Ruͤcken hin-
auf ſteht. Sie ſind von Farbe entweder braun geſtreift
oder gruͤn, bisweilen auch wohl ſchwarz. Einige ſah ich
[179]Kleidung und Putz.
auch von Sukkotas, einem Bengaliſchen Zeuge. Unter-
hoſen unmittelbar am Koͤrper werden ſelten anders als
auf Reiſen, und vom Militair gebraucht.


Auch haben die Japaner eine Art feſtlichen Kleides,
daß ſie Compliment-Kleid nennen. Dies wird aber bloß
bey ſolennen Gelegenheiten gebraucht, wenn die Subor-
dinirten ihren hoͤhern Vorgeſetzten aufwarten, oder wenn
man bey Hofe erſcheint. Es wird uͤber die gewoͤhnlichen
weiten Talare angelegt, und beſteht aus zwey, von ei-
nerley Art Zeug verfertigten Stuͤcken. Das untere
Stuͤck ſind die eben beſchriebnen langen Hoſen, die aber
alsdann gemeiniglich von blauem Zeuge mit gedruckten
weißen Blumen ſind. Das obere, welches hauptſaͤchlich
das Eigne dieſes Oberkleides ausmacht, iſt ein Wamms
oder eine Jacke, die dem oben beſchriebnen kurzen
Obergewande nicht ſehr unaͤhnlich iſt, und mit unſern
Schifferwaͤmſen verglichen werden kann, aber hinten
uͤber den Schultern zu beyden Seiten weit hervor ſteht,
ſo daß der Japaner darin ein gar breitſchultriges Anſe-
hen hat.


Alle dieſe Kleidungsſtuͤcke, die Beinkleider ausge-
nommen, die von Hanfleinwand ſind, beſtehen theils aus
ſeidnem, theils aus baumwollnem Zeuge, theils aus ei-
ner Art Leinwand, die aus einigen Gattungen Neſſel
verfertigt wird. Die Vornehmen tragen die feinſten
ſeidnen Zeuge, die an Feinheit und Duͤnne alles uͤber-
treffen, was Europa und das uͤbrige Indien aufzuwei-
ſen haben. Die Hollaͤnder wuͤrden dieſe Stoffe ohne
Zweifel auch kaufen und nach Europa ſchicken, wenn ſie
nicht ſo ſehr ſchmal, folglich zu Europaͤiſchen Kleidungsſtuͤ-
cken unbrauchbar waͤren; nur wenige ſind eine halbe El-
le breit. Die geringen Leute nehmen baumwollnes Zeug,
das hier zu Lande in der groͤßten Menge verfertigt und
M 2
[180]Fuͤnfte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
wohlfeil verkauft wird. Bisweilen, wiewohl nur als
eine gar ungemeine Seltenheit, machen die Japaner
eine Art Zeug aus der Rinde des Papier-Maulbeer-
baums (Morus papyrifera), (der naͤmliche Baum,
woraus ſie ihr Papier machen), das entweder auf dieſel-
be Art als Papier verfertigt, oder auch geſponnen und
gewebt wird. Dies letztere iſt ganz ſchneeweiß, ſehr
fein, ſieht wie baumwollnes Zeug aus, und wird dann
und wann von den Damen zur Kleidung gebraucht, aber
nur zum Staat als etwas ſehr rares. Stark iſt es eben
nicht; gewaſchen kann es zwar werden, aber das muß
mit vieler Behuthſamkeit geſchehen. Das Garn dazu
wird aus den Faͤden oder Faſern der Rinde geſponnen.
Die erſtere Art iſt wirklich eine Art dicken Papiers,
braͤunlich, und entweder mit einzelnen ſchmalen dunkeln
Streifen, oder mit Blumen bedruckt. Es iſt auch ſelten.
Mehrere Stuͤcke, etwas uͤber eine halbe Elle lang und
breit, werden ſehr ſauber zuſammen geklebt und Talare
daraus gemacht. Es wird aber nur von ſehr bejahrten
Maͤnnern als eine Art Ehrenkleid getragen, und zwar
bloß im Winter, da man nicht ſchwitzt, und auswendig
uͤber einem oder zwey andern Talaren. Fuͤr juͤngere Per-
ſonen iſt der Gebrauch verbothen. Stark iſt dieſe Gat-
tung Zeug auch nicht.


Von dieſer Tracht der Japaner kann man uͤber-
haupt ruͤhmen, daß ſie ſehr weit, und mit dem Unter-
futter auch ſehr warm iſt; daß man ſie ſehr geſchwind
aus: und anziehen kann: ſich auszukleiden, braucht es
nichts weiter, als den Guͤrtel aufzuloͤſen und die Arme
einzuziehen, da faͤllt der ganze Anzug von ſelbſt nie-
der; daß ſie kein Gliedmaß, keinen Theil des Koͤrpers
zwingt, ſpannt oder druͤckt; kurz, daß ſie unbeſchreiblich
bequem iſt; daß jeder Anzug beynahe jedem paßt; daß
[181]Kleidung und Putz.
beym Machen faſt gar nichts vom Zeuge abfaͤllt und ver-
lohren geht; daß die Verfertigung weder viel Kunſt noch
viel Arbeit erfordert. Dagegen hat ſie aber auch das
Unangenehme und Schlimme, daß ſie beym Gehen, auf
Reiſen, wenn der Wind wehet, bey ſchlimmen Wetter,
und bey den meiſten Arbeiten und Verrichtungen unbe-
quem und hinderlich iſt.


Da die Kleider bis auf die Fuͤße reichen, folg-
lich die Beine hinlaͤnglich warm halten, ſo gebrauchen
die Japaner keine Struͤmpfe. Man findet dergleichen da-
her auch im ganzen Lande nicht. Geringe Leute, wenn
ſie zu Fuß weite Wege gehen oder reiſen, auch die Sol-
daten, deren Kleidung nicht ſo lang iſt, tragen baumwoll-
ne Stiefeletten oder Kamaſchen. Zu Nangaſaki und
in den umliegenden Gegenden gehen verſchiedne Leute
waͤhrend der groͤßten Winterkaͤlte mit Socken von Hanf
mit Sohlen von baumwollnem Zeuge, um die Fuͤße vor
Erfrierung zu ſchuͤtzen. Dieſe binden ſie um die Knoͤ-
chel feſt. Fuͤr die große Zehe naͤhen ſie ein beſonderes
Stuͤck ab, um die gewoͤhnlichen Schuhe uͤberziehen zu
koͤnnen; jener ſteckt alsdann in ſeinem eignen, zur uͤbri-
gen Socke gehoͤrigen Futterale.


Die Schuhe, oder richtiger Pantoffeln, ſind von
dem ganzen Anzuge der Japaner das unanſehnlichſte und
elendeſte, und doch werden ſie von jedermann, Armen
und Reichen, Hohen und Niedrigen getragen. Ge-
woͤhnlich ſind ſie von Reißſtroh, fuͤr die Vornehmen auch
wohl von fein zerſplittertem duͤnnen Rohr, geflochten.
Man kann ſich leicht vorſtellen, daß ſie gar nicht ſtark
ſind. Sie beſtehen bloß aus einer Sohle, ohne Oberle-
der und Hintertheil. Vorn geht ein Buͤgel quer uͤber-
her, der mit Leinwand gefuttert, und einen Finger dick
iſt. Von der Spitze des Schuhes bis zu dieſem Buͤgel
[182]Fuͤnfte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
geht ein rundes Band, das zwiſchen der großen und
zweyten Zehe zu ſitzen kommt, und den Schuh am
Fuße feſt haͤlt. Da die Schuhe ohne Hintertheile ſind,
klappen ſie, wenn man geht, wie Pantoffeln. Auf
Reiſen, oder wenn ſie ſonſt weite Wege zu gehen haben,
machen ſie drey, von Stroh gewundne, Baͤnder daran,
womit ſie ſie an den Fuͤßen und Beinen feſt binden, da-
mit ſie nicht abfallen. Damit dieſe Baͤnder den Reſt
oder Obertheil des Fußes nicht ſcheuern moͤgen, legen ſie
auch wohl einen Lappen Leinwand darunter. Manche
nehmen auf Reiſen ein oder mehrere Paar Schuhe mit,
um neue anziehen zu koͤnnen, wenn die andern abgenutzt
ſind. Sonſt findet man in allen Staͤdten und Doͤrfern
Schuhe die Menge und fuͤr wohlfeilen Preis zu Kauf,
beſonders unglaublich viele in ſolchen, ſelbſt den kleinſten,
wo die Landſtraßen durchgehen. Man kauft das Paar
fuͤr einige Kupferpfennige (Seni). Wenn es regnet
oder der Weg kothig iſt, werden dieſe Schuhe nicht nur
bald durchnaͤßt, und verurſachen naſſe Fuͤße, ſondern
nutzen ſich auch ſehr geſchwind ab. Man ſieht daher am
Wege eine Menge unbrauchbar gewordne und von Rei-
ſenden abgelegte Schuhe liegen, beſonders an Baͤchen,
wo ſie ſich beym Umziehen die Fuͤße waſchen konnten.
Bey Regen und ſchmutzigem Wetter tragen die geringen
Leute, um, ohne daß die Fuͤße unrein werden, gehen
zu koͤnnen, ſtatt dieſer hoͤlzerne Schuhe oder Holſchen,
die aus einem hohen Stuͤck Holz beſtehen, das unten in
der Mitte ausgehoͤhlt, und oben mit einem Buͤgel und
einem Bande fuͤr die großen Zehe verſehen iſt. Einige
brauchen dieſe Holſchen auch wie Kaloſchen oder Ober-
ſchuhe; ſie befeſtigen naͤmlich die gewoͤhnlichen ſtrohernen
Schuhe in denſelben; und treten ſo hinein. Im Hauſe
geht der Japaner nie mit Schuhen, ſondern allezeit bar-
[183]Kleidung und Putz.
fuß, um die huͤbſchen Fußboden-Matten nicht unrein zu
machen. Wenn er ins Haus kommt, tritt er ſeine
Schuhe aus, und ſetzt ſie auf die Diele, oder auf eine
bey der Hausthuͤr ſtehende Bank, laͤßt ſie ſich auch wohl
von einem Bedienten oder Maͤdchen abnehmen. Die
Hollaͤnder tragen ebenfalls, ſo lange ſie in Japan ſind,
da ſie bisweilen bey Japanern Beſuch abzulegen haben,
auch ihre eignen Zimmer auf der Factorey mit ſolchen
Matten belegt ſind, keine Europaͤiſche Schuhe, ſondern
an ihrer Stelle rothe, gruͤne oder ſchwarze Pantoffeln,
die ſie beym Eintritte ins Haus ablegen koͤnnen. Struͤm-
pfe tragen ſie aber doch, und uͤber dieſelben baumwollne
Schuhe mit Schnallen, die in Japan gemacht werden,
und ſo oft es noͤthig iſt, gewaſchen werden koͤnnen. Um
das Waſchen nicht noͤthig zu haben, laſſen einige ſie ſich
von Atlas machen.


Die Art das Haar zu tragen iſt bey dieſem Volke
eben ſo ſehr von der Sitte andrer Voͤlker unterſchieden,
und zugleich bey allen faſt ohne Ausnahme gleich, als der
Anzug. Die Mannsperſonen ſcheren den Kopf vorn von
der Stirn bis hinten in den Nacken, doch ſo, daß ſie bey
den Schlaͤfen und im Nacken etwas Haar ſitzen laſſen.
Dieſe wenigen Haare ſchmieren ſie ſtark mit Oehl, ſtrei-
chen ſie am Kopfe hinauf, und binden ſie oben auf dem
Kopfe mit einem mehrmahls umgewundnen weißen pa-
piernen Faden zuſammen. Oberhalb dieſes Gebindes
oder Wulſtes laſſen ſie ſie einen Finger lang ſtehen; das
uͤbrige ſchneiden ſie gerade ab, kleben es mit Oehl wohl
zuſammen, und kruͤmmen es ſo, daß die Spitze dieſes
kurzen Zopfs gegen die Scheitel zu ſtehen kommt, wo
ſie es mit dem naͤmlichen Faden in dieſer Lage einmahl
umbinden und befeſtigen. Dieſe Friſur nehmen ſie ſorg-
faͤltig in Acht, und damit die wieder wachſenden Haar-
[184]Fuͤnfte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
ſtumpfen ihren kahlen Kopf nicht verunſtalten moͤgen,
ſcheren ſie ſie alle zwey Tage von neuem ab. Prieſter
und Aerzte, auch die Knaben, ehe ſie mannbar werden,
ſind die einzigen, welche hierin eine Ausnahme machen.
Die Aerzte und Prieſter ſcheren den ganzen Kopf und
gehen ganz kahl, wodurch ſie denn freylich ſich von allen
andern Staͤnden unterſcheiden. Die Knaben hingegen
laſſen alles Haar wachſen, bis die Zeit kommt, da ſie
ſich ſcheren muͤſſen, naͤmlich wenn der Bart anfaͤngt ſich
zu zeigen. — Das weibliche Geſchlecht behaͤlt das
Haar ebenfalls, und zwar beſtaͤndig. Nur geſchiedne
Frauen ſcheren es ab, die dann mit ihrem kahlen Kopfe
gar haͤßlich ausſehen. Die Frauensperſonen ſtreichen
das Haar, mit Oehl und ſchleimigen Sachen ſtark
durchgeſchmiert und glatt gemacht, von allen Seiten
dicht am Kopfe in die Hoͤhe, und zwar entweder ganz
nett und einfach, oder auf den Seiten gleichſam wie
Fluͤgel ausgezogen. Darauf binden ſie die Enden mitten
auf dem Kopfe um einen Knoten feſt, beynahe eben ſo,
als die Bauerdirnen in Schweden. Durch die Seiten-
fluͤgel unterſcheiden ſich an machen Oertern die Unverhei-
ratheten von den Verheiratheten. Vorn vor jenem Haar-
wulſte ſtecken ſie einen breiten Kamm ein, der bey geringen
Leuten von Holz, bey den Reichen von Schildkroͤtenſchale
gemacht iſt. Die Reichen brauchen außerdem verſchiedne
andre Zierrathen von Schildkroͤtenſchale, die ſie durch
den Wulſt hindurch ſtecken, tragen auch einige wenige
Blumen im Haare, und dies macht ihren ganzen Kopf-
ſchmuck aus, ohne daß ſie Perlen und Juwelen gebrau-
chen. Ihre [O]hren mit Ringen und anderm Gehaͤnge
zu ſchmuͤcken, ſo eitel ſind ſie noch nicht.


Den Kopf bedecken die Japaner niemahls, weder
mit Huͤten noch Muͤtzen, weder gegen die Kaͤlte, noch
[185]Kleidung und Putz.
gegen die Sonnenhitze. Nur auf Reiſen gebrauchen ſie
einen Hut, der aus einer Art Gras oder Binſen kegel-
foͤrmig geflochten iſt, und mit einem Bande unter dem
Kinne feſt gebunden wird. Ein ſolcher Hut iſt ſehr
duͤnn und leicht. Auch die Fiſcher brauchen dergleichen.
Verſchiedne reiſende Frauensperſonen, die uns unterwe-
ges begegneten, hatten Muͤtzen auf, die wie tiefe Sup-
penſchalen ausſahen, von Zeug, das mit Gold durch-
wirkt war, gemacht, und uͤber den Kopf geſtuͤlpt waren.
An einigen Orten traͤgt das weibliche Geſchlecht im Win-
ter gegen die Kaͤlte eine gar beſondre Art Muͤtzen, die
den Kopf vorn bedecken, an beyden Seiten ausſtehen
und unterm Kinne zugebunden werden. Sie werden
von weißen ſeidnen Watten verfertigt, mit Kleiſter be-
ſtrichen und ganz glatt gemacht. Ich habe aber nicht
finden koͤnnen, wie ſie im Stande ſind zu waͤrmen.


Durchgaͤngig bedient man ſich eines Sonnen- und
Regenſchirms, um den unbedeckten Kopf gegen die Son-
nenſtrahlen und den Regen zu ſchuͤtzen.


Auf Reiſen, ſo wohl zu Fuß, als zu Pferde, ge-
braucht man auch haͤufig einen Regenmantel. Dieſer
iſt weit und kurz, von dickem, durch Oehl gezognem Pa-
pier, und von derſelben Geſtalt, als der Talar. Derglei-
chen Maͤntel tragen die Bedienten der Vornehmen, wenn
ſie mit ihren Herren reiſen; und ich und meine Gefaͤhrten
mußten auf unſrer Jedoer Reiſe unſern Aufwaͤrtern, als
wir durch den Ort kamen, wo ſie verfertigt werden, mit
ſolchen auch ein Geſchenk machen. Sie halten allen Re-
gen ab, und ſind unglaublich leicht, werden auch nicht,
wie die Europaͤiſchen Maͤntel und Oberroͤcke, vom Re-
gen ſchwerer. Geringe Leute, die ſich einen ſolchen
Mantel nicht anſchaffen koͤnnen, haͤngen eine ſtroherne
Matte uͤber den Ruͤcken, die entweder glatt, oder aus
[186]Fuͤnfte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
wendig von den hervor ſtehenden und herunter hangenden
Enden Stroh rauh ſind.


Auf ein oder mehrere Kleidungsſtuͤcke, beſonders
auf das Obergewand, laͤßt der Japaner allezeit ſein Wa-
pen ſetzen. Es wird entweder auf den Aermeln oder
zwiſchen den Schultern angebracht. Die Abſicht hiebey
iſt, damit niemand ſie ſtehlen oder umtauſchen moͤge,
welches ſonſt ſehr leicht wuͤrde geſchehen koͤnnen, da die
Kleidung an Zeug, Geſtalt und Groͤße ſich ſo gleich iſt.
Auch kann jeder das Seinige ohne langes Suchen kennen
und finden. Wenn man eine Menge Leute beyſammen
ſieht, fallen dieſe Wapen auf den Kleidern gar ſonder-
bar in die Augen.


Statt der Schnupftuͤcher brauchen die Japaner
allezeit ein Stuͤck feines, weiches Schreibpapier, das ſie
zu dem Ende immer bey ſich tragen. Dieſes Papiers
bedienen ſie ſich auch, den Mund, die Finger, und den
Schweiß, im Geſichte, unter den Armen und am Leibe,
abzuwiſchen.


Faͤcher gebraucht man hier zu Lande allgemein.
Jedermann hat beſtaͤndig einen Faͤcher bey ſich. Man
ſteckt ihn auf der linken Seite in den Guͤrtel, und zwar
hinter den Saͤbel, ſo daß das offne Ende oben heraus
ſteht. Man kuͤhlt ſich damit, wenn man heiß wird;
und wenn man im Sonnenſchein ausgeht, haͤlt man ihn
vor die Sonne. Man zeichnet auch wohl dies oder je-
nes auf dem Faͤcher, wie in einer Schreibtafel, an. Oft
haben ſie, wenn ſie reiſen, ihre ganze Reiſe-Route darauf
ſtehen.


Das unverheirathete Frauenzimmer ſchminkt ſich
auch wohl. Vorzuͤglich thun es die Maͤdchen in den oͤf-
fentlichen Haͤuſern zur Erhoͤhung ihrer Reitze. Sie ge-
brauchen dazu eine rothe Farbe, die Bing heißt, und in
[187]Kleidung und Putz.
kleinen runden porzellanenen Schaͤlchen verwahrt wird.
Sie ſchminken aber nicht, wie das ſchoͤne Geſchlecht in
Europa, die Wangen, ſondern die Lippen. Iſt die
Farbe ſehr duͤnn, ſo werden die Lippen roth; wird ſie
aber dick aufgetragen, ſo werden ſie violett, und das
wird hier fuͤr eine groͤßere Schoͤnheit gehalten. Ich
unterſuchte die Schminke, und fand, daß ſie aus der ge-
woͤhnlichen Saflorblume (Carthamus tinctorius) praͤpa-
rirt wird.


Das verehlichte Frauenzimmer unterſcheidet ſich
hauptſaͤchlich durch die ſchwarzen Zaͤhne. Sie wenden
viel Muͤhe an, und halten manchmahl viel aus, um ſie
ſchwarz zu faͤrben, und dieſe Schoͤnheit — denn da-
fuͤr gelten hier die ſchwarzen Zaͤhne, und zwar ſehr —
vor den unverheiratheten voraus zu haben. Ich geſtehe
aber gern, daß mir ein weiter Mund mit ſchwarzen, glaͤn-
zenden Zaͤhnen, gar haͤßlich und widrig erſchien. Die
Schwaͤrze, welcher ſie ſich dazu bedienen, heißt Obagu-
ro oder Kanni, und wird aus Urin, Eiſenfeilſpaͤnen und
Sakki bereitet. Sie iſt ſtinkend und freſſend. Sie
frißt ſich ſo ſtark in die Zaͤhne hinein, daß ſie in Zeit von
mehreren Tagen nur mit Muͤhe abgeſchabt und abgewa-
ſchen werden kann. Zahnfleiſch und Lippen muͤſſen waͤh-
rend des Beſtreichens ſorgfaͤltig bedeckt werden, wo-
fern ſie nicht ganz blau davon werden ſollen. Einige
machen von dieſem Schmuck ſchon Gebrauch, ſo bald ſie
Freyer bekommen oder Verlobung halten.


Noch ein anderes Unterſcheidungszeichen der
Frauen, das ſie noch aͤrger entſtellt, als jenes, beſteht
darin, daß ſie alle Haare aus den Augenbraunen ausge-
zogen haben. Man kann nicht glauben, wie ſehr hie-
durch ſelbſt das ſchoͤnſte Geſicht verliert.


[188]Fuͤnfte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.

Fuͤnfter Abſchnitt.
Muͤnzen und Gewicht
.


Das Japaniſche Gewicht iſt ſo eingetheilt, daß ein
Pikkel 125 Pfund, ein Katje 16 Thail, ein Thail 10
Mas, und ein Mas 10 Konderyn macht.


Das Geld wird im Handel und Wandel auf eben
die Art gerechnet, ſo daß ein Thail, der ungefaͤhr einem
Hollaͤndiſchen Thaler gleich kommt, 10 Mas, und ein
Mas 10 Konderyn enthaͤlt. Man rechnet aber im ge-
meinen Leben nicht nach Thail, ſondern nach Mas, und
ſagt ſtatt 1 Thail, 10 Mas; ſtatt 10 Thail, 100 Mas;
ſtatt 100 Thail, 1000 Mas, und ſo weiter. Dieſe
Art, das Geld zu berechnen, iſt der Schwediſchen Rech-
nung nach Thalern Silbermuͤnze und Thalern Kupfer-
muͤnze; die andre nach Thail, unſrer Rechnung nach
Reichsthalern und Scheidemuͤnze, aͤhnlich.


Repraͤſentirendes oder Papiergeld kennt man in
Japan gar nicht. Man hat nur baare klingende Muͤn-
ze, welche die Regierung ſchlagen und den Werth dar-
auf ſetzen laͤßt. Das Silbergeld iſt aber, wenn es zu
gleichem Werth gepraͤget iſt, doch an Groͤße und Schwe-
re nicht immer gleich. Die Kaufleute waͤgen es daher
allezeit, ehe ſie es annehmen.


Die Muͤnzen ſind von Gold, Silber, Kupfer und
Eiſen. Ich bediente mich nicht nur der Gelegenheit, von
allen jetzt gangbaren und gewoͤhnlichen Muͤnzſorten eini-
ge Stuͤcke mitzunehmen, ſondern es gelang mir auch,
durch die Dolmetſcher und Aerzte mir alle alte und ſeltne
Sorten zu verſchaffen.


Zu den gangbarſten Arten, und zwar den goldnen,
gehoͤren zuvoͤrderſt die neuen Kobang. Dies ſind laͤngli-
che, an beyden Enden geruͤndete und platt geſchlagne
[189]Muͤnzen und Gewicht.
Goldſtuͤcke, ungefaͤhr zwey Zoll lang, etwas uͤber einen
Zoll breit, und nicht viel dicker als ein Schwediſcher oder
Deutſcher Kupferpfennig. Von Farbe ſind ſie hellgelb.
Auf der einen Seite ſind ſie mit eingepraͤgten abgebroche-
nen Querſtrichen, und an beyden Enden mit der Figur
der kleineren viereckigen Muͤnze, die den Nahmen Itjib
fuͤhrt, und die ich ſo gleich beſchreiben werde, bezeichnet.
Auf der andern Seite ſieht man in der Mitte einen zirkel-
runden Stempel mit erhobenen Buchſtaben, und an dem
einen Ende zwey dergleichen kleinere, die auf jedem
Stuͤcke verſchieden ſind. Dieſe Muͤnze gilt 60 Mas
oder 6 Thaler.


Die eben gedachte kleinere goldne Muͤnze, Itjib,
nennen die Hollaͤnder Boontjes (Bohnen). Sie iſt von
blaſſem Golde, laͤnglich viereckig und flach, etwas dicker
als ein Kupferpfennig. Das Gepraͤge beſteht auf einer
Seite aus vielen erhobenen Buchſtaben, und auf der
andern aus zwey erhobenen Blumen und einer mondfoͤr-
migen Figur. Ihr Werth iſt 5 Mas oder ¼ Kobang.


Unter den Silbermuͤnzen bemerke ich zuerſt den
Nandio Gin. Er iſt ebenfalls laͤnglich viereckig, von
der Dicke eines Species-Thalers einen Zoll lang und ei-
nen Zoll breit, von feinem Silber. In den Rand ſelbſt
ſind Sternchen eingedruckt, und um den Rand her-
um geht eine Reihe erhobener Puncte. Die eine Seite
iſt uͤberall mit erhobenen Buchſtaben bezeichnet, von der
andern iſt die untere und zugleich groͤßere Haͤlfte mit er-
hobenen Buchſtaben angefuͤllt: auch zeigt ſie eine doppelte
mondfoͤrmige Figur. Dieſe Muͤnze iſt nur auf der In-
ſel Nipon, beſonders in den Hauptſtaͤdten des Reichs,
gaͤnge. Sie gilt 7 Mas, 5 Konderyn.


Die im Handel und Wandel allgemein gebraͤuchli-
chen Sorten ſind die Itagame und Kodama. Dies ſind
[190]Fuͤnfte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
unfoͤrmliche Silberklumpen von ſehr verſchiedner Groͤße,
Geſtalt und Werth. Die erſteren unterſcheiden ſich je-
doch von den letzteren dadurch, daß jene laͤnglich, und dieſe
ruͤndlich, gewoͤhnlich dick, ſelten flach, ſind. Sie werden
allezeit zugewogen. Von Farbe ſehen ſie wie Bley aus.
Sie ſind mit Buchſtaben, aber auf mancherley Art, be-
zeichnet. Auf einigen ſieht man das Bild des Gottes des
Reichthums, und dieſe heißen Daikokvs ganne. Dieſe
nebſt den uͤbrigen Japaniſchen Muͤnzen habe ich in einer,
in der Koͤniglichen Akademie der Wiſſenſchaften zu Stock-
holm
, im Jahr 1779 gehaltnen Rede ausfuͤhrlicher be-
ſchrieben, wo auch Abbildungen davon beygefuͤgt ſind.


Seni nennen die Japaner ihre kupfernen, meſſing-
nen und eiſernen Muͤnzen. Man kann ſie mit Europaͤi-
ſchen Kupferpfennigen vergleichen. Sie ſind aber un-
gleich an Groͤße, Werth und Anſehen. Darin kommen
ſie jedoch uͤberein, daß ſie alle gegoſſen, in der Mitte mit
einem viereckigen Loche, wodurch man ſie auf eine Schnur
reihen kann, verſehen ſind, und einen breiten Rand ha-
ben. Die Sjumon Seni gelten 10 gewoͤhnliche Seni,
oder ½ Mas, fangen aber ſchon an ſelten zu werden.
Die Simoni Seni gelten 4 gewoͤhnliche Seni, ſind von
Meſſing, beynahe ſo groß als ein acht gute Groſchen-Stuͤck,
aber duͤnn, und bloß auf der Inſel Nipon gebe; ſie zeich-
nen ſich durch ihre gelbe Farbe und die auf der untern
Seite befindlichen erhobenen Bogen aus. Die gewoͤhnli-
chen Seni ſind von der Groͤße eines Pfennigs, und von
rothem Kupfer; 60 machen 1 Mas. Die Dooſa Se-
ni ſind von Eiſen gegoſſen, ſo groß und von gleichem
Werth, als die vorher gehenden, ſehen auch eben ſo aus,
ſind aber ſo ſproͤde, daß ſie leicht zerbrechen oder entzwey
fallen. Nahe bey der Stadt Nangaſaki iſt eine Muͤn-
ze, wo dergleichen gegoſſen werden.


[191]Muͤnzen und Gewicht.

Jetzt komme ich zu den ehemahls gangbaren, heu-
tiges Tages ſeltnen Arten. Die alten Kobang ſind von
feinem Golde, brandgelb von Farbe, und etwas breiter
als die neuen, uͤbrigens mit dieſen von einerley Gepraͤge.
Sie gelten 10 Thail oder ungefaͤhr 10 Thaler.


Die alten Itjib ſind etwas laͤnger, breiter und di-
cker als die jetzt gebraͤuchlichen, von blaſſem Golde, und
gelten 22 Mas, 5 Konderyn. Es giebt auch kleinere,
die ungemein rar ſind; dieſe ſind kuͤrzer, ſchmaͤler und
duͤnner, als die gewoͤhnlichen, auch von hoͤherer Farbe,
und ſind 11 Mas, 2 Konderyn, 2 Kasje werth.


Koſju kin, Koſju bang oder Koſju Itjib, Niſin
und Sunak ſind Nahmen kleiner goldner, an Groͤße,
Geſtalt und Werth ſehr ungleicher Muͤnzen. Sie ſol-
len ehemahls in der Landſchaft Koſju geſchlagen, und da-
von benannt ſeyn. Sie ſind von ſehr hellgelbem Golde,
platt, auf beyden Seiten mit Stempeln, auf der einen
mit zweyen, auf der andern mit vieren, verſehen. Ich er-
hielt davon vier runde und ein viereckiges Stuͤck, die alle
das mit einander gemein haben, daß der obere Stempel
auf der einen Seite, und die beyden zur Rechten auf
der andern gleich ſind. Der untere Stempel auf der ei-
nen, und die beyden zur Linken auf der andern Seite
hingegen ſind verſchieden. Die runden ſind inwendig
um den Rande mit erhobenen Puncten bezeichnet. Ihr
Werth iſt von 2 bis 12 Mas.


Unter den ſilbernen bemerke ich die Gomome Gin.
Dieſe ſind laͤnglich viereckig, beynahe zwey Zoll lang und
halb ſo breit, von der Dicke eines Species-Thalers, von
grobem Silber, und haben abgeſtumpfte Ecken. Auf
dem Rande ſieht man verſchiedne Sternchen eingedruckt,
inwendig um denſelben auf beyden Seiten eine ſchmale
Vertiefung. Auf beyden Seiten befindet ſich in der un-
[192]Fuͤnfte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
tern groͤßern Haͤlfte eine Erhoͤhung, die ſo ausſieht, als
wenn ein Nandiogin hinein gelegt waͤre, und worauf man
einen großen Stempel mit erhobenen Buchſtaben erblickt.
Die andere kleinere Haͤlfte iſt auf einer Seite ohne alles
Gepraͤge; auf der andern zeigt ſie zwey Reihen Puncte,
zwey gerade Querſtriche, und zwiſchen denſelben ein ge-
ſchlungnes Band, alles erhoben. Dieſe Muͤnze wird
auf 5 Mas geſchaͤtzt, und ſoll vor dieſem in den Haupt-
ſtaͤdten gaͤnge geweſen ſeyn.


Sechster Abſchnitt.
Zeitrechnung und Feſte
.


Das Jahr theilen die Japaner nach dem Lauf des Mon-
des ein. Einige Jahre beſtehen daher aus zwoͤlf, andre
aus dreyzehn Monathen. Das neue Jahr faͤngt entwe-
der im Februar oder im Maͤrz; ihre Zeitrechnung aber
mit dem Jahr 660 vor Chriſti Geburt, an.


Die zwoͤlf himmliſchen Zeichen haben ſie auch, aber
unter andern Nahmen, als die Europaͤer. Sie heißen
bey ihnen, wie folget: 1. Ne, Ratze. 2. Us, Stier.
3. Torra, Tiger. 4. Ow, Haſe. 5. Tats, Drache.
6. Mi, Schlange. 7. Uma, Pferd. 8. Titſuſe,
Widder. 9. Sar, Affe. 10. Torri, Hahn. 11. In,
Hund. 12. J, Baͤr. Von dieſen himmliſchen Zeichen
werden gewiſſe Jahre benannt. So war das Jahr
1774 das Pferdejahr, 1776 das Affenjahr.


Die Monathe kommen des ungleichen Mondeslaufs
wegen, mit den unſrigen niemahls vollkommen uͤberein.
Sie haben ihre eignen Nahmen, und zwar von ihrer
Zahl. Da die Hollaͤnder waͤhrend ihres hieſigen Aufent-
halts ſich ſo wohl nach dem Europaͤiſchen, als nach dem Ja-
paniſchen Kalender zu richten genoͤthigt ſind, muͤſſen ſie
ſich
[193]Zeitrechnung und Feſte.
ſich jaͤhrlich einen aus beyden zuſammen geſetzten Kalen-
der aufſetzen, der das Verhaͤltniß beyder Zeitrechnungen
darſtellt. Hier iſt ein ganz kurzer Auszug aus einem ſol-
chen Kalender, woraus man zugleich die Nahmen der
Monathe ſehen kann. Das Jahr 1776, oder das Af-
fenjahr, hat 355 Tage.


Die Monathe werden demnach ſo gezaͤhlt: der er-
ſte, der zweyte, der dritte, und ſo weiter bis den zwoͤlf-
ten, und die Jahre haben nicht gleich viele Tage. Das
zweyte oder dritte Jahr iſt allezeit ein Schaltjahr, deren
in neunzehn Jahren ſieben einfallen.


Wochen haben die Japaner nicht, ſondern der Er-
ſte und Funfzehnte in jedem Monathe ſind Ruhetage.
An dieſen Tagen arbeitet kein Handwerksmann; ſelbſt
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. N
[194]Fuͤnfte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
die oͤffentlichen Dirnen kaufen ſich an denſelben frey, und
halten es fuͤr einen großen Schimpf, wenn ſie alsdann
genoͤthigt werden, Mannsperſonen anzunehmen.


Tag und Nacht werden nur in zwoͤlf Stunden ab-
getheilt. Hiebey richten ſie ſich das ganze Jahr hindurch
nach dem Auf- und Untergange der Sonne. Wenn die
Sonne aufgeht, zaͤhlen ſie ſechs Uhr, und wenn ſie un-
tergeht, ebenfalls 6. Mitternacht und Mittag iſt alle-
zeit 9 Uhr.


Die Zeit wird nicht mit Uhren oder Stundenglaͤ-
ſern, ſondern mit brennenden Lunten abgemeſſen, die
wie Stricke gedrehet, und in einem beſtimmten, durch-
gaͤngig gleichen Abſtande, mit Knoten verſehen ſind.
Die Zeit, da eine ſolche Lunte von einem Knoten zum
andern wegbrennt, zeigt eine gewiſſe Zeit an. Iſt ſie
nun bis zu einem Knoten weggebrannt, ſo wird es bey
Tage mit gewiſſen Schlaͤgen an den Glocken auf den
Thuͤrmen ihrer Tempel, des Nachts aber durch Zuſam-
menſchlagen zweyer Hoͤlzer von den herum gehenden
Nachtwaͤchtern, angezeigt. Man bedient ſich aber auch
wohl noch einer andern, gar beſondern Methode. Man
fuͤllt eine Lade, die eine halbe Elle lang, und ungefaͤhr
halb ſo breit iſt, mit Aſche an; macht in die Aſche fei-
ne Reifen, oder Kanaͤle, von einem Ende zum andern und
ſo wieder zuruͤck in mehreren Windungen. In dieſe
ganz durch fortlaufenden Furchen ſtreuet man feines
Pulver von der Rinde des Skimmibaums (anisartiges
Illicium, Illicium aniſatum), und macht Abtheilungen
fuͤr die Stunden. Der Deckel wird feſt zugemacht,
aber ein kleines Loch gelaſſen, wodurch die Luft einziehen
kann, um das Feuer zu unterhalten. Darauf wird das
Pulver angezuͤndet, das langſam und ſich immer gleich weg-
brennt. So oft es bis zu einer Abtheilung weggebrannt
[195]Zeitrechnung und Feſte.
iſt, wird es auf die angefuͤhrte Art durch Glockenſchlaͤ-
ge oder Zuſammenſchlagen zweyer Stuͤcken Holz zu erken-
nen gegeben. Beſonders bedienen die Nachtwachen an
vielen Orten ſich dieſer Pulver-Uhr.


Das Alter der Kinder wird ſo berechnet, daß das
Jahr, worin ſie gebohren ſind, fuͤr voll gilt. Am En-
de des Jahrs iſt alſo jedes in demſelben zur Welt gekom-
mene Kind, und wenn es auch erſt in den letzten Tagen
des letzten Monaths gebohren iſt, ein Jahr alt.


An den beyden mittelſten, und auch an den bey-
den letzten Tagen des Jahrs, folglich alle halbe Jahr,
muͤſſen alle Rechnungen abgeſchloſſen, und nebſt allen
andern Schulden und Forderungen, bezahlt werden.
Alsdann wird von neuem bis zum naͤchſten allgemeinen
Abrechnungs- und Zahlungs-Termin, das iſt auf ein hal-
bes Jahr, Credit gegeben. Wer im Termine ſeine Rech-
nung, Forderung oder ausſtehende Schuld nicht bezahlt
bekommen hat, hat hernach kein Recht, ſie weiter zu
fordern. Gluͤcklich ein Volk, das beym Anfange jedes
halben Jahrs ganz ſchuldenfrey iſt!


Am Neujahrstage wuͤnſcht jedermann, in ſeinem
feſtlichen, blau und weiß geſtreiften Anzuge, dem an-
dern Gluͤck. Man geht mit ſeiner Familie umher, und
legt Gratulations-Beſuche ab. Gewoͤhnlich wird der
ganze erſte Monath dazu angewandt; ſo viele Viſiten
haben die Japaner bey dieſer Gelegenheit zu machen.
Dieſe ganze Zeit iſt zugleich dem geſellſchaftlichen Ver-
gnuͤgen gewidmet.


Einige Tage nach Neujahr wird die Ceremonie
verrichtet, daß die Japaner das Crucifix und das Bild
der Jungfrau Maria mit Fuͤßen treten. Beyde ſind
von Kupfer gegoſſen, und etwas weniger, als eine halbe
Elle lang. Die Abſicht bey dieſer Handlung iſt, Ab-
N 2
[196]Fuͤnfte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
ſcheu und Haß gegen die chriſtliche Religion und gegen
die Portugieſen, die ſie ehemahls in dieſem Lande predig-
ten, und allgemein machen wollten, einzupraͤgen und zu
unterhalten, wie auch zu erforſchen, ob etwa noch ein
Ueberbleibſel von Anhaͤnglichkeit an dieſelben bey irgend
jemand anzutreffen ſeyn moͤchte. Indeſſen geſchieht dies
nur in denjenigen Gegenden, wo die Chriſten vor Zeiten
ſich am meiſten aufhielten. Zu Nangaſaki dauert dieſe
Ceremonie vier Tage. Hernach werden die Bilder nach
den umliegenden Oertern, wo ein gleiches damit ge-
ſchieht, und zuletzt wieder nach Nangaſaki gebracht, und
da bis zum folgenden Jahre verwahrt. Jedermann, bloß
den Gouverneur mit ſeiner Suite und Bedienung aus-
genommen, ſo gar die kleinſten Kinder muͤſſen dabey zuge-
gen ſeyn. Daß aber auch, wie einige behaupten wollen,
den Hollaͤndern zugemuthet werde, Theil daran zu neh-
men, und mit auf die Bilder zu treten, iſt nicht wahr.
Gewiſſe Aufſeher ſind dabey verordnet, welche die Einwoh-
ner nach ihren Bezirken von Haus zu Haus zuſammen ru-
fen, wenn alle beyſammen ſind, in gehoͤriger Ordnung ihre
Nahmen aufrufen, und bey der Handlung ſelbſt dahin ſe-
hen, daß alles richtig zugehe. Die Erwachſenen treten von
einer Seite zur andern uͤber die Bilder weg; die Kinder
werden unter den Armen aufgehoben, und mit den Fuͤßen
darauf geſtellt. Unter den Hollaͤndern ſind aͤußerſt we-
nige, die dieſe Feyerlichkeit je geſehen haͤtten. Von den
jetzt auf der Inſel befindlichen Officieren war nur ein ein-
ziger, der einmahl Gelegenheit gehabt hatte, im Vorbey-
gehen, als er vom Chef an den Gouverneur, um etwas,
die Zuruͤſtung zur Jedoer Reiſe betreffend, zu beſtellen,
nach der Stadt geſchickt war, etwas davon zu ſehen.


Die Feyer des ſiebenten Tages iſt in Japan unbe-
kannt. Sie haben aber verſchiedne andre jaͤhrliche Feſte,
[197]Zeitrechnung und Feſte.
die zum Theil einen, zum Theil mehrere Tage nach ein-
ander, waͤhren, und die ſie als gottesdienſtliche Tage
feyern. Die merkwuͤrdigſten Feſttage, welche in der Zeit
meines hieſigen Aufenthalts im Jahr 1776 einfielen, ſind
folgende. Den 5. Goguats, oder 20. Junius, das Pelang-
feſt. Den 7. Sitsguats, oder 20. Auguſt, das Sternen-
feſt. Den 13., 14. und 15. deſſelben Monaths, oder
den 26., 27. und 28. Auguſt, das große Leuchtenfeſt.
Den 7., 8. und 9. Kuguats, oder den 18., 19. und
20. October das Feſt Matſuri.


Den 1. Fatsguats oder den 13. September fiel
der Japaniſche Jahrmarkt (Faſſak) ein. Den 15.
Kuguats nahm der Hollaͤndiſche Markt den Anfang.


Siebenter Abſchnitt.
Uebrige Sitten, Gewohnheiten und
Einrichtungen der Japaner
.


In dieſem Kapitel liefere ich eine allgemeine Nachleſe
von dem, was ich von den Einrichtungen, Sitten und
Gebraͤuchen der Japaner, in Ruͤckſicht auf ihr haͤusliches
und Privat-Leben bemerkt, aber im Vorhergehenden noch
nicht angefuͤhrt habe. Der Leſer wird ſich erinnern, daß
vieles hieher gehoͤrige bereits unter den vorher gehenden
Rubriken, theils in meiner Reiſebeſchreibung ſelbſt, vor-
gekommen iſt. Hierauf muß ich mich alſo jetzt beziehen
und den Leſer verweiſen. Was ich von Regierung,
Staatsverfaſſung, Ackerbau, Kuͤnſten, Gelehrſamkeit
der Japaner noch nachzuhohlen habe, dem habe ich in
beſondern, noch folgenden Kapiteln ſeinen Platz ange-
wieſen.


[198]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.

Ich fange mit den eigenthuͤmlichen Nahmen der
Japaner an. Jede Familie, und jede Perſon hat ih-
ren eignen Nahmen. Dieſe werden aber ganz anders
gebraucht, als in Europa. Der Familiennahme, oder
was man bey uns den Zunahmen nennt, bleibt bey jeder
Familie und allen ihren Nachkommen jederzeit unveraͤn-
dert. Im gemeinen Leben und im Umgange aber wird er
nie gebraucht, ſondern nur alsdann, wenn man etwas
unterſchreibt, da man zugleich gewoͤhnlich ſein Siegel
beyſetzt. Auch das iſt etwas beſonderes, daß der Zunah-
me nicht zuletzt, ſondern allezeit voran, der Vornahme
aber nach demſelben geſetzt wird. Der Vornahme iſt es,
womit der Japaner allezeit angeredet, benannt und geru-
fen wird, und dieſen veraͤndert er in ſeinem Leben ver-
ſchiedne Mahl. Wenn ein Kind das Licht der Welt er-
blickt, bekommt es von ſeinen Aeltern einen gewiſſen
Nahmen. Iſt es ein Sohn, ſo behaͤlt er ihn, bis er
mannbar wird; alsdann veraͤndert er ihn. Bekommt er
ein Amt oder eine Bedienung, ſo wird abermahls eine
Veraͤnderung damit vorgenommen. So oft er zu hoͤhe-
ren Stellen hinauf ruͤckt, geſchieht wieder eine Vertau-
ſchung. Einige, beſonders die Kaiſer und Fuͤrſten, be-
kommen ſo gar nach dem Tode einen neuen Nahmen.
Beym weiblichen Geſchlechte iſt der Vornahme nicht ſo vie-
len Veraͤnderungen unterworfen. Den Maͤdchen geben
die Aeltern oft den Nahmen von einer ſchoͤnen Blume.


Diejenigen, welche mit hohen Wuͤrden und Aem-
tern bekleidet werden, bekommen beym Antritte derſel-
ben vom Dairi, oder dem geiſtlichen Kaiſer, praͤchtig klin-
gende Titel. Auch andern ſehr vornehmen Perſonen
ertheilt derſelbe verſchiedene Ehren-Nahmen.


Wie die Japaner ſitzen, und wie ſie eſſen, habe
ich oben ſchon erzaͤhlt. Ihre gewoͤhnliche Ordnung in
[199]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.
Anſehung des Eſſens iſt die, daß ſie dreymahl des Tages
eſſen. Eins ihrer gewoͤhnlichſten Gerichte iſt Miſoſuppe
mit Fiſchen und Zwiebeln gekocht.


Wenn ſie auf der See ſind, ſchlachten ſie kein
Thier: dies ruͤhrt von einem ſonderbaren Aberglauben
bey ihnen her. Auf unſrer Seereiſe beſorgten die Japa-
ner daher zwar, ſo oft ſie ans Land gingen, daß Gaͤnſe,
Enten und Huͤhner fuͤr uns geſchlachtet, und fuͤr unſern
Tiſch zugerichtet wurden. Wollten wir aber in der Zwi-
ſchenzeit nicht ohne Braten von Gefluͤgel ſeyn, ſo mußte
ich das Geſchaͤfft uͤbernehmen, daſſelbe zu ſchlachten.


Die Japaner trocknen viele von den, ihrem Lande
eignen Fruͤchten; viele machen ſie aber, auf eine, ſo
viel ich weiß, nur bey ihnen und den Chineſern gebraͤuch-
liche Art, mit Gaͤſt oder Sakkihefen ein. Jene nennen
ſie Mebos, dieſe Menaratſki. Me bedeutet Frucht,
Obſt; Nara iſt der Nahme der Stadt, wo die Fruͤchte
am haͤufigſten und beſten auf dieſe Art eingemacht wer-
den; Suki heißt einmachen. Zum Einmachen nimmt
man entweder ganze Fruͤchte, oder man ſchneidet ſie,
wenn ſie groß ſind, in Scheiben. Man braucht dazu
den Gaͤſt oder Barm, den der gegohrne Sakki oder Reiß-
trank giebt, deſſen Saͤure die Frucht durchdringt, ihr ei-
nen gewiſſen Geſchmack giebt, und ſie ein ganzes Jahr
und noch laͤnger gut erhaͤlt. Beſonders macht man eine
Art großer Gurken, die Konomon heißen, in großer
Menge auf dieſe Weiſe ein, die hernach in kleinen Faͤſ-
ſern verfuͤhrt, und wie bey uns die Gurken zum Braten
und dergleichen gegeſſen werden: ſie ſchmecken auch bey-
nahe eben ſo, als unſere eingemachten Gurken.


Die Japaner haben eine Art Nudeln, die ſie Laxa
nennen. Sie beſtehen aus Faͤden, die ganzer zwey El-
len lang ſind, zuſammen gerollt und faſt allenthalben im
[200]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Lande verkauft werden. Sie werden von Weitzen- oder
Buchweitzen-Mehl gemacht, und nach dem Gewichte
verkauft. Die letzteren haben den beſondern Nahmen
Sabakiri. Man ſchneidet die Faͤden in Stuͤcken, und
thut ſie zu einer Art Suppe, die davon einen angeneh-
men Geſchmack bekommt, etwas zaͤhe oder ſchleimig wird,
und ſehr nahrhaft iſt. Die Nudeln loͤſen ſich jedoch in
der Suppe nicht ganz auf. Ißt man dies Gericht mit
Zwiebeln und Frikadellen von Fiſchen, ſo heißt es Nio-
men; thut man aber ſtatt deſſen Pfeffer und Soja hin-
zu, ſo bekommt es den Nahmen Somen.


In allen Wirthshaͤuſern und Herbergen, ſo gar
auf dem Lande, findet man eine Art Kuchen von Reiß-
mehl, die bisweilen gruͤn gefaͤrbt ſind, zu Kauf. Die
Reiſenden, beſonders die Norimon-Traͤger, pflegen ſie
gern zu kaufen, und zum Thee zu eſſen. Thee trifft
man auch allenthalben zum Dienſt der Reiſenden an.


Den Zuckertang (Fucus ſaccharinus), den die
See ſo in Menge auswirft, brauchen die Japaner haͤu-
fig zum Eſſen, ſo zaͤhe er auch zu ſeyn ſcheint. Er wird
vorher getrocknet, und von Sand, Salz und andrer
Unreinlichkeit geſaͤubert. Beſonders wird er bey ſolcher
Gelegenheit gegeſſen, da man ſich beym Sakki lu-
ſtig haͤlt. Man ſchneidet ihn in Stuͤcke, kocht ihn, wo-
durch er viel dicker wird, und thut ihn zu andern Spei-
ſen. Bisweilen wird er aber auch roh gegeſſen, nach-
dem man das Aeußere abgeſchabt hat, da er dann ganz
weiß ausſieht. In dieſem Falle ſchneidet man ihn ge-
woͤhnlich in Streifen, die zwey Zoll lang und einen Fin-
ger breit ſind, wickelt eine Parthey davon vierſeitig zu-
ſammen, und bindet einen feineren Streif von eben dem
Tang, eine Linie breit, und drey Zoll lang, herum.
Dieſe Paͤckchen werden entweder mit oder ohne Sanſjo
[201]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.
(Pfefferfagara, fagara piperita) gegeſſen. Die kleinen
Tiſche, worauf die Geſchenke praͤſentirt werden, belegt
man auch mit dergleichen kleinen Buͤndeln Tangſtreifen,
die zu halben und ganzen Stiegen darauf umher liegen.
Das den Geſchenken beyzufuͤgende ſo genannte Compli-
ment-Papier wird auch an beyden Enden mit einem Strei-
fe von dieſem Tang geziert, der einen Zoll breit und ei-
ne Viertelelle lang iſt, und darauf feſt geklebt wird.


Zum Waſchen des leinenen und baumwollnen Zeu-
ges braucht man hier keine Seife, ſondern Mehl von ei-
ner Art Bohnen, die, wenn ſie ſehr fein gemahlen wer-
den, einen ungemein weißen Puder geben.


Die Zimmer erleuchtet man theils mit Lichten,
theils mit Lampen. Jener bedient man ſich aber doch
nur ſelten; die letzteren ſind faſt durchgaͤngig gebraͤuch-
lich. Die Lichte ſind klein, eine Viertelelle lang, oben
einen Zoll dick, werden aber nach unten allmaͤhlig duͤn-
ner, haben alſo gerade die umgekehrte Geſtalt, als unſre
Talg- und Wachslichte. Der Tocht beſteht aus zuſam-
men gewickeltem Papier, das auswendig mit anderm wei-
ßeren und feineren Papier ſpiralfoͤrmig umwunden iſt.
Unten iſt ein Loch, ſo groß, daß das Licht damit auf eine
eiſerne Spitze geſteckt werden kann, die auf einem Leuch-
ter befeſtigt iſt. Die Materie, wovon dieſe Lichte ge-
macht werden, iſt ein Oehl, das aus dem Samen des
Firnißbaums (Rhus vernix, ſuccedanea) gepreßt oder
gekocht wird. Der Baum heißt Faſi noki, waͤchſt in
verſchiednen Provinzen, und giebt eine Menge Samen.
Kauft man dieſe Lichte friſch, ſo ſind ſie inwendig etwas
weiß oder vielmehr gelblich, und mit einer weißen Rinde
uͤberzogen. Das Oehl erſtarret durch die Kaͤlte der Luft,
und bekommt eben die Conſiſtenz als Talg, iſt mithin ſo
hart als Wachs. Wenn es alt wird, pflegt es bald
[202]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
ranzig und zugleich gelblich zu werden. Dieſe Lichte
brennen gut, rinnen und lecken aber wie Talglich-
te. Wenn ſie verkauft werden, ſind ſie ſehr nett in
Papier eingewickelt, das unten zuſammen gelegt, oben
um den Tocht gewunden, von da an aber noch ein Paar
Zoll hoch und offen iſt, und voͤllig wie eine lange Rakete
ausſieht. — In den Lampen brennt man Senfoͤhl und
Oehl von der Dryandra cordata. Man hat ihrer eine
oder auch wohl mehrere im Zimmer.


Unter den Geſchenken, welche der Fuͤrſt der Land-
ſchaft Jetſigo, wo der Firnißbaum in ſehr großer Men-
ge waͤchſt, und die faſt das ganze Land mit dem Oehl ver-
ſorget, dem Kaiſer mitbringt, ſind hundert ſolche Lichte,
einen Fuß lang, und ſo dick als ein Mannsarm, mit ver-
haͤltnißmaͤßigem Tochte. Dieſe Ehren-Lichte werden nur
zweymahl im Jahre an gewiſſen Feſttagen im Kaiſerli-
cken Pallaſt gebrannt. So ſchwer es auch iſt, ein ſol-
ches Licht zu bekommen, war ich doch ſo gluͤcklich, eins
habhaft zu werden, das bey ſolcher Gelegenheit gebrannt
hatte. Das Oehl deſſelben ſchien nicht nur weißer, ſon-
dern auch feſter zu ſeyn, als in den gewoͤhnlichen Lichten,
die man kauft, und die bald weich und braun werden.


Feuer ſchlaͤgt man hier mit Feuerſtahl, das gemei-
niglich ſehr klein iſt, und einem ohne Kunſt gebrochnen
Steine von gruͤnlichem Quarz. Zum Zunder dient das
Rauhe von den Blaͤttern des Beyfußes (Artemiſia vulga-
ris
), woraus eine braͤunliche Wolle gemacht wird, die
leichter als Moxa Feuer faͤngt. Uebrigens bedienen ſie
ſich kurzer Schwefelſticken, die einen Finger lang, und
verhaͤltnißmaͤßig ſehr breit, an den Enden quer abge-
ſchnitten und in Schwefel getunkt ſind. Sie werden in
Buͤndel zuſammen gebunden und in einen halben Cirkel
gebogen.


[203]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.

Das Heitzen der Zimmer habe ich oben beſchrieben.


Zum Verſiegeln gebrauchen die Japaner kein Lack,
ſondern ſie drehen und winden etwas Papier um das,
was verſiegelt werden ſoll, und knuͤpfen es ſo zu, daß ſie
ſehr leicht merken koͤnnen, ob man es losgemacht hat.
Auf dieſe Art werden ſelbſt die Packhaͤuſer auf Dezima,
dicht beym Schloſſe verſiegelt, auf deſſen Verſchließung
ſie ſich weit weniger verlaſſen, als auf ihr elendes, aber
kuͤnſtliches, Papiergebinde.


Seile und Stricke, ſelbſt ſtarke Schiffstaue, ma-
chen die Japaner nicht von Hanf, ſondern von Neſſeln,
die in Menge, von anſehnlicher Groͤße, und von meh-
rern Arten auf den Bergen ſtehen. Die Gattungen,
welche die Seiler am meiſten brauchen, ſind die ſchnee-
weiße (Urtica nivea), und eine, die ich nur hier gefun-
den habe, (Iaponica). Der Baſt, gehoͤrig bearbeitet,
giebt ſo feines Garn, daß auch Leinwand davon verfer-
tigt werden kann.


Die Oehlpreſſen, welche man hier zu Lande ge-
braucht, beſtehen aus zwey auf der Erde liegenden Bloͤ-
cken, zwiſchen welchen die Koͤrner zerquetſcht und das
Oehl heraus gepreßt wird. Der eine dieſer Bloͤcke iſt
feſt und unbeweglich. Der andere wird mit ſtufenweiſe
ſtumpferen Keilen, die mit einem ſehr langen hoͤlzernen
Schlaͤgel niedergeſchlagen werden, gegen jenen getrieben.
An der Seite laͤuft das Oehl heraus, und in ein darun-
ter ſtehendes Gefaͤß.


Beym Schnupfen, den man wegen der haͤufigen
Abwechſelung kalter und warmer Luft in dieſem Lande
gar leicht bekommen kann, nehmen die Japaner ganz fei-
nen Schnupftobak, der dem Spaniol aͤhnlich iſt. Sie
bekommen ihn von den Chineſern, die ihn in kleinen
durchſichtigen gruͤnen Flaſchen hieher bringen.


[204]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.

Auf ihre Meublen, Hausgeraͤth und andre Sa-
chen ſetzen die Japaner ihr Wapen, wie ich dergleichen
oben ſchon von ihren Kleidungsſtuͤcken erzaͤhlt habe. Je-
der kennt daher das Seinige ſo gleich, und Diebe koͤnnen
geſtohlne Sachen nicht gut verkaufen.


Alles Kartenſpiel iſt bey den Japanern ſcharf ver-
bothen. Sie lieben dieſen Zeitvertreib auch nicht. Auf
dem Schiffe wurde ich einige Mahl gewahr, daß ſie Ge-
brauch davon machten. Auf dem Lande aber habe ich
es niemahls geſehen. Ihre Karten ſind von dickem ſtei-
fen Papier gemacht, zwey Zoll lang, und einen guten
Zoll breit. Zu einem Spiele gehoͤren funfzig, die auf
der Hauptſeite verſchieden bezeichnet, auf der unrechten
Seite aber alle ſchwarz ſind. Sie legen die Karten in
Haufen, mehrere auf einander; darauf kehren ſie die
Karten um, und ſehen zu, welche gewonnen hat.


Ein anderes Japaniſches Spiel lernte ich auch auf
der Seereiſe kennen, das mit unſerm Gaͤnſeſpiele Aehn-
lichkeit hat. Sie legen einen Bogen ſtarkes Papier, wor-
auf verſchiedne viereckige, mit allerley Figuren bezeichnete,
Faͤcher abgetheilt ſind, vor ſich hin. Darauf werfen ſie
der Reihe nach einen Wuͤrfel, und jeder Spieler hat ein
Hoͤlzchen oder etwas anderes, womit er in den Faͤchern
ſeinen Wurf bemerkt.


Die Japaner haben ein muſikaliſches Inſtrument,
das in Anſehung des Klanges und der Einrichtung einer
Zither oder einer Davids-Harfe aͤhnlich iſt. Sie nen-
nen es Koto. Es iſt einen Fuß lang und hat dreyzehn
Saiten.


Nach Orientaliſcher Sitte beſuchen die Japaner
weder einander, noch die Hollaͤnder, ohne ein Geſchenk
voran zu ſchicken. Dergleichen Geſchenke werden mehr
gegeben, weil es Mode iſt, als um ihres Werths wil-
[205]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.
len, der oft ſehr gering iſt. Nicht ſelten beſtehen ſie in
Kleinigkeiten, zum Exempel einem friſchen Fiſche oder
dergleichen. Allezeit aber werden ſie auf eine feyerliche
Art geſchickt, auf einem beſonders dazu verfertigten Ti-
ſche, mit Papier, das nach einer gewiſſen Form zuſam-
men gelegt iſt, umwunden, und dergleichen. Als eini-
ge Fuͤrſten, oder Ober-Landesbefehlshaber, im Hafen
vor Nangaſaki unſer Schiff beſuchten, um es zu beſe-
hen, ſchickte jeder von ihnen dem Capitain vorher ein
Geſchenk zu, das in einem Faß Sakki und einigen ge-
doͤrrten, gefleckten Blackfiſchen (Sepia), einer Art Fi-
ſche, die von den Japanern und Chineſern haͤufig gegeſ-
ſen werden, beſtand. Es giebt aber auch verſchiedne
andre Gelegenheiten, da es nicht nur Gebrauch, ſondern
ſo gar Pflicht iſt, dem andern dergleichen Geſchenke zu
ſchicken. Es wird auch das ſo genannte Compliment-
Papier beygelegt, das auf eine ganz eigne Art zuſammen
gelegt und umwunden wird.


Die Zinſen von geliehenem Gelde ſind bey dieſer
Nation, wie bey den Chineſern, hoch; oft betragen ſie
achtzehn bis zwanzig vom Hundert.


In Japan weiß man von der Vielweiberey nichts.
Jeder Mann hat nur Eine Frau. Dieſe haͤlt er aber
auch nicht, wie die Chineſer thun, im Hauſe eingeſperrt,
ſondern ſie hat die Freyheit, nicht nur in Geſellſchaft von
Mannsperſonen zu ſeyn, ſondern auch allenthalben aus-
zugehen.


Bey Beſchreibung meines Aufenthalts zu Nanga-
ſaki
habe ich bereits etwas von daſigen oͤffentlichen Maͤd-
chenhaͤuſern geſagt. Dergleichen Haͤuſer hat man nicht
nur in allen großen Staͤdten und in allen Handelsplaͤtzen,
ſondern auch bey allen Seehaͤfen, waͤre es auch in den
kleinſten Doͤrfern. Sie werden gar nicht als Wohn-
[206]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
plaͤtze der Liederlichkeit, oder als unanſtaͤndige Oerter an-
geſehen. Selbſt Leute von gutem Ruf beſuchen ſie,
wenn ſie ihre Freunde mit Sakki tractiren wollen. Ue-
berhaupt betrachten die Japaner die Unzucht nicht als ein
Laſter, am wenigſten wenn ſie an Oertern getrieben wird,
die unter dem Schutze der Geſetze und der Regierung ſte-
hen. Gemeiniglich ſind dieſe Haͤuſer die ſchoͤnſten und
praͤchtigſten, und nicht ſelten ſind ſie an die Tempel der
Gottheiten gebauet. An einem ſo kleinen Orte, als
Dſino Kameru, waren nicht weniger als funfzig oͤffent-
liche Maͤdchen. Zu Kaminoſeki ſind zwey ſolcher Haͤu-
ſer, die dermahlen zuſammen mit achtzig Maͤdchen be-
ſetzt waren. Zu Miterai trifft man der Haͤuſer ſo gar
vier, und zwar ſehr wohl conditionirte, an. Dieſe,
jetzt uͤber das ganze Land ausgebreitete Einrichtung iſt
aber nicht immer geweſen, ſondern erſt zur Zeit der ein-
heimiſchen Kriege entſtanden, als der weltliche Kaiſer,
damahls oberſter Befehlshaber der Kriegsmacht, dem
Dairi die Kaiſerliche Gewalt und Autoritaͤt, diejenige
ausgenommen, welche er in Religionsſachen noch hat,
entriß und an ſich brachte. Der Dairi wurde damahls
gezwungen, in ſehr zartem Alter mit ſeiner Pflegemut-
ter und ſeinem Hofſtaate zu entfliehen. Sie nahmen
den Weg nach Simonoſeki. Seine Bedienung beſtand,
wie ſie noch jetzt thut, (denn er wird fuͤr ſo heilig gehal-
ten, daß keine Mannsperſon ihm nahe kommen darf),
lediglich aus Perſonen des andern Geſchlechts. Auf der
Flucht uͤber die See ſprang die Pflegemutter, als die
Feinde ihr nachſetzten, mit ihm ins Waſſer, und ertrank.
Das Frauenzimmer von ſeiner Bedienung kam nach Si-
monoſeki
; weil dieſe Leute aber nicht zu leben hatten, ſa-
hen ſie ſich genoͤthigt, auf eine unanſtaͤndige Art ihren
Unterhalt zu erwerben. Dies iſt, wie viele, unter an-
[207]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.
dern die Dolmetſcher, bey denen ich mich ausdruͤcklich
darnach erkundigte, mich verſichert haben, der erſte Ur-
ſprung ſolcher oͤffentlichen Haͤuſer, die ſich waͤhrend der
vieljaͤhrigen Fortdauer der Unruhen und buͤrgerlichen
Kriege allmaͤhlig weiter und weiter erſtreckt haben. Die
in jenen Haͤuſern befindlichen Frauensperſonen haben
aber nicht allenthalben gleiche Nahmen, auch nicht glei-
che Achtung. Zu Simonoſeki heißen ſie noch jetzt Jo-
ruſſi, welches der Nahme iſt, den die Beyſchlaͤferinnen
des Dairi, deren, außer ſeiner rechten Gemahlin, zwoͤlf
ſind, ehemahls fuͤhrten, und noch heutiges Tages fuͤh-
ren. An andern Oertern kennt man ſie meiſtens unter
der Benennung Keiſe oder Keſe, welches ſo viel heißt,
als ein theils aufrecht, theils umgekehrt ſtehendes Schloß
(chateau), und anzeigen ſoll, daß ſie von der Ehrbarkeit
zur Unzucht uͤbergegangen ſind. Die von der niedrigern
Gattung, welche jedermann fuͤr den geringen Preis von
acht Konderyn zu Dienſt ſind, nennt man Faifats; eine
Benennung, die von dem Worte Fai gin herkommt, das
eine ehemahls gebraͤuchliche Muͤnze von ſehr ſchlechtem
Silber, und dem Werthe eines Konderyn, bedeutet.
Die allerſchlechtſte Art der fuͤr Geld feilen Perſonen heißt
Ofiakv. Dieſe gehen umher und betteln, und zeigen
ſich fuͤr eine unbedeutende Kleinigkeit. Sie ſollen ihren
Nahmen von einer Weibsperſon bekommen haben, die
unklug und zugleich ſehr liederlich geweſen. — Wenn
Aeltern mehr Toͤchter haben, als ſie ernaͤhren koͤnnen,
verkaufen ſie ſie fruͤh, oft ſchon im fuͤnften Jahre, an
den Inhaber eines oͤffentlichen Hauſes. Hier dienen ſie
in den Jahren der Kindheit als Dienſtmaͤdchen und Auf-
waͤrterinnen, beſonders als Aufwaͤrterinnen der eigent-
lichen Maͤdchen des Hauſes, deren jede eins ſolcher jun-
gen Maͤdchen zu ihrer eignen Aufwartung hat. Sind
[208]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
ſie nun zwoͤlf bis ſechzehn Jahr alt, ſo werden ſie mit
vieler Feyerlichkeit, oft auf Koſten derjenigen, welcher
ſie bisher aufgewartet haben, fuͤr frey von Aufwartung
und geringern Verrichtungen erklaͤrt, und zu foͤrmli-
chen Damen des Hauſes eingeweihet. Das ſonderbarſte
iſt, daß dieſe Maͤdchen, wenn ſie in dem Hauſe, wo-
hin ſie in ihrer Kindheit verkauft worden, gewiſſe Jahre
in beyden Eigenſchaften gedient haben, ihre voͤllige Frey-
heit wieder bekommen, im geringſten nicht als entehrt
angeſehen, ſondern ſo gar hernach oft auf eine ſehr ho-
nette Art verheirathet werden. — So allgemein dieſe
Einrichtung und Sitte im ganzen Lande iſt, und ſo we-
nig die Einwohner uͤberhaupt ſich etwas arges dabey den-
ken, haben doch verſchiedne Maͤnner von Verſtand und
Grundſaͤtzen mir geſtanden, daß ſie ſie fuͤr unanſtaͤndig
und der Ehre der Nation nachtheilig hielten.


Kinder trifft man allenthalben, in Staͤdten und
Doͤrfern, in Menge an. Durchgaͤngig habe ich be-
merkt, daß die Aeltern ſie zwar fruͤh zu ſtrengem Gehor-
ſam gewoͤhnen, aber uͤbrigens ſie faſt bloß mit guten
Worten und Zureden regieren. Scheltworte oder harte
Verweiſe habe ich ſelten gehoͤrt, und Stoͤße, Schlaͤge
und Gebrauch der Ruthe faſt niemahls geſehen. In
den Schulen leſen alle Kinder zugleich, und zwar ſehr
laut; das giebt ein Geſchrey, daß man, wenn man hin-
ein geht, in Gefahr iſt, das Gehoͤr zu verlieren.


Wie ſehr die Japaner auf Reinlichkeit ihres Koͤr-
pers ſehen, habe ich ſchon einige Mahl erwaͤhnt. Kein
Tag geht hin, da ſie ſich nicht baden und ganz rein wa-
ſchen, ſie moͤgen zu Hauſe oder auf Reiſen ſeyn. Nicht
nur in Privat-Haͤuſern, ſondern auch in allen Wirths-
haͤuſern und Herbergen, in Staͤdten und auf dem Lande,
ſind kleine Badſtuben angelegt. Jeder kann alſo, an
jedem
[209]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.
jedem Orte, auch wo er nicht zu Hauſe gehoͤrt, auch je-
der, der keine eigne Badſtube hat, kann ſich, ſo oft er
will, fuͤr Geld baden. Arme Leute bezahlen nur ein
Paar Pfennige; allein da mehrere von ihnen daſſelbe
Waſſer gebrauchen, ohne daß jeder friſches bekommt,
ſtecken ſie einander gar oft mit Kraͤtze und andern anſte-
ckenden Krankheiten an.


An warmen Baͤdern hat das Land Ueberfluß. Die
Einwohner bedienen ſich ihrer auch haͤufig gegen veneri-
ſche Krankheiten, Laͤhmung der Glieder, Kraͤtze, Rheu-
matiſmen und dergleichen.


Die Landſtraßen ſind in allen Provinzen das ganze
Jahr hindurch in gutem Stande; ſie ſind breit, und mit
Graͤben verſehen, damit das Waſſer ablaufen kann.
Beſonders aber gegen die Zeit, da die Ober-Landesbe-
fehlshaber, wie auch die Hollaͤnder, ihre jaͤhrliche Reiſe
nach Jedo vornehmen muͤſſen, in vortrefflichen Stand
geſetzt. Sie werden alsdann nicht nur mit Sand be-
ſchuͤttet, ſondern auch kurz vor der angeſagten Ankunft ſol-
cher hohen Reiſenden mit Beſen gefegt, aller Pferdemiſt,
Koth und alles andere Unreine ſorgfaͤltig weggeſchafft, und
bey heißem Wetter, wenn es ſtaͤubt, wird reichlich Waſſer
geſprengt. Auch iſt die Ordnung gemacht, welche auch
genau beobachtet wird, daß die, welche nach Jedo, oder
die dahin fuͤhrenden Straßen, hinauf reiſen, ſich zur
linken, und die, welche hinunter reiſen, zur rechten
Seite halten muͤſſen, damit keiner dem andern begegne,
ausweichen duͤrfe, oder Aufhalt, Ungelegenheit und
Streitigkeit verurſache. Abermahls eine von den Japa-
niſchen Polizey-Anſtalten, die man in Europaͤiſchen Laͤn-
dern nachahmen ſollte. Da man gar kein Fuhrwerk mit
Raͤdern gebraucht, halten ſich die Wege ſehr lange gut.
Zum Vergnuͤgen der Reiſenden ſind ſie an vielen Stellen
Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. O
[210]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
zu beyden Seiten mit Baͤumen und Geſtraͤuch bepflanzt,
die zum Theil ſehr ſchoͤne Hecken geben. Ich habe der-
gleichen Hecken ſo gar von Theeſtauden geſehen. Meilen-
zeiger ſind jede Meile angebracht. Sie zeigen nicht nur,
wie weit man gereiſet iſt, ſondern auch, wohin der Weg
geht. Die Meilen im ganzen Lande werden alle ohne Un-
terſchied von einem einzigen Puncte an gezaͤhlt, naͤmlich
von Niponbas, oder der uͤber dem Fluß in der Haupt-
ſtadt Jedo liegenden Bruͤcke. Bey Scheidewegen ſtehen
aͤhnliche Pfaͤhle, die jeden Weg genau bezeichnen. Man
reiſet bey dieſen Einrichtungen und Anſtalten im ganzen
Lande ſehr bequem, und ohne Gefahr, zu verirren; nicht
zu gedenken, daß man auch ſo ſicher, als vielleicht in kei-
nem andern Lande reiſet.


Die Pferde beſchlaͤgt man in Japan nicht mit Ei-
ſen, ſondern ſtatt deſſen zieht man ihnen Pantoffeln oder
kleine Schuhe von Stroh an. Dieſe werden um die Knoͤ-
chel mit einem von Stroh geflochtenen Bande feſt gebun-
den. Sie ſchuͤtzen den Fuß gegen die Steine, und
ſichern ihn auch auf glattem und ſchluͤpfrigem Wege vor
dem Ausgleiten.


Weder Poſtwagen, noch irgend eine andre Art
Wagen oder Fuhrwerk mit Raͤdern, gebraucht man,
wenn man reiſet. Wer Geld hat, reitet, oder laͤßt ſich
in Saͤnften, die Kango oder Norimon heißen, tragen.
Wer eins von beyden nicht bezahlen kann, muß zu Fuß
gehen. Daher ſind denn auch die Landſtraßen immer
mit einer Menge Fußgaͤnger angefuͤllt. Den Reiſe-
anzug ſolcher Leute habe ich im Vorhergehenden ſchon be-
ſchrieben. Hier fuͤge ich nur noch hinzu, was oben an-
zumerken vergeſſen worden, daß ſie haͤufig lange Schif-
ferhoſen, oder bis auf die Waden herab gehende leinene
Beinkleider tragen, und daß die Kamaſchen auch wohl,
[211]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.
wie bey uns, an den Seiten zugeknoͤpft werden, anſtatt
daß andre ſie feſt binden; wie auch, daß die Soldaten
auf dem Marſche die langen Hoſen um die Mitte der
Lenden feſt binden. Die zu Pferde machen oft eine gar
ſeltſame Figur. Manchmahl ſieht man mehrere Perſo-
nen, oft eine ganze Familie, auf Einem Pferde. Der
Mann ſitzt in der Mitte, aber ganz oben auf dem Sat-
tel, ſo daß er die Beine am Halſe des Pferdes herunter
hangen laͤßt; die Frau an einer Seite in einem am Sat-
tel feſt gemachten Korbe; und ein oder mehrere Kinder
auch in einem Korbe an der andern Seite; ein Menſch
geht voran und leitet das Pferd am Zuͤgel. Die Port-
chaiſen, worin Beguͤterte ſich tragen laſſen, ſind von
verſchiedner Groͤße und Pracht, wie es eines jeden Rang
mit ſich bringt. Sie koſten daher auch nicht alle gleich
viel. Die ſchlechteſten ſind klein, ſo daß man mit den
Fuͤßen unter dem Geſaͤß darin ſitzen muß, zu allen Sei-
ten offen, mit einem kleinen Dache verſehen, und wer-
den von zwey Kerlen getragen. Darauf folgen die Kan-
go oder Kago, die ganz bedeckt und an den Seiten auch
eingeſchloſſen, aber beynahe viereckig und nicht praͤchtig
ſind. Die groͤßten und ſchoͤnſten heißen Norimon, ſind
laͤnglich, werden von den vornehmen Beamten gebraucht,
und von mehreren Perſonen getragen, die theils vorn,
theils hinten, und zwar hinter einander, gehen. Das
Tragen geſchieht vermittelſt einer an der Decke befeſtigten
Stange, die ſie auf den Schultern liegen haben. In
allen Staͤdten und Doͤrfern trifft man bey den Wirths-
haͤuſern eine Menge Leute an, die ihre Dienſte zum Tra-
gen anbiethen. Solche Traͤger koͤnnen das Tragen und
Gehen lange aushalten. Gewoͤhnlich legen ſie in einer
Stunde eine Japaniſche Meile, und an einem Tage de-
ren zehn bis zwoͤlf zuruͤck. Auf gleiche Art werden auch
O 2
[212]Fuͤnfte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
die meiſten Sachen und Waaren hier zu Lande transpor-
tirt; die Traͤger tragen ſie ebenfalls an einer Stange,
die auf den Schultern liegt. — Sie haben auch noch
eine andre Art, die Norimon zu tragen, die aber nur
in großen Staͤdten und bey feyerlichen Gelegenheiten
uͤblich iſt, zum Exempel wenn zu Jedo die Fuͤrſten ſich
nach dem Kaiſerlichen Pallaſte tragen laſſen. Die No-
rimon werden alsdann nicht auf den Schultern, ſon-
dern mit den Haͤnden, und zwar ſo hoch als nur irgend
moͤglich, und von jedem der Traͤger nur mit Einer Hand,
getragen. Die andre Hand ſtrecken ſie horizontal aus,
und im Laufen werfen ſie die Ferſen hoch in die Hoͤhe.
Sie laufen dabey naͤmlich ſo ſchnell als ſie koͤnnen; und
ein ſolcher Norimon fliegt wie ein Pfeil vorbey.


Nur zu Miako und in der umliegenden Gegend,
ſonſt aber nirgends, wird ein Fuhrwerk mit Raͤdern ge-
braucht, das aus einer Art Karren beſteht. Ein ſolcher
Karren iſt niedrig und klein, und hat drey Raͤder, zwey
wie bey uns auf den Seiten, und eins vorn. Die Raͤ-
der ſind aus einem ganzen, mit der Saͤge abgeſchnitt-
nen, Stuͤck Holz gemacht, und rund umher liegt, ſtatt
eines eiſernen Beſchlages, ein Tau oder dergleichen, da-
mit ſie nicht abgenutzt werden. In der Stadt ſelbſt,
und in den Doͤrfern nahe bey der Stadt, ſind dieſe Kar-
ren groͤßer und plumper, bisweilen nur mit zwey Raͤ-
dern, und werden von einem Ochſen gezogen. Einige
ſind auch denen, die wir in Europa haben, aͤhnlich, und
haben Raͤder mit Naben und Speichen, aber ohne Be-
ſchlag, alſo ſehr zerbrechlich. Auf den Landſtraßen darf
mit ſolchen Karren nur an Einer Seite gefahren wer-
den, die daher auch ganz ausgefahren und verdorben iſt.
Auch iſt die Ordnung gemacht, daß die, welche mit ihrem
Karren zur Stadt wollen, des Vormittags, und die,
[213]Uebrige Sitten u. ſ. w. der Japaner.
welche zuruͤck fahren, des Nachmittags fahren muͤſſen,
damit keiner dem andern begegne.


Bey dieſer Gelegenheit kann ich nicht umhin, mir
eine allgemeine Anmerkung zu erlauben. Sie betrifft
die mancherley vortrefflichen oͤffentlichen Anſtalten und
Einrichtungen, woran dies Land, deſſen Einwohner wir
gleichwohl auf einer niedrigen Stufe der Cultur unter
uns betrachten zu muͤſſen glauben, ſo manches Europaͤi-
ſche Land weit uͤbertrifft. Alles zeugt von Ueberlegung
und Ordnung. Wie manches vermißt man in unſern
Staaten, das hier ſchon ſeit Hunderten von Jahren an-
zutreffen iſt? Man ſieht recht deutlich, daß alles auf
einen nuͤtzlichen Zweck abzielt. Nichts geſchieht hier
zum aͤußern Schein, nichts um zu glaͤnzen, nichts um
zu prahlen und groß zu thun, nichts um Aufſehen zu
machen, ſo gar nichts um ſeinen Nahmen bey der Nach-
welt zu verewigen. Kein Regent, kein Miniſter, kein
Befehlshaber, kein Beamter uͤberliefert das, was er
Gutes ſtiftet, einrichtet, bauen oder machen laͤßt, durch
Denkmaͤhler, mit ſeinem Nahmen und einer praͤchtigen
Inſchrift verſehen, den Nachkommen als ſein Werk.


Folgendes hohle ich noch nach, ob es gleich hier
nicht an ſeiner Stelle ſteht. Zu Jedo ſchenkte mir einer
meiner Freunde einen großen kalkartigen Stein, derglei-
chen man, wie ſie ſagten, im Magen der Pferde, in
daſiger Gegend, und zwar nur ſolchen, die auf dem
Stalle gehalten werden, antrifft. Von ſeiner Entſte-
hung oder Erzeugung wußte man mir aber keine Nach-
richt zu geben. Hernach bekam ich auch aͤhnliche kleine
Steine, die platt ſind, und keinen Kern (nucleus) in
ſich ſchließen. Jener große beſteht aus Blaͤttchen (la-
mellae
), iſt ſehr dicht, und hat beynahe die Groͤße eines
Kindskopfs. Ich vermuthe, daß das Waſſer um Jedo,
[214]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
womit man die Pferde traͤnkt, Kalk enthaͤlt, und ihr
Stillſtehen im Stalle zum Wachsthum der Steine bey-
traͤgt. Die Hollaͤnder nennen ſolche Steine Paerdeſteen
(Pferdeſtein).


Achter Abſchnitt.
Von der Japaniſchen Sprache
.


Die Japaniſche Sprache iſt wegen ihrer ſehr großen
und mannigfaltigen Verſchiedenheit von allen Europaͤi-
ſchen Sprachen ungemein ſchwer zu lernen. Sie wird
zwar, wie die Chineſiſche, in auf- und niedergehenden
Reihen geſchrieben; aber die Buchſtaben ſind von den
Chineſiſchen weit unterſchieden. Auch beyde Sprachen
dieſer ſo nahe bey einander wohnenden Voͤlker ſelbſt ſind
ſo verſchieden, daß ſie einander ohne Dolmetſcher nicht
verſtehen. Das Chineſiſche wird indeſſen in Japan haͤu-
fig geleſen und geſchrieben, und wie die gelehrte Sprache
angeſehen, die ſie nebſt verſchiednen Wiſſenſchaften von
den Chineſern angenommen haben.


Aller dieſer Schwierigkeit ungeachtet, gab ich mir,
ſo lange ich mich in dieſem Lande aufhielt, viel Muͤhe,
von meinen beſten Freunden unter den Dolmetſchern das
Japaniſche verſtehen, etwas ſprechen, und auch ein we-
nig ſchreiben zu lernen. Ich mußte dies aber ſehr heim-
lich thun, ſo wohl um ihrer, als um meiner eignen Si-
cherheit willen. Hauptſaͤchlich ließ ich dies Studium vor
der Jedoer Reiſe mein Geſchaͤfft ſeyn, weil ich auch
glaubte, auf der Reiſe und zu Jedo guten Nutzen davon
haben zu koͤnnen. Unter andern Bemuͤhungen, meinen
Zweck zu erreichen, ſchrieb ich die Worte, wenn ich ſie
gelernt hatte, auf, und ſetzte mir durch Huͤlfe des oben
[215]Von der Japaniſchen Sprache.
angefuͤhrten Japaniſchen Woͤrterbuchs ein kleines Voca-
beln-Buch auf. Anfangs bildete ich mir ein, die hieſigen
Hollaͤnder wuͤrden mir hiebey ſehr zu Statten kommen
koͤnnen, zumahl da verſchiedne von ihnen doch ſo viel
ſprechen konnten, daß ſie im Stande waren, ſich von
Dingen, die am meiſten vorkommen, verſtaͤndlich aus-
zudruͤcken. Aber leider war keinem von ihnen je einge-
fallen, ein Wort aufzuſchreiben, noch weniger, ſich eine
Art Woͤrter-Verzeichniß zu machen, oder uͤber das Ei-
genthuͤmliche der Sprache nachzudenken. Mir deucht,
in einer Zeit von zwey hundert Jahren haͤtte wohl, waͤre
es auch nicht zum Gebrauch der Sprachforſcher, ſondern
bloß zum Nutzen derer, die ſich hier einige Jahre auf-
halten muͤſſen, ein Japaniſches Woͤrterbuch geliefert wer-
den koͤnnen, waͤren nicht Mangel an Geſchicklichkeit bey
einigen, und Unthaͤtigkeit bey andern, das Hinderniß
geweſen. Einige halten ſich hier nur eine kurze Zeit
auf; andre denken nichts als Geld und Gewinn; den
meiſten ſchmeckt die Tobakspfeife ſo ſchoͤn, daß ſie die
edle Zeit, uͤber deren Langweiligkeit ſie doch ſo oft kla-
gen, mit keiner beſſern Beſchaͤfftigung, als dem Rau-
chen, auszufuͤllen wiſſen. Ich glaube manchem einen
nicht unangenehmen Dienſt zu erweiſen, wenn ich hier
einen Auszug aus meinem Vocabularium einruͤcke. Vor-
her aber ein Paar allgemeine Anmerkungen, einige Be-
ſonderheiten der Sprache betreffend.


Die in den Europaͤiſchen Sprachen vorkommenden
Diphthongen, die Vocalen aͤ, oͤ, uͤ, die Buchſtaben
L (wenigſtens lautet dieſer mit R faſt gleich), P und
Sch haben die Japaner nicht. Mit Vocalen fangen
wenige Woͤrter, mit E faͤngt kein Wort an. Viele
Buchſtaben werden ſo ausgeſprochen, daß man ihren
Laut mit den Buchſtaben der abendlaͤndiſchen Sprachen
[216]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
nicht genau bezeichnen, ſondern einen und denſelben
Buchſtaben auf mehr als eine Art ſchreiben kann, z. E.
boſſu, foſſu, hoſſu; tuſi, tſuſi, tſjuſi; fiſa, fiſsja;
ſuru, tſuru; ſoru, ſuru; dſi, dji, tſi; fa, ha; fara,
warri; ge, ke; jovi, ſovi; joka, jukka; kame, ga-
me; je, ji; odoſſu, oſoſſu; ſkui, tſikui;
u. d. gl.
Manches Wort hat mehr als Eine Form, wovon unten
ſehr viele Beyſpiele vorkommen werden. Man ſehe
z. E. fara, boͤſe. Der Infinitivus des Verbi endigt
ſich gewoͤhnlich auf u, oder oru, nach einigen Conſo-
nanten auch auf v oder f. Die Art, Nomen mit No-
men, und Nomen mit Verbum zuſammen zu ſetzen, nebſt
mehrern Eigenthuͤmlichkeiten der Sprache, laſſen ſich aus
dem Woͤrter-Verzeichniſſe ſelbſt leicht abſtrahiren. Das
hat uͤbrigens die Japaniſche Sprache mit andern gemein,
daß nicht nur manche, gleich oder beynahe gleich lautende
Woͤrter mehrere ganz verſchiedene Bedeutungen haben,
ſondern daß auch fuͤr Einen Begriff oft mehrere ganz un-
terſchiedne Woͤrter vorhanden ſind.


Hier folgt die Probe eines Japaniſchen Woͤrter-
buchs, zwar in alphabetiſcher Ordnung, aber doch zu-
gleich, ſo viel moͤglich, nach der Abſtammung und Ver-
wandtſchaft der Woͤrter eingerichtet.


  • A.
  • Abramuſſi, Wandlaus.
  • Abunaka, Gefahr.
  • Abunaikoto, gefaͤhrlich.
  • Abumi, Steigbuͤgel.
  • Abura, Oehl.
  • Tomoſi abura, Lampeaoͤhl.
  • Abura ſimoru, Oehlpreſſe.
  • Abra no kawa, Thran.
  • Afiru, zahme Ente.
  • Afo, naͤrriſch.
  • Agaganni, akaganni, Kupfer.
  • Agaru, aufgehen.

  • Fi no agaru, die Sonne geht
    auf.
  • Agaruts, Schuh von Stroh.
  • Aguru, jaſjaguru, okuru,
    nedo, aſkuru,
    biethen, an-
    biethen.
  • Aguru, tokuru, kiuru, ſchmel-
    zen.
  • Agi iwa, gebratner Fiſch.
  • Aida, verſuchen, pruͤfen.
  • Aijoki, Angſt.
  • Aijubu, laufen.
  • Aijumi, Schritt, Tritt.

[217]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Kanſjo aju, Sanjo aju, ab-
    rechnen.
  • Akfta, Schmutz.
  • Aki, Pferd.
  • Aki, leer.
  • Akwuru, leer machen.
  • Akibonu, jo no aki, es wird
    Tag.
  • Akſingu, nieſen.
  • Akuru, offen.
  • Akeru, oͤffnen.
  • Akubi, offner Mund
  • Akubu, den Mund aufſperren.
  • Amai, amaka, ſuͤß.
  • Amaru, muthig, tapfer.
  • Amar itame, ſehr ſchmerzhaft.
  • Ama ſakki, Hefen vom Sakki.
  • Ame, Regen.
  • Ame no fiuru, es regnet.
  • Andon, Lampe.
  • Ane, aͤltſte Schweſter.
  • Ani, aͤltſter Bruder.
  • Anna, ana, Loch.
  • Kagi ana, Schluͤſſelloch.
  • Anneſa, Wegweiſer.
  • Anſuru, bedenken.
  • Arai, areka, grob.
  • Arare, Hagel.
  • Araſſu, Meereswelle.
  • Aratamu, viſitiren.
  • Arau, waſchen, abwaſchen.
  • Arawaruru, zu erkennen geben.
  • Soſa arme, unmoͤglich.
  • Aru, alu, haben.
  • Aruka, der Laͤnge nach.
  • As, Schilf.
  • Aſa, Fleck.
  • Aſi, Schweiß.
  • Aſi ſuru, ſchwitzen.
  • Aſi, Geſchmack.
  • Aſiwu, ſchmecken.
  • Aſjiwau, Probe.
  • Aſſai, Aſſaka, ſeicht.
  • Aſſegaro, haſtig.

  • Aſſi, Fuß.
  • Aſſubi, Vergnuͤgen.
  • Aſſubia, aſſubiſo, Bordel.
  • Ataraſſi, neu, friſch, roh.
  • Ateru, beruͤhren.
  • Atſ ka, heiß, warm.
  • Atſururu, waͤrmen.
  • Atſumaru, verſammeln.
  • Kotoba atſume, Geſpraͤch.
  • Atſuru, rathen, errathen.
  • Atſuraju, beſtellen.
  • Atſuraje mono, beſtellte Sa-
    chen.
  • Atſuſa, atſumi, dick.
  • Attamanna, Kopfweh.
  • Au, paſſen.
  • Awa, Schaum.
  • Awa tatſuru, ſchaͤumen.
  • Awa toru, abſchaͤumen.
  • Awaſiru, zuſammen binden.
  • Awoſumi, Amidon (Stoͤcke).
  • B.
  • Babo, aͤltſter Bruder.
  • Babo, bakka, baka, Narr,
    naͤrriſch, unſinnig.
  • Baibai, kaufen und verkaufen,
    handeln.
  • Bakari, einſam, allein.
  • Bakkemono, Geſpenſt.
  • Bakkutji, bahkutſi, Karten,
    Wuͤrfel.
  • Bakkutji utſu, bakutſu, Kar-
    ten, Wuͤrfel ſpielen.
  • Bakkutſi utſi, Karten-, Wuͤr-
    fel-Spieler.
  • Bang, ban, Wache.
  • Ban ſuru, Wache halten.
  • Banſjo, Wachhaus.
  • O ban, Kaiſerliche Wache.
  • Jo bang, Nachtwache.
  • Bannin, Soldat.
  • Bas, fas, Bruͤcke.
  • Bas, fas, Rand.

[218]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Bas, fas, hoͤlzerner Stift ſtatt
    der Gabel beym Eſſen.
  • Bea, f [...]a, Kammer, Zimmer,
    Kajuͤte.
  • Beko, bekko, bakogame,
    Schildkroͤte, Schildkroͤten-
    ſchale.
  • Beooſo, Schirm.
  • Biakdan, Sandelbaum.
  • Biki, Krankheit.
  • Biki mono, krank.
  • Bioſa, ungeſund.
  • Birodo, Sammet.
  • Bo, nackt, bloß.
  • Bobo, weibliches Glied.
  • Bo, Block, Klotz.
  • Boos, Prieſter.
  • Boſi, Muͤtze.
  • Boſſi, Kopfkiſſen.
  • Boſſu, foſſu, hoſſu, trocken,
    trocknen.
  • Botan, Knopf.
  • Botan gane, Knopfloch.
  • Budo, Traube.
  • Buginſa, reich.
  • Bugu, Watten.
  • Bugukora, Zeughaus.
  • Bumawaſſu, Zirkel-Inſtru-
    ment.
  • Burei, bule, unbelebt, un-
    hoͤflich.
  • D.
  • Daiku, Zimmermann.
  • Daimio, Ober-Landesbefehls-
    haber, Reichsrath.
  • Dai nagon famma, Kronprinz.
  • Daiwo, Rhabarber.
  • Dakka, hoch.
  • Damaſſu, betruͤgen.
  • Damas koto, Betrug.
  • Damateoru, ſchweigen.
  • Damo, Stute.
  • Dare monai, keiner, niemand.
  • Debakotjo, Hackmeſſer.

  • Di, difjung, Gewinn.
  • Ding[ſ]uru, eiferſuͤchtig.
  • Djijokſ, heil.
  • Dobine, porcellainener Keſſel.
  • Doku, Gift.
  • Dooku, vergiften.
  • Domburi, Kumme.
  • Domenſe, feiner Reiß zu Sup-
    pen.
  • Donna, dumm.
  • Dons, Damaſt.
  • Don teng, nebliges Wetter.
  • Dote, Wall.
  • Dſi, tji, dji, Erde, Erdkugel.
  • Djſin, Erdbeben.
  • Dſima, Inſel.
  • Dutſai, Landes verwieſen.
  • Dutſo, Kopfſchmerzen.
  • F.
  • Fa, Blatt.
  • Tori no fa, Feder.
  • Toobu fanne, Fluͤgel.
  • Fa, ha, Zahn.
  • Fagis, hano itami, Zahnweh.
  • Hanigaki, Zahnpulver.
  • Fagune hagane, Stahl.
  • Fagiru, aufkochen.
  • Faguru, haguru, nackt.
  • Faguru, abſtreifen, ſchinden.
  • Fageta, abgenutzt.
  • Faifuki, Spuckbecken.
  • Faijo, faijaki, geſchwind.
  • Faijaku, Fortgang.
  • Faiſuru, anbethen.
  • Faiſura mono, Anbether.
  • Fajai, hajai, hajakv, ſajakv,
    ſchuͤtzen.
  • Faka, haha, Meſſer.
  • Orifaka, Taſchenmeſſer.
  • Fiſaſi, Sonnenſchirm.
  • Fakaro, Krieg.
  • Fako, hako, hago, Lade,
    Kaſten.

[219]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Sokomots hako, Eßkoffer.
  • Fakka, f’ka, Begraͤbnißplatz.
  • Fakko, fuſſigo, Treppe.
  • Fam, bunt.
  • Fandai, Tiſch.
  • Fanku, druͤcken.
  • Fang, hang, Pettſchaft, Sie-
    gel.
  • Fanna, hanna, Blume.
  • Fanna ſako, bluͤhen.
  • Fanna iki, fanna tſuba, Blu-
    mentopf.
  • Hanna no mis, Roſenwaſſer.
  • Hannab hataki, Blumengar-
    ten.
  • Fannajomi, Braut.
  • Fannamoko, Braͤutigam.
  • Fanna, Ecke.
  • Fanna, fana, hanna, Naſe.
  • Fanna noſu, Nasloͤcher.
  • Fanna toru, die Naſe ſchneu-
    zen.
  • Fannagami, fannaganni,
    Schnupftuch.
  • Fanna tabako, Schnupftobak
    nehmen.
  • Fanna tabako ire, Schnupf-
    tobaksdoſe.
  • Fanna meganni, Brillen.
  • Fanuru, hinten ausſchlagen.
  • Fara obi, Nahelſchnur.
  • Farawatta, Eingeweide.
  • Farai, farau, bezahlen.
  • Fara, faradate, faratats, fari-
    ka, warri, warika, waru-
    ka, farakaki, warikakuſe,
    kuſe no warika, iſinowari,

    boͤſe, arg, ſchlecht, ſchlimm,
    zuwider.
  • Farikakatſuru, warukatatſu-
    ru,
    boͤſe, zornig werden.
  • Fandatſuru, boͤſe ſeyn.
  • Warukakotoſuru, Boͤſes
    thun.

  • Mone no warika, ekeln.
  • Faratate ſoſuru, zu Leide thun,
    aͤrgern.
  • Warika koto ju, Boͤſes von
    jemand reden.
  • Warri fiure, ſchlimmes Wetter.
  • Nako no warka, ſchlechter
    Freund.
  • Fari, bari, Nadel, Naͤhnadel.
  • Fiſifari, tomebari, tenefari,
    Stecknadel.
  • Fari ſaß, Nadelkiſſen.
  • Fari ire, Nadelbuͤchſe.
  • Fari no mimiſo, Nadeloͤhr.
  • Faruru, ſchwellen.
  • Farami, ſchwanger.
  • Faru, fallu, kleiſtern.
  • Fake, Pinſel zum Kleiſtern.
  • Simegi faſamii, leimen.
  • Faſa, kaſa, Mutter.
  • Faſjime, Anfang.
  • Faſogami, großes Papier zu
    den Geſchenken.
  • Faſſami, faſſaim, Schere.
  • Faſſami kiru, mit der Schere
    ſchneiden.
  • Faſſigo, Leiter.
  • Fakko faſſigo, Treppe.
  • Faſi, haſi, foſi, Scham.
  • Faſſiru, ſich ſchaͤmen.
  • Fatſkaſſiku, hasjaſſu, ſcham-
    haft, bloͤde.
  • Faſſimuru, rathen, ermahnen.
  • Faſſura, Pfahl.
  • Fataki, Acker.
  • Fato, Taube.
  • Je fato, zahme Taube.
  • Jamma fato, wilde Taube.
  • Fato, Verboth.
  • Fato ſuru, verbiethen.
  • Fats miets, Honig.
  • Fatsnar mono, milde.
  • Fattaoru, weben.
  • Fau, kriechen.

[220]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Febaſi, Zange, Feuerzange.
  • Feko, momoſiki, Unterhoſen.
  • Fakami, hakami, Hoſen.
  • Fento, fenli, Antwort.
  • Fento ſuru, antworten.
  • Fi, Sonne.
  • Fi no agaru, fi no de, die
    Sonne geht auf.
  • Fi no iri, die Sonne geht un-
    ter.
  • Fiſaſi, Sonnenſchirm.
  • Fitoke, Sonnenzeiger.
  • Fi, finoko, Feuer.
  • Fibatſi, großes Feuerbecken.
  • Finawa, Lunte.
  • Fitobuſu, fitomuſu, anzuͤnden.
  • Fitomoſi, fitoboſi, Lampe.
  • Koſokf miſits kuru, ein Licht
    anzuͤnden.
  • Fiakkuje, Gehirn.
  • Fias, Schimpf.
  • Fidda, Falte, Biegung.
  • Figaſi, Oſten.
  • Fige, Bart.
  • Kuſira no fige, Fiſchbein.
  • Figeſuri, hoͤlzerne Oberſchuhe.
  • Figi, partheyiſch.
  • Fii, Magen.
  • Fiko, ſalben.
  • Fiko, ziehen, ſpinnen, bog-
    ſiren.
  • Nomen fiko, Baumwolle
    ſpinnen.
  • Fiko fune, Bogſirboot.
  • Tſimba fiko, hinken.
  • Fiki duſſi, kleine Lade, Schreib-
    kaſten.
  • Fiku, reißen, abreißen.
  • Fikiaguru, in die Hoͤhe win-
    den.
  • Fikiſako, brechen.
  • Fiki kuri kaajaß maku, fiki-
    kurukajuſſu,
    wenden, keh-
    ren, umkehren.

  • Fikui, niedrig.
  • Fimma, Luſt.
  • Fimmo, Knoten.
  • Fimoſe, Hunger.
  • Fing, arm.
  • Finong, Bettler.
  • Fio, Koffer.
  • Fiogu, Pergament.
  • Fioko, Kuͤchlein.
  • Fioko no komuru, Junge
    ausbruͤten.
  • Ito fioma, Segelgarn, Bind-
    faden.
  • Fira, firattai, Platte, Flaͤche.
  • Firataka, eben, ſchlicht.
  • Firoſa, firoi, firoke, breit,
    Breite.
  • Habanna firoka, weit, geraͤu-
    mig.
  • Finoi, finoſi, Platteiſen.
  • Fino fiſuru, Zeug plaͤtten.
  • Firakuru, berſten, zerſpringen.
  • Fionaſſi, fionako mono, fau-
    ler Schlingel.
  • Fire, johofiri, Floßfeder.
  • Firio, Drache.
  • Firombo, fiombo, korombo,
    Sklave.
  • Firoſuru, anſchreiben.
  • Firu, trocken.
  • Suwo no firu, Ebbe.
  • Fiſa, fiſa no ſarra, Knie.
  • Fiſa tatſuru, knien.
  • Fiſaguru, zermalmen, zer-
    quetſchen.
  • Fiſi fari, Nadel.
  • Fiſa, fißja, Schreiber, Nota-
    rius, Secretair.
  • Fiſia ſu, nachzaͤhlen.
  • Fito no to kuru, hinein gehen.
  • Jukki fito, guter Mann.
  • Tonari fito, Nachbar.
  • Naguſami fito, es verdrießt
    mich.

[221]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Fuſaiwai no fito, ungluͤcklich.
  • Sukugin ota fito, Schuldner,
    ſchuldig.
  • Kimono fitoka, muthig.
  • Me no fitome, Augapfel.
  • Fito firo, Klafter.
  • Fit ſoki, Mordbrenner.
  • Fituſi, fitſuſi, tſitſuſe, Schaf.
  • Fitſuſinoki, Lamm.
  • Otoko fitojuſi, Schafbock.
  • Fiuri, Wetter.
  • Jui fiuri, gutes Wetter.
  • Jukka fiuri, ſchoͤnes Wetter.
  • Warri fiuri, ſchlimmes Wetter.
  • Kitſi fiuri, Sturmwetter.
  • Ame no fiuro, es regnet.
  • Juki no fiuro, es ſchneyet.
  • Fiwa, frey.
  • Fjakſo, Bauer, Ackermann.
  • Fjutji, Zunder.
  • Fjutji bako, Zunderbuͤchſe.
  • Fo, Wange, Backen.
  • Fogeta, hogeta, Ohrfeige.
  • Fobari, hobarri, Regiſter.
  • Fodatſuru, durch einen Ver-
    ſchlag von Bretern abſon-
    dern.
  • Fodokoſſu, Almoſen.
  • Foi juru, ſchelten.
  • Soju, Scheltwort.
  • Foki, fuſi, Beſen, Quaſt.
  • Fomeru, ruͤhmen.
  • Fone, Bein.
  • Fono, Flamme.
  • Fono no tſuga, Sehne.
  • Fong, fung, fuſo, Dreck,
    Koth.
  • Kuſera no fung, Ambra, Am-
    bergries; buchſtaͤblich: Wall-
    fiſchkoth.
  • Fori, folu, Graben.
  • Foriu, graben.
  • Foka, Waſſergraben.
  • Foſi, Stern.

  • Foſſimi, Sternſeher, Aſtro-
    nom.
  • Foſi, Grenzſtein.
  • Foſſo, feſo, Nabel.
  • Foſo, Kinderpocken.
  • Foſſi, Buͤrgermeiſter.
  • Fotjo, Tiſchmeſſer.
  • Fta, Schloß an der Thuͤr und
    dergleichen.
  • Ftong, Decke, Bettdecke.
  • Ftoobai, Freund.
  • Fuda, Feder, Pinſel.
  • Fuiking, Schuͤſſeltuch.
  • Fuju, Winter.
  • Fukai, tief.
  • Fukf, fiohf, blaſen, wehen,
    anblaſen.
  • Fukoſe, Wind.
  • Fukoſe no fukf, der Wind
    macht ſich auf.
  • Fukokeß, ausblaſen.
  • Fujigo, Blasbalg.
  • Tjammera fuki, Trompete.
  • Fukitſiraſſu, wegfliegen.
  • Fukuro, fugure, Sack, Beu-
    tel.
  • Itamma fugure, Hodenſack.
  • Kameſukuro, Geldbeutel.
  • Fundo, Gewicht.
  • Funo, f’ne, Schiff.
  • Kara f’ne, lediges Schiff.
  • Funin jou, ſeekrank.
  • Funſon, Herberge, Wirths-
    haus.
  • Fureru, geben, uͤbergeben.
  • Furo, Kuͤben.
  • Furoganni, Eiſen.
  • Furou, fururu, zittern, beben.
  • Furuje, furuke, alt.
  • Furu, baden.
  • Furu, ſuru, laͤuten.
  • Surigannu, Glocke.
  • Furu, ſichten.
  • Fus, Glied.

[222]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Fuſaiwai, Ungluͤck.
  • Fuſai wai no fito, ungluͤcklich.
  • Fuſe, Lappen.
  • Fuſi ſuru, flicken.
  • Fuſe, Lied.
  • Uta no fuſi, ein Lied ſingen.
  • Fuſina, Begebenheit, Ge-
    ſchichte.
  • Fuſiuna, unbequem.
  • Fuſka, Wille.
  • Fuſoko, zu kurz kommen.
  • Futago, Zwillinge.
  • G.
  • Gajo, Majeſtaͤt.
  • Galeng, Vernunft, Verſtand.
  • Ganne, Krebs.
  • Gaſkoi, behende.
  • Gataiſen, unverheirathet.
  • Gatting ſuru, nicken.
  • Ge, ke, Ausſicht.
  • Jui ke, ſchoͤne Ausſicht.
  • Getta, hoͤlzerner Schuh.
  • Waka gimi, Prinz.
  • Waka gimi gatta, Prinzeſſin.
  • Gogo, Tochter.
  • Te no goi, Handtuch, Schnupf-
    tuch.
  • Goko, Strahl.
  • Sitſugets no goko, Sonnen-
    ſtrahl.
  • Gokurako, Aufenthalt der Se-
    ligen.
  • Gonokubo, Nacken.
  • Goſo, junger Kamerad.
  • Goſogumma, Karren.
  • Gotai, Leichnam.
  • Guaijakv, Pille.
  • Guanſits, Neujahrstag.
  • Gunſjo, blaue Staͤrke.
  • Guwa, Ochſengalle.
  • H.
  • Habanna firoka, weit, geraͤu-
    mig.

  • Hai, fai, ſinohai, Aſche.
  • Fegura ſum, Kienruß.
  • Hai, Fliege.
  • Hainoſo, Lunge.
  • Hakari, kleine Wage.
  • Hanaſſi, Geſchichte, Begeben-
    heit.
  • Ikſauno hannaſſibo, Geſchicht-
    buch von Heldenthaten.
  • Hakaru, kakaru, waͤgen.
  • Hanna koto, dauerhaft.
  • Harafoß, nuͤchtern.
  • Hari ſaimoko, Balken.
  • Haſſii, ſchlecht, elend.
  • Haſſika, Meſſing.
  • Haſſiru, ſegeln.
  • Hato, fato, Flagge.
  • Hatoſav, fatoſawo, Flaggen-
    ſtange.
  • Hawari, Mantel.
  • Hebi, Schlange.
  • Hei, Planke.
  • Hibiki, Laut, Schall.
  • Fibika, Wiederſchall.
  • Hobaſi, Maſtbaum.
  • Honni, honnio koto, dauer-
    haft.
  • Honoo, Bauch.
  • Honu, pflanzen.
  • Hoo, Segel.
  • Houguru, homaku, die Se-
    gel aufziehen.
  • Hogoruſſu, die Segel ſtreichen.
  • Horano hai, Schnecke.
  • Hungokf, Vaterland.
  • I.
  • Moi ibi, Flamme.
  • Ibibikako, ſchnarchen.
  • Ibiganni, Ring, goldner Ring.
  • Idoru, ſitzen (auf Matten, nach
    Japaniſcher Art.)
  • Ië, je, Haus.
  • Ie fato, zahme Taube.
  • Iedoga, Herberge.

[223]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Ienuſi, Hausmiethe.
  • Iens, Vogelneſt.
  • Meganne no ge, Brillenfutte-
    ral.
  • Mano je, kuru mono je,
    Spinnwebe.
  • Omoſiri ifito, zufrieden.
  • Igawa, Brunnen.
  • Ige, Stachel, Dorn.
  • Igoko, bewegen.
  • Ijou, zanken, ſtreiten.
  • Ikari, Anker.
  • Ikakaru, ankern.
  • Ikaru, boͤſe ſeyn.
  • Ike, Teich, Fiſchteich.
  • Ikedor, Anhang.
  • Iki, Athem.
  • Iki tſukv, Athem hohlen.
  • Iki no ſemekv, kurzer Athem.
  • Iktoru, lebendig.
  • Fanna iki, Blumentopf.
  • Ikkin, Elle.
  • Ikubakv, einig.
  • Ikuſa, Krieg.
  • Ikſauno, hanna ſibo, Geſchich-
    te von Kriegsthaten.
  • Inaſuma, inabikanni, Blitz.
  • Inno, itammu, kintamma,
    Hoden.
  • Inotji, leben.
  • Inu, in, Hund.
  • Inu, wild.
  • Ino ſis, wildes Schwein.
  • Iquang, tauſend.
  • Iremono, Doſe, Buͤchſe.
  • Fari ire, Nadelbuͤchſe.
  • Tabako ire, Tobaksdoſe.
  • Hanno tabako ire, Schnupf-
    tobaksdoſe.
  • Irie, Meeresbucht.
  • Irio, noͤthig.
  • Irio, Unkoſten.
  • Ire, Zinſen.
  • Iro, Farbe.

  • Irotſkuru, faͤrben.
  • Iro iro, verſchieden, manche.
  • Iro mono, eitel, kokett.
  • Iru, mit dem Bogen ſchießen.
  • Iru, braten.
  • Iro, ururu, untergehen.
  • Fi no iri, die Sonne geht
    unter.
  • Iſa, Arzt.
  • Iſi, iwa, Stein.
  • Iſnomi, Steinhauer.
  • Kade iſi, Kieſelſtein.
  • Iſi no wari, ſchlimm, boͤſe.
  • Iſſu, ſich raͤchen.
  • Iſjudbi, Gehaͤng.
  • Iſo, ewig.
  • Iſo, Strand.
  • Iſo ſuru, verkleiden, maskiren.
  • Iſſibia, Kanone.
  • Ogi iſu, Nachtigall.
  • Iſumi, Bad.
  • Ita, gehen, wandern.
  • Ita, Planke, Bret.
  • Itadakka, Gehirn.
  • Itamu, verderben.
  • Itami, Krankheit, Schmerz.
  • Itami mono, krank.
  • Itamoſe, ſchmerzhaft.
  • Amar itame, ſehr ſchmerzhaft.
  • Itama, Kopfweh.
  • Memi no itami, Ohrenſchmerz.
  • Itas, verrichtet, ausgerichtet.
  • Itaſuro, traͤg.
  • Itjimai, Bogen Papier.
  • Itjiri, Meile.
  • Ito, Garn, Zwirn, Faden,
    Schnur, Saite.
  • Ito fioma, Bindfaden.
  • Samſi no ito, Violinſaite.
  • Itoma, Abſchied.
  • Itomagoi, verabſchieden, ab-
    ſetzen.
  • Itſigo, Erdbeere.
  • Iwan, froh, luſtig.

[224]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Iwo, Fiſch.
  • Iwo tſuru, fiſchen.
  • Agi iwo, gebratner Fiſch.
  • Iwo, Schwefel.
  • J.
  • Ja, Pfeil.
  • Jatſuſu, Koͤcher.
  • Jaburu, jako, brechen.
  • Jagamu, ſchief.
  • Jagi, Bock.
  • Uke jai nikui, ſein Beſtes thun.
  • Jakima no ninjo, porcellane-
    ne Figuren.
  • Jakohaba, Breite.
  • Jakſaku, verſprechen.
  • Jakſokſta, Verſprechen.
  • Jako, dienen, verdienen.
  • Jakunin, Amt, Bedienung.
  • Jakurio, Lohn, Beſoldung.
  • Jakv, brennen, backen, braten.
  • Pan jakv, Brot backen.
  • Skui jakv, Kalk brennen.
  • Kwaſſi, Brand, Backwerk.
  • Jakwang, Keſſel.
  • Tetja kwang, kupferner Keſſel.
  • Jamai mono, krank.
  • Uffuri jamai, anſteckende
    Krantheit.
  • Jamaru, abrathen.
  • Jamma, Berg.
  • Jamma futo, wilde Taube.
  • Jammome, Wittwe.
  • Otokogammome, Wittwer.
  • Janne, Dach.
  • Jarite, Dienſtmagd.
  • Jarri, Pike.
  • Jaru, geben.
  • Jaſſinau, vermehren.
  • Jaſſita, mager.
  • Jaſſu, mager werden.
  • Jaſſume, Ruhe.
  • Jaſſumu, jaſſu de oru, ruhen,
    ausruhen.

  • Jaſſuru, Nagel (am Finger
    u. d. gl.)
  • Jaſuri, Feile.
  • Jaſuriſuru, jaſuri kakuru,
    feilen.
  • Jautſiri ſuru, ſich anders wohin
    begeben, wegziehen u. d. gl.
  • Jawara kana, ſanftmuͤthig.
  • Je, Bild, Gemaͤhlde, Portrait.
  • Jeſu, zeichnen, mahlen.
  • Jeſuru, jedoru, abmahlen.
  • Jekako, Portrait-Mahler.
  • Je, i, Baͤr.
  • Jeda, Zweig.
  • Jeikf, ſich betrunken ſtellen.
  • Jeikfſari, betrunken ſeyn,
    Trunkenbold.
  • Jenotſuki, gluͤcklich.
  • Jenſo, Schießpulver.
  • Jenſoja, Pulvermagazin.
  • Jeta, heilen, curiren.
  • Jetſki, itſ kuru, befehlen.
  • Jing, Spion.
  • Jino, Großvater.
  • Jitſofo, Schwiegervater.
  • Jitſubo, Anofaſa, Schwieger-
    mutter.
  • Jutjuſi, Schwiegerſohn.
  • Jo, ſjo, juka, Stuͤck Vieh.
  • Jobu, rufen.
  • Jogeru, weinen.
  • Jogore, ſchmutzig.
  • Jogara, beſchmutzen.
  • Jois, lebhaft, hurtig, witzig.
  • Jojajoru, langſam.
  • Jokabara, Ribbe.
  • Jokofiri, Floßfeder.
  • Jokita, jo oidena naſerrima-
    ſta,
    willkommen.
  • Jome, ſjome, Reitpferd.
  • Jomego, Ehefrau.
  • Jomu, leſen.
  • Jonaka, es taugt nicht.
  • Jongo, ſchief.

Joniro.
[225]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Joniro, Secretair.
  • Jooſi, jaſſinaiko, angenomme-
    ner Sohn.
  • Jooſuru, beſſern.
  • Joiſo, Beſſerung.
  • Jori, ſori, ſorri, Schermeſſer.
  • Soru, joru, ſcheren, barbiren.
  • Joriſi, Buͤrgermeiſter.
  • Jorjuhf, fito no to kuru jukv,
    hinein gehen.
  • Joroſi, juſo, Hure.
  • Joruſſia, Hurenhaus.
  • Jos, Rohr, Schilf.
  • Joſari, joru, Nacht.
  • Jobang, jabang, Nachtwache.
  • Jodoſſi, uͤbernachten.
  • Joſi, ſeine Nothdurft verrich-
    ten, (wird auch von Thie-
    ren gebraucht).
  • Joſi, ſich waſchen.
  • Joſi, Waſchgefaͤß.
  • Joſuru, zuſammen fuͤgen.
  • Jotſaſſi, vierfuͤßig.
  • Funin jou, ſeekrank.
  • Jowai, jowaka, ſchwach.
  • Ju, ſagen, ſprechen.
  • Mono ju, jemand anreden.
  • Juaki, ju no aki, es wird Tag.
  • Jubi, Finger.
  • Jui, jukka, joka, gut, ſchoͤn.
  • Jukka, es iſt gut.
  • Jui fiuri, juſuka fiuri, jui
    teng,
    gutes, ſchoͤnes Wetter.
  • Jui ke, ſchoͤne Ausſicht.
  • Juku fito, guter Mann.
  • Naka no joka, naka joſi, gu-
    ter Freund.
  • Kami jui, Barbier und Friſeur.
  • Juka, Fußboden.
  • Juki, Schnee.
  • Juki no fiuru, ſchneyen.
  • Jukſuri, reich.
  • Jume, jumemiru, Traum.
  • Jumi, Bogen (zum Schießen).

  • Jumi, Trauer.
  • Nai jura, Laͤhmung.
  • Notji jura, gebrauchen.
  • Jurei, Geſpenſt.
  • Sukama juro, Anhang.
  • Juroſikku, angenehm.
  • Jurujojakv, Salbe.
  • Juru, jorijai, verſammeln.
  • Kaſu juru, erzaͤhlen.
  • Juruſi, erlauben.
  • Jurus, erlaubt.
  • Jiuruſſe, Erlaubniß, Verge-
    bung.
  • Juſſugu, ſpuͤhlen.
  • K.
  • Ka, Muͤcke.
  • Ka, Weitzen.
  • Mugi no ka, mugiko, Wei-
    tzenmehl.
  • Kabe, Mauer.
  • Kabi, Schimmel.
  • Kabi ſuru, ſchimmeln.
  • Kabiru, faulen, verrotten.
  • Kabuto, kabito, furi no ka-
    bito,
    Hahnenkamm, Feder-
    buſch.
  • Kadſura, rankendes Gewaͤchs.
  • Kagi, Schluͤſſel.
  • Kagi anu, Schluͤſſelloch.
  • Kagi, Schatten.
  • Kagi, Schnupftobak.
  • Kagu, Schnupftobak nehmen.
  • Kagume, Meewe.
  • Kai, Muſchel.
  • Horano kai, Schnecke.
  • Kainotamma, Perle.
  • Kaika, jucken.
  • Kaiki, Art ſeidenes Zeug.
  • Kairu, weggehen.
  • Kaja, katje, Bettumhang.
  • Taka, Bettſtelle.
  • Kajeru, kajuru, umwenden,
    tauſchen.

Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. P
[226]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Kajeſſu, caſſiren.
  • Kajir, Abſcheu.
  • Kajoſſu, zuruͤck geben.
  • Kajujuru, kaſujura, herrech-
    nen, herzaͤhlen, erzaͤhlen.
  • Kakaru, beruͤhren.
  • Kakaru, feſt haken.
  • Kakkiganne, Haken.
  • Kake, Gicht.
  • Kake ſura, wetten.
  • Kakifi, Waſſerleitung.
  • Kakſu, verſtecken.
  • Kakuru, ankleben.
  • Jaſuri kakuru, feilen.
  • Kakuru, welken, verwelken.
  • Kakv, ſchreiben.
  • Kakv, Horn.
  • Kakwa, Safran.
  • Kaman, ruͤhren.
  • Kambang, Aushaͤngeſchild,
    Marktſchild, Markt oͤffent-
    licher Verkauf, Auction.
  • Kame, Schildkroͤte.
  • Bekko game, Caret-Schild-
    kroͤte.
  • Kami, Gott.
  • Kami, Haar.
  • Kami jui, Barbier, Friſeur.
  • Kami, Schermeſſer.
  • Katſura, Peruk.
  • Kami, gami, Papier, Schreib-
    papier.
  • Mino kami, miſo gami, miſo
    katjigami,
    Fenſterpapier.
  • Kara kami, gemahltes Tape-
    tenpapier.
  • Kinkara kami, dergleichen ver-
    goldetes.
  • Faſogami, großes Papier zu
    den Geſchenken.
  • Fannagami, Papier zu
    Schnupftuͤchern.
  • Kaminari, Donner.
  • Kamku ſuru, leicht machen.

  • Kammadu, Kuͤche.
  • Kammaboku, Frikadellen.
  • Jawaro kana, ſanftmuͤthig.
  • Kanago, Beſchlag.
  • Kane, kame, Geld.
  • Kane fukuro, Geldbeutel.
  • Kang, kalt.
  • Kaſa fuko, fukaſi, kalt ma-
    chen, erkaͤlten.
  • Kano ſis, Hirſch.
  • Kanſ ju, rechnen.
  • Kanſjo aju, abrechnen.
  • Kanſo, Lackritzwurzel.
  • Kapto, Harniſch.
  • Kara f’ne, lediges Schiff.
  • Karaganne, Metall.
  • Kara kami, Tapetenpapier.
  • Mis no karakuri, Quell-
    waſſer.
  • Karas, Senf.
  • Karaſu, Kraͤhe.
  • Kataſſe no karaſſu, undankbar.
  • Kari, jagen.
  • Tamago no karra, Eyerſchale.
  • Kawara, trocken
  • Karruru, trocknen, vertrock-
    nen.
  • Karu, leihen.
  • Karidaſſu, ausleihen.
  • Karta, Karte.
  • Karta utſu, Karten ſpielen.
  • Kaſa, Hut.
  • Kaſannu, kaſannoru, verdop-
    peln.
  • Kaſannaru, doppelt.
  • Kaſe, Wind.
  • Mokao kaſe, widriger Wind.
  • Kaſia, Schmied.
  • Kanaſiki, Schmiede.
  • Kanaſutji, Hammer.
  • Kaſira, kuſera, Wallfiſch.
  • Kaſira no fige, Fiſchbein.
  • Abra no kawa, kaſira no ka-
    wa,
    Wallfiſchſpeck, Thran.

[227]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Kuſera no fung, Ambra, ſ.
    fung.
  • Kaſſa, Ausſchlag, Kraͤtze.
  • Kaſſei, Huͤlfe.
  • Kaſſe ſuru, helfen.
  • Kata, katſu, gewinnen.
  • Kata, Schulter.
  • Katabon, Schulterblatt.
  • Katagoſakv, Pflaſter.
  • Kata ki, Feind.
  • Katamuru, ziehen.
  • Katanna, langer Saͤbel.
  • Kataſkenai, Dank.
  • Kataſike no goſarimaſu, dan-
    ken.
  • Karaſſu, undankbar.
  • Katats, Figur.
  • Katſu, uͤberwinden.
  • Katſujetoſi, Hungersnoth.
  • Kawa, Fluß.
  • Kawa, Haut.
  • Ki no kawa, Seil, Strick.
  • Kawarra, Dachpfanne.
  • Kawaru, abloͤſen (die Wache).
  • Kawatta, artig.
  • Kawatu, veraͤndern.
  • Kawonſo, Otter.
  • Kawu, kao, koto, kaufen.
  • Akibito, Kaufmann.
  • Aki waru, Handel treiben.
  • Kedamono, okami, Waare.
  • Kedamono, Thier.
  • Kega, Wunde.
  • Kekwairo, Wundarzt.
  • Kekejoroo, Burg.
  • Kemono, Zahn.
  • Kemono, Wolle.
  • Kemori, raͤuchern.
  • Kemura fura, raͤuchern (Fleiſch
    u. d. gl.).
  • Kemota, geraͤuchert.
  • Kemuru, Kienruß.
  • Ken, Degen.
  • Ken no ki, Bartzange.

  • Kerai, Diener, Bedienter.
  • Fuko keß, blaſen, wehen.
  • Koſe no fuko, der Wind wehet.
  • Keſeja, Bordel.
  • Keſuru, ſchaben, abſchaben.
  • Ketſu maſoko, ſtraucheln, ſtol-
    pern.
  • Ketta, Kapitel, Abſchnitt,
    Conto.
  • Ki, Zange.
  • Kugi no ki, Kneipzange.
  • Ki no kawa, Reif, Seil.
  • Ki, gi, treten.
  • Te ne ki, Handſchuh.
  • Kiaſſu, loͤſchen, ausloͤſchen.
  • Kibis, Ferſe
  • Kieku, lernen.
  • Kekv, Lehrling, Schuͤler.
  • Kiking, Hungersnoth.
  • Kikkona, ſchoͤn.
  • Kikv, hoͤren.
  • Kimeona, Wunder.
  • Kiſutſakuru, ſich verwundern.
  • Kimmo, Leber.
  • Kimono, Kleidung.
  • Kimono tjakv ſuru, ſich an-
    kleiden.
  • Kimono kiru, Kleidung an-
    haben.
  • Kimono fitika, herzhaft.
  • Kimuſme, komuſme, Jungfer,
    Maͤdchen.
  • Kin, Gold.
  • Kinſing, goldne Muͤnze.
  • Kin kinfuru, vergolden.
  • Kinfako, Vergoldung.
  • Kinkarakami, vergoldetes Ta-
    petenpapier.
  • So king, Tuch.
  • Fui king, Schuͤſſeltuch.
  • Kingo, lebe wohl.
  • Kinkiri uſi, Ochs.
  • Kinno, Seide.
  • Kinno, geſtern.

P 2
[228]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Kinnodoko, betruͤbt.
  • Kinnu kwudas, das Rauhe,
    Zottige am Zeuge, Schabſel.
  • Kiodai, Bruder.
  • Kire, Lappen.
  • Kiru, kuru, hauen, ſchneiden,
    zerſchneiden.
  • Taſami kuru, mit der Schere
    ſchneiden.
  • Kubi kiru, den Kopf ab-
    hauen.
  • Kiru, hinten ausſchlagen.
  • Fito no to kiru jukv, hinein
    gehen.
  • Kireina, rein.
  • Kiſane, unrein.
  • Kiſannai, haͤßlich, garſtig.
  • Kiſeru, Pfeife, Tobakspfeife.
  • Kiſi, Faſan.
  • Kisju, confiſciren.
  • Kitjijai, kitſijai, unklug, ra-
    ſend.
  • Kitſi fiuri, Sturmwetter.
  • Kitſka, ſtark.
  • Kitſka, Muͤhe.
  • Kitane, Fuchs.
  • Kitta, Norden, Nord-Wind.
  • Kiwatta, Baumwolle.
  • Kjets, tji, dſi, Blut, guͤldne
    Ader.
  • Kjojomi komai, komaina,
    komokanna,
    Gabel.
  • Ko, komaka, klein, ſein.
  • Kogiru, abkuͤrzen.
  • Ko us, us no ko, Kalb.
  • Fio ko, Kuͤchlein.
  • Fitſunino ki, Lamm.
  • Ne ko, junge Katze.
  • Ko, Pulver.
  • Kodomo, Kind.
  • Koaka, kowai, kowarka, hart.
  • Kodo iſi, Kieſelſtein.
  • Koboſſu, koboruru, ſtuͤrzen.
  • Kogatanna, Federmeſſer.

  • Koguſuru, frieren.
  • Koori, Eis.
  • Koja, kooja, kago, Neſt,
    Krug, gemeines Wirths-
    haus.
  • Koje, Miſt, Dung.
  • Kojekari, kui no kari, kaka-
    ru,
    heiſer.
  • Kojuru, kojeru, fett.
  • Kojeſte oru, es iſt fett.
  • Tokura, Speck.
  • Koki, Moos.
  • Kokf, Land.
  • Koks ſi, Ober-Landesbefehls-
    haber.
  • Omini koki maſſi, das will
    ich zeigen.
  • Kokorubiru, berſten, ſpringen.
  • Kokſing, Stadtthor.
  • Kokſing banſjo, Wachhaus
    am Thore.
  • Kokurru, Herz.
  • Kokuru, probiren.
  • Kome, Reiß.
  • Skigome, gedroſchner Reiß.
  • Matjigome, weißer Reiß.
  • Tſuſi komo, laden (ein Schiff
    u. d. gl).
  • Komuggi, Weitzen.
  • Fioko no komuru, Eyer aus-
    bruͤten.
  • Koniſumi, Maus.
  • Konogano, ein ſolcher.
  • Konogotoko, begreifen.
  • Kono kuſa, bekanntes Kraut.
  • Konogoru, anweſend.
  • Konomu, wollen.
  • Konomu, Luſt.
  • Konoman, nicht Luſt habend.
  • Konoſeru, Hering.
  • Konotoi, Storch.
  • Konrei, Heirath.
  • Konreſuru, heirathen.
  • Konreiſi, Hochzeittag.

[229]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Kooke, Schuͤſſel.
  • Kooruſſu, ſaͤugen.
  • Kori ſatto, Zucker, Candis,
    zucker.
  • Koroſſu, toͤdten, todt ſchlagen.
  • Toto koruſſu, morden.
  • Koſaku, katagaſako, Pflaſter.
  • Koſi, Motte.
  • Koſki, Bettler.
  • Koſſu, ausbreiten.
  • Koſſuto, koſjuto, Schwager.
  • Ko ſoſi, Unter Dolmetſcher.
  • Kotjo, Pfeffer.
  • Kotoba, gotoba, Wort, Rede.
  • Kotai, Antwort.
  • Kotai ſuru, antworten.
  • Tattoſe kotoba, Sprichwort.
  • Kotobe atſume, Unterredung.
  • Warika kotoju, Boͤſes reden.
  • Kotſkai, Bote.
  • Koto, Sache.
  • Damas koto, Betruͤgerey.
  • Hanna koto, dauerhaft.
  • Kowake, Bernſtein.
  • Kubi, Kopf.
  • Kubi kiru, koͤpfen.
  • Konokubo, Nacken.
  • Kubiru awaſuru, zuſammen
    binden.
  • Kubiru, Buͤndniß.
  • Kubujo, Orgelpfeife.
  • Kudamono, Wette.
  • Kudari, reiſen.
  • Kudaſſu, Purgir-Mittel.
  • Kudaſſu ſuru, purgiren.
  • Kugi no ki, Kneipzange.
  • Kuimono, kusmos, ſukomots,
    Speiſe, Koſt.
  • Sokomots kakv, Eßkoffer.
  • Kuiſakf, ſcharf ſeyn, ſchnei-
    den.
  • Kujamo, betruͤbt.
  • Kukuri, Kiſſen.
  • Kuma, Hengſt.

  • Kun[g]i kiri, Nagel, Nagel-
    bohrer.
  • Kuni, kuno, kiruni, Land,
    Reich.
  • Kura, kurura, Magazin,
    Packhaus.
  • Bugu kura, Zeughaus.
  • Kuru, kommen.
  • Kuruma, guruma, Rad, Wa-
    gen, Karren, Muͤhle.
  • Momen kuruma, Spinurad.
  • Kurubakas, Rolle.
  • Fiki kuri ajaſſu, umkehren.
  • Raſok mifits kuru, Licht an-
    zuͤnden.
  • Kuruſa, kuſa, kwuſa, Kraut.
  • Kuſagu, abkratzen.
  • Nogokuſu, Saͤgeſpaͤne.
  • Kuſai, Geſtank.
  • Kuſai, ſtinken.
  • Kuſwa no abra, Thran.
  • Kuſamu, riechen.
  • Kuſame ſuru, erkaͤlten.
  • Kuſe, kuſe no warika, boͤſe.
  • Kuſigi, Wunderwerk.
  • Kuſokf, Pfau.
  • Kuſuguruf, kitzeln.
  • Kuſſuurika, kitzlich.
  • Kuſu, Sieb.
  • Kuts, kwutjb, Mund.
  • Kwutji ſu, ama kutji, Kuß.
  • Kutji baſſi, Schnabel.
  • Kutji mava, Schlange.
  • Kuttona, artig.
  • Kuudas, Diarrhoͤe.
  • Kwanin, Andacht.
  • Kwang, Oehr, Henkel.
  • Kwanoſi, Kaſten, Sarg.
  • Tetja kwang, kupferner Keſſel.
  • Kwiamaſki, beklagen.
  • Kwubi, Hals.
  • Kinnu kwudas, Rauhes, Faͤ-
    ſeriges.
  • Kwumo, Spinne.

[230]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Kwumo no je, Spinnwebe.
  • Kwura, Sattel.
  • Kwura ſukuri, Sattler.
  • Kwuraſu, Zeitvertreib.
  • Kwuſari, Kette.
  • Kwuſſi, Kamm.
  • Kwaſke ſuru, kaͤmmen.
  • Kwuſuri, goſuri, Medica-
    ment.
  • Kwutſu, kuts, Schuh.
  • Kwutſu tſkuſuri, Schuſter.
  • M.
  • Ma watta, ſeidne Watten.
  • Madoſſu, caſſiren.
  • Maguru, krumm.
  • Maku, rollen, wickeln, zu-
    ſammen binden, umkehren.
  • Maku, Rolle.
  • Mani, rund.
  • Mawari, rund umher.
  • Mawaru, umher ſpatzieren.
  • Makido, Schiffswinde.
  • Maki mome, eng, compreß.
  • Maki mome, Binde.
  • Maru, Kreis, Zirkel.
  • Makura, Bettkiſſen.
  • Makie ſuru, lackiren.
  • Makie mono, lackirte Sachen.
  • Makoto, Wahrheit.
  • Makoto naramu, unſicher.
  • Makuru, verlieren, verſpielen.
  • Makuru, dingen, bedingen.
  • Makuts, Herd, Schmiedeeſſe.
  • Mame, Bohne.
  • Manaku, winken.
  • Mangets, Vollmond.
  • Manje tſumu, aufladen, be-
    laden.
  • Mannabu, uͤben.
  • Manriki, Krahn.
  • Mara, maͤnnliches Glied.
  • Omini koki maſſi, ich will
    zeigen.

  • Wataks kuſi utji okuri maſſo,
    ich will jemand aus der Thuͤr
    begleiten.
  • Maſuru, miſchen.
  • Matji, Straße.
  • Matji, ſotomatji, Stadt.
  • Matjijai, Fehler.
  • Matjijai, Unterſchied.
  • Matjijao, ruͤckwaͤrts.
  • Matji gome, weißer Reiß.
  • Matjiukuru, matte, warten,
    verweilen.
  • Matſejari, Harz.
  • Mawaru, mahlen.
  • Me, Auge.
  • Meagi, Augenbraune.
  • Metakaki, Augenblick.
  • Me no tamma, me no fitome,
    Augapfel.
  • Meganni, fanna meganni,
    Brillen.
  • Meganne no je, Brillenfutte-
    ral.
  • Moſi meganne, Microſcop.
  • To meganni, Fernglas.
  • Mekwura, memokf, blind.
  • Mei, all, alle.
  • Mei ſits, alle Tage.
  • Mei bang, alle Naͤchte.
  • Miu mente, Angefuͤhl.
  • Mes, gekochter Reiß.
  • Meſiraſi, artig.
  • Meſſudo, Moͤrder.
  • Metja, Charpie.
  • Metoru, Ehemann.
  • Mi, Schlange.
  • Mi, miko, Fleiſch.
  • Us no miko, Rindfleiſch.
  • Miage, Gabe.
  • Miako, Hof des Kaiſers.
  • Miako, Puls.
  • Miako lollu, nach dem Pulſe
    fuͤhlen.

[231]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Midaſſu, mitaſſu, miſ kedaſ-
    ſu, mikkedaſſu, mioſ ku-
    ru,
    finden, erfahren.
  • Fats miets, Honig.
  • Nogoks mifits kuru, Licht
    anzuͤnden.
  • Migakf, ſcheuern.
  • Migi, rechte Seite.
  • Mikatſuki, Neumond.
  • Mikimi, Streife.
  • Mime, Beſuch.
  • Mime, dunkel.
  • Mimi, Ohr.
  • Mimi no itami, Ohrenſchmerz.
  • Fari no mimi ſo, Nadeloͤhr.
  • Mimotji, ſchwanger.
  • Minamo, Suͤden.
  • Minaſſigo, Waiſe.
  • Minato, Hafen, Bay.
  • Miu mente, Angeſicht.
  • Minoganni, moſokatjiganni,
    Fenſterpapier.
  • Mio, Katze.
  • Mioban, Alaun.
  • Miru, ſehen, nach etwas ſehen.
  • Miru, Geſicht.
  • Miru, aufweiſen.
  • Kokuru miru, probiren.
  • Suſi miru, wahrſagen.
  • Miawaſſuru, beſehen.
  • Midaſſu, ausſehen.
  • Mis, Waſſer.
  • Mis no karakuri, Quellwaſſer.
  • Siwo mis, Seewaſſer.
  • Hanna no mis, Roſenwaſſer.
  • Miſe, Bude, Laden.
  • Miſi maſſu, ich will zeigen.
  • Miſimai, geputzte Dame.
  • Miſiru, kennen.
  • Miſte oiha, bekannt.
  • Miſte urha, bekanntes Kraut.
  • Miskanne, lebhaft.
  • Miſtſuki, mitſuki, Pumpe,
    Spritze.

  • Miſtſuki ſuru, mitſuki ſuko-
    ſuru,
    pumpen, ſpritzen.
  • Mits, Weg.
  • Mitſaki mono, Einkuͤnfte.
  • Mitſkuri, einpacken.
  • Modor, Abſcheu.
  • Modoru, weggehen.
  • Modoſſu, zuruͤck geben.
  • Mogo, Stallknecht.
  • Mogo, pockennarbig.
  • Moi ibi, Flamme.
  • Moiſi, mouſi, Buchſtab.
  • Mojoſſu, mojuru, brennen.
  • Mojo, Fleck.
  • Mokao kaſe, widriger Wind.
  • Dare monai, niemand, keiner.
  • Mome, Maaß.
  • Monoſaſu, Maaßſtab.
  • Makimome, eng, dicht.
  • Momen fikv, Baumwolle
    ſpinnen.
  • Nibaſſi muru, Seide ſpinnen.
  • Momen kuruma, Spinnro-
    cken, Spinnrad.
  • Monsje, Spinnwebe.
  • Momo, Huͤfte.
  • Momo, ſotomomo, Lende.
  • Momo fiko, Unterhoſen.
  • Momu, befreyen.
  • Mone, Bruſt.
  • Mong, Hausthuͤr, Pforte.
  • Mono, Menſch, Perſon, Sa-
    che, Guͤter. (Dies Wort
    wird auch vielfaͤltig mit an-
    dern zuſammen geſetzt, und
    formirt alsdann mancherley
    Subſtantiva und Adjectiva,
    z. E. faiſura mono, Anbe-
    ther; makie mono, lackirte
    Sachen; itami mono, krank,
    u. d. gl.).
  • Mono ju, mooſuru, muſma-
    ſu,
    anreden.
  • Morau, betteln.

[232]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Niſu monoſſu, verfaͤlſchen.
  • Mone no warika, ekeln.
  • Mori, Wald.
  • Moru, leck.
  • Moru, lecken, auslaufen.
  • Moſaguru, klagen.
  • Moſi meganne, Mikroſcop.
  • Mootſi, Peitſche.
  • Motja, eilen.
  • Motji aguru, heben.
  • Motji jura, brauchen.
  • Tori motji wanna, Vogelleim.
  • Mootſu, ziehen.
  • Mootſu, motte, wegfuͤhren,
    wegbringen.
  • Tamago mootſu, Eyer legen.
  • Motameru, verhindern.
  • Motomuru, Krieg fuͤhren.
  • Muggi, mugi, omuggi, Ge-
    treide.
  • Mugiko, mugi no ka, Mehl,
    Weitzenmehl.
  • Muko, ſchaͤlen.
  • Mura, einzelnes Bauerhaus.
  • Muri, zwingen.
  • Muri, Unrecht, Ungerechtig-
    keit.
  • Muru, ſkui muru, tuͤnchen,
    weißen.
  • Muſme, Tochter, Schweſter.
  • N.
  • Na, Nahme.
  • Tſuna no na, Strick.
  • Naats, Fruͤhling.
  • Nabakv, Feld.
  • Naga, Meerbuſen.
  • Nagai, lang.
  • Nagaſan, Laͤnge.
  • Nagakv, ſchaben, ſchrapen.
  • Nagomotji, Koffer.
  • Nagari, Bach.
  • Nagiſa, Kuͤſte.
  • Nagoari, nagadaki, Hochzeit.

  • Nagoſuru, verlangen.
  • Naguſammu, Verdruß.
  • Naguſammu fikv, es verdrießt
    mich.
  • Naguſamu, ermahnen.
  • Nai juru, Gicht.
  • Jaſſi naiko, angenommener
    Sohn.
  • Naimono, Wette.
  • Naka, jemand.
  • Naka joſi, nojoka, guter
    Freund.
  • Naka no warka, ſchlechter
    Freund.
  • Naka no jukka, von gutem
    Herzen.
  • Nakka, warm.
  • Nakv, weinen.
  • Nama, lau.
  • Nama, roh.
  • Namari, Bley.
  • Nami, Strom.
  • Narau, lehren.
  • Makoto narau, unſicher.
  • Narruru, Gewohnheit.
  • Jo oidena naſerimaſſa, will-
    kommen.
  • Naſis, Lackirung mit Vergol-
    dung.
  • Naſo, Raͤthſel.
  • Naſuku, zahm.
  • Nawaſſu, bewahren.
  • Sino nawaſſu, umpacken.
  • Ne, Wurzel.
  • Nebaru, nemaru, ſchleimig.
  • Nebaa, ſeidne Watten.
  • Nibaſſi nuru, Seide ſpinnen.
  • Neburu, lecken, ſaugen.
  • Nedang, Unkoſten.
  • Nedo aſkuru, anbiethen.
  • Nedokuri, Bette.
  • Neiruru, aufwarten.
  • Ne, Maus, Ratze.
  • Neko, Katze.

[233]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Neko, nakv, miauen.
  • Nemutaka, nemutakai,
    ſchlaͤfrig.
  • Nerau, treffen.
  • Nerawa, Thal.
  • Neriakv, Salbe.
  • Neſi, Schraube.
  • Neſiru, drechſeln.
  • Neſuku ſuru, einpacken.
  • Neſumi, kneipen.
  • Nets, Fieber.
  • Nettami, Neid.
  • Nettarami, netamo, neidiſch.
  • Niakv ſuru, beladen.
  • Niakv tſumu, in ein Schiff
    laden.
  • Niaſſu, kochen.
  • Nigir, ſtoͤrrig.
  • Nigiri, habſuͤchtig.
  • Nigai, nigaka, bitter.
  • Nigoſerru, lebe wohl.
  • Nikai, Boden im Hauſe.
  • Nikaai, Wohnung.
  • Nikke, Kaneel.
  • Uke ja nikui, ſein Beſtes
    thun.
  • Nikuſuk, Muskatnuß.
  • Nikwuni, Strafe.
  • Nikwumu, ſtrafen.
  • Nima, nimba, Packpferd.
  • Nimakv, weiter langer Rock
    der Japaner.
  • Ningjo, Bild, Puppe.
  • Jakima no ningjo, porzellane-
    ne Figur.
  • Nin jiri, nituru, zu Vett ge-
    hen, ſich ſchlafen legen.
  • Niobo, Frau.
  • Nioi, niowi. Geruch.
  • Nis, Weſten, Weſt-Wind.
  • Niſi, nite, falſch.
  • Niſamonuſſu, verfaͤlſchen.
  • Niſi, Regenbogen.
  • Niubai, Regenzeit.

  • Niskaka, kurz.
  • Niſumi, Maus.
  • Niſuru, nachahmen.
  • Nitji, Sonne.
  • Niwataſſu, abgeben, liefern.
  • No, ne, ein Verbindungs-
    wort, das meiſtens Subſtan-
    tiva mit einander verbindet,
    z. E. kwuna no je, Spinn-
    webe; Me no tamma, Aug-
    apfel; — auch wohl Verba
    mit Subſtantiven, z. E.
    Otai no fuſe, ein Lied ſin-
    gen; Ame no fiuru, es reg-
    net.
  • No, noi, naͤhen, ſticken.
  • Noats, Sommer.
  • Nobori, hin-, hinauf reiſen.
  • Nodonokawaku, Durſt.
  • Nodor, Hals.
  • Nogai, zahm machen.
  • Nogou, abwiſchen.
  • Nogu, wegnehmen.
  • Nogori, Reſt.
  • Noguru, klettern.
  • Noko, Saͤge.
  • Nogokuſu, Saͤgſpaͤne.
  • Nokuriganni, Aufgeld.
  • Nomi, Floh.
  • Nomu, trinken.
  • Nomikomu, ſchlucken, nieder-
    ſchlucken.
  • Nomimono, Trank.
  • Nomojui, betrunken ſeyn.
  • Tabako nomu, Tobak rauchen.
  • Nommi, Hackmeſſer.
  • Nori, Brey, Kleiſter, Staͤrke.
  • Nori, Plaͤtteiſen.
  • Noro, Schlamm, Moder.
  • Nororu, naß.
  • Noraſſu, naß machen.
  • Noru, auf ein Pferd laden,
    reiten.
  • Tanna noſu, Nasloͤcher.

[234]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Noſumu, ſtehlen.
  • Noſibito, noſto, Dieb.
  • Nugu, ausziehen.
  • Nur, Schlaf.
  • Nuru, ſchlafen.
  • Nuru, Theer.
  • Tjan nuru, theeren.
  • Taſſu nuru, fragen.
  • O.
  • O, groß.
  • O bang, Kaiſerliche Wache.
  • O, Steiß.
  • Oari, Ende.
  • Obatera, Hollaͤndiſches Boot.
  • Obojuri, Gefuͤhl.
  • Obojuru, fuͤhlen.
  • Obuwatta, Darm.
  • Odori, Tanz.
  • Odoru, tanzen.
  • Odoſſu, oſoruru, oſiruru, er-
    ſchrecken, ſich fuͤrchten.
  • Oſiru, oturuſka, okuraſi,
    okanne,
    erſchrocken.
  • Otoruſſik, ſchrecklich.
  • Ogannu ſuru, bethen.
  • Ogannu ſuru mono, Bether.
  • Ogi, Faͤcher.
  • Ogitſkuri, Faͤchermacher.
  • Ogu iru, Nachtigall.
  • Oikjo, nikjo, Aniskoͤrner.
  • Oikjoſſi, Anis-Brandwein.
  • Oja jubi, ajubi, Daum.
  • Ojoru, ſkoru, ſteif.
  • Ojugu, ſchwimmen.
  • Okahara, Dyſenterie.
  • Okaſi, Thurm.
  • Okaſki, laͤcherlich.
  • Okatſa, Frau.
  • Okftabiri, Mode, Gebrauch.
  • Oki, Kuͤben.
  • Okittori, Quittung.
  • Oku, okv, ſetzen, ſtellen,
    legen.

  • Okiru, aufſtehen.
  • Okiteoru, wachen.
  • Okuſu, wecken.
  • Okuro, Geſchenk.
  • Okuru, begraben.
  • Okuru, aus der Thuͤr beglei-
    ten.
  • Wataks kuſi utji okuri maſſo,
    ich will jemand aus der Thuͤr
    begleiten.
  • Omaſſiroi, omoſte, luſtig, ver-
    gnuͤgt.
  • Omoſiri ifito, angenehm.
  • Omini koki waſſi, ich will
    zeigen.
  • Omoka, omotaka, ſchwer.
  • Omokaſi, Steuerbord.
  • Omotte, Angeſicht.
  • Omu, Papagoy.
  • Onago, Magd.
  • Onago no titi, Milchweib.
  • Onago, mein Lieber.
  • Onaſkamanu, vergleichen.
  • Onaſſijona, allgemein.
  • Oni, Teufel.
  • Orifaka, Taſchenmeſſer.
  • Oriru, vom Pferde ſteigen.
  • Ori, Fett.
  • Ori ſakki, ſakki no ori,
    Sakki-Hefen.
  • Kajete oru, es iſt fett.
  • Oros, los.
  • Ilog oruſſu, die Segel ſtreichen.
  • Oru, beugen.
  • Oſiennomits, Art und Weiſe.
  • Oſiru, oſijoru, unterweiſen.
  • Oſuſſi, Oberrichter.
  • Ota, anpaſſen.
  • Otakadaiſi, Kaiſerpapier.
  • Otjijaki, Auſter.
  • Otjiru, fallen.
  • Otoko, Mann.
  • Otoko janimome, otohejoki,
    Wittwer.

[235]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Otoho fitsjuſi, Schafbock.
  • Otori, ondari, Hahn.
  • Ottona, Polizey-Beamter
    uͤber eine Straße, oder an-
    dern Theil einer Stadt.
  • Owamu, aufdecken.
  • R.
  • Rei, Glocke.
  • Reſuru, reigiſuru, gruͤßen,
    complimentiren.
  • Ri, itsjiri, Meile.
  • Rinſi, Gallerie.
  • Rinſjo, Samenfluß.
  • Rioſi, Fiſcher.
  • Riukinfuru, vergolden.
  • Ro, Wachs.
  • Roſoko, Wachslicht.
  • Roſoko ſtatti, Leuchter.
  • Ro, Ruder.
  • Rooſu, rudern.
  • Roja, Gefaͤngniß.
  • Roko, Ehre.
  • Rokuſeo, ſpangruͤn.
  • Roſin, Alter.
  • Rioſin, Aeltern.
  • Rui, Sorte.
  • Rui ſuru, ſortiren.
  • S.
  • Sabani nuru, bey jemand
    ſchlafen.
  • Sabir, Roſt.
  • Sabirru, roſten.
  • Sabita, roſtig.
  • Hari ſaimokf, Balken.
  • Saguri daſſu, ausfuͤhren.
  • Sairio, Aufwaͤrter.
  • Saiſi, Loͤffel.
  • Saiwai, gluͤcklich.
  • Saja, Scheide, Futteral.
  • Saji, Wuͤrfel.
  • Sajoru, duͤrr.
  • Tori ne ſajoru, Voͤgelgeſang.

  • Sakkai, Grenze.
  • Sakkai ſuru, angrenzen.
  • Sakkana, Fiſch.
  • Sakkara, Schatz.
  • Sakki, Getraͤnk von Reiß.
  • Ama ſakki, ori ſakki, ſakki
    no ori,
    Hefen von Sakki.
  • Sakuru, ſaruru, ſururu, ſo-
    ſuru, ſkuſarumu,
    verbrau-
    chen, abnutzen, verderben.
  • Fanna ſakv, bluͤhen.
  • Same, Haut vom Hayfiſche.
  • Samka, Beruf.
  • Samma, Herr.
  • Deinagou ſamma, Kronprinz.
  • Samma, Fenſter.
  • Sammifiku, allein.
  • Samu, ſamkeſuku, ſanſuru,
    gebaͤhren.
  • Soiſang tjoman, unzeitige Nie-
    derkunft.
  • San, Pulver.
  • Sanjo ſuru, ſanno ſuru, zaͤh-
    len, rechnen, ausrechnen.
  • Sanjo aju, abrechnen.
  • Sanjobea, Kaufmanns-Com-
    toir.
  • Sanne, Kern.
  • Sanſakagi, Guͤrtel.
  • Sanſi no ito, Violinſaite.
  • Saoka, ſigoi, ſtark.
  • Sikaria, Kraft, Staͤrke.
  • Sapi, Unkoſten.
  • Sara, Jungferſchaft.
  • Sara, Teller.
  • Saraſe, Cattun u. d. gl.
  • Seikf ſaru, betrunken ſeyn.
  • Saraſſuri, ſich betrunken ſtellen.
  • Fiſa no ſarra, Knie.
  • Sar, ſaru, ſalu, Affe, Meerkatze.
  • Saru, ſcheiden.
  • Saſiſu, aufbringen, anhetzen.
  • Saſſaferi, Treſſe, Galone.
  • Saſſigari, Paß.

[236]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Sato, einzelnes Bauerhaus.
  • Satto, Zucker.
  • Koriſatto, Candiszucker.
  • Siroſatto, Puderzucker.
  • Sattojaki, Confect.
  • Sawarri, monathliche Reini-
    gung.
  • Se, mit der Schere ſchneiden,
    abſchneiden.
  • Segio, Almoſen.
  • Seifits, Feinde.
  • Seiſi, Eid.
  • Sekfits, Bleyſtift.
  • Sekis, Schwelle.
  • Sekka, ſikka, Strafe.
  • Semai, ſemaka, ſebuka, eng,
    ſchmal.
  • Semekv, kurz.
  • Iſi no ſemekv, Engbruͤſtigkeit.
  • Senaka, Ruͤcken.
  • Sendo, Schiffer.
  • Seng, Kork, Pfropf.
  • Senki, Kolik.
  • Senkju, regnig.
  • Seri, ſeribetta, Pflug.
  • Seteng, klar.
  • Senjits, ſakkuſits, geſtern.
  • Setſujin, heimliches Gemach.
  • Siaio, Biſam.
  • Sibaja, Schauſpiel, Schau-
    ſpielhaus.
  • Sibaida, Schauſpieler.
  • Sibaru, ſiburu, ſimoru, dre-
    hen, druͤcken, preſſen, er-
    ſticken, quaͤlen.
  • Sibundoki, Mahlzeit.
  • Sibomu, melken.
  • Simoru, Oehlpreſſe.
  • Simaru, ſitſnaki, ſitonaka,
    aͤngſtlich.
  • Sigai, ſigajo, ſining, gleich.
  • Sigito, arbeiten.
  • Sikakv, viereckig.
  • Sime, ſimai, Ende.

  • Simai, ſmai, fertig, bereit.
  • Simau, erklaͤren.
  • Simals, ſwambo, geitzig.
  • Simegi, Leim.
  • Simegi ſuru, faſamu, leimen.
  • Sin, Gott.
  • Sing, ſignoſo, Herz.
  • Sine nawaſſu, unpartheyiſch.
  • Sinſjo, aufrichtig.
  • Sinko, Alhagiſtrauch.
  • Sinſu, Perlmutter.
  • Sino, Sieb.
  • Sino kai, Aſche.
  • Sinowalka, grob.
  • Sintju, Meſſing.
  • Sinu, ſiumoru, ſterben.
  • Sinda, ſining, todt, ein
    Todter.
  • Sinkiru, das Licht ſchneutzen.
  • Sinkiri, Lichtſchere.
  • Sinſok ſuru, die Fuͤße waſchen.
  • Sio, Vergnuͤgen.
  • Sioga, Ingwer.
  • Sioki, Geſetz.
  • Sioki, Buͤffel.
  • Sirami, ſubiſirami, Laus.
  • Sirai ſuru, angeben, anklagen.
  • Siru, wiſſen.
  • Sirus, Kennzeichen.
  • Miſiru, kennen.
  • Sirio, ſiriuro, Fleiß.
  • Oſiru, oſijoru, lehren, unter-
    richten.
  • Siſſo, Schulmeiſter.
  • Sirio, Seele.
  • Siro, ſo, Citadelle.
  • Sirobe, ſirobai, Kalk.
  • Siraſſumi, Lehm, Thon,
    Kreide.
  • Siro ſatto, Puderzucker.
  • Sirojinſo, Salpeter.
  • Sirome, Bleyweiß.
  • Sikui, ſkui, tſikui, Kalk.
  • Skui muru, tuͤnchen.

[237]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Skui jakf, Kalk brennen.
  • Siwo, Salz.
  • Siwo ſuru, ſalzen.
  • Siwo mis, uſiwo, Salz-
    waſſer.
  • Sis, Loͤwe.
  • Sis, Schwein.
  • Ino ſis, wildes Schwein.
  • Kano ſis, Hirſch.
  • Siſukamai, langwierig.
  • Siſumu, ſinken.
  • Siti, Pfand.
  • Sitji iruru, zum Pfande ſetzen.
  • Sito, ſta, Laſt, Schwere.
  • Sitkuſumu, großes Schnupf-
    tuch.
  • Sitſugets no goko, Sonnen-
    ſtrahl.
  • Sitsſugjo, ausgehen.
  • Siwo, Strom, Fluß.
  • Suo no warika, gegen den
    Strom.
  • Siwamoki, Huſten.
  • Sjakf, ſjakv, Maaßſtab.
  • Sjakf torru ſjakf utſu, meſ-
    ſen, Maaß nehmen.
  • Sjakv taku, Stelle zum Ader
    laſſen.
  • Sjas, Atlas.
  • Sjo, Brief.
  • Sjomi, rein.
  • Sjoguats, neu.
  • Sju, zahm.
  • Sjugi, uͤber.
  • Sjumanſi, Kreutz.
  • Sjumonſi, Kreutzweg.
  • Sjur, Bruͤhe.
  • Skai, ſatt.
  • Skai ſuru, ſaͤttigen.
  • Skai, ſokki, Mutterbeſchwerde.
  • Skai, Nachricht.
  • Skaijuru, ſtaknaru, ſich naͤ-
    hevn.
  • Skamajoru, anfaſſen, angreifen.

  • Skaſſa, Buͤrger.
  • Skegami, tſukiganni, Pe-
    ruk.
  • Skegi, ſkedakiki, Schwefel-
    holz.
  • Snobimiru, lauern.
  • So, Elephant.
  • Soge, ſogi, Elfenbein.
  • So, ſjo, joots kuri, Schloß
    (an der Thuͤr u. d. gl.).
  • Sobai, Handel treiben.
  • Sonin, Kaufmann.
  • Sobe, ſetome, ſtomefito, Amt,
    Bedienung.
  • Sonin, ſobainin, ſokunin,
    Beamter, in oͤffentlichem
    Dienſt ſtehender.
  • Sobing, Harn
  • Sobin ſuru, harnen, ſein Waſ-
    ſer laſſen.
  • Sobo, Buchweitzen.
  • So tekaki, Beyſchlaͤferin.
  • So dan, baar.
  • Sojugu, tſigau, Mißbrauch.
  • Sokv, ſakv, Tocht.
  • Roſokv, Wachslicht.
  • Somodatſu, ſteil.
  • Somuru, faͤrben.
  • Somots, Bauch.
  • Song, Schade, Verluſt.
  • Song ſuru, verlieren.
  • Sono, Campher.
  • Sora, Luft.
  • Sori, Schuh oder Pantoffel
    von Stroh.
  • Sorin ſuru, begraben.
  • Sorona, ſoſikima, ſanftmuͤ-
    thig.
  • Soſa game, unmoͤglich.
  • Soſimu, faſten.
  • Soſonoko, ſoſonofone,
    Ramme.
  • Soſuteſuru, ſich ankleiden.
  • Soſuſuru, ſich abkuͤhlen.

[238]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Sotju, Brandwein, uͤberhaupt
    geiſtiges Getraͤnk.
  • Soto matji, Stadt.
  • Soto momo, Lende.
  • Sotomuru, ſtomuru, dienen.
  • Sſjo, ſſjone, gemaͤchlich, be-
    quem.
  • Sſu, Landkarte.
  • Stabara, Bauch.
  • Stajumi ſuru, vorleſen.
  • Stamuru, ſtuͤrzen.
  • Stoſone, Wade.
  • Su, Eſſig.
  • Suire, Eſſigglas.
  • Suiku, ſauer.
  • Tori no ſu, Vogelneſt, Vo-
    gelbauer.
  • Subakki, Speichel.
  • Subakki hakv, ſpeyen.
  • Suberu, glatt, ſchlicht.
  • Sudatſuru, vermehren.
  • Sugoroko utſu, Wuͤrfel ſpie-
    len.
  • Sugurru, auslaufen, ausflie-
    ßen.
  • Sugita, verfloſſen, vergangen.
  • Suiſſi, Matroſe.
  • Suita, ſukv, mein Lieber.
  • Itgiri ſuka, Meilenzeiger.
  • Sukama juro, Anhang.
  • Sukikakuru, ſtoßen.
  • Sukun, Fiſch.
  • Sukuru, Schleichhandel trei-
    ben.
  • Sum, ſumi, ſchwarze Tinte.
  • Suſu hakv, Tintenfaß.
  • Sum, ſumi, Kohle.
  • Iſu ſumi, Steinkohle.
  • Fegura ſum, Kienruß.
  • Sumebito, gefangen.
  • Sumire, Gift.
  • Suragoſo, luͤgen.
  • Surihago, Wunde.
  • Surria, Apotheke.

  • Suru, fiuru, furu, ſeru, jo-
    ru, juru, ſururu, tatſuru,
    tukurru, katatſuru,
    thun,
    machen; wird ſehr haͤufig
    mit einem Nomen zuſam-
    men geſetzt, und dadurch
    wird eine Menge Verba ge-
    bildet, z. E. ſong ſuru, ver-
    lieren; miſtſuki ſuru, ſpri-
    tzen; iwo ſuru, fiſchen.
  • Sukuri, tſukuri, einer, der
    etwas macht; — formirt
    durch Zuſammenſetzung an-
    dre Subſtantiva, z. E. kwu-
    ra ſukuri,
    Sattler; kurut-
    ſu tſkuſuri,
    Schuſter.
  • Suru, Suppe.
  • Suruſu, Zeichen.
  • Suruſi ſuru, zeichnen, bezeich-
    nen.
  • Suſakki, Sandbank.
  • Suſi, Strich, Strieme, Ader.
  • Suſimiru, wahrſagen.
  • Suſu, Zinn.
  • Sutſumu, aufwinden.
  • Suwo no firu, Ebbe.
  • T.
  • Tabako, Tobak.
  • Fanna tabak, Schnupftobak.
  • Tabako ire, Tobaksdoſe.
  • Fanna tabako ire, Schnupf-
    tobaksdoſe.
  • Tabako nouru, Tobak rau-
    chen.
  • Tabi, Reiſe.
  • Tabi ſuru, reiſen.
  • Tagi, taki gi, Holz, Brenn-
    holz.
  • Taiko, Trommel.
  • Taiſits, wichtig, angelegen.
  • Taki, Waſſerfall.

[239]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Takka, Falk.
  • Takkai, theuer.
  • Takkara, Schade, Nachtheil.
  • Takv, kochen.
  • Sjakv taku, Stelle zum Ader-
    laſſen.
  • Tamagatta, Geſchrey.
  • Tame [i]ktſukv, ſeufzen.
  • Tamma, Buͤndel, Rolle.
  • Tamma, Kugel, Boſel.
  • Tippo no tamma, Flinten-
    kugel.
  • Me no tamma, me no fitome,
    Augapfel.
  • Tamago, Ey.
  • Tamago no karru, Eyer-
    ſchale.
  • Tang, Galle, Schleim.
  • Tango, Eimer.
  • Tankiri, Lackritz.
  • Tanna, Samen.
  • Tannemakv, ſaͤen.
  • Tannomu, bitten, begehren.
  • Tannomi, Bitte, Begehr.
  • Tanſjo nitji, Geburtstag.
  • Taru, Stockfiſch.
  • Tarang, zu kurz kommen.
  • Taſſa nuru, fragen.
  • Taſſia, friſch, geſund.
  • Taſſia niſta, Geſundheit.
  • Taſſi jori, alt.
  • Taſſuru, Ehemann.
  • Taſtena, tadſuna, Zaum.
  • Taſkani, ſicher, gewiß.
  • Tatakv, klappen, klatſchen,
    ſchlagen.
  • Tatake, jemand ſchlagen laſſen.
  • Tats, Drache.
  • Tatſimuru, ſuchen.
  • Tatſu, ſtehen.
  • Tatſuru, tſukuru, tſumu,
    wohnen, bewohnen.
  • Tattami, futtami, Matte,
    Fußboden-Matte.

  • Tattuje kotoba, Sprichwort.
  • Tauts, Pflug.
  • Tojajaſſu, pfluͤgen.
  • Tawaru, tawaruru, torruru,
    tawareta,
    ſtolpern, fallen,
    umſtoßen.
  • Te, Hand.
  • Tekobus, geballte Fauſt.
  • Te ne hi, Handſchuh.
  • Te no goi, Schnupftuch.
  • Te ne bari, tomebari, Steck-
    nadel.
  • Tefikv, leiden.
  • Tefong, ungeſtalt.
  • Tegami, Brief.
  • So tekaki, Beyſchlaͤferin.
  • Tetenaſſigo, uneheliches Kind.
  • Tema, tamma, Ball.
  • Ten, Himmel.
  • Jui teng, ſchoͤnes Wetter.
  • Don teng, nebliges Wetter.
  • Teppo, tippa, Jagdbuͤchſe,
    Flinte.
  • Tippo no tammu, Flinten-
    kugel.
  • Tera, Tempel, Schule.
  • Teſu, Wirth.
  • Tete, toto, Vater.
  • Tets, Eiſen.
  • Tetja kwang, eiſerner Keſſel.
  • Tjidaß, eiſernes Geſchirr.
  • Timbo, tembin, große Wage.
  • Kimono tjakv ſuru, ſich an-
    kleiden.
  • Tjaire, tſjaa, Thee.
  • Tjawang, Theetaſſe.
  • Tjan, Theer.
  • Tjannuru, theeren.
  • Tjan ſuna, getheertes Tau,
    Schiffstau.
  • Tjamintoſeru, Buͤcher einbin-
    den.
  • Tjammera fuki, Trompete.
  • Tji, tji tji, Milch.

[240]Fuͤnfte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
  • Tji tji, Weiberbruſt.
  • Tjibuſa, Bruſtwarze.
  • Onago no titi, Milchweis.
  • Tjijau, veraͤndern.
  • Tjijiru, pfluͤcken, abpfluͤcken.
  • Tjimba, lahm.
  • Tjimba fikv, hinken.
  • Tjikifito, gliederlahm.
  • Tjo, matji, Gaſſe, Straße.
  • Tjodo, nett.
  • Tjooſi, Gewuͤrznelke.
  • Tjono, ſtono, Axt.
  • Tjitjin, papierne Leuchte.
  • Tju, ßune, gemein.
  • Tjumi ju, Lection.
  • Tjuſing, Bericht, Zeitung.
  • Tjuſin ſuru, Bericht abſtat-
    ten.
  • To, Thuͤr.
  • To, Thurm.
  • Tage, Gipfel des Berges.
  • Toboſe, roͤthlicher Reiß.
  • Tobu, abſpringen.
  • Todokuru, warnen.
  • Todokuru, totokef, klagen.
  • Togu, ſchleifen.
  • Tojiſi, toiſi, Schleifſtein.
  • Toi, Regenmantel.
  • To meganni, Fernglas.
  • Toka, Zeit.
  • Tokei, Uhr.
  • Tokei jeſſi, Uhrmacher.
  • Fitoke, Sonnenzeiger.
  • Toſi, Jahr.
  • Tokv, loͤſen.
  • Tokv, Gewinn, Vortheil.
  • Toma, Matte zum Abwiſchen.
  • Tomaguru, erſchrocken.
  • Tommarige, Klaue.
  • Tomoſi abura, Lampenoͤhl.
  • Tomot[f]i, Staven (Vorder-
    theil, Hintertheil eines
    Sch[i]ffs).
  • Tonari fitu, Nachbar.

  • Todomaru, torui, Aufenthalt,
    Wohnort.
  • Tonaru fikv, Nachbar.
  • Tonſoſi, Kraͤuterkenner.
  • Toobu, fliegen.
  • Toobu fanne, Fluͤgel.
  • Tobi, Habicht.
  • Tori, torri, tjo, Vogel.
  • Tori no ſu, Vogelbauer, Vo-
    gelneſt.
  • Tori no ſajuru, Voͤgelgeſang.
  • Tori mootji wanna, torrimo-
    to,
    Vogelleim.
  • Tori no fa, Feder.
  • Torri, otori, ondari, Hahn.
  • Metori, mendori, Henne.
  • Tori no kabito, Federbuſch,
    Hahnenkamm.
  • Tookf ſuru, vergroͤßern.
  • Tora, torra, Tiger.
  • Toro, glaͤſerne Leuchte.
  • Torru, toru, nehmen, weg-
    nehmen, abnehmen.
  • Uke toru, annehmen, bekom-
    men.
  • Tori uſſuru, hohlen laſſen.
  • Torajoru, faſſen.
  • Torimotſu, Huͤlfe.
  • Toriagibaka, toriagikaka,
    Hebamme.
  • Sjakv torru, das Maaß neh-
    men, meſſen.
  • Fanna toru, die Naſe ſchneu-
    tzen.
  • Toſigoro, Eigenthuͤmer.
  • Toſin, allein.
  • Toto kuroſſu, morden.
  • Stokoroſſi, Moͤrder.
  • Tſaje, Rohr.
  • Tſera, Angeſicht.
  • Tſi, moi ſi, mou ſi, Buch-
    ſtab.
  • Tſjio, Mark.
  • Tſjitſing, Verſaͤumung.

Tſuba,
[241]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Tſuba, Lippe.
  • Tſuben ſuru, uͤberſetzen, ver-
    dolmetſchen.
  • Tſuſi, Dolmetſcher.
  • Oſſuſi, Ober-Dolmetſcher.
  • Koſuſi, Unter-Dolmetſcher.
  • Tſubomi, Knoſpe.
  • Foni no tſugai, Sehne.
  • Tſuje, Block, Klotz.
  • Tſujoi, geraͤumig.
  • Tſuju, tſumuru, tſugu, zap-
    fen, abzapfen, einſchen-
    ken.
  • Tſuk, Luſt.
  • Tſuki, Mond.
  • Mikatſuki, Neumond.
  • Mangets, Vollmond.
  • Waſſukv, Mondſchein.
  • Tſuga, kleben.
  • Tſukv, ſtampfen.
  • Tſukv, Pflug.
  • Tſukamma tſuru, fragen.
  • Tſume, Nagel (am Finger).
  • Tſumu, tſutſumu, packen,
    aufſtapeln, decken, bede-
    cken.
  • Wiakv tſumu, ein Schiff be-
    laden.
  • Tſutſumi, Packen, Ballen.
  • Tſumaru, ausſtopfen.
  • Tſuna, Sand.
  • Tſuna, tſuna no na, Seil,
    Tau.
  • Tſunkv, Horn.
  • Tſurau, ausſtellen.
  • Tſuribai, Netz.
  • Tſurubi, Eimer.
  • Tſuſinde, andaͤchtig.
  • Tſuſuku, theuer.
  • Tſuſukf, folgen.
  • Tſutſubi iro, irdener Topf,
    Kruke.
  • Tuttami no furi, Rand an
    der Fußboden-Matte

  • U
  • Ude, Arm, Ellenbogen.
  • Uje, Schelm, Boͤſewicht.
  • Ukejau, ukeſau, Burg.
  • Uke toru, ukitoru, ukoro,
    annehmen, empfangen; be-
    ſonders ein Geſchenk.
  • Uki jaki nikui, ſein Beſtes
    thun.
  • Uma, Pferd.
  • Uma kutji, Kuß.
  • Umakutji ſuru, kuͤſſen.
  • Umaka, lecker.
  • Umarefi, Geburtstag.
  • Uma, Meer.
  • Umi, Eiter.
  • Unagi, Aal.
  • U, uſagi, ow, Haſe, Kanin-
    chen.
  • Unſing, warmes Bad.
  • Ura, Schuhſohle.
  • Uranau, wahrſagen.
  • Uru, verkaufen.
  • Ururu, untergehen.
  • Us, Kuh, Ochs.
  • Kinkiri uſi, Ochs, Stier.
  • Us no ko, kous, Kalb.
  • Us no niku, Rindfleiſch.
  • Us, Muͤhle.
  • Uſu, mahlen.
  • Uſuru, Wachtel.
  • Uſſui, duͤnn.
  • Uſſu, luͤgen.
  • Utagu, zweifeln.
  • Uta, Lied.
  • Utau, ſingen.
  • Utai no fuſe, ein Lied ſingen.
  • Utjiokuru, aus der Thuͤr be-
    gleiten.
  • Utſu, wutſu, ſchlagen,
  • Bakkutji utſu, Wuͤrfel ſpie-
    len.
  • Karta utſu, Karten ſpielen.
  • Utskoroſſu, ſchlachten.

Thunbergs Reiſe. 2. Bandes 1. Theil. Q
[242]Fuͤnfte Abtheil. Achter Abſchn. u. ſ. w.
  • Utſu, mit einem Gewehr
    ſchießen.
  • Utſiwaro, zerbrechen.
  • Uttokuri, Ohrfeige.
  • Utſuſu, utuſu, Abſchreiber.
  • Uſuſi, Abſchrift.
  • Uwaſſa, Geruͤcht.
  • W.
  • Waga, eigen.
  • Wageru, bedeuten, erklaͤren.
  • Wagiſaſſin, kurzer Saͤbel.
  • Wakai, wagaki, jung.
  • Wakai mono, juͤnger.
  • Waka gimi, Prinz.
  • Waka gimi gatta, Prinzeſſin.
  • Wakev, abſaͤgen.
  • Waki, Seite.
  • Wakaruru, abweichen.
  • Wakiru, abmachen, abſchlie-
    ßen.
  • Wakuru, ſchaden.
  • Wakwuru theilen.
  • Wang, Taſſe, Schale.
  • Tja wang, Theetaſſe.
  • Wanjit[s], Urſache.

  • Tori motji wanna, Vogelleim.
  • Warau, lachen.
  • Waro, Axt.
  • Waſſuru, verſaͤumen.
  • Wataru, hinuͤber gehen, zur
    See reiſen.
  • Wataſſu, verlaſſen.
  • Watſuru, anſtecken.
  • Watta, baumwollne Watte.
  • Mawatta, ſeidne Watte.
  • Utſuri jammai, anſteckende
    Krankheit.
  • Zahlwoͤrter.
  • Sjoguats, der erſte.
  • Niguats, der zweyte.
  • Sanguats, der dritte.
  • Siguats, der vierte.
  • Goguats, der fuͤnfte.
  • Rokguats, der ſechste.
  • Sitsguats, der ſiebente.
  • Fatsguats, der achte.
  • Kuguats, der neunte.
  • Sjuguats, der zehnte.
  • Sjuitsguats, der eilfte.
  • Sjunitsguats, der zwoͤlfte.

[]

Inhalt
von des zweyten Bandes zweytem Theil.


Erſte Abtheilung.


Fernere allgemeine Bemerkungen und Nachrichten, Ja-
pan
und die Japaner betreffend. Seite 1 bis 122.


Erſter Abſchnitt.


  • Von der Staatsverfaſſung, Polizey, Geſetzen und Rechts-
    pflege in Japan, nebſt einigen andern hieher gehoͤrigen
    ſtatiſtiſchen Nachrichten. Seite. 1 bis 18.

Regierung des weltlichen Kaiſers oder des Kubo. Unter-
regenten in den Provinzen. Kurze Geſchichte der verſchiednen
Regierungsveraͤnderungen in Japan und des Urſprungs der
Regierung eines ſo genannten geiſtlichen Kaiſers, oder des
Dairi. Namen und Folge der Kubo ſeit Kaͤmpfers Zeit.
Reichsrath oder Staatsrath. Einkuͤnfte des Kubo. Seite 1
bis 7.


Regierung des Dairi als Oberhaupts in Religions und
gottesdienſtlichen Sachen. Heiligkeit und Verehrung deſſel-
ben. Seine Reſidenz, Hofſtaat und Gemahlinnen. Akade-
mie an ſeinem Hofe. Einkuͤnfte und Gerechtſame des Dairi.
Jaͤhrliche Geſandſchaft des Kubo an ihn. Namen und Folge
der Dairi ſeit Kaͤmpfers Zeit. Seite 7 bis 11.


Ordnung und Polizey in den Staͤdten. Stadtobrigkeiten und
ſtaͤdtiſche Bediente, Feuerloͤſchanſtalten, Polizey in den
Wirthshaͤuſern, aͤußre Einrichtung der Staͤdte. Einrichtung
*
[]Inhalt.
der Doͤrfer. Verſchiedne andre oͤffentliche Einrichtungen im
Lande. Seite 11 bis 13.


Amtseid der oͤffentlichen Beamten. Strenge und unpar-
theyiſche Handhabung der Geſetze. Lebens- und andre Stra-
fen; Strenge derſelben. Gefaͤngniſſe. Richtplaͤtze. Selten-
heit der Verbrechen. Viele Geſetze ohne angedrohete Strafe.
Oeffentliche Kundmachung der Geſetze. Abgaben an den Ku-
bo und an die Landſchaftsfuͤrſten. Allgemeine [Anmerkungen] uͤber
die Einrichtungen in Japan. Seite 13 bis 18.


Zweyter Abſchnitt.


  • Religion der Japaner, und was ſich darauf bezieht.
    Seite 18 bis 36.

Geiſtliches Oberhaupt. Abbildung der Goͤtter. Tempel
und deren Einrichtung. Prieſter. Gottesdienſt. Wallfahr-
ten nach einigen beſonders heiligen Tempeln. Die beyden
Hauptreligionen. Die Religion Sinto: Grundſaͤtze derſelben;
Tempel, Gottesdienſt, Prieſter der Sintoiſten. Die Religion
Budsdo und deren Eigenthuͤmliches. Geiſtliche Orden; Orden
der Blinden; Bergmoͤnche; Nonnenkloͤſter; Ordensoberhaͤupter.
Praͤlaten. Religioͤſe Geluͤbde. Seite 18 bis 27.


Feſte und Feyertage: monathliche Feſte; Neujahrsfeſt;
andre jaͤhrliche Feſte; das Laternen- oder Lampenfeſt; das
Feſt Matſuri. Hochzeiten und Trauung. Beerdigung und
Verbrennung der Todten; Trauer um die Verſtorbenen.
Seite 27 bis 32.


Philoſophen und Sittenlehrer: Sittenlehre des Con-
fucius
. Geſchichte der Einfuͤhrung, Ausbreitung und Vertil-
gung des Chriſtenthums. Seite 32 bis 36.


Dritter Abſchnitt.


  • Zuſtand der Wiſſenſchaften, Kuͤnſte und dergleichen in
    Japan. Seite 36 bis 55.

[]Inhalt.

Schlechter Zuſtand der Wiſſenſchaften. Vaterlaͤndiſche
Geſchichte. Oekonomiſche Wiſſenſchaften. Aſtronomie. Me-
dicin: Aerzte; Wundaͤrzte; Brennen mit Moxa; Stechen
mit Nadeln; Behandlung innerlicher Krankheiten; Aderlaſ-
ſen; gewoͤhnliche Krankheiten: Kolik, triefende Augen, Diar-
rhoͤe und rothe Ruhr, Kinderpocken, beſondre Art Frieſel,
veneriſche Krankheiten und deren Behandlung: Rechtsgelehr-
ſamkeit. Sittenlehre. Studium fremder Sprachen. Kriegs-
wiſſenſchaft. Buchdruckerkunſt; Beſchreibung einiger gedruckten
Japaniſchen Buͤcher. Kupferſtecherkunſt. Feldmeßkunſt; geogra-
phiſche und topograhiſche Karten. Schreibkunſt: Dichtkunſt. Mu-
ſik. Schauſpielkunſt; Beſchreibung der Schauſpiele und Theater.
Tanzkunſt; pantomimiſche Taͤnze. Academie und Univerſitaͤt
am Hofe des Dairi. Oeffentliche Schulen. Erziehung der
Kinder. Seite 36 bis 50.


Manufactur- und Kunſtarbeiten; Handwerker. Lackirte
Arbeit; Zubereitung des Lackfirnis. Arbeit von Sowas.
Glasarbeit. Uhrmacherkunſt. Verarbeitung der Metalle.
Stahlarbeit. Verfertigung des Papiers. Porcellain. Meublen.
Seite 50 bis 54.


Steuermanuskunſt. Kompaß. Seite 54 und 55.


Vierter Abſchnitt.


  • Von der Landwirthſchaft, beſonders dem Ackerbau der
    Japaner. Seite 55 bis 73.

Vorzuͤglicher Flor des Ackerbaues, und die Urſachen,
welche ihn ſo ſehr befoͤrdern; Zuſtand des Landmanns und
Bauers; Sorgfalt jeden Fleck Erde zu beſtellen. Waͤſſerung der
Reisfelder. Sammlung aller Arten Dung, und Art zu
duͤngen. Gaͤnzlicher Mangel an Unkraut. Feld und Gar-
tenland ohne Befriedigung. Umgraben und Pfluͤgen. Be-
ſtellung der Reisfelder; Reiserndte und Droͤſchen des Rei-
ßes; Buchweizen; Weizen; Gerſte. Eintheilung der Aecker in
ſchmale Beete. Beſaͤung des Stoppelfeldes. Ruͤbſaamen.
*2
[]Inhalt.
Droͤſchen des Getreides. Bohnen, Sojabohnen, Erbſen,
Linſen und verſchiedne andre Feldgewaͤchſe. Seite 55 bis 66.


Gartengewaͤchſe, Baumzucht, Gewuͤrzgewaͤchſe, Hopfen,
Baͤume und Blumen zur Zierde. Seite 66 bis 68.


Faͤrbekraͤuter. Baumwoll- und Seidenbau. Firnis-
Fichten[,] Cedernbaͤume, Bambosrohr, Kampferbaͤume, Be-
reitung des Kampfers. Theeſtauden; Pfluͤcken und Trocknen
der Theeblaͤtter. Zuckerahorn. Seite 68 bis 72.


Viehzucht. Fiſcherey. Seite 72. 73.


Fuͤnfter Abſchnitt.


  • Vom Handel der Japaner. Seite 74 bis 81.

Bluͤhender Zuſtand des inlaͤndiſchen Handels. Gegen-
ſtaͤnde des Japaniſchen Handels. Kramwaaren und Kram-
buden. Handel mit den Chineſern. Geſchichte des vormahli-
gen Handels der Portugieſen mit den Japanern. Anfang,
ehemaliger Flor und allmaͤhlige Abnahme des hollaͤndiſchen
Handels nach Japan. Seite 74 bis 81.


Sechſter Abſchnitt.


  • Von den Waffen; den Speiſen und Getraͤnken der Ja-
    paner
    ; wie auch noch Verſchiednes von ihren Sitten
    und Gewohnheiten, Muͤnzen, Kleidungen und derglei-
    chen. Seite 81 bis 99.

Bogen und Pfeil; Schießgewehr; Kanonen; Saͤbel;
deren Vortrefflichkeit und Art den Saͤbel zu tragen. Seite
81 bis 84.


Reis ſtatt Brodts, Miſoſuppe, Fiſche, Federvieh. Sup-
pen und Bruͤhen; Sojabruͤhe; Bereitung der Soja; ver-
ſchiedene Oele ſtatt Butter; taͤgliche Zeiten des Eſſens; Art
die Speiſen vorzuſetzen; Ordnung der Gerichte und Art zu
eſſen. Sakki; Thee; Art dieſe zu trinken. Seite 84 bis 91.


Gebrauch des Rauchtobacks; Art zu rauchen; Pfeifen
und dergleichen. Seite 91. 92.


[]Inhalt.

Art zu Waͤgen mit Schnellwagen. Rechenbretter.
Seite 92.


Große goldne Muͤnzen; Abbildung des Gottes des Reich-
thums; Aufreihen des kleinen Kupfergeldes auf Schnuͤre;
chineſiſche Pfennige. Seite 93 bis 96.


Pettſchaffte; Art zu unterſiegeln; Buchdruckerſchwaͤrze.
Lampenoͤl. Verfertigung der Fußbodenmatten. Seite 96
und 97.


Noch einige Gewohnheiten der Japaner. Seite 97
bis 99.


Siebenter Abſchnitt.


  • Von der Japaniſchen Sprache. Seite 99 bis 111.

Verwechſelung der Buchſtaben. Gleichlautende Woͤrter.
Wegwerfung der Vokale. Zuſammengeſetzte Verba. Endung
der Perfecta und Participia. Verbindung zweyer Subſtan-
tiven. Pronomina. Partikeln. Zahlwoͤrter. Auslaͤndiſche
Woͤrter. Conjugation und Gebrauch der Verba; Formirung
ganzer Saͤtze. Seite 99 bis 111.


Achter Abſchnitt.


  • Einige allgemeine zoologiſche und mineralogiſche Nachrich-
    ten. Seite 112 bis 122.

Saͤugthiere; Voͤgel, Amphibien; Fiſche; Inſecten; Kon-
chylien; Wuͤrmer. Seite 112 bis 120.


Gold; Silber; Kupfer; Eiſen; Bernſtein; Schwefel;
Steinkohlen; Agat. Seite 120 bis 122.


Zweyte Abtheilung.


  • Aufenthalt auf Dezima nach der Zuruͤckkunft von Jedo
    bis zur Ruͤckreiſe nach Batavia. Seite 123 bis 129.

Botaniſche Spaziergaͤnge um Nangaſacki und dabey ge-
machte Bemerkungen. Ankunft der hollaͤndiſchen Schiffe.
*3
[]Inhalt.
Trauer um den verſtorbenen Fuͤrſten von Owari. Ankunft
des neuen Kaiſerlichen Gouverneurs von Nangaſacki. Ruͤck-
reiſe nach Batavia. Seite 123 bis 129.


Dritte Abtheilung.


  • Zweyter Aufenthalt zu Batavia vom 4ten Junius
    bis 5ten Julius 1777. Seite 129 bis 162.

Erſter Abſchnitt.


  • Aufenthalt zu Batavia, und erſte Reiſe in das Innere
    von Java. Seite 129 bis 149.

Ruͤckkunft des Verfaſſers nach Batavia. Große Mor-
talitaͤt daſelbſt. Neuer Generalgouverneur. Von dem
Verfaſſer mitgebrachtes Verzeichniß der Japaniſchen Re-
genten. Abhandlungen der gelehrten Geſellſchaft zu Batavia.
Regnigtes Wetter in dieſen Monathen. Neujahrstag der
Chineſer. Seite 129 bis 133.


Reiſe ins Innere des Landes. Cheribon; Vulkane in
dieſer Gegend; Erdbeben. Schlangen. Veraͤnderung der
Paſſatwinde ſeit mehrern Jahren. Verſorgung des Schiffs
mit ſchlechtem Zucker. Samarang; Statthalter daſelbſt. Fie-
ber-Krankheit des Verfaſſers. Salatiga. Kopping. Indi-
ſche Feigenbaͤume. Brenneſſelſtrauch. Stier- und Tigerge-
fechte. Tundang. Huͤtte von Bamborohr. Tanzluſtbarkeit
der Javaner. Menge von Muͤcken. Pflanzen und Gewaͤchſe
in dieſer Gegend, die mediciniſchen Nutzen haben. Kraͤnze
zum Putz von Nachtblumen. Beſchreibung der Kaffeeplanta-
gen. Gelegenheit fuͤr den Verfaſſer, den Staar zu ſtechen.
Japara. Reſident van der Beeck. Nachtquartier bey einem
javaſchen Fuͤrſten. Juana. Abnahme des Waſſers an dieſer
Kuͤſte. Seeraͤuber. Seite 133 bis 149.


[]Inhalt.

Zweyter Abſchnitt.


  • Fernerer Aufenthalt zu Batavia, und zweyte Reiſe ins
    Innere des Landes. Seite 149 bis 162.

Dienſt auf dem Krankenſchiffe. Ingenieur-Capitain
Wimmercranz. Seite 149. 150.


Reiſe nach dem warmen Bade und den blauen Bergen.
Buytenzorg. Warmes Bad; Beſchreibung deſſelben. Klima.
Europaͤiſche und javaniſche Gewaͤchſe. Seltſame Art Affen.
Reiher. Pandogede; Berge daſelbſt. Heilige Bilder. Wilde
Pfauen. Inſchrift auf einem Steine. Berg, in deſſen Hoͤh-
len die Schwalben niſten, welche die indianiſchen Vogelneſter
bauen. Mahlzeit bey einem Japaniſchen Landesoberſten. Merk-
wuͤrdiges Echo. Seite 150 bis 156.


Aufenthalt der Chineſer unter den Javanern. Schuh
und Stiefel der Chineſer. Große Zahl der Verſtorbnen im
Hoſpitale zu Batavia. Veranlaſſung der Wegreiſe des Ver-
faſſers. Jacatra. Unordentliches Leben der Europaͤer zu Ba-
tavia
. Europaͤer in Java vor den Hollaͤndern. Religionen
in Java. Javaſche Producte, die exportirt werden. Noch
etwas von Javaſchen Muͤnzen. Seite 156 bis 162.


Vierte Abtheilung.


  • Reiſe von Batavia nach Ceylon und Aufenthalt da-
    ſelbſt, vom 5ten Julius 1777 bis den 6ten Fe-
    bruar 1778.

Erſter Abſchnitt.


  • Beſchreibung der Reiſe nach Ceylon und des Aufenthalts
    daſelbſt, wie auch einiger Reiſen in dieſem Lande.
    Seite 163 bis 174.

Abreiſe von Batavia; Anjer; Waſſer daſelbſt. Piſang.
Spaniſche Rohre. Handelswaaren der Schiffsofficiere. Ge-
*4
[]Inhalt.
fahr auf eine Sandbank zu gerathen. Ankunft zu Columbo.
Gouverneur Falk. Bekanntſchaften und Landsleute des Ver-
faſſers zu Columbo; Beſchreibung der Stadt. Luft. Botani-
ſche Spaziergaͤnge. Luſtſchloß des Gouverneurs. Seite 163
bis 168.


Zwey Reiſen nach Mature. Weg dahin, Mangel an
Bruͤcken. Haͤuſer zum Einkehren an der Landſtraße. Ver-
ſchiedne Forts. Barbary. Gale. Malabariſche Krankheit.
Graf Ranzow; Edelſteine. Seite 168 bis 171.


Abgeſandte vom Kaiſer zu Candy und an ihn. Feyer
der Inſtallirung des bataviaſchen Generalgouverneurs. Aner-
biethen nach Cochin zu reiſen. Reiſe nach Negumbo. Affen-
ſtein. Einige Vorfaͤlle zu Columbo. Seite 171 bis 174.


Zweyter Abſchnitt.


  • Zoologiſche Merkwuͤrdigkeiten, beſonders vom Elephanten.
    Seite 174 bis 184.

Ochſen. Seite 174.


Elephanten. Art ſie zu fangen und zu zaͤhmen. Beſich-
tigung, Meſſung und Verkauf derſelben. Gemuͤthsart und
Nahrung des Elephanten. Ihr Fang durch zahme Weibchen.
Leichtigkeit ſie zu regieren. Ihr Gebrauch vor Karren. Ihr
Gang. Empfindlichkeit des Ruͤſſels. Schießen der Elefanten;
eine Kugel in einem Zahne gefunden. Unbaͤndigkeit der cap-
ſchen Elephanten. Seite 174 bis 180.


Ameiſenfreſſer. Ceylonſche Meerkatzen. Eichhoͤrnchen.
Stachelſchweine. Schlangenbeſchwoͤrer. Skorpione. Blut-
igel. Perlenfiſcherey. Seite 180 bis 184.


Dritter Abſchnitt


  • Vom Kaneel. Seite 185 bis 196.

Vorzug des Ceylonſchen Kaneels. Zimmetbaum. Gegend
wo die beſten wachſen. Gutes Fortkommen der Kaneelplan-
[]Inhalt.
tagen; bisherige Verſuche damit. Beſtes Erdreich fuͤr die
Zimmethaͤume. Kaneelſtoͤcke. Jaͤhrliches Sammeln des Ka-
neels. Kaneelwaͤlder. Lieferung des Kaneels. Vorgeſetzte der
Kaneelſchaͤler. Verrichtung des Schaͤlens. Seite 185 bis 190.


Aechte und unaͤchte Kaneelbaͤume; neun verſchiedne Arten
derſelben. Sorgfaͤltige Unterſuchung der Guͤte des Kaneels
durch die Aerzte. Kennzeichen der Guͤte und der Verdorben-
heit. Waͤhrend des Tranſports nach Europa verdorbner Ka-
neel. Einpacken des Kaneels. Seite 190 bis 194.


Kaneeloͤl; Deſtillirung deſſelben. Holz des Kaneelbaums.
Seite 195 und 196.


Vierter Abſchnitt.


  • Andre botaniſche Nachrichten, beſonders von der Brod-
    frucht. Seite 196 bis 214.

Brodfrucht. Zwey Arten davon. Beſchreibung des
Baums. Art ſie zu eſſen, theils roh, theils zubereitet; theils
reif, theils unreif. Funfzehn verſchiedne Gerichte und Zube-
reitungsarten des Fleiſches, der Kerne und der Haͤute, ge-
kocht, gebraten, gebacken, eingemacht, getrocknet; Confect und
Bruͤhen. Bemuͤhung des Verfaſſers, Wurzeln und Kerne,
gepflanzt und ungepflanzt mit nach Europa zu bringen. Seite
196 bis 202.


Kokoswaͤlder; Kokosbaͤume; Blaͤtter als Leitern gebraucht;
Nuͤſſe; Oel davon; Seile und Taue aus den Faſern um die
Nuͤſſe. Gebrauch des Holzes zu Pfaͤhlen. Maldiviſche Ko-
kosnuͤſſe oder Seekalappen. Seite 202 bis 204.


Arekabaͤume. Melanzanaͤpfel. Gebrauch verſchiedner cei-
lonſcher Fruͤchte, beſonders der Panningai. Seite 204.


Barringtonie. Juckende Bohnen. Klapperſchoten. Co-
lombowurzel. Fiſchkoͤrnermohnſaamen. Boerhavie. Morin-
gawurzel. Oſterluzey. Schlingen. Ipecacuanha. Stink-
baum. Schlangenholz. Eibiſch. — Bey jedem dieſer Ge-
waͤchſe und Baͤume der mediciniſche Gebrauch. S. 205 bis 209.


[]Inhalt.

Burmannie. Kardomom. Betelpfefferbaum. Schlangen-
zunge. Hecken von Jarrokbaͤumen. Lackcroton. Weinpalme
und Talpatbaum; Gebrauch der Blaͤtter zu Schirmen. Goͤtzen-
feigenbaum. Praͤchtige Blumen. Kalaminderholz. S. 209 bis 213.


Kaffeeplantagen. Reis. Seite 213 und 214.


Fuͤnfter Abſchnitt.


  • Von den Edelſteinen und andern Mineralien in Ceylon.
    Seite 214 bis 226.

Edelſteine. Rother Turmalin. Blauer Turmalin. Katzen-
auge. Weißer Kriſtall. Amethiſt. Waſſerſapphir. Gelber
Kriſtall. Brauner Kriſtall. Hyacinth. Topas. Weißer Tur-
malin. Gruͤner Turmalin. Gelber Turmalin. Schwarzer
Kriſtall. Robal. Kaneelſtein. Rubin. Blauer Sapphir. Gruͤner
Sapphir. Taripo. Electriſcher Turmalin. — Bey jedem die
Eigenſchaften und der Gebrauch der Edelſteine. S. 214 bis 223.


Verkauf der Edelſteine: unaͤchte und falſche. Oerter wo ſie
gegraben werden. Art des Grabens und Waſchens. Verpach-
tung und Wiederverkauf des Rechts ſie zu graben. Schleifen
der Edelſteine. Seite 223 bis 226.


Eiſenerz. Glimmer. Waſſerbley. Stahlſtein. S. 226.


Sechſter Abſchnitt.


  • Allerley andre Nachrichten von Ceylon; Einwohner, Reli-
    gion, Sitten und Gewohnheiten, Sprache, Muͤnzen und
    dergleichen betreffend. Seite 227 bis 240.

Gebiet der Hollaͤnder und des Kaiſers zu Candy. Stadt
Candy. Adamsberg. Mohren in Ceylon. Einfuͤhrung und
Fortdauer der chriſtlichen Religion. Jaͤhrliche Ankunft eines
Miſſionairs von Trankebar, um lutheriſchen Gottesdienſt zu
halten. Heidenthum in Ceylon; Verehrung des Budha; Opfer:
Goͤtterbilder. Muhammedaniſcher Gottesdienſt der Mohren.
Seite 227 bis 230.


[]Inhalt.

Buchdruckerey zu Columbo; daſelbſt gedruckte Buͤcher. Ba-
den am Strande. Art zu reiſen; Palankine. Goldne Hals-
ketten der vornehmen Ceyloner. Kleidung der Mohren; Tur-
ban; große goldne Ohrgehaͤnge. Feinheit der baumwollnen
Zeuge. Seite 230 bis 233.


Gegengifte; Schlangenſtein; deſſen Verfertigung und
Gebrauch. Voraſſus- und Talpatblaͤtter ſtatt Papiers. Art
darauf zu ſchreiben: Griffel; Buͤcher. Ceylonſche und malaba-
riſche Sprache; Zahlwoͤrter der letzteren. Seite 233. bis 237.


Muͤnzen: cylinderfoͤrmige ſilberne; Rupien und Pagoden.
Goldne und ſilberne Scheidemuͤnzen. Bleyerne und kupferne
Muͤnzen. Seite 237 bis 240.


Fuͤnfte Abtheilung.
Ruͤckreiſe nach Schweden vom 28ſten Januar 1778 bis
den 14ten Maͤrz 1779.


Erſter Abſchnitt.


  • Reiſe von Ceylon nach Holland. Seite 241 bis 256.

Hafen zu Gale. Ladung des Schiffs. Unterſuchung der
Sklaven wegen Pocken und Maſern. Electriſches Feuer oben
um die Maſte. Leuchtwuͤrmer. Regenbogen auf der Oberflaͤche
des Waſſers. Waſſerziehende Wirbel. Malacaßvoͤgel. Zerſtoͤ-
rung der jungen Brodfruchtſchoͤßlinge. Veneriſche Krankheiten
auf dem Schiffe. Ankunft bey Cap. Beſuch in der Stadt.
Sonderbarer Vorfall mit einem afrikaniſchen Zwiebelgewaͤchſe.
Verſchoͤnerung und Erweiterung der Stadt. Schlechte Erndte
und Theurung im Lande. Ein engliſcher Gaͤrtner. Von den
Officieren mitgenommene Waaren. Seite 241 bis 247.


Abreiſe von Cap. Baviane auf dem Schiffe. Abſonderung
des Commandeurſchiffes. Enten- und Gaͤnſemuſcheln. Inſel
St. Helena. Aſcenſionsinſel. Die Sonne im Scheitelpuncte.
[]Inhalt.
Schwimmender Tang; Seegraskriecher. Cap Lizard. Convoy
von Kriegsſchiffen. Dover und Calais. Heftiger Sturm und
große Gefahr. Zerſtoͤrung aller mitgenommenen Baͤume. Te-
xel
. Grauſame Behandlung eines Schiffschirurgus. Stein in
der Blaſe eines Schweins. Seite 248 bis 256.


Zweyter Abſchnitt.


  • Aufenhalt in Holland und zu London, und Reiſe nach
    Schweden. Seite 257 bis 263.

Amſterdam. Van der Meulens Voͤgel- und Inſectenſamm-
lung. Van der Poll, van der Deutz und ten Haften, und de-
ren Pflanzungen ſeltner Baͤume; japaniſche Baͤume und Stau-
den. Inſecten- und Thierſammlung zu Harlem. Abhaltung
der Winterſchmetterlinge von den Baͤumen. Sammlung der
Zodiakrupien. Haag. Lyonets Cabinett. Sturm im Kanale.
Seite. 257 bis 260.


London. Banks: deſſen Herbarium. Andre merkwuͤrdige
Sammlungen. Kaͤmpfers Handſchriften und Kraͤuterſammlung.
Botaniſche Gaͤrten um London. Miß Lees Inſectenſammlung.
Banks Sammlung von Gewaͤchſen von den Suͤdſeeinſeln, und
naturhiſtoriſche Bibliothek. Seite 260 bis 262.


Ruͤckreiſe nach Amſterdam. Reiſe nach Stralſund. Greifs-
wald
. Reiſe nach Yſtad. Seite 262 und 263.



[[1]]

Karl Peter Thunbergs
Reiſen.
Zweyten Bandes zweyter Theil
.

Beſchluß der Nachrichten von Japan und den Japanern.
Ruͤckkunft des Verfaſſers nach Batavia und Reiſe in das
Innere der Inſel Java. Reiſe nach der Inſel Ceylon
und Aufenthalt daſelbſt. Ruͤckreiſe nach
Schweden.


Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. A
[[2]][[3]]

Erſte Abtheilung.
Fernere allgemeine Bemerkungen und Nach-
richten, Japan und die Japaner
betreffend
zu Ergaͤnzung der im Vorhergehenden bereits mitgetheilten.


Erſter Abſchnitt.
Staatsverfaſſung, Polizey, Geſetze und Rechts-
pflege in Japan, nebſt einigen andern ſtatiſti-
ſchen Nachrichten von dieſem Reiche.


Japan iſt bekanntlich auf allen Seiten von Waſſer
umfloſſen, und beſteht aus drey großen, und einer
zahlreichen Menge kleiner Inſeln. Alle dieſe werden in
ſieben Theile, und dieſe wieder in acht und ſechzig Land-
ſchaften, und in ſechs hundert und vier Gerichtsbezirke
eingetheilt.


Jetzt iſt der Kubo, oder der ſogenannte weltliche
Kaiſer, Herr dieſes ganzen Landes, und unter ihm re-
gieret ein Prinz oder Fuͤrſt in jeder Landſchaft. Die
groͤßeren von dieſen Fuͤrſten heißen Daimio, und die
kleineren, Siomio. Wenn einer von ihnen einen Feh-
ler begeht, hat der Kaiſer das Recht ihn abzuſetzen,
auf eine Inſel zu verweiſen, oder ſelbſt am Leben zu ſtrafen.
A 2
[4]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Alle dieſe Fuͤrſten ſind ſchuldig, jaͤhrlich eine Reiſe
nach Hofe zu machen, ſich daſelbſt ſechs Monath lang
aufzuhalten, und ihre ganze Familie, zum Unterpfande
ihrer Treue dort allezeit wohnen zu laſſen. Im erſten
Theile dieſes Bandes habe ich Gelegenheit gehabt, die-
ſer Reiſen umſtaͤndlicher zu erwaͤhnen. Der Fuͤrſt ſelbſt
reſtdirt in der ihm anvertraueten Provinz, und iſt dem
Kaiſer, in Ruͤckſicht auf ſeine Provinz ſowohl, als auf ſein
perſoͤnliches Thun und Laſſen verantwortlich. Ihm ge-
hoͤren die ſaͤmmtlichen Einkuͤnfte aus ſeiner Provinz;
davon muß er aber auch ſeinen Hof, ſeine Kriegs-
macht, die Landſtraßen und dergleichen unterhalten,
und ſeine jaͤhrliche Hofreiſe, mit einem der Groͤße und Be-
traͤchtlichkeit ſeines Gouvernements angemeßnen Staat
und Prunk, beſtreiten, desgleichen anſehnliche Geſchenke
mit nach Hoſe bringen. Die Staͤdte, wo ſolche Fuͤr-
ſten ihre Hofhaltung haben, ſind meiſtens von bedeu-
tender Groͤße, liegen an einem Hafen oder großen
Fluſſe, und ſind mit Wall und Graben umgeben.
Das Schloß des Fuͤrſten liegt gewoͤhnlich an einem
Ende der Stadt; es iſt von weitlaͤuftigem Umfange,
von Mauern und Graͤben eingeſchloſſen, mit ſtarken
Thoren verſehen, und mit hohen Thuͤrmen geziert.
Gemeiniglich beſteht es, wie das Schloß des Kaiſers
zu Jedo, aus drey Abtheilungen, deren jede fuͤr ſich
gut befeſtigt, und wovon die innerſte fuͤr den Fuͤrſten
ſelbſt; die zweyte fuͤr den vornehmern Hofſtaat, und
die erſte, oder aͤuſſere, fuͤr das Militair und die gerin-
gern Hofbedienten iſt.


In Anſehung des Schloſſes und Hofes des welt-
lichen Kaiſers verweiſe ich auf dasjenige, was ich bey
Gelegenheit meines Aufenthalts in Jedo davon ge-
ſagt habe.


[5]Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.

Der Kubo genießt, auſſer den anſehnlichen Ge-
ſchenken die jeder Fuͤrſt von den Produkten ſeiner
Landſchaft ihm jaͤhrlich bringen muß, noch beſondre
Einkuͤnfte aus einigen ſogenannten Kaiſerlichen Pro-
vinzen, die man Kron- oder Domanialprovinzen nen-
nen koͤnnte, und deren fuͤnf ſind, desgleichen aus
einigen Kaiſerlichen Staͤdten, die von Gouverneuren
oder Bugio regiert werden. Die Abgaben werden in
Produkten und Waaren jeder Landſchaft oder Stadt
abgetragen. Die fuͤnf Kaiſerlichen Kronlaͤnder lie-
fern 148 Man und 1200 Kokf Reis, welches ungefehr
44 Billionen und 400 Millionen Saͤcke ausmacht. Das
Man haͤlt 100,000 Kokf, ein Kokf 300 Balis
oder Saͤcke, und jeder Sack uͤber ein Ließpfund. Die
Einkuͤnfte aus ganz Japan belaufen ſich wenigſtens auf
2328 Man, 6200 Kokf.


Der Kaiſer iſt zwar der oberſte Herrſcher, doch
lenkt er das Ruder der Regierung nicht allein, ſondern
gemeinſchaftlich mit einem Staatsrath, der aus ſechs,
gewoͤhnlich etwas bejahrten und vorzuͤglich verſtaͤndigen,
Maͤnnern beſteht.


In den aͤlteſten Zeiten, welche in Dunkel und
Ungewißheit eingehuͤllt ſind, ſcheint Japan, wie andre
Laͤnder, von Hausvaͤtern oder kleinern Fuͤrſten regiert
worden zu ſeyn, die ſich hernach unter Ein Oberhaupt
vereinigt haben.


Die zuverlaͤſſige Geſchichte von den Japanſchen Re-
genten nimmt mit dem Jahr 660. vor Chriſti Geburt
ihren Anfang, da die Regierung einem gewiſſen Syn
Mu
, aus einem angeſehenen Geſchlechte, das den Na-
men Tenſio Dai Sin fuͤhrte, uͤbergeben wurde. Die-
ſer Syn Mu iſt der erſte Stifter der Monarchie in Ja-
pan
, er hat eine richtige Zeitrechnung eingefuͤhrt,
A 3
[6]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
welche der Aere Nin O den Namen gegeben hat, und
ſowohl die Regierungsform und Verfaſſung ſelbſt, als
auch die Geſetze verbeſſert. Die Regenten aus dieſem
Stamme hießen gewoͤhnlich Dairi, ſelten Mikaddo,
Dai, Tai, Tenſe oder Do. Hundert und neunzehn
Dairi haben bis zur Zeit meines Aufenthalts in dieſem
Lande, nach einander den Thron beſtiegen, doch iſt
ihre Macht und Gewalt, in drey verſchiedenen Zeitperio-
den, ſehr verſchieden geweſen.


Bis 1142. regierte der Dairi, ohne alle Mit-
wuͤrkung, allein und unumſchraͤnkt. Von jener Zeit
an, bis auf das Jahr 1585. war die weltliche Macht
zwiſchen dieſem aͤlteſten und rechtmaͤßigen Beherrſcher
des Reichs, und dem ſogenannten weltlichen Re-
genten, oder Generaliſſimus uͤber die Armee, getheilt.
Endlich von 1585. an, hat ſich ſeine Gewalt nur auf
das erſtreckt, was Religion und Gottesdienſt, oder
wenn ich ſo ſagen kann, die Kirche, betrifft.


Der unumſchraͤnkten Monarchen aus dem Geſchlech-
te der Dairi, waren bis 1142. ſechs und ſiebenzig geweſen.
In dieſem Jahre entſtanden innerliche Unruhen zwiſchen
den Fuͤrſten oder Unterregenten der Provinzen, welche un-
gluͤckliche, buͤrgerliche Kriege zur Folge hatten. Um
dieſen ein Ende zu machen, wurde die Oberbefehlsha-
berſchaft uͤber die Kriegsmacht, einem gewiſſen Joritomo,
mit dem Titel eines Generaliſſimus, aufgetragen.
Dieſer tapfre Feldherr daͤmpfte zwar die entſtandenen
Unruhen, zog aber auch einen großen Theil der Kai-
ſerlichen Gewalt an ſich, und vererbte dieſen Antheil
auf ſeine Nachfolger. So blieb die Herrſchaft bis zum
Jahre 1585. zwiſchen dem Dairi und dem Reichsfeld-
herrn getheilt. Um dieſe Zeit aber, hatte ein Bauern-
fohn, Taiko Sama, ſich zum oberſten Kriegsbefehls-
[7]Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.
haber hinauf geſchwungen. Dieſer zwang alle Fuͤrſten
der Provinzen ſich ihm zu unterwerfen, und beraubte
endlich den Dairi aller Macht, die er bisher in weltli-
chen Angelegenheiten und der Regierung des Landes
gehabt hatte. Von Joritomo, welcher der erſte be-
ſondre
weltliche Monarch war, bis auf Je Baru,
der zu meiner Zeit regierte, haben ein und vierzig Ku-
bo regiert und zu Jedo reſidirt. Als Kaͤmpfer im
Jahr 1693. aus dieſem Lande abreiſete, regierte noch
der Kubo Tjinajos; er war damahls im drey und vier-
zigſten Jahr ſeines Alters und im zwoͤlften ſeiner Re-
gierung, die in allem neun und zwanzig Jahre gewaͤhrt
hat. Ihm ſind gefolgt; Je Nob Koo, regierte von 1709
bis 1712; Je Tſu Ku Koo, von 1713 bis 1716; Joſi
Mune Koo
, von 1716 bis 1751; Je Singe Koo,
von 1751 bis 1761; da der bey meiner Abreiſe 1776.
noch regierende Kubo, Je Far Koo, den Thron beſtieg.


Außer dem Kubo iſt alſo, wie geſagt, noch ein
Regent vorhanden, den die Hollaͤnder den geiſtlichen
Kaiſer nennen, und deſſen Macht gegenwaͤrtig auf die
Angelegenheiten, welche die Religion und das Kirchenwe-
ſen betreffen, eingeſchraͤnkt iſt, obwohl er in gerader und
ununterbrochener Linie, die vor mehr als zweytauſend
Jahren ihren Anfang nahm, von dem aͤlteſten Allein-
herrſcher des Reichs abſtammt. Dies iſt der Dairi.


Dieſem Dairi, oder Pabſte, wird nun eine ganz
unbeſchraͤnkte, gleichſam goͤttliche Verehrung bewieſen.
Seine Perſon wird fuͤr heilig angeſehen, und zwar fuͤr
allzuheilig, als daß er von irgend einem andern als denen zu
ſeiner Bedienung verordneten Perſonen, am wenigſten
von einer fremden Mannsperſon, geſehen werden, oder
auch nur ſich der Luft und Sonne ausſetzen duͤrfte.
Daher kommt er ſelten aus ſeinen Zimmern; will er
A 4
[8]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
hoͤchſtens einmahl im Garten friſche Luft ſchoͤpfen, ſo
wird er, von dazu beſtellten Traͤgern, auf den Schultern
dorthin getragen, zuvor aber wird ein Zeichen gegeben,
daß Jederman ſich entfernen und Niemand ihn ſehen moͤge.
In den wenigen Tagen da wir uns in ſeiner Reſidenzſtadt
aufhielten, geruhere er einmal in dem innern Bezirke ſei-
nes Schloſſes unter freyem Himmel friſche Luft zu ſchoͤ-
pfen, welches dann durch ein beſonderes Zeichen von
der Mauer rund um das Schloß kund gethan ward.
Er wird gebohren, lebt und ſtirbt in dem Bezirke ſei-
nes Hofes, findet und genießt alle Vergnuͤgungen in-
nerhalb deſſelben, und kommt in ſeinem ganzen Leben
nicht heraus. Seine Haare, Naͤgel und Bart duͤrfen
nicht am Tage gereinigt oder beſchnitten werden, ſon-
dern dies muß, ohne Zweifel ebenfalls ſeiner Heiligkeit
wegen, heimlich, des Nachts wenn er ſchlaͤft, geſche-
hen. Er ſpeiſet jedesmahl von neuen Tellern und
Schuͤſſeln, welche hernach gewoͤhnlich entzwey geſchla-
gen werden, um zu verhuͤten, daß ſie nicht in unhei-
lige Haͤnde fallen. Sein Tiſchgeraͤth beſteht daher nur
aus den ſchlechtern Sorten von Porcellain. Eben dieſe Art
von Aufwand, herrſcht auch mit ſeinen Kleidungsſtuͤcken,
die aber, wenn er ſie einmal gebraucht hat, nicht zerriſſen,
ſondern an ſeine Hofbediente weggeſchenkt werden. Auſſer
am Hofe weiß niemand, oder doch gewiß nur ſehr we-
nige, ſeinen Namen ehe, als lange nach ſeinem Tode.


Sein ganzer Hof, an welchem viel Pracht und
Aufwand, jedoch jetzt nicht mehr ſo ſehr als ehemals
herrſcht, beſteht faſt nur aus Perſonen von ſeiner
eignen Verwandſchaft, welche aber auch alle Aemter
und Bedienungen bey Hofe, und die eintraͤglichſten
Pralaturen und geiſtlichen Pfruͤnden im Lande bekom-
men. Er hat zwoͤlf Gemahlinnen, von welchen eine
die Vornehmſte, oder Kaiſerinn iſt.


[9]Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.

In alten Zeiten hielt er ſeinen Hof, wo es ihm
beliebte, bald an dieſem, bald an jenem Orte. Jetzt
reſidirt er unabaͤnderlich in der Stadt Miako. Der
Schloßbezirk iſt von großem Umfange, und macht fuͤr
ſich ſelbſt ſchon eine anſehnliche Stadt aus. Er iſt
mit Mauern, Graͤben, Bollwerken und Thoren ver-
ſehen. In der Mitte ſteht der Pallaſt des Dairi, der
mit hohen Thuͤrmen prangt, und worin er mit ſeinen
Gemahlinnen wohnt. Rund umher ſind die
Wohnungen fuͤr ſeinen hohen und niedern Hofſtaak,
fuͤr ſeine zahlreiche Dienerſchaft, und fuͤr die Prieſter,
welches die Gelehrten an ſeinem Hofe ſind.


Der Kubo haͤlt zu Miako, zum Dienſte des Dairi,
einen Statthalter, und, zur Sicherheit ſeiner geheilig-
ten Perſon, eine Wache. Beyde ſind aber auch dem
Kubo fuͤr allen Aufruhr verantwortlich. Ihr Auf-
enthalt iſt ebenfalls im Umfange des Schloßbezirkes.


Am Hofe des Dairi werden Wiſſenſchaften und
Gelehrſamkeit getrieben, und man kann ihn wie eine
Akademie, und zwar die einzige im Lande, anſehen.


Der vornehmſte Hofbeamte des Dairi, iſt der,
welchen die Hollaͤnder den Oberrichter nennen. Er iſt
gleichſam ſein Vicarius, oder eine Art Hofmarſchall.
Er beſorget in ſeinem Namen alles an ſeinem Hofe, und
beſonders auch alle kirchliche Angelegenheiten auſſerhalb
deſſelben. Er fertigt auch die Paͤſſe fuͤr alle, welche
oben ins Reich, und nach dem Hofe des weltlichen
Kaiſers reiſen, aus. Indeſſen wird dieſer ſehr ange-
ſehene Herr nicht vom Dairi ſelbſt, ſondern vom Kubo
angeſetzt, welcher gewoͤhnlich einen Mann von Jahren
und Verſtand, der ſchon wichtige und hohe Aemter
bekleidet hat, und Vermoͤgen beſitzt, dazu nimmt.
Da aber die Einkuͤnfte dieſes Ehrenamtes geringe und ſehr
A 5
[10]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
unzureichend ſind, ſo wird der, welcher es bekleidet, auf
dieſem erhabnen Poſten gemeiniglich zum armen Mann.


Seitdem die Macht des Dairi herabgeſetzt iſt,
genießt er die Staatseinkuͤnfte aus der Stadt Miako
und der dazu gehoͤrigen Provinz, auſſerdem aber einen
betraͤchtlichen Zuſchuß aus der Schatzkammer des Kubo,
der großen Summen nicht zu gedenken, die ihm fuͤr
die Titel, welche er ertheilt, bezahlt werden.


Es gehoͤret naͤmlich bis auf den heutigen Tag zu
ſeinen Gerechtſamen, Ehrentitel zu conferiren. Selbſt
der Kubo und der Kronprinz bekommen Titel von ſeiner
Hand, auch die hoͤchſten Beamten am Hofe des Kubo,
wenn dieſer ſie dazu empfiehlt. Auch giebt es mit vor-
nehmen Titeln von ihm verſehene Geiſtliche oder Praͤ-
laten, ſowohl an ſeinem Hofe, als bey den Tempeln
im Lande.


Der Dairi hat noch immer den erſten Rang
im ganzen Reiche, und der Kubo muß entweder in
eigner Perſon, oder durch eine Geſandſchaft, entwe-
der jaͤhrlich oder nach Verlauf einer gewiſſen Zeit, ihm die
Aufwartung machen, und, nach allgemeiner Landesſitte,
Geſchenke mitbringen. Joritomo und andre weltliche
Kaiſer ſind in eigner Perſon nach Miako gereiſet, um
ihm dieſe Huldigung zu leiſten. In ſpaͤtern Zeiten
aber hat dies mehr und mehr abgenommen, und end-
lich iſt es gar unterblieben. Die Fuͤrſten der Provin-
zen warten aber dem Dairi nie auf ſolche Art feyerlich
auf; auch thut es der Hollaͤndiſche Ambaſſadeur nicht
auf ſeiner Reiſe nach Jedo.


Als Kaͤmpfer ſich in Japan aufhielt, regierte der
Dairi Kinſeckwo Tei, der im Jahr 1687. den Thron
beſtiegen hatte. Seit dieſer Zeit haben folgende re-
[11]Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.
giert: Naka no Mikaddo no In, von 1709 bis 1735;
Sakkura Matie no In, von 1735 bis 1746; Momi
Zon no In
, von 1746 bis 1761; Zentoogozio, von
1761 bis 1769; und Figaſi jamma no In von 1770
an, welcher bey meiner Abreiſe auf dem Throne ſaß.


Man vergleiche hier uͤbrigens, was ich im Vorher-
gehenden bey Beſchreibung der Stadt Miako vom Dairi
und deſſen Hofe ſchon angefuͤhrt habe.


Von der vortreflichen Polizey in Japan und den
darauf ſich beziehenden Einrichtungen habe ich im er-
ſten Theile dieſes Bandes mehrmals Nachricht zu geben
Gelegenheit gehabt. Beſonders herrſcht in allen Staͤd-
ten eine faſt unnachamliche Ordnung zu Aufrechthaltung
oͤffentlicher Ruhe, Sicherheit, Bequemlichkeit und
Wohlfahrt. Einiges hievon habe ich bey dem, was
ich von den Staͤdten Nangaſacki und Jedo geſagt habe,
ſchon erwaͤhnt. Es ſind naͤmlich in jeder Stadt vier
Buͤrgermeiſter, von denen jeder ein Jahr lang den
Vorſitz hat, das Wort fuͤhrt und Ninban heißt. Auſ-
ſer dieſen iſt uͤber jede Straße ein Ottona geſetzt, der
gleichſam ein Commiſſarius iſt, und den Buͤrgermei-
ſtern von allem was vorfaͤllt, Rapport abſtatten muß.
Er hat verſchiedene Stadtdiener zu ſeinem Dienſte unter
ſich. Sein Amt iſt, alle, die in ſeiner Straße ge-
bohren werden, ſterben, heyrathen, verreiſen, weg-
ziehen oder ankommen, aufzuſchreiben und die Einig-
keit unter den Einwohnern zu erhalten zu ſuchen. Er
hat das Recht, die Verbrecher gefangen zu ſetzen und
ſogar in Feſſeln zu legen. Er wird von den Einwoh-
nern einer Straße gewaͤhlt und aus der Caſſe der
Straße beſoldet; die Miethsleute haben aber bey ſei-
ner Wahl keine Stimme. Jeder Ottona hat auch
drey Beyſitzer zu Gehuͤlfen, einen Secretair, und einen
[12]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Caſſirer. Die Stadtdiener ſind zugleich Spionen, die
dem Ottona von allem genaue Nachricht bringen muͤſſen.
Jede Stadt iſt mit Thoren verſehen; aber auch jede
Straße hat ihre beſonderen Thore, die, bey entſtandenen
Unruhen, wenn ſie verſchloſſen werden, alle Gemein-
ſchaft mit andern Straßen abſchneiden, ſo, daß keiner
der Laͤrm und Unruhe anſtiftet, mit der Flucht entkom-
men kann; des Nachts ſind ſie allezeit verſchloſſen, ſo,
daß niemand aus oder ein kann. Von einem ſolchen
Thore zu einem andern ſind gemeiniglich dreyßig bis
ſechzig Klafter. Die Hausmiethe wird monatlich be-
zahlt, und zwar nach der Groͤße der Zimmer, die man
bewohnt, welche nach der Anzahl der Fußbodenmatten
beſtimmt wird. — Von den unuͤbertreflichen Feuer-
anſtalten habe ich Seite 114 dieſes Bandes geredet.
Hier hole ich noch nach, daß die Buͤrgerſchaft, ſowohl
Hausbeſitzer als Miethsleute, zu Verhuͤtung von
Feuersbruͤnſten ſelbſt Wache halten muß. Solcher
Nachtwachen ſind zwey, und dieſe ſind ſo unverletzlich,
daß niemand bey unvermeidlicher Lebensſtrafe ſich an
ihnen vergreifen darf. Die eine haͤlt ſich allezeit auf
der Hauptwache auf, und kann, wenn Gefahr vorhan-
den iſt, verdoppelt werden. Die andere iſt die um-
hergehende, welche ich am angefuͤhrten Orte beſchrieben
habe. Jede Straße hat ihre eigne Wache, Wach-
haͤuſer und Loͤſchgeraͤthſchaften. In allen Gaſthoͤfen,
Wirthshaͤuſern und Kruͤgen, geht es ſo friedlich zu,
daß man ſelten von Schlaͤgerey oder betrunknen Leuten
hoͤrt. In jeder Stadt ſind viele Wirthshaͤuſer zur Be-
quemlichkeit der Reiſenden; dieſe Haͤuſer ſind reinlich
und liegen in guten Gegenden der Stadt.


Die Doͤrfer habe ich ſchon gelegentlich beſchrieben;
ſie liegen meiſtens an den oͤffentlichen Landſtraßen und
[13]Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.
unterſcheiden ſich von den Staͤdten dadurch, daß ſie
nur Eine Straße haben und offen ſind. Auch in den
kleinſten Doͤrfern ſind eine Menge kleiner Herbergen
vorhanden, wo fuͤr Reiſende Thee und andere Erfri-
ſchungen immer in Bereitſchaft gehalten werden.


An den Landſtraßen findet man alle zwey, hoͤch-
ſtens alle vier, Meilen Poſthaͤuſer, wenn ich ſie ſo nen-
nen kann, wo allezeit Pferde und Traͤger die fuͤr Geld,
Menſchen, Gepaͤcke und Waaren tragen, zu haben ſind.
Die Taxe, wornach man dieſe bezahlt, iſt nach der Be-
ſchwerlichkeit und Laͤnge der Wege eingerichtet, mithin
in verſchiedenen Gegenden verſchieden, aber genau und
richtig beſtimmt.


So wachſam die Polizey iſt, und ſo puͤnktlich und
ordentlich ihre Einrichtungen befolgt werden, eben ſo
ſtrenge ſind auch die Geſetze.


Um ſo viel moͤglich zu erhalten, daß die in
oͤffentlichen Aemtern ſtehende Perſonen ehrlich und zu-
verlaͤſſig ſeyn moͤgen, iſt eingefuͤhrt, daß jeder, ohne
Unterſchied, beym Antritt ſeiner Bedienung, einen ſehr
ſcharfen Eid ſchwoͤren und ſolchen auch wohl jaͤhrlich er-
neuern muß. Manchmahl muͤſſen ſie auch umwech-
ſeln, um nicht an einem Orte zu alt und mit der Zeit
verleitet zu werden.


Die Wirkung der Strenge der Geſetze iſt ſehr
groß und in die Augen fallend. Schwerlich giebt es
irgend ein Land, wo weniger gegen die Geſetze gehan-
delt wird. Und da nie das mindeſte Anſehen der Per-
ſon ſtatt hat, und die Geſetze uralt, ohne Abaͤnderun-
gen, Erklaͤrungen und Verdrehungen ſind, ſo wachſen
die Unterthanen nicht nur mit zuverlaͤſſiger Kenntniß
deſſen, was ſie zu thun und zu unterlaſſen haben, auf,
[14]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſondern das Beyſpiel und unſtraͤfliche Betragen der Al-
ten leuchtet ihnen auch darin vor.


Die meiſten Verbrecher werden mit dem Tode be-
ſtraft, nicht wegen Groͤße oder Geringfuͤgigkeit des
Verbrechens, ſondern weil man ſich unterſtanden hat,
die geheiligten Geſetze des Reichs zu uͤbertreten, und
die Gerechtigkeit zu beleidigen, welche, naͤchſt der Reli-
gion, fuͤr das Allerheiligſte gehalten wird. Geldbuße
betrachtet man als mit Gerechtigkeit und Vernunft
ſtreitend; der Reiche, glaubt man, wuͤrde dabey von
aller Stafe frey und dies wuͤrde hoͤchſt unrecht und un-
gereimt ſeyn. Todtſchlag wird mit der Todesſtrafe ge-
ahndet, und wenn er in einer Stadt oder auf oͤffentlicher
Straße geſchehen iſt, ſo wird nicht nur der Moͤrder,
ſondern bisweilen auch die Anverwandten und Angehoͤ-
rigen, ja die Nachbaren deſſelben, beſtraft, je nachdem ſie
mehr oder weniger dazu mit beygetragen, oder doch die
That zu hindern unterlaſſen haben. Den Saͤbel gegen
jemand zu ziehen, koſtet das Leben. Alle Schleich-
haͤndler werden ohne Schonung am Leben geſtraft, im-
gleichen alle, die Theil daran gehabt haben, ſowohl
die Verkaͤufer als Kaͤufer der Waare. Alle Todesur-
theile muͤſſen vor der Vollziehung vom Staatsrathe zu
Jedo unterſchrieben werden, und vor dem Urtheils-
ſpruche muß ein foͤrmliches Verhoͤr vor dem dazu geſetz-
ten Richter und mit Abhoͤrung der Zeugen hergehen. Die
Miſſethaͤter werden gewoͤhnlich im Gefaͤngniſſe ſelbſt, ins
Geheim, mit dem Saͤbel enthauptet, wiewohl auch in
einigen Faͤllen oͤffentliche Creutzigung oder andre oͤffent-
liche und zwar ſchmerzliche Todesſtrafe uͤblich iſt. Ver-
brecher die den Tod nicht verdient haben, werden ent-
weder auf Lebenslang mit Gefangenſchaft beſtraft, oder
nach einer entfernten Inſel verwieſen, und dabey ihr
[15]Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.
ganzes Vermoͤgen confiſcirt. In den Staͤdten werden
oft die Bewohner einer ganzen Straße um eines einzi-
gen Verbrechers willen geſtraft; der Herr wegen der
Vergehung ſeines Knechts, die Aeltern wegen deſſen,
was die Kinder begangen haben, und zwar nach Ver-
haͤltniß ihres Antheils an dem Vergehen. In dem
durch Philoſophie und lautere Religion aufgeklaͤrten
Europa wird der, welcher jemand verfuͤhrt oder zum
Boͤſen verleitet, ſelten; Aeltern und Anverwandten
hingegen, welche die Erziehung ihrer Kinder und An-
gehoͤrigen verſaͤumten oder vernachlaͤſſigten, nie be-
ſtraft: dagegen finden dieſe ſogenannten Heiden der-
gleichen Beſtrafung nicht unbillig.


Gefaͤngniſſe ſind zwar hier zu Lande, wie ander-
waͤrts, ſehr unangenehme Aufenthaltsoͤrter, ſie werden
aber reinlich und geſund gehalten, und beſtehen außer
den Gemaͤchern fuͤr die Gefangenen, aus einem Zim-
mer zum peinlichen Verhoͤre, einem Gemache zu den
Hinrichtungen, Kuͤche, Eßſaale und Badſtube. Vor
den Staͤdten und Doͤrfern ſieht man bisweilen an der
linken Seite Kreuze und Pfaͤhle aufgerichtet; dies ſind
die Richtplaͤtze, wo, in vorigen Zeiten mehr als heuti-
ges Tages, die Delinquenten aus der Welt geſchaft
wurden.


Da die Strafen in dieſem Lande ungewoͤhnlich
hart und, wie ſchon geſagt, die Geſetze unveraͤnderlich
ſind, ſo kann man mit Wahrheit behaupten, daß hier
weit weniger Verbrechen und geſetzwidrige Handlungen
begangen und beſtraft werden, als in andern volkrei-
chen Laͤndern, wo, außer den vielen Strafen, die jaͤhr-
lich vollzogen werden, viele Verbrecher und die Geſetze
uͤbertretende Perſonen, verborgen bleiben, Gelegen-
[16]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnittt.
heit zu entkommen haben, oder auf andre Art der ver-
dienten Ahndung entgehen.


Die Dollmetſcher haben mich verſichert, und ich
kann nicht leugnen daß es mir ſehr auffiel, daß es
Geſetze gebe, denen von der Strafe der Uebertreter
nichts beygefuͤgt, und daß in Beziehung auf man-
che Verbrechen die Strafe nicht allgemein bekannt ſey;
ſie glaubten aber, (vermuthlich hatten ſie ihre guten
Gruͤnde,) man muͤſſe ſich deshalb nicht weniger vor Ver-
brechen und Vergehungen huͤten, wenn ſchon der Regent
nicht fuͤr gut befunden habe, die Art der Strafe zu be-
ſtimmen und bekannt zu machen. Damit aber nie-
mand Unkunde der Geſetze vorſchuͤtzen moͤge, findet man
ſie in allen Staͤdten und Doͤrfern, zu oͤffentlicher An-
ſicht und taͤglichem Durchleſen, mit großen Buchſtaben
geſchrieben und auf einem mit Gitterwek umgebenen of-
nen Platze aufgeſtellt, der in den Staͤdten gleich in-
nerhalb des Thores und in den Doͤrfern mitten auf der
Straße iſt. Die Befehle deſſen, was geſchehen oder
unterlaſſen werden ſoll, ſind ſehr kurz, ohne Beſtim-
mung der Strafe und ohne beygeſetzte Drohungen.


Die oͤffentlichen Abgaben der Einwohner ſind in
verſchiedenen Provinzen und, eben ſo, auch in den
Staͤdten und auf dem Lande, verſchieden. Der Kubo
bezieht, auſſer den anſehnlichen Geſchenken, welche er
jaͤhrlich von den Provinzialfuͤrſten und den Hollaͤndern
bekommt, die ſeinigen aus gewiſſen Staͤdten und Land-
ſchaften. Die Fuͤrſten erheben die ihrigen, jeder aus
ſeiner Provinz und den darin befindlichen Staͤdten; ſie
ſind aber nach der Lage, dem Reichthum, dem Um-
fange, der Volksmenge und dem Anbau ſehr ungleich.
Jeder Hauseigenthuͤmer bezahlt von ſeinem Hauſe, nach
Maaßgabe der Fronte deſſelben an der Straße, eine
feſtge-
[17]Staatsverfaſſ. Polizey, Geſetze ꝛc. in Japan.
feſtgeſetzte Steuer, hiernaͤchſt muß er den oͤffentlichen
Beamten beſtimmte Geſchenke machen, auch an die Tem-
pel und zum Dienſt der Goͤtter eine gewiſſe Contribution
erlegen. Die Stadt Nangaſaki beſteht aus ungefehr
neunzig Straßen, hat zwey und ſechzig Tempel und ihre
ſaͤmmtlichen Abgaben betragen etwa drey Mangokf.
Das platte Land entrichtet nach dem Ertrage des Fel-
des ſeine Steuern, die gewoͤhnlich in Reis beſtehen.
In waldichten und weniger cultivirten Gegenden,
ſind die Auflagen geringer. Indeſſen ſind ſie im Ganzen
durchgehends ſehr betraͤchtlich. Ein Rentmeiſter, oder
Vogt, treibt ſie ein. Das Ackerland wird, in dieſer
Ruͤckſicht, nach Verſchiedenheit der Fruchtbarkeit und
Guͤte, in drey Klaſſen eingetheilt. Wer ein Stuͤck
Feld urbar macht, benutzt es zwey bis drey Jahr ganz
ſteuerfrey. Damit man immer genau wiſſe, wie groß
eines jeden Feld ſey, und wie viel davon an den Fuͤr-
ſten der Landſchaft abgetragen werden muͤſſe, wird es
oft, nicht ſelten zweymahl des Jahrs, im Fruͤhling
und in der Erndtezeit, gemeſſen. Gewoͤhnlich machen
die Abgaben von Landguͤtern und Aeckern etwas uͤber
die Haͤlfte, oft uͤber zwey Drittheil des ganzen Ertra-
ges aus. Um ſie genau zu beſtimmen, wird ein Stuͤck
Land gemeſſen, das Korn oder der Reis auf demſelben
abgeſchnitten und gedroſchen, und darnach ausgerech-
net, wie viel das Ganze ungefaͤhr betraͤgt. Der
Boden oder das Feld, gehoͤrt allezeit entweder dem
Landesherrn oder dem Fuͤrſten, und der Landmann
und Bauer beſitzt es nur zu Lehn, ſo lange er es ge-
hoͤrig bearbeitet.


Es iſt wahr, die Einrichtungen in dieſem Lande
kommen einem Auslaͤnder oft ſonderbar vor, und nicht
ſelten ſind ſie mit vielem Zwange verbunden, doch ſind
Thundergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. B
[18]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ſie zum Theil gewiß vortreflich und in vielen Faͤllen
noͤthig. Im Allgemeinen ſind in Japan ſowohl die
oberſte Landesregierung, als die uͤbrigen Beamten und
oͤffentlichen Staatsbedienten, mehr als in den meiſten
andern Laͤndern, auf das Wohl des Landes, auf die Er-
haltung der Ordnung und auf Sicherſtellung der Unter-
thanen und ihres Eigenthums bedacht.


Zweyter Abſchnitt.
Religion der Japaner, und was ſich darauf
bezieht.


Die Religion iſt in ganz Japan uͤberhaupt heidniſch,
doch giebt es mehrere unterſchiedene Secten, die gleich-
wohl alle in groͤßter Eintracht, ohne Streit und Zank,
mit einander leben. Jede Partey hat ihre beſonderen
gottesdienſtlichen Gebaͤude und ihre beſonderen Goͤtter.


Der ſogenannte geiſtliche Kaiſer, der Dairi, iſt
das Oberhaupt der Kirche, gleichſam der Pabſt, und
ernennt die vornehmſten Prieſter.


Ihre Goͤtter bilden die Japaner unter einer be-
ſtimmten, meiſtentheils widrigen und ungeheuren Ge-
ſtalt ab. Ueberhaupt fingiren ſie ſich viele Goͤtter und
beynahe fuͤr jede Lebensart und Handthierung einen
beſondern Gott, ungefaͤhr wie die alten Griechen und
Roͤmer; ſie haben daher hoͤhere und niedere Goͤtter.
Ein ewiges und allmaͤchtiges Weſen, hoͤher als alle an-
dere Goͤtter, iſt ihnen zwar nicht unbekannt, aber
die Erkenntniß deſſelben, iſt ſehr in Dunkel und
Aberglauben verhuͤllt. Kein heidniſches Bild die-
ſes hoͤchſten Gottes habe ich indeſſen ſo groß und
majeſtaͤtiſch gefunden, als hier in zwey Tempeln, in
deren einem es von ganz unglaublicher Groͤße vorhan-
[19]Religion der Japaner.
den iſt, in dem andern aber ſeine unendliche Macht
durch eine unzaͤhlige Menge auf beyden Seiten ſtehen-
der kleiner Goͤtter, vorgeſtellt wird. Seite 127 und
128 des erſten Theils, habe ich dieſe Bilder, nebſt den
Tempeln worin ſie ſtehen, genauer beſchrieben.


Der Tempel ſind viele; die meiſten ſtehen außer-
halb um die Staͤdte herum, und zwar an den hoͤchſten
und ſchoͤnſten Stellen, die Wege dahin, ſind oft mit
Alleen von Cypreſſen und mit ſchoͤnen Thoren geziert.
In den meiſten Tempeln iſt ein beſondrer und abgetheil-
ter Platz fuͤr das Bild des Gottes, welcher bisweilen
auf einem Altare ſitzt, und ſein Rauchwerk, Blumen
und andere Zierrathen um ſich her liegen hat. Die
Tempel im ganzen Lande, ſtehen das ganze Jahr hin-
durch taͤglich offen, werden aber an den gewoͤhnlichen
Feſttagen am haͤufigſten beſucht. Viele ſpazieren auch
bey gutem Wetter dahin, um ſich da ein Vergnuͤgen
zu machen.


Der Prieſter bey jedem Tempel ſind viele, ob-
gleich ihre Geſchaͤfte ſehr geringe und wenig ſind. Sie
beſtehen darin, den Tempel rein zu halten, die Lichte
und Lampen anzuzuͤnden, und diejenigen Blumen dem
Gott vorzuſetzen, die ihm heilig und, der Meinung der
Japaner nach, die angenehmſten ſind. Oeffentlichen
Gottesdienſt, Religionsvortraͤge, Geſang und der-
gleichen, hat man in den Tempeln gar nicht; ſondern
jeder, der kommt, verrichtet ſein Gebet, und laͤßt et-
was zur Opfergabe zuruͤck. Kein Fremder wird von
den Tempeln ausgeſchloſſen; ſelbſt die Hollaͤnder duͤrfen
ſie beſuchen und werden, wenn in kleinen Staͤdten die
Wirtshaͤuſer beſetzt ſind, in dieſelben einquartiert,
welches, auf der Reiſe nach Jedo, auch uns einmal wie-
derfuhr.


B 2
[20]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Einige Tempel ſind vor andern beſonders merk-
wuͤrdig, und zu ſolchen werden auch aus allen Provin-
zen des Reichs Wallfahrten, wie von den Muhamme-
danern nach Mekka, angeſtellt. Von dieſer Art iſt
vorzuͤglich der Tempel Iſie. Dieſer iſt dem aͤlteſten Gotte
des Landes, oder dem hoͤchſten himmliſchen Gotte, Ten-
ſio Dai Sin, geweihet, und der aͤlteſte im ganzen
Lande, aber auch der unanſehnlichſte, und jetzt vor
Alter dermaßen verfallen, daß er mit der groͤßten Sorg-
falt kaum noch vor dem voͤlligen Einſturze geſchuͤtzt wer-
den kann. In demſelben findet ſich nur ein Spiegel
und an den Waͤnden hie und da einige Streifen weiſſen
Papiers aufgehaͤngt, welches anzeigen ſoll, daß kein
Unreiner ſich dem Gotte naͤhern, oder ihm gefallen
kann, und daß das allſehende Auge alles ſieht. Der
Kaiſer, welcher dieſen Tempel nicht in eigner Perſon
beſuchen kann, fertigt jaͤhrlich im erſten Monathe eine
Geſandſchaft dahin ab. Alle Unterthanen, weß Al-
ters oder Geſchlechts ſie ſeyn moͤgen, ſind ſchuldig,
wenigſtens Einmal in ihrem Leben, eine Reiſe hieher zu
machen; viele machen ſie alle Jahr. Die Vornehmen
kommen gleichwohl ſelten hin; ſie maßen ſich, hier wie
andrer Orten, ihre beſonderen Privilegien an, die mehr
der Bequemlichkeit als dem was ſie thun ſollten an-
gemeſſen ſind. Dieſe Wallfahrten koͤnnen zu jeder
Zeit geſchehen, gemeiniglich aber werden ſie in
der ſchoͤnſten Jahrszeit, in den Fruͤhlingsmonathen,
verrichtet. Eine ſolche Wallfahrt gethan haben, iſt
verdienſtlich, und wirkt dem Pilgrim einen Ablaß fuͤr
das ganze Jahr. Auf meiner Reiſe nach Jedo, ſah
ich dergleichen Pilgrimme zu Tauſenden; oft waren
ſie ſo arm, daß ſie unterweges ihr Brod betteln
mußten. Dieſe arme Leute trugen nach Landesſitte
[21]Religion der Japaner.
auch ihr Bette mit ſich, das aus einer Strohmatte be-
ſtand, welche ihnen uͤber der Schulter hieng. Die
meiſten trugen auch einen kleinen Eimer, um daraus
zu trinken und ihre Almoſen darin zu empfangen. Auf
dieſe Gefaͤße iſt der Name des Beſitzers geſchrieben,
damit man, auf den Fall, wenn er auf der Wallfahrt
umkommen oder natuͤrlichen Todes ſterben ſollte,
wiſſen moͤge, wer er geweſen iſt. Wenn die Wallfahr-
ter zu Iſie angekommen ſind, werden ſie von einem
Prieſter nach dem Tempel gefuͤhrt, wo ſie ihr demuͤ-
thiges Gebet verrichten und, gegen ein Geſchenk an den
Prieſter, einen Ablaß bekommen, der aus einigen, in
einer laͤnglichen Doſe von duͤnnem Zinn verwahrten,
duͤnnen zinnernen Blaͤttchen, (wie unſre geſchlagene
Gold- und Silberblaͤttchen) beſteht.


Herrſchende Religionen kann man in Japan eigentlich
zwey annehmen: ſie werden Sinto und Budsdo genannt.


Die erſtere, oder Sinto, iſt die eigenthuͤmliche
und aͤlteſte Religion dieſes Landes, ob ſie gleich weni-
ger Anhaͤnger hat. In ihrer erſten Einfachheit ſcheint
ſie viel edler geweſen zu ſeyn als ſie jetzt erſcheint, da
ſie mit der Zeit durch fremde Ceremonien mehr und
mehr entſtellt worden iſt, auch ſcheinen ihre Lehren vor
dieſem mehr Klarheit gehabt zu haben, als heutiges
Tages, ſeitdem Irrwahn und Aberglaube ſie allmaͤhlig
mehr verdunkelt haben. Vielleicht ſchreibt ſie ſich ur-
ſpruͤnglich gar von den Juden, nach dem Aufenthalte
derſelben in Babylonien, her. Ihre Anhaͤnger erken-
nen und glauben ein erhabenes Weſen, das in den hoͤch-
ſten Himmeln wohnt, nehmen aber auch noch geringere
Untergoͤtter an. Beym hoͤchſten Gotte ſchwoͤren ſie
ihre Eide, glauben aber uͤbrigens, daß er weit daruͤber
erhaben ſey, ihrer Verehrung zu beduͤrfen. Die
B 3
[22]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
niedrigeren Goͤtter beten ſie an; ſie glauben, daß dieſe
uͤber die Erde, das Waſſer, die Luft u. ſ. w. herrſchen,
und die Menſchen gluͤcklich oder ungluͤcklich machen
koͤnnen. Von der Unſterblichkeit der Seele und einem
gluͤckſeligen oder ungluͤckſeligen Zuſtande nach dem Tode,
haben ſie allerdings, jedoch nur dunkle, Begriffe: die
Seelen der Tugendhaften, ſagen ſie, kommen nach ei-
nem Orte, der unter den Himmeln iſt, die Seelen der
Gottloſen aber muͤſſen lange unter den Himmeln umher
ſchwaͤrmen, um fuͤr ihre Suͤnden zu buͤßen. Wande-
rung der Seele in Koͤrper der Thiere oder andere Koͤr-
per, glauben ſie alſo nicht. Ihre ganze Religion geht
darauf aus, tugendhafte und rechtſchaffene Menſchen
in dieſem Leben zu ſeyn. Sie befleißigen ſich tugend-
haft zu leben, und den Geſetzen des Landes zu ge-
horchen, um ſolchergeſtalt ein in jedem Betracht unver-
letztes Gewiſſen zu bewahren. Sie eſſen kein Fleiſch,
vergieſſen nicht gern Blut, und ruͤhren keinen todten
Koͤrper an. Suͤndiget jemand in einem dieſer Stuͤcke,
ſo wird er, wie die Juden nach dem levitiſchen Ge-
ſetze, eine Zeitlang fuͤr unrein gehalten. Teufel giebt
es nach ihrer Meinung keine andre, als die, welche in
den Fuͤchſen als deren Seelen wohnen; dieſe Thiere
werden naͤmlich in Japan fuͤr ſehr gefaͤhrlich und ſchaͤd-
lich angeſehen. Obgleich die Bekenner dieſer Religion
die Ueberzeugung haben, daß ihren Goͤttern alles be-
kannt und es mithin unnoͤthig ſey ſie um etwas zu
bitten, ſo haben ſie doch ſowohl Tempel als gewiſſe
Feſttage. Die Goͤtter heißen bey ihnen Sin oder
Kami, und ihre Tempel Mia. Dieſe beſtehen aus
mehrern Zimmern oder Gallerien mit Fenſtern und
Thuͤren, die, nach hieſiger Art, eingeſetzt und herausge-
nommen werden koͤnnen. Der Fußboden iſt mit
[23]Religion der Japaner.
Strohmatten bedeckt, und das Dach ſteht ſo weit vor,
daß es einen erhoͤheten Gang bedeckt, auf dem man um
den Tempel herum gehen kann. In dieſem Tempel findet
man keinen abgebildeten Gott, oder ſonſt ein Bild,
um das hoͤchſte, unſichtbare Weſen vorzuſtellen. Bis-
weilen aber ſteht doch in einer Schachtel oder Doſe ein
kleines Bildniß eines Untergottes, dem der Tempel
heilig iſt. Mitten im Tempel befindet ſich gewoͤhnlich
ein großer, von Metall gegoſſener und polirter Spie-
gel, der die Hereintretenden erinnern ſoll, daß, ſo wie
man in demſelben die Flecken des Geſichts ſieht, die un-
ſterblichen Goͤtter auch die geheimen Flecken ihrer Her-
zen ſehen. Mit welcher Andacht die Sintoiſten,
ſowohl an ihren Feſten, als auch ſonſt, ſich dieſen
Tempeln nahen, habe ich oft mit der groͤßten Verwun-
derung geſehen. Sie wagen es nicht dem Hauſe ihres
Gottes nahe zu kommen, wenn ſie auf irgend eine Art
unrein ſind. Sie waſchen ſich deswegen vorher ſehr
ſorgfaͤltig, ziehen ihre beſten Kleider an, und waſchen
ſich die Haͤnde noch einmahl vor dem Tempel. Dar-
auf treten ſie mit ernſter Wuͤrde hinein, gehen vor-
waͤrts und ſtellen ſich vor den Spiegel. Alsdenn
buͤcken ſie ſich mit der tiefſten Ehrfurcht ganz bis zur
Erde nieder, kehren ſich wieder gegen den Spiegel,
verrichten ihr Gebet und geben ein Opfergeſchenk. Zu-
letzt klingeln ſie dreymal mit einer im Tempel befindlichen
kleinen Glocke, und gehen weg, um den Reſt des Tages
in Vergnuͤgen und mit Luſtbarkeiten zuzubringen. Die
Prieſter bey dieſen Tempeln ſind von zweyerley Art.
Diejenigen welche die im Tempel vorfallenden Ge-
ſchaͤfte verrichten, ſind Weltliche und Ungelehrte, um
nicht die Geheimniſſe der Religion offenbaren zu koͤnnen.
Die andern ſind Geiſtliche, und pflanzen die Geheim-
B 4
[24]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
niſſe ihrer Religion auf ihre Schuͤler fort, aber mit der
eidlichen Verpflichtung, nie etwas davon bekannt zu
machen. Die weltlichen Prieſter laſſen ſich den Bart,
nicht aber die Haare auf dem Kopfe ſcheeren, und tragen
nach japaniſchem Gebrauch weite Kleider, auf dem Ko-
pfe aber einen lakirten Hut mit herabhangenden ſeidenen
Schnuͤren. — Seit Einfuͤhrung der Religion des
Budsdo in Japan, haben die Sintoiſten verſchiedne
Lehren und Gebraͤuche angenommen, die ſie anfangs
nicht kannten. Dennoch aber, und auch des mannich-
faltigen Aberglaubens ungeachtet, womit ſie von Zeit
zu Zeit befleckt worden, iſt dieſe Religion unſtreitig die
beſte im Lande. Der Kubo bekennt ſich zu derſelben,
und iſt ſchuldig, jaͤhrlich einmal, entweder ſelbſt oder
durch eine Geſandſchaft, einen ihrer Tempel zu beſu-
chen, ſeinen Gottesdienſt darin zu verrichten, und
zugleich anſehnliche Geſchenke zuruͤckzulaſſen.


Die andere Hauptreligion, Budsdo genannt, iſt
von der weſtlichen Kuͤſte Oſtindiens, namentlich aus Ma-
labar
, Coromandel und Ceylon hergekommen. Budha,
welches ohne Zweifel mit Budsdo einerley iſt, iſt der
Name eines Propheten unter den Braminen, der unge-
faͤhr tauſend Jahr vor Chriſti Geburt auf Ceylon ge-
bohren ſeyn ſoll, und Stifter dieſer Secte geweſen iſt,
welche ſich hernach uͤber ganz Oſtindien und bis an die
aͤußerſten Graͤnzen Aſiens ausgebreitet hat. In China
iſt ſie erſt lange Zeit nach ihrer Entſtehung zu eini-
gem Anſehen gelangt; von da iſt ſie nach Corea, und
ſo weiter nach Japan gekommen, wo ſie ſehr allgemein
angenommen iſt, und mit der alten Sintoreligion ver-
miſcht, verſchiedne Misgeburten des Aberglaubens
hervorgebracht hat. Ihre vornehmſten Lehrſaͤtze beſte-
hen darin, daß die Seelen, ſowohl der Menſchen als
[25]Religion der Japaner.
der Thiere, unſterblich ſind, daß es Strafen und Be-
lohnungen nach dem Tode giebt; daß ſowohl jene als
dieſe ihre Stufen haben, daß die Selen laſterhafter
Menſchen in Thiere, und endlich, wenn ſie ſich beſſern,
wieder in Koͤrper von Menſchen wandern. Den hoͤch-
ſten Gott nennen die Anhaͤnger dieſer Religion, Amida,
und den Teufel, Jemma.


Außer den Prieſtern bey den Tempeln giebt es
auch einige geiſtliche Orden, die, zum Theil mehr zum
Theil weniger, heilig ſind. Der Orden der Blinden iſt
einer der ſonderbarſten in der Welt und vielleicht einzig
in ſeiner Art; er beſteht bloß aus blinden Leuten die
im ganzen Reiche zerſtreut ſind. — Der Orden
der Jamabbo oder Bergmoͤnche, von welchen oben,
Seite 35 ſchon etwas vorgekommen, iſt ebenfalls merk-
wuͤrdig. Er iſt vor etwa zweyhundert Jahren geſtif-
tet, und hat ſein Oberhaupt, oder ſeinen General, zu
Miako, welcher ſeinen Untergebenen nach Verdienſt
Ehrentitel ertheilt. Das aͤuſſere Zeichen einer ſolchen
Ehre, beſteht in einer um den Hals herabhangenden
Schnur, mit unterſchiedlichen Troddeln, die nach dem
verſchiednen Range auch von ungleicher Laͤnge ſind.
Die Moͤnche von dieſem Orden tragen einen Saͤbel an
der linken Seite, in der Hand einen Stock mit einem
kupfernen Knopfe und einer Tritonsſchnecke, (Murex
Tritonis
), um darauf, wie auf einer Trompete zu blaſen;
auf dem Kopfe haben ſie eine Muͤtze, auf dem Ruͤcken
einen Beutel und ein paar Schuh um auf den Bergen
damit zu gehen; oft auch eine Schnur wie ein Roſen-
kranz. Sie fuͤhren ein ſehr beſchwerliches und muͤhſeliges
Leben. Sie ſind ſchuldig, einmal im Jahr mit vieler
Gefahr, wilde Waͤlder zu durchwandern und bis zum
Gipfel der hoͤchſten Berge hinauf zu klettern. Sie
B 5
[26]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
muͤſſen ſich ganz vorzuͤglich der Reinlichkeit befleißigen,
und daher oft in kaltem Waſſer baden; auf den Gebir-
gen leben ſie bloß von Wurzeln und Kraͤutern. Uebri-
gens kann man ſie mit den Zigeunern vergleichen; ſie
ſtreifen baarfuß das ganze Land durch, und heilen
Krankheiten, ſchaffen geſtohlne Sachen wieder, wahr-
ſagen und ſo weiter.


Nonnenkloͤſter ſind, ſchon laͤnger als ſeit tauſend
Jahren, geſtiftet, obwohl ihre Anzahl den in Europa
vorhandenen bey weitem nicht gleich kommt.


Alle Orden und Secten haben allezeit ihr Ober-
haupt oder ihren General zu Miako, und bey jedem
Tempel oder Kloſter ihre Vorſteher. Auſſerdem ha-
ben ſie auch am Hofe des weltlichen Kaiſers zu Jedo
ihre geiſtlichen Bevollmaͤchtigten, die in den zwiſchen ih-
nen in weltlichen Angelegenheiten in den Provinzen ent-
ſtandnen Streitigkeiten, wie auch uͤber die Verbrechen
geiſtlicher Perſonen, entſcheiden; wenn aber ein Todes-
urtheil an ſolchen vollzogen werden ſoll, ſo muß es vor-
her allezeit vom Ordensoberhaupte unterſchrieben ſeyn.


Die mit Titeln verſehenen Geiſtlichen, ſowohl
bey Hofe zu Miako und zu Jedo, als bey den Tem-
peln im Lande, haben, nach Rang und Wuͤrden, ihre
beſondre Kleidung. Unter andern ſah ich einen ſolchen
Praͤlaten in der Naͤhe eines Kloſters vor der Stadt Nan-
gaſacki
, der lange, faſt auf die Erde gehende, Bein-
kleider und einen weiten Mantel mit einer langen
Schleppe anhatte. Er war ein ſehr freundlicher und
leutſeliger Mann, und ließ ſich vermittelſt der Dol-
metſcher in eine lange Unterredung mit mir uͤber aller-
hand Dinge ein, die mir aber bey weitem nicht ſo viel
Vergnuͤgen machte, als die um ſeinen Tempel ſtehen-
den Gewaͤchſe und Straͤuche.


[27]Religion der Japaner.

Religioͤſe Geluͤbde geſchehen haͤufig von aberglaͤu-
bigen Leuten. Einer unter unſern beſten Dolmetſchern,
ein bejahrter Mann, hatte vor langer Zeit das Ge-
luͤbde gethan, nie Schuh zu tragen. Er machte auch
dies Jahr in den Wintermonathen auf dieſe Art die Reiſe
mit der Hollaͤndiſchen Geſandſchaft nach Jedo, und
ertrug, mit ſeinen bloßen Fuͤßen, alles Ungemach der
Kaͤlte ſehr geduldig, und ohne die mindeſten nach-
theiligen Folgen davon zu ſpuͤren.


Von den religioͤſen Feſten und Feyertagen, iſt ſchon
im ſechſten Abſchnitte der fuͤnften Abtheilung vorlaͤufig
einiges vorgekommen. Jetzt will ich ſie ausfuͤhrlicher
beſchreiben.


Die gewoͤhnlichen Feſte, ſind die monathlichen.
Von dieſen iſt das vornehmſte, der erſte Tag jedes Mo-
naths, an welchem die Japaner des Morgens fruͤh
aufſtehen, ſich feſtlich ankleiden, ihre Vorgeſetzten und
Freunde beſuchen, und denſelben zum neuen Monathe
Gluͤck wuͤnſchen; dieſer Tag wird ſeit uralten Zeiten
uͤberall im ganzen Reiche gefeyert. Wenn der Voll-
mond eintritt, am funfzehnten Tage im Monathe, wird
der zweyte Feſttag gefeyert; an dieſem beſuchen die
Leute die Tempel mehr als an den vorhergehenden.
Der dritte Feyertag iſt von geringerer Erheblichkeit,
und faͤllt auf den acht und zwanzigſten, oder den Tag
vor dem Neumonde.


Auſſer dieſen monathlichen Feſttagen feyern ſie
noch fuͤnf andre, die jaͤhrlich einmal einfallen. Der
erſte unter dieſen iſt das Neujahrsfeſt. An dieſem
Tage gehen ſie des Morgens ſehr zeitig, in ihrem koſt-
barſten Anzuge, zu ihren Vorgeſetzten, Freunden und
Anverwandten, um ihnen ein gluͤckliches Jahr zu wuͤn-
ſchen. Der uͤbrige Theil des Tages wird mit Eſſen,
[28]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Trinken, Beſuchen der Tempel und mancherley Ver-
gnuͤgungen hingebracht. Einige machen bey dieſer
Gelegenheit auch ein, wiewohl unbedeutendes, Geſchenk.
Oft giebt auch der aͤlteſte in der Familie eine Abendmahl-
zeit. Das ganze Land iſt in dieſer Zeit in allgemeiner
Bewegung, welche drey volle Tage waͤhrt. Der ganze
erſte Monath wird hernach beynahe zu nichts anderm,
als zu Vergnuͤgungen und Zeitvertreiben angewandt.


Das andre jaͤhrliche Feſt faͤllt auf den dritten Tag
des dritten Monaths; das dritte auf den fuͤnften Tag
des fuͤnften Monaths; das vierte auf den ſiebenten Tag
des ſiebenten Monaths, und das fuͤnfte auf den neun-
ten Tag des neunten Monaths. Dieſe Tage, welche
ſaͤmmtlich eine ungerade Zahl haben, werden von den
Japanern fuͤr ungluͤckliche Tage gehalten, und deswe-
gen gefeyert, und man verrichtet keine Arbeit oder Ge-
ſchaͤfte an denſelben, ſondern wendet ſie zu Vergnuͤgun-
gen, Gluͤckwuͤnſchungen, und, wiewohl nur in gerin-
gem Maße, zum Dienſt der Goͤtter an. An dieſen
Feyertagen ſtellen ſie am liebſten ihre Hochzeiten, Gaſt-
gebote und andre Luſtbarkeiten an, weil ſie glauben,
daß die Goͤtter an der Freude der Menſchen Wohlgefallen
haben.


Auch die uͤbrigen feyerlichen Beluſtigungen der
Japaner, ſind mit zu ihrem Gottesdienſte zu rechnen.
Dies ſind in vielem Betracht, eine Art Schauſpiele.
Die feſtlichſten ſind, das Laternenfeſt und das ſoge-
nannte Matſuri.


Das Laternen- oder Lampenfeſt wird am Schluſſe
des Auguſts gefeyert, und von den Eingebohrnen Bong
genannt. Es waͤhrt drey Tage, iſt aber am zweyten
Abend und in der darauf folgenden Nacht am feyerlich-
ſten. Es iſt zum Andenken und zur Ehre der Ver-
[29]Religion der Japaner.
ſtorbnen geſtiftet, weil man glaubt, daß dieſe jaͤhrlich
in dieſen Tagen, und zwar am erſten Abend zu ihren
Verwandten und Freunden, jeder zu ſeinem Hauſe und
ſeiner Familie, zuruͤckkommen, und da bis zur zwey-
ten Nacht bleiben, wo ſie weggejagt werden muͤſſen.
Bey ihrer Ankunft werden, zu ihrer Bewillkommung,
bey allen Begraͤbnisſtellen Bamboſtangen aufgerichtet,
an welche eine Menge Laternen mit Lichtern, und zwar
ſo dicht bey einander aufgehaͤngt werden, daß die gan-
zen Berge wie erleuchtet ausſehen. Dieſe Laternen
brennen bis neun oder zehn Uhr des Nachts. Am
zweyten Abend, wenn ihrer Meynung nach die Seelen
der Verſtorbenen wieder weggejagt werden ſollen,
werden kleine Fahrzeuge von Stroh, mit Laternen und
brennenden Lichtern verſehen, um Mitternacht in Pro-
ceſſion mit Geſang, Muſik und vielem Geſchrey nach
dem Strande der See gebracht, aufs Waſſer geſetzt,
und Wind und Wogen uͤberlaſſen, bis ſie entweder
Feuer fangen und aufbrennen, oder von den Wellen
arsgeloͤſcht werden. Beyde Arten von Erleuchtungen
mit vielen tauſend Feuern, machen fuͤr das Auge einen
ungewoͤhnlich ſchoͤnen Anblick.


Das Feſt Matſuri wird an einem Feſttage, und
einem Gott zu Ehren gefeyert. Zu Nangaſacki zum
Exempel, wo ich dieſer Feyerlichkeit beywohnte, wird
es zum Gedaͤchtniſſe des Suwa, Schutzgottes dieſer
Stadt gefeyert. Es faͤllt auf den neunten Tag des
neunten Monaths, welches der Geburtstag dieſes Got-
tes iſt. Die Feyer wird mit Muſik, Tanz und Co-
moͤdien begangen. Sie nimmt ſchon am ſiebenden
ihren Anfang, da die Tempel beſucht, Gebete verrich-
tet, und Schauſpiele angeſtellt werden. Der neunte
aber wird mit vielem Pomp und großem Koſtenauf-
[30]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
wand gefeyert, und zwar jedesmal auf eine andre Art,
ſo, daß es in dem einen Jahre damit nicht ſo, als in
dem andern, gehalten werden darf. Die Koſten wer-
den von den Einwohnern der Stadt beſtritten, und
verhaͤltnißweiſe auf jede Straße vertheilt. Wir ſaͤmmt-
lichen Hollaͤnder waren eingeladen, dieſem Feſte bey-
zuwohnen. Es wurde auf einem großen freyen Platze
in der Stadt gefeyert. An der Seite war ein großes
Gebaͤude, das wie eine große auf Staͤndern ruhende
Scheune ohne Waͤnde ausſah, und mit Dach und
Baͤnken verſehen war, fuͤr die Zuſchauer aufgerichtet,
die durch Wachen vor dem Gedraͤnge des Volks ge-
ſchuͤtzt wurden. In dieſem Hauſe ſahen die Magi-
ſtratsperſonen, die Geiſtlichen, die Fremden und an-
dre Vornehmere zu. Zu allererſt ſah man die Prieſter,
ſchwarz und weiß gekleidet, mit dem Bildniſſe des
Suwa ankommen, und ihre Plaͤtze einnehmen. Zehn
bis zwoͤlf Perſonen ſpielten auf Inſtrumenten, und
beſangen die Thaten der Goͤtter und Helden, waͤhrend
Maͤdchen dazu tanzten, welchen der Tanz recht gut an-
ſtand. Die Muſik war ein bloßes Geraſſel, wel-
ches ihrem Gotte angenehmer, als menſchlichen Ohren,
geweſen ſeyn mag. Auf die Prieſter folgte ein großer
Sonnenſchirm mit dem Namen und Wapen der Straße,
der feyerlich einhergetragen wurde, nebſt maskirten
Muſikanten mit Trommeln, Pfeifen, Glocken und
Geſang. Hierauf kamen die Kunſtſtuͤcke ſelbſt, die
fuͤr jede Straße verſchieden waren; nach ihnen einige
Acteurs, und zuletzt die Einwohner der Straße, in
Proceſſion, von einer Menge andrer Leute begleitet.
Dieſer Zug dauerte beynahe eine ganze Stunde, wor-
auf ſie in der naͤmlichen Ordnung wieder abzogen, da
denn eine andere Proceſſion einher kam, her-
[31]Religion der Japaner.
nach eine dritte, und ſo ferner den ganzen Vormittag.
Die Einwohner einer jeden Straße wetteiferten mit
den andern in Pracht und Erfindung zur Feyer
dieſes Feſtes, und um meiſtens ſolche Sachen aufzu-
weiſen, welche die Erzeugniſſe, Bergwerke, Berge,
Waͤlder, Seefahrt, Kuͤnſte, Handwerker u. ſ. w. der-
jenigen Landſchaft anzeigen, von welcher die Straße
ihren Namen fuͤhrt, und aus welcher ſie ihre Einwoh-
ner bekommen hat.


Hochzeiten und Begraͤbniſſe koͤnnen auch mit zu
den religioͤſen Feyerlichkeiten der Japaner gerechnet
werden, ob ſie gleich dieſelben nicht mit der Pracht,
als die Europaͤer und verſchiedne andre Voͤlker, begehen.


Die Trauung geſchiehet auf einem ſchoͤnen und
erhabnen Platze vor der Stadt, in Gegenwart der An-
verwandten und Prieſter. Braut und Braͤutigam
treten zuſammen vor einen aufgerichteten Altar, mit
einer Fackel in der Hand. Unterdeß hierauf der Prie-
ſter ein Gebet laut herbetet, zuͤndet zuerſt die Braut,
welche zur Rechten ſieht, ihre Fackel an einer brennen-
den Lampe an, darauf zuͤndet der Braͤutigam die ſei-
nige an der brennenden Fackel der Braut an, und nun
wuͤnſchen die Anweſenden dem Brautpaare Gluͤck.


Die Todten werden hier zu Lande entweder zu
Aſche verbrannt, oder in die Erde begraben. Die er-
ſtere Sitte ſoll ehemals allgemeiner uͤblich geweſen, jetzt
aber nur bey den Leichen der Vornehmen gebraͤuchlich
ſeyn. Das Verbrennen geſchieht nicht allezeit auf
einem Scheiterhaufen, unter freyem Himmel, ſondern
bisweilen in einem dazu eingerichteten kleinen ſteiner-
nen Hauſe mit einem Schornſteine. Die Aſche wird
in ein koſtbares Gefaͤß geſammelt, eine Zeitlang im
Hauſe des Verſtorbnen verwahrt, und hernach in die
[32]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Erde begraben. Sowohl Maͤnner als Weiber, in
Norimon getragen, folgen der Leiche, wie auch die
hinterbliebenen Wittwen und Kinder, nebſt einem
großen Haufen ſingender Prieſter. Nachdem einer
von den Prieſtern einen Lobgeſang geſungen hat, ſchwenkt
er dreymal eine brennende Fackel uͤber der Leiche, wirft
ſie darauf von ſich, und einer von den Kindern oder
Verwandten nimmt ſie auf und ſteckt den Scheiterhau-
fen damit in Brand. Diejenigen, welche man ohne
Verbrennen beerdigt, werden in der Stellung, wie
die Japaner gewoͤhnlich ſitzen, in einen hoͤlzernen
Sarg geſetzt, und ſo in die Gruft geſenkt. Waͤhrend
und nach der Beerdigung, werden wohlriechende Ge-
wuͤrze in und auf das Grab geworfen, und zuletzt ſchoͤne
Blumen auf und um daſſelbe gepflanzt. Hernach wird
der Todte von den Hinterbliebenen mehrere Jahre, oft
ihr ganzes Leben hindurch, anfangs taͤglich, in der
Folge woͤchentlich, und zuletzt jaͤhrlich, beſucht, nicht
zu gedenken, daß alle Jahr das Laternenfeſt den Ver-
ſtorbenen zu Ehren gefeyert wird.


Die Japaner trauern auch foͤrmlich um ihre Tod-
ten eine Zeitlang. Die gewoͤhnliche Zeit der tiefſten
Trauer iſt aber doch nur fuͤnf Tage. Bey Landes-
trauern um fuͤrſtliche Perſonen darf in dieſen Tagen
keine Muſik gehoͤrt werden.


Die Japaner haben ihre Philoſophen und Sit-
tenlehrer alter Zeiten. Dieſe Maͤnner werden den
Prieſtern und heiligen Perſonen gleich geachtet, und
ihre Lehren ſind, wie die Lehren andrer Religionsſecten,
angenommen worden. Die vornehmſte von denen,
die Achtung und Anſehen gewonnen haben, iſt die Lehre
Sjuto oder Kooſi, welche in Europa unter dem Na-
men der Moral des Confucius bekannt iſt. Sie ſtammt
bekannt-
[33]Religion der Japaner, ꝛc.
bekanntlich aus China her, wo Confucius vier hun-
dert Jahr nach Budsdo gebohren wurde. Ihre An-
haͤnger beten zwar eigentlich keinen Gott an, glauben
auch nur Belohnung des Guten und Beſtrafung des
Boͤſen in dieſer Welt, ſetzen aber doch das hoͤchſte Gut
in ein tugendhaftes Leben. Sie glauben, die Welt
gehoͤre einer allgemeinen Weltſeele, ohne ſonſt einen
Gott zu erkennen; ſie haben auch weder Tempel noch
irgend eine Art Gottesverehrung. Ihre Religion be-
ſteht wie geſagt, hauptſaͤchlich darin, tugendhaft zu leben,
gegen jedermann recht zu handeln, und aufrichtigen
Herzens zu ſeyn. Zugleich ſchreibt ihre Sittenlehre
viele und vortrefliche Regeln zur Regierung des Staats
und zu einem wohlanſtaͤndigen und artigen Betragen
vor. Sie verbrennen ihre Todten nicht, ſondern
legen ſie, wie man in Europa thut, in einen Sarg,
und begraben ſie in die Erde. Den Selbſtmord hal-
ten ſie nicht nur fuͤr erlaubt, ſondern ruͤhmen ihn auch
als einen Beweis von Heldenmuth.


Das Chriſtenthum wurde in Japan, ſogleich
nach der Entdeckung dieſes Landes, von den Portugie-
ſen eingefuͤhrt. Ein junger Japaner, der zu Goa ge-
tauft ward, unterrichtete die Portugieſen von den
Vortheilen, die ſie ſich in Japan, ſowohl in Anſehung
des Handels als der Fortpflanzung der chriſtlichen
Religion, zu Nutze machen koͤnnten. Die Portugieſen
hatten damals voͤllige Freyheit, allenthalben zu reiſen,
zu handeln und zu predigen. Der Handel war ſehr ein-
traͤglich, und das Bekehrungsgeſchaͤft, welches
die Jeſuiten ſeitdem ſie im Jahr 1549. zuerſt nach
Japan und zwar nach der Provinz Bugo gekommen
waren, im ganzen Lande trieben, gieng ſo gluͤck-
lich von Statten, daß verſchiedne Provinzialfuͤrſten,
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyt. Th. C
[34]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
als die Fuͤrſten von Bungo, Arima, Omura und ver-
ſchiedne andre, den chriſtlichen Glauben annahmen. Eine
Menge Portugieſen hatten geheirathet, und ſich in ver-
ſchiednen Staͤdten von Japan niedergelaſſen. Nach vier-
zig Jahren, naͤmlich 1582, war die katholiſche Religion
hier in ſolchem Anſehen, daß eine Geſandſchaft von Ja-
panern nach Rom an Pabſt Gregor den dreyzehnten,
mit Briefen und Geſchenken, geſchickt ward. Durch den
unglaublichen Gewinn im Handel und durch die ſchnellen
Fortſchritte des Chriſtenthums, wurden die Portugie-
ſen bald uͤbermuͤthig, und es waͤhrte nicht lange, als
ihre Habſucht und ihr Stolz ſie ſtuͤrzten. In eben dem
Verhaͤltniſſe, als ihr Reichthum und Anſehn zunahmen,
machten ſie ſich den Japanern unertraͤglich und zuletzt
verhaßt, ſo, daß ſchon 1586 ein kaiſerlicher Befehl
erſchien, daß die Chriſten ausgerottet werden ſollten,
worauf heftige und gewaltige Verfolgungen gegen ſie aus-
brachen, wobey bloß im Jahr 1590. uͤber zwanzig tau-
ſend Perſonen umgebracht wurden. Dieſem allem un-
geachtet nahmen doch noch viele Eingeborne den chriſtli-
chen Glauben an und in den Jahren 1591 und 1592,
zaͤhlte man zwoͤlf tauſend Bekehrte und Getaufte. Ja der
Kubo Feide Jori war ſelbſt ein Chriſt, ſo wie auch ſein Hof
und ſein Kriegsheer der chriſtlichen Religion zugethan
war; und es iſt wahrſcheinlich, daß, wenn die Por-
tugieſen ſich vorſichtig und ruhig verhalten haͤtten, die
angefangne Verfolgung gegen ſie aufgehoͤrt haben
wuͤrde. Aber ſtatt deſſen wuchs ihr Hochmuth
und ihre Herrſchſucht, und das ungebuͤhrliche Be-
nehmen eines Biſchofs gegen einen von den Provin-
zialfuͤrſten brachte es endlich dahin, daß ſie ganz ge-
ſtuͤrzt, und ihrem eintraͤglichen Handel ſowohl, als
der chriſtlichen Religion in dieſem Lande ein Ende ge-
[35]Religion der Japaner, ꝛc.
macht wurde. Bey Gelegenheit einer Reiſe nach dem kai-
ſerlichen Hofe im Jahr 1596. wurde naͤmlich ein ſolcher
Fuͤrſt von jenem ehrſuͤchtigen Praͤlaten ſo beſchimpft, daß
er ſich genoͤthigt ſah, bey ſeiner Ankunft zu Jedo daruͤber
beym Kubo zu klagen. Im folgenden Jahre fing alſo die
Verfolgung der Chriſten aufs neue an; den Geiſtlichen
wurde verboten zu predigen; ein Theil derſelben ward aus
dem Lande gejagt, und die Kaufleute nach der Inſel De-
zima
verwieſen. Zugleich wurde eine Verraͤtherey entdeckt,
welche die Portugieſen gegen den Kaiſer angeſtiftet hatten,
um ihn vom Throne zu ſtoßen. Die Hollaͤnder, welche
damals Krieg mit den Portugieſen fuͤhrten, hatten nem-
lich eins ihrer Schiffe weggenommen, auf welchem ſie
einen Brief eines japaniſchen Hauptmanns Namens
Moro, an den Koͤnig von Portugal fanden, der einen
Anſchlag gegen das Leben und den Thron des Kaiſers
enthielt. Dieſe Verraͤtherey beſtaͤtigte ſich hernach
noch durch mehrere, von dieſem Moro nach Macao
geſchriebne Briefe. Es wurde daher beſchloſſen, daß
alle Chriſten, die ihre Religion nicht abſchwoͤren
wollten, aus dem Reiche vertrieben, oder ohne alle
Schonung getoͤdtet werden ſollten. Die Verfolgung
wurde hernach vierzig Jahr hindurch ununterbrochen
fortgeſetzt, und endigte ſich im Jahr 1638. auf eine
ſchreckliche Weiſe dadurch, daß ſieben und dreyßigtauſend
Chriſten, welche ihre letzte Zuflucht nach der Feſtung
Simabara genommen hatten, belagert, ſich zu erge-
ben gezwungen, und alle an Einem Tage umgebracht
wurden. Dadurch war die chriſtliche Religion nun in
Japan ausgerottet, und aller Handel von Europa dahin
hatte ein Ende. Die Japaner, welche ſich einbilde-
ten, daß die ſchlechten Handlungen der Chriſten von
ihrer Religion unzertrennlich waͤren, nahmen darauf
C 2
[36]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
die kraͤftigſten Maaßregeln gegen die Wiedereinfuͤhrung
derſelben, und verboten allen Portugieſen aufs
ſtrengſte, jemals ihre Kuͤſten zu betreten. Um nun
aufs genaueſte auszuforſchen, ob etwa noch chriſtliche
Japaner im Lande verborgen ſeyn moͤchten, trafen ſie
verſchiedene Anſtalten, wovon noch heutiges Tages
die, daß zu Anfange jeden Jahres, das Crucifix und
einige Heiligen-Bilder mit Fuͤßen getreten werden, zu
Nangaſacki und in den umliegenden Gegenden ſtatt
findet.


Dritter Abſchnitt.
Zuſtand der Wiſſenſchaften, Kuͤnſte und der-
gleichen, in Japan.


Die Wiſſenſchaften uͤberhaupt ſind in Japan bey
weitem nicht zu der Hoͤhe, wie in Europa, gelangt.
Selbſt der Ackerbau, den die Japaner fuͤr das aller-
nothwendigſte halten, und auf welchen ſie ſich mit ei-
nem Eifer und Fleiß legen der nicht ſeines gleichen
hat, ſelbſt dieſer wird nicht wiſſenſchaftlich getrieben,
geſchweige denn andre Wiſſenſchaften, deren Nothwen-
digkeit und Nutzen ſie nicht einſehen und auch keinen
Antrieb haben, ſich mit denſelben zu beſchaͤftigen.


Die vaterlaͤndiſche Geſchichte wird freylich von
allen, die nicht zu den unterſten Volcksklaſſen gehoͤren,
ohne Unterſchied getrieben, und iſt, was die fruͤheren
Zeiten betrift, vielleicht gewiſſer und zuverlaͤſſiger,
als die Geſchichte der meiſten anderen Laͤnder.


Die Aſtronomie wird zwar geliebt und geachtet.
Dennoch ſind die Japaner nicht im Stande, ohne
Huͤlfe chineſiſcher und hollaͤndiſcher Kalender einen rich-
[37]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
tigen Kalender zu verfertigen noch eine Sonnen- oder
Mondfinſterniß auf Minuten und Sekunden aus-
zurechnen.


Die Medicin hat bis jetzt noch gar keine bedeu-
tende Fortſchritte gemacht, wird es auch ſchwerlich
jemals thun; die Anatomie iſt ihnen etwas ganz unbe-
kanntes, und ihre Kenntniß der Krankheiten iſt ſehr ge-
ringe, verworren und oft fabelhaft. Von Phyſik und
Chemie wiſſen ſie nicht viel mehr, als was ſie in ſpaͤ-
teren Zeiten von europaͤiſchen Aerzten gelernt haben.
Botanik und Kenntniß der Arzneymittel machen ihre
ganze Arzneykunde aus.


Da ich Arzt bin, wird man es mir nicht uͤbel
nehmen, wenn ich bey dieſer Gelegenheit von den japa-
niſchen Aerzten, und der Art, wie ſie ihre Kunſt aus-
uͤben, etwas umſtaͤndlicher rede.


Der Aerzte giebt es mehrere Gattungen. Einige
lernen nur die Medicin, und befaſſen ſich bloß mit Hei-
lung innerlicher Krankheiten. Andre uͤben die Chi-
rurgie aus. Noch andere brennen nur mit Moxa,
andere treiben blos das Stechen mit Nadeln; andere
endlich gehen umher und frottiren.


Die, welche dieſe letztere Operation verrichten,
durchſtreichen des Abends die Gaſſen, ſchreyen und
bieten ihre Dienſte an. In einem Lande, wo Erkaͤl-
tungen ſo haͤufig und gemein ſind, thut dies Reiben
uͤber den ganzen Koͤrper gute Dienſte.


Das Brennen mit Moxa und das Stechen
mit Nadeln ſind zwey wichtige und im ganzen
Lande uͤberall gebraͤuchliche Operationen, die hier
wohl ſo oft als in Europa das Aderlaſſen vorgenommen
werden. Die Moxa, die Art ihrer Zubereitung,
C 3
[38]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
und ihren Gebrauch und Wirkung habe ich im erſten
Theile Seite 133. bereits beſchrieben. Hier habe ich
daher nur noch folgendes hinzuzufuͤgen: Sie wird nicht
nur als ein Heil- ſondern auch als ein Vorbauungsmit-
tel gegen Krankheiten gebraucht. Das Brennen wird
faſt an allen Theilen des Koͤrpers, beſonders an den flei-
ſchigen, vornemlich auf dem Ruͤcken angewendet. Der Ope-
rateur pflegt ſich die Stellen dazu ſorgfaͤltig auszuſuchen,
und zwar haben ſie beſondere gedrukte Tabellen dazu.
Dies Brennen iſt in den meiſten Krankheiten von Wirk-
ſamkeit, beſonders bey Pleureſie, Zahnſchmerzen, und,
wo es am meiſten Nutzen leiſtet, bey Gicht und Er-
kaͤltungen.


Das Stechen oder Prickeln mit Nadeln geſchieht
meiſtens in der Abſicht, um Kolicken dadurch zu heilen,
beſonders diejenige Art derſelben, welche hier Senki
heißt, und gewoͤhnlich eine Folge vom Sakki trinken
iſt. Der Unterleib iſt daher der Theil, an welchem
dieſe Operation vorgenommen wird. Sie bohren in
denſelben mehrere, oft neun, Loͤcher hinein, um ihrer
Meinung nach den Wind herauszuziehen. Indeſſen
werden auch wohl andere fleiſchige Stellen dazu ausge-
ſucht. Die Nadeln, welche hiezu gebraucht werden,
ſind fein, beynahe wie ein Haar, und werden von
Gold und Silber gemacht, und zwar von privilegirten
Leuten, außer welchen niemand ihnen die noͤthige
Haͤrte, Biegſamkeit und Feinheit, zu geben verſteht.
Indem man ſie durch die Haut hineinbringt, werden
ſie zwiſchen den Fingern gedrillt, um knochenartigen
Theilen auszuweichen.


Diejenigen, welche ſich mit Heilung innerlicher
Krankheiten beſchaͤftigen, werden fuͤr vornehmer gehal-
[39]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
ten, und unterſcheiden ſich von den Uebrigen dadurch,
daß ſie ſich den ganzen Kopf kahl ſcheeren. Sie be-
dienen ſich nie anderer, als einfacher Mittel, und
zwar am gewoͤhnlichſten in einem Decocte, um den
Schweiß oder den Urin zu treiben. Von zuſam-
mengeſetzten Medicamenten wiſſen ſie nichts. Ei-
nen großen Theil jener Arzeneymittel koͤnnten ſie zwar
im Lande ſelbſt bekommen; ſie kaufen ſie aber ſehr
haͤufig von den Chineſern. Bisweilen fuͤhlen die
Aerzte auch nach dem Pulſe, und dies waͤhrt alsdenn
ſehr lange, eine ganze Viertelſtunde, zuerſt an dem
einen, und hernach am andern Arme, gerade als wenn
das Blut nicht aus einer und derſelben Quelle nach
beyden Pulſen floͤſſe. Ihre Kenntniß der Fieber und
andrer innerlicher Krankheiten, kann nicht anders,
als ſehr geringe und ihre Cur muß ſehr unſicher ſeyn,
da ſie keine Kenntniß der Anatomie und Phyſiologie
haben, nicht einmal vom Umlaufe des Gebluͤts etwas
wiſſen, auch die Mittel, welche ſie verordnen, nur
wenig kennen. Die einzigen, welche etwas mehr da-
von verſtehen, ſind entweder Aerzte bey Hofe, oder
hollaͤndiſche Dolmetſcher, als welche Gelegenheit
haben, ſich einige beſſere Einſicht durch den Um-
gang mit europaͤiſchen Aerzten zu verſchaffen. Das
Aderlaſſen haben zwar einige wenige Aerzte und Dol-
metſcher dann und wann verrichtet; aber ſie nehmen
dieſe Operation nur ſelten vor, und alsdenn allezeit
mit vieler Furchtſamkeit. Ich gab ihnen nicht allein
die nuͤtzlichſten und zuverlaͤſſigſten Anweiſungen dazu,
ſondern munterte ſie auch, wo es noͤthig war, dazu auf,
und mußte zu dem Ende ſogar meinen Schuͤlern zu
Jedo meinen ſilbernen Schnaͤpper, nebſt andern fuͤr
ſie brauchbaren chirurgiſchen Inſtrumenten ſchenken.


C 4
[40]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

Die gewoͤhnlichen, und dieſem Lande eignen,
Krankheiten, ſind die oben erwaͤhnte Kolik, triefende
Augen, und Verhaͤrtung der Druͤſen. Von der Ko-
lik werden gar viele Leute, auch Fremde die ſich hier
einige Zeit aufgehalten haben, befallen. Die Krank-
heit iſt heftig und ſehr ſchmerzhaft, und laͤßt an meh-
reren Stellen Geſchwulſt zuruͤck, beſonders verurſacht
ſie den Waſſerbruch (Hydrocele). Rothe und trie-
fende Augen, ſind unter den Bauern und armen
Leuten auf dem Lande ſehr allgemein, und entſtehen
theils vom Dampfe der Kohlen, womit im Winter
die Zimmer geheitzt werden, theils von dem Geſtanke,
den ihre Abtritte und Urinplaͤtze hervorbringen; ver-
haͤrtete Druͤſen ſind ebenfals aͤußerſt haͤufig; und ich
habe bemerkt, daß ſie oft in Krebsſchaͤden uͤbergehen.
Beſonders entſtehen dergleichen am Halſe, und werden
alle Tage groͤßer; anfangs ſind ſie nur von der Groͤße
einer Erbſe, endlich werden ſie wie eine Fauſt dick.
Da die Hitze am Tage oft ſehr ſtark iſt, und, wenn der
Wind ſich alsdenn aufmacht, die Schweißloͤcher ſich
leicht verſchließen und die Ausduͤnſtung gehindert wird,
ſo bekommen die Leute ſehr oft heftige Rhevmatiſmen,
ſo wie in den Sommermonathen, aus der naͤmlichen
Urſach, Diarrhoͤen und die rothe Ruhr, denen nicht
nur die Japaner, ſondern auch die Europaͤer ausge-
ſetzt ſind. Eben das geſchieht auch wohl, wenn ſie
von den hieſigen Fruͤchten, beſonders von den Kakifei-
gen, die ſo ſehr ſchoͤn ſchmecken, zu viel eſſen.


Die Kinderpocken und die Maſern, ſind in Ja-
pan
ſchon ſeit ſehr langer Zeit bekannt und allgemein;
man bekuͤmmert ſich aber wenig darum. Ich habe
auch nicht viele geſehen, die dadurch gelitten haͤtten.
Die Einimpfung der Blattern kennt man nicht. Die
[41]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
Die Waſſerſucht im Kopfe (Hydrocephalus) hatte ich
Gelegenheit, bey einem drey und dreyßigjaͤhrigen Manne
zu ſehen, der auf unſrer Reiſe nach Jedo zu mir kam,
und von mir Rath begehrte. Er erzaͤhlte, er habe ſie
vor neunzehn Monathen davon bekommen, daß er,
indem er mit einem andern gefochten, mit einem
Bamboſtocke, der gleichwohl mit Leinwand uͤberzogen
geweſen, verſchiedne Schlaͤge auf den Kopf empfangen.
Von der Scheitel bis an den Hinterkopf ſah man eine
Geſchwulſt, die wie ein Finger dick war, und die
Hirnſchalknochen ſtanden ſo ſehr in die Hoͤhe, daß die
Fontenelle ganz weich zu fuͤhlen war. Eine Art Frie-
ſel, das die Europaͤer hier den rothen Hund nennen,
graſſirt hier waͤhrend der waͤrmſten Sommermonathe
Auguſt und September, beſonders unter den Euro-
paͤern. Sie waͤhrt bisweilen mehrere Wochen, bis-
weilen ganze Monathe. Der Ausſchlag iſt erhoben,
uneben und roth, ohne Fieber. Bisweilen verſchwin-
det er zum Theil, bisweilen wird er ſtaͤrker, beſonders
von der Mittags- und Abendhitze. Oft iſt er ohne
Jucken; wenn dies aber ſich einfindet, ſo iſt es des
Abends und Nachts am ſtaͤrkſten, und mit vieler Un-
ruhe und Schlafloſigkeit verbunden. Zu Zeiten iſt
dies Jucken von ganz eigner Art, das man alsdenn am
meiſten fuͤhlt, wenn man ſich regt, ſich auf einen
Stuhl ſetzt, den Ruͤcken an die Wand lehnt, im Bette
liegt oder die Arme krumm macht. Man empfindet ſo-
dann ein Prickeln in der Haut als wenn man mit tau-
ſend Nadeln geſtochen wuͤrde; und das hoͤrt auf, ſo-
bald man den bewegten Theil des Koͤrpers, ſelbſt in
der naͤmlichen Stellung, ſtill haͤlt. Das Geſicht iſt
von dieſem Ausſchlage frey, der ſich uͤbrigens uͤber den
ganzen Koͤrper, ſogar uͤber die Fingerſpitzen, erſtreckt.
C 5
[42]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Man bekommt dieſe Krankheit auch wohl mehr als ein-
mal waͤhrend eines Aufenthals in Japan.


Die Luſtſeuche iſt ohne Zweifel durch die Euro-
paͤer nach Japan gekommen. Veneriſche Zufaͤlle und
Krankheiten ſind hier jetzt ſehr allgemein [und] man trift
eine Menge Leute an, die damit behaftet ſind. Bis
auf meine Zeit wußten die hieſigen Aerzte dergleichen
nicht anders, als durch blutreinigende Decocte zu
ſchwaͤchen oder zu vertreiben. Ich hatte eine Partey
aͤtzenden Queckſilberſublimat aus Holland mitgebracht,
und fand, wie noͤthig man dies Mittel habe. Nichts
deſto weniger konnte ich nichts davon an die hieſigen
Aerzte verkaufen, denn dieſe waren in Anſehung des
Nutzens und Gebrauchs dieſes ſichern, aber zugleich
gefaͤhrlichen, Mittels ganz unwiſſend. — Von der
Speichelcur hatten ſie durch die hollaͤndiſchen Feld-
ſcheere zwar etwas gehoͤrt, und einigen Begrif davon;
hielten ſie aber fuͤr eben ſo ſchwer vorzunehmen, als
dem Patienten gefaͤhrlich. Die uͤbrige Arten den
Mercurius zu gebrauchen, kannten ſie nicht. Ich
nahm mir daher vor, den Practiſirenden, ſowohl den
eigentlichen Aerzten als den Dolmetſchern, von Zeit
zu Zeit kleine Parteyen von meinem Sublimate zu
ſchenken, und ſie zugleich im Gebrauch deſſelben,
zu unterrichten. Sie machten ſich dieſen Un-
terricht dankbar zu Nutze. Namentlich von
den Dolmetſchern fingen verſchiedene an, mit dieſem,
bisher hier unbekannten Heilmittel, veneriſche Zu-
faͤlle zu heilen. Die oft ſo ſchleunige Wirkſamkeit die-
ſer Curart, hielten ſie anfaͤnglich faſt fuͤr ein Wunder-
werk; und wirklich macht es mich aͤußerſt gluͤcklich,
dieſes Heilmittel hier bekannt gemacht zu haben, wenn
ich bedenke, daß durch daſſelbe in Zukunft viele Tauſende
[43]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
von Halsfiſtelſchaͤden und andern ſchrecklichen Sympto-
men dieſer garſtigen Krankheit, (dergleichen ich auf
meiner Reiſe durch dies Land ſo oft mit Betruͤbniß zu
ſehen, Gelegenheit hatte,) koͤnnen befreyet werden!


Die Rechtsgelehrſamkeit macht hier kein weitlaͤuf-
tiges Studium aus. Kein Land hat ein duͤnneres
Geſetzbuch und weniger Richter, als dieſes. Erklaͤ-
rungen der Geſetze und Advocaten ſind hier etwas
ganz Unbekanntes. Aber in keinem Lande werden die
Geſetze ſtrenger und ſorgfaͤltiger gehandhabt, ohne An-
ſehung der Perſon, ohne Privatabſichten, und ohne
Parteylichkeit. Die Geſetze ſind ſcharf, und der Pro-
zeß iſt kurz. Man erinnere ſich, was ich oben hievon
geſagt habe.


Die Sittenlehre der Japaner, beſteht nicht in
kuͤnſtlichen Syſtemen, ſondern in einfachen und ver-
nuͤnftigen Lehren, welche durch ein tugendhaftes Leben
auszuuͤben, ihr Beſtreben iſt. Und dieſe Moral wird
von allen hieſigen Religionsparteyen gelehrt, und nie
von der Religion ſelbſt getrennt, mit welcher ſie in ſo
enger Verbindung ſteht.


Von auswaͤrtigen Sprachen lernen diejenigen,
welche die Wiſſenſchaften treiben, und chineſiſche Buͤ-
cher und Schriften leſen wollen, die chineſiſche. Die
Dolmetſcher und einige Aerzte lernen auch das Hol-
laͤndiſche, und einige von ihnen verſtehen auch etwas,
wiewohl nur gar ſehr wenig Latein.


Die Kriegswiſſenſchaft iſt bey dieſem Volke, wie
bey andern morgenlaͤndiſchen Voͤlkern, ſehr einfach.
Muth, Tapferkeit, Standhaftigkeit und Liebe zum
Vaterlande, erſetzen, was ihnen an Regeln und foͤrm-
licher Kunſt Krieg zu fuͤhren, abgeht; und mit dieſen
Eigenſchaften haben ſie allezeit geſiegt, und ſich niemals
[44]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
von einem Feinde unterjochen laſſen. Des erſten Krie-
ges wird in der japaniſchen Geſchichte 471 Jahr vor
unſrer Zeitrechnung erwaͤhnt. Hernach ſind ſie eini-
gemal durch auswaͤrtige Kriegsheere beunruhigt wor-
den. Im Jahr 1284, als die Mogolen China ein-
genommen hatten, wurde der Feldherr Mooku mit
4000 Fahrzeugen, und 240,000 Mann hieher ge-
ſchickt, um Japan zu erobern; aber er konnte ſeinen
Zweck nicht erreichen.


Die Buchdruckerkunſt iſt in Japan unſtreitig alt.
Die Japaner haben aber dabey allezeit Platten ge-
braucht, und gebrauchen ſie noch, ohne daß ſie be-
wegliche Buchſtaben kennen. Sie bedrucken nur eine
Seite des Papiers, weil daſſelbe duͤnn iſt, und die
Schwaͤrze ſonſt durchſchlagen wuͤrde. — Ich hatte
Gelegenheit, verſchiedne japaniſche gedruckte Buͤcher
zu ſehen; beſonders wurden mir zu Jedo dergleichen
gezeigt. Eins war darunter, welches bey der vor-
maligen Anweſenheit der Portugieſen gedruckt war; es
war in laͤnglichem Quartformat, von Japaniſchem Pa-
pier, und, das Titelblatt ausgenommen, ganz und
gar mit japaniſchen Buchſtaben gedruckt. Auf dem
Titelblatte ſtand oben Racvyoxv, welches die Dolmet-
ſcher nicht ins Hollaͤndiſche uͤberſetzen konnten, in der
Mitte das portugieſiſche Wappen in laͤnglicher Figur,
und unten: In Collegio Japonico Societatis Jeſu cum
facultate ſuperiorum, Anno MDXCVIII.
Die Dol-
metſcher ſagten, es ſey ein Woͤrterbuch, doch ohne das
Portugieſiſche dabey zu enthalten. Es war von der
Dicke eines Daumen. *) — Herr Sunnan, mein
[45]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
fleißiger und geſchickter Schuͤler ſchenkte mir ein ge-
druktes japaniſches Woͤrterbuch, mit dem Titel Tjimen-
ſo, in Octav, das aus zwanzig Theilen beſteht, und
zu den Beſchreibungen auch Abbildungen enthaͤlt, die
aber elend genug ſind. Jeder Theil iſt nur eine, hoͤch-
ſtens zwey, Linien dick. — Einige andre gedruckte bo-
taniſche Buͤcher bekam ich zu Jedo zu Kauf, die zum
Theil aus vielen, zum Theil aus wenigen Baͤnden beſte-
hen, zum Theil gute, zum Theil ſchlechte Abbildungen
enthalten. Dahin gehoͤrt Sooqua Jenſo, in drey
Theilen, ſowohl Beſchreibungen, als, wiewohl
nur ſchlechte, Abbildungen, von lauter japaniſchen Ge-
waͤchſen, enthaltend. Morokuſi Komorſi, ein anders
Herbarium, das zugleich von vierfuͤßigen Thieren,
Fiſchen, Voͤgeln, Handwerkern und Oekonomie
handelt, es ſoll zuerſt in China gedruckt ſeyn, es
beſteht aus mehreren Theilen; die Figuren ſind klein
und aͤußerſt ſchlecht. Kimooſi iſt der Titel einer neuen in
Japan gedruckten Ausgabe dieſes Werks, in Quart,
in dreyzehn Theilen, die etwas beſſer und ſchoͤner iſt.
Das ſchoͤnſte japaniſche Herbarium hat den Titel: Foka
no jamma Kuſa; es beſteht nur aus einem Theile in
Octav, und enthaͤlt kaum andre, als japaniſche Kraͤu-
ter; die Abbildungen ſind ſchoͤn und deutlich. Noch
ein anderes ſah ich, das ſieben Theile, und Quartfor-
mat hat. Auch bekam ich ein gedrucktes Buch in
groß Quart, zwey Theile, mit illuminirten Abbildun-
gen japaniſcher Fiſche, zu Kauf. Dies iſt eins der
ſchoͤnſten in dieſem Lande herausgegebenen Buͤcher;
die Figuren ſind nicht nur ſo gut geſtochen, ſondern
auch illuminirt, daß ſie in Europa ſehr geruͤhmt wer-
den wuͤrden.


[46]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnittt.

Die Kunſt in Kupfer zu ſtehen, kennen die Ja-
paner
ebenfalls. In der Zeichenkunſt und Mahler-
kunſt ſtehen ſie den Europaͤern weit nach, ob ſie gleich
in Anſehung derſelben, einen ſehr wichtigen Vorzug
vor dieſen haben, den naͤmlich, daß ſie allezeit etwas
das in der Natur wirklich vorhanden iſt, zum Exem-
pel, Thiere, Gewaͤchſe oder was es ſonſt ſeyn mag,
vorſtellen, nicht aber, (zum Beyſpiel auf Tapeten oder
bey andern Mahlereyen) Figuren von Dingen, die
nicht exiſtiren, mit andern vermiſchen.


Die Feldmeßkunſt, und die Kunſt Plaͤtze und
Gegenden aufzunehmen, und Landcharten zu verferti-
gen, iſt ihnen auch nicht ganz unbekannt. Sie haben
ſowohl vom ganzen Lande richtige geographiſche, als
auch von ihren Staͤdten zuverlaͤſſige, topographiſche
Charten. Außer der Generalcharte vom ganzen Reiche
ſah ich dergleichen von den Staͤdten Jedo, Miako, Oſa-
ka
und Gangaſali, die ich auch, obgleich mit vieler
Gefahr und unerachtet des ſtrengſten Verbots, ſolche
an Fremde zu verkaufen, oder aus dem Lande kom-
men zu laſſen, doch zu kaufen und mit zu nehmen Ge-
legenheit fand. Dieſe Karte und Grundriſſe ſind den-
jenigen, die Kaͤmpfer zu ſeiner Zeit, wiewohl mit we-
niger Schwierigkeit, nach Europa mitbrachte, voͤllig
gleich.


Die Japaner ſchreiben, wie die Chineſer, in
ſenkrecht herabgehenden Reihen oder Zeilen, und da-
bey von der Rechten zur Linken. Sie gebrauchen dazu
Tuſche, welche ſie jedesmahl, wenn ſie etwas ſchrei-
ben wollen, auf einem kleinen Steine mit Waſſer rei-
ben, und einen Pinſel von Haaſenhaaren, womit
ſie alsdann von dieſer Tuſche nehmen und die
Buchſtaben gleichſam malen. Dieſe Schreibgeraͤth-
[][]

[figure]

[47]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
ſchaften pflegen, beſonders die Kaufleute in einem
Kaͤſtchen oder Beſtech, worin zugleich Rechenbrett und
Waage liegen, bey ſich zu tragen, wie die Abbildung
auf der erſten Kupfertafel zeigt: nemlich, Fig. 1. Form
und Zeichen der Stuͤcke Tuſche; Fig. 2. der Schreib-
pinſel, wie eben damit geſchrieben wird; Fig. 3. Etui
oder Kaͤſtchen mit den Schreibgeraͤthſchaften, einer
Waage und dem Rechenbrett, a. der Schreibpinſel, b.
ein ausgehoͤhlter Stein, die Tuſche darauf zu reiben, c.
eine kleine Buͤchſe mit Waſſer dazu. d. eine kleine
Schnellwage mit e. dazu gehoͤriger Waagſchaale und f.
Gewichte g. ein Rechenbrett mit gerundeten Steinen
oder Kugeln, die auf einem Drate hin und her ge-
ſchoben werden und die Einer und Zehner bedeuten.


Die Dichtkunſt iſt auch bey den Japanern beliebt;
ſie bedienen ſich derſelben, um das Andenken ihrer Goͤt-
ter, Helden und merkwuͤrdigen Maͤnner, zu verewigen.


Auch die Muſik wird ſehr geſchaͤtzt. Aber bisher
haben ſie weder ihre muſikaliſchen Inſtrumente zu eini-
ger Vollkommenheit, noch in ihre Muſik vorzuͤgliche
Harmonie zu bringen gewußt. Bey der oͤffentlichen
Feyer ihrer Feſte, und bey andern Gelegenheiten, ge-
brauchen ſie Trommeln, Pfeifen, Saiteninſtrumente,
Glocken, Schellen und dergleichen mehr. Das Frauen-
zimmer liebt die Muſik ungemein; ſie lernen auch die an-
gefuͤhrten Inſtrumente, beſonders aber eine Art Laute mit
vier Saiten ſpielen. Dies geſchieht dergeſtalt, daß ſie
mit den Fingern gegen die Saiten ſchnellen; ſie koͤnnen
ganze Abende damit zubringen, obgleich dieſe Muſik
eben nicht angenehm klingt. Auf der beygefuͤgten Ku-
pfertafel ſieht man ein japaniſches Frauenzimmer mit
dieſem Inſtrumente in der Hand abgebildet. Fig. 4.


[48]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

An der Schauſpielkunſt finden die Japaner großes
Vergnuͤgen, doch iſt die Kunſt der Acteurs, und der
Werth der Stuͤcke eins ſo geringe als das andre. Ich
hatte verſchiedne mal, ſowohl zu Nangaſaki als zu
Oſaka, Gelegenheit, ihren Schauſpielen beyzuwoh-
nen. Auch habe ich ſchon im 1 ſten Theile dieſes Ban-
des Seite 129 einiges davon einfließen laſſen. Die
Zuſchauer ſitzen, in einem dazu eingerichteten Hauſe, auf
Baͤnken. Vor ihnen iſt ein erhoͤheter, aber ſchmaler
und enger Platz, welcher die Buͤhne vorſtellt. Auf
dieſer erſcheinen ein oder zwey, ſelten mehr Schauſpie-
ler zugleich; dieſe ſind allezeit auf eine gar beſondere Art
gekleidet; und man ſollte ehe glauben, ſie traͤten auf
um zu ſchrecken, als um zu beluſtigen. Ihre Ac-
tion ſtimmt hiermit uͤberein; ſie iſt ſeltſam und unge-
reimt, und beſteht in kuͤnſtlichen Wendungen und Dre-
hungen des Koͤrpers, die ſie mit vieler Muͤhe gelernt
und geuͤbt haben. Gewoͤhnlich wird eine Heldenthat
oder eine Liebesgeſchichte eines ihrer Goͤtter und Helden
vorgeſtellt. Dieſe Schauſpiele ſind gemeiniglich in Ver-
ſen abgefaßt, manchmal werden ſie auch von Muſik be-
gleitet. Das Theater iſt, wie bey uns, mit einem beweg-
lichen Vorhange verſehen; das Noͤthigſte von dem, was
zur Verſinnlichung der Vorſtellung erfordert wird, wird
zwar auf die Buͤhne gebracht; ſonſt aber fehlt es gaͤnzlich
an Anſtalten und Verzierungen, wodurch dieſe kleinen
Theater mit den europaͤiſchen auch nur einigermaßen ver-
glichen werden koͤnnten. Daß das Schauſpiel bey den Ja-
panern etwas dazu beytruͤge, die Sitten des Volks zu ver-
edlen, habe ich eben ſo wenig gefunden, als das Schau-
ſpiel in Europa dieſen Zweck zu befoͤrdern ſcheint.
Es iſt hier auch gar nicht einmal ſo beſchaffen, daß
dies als eine Abſicht deſſelben angeſehen werden kann;
ſondern
[49]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
ſondern es ſoll hier mehr beluſtigen, als das Herz beſ-
ſern; mehr die Acteure bereichern, als den Zuſchauern
wuͤrklich nuͤtzen.


Auch die Tanzkunſt wird in Japan ſehr geliebt.
Geſellſchaftliche Taͤnze aber, bey welchen die welche
ſich ein Vergnuͤgen machen wollen, ſelbſt tanzen, hat
man nicht, ſondern nur Taͤnze oder pantomimiſche Bal-
lette, die zur Beluſtigung der Zuſchauer aufgefuͤhrt
werden und entweder einen Liebeshandel oder eine Hel-
denthat vorſtellen. Dieſe Art Zeitvertreib, wird vor-
zuͤglich an Feſt- und Feyertagen, auch ſonſt zu Ausfuͤl-
lung muͤſſiger Stunden, oder zur Unterhaltung der
Fremden, vorgenommen. So ließ man z. B. um uns ein
Vergnuͤgen zu machen, Taͤnzerinnen holen. Dieſe ſind
meiſtentheils junge und reich gekleidete Maͤdchen aus
oͤffentlichen Haͤuſern; junge Knaben tanzen bisweilen
auch mit.


Der Hof des Dairi, zu Miako, iſt eigentlich der
Ort, und zwar der einzige im ganzen Reiche, wo die
Wiſſenſchaften und Studien foͤrmlich, und von Mehre-
ren gemeinſchaftlich, getrieben werden, alſo gleichſam die
Univerſitaͤt und Academie von Japan. Hier werden
Studirende erzogen, unterhalten und unterwieſen.
Vornehmlich wird Poeſie, Landesgeſchichte, Mathe-
matik, Aſtronomie und dergleichen gelehrt. Alle Ka-
lender werden hier gemacht; auch werden hier alle Buͤ-
cher, die Kalender aber zu Iſie, gedruckt.


Oeffentliche Schulen, zu Unterweiſung der Kinder,
ſind an den meiſten Orten eingerichtet. Man lehrt aber
darin hauptſaͤchlich nur Leſen und Schreiben.


Die Erziehung kennt man hier nicht als eine
Wiſſenſchaft oder Kunſt; man uͤbt ſie aber nach deſto
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. D
[50]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
richtigern Grundſaͤtzen und mit deſto beſſerm Erfolge aus.
Die Kinderzucht iſt ſehr ſtrenge, und doch werden die
Kinder faſt durchgaͤngig ohne Schlaͤge und andre koͤr-
perliche Zuͤchtigungen erzogen. In den erſten Jahren
ſingt man den Kindern Volkslieder vor, um ihnen Be-
ſtreben nach Tugend und Tapferkeit fruͤh einzufloͤßen.
Hernach werden ſie auf eine ernſthaftere Art zum Guten
angefuͤhrt. Beſonders haͤlt man ſie zu ſtrengem Ge-
horſam an, und ſucht ihnen mit guten Beyſpielen vor-
zuleuchten.


Manufactur- und Kunſtarbeiten, werden im gan-
zen Lande haͤufig verfertigt, und Handwerker aller Art,
findet man uͤberall. In einigen Arbeiten uͤbertreffen
die Japaner weit die Europaͤer; in andern hingegen ſte-
hen ſie denſelben nach; Eiſen- und Kupferarbeiten ma-
chen ſie ſehr gut. Ihre ſeidnen und baumwollnen
Zeuge ſind zum Theil eben ſo gut, zum Theil beſſer, als
aͤhnliche Fabricate anderer indiſcher Laͤnder.


Ihre lackirten Arbeiten von Holz, beſonders die
alten, laſſen alles was andre Voͤlker, ſelbſt die Chi-
neſer und Siamer, in dieſer Gattung hervorgebracht
haben, weit hinter ſich zuruͤck. Sie machen ſie von
dem feinſten Fichten- und Cedernholze, und uͤberziehen
ſie mit dem allerbeſten Lackfirnis, den ſie vom Firnis-
baume (Rhus vernis) nehmen, einem Baume, welcher
in verſchiednen Gegenden des Landes haͤufig waͤchſt.
Dieſen Lack, welcher heraus fließt wenn der Baum
verwundet wird, ſammelt man in Gefaͤßen. Das von
dreyjaͤhrigen Staͤmmen iſt das Beſte. Anfangs iſt es
etwas hell, und ſo dick wie Rohm; in der freyen Luft
wird es dicker und ſchwaͤrzlich. Wenn Doſen, Schach-
teln, Kaͤſtchen, Tiſche und andre Sachen damit, ohne
[51]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
daß es mit anderm vermiſcht iſt, beſtrichen werden,
ſo iſt es durchſichtig, ſo, daß jede Ader des Holzes
durchſcheint. Gewoͤhnlich wird ein dunkler Grund unterge-
legt, und alsdann wird es wie ein Spiegel. Oft ge-
brauchen ſie den feinen Schlamm dazu, welcher ſich
unter den Schleifſteinen in den Troͤgen ſammelt, manch-
mal aber fein geſtoßne Kohlen. Bisweilen wird
ſchwarze, bisweilen rothe Farbe in den Firnis gemiſcht,
bisweilen auch fein zermalmtes Blattgold; hernach wer-
den die lackirten Sachen gewoͤhnlich mit goldnen und ſilber-
nen Blumen und Figuren geziert, welche auf den Fir-
nis geſetzt werden, die ſich aber mit der Zeit weg-
ſcheuern. Manchmal ſind dieſe Blumen und Figuren
uͤber das Lack erhoben, beſonders bey den alten lackir-
ten Arbeiten, die in großem Werth ſtehen, ſelten ſind,
und ſehr theuer bezahlt werden. Dieſer Firnis, wel-
cher ganz hart, und wie ein durchſichtiges und ſchwer
abzuloͤſendes Harz oder Gummi wird, vertraͤgt keinen
Stoß, ſondern ſpringt davon beynahe wie Glas, da-
gegen kann er kochend heißes Waſſer ſehr gut vertra-
gen. In den Haͤuſern uͤberzieht man damit, hier zu
Lande, Thuͤr- und Fenſterpfoſten, ferner Schraͤnke,
Coffer, Kaſten, Doſen, Schachteln, Saͤbel, Faͤcher,
Theetaſſen, Suppenſchalen, Norimon, und faſt alles
Hausgeraͤth, das von Holz verfertigt wird.


Von Sowas, welches eine Miſchung von Gold
und Kupfer iſt, machen ſie ſehr ſchoͤne Arbeit, die auf
eine den Europaͤern bisher noch unbekannte Art mit
Tuſche blau oder ſchwarz gemacht wird.


Die Kunſt Glas zu machen, haben die Japaner
erſt in ſpaͤtern Zeiten von den Europaͤern gelernt, und
verfertigen ſowohl gefaͤrbtes als ungefaͤrbtes, desglei-
D 2
[52]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
chen allerhand Geſchirr; aber Scheibenglas zu Fenſtern
wiſſen ſie nicht zu verfertigen. Auch das Glasſchleifen
verſtehen ſie, und verfertigen Fernglaͤſer davon, kau-
fen aber von den Hollaͤndern Spiegelglas dazu.


Von den Europaͤern haben ſie auch die Kunſt,
Taſchenuhren zu machen, gelernt, dergleichen ſie in
ihren Haͤuſern bisweilen gebrauchen.


Auf die Bearbeitung der Metalle verſtehen ſie ſich
ſehr gut. Von ihrer beſondern Geſchicklichkeit das
Kupfer zu ſchmelzen, in kleine Stangen zu gießen und
ihm die vorzuͤgliche Farbe zu geben, wodurch das Ja-
paniſche Kupfer ſich vor allem andern auszeichnet, iſt
weiter oben Seite 131. das Noͤthige geſagt. In
Stahlarbeiten ſind ſie Meiſter: ihre vortreflichen Saͤbel
geben den ſicherſten Beweis davon.


Papier wird im Lande in erſtaunlicher Menge
gemacht, zum Schreiben und Drucken, zu Tapeten,
zu Schnupftuͤchern, zu Kleidern, zum Einpacken und Ein-
wickeln, u. dergl. m. Die Groͤße und Feinheit des
Papiers iſt ſehr verſchieden. Sie verfertigen es aus
der Rinde eines gewiſſen Maulbeerbaums (Papiermaul-
beerbaums, (Morus papyrifera) auf folgende Art. Wenn
im Decembermonathe die Blaͤtter von den Baͤumen abge-
fallen ſind, werden die Zweige drey Fuß lang abge-
ſchnitten, in Buͤndel gebunden, in einem großen be-
deckten Keſſel in die Hoͤhe ſtehend in Lauge ſo lange ge-
kocht, bis die Rinde ſo gekrumpfen iſt, daß unten am
Ende das bloße Holz einen halben Zoll hoch zu ſehen iſt.
Darauf werden ſie herausgenommen, in die freye Luft
geſetzt, daß ſie kalt werden, alsdann der Laͤnge nach
aufgeſchnitten, und die Rinde abgenommen. Sodann
wird die Rinde wieder drey bis vier Stunden in Waſſer
[53]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
eingeweicht, und wenn ſie weich geworden iſt, die feine
ſchwarze Haut mit einem Meſſer abgeſchabt. Darnach
trennt man die grobe Rinde von der feinen, welche wei-
ßeres Papier giebt. Je aͤlter die Zweige ſind, deſto
groͤber wird das Papier. Nunmehro wird die Rinde
abermals in reiner Lauge gekocht, dabey mit einem
Stocke beſtaͤndig umgeruͤhrt, und ſo lange immer friſche
Lauge zugegoſſen, bis die Faſern ſich abſondern. Dar-
auf wird dieſe gekochte Rinde in einem Bache, und
zwar in einem Siebe liegend, unter beſtaͤndigem Um-
ruͤhren gewaſchen, bis alles wie ein feiner Brey wird,
und, in Waſſer gelegt, wie Mehl auseinander geht. Dies
Waſchen muß mit vieler Behutſamkeit geſchehen und
erfordert viel Muͤhe. Ferner wird zu dieſem Brey-
oder Mehlartigen ein Decoct von Reis und Manihot-Ei-
biſch (Hibiscus Manihot) gegoſſen, und das Ganze ſo
lange umgeruͤhrt, bis es maͤßig dick und ſteif wird.
Hierauf wird es in ein weites Gefaͤß, und aus dieſem
jedesmal ſo viel, als zu einem Bogen oder Blatte noͤ-
thig iſt, in die Formen gegoſſen, welche ſodann, mit
dazwiſchen gelegtem Stroh, um ſie bequemer abnehmen
zu koͤnnen, in Haufen auf einander geſetzt werden. Die
Formen ſind von Grashalmen gemacht. Nunmehro
werden die Blaͤtter oder Bogen mit einem Brette be-
deckt, und allmaͤhlig gepreßt, zuerſt gelinde, hernach
ſtaͤrker, damit das Waſſer ganz heraus gebracht werde.
Wenn dies geſchehen iſt, werden ſie auf Bretter gelegt,
an der Sonne getrocknet, und zum Verkauf und Ge-
brauch zuſammen gelegt. Schlechtes Papier wird vom
oſtindiſchen Maulbeerbaume (Morus indica) gemacht.
Wie eine Art dickes Papier, als Zeug, zu Kleidern
gebraucht wird, iſt S. 186. beſchrieben.


D 3
[54]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

Von der Verfertigung des feinen Japanſchen Por-
cellans iſt daſelbſt S. 69., und der ungeheuer großen
irdenen Kruken S. 68. geredet. Im Ganzen iſt aber
doch das Japanſche Porcellain, jene vorzuͤgliche Sorte
ausgenommen, dick, plump und ſchlecht gemahlt, und ſteht
an Schoͤnheit dem Chineſiſchen weit nach.


Da die Japaner beynahe gar keine Meublen ge-
brauchen, ſo leiſten ſie in dieſer Art von Arbeit faſt nichts.
Was ſie aber von dergleichen, wie auch von Haus-
geraͤth, verfertigen, machen ſie ſauber und kuͤnſtlich.


Zu meinen technologiſchen Nachrichten und Be-
merkungen von Japan gehoͤrt uͤbrigens auch noch das,
was ich von der Benutzung und Verarbeitung der Na-
turprodukte dieſes Landes, beſonders aus dem Pflan-
zenreiche, theils in meiner Reiſebeſchreibung zerſtreut
angefuͤhrt habe, theils unten in einem beſondern Ab-
ſchnitte noch anfuͤhren werde.


Wie es um die Baukunſt in Japan ſteht, iſt aus
dem, was ich im erſten Theile von den Haͤuſern der
Japaner geſagt habe, zu erſehen.


Die Steuermannskunſt und die Schiffsbaukunſt
iſt bey den Japanern nicht hoch geſtiegen. Dies kann
auch nicht anders ſeyn. Kein Japaner hat die Frey-
heit, die Graͤnzen ſeines Vaterlandes zu verlaſſen, und
fremde Laͤnder zu beſuchen; vielmehr iſt dies bey Lebens-
ſtrafe verboten. Weite Seereiſen, welche die Japa-
ner ehemals mit eignen Schiffen nach Corea, China,
Formoſa, Java und andern Laͤndern anſtellten, koͤnnen
daher nicht mehr vorgenommen werden. Sie ſegeln
alſo nur an ihren Kuͤſten und zwiſchen ihren Inſeln um-
her. Dieſe Schifffahrt kennen und benutzen ſie aber
ſehr gut, und zwar mit einer unglaublichen Menge ſo-
[55]Zuſtand d. Wiſſenſ. Kuͤnſte u. dergl. in Japan.
wohl großer und kleiner Kauffahrteyfahrzeuge als mit Fi-
ſcherboͤten. Selten gehen ſie indeſſen dabey weiter in
die See, als daß ſie noch das Land ſehen, und jeden
Abend in einen Hafen einlaufen, oder ſonſt einem
entſtehenden Sturme entkommen koͤnnen. Den
Kompaß kennen und gebrauchen die Japaner. Ich
hatte Gelegenheit, ihn genau zu unterſuchen. Er iſt
in zwoͤlf Striche, wie die Schiffer es nennen, abgetheilt,
naͤmlich zuerſt nach den vier Hauptweltgegenden, Oſten,
Norden, Weſten und Suͤden, und dann zwiſchen jedem
von dieſen wieder in zwey. Dieſe Windſtriche haben
ihre Namen von gewiſſen Thieren: die drey noͤrdlichen
heißen: Ne, Ratze; Us, Stier, Kuh; Tora, Ti-
ger; die drey oͤſtlichen: U, Haſe; Tats, Drache;
Mi, Schlange; die drey ſuͤdlichen: Uma, Pferd; Fi-
tuſi, Widder; Saru, Affe; die drey weſtlichen: Ton,
Huhn; Inu, Hund; J, Wildſchwein *). Norden
heißt: Kitta; Oſten, Figaſi; Suͤden, Minnami und
Weſten, Nis.


Vierter Abſchnitt.
Von der Landwirthſchaft, beſonders dem Acker-
bau, der Japaner.


Den Ackerbau haͤlt man in Japan mit Recht fuͤr das
Nothwendigſte und Nuͤtzlichſte zur Erhaltung und zum
Wohlſtande des Reichs. Auch ſteht er in keinem Lande
in ſolchem Anſehen, wird in keinem mit dem Eifer und
D 4
[56]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
der Sorgfalt getrieben, als hier, wo niemals, weder
auswaͤrtige noch einheimiſche Kriege, auch keine Aus-
wanderungen, die Volksmenge vermindern, und wo man
nie darauf denkt, weder andre Laͤnder zu erobern, noch
aus andern Laͤndern unnuͤtze, wohl gar ſchaͤdliche, Pro-
dukte einzufuͤhren; ſondern im hoͤchſten Grade darauf be-
dacht iſt, daß kein Fußbreit Erde unbenutzt liegen bleibe,
und, daß das was die Erde hervorbringt, nicht unnuͤtz
angewandt werde. Die gar nicht urbar zu machenden
Berge ausgenommen iſt der Boden uͤberall, Ebe-
nen, Huͤgel und Berge, und dieſe bis auf den hoͤchſten
Gipfel, angebauet. Belohnungen und andere Aufmun-
terungen bedarf es dazu nicht in einem Lande, wo der,
welcher das Feld bauet, fuͤr den nuͤtzlichſten Buͤrger ge-
achtet, und wo er nicht durch den vielfachen Zwang,
der in andern Laͤndern die Aufnahme des Ackerbaues
hindert und zu allen Zeiten gehindert hat, gedruͤckt und
eingeſchraͤnkt wird. Zwar ſind die Abgaben des Land-
manns von ſeinen Produkten in Natura, ſehr hart und
viel; dagegen bauet er aber auch uͤbrigens ſein Feld
mit mehr Freyheit, als in manchen Laͤndern die Be-
ſitzer adelicher Guͤter das ihrige. Hofdienſt und Frohn-
arbeit; harte, oft tyranniſche Behandlung, von Edel-
mann, Amtmann, Paͤchter, Verwalter, Schreiber,
Voigt und dergleichen; Unterthaͤnigkeit, Leibeigenſchaft
und andre Bauernſklaverey; unentgeldliche oder ſo gut
als gar nicht bezahlte Fuhren und Dienſte zum Vor-
theile des Landesherrn oder der Befehlenden im Lande.
Kriegsfuhren, Kriegsdienſte, Militairconſcription,
Enrollirung der Soͤhne zu Soldaten, in Regiments-
cantons; die Pflicht, Soldaten zu ſtellen und zu hal-
ten; unentgeldliche Arbeit zum Behuf der Landſtraßen,
[57]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
Bruͤcken, oͤffentlichen oder herrſchaftlichen Gebaͤude,
Kirchen, Pfarrgebaͤude und wie alles das heißen mag,
was in europaͤiſchen Staaten den Bauer auf die
ſchreyendſte Art einſchraͤnkt und niederdruͤckt: von die-
ſem allem, kennt und erfaͤhrt der Bauer in Japan nie-
mals das Allergeringſte. Zaͤune und andere Befriedi-
gungen um Gaͤrten, Aecker und Wieſen anzulegen, und zu
unterhalten, Holz dazu und zum Brennen weit her zu
fahren, und dergleichen, hat er nicht noͤthig. Ge-
meinheit der Grundſtuͤcke: als Gemeinwieſen, Gemein-
dehoͤlzung, gemeine Hut und Weide, und was ſonſt da-
hin gehoͤrt, hindert ihn eben ſo wenig, den Boden, der
ihm gehoͤrt, nach ſeinem Gefallen und aufs Vortheilhaf-
teſte zu gebrauchen, als vertheilte und zerſtreute Lage
der einzelnen Aecker, Wieſen und Gaͤrten. Nur
Einem Zwange iſt der Landmann hier unter-
worfen: dieſem, daß jeder ſchlechterdings gehalten iſt,
ſein Feld jaͤhrlich zu beſtellen, wiedrigenfalls er denje-
nigen Theil, welchen er unbeſtellt laͤßt, verliert, und ein
andrer, der ihn beſtellen kann und will, denſelben bekommt.
Dies aber iſt ein Zwang, der zur Aufnahme des Acker-
baues gereicht. Der Bauer muß alſo, er wolle oder nicht,
alle Muͤhe und alle ſeine Zeit zur Bearbeitung ſeines
Feldes anwenden, wobey ihm Frau und Kinder treulich
beyſtehen. Wieſen, Aenger, Triften und andre bloß
zur Weide beſtimmte Plaͤtze, trift man im ganzen Lande
nicht an, ſondern alles ohne Unterſchied wird entweder be-
ſaͤet oder mit Erdfruͤchten bepflanzt; denn Viehheerden oder
eine Anzahl Reit- und Kutſchpferde haͤlt hier niemand.
Auch nehmen hier keine allzuweitlaͤuftige Tobackspflan-
zungen dem noͤthigern Getreide den Platz weg, eben ſo wenig
als zum Brantweinbrennen und anderm eben nicht loͤbli-
D 5
[58]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
chen Gebrauche Korn geſaͤet wird. Kein Wunder bey
allen dieſen Einrichtungen und Gewohnheiten, daß das
Land, wie ich ſchon mehrmals geruͤhmt habe, nicht nur
ſo ganz uͤber alle Vorſtellung angebauet, ſondern auch
unglaublich bevoͤlkert iſt, und zugleich ſeine unzaͤhlichen
Einwohner ganz allein, ohne fremde Einfuhr, ernaͤh-
ren kann.


Auf der andern Seite aber uͤberſteigt es auch allen
Glauben, wie viel Muͤhe, Sorgfalt, Emſigkeit und
Unverdroſſenheit der Japaner bey ſeinem Ackerbau an-
wendet. Beſonders zeigt ſich dies bey Urbarmachung
und Beſtellung ſteiler Berge. An den Seiten derſel-
ben bleibt nichts unangebaut liegen. Wenn der Fleck
auch nicht groͤßer als zwey Fuß ins Gevierte iſt, ſo legt
der Japaner doch unten eine kleine ſteinerne Mauer an,
fuͤllet den Platz inwendig mit Erde und Dung, und be-
ſaͤet dies kleine Beet mit Reis oder Gartengewaͤchſen.
Die meiſten Berge ſind mit tauſenden ſolcher kleinen
Beete geſchmuͤckt, und dieſe geben ihnen ein Anſehen,
das bey dem, welcher an den Anblick nicht gewohnt iſt,
die groͤßte Bewunderung erregt.


Einige Felder ſtehen im Fruͤhlinge faſt ganz unter
Waſſer. Andere, beſonders die zu Reis beſtimmten, Fel-
der giebt man ſich viel Muͤhe, gehoͤrig zu waͤſſern.
Beſonders haben ſie eine ganz eigne und artige Metho-
de, bey ſtarker Duͤrre das Waſſer dahin zu leiten. Die
hieſigen Baͤche ſind zwar nicht nur groß, ſondern ſchwel-
len auch, wenn viel Regen faͤllt, hoch an; laufen aber
auch ſchnell nach dem Meere zu, und behalten daher
wenig Waſſer. Um dennoch Nutzen von ihnen zu ha-
ben, wirft der Landmann ganze Daͤmme von Erde, viele
Fuß breit und oft von unglaublicher Laͤnge auf, hinter
[59]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
welchen das Waſſer eine ganze Strecke hin, ſich ſam-
melt und ſtehen bleibt, da er es denn hernach, wo
er es noͤthig findet, abzapft, und auf die unten lie-
genden Aecker fließen laͤßt. Auf eine aͤhnliche Art brin-
gen ſie das Waſſer, welches ſich an den Spitzen der Berge
aus den Wolken und aus Regen ſammelt, zuſammen,
und leiten es von den obern Aeckern zu den untern her-
ab, ſo daß erſt jene, dann nach und nach dieſe unter
Waſſer zu ſtehen kommen, und alle gehoͤriges Waſſer
behalten, indem allezeit die untere Seite mit einem
allenthalben gleich hohen Rande eingeſchloſſen wird.


In keinem einzigen Lande ſammelt man den Duͤn-
ger mit mehr Sorgfalt, und geht ſo haushaͤlteriſch da-
mit um, als hier, ſo, daß in der That von dergleichen
nichts, das gebraucht werden kann, unbenutzt bleibt
oder umkommt. Das Vieh wird das ganze Jahr hin-
durch auf dem Stalle gefuͤttert, daher bleibt aller Duͤn-
ger auf dem Hofe. Auf den Landſtraßen wird allent-
halben durch alte Leute und Kinder alles aufgeſammelt,
was die Pferde fallen laſſen; ſie brauchen dazu, um ſich
nicht buͤcken und die Haͤnde verunreinigen zu duͤrfen, eine
an das Ende eines Stocks, wie ein Loͤffel, befeſtigte
Muſchel, werfen es dann gleich in den am linken Arme
haͤngenden Korb und tragen es ſo zu Hauſe. Ja ſelbſt
der Urin, den man in Europa ſo ſelten zum Beſten der
Aecker oder Gaͤrten anwendet, wird hier mit Sorgfalt
in großen irdenen Kruken geſammelt, dergleichen nicht
nur in den Doͤrfern, ſondern auch auf den Seiten der
Landſtraßen, in die Erde gegraben, zu Jedermanns Ge-
brauch vorhanden ſind. Mann erinnere ſich, was ich
Seite 172. hievon bereits erzaͤhlt habe. So geizig die
Japaner alles, was zum Duͤngen gebraucht werden
[60]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
kann, ſammeln, ſo muͤhſam verfahren ſie auch bey
dem Duͤngen ſelbſt. Sie fahren den Miſt weder im
Winter noch im Sommer auf ihren Acker, daß er, wie
bey uns, eine geraume Weile liegen bleibt, und von
der Sonnenhitze austrocknet, oder doch ſeine Kraft
verliert, indem die ſalzigen und oelichten Theile aus-
duͤnſten; ſondern ſie vermiſchen mehrere Arten Miſt, von
Menſchen und Vieh, wie auch alles was in der Kuͤche
abfaͤllt, mit Waſſer und Urin, und ruͤhren es zu einem
ganz duͤnnen Brey durcheinander. So zugerichtet tragen
ſie ihn, in zwey großen Eimern die an einem Holze
uͤber der Schulter hangen, auf den Acker oder in den
Garten und begießen damit, vermittelſt einer Kelle
die Saat oder Gewaͤchſe, zu zwey verſchiedenen ma-
len, das erſtemal wenn ſie ungefehr eine Vier-
telelle hoch ſind, und nach Verlauf von ein paar
Wochen zum zweytenmale. Auf dieſe Art haben Saat
und Gewaͤchſe den ganzen Nutzen davon, und die
beſte Kraft zieht ſogleich in die Wurzel. Man ſteht vor
Erſtaunen ſtill, wenn man ſieht wie unverdroſſen die
Leute dieſe eckelhafte Arbeit verrichten.


Dieſe Methode Feld und Gaͤrten zu duͤngen, ver-
ſchaft auch den Vortheil, daß alles von Unkraut rein
bleibt, und wenn ja Unkraut hervorkommt, ſo wird es
gleich aufs ſorgfaͤltigſte ausgejaͤtet. Daher kommts
denn, daß die Aecker und Gaͤrten ſo ganz leer von allem
Unkraute ſind, daß der ſcharfſichtigſte Botaniker ſchwer-
lich ein einziges fremdes Kraut unter der Saat oder
zwiſchen den Gewaͤchſen entdecken wird. Ein Reiſen-
der, der dies nicht wuͤßte, wuͤrde ſich leicht einbilden
koͤnnen, Japan erzeuge gar nichts von dem, was man
Unkraut nennt.


[61]Von der Landwirthſchaft der Japaner.

Pflug und Egge gebraucht man in Japan wenig.
Das meiſte Land, auch das Feld, wird, und zwar ſehr
fein und locker, umgegraben. Welchen Nutzen dies
hat, darf ich nicht erinnern. Ueberhaupt bringt bey
der Art, wie die Japaner ihren Acker bearbeiten, ein
kleiner Platz eben ſo viel, als in Europa ein weit groͤſ-
ſerer, ein. Zum Graben gebraucht man einen etwas
gekruͤmmten, einen Fuß langen und eine Hand breiten
Spaden. Der Pflug wird von einer Kuh oder einem
Ochſen gezogen.


Wenn der Bauer ſein Feld umgraͤbt, oder pfluͤgt,
folgt ihm allezeit eine Parthey ſchoͤne, weißliche Rei-
her (Ardea) nach, welche die mit aufgegrabenen Wuͤr-
mer und anderes Ungeziefer, aufleſen; Solchergeſtalt koͤn-
nen auch dieſe der Saat und den Gewaͤchſen nichts ſcha-
den. Dieſe Reiher ſind ganz zahm, und um des
Nutzens willen, den ſie ſtiften, thut ihnen niemand et-
was zu Leide.


Von Hecken, Zaͤunen, Feldmauren und andern
Befriedigungen des Ackers, weiß man hier nichts.
Alles liegt frey und offen. Vieh, keiner Art geht
drauſſen, kann alſo auch nichts beſchaͤdigen. Von
den Wegen abweichen, und uͤber den Acker fahren,
oder gehen, wuͤrde ſich hier niemand unterſtehen. Der
Platz, welchen der Zaun, oder dergleichen einnehmen
wuͤrde, wird alſo auch benutzt.


Die vornehmſte Getreideart iſt Reis. Buch-
weitzen, Rocken, Gerſten und Weitzen, wird wenig
geſaͤet.


Das Land, worauf Reis gepflanzt werden ſoll,
faͤngt der Landmann ſchon im April an umzugraben.
Es ſteht alsdenn beynahe ganz und gar unter Waſſer,
[62]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
und iſt da an den Seiten umher mit einem kleinen Rande
eingefaßt, damit das Waſſer nicht ablauffen kann. Der
Reis wird allezeit zuerſt auf ein kleines Stuͤck Land,
ganz dicht, wie bei uns der Kohlſaamen, auf eine Art
Miſtbeet geſaͤet. Wenn nun die Pflanzen eine Viertel-
elle hoch ſind, werden ſie ausgezogen, und, wie Kohl-
pflanzen, auf die dazu beſtimmten Aecker verpflanzt,
und zwar immer einige zuſammen in ein Loch, aber die
Loͤcher ſo weit von einander, daß auf allen Seiten ein
Zwiſchenraum von einer Viertelelle bleibt; ſo weit ſte-
hen alſo hernach die Buͤſchel Reishalme auseinander.
Dies Pflanzen iſt uͤberall die Arbeit der Frauensperſo-
nen, die dabey bis an die Waden im Waſſer und
Schlamm waten. Alles Land, worauf Reis gepflanzt
werden ſoll, graben ſie um; nur dasjenige, welches
ſehr niedrig liegt, und ganz und gar unter Waſſer ſteht,
pfluͤgen ſie. Im November iſt der Reis reif. Er wird
alsdann abgeſchnitten, in kleine Bunde oder Garben ge-
bunden, und vom Felde nach dem Hauſe geſchaft. Um
ihn zu dreſchen, werden die Aehren gegen eine Tonne
oder etwas anders geſchlagen, da dann die Koͤrner ſo-
gleich herausfallen; eine ſehr einfache und kurze Arbeit.
Um aber die aͤußere Huͤlſe oder Spreu vom eigentlichen
Korne ſelbſt zu trennen, muß es noch einmal gedroſchen,
oder vielmehr geſtampft werden, welches aber ſelten
vorgenommen wird, ehe man den Reis gebrauchen will.
Man verfuͤhrt und verkauft ihn gewoͤhnlich ungeſtampft.
Das Stampfen geſchieht im Kleinen, in einem ausgehol-
ten hoͤlzernen Block, mit einem hoͤlzernen Stoͤßer, wo-
durch die Huͤlſe ſich abloͤſet. Im Großen wird es auf
einer Maſchine verrichtet, die aus mehreren Stempeln
beſteht, und entweder durch ein Waſſerrad in Bewe-
[63]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
gung geſetzt, oder durch einen Kerl mit dem Fuße getre-
ten wird. Uebrigens wird der hieſige Reis fuͤr den be-
ſten in Oſtindien gehalten; er iſt ſehr weiß, ſeimig, und
nahrhafter als andrer.


Aus dem Buchweitzen wird hier zu Lande, nicht
ſo wie in Europa, Gruͤtze, ſondern Mehl gemacht,
und dieſes in kleine Kuchen verbacken. (Siehe die
erſte Abtheilung, Seite 43.)


Der Weitzen wird im November geſaͤet, und im
Junius geerndtet. Meiſtentheis wird feines Mehl da-
von gemahlen, woraus man kleine Kuchen backt, die
weich, oder friſch, gegeſſen werden.


Die Gerſte wird verſchiedentlich, vom October bis
zum December, ausgeſaͤet. Gegen das Ende Mays, oder
zu Anfange des Junius, wird ſie eingeerndtet, getrocknet
und gedroſchen. In der Gerſte findet ſich, auch hier
zu Lande, oft Brand, doch nicht ſo haͤufig als man
dieſe Krankheit des Getreides in Europa antrift. Die
Gerſte wird groͤßtentheils zum Futter fuͤr Pferde und
andres Vieh gebraucht. Bisweilen wird auch feines
Mehl davon gemahlen, woraus kleine Kuchen gebacken
werden.


Die Aecker, welche mit Weitzen und Gerſte be-
ſaͤet werden ſollen, werden in ſchmale Beete getheilt,
die etwa einen Fuß breit und durch etwas niedrigere
Zwiſchenraͤume, welche uͤber einen Fuß breit ſind und
unbeſaͤet bleiben, von einander getrennt werden. Auf
dieſe ſchmalen Beete wird Korn geſaͤet, entweder in der
Breite, in Reihen, die ein wenig von einander abſte-
hen, oder, wiewohl ſeltner, der Laͤnge nach in zwey Rei-
hen. Wenn die Saat einen Fuß hoch geworden iſt,
doch ehe ſie Aehren bekommt, wird aus dem unbeſaͤeten
[64]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Zwiſchenraume Erde herausgenommen, und ſehr behut-
ſam unten um die Saat herumgelegt, welche dadurch
neuen Saft und Duͤnger bekommt; die Zwiſchenraͤume
werden auf dieſe Art in tiefe Furchen, oder kleine Gra-
ben, verwandelt, in welche das Waſſer einzieht. Dieſe
muͤhſame Arbeit macht die Saatfelder zu wirklichen
Gartenbeeten, die auf den Anhoͤhen und Bergen, von
kleinen Mauern unterſtuͤtzt, terraſſenfoͤrmig uͤbereinan-
der hervorragen, welches einen vortreflichen Anblick,
gewaͤhrt. Zu ſeiner Zeit wird die Erde wieder weg-
genommen, und in die Furche geworfen, und dagegen
fuͤr das kuͤnftige Jahr, das, was Saatbeet war, zu
Zwiſchenraum und Graben gemacht.


Sobald die Gerſte abgeſchnitten iſt, wird nicht ſel-
ten andre Gerſte, oder auch wohl Bohnen zwiſchen die
Stoppeln geſaͤet, und zwar entweder auf das vorige
Beet, oder auf den Zwiſchenraum, ſo, daß das Land wirk-
lich zweymal im Jahr, obwohl an verſchiedenen Stellen,
beſaͤet wird, ohne daß der Acker deshalb zum zweyten-
mal von vorn bearbeitet werden duͤrſte.


Ruͤbſaamen wird in allen Gegenden von Japan
uͤberfluͤſſig gebauet. Im Monath April, ſehen uͤber
das ganze Land die Aecker von den Bluͤthen wie vergol-
det aus. Die Ruͤbe wird nicht gebraucht, aus dem
Saamen aber, welcher im May reif wird, preßt man
Oel, das uͤberall in den Lampen gebrannt wird. Die
Japaner nennen das Kraut Na Tanne, das Oel Na-
tanne Abra oder Natanne no Abra.


Gerſten, Weitzen, Kohlſaamen und Senf, wer-
den ohne viele Umſtaͤnde auf Strohmatten, unter freyem
Himmel, nicht ſelten auch in den Doͤrfern vor der
Hausthuͤr, gedroſchen, und zwar mit Flegeln, die drey
Schlaͤgel
[65]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
Schlaͤgel haben. Man ſchlaͤgt auch wohl nur die Garbe
mit den Aehren gegen eine Tonne oder dergleichen, da-
mit das Korn herausfalle, welches hernach von Spreu
und anderm Unrath gereiniget werden [muß].


Von Bohnen, ſowohl den eigentlichen Bohnen,
(phaſeolus) als Faſeln (Dolichos), Erbſen und Linſen
bauet man mehrere Arten. Von den Sojabohnen
(Dolichos Soja), die japaniſch Daidſu heißen, ge-
braucht man das Mehl an Speiſen, um dieſelben damit
zuzubereiten, und den ausgepreßten Saft zur Zuberei-
tung der Soja; die Bohnen ſelbſt aber werden in
Suppe gekocht, welche Miſo heißt, und hier zu Lande
ein taͤgliches Gericht iſt. Dieſe Art Bohnen, welche
klein ſind, und wie Linſen ausſehen, wird ſehr haͤufig
gebaut, ob ſie gleich auch vielfaͤltig wild wachſen.
Nicht leicht wird wohl eine Schotenfrucht haͤufiger ge-
braucht, als dieſe; denn die Sojabruͤhe, und das So-
jamehl wird taͤglich genoſſen, und die Miſoſuppe wird
wenigſtens einmahl, oft mehrmahls, jeden Tag, und
zwar zu allen Jahrszeiten, von Vornehmen und Gerin-
gen, von Reichen und Armen, gegeſſen. Die geſtrahlten
Bohnen (phaſeolus radiatus) werden auch gemahlen,
und aus dem Mehle nebſt Zucker, werden kleine Kuchen
gebacken. Welſche Bohnen oder Bufbohnen (Vicia
faba
) traf ich auch an einigen Orten an.


Eben ſo zieht man verſchiedene Arten Gewaͤchſe
aus dem Geſchlechte der Graͤſer, um den Saamen da-
von zur Nahrung, ſowohl fuͤr Menſchen als Vieh, zu
nutzen; verſchiedne Arten Fennich (panium), den quirl-
foͤrmigen (verticillatum; Awa) und den Rabenfuß
Crus corvi; Ko Kibi); Pferdegras oder Sorghoſa-
men (Holcus Sorghum; Kibi); Krummaͤhriges Kamm-
Thunbergs Reiſen, Zwedt, Band, zweyter Th. E
[66]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
gras (Cynoſurus coracanus; Nan ban Kiwi), nebſt
andern.


Ruͤben werden haͤufig geſaͤet, und zum Eſſen ge-
braucht; imgleichen andere Erdfruͤchte und Zwiebelge-
waͤchſe, als Zuckerwurzeln (Sium Siſarum); Moͤhren
oder gelbe Wurzeln (Daucus carota) die aber hier nicht
ſehr gelb ſind; Rettich (Raphanus Satirus); Bataten
(Convolvulus Batatas oder edulis); und auch Kartof-
feln, wiewohl dieſe letzteren nur ſehr ſparſam, (Solanum
tuberoſum
) Von allen vorgenannten, ſind die Ba-
taten hier die haͤufigſten und wohlſchmeckendſten.


Andre japaniſche Gartenfruͤchte ſind Salat (Lac-
tuca ſativa
); Melonen (Cucumis melo), ſowohl mit
weißem, als mit roͤthlichem Fleiſch, die man, wie bey
uns, zum Deſſert gebraucht; Pfeben (Cucurbita pepo),
wovon man Suppen kocht; Gurken (Cucumis ſativus),
die man theils friſch ißt, theils einmacht; Konomon
(Cucumis conomin), welche eingeſalzen werden, und
den Appetit zu reitzen dienen; Fokke Fokkes oder Me-
lanzanaͤpfel (Solanum melongena) die man in Suppen
ißt; Flaſchenkuͤrbiſſe oder Kalabaſſen (Cucurbita lage-
naria
) woraus die Einwohner Flaſchen und aͤhnliche Ge-
faͤße machen.


An mancherley wohlſchmeckenden Fruͤchten, die
die Gaͤrten liefern, fehlt es auch nicht. Dahin rechne
ich Pomeranzen, Zitronen, Pompelmuſe (Citrus de-
cumanus
) und Apfelſinen, Aepfel, Birnen, Quitten
(Pirus cydonia), Pfirſchen, Mandeln, Apricoſen,
Pflaumen, Kirſchen, ſehr ſchmackhafte Mispeln (Mes-
pilus japanica),
Kakifeigen oder Verſimonen (Diospi-
rus kaki),
Weintrauben, Granataͤpfel (Punicum
granatum),
ſpaniſche Feigen (Cactus ficus), Kaſtanien,
[67]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
Wallnuͤſſe und vielerley andre. In den Doͤrfern trift
man an ſehr vielen Stellen Mandeln- Pfirſchen- und
Apricoſenbaͤumen gepflanzt an, deren rothe Bluͤthe
ſchon im April die alsdann noch unbelaubten Zweige
bedeckt. Dieſe Baͤume ſowohl als die Pflaumen,
Kirſch- Aepfel-Birn- und Quittenbaͤume, haben hier
auch haͤufig doppelte oder gefuͤllte Bluͤthen, worauf die
Japaner einen beſondern Werth ſetzen.


Als Gewuͤrze, zieht man in den Gaͤrten, Ingber
(Amomum Mioya); den Pfefferbuſch (Fagara piperita)
wovon man ſowohl die Blaͤtter als die Frucht braucht,
um Suppen und Bruͤhen einen ſtarken Specereyge-
ſchmack zu geben; wie auch ſpaniſchen Pfeffer (Capſi-
cum).
Senf gebrauchen die Japaner zwar ſelten ans
Eſſen, aber ſie preſſen Oel aus den Senfkoͤrnern, das
ſie in den Lampen brennen. Am meiſten ſaͤen ſie von
der niederhangenden Gattung (Sinapis cernua),


Hopfen bauet und gebraucht man in Japan nicht;
ich ſah ihn aber doch hie und da wild wachſen.


Da in Japan alles Land offen liegt, ohne Zaͤune
und andre Befriedigung, ſo ſieht man viele Kuͤchenge-
waͤchſe und Gartenfruͤchte auf dem freyen Felde ſtehen.
Eigentliche Gaͤrten giebt es daher keine andere, als die,
welche man bey jedem Hauſe antrift; dieſe ſind aber von
unbedeutender Groͤße, und dienen mehr zur Zierde und
zum Vergnuͤgen, als zum Nutzen. Man findet darin
Baͤume, die mit ſchoͤnen und großen, oft gefuͤllten
Blumen prangen, und verſchiedne Kraͤuter und Zwie-
belgewaͤchſe mit vorzuͤglich ſchoͤnen Blumen, als indi-
ſches Felſenkraut (Azalea indica) die Nandine (Nandina
domeſtica
) die Gardenie (Gardenia florida) Spierkraut
(Spirea), die Magnolie (Magnolia), Sammetblume
E 2
[68]Erſte Abtheilung Vierter Abſchnitt.
(Tagetes patula), Celoſien (Celoſia criſtata), chineſi-
ſche Sternblumen (Aſter chinenſis), Paͤonien (Paeonia
officinalis),
Wucherblumen (Chryſanthemum indicum),
Ringelblumen (Calendula officinalis), Balſaminen
(Impatiens balſamina), Wunderblumen (Mirabilis di-
chotoma
) und unzaͤhliche andere.


Als Faͤrbekrautblumen bauen die Japaner den
Knoͤterich oder Wegtritt (Polygonum), ſowohl den chi-
neſiſchen (chinenſe), als den baͤrtigen (barbatum), auch
den gemeinen oder Vogelknoͤterich (aviculare). Er
giebt eine ſchoͤne blaue Farbe, wie Indigo; die Blaͤt-
ter werden getrocknet, geſtoßen und kleine Kuchen dar-
aus gemacht, die in den Krambuden zu kaufen ſind.
Man kann nicht nur Leinwand, ſondern auch ſeidne und
baumwollene Zeuge damit faͤrben. Wenn man ſie ge-
brauchen will, werden ſie mit einem Zuſatz von Aſche
gekocht. Je ſtaͤrker der Decoct gemacht wird, deſto
dunkler wird die Farbe, und im Gegentheil deſto heller.


Sowohl der Baumwoll- als der Seidenbau, iſt
in Japan gar ungemein betraͤchtlich, und verſchaft vielen
Millionen Menſchen Kleidung. Die Baumwollſtauden,
und zwar von der Gattung der Krautartigen, (Goſſy-
pium herbaceum
) werden jaͤhrlich gepflanzt. Sie ge-
ben eine ſehr feine und weiße Bauwolle, die zu Zeugen,
zum Ausſtopfen und zu anderem Behuf gebraucht wird.


Der Seidenbau beruhet auf dem ſteten Pflanzen
und Vermehren der Maulbeerbaͤume, wodurch eine un-
beſchreibliche Menge Seidenwuͤrmer ernaͤhrt wird. Die
Seide wird zu Zeugen, zu Garn, zu Matten und auf
mancherley andre Art gebraucht.


Der Firnißbaum (Rhus vernix), der Kampfer-
baum (Laurus camphora), der Fichtenbaum (Pinus ſyl-
[69]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
veſttis), die Theeſtaude (Thea bohea), der Cedern-
oder Cypreſſenbaum (Cupreſſus japonica) und das Bam-
borohr (Arundo bambos), wachſen, nicht nur im gan-
zen Lande, wild, ſondern werden auch, des großen Nu-
tzens wegen den ſie den Einwohnern verſchaffen, in
verſchiedenen Gegenden gepflanzt und gezogen. Den
Bamboſtamm gebrauchen ſie zu Hebebaͤumen; von dem
Rohre flechten ſie Koͤrbe und Schraͤnke, und machen
Schreibfedern, Faͤcher und manches andre daraus.
Die Fichten pflanzen ſie zum Zierrath vor die Haͤuſer;
das Holz brauchen ſie zum Hausbau und als Nutzholz
zu allen Arten hoͤlzerner Sachen; auch verfertigen ſie
daraus die feinſte lackirte Arbeit. Das Cedernholz ge-
brauchen ſie zum Schiffbau, auch machen ſie Hausgeraͤth
und Tiſchlerarbeit davon. Der Firnisbaum enthaͤlt ei-
nen Milchartigen Saft, der von allen Harzen das vor-
treflichſte zum Lackiren iſt, und wovon ich im vorherge-
henden mehr geſagt habe. Der Kampferbaum waͤchſt
in der Landſchaft Satſuma und auf den Inſeln, die den
Namen Gotho fuͤhren, in groͤßter Menge wild. Aus
den japaniſchen Baͤumen wird der meiſte Kampfer, der
in Europa gebraucht wird, zubereitet. Die Japaner
ſplittern den Baum und die Wurzeln ſehr fein von ein-
ander, kochen die duͤnnen Streifen in Waſſer, in einem
eiſernen Topfe, der mit einem, wie ein Hut geſtalteten
hoͤlzernen Deckel zugedeckt iſt; in dem Kopfe des Dek-
kels oder Huts, wird Stroh oder Heu befeſtigt, damit
der aufſteigende Kampfer ſich in Geſtalt von Koͤrnern
daran feſtſetzen koͤnne; hernach werden dieſe Koͤrner
von dem Strohe oder Heu los gemacht, in Faͤſſer
eingepackt und an die hollaͤndiſche Compagnie nach dem
Gewichte verkauft.


E 3
[70]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.

Die Theeſtaude waͤchſt im Lande uͤberall wild.
Am haͤufigſten fand ich ſie jedoch an den aͤußerſten Sei-
ten, oder dem Rande, der beſtellten Felder, oder auf ſol-
chen Bergen und Huͤgeln die der Muͤhe der Bearbei-
tung nicht werth ſind, angepflanzt. In Zeit von ſechs
bis ſieben Jahren, waͤchſt ſie aus dem Saa-
men zu voͤlliger Mannshoͤhe; aber ſchon im dritten
Jahre traͤgt ſie durch ihre Blaͤtter etwas ein. Je aͤlter
die Blaͤtter ſind, und je ſpaͤter im Jahre ſie abgepfluͤckt
werden, deſto mehr bekommt man zwar, aber deſto
ſchlechtern Thee geben ſie auch; die kleinen und eben
erſt ausgebrochnen Blaͤtter, geben den feinſten und
koſtbarſten Thee. Das Pfluͤcken wird daher jaͤhrlich zu
drey verſchiednen malen vorgenommen. Die erſte
Erndte geſchieht im Anfange des Maͤrzes, oder auch am
Ende des Februars. Alsdann fangen die Blaͤtter an
auszubrechen, ſind klebrich und werden nur fuͤr den
Kaiſer und die Reichen und Vornehmen gepfluͤckt, be-
kommen davon auch den Namen Kaiſerthee. Einen
Monath nachher faͤllt die zweyte Erndte ein, da die
Blaͤtter ausgewachſen, aber noch duͤnne und wohl-
ſchmeckend ſind. Wiederum nach einem Monathe wird
das Meiſte geſammelt; die Blaͤtter ſind alsdenn voͤllig
ausgeſchlagen und dick geworden. Die junge Stau-
den geben allezeit beſſern Thee, als die alten; auch
ſchmeckt der Thee aus einigen Provinzen beſſer, als
aus andern. Wenn die Blaͤtter abgepfluͤckt ſind,
werden ſie gedoͤrret, und zu dem Ende auf duͤnne
eiſerne Platten hingebreitet, die warm gemacht wer-
den. Hier muͤſſen ſie fleißig mit der Hand um-
geruͤhrt werden, ſo lange die Finger die Hitze
ertragen koͤnnen. Darauf werden ſie auf Matten
[71]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
hin und her gerollt, bis ſie ganz kalt geworden ſind.
Sind ſie alsdenn nicht trocken genug, ſo wird das
Roͤſten noch ein oder mehrere mal vorgenommen. Oft
legen die Leute die Matten mit den Theeblaͤttern ganz
ſorglos vor die Hausthuͤr hin, und laſſen ſie da liegen.


Der Zuckerahorn, oder Zuckermasholder (Acer
ſaccharinum),
waͤchſt meines Wiſſens in Japan nicht;
auch hat man bis jetzt das Pflanzen des Zuckerrohrs
nicht eingefuͤhrt. Die Japaniſchen Dolmetſcher zeigten
mir aber doch einen Saft, wovon Zucker gemacht
werden kann. Dies iſt der Saft eines gewiſſen
Baumes, der auf den Inſeln um Nipon waͤchſt.
Der daraus bereitete Zucker ſchmeckt ſuͤß, iſt braͤun-
lich und von ſchlechtem Anſehen. Zucker iſt alſo das
einzige, was die Japaner von Auslaͤndern nehmen
muͤſſen.


Daß Japan, und zwar im groͤßten Ueberfluſſe,
alles, was zur Nahrung, Kleidung und Bequem-
lichkeit ſeiner Bewohner erforderlich iſt, hervorbringt,
wird jeder aus dem bisher geſagten zur Genuͤge er-
ſehen. Und da man in den meiſten andern Laͤndern
ſo oft uͤber Mißwachs und Hungersnoth klagt, ſo hoͤrt
man dergleichen in dieſem Reiche ſehr ſelten, wo
man ſparſam lebt, keinen Aufwand macht, auf den
Ackerbau ſo unbeſchreibliche Muͤhe und Sorgfalt
wendet, und außer Reis und Getreide, auch kluͤg-
lich eine Menge Gartengewaͤchſe und Erd- und
Baumfruͤchte zu ziehen ſucht. Inzwiſchen weiß
man doch Beyſpiele, daß auch hier Hungersnoth
das Land betroffen hat.


Da die Japaner nicht nur ſo manche Getreide-
arten, ſondern auch ſo viele Wurzel- Schoten- und
E 4
[72]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
andre Gartengewaͤchſe, nebſt Obſt und Fruͤchten in
Menge, uͤberdem aber, aus dem das Land allenthalben
umſtroͤmenden Meere, einen unerſchoͤpflichen Vorrath
von Fiſchen holen; da ferner die Reiſen, entweder
zu Fuß, oder in Tragſaͤnften gemacht; und bey der
ſehr großen Menge Leute, die man dazu haben kann,
faſt alles, was von einem Orte zum andern zu trans-
portiren iſt, von Menſchen getragen, da keine Ca-
vallerie im Lande unterhalten, da endlich die aller-
meiſte Feldarbeit ohne Zugvieh verrichtet wird; ſo
bedarf es faſt gar keiner Viehzucht, in dieſem Lande, da-
her ſie denn auch nur ſehr geringe iſt. Die wenigen Pferde,
welche es hier giebt, werden von den Fuͤrſten auf ihren
Reiſen, theils zum Reiten, theils als Packpferde ge-
braucht; und ihre ganze Anzahl moͤchte wohl nicht ſo
viel betragen, als in einer mittelmaͤßigen Stadt in Eu-
ropa
. Große Reitpferde, praͤchtige Kutſchpferde,
ſchnelle Schlittenpferde, kennt man hier eben ſo wenig, als
Fuhrmanns und Bauernpferde. — Rindvieh hat man noch
weniger; von den Kuͤhen gebraucht man eben ſo wenig
die Milch, weder zum Trinken, noch zu Speiſen, noch
zu Butter oder Kaͤſe, als man Kalb- oder Rindfleiſch
iſſet, oder das Talg gebraucht. Die wenigen Kuͤhe
und Ochſen die gehalten werden, hat man bloß dazu,
ſie vor Karren zu ſpannen, (welches aber nur in Einer
Gegend des Landes geſchieht), um ſolches Feld, das
faſt beſtaͤndig unter Waſſer ſteht; zu pfluͤgen. —
Schweine findet man nur um Nangaſacki, und zwar
ſehr wenige, die noch dazu von den Chineſern in ſpaͤ-
tern Zeiten ins Land gebracht zu ſeyn ſcheinen. —
Schaafe und Ziegen ſind im ganzen Lande gar nicht
zu finden; die Einwohner koͤnnen auch der Schaafwolle
[73]Von der Landwirthſchaft der Japaner.
ſehr gut entbehren, da ſie Baumwolle und Seide im
Ueberfluß haben. Waͤhrend meines Aufenthalts auf
der hollaͤndſchen Factorey, trug es ſich zu, daß einige
Japaner mit verſchiedenen Schaafen nach der Inſel ka-
men, welche ſie von einem Chef des hollaͤndiſchen Han-
dels, der nach Batavia gereiſet, und hernach nicht
wiedergekommen war, in Empfang genommen, und
verſchiedene Jahre in Verwahrung gehabt hatten. —
Hunde, die einzigen Muͤßiggaͤnger im Lande, halten ſie
aus Aberglauben. Katzen ſind meiſtens die Lieblinge
des Frauenzimmers. — Huͤhner, Gaͤnſe und Enten
halten die Japaner auch, mehrentheils um der Eyer
willen, wovon ſie große Liebhaber ſind, und die ſie bey
manchen andern Gerichten hart gekocht und in Stuͤcken
zerſchnitten, eſſen.


Die Fiſcherey wird, wie ich ſchon einigemal bey-
laͤufig erwaͤhnt habe, von den Japanern außerordentlich
ſtark und eifrig getrieben; das Meer welches ihr ganzes
Land umfließt, und ſo viele Buchten macht, auch ſo manche
kleine Inſeln enthaͤlt, kommt ihnen dabey ſo ſehr als
wenig andern Laͤndern zu Statten; auch eſſen die Japa-
ner faſt nichts haͤufiger und lieber als Fiſche. Es iſt
unglaublich, welch eine Menge Fiſcher, bloß aus dem
Hafen von Nangaſacki taͤglich auslaufen. An den dun-
keln Herbſt- und Winterabenden, brennen ſie Fackeln
und andre ſtark ſcheinende Lichte auf ihren Boͤten, die
uͤber eine Meile weit von der Stadt geſehen werden, und
einen ungemeinen ſchoͤnen Anblick geben.


Die Jagd kennen die Japaner gar nicht.


E 9
[74]Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.

Fuͤnfter Abſchnitt.
Vom Handel der Japaner
.


Bey Beſchreibung der Handelsſtaͤdte, welche ich auf un-
ſrer Hofreiſe geſehen, habe ich vom einheimiſchen Handel
bereits manches geſagt, ſo wie ich, in den Abſchnitten die
meinen Aufenthalt auf Dezima betreffen, von dem Handel
der Japaner im allgemeinen ſowohl, als mit den Hollaͤn-
dern und Chineſern insbeſondere, umſtaͤndliche Nachricht
gegeben habe. Was von dieſem allen noch nachzuholen
iſt, will ich itzt zuſammenfaſſen.


Den inlaͤndiſchen Handel erleichtern und be-
foͤrdern die vielen großen Handelsſtaͤdte und die vielen
Seehaͤfen ungemein. Er iſt in einem ſehr bluͤhenden
Zuſtande, und in jedem Betrachte frey und ohne Zwang-
Einrichtungen; auch legen, weder Zoͤlle und Abgaben,
noch Mangel an Gelegenheit des Transports zwiſchen
den vielen verſchiedenen Provinzen des Reichs, ihm Hin-
derniſſe in den Weg. Die Haͤfen ſind ſtets mit großen
und kleinen Fahrzeugen angefuͤllt; die Landſtraßen wim-
meln von Reiſenden und von Leuten, die Waaren tra-
gen; und die Handelsbuden, beſonders in den großen
Handelsſtaͤdten, ſind allenthalben voll Kaufmannsguͤter
und Waaren aus allen Orten und Enden des Landes.
In dieſen Staͤdten, vorzuͤglich zu Miako, welches im
Mittelpunkt des Reichs liegt, werden auch verſchiedne
große Maͤrkte gehalten, zu welchen die Leute aus allen
Gegenden zuſammenſtroͤmen, um zu kaufen und zu ver-
kaufen. Außer dem Kubo ſind wohl die Kaufleute die
einzigen im Lande, welche reich werden, und bisweilen
anſehnliche Summen beylegen koͤnnen. Demungeach-
[75]Vom Handel der Japaner.
tet aber iſt der Kaufmannsſtand hier bey weitem nicht in
ſolchem Anſehen, als bey den Europaͤern; zu einem hoͤ-
hern Stande ſich hinauf zu ſchwingen, oder vornehme
Titel zu erlangen, iſt einem Kaufmann hier auch nicht
moͤglich. Im Gegentheil iſt der Kaufmann immer ein
verachteter Mann, und man hat allezeit die nachtheilige
Vorſtellung von ihm, daß er auf eine nicht ganz ehrliche Art
und auf Koſten ſeiner Mitbuͤrger ſeine Schaͤtze ſammle.


Der Theehandel wird nur im Lande getrieben;
was davon ausgefuͤhrt werden kann, iſt ſehr wenig. —
Der Handel mit Soja iſt bedeutender. So wie der
hieſige Thee fuͤr ſchlechter als der chineſiſche gehalten
wird, iſt die Soja hier weit beſſer, als in China.
Sie wird in großen hoͤlzernen Kuͤbeln, nicht nur nach
Batavia gebracht, ſondern auch von da weiter nach Eu-
ropa
und allen Gegenden in Oſtindien verkauft. In
gewiſſen Bezirken von Japan iſt ſie beſſer, als in andern.
Um ſie am beſten aufzubewahren, und zu verhindern,
daß ſie nicht bey der Hitze in Gaͤhrung uͤbergehe und ver-
derbe, pflegen die Hollaͤnder auf der Factorey ſie in ei-
ſernen Keſſeln einzukochen, und hernach auf Bouteillen
zu zapfen, die ſorgfaͤltig zugepfropft und mit Harz ver-
macht werden. Dadurch wird ſie nicht nur ſtaͤrker und
zu allen Arten von Saucen brauchbar, ſondern ſie haͤlt
ſich auch beſſer. — Der Seidenhandel bluͤht zwar im
Reiche ſelbſt; weil aber die hieſigen Zeuge ſo außeror-
dentlich ſchmal ſind, koͤnnen die Europaͤer ſie nicht ge-
brauchen. — Der Porcellainhandel wird im Lande
ebenfalls ſehr ſtark getrieben; weil aber das japanſche
Porcellain, bey aller vorzuͤglichen Guͤte der Materie,
doch uͤbrigens dem chineſiſchen nicht gleich kommt, ſo
wird wenig davon an die Hollaͤnder abgeſetzt.


[76]Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Auftritt.

In den Krambuden findet man, ſowohl in allen
Staͤdten als auch in den Doͤrfern: Meublen, Haus-
geraͤth, Kuͤchengeraͤth, alle Arten von Geſchirren und
Werkzeugen, Kleidungsſtuͤcke und alles andere was
man bedarf, in ſo unglaublicher Menge zu Kauf, daß
man ſich wundern muß, wie ſich Kaͤufer dazu finden,
und daß man faſt auf den Gedanken gerathen moͤchte,
hier waͤren Magazine fuͤr die ganze uͤbrige Welt. Je-
der kann ſich hier alles was er, von Kleidungsſtuͤcken
Schuhen, Regenſchirmen, lakirter Arbeit, Porcellain
und hunderterley andern Sachen, noͤthig hat, ſchon
fertig gemacht, ausſuchen, ohne je etwas beſtellen zu
duͤrfen.


Mit den Chineſern haben die Japaner vermuthlich
fruͤher und laͤnger Handel getrieben, als mit irgend ei-
nem andern Volke; ſie ſind auch das einzige indiſche
Volk, mit dem ſie jetzt handeln. In alten Zeiten fuͤhr-
ten die Chineſer hauptſaͤchlich rohe Seide ein; jetzt brin-
gen ſie auch ſeidne Zeuge. Daß ſie auch Zucker, im-
gleichen Achat, nach Japan bringen, habe ich im erſten
Theile an ſeinem Orte (Seite 59) nicht mit angefuͤhrt.
Die daſelbſt erwaͤhnten Buͤcher, ſind meiſtens medicini-
ſchen Inhalts. Daß jaͤhrlich an zweyhundert chineſiſche
Fahrzeuge hieher kamen, waͤhrte bis 1684. In die-
ſem Jahre war es, als man entdeckte, daß die Jeſuiten,
welche damals beym Kayſer in China viel vermochten,
durch die chineſiſchen Kaufleute, verſchiedne in China ge-
druckte katholiſche Buͤcher, heimlich herein practiſirten.
Man ſetzte daher ihrem Handel Grenzen, und unter-
warf ihn dem Zwange, worunter er noch jetzt ſteht.
Die Zahl der Schiffe, welche ſie ſchicken duͤrfen,
ſchraͤnkte man auf ſiebenzig, und die Bemannung eines
[77]Vom Handel der Japaner.
jeden auf dreyßig Mann ein; die jetzt auf ſechshundert
tauſend Thail herab geſetzte Summe, uͤber welche der
Werth ihres Handels jaͤhrlich nicht hinausgehen darf,
war vorher ebenfalls ganz uneingeſchraͤnkt. Als große
Liebhaber des Schweinefleiſches, bringen die Chineſer
Schweine, aus China, mit nach Japan.


Die Portugieſen, bekanntlich die erſten Entdecker
der Japaniſchen Inſeln, waren auch unter den Euro-
paͤern die erſten, welche Handel dahin trieben. Ihr
Gewinn war anfangs unglaublich: ſie fuͤhrten jaͤhrlich
mehr als drey hundert Tonnen Goldes aus. Als ſie
ſich hernach durch ihr uͤbermuͤthiges Betragen allgemein
verhaßt gemacht hatten, und dadurch ihr Handel in den
aͤuſſerſten Verfall gerathen war, wurde demungeachtet
noch im Jahr 1636. eine Menge Silber, und zwar
2350 Kiſten, oder 2,350,000 Thail, im Jahr 1637,
2,142,365; und 1638, 1,259,023 Thail ausgefuͤhrt.
Seitdem ſie aus dem Lande gaͤnzlich vertrieben worden,
haben ſowohl ſie, als die Spanier, verſchiedene Ver-
ſuche gemacht, den Handel mit Japan wieder in Gang zu
bringen. Aber alle Verſuche dieſer Art mislangen nicht
nur, ſondern liefen ſogar ungluͤcklich ab, indem man
mit einem Volke zu thun hatte, das unveraͤnderlich bey
ſeinem Vorſatze beharret. Im Jahr 1640 wurde ein
Schiff mit zwey Ambaſſadeuren und einem Gefolge von
drey und ſiebenzig Perſonen von Makao nach Japan
geſchickt; alle dieſe wurden in Nangaſaki ſogleich gefangen
genommen, und ihre Ankunft nach Hofe berichtet. Von
hier kam aber der Befehl zuruͤck, daß alle, (auſſer zwoͤlf,
die wieder wegreiſen durften,) hingerichtet werden ſollten;
dies Urtheil wurde auch vollzogen, und ſie alle an Einem
Tage, ja ſogar in Einem Augenblicke, jeder von einem
[78]Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
eignen Scharfrichter, gekoͤpft. Zugleich ward das
Verbot fuͤr dieſe Nation erneuert, niemals wieder nach
Japan zu kommen, und in dies Verbot unter andern die
vermeßne Drohung eingeruͤckt, daß, wenn der Koͤnig
von Portugal, oder auch der Gott der Chriſten ſelbſt
kaͤme, ſie gleiches Schickſal treffen wuͤrde. Auch ein
ſpaniſches Schiff, ein großer Dreydecker, wohl be-
mannet, und mit Kanonen ſehr ſtark beſetzt, hatte die
Verwegenheit, in den Hafen von Nangaſaki einzulau-
fen, erfuhr aber ein noch ungluͤcklicheres Schickſal,
zum Beweiſe, wie unerſchuͤtterlich die Japaner bey
dem, was ſie einmal ſich vorgenommen haben, behar-
ren, wie buchſtaͤblich ſie den Willen ihrer Geſetze und
die Beſchluͤſſe ihres Regenten vollziehen, und nicht einmal
durch die Artillerie der Europaͤer ſich davon abſchrecken
laſſen. Dieſes Schiff kam von den maniliſchen Inſeln,
ladete ſeine Waaren zu Nangaſaki aus, und nahm da-
gegen eine Menge Silber und andere Waaren ein.
Mittlerweile wurde dem Kaiſer Nachricht von der An-
kunft der Spanier gegeben. Dieſer ließ an den Fuͤrſten von
Arima den Befehl ergehen, das Schiff mit ſammt der Man-
ſchaft und Ladung zu verbrennen. Der Fuͤrſt griff das
Schiff auch an, und drang, des tapferſten Widerſtan-
des unerachtet, an Bord deſſelben ein. Sobald er
mit ſeinen Leuten das Schiff betrat, zogen die Spanier
ſich unter das erſte Verdeck zuruͤck. Der Fuͤrſt rettete
ſich, und das Verdeck flog in die Luft. Die Spanier
wurden zum andern und dritten mal eben ſo heftig an-
gegriffen, bis alle Verdecke in die Luft geſprengt waren,
und das Schiff auf den Grund ſank, ohne daß ein ein-
ziger Menſch am Leben blieb. Das Gefecht dauerte
[79]Vom Handel der Japaner.
ſechs Stunden und koſtete mehr als drey tauſend Ja-
panern das Leben.


Vom hollaͤndiſchen Handel kann ich hier noch
folgendes anfuͤhren. Als die Portugieſen, ungeachtet
des gleich Anfangs in Japan erhaltenen Anſehens und
Einfluſſes, dennoch die Hollaͤnder nicht hindern konn-
ten, hier ebenfalls Handel zu treiben, legten dieſe ihre
Factorey auf einer Inſel, bey der Stadt Firando an,
welche ſie aber hernach verlaſſen mußten. Vom Kaiſer
Ijejas erhielten die Hollaͤnder ihre erſte feyerliche Con-
ceſſion, hier allenthalben zu handeln. Ihr Handel
bluͤhete auch bis 1619, da ſie die Unvorſichtigkeit be-
giengen, die foͤrmliche Erneuerung derſelben von deſſen
Nachfolger, Kaiſer Fidetada zu verlangen. Seit die-
ſer Zeit hat ſich ihr Gewinn ſehr vermindert, und ihre
Freyheit iſt in ſo mancher Ruͤckſicht betraͤchtlich einge-
ſchraͤnkt worden. Im Jahre 1636 bekamen ſie Be-
fehl, ihr Packhaus und Waarenlager auf Firando nie-
derzureißen, welches von Steinen, ſtark und praͤchtig,
gebauet war, und uͤber dem Eingange bey der Jahr-
zahl die Worte: Anno Chriſti zeigte, welches dieſem
argwoͤhniſchen und von den Portugieſen ſo ſehr beleidig-
ten Volke zu großem Verdachte, Anlaß gab. Kurz
darauf wurde ihnen befohlen, Firando ganz zu verlaſ-
ſen, ſich nach Nangaſaki zu begeben, und von nun an
lediglich in dieſem, am aͤuſſerſten Ende des Reichs be-
findlichen Hafen zu ankern. Im Anfange brachten die
Hollaͤnder rohe Seide, ſeidne und halbſeidne Zeuge
Zitſe, Kattune, Tuch, Sapanholz, Braſilienholz,
Buͤffelhaͤute, Buͤffelhoͤrner, Hayfiſchhaut, Korduan,
Pfeffer, Zucker, Mutternelken, Muskaten, Baros-
kampfer, Wachs, Queckſilber, Bley, Safran, Sal-
[80]Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
peter, Borax, Alaun, Biſam, Lacca, Benzoe, Sto-
rax, Katechu, Ambra, arabiſche Coſtwurz, Korallen,
Spießglas, Schlangenholz, Feilen, Nadeln, Spiegel-
glas, Glaͤſer, Brillen, Voͤgel und manche andre in
Japan nicht zu habende Sachen ein. Der Gewinn
war ſehr anſehnlich; die Ausfuhr betrug wenigſtens
ſechs Millionen Gulden, und bloß an Silber vier Mil-
lionen. Auf der Hollaͤnder eignes Begehren, wurde
der Handel mit Silber in Handel mit Kupfer verwan-
delt, weil damals auf Kupfer mehr zu verdienen war.
Von Stunde an, wurde aber auch die Exportation des
Silbers verboten. Den aͤrgſten Stoß, ſcheint der Han-
del der Hollaͤnder 1672 bekommen zu haben, und zwar
durch den Haß, welchen Inaba Mino, Mitglied des
Staatsraths, und Guͤnſtling des frommen Kaiſers Dai-
jojin
, gegen die Hollaͤnder gefaßt hatte. Dieſer uͤbte
ſeine Rache durch einen ſeiner Anverwandten aus, der
zum Statthalter zu Nangaſaki beſtellt wurde. Letzterer
ließ von allen Waaren, welche in dem Jahre mit den
Schiffen nach Japan gekommen waren, Proben holen,
die er den Kaufleuten zeigte, und wobey er dieſe befra-
gen ließ, ſowohl wie viel ſie dafuͤr zu geben daͤchten,
als auch wie viel ſie davon verlangten. Darauf bot er
den Hollaͤndern fuͤr dieſe Waaren viel weniger, und
ſtellte ihnen frey, ſie wieder mitzunehmen, wenn ihnen
dieſes nicht anſtaͤnde. Seit der Zeit wurde der Preis
der Waaren von Jahr zu Jahre heruntergeſetzt, und
der Werth des Japaniſchen Geldes erhoͤhet. Man be-
ſchwerte ſich zwar hieruͤber, und der hollaͤndiſche Han-
del wurde in ſo fern wieder frey gegeben, daß die Waa-
ren fuͤr den hoͤchſten Both verkauft werden durften, aber die
ganze Verkaufsſumme wurde im Jahr 1685 auf 300,000
Thail
[81]Von Handel der Japaner.
Thail eingeſchraͤnkt. — Vom Kupferhandel merke ich
noch folgendes an. Das Kupfer wird auf einer
großen hollaͤndiſchen Waage gewogen. Auf jedes Pi-
ckel geben die Japaner ein Katje Uebergewicht, wo-
von die Adminiſtratoren zu Batavia, welche das Ku-
pfer in Empfang nehmen, den fuͤnften Theil bekom-
men. Von den uͤbrigen vier Fuͤnftheilen bekommt der
Schiffscapitain zwey Drittheile und der erſte Steuer-
mann ein Drittheil, damit dieſe, weil ſie fuͤr das Ge-
wicht einſtehen muͤſſen, nicht leiden. Weil aber die
Japaner, (dies halten ſie fuͤr keine Suͤnde,) waͤhrend
ſie die Kupferkiſten nach der Bruͤcke tragen, ſo viel ſie
koͤnnen, davon ſtehlen, ſo verlieren jene doch jaͤhrlich
dabey. Im vorigen Jahre war der Capitain um zwey
und funfzig Pickel zu kurz gekommen. — Dies Jahr
wurde von einem der Capitaine, vermuthlich in der
Abſicht, es von den Chineſern zu Batavia gut bezahlt
zu bekommen, auch eine Parthey Eiſen ausgefuͤhrt.


Sechſter Abſchnitt.
Von den Waffen, den Speiſen und Getraͤnken
der Japaner; wie auch noch verſchiedenes von
ihren Sitten und Gewohnheiten, Muͤnzen,
Kleidung und dergleichen.


Die Waffen der Japaner beſtehen in Bogen und
Pfeil, Saͤbel, Piken und Flinten.


Die Bogen ſind ſehr groß und die Pfeile lang,
ſo wie bey den Chineſern. Wenn im Gefechte dieſe
Bogen geſpannt und abgeſchoſſen werden ſollen, ſo
legt ſich der Haufe, welcher eine Schaar oder Abthei
Thundergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. F
[82]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
lung ausmacht, allezeit auf ein Knie, und kann daher
keine geſchwinde Schuͤſſe thun. Im Fruͤhlinge kommt
ein Theil der Truppen zuſammen, um ſich im Bogen-
ſchießen nach dem Ziele zu uͤben.


Schießgewehr gebrauchen die Japaner gewoͤhn-
lich nicht. Ich habe auch nur bey den Vornehmen,
Buͤchſen und Flinten geſehen, die an einem beſonders
dazu eingerichteten und erhoͤheten Orte in ihrem Au-
dienzzimmer ſtanden. Der Lauf derſelben war von
gewoͤhnlicher Laͤnge, der Schaft hinter dem Schloſſe
aber ſehr kurz, und, ſo viel ich in der Entfernung wahr-
nehmen konnte, waren es Luntenflinten. An einigen
iſt das Schloß von Kupfer. Ich habe nie einen Ja-
paner
ein Schießgewehr abfeuern geſehen, ob ich gleich
auf der hollaͤndiſchen Factorey einigemal in der Naͤhe
der Stadt einen Schuß hoͤrte. Die Dollmetſcher er-
zaͤhlten mir, daß man hier zu Lande die Buͤchſen, weil
ſie ihrer Kuͤrze wegen nicht gegen die Schulter geſetzt
werden koͤnnen, gemeiniglich gegen die Backe ſetzt,
welches mir gleichwohl gar ſonderbar vorkommt.


Kanonen werden von den Japanern eigentlich
gar nicht gebraucht. Zu Nangaſacki findet man zwar
einige, die ſie ehemals den Portugieſen weggenommen
haben, doch werden die Schiffe damit nicht ſalutirt.
Die Japaner verſtehen wenig davon ſie zu handha-
ben, und wenn ſie ja bisweilen, welches gewoͤhnlich
zu Nangaſacki alle vier Jahr geſchieht, damit ſchießen
wollen, um ſie zu reinigen und zu probiren, ſo ver-
ſieht ſich der Stuͤckjunker mit einer langen Stange,
woran er die Lunte befeſtigt, und haͤlt doch manchmal
das Geſicht weg, wenn er die Kanon[e] losbrennt.


Der Saͤbel iſt ihr vornehmſtes und hauptſaͤchlich-
ſtes Gewehr, den auch, die Bauern ausgenommen,
[83]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
jedermann beſtaͤndig an der Seite traͤgt. Er iſt drey
Fuß lang, etwas weniges gekruͤmmt, und hat einen
dicken Ruͤcken. Die Klingen ſind von unvergleichlicher
Guͤte, beſonders werden die alten ſehr hoch geſchaͤtzt.
Sie uͤbertreffen an Guͤte die in Europa beruͤhmten ſpa-
niſchen Klingen um vieles. Ohne große Muͤhe und
ohne der Schneide zu ſchaden, kann man einen Nagel
damit durchhauen, und, wie die Japaner behaupten,
einen Menſchen mit Einem Hieb, von oben bis unten
ſpalten. Unter ſechs Kobang wird keine Klinge ver-
kauft. Die Saͤbel werden oft mit funfzig, ſiebenzig,
ja wohl hundert Thalern bezahlt; und machen das vor-
nehmſte und liebſte Eigenthum eines Japaners aus.
Das Gefaͤß iſt mit einer ſtarken runden Platte verſe-
hen, und ohne Buͤgel, uͤbrigens manchmal eine ganze
viertel Elle lang. Es iſt etwas rundlich, oben am
Ende ganz platt als wenn es abgehauen waͤre, und mit
Hayfiſchhaut uͤberzogen. Dieſe Haut hat viele, kleine
und große, Unebenheiten und Erhoͤhungen, und iſt
wie Chagrin; die Hollaͤnder haben dergleichen ehemals
in Menge hieher gebracht, und ſehr theuer, oft das
Stuͤck fuͤr funfzig bis achtzig Kobang, den Kobang zu
ſechs Reichsthaler gerechnet, verkauft. Um dieſen
Chagrin werden ſeidne Schnuͤre ſchraͤge uͤber einander
gewunden, ſo, daß derſelbe in Form von Rauten
durchſcheint. Die oben genannte Platte iſt dicker als
ein Speciesthaler, und mit erhobnen Figuren geziert,
auch wohl kuͤnſtlich durchbrochen. Die Scheide iſt
dick und etwas platt, und laͤuft gar nicht ſpitz zu, ſon-
dern iſt unten ganz breit. Bisweilen iſt ſie auch mit
dem feinſten und zwar lackirten Chagrin, uͤberzogen,
bisweilen aber bloß von Holz, und entweder ganz
ſchwarz lackirt, oder mit weißen Flecken marmorirt.
F 2
[84]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
Manchmal iſt ſie auch mit einem oder zwey ſilbernen
Ringen beſchlagen. An der einen Seite iſt, nach vorn,
ein kleines Stuͤck angeſetzt, worin ein Loch iſt, in wel-
chem eine dicke, gewoͤhnlich ſchwarze, bisweilen aber
auch gelbe oder gruͤne, ſeidne Schnur befeſtigt wird,
die dazu dient, den Saͤbel, wenn man will, feſtzu-
binden. An der inwendigen Seite des Griffs iſt eben-
falls ein Loch, worin ein Meſſer von der Laͤnge einer
Viertelelle ſteckt. Ein eigentliches Gehenk gebrauchen
die Japaner nie, ſondern ſie ſtecken die Saͤbel allezeit
in den Guͤrtel an die linke Seite, und zwar ſo, daß
die Schneide nach oben zu gekehrt iſt; die in Kaͤmpfers
Beſchreibung befindliche Abbildung eines Japaners,
iſt in dieſem Punkt ganz unrichtig, denn dort
iſt der Saͤbel auf europaͤiſche Manier, mit der Schneide
nach unten zu gekehrt, vorgeſtellt, welches aber gerade
umgekehrt ſeyn muß. Alle die in oͤffentlichen Staats-
oder buͤrgerlichen Aemtern ſtehen, ſowohl, als die Offi-
ciere der Soldaten ohne Unterſchied, tragen ſtets zwey
ſolcher Saͤbel, wovon der eine ihr eigner, und der
andre ihr ſogenannter Amtsſaͤbel, und allezeit laͤnger
als jener iſt. Beyde werden im Guͤrtel an einer und
derſelben Seite getragen, und ſtecken etwas kreuzweiſe
uͤber einander. Wenn ſie ins Zimmer kommen
und ſich niederſetzen, legen ſie den Amtsſaͤbel ge-
meiniglich ab, und entweder an die Seite, oder vor
ſich hin. Die Dollmetſcher tragen nur Einen Saͤbel,
die Banjoſen aber zwey.


Von den Speiſen und Getraͤnken der Japaner,
ihren Mahlzeiten und der Art wie ſie zu Tiſche ſitzen,
iſt auſſer dem bereits im erſten Theile gelegent-
lich davon geſagten, noch folgendes anzufuͤhren.


[85]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.

In Anſehung der Menge und Mannichfaltigkeit
eßbarer Sachen, die in Japan und in dem Meere um-
her, zu finden ſind, und theils von der Natur hervor-
gebracht, theils durch Kunſt zubereitet werden, moͤchte
dies Land vielleicht alle andre bisher bekannte Laͤnder
uͤbertreffen. Die Japaner bedienen ſich ſogar zu ihrer
Nahrung, nicht nur ſolcher Sachen, die an ſich geſund
und nahrhaft ſind, ſondern ſie wiſſen auch faſt Alles,
ſelbſt das giftigſte, unſchaͤdlich und genießbar
zu machen.


Der Reis, welcher in Japan vortrefflich, ſehr
weiß und wohlſchmeckend iſt, dient den Einwohnern
ſtatt des Brodts; zwar backen ſie kein Brodt davon,
aber ſie eſſen ihn dick gekocht zu allen andern Speiſen,
wie wir das Brodt. Die ſchon verſchiedentlich er-
waͤhnte Miſoſuppe iſt ihr gewoͤhnliches und mehr als
taͤgliches Gericht, das ſie bey jeder ihrer Mahlzeiten,
folglich oft dreymal des Tages, eſſen; ſie wird vom
Mehle der Sojabohnen, welche Miſo heißen, mit
Fiſchen und Zwiebeln gekocht.


Fiſche werden theils gekocht, theils in Oel gebra-
ten. Zu ihren vorzuͤglichen Fiſchen gehoͤrt der ſoge-
nannte Tay, den die Hollaͤnder Steinbrachſen nennen
(Sparus ſaxatilis) dieſer wird hier ſehr theuer bezahlt,
und nur zu feſtlichen Gaſtmahlen gekauft; wie
auch der ſechsſtreifige Barſch (Perca ſexlineata), eine
gewiſſe Art aus dem Geſchlechte der Umberfiſche
(Sciena), und die Borſtenfloſſe, (Clupea Thriſſa),
ein mit den Heeringen verwandter Fiſch, der ſo fett
iſt, daß er dem beſten europaͤiſchen Heringe gleich
kommt. Lachſe findet man nur in der Naͤhe der Fa-
konieberge; ſie ſind aber weder ſo groß, noch ſo wohl-
ſchmeckend, als in Europa. Arme Leute eſſen auch
F 3
[86]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
Wallfiſchfleiſch, ob es gleich ſehr grob iſt; es ſieht roth
und wiederlich aus; in den Staͤdten haͤngt es, wie
bey uns Rindfleiſch, im Fleiſchſcharren, zum Kauf.
Taſchenkrebſe und Krabben, wie auch Auſtern und
verſchiedne Gattungen andere Muſchelthiere werden
ebenfalls geſpeiſet; die Auſtern aber nie anders als
gekocht oder geſtobt.


Federvieh, und zwar Huͤhner und Gaͤnſe, auch
wilde Enten und aͤhnliche wilde Waſſervoͤgel, werden
ebenfalls haͤufig gegeſſen.


In Suppen, Bruͤhen und zu andern Speiſen
braucht man unter andern verſchiedene Gattungen
Champignone oder Blaͤtterſchwaͤmme, (Agaricus) Me-
lanzanaͤpfel, Batatten, gelbe Wurzeln oder Moͤh-
ren, verſchiedne Arten Lauch und Zwiebeln, und viele
Arten Bohnen, wie auch die Bambowurzel; vorzuͤg-
lich haͤufig aber doch die Champignone und Murcheln,
die man daher in allen Kramlaͤden getrocknet zum Kauf
antrifft; eingeſalzne Truͤffeln werden eben ſo gebraucht,
imgleichen die Stengel vom eßbaren Aron (Arum eſcu-
lentum
), und die Wurzeln vom gemeinen Pfeilkraute
(Sagittaria ſagittata.)


Die Sojabruͤhe, welche in ganz Japan taͤglich,
beynahe zu allen Gerichten, genommen wird, und die
man auch ſchon in Europa zu gebrauchen angefangen
hat, wird von den oben beſchriebnen Sojabohnen und
Salz, nebſt Gerſten oder Weizen, zubereitet, und zwar
auf folgende Art: Die Bohnen werden gekocht, bis ſie
weich geworden ſind; alsdann wird eben ſo viel geſtoßner
Weizen oder Gerſten dazu gethan, das Ganze gehoͤrig
durcheinander gemiſcht, wohl zugedeckt, und 24 Stun-
den lang auf eine warme Stelle geſetzt, damit es gaͤhre.
Darauf wird eben ſo viel Salz hinzugethan, dritte-
[87]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
halbmal ſo viel Waſſer darauf gegoſſen, und alles
wohl durcheinander gemiſcht, in ein irdenes Gefaͤß
gethan, worin es, gut zugedeckt, ganze zwey bis drey
Monathe ſtehen, anfangs aber einige Tage nach ein-
ander mehrmals umgeruͤhrt werden muß. Alsdenn
wird der Saft ausgepreßt und geſeiht, und darauf in
hoͤlzernen Gefaͤſſen aufbewahrt. Die Soja wird nicht
in allen Gegenden gleich gut gemacht; ſie wird aber
auch, je aͤlter ſie wird, deſto klarer und beſſer. Die
Farbe iſt allezeit braun, und die vornehmſte Eigenſchaft
der Soja iſt die angenehme Salzigkeit, die ſie hat.


Da man im ganzen Lande weder Rohm und But-
ter, noch Talg und Schmalz hat, ſo ſind die Einwoh-
ner genoͤthigt, allerhand friſche Oele zur Zubereitung der
Speiſen zu gebrauchen. Beſonders wird der feinere
Oel vom Seſam (Seſamum) zu dieſem Ende gebraucht,
auch bratet man die Fiſche darin. Andre Oele dieſer
Art, werden aus dem Saamen der Camellie (Camel-
lia japonica,
Tſubaki) der Bignonie (Bignonia tomen-
toſa,
Kiri), der Dryandra cordata, (Abraſin), der
Melia oder Zederach (Azedarach, Melia) und andern,
bisweilen auch wohl aus dem Saamen des unaͤchten
Firnisbaums (Rhus ſuccedanea), des gemeinen Eiben-
baums (taxus baccata) und des Gingko, gepreßt.


Die vielen vortreflichen Fruͤchte, welche die Ja-
paniſchen Gaͤrten auf den Nachtiſch liefern, habe ich
oben genannt.


Gewoͤhnlich eſſen die Japaner dreymal des Ta-
ges, um 8 Uhr des Morgens, um 2 Nachmittags,
und um 8 Abends. Einige eſſen aber auch ohne eine
gewiſſe Ordnung, wenn ſie hungrig ſind, und in ſol-
chen Haͤuſern muß das Eſſen faſt den ganzen Tag fer-
tig ſtehen.


F 4
[88]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.

Alles was entzwey geſchnitten gegeſſen werden muß,
wird vorher, ehe es gekocht wird, in kleine Stuͤcke zerlegt,
darauf ſehr muͤrbe und gahr gekocht, und mit wohl-
ſchmeckenden Bruͤhen zubereitet. Dies giebt nicht nur
dem Gerichte den beſten Geſchmack, ſondern erſpart
auch bey Tiſche die Muͤhe des Vorſchneidens und Zer-
legens. Wenn es zu Tiſche geht, ſetzt jeder ſich auf
die weichen Fußbodenmatten nieder. Vor jeden wird
ein kleiner viereckigter Tiſch hingeſetzt, auf welchen
hernach von jedem Gerichte eine Portion (die Portio-
nen ſind ſchon in der Kuͤche fuͤr jeden abgetheilt) auf-
getragen wird, und zwar in den ſauberſten entweder
porcellainen, oder lackirten hoͤlzernen, Gefaͤſſen. Dieſe
Gefaͤſſe haben die Geſtalt von Schaalen, oder mittel-
maͤſſigen Spuͤhlnaͤpfen, und jedes iſt beym Auftragen
der Speiſen mit einem Deckel zugedeckt.


Das erſte Gericht iſt gewoͤhnlich Fiſche mit Fiſch-
ſuppe. Die Suppe wird aus der Schaale getrunken.
Die entzwey geſchnittenen Stuͤcke vom Fiſche, werden
mit zwey kleinen lackirten, hoͤlzernen, vorn zugeſpitz-
ten Staͤbchen oder Pinnen gegeſſen, welche die Japa-
ner ſo geſchickt und behende zwiſchen die Finger der
rechten Hand faſſen, daß ſie das kleinſte Reiskorn
damit ſehr nett aufnehmen, und ſie ſehr bequem nicht
nur als Gabel, ſondern auch ſtatt des Loͤffels gebrau-
chen koͤnnen. Sobald ein Gericht verzehrt iſt, wird
die Schaale weggenommen, und eine andre an deren
Stelle hingeſetzt. Das letzte Gericht wird in einem
blauen porcellainenen Napfe aufgetragen, der ebenfalls
mit einem Deckel verſehen iſt. Ein Bedienter bringt
das Eſſen herein, ſetzt es, indem er auf die Knie nie-
derfaͤllt, auf den kleinen, niedrigen Tiſch, und nimmt
[89]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
es auch wieder weg. Wenn mehrere zuſammen eſſen, ſo
machen erſt alle einander mit einer tiefen Verbeu-
gung ihr Compliment, ehe ſie anfangen zu eſſen.
Nach jedem Gerichte trinken ſie warmen Sakki, der
aus einem Theekeſſel in flache lackirte hoͤlzerne Thee-
ſchaͤlchen geſchenkt wird, dabey eſſen ſie auch zwiſchen
durch ein Viertel von einem hart gekochten Eye.
Bisweilen bringen ſie auch wohl eine Geſundheit aus.


In Sakki und Thee beſteht alles kuͤnſtliche Ge-
traͤnk der Japaner. Welch eine geringe Anzahl!
Wie mancherley hat dagegen nicht der Europaͤer!
Wein und deſtillirte Liqueure trinken ſie niemals, und
wenn die Hollaͤnder ihnen dergleichen anbieten, wollen
ſie kaum davon koſten. Den Geſchmack des Kaffees
kennen kaum einige Dolmetſcher, und Branntwein
wird bey ihnen gewiß nie ein Beduͤrfniß werden. Auch
in dieſen Ruͤckſichten haben ſie ſich alſo von den Euro-
paͤern noch nicht anſtecken laſſen. Ehe als von andern
etwas anzunehmen, das fuͤr ſie wirklich von Nutzen
und Bequemlichkeit ſeyn koͤnnte, wollen ſie lieber ihre
uralte Lebensweiſe in ihrer Reinigkeit beybehalten, um
nicht unvermerkt auch etwas bey ſich einreiſſen zu laſ-
ſen, das ihnen mit der Zeit unnuͤtz oder ſchaͤdlich wer-
den moͤchte.


Sakki iſt eine Art Bier, das die Japaner von
Reis brauen. Es iſt ziemlich klar, und ſieht faſt wie
Wein aus, hat aber einen eignen, ganz beſondern Ge-
ſchmack, der eben nicht fuͤr angenehm gelten kann.
Wenn er friſch iſt, iſt er mehr weiß, wenn er aber eine
Weile auf kleinen hoͤlzernen Faͤſſern gelegen hat, wird
er ſehr braun. Dies Getraͤnk iſt in allen Wirtshaͤu-
ſern, wie der Wein auf allen Kellern in Europa, zu
Kauf, und macht ihr Vergnuͤgen bey Schmauſen und
F 5
[90]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
Gaſtmalen und in froͤlichen Stunden aus. Beguͤterte
trinken es auch wie Tiſchwein bey den gewoͤhnlichen
Mahlzeiten. Die Japaner trinken es niemals kalt,
ſondern es wird in gewoͤhnlichen Theekeſſeln warm ge-
macht, aus dieſen in Theeſchaalen oder flache Taſſen
geſchenkt, und ſo ganz warm getrunken; daher wer-
den ſie denn auch ſehr bald davon erhitzt und betrunken;
der ganze Rauſch verſchwindet aber auch in einigen
Minuten, und laͤßt gewoͤhnlich ſehr unangenehmes
Kopfweh zuruͤck. Die Hollaͤnder nehmen Sakki als
eine Handelswaare mit nach Batavia, trinken ihn da
aber aus Weinglaͤſern vor der Mahlzeit, um den Appe-
tit zu reizen, wozu ſie den weißen, weil deſſen Ge-
ſchmack nicht ſo wiedrig iſt, vorziehen.


Thee wird im ganzen Lande getrunken, um den
Durſt zu loͤſchen. Daher haͤngt in allen Haͤuſern, be-
ſonders in allen Gaſthoͤfen, Wirthshaͤuſern und Kruͤ-
gen, den ganzen Tag hindurch, ein Keſſel mit kochen-
dem Waſſer und fein gemahlnen Thee uͤbern Feuer, aus
welchem der braune Decoct, wenn davon getrunken
werden ſoll, herausgegoſſen, und mit kalten Waſſer
aus einem andern Keſſel zu gleicher Zeit verduͤnnt und
abgekuͤhlt wird. Bey den Vornehmen wird den Frem-
den, welche Beſuch bey ihnen machen, allezeit gruͤner
Thee eingeſchenkt; mit ſolchem werden auch die Hollaͤn-
der bey den Reichsraͤthen und andern vornehmen
Beamten, denen ſie die Aufwartung machen, rega-
lirt. Dieſer Thee iſt friſch, und dabey iſt er ganz fein
gemalen. Er wird, nachdem ſiedend heißes Waſſer
in die Kanne gegoſſen iſt, hinein gethan, und ſo wie
bey Chocolade gebraͤuchlich iſt, mit einem duͤnnen Hoͤlz-
chen umgeruͤhrt, und ſo in die Taſſe eingeſchenkt. Er
muß ſogleich getrunken werden, ſonſt ſetzt ſich das
[91]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
gruͤne Pulver, wenn ich es ſo nennen kann, auf dem
Boden. Kein Vornehmer thut eine etwas weite Reiſe,
ohne einen lakirten Kaſten bey ſich zu fuͤhren, der von
einem Kerl getragen wird, und worin unterweges auf
der Landſtraße Waſſer gekocht und kochend gehalten
wird, und gemahlner Thee, Theetaſſen, und alles noͤ-
thige Zubehoͤr beyſammen iſt.


Toback haben die Japaner in alten Zeiten nicht
geraucht, ſondern ohne Zweifel ſind die Portugieſen
die erſten geweſen, welche dieſen Gebrauch bey ihnen
eingefuͤhrt haben. Jetzt raucht in Japan ſowohl das
maͤnnliche, als das weibliche Geſchlecht. Einen an-
dern Namen als Tobacko haben die Japaner nicht fuͤr
dieſes Gewaͤchs. Den Toback, welchen ſie rauchen,
bauen ſie im Lande ſelbſt, und es iſt der gewoͤhnliche
(Nicotiana Tabacum). Sie ſchneiden ihn ſehr fein,
faſt wie ein Haar. Ihre Tobackspfeife iſt klein, we-
nig uͤber eine Viertheilelle lang, von lackirtem Bambo,
mit kupfernen Mundſtuͤcke und kupfernen Kopfe. Die-
ſer iſt ſo klein, daß nur ein halber, oder oft nur ein
Drittheil Fingerhutvoll hineingeht. Siehe die Kupfer-
tafel, II. Fig. 5 a. Den Toback drehen ſie ein wenig mit
den Fingern, und ſtopfen ihn ſo ein. Eine ſolche
Pfeife iſt mit einigen wenigen Zuͤgen ausgeraucht,
worauf ſie ausgeklopft und wieder vollgeſtopft wird;
und dies wiederholt man mehrmal nach einander.
Den Rauch blaſen ſie nach jedem Zuge durch Naſe und
Mund aus; die Vornehmen bedienen ſich beym Rau-
chen allezeit folgender Vorrichtung. Fuͤr jede Perſon in
der Geſellſchaft wird ein laͤngliches, anderthalb Vier-
telellen langes, eine Viertelelle breites und drey Finger
hohes Kaͤſtchen, das braun oder ſchwarz lakirt iſt, hin-
geſetzt. In dies Kaͤſtchen werden Pfeifen und Taback
[92]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
gelegt, und drey Taſſen hineingeſetzt, die beym Rau-
chen folgendermaßen gebraucht werden. Die eine da-
von, welche gewoͤhnlich von dickem Porcellain, oder
von lackirtem Holtze und inwendig mit Meſſing uͤberzo-
gen iſt, iſt mit Aſche angefuͤllt, worin eine brennende
Kohle liegt, um die Pfeife anzuzuͤnden; die andre dient
dazu, die Tobackspfeiſe darin auszuklopfen; wenn dies
geſchehen iſt, pflegen ſie ein paarmal hinein zu ſpucken,
um die glimmende Aſche auszuloͤſchen. In die Dritte
ſpuckt man waͤhrend des Rauchens. Wenn man einen
Beſuch bekommt, ſo iſt dieſer Apparat das erſte, das
dem Fremden vorgeſetzt wird. Manchmal hat ein ſol-
ches Kaͤſtchen auch einen Deckel, der mit einem Bande
feſt gebunden wird, und man laͤßt es ſich von einem
Bedienten nachtragen, wenn man zu jemand geht, von
dem man mit Toback bewirthet zu werden nicht erwar-
tet. Geringe Leute tragen Pfeife und Toback gemei-
niglich ſelbſt bey ſich, wenn ſie ausgehen. Die Pfeife
ſteckt alsdenn in einem Futterale von ſeidnen Zeug,
Fig. 5. b. und wird an der rechten Seite in den Guͤrtel
geſteckt. Der Tobacksbeutel (auf der Kupertafel Fig.
5. c.) iſt kaum eine Hand breit, und etwas kuͤrzer,
oben mit einer Klappe verſehen, die mit einem kleinen
elfenbeinernen Haken zugeſteckt wird. Dieſer Beutel
wird vermittelſt einer ſeidenen Schnur und einem klei-
nen Knopfe von Carneol, oder Agat, am Guͤrtel be-
feſtigt, getragen. Er iſt gewoͤhnlich von einer eignen
Art, mit ſilbernen und goldenen Blumen durchwirkten,
ſeidenen Zeuges.


Zum Waͤgen bedient man ſich allgemein der
Schnellwage, an welcher eine Wagſchaale haͤngt, wo-
rauf das, was gewogen werden ſoll, gelegt wird; an
der Stange der Wage haͤngt, vermittelſt einer Schnur,
[][]

[figure]

[93]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
ein Gewicht, das vor und ruͤckwaͤrts geſchoben werden
kann. Kaufleute fuͤhren dergleichen kleine Schnellwa-
gen von Elfenbein, entweder allein oder in einem Kaͤſt-
chen, bey ſich. Im erſtern Falle haben ſie ein beſonderes
Futteral dazu; auf der zweyten Kupfertafel ſtellt
Fig. 6. eine ſolche Schnellwage vor; a. die Wage
ſelbſt, b. die Wagſchale mit den Schnuͤren woran
ſie haͤngt; c. das Gewicht auf gleiche Art haͤngend;
d. die Baͤnder oder Schnuͤre, woran man die Waage
beym Waͤgen haͤlt; e. das Futteral, welches ſich
bequem zuſammenlegen laͤßt. Um ganz kleine Sachen
zu waͤgen, bedienen ſie ſich einer beſondern Art
Waage, die auf einer ſehr elaſtiſchen Feder ruhet,
auch die kleinſte Veraͤnderung des Gewichts ſehr ge-
nau anzeigt, und ungemein bequem zu gebrauchen iſt.
Taf. II. Fig 7. ſtellt eine ſolche elaſtiſche Waage vor.


Zum Rechnen bedienen ſich die Japaner eines Re-
chenbretts, auf welchem ſie jedesmal bis zehn zaͤhlen.
Die Rechenkugeln, oder Steine, werden auf Eiſen-
drath hin und her geſchoben, und bezeichnen die Einer
und die Zehner. Die Kaufleute pflegen ein ſolches
Rechenbrett, in dem (Seite 47) beſchriebenen Kaͤſt-
chen mit Schreibgeraͤthſchaften und Wage, bey ſich
zu fuͤhren.


Auſſer dem was ich an ſeinem Orte, in einem
eignen Abſchnitte, von den japaniſchen Muͤnzen geſagt
habe, iſt noch folgendes davon zu merken.


Ueberhaupt ſind die japaniſchen Muͤnzen einfach,
ſchlecht und recht, gepraͤgt. Die wenigſten haben ei-
nen erhobenen Rand, oder etwas von den Verzierun-
gen europaͤiſcher Muͤnzen. Auch haben die meiſten
keinen genau beſtimmten Werth. Aus dieſer Urſach
[94]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
werden ſie faſt allezeit von den Kaufleuten gewogen,
welche alsdenn auch ihr Zeichen darauf ſetzen, um an-
zudeuten, daß das Stuͤck vollwichtig, vollguͤltig und
unverfaͤlſcht iſt.


Die groͤßte goldne Muͤnze im ganzen Lande heißt
Obang. Sie iſt eher fuͤr eine Schaumuͤnze, als fuͤr
Geld zu achten. Im Handel und Wandel iſt ſie nicht
uͤblich, man findet ſie auch ſelten bey Kaufleuten oder
andren Privatperſonen. Sie beſteht aus einem
laͤnglich runden flachen und duͤnnen Goldſtuͤck, das
nicht dicker als ungefaͤhr ein Pfennig iſt. Auf der ei-
nen Seite iſt ſie mit ſeinen abgebrochenen Queerſtrichen,
und mit vier Stempeln an den vier Seiten, bezeichnet:
jeder Stempel ſtellt das Wappen des Dairi vor. Auf
die andre Seite, welche glatt iſt, werden im Namen
desjenigen Provinzialfuͤrſten, welcher ſie ſchlagen laſſen,
verſchiedne große ſchwarze Buchſtaben geſchrieben, die
beynahe oben in der Mitte anfangen, und unterwaͤrts
fortgehen. Dieſe Inſchrift verſichert den Beſitzer von
ihrer Richtigkeit, und muß daher, ſobald ſie verwiſcht
iſt, durch den Secretair des Fuͤrſten der Provinz er-
neuert werden, wofuͤr ein Itjib bezahlt wird. Eine
ſolche goldene Muͤnze gilt zehn alte Kobang. Es ſind
faſt nur die Fuͤrſten und Staatsraͤthe, welche derglei-
chen beſitzen und ausgeben. Sie pflegen damit ein Ge-
ſchenk zu machen, wenn ſie andre ſchickliche Geſchenke
nicht bey der Hand haben. Sie ſtellen alsdenn ein
Ehrengeſchenk vor, weil dieſe Herren es ihrer Wuͤrde
nicht gemaͤß halten, gewoͤhnliche Kobang, wenn gleich
vom naͤmlichen Werth, zu ſchenken.


Ich habe am angefuͤhrten Orte bemerkt, daß
auf einigen von den ſilbernen Muͤnzen, welche Ko-
dama heißen, das Bild des Gottes des Reichthums
[95]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
zu ſehen ſey. Dieſer Gott heißt Daikokf, und wird
auf zwey Reistonnen ſitzend, mit einem Hammer in der
rechten Hand, und einem Sacke zur linken Seite,
vorgeſtellt. Die Japaner ſchreiben ihm die Macht zu,
allenthalben, wohin er mit ſeinen Hammer ſchlaͤgt,
alles, was ihm gut duͤnkt, Reis, Eßwaaren, Klei-
dungsſtuͤcke, Geld, und ſo weiter herausholen zu
koͤnnen.


Ich habe dort auch des Aufreihens der eiſernen
und kupfernen Seni auf Schnuͤre, erwaͤhnt. Ge-
woͤhnlich zieht man deren ſechs und neunzig, bisweilen
auch wohl hundert auf eine Schnur. Im letztern
Falle heißt eine ſolche Schnur Kwurokkufjakf, und be-
traͤgt an Werth 1 Mas 5 Konderyn, im erſtern Falle
heißt ſie Metatsjakf. Selten ſind in einer Schnur
alle von einer Art, ſondern gewoͤhnlich von zwey, drey,
oder mehr Sorten durcheinander. Alsdenn werden die
großen Seni zuerſt an das eine Ende, und die kleinern
hernach an das andere gereihet. Die Anzahl der
Seni wird deſto kleiner, je ſtaͤrker die Anzahl der groſ-
ſen iſt, weil dieſe mehr als jene gelten. Dergleichen
Schnuͤre oder Buͤndel von Pfennigen, liegen oft in
den Krambuden, ſowohl in den Staͤdten, als auf
dem Lande, zum Dienſte der Reiſenden fertig, welche
dadurch in Geſchwindigkeit Scheidemuͤnze einwechſeln
koͤnnen, ohne auf das Zaͤhlen Zeit wenden zu duͤrfen.


Zu Nangaſacki gebraucht man im Handel und
Wandel auch chineſiſche Pfennige, welche ſich durch
ihre gelbe Farbe und durch die chineſiſchen Buchſtaben
unterſcheiden, uͤbrigens aber in allen Stuͤcken den japa-
niſchen gleichen.


Bey dieſer Gelegenheit will ich einige ſehr alte,
ehemals im Gange geweſene, japaniſche Muͤnzen be-
[96]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
ſchreiben, die einer meiner Freunde unter den Dolmet-
ſchern, Namens Koſack, die Gefaͤlligkeit gehabt hatte,
fuͤr mich zu ſammeln, und mir als eine große Raritaͤt
ſchenkte. Es ſind alles Seni von rothem Kupfer, an
Groͤße und Dicke den andern gleich, auch eben ſo in
der Mitte mit einem viereckten Loche verſehen, aber mit
andern Buchſtaben bezeichnet. Einer davon ſoll 1135
Jahr alt, und der Urſprung des in Japan gebraͤuch-
lichen Laͤngenmaaßes ſeyn, indem der Durchmeſſer ei-
nes ſolchen Pfennigs genau einen hieſigen Zoll betraͤgt,
auf der Ruͤckſeite hat er gar keine Inſchrift. Ein an-
drer iſt, der Angabe nach 758, der dritte 748, der
vierte 718, der fuͤnfte 651 und der ſiebende 596
Jahr alt. Alle dieſe haben auch eine ganz leere Ruͤck-
ſeite. Dem ſiebenten ſchreibt mein Dolmetſcher ein
Alter von 566 Jahren zu; auf der umgekehrten Seite
ſind zwey Charactere zu ſehen. Das angegebene Al-
ter, iſt nach dem Jahr 1776 angeſetzt, in welchem ich
ſie, jeden mit einem Zettel, worauf ſein Alter bemerkt
war, und beſonders in Papier gewickelt, bekam.


Die Petſchafte der Japaner ſind von Horn,
und zwar oft ſehr ſauber und fein gearbeitet. Sie
druͤcken es aber nicht in Lack oder Oblaten, ſondern be-
dienen ſich einer Schwaͤrze dazu. Dieſe wird von ge-
ſtoßenen, und mit Tuſche durcheinander gemiſchten
Saamen des Wunderbaums (Ricinus) gemacht. Das
auf dieſe Art verfertigte Pulver, wird in eine Doſe ge-
legt, woruͤber ein ſeidnes Tuch gedeckt wird, das mit
Oel beſtrichen iſt, damit das darunter liegende Pulver
davon befeuchtet werde. Wenn die Japaner nun das
Pettſchaft gebrauchen wollen um etwas zu unterſiegeln
ſo druͤcken ſie es erſt in dieſe Doſe, und hernach aufs
Papier. Dies Pulver vertritt alſo die Stelle der
Buchdruk-
[][]

[figure]

[97]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
Buchdruckerſchwaͤrze. Das ſeidne Tuch muß, ſo oft
die Schwaͤrze trocken wird, von neuem mit Oel ange-
feuchtet werden.


Das Oel, welches die Leute in Japan gewoͤhnlich
in den Lampen brennen, iſt Ruͤbſaamenoel.


Die Matten, womit durchgaͤngig die Fußboden
der Zimmer bedeckt ſind, werden meiſtens in den in-
nern Provinzen des Reichs, aber nicht in allen von
gleicher Guͤte verfertigt. Die beſten werden von der
Art Binſen, welche wir Flatterſimſen (Juncus Effuſus)
nennen, gemacht, ganz dicht und ſehr ſauber gefloch-
ten, und hernach auf der obern Seite mit Reis-
ſtroh, zwey bis drey Finger dick gefuttert oder gefuͤllt.
Damit die Matten nicht gelb, ſondern weislich aus-
ſehen moͤgen, werden die Binſen nicht ſelten vorher
an die Sonne gelegt und gebleicht.


Von der Kleidertracht und dem uͤbrigen Anzuge
und Putze der Japaner habe ich in einem eignen Ab-
ſchnitte des erſten Theils dieſes zweyten Bandes das
Noͤthige geſagt, Da ich aber die dahin gehoͤrigen
Abbildungen erſt dieſem zweyten Theile habe beyfuͤgen
koͤnnen, ſo will ich hier die Nachweiſung auf dieſelben
einſchalten. Zu Seite 176, (imgleichen 183, 184),
gehoͤrt die vierte Figur der erſten Kupfertafel, wo eine
japaniſche Dame in ihrem gewoͤhnlichen Anzuge und
Putze vorgeſtellt iſt. Auf der dritten Kupfertafel zeigt
die achte Figur die Schuh oder Pantoffeln von Stroh,
wie die Japaner ſie gewoͤhnlich, und die neunte Figur,
wie ſie auf Reiſen ſie tragen.


Seite 177, habe ich einer Arzeneydoſe erwaͤhnt, wel-
che die Japaniſchen Aertzte nebſt andern Sache nim Guͤr-
tel bey ſich zu tragen pflegen. Sie iſt in mehrere uͤber einan-
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. G
[98]Erſte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
der ſtehende Faͤcher, oder kleine Laden oder Schachteln,
abgetheilt; zu beyden Seiten geht eine Schnur durch,
wodurch dieſelben zuſammen gehalten werden; an dieſer
ſitzt oben eine Kugel oder großer Knopf, womit die
Doſe am Guͤrtel befeſtigt wird. Die zehnte Figur ſtellt eine
ſolche Medicinſchachtel vor; a. die Schachtel ſelbſt, b.
die Schnur, c. der Knopf.


Ein Japaniſches Scheer- oder Raſiermeſſer,
nebſt dazu gehoͤrigem Futteral, iſt Figur 11 abgebildet.
a. iſt das Meſſer, b. das Futteral zu zwey Scheermeſſern.


Um die Zaͤhne und Ohren zu reinigen, welches ſie
ſehr fleißig thun, haben ſie allerhand Inſtrumente und Ge-
raͤthſchaften, die ſie in einem Etui bey ſich zu tragen pflegen.
Auf der vierten Tafel iſt Figur 12 eine Zahnbuͤrſte, die aus
weichem Holze gemacht iſt; Fig. 13 a. a. a. a a. a. a. die
ſaͤmmtlichen Inſtrumente zum Reinmachen der Ohren und
Zaͤhne; b. b. das Etui, welches von Horn zu ſeyn pflegt,
c. die Schnur, womit es am Guͤrtel befeſtigt wird,
d. Zierrathen von Seide, welche daran befindlich ſind.


Die ſtrohernen Schuh, welche man hier zu Lande
den Pferden anzieht, anſtatt ſie zu beſchlagen, habe ich
im 1ſten Theile dieſes zweyten Bandes, Seite 210. be-
ſchrieben, Fig. 14. iſt eine Abbildung davon.


Eheſcheidungen fallen in Japan bisweilen vor,
doch geſchieht dies nicht haͤufig.


Je mehr Toͤchter jemand hat, und je ſchoͤner dieſe
ſind, fuͤr deſto reicher haͤlt er ſich; denn der Freyer
muß dem Schwiegervater Geſchenke geben, ehe er ſeine
Tochter zur Braut bekommt.


Obgleich die Unzucht ein allgemein herrſchendes
Laſter iſt, ſo wird doch auch die Keuſchheit bey Ver-
[]

[figure]

[][99]Von den Waffen, den Speiſen ꝛc. der Japaner.
ehlichten und Unverehlichten, vom weiblichen Geſchlechte
oft ſo heilig gehalten, daß ſolche die zu Fall gekommen
waren, ſich manchmal ſelbſt das Leben nehmen.


Es giebt Maͤnner, die ſich Maitreſſen zulegen;
dieſe letztern werden wie Maͤgde im Hauſe gehalten, und die
mit ihnen gezeugten Kinder koͤnnen nicht vom Va-
ter erben.


Was den Character der Japaner betrifft, ſo iſt es
zwar gewiß, daß ſie im Allgemeinen ernſthaft ſind, und
Hang zum Vergnuͤgen kein herrſchender Zug in ihrer
Gemuͤthsart iſt; Doch wird man aus allem was bisher
von ihnen geſagt worden iſt, geſehen haben, daß es ihnen
deshalb an Vergnuͤgungen, Zeitvertreiben und Luſt-
barkeiten keinesweges gaͤnzlich fehlt.


Siebenter Abſchnitt.
Von der Japaniſchen Sprache *).


In keiner Sprache werden wohl die Buchſtaben, ſo-
wohl im Schreiben als Sprechen, mehr mit einander
verwechſelt, als in dieſer. Auſſer R und L, und H und
F, womit es vorzuͤglich oft geſchieht, findet dies auch
in Anſehung andrer Buchſtaben Statt. Auſſer den
im erſten Theile hievon vorgekommen Beyſpielen, will ich
hier noch folgende anfuͤhren:


G 2
[100]Erſte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
  • R und L: Farru; fallu.
  • Salu; ſaru.
  • H und F: Hamma; famma.
  • Fanna; hanna.
  • Faguru; haguru.
  • Faſjimaru; haſjimaru.
  • Fakama; hakama.
  • B und K: Toriagibaba; toriagikaka.
  • B und M: Fitomoſi; fitoboſi.
  • K und G: Kuruma; guruma.
  • F und B: Fas; bas.
  • P und F: Nipon; nifon.
  • K und F: Furogi; kurogi.
  • K’rombo; f’rombo.
  • D und T: Metori; mendori.

Manche Woͤrter werden auf gleiche Art ausgeſpro-
chen, haben aber nicht nur eine verſchiedene, zum Theil
mit der andern gar nicht verwandte, Bedeutung, ſondern
werden auch mit verſchiedenen Buchſtaben geſchrie-
ben. Z. E.


  • Fas, Rand; hoͤlzerner Stift der ſtatt der Gabel ge-
    braucht wird; Bruͤcke; acht.
  • Ssugi, oben, uͤber; Wacholderbeer.
  • Fanna, Blumen; Ecke; Naſe.
  • Kawa, Rinde; Bach; Haut.
  • Tji, Erde; Blut; Milch; Weiberbruſt; inwendig.
  • Tamma, Tropfen; Buͤndel; Kugel.

In der Mitte der Woͤrter werden die Vocale oft
nicht ausgeſprochen; als:


  • Abura, Lies: abra.
  • Kokora, — kokra.
  • Fukai, — f’kai.
  • Fukaka, — f’kaka.

Am Ende der Woͤrter werden die Vocale J und U
gewoͤhnlich gar nicht oder doch ſehr wenig gehoͤrt. Z. E.


  • Semeku, wird ſemekf geleſen.
  • Toru, — torr’ — —

[101]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Sjaku, wird ſjakv geleſen.
  • Sori, — ſorr’ — —
  • Abramuſſi, — abramuß’ — —

Die Infinitive der Verben, endigen ſich gewoͤhn-
lich auf U oder Uru, als:


  • Suru, thun, machen.
  • Okuru, anbieten.
  • Jaſuru, verbinden.
  • Siku, zwingen.
  • Saſiſu, aufwecken.
  • Anſuru, erwegen.
  • Iſamu, verderben.

  • Nituru, ſchlafen.
  • Atſuru, muthmaßen.
  • Naguru, liegen.
  • Akinewu, Handel treiben.
  • Naku, weinen.
  • Nomikomu, verſchlucken.
  • Aſſjiwaru, peitſchen.

Aber das U am Ende des Infinitivs wird ſelten,
und nur wenig gehoͤrt; z. B.


  • Jedoru, wird jedor’ ausgeſprochen.
  • Maku, — makv — —
  • Kuſagu, — kusag’ — —
  • Tſumuru, — tſumur — —
  • Waku, — wakv — —
  • Kakaru, — kakar’ — —
  • Samkeſuku, — ſamkeſukf — —
  • Furu, — fur’ — —
  • Noſomu, — noſom’ — —
  • Nawaſſu, — nawass’ — —
  • Tobu, — tob’ — —

Sehr viele Verba werden durch Zuſammenſetzung
des die Sache anzeigenden Subſtantivs oder Adjectivs und
des Verbums Suru, machen, thun, formirt, als:


  • Ogamu ſuru, beten.
  • To do kuru, anzeigen.
  • Sjakv torr, meſſen.
  • Ni ſuru, nachahmen.

  • Song ſuru, verlieren.
  • Sorin ſuru, begraben.
  • Umakutji ſuru, kuͤſſen, eigent-
    lich: einen ſuͤſſen Mund geben *).

G 3
[102]Erſte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
  • Fuſi ſuru, flicken, von Fuſe,
    ein Lappen.
  • Simegi ſuru, leimen.
  • Iki tſukv, Athem holen.
  • Karuku ſuru, erleichtern.
  • Mitſuki ſuru, pumpen.
  • Tjuſin ſuru, erzaͤhlen, berichten.
  • Fento ſuru, antworten.
  • Siwo ſuru, ſpringen.
  • Soſun ſuru, ankleiden.
  • Kimono tjaks ſuru, abkuͤhlen.
  • Sanſo ſuru, zaͤhlen, rechnen.
    • Siras ſuru,
    • Sanſo ſuru,
  • Kaſu juru, erzaͤhlen, berichten
  • Motji ſuru, gebrauchen.
  • Fato ſuru, verbieten.
  • Rinkin ſuru, vergolden.
  • Skono ſuru, vermindern.

  • Iwo tſuru, fiſchen.
  • Jaſuri ſuru, feilen.
  • Jantſuri ſuru, wandern.
  • Iſo ſuru, maskiren.
  • Konne ſuru, heirathen.
  • Sakai ſuru, angraͤnzen, ver-
    wandt ſeyn.
  • Kaſe ſuru, helfen.
  • Kwußke ſuru, kaͤmmen.
  • Fiſatat ſuru, knieen.
  • Keſo ſuru, ſchminken.
  • Rui ſuru, unterſcheiden.
  • Subakki hakv, ſaliviren.
  • Tjan nuru, antheeren, verpichen.
  • Atſuſuru, heizen, waͤrmen.
  • Kake ſuru, verlangen.
  • Matſigatoru, abſondern.
  • Tſuben ſuru, erklaͤren.
  • Sudat ſuru, vermehren.
  • Kabi ſuru, ſchimmeln.

Das Perfectum endigt ſich auf Ta. So lautet z. E.


  • von Damaſſu, betruͤgen, das Perfectum damaſta.
  • Jumeniru, traͤumen, — — — jumenita.
  • Motji juru, gebrauchen, — — — motji ita.
  • Waſſuru, vergeſſen, — — — waſſureta.
  • Song ſuru, verlieren, — — — ſong ſita.
  • Makuru, verlieren, — — — maketa.
  • Jakſaku, verſprechen, — — — jakfso ſita.
  • Kakuru, blaß werden, — — — kono fanna,
    wakareta,
    die Blume iſt verbleicht.

Die Participien und andere von den Verben abge-
leitete Adjective endigen ſich ebenfalls auf Ta. So
kommt z. B. her.


  • von Farruru, ſchwellen, farreta, geſchwollen, ſchwuͤlſtig.
  • Kemura ſuru, raͤuchern, kemota, geraͤuchert.
  • Jaburu, zerbrechen, jabureta, zerbrochen.
  • Kiru, abſchneiden, kitta, abgeſchnitten.

[103]Von der Japaniſchen Sprache.
  • von Watluru, anſtecken, watſuta, angeſteckt.
  • Aſiſuru, ſchwitzen, aſiſta, ſchwitzig.
  • Kokorobiru, ſpalten, kokorobita, geſpalten.
  • Kaſojuru, zaͤhlen, kaſojuta, gezaͤhlt.
  • Stomuru, verdienen, ſtometa, verdient.
    • Kavatu,
      Tjiagan,
    • kawata
      tjigota
  • Midſkuru, finden, mitskita, gefunden.
  • Motji juru, gebrauchen, motji ita, gebraucht.
  • Kakuru, blaß werden, wakareta, blaß, bleich.
  • Oſururu, erſchrecken, oſurutſka, erſchrocken.
  • Sinnoru, ſterben, ſinda, todt.
  • Kaſe fukv, abkuͤhlen, kaſe finta, abgekuͤhlt.
  • Kiru, zerſchneiden, kitta, zerſchnitten.
  • Jaſſu, mager werden, jaſſita, mager.
  • Sckok ſuru, ankleiden, ſukukſſa, gekleidet.

Viele Subſtantive und Adjective werden durch
Zuſammenſetzung des Verbum mit den Woͤrtern, Mono,
Menſch, Ding, Sache oder Koto, Sache, Ding, for-
mirt, als:


  • Atſuraje mono, eine bedunge-
    ne Sache oder Waare.
  • Ogamu ſuro mono, Anbeter,
    Bittender.
  • Fodo kuro mono, Anklaͤger.
  • Saſiſu mono, einer der zwingt
    oder treibt.
    • Itami mono,
    • Jamai mono,

  • Noſumi mono, geſtohlne Sa-
    chen.
  • Damas koto, Betrug.
  • Jaki kui mono, angebrann-
    tes Eſſen.
  • Makie mono, lackirte Sachen.
  • Hanna koto, dauerhaft.
  • Iro mono, eitel, kokett.
  • kuru mono je, Spinneweben.
  • Ire mono, Doſe, Schachtel.

Wenn zwey Subſtantive zuſammen ſtehen, ſo
wird der Genitiv vorgeſetzt und der Nominativ vermittelſt
des Verbindungswoͤrtchens No damit verbunden; auf
gleiche Art entſtehen auch zuſammengeſetzte Subſtan-
tiven, z. E.


  • Oni aſſami, Teufelsdiſtel.
  • Tori no ſu, Vogelneſt.

  • Tori no ſajoru, Geſang der
    Voͤgel.

G 4
[104]Erſte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
  • Us no ni ku, Rindfleiſch.
  • Kwuno no je, Spinnewebe.
  • Kuſira no kawa, Wallfiſchfett,
    Thran.
  • Memi no itami, Ohrenſchmerz.
  • Tori no kabitu, Hahnenkamm,
    Federbuſch.
  • Suwo no firu, Ebbe.
  • Fiſa no ſarra, Knie.
  • Jakima no ninjo, porcellai-
    nene Figur.
  • Mugi no ka, Weizenmehl.
  • Hanna no mis, Roſenwaſſer.
  • Mis no karakuri, Quellwaſſer.
  • Us no ko, Kalb.
  • Kuſera no fung, Ambra.
  • Iki no ſemekv, kurzer Athem.
  • Fari no miſimo, Nadeloͤhr.
  • Tori motji wanna, Vogelleim.

  • Te no goi, Handtuch, Schnupf-
    tuch.
  • Te no ki, Handſchuh.
  • Ken no ki, kleine Bartzange.
  • Tamago no karra, Eyerſchale.
  • Me no tamma, Augapfel.
  • Onago no titi, Milchweiß.
  • Tippo no tammu, Flintenkugel.
  • Sitſugets no joko, Sonnen-
    ſtrahl.
  • Sanſi no ito, Violinſeite.
  • Naka no warka, ſchlechter
    Freund.
  • Naka no jukka, von gutem
    Herzen.
  • Meganne no je, Brillenfutteral.
  • Kugi no ki, Kneipzange.
  • Ki no kawa, Seil, Strick.
  • Naka no jaka, guter Freund.
  • Kuſira no fige, Fiſchbein.

Die Pronomina ſind folgende:


  • Watakvs, ich.
  • Omai, du.
  • Ano fito, er, ſie (elle)
  • Ore, mir.
  • Watsks domo, meme, wir.
  • Omagaita, ihr (vous)
  • Ano fitats, ano fito tatj, ſie
    (eux, elles)
  • Miſkara, ſibong, ich ſelbſt.
  • Onaſikv, onaskoto, er ſelbſt,
    derſelbe.
  • Kore, dieſer, dieſe.
  • Kore wa, jener.
  • Dare, wer.
  • Dare ga somotska, weſſen Buch.

  • Koriwa nannika, was iſt.
  • Fito, jemand.
  • Foka, bets, ein andrer.
  • Stotſo ſutſu, ein jeder.
  • Dare monai, niemand, keiner.
  • Wataks fito no, mein.
  • Ano fito no, ſein.
  • Ano fito tatſa, ihr.
  • Sokomotto, hannata, euer.
  • Kannajamma, meine (mes)
  • (Okatſa, Niobo, Frau.)
  • Wataks niobo, meine Frau.
  • Omai no okatſan, deine Frau.
    • Ano fito no fotjo,
    • Ano fito no haka,

Hiebey iſt zu merken, daß fuͤr Du und Ihr ganz ver-
ſchiedene Woͤrter gebraucht werden, je nachdem der, mit wel-
chem man ſpricht, vornehmen oder geringeren Standes iſt.


[105]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Omai, gebraucht man gegen ſeines Gleichen und Freunde.
  • Wari, gegen Geringere.
  • Neus, gegen viel Geringere.
  • Niquiats, gegen die Allergeringſten.
  • Kojats, lautet hoͤchſt unhoͤflich.
  • Samma, gebraucht man gegen Vornehmere und Hoͤhere, und
    es thut ungefehr dieſelben Dienſte, als das europaͤiſche
    Herr.
  • Hannata, auch gegen Vornehmere, und die, welche man eh-
    ren will.
  • Sokomotto, wird in der einfachen, Omaigata, in der meh-
    reren Zahl, gebraucht.

Eben dies gilt von Er und Sie. Ano fito ge-
braucht man gewoͤhnlich; Ano wari aber nur von Ge-
ringern.


Auch mit dem Worte Geben, iſt es eben ſo; in ge-
wiſſen Faͤllen ſagt man fureru, in andern jaru; wenn
man: Gieb, ſagen will, ſagt man gewoͤhnlich oſe tſuke
jare
und jarre; hoͤflicher und ehrerbietiger aber iſt
Kuda ſare.


Beyſpiele von Adverbien, Praͤpoſitionen, und der-
gleichen ſind:


  • Daibung, oka, kaikoto, tak-
    ſan,
    viel.
  • Juki, huſumi, miſomi, mehr.
  • Skunai, weniger.
  • Subong, genug.
  • Jokeinni, voͤllig genug.
  • Amali, zu viel.
  • Amali okina, zu groß.
  • Amali komaka, zu klein.
  • Kokoro joſi, jukka, wol, gut.
  • Aſi no jukka, es ſchmeckt gut.
  • Warika, warikoto, uͤbel, ſchlim̅.
  • Suguren, ſchlimmer.
  • Karuku, karuka, leicht.
  • Sewaſſine, kaum.

  • Ine, inne, jaija, nein.
  • Naka, i, ine, jaija, nicht.
  • Wataks, nichts.
  • Nanni mo naka, gar nichts.
  • Hai, ai, hei, ja.
  • Do, wie.
  • Ka, betreffend.
  • Ka no koto, die Sache betref-
    fend.
  • Sotai, allzuſammen.
  • Sugureta, ausgenommen.
  • Damare, tomagi, ruhig ſtill.
  • Ojoſo, okata, ungefehr.
  • Onaſiku, atſume, atſumutu,
    zugleich.

G 5
[106]Erſte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
  • Hamma, der Laͤnge nach.
  • Tji, naka, utſi, inwendig.
  • Oki, auswendig.
  • Maſſugumi, gerades Weges.
  • Oka, von fern, entfernt.
  • Oka, toka, toi, ſo viel fehlt,
    daß.
  • Motoni, nahe.
  • Metoni, tongari, am naͤchſten.
  • Doku, wo.
  • Koko, hier.
  • Koro kara Nagaſaki mode,
    von hier nach — bis — Nan-
    gaſacki
    .
  • Miteraji ini, nach Miteraji.
  • Fiſeni Saſte, ſiquiſeni, von
    Fiſen nach Siquiſen.
  • Aſſoko, da.
  • Sote, allenthalben.
  • Dokke, nirgend.
  • Umi wattam, zur See, zu
    Waſſer.
  • Kenſio ni, in der Nachbar-
    ſchaft.
  • Matta, wiederum.

  • Matta kui, komm wieder.
  • Sitta, ſimmo, unter, unten,
    unterwaͤrts.
  • Sta, am unterſten.
  • Sugi, owe, uͤber, oben, ober-
    waͤrts.
  • Ni, nach.
  • Uſiro, ura, hinter.
  • Moije, vor.
  • Mukav, gegen.
  • Motoni, bey.
  • Touru, durch.
  • Made, zu.
  • No, von.
  • Tota, außer.
  • Awai, unter (entre)
  • Deru, aus.
  • Mawari, um.
  • So, ko, korriganni, wenn.
  • Naſe, nasjeni, deswegen.
  • Naſſi, naſſii narewa, weil
    denn.
  • Matta, awa, oder.
  • No, und.
  • Faredomo, arwatenkaſa, aber.

Die japaniſchen Zahlwoͤrter lauten alſo:


  • 1 Fitots, its.
  • 2 Fitats, ni.
  • 3 Mits, ſan.
  • 4 Jots, fi.
  • 5 Ituts, go.
  • 6 Mots, rok.
  • 7 Nanats, ſits
  • 8 Jaats, guat, fats.
  • 9 Kokonots, kju, kwu.
  • 10 Towo, ſju.
  • 11 Sjuits.
  • 12 Sjuni.
  • 13 Sjuſan.
  • 14 Sjuſi

  • 15 Sjugo.
  • 16 Sjurok.
  • 17 Sjuſits.
  • 18 Sjufats.
  • 19 Sjuhju.
  • 20 Niſju.
  • 21 Niſjuits.
  • 25 Niſjugo.
  • 30 Sanſju
  • 40 Siſju.
  • 50 Goſju.
  • 60 Rokſju.
  • 70 Sitſiſju.
  • 80 Guatsſju, fatſiſju.

[107]Von der Japaniſchen Sprache.
  • 90 Kuſju.
  • 100 Fjak, fjakv.
  • 1000 Ikwang, ſen.
  • Fan, fang, fambang, halb.
  • Hanbong, die Haͤlfte.
  • Stoots fang, anderthalb.
  • Sigaitji, ein Viertheil.
  • Kire, ein Theil.
  • Fito, fire, ein kleines Stuͤck.
  • Sui, Paar, gerade (Zahl).
  • Itſin, Ein Paar.
  • Tjo, tjoſan, paarweiſe.
  • Fang, ungerade (Zahl).
  • Tjoka fanka, gerade und un-
    gerade.
  • Riofo, beyde.

  • 10000 Mang.
  • 100000 Ogv.
  • Sakki itjo, eine Schaale Schakki.
  • Roſoks itjo, ein Licht.
  • Ippio, ein Sack Zucker; nifio,
    zwey Saͤcke Zucker; Sanpio,
    drey; ſifio, vier und ſo wei-
    ter; eins ums andre pio und
    ſio mit dem Zahlworte.
  • Ikwang me, tauſend Maas
    oder hundert Thail.
  • Haſime, zuerſt.
  • Softe kara, zuerſt dies, her-
    nach jenes.

Zu Bezeichnung der Zeit, dienen unter andern
folgende Woͤrter.


  • Konjits, koniſi, kjo, heute.
  • Keſa, heute Morgen.
  • Sugita, ſenjets, ſakkuſits,
    kinno,
    geſtern.
  • Ototoi, iſakuſits, vorgeſtern.
  • Mionits, aſta, aß, morgen.
  • Oſa, des Morgens.
  • Firu, Mittag.
  • Firu mai, Vormittags.
  • Firu ſugi, Nachmittags.
  • Jur, joſerri, des Abends.
  • Konja, Kombang, heute Abends.
  • Jaſin, geſtern Abends.
  • Jonaka, Mitternacht.
  • Kara, ſeit, ſeitdem.
  • Kinno kara, ſeit geſtern.
  • Toſo, ſjoni, immer.
  • Tabitabi, ſeſſets, oft.
  • Itjido. einmal.
  • Tſuine, niewals.
  • Mada, noch.

  • Madanai, noch nicht.
  • Aida, jone, tokitotſera, ari-
    tukiwa,
    bisweilen.
  • Tamma tamma, ſelten.
  • Keto, itoke, neulich.
  • Itſu, wenn.
  • Otſki, allmaͤhlich.
  • Hajaks, fajakv, faiſo, ge-
    ſchwinde.
  • Imma, oſitſuki, atſke, ot-
    ſka,
    ſogleich.
  • Soſteka, ſoſtekara, ſobald.
  • Oſuka, ſpaͤt.
  • Jube jori oſonatto, ſpaͤter.
  • Oſonatta, es iſt ſpaͤt.
  • Nandoki, wie ſpaͤt iſts?
  • Senkjo, zuletzt.
  • Hojai, haje, fajaku, fruͤh.
  • Fito toki, eine Stunde.
  • Fita toki, zwey Stunden.

[108]Erſte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
  • Nan doki go, zu welcher
    Stunde.
  • Kokonots toke, um zwoͤlf Uhr.
  • Guats, gets, tſuka, Monat.
  • Kongits, in dieſem Monathe.
  • Reigits, im kuͤnftigen Monathe.

  • Kono tſi taſſini, den erſten die-
    ſes Monats.
  • Nanka no utſini, in ſieben Ta-
    gen.
  • Kjanin, vor einem Jahre.
  • Miaganin, vor zwey Jahren.

Die Farben werden auf folgende Art benannt:


  • Siro, weiß.
  • Furo, kuro, ſchwarz.
  • Ki, gelb.
  • Akai, roth.
  • Tja iro braun (woͤrtlich) Thee-
    farbe.

  • Awo, awokel, fanna iro,
    blau.
  • Fai iro, neſumiro, grau, greis.
  • Majogi, ao, gruͤn.
  • Mojogi, friſch gruͤn.
  • Muruſakki, Purpurfarben.

Verſchiedne Sachen, welche die Japaner erſt durch
Fremde bekommen oder kennen gelernt haben, werden
mit hollaͤndiſchen oder portugieſiſchen Namen benannt:


  • Tabaco, Toback.
  • Portugal abra, Baumoͤl.
  • Bir, Bier.
  • Unicorn, Einhorn.
  • Boter, Butter.
  • Karta, Karte.
  • Lancetta, Lancette.
  • Pang, Brodt.
  • Savon, Seife.
  • Flaſco. Flaſche.
  • Diamant, Demant.
  • Saffran, Safran.
  • Baſo, Schuͤſſel.
  • Ducaton, Dukat.
  • Gans, Gans
  • Kakami biduro, Spiegelglas.
  • Raſſia, oraſſia, Raſch, Tuch.
  • Aderlaten, Aderlaſſen.
  • Skerbekken, Barbierbecken.

  • Fork, Gabel.
  • Kananor iſi, Blutſtein, weil
    die Portugieſen ihn zuerſt aus
    Kananore in Oſtindien hieher
    brachten.)
  • Tabacco ore, Tobacksdoſe.
  • Tinta, ſpaniſcher Wein.
  • Boter no kas, Kaͤſe.
  • Kapitein, Capitain.
  • Krokodil, Krokodil.
  • Pokk, veneriſche Krankheit.
  • Fige ſavon, Barbierſeife.
  • Banco, Bank.
  • Faka, Meſſer.
  • Biduro, Spiegel.
  • Kopp, Taſſe, Schaale.
  • Theriak, Theriak.
  • Vein, Wein.

Hier folgen noch einige Exempel von Conjugation,
Conſtruction und Gebrauch der Verben, und von Formi-
rung ganzer Saͤtze.


[109]Von der Japaniſchen Sprache.
  • Jarre, jaru, gieb.
  • Wataks jaru, ich gebe.
  • Wataks jatta, kawaſta, ich
    habe gegeben.
  • Wataks mionitji jarrimarru,
    ich gab geſtern.
  • Wataks jarritai, ſkavaſtai,
    ich will geben.
  • Anofito kakarimas, er ſchreibt.
  • Anofito no kakarimaſta, er
    hat geſchrieben.
  • Watakuſidomo kakimaſſita,
    wir haben geſchrieben.
  • Anofito kakarimaſſu, er wird
    ſchreiben.
  • Watakuſidomo kakimaſſu,
    wir werden ſchreiben.
  • Anofitotats kakarimaſſuru, ſie
    werden ſchreiben.
  • Ano fito ſuko ode guſerimas
    kakokoto,
    er will ſchreiben.
  • Ano fito hollanda moiſi kaka-
    rimas,
    er ſchreibt hollaͤndiſch.
  • Ano fitotats jomarimaß, ſie
    leſen.
  • Ano fitotats ſomats jomarinaſ-
    ſita,
    ſie haben das Buch
    durchgeleſen.
  • Ano fitotats ima jomarimaſ-
    ſuru,
    ſie werden bald leſen.
  • Ano fitotats jokomoto ſkari-
    maſſing,
    ſie werden nicht le-
    ſen.
  • Wataks taſen guſerrimaß, ich
    befinde mich wohl.
  • Omai ſokſai ni guſerrimas,
    befindeſt du dich wohl?
  • Anoſto gokigin jo guſerrimas,
    er befindet ſich wohl.

  • Anofto ſokſai ni guſerrimas,
    ſie befindet ſich wohl.
  • Gokigin jo guſerrimaſka, wie
    befindeſt du dich.
  • Jo guſerrimaſſur, wohl.
  • Mada ſagaſſu guſerrimaſka,
    befindet er ſich wohl.
  • Anofto okatſan jo ſerrimas,
    ſeine Frau befindet ſich wohl.
  • Kindſo ſamma konits ikagawa
    watarinaſſuru?
    wie befindet
    Herr Kindſo ſich heut?
  • Sibon goſoſo noſerrimaſſe,
    ich wuͤnſche dir gutes Befin-
    den.
  • Itami, Krankheit.
  • Watakvſi itami maſſita, ich bin
    krank.
  • Kinno owa omai iwa itamiwa
    naſſerrimaſſinka,
    biſt du ge-
    ſtern krank geweſen?
  • Omai no itami de guſerri-
    maſka,
    was fuͤr eine Krank-
    heit haſt du?
  • Watakvs jakfſo itaſta ſita, ich
    habe es verſprochen.
  • Kono fanna wakareta, die
    Blume iſt verbleicht.
  • Wataks nanni itaſimaſurka,
    was ſoll ich thun.
  • Omai juwa konits nanni na-
    ſerrimoß,
    was thuſt du
    heute.
  • Omai je nenaſerrimaſſita,
    ſchlaͤfſt du nicht?
  • Wataks nejemaſſin, ich kann
    nicht ſchlafen.
  • Omai fimoſuwa guſerrimaſ-
    ſinka,
    biſt du hungrig?
  • Wataks tatemaſſu, ich will eſſen.

[110]Erſte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
  • Ima kara dora toſa guſerrika,
    wie weit ſind wir gereiſet?
  • Miteraji ini, bis Miterai.
  • Tonin wa okai iri naſerri-
    maſ ka,
    wirſt du in dieſem
    Jahre wegreiſen?
  • Me onin mo oidinaſerrimaſka,
    wirſt du im folgenden Jahr
    zuruͤckkommen?
  • Naſſini oſoki vidinaſerrima-
    kaſta,
    warum biſt du ſpaͤt zu-
    ruͤckgekommen?
  • Kokini itſu ootſki naſerrima-
    ſtaka,
    wenn biſt du hieher
    gekommen?
  • Jahſin, geſtern Abends.
  • Oſakka its olaſſſi naſerrima-
    ſtaka?
    wenn biſt du von
    Oſakki abgereiſet?
  • Kono tſi taſſini, den erſten die-
    ſes Monats.
  • Fajo gotjakf naſerrimaſta, du
    biſt geſchwind hieher gekom-
    men.
  • Nanka no utſini, in ſieben
    Tagen.
  • Na nimo fuſiu na koto wa-
    gurrimaſſinka,
    haſt du kein
    Ungluͤck gehabt?
  • Inne, nein.
  • Koki nanni ſini oide naſerri-
    maſta?
    was haſt du hier zu thun.
  • Kuni wo mini kimaſta, ich will
    mich im Lande umſehen.
  • Nagaſaki wa do guſerrimaſ-
    ka,
    was ſagſt du von Nan-
    gaſakki
    ?
  • Kekkono tokoro deguſerri-
    maſſur,
    es iſt ein angeneh-
    mer Ort.

  • Anata wa kokoni fiſaſſu torio
    na ſerrimaſſinka,
    wirſt du
    einige Zeit hier bleiben?
  • Lai gits made torio itaſſimas-
    ju,
    bis zum kuͤnftigen Mo-
    nat werde ich hier bleiben.
  • Soſte kara doki dide naſerri-
    maſſurka,
    wohin wirſt du
    alsdann reiſen?
  • Fiſeni ſaſſe Siguiſeni, nach
    Fiſen, und von da nach Si-
    quiſen
    .
  • Nando ki guſerrica, was iſt
    die Uhr.
  • Kokonots toke, zwoͤlf.
  • Kaſe wa jukka, es iſt guͤnſti-
    ger Wind.
  • Jets matta haſſemka, wenn
    wollen wir wieder abſegeln?
  • Fir ſugi ni, ſivo no jonerri
    ſidaini,
    nach Mittag, wenn
    die Fluth wiederkommt.
  • Mis ſuga kitſo ſuro ka, dies
    Waſſer iſt ganz ſchwarz.
  • Kokawa ſundo fukai, hier iſt
    das Waſſer tief.
  • Watakuſi imo ſo omoinaß,
    das glaube ich wohl.
  • Omai je aſſoko nanni naſer-
    rimaſur,
    was haſt du da?
  • Wataks aſſoko kanni no gu-
    ſerrimas,
    ich habe da Geld.
  • Omai gin guſerrimaſuru, du
    haſt Silbergeld.
  • Wataks nanni guſerrimas,
    was habe ich?
  • Nanni mo naka, gar nichts.
  • Nanni no ono ſami degoſerri-
    maska,
    was willſt du haben?
  • Kadeſki, no guſerrimas, ich
    [111]Von der Japaniſchen Sprache.
    danke dir, ich will nichts
    haben.
  • Nanni na ire naſerretaka, was
    haſt du dort.
  • Wataks kawannu, ich kaufe
    nichts.
  • Anofto Kawarrimaſta, er
    kauſt.
  • Omai nanni kainaſerru, was
    willſt du kaufen?
  • Watats domo nanni kaimaſſu,
    was wollen wir kaufen?
  • Omaigata nanni kainaſata,
    was haben ſie gekauft?
  • Makiemono wa takai, lakirte
    Sachen ſind theuer.
  • Toko ogodatta, ſie ſind theu-
    rer geweſen.
  • Wataks faraimaß, ich bezahle.
  • Anofto faraimaſta, er bezahlt.
  • Wataks niobo faraimaſta, mei-
    ne Frau bezahlt.
  • Omai no okatſan faraimaſſur,
    deine Frau bezahlt.
  • Watoks ſmai imo ſuru, ich
    bin laͤngſt fertig.
  • Kotoba atſume, ein Geſpraͤch.
  • Matuſiro ſamma no ie o oſite
    kadaſſari,
    zeige mir Herrn
    Matuſiros Haus wenn du
    ſo gut ſeyn willſt?
  • Aſka no torrari de guſerri-
    maſſu,
    es iſt das naͤchſte Haus.
  • Kadeſki no guſerrimaſſu, ich
    danke dir, daß du es mir
    zeigſt.
  • Matuſiro ſamma ie de guſar-
    rimaſſuka,
    iſt Herr Matu-
    ſiro zu Hauſe.

  • Tata ima dererrimaſta, er iſt
    ſo eben ausgegangen.
  • Doki oſi de naſerrimaſtaka,
    wohin iſt er gegangen?
  • Kenſjo ni, auf die Nachbar-
    ſchaft.
  • Fajo okajiri na jerrimaſſurka,
    naſarri maſſuriru?
    wird er
    bald wiederkommen?
  • Wataks no ſo omemaſſuru,
    ich glaube wohl.
  • Matuſiro ſamma de guſerri-
    maſka,
    iſt das Herr Ma-
    tuſiro?
  • Anata de guſerrimaſſu, er iſts.
  • Ano gimba jo minoſerri, ſiehſt
    du jene Treppe?
  • Ai, jo guſerimaſſu, ja.
  • Oſuwari na ſerrimaſſinka, iſts
    dir gefaͤllig dich zu ſetzen.
  • Nando ni videna ſerrimaſſe,
    ja, im innern Zimmer.
  • Ana ta ni kota ſugika guſer-
    rimaſſu,
    ich habe etwas von
    dir zu bitten.
  • Dari kara de guſerrimaſka,
    in weſſen Namen?
  • Anatano Oſaka no fabaikara,
    im Namen eines deiner Freun-
    de zu Oſacka.
  • Nawa do muſmaſka, wie heißt
    er?
  • Gorobe to mofimaſſu, er heißt
    Gorobe.
  • Konotſio ni kaite guſerrimaſ-
    ſuru,
    dieſer Brief wird es
    dir ſagen.

[112]Erſte Abtheilung. Achter Abſchnitt.

Achter Abſchnitt.
Einige allgemeine zoologiſche und mineralogiſche
Nachrichten.


Eine foͤrmliche Naturgeſchichte von Japan zu liefern,
wuͤrde fuͤr ein Buch, das nur eine Reiſebeſchreibung
enthalten ſoll, viel zu weitlaͤuftig ſeyn. Ich will da-
her nur Einiges davon in der Kuͤrze anfuͤhren um
wenigſtens von den dieſem Lande eigenen Naturpro-
dukten einen Begriff zu geben. Was die Gewaͤchſe be-
trift, habe ich dieſelben in meiner 1784 herausgekomm-
nen flora japonica ausfuͤhrlich beſchrieben, wo ich zu-
gleich den Nutzen und Gebrauch angegeben habe, den
die Japaner in mancherley Ruͤckſichten von den verſchie-
denen Arten der Baͤume, Stauden und Kraͤuter, und
ihren einzelnen Theilen, zu machen wiſſen. Auch habe
ich in dieſer Reiſebeſchreibung ſelbſt das Merkwuͤrdigſte
von den hieſigen Erzeugniſſen des Pflanzenreichs und
deren mannichfaltigen Benutzung theils gelegentlich,
ſo wie mir auf der Jedoer Reiſe dergleichen aufgeſtoßen
iſt, theils bey Erzaͤhlung meiner botaniſchen Spatzier-
gaͤnge, bereits beſchrieben. Deshalb werde ich das
Pflanzenreich jetzt ganz uͤbergehen, und nur von den
beyden andern Naturreichen noch das nachhohlen, was
im vorhergehenden allenfalls nicht vorgekommen iſt.


Die entweder ſehr ſeltnen, oder in Europa gaͤnz-
lich unbekannten Thiere, habe ich zum Theil ſchon in
einzelnen akademiſchen Abhandlungen und Disputatio-
nen, einige auch mit beygefuͤgten Abbildungen, beſchrie-
ben, und gedenke auf gleiche Art damit fortzufahren.


Von den Saͤugthieren kann ich folgende, als ge-
wiß in Japan befindlich, angeben. Der Wolf (Canis
lupus
[113]Zoologiſche und mineralogiſche Nachrichten.
lupus japaniſch Okame) dieſer haͤlt ſich in den noͤrdlichen
Gegenden auf. Der Fuchs (Canis vulpes), ein im
ganzen Lande gefuͤrchtetes Thier. Der Hund (Canis
familiaris,
japaniſch Jamma ing), ſowohl zahm, als
auch, wie man mir geſagt hat, wild; den letztern ſcheint
man aber doch wohl mit dem Goldwolfe oder einer an-
dern aͤhnlichen Gattung zu verwechſeln. Die Katze
(Felis catus) findet ſich in allen Haͤuſern, und zwar von
verſchiedenen Farben. Die Hausratze (Mus rattus)
treibt hier, wie in andern Laͤndern ihr Weſen. Der
Haſe (Lepus timidus) und zwar von der grauen Art,
wurde nicht ſelten nach unſrer Factorey und auf unſern
Tiſch gebracht. Der Stier (Bos taurus); in der Ge-
gend um Miako ſah ich Buͤffel mit Hoͤckern auf dem
Ruͤcken große Karren ziehen; die Kuͤhe aber, welche
die Landleute bisweilen zum Pfluͤgen des Feldes
halten, ſind ſehr klein. Das Pferd (Equus caballus)
iſt von mittelmaͤßiger Groͤße. Das Schwein (Sus firo-
fa
) iſt von der chineſiſchen Art. Wallfiſche (Balaena)
ſah ich zu Nangaſacki auf dem Markte in den Fleiſch-
ſcharren, in Stuͤcken gehauen, zum Verkauf; ſie wer-
den an der Kuͤſte mit Harpunen gefangen, und auſſer
dem Fleiſche wird auch der Fiſchbein und der Ambra da-
von gebraucht, den man nicht ſelten in dem Eingeweide
findet, und den man mir auch einmal friſch und weich
zeigte. — Man ſagte mir zwar, daß in den noͤrdlichen
und am wenigſten bewohnten Gegenden auch noch verſchie-
dene andere Saͤugthiere, als Hirſche, Baͤren, Affen, und der-
gleichen anzutreffen waͤren; ich hatte aber keine Gelegen-
heit, ſie weder lebendig, noch auch nur Felle dav[o]n zu ſehen.


Von den Voͤgeln findet man ſowohl Huͤner als
Gaͤnſe und Enten, zahm; in ſehr, großer, oft ganz un-
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. H
[114]Erſte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
glaublicher Menge aber halten dieſelben ſich wild auf
dem Waſſer zwiſchen den Inſeln auf, wo ſie vor ſchrek-
kenden Schuͤßen und vor Jaͤgern, die ihrem Vergnuͤgen
nachgehen, ſicher ſind; andere halten ſich im Lande und
auf dem Felde auf; es fehlte mir inzwiſchen an Gelegen-
heit, eine Sammlung davon zu machen, weil ich we-
der ſelbſt Schießgewehr gebrauchen durfte, noch mir
eine ſolche Collection auf andre Art verſchaffen konnte.
Diejenigen welche ich mit einiger Gewißheit kennen gelernt
habe, ſind folgende: der Hahn und das Huhn (Gallus); der
Rabe (Corvus corax); die Gans (Anſer); die Federkap-
pente (Anas galericulata); und die Winterhalbente (Anas
querquedula
), die in unſre Kuͤche kamen; der weiße
Reiher (Ardea alba) und der blaue Reiher (Ardea ma-
jor
); die dem Bauer auf dem Felde beym Pfluͤgen und
Graben nachfolgen; die Wachtel (Tetrao coturnix),
der Dompfaffe (Loxia pyrrhyla) und der Reisfreſſer
(Loxia oryzivora), ebenfalls aus dem Geſchlechte der
Kernbeiſſer, endlich die Haustaube (Columba domeſtica).


Amphibien findet man in dieſem Lande ſehr we-
nige. Die ich ſah, waren nur die Japaniſche Schildkroͤte
(Teſtudo japonica); und die japaniſche Eidechſe (La-
certa japonica
). Die Dolmetſcher ſagten mir zwar,
daß auch Schlangen in Japan anzutreffen waͤren; ich
habe aber nie eine Spur davon bemerkt.


Von Fiſchen habe ich eine Menge geſammelt,
in Weingeiſt aufbewahrt und nach Batavia, Holland
und meinem Vaterlande geſchickt. Es ſind aber unter-
wegens mehrere davon verungluͤckt, und von dem Reſt
manche noch nicht unterſucht; bis jetzt kann ich folgende
angeben: die nebelfarbne, die bemahlte, die beringte
und die geſtreifte Muraͤne, (Muraena nebuloſa, picta,
[115]Zoologiſche und mineralogiſche Nachrichten.
annulata, faſciata); der aſchgraue Schlangenfiſch
(Ophichthys cinereus); alle ſehr ſchoͤne und merkwuͤr-
dige Aal-Arten; eine Art Gruͤndel (Gobius patella); der
gefleckte und der ſchmalgeſtreifte Wels (Silurus macula-
tus, lineatus
); der Japaniſche Schellfiſchteufel (Calliony-
mus japonicus
); der gepanzerte Umberfiſch (Sciaena ca-
taphracta
); der ſechsfachlinirte und der bunte Barſch
(Perca ſexlineata, picta); der gemeine Lachs (Salmo
ſalar
); die Borſtenfloſſe aus dem Geſchlechte der He-
ringe (Clupea thuriza); der Tobackspfeifenfiſch (Fiſtela-
ria tabacaria
); der Goldfiſch (Cyprinus aureus); der See-
flaſche und der gefleckte Stachelbauch (Tetraodon hispi-
dus, ocellatus
); das Seekaͤtzchen aus dem Geſchlechte
der Beinfiſche (Oſtracion cornuttus); das Seepferdchen
(Syngnathus hippocampus); und der Krampffiſch
(Raja torpedo).


Inſekten waren fuͤr mich, ſowohl auf unſrer Inſel,
als auch auf der Reiſe nach und von Jedo, leicht zu be-
kommen. Zum Theil waren ſie mir bekannt, zum
Theil aber voͤllig neu. Hier ſind ihre Namen: der ja-
paniſche und der Vielfleck-Sonnenkaͤfer (Coccinella ja-
ponica, quadripuſtulata
); das Sonnenhaͤhnchen und
das Weidenhaͤhnchen (Chryſomela aeſtuans, pallida);
der Todtenfreund (Dermeſtes violaceus); der Japani-
ſche- und der Ketten-Sandlaͤufer (Cicindela japonica,
catena
); der Kupferſchmidt (Scarabaeus aeruginoſus,
japaniſch Fama Muſi); der europaͤiſche Dungkaͤfer (Hi-
ſter unicolor
); der großnaſige Erdfloh und der Sta-
chelfloh (Mordella naſuta, aculeata); der Kraͤuterdieb
(Ptinus fur); der Zwitterkaͤfer (Melve proſcarabaeus);
der Blauſtrich und der Blaſenſchildkaͤfer (Caſſida nobi-
lis, veſicularis
); der Blumenkratzer aus dem Geſchlechte
H 2
[116]Erſte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
der Todtengraͤber (Sylpha aeſtiva); der Bauer, die
Feuerglut, der zierliche und der Haubenſtinkkaͤfer (Bu-
preſtis ruſtica, ignita, elegans, vittata
); das Sta-
chelhorn (Cerambyx rubus); der japaniſche und der
platte leuchtende Kaͤfer (Lampyris japonica, compreſſa);
der Rothfluͤgel und der Uferraͤuber, beyde Raubkaͤfer
(Staphylinus erythropterus, riparius); der große Ohr-
wurm (Forficula auricularia); die große, die ſprenk-
liche, die rauhe, die Knul-, die dreyeckte, die ein-
punktirte, die Walk-, die ſchmutzige, die chineſiſche,
die braune, die Anker-, die gehoͤrnte, die ſchwarze,
die Kreuz-, die Colon-, die Wahrſag-, und die ge-
fleckte Wanze (Cimex grandis, guttigerus, hiſpidus,
clavatus, trigonus, unipunctatus, fullo, ſordidus,
chinenſis, brunneus, anchora, cornutus, niger, an-
dreae, colon, augur, ocellatus
); der oſtindiſche, der
deutſche und der Buſch- Kakerlak (Blatta orienta-
lis, germanica, gigantea
); der europaͤiſche Blattwand-
rer, der gefleckte und der großnaſige Geſpenſtkaͤfer
(Mantis religioſa, maculata, naſuta); der langnaſigte
Grashuͤpfer (Grillus naſutus) die Grille mit zwey
Schwanzbuͤrſten (Acheta gryllotalpa); der Streu-
punkt, der Ruͤbenweißling, der Aderſtrich, das Haken-
horn, der Buttervogel, der Fenſterfleck, der Roſtfluͤ-
gel, der Erdpapilion, die Diſtelnymphe, und die chine-
ſiſche Nymphe, ſaͤmtlich aus dem Geſchlechte der Tagvoͤgel
(Papilio argiolus, rapac, niavius, thrax, hecabe, proteus,
arcanius, phlaeas, cardui, niphe
); der Todtenkopf
(Sphynx athropos); der Glitſchfuß (bombix lubricipe-
da
); der Seidenvogel, das griechiſche Chi, der Schwim
mer, der Greisfluͤgel, der naͤmliche Nachtvogel, und der
Liebling, (Phalena mori, chi, nymphaeata, ſerunata,
[117]Zoologiſche und mineralogiſche Nachrichten.
immutata, amatoria); der Blattroller (Tortrix viri-
dana
); der Laͤuſefreſſer und die große Stinkfliege (He-
merobius perla, grandis
); die Sumpfnymphe und die
Flußnymphe, aus dem Geſchlechte der Jungfern
(Agrion puella, virgo); die japaniſche Scorpionfliege
(Panorpa japonica); die Honigbiene (Apis mellifica),
die Wandweſpe (Veſpa parietum); die Schmeiß-, die
japaniſche, weißkoͤpfige Fliege, der Kaiſer, die Honig-
fliege, der Triller, die Stuben-, die Miſt-, die Gal-
len- und die Regenfliege (Muſca carnaria, japonica,
albifrons, caeſar, mellina, vibrans, domeſtica, fime-
taria, cynipſea, pluvialis
); der Wadenſtecher (Sto-
moxys calcitrans
); der phalaͤnenartige, der rothhal-
ſige und der hochhuͤftige Langfuß (Tipula phalaenoides,
ruficollis, femorata
); die Singſchnecke (Culex pipiens);
die Seeaſſel und der Kellerwurm (Oniſius oceanicus,
aſellus
); der moluckiſche Krebs, aus dem Geſchlechte
der Schildfloͤhe; von den Floͤhen, der Nachtwecker,
(Pulex irritans); die Menſchenlaus (Pediculus huma-
nus
); der Erdvielfuß (Julus terreſtris); der Zuckergaſt
Lepiſma ſaccharina); die Krebskrabbe, der Fluskrebs
und die Seelaus (Cancer diogenes, aſtacus, dorſipes).
Eine Art ſchwarzer Cikaden nennen die Japaner Semi
und die Schweber (Bombylius) mit weißem Steiße Abu.


Konchylien ſammeln die Japaner, beſonders in
den noͤrdlichen Landſchaften; ſie legen ſie in gekratzte
Baumwolle, befeſtigen ſie daran mit Reiskleiſter und
verkaufen ſie an die Hollaͤnder, wenn ſie nach Jedo rei-
ſen. Sie ſind alle ſehr ſchoͤn, aber allezeit die kleinen
dazu ausgeſucht. Die Schaalthiere, welche im Lande
haͤufig gegeſſen werden, und auch auf unſern Tiſch ka-
men, ſind: der Seitenſchwimmer (Oſtrea pleuronectes),
H 3
[118]Erſte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
die Rieſenkammmuſchel, (Oſtrea gigas) eine ſehr lange
und dicke Art Auſtern; die Braunlippe und der Spiel-
doublet, beyde aus dem Geſchlechte der Venusmuſcheln
(Venus meretrix, chione.)


Von Wuͤrmern, (Vermes) Konchylien und Ko-
rallen ſind die welche ich geſammelt habe, folgende: der
Achtfuß und der Zwergblackfiſch (Sepia octopodia,
ſepiola
); der Komet, ein Seeſtern (Aſteria rubens);
die Seemuͤtze und die kleine Seepocke (Lepas mitella,
balanoides
); der ſtumpfe Klaffer (Mya truncata);
der Rinnendoublet, die Saubohne, die Kammſcheide,
der rothe Sonnenſtrahl, alle aus dem Geſchlechte der
Scheiden (Solen vagina, legumen, bullatus, ſtrigi-
latus
); die feſte und die zarte Tellmuſchel, die Milch-
linſe, und die Eyertelline (Tellina ſolidula, delicatu-
la, lactea, albida
); die xulanneſiſche Buchſtabenmu-
ſchel und die Bettlermuſchel (Donax ſcripta, irus); von
den Herzmuſcheln, die Dickſchaale (Carpium ruſticum);
die Jungfer, die Kreuzſchaale, die Blaulippe, die
Blutlippe, die rauhe Sanctdomingomuſchel, der Ga-
belzahn, die Gittervenus, die Warzenrippe, der Ve-
nuskamm, die Vettel, der Spieldoublet, welcher Ja-
paniſch Hamagai heißt, und die Braunlippe, Japaniſch
Sigakf (Venus virginea, decuſſata, laeta, deflorata,
tigerina, rotundata, cancellata, verrucoſa, pecti-
nata, exoleta, chione, meretrix
); die Violetkorb-
muſchel, der Glattnabel, die Strandmuſchel, die
Schlammmuſchel, der Stralkorb (Mactra violacea,
glabrata, ſolita, lutaria, ſtultorum
); Die Baſtard-
die Bart- und die Noahsarche, das Toͤrtlein, die Zoͤlle
(Arca antiquata, barbata, noae undata, pellata); die
gezackte Lazarusklappe (Spondylus gaederopus); die
[119]Zoologiſche und mineralogiſche Nachrichten.
Seenuß, die Muskatenbluͤthe, beyde Chienmuſcheln
(Chama antiquata, lazarus); das Voͤgelchen, die Bart-
muſchel, das Zwergfell, die Perlenmutter, aus dem
Geſchlechte der Miesmuſcheln (Mytilus hirundo, bar-
batus, bilocularis, margaritiferus
); die Feile, der
Sommermantel, der Jaͤgermantel, die Pilgrimmsmu-
ſchel, das Lorbeerblatt, die gewoͤlbte Kammuſchel,
der Seitenſchwimmer, und die Rieſenkammuſchel
(Oſtrea lima, pellucens, plica, maxima, folium, for-
nicata, pleuronectes, gigas
); der Hyſterit, die Tere-
bratel, die Falte, die Furche, die Zwiebelſchaale, alles
Baſtardmuſcheln, (Anoma hyſterophorus, terebra-
tula, plicatella, lacunoſa, cepa
); der edle Schinken;
eine Steckmuſchel, (Pinna nobilis); der Papiernauti-
lus (Argonauta Argo); von den Tuten das Geſpenſt
(Conus ſpectrum); der Schlangenkopf und die Schlan-
genporcellaine Cypraea mauritanica, ſerpentis); das
bruͤthende Taͤubchen, eine Walze (Voluta mercatoria);
die Schellenſchnecke, die Treppe, das Glanzhorn, das
Steinchen, aus dem Geſchlechte der Kinkhoͤrner (Buc-
cinum galea, ſpiratum, nitidulum, lapilIus
); von
den Blaſen, das Taubeney, das rothe Band, das Kibitzey,
die Staatenfahne, das Joch, (Bulla naucum, amplu-
ſtre, ampulla, phyſis, ſpelta
); die Tritonsſchnecke,
die Nachteule, das Brandhorn, die niederlaͤndiſche
Spindel, ſaͤmmtlich Stachelſchnecken (Murex tritonis,
aluco, ſaxatilis, antiquus
); die luhoneſer Fluͤgelſchnecke,
(Strombus luhuanus); das Schnurbund, der Wulſt-
nabel, die Pharaoſchnecke, aus dem Geſchlechte der
Kraͤuſel (Trochus conulus, veſtiarius, pharaonis); die
Zahnſchraube und die Nagelſchraube, beyde Mond-
ſchnecken (Turbo bidens, ungulinus); von den Schwimm-
H 4
[120]Erſte Abtheilung. Achter Abſchnittt.
ſchnecken der Knotennabel (Nerita cannena); von den
Meerohren, das Knotenohr (Kaliotis tuberculata);
die Narrenkappe, die Sternpatelle, der Nagel, die
Wolken, die blaue Patelle, die Muͤtze (Patella unga-
rica, ſaccharina, unguis, nubecula, caerulea bar-
bara
); der Ochſendarm, die Dreyeckroͤhre und die
Rollſchlange aus dem Geſchlechte der Roͤhrenſchnecken;
von den Sternkorallen die Pfennigkoralle (Madrepora
porpita
) verſteinert; die Raderkoralle (Iſis entrocha);
von den Roͤhrenkorallen die Seeorgel, welche die Japa-
ner Iwa kik nennen, und den Holzwurm (Tubipora
muſicalis, teredo,
). Sogenannte Meerbohnen (Um-
bilicus marinus ſive Veneris
) findet man ſehr viele am
Strande, welche die See ausgeworfen hat, ſo wie in
den Bergen viele Belemniten angetroffen werden.


An Metallen iſt Japan reich. Daß von den edlen
Gattungen, Gold und Silber, dies Land ehedem einen
ſehr reichen Seegen gehabt hat, haben ſowohl die Por-
tugieſen, welche vormals Schiffsladungen davon aus-
fuͤhrten, als auch die Hollaͤnder erfahren.


In Anſehung der Menge des Goldes wetteifert
Japan noch heutiges Tages mit den reichſten Laͤndern. Da-
mit deſſen aber nicht zu viel im Lande werde, darf nicht
mehr, als eine gewiſſe Menge jaͤhrlich gegraben, und
keine Art von Metallgruben ohne ausdruͤckliche Erlaub-
niß des Kaiſers geoͤffnet und darin gearbeitet wer-
den. Wenn der Bau einer Grube erlaubt wird, ſo
fallen Zweydrittheil davon dem Kaiſer, und ein Drit-
theil dem Fuͤrſten der Provinz fuͤr ſeine Koſten zu.
Etwas Gold wird in Sand gefunden, das meiſte aber
aus Kupferkies gezogen, der zu dem Ende in Schwefel
aufgeloͤſet wird. Es ſind verſchiedene Gegenden des
[121]Zoologiſche und mineralogiſche Nachrichten.
Landes, die Gold liefern; allein das feinſte Gold und
die reichhaltigſten Gruben findet man auf der groͤßten
Inſel des Reichs bey Sado. Dieſem kommt an Guͤte
dasjenige gleich, welches in der Provinz Surunga ge-
wonnen wird. Auſſerdem weiß man mit Gewißheit,
daß in der Provinz Satſuma verſchiedene reichhaltige
Goldminen ſind, wie auch in der Landſchaft Tſikungo
und auf der Inſel Amakuſa. Das gewonnene Gold
wird vermuͤnzt, zum Vergolden gebraucht, und in ſeidne
Stoffe gewirkt; ausgefuͤhrt wird es unter keinerley
Geſtalt.


Silber muß es vor dieſem weit haͤufiger gegeben
haben, als itzt, weil ehemals eine große Menge davon
aus dem Lande gieng. Die Japaner achten es ſelbſt
fuͤr ſeltner als das Gold, obgleich ſie dem letztern einen
groͤßern Werth beylegen. Sie nehmen auch jetzt von der
hollaͤndiſchen Compagnie eine anſehnliche Summe hol-
laͤndiſcher Dukatonen (eine hollaͤndiſche Silbermuͤnze)
an. Das meiſte Silber findet ſich in der Landſchaft
Bingo. Auch in den noͤrdlichen Gegenden, um Katta-
mi
, giebt es reiche Silbergruben, desgleichen ſollen
zwey Inſeln, die den Namen Gold- und Silber-
inſeln
, Ginſima und Kinſima fuͤhren, ſowohl Silber,
als Gold, in Menge liefern.


Das Kupfer iſt im ganzen Lande ſehr allgemein,
enthaͤlt viel Gold und bereichert verſchiedene Landſchaf-
ten. Es iſt nicht nur in vorigen Zeiten ausgefuͤhrt,
ſondern wird auch jetzt noch, ſowohl von den hollaͤndi-
ſchen als den chineſiſchen Kaufleuten, haͤufig ausge-
fuͤhrt. Das feinſte und geſchmeidigſte wird in den Pro-
vinzen Suruga, Atſingo, Kyno und Kuni gefunden.
Das aus Kuni iſt von allem das geſchmeidigſte, und
H 5
[122]Erſte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
das aus Suruga iſt am reichhaltigſten an Gold. Auch
in Satſuma und andern Landſchaften, trifft man viele
Kupferbergwerke an. Aus dem Kupfer wird kleine
Scheidemuͤnze gegoſſen, Beſchlaͤge, Sowasarbeit, Toͤ-
pfe, Keſſel und dergleichen gemacht.


Mit Eiſen iſt unter allen Metallen Japan am
wenigſten verſehen. Es findet ſich aber doch in den
Provinzen Mimaſaka, Bitſju und Biſen, und zwar
in hinreichender Menge. Eiſen wird nicht ins Land her-
eingebracht, aber auch nicht leicht ausgefuͤhrt. Es wird
gebraucht, Saͤbel, Waffen, Scheeren, Meſſer und
eine Menge anderer Geraͤthe, Inſtrumente und Ge-
ſchirre daraus zu machen.


Bernſtein hat man in Japan, und zwar wird er,
wie man mir ſagte, im Lande ſelbſt gefunden. Meine
Freunde ſchenkten mir einige Stuͤcke. Er iſt zum Theil
dunkelgelb, zum Theil aber hellgelb, einiger auch
geſtreift.


Schwefel liefert das Land im Ueberfluß; beſon-
ders eine Inſel, nahe bey Satſuma.


Steinkohlen ſollen in den noͤrdlichen Diſtricten
anzutreffen ſeyn.


Aus rothem Agat machen die Japaner Knoͤpfe und
dergleichen an ihre Tobacksbeutel und Medicindoſen.
Auch ſchleifen ſie ihn wohl in Geſtalt von Schmetterlin-
gen und andern kleinen Thieren.


[123]

Zweyte Abtheilung.
Aufenthalt auf Dezima nach der Zuruͤck-
kunft von Jedo, vom 30ſten Junius 1776
bis zur Ruͤckreiſe nach Batavia am
4ten Januar 1777.


Nach unſrer Ruͤckkunft von Hofe auf der Factorey
den 30ſten Junius 1776, brachte ich daſelbſt einen ſehr
heißen Sommer zu, und beſchaͤftigte mich damit, das
nachzuſehen und in Ordnung zu bringen, was ich auf
der Reiſe geſammelt hatte, ſowohl von getrockneten
und andern Gewaͤchſen, als auch von lebendigen ſeltnen
Baͤumen und Straͤuchen, welches alles ich mit den zu-
ruͤckgehenden Schiffen nach Amſterdam ſchicken wollte.
Die letzteren waren beſonders aus dem Ahorn- und
Masholdergeſchlechte (Aceres), und zwar mehrere ſehr
ſchoͤne Arten, ferner Bocksdorn (Lycium), Calaſter
(Celaſtrus), Schwelken (Viburnum), Pflaumen (Pru-
nus
), Sagupalme (Cycas), Cypreſſen (Cypreſſus),
Citronenbaum (Citrus) und andre.


Ich ſtellte in dieſer Zeit auch verſchiedene botani-
ſche Spaziergaͤnge um Nangaſaki an; und da dies die
blumenreichſte Jahrszeit war, hatte ich die Freude,
meine ſchweren Koſten hiebey etwas beſſer, als im vo-
rigen Herbſte und Winter, belohnt zu haben. Ich be-
merkte unter andern folgendes: Anſtatt Hanfs ſah ich
an einigen Orten die weiße Neſſel (Urtica nivea), die
[124]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt auf Dezima
hier auch uͤberall wild waͤchſt, foͤrmlich angebauet; man
braucht ſie zu Tauen, Stricken und zu grober Leine-
wand. Auch traf ich verſchiedentlich den Wunder-
baum (Ricinus) gepflanzt an, deſſen Saamen mit Moxa
und Tuſche zuſammen geſtoßen, die hieſige Buchdrucker-
farbe giebt. — Ferner bauet man hier auf niedrigen
Plaͤtzen Flatterſimſen (Juncus effuſus), woraus die
Fußbodenmatten geflochten werden. Dieſe Binſen
wachſen zwar von ſelbſt in Menge, werden aber als-
denn nicht ſo hoch und gut, als jene. — Lilien, und
zwar von der Gattung die den Namen der praͤchtigen
(Lilium ſuperbum) fuͤhrt, eine der allerſchoͤnſten Blu-
men in der Welt, ſah ich auf den kleinen Fahrzeugen
im Hafen haͤufig als ein ihrem Meergotte geweihetes
Opfer aufgehaͤngt. — Der Japaniſche Traubenbaum
waͤchſt in der Gegend von Nangaſaki in Menge. Es
iſt ein kleiner, auf der Erde fortkriechender Strauch.
Er iſt wegen des vielen klaren Schleims merkwuͤrdig,
den er in ſich haͤlt. Wenn die aͤußre Rinde von den Zwei-
gen abgeſchaͤlt iſt, und dieſe in ein Glas Waſſer geſetzt
werden, ſo zieht der Schleim heraus, und ſetzt ſich
rund umher in der Dicke von mehr als einer Linie feſt, und
iſt ſo klar wie Kryſtal. Dieſer Schleim wird nicht nur bis-
weilen, ſtatt desjenigen, der von dem Manihoteibiſch
(Hibiscus Manihot) genommen wird, zur Bereitung
des Papiers gebraucht, ſondern das Frauenzimmer be-
dient ſich deſſelben auch, um das Haar damit glatt und glaͤn-
zend zu machen. — Die Saſanquakamellie (Camellia
ſaſamqua
), findet man hier auch ſehr haͤufig. Dies iſt
ein kleiner Buſch, und gleicht in Anſehung der Blaͤtter
und Bluͤthe ſo ſehr dem Theebaume, daß man ſie,
außer: an der Groͤße, mit Muͤhe unterſcheiden kann.
[125]nach der Zuruͤckkunft von Jedo ꝛc.
Die Blaͤtter haben einen etwas angenehmen Geruch,
und werden daher, gekocht, vom ſchoͤnen Geſchlechte da-
zu gebraucht, das Haar damit zu waſchen; auch wer-
den ſie wohl zu den Theeblaͤttern gemiſcht, um den Ge-
ruch derſelben noch angenehmer zu machen. — Eine
Art ganz kleiner Apfelſinenbaͤume (Citrus Japonica),
zieht man hier in den Haͤuſern in Toͤpfen. Das Baͤum-
chen wird wenig uͤber einen halben Fuß hoch, und die
Fruͤchte, welche ſuͤßlich und angenehm, ungefaͤhr wie
Apfelſinen, ſchmecken, ſind nicht groͤßer, als gewoͤhn-
liche Kirſchen. — Truͤffeln (Lycoperdon tuber) graͤbt
man in dieſer Gegend aus der Erde. Sie ſind von der
Groͤße einer Zwetſche. Friſch ſind ſie weich und
braͤunlich, eingeſalzen aber werden ſie ſchwarz. Die
Japaner eſſen ſie, wie Murcheln, in Suppen. — Die
Sojabohnen wachſen hier zwar wild in großer Menge,
werden aber doch auch ſehr haͤufig gepflanzt. — Der
Gagelbaum (Myrica nagi) iſt hier ſelten. Das Holz
iſt ſehr weiß, und man macht Kaͤmme daraus, die das
Frauenzimmer in den Haaren traͤgt. — Die gemeine
Fichte (Pinus ſylveſtris), iſt zwar derjenige Baum,
aus deſſen Holze hier die meiſte Tiſchlerarbeit gemacht
wird; das weiße und ſchoͤne Holz des Japanſchen Cy-
preſſenbaums (Cypreſſus Japanicus), wird aber auch
ſehr haͤufig dazu gebraucht, wie das Holz vom groß-
blaͤttrigen Eibenbaum (Taxus macrophylla) und von
einigen andern Baͤumen. — Der eßbare Aron (Arum
eſculentum
), wird hier auf dem Felde, nicht nur der
Wurzeln wegen, die man iſſet, welche aber roh einen
ſcharfen Geſchmack haben, ſondern auch um der Sten-
gel willen, die zerſchnitten und in Suppen gethan wer-
den, gebauet. — Eben ſo gebrauchen die hieſigen Ein-
[126]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt auf Dezima
wohner das gemeine Pfeilkraut (Sagittaria ſagittata),
den vielblumigen Wegtritt (Polygonum multiflorum),
und eine eigne Art Dioſkoride (Dioſcorea Japonica),
zum Eſſen. Die beyden letzteren Arten werden auch
zum Futter fuͤr das Vieh angewandt, und die Leute
brachten ſie uns unter anderm Graſe ſehr oft nach Dezi-
ma
, wo wir dergleichen fuͤr unſer Vieh noͤthig hatten.


Den 31ſten Julius kam von Batavia das der hol-
laͤndiſchen Compagnie gehoͤrige Schiff Zeeduyn, und
den 21ſten Auguſt das Admiralſchiff Staveniſſe nebſt
dem Chef, welcher dies Jahr hier bleiben ſollte, Herrn
Duurkoop, zu Nangaſaki an.


Von der Mannſchaft dieſer Schiffe, hatten viele,
zu Batavia, heftige Fieber gehabt; dieſe erlang-
ten hier in kurzem ihre Geſundheit wieder, und einige
die ſtarke Verhaͤrtungen und einen aufgeſchwollnen Un-
terleib (Placenta febrilis) hatten, dergleichen nach den
boͤſen bataviaſchen Fiebern zuruͤck zubleiben pflegt, wur-
den hier vollkommen davon befreyet.


Den 26ſten Auguſt, Abends, fiengen die Japa-
ner zu Nangaſaki und im ganzen Reiche an, ihr La-
ternen- oder Leuchtenfeſt zu feyern, welches zu Nanga-
ſaki
ſehr feyerlich begangen ward.


Den 13ten September gegen Abend kam die Nach-
richt, daß der Fuͤrſt der Landſchaft Owari, ein leib-
licher Vetter des Kubo, vor fuͤnf Tagen mit Tode ab-
gegangen waͤre. Aus dieſer Urſach ward Befehl ge-
geben, daß niemand auf der Inſel in den erſten fuͤnf
Tagen, (dies iſt hier zu Lande die gewoͤhnliche Zeit fuͤr
die tiefſte Trauer,) auf einem Inſtrumente ſpielen ſollte.
Dieſer Herr war ungefaͤhr vierzig Jahr alt. Er war
vor einiger Zeit dazu beſtimmt geweſen, des Kaiſers
[127]nach der Zuruͤckkunft von Jedo ꝛc.
Schwiegerſohn zu werden; allein das Schickſal hatte
gewollt, daß die fuͤr ihn auserſehene Braut den Tag
vor ſeiner Ankunft zu Jedo ſtarb.


Den 10ten October viſitirte der zu Nangaſaki vor
einiger Zeit angekommene neue Statthalter, zuerſt die
Kaiſerlichen Wachen im Hafen; darauf beſuchte er das
hollaͤndiſche Admiralſchiff; und endlich die Inſel Dezi-
ma
: alles in Begleitung des vorigen Gouverneurs, der
nunmehr abgehen ſollte. Statthalter zu Nangaſaki
ſind waͤhrend meines daſigen Aufenthalts folgende ge-
weſen: Noto no Kami, der 1775. abgieng; Nagato
no Kami
, der ihm folgte, und 1776. abgieng; und
Tango no Kami, der jetzt hieher gekommen war.


Da ich vorher ſah, daß ich, wenn ich noch ein
Jahr in Japan bliebe, nochwenig mehr, als was ich
bisher zu thun im Stande geweſen war, zum Vortheil
der Wiſſenſchaften wuͤrde ausrichten koͤnnen; ſo beſchloß
ich, nach Batavia zuruͤck zureiſen. Der neue Chef,
der zu mir, als Arzt, mehr Zutrauen hatte als zu mei-
nem Nachfolger, wollte mich zwar, um ſeines Vortheils
wegen, anfaͤnglich uͤberreden, und endlich gar zwingen,
hier noch ein Jahr zu verweilen. Doch gelang es mir
endlich, mich von dieſem Anſinnen los zu machen und
meine Zeit zu Erweiterung der Naturkunde anderswo,
nuͤtzlicher als hier geſchehen konnte, anzuwenden.


Den 23ſten November verließ ich demnach die In-
ſel Dezima, und begab mich nach dem Admiralſchiffe
Staveniſſe, welches bey Papenberg vor Anker lag.


Den 29ſten kamen Committirte von der Factorey
zu uns an Bord, um uns Briefe und andre Documente
an die Regierung zu Batavia mitzugeben.


[128]Zweyte Abtheilung. Aufenth. auf Dezima ꝛc.

Am folgenden Morgen lichteten wir unſer erſtes
Anker, ob wir gleich noch ein Paar Tage liegen blieben.
Den 3ten December um 10 Uhr lichteten wir das zweyte
Anker, und zogen die Segel auf. Das Schiff Zee-
duyn ſegelte voran. Beyde Schiffe loͤſeten um 11 Uhr
gegen Papenberg uͤber, und nach einer Stunde bey den
letzten Bergen, welche Cavallos heißen, noch einmal die
Kanonen, und wir wuͤnſchten uns gegenſeitig eine gluͤck-
liche Reiſe.


Die Ladung jedes dieſer beyden Schiffe, beſtand
hauptſaͤchlich aus 6750 Pickel Stangenkupfer, und 364
Faͤſſern Kampfer, von denen jedes 120 bis 130
Pfund hielt.


Den 4ten Januar 1777. kamen wir gluͤcklich und
wohlbehalten zu Batavia wieder an.


Bey der Muͤndung des durch die Stadt ins Meer
ſich ergießenden und noch weit im Hafen zu ſpuͤrenden,
großen Fluſſes war der Strom jetzt ſo ſtark, daß wir
nicht ohne Gefahr vermittelſt Schaluppen und andrer
kleinen Fahrzeuge uns nach der Stadt mußten hinauf
ziehen laſſen.


Dritte
[129]

Dritte Abtheilung.
Zweyter Aufenthalt zu Batavia vom 4ten
Januar bis den 5ten Julius 1777.


Erſter Abſchnitt.
Aufenthalt zu Batavia, und erſte Reiſe in das
Innere von Java.


Nach meiner Ankunft nahm mein achtungswerther
Freund, Doctor Hofmann, mich wie zuvor wieder in
ſein Haus und an ſeinen Tiſch auf.


Waͤhrend meiner Abweſenheit waren aber viele
meiner hieſigen Bekannten geſtorben. Unter andern
vermißte ich die Gattinn des Herrn Hoffmann. Kurz
vor meiner Abreiſe nach Japan hatte ich in ihrem Hauſe
mit dreyzehn Perſonen zu Tiſche geſeſſen, von welchen,
wie mein Wirth mir erzaͤhlte, elf an dem gewoͤhnlich
hier graſſirenden Fieber, in einer Zeit von drey Wochen,
geſtorben, und er und ich allein noch uͤbrig waren.
Dies iſt ein anſchauliches Beyſpiel wie ungeſund
das Clima in Batavia iſt! Die erhitzte Atmosphaͤre
iſt ſtets mit einer Menge feuchter Duͤnſte angefuͤllt,
dadurch wird der Koͤrper erſchlafft, zur Faͤulniß em-
pfaͤnglich, und ſolchergeſtalt jene unglaublich ſtarke
Mortalitaͤt veranlaßt.


Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyt. Th. J
[130]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Der Generalgouverneur von der Parra*), war
im vorigen Jahre ebenfalls mit Tode abgegangen, und
ich hatte an ihm einen wahren Goͤnner verloren. Er
war ein verſtaͤndiger Mann und hat auch der hollaͤn-
diſchen Compagnie viele Dienſte geleiſtet, ob er gleich
nicht unterlaſſen hat, in der langen Zeit da er dieſem
eintraͤglichen Amte vorgeſtanden, auch fuͤr ſich ſelbſt
zu ſorgen. Er hinterließ ſeinem Sohne, der ſein ein-
ziger Erbe war, mehr als vier Millionen Gulden.
An ſeiner Stelle fuͤhrte jetzt von Riemsdyk den Ober-
befehl in Oſtindien. Dies war ein alter, abgelebter
Mann, der ſich durch Eigennuͤtzigkeit ſehr, und durch
ſonſt nichts auszeichnete. Als ich nach meiner Zuruͤck-
kunft Seiner Edlen, — dies iſt der gewoͤhnliche Titel
des Generalgouverneurs zu Batavia — aufwartete,
fragte er mich uͤber die Krankheit ſeiner Frau um Rath,
dieſe beſtand aber in einem Krebsſchaden an der einen
Bruſt, der ſchlechterdings unheilbar war.


Herr Radermacher, bey dem ich naͤchſt andern
Freundſchaftsbezeugungen woͤchentlich ein paar mal zu
Gaſte war, pflegte ſich faſt jedesmal mit mir uͤber Ja-
pan
zu unterhalten. Einſtmals fragte er Herrn Feith,
der zuletzt Chef des hollaͤndiſchen Handels in Japan,
und in deſſen Gefolge ich geweſen war, nach dem Na-
men des damahligen Kaiſers in Japan. Herr Feith
geſtand, daß er ihn nicht wiſſe, ob er gleich wenig-
ſtens vierzehn Jahr im Lande zugebracht, und vier-
mal als Ambaſſadeur beym Kaiſer Audienz gehabt
hatte. Am folgenden Tage, als ich bey Herrn Rader-
macher
zu Tiſche war, ſagte er zu mir, ich haͤtte ihm
[131]Erſte Reiſe innerhalb Java.
bisher ſelten eine Frage unbeantwortet gelaſſen, jetzt
aber wolle er mir eine vorlegen, worauf ich ihm die
Antwort gewiß ſchuldig bleiben wuͤrde: nemlich wie der
jetzt regierende Japaniſche Kaiſer heiße, und wie alt er
ſey? Nun gereichte es der ganzen anweſenden Ge-
ſellſchaft zu eben ſo großer Verwunderung, als mir
zum Vergnuͤgen, daß ich nicht nur hievon Rede
und Antwort, ſondern auch ſchriftliche Auskunft
zu geben im Stande war, wie der geiſtliche
Kaiſer, der Kronprinz, ja wie alle, ſowohl weltliche
als geiſtliche Regenten dieſes Landes vom Anfange des
gegenwaͤrtigen Jahrhunderts an, namentlich geheißen
haben. Man fand es unbegreiflich, daß ich, als ein
ſubalterner Fremdling, hinter dieſe Heimlichkeiten
hatte kommen koͤnnen, indeß ein Mann wie der Am-
baſſadeur, in ſo vielen Jahren davon nichts in Erfahrung
zu bringen gewußt. In der Folge gab ich Herrn Ra-
dermacher
eine Abſchrift von dieſem Verzeichniß der
Japaniſchen Regenten (es iſt daſſelbe, welches ich oben
mitgetheilt habe), und ſeitdem iſt es, wie ich hoͤre, in
die Abhandlungen der, einige Jahre nachher zu Bata-
via
geſtifteten, gelehrten Geſellſchaft eingeruͤckt worden.
Kaͤmpfer hat zu ſeiner Zeit ein ausfuͤhrliches Verzeich-
niß, ſowohl der weltlichen als der geiſtlichen Kaiſer
in Japan, bis auf das Jahr ſeiner Abreiſe von dort,
geliefert. Es lag mir daher ſehr am Herzen, zu der
Fortſetzung deſſelben zu gelangen, ſo ſchwer es auch
war. Dies gluͤckte mir zu Jedo, durch den oberſten
Dollmetſcher und den Kaiſerlichen Leibmedicus. Mit die-
ſen und meinen uͤbrigen Japaniſchen Freunden, habe ich
ſeit meiner Ruͤckkunft nach Schweden, verſchiedene Jahre
lang, einen nuͤtzlichen Briefwechſel unterhalten und Gele-
genheit gehabt, durch Huͤlfe meines verehrungswuͤrdigen
J 2
[132]Dritter Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Goͤnners, des Profeſſor Burmann zu Amſterdam, einen
meiner Freunde und vorzuͤglichſten Schuͤler, Doctor
Stuͤtzer, nach Indien und Japan zu befoͤrdern.


Mein erſtes Geſchaͤft zu Batavia war, die Sa-
chen, welche ich in einen großen Kaſten eingepackt, bey
meinem Wirthe in Verwahrung ſtehen laſſen, nachzu-
ſehen. Aber wie traurig ward ich nicht bey Oeffnung
des Kaſtens, als ich, unerachtet er auf Bouteillen
geſetzt war, mithin von der Erde erhoben ſtand, den
groͤßten Theil der bey meinem vorigen hieſigen Aufent-
halte gemachten Kraͤuterſammlung, und einen großen
Theil der hier zuruͤckgelaſſenen Buͤcher, von der einge-
ſchloſſenen feuchten Luft ganz verfault antraf.


Zu Erſetzung dieſes Verluſtes, beſuchte ich itzt
taͤglich, ſelbſt des Nachmittags in der ſtaͤrkſten Hitze,
wenn andre des ſuͤſſen Mittagsſchlafs genoſſen, die umlie-
genden Gegenden. Nur Schade, daß die Witterung meine
botaniſchen Bemuͤhungen gar nicht beguͤnſtigte. Es war
nemlich noch die regnigte Jahrszeit. Es regnete faſt
alle Tage, beſonders Abends und Morgens, einzelner
Regenſchauer nicht zu gedenken. Der Himmel war
faſt immer truͤbe, und die Luft dick und feucht, ſo
daß ich keine von meinen geſammelten Kraͤutern trock-
nen konnte, weil in verſchloßnen Zimmern alles
ſchimmlig wurde oder verfaulte. Zu den Regenmo-
nathen, oder dem was man hier Winter nennt,
werden in Java, der December, Januar, Februar,
und Maͤrz gerechnet, da die Luft kuͤhl iſt und weni-
ger Krankheiten herrſchen. Hernach tritt die warme
Jahrszeit ein, da die Hitze brennend und unausſtehlich,
der Himmel klar und das Wetter beſtaͤndig trocken iſt.


[133]Erſte Reiſe innerhalb Java.

Die hier wohnenden Chineſer, feyerten itzt ihren
Neujahrstag. Er faͤllt auf den Tag des erſten Neu-
mondes im Februar, und iſt ein großer Feſttag.


Nachdem ich um Batavia von verſchiedenen Pro-
dukten der Natur ſo viel geſammelt hatte, als in dieſer
Jahrszeit zu finden war, wuͤnſchte ich von dem Innern
dieſer herrlichen Inſel etwas kennen zu lernen. Zu die-
ſem Ende ſchiffte ich mich auf einem hollaͤndiſchen Fahr-
zeuge ein, und ſegelte mit demſelben an der Nordſeite
von Java hin nach Samarang.


Den 23ſten Maͤrz verließen wir die Rhede der
Stadt, und kamen den 31ſten Cheribon vorbey, einen
der betraͤchtlichſten Handelsplaͤtze, wo die hollaͤndiſche
Compagnie einen Gouverneur haͤlt, deſſen jaͤhrliche
Einkuͤnfte auf ſiebenzigtauſend Reichsthaler geſchaͤtzt
werden. Unter den um dieſe Stadt belegenen Bergen,
giebt es Vulkane. Vor zwey Jahren hat man hier
ein heftiges Erdbeben verſpuͤrt, und der Berg hat zu-
gleich Aſche ausgeworfen, wodurch mehrere tauſend
Kaffeepflanzungen in den umliegenden Gegenden ruinirt
worden ſind. Der Berg Tagel, welchen wir am 2ten
April vorbey ſegelten, wirft oft Flammen aus; jetzt
ſahen wir bloß eine Rauchſaͤule, ſo dick als ein Mann
im Leibe iſt, aus dem Gipfel emporſteigen.


Auf dieſer Reiſe, welche wegen der oftmaligen
Veraͤnderung des Windes ziemlich lange waͤhrte, ſahe
ich mehrmals verſchiedene Schlangen, die vom Lande
gekommen waren, auf dem Waſſer ſchwimmen; eine
war darunter, die eine Laͤnge von mehr als einer Elle
hatte, und ganz hoch aus dem Waſſer in die Hoͤhe
ſprang.


Wenn der Wind ſich aͤndert, iſt hier gewoͤhnlich
ſtilles Wetter, und eine druͤckende Hitze. Jetzt war
J 3
[134]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
auch die Jahreszeit, da die Weſtwinde aufhoͤren zu we-
hen, und der Oſtpaſſatwind wieder kommt. Unſer
Schiffscapitain erzaͤhlte uns bey dieſer Gelegenheit, daß
er, ſo wie mehr erfahrne Seeleute, mit Gewißheit be-
merkt habe, daß, ſeit dem großen Erdbeben zu Liſſa-
bon
, die Oſtwinde ſpaͤter eingetreten, und die Paſſat-
winde uͤberhaupt ſchwaͤcher geworden ſind.


Obgleich Java Zuckerrohr in Menge hervor-
bringt, und der Zucker hier zu Lande eben gar nicht
theuer iſt, waren wir doch auf dieſer Reiſe mit ſehr
ſchlechtem, und ſtatt weiſſen, mit braunen Puder- oder
Kochzucker verſorgt worden. Als ich, in Ruͤckſicht auf
die Kranken, mich bey dem Capitain daruͤber be-
ſchwerte, erfuhr ich, daß zwar weiſſer Kochzucker be-
willigt, daß aber gewoͤhnlich nur eine ſchlechtere Sorte
geliefert und das dadurch erſparte Geld von den Admi-
niſtratoren der Pack- oder Waarenhaͤuſer eingeſtri-
chen werde.


Den 9ten April kam ich zu Samarang an. Dies
iſt eine ſchoͤne wohl befeſtigte und mittelmaͤßig große
Stadt, und der Hauptort der Hollaͤnder an der ganzen
Kuͤſte von Java, unter welchem alle andere Handlungs-
comtoire, auſſer dem zu Cheribon, ſtehen. Der Ort
wurde im Jahr 1708 von den Hollaͤndern erobert.
Er liegt an einem Fluſſe nicht weit vom Strande.
Jetzt befanden ſich hier ungefehr hundert und funfzig
Mann Soldaten, obgleich, wie man mir ſagte, an
tauſend Mann zu dieſem Comtoir gehoͤren. Die Ein-
kuͤnfte des hieſigen Stadthalters, ſollen ſich jaͤhrlich auf
achtzig bis hunderttauſend Reichsthaler belaufen. Des-
halb wird dieſe Stelle auch nur Verwandten und Guͤnſt-
lingen des Generalgouverneurs zu Theil; doch behaͤlt ei-
ner dieſelbe ſelten laͤnger als drey Jahr, worauf er ge-
[135]Erſte Reiſe innerhalb Java.
woͤhnlich zum Beyſitzer des hohen Raths zu Batavia
befoͤrdert wird, und jenen Poſten einem andern uͤberlaſ-
ſen muß.


Ich bekam meine Wohnung bey dem hier befind-
lichen Hoſpitalarzte Doktor Boͤniken, einem nicht
nur in der Chirurgie, ſondern auch in der Medicin
wohl erfahrnen Manne, der mir viel Dienſte und
Freundſchaft erzeigte.


Kaum war ich aber ans Land gekommen, als ich
krank wurde, und das Bette huͤten mußte. Ich hatte
mir nemlich auf dem Schiffe dadurch, daß ich des
Nachts, in der Kajuͤte wo ich ſchlief, ein Fenſter offen
ſtehen ließ, wodurch die Ausduͤnſtungen von der kalten
Nachtluft gehemmet worden waren, ein dreytaͤgiges Fie-
ber zugezogen. Durch den Gebrauch der gehoͤrigen
Mittel, vorzuͤglich des Chinaextracts ward ich indeß,
nach einigen Anfaͤllen, wieder davon befreyet.


Mittlerweile ſegelte das Schiff weiter nach Jua-
na
, einem etwas weiter an der Kuͤſte hinauf liegenden
Handelscomtoire, um daſelbſt eine Ladung Bau- und
Nutzholz einzunehmen.


Sobald ich nur von meinem Fieber hergeſtellt
war, machte ich, mit Erlaubniß des Gouverneurs und
in Herrn Boͤnikens Geſellſchaft, eine Reiſe von einigen
und ſechzig Meilen landeinwaͤrts nach den Gebirgen.
Der Gouverneur, ein ſehr liebreicher, artiger und lie-
benswuͤrdiger Mann, gab mir einen Paß und Em-
pfehlungen mit, an alle Befehlshaber der befeſtigten Po-
ſten der Compagnie, und erſuchte mich zugleich, meine
Aufmerkſamkeit auf alle ſolche Gewaͤchſe zu richten, die
entweder bisher als Arzeneymittel im Hoſpital ge-
braucht worden, oder an deren Stelle als ſolche ge-
braucht werden koͤnnten. Um dieſer letztern Abſicht
J 4
[136]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
willen, ward auch meinem Reiſegefaͤhrten anbefohlen,
mitzureiſen, um dieſe Gewaͤchſe recht kennen zu lernen.


Den 23ſten April traten wir zu Pferde die Reiſe
an, und kamem nach Unarang, wo ein Serjeant mit
ungefehr zwanzig Mann von den Truppen der Com-
pagnie auf Poſtirung ſteht.


Tages darauf ſetzten wir den Weg nach Salatiga
fort; dies iſt eine Schanze, mit einer Beſatzung von
einigen und zwanzig Mann, uͤber welche ein Faͤhnrich
den Befehl hat.


Am 26ſten ritten wir nach Kopping, einem ja-
vaniſchen Dorfe, das ganz hoch an einem Berge liegt.
Dieſe Gegend iſt ſehr fruchtbar und das Klima kalt und
geſund.


Unter andern Merkwuͤrdigkeiten, welche ich auf
dieſer Reiſe wahrnahm, ſah ich, daß die indiſchen Fei-
genbaͤume (Ficus indica), welche in den Waͤldern wach-
ſen, und eine betraͤchtliche Hoͤhe erreichen, ihre Zweige
ſo tief herunterhangen laſſen, daß ſie bis auf die Erde
reichen, daſelbſt Wurzel ſchlagen, und in neuen
Staͤmmen wieder aufſchießen, die allmaͤhlich ebenfalls
zu großen Baͤumen werden. Ein einziger ſolcher Feigen-
baum formirt alſo mit ſeinen eingewurzelten Zweigen,
eine Menge Lauben, und dehnt ſich in einem weiten
Umfange aus.


Hier lernte ich auch eine Art Blaͤtter, javaniſch
Kamadu genannt, kennen, die wie Brennneſſeln bren-
nen, aber weit ſtaͤrker, oft ſo ſtark, daß die Haut ſich
entzuͤndet. Sie haben an jeder Ader ſpitzige Zacken, die
durchſichtig und mit einem Safte angefuͤllt ſind, der
dieſen Brand verurſacht. Bey naͤherer Unterſuchung
fand ich, daß dieſe Gattung Neſſel noch nicht bekannt
war; ich gab ihr daher den Namen ſtechende Neſſel
[137]Erſte Reiſe innerhalb Java.
(Urtica ſtimulans). Einer von unſrer Geſellſchaft,
der jene Eigenſchaft dieſer Blaͤtter nicht kannte, und in
der Geſchwindigkeit ein Paar Zweige von dieſem kleinen
Baume oder Strauche abbrechen wollte, mußte ſeiner
Unwiſſenheit und Unvorſichtigkeit theuer bezahlen.
Die Javaner kennen die Wirkung der Blaͤtter alle ſehr
gut. Die Hollaͤnder nennen ſie Buͤffelblaͤtter, und
zwar aus folgender Urſache. Bey den Javaniſchen
Fuͤrſten iſt es, wenn ſie Feyerlichkeiten anſtellen, alle-
zeit gebraͤuchlich, zur Luſt einen Tiger mit einem Buͤf-
fel kaͤmpfen zu laſſen, und zwar auf einem rund umher
mit ſtarken Planken eingeſchloſſenen Platze, um welchen
eine große Menge Zuſchauer ſitzen und ohne Gefahr zu-
ſehen koͤnnen. Wenn der Buͤffel nicht dahin zu brin-
gen iſt ſeinen Feind anzugreifen, wird er mit dieſen
Blaͤttern gepeitſcht, wovon ihm in kurzer Zeit die Haut
ſo brennt, daß er zuletzt ganz wild und raſend wird.
Wenn man ſich an dieſer Neſſel verbrannt hat, darf
man ſich nicht mit Waſſer waſchen, weil dadurch der
Schmerz viel aͤrger wird; ſondern das beſte Mittel da-
gegen iſt, die Stelle entweder mit Oel, oder mit Reis-
brey zu beſtreichen.


Den 27ſten April kehrten wir wieder um, und
begaben uns nach Salatiga zuruͤck.


Am folgenden Tage reiſeten wir weiter, und zwar in
Geſellſchaft des hier poſtirten Faͤhnrichs, bis nach Tun-
dang
, wo wir die Nacht zu bleiben gedachten.


Tundang iſt ein ziemlich großes javaniſches Dorf.
Die Haͤuſer ſind hier zu Lande nur klein, und von
Bamborohr gebaut, aber wie Lauben, nicht dichter
als daß die Luft ſehr bequem durchgehen kann, welches
in dieſer heiſſen Gegend auch noͤthig iſt. Wir kehrten
bey keinem Javaner ein, ſondern ließen fuͤr uns allein
J 5
[138]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
eine Huͤtte bauen. Der Bau wurde ſogleich von eini-
gen Javanern angefangen, und gieng ſo unglaublich
geſchwind von Statten, daß, ehe wir abgeſtiegen wa-
ren, unſere Pferde abgeſattelt und unſre Sachen abge-
packt hatten, nicht nur unſer ganzes Haus fertig, ſondern
auch mit einer breiten Bank, worauf wir liegen konn-
ten, mit drey Stuͤhlen und einem Tiſch, welches alles
noch dazu erſt neu gemacht wurde, meublirt war. Ich
ſtand ganz erſtaunt uͤber das fertige Gebaͤude, und
trat mit groͤßter Bewunderung unter den Schatten deſ-
ſelben. Einige von den Javanern hieben theils dicke
theils duͤnne, Bamborohre ab; andere machten mit
zwey Hieben an jeder Seite derſelben ein Loch, und
[andere] ſteckten durch dieſe Loͤcher ſchmale Rohre. Dar-
auf wurde Laub dazwiſchen geflochten, und das Haus
war, wie geſagt, durch ſo vieler Haͤnde Arbeit in we-
nigen Minuten fertig. Eben ſo Tiſch und Stuͤhle,
wiewohl dieſe nicht ſehr eben waren, mithin fuͤr vor-
nehme und Bequemlichkeit liebende Leute nicht paßten,
ſondern nur fuͤr muͤde Reiſende brauchbar ſeyn konnten.


Weil wir fruͤh vor Abend angekommen waren,
ging ich aus, und beſuchte den naheliegenden Wald;
um Kraͤuter zu ſammlen. Unter andern ſah ich Dios-
koriden (Dioſcoraea) die mit ihren Ranken ſich bis an
die Wipfel der Baͤume hinauf ſchlungen. An dieſer
Stelle wuchſen ſie wild, ſonſt aber wird dies Ge-
waͤchs hier zu Lande auch foͤrmlich angepflanzt.


Da wir kein Licht bekommen konnten, machten
wir vor dem Eingang unſerer Huͤtte ein großes Feuer
an, um welches wir uns, ich mit meinen geſammel-
ten Kraͤutern und die andern Herren mit ihren To-
backspfeifen, hinſetzten.


[139]Erſte Reiſe innerhalb Java.

Es waͤhrte nicht lange, als ein ganzer Trupp
Javaner aus dem Dorfe ankam, und ſich in großer An-
zahl vor uns hinlagerte. Unter ihnen waren einige
Muſikanten, nebſt einem großen Haufen Taͤnzer und
Taͤnzerinnen, die meine Reiſegefaͤhrten hieher beſtellt
hatten, um mir ein Vergnuͤgen zu machen, und mir
Gelegenheit zu geben, die Spiele und Luſtbarkeiten der
Javaner zu ſehen. Sie fingen mit Pfeiffen[-], Saiten-
und Trommelſpiel an. Darauf fielen die Taͤnzer und
Taͤnzerinnen ein, und ſetzten den Tanz unter verſchie-
denen Bewegungen und Geberden fort, und zwar ſo,
daß gewoͤhnlich zwey zugleich tanzten. Jeder der
tanzte, mußte dem, mit welchem er tanzte, oder den
Muſikanten fuͤr jeden Tanz etwas bezahlen, das aber
nicht viel betrug. Wir mußten deswegen die Sklaven
welche wir bey uns hatten, mit etwas Geld beſchenken,
damit ſie an dem Vergnuͤgen Theil nehmen konnten.


Ich leugne nicht, daß dies uns recht ſehr belu-
ſtigte. Aber der Verdruß und die ſtete Unruhe, die
uns die Muͤcken an dieſem niedrig gelegenen Orte verur-
ſachten, verbitterten uns alles Vergnuͤgen, und ließen
uns kein Auge zuthun. Weder wollne Struͤmpfe noch
Stiefeln, waren im Stande die Muͤcken von unſern
Beinen abzuhalten, und obgleich der Rauch des Feuers
und der Tobackspfeifen uns das Geſicht einigermaßen
ſchuͤtzte, ſo mußte doch ich dieſes Verwahrungsmittel
entbehren, weil mir ſtets jede Art von Rauch zuwider ge-
weſen iſt. Endlich, nach [Mitternacht], legte ich mich auf
meine gruͤne Bank zum ſchlafen nieder, und verbarg
mich unter einen Schleyer und ausgeſpannnten
Schnupftuͤchern, ſo, daß die mich verfolgenden Muͤk-
ken mit nicht mehr, als mit ihrem feinen Geſumme
mich beunruhigen konnten.


[140]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Unausgeruhet, weil wir gar nicht hatten ſchlafen
koͤnnen, ſetzten wir am folgenden Morgen unſern
Weg nach Samerang fort, wo wir den 1ſten May
ankamen.


An Arzneygewaͤchſen, wornach ich mich, dem Auftrag
des Gouverneurs zufolge, unterwegs umſehen ſollen,
hatte ich folgende angetroffen: der officinelle Erdrauch
(Fumaria officinalis, javaniſch Rumpung, welcher in
den bergichten Gegenden um Kopping, doch gar nicht in
Menge waͤchſt. Der molukkiſche Brombeer (Rubus
moluccanus
), nebſt zwey andern Arten Brombeer
wachſen zwiſchen Salatiga und Kopping, an den Sei-
ten der kleinen Berge, und beſonders an den Baͤchen,
in Ueberfluß. Der gemeine Wermuth (Artemiſia Ab-
ſinthium,
javaniſch Domolo, maleyiſch Seroni), findet
ſich auch zwiſchen Salatiga und Kopping, auf den An-
hoͤhen ſowohl als auf flachem Felde in groͤßter Menge.
Die gemuͤsartige Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus), ja-
vaniſch Dimboring, in der Gegend von Koppin. Salat
(Lactuca). javaniſch Belot, doch nicht haͤufig, zwiſchen
Salatiga und Kopping. Hirſchzunge (Aſplenium Sco-
lopendrium
), waͤchſt auf den Baͤumen zwiſchen Una-
rang und Salatiga. Beißbeer oder ſpaniſcher Pfeffer
(Capficum), javaniſch Lombo, iſt zwiſchen Salatiga
und Kopping wild anzutreffen. Der gemeine Saͤuer-
ling (Oxalis Acetoſella), japaniſch Samangi Kunong,
ſteht allenthalben in Menge. Gaͤnsfuß Chenopodium,
maleyiſch Paijam china bey Kopping. Sanikel (Sani-
cula,
japaniſch Spran ſtehet an den Bergen zwiſchen
Salatiga und Kopping. Ranunkel (Ranunculus) und
Waſſerpfeffer (Perſicaria urens oder Polygonum
[141]Erſte Reiſe innerhalb Java.
hydropiper, maleyiſch Dukut Parang) eben daſelbſt.
Kameelheu (Andropogon ſchoenanthus, maleyiſch Sire)
zwiſchen Unarang und Kopping. Eßbare oder gemeine
Erdbeeren (Fragaria veſca, javaniſch Manikan) wach-
ſen in dieſer warmen Gegend um Kopping und an den
Bergen umher. Die Clematis (Clematis) welche ſich
um die Buͤſche ſchlingt, zwiſchen Salatiga und Kopping.
Oedermennich (Agrimonia, maleyiſch Upan Upan Karpo)
eben daſelbſt. Das ſtrauchartige Glasſchmalz (Salicor-
nia fruticoſa,
javaniſch Tjimbine), am Strande bey
Samarang. Muͤllen (Vitex, javaniſch Simina, auch
Lagundo), kommt an verſchiedenen Orten ſehr haͤufig
vor. Arabiſche Coſtwurz (Coſtus arabicus), die ich
vorher in den Graͤben um Batavia in Menge gefunden
hatte, wird auch hier allenthalben in Menge angetrof-
fen, und waͤchſt zwiſchen den Buͤſchen und hohem Graſe.
Herzgeſpann (Leonurus Cardiaca, maleyiſch Klenglen-
gang) bey Koppin. Neſſeln (Urtica) hie und da ziem-
lich haͤufig. Abelmoſch, oder Biſamkoͤrner (Hibiſcus
Abelmoſchus
), prangt mit ſeinen Blaͤttern und ſchoͤnen
Blumen zwiſchen Samarang und Salatiga. Krullfarrn
(Adiantum), auſſen an den Waͤldern, auch ſelbſt in
den Waͤldern, wie auch an den Baͤchen. Gemeiner
Stechapfel (Datura Stramonium, javaniſch Roteku-
bung) zwiſchen Samarang und Unarang. Smilax
(Smilax) in den Waldungen bey Unarang. Schwarzer
Nachtſchatten (Solanum nigrum), um Koppin. Die
Verbeſine (Verbeſina Acmella, maleyiſch Sironi),
uͤberall ſehr haͤufig. Der gemeine oder rothe Ingber
(Amomum Zingiber), javaniſch Tjai, maleyiſch Ban-
gle), wird meiſtens von den Chineſern gebauet, aber
[142]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
der wilde Ingber (Amomum Zerumbet) den die Java-
ner ſowohl als die Maleyen, auch wohl Bangle, ge-
woͤhnlich aber Lampujang nennen, waͤchſt in Ueberfluß,
beſonders an ſandigen und magern Stellen, zwiſchen
Salatiga und Samarang. Gilbwurz oder Curcume
Schwalbenwurz (Curcuma, javaniſch Kunir oder Kun-
jet), fand ich nur in der Gegend von Samarang. Die
Kaͤmpferie (Kämpferia, javaniſch Sempu) ſteht bey
Salatiga in naſſen und niedrigen Thaͤlern. Kardomom
(Amomum compactum, javaniſch Mojei, die Frucht Kap-
pologo) wird bey Salatiga gebauet. Langer Pfeffer (Pi-
per longum,
javaniſch Tjabe, auch Dandang Muſſu),
waͤchſt reichlich in den Waͤldern um Salatiga, wie auch
an andern Orten, nicht ſelten auf den Steinmauern,
um die Felder und Gaͤrten. Gemeiner oder ſchwarzer
Pfeffer (Piper nigrum, javaniſch Maritjo), im Ueber-
fluß um Salatiga in den Waͤldern. Kubeben (Piper
Cubeba,
javaniſch Komukus), in großer Menge in den
Waldungen bey Tuntang, und zwar dieſelbe Art,
welche nach Europa gebracht wird. Officinellenklee
(Trifolium molilotus officinalis, javaniſch und ma-
leyiſch Treba), hatte ich ſchon bey Batavia bemerkt;
jetzt fand ich ihn bey Salatiga. Der gemeine Hanf
(Cannabis ſativa, javaniſch Ginje), waͤchſt auch in einer
Gegend nicht weit von Salatiga; er wird hoch und zu
einem Strauche oder Buſche. Rundes Cypergras
(Cyperus rotundus), iſt allenthalben ſehr haͤufig. Das
gemeine Zuckerrohr Saccharum officinarum, javaniſch
Tebu), wird allenthalben gebauet, waͤchſt aber auch
wild bey Salatiga. Die großblumige Wunderblume
(Mirabilis Jalappa, maleyiſch Kamban Pokul Ampat,
[143]Erſte Reiſe innerhalb Java.
welches genau eben das ſagt, als der hollaͤndiſche Name
Vier Uurs Bloem, (Vierurblume findet man meiſtens
nur gepflanzt; doch waͤchſt ſie auch wild in der Gegend
von Salatiga. Hundszunge Cynogloſſum, maleyiſch
Upan Upan Sapi) zwiſchen Salatiga und Kopping.
Wuͤterich (Cicuta) oberhalb Salatiga in den Berggruͤn-
den und an den Baͤchen. Großer Wegerich (Plantago
major
), an den Baͤchen und ſonſt reichlich. Der ge-
meine Wunderbaum (Ricinus communis), und die
ſchwartze Purgirnuß (Jatropha Curcas, maleyiſch Jar-
rak), ſind beyde ſehr haͤufig, ſowohl hier als in andern
Gegenden von Java. Vom Aron (Arum) wachſen
verſchiedne Arten in Menge in Suͤmpfen und Graͤben.
Die Brennpalme (Caryota urens, javaniſch Saguer)
findet man uͤberall zwiſchen Salatiga und Kopping, und
iſt, wie man behauptet, eigentlich der wahre Baum,
woraus das Sago gemacht wird. Die gemeine Baſi-
lie (Ocymum Baſilicum), iſt in dieſen Gegenden allge-
mein, ſo wie die heilige Baſilie (Ocymum ſanctum) um
Batavia und anderwaͤrts. Der indiſche Tamarinden-
baum, (Tamarindus indica), ein ſehr hoher, großer
und ſchoͤner Baum, iſt allenthalben haͤufig anzutreffen.
Die Fiſtulkaſſie und die japaniſche Kaſſie (Caſſia fiſtula,
javanica,
javaniſch Dranguli), deren lange cylinderfoͤr-
mige Frucht voͤllig wie ein Stock ausſieht, waͤchſt allent-
halben im Holze bey Tundang. Kalmus (Acorus Cala-
mus
) waͤchſt wild in der Gegend von Samarang und an
vielen andern Orten, ſchlaͤngelt ſich um die Baͤume und
hindert mit ſeinen Zacken, zwiſchen durch zu gehen.
Die breitblaͤttriche Hackenlilie (Crinum latifolium),
welche ſtatt Meerzwiebeln (Scilla) gebraucht werden
[144]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
kann, kommt hier, um Batavia und andern Orten vor.
Die aſiatiſche Sida (Sida afiatica), welche die Euro-
paͤer hier baumartige Malve (Malva arborea) nennen,
waͤchſt um Batavia, Samarang und ſonſt ſehr haͤufig.
Vom Ruhrkraut (Gnaphalium, japaniſch Sombong
Madur), findet man zwey Gattungen bey Kopping.
Kanadiſcher Hollunder (Sambucus canadenſis, java-
niſch Soobo), in den Tiefen zwiſchen Bergen und an
den Baͤchen um Kopping. Die gemeine Becherblume
(Poterium Sanguiſorba), zwiſchen Unarang und Sa-
marang
. Schlangenwurz (Ophiorrhiza mungos) oder
(Lignum colubrinum, javaniſch und maleyiſch Kajo
nlar, auch wohl Bidara laut), hin und wieder ziemlich
haͤufig. Jasmin (Jaſminum), in der Gegend von Sa-
latiga
. Gemeinen Coriander (Coriandrum ſativum,
javaniſch Katumjar), fand ich an einigen wenigen Stel-
len, wo andere Gewaͤchſe geſaͤet waren, ſo, daß es
ſcheint, daß er mit andern Saamen aus Europa hieher
gebracht ſey. Der Betelpfeffer und die gemeine Areka-
oder Katechupalme (Piper Betle und Areca Catechu),
zwey den Indiern unentbehrliche Gewaͤchſe, trift man
allenthalben an.


Auch hier gebraucht das europaͤiſche Frauenzim-
mer die Sambacnachtblumen (Nyctanthes Sambac) ſo-
wohl die einfachen, als die gefuͤllten, auf Faͤden gerei-
het, zu Kraͤnzen, die ſie zum Zierrath aufſetzen.
Dies iſt wirklich ein huͤbſcher Kopfputz. Die jungen
Herren bekommen dergleichen Kranz auch wohl bey
Baͤllen von den jungen Schoͤnen geſchenkt; alsdenn iſt
in der Mitte eine Tampakablume angebracht. Sie
haͤngen den Kranz um den Hals uͤber die Bruſt, und
der Geruch davon, iſt eben ſo angenehm, als die
ſchneeweiße
[145]Erſte Reiſe innerhalb Java.
ſchneeweiße Farbe der Blumen ungemein ſchoͤn ins Ge-
ſicht faͤllt.


Caffee wird in dieſen Gegenden an ſehr vielen Or-
ten gebauet. Die Caffeeplantagen nehmen ſich unbe-
ſchreiblich ſchoͤn aus. Der Baum traͤgt im dritten
Jahre die erſten Bohnen. Hundert Baͤume geben ge-
meiniglich drey bis vier Pickel Bohnen, das Pickel zu
hundert und zwanzig Pfund gerechnet. Doch iſt der
Ertrag nicht alle Jahr gleich. Im erſten Anfange ſoll
die Compagnie den Javanern jedes Pickel Caffeebonen
mit fuͤnf und zwanzig Thalern bezahlt haben. Jetzt
wird nicht mehr als ſechs Thaler dafuͤr gegeben, wovon
der Tommegom, oder Landvoigt, zwey Thaler behaͤlt,
ſo, daß der Javaner, welchem die Pflanzung gehoͤrt,
der ſie unterhaͤlt und die Arbeit verrichtet, nicht mehr
als vier Thaler bekommt. Man pflanzt hier zu Lande
zwiſchen die Caffeebaͤume, welche nur duͤnne ſtehen
duͤrfen, allezeit Korallenpflanzen und zwar von der ge-
woͤhnlichen Art (Erythrina corallodendrum, javaniſch
Dadap), um den Caffeebaͤumen gehoͤrigen Schatten zu
verſchaffen; weil ſonſt die Sonnenhitze fuͤr ſie allzubren-
nend ſeyn wuͤrde. Es iſt wirklich etwas ungemein ange-
nehmes, eine ſolche Plantage zu ſehen. Sie iſt wie
ein Wald von Baͤumen, die alle in geraden Linien
gepflanzt, zum Theil aus hohen, weit auseinander
geſetzten Baͤumen, zum Theil aus Straͤuchen beſtehen,
die ſowohl mit einer Menge Caffeebohnen bedeckt ſind,
als auch mit einer Menge weißer Blumen an ihren
ausgebreiteten und etwas nieder haͤngenden Zweigen
prangen.


Zu Samarang bekam ich Gelegenheit die Ope-
ration des Staarſtechens zu verrichten. Ein deutſcher
Feldſcheer, der ehemals im Dienſte der Compagnie
Thunder[g]s Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. K
[146]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
geweſen war, und vom hieſigen Gouverneur ſehr werth
geſchaͤtzt wurde, hatte das Ungluͤck gehabt, den grauen
Staar auf beide Augen zu bekommen. Als der Gou-
verneur, vom Hoſpitalmedicus bey dem ich logirte,
erfuhr, daß ich es mir zutraue, dieſem Manne das
Geſicht wieder zu ſchaffen, bot er mir hundert Ducatons,
wenn es mir damit gluͤcken wuͤrde, und da alle meine
chirurgiſchen Inſtrumente mit dem Schiffe nach Juana
gegangen waren, ſchickte er ſogleich einen Expreſſen
dahin, und ließ ſie holen. Allein der Blinde, welcher
doch nur etwas uͤber die mittleren Jahre hinaus war,
ſchien zu ſeiner eignen Kunſt, der Chirurgie, ſelbſt ſehr
wenig Zutrauen zu haben, weil er eben ſo eigenſinnig
als blind war, und ſich ſchlechterdings nicht bewegen
oder uͤberreden laſſen wollte, ſich der Operation zu un-
terwerfen. Ich erkundigte mich daher, ob es hier
nicht andre Blinde gaͤbe, denen ich Huͤlfe verſchaffen,
und dadurch zugleich meinem gefaͤlligen Wirthe eine
Operation lehren koͤnnte, die zu den vorzuͤglichſten und
nuͤtzlichſten in der ganzen Wundarzneywiſſenſchaft ge-
hoͤrt. Dieſer ſchafte ſogleich einen alten Mann, und
zwar einen Europaͤer, und eine ſiebenzigjaͤhrige chineſi-
ſche Frau herbey, die beyde auf beyden Augen blind
waren, jener ganz ſtockblind, und dieſe ſo, daß ſie
nur zur Noth ohne Fuͤhrer gehen konnte. Beyde wur-
den von mir gluͤcklich operirt, und bekamen ihr Geſicht
voͤllig wieder. Ich ließ mich auch bereden, meinem
Wirthe nicht nur die zum Staarſtechen gehoͤrigen,
ſondern auch verſchiedene andere chirurgiſche Inſtru-
mente, deren Gebrauch auf dem Schiffe nur hoͤchſt
ſelten vorkommt, zuruͤckzulaſſen.


Bey Gelegenheit des, den 3ten May einfallen-
den Neujahrsſeſtes der Javaner, gab der hieſige Patti,
[147]Erſte Reiſe innerhalb Java.
das iſt, der hier reſidirende Oberhauptmann oder Land-
droſt der Provinz, eine große Mahlzeit, zu welcher
die ſaͤmmtlichen hier ſich aufhaltenden Beamten und
Bedienten der Compagnie, eingeladen waren.


Den 14ten May reiſete ich mit einem hollaͤndi-
ſchen Schiffe von Samarang nach Japara. An die-
ſem ſehr angenehm liegenden Orte, wurde ich von
Herrn van der Beek, Reſidenten der Compagnie hie-
ſelbſt, uͤber die Maaße wohl aufgenommen. Dieſer
Mann beſitzt nicht nur ſelbſt Gelehrſamkeit, ſondern
iſt auch ein großer Goͤnner und Befoͤrderer der Wiſſen-
ſchaften, und derer welche ſie treiben; ein Verdienſt,
das in dieſem entfernten Theile der oͤſtlichen Welt um
ſo viel groͤßer und wichtiger iſt, je ſeltner hier Maͤnner
dieſer Art anzutreffen ſind. Seine vorzuͤgliche Guͤte
gegen mich, werde ich nie vergeſſen. Ich bedaure nur,
daß das Schickſal mir nicht erlauben wollte, hier lange
zu bleiben, weil das Schiff zu Juana ſchon voͤllig ge-
laden hatte, und ich daher eilen mußte, dahin zu kom-
men, um mit demſelben nach Batavia zuruͤckzugehen.


Den 20ſten ſetzte ich meine Reiſe zu Pferde nach
Juana fort, in Begleitung eines Javaners, den
Herr van der Beek mir zum Wegweiſer mitgegeben
hatte. Da der Weg zu weit war, als daß ich ihn bey
der ſtarken Hitze in einem Tage haͤtte zuruͤcklegen koͤn-
nen, ſo hatte ich von demſelben auch ein Empfehlungs-
ſchreiben an einen Fuͤrſten bekommen, den ich unterwe-
gens beſuchen, und bey dem ich die Nacht Quartier neh-
men ſollte. Dieſer Fuͤrſt hatte die Schweſter des Kaiſers
zur Gemahlin. Ich brachte die Nacht bey ihm zu, nach-
dem ich am Abend die Ehre gehabt hatte, mit ihm allein
an ſeiner Tafel zu ſpeiſen, und in maleyiſcher Sprache,
ſo gut ich konnte, mich mit ihn uͤber allerhand Dinge
K 2
[148]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
zu unterhalten. Indeſſen ſtoͤrte mich das Geſchrey von
Eulen und andern Thieren, die ſich die ganze Nacht
hoͤren ließen, gar ſehr im Schlafe.


Am folgenden Tage langte ich zu Juana an, wo
ich mich ſogleich in einer Schaluppe an Bord des Schif-
fes bringen ließ, welches ſchon eine ganze Meile weit
von der Rhede weg lag.


An der noͤrdlichen Kuͤſte von Java, iſt der Strand
ſehr niedrig, und die Haͤfen ſind ſeicht und groͤßten-
theils voll Schlamm. Die Schiffe muͤſſen deswegen
weit auf der Reede hinaus ankern, und wenn ſie ſchwer
beladen werden, ſetzen ſie ſich oft im Schlamm feſt.
Dies war jetzt auch bey Juana der Fall, ohnerachtet
das Schif ſchon weit vom Lande vor Anker gegangen
war, um den Reſt der Ladung einzunehmen; und ob
wir gleich die Zeit abpaßten, da hohes Waſſer war,
um die Segel aufzuziehen, wurden wir dennoch ge-
noͤthigt, eine Menge Bretter, die zur Ladung gehoͤr-
ten, wieder aus und in große Boͤte zu laden, um das
Schiff nur leichter zu machen. Als endlich der Wind
etwas ſtark wurde, ſegelten wir zwar, jedoch noch
zwey ganze Meilen weit ſo tief im Moder, daß das
Waſſer hinter dem Schiffe von der blauen Schlammerde
ganz dick und blaͤulich ausſah. Alle Seefahrer bezeu-
gen einmuͤthig, daß hier das Waſſer jelaͤnger, deſto
mehr abnimmt, der Strand immer hoͤher, und die Haͤ-
fen immer ſeichter werden. Dies, ſagen ſie, hat ſeit der
Zeit, da zuerſt Schiffe der oſtindiſchen Compagnie hieher
kamen, dermaßen zugenommen, daß jetzt da Moraſt
iſt, wo ehemals die Schiffe lagen, und wo ſie ſich jetzt
weit entfernt halten muͤſſen. Die Nordſeite von Java
iſt die fruchtbarſte, die Suͤdſeiſe hingegen ſehr gebir-
gig und unfruchtbarer, das Waſſer aber iſt allda
[149]Erſte Reiſe innerhalb Java.
tiefer. Zwiſchen Juana und Japara laͤuft ein Vor-
gebirge in die See, bey welchem wir wir jetzt vorbeyſe-
gelten. Eine von den daſigen Klippen, hat den Namen
Teufelsklippe. Dies ruͤhrt daher, weil hier oft See-
raͤuber ſich aufhalten ſollen, welche große und kleine
Fahrzeuge, die nicht gut bewaffnet ſind, oder nicht
unter Bedeckung eines bewaffneten Schiffs ſegeln, an-
greifen und wegnehmen. Dieſe Raͤuber ſind nicht Ja-
vaner, ſondern kommen von den Kuͤſten von Boeneo
und den dazu gehoͤrigen Inſeln, und koͤnnen daher
nicht ausgerottet werden.


Unſre Fahrt gieng ohne einen dergleichen und
ohne alle andere Unfaͤlle von Statten; ſo daß wir
am 1ſten Junius gluͤcklich wieder zu Batavia ankamen.


Zweyter Abſchnitt.
Fernerer Aufenthalt zu Batavia und zweyte Reiſe
in das Innere von Java.


Unmittelbar nach meiner Ruͤckkunft ward mir aufge-
tragen, als Arzt auf dem auſſerhalb der Stadt auf der
Rhede liegenden Schiffe Dienſt zu thun. Zwar wer-
den, ſobald ein Schiff ankommt, alle auf demſelben vor-
handene Kranke ſogleich nach dem Hoſpitale in der
Stadt gebracht, und eben das geſchieht auch nachher,
ſobald jemand von den hier auf der Rhede liegenden
Schiffen krank wird; demohngeachtet wird noch auſſer-
dem beſtaͤndig ein ſogenanntes Krankenſchiff gehalten,
wozu gemeiniglich ein altes, ſonſt unbrauchbares
Schiff genommen wird, auf welches man diejenigen
bringt, welche des Nachts krank werden oder zu Scha-
den kommen, wenn die Stadtthore verſchloſſen ſind.
K 3
[150]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Dieſer Dienſt, oder vielmehr dieſe Nachtwache, geht un-
ter allen zu Batavia ſich befindenden Schiffswundaͤrz-
ten der Reihe nach um. Selten aber verrichten dieſe
ſie perſoͤhnlich, ſondern nehmen einen alten Feldſcheer,
der nichts zu thun hat, fuͤr Geld dazu. So machte
denn auch ich es, und blieb fuͤr einen Ducaton von die-
ſem Geſchaͤft frey.


Sogleich in den erſten Tagen meines diesmaligen
Hierſeyns, fand ich Gelegenheit, die Bekanntſchaft
eines wackern Landsmanns, Herrn Wimmercranz,
Ingenieurcapitains im Dienſte der hollaͤndiſchen Com-
pagnie, zu machen. Dieſer Mann iſt hier fuͤr die
Compagnie aͤußerſt nuͤtzlich, und ſehr geliebt und geach-
tet. Er erzeigte mir fuͤr den Reſt meines Aufenthalts
viel Gewogenheit und ſehr weſentliche Dienſte, welches
gleich mir, mehrere unſerer Landsleute ihm nachruͤhmen.


Am 19ten Junius, indem ich noch auf ein
Schiff warten mußte das nach Ceylon, welche Inſel
ich zu beſuchen wunſchte, gehen wollte, machte ich,
mit Erlaubniß des Generalſtatthalters und in Geſell-
ſchaft des Herrn Baron von Wurmb, noch eine kleine
Reiſe in das Innere des Landes, nach dem warmen
Bade und den ſogenannten Blauenbergen. Capitain
Wimmercranz war ſo guͤtig, mir ſein eigenes Pferd
dazu zu uͤberlaſſen, und der ſogenannte Commiſſarius
uͤber die Eingebohrnen, gab mir auch einen Bedienten
mit.


Am erſten Tage kamen wir bis Tanjong, einem
Landgute des Herrn Cran, Mitglied des hohen Raths.


Die Wege ſind hier durch Meilenſaͤulen abge-
theilt, doch ſtehen dieſe nicht alle gleich weit von
einander.


[151]Zweyte Reiſe innerhalb Java.

Am folgenden Tage reiſeten wir des Morgens
nach Tjipinong, wo wir zu Mittag aßen, und von da
weiter uͤber Tjimangis und Tjiluan nach Buytenzorg.
Dieſer Ort, welchen die Javaner Bogor nennen, iſt
zum Vergnuͤgen des jedesmaligen Generalgouverneurs
eingerichtet. Der Gouverneur Imhof, hat ihn dazu
ausgeſucht und die Gebaͤude aufgefuͤhrt. Das Haupt-
gebaͤude iſt von Steinen, ſehr ſchoͤn und hat zwey
Fluͤgel. Gegenuͤber ſteht eine kleine Citadelle, und
dazwiſchen liegt ein ſchoͤner Garten. Die Entlegenheit
dieſes Luſtſchloſſes von der Hauptſtadt iſt aber ſchuld,
daß der Generalgouverneur ſich ſelten hier aufhaͤlt.


Den 22ſten kamen wir nach Tjiſerva, und wei-
ter uͤber hohe Berge nach Tjipannas. Dieſe beyden
Oerter, ſo wie auch Pondogede und Arkidomas gehoͤ-
ren dem Generalſtatthalter, oder vielmehr der hollaͤn-
diſchen Compagnie. Wir uͤbernachteten daſelbſt, und
beſahen das warme Bad, welches Tjipannas heißt,
und der umliegenden Gegend den Namen gegeben hat.


Das warme Bad entſpringt beynahe mitten zwi-
ſchen den hieſigen beiden großen Reihen von Bergen
in einem Thale. Das Waſſer iſt nicht heißer, als daß
man die Finger darin leiden kann. Es quillt an ver-
ſchiedenen Stellen hervor. Ueber diejenige Quelle, aus
welcher das Waſſer nach dem Brunnenhauſe kommt,
hat man eine Huͤtte gebauet. Das Quelloch ſelbſt iſt
nicht ſehr tief, und das Waſſer quillt auch nicht ſtark
heraus. Die Erde umher iſt roſtfarbig, und an den
Seiten der Einfaſſung hat ſich eine hochgruͤne duͤnne
Borke geſetzt, die voͤllig wie Kupferroſt ausſieht.
Das zum Gebrauch des Bades eingerichtete Haus be-
ſteht aus zwey Theilen. Das eine Zimmer iſt ſehr
groß; durch dieſes wird das Waſſer nach dem andern
K 4
[152]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
geleitet; im Boden ſind zwey Lucken, um das Waſſer
von dem Unreinen was darinnen iſt, zu ſaͤubern.
Das andre Zimmer hat eine große viereckte Grotte, die
mit Brettern ausgeſchlagen, und mit einer Treppe ver-
ſehen iſt. In dieſes Zimmer ſind zwey Roͤhren mit
metallnen Zapfen geleitet, aus welchen man waͤhrend
des Badens nach Gutduͤnken kaltes und warmes Waſ-
ſer haben und zu beliebiger Hoͤhe ſteigen laſſen kann.
Oben auf dem Waſſer ſammelt ſich eine Rinde, die faſt
ſo dick wie ein Pfennig und ſalzig iſt. Man ſagte mir,
daß das Waſſer, wenn man es zum Trinken brauche,
laxire, und daß es deswegen ſelten innerlich, ſondern
meiſt aͤußerlich gebraucht werde. Vor einiger Zeit
waren viele Kranke auch aus den Hoſpitaͤlern von
Batavia hieher geſchickt, die ſich des Bades bedienen
ſollten; man hatte auch zu dieſem Ende hier ein Hoſpi-
tal angelegt, welches nun aber gar nicht gebraucht
wird. Jetzt wohnt hier ein europaͤiſcher Bauer, der
die Aufſicht uͤber das Bad, und einige dabey liegende
Oerter hat.


Das hieſige Klima iſt ſehr geſund und erfriſchend.
Die Luft war itzt ſogar, beſonders des Morgens und des
Abends, nicht nur kuͤhl ſondern wirklich recht kalt, ſo
daß ich, da ich keinen Ueberrock mitgenommen hatte,
wirklich fuͤr Abendkaͤlte zitterte. Man ſollte es nicht
fuͤr moͤglich halten, daß jemand in einem Lande, das
beynahe unter dem Aequator ſelbſt liegt, frieren koͤnne.


Hier, um Arkidomas, Tjiſeroa, und Pondo-
gede
, werden europaͤiſche Gartengewaͤchſe, als Kohl,
Moͤhren und andre Wurzeln, Gruͤnigkeiten und der-
gleichen gebauet; auch hat man hier viele europaͤiſche
Baͤume gepflanzt. Von allen dieſen Oertern werden
woͤchentlich dreymal Kuͤchengewaͤchſe, Fruͤchte und der-
[153]Zweyte Reiſe innerhalb Java.
gleichen zum Gebrauch des Generalgouverneurs nach
Batavia geſchickt. Die Apfelſinen wurden jetzt
reif; ſie ſind ſchmackhafter als die, welche naͤher um
Batavia wachſen.


Die Javaner ſowohl als die unter ihnen woh-
nenden Chineſer, decken ihre Haͤuſer mit geſpaltenen
Stuͤcken Bamboholz, die beynahe wie Ziegelſteine uͤber-
einander gelegt werden.


Ich lernte hier auch einige Gewaͤchſe und deren
Gebrauch kennen. Kadondon nennen die Javaner ein
Gewaͤchs, das zu lebendigen Hecken gebraucht wird.
Andewalu heißt ein Rankengewaͤchs mit dreyfach ge-
theilten Blaͤttern, das ein gutes Gegengift ſeyn ſoll.
Aus den beyden Kraͤutern, Korang garing und Tam-
pal utan machen ſie blaue Farbe. Boa kirai iſt eine
Frucht, die einen zuſammenziehenden und barſchen
Geſchmack hat. Das Gewaͤchs Tingling mintik wird
fuͤr ein herzſtaͤrkendes und gute Dienſte thuendes Arze-
neymittel ausgegeben.


Die hieſigen Javaner erzaͤhlen, (und moͤchten es
auch gar zu gern den Europaͤern einbilden), daß auf
den tjipannaſchen Bergen eine Art Affen (Orang-Ou-
tang) gefunden werden, die krauſes Haar und hinter-
waͤrts gekehrte Fuͤße haben. Indeſſen hat bisher kein
Europaͤer dergleichen geſehen.


Ich traf hier eine Art Reiher (Ardea) an, welche
den oſtindiſchen Kranichen (Antigone) aͤhnlich ſind,
mit weißgelbem Schnabel, nacktem und gelben Halſe,
kahlem und weißlichem Kopfe, blaͤulichen Fuͤßen,
ſchwarzgrauen Schwungfedern, ſchwarzem Ruͤcken,
ſchwarzem Schwanze und weißem Bauche. — Die
K 5
[154]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Lach-Taube (Columba riſoria), welche ich in der Ge-
gend des Vorgebirges der guten Hoffnung nie anders
als blau geſehen habe, iſt hier faſt durchgaͤngig von
hellerer Farbe, und mehrentheils weiß.


Den 24ſten Junius reiſeten wir uͤber das Ge-
birge nach Pondogede zuruͤck. Oben auf den Bergen,
die allenthalben mit Wald und Buͤſchen bewachſen ſind,
ſtiegen wir ab, ließen unſere Pferde am Wege ſtehen,
und begaben uns noch hoͤher hinauf zu einer der hoͤch-
ſten Spitzen, um daſelbſt die ſehr bekannte Waſſer-
hoͤhle bey Mehemedon zu beſehen. Ich fand hier bey-
nahe nordeuropaͤiſches Clima, und unter andern Ge-
waͤchſen auch verſchiedene Mooſe (Muſcus und Flechten
(Lichen), die ſonſt in den waͤrmſten Laͤndern Indiens
ſehr ſelten, und faſt gar nicht anzutreffen ſind.


Wir blieben die Nacht zu Pondogede, und reiſeten
am folgenden Tage nach Arkidomas, um einen Ort
zu beſehen, der wegen verſchiedener aus Stein gehaue-
ner kleiner Bilder merkwuͤrdig iſt, welche, drey oder
vier bey einander, an verſchiednen Plaͤtzen im Walde
aufgeſtellt ſind. Die Japaner halten dieſe Bilder
gar ſehr in Ehren, und die Chineſer opfern ihnen.


Unterwegens ſah ich wilde Pfauen im Walde
ab und zu fliegen, bisweilen auch wohl ſich auf die
Zweige ſetzen, und mit ihren langen, niederhangenden,
praͤchtigen Schwaͤnzen prangen.


Den ganzen Tag hatte der Commendant einer
kleinen Citadelle uns Geſellſchaft geleiſtet, und zugleich
zwey Soldaten mit genommen, die beſtaͤndig auf kleinen
Waldhoͤrnern blieſen, um die Tiger abzuhalten. Dieſe
Thiere ſind hier ſehr gefaͤhrlich, und ſchon mancher
dieſe Wege paſſirende Javaner iſt von ihnen zerrißen
[155]Zweyte Reiſe innerhalb Java.
und verſchlungen worden, aber den Laut ſtarker Blaſe-
Inſtrumente koͤnnen ſie gar nicht vertragen.


Gegen Abend trafen wir zu Buytenzorg ein.
Ehe wir aber dahin kamen, ritten wir nach einer
Stelle unweit Paditulis, um einen ſehr alten Stein
zu beſehen, auf welchem eine eingehauene Inſchrift
befindlich iſt, die bisher noch niemand hat leſen oder
erklaͤren koͤnnen. Der Stein iſt ungefaͤhr Mannshoch
und etwa zwey Fuß breit. Die Buchſtaben ſcheinen
von der Linken zur Rechten geſchrieben zu ſeyn, und
machen neuntehalb Zeilen aus.


Den 26ſten machten wir wieder einen kleinen
Nebenritt nach dem Berge Tjorroton, welcher in meh-
reren Hinſichten merkwuͤrdig iſt. Er ſteht ganz iſo-
lirt, und beynahe mitten im Lande. Die Reiſe dahin
nahmen wir hauptſaͤchlich in der Abficht vor, die be-
ſondern Hoͤhlen dieſes Berges zu beſehen, worin die
chineſiſchen Schwalben (Hirundo eſculenta) ihre Neſter
bauen, welches die bekannten geleeartigen Vogelneſter
ſind, die als große Leckerbiſſen gegeſſen werden. Wir
giengen zu Fuß hinauf, und kamen in kurzer Zeit auf
den Gipfel. Jene Hoͤhlen ſind eigentlich an der Suͤd-
ſeite des Berges und oben ganz bedeckt. Sie ſcheinen
nicht auf die Art, daß der Berg große Ritzen bekom-
men, entſtanden zu ſeyn, weil man oberwaͤrts gar
keine Ritzen ſieht; ſondern mir kam es vor, daß ſie
ihren Urſprung dem Verwittern einzelner Theile des
Berges zu verdanken haben, weil ſie allezeit nach
unten gehen und unten Waſſer enthalten. Ich gieng
in einige dieſer Hoͤhlen hinein, und ſtieg ſogar eine
gute Strecke auf Leitern von Bamborohr darin hinun-
ter, ohne etwas anders als Gefahr, Dunkelheit und
[156]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
gleichſam Abtheilungen in mehrere Gemaͤcher zu fin-
den. Die Javaner wollten uns nicht erlauben, auch
nur ein einziges Neſt wegzunehmen, waren aber doch
ſo hoͤflich uns nicht nur einige, die ganz unverſehrt
waren, zu ſchenken, ſondern uns auch auf unſre Bitte
mit zwey ſolcher Schwalben ein Praͤſent zu machen.
Dieſe Schwalben ſind klein und ganz ſchwarz.


Mein Reiſegeſellſchafter und ich wurden bey dem
Javaniſchen Oberhauptmann der Provinz zu Mittag,
ſehr koſtbar bewirthet. Er, ſein Schwager und wir
beyden Fremden machten die ganze Geſellſchaft aus.
Er verſtand das Maleyiſche, welches wir ſprachen,
und ſprach es auch ziemlich. Fuͤr jeden von uns war
das Eſſen auf kleine porcellanene Teller ſchon vorge-
legt. Wir bekamen daher von jedem Gerichte zwar
nicht viel, dagegen belief ſich auch die Anzahl der Ge-
richte auf neunzig, ſo daß wir kaum im Stande wa-
ren, von allem zu koſten.


Den 22ſten ritten wir nach einem Landhauſe
das Herrn Duurkoop zugehoͤrt. Dies iſt ein unge-
mein ſchoͤnes Gebaͤude, und hat einen Thurm, welcher
wegen eines Echo merkwuͤrdig iſt, das neun Sylben
deutlich wiederholt.


Von dieſem anmuthigen Orte kamen wir endlich
nach Batavia zuruͤck.


Auf der jetzt beſchriebenen Reiſe ſah ich, daß die
Chineſer in großer Menge auch in den innern Gegen-
den des Landes ſich niedergelaſſen haben, aber doch
nicht mit den Javanern zuſammen wohnen. Dies ſoll
ihnen verboten ſeyn, und zwar, um Uneinigkeit und
Streit zu verhindern, wozu die Chineſer ſehr geneigt
[157]Zweyte Reiſe innerhalb Java.
ſeyn ſollen. Wenn ſie aber die Religion aͤndern und
ſich beſchneiden laſſen iſt, es ihnen erlaubt. Nichts-
deſtoweniger ſind ſehr viele von ihnen mit Javanerinnen
verheirathet, obgleich die Toͤchter der Chineſer keinen
Javaner heirathen duͤrfen. Auch duͤrfen die Chineſer
hier nicht, wie in China, ihre Frauen einſperren
oder ihnen die Fuͤße verunſtalten. Die hieſigen Chi-
neſer tragen Pantoffeln mit Hinterleder und dicken
Sohlen, die inwendig mit verſchiednen Lagen Hut-
filz uͤberlegt ſind, damit kein Waſſer eindringen, und
die Fuͤße nicht naß werden koͤnnen; dieſe Pantoffeln
ſind aber, ſo wie ihre Stiefeln, die eben ſo eingerich-
tet ſind, unbequem und ſchwer.


Waͤhrend der uͤbrigen Zeit meines hieſigen Auf-
enthalts, beſuchte ich fleißig das Hoſpital. In dieſer
Anſtalt werden die Kranken zwar gut behandelt, dem-
ungeachtet ſterben ſie in großer Menge. Die Anzahl
der Verſtorbnen hat ſich faſt jaͤhrlich vermehrt, und
zwar in den letzten Zeiten vorzuͤglich dadurch, daß
die Kanaͤle, welche das Waſſer durch die Stadt leiten,
nicht gehoͤrig rein gehalten werden. Mit dieſer Un-
ordnung geht es ſo weit, daß die Chineſer nicht nur
den Abfall von Gruͤnigkeiten und Gartengewaͤchſen,
ſondern oft todtes Vieh in die Canaͤle werfen, wel-
ches ich nicht ſelten ſelbſt geſehen habe. Beſonders hat
dieſe ſchlimme Gewohnheit uͤberhand genommen, ſeit-
dem die Vornehmen angefangen haben, Luſthaͤuſer
und Gaͤrten vor der Stadt anzulegen, und ſogar
auſſerhalb der Stadt zu wohnen. Aus den Sterbelis-
ten erſah ich unter andern das Verzeichniß der im
Hoſpitale von Jahr zu Jahr verſtorbnen Europaͤer.
Ich will es hier vom Jahre 1714 an mittheilen.


[158]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Aus dieſem Verzeichniſſe erhellet, daß die Zahl der
Verſtorbnen beynahe von Jahr zu Jahr zugenommen hat;
daß dieſe Zunahme aber beſonders nach drey merkwuͤr-
digen Veraͤnderungen betraͤchtlich geweſen iſt. Von
1714 bis 1733. ſind die wenigſten geſtorben. Im
Jahr 1733. fieng man an, auſſerhalb der Stadt einen
Graben oder Waſſerleitung nach der Stadt zu ziehen,
wobey ſehr viele, ſowohl Javaner als andre, umkamen.
Von dieſer Zeit an iſt auch die Anzahl der Verſtorbe-
nen allezeit gewachſen. Im Jahr 1761. machte man
den Anfang damit, in das vor der Stadt belegene Hoſpi-
tal mehr als zweyhundert Geneſende, auſſer welchen
vorher niemand dahin gebracht wurde, aufzunehmen,
und ſeit dieſer Zeit iſt die Zahl der Verſtorbnen noch
hoͤher geſtiegen. Endlich wurde 1775. auf der Rhede
[159]Zweyte Reiſe innerhalb Java.
ein Krankenſchiff eingerichtet, da denn ſowohl in dieſem
als im folgenden Jahre die Anzahl am allergroͤßten
geweſen iſt.


Um meinen Endzweck, nach Ceilon zu reiſen, zu errei-
chen, wurde ich auf mein Anſuchen zum erſten Wund-
arzte auf einem nach dieſer Inſel beſtimmten Schiffe
angenommen, nachdem ſowohl Herr Radermacher als
mein Wirth, Doctor Hoffmann, durch das Anerbie-
ten, mir eine vortheilhafte Stelle zu Batavia zu ver-
ſchaffen, verſchiedne Verſuche gemacht hatten, die
mich wohl haͤtten reizen koͤnnen, hier zu bleiben. Zwar
konnte ich die Hitze ſehr gut vertragen, und befand mich
auch uͤbrigens unter dieſem ſo warmen und fuͤr die Eu-
ropaͤer ſo ungeſunden Himmelsſtriche ſehr wohl. Aber
es iſt hier doch beſchwerlich und ſehr laͤſtig ſeine Ge-
ſchaͤfte zu verrichten, und die Liebe zu meinem Vater-
lande machte mich gegen alle andre Vorſtellungen taub,
ſelbſt zu einer Zeit, da ich noch kein Gluͤck fuͤr mich in
demſelben vorherſehen konnte.


Ehe das Schiff ſeine voͤllige Ladung eingenom-
men hatte, ſtellte ich noch verſchiedne botaniſche Ex-
curſionen um Batavia an. Unter andern kam ich
nach Jaccatra. Dies iſt ein ziemlich angenehmer Ort,
nicht weit von der Stadt. Es war ehemahls die
Hauptſtadt dieſer Inſel, und wurde von den Hollaͤn-
der 1619. erobert. Jetzt wird hier eine kleine Anzahl
Soldaten gehalten, um die Citadelle zu bewachen, und
der Ort wird gleichſam wie eine Vormauer fuͤr Bata-
via
angeſehen.


Ungeachtet es in Batavia ſchon an und fuͤr ſich
ſelbſt hoͤchſt ungeſund zu wohnen iſt, ſo ſind die Eu-
[160]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ropaͤer hier doch faſt gar nicht darauf bedacht, ihre
Geſundheit zu erhalten, ſondern ſie fuͤhren meiſtens
ein unordentliches Leben. Beym Mittagseſſen erhi-
tzen ſie das Blut durch Wein und ſtarkes Bier, und
nach der Mahlzeit durch Tobackrauchen und ebenfalls
durch Wein und ſtarkes Bier. Um halb drey Uhr
legt man ſich zu Bette, und haͤlt bis fuͤnf Mittags-
ruhe. Der Abend wird in Geſellſchaft zugebracht und
zwar beym Spieltiſche und abermals bey ſtarkem Bier
und Wein, und mit der den hieſigen Europaͤern ſo ganz
unentbehrlichen Tobackspfeife. Gegen halb acht geht
man wieder zu Tiſche, thut eine gute Mahlzeit und
trinkt wiederum Wein und ſtarkes Bier. Nach geen-
digtem Abendeſſen zuͤndet man die, nur waͤhrend der
Mahlzeit weggelegte Pfeife, ſogleich wieder an, raucht
bis elf Uhr, und trinkt Wein und ſtarkes Bier dazu, bis
man, von Hitze, Bier und Wein im Kopfe verwor-
ren, von Tobacksrauch halb berauſcht, und dabey
muͤde und ſchlaͤfrig ſich endlich zu Bette verfuͤgt, um
eines unruhigen Schlafes zu genießen.


Die Portugieſen ſind zwar ehe als andre Eu-
ropaͤer, und zwar ſchon 1510. nach Java gekommen,
haben ſich da aber nie foͤrmlich niedergelaſſen. Nach
ihnen kamen die Englaͤnder und bald hernach, 1596.
die Hollaͤnder.


Auf Java ſind drey Hauptreligionen: die heidni-
ſche, zu welcher ſich die Chineſer und ein Theil der
Javaner; die muhamedaniſche, zu welcher ein großer
Theil der Javaner; und die chriſtliche, zu welcher die
Europaͤer, und ein Theil der Javaner, Maleyer und
andrer Indier, ſich bekennen.


Im
[161]Zweyte Reiſe innerhalb Java.

Im erſten Bande habe ich bereits vom Javaſchen
Handel umſtaͤndliche Nachricht gegeben. Hier will
ich nur noch das Verzeichniß der Produkte dieſes Lan-
des nachholen, welche vornemlich von dort ausgefuͤhrt
werden. Dies ſind: Reis, der vortrefflich iſt und nach
mehreren indiſchen Laͤndern zum Verkauf gebracht
wird, und deſſen noch mehr ſeyn wuͤrde, wenn nicht
der ſogenannte Reisfreſſer, ein Vogel aus dem Geſchlechte
der Kernbeißer (Loxia oryzivora), welcher hier in großer
Menge vorhanden iſt, den Reisfeldern ſo großen Scha-
den thaͤte. Kardomomen von derjenigen Art, die ruͤndliche
Saamenkapſeln hat (Cardomomum compactum). Zu-
cker, welcher als Puderzucker nicht nur nach allen indiſchen
Handelsplaͤtzen, ſondern auch nach Europa geht; vor
Ankunft der Hollaͤnder wuchs hier kein Zuckerrohr,
ſondern dieſe haben es hieher gebracht, jetzt waͤchſt es
aber in Menge. Salz, welches nach verſchiedenen Laͤn-
dern in Indien gebracht, und beſonders auf den mo-
luckiſchen Inſeln
ſehr theuer verkauft wird. Pfeffer,
der meiſt nach Europa kommt. Indigo, Kattun und
etwas Baumwollengarn. Vogelneſter, die groͤßten-
theils zu Canton, und zwar mit ungemeinem Vortheil,
verkauft werden.


Auſſer der im erſten Bande beſchriebnen kupfer-
nen Scheidemuͤnze curſirt hier auch noch eine andre Art:
nemlich Pfennige, welche die Compagnie von gewoͤhn-
lichem ſchwediſchen Kupfer, und zwar in Europa,
ſchlagen laͤßt, und hieher ſchickt. Es giebt zwey Arten
davon, die ganz gleich ausſehen, aber an Groͤße ver-
ſchieden ſind, und zwar ſo, daß die eine halb ſo groß
als die andre iſt. Die große kommt deutſchen und
ſchwediſchen Kupferpfennigen gleich. Auf der einen
Seite iſt das gewoͤhnliche Wapen der Compagnie,
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. L
[162]Dritte Abtheil. Zweyter Abſchnitt, u. ſ. w.
nebſt der Jahrzahl, und auf der andern das Wapen
derjenigen Provinz, welche ſie hat praͤgen laſſen, zu
ſehen. Der Werth, ſowohl der großen als der klei-
nen, iſt noch einmal ſo groß als er in Europa ſeyn
wuͤrde, und die Compagnie gewinnt an hundert Pro-
cent dabey. — Auch ſah ich bey den Chineſern und
Javanern hollaͤndiſche Dukaten. Man hatte aber
oberwaͤrts mit einem kleinen runden Stempel einige
Javaniſche Buchſtaben darauf gedruckt, wodurch
ſie den Javanern lieb werden und Curs unter ihnen
bekommen.


[163]

Vierte Abtheilung.
Reiſe von Batavia nach Ceylon und Aufent-
halt daſelbſt, vom 5ten Julius 1777 bis
den 6ſten Februar 1778.


Erſter Abſchnitt.
Beſchreibung der Reiſe nach Ceylon, und Aufent-
halt daſelbſt, wie auch einiger Reiſen in
dieſem Lande.


Den 5ten Julius 1777 begab ich mich an Bord des
Schiffes Mars, um mit demſelben nach Ceylon zu ge-
hen. Ich hatte mich mit verſchiedenen Empfehlungs-
ſchreiben an den Gouverneur und andere hollaͤndiſche
Beamte daſelbſt verſehen. Zwey Tage darauf lichteten
wir die Anker, und entfernten uns bey ſanftem guͤnſti-
gen Winde, von Java, einem der herrlichſten Laͤnder
in der Welt.


Den 11ten legten wir uns bey Angier vor Anker,
um daſelbſt friſches Waſſer zu unſrer bevorſtehenden
Reiſe einzunehmen. Auf dieſer Rhede trafen wir den
ſchwediſchen Oſtindienfahrer, das Stockholmer Schloß,
an, welcher nach China beſtimmt war. Dies Schiff
wollte ſich hier ebenfalls mit Waſſer verſorgen, und ich
hatte bey dieſer Gelegenheit die Freude, verſchiedene
L 2
[164]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Freunde und Landsleute zu umarmen, unter andern
Capitain Petterſen, und die Supercargen Alnoor und
Bladh. Das Waſſer, welches hier aus einem ins
Meer herabfließenden Bache geholt wird, iſt zwar ſuͤß
und nicht ganz ſchlecht, aber ſehr dick; und dadurch,
daß es hier ſehr ſchwer iſt an Land zu kommen, und
die Tonnen im Waſſer ans Land gerollt werden muͤſſen,
wird es, wenn man davon holt, noch dicker. Dies
Waſſer trug auch ſehr viel dazu bey, auf der Reiſe
die unter der Mannſchaft entſtandene Diarrhoͤe zu
unterhalten und zu vermehren. Wenn man es wagte,
ein einziges Glas davon allein zu trinken, ohne Caffeé
oder Thee hinzuzugießen, ſo konnte man darauf rechnen,
daß bald darauf eine Art Durchfall entſtand.


Ich gieng mit den Waſſerſchoͤpfern aus Land,
und fand hier die große Art Piſang, (Troglodyten-
oder Affenmuſe, Muſa troglodytarum) und zwar mit
ziemlich deutlichem Saamen; die Koͤrner waren platt
und beynahe ſo groß als Leinſaamen.


Die im Dorfe wohnenden Javaner verkauften ſo-
genannte ſpaniſche Rohre in Menge, und die Schwe-
den
kauften verſchiedene von der beſſern Art, wobey ich
das Vergnuͤgen hatte meinen Landsleuten, durch Huͤlfe
des wenigen was ich von der maleyiſchen Sprache
verſtand, zum Dolmetſcher zu dienen.


Unſere weitere Fahrt ging mit gutem Winde
gluͤcklich von Statten. Den erſten Auguſt paſſirten
wir die Sonne, das iſt, wir hatten ſie im Scheitel-
punkte; den 28ſten ſahen wir die malabariſche Kuͤſte,
und zwar in der Gegend von Cochin; und ſegelten her-
nach laͤngs derſelben, namentlich Porca, Ceylon und
Cap Komorin vorbey.


[165]Reiſe nach und in Ceylon.

Unſer Schiff war ſehr ſtark, ich kann wohl ſagen,
uͤbermaͤßig beladen, ſo, daß es gewiß uͤbel daran ge-
weſen waͤre, wenn wir heftigen Sturm bekommen haͤt-
ten. Die Urſach von dergleichen, und von ſo manchen
andern Unordnungen, Unannehmlichkeiten und Un-
gluͤcksfaͤllen, iſt die uͤbertriebene Gewinnſucht der Be-
dienten der Compagnie. Der Capitain und die ſaͤmmt-
lichen Schiffsofficiere haben das Recht, mit gewiſſen
Waaren zu handeln. Zu dieſem Ende wird ihnen
ein Raum von gewiſſen Laſten im Schiffe zugeſtan-
den. Aber unter Vorwand dieſes Rechts, nehmen ſie,
um deſto mehr zu gewinnen, noch einmal ſo viel von
ſolchen Waaren mit als dieſer Raum faßt; um ſo
viel mehr wird denn aber auch das Schiff uͤber die Ge-
buͤhr belaſtet. Beſonders ſind es der Capitain und
der Oberſteuermann, die ſich dies eigenmaͤchtig her-
ausnehmen. Die Handelswaaren, welche diesmal
von Privatperſonen auf jene Art mitgenommen wurden,
beſtanden in einer Menge Reiß, Puderzucker (Koch-
zucker) und Arrack.


Am 22ſten Auguſt bekamen wir die Inſel Ceylon
zu Geſicht, und langten am folgenden Tage ſchon auf
der daſigen Rede an. Aber hier fehlte wenig, daß wir
nicht durch die Ungeſchicklichkeit und Furchtſamkeit des
Capitains Schiffbruch litten. Indem wir mit dem
Senkbley in der Hand weiter ſegelten, und uns des-
halb ganz ſicher glaubten, ſahen wir uns mit einem
male ganz nahe an den Sandbaͤnken, welche in dem
Kanal liegen, der die Inſel vom feſten Lande trennt.
Schon war das Schiff einer Sandbank ſo nahe, daß
wir glaubten, es wuͤrde im naͤchſten Augenblick dar-
auf feſtſitzen, als der Unterſteuermann, ein raſcher
und unternehmender Seemann, wie er die ſichtbare
L 3
[166]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Erſchrockenheit und Muthloſigkeit des Capitains be-
merkte, das Commando nahm, und eine Wendung
machen ließ, wodurch das ſehr tief gehende Schiff in-
nerhalb wenig Minuten in tieferes Waſſer geſetzt, und
wir alle der Gefahr gluͤcklich entriſſen wurden.


Am folgenden Tage kam von Europa das ſeelaͤn-
diſche Schiff Wilhelm der Fuͤnfte, und einige Tage
nachher das Schiff Loo von Amſterdam, allhier an.


Sobald wir die Anker geworfen hatten, ſchickte
ich meine Empfehlungsſchreiben nach Columbo, und
eilte bald darauf ſelbſt ans Land.


In der Stadt machte ich zuerſt dem Gouverneur
Falk die Aufwartung. Dieſer Herr iſt ein gelehrter
und verſtaͤndiger Mann, und zugleich der uneigen-
nuͤtzigſte von allen Beamten der Compagnie, die ich
kenne. Er iſt auf Ceylon gebohren, und hat zu
Utrecht ſtudirt. Der Generalgeuverneur van der
Parra
, hat ihn zu dieſem Dienſte befoͤrdert, deſſen er
ſich auch in jedem Betrachte voͤllig wuͤrdig bezeigt.


Auſſer vielen andern, die mir hier Freundſchaft
erwieſen, muß ich vorzuͤglich Herrn van Sluyſken ruͤh-
men. Man nennt ihn hier gewoͤhnlich Capitain Ka-
neel
(Zimmt-Capitain), weil alle, die den Kaneel (oder
Zimmt) ſchaͤlen und liefern, unter ſeinem Befehl ſte-
hen. Bey dieſem war ich gewoͤhnlich zwey bis dreymal
in der Woche zu Gaſte, und fand bey ihm allemal eine
muntere Geſellſchaft.


Ferner machte ich hier die Bekanntſchaft zweyer
wuͤrdiger Landsleute, Baron von Albedyl, der Offi-
cier bey der hieſigen Garniſon war, und Herr van Keu-
len
, eigentlich Kjellin, welcher ſich hier als Buͤrger
niedergelaſſen hatte, und ausgebreitete, eintraͤgliche
Handlung auf der Kuͤſte Koromandel trieb. Auch
[167]Reiſe nach und in Ceylon.
lernte ich einen alten braven Mann, Capitain Hoͤpner,
kennen, der in ſeiner Jugend als Matroſe auf einem
Kauffahrteyſchiffe aus Schweden gegangen war, und
auf dieſer Reiſe in einem Gefechte mit einem tuͤrkiſchen
Seeraͤuber durch eine Kugel den einen Daum verloren
hatte, hernach aber im Dienſte der hollaͤndiſchen Com-
pagnie von unten auf, bis zum Capitain geſtiegen war,
ein Gluͤck, das er beſonders ſeinen Kenntniſſen und Ge-
ſchicklichkeiten als Artilleriſt und Feuerwerker verdankte.
Dieſer biedre Mann verſtattete mir nicht nur als einem
guten Freunde und Landsmann in ſeinem Hauſe freyen
Zutritt, ſondern bot mir auch Wohnung und Tiſch an,
ſo lange ich mich hier aufhalten wuͤrde. Ich nahm
dies Anerbieten aber nicht an, ſondern blieb lieber
in dem gewoͤhnlichen Wirthshauſe, um deſto weniger ein-
geſchraͤnkt zu ſeyn, wenn ich Reiſen, oder, zu Vermeh-
rung meiner Naturalienſammlungen, Spaziergaͤnge
wuͤrde anſtellen wollen.


Columbo, die Hauptſtadt des hollaͤndiſchen
Handels auf dieſer Inſel, iſt ein großer und ſchoͤner
Ort, rund umher mit Waͤllen umgeben, und ſehr
ſtark befeſtigt. Der Pallaſt des Statthalters iſt nur
ein Stockwerk hoch, aber ein ungemein ſchoͤnes Ge-
baͤude; vor demſelben laͤuft eine Gallerie hin, auf
welche alle laͤngſt der Fronte belegene Zimmer einen
Ausgang haben, und wo ſichs angenehm und kuͤhl
ſitzen laͤßt.


Die Luft iſt zwar hier eben ſo heiß als zu Ba-
tavia
; aber da die Kuͤſte ſelbſt nicht ſo niedrig liegt,
ſondern das Land hoͤher iſt, auch der Wind mehr we-
het, ſo iſt die Hitze doch viel ertraͤglicher und das Klima
geſunder.


L 4
[168]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Zu Columbo war es mein Hauptgeſchaͤft taͤglich
in der umliegenden Gegend herumzuwandern, und im
Schweiße meines Angeſichts die Naturprodukte des
Landes zu ſammeln, unterdeß meine Reiſegefaͤhrten
ihre Waaren im Wirthshauſe auskramten und ihr
Gewerbe auf eine weit eintraͤglichere Art trieben. Auf
meinen Wanderungen hatte ich einen Ceyloner oder Cin-
galeſer *) bey mir, den mir der Gouverneur verſchaft
hatte. Dieſer war ein, nach Landesart geſchickter,
Arzt, ſagte mir allezeit die ceylonſchen und malabari-
ſchen Namen der Gewaͤchſe, und beſchrieb mir die Art,
wie ſie gegen dieſe und jene Krankheiten gebraucht wuͤr-
den. Seine mediciniſchen Kenntniſſe waren indeſſen
ſehr geringe; und ſeine Aeuſſerungen daruͤber nicht ſel-
ten ſo ungereimt, daß ich von dieſer Seite nicht viel von
ihm lernen konnte.


Unter andern beſuchte ich das nicht ſehr weit von
der Stadt belegene Landhaus des Gouverneurs, das
den Namen Paß fuͤhrt. Das Luſtſchloß iſt ſchoͤn und
hat einen großen Garten, wo man ſeit einigen Jahren
eine Plantage von Kaneelbaͤumen angelegt hat.


Im Anfange des Novembers machte ich eine
Reiſe von Columbo nach Mature, in Geſellſchaft mit
Herrn Frobus, der in Geſchaͤften der Compagnie dahin
reiſen mußte, um in Barbary, Gale und Mature Ka-
neel einpacken zu laſſen, waͤhrend Herr Sluyſken nach
Negumbo gieng, um das Einpacken und Abſenden des
Kaneels mit den nach Europa zuruͤckkehrenden Schiffen
von dort aus zu beſorgen.


[169]Reiſe nach und in Ceylon.

Die Reiſe geſchah in einem Palankin. Der
Weg war an vielen Stellen ſandig und beſchwerlich,
lief immer laͤngſt dem Strande und gieng uͤber Panture,
Kaltere, Barbary, Weltotte, Amlagotte, Hekkede
und Gale, welches zuſammen ſiebenzehn Meilen be-
traͤgt; ferner uͤber Belligamar, fuͤnf Meilen, von da
wir bis Mature noch viertehalb Meilen hatten.


Ueber die Fluͤſſe gehen hier keine Bruͤcken, ſon-
dern man muß in Boͤten uͤberfahren. Dieſe Boͤte ſind
nur klein; ihrer werden daher drey zuſammengebunden,
und mit Brettern belegt, daß eine Art ſchwimmender
Bruͤcke daraus wird. Die Fluͤſſe ſind von anſehnlicher
Breite, und ſehr tief, auch oft ſehr reiſſend.


An der Landſtraße ſind auf Koſten der Compagnie
verſchiedene Haͤuſer angelegt, worin man ausruhen
und die Nacht zubringen kann. Einige dieſer Haͤuſer
ſind groß und ſchoͤn. Zu unſerer Ankunft waren die
Fußboden der Zimmer mit Leinewand belegt; auch
hatte man die Stuͤhle und Tiſche mit einem ſolchen Ue-
berzuge verſehen. Die Zimmer ſelbſt hatte man mit
allerley ſchoͤnen und praͤchtigen Blumen geſchmuͤckt.
Vor dem Hauſe waren verſchiedene hoͤlzerne Pfeiler er-
richtet, die man mit jungen Kokosblaͤttern bekleidet,
mit Blumen geziert und oben daruͤber Leinewand ausge-
ſpannt hatte. Als wir vor dem Hauſe ankamen, wurde ein
Stuͤck Leinewand auf die Erde ausgebreitet, und der Trag-
ſeſſel auf daſſelbe niedergeſetzt. Darauf wurde bis an
die Hausthuͤr ebenfalls ein Laken gelegt, uͤber welches
wir nach dem Hauſe giengen. Dieſe Ehrenbezeugun-
gen wiederfahren den Europaͤern gewoͤhnlich, wenn
ſie in Angelegenheiten und Geſchaͤften der Com-
pagnie reiſen.


L 5
[170]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Den 4ten waren wir abgereiſet. Am folgenden
Tage langten wir zu Kaltere an; dies iſt eine Feſtung,
in welcher ein Lieutenant commandirt.


Nachmittags kamen wir nach Barbary. Hieher
wird der Kaneel aus der ganzen umliegenden Gegend ge-
liefert. Zur Aufbewahrung deſſelben ſind hier vier,
von Steinen erbaute Waarenhaͤuſer vorhanden, in
welchen zugleich das Kair, eine Art Zeug von Kokos-
faſern, verfertigt wird. Im Hafen vor der Stadt,
koͤnnen die Schiffe, welche hier Kaneel laden, ſicher
vor Anker liegen.


Am 7ten ſetzten wir die Reiſe weiter fort, und
kamen am 8ten des Abend zu Gale an. Dieß iſt eine
ſchoͤne, gut befeſtigte Stadt, die auf einem in die See
ſchießenden Vorgebirge liegt.


Das Trinkwaſſer in dieſer Stadt, iſt in medizi-
niſcher Ruͤckſicht merkwuͤrdig. Es blaͤhet naͤmlich den
Unterleib ſehr auf und veranlaßt, allem Anſehen nach,
auch die ſogenannte malabariſche Krankheit, welche die
Hoden und die Fuͤße befaͤllt und hier in dieſer Stadt
ſehr gewoͤhnlich, auſſer derſelben aber ſelten iſt.


Den 13ten November traten wir die Ruͤckreiſe
von Mature an, trafen Tages darauf zu Gale ein,
reiſeten den 16ten von da wieder ab, und kamen am
19ten nach Columbo zuruͤck.


Nicht lange hernach, den 7ten December machte
ich abermals eine Reiſe von Columbo nach Mature,
und zwar auf Erſuchen des Gouverneurs, um als Arzt
die Gemahlin des Grafen Ranzow zu beſuchen, die an
einer ſchweren langwierigen Krankheit darnieder lag.
Graf Ranzow war Chef des Comtoirs der Compagnie
zu Matſure. Waͤhrend der wenigen Wochen, die ich
hier zubrachte, erwies er mir viel Guͤte und Wohlwollen.


[171]Reiſe nach und in Ceylon.

Ich reiſete Tag und Nacht, von zwoͤlf raſchen
Mohren getragen, welche die ganze Reiſe aushielten,
ohne auszuruhen, ſo, daß ich in dreimal vier und
zwanzig Stunden an Ort und Stelle kam.


Zu Mature machte ich taͤgliche Excurſionen, be-
ſonders um die auf Ceylon vorhandenen Edelſteine,
welche hauptſaͤchlich in dieſer Gegend aus der Erde ge-
graben werden, nach ihren verſchiedenen Gattungen,
desgleichen die Art, wie ſie aufgeſucht, bearbeitet und
gebraucht werden, genau kennen zu lernen. Von die-
ſen Steinen ſchafte ich mir eine Sammlung an.


Den 20ſten December reiſete ich nach Columbo
zuruͤck, und traf dort, am Abend vor Neujahr, gluͤck-
lich wieder ein. Ein junger Graf Ranzow, der mit
einem hollaͤndiſchen Schiffe als Conſtabel aus Europa
hieher gekommen war, und ſeinen Bruder beſucht
hatte, reiſete mit. Dieſer junge Herr, der von un-
gemein hitzigem Temperamente war, hatte zugleich das
Ungluͤck, an den Fuͤßen gebrechlich zu ſeyn. Demun-
geachtet focht er gut und hurtig, und war trotz ſeiner
ſchiefen Beine und krummen Fuͤße ein vortreflicher
Taͤnzer.


Nach Neujahr kamen, wie jedes Jahr zu geſche-
hen pflegt, drey Abgeſandte vom Kaiſer zu Candy in
Columbo an. Sie wurden, im Namen der Compagnie,
von Abgeordneten, bey Situwaka empfangen, bewill-
kommt und nach der außerhalb der Feſtung liegenden
Altſtadt begleitet, wo ſie die fuͤr ſie beſtimmte Woh-
nung bezogen, und bis zum Audienztage blieben.


Den 7ten Februar gieng die Gegen Ambaſſade der
Compagnie an den Kaiſer von Columbo ab; ſie pflegt
aus einem Kaufmann und zwey Aſſiſtenten zu beſtehen.


[172]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Um dieſe Zeit wurde auch mit vieler Pracht und
Feſtlichkeit die Inſtallirung des neuen Generalgouver-
neurs zu Batavia hier gefeyert. Die oͤffentlichen Freu-
densbezeugungen daruͤber beſtanden in Losbrennung des
Geſchuͤtzes von den Waͤllen der Feſtung, und von den
Schiffen im Hafen. Am Abend gab der Statthalter eine
große Mahlzeit und einen Ball, zu welchem alle Beam-
te der Compagnie, alle Schiffsofficiere und das vor-
nehmſte Frauenzimmer eingeladen waren.


Auf der malabariſchen Kuͤſte waren einige Miß-
helligkeiten entſtanden, welche den hieſigen Gouverneur
noͤthigten, einige Truppen nach Cochin zu ſchicken. Da
man mit Ausruͤſtung derſelben beſchaͤftigt war, ſo fragte
mich der Gouverneur, ob ich bey dieſer Gelegenheit eine
Reiſe nach dem feſten Lande von Oſtindien machen wollte?
Weil ich aber ſchon zu Batavia den Entſchluß gefaßt hatte,
nun endlich wieder nach Europa zuruͤckzukehren, und das
Schiff, mit welchem ich hieher gekommen war, und zu
welchem ich gehoͤrte, ſchon ſegelfertig lag, um nach Eu-
ropa
zu gehen, ſchlug ich dies Anerbieten aus, und er-
bat mir dagegen die Erlaubniß, mit einem andern
Schiffschirurgus zu tauſchen, noch einen Monat auf
dieſer herrlichen Inſel zu bleiben, und mich auf einem
von denjenigen Schiffen, welche im Februar von hier
abſegeln ſollten, anſtellen zu laſſen, welches mir auch
bewilliget wurde.


Waͤhrend meines ſolchergeſtalt hier verlaͤngerten
Aufenthalts, nahm ich, in Geſellſchaft der Herren
Sluyſken und Conradi, eine kleine Reiſe nach Negum-
bo
vor; den 17ten Februar reiſeten wir ab, und am fol-
genden Tage kamen wir daſelbſt an.


[173]Reiſe nach und in Ceylon.

Negumbo iſt ein kleiner befeſtigter Platz, den man
mit Waͤllen umgeben, und mit einem ſteinernen Thorge-
baͤude verſehen hat, und wo ein Faͤhnrich Commen-
dant iſt.


Unterdeſſen daß hier eine Menge Kaneel eingepackt
wurde, reiſete ich, von einem Ceyloner begleitet, zu
Pferde etwas landeinwaͤrts, um die in dieſem Bezirke
angelegte große und merkwuͤrdige ſogenannte Elephanten-
falle zu beſehen, wovon ich unten an ſeinem Orte mehr
ſagen werde.


In der folgenden Nacht, da es angenehm kuͤhl
war, ritt ich nach Negumbo zuruͤck, und den 20ſten
Januar traf ich mit meinen Reiſegefaͤhrten wieder zu
Columbo ein.


Hier kaufte ich fuͤr zwoͤlf Pagoden einen Bezoar-
ſtein, der fuͤr ſehr rar, und fuͤr den groͤßten der von
dieſer Art je in der Gallenblaſe des weißbaͤrtigen Affen
(Simia Silenus), gefunden ſey, ausgegeben wurde.
Dieſer Stein heißt hier gewoͤhnlich Apeſteen (Affenſtein),
und iſt auswendig glatt. Das hier gedachte Exemplar
wird jetzt in der akademiſchen Mineralienſammlung zu
Upſala aufbewahrt.


Kurz vor meiner Abreiſe aus Ceylon fand ich zu-
faͤlligerweiſe Gelegenheit einem meiner Landesleute in
Columbo ſehr nuͤtzlich zu werden. Ich hatte ſchon ver-
ſchiedenemal, wenn ich bey den Schildwachen am Thore
vorbeygieng, bemerkt, daß ein gewiſſer Soldat, indem
er das Gewehr vor mir praͤſentirte, welches vor jeden
Schiffsofficier geſchieht, mich mit beſonderer Aufmerk-
ſamkeit anſah. Dies veranlaßte mich ihn zu fragen,
was fuͤr ein Landsmann er ſey. Er antwortete mir, er
[174]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ſey ein Schwede, und heiße Bolin; er ſey Notarius
(Secretair) in einem Collegium zu Stockholm geweſen;
habe eines gehabten Ungluͤcks wegen ſein Vaterland ver-
laſſen muͤſſen, ſey darauf als Soldat auf ein hollaͤndi-
ſches Schiff gegangen, und habe hier mehrere Jahre
zugebracht, ohne irgend weiter befoͤrdert zu ſeyn. So-
bald ich mich nach ihm naͤher erkundigt und erfahren
hatte, daß er eine gute Hand ſchreibe, etwas vom Buch-
halten verſtehe, und Luſt habe nach Batavia zu gehen,
bat ich mir fuͤr ihn vom Gouverneur die Erlaubniß hiezu
aus, welcher ſie auch ſogleich ertheilte. Ich gab ihm
Empfehlungsſchreiben an die Herren Radermacher und
Wimmercranz mit. Er kam gluͤcklich zu Batavia an, ward
von Herrn Radermacher ſogleich zum Aſſiſtenten, und
bald hernach zum Buchhalter ernannt. Capitain Wim-
mercranz
nahm ihn in ſein Haus auf, und erzeigte
ihm, ſo lange er lebte, die groͤßten Wohlthaten.


Zweyter Abſchnitt.
Zoologiſche Merkwuͤrdigkeiten, beſonders vom
Elephanten.


Die Ochſen, welche man in Ceilon hat, ſind ſehr klein
und mager; manche waren nicht viel groͤßer als in Eu-
ropa
ein Kalb von zwey Monaten. Sie werden vor
Karren geſpannt.


Die Elephanten werden hier in großen Fallen,
wenn man dieſe Anſtalten ſo nennen kann, gefangen.
In einer ſolchen Falle faͤngt man ihrer viele nacheinan-
der, und ſchließt ſie zuſammen darin ein. Ich habe
oben erzaͤhlt, daß ich nach einem Orte, wo eine ſolche
[175]Vom Elephanten.
Falle angelegt iſt, hinreiſete, und ſie beſah. Die Falle
iſt von ſtarken Kokosbaͤumen gebauet, und zwar bey-
nahe in Geſtalt eines Dreyecks, deſſen Baſis oder brei-
te Seite nach dem Walde hinſieht, und zugleich mit
einzeln ſtehenden Baͤumen und Buͤſchen beſetzt iſt, die
ſich immer weiter ausbreiten, und zwey lange, endlich
ganz unmerkliche Arme bilden. Da wo dieſelben an der
Falle nahe zuſammen kommen, ſtehen zu beyden Seiten,
nach außen, ſtarke Pfaͤle dicht bey einander, auch ſind
ſtarke Stricke angebracht. Endlich kommen ſie ſo nahe
zuſammen, daß nur ein einziger Elephant ſich durch die
Oeffnung durchdraͤngen kann. Wenn der Gouverneur
fuͤr die hollaͤndiſche Compagnie eine Elephantenjagd an-
ſtellen laͤßt, welches nach Verlauf gewiſſer Jahre ge-
ſchieht, ſo wird es auf folgende Art gemacht. Eine
Menge Leute, ſowohl Europaͤer als Ceiloner, werden
in die Waͤlder detaſchirt, ungefehr eben ſo, als wenn
man in den noͤrdlichen Laͤndern von Europa auf ein
Treibjagen ausgeht. Die Leute vertheilen ſich in einen
weiten Kreis, und umringen einen gewiſſen Bezirk, wo
man zuvor Elephanten ausgeſpuͤrt hat. Darauf kom-
men ſie immer naͤher, und treiben die Elephanten durch
vieles Laͤrmen, Geſchrey und Trommeln immer naͤher
nach der Seite hin, wo die Falle fuͤr ſie angelegt iſt.
Endlich werden Fackeln angezuͤndet, um ſie noch mehr
zu ſchrecken und zu zwingen, daß ſie in die Falle hinein
muͤſſen. Sobald ſie alle darinnen ſind, wird die Falle
hinter ihnen zugemacht. Als das letztemal auf dieſe Art
gejagt wurde, betrug ihre Anzahl uͤber hundert; die
vorhergehendenmale hat man bisweilen mehr als hundert
und dreyßig bekommen.


[176]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Die ſo gefangenen Elephanten werden hernach
groͤßtentheils zu Jafnapatnam an die coromandelſchen
Fuͤrſten verkauft. Die erſte Sorge iſt daher, ſie aus
der Falle zu fuͤhren und zu zaͤhmen. Zu dieſem Ende
werden ein oder zwey zahme Elephanten an die Seite
der Oeffnung geſtellt, durch welche jeder Elephant allein
herausgelaſſen, und darauf ſogleich mit ſtarken Stricken
neben den zahmen feſt angebunden wird, die ihn denn mit
ihren Ruͤſſeln ſo lange zuͤchtigen, bis er auch zahm wird,
und mit ſich nach Gefallen umgehen laͤßt. Dies geht
oft ſehr geſchwind, manchmal werden nur einige Tage
dazu erfordert, beſonders wenn die wilden zugleich
durch Hunger gebaͤndigt werden. Wenn dies geſchehen
iſt, werden ſie beſichtiget und gemeſſen. Zu dem Ende
werden ſie auf einen mit Korallenſteinen ganz eben be-
legten Platz gebracht. Das Meſſen verrichtet ein Mann,
der auf einem zahmen Elephanten reitet, mit einem
Maasſtabe, der nach Covidos eingetheilt iſt. Drey Co-
vidos ſind ſo viel als zwey Ellen, und gemeiniglich mißt
ein Elephant von der Erde bis zum Schulterblatt zehn
Covidos, das iſt ohngefaͤhr vierzehn Fuß. Nach dem
Meſſen wird der Elephant uͤberall genau beſichtigt und
unterſucht, und, naͤchſt der Groͤße auch jeder etwa vorge-
fundene Fehler, Gebrechen oder Schaden, ſchriftlich ange-
merkt, und der Preis feſtgeſetzt. Im Durchſchnitt gilt ein
zahmer Elephant ohngefaͤhr zweyhundert Thaler. Hat er
aber einen Fehler, zum Beyſpiel, wenn er den Schwanz
verloren hat, ein Ohr in Stuͤcken geriſſen iſt, an den
Fuͤßen ein Zehe fehlt, oder was es ſonſt fuͤr ein Schaden
ſeyn mag, ſo werden fuͤr jeden Fehler, je nachdem er
von mehr oder weniger Belang iſt, funfzig, ſechzig bis
achtzig Thaler abgerechnet. Da es ſehr ſelten iſt, einen
Elephan-
[177]Vom Elephanten.
Elephanten zu finden, der gar keine Maͤngel hat, ſo
pflegen die fehlerfreyen fuͤr fuͤnf hundert bis tauſend Tha-
ler verkauft zu werden. Wenn eine Auction angeſtellt
wird, ſo thun gewoͤhnlich zwey, drey oder mehrere Leute
ſich zuſammen, und kaufen gemeinſchaftlich funfzig, ſech-
zig, achtzig bis hundert Elephanten, die ſie hernach ein-
zeln mit anſehnlichem Gewinn wieder verkaufen. Vor
dem oͤffentlichen Verkaufe werden die Elephanten am
Hintertheile mit dem Wappen der Compagnie bezeichnet:
das Thier wird zu dem Ende an einen ſtarken Baum ge-
bunden, und mit einem gluͤhenden Eiſen gebrannt.


Der Elephant iſt unſtreitig eins der verſtaͤndigſten
und ſanftmuͤthigſten Thiere, das ſich ſeiner Groͤße un-
geachtet ſehr leicht zahm machen und zu mancherley nuͤtz-
lichen Dienſten abrichten laͤßt. Wenn er gedraͤngt, ge-
aͤngſtigt und gepeinigt wird, weint er faſt wie ein Kind.
Wenn er zahm iſt, lernt er in kurzer Zeit verſtehen, was
man zu ihm ſagt. Geraͤth er in Gefangenſchaft, ſo
wird er von Gram und Betruͤbniß abgezehrt, beſonders
wenn er ſchon zahm war und einen guten Herrn hatte. Bey
einer ſolchen Jagd, als ich oben beſchrieben habe, traͤgt
es ſich oft zu, daß zahme Elephanten, die dem Kaiſer
zu Candy gehoͤren, und welche man frey umher gehen
laͤßt um in den Waͤldern zu weiden, mit anderen ge-
fangen werden. Alsdann kann man ſie in der Falle ſel-
ten dazu bewegen, irgend etwas Nahrung zu ſich zu
nehmen, ehe die Leute ankommen, die gewohnt ſind,
ihrer zu warten; dieſe kennen ſie ſogleich, und ſie gehen
auch, ſobald ſie frey gelaſſen ſind, von ſelbſt mit ihnen.


Die Elephanten freſſen ſehr gern Piſangfruͤchte
und Kokosnuͤſſe, man mag ſie ihnen entzwey geſchlagen
oder ganz geben; im letztern Falle wiſſen ſie ſie ſelbſt
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. M
[178]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
aufzumachen. Die Jungen ſaugen mit dem Maule
nicht mit dem Ruͤſſel. Verſchiedene von Herrn Sluyſken
angeſtellte Verſuche haben es ausgewieſen, daß das
taͤgliche Getraͤnk dieſes Thieres gewoͤhnlich ſechzig Kan-
nen Waſſer betraͤgt.


Die zahmen Weibchen werden bisweilen dazu ge-
braucht, wilde Elephanten zu fangen. Man laͤßt ſie
alsdann in den Wald gehen, und ſie locken wilde
Maͤnnchen mit ſich in irgend eine Falle, wo ſie einge-
ſchloſſen werden koͤnnen. Auf dieſe Art gefangne maͤnn-
liche Elephanten ſah ich verſchiedenemal an einen dicken
Baum gebunden, und in wenig Tagen zahm gemacht.
Diejenigen maͤnnlichen Elephanten, welche von den
Hollaͤndern dazu gebraucht werden, die wilden zu zuͤch-
tigen und zahm zu machen, nennen ſie gewoͤhnlich Zeel-
verkoopers (Seelenverkaͤufer). Iſt ein Elephant ein-
mal gut zahm, ſo laͤßt er ſich ſogar von Kindern regie-
ren, und thut nicht leicht einem Menſchen etwas zu
Leide, es waͤre denn, daß man ihn gemißhandelt und
dadurch zur Rache gereizt haͤtte. Ich habe oft ge-
ſehen, wie der Elephant das eine Bein krumm macht,
damit der Reuter da hinauf treten und ſo bequemer auf
den Ruͤcken ſteigen koͤnne, und wie er mit dem Ruͤſſel
kleine Knaben ſehr behutſam umfaſſet und aufhebt, um
ſie auf ſeinen Ruͤcken zu ſetzen, auch wie er ſie hernach
eben ſo vorſichtig wieder herunter nimt. Die hollaͤn-
diſche Compagnie gebraucht ſie uͤberall zum Fortbringen
von Balken und andern ſchweren Sachen, wie auch
vor Wagen und großen Karren. Wenn man ihn vor-
ſpannt, ſo bindet man ihm erſt ein dickes Seil um den
Hals, und an dieſes Seil zu beyden Seiten einen an-
dern dicken Strick, der laͤngs dem Ruͤcken heruntergeht,
[179]Vom Elephanten.
und am Wagen befeſtigt wird. Spannt man zwey
Elephanten neben einander vor, ſo bringt man zwiſchen
ihnen eine ſtarke Stange an.


Wenn der Elephant geht, ſieht man deutlich, daß
er die Knie beugt, obgleich das ganze Bein allenthalben
gleich dick iſt, und unbiegſam zu ſeyn ſcheint. Sein
Ruͤſſel iſt nicht nur eine vorzuͤgliche Zierde dieſes maje-
ſtaͤtiſchen Thieres, ſondern auch eines ſeiner noͤthigſten
Werkzeuge, womit es ſeine Nahrung ſammelt, trinkt,
und alles faßt; er iſt daher auch des Ruͤſſels wegen ſehr
beſorgt; ſo kann er zum Beyſpiel durchaus nicht leiden,
daß eine Ameiſe daran kommt, deren es hier eine
große Menge giebt.


Die Elephanten werden hier zu Lande niemals oder
doch ſehr ſelten geſchoſſen, weil man ſie lieber lebendig
faͤngt; daher findet man hier auch keine vorzuͤgliche Ele-
phantenſchuͤtzen. Vor nicht gar langer Zeit hatte man
ein traͤchtiges Weibchen an einen Baum gebunden, und
ſo mit gewoͤhnlichen Buͤchſen nach ihr geſchoſſen, um
das Junge, in Arrack gelegt, fuͤr das Naturaliencabinet
nach dem Haag zu ſchicken. Allein man hatte dreyzehn
Schuͤſſe thun muͤſſen, ehe das Thier gefallen war. Daß
aber doch bisweilen nach den wilden Elephanten in den
Waͤldern geſchoſſen wird, ſcheint folgender Vorfall, den
Herr Frobus mir erzaͤhlte, zu beweiſen. Er wollte einſt
den Zahn eines gefangenen Elephanten durchſaͤgen laſſen,
und man fand inwendig im Zahne eine gewoͤhnliche
bleyerne Kugel, die ſich darin feſtgeſetzt hatte, und mit
der Zeit ſo uͤber- und umwachſen war, daß man aus-
wendig nicht das geringſte Merkmal davon gewahr wer-
den konnte; er ſchickte hierauf dieſen merkwuͤrdigen Zahn
im Jahr 1765 nach dem Haag in die dortige Sammlung.


M 2
[180]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

Da die ceylonſchen Elephanten ſich ſo leicht fangen
und zaͤhmen laſſen, ſo iſt es auffallend, daß dies bey
den afrikaniſchen Elephanten am Cap ſo viel Schwierig-
keiten macht. Kurz vor meiner Abreiſe vom Cap, im
Jahr 1775 hatte man ein Junges lebendig gefangen,
nachdem die Mutter todt geſchoſſen war; es gluͤckte aber
nicht, das Junge groß zu ziehen; es brauchte zu ſei-
nem Unterhalte taͤglich die Milch von drey Kuͤhen, war
aber doch nicht am Leben zu erhalten.


Auf Ceylon, beſonders um Negumbo, ſind viele
Ameiſenfreſſer oder Ameiſenbaͤren (Myrmecophaga).
Die Hollaͤnder nennen ſie negumboſche Teufel, und die
Cingaleſer Kaballe. Das Fleiſch dieſer Thiere wird den
Kranken als ein Arzneymittel zu eſſen gegeben. Die
Einwohner wiſſen mit einem Meſſer ein Loch durch ſeine
Schuppen zu bohren, da ſie ihn denn nach Belieben
regieren koͤnnen, weil die Spitze des Meſſers, das im
Loche feſtgehalten wird, ihm Schmerzen verurſacht.


Die Ceylonſche Meerkatze, oder der weißbaͤrtige
Affe (Simìa Silenus) heißt in der Landesſprache Rolle-
wai. Sie laſſen ſich leicht zahm machen, daher man der-
gleichen Meerkatzen haͤufig in den Haͤuſern antrifft. Wenn
ſie einen Bekannten ſehen, ſpringen ſie ihm ſogleich entge-
gen, umarmen ihn, machen eine gar freundliche Ge-
berde, und bezeugen ihre Freude mit einer beſondern
Art Geſchrey, das ſehr hell klingt. Sie ſind von Na-
tur ſehr ſanft, und beißen nicht leicht, wenn ſie nicht
zu ſehr gereizt werden. Wenn man ein Kind kuͤſſet und
ſtreichelt, ſo will dieſer Affe es auch thun; ſieht er hingegen
daß man ein Kind ſchlaͤgt, ſo winſelt und ſchreyet er
auf eine jaͤmmerliche Art, und ließe man ihn los, ſo wuͤrde
[181]Zoologiſche Nachrichten von Ceylon.
er gewiß den, welcher das Kind ſchlaͤgt, anfallen.
Sein Gang iſt mehr Springen oder Huͤpfen, als Lau-
fen, weil ſeine Hinterfuͤße laͤnger als die Vorderfuͤße ſind.
Er iſſet allerhand Fruͤchte und Gartengewaͤchſe, als
Kokosnuͤſſe, Aepfel, Birnen, Kohl, Kartoffeln, auch
Brodt und dergleichen mehr. An ſeinem langen
Schwanze, der laͤnger als der ganze Koͤrper iſt, iſt
er ſehr empfindlich. An Groͤße gleicht er ungefaͤhr dem
Geſpenſtthiere (Lemur), doch iſt er auch wohl etwas
groͤßer. Der Leib iſt uͤber und uͤber hellgrau, wiewohl
die Farbe bisweilen mehr ins Schwarze, bisweilen,
beſonders wenn das Thier alt wird, mehr ins Weiße
faͤllt. Das Geſicht iſt ſchwaͤrzlich und ohne Haare.
Der Bart im Kinne und den Backen, iſt weiß und zu-
ruͤckgebogen; am Kinne und der Oberlippe iſt er kurz,
an den Backen aber uͤber einen Zoll lang und gegen die
Ohren hinaufgekehrt, die davon vorn etwas bedeckt
werden. Haͤnde und Fuͤße ſind ſchwaͤrzlich und nackt,
die Naͤgel lang und ſtumpf. Der Daum und der
große Zehe iſt von den uͤbrigen Fingern und Zehen abge-
ſondert und kurz. Das Geſaͤß hat harte Schwielen,
die nicht mit Haaren beſetzt ſind. Der Schwanz iſt
rund und behaart; ſo lang er auch iſt, kann das Thier
doch damit nichts faſſen, noch ſich an den Zweigen der
Baͤume feſt halten; gegen das Ende wird er duͤnner.
Die Ohrzipfel ſind rund, faſt ganz nackt und ſchwarz.
Wenn das Thier ſich ſetzt, haͤlt es allezeit die Haͤnde
kreutzweiſe uͤber einander. Ich nahm bey meiner Ab-
reiſe eine ſolche Meerkatze mit mir an Bord, war aber
nicht im Stande ſie lebendig zu erhalten, ſondern ſie
ſtarb, als wir in die kaͤlteren Gegenden des Vorgebir-
ges der guten Hoffnung
kamen.


M 3
[182]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.

In Ceylon findet man eine eigne Art Eichhorn
(Sciurus ceilanicus), das von den Einwohnern Rockia
oder Ruckia genannt wird. Auf dem Ruͤcken und an
den Seiten iſt es ſchwarz, unterm Bauche gelblich. Der
Schwanz iſt auch ſchwarz, und laͤnger als der ganze Koͤr-
per. Von Groͤße iſt es wie eine Katze, aber ſchlan-
ker. Es laͤßt ſich leicht zaͤhmen, und man findet dies
Thierchen auch in vielen Haͤuſern zahm. Ehe Pennant
dieſe Gattung des Eichhorns beſchrieb, war ſie in Eu-
ropa
gaͤnzlich unbekannt.


Stachelſchweine (Hyſtrix) halten ſich in den Waͤl-
dern haͤufig auf. Die Hollaͤnder jagen dies Thier oft
mit Hunden, da denn den Hunden, wenn ſie allzu hitzig
darauf losgehen, die ſcharfen Stacheln im Leibe ſitzen blei-
ben, ſo daß ſie nicht ſelten das Leben dabey einbuͤßen.
Das Stachelſchwein macht ſeine Wohnung in der Erde
und der Eingang zu ſeiner Hoͤhle iſt nicht groͤßer, als
daß ein mittelmaͤßig großer Jagdhund hineinkriechen,
und das Thier durch eine andere Oeffnung derſelben
Hoͤhle hinausjagen kann. Die Art, wie es fuͤr ſeine
Jungen Waſſer holt, iſt merkwuͤrdig. Die Stacheln
am Schwanze ſind hohl und am Ende offen, und es
kann ſie beugen. Hiedurch iſt es im Stande, ſie mit
Waſſer anzufuͤllen, das es hernach in ſeiner Hoͤhle fuͤr
die Jungen herauslaufen laͤßt. Wenigſtens hat man
mir ſo erzaͤhlt. Im Magen dieſes Thieres findet man
oft Bezoarſteine, die man hier zu feinem Pulver zerreibet
und in allerhand Krankheiten braucht. Dieſe Steine
beſtehen aus ſehr feinen Haaren, die ſich mit den Saͤf-
ten des Magens feſt zuſammengeſetzt haben, und zwar
ſchicht- oder lagenweiſe in der Runde uͤber einander, ſo
daß ſie aus mehreren Ringen von ungleicher Farbe be-
[183]Zoologiſche Nachrichten von Ceylon.
ſtehen. Ich habe ſie gewoͤhnlich von der Groͤße eines
Huͤhnereyes geſehen, aber doch auch eins, das ſo groß
als ein Gaͤnſeey, kugelrund und ganz braun war. Ge-
meiniglich ſind ſie nicht ganz rund, wiewohl ſie auch
nicht ſpitz zugehen.


Man hat in dieſem Lande viele zahme Schlangen.
Die ſogenannten Schlangenbeſchwoͤrer, welches Mala-
baren
ſind, ziehen damit umher, und laſſen ſie fuͤr Geld
tanzen und allerhand Kuͤnſte machen. Dieſe Leute ſtrei-
cheln ſie, nehmen ſie in die Hand und noͤthigen ſie auch
wohl zu beißen. Wenn ſie mit einer kleinen Pfeife
pfeifen, heben die Schlangen den Kopf in die Hoͤhe und
drehen ihn nach einem gewiſſen Tacte hin und her.
Dergleichen Schlangenbeſchwoͤrer durchſtreichen das
Land eben ſo, als in Europa die Leute, welche Baͤren,
Murmelthiere, Affen und dergleichen fuͤr Geld ſehen
und ihre Kuͤnſte machen laſſen.


Skorpionen hat Ceylon in ſehr großer Menge.
Man hoͤrt indeſſen doch ſelten von Ungluͤck, das ſie ver-
urſachen. Wenn es geregnet hat, ſieht man ſie, ſo wie
auch die indianiſchen Aſſeln (Scolopendramo[i]ſitans), aus
ihren Loͤchern hervorkommen, und haufenweiſe in die
Haͤuſer kriechen, wo man die Thuͤren der Hitze wegen
gewoͤhnlich offen ſtehen laͤßt.


Blutigel (Hirudo) ſind in den Waͤldern, beſon-
ders oben an den Bergen, in Menge anzutreffen. Sie
ſind rothbraun, von der Dicke eines Eiſendraths, und
einen Zoll lang. Wenn man da, wo ſie ſich aufhalten,
geht, ſo ſetzen ſie ſich ſogleich an den Fuͤßen feſt, und
ſaugen das Blut aus, wenn man auch zwey baum-
wollene Struͤmpfe uͤbereinander an hat. Graf Ran-
zow
erzaͤhlte mir, ein Europaͤer, an welchem einmal
M 4
[184]Vierte Abth. Zweyt. Abſchn. Zoologiſche ꝛc.
ein ſolcher Blutigel ſich feſtgeſogen, haͤtte ihn abgeriſſen,
daraus ſey ein arger Beinſchade entſtanden, und da
dieſer ſchlecht curirt worden, habe der Mann das Leben
daruͤber eingebuͤßt.


Die Perlenfiſcherey ward vor dieſem in dem zwi-
ſchen der Inſel und der Kuͤſte von Coromandel befind-
lichen Kanale, welcher nicht ſehr tief iſt, und einen ſan-
digen Boden hat, mit Vortheil getrieben. Seit
vielen Jahren aber hat man ſie nicht vornehmen
koͤnnen, weil zwiſchen einem Nabob auf der Kuͤſte
Coromandel und zwiſchen der Compagnie, wegen der
Befugniß zu dieſer Fiſcherey, ein Streit entſtanden iſt,
den, wie man ſagt, die Englaͤnder unterhalten.
Ich habe verſchiedene große und ſchoͤne Perlen
geſehen, die hier gefiſchet worden ſind. Die rei-
chen Kaufmannsfrauen tragen hier auch oft ganze
Schnuͤre großer und kleiner Perlen uͤber den Haaren
als einen ſehr praͤchtigen Kopfſchmuck. Die Perlen-
fiſcherey wurde ehemals allezeit jaͤhrlich an eine oder
mehrere Privatperſonen fuͤr eine gewiſſe Summe Gel-
des verpachtet. Dieſe Paͤchter verpachteten hernach
wieder an andre das Recht, mit einer gewiſſen Anzahl
Boͤte und Leute zu fiſchen. Wenn die Muſcheln von
den Tauchern herauf geholt ſind, werden ſie am Stran-
de in Haufen bey einander gelegt, und auf Gewinn
und Verluſt an Kaufleute, welche zu dieſem Ende da-
hin kamen, verkauft. Man ſagt, daß die Muſcheln
ſich offnen, ſobald das darin befindliche Thier geſtorben
iſt und in Verweſung uͤbergeht, da ſie denn mit leichter
Muͤhe unterſucht, und die Perlen herausgenommen
werden koͤnnen. Manchmal gewann man nichts bey
einem ſolchen Handel, manchmal konnte aber auch eine
einzige Perle mehrere ganze Haufen bezahlen.


[185]

Dritter Abſchnitt.
Vom Kaneel.


Der Kaneel (Zimmt) iſt die vornehmſte Handelswaare,
welche die oſtindiſche Compagnie von dieſer Inſel holt. Er
iſt hier feiner und koſtbarer, als irgendwo ſonſt in der
ganzen Welt.


Aller aͤchte Kaneel wird vom Zimmetbaume (Lau-
rus cinnamomum
) genommen. Dies iſt ein Baum
von mittelmaͤßiger Hoͤhe und Groͤße. Er unterſcheidet
ſich durch ſeine breiteren und nicht ſo ſpitz zugehenden
Blaͤtter von der Caſſine oder dem Mutterlorbeer (Lau-
rus caſſia
), welcher eine groͤbere Art Kaneel giebt, und
nur eine Varietaͤt von jenem zu ſeyn ſcheint. Daß dieſe
beyden Arten Baͤume, die feinern und groͤbern Kaneel
geben, nur Varietaͤten ſind, die vom Klima, und be-
ſonders vom Erdreiche, herruͤhren, iſt um ſo viel glaub-
licher, da ſelbſt Ceylon nicht allenthalben auf der gan-
zen Inſel und in allen Gegenden derſelben gleich guten
Kaneel liefert. Die ſuͤdweſtliche Ecke der Inſel iſt es
allein, welche die feinere Gattung dieſes angenehmen
und ſo herzſtaͤrkenden Gewuͤrzes hervorbringt, und die
Gegenden, aus welchen das meiſte davon geholt wird,
ſind die um Negumbo, Columbo, Kaltere, Barbary,
Gale und Mature, welche alle laͤngs der Seekuͤſte, oder
nicht weit von derſelben liegen. Der Kaneel, wel-
cher aus den tiefer landeinwaͤrts liegenden Gegenden
kommt, iſt allezeit groͤber, dabey dick und ſcharf, und
beißt auf der Zunge.


M 5
[186]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

Die Kaneelbaͤume wachſen ſehr haͤufig und in
großer Anzahl in den Waͤldern, wo ſie ſich ohne Zu-
thun der Kunſt fortpflanzen. Die Europaͤer haben
lange Zeit geglaubt, und auch die Ceyloner haben es
behauptet, daß Baͤume die guten Kaneel geben ſol-
len, allezeit wild wachſen und ſich ſelbſt uͤberlaſſen ſeyn
muͤßten, angepflanzte hingegen weder gedeihen noch
aͤchten Kaneel geben wuͤrden. Wild werden die Baͤu-
me durch die Voͤgel im Lande weiter ausgebreitet; dieſe
freſſen die reifen Beeren, deren Kerne ſie aber nicht
verdauen und ſie folglich in den Waͤldern hie und da
wieder von ſich geben. Jenes Vorurtheil, daß der
Kaneelbaum nicht angepflanzt werden muͤſſe, herrſchte
bis ungefaͤhr 1770, da der Gouverneur Iman Wil-
helm Falk
den Verſuch machte, im Garten bey ſeinem
Landſitze Paß, im Kleinen eine Plantage von Kaneel-
baͤumen anzulegen. Er ließ die Beeren ſaͤen; die jun-
gen Baumpflanzen kamen auch bald zum Vorſchein, und
ſtanden anfangs ſehr gut; nach einiger Zeit aber wur-
den ſie welk, und giengen eine nach der andern aus.
Als man der Urſache hievon genau nachſpuͤrte, fand ſich,
daß die Ceyloner, fuͤr welche das Abſchaͤlen des Kaneels in
den Waͤldern eine eintraͤgliche Sache iſt, die daher das
Pflanzen deſſelben ungern ſahen, und befuͤrchteten,
ihnen moͤchte dadurch mit der Zeit großer Abbruch ge-
ſchehen, (weil das Sammeln des Kaneels in ſolchen
Pflanzungen leichter und bequemer als in den Waͤldern
ſeyn wuͤrde) des Nachts die Pflanzen heimlich mit
heißem Waſſer begoſſen hatten. Ein paar Jahr nach-
her ließ der Gouverneur, den Verſuch wiederhohlen,
und auf verſchiedene Plaͤtze, theils im Kleinen, theils
im Großen, wiederum Beeren ausſaͤen. Dieſer Verſuch
[187]Vom Kaneel.
gelang beſſer; die Pflanzen blieben ſtehen, gediehen und
wurden zu Baͤumen, die ſehr gut fortkommen und ſchon
mehrere Kaneelerndten geliefert haben. In dem einzi-
gen Garten zu Paß allein, ſtehen mehrere tauſend Ka-
neelbaͤume, die ſo guten Kaneel geben als man nur
wuͤnſchen kann. Eben ſo erwuͤnſchten Fortgang haben
ſie durch dieſes Gouverneurs unverdroſſene Bemuͤhung
auch an andern Orten gehabt. Namentlich iſt bey Si-
ruwaka
, an der Grenze zwiſchen dem Gebiethe des Kai-
ſers zu Candy und der Compagnie, ein ſehr großer Ka-
neelgarten angelegt, in welchem man ſchon dreymal Ka-
neel geſchaͤlt hat, wovon auch dies Jahr eine Partey
nach Europa geſchickt wurde. Auch um Kalture und
Mature ſah ich dergleichen Plantagen von anſehnlicher
Groͤße, die vor zwey oder drey Jahren angelegt worden
waren. Dicht vor der Stadt und Feſtung Columbo
ſteht man dergleichen ebenfalls ſchon. Wenn alle dieſe
und mehrere aͤhnliche Pflanzungen einmal in vollkomme-
nem Stande ſind, wird es fuͤr die hollaͤndiſch- oſtindi-
ſche Compagnie ſehr viel bequemer ſeyn, ihren Kaneel
aus Gaͤrten zu hohlen, wo die Baͤume in ordentlichen
Reihen, und keine andre Baͤume und Buͤſche dazwiſchen
ſtehen, als es jetzt iſt, da die Leute, welche ihn ſchaͤ-
len, in dichten Waͤldern weit und breit herum kriechen
muͤſſen, um ihn aufzuſuchen. Dazu kommt, daß des
Kaneels in den Waͤldern ſeit einiger Zeit weniger wird,
ſo daß die Kaneelſchaͤler in verſchiednen Jahren nicht
ſo viel, als ſie ſollten, haben liefern koͤnnen; welches
theils daher ruͤhrt, daß Strecken Landes, die den beſten
Kaneel geben, zu anderm Behuf angewandt, theils
daher, daß die Baͤume in den Waͤldern ohne alle Auf-
ſicht und Wartung geblieben ſind.


[188]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.

Der ſandige Boden iſt fuͤr die Kaneelbaͤume der
zutraͤglichſte. Derjenige Kaneel, welcher in den an der
Seekuͤſte liegenden Sand-Ebenen waͤchſt, die von den
Cingaleſern Marendan genannt werden, wird fuͤr den
beſten und delicateſten gehalten.


Wenn man auf ſolchen Sand-Ebnen die Baͤume
abhauet und hernach alles abbrennt, ſo ſchießen die
Wurzeln wieder in lange, gerade Staͤmme auf, die
unvergleichliche Rinde geben. Von ſolchen jungen
Staͤmmen hat man die ſogenannten Kaneelſtoͤcke, welche
wie Haſelſtoͤcke ausſehen, und deren Rinde wie Kaneel
riecht, ſo oft man ſie reibt. Dergleichen Stoͤcke bekam
ich verſchiedenemal zum Geſchenk, ob es gleich eben
nicht erlaubt iſt, ſie auszufuͤhren.


Die Kaneelblaͤtter haben einen ſtarken Nelkenge-
ruch; die Wurzel hingegen, welche durch Sublima-
tion, Kampfer giebt, riecht ganz wie Saſſafras.


Der Kaneel heißt bey den Cingaleſern allgemein
Kurundu.


Er wird in den Waͤldern zu zwey verſchiedenen
Zeiten im Jahr geſchaͤlt. Das eine heißt die große
Erndte, die vom April bis Auguſt; das andre die
kleine, welche vom November bis Januar waͤhrt. Die
Leute, welche in den Waͤldern die Kaneelbaͤume auf-
ſuchen und die Rinde abſchaͤlen, heißen Kaneelſchaͤler;
in cingaleſiſcher Sprache werden ſie Schjalias genannt.


Eigentlich ſind es die der Compagnie ſelbſt zugehoͤ-
renden Gegenden, wo die Schjalias in den Waͤldern
die Kaneelrinde einſammlen. Doch ſtehlen ſie ſich
auch manchmal in die Waͤlder des Kaiſers, und wohl
[189]Vom Kaneel.
gar bis auf eine halbe Meile an die Stadt Candy heran;
werden ſie aber dabey ertappt, ſo ſchneidet man ihnen
Naſe und Ohren ab.


Jeder Diſtrict oder Dorf in den Laͤndern der Com-
pagnie iſt ſchuldig, jaͤhrlich eine gewiſſe Menge Kaneel
zu liefern, wogegen die Ceyloner daſelbſt ein gewiſſes
Stuͤck Land frey beſitzen, das ſie nach Gefallen bewoh-
nen und benutzen koͤnnen, andrer Vortheile nicht zu
gedenken.


Ueber eine gewiſſe Anzahl Schjalias ſind Leute ge-
ſetzt, welche die Aufſicht uͤber ſie und den Kaneel haben,
und auch berechtigt ſind kleine Vergehungen zu beſtrafen.
Ueber alle zuſammen iſt wieder ein Europaͤer geſetzt, der
ihr Hauptmann oder Oberhaupt, (Hooft der Mahabadde),
im gemeinen Leben auch oft Capteyn Kaneel heißt. Dieſer
nimmt zuletzt allen Kaneel in Empfang, und iſt der Com-
pagnie fuͤr denſelben verantwortlich. Er hat auch das
Recht uͤber ſchwere Verbrechen zu entſcheiden und ſie zu
beſtrafen.


Das Kaneelſchaͤlen wird auf folgende Art ver-
richtet. Zuerſt werden, nach den Blaͤttern und an-
dern Kennzeichen, gute Baͤume ausgeſucht, und ſodann
diejenigen Zweige welche drey Jahr alt ſind, mit einem
gewoͤhnlichen krummen Gaͤrtnermeſſer abgeſchnitten.
Von dieſen abgeſchnittenen Zweigen wird darauf mit ei-
nem andern Meſſer, das eine ſcharfe Spitze hat und
dazu beſonders eingerichtet iſt, die aͤußre duͤnne Haut der
Rinde (Epidermis) abgeſchabt. Dann werden die
Zweige der Laͤnge nach mit der Spitze des Meſſers auf-
geritzt, und mit der weniger ſcharfen Seite deſſelben die
Rinde allmaͤhlig abgeloͤſet, bis ſie ganz abgezogen wer-
den kann. Alsdann werden von der abgeſchaͤlten Rinde
[190]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
mehrere kleine Pfeifen in die groͤßern geſteckt, und zum
trocknen ausgebreitet, da denn die Rinde ſich von
ſelbſt immer mehr zuſammenrollt. Wenn ſie trocken iſt,
werden Buͤndel von dreißig Pfund ſchwer daraus ge-
macht, jedes mit drey duͤnnen Ruthen von Palm-
riet oder Rottang (Calamus Rotang, Palmjuncus) zuſam-
mengeſchnuͤrt, und theils in Boͤten, theils zu Lande,
nach den an mehreren Orten vorhandenen Magazinen
der Compagnie hingeſchaft, dort nach den Dorfſchaften
oder Diſtricten, welche ſie geliefert haben, zuſammen-
gelegt, und mit Matten von Baſt zugedeckt.


In Ruͤckſicht auf die Guͤte des Kaneels giebt es
verſchiedene Arten Kanneelbaͤume; dem Laube nach ha-
ben ſie zwar viele Aehnlichkeit mit einander, doch werden ſie
nicht alle zum Schaͤlen genommen; man ſtellt eine ſorg-
faͤltige Auswahl darunter an. Die Schjalias zaͤhlen fol-
gende zehn Arten: 1) Raſſe Curundu, oder Penni
Curundu, welches ſo viel ſagen will, als Honigkaneel.
Dieſer iſt der beſte und angenehmſte, und der Baum
hat große, breite und dicke Blaͤtter. 2) Nai Curundu
oder Schlangenkaneel, welcher jenem an Wohlgeruch
und vorzuͤglichem Geſchmack am naͤchſten, wiewohl nicht
gleich kommt. Die Blaͤtter ſind auch groß. 3) Ca-
puru Curundu, das heißt Kampferkaneel. Dieſe Sorte
findet ſich nur in den Laͤndern des Kaiſers. Aus der
Wurzel wird Kampfer deſtillirt. 4) Cahatte Curundu,
das iſt zuſammenziehender herber Kaneel. Die Blaͤtter
ſind etwas kleiner als bey den vorhergehenden Gattun-
gen. — Dieſe vier Sorten, welche ſaͤmtlich zu einer
und derſelben Gattung, nemlich vom eigentlichen Zim-
metbaume (Laurus cinnamomum) gehoͤren, ſind nichts
[191]Vom Kaneel.
anders, als einander ſehr aͤhnliche Varietaͤten, welche
die Schjalias nur durch den Geſchmack unterſcheiden.
Sie ſind die einzigen, welche, wenn man guten Kan-
neel haben will, geſchaͤlt werden muͤſſen: — Folgende
Arten hingegen werden gar nicht geſchaͤlt. 5) Saͤwel
Curundu, oder ſchleimiger Kaneel. Die Rinde hat,
wenn man ſie kaͤuet, einen ſchleimigen Nachgeſchmack.
Sie iſt we[i]ch, faſerig, und nicht ſo dicht und feſt, als
bey den uͤbrigen Arten; auch iſt ſie zaͤhe, und laͤßt ſich
leicht beugen, ohne daß ſie gleich bricht. Dies iſt eben-
falls eine Varietaͤt vom eigentlichen Zimmetbaume.
6) Dawul Curundu, welches bedeutet platter oder
Brettkaneel. Er hat den Namen davon, daß er ſich
beym Trocknen nicht kruͤmmt oder zuſammenrollt, ſon-
dern platt bleibt. Dieſe Sorte gehoͤrt zur Caſſine (Lau-
rus caſſia
). 7) Nica Curundu, das iſt Kaneel mit
Blaͤttern, die wie die Blaͤtter von Nicacol, oder Ne-
gundoſtrauch (eine Art Muͤllen, Vitex negundo), aus-
ſehen, nemlich in ſo fern ſie lancettfoͤrmig, oder lang
und ſchmal ſind. — Außer dieſen ſieben Arten zaͤhlt
man noch drey, die ſich vom aͤchten Kaneel merklich un-
terſcheiden. Man kann auch gleich beym erſten Anblicke
ſehen, daß ſie mit Recht nicht zu den Kaneelbaͤumen ge-
rechnet werden duͤrfen. Hievon habe ich nur eine Sorte,
nemlich die ſogleich folgende geſehen. Die uͤbrigen ſind
ſehr ſelten, und werden nur in den Laͤndern des Kaiſers
gefunden. — 8) Caturu Curundu, das bedeutet Dorn-
kaneel. Dieſer iſt von einem ganz andern Geſchlechte,
als jene andere Arten. Die Rinde hat auch nicht den
geringſten Kaneelgeſchmack, ſo wie die Blaͤtter mit jenen
keine Aehnlichkeit, und die Zweige ſind mit Zacken oder
Stacheln beſetzt. 9) Mal Curundu, Blumenkaneel,
[192]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
und 10) Tompat Curundu, Kleekaneel, weil die Blaͤt-
ter ſich gegen die Spitze in drey Lappen theilen.


Vor der jedesmaligen Abſendung von hier muͤſſen
die Wundaͤrzte, ſowohl der zu Columbo anſaͤßige als
die anweſenden Schiffschirurgi, den Zimt genau un-
terſuchen und dafuͤr einſtehen, daß er aͤcht, fein und un-
verdorben iſt. Zu dem Ende nimt man aus jedem
Bunde einige Stangen heraus und kaͤuet ihn, weil der
Geſchmack die ſicherſte von allen Proben giebt; allein
dies iſt ein ſehr unangenehmes Geſchaͤft, weil der Kaneel
von der Zunge und den Lippen allen Schleim, mit dem
dieſe Theile uͤberzogen ſind, wegnimmt, und hernach
einen brennenden Schmerz verurſacht, der unertraͤglich
iſt, und endlich hindert fortzufahren. Zu einiger Lin-
derung muß man zwiſchenher ein Butterbrod eſſen, wo-
durch der Schmerz einigermaaßen gemildert wird,
aber trotz dieſem Huͤlfsmittel haͤlt man doch ſelten zwey
oder drey Tage nach einander dabey aus. Die Kenn-
zeichen des feinen Kaneels ſind folgende: 1) Daß er
duͤnne und etwas biegſam iſt; gewoͤhnlich muß er ſo dick
oder etwas dicker als Rojalpapier ſeyn. 2) Daß er
hell und gelblich von Farbe, etwas ins Braͤunliche fal-
lend iſt. 3) Daß er ſuͤßlich ſchmeckt und zugleich
nicht ſtaͤrker iſt, als daß man ihn ohne brennende
Empfindung im Munde ertragen kann, und daß er
keinen Nachſchmack zuruͤck laͤßt. Je mehr der Kaneel
von dieſen Kennzeichen abweicht, deſto groͤber und ſchlech-
ter iſt er; nemlich wenn er hart und von der Dicke eines
Speciesthalers iſt; wenn er ſehr dunkel oder braun iſt;
wen er ſtark auf der Zunge prickelt oder brennt, und da-
bey einen den Gewuͤrznaͤgelein aͤhnlichen Geſchmack hat,
und bey mehrmaligem verſuchen einen empfindlichen
Schmerz
[193]Vom Kaneel.
Schmerz im Munde verurſacht, und den Schleim auf
der Zunge wegbeitzt; endlich daß er einen herben
und barſchen Nachgeſchmack zuruͤcklaͤßt. Nach dieſen
Kennzeichen wird der Kaneel vor der Verſchiffung
beurtheilt.


Einmal mußte ich nebſt verſchiedenen andern Aerz-
ten eine Partey Kaneel unterſuchen, die der Koͤnig von
Candy geliefert hatte. Wir fanden, daß er zur Haͤlfte
mit ſchlechtem vermiſcht, untauglich, von ſchlechtem
Geſchmack und unaͤcht war. Der beſte, welchen man
herausfinden konnte, wurde nach Batavia geſandt.
Eben ſo unterſuchten wir zu Columbo einige Buͤndel Ka-
neel, von einer vor einiger Zeit gepflanzten Sorte, wel-
che im Jahr 1775 zur Probe nach Europa geſchickt
wurden. Allein man hat hernach in Europa bey An-
kunft dieſes Kaneels gefunden, daß er den Geſchmack
nicht hatte, den er haben mußte, obgleich wir ihn hier
zu Columbo, als er eingeſchifft werden ſollte, fuͤr fein und
gut erklaͤrten. Der Geruch iſt zwar fein und angenehm
geweſen; Geſchmack aber hat er ſehr wenig und faſt gar
nicht gehabt. Vermuthlich hat er ihn aber unter-
wegs verloren, und das iſt aller Wahrſcheinlichkeit
nach davon hergekommen, daß in den jungen Zweigen,
deren Wurzel nicht aͤlter als drey Jahr war, das Oel zu
fluͤchtig und nicht concentrirt genug ſeyn mochte; dreyjaͤh-
rige Zweige ſind zwar zum Schaͤlen brauchbar, aber Wur-
zel und Stamm muͤſſen doch einige Jahr aͤlter ſeyn. Auch
war beym Einpacken und beym Transport ein Fehler
begangen, der vieles, wenn nicht alles, dazu beygetragen
hat, daß der Geſchmack verſchwunden war. Die Buͤn-
del waren nemlich nur in einfache Saͤcke gepackt, und in
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. N
[194]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
die Kajuͤte gelegt; gewoͤhnlich aber packt man ihn in zwey
Saͤcke, oder legt ihn zwiſchen Pfeffer. Die folgenden
Jahre wurden von derſelben Sorte an ſieben und vierzig
Bund nach Europa geſchickt.


Wenn die Schiffe fertig ſind den Kaneel einzu-
nehmen, und die Unterſuchung geſchehen iſt, wird er
eingepackt. Jedes Bund wird alsdenn ungefaͤhr 4 Fuß
lang gemacht und abgewogen; es muß 85 Pfund netto
wiegen, ob es gleich nur zu 80 Pfund angeſchrieben und
berechnet wird, weil man 5 Pfund auf das Eintrocknen
auf der Reiſe rechnet. Darauf wird jedes Bund mit
Stricken feſtgeſchnuͤrt, und in einen doppelten Sack
oder zwey Saͤcke uͤber einander eingenaͤhet, welche mit
der Pfundezahl und dem Orte, wo die Einpackung ge-
ſchehen, bemerkt werden. Die Saͤcke duͤrfen nicht von
Leinwand oder Segeltuch, ſondern es muͤſſen wollene
Saͤcke ſeyn, oder ſolche, die in Indien Gunjeſakken
heißen, und dem Kaneele waͤhrend des Transports nicht
ſchaden. Es wird auch wohl uͤber den Sack eine Kuh-
haut genaͤhet. Am Bord des Schiffes wird uͤber die
Zimmtſaͤcke ſchwarzer Pfeffer hergeſchuͤttet, um alle
Zwiſchenraͤume und Loͤcher auszufuͤllen. Der Pfeffer,
welcher trocken und heiß iſt, zieht auf der Reiſe die Feuch-
tigkeit des Kaneels an ſich, und man hat gefunden, daß
dieſer letztere dadurch nicht nur ſeine Guͤte behaͤlt, ſon-
dern ſogar noch ſtaͤrker wird.


Den 6ten November wurden 300 Ballen Kaneel
eingeſchifft, wovon ein Theil aus den Plantagen war.
Nach einigen Tagen geſchah daſſelbe mit noch andern
320 Ballen.


[195]Vom Kaneel.

Wenn der Kaneel zu Columbo einballirt iſt,
wird mit Deſtillirung des Kaneeloͤls angefangen. Die-
ſes Oel, das koſtbarſte und vorzuͤglichſte von allen
Oelen, wird nirgend, als in der Apotheke der Com-
pagnie zu Columbo, und zwar von denjenigen Stuͤcken
Kaneel die beym Einpacken abbrechen oder ſonſt ab-
fallen, deſtillirt. Dieſe kleinen Stuͤcke werden ſorg-
faͤltig zuſammengeleſen, in große Gefaͤße, in jedes ge-
woͤhnlich hundert Pfund, gelegt, und alsdenn ſo viel
Waſſer darauf gegoſſen, daß alles damit wohl bedeckt iſt.
In dieſem Waſſer bleibt der Kaneel ganze ſechs bis
acht Tage liegen, damit er macerire. Das ganze wird
darauf nach und nach in eine kupferne Deſtillierpfanne
gegoſſen, und bey gelindem Feuer abgetrieben. Das
Waſſer, welches man Kaneelwaſſer (Aqua Cinnamomi)
nennt, geht alsdenn ganz weiß, beynahe milchfarbig,
nebſt dem Oele uͤber, welches letztere in der untergeſetz-
ten ofnen Glaskugel oben auf fließt. Alle vier und
zwanzig Stunden wird ein Gefaͤß abgeliefert. Waͤh-
rend der ganzen Deſtillationszeit ſollen zwey Mitglieder
des Juſtizraths als Commiſſarien, einer um den an-
dern gegenwaͤrtig ſeyn; dies geſchieht aber nicht, ſon-
dern ſie kommen gewoͤhnlich nur jedesmal hin, wenn
das Oel vom Waſſer abgeſondert wird. Das Oel
wird alsdann in eine Flaſche gegoſſen, welche die Com-
miſſarien verſiegeln und in einem Kaſten verwahren,
der ebenfalls von ihnen verſiegelt wird. Auf dieſe Art
kann der Apotheker nicht dazu kommen etwas zu ſtehlen,
wofern er ſich nicht aus dem Recipienten etwas nimmt,
ehe die Commiſſarien ankommen. Ich wandte viel
Muͤhe an, zu erfahren, wie viel Oel man von hundert
Pfund bekommt, aber allezeit umſonſt, weil es gegen
das Intereſſe des Apothekers iſt, es kund werden zu
N 2
[196]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
laſſen. So viel iſt indeſſen gewiß, daß der Kaneel in
Verhaͤltniß mit andern Specereyen nicht viel Oel giebt,
und daß man aus dieſer Urſach keinen ſonſt brauchba-
ren Kaneel, ſondern nur die kleinen Stuͤcke und den Ab-
fall, der nicht nach Europa geſchickt werden kann, dazu
nimmt. Die Unze Oel wird hier an Ort und Stelle
fuͤr 9¾ hollaͤndiſche Thaler verkauft. Er iſt alsdenn
blaßgelb von Farbe, mithin nicht dunkelbraun, wie er
von dem dicken Kaneele gewoͤhnlich wird.


Die uͤbrigen Theile des Kaneelbaums, auſſer der
Rinde, taugen weder zu Kaneel noch zu Oel. Das
Holz iſt poroͤs und ziemlich ſchoͤn. In Bretter geſaͤgt
wird es bisweilen zu Coffer und dergleichen gebraucht;
allein ſein Geruch ſichert es nicht vor Wuͤrmern.


Vierter Abſchnitt.
Andere botaniſche Nachrichten, beſonders von
der Brodfrucht.


Die Brodfrucht, welche in den warmen Laͤndern ſo
vielen tauſend Menſchen zur Nahrung dient, waͤchſt
auch auf dieſer Inſel im Ueberfluß, und wird ver-
ſchiedene Monat im Jahr zur taͤglichen Nahrung ge-
braucht.


Es giebt zwey Arten Baͤume, welche dieſe Frucht
hervorbringen, und beyde werden hier, ſowohl wild
als gepflanzt, angetroffen. Die eine Art, welche kleine
Frucht ohne Saamen enthaͤlt, fand ich um Columbo,
Gale und an mehreren Orten; ſie heißt hier eigentlich
maldiviſche Syrſak, und wird nicht uͤberall gebraucht.
Die andere waͤchſt hier haͤufiger, hat groͤßere Frucht
[197]Von der Brodfrucht.
und wird mehr geſucht. Die Fruͤchte der erſteren wer-
den ſo groß wie ein Kindeskopf, und dieſe Art muß
durch Wurzeln fortgepflanzt werden. Die Fruͤchte
der letzteren hingegen wiegen dreyßig bis vierzig Pfund,
und haben zwey bis dreyhundert Saamenkerne, deren
jeder viermal groͤßer als eine Mandel iſt; dieſe laſſen
ſich durch die Kerne fortpflanzen. Die Baͤume von
beyden Gattungen ſind mit einem harzartigen Milch-
ſafte angefuͤllt, der ſo zaͤh iſt, daß man damit, wie
mit Vogelleim, Voͤgel fangen kann. Die Frucht iſt
uͤber und uͤber ſtachlicht, und hat eine dicke und weiche
Schaale. Von der Frucht ſelbſt wird nur das Inwen-
dige zur Nahrung fuͤr Menſchen, die Schaale aber fuͤr
die Schweine gebraucht. Sie hat einen unangeneh-
men Leichengeruch, und ſchmeckt beynahe wie Kohl.
Die Baͤume werden hundert Jahr alt, und tragen ſo-
wohl am Stamme ſelbſt, als an den dickſten Zweigen,
ganze acht Monate hindurch zu unſchaͤtzbarem Nutzen
der Einwohner, ihre Fruͤchte, die eine nach der andern
reif werden.


Die Benutzung und verſchiedene Zubereitung der
groͤßern Sorte Brodfrucht, welches eigentlich die iſt,
die auf Ceylon uͤberall gebraucht wird, iſt folgende.
Nach dem ungleichen Alter der Frucht, in welchem ſie
zur Nahrung genutzt wird, bekommt ſie von den Cei-
lonern drey verſchiedene Namen. Pollos heißt ſie,
wenn ſie zu der Groͤße eines Straußeneyes gediehen,
und einen oder anderthalb Monat alt iſt; Herreli,
wenn ſie halbreif und von der Groͤße einer Kokosnuß
iſt, das Fleiſch iſt alsdenn noch weislich und milchartig.
In dieſen beyden Altern kann ſie nicht ohne vorgaͤngige
Zubereitung gegeſſen werden. Wenn ſie voͤllig reif iſt,
bekommt ſie den Namen Warreka. Das Fleiſch iſt
N 3
[198]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
alsdann genießbar, und das, was um die Kerne ſitzt,
iſt etwas ſuͤß, ſieht gelb aus, laͤßt ſich ohne Zuberei-
tung eſſen, und hat einen angenehmen Geſchmack.
Brodfrucht hat man ſie deswegen genannt, weil der
aͤrmere Theil der Einwohner, auf Ceylon ſowohl als in
andern indiſchen Laͤndern, ſie ſtatt Brodts oder Reißes
ißt. Ich habe oft die Leute dieſe Frucht, fein zerſchnitten
entweder mit geraſpelten Kokoskernen allein, oder mit
etwas Reis dazu, auch wohl mit ſpaniſchem Pfeffer,
Salz oder Zwiebeln eſſen geſehen. Die Kerne koͤnnen
entweder, wie Kaſtanien, fuͤr ſich allein, oder mit dem
Fleiſche, auf verſchiedne Art zugerichtet, gegeſſen wer-
den. Man iſſet ſie ſowohl gekocht als gebraten; die
Armen eſſen ſie meiſtens gekocht, mit geraſpelten Ko-
koskernen und Salz. Die Reichen fuͤllen Gaͤnſe und
anderes Federvieh, auch Ferkel, wenn ſie Braten da-
von machen wollen, damit.


Man macht hier zu Lande nicht weniger, als
funfzehn unterſchiedne Gerichte von der Brodfrucht.
Eins derſelben heißt Currii Caldu; dies wird von Pol-
los gemacht, die in feine Scheiben geſchnitten werden,
welche man zuerſt in Waſſer mit Gurkumey etwas
kocht, bis ſie gelb geworden ſind. Darauf wird von
gedoͤrrten und zerſtoßenem Fiſche, ſo viel man zwiſchen
den Fingern faſſen kann, und ein halbes Maas Kokos-
milch hinzugethan, und alles zuſammen unter ſtetem
Umruͤhren aufs Neue eine halbe Stunde gekocht.
Dieſe Suppe wird am haͤufigſten gegeſſen, und nicht
ſelten wird Bruͤhe von mehrern Fleiſcharten dazu ge-
nommen. — Currii Seco unterſcheidet ſich von je-
nem dadurch, daß zu dieſem mehr Gewuͤrze und an-
dere Zuthaten kommen, als gebrannte, zerſtoßene Ko-
kosnuß, Koriander, Pfeffer, Cantel, Muſkatblu-
[199]Von der Brodfrucht.
men, Salz, gekochter und in kleine Wuͤrfel geſchnit-
tener Speck und Kokosmilch, welches alles wohl durch-
einander gemiſcht und eine halbe Stunde in Waſſer
gekocht wird. Hernach werden Zwiebeln, die vorher
in Butter gebraten worden, Citronenſaft, bisweilen
ſpaniſcher Pfeffer und Salzlake dazugethan alles gut
durcheinander gemengt und zu einem dicken Muſe
gekocht. — So wie das erſte Gericht, wird auch ein
drittes, das die Ceyloner Pollos Tjundido nennen,
zurecht gemacht, aus zerſchnittenen Pollos oder Her-
reli, mit Gurkumey, geraſpelten Kokos, ſpaniſchen
Pfeffer, in Stuͤcke geſchnittnen Zwiebeln und Salz,
welches uͤber gelindem Feuer zu einem dicken Brey ge-
kocht wird. — Man kocht auch die Kerne, nachdem
ſie in lange ſchmale Streifen entzweygeſchnitten worden,
mit Gurkumey in Waſſer, und thut getrockneten Fiſch,
zerſchnittenes Graslauch und Kokosmilch hinzu, wel-
ches in dieſer Miſchung zuſammen gekocht und beſtaͤn-
dig umgeruͤhrt wird. Dies Eſſen heißt Kaſtanie Cur-
rii. — Dieſem iſt ein anderes ſehr aͤhnlich, das man
Niembela nennt, nur mit dem Unterſchiede, daß die
Pollos oder Herreli, ſehr grob geſchnitten werden. —
Die Frucht wird auch wohl mit Speck gebraten. Man
nimmt alsdann grob geſchnittne unreife Frucht, ge-
ſchnittenes Graslauch, gekochten und in Wuͤrfel ge-
ſchnittenen geſalzenen Speck, Muſkatblumen, Kaneel
und Salzwaſſer, kocht dies zuſammen, und ſchuͤttelt
es fleißig um. — Die reife Frucht mit Kernen und
Haut in drey oder vier Theile geſchnitten, mit Gurku-
mey und Salz gekocht, iſt ein gewoͤhnliches Eſſen ge-
ringer Leute. Sie wird alsdann ohngefaͤhr wie geſtobter
Kohl, mit geraſpelten Kokos gegeſſen. Wer es beſſer
haben kann, thut ſpaniſchen Pfeffer und etwas von
N 4
[200]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
gedoͤrrtem Fiſch hinzu. — Gebratne Pollos werden
folgendermaßen zugerichtet; man ſchneidet die unreife
Frucht in duͤnne Scheiben, ruͤhrt Kokosmilch mit [et-
was]
Mehl zu einem Teige durch einander, tunkt
die zuſammengewickelten Pollosſcheiben in dieſen
Teig und bratet ſie hernach in einer Pfanne mit fri-
ſchem Kokosoel. — Wenn zu dieſen gebratnen
Scheiben zerſchnittenes Lauch, getrockneter Fiſch, zer-
ſchnittne und gebratne Zwiebeln und pulveriſirter Ka-
neel gethan, das Ganze bey gelindem Feuer in einem fla-
chen Geſchirre unter beſtaͤndigem Zugieſſen von Kokos-
milch, gekocht wird, ſo heißt das Gericht Empade. — Fri-
kadellen werden von Pollos ſo gemacht, daß die Frucht
unreif gekocht und zu Brey geſtampft und zerſchnitne
Zwiebeln, Kaneel, Pfeffer, Muſkaten, Saltz, ge-
ſtoßner Weizenzwieback, nebſt dem Gelben vom Ey
dazu gethan wird. Dies ruͤhrt man gut durcheinander,
macht Kloͤße davon, rollt ſie in Eyweiß, daß ſie zu-
ſammenhalten, braͤt ſie in Butter, oder auch wohl in
Butter und Kokosoͤl zugleich, bis ſie braun werden;
zuletzt gießt man eine Bruͤhe von Butter, fein geſtoß-
nem Kaneel, Pfeffer, Salz und Zitronenſaft daruͤ-
ber. — Von den Kernen und den fleiſchartigen Haͤu-
ten derſelben, macht man bisweilen auch Konfect.
Man ſchneidet alsdann die Haͤute, welche die Kerne
umgeben, in zwey oder drey Stuͤcke, und braͤt ſie in
friſch ausgepreßtem Kokosoͤle. Das Oel wird hernach
mit einem Handtuche wohl abgewiſcht, und die gebrat-
nen Haͤute in ein Sieb gelegt, damit das Oel noch
beſſer ablaufen moͤge; darauf werden ſie in Syrup ge-
kocht, getrocknet und in glaͤſerne Flaſchen, die aber
wohl zugepfropft werden muͤſſen, aufbewahrt. Dieſer
Confect haͤlt ſich mehrere Monate und wird zum Thee
[201]Von der Brodfrucht.
gegeſſen. Die Kerne werden auch, nachdem die flei-
ſchigen Haͤute abgeloͤſet, und die Kerne wohl gereini-
get ſind, in Oel gebraten und auf gleiche Art in Sy-
rup gekocht, aufbewahrt, und ebenfalls zum Thee ge-
geben; man kann auch die Flaſchen oben mit Syrup
vollgieſſen, und ſie ſodann ein ganzes Jahr aufbewah-
ren. — Wenn man reife Kerne in Kokosmilch mit
dem Gelben vom Ey zu einer klebrigten Maſſe gemacht,
tunkt, und in friſchem Kokosoͤl braͤt, ſo wird dies Ge-
richt Fios genannt. — Auch Pfannkuchen werden
von der Brodfrucht gebacken; man ruͤhrt Suryſaft,
Kokosmilch, getrocknetes Mehl von den Kernen, und
Eydotter zuſammen, und laͤßt den Teig die Nacht uͤber
ſtehen, daß er gaͤhrt. — Was die Ceyloner Pei oder
Jambal nennen, iſt ehe eine Sauce, als ein Gericht.
Es wird auch nur zu andern Gerichten, zum Exempel
zu Fiſchen, Reis und dergleichen, gebraucht. Man
nimmt gekochte unreife Frucht, Senf und Gurkumey
dazu, welches jedes fuͤr ſich erſt zu einem Brey ge-
ſtoßen, und hernach mit Eßig wohl durch einander ge-
mengt wird. Einige thun auch ſpaniſchen Pfeffer,
Ingwer und Salz, vorher wohl zerſtoßen und zuſam-
mengemiſcht, dazu. — Endlich trocknet man die
Frucht auch wohl, um ſie fuͤr die Monate, da man
ſie nicht friſch haben kann, aufzubewahren. Man
pfluͤckt zu dieſem Ende die Frucht, wenn ſie halb reif iſt,
vom Baume, nimmt das Fleiſchartige heraus, und
laͤßt ſie dabey entweder ganz, oder ſchneidet ſie in
Stuͤcken. Darauf wird ſie ein wenig gekocht, und
ſodann an der Sonne gedoͤrret. Hernach haͤngt man
ſie entweder im Schornſteine oder an einem andern
trocknen Ort auf. Vermittelſt dieſer Zubereitung haͤlt
ſie ſich das ganze Jahr uͤber, und die Armen eſſen ſie
N 5
[202]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
mit geraſpelten Kokos, entweder ſo trocken, oder noch
einmal gekocht.


Ich bemuͤhete mich von den Baͤumen dieſer ſo
nuͤtzlichen Frucht einige lebendig mit nach Europa zu
bringen. In dieſer Abſicht ſammelte ich von der klei-
nern Art, die keine Saamenkerne hat, ungefehr funf-
zig lebendige Wurzeln, die ich in einen großen Bret-
terkaſten pflanzte, hatte auch das Vergnuͤgen, nach
Verlauf einiger Wochen, ſie ausſchlagen und friſch wach-
ſen zu ſehen. Von der groͤßern Art ſammelte ich mehrere
hundert Kerne, wovon ich in einem andern großen
Kaſten uͤber hundert ſaͤete, die bald aufgiengen, und
ſehr gut fortkamen. Die uͤbrigen Kerne verwahrte
ich unterwegs auf verſchiedene Art, damit ſie nicht ver-
trocknen, ranzig werden, oder auf andre Weiſe ver-
derben moͤchten. Einige wickelte ich bloß in Papier,
legte ſie in einen Kaſten, und brachte ſie unterwegens
verſchiedene mal an die freye Luft; andre legte ich in
große glaͤſerne Flaſchen, die ich ſorgfaͤltig vermachte;
ſehr viele umklebte ich mit Wachs, um die Luft davon
abzuhalten; andere legte ich in trockenen Sand, und
wieder andere legte ich auf der Reiſe, monatlich einige,
in die Erde, damit ſie nach und nach aufgehen moͤchten.


Allenthalben laͤngſt der ganzen Kuͤſte ſieht man
Kokoswaͤlder, die ſich von Negumbo bis jenſeit Mature
erſtrecken und eine unzaͤhlige Menge Baͤume enthalten,
von deren Fruͤchten ebenfalls die Einwohner dieſes Lan-
des unglaublichen Nutzen haben. Die Waͤlder gehen
jedoch nicht ins Land hinein, ſondern halten ſich am
Strande, und lieben ſandigen Boden, und die See-
luft. Die Kokosbaͤume wachſen ſogar nicht ſelten ſo
nahe am Strande, daß ſie ſich ganz uͤber das Waſſer
neigen, und oft ſtehen ſie in ſo kahlem Sande, daß da
[203]Von den Kokosnuͤſſen
nicht ein einziger Halm Gras wuͤrde wachſen koͤnnen.
Die Blaͤtter dieſes Baums bindet man um den Stamm,
und bedient ſich ihrer alsdann ſtatt einer Leiter, um
hinauf zu ſteigen, und die Fruͤchte abzunehmen. Auch
ſah ich an verſchiedenen Orten einen Strick zwiſchen
zwey Baͤumen befeſtigt, auf welchem die Ceyloner von
dem einen Baum zum andern gehen. — Die Kokosnuͤſſe
ſind bekanntlich die taͤgliche Nahrung der Indier.
Naͤchſt dieſem Gebrauch preßt man aber auch eine
große Menge Oel daraus. Die Nuß wird zu dem
Ende, ſo wie ſie vom Baume kommt, zwiſchen zwey
Cylindern zerquetſcht. So lange das Oel friſch iſt, iſt
es ſehr milde, und wird ſowohl von den Europaͤern,
als von den Indianern ans Eſſen, in den Lampen, und zu
anderm Behufe gebraucht. Aus der faſerigen Be-
kleidung, welche die Nuͤſſe umgiebt, werden uͤberall
Taue und Seile, ſelbſt zum Gebrauch auf den Schif-
fen gemacht, und zwar, welches ich nicht fuͤr moͤglich
gehalten hatte, dicke Kabeltaue fuͤr die hollaͤndiſchen
Schiffe. Die Staͤmme ſelbſt gebraucht man hier beym
Waſſerbau zu Pfaͤhlen, und man verſicherte mich, daß
ſie hundert Jahre ausdauern koͤnnen ohne zu faulen,
wiewohl mir dies kaum glaublich ſcheint.


Maldiviſche Kokosnuͤſſe, oder ſogenannte See-
kalappen (Zeekalappers) bekommt der hieſige Gouver-
neur nebſt andern Geſchenken, durch Abgeordnete, all-
jaͤhrlich von den maldiviſchen Inſeln zugeſchickt. Sie
haben mit den gewoͤhnlichen Kokosnuͤſſen große Aehn-
lichkeit, der Kern aber, wird als ein wirkſames Ge-
gengift, und als ein gutes Arzeneymittel gegen die rothe
Ruhr, die fallende Sucht und den Schlagfluß geruͤhmt;
man nimmt ein halbes bis zum ganzen Quentchen da-
von ein. Im Garten des Gouverneurs zu Paß, ſah
[204]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
ich einen ſolchen Kokosbaum. Er war aus einem von
den maldiviſchen Inſeln gekommenen Kerne, den man
in die Erde geſteckt hatte, gezogen, und gut fortge-
kommen. Er war jetzt im dritten Jahre, und hatte
nur drey Blaͤtter. Die Nuß hatte acht Monathe in
der Erde gelegen, ehe das erſte Blatt hervorkam.


In dieſem Garten fand ich auch einen Arekbaum
oder Arekapalme, die ſehr hoch, aber ungewoͤhnlich
duͤnn, und, welches etwas ganz beſonderes iſt, in
zwey Zweige vertheilt war, deren jeder ſeine Blaͤtter-
krone hatte.


Die Melanzanaͤpfel (Solanum melangena) wer-
den ſowohl von Indiern als Europaͤern haͤufig gegeſſen.
Man ſchreibt ihnen zugleich die Kraft zu, den Urin zu
treiben, und die Blaſenſteine aufzuloͤſen.


Die Frucht, welche man Tjeremelle nennt, wird
im October und November reif; ſie wird geſalzen
gegeſſen.


Die Marmellen werden ebenfalls im October reif.
Das Inwendige dieſer Frucht wird ſowohl mit als ohne
Zucker gegeſſen. Sie iſt ſehr ſchleimigt, daher die
Hollaͤnder ſie auch Slym Appels (Schleimaͤpfel) nennen.


Die Bolangen werden reif mit etwas Zucker, un-
reif mit Salz gegeſſen. Sie ſind von der Groͤße einer
Apfelſine.


Panningai, iſt die Frucht eines Palmbaums,
der beſonders um Jafna in großer Menge waͤchſt.
Sie iſt laͤnglich, mondfoͤrmig, von Farbe beynahe wie
ein Piſang, aber vielmal groͤßer. Sie ſchließt zwey,
drey, und wohl noch mehr ganz harte Nuͤſſe in ſich.
Gehoͤrig zubereitet ſchmekt ſie dem, welcher gewohnt
iſt, ſie zu eſſen, ſuͤßlich, wer aber nicht daran ge-
woͤhnt iſt, dem iſt ſie ſehr unangenehm. Beym Auf-
[205]Botaniſche Nachrichten von Ceylon.
machen ſtinkt ſie. Wenn die Nuͤſſe geſteckt, und die
Herzblaͤtter aufgeſchoſſen ſind, wird ſie unterwaͤrts
abgeſchnitten, und entweder gekocht mit Salz und
Reis, oder allein gegeſſen, auch wohl zu Mehl ge-
ſtampft, das wie anderes Mehl, beſonderes aber zu
Fiſchſuppen, gebraucht wird. Man kann ſie auch
getrocknet aufbewahren. Vom May bis zum Schluß
des Jahres, koͤnnen dieſe Fruͤchte gegeſſen werden, und
ſie machen die vornehmſte Speiſe der Malabaren aus.


An den Baͤchen und an anderm Gewaͤſſer in der
Gegend von Columbo, traf ich haͤufig die Barringtonie
(Barringtonia) an; ſie hat große ſchoͤne Blumen, welche
das Eigne haben, daß die Staubfaͤden gar nicht her-
ausfallen. — Auch wachſen hier die juckenden Fa-
ſolen, (eine Art Bohnen, Dolichos pruriens) in Menge.
Sie haben rauhe Schoten, und das Rauhe ſetzt ſich,
wenn man ſie angreift, an die Haͤnde, und verurſacht
einen heftig brennenden Schmerz, den man mit Oel
oder Decoct von Reis vertreibt. Die Bohnen ſollen
gegen die Wuͤrmer gut zu gebrauchen ſeyn. — Fer-
ner fand ich hier zwey Arten von der Klapperſchote
(Crotolaria) naͤmlich die bohnenbaumblaͤttriche (labur-
nifolia
) und die ſtumpfblaͤttriche (retuſa) an. Auf cin-
galeſiſch heißen ſie Jacheri. Sie haben gelbe Blu-
men. —


Man hat zum Theil geglaubt, dies Gewaͤchs ſey
die ſogenannte Co umbowurzel (Radix Columbo), die
man ſeit einigen Jahren nach Europa bringt, und als
ein gutes Arzeneymittel empfiehlt. Dieſe kann aber
weder die Klapperſchote noch der Fiſchkoͤrnermohnſaa-
men (Meniſpermum cocculus) ſeyn. Die Wurzel hat
ihren Namen von der Stadt Columbo, von wo ſie
zu Schiffe nach Europa kommt. Aber ſo viel man
[206]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
weiß, findet ſie ſich weder in der Gegend dieſer Stadt, noch
auf der ganzen Inſel, ſondern ſie wird von der malaba-
riſchen Kuͤſte hieher gebracht; die Klapperſchote iſt ein
annuelles Gewaͤchs, deſſen Wurzel daher keine medici-
niſche Kraft beſitzen kann. Der Fiſchkoͤrnermohnſaa-
men iſt ein in den Waͤldern allenthalben wachſendes
Rankengewaͤchs, deſſen Wurzel ich verſchiedne mal
habe ausgraben laſſen; ich fand aber keine Aehnlichkeit
mit der Columbowurzel, weder im Geſchmack, noch
in der Groͤße, noch im aͤußern Anſehen; vielmehr iſt ſie
ſehr duͤnne und lang, und hat erhobne Streifen.


Die weitſchweifige Boerhaavie (Boerhavia dif-
fuſa
) wird hier Jan Lopes genannt. Man muß ſie
aber nicht mit der Lopeswurzel (Radix Lopes) verwech-
ſeln. Dieſe letztere wird von der malabariſchen Kuͤſte
hieher gebracht; dies Jahr wurden fuͤr Rechnung der
Compagnie ungefehr dreyhundert Pfund davon nach
Europa geſchickt.


Die Moringawurzel (Radix Moringa) mit langem
Pfeffer (Piper longum) geſtoßen wird, wie bey uns
Senfteich, aufgelegt, um Blaſen zu ziehen.


Sacſanda und Jermus ſind zwey unter den cey-
lonſchen Aerzten ſehr beruͤhmte Gewaͤchſe. Sie ſind
in mehreren Ruͤckſichten verſchieden. Das erſtere iſt
die oſtindiſche Oſterluzey (Ariſtolochia indica) deren
Wurzel in Branntwein gelegt bitter iſt, den Magen
ſtaͤrkt und die Blaͤhungen vertreibt. Das letztere
waͤchſt in Ueberfluß, ſowohl in den Sandebnen bey Co-
lumbo
, als um Mature und andrer Orten. Die Ge-
ſtalt deſſelben zeigt hinreichend, daß ſie zu der Ord-
nung der Contortae gehoͤrt, und aller Wahrſcheinlich-
keit nach eine Gattung der Schlingen (Periploca) iſt,
welche eine giftige und reinigende Wurzel haben.


[207]Botaniſche Nachrichten von Ceylon.

Man hat auf Ceylon auch eine Art Ipecacuanha,
welche die Einwohner Binnuge nennen. Die Wurzel
iſt ein ſehr gutes Brechmittel, aber von der amerikani-
ſchen ſehr unterſchieden. Man ſoll ſie in den Hoſpitaͤ-
lern zu Columbo, Gale, Mature und Jafna mit
Nutzen gebraucht haben. Die Doſis davon muß et-
was groͤßer, als von der gewoͤhnlichen ſeyn. Man
zeigte mir zwey Arten, die eine iſt weiß und heißt
Elle Binnuge; die andere ſieht roth aus, und heißt
Rat Binnuge. Dieſe letztere wird fuͤr die beſte ausge-
geben; die weiße iſt fein und etwas faſerig, die rothe
etwas dicker. Beyde ſind ebenfalls Gattungen der
Schlingen, und kriechen entweder auf den Sandebnen
fort, oder ſchlaͤngeln ſich an den Buͤſchen hinauf,
welche in dem lockern Sandboden wachſen.


Der Stinkbaum, bey den Hollaͤndern Strunt-
hout
(Struntholz), bey den Ceylonern Urenne, alles
Namen, die dieſem Baume von ſeinem widrigen Ge-
ruche gegeben ſind, waͤchſt auf Ceylon haͤufig. Der
Geruch, welcher ſich in dem dicken Holze und den
großen Zweigen aufhaͤlt, iſt dem von Menſchenkoth ſo
aͤhnlich, daß man nicht den geringſten Unterſchied mer-
ken kann. Wenn das Holz geraſpelt, und die Spaͤne
mit Waſſer angefeucht werden, iſt der Geſtank ganz
unertraͤglich. Demungeachtet gebrauchen die Ceylo-
ner es innerlich als ein heilſames Mittel: Fein geſchabt
und mit Citronenſaft vermiſcht, nehmen ſie es, als
eine blutreinigende Arzney gegen die Kraͤtze, und an-
dere langwierige Arten von Ausſchlag, ein, ſchmieren
ſich auch aͤußerlich damit. Ich gab mir viel Muͤhe,
Blumen von dieſem Baume zu bekommen, um be-
ſtimmen zu koͤnnen, zu welchem Geſchlechte er gehoͤre;
aber umſonſt. Die Ceyloner, welche ich in dieſer
[208]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Abſicht weit in die Waͤlder landwaͤrts ein ſchickte,
brachten mir nur einige Zweige ohne Blumen, woraus
ich doch ſah, daß der Baum weder die ſtinkende Anagy-
ris (Anagyris foetida) noch der eigentliche ſogenannte
groͤßere Stinkbaum (Sterculia foetida) iſt. Ich hatte
auch einige kleine lebendige Baͤume in Kaſten gepflanzt,
und brachte ſie auch wohlbehalten bis in den Kanal zwi-
ſchen Frankreich und England; hier wurden ſie aber,
nebſt vielen andern ſeltnen Baͤumen und Gewaͤchſen von
Sturm und Kaͤlte ſo ruinirt, daß ſie ganz verloren
giengen. Vom Holze nahm ich auch einige Stuͤcke
mit; dieſe aber haben mit der Zeit ihren Geruch ſo ganz
verloren, daß man gar nichts mehr davon ſpuͤrt.


Ich lernte hier auch einen andern merkwuͤrdigen
Baum kennen, den die Hollaͤnder Slangenhout
(Schlangenholz), die Cingaleſer Godagandu nennen,
deſſen Holz einen ſehr barſchen Geſchmack hat. Das
Holz wird nicht nur, als ein gutes Gegengift, wie auch
wenn jemand von Schlangen gebiſſen iſt, ſondern in
ſchlimmen hitzigen Fiebern gebraucht. Die Europaͤer
laſſen Becher daraus drechſeln, welche ſie voll Wein
gieſſen, der in kurzer Zeit die Kraft aus dem Holze
zieht, einen barſchen Geſchmack annimmt, und als
ein magenſtaͤrkendes Mittel gebraucht wird. Das
Waſſer zieht eine gruͤnliche Tinctur aus dem Holze.
Vermuthlich iſt dieſer Baum das eigentliche oder wahre
Schlangenholz (Ophioxylum ſerpentinum), wiewohl
ich nicht Gelegenheit gehabt habe, Blumen davon zu
ſehen. Das Holz ſieht wie Eichenholz aus, hat eben
ſolche graue Farbe und viele kleine Loͤcher, durch welche
in den daraus gedrechſelten Bechern das Waſſer ſich
durchſeihet.


Die
[209]Botaniſche Nachrichten von Ceylon.

Die Flechten in der Haut (Herpes) werden hier
mit den Saamenkapſeln des lindenblaͤttrigen Eibiſch
(Hibiſcus tiliaceus) vertrieben, indem man den Saft
davon auf die ausgeſchlagene Stelle ſtreicht. Dieſer
ſchoͤne Baum wird zu Columbo und an andern Orten
in Alleen gepflanzt; er bluͤhet mehrere Monathe nach
einander, und giebt durch die veraͤnderte Farbe ſeiner
Blumen viel Schmuck. Die Mungosſchlangenwurz
(Ophiorrhiza Mungos) ceyloniſch Mendi, wird von den
Indianern gegen den Biß der Schlangen; Blaͤtter und
Rinde aber gekocht wie ein Decoct gebraucht.


Auf der Reiſe nach Negumbo hatte ich ein Ver-
gnuͤgen, welches ich jetzt am wenigſten erwartete, nem-
lich die ſchoͤne zweyzeilige Burmannie (Burmannia di-
ſticha
) zu finden, die ich fuͤnf Monathe hindurch ſehr
emſig geſucht, und welche aufzuſuchen und mir zu ver-
ſchaffen ich viele Cingaleſer aufgemuntert hatte. Sie
ſtand an den niedrigen und noch mit Waſſer angefuͤllten
Stellen im Walde, und hatte erſt vor kurzem ihre
kleinen Blumen geoͤfnet. Ich ſammelte und trocknete
davon ſoviel als ich hier fand, um dieſe Seltenheit ſo-
wohl fuͤr meinen vortreflichen Goͤnner und Wohlthaͤter,
Profeſſor Burmannus ſelbſt, als fuͤr andre meiner
Freunde in Europa mitzunehmen. Die Ceyloner nen-
nen ſie Wilende Wenne.


Zu Columbo brachte man mir Kardomom, der
im Innern des Landes gezogen ſeyn ſollte. Er beſtand
aus laͤnglichen, dreyeckigen Saamenkapſeln, beynahe
von der Laͤnge eines Zolls, mithin von demjenigen ganz
verſchieden, der auf der Inſel Java gebaut wird.
Blumen davon konnte ich nicht bekommen; ich haͤtte ſie
gern gehabt, um das Geſchlecht beſtimmen zu koͤnnen.
Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyt. Th. O
[210]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Ich vermuthete indeſſen, daß es eine Art Alpinie
(Alpinia) war.


Vor meiner Abreiſe kaufte ich eine Menge getrok-
neter Fruͤchte des Betelpfefferbaums, die hier wohlfeil
verkauft werden, und welche man mit anſehnlichem
Vortheile, wenigſtens mit hundert Procent Gewinn, zu
Cap wieder abſetzt. Unterdeß die Sklaven und die Indier
hier allenthalben friſche Bettelblaͤtter genug zum Kaͤuen
bekommen koͤnnen, muͤſſen die Sklaven in jenen Laͤn-
dern, wo das kaͤltere Klima die Cultur dieſes Pfeffers
nicht erlaubt, ſich ſtatt der Blaͤtter mit der Frucht
behelfen.


Die kletternde Schlangenzunge (Ophiogloſſum
ſcandens
), ein Rankengewaͤchs, das ſich an den Baͤu-
men hinauf ſchlingt, wird auf Ceylon an manchen Or-
ten wie gemeiner Epheu gebraucht, um die Zaͤune, oder
vielmehr Stakete, damit zu bedecken und gegen den
Seewind zu ſchuͤtzen. Eigentlich Zaͤune hat man hier
zu Lande nicht, ſondern die Befriedigungen der Gaͤr-
ten und Aecker beſtehen nur aus duͤnnen Pfaͤlen oder
Stangen, die dicht neben einander in die Erde geſchla-
gen ſind, und dieſe laͤßt man mit jenem Kraute aus-
wendig ganz bewachſen.


Auf meiner Reiſe nach Mature ſah ich an ver-
ſchiednen Orten Hecken von Jarrakbaͤumen, (die
ſchwarze Purgiernuß, Jatropha curcas) um die Gaͤrten
und Felder.


Auf Ceylon waͤchſt auch das Lackcroton (Croton
lacciferum
), beſonders in den ſandigen Gegenden um
Columbo haͤufig. Das Harz dieſes Strauchs wird
hier bisweilen zum Lackiren gebraucht, nachdem man
es in Spiritus aufgeloͤſet hat.


[211]Botaniſche Nachrichten von Ceylon.

Auf dieſer Inſel gebraucht man, ſo wie auf den
ſaͤmtlichen Kuͤſten des feſten Landes, die Blaͤtter der
faͤchertragenden Weinpalme (Boraſſus flabelliformis),
bisweilen auch die vom Talpat- oder Licualabaume,
oder der Schirmpalme (Licuala Spinoſa, Corypha um-
braculifera
) anſtatt des Papiers. Die Weinpalme iſt
ein auf Ceylon ſehr haͤufig wachſender Palmbaum,
deſſen Blaͤtter hier, wie anderwaͤrts, auch zu Faͤchern
gebraucht werden. Die Licualapalme, welche ſeltner
iſt, hat ſehr große Blaͤtter, und wetteifert in dieſem
Stuͤcke mit dem Kokosbaume ſelbſt. Dieſe Blaͤtter,
welche in Falten liegen, werden gegen die Spitze zu
von einander geſpalten, und alsdann uͤberall zu Regen-
und Sonnenſchirmen gebraucht. Ein ſolches Blatt, eine
Klafter lang und ohngefaͤhr eben ſo breit abgeſchnitten und
mit verſchiednen Zierrathen geſchmuͤckt, heißt durchgaͤn-
gig Talpat, welchen Namen auch der Baum ſelbſt fuͤhrt,
und wird, gerade wie ein Sonnen- oder Regenſchirm,
den vornehmen Indianern oder Europaͤern von einem
Sklaven uͤber den Kopf gehalten und getragen. Ein
einziges Blatt hat gemeiniglich eine ſolche Groͤße, daß
ſechs erwachſene Menſchen Schutz vor dem Regen dar-
unter haben koͤnnen. Dieſe ſchoͤne Palme waͤchſt mit-
ten in den Waͤldern, iſt aber ſelten. Man kann ſie
mit Recht zu den hoͤchſten Baͤumen zaͤhlen, und ſie
wird noch hoͤher, wenn ſie aus dem Blaͤtterwipfel in
Blumen ſchießt. Die Huͤlſe, welche die Blume
alsdann umgiebt, iſt ſehr groß und wenn ſie aufber-
ſtet, giebt ſie einen Knall, als wenn eine Kanone ab-
geſchoſſen wird. Hernach ſchießen die Zweige nach
allen Seiten und auch in die Hoͤhe ſechs und dreyßig
bis vierzig Fuß weit. Die Frucht wird erſt im folgen-
den Jahre reif. Ich war ſo gluͤcklich, einen dieſer
O 2
[212]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Baͤume mit der Frucht zu ſehen; da er aber ſchon das
Jahr vorher gebluͤhet hatte, mußte ich auf das Ver-
gnuͤgen, ſeine Blumen zu ſehen und zu unterſuchen,
Verzicht thun.


Der heilige oder Goͤtzenfeigenbaum (Ficus reli-
gioſa
) hat ſeinen Namen davon, daß die Ceyloner ihn
wie einen heiligen Baum anſehen und glauben, der
Gott Budu ruhe unter demſelben. Sie hauen daher
ſolche Baͤume nie um. Auch thun ſie unter denſelben
ihre heiligſten Geluͤbde und Verſprechen. Wenn ſie
unter einem ſolchen Baume einen Eid abgelegt, oder
einen Contract gemacht haben, ſo iſt man ſicher, daß
ſie ihn halten. Die Hollaͤnder nennen ihn Duyvels
boom
(Teufelsbaum), und die Ceyloner Boga.


In Ceylon wachſen uͤbrigens auch verſchiedne
ſchoͤne und praͤchtige Blumen, als die Prachtlilie
(Glorioſa), das umgebogne Kolbenmoos (Lycopodium
cernuum
), die Ixore (Ixora) und dergleichen mehr.


Eines merkwuͤrdigen und fuͤr die Einwohner uͤber-
aus nuͤtzlichen Baums muß ich noch beſonders erwaͤh-
nen, der den Namen Calaminder fuͤhrt. Dies iſt ein
ſehr ſchoͤner Baum und das Holz iſt zu allen Arten Tiſch-
lerarbeit vorzuͤglich brauchbar. Ich habe verſchiedne
ſehr huͤbſche und ſaubere Meublen, als Bureaux,
Stuͤhle, Tiſche, Sopha, Schraͤnke, Kaͤſtchen und
dergleichen in den Haͤuſern der Hollaͤnder geſehen, die
von dieſem Holze gemacht waren. Gebohnt ſind dieſe
ſo glatt wie ein Spiegel. Das Holz iſt ſo hart, daß
man es mit ſcharfen Eiſen nicht bearbeiten kann, ſon-
dern es raſpeln und beynahe ſchleifen muß. Selten
haͤlt auch der Leim feſt daran. Das Wort Calaminder
heißt in cingaleſiſcher Sprache ſchwarz geflammtes Holz,
und dieſer Baum wird deswegen ſo genannt, weil der
[213]Botaniſche Nachrichten von Ceylon.
ganz inwendige holzartige Theil deſſelben weiße oder
weißgelbe, und ſchwarze oder braune Adern, Streifen
und Wellen hat, welches ſehr ſchoͤn ausſieht. In
der Wurzel ſind dieſe Wellen dichter und dunkler; je
naͤher von der Wurzel daher ein Stuͤck genommen iſt,
fuͤr deſto koſtbarer wird es gehalten, denn hoͤher im
Stamme hinauf werden die Stellen duͤnner und
bleicher. Das Aeuſſere des Baums, wenigſtens ein
Drittheil, beynahe die Haͤlfte, taugt zu nichts, ſon-
dern wird weggeworfen. Ameiſen ſchaden dem Holze
nicht. Den Baum ſelbſt habe ich nicht zu ſehen be-
kommen. Er ſoll ſehr groß und bisweilen ſo dick ſeyn,
daß drey bis vier Maͤnner ihn nicht umſpannen koͤnnen.
An den Zweigen, die ich mir durch Ceyloner aus den
tief im Lande befindlichen Waͤldern holen ließ, ſah ich,
daß es der Ebenbaum (Diospyros Ebenum), oder der-
ſelbe Baum iſt, von dem das ſchwarze Ebenholz
kommt.


Die Kaffeeplantagen auf Ceylon ſind eben ſo
als die auf Java; der einzige Unterſchied iſt, daß man
hier groſſe Baͤume aus dem Geſchlechte der Bignonie
(Bignonia) zwiſchen die Kaffeeſtauden pflanzt, um
ihnen einigen Schatten zu geben, und ſie durch die Kro-
nen dieſer Baͤume gegen die allzu ſtarke Hitze der
Sonne zu ſchuͤtzen. Die hieſigen Kaffeebohnen ſollen
indeſſen den javaniſchen an Guͤte nicht gleich kommen.


Reis wird auf dieſer Inſel, ſo wie auch auf den
Kuͤſten Coromandel und Malabar, gebauet, jedoch nicht
in der Menge, daß dieſe Laͤnder hinlaͤnglichen Vorrath
davon haben. Auf den jetzt genannten Kuͤſten iſt bis-
weilen ſo großer Miswachs an Reis, und ſo große
Hungersnoth, daß, beſonders auf der malabariſchen
Kuͤſte, Aeltern ſich genoͤthigt ſehen, ihre Kinder fuͤr eine
O 3
[214]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
einzige Metze Reis zu Sklaven zu verkaufen, oder wohl
gar ſie ganz weg zuſchenken, um ſie nur nicht Hungers
ſterben zu ſehen.


Fuͤnfter Abſchnitt.
Von den Edelſteinen und andern Mineralien in
Ceylon.


In Ceylon nennt man gemeiniglich alle diejenigen
Steine, Edelſteine, welche durchſichtig und ſo hart ſind,
daß ſie durch Schleifen eine feine Politur annehmen.
Ich habe ſie nicht nur alle, nebſt ihren hollaͤndiſchen,
malabariſchen und cingaleſiſchen Namen, kennen ge-
lernt, ſondern auch eine Sammlung davon mit nach
Europa gebracht, und will hier eine kurze Beſchrei-
bung davon mittheilen.


Der rothe Turmalin, malabariſch Pani Ture-
mali, ceyloniſch Penni Turemali, iſt ein ins Rothe
fallender Quarz. Liegend ſieht er dunkel aus und
ſcheint undurchſichtig zu ſeyn, aber gegen das Tages-
licht gehalten erſcheint er bleichroth. Die Farbe iſt
meiſtens uͤberall gleich und ſelten an einer Stelle blaſſer
oder dunkler als an der andern. Die groͤßten, welche
ich bekommen habe, ſind von der Groͤße einer Erbſe;
die meiſten ſind nicht groͤßer als Reiskoͤrner. Einige
habe ich geſehen, die kriſtalliſirt, aber faſt alle ſchad-
haft und unvollkommen waren; dieſe ſchienen unten
vier gleiche Seiten zu haben, und eine vierſeitige Py-
ramide zu bilden. Die meiſten dieſer Steine ſind von
dem hin und herſpuͤlen im Waſſer geſchliffen ſo, daß ſie
die Ecken und ſcharfen Seiten verloren haben.


Der blaue Turmalin, malabariſch und ceyloniſch
Nile Turemali, iſt nichts anders, als ein etwas ins Blaue
fallender Quarz.


[215]Von den Edelſteinen ꝛc. in Ceylon.

Katzenauge, malabariſch und cingaliſch Wei-
rodi, wird ein ſehr harter Stein genannt, der bald
mehr, bald weniger ins Weiße oder Gruͤne faͤllt, halb
durchſichtig iſt, in der Mitte einen Streif von der
Breite einer Linie hat, welcher weiſſer iſt, als der
uͤbrige Stein, und ſein Licht veraͤndert, je nachdem
er nach dieſer oder jener Seite gekehrt wird. In die-
ſem Stuͤcke hat er alſo Aehnlichkeit mit einem Katzen-
auge, und davon hat er auch den Namen. Es iſt
uͤbrigens ein Pſeudoopal. Der groͤßte, den ich geſe-
hen habe, war von der Groͤße einer Haſelnuß; Es giebt
ihrer aber viel kleinere. Roh ſcheinen ſie keine eckige
Seiten oder Merkmale von Kryſtalliſation zu haben.
Ihr Werth richtet ſich nach der Groͤße und der Rein-
heit. Einer wie eine Nuß groß, ohne Ritzen und an-
dre Fehler, wird bisweilen mit funfzig, ſechzig und
mehr hollaͤndiſchen Thalern bezahlt. Sie werden erho-
ben und laͤnglich geſchliffen, ohne Flaͤchen, ſo, daß der
Strich wo die Farben ſpielen, in die Mitte kommt, und
hernach in Ringe eingefaßt, welche die Malabaren und
Mohren tragen.


Der weiße Kriſtall, malabariſch Wille Palingu,
ceylaniſch Sudu Palind, iſt ein klarer Bergkriſtall
ohne Farbe. Man findet ihn hier ſowohl kriſtalliſirt,
als auch vom Waſſer zu unebnen, zu flachen, zu lan-
gen, und auch wohl zu Stuͤcken mit Vertiefungen ge-
ſchliffen. Er ſieht klar, bald mehr, bald weniger
waſſerfarben oder glaͤnzend weiß aus. Die Kleinen
habe ich oft mit Grundflaͤchen und Seitenflaͤchen, als
foͤrmliche Pyramiden geſehen. Die großen ſind gemei-
niglich vom Rollen im Waſſer ruͤndlich geworden.
Sie ſind zum Theil ſehr groß; man findet ihrer nicht
ſelten ſolche, die zwey geballte Faͤuſte groß ſind. Man
O 4
[216]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
ſchleift Knoͤpfe an Weſten und Bruſttuͤcher, auch
Steine zu Knoͤpfen an Unterhoſen und zum Einfaſſen
in Schuhſchnallen daraus.


Der Amethyſt, [malabariſch] und cingaliſch
Scuandi, iſt in der That nichts anders, als ein purpur-
oder violettfarbner Bergkryſtal, der aber in Anſehung
des Grades, in welchem er gefaͤrbt iſt, ſehr verſchiedne
Sorten giebt. Man findet ſolche, die beynahe weiß
ſind, mit einer ſo geringen Tinctur von Violet, daß,
wenn man ſie allein ſaͤhe, man ſie eher fuͤr Bergkriſtalle
anſehen wuͤrde, beſonders wenn man kein Kenner iſt.
Andre findet man, die nach einem Ende zu, andre nur
in der Mitte, andre hin und wieder, und zwar in hoͤ-
herem oder geringerem Grade farbig ſind. Einige ſind ſo
dunkelfarbig, daß ſie, wenn ſie auf einem Tiſche liegen
beynahe ſchwarz ausſehen, und, gegen das Licht ge-
halten, eine ſehr ſchoͤne violette Farbe haben. Oft ſieht man
ſowohl Flecken als Streifen, die blaſſer und ſtellen-
weiſe dunkler ſind. Sie brechen in verſchiedener Groͤße,
ſelten ſo groß, wie eine Wallnuß, meiſt nur ganz klein. Je
groͤßer ſie ſind, deſto blaſſer ſind ſie, und daher von
weniger Anſehen und geringerem Werth. Die Kleinen
haben gewoͤhnlich eine hoͤhere Farbe, ſind aber doch
eben nicht theuer, weil ſie nur kleine Steine zum Schlei-
fen geben. Am mehrſten gelten die, welche hoch tin-
girt, ohne Ritzen und von einiger Groͤße ſind. Je
dunkler die Farbe in denſelben iſt, deſto reifer, und im
Gegentheil, je blaſſer, deſto unreifer werden ſie ge-
nannt. Es iſt auſſer allem Zweifel, daß dieſe Ame-
thyſte fluͤßig geweſen, und daß ſie vor der Kriſtal-
liſation von einer violetten Farbe tingirt worden
[217]Von den Edelſteinen ꝛc. in Ceylon.
ſind, die ſich mit dem Fluͤſſigen, entweder zum
Theil, oder uͤberall, vermiſcht hat. Einige findet
man geruͤndet und beym Fortrollen im Waſſer wie
geſchliffen; andre ſind von unregelmaͤßiger Figur, auf
allen Seiten gebrochen, oft mit tiefen und großen Ver-
tiefungen. Einige haben ſechs Seiten, die auch
ſechsſeitig in eine Spitze zuſammenlaufen. Ich habe
keinen geſehen, der ganz vollkommen und unbeſchaͤdigt
war. Es iſt etwas ſeltnes einen anzutreffen, der
beyde Enden hat, wiewohl ſie auch alsdenn allezeit von
aͤußrer Gewalt gelitten haben. Einige haben ganz
lange violette Streifen, mit weißen Streifen dazwiſchen.
Aus den groͤßten werden gemeiniglich Knoͤpfe zu Weſten,
dergleichen man in Oſtindien von weißem Kattun haͤufig
traͤgt, und, aus den kleinen, Bruſttuch- und Aermel-
knoͤpfe gemacht.


Waſſerſaphire, auch wohl weiße Saphire, ma-
labariſch Wille Padjan, ceyloniſch Sudu Padjan ge-
nannt, ſind abgeſchliffne Stuͤcken des hellſten Berg-
kriſtalls. Sie ſind den weißen Kriſtallen ſehr aͤhnlich,
aber doch, gegen das Tageslicht beſehen, nicht nur
klarer ſondern auch weißer; am meiſten unterſcheiden
ſie ſich durch ihre Haͤrte, woran ſie die Kriſtalle uͤber-
treffen. Ich habe niemals eine dieſer Steine bekom-
men koͤnnen, der ſeine Seiten, Ecken und Spitze
hatte; ſondern alle waren ſie vom Waſſer zu unfoͤrmli-
chen Stuͤcken gebildet, auch wohl platt und rund ge-
ſchliffen, mit unebener, und mit kleinen eingedruckten
Puncten angefuͤllter Oberflaͤche. Die groͤßten waren
von der Groͤße einer Wallnuß. Dieſe ſind viel theurer
O 5
[218]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
als Kriſtalle, und werden zu Weſt- und Bruſttuchknoͤ-
pfen und zu Steinen in Schuhſchnallen geſchliffen.


Der gelbe Kriſtall, malabariſch Manjel Palinge,
cingaliſch Kaha Patingu, iſt ein heller Rauchtopas.
Vermuthlich iſt er einerley mit dem weißen Kryſtalle,
nur mit dem Unterſchiede, daß er in eine unangeneh-
me gelbliche Farbe faͤllt. Kriſtalliſirt habe ich ihn nie
geſehen, ſondern allezeit vom Rollen im Waſſer ſchon
zu runden Stuͤcken mit unebner Oberflaͤche geworden.


Von dieſem unterſcheidet ſich der braune Kryſtall,
malabariſch und cingaliſch Tillia Palingu, welcher ein
rauchiger Bergkryſtall, oder ein dunkler Rauchtopas iſt,
bloß dadurch, daß er ſchwaͤrzlich iſt oder wie blaſſe, ſchwarze
Tinte ausſieht. Wenn er liegt, ſcheint er undurchſich-
tig zu ſeyn; gegen das Tageslicht gehalten aber gerade
durch durchſichtig. Dieſe Steine habe ich allezeit, vom
Hin- und Herrollen das ſie im Waſſer erlitten, geruͤn-
det geſehen, und zwar in ſo großen Stuͤcken, als
eine große Haſelnuß oder kleine Wallnuß. Die Ober-
flaͤche iſt uneben und rauh, und mit feinen eingedruͤck-
ten Puncten und einer grauen Rinde beſetzt, welche den
Stein, wenn er ganz iſt, bisweilen undurchſichtig macht,
obgleich das Inwendige klar iſt, wie man ſieht, wenn
man ihn entzwey ſchlaͤgt. Man ſchleift Knoͤpfe zu Bein-
kleidern und anderm Gebrauche daraus.


Die Hyacinthen ſind kleine gelbbraune oder roͤth-
liche Priſmen, die ſo wie der Robal oft fuͤr Rubine aus-
gegeben werden.


Die eigentlich ſo genannten Topaſe, malabariſch
Puresjeragen, ceyloniſch Pusperagan, ſind wahre To-
[219]Von den Edelſteinen ꝛc. in Ceylon.
paſe, brechen meiſt in gelblichen Splittern, und ſind
bald mehr, bald weniger dunkelfarbig.


Der weiße Turmalin, welcher eigentlich Matureſe
Diamant genannt wird, malabariſch und ceyloniſch
Sudu Turemali, iſt ein weißgelber Topas. Die
Weiße iſt nicht bey allen dieſelbe, gewoͤhnlich iſt er aber
doch milchfarbig, ſo daß er nicht vollkommen durchſich-
tig iſt. Aus dieſer Urſach wird er oft ausgebrannt,
wodurch die Farbe vergeht, ſo daß er viel klarer wird,
wiewohl er keine vollkommne Weiße erlangt.


Gruͤne Turmaline, auch Matureſe Diamanten,
malabariſch und ceyloniſch Patje Turemali, werden ſo-
wohl Chryſolithen, die ein vierſeitiges Priſma haben,
als auch bisweilen Chryſopraſe genannt. Der gruͤne
Turmalin iſt von dunkler Farbe, die bisweilen ins
Gelbliche, bisweilen ins Blaͤuliche, bisweilen ins
Gruͤnliche, am oͤfterſten aber ins Schwaͤrzliche faͤllt.
Manchmal iſt er durchſichtig; manchmal mit einer un-
durchſichtigen Oberflaͤche umgeben; manchmal iſt er
ganz undurchſichtig, ſieht wie Schoͤrl aus, glaͤnzt im
Bruche, und hat nicht ſelten knotige Lamellen mit
vielen Ritzen in die Laͤnge und in die Breite. Einige
findet man kriſtalliſirt mit einer laͤnglichen Saͤule von
vier gleichen Seiten und einer vierſeitigen Pyramide.
Gewoͤhnlich wird er ſchon etwas abgeſchliffen und zer-
brochen, in unfoͤrmlichen, bald dicken, bald duͤnnen
Stuͤcken, die bisweilen von der Groͤße einer Wallnuß, bis-
weilen aber ſo klein wie Koͤrnchen ſind, gefunden.
Der gruͤne, oder der Chryſopras iſt ſchoͤn grasgruͤn,
klar und durchſichtig, und man ſchleift allerhand dar-
aus; dieſer heißt eigentlich gruͤner Turmalin, obgleich
[220]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
dieſer Name auch verſchiednen andern Arten gege-
ben wird.


Den gelben Turmalin, welcher ebenfalls Matu-
reſe Diamant, malabariſch und cingaliſch Kaneke Tu-
remali heißt, und ein gruͤngelber Topas iſt, wird von
den Mohren auch wohl Turmalin Topas genannt, weil
er dem eigentlichen Topaſe oft ſehr gleich kommt. Von
Anſehen hat er mit Bernſtein viel Aehnlichkeit. Einige
ſind dunkelfarbiger oder beynahe brandgelb; andre ſind
blaßgelb; einige ſogar weißgelb. Kriſtalliſirt habe ich
dieſe Steine nicht geſehen, ſondern allezeit vom Rollen
im Waſſer geſchliffen, und zwar von der Groͤße eines Reis-
korns bis zu der Groͤße einer Erbſe. Man ſchleift
ſie, um ſie in Ringe zu faſſen, und ſie haben ein ſchoͤ-
nes Anſehen.


Der ſchwarze Kriſtall, malabariſch Karte Pa-
lingu, cingaliſch Kallu Palingu, wird theils in
Kriſtallen, theils in zerbrochnen Stuͤcken angetrof-
fen, und iſt der elektriſche ceylonſche Turmalin. Ei-
gentlich iſt es ein ganz ſchwarzer, ſcheinender und un-
durchſichtiger Schoͤrl. Oſt findet man ihn in unfoͤrm-
liche Stuͤcke zerbrochen, die vom Rollen im Waſſer zum
Theil rund, zum Theil laͤnglich, geſchliffen ſind. Im
Bruche iſt er glaͤnzend, und faͤllt in ſchiefrige Stuͤcke,
welche an den Kanten durchſichtig ſind, und wovon ich
einige ſo groß, wie eine Wallnuß, andre hingegen ganz
klein, wie eine Erbſe, geſehen habe. Einige bekam
ich, wiewohl mit Muͤhe, die kriſtalliſirt, jedoch nicht
ganz unbeſchaͤdigt waren, ſechs ungleiche Seiten und
eine dreyſeitige, ſtumpfe Pyramide hatten. Hieraus
werden Knoͤpfe geſchliffen, die an Roͤcke, Weſten und
[221]Von den Edelſteinen ꝛc. in Ceylon.
Beinkleider in der Trauer getragen werden, und wie
Knoͤpfe von Steinkohlen ausſehen. Dieſer Kriſtall
iſt ſehr haͤufig, und weder theuer noch ſehr geſchaͤtzt.
Ich konnte nicht merken, daß die Indier ſeine elektriſche
Eigenſchaft kennen, auch geben ſie ihm niemals den
Namen Turmalin, womit ſie im Gegentheil verſchiedene
andre Arten benennen.


Robale, malabariſch Rauwa, ceyloniſch Rawa,
ſind kleine dunkelrothe, undurchſichtige Granaten, dunkler
als Rubine, aber nicht ſo hart. Liegend iſt er faſt
ganz undurchſichtig, wenn er ſehr dunkelfarbig iſt.
Meiſtens wird er in kleinen, abgerundeten und glatt
gewordnen Stuͤcken gefunden. Er wird zu Steinen
in Ringe geſchliffen, und oft fuͤr Rubin verkauft.


Der Kaneelſtein, malabariſch und ceyloniſch Ko-
medegam, iſt ein ſchoͤner braungelber oder gelbbrauner
Granat. Den Namen hat er von ſeiner Farbe, welche
einigermaßen wie die Farbe des Kaneeloͤls vom feinſten
und beſten Kaneel ausſieht, aber doch nicht immer
gleich, ſondern bald mehr, bald weniger blaß oder
hochbrandgelb iſt. Man findet ſie, unbeſchaͤdigt, ſelten
von betraͤchtlicher Groͤße, ſondern gewoͤhnlich ſind ſie,
auch die kleinen, ſowohl der Laͤnge als der Breite nach
geſprungen, welches verurſacht, daß ſie alsdann nicht
klar ſind, und zum Schleifen nicht taugen. Dieſe
Ritzen oder feinen Borſten machen, daß ſie in Wuͤrfel
und ſchiefe Scheiben fallen. Bisweilen ſehen ſie faſt
wie Benzoegummi aus. Geſchliffen geben ſie ſchoͤne
Steine, beſonders zu Ringen, Halsbindenſchnallen
und dergleichen.


[222]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.

Was die Hollaͤnder Rubin, die Malabaren Elin-
ges Chogeppu, und die Ceyloner Lankaratte nennen,
iſt ein wahrer Rubin. Dieſer Stein iſt bald mehr
bald weniger reif, das heißt nach indiſcher Art zu reden,
von mehr oder weniger hoher Farbe. Der Amethyſt
iſt violett, der Rubin aber roth, und zwar gemeiniglich
blutroth. Je hochrother die Farbe, und je groͤßer,
klarer und fehlerfreyer der Stein iſt, deſto groͤßer iſt ſein
Werth. Von bedeutender Groͤße findet man ihn in-
deſſen hier ſelten, ſehr oft nicht groͤßer als große Sand-
koͤrner, Geſtenkoͤrner und dergleichen. Je hoͤher die
Farbe iſt, deſto klarer und durchſichtiger iſt der Stein.
Die unreifen ſind nicht ſo klar, haben auch bisweilen
dunklere Flecke oder Streifen. Einige von dieſen letz-
teren fallen beynahe ins Violette. Die meiſten ſind im
Waſſer gerollt, und theils rund, theils flach. Einige
habe ich jedoch kriſtalliſirt gefunden, und zwar mit acht
Seiten, wovon vier breit und vier ganz ſchmal waren.
Die Mohren ſagen, daß dieſer Stein an Haͤrte dem
Diamant am naͤchſten komme, und ſchleifen ihn zum
Einfaſſen in Ringe.


Der blaue Saphir, malabariſch Nilem, cin-
galiſch N[i]le, iſt ein wahrer blaͤulicher Saphir.
Man findet ihn, wie andre ceylonſche farbige Steine,
reif und unreif in ſehr verſchiednen Graden, das iſt
mehr oder weniger hochblau. Bisweilen ſind ſie ſo blaß,
daß ſie beynahe Waſſerfarbe haben, ſelten ſind ſie
dunkelblau. Sie ſind doch mehr gleich gefaͤrbt, als
die Amethyſte, ohne ſo viele Flecken und Streife, ob-
gleich ſie oft blaue Flecken haben, und ich einen ſah,
der an dem einen Ende ganz hellblau und am andern
dunkelblau war. Alle, die mir vorgekommen ſind,
[223]Von den Edelſteinen ꝛc. in Ceylon.
waren vom Umherſpuͤlen im Waſſer in runde und aller-
hand andre Geſtalten geſchliffen. Einen bekam ich,
der wie eine Haſelnuß groß war; die meiſten ſind viel-
mal kleiner. Sie werden geſchliffen, und zu Knoͤpfen
und in Ringen gebraucht.


Die gruͤnen Saphire, malabariſch und cinga-
liſch Patje Padian, ſind gleichfalls wahre Saphire.
Die Farbe iſt hellgruͤn, bey einigen gruͤnlich, bey eini-
gen auch blaß. Sie werden wie die Vorhergehenden
geſchliffen und gebraucht.


Taripo heißt auf Ceylon ein weißer Stein, der
vermuthlich nichts anders, als ein einfarbiger Quarz
oder ein weißer Kriſtall iſt. Seine Farbe iſt entweder
ganz weiß, oder etwas waſſerfarbig, aber nicht ſo klar
und durchſichtig, als beym Kriſtall, ſondern mehr
wie beym Quarz. Kriſtalliſirt habe ich ihn nie geſe-
hen, ſondern in unfoͤrmlichen Klumpen. Auch aus
dieſen ſchleift man Steine zum Einfaſſen.


Aus dieſen Beſchreibungen erhellet, daß der
Stein, welcher in Europa unter dem Namen Turma-
lin, und ſeiner elektriſchen Kraft wegen bekannt iſt,
bey den Indiern dieſen Namen nicht fuͤhrt, ſondern
daß dieſe mit dem Namen Turmalin verſchiedne Steine
von unterſchiedlicher Farbe und Klarheit bezeichnen,
die nichts Elektriſches an ſich haben.


Die meiſten dieſer Steine habe ich den Hrn. Pro-
feſſor Bergmann mitgetheilt, der ſo gefaͤllig gewe-
ſen iſt, mir ihre mineralogiſchen Benennungen mit-
zutheilen.


Die Mohren ſind es hauptſaͤchlich, welche zu Co-
lumbo
, Gale und Mature dieſe Steine, ſowohl roh,
als geſchliffen und eingefaßt, verkaufen. Ein Frem-
der muß aber bey dem Handel mit ihnen ſehr vorſichtig
[224]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
ſeyn, nicht nur deswegen, weil ſie weit mehr, als
ſie gewoͤhnlich werth ſind, dafuͤr fordern, ſondern auch,
weil ſie den Kaͤufer oft mit Glasfluͤſſen und daraus ge-
ſchliffnen Steinen betruͤgen, die ſie ſo ſchoͤn und kuͤnſt-
lich zu machen wiſſen, daß der, welcher nicht ein guter
Kenner iſt, ſich leicht taͤuſchen laͤßt.


Alle dieſe Edelſteine, welche auf Ceylon, beſon-
ders im Lande Mature angetroffen werden, findet
man in Thaͤlern und am Fuße der Berge in einer Mi-
ſchung von Erde und fettem Thon. Oft findet man
verſchiedne Arten in einer und derſelben Erde und am naͤm-
lichen Orte. Manchmal werden ſie auch durch ſtarken
Regen oder herabſtroͤmendes Waſſer von den Bergen
herunter geſpuͤlt, und alsdann in der Ebene auf der
Oberflaͤche gefunden. An einigen Stellen findet man
Steine ohne viele Muͤhe ein, zwey oder drey Fuß tief
unter der Erde, dagegen man nach andern zwanzig
und mehr Fuß tief graben kann. Die ausgegrabe-
ne Erde legt man in einen großen Rohrkorb, und
ſchlaͤmmt ſie, da denn die Steine zum Vorſchein kommen.


Das Graben der Edelſteine in den um Mature
liegenden Diſtricten, wird jaͤhrlich im Auguſt fuͤr Rech-
nung der hollaͤndiſch oſtindiſchen Compagnie an den
Meiſtbietenden verpachtet. Fuͤr die Jahre 1777 und
1778 hat ein Mohr dieſe Pacht fuͤr hundert und achtzig
Reichsthaler gehabt. Das Land, welches zum Graben
der Steine verpachtet wird, liegt nicht immer in einer
Strecke, ſondern man ſucht verſchiedene Stuͤcke Landes
die hin und wieder zerſtreut liegen, und wovon man ge-
funden hat, daß ſie Edelſteine enthalten, dazu aus.
Ehe die Verpachtung geſchieht, werden dieſe Plaͤtze von
Committirten der Compagnie beſichtigt. Zu ſolchen
Stuͤcken
[225]Von den Edelſteinen ꝛc. in Ceylon.
Stuͤcken Landes gehoͤren oft die Gaͤrten der Cingaleſer,
welche alsdann nicht frey ſind, ſondern ebenfalls zum Gra-
ben hergegeben werden muͤſſen. Der nemliche Platz wird
bisweilen mehr als einmal verpachtet, weil mehr Jahre
nacheinander da gegraben werden kann. Gemeiniglich und
am liebſten werden ſolche Plaͤtze genommen, die an den
Bergen, beſonders, um des Auswaſchens willen, die
welche zugleich nicht weit von Baͤchen liegen. Der
Hauptpaͤchter verkauft hernach oft an verſchiedene Andere
die Freyheit, mit einer gewiſſen Anzahl Leuten zu graben,
zum Exempel: fuͤr funfzehn Thaler an den, welcher mit
zehn Mann, und ſo in Proportion an den, welcher mit
fuͤnf oder mit zwanzig Mann graben laͤßt. Dieſe haben
denn die Freyheit, das ganze Jahr hindurch, wo ſie wol-
len, zu graben, aber nicht mit mehr Leuten, als wofuͤr ſie
an den Hauptpaͤchter bezahlen. Wer die Freyheit zu
graben gekauft hat, bezahlt auch die Arbeitsleute. Was
man nach geſchehenem Graben und Waſchen be-
kommen hat, wird am Schluße jedes Monats in einen
Beutel gelegt, der alsdann verſiegelt und dem Eigen-
thuͤmer zugeſchickt wird, welcher nun ſeine Steine
ausſucht und ſortirt, und erwartet, wie viel ſie ihm ein-
bringen werden.


Verſchiedene von dieſen Edelſteinen werden ganz
roh nach Europa gebracht. Die meiſten aber werden
hier geſchliffen, bisweilen auch gefaßt, und her-
nach in Indien ſelbſt verkauft. Das Schleifen iſt ge-
meiniglich die Arbeit der Aermeren unter den Mohren.
Es geſchieht auf einer bleyernen Scheibe und fuͤr ſehr
billigen Preis. Ich erhandelte nur von den Mohren
die hier befindlichen Sorten nicht nur geſchliffen, ſondern
Thundergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Td. P
[226]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
auch roh, um ſie unter andern mineralogiſchen Samm-
lungen aufzubewahren. Anfangs mußte ich ſie ſehr theuer
bezahlen, beſonders da ich damals ausſuchte, hernach
fand ich aber, daß ich ſie, durch die Bank gekauft, viel
wohlfeiler bekommen konnte.


Einige andere ceylonſche Mineralien ſind folgende.


Eiſenerz wird in Erde und Thon, die damit durch-
wachſen ſind, und zwar bisweilen ziemlich tief in der Erde
gefunden. Es wird in Tiegeln uͤber Feuer, gegen wel-
ches man zwey Blasbaͤlge ſpielen laͤßt, geſchmolzen. Die
Schlacken werden mit Zangen abgeſondert, die beſon-
ders dazu gemacht ſind, und die geſchmolzene Maſſe wird
in eine von Thon verfertigte Form gegoſſen, hernach wei-
ter gereinigt, und zu allerhand Gebrauch geſchmiedet.


Glimmer (Mica, cingaliſch Mirinan) findet man
in großen blaͤttrigen Stuͤcken. Die Blaͤttchen davon
werden als Zierrath an den oben beſchriebenen Talpatſen,
das iſt, von großen Talpatblaͤttern gemachten Regenſchir-
men, gebraucht.


Waſſerbley oder Reißbley (Ferrum molybdaena,
ceyloniſch Kalu Miniran), wird mit Glimmer zuſammen
an einem und demſelben Orte, am Fuße der Berge, in
Thon, Lehm und rother Erde, oft ſehr tief liegend, ge-
funden. Man trifft es bisweilen auch allein im trocknen
Erdreiche an.


Der Stahlſtein oder kryſtalliſirte Schwefelkies haͤlt
etwas Kupfer. Man ſchleift Knoͤpfe daraus.


[227]

Sechſter Abſchnitt.
Allerley andre Nachrichten von Ceylon; Ein-
wohner, Religion, Sitten und Gewohn-
heiten, Sprache, Muͤnzen und dergleichen
betreffend.


Die Kuͤſten rund um die ganze Inſel Ceylon, ungefehr
ſechs oder mehr Meilen tief ins Land, gehoͤren ganz und
gar der hollaͤndiſchen oſtindiſchen Compagnie, und ſte-
hen unter einem Gouverneur derſelben, obgleich das Land
von den Cingaleſern bewohnet wird, welche nach geen-
digtem Kriege Unterthanen der Compagnie wurden.
Das Innere, Mittlere und Gebirgige der Inſel gehoͤrt
dem Koͤnige oder Kaiſer zu Candy, welcher jetzt von
allen Seiten ſo eingeſchloſſen iſt, daß er keinen Kaneel
an fremde Nationen, auch nicht heimlich und durch
Schleichhandel, verkaufen kann.


Candy, die Hauptſtadt des Kaiſers von Ceylon
und der ganzen Inſel, liegt auf einer Hoͤhe faſt mitten
im Lande. Nicht weit davon liegt ein ſehr hoher Berg,
von dem eine noch hoͤhere Spitze emporſteigt. Dieſer
Berg heißt der Adamsberg, und die Spitze Adamsſpitze
(Adams-Piek), weil man glaubt, Adam, der erſte
Menſch, liege da begraben. Die Ceyloner ſtellen Wall-
fahrten dahin an, und geben vor, daß Adams Fuß-
ſtapfen da noch in der Erde eingedruckt zu ſehen ſind.


Der Mohren, welche von den Kuͤſten des feſten
Landes nach Ceylon kommen, ſind beſonders zu Colum-
P 2
[228]Vierte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
bo, wo ſie anſehnliche Handlung treiben, eine ziemlich
große Anzahl. Sie ſind meiſtens lang von Statur,
ſchwaͤrzer als die eingebornen Inſulaner und wohl
gekleidet.


Die Portugieſen haben hier, wie anderwaͤrts, waͤh-
rend ihres Hierſeyns ſowohl die chriſtliche Religion, als
auch ihre Sprache einzufuͤhren geſucht. Die Hollaͤnder
haben ſich ſeitdem ſie hieher gekommen ſind, bemuͤhet,
das Chriſtenthum hier aufrecht zu erhalten. Zu dieſem
Ende ſind von der Compagnie ſowohl Kirchen als Schu-
len fuͤr die Eingebornen und Sklaven beybehalten, auch
Geiſtliche zu ihrer Unterweiſung und zur Haltung des
Gottesdienſtes beſtellt.


Kurz vor meiner Ankunft war von der daͤniſchen
Miſſion zu Trankebar ein lutheriſcher Geiſtlicher nach
Ceylon gekommen, um zu Columbo einige Predigten zu
halten, beſonders aber ſeinen hieſigen Glaubensgenoſſen
das heilige Abendmal zu reichen, weil dieſe hier weder
Kirche, noch einen eignen Prediger haben. Gewoͤhn-
lich macht alle Jahr ein ſolcher Geiſtlicher die Reiſe
von Trankebar hieher, aus Eifer fuͤr ſeine Religion,
und aus Liebe zu ſeinen Glaubensverwandten, die gleich-
wohl ſeine Muͤhe und Beſchwerde nur ſehr maͤßig beloh-
nen. Einige legen hier der gedachten daͤniſchen Miſſion
großen Ruhm bey. Man hat mich verſichert, daß,
wenn die Katholiken mit eben ſo viel Sanftmuth, Leut-
ſeligkeit und chriſtlicher Liebe, als dieſe Miſſionaͤre thun,
ohne Haabſucht, Herrſchbegierde, Uebermuth und Ge-
walthaͤtigkeit, die Lehre Jeſu in Indien auszubreiten ge-
ſucht haͤtten, der groͤßte Theil der zahlreichen Einwohner
Aſiens jetzt Bekenner derſelben ſeyn wuͤrden.


[229]Religion, Sitten, Sprache ꝛc. der Ceyloner.

Die Heiden in Ceylon beten, wie andere oͤſtliche
Voͤlker Aſiens, vorzuͤglich den Abgott Budha oder Budſo
an, deſſen Bild man nicht nur in ihrem Tempel, ſondern
auch oft in ihren Haͤuſern antrifft. Sie nennen ihn
Deani Budu Hamdrue, das heißt, Herr Gott Budu.
In den Tempeln bringen ſie ihm allerley Opfer dar, wel-
che zugleich die Einkuͤnfte der Prieſter ausmachen. Mit
dieſen Opfern bezeichnen ſie oft ihre Beduͤrfniſſe und An-
liegen. Wenn einer oder mehrere in einem Hauſe krank
geworden ſind, ſo laſſen ſie duͤnne Silberbleche ſchmie-
den, und daraus eine oder mehrere menſchliche Figuren
im Kleinen bilden, die ſie dann auf den Altar des Budha
legen. Hat jemand kranke Augen, ſo laſſen ſie ein Paar
ſilberne Augen machen, und ſo weiter. Wenn ſie aber
ſeine Huͤlfe im Allgemeinen anrufen, ſo laſſen ſie die
Figur des oben erwaͤhnten heiligen Feigenbaums oder
auch die Frucht des Nierenbaums (Anacardium), die
ihrer Meinung nach dieſem Gotte beſonders angenehm
ſind, von Silber verfertigen. Wenn die Prieſter eine
Menge ſolcher Opfer zuſammen gebracht haben, ſo
ſchmelzen ſie ſie wieder ein, oder verkaufen ſie nach dem
Gewicht an die Goldſchmiede. Ich hatte Gelegenheit
verſchiedene ſolcher Opferſtuͤcke zu Kauf zu bekommen,
ſo wie auch einen kleinen, von purem Silber verfertigten
Hausgott Budha, der das harte Schickſal hatte, von
ſeinem Beſitzer an einen Europaͤer verpfaͤndet zu wer-
den. Es traͤgt ſich bisweilen zu, daß die aͤußerſte Noth
ſie dazu treibt, ein ſolches Goͤtterbild zu verpfaͤnden;
allein ſobald ſie nur einigermaaßen dazu kommen koͤnnen,
loͤſen ſie dergleichen Pfaͤnder richtig ein. Der Budha
wird allezeit nach indiſcher Art, die Beine kreuzweiſe uͤber
P 3
[230]Vierte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
einander ſitzend, eine Hand oben auf dem Kopfe, oder
auch wohl beyde Haͤnde gefalten vor dem Leibe haltend,
und mit langen, bis auf die Schultern reichenden Oh-
ren abgebildet. In den Tempeln traf ich dies Bild bald
von Stein, bald von Holz, und zwar von verſchiedner
Groͤße an.


Die Mohren betragen ſich in den hieſigen Moſcheen
ſehr ſittſam und anſtaͤndig. Mit aͤußerſter Ehrerbietung
verrichten ſie ihr Gebet; waͤhrend dem Beten drehen
ſie nicht einmal den Kopf im Geringſten zur Seite, ge-
ſchweige daß ſie mit einander ſprechen ſollten.


Zu Columbo hat die Compagnie eine eigne Drucke-
rey, in welcher verſchiedene, meiſtens auf die chriſtliche
Religion Bezug habende Buͤcher gedruckt ſind. Von
dieſen verſchaffte ich mir einige, die ich hernach der Uni-
verſitaͤtsbibliothek zu Upſala einverleibt habe, als: Kort
Begryp der chriſtelyke Religie, in de Tamulſche Spraak,
door Sigisbertus Abrahamß Bronsveld, Colombo 1754,
8.
(Kurzer Inbegriff der chriſtlichen Religion in ta-
muliſcher Sprache). Tamulſch Kindercatechismus,
door Sigisbert Abrahamß Bronsveld, Colombo 1776,
8.
(Tamuliſcher Kinderkatechismus). Evangelium
Jeſu Chriſti van Matthaeus, in de Mallabaarſe Taal,
Colombo 1741, 4.
(Das Evangelium Matthaͤi in
malabariſcher Sprache). Evangelium Jeſu Chriſti van
Matthaeus, Marcus, Lucas ende Johannes, ende de
Handelingen der Apoſtelen in de Tamulſche Taal, Co-
lombo
1748, 4.
(Die vier Evangeliſten und die Apo-
ſtelgeſchichte in tamuliſcher Sprache). Die vier Evan-
geliſten in cingaleſiſcher Sprache, in 4., bekam ich ohne
Titelblatt. Zeſtien Predikatien in de Tamulſche Taal,
[231]Religion, Sitten, Sprache ꝛc. der Ceyloner
door Philippus de Vrieſt, Colombo 1747, 4. (Sech-
zehn Predigten in tamuliſcher Sprache). Auch bekam
ich hier Grammatica af. Singaleeſche Taal-Konſt,
door Johannes Ruell, Amſterdam 1708, 4.
(Gram-
matik der cingaleſiſchen Sprache).


Das Baden in kaltem Waſſer, beſonders in der
offnen See an einem Strande der vor Krokodillen ſicher
iſt, iſt ſowohl unter den hieſigen Europaͤern, als auch
vorzuͤglich unter den Indianern allgemein gebraͤuchlich.
Wenn man am Nachmittage vor der Stadt ſpatzieren
geht, ſieht man Schwarze und Weiße, Alte und Junge,
Freye und Sklaven, weiblichen und maͤnnlichen Ge-
ſchlechts, zu Hunderten im Waſſer plaͤtſchern. Hiedurch
geben ſie dem Koͤrper die noͤthige Kuͤhle, und den
durch die brennende Sonnenhitze geſchwaͤchten Fibern
neue Staͤrke.


Man reiſet in Ceylon in Tragſeſſeln oder ſogenann-
ten Palankinen. Ein Palankin iſt mehr offen, als ein
japaniſcher Norimon, auch in einigen andern Stuͤcken
davon unterſchieden, ob ſie gleich in den meiſten Ruͤck-
ſichten einander aͤhnlich ſind. Die Bamboſtange, wo-
ran er getragen wird, geht uͤber dem Dache oder der
Decke her, und wird von mehreren Mohren, die unter-
wegens einander abloͤſen, getragen. Man kann in
einem ſolchen Tragſtuhle nach Belieben ſitzen und liegen.
Er hat an allen vier Seiten Gardienen, damit man ſich
gegen die Hitze der Sonne verwahren kann. Gewoͤhn-
lich reiſet man mit ſechs oder zwoͤlf Traͤgern.


Die Vornehmen unter den Ceylonern, imgleichen
die Hofleute zu Candy, und die Kaiſerlichen Abgeſand-
ten an die Hollaͤnder, tragen lange goldne Ketten um
P 4
[232]Vierte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
den Hals, die bis auf die Bruſt, und wohl gar bis auf
den Unterleib herabhangen. Dergleichen hatten unter
andern die Abgeſandten, welche zu meiner Zeit nach
Columbo kamen. Auch giebt der Koͤnig dergleichen als
ein Ehrengeſchenk dem hollaͤndiſchen Ambaſſadeur und
deſſen Secretair, wenn ſie zu Candy ankommen. Dieſe
Ketten beſtehen nicht aus Gliedern, ſondern aus run-
den Kugeln, die inwendig hohl, uͤberall durchbrochen,
und wie die feine Drathfaͤdenarbeit der europaͤiſchen Gold-
und Silberarbeiter, von Golddrath geflochten ſind.
Die Kugeln werden, wenn eine Kette daraus gemacht
werden ſoll, entweder auf eine ſeidne Schnur oder auf
Golddrath, ſo lang als man die Kette haben will, an
einander gereihet. Eine ſolche Kette iſt ſehr leicht und
wohl gearbeitet, und ſieht ſehr ſchoͤn aus; kommt aber
wegen ihres geringen Gewichts nicht viel hoͤher als zwan-
zig, dreyßig bis vierzig Pagoden, die Pagode zu einem
Dukaten gerechnet, zu ſtehen.


Die Kleidung der in Ceylon ſich aufhaltenden
Mohren ſieht beynahe wie ein weiter Damenanzug aus,
iſt gewoͤhnlich von weißem Cattun, ſehr weit, und um
den Leib in Falten zuſammengelegt, und mitten uͤber
den Leib mit einem Guͤrtel von weißem bauwollenen
Zeuge, der an der rechten Seite geknuͤpft wird, zu-
ſammengebunden. Auf dem Kopfe tragen ſie einen
Turban. Die Ohren ſchmuͤcken ſie gewoͤhnlich mit
langen goldnen Ohrgehaͤngen, die auf verſchiedne Art
gearbeitet ſind. Einige ſind ſchlicht, andre gewunden;
in andre ſind rothe, blaue oder gruͤne Edelſteine gefaßt;
einige ſind ſehr groß, zum Theil einen Finger lang,
andre hingegen klein. Bisweilen tragen ſie in jedem
Ohre ein ſolches Gehaͤnge, bisweilen ihrer mehrere,
bisweilen fuͤnf bis ſechs, ſo daß durch die Schwere der-
[233]Religion, Sitten, Sprache ꝛc. der Ceyloner.
ſelben das Loch im Ohre und der Ohrlappen gar ſehr
verlaͤngert wird, und das Ohr wohl bis auf die Schul-
ter herabreicht. Viele laſſen in dieſe Ohrringe, eine
kleine runde, mit kleinen rundlichen Erhabenheiten be-
ſetzte Frucht faſſen, die der Sage nach, auf einem hei-
ligen Berge im Lande Kaſchi waͤchſt. Die Frucht heißt
Uteratie, und iſt gemeiniglich ſo groß, wie eine kleine
Erbſe, manchmal aber auch wohl wie eine Flintenku-
gel. Einige glauben in den Loͤchern und Falten der-
ſelben gleichſam ſieben menſchliche Geſichte zu ſehen;
alsdenn iſt ſie von hohem Werth, und wird von den
Vornehmen und Reichen mit zweyhundert Thalern be-
zahlt. Sobald die Kinder drey Jahr alt ſind, wird
ihnen ein kleiner Ohrring zum Schmuck gegeben. Ei-
gentlich ſind es nur die Reichen, welche viele Gehaͤnge
in den Ohren tragen, ſo, daß man aus der Beſchaf-
fenheit, Groͤße und Menge der Ringe auf den groͤſſern
oder geringern Reichthum derſelben ſchlieſſen kann.


Unter den mancherley Arten Kattun und Sitſe,
die aus Malabar und Coromandel hieher kommen,
ſchienen mir die von Suratte und Bengalen, und na-
mentlich die letztern, die allerſchoͤnſten zu ſeyn. Von
Tutucorin ſah ich auch ſolche, die nicht gedruckt, ſon-
dern worauf die Blumen, wie auf Tapeten, mit dem
Pinſel gemahlt waren. Es iſt unglaublich, zu welcher
Feinheit die Baumwolle auf den indiſchen Kuͤſten ge-
ſponnen wird. Ich hatte Gelegenheit, baumwollene
Zeuge zu ſehen, die ſo fein waren, daß ich ein halbes
Dutzend Hemden davon in eine Hand ganz von allen
Seiten zuſammen faſſen konnte.


Auf Ceylon giebt es, ſo wie in ganz Indien eine
Menge giftiger Thiere, Saͤfte und Fruͤchte. Dage-
gen ſind die Einwohner auch mit ſogenannten Gegen-
P 5
[234]Vierte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
giften reichlich verſehen. Dahin gehoͤrt das Schlan-
genholz (Lignum colubrinum), die Schlangenwurzel
(Ophiorrhiza) und die Mungobohne (Phaſeolus
Mungo
). Die Mohren rechnen auch das Rhinoceros-
horn dazu. Beſonders muß ich hier von den Schlan-
genſteinen etwas ſagen. Man hatte mir von ihrer
Wirkung gegen den Schlangenbiß ſo viel geruͤhmt, daß
es mir ſehr wichtig war, mich bey den Malabaren ge-
nau darnach zu erkundigen, und auch die Zubereitung
und Verfertigung derſelben zu erfahren. Man brachte
mir oft ſolche Steine, hielt ſie aber lange in ziemlich ho-
hem Preiſe. Als ich aber endlich keine mehr kaufen wollte,
und andre Abnehmer auch ſelten waren, bekam ich ſie ſo
wohlfeil, daß ich hernach zu Cap meinen Freunden das
Stuͤck fuͤr einen Thaler uͤberlaſſen konnte. Der Stein
iſt durch Kunſt gemacht, groß, und beynahe von der
naͤmlichen Geſtalt als eine Bohne, obwohl Groͤße und
Figur ſelten gleich ſind. Gemeiniglich iſt er ruͤndlich,
oder ein wenig laͤnglich rund, mit ſtumpfen Kanten,
auf der einen Seite faſt ganz platt, und auf der andern
etwas erhoben. Er wird aus einer zu Aſche gebrannten
Wurzel gemacht, welche mit einer gewiſſen Art Erde, die
man bey Diu findet, vermiſcht, hierauf abermals
gebrannt, ſodann zu einem Teige gemacht, und die-
ſem die Figur, welche der Stein haben ſoll, gegeben,
und zuletzt an der Luft getrocknet wird. Nicht alle ha-
ben einerley Farbe; die, welche am meiſten gebrannt
ſind, ſehen mehr hellgrau, die andern mehr dunkelgrau
aus; gewoͤhnlich ſind ſie ſchwarz und grau gefleckt. In-
wendig hat der Stein feine Loͤcher, oder Zwiſchenraͤume,
die man aber doch nicht ſelten mit bloßen Augen ſehen
kann. Zugleich iſt er ſo zerbrechlich, daß er in Stuͤk-
ken faͤllt, wenn man ihn auf einen Stein fallen laͤßt.
[235]Religion, Sitten, Sprache ꝛc. der Ceyloner.
Wenn man von einer Schlange gebiſſen wird, ſo legt
man einen ſolchen Stein auf die Wunde, bindet ihn
darauf feſt, und laͤßt ihn ſo lange liegen, bis alle Zwi-
ſchenraͤume des Steins mit dem ausgezognen Gifte an-
gefuͤllt ſind. Man ſagt, er falle dann von ſelbſt ab,
wie ein Blutigel der ſich vollgeſogen hat; und wenn
man ihn ſodann in ſuͤße Milch legt, glaubt man, daß
das Gift wieder heraus ziehe, worauf man den Stein
von neuem auf die Wunde legt, wenn man meint,
daß noch Gift darin ſey. Fein geſchabt, und in Wein
eingenommen, ſoll er bey hitzigen- und Faulfiebern
große Heilkraͤfte aͤuſſern. Man erzaͤhlte mir, daß es
auch falſche, nachgemachte Schlangenſteine gebe, die
gar keine Arzeneykraft haben. Die Kennzeichen der
aͤchten Schlangenſteine ſind: daß ſie am Gaumen, und,
wenn man warm iſt, auch an der Stirn feſtkleben, und
im Waſſer gelegt, nach Verlauf einer kurzen Zeit ver-
ſchiedne kleine Waſſerblaſen aufſteigen laſſen.


Wie auf der Kuͤſte des feſten Landes von Oſtin-
dien
, ſo bedient man ſich auch auf der Inſel Ceylon,
der Blaͤtter der Boraſſuspalme, bisweilen auch der vom
Talpatbaume (um drauf zu ſchreiben, wie bereits er-
waͤhnt) ſtatt Papiers. Die Indier machen naͤmlich
nicht wie ihre oͤſtlicher wohnenden Nachbaren, ihr Pa-
pier aus Baumrinde, ſondern ſchreiben auf Blaͤtter.
Man legt die Blaͤtter jener beiden Arten Palmbaͤume
zu dieſem Ende in Falten wie einen Faͤcher, und die
hiedurch ſich bildenden Streife, beduͤrfen keiner wei-
tern Bereitung, als daß ſie mit einem Meſſer von
einander getrennt und an den Seiten gerade geſchnitten
werden.


Auf dieſe Blaͤtter-Streife, ſchreibt man ſtatt der
Feder, mit einem ſpitzigen eiſernen Griffel, mit welchem
[236]Vierte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
die Buchſtaben eingeritzt oder eingegraben werden.
Damit das Geſchriebne hernach deſto beſſer zu leſen ſey,
werden pulveriſirte Kohlen, oder ſonſt etwas Schwarzes,
daruͤber geſtrichen, ſo daß die Buchſtaben voͤllig wie
in Kupfer geſtochen ausſehen. Die Spitze eines ſolchen
Griffels iſt entweder in einen meſſingnen Stift einge-
faßt, den man in einem hoͤlzernen Futteral traͤgt, und
der bisweilen eine Viertelelle lang iſt; oder der ganze
Griffel iſt von Eiſen und aus einem Stuͤcke, und zu-
gleich mit einer Meſſerklinge verſehen, womit man die
Blaͤtter ſchneiden kann, da denn ſowohl der Griffel als
das Meſſer in einem gemeinſchaftlichen Stiel eingeſetzt
ſind, worin man ſie umlegen und bey ſich tragen kann.
Auf ſolche Streife von Blaͤttern werden alle Briefe, die
Befehle der Fuͤrſten und dergleichen geſchrieben, und
offen und unverſiegelt weggeſchickt. Wenn ein einzi-
ger Streif nicht hinreicht, ſo legt man mehrere zuſam-
men, und reihet ſie, vermittelſt eines an dem einen
Ende hinein gemachten Lochs und einer hindurchgezog-
nen Schnur, auf. Wenn ein Buch zum Gebrauche
im Tempel, oder zu anderm Behuf gemacht werden
ſoll, ſo ſucht man recht breite und ſchoͤne Streife von
Talpatblaͤttern aus, auf welchen die Schrift ſehr ſchoͤn
und genau eingeritzt, und auch verſchiedne Figuren
zum Zierrath hinzugefuͤgt werden. Darauf werden
die ſaͤmtlichen Streife mit zwey Loͤchern durchbohrt,
auf eine ſchoͤne und kuͤnſtlich gemachte Schnur gereihet,
und mit zwey hoͤlzernen Seitendeckeln ſtatt des Bandes
verſehen, die hernach lackirt werden. Vermittelſt der
Schnur werden die Blaͤtter dicht und eben zuſammen
gehalten, und wenn man das Buch gebraucht, kann
man ſie durch Ausziehung der Schnur nach Gefallen
aus einander nehmen. Ein Buch dieſer Art, das,
[237]Allerley andre Nachrichten von Ceylon ꝛc.
wie man mir geſagt hat, verſchiedne Gebete enthaͤlt,
hatte ich, durch Graf Ranzows Vermittelung, Gelegen-
heit mir von einem ceylonſchen Prieſter zu verſchaffen.


Auf Erlernung der ceylonſchen und der malaba-
riſchen Sprache einen Theil meiner koſtbaren Zeit zu
verwenden, dazu war mein Aufenthalt in dieſem Lande
zu kurz. Ich bemerkte indeſſen doch, daß dieſe bey-
den Sprachen ſehr unterſchieden ſind, und von einan-
der eben ſo ſehr abweichen, als die Sprache der Moh-
ren von Beyden. Von der malabariſchen Sprache
kann ich hier wenigſtens die Zahlwoͤrter mittheilen.


  • 1. Unnu, undu.
  • 2. Rendu, rindu.
  • 3. Mundu.
  • 4. Nalu.
  • 5. Anji, anju.
  • 6. Aru.
  • 7. Elu.
  • 8. Ettu, ittu.
  • 9. Ombedu.
  • 10. Pattu.
  • 11. Pattinendu.
  • 12. Pattirendu.
  • 13. Pattimundu.
  • 14. Pattinalu.
  • 15. Pattinanju.

  • 20. Iruedu.
  • 21. Iruedondu.
  • 30. Muppedu.
  • 40. Natpedu.
  • 50. Anbedu.
  • 60. Aruedu.
  • 70. Eluedu.
  • 80. Enbedu, aymbedu.
  • 90. Tonnuru, imbedu.
  • 100. Nuru, nur.
  • 101. Nutcondu.
  • 200. Irnur.
  • 300. Munur.
  • 1000. Ayrem, ayrim.
  • 10000. Patairim.

Da zu Columbo mit der ganzen Kuͤſte des feſten
Landes von Indien ein ausgebreiteter Handel getrieben
wird, und auch eine Menge Mohren des Handels we-
gen ſich hier aufhalten, ſo war es mir leicht, verſchie-
dene theils gangbare, theils ſeltene, indiſche Muͤnzen
zu bekommen.


Unter den ceylonſchen Muͤnzen iſt eine, die in
Anſehung ihrer Geſtalt etwas beſonders hat und, auf Ma-
labar
und Coromandel zugleich, gaͤng und gebe iſt. Der
Kaiſer zu Candy laͤßt ſie ſchlagen; ſie iſt von verſchiedner
[238]Vierte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt.
Groͤße und verſchiednem Werth, heißt aber durchgaͤn-
gig Laryn. Sie beſteht aus einem gehaͤmmerten ſil-
bernen Cylinder, der in der Mitte zuſammen gebogen,
und an beyden Enden wie ein Haken gekruͤmmt iſt.
Das obere Ende iſt mit einigen Buchſtaben, Sternen
oder andern eingegrabnen Figuren bezeichnet. Eins
von den Exemplaren, welche ich mir einwechſelte, ko-
ſtete zehn, ein anderes, kleineres, neun hollaͤndiſche Stuͤ-
ber, beyde ſind von feinem Silber.


In einigen Gegenden der Inſel wird [eine] Art
Kupfergeld aus der Erde gegraben, das kleiner aber
etwas dicker, als ein gewoͤhnlicher Pfennig, und mit
einem Bilde nebſt malabariſchen Buchſtaben bepraͤgt
iſt. Man glaubt, es ſey malabariſche Muͤnze, die
ehedem hier gangbar geweſen. Unter den geringen und
armen Leuten circuliren viele von den großen ſowohl
als kleinen Pfennigen, welche die Compagnie ſchla-
gen laͤßt, und zwar von derjenigen Gattung, die auf
einer Seite das Wapen derſelben hat.


Im Handel und Wandel zwiſchen den Europaͤern
und Indiern ſind goldne und ſilberne Rupien und Pa-
goden die gebraͤuchlichſten Muͤnzſorten. Von den
Rupien giebt es hier verſchiedene Sorten, die von meh-
reren Fuͤrſten geſchlagen ſind; auch hat man halbe,
und noch kleinere Stuͤcke davon: Pagoden, die man
im oͤſtlichen Indien ſelten antrifft, ſind hier ſehr all-
gemein; es ſind faſt die einzigen Muͤnzen, die ein
Bild haben. Das Gold, woraus ſie gepraͤgt wer-
den, hat etwas Zuſatz von Kupfer. Sie halten faſt
genau einen Dukaten, und gelten zwey Reichsthaler
und einen Schilling hollaͤndiſch. Auf einer Seite ſind
ſie erhoben, auf der andern etwas flach, ohngefaͤhr
wie ein Bruſtkuchen geſtalltet. Auf der einen Seite
[239]Allerley andre Nachrichten von Ceylon ꝛc.
ſieht man ein Bild, auf der andern, naͤmlich bey den-
jenigen Stuͤcken, die am meiſten nach hollaͤndiſchen
Comtoiren gehen, nur einige erhabne Punkte, bey
denen aber die im Handel nach engliſchen Comtoiren
gehen, einen Stern. Man muß ſich bey dieſen Pa-
goden ſorgfaͤltig fuͤr Betrug in Acht nehmeu, denn ſie
werden haͤufig verfaͤlſcht, und die Falſchen, welche
ſtark vergoldet ſind, laſſen ſich nicht leicht anders als
durch den Klang, von den aͤchten unterſcheiden.
Pagoden mit der Figur eines Elephanten ſind unge-
mein rar; ſie werden fuͤr ſehr alt ausgegeben, ſind
groͤßer als die gewoͤhnlichen, und beſtehen aus feinem
Golde. Die maſſulipatnamſchen Pagoden, welche
von Coromandel hieher kommen, ſind auch mit drey
Figuren bezeichnet; man hat ſie ganz, und auch, ſo-
gar bis zu Achttheilen, getheilt; auch dieſe ſind von feinem
Golde. Die mangalorſchen Pagoden ſind von zweyerley
Art; die eine iſt alt, und hat auf der Ruͤckſeite Buchſta-
ben; die andre curſirt noch jetzt, und hat einen Mond auf
der Ruͤckſeite, auf der Hauptſeite aber zwey Bilder; es
giebt ganze und halbe; ſie ſind ebenfalls von feinem Golde.


Die ſowohl hier, als auch auf den Kuͤſten
Malabar und Coromondel gangbare Scheidemuͤnze,
beſteht entweder aus ganz kleinen, goldnen und ſil-
bernen Muͤnzen, die Fanum heißen, oder aus Ku-
pferpfennigen von unterſchiedlicher Groͤße, die auf
den von den Europaͤern errichteten Handelscontoiren
geſchlagen ſind. Die Fanum ſind alle klein und duͤnn,
die goldnen mit etwas Kupfer vermiſcht. Verſchiedne
Fuͤrſten auf dem feſten Lande laſſen ſie ſchlagen. Sie ſind
auf beyden Seiten mit verſchiednen Strichen und Punkten
bezeichnet. Ihr Werth iſt ungleich, und richtet ſich
nach Gehalt und Groͤße. Unter dem Kupfergelde ſind
[240]Vierte Abtheilung. Sechſter Abſchnitt. ꝛc.
verſchiedne, von den Hollaͤndern, Englaͤndern, Franzoſen
und Daͤnen gepraͤgte Sorten, von ungleicher Groͤße,
Dicke, Gepraͤge und Werth. Einige kleine ſilberne Muͤn-
zen circuliren hier auch, die zu Madras, Pondichery und
Trankebar geſchlagen ſind. Dieſe alle ausfuͤhrlich zu
beſchreiben, wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn; vielleicht theile
ich einmal in Zukunft dem Publicum eine eigne Be-
ſchreibung der oſtindiſchen Muͤnzen mit. Von Mala-
bar
werden auch zwey Arten bleyernes Geld, das
etwas groͤßer iſt, als das javaniſche, hieher gebracht;
die eine Art hat ein rundes, die andre ein viereckigtes
Loch in der Mitte. Von eben daher kommen auch
zwey Kupfer-Muͤnzen Dudu und Baiſa genannt;
die eine iſt groͤßer die andere kleiner, beyde aber ſind
auf einer Seite mit der Figur eines Elephanten
bezeichnet.


Fuͤnfte
[241]

Fuͤnfte Abtheilung.
Ruͤckreiſe nach Schweden, vom 28ſten Ja-
nuar 1778 bis den 14ten Maͤrz 1779.


Erſter Abſchnitt.
Reiſe von Ceylon nach Holland.


Am 28ſten Januar 1778 reiſete ich von Columbo
ab. Ich nahm den Landweg nach Gale, und zwar
in Geſellſchaft des Polizeyſecretairs Belling, welcher
die Briefe dahin brachte, die mit den zur Ruͤckreiſe
nach Europa fertig liegenden Schiffen abgehen ſollten.


Der Hafen von Gale wird durch die Feſtungs-
werke der Stadt beſchuͤtzt. Er kruͤmmet ſich in eine
Bucht, weshalb das Ein- und Auslaufen beſchwerlich
iſt. Alle nach Europa und Indien gehende Schiffe,
muͤſſen ihre letzte Ladung hier einnehmen, und von hier
aus abſeegeln.


Am 6ſten Februar gieng ich nebſt mehreren Paſſa-
gieren an Bord des Schiffes Loo, welches vom Capi-
tain Cock, einem gebornen Norweger, gefuͤhrt wurde,
unter Seegel. Die Ladung beſtand in ungefehr funf-
zehn hundert Ballen Kaneel von der eignen Erndte der
Compagnie, etwas Kaneel von Candy, einer Menge
Ballen weißer baumwollner Zeuge von Suratte und
Tutucorin, und Pfeffer von der malabariſchen Kuͤſte.


Thunbergs Reiſen. Zweyt. Band. zweyter Th. Q
[242]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Die Officiere hatten einige und dreißig Sklaven
mitgenommen, die ſie hernach zu Cap mit anſehnli-
chem Gewinn verkauften. Dieſe ware alle vom maͤnn-
lichen Geſchlechte, die meiſten von der Kuͤſte Malabar, und
nur einige wenige Pampuſen mit krauſem Haar darunter.
Ich als Arzt mußte genau unterſuchen, ob ſie auch alle
die Pocken und Maſern gehabt hatten, und eben ſo
ſorgfaͤltig mußte ich auch unterwegens acht haben, ob
ſich etwa die eine oder andere dieſer beyden Krankheiten
bey ihnen zeigte. Waͤre dies der Fall geweſen, ſo
haͤtte das Schiff, bey der Ankunft am Cap, bey Robben-
eyland
vor Anker gehen, und foͤrmlich Quarantaine
halten muͤſſen, ſo daß, vor Ablauf von 40 Tagen Nie-
mand von uns haͤtte ans Land kommen duͤrfen. Man
fuͤrchtet ſich nemlich am Cap eben ſo ſehr vor Pocken
und Maſern, als vor der Peſt; und gleichwohl
macht man gar keine Anſtalten zur Einimpfung!


Unſre Fahrt gieng von Gale aus mit guͤnſtigem
Winde von ſtatten; am 11ten Februar paſſirten wir
den Aequator, und am 16ten Maͤrz den Wendezirkel
des Steinbocks.


Als wir zwiſchen dem 30ſten und 35ſten Grade
ſuͤdlicher Breite waren, hatten wir ſehr oft Donnerwet-
ter mit Regen, Hagel oder Schnee, welcher jedoch ſo-
gleich ſchmolz. Einmal ſahen wir waͤhrend eines Ge-
witters an der Spitze des vorderſten Maſtes eine electri-
ſche Flamme.


In dieſen Gegenden war es auch, wo verſchiedne
Naͤchte nach einander mehrere lange Leuchtwuͤrmer oder
Glanzaſſeln (Scolopendra electrica) auf das Verdeck her-
unterfielen. Sie kamen immer von derſelben Seite als
der Wind, und fielen auch auf eben der Seite nieder.
Gewiß war es auch der Wind, der ſie herabwehete, und
[243]Reiſe von Ceylon nach Holland.
folglich kamen ſie keinesweges von den Seegeln, ſon-
dern von den Maſten und Stangen. Wenn ſie zer-
treten, oder ſonſt auf andre Art auf dem Verdecke zer-
querſcht wurden, ſo ſah man allezeit ein phosphoriſches
Feuer ſo weit ſich der zerdruͤckte Wurm erſtreckte.
Merkmale von Fluͤgeln konnte man an dieſen Wuͤrmern
nicht entdecken, ſondern ohne Zweifel kriechen ſie mit ihren
vielen Fuͤßen an die Maſten hinauf, von wo ſie hernach,
wenn der Wind ſtark wehet, herunterfallen.


Den 22ſten April zwiſchen 45 und 46 Grad Breite,
nicht weit oſtwaͤrts vom Vorgebuͤrge der guten Hoffnung,
ſahen wir Mittags einige wenige Minuten nach 12 Uhr
einen auf der Oberflaͤche des Waſſers ſelbſt liegenden
Regenbogen; der Wind wehete ſtark, und die Sonne
hatte ihren hoͤchſten Stand am Himmel in Nordnord-
weſten, und der Regenbogen war in Suͤdſuͤdoſten.
Er fieng am Horizonte ſelbſt mit einem hellen Zirkelab-
ſchnitte an, welcher ſich allmaͤlig mehr und mehr erhob
und zugleich nach den Seiten ausbreitete, und ganz
oben einen ſchmalen dunkelrothen Rand bekam. Von
den beyden Enden des Bogens erſtreckten ſich zwey Ar-
me, wie zwey Hoͤrner, die ſich einwaͤrts bogen, und
Zweydrittheil ihrer Laͤnge weit, ſich zwiſchen der Erd-
flaͤche und dem Schiffe ausdehnten, und mit ſehr ange-
nehmen Farben, Roth, Gelb, Gruͤn und Purpur-
blau, prangten. In dieſer Stellung blieb er eine halbe
Viertelſtunde, worauf er in umgekehrter Ordnung
allmaͤlig verſchwand. Auf der oͤſtlichen, oder linken
Seite, ſah man einen andern Regenbogen, mit Farben
in entgegenſtehender Folge; dieſer war daher weiter
nichts als eine Wirkung der von jenem wirklichen Bo-
gen zuruͤckgeworfenen Stralen; oberwaͤrts war er nicht
ſehr hoch, ſtand aber doch hoͤher, als das Segment des
Q 2
[244]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
erſteren an der Erdflaͤche. Nach einer Viertelſtunde
erhob ſich zwar wieder ein aͤhnliches Segment, es
dehnte ſich aber in keinen Regenbogen aus. Der Him-
mel war dieſe ganze Zeit truͤbe, und mit wolkenartigen
Stellen beſetzt, und man konnte mit Muͤhe gewahr
werden, daß unten am Horizonte Regen fiel. Der-
gleichen Regenbogen, die nur auf dem Meere und auf
großen Seen entſtehen koͤnnen, ſind vielleicht nicht oft
beobachtet.


Auf dieſer Seereiſe ſahen wir auch mehrmals
waſſerziehende Wirbel (ſogenannte Waſſerhoſen), die
verſchiedentlich geſtaltet in der Luft ſchwebten. Sie
fiengen allezeit am untern Ende an zu verſchwinden.
Wenn ſie ſich zeigten, hatten wir gewoͤhnlich zugleich
Gewitterregenſchauer mit ſtarken Windſtoͤßen.


Endlich ließen ſich die Malataßvoͤgel, eine Art
Pelikane (Pelecanus Sula) ſehen, und gaben uns die
ſichere und frohe Hoffnung, daß wir bald Land erblicken
wuͤrden. Dieſe Voͤgel ſind fuͤr die Seefahrer allezeit ein zu-
verlaͤßiges Kennzeichen, daß ſie nicht weit von der afri-
kaniſchen Kuͤſte ſind; oft ſieht man, wenn ſie zum Vor-
ſchein kommen, oben vom Maſtkorbe aus bereits Land.
Selten gehen ſie tiefer in die See hinein, als daß ſie gegen
Abend wieder nach den Buchten zuruͤckkommen koͤnnen,
wo ſie gewoͤhnlich die Naͤchte zubringen. Wir entdeckten
auch ſogleich nachher Land. Da aber der Suͤdoſtwind uns
ſehr heftig entgegen wehete, konnten wir die kapſche Reede
nicht erreichen, ſondern kamen am Abend, mit Muͤhe
und Noth, bey Robbeneyland vor Anker.


Bey dem ſtarken Winde und der dadurch verur-
ſachten Kaͤlte, hatte ich das unbeſchreibliche Misver-
gnuͤgen, verſchiedne von meinen Brodfruchtbaͤumen
und anderen Gewaͤchſen, theils erfroren, theils durch
[245]Reiſe von Ceylon nach Holland.
das heftige Hin- und Herſchwanken des Schiffs umge-
worfen und ruinirt zu ſehen.


Die meiſten Krankheiten, welche auf dieſer Reiſe
vorkamen, waren veneriſche, die ſowohl Matroſen als
Sklaven durch ein luͤderliches Leben auf Ceylon ſich zu-
gezogen hatten. Sie aͤußerten ſich mit den ſchrecklich-
ſten Symptomen.


Am 27ſten April kamen wir endlich zu dem gewoͤhn-
lichen Ankerplatze auf der Rhede bey Cap, wo bereits
eilf Schiffe lagen. Sobald das Schiff durch Commiſ-
ſarien aus der Stadt gehoͤrig viſitirt worden war, be-
kamen wir Erlaubniß ans Land zu gehen.


Ich ließ mich daher ſogleich nach der Stadt ru-
dern, und nahm meine Wohnung bey meinem vorma-
ligen Wirthe, Herrn Fehrſen, in denſelben Zimmern,
die ich ehedem drey Jahr bewohnt hatte.


Waͤhrend dieſe Zimmer fuͤr mich zurecht gemacht
wurden, fand ich Gelegenheit eine botaniſche Bemer-
kung zu machen, die mich in Verwunderung ſetzte.
Im Vorzimmer ſtand ein meinem Wirthe gehoͤrender
ſehr großer Kaſten, den ich bey meinem vorigen hieſigen
Aufenthalte oft anſtatt eines Tiſches gebraucht hatte,
um meine Kraͤuter, Zwiebeln und Saͤmereyen darauf
zu legen. Im letzten Jahre hatte ich auf dieſem Kaſten
die in den afrikaniſchen Wuͤſten wachſenden fleiſchigen
Gewaͤchſe in Ordnung gebracht, um ſie nach Europa
zu ſchicken. Bey dieſer Arbeit war eines dieſer
Gewaͤchſe, das aͤußerlich ganz vertrocknet ausſah, hin-
ter den Kaſten gefallen. Als jetzt beym Reinmachen
des Zimmers der Kaſten von der Wand gezogen wurde,
fand man das dem Anſcheine nach vertrocknete Gewaͤchs
dahinter liegen, das unterdeß einen Stengel von einer
Viertelelle getrieben hatte, unerachtet es, als ich es
Q 3
[246]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
vor viertehalb Jahren in den oͤden Sandebnen fand,
nicht das geringſte Merkmal des Lebens zeigte, und her-
nach in den drey verfloſſenen Jahren weder irgend Erde,
noch die mindeſte Feuchtigkeit, außer der Kuͤhle des ſtei-
nernen Fußbodens, gehabt hatte. Dies beweiſet, welch
ein zaͤhes Leben die in den allerduͤrrſten Wuͤſteneyen
wachſenden afrikaniſchen Gewaͤchſe haben, und wie
lange ſie ohne Waſſer und Nahrung aushalten koͤnnen.
Ich nahm dies Gewaͤchs hernach mit nach Europa, und
fand, daß die, welche ich von dieſer Art vorher wegge-
ſchickt hatte, im botaniſchen Garten zu Amſterdam
Zweige und Blaͤtter, aber bisher noch keine Blumen
getrieben hatten, woraus ihr Geſchlecht und ihr Name
zu beſtimmen geweſen waͤre.


Zu Cap verſchaffte ein jetzt auf der Rhede liegen-
des ſchwediſches Schiff mir das Vergnuͤgen, viele
Freunde zu umarmen, die aus meinem Vaterlande ge-
kommen waren, und mir außer vielen Briefen und Neuig-
keiten auch die angenehme Nachricht brachten, daß ich
in Profeſſor Linnees Stelle, der ſeinem unſterblichen
Vater im Amte nachgefolgt war, zum Demonſtrator
der Botanik auf der Univerſitaͤt zu Upſala ernannt
worden ſey.


In den drey Jahren meines Aufenthalts in In-
dien
hatte ſich die Capſtadt faſt durchgehends durch den
Anbau theils neuer, theils verbeſſerter Haͤuſer, die nicht
ſelten zwey oder drey Stockwerke hoch waren, dermaaßen
veraͤndert, daß ich ſie kaum wieder kannte.


Im letzten Sommer hatte der Suͤdoſtwind das
ganze Land verheert. Er war ungewoͤhnlich heftig,
und dabey die Duͤrre ſo groß geweſen, daß faſt im
ganzen Lande allgemeine Klage uͤber Getreidemangel
war. An den meiſten Orten hatte vor Duͤrre nichts
[247]Reiſe von Ceylon nach Holland.
wachſen koͤnnen; an einigen Orten hingegen, wo
die Saat herrlich geſtanden hatte, unter andern jenſeit
des hottentottiſchhollaͤndiſchen Gebirges, war ſo er-
ſtaunlich viel Regen gefallen, daß das ſchon gemaͤhete
Korn in den Haufen oder Femen verfault war, und
das noch auf dem Halme ſtehende in den Aehren auszu-
wachſen angefangen hatte. Dadurch war der Preis
des Getreides in der Stadt zu ſo ungewoͤhnlich hohem
Preiſe geſtiegen, daß eine ſogenannte Fracht Weizen,
die vorher fuͤr zehn Reichsthaler verkauft ward, jetzt
zwey und dreyßig galt.


Bey meiner jetzigen Anweſenheit allhier, lernte
ich unter andern einen Englaͤnder, Namens Paterſon,
kennen, der hieher gekommen war, um Saͤmereyen
und lebendige Wurzeln, der dieſem Lande eignen und
ſeltnen Gewaͤchſe, aus den innern Gegenden von Afrika
zu ſammeln, und nach ſeinem Vaterlande zu ſchicken.
Er ſagte mir, er reiſe auf Koſten eines Privatmannes,
und beſaß einige botaniſche Kenntniſſe, eigentlich war
er nur ein Gaͤrtner.


Die hollaͤndiſche Compagnie geſtattet jedem Offi-
ciere auf ihren Schiffen einigen Handel zu treiben; ſie
duͤrfen nemlich eine große Kiſte, fuͤnftehalb Fuß lang,
nnd drittehalb Fuß breit, mit gewiſſen Waaren an-
fuͤllen, welche hernach in oͤffentlicher Auction fuͤr ihre
Rechnung verkauft werden. Die, welche ſich in Oſt-
indien
noch nicht mit Waaren verſorgt, ſondern ihre
Kiſten mit Tamarinden oder etwas anderm angefuͤllt
hatten, kauften jetzt hier am Cap grobe Sitſe, und
aͤhnliche nicht verbotne Sachen, um ſie mit nach Eu-
ropa
zu nehmen. Feine Sitſe und Kattune, Spece-
reyen und verſchiedne andre Waaren, womit die Com-
pagnie ausſchließlich handelt, ſind den Particuliers
Q 4
[248]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ganz verboten, und werden, wenn ſie damit han-
deln, als Contrebande weggenommen.


Den 15ten May traten wir vom Cap aus die
Ruͤckreiſe nach Europa an. Wir ſeegelten in Geſell-
ſchaft vier andrer hollaͤndiſcher Schiffe, und ſollten zu
wechſelſeitiger Vertheidigung beyſammen bleiben. Ein
daͤniſches Schiff, das mit uns zugleich auslief, kam
uns bald vorbey, und verſchwand als ein weit beſſrer
Segler in kurzer Zeit vor unſern Augen.


Die Matroſen hatten verſchiedne Baviane ge-
kauft; die ſie mit nach Holland nehmen wollten. Dieſe
Thiere ſind von boͤſer Gemuͤthsart, ergrimmen leicht
und beißen ſehr arg. Man muß ſie daher faſt ſtets ange-
bunden halten. Wenn einmal einer loskam, war es
hernach nicht leicht, ihn wieder zu fangen, weil ſie un-
beſchreiblich behende an den Tauen hinaufkletterten, und
ſich bis an die Spitze des hoͤchſten Maſtes fluͤchteten.


Bisher waren wir durch wiedrigen Wind in unſrer
Fahrt ſehr aufgehalten worden, und hatten daher die
afrikaniſche Kuͤſte noch immer im Geſichte; dazu kam
jetzt noch ein ſo ſtarker Nebel, daß wir nicht um uns
ſehen konnten. Am 26ſten May, geriethen wir da-
durch, und namentlich das Commandeurſchiff, dem
Lande ſo nahe, daß, als das Wetter anfieng ſich auf-
zuklaͤren, wir ſchon ganz dicht an die Klippen getrie-
ben waren. Haͤtten wir da zugleich Sturm aus
Nordweſt bekommen, ſo waͤren wir gewiß unwieder-
bringlich verloren geweſen; gluͤcklicherweiſe aber drehete
ſich der Wind nach Norden, und brachte uns wieder ſee-
waͤrts. Dieſe drohende Gefahr hatte offenbar unſer Com-
mandeur Koelbier, auf dem Schiffe Kanaan, dadurch
veranlaßt, daß er am Abend vorher nach dem Lande
hingeſteuert hatte, anſtatt daß er haͤtte ſuchen ſollen,
[249]Reiſe von Ceylon nach Holland.
ſeewaͤrts zu gehen, um den Wind zu gewinnen; wir
andern Schiffe waren verbunden ihm zu folgen. In der
folgenden Nacht verloren wir das Commandeurſchif
ganz aus dem Geſichte, weshalb das Commando nun-
mehr unſermCapitain Kock uͤbertragen wurde. Den
Morgen darauf bekamen wir es wieder zu ſehen, nach zwey
Tagen aber wurde es uns abermals unſichtbar. Nach ei-
nigen Tagen kamen wir ihm ſehr nahe, indem es wegen
widrigen Windes, da es ſich zu ſehr nach dem Lande ge-
halten hatte, jetzt die Flotte nicht erreichen konnte.
Demungeachtet war am folgenden Tag wieder nichts
von ihm zu ſehen, obgleich die Nacht uͤber wenig
Wind geweſen war. Hieraus ergab ſich nun ganz klar,
daß der Commandeur gar nicht geſonnen war, bey ſei-
ner Flotte zu bleiben, ſondern im Gegentheil ſich davon
zu trennen ſuchte, allem Anſchein nach, um ſeine Zuhauſe-
reiſe deſtomehr beſchleunigen zu koͤnnen. Bisher waren
wir alſo, auſſer widrigem Winde und Windſtillen, durch
des Commandeurs Winkelzuͤge doppelt und dreyfach
aufgehalten worden.


Am 6ſten Junius bekamen wir endlich den Suͤd-
oſtpaſſatwind, und am 12ten paſſirten wir den noͤrd-
lichen Wendezirkel.


Einige Tage nachher ſahen wir auf dem Waſſer
etwas herum treiben, das uns wie weiſſe Blumen vor-
kam. Ich fiſchte einige davon auf, und fand, daß ſie
nichts anders waren, als Enten- und Gaͤnſemuſcheln
aus dem Geſchlechte der Meereicheln (Lepas anatifera
und anſerifera), welche ſich mir ihrem loſen Stengel
oder Stiel an Stuͤcke Bamborohr und Holz, zu Dutzen-
den und mehr, feſtgeſetzt hatten, und jetzt auf dem Waſ-
ſer ſchwammen. Wenn das Thier ſeine fuͤnf Schaalen
oͤffnete, ſah es voͤllig wie eine aufgebrochne Blume aus.


Q 5
[250]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.

Am 24ſten Morgens entdeckten wir die den Eng-
laͤndern zugehoͤrige Inſel St. Helena, deren Hafen durch
ſtarke Batterien wohl befeſtigt iſt. Das Land iſt ſehr
hoch und gebuͤrgig, und zeigt ſich ſchon in ſehr weiter
Entfernung. Bey dem damaligen Kriege mit den
Amerikanern verſammleten ſich hier allezeit die aus Oſt-
indien
zuruͤckkommenden engliſchen Schiffe, um her-
nach in Geſchwadern oder ganzen Flotten weiter zu ſe-
geln. Als wir vor der Rhede des Hafens, wo jetzt
keine Schiffe lagen, gekommen waren, und von unſerm
verlornen Commandeur nichts ſahen oder hoͤrten, wurde
Schiffsrath gehalten und beſchloſſen, hier nicht weiter
auf ihn zu warten, ſondern mit dem friſchen Winde,
den wir jetzt hatten, unſern Weg fortzuſetzen. Der
Strand an der Rhede ſoll ſo ſteil ſeyn, daß die Schiffe
ganz dicht am Lande vor Anker liegen koͤnnen.


Am 30ſten kamen wir die Inſel Aſcenſion vorbey.
Hier pflegen ſchwediſche und andere Oſtindienfahrer, auf
der Ruͤckreiſe anzulegen und ſich namentlich mit Schild-
kroͤten zu verſorgen; wer aber am Cap vor Anker gewe-
ſen iſt, ſegelt hier gewoͤhnlich voruͤber. Dieſe Inſel
iſt gebuͤrgig, unfruchtbar, und ohne friſches Waſſer;
die Oberflaͤche iſt mit Aſche bedeckt, welches ihren vulka-
niſchen Urſprung hinlaͤnglich zu erkennen giebt.


In der Nacht vom 6ſten auf den 7ten Julius,
waren wir den Aequator paſſirt, und wurden deswe-
gen heute Mittags von den beyden andern Schiffen mit
eilf Kanononſchuͤſſen begruͤßt, die wir auf gleiche Art
beantworteten.


Am 24ſten paſſirten wir die Sonne. Von allem,
was ſenkrecht auf das Verdeck geſtellt wurde, war gar
kein Schatten auf irgend einer Seite zu bemerken.
Bisher hatten wir die Mittagsſonne auf der Nordſeite
[251]Reiſe von Ceylon nach Holland.
gehabt; jetzt ſtand ſie gerade uͤber uns, und hernach
ſahen wir ſie in Suͤden, und je weiter wir fortſegelten,
deſto geringer war ihre Hoͤhe uͤberm Horizonte.


Am 29ſten kamen die Capitaine der beiden andern
Schiffe zu uns an Bord, um die verſiegelten Briefe
zu eroͤffnen, welche ausweiſen ſollten, ob die Schiffe
durch den Kanal ſegeln, oder, wie in Kriegs-Zeiten
zu geſchehen pflegt, um Irland und Schottland her-
umgehen ſollten.


Wir kamen nunmehr in diejenige Gegend des
Oceans, die von Sargazo oder ſchwimmendem Tang
(Fucus natans) faſt ganz bedeckt iſt Dies Seegewaͤchs
fließet auf der Oberflaͤche des Meers in unglaublicher
Menge, bisweilen breitet es ſich bey ſtillem Wetter uͤber
daſſelbe ſo aus, daß man durch eine Wieſe zu ſegeln
glaubt, bisweilen bildet es gleichſam große Inſeln;
bisweilen aber, beſonders bey etwas ſtarkem Winde, ver-
theilt es ſich mehr. Dieſer Tang ſchien deutlich zu
beweiſen, daß er auf dem Waſſer fließend waͤchſt und
an den Enden neue Schoͤßlinge treibt, die allmaͤhlig
groͤßer werden. Zwiſchen dem Tang fand ich verſchiedne
kleine Thiere, die da ihren Aufenthalt hatten, und
ihre Nahrung ſuchten, die haͤufigſten darunter wa-
ren Seegraskriecher (Scyllaea pelagica) Seekrabben
(Cancer minutus) von verſchiedner Groͤße; und See-
kroͤten (Lophius Hiſtrio). Dieſe letzteren werden von
den Hollaͤndern Kronfiſche genannt, und wenn ſie von
einiger Groͤße ſind, ſehr geſchaͤtzt. Sie ſind ſehr bunt
und ſchoͤn. Ich vewahrte einige davon in Weingeiſt;
die meiſten waren ganz klein ſelten bekommt man ſie
einen Finger lang oder groͤſſer. Die loſen Strahlen,
welche ſie auf dem Kopfe und Ruͤcken haben, und die
wie eine Krone ausſehen, haben zu jener Benennung
[252]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Anlaß gegeben. Man bringt ſie ſelten lebendig nach
Holland, wenn es aber gluͤckt, und ſie einigermaßen
groß ſind, kann man das Stuͤck fuͤr zehn Ducaten
verkaufen.


Am 12ten September lotheten wir ſchon Grund
und ſalutirten (zum Gluͤckwunſch, daß wir uns wie-
derum in der Nachbarſchaft unſers vaterlaͤndiſchen Welt-
theils befanden), die andern Schiffe mit eilf Kanonen-
ſchuͤſſen, die von ihnen beantwortet wurden.


Am 16ten bekamen wir die engliſche Kuͤſte bey
Cap Lizard zu Geſicht. Wir lavirten hier ganze vier
und zwanzig Stunden, bis wir die hollaͤndiſchen Kriegs-
ſchiffe gewahr wurden, die den von Oſtindien an-
kommenden reich beladenen Kauffahrteyſchiffen entge-
gen geſchickt waren, und ſie ſicher nach Hauſe begleiten
ſollten. Das erſte Zeichen wurde von uns mit vier Ka-
nonenſchuͤſſen, unter wechſelsweiſem Aufziehen und
Niederlaſſen des Wimpels, gegeben, worauf das
Kriegesſchiff mit Aufziehen und Streichen des Wim-
pels nebſt fuͤnf Kanonenſchuͤſſen, antwortete. Sobald
die Schiffe etwas naͤher gekommen waren, wurden vom
Kriegsſchiffe ein Lieutenant und ein Schreiben abge-
ſchickt, um unſer Schiff zu viſitiren, ob auch verbo-
tene Waaren darauf befindlich waͤren. Die Viſitation
gieng indeſſen nur in des Capitains Zimmer unter deſ-
ſen Weinflaſchen vor ſich.


Am andern Tage darauf verfuͤgten die Capitaine
der drey Schiffe ſich nach dem Kriegsſchiffe, um da-
ſelbſt einen verſiegelten Brief von dem einen Schiffe,
welches von China kam, zu eroͤfnen, woraus man
nun erſt jetzt erfuhr, daß die Ladung nach Amſterdam
beſtimmt war.


[253]Reiſe von Ceylon nach Holland.

Jetzt bekamen wir auch die Nachricht, daß unſer
Commandeur Koelbier mit ſeinem Schiffe vor zwey Ta-
gen angekommen und voraus geſegelt war.


Den 28ſten fuhren wir, bey guͤnſtigem Winde und
unter Bedeckung des einen Kriegsſchiffes, Dover und
Calais vorbey. Aber gegen Abend ungefehr um 10
Uhr entſtand ploͤtzlich ein heftiger Sturm, der uns ge-
gen das Land trieb, unſre Segel zerriß und den Ober-
theil der Maſten herunterſtuͤrzte; dabey ward das Schiff
ſo gewaltſam hin und her geworfen, daß es unmoͤglich
war, auf den Fuͤßen ſtehen zu bleiben. Wir waren
den Brandungen ſo nahe, daß ſich jedermann fuͤr ver-
loren hielt, und auch kein Matroſe mehr zur Rettung
des Schiffs Hand anlegen wollte. Es war ſtok fin-
ſter und zu noch groͤßerem Ungluͤck war auch die
Mannſchaft ſchwach und ſo abgemattet, daß die
Matroſen bey der Arbeit kraftlos von den Tauen herab-
fielen, und andere auf dem Verdecke ſelbſt in Ohnmacht
ſanken. Hieran war der ſchaͤndliche Geitz des Capitains
und des Oberſteuermanns ſchuld. In der Hofnung, daß
die Fahrt nicht ſo lange dauern wuͤrde, hatten ſie am
Cap, auf eine ſehr unerlaubte Art, einen großen Theil
des Fleiſches, Specks und anderes fuͤr die Mannſchaft be-
ſtimmten Proviants verkauft und das Geld in ihre Ta-
ſchen geſteckt. Die ganze Reiſe uͤber hatten ſich alſo
die Leute groͤßtentheils mit Reis und Huͤlſenfruͤchten
behelfen muͤſſen, und wenig nahrhafte Sachen be-
kommen. Da nun die Reiſe ſich uͤberdem noch ſo in
die Laͤnge zog, ſo kamen die Leute dabey immer mehr
von Kraͤften und wurden ganz mißmuͤthig. Wirk-
lich verklagten ſie auch den Capitain und den Oberſteuer-
mann wegen dieſes Diebſtahls und beyde wurden fuͤr un-
[254]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
wuͤrdig erklaͤrt, je weiter zu dienen. Sobald es an-
fing Tag zu werden, wurden wir gewahr, daß wir,
ungefehr Oſtende gegenuͤber, zwiſchen die Duͤnen gera-
then, und von unſern Gefaͤhrten ganz getrennt wa-
ren. Da wir uns nun durch eine beſondere Vor-
ſehung Gottes in der vorigen Nacht vom Untergange
errettet fanden, faßte die Beſatzung neuen Muth, dem
Schiffe auch jetzt aus ſeiner gefaͤhrlichen Lage zu helfen,
welches dann, durch Beguͤnſtigung des Windes, auch ge-
lang. Auſſer allem andern Schaden, hatte ich fuͤr
meine Perſon bey dieſer Gelegenheit das Ungluͤck, meine
Plantage von mehr als hundert jungen Brodfruchtbaͤu-
men von beyden Arten, nebſt andern vorzuͤglich ſeltnen
Gewaͤchſen, ganz umgeworfen und ruinirt zu ſehen.


Nach uͤberſtandner Gefahr kamen wir endlich am
29ſten im Texel an.


Am erſten October ſegelten wir zwiſchen Texel
und Helder hinein, ſalutirten die Rhede und legten uns
vor Anker. Froh dankten wir jetzt alle der goͤttlichen
Vorſehung, und ich hatte mehr als irgend ein andrer
Urſach dazu, da ich auf meiner ſiebenjaͤhrigen muͤhvol-
len und oft gefaͤhrlichen Reiſe den maͤchtigen Schutz
derſelben in ſo reichem Maaße erfahren hatte.


Nach einigen Tagen kam der Directeur Beau-
mont
an Bord, in deſſen Gegenwart alle unſere Coffer,
Kaſten und andre Sachen viſitirt und die Mannſchaft,
auſſer etwa ſechszig Mann, die zum Ausladen des
Schiffs gebraucht werden ſollten, verabſchiedet wurde.


Auf dieſer Reiſe hatten wir einen Mann am Bord
gehabt, deſſen ſeltſames, ungluͤckliches Schickſal hier be-
ſondere Erwaͤhnung verdient. Er hieß Bergacker, und
war als erſter Wundarzt auf einem vom Capitain Klein
gefuͤhrten Schiffe angeſtellt geweſen, mit dieſem aber,
[255]Reiſe von Ceylon nach Holland.
noch vor der Abreiſe aus Europa, ich weiß nicht wo-
durch, in Uneinigkeit gerathen. Dafuͤr raͤchte ſich nun
der Capitain an ihm auf die unverantwortlichſte und nie-
dertraͤchtigſte Art. Zuerſt that er ihm, waͤhrend daß
das Schiff vor der Abfahrt im Texel auf der Rede lag,
allen nur moͤglichen Verdruß an, und geſtattete ſo gar
den Schiffsjungen ihren Spott mit ihm zu treiben.
Endlich, nachdem der Direktor das Schiff gemuſtert
hatte und es nun im Begrif war abzuſegeln, bat er
ſich von demſelben, an Bergackers Stelle, einen andern
Chirurgus aus. Man ſchickt ihm einen, allein anſtatt
Bergackern nun dagegen an Land zu ſetzen, nimmt er
jenen als dienſtthuenden Wundarzt, Bergackern aber
als Arreſtanten mit und erlaubt ihm die ganze [Reiſe] uͤber
nicht Einmahl auf das Verdeck zu kommen, um fri-
ſche Luft zu ſchoͤpfen! Ja hieran noch nicht genug laͤßt
er unterwegens von einigen Officieren des Schiffs, die
ſeine Creaturen waren, eine Schrift unterzeichnen,
worin ſie bezeugen, daß Bergacker voͤllig unklug ſey.
Unter dieſem Vorwand wird er nun, bey der Ankunft
des Schiffes am Cap, ſogleich in ſichre Verwahrung ge-
bracht und erhaͤlt weder die [Erlaubniß] auszugehen noch
Mittel ſich uͤber die erlittene Behandlung zu beklagen.
Endlich, als das Schiff mit welchem ich vom Cap zuruͤck
gieng, ſegelfertig lag, ward der arme Bergacker, als
ein Arreſtant der mit nach Europa genommen werden
ſollte, an uns abgeliefert. Er hatte alſo die Hin- und
die Ruͤckreiſe, desgleichen ſeinen Aufenthalt am Cap,
ohne Urtheil und Recht, als ein Gefangener zubringen
muͤſſen, und die ganze Zeit uͤber nicht einen Pfennig
Geld bekommen! Er war ein aͤltlicher, ernſthafter,
[256]Fuͤnfte Abtheil. Erſter Abſchnitt, u. ſ. w.
dem Anſchein nach grundehrlicher Mann, an dem ich, auf
der ganzen Reiſe, nicht die geringſten Merkmale wahr-
nahm, daß er noch itzt oder zuvor je wahnwitzig geweſen
ſey. In Ruͤckſicht auf dieſe Beſchuldigung, geſchah
ihm alſo unerhoͤrtes Unrecht. Man wird nicht begreifen
koͤnnen, warum die Regierung am Cap gar keine Notiz
von dieſer Sache genommen, warum ſie den Unſchuldigen
nicht in Freyheit geſetzt und den Boͤſewicht nicht zur ver-
dienten Strafe gezogen habe? Aber leyder habe ich in
den ſieben Jahren die ich im Dienſte der oſtindiſchen Com-
pagnie geweſen bin, mehrere Beyſpiele von Gewaltthaͤ-
tigkeit und eigenmaͤchtigem Verfahren deſpotiſcher,
ſchlechtdenkender und brutaler Schiffscapitaine geſehen!
Zu dieſen letzteren gehoͤrte der Schiffer Klein in vorzuͤg-
lichem Maaße; jeder bey dem ich mich nach ihm erkun-
digte, ſprach von ihm mit groͤßter Verachtung nicht nur
als von einem boshaften und ruchloſen, ſondern, was
noch unbegreiflicher iſt, ſelbſt als von einem im See-
dienſt ungeſchickten Manne!


Eine andere Merkwuͤrdigkeit, aber freylich von ge-
ringerem Belange, die mir waͤhrend der Ruͤckreiſe vom
Cap in meinem Fache vorkam, war, daß ſich in der
Blaſe eines Schweins, das wir von Columbo leben-
dig mitgenommen hatten, beym Schlachten ein kalk-
artiger Stein fand. Er war von der Groͤße einer
Flintenkugel, beynahe rund, allenthalben ſehr uneben
und inwendig dicht, anfangs kaſtanienbraun, wurde
aber, ſo wie er trocknete, allmaͤhlig bleicher.


Zweyter
[257]Aufenthalt in Holland Reiſe nach Schweden.

Zweyter Abſchnitt.
Aufenthalt in Holland und zu London, und
Reiſe nach Schweden.


Ich begab mich nebſt andern Officieren auf einem ge-
mietheten Fahrzeuge nach Amſterdam, wo mein theu-
rer Freund, Profeſſor Burmann, mir Haus und Tiſch
anbot.


Zu Amſterdam brachte ich meine Zeit damit zu,
die daſigen Naturalienſammlungen zu beſehen, worun-
ter die, welche der Kaufmann van der Meulen beſitzt,
beſonders in Ruͤckſicht auf Voͤgel und Inſekten, die an-
ſehnlichſte war.


Darauf machte ich eine Reiſe nach der Gegend
um Harlem, um meine drey Goͤnner, van der Poll,
van der Deutz und ten Hoven zu beſuchen, und ihre
Landguͤter, nebſt den ſchoͤnen Pflanzungen von aller-
hand auslaͤndiſchen Baͤumen und Stauden zu beſehen,
die ſie mit unglaublichen Koſten in den magerſten Sand-
feldern dieſer Gegend haben anlegen laſſen. Nicht
ohne beſondere Freude ſah ich hier verſchiedne afrika-
niſche und japaniſche Gewaͤchſe, die bewieſen, daß die
von mir bey Einſendung derſelben mit mancherley Gefah-
ren angewandte Muͤhe nicht ganz vergeblich geweſen
war. Ich hatte auch das ſehr große und belohnende
Vergnuͤgen, daß dieſe Maͤnner mir ihre ganze Zufrie-
denheit mit meinen Bemuͤhungen und ihr Wohlwollen
auf die uneingeſchraͤnkteſte Art bezeugten. Ueberdem
belohnten ſie mich auf eine großmuͤthige Weiſe. Dies
R
[258]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
that namentlich Herr ten Hoven nach meiner Zuruͤck-
kunft zu Amſterdam auf eine, wenigſtens der Form nach
fuͤr mich ſehr uͤberraſchende Art. Er iſt ein Mann
der mehr als hundert und funfzig tauſend hollaͤn-
diſche Gulden jaͤhrlicher Einkuͤnfte hat, fand es
aber doch nicht unter ſeiner Wuͤrde, zu Fuß und
ohne Bedienten, einen Beſuch dey mir abzuſtatten,
und mit eigner Hand mir ein Geſchenk von hundert und
acht und zwanzig Dukaten zu uͤberreichen.


Mit Herrn Doctor Klochner reiſete ich auch nach
Harlem, um die vortreflichen Inſektenſammlungen der
Herren Vriend, nebſt den Thieren, welche im Hauſe
der harlemſchen Societaͤt der Wiſſenſchaften aufbewahrt
werden, und die vorzuͤglichſten aus allen Klaſſen ſind,
zu beſehen.


In den Obſtgaͤrten waren jetzt die Winterſchmet-
terlinge (Phalaena brumata) in großer Menge. Man
hindert ſie, ihre Eyer in die Blumenknoſpe zu legen,
dadurch, daß man um den Stamm des Baums getheerte
Birkenrinde gebunden hatte. Unſer ſchwediſcher Profeſ-
ſor Bergmann hat bekanntlich dies Mittel erfunden,
und es wurde hier allgemein geruͤhmt.


Unter andern Seltenheiten, die ich zu Amſterdam
beſah, war auch eine ſehr gute Muͤnzſammlung des er-
ſten Predigers bey der ſogenannten alten Kirche (Oude
kerk
). Ich hatte da das unerwartete Vergnuͤgen, zum
erſten mal die ſogenannten goldenen Zodiakrupien, alle
zwoͤlf beyſammen zu ſehen. In Indien hatte ich dieſe
ſeltnen Muͤnzen weder beyſammen gefunden, noch ihrer
zum Einwechſeln habhaft werden koͤnnen; und in Eu-
ropa
findet man die ganze Anzahl auch nur aͤußerſt ſelten.
[259]Aufenthalt in Holland Reiſe nach Schweden.
Der Prediger hatte ſie fuͤr dreyhundert hollaͤndiſche
Gulden gekauft, und war ſo guͤtig, ſie mir auf mein
inſtaͤndiges Bitten fuͤr ſiebenhundert Gulden abzuſte-
hen. Dieſe Sammlung, nebſt dem Portrait Selims
des Erſten
, war vom Generalgouverneur Imhoff zu
Batavia einem ſeiner Verwandten in Holland geſchenkt
worden, der hernach genoͤthigt geweſen war, ſie zu
verkaufen. Die Muͤnzen ſind von der Kaiſerin
Nour Mahal, Selims Gemahlin, waͤhrend der Zeit
von vier und zwanzig Stunden, da ſie mit deſſen Er-
laubniß unumſchraͤnkt regierte, ſowohl von Gold als
von Silber gepraͤgt. Da ſie nach dem Tode des Mo-
narchen verboten, eingewechſelt und eingeſchmolzen
wurden, ſo iſt es jetzt ſo ſehr ſelten, ſie vollzaͤhlig zu
finden. Sie ſind auf der einen Seite jede mit einem
der zwoͤlf himmliſchen Zeichen, auf der andern mit ei-
ner perſiſchen oder arabiſchen Inſchrift bezeichnet.


Des Profeſſor Burmannus freundſchaftliches
Anerbieten: bey ihm zu wohnen, hatte ich zwar nicht
angenommen, ich beſuchte ihn aber taͤglich und genoß
dort ſo viel Wolthaten, daß ich ſtets das dankbarſte
Andenken dafuͤr hegen werde; gleichen Antheil an meiner
geruͤhrten Erinnerung muß ich hier, nach vierzehn Jah-
ren, den mannigfaltigen Freundſchaftsbezeugungen und
wuͤrklichen Dienſtleiſtungen wiederfahren laſſen, welche
meine wackern Landsleute in Amſterdam, Herr Ge-
neral Conful, Haſſelgren, Herr Floberg, (bey welchem
ich mir eine Wohnung gemiethet hatte), imgleichen die
Herren Faͤhraͤus, Swart, Lunge und andere mir zu
erzeigen ſo guͤtig waren.


Da jetzt meine Verbindung mit der hollaͤndiſch
oſtindiſchen Compagnie zu Ende war, und ich meine
Beſoldung nebſt der gewoͤhnlichen Praͤmie bekommen
R 2
[260]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
hatte, entſchloß ich mich, eine Reiſe nach England vor-
zunehmen, und einen Theil des Winters in London
zuzubringen.


In dieſer Abſicht reiſete ich im November nach
dem Haag, beſah die daſigen, dem Erbſtatthalter zu-
gehoͤrenden koſtbaren Sammlungen von Naturalien
und Kunſtſachen, beſuchte Herrn Lyonets ausgeſuchtes
Konchylienkabinet, reiſete von da nach Rotterdam
und weiter nach Helvoetsluis.


An dem letzteren Orte hinderte mich wiedriger
Wind verſchiedne Tage lang an der Ueberfahrt; und
als ich endlich in Geſellſchaft mehrerer Paſſagiere mit
dem engliſchen Paketboote abſegelte, entſtand ein ſo
heftiger Sturm und zuletzt contrairer Wind, der uns
weit von unſerm Wege abtrieb. Am 14ten December
langte ich endlich in London an.


Hier hatte mein guter Freund und ehemaliger
Univerſitaͤtsgenoſſe, Herr Dryander, fuͤr mich eine
Wohnung beſtellt. Ich ſuchte ihn ſogleich in Herrn
Banks Hauſe auf, wurde von Herrn Doctor Solan-
der
auf die hoͤflichſte Art aufgenommen, und durch ihn
Herrn Banks vorgeſtellt, und in deſſen Naturalienka-
binet gefuͤhrt.


Herr Banks empfieng mich uͤberaus guͤtig, und
fuhr waͤhrend meines Aufenthalts in London in gleicher
Art gegen mich fort. Er verſtattete mir, welches der
hoͤchſte Zweck meiner Wuͤnſche war, freyen Zutritt zu
ſeinen unvergleichlichen Sammlungen, beſonders aus
dem Pflanzenreiche, eine Sammlung, die aus allen Ge-
genden des Erdkreiſes zuſammengebracht iſt. Ich
brachte ſeitdem alle Vormittage in ſeinem Hauſe zu,
und vermehrte, indem ich ſein Herbarium ſtudirte,
meine Kenntniſſe in meinem Lieblingsfache. Und da
[261]Aufenthalt in Holland Reiſe nach Schweden.
zugleich in dieſem Saale, wie in einer Academie der
Naturgeſchichte, taͤglich eine Menge gelehrter Maͤn-
ner ſich verſammelte, ſo hatte ich dadurch auch Gele-
genheit, verſchiedene ehrenvolle und nuͤtzliche Bekannt-
ſchaften zu machen.


In der kurzen Zeit meines hieſigen Aufenthalts
beſah ich uͤbrigens alles was London, beſonders im
naturhiſtoriſchen Fache, merkwuͤrdiges hat, als das
brittiſche Muſeum, Lewers Muſeum und dergleichen.
Jenes erſtere iſt ſehr weitlaͤuftig und groß, und hat
Sammlungen von ſehr vielen Arten, als: Buͤcher,
Handſchriften, Antiquitaͤten, Muͤnzen, Kleidungs-
ſtuͤcke und Hausgeraͤth, entfernter Voͤlker und ſo wei-
ter. Beſonders freuete es mich, Kaͤmpfers Handſchrif-
ten, Zeichnungen und Kraͤuterſammlung hier zu fin-
den; ſie waren jetzt beynahe hundert Jahr alt; nach
Kaͤmpfers Tode waren ſie vom Ritter Sloane gekauft
worden.


Auch ſtellte ich verſchiedne Reiſen in der Naͤhe
von London an, um den ſchoͤnen und an Gewaͤchſen
ſehr reichen Garten zu Kew, woruͤber Herr Aiton die
Aufſicht hatte; Herrn Lees Garten, der beſonders ei-
nen großen Vorrath von Baͤumen und Stauden hat,
Doctor Fothergills Garten, Chelſea und dergleichen
mehr zu beſehen. Bey Herrn Lee beſah ich zugleich
die vortrefliche Inſektenſammlung ſeiner Tochter, welche
ſeit einiger Zeit mit den vorzuͤglich ſchoͤnen Inſecten von
der bengaliſchen Kuͤſte vermehrt war, die Frau Monſon
daſelbſt geſammelt, und Mis Lee im Teſtamente ver-
macht hatte.


Der aͤltere Forſter, welchem ich auch meinen Be-
ſuch machte, nahm mich mit vieler Freundſchaft auf, und
R 3
[262]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
verſchafte mir nicht nur das Vergnuͤgen, die von ihm
auf ſeiner Reiſe im Suͤdmeere, geſammelten Gewaͤchſe,
und Konchylien zu beſehen, ſondern ſchenkte mir auch
eine ganze Collection, und verpflichtete mich dadurch
zu ſteter Dankbarkeit.


Unter allen Beweiſen von Gewogenheit, womit
Herr Banks mich uͤberhaͤufte, ſchaͤtzte ich den als einen
der vorzuͤglichſten, daß er mir kurz vor meiner Abreiſe
erlaubte, ſeine auf den Inſeln des ſuͤdlichen Oceans ge-
machte Sammlung von Gewaͤchſen zu ſehen, die noch
nicht unter ſeine uͤbrigen Kraͤuter gelegt waren, und
welche er nicht jedem Fremden ſehen laͤßt; Doctor So-
lander
der, wie Herr Dryander, mir den Aufenthalt
zu London nicht nur angenehm, ſondern auch nuͤtzlich
zu machen ſuchte, war dabey ſo gefaͤllig, jedes Ge-
ſchlecht mit mir beſonders durchzugehen.


Herrn Banks Bibliothek iſt wohl, im Fache
der Naturhiſtorie, die vollſtaͤndigſte, die es giebt.
Sie iſt in einem eignen großen Zimmer vor dem Saale,
der die Sammlungen enthaͤlt, aufgeſtellt; hiedurch
hat man ganz unvergleichliche Gelegenheit, bey Unter-
ſuchung eines Gegenſtandes ſogleich auf der Stelle je-
den Schriftſteller, den man will, nachzuſchlagen und
ſich bey ihm Raths zu erhohlen.


Den 30ſten Januar 1778 reiſete ich in Geſell-
ſchaft des damaligen Capitains, jetzigen Oberſten,
Cronſtedt, der ohnlaͤngſt aus Nordamerika zuruͤckgekom-
men war, von England ab. Wir nahmen unſern
Weg durch Holland und Deutſchland nach Yſtad und
Lund. Von Harwich fuhren wir uͤber den Kanal nach
[263]Aufenthalt in Holland Reiſe nach Schweden.
Helvoet, und reiſeten weiter nach Amſterdam, wo
wir uns aber nur einige wenige Tage aufhielten.


Den 16ten ſetzten wir die Reiſe ferner nach
Groͤningen; den 22ſten nach Bremen; den 24ſten
nach Hamburg, und ſo weiter uͤber Luͤbeck, Wismar
und Roſtock nach Stralſund fort, wo wir den 2ten
Maͤrz ankamen.


Waͤhrend wir zu Stralſund auf den Abgang der
Poſtjacht warten mußten, machten wir eine Reiſe nach
Greifswald, um die dafige Univerſitaͤt kennen zu ler-
nen, und giengen bald darauf nach Yſtad ab. Den
14ten Februar langte ich in meinem Vaterlande, wo-
nach ich mich ſo lange geſehnt hatte, endlich wieder an.


[]

Appendix A Druckfehler.


Bey dem vom Aufenthalt des Ueberſetzers entfernten Druck-
orte ſind in dieſem Werke folgende Druckfehler ſtehen geblieben,
welche vorzuͤglich in den Namen fremder Pflanzen ꝛc. vorkom-
men, und auf nachſtehende Art zu verbeſſern ſind.
Erſter Band. Erſter Theil.
pag. 15. Zeile 15. ſtatt Calmia lies Kalmia.
— 93. — 14. — loviren — laviren.
— 135. — 28. — Capra doreas lies Capra Dorcas.
— 152. — 29. — Viscus capenfis — Viscum capenſ[e].
— 167. — 7. — ſchrapen lies ſchaben.
— 255. — 3. — geſpaltne lies gefaltete.
— 264. — 15. — geſpaltene — gefaltete.
Erſter Band. Zweyter Theil.
pag. 98. Zeile 3. ſtatt Capra leucophaca lies Capra leucophaea.
— 112. — 27. Die aͤchte Kaſtanie heißt Fagus Caſtanea und
nicht Aeſculus Pavia, denn die Frucht der
letztern wird keiner genießen koͤnnen.

— 124. — 1. — Fulices lies Fulicae.
— 168. — 3. — tygomaticum lies zygomaticum.
— 191. — 26. — Unicornum lies Unicornu.
— 246. — 12. — mais lies Mays.
— 258. — 23. — Nila lies Anil.
Zweyter Band. Erſter Theil.
pag. 41. Zeile 30. ſtatt virens lies ſempervirens.
— 123. — 5. — baſtatum lies haſtatum.
— 123. — 26. — Licium lies Lycium.
Zweyten Bandes. Zweyter Theil.
pag. 65. Zeile 29. ſtatt panium lies Panicum.
— 66. — 7. — Satirus — ſativus.
— 66. — 31. — Punicum lies Punica.
— 67. — 10. — Mioya lies Mioga.
— 87. — 21. — Azedarach, Melia lies Melia Azedaraen
— 113. — 18. — ſirofa lies fcrofa.
— 114. — 17. — pyrrhyla lies Pyrrhula.
— 115. — 2. — Ophichthys lies Ophichthus.
— 115. — 10. — Fiſ[t]elaria lies Fiſtularia.
— 115. — 30. — Melve lies Meloe.
— 117. — 16. — Oniſius lies Oniſcus.
— 120. — 1. — cannena lies Canrena.
— 204. — 12. — melangena lies Melongen[a].


[][][]
Notes
*)
Officiere heißen auf dieſen Schiffen der Capitain, die Supercar-
geure, die Aſſiſtenten, der Secretair und der Arzt oder Doctor. Es iſt
ihre gewöhnliche Benennung. Dies iſt wegen des Gebrauchs des Worts
Officiere im Folgenden, zu merken.
*)
Ohne Zweifel ſind hier Japaniſche Meilen gemeint, ob aber groͤßere,
deren vierzig; oder kleinere, deren drey und dreyßig und ein Drittheil
auf einen Grad des Aequators gehen, kann ich, in Ermangelung einer
Charte von Japan, nicht beſtimmen, vermuthlich ſind es die kleinern,
weil nach dieſen gewoͤhnlich gerechnet wird. A. d. Ueberſ.
*)
Ein andres, und zwar ſehr rares, in Japan gedruktes Woͤr-
terbuch, habe ich im erſten Theile dieſes zweyten Bandes
Seite 27 beſchrieben.
*)
Dies ſind ungefaͤhr dieſelben Bennennungen, als die,
welche die zwoͤlf himmliſchen Zeichen fuͤhren; ohne Zweifel
ſind ſie auch davon hergenommen. S. weiter oben S. 192.
A. d. U.
*)
Im achten Abſchnitte des erſten Theils, kommen auſſer dem
kleinen Japaniſchen Woͤrterbuche nur einige wenige Bemer-
kungen uͤber die Japaniſche Sprache vor. Die uͤbrigen, und
bey weitem mehreren und wichtigeren hat der Verfaſſer in
die Abhandlungen der Societaͤt der Wiſſenſchaften zu Upſa-
la
, fuͤnfter Theil, Seite 257. einruͤcken laſſen, aus welchen
ſie hier mitgetheilt werden. A. d. Ueb.
*)
Aus der von mir mitgetheilten Probe eines Japaniſchen Woͤr-
terbuchs, in welchem viele der in dieſen componirten Zeitwoͤr-
tern vorkommenden Subſtantive und Adjective ſtehen, wird man
ſich die Formirung der meiſten von den uͤbrigen Zeitwoͤrtern er-
klaͤren koͤnnen.
*)
Von ihm ſo wie von meinem Goͤnner dem großen Befoͤrderer
der Wiſſenſchaften, Herrn Radermacher, ſehe man im
zweyten Theile des erſten Bandes S. 189. ſqq.
*)
Der Verfaſſer gebraucht die Benennungen Ceyloner und
Cingaler oder Cingaleſer, ceiloniſch und eingaleſiſch ohne Un-
terſchied, die eine fuͤr die andere. Eigentlich heiſſen aber die
ſuͤdlichen Einwohner Cingaleſer, und die noͤrdlichen Wadas.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Reise durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien, hauptsächlich in Japan, in den Jahren 1770 bis 1779. Reise durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien, hauptsächlich in Japan, in den Jahren 1770 bis 1779. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqdg.0