[][][][][]
Vollſtaͤndige
Abhandlung

von denen
Manufacturen
und
Fabriken
.

Erſter Theil

welcher die allgemeinen Grundſaͤtze und
Betrachtungen in ſich enthaͤlt.


[figure]

Koppenhagen,:
Auf Koſten der Rothenſchen Buchhandlung.1758.

[][]

Sr. Hochfreyherrlichen Excellenz
dem
Hochgebohrnen Freyherrn
Johann Hartwig Ernſt
Freyherrn
von Bernstorff,
Ritter des hohen Ordens von
Elephanten, Sr. Koͤnigl. Majeſtaͤt von
Daͤnemark und Norwegen hochbetrauten

Etats-Miniſtre, Gcheimten Rath des geheimten
Conſeils, Cammerherrn, Staatsſecretaire der teut-
ſchen Canzley und der auslaͤndiſchen Geſchaͤfte, De-
putirten in General Landesoͤconomie- und
Commerciencollegio ꝛc.
Erbherrn auf Wedendorf, Ruͤtingen,
Woterſen, Stintenburg ꝛc.


[][]
Hochgebohrner Freyherr,
Gnaͤdiger Herr,

Wenn ich Ew. Hochfreyherrl.
Excellenz
dieſe meine Ab-
handlung von denen Manu-
facturen und Fabriken eherbiethigſt zu-
eigne; ſo habe ich gewiß alles vor mir,
* 3was
[] was je ein Schriftſteller vor gegruͤndete
Urſachen bey ſeiner Zueignungsſchrift an-
fuͤhren kann. Empfangene Gnadenbe-
zeugungen, große und erhabene Verdienſte,
Liebe vor die Gelehrten und andere ſeltene
und uͤberaus liebenswuͤrdige Eigenſchaf-
ten, eine vollkommene Kenntniß der ab-
gehandelten Materie; alles dieſes, wo-
von ſonſt ein einzelner Umſtand ein zu-
reichender Bewegungsgrund vor einen
Schriftſteller iſt, habe ich hier vereiniget
als gerechte Gruͤnde meiner ehrerbiethig-
ſten Zueignungsſchrift anzufuͤhren.


Zu der Zeit, da das ungluͤckliche
Teutſchland von einem der heftigſten
Kriege
[] Kriege erſchuͤttert wird, den je die Ge-
ſchichte aufzuweiſen hat, ein Zeitumſtand,
der denen Gelehrten gar nicht angenehm
ſeyn kann, haben mir Ew. Hochfrey-
herrliche Excellenz
die Gelegenheit
verſchaffet, eine Reiſe in ein Reich zu
thun, welches der Friede mit allen ſeinen
geſegneten Folgen begluͤckſeeliget und wo
der weiſe Friedrich, die Luſt ſeiner Voͤl-
ker, herrſchet, der eben ſowohl durch den
Schutz, und die Befoͤrderung der Wiſſen-
ſchaften, und durch die Mildthaͤtigkeit
ſelbſt gegen auswaͤrtige Gelehrte, als
durch die Maaßregeln zur Cultur und
Aufnahme ſeiner Staaten allen folgen-
den Zeiten verehrungswuͤrdig ſeyn wird.
* 4Ew.
[]Ew Hochfreyherrl. Excellenz haben
auch Zeit meines Aufenthaltes allhier mir
eine ſo gnaͤdige Aufnahme und ſo viel Ge-
wogenheiten angedeihen laßen, daß, wenn
eine der praͤchtigſten Staͤdte von Europa,
welche binnen dreyßig Jahren die aller-
praͤchtigſte ſeyn wird, wenn die Verſchoͤ-
nerung nach der Maaße fortgehet, als
ſie ſeit zehn Jahren unter dem weiſen
Friedrich angefangen hat, auch ſonſt nichts
reizendes vor mich gehabt haͤtte, Dero
liebreiche Begegnung mir allein den Auf-
enthalt darinnen angenehm gemacht ha-
ben wuͤrde. Mein Herz iſt deshalb von
den allerlebhaftigſten Regungen der Dank-
barkeit durchdrungen; und ich wuͤnſchte
eifrigſt,
[] eifrigſt, daß ich meine wahrhaftige und
ehrerbiethigſte Erkaͤnntlichkeit durch etwas
werkthaͤtigers, als durch die unterthaͤnige
Zueignung dieſes geringen Buches zu Ta-
ge legen koͤnnte.


Wenn ich aber auch dieſe Pflichten
der Dankbarkeit nicht auf mir haͤtte; ſo
wuͤrde meine wahre Verehrung gegen Ew.
Hochfreyherrl. Excellenz
großen und
erhabenen Verdienſte und ſo viel andere lie-
benswuͤrdige Eigenſchaften, die allemal auf
ein rechtſchaffenes und ehrliebendes Herz
Eindruck machen muͤſſen, einen ſolchen
Zoll der Ehrerbiethung von mir erfordern.
* 5Eine
[] Eine große Einſicht in die Regierungs-
kunſt, eine vollkommenſte Kenntniß aller
darzu erforderlichen Wiſſenſchaften, ſo-
wohl als von der Beſchaffenheit der Staa-
ten ſelbſt, die in denen Unterredungen,
welche Ew. Hochfreyherrl. Excellenz
mich gewuͤrdiget haben, uͤberaus lehrreich
vor mich geweſen iſt; eine unermuͤdete
Sorgfalt und Arbeitſamkeit die Ehre
Dero großen Monarchens und das Gluͤck
ſeiner Voͤlker zu befoͤrdern; eine aus den
aͤchten Quellen entſpringende Liebe vor die
Gelehrten und Beſchuͤtzung der Wiſſen-
ſchaften; eine Uneigennuͤtzigkeit ohne Bey-
ſpiele, ein Edelmuth ohne Stolz und ein
liebreiches Weſen ohne Erniedrigung, wo-
mit
[] mit dieſelben alle Herzen an ſich ziehen und
das man ſich kaum vorſtellen kann, ohne
Ew. Hochfreyherrl. Excellenz ſelbſt
aufgewartet zu haben, und das allemal
das Kennzeichen eines wahrhaftig edlen
und guͤtigen Herzens iſt, eine Großmuth,
Freygebigkeit und Erbarmung gegen die
Nothleidenden und Armen, die faſt un-
glaublich ſeyn wuͤrde, wenn die Welt die
Summen wuͤſte, die darauf jaͤhrlich ver-
wendet werden, und welche der vollkom-
menſte Beweiß iſt, daß jenes liebreiche
Weſen aus der rechten Quelle entſpringet;
alles dieſes ſind ſolche Eigenſchaften, die
Ew. Hochfreyherrl. Excellenz die
Verehrung aller dererjenigen erwerben
muͤſſen,
[] muͤſſen, die nur einiges Gefuͤhl von dem
wahren Adel des Herzens und der Menſch-
lichkeit haben. Alles dieſes kann ich mit
einer Zuverſicht ſchreiben, die vielleicht
noch nie ein Verfaſſer der Zueignungs-
ſchriften, oder ein Lobredner ſelbſt, gehabt
hat. Jch habe weder in der Hauptſtadt,
noch auf meinen Reiſen durch die daͤniſchen
Staaten einen einzigen Menſchen gefun-
den, der uͤber Dero Verdienſte und ge-
rechtes Lob nur in etwas zweifelhaftig
gedacht und nicht mit feſt verſicherten
Herzen davon geſprochen haͤtte, ein Gluͤck,
das ſo leicht nie einem Miniſter wieder-
faͤhrt, der unmoͤglich alle Forderungen
der Menſchen befriedigen kann und das
in
[] in einem Lande, wo die uͤberausgroße
Guͤtigkeit der Regierung die Freyheit
in Reden nicht einſchraͤnket, nicht weiter
zweifelhaftig iſt.


Vielleicht haͤtte ich auch keinen Ge-
genſtand meines Buches erwaͤhlen koͤnnen,
der Ew. Hochfreyherrl. Excellenz
angenehmer geweſen waͤre. Niemand
kann von dem großen Nutzen der Manu-
facturen und Fabriken vor den Staat und
von denen bey ihrer Einfuͤhrung noͤthigen
Grundſaͤtzen und Maaßregeln ſo wohl un-
terrichtet ſeyn, als Deroſelben; und
jederman weiß, was vor außerordentliche
Auf-
[] Aufmerkſamkeit Ew. Hochfreyherrl.
Excellenz
auf dieſen Gegenſtand ver-
wenden, ſo daß ich viele Manufactu-
ren nennen koͤnnte, die durch Dero aus-
nehmende Vorſorge, ſowohl neuerrichtet,
als in groͤſſeres Aufnehmen gebracht wor-
den ſind. Ew. Hochfreyh. Excellenz
haben mir auch Dero Zufriedenheit zu
erkennen gegeben, als ich mein Vorhaben
dieſes Buch auszuarbeiten und den Plan
davon Denenſelben muͤndlich vorzu-
tragen die Ehre hatte; und gleichwie
Dieſelben zu erwaͤhnen geruheten, daß
der Abſchnitt von denen Hinderniſſen, die
ſich bey Einfuͤhrung der Manufacturen im
Staate vorfaͤnden und die ſich deſto groͤſſer
zeigten,
[] zeigten, je guͤtiger und gelinder die Regie-
rungsgrundſaͤtze waͤren, von großer Wich-
tigkeit ſey; ſo wuͤnſche ich, daß ich im
Stande geweſen bin, dieſe Materie ſol-
chergeſtalt auszuarbeiten, daß ich ſo gluͤck-
lich bin, Dero gnaͤdigen Beyfall eini-
germaßen zu erhalten.


Gleichwie ich uͤbrigens alle meine Zu-
friedenheit auf die Fortdauer von Ew.
Hochfreyherrl. Excellenz
gnaͤdigen Ge-
wogenheit ſetze; ſo vereinigen ſich alle mei-
ne eifrigſten Wuͤnſche auf das unveraͤn-
derliche Wohlergehen und die beſtaͤndige
Dauer Dero vornehmen und jederman
ſo
[] ſo werthen Hauſes, womit ich in vollkom-
menſter Erkenntlichkeit und wahrer Ver-
ehrung lebenslang verharre


Hochgebohrner Freyherr,
Gnaͤdiger Herr
,

Ew. Hochfreyherrlichen Excellenz



unterthaͤnig gehorſamſter Diener
Johann Heinrich Gottlob von Juſti.


[]

Vorbericht.


Jch habe in der Vorrede zu meiner Staatswirth-
ſchaft ein Lehrbuch von der Commercienwiſ-
ſenſchaft verſprochen. Dieſes Verſprechen
iſt zeither unerfuͤllet geblieben und dargegen
lege ich hiermit der Welt eine Schrift von
einer aͤhnlichen Art, naͤmlich ein ziemlich weitlaͤuftiges Buch
von denen Manufacturen und Fabriken vor Augen. Es
wird alſo nicht undienlich ſeyn, daß ich die Urſachen anzeige,
warum ich die Erfuͤllung des erſten Verſprechens noch etwas
ausſetze und indeſſen die gegenwaͤrtige Schrift zu einiger
Erſetzung liefere.


Als ich wirklich ſchon in der Ausarbeitung eines Lehrge-
baͤudes von der Commercienwiſſenſchaft begriffen war; ſo
muß ich frey bekennen, daß ich bey mir ſelbſt eine Unfaͤhigkeit
zu dieſem Werke gewahr wurde. Jch bin niemals gewohnt
geweſen, aus andern Buͤchern auszuſchreiben; und gleichwie
ich es alſobald bemerke, ob ein Schriftſteller aus eigner Erfah-
rung und Nachſinnen ſchreibt, oder ob er die Begriffe ande-
rer, die er ſelbſt noch nicht genugſam verdauet hat, wenn man
* *ſo
[]Vorbericht.
ſo reden kann, zuſammen ſtoppelt; ſo befuͤrchtete ich, daß ver-
nuͤnftige Leſer es auch bey meinen Schriften einſehen wuͤrden,
wenn ich mit einem andern Kalbe pfluͤgete. Meine Unfaͤhig-
keit betraf inſonderheit die Schiffarth und das Seecommer-
cium, als von welchen ich nicht ſo zureichende Begriffe hatte,
um das Weſentliche davon in den Zuſammenhang eines rich-
tigen Lehrgebaͤudes zu bringen; dennoch aber ſchien mir dieſer
Theil der Commercienwiſſenſchaft ſo wichtig, daß ich es vor
ein ſehr eitles Unternehmen hielt, ohne eine genugſame Kennt-
niß dieſes Theiles ein Lehrbuch von der Commercienwiſſenſchaft
zu ſchreiben. Da nun ohnedem Se. Koͤnigl. Majeſtaͤt von
Daͤnemark die hoͤchſte Gnade hatten, mir die Koſten zu einer
Reiſe nach Koppenhagen allergnaͤdigſt reichen zu laßen; ſo
konnte ich mit Grunde hoffen, ſowohl in Koppenhagen ſelbſt,
als bey meiner Durchreiſe in Staͤdten, die Schiffarth und
Seehandlung treiben, mich in dieſem Puncte noch zu unter-
richten; und es ſchien mir dannenhero rathſamer zu ſeyn,
die Ausarbeitung meines Buches von der Commercienwiſſen-
ſchaft annoch auszuſetzen.


Wenn ich ſtatt deſſen eine vollſtaͤndige Abhandlung von
denen Manufacturen und Fabriken auszuarbeiten beſchloß; ſo,
deucht mich, habe ich einen Gegenſtand erwaͤhlet, der vor den
allergroͤßten Theil von Teutſchland allemal viel wichtiger ſeyn
wird, als die Commercien ſelbſt. Der allerwenigſte Theil
von Teutſchland hat die natuͤrlichen Vortheile und Gelegen-
heit zur Seehandlung, und der kleine Theil, der dieſe Gele-
genheit hat, kann ſich vielleicht einen langen Zeitraum hin-
durch noch keine Hofnung machen, zu einer bluͤhenden Schif-
farth zu gelangen. Ehe wir auch bis auf dieſen Punct
kommen koͤnnen; ſo muͤſſen bluͤhende Manufacturen und
Fabriken den Grund darzu abgeben; indem, wie ich ſelbſt in
dieſem Buche zeige, eine bluͤhende und dauerhaftige Handlung
ſchwehrlich moͤglich iſt, wenn ſie nicht auf die Ausfuhre ge-
nugſamer Landesproducte gegruͤndet wird. Teutſchland wuͤrde
auch ſehr gluͤcklich ſeyn, wenn es nur ſeine Manufacturen in
Auf-
[]Vorbericht.
Aufnahme und ſeine Fabriken in Flohr braͤchte. Jn Anſe-
hung der Manufacturen haben wir alles erreicht, was wir zu
wuͤnſchen Urſache haben, wenn wir es dahin bringen koͤnnen,
daß wir uns ſelbſt mit den noͤthigſten Manufacturwaaren ver-
ſorgen. Die Fabriken aber muͤſſen unſer Hauptwerk und die
Quelle der auszufuͤhrenden Landesproducte ſeyn; und in der
That hat kein Land ſo viele Naturvortheile darzu, als Teutſch-
land, in Anſehung der Menge ſeiner Mineralien. Wir ha-
ben auch in den meiſten Fabrikenarbeiten einen Vorzug vor
andern Nationen den ſie ſelbſt geſtehen. Es kommt alſo nur
darauf an, daß wir die Fabriken recht bluͤhend machen. Wenn
wir diejenigen Waaren, die wir unumgaͤnglich von andern
Voͤlkern noͤthig haben, mit unſern Fabrikenwaaren balanci-
ren und mithin unſer gutes Silber im Lande behalten koͤnnen;
ſo iſt kein Land ſo reich als Teutſchland, weil kein Land ſo viel
Silberminen hat. Diejenigen, welche Kenntniß von unſern
Bergwerken haben, werden mir zugeben, daß 10 bis 12000
Mark Silber das wenigſte iſt, was man annehmen kann, das
in Teutſchland woͤchentlich aus der Erde gegraben und zu gut
gemacht wird. Eine Nation, die alle Woche anderthalb Ton-
nen Goldes reicher werden kann, ohne von andern Voͤlkern
abzuhaͤngen oder Hinderniſſe zu beſorgen, die muß gewiß ſehr
reich und gluͤcklich werden koͤnnen, wenn ſie nur will. Mich
deucht alſo, daß die Manufacturen und Fabriken, als wodurch
wir unſer ſchoͤnes Silber im Lande behalten koͤnnen, ein ſehr
wichtiges Augenmerk vor Teutſchland ſind.


Man ſcheinet auch an den meiſten Orten dieſe Wahr-
heit gar wohl einzuſehen, indem man das Hauptwerk der
Bemuͤhungen auf die Einfuͤhrung und Befoͤrderung der Ma-
nufacturen und Fabriken richtet. Jch glaube dannenhero,
daß eine vollſtaͤndige Abhandlung von dieſen Nahrungsge-
ſchaͤften denen Teutſchen nicht anders als angenehm ſeyn kann,
zumal da wir hierinnen noch keine Schriften beſitzen, die der
Sache eine Genuͤge leiſten. Diejenigen, die von teutſchen
Verfaſſern herruͤhren, haben dieſe Sache ſehr wenig erſchoͤ-
* * 2pfet,
[]Vorbericht.
pfet, und die Schriften der Engellaͤnder und Franzoſen von
dieſer Materie haben vornaͤmlich den Zuſtand ihrer eigenen
Laͤnder zum Augenmerk und ſind uͤberhaupt ſehr mager was
die Fabriken anbetrift; wenn ſie auch die Manufacturen gut
abhandeln. Jch habe alſo nicht zu befuͤrchten, daß dieſe
Schrift vor uͤberfluͤßig gehalten werden moͤchte.


Da ich dieſe Schrift groͤßtentheils auf meiner itzigen
Reiſe ausgearbeitet habe; ſo iſt ſie lediglich aus meinen eige-
nen Nachſinnen und Gedaͤchtniß gefloſſen, ohne einmal ein
einzig Buch dabey nachzuſchlagen. Sie iſt alſo von allen
Citationen entbloͤßt, die ich auch ohnedem niemals brauche,
wo ſie nicht noͤthig ſind. Ja weil ich nicht einmal meine
eignen Schriften bey der Hand gehabt habe; ſo habe ich wei-
ter nichts als die Titel davon anfuͤhren koͤnnen.


Es war erſt die Abſicht, daß das ganze Buch zuſammen auf
einmal erſcheinen ſollte. Allein es iſt mir wider Vermuthen
unter der Ausarbeitung ſtaͤrker angewachſen, als ich vorher
beſtimmt hatte, indem ich dem einmal erwaͤhlten Titel einer
vollſtaͤndigen Abhandlung gern eine Genuͤge leiſten wollte.
Ueberdieß ſtehen mir auf Befehl Sr. Koͤnigl Majeſtaͤt von
Daͤnemark einige Reiſen bevor. Da nun einmal das Buch
in den Michaels-Meßcatalogum geſetzet worden; ſo habe ich
mich entſchließen muͤſſen, den erſten Theil beſonders heraus-
zugeben: der zweyte Theil aber wird ohne weitere Vorrede
ungeſaͤumt nachfolgen. Koppenhagen
den 5. Oct. 1757.



[]

Kurze Vorſtellung
des Jnnhalts des ganzen Buches.


  • Erſter Theil.
  • Erſte Abtheilung.
    Allgemeine Betrachtungen uͤber die Manu-
    facturen und Fabriken.
  • Erſter Abſchnitt: von der Nothwendigkeit und dem Nutzen
    der Manufacturen und Fabriken.
  • Zweyter Abſchnitt: von dem Zuſammenhange der Manu-
    facturen und Fabriken mit der geſamten Verfaſſung
    und Beſchaffenheit des Staats.
  • Dritter Abſchnitt: von der Anlegung und Gruͤndung der
    Manufacturen und Fabriken.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von den Maaßregeln und Anſtalten
    zur Anlegung und Gruͤndung der Manufacturen und
    Fabriken.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von denen Befoͤrderungsmitteln der
    Manufacturen und Fabriken.
  • Vierter Abſchnitt: von denen Hinderniſſen bey Anlegung
    der Manufacturen und Fabriken.
  • Fuͤnfter Abſchnitt: von der Erhaltung der Manufacturen
    und Fabriken, oder von denen Maaßregeln ihren Ver-
    fall abzuwenden.
  • Zweyter Theil,
    worinnen die beſondern Arten aller und
    jeder Manufacturen und Fabriken

    betrachtet werden.
  • Zweyte Abtheilung.
    Von denen Manufacturen.
  • Erſter Abſchnitt: von denen Wollenmanufacturen.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von denen Tuchmanufacturen.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von denen Zeug- und andern
    wollenmanufacturen.
  • Zweyter Abſchnitt: von denen Leinenmanufacturen.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von Battiſt, feinen Spitzen- und
    Zwirnmanufacturen.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von Leinewandmanufacturen.
  • Drittes Hauptſtuͤck: von Leinen-Damaſt- und andern
    Leinenwebereyen.
  • Dritter Abſchnitt: von Baumwollenmanufacturen.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von Cattunmanufacturen.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von andern weiſen und gefaͤrb-
    ten Baumwollenmanufacturen.
  • Vierter Abſchnitt: von Seidenmanufacturen.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von Samtmanufacturen.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von gebluͤmten Seidenzeugma-
    nufacturen.
  • Drittes Hauptſtuͤck: von glatten ſeidenen Zeugen.
  • Viertes Hauptſtuͤck: von halbſeidenen Zeugen.
  • Dritte Abtheilung.
    Von denen Fabriken.
  • Erſter Abſchnitt: von Gold- und Silberfabriken.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von den Fabriken der gold und
    filbern Borden.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von Goldſchlaͤgern, Drathzie-
    hern und andern dergleichen Fa-
    brikaturen.
  • Zweyter Abſchnitt: von Metallfabriken.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von Meßinghuͤtten.
  • Zweytes Hauptſtuͤck; von Kupfer- und Meßinghaͤm-
    mern.
  • Drittes Hauptſtuͤck: von Stuͤck- und Glockengieße-
    reyen.
  • Viertes Hauptſtuͤck: von andern metalliſchen Fabri-
    katuren.
  • Dritter Abſchnitt: von Eiſen- und Stahlfabriken.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von Eiſengießereyen.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von Blechhaͤmmern.
  • Drittes Hauptſtuͤck: von Stahlhuͤtten.
  • Viertes Hauptſtuͤck: von Gewehrfabriken.
  • Fuͤnftes Hauptſtuͤck: von den Fabriken allerley ſtaͤh-
    lerner Geraͤthſchaften.
  • Vierter Abſchnitt: von Porcellan- und Glaßfabriken.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von aͤchten Porcellanfabriken.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von unaͤchten Porcellanfabriken.
  • Drittes Hauptſtuͤck: von Spiegelfabriken.
  • Viertes Hauptſtuͤck: von Glaßfabriken.
  • Fuͤnfter Abſchnitt: von denen Fabrikaturen der minerali-
    ſchen Salze und Farben.
  • Erſtes Hauptſtuͤck: von Alaun- und Vitriolſiedereyen.
  • Zweytes Hauptſtuͤck: von Schwefel- und Arſenik-
    huͤtten.
  • Drittes Hauptſtuͤck: von Blaufarbenwerken.
  • Viertes Hauptſtuͤck: von Zinnober- und Sublimat-
    fabriken.
  • Fuͤnftes Hauptſtuͤck: von Bleyweiß und andern me-
    talliſchen Zubereitungen.
  • Sechſter Abſchnitt: von denen Fabriken der gefaͤrbten Le-
    der, Papiere und andern Fabrikaturen.


[[1]]

Erſte Abtheilung.
Allgemeine
Betrachtungen
uͤber die
Manufacturen und Fabriken.


A
[[2]][[3]]

Erſter Abſchnitt.
Von
der Nothwendigkeit und dem Nutzen
der Manufacturen und Fabriken.


Alle Dinge, die durch den Fleiß und dieBegriff von
denen Ma-
nufacturen
und Fabriken
in weitläuf-
tigen und
engen Ver-
ſtande.

Geſchicklichkeit der Menſchen mehr
bearbeitet werden, nachdem ſie von
der guͤtigen Hand der Natur hervor-
gebracht ſind, und zwar in der Abſicht, der wahren oder
eingebildeten menſchlichen Nothdurft deſto beſſer zu
ſtatten zu kommen, ſind in weitlaͤuftigem Verſtande
Manufactur und Fabrikenarbeiten. Kurz, alle Werke
der Kunſt ſind in allgemeinem Verſtande darunter be-
griffen; und zwar hat das Wort Kunſt hier einen
ſo weitſchichtigen Begriff, daß man die Bemuͤhung
des aͤrmſten unter den Landleuten, der Reiſer zuſam-
men bindet, um einen Beſen daraus zu machen, mit
dieſer Benennung beehren muß. Jn dieſem Verſtande
gehoͤren demnach alle Handwerke, ja alle Handarbei-
ten, wodurch die von der Natur hervorgebrachten
A 2Dinge
[4]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
Dinge eine andere Geſtalt und Gebrauch bekommen,
zu denen Manufacturen und Fabriken. Allein in en-
gen Verſtande beleget man nur diejenigen Bearbei-
tungen der natuͤrlichen Dinge mit dieſen Namen, die
erſt in neuern Zeiten bey einer Nation eingefuͤhret
worden, oder die erſt bey derſelben in Gang gebracht
werden ſollen. Wenn die Bearbeitung der natuͤrlichen
Dinge auf ſo vielerley Arten geſchehen kann, die eine
faſt unendliche Verſchiedenheit ausmachen koͤnnen; ſo
ſiehet man leichte, daß ein arbeitſames und nachdenken-
des Volk tauſenderley Erfindungen in dergleichen Be-
arbeitungen der Dinge machen kann, die andre Voͤlker
nicht haben. So bald ſich andre Voͤlker einbilden wer-
den, daß dieſe neuen Erfindungen die Bequemlichkei-
ten des Lebens mehr befoͤrdern, es mag dieſe Einbil-
dung einigen Grund haben, oder nicht; ſo werden die
reichen und vermoͤgenden Perſonen unter dieſen Voͤl-
kern ihre natuͤrlichen Guͤther, oder ihr Geld, anwen-
den, um ſich dieſe wahren oder eingebildeten groͤſſern
Bequemlichkeiten des Lebens zu verſchaffen. Dieſer
Erfolg iſt ſo natuͤrlich und unfehlbar, daß er nur durch
Aufhebung des Umgangs zwiſchen zwey Voͤlkern und
durch andere gewaltſame Mittel gehemmet werden
kann: und man muß dannenhero die Furcht, die man
hin und wieder bemerket und davon wir unten mehr
reden werden, daß ein in denen Manufacturen und
Fabriken ſpaͤther anfangendes Volk es ſchwehr oder
gar nicht dahin bringen koͤnne, dieſen ſeinen Arbeiten
auswaͤrtigen Abſatz zu verſchaffen, groͤßtentheils vor
ungegruͤndet halten. Viele Europaͤiſche Nationen
befin-
[5]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
befinden ſich in eben der Beſchaffenheit, worinnen wir
die meiſten Voͤlker in denen uͤbrigen drey Welttheilen
ſehen, naͤmlich, daß ſie aus Mangel der Arbeitſamkeit
und des Genie viele kuͤnſtliche Waaren, die zu wahrer
oder eingebildeter groͤſſerer Bequemlichkeit des Lebens
dienen, nicht zu verfertigen wiſſen, und dannenhero,
weil ſie doch ſolche Waaren lieben, ihre natuͤrlichen
Guͤther oder ihr Geld davor hingeben. Wenn nun
ein ſolches Volk endlich aus ſeiner Schlafſucht auf-
wacht, ſich zur Geſchicklichkeit ermuntert und derglei-
chen Waaren ſelbſt verfertiget, ſo pfleget es dieſe neuen
Arbeiten mit den Namen der Manufacturen und Fa-
briken zu belegen. Beſonders findet dieſes bey denen-
jenigen Voͤlkern ſtatt, welche bey ihren alten und ge-
woͤhnlichen Bearbeitungen der natuͤrlichen Dinge die
Einrichtung der Jnnungen und Zuͤnfte eingefuͤhret
haben. Alle alte Bearbeitungsarten, werden alsdenn
Handwerke genennet, die neuen erſt einzufuͤhrenden
Bearbeitungen aber werden mit den Namen der Ma-
nufacturen und Fabriken beleget.


Manufacturen und Fabriken werden gemeiniglichUnterſchied
unter Ma-
nufacturen
und Fabri-
ken.

vor gleich beteudende Woͤrter gehalten und gleichguͤltig
gebraucht. Jhre Bedeutung aber iſt in der That von
einander unterſchieden. Unter Manufacturen verſte-
het man eigentlich diejenigen Bearbeitungen, die bloß
mit der Hand ohne Feuer und Hammer geſchehen.
Fabriken aber heißen diejenigen Arbeiten, zu welchen
Feuer und Hammer, oder aͤhnliche Werkzeuge ange-
A 3wendet
[6]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
wendet werden. Dieſer Unterſchied, der auf die ur-
ſpruͤngliche Bedeutung der Worte gegruͤndet iſt, wird
in gemeinen Reden ſelten beobachtet. Man ſagt eine
Tuch-Camelot-Cammertuchfabrike, welches doch bloß
den Namen einer Manufactur erhalten ſolte.


Die Noth-
durft in
ſtrengem
Verſtande iſt
bey den Völ-
kern nicht
zureichend.

Jndem ich mir vorgenommen habe zufoͤrderſt die
Nothwendigkeit und den Nutzen der Munufacturen zu
erweiſen; ſo wird es nicht ſchwehr fallen, dieſem End-
zwecke ein Genuͤge zu leiſten. Es iſt wahr, die wahre
Nothdurft der Natur ſchließet ſich in ſehr enge Graͤn-
zen ein. Kraͤuter, Wurzeln, Baumfruͤchte, welche
die Natur ohne alles Zuthun der Menſchen hervor-
bringet, Felle, zu Bedeckung ihrer Bloͤße, wuͤrden viel-
leicht in ſtrengſtem Verſtande zu ihrer Nothdurft zu-
reichend ſeyn; und in der That, wenn ein Volk ohne
alle Ordnung unter ſich und von aller Gemeinſchaft
mit andern Voͤlkern abgeſondert lebte; ſo wuͤrde ein
ſolches Volk bey dieſen engen Schranken der Noth-
durft dem ohngeachtet gluͤcklich ſeyn koͤnnen: in ſo fern
die Gluͤckſeeligkeit auf die Erfuͤllung unſerer Wuͤnſche
ankoͤmmt. Dieſes Volk wuͤrde keine andere Wuͤnſche
kennen. Allein zu geſchweigen, daß der aͤußerſte Grad
der Wildheit und Barbarey ſchwerlich mit dem Namen
der Gluͤckſeeligkeit beleget werden kann; ſo werden auch
dieſe engen Schranken der Nothdurft alſobald auf-
hoͤren, ſo bald dieſes Volk einige Ordnung unter ſich
errichtet und mit andern Voͤlkern Gemeinſchaft hat.
Wenn es eine oberſte Gewalt und mithin verſchiedene
Ord-
[7]und dem Nutzen der Manufact. u. Fabriken.
Ordnungen der Buͤrger hat, ſo werden diejenigen, die
ſich mit dem Vorzuge vor andern Buͤrgern bekleidet ſe-
hen, ſinnreich ſeyn, ſich durch verſchiedene Wege mehrere
Bequemlichkeiten des Lebens zu verſchaffen. Sind ſie
nicht ſelbſt ſinnreich; ſo werden andere ihren Erfindungs-
geiſt anſirengen, um ſich in Anſehung der in Haͤnden
habenden Gewalt ihre Gewogenheit zu erwerben. Wenn
aber ein Volk Gemeinſchaft mit andern Voͤlkern hat:
ſo werden nicht allein die entſtehenden Streitigkeiten
und Kriege ein ſolches Volk zu tauſenderley Erfindun-
gen noͤthigen; ſondern alle Bequemlichkeiten des Le-
bens, die es bey andern Voͤlkern wahrnimmt, werden
ſeine Wuͤnſche und Begierden rege machen, ſich derglei-
chen ebenfalls zu verſchaffen. Es wird zuerſt ſeine Er-
findungskraft oder Nachahmungskunſt aufmuntern,
dieſe Bequemlichkeit durch ſeine eigene Arbeit zu erhal-
ten. Allein, wenn ihm dieſes nicht gelinget; ſo wer-
den die reichen und vermoͤgenden unter dieſem Volke
vor dieſe Bequemlichkeit ſo viel von ihren natuͤrlichen
Guͤthern hingeben, als ſie entbehren koͤnnen und als
das andre Volk davor verlanget. Jndem ſie hierin-
nen von dem Willen und der Forderung der andern
Nation abhaͤngen; ſo werden ſie folglich vielmehr na-
tuͤrliche Guͤther hingeben muͤſſen, als ſie von der zur
Bequemlichkeit dienlichen Waare wieder erlangen.
Die andere Nation wird ihre Erfindung und ihre kuͤnſt-
liche Bearbeitung ſo hoch anrechnen, als es nur immer
moͤglich iſt; und dieſer nachtheilige Tauſch wird ſo lan-
ge fortgeſetzet werden, bis endlich dieſes Volk ſolche,
zur Bequemlichkeit erforderliche, Waare ſelbſt machen
A 4lernet.
[8]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
lernet. Denn wenn die oberſte Gewalt dieſen nachthei-
ligen Handel verbiethen wollte; ſo wuͤrde dieſelbe ihre
Unterthanen einer Bequemlichkeit des Lebens und folg-
lich einer Gluͤckſeeligkeit berauben, die man einmal hat
kennen lernen und nach welcher das Verlangen, ohn-
geachtet des Verbothes immer fortdauren wird.


Alle durch
die Gewohn-
heit und Le-
bensart ein-
geführten
Waaren ſind
nothwendig.

Man ſiehet leicht, daß es hier gar nicht darauf an-
kommt, ob eine durch die Kunſt hervorgebrachte Waare
wirklich zur Nothdurft des Lebens erfordert wird, oder
nicht. Es iſt genug, wenn ſie die Gewohnheit und
Lebensart einmal eingefuͤhret hat und die Bequemlich-
keiten des Lebens dadurch vermehret werden. Ja es iſt
hier nicht einmal die Frage, ob eine wahre Bequem-
lichkeit des Lebens dadurch erreichet wird, oder ob bloß
eine eingebildete Bequemlichkeit oder vielmehr eine An-
nehmlichkeit des Lebens darauf beruhet. Auch die bloß
zur Ueppigkeit und Verſchwendung dienlichen Waaren
werden in gewiſſen Betracht allemal nothwendig, ſo
bald wir dieſe Ueppigkeit und Verſchwendung durch
den Umgang mit andern Voͤlkern haben kennen ler-
nen. Wenn die oberſte Gewalt eine ſolche Waare der
Ueppigkeit und Verſchwendung verbiethet; ſo entziehet
ſie ihren Unterthanen ein Mittel zu ihrer Gluͤckſeeligkeit;
indem bey der Gluͤckſeeligkeit faſt alles auf die Einbil-
dung und die Befriedigung unſerer Wuͤnſche ankommt.
Diejenigen, welche ſich den Ueberfluß verſchaffen koͤn-
nen, werden allemal mißvergnuͤgt ſeyn, daß ſie eine
Sache entbehren muͤſſen, die ſie unter die Annehmlich-
keiten
[9]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
keiten und Vorzuͤge des Lebens rechnen. Alle Thaͤtig-
keit und Fleiß der Menſchen gruͤndet ſich auf den Trieb,
ſich vor andern hervorzuthun. Die Bemuͤhung, Reich-
thuͤmer zu erwerben, die edelſten Handlungen der Men-
ſchen und alle Tugenden haben keine andere Quelle.
Die Regierung wuͤrde entweder dieſen Trieb unter ih-
ren Unterthanen erſticken, wenn diejenigen, die ſich ein
großes Vermoͤgen erworben haͤtten, ihren Vorzug an
Reichthuͤmern durch Ueppigkeit und Verſchwendung
nicht ſehen laßen koͤnnten, oder ſie wuͤrde verurſachen,
daß die vermoͤgendeſten von ihren Unterthanen ſich in
andre Staaten begeben wuͤrden, wo es ihnen erlaubt
iſt, allen beliebigen Gebrauch von ihren Reichthuͤmern
zu machen.


Hieraus folget, daß alle kuͤnſtliche Waaren, wel-Sie ſind kei-
ne Noth-
durft des Le-
bens, aber
eine Noth-
durft des
Staats.

che die Gewohnheit und die Lebensart einmal zur wah-
ren oder eingebildeten Bequemlichkeit des Lebens einge-
fuͤhret hat, eine wirkliche Nothdurft des Staats ſind,
ob ſie gleich an ſich ſelbſt vor nichts weniger, als vor
eine wahre Nothdurft des Lebens gehalten werden koͤn-
nen. Dieſes iſt ſo wahr, daß auch ſo gar die ſinnli-
chen Ergetzlichkeiten unter die Nothdurft des Staats
gehoͤren. Ein Land, daß keine Schauſpiele hat, leidet
an einer wirklichen Nothdurft des Staats Mangel.
Die vermoͤgenden Unterthanen werden entweder in die
benachbarten Staaten reiſen, ihr Geld daſelbſt verzeh-
ren und mithin den Reichthum des Landes vermindern,
um ſich dieſe Ergetzlichkeit zu verſchaffen, oder ſie wer-
A 5den
[10]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
den gar ihren beſtaͤndigen Auffenthalt in ſolchen Laͤn-
dern erwaͤhlen, wo ſie dieſe Annehmlichkeit des Lebens
beſtaͤndig genießen koͤnnen.


Alle künſtli-
che Waaren
müſſen dem-
nach im Lan-
de ſelbſt ver-
fertiget wer-
den.

Man darf nur weiter ſchließen; ſo wird man auf
den Grundſatz geleitet, daß es eine Nothwendigkeit vor
den Staat iſt, es in die Wege zu richten, daß alle kuͤnſt-
liche Waaren, ſie moͤgen zur Nothdurft, oder zur Be-
quemlichkeit, oder nur zur Annehmlichkeit des Lebens
dienen, ſo viel es nur immer moͤglich iſt, im Lande
ſelbſt verfertiget werden; weil ſie eines Theils alle zum
bequemlichen und annehmlichen Leben der Unterthanen
und mithin zur Nothdurft des Staats gehoͤren, und
weil andern Theils die Einfuͤhrung ſolcher Waaren
aus fremden Laͤndern unumgaͤnglich nach ſich ziehet,
daß entweder eine groͤſſere Menge von natuͤrlichen Guͤ-
thern des Landes oder von baarem Gelde davor aus-
gefuͤhret werden muͤſſen.


Das Ver-
doth der Ein-
fuhre gehö-
ret nicht zur
Regel, ſon-
dern zur
Ausnahme.

Man ſiehet auch leicht, daß das Verboth der Ein-
fuhre von ſolchen Waaren, die in ſtrengem Verſtande
entbehrlich ſind, nicht zu denen ordentlichen Regeln ge-
hoͤret; es ſey denn, daß die naͤmlichen oder die aͤhnlichen
Waaren, die in allen Abſichten jener Stelle vollkommen
erſetzen koͤnnen, im Lande ſelbſt gewonnen werden.
Wenn das Verboth der Einfuhre auf eine andere Art
gebrauchet wird; ſo iſt ſolches eine Ausnahme von
der Regel, die nach guten Grundſaͤtzen nur unter einer
beſon-
[11]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
beſondern Beſchaffenheit des Landes ſtattfinden kann.
Weil aber nicht alle Waaren mit Vortheil im Lande
verfertiget werden koͤnnen; ſo muß man hingegen die
Gewinnung und Ausfuhre ſolcher Waaren, darzu die
natuͤrliche Beſchaffenheit des Landes die Hand biethet,
zu vermehren ſuchen. Nachdem man Gold und Silber
als das allgemeine Verguͤtungsmittel aller Guͤther an-
genommen hat; ſo muͤſſen die Commercien des Landes
eine ſolche Beſchaffenheit haben, daß dadurch mehr Geld
in das Land ein-als ausgehet, oder daß wenigſtens der
Ein- und Ausgang des Geldes in gleichem Verhaͤltniß
ſtehet. Dieſes heißet die Bilanz des Handels und iſt
der große und einzige Grundſatz aller Commercien.
Man muß aber zu Gewinnung dieſes Gleichgewichtes
ſein hauptſaͤchlichſtes Augenmerk mehr auf die Vergroͤſ-
ſerung der Ausfuhre, als auf Einſchraͤnkung der Ein-
fuhre ſetzen. Die Verminderung der Einfuhre iſt alle-
mal eine Ausnahme von der Regel, die nur in dem
Falle anzuwenden iſt, wenn die Vergroͤſſerung der Aus-
fuhre nicht zu bewirken ſtehet.


Denn es iſt offenbar, daß die Vergroͤſſerung derDie Ver-
gröſſerung
der Ausfuh-
re iſt vor-
theilhafti-
ger, als die
Einfuhre ge-
wiſſer Waa-
ren zu ver-
biethen.

Ausfuhre dem Staate ungleich vortheilhaftiger iſt,
weil ſie eine groͤſſere Beſchaͤftigung der Menſchen, eine
groͤſſere Bevoͤlkerung und mehr natuͤrliche Guͤther vor-
ausſetzet, oder bey ihrer Bewirkung nach ſich ziehet.
Das Verboth der Einfuhre aber gewiſſer Waaren,
worzu man heutiges Tages in den meiſten Staaten
ſehr eilfertig greifet, iſt eine weit ſtaͤrkere Ausnahme
von
[12]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
von der Regel, welche eine große Ueberlegung und Be-
hutſamkeit erfordert und ohne aͤußerſte Noth nicht er-
waͤhlet werden ſollte. Es iſt ein gewaltſames Mittel,
welches die Freyheit der Commercien einſchraͤnket, der
natuͤrlichen Freyheit der Unterthanen Gewalt anthut,
indem es den freyen Gebrauch ihres Vermoͤgens und
der Annehmlichkeiten des Lebens hintert und welches in
auswaͤrtigen Staaten die Repreſſalien nach ſich ziehet,
daß die Einfuhre unſerer Landesproducte gleichfalls
verbothen wird, wodurch immer neue Schwierigkeiten
in dem Kaufhandel entſtehen.


Betrachtung
über die ver-
bothenen
fremden
Waaren in
Schweden.

Man hat vor kurzen in Schweden die Einfuhre
faſt aller Waaren verbothen, die im ſtrengen Ver-
ſtande entbehrlich ſind, oder die zum Wohlleben und
zur Ueppigkeit dienen. Wenn ſich dieſes Verboth auf
eine genaue Ausrechnung von der Ein- und Ausfuhre
aller Waaren, oder der allgemeinen Handlungsbilanz,
gruͤndet, wie es von dieſer denen oͤconomiſchen Wiſ-
ſenſchaften eifrig ergebenen Nation wohl zu vermuthen
iſt, und wenn ſie gar keine Mittel und Wege vor ſich
geſehen haben, die Ausfuhre ihrer Landesproducte zu
vergroͤſſern; ſo ſind dieſe Maaßregeln allerdings zu
billigen. Es hat mit der Wirthſchaft des Staats
eben die Beſchaffenheit als mit der Haushaltung einer
Privatperſon. Der Ein- und Ausgang des Geldes
im Staate iſt eben dasjenige, was die Einnahme und
Ausgabe eines Privatmannes iſt. Gleichwie nun ein je-
der Haushaͤlter natuͤrlicher Weiſe ohnfehlbar zu Grunde
gehen
[13]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
gehen muß, deſſen Ausgaben beſtaͤndig ungleich groͤſſer
ſind als die Einnahme; ſo muß auch ein Staat endlich
in die aͤußerſte Armuth verſetzet werden, aus welchem
jaͤhrlich eine viel groͤſſere Summe Geldes ausgehet,
als einfließet; und wenn der Privatmann ſeine Ein-
nahme, der Staat aber den Einfluß des Geldes auf
keine Art vergroͤſſern kann; ſo iſt kein anderes Mittel,
den gaͤnzlichen Untergang abzuwenden, als die Ein-
ſchraͤnkung des Aufwandes. Allein man muß zugleich
geſtehen, daß dieſes eine ſehr traurige Nothwendigkeit
vor einen Staat iſt, die denen vermoͤgenden Unter-
thanen ſehr empfindlich faͤllt und den Auffenthalt im
Lande unangenehm macht, einem großen Theil der Kauf-
leute vieles Nachtheil verurſachet, und wenigſtens an-
fangs in die Circulation des Geldes und in die ge-
ſammten Commercien des Landes einen ſchaͤdlichen Ein-
fluß haben kann, der ohne ſehr weiſe Maaßregeln eine
lange Zeit ſeine Wirkung zeigen wird. Wenn man
alle dieſe Folgen und Schwierigkeiten erwaͤget; ſo muß
man faſt zweifeln, ob es ſo viel Muͤhe, Fleiß und
Schwierigkeiten verurſachen wuͤrde, die Gewinnung
und Ausfuhre der Landesproducte zu vergroͤſſern.


So vortheilhaftig die auswaͤrtigen CommercienEin Staat
kann ohne
Com̃ercien,
aber nicht
ohne Manu-
facturen
ſtark u. blii-
hend ſeyn.

vor einen Staat ſind; ſo ſind ſie doch nicht ſchlechter-
dings nothwendig. Ein Reich kann ſehr maͤchtig, reich
und bluͤhend ſeyn, ohne einige Commercien mit aus-
waͤrtigen Voͤlkern zu haben; allein niemals kann ein
Staat dieſe Eigenſchaften haben, wenn ſeine Manu-
facturen
[14]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
facturen und Fabriken nicht bluͤhend ſind. Wenn ein
Land volkreich iſt, wenn es in einer ſo gluͤcklichen Him-
melsgegend liegt, daß die zur Nothdurft und Bequem-
lichkeit des menſchlichen Lebens erforderlichen Dinge in
demſelben erzeuget werden koͤnnen; ſo ſind bluͤhende
Manufacturen und Fabriken, der innerliche Verbrauch
der Waaren und der Handel aus einer Provinz in die
andere zureichend denen Unterthanen genugſame Be-
ſchaͤftigung und Nahrung und dem Staate alle Thaͤ-
tigkeit und Staͤrke zu geben, deren er faͤhig iſt. Die-
ſes iſt kein Satz, der bloß in der Theorie wahrſchein-
lich iſt. Japan iſt ein ſolches Reich, daß ohne aus-
waͤrtige Commercien voller Einwohner wimmelt, die
alle Nothdurft, Bequemlichkeit und Annehmlichkeit
des Lebens genießen. Denn der ſehr eingeſchraͤnkte
Handel, den die Hollaͤnder daſelbſt zu fuͤhren Erlaub-
niß haben, iſt in Betracht der Groͤße dieſes Reiches
von ſo weniger Erheblichkeit, daß er kaum eine Erwaͤh-
nung verdienet. Sina und Jndien wuͤrden gleichfalls
ohne alle auswaͤrtige Commercien bluͤhende Reiche ſeyn
koͤnnen, wenn ſie es nicht vor vortheilhaftiger erachte-
ten, uns Europaͤern die Ausfuhre ihrer uͤberfluͤßigen
Waaren zu geſtatten und unſer gutes Silber davor
anzunehmen.


Ein Land,
ohne Manu-
facturen und
Fabriken
kann wenig
bevölkert
ſeyn.

Es laͤßt ſich leicht erweiſen, daß ein Land, welches
keine Manufacturen und Fabriken hat, kaum halb ſo
ſtark bevoͤlkert ſeyn kann, als ein anderer Staat, der
mit dieſen Gewerben auf eine bluͤhende Art verſehen iſt.
Ein
[15]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
Ein Land, das nur Ackerbau und Viehzucht hat, erfor-
dert eine ſehr maͤßige Anzahl Haͤnde, um die Oberflaͤche
der Erden zu dieſen Endzwecken zu bearbeiten. Man
mag ſich die Eintheilung des Eigenthums in einem ſol-
chen Lande vorſtellen, wie man immer will; ſo koͤnnen
hoͤchſtens nur eben ſo viel Eigenthuͤmer der Laͤndereyen,
Befehlshaber uͤber dieſe arbeitſamen Haͤnde, Soldaten
zu ihrer Vertheidigung und andere Bediente der ober-
ſten Gewalt vorhanden ſeyn, als Leute zum Ackerbau
und der Viehzucht darinnen befindlich ſind. Alles,
was man annehmen kann, iſt, daß noch eben ſo viel
Handwerker als ein dritter Theil der Einwohner ſtatt-
finden koͤnnen, welche die unumgaͤnglichen Nothwendig-
keiten des Lebens vor die vorhergehenden zwey Drittel
Einwohner verfertigen. Da man nun die Haͤnde be-
rechnen kann, die zu Bearbeitung einer gewiſſen Ober-
flaͤche der Erden erfordert werden; ſo werden die Ein-
wohner eines ſolchen Landes allemal ſehr maͤßig ſeyn.
Es wird einem ſolchen Lande nichts helfen, wenn ſich
ſeine Einwohner fruchtbar bezeugen. Da die uͤbrige
Anzahl der Menſchen keine Beſchaͤftigung und Unter-
halt finden koͤnnen; ſo werden ſie genoͤthiget werden
aus ihrem Vaterlande auszugehen und anderwaͤrts
ihre Nahrung zu ſuchen.


Man ſiehet auch leicht, daß es zu VermehrungDie Frucht-
barkeit des
Bodens hilft
ohne Manu-
facturen zur
Bevölke-
rung nichts.

der Einwohner wenig beytraͤgt, der Boden des Landes
mag fruchtbar ſeyn, oder nicht. Jſt der Boden des
Landes fruchtbar und das Land hat Ausfuhre ſeines
Getrai-
[16]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
Getraides und ſeiner uͤbrigen Fruͤchte; ſo folget daraus
weiter nichts, als daß die Eigenthuͤmer der Laͤndereyen
etwas mehr Vortheil davon haben; und wahrſchein-
licher Weiſe wird dieſes die Wirkung haben, daß die
wohlhabenden Eigenthuͤmer der Laͤndereyen einige un-
nuͤtze Bediente bloß zum Staate oder zur Pracht mehr
unterhalten. Dieſe Vermehrung der Einwohner aber
wird allemal nur ſehr wenig betragen. Hat aber das
Land keine Ausfuhre des Getraides und andrer Land-
wirthſchaftsproducte; ſo iſt der fruchtbareſte Boden
von gar keinen Nutzen. Die Eigenthuͤmer der Laͤnde-
reyen wollen natuͤrlicher Weiſe keine unnuͤtze Arbeit un-
ternehmen laßen. Sie richten ſich alſo mit dem An-
bau des Landes nach dem, aus der Erfahrung befun-
denen, Abſatz ihrer Producte ein: und ſie laßen nichts
mehr anbauen, als ſie ſelbſt verbrauchen und wahr-
ſcheinlich verkaufen werden. Die uͤbrigen Laͤndereyen
bleiben gaͤnzlich unbebauet liegen. Statt deſſen alſo,
daß ein fruchtbarer Boden die Anzahl der Einwohner
vermehren ſollte; ſo vermindert er ſie in dieſem Falle
vielmehr. Dieſes, was aus der Natur der Sache
folget, iſt auch durch die Erfahrung genugſam beſtaͤti-
get worden. Man ſiehet in Ungarn den fruchtbareſten
Boden unbebauet liegen; und dieſes geſegnete Land hat
ſehr wenig Einwohner, weil es demſelben an auswaͤr-
tigen Abſatz ſeiner Producte fehlet.


Dieſes wird
durch die
Crfahrung
beſtätiget.

Man darf nur diejenigen Laͤnder, die keine Manu-
facturen und Fabriken haben, aufmerkſam betrachten;
ſo
[17]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
ſo wird man von der Wahrheit aller dieſer Saͤtze ge-
nugſam uͤberzeuget werden. Die Anzahl ihrer Einwoh-
ner wird allemal ſehr maͤßig ſeyn: und wenn man die
Groͤße derſelben, die Beſchaffenheit des Bodens, die Art
und Weiſe die Landwirthſchaft zu treiben kennet, und
daraus die Anzahl Menſchen berechnet, die zu Cultivi-
rung des Bodens erfordert werden; ſo darf man nur
dieſe Summe noch zweymal nehmen; ſo wird man die
Anzahl aller Einwohner haben, die bey einer wirklichen
Zaͤhlung bis auf wenige tauſend zutreffen wird, wie ich
bereits bey verſchiedenen Staaten den Ueberſchlag ge-
macht und hernach ziemlich richtig befunden habe. Ein
ſolches Land wird wenig oder gar keine Staͤdte haben,
die dieſen Namen in der That verdienen. Seine Land-
ſtaͤdte werden mit Mauren umgebene Doͤrfer ſeyn,
worinnen man Landwirthſchaft treibt und worinnen die
unentbehrlichen Handwerker wohnen. Die Hauptſtadt
des Landes wird die einzige bluͤhende Stadt im Staate
ſeyn, als woſelbſt der Auffenthalt des Hofes und der
Vornehmen und der Zuſammenfluß des Geldes aus
dem Lande nothwendig mehrere Gewerbe nach ſich zie-
hen muͤſſen.


Eine ganz andere Beſchaffenheit aber wird es mitGroße Be-
völkerung
der Länder,
die blühende
Manufactu-
ren und Fa-
briken ha-
ben.

einem Lande haben, welches bluͤhende Manufacturen
und Fabriken hat. Ein ſolches Land wird voller bluͤ-
henden Staͤdte ſeyn und wenn es keine andere Manu-
facturen und Fabriken hat, als nur der innerliche Ver-
brauch erfordert; ſo wird es noch einmal ſo viel Ein-
Bwohner
[18]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
wohner haben, als das vorhergedachte Land; wenn
aber ſeine Manufacturwaaren ſtarken auswaͤrtigen
Vertrieb finden; ſo kann es gar leicht noch zweymal
ſo viel Einwohner in ſich ſchließen. Die große Ver-
mehrung der Einwohner durch die Manufacturen und
Fabriken iſt leicht einzuſehen. Außer der großen Menge
Menſchen, die dadurch Nahrung und Unterhalt finden:
ſo beduͤrfen dieſe Arbeiter wiederum tauſend andere
Nothwendigkeiten des Lebens, welches natuͤrlicher Weiſe
eine Vermehrung aller Handwerker und Gewerbe nach
ſich ziehet; und da dieſe Handwerker den Verbrauch
der Manufacturen und aller anderer Nothwendigkeit
vermehren; ſo gehet die Vermehrung der Einwohner
beſtaͤndig fort. Selbſt die Landwirthſchaft koͤmmt
dadurch in mehrere Aufnahme und das platte Land
kann dannenhero mehr Einwohner haben. Der ge-
wiſſe Abſatz der Landwirthſchaftsproducte ermuntert
die Landleute, den Boden des Landes immer mehr zu
cultiviren. Die Staͤdte des Landes werden alsdenn das-
jenige, was ſie ihrem Endzwecke nach ſeyn ſollen, naͤm-
lich der Zuſammenhang aller Gewerbe in dem Staate
und die großen Pulsadern, wodurch das Geld, als das
Blut des Staats circuliret und dem ganzen Staats-
coͤrper Leben und Thaͤtigkeit giebt. Die Landleute
verſorgen die Einwohner der Staͤdte mit allen Arten
von natuͤrlichen Guͤthern und holen alle kuͤnſtlichen
Waaren zu ihrer Nothdurft und Bequemlichkeit in
denen Staͤdten; und beyde befinden ſich wohl dabey.


Auch
[19]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.

Auch dieſes iſt durch die Erfahrung allenthalbenDieſer be-
völkerte Zu-
ſtand wird
durch die Er-
fahrung er-
wieſen.

beſtaͤtiget worden. Wenn man die Liſten der Geſtorbe-
nen und Gebohrnen, oder die Anzahl der Einwohner
ſelbſt, wie ſie von einigen Staaten bekannt ſind, be-
trachtet; ſo wird man allemal finden, daß in einem
Lande, wo nur mittelmaͤßige Manufacturen und Fa-
briken zum eigenen innerlichen Gebrauch ſtattfinden, die
Staͤdte, wo nicht mehr, doch eben ſo viel Einwohner
in ſich halten, als das platte Land. Wenn aber
die Manufacturen und Fabriken durch auswaͤrtigen
Vertrieb ſehr bluͤhend ſind; ſo werden ſich die Einwoh-
ner der Staͤdte gegen die Einwohner des platten Lan-
des allemal wie zwey gegen eines verhalten. Jn Frank-
reich, Engelland und den Niederlanden wird man alle-
mal dieſes letztere Verhaͤltniß wahrnehmen; ſo wie in
Sachſen, Brandenburg und andern teutſchen Staaten
die erſte Proportion ſtattfindet. Wenn man allein
auf die Bevoͤlkerung des Landes ſiehet: ſo muß man
ſo gar behaupten, daß die auslaͤndiſchen Commercien
bey weiten nicht ſo viel darzu beytragen, als die Ma-
nufacturen und Fabriken. Dieſe letztern beſchaͤftigen
naͤmlich weit mehr Haͤnde, als die Commercien; in-
dem auf einem Schiffe, das eine große Menge Waa-
ren fortſchaffet, oͤfters zehn und hundertmal weniger
Leute erfordert werden, als dieſe Waaren zu verferti-
gen. Die Laͤnder, die gleichſam mit Staͤdten beſaͤet
ſind, haben auch dieſe Menge von Staͤdten nicht den
auswaͤrtigen Commercien, ſondern den Manufacturen
und Fabriken zu danken. Es hat vielleicht kein Land
ſo viel Staͤdte, als die Niederlande. Allein alle dieſe
B 2Staͤdte
[20]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
Staͤdte ſind zur Zeit der Manufacturen und Fabriken
im dreyzehnten, vierzehnten und funfzehnten Jahrhun-
dert entſtanden, da die Niederlande noch wenig oder
gar keine Schiffarth trieben: und die auswaͤrtigen
Commercien in den letztern Jahrhunderten haben mei-
nes Wiſſen zu Entſtehung keiner einzigen neuen Stadt
Gelegenheit gegeben.


Auf der Be-
völkerung
beruher die
Stärke ei-
nes Staats.

Jch habe nicht noͤthig hier weitlaͤuftig auszufuͤhren,
von was vor Wichtigkeit die Bevoͤlkerung vor einen
Staat iſt. Dieſes gehoͤret unter die erſten Grundſaͤtze
der Staatskunſt, die von jedermann willig zugegeben
werden. Niemand laͤugnet, daß die Macht, Staͤrke
und Gluͤckſeeligkeit eines Staats auf die Bevoͤlkerung
und den Reichthum einzig und allein ankommen. Man
kann aber aus dieſen allgemeinen und bekannten Grund-
ſaͤtzen auf einen Satz fortſchließen, der vielleicht nicht
ſo bekannt iſt, naͤmlich, daß je enger die Menſchen auf
einer Oberflaͤche der Erden beyſammen wohnen, deſto
ſtaͤrker und thaͤtiger ſind ſie allemal, ſowohl in Anſe-
hung ihrer innerlichen Verfaſſung, als gegen auswaͤr-
tige Feinde. Eine Million Menſchen, die in einer
Oberflaͤche von zweyhundert Quadratmeilen bey einan-
der wohnen, ſind vielmal ſtaͤrker als eine andere Mil-
lion Menſchen, die in tauſend Quadratmeilen zerſtreuet
wohnen. Es wuͤrde ſich dieſes ausfuͤhrlich zeigen
laßen, wenn es zu meinem gegenwaͤrtigen Endzwecke
noͤthig waͤre.


Es
[21]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.

Es iſt hierbey nicht außer Acht zu laßen, daß dieEs iſt eine
wichtige Sa-
che, die Un-
terthanen
nützlich zu
beſchäftigen.

Unterthanen durch die Manufacturen und Fabriken
auf eine nuͤtzliche Art beſchaͤftiget werden. Wenn es
moͤglich waͤre, daß ein Regent ſeinen Unterthanen alle
Nothdurft und Bequemlichkeit des Lebens verſchaffen
koͤnnte, ohne, daß ſie zu arbeiten noͤthig haͤtten, ſo
wuͤrde eine ſehr wichtige Frage vor den Regenten und
ſeine Miniſters entſtehen, womit ſie zu beſchaͤftigen
waͤren, daß ſie weder einander ſelbſt, noch dem Staate
zur Laſt fallen moͤchten. Sparta fand ſich gewiſſer-
maaßen in dieſer Beſchaffenheit, weil die Spartaner
ein unterwuͤrfiges Volk die Eloten hatten, das zu ih-
rem Unterhalte arbeiten muſte. So wenig Weisheit
ich ſonſt in den Geſetzen des Lycurgus finde; ſo muß
ich doch geſtehen, daß er die Nothwendigkeit, ſeine
Buͤrger zu beſchaͤftigen, ſehr wohl einſahe, und daher
ruͤhrten die Geſetze von denen gemeinſchaftlichen Leibes-
uͤbungen und Ergetzlichkeiten, die er ihnen vorſchrieb.
Der Punct von der Beſchaͤftigung der Unterthanen
verdienet gewiß mehr Aufmerkſamkeit, als die meiſten
Regierungen darauf verwenden. Ein Land, das keine
Manufacturen und Fabriken hat, wird auch allemal
traͤge, ſchlaͤfrige und unthaͤtige Unterthanen haben.
Sie werden den Ackerbau, die Viehzucht und die un-
entbehrlichen Handwerke nach dem alten Schlendrian
ſo nachlaͤßig hintreiben, das platte Land und die Land-
ſtaͤdte werden in Elend und Duͤrftigkeit, die Haupt-
ſtadt aber, die alle Kraͤfte des Landes an ſich ziehet,
wird in Ueppigkeit und Verſchwendung leben und zum
Guten eben dieſe Traͤgheit an ſich wahrnehmen laßen.
B 3Das
[22]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
Das iſt das Bild von den meiſten catholiſchen Staa-
ten in Teutſchland; und es iſt nicht zu laͤugnen, daß
dieſes ein ſehr betruͤbtes Bild iſt. Eine ſolche Beſchaf-
fenheit hat in alle weiſe Maaßregeln der Regierung
und in die Staͤrke des Staats einen ſehr nachtheiligen
Einfluß; und verhintert alles Gute, was die oberſte
Gewalt zu veranſtalten in Begriff iſt.


Ohne Ma-
nufacturen
und Fabri-
ken können
keine blu-
hende Com-
mercien
ſtattfinden.

Ob ich zwar glaube, daß die Manufacturen und
Fabriken die erſte und vorzuͤglichſte Aufmerkſamkeit der
Regierung noch vor den auswaͤrtigen Commercien ver-
dienen, davon die Gruͤnde in der vorhergehenden Aus-
fuͤhrung vor Augen liegen; ſo iſt doch nicht zu laͤugnen,
daß die Commercien von uͤberaus großen Nutzen vor
den Staat ſind. Allein es iſt gar nicht moͤglich zu
bluͤhenden und dauerhaftigen auswaͤrtigen Commercien
zu gelangen, wenn nicht bluͤhende Manufacturen und
Fabriken den Grund darzu abgeben. Dieſe Wahrheit
iſt ſo wichtig, daß ich ſie ausfuͤhrlich eroͤrtern muß.


Es giebt
drey Haupt-
arten des
auswärtigen
Handels.

Jch habe in meiner Staatswirthſchaft in den
Grundſaͤtzen der Policey und in andern meinen Schrif-
ten gezeiget, daß es eigentlich drey Hauptarten der
Commercien giebt. Die erſte iſt, wenn man auswaͤr-
tige Waaren zum Verbrauch im Lande kommen laͤßt
und davor Geld außer Landes ſendet. Die andere Art
iſt, wenn man auslaͤndiſche Waaren abholet, um ſol-
che wieder an andre Nationen zu verhandeln; und die
dritte
[23]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
dritte Art beſtehet in dem Handel, der mit den eignen
Producten des Landes an auswaͤrtige Voͤlker getrieben
wird. Es iſt vielleicht kein Volk, das eine Art dieſes
Handels einzig und allein treibt. Gemeiniglich finden
alle drey Arten des Handels mit einander vermiſcht
ſtatt. Allein die Guͤte der Handlung beruhet bloß auf
dem Verhaͤltniß, in welchen dieſe dreyerley Arten des
Handels getrieben werden, und man kann den Vortheil
der Handlung nie gruͤndlich einſehen, wenn man nicht
dieſe dreyerley Arten des Handels wohl auseinander ſetzet.


Die erſte Art des Handels iſt unſtreitig eine ſehr1) Fremde
Waaren zu
verbrauchen
und davor
Geld auszu-
führen iſt ein
ſchädlicher
Handel.

ſchaͤdliche Art der auswaͤrtigen Commercien. Sie
verdienet hier kaum eine Erwaͤhnung, da wir von bluͤ-
henden und vortheilhaftigen auswaͤrtigen Commercien
reden wollen. Wenn ein Volk auslaͤndiſche Waaren
vor Geld kommen laͤßt, um ſie ſelbſt zu verbrauchen,
ſo treibet dieſes Volk einen ſehr nachtheiligen Handel:
und wenn daſſelbe durch Bergwerke, oder auf andre
Art, keinen neuen Geldzufluß hat; ſo muß endlich die-
ſes Volk in das aͤußerſte Elend und Armuth gerathen.
Es muß endlich ein Zeitpunct kommen, da dieſer ſchaͤd-
liche Handel von ſelbſt aufhoͤret. Wenn es kein Geld
mehr hat, die Waaren der Auslaͤnder zu bezahlen; ſo
nehmen dieſe Commercien von ſelbſt ein trauriges Ende.
Selten wird ein Volk, wenn es nur in etwas klug iſt,
dieſen betruͤbten Zeitpunct abwarten. Es wird, wenn
es das allgemeine Elend, aus dem großen Geldmangel,
ſtark zu empfinden anfaͤngt, alle auslaͤndiſche Waaren
B 4ver-
[24]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
verbiethen, die nicht aͤußerſt nothwendig ſind. Ob-
gleich dieſes Verboth denen annoch wohlhabenden Leu-
ten im Lande ſehr empfindlich faͤllt und viele andere ſchaͤd-
liche Folgen vor den Staat hat: wie ich oben erinnert
habe; ſo iſt es doch eine traurige Nothwendigkeit, wenn
ein ſolches Volk die Bilanz der Handlung auf keine
andre Art zu gewinnen Hofnung hat.


2) Fremde
Waaren
wieder an
andere Völ-
ker zu ver-
handeln,
macht heu-
tiges Tages
ſchwerlich
blühende
Com̃ercien.

Die zweyte Art des Handels, daß man Waaren
von andern Voͤlkern abholet, um ſie wieder an andere
Voͤlker zu verkaufen, iſt zwar allerdings ein vortheil-
haftiger Handel. Die Haͤnde der Unterthanen wer-
den nicht allein dabey in der Schiffarth und auf andre
Art nuͤtzlich beſchaͤftiget, ſondern er giebt auch in der
That zu Vermehrung des Reichthums des Staats
Anlaß, weil der Wiederverkauf der Waaren nicht ohne
Vortheil geſchiehet. Allein zu geſchweigen, daß dieſe
Art des Handels eine beſondere Lage des Landes erfor-
dert; ſo iſt es auch weit gefehlet, daß daraus genugſam
gegruͤndete und dauerhaftige Commercien entſtehen
koͤnnten. Dieſer Handel kann nicht laͤnger beſtehen,
als die zwey Nationen, mit welchen wir dieſe Com-
mercien treiben, einfaͤltig genug ſind, daß ſie ihren
wahren Vortheil nicht einſehen. So bald das eine
Volk einſehen lernet, daß es ſeine Waaren andern
Voͤlkern ſelbſt zufuͤhren kann, oder ſo bald dieſe
Voͤlker begreifen, daß es ihnen vortheilhaftiger
iſt, die Waaren, die ſie noͤthig haben, aus der erſten
Hand abzuholen; ſo iſt es mit dieſem Handel geſchehen.
Man
[25]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
Man hat hin und wieder von dieſer Art des Handels
allzuguͤnſtige Begriffe, und wendet alle erſinnliche
Maaßregeln an, ſich denſelben zu verſchaffen. Das
Beyſpiel der Hollaͤnder, die durch dieſen Handel reich
geworden ſind, iſt Urſache, daß man ſich eine große
Vorſtellung davon macht. Allein die Hollaͤnder ha-
ben ſich dieſen Handel erworben, als die uͤbrigen
Europaͤiſchen Nationen noch ſchlechte Begriffe von
denen Commercien hatten und hierinnen ihren wahren
Vortheil wenig einſahen. Wenn es nicht zu laͤugnen
iſt, daß der hollaͤndiſche Handel in dieſem Jahrhun-
derte ſehr in Abnahme gerathen iſt; ſo iſt es haupt-
ſaͤchlich von dieſer Art der Commercien zu verſtehen;
und da heute zu Tage alle Nationen auf die Hand-
lungsvortheile aufmerkſam ſind; ſo iſt es zu vermu-
then, daß ſie dieſe Art der Handlung ganz und gar
einbuͤßen und daß bloß ihre Manufacturen und Fabri-
ken und inſonderheit die Producte aus ihren weitlaͤufti-
gen Beſitzungen in Oſtindien ihre Commercien vor
dem gaͤnzlichen Verfall ſchuͤtzen werden. Je aufge-
klaͤhrter alſo heutiges Tages die Einſichten in dem Com-
mercien weſen ſind, und je mehr ſich ietzo alle Nationen
bemuͤhen, ſelbſt unmittelbar Handlung und Schiffarth
zu treiben, deſtoweniger kann ſich zu unſern Zeiten ein
Volk Rechnung machen, durch dieſen Weg zu bluͤhen-
den Commercien zu gelangen.


Es bleibet demnach nichts als die dritte Art des3) Der Ver-
kauf der
Landespro-
ducte ver-

Handels uͤbrig, der ſich auf die eigenen Landesproducte
B 5gruͤndet,
[26]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
ſchaffet al-
lein dauer-
haftige blü-
hende Com-
mercien,
gruͤndet, von welchen ſich ein Volk verſprechen kann,
daß es nicht allein bluͤhende, ſondern auch wohlgegruͤn-
dete und dauerhaftige Commercien erlangen kann.
Die Landesproducte beruhen faſt allein auf denen Ma-
nufacturen und Fabriken, weil man heutiges Tages ſo
viel immer moͤglich vermeidet, die natuͤrlichen Guͤther
roh auszufuͤhren; indem man endlich einzuſehen gelernet
hat, daß dieſe rohen Materialien vielen Menſchen Be-
ſchaͤftigung und Nahrung geben koͤnnen, wenn ſie im
Lande bearbeitet werden. Jn der That ſind die Ma-
nufacturen und Fabriken der beſte Grund der Com-
mercien. Wenn ſich ein Volk bemuͤhet alle Arten der
gekuͤnſtelten Waaren ſelbſt zu verfertigen, ſo viel es
nach Beſchaffenheit des Landes und der Himmelsgegend
nur immer moͤglich iſt; und wenn es dadurch verhin-
tert, daß unnoͤthiger Weiſe kein Geld aus dem Lande
fließet: ſo iſt nichts ſo leicht als die Bilanz in der
Handlung zu gewinnen, als worinnen bluͤhende und
vortheilhaftige Commercien hauptſaͤchlich beſtehen. Es
ſind vielleicht wenig Lande, die nicht vorzuͤgliche Na-
turgaben haben. Die Vorſehung, welche alle Voͤlker
durch den Umgang und die Commercien, als durch ein
gemeinſchaftliches Band, mit einander verknuͤpfen
wollen, hat einem jeden Lande und Himmelsgegend ge-
wiſſe Guͤther mitgetheilet, welche in andern Staaten
und Erdſtrichen entweder gar nicht, oder doch nicht
in ſolcher Guͤthe und Menge anzutreffen ſind. Wenn
alſo ein Land diejenigen Naturgaben und Materialien,
die ihm vorzuͤglich eigen ſind, oder die es in Menge
haben kann, wohl nutzet und bearbeitet; ſo wird es
allemal
[27]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
allemal Waaren haben, die andere Voͤlker unumgaͤng-
lich beduͤrfen, oder die es ſo wohlfeil geben kann, daß
es den Abſatz vorzuͤglich, an ſich ziehen wird. Es wird
alſo nicht allein diejenigen Waaren davor erhalten koͤn-
nen, die es nach Beſchaffenheit des Landes und der
Himmelsgegend nicht gewinnen kann, ſondern es wird
auch gar leicht ſeine Commercien in ſolchen Stand ſe-
tzen koͤnnen, daß es von andern Voͤlkern noch baar
Geld herausbekommt und mithin der Reichthum des
Landes immer mehr vermehret wird. Die Moͤglich-
keit hiervon iſt wo nicht bey allen, doch bey den mei-
ſten Voͤlkern ſchwerlich zu laͤugnen. Wenn ein Volk
uͤber das andere die Handlungsbilanz gewinnet; ſo
kommt es bloß auf den groͤſſern Fleiß, Arbeitſamkeit,
Thaͤtigkeit, auf ein beſſeres Genie und kluͤger eingerich-
tete Maaßregeln an.


Man hoͤret nicht ſelten den Einwurf, daß es heu-Der Ein-
wurf von
dem Manger
des auswär-
tigen Ver-
triebes der
Manufactur
und Fabri-
kenwaaren
wird geho-
ben.

tiges Tages ſehr ſchwehr falle, denen Manufactur
und Fabrikenwaaren auswaͤrtigen Abſatz zu verſchaf-
fen, weil alle Staaten auf Errichtung der Manufa-
cturen und Fabriken bedacht ſind und mithin der Kaͤu-
fer immer weniger werden und weil einige Voͤlker ihre
Arbeiten zu einer ſo großen Vollkommenheit gebracht
haben, daß die neuanfangenden ſchwehrlich Hofnung
haben, ihnen den Debit abzugewinnen. Jch will
dieſes von verſchiednen Manufacturwaaren leicht zu-
geben. Die Engellaͤnder, Hollaͤnder und Franzoſen
haben in denen meiſten Manufacturarbeiten einen ſo
großen
[28]I. Abſchnitt, von der Nothwendigkeit
großen Vorſprung, daß ein neuanfangendes Volk ſie
ſchwehrlich einholen, geſchweige ihnen den Abſatz beneh-
men wird. Unterdeſſen ſind die Schwierigkeiten nicht
unuͤberwindlich. Frankreich hat in denen Manufa-
cturen viel ſpaͤther angefangen, als Engelland und
Holland: und hat ſie doch in einer gar kurzen Zeit zur
Vollkommenheit und zu auswaͤrtigen Vertrieb ge-
bracht. Es iſt auch gewiß, daß ein jedes Volk ſich
wenigſtens in dem Falle alſobald bey ſeinen Manufa-
cturwaaren auswaͤrtigen Abſatz verſprechen kann, ſo-
bald es dabey neue, denen Kaͤufern gefallende, Erfin-
dungen anbringen wird. Man hat das neue ſaͤchſi-
ſche Blau und Gruͤn auf ſchlechten Tuͤchern in fremde
Laͤnder gehen und theuer bezahlen ſehen, bloß weil dieſe
neuen, obzwar wenig dauerhaftigen Farben das Auge
reizten. Wenn aber auch bey denen Manufactur-
waaren kein auswaͤrtiger Vertrieb zu erhalten ſtuͤnde;
ſo wird der Staat allemal genug gewinnen, wenn ſie zum
innerlichen Verbrauch zureichen, die Haͤnde der Un-
terthanen dadurch nuͤzlich beſchaͤftiget, die Einfuͤhrung
fremder Waaren dieſer Art gehindert und mithin
große Geldſummen im Lande behalten werden. Al-
lein in Anſehung der Fabrikenwaaren iſt dieſer Ein-
wurf, daß der auswaͤrtige Debit ſchwehrlich zu erhal-
ten waͤre, gaͤnzlich ungegruͤndet. Die Arbeiten aus
denen Metallen, die unedlen Metalle ſelbſt, die mine-
raliſchen Farben und Salze und andere Bergwerks-
producte ſind ſolche Waaren, von welchen man ſich
ganz unfehlbaren auswaͤrtigen Abſatz zu verſprechen
hat. Die wenigſten europaͤiſchen Voͤlker ſind mit die-
ſen
[29]und dem Nutzen der Manuf. u. Fabriken.
ſen Waaren genugſam verſehen, oder ſie koͤnnen bey
ihnen wegen des theuern Holzpreißes nicht mit Vortheil
verfertiget werden. Dieſes findet ſich bey denen Voͤlkern,
welche die ſtaͤrkſte Handlung treiben, am meiſten; und
dennoch koͤnnen dieſelben aller dieſer Waaren, ſowohl zu
ihren haͤußlichen Gebrauch, als zu Behuf ihrer Manu-
facturen nicht entrathen. Ein Land, das mit dieſen
Gaben der Natur verſehen iſt, hat alſo den vortreflich-
ſten Grund zu bluͤhenden und dauerhaftigen Commer-
cien; und es kann davor nicht allein alle ſeine noth-
wendigen auslaͤndiſchen Waaren und Materialien er-
halten, ſondern auch den Reichthum des Staats be-
ſtaͤndig vergroͤſſern. Die Bergwerksproducte verdie-
nen folglich inſonderheit eines der hauptſaͤchlichſten
Augenmerke einer weiſen Regierung.


Wenn alſo, wie ich oben gezeiget habe, Manufa-Die Manu-
facturen und
Fabriken
ſind alſo der
Grund von
Bevölkeꝛung
und Reich-
thum.

cturen und Fabriken der Grund von der Bevoͤlkerung
des Staats ſind; ſo ſind ſie auch eine unerſchoͤpfliche
Quelle ſeines Reichthums. Bevoͤlkerung und Reich-
thum aber ſind es, worauf die Macht, die Staͤrke und
die Gluͤckſeeligkeit eines Staats allein ankommen.
Mich deucht daß dieſes genug ſeyn kann, die Nothwen-
digkeit und Nuͤtzlichkeit der Manufacturen und
Fabriken zu beweiſen.



Zwey-
[30]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.

Zweyter Abſchnitt.
Von dem
Zuſammenhange der Manufacturen
und Fabriken mit der geſammten Verfaſ-
ſung und Beſchaffenheit des
Staats.


Ein Staat
hat in allen
ſeinen Thei-
len den ge-
naueſten Zu-
ſam̃enhang.

Ein Staat iſt ein einfacher Koͤrper, der in allen
ſeinen Theilen den allergenaueſten Zuſammen-
hang mit einander hat. Es kann demnach in
dem geringſten ſeiner Theile nichts vorgehen, was ſich
nicht auf das ganze beziehet und was nicht in alle
uͤbrige Theile ſeinen Einfluß hat. Nichts iſt einer
Maſchine ſo aͤhnlich als der große Koͤrper des Staats.
Alle Raͤder und Triebfedern, welche dieſe große Ma-
ſchine in Bewegung ſetzen, muͤſſen das allervollkom-
menſte Verhaͤltniß mit einander haben. Man kann
in keinem Theile dieſer Maſchine eine Verbeſſerung mit
guten Erfolge vornehmen, wenn nicht alle uͤbrigen
Theile damit uͤbereinſtimmen. Man wuͤrde ſonſt einen
monſtroͤſen Theil in die Maſchine einflicken, der an-
ſtatt dieſelbe zu verbeſſern, den guten Fortgang der
uͤbrigen Raͤder und Triebfedern hemmen wuͤrde.


Bey allen
Anſtalten
muß man vor
allen Dingen
auf den Zu-
ſammenhang
des Ganzen
ſehen.

Bey allen neuen Anſtalten und Maaßregeln des
Staats muß man demnach vor allen Dingen auf den
Zuſammenhang des Ganzen ſehen; und wenn viele
Ver-
[31]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
Verbeſſerungen des Staats nicht die gehofte Wirkung
zeigen, ohngeachtet die Anſtalten gut ſind; ſo iſt gewiß
die Urſache, daß es an der Uebereinſtimmung des Gan-
zen ermangelt. Viele Bediente des Staats haben eine
große Beleſenheit in denen zur Regierungskunſt erfor-
derlichen Wiſſenſchaften und eine große Erfahrung in
denen darzu dienlichen Anſtalten. Allein es fehlet ih-
nen an der Einſicht in den Zuſammenhang des Ganzen,
und die beſten Maaßregeln haben dannenhero keineswe-
ges den gehoften Fortgang, oder wenn der Fortgang
erzwungen wird; ſo wird in dem einen Theile des
Staatscoͤrpers vielmehr Schaden verurſachet, als die
neue Verbeſſerung gutes wirket. Es iſt wahr, dieſe
Einſicht in den Zuſammenhang des Ganzen iſt gar
nicht leicht. Sie iſt der hoͤchſte Punct in der Staats-
wiſſenſchaft. Sie iſt die Frucht eines ſehr muͤhſamen
Nachſinnens und wohluͤberlegter und zuſammenge-
haͤngter Grundſaͤtze, die man ſich gemacht hat. Allein
ſie iſt unumgaͤnglich nothwendig; und inſonderheit ſollte
der Regente allemal dieſe Einſicht in den Zuſammen-
hang des Ganzen auf das vollkommenſte beſitzen. Nie-
mals ſolten Kleinigkeiten der Gegenſtand ſeiner Bemuͤ-
hung und Vorſorge ſeyn, ſondern nur dasjenige, was
den Zuſammenhang des Ganzen betrift. Der Regent
ſoll weder Finanzminiſter, noch Preſident des Com-
mercienweſens, noch Kriegesminiſter oder Juſtizpreſi-
dent ſeyn. Er ſoll nur die Seele aller derer verſchie-
denen Departements ſeyn, in welchen die Geſchaͤfte des
Staats abgehandelt werden.


Da
[32]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
Die Manu-
facturen
müſſen alſo
mit der übri-
gen Beſchaf-
fenheit des
Staats in
guten Ver-
hältniſſe ſte-
hen.

Da auf dieſen Zuſammenhang des Ganzen oder
auf die Uebereinſtimmung aller Theile des Staats-
koͤrpers ſo ungemein viel ankommt; ſo ſiehet man leicht,
daß man ſich in denen Manufacturen und Fabriken
wenig guten Fortgang zu verſprechen hat, wenn nicht
alle uͤbrigen Theile des Staatskoͤrpers damit in uͤber-
einſtimmenden Verhaͤltniſſe ſtehen. Ehe wir alſo die
Maaßregeln und Mittel zu Gruͤndung und Anlegung
der Manufacturen und Fabriken vortragen: ſo iſt es
noͤthig den Zuſammenhang zu zeigen, den dieſelben mit
der geſammten Verfaſſung, Beſchaffenheit und uͤbri-
gen Einrichtung des Staats haben. Es zeiget ſich
hier ein ſo weites Feld, daß wir allein einen ganzen
Tractat erfuͤllen wuͤrden, wenn wir dieſen Zuſammen-
hang auf das genaueſte und vollſtaͤndigſte vorſtellen
wollten. Wir koͤnnen alſo nur das Verhaͤltniß der
vornehmſten Verfaſſungen und Beſchaffenheiten des
Staats gegen die Manufacturen und Fabriken betrach-
ten, die einen ſo ſtarken und unmittelbaren Einfluß
dabey haben, daß man ſich ohne eine gute Ueberein-
ſtimmung derſelben wenig Fortgang in dieſem Puncte
zu verſprechen hat.


Zuſammen-
hang der
Manufactu-
ren mit der
Religion.

Wir wollen mit der Religion, als der ehrwuͤrdig-
ſten Sache den Anfang machen. Wenn es moͤglich
waͤre, daß ein Staat ohne gewaltſame Mittel und Ein-
ſchraͤnkung der Gewiſſen die Einigkeit im Glauben er-
halten koͤnnte; ſo wuͤrde dieſer Zuſtand allen andern
vorzuziehen ſeyn. Er wuͤrde allen Gliedern und Ord-
nungen
[33]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
nungen des Staats ein Vertrauen, eine Liebe und eine
Einigkeit gegen einander geben, die zu der Thaͤtigkeit
der Unterthanen und den guten Fortgang aller Maaß-
regeln und Anſtalten ſehr viel beytragen. Der Zwie-
ſpalt in der Religion und inſonderheit die oͤffentliche Aus-
uͤbung des Gottesdienſtes zweyer Religionspartheyen
iſt kein Zuſtand, den man in einer Stadt, oder in dem
geſammten Staate, wuͤnſchen ſoll. Wenn es demnach
moͤglich iſt bluͤhende Manufacturen und Fabriken zu
Stande zu bringen, ohne die oͤffentliche uneingeſchraͤnk-
te Ausuͤbung eines gegenſeitigen Gottesdienſtes zuzu-
laßen, ſo wird dieſes allemal mehr anzurathen ſeyn,
ob ich gleich weit entfernet bin, zu glauben, daß es
beſſer ſey ein armes Land, das die Reinigkeit des Glau-
bens beſitzet, als ein reiches, mit vielerley Religions-
ſecten erfuͤlltes, Land zu haben; daß es beſſer ſey gar
keine Manufacturen und Fabriken zu haben, als ſolche
mit Einfuͤhrung der Ketzereyen zu gruͤnden. Wenn
man aber die oͤffentliche Ausuͤbung des Gottesdienſtes
verſchiedenen Religionspartheyen zulaͤßt: ſo muß die
Regierung allemal dieſen Enthuſiasmus oder die Bi-
gotterie in allen Religionen zu maͤßigen wiſſen, der
ſeinen Naͤchſten bloß deshalb haſſet, weil er einer an-
dern Glaubensmeinung zugethan iſt. Dieſer Haß,
welcher die Quelle der Partheyen und der Unruhen iſt,
kann ohnedem ſchwehrlich bey dem Poͤbel ſtattfinden,
wenn man ihn nicht zugleich in einer gewiſſen Dumm-
heit und Unwiſſenheit erhaͤlt, welche mit der Geſchick-
lichkeit und dem Erfindungsgeiſte, welche die Manu-
facturen und Fabriken erforden, wenig vertraͤglich iſt.
CWenn
[34]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
Wenn die Manufacturen und Fabriken in verſchiede-
nen teutſchen catholiſchen Staaten wenig Fortgang
haben, ſo iſt ſolches großen theils auch dieſer Dummheit
und Unwiſſenheit zuzuſchreiben, in welcher die catholi-
ſche Geiſtlichkeit den Poͤbel zu erhalten, recht eifrig
befliſſen iſt. Jndem ihr Anſehn und Reichthum auf
dieſer Bigotterie des Poͤbels beruhet; ſo macht ihnen
alles Furcht, was das gemeine Volk mit der Zeit er-
leuchten koͤnte; und alle Wege, Mittel und Anſtalten,
die dahin fuͤhren koͤnten, finden an ihnen geſchwohrne
Feinde. Allein ſo viel Vortheil ſie davon haben den
Poͤbel in dieſer Dummheit zu erhalten: ſo viel Jn-
treſſe hat auf der andern Seite der Staat dieſen Aber-
glauben und Unwiſſenheit auszurotten; ſowohl um
das Genie und die Geſchicklichkeit des Volkes zu Ma-
nufacturen und Fabriken zu bilden, als den Reichthum
der Geiſtlichkeit zu verhuͤten, welcher der Circulation
des Geldes und der Thaͤtigkeit und Arbeitſamkeit des
Volkes, Dinge, die bey den Manufacturen ſo noͤthig
ſind, wenig zutraͤglich iſt.


Nothwen-
digkeit der
Gewiſſens-
freiheit bey
denen Ma-
nufacturen.

Man mag aber die oͤffentliche Ausuͤbung verſchie-
dener Religionen zulaßen, oder nicht; ſo muß doch
allemal in einem Lande, das bluͤhende Manufacturen
und Fabriken haben will, eine vollkommene Gewiſſens-
freyheit ſtattfinden. Niemand darf wegen deſſen,
was er vor ſich in der Stille glaubet, oder wegen der
Art, womit er Gott in ſeinem Hauſe dienet, zur Ver-
antwortung gezogen werden. Die Beherrſchung der
Gewiſ-
[35]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
Gewiſſen iſt ohnedem außer dem Bezirk der Macht der
Regierung; und geſchickte Leute wohnen nicht gerne
in einem Lande, wo der Neid und die Verfolgung ei-
nen Ketzereyproceß wider ſie erregen kann. Der tolle
Eifer Ketzergerichte zu halten, iſt auch heutiges Tages
ziemlich aus der Mode gekommen; und vielleicht wuͤr-
de ietzo Spanien ſelbſt Bedenken tragen durch dieſen
thoͤrichten Weg die Manufacturen aus ſeinen Landen
zu vertreiben, wie es ehedem in den Niederlanden ge-
than hat.


Nach der Religion verdienet die Frage in Erwaͤ-Ob die un-
umſchränkte
Gewalt dem
Wachsthu-
me der Ma-
nufacturen
zuträglich
iſt.

gung gezogen zu werden, welche Regierungsform de-
nen Manufacturen und Fabriken am zutraͤglichſten iſt.
Ehedem ſtand man in den Gedanken, daß die Com-
mercien und Manufacturen unter einer unumſchraͤnk-
ten Gewalt ſchwehrlich zu einen rechten Flohr gelan-
gen koͤnten; ſondern die Luft der freyen Republiken
ſey es, die zu ihren Gedeihen und Wachsthum erfor-
dert werde. Man ſchließet nur allzugern aus Bey-
ſpielen; eine Art zu ſchließen, welcher faſt allemal die
Gruͤndlichkeit ermangelt, weil die Beyſpiele hoͤchſtens
nur dienen die Schluͤſſe zu beſtaͤtigen. Man hatte be-
merket, daß ehedem die freyen Republiken den meiſten
Handel und Manufacturen gehabt hatten. Tyrus,
Carthago, Venedig, Genua, die Hanſeeſtaͤdte, Hol-
land, die alle durch ihren Handel ſo beruͤhmt gewor-
den waren, leuchteten allzuſtark in die Augen. Viel-
leicht wird man ins kuͤnftige auf eben dieſe Art ſchlieſ-
C 2ſen,
[36]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
ſen, daß die Commercien und Manufacturen unter
einer unumſchraͤnkten Gewalt am beſten in Flohr zu
bringen ſind. Frankreich iſt hier ein Beyſpiel, das
vor zehn andere gelten kann. Colbert brachte in einer
ſehr kurzen Zeit die bluͤhendeſten Manufacturen zu
Stande; und in dieſem Jahrhunderte hat Frankreich
gezeiget, daß es auch moͤglich iſt, die Commercien un-
ter einer uneingeſchraͤnkten Herrſchaft in einen verwun-
dernswuͤrdigen Flohr zu bringen. Der gluͤckliche
Anfang, den einige andere europaͤiſche unumſchraͤnkte
Monarchen zu unſern Zeiten in denen Commercien
und Manufacturen gemacht haben, duͤrfte bald mehr
dergleichen Beyſpiele an die Hand geben. So viel iſt
gewiß, daß wenn die Republiken eine lange Zeit beduͤr-
fen um die Commercien und Manufacturen zu gruͤn-
den und in Flohr zu bringen: ſo kann der unum-
ſchraͤnkte Monarch in gar kurzer Zeit damit zu Stande
kommen, wenn er nur ſonſt die rechten Wege erwaͤh-
let. Eben ſeine unumſchraͤnkte Gewalt giebt ihm tau-
ſenderley Mittel an die Hand, welche die freyen Repu-
bliken nicht haben. Er iſt das Muſter, wornach
ſich die ganze Nation bildet. Er darf nur an einer
Sache einen Gefallen bezeugen: ſo wird dieſe Sache
ſo fort eine allgemeine Achtung erhalten. Die Beloh-
nungen, dieſes kraͤftigſte, unfehlbarſte und ſchleunigſte
Befoͤrderungsmittel der Manufacturen und Fabriken
kann eine Republik, die durch Nebenabſichten und
Partheyen geleitet wird, niemals ſo wohl anwenden,
als ein unumſchraͤnkter Monarch. Er iſt der Brunn-
quell aller Gnaden: und da er nach Gefallen Scha-
tzungen
[37]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
tzungen auflegen kann; ſo fehlet es ihm nie an Mit-
teln zu Belohnungen. Dieſes findet in den freyen Re-
publiken und eingeſchraͤnkten Regierungsformen weit
mehr Schwierigkeit. Diejenigen, auf welche es an-
kommt, die Schatzungen zu bewilligen und anzuwen-
den, haben nicht allemal den Willen und die Einſicht,
den das Engliſche Parlament oͤfters ruͤhmlich bezeuget
hat, naͤmlich durch Belohnungen und andern Aufwand
vor die Commercien und Manufacturen einen Saa-
men auszuſtreuen, der bey guten Maaßregeln gar bald
hundertfaͤltige Fruͤchte bringen wird. Wenn man die-
ſes erwaͤget und wenn man dabey vorausſetzet, daß die
unumſchraͤnkte Gewalt mit Weisheit, Gerechtigkeit
und Guͤte gefuͤhret wird, dergeſtalt, daß ein jeder Un-
terthan ſeines Eigenthums vollkommen verſichert iſt
und eine vernuͤnftige Freyheit genießet; ſo iſt es ſo weit
gefehlt, daß eine unumſchraͤnkte Gewalt der Gruͤn-
dung und Flohr der Manufacturen und Fabriken ent-
gegen ſeyn ſolte, daß ſie vielmehr in einem ſolchen
Lande viel ſchleuniger in einen bluͤhenden Zuſtand ge-
ſetzet werden koͤnnen.


Allein gleichwie man von einer unumſchraͤnktenUnter der
despotiſchen
Gewalt kön-
nen die Ma-
nufacturen
ſchwehrlich
blühend
werden.

Alleinherrſchaft die despotiſche Regierungsform wohl
unterſcheiden muß; ſo bin ich weit entfernt zu glau-
ben, daß die Manufacturen und Fabriken unter Aus-
uͤbung der despotiſchen Gewalt eben ſowohl gedeihen
koͤnnen. Dieſes Ungeheuer unter den Regierungsfor-
men hat keine Unterthanen, ſondern elende Sclaven,
C 3denen
[38]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
denen aller Muth und Luft zu Fleiß und Geſchick-
lichkeit darnieder geſchlagen iſt. Wenn Guͤther,
Stand, Ehre und Leben bloß von der eigenſinnigen
Willkuͤhr des Despoten und ſeiner Miniſter abhaͤngen;
ſo wird Niemand große Luſt haben, ſich durch Fleiß
und Arbeitſamkeit Guͤther zu erwerben, deren Genuß
ſo ungewiß iſt. Am allerwenigſten aber wird jemand
geneigt ſeyn, ſich in Manufacturen und Fabriken ein-
zulaßen, deren weitlaͤuftige Anſtalten ihren Eigenthuͤ-
mer mehr als eine andere Nahrungsart an das Land
verknuͤpfen. Zur Kaufmannſchaft werden ſich noch
eher Unternehmer finden, zumal wenn man ſich die
Hofnung machen kann, bald reich zu werden, um her-
nach ein ſo uͤbel beherrſchtes Land verlaßen zu koͤnnen.
Es iſt wahr, der Despote kann ſeine Unterthanen gar
leicht zwingen, Manufacturen und Fabriken zu unter-
nehmen, ſo wie der Pruͤgel des Guardian zu Algier
einen Sclaven gar leicht dahin bringen kann, ein Hand-
werk auszuuͤben, das er vorher nie gelernet hat. Allein
die Gewalt des Despoten und der Pruͤgel des Guardian
werden die aufgezwungene Handthierung ihren beyden
elenden Sclaven niemals in behoͤriger Vollkommen-
heit beybringen; und die mit Gewalt erzwungenen Ma-
nufacturen werden mithin eine ſchlechte Beſchaffenheit
haben. Wenn die Manufacturen und Fabriken zu ih-
rer Vollkommenheit gelangen ſollen; ſo wird darzu
Genie, Luſt, Fleiß und Aufmerkſamkeit erfordert; und
dieſes ſind Fruͤchte der Freyheit und einer gerechten und
guͤtigen Regierung, nicht aber der despotiſchen Gewalt.


Die
[39]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.

Die Manufacturen und Fabriken haben mit denenZuſammen-
hang der
Wiſſenſchaf-
ten mit de-
nen Manu-
facturen.

Wiſſenſchaften einen ganz ungezweifelten ſtarken Zu-
ſammenhang; und der gute Fortgang dieſer Nah-
rungsgeſchaͤfte kommt vielleicht mehr, als man es ſich
gemeiniglich einbildet, auf den Zuſtand der Gelehrſam-
keit im Lande an. Wo mich mein Gedaͤchtniß nicht
truͤgt; ſo iſt es Herr Hume, welcher ſaget, man ſolle
ſich nicht einbilden, daß ein Volk ein Stuͤcke Tuch in
ſeiner Vollkommenheit zubereiten werde, das in der
Sternkunde ganz und gar unwiſſend ſey. So wenig
Einfluß die Sternkunde in die Zubereitung eines Stuͤ-
ckes Tuches zu haben ſcheinet; ſo iſt es doch gewiß, daß
eine gaͤnzliche Unwiſſenheit in dieſer Wiſſenſchaft einen
gar ſchlechten Zuſtand der Gelehrſamkeit uͤberhaupt an-
zeiget; und folglich hat die Nation die Barbarey noch
nicht abgeleget. Die Wiſſenſchaften allein ſind es,
welche das Genie und den Verſtand eines Volkes bil-
den und aufklaͤren; und der bluͤhende Zuſtand der Wiſ-
ſenſchaften hat auch in die Vernunft dererjenigen ihren
Einfluß, die in eigentlichen Verſtande der Gelehrſam-
keit nicht ergeben ſind. Ein Volk, bey welchem die
Wiſſenſchaften bluͤhen, wird demnach allemal mehr
Einſicht, Genie, Faͤhigkeit und Erfindungskraft haben,
als ein anderes, bey welchem die Wiſſenſchaften in
ſchlechten Zuſtande ſind; und das erſte Volk wird mit-
hin die Manufacturen und Fabriken ungleich eher zu
ihrer Vollkommenheit bringen koͤnnen als das andere.
Die Erfahrung ſcheinet auch dieſen Einfluß der Wiſſen-
ſchaften gar ſehr zu beſtaͤrken. Als noch Jtalien allein
der Sitz der Wiſſenſchaften, das uͤbrige Europa aber
C 4noch
[40]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
noch mit der Finſterniß der Barbarey bedecket war;
ſo war auch zugleich Jtalien allein der Sitz der Ma-
nufacturen; und ſo wie in neuern Zeiten Engelland,
Frankreich und Holland die Wiſſenſchaften unter den
uͤbrigen Europaͤiſchen Nationen bey ſich in Flohr ge-
ſetzet haben: ſo haben ſie auch am erſten ihre Manu-
facturen zur Vollkommenheit gebracht.


Näherer
Einfluß der
Wiſſenſchaf-
ten in die
Manufactu-
ren und Fa-
briken.

Die Wiſſenſchaften unterſtuͤtzen jedoch die Manu-
facturen und Fabriken nicht allein darinnen, daß ſie
den Verſtand der Nation aufklaͤhren; ſondern ſie ha-
ben auch einen naͤhern und unmittelbaren Einfluß da-
bey. Wenn die Wiſſenſchaften uͤberhaupt den End-
zweck haben, die menſchliche Erkenntniß zu erweitern
und den Nutzen der Republik zu befoͤrdern; ſo ſiehet
man leicht, daß es auch Wiſſenſchaften geben muß,
welche denen Manufacturen und Fabriken zu ſtatten
kommen. Wir haben auch wirklich dergleichen. Jch
darf nur die Mechanik, die Meßkunſt, die Chymie und
uͤberhaupt die Naturkunde nennen; ſo wird man mir
leicht zugeben, daß die Manufacturen und Fabriken
von dieſen Wiſſenſchaften hauptſaͤchlich ihre Vollkom-
menheit erwarten muͤſſen. Jch geſtehe gern, daß die
Wiſſenſchaften vielleicht zeither denen Manufacturen
und Fabriken nicht allen den Nutzen geleiſtet haben,
den man mit Recht von ihnen fordern konnte. Allein
das iſt mehr ein Fehler der Gelehrten, die zeither mehr
denen bloß ſpeculativiſchen Dingen, als dem wahren
Nuͤtzlichen ergeben geweſen ſind, als daß man dieſes
denen
[41]mit der Verfaſſ. und Beſchaff. des Staats.
denen Wiſſenſchaften ſelbſt beymeſſen koͤnnte. Man
kann jedoch nicht laͤugnen, daß zeither inſonderheit die
Geſellſchaften der Wiſſenſchaften gar viel zur Aufnah-
me und Vollkommenheit der Manufacturen und Fa-
briken beygetragen haben; und die Regierungen koͤn-
nen dieſe Geſellſchaften gar leicht dahin bringen, daß
ſie weit mehr hierinnen leiſten. Man ſiehet alſo leicht,
wie viel es bey denen Manufacturen und Fabriken zu-
gleich auf die Vorſorge vor das Aufnehmen der Wiſ-
ſenſchaften und auf die Aufmunterung zu dem Nuͤtzli-
chen in der Gelehrſamkeit ankommt.


Den allerengſten Zuſammenhang haben die Manu-Die Land-
wirthſchaft
hat mit de-
nen Manu-
facturen den
engſten Zu-
ſam̃enhang.

facturen und Fabriken mit der Landwirthſchaft. Die
Landwirthſchaft muß nicht allein die Lebensmittel zu
Unterhaltung der Arbeiter liefern, ſondern ſie muß
auch die vornemſten Materialien zu denen Manufactu-
ren an die Hand geben. Der gute Fortgang der Ma-
nufacturen und Fabriken kommt großen theils darauf
an, daß die Arbeiter wohlfeil leben koͤnnen und daß
die Materialien guten Preißes zu haben ſind. Hier-
aus entſteht der wohlfeile Preis der Waaren; und auf
denſelben beruhet hauptſaͤchlich ſowohl der auswaͤrtige
Vertrieb der Waaren, als auch der innerliche Ver-
brauch, wenn man nicht durch gewaltſame Mittel den
innerlichen Verbrauch befoͤrdern will, die jedoch nicht
allerdings die gehofte Wirkung haben, wie wir unten
mit mehrern zeigen werden. Es kann aber weder der
C 5wohl-
[42]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
wohlfeile Preis der Lebensmittel noch der Materialien
erhalten werden, wenn nicht ein großer Zuſammenfluß
dieſer Waaren vorhanden iſt. Dieſer große Zuſam-
menfluß aber entſtehet allein aus der Vollkommenheit
der Landwirthſchaft. Es iſt dannenhero gar nicht
moͤglich, daß die Manufacturen und Fabriken bluͤhend
ſeyn koͤnnen, wenn nicht zugleich die Landwirthſchaft
in moͤglichſter Vollkommenheit getrieben wird; und
gleichwie die Vollkommenheit der Landwirthſchaft zu
dem guten Zuſtande der Manufacturen und Fabriken
gar viel beytraͤgt; ſo ziehen gemeiniglich bluͤhende Ma-
nufacturen und Fabriken auch einen bluͤhenden Zuſtand
der Landwirthſchaft nach ſich. Wenn ſich die Arbeiter
bey denen Manufacturen und Fabriken vermehren und
die Landleute folglich alle ihre Producte ſo fort guten
Preißes abſetzen koͤnnen; ſo erreget dieſes den Fleiß der
Landleute, daß ſie ihren Boden auf das beſte cultivi-
ren und dieſe Producte in Menge zu erzeugen ſuchen.
Dieſer Ueberfluß von Producten ziehet ſodann ihren
wohlfeilen Preiß nach ſich. Es iſt alſo ein Wechſel-
einfluß vorhanden, der zwiſchen beyden den allerge-
naueſten und engſten Zuſammenhang veranlaßet. Man
findet dannenhero gemeiniglich, daß die Aufnahme der
Manufacturen und der Landwirthſchaft mit gleichen
Schritten fortgehen. Dieſes beweiſet das Beyſpiel
von Engelland, wo die Landwirthſchaft nach der Maaße
zur Vollkommenheit geſtiegen iſt, wie die Manufactu-
ren immer bluͤhender geworden ſind.


Man
[43]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.

Man wuͤrde einen wenig gegruͤndeten EinwurfDer Ein-
wurf, daß
man Lebens-
mittel und
Materialien
kaufen kön-
ne, wird ge-
hoben.

vorbringen, wenn man ſagen wollte, daß man ſowohl
das Getraide, als die Materialien zu denen Manufa-
cturen von andern Voͤlkern vor Geld erlangen kann.
Zu geſchweigen, daß davor große Geldſummen außer
Landes gehen; ſo werden dieſe Dinge durch die Koſten
der Herbeyſchaffung allemal vertheuret, welches denen
Manufacturen und Fabriken |gar nicht zutraͤglich iſt,
deren guter Fortgang hauptſaͤchlich auf den wohlfeilen
Preiß der Arbeitsleute und der Materialien ankommt.
Was aber noch mehr iſt: ſo wird ein ſolches Land nie-
mals genugſam gegruͤndete Manufacturen haben. Sie
werden allemal von andern Voͤlkern abhaͤngen und
gleichſam nur Bittweiſe beſtehen. Die geringſten
Zwiſtigkeiten, die dieſes Volk mit andern Staaten ha-
ben wird, werden ſeine Manufacturen hemmen, ſo-
wohl wenn andre Voͤlker ihnen das Getraide und die
Materialien vorenthalten, als wenn ſeine Feinde deſſen
Schiffarth ſtoͤhren. Das Beyſpiel der Koͤnigin Eli-
ſabeth, welche die Ausfuhre der Wolle verboth, und,
da ſie bey dieſem Verbothe ſtandhaftig beharrete, viele
Niederlaͤndiſche Fabricanten aus Mangel der Mate-
rialien noͤthigte die Niederlande zu verlaßen und ſich in
Engelland niederzulaßen, lehret uns, wie ſchlecht ge-
gruͤndet ſolche Manufacturen ſind, die in Anſehung der
Materialien von andern Voͤlkern abhaͤngen. Man
muß auch befuͤrchten, daß diejenigen Voͤlker, welche
in denen Materialien andrer Nationen arbeiten, kuͤnf-
tig immer ſchlechter daran ſeyn werden. Ein jedes
Volk lernet ſeinen Vortheil immer beſſer einſehen und
ſuchet
[44]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
ſuchet die Ausfuhre der rohen Waaren zu verhintern und
ſolche ſelbſt zu verarbeiten. Die Hollaͤnder, die ſo wenig
eigene Materialien haben, muͤſſen aus dieſem Grunde
vor ihre Manufacturen eben ſo viel befuͤrchten, als ſie
ſchon vor ihre Commercien mit fremden Waaren er-
fahren haben. Kurz, es iſt eine Wahrheit, die nie-
mand laͤugnen kann, daß dasjenige Volk am allerſtaͤrk-
ſten iſt, das die Beyhuͤlfe andrer Voͤlker am wenigſten
bedarf; und es iſt mithin ein Grundſatz einer jeden
weiſen Regierung alle nur erſinnliche Maaßregeln und
Anſtalten zu ergreifen, daß alles moͤgliche im Lande
ſelbſt gewonnen werde, um ſo wenig, als es immer
moͤglich iſt, von andern Nationen abzuhaͤngen. Aus
dieſem Grunde verdienet die Landwirthſchaft, die zu
dem bluͤhenden Zuſtande der Manufacturen und Fa-
briken ſo viel beytraͤgt, die allergroͤßte Sorgfalt einer
weiſen Regierung. Die Landwirthſchaft iſt jedoch in
den meiſten Staaten noch gar weit von ihrer Voll-
kommenheit entfernet. Sina und Engelland ſind viel-
leicht die einzigen Laͤnder, wo man die Landwirthſchaft
auf einen großen Punct der Vollkommenheit gebracht
hat; und inſonderheit verdienete die Landwirthſchaft
in Engelland von andern Voͤlkern mehr nachgeahmet zu
werden, als es geſchiehet. Jch kann mich hier nicht ein-
laßen die Mittel und Maaßregeln zu Verbeſſerung der
Landwirthſchaft vorzuſchlagen. Dieſer Gegenſtand iſt ſo
wichtig und weitlaͤuftig, als daß er beylaͤufig abgehandelt
werden koͤnnte. Jch habe beſchloſſen, einen beſondern
Tractat von Verbeſſerung der Landwirthſchaft zu ſchrei-
ben, der vielleicht kuͤnftige Oſtermeſſe erſcheinen wird.


Jch
[45]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.

Jch habe in dem vorhergehenden Abſchnitte gezei-Sehr ge-
nauer Zu-
ſam̃enhang
der Manu-
facturen mit
den Com̃er-
cien des Lan-
des.

get, daß die Manufacturen und Fabriken der Grund
bluͤhender und dauerhaftiger Commercien ſind. Man
kann demnach von ſelbſt leicht erachten, daß dieſe Nah-
rungsgeſchaͤfte mit dem Commercienweſen des Landes in
dem allergenaueſten und engſten Zuſammenhange ſtehen;
und in der That, ſo wie die Manufacturen und Fa-
briken der Grund dauerhaftiger Commercien ſind; ſo iſt
hingegen der Kaufhandel eines der groͤßten Befoͤrde-
rungsmittel der Manufacturen und Fabriken. Wenn
der auswaͤrtige Vertrieb durch die Commercien nicht zu
erhalten ſtehet; ſo iſt es mit dieſen Nahrungsgeſchaͤf-
ten bald gethan. Der Manufacturier und Fabricant,
wenn er ſeine Waaren nicht verkaufen kann, ſiehet ſich
bald genoͤthiget mit weiterer Verfertigung innen zu
halten, ſo bald ſein Verlag oder ſeine Hofnung des
kuͤnftigen beſſern Abſatzes zu Ende gehet; und wenn
die Commercien des Landes in ſchlechten Stande ſind,
ſo daß die Haupt- und Nebenmaterialien der Manu-
facturen und Fabriken gar nicht, oder um hohen Preiß
zu erhalten ſind; ſo leiden auch natuͤrlicher Weiſe dieſe
Nahrungsgeſchaͤfte gar ſehr darunter. Eine jede Hin-
terniß und Hemmung der Commercien empfinden alſo
auch ſofort die Manufacturen und Fabriken; und es
kann weder bey dem einen noch bey dem andern etwas
vorgehen, das nicht ſofort ſeinen Einfluß in die an-
dere Art der Nahrungsgeſchaͤfte erſtrecket. Dieſes
beweiſet, wie gar enge das Band zwiſchen beyden iſt.
Unterdeſſen iſt es gewiß, daß das Band zwiſchen bey-
den bey derjenigen Nation am allerengſten iſt, die am-
meiſten
[46]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
meiſten auswaͤrtige Beyhuͤlfe bedarf, davon wir kurz
vorhin geredet haben. Dahingegen eine Nation, die
alle Nothwendigkeiten, oder doch die meiſten, ſelbſt
gewinnet, von der Hemmung der Commercien nicht
ſo viel leidet.


Man muß
demnach bey
denen Ma-
nufacturen
auch beſtän-
dig auf die
Commercien
ſehen.

Jn Anſehung dieſes gar genauen Verhaͤltniſſes
verdienen die Commercien eine große Sorgfalt und
beſtaͤndige Ruͤckſicht in allen Maaßregeln bey denen
Manufacturen, und man darf weder bey dem einen
noch bey dem andern eine Neuerung und Verbeſſerung
vornehmen, ohne vorher ſehr weißlich zu uͤberlegen,
was ſolches vor Einfluß und Wirkung bey der andern
Art der Nahrungsgeſchaͤfte haben werde. Jch will
hier nicht die Mittel vorſchlagen, wie die Ausfuhre
und der Debit der Manufactur- und Fabrikenwaaren
durch die Commercien zu befoͤrdern iſt. Wir werden
hiervon in dem folgenden Hauptſtuͤcke handeln, als
woſelbſt die eigentliche Stelle davon iſt. Jch kann
auch hier nicht die Maaßregeln zur Aufnahme der
Commercien vortragen. Dieſes iſt nicht unſer Ge-
genſtand allhier. So viel aber muß ich hier anmer-
ken, daß wenn die Manufacturen und Fabriken ohne
große Unterſtuͤtzung und Beyhuͤlfe der Regierung nicht
gegruͤndet und bluͤhend werden koͤnnen; ſo brauchen
die Commercien nichts als Freyheit. So bald der
Kaufmann etwas dabey gewinnen kann; ſo wird er
ſowohl die Manufactur- und Fabrikenwaaren ausfuͤh-
ren, als auch alle ihre benoͤthigte Waaren kommen
laßen.
[47]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
laßen. Die Freyheit iſt die Seele der Commercien;
und der Staat thut alles, was er zu Befoͤrderung der-
ſelben thun kann, wenn er dieſe Freyheit, in ſo weit
ſie vernuͤnftig iſt und dem wahren Beſten des Staats
keinen Nachtheil verurſachet, geſtattet und ihnen keine
Hinterniſſe im Weg leget. Die Aufnahme der Com-
mercien kommt nicht ſowohl auf Befoͤrderungsmittel,
als auf Wegraͤumung der Hinterniſſe an.


Jnſonderheit aber muß ſich der Staat ſehr huͤten,Man muß
die Manu-
facturen
nicht zum
Nachtheil
der Commer-
cien unter-
ſtützen.

daß er die Manufacturen und Fabriken nicht mit dem
Nachtheile der Commercien unterſtuͤtzet. Dieſes iſt
ein ſehr falſches Unterſtuͤtzungsmittel. Da beyde
Nahrungsgeſchaͤfte ſo genau mit einander verbunden
ſind; ſo koͤnnen die Commercien keinen Nachtheil lei-
den, daß er nicht auf die Manufacturen und Fabriken
zuruͤckfaͤllt. Unterdeſſen habe ich in gar vielen Staa-
ten wahrgenommen, daß man wirklich die Manufa-
cturen und Fabriken mit dem Schaden der Kaufman-
ſchaft unterſtuͤtzet. Jch muß demnach hiervon etwas
ausfuͤhrlicher handeln.


Seitdem man in Teutſchland und in verſchiedenenOb die
Kaufleute
die Manufa-
cturen zu
hintern ſu-
chen.

andern Staaten die Manufacturen und Fabriken zu
gruͤnden geſucht hat; ſo haben die Kaufleute faſt allent-
halben das Vorurtheil wider ſich erreget, daß ſie die
Aufnahme der Manufacturen und Fabriken zu hintern
ſuchen; und ich habe bereits in meiner Staatswirth-
ſchaft
[48]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
ſchaft geſtanden, daß dieſes Vorurtheil nicht ungegruͤn-
det iſt, weil die Kaufleute bey denen auslaͤndiſchen
Waaren mehr gewinnen und ihren großen Gewinnſt
beſſer verbergen koͤnnen, weil ſie außerhalb Landes eher
Credit finden, als in denen Niederlagen der Landes-
manufacturen, und weil ſie oͤfters die auslaͤndiſchen
Waaren auf Gegenhandlung und Gegenrechnung er-
halten und mithin gedoppelt gewinnen koͤnnen. Es
iſt gewiß, daß die Freyheit der Commercien, dieſe
zaͤrtliche Sache, alsdenn aufhoͤret, wenn ſie zum
Nachtheil des Staats gereichet; und man muß alſo
die Kaufleute anhalten, daß ſie den nachtheiligen Ge-
winnſt an den auslaͤndiſchen Waaren fahren laßen
und ſich an die innlaͤndiſchen halten muͤſſen.


Man muß
daraus nur
gerechte Fol-
ge ziehen.

Allein daraus folget weiter nichts, als daß man
die Kaufleute in gerechten Schranken halten muͤſſe:
und man muß ſich aus dem eingeriſſenen Vorurtheile
nicht bewegen laßen, daß man die Kaufleute allzuhart
halte und die Manufacturiers auf ihre Koſten und
Nachtheil unterſtuͤtzet. Es liegt dem Staate gar ſehr
daran, reiche und vermoͤgende Kaufleute zu haben.
Tauſend dem Lande nuͤtzliche Unternehmungen muͤſſen
ſonſt nachbleiben. Man wird aber ſo wenig vermoͤ-
gende Kaufleute haben, daß vielmehr gar keine Kaufleute
mehr vorhanden ſeyn werden, wenn man ihm nicht ge-
winnen laͤßt. Der Gewinnſt iſt die einzige Triebfeder
des Kaufmanns.


Es
[49]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.

Es iſt ſchlechterdings nothwendig, daß die Manu-Die Landes-
manufactu-
ren müſſen
mit den aus-
ländiſchen
einerley
Preiß hal-
ten, wenn
der Kanf-
mann beſte-
hen ſoll.

facturen und Fabriken des Landes mit denen auslaͤndi-
ſchen Waaren von eben der Art und Guͤte einerley
Preiß halten. Außerdem iſt es gar nicht moͤglich
daß der Kaufmann dabey beſtehen kann. Er wird ent-
weder nichts dabey gewinnen, oder, welches auf einer-
ley hinauslaͤuft, er wird keinen Abſatz haben. Man
wende mir nicht ein, daß man ſchon die Einfuhre der
fremden Waaren durch gute Maaßregeln hintern und
die Unterthanen zum Verbrauch der Landeswaaren noͤ-
thigen kann. So bald der Unterſchied in dem Preiße
der Waaren ſehr merklich iſt; ſo werden ſich die Un-
terthanen die auslaͤndiſchen ohngeachtet des Verbothes
und aller Maaßregeln zu verſchaffen wiſſen. Die al-
lergroͤßte Strenge wird nur wenige Wirkung haben.
Je ſtrenger und ſorgfaͤltiger die Aufſicht iſt, je mehr
werden die kuͤhnen unter den Unterthanen kluͤgeln, um
die Aufſicht dennoch zu hintergehen. Die Beyſpiele
in allen Laͤndern, inſonderheit wo der Tobak und das
Salz landesherrliche Einkuͤnfte ausmachen und in ſehr
hohen Preiße ſind, beweiſen dieſes genugſam. Und
bey dem allen iſt es noch eine ſehr große Frage, ob die
Sache wichtig genug iſt, die Unterthanen einer ſo
aͤußerſten Strenge zu unterwerfen, welche die natuͤrli-
che Freyheit ſehr uͤber den Haufen wirft und viele Men-
ſchen ungluͤcklich macht, und ob dieſes mit denen Be-
griffen von einer guͤtigen Regierung beſtehen kann.
Vor allen Dingen aber fragt es ſich, ob keine andere
Mittel vorhanden ſind; Und mich deucht, dieſe koͤn-
nen nicht fehlen. Man muß naͤmlich die Manufactu-
Dren
[50]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
ren und Fabriken des Landes ſo lange auf Koſten des
Staats unterſtuͤtzen, bis ſie mit denen auslaͤndiſchen
Waaren gleicher Art und Guͤte einerley Preiß halten
koͤnnen und man muß denen Urſachen, warum dieſes
zeither nicht geſchehen koͤnnen, ſo ſorgfaͤltig nachſpuͤren
und die Hinterniſſe mit ſolcher Application zu heben
ſuchen, bis man es endlich zu dem verlangten End-
zwecke gebracht hat. Es wird allemal vor den Unter-
than beſſer ſeyn, wenn er zu Unterſtuͤtzung der Ma-
nufacturen und Fabriken etwas mehr contribuiret, als
wenn er zu Verhuͤtung der Einfuhre fremder Waaren
der aͤußerſten Strenge ausgeſetzet iſt. Es iſt auch vor
ſeinen Beutel ganz einerley, ob er etwas mehr Abga-
ben entrichtet, oder ob er die Landesmanufacturen theu-
rer bezahlen muß, da er ſie außer dieſer großen Strenge
wohlfeiler erhalten koͤnnte. Dieſes Uebrige, was er
mehr bezahlen muß, iſt allemal ſo gut als eine Abgabe.


Denen Ma-
nufacturen
muß der ein-
zelne Ver-
kauf nicht ge-
ſtattet wer-
den.

Jch kann mich hier nicht in alle Umſtaͤnde einlaßen,
womit man in verſchiedenen Landen die Manufacturiers
und Fabricanten zum Nachtheil der Kaufleute beguͤn-
ſtiget. Dieſes einzige will ich nur noch anfuͤhren, daß
man in einigen Landen denen Manufacturiers ſo gar
den einzeln Verkauf ihrer Waaren geſtattet. Man
ſiehet leicht, wie ſehr dieſes denen Kaufleuten zum
Nachtheil gereichet. Der Tuchmacher, der Camelot-
macher kann freylich eine Elle ſeiner Waare allemal
wohlfeiler geben, als der Kaufmann, der damit han-
delt; und mithin iſt es einerley, dieſe Erlaubniß denen
Manu-
[51]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
Manufacturiers zu geben, oder dieſe Art von Kaufleu-
ten gar abzuſchaffen, weil ſie weiter keinen Debit fin-
den werden. Jch kann mich unmoͤglich uͤberreden,
daß dieſes denen guten Grundſaͤtzen gemaͤß ſeyn ſollte;
und ich habe die Unrichtigkeit und Schaͤdlichkeit dieſer
Maaßregeln in denen Goͤttingiſchen Jntelligenzblaͤt-
tern in einer beſondern Abhandlung ſo uͤberzeugend
ausgefuͤhret, daß ich einen gewiſſen Bedienten bey
dem Commercien und Manufacturweſen, welcher den
Grundſatz hatte, daß alles, was ein jeder ſelbſt ver-
fertigte, er auch einzeln zu verkaufen befugt ſeyn
muͤſſe, und der dieſen Grundſatz im Staate ſehr gel-
tend gemacht hatte, zum Beyfall bewogen habe. Meine
Gruͤnde in dieſer Abhandlung, die ich hier nicht wie-
derholen will, kommen darauf an, daß die Erhaltung
der Kaufleute dem Staate nothwendig und nuͤtzlich iſt;
daß je mehr eine Waare durch viele Haͤnde gehet, je
mehr Menſchen dadurch ernehret werden und je vor-
theilhafter iſt es vor den Staat; daß dem Manufa-
cturier der einzelne Verkauf ſelbſt nachtheilig iſt, weil
er ſeine Verfertigung auf den einzeln Verkauf ein-
ſchraͤnken wird in Anſehung des in die Augen fallenden
groͤſſern Vortheils und daß er mithin dadurch ſich abhal-
ten laßen wird, auswaͤrtigen Debit zu ſuchen und ſeine
Manufactur in einem viel groͤſſern Umfange und Erſtre-
ckung zu treiben, wodurch er mehrern Vortheil erlangen
wuͤrde; und dieſe letztere Urſache iſt auch ſehr wichtig vor
den Staat, weil der bluͤhende Zuſtand der Manufactu-
ren hauptſaͤchlich auf ihre Menge und auf die weitlaͤuf-
tige Erſtreckung der angelegten Werke ankommt.


D 2Es
[52]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
Zuſammen-
hang der Po-
licey mit de-
nen Manu-
facturen und
Fabriken.

Es iſt keinem Zweifel unterworfen, daß nicht auch
die Manufacturen und Fabriken einen genauen Zuſam-
menhang mit der Einrichtung der Policey im Lande
haben. Jch rede hier nicht von der Policey in weit-
laͤuftigen Verſtande. Jn dieſem Begriffe ſind alle
Maaßregeln zu Anlegung und Gruͤndung der Manu-
facturen ſelbſt nichts anders als Policeyanſtalten. Wir
nehmen hier die Policey in engern Verſtande, wo ſie
die Erhaltung der Ruhe, der guten Ordnung, und der
Geſundheit, die Abwendung der Ungluͤcksfaͤlle und den
Zuſammenhang aller Nahrungsarten und Gewerbe un-
ter den Unterthanen zum Endzwecke hat; und man
ſiehet leicht, wie viel gute Policeyanſtalten in dieſen
Dingen zu Befoͤrderung der Manufacturen und Fa-
briken beytragen koͤnnen. Beſonders iſt es eine der
nothwendigſten Vorſorge der Policey in einem Lande,
wo bluͤhende Manufacturen und Fabriken ſeyn ſollen,
daß die Lebensmittel und andere zur menſchlichen Noth-
durft unentbehrlichen Dinge beſtaͤndig in einem wohl-
feilen Preiße erhalten werden. Der Lohn der Arbeiter
und folglich der wohlfeile Preiß der Manufactur und
Fabrikenwaaren haͤnget davon ab; und wir haben ſchon
oben erinnert, daß der auslaͤndiſche und inlaͤndiſche
Vertrieb und mithin der gute Fortgang der Manufa-
cturen hauptſaͤchlich darauf beruhet. Die Policey
kann alſo in dieſem Puncte niemals zu viel Vorſorge
bezeugen. Eben ſo noͤthig ſind gute Feueranſtalten
und Feueraſſecuranzſocietaͤten zur Aufnahme der Ma-
nufacturen und Fabriken. Der Fabricant wird da-
durch vor dieſen Ungluͤcksfaͤllen geſichert, die oͤfters
das
[53]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
das beſte Werk zu Grunde richten; und es iſt vor den
Staat nicht ſo leicht neue Werke wieder anzulegen,
wenn eine wichtige Fabrike zu Grunde gegangen iſt.


Auch die Einrichtung des Finanzweſens im LandeZuſammen-
hang des
Finanzwe-
ſens mit de-
nen Manu-
facturen.
Schädlich-
keit großer
Abgaben.

hat mit denen Manufacturen und Fabriken einen groſ-
ſen Zuſammenhang; und es kommt bey der Aufnahme
derſelben vielleicht mehr, als man es ſich gemeiniglich
einbildet, auf die Beſchaffenheit der Abgaben im Lan-
de an. Große und unerſchwingliche Abgaben, unter
deren Laſt die Unterthanen ſeufzen, ſind vermoͤgend
allen Muth und Fleiß niederzuſchlagen. Der Unter-
than in halber Verzweifelung, daß er ſiehet, wie ihm
alle ſeine Arbeit nichts hilft, um ſich die Bequemlichkei-
ten des Lebens zu verſchaffen und Vermoͤgen zu erwer-
ben, weil die Groͤße der Abgaben ihm nichts uͤbrig
laͤßt, verliehret endlich alle Luſt zur Arbeitſamkeit.
Da er einmal empfindet, daß er elend und ungluͤcklich
ſeyn muß, ſo wird er zu allen traͤge und nachlaͤßig:
und er ſuchet ſeine Gluͤckſeeligkeit in der Faulheit und
dem Muͤßiggange. Viele Staaten koͤnnten Beyſpiele
an die Hand geben, daß eine große Haͤrte der Regie-
rung und unerſchwingliche Abgaben ein vorher arbeit-
ſames Volk gaͤnzlich traͤg, faul und unthaͤtig machen
kann. Unterdeſſen iſt es nicht ſowohl die Groͤße der
Abgaben an ſich ſelbſt, welche die Arbeitſamkeit dar-
nieder ſchlaͤgt, ſondern vielmehr die Ungleichheit und
die uͤble Einrichtung in Hebung der Contributionen.
Wenn die Vermoͤgenden mit denen Abgaben verſcho-
D 3net
[54]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
net werden, wenn die ganze Laſt derſelben auf das ar-
beitſame Volk faͤllt, wenn die Finanzen ſolchergeſtalt
eingerichtet ſind, daß dadurch die Arbeitſamkeit gehin-
tert wird, ſo hat man ſich in denen Manufacturen we-
nig Fortgang zu verſprechen und diejenigen, ſo bereits
gegruͤndet ſind, werden bald aufhoͤren. Der Kirchen-
ſtaat kann uns hier ſtatt aller Beyſpiele dienen wie
ſehr die Arbeitſamkeit durch eine uͤble Einrichtung des
Finanzweſens zu Boden geſchlagen werden kann.
Seitdem die paͤbſtliche Kammer das Monopolium des
Kornhandels an ſich gezogen und daraus eine große
Revenuͤe gemacht hat, indem die Unterthanen alle
Fruͤchte wohlfeil an ſie verkaufen und ſie der Cammer
wieder theuer abkaufen muͤſſen: ſo ſind die fruchtbare-
ſten Felder zu Wuͤſten und dieſer Luſtgarten von Eu-
ropa einer Einoͤde gleich geworden. Eine der groͤßten
Geſchicklichkeiten in dem Finanzweſen kommt darauf
an, die Abgaben ſolchergeſtalt cinzurichten, daß da-
durch die Arbeitſamkeit immer mehr befoͤrdert werde.


Wenig Ab-
gaben kön-
men gleich-
falls einen
ſchädlichen
Einfluß ha-
ben.

Wenn große und unerſchwingliche Abgaben den
Fleiß und die Thaͤtigkeit eines Volkes darnieder ſchla-
gen; ſo muß man jedoch daraus nicht auf den Gegen-
ſatz ſchließen, naͤmlich, daß geringe und gar keine Ab-
gaben die Arbeitſamkeit zu befoͤrdern an ſich ſelbſt ver-
moͤgend waͤren. Eine ſolche Beſchaffenheit kann viel-
mehr die entgegengeſetzte Wirkung hervorbringen und
in Verbindung mit andern Umſtaͤnden die Faulheit
und Traͤgheit des Volkes veranlaſſen. Jch habe die-
ſen
[55]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
ſen Satz ſchon in meiner Staatswirthſchaft behauptet
und mit guten Gruͤnden unterſtuͤtzet; und ich bin noch
immer dieſer Meinung, ob ſie gleich einigen paradox
ſcheinen mag. Die Menſchen in ihren natuͤrlichen
rohen Zuſtande neigen nur allzuſehr zur Faulheit.
Die Teutſchen in ihren barbariſchen Zeiten hielten es
vor eine Schande zu arbeiten; und der Freyherr von
Hollberg in ſeiner daͤniſchen und norwegiſchen Staats-
geſchichte zeiget, daß auch die uͤbrigen nordiſchen Voͤl-
ker ihre Gluͤckſeeligkeit in der Faulheit und in Freſſen
und Saufen geſuchet haben. Jhre Begriffe von
einer kuͤnftigen Gluͤckſeeligkeit, liefen lediglich dahinaus;
und ſie erwarteten von ihren Odin zur Belohnung ih-
rer Tapferkeit nichts als dergleichen Wohlleben. Die-
ſer natuͤrliche Hang der Menſchen zur Faulheit zeiget
ſich demnach gemeiniglich, wenn ſie ein fruchtbares
Land bewohnen und wenig oder gar keine Abgaben ha-
ben. Da alsdenn der Lebensunterhalt bey weniger
Arbeit nicht ſchwehr wird: ſo haben die wenigſten Luſt
viel zu arbeiten. Es ermangelt demnach nicht allein
die Arbeitſamkeit in denen Manufacturen, ſondern der
Landmann cultiviret den Boden gar ſchlecht. Was
er erzeuget, das verzehret er ſelbſt, weil ihn die Abga-
ben nicht noͤthigen baar Geld herbey zu ſchaffen. Die
Staͤdte haben alſo wenig Zufuhre; und der noͤthige
Zuſammenhang zwiſchen den Manufacturen und der
Landwirthſchaft ermangelt folglich. Dahingegen
muß er ſich ungleich mehr regen, mehr Producte er-
zeugen und ſolche zu Gelde machen, wenn er ziemliche
Abgaben zu bezahlen hat. Mittelmaͤßige Abgaben
D 4ſind
[56]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
ſind alſo wohl der Arbeitſamkeit am zutraͤglichſten.
Dieſer Satz erfordert indeſſen eine Ausnahme bey ei-
nem unfruchtbaren Lande. Hier haben die Menſchen
ohnedem Muͤhe ſich zu ernehren; und die Beſchaffen-
heit, daß die Unterthanen wenig oder gar keine Abga-
ben haben, kann einem ſolchen Lande faſt nur allein
Bewohner verſchaffen. Die Schweitz hat den großen
Fortgang den ſie in dieſem Jahrhunderte in denen
Manufacturen gemacht hat großentheils der Beſchaf-
fenheit zu danken daß die Einwohner von allen Con-
tributionen gaͤnzlich frey ſind.


Auf die Ein-
richtung der
Abgaben
kommt gar
viel an.

Es iſt hier nicht die Stelle, zu zeigen, wie die Ab-
gaben, inſonderheit bey dem Eingange und Ausgan-
ge der Waaren eingerichtet ſeyn muͤſſen, wenn die
Manufacturen und Fabriken in Aufnahme kommen
ſollen. Dieſes gehoͤret zu denen eigentlichen Befoͤr-
derungsmitteln der Manufacturen und wird dannen-
hero in dem folgenden Abſchnitte ſeinen Platz finden.
Allein wir koͤnnen uns nicht entbrechen allhier in et-
was zu zeigen, wie ſehr es zu Befoͤrderung der Ma-
nufacturen und Fabriken darauf ankommt, auf was
vor einen Fuß die Abgaben gehoben, oder auf was
vor Gegenſtaͤnde ſie geleget werden. Man hat nur
dreyerley Gegenſtaͤnde der Contributionen, die unbe-
weglichen Guͤther, die beweglichen Guͤther, oder die
Waaren und die Perſonen der Unterthanen. Da
die Abgaben von denen unbeweglichen Guͤthern zu der
Beduͤrfniß eines Staats faſt niemals zureichen: ſo iſt
cs
[57]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
es eine ſehr angelegentliche Frage, ob es dem Aufneh-
men der Manufacturen zutraͤglicher iſt die Waaren,
oder die Perſonen der Unterthanen bey denen Abga-
ben zum hauptſaͤchlichſten Gegenſtande zu erwaͤhlen.


Die Acciſen, Licenten, Mauthen und Aufſchlaͤ-Die Acciſen
und Licen-
ten vertheu-
ren die Le-
bensmittel
und ſind
mithin den
Manufactu-
ren ſchadlich.

ge, oder mit was vor Namen ſie ſonſt beleget wer-
den, die nichts anders als eine Contribution auf be-
wegliche Guͤther oder Waaren und zwar inſonderheit
auf diejenigen ſind, die im Lande verbrauchet werden,
ſind ſeit einem Jahrhundert eine gar beliebte Art der
Abgaben in Europa geworden, die faſt in allen Staa-
ten eingefuͤhret worden iſt; und faſt alle Cameraliſten
ſind davor eingenommen. Allein ich kann mich dem
ohngeachtet nicht uͤberreden, daß ſie eine dem Nah-
rungsſtande und denen Manufacturen und Fabriken
vortheilhaftige Art der Abgabe ſind. Es iſt wahr,
dieſe Abgaben haben viel reizendes an ſich, wenn man
weiter auf nichts, als auf die Einkuͤnfte des Staats
ſieht. Sie heben ſich gleichſam von ſelbſt ohne alle
Strenge und Execution; und da ſie gemeiniglich auf
die unentbehrlichſten Dinge zur Nothdurft des Lebens
geleget werden; ſo iſt man verſichert große Summen
ohnfehlbar dadurch zu erheben. Allein wer ſiehet
nicht, daß eben dadurch, daß die Acciſen oder Licen-
ten auf die unentbehrlichſten Lebensmittel geleget wer-
den, nothwendig eine Vertheuerung dieſer Dinge dar-
aus entſtehen muß; und dieſe Vertheuerung, die
nothwendig einen hoͤhern Lohn der Arbeiter und mithin
D 5auch
[58]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
auch einen theurern Preiß der Waaren nach ſich zie-
hen muß, iſt vielleicht eine der allerſchaͤdlichſten Sa-
chen wider das Aufnehmen der Manufacturen und
Fabriken. Wir haben ſchon oben erinnert, daß ſo-
wohl der auswaͤrtige Abgang auf den wohlfeilen Preiß
der Waaren ankommt; als daß auch der innerliche
Verbrauch der Waaren mit der alleraͤußerſten Strenge
ſchwehrlich zu erzwingen iſt, wenn die Manufactur-
waaren des Landes gegen die auswaͤrtigen von einerley
Guͤte einen gar zu merklichen Unterſchied des Preißes
haben.


Die Acciſen
ſtimmen
überhaupt
mit den gu-
ten Grund-
ſätzen des
Finanzwe-
ſens nicht
überein.

Dieſes iſt es nicht allein, was die Acciſen und Li-
centen verwerflich macht. Jch habe in dem ſechſten
Stuͤcke der neuen Wahrheiten in einer ausfuͤhrlichen
Abhandlung gezeiget, daß dieſe Abgaben mit keinem
einzigen Grundſatze uͤbereinſtimmen, den man vernuͤnf-
tiger Weiſe bey der Einrichtung der Contributionen
zum Grunde legen muß, wenn man anders die Wohl-
farth des Staats und die Aufnahme des Nahrungs-
ſtandes vor Augen haben will. Sie ſind dem Grund-
ſatze von der gerechten Gleichheit der Abgaben unter
denen Unterthanen nicht gemaͤß, weil diejenigen, ſo
ſparſam leben, oder ſich an wohlfeilen Markttaͤgen
mit denen Nothwendigkeiten verſorgen, dadurch we-
nig betroffen werden, und weil dieſe Abgaben auf die-
jenigen, die ſchon von ihren Grundſtuͤcken Contribu-
tionen entrichtet haben, gleichfalls wieder und oͤfters
am haͤrteſten fallen. Sie ſind dem Nahrungsſtande
nicht
[59]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
nicht befoͤrderlich, weil die ſtrengen Viſitationen und
die dabey vorfallende Verzoͤgerung denen Gewerben
hinterlich und nachtheilig ſind. Sie ſind keine gewiſ-
ſen und beſtimmten Abgaben, worauf der Staat un-
fehlbare Rechnung machen kann, weil dabey die Be-
truͤgereyen der Unterthanen und der Unterſchleif der
Bedienten unmoͤglich vermieden werden kann: und ſie
muͤſſen endlich mit viel groͤßern Unkoſten erhoben wer-
den, als andere Abgaben, weil dabey eine Menge von
Aufſehern und Bedienten noͤthig ſind, ſo daß das
Land zu Unterhalt derſelben mit faſt noch einmal ſo
viel Abgaben beſchwehret werden muß, als dadurch in
die Landesherrlichen Caſſen eingehet. Wenn man
alles dieſes erwaͤget, welches ich in gedachter Abhand-
lung ausfuͤhrlich vorgeſtellet und allen Einwuͤrfen be-
gegnet habe: ſo wird ſchwehrlich ein vernuͤnftiger Ca-
meraliſt laͤugnen koͤnnen, daß dieſe Abgaben dem
Staate und inſonderheit denen Manufacturen und
Fabriken wenig zutraͤglich ſind; und die an gedachten
Orte von mir vorgeſchlagene Gewerbeſteuer die auf
den Gewinnſt der Gewerbe und die dabey anzuwen-
denden Perſonen eingerichtet iſt, wuͤrde dieſe Nah-
rungsgeſchaͤffte ungleich mehr befoͤrdern.


Das Beyſpiel der Hollaͤnder iſt hierinnen vor an-Der Ein-
wurf von
dem Bey-
ſpiel der
Holländer
wird geho-
ben.

dre Staaten ſehr verfuͤhreriſch geweſen. Sie haben
dieſe Art der Abgaben auf die zu verbrauchenden
Waaren in viel ſtaͤrkerer Maaße gehabt, als andre
Staaten; und die Commercten und Manufacturen
haben
[60]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
haben dennoch dabey vortreflich gebluͤhet. Allein man
hat bey dieſer Nachahmung nicht erwogen, daß ſich
Holland in ganz andern Umſtaͤnden befunden hat, als
andere europaͤiſche Staaten. Holland hatte eine große
Menge Volkes, davon die wenigſten unbewegliche Guͤ-
ther beſaßen und ſich dennoch reichlich ernehreten.
Man mußte alſo bey denen großen Ausgaben des
Staats in dem langwierigen und koſtbaren Kriege mit
Spanien auf andre Arten der Abgaben denken. Auf
dieſe oder jene Art der Conſumptibilien eine Abgabe zu
legen, war der leichteſte Weg die Einkuͤnfte des
Staats zu vermehren, der am wenigſten Schwierig-
keiten fand, weil dieſe Abgaben im Anfange ſehr ge-
ringe waren. Es iſt wahrſcheinlich, daß die Staaten
anfangs ſelbſt nicht daran gedacht haben einen allge-
meinen Contributionsfuß daraus zu machen. So
wie ſich die Beduͤrfniſſe des Staats vermehreten, ſo
mußten ſie nach und nach dieſe Abgaben erhoͤhen und
auf alle andre Arten der Conſumptibilien erſtrecken,
weil dieſer Weg einmal gebahnet und leicht war.
Dieſe Abgaben wurden nicht eher ſtark und beſchwehr-
lich, als bis ihre Commercien und Manufacturen uͤber-
aus bluͤhend waren. Da ſie in vielen Zweigen der
Commercien das Monopolium hatten: ſo fielen ihnen
dieſe Abgaben nicht nachtheilig. Der Preiß hieng
von ihrer Willkuͤhr ab; und andre Voͤlker mußten
ihnen ihre beſchwehrlichen Abgaben zu Hauſe uͤbertra-
gen helfen. Unterdeßen waren dieſe Abgaben ihrem
Nahrungsſtande allemal ſchaͤdlich. Dieſer Schade
aber wurde nicht eher merklich, als bis andre Voͤlker
ſich
[61]mit der Verfaſſ. und Beſchaff. des Staats.
ſich gleichfalls ſtark auf die Commercien legten; und
man kann ſicher behaupten, daß dieſe Beſchaffenheit
der Abgaben gar viel zu dem Verfall ihres Handels
beygetragen haben. Andere Voͤlker wuͤrden niemals
im Stande geweſen ſeyn, ihnen dieſen und jenen Zweig
der Handlung zu entreißen, wenn ſie nicht ihre Waa-
ren wohlfeiler als die Hollaͤnder haͤtten geben koͤnnen,
welche, mit ihnen gleichen Preiß zu halten, wegen
der ſtarken Abgaben auf die nothwendigſten Dinge des
Lebens und andre Waaren, nicht im Stande waren.
Ueberdieß waren die Hollaͤnder uͤber die Maaßen der
Sparſamkeit ergeben. Sie ſuchten ihren Pracht und
Vorzug in einer uͤbertriebenen Reinigkeit der Haͤuſer
und in andern Dingen, worauf keine Abgaben hafte-
ten. Von dieſer Sparſamkeit ſind andre Voͤlker weit
entfernet; und ehe ſich die vermoͤgenden Einwohner
anderer Laͤnder durch ſtarke Abgaben auf die nothwen-
digſten Dinge zu einer ſolchen Sparſamkeit zwingen
ließen; ſo wuͤrden ſich vielleicht viele nach andern Laͤn-
dern umſehen, wo ſie ihre verſchwenderiſche Lebensart
mit wenigern Koſten fortſetzen koͤnnten. Dieſe ſpar-
ſame Lebensart, welche dem Zuſtand der Hollaͤnder ſehr
gemaͤß iſt, weil ſie den groͤßten Theil ihrer Nothwen-
digkeiten, von andern Voͤlkern einkaufen muͤſſen, iſt
der Wohlfarth andrer Staaten, welche die meiſten
Guͤther des Lebens ſelbſt erzeugen, nicht einmal zutraͤg-
lich. Ein ſparſamer Unterthan iſt in Betracht des
Zuſammenhanges eines bluͤhenden Nahrungsſtandes
der allerunnuͤtzlichſte, weil er, ſo viel an ihm iſt, an-
dern Unterthanen die Nahrung entziehet und verurſa-
chet,
[62]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
chet, daß der Staat weniger bevoͤlkert ſeyn kann. Ein
Staat, der viel Landesproducte erzeuget, wird alle-
mal am beſten bluͤhen, wenn ſeine Einwohner ſehr
fleißig, aber wenig ſparſam ſind. Nur die Ver-
ſchwendung, die mit Faulheit verknuͤpfet iſt, ſchadet
dem Lande. Wenn die Einwohner einer Stadt oder
Landes wenig arbeiten und doch wohl leben wollen; ſo
hat dieſes ſehr ſchaͤdliche Folgen, inſonderheit auf die
Manufacturen, weil in einer ſolchen Stadt alles
theuer werden muß; indem jedermann vor ſeine weni-
ge Arbeit dennoch viel Geld haben will, um ſeiner
Verſchwendung eine Genuͤge leiſten zu koͤnnen. Al-
lein, wenn die Einwohner fleißig ſind und dabey ver-
ſchwenden: ſo hat dieſes auf den Nahrungsſtand und
die Manufacturen die gluͤcklichſten Folgen, weil da-
durch ein großer Zuſammenfluß von Waaren entſtehet
und alle Theile und Zweige der Gewerbe belebt wer-
den, Umſtaͤnde, worauf ihr bluͤhender Zuſtand allein
ankommt. Wenn demnach einige geglaubt haben,
daß die Acciſen und Licenten deshalb anzupreiſen ſind,
weil jedermann ſeine Sparſamkeit dabey zu ſtatten
kommt; und es derjenige, der viel aufwendet und mit-
hin viel entrichtet, ſich ſelbſt und ſeinem freyen Willen
beyzumeſſen habe: ſo wuͤrde ich dieſes vielmehr vor ei-
nen Fehler in der Einrichtung der Abgaben, als vor
einen Vorzug halten. Die gerechte Gleichheit in de-
nen Abgaben muß ſich auf das Vermoͤgen und den
Gewinnſt eines jeden Unterthan, nicht aber auf ihre
Sparſamkeit oder Verſchwendung gruͤnden. Man
wuͤrde vielmehr Urſache haben auf Abgaben zu ſinnen,
wodurch
[63]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
wodurch die Unterthanen von der Sparſamkeit in Ver-
brauch der Landesproducte und Waaren zuruͤckgehalten
werden koͤnnten.


Ueberhaupt muß man ſagen, daß die Abgaben inAllgemeine
Vorſtellung
von dem
Einfluſſe det
Abgaben in
das Wohl
des Staats.

einem Lande wohl eingerichtet ſind, wenn ſie mit dem
geſammten Nahrungsſtande einen genauen Zuſammen-
hang haben. Das Geld iſt das Blut des Staats, ſo
wie die Regierung das Herz deſſelben iſt. Durch die
Abgaben wird das Blut in das Herz gefuͤhret; und
ein wohl eingerichteter Aufwand der Regierung trei-
bet das Blut wieder in die Adern zuruͤck. Die Ar-
beitſamkeit iſt die Waͤrme, welche die Lebhaftigkeit die-
ſes Umlaufes befoͤrdert; und ein Staat kann nur
nach dem Verhaͤltniſſe geſund oder gluͤcklich ſeyn, als
dieſe Triebfeder des Umlaufs wohl beſchaffen iſt und
als die Aufſteigung des Blutes nach dem Herzen
und der Ausfluß aus dieſer großen Blutkammer in
allen Theilen oder Adern das richtigſte und auf das
beſte zuſammenhaͤngende Verhaͤltniß haben. Die
große Kunſt des Cameraliſten und die Weisheit in
Einrichtung der Finanzen, kommt demnach darauf an,
daß die Abgaben die Arbeitſamkeit befoͤrdern, das Ge-
nie der Unterthanen zu nuͤtzlichen Gewerben aufmun-
tern und zu dem Verbrauch und der Ausfuͤhrung der
Landesproducte anreizen. Vielleicht ſind die Abgaben
in den wenigſten Landen alſo eingerichtet. Allein dieſe
Einrichtung iſt gar nicht unmoͤglich. Der vortrefli-
che Colbert hat ſchon dieſe Grundſaͤtze zum Theil mit
dem
[64]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
dem gluͤcklichſten Erfolge angewendet. Es iſt hier
nicht der Ort, wo wir ausfuͤhrlich davon handeln koͤn-
nen. Vielleicht werde ich hierzu einmal eine beſondere
Schrift beſtimmen.


Von dem
Zuſammen-
hange des
Münzwe-
ſens mit den
Manufactu-
ren.

Wir kommen nunmehr auf den Zuſammenhang des
Muͤnzweſens mit denen Manufacturen und Fabriken:
und man ſiehet ſchon aus denen vorhergehenden Ge-
danken, wie genau das Verhaͤltniß zwiſchen beyden
iſt. Wenn das Blut in dem Coͤrper wohl circuli-
ren ſoll; ſo muͤſſen dieſe Adern ein geſundes Gebluͤt
in ſich haben; und wahrhaftig, wenn die Muͤnzen des
Landes ſchlecht beſchaffen ſind: ſo kann man ſich ſo
wenig bluͤhende Manufacturen und Fabriken, als an-
dere bluͤhende Theile des Nahrungsſtandes verſpre-
chen. Man mag das Geld als vorſtellende Zeichen
von den Waaren, oder als einen wirklichen allgemei-
nen und hoͤchſten Werth und Verguͤtungsmittel aller
Guͤther anſehen, Begriffe die keinesweges gleichguͤltig
ſind, weil daraus gar verſchiedene Saͤtze in dem Muͤnz-
weſen folgen; ſo kommt dennoch allemal die Lebhaftig-
keit der Circulation darauf an, daß man verſichert
iſt, man koͤnne dieſe Zeichen oder dieſes allgemeine Ver-
guͤtungsmittel in eben dem Verhaͤltniß wieder ausge-
ben, als man es empfangen hat. Allein dieſe Zuver-
ſicht ermangelt bey einem ſchlechten Muͤnzweſen.
Wenn es auch moͤglich waͤre, daß man ſchlechte Muͤn-
zen im Lande ohne das verderbliche Agio in eben dem
Werth wieder ausgeben koͤnnte; ſo wird es uns doch
allemal
[65]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
allemal bey denen Auslaͤndern fehlen, ſie in eben dem
Verhaͤltniſſe anzubringen, und dieſes ziehet nothwendig
entweder die Vertheurung der Waaren oder das Agio
auch im Lande nach ſich. Ein jedes Mißtrauen hem-
met die Circulation des Geldes, ſo wie das Schrecken
das Gebluͤt ſtockend macht. Bey einem ſchlechten
Muͤnzweſen aber ereignen ſich beſtaͤndig vielerley Arten
des Mißtrauens, ſowohl in Anſehung der Veraͤnde-
rungen der Muͤnzen ſelbſt, die zum Vorſchein kommen,
als des Wechſelcourſes; und eine jede Hemmung der
Circulation, ſie ſey ſo klein und unmerklich als ſie wolle,
hat allemal einen nachtheiligen Einfluß in den Nah-
rungsſtand. Die Manufacturen und Fabriken leiden
inſonderheit dabey, nicht allein weil die Auslaͤnder ihre
Waaren mit der ſchlechten Landesmuͤnze bezahlen, ſon-
dern weil die Arbeiter mit ihren Lohn bey der Vertheu-
rung der Lebensmittel nicht beſtehen koͤnnen. Jn der
That iſt es ein wahrer Verluſt ſowohl vor das Land,
als den Regenten ſelbſt, wenn ſchlechte Muͤnzen ge-
praͤget, und fremden geringhaltigen Gelde der Eingang
geſtattet wird; und es iſt einer der allerſchaͤdlichſten
Wege, wodurch nicht allein die Auslaͤnder allemal ge-
winnen, ſondern auch die Commercien des Landes auf
vielerley Art Schaden leiden. Es iſt dieſes bey Gele-
genheit des ietzigen Muͤnzverderbens in Teutſchland in
verſchiedenen Schriften und inſonderheit in einem Tra-
ctat: Urſachen des verderbten Muͤnzweſens in Teutſch-
land, gruͤndlich gezeiget worden, deren Gruͤnde zu wie-
derholen allhier zu weitlaͤuftig ſeyn wuͤrde.


EWenn
[66]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
Von dem
Umlaufe der
Papiere
ſtatt des
Geldes.

Wenn der Nahrungsſtand bluͤhen und die Circu-
lation des Geldes ſtark und lebhaft geſchehen ſoll; ſo
muß eine genugſame Menge Geldes in den Gewerben
vorhanden ſeyn. Da nicht alle Staaten die darzu er-
forderliche Menge Geldes gehabt haben; ſo iſt man
darauf gefallen, ſtatt des Geldes Papiere circuliren zu
laßen. Dieſes ſind nichts anders als vorſtellende Zei-
chen des Geldes; und man muß eben daraus ſchließen,
daß der Begriff, nach welchen man das Geld als vorſtel-
lende Zeichen der Guͤther anſiehet, nicht allzurichtig iſt.
Denn vorſtellende Zeichen von vorſtellenden Zeichen
iſt ein wenig widerſinniſch; wie denn auch der Begriff,
daß das Geld das Verguͤtungsmittel aller Guͤther ſey,
allein der Begriff iſt, der zu richtigen Saͤtzen in dem
Muͤnzweſen fuͤhret. Man muß geſtehen, daß die Er-
findung, vorſtellende Zeichen des Geldes zu machen,
eine ſehr gluͤckliche Erfindung iſt. Die Summe des
Geldes im Lande wird dadurch gleichſam noch einmal
ſo ſtark vermehret und dieſe Vermehrung thut bey ei-
nem vollkommenen Credit dieſer Papiere in der Circu-
lation eben die Dienſte, als wenn ſie wirklich geſchehen
waͤre. Unterdeſſen iſt doch dieſes Mittel nur in dem
Fall der Nothwendigkeit anzurathen, naͤmlich, wenn
die circulirende Summe nicht groß genug iſt, oder
wenn der Staat Schulden hat; da es denn die Pflicht
einer weiſen Regierung iſt, dieſen Schuldſcheinen ei-
nen vollkommenen Credit und Circulation zu verſchaf-
fen, um einen an ſich ſelbſt eben nicht vortheilhaftigen
Umſtand dem Staate und dem Nahrungsſtande nuͤtz-
lich zu machen. Es iſt dieſes in allen Betracht ein
gewalt-
[67]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.
gewaltſames Arzeneymittel, das mit großer Behutſam-
keit und Ueberlegung anzuwenden iſt, und es wuͤrde
eben ſo thoͤricht ſeyn, ohne Noth vorſtellende Zeichen
des Geldes zu machen, als wenn man ſich zum Spaß
trepaniren oder fremd Blut in ſeine Adern ſpruͤtzen
ließe. Es koͤnnen ſich verſchiedene Umſtaͤnde und Zu-
faͤlle ereignen, daß aus einer ſolchen unnoͤthigen Ver-
wegenheit ſehr ſchaͤdliche Folgen entſtehen.


Es kommt bey dieſen vorſtellenden Zeichen allesVollkom̃ner
Credit, den
dieſe Papiere
haben müſ-
ſen.

darauf an, daß ſie beſtaͤndig in dem allervollkommenſten
Credit erhalten werden; und ſo lange dieſes geſchiehet:
ſo haben ſie in der Circulation des Geldes und mithin
in allen Zweigen des Nahrungsſtandes den vortreflich-
ſten Nutzen. Allein ſo bald dieſer Credit ſinket: ſo ha-
ben ſie weit betruͤbtere Folgen, als ſie vorher Nutzen
gehabt haben. Es iſt eben das, als wenn ein heftiger
Blutſturz auf einmal eine große Menge Gebluͤte aus
dem Koͤrper herausſtoͤßet. Die Circulation des Gel-
des wird allenthalben gehemmet und alle Gewerbe lei-
den auf das empfindlichſte, inſonderheit aber die Manu-
facturen und Fabriken. Da die Kaufleute und Entre-
prenneuͤrs dieſe vorſtellenden Zeichen nicht weiter an
den Mann bringen koͤnnen; ſo haben ſie keine Mittel
ihre Arbeiter zu bezahlen, davon folglich ein großer
Theil außer Nahrung und Brod geſetzet werden; und
die Sache kann ſo weit gehen, daß die bluͤhendeſten
Manufacturen und Fabriken einen Stoß leiden, davon
ſie ſich nicht wieder aufhelfen koͤnnen. Man hat ſchon
in verſchiedenen Landen die Folgen davon geſehen; und
E 2Engel-
[68]II. Abſch. vom Zuſammenh. der Manuf.
Engelland ſtand einſtmals in Gefahr, alle betruͤbte
Wirkungen davon zu ſehen, wenn man nicht ſchleunige
Huͤlfsmuͤttel angewendet haͤtte. Dieſe Folgen ſind
auch ſo leicht einzuſehen, daß ich glaube, ein Miniſter
koͤnne ſeine grobe Unwiſſenheit und gaͤnzliche Unfaͤhig-
keit zu ſeinem Amte auf keine ſtaͤrkere Art zu Tage le-
gen, als wenn er den Credit der Papiere des Staats
in Verfall kommen laͤßt. Es kann keine Noth des
Staats ſo groß ſeyn, daß er die Sorgfalt, dieſen Cre-
dit zu erhalten, aufgiebt. Denn anſtatt dadurch in
einer andern Noth Huͤlfe zu erhalten; ſo wird die Noth
des Staats immer groͤſſer, weil alle diejenigen, ſo dieſe
Papiere in Haͤnden haben, zufallen, um ihr Geld zu
erhalten. Dahingegen, wenn er den Credit aufrecht
erhaͤlt; ſo hat er eben dadurch in allen andern Noͤthen
des Staats tauſenderley Huͤlfsmittel. Wenn er alſo
auch in Geheim die Juwelen des Regenten und ſein
eigenes Vermoͤgen anwenden ſolte, um die Jntreſſen
von denen Schuldſcheinen des Staats zu entrichten,
oder denen Bancoglaͤubigern, die bey beſondern, Furcht-
erweckenden, Umſtaͤnden ihre Papiere bezahlet haben
wollen, auszuzahlen, als welche Mittel allemal zu Er-
haltung des Credits zureichen: denn ſo bald die Banco
in dergleichen Umſtaͤnden auszuzahlen anfaͤngt; ſo wer-
den die uͤbrigen nicht weiter auf die Bezahlung drin-
gen; ſo muß er dieſe Mittel nie zu empfindlich halten.
Sie ſind eine unumgaͤngliche Nothwendigkeit; oder man
muß von ſeiner Faͤhigkeit und von ſeinen Willen die
Wohlfarth des Staats zu befoͤrdern und die aͤußerſte
Noth zu verhuͤten ein ſchlechtes Urtheil faͤllen.


Eben
[69]mit der Verfaſſ. u. Beſchaff. des Staats.

Eben dieſe Grundſaͤtze geben uns endlich auch zuEinfluß des
Credits in
die Manufa-
cturen.

erkennen, in was vor genauer Verbindung der Credit
uͤberhaupt mit dem Wohlſtande der Manufacturen und
Fabriken ſtehet. Nicht allein der allgemeine Credit der
Nation, welcher auf die Papiere des Staats und auf
den guten Glauben der Nation bey andern Voͤlkern an-
kommt, muß aufrecht erhalten werden; ſondern der be-
ſondere Credit im Lande erfordert eben ſo viel Sorg-
falt. Der beſondere Credit beſtehet in der Leichtigkeit
und dem Zutrauen, womit die Gewerbetreibenden
Perſonen einander ihr Vermoͤgen anvertrauen; und
man ſiehet leicht, was vor Einfluß dieſes in den Wohl-
ſtand der Manufacturen und Fabriken haben muß, de-
ren bluͤhender Zuſtand erfordert, daß ihre Waaren haͤu-
fig und oͤfters aus einer Hand in die andere gehen.
Dieſer beſondere Credit kommt auf gute Wechſelrechte
und auf eine ſchleunige und unpartheyiſche Handhabung
der Gerechtigkeit an, davon ich in denen Grundſaͤtzen
der Policey und in andern meinen Schriften weitlaͤuf-
tiger gehandelt habe und mich dannenhero hier dabey
nicht aufhalten will.



E 3Drit-
[70]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung

Dritter Abſchnitt.
Von
Anlegung und Gruͤndung der Manu-
facturen und Fabriken.


Eintheilung
dieſes Ab-
ſchnittes in
zwey Haupt-
ſtücke.

Nachdem wir in denen vorhergehenden Abſchnitten
ſowohl die Nothwendigkeit und den Nutzen
der Manufacturen und Fabriken, als auch
ihren Zuſammenhang mit denen geſammten Verfaſſun-
gen und Beſchaffenheiten des Staats gezeiget haben;
ſo kommen wir nunmehro auf die wichtige Materie
von Anlegung und Gruͤndung dieſer Nahrungsge-
ſchaͤfte. Da dieſes das Hauptaugenmerk in der gegen-
waͤrtigen erſten Abtheilung ausmacht, woran denen
Leſern am meiſten liegen wird; ſo finden wir vor noͤ-
thig, die darinnen vorkommenden Materien zufoͤrderſt
wohl aus einander zu ſetzen. Man ſiehet leicht, daß
es hier auf zweyerley Hauptbetrachtungen ankommt.
Wir muͤſſen uns naͤmlich zufoͤrderſt um die Maaßre-
geln und Anſtalten bekuͤmmern, die bey Anlegung und
Gruͤndung der Manufacturen und Fabriken erfordert
werden; und ſodann muͤſſen wir erwaͤgen, was vor
Befoͤrderungsmittel noͤthig ſind, um dieſen Maaßre-
geln und Anſtalten einen gluͤcklichen Fortgang zu ver-
ſchaffen. Dieſes giebt alſo Anlaß, daß wir dieſen Ab-
ſchnitt in zwey Hauptſtuͤcke eintheilen, in welchen wir
die gemeldeten zwey Hauptbetrachtungen vortragen
wollen.


Erſtes
[71]der Manufacturen und Fabriken.

Erſtes Hauptſtuͤck des dritten Abſchnittes,
Von denen
Maaßregeln und Anſtalten zu Anlegung
und Gruͤndung der Manufacturen
und Fabriken.


Wir haben oben gezeiget, daß die ManufacturenMan muß
diejenigen
Manufactu-
ren zuerſt
anlegen, wo-
vor das mei-
ſte Geld
außer Lan-
des gehet.

und Fabriken einem Lande nothwendig und nuͤtz-
lich ſind. Man muß dieſes von allen Arten derſelben
ohne Unterſchied behaupten. Eine jede erſpahret den
Ausfluß des Geldes aus dem Lande; eine jede kann zu
auswaͤrtigen Commercien und mithin zu Bereicherung
des Landes dienen und eine jede beſchaͤftiget die Haͤnde
der Unterthanen mit nuͤtzlicher Arbeit und verſchaffet
ihnen Nahrung und Unterhalt. Eine weiſe Regie-
rung muß demnach den großen Grundſatz haben, alle
und jede Arten der Manufacturen und Fabriken, die
nach Beſchaffenheit des Landes und der Himmelsge-
gend nur immer moͤglich ſind, im Lande anlegen zu
laßen. Allein, wenn es noch im Lande mit denen Ma-
nufacturen und Fabriken, außer denen gemeinen un-
umgaͤnglichen Handwerken, ziemlich leer ausſiehet; ſo
kann man nicht auf einmal alle und jede Manufacturen
zugleich anlegen. Man muß mit einigen den Anfang
machen; und da fragt es ſich, welche vor andern den
Vorzug verdienen. Man kann hierauf kurz antwor-
ten, daß man die nothwendigſten Manufacturen und
Fabriken zuerſt anlegen muß. Diejenigen Manufa-
cturen und Fabriken ſind aber allemal am nothwen-
digſten, vor welche das meiſte Geld außer Landes gehet.
Der große Endzweck der Manufacturen und Fabriken
E 4beru-
[72]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
beruhet lediglich darauf, dieſen Ausfluß des Geldes zu
verhuͤten. Wenn aber einige Arten von Manufactu-
ren und Fabrikenwaaren das Geld ziemlich in gleicher
Maaße außer Landes ziehen: ſo verdienet diejenige Art
den Vorzug, durch welche die meiſten Menſchen ernaͤh-
ret werden koͤnnen. Die Nahrung und der Unterhalt
der Einwohner iſt dasjenige, was nach dem Ausfluß
des Geldes die meiſte Aufmerkſamkeit verdienet. Unter-
deſſen muß man allemal auf den groͤſſern Ausfluß des
Geldes zuerſt ſehen. Der Ausfluß des Geldes iſt das
eigentliche Uebel und die Krankheit des Staats, wel-
che das Land arm und endlich ſelbſt zu Anlegung dieſer
Nahrungsgeſchaͤfte unfaͤhig macht. Man muß aber
zuerſt die Krankheit des Koͤrpers heben, ehe die Glie-
der deſſelben ihre behoͤrigen Verrichtungen antreten
koͤnnen.


Auf was Art
ſich| die Re-
gierung dieſe
Keñtniß er-
werben muß.

Es iſt dannenhero unumgaͤnglich noͤthig, daß die
Regierung wiſſen muß, vor welche Arten der Waaren
das meiſte Geld außer Landes gehet. Die Kenntniß
aller Umſtaͤnde muß allemal vorhergehen, wenn man
heilſame Maaßregeln ergreifen will. Es kann der Re-
gierung nicht ſchwehr fallen, dieſe Kenntniß zu erlan-
gen. Die Zoͤlle, die zur Direction und Einſicht in
den Zuſtand der Commercien allemal nothwendig ſeyn
wuͤrden, wenn man auch nicht den Endzweck auf die
Einkuͤnfte des Staats richtete, muͤſſen hier den noͤthi-
gen Unterricht an die Hand geben; und gleichwie ein
wohleingerichtetes Zollweſen erfordert, daß auch dieje-
nigen
[73]der Manufacturen und Fabriken.
nigen Waaren und ihr Werth in denen Zollregiſtern
verzeichnet ſeyn muͤſſen, die bey dem Ein- oder Aus-
gange nichts entrichten; ſo muß die Kenntniß aus de-
nen Zollregiſtern allerdings zuverlaͤßig ſeyn. Zu dem
Ende muͤſſen alle Jahre von denen ein und ausgehen-
den Waaren und ihren Werth der Regierung aus de-
nen Zollregiſtern richtige Extracte vorgeleget werden,
die in Tabellen gebracht werden koͤnnen, damit der Re-
gent und ſeine Miniſter alles auf einmal uͤberſehen koͤn-
nen. Es iſt gewiß, daß man ſchwehrlich die allerge-
naueſte Richtigkeit von denen aus- und eingehenden
Waaren aus denen Zollregiſtern erwarten kann, weil
viele Zollbetruͤgereyen vorgehen und der wahre Werth
der Waaren oͤfters verſchwiegen wird. Allein eine ſehr
genaue Richtigkeit iſt auch hier nicht noͤthig. Man
wird doch allemal ſehen, welche Waaren das meiſte
Geld außer Landes ziehen; und wenn man glaubt, daß
es noͤthig iſt, die Sache mit einer genauern Richtig-
keit zu wiſſen; ſo kann man den Zollregiſtern mit an-
dern Unterſuchungen zu Huͤlfe kommen. Man kann
z. E. die Kaufleute, Handwerker und alle andere
Unterthanen einige Jahre hindurch anhalten, daß ſie
bey Ende eines jeden Jahres ein Verzeichniß eingeben
muͤſſen, was vor Waaren ſie aus andern Laͤndern ha-
ben kommen laßen, wie viel eine jede an Werth betraͤgt
und was ein jeder an Landeswaaren in auswaͤrtige
Staaten ausgefuͤhret und verkaufet hat. Dieſe Ver-
zeichniſſe muͤſſen von denen Obrigkeiten in Tabellen ge-
bracht und daraus allgemeine Tabellen und Extracte
uͤber eine jede Provinz gemacht werden. Dieſes Ver-
E 5fahren
[74]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
fahren muß Niemand zu muͤhſam ſcheinen. Die Re-
gierung kann niemals gegruͤndete Maaßregeln in denen
Commercien und Manufacturen ergreifen, wenn ſie
nicht eine ſehr genaue Kenntniß von dem Zuſtande der-
ſelben hat. Jn den Preußiſchen Landen hat man dieſe
Verzeichniſſe vor einigen Jahren wirklich eingeben
laßen. Ja man iſt ſo gar ſo weit gegangen, daß man
einen jeden Hauswirth hat aufzeichnen laßen, was er
vor Waaren aus andern preußiſchen Provinzen hat
kommen laßen und wieder von den Waaren der Pro-
vinz in andre preußiſche Staaten verfuͤhret und ver-
handelt hat. Auch dieſes iſt eine nuͤtzliche Verfuͤgung.
Die Regierung muß nicht allein die Beſchaffenheit des
auswaͤrtigen Handels genau kennen, ſondern ſie muß
auch die Staͤrke des Handels wiſſen, den eine Provinz
mit der andern treibet. Alsdenn tappet ſie nicht im
Finſtern und ihre Maaßregeln ſind nicht auf gerathe
wohl ergriffen; ein gemeiner, aber großer Fehler vie-
ler Regierungen und den man es vielleicht am meiſten
beymeßen muß, wenn viele Anſtalten einen ſchlechten
Fortgang haben.


Sodann
muß man
zuförderſt
geſchickte
Leute und
Arbeiter zu
denen Ma-
nufacturen
kommen
laßen.

Wenn man nun alſo diejenigen Arten von Manu-
facturen und Fabriken weiß, auf deren Anlegung man
am erſten bedacht ſeyn muß; ſo muß man zufoͤrderſt
bemuͤhet ſeyn, Leute und Arbeiter herbeyzuſchaffen,
welche die Anlegung und Verfertigung ſolcher Manu-
facturen genugſam verſtehen. Da man hier voraus-
ſetzet, daß ein ſolches Land noch wenig oder gar keine
Manu-
[75]der Manufacturen und Fabriken.
Manufacturen und Fabriken hat; ſo muͤſſen dieſe Leute
faſt allemal aus auswaͤrtigen Landen verſchrieben wer-
den, wo die anzulegenden Manufacturen in Flohr ſind;
und man muß in ſolchen Landen jemand haben, der
geſchickte und ehrliche Leute auszuſuchen im Stande iſt.
Man muß hauptſaͤchlich auf zweyerley Arten von Leu-
ten ſein Augenmerk richten, naͤmlich auf gemeine Ar-
beiter und auf Leute, welche eine Manufactur oder
Fabrike, oder dieſen oder jenen beſondern Theil derſel-
ben zu dirigiren wiſſen. Dieſe letztern, worauf es
hauptſaͤchlich ankommt, muͤſſen nicht allein das We-
ſentliche einer Manufactur oder Fabrike in allen darzu
erforderlichen Arbeiten, ſondern auch die oͤconomiſche
Einrichtung derſelben genugſam verſtehen. Es finden
ſich zwar von ſelbſt oͤfters viel Leute ein, wenn es be-
kannt wird, daß man auf Anlegung von Manufactu-
ren und Fabriken bedacht iſt. Allein, ob ich zwar nicht
davor halte, daß man ſolche Leute abweiſen ſoll; ſo muß
man ſich doch auf ſolche niemals allein verlaßen. Solche
Ankoͤmmlinge ſind gemeiniglich Ebentheuer, die mehr
von ſich ausgeben, als ſie zu leiſten im Stande ſind;
und es iſt bey vielen neuangelegten Fabriken eine
Urſache ihres Unterganges geweſen, daß man die Di-
rection und Einrichtung ſolchen Leuten anvertrauet
hat, die ſich von ſelbſt eingefunden haben. Man
muß zur erſten Gruͤndung Leute haben, die ſelbſt in ihren
eigenen Lande davor bekannt ſind, daß ſie der Einrich-
tung eines ſolchen Werkes vorſtehen koͤnnen, oder ge-
ſchickte Arbeiter ſind und zu Erlangung derſelben muß
man ſich keine Koſten dauren laßen. Wenn man ein-
mal
[76]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
mal ſolche Leute hat; ſo werden auch diejenigen, die ſich
von ſelbſt melden, brauchbar ſeyn; weil ſie von denen
erſten gepruͤfet werden koͤnnen; ob ſie zu demjenigen,
was ſie von ſich ruͤhmen, geſchickt ſind.


Man muß
die Einge-
bohrnen zu
Hulfe neh-
men und ſie
von den
Fremden
unterrichten
laßen.

Man muß ſich die Koſten zu Erlangung ſolcher
Leute, nicht außerordentlich groß vorſtellen. Man
braucht deren nur wenige aus auswaͤrtigen Landen zu
verſchreiben. Ein guter Theil andre werden ſich von
ſelbſt melden; und es giebt in einem jeden Lande Ein-
gebohrne, die durch einen kurzen Unterricht in den
Stand geſetzet werden koͤnnen, daß ſie bey denen neu-
anzulegenden Manufacturen und Fabriken brauchbar
ſind. Z. E. Wenn man Seidenmanufacturen anle-
gen wollte; ſo wird es ſelten in einem Lande ſo ſchlecht
ausſehen, daß nicht Bordenwirker und Leineweber dar-
innen vorhanden ſeyn ſollten. Ein jeder Bordenwir-
ker und Leineweber aber, der einen offenen Kopf hat,
beſonders aber wenn der letztere leinenen Damaſt zu
weben verſtehet, muß durch einen vierwoͤchentlichen Un-
terricht dahin gebracht werden koͤnnen, daß er bey den
beſten und kuͤnſtlichſten Seidenmanufacturen brauchbar
iſt. Eben ſo koͤnnen offene Koͤpfe von denen Schloͤſ-
ſern und Schmieden des Landes gar leicht unterrichtet
werden, um bey allen Arten von Fabriken, die in Feuer
arbeiten, mit gebrauchet zu werden. Ja es iſt ſo gar
eine der aller nothwendigſten Maaßregeln, daß man
die Landeseinwohner auf das baldigſte unterrichten laͤßt,
damit die neuangelegten Werke nicht eingehen, wenn
die
[77]der Manufacturen und Fabriken.
die Fremden das Heimweh bekommen, oder allzuunbil-
lige Forderungen machen; und zu dem Ende muͤſſen
denen Fremden nicht allein erwachſene Landeseinwoh-
ner obgedachtermaaßen zu Gehuͤlfen gegeben, ſondern ih-
nen auch viele junge Lehrlinge von guten Faͤhigkeiten un-
tergeben werden. Beyde, wenn ſie aufmerkſam ſind, wer-
den ſich gar bald von allen Arten der Arbeiten auf das voll-
kommenſte unterrichten koͤnnen, weil die fremden Beyar-
beiter, dazu ſie allenthalben Gehuͤlfen brauchen, ſchwehr-
lich etwas zuruͤckzuhalten im Stande ſind. Unterdeßen
muß man allemal denen Fremden wohl begegnen und
ſich durch keine liſtigen Wendungen und Vorſpiegelun-
gen der Eingebohrnen bewegen laßen, ihnen Verdruß
zu verurſachen und uͤbel mitzuſpielen. Dieſes muß
ein hauptſaͤchliches Augenmerk der Miniſters ſeyn; und
man muß denen Fremden eher etwas nachſehen, als
ihnen uͤbel begegnen, weil ein Hof, der bluͤhende Ma-
nufacturen und Fabriken zu Stande bringen will,
nichts ſo ſehr zu vermeiden hat, als daß ein uͤbles Ge-
ſchrey in andern Landen von der Begegnung gegen die
Fremden entſtehet. Man wird bey einem ſolchen Ge-
ſchrey ſehr ſchwehr in andern Vorfaͤllen geſchickte Leu-
te erhalten koͤnnen. Wenigſtens wird man alsdenn
ſehr hohe und beſchwehrliche Bedingungen zugeſtehen
muͤſſen. Wenn auch die Fremden verſichert ſind, daß
man ſie nicht durch Verdruß und Beleidigungen dahin
bringen wird, in ihr Vaterland zuruͤck zu gehen, ſo
bald man ſie nicht mehr noͤthig zu haben glaubet; ſo
werden die Fremden keine Urſache haben in ihren Un-
terricht der Landeseinwohner zuruͤckhaltend zu ſeyn.


Nach-
[78]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
Bey denen
Manufactur
Gebäuden
muß man die
großen Ko-
ſten vermei-
den.

Nachdem man die zu Anlegung der Manufactu-
ren und Fabriken noͤthigen geſchickten Leute bey der
Hand hat; ſo entſtehet gemeiniglich die Frage von de-
nen darzu erforderlichen Gebaͤuden; und hier hat man
in gar vielen Landen den Fehler begangen, daß man
gleich Anfangs zu dieſem Ende große und koſtbare Ge-
baͤude aufgefuͤhret hat. Gleichwie ich die allgemeine
Anmerkung gemacht habe, daß man in den meiſten Lan-
den bey ſolchen neuen Anſtalten mehr auf dasjenige ſie-
het, was in das Auge faͤllt und in auswaͤrtigen Lan-
den Aufſehen macht, als daß man das Hauptaugen-
merk auf das Gruͤndliche und Weſentliche richten ſollte;
ſo haͤlt man es vor eine Art der Schande, wenn ein
ſolches neues Werk nicht auch aͤußerlich glaͤnzen ſollte.
Es iſt aber dieſes wirklich ein großer Fehler. Zuge-
ſchweigen, daß einiger Jahre Zeit verſplittert wird, ehe
man mit ſolchen großen Gebaͤuden zu Stande kommt;
ſo gehet dadurch ein großer Theil des Capitals außer
Haͤnden, daß zu Anlegung ſolcher neuen Anſtalten be-
ſtimmt iſt; und wenn hernach der Nachdruck in dem
Aufwande fehlet, oder die Fabriken die aufgewendeten
großen Koſten nicht verintreßiren; ſo geraͤth das ganze
Werk ins Stocken, oder man beſchuldiget die Manu-
facturen und Fabriken ſelbſt, daß ſie nach denen Um-
ſtaͤnden des Landes nicht eintraͤglich und vortheilhaftig
ſind, da man doch nichts als denen unrechten Maaß-
regeln die Urſache des ſchlechten Fortganges beyzumeſ-
ſen hat. Ueberhaupt iſt die Aufwendung großer Ko-
ſten wider das Weſen und den Endzweck dieſer Nah-
rungsgeſchaͤfte. Der gute Fortgang der Manufactu-
ren
[79]der Manufacturen und Fabriken.
ren und Fabriken kommt auf den inn- und auslaͤndi-
ſchen Debit an. Der Debit haͤngt, wie wir mehr-
malen errinnert haben, von dem wohlfeilen Preiß der
Waaren ab. Wenn man aber große Koſten aufwen-
det; ſo will man dieſelben verintreßiret haben; und
folglich muß notwendig eine Vertheurung der Waaren
entſtehen. Es gehoͤret demnach nothwendig unter die
guten Maaßregeln, daß man in Anſehung der Gebaͤu-
de, ſo viel moͤglich, die Koſten ſchonet. Man wird
allenthalben alte, aber noch gute Gebaͤude zu kaufen
bekommen koͤnnen, die mit wenigen Koſten zu dem vor-
habenden Endzwecke eingerichtet und in brauchbaren
Stand geſetzet werden koͤnnen. Bey guten Fortgange
der Fabriken koͤnnen ſolche Gebaͤude allemal erweitert
und mithin das Werk mehr ausgebreitet werden; und
dieſes iſt allemal ſicherer, als wenn bey dem Verfall
der Fabrike ein großes Gebaͤude unnuͤtze wird und nichts
als den leeren Namen eines wohlgemeinten, aber uͤbel-
veranſtalteten Unternehmens uͤbrig behaͤlt. Erfordern
dieſe oder jene Arten der Fabriken ſchlechterdings gleich
anfangs einen großen Umfang; ſo wird man allemal
große Gebaͤude im Lande finden, die entweder zu kau-
fen ſtehen, oder die dem Landesherrn gehoͤren und we-
nig Nutzen haben. Es iſt in verſchiednen Landen ein
großer Ueberfluß von Landesherrlichen Schloͤßern und
Haͤuſern. Jedes Amt iſt faſt mit einem ſolchen herr-
ſchaftlichen Gebaͤude verſehen, darunter es viele giebt,
die der Landesherr kaum einmal in ſeinem Leben ein paar
Tage bewohnet. Solche uͤberfluͤßigen Gebaͤude ſind
ohnedem wider die guten Grundſaͤtze des Finanzwe-
ſens.
[80]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
ſens. Sie erfordern viel Koſten, um ſie in baulichen
Weſen zu erhalten; und uͤberdieß wird gemeiniglich
ein beſondrer Bedienter beſoldet, der in dem Gebaͤude
wohnet und die Aufſicht daruͤber hat. Der vorherge-
hende Koͤnig von Preußen, der eine ſehr große Ein-
ſicht in das Finanzweſen hatte, hat ſich ſolcher Gebaͤu-
de um ein geringes entlediget; und er hat gewiß guten
Grund darzu gehabt: Zu was vor einen nuͤtzlichern
Endzweck koͤnnten ſie aber wohl angewendet werden,
als ſie zu Manufacturen und Fabriken zu gebrauchen,
welche dem Lande Nahrung und Reichthum verſchaffen?


Jn was vor
Orten und
Gegenden
des Landes
die Fabriken
anzulegen
ſind.

Es iſt gar nicht gleichguͤltig in welchen Orten und
Gegenden des Landes die Manufacturen und Fabriken
angeleget werden. Die gute Grundregel iſt: Da muß
eine jede Art der Manufacturen und Fabriken angele-
get werden, wo die groͤßten Bequemlichkeiten und Vor-
theile mit den wenigſten Koſten vor dieſelbe zu haben
ſind. Dieſe Grundregel erſchoͤpfet die ganze Sache.
Man muß auf die Naͤhe der Materialien ſehen und
z. E. Wollenmanufacturen werden in einer Gegend
zu errichten ſeyn, wo die beſte Schaafzucht iſt; ſo wie
metalliſche Fabriken an ſolchen Orten anzulegen ſind,
wo die Metalle und Bergwerksproducte in der Naͤhe
ſind; dahingegen wenn man mit fremden Materialien
arbeitet, ein Ort zu erwaͤhlen iſt, welcher die Bequem-
lichkeit der Schiffarth hat. Man muß auch auf die
Bequemlichkeit ſehen, wo die Arbeiter in Menge und
in wohlfeilen Preiß zu haben ſind. Zuweilen erfor-
dert
[81]der Manufacturen und Fabriken.
dert ein Nebenumſtand viele Aufmerkſamkeit, z. E. ob
das Waßer zu der Fabrike dienlich iſt, wie bey denen
Faͤrbereyen, Stahlmachen und dergleichen allerdings
erwogen werden muß, wiewohl ich glaube, daß dieſer
letztere Umſtand durch die Kunſt zu verbeſſern iſt, wenn
ein Ort dieſen Vortheil nicht hat. Hat ein Ort die-
ſen, ein andrer aber jenen Vortheil; ſo muͤſſen dieſe
Vortheile gegen einander berechnet werden, um zu ent-
ſcheiden, welcher wichtiger iſt. Ohne ſolche Berech-
nungen wird man allemal in Finſtern tappen. Es
fragt ſich auch, ob dieſem oder jenem Orte die erman-
gelnde Bequemlichkeit durch Fleiß und Muͤhe nicht ver-
ſchaffet werden kann. Z. E. dieſer Ort hat die Ma-
terialien in der Naͤhe, es ſcheinen aber die Arbeiter zu
fehlen, deren inſonderheit bey denen Spinnereyen eine
große Menge erfordert werden. Da fragt es ſich, ob
dieſer letztere Umſtand nicht gehoben und die Land-
leute zur Spinnerey angewoͤhnet werden koͤnnen. Jch
glaube allerdings. Die ungemein betraͤchtliche Cat-
tunfabrike auf der Schwechat, einige Meilen von
Wien, die mehr als 10000 Menſchen ernehret, hat
Anfangs mit dieſem Puncte große Muͤhe gehabt. Jetzo
ſpinnen die Landleute in einem Diſtricte von vielen
Meilen ſo gern, daß ſie zuweilen nicht alle Arbeit be-
kommen koͤnnen. Es kommt nur darauf an, daß ſie
ihren damit verbundenen Vortheil begreifen lernen.


Meines Erachtens muß die Haupt- und Reſidenz-Jn der Reſi-
denzſtadt
muß man

ſtadt der letztere Ort ſeyn, auf welchen man bey Anle-
Fgung
[82]III. Abſchn. von Anlegung und Gruͤndung
die Manu-
facturen
nicht anle-
gen.
gung der Manufacturen und Fabriken denket; und
man muß außer ganz beſondern Umſtaͤnden auf alle
Art vermeiden, ſie daſelbſt anlegen zu laßen. Jn der
Hauptſtadt des Landes iſt es allemal ungleich theurer,
als in allen andern Gegenden, ſowohl in Anſehung
der Haußmiethe, als der Lebensmittel. Die Arbeiter
muͤſſen alſo theurer bezahlt werden und dieſes vertheuret
die Waaren, welches dem guten Fortgange dieſer Nah-
rungsgeſchaͤfte gerade zuwider iſt, wie mehrmalen er-
innert worden. Ueberdieß hat die Hauptſtadt durch den
Aufwand des Hofes und einer großen Menge von
Staatsbedienten und durch den Zuſammenfluß der
Fremden aus andern Landen und aus allen Provinzen,
die den Hof ſuchen, ohnedem ſchon Nahrung genug.
Es iſt aber eine ſehr nothwendige Maxime eines wei-
ſen Regenten, daß er die Nahrung und die Circulation
des Geldes allenthalben in ſeinen Staaten gleich zu ver-
breiten ſuchet. So bald das Gebluͤt in dem gering-
ſten Theile des menſchlichen Koͤrpers ſtocket; ſo leidet
der ganze Koͤrper; und eben ſo leidet der Koͤrper des
Staats, wenn es auch in denen entfernteſten Gegen-
den an genugſamer Nahrung und Umlaufe des Gel-
des mangelt. Die natuͤrlichen Gaben und Vortheile
dieſer Gegenden werden ſolchen Falls keinesweges recht
genutzet; und ſie tragen zu den Kraͤften des Staats
bey weiten nicht ſo viel bey, als ſie thun koͤnnten. Jch
habe hiervon in meiner Staatswirthſchaft gehandelt
und verſchiedene Mittel gezeiget, wodurch ein weiſer
Regent ſich bemuͤhen muß, auch in den entfernteſten
Provinzen eine genugſame Menge Geldes zur Circu-
lation
[83]der Manufacturen und Fabriken.
lation zu bringen, worunter die Manufacturen und
Fabriken eines der vornehmſten ſind. Es iſt wahr,
dieſe Nahrungsgeſchaͤfte ziehen ſich ſehr leicht nach der
Reſidenzſtadt. Die Fremden, welche man zu Anle-
gung und Verwaltung dieſer Werke in das Land kom-
men laͤßt, wohnen lieber in der Hauptſtadt; die Be-
dienten des Staats, welche die Direction und Ober-
aufſicht dabey fuͤhren, wollen ſie gerne in der Naͤhe
haben; und in der Hauptſtadt finden ſich allemal eher
vermoͤgende Leute, welche dergleichen Werke unterneh-
men, die natuͤrlicher Weiſe gern dabey gegenwaͤrtig
ſeyn wollen, ohne daß ſie Luſt haben, aus der Haupt-
ſtadt wegzuziehen. Die Reſidenzſtadt hat vor die mei-
ſten Menſchen gar viele Reizungen. Das ſind in der
That wichtige Urſachen, die gemeiniglich wider die
guten Grundſaͤtze die Oberhand behalten, ob man gleich
dieſe Grundſaͤtze gar wohl weiß. Allein ein weiſer
Regent und weiſe Miniſters muͤſſen dennoch wider alle
dieſe Verſuchungen ſtandhaft ſeyn. Die guten Grund-
ſaͤtze zu verſtehen, ſtandhaft dabey zu beharren und die-
ſelben wohl in Ausuͤbung zu bringen, dieſes iſt es, was
einen Staat gluͤcklich macht.


Jch laͤugne nicht, daß ſich oͤfters ſehr großeDie Schwie-
rigkeiten
Manufactu-
ren in Land-
ſtädten an-
zulegen, kön-
nen gehoben
werden.

Schwierigkeiten entgegen ſtellen, wenn man die Manu-
facturen und Fabriken an andern Orten, als in der
Hauptſtadt, einrichten will. Allein ich laͤugne, daß
dieſe Schwierigkeiten unuͤberwindlich ſind. So groß
oͤfters die Schwierigkeit zu ſeyn ſcheinet, in einer Ge-
F 2gend
[84]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
gend genugſame Arbeiter zu denen Manufacturen zu
finden; ſo laͤßt ſich ſolche doch durch Fleiß und gute
Maaßregeln heben, wie wir oben durch das Beyſpiel
der großen Oeſterreichiſchen Cattunfabrike gezeiget ha-
ben. Noch groͤſſer aber ſcheinet die Schwierigkeit zu ſeyn,
wenn die Landſtaͤdte, die ſonſt zu Anlegung der Ma-
nufacturen und Fabriken geſchickt waͤren, eine ſo
ſchlechte Beſchaffenheit haben, daß auf ihre Markttaͤ-
ge, die nur den Namen nach vorhanden ſind, nicht
einmal genugſame Victualien zum Unterhalt der Fa-
brikenarbeiter kommen. Unterdeſſen iſt auch dieſe
Schwierigkeit nicht unuͤberwindlich. Es iſt gewiß,
daß ein weiſer Regente alles ausrichten kann, was er
nur will, wenn er nur die behoͤrigen Maaßregeln er-
greifet und anwendet. Man kann einer ſolchen Land-
ſtadt allerdings die benoͤthigte Zufuhre verſchaffen,
wenn man denen umliegenden Landleuten einen ſchweh-
ren Zoll aufleget; ſo bald ſie ihre Victualien wo an-
ders hinfuͤhren, als in diejenige Stadt, wohin man
die Zufuhre verſchaffen will. Damit aber die Land-
leute ſich nicht zu beſchwehren haben, daß ſie ihre Vi-
ctualien in dieſer Stadt nicht loßwerden koͤnnen, wel-
ches die gemeine Ausflucht iſt, wenn man eine noch
ungewohnte Zufuhre an einen gewißen Ort ziehen will;
ſo muß man ein Magazin veranſtalten, welches nach
10 oder 11 Uhr dasjenige um den Marktpreiß aufkau-
fet, was noch unverkauft vorhanden iſt. Dieſe
Maaßregeln wird man nur eine kurze Zeit noͤthig ha-
ben; ſo wird ſich die Zufuhre auf beſtaͤndig dahin
ziehen, zumal wenn die angelegten Manufacturen
und
[85]der Manufacturen und Fabriken.
und Fabriken in Aufnahme kommen und mithin immer-
mehr daſelbſt conſumiret wird.


Wir kommen nunmehro auf die Entreprenneurs derOb der Re-
gent ſelbſt
auf ſeine
Rechnung
und Ge-
winnſt Ma-
nufacturen
anlegen ſoll.

Manufacturen und Fabriken: und da fragt es ſich zu-
foͤrderſt, ob der Regent ſelbſt auf ſeine eigne Rechnung
und Gewinnſt dergleichen Werke anlegen ſoll. Man
braucht nur eine geringe Kenntniß in denen guten
Grundſaͤtzen zur Aufnahme der Staaten zu haben; ſo
muß man dieſe Frage mit Nein beantworten. Die
Gluͤckſeeligkeit der Unterthanen und mithin der Wohl-
ſtand des Regenten ſelbſt, denn beyde ſind von einan-
der unzertrennlich, beruhet auf bluͤhender Nahrung
und Gewerben. Dieſe muß der Regent befoͤrdern.
Allein er muß nicht ſelbſt Nahrung und Gewerbe trei-
ben. Nichts iſt einem bluͤhenden Nahrungsſtande ſo
ſehr entgegen, als eben dieſes. Wenn der Regent
ſelbſt in ſeinem Lande der Generalkaufmann, Manu-
facturherr, Apotheker, Weißbierbrauer, Branntewein-
brenner, Schaͤfer und dergleichen iſt, wie verſchiedene
teutſche Fuͤrſten angefangen haben; ſo kann er zwar
ſeine Unterthanen noͤthigen, daß ſie ihm ſeine Waare
abnehmen, aber niemals wird er es dahin bringen, daß
die Auslaͤnder mit ihm handeln und daß durch ſeine Un-
ternehmungen Geld in das Land kommt. Er kann es
vielleicht durch großen Fleiß und Aufſicht und durch
den willkuͤhrlich geſetzten Preiß ſeiner Waaren erzwin-
gen, daß er ſelbſt Vortheil davon hat, aber ſeine Un-
terthanen werden deſto aͤrmer und elender ſeyn; und
F 3dann
[86]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
dann iſt er allemal auch ein armer Fuͤrſt, er mag noch
ſo große Schaͤtze beſitzen. Er iſt alsdenn zwar ein rei-
cher Privatmann, aber nichts weniger als ein reicher
Fuͤrſt. Ueberdieß pflegen dergleichen Unternehmun-
gen auf Rechnung und Gewinnſt des Regenten gar
ſelten einen gluͤcklichen Fortgang zu haben. Viele
Fuͤrſten haben es mit dem Schaden ihrer Kammern
oder ihrer Chatoulle erfahren, daß man niemals wohl
thut, die guten Grundſaͤtze außer Augen zu ſetzen. Die
Directeurs ſolcher fuͤrſtlichen Manufacturen und Fa-
briken wollen ſtarke Beſoldungen haben, ſind vielleicht
auf ihren Nebenvortheil bedacht und wenden dennoch
nicht ſo viel Fleiß und Aufſicht an, als ein Eigenthuͤ-
mer, deſſen Schaden und Vortheil von ſeiner Auf-
merkſamkeit abhaͤngt. Die Arbeiter und alles denkt,
daß es auf Rechnung des Fuͤrſten gehet; und das iſt
gemeiniglich ein Bewegungsgrund weniger zu arbei-
ten und mehr auf ihren eigenen Vortheil zu ſehen.
Außer einer ganz beſondern Aufmerkſamkeit des Fuͤr-
ſten ſelbſt gehen demnach dergleichen Unternehmungen
allemal zu Grunde. Ja ich weiß Beyſpiele, daß Pri-
vatperſonen wichtige Fabriken gehabt haben, die vor
ſie ſehr eintraͤglich geweſen ſind. Dieſes iſt ein Bewe-
gungsgrund vor die Finanzminiſters geweſen, die Hand
darnach auszuſtrecken; und man hat die Eigenthuͤmer
genoͤthiget, ſolche dem Regenten kaͤuflich zu uͤberlaßen.
Allein ſie ſind nicht ſo bald ein Eigenthum des Regen-
ten geworden, als dieſe vorher bluͤhenden Fabriken in
Abnahme und Verfall gerathen ſind, und man hat
ſich genoͤthiget geſehen, ſolche entweder gar aufhoͤren
zu
[87]der Manufacturen und Fabriken.
zu laßen, oder mit großen Verluſt wieder an Privat-
perſonen zu verkaufen. Die Urſachen des Verfalls
ſind vorhin gezeiget. Alles was der Regent thun ſoll,
iſt, daß er Manufacturen und Fabriken anleget, bloß
ſie im Lande zu gruͤnden und in Gang zu bringen. Die-
ſes iſt eine loͤbliche Vorſorge und Unternehmung, zu-
mal wenn es ſchwehr haͤlt, im Lande Entreprenneurs zu
finden. Allein ſo bald ſie in Gang gebracht ſind und
beſtehen koͤnnen; ſo muß er ſie an Privatperſonen
uͤberlaßen, wenn er guten Grundſaͤtzen gemaͤß verfah-
ren will.


Wenn es zu rechtfertigen iſt, daß der Regent ſelbſtZu Bedürf-
niß des
Kriegshee-
res kann der
Regent Fa-
briken anle-
gen.

auf ſeine Rechnung Manufacturen und Fabriken an-
legt; ſo iſt es zu Verfertigung der Nothwendigkeiten
vor ſein Kriegesheer. Hier iſt der Regent ſelbſt Haus-
haͤlter; und es kann einem Haushaͤlter nicht verdacht
werden, wenn er ſeine Nothwendigkeiten ſelbſt verfer-
tigen laͤßt. Ueberdieß, wenn er hier durch eine gute
Wirthſchaft etwas erſpahren kann; ſo iſt es ſo gut,
als erſpahret er ſeinen Unterthanen etwas, weil ſie deſto
mehr Abgaben entrichten muͤſſen, je mehr die Unter-
haltung des Kriegsheeres Aufwand verurſachet. Wenn
er die Nothwendigkeiten vor ſein Kriegesheer einkauft;
ſo haben einige ſeiner Unterthanen Nahrung und Ge-
winnſt dabey. Allein wenn er durch Anlegung eigner
Manufacturen und Fabriken etwas an dem Aufwande
erſpahret; ſo gewinnen dabey alle ſeine Unterthanen in
Anſehung der Verminderung der Abgaben. Es kann
F 4auch
[88]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
auch dem unerlaubten Vortheile, welche die Regi-
ments und Compagnie Commendanten, oder die Liefe-
ranten, und gemeiniglich beyde zugleich in vielen Lan-
den dabey machen und wodurch entweder der Monarch,
oder der arme Soldat, hintergangen wird, auf keine
beßre Art vorgebogen werden, als wenn der Regent
dieſe Nothwendigkeiten ſelbſt verfertigen laͤßt. Un-
terdeſſen werden dabey eine große Aufſicht und kluge
Maaßregeln erfordert. Denn wenn die Directeurs
ſolcher Anſtalten gleichfalls ihren eignen unerlaubten
Vortheil dabey ziehen, ſo iſt es allemal beſſer ſich der
Lieferanten zu bedienen, weil der Reichthum eines Kauf-
manns oder eines Manufacturherrn mehr Einfluß in
einen bluͤhenden Nahrungsſtand hat, als der Reich-
thum eines Bedienten des Staats. Zu dem Ende iſt
es anzurathen, daß der Regent zwar uͤberhaupt die
Anſtalt unterhaͤlt und die Materialien anſchaft, daß
er aber die Arbeit Admediationsweiſe an dem wenigſt
fordernden verdinget, z. E. daß er vor die Verferti-
gung eines Rohres zum Feuergewehr, vor eine Sebel-
klinge, vor eine 12 pfuͤndige Canone zu gießen und
zu bohren, vor eine Elle Tuch zu machen und zu faͤr-
ben u. ſ. w. ſo und ſo viel bezahlet, als man Licitati-
onsweiſe mit ihm uͤbereingekommen iſt. Dieſe Anſtal-
ten koͤnnen alsdenn viel genauer uͤberſehen und die
Nachlaͤßigkeit und der Unterſchleif vermieden werden.
Jch habe auch ſchon in meiner Staatswirthſchaft erin-
nert, daß die Direction der Manufacturen und Fabri-
ken zum Behuf des Kriegheeres allemal beſſer denen
Finanzcollegiis als denen Kriegesbedienten uͤberlaßen
wird,
[89]der Manufacturen und Fabriken.
wird, weil zu vermuthen iſt, daß die erſtern die oͤco-
nomiſche Einrichtung viel beſſer verſtehen, als die letz-
tern. Wenigſtens wenn eine vermiſchte Direction von
Finanz- und Kriegesbedienten darzu verordnet wird;
ſo muͤſſen die Kriegesbedienten nur die Direction in
Anſehung der Qualitaͤt der zu verfertigenden Dinge, die
Finanzbedienten aber die Haushaltung dabey haben.


Wenn es demnach guten Grundſaͤtzen nicht gemaͤßDie Manu-
facturen und
Fabriken
können drey-
erley Arten
der Unter-
nehmer ha-
ben.

iſt, daß der Regent ſelbſt auf ſeine Rechnung und Ge-
winnſt die Manufacturen und Fabriken anleget; ſo
fragt es ſich, welche Art der Unternehmer hier am dien-
lichſten und nuͤtzlichſten ſind. Jch geſtehe gern, daß
wenn dieſe Nahrungsgeſchaͤfte einmal im Lande voll-
kommen gegruͤndet und bluͤhend ſind; ſo kann es dem
Regenten ganz gleichguͤltig ſeyn, wer ſich damit ab-
giebt und ſein Vermoͤgen in dieſe Unternehmungen
waget. Allein ein ganz anderes iſt es, wenn die Ma-
nufacturen und Fabriken erſt angeleget und eingefuͤhret
werden ſollen. Der gluͤckliche Fortgang dieſer neuan-
zulegenden Werke haͤnget gar ſehr von der Beſchaffen-
heit der Unternehmer ab; und da zu einem guten Er-
folg in dieſen neuanzulegenden Werken es ſchlechter-
dings noͤthig iſt, daß ſie die Regierung unterſtuͤtzet;
ſo fragt es ſich, was vor Leuten die Regierung dieſe
Unterſtuͤtzung angedeihen laßen ſoll, wenn ſie ſich davon
einen gluͤcklichen Fortgang und die Erreichung ihres End-
zwecks verſprechen ſoll. Es koͤnnen hier dreyerley Ar-
ten von Unternehmern ſtatt finden; es kann naͤmlich
F 5ein
[90]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
ein einzelner Entreprenneur eine Manufactur und Fa-
brikenwerk unternehmen, eine große Menge von Arbei-
tern unterhalten, oder einzelne Meiſter verlegen. Auf
eben dieſe Art kann 2) eine Manufactur und Fabrike
von einer ganzen Geſellſchaft unternommen werden;
und 3) koͤnnen viele einzelne Meiſter in ſolchen Manu-
factur- und Fabrikenarbeiten vorhanden ſeyn, die ſich
alle ſelbſt verlegen, ohne von einem einzelnen Entre-
prenneur oder einer Geſellſchaft abzuhaͤngen. Einen
jeden von dieſen drey Wegen wollen wir beſonders un-
terſuchen, um zu beſtimmen, welcher davon zu einen
gluͤcklichen Fortgang der Manufacturen und Fabriken
am vortheilhaftigſten iſt, und daher die Unterſtuͤtzung
der Regierung am meiſten verdienet.


1) Ein ein-
zelner En-
treprenneur
einer Ma-
nufactur
oder Fabrike
iſt nicht an-
zurathen.

Man hat zwar in verſchiedenen Landen den Weg
erwaͤhlet, die Manufacturen und Fabriken durch ein-
zelne Entreprenneurs, die man von Seiten der Regie-
rung unterſtuͤtzet hat, anlegen zu laßen; und in der
That wenn der Entreprenneur die erforderliche Kennt-
niß und Faͤhigkeit hat, wenn er klug, fleißig und haus-
haͤltig iſt; ſo iſt dieſes der kuͤrzeſte Weg, bald und
ſchleunig etwas anſehnliches von Manufacturen und
Fabriken zu Stande zu bringen. Allein ich glaube
dem ohngeachtet nicht, daß dieſer Weg ſehr anzurathen
iſt, wenn es angehet auf denen beyden andern Wegen
zu eben dieſem Endzwecke zu gelangen. Wenigſtens
iſt es allemal ein unſicherer Weg; und ſo lange die
Manufacturen und Fabriken in den Haͤnden ſolcher
einzel-
[91]der Manufacturen und Fabriken.
einzelner Entreprenneurs ſind; ſo kann man nicht ſagen,
daß dieſe Nahrungsgeſchaͤfte genugſam im Lande ge-
gruͤndet ſind. Tauſenderley Zufaͤlle koͤnnen denenſel-
ben ſo fort ein Ende machen. Wenn ſich die Regie-
rung in dem Vertrauen auf die Geſchicklichkeit des
Entreprenneurs geirret hat, wenn er bey aller ſeiner
Geſchicklichkeit keine gute oͤconomiſche Einrichtung des
Werkes verſtehet; wenn er kein fleißiger und thaͤtiger
Mann iſt; ſo wird die Fabrike einen ſchlechten Fort-
gang haben, und die Unterſtuͤtzung der Regierung
wird vergeblich aufgewendet ſeyn. Allein, wenn auch
das Werk anfangs einen guten Fortgang zu haben
ſcheinet; ſo ſchwillt eben durch dieſen guten Fortgang
oͤfters der Hochmuth des Entreprenneurs auf. Er
will große Titel haben und ſich ſehen laßen; er faͤlt in
Verſchwendung, Dinge, die ſich nur gar zu oft ereignet
haben; und er ziehet ſich ſeinen Untergang zu, wobey
nicht allein der Vorſchuß der Regierung verlohren ge-
het, ſondern auch die Fabrike oͤfters ſelbſt ihren Unter-
gang findet; indem nicht ſo gleich Leute bey der Hand
ſind, die ſie fortſetzen wollen und koͤnnen. Ja wenn
auch dieſes ſich nicht ereignet; ſo macht oͤfters der Tod
des Entreprenneurs der Fabrike ein Ende, indem ſeine
Kinder und Erben entweder eine andere Lebensart er-
griffen, oder nicht die Geſchicklichkeit ihres Vaters und
Erblaßers haben. Kurz, alle Vorfaͤlle, die den Entre-
prenneur zu Boden werfen, ſetzen auch die auf dieſe
Art errichteten Manufacturen und Fabriken in Gefahr,
weil ſie bloß auf die Perſon deſſelben gegruͤndet ſind.
Ueberdieß wollen dergleichen Entreprenneurs faſt alle-
mal
[92]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
mal auf keine andere Art ihr Vermoͤgen in dergleichen
Unternehmungen wagen, wenn ſie nicht Monopolia
oder andere Freyheiten erhalten, welche der Anlegung
andrer Fabriken dieſer Art in Wege ſtehen und mithin
den bluͤhenden Zuſtand dieſer Nahrungsgeſchaͤfte ver-
hindern. Was aber am meiſten zu erwaͤgen iſt; ſo ſchnei-
den gemeiniglich dergleichen Entreprenneurs denen
Meiſtern und Arbeitern den Lohn ſo knapp zu, daß ſie
kaum das Leben kuͤmmerlich durchbringen koͤnnen. Die-
ſes verhindert, daß weder fremde geſchickte Arbeiter
in dem Lande ſich etabliren, noch ſich die Landeseinge-
bohrnen dieſen Nahrungsgeſchaͤften ergeben. Laͤnder
und Nahrungsarten, wo nichts zu gewinnen iſt, wer-
den nicht ſtark geſuchet. Wenn man alles dieſes erwaͤ-
get; ſo darf man ſchwehrlich erwarten, daß man auf
dieſem Wege zu einen bluͤhenden Zuſtande der Manu-
facturen und Fabriken gelangen wird.


2) Geſell-
ſchaften zur
Anlegung
ſind nur bey
denen Fa-
briken, nicht
aber bey
Manufactu-
ren anzura-
then.

Wenn man ſich ſtatt der einzelnen Entreprenneurs
der Geſellſchaften bedienet, um ſolche Werke unterneh-
men zu laßen; ſo hat man alles dieſes weit weniger zu
befuͤrchten. Wenn ſich viele vermoͤgende Leute in eine
Geſellſchaft mit einander vereinigen, um eine wichtige
Fabrike anzulegen; ſo koͤnnen ſie eher ein anſehnliches
Capital zuſammen bringen. Wenn hier ein Mitglied
zu Grunde gehet; ſo ſchadet dieſes der Fabrike nichts,
indem deſſen Stelle leicht wieder erſetzet wird. Eine
ſolche Geſellſchaft ſtirbt niemals aus. Viele Augen
koͤnnen allemal mehr als zwey Augen ſehen. Wenn
ein
[93]der Manufacturen und Fabriken.
ein Mitglied, welches die Sache genugſam verſtehet,
die Hauptdirection fuͤhret; ſo werden die andern ihres
eignen Vortheils wegen die Buͤcher und die Haushal-
tung fleißig nachſehen. Die Erfahrung hat auch be-
reits in verſchiedenen Landen genugſam gezeiget, daß
die von ſolchen Geſellſchaften unternommenen Werke
einen viel beſſern Fortgang gehabt haben, als die Un-
ternehmungen einzelner Entreprenneurs. So lange
die obgedachte oͤſterreichiſche große Cattunfabrike ein-
zelne Entreprenneurs gehabt hat: ſo hat es nie mit
derſelben recht fortgewolt. Allein unter der ietzigen
Geſellſchaft iſt ſie gar bald in einen ſehr bluͤhenden Zu-
ſtand gekommen. Jch verſtehe aber hier eine einge-
ſchraͤnkte Geſellſchaft, die ſich uͤber 6 bis 8 Perſonen
nicht erſtrecket. Wenn man bey ſolchen Werken eine
Menge von Jntereſſenten nach Art der Actien zulaͤßt,
wo keiner das Recht hat ſich um die Haushaltung des
Werkes zu bekuͤmmern, außer auf denen allgemeinen
Zuſammenkuͤnften; ſo kommt alles auf die Geſchick-
lichkeit, den Fleiß und die Ehrlichkeit der Directeurs
an; und es werden weiſe Einrichtungen und Geſetze
erfordert, wenn dieſe auf ſolche Art unternommenen
Werke einen guten Fortgang haben ſollen. Unter-
deſſen will ich ſolche Geſellſchaften nicht ohne alle Ein-
ſchraͤnkung anrathen. Jch glaube, daß ſie nur bey de-
nen Fabriken im eigentlichen Verſtande dienlich ſind,
oder kurz nur bey allen ſolchen Werken, wo eine ein-
zige große Fabrike zureichend iſt, ſowohl das Land zu
verſorgen, als auch auswaͤrtige Commercien damit zu
treiben. Bey denen Manufacturen und allen andern
Werken,
[94]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
Werken, deren Waaren nicht allein ſehr ſtark im Lande
conſumiret werden; ſondern womit auch ein ausge-
breitetes auswaͤrtiges Commercium ſtattfinden kann,
wuͤrden ſolche Geſellſchaften vielweniger anzupreiſen
ſeyn. Eine ſolche Geſellſchaft kann ihr Werk niemals
zu einer ſolchen Groͤße erweitern, daß ſie ſowohl das
Land verſorgen, als auch Waaren zu wichtigen aus-
waͤrtigen Commercien liefern kann; und gemeiniglich
erſtrecken ſie ſelbſt ihre Abſicht nicht weiter als auf den
Debit im Lande. So groß die mehrerwehnte oͤſter-
reichiſche Cattunfabrike iſt und ohngeachtet in Hollitſch
in Ungarn noch eine andere gleichfalls ſehr wichtige
Cattunfabrike ſich befindet; ſo koͤnnen ſie doch nicht
genugſame Waaren vor die oͤſterreichiſchen teutſchen
Lande liefern. Es muß denen Kaufleuten erlaubet
werden, noch jaͤhrlich einige tauſend Stuͤcke fremden
Cattun einzufuͤhren. Will man von andern Geſell-
ſchaften in eben derſelben Art der Manufacturen mehr
ſolche Werke errichten laßen; ſo entſtehet allemal ein
ſolcher Neid, Haß und Feindſchaft unter ihnen, daß
ſie einander nichts als Hinterniſſe in Weg zu legen
ſuchen, die beyden gleich ſchaͤdlich und verderblich ſind.
Wenigſtens wuͤrde ich alſo niemals rathen, die Seiden,
Wollen und Leinewandmanufacturen, als deren Waa-
ren ein uͤberaus großes Conſumo haben, durch ſolche
Geſellſchaften anlegen zu laßen.


3) Viele Mei-
ſter und Ma-
nufactu-
riers, die ſich

Bey dieſen Arten von Manufacturen wird demnach
der dritte Weg am dienlichſten ſeyn, naͤmlich daß man
dieſelben
[95]der Manufacturen und Fabriken.
dieſelben durch viele einzelne Meiſter und Manufactu-ſelbſt verle-
gen, ſind bey
Wollen,
Seiden, und
Leinenma-
nufacturen
am dienlich-
ſten.

riers anzulegen und zu gruͤnden ſuchet, die weder von
einem einzeln Entreprenneur, noch von einer Geſell-
ſchaft abhaͤngen, ſondern die ſich ſelbſt zu verlegen im
Stande ſind; und in der That iſt dieſes die allerbeſte
Art, welche dem Staate am vortheilhaftigſten iſt.
Alle dieſe drey Arten von Manufacturen erfordern
nichts weniger, als daß ſie in weitlaͤuftigen Anſtalten
getrieben werden, ſo wie viele Fabriken, die in Feuer
arbeiten, allerdings nothwendig machen, wenn ſie mit
Vortheil getrieben werden ſollen. Es iſt ganz einer-
ley, ob hundert Tuchmacher jaͤhrlich 4000 Stuͤck Tuch
verfertigen, oder ob dieſe 4000 Stuͤck Tuch in einer
einzigen zuſammenhangenden Anſtalt gearbeitet wer-
den. Weder in dem einen noch in dem andern Falle
kann die Arbeit mit groͤſſern Vortheil, Bequemlichkeit
und Erleichterung geſchehen. Hundert Tuchmanufa-
cturiers machen aber eine viel dauerhaftigere Gruͤndung
dieſes Nahrungsgeſchaͤftes aus, als eine einzige große
Tuchfabrike, die durch vielerley Zufaͤlle einen großen
Stoß bekommen und zu Grunde gehen kann; dahin-
gegen dieſe Befuͤrchtung bey hundert Tuchmachern um
hundertmal geringer iſt. Es iſt auch vor den Staat
und den Nahrungsſtand allemal ungleich vortheilhaf-
tiger, wenn hundert Familien im Wohlſtande und gu-
ter Nahrung ſind, als wenn dieſe hundert Familien in
Elend und Duͤrftigkeit leben, und dargegen der Vor-
theil von ihrer Arbeit einer einzigen Familie, oder einer
Geſellſchaft von 6 oder 8 Familien zufließet. Wenn
man es auch dahin bringet, daß ſich dieſe Manufactu-
riers
[96]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
riers ſelbſt verlegen koͤnnen und von ihren Fleiß und
Arbeit mit Bequemlichkeit leben koͤnnen; ſo iſt es eben
dieſes Beyſpiel, was andre anreizet, ſich auf eben dieſe
Nahrungsart zu legen. Dadurch wird ein groͤſſerer
Zuſammenfluß von Arbeitern und Waaren veranlaßet;
und das iſt es eben, worauf der bluͤhende Zuſtand der
Manufacturen ankommt.


Die Regie-
rung muß
die anzule-
genden Ma-
nufacturen
und Fabriken
unterſtützen.

Es iſt gar kein Zweifel, daß nicht dieſe Geſellſchaf-
ten und dieſe einzeln Manufacturiers und Meiſters von
der Regierung unterſtuͤtzet werden muͤſſen, wenn man
neue Fabriken und Manufacturen im Lande anlegen
will. Die erſte Anlegung erfordert große Koſten. Die
Anleger haben einen noch ganz ungebaͤhnten Weg vor
ſich. Die meiſten Arbeiter muͤſſen erſt unterrichtet
werden, die Unterthanen ſind zu der Spinnerey und
andern Nebenarbeiten nicht gewohnet. Man muß
alſo dieſe Arbeiten anfangs theurer bezahlen, damit die
Leute durch die Hofnung des Gewinnſtes darzu ange-
reizet werden. Wenn die Unternehmer alle dieſe groͤſ-
ſern Koſten aus ihren Beutel allein tragen ſollen; ſo
werden ſie ſich entweder mit der Anlegung gar nicht
abgeben, oder ſie werden ihre Waaren deſto theurer
verkaufen muͤſſen. Dieſes letztere aber hindert nicht
allein den auswaͤrtigen, ſondern auch den innlaͤndiſchen
Abſatz. Dennoch beruhet der gluͤckliche Fortgang die-
ſer Werke hauptſaͤchlich darauf; und die ſtrengſte Auf-
ſicht die Einfuhre der auslaͤndiſchen Waaren eben dieſer
Art zu verhindern, iſt ein unwirkſames Mittel den
inlaͤn-
[97]der Manufacturen und Fabriken.
inlaͤndiſchen Debit zu befoͤrdern, wie wir in dem zwey-
ten Abſchnitte gezeiget haben. Wer ſiehet alſo nicht,
daß die Unterſtuͤtzung der Regierung vor die neuange-
legten Manufacturen und Fabriken ſchlechterdings
nothwendig iſt.


Der große Colbert, als er die Wollen und Sei-Von Col-
berts Mittel,
die Manu-
facturen
durch Prä-
mien in
Flohr zu
bringen.

denmanufacturen in Frankreich in Flohr bringen wollte,
erwaͤhlete ein Mittel, das den gluͤcklichſten Erfolg hatte
und dieſe Manufacturen binnen gar kurzer Zeit auf
eine verwundernswuͤrdige Weiſe in Flohr brachte.
Nachdem er Reglements herausgegeben hatte, wie die
Tuͤcher und ſeidenen Zeuge nach ihrer Laͤnge, Breite,
Schwehre, Guͤthe und uͤbrigen Beſchaffenheiten ver-
fertiget werden ſollten; ſo ſetzte er auf jedes Stuͤck
Tuch und Seidenzeug einen Louisd’or Belohnung aus,
die man nach Vorſchrift der Reglements verfertigen
wuͤrde. Dieſes war eine ſolche Aufmunterung, daß
man ſich mit großer Begierde auf dieſe Manufacturen
legte; und dieſe Nahrungsgeſchaͤfte wurden hierdurch
und durch andre gute Maaßregeln des vortreflichen
Colberts, die ich unten bey Gelegenheit erwehnen werde,
binnen wenig Jahren uͤberaus bluͤhend. Es iſt wahr,
Colbert wendete auf dieſe Art unermaͤßliche Summen
aus des Koͤniges Caſſen auf, um dieſen Endzweck zu
erreichen. Allein, indem er dargegen die Abgaben er-
hoͤhete; ſo koſteten ſie dem Koͤnige im Grunde gar
nichts. Er nahm dasjenige mit der einen Hand, was
er mit der andern gab; und ich glaube, daß die Erhoͤ-
Ghung
[98]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
hung der Abgaben ſelten aus ſo gutem Grunde und mit
ſo vieler Weisheit geſchehen kann, als zu dieſem End-
zwecke. Es wuͤrde mathematiſch durch richtige Aus-
rechnungen zu erweiſen ſeyn, daß man beſſer thut durch
großen Aufwand binnen kurzer Zeit den Nahrungs-
ſtand bluͤhend zu machen, als wenn man wenig auf-
wendet und dargegen viele Jahre und vielleicht ein hal-
bes Jahrhundert verfließen laͤßt, ehe man einen bluͤ-
henden Nahrungsſtand darſtellet. Wobey noch zu er-
waͤgen iſt, daß die Staͤrke und die Macht des Staats
auf einem bluͤhenden Nahrungsſtande groͤßtentheils be-
ruhet und daß die Unterthanen eben durch dieſen bluͤ-
henden Nahrungsſtand gar bald in die Beſchaffenheit
geſetzet werden, die erhoͤheten Abgaben ohne ihre Be-
ſchwehrlichkeit zu ertragen. Unterdeſſen befinden ſich
nicht alle Laͤnder in Anſehung der unumſchraͤnkten
Macht und der Menge der Einwohner in einer ſolchen
Beſchaffenheit wie Frankreich, daß dieſes Mittel zu
gebrauchen keine Bedenklichkeiten vorwalteten, und
daß die Regierung eben ſo viel vor die Manufacturen
und Fabriken aufzuwenden im Stande waͤre. Frank-
reich war auch damals nicht von allen Manufacturen
entbloͤßt. Man hatte ſchon unter Heinrich dem vierten
einen guten Anfang gemacht. Es kam nur darauf an,
die Manufacturen binnen kurzer Zeit in einen bluͤhen-
den Zuſtand zu ſetzen. Hierzu waren dieſe Belohnun-
gen das ſicherſte und wirkſamſte Mittel. Allein viel-
leicht wuͤrde es nicht einmal zugereichet haben, wenn
die Manufacturen zuerſt haͤtten angefangen und ge-
gruͤndet werden ſollen. Es iſt alſo noͤthig, daß wir
noch
[99]der Manufacturen und Fabriken.
noch andre Unterſtuͤtzungsarten, welche die Regierung
dieſen Nahrungsgeſchaͤften angedeihen laßen kann, be-
trachten.


Man hat in vielen Staaten das Mittel erwaͤhletDie Geld-
vorſchüße
der Regie-
rung an die
Fabriken
werden wi-
derrathen.

den Entreprenneur einer Fabrike oder die einzeln Mei-
ſter und Manufacturiers mit Geldvorſchuͤßen zu un-
terſtuͤtzen. Allein ich muß frey bekennen, daß ich die-
ſes Mittel gar nicht vor rathſam finde. Wenn die
Regierung nicht große Vorſichten bey ihren Vorſchuͤſ-
ſen braucht; ſo gehet gar oͤfters der groͤßte Theil ver-
lohren, ohne daß ſie ihren Endzweck der zu gruͤndenden
Manufacturen erreicht. Diejenigen, die ſich in ein an-
dres Land wenden, um ſich daſelbſt zu Anlegung dieſer
Nahrungsgeſchaͤfte brauchen zu laßen, haben ſelten viel
Vermoͤgen. Sie ſuchen eben dadurch ihren Zuſtand
zu verbeſſern, daß ſie dieſe Veraͤnderung vornehmen.
Die Vermoͤgenden entſchließen ſich ſehr ſchwehr darzu.
Wenn man alſo auf eine vollkommene Sicherheit der
vorzuſchießenden Gelder dringet; ſo kann der Vorſchuß
gar nicht ſtatt finden. Dahingegen, wenn man die
Vorſchuͤße ohne Sicherheit waget; ſo wenden dieſe
Neuankoͤmmlinge, die oͤfters ſo viel Geld noch nie in
Haͤnden gehabt haben, dieſelben nicht ſelten zu ihrer
Eitelkeit an, um ſich in ihrer Haushaltung anſehnlich
einzurichten, wo ſie es nicht gar verſchwenden, ſtatt
deſſen, daß ſie es zu vollkommener Einrichtung ihres
neuanzulegenden Nahrungsgeſchaͤftes gebrauchen ſoll-
ten; und die Manufactur oder Fabrike kommt ſchlecht
G 2oder
[100]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
oder gar nicht zu Stande, ſo wie oͤfters die Vorſchuͤße
verlohren gehen. Wenn man aber vor die Sicherheit
der vorzuſchießenden Gelder ſehr beſorget iſt, ſolche nur
auf wenige Jahre herleihet und alsdenn auf die Wie-
derbezahlung, auf die Einſicht der Buͤcher oder auf
eine vollkommene Sicherheit dringet; ſo iſt dieſes dem
guten Fortgang der neuen Fabriken ſehr hinderlich, wo
ſie nicht gar dadurch wieder uͤber den Haufen geworfen
werden. Jch weiß verſchiedene Beyſpiele in einem ge-
wiſſen Lande, wo man vor die Sicherheit der vorge-
ſchoßenen Gelder allemal ſehr beſorget war, und nach
wenig Jahren entweder auf die Bezahlung drang, oder
die Waaren zur Sicherheit verlangte, daß dadurch Fa-
briken, welche den beſten Anſchein und Hofnung hat-
ten, wieder zu Grunde gegangen ſind. Man findet
alſo auf beyden Seiten ſo viel Schwierigkeiten, daß
dieſes Mittel ſchwehrlich anzurathen iſt. Wir wollen
demnach verſuchen etwas beſſeres vorzuſchlagen.


Es muß in
dem Wirth-
ſchaftsetat
von den Ein-
künften des
Staats zu
Unterſtü-
tzung der
Manufactu-
ren eine
jährliche
Summe
ausgewor-
fen werden.

Jch ſetze voraus, daß ein Staat, der den vernuͤnf-
tigen Entſchluß faßet, Manufacturen und Fabriken zu
gruͤnden und in Aufnahme zu bringen, einen ordentli-
chen formirten Wirthſchaftsetat uͤber alle ſeine Ein-
kuͤnfte und Ausgaben hat, wovon ich in dem zweyten
Theil meiner Staatswirthſchaft ausfuͤhrlich gehandelt
und die Grade der Nothwendigkeit und Nuͤtzlichkeit der
Ausgaben gezeiget habe. Fehlet es noch an einem ſol-
chen ordentlich und weislich eingerichteten Wirthſchafts-
etat; ſo hat dieſer Staat ein ſehr großes Gebrechen.
Er
[101]der Manufacturen und Fabriken.
Er wirthſchaftet auf gerathewohl; ſeine Ausgaben ſind
nicht nach den Graden der Nothwendigkeit und Nuͤtz-
lichkeit, ſondern nach der Gelegenheit, wie die Fonds
darzu vorhanden ſind, eingerichtet; und die vor Alters
feſtgeſetzten unuͤberlegten Ausgaben werden verewiget.
Ein ſolcher Staat uͤberſiehet ſeine Ausgaben niemals
in ganzen und in Zuſammenhange auf die geſammte
Wohlfarth des Staats, deren Befoͤrderung das ein-
zige Augenmerk aller Ausgaben ſeyn muß. Wuͤrde
ein ſolcher Staat ſeine Ausgaben in dieſer Abſicht und
Zuſammenhange uͤberſehen; ſo wuͤrde er allemal er-
ſchrecken, was vor uͤberfluͤßige, entbehrliche und un-
nuͤtze Ausgaben er hat und was vor nothwendiger und
nuͤtzlicher Aufwand unterlaßen wird. Kurz, ein ſolcher
Staat lieget an einer großen Krankheit; und ehe er
etwas thut; ſo muß er ſich von dieſer Krankheit zu
heilen ſuchen. Ehe man nicht das Uebel der Krankheit
in unſern Adern und Eingeweiden zu heben ſuchet; ſo
kann man den Gliedern nicht die gewuͤnſchte Staͤrke
und Thaͤtigkeit geben. Wir wollen demnach voraus-
ſetzen, daß dieſer Wirthſchaftsetat bereits formiret iſt,
und daß darinnen unter den Ausgaben des Staats zu
Gruͤndung und Aufnahme der Manufacturen und Fa-
briken eine gerechte Summe jaͤhrlich ausgeſetzet iſt.
Dieſe Summe kann in einem mittelmaͤßig maͤch-
tigen Staate, der ein 10 bis 12 Millionen Rthlr. jaͤhr-
licher Einkuͤnfte hat, kaum weniger als 30000 Thaler
ſeyn, wenn man anders die Ausgaben nach ihrer Nuͤtz-
lichkeit und Nothwendigkeit zu dem Beſten des Staats
einrichten will: und in der That, wenn man die un-
G 3noͤthi-
[102]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
noͤthigen und uͤberfluͤßigen Ausgaben vermeidet; ſo
wird eine ſolche Summe gar keine Beſchwehrlichkeit
verurſachen.


Wie die Ge-
ſellſchaften,
ſo Fabriken
anlegen, von
dieſer ausge-
worfenen
Summe zu
unterſtützen.

Da nun dieſe Summe nicht zu Vorſchuͤßen an die
Fabricanten, ſondern zu wirklichen Aufwande zum Be-
ſten der Manufacturen und Fabriken zu beſtimmen iſt;
ſo kommt alles darauf an, wie dieſe Summe kluͤglich
anzuwenden iſt, damit der dabey vorwaltende End-
zweck die Manufacturen und Fabriken anzulegen, zu
gruͤnden und in Flohr zu bringen, in der That erreichet
werde. Wir haben oben gezeigt, daß man vor allen
Dingen geſchickte Leute und Arbeiter in das Land zie-
hen muß. Wenn man den zehnten Theil dieſer Sum-
me zu Reiſekoſten vor ſie aufwendet; ſo wird man
jaͤhrlich 50 geſchickte Leute in das Land bekommen koͤn-
nen. Diejenigen Fremden, welche die vollkommenſte
Kenntniß von einer gewiſſen Art der Manufacturen
und Fabriken beſitzen und ſie dannenhero anzulegen, ein-
zurichten und zu dirigiren im Stande ſind, werden am
beſten an das Land gebunden, wenn man ihnen eine
jaͤhrliche Penſion reicht. Dieſe Penſion braucht nur aus
3, 4 bis 500 Rthlrn. zu beſtehen nach der Wichtigkeit
der Fabriken, und vor zwey Zehentheile der obgedachten
Summe, oder vor 6000 Rthlr. wird man die Directeurs
von 18 bis 20 Fabriken mit Penſionen unterhalten koͤn-
nen. Es iſt zugleich rathſam, daß der Directeur
Mitintereßende der Geſellſchaft ſey, die eine Fabrike auf
ihre Koſten anleget; weil ſich die Directeurs die Sache
viel
[103]der Manufacturen und Fabriken.
viel eifriger angelegen ſeyn laßen werden, wenn ihr eig-
ner Vortheil mit der Aufnahme des Werkes verbunden
iſt. Es iſt billig, daß dem Directeur vor ſeine Wiſ-
ſenſchaft ein Antheil an der Geſellſchaft zugeſtanden
werde, wenn er auch ſeinen Antheil der Koſten zu An-
legung des Werkes nicht herzuſchießen im Stande iſt.
Kann er aber ſeinen Antheil der Koſten gleich andern
Mitgliedern tragen; ſo kann man ihm willig zwey An-
theile zugeſtehen. Es wird ſolches, wenn er ein ge-
ſchickter und fleißiger Mann iſt, dem Werke deſto vor-
theilhaftiger ſeyn. Man muß es zugleich der Geſell-
ſchaft uͤberlaßen, ſich wegen eines gewiſſen Gehaltes
vor die Direction mit ihm zu vergleichen, weil die Pen-
ſion des Staats nur ein Zuſchuß und Anreizung iſt,
im Lande zu bleiben. Damit aber die Geſellſchaft deſto
eher die Unternehmung wage: ſo iſt die beſte Art der
Unterſtuͤtzung, welche der Staat einer ſolchen Geſell-
ſchaft in Anſehung des groͤſſern Aufwandes, den ſolche
neuanzulegende Werke obgedachter maaßen erfordern,
wohl dieſe, daß die Regierung ſich verbindlich macht,
die erſten 6 Jahre uͤber einen gewiſſen Zuſchuß jaͤhrlich
zu der Fabrike zu reichen. Dieſer Zuſchuß wird am
beſten nach der Menge der Waaren eingerichtet, wel-
che jaͤhrlich verfertiget werden. Denn ſonſt koͤnnte die
Geſellſchaft dieſen Zuſchuß jaͤhrlich ziehen, ohne daß ſie
die Fabrike in rechten Gang und Aufnahme braͤchte.
Es iſt billig, daß die Regierung denjenigen Theil des
Arbeitslohnes traͤgt, den die Geſellſchaft mehr aufwen-
den muß, indem dieſe Arbeit noch ganz neu und un-
gewohnt im Lande iſt, um das Volk darzu anzureizen
G 4und
[104]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
und nach und nach anzugewoͤhnen. Dieſe Uebermaaße
der Koſten an jeden Stuͤck oder Centner Waare kann
leicht berechnet werden. Dahingegen muß die Geſell-
ſchaft mit den Auslaͤndern vollkommen einerley Preiß
der Waaren halten. Und ſie kann es auch alsdenn
thun, weil ſie die Koſten des Gebaͤudes, der anzuſchaf-
fenden Geraͤthſchaften und des ordentlichen Arbeits-
lohnes nicht in Betracht ziehen darf, als welches die
Auslaͤnder eben ſowohl aufwenden muͤſſen, als wir;
wie ihnen denn davor das Eigenthum verbleibt. Wenn
die Regierung alle 6 Jahr drey neue Fabriken anlegen
laͤßt, wenn man rechnet, daß eine jede von dieſen Fabriken,
eine in die andre gerechnet, jaͤhrlich zwey tauſend Thaler
Zuſchuß erfordert; ſo wird ſie hierzu gleichfalls zwey
Zehntheile von obgedachter Summe aufwenden, und die
Anlegung und Gruͤndung dieſer neuen Nahrungsge-
ſchaͤfte wird mit großen Schritten fortgehen. An-
fangs koͤnnen auch mehr Fabriken angeleget werden,
weil die Penſionen der Directeurs noch nicht ſo hoch
anſteigen, als die vorhin aufgefuͤhrte Rechnung vor-
ausſetzet. Die Regierung hat ſich zwar um die Con-
tracte, welche dieſe Geſellſchaften mit ihren Hauptar-
beitern ſchließet, nicht zu bekuͤmmern. Allein es iſt ei-
ner jeden Geſellſchaft zu rathen, daß ſie ihre Hauptar-
beiter, worauf der gute Fortgang des Werkes am mei-
ſten ankommt, auf das engſte mit dem Werke zu ver-
binden ſuchet. Dieſes kann nicht beſſer geſchehen, als
wenn die Contracte ſolchergeſtalt eingerichtet werden,
daß der eigne Vortheil der Hauptarbeiter waͤchſet, nach-
dem das Werk mehr in Aufnahme kommt. Verſchie-
dene
[105]der Manufacturen und Fabriken.
dene Fabriken haben dieſe Regel mit guten Nutzen be-
folget; und man hat eben dieſes bey einer Cammertuch-
fabrike in Schleswig beobachtet, die uͤberhaupt mit
großer Klugheit eingerichtet iſt und die ſehr viel ver-
ſpricht.


Nachdem wir die Art und Weiſe vorgetragen ha-Auf was Art
die einzeln
Manufactu-
riers und
Meiſters
von der Re-
gierung zu
unterſtützen
find.

ben, wie die Regierung die Geſellſchaften am beſten un-
terſtuͤtzen kann, die Fabriken anlegen; ſo kommen wir
nunmehro auf die Unterſtuͤtzung der einzeln Manufa-
cturiers und Meiſter bey denen Seiden-Wollen und
Leinenmanufacturen, als bey welchen wir die Geſell-
ſchaften, als Entreprenneurs derſelben, nicht vor dienlich
erachtet haben. Da hier das Hauptaugenmerk der Re-
gierung dahin gerichtet ſeyn muß, dieſe Leute in den
Stand zu ſetzen, daß ſie ſich ſelbſt verlegen koͤnnen;
ſo iſt das erſte, was ſie hierinnen thun kann, daß ſie
dieſelben mit Stuͤhlen und Handwerkszeuge zu Ausuͤ-
bung ihrer Manufacturarbeit verſiehet. Wenn man vor-
ausſetzet, daß unter den 50 geſchickten fremden Arbeitern,
welche die Regierung vermoͤge der auszuzahlenden Rei-
ſekoſten jaͤhrlich in das Land ziehet, 30 Seiden-Wollen-
und Leinenarbeiter ſind; und wenn man annimmt, daß
ein Stuhl und| Handwerksgeraͤthe vor einen Arbeiter, ei-
nen in das andre gerechnet, 50 rthlr. koſtet; ſo wird ſie
nur den zwanzigſten Theil von der jaͤhrlich ausgeworfnen
Summe noͤthig haben, um dieſe 30 Arbeiter damit zu ver-
ſehen. Es wird rathſam ſeyn, daß man ihnen nur die Helf-
te der Summe ſchenket, was der Stuhl und das Hand-
G 5werks-
[106]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
werksgeraͤthe gekoſtet hat und daß man ihnen die uͤbrige
Helfte nach und nach alle Jahre etwas weniges bezah-
len laͤßt; indem man dadurch ein Recht behalten wird,
auf unordentliche Wirthe aufmerkſam zu ſeyn, daß ſie das
Handwerksgeraͤthe nicht veraͤußern duͤrfen. Wenn ſie
nun ſolchergeſtalt zu arbeiten in Stand geſetzet ſind;
ſo muͤſſen ſie gegen kuͤnftige Bezahlung mit denen er-
ſten Materialien verſehen werden, um ihre Arbeit an-
fangen zu koͤnnen, davon wir ſogleich bey Gelegen-
heit des Manufacturhauſes in mehrern handeln wer-
den. Endlich aber wird es noͤthig ſeyn, daß die Re-
gierung einem jeden einzeln Meiſter und Manufacturier
die erſten 6 Jahre uͤber ein gewiſſes Praͤmium vor ein
jedes Stuͤck Seidenzeug, Tuch und feine Leinewand,
die nach Vorſchrift der Reglements verfertiget ſind,
auszahlet, ſowohl um dieſe Meiſter zu deſto mehrern
Fleiß zu ermuntern, als ihnen den Anfangs theurern
Lohn der Spinnerey uͤbertragen zu helfen. Es wird
genug ſeyn, wenn ſie vor jedes Stuͤck Seidenzeug, Tuch
und feine Leinewand zwey Rthaler Praͤmium bezahlet;
und wenn man annimmt, daß von ſolchen neuange-
henden Manufacturiers jaͤhrlich 4500 Stuͤck verfer-
tiget werden: ſo werden hierzu drey Zehentheile des
jaͤhrlich beſtimmten Aufwandes erfordert. Es bleiben
demnach noch drey Zwanzigtheile von der jaͤhrlich aus-
geworfenen Summe uͤbrig; und dieſe muͤſſen zu Un-
terhaltung eines Manufacturhauſes verwendet werden,
wovon wir nunmehr etwas ausfuͤhrlicher handeln
muͤſſen.


Wenn
[107]der Manufacturen und Fabriken.

Wenn eine weiſe Regierung den Entſchluß faſſetNothwen-
digkeit eines
Manufa-
cturhauſes
und deſſen
Einrichtung
in Anſehung
des Unter-
richtes.

die Manufacturen in dem Lande anzulegen und|zu gruͤn-
den; ſo muß ein Manufacturhaus die allererſte An-
ſtalt und Einrichtung ſeyn. Dieſes iſt gleichſam der
Grund und die Stuͤtze des ganzen neuanzulegenden
Manufacturweſens. Da zu dieſem Hauſe ein ſtarkes
Capital erfordert wird; ſo muß der Regent wenigſtens
ein hundert tauſend Thaler aus ſeinem Schatz darzu
beſtimmen, oder die zu Unterſtuͤtzung der Manufactu-
ren in dem Wirthſchaftsetat ausgeworfene jaͤhrliche
Summe muß einige Jahre geſammlet werden, damit
man ein ſolches Capital zuſammen bekommt, ehe ſonſt
etwas wichtiges in denen Manufacturen unternommen
wird. Dieſes Manufacturhaus muß zufoͤrderſt den
Endzweck haben, daß in allen und jeden Arten der Ma-
nufacturen darinnen Unterricht gegeben wird. Zu
dem Ende muß es nicht allein zu allen Arten der Ma-
nufacturen eingerichtet ſeyn; ſondern es muͤſſen auch
geſchickte Fremde in jeder Manufactur verſchrieben
werden, die weiter nichts thun, als andre unterrich-
ten, um die Geſchicklichkeit in denen Manufacturen im
Lande zu verbreiten. Man muß nicht allein faͤhige Kna-
ben aus denen Waiſenhaͤuſern darinnen lernen laßen, ſon-
dern auch erwachſene Landeseinwohner, die darzu Luſt ha-
ben, muͤſſen ohnentgeldlich darinnen unterwieſen wer-
den. Zu dem Ende muß alle Verfaſſung der Zuͤnfte
daraus verbannet ſeyn. Die Lehrzeit muß an keine
Jahre gebunden ſeyn; ſondern wenn jemand in 6 Wo-
chen eine gewiſſe Manufacturarbeit erlernen kann; ſo
muß das eben ſo guͤltig ſeyn, als wenn er drey und
mehr
[108]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
mehr Jahre in der Lehre geſtanden haͤtte. Der Ma-
nufacturinſpector muß auf dieſen Unterricht ein un-
verwendetes Auge haben und alle 14 Tage Pruͤfungen
anſtellen, was die Lehrlinge gelernet haben. Dieſes
Manufacturhaus muß auch allen Fremden, die ſich
von ſelbſt melden, offen ſtehen. Sie muͤſſen daſelbſt
Handwerksgeraͤthe und Materialien finden, um nicht
allein ihren Unterhalt zu haben, ſondern auch zu ihren
Etabliſſement etwas vor ſich zu bringen. Wannenhers
das Manufacturhaus von ſeinen Arbeitern keinen Vor-
theil nehmen muß. Man wird zugleich die ſich von
ſelbſt meldenden Fremden waͤhrender ihrer Arbeit in
dem Manufacturhauſe pruͤfen koͤnnen, ob ſie geſchickte
und ordentliche Leute ſind und die Unterſtuͤtzung zu ih-
ren Etabliſſement im Lande verdienen. Wenn ſie auch
Frau und Kinder mitbringen: ſo ſind ſie zu denen ver-
ſchiedenen Arbeiten darinnen alle brauchbar. Damit
die Arbeiter nicht zerſtreuet und von der Arbeit verſaͤu-
met werden: ſo muͤſſen ſie mit ordentlichen und reinli-
chen Eßen verſehen werden, davor ihnen an ihren woͤ-
chentlichen Verdienſt etwas gewiſſes abzuziehen iſt. Es
muß die genaueſte Ordnung und Aufſicht darinnen ein-
gefuͤhret ſeyn, als welche die Seele in dieſem Hauſe
ſeyn muß.


Einrichtung
des Manufa-
cturhauſes
in Anſehung
großer Ma-
ſchinen und
Werke zum
Behuf der

Hiernaͤchſt muͤſſen in dem Manufacturhauſe alle
diejenigen mechaniſchen Werke und Anſtalten vorhan-
den ſeyn, die zur Zubereitung verſchiedener Arten von
Manufacturen erfordert werden, die aber zu koſtbar
ſind,
[109]der Manufacturen und Fabriken.
ſind, als daß ſie von einem einzeln Meiſter und Manu-Manufactu-
ren.

facturier unterhalten werden koͤnnen. Hierher gehoͤren
nebſt vielerley Maſchinen inſonderheit ein Seidenfilato-
rium, desgleichen große Preßen, Walkmuͤhlen und Faͤr-
bereyen. Diejenigen von dieſen Anſtalten, ſo in dem
Hauſe ſelbſt nicht ſeyn koͤnnen, muͤſſen doch mit dem
Manufacturhauſe aufs genaueſte verbunden ſeyn und
von da aus dirigiret werden. Jn allen ſolchen An-
ſtalten muß man die groͤßte Vollkommenheit zu errei-
chen ſuchen und vor die Zubereitung der Waaren nichts
mehr nehmen, als was die Unterhaltung ſolcher Ne-
benanſtalten koſtet. Dieſes Hauß muß nicht den End-
zweck haben Vortheil davon zu ziehen, ſondern die Ma-
nufacturen zu unterſtuͤtzen und zu befoͤrdern.


Einer der hauptſaͤchlichſten Endzwecke des Manu-Das Manu-
facturhaus
muß denen
Manufactu-
riers mit de-
nen Mate-
rialien an
die Hand ger
hen.

facturhauſes muß ſeyn, denen neuangehenden Manu-
facturiers und Meiſters mit denen erforderlichen Haupt-
und Nebenmaterialien zu ihren Arbeiten an die Hand
zu gehen, damit ſie ſich ſelbſt zu verlegen nach und nach in
den Stand geſetzet werden, ohne daß ſie von Entre-
prenneurs und Verlegern abhaͤngen duͤrfen. Zu dem
Ende muß das Manufacturhaus alle Arten von Ma-
terialien an ſolchen Orten einkaufen, wo ſie am beſten
und wohlfeileſten zu haben ſind und den Transport mit
moͤglichſter Erſpahrung der Unkoſten veranſtalten, da-
mit ſie denen Manufacturiers um den maͤßigſten Preiß
verlaßen werden koͤnnen. Sie muͤſſen naͤmlich um
dasjenige Geld denen Manufacturiers verlaßen wer-
den,
[110]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
den, was ſie dem Manufacturhauſe zu ſtehen kom-
men, ohne den geringſten Vortheil daran zu ſuchen.
Die Directeurs des Manufacturhauſes muͤſſen dem-
nach nicht allein als geſchickte und Handelsverſtaͤndige,
ſondern auch als ſehr ehrliche Leute bekannt ſeyn; und
wenn ſie ſich geluͤſten laßen, bey dem Einkauf und Ver-
kauf ihren eignen Vortheil zu ſuchen, wie es freylich
hier unter hunderterley Kunſtgriffen moͤglich iſt; ſo muͤſ-
ſen ſie auf das alleraͤußerſte beſtrafet werden. Jn der
That wuͤrden ſie alsdenn die allerabſcheulichſte Art von
Dieben ſeyn, vor welche der Strang noch viel zu we-
nig iſt, weil ſie nicht allein den Regenten und den gan-
zen Staat beſtehlen, ſondern auch die weiſe Abſicht des
Regenten, den Nahrungsſtand durch die Manufactu-
ren bluͤhend zu machen, als worauf die Wohlfarth und
die Staͤrke des Staats ankommt, gaͤnzlich hindern;
denn die Manufacturen koͤnnen unmoͤglich Fortgang
haben, wenn hierinnen Betruͤgereyen vorgehen und die
Materialien denen Manufacturiers theuer angerechnet
werden. Sie bezeugen ſich alſo als wahre Feinde des
geſammten gemeinen Weſens. Ein jeder neuangehen-
der Manufacturier muß aber ſo viel Materialien aus
dem Manufacturhauſe auf Credit bekommen koͤnnen,
als er zu dem Erſten Anfange ſeiner Arbeit noͤthig hat.
Die Summe, die |einem jeden creditiret werden ſoll,
muß in dem Reglement des Manufacturhauſes feſtge-
ſetzet werden. Sie darf nur maͤßig ſeyn und bey de-
nen Seidenmanufacturiers ſich uͤber 100 Rthlr. nicht
erſtrecken und bey denen Wollen- und Leinewandmanu-
facturiers, iſt ſie nicht einmal ſo hoch noͤthig, um ſie
in
[111]der Manufacturen und Fabriken.
in den Stand zu ſetzen ihre Arbeit anfangen zu koͤnnen.
So wie ſie ihre Arbeit an das Manufacturhaus liefern,
oder in ſo fern ſie hinlaͤngliche Sicherheit verſchaffen
koͤnnen, muͤſſen ſie allemal mehr Materialien empfan-
gen. Es iſt wahr, das Manufacturhaus wird mit der
creditirten Summe allemal in Gefahr ſtehen; und es
werden ſich Faͤlle ereignen, daß es wirklich dieſe Sum-
me verliehret. Allein ſo viel muß und kann es alle-
mal wagen. Ohne Koſten und Verluſt laßen ſich dieſe
Nahrungsgeſchaͤfte nicht im Lande gruͤnden. Unter-
deſſen wird der daraus entſpringende Verluſt nicht ſehr
groß ſeyn. Es wuͤrde ſehr viel ſeyn, wenn dieſe cre-
ditirte Summe bey dem vierten Theil der neuangehen-
den Manufacturiers verlohren gehen ſollte. Der Ver-
luſt gehoͤret zu den Koſten des Manufacturhauſes und
wird allemal ertraͤglich ſeyn. Die Regierung waget
auch dabey niemals ſo viel als wenn ſie einzelne Entre-
prenneurs mit großen Summen unterſtuͤtzet. Die Er-
reichung des Endzweckes aber, ſo viel Familien in gute
Nahrung und Wohlſtand zu ſetzen und mithin die Ma-
nufacturen dauerhaftig zu gruͤnden, iſt allemal vor den
Staat ungleich vortheilhaftiger.


Endlich muß mit dem Manufacturhauſe eine Waa-Von der
Waarennie-
derlage bey
dem Manu-
facturhauſe.

renniederlage verbunden werden, wohin ſowohl die Ma-
nufacturiers ihre verfertigten Waaren liefern, als
die Kaufleute ihre benoͤthigten Waaren einkaufen koͤn-
nen. Daß die Manufacturiers ihre fertigen Waa-
ren gegen einen gerechten Preiß ſo fort abſetzen koͤnnen,
ohne
[112]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
ohne daß ſie von den Kaufleuten in dem Verkauf ihrer
Waaren gedruͤcket werden, dieſes iſt eine von denen
allernoͤthigſten Anſtalten bey denen neu einzufuͤhrenden
Manufacturen, damit die Manufacturiers in den
Stand geſetzet werden, ſich ſo fort neue Materialien an-
zuſchaffen und fortzuarbeiten. Als der vortrefliche Col-
bert obgedachter maaßen durch die ausgeſetzten Praͤmien
die Verfertigung der Manufacturwaaren haͤufig ver-
anlaßete: ſo ſahe er gar bald, daß dieſe Praͤmien allein
nicht zureichen wollten. Die Manufacturiers ſtelleten
ihm vor, daß ſie zwar ihre Waaren nach denen Regle-
ments verfertiget und die Praͤmien empfangen haͤtten;
allein dieſe Waaren blieben ihnen uͤber dem Halſe, wenn
ſie dieſelben nicht um einen geringen Preiß verſchleu-
dern wollten. Sie befaͤnden ſich demnach außer Stande
die erforderlichen Materialien anzuſchaffen und ihre
Arbeit fortzuſetzen. Colbert errichtete demnach Nie-
derlagen, worinnen alle nach denen Reglements ver-
fertigte Waaren um einen gerechten Preiß, bey wel-
chen die Manufacturiers beſtehen konnten, aufgekau-
fet wurden, die er theils im Lande, theils durch den
damals zugleich eroͤfneten Handel nach der Tuͤrkey ohne
Schaden des Koͤniges wieder abzuſetzen wuſte; und die
Manufacturen fanden weiter gar keine Hinderniß, ſon-
dern gelangten gar bald in einen ſehr bluͤhenden Zu-
ſtand. Eben dieſe Anſtalt muß in einem jeden Lande
gemacht werden, wo man neue Manufacturen einfuͤh-
ren und gruͤnden will; und eine ſolche Niederlage wird
am beſten mit dem Manufacturhauſe verbunden. Ein
jedes Stuͤck Waare, wenn es nach denen Reglements
die
[113]der Manufacturen und Fabriken.
die Beſchauanſtalten paßiret, muß zugleich taxiret
werden: und der geſchaͤtzte Werth muß dem Manu-
facturier, wenn er es in die Niederlage liefert, ſo fort
entweder in baaren Gelde, oder in Materialien, wie er
es verlanget, bezahlet werden. Bey dieſer Taxe muß
man ſtrenge auf den Preiß der auswaͤrtigen Waaren,
von eben dieſer Art, Guͤthe und Beſchaffenheit ſehen,
den ſie in der Großhandlung aus der erſten Hand ha-
ben; und gleichwie die Niederlage des Manufacturhau-
ſes, das in allen ſeinen Anſtalten und Unternehmungen
ganz ohne Vortheil verfahren muß, ſolche Waaren um
eben dieſen Preiß wieder an die Kaufleute des Landes
zu verlaßen hat; ſo haben die Kaufleute an den innlaͤn-
diſchen Manufacturen, wenn ſie ſolche wieder einzeln
verkaufen, eben ſo viel und in Anſehung der erſpahren-
den Fracht noch mehr Vortheil, als an den auswaͤr-
tigen; und die Abſicht wird mithin erreichet, daß die
innlaͤndiſchen Waaren mit den auswaͤrtigen vollkom-
men in einerley Preiße ſtehen koͤnnen, eine Sache, die
zur Aufnahme der Manufacturen, wie wir mehrmalen
erinnert haben, ſo unumgaͤnglich nothwendig iſt. Die
innlaͤndiſchen Kaufleute haben alsdenn auch keine Urſache
die Landesmanufacturen mit gehaͤßigen Augen anzuſe-
hen, und damit ihnen um ſo mehr aller Grund darzu
benommen werde; ſo iſt es dienlich, daß das Manu-
facturhaus denen innlaͤndiſchen Kaufleuten auf 6 Mo-
nathe Credit giebt, weil ſie ſolchen gemeiniglich bey den
Auslaͤndern erhalten koͤnnen. Dieſe Einrichtung findet
in der Manufacturniederlage zu Koppenhagen wirklich
ſtatt und verdienet allenthalben nachgeahmet zu werden.


HMan
[114]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
Die Koſten
eines ſolchen
Manufa-
cturhauſes
ſind nicht zu
hoch.

Man ſiehet demnach, warum ich ein ſo großes
Capital vor das Manufacturhaus erfordert habe; und
wenn man deſſen vorgeſchlagene Einrichtung erwaͤget;
ſo werden vielleicht viele glauben, daß hunderttauſend
Thaler eher zu wenig als zu viel ſind. Allein wenn
man bedenket, daß die Manufacturen bey ihren An-
fange wenig ſind und alſo keinen uͤbermaͤßigen Verlag
erfordern, und daß wie die Manufacturen anwachſen,
auch vor die verfertigten Waaren wieder Geld eingehet;
ſo wird man dieſes Capital ſchon vor zureichend erach-
ten. So bald auch die Manufacturen von großer
Wichtigkeit werden, ſo daß ſie nicht allein vor den
Verbrauch im Lande zureichen, ſondern auch Waaren
vor die auswaͤrtigen Commercien liefern; ſo wird das
Manufacturhaus nach und nach entbehrlich werden.
Diejenigen ſo ſich ſelbſt verlegen koͤnnen, werden ſich
nicht zu dem Manufacturhauſe wenden; und die Ma-
nufacturiers werden nicht noͤthig haben, ihre Waa-
ren in die Niederlage zu verkaufen, da ſie durch den
auswaͤrtigen Handel geſucht werden, ſo wie die Kauf-
leute eben deshalb des gerechten Werthes ſich nicht wer-
den entbrechen koͤnnen. Alles dieſes ſind die natuͤrli-
chen Folgen von bluͤhenden Manufacturen. Viel-
leicht ſtehen auch einige in den Gedanken, daß drey
Zwanzigtheile von der ausgeworfenen Summe, oder
4500 Rthlr. zur jaͤhrlichen Unterhaltung des Manu-
facturhauſes nicht zureichen wuͤrden. Allein das Ma-
nufacturhaus hat nichts zu beſtreiten, als die Unter-
haltung der Bedienten, des Gebaͤudes, der Maſchinen
und Geraͤthſchaften und den Verluſt zu tragen, der ſich
aus
[115]der Manufacturen und Fabriken.
aus dem Credit an die Manufacturiers und aus denen
ſich begebenden Ungluͤcksfaͤllen ereignet. Alle, ſo dar-
innen arbeiten, werden von ihren Verdienſt ernaͤhret;
und dieſe jaͤhrliche Summe wird alſo ſchon zureichen.


Alle diejenigen, welche von Einfuͤhrung der Ma-Das Manu-
facturhaus
iſt das dien-
lichſte Mit-
tel, daß ſich
die Manufa-
cturiers
ſelbſt verle-
gen können,
welches ſonſt
die ſchwie-
rigſte Sache
bey Einfüh-
rung der Ma-
nufacturen
iſt.

nufacturen und Fabriken geſchrieben haben, ſind der
Meinung geweſen, daß der Verlag der Manufactu-
riers und Fabrikanten die allerſchwierigſte Sache ſey.
Der Freyherr von Schroͤder in ſeiner fuͤrſtlichen Schatz-
und Rentkammer glaubet, daß dieſes der angelegent-
lichſte Punct ſey, um dieſe Nahrungsgeſchaͤfte und
uͤberhaupt den Nahrungsſtand bluͤhend zu machen; und
er ſchlaͤgt deshalb ſeinen Landesfuͤrſtlichen Wechſel vor,
der zwar ſinnreich iſt, der aber unuͤberwindliche Schwie-
rigkeiten und Fehler zeigen wuͤrde, wenn er in Ausuͤ-
bung gebracht werden ſollte, wie ich in meiner Staats-
wirthſchaft, in meiner Monatſchrift und in den goͤt-
tingiſchen Jntelligenzblaͤttern aus guten Gruͤnden dar-
gethan habe. Eben dieſes waren die Gedanken des
Herrn Regierungsrath von Cronhelm zu Gluͤckſtadt,
deſſen Tod ich eben ietzt mit einem wahren Bedauren
aus den Zeitungen erſehe, da ich dieſes ſchreibe und
deſſen Verdienſte und Andenken bey mir allemal ſehr
theuer und werth ſeyn werden, weil ich einen ungemei-
nen Eifer und Begierde an dem Aufnehmen des Nah-
rungsſtandes und dem Beſten ſeiner Mitbuͤrger zu ar-
beiten, bey ihm gefunden habe. Er meinete in ſeinen
Briefen, womit er mich beehret hat, daß die Einfuͤh-
rung der Manufacturen und Fabriken und uͤberhaupt
H 2das
[116]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
das Aufnehmen des ganzen Nahrungsſtandes lediglich
darauf ankaͤme, Mittel ausfuͤndig zu machen, wodurch
die Leute Verlag in die Haͤnde bekommen koͤnnten, die
zwar alle Luſt haͤtten, ſich zu regen und nuͤtzliche Ge-
werbe zu treiben, denen es aber groͤßtentheils an den
Mitteln darzu ermangele. Er glaubete, wenn man
eine Anſtalt machen koͤnnte, daß die Leute allemal ge-
gen 5 von Hunderten Geld zu ihren Gewerben haben
koͤnnten; ſo wuͤrde die groͤßte Hinterniß gegen das
Aufnehmen des Nahrungsſtandes gehoben ſeyn. Allein
in Goͤttingen und andern hannoͤveriſchen Staͤdten koͤn-
nen die Manufacturiers und Fabrikanten auf denen
Leihekammern allemal gegen 3 pro Cent Geld erhalten;
und dieſe Anſtalten, werden doch ſehr wenig gebraucht.
Alle Anſtalten, die man nur immer zu dem Ende
machen kann, erfordern, daß das Geld nicht ohne Si-
cherheit weggegeben werde. Sie koͤnnen ſonſt nicht
beſtehen. Dieſe Sicherheit macht es nothwendig, daß
kaum die Helfte des Werthes auf die zu verſetzenden
Mobilien und Waaren gegeben werden kann, weil man
von der Wiedereinloͤſung nicht verſichert iſt und weil
die Verkaufung der Pfaͤnder durch die Auction geſche-
hen muß, wodurch oͤfters wenig davor erhalten wird.
Es kann aber einem Manufacturier ſehr wenig damit
gedienet ſeyn, auf ſeine Waaren kaum halb ſo viel ge-
liehen zu bekommen, als ſie werth ſind. Wie will er
ſeine Manufactur fortſetzen und doch auch leben koͤn-
nen, wenn er auf ſeine Waaren kaum ſo viel geliehen
bekommt, als ihm die Materialien darzu gekoſtet haben.
Er kann natuͤrlicher Weiſe immer weniger Materialien
ein-
[117]der Manufacturen und Fabriken.
einkaufen und ſeine Nahrung kommt immer mehr in
Abgang. Dieſen Fehler hat des Freyherrn von
Schroͤder vorgeſchlagener landesfuͤrſtl. Wechſel, des-
gleichen alle Lombard und Leihehaͤuſer, und alle An-
ſtalten, die man nur erfinden kann, werden gleichfalls
dieſes Gebrechen haben, weil ſie ohne Sicherheit des
auszuleihenden Geldes nicht beſtehen koͤnnen. Es iſt
demnach in der That kein beſſeres Mittel die Manu-
facturiers zu verlegen, als die ietzt von mir vorgeſchla-
gene Einrichtung des Manufacturhauſes. So bald
der Manufacturier ſeine Waaren fertig hat; ſo kann
er ſie vor ihren gerechten Werth in dem Manufactur-
hauſe abſetzen. Er kann ſo fort Materialien zu ande-
rer Arbeit guten Kaufes erhalten, als auch zugleich
das benoͤthigte baare Geld zu Fuͤhrung ſeiner Haus-
haltung haben. Wenn er fleißig und haushaͤltig iſt;
ſo kann er allemal um ſo viel mehr Materialien neh-
men, als er an der Arbeit gewinnet; und er kann mit-
hin ſein Gewerbe nach und nach vergroͤſſern. Es iſt
wahr, dieſe Vergroͤſſerung ſeines Gewerbes wird nur
langſam geſchehen, allein ſie wird deſto ſicherer und
gruͤndlicher ſeyn und den Manufacturier weder der
Gefahr ausſetzen von ſeinen Glaͤubigern uͤber den Hau-
fen geworfen zu werden, noch werden ihm die Jntereſſen
einen Theil ſeines Gewinnſtes wegnehmen. Je mehr
auch die angelegten Manufacturen einen guten Fort-
gang haben, und je mehr Geld dadurch im Lande behal-
ten wird, deſto lebhaftiger wird der Nahrungsſtand
und die Circulation des Geldes werden. Vieles Geld,
das bey einem uͤbel beſchaffenen Nahrungsſtande lange
H 3Zeit
[118]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
Zeit in dem Kaſten gelegen hat, wird zum Vorſchein
kommen, weil man damit gewinnen kann. Dieſes
wird in alle Gewerbe ſeinen Einfluß haben. Die Jn-
tereſſen werden fallen und fleißige Leute werden gar keine
Muͤhe haben Geld zu bekommen, ihr Gewerbe zu ver-
groͤſſern und mehr zu gewinnen. Kurz, es iſt ſchwehr-
lich ein anderes Mittel, das gruͤndlich und zuverlaͤßig
iſt. Alle andere Projecte, denen Manufacturiers
Verlag zu verſchaffen, werden auf Chimaͤren hinaus-
laufen und in der Ausuͤbung unthunlich befunden
werden.


Verſchiede-
ne andere
Umſtände
des Manu-
facturhau-
ſes.

Da dieſes Hauptſtuͤck ohnedem ſtark anwaͤchſt; ſo
kann ich mich nicht in alle beſondere Einrichtungen und
Umſtaͤnde eines ſolchen Manufacturhauſes einlaßen.
So viel will ich nur noch erinnern, daß aus eben den
Gruͤnden, warum ich die Anlegung der Manufacturen
in der Reſidenzſtadt widerrathen habe, auch das Ma-
nufacturhaus nicht darinnen ſtattfinden kann. Es muß
in einer Stadt angeleget werden, die man zu dem
Hauptſitz der Manufacturen am ſchicklichſten haͤlt; und
ſo bald ſich die Manufacturen auch in andern Staͤdten
ausbreiten, ſo muß vor alle Waaren und Briefe, die
an das Manufacturhaus gehen, die Poſtfreyheit zuge-
ſtanden werden, wenigſtens auf eine Zeitlang, bis dieſe
Nahrungsgeſchaͤfte genugſam gegruͤndet ſind; wie denn
auch alle andere Mittel nicht geſpahret werden muͤſſen,
wodurch dieſe Anſtalt befoͤrdert und erleichtert werden
kann. Denn noch einmal, ſie iſt der Grund des
ganzen
[119]der Manufacturen und Fabriken.
ganzen Manufacturweſens, worauf der gluͤckliche Fort-
gang hauptſaͤchlich ankommt.


So bald man ein Manufacturhaus einrichtet; ſoVon der Er-
richtung und
Beſchaffen-
heit eines
Manufa-
cturcollegii.

muß man auch den Bedacht auf Errichtung eines Ma-
nufacturcollegii nehmen, und ohne ein ſolches Collegium
kann man ſich ſchwehrlich einen gluͤcklichen Erfolg in de-
nen anzulegenden Manufacturen verſprechen. Dieſes
Manufacturcollegium kann ein beſonderes Departement
des Commerciencollegii ſeyn; indem ich auch dieſes Colle-
gium als nothwendig vorausſetze, wenn man ſich etwas
wirkſames zu Aufnahme der Commercien verſprechen
will. Es kann vielleicht in denen Finanz-Krieges-und
andern Geſchaͤften des Staats gleichguͤltig ſeyn, ob ſie
durch einzelne Miniſters mit unterhabenden Commiſſa-
rien, oder durch Collegia verwaltet werden. Allein die
Commercienangelegenheiten ſind vor die Wohlfarth des
Staats allzuwichtig und erfordern eine allzugenaue und
vollkommene Einſicht in das Weſen der Sache, als daß
man ſie der Entſcheidung eines einzigen Mannes an-
vertrauen koͤnnte. Frankreich, welches es vielleicht
ſeiner unumſchraͤnkten Regierungsform am gemaͤßeſten
haͤlt, die Geſchaͤfte des Staats durch einzelne Mini-
ſters verwalten zu laßen, hat doch gemeiniglich vor die
Commercienangelegenheiten ein beſonderes Collegium
niedergeſetzt. Dieſes Manufacturcollegium als ein
beſonderes Departement des Commerciencollegii, kann
demnach aus einigen Mitgliedern dieſes letztern Collegii,
welche in das Manufacturweſen die meiſte Einſicht
H 4haben,
[120]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
haben, und aus einigen Leuten beſtehen, die ſelbſt Manu-
facturen gehabt oder dirigiret haben. Wenn ich nicht
vor dienlich erachte, Kaufleute in das Commerciencol-
legium zu ſetzen, weil ihre Grundſaͤtze gemeiniglich von
den richtigen Grundſaͤtzen des Staats ſehr verſchieden
ſind; ſo halte ich es hingegen vor unumgaͤnglich noth-
wendig, Leute die bey den Manufacturen und Fabriken
hergekommen ſind, in das Manufacturcollegium zu
ziehen, weil die Einrichtung und Direction der Manu-
facturen ſchwehrlich mit Nutzen geſchehen kann, wenn
man nicht alle darzu erforderliche Arbeiten und Um-
ſtaͤnde aus dem Grunde verſtehet.


Nöthige Re-
glements u.
Ordnungen
von der Be-
ſchaffenheit
der zu ver-
fertigenden
Waaren.

Hiernaͤchſt muß es eine der erſten Maaßregeln ſeyn,
daß man Reglements und Ordnungen publiciren laͤßt,
wie die zu verfertigenden Manufacturen-und Fabriken-
waaren beſchaffen ſeyn ſollen. Bey denen Manufa-
cturen muß nicht allein die Laͤnge und Breite der Stuͤcke,
die Beſchaffenheit des Aufzuges, der Kette, derer da-
zu zu gebrauchenden Gezeuge und Schemel und mit
wie viel Schlaͤgen gearbeitet werden ſoll, ſondern auch
das Gewichte vorgeſchrieben werden, wie viel ein Stuͤck
Seidenzeug oder Tuch von ſolcher Laͤnge und Breite
wiegen ſoll, weil die Feine und Guͤte hauptſaͤchlich
darauf ankommt; ja bey verſchiedenen Manufacturen
iſt es noͤthig zu beſtimmen, aus wie viel Faͤden der Auf-
zug beſtehen ſoll. Eben ſo muß auch bey denen Fa-
briken die Beſchaffenheit derer in Feuer zu arbeitenden
Waaren vorgeſchrieben und die aͤußerlichen Kennzeichen
zum
[121]der Manufacturen und Fabriken.
zum Unterſchied der Waaren, entweder auf die Waare
ſelbſt, oder auf die Faͤſſer, worinnen man ſie einpacket,
beſtimmet werden, wie dergleichen Reglements in
Sachſen bey der Schmalte, bey den verzinnten Ble-
chen und andern Fabriken vorhanden ſind. Dieſe
Reglements und Ordnungen ſind nicht allein noͤthig,
damit wirklich gute und tuͤchtige Waaren verfertiget
werden, ſondern auch vornehmlich deshalb, damit die
Waaren in dem Großhandel gangbar werden. Jn
dem großen Commercio kann man ſich unmoͤglich Zeit
nehmen, ein jedes Stuͤck Waare beſonders zu unter-
ſuchen. Man muß es auf Treu und Glauben anneh-
men. Daher muß der Kaufmann verſichert ſeyn, daß,
wenn ihm ein Stuͤck, oder Faß Waare mit dieſen Zei-
chen zu Geſichte kommt, daß es dieſe Beſchaffenheit
haben und eine gute und tuͤchtige Waare ſeyn werde. Er
ſiehet auf die Ordnungen, die in einem Lande ſind und
wie daruͤber gehalten wird, wenn er ſich in einen Kauf
einlaßen will. Diejenigen Laͤnder alſo, die dergleichen
Reglements und Ordnungen nicht haben, koͤnnen ſich
auch niemals verſprechen, daß ihre Producte gangbare
Waaren in den Commercien werden. Der auswaͤr-
tige Kaufmann unterlaͤßt lieber mit ſolchen Laͤndern zu
handeln, als daß er jedes Stuͤck oder Faß Waare ſorg-
faͤltig unterſuchen ſollte, um ſich vor denen Betruͤge-
reyen zu huͤten, und ehe er ſich einer ſolchen weitlaͤuf-
tigen und zeitverſplitternden Unterſuchung gleichfalls
ausſetzen ſollte, wenn er die Waaren wieder in Ganzen
verkaufen will. Diejenigen Laͤnder, welche dieſe Re-
glements unterlaßen, verſtehen alſo die Maaßregeln
H 5zur
[122]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
zur Aufnahme der Commercien ſehr ſchlecht, und ich
weiß wirklich viele Laͤnder, die nicht allein die Materia-
lien zu verſchiedenen Waaren haben, ſondern die auch
wirklich gute und tuͤchtige Waaren verfertigen, die
aber wegen dieſes Mangels nicht in die Commercien
gehen. Z. E. in Niederſachſen wird an vielen Orten
eine feine Leinwand verfertiget, die oͤfters die ſchleſiſche
uͤbertrift, ja die einer hollaͤndiſchen nichts nachgiebt,
wenn man die Zubereitung ausnimmt. Allein weil
dergleichen Reglements ermangeln und weil man in
der Laͤnge und Breite der Stuͤcke nicht die geringſte
Gleichfoͤrmigkeit beobachtet: ſo wird ſie niemals eine
Waare vor die Commercien, ſondern ſie wird hoͤchſtens
in Hamburg, Luͤbeck und Bremen als Hausleinewand
verkaufet. Mit der oͤſterreichiſchen Leinewand hatte
es ehedem eben dieſe Beſchaffenheit. Allein ſeitdem
man vor ohngefaͤhr 8 Jahren ein Reglement daruͤber
herausgegeben hat; ſo hat ſie ſchon angefangen eine
Kaufmannswaare zu werden. Jn den meiſten teut-
ſchen Staaten, ohngeachtet man das Anſehen haben
will, die Manufacturen zu gruͤnden, fehlet es noch gar
ſehr an ſolchen Reglements. Nur in denen preußi-
ſchen Staaten, wo man die wahren Maaßregeln ſelten
außer Acht laͤßt, haben alle Arten von Manufacturen
die umſtaͤndlichſten und vortreflichſten Ordnungen, und
man muß dieſelben zu Rathe ziehen, wenn man der-
gleichen Reglements verfertigen will.


Da
[123]der Manufacturen und Fabriken.

Da es bey denen Manufacturen gar viel auf dieNöthige Re-
giements
über die
Schönheit
und Dauer-
haftigkeit
der Farben.

Schoͤnheit und Dauerhaftigkeit der Farben ankommt:
ſo muͤſſen noch beſondere Farbenreglements und Ord-
nungen publiciret werden. Jn denenſelben iſt vorzu-
ſchreiben, auf was vor Art und mit was vor Mate-
rialien gefaͤrbet werden ſoll, weil viele Materialien
zwar eine Farbe von guten Anfehn, aber von ſchlechter
Dauerhaftigkeit geben. Der vortrefliche Colbert hat
ſich hierinnen viel Muͤhe gegeben und Frankreich hat
auch nach ſeiner Zeit dieſe Sorgfalt nicht außer Acht
gelaßen. Es iſt beſtaͤndig einem oder zwey Mitglie-
dern der Akademie zu Paris von der Regierung aufge-
geben worden, in denen Farben Verſuche anzuſtellen,
um dasjenige, was ſie zu Verſchoͤnerung und groͤſſerer
Dauerhaftigkeit der Farben herausbringen, in denen
Reglements geſetzlich vorzuſchreiben, und dergleichen
Nutzen ſollten ſich die Manufacturen und Fabriken
von denen Wiſſenſchaften allemal verſprechen koͤnnen.
Dieſe Vorſorge der franzoͤſiſchen Regierung iſt auch
nicht ohne Nutzen geweſen. Die franzoͤſiſchen Manu-
facturen gehen an Schoͤnheit der Farben allen andern
vor; und dergleichen Sorgfalt iſt auch noͤthig, wenn
man wirkſame Maaßregeln zur Aufnahme der Manu-
facturen ergreifen will.


Alle dieſe Reglements und Ordnungen wuͤrden we-Von der Be-
ſchaffenheit
der Beſchau-
anſtalten,
damit die
Reglements
beobachtet
werden.

nig helfen, wenn die Regierung nicht davor ſorgte,
daß ſie genau befolget und ausgeuͤbet wuͤrden. Wenn
dieſes in der That geſchehen ſoll; ſo ſind ſtrenge Be-
ſchau-
[124]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
ſchauanſtalten noͤthig. Jn denenſelben muß genau
unterſuchet werden, ob die verfertigten Waaren die in
denen Reglements vorgeſchriebenen Beſchaffenheiten
haben oder nicht. Haben ſie große Fehler und Maͤn-
gel: ſo muͤſſen ſie gar nicht paßiret werden. Haben
ſie aber nur einen geringen Fehler: ſo muß wenigſtens
dieſer Fehler bemerket und dem Orte, wo er ſich befin-
det, gegen uͤber am Rande, ein Stempel aufgedruckt
werden, wiewohl auch dieſe letztern Waaren nicht zum
Commercio außerhalb Landes gebraucht, ſondern nur
im Lande ſelbſt conſumiret werden ſollten. Es hat kein
Land ſo vortrefliche Beſchauanſtalten als Engelland.
Ein jedes Stuͤck von Manufacturwaaren muß drey-
mal in Beſchau genommen werden. Die erſte Be-
ſchauung geſchiehet von denen Handwerksobermeiſtern;
und das Stuͤck, wenn es gut iſt, bekommt das Hand-
werksſiegel oder Zeichen. Sodann gehet es in die
Beſchauanſtalten der Stadt, die gemeiniglich aus einem
Rathsherrn, oder andern Bedienten des Raths und
aus einigen andern angeſehenen der Sache genugſam
kundigen Buͤrgern beſtehen; und das Stuͤck, nachdem
es gut befunden worden, bekommt hier das Zeichen
oder Stempel der Stadt. Endlich gehet die Arbeit
in die Koͤnigl. Beſchauanſtalt, die in jeder Grafſchaft
errichtet iſt, und hier wird es am allerſtrengſten ge-
nommen und der Koͤnigl. Stempel wird nicht ohne die
allergenaueſte Unterſuchung angehaͤngt. Allein eben
dieſer ſtrengen Beſchauanſtalten wegen haben die
engliſche Manufacturen vor allen andern in der Welt
in der Guͤthe den Vorzug erlanget; und die Auslaͤnder
koͤnnen
[125]der Manufacturen und Fabriken.
koͤnnen auf das allervollkommenſte verſichert ſeyn, daß
alle Waaren, die mit den Beſchauſiegeln verſehen ſind,
ſehr gut und tuͤchtig ſeyn werden. Jn der That, wenn
man ſich auf auswaͤrtigen Debit Rechnung machen
will, ſo ſind dieſe Beſchauanſtalten eine der nothwen-
digſten. Man hat zwar ſelten in einem Staate un-
terlaßen, ſo bald man auf die Einfuͤhrung der Manu-
facturen bedacht geweſen iſt, auch dieſe Beſchauanſtal-
ten anzuordnen. Allein ſie werden gemeiniglich ſo
nachlaͤßig und ſo obenhin ausgeuͤbet, daß es eben das
iſt, als waͤren ſie gar nicht vorhanden. Jch weiß
nicht, was man von denenjenigen ſagen ſoll, die ſolche
Beſchauanſtalten als eine Beſchwerde und Bedruͤckung
der Manufacturiers anſehen. Wenigſtens habe ich
dieſe Meinung in gedruckten Schriften geleſen, deren
Verfaſſer ſich mit keiner geringen Einſicht in das Beſte
des Staats und des Nahrungsſtandes geſchmeichelt
haben. Alle Antwort, die ſie verdienen, iſt, daß man
ihnen den Rath giebt, ſich mit denen guten Grund-
ſaͤtzen der Commercienwiſſenſchaft beſſer bekannt zu
machen.


Man hat in vielen Staaten auch Reglements undVon den Re-
gleinents
über den Ar-
beitslohn
der Manu-
facturarbei-
ter.

Ordnungen uͤber den Lohn der Arbeiter; wie man denn
vor ohngefaͤhr 8 Jahren in Wien eine Ordnung pu-
blicirte, worinnen das Arbeitslohn beſtimmt war, das
ein jeder Seidenmanufacturier ſeinen Geſellen vor eine
Elle Seidenzeug von allen und jeden Arten zu entrich-
ten haͤtte. Allein, wenn dergleichen Ordnungen ihren
Nutzen
[126]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
Nutzen haben ſollen; ſo muͤſſen ſie faſt auf eine jede
Provinz verſchiedentlich eingerichtet werden, weil der
Preiß der Lebensmittel faſt in allen Provinzen ſehr ver-
ſchieden iſt; und wenn darauf nicht geſehen wird; ſo
koͤnnen dergleichen Ordnungen keine Billigkeit haben.
Sie erfordern auch eine oͤftere Abaͤnderung, wenn
Veraͤnderungen in dem Muͤnzweſen vorgehen, oder
der Preiß der Lebensmittel auf beſtaͤndig merklich ge-
ſtiegen, oder gefallen iſt. Wenn dergleichen Veraͤn-
derungen nicht geſchehen; ſo bekommen entweder der-
gleichen Ordnungen ihren Platz unter den alten außer
Gebrauch gekommenen Geſetzen, oder es wird nur da-
durch Unheil und Nachtheil verurſachet, wenn derje-
nige Theil, welcher ſeinen Vortheil bey dieſen Ordnun-
gen findet, ſich hartnaͤckig darauf ſteifet. Ueberhaupt
wird der Nutzen nicht ſehr groß ſeyn, der aus ſolchen
Ordnungen erwaͤchſet.


Beſtändige
Bemühun-
gen, die Ma-
nufacturen
zu erweitern
und zu ver-
beſſern, wel-
ches auf die
Einſicht der
Gebrechen
ankommt.

Nachdem die Manufacturen und Fabriken nur in
etwas im Gange ſind; ſo muß das Manufacturcolle-
gium unaufhoͤrlich auf deren Erweiterung und Verbeſ-
ſerung bedacht ſeyn. Die Erweiterung geſchiehet, wenn
man nicht allein die angelegten Werke nach der Maaße,
wie ſie einen guten Fortgang haben und Gewinnſt ab-
werfen, mit Gebaͤuden, Werkſtaͤden und Arbeitern ver-
mehret, oder immer mehr Meiſter und Manufacturiers
in das Land ziehet, ſondern auch wenn man ganz neue
Manufacturen und Fabriken anrichtet, welches nach der
im Eingange dieſes Hauptſtuͤckes feſtgeſetzten Grund-
regel
[127]der Manufacturen und Fabriken.
regel geſchehen muß, naͤmlich, daß diejenigen immer zu-
erſt angeleget werden muͤſſen, wodurch das meiſte Geld
außer Landes gehet und wodurch die meiſten Menſchen
ernaͤhret werden koͤnnen. Die Verbeſſerung aber ſo-
wohl als die Erweiterung erfordert eine unaufhoͤrliche
Unterſuchung von dem Zuſtande der Manufacturen
und Fabriken. Zu dem Ende muß das Manufactur-
collegium laͤngſtens alle Vierteljahre von dem Zuſtande
dieſer Nahrungsgeſchaͤfte die allergenaueſten Berichte
und Tabellen erfordern, aus welchen die Zahl der Werk-
ſtaͤde, und Meiſter, der Haupt- und Nebenarbeiter, der
Geraͤthſchaften, der Materialien, ſo ſie verarbeiten, des
Preißes derſelben und woher ſie erlanget werden, der
Waaren, ſo verfertiget werden, ihres Preißes und Ab-
ſatzes deutlich und umſtaͤndlich zu erſehen ſind. Wenn
nun zugleich die Proben von allen Arten von Arbeiten
mit eingeſendet werden; ſo kann es dem Manufactur-
collegio nicht ſchwehr fallen, die Maͤngel und Gebrechen,
die etwann dabey noch vorwalten einzuſehen und auf
deren Verbeſſerung den Bedacht zu nehmen.


Wenn ſich in dem Manufacturcollegio Leute befin-Alle Fehler
und Mangel
bey den Ma-
nufacturen
müſſen geho-
ben werden.

den, welche der Sache genugſam gewachſen ſind; ſo
muß das Collegium auch allemal die Urſache einſehen
koͤnnen, warum es etwann mit dieſer oder jener Manu-
factur und Fabrike nicht recht fortwill. Sehen ſie
aber die Urſachen ein; ſo muͤſſen auch allemal Mittel
ausfindig gemacht werden koͤnnen, um die Gebrechen
und Hinterniſſe zu heben. Man muß dieſes behaupten,
die
[128]III. Abſch. von Anlegung und Gruͤndung
die Fehler moͤgen auch beſtehen worinnen ſie wollen;
und ich getraue mir allemal zu erweiſen, daß die immer-
fortdaurenden Maͤngel und Gebrechen bloß dem Man-
gel der Einſicht oder der Nachlaͤßigkeit dererjenigen
zuzuſchreiben ſind, welche die Direction und Aufſicht
uͤber die Manufacturen und Fabriken haben. Wenn
es ſo gar an der noͤthigen Kunſt und Geſchicklichkeit
in dieſer oder jener beſonderer Arbeit der Manufactur
fehlete; ſo iſt auch hier Rath zu verſchaffen; und es
iſt allemal beſſer, diejenigen, welche die Sache verſte-
hen ſollten, geſtehen den Mangel ihrer Wiſſenſchaft
in dieſem oder jenem Stuͤcke, weil ein Menſch nicht in
allen vollkommen ſeyn kann, als daß ſie ihre Unwiſſen-
heit und dieſen Mangel der Fabrike zu verbergen ſu-
chen. Man kann vor Geld alles moͤglich machen;
und wenn man auch wegen eines ſolchen Mangels nicht
beſondere Leute, deren Wiſſenſchaft demſelben abhelfen
kann, aus andern Landen kommen laßen will; ſo
kann man die ermangelnde Kunſt vor ein weniges Geld
erkaufen. Bey der oͤſterreichiſchen Cattunfabrike auf
der Schwechat, als ſie ſchon ſehr in Flohr war, erman-
gelten noch vier Farben, welche der Directeur der
Cattundruckerey und die Druckermeiſter nicht dauer-
haftig zu machen wuſten. Es waren dieſes keine
Hauptfarben, ſondern nur zuſammengeſetzte Farben.
Dennoch ſahe man es als einen Mangel an, dem man
abhelfen muͤſte. Man ſchrieb nach Holland und ließ
einem daſigen Druckermeiſter in einer Cattunfabrik
unter der Hand 50 Ducaten vor jede Farbe biethen.
Dieſer communicirte ſie, die Farben wurden probiret
und
[129]der Manufacturen und Fabriken.
und gut und dauerhaftig befunden. Man bezahlete
das Geld und der Mangel war gehoben. Auf dieſe
und aͤhnliche Art koͤnnen gewiß alle andere Maͤngel und
Gebrechen verbeßert werden, wenn man nur Einſicht
und Aufmerkſamkeit hat.


Zweytes Hauptſtuͤck des dritten Abſchnittes,
Von denen
Befoͤrderungsmitteln der Manufacturen
und Fabriken.


Wir kommen nunmehro auf das zweyte Hauptau-Nothwen-
digkeit der
Beförde-
rungsmittel.

genmerk bey Anlegung und Gruͤndung der
Manufacturen und Fabriken naͤmlich auf die Befoͤr-
derungsmittel derſelben; und in der That iſt dieſes ſo
weſentlich nothwendig, als das erſte. Die beſten und
kluͤgſten Maaßregeln und Anſtalten zu Anlegung und
Gruͤndung der Manufacturen und Fabriken wuͤrden
ganz vergeblich ſeyn, und die angelegten Werke wuͤr-
den gar bald wieder ihren Untergang finden; wenn
man nicht durch dienliche Mittel und Maaßregeln die
neuen Manufacturen zu befoͤrdern und dauerhaftig und
bluͤhend zu machen wuͤſte.


Der gute Zuſammenhang und die vollkommeneDer gute
Zuſammen-
hang mit den
übrigen Ein-
richtungen
des Staats
ſind Beför-
derungsmit-
tel.

Uebereinſtimmung der Manufacturen und Fabriken
mit allen andern Beſchaffenheiten und Einrichtungen
des Staats, wovon wir im zweyten Abſchnitte gehan-
delt haben, iſt eines der groͤßten und wirkſamſten Be-
foͤrderungsmittel dieſer Nahrungsgeſchaͤfte. Wir
Jhaben
[130]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
haben daſelbſt genugſam gezeiget, wie groß der gegen-
ſeitige oder gleichmaͤßige Einfluß der Wißenſchaften,
der Landwirthſchaft, der Commercien, der Policey und
vieler andern Einrichtungen des Staats in die Manu-
facturen und Fabriken iſt; und daß man ſich ohne dem-
ſelben ſchwehrlich einen guten Fortgang in denenſelben
verſprechen kann. Dieſer wirkſame Einfluß iſt dem-
nach allerdings eines der wichtigſten Befoͤrderungsmit-
tel. Allein außer dieſem guten Zuſammenhange giebt
es noch andere Befoͤrderungsmittel, die wir hier vor-
ſtellig machen wollen.


Außerdem
wird erfor-
dert Achtung
vor die Ma-
nufacturiers
und Fabri-
kanten.

Unter dieſe Befoͤrderungsmittel muß man zufoͤr-
derſt die Achtung rechnen, die man denen Manu-
facturiers und Fabrikanten im Staate billigerweiſe an-
gedeihen laßen muß. Die Manufacturen und Fabri-
ken, wenn ſie die Wohlfarth des Staats befoͤrdern
ſollen, muͤſſen in Menge getrieben werden; und man
bilde ſich nur nicht ein, daß viele Leute ſich auf dieſe
Nahrungsgeſchaͤfte legen werden, wenn ſie nicht in
Hochachtung ſtehen. Die Wahrſcheinlichkeit Reich-
thum zu erwerben, iſt es nicht allein, was eine Nah-
rungsart beliebt macht; die Menſchen wollen auch die
Vergnuͤgung ihrer Ehrbegierde dabey finden; und
wenn die Eltern eine in wenig Hochachtung ſtehende
Lebensart nicht verlaßen, ſo bald ſie etwas Vermoͤgen
dabey erworben haben; ſo ſind doch allemal die Kin-
der wenig geneigt dieſelbe fortzuſetzen, ſo daß oͤfters
die beſten Werke der Eltern nach ihren Tode ihre End-
ſchaft
[131]der Manufacturen und Fabriken.
ſchaft erlangen. Man ſiehet endlich in Teutſchland
und noch mehr in den daͤniſchen Staaten das elende
Vorurtheil, daß die Commercien und Manufacturen
geringſchaͤtzige und dem Adel nachtheilige Nahrungs-
geſchaͤfte ſind, immermehr verſchwinden. Die ange-
ſehenſten Leute ſowohl ihrer Geburth als Wuͤrden nach,
halten es in dieſen letztern Landen ſich nicht vor nach-
theilig ſich bey denen Manufacturen und Fabriken ein-
zulaßen; und ich koͤnnte unter andern einen Herrn von
hohen Stande, und ſehr alten Geſchlechte nennen, der
mit eben ſo viel Ruhm ſeiner vornehmen Bedienung
vorſtehet, als er mit verwundernswuͤrdiger Einſicht und
Ordnung und dem gluͤcklichſten Erfolge Manufacturen
und Fabriken anleget. Jn der That, wenn auch die
Lebens- und Nahrungsarten nach der Maaße Achtung
verdienen, als ſie den Nutzen des Staats befoͤrdern;
und ich kenne keinen andern Grund der Achtung; ſo
muß man aus dem erſten Abſchnitte uͤberzeuget ſeyn,
daß die Manufacturiers und Fabrikanten unter denen
verſchiedenen Staͤnden und Lebensarten einen vorzuͤg-
lichen Grad der Achtung verdienen.


Es iſt ſehr gewiß, daß es nur auf den RegentenDer Regent
hat vielerley
Mittel ’eine
Nahrungs-
art in Ach-
tung zu ſe-
tzen.

ankommt, eine gewiße Lebensart in Achtung und folg-
lich in Flohr zu ſetzen: denn das letztere iſt eine natuͤr-
liche Folge aus dem erſten. Er hat hierzu tauſender-
ley Mittel in Haͤnden, die er niemals vergeblich anwen-
det, wenn er ſie mit Klugheit gebrauchet. Als der mit
vielen großen Eigenſchaften begabte Koͤnig Friedrich
J 2Wil-
[132]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
Wilhelm von Preußen zur Regierung kam; ſo war die
Landwirthſchaft in ſeinen Staaten in ſchlechtem Zu-
ſtande. Es wollten ſich nicht einmal Pachter zu denen
Cammerguͤthern finden. Allein das gnaͤdige Auge,
womit dieſer kluge Koͤnig einen fleißigen und geſchick-
ten Landwirth anſah, die Charactere von Amtmaͤnnern
und Oberamtmaͤnnern, womit er ſo gar auch einen
vernuͤnftigen Bauer begnadigte, wenn er eine Domaine
pachtete und in der Landwirthſchaftskunſt etwas vor-
zuͤgliches leiſtete, brachte die Landoeconomie gar bald
in Flohr. Die Folge davon war, daß ſich bey ieder
Licitation der Cammerguͤther eine große Menge Pach-
ter fanden, welche den Pacht nach und nach dergeſtalt
ſteigerten, daß die meiſten Cammerguͤther noch zwey-
mal ſo viel Einkuͤnfte brachten, als ſie bey Anfang ſei-
ner Regierung eingetragen hatten. Jn der That hat
ein Regent bloß an denen zu ertheilenden Characteren
eine unerſchoͤpfliche Quelle ſeine Unterthanen zu allen
denenjenigen Gewerben und Nahrungsgeſchaͤften auf-
zumuntern, die dem Lande nuͤtzlich ſind, wenn er naͤm-
lich dieſe Charactere mit Weisheit austheilet. Dieſe
Weisheit kommt faſt lediglich darauf an, daß ſie nie-
mals bloß vor Geld erkaufet werden koͤnnen, ſondern
daß derjenige, welcher damit bekleidet werden ſoll, in
ſeiner Lebensart und Gewerbe etwas beſonderes dem
Lande nuͤtzliches geleiſtet haben muß. Wenn man ſich
zur feſten und unverbruͤchlichen Regel ſetzet, daß kein
Beſitzer eines Landguthes einen Character erhalten kann,
der nicht neue, nuͤtzliche oder wenigſtens im Lande noch
nicht eingefuͤhrte Erfindungen und Beartungsarten in der
Land
[133]der Manufacturen und Fabriken.
Landwirthſchaft gemacht und betrieben, oder unfrucht-
bare Heiden und Moraͤſte angebauet und nutzbar ge-
macht hat, daß kein Kaufmann characteriſiret werden
ſoll, der nicht eine neue, dem Lande nuͤtzliche Handlung
und Gewerbe zu Stande gebracht hat, kurz, daß nie-
mand anders einen Titel und Rang erlangen kann, der
nicht beſondere und ungezweifelte Verdienſte vor ſich
hat, wie bald wuͤrde man nicht die Landwirthſchaft und
die Commercien bluͤhen und die wuͤſten Gegenden des
Landes cultiviret ſehen. Dieſes Mittel wuͤrde inſon-
derheit in Daͤnemark von großer Wirkung ſeyn, wo
die Beſitzer der Landguͤther entweder von Adel oder mit
einem Character verſehen ſeyn muͤßen, wenn ſie gewiſſe
anſehnliche Privilegia und Freyheiten genießen wollen.
Zugleich wuͤrde die Geringſchaͤtzigkeit der Charactere
vermieden werden, die allemal gewiß erfolget, wo die-
ſelben bloß vor Geld ertheilet werden. Die Ausloͤ-
ſungsgebuͤhren vor die Decrete wuͤrden demohngeach-
tet dabey ſtatt finden koͤnnen. Man ſiehet leicht, daß
die Charactere eben ſo wirkſam bey denen Manufactu-
ren und Fabriken ſeyn werden, wenn man diejenigen
damit bekleidet, die eine neue Art der Manufacturen
und Fabriken oder ſonſt ein wichtiges Werk in dieſen
Nahrungsgeſchaͤften angeleget und in Flohr gebracht
haben. Es waͤre aber zu wuͤnſchen, daß man mit Er-
theilung ſolcher Charactere nicht eben ſehr eilete. Man
ertheilet oͤfters denen Anlegern neuer Manufacturen
und Fabriken dasjenige viel zu fruͤhzeitig, was die
Belohnung eines dauerhaftigen, bluͤhenden und nicht
mehr zweifelhaftigen Werkes ſeyn ſolte. Wir haben
J 3ſchon
[134]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
ſchon oben davon geredet, daß dieſe fruͤhzeitigen Titel
mehr die Eitelkeit und Verſchwendung und folglich
den Untergang des Fabrikanten nach ſich ziehen, als
daß ſie das angelegte Werk befoͤrdern ſollten.


Auch die ge-
meinen Ma-
nufacturar-
beiter müßen
gewißer-
maaßen in
Achtung ſte-
hen.

Die Achtung vor die Manufacturiers und Fabri-
kanten muß ſich nicht allein auf die Anleger ſolcher
Werke ſondern auch auf die gemeinen Arbeiter erſtre-
cken Sie muͤſſen von der Werbung und Soldaten-
dienſten befreyet ſeyn. Man kann ihnen in Degen
tragen, wenn es einmal im Lande andern Kuͤnſten und
Gewerben geſtattet wird, in Kopfſteuern und andern
kleinen Abgaben verſchiedene Vorzuͤge zugeſtehen; und
was wuͤrde es nicht vor eine Aufmunterung zu dieſen
Nahrungsgeſchaͤften ſeyn, wenn man verordnete, daß
in Landen, wo die Leibeigenſchaft ſtatt findet, derjenige,
ſo gewiße Jahre bey denen Manufacturen und Fabri-
ken gearbeitet hat, von dieſem Joche frey ſeyn ſollte.
Der Landesherr koͤnnte dem Herrn des Leibeigenen da-
vor eine Verguͤtung zugeſtehen, wenn er ſich aus Guͤ-
tigkeit ſeiner landesherrlichen Befugniß und hoͤchſten
Gewalt nicht gebrauchen wollte, die man ihm in allen
Dingen, die zum allgemeinen Beſten des Staats gerei-
chen, nicht abſprechen kann. Wenn aber auch dieſes
nicht geſchaͤhe, ſo wuͤrden die Herren der Leibeigenen
dabey nichts einbuͤßen. Eben dieſe Leibeigenſchaft und
der Mangel der Nahrung veranlaßet in ſolchen Laͤn-
dern, daß jaͤhrlich eine große Menge Leibeigenen aus
dem Lande gehen, um in andern Staaten ihren Un-
terhalt und ein beßeres Schickſahl zu finden, ohne daß
es
[135]der Manufacturen und Fabriken.
es ihre Herren zu verhuͤten im Stande ſind. Dieſe Leib-
eigenen gehen auf dieſe Art nicht allein vor ſie, ſondern
auch vor das Land verlohren; dahingegen ſie bey mei-
nem Vorſchlage wenigſtens vor das Land beybehalten
werden wuͤrden.


Naͤchſt der Achtung vor die Manufacturiers undEin anderes
Beförde-
rungsmittel
iſt die Anrei-
zung zu neu-
en Erfindun-
gen.

Fabrikanten iſt die Anreizung zu neuen Erfindungen in
Manufactur und Fabrikenſachen ein nicht außer Augen
zu ſetzendes Befoͤrderungsmittel. Es ſind vielleicht bey
keiner Sache ſo viel neue Erfindungen, moͤglich, als bey
denen Manufacturen und Fabriken. Die Fabriken ſind ſo
unerſchoͤpflich an neuen Erfindungen, als es ihre Quelle,
die Chymie, ſelbſt iſt; und bey denen Manufacturen
koͤnnen tauſend Veraͤnderungen, tauſend neue Deßeins
und tauſend neue Bearbeitungsarten ausfindig gemacht
werden. Wir haben ſchon oben erinnert, wie nuͤtzlich
die neuen Erfindungen bey dieſen Nahrungsgeſchaͤften
ſind und daß ſich vermoͤge derſelben auch vor die ſpaͤt an-
fangenden Nationen der auswaͤrtige Debit erreichen laͤßt.
Ja man kann ſagen, der Erfindungsgeiſt iſt die Seele der
Manufacturen und Fabriken; und eine ſinnreiche Nation
wird es allemal darinnen am weiteſten bringen. Dieſe Er-
findungen koͤnnen entweder ganz neu ſeyn, oder ſie koͤnnen
es nur vor dieſe beſondere Nation ſeyn. So iſt z. E.
die Raff inirung des Borax an ſich ſelbſt keine neue
Erfindung; ſie wird es aber außer Venedig und Hol-
land vor eine jede andere Nation ſeyn. Beyde Arten
der Erfindungen ſind gleich nuͤtzlich, und zu beyden
muͤſſen die Unterthanen angereizet werden. Dieſe An-
J 4reizun-
[136]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
reizung geſchiehet auf keine kraͤftigere Art als durch Be-
lohnungen. Es waͤre zu wuͤnſchen, daß hier alle Staa-
ten, welche die Einfuͤhrung der Manufacturen und Fa-
briken zum Augenmerk haben, das Beyſpiel des Eng-
liſchen Parlaments nachahmen moͤchten, welches alle
neue nuͤtzliche Erfindungen großmuͤthig belohnet, in-
dem es denen Erfindern oͤfters wichtige Geldſummen
auszahlet, mit der Bedingung, daß ein jeder ſeine Er-
findung bekannt machen muß, oder wenn es dem Er-
finder ein Privilegium excluſivum ertheilet; ſo geſchie-
het es doch allemal mit der Bedingung, daß er allen
denenjenigen ſeine Erfindung mittheilen ſoll, die ihm
eine gewiſſe Summe Geldes davor zahlen, als wodurch
zugleich die Schaͤdlichkeit der Monopolien verhuͤtet
wird. Es iſt wahr nicht alle Regierungen koͤnnen ſo
viel Geld auf Belohnungen verwenden, als das engli-
ſche Parlament zu thun im Stande iſt. Allein ſie
werden allemal ihre Wirkungen haben, wenn ſie auch
in viel geringerer Maaße ausgetheilet werden. Be-
ſonders iſt es noͤthig, daß man auf ſolche Erfindungen
gewiſſe anſehnliche Praͤmien ſetzet, an welchen zur Auf-
nahme der Manufacturen und Fabriken und des Nah-
rungsſtandes am meiſten gelegen iſt. Patriotiſche Pri-
vatperſonen wuͤrden dieſe Abſicht der Regierung ſehr
befoͤrdern koͤnnen, wenn ſie nach dem Beyſpiel der An-
tigallicaniſchen Societaͤt in Engelland die Manufactu-
riers und Fabrikanten auf alle Art aufmuntern und auf
dieſe oder jene Erfindungen, oder im Lande noch nicht
eingefuͤhrte Arbeiten, kleine Praͤmien ausſetzen wollten.
Die vereinigte Bemuͤhung einer ſolchen Geſellſchaft
wuͤr-
[137]der Manufacturen und Fabriken.
wuͤrde bey einer wohl uͤberlegten Einrichtung von einem
jeden Mitgliede nur einen maͤßigen jaͤhrlichen Beytrag
erfordern, der bemittelten Leuten wenig zur Laſt fallen
koͤnnte; und es wuͤrde in der That allen andern Na-
tionen zur Schande gereichen, wenn allein die Engel-
laͤnder einer ſolchen edlen Liebe vor das Vaterland und
ſolcher großmuͤthigen Empfindungen faͤhig waͤren.
Der Regent, welcher der Brunquell aller Gnaden iſt,
hat tauſenderley Mittel in Haͤnden, den lobenswuͤrdi-
gen Eifer ſolcher Patrioten zu belohnen, ohne daß ſol-
ches zum Nachtheil ſeiner Finanzen geſchehen darf. Er
darf ſich nur zur Regel ſetzen, daß er dieſe patriotiſchen
Bemuͤhungen unter die wahren Verdienſte rechnen
will; ſo wird er, wenn ſeine Regierung mit Weis-
heit gefuͤhret wird, dieſen nuͤtzlichen Eifer nicht unbe-
lohnet laßen.


Wir kommen nunmehr auf das große Befoͤrde-Das große
Beförde-
rungsmittel
iſt der Debit
der Manufa-
ctur und Fa-
brikenwaa-
ren.

rungsmittel der Manufacturen und Fabriken, welches
das allerwichtigſte und gleichſam der Jnbegriff vieler
andern Befoͤrderungsmittel iſt. Dieſes iſt der Debit
oder Abſatz der Manufactur- und Fabrikenwaaren.
Es iſt gewiß, daß der gute Fortgang der Manufactu-
ren hauptſaͤchlich und faſt allein darauf ankommt; ſo
daß bey Anlegung aller Fabrikaturen die erſte Ueberle-
gung ſeyn muß, ob man ſich auch genugſamen Abſatz
der zu verfertigenden Waaren zu verſprechen hat; und
es wuͤrde eine unverzeihliche Thorheit ſeyn, wenn man
große und koſtbare Anſtalten zu Verfertigung ſolcher
Waaren machen wollte, die wenig gebrauchet werden,
J 5oder
[138]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
oder die bald außer der Mode kommen koͤnnen, oder
die in andern Landen ſo wohlfeil und gut gemacht wer-
den, daß| unſere dargegen wahrſcheinlicher Weiſe nie-
mals geſuchet werden duͤrften. Eine Waare mag noch
ſo ſchoͤn und gut ſeyn und die Anſtalten zu deren Fa-
brikatur moͤgen noch ſo wohl und weißlich eingerichtet
ſeyn, ſo iſt das alles vergeblich, und die Fabrike wird
gar bald zu Grunde gehen muͤſſen, wenn der Debit der-
ſelben ermangelt. Eine Waare, die keinen Abſatz hat,
iſt auch alles Werthes beraubt; und die Koſten, die
daran verwendet werden, ſind ſo gut als weggeworfen.
Die Hofnung eines kuͤnftigen, aber entfernten Abſatzes
kann bey Anlegung der Fabriken nicht einmal zurei-
chend ſeyn. Das groͤßte Vermoͤgen wuͤrde erſchoͤpfet
werden, wenn man beſtaͤndig aufwenden und nichts
dargegen einnehmen ſollte. So gewiß iſt es demnach,
daß der Abſatz das große Augenmerk und das haupt-
ſaͤchlichſte Befoͤrderungsmittel aller Manufacturen und
Fabriken iſt. Es iſt mithin noͤthig, daß wir dieſes
große Befoͤrderungsmittel mit dem ganzen Zuſam-
menhang von Huͤlfsmitteln, die es unter ſich begreift,
ausfuͤhrlich abhandeln. Zu dem Ende wollen wir zu-
foͤrderſt die Mittel und Maaßregeln erwaͤgen, wodurch
uͤberhaupt der Debit der Manufactur- und Fabriken-
waaren befoͤrdert wird: und gleichwie der Debit in
den inlaͤndiſchen und auswaͤrtigen einzutheilen iſt; ſo
wollen wir ſodann die Mittel vorſtellig machen, wo-
durch eine jede Art inſonderheit erreichet wird.


Wenn
[139]der Manufacturen und Fabriken.

Wenn der Debit uͤberhaupt befoͤrdert werden ſoll;Zu dem De-
bit über-
haupt wer-
den dreyer-
ley Eigen-
ſchaften der
Waaren er-
fordert;
1) die Güte
und Tüch-
tigkeit der-
ſelben.

ſo muͤſſen die Waaren dreyerley Eigenſchaften haben;
ſie muͤſſen gut oder tuͤchtig, ſchoͤn und wohlfeil ſeyn.
Wir haben von der Guͤte und Tuͤchtigkeit der Waaren
ſchon in dem vorhergehenden Hauptſtuͤcke gehandelt
und zu dem Ende vor noͤthig befunden, daß uͤber die
Beſchaffenheit derſelben Reglements und Vorſchriften
gegeben und ſtrenge Beſchauanſtalten angeordnet wer-
den. Jn dieſen Reglements muß man die groͤßte
Guͤte und Tuͤchtigkeit der Waaren zum Augenmerk
haben; und wenn es Voͤlker giebt, welche dieſe oder
jene Waare in einer groͤſſern Guͤte und Tuͤchtigkeit ver-
fertigen, als wir, ſo muß die Regierung alle nur
moͤgliche Maaßregeln ergreifen, um eben dieſe Guͤte
und Tuͤchtigkeit bey den Landeswaaren einzufuͤhren.
Es wird ihr gewiß niemals fehlſchlagen, wenn ſie die
Sache mit Ernſt und Klugheit angreift. Jn ſolchen
Dingen, als die Zubereitung der Waaren iſt, finden
niemals undurchdringliche Geheimniſſe ſtatt. Wir
muͤſſen jedoch hier eine Einſchraͤnkung hinzufuͤgen,
naͤmlich die Waaren muͤſſen nie von einerley Guͤte und
Tuͤchtigkeit ſeyn. Der Geſchmack und die Abſicht der
Kaͤufer iſt allemal verſchieden und hiernach muß man
ſich bey Verfertigung der Waaren richten. Dieſes
findet ſowohl bey inlaͤndiſchen als auslaͤndiſchen Kaͤu-
fern ſtatt; und in Anſehung der Auslaͤnder muß man
ſich inſonderheit nach dem Geſchmack dererjenigen Na-
tionen richten, mit welchen wir den meiſten Handel in
dieſer oder jener Art Waaren haben. Der Wille des
Kaͤufers hat hier allemal den Vorzug; und der Ver-
kaͤufer
[140]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
kaͤufer mag ſich noch ſo ſehr uͤber den ſchlechten Ge-
ſchmack des Kaͤufers aufhalten; ſo laͤßt ihm der Kaͤu-
fer mit allen ſeinen ſchoͤnen Geſchmack, mit aller ſeiner
Klugheit und mit ſamt ſeinen Waaren ſitzen. Es hat
ſich oͤfters eine Nation dergeſtalt an eine gewiſſe Be-
ſchaffenheit der Waaren gewoͤhnet, daß man ihr ver-
geblich beſſere Waaren zufuͤhret; ſie verlanget dieſes
Beſſere nicht. Niemand wird ſich einfallen laßen zu
laͤugnen, daß die engliſchen Tuͤcher nicht viel beſſer und
tuͤchtiger ſeyn ſollten, als die Hollaͤndiſchen. Dennoch
haben die Hollaͤnder allemal einen großen Vorzug in
dem Tuchhandel nach Rußland gehabt, weil ſich ein-
mal ganz Rußland an die leichtern hollaͤndiſchen Tuͤ-
cher gewoͤhnet hat. So wie die Hollaͤnder nicht wohl
gethan haben wuͤrden, wenn ſie Tuͤcher von eben der
Guͤte und Tuͤchtigkeit, als die Engliſchen haͤtten nach
Rußland bringen wollen; ſo haben die Engellaͤnder
nicht allen ihren Vortheil beobachtet, daß ſie ſich nicht
nach dem Geſchmack der Rußen bequemet und eine
leichtere Art Tuͤcher vor ſie verfertiget haben. Hier-
aus folget, daß allemal Waaren von verſchiedener
Guͤte und Richtigkeit verfertiget werden muͤſſen, und
dieſes muß ſchon in denen Reglements beſtimmet wer-
den. Niemals aber muß die verſchiedene Guͤte auf
die begangenen Fehler und Nachlaͤßigkeiten der Arbei-
ter ankommen. Auch bey dieſer verſchiedenen Guͤte
muß eine jede Waare in ihrer Art vollkommen, naͤm-
lich denen Reglements gemaͤß gearbeitet ſeyn.


Die
[141]der Manufacturen und Fabriken.

Die Schoͤnheit der Waaren begreifet zwar in phi-2) Die
Schönheit
der Waaren.

loſophiſchen und weitlaͤuftigen Verſtande auch die Guͤte
und Tuͤchtigkeit derſelben in ſich. Allein hier verſtehen
wir unter der Schoͤnheit nur das aͤußerliche, was das
Auge reizet. Dieſes, welches allemal den Kaͤufern
gefaͤllt, ihr Geſchmack und Abſicht mag auch noch ſo
verſchieden ſeyn, muß man allen Arten von Waaren
zu geben ſuchen, ſie moͤgen auch der Guͤte nach beſchaf-
fen ſeyn, wie ſie wollen. Man findet oͤfters, daß Waa-
ren ſehr geſucht werden, die von innrer Guͤte ſehr
ſchlecht ſind, die aber durch ihr aͤußerliches Anſehen
das Auge vergnuͤgen. Dieſe aͤußerliche Schoͤnheit
kommt gemeiniglich auf die Beſchaffenheit der Farben,
auf den Glanz und auf die Deſſeins an; und vielleicht
iſt es hauptſaͤchlich dasjenige, was den franzoͤſiſchen
Waaren zeither einen ſo großen Abſatz verſchaffet hat.
Man muß dannenhero bey Anlegung der Manufactu-
ren und Fabriken beſtaͤndig bedacht ſeyn, denen Waa-
ren alle moͤgliche aͤußerliche Schoͤnheiten zu geben.
Allein je mehr neue Manufacturen und Fabriken dieſes
Augenmerk noͤthig haben, wenn ſie vor denen andern
bereits in Flohr ſtehenden Werken aufkommen wollen;
ſo habe ich doch bemerket, daß es gar oͤfters daran er-
mangelt. Waaren, die an ſich ſelbſt nicht von gerin-
ger Guͤte geweſen ſind, haben durch ihr aͤußerliches
Anſehen ein viel ſchlechteres Urtheil von ſich veran-
laßet, als ſie in der That verdienet haben.


Die
[142]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
3) Der wohl-
feile Preiß
der Waaren.

Die dritte Eigenſchaft der Waaren, wodurch der
Debit uͤberhaupt befoͤrdert wird, iſt, daß ſie wohlfeil
ſeyn muͤſſen; und dieſe Urſache des Abſatzes iſt ſo wich-
tig, daß faſt alles darauf ankommt, indem ſo gar oͤf-
ters Waaren großen Abgang haben, bloß weil ſie wohl-
feil ſind, ob gleich an ihrer Guͤte, Tuͤchtigkeit und Schoͤn-
heit vieles auszuſetzen iſt. Jn der That iſt der wohl-
feile Preiß das allerwirkſamſte Mittel, den Debit an
ſich zu ziehen. Der Kaufmann, der bloß durch ſeinen
groͤſſern Vortheil geleitet wird, wenn ihm durch das
Verboth der Einfuhre nicht die Haͤnde gebunden ſind,
wird ſo fort mit uns handeln, wenn er eben ſo gute
und tuͤchtige Waaren von uns empfaͤngt, davon ihm
an Ort und Stelle das Stuͤck nur um ein weniges
wohlfeiler zu ſtehen kommt, als er dieſe Waaren zeither
einzukaufen gewohnt geweſen iſt; und wenn der Un-
terſchied des Preißes ſehr betraͤchtlich iſt; ſo wird er
dennoch unſere Waaren ſuchen, ob er gleich einige
Maͤngel in Anſehung ihrer Guͤte und Schoͤnheit be-
merket. Er wird ſich allemal darauf verlaßen, daß
ſeine Abkaͤufer nicht gleiche Einſicht und Abſicht haben
werden. Der wohlfeile Preiß der Waaren muß dem-
nach eines der allerwichtigſten Augenmerke bey neu an-
zulegenden Manufacturen und Fabriken ſeyn, wohin
alle Anſtalten, als auf ihren Mittelpunct gerichtet ſeyn
muͤſſen. Es giebt verſchiedene Urſachen, welche zu
dem wohlfeilen Preiße der Waaren das ihrige beytra-
gen, davon wir demnach die wichtigſten hier vorſtellig
machen muͤſſen.


Jch
[143]der Manufacturen und Fabriken.

Jch habe ſchon in dem zweyten Abſchnitte gezeiget,Der wohl-
feile Preiß
der Waaren
wird beför-
dert,
a) Durch
wohlfeile Le-
bensmittel.

wie viel der wohlfeile Preiß der Lebensmittel zu dem
wohlfeilen Preiße der Waaren beytraͤgt, und daß die-
jenigen Prinzen ihren wahren Vortheil ſehr ſchlecht
verſtehen, welche die ſtaͤrkſten Abgaben auf die Con-
ſumtion der nothwendigſten Lebensmittel legen. So
anſehnlich und gewiß dadurch ihre Einkuͤnfte werden;
ſo ſehr verhindern ſie dadurch das Aufkommen der
Manufacturen und Fabriken und mithin einen aus-
waͤrtigen vortheilhaftigen Handel, welcher doch die
Quelle von dem Reichthum ihrer Staaten und ihrer
eignen Macht iſt. Jndem aber das Aufkommen der
Manufacturen und Fabriken verhindert wird; ſo wird
zugleich durch die gegenſeitige natuͤrliche Wirkung das
Geld vor ſo viele Waaren zur Nothdurft und Bequem-
lichkeit des menſchlichen Lebens außer Landes getrieben;
und da dieſes nach und nach die aͤußerſte Armuth des
Landes nach ſich ziehen muß; ſo muß endlich ein Zeit-
punct kommen, in welchem die Quelle der anſehnlichen
und gewiſſen Abgaben auf die nothwendigſten Con-
ſumptibilien, welche ſo viel Reizungen vor die Came-
raliſten haben, faſt gaͤnzlich verdrocknen wird, weil ſich
die Unterthanen wegen Armuth außer Stande be-
finden, ſolche zu entrichten. Jch habe auch in eben die-
ſem Abſchnitte gezeiget, wie viel die Flohr der Land-
wirthſchaft zu dem gluͤcklichen Fortgange der Manu-
facturen und Fabriken beytraͤgt; denn je mehr die
Landwirthſchaft bluͤhet, je wohlfeiler werden allemal
auch die Lebensmittel ſeyn; und deſto weniger Theu-
rung wird man zu befuͤrchten haben, die allemal gleich-
ſam
[144]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
ſam eine Peſt vor die Manufacturen und Fabriken iſt.
Seitdem Engelland ſeine Landwirthſchaft in einen ſo
vollkommenen Zuſtand geſetzet hat; ſo hat man daſelbſt
wenig oder nichts von einer Theurung erfahren, ohn-
geachtet Frankreich, Teutſchland und andere Nach-
barn von Engelland binnen dieſen Zeitraume einigemal
ſehr ſtark damit heimgeſuchet worden ſind.


b) Durch
den wohlfei-
len Preiß der
Mateꝛialien.

Der bluͤhende Zuſtand der Landwirthſchaft giebt
noch ein anderes Huͤlfsmittel zu dem wohlfeilen Preiße
der Manufactur- und Fabrikenwaaren an die Hand.
Dieſes iſt der wohlfeile Preiß der Materialien; und
in der That iſt dieſes Huͤlfsmittel ſo nothwendig und
wirkſam, daß es alle Aufmerkſamkeit verdienet. Es
befoͤrdert nicht allein den wohlfeilen Preiß der Waaren,
ſondern wir haben auch ſchon in denen vorhergehenden
Abſchnitten verſchiedentlich erinnert, daß dadurch der
Ausfluß des Geldes erſpahret wird und daß man von
andern Nationen immer weniger abhaͤngig iſt, je we-
niger man Materialien von ihnen noͤthig hat. Es
muß demnach eine der hauptſaͤchlichſten Maaßregeln
der Regierung ſeyn, daß alle Materialien ſo viel moͤg-
lich im Lande ſelbſt gewonnen und zu einem wohlfeilen
Preiße gebracht werden. Es iſt dannenhero rathſam
auf die nothwendigſten Materialien gewiſſe Praͤmien
vor diejenigen auszuſetzen, die ſolche in einer beſtimm-
ten anſehnlichen Quantitaͤt gewinnen; ſo wie es zu
Bewirkung eines wohlfeilen Preißes zuweilen noͤthig
iſt, die Ausfuhre gewiſſer Materialen bey den haͤrteſten
Strafen
[145]der Manufacturen und Fabriken.
Strafen zu verbiethen. Der Koͤnig Friedrich Wil-
helm von Preußen, der ſo gar die Lebensſtrafe auf die
Ausfuhre der Wolle ſetzte, bewirkte durch dieſes Mit-
tel einen merklich wohlfeilern Preiß der Wolle in ſeinen
Landen, gegen deren Preiß in andern Staaten; und
der gute Fortgang der Wollenmanufacturen in denen
brandenburgiſchen Staaten, die jaͤhrlich vor eine ſehr
betraͤchtliche Summe Waaren auf die leipziger Meſſen
liefern, ohne ihren Abſatz in andern Staaten zu rech-
nen, iſt dieſer Urſache groͤßtentheils beyzumeſſen.
Diejenigen Staaten, welche in andern Welttheilen Co-
lonien haben, koͤnnen ſich vor andern Laͤndern eines
großen Vorzugs ruͤhmen. Sie koͤnnen daſelbſt viele
Materialien gewinnen, welche andere Laͤnder ihrer Him-
melsgegend nach nicht erzeugen koͤnnen; und dieſes iſt
eben der eigentliche Endzweck ſolcher Colonien. Sie
koͤnnen weder Handel, noch Manufacturen und Fa-
briken haben, ohne dem Hauptſtaate, von dem ſie ab-
haͤngen, nachtheilig zu fallen; und das Hauptaugen-
merk einer weiſen Regierung bey ſolchen Colonien muß
ſeyn, alle natuͤrliche Vortheile derſelben zu Erzeugung
der Materialien zu nutzen. Wenn zwar dergleichen
Materialien in denen Colonien erzeuget werden, ſolche
aber in hohen Preiße ſind; ſo liegt gewiß der Fehler
an der uͤblen Einrichtung der Colonien und an der
Beſchaffenheit des Handels aus dem Hauptſtaate da-
hin. Viele Gebrechen in der Regierungs- und Policey-
verfaſſung ſolcher Colonien koͤnnen in denenſelben eine
Theurung verurſachen, da es doch in denenſelben na-
tuͤrlicher Weiſe am allerwohlfeileſten ſeyn ſollte; ſo
Kwie
[146]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
wie die Kaufleute des Hauptſtaates, die den Handel
nach denen Colonien in Haͤnden haben, durch einen
unmaͤßigen Vortheil gleichfalls eine Theurung in de-
nenſelben veranlaßen koͤnnen. Allein ſo bald eine weiſe
Regierung die Urſachen der Theurung in denen Colo-
nien aufmerkſam unterſuchet; ſo wird es ihr auch nicht
ſchwehr fallen, dieſelbe durch wirkſame Maaßregeln
aufhoͤrend zu machen.


c) Durch
wohlfeilen
Arbeitslohn.

Um zu einen wohlfeilen Preiße der Waaren zu
gelangen; ſo iſt es auch noͤthig, daß das Arbeitslohn
maͤßig iſt. Wir haben ſchon verſchiedentlich erinnert,
daß der wohlfeile Arbeitslohn faſt allein von dem wohl-
feilen Preiße der Lebensmittel abhaͤngt; und in ſo weit
iſt alſo dieſes Huͤlfsmittel eine Folge aus einen der vor-
hergehenden Mitteln. Allein es giebt noch ein ande-
res Huͤlfsmittel die Arbeit wohlfeil zu haben, welches
mit dem wohlfeilen Preiße der Lebensmittel keinen Zu-
ſammenhang hat. Dieſes iſt, daß man, wo moͤglich,
die Menſchenhaͤnde erſpahret, und ſich davor der Ma-
ſchinen bedienet, indem oͤfters eine Maſchine in einem
Tage ſo viel verrichten kann, als hundert Menſchen-
haͤnde nicht ausrichten koͤnnen. Das Geſetz der Spar-
ſamkeit, welches ein Geſetz der Natur iſt, die niemals
uͤberfluͤßige und zahlreiche Kraͤfte anwendet, wo ſie ihren
Endzweck mit wenigern Kraͤften erreichen kann, iſt noch
mehr ein Geſetz eines weiſen Regenten, der niemals
etwas uͤberfluͤßiges aufwenden ſoll, und der mit den
Haͤnden und der Arbeit ſeiner Unterthanen eben ſo
ſparſam
[147]der Manufacturen und Fabriken.
ſparſam zu verfahren Urſache hat, als in der ganzen
uͤbrigen Oeconomie des Staats. Jch kenne den Ein-
wurf, den man gemeiniglich wider dergleichen Maſchi-
nen zu machen pfleget, naͤmlich, daß dadurch vielen
hundert Menſchen die Nahrung und der Unterhalt
entzogen wuͤrde; und ich weiß auch, daß man an ver-
ſchiedenen Orten die Schwachheit gehabt hat, die nuͤtz-
lichſten Maſchinen dieſer Urſachen halber zu verwerfen.
Allein einen ſolchen Einwurf zu wiſſen und denſelben
vor laͤcherlich und ungereimt zu halten, muß bey einer
vernuͤnftigen Einſicht ganz einerley ſeyn. Nach ver-
nuͤnftigen Grundſaͤtzen, wuͤrde dieſer Einwurf alsdenn
erſt einigen Betracht verdienen, wenn ein Staat ſol-
chergeſtalt bevoͤlkert waͤre, daß es eine Unmoͤglichkeit
waͤre, denen durch eine Maſchine erſpahrenden Men-
ſchenhaͤnden eine anderweitige Beſchaͤftigung zu ver-
ſchaffen; und auf einen ſolchen Punct der Bevoͤlke-
rung wird wohl niemals ein Staat gelangen; ſo wenig,
als es jemals einer weiſen Regierung fehlen kann, de-
nen dadurch erledigten Menſchenhaͤnden anderweit nuͤtz-
liche Arbeit zu verſchaffen. Ob dieſe Veraͤnderung
mit der gaͤnzlichen Zufriedenheit der Arbeiter geſchie-
het, dieſes iſt eine ganz andere Frage, die von eben der
Natur und Beſchaffenheit iſt, als wenn man Beden-
ken traͤgt, ſichtbare Fehler in der Verfaſſung und Ein-
richtung des Staats zu verbeſſern, aus Furcht denen-
jenigen wehe zu thun, die zeither aus dieſer fehlerhaf-
ten Einrichtung ihren Nutzen gezogen haben. Solche
Fragen koͤnnen Niemand einen Augenblick in Zweifel
ſetzen, ſo bald man eine andere Frage aufwirft, ob
K 2naͤmlich
[148]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
naͤmlich das allgemeine Beſte des Staats, oder der be-
ſondere Nutzen einiger Privatperſonen vorzuziehen ſey.
Jch laͤugne gar nicht, daß ein weiſer und guͤtiger Re-
gente, denenjenigen eine billige Verguͤtung, oder an-
derweite Verſorgung angedeihen laßen muß, die bey
einer Verbeſſerung des Staats Schaden leiden, oder
außer Brod geſetzet werden, wenn ſie an der fehlerhaf-
tigen Einrichtung, die verbeſſert wird, keine Schuld
tragen. Allein daß dieſe Verbeſſerung deshalb ganz
und gar nachbleiben muͤſte, das iſt einer der aller un-
gereimteſten Saͤtze, der auf nichts weniger hinaus-
laͤuft, als alle Gebrechen des Staats zu verewigen.
Unterdeſſen haben, leider! die Betrachtungen vor den
Privatvortheil in den meiſten Staaten uͤberaus großes
Gewichte; und faſt alles Gute wird dadurch gehin-
dert. So bald das Privatintreſſe einiger Leute von
Anſehen dabey leidet; ſo darf man ſich nur nicht ein-
bilden, daß eine Verbeſſerung, wenn ſie auch noch ſo
offenbar und heilſam waͤre, zu Stande kommen wird.


d) Durch
einen großen
Zuſammen-
fluß von
Waaren.

Endlich wird auch zu dem wohlfeilen Preiße der
Manufactur- und Fabrikenwaaren erfordert, daß ſie
in Menge verfertiget werden, oder daß ein Zuſammen-
fluß vieler Waaren von einerley Art entſtehet. Jemehr
Verkaͤufer vorhanden ſind, die alle ihre Waaren ins
Geld ſetzen wollen, je wohlfeiler werden allemal die
Waaren loßgeſchlagen werden. Man ſiehet leicht,
daß es demnach noͤthig iſt die Werke in einerley Art
der Manufacturen und Fabriken zu vervielfaͤltigen.
Folglich
[149]der Manufacturen und Fabriken.
Folglich muß es ein unverletzlicher Grundſatz einer
weiſen Regierung ſeyn, niemals uͤber eine Art der
Manufacturen und Fabriken, ſie ſey auch, welche ſie
wollen, Monopolien oder ausſchließende Privilegien
zu ertheilen. Der Monopoliſt, der verſichert iſt, daß
ihm kein anderer den Kauf verderben kann, wird ſeine
Waaren niemals wohlfeilen Preißes geben; und nie-
mals wird er ſie in ſolcher Menge verfertigen, daß er
ſich derſelben maͤßigen Preißes zu entledigen genoͤthi-
get ſehe. Er wird die Verfertigung auf den Abſatz in
der Stadt oder in dem Lande einſchraͤnken, worinnen
er das Monopolium hat, und man darf bey den Mo-
nopolien niemals daran denken, mit ſolchen Waaren
zu einen auswaͤrtigen Handel zu gelangen, der doch
den Reichthum des Landes allein befoͤrdern kann, als
welches eine der Hauptabſichten eines Staats ſeyn muß.
Ehedem hat man dieſe Wahrheiten wenig eingeſehen;
und man war faſt in allen Landen ſehr fertig Mono-
polien zu ertheilen; indem man dieſes als die leichteſte
Art anſahe, Manufacturen und Fabriken zu Stande
zu bringen. Allein heute zu Tage iſt man faſt allent-
halben mit den guten Grundſaͤtzen beſſer bekannt ge-
worden; und in Staaten, wo man glaubt, daß die
Privatperſonen dem ohngeachtet kein Unrecht und
Nachtheil leiden muͤſſen, wenn es darauf ankoͤmmt,
die Fehler der vorhergehenden Regierungen zu verbeſ-
ſern, ſiehet man ſich genoͤthiget, ſolche Privilegien mit
großen Koſten wieder an ſich zu kaufen. Wenigſtens
hat man in Daͤnemark, wo ohngeachtet der unum-
ſchraͤnkten Regierungsform die allerguͤtigſten und gelin-
K 3deſten
[150]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
deſten Grundſaͤtze herrſchen, verſchiedene Beyſpiele ge-
ſehen, daß Se ietzt preißwuͤrdigſt regierende koͤnigliche
Majeſtaͤt dergleichen von ihren Vorfahren ertheilte
Privilegien mit anſehnlichen auf viele tauſend Thaler
ſich belaufenden Geldſummen verguͤtet und zuruͤckge-
nommen haben. Unterdeſſen, wenn auch die Mono-
polien vermieden werden; ſo gehet es doch niemals
ohne Schwierigkeiten ab, wenn verſchiedene große
Werke in einerley Art der Manufacturen oder Fabriken
zu Stande kommen ſollen. Dieſe Werke ſelbſt legen
einander tauſenderley Hinderniſſe in den Weg. Wir
werden davon in dem folgenden Abſchnitte mit mehrern
handeln. Derohalben iſt es allemal beſſer in ſolchen
Manufacturen und Fabriken, wo ein einziges großes
Werk zu Verſorgung des Landes und zum auswaͤrti-
gen Handel nicht zureicht, nach unſerm Rathe in dem
vorhergehenden Hauptſtuͤcke nur einzelne Fabrikanten
zuzulaßen. Wo viele einzelne Fabrikanten mit einan-
der eifern: ſo hat der Neid und der Haß gegen einan-
der keine ſchaͤdliche Wirkung, weil keiner unter ihnen
von ſolchen Anſehn iſt, daß er dem andern die Wirkung
ſeines Haßes empfinden laßen koͤnnte. Jhr Neid hat
vielmehr die gluͤckliche Wirkung, daß ſie einander
durch ihren Fleiß, durch ihre Erfindungskraft und
durch ihre beſſere Waaren zu uͤbertreffen ſuchen, um
einander den Debit abzugewinnen; und dieſes iſt eben
dasjenige, was die Regierung zu wuͤnſchen hat. Wenn
es einigen gelinget auf dieſe Art ihr Gluͤck zu machen;
ſo werden dieſe Beyſpiele eine große Anreizung vor an-
dere ſeyn, eben dieſen Weg zu erwaͤhlen, und die
Verviel-
[151]der Manufacturen und Fabriken.
Vervielfaͤltigung der Manufacturen und mithin der
Zuſammenfluß der Waaren wird von ſelbſt entſtehen.
Der Debit ſelbſt traͤget zu dem groͤſſern Zuſammenfluß
der Waaren ein großes bey, ohngeachtet dieſes der End-
zweck des groͤſſern Zuſammenfluſſes und des wohlfeilen
Preißes der Waaren iſt. Allein man wird in allen wohl
uͤbereinſtimmenden Maaßregeln einer weiſen Regierung
wahrnehmen, daß die wirkende Urſache und der End-
zweck einen gleichmaͤßigen Einfluß in einander haben, und
daß immer eines das andere befoͤrdert. Der inlaͤndiſche
Debit erſpahret den Ausfluß des Geldes, der auslaͤndi-
ſche ziehet neues Geld in das Land. Beydes macht die
Circulation des Geldes lebhaftiger. Die Manufacturen
und Fabriken werden belebt. Jhre Eigenthuͤmer gewin-
nen; und dieſes reizet immer mehr Leute ſich darauf zu
legen, wodurch der Zuſammenfluß der Waaren, der wohl-
feile Preiß und der Debit der Waaren immer mehr ver-
groͤſſert und der gegenſeitige Einfluß immer ſtaͤrker wird.
Eben dieſen gegenſeitigen Einfluß muß man von der Be-
voͤlkerung behaupten. Die Manufacturen und Fabri-
ken kommen zuerſt der Bevoͤlkerung zu ſtatten; indem
dadurch Fremde in das Land gezogen und die Untertha-
nen, die aus Mangel der Nahrung auszuwandern pflegen,
zuruͤck gehalten werden. Allein eben dieſe Bevoͤlkerung
befoͤrdert hinwiederum das Wachsthum und die Verviel-
faͤltigung der Manufacturen und Fabriken, und mithin
den groͤſſern Zuſammenfluß der Waaren. Denn je mehr
ein Staat bevoͤlkert iſt, deſto mehr werden ſich Leute fin-
den, die bey denen Manufacturen u. Fabriken ihren Un-
terhalt ſuchen. Man muß es gleichſam vor einen Probier-
K 4ſtein
[152]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
ſtein der aͤchten Grundſaͤtze anſehen, daß alle Maaß-
regeln auf das allergenaueſte zuſammenhaͤngen und daß
immer eine Anſtalt die andere unterſtuͤtzet und befoͤr-
dert. Jn der That koͤnnen auch die wahren Regie-
rungsgrundſaͤtze keine andere Wirkung haben. Denn
zielen ſie nicht alle zu einerley Endzwecke, naͤmlich zu dem
gemeinſchaftlichen Beſten des geſamten Staats ab?


Der wohl-
feile Preiß
findet bey
ſolchen Waa-
ren eine Aus-
nahme, da-
von das Land
das Mono-
polium hat.

So noͤthig es demnach iſt, den Bedacht auf einen
wohlfeilen Preiß der Waarer zu nehmen, um den Ab-
ſatz derſelben allgemein zu befoͤrdern; ſo muß man doch
von dieſer Regel eine Ausnahme machen, die aber nur
in ſehr wenig Faͤllen ſtatt finden wird. Wenn naͤm-
lich der Staat das Monopolium in einer gewiſſen Art
von Waaren hat; ſo iſt es nicht noͤthig, dieſe Waa-
ren allzuwohlfeil herunter zu ſetzen; ſondern es iſt ſei-
nem Nutzen gemaͤß allen moͤglichen Vortheil daraus zu
ziehen, der nur immer nach der Maaße der Nothwen-
digkeit und Unentbehrlichkeit dieſer Waare daraus zu
erhalten ſtehet. Die Voͤlker haben nie unterlaßen,
dieſe Ausnahme vor Augen zu haben. So lange
Sachſen gleichſam das Monopolium der blauen
Schmalte gehabt hat; ſo haben die ſaͤchſiſchen Gewer-
ken dieſer Blaufarbenwerke ſich ihre Waaren wohl be-
zahlen laßen; ja ſie haben ſo gar die Muͤnzſorten an
Ducaten oder Louis d’or beſtimmet, in welcher ſie ihre
Farbe bezahlet haben wollen. Eben ſo haben die Hol-
laͤnder in Anſehung der Gewuͤrzwaaren verfahren.
Nachdem ſie zufoͤrderſt alle kluge Maaßregeln genom-
men
[153]der Manufacturen und Fabriken.
men hatten, um zu verhuͤten, daß die Gewuͤrze nicht
in die Haͤnde andrer Voͤlker gerathen moͤchten; ſo ha-
ben ſie lieber ihren uͤberfluͤßigen Vorrath von Zeit zu
Zeit verbrennen, als ſich deßen durch einen wohlfeilen
Preiß entledigen wollen. Man kann dieſe Maaßre-
geln nach der Staatskunſt nicht verdammen, weil es
allemal erlaubt iſt, aus einer Sache, die in unſren
Eigenthum und Gewalt iſt, allen nur moͤglichen Vor-
theil zu ziehen: und vielleicht wird auch die Sitten-
lehre nichts darwider einzuwenden haben, wenn es eine
Sache betrift, die nicht zu denen Nothwendigkeiten
des Lebens gehoͤret und deren Verderbung mithin Nie-
mand in Noth und Duͤrftigkeit ſetzet. Allein der
Umſtand, daß ein Volk das Monopolium einer ge-
wiſſen Art von Waaren an ſich ziehen kann, ereignet
ſich nur nicht allzuhaͤufig.


Nachdem wir nunmehro die Mittel erwogen ha-Mittel, den
inländiſchen
Debit zu be-
fördern.

ben, wodurch der Abſatz der Waaren uͤberhaupt befoͤr-
dert wird; ſo kommen wir nunmehro auf die zwey
Hauptarten des Debits ins beſondere und zwar wollen
wir zufoͤrderſt die Maaßregeln betrachten, wodurch
der inlaͤndiſche Debit der Manufactur-und Fabriken-
waaren erreichet wird.


Hier haben wir es nun zufoͤrderſt mit der Einrich-1) Die Ein-
richtung der
Zölle iſt das
Hauptmittel
des inlän-
diſchen De-
bits; darzu
gehört

tung der Zoͤlle zu thun. Die Zoͤlle ſind der große
Leitfaden, womit die Regierung die Commercien des
Landes zur Aufnahme derſelben und zu |Befoͤrderung
der Wohlfarth des Staats nach ihren Wohlgefallen
K 5diri-
[154]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
dirigiren kann, und wenn ein Staat gar keine Aufla-
gen zu erheben noͤthig haͤtte; ſo wuͤrden doch die Zoͤlle
nothwendig ſeyn, damit die Commercien nicht einen
dem Staate nachtheiligen Gang nehmen koͤnnen. Jn-
ſonderheit aber kommt es bey dem Debit der inlaͤndi-
ſchen Waaren gar ungemein viel auf die Einrichtung
der Zoͤlle an; und die groͤßte Weisheit der Regierung
muß damit beſchaͤftiget ſeyn. So bald man die Zoͤlle
von der Seite der Cameraleinkuͤnfte betrachtet; ſo iſt
man ſchon in Gefahr, in Fehler und Jrrthuͤmer zu
gerathen. Derohalben ſollte auch die Verfaſſung der
Zollgeſetze nicht dem Cammercollegio, ſondern viel-
mehr dem Commerciencollegio uͤberlaßen werden,
weil die Einkuͤnfte hier allemal |nur hoͤchſtens einen
Nebenzweck ausmachen koͤnnen und weil die Zoͤlle
nach der Beſchaffenheit und dem Laufe der Commer-
cien beſtaͤndig veraͤndert werden muͤſſen. Wenn dem-
nach die teutſchen Reichsgeſetze denen Reichsſtaͤnden
die Erhoͤhung der Zoͤlle in ihren Landen verbiethen; ſo
entziehen ſie ihnen eine Sache, die ihnen zu der Wohl-
farth ihrer Staaten, deren Beſorgung ihnen doch ver-
moͤge der Landeshoheit uͤberlaßen iſt, unumgaͤnglich
nothwendig iſt; und dieſes Reichsgeſetz iſt mithin mit
der Landeshoheit der Staͤnde gar nicht vertraͤglich.
Ueberhaupt aber iſt dieſes Reichsgeſetz ungemein ſchaͤd-
lich. Denn die Erhoͤhung der Zoͤlle zu verbiethen und
ſich doch von Reichswegen weder um Commercien-
tractate mit auswaͤrtigen Voͤlkern und den Lauf der
Commercien ſelbſt zu bekuͤmmern, noch ſich bemuͤhen,
den teutſchen Waaren in andern Laͤndern Eingang zu
ver-
[155]der Manufacturen und Fabriken.
verſchaffen, noch vermoͤge des Rechtes der Repreßalien
ſremde Waaren zu verbiethen oder mit hoͤhern Zoͤllen
zu belegen; das iſt eben ſo viel, als wenn die Reichsge-
ſetze geflißentlich verordneten, daß allen Nachbarn von
Teutſchland frey ſtehen ſolle, daſſelbe nach eignen Gefal-
len durch die Commercien zu bevortheilen. Jn der That
geſchiehet dieſes auch; und es wuͤrde noch mehr geſche-
hen, wenn nicht die maͤchtigen Reichsſtaͤnde ſich der
Acciſe und Licenten ſtatt der Zoͤlle, als eines Leitfadens
der Commercien zu bedienen pflegten, ein Mittel, wel-
ches aber auf andre Art ſeine ſchaͤdlichen Folgen hat, wie
ich oben in dem zweyten Abſchnitte gezeiget habe.


Wenn die Einrichtung der Zoͤlle zu Befoͤrderunga) Die frem-
den Waa-
ren von der
nämlichen
Art, als ſie
im Lande
verfertiget
werden, ſind
gänzlich zu
verbiethen.

des inlaͤndiſchen Debits der Manufactur-und Fabri-
kenwaaren gereichen ſoll; ſo muß zufoͤrderſt die Ein-
fuhre ſolcher auslaͤndiſchen Waaren, davon wir die
naͤmlichen in unſern Manufacturen und Fabriken ver-
fertigen, ganz und gar verbothen werden. Nicht
allein die Befoͤrderung des Abſatzes, ſondern auch die
Verhuͤtung des Ausfluſſes des Geldes machen dieſes
Verboth nothwendig, weil ſowohl die Unterthanen
gemeiniglich die fremden Waaren mehr lieben, als
weil die Kaufleute aus denen oben angefuͤhrten Urſa-
chen, allemal mehr Neigung zu den auslaͤndiſchen als
inlaͤndiſchen Waaren haben. Wenn man aus Betracht
vor eine gewiſſe Nation ihre Waaren nicht gaͤnzlich
verbiethen will; ſo pfleget man auf ſolche Waaren ei-
nen ſehr hohen Zoll aufzulegen. Ein Zoll, der die
Helfte
[156]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
Helfte des Werthes der Waaren ausmacht, iſt allemal
von eben der Wirkung, als ein gaͤnzliches Verboth,
weil der Kaufmann bey einem ſolchen Zoll unmoͤglich
beſtehen kann. Ueberhaupt kann man ſagen, daß das
gaͤnzliche Verboth einer gewiſſen Sorte von auslaͤndi-
ſchen Waaren eine ſehr aufmerkſame Betrachtung er-
fordert, ehe man darzu ſchreitet. Man muß vor allen
Dingen erwaͤgen, ob ein ſolches Verboth wegen der
Commercientractate thunlich iſt, die wir mit andern
Voͤlkern haben. Sodann iſt es ſelten rathſam, dieſe
Art Waaren nur von dieſem oder jenem beſondern Volke
zu verbiethen. Ein allgemeines Verboth, zumal wenn
wir eben dieſe Art Waaren ſelbſt verfertigen und dieſe
billige Urſache des Verbothes anfuͤhren, iſt niemals ſo
beleidigend, als wenn wir nur die Waaren dieſes oder
jenes beſondern Volkes verbiethen. Wenn wir aber
auch ein allgemeines Verboth ergehen laßen; ſo muß
man doch allemal die Geſtalt und den Zuſammenhang
der Commercien des Landes mit andern Voͤlkern wohl
in Betracht ziehen; beſonders aber muß man die Be-
ſchaffenheit der Commercien mit demjenigen Volke,
von welchem wir die zu verbiethende Waare am mei-
ſten empfangen haben, genau erwaͤgen. Wenn dieſes
Volk ſehr viele Landesproducte von uns kaufet, wenn
es eben dieſe Waaren von andern Voͤlkern eben ſo gut,
bequem und wohlfeil haben kann; ſo iſt es ſelten rath-
ſam, ein ſolches Verboth ergehen zu laßen. Dieſes
Volk wird ſchwehrlich unterlaßen unſere Landespro-
ducte gleichfalls zu verbiethen; und der Schaden iſt
alsdenn oͤfters groͤſſer, als der daraus entſpringende
Vor-
[157]der Manufacturen und Fabriken.
Vortheil. Wenn nun vollends unſere Manufactur-
und Fabrikenwaaten, deren Abſatz zu befoͤrdern wir
das Verboth ergehen laßen, nicht ſo gut und wohlfeil
ſind, als die auslaͤndiſchen eben dieſer Art und wenn
folglich ohngeachtet des Verbothes dieſe Waaren heim-
lich eingefuͤhret werden, welches die groͤßte Strenge,
wie wir oben erinnert haben, ſchwehrlich verhindern
kann; ſo iſt der Nachtheil deſto groͤſſer. Wir belei-
digen andre Voͤlker durch das Verboth und leiden ver-
moͤge gerechter Repreßalien Nachtheil an unſern Com-
mercien und dennoch wird der Endzweck den Abſatz un-
ſrer Fabrikenwaaren zu befoͤrdern, nur ſchlecht erreichet.
Kurz! wenn ich meine wahre Meinung ſagen ſoll; ſo bin
ich vor ein ſolches Verboth wenig geneigt, ohngeacht es
eine in Europa allgemein angenommene Regel zu ſeyn
ſcheinet, wodurch man aber nichts gewinnet, als daß
die Commercien, dieſes gemeinſchaftliche Band aller
Voͤlker, ſchwehr gemacht wird. Das Hauptwerk
kommt allemal auf die Guͤte und den wohlfeilen Preiß
unſerer Waaren an; und hiervon muß man allemal
mehr Wirkung erwarten, als von dem Verboth der
auslaͤndiſchen Waaren eben dieſer Art. Folglich muß
auch das Hauptaugenmerk darauf gerichtet ſeyn.


Diejenigen auslaͤndiſchen Waaren, wovon zwarb) Die frem-
den Waa-
ren, davon
wir die ahn-
lichen ſelbſt
verfertigen;
ſind mit ho-
hen Zöllen
zu beſchweh-
ren.

die naͤmliche Art nicht in unſern Landesmanufacturen
und Fabriken verfertiget wird, die aber doch mit un-
ſern Landeswaaren eine aͤhnliche Beſchaffenheit haben
und zu einerley Endzwecke gebrauchet werden koͤnnen,
folglich
[158]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
folglich den Abſatz derſelben ſchwaͤchen, koͤnnen zwar
nicht gaͤnzlich verbothen werden, weil es zu hart ſeyn
wuͤrde, denen Unterthanen eine wahre oder vermeinte
Bequemlichkeit und mithin ein Mittel zu ihrer Gluͤck-
ſeeligkeit zu entziehen, indem in Anſehung der Gluͤck-
ſeeligkeit die Wahrheit und die Einbildung einerley
Wirkung haben, wie ſchon oben erinnert worden iſt.
Allein, da dieſe Waaren doch den Debit der Landes-
waaren ſchwaͤchen und da es nicht unbillig iſt, daß die-
jenigen, die ſich alle Bequemlichkeiten des Lebens zu
verſchaffen im Stande ſind, auch zu den Koſten des
Staats das meiſte beytragen; ſo muͤſſen dergleichen
Waaren mit hohen Zoͤllen und Eingangsrechten be-
ſchweret werden. Die eigentliche Beſtimmung der
Groͤße der Zoͤlle kommt auf den Grad des Nachtheils
an, den ſie unſern Manufacturen und Fabriken zufuͤgen.
Je mehr ſie den Debit unſrer Waaren verhindern,
deſto hoͤher muͤſſen ſie beleget werden. Uebrigens muß
man dabey eben ſowohl, als bey dem vorhergedachten
gaͤnzlichen Verboth der Waaren auf die Commercien-
tractate und auf die Beſchaffenheit des Handels mit
dieſer oder jener beſondern Nation ſehen. Ein Volk, das
viel von unſern Landeswaaren conſumiret wird hier
allemal mehr Betracht verdienen, als ein anderes.


c) Die übri-
gen fremden
Waaren ſind
nach dem
Grade der
Nothwen-
digkeit mit
Zöllen zu be-
legen.

Diejenigen fremden Waaren, welche dem Abſatz
der unſrigen keinen Nachtheil zufuͤgen, muͤſſen nur
mit geringen Zoͤllen beſchwehret werden. Die Zoͤlle
duͤrfen kein Weg der ordentlichen Abgaben ſeyn.
Jhr
[159]der Manufacturen und Fabriken.
Jhr Hauptzweck muß allemal auf die Direction der
Commercien gerichtet ſeyn, und zwar die Bilanz in
denenſelben mit auswaͤrtigen Voͤlkern zu gewinnen.
Je nothwendiger derohalben eine fremde Waare im
Lande iſt, deſto geringer muͤſſen die darauf gelegten
Zoͤlle ſeyn, dahingegen die entbehrlichen Waaren und
unter denenſelben diejenigen, wovor viel Geld außer
Landes gehet, etwas hoͤher mit Zoͤllen beleget werden
muͤſſen, ob ſie gleich dem Debit der unſrigen nicht nach-
theilig ſind. Nach eben dieſen Grundſaͤtzen muͤſſen die
fremden Materialien, die wir zu unſern Manufactu-
ren und Fabriken unumgaͤnglich noͤthig haben, mit
gar keinen Zoͤllen beſchwehret werden. Dieſe Mate-
rialien ſind vor die allernothwendigſten fremden Waa-
ren zu achten; und die darauf gelegten Abgaben koͤn-
nen nichts als die Vertheurung unſerer Manufactur-
und Fabrikenwaaren wirken, welches denen vorhin aus-
gefuͤhrten vernuͤnftigen Grundſaͤtzen gerade zuwider iſt.


Wenn unſre Manufactur-und Fabrikenwaarend) Die Lan-
deswaaren
dürfen bey
ihren Trans-
port im Lan-
de gar keinen
Zöllen und
Abgaben un-
terworfen
werden.

im Lande aus einer Hand in die andere gehen und Zoll-
ſtaͤdte paßiren; ſo koͤnnen nach eben dieſen Grundſaͤtzen
weder Zoͤlle, noch Conſumtions und andere Abgaben
davon genommen werden. Es iſt hier kein vernuͤnf-
tiger Grund der Abgaben vorhanden, der mit der
Wohlfarth des Staats uͤbereinſtimmet. Vielmehr
wuͤrde dadurch eine Theurung dieſer Waaren entſtehen,
die man nach der obigen Ausfuͤhrung auf alle Art zu
vermeiden hat.


Naͤchſt
[160]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
2) Durch die
Anordnung
des Gebrau-
ches der Lan-
desmanufa-
cturen in be-
ſondern Fäl-
len.

Naͤchſt der klugen Einrichtung der Zoͤlle koͤnnen
noch verſchiedene andere Mittel angewendet werden, um
den inlaͤndiſchen Debit der Manufactur-und Fabri-
kenwaaren zu befoͤrdern. Hierzu gehoͤret vornaͤmlich,
daß man den Gebrauch der Landesmanufacturen, in
beſondern Faͤllen, wodurch ein großer Verbrauch die-
ſer Waaren geſchehen kann, ausdruͤcklich anordnet.
Jn Engelland iſt das Geſetz gegeben, daß alle Toden
in Boy gekleidet werden muͤſſen. Hierdurch wird nicht
allein ein groͤſſerer unnoͤthiger Aufwand vermieden,
ſondern es geſchiehet auch dadurch ein großes Conſumo
in dieſer Art von Wollenmanufacturen. Man ſiehet
nicht, warum nicht eben dergleichen Geſetz in andern
Staaten bey der Bekleidung der Toden bey der Trau-
er der Bediente und in andern Faͤllen ſtatt finden
koͤnnte.


3) Durch
Beförde-
rung der
Ueppigkeit
mit den Lan-
deswaaren.

Ueberhaupt muß man ſagen, daß die Ueppigkeit,
die mit denen Manufacturen und Fabrikenwaaren
des Landes getrieben wird, eines der allerwirkſamſten
Befoͤrderungsmittel vor den inlaͤndiſchen Debit iſt.
Die Ueppigkeit iſt nur in ſo fern ſchaͤdlich, als ſie mit
auslaͤndiſchen Waaren getrieben wird, und wenn ſie
in dieſem oder jenen beſondern Falle dergeſtalt zur herr-
ſchenden Mode wird, daß ſich Niemand in dieſen Faͤl-
len derſelben entbrechen kann, ohne in den Augen ſeiner
Mitbuͤrger geringſchaͤtzig zu werden. Jch habe dieſes
in den Grundſaͤtzen der Policeywißenſchaft ausfuͤhrlich
gezeiget. Jn allen andern Faͤllen iſt die Ueppigkeit
dem
[161]der Manufacturen und Fabriken.
dem Nahrungsſtande ungemein zutraͤglich. Sie iſt
die innerliche Waͤrme des Staatskoͤrpers, wodurch die
Circulation des Geldes, als des Bluthes dieſes Koͤr-
pers, allenthalben gleichfoͤrmig und lebhaftig wird.
Man kann ſich keinen elendern und aͤrmern Staat
vorſtellen, als denjenigen, worinnen gar keine Uep-
pigkeit ſtatt findet. Wenn ſich alle Menſchen mit
der Nothdurft in ſtrengen Verſtande begnuͤgen wolten,
was vor eine Menge von Nahrungsgeſchaͤften und
Handthierungsarten, wuͤrden nicht ganz und gar auf-
hoͤren, und wie eingeſchraͤnkt wuͤrden nicht ſelbſt dieje-
nigen getrieben werden, die zur wahren Nothdurft des
Lebens erfordert werden. Ein ſolcher Staat ohne Uep-
pigkeit wuͤrde vielleicht kaum die Helfte der Menſchen
ernehren koͤnnen, als ein anderer und wuͤrde in einer
Traͤgheit und Schlaͤfrigkeit begraben liegen, die ſeine
wenigen Kraͤfte vollends unbrauchbar machte. Wenn
vollends der Unterſchied der Staͤnde und des Vermoͤ-
gens in einem ſolchen Staate ſtatt faͤnde und die
Vornehmen und Reichen wollten ſich allein auf die
Nothdurft einſchraͤnken; ſo wuͤrden die armen Ein-
wohner, die allemal der groͤſte Theil ſind, in dem aller-
elendeſten Zuſtande leben, der ſie entweder zur Verzwei-
felung treiben, oder ſie ganz und gar vor den Staat
unnuͤtze machen wuͤrde. Man ſiehet demnach, daß die
Regierung nichts weniger thun muß, als die Ueppig-
keit mit den inlaͤndiſchen Waaren zu unterdruͤcken, ſon-
dern daß ſie vielmehr die Ueppigkeit in Verbrauch die-
ſer Waaren auf alle Art befoͤrdern muß, wenn der in-
laͤndiſche Debit erreichet werden ſoll.


LWir
[162]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
Von dem
ausländi-
ſchen Debit,
welcher be-
wirket wird;

Wir kommen endlich auf den auslaͤndiſchen Abſatz
der Manufacturen und Fabrikenwaaren, welcher zu
Befoͤrderung dieſer Nahrungsgeſchaͤfte von uͤberaus
großer Wichtigkeit iſt. Denn ſo bald man einen be-
traͤchtlichen auswaͤrtigen Abſatz erlanget hat; ſo iſt der
Flohr der Manufacturen und Fabriken eine natuͤrliche
Folge davon. So bald vor dieſe Waaren Geld in
das Land eingehet, ſo bekommen dieſe Nahrungsge-
ſchaͤfte neue und vermehrte Kraͤfte. Die Manufactu-
riers und Fabrikanten vermehren ihre Arbeiter, die
Circulation des Geldes wird groͤſſer und lebhaftiger;
es gehet mehr Geld in die Haͤnde des Kaufmanns vor
eine groͤſſere Menge von Materialien, die man verbrau-
chet; und aus den Haͤnden des Kaufmanns, des Land-
manns und des Arbeiters gehet dieſes Geld in alle an-
dere Arten von Nahrungsgeſchaͤften uͤber, ſo daß alle
und jede den Einfluß davon empfinden. Jn der That
iſt keine Bereicherung des Staats dem Lande und inſon-
heit dem Nahrungsſtande ſo nuͤtzlich, als diejenige, ſo
durch die Commercien und Manufacturen geſchiehet;
und man kann behaupten, daß eine Million, wenn ſie
durch Krieg, durch reiche Bergwerke oder auf andere Art
dem Reichthume des Staats hinzugeſetzet wird, vor das
Aufnehmen des Nahrungsſtandes bey weiten nicht ſo
geſeegnete Folgen hat, als eine halbe Million, ſo durch
den auslaͤndiſchen Debit der Manufacturen und Fabri-
kenwaaren in das Land eingehet. Es iſt wahr, es iſt vor
eine Nation, die heutiges Tages die Manufacturen
und Fabriken erſt gruͤnden und bluͤhend machen will,
ſehr ſchwehr ſich auslaͤndiſchen Debit zu verſchaffen.
Die
[163]der Manufacturen und Fabriken.
Die andern Nationen haben bereits viele Vortheile
uͤber ſie und einen allzugroßen Vorſprung. Unter-
deßen iſt es doch nicht ganz unmoͤglich. Der wohlfeile
Preiß der Waaren, den wir unter den allgemeinen
Mittel, den Debit uͤberhaupt zu befoͤrdern, betrachtet
haben, hat hier eine uͤberaus große Wirkung. Die
Schweitzer, die ziemlich ſpaͤth ihre Manufacturen an-
gefangen haben, ſind zu einem betraͤchtlichen auswaͤr-
tigen Debit gelanget, bloß wegen des wohlfeilen Prei-
ßes ihrer Waaren, worzu der gaͤnzliche Mangel aller
Abgaben nicht wenig beytraͤgt. Eben dieſe gute Wir-
kung haben auch die neuen Erfindungen in denen Ma-
nufacturen und Fabriken, davon wir gleichfalls oben
gehandelt haben. Allein es giebt auch noch andre Mit-
tel, die zu dem auslaͤndiſchen Debit nicht wenig bey-
tragen; und je ſchwehrer die Sache iſt, deſto mehr
verdienet ſie unſern Fleiß und Aufmerkſamkeit, zumal
da es vor den Nahrungsſtand und den Reichthum des
Staats eine ſo uͤberaus wichtige Sache iſt. Wir
wollen demnach die wirkſamſten Mittel zu Befoͤrderung
des auslaͤndiſchen Abſatzes allhier vortragen.


So wie eine gute Einrichtung der Zoͤlle den inlaͤn-1) Durch eine
gute Einrich-
tung der Zöl-
le.

diſchen Debit ſehr befoͤrdert; ſo kommt es auch bey
Erreichung des auslaͤndiſchen Debits gar viel darauf an.
Wenn die Regierung die Zoͤlle, dieſen Leitfaden der Com-
mercien, mit kluger Hand fuͤhret; ſo kann ſie dadurch gar
viel ausrichten. Laßt uns ſehen, was ſie zu thun hat.


L 2Die
[164]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
a) Jn Anſe-
hung der
ausgehen-
den Waa-
ren, welche
mit gar kei-
nen Zöllen
zu belegen
ſind.

Die ausgehenden Waaren muͤſſen mit gar keinen
Zoͤllen beſchwehret werden. Dergleichen Zoͤlle wuͤr-
den die Vertheurung der Waaren nach ſich ziehen, die,
wie wir mehrmalen erinnert haben, dem auslaͤndiſchen
Debit ſo nachtheilig iſt. Der Staat gewinnet auch ſo
viel dabey, wenn Landeswaaren ausgefuͤhret werden
und dargegen Geld in das Land eingehet, daß er ſeinen
Vortheil ſehr uͤbel verſtehet, wenn er dieſen Gewinnſt
durch die Zoͤlle hindern, oder wenigſtens verringern
und ſchwehr machen wollte. Dieſe Regel muß ſich
auf alle andere denen Zoͤllen aͤhnliche Abgaben erſtre-
cken. Wenn ein Schiff Landeswaaren geladen hat
und ausfuͤhret; ſo muß es in dem Hafen-Anker- und
Admiralitaͤts-Gelde und allen andern Arten der Abga-
ben ungleich leidlicher gehalten werden, als andere
Schiffe, die dergleichen nicht auf haben. Je mehr die
geladenen Landeswaaren werth ſind und je mehr der
Staat die Ausfuhre dieſer oder jener Art der Waare
zu befoͤrdern wuͤnſchet, deſto mehr Vorzug muß ein
ſolches Schiff in denen Abgaben zu genießen haben.
Dieſes wird ungleich beßere Wirkung haben, als wenn
man, nach dem Vorſchlag des Herrn Cammerrath
Zinkens und einiger andern Schriftſteller, die Fremden
ſo Waaren in das Land eingefuͤhret haben, geſetzlich
noͤthigen wollte, dargegen wieder Landeswaaren auszu-
fuͤhren. Dieſer Vorſchlag, der zu tauſend Schwierig-
keiten und Auswegen Gelegenheit geben wuͤrde, iſt auch
der Handelsfreiheit gerade entgegen. Er iſt auch gar
nicht noͤthig, wenn man die Zoͤlle und andere Abgaben
kluͤglich einrichtet. Ein Schiffer oder Fuhrmann iſt
ohne-
[165]der Manufacturen und Fabriken.
ohnedem geneigt nicht ledig zuruͤck zu fahren, ſondern
auch mit der Ruͤckfracht etwas zu verdienen. Wenn
er nun vollends in Anſehung der Abgaben viele Vor-
theile bey dieſer Ruͤckfracht ſiehet; ſo wird er ſich alle
erſinnliche Muͤhe darum geben. Ueberhaupt muß die
Regierung ihre hauptſaͤchlichſte Aufmerkſamkeit und
Abſicht darauf richten, daß die Landeswaaren nicht durch
die Schiffe fremder Nationen, ſondern durch die Schiffe
ihres Volkes ausgefuͤhret werden. Ein Activhandel
iſt ungleich vortheilhaftiger als ein Paßivhandel. Allein
die darzu erforderlichen Maaßregeln gehoͤren nicht hier-
her, ſondern in eine Abhandlung von den Commercien.


Von dieſer Regel, daß die ausgehenden WaarenEinige Aus-
nahmen von
der vorher-
gehenden
Regel.

mit gar keinen Zoͤllen zu belegen ſind, werden nur we-
nige Ausnahmen zu machen ſeyn. Wenn die Ausfuh-
re der rohen Materialien erlaubt iſt, weil die Landes-
fabriken noch nicht im Stande ſind, ſie ſaͤmmtlich zu
verarbeiten; ſo iſt es allerdings rathſam die auszu-
fuͤhrenden Materialien mit etwas ſtarken Zoͤllen zu be-
legen. Man wird dadurch nicht allein ihre allzuhaͤu-
fige Ausfuhre verhindern und mithin deren wohlfeilen
Preiß im Lande befoͤrdern; ſondern, wenn ſie die Aus-
laͤnder ohngeachtet der erhoͤheten Zoͤlle ausfuͤhren; ſo
wird dadurch der Preiß ihrer Waaren vertheuret, wir
aber werden die unſrigen wohlfeiler geben und ihnen
folglich den Debit abgewinnen koͤnnen. Mit denenje-
nigen Waaren, die zwar im Lande einige Zubereitung
empfangen haben, die aber ausgefuͤhret und von an-
dern Nationen vollkommener gemacht werden; hat es
L 3eine
[166]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
eine gleiche Bewandniß. Eine andere Ausnahme von
der vorhin aufgefuͤhrten Regel findet ſtatt, wenn die
Waaren aus unſern Manufacturen und Fabriken ſo
wohlfeil ſind, daß ſie ohngeachtet eines maͤßigen dar-
auf gelegten Zolles in denen vornehmſten Handelsplaͤ-
tzen dennoch wohlfeilern Preißes zu ſtehen kommen, als
die naͤmlichen Waaren andrer Voͤlker; oder wenn die
Fracht und andere Unkoſten nach den vornehmſten
Handelsplaͤtzen aus unſern Landen viel geringer zu ſte-
hen kommen, als aus andern Staaten. Der Staat kann
alsdenn die Einkuͤnfte eines maͤßigen Zolles allerdings
ziehen, weil der Hauptendzweck eines wohlfeilern Preißes
und folglich des Abſatzes dabey nicht verlohren gehet.
Allein ein Miniſter, welcher die Zoͤlle einzurichten hat,
muß darinnen vollkommen ſicher und zuverlaͤßig ver-
fahren. Eine gute Handelscorreſpondenz muß der
Grund ſeiner Einrichtung ſeyn: Er muß den Cour-
rantenpreiß in den vornehmſten Handelsplaͤtzen wiſſen;
er muß den Preiß wiſſen, wovor andere Voͤlker die
naͤmlichen Waaren aus der erſten Hand verkaufen; und
er muß den Betrag der Fracht und anderer Unkoſten
wiſſen, welche der Transport der naͤmlichen Waaren
dieſer Voͤlker bis in die vornehmſten Handelsplaͤtze ko-
ſtet. Alsdenn wird er zuverlaͤßig die Zoͤlle der Landes-
waaren einrichten koͤnnen, ohne ihrem Debit Nachtheil
zuzufuͤgen. Man ſiehet leicht ein, daß ſo bald bey an-
dern Voͤlkern in demjenigen, worauf ſich die Einrich-
tung unſerer Zoͤlle gruͤndet, eine Veraͤnderung vorge-
het, auch die Zoͤlle nach Maaßgebung dieſer Veraͤnde-
rung anders eingerichtet werden muͤſſen.


Die
[167]der Manufacturen und Fabriken.

Die Einrichtung der Zoͤlle auf die durchgehendenb) Jn Anſe-
hung der
durchgehen-
den Waa-
ren, die
ſtark mit
Zöllen zu be-
legen find.

Waaren kann gleichfalls zu dem auslaͤndiſchen Debit
unſerer Landeswaaren gar viel beytragen. Diejenigen
fremden durchgehenden Waaren, davon wir die naͤm-
lichen im Lande gewinnen, muͤſſen mit ſehr hohen Zoͤl-
len beleget werden. Die durchgehenden Waaren, die
unſern Landeswaaren aͤhnlich ſind, und mithin unſern
Debit ſchwaͤchen, muͤſſen gleichfalls mit hohen, jedoch
gegen die vorigen etwas gemaͤßigtern Zoͤllen beſchwe-
ret werden; und alle andere durchgehende Waaren ſind
zwar maͤßigen aber nicht allzugeringen Zoͤllen zu unter-
werfen, in ſo ferne ſich naͤmlich der Staat, durch deßen
Gebieth die Waaren gehen, gegen fremde Nationen
durch Tractate und andere Verbindlichkeiten zu einer
gewißen Beſchaffenheit der Zoͤlle nicht anheiſchig ge-
macht hat. Vielleicht duͤrfte man wider dieſe vorge-
ſchlagene Einrichtung der Zoͤlle verſchiedenes zu erin-
nern haben; und ich muß ſie alſo mit Gruͤnden unter-
ſtuͤtzen. Wenn ein Staat eine ſo gluͤckliche Lage hat,
daß andere Nationen mit denen benoͤthigten fremden
Waaren ſich nicht anders verſorgen koͤnnen, als ſolche
durch die, ſeinem Gebiethe unterworfenen, Meerengen,
Fluͤße und Landſtraßen durchzufuͤhren; ſo kann
man ihm wohl nicht abſprechen, daß er befugt iſt, von
dieſer gluͤcklichen Lage allen moͤglichen Vortheil zu zie-
hen. Wenn es wahr iſt, daß die Voͤlker uͤber dasje-
nige, was ſie beſitzen und in ihrer Gewalt iſt, ein Ei-
genthum haben, wie niemand laͤugnen kann; ſo kann
man auch nicht beſtreiten, daß ſie ihr Eigenthum ſo hoch
zu nutzen befugt ſind, als ſie immer koͤnnen. Man
L 4kann
[168]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
kann demnach vielweniger von einem Volke verlangen,
daß es mit ſeinem Schaden andern Voͤlkern Gefaͤllig-
keiten erzeigen ſoll. Es gereichet aber allerdings zum
Nachtheil eines Volkes, wenn man ihm den Debit ſei-
ner Landeswaaren ſchwaͤchet, und doch die naͤmlichen
oder die aͤhnlichen Waaren, die man von demſelben
kaufen koͤnnte, durch ſein Land fuͤhren will. Das be-
nachbarte Volk, das alſo verfaͤhret, giebt dadurch zu
erkennen, daß es wenig Betracht und Gefaͤlligkeit vor
uns hat. Wie kann es alſo von uns die Gefaͤlligkeit
erwarten, daß wir mit Außerachtſetzung unſeres eige-
nen Vortheils ihren Nutzen oder ihren Eigenſinn befoͤr-
dern ſollen. Denn es geſchiehet entweder aus Vor-
theil oder aus Eigenſinn, daß ſie unſere Landeswaaren
nicht kaufen wollen. Daß wir andern Voͤlkern un-
ſere Meere, Fluͤße und Landſtraßen gebrauchen laßen,
iſt unſtreitig eine Gefaͤlligkeit, nicht aber eine Schul-
digkeit. Das Voͤlkerrecht kann uns eine ſolche Durch-
fuhre der Waaren nicht auferlegen, als in ſo ferne ſie
mit unſern Nutzen, nicht aber mit unſern Schaden ver-
bunden iſt. Ja es kann uns hierinnen uͤberhaupt nichts
vorſchreiben, als in ſo fern wir Gegengefaͤlligkeiten erwar-
ten, oder Repreßalien zu befuͤrchten haben. Die Voͤl-
ker wuͤrden ſonſt kein freyes Eigenthum haben. Ein
Volk, das mit fremden Voͤlkern keinen Handel treiben
kann, als ſich der Durchfuhre durch unſer Land zu ge-
brauchen, wird ſchon durch die natuͤrliche Beſchaffen-
heit ſeiner Lage angewieſen, daß es mit andern Voͤlkern
nicht unmittelbar handeln kann, ſondern daß es durch
unſer Mittel und Haͤnde mit ihnen Commercien treiben
muß.
[169]der Manufacturen und Fabriken.
muß. Es ſollte alſo alle ſeine fremde Waaren, die es
durch unſer Land fuͤhret, aus unſrer Hand nehmen.
Will es uns dieſen Vortheil nicht goͤnnen; ſo ſind wir
auch nicht ſchuldig, ſeinen Vortheil zu befoͤrdern, ſon-
dern wir ſind befugt, ſeinen geſuchten Vortheil durch
ſtarke Zoͤlle ſchwehr zu machen. Jedermann hat ein
Recht zufoͤrderſt ſeinen Vortheil zu ſuchen, in ſo fern
er Niemand beleidiget und ſolches mit ſeinen Pflichten
und eingegangenen Verbindlichkeiten beſtehen kann.
Alle Menſchen verfahren auch nicht anders. Ein jeder
ſiehet auf ſeinen Vortheil. Niemand kann ihm die-
ſes uͤbel nehmen. Diejenigen, die dieſes nicht thun,
ſind uneigennuͤtzig und großmuͤthig. Allein die
Uneigennuͤtzigkeit und Großmuͤthigkeit iſt keine Eigen-
ſchaft der Voͤlker. Eine weiſe Regierung muß den
Nutzen des Volkes vor Augen haben. Dieſes erfor-
dert der Endzweck der Republiken, welcher die hoͤchſt-
moͤglichſte gemeinſchaftliche Gluͤckſeeligkeit iſt. Ein
Staat kann niemals zu viel Gluͤckſeeligkeit erlangen.
Wenn man dieſe Saͤtze erwaͤget; ſo wird man die
neuern Handelsſtreitigkeiten zwiſchen Preußen und
Sachſen beurtheilen koͤnnen. Sachſen hat die Durch-
fuhre ſeiner Waaren durch die preußiſchen Lande noͤ-
thig. Preußen hat in Anſehung der Zoͤlle freye Haͤnde
und gegen Sachſen keine Verbindlichkeiten. Sachſen
ſuchet ſeinen Vortheil durch einen unmittelbaren Han-
del nach Hamburg, und weiter; und Preußen glau-
bet, daß es nicht ſchuldig ſey den Vortheil von Sach-
ſen mit Außerachtſetzung ſeines eigenen zu befoͤrdern.
Sachſen verlanget von Preußen Gefaͤlligkeiten und
L 5Preu-
[170]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
Preußen glaubet, daß Sachſen keine Gefaͤlligkeiten
gegen ihn bezeuget, ſondern daß es vielmehr ſeiner
Handlung durch den leipziger Stapel auf alle Art
Nachtheil zuzufuͤgen ſuchet. Hieraus kann man mit ei-
nem Blicke uͤberſehen, ob Preußen die Vorwuͤrfe verdie-
net, die man demſelben in denen bey Gelegenheit des
ietzigen Krieges herausgekommenen Schriften wegen
dieſer Handelsſtreitigkeiten gemacht hat. Es iſt viel-
leicht noch kein Volk in der Welt geweſen, daß nicht
den Handel ſeiner Nachbarn zu verringern und ſeinen
eignen zu vergroͤſſern geſucht hat, zumal, wenn die
Nachbarn die Durchfuhre durch ſein Land noͤthig ha-
ben, um ihren Handel zu fuͤhren; und man erwartet
allzuviel, wenn man ein anderes Betragen von den
Voͤlkern verlanget.


2) Durch
auszuſetzen-
de Pramien
auf die Aus-
fuhre der
beträchtlich-
ſten Landes-
waaren.

Die gute Einrichtung der Zoͤlle will nicht einmal
zu Befoͤrderung des auslaͤndiſchen Debits allemal zu-
reichen, ſondern man muß noch mehr thun und auf
die Ausfuhre ſolcher Waaren, die das Land haͤufig ge-
winnet und deren auslaͤndiſcher Debit ſehr wichtig wer-
den kann, gewiſſe Praͤmien ausſetzen. Dieſe Praͤmien
ſind ſehr anreizend, wenn ſie auch nur den 15ten oder
20ſten Theil des Werthes der Waaren betragen; und
man wird ſich alsdenn alle erſinnliche Muͤhe geben, ſie
bey den Auslaͤndern abzuſetzen. Es iſt rathſam, daß
die Praͤmien nur in dem Falle gegeben werden, wenn
der Preiß der Waaren maͤßig iſt und eine gewiſſe Sum-
me nicht uͤberſteiget. Dieſes dienet den wohlfeilen
Preiß der Waaren zu erhalten, der zu dem auslaͤndi-
ſchen
[171]der Manufacturen und Fabriken.
ſchen Debit ſo nuͤtzlich iſt; wie es denn uͤberhaupt kei-
ner Praͤmien bedarf, wenn die Auslaͤnder ſolche Waa-
ren um einen hoͤhern Preiß kaufen. Der innlaͤndiſche
Fabrikant oder Kaufmann findet alsdenn ohnedem ge-
nugſamen Vortheil dabey. Die Engellaͤnder haben
dieſes Mittel der auszuſetzenden Praͤmien nunmehr ſeit
80 Jahren bey der Ausfuhre des Getraides angewen-
det; und die Sache hat den allergluͤcklichſten Erfolg
gehabt. Man muß von dieſem Zeitpuncte den uͤber-
aus bluͤhenden Zuſtand der engliſchen Landwirthſchaft
anrechnen. Da das Getraide wegen der Praͤmien auf
die Ausfuhre allezeit uͤberfluͤßige Kaͤufer gefunden hat;
ſo hat man alle Winkel von der Oberflaͤche urbar zu
machen und auf die beſtmoͤglichſte Art zu nutzen ge-
ſuchet, um ſich die beliebte Waare des Getraides in
Menge zu verſchaffen. Dieſe Ausfuhre hat nichts
weniger als eine Theurung des Getraides verurſachet,
weil die Praͤmien nur ſtatt gefunden haben, wenn der
Werth des Getraides einen feſtgeſetzten maͤßigen Preiß
nicht uͤberſtiegen hat, und weil der bluͤhende Zuſtand
der Landwirthſchaft einen großen Ueberfluß des Ge-
traides veranlaßet hat. Es iſt wahr, es kann jaͤhrlich
eine betraͤchtliche Summe auf dergleichen Praͤmien
verwendet werden. Engelland hat zuweilen andert-
halb hundert tauſend Pfund Sterling jaͤhrlich als
Praͤmien vor die Ausfuhre des Getraides ausgezahlet.
Allein dieſer Aufwand iſt der allerfruchtbareſte Saame,
der nur jemals ausgeſtreuet werden kann. Wenn
funfzehn oder zwanzigmal ſo viel Geld jaͤhrlich in den
Staat eingehet und mithin der Reichthum des Landes
jaͤhrlich
[172]III. Abſch. von denen Befoͤrderungsmitteln
jaͤhrlich einen ſo wichtigen Zuſatz erlanget; ſo iſt das
die allerreichlichſte Erndte, die man von einem Auf-
wande hoffen kann. Die engliſchen Praͤmien auf die
Ausfuhre des Getraides betragen ohngefaͤhr den zehen-
ten Theil von dem Preiße deſſelben. Wenn alſo das
Parlament anderthalb hundert tauſend Pfund Ster-
lings Praͤmien auszahlet; ſo wird das Land allemal
um anderthalb Millionen reicher. Gewiß! ein ge-
ſegneter Aufwand.


3) Durch
vortheilhaf-
tige Com̃er-
eientractate
mit auswär-
tigen Völ-
kern.

Endlich tragen auch vortheilhaftige Commercien-
tractate mit auswaͤrtigen Voͤlkern zu dem auslaͤndi-
ſchen Abſatz unſerer Manufacturen- und Fabrikenwaa-
ren nicht wenig bey. Hierdurch muß unſern Landes-
waaren der Eingang in andre Staaten verſchaffet wer-
den, indem man ſich leidliche Zoͤlle vor unſere Waaren
ausbedinget und der Erhoͤhung derſelben oder dem gaͤnz-
lichen Verboth unſrer Waaren vorzubeugen ſuchet.
Die Schließung ſolcher Commercientractate erfordert
die groͤßte menſchliche Klugheit, ſo wie das Aufneh-
men der Handlung, und mithin die Wohlfarth der
Staaten groͤßtentheils darauf ankommt. Man muß
zufoͤrderſt das Jntreße der Nation in Anſehung der
Handlung vollkommen einſehen; inſonderheit aber
muß man wiſſen, mit welchen Voͤlkern es uns am mei-
ſten vortheilhaftig iſt, Commercientractate zu ſchließen.
Mit denenjenigen Nationen, die nur einen Paßivhan-
del treiben, oder die am meiſten von unſern Landes-
waaren conſumiren, oder die uns noͤthige Materialien,
desglei-
[173]der Manufacturen und Fabriken.
desgleichen großen Debit habende Waaren aus der er-
ſten Hand liefern, ſind die vortheilhaftigſten Commer-
cientractate zu Stande zu bringen. Die Hauptabſicht
eines jeden Commercientractats muß ſeyn die Bilance
in der Handlung mit dieſer Nation zu gewinnen; und
gleichwie dieſes gleichfalls der Endzweck desjenigen
Volkes iſt, ſo mit uns ſchließet, wenn es anders nicht
einfaͤltig iſt; ſo kommt es darauf an, wer den andern
uͤberliſten kann. Die Commercientractate ſind ſelten
ein Werk der ordentlichen Geſandten, die gemeiniglich
nur das Staatsintreſſe ihrer Hoͤfe verſtehen. Es muͤſſen
beſondere dieſer Sachen kundige Geſandte darzu abge-
ſchickt werden, welche nicht allein den ganzen Zuſammen-
hang der Handlung ihres Landes, ſondern auch die
wahren oder eingebildeten Handlungsvortheile desjeni-
gen Volkes, mit dem der Tractat zu ſchließen iſt,
vollkommen einſehen. Je maͤchtiger ein Volk iſt, je
mehr Anſehn es unter andern Voͤlkern hat, deſto vor-
theilhaftigere Commercientractate kann es erlangen.
Die Macht und das Anſehen muß zu vortheilhaftigen
Commercientractaten befoͤrderlich ſeyn. Allein die
Sache muß ſich nicht umgekehrt verhalten. Wir
muͤſſen die Vortheile in den Commercien nicht auf-
opfern, um Bundesgenoſſen und ein vermeintes zeitiges
Anſehn zu erlangen, es ſey denn, daß es die Rettung
des Staats erfordert. Die franzoͤſiſchen Schriftſteller
ſelbſt haben ihren Hof getadelt, daß man nachtheilige
Commercientractate ſchließet, um andere Nationen in
ſeinen vermeinten Jntereſſe zu erhalten; und vielleicht
ließe ſich dieſe Anmerkung von mehr Hoͤfen machen.


Vierter
[174]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen

Vierter Abſchnitt.
Von denen
Hinderniſſen bey Anlegung und Gruͤn-
dung der Manufacturen und
Fabriken.


Zwey
Hauptclaſ-
ſen der Hin-
derniſſe, in-
ländiſche u.
ausländi-
ſche.

Wenn man neue Anſtalten zu Stande bringen
will; ſo werden ſich allemal Hinderniſſe und
Schwierigkeiten vorfinden, die ſich unſern Abſichten
und Maaßregeln entgegen ſtellen. Dieſes wird ſich
auch bey denen Manufacturen und Fabriken ereignen:
und es iſt demnach noͤthig, daß wir die Hinderniſſe
erwaͤgen muͤſſen, die ſich der Anlegung, der Gruͤndung
und dem guten Fortgange dieſer Nahrungsgeſchaͤfte
entgegen zu ſtellen pflegen. Wenn man dieſe Hinder-
niſſe nicht einſehen und heben koͤnnte; ſo wuͤrden oͤfters
die beſten Maaßregeln zu der Anlegung und Gruͤndung
der Manufacturen und Fabriken und die beſten Befoͤr-
derungsmittel die gehofte Wirkung nicht erreichen.
Man kann aber dieſe Hinderniſſe in zwey Hauptclaſſen
eintheilen, naͤmlich in die inlaͤndiſchen, die von inner-
lichen Landesbeſchaffenheiten entſtehen, und in die aus-
laͤndiſchen, die von fremden Nationen in Weg geleget
werden. Beyde muͤſſen wir naͤher betrachten.


Alle
[175]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.

Alle Fehler und Gebrechen in der Regierung, Ein-Alle Fehler
und Gebre-
chen der Re-
gierung und
in dem Zu-
ſam̃enhange
des Staats-
körpers ſind
ſo viel Hin-
derniſſe.

richtung und Beſchaffenheit des Landes ſind ſo viel
Hinderniſſe bey Einfuͤhrung und Gruͤndung der Ma-
nufacturen und Fabriken. Da alle Theile des Staats-
koͤrpers in dem allergenaueſten Zuſammenhange und
Verhaͤltniſſe mit einander ſtehen muͤſſen, eben weil ſie
Theile von einem und eben demſelben Koͤrper ſind; ſo
ſind alle Maͤngel in dieſem Zuſammenhange und alle
Widerſpruͤche in dieſer Uebereinſtimmung ſo viel Hin-
derniſſe, wenn man Verbeſſerungen in dieſem oder je-
nem Theile des Staatskoͤrpers vornehmen will. Eben
deshalb haben wir den ſo noͤthigen Zuſammenhang der
Manufacturen und Fabriken mit allen uͤbrigen Ein-
richtungen und Beſchaffenheiten des Staats in dem
zweyten Abſchnitte vorausgeſetzt; und gleich wie dieſer
gute Zuſammenhang ſo viel Befoͤrderungsmittel der
Manufacturen und Fabriken an die Hand giebt, als
Uebereinſtimmungen vorhanden ſind; ſo zeigen ſich
hingegen ſo viel Hinderniſſe, als Fehler und Maͤngel
in dieſer Uebereinſtimmung gefunden werden. Ein
weiſer Regent oder Miniſter, der an der Gruͤndung
der Manufacturen und Fabriken, ſo wie an der Voll-
kommenheit des ganzen Staatskoͤrpers arbeiten will,
muß demnach denſelben beſtaͤndig in ſeinem Zuſammen-
hange und in dem Verhaͤltniß aller Theile gegen ein-
ander betrachten. Dieſes kann auf keine beſſere Art
geſchehen, als wenn er das Weſen und den Endzweck
der Republiken, ſo wie ich in meiner Staatswirth-
ſchaft einiges Vorbild davon gegeben zu haben glaube,
beſtaͤndig zum Grunde legt, und auf die wirklichen
Beſchaf-
[176]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
Beſchaffenheiten ſeines Staas dabey zuruͤckſiehet. Es
kann alsdenn gar nicht fehlen, daß ihm nicht die wichtig-
ſten Fehler und Gebrechen in die Augen leuchten ſollten.


Große
Schwierig-
keit derglei-
chen Gebre-
chen zu ver-
beſſern.

Jch geſtehe gern, daß es die allerſchwehreſte Un-
ternehmung iſt, dergleichen Fehler und Gebrechen in
der Regierung und dem Zuſammenhange des Staats-
koͤrpers abzuaͤndern. Es giebt allemal eine Menge
große und kleine Bediente und andere Einwohner des
Staats, die an der Fortdauer ſolcher Gebrechen ihren
offenbaren oder geheimen Vortheil finden, und die
dannenhero niemals unterlaßen, die vorhabenden Ver-
beſſerungen verhaßt zu machen und dargegen tauſender-
ley Schwierigkeiten zu erregen. Je weniger ſie die
wahre Urſache, naͤmlich den Verluſt ihres Vortheils
zu erkennen geben, deſto ernſtlicher arbeiten ſie durch
andere Vorſtellungen dargegen und laßen tauſend ge-
heime Minen ſpringen, um die Sache zu verhindern.
Ob es zwar ohnedem nicht rathſam und thunlich iſt,
alle Gebrechen des Staats auf einmal zu verbeſſern;
weil eine jede Verbeſſerung gruͤndlich und mit Vor-
ſicht geſchehen muß und mithin Arbeit und Zeit erfor-
dert; ſo traͤgt doch auch die Vorſicht, mit einigen
Gebrechen den Anfang zu machen, zu Minderung der
Schwierigkeiten nicht viel bey. Alle diejenigen, die
von ſolchen fehlerhaftigen Beſchaffenheiten des Staats
Vortheil ziehen, ob ſie gleich von der vorhabenden Ver-
beſſerung noch nicht getroffen werden, werden dennoch
dadurch aufmerkſam gemacht; und gleichwie ſie kluͤglich
voraus-
[177]bey Anlegung der Manuf. und Fabriken.
vorausſehen, daß die Reihe der Verbeſſerung auch an
ſie kommen werde; ſo machen ſie alle unter der Hand
gemeinſchaftliche Sache wider die vorhabende Vebeſſe-
rung. Es iſt dannenhero niemals einem Miniſter zu
rathen, ſeinen Endzweck auf dergleichen Verbeſſerun-
gen zu richten. Wenn er auch noch ſo viel Anſehn
und Gunſt bey ſeinem Monarchen hat; ſo wird er ge-
wiß unter der Groͤße der ſich wider ihn entſpinnenden
Cabale erliegen muͤſſen. Ehe ich dieſes einſehen lernte;
ſo habe ich mich oftmals gewundert, warum Mini-
ſters, deren vortrefliche Grundſaͤtze und große Einſicht
mir bekannt waren, nicht die Hand anlegten gar ſicht-
bare Gebrechen in der Einrichtung des Staats zu ver-
beſſern. Allein nunmehr verdenke ich es einem großen
Staatsbedienten keinesweges, wenn er dieſe allerzaͤrt-
lichſte Seite, naͤmlich die Verbeſſerung der Staatsge-
brechen gar nicht beruͤhret. Vielleicht wird man fra-
gen, was denn alſo bey dieſer Sache zu thun iſt. Jch
kann hierauf nichts antworten, als daß redliche und es
mit ihrem Vaterlande rechtſchaffen wohlmeinende Be-
diente und Unterthanen die verderbte menſchliche Na-
tur zu beſeufzen haben, und daß ſie es der Vorſehung
uͤberlaßen muͤſſen, ob er ihnen dereinſt einen Regenten
geben wird, der genugſame Einſicht hat und der ſelbſt
regieret; denn von einem ſolchen Regenten allein kann
man dergleichen Verbeſſerungen erwarten. Unter ei-
nem Regenten, der ſelbſt regieret, verſtehe ich nicht
einen Prinzen, der ſich wirklich um die Regierung be-
kuͤmmert und der ſich alles ſelbſt vortragen laͤßt und
der folglich gegen viele andere noch gut und weiſe ge-
Mnennet
[178]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
nennet zu werden verdienet, ſondern ich meine einen
Regenten, der mit ſeinem eignen Verſtande und Ein-
ſicht alles uͤberſiehet und beurtheilet, ohne, daß er ſich
auf den ihm geſchehenden Vortrag verlaͤßt; und den-
noch muß auch ein ſolcher Monarch eine uͤberaus große
Standhaftigkeit und eine Groͤße des Geiſtes beſitzen,
die alles uͤbertrift. Er muß durch tauſend Schwie-
rigkeiten, die man ihm ſelbſt zu erregen nicht unterlaſ-
ſen wird und durch den dickſten Nebel aller falſchen
Vorſtellungen, die man ihm machen wird, hindurch
zu dringen wiſſen. Solche Eigenſchaften hatte der
letztere Koͤnig von Preußen Friedrich Wilhelm; und
er wird dannenhero in allen folgenden Zeiten als ein
ſehr großer Geiſt betrachtet werden. Die preußiſchen
Staaten haben ihm den Grund ihrer vortreflichen in-
nerlichen Einrichtung zu danken, vermoͤge welcher
Preußen allemal unuͤberwindlich bleiben wird, wenn
ſich auch noch ſo viel Feinde wider ihn vereinigen.
Eine ganz vollkommene Regierungsverfaſſung iſt alle-
mal unuͤberwindlich; und je weniger Fehler eine Re-
gierungseinrichtung hat, deſto ſtaͤrker wird ſie ſeyn;
dahingegen die groͤßten Reiche deſto ſchwaͤcher ſind, je
mehr Gebrechen bey ihnen vorwalten. Vielleicht ver-
fließen viele Jahrhunderte ehe ein Land einen Regenten
bekommt, der zu ſolchen Verbeſſerungen geſchickt iſt.
Allein eben dieſes iſt es, was von der goͤttlichen Vor-
ſehung abhaͤngt, welche die Staͤrke und Schwaͤche der
Reiche nach ihren unerforſchlichen Abſichten beſtimmet
und welche mithin den Verbeſſerer nicht eher auftre-
ten laͤßt, bis es Zeit iſt. Jch kenne Staaten, die
noch
[179]bey Anlegung der Manuf. und Fabriken.
noch einmal ſo ſtark und maͤchtig ſeyn koͤnnten, ohne
denen Unterthanen einen Heller Abgaben mehr aufzu-
legen, wenn ſie nur ihre groͤbſten Gebrechen verbeſſern
wolten. Allein es iſt noch nicht der geringſte An-
ſchein und Hofnung hierzu vorhanden.


Wir wollen uns nunmehro zu andern HindernißenDer Mangel
des Genie
der Einwoh-
ner iſt eine
große Hin-
derniß bey
Gründung
der Manu-
facturen.

wenden, die eher zu heben ſind, als die Gebrechen in
der Einrichtung der Regierung. Eines der groͤßten
Hinderniße bey Einfuͤhrung und Gruͤndung der Ma-
nufacturen und Fabriken iſt ohne Zweifel der Mangel
des Genie bey den Einwohnern des Landes. Man fin-
det oͤfters, daß die Einwohner eines Landes weder Ge-
nie, noch Trieb und Luſt zu dieſen neuen Nahrungsge-
ſchaͤften haben. Sie verſtehen nichts, und wollen
nichts lernen, als was ihre ſeeligen Vaͤter getrieben ha-
ben, naͤmlich die gemeinſten Handwerker und Ackerbau
und Viehzucht, mit welchen es doch oͤfters ſchlecht ge-
nug und ſo gar laͤcherlich ausſiehet, wenn Leute zu ih-
nen kommen, die eine beſſere Landwirthſchaft verſte-
hen. Alle neue Nahrungsgeſchaͤfte ſind ihnen ſo gar
verhaßt, indem ſie meinen, wenn ſie gut und nuͤtzlich
waͤren; ſo wuͤrden ſie ihre lieben Voreltern wohl ge-
trieben haben. Das iſt nun in der That eine Beſchaf-
fenheit, die dem guten Fortgange der Manufacturen
und Fabriken gar nicht vortheilhaftig iſt. Die dauer-
haftige Gruͤndung dieſer Nahrungsgeſchaͤfte kommt
darauf an, daß ſie im Lande vervielfaͤltiget, und nicht
allein von denen in das Land gezogenen Fremden, ſon-
M 2dern
[180]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
dern auch von denen Eingebohrnen ſelbſt getrieben wer-
den. Unterdeßen iſt doch dieſe Beſchaffenheit nicht
ohne Huͤlfsmittel. Wir haben ſchon in dem vorher-
gehenden Abſchnitte gezeiget, daß der Regent aus ſeinen
Unterthanen machen kann, was er will, wenn er nur
die rechten Maaßregeln ergreift. Um die Unterthanen
zu einer gewißen Lebens- oder Nahrungsart aufzumun-
tern, kommt faſt alles darauf an, daß der Regent ſei-
ne Achtung vor dieſe Lebensart durch deutliche und in
die Augenfallende Merkmale zu erkennen giebt; und um
den Erfindungsgeiſt der Unterthanen in dieſen oder je-
nen Dingen rege zu machen, iſt nichts weiter noͤthig,
als daß der Regent denen neuen Erfindungen dieſer
Art Ehre und Belohnungen angedeihen laͤßt. Die
Ehrbegierde iſt vermoͤgend die Unterthanen zu allen faͤ-
hig zu machen. Wenn die Unterthanen zugleich ſehen,
daß man bey ſolchen neuen Nahrungsgeſchaͤften Ver-
moͤgen erwerben kann, ſo wird ihr Genie und Trieb
darzu deſtomehr erreget werden. Je mehr Beyſpiele
ſich dannenhero gleich Anfangs finden, daß man bey
denen Manufacturen und Fabriken Vermoͤgen erwor-
ben habe, deſto mehr Anreizung wird man geben, ſich
auf dieſe Nahrungsarten zu befleißigen. Derohalben
iſt es gut, wie wir ſchon oben erinnert haben, viele
einzelne Manufacturiers zu unterſtuͤtzen und ihren Ruin
auf alle Art zu verhuͤten. So ſehr auch die zu Grunde
gehenden Manufacturiers durch ihre uͤble Haushaltung
und Nachlaͤßigkeit an ihrem Untergange ſchuld gewe-
ſen ſind; ſo muͤſſen doch die neuen Nahrungsgeſchaͤfte
in den Augen der meiſten Menſchen zugleich mit Ur-
ſache
[181]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
ſache ſeyn und man hat demnach ſo viel abſchreckende
Beyſpiele. Man muß jedoch geſtehen, daß bey denen
alten Einwohnern in Bildung des Genies wenig zu
thun iſt. Die Vorurtheile, die mit uns alt und grau
geworden ſind, werden ſchwehrlich abgeleget, ſo wie
eine einmal ergriffene Nahrungsart ſelten veraͤndert
wird. Das Hauptwerk kommt demnach auf die An-
fuͤhrung der Jugend an. Man bemerket, daß in ſol-
chen Landen, wo ſich ein beſonderes Genie zu Com-
mercien und Manufacturen zeiget, die Kinder ſchon in
ihren fruͤheſten Jahren zur Arbeit und Fleiß angehal-
ten werden. Jn Holland und Engelland ſiehet man
ſchon Kinder von 4 bis 6 Jahren allerley ihrem Alter
gemaͤße Arbeit verrichten. Jn andern Staaten, wo
das Genie zu nuͤtzlichen Nahrungsgeſchaͤften fehlet, ſie-
het man ſie unter Spielen und Muͤßiggang aufwach-
ſen. Vielleicht wuͤrde es der Pflicht der Lehrer in Kir-
chen und Schulen ſeyn, ſowohl Eltern als Kindern
hierinnen fleißige Lehren und Ermahnungen zu geben
und inſonderheit denen Kindern den Grundſatz einzu-
ſchaͤrfen, daß ſie allein durch Fleiß und Application ihr
kuͤnftiges Gluͤck in dem buͤrgerlichen Leben erwarten koͤn-
nen. Die Pflichten des buͤrgerlichen Lebens ſollten
ein ſo eifriger Gegenſtand des Unterrichts der Kinder,
als die Pflichten der Religion ſeyn. Wir wollen
Chriſten erziehen, allein wir ſollen auch zugleich gute
und nuͤtzliche Mitglieder des gemeinen Weſens bilden.
Vielleicht wird es der Staat kaum wagen, denen Geiſt-
lichen und Schullehrern wegen dieſer Art des Unterrich-
tes Vorſchriften zu geben. Unterdeſſen kann doch die
M 3Regie-
[182]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
Regierung nichts abhalten in allen Waiſenhaͤuſern eine
ſolche Art der Erziehung einzufuͤhren und alle darin-
nen befindliche Kinder nicht allein arbeiten, ſondern
auch ihren Geiſt dergeſtalt bilden zu laßen, daß er mit
Genie und Trieb zum Fleiß und nuͤtzlichen Nahrungs-
geſchaͤften erfuͤllet wird. Was die Waiſenhaͤuſer denen
Kindern von den fruͤheſten Jahren an einpraͤgen koͤnn-
ten, das koͤnnten wohl eingerichtete mechaniſche Real-
ſchulen bey etwas mehr erwachſenen Kindern gleichfalls
ausrichten; und ſo wuͤrde das Genie eines Volkes zu
Manufacturen und Fabriken gar bald gebildet werden.


Die Liebe zu
dem Auslän-
diſchen, eine
andere Hin-
derniß vor
die Landes-
manufactu-
ren.

Naͤchſt dem Mangel des Genie des Volkes iſt auch
die Liebe zu den auslaͤndiſchen Waaren eine große Hin-
derniß vor das Aufkommen der Landesmanufacturen.
Dieſe Liebe des Auslaͤndiſchen iſt faſt ein allgemeiner
Fehler aller Voͤlker. Man darf nicht glauben, daß
dieſe Neigung nur allein bey uns teutſchen und andern
noͤrdlichen Nationen ſtatt findet, weil die Manufactu-
ren daſelbſt noch keine große Vollkommenheit er-
langet haben. Die Franzoſen und Engellaͤnder, die
es in der Vollkommenheit der Manufacturen unſtrei-
tig viel weiter gebracht haben, werden von dieſer Liebe
des Auslaͤndiſchen eben ſo ſtark hingeriſſen. Jhre eige-
nen Schriftſteller machen ihnen daruͤber die bitterſten
Vorwuͤrfe. Dieſe wunderliche Neigung iſt um ſo mehr
vor eine Hinderniß in dem guten Fortgange der Ma-
nufacturen zu achten, wenn man den inlaͤndiſchen Debit
nicht auf ſtrenges Verboth und Aufſicht gegen die Ein-
fuhre
[183]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
fuhre der auslaͤndiſchen Waaren, ſondern auf die glei-
che Guͤthe und Preiß der inlaͤndiſchen Waaren gruͤn-
den will, wie ich angerathen habe. Unterdeſſen muß
man nicht glauben, daß dieſe ſchaͤdliche Neigung des
Volkes ohne Heilungsmittel iſt. Eines der vornehm-
ſten Huͤlfsmittel iſt ohne Zweifel, daß ſich der Hof
ſelbſt zufoͤrderſt von dieſer Krankheit heilet. Jch muͤſte
mich ſehr irren, wenn nicht der Hof ſelbſt allemal das
Volk mit dieſer Neigung anſtecket. Der Hof iſt das
Beyſpiel, wornach ſich die Hauptſtadt und weiter das
ganze Land bildet. Dieſes iſt ſo wohl bey Tugenden
und Laſtern, als inſonderheit bey der Ueppigkeit und
den Moden eine ganz unlaͤugbare Wahrheit. Das
Beyſpiel des Regenten macht in allen Dingen einen
ganz ungemeinen Eindruck zur Nachahmung. Der
Ehrgeitz der vermoͤgenden Einwohner gehet allemal
hauptſaͤchlich dahin, es denen Hofleuten gleich zu thun;
ſo wie ſich die Hofleute nach dem Muſter des Regen-
ten und ſeiner Familie bilden. Wenn nun der Hof ſelbſt
nichts als auslaͤndiſche Waaren verbrauchet, eine Sache,
die oͤfters ſo weit gehet, daß Peruquen, Schue und
alle Kleinigkeiten von Paris verſchrieben werden muͤſ-
ſen: ſo iſt es kein Wunder, daß die Liebe des Auslaͤn-
diſchen das ganze Volk erfuͤllet. Dahingegen, wenn
der Hof nichts als Landeswaaren verbrauchet; ſo wird
dieſe Liebe zu auslaͤndiſchen Waaren gar bald vermin-
dert werden. Wenn nun vollends der Monarch uͤber
den Gebrauch der auslaͤndiſchen Waaren oͤffentlich ſein
Mißfallen bezeuget; ſo wird ſich dieſe Neigung gar
bald ganz und gar verliehren. Ein zu rechter Zeit ge-
M 4ſproche-
[184]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
ſprochenes Wort hat hier eine ungemeine Wirkung.
Als ein gewiſſer großer Monarch eine neu angelegte
Seidenmanufactur mit ſeiner ganzen Familie und Hof-
ſtatt in Augenſchein nahm: ſo ſagte er in Gegenwart
vieler Damen: Nun, das iſt gewiß ein vortreflicher
Anfang. Alles wird nunmehr darauf ankommen,
daß ſich einige Damen den Kopf zu recht ruͤcken und
daß ſie nicht glauben, eine Blume ſey beſſer, weil ſie in
andern Laͤndern gewirket iſt. Dieſe Rede ſchlug die
Liebe zu dem Auslaͤndiſchen bey den meiſten Damen
gar ſehr darnieder.


Der hohe
Preiß aller
Dinge hin-
dert gleich-
falls das
Aufkommen
der Manu-
facturen.

Jch habe ſchon oͤfters erinnert, daß der hohe Preiß
der Lebensmittel dem guten Fortgange der Manufactu-
ren und Fabriken ſehr nachtheilig iſt. Eben dieſes muß
man von dem hohen Preiße aller andern noͤthigen
Dinge behaupten. Wenn der Manufacturier und Fa-
brikant alle Handwerksleute und Arbeiter, die er noͤthig
hat, ſehr theuer bezahlen muß; ſo muß er nothwendig
ſeine Waaren gleichfalls theuer geben, wenn er beſte-
hen will. Dieſe Theurung aller Dinge iſt oͤfters dem
Aufkommen der Manufacturen am meiſten hinderlich.
Es fragt ſich, woher dieſelbe entſtehet. Gemeiniglich
glaubt man, daß ein Land, wo alle Dinge theuer ſind,
ſehr viel Geld habe. Allein dieſe Urſache will ſich in
vielen Staaten nicht durch die Erfahrung beſtaͤtigen.
Man wird oͤfters in ſolchen Staaten, wo alles theuer
iſt, durch unlaͤugbare Gruͤnde und Erfahrungen uͤberzeu-
get, daß dem ohngeachtet wenig Geld im Lande iſt.
Es
[185]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
Es iſt wahr, man kann ganz ſicher ſchließen, wo viel Geld
im Lande iſt, da wird alles theuer ſeyn. Allein man
wuͤrde ſich ſehr irren, wenn man dieſen Schluß um-
kehren und behaupten wollte: wo alles theuer iſt, da
muß ſehr viel Geld im Lande ſeyn. Die Theurung
hat noch mehr Urſachen, als den Ueberfluß des Gel-
des. Sie koͤmmt hauptſaͤchlich auf den Ueberfluß oder
Mangel der Waaren im Lande an. Dieſe Wahrheit
iſt noch wenig oder gar nicht ausfuͤhrlich gezeiget wor-
den. Wenn ein Land einen großen Ueberfluß von einer
gewiſſen Art Waaren hat; ſo werden dieſe Waaren alle-
mal ſehr wohlfeil ſeyn, ohngeachtet dieſes Land einen gro-
ſen Reichthum beſitzet. Dieſe Wahrheit beſtaͤtiget ſich
allenthalben. Das reiche Engelland hat einen ſehr
wohlfeilen Getraidepreiß. Die Lehre von dem Preiß
der Dinge iſt durch den Begriff der Franzoͤſiſchen und
Engellaͤndiſchen Schriftſteller, daß ſie das Geld ledig-
lich als vorſtellende Zeichen der Waaren anſehen, ſehr
irrig gemacht worden. Es iſt wahr, man kann den
Begriff von den vorſtellenden Zeichen bey dem Gelde
gebrauchen, aber nur Gleichniß und Erlaͤuterungs-
weiſe. Sobald man einen Grundſatz daraus macht und
die ganze Lehre von Gelde darauf bauet; ſo wird man in
vielerley Jrrthuͤmer gerathen. Wenn nun alſo die
Theurung der Waaren hauptſaͤchlich auf ihren Man-
gel im Lande ankommt; ſo ſiehet man leicht, daß die
Theurung derſelben ſtatt finden kann, wenn auch nur
wenig Geld im Lande iſt. Wenn die Einwohner ei-
nes Landes, aus Faulheit und Ungeſchicklichkeit nur
wenig Guͤther und Waaren gewinnen oder verfertigen;
M 5ſo
[186]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
ſo muͤſſen ſie nothwendig theuer ſeyn. Jnſonderheit
habe ich |bemerket, daß es in ſolchen Staaten, unge-
achtet des wenigen darinnen befindlichen Geldes, den-
noch ſehr theuer iſt, wo die Buͤrger und Einwohner
wenig Fleiß bezeigen und dennoch herrlich und wohl
leben wollen. Wenn der Handwerksmann wenig Luſt
zu arbeiten hat und doch alle Tage gut Eßen, Wein
und Caffee haben, auch ſich praͤchtig in Kleidern zeigen
will, ſo muß er nothwendig die wenige Arbeit, die er
verfertiget in ſehr hohen Preiß ſetzen; und gleichwie
ein Handwerksmann vermoͤge der eingeriſſenen Ueppig-
keit es dem andern bald nachzuthun pfleget; ſo entſte-
het gar bald eine algemeine Theurung der noͤthigſten
Arbeiten, ſo daß nichts wohlfeil bleibt, als das Ge-
traide in fruchtbaren Jahren. Dieſes iſt das Bild von
den meiſten Staaten in Teutſchland, wenn man eini-
ge Evangeliſche Staaten, die ſich auf Commercien und
Manufacturen appliciren, ausnimmt: ja es iſt das
Bild faſt von allen andern Staaten, wo keine Com-
mercien und Manufacturen bluͤhen und eine ſchlechte
Policey iſt. Allein es iſt ein ſehr betruͤbter Zuſtand,
der dem Wachsthum der Manufacturen faſt alle Hof-
nung abſpricht. So gluͤcklich der Zuſtand eines Lan-
des iſt, worinnen eine Ueppigkeit herrſchet, die mit Lan-
deswaaren getrieben wird und die eine Frucht des
Fleißes ſeiner Einwohner iſt; ſo elend iſt die Beſchaf-
fenheit eines Landes, das Ueppigkeit mit fremden Waa-
ren und in Verbindung mit der Faulheit treibet. Der
gaͤnzliche Verfall des Nahrungsſtandes und das volle
Verderben des Staats kann nicht lange ausbleiben.
Gleich-
[187]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
Gleichwie ein ſolcher Zuſtand eine Folge einer uͤber die
maaßen ſchlechten Policey iſt; ſo kann er auch durch
nichts als die vollkommenſte Policey wieder geheilet
werden. Man muß zufoͤrderſt dieienigen Handwer-
ker, welche den Verkauf der Lebensmittel in Haͤnden
haben, in denen allergenaueſten Schranken halten, daß
ſie in den moͤglichſt wohlfeileſten Preiß geſetzet werden.
Dieſes geſchiehet durch genaue auf die richtigſten Pro-
ben gegruͤndete Taxen und durch eine ſtrenge Befol-
gung derſelben. Alle Schwierigkeiten und ſcheinbare
Unmoͤglichkeiten, die von dieſen Handwerkern gemacht
werden, ſind gar leicht zu uͤberwinden, wenn man den
ernſtlichen Willen hat. Als vor ohngefaͤhr acht Jah-
ren Sr. Kayſerl. Koͤnigl. Majeſtaͤt beſchloſſen hatten,
den Preiß des Rindfleiſches in Wien nicht uͤber fuͤnf
und einen halben Kreuzer ſteigen zu laßen; ſo wurden
endlich alle faͤſchlich vorgebildete Unmoͤglichkeiten der
Fleiſchhauer dadurch vernichtet, daß man eine Liefe-
rung der Ochſen aus Pohlen veranſtaltete, welche die
Fleiſchhauer vor einen ſolchen Preiß kaufen mußten,
daß der Preiß des Rindfleiſches vor fuͤnf und einen
halben Kreuzer nach denen gemachten Proben dabey
ſtatt finden konte. So viel ungleiche Urtheile damals
uͤber dieſe Anordnung ergiengen, inſonderheit weil da-
durch der Abſatz der Ungariſchen Ochſen Schaden litte:
ſo habe ich doch dieſe Verfuͤgung allemal vor ſehr weiß-
lich gehalten. Der dabey gehabte Endzweck, der nie-
mals auf einen beſtaͤndigen Einkauf der Ochſen aus
Pohlen gieng, ſondern nur um der Fleiſchhauer vorge-
ſtellte Unmoͤglichkeiten zu uͤberwinden, wurde vollkom-
men
[188]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
men erreichet. Als die Fleiſchhauer ſahen, daß alle
ihre Schwierigkeiten vergeblich waren; ſo bequehmten
ſie ſich das Rindfleiſch vor den geſetzten Preiß zu ver-
kaufen und den Einkauf der Ochſen ſelbſt zu beſorgen.
Auf dieſe Art wird ein vernuͤnftiges Policeydirectorium
allemal Mittel finden, den hohen Preiß der Lebensmit-
tel zu verhindern, wenn nur anders die Policeyaufſe-
her, wie es oͤfters geſchiehet, mehr den Nutzen und die
Wohlfarth des Staats, als ihr eigenes Jntereße und
die geheimen Geſchenke lieben. Sind nun ſolcherge-
ſtalt die Handwerker, die mit den Lebensmitteln zu thun
haben, in Ordnung gebracht, ſo kann man mit denen uͤbri-
gen, denen nunmehro die Berufung auf die theuren Lebens-
mittel benommen iſt, gar leicht zu Stande kommen. Das
beſte Mittel iſt, daß man alle diejenigen Handwerker,
die ihre Waaren zu theuer geben, durch Berufung der
Auslaͤnder und durch ein freyes Meiſterrecht auf alle
Art vervielfaͤltiget; und wenn auch dieſes den Preiß
ihrer Arbeit nicht vermindert; ſo iſt kein anderer Rath,
als daß ihnen die Policey Taxen ſetzet, die ſich auf den
Preiß ihrer Materialien und auf genaue und richtige
Proben ihrer Arbeit gruͤnden. Man macht zwar ge-
meiniglich den Einwurf, daß ſie alsdenn ihre Arbeit
deſto ſchlechter machen werden. Allein auch dieſem iſt
durch wohl eingerichtete Reglements von der Guͤte und
Tuͤchtigkeit der Waaren und Arbeit leicht vorzu-
beugen.


Gleich-
[189]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.

Gleichwie eine lebhaftige Circulation des GeldesDer Mangel
einer genug-
ſamen Sum-
me des cir-
culirenden
Geldes iſt
eine große
Hinderniß.
Verſchiedene
Mittel dar-
wider

die Seele des geſamten Nahrungsſtandes iſt; ſo hat
man ſich ſchwehrlich einen bluͤhenden Zuſtand der Ma-
nufacturen und Fabriken zu verſprechen, wenn es dem
Lande an einer genugſamen Menge Geldes in der Cir-
culation ermangelt. Dieſe Hinderniß iſt eine der wich-
tigſten, und ſie ereignet ſich nicht ſelten, ohne daß man
ſie allemal erkennet. Jedermann iſt darinnen einig,
daß dieſe Hinderniß, die nicht allein dem Aufnehmen
der Manufacturen, ſondern auch des geſamten Nah-
rungsſtandes hoͤchſt ſchaͤdlich iſt, gehoben werden muß.
Allein in dem Huͤlfsmittel dieſe Hinderniß zu heben,
trift man eine große Verſchiedenheit der Meinungen
an, die wir alſo insbeſondere betrachten muͤſſen.


Einige ſtehen in den Gedanken, daß dieſe Hinder-1) Ob
durch An-
lehn aus
fremden
Staaten.

niß am beſten durch ein Anlehn aus fremden Staaten
gehoben werden koͤnne und daß dieſe fremde im Lande
zur Circulation gebrachte Summe Geldes eben die
Dienſte leiſte, als wenn ſie dem Lande eigenthuͤmlich
zugehoͤrte. Allein dieſe Leute bedenken nicht, daß die
jaͤhrlichen Jntereßen das ohnedem ſchwache Capital
des Landes immer mehr vermindern und daß dennoch
endlich die aufgeborgte Summe wieder erſtattet wer-
den muß, wodurch hernach die Circulation des Geldes
deſto mehr gehemmet und der Verfall des Nahrungs-
ſtandes deſto groͤſſer wird. Unterdeſſen muß ich geſte-
hen, daß dieſes Mittel nicht ganz und gar zu verwer-
fen iſt. Es muß aber das allerletzte ſeyn, das man
ergrei-
[190]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
ergreifet, naͤmlich, wenn alle andere nicht thunlich ſind.
Zugleich aber muß man die allerſicherſten Maaßregeln
ergreifen, daß ehe die Zeit der Wiederbezahlung er-
ſcheinet, die ſo viel moͤglich auf entfernte Zeiten und zu
verſchiedenen Terminen zu beſtimmen iſt, vermoͤge der
Commercien und Manufacturen die Handlungsbilanz
gewonnen und neues Geld in den Staat eingegangen iſt.


2) Ob durch
das Verboth
der Ausfuh-
re des Gel-
des.

Wenn ſich der Mangel einer genugſamen Summe
Geldes in der Circulation aͤußert; ſo iſt es ein gar ge-
woͤhnliches Mittel die Ausfuhre des Geldes zu ver-
biethen; und es werden gar wenig Staaten ſeyn, wo
man ehedem dieſes Mittel nicht gebraucht hat, oder
wo es nicht annoch gegenwaͤrtig ſtatt findet. Allein
ich muß frey bekennen, daß dieſes Mittel ganz und gar
nichts taugt; und eben, weil es ſo ſehr gewoͤhnlich in
der Welt iſt; ſo muß ich mich etwas dabey aufhalten,
um dieſes unnuͤtze und eitle Mittel einmal aufhoͤrend
zu machen. Jch nenne es mit Recht ein eitles Mittel.
Man muß es ſo gar ein unmoͤgliches nennen. Bey
der Ausfuhre des Geldes kommt alles auf die Beſchaf-
fenheit der Commercien des Landes an. Hat ein Land
die Handlungsbilanz mit allen andern commercirenden
Nationen gewonnen, das iſt, wenn es mehr Landes-
waaren ausfuͤhret, als es fremde Waaren bey ſich ein-
fuͤhret; ſo muͤſſen ihm andere Nationen den Ueber-
ſchuß mit baaren Gelde verguͤten. Hat aber ein Volk
die Handlungsbilanz nicht gewonnen, fuͤhret es mehr
fremde Waaren bey ſich ein, als es Landesproducte
aus-
[191]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
ausfuͤhret; ſo muß es jaͤhrlich eine Summe Geldes
zu Erfuͤllung der Handlungsbilanz an andre Natio-
nen nachſchießen. Jn dem erſten Fall iſt das Ver-
both der Ausfuhre des Geldes unnoͤthig, in dem an-
dern Fall aber iſt es moraliſcher und ſo gar wirklicher
Weiſe unmoͤglich. Haben die Commercien des Lan-
des eine ſolche Beſchaffenheit, daß die Kaufleute an
andre Nationen jaͤhrlich eine Summe Geldes heraus
bezahlen muͤſſen und die Regierung laͤßt dennoch das
Verboth der Ausfuhre des Geldes ergehen; ſo gebie-
thet ſie eine gaͤnzlich unmoͤgliche Sache. Sie gebie-
thet entweder, daß die inlaͤndiſchen Kaufleute ihre
Schulden nicht bezahlen ſollen, oder daß die auslaͤn-
diſchen Kaufleute denen ihrigen Credit geben ſollen.
Das erſte iſt moraliſch unmoͤglich, weil es der Gerech-
tigkeit zuwider iſt; denn wenn die auslaͤndiſchen Kauf-
leute klagten und man wollte die Gerechtigkeit nicht
außer Augen ſetzen; ſo wuͤrde man denen inlaͤndiſchen
Kaufleuten die Bezahlung auflegen und mithin einen
dem vorigen ganz widerſprechenden Befehl ertheilen
muͤſſen. Das andere iſt wirklich unmoͤglich, weil es
außer den Graͤnzen der Macht der Regierung iſt, de-
nen Auslaͤndern anzubefehlen, daß ſie den inlaͤndiſchen
Kaufleuten Credit geben ſollen. Wollte man ſagen,
daß die inlaͤndiſchen Kaufleute die Auslaͤnder mit Pa-
pieren, oder mit Landeswaaren, bezahlen ſollten; ſo
wuͤrde eine gleiche Unmoͤglichkeit vorhanden ſeyn. Die
Papiere an Actien, Bancozetteln, Wechſeln und der-
gleichen ſind entweder auslaͤndiſche oder inlaͤndiſche.
Die Auslaͤndiſchen ſind in den Haͤnden einer Nation,
welche
[192]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
welche die Handlungsbilanz zu bezahlen hat, nicht zu
vermuthen. Sie gehen allemal als baar Geld nach
ihren jedesmaligen Cours in die Haͤnde andrer Natio-
nen; und wenn auch etliche wenige ſolcher Papiere im
Lande vorhanden ſeyn ſollten; ſo bedarf es deshalb kei-
nes Befehles. Man wird ſie allemal zuerſt außer
Landes ſchicken, ehe man daran denket baar Geld außer
Landes zu ſenden. Man darf nur den Lauf der Com-
mercien wiſſen, um hieran nicht zu zweifeln. Mit der
Bezahlung durch inlaͤndiſche Papiere aber hat es die
vorige Beſchaffenheit, daß naͤmlich die Regierung den
Auslaͤndern den Credit dieſer Papiere unmoͤglich an-
befehlen kann. Hier kommt es auf den Credit und den
Cours an, den dieſe Papiere an und vor ſich ſelbſt bey
den Auslaͤndern haben. Dieſer Credit muß durch
ganz andere Maaßregeln befoͤrdert werden, als durch
den Befehl kein Geld auszufuͤhren, ſondern mit Papie-
ren zu bezahlen. Dieſer Befehl hat vielmehr eine ganz
entgegen geſetzte Wirkung und vermindert den Credit,
den dieſe Papiere vorher gehabt haben. Jch habe mir
hierinnen den Beyfall eines jeden vernuͤnftigen Kauf-
mannes zu verſprechen; und die Erfahrung hat dieſes
genugſam beſtaͤtiget. So lange der Actienhandel in
Frankreich auf der thoͤrichten Begierde der Menſchen
nach dieſen Papieren, oder auf der von ſelbſt entſtan-
denen Einbildung ihres Werthes beruhete; ſo hatten
dieſe Papiere auch auswaͤrts ihren guten Credit. So
bald aber der Herzog Regent durch Edicte anbefahl,
daß alle Bezahlungen nicht mit Gelde, ſondern mit
dieſen Papieren geſchehen ſollten; ſo gieng ihr Credit
bey
[193]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
bey den Auslaͤndern gaͤnzlich verlohren. Der Credit
iſt eine Sache, die außer den Graͤnzen der Macht aller
Monarchen iſt. Was die Bezahlung mit den Landes-
waaren anbetrift; ſo iſt es zwar wahr, daß ein Re-
gent anbefehlen kann, daß ſeine Kaufleute auf keine
andere Art mit den Auslaͤndern handeln ſollen, als die
Landeswaaren gegen die benoͤthigten auslaͤndiſchen
umzuſetzen. Ja er kann den Handel mit Gelde ganz
und gar aufheben und den Tauſch davor einfuͤhren, ob
gleich eine ſolche Verfuͤgung denen Commercien des
Landes zu ſchlechten Vortheile gereichen wuͤrde. Allein
alle ſolche Verordnungen koͤnnen ſich nur auf die kuͤnf-
tigen Faͤlle, nicht aber auf den vorhin geſchloſſenen
Handel mit den auswaͤrtigen erſtrecken. Es beruhet
auf der Willkuͤhr des Auslaͤnders, ob er auf dieſe Be-
dingung gegen Landeswaaren umzuſetzen, mit uns
handeln will; und da dieſe Bedingung bey dem bereits
geſchloſſenen Handel nicht vorausgeſetzet worden iſt;
ſo iſt es moraliſcher Weiſe unmoͤglich, das iſt, es iſt
der Gerechtigkeit nicht gemaͤß, den Auslaͤnder zu noͤ-
thigen, ſich mit Landeswaaren bezahlen zu laßen.
Ueberdiß iſt ein ſolches Geſetz denen Landescommercien
ſelbſt nachtheilig. Wir wollen den Fall ſetzen, daß
wirklich Landeswaaren vorhanden ſind, um die Aus-
laͤnder damit zu bezahlen; ſo wird dieſer Befehl nichts
anders wirken, als daß wir die Landeswaaren um einen
geringern Preiß losſchlagen muͤſſen. Denn da wir
dem Auslaͤnder, der auf Geld gehandelt hat, die Lan-
deswaaren wider ſeinen Willen nicht aufdringen koͤn-
nen; ſo wird er ſie nicht anders, als unter ihren laufen-
Nden
[194]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
den Preiße annehmen: und eben der Befehl wird ein Be-
wegungsgrund mehr ſeyn, ſeinen Vortheil deſto groͤſſer
zu machen. Sind aber wirklich keine Landeswaaren
vorhanden, die uns aus Mangel des auslaͤndiſchen
Debits uͤber dem Halſe bleiben; und man kann alle-
mal hundert gegen eines verwetten, daß ſie nicht vor-
handen ſind; denn eine Nation bezahlet ſelten oder
niemals die Handlungsbilanz aus Mangel des auslaͤn-
diſchen Debits, ſondern aus Mangel genugſamer Lan-
desproducte; ſo iſt ein ſolcher Befehl ohnedem eitel
und unmoͤglich. Ueberhaupt wird mir ein jeder ver-
nuͤnftiger Kaufmann Recht geben muͤſſen, daß das
Verboth der Ausfuhre des Geldes vor eine Nation,
welche die Handlungsbilanz an andre Nationen zu
bezahlen hat, dieſen ohnedem ſchlechten Zuſtand der
Handlung noch ſchaͤdlicher macht. Aus einem ſolchen
Lande iſt der Wechſelcours in andre Staaten ohnedem
ſehr hoch. Dieſer Erfolg iſt ganz natuͤrlich und leidet
bey allen, die das Commercienweſen verſtehen, keinen
Zweifel. Denn da ein ſolches Land viel Geld an andre
Nationen zu verſenden hat; ſo bemuͤhet ſich ein jeder
Wechſelbriefe zu bekommen, um die Koſten der Abſen-
dung des Geldes in natura zu vermeiden; und er wird
dieſe Wechſelbriefe ſo hoch bezahlen, bis er nur noch
einen geringen Vortheil gegen die Koſten der Abſen-
dung in natura hat. Allein, wenn die Ausfuhre des
Geldes in ſeiner Subſtanz gar nicht erlaubt iſt; ſo
muß der Kaufmann, der Bezahlung leiſten und ſich
in Credit erhalten muß, die Papiere der Auslaͤnder ſo
hoch bezahlen, als ſie ſolche ſetzen und der Wechſelcours
muß
[195]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
muß immer hoͤher ſteigen und zwar hoͤher als die Ab-
ſendung des Geldes in natura koſtete. Denn das
Huͤlfsmittel wider den allzuhohen Wechſelcours, naͤm-
lich das Geld in Natur abzuſenden, iſt ihm benommen.
Dennoch iſt der große Verluſt, den die Nation bey
einem allzuhohen Wechſelcours leidet, ganz vergeblich
und ohne Nutzen. Denn wenn dieſe Nation die
Handlungsbilanz nicht gewinnet; ſo muß doch endlich
die Bezahlung des Geldes in Natur geſchehen, wenn
das Land bey Auswaͤrtigen nicht allen Credit verlieh-
ren ſoll. So wie demnach das Verboth der Ausfuhre
des Geldes bey einer Nation, welche die Handlungs-
bilanz bezahlen muß, nicht allein ſchaͤdlich, ſondern
ganz und gar unmoͤglich iſt; ſo iſt hingegen dieſes Ver-
both bey einem Volke, welches die allgemeine Hand-
lungsbilanz uͤber andere Voͤlker gewonnen hat, gaͤnzlich
unnoͤthig. Dieſes Volk bekommt jaͤhrlich von andern
Voͤlkern baar Geld heraus. Es hat demnach natuͤr-
licher Weiſe in alle ſolche Laͤnder einen niedrigen Wech-
ſelcours. Ein Kaufmann alſo, der bey einer ſolchen
Beſchaffenheit Geld in Natur außer Landes ſenden
wollte, wuͤrde nicht klug ſeyn. Die Abſendung des
Geldes in Natur wuͤrde ihm dreymal hoͤher zu ſtehen
kommen, als durch Papiere; und ein ſolches Verfah-
ren muß man nie von einem Kaufmann gedenken. Es
iſt wahr, es giebt demohngeachtet Faͤlle, wo baar Geld
in Natur außer Landes geſendet wird. Allein gleich-
wie dieſe Faͤlle gegen die vorigen ſehr wenig und von
keiner Betraͤchtlichkeit ſeyn werden; ſo muß man auch
bey einem Lande, das die Handlungsbilanz gewonnen
N 2hat,
[196]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
hat, zweyerley vorausſetzen. Es wird erſtlich in ei-
nem ſolchen Lande viel fremd Geld roulliren, indem
andere Nationen beſtaͤndig an daſſelbe baar Geld her-
aus bezahlen muͤſſen; und ſodann wird man zur natuͤr-
lichen Verſendung des Geldes allemal eher das fremde
Geld, als die eigne Landesmuͤnze erwaͤhlen, und zwar
wird man am allererſten desjenigen Landes Geld ergrei-
fen, wohin die Verſendung geſchehen ſoll, weil dieſes
Geld daſelbſt am beliebteſten iſt und damit am meiſten
auszurichten ſtehet. Man kann alſo wegen Verſen-
dung der Landesmuͤnze ganz ohne Sorgen ſeyn. Jch
ſage hier nichts als was die Erfahrung beſtaͤtiget.
Engelland verſendet jaͤhrlich, wie aus den Zollregiſtern
erhellet, ſehr viel Geld außer Landes. Dennoch iſt es
eine Seltenheit in andern Laͤndern eine Guinee oder
andere engliſche Muͤnze zu Geſichte zu bekommen. Wie
kommt dieſes? Engelland hat die allgemeine Hand-
lungsbilanz uͤber andere Voͤlker gewonnen. Es gehet
alſo jaͤhrlich viel fremd Geld nach Engelland; und
dieſes fremde Geld iſt es eben, was die Engellaͤnder bey
ſich ereignenden Vorfaͤllen wieder verſenden. Es iſt
wahr, es iſt auch in Engelland ein Verboth, die Lan-
desmuͤnze auszufuͤhren. Allein dieſes Verboth gehoͤ-
ret noch zu denen Ueberbleibſeln der ehemaligen ſchwa-
chen Einſicht. Es wuͤrden auch ohne daſſelbe keine
engliſche Muͤnzen ausgefuͤhret werden; und wenn die
engliſchen Kaufleute bey der Ausfuhre ihrer Landes-
muͤnzen ſich Vortheil zu ſchaffen wuͤſten; ſo wuͤrde die-
ſes Verboth von keiner großen Wirkung ſeyn; ſo wie
man die neuen Muͤnzen andrer Staaten ohngeachtet
des
[197]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
des Verbothes dennoch auswaͤrts roulliren ſiehet. Eine
andere Urſache des Verbothes der Ausfuhre der Lan-
desmuͤnzen, daß naͤmlich dieſelben in andern Staaten
eingeſchmolzen und dargegen das Land mit geringhal-
tigen Muͤnzen uͤberſchwemmet wuͤrde, iſt von eben ſo
geringer Erheblichkeit. Man darf naͤmlich nur aus-
waͤrtigen geringhaltigen Muͤnzen keinen andern Cours
im Lande geſtatten, als nach ihren wahren innerlichen
Werth und nach dem Fuß der Landesmuͤnzen: ſo wird
dieſe Ausfuͤhrung und Einſchmelzung wohl nachblei-
ben muͤſſen. Niemand begehret mit Verluſt fremde
Muͤnzen einzuſchmelzen. Ueber alles dieſes iſt das
Verboth der Ausfuhre des Geldes, wider das Weſen
und den Endzweck der Muͤnzen. Man hat bloß des
auswaͤrtigen Handels wegen goldne und ſilberne
Muͤnzen. Der inlaͤndiſche Verkehr koͤnnte ohne
Nachtheil mit kupfernen, zinnernen und andern Muͤn-
zen geſchehen, oder man koͤnnte auch eine andere Sa-
che zum allgemeinen Verguͤtungsmittel annehmen, wie
es in einigen Landen wirklich ſtatt findet. Wenn man
alles dieſes erwaͤgen wollte; ſo wuͤrden die Regierun-
gen einmal aufhoͤren, ſich des Verbothes der Ausfuhre
des Geldes zu gebrauchen, welches unterdeſſen noch
in dieſem erleuchteten Jahrhunderte gar oft angewen-
det und inſonderheit zwiſchen Frankreich und Savoyen
zum großen Nachtheil der Reiſenden und der Com-
mercirenden bis zur Ausſchweifung getrieben wor-
den iſt.


N 3Man
[198]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
3) Ob durch
Errichtung
einer Banco.

Man pfleget auch ſeine Zuflucht zu Errichtung ei-
ner Banco zu nehmen, wenn es an einer genugſamen
Summe Geldes in der Circulation ermangelt; und
in der That iſt dieſes eines von denen allerbeſten Huͤlfs-
mitteln. Die Summe des circulirenden Geldes wird
dadurch um ſo hoch vermehret, als die Summe, wor-
auf die Banco gegruͤndet iſt, austraͤgt. Dieſe Ver-
mehrung beſtehet zwar nur in Papieren und mithin in
der Einbildung. Allein, wenn die Banco einen voll-
kommenen Credit hat; ſo hat ſie in Abſicht auf die
Vermehrung der circulirenden Summe eben den Nu-
tzen, als waͤre die Vermehrung wirklich geſchehen.
Wenn aber eine Banco dieſe Wirkung leiſten ſoll; ſo
muß ſie folgende Beſchaffenheiten haben. Sie muß
1) keine Giro oder Wechſelbank, ſondern eine Leihe-
bank ſeyn. Die Wechſelbanken ſind nur zur Bequem-
lichkeit und Unterſtuͤtzung eines großen und bereits ſehr
bluͤhenden Kaufhandels. Sie erfordern, daß die Sum-
me aller Bancopapiere allezeit baar in der Banco vor-
handen iſt; und mithin kann keine Vermehrung der cir-
eulirenden Summe entſtehen. Denn wenn eine
Wechſelbanco eine andere Beſchaffenheit hat und es
wird dem Publico nur eingebildet, daß das Geld vor
die Bancopapiere parat lieget; ſo hat ſie eine ſehr ge-
faͤhrliche Einrichtung, die unvermuthet mit Schrecken
ein Ende nehmen kann. Eine Leihebanco iſt in dieſem
Fall viel gruͤndlicher und kann, wenn ihre Papiere
vollkommenen Credit haben, zugleich die Stelle einer
Wechſelbank vollkommen verſehen. Sie kann zugleich
eine Activ- und Paßivleihebank ſeyn, und bey einer
guten
[199]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
guten Einrichtung die Seele und die Unterſtuͤtzung des
gantzen Nahrungsſtandes werden. Jch habe ein Pro-
ject von einer ſolchen Leihebank, das in einem jeden Lan-
de practicabel iſt und dem Nahrungsſtande ſehr aufhel-
fen kann; und bin bereit ſolches auf Verlangen einem
Hofe mitzutheilen. Sodann muß 2) eine ſolche Ban-
co, welche die circulirende Summe vermehren ſoll, den
allervollkommenſten Credit, ſo wohl in- als auſſerhalb
Landes haben. Denn außer dieſer Beſchaffenheit wird
ſie dem Nahrungsſtande und inſonderheit denen Ma-
nufacturen und Commercien mehr zum Nachtheil, als
Vortheil gereichen; und wenn ſie endlich in gaͤnzlichen
Verfall kommt; ſo iſt das der betruͤbteſte Zuſtand, wel-
cher dem Nahrungsſtande den allerhaͤrteſten Stoß ver-
ſetzet. Es waͤre alsdenn tauſendmal beſſer dieſe Ver-
mehrung der circulirenden Summe gar nicht zu Stande
gebracht zu haben, als dieſe Vermehrung auf einmal
in Wind und Rauch aufgehen und die Circulation auf
die ſchaͤdlichſte Art gehemmet zu ſehen. Die Erhal-
tung des Credits einer ſolchen Banco muß demnach die
allerwichtigſte Sorgfalt eines weiſen Miniſterii ſeyn;
und die zu Erhaltung dieſes Credits feſtgeſetzten Maaß-
regeln muͤſſen bey keiner Art von Noth und bedenklichen
Zeitlaͤuften außer Augen geſetzet werden, wie wir ſchon
oben in dem zweyten Abſchnitt erinnert haben. Denn
es iſt leicht einzuſehen, daß dadurch keine Noth des
Staats gemindert werden kann. Vielmehr wird die
Noth allemal groͤſſer; denn ſo bald man den Credit
einer Bank in Verfall kommen laͤßt; ſo faͤllt alles zu
und will ſeine Capitalien zuruͤck ziehen; dahingegen,
N 4wenn
[200]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
wenn man den Credit der Bank und mithin des Staats
erhaͤlt; ſo findet man in eben dieſem Credit wider dieſe
oder jene Noth des Staats verſchiedene Arten von
Huͤlfsmitteln.


4) Ob durch
Errichtung
von Hand-
lungsgeſell-
ſchaften.

Bey dem Mangel einer zureichenden Summe Gel-
des in der Circulation iſt auch zuweilen die Errichtung
neuer Handlungsgeſellſchaften ein nicht unbrauchbares
Huͤlfsmittel. Jn ſo fern man Fremde bewegen kann,
an dieſen Geſellſchaften Antheil zu nehmen; ſo wird
dadurch allemal mehr Geld zur Circulation kommen.
Um aber die Fremden zu bewegen an dieſen Anſtalten
Antheil zu nehmen; ſo muͤſſen die Projecte groß, an-
reizend, aber auch zugleich gruͤndlich ſeyn. Man kann
ſich ſchwehrlich verſprechen, daß die Auslaͤnder an Hand-
lungsgeſellſchaften Antheil nehmen werden, deren Fond
ſehr maͤßig iſt und deren Unternehmungen und Ge-
winnſt folglich ſehr eingeſchraͤnkt ſeyn muͤſſen. Die
Auslaͤnder ſehen alsdenn ſchon aus dem Project, daß
dieſes nur eine Sache vor die Landeseinwohner iſt.
Große auslaͤndiſche Kaufleute, die allein an ſolchen Ge-
ſellſchaften Antheil zu nehmen pflegen, ſehen die Sache
viel zu klein an, als daß ſie ihre Aufmerkſamkeit und
Theilnehmung verdiente. Wenn ein ſolches Project
anreizend ſeyn ſoll; ſo muͤſſen ſowohl der Handlungs-
geſellſchaft ſelbſt, als denen Actien große Freyheiten erthei-
let werden; und zuweilen iſt es rathſam, daß der Staat
den Schaden und Verluſt einer ſolchen Handlungsgeſell-
ſchaft zu tragen uͤbernimmt, oder die eingeſetzten Capitalien
garan-
[201]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
garantiret, ohne an ihren Gewinnſte Antheil zu verlan-
gen. Ludewig der vierzehnte, oder vielmehr Colbert,
that dieſes, als er eine neue Oſtindianiſche Compagnie
errichtete; und die Sache hatte eine ſo gute Wirkung,
daß viele Engellaͤnder und Hollaͤnder daran Antheil
nahmen. Es iſt eine ſo wichtige Sache, die Summe
des circulirenden Geldes durch auslaͤndiſchen Zufluß zu
vermehren, daß dieſe Bedingung nicht zu hart ſcheinen
kann; und wenn wegen der Direction weiſe Maaßre-
geln genommen werden, das Project ſelbſt aber gruͤnd-
lich iſt; ſo ſetzet ſich der Staat durch dieſe Verſiche-
rung einer geringen Gefahr aus. Die Gruͤndlichkeit
des Projects aber beruhet auf der Wahrſcheinlichkeit
des Gewinnſtes, die aus der Einrichtung der Geſell-
ſchaft, aus der Art und Weiſe der Unternehmungen
und aus der Beſchaffenheit des Landes und der Gegen-
den, wohin die Etabliſſements und die Handlung abgezie-
let iſt, beurtheilet werden muß. Alles kommt auf wohl
uͤberlegte Maaßregeln eines kluͤglich verfaßten Projects
und auf eine einnehmende und uͤberzeugende Art der
Bekanntmachung an, als woran es denen meiſten Pro-
jecten der Handlungscompagnien gar ſehr fehlet; ſo wird
ein ſolches Project gewiß vermoͤgend ſeyn eine anſehn-
liche Summe Geld in das Land zu ziehen und zur Cir-
culation zu bringen. Vielleicht aber ſtehen einige in
den Gedanken, daß es uͤberhaupt nicht rathſam ſey,
Fremde an denen Handlungscompagnien Antheil neh-
men zu laßen, weil alsdenn ein großer Antheil des Ge-
winnſtes außer Landes gehet. Allein dieſe Meinung
iſt ſehr irrig. Außer dem ſehr wichtigen Vortheil Geld
N 5in
[202]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
in das Land zu ziehen und die Commercien zu vergroͤ-
ßern; ſo ſind diejenigen, Auslaͤnder, die an unſern Hand-
lungscompagnien Antheil haben, eben ſo wenig als Frem-
de anzuſehen, als diejenigen, die in unſern Landen Guͤther
ankaufen, aber mit weſentlicher Wohnung in andern
Staaten ſich aufhalten. Sie ſtehen in dem genaueſten
Zuſammenhange mit uns und ſind nach der Maaße des
Antheiles von ihrem Vermoͤgen, das ſich in unſern Lande
befindet, unſre Mitbuͤrger, die allemal nuͤtzlich ſind
und denen die Einkuͤnfte von ihren im Lande habenden
Vermoͤgen ſehr wohl zu goͤnnen ſtehen. Der Ausfluß
dieſer Einkuͤnfte iſt gegen den Vortheil von dem Capi-
tal; ſo ſie dem Lande zugewendet haben, von gar kei-
ner Erheblichkeit; wie denn uͤberhaupt dergleichen kleine
Ausfluͤße des Geldes eben ſo wenig zu vermeiden ſte-
hen, als wenn ein Unterthan in benachbarte Staa-
ten reiſet und ſein Geld daſelbſt verzehret. Ueberdieß
wird dadurch oͤfters zu vortheilhaftiger Correſpondenz
und Handlung ſolcher Auslaͤnder in das Land Gelegen-
heit gegeben. Ja es iſt zuweilen die Veranlaßung,
daß ſich mit der Zeit ein ſolcher Auslaͤnder mit ſeinem
ganzen Vermoͤgen in das Land wendet, eine Sache,
die oͤfters eine betraͤchtliche Vermehrung des circuliren-
den Geldes bewirket; wie es denn uͤberhaupt eine ſehr
große Erwerbung vor den Staat iſt, wenn er reiche
Familien in das Land ziehen kann, zu welchem End-
zweck keine Anreizungsmittel geſpahret werden muͤſſen.


5) Ob durch
Leibrenten,
Tontinen
und Lotte-
rien.

Es koͤnnen auch Leibrenten Societaͤten, Tontinen
und dergleichen gebrauchet werden, um das circulirende
Capi-
[203]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
Capital des Landes zu vermehren. Wenn der Staat
einen vollkommenen Credit hat, wenn die vorherge-
henden Zeiten keine Beyſpiele aufweiſen, daß der Staat
ſeine eingegangenen Verbindlichkeiten verletzet hat; ſo
werden nicht allein Auslaͤnder ihr Geld in ſolche An-
ſtalten einlegen, ſondern auch viele Gelder der Unter-
thanen, die der Circulation entzogen und zum Unter-
halt im Alter beſtimmt ſind, werden wieder aus dem
Kaſten hervorgehen, weil man vermoͤge der Theilneh-
mung an dieſen Anſtalten ſeines Unterhaltes im Alter
verſichert iſt. Lotterien von genugſamer Groͤße und
etwas beſſern, als der gemeinen Einrichtung ſind gleich-
falls nicht ganz zu verwerfen. Die bekannte wiene-
riſche Millionenlotterie war an ſich ſelbſt kein unrechtes
Project; und der widrige Erfolg war nicht dem Pro-
ject ſelbſt, ſondern der Verwaltung und Anwendung
der Gelder zuzuſchreiben. Dergleichen Erfindungen,
Geld in das Land zu ziehen, koͤnnen noch auf andre ver-
ſchiedene Arten gemacht werden. Nur wird dabey er-
fordert, daß der Staat einen vollkommenen Credit
bey Auswaͤrtigen habe. Allein wo dieſer ermangelt,
da hat der Staat eine faſt unheilbare Wunde, die vie-
len Huͤlfsmitteln, dem Lande aufzuhelfen den Ge-
brauch verwehret. Der Credit iſt demnach ein ſehr
großes Kleinod vor den Staat, deſſen Erhaltung eine
ſehr große Sorgfalt erfordert.


Wir haben zwar ſchon oben erwaͤhnet, daß alleFehlerhafti-
ge Policey-
verfaſſungen
ſind gleich-
falls eine
Hinderniß

Fehler und Gebrechen in der Verfaſſung und Einrich-
tung des Staats ſo viel Hinderniſſe vor die Manufa-
cturen
[204]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
der Manu-
facturen und
Fabriken.
cturen und Fabriken ſind. Allein die Fehler in der
Policey und inſonderheit die widrigen Einrichtungen,
und Anſtalten ſind ſo wichtige Hinderniſſe, daß wir ſie
hier noch insbeſondere auffuͤhren muͤſſen. Man kann
es kaum glauben, was die Manufacturen und Fabriken
in denen Policeyanſtalten ſelbſt vor Hinderniſſe finden:
und es wuͤrde tauſendmal beſſer ſeyn in vielen Dingen
gar keine Policeyanſtalten zu haben, als diejenigen,
die wirklich im Staate ſtatt finden. Der ganze Nah-
rungsſtand hat bey ſeinem Aufkommen mehr wider die
Policey und die Anſtalten wegen der Cammeralein-
kuͤnfte des Fuͤrſten, als wider irgend einige andere Hin-
derniſſe zu kaͤmpfen. Wenn z. E. gar keine Policey-
geſetze und Auflagen auf die Lebensmittel waͤren; ſo
wuͤrde man in einem jeden Lande allemal den wohlfeile-
ſten Preiß der Lebensmittel haben, der nur nach der
Fruchtbarkeit und Beſchaffenheit des Landes moͤglich
waͤre. So bald diejenigen, welche mit dem Verkauf
derſelben ſich naͤhreten, allzuviel Vortheil dabey ſuch-
ten; ſo wuͤrden ſich andere finden, welche mit einem
geringern Vortheil zufrieden waͤren und dargegen
ihren groͤſſern Vortheil von der Menge des Abſatzes
hoften. Die Bauern ſelbſt, welche die Materialien der
Lebensmittel in der erſten Hand haben, wuͤrden ſtatt
des Verkaufes des Viehes und Getraides, Fleiſch und
Brod in die Staͤdte bringen und mit einem geringen
Vortheile zufrieden ſeyn. Eben ſo kann man be-
haupten, daß wenn die Policey und Cameralverfaſ-
ſungen keine Hinderniſſe in Weg legten; ſo duͤrfte ein
Land nur volkreich werden; ſo wuͤrden alle Nahrungs-
arten
[205]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
arten und Gewerbe von ſelbſt entſtehen. Ein jeder
ſuchet ſich zu ernaͤhren und ein jeder wuͤrde mithin kluͤ-
geln, eine Nahrungsart zu erwaͤhlen und ausfuͤndig
zu machen, wodurch er ſeinen Unterhalt haben koͤnnte.
Allein nach unſern heutigen Verfaſſungen finden ſich
allenthalben Hinderniſſe, wenn auch Jemand den Wil-
len, den Fleiß und die Geſchicklichkeit hat, eine Nah-
rungsart zu treiben. Da darf dieſes Gewerbe nicht
auf dem Lande getrieben werden, da muß erſt das Buͤr-
gerrecht, das Meiſterrecht und wer weis was ſonſt
noch vor Rechte gewonnen werden. Ja oͤfters muß
die Frau gleichfalls beſondere Rechte haben, z. E. eines
Buͤrgers, Meiſters, Brauers u. d. Tochter ſeyn, oder
dieſes muß mit ſchwehren Gelde erſetzet werden; Hin-
derniſſe, welche es dem fleißigen und geſchickten Manne
unmoͤglich machen ein Gewerbe anzufangen. Von
dieſer Art zeigen ſich eine Menge andere Hinderniſſe;
da kommen wir dem Privilegio und denen Rechten ei-
nes andern zu nahe, da ſollen wir eine Nebenarbeit, die
wir mit Vortheil ſelbſt verrichten koͤnnten, durch eine
andere Zunft arbeiten laßen; da giebt es in Anſchaf-
fung der Materialien, in Verkauf der Waaren tau-
ſenderley Schwierigkeiten, indem bald die Stadt, in
und bey welcher wir kaufen oder unſre Waaren durch-
fuͤhren wollen, den Vorkauf, den Stapel und wer
weiß was ſonſt noch vor Rechte auszuuͤben verlanget,
bald aber die Ein-und Ausfuhre dieſer oder jener Ma-
terialien und Waaren uͤberhaupt verbothen iſt. Faſt
eben ſo viel Schwierigkeiten ereignen ſich in Anſehung
der Cameraleinkuͤnfte des Regenten: und kurz die
Hin-
[206]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
Hinderniſſe ſind unbeſchreiblich die ſich von allen Sei-
ten denen Gewerben entgegen ſtellen. Daher ſtehen
einige in den Gedanken, daß die neueinzufuͤhrenden
Manufacturen und Fabriken von Seiten des Staats
faſt gar keiner Unterſtuͤtzung beduͤrfen wuͤrden, wenn
man nur die vielen Hinderniſſe der Policey und andern
Verfaſſungen aus dem Wege zu raͤumen wuͤſte; und
die Erfahrung ſcheinet dieſe Meinung zu beſtaͤrken.
Je weniger ein Land dergleichen Hinderniſſe gehabt
hat, deſtomehr ſind die Manufacturen und Fabriken
darinnen aufgekeimet und fortgewachſen. Holland,
welches gar keine Jnnungen und Zuͤnfte hat, ſondern
jederman dasjenige Gewerbe zu treiben geſtattet, wor-
zu er die Geſchicklichkeit hat, iſt voller bluͤhenden Ma-
nufacturen und Fabriken geworden, ohne, daß der
Staat im geringſten mit thaͤtiger Unterſtuͤtzung etwas
darzu beygetragen hat. Die Schweitz, wo die Ma-
nufacturen nicht die geringſte Beyhuͤlfe von Seiten
des Staats genoſſen, aber auch von Seiten der
Policey und der Abgaben deſtoweniger Hinderniſſe
vorgefunden haben, hat in dieſem Jahrhunderte einen
vortreflichen Fortgang in dieſen Nahrungsgeſchaͤften
gehabt. Der ſehr volkreiche Zuſtand in Sina hat alle
nur erſinnliche Arten von Handthierungen und Ge-
werben von ſelbſt eingefuͤhret, weil ſich keine Hinder-
niſſe gezeiget haben. Was meine eigne Meinung an-
betrift; ſo bin ich zwar weit entfernt zu glauben, daß
die Policeyverfaſſungen ganz und gar unnoͤthig im
Staate ſind und daß man die Manufacturen und Fa-
briken lediglich ſich ſelbſt uͤberlaßen koͤnne. Jch bin
ſehr
[207]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
ſehr uͤberzeugt, daß die Policey, die lediglich den End-
zweck hat, das Aufnehmen des Nahrungsſtandes zu
befoͤrdern, dieſen Endzweck auch erreichen kann, wenn
ſie wohl eingerichtet iſt. Allein aus demjenigen, was
ich hier vorgeſtellet habe, erhellet wenigſtens ſo viel,
daß eine fehlerhaftige Einrichtung und Verwaltung
der Policey eines der groͤßten Hinderniſſe der Manufa-
cturen und Fabriken und uͤberhaupt eines bluͤhenden
Nahrungsſtandes iſt, und daß dannenhero eine gute
und mit dem Aufnehmen des Nahrungſtandes wohl
uͤbereinſtimmende Policey das erſte und wichtigſte Au-
genmerk einer weiſen Regierung verdienet. Eine eben
ſo große Aufmerkſamkeit muß auf die Verwaltung der
Policey gerichtet werden. Die Bedienten, die zu der
Direction derſelben gebrauchet werden, muͤſſen nicht
allein mit denen richtigſten Grundſaͤtzen und der voll-
kommenſten Kenntniß dieſer Wiſſenſchaft erfuͤllet, ſon-
dern auch von aller Eigennuͤtzigkeit gaͤnzlich entfernet
ſeyn. Da ihr Betragen unter allen Bedienten des
Staats am wenigſten uͤberſehen werden kann und da
die Außerachtſetzung ihrer Pflicht wegen heimlicher
Geſchenke, die nur gar zu oͤfters vorzufallen pflegen,
das aͤußerſte Nachtheil vor das gemeine Weſen verur-
ſachet; ſo ſollte das geringſte Geſchenke, deßen man ſie
oder ihren Weibern uͤberfuͤhren koͤnnte, mit der haͤrte-
ſten Strafe beleget werden.


Die große Gewinnſucht der Fabrikanten ſelbſt iſtDie große
Gewinſucht
u. der Brod-
neid der Fa-
brikanten iſt
gleichfalls
eine Hinder-
niß.

endlich gleichfalls eine der inlaͤndiſchen Hinderniſſe,
welche nicht ſelten dem Aufkommen der Manufacturen
und
[208]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
und Fabriken im Wege ſtehet. Dieſe Leute, zumal
bey neuerrichteten Manufacturen und Fabriken, ſuchen
oͤfters allzugroßen Vortheil und wollen auf einmal
reich werden. Daraus entſtehet die Theurung der
Manufacturen-und Fabrikenwaaren, die, wie wir ſo
oft erinnert haben, dem Wachsthum dieſer Nahrungs-
geſchaͤfte ſo nachtheilig iſt. Man muß denen Fabri-
kanten dieſen irrigen Grundſatz zu benehmen ſuchen.
Man muß ihnen vorſtellen, daß ſie ſowohl ſich ſelbſt
als dem gemeinen Weſen dadurch Schaden zufuͤgen,
daß ſie ihren Vortheil auf ihren Fleiß, auf die gute
Einrichtung ihrer Manufactur, auf die Menge des
Abſatzes und mithin auf die Erweiterung ihres Werkes,
nicht aber auf den theuren Preiß der Waaren gruͤnden
muͤſſen. Wenn aber nach meinen Vorſchlage in dem
vorhergehenden Abſchnitte zugleich bey der Beſchauan-
ſtalt die Taxation eines jeden Stuͤckes Waare ange-
ordnet iſt; ſo kann man dieſer großen Gewinnſucht der
Manufacturiers auf eine viel wirkſamere Art begegnen;
indem man die Taxatores anhaͤlt, daß ſie ſtrenge ihre
Schuldigkeit beobachten und ein jedes Stuͤck dem Preiße
der auslaͤndiſchen Waaren vollkommen gleich taxiren
muͤſſen. Eine gleiche Hinderniß ereignet ſich durch den
Brodneid und die daraus entſpringende bittere Feind-
ſchaft der Fabrikanten gegen einander, davon wir ſchon
in dem vorhergehenden Abſchnitte etwas gedacht haben.
Dieſer Neid und Feindſchaft iſt ſo gewiß zu gewarten,
daß die Regierung ſchon im voraus in denen Manu-
facturgeſetzen darwider Vorſehung thun und ihnen die
Gelegenheit einander zu bedruͤcken, Schaden zu thun
und
[209]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
und in Proceß und Streitigkeiten mit einander zu ge-
rathen, abſchneiden muß. Wenn die Regierung ver-
meidet Monopolia und beſondere Freyheiten und Ge-
rechtſame zu ertheilen; ſo iſt ſchon eine große Urſache
der Streitigkeiten verhuͤtet. Eine andere Gelegenheit
zu haͤufigen Streitigkeiten iſt die Verfuͤhrung oder
Abſpenſtigmachung der Arbeitsleute. Da giebt es
beſtaͤndig Streitigkeiten, daß der eine Manufacturier
dem andern die Arbeitsleute, die er mit großen Koſten
lernen laßen, oder aus andern Landen verſchrieben
habe, an ſich gezogen und verfuͤhret habe. Jn eini-
gen Landen hat man dannenhero das Geſetz gemacht,
daß kein Arbeiter eines Manufacturiers bey einem an-
dern in Dienſte und Arbeit gehen kann, er habe denn
zuvor ein halb Jahr außerhalb Landes wieder gewan-
dert oder ſich aufgehalten. Allein dieſes Geſetz hat
verſchiedene Bedenklichkeiten. Die Arbeiter ſind nicht
allemal uͤberfluͤßig vorhanden; und es wird ſich oͤfters
ereignen, daß ein geſchickter Arbeiter, der ſolchergeſtalt
auszuwandern genoͤthiget wird, gar nicht wiederkommt.
Vielleicht wuͤrde es dannenhero beſſer ſeyn, wenn man
feſtſetzte, daß die Arbeiter nur alle viertheil oder halbe
Jahre ihren Manufacturier oder Herrn veraͤndern
koͤnnten und daß von einer oder der andern Seite einen
Monath vorher die Aufkuͤndigung geſchehen muͤßte.
Wenn aber ein Fabrikant einen Arbeiter auf ſeine Ko-
ſten lernen oder aus andern Laͤndern kommen laͤßt, ohne
daß ihm hierzu von der Regierung Beytrag geſchehen;
ſo muß er mit dieſem Arbeiter contrahiren, wie lange der-
ſelbe in Anſehung dieſer Koſten bey ihm arbeiten ſoll.
OAußer-
[210]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
Außerdem muß erachtet werden, daß er dieſe Koſten
geſchenkt und dadurch ſeine geſetzliche Freyheit nicht
eingeſchraͤnkt habe. Ueberhaupt ſollte bey allen Geſel-
len und Arbeitern die Freyheit, die Arbeit nach Belie-
ben verlaßen zu koͤnnen, wodurch die Arbeiter nur trotzig
werden, eingeſchraͤnkt und auf ein viertheil oder halb
Jahr feſtgeſetzet ſeyn; ſo wie ſolches die Buchdrucker,
die Faſtbecker und einige andere Handwerker durch die
Gewohnheit mit guten Nutzen eingefuͤhret haben.


Zweyte
Claſſe der
ausländi-
ſchen Hin-
derniſſe.

Mir kommen nunmehr auf die auslaͤndiſchen Hin-
derniſſe gegen das Aufkommen unſerer Manufacturen
und Fabriken; und dieſe werden in viel geringerer An-
zahl und viel leichter zu uͤberwinden ſeyn, als die in-
laͤndiſchen. Denn ob wir zwar verſichert ſeyn koͤnnen,
daß alle andere Voͤlker, die bluͤhende Manufacturen
und Fabriken haben, alles ihr moͤglichſtes thun werden,
uns Hinderniſſe in den Weg zu legen; ſo iſt doch das-
jenige, was in ihren Vermoͤgen iſt, uns zu ſchaden,
ſelten von einer beſondern Wichtigkeit. Dieſe Be-
muͤhungen der Voͤlker einander Hinderniſſe in Weg zu
legen, iſt keine Sache, weshalb ein Volk Vorwurf
verdienet. Jn Anſehung der Commercien und Ma-
nufacturen ſind alle Voͤlker Mitbuhler und Nebenei-
ferer. Ein jedes ſuchet dem andern den Rang abzu-
laufen. Ein jedes brauchet ſeinen Fleiß und ſeine na-
tuͤrlichen Vortheile auf das Beſte; und kein Volk kann
von dem andern verlangen, daß es in dieſer Bemuͤhung
etwas nachlaßen ſoll. Ein kluges Volk kann ein ein-
faͤltiges
[211]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
faͤltiges hierinnen uͤberliſten und bevortheilen. Allein
es kann niemals in Ernſt verlangen, daß das andere
ſeinen Vortheil aufgeben und den ſeinigen befoͤrdern
ſoll. Dieſes wuͤrde eine unbillige und wunderliche
Forderung ſeyn. Wir haben hiervon ſchon oben in
dem Hauptſtuͤcke von den Befoͤrderungsmitteln der
Commercien etwas erwaͤhnet.


Eine der groͤßten Hinderniſſe iſt es, wenn wir inWenn uns
die Auslän-
der die Ma-
terialien
vorenthal-
ten.

fremden Materialien arbeiten und die Auslaͤnder hal-
ten uns dieſelben vor, indem ſie ein allgemeines Ver-
both der Ausfuhre derſelben ergehen laßen. Dieſe Hin-
derniß iſt in der That ſehr groß, wenn wir dieſe Ma-
terialien nur bey einem einzigen Volke erlangen koͤn-
nen, ſo daß dieſes Volk das Monopolium damit hat.
Sie kann nicht allein eine anfangende Manufactur
ruͤckgaͤngig machen, ſondern dieſe Urſache kann bereits
gegruͤndete und bluͤhende Manufacturen wieder ver-
nichten. Als die Koͤniginn Eliſabeth die Ausfuhre der
Wolle aus Engelland gaͤnzlich verboth; ſo brachte ſie
dadurch denen bluͤhenden niederlaͤndiſchen Manufactu-
ren, die lediglich aus dieſer Wolle gearbeitet wurden,
den haͤrteſten Stoß und faſt den gaͤnzlichen Umſturz
bey. Die meiſten Manufacturiers wurden dadurch
genoͤthiget die Niederlande zu verlaßen und ſich in En-
gelland niederzulaßen. Allein ein Volk, das ſich in
dieſer Beſchaffenheit befindet, daß es nur von einem
einzigen Volke ſeine Materialien erlangen kann, thut
niemals wohl, wenn es dieſe Art der Manufacturen
O 2anfaͤngt.
[212]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
anfaͤngt. Es kann leicht vorausſehen, daß ſeine Ma-
nufacturen allemal in der Gewalt des andern Volkes
ſeyn werden; und es muß ſich vorſtellen, daß der Fall
der Vorenthaltung der Materialien ſich uͤber lang oder
kurz gewiß ereignen werde. Wenn es ſich nun nicht
auf dieſen Fall im voraus vorbereiten kann, wenn es
nicht ſo ſichere Maaßregeln ergreifen kann, daß es mit
der Zeit dieſe Materialien ſelbſt gewinnet, wie denn
wenig oder gar keine Materialien ſeyn werden, deren
Erzeugung man nicht entweder in dem Hauptſtaate
oder in den Colonien durch Fleiß und gute Anordnun-
gen veranſtalten koͤnnte; ſo wird es allemal weislicher
verfahren, dieſe Art der Manufacturen gar nicht an-
zufangen, ſondern ſich deſtomehr auf andere zu befleißi-
gen. Die Unterlaßung dieſer Manufacturen wird ihm
bey weiten nicht ſo ſchaͤdlich ſeyn, als die Unordnung,
die ſich durch die Vorenthaltung der Materialien und
mithin durch die ploͤtzliche Hemmung und Vernichtung
dieſer Manufacturen in ſeinem ganzen Nahrungsſtande
ereignen wird, oder wenn es, um dieſe Unordnung zu
vermeiden, von dem andern Volke gaͤnzlich abhaͤngig
ſeyn muß. Allein, wenn noch ein anderes Volk eben
dieſe Materialien hat; ſo kann man die Anlegung die-
ſer Art von Manufacturen allemal wagen. Dieſe
beyden Voͤlker, von welchen wir dieſe Materialien er-
langen muͤſſen, werden ſelten in ihren Abſichten und
Staatsintreſſe mit einander uͤbereinſtimmen; und
wenn wir allemal dem Jntreſſe der einen Nation
ſchmeicheln, ſo werden wir die benoͤthigten Materialien
erlangen koͤnnen, ohne allzuviel aufzuopfern.


Es
[213]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.

Es ereignet ſich auch nicht ſelten, daß ein andresWenn uns
die Auslän-
der die Ar-
beiter und
Geräth-
ſchaften vor-
enthalten.

Volk zu verhindern ſucht, daß keine Manufacturen-
und Fabrikenarbeiter zu uns gehen ſollen. Allein dieſe
Hinderniß hat weit weniger zu bedeuten. Es iſt keine
Regierung vermoͤgend den Ausgang ſolcher Arbeiter
gaͤnzlich zu verhindern, weil die Leute unter tauſender-
ley Geſtalten aus dem Lande gehen koͤnnen, und die
ſtrengſte Aufſicht niemals zureichen wird, die Leute, die
zur Auswanderung einmal geneigt ſind, davon abzu-
halten. Bey der Bekehrung der Reformirten in
Frankreich durch die Dragoner fanden mehr als eine
Million Menſchen Gelegenheit aus dem Lande zu fluͤch-
ten, ohngeachtet die Paͤſſe und Graͤnzen mit aͤußerſter
Vorſicht beſetzet waren. Es kommt demnach alles
darauf an, was vor Bedingungen wir auslaͤndiſchen
Arbeitern anbiethen und in was vor Ruf wir bey de-
nen Auswaͤrtigen ſtehen; ſo wird es uns gar nicht
fehlen genugſame Arbeiter zu anfangenden Manufa-
cturen zu erhalten; wie denn nicht alle Voͤlker, die
Manufacturen haben, mit gleicher Strenge den
Ausgang der Arbeiter zu verhindern ſuchen. Wenn
uns die Geraͤthſchaften oder das Arbeitszeug zu den
Manufacturen vorenthalten werden wollte; ſo wuͤrde
dieſe Verhinderung von noch geringerer Erheblich-
keit ſeyn. Wir brauchen nur ein Muſter von jeder
Art zu haben, welches gar wohl zu erlangen iſt; ſo
koͤnnen wir leicht dergleichen Geraͤthſchaften nachar-
beiten laßen. Es muß dieſes ohnedem eine der
erſten Bemuͤhung der Regierung ſeyn, wenn auch
ſolche Geraͤthſchaften aus andern Landen in Menge
O 3zu
[214]IV. Abſch. von denen Hinderniſſen
zu haben waͤren, damit man den Ausfluß des Geldes
davor vermeiden moͤge.


Wenn die
Ausländer
ihre Waa-
ren wohlfei-
len Preißes
geben, um
den Debit
der unfrigen
zu hindern.

Eines der groͤßten Hinderniſſe, welches die Aus-
laͤnder dem Aufkommen unſerer Manufacturen und
Fabriken entgegen zu ſtellen pflegen, iſt, daß ſie eine
Zeitlang ihre Waaren auf ſo wohlfeilen Preiß herun-
ter ſetzen, daß es uns unmoͤglich iſt, mit den unſrigen aus-
waͤrtigen Debit zu erlangen; und in der That, dieſes
Mittel hat ſchon manche Fabrikaturen wieder zu
Grunde gerichtet. Man faßte unter dem Kaiſer Carl
dem ſechſten die Jdee, in Steyermark, welches den be-
kannten vortreflichen Stahl hat, die ſtaͤhlernen Jnſtru-
mente und Geraͤthſchaften, die in Engelland ſo ſchoͤn
und zwar meiſtentheils aus ſteyermaͤrkiſchen Stahl
gearbeitet werden, ſelbſt verfertigen zu laßen. Allein
die Engellaͤnder ergriffen dieſes Mittel, von welchem
wir hier reden, und gaben eine Zeitlang ihre ſtaͤhlerne
Waaren ſo wohlfeil, daß die ſteyermaͤrkiſchen Fabrika-
turen gar keinen auslaͤndiſchen Debit gewinnen, folg-
lich nicht beſtehen konnten, ſondern wieder zu Grunde
gehen muſten. Hier fragt es ſich nun, was gegen
dieſe Hinderniß der Auslaͤnder vor Maaßregeln zu er-
greifen ſind. Es iſt kein anderes Mittel vorhanden,
als daß die Regierung ihre neuangelegten Fabriken ſol-
chergeſtalt unterſtuͤtzen muß, daß ſie ihre Waaren eben
ſo wohlfeil und noch wohlfeiler geben koͤnnen, als die
Auslaͤnder. Dieſes geſchiehet, wenn die Praͤmien der
Ausfuhre, davon wir in dem vorhergehenden Abſchnitte
geredet
[215]bey Anlegung der Manuf. u. Fabriken.
geredet haben, vergroͤſſert werden. Dieſe Vergroͤſſe-
rung muß ſich auf richtige Berechnung der Koſten bey
denen Fabrikaturen gruͤnden, um zu beſtimmen, wie
viel durch die Praͤmien Zuſchuß gegeben werden muß,
wenn die Fabriken beſtehen und es doch den Auslaͤndern
in wohlfeilen Preiße gleich und noch etwas zuvor thun
ſollen. Man muß die Koſten, welche die Regierung
hierauf zu verwenden hat, nicht allzugroß anſehen.
Die Auslaͤnder werden dieſen wohlfeilen Preiß ſelbſt
nicht lange aushalten koͤnnen; und ſie werden bald
ſelbſt davon ablaßen, wenn ſie ſehen, daß die Regie-
rung mit einer weiſen Standhaftigkeit die noͤthigen
Maaßregeln und Entſchließungen ergreift, um ihre
neuangelegten Fabriken zu erhalten. Dieſes waͤren
auch die vornehmſten Hinderniſſe, die von auswaͤrtigen
Nationen gegen das Aufkommen unſerer Manufactu-
ren in Weg geleget werden koͤnnen. Wenn noch einige
moͤglich ſind; ſo werden ſie von weit geringerer
Erheblichkeit ſeyn.



O 4Fuͤnf-
[216]V. Abſchnitt. Von Erhaltung

Fuͤnfter Abſchnitt.
Von
Erhaltung der Manufacturen und
Fabriken, oder von der Vorſorge
deren Verfall abzuwenden.


Die Erhal-
tung der
Manufactu-
ten iſt noth-
wendig und
vielleicht
ſchwehrer
als die
Gründung.

Wenn die Manufacturen weislich angeleget, dauer-
haftig gegruͤndet und durch Hebung aller Hin-
derniſſe bluͤhend gemacht ſind; ſo hoͤret deshalb die
Vorſorge einer weiſen Regierung vor dieſelben nicht
auf. So bald man dieſelben ſich ſelbſt uͤberlaßen wollte;
ſo wuͤrden ſie gar bald wieder in ihren Verfall gehen.
Es iſt demnach eine eben ſo unaufhoͤrliche Wachſamkeit
zu deren Erhaltung noͤthig, als wohl uͤberlegte Maaß-
regeln zu deren Gruͤndung erfordert werden. Ja man
koͤnnte vielleicht hier eben die Frage aufwerfen, die ehe-
dem die Akademie zu Pau in Frankreich in Anſehung
des Vermoͤgens aufgegeben hat, naͤmlich ob es ſchweh-
rer ſey, die Manufacturen und Fabriken im Lande ein-
zufuͤhren und zu gruͤnden, als die bereits gegruͤndeten
zu erhalten; und gleichwie gedachte Akademie demjeni-
gen den Preiß zuerkannte, welcher behauptete, daß die
Erhaltung des Vermoͤgens ſchwehrer ſey, als die Er-
werbung; ſo wuͤrde hier vielleicht die Entſcheidung
eben alſo ausfallen muͤſſen.


Es
[217]der Manufacturen und Fabriken.

Es fehlet uns nicht an Beyſpielen, daß die aller-Jtalien ver-
lohr den
größten
Theil ſeiner
Manufactu-
ren wegen
außer Acht-
ſetzung eines
gering ſchei-
nenden Vor-
theils.

bluͤhendeſten Manufacturen eines Landes wieder in
gaͤnzlichen Verfall gerathen ſind. Nachdem ſich Eu-
ropa von denen erſchrecklichen Unruhen und Verwuͤ-
ſtungen, welche die große Wanderung der Voͤlker ver-
urſachte, ein klein wenig wieder erholet hatte; ſo war
Jtalien allein der Sitz der Manufacturen von ganz
Europa. Eine gewiſſe Bequemlichkeit der Jtaliaͤner
machte, daß ſie großen Theils verlohren giengen. Sie
ſcheueten die Schiffarth in die noͤrdlichen Laͤnder von
Europa, indem ſie ſich dieſelbe dahin zu gefaͤhrlich vor-
ſtelleten. Sie machten dannenhero Flandern zu ihrer
Hauptniederlage vor das ganze noͤrdliche Europa, wo
ſie ſowohl ihre verfertigten Waaren hinbrachten, als
die engliſche Wolle und andere Materialien abholeten.
Dieſes gab Gelegenheit, daß die Grafen von Flandern
in zehenden Jahrhundert, die ihren Vortheil einſahen,
weiter giengen, und die Manufacturiers ſelbſt durch
große Befreyungen und andere kluge Maaßregeln in
ihr Land lockten. Dieſes Beyſpiel lehret uns, daß eine
arbeitſame Nation, die bluͤhende Manufacturen hat,
keinen einzigen Vortheil außer Acht laßen muß. Ein
geringſcheinender Vortheil, den wir ein anderes Volk
uͤber uns gewinnen laßen, kann viel weiter getrieben
werden und die nachtheilichſten Folgen vor uns haben.


Flandern, welches von Anfange des eilften bis zuFlandern
verlohr die
Manufactu-
ren durch
Beſchweh-
rung mit Ab-

Ende des dreyzehenden Jahrhunderts die bluͤhendeſten
Manufacturen hatte, verlohr dieſelben, weil die nach-
O 5folgen-
[218]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
gaben und
andern Be-
drückungen.
folgenden Grafen von Flandern die guten Grundſaͤtze
ihrer Vorfahren außer Acht ſetzten. Sie zogen die de-
nen Manufacturen von ihren Vorfahren ertheilten
großen Freyheiten ein und beſchwehrten dieſelben mit
ſtarken Abgaben und andern Bedruͤckungen. Die Her-
zoge von Braband, die von den Fehlern ihrer Nach-
barn Vortheil zu ziehen wuſten, reizten die Manufa-
cturiers durch eben die Freyheiten und Guͤtigkeits vollen
Bewegungen, ſich in ihren Landen niederzulaßen, wo-
durch ſie ehedem die Grafen von Flandern an ſich ge-
zogen hatten.


Braband
büßte ſie
durch eben
dieſen Fehler
und durch die
Religions-
verfolgun-
gen ein.

Ohngeachtet dieſes lehrenden Beyſpiels verfielen
die nachherigen Herzoge von Braband in eben den Feh-
ler, den ſie an denen Grafen von Flandern bemerket
hatten. Der große Aufruhr zu Loͤwen, der durch die
Bedruͤckung der Manufacturiers in Anfange des funf-
zehenten Jahrhunderts entſtand und andere Vorfaͤlle
dieſer Art gaben denen bluͤhenden Manufacturen ihres
Landes einen grauſamen Stoß. Die Manufacturiers
entwichen theils nach Holland, theils nach Engelland,
und die Religionsverfolgungen des Herzogs von Alba
vernichteten dasjenige vollends, was davon uͤbrig geblie-
ben war. Die große Koͤniginn Eliſabeth in Engelland,
die viel zu weiſe war, als daß ſie dieſen Fehler nicht
haͤtte zu ihren Nutzen verwenden ſollen, befoͤrderte
vollends ihren Untergang, durch das genaugehaltene
Verboth der Ausfuhre der Wolle aus Engelland. Zu
denen Religionsverfolgungen kam der Mangel der
Mate-
[219]der Manufacturen und Fabriken.
Materialien; und beyde zuſammen genommen, waren
gewiß vermoͤgend, die Manufacturiers zu Veraͤnde-
rung des Landes zu bewegen, da ſchon eines von die-
ſen Mitteln zu dieſer Wirkung genug war. Man
muß ſich allemal vorſtellen, daß die Nachbarn auf un-
ſern kleinſten Fehler aufmerkſam ſind und daraus ihren
Vortheil zu ziehen wiſſen.


Die Hanſeeſtaͤdte erlitten durch den Verluſt ihrerDie Hanſee-
ſtädte erlit-
ten durch den
Verluſt ihrer
Commercien
auch den Un-
tergang ih-
rer Manu-
facturen.

Commercien zugleich auch den Untergang ihrer Ma-
nufacturen. Die meiſten Hanſeeſtaͤdte, die ihrer Lage
nach die Seehandlung nicht treiben konnten, befliſſen
ſich hauptſaͤchlich auf die Manufacturen, und bey vie-
len waren dieſe Nahrungsgeſchaͤfte in einen bluͤhenden
Zuſtande. Man findet in den Archiven vieler Staͤdte
in Niederſachſen, die ehedem Hanſeeſtaͤdte waren, daß
vor einigen Jahrhunderten ſo viel hundert Tuchmacher
und Zeugweber darinnen geweſen ſind, als ietzo einzelne
Meiſter darinnen wohnen; und von Goͤttingen insbe-
ſondere weiß ich, daß Nachrichten vorhanden ſind, daß
dieſe Stadt ſo gar anſehnliche Seiden- und Samtma-
nufacturen gehabt hat. Man weiß die große Macht
der Hanſa; man weiß aber auch, warum ihre Com-
mercien und mithin zugleich ihre Macht verlohren gien-
gen. Der Hochmuth, ein allzuhochgetriebener Eigen-
nutz, der alles an ſich reiſſen wollte, aber mit weniger
Klugheit vergeſellſchaftet war, der Uebermuth, womit
ſie Koͤnigen und Fuͤrſten begegneten, kurz dieſer Geiſt
der meiſten Menſchen, die wegen Reichthum und Macht
auf-
[220]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
aufſchwellen, die ſie in einem wohleingerichteten Zuſam-
menhange der Dinge nicht haben ſollten und woruͤber
ſie ſich von Rechtswegen ſelbſt wundern muͤſten, wie
ſie darzu haben gelangen koͤnnen, dieſer Geiſt, der ſich
in manchen Stadtraͤthen noch heutiges Tages reget,
brachte alle Maͤchte wider die Hanſeeſtaͤdte auf, die
ſich zuſammen vereinigten ihre Commercien zu Boden
zu ſtuͤrzen und welches zum Nachtheil von Teutſchland
nur allzuwohl ausgefuͤhret wurde; eine Sache, wor-
uͤber man ſich aber nicht wundern darf, weil ſelbſt der
Kaiſer Carl V, an dem Untergange der hanſeati-
ſchen Commercien, die er ſchuͤtzen und vor Teutſchland
erhalten ſollte, am eifrigſten mitarbeitete. Dieſer
Untergang der Commercien zog auch den gaͤnzlichen
Verfall der Manufacturen nach ſich. Man muß es
vielmehr eine gaͤnzliche Vernichtung nennen; denn in
den meiſten Staͤdten blieb keine Spuhr davon uͤbrig.
Viele, die in dem hanſeatiſchen Bunde eine anſehnliche
Figur gemacht hatten, waren vor hundert Jahren in
mit Mauren umgebene Doͤrfer verwandelt, weil ſie
ſich mit nichts als Ackerbau und Viehzucht naͤhreten.
Der Verfall der Commercien muſte zwar natuͤrlicher
Weiſe auch den Verfall der Manufacturen wirken,
allein die gaͤnzliche Vernichtung derſelben war etwas
ganz außerordentliches, die nicht allein von dem Ver-
fall der Commercien entſtehen konnte. Es muͤſſen
andere Urſachen hinzugekommen ſeyn, davon uns die
Umſtaͤnde unbekannt geblieben ſind. Vielleicht haben
die teutſchen Fuͤrſten, deren Landſtaͤde dieſe ehemali-
gen Hanſeeſtaͤdte waren und welche den Gehorſam zu
vergeſſen
[221]der Manufacturen und Fabriken.
vergeſſen ſchienen, als ſie bluͤhende Manufacturen hatten,
auf verſchiedene Art zu der Vernichtung dieſer Nah-
rungsgeſchaͤfte mitgewirket, damit ihnen kuͤnftig der
Muth, ſich wider ihre Landesherren aufzulehnen,
benommen werden moͤchte.


Nicht allein ſolche ſichtbaren Fehler, als wir hierAuch ohne
ſolche Fehler
find blühen-
de Manufa-
cturen der
Verände-
rung und
mithin dem
Verfall un-
terworfen.

vorgeſtellet haben, koͤnnen den Verfall der Manufa-
cturen und Fabriken verurſachen, ſondern dieſer Ver-
fall entſtehet gleichſam von ſich ſelbſt nach dem natuͤr-
lichen Laufe der Dinge, wenn nicht eine beſtaͤndige
Wachſamkeit und Vorſorge denſelben verhindert. Bluͤ-
hende Manufacturen und Fabriken beſtehen in einem
Zuſammenhange von tauſenderley verſchiedenen Um-
ſtaͤnden. Jn ſo vielen Umſtaͤnden gehen von ſelbſt be-
ſtaͤndig Veraͤnderungen vor, die ſelten zum Vortheil
der Manufacturen gereichen. Dieſe Veraͤnderungen
ereignen ſich nicht allein innerhalb des Landes, in An-
ſehung des Credits, der Muͤnzen, der Theurung an
Lebensmitteln, des Krieges und vieler andern Dinge,
womit die Manufacturen und Fabriken einen Zuſam-
menhang haben, ſondern ſie entſtehen auch außerhalb
Landes bald in Anſehung der zu erlangenden Materia-
lien, die uns ſchwehrer gemacht werden, bald in Anſe-
hung die Debits, den wir in dieſem oder jenem Lande
verliehren, weil wir ſo viele auswaͤrtige Nebenbuhler
und Miteiferer haben, die alle nach eben den Endzweck
ringen, naͤmlich ſich durch dieſe Nahrungsgeſchaͤfte
zu bereichern. So bald man alſo in denen Manufa-
cturen
[222]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
cturen und Fabriken ſtille ſtehet und die Vorſorge vor
dieſelben ſinken laͤßt; ſo bald gehen die allerbluͤhende-
ſten Manufacturen ruͤckwaͤrts und naͤhern ſich ihrem
Verfall. Gleichwie nun alſo die Regierung beſtaͤndig
eine unermuͤdete Vorſorge tragen muß, daß keine nach-
theiligen Umſtaͤnde und Veraͤnderungen in dieſen Nah-
rungsgeſchaͤften vorgehen, ſo muß auch das plus ultra
eine Hauptregel bey denenſelben ſeyn. Man muß ſie
in allen Theilen, wo es nur immer moͤglich iſt, zu er-
weitern und zu vermehren ſuchen, damit wenn auch
dieſer oder jener beſondere Theil der Manufacturen und
Fabriken einen Verfall leidet, der nicht abzuwenden
ſtehet, dieſer Abgang durch eine Vergroͤſſerung auf der
andern Seite erſetzet werde und mithin der Nahrungs-
ſtand in Ganzen nicht darunter leide.


Man muß
beſtändig et-
was neues
einzuführen
und die alten
Manufactu-
ren zu erwei-
tern ſuchen.

Zu Folge dieſer Grundſaͤtze muß man beſtaͤndig
etwas neues zur Vergroͤſſerung der Manufacturen und
Fabriken zu Stande zu bringen ſuchen. Dahin gehoͤ-
ren nicht allein die neuen Erfindungen in denen Far-
ben, Deſſeins und Maſchinen, davon wir oben hin
und wieder gehandelt haben, ſondern auch ganz neue
Arten von Manufacturen und Fabriken, die im Lande
noch nicht ſtatt finden. Die Engellaͤnder, welche
hierinnen die guten Grundſaͤtze ſehr wohl verſtehen,
ſind ohngeachtet ihres ſehr bluͤhenden Nahrungsſtan-
des beſtaͤndig bemuͤhet neue Arten von Fabriken einzu-
fuͤhren. Sie bedienen ſich zu dem Ende der Beloh-
nungen, und man weiß unter andern, daß ſie auf je-
des
[223]der Manufacturen und Fabriken.
des Pfund Kobald, daß man zum Behuf der blauen
Schmaltefabriken in Engelland entdecken wuͤrde, eine
anſehnliche Praͤmie ausgeſetzet haben. Gleichergeſtalt
muß man zu Folge dieſer Grundſaͤtze die alten Manufa-
cturen immer mehr zu vergroͤſſern und zu erweitern
bemuͤhet ſeyn; und weil dieſes hauptſaͤchlich auf die
Vergroͤſſerung des Debits ankommt; ſo muß man keine
Gelegenheit, die ſich darzu zeiget, außer Acht laßen,
ſowohl um unſern Waaren in andern Staaten meh-
rern Eingang zu verſchaffen, als die Handlung in ſol-
chen Laͤndern und Gegenden zu eroͤfnen, wo ſich dieſel-
be bisher noch nicht hin erſtrecket hat.


Wir haben zwar ſchon oben erinnert, daß ſich eineMan muß
ſich nach dem
Geſchmack
der Käufer
bequehmen
auch wenn
er wunder-
lich iſt.

Nation, die ſich auf Manufacturen und Fabriken
befleißiget, hauptſaͤchlich nach dem Geſchmack an-
drer Nationen; wo ihre Waaren den meiſten Ein-
gang haben, richten muß; denn hierinnen muß ſich der
Verkaͤufer allemal nach dem Kaͤufer bequehmen. Al-
lein, wenn dieſes ein Mittel zu Befoͤrderung und
Gruͤndung neuer Manufacturen iſt; ſo iſt es vielmehr
zu Erhaltung der Manufacturen nothwendig; und
man weiß Beyſpiele, daß dieſe oder jene Nation den
Debit in einem Lande verlohren hat, weil ſie ſich nicht
nach dem Geſchmack des Landes gefuͤget hat. Wenn
eine andere Nation in ein Land wo wir zeither Abſatz
gehabt haben, neue Waaren braͤchte, die Beyfall faͤn-
den, ſo wuͤrde es ſogar der Klugheit gemaͤß ſeyn, dieſe
neuen Waaren eiligſt nachzuahmen und es in die Wege
zu
[224]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
zu richten, daß unſere nachgeahmten wohlfeiler gege-
ben werden koͤnnten, wenn es auch mit einem geringen
Profit geſchehen ſolte. Denn es iſt eine ungemein
wichtige Sache ſeine Waaren in dem vorzuͤglichen De-
bit bey einer andern Nation zu erhalten. Ja man
wuͤrde ſich ſo gar nach dem Geſchmack dieſer Nation
bequehmen muͤſſen, wenn er auch wunderlich, unge-
reimt und dasjenige, was ſie an unſern Waaren aus-
ſetzten, ohne allen Grund waͤre. Als das Saͤchſi-
ſche Porcellan anfieng in die Tuͤrkey zu gehen; ſo ge-
fiel zwar den Tuͤrken das Porcellan ſelbſt gar wohl;
allein weil unter den Gefaͤßen die Schwerder als das
Wapen von Sachſen zu ſehen waren; ſo bildeten ſich
die in der Wapenkunſt ſehr unwiſſenden Tuͤrken ein,
daß dieſes das Zeichen des Creutzes, als das vornehm-
ſte Merkzeichen der chriſtlichen Religion waͤre; und
gleichwie es in allen Religionen Leute von einer aber-
glaͤubiſchen Andacht giebt; ſo machten ſich die Bigot-
tentuͤrken ein Gewiſſen daraus, ſich ſolcher Gefaͤße zu
bedienen. So ungegruͤndet dieſer Anſtoß an ſich ſelbſt
war; ſo wurde er doch nicht ſo bald von denen tuͤrki-
ſchen Kaufleuten nach Sachſen gemeldet, als man den-
ſelben aus dem Wege raͤumte und unter alle nach der
Tuͤrkey beſtimmte Gefaͤße einen halben Mond mahlete.
Man findet zuweilen ſolche Gefaͤße mit dem halben
Mond unter dem ſo genannten Ausſchuß, der verkau-
fet wird.


Eines
[225]der Manufacturen und Fabriken.

Eines der allerwirkſamſten Mittel zu Erhaltung derFactoreyen
in fremden
Landen ſind
zu Erhaltung
blühender
Manufactu-
ren ſehr nütz-
lich.

Manufacturen und Fabriken des Landes ſind die Facto-
reyen in fremden Landen. Man wird dadurch nicht allein
von dem Geſchmack der Nation, mit welcher wir han-
deln, am ſicherſten unterrichtet; ſondern der Debit wird
auch dadurch ungleich beſſer befoͤrdert, als durch andre
Arten der Handlung; und was das wichtigſte iſt, un-
ſere Landesleute, die ſich daſelbſt aufhalten, koͤnnen
auf alle Veraͤnderungen, die zu unſern Nachtheil in
den Commercien vorgehen moͤchten, deſto aufmerkſa-
mer ſeyn, um dienliche Huͤlfsmittel dargegen zu ergrei-
fen; ſo wie ſie von allen Gelegenheiten, unſern Han-
del in dieſem Lande mehr zu verbreiten, ſchleunigen
Vortheil ziehen koͤnnen. Die Engellaͤnder haben viel-
leicht die große Ausbreitung ihres Handels dieſem
Huͤlfsmittel mit zu verdanken. Es iſt faſt kein Land
in der Welt, wo ſie nicht ihre Factoreyen haben.


Wenn beſtaͤndig neue Erfindungen in denen Ma-Die Ge-
ſchicklichkeit
der Arbeiter
zu befördern
und zu er-
halten, iſt
ein Mittel
zur Erhal-
tung der Ma-
nufacturen.

nufacturen gemacht werden ſollen, wenn es noͤthig iſt
den Geſchmack der Auslaͤnder zu vergnuͤgen und uͤber-
haupt wenn unſere Landeswaaren gefallen ſollen, um
die Manufacturen beſtaͤndig bluͤhend zu erhalten; ſo
muß es eine der wichtigſten Vorſorgen ſeyn, daß die
Arbeiter eine große Geſchicklichkeit erlangen und beſtaͤn-
dig in derſelben erhalten werden. Jn der That iſt
dieſes eines der vornehmſten Mittel zu Erhaltung der
Landesmanufacturen. Denn ſo bald die Geſchicklich-
Pkeit
[226]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
keit unſerer Manufacturiers abnehmen wird, ſo bald
wird auch unſer Debit ſinken und mithin der Verfall
unſerer Manufacturen ſelbſt vorhanden ſeyn. Die
Befoͤrderung und Erhaltung der Geſchicklichkeit beru-
het eines Theils darauf, daß man geſchickten Manu-
facturiers und Arbeitern allenthalben den Vorzug zu-
geſtehet und ſie in den Stand ſetzet, daß ſie vermoͤge
ihrer Geſchicklichkeit Vermoͤgen erwerben koͤnnen, an-
dern Theils aber und hauptſaͤchlich kommt die Sache
darauf an, daß man eine große Attention auf die Lehr-
jahre und das Meiſterwerden der Arbeiter richtet und
zu dem Ende wohleingerichtete Geſetze und Ordnun-
gen ertheilet. Wenn ich oben erwaͤhnet habe, daß ich
die Jnnungen und Zuͤnfte bey denen Manufacturen
und Fabriken nicht eingefuͤhret zu ſehen wuͤnſche; ſo
verſtehet ſich dieſes nach der gemeinen Einrichtung
und Verfaſſung der Zuͤnfte, die, wenn man auch die
meiſten Mißbraͤuche abaͤndern und verbeſſern koͤnnte,
dennoch ganz und gar nichts taugt. Allein die voll-
kommene Erlernung der Manufactur- und Fabriken-
arbeiten und die Ordnung, daß nur geſchickte Leute ſich
als Meiſter oder Manufacturiers etabliren duͤrfen, iſt
zu Befoͤrderung der Geſchicklichkeit der Arbeiter eine
ſo nothwendige und weſentliche Sache, daß ſie bey kei-
ner Art der Verfaſſung oder Einrichtung dieſer Nah-
rungsgeſchaͤfte unterlaßen werden kann. Wenn die
erſte Einfuͤhrung und Gruͤndung der Manufacturen
und Fabriken geſchehen iſt; als bey welcher eine ſo kurze
Zeit des Erlernens zuzulaßen iſt, als ſie nur durch Fleiß
und Genie geſchehen kann; ſo iſt meines Erachtens
die
[227]der Manufacturen und Fabriken.
die Lehrzeit bey leichten Manufacturen und Fabriken
auf ein Jahr und bey den ſchwehren auf zwey Jahr
zu ſetzen. Die Geſetze muͤſſen verordnen, daß binnen
dieſer Zeit der Meiſter ſeinen Lehrling wirklich unter-
richtet, nicht aber denſelben zu ſeinen Hausgeſchaͤften
gebrauchet, oder es darauf ankommen laͤßt daß der Lehr-
ling ſelbſt alles abſehen und gleichſam erſtehlen muß.
Wenn dieſe Lehrzeit verfloſſen iſt; ſo muß der Lehrling
einer genauen Pruͤfung unterworfen werden, die nicht
von denen Meiſtern des Handwerks, oder von denen
Manufacturiers, als bey welchen gemeiniglich allerley
Nebenabſichten vorwalten, ſondern von einer beſondern
Commißion, die aus dem Manufacturinſpector, dem
Director oder Vorſteher einer Manufactur oder Fa-
brike der von dieſer Arbeit genugſame Kenntniß hat,
dem Obermeiſter und ein paar geſchickten andern Mei-
ſtern beſtehen muß. Bey dieſer Pruͤfung muß nicht
allein der Lehrling, ſo viel es ſich an dem Ort der Com-
mißion thun laͤßt, ſelbſt arbeiten, ſondern er muß auch
uͤber die Kenntniß ſeiner Handthierung und uͤber alle
Umſtaͤnde der Arbeiten genau befraget werden. Fin-
det die Commißion, daß der Lehrling ſchlecht unter-
richtet iſt; ſo muß ſie denſelben von dieſem Meiſter
wegnehmen und denſelben einem andern Meiſter auf
ein halb Jahr untergeben, den erſten Meiſter aber
ſeines ftipulirten Lehrgeldes verluſtig erklaͤren. Jſt
aber der Lehrling geſchickt befunden worden; ſo wird
ihm von der Commißion das Zeugnis des Auslernens
ertheilet; und es ſtehet ihm frey, ob er das veraccor-
dirte Lehrgeld entrichten, oder bey ſeinem zeitherigen
P 2Lehr-
[228]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
Lehrmeiſter in leichten Manufacturen und Fabriken
noch zwey Jahr, in ſchwehren aber noch drey oder vier
Jahr bleiben und das Lehrgeld abarbeiten will. Vor
eben einer ſolchen Commißion iſt auch die Pruͤfung
dererjenigen anzuordnen, die ſich ſelbſt als Manu-
facturiers oder Meiſter etabliren wollen; nur daß die
Pruͤfung viel ſtrenger und von allen erforderlichen Ar-
beiten, wie auch aller Kenntniß, die zu dem ganzen
Umfange ſeiner Handthierung gehoͤret, geſchehen muß.
Weder bey der einen noch bey der andern Pruͤfung
ſind die geringſten Koſten, oder Geſchenke, zuzulaßen,
ſondern die Regierung muß denen Mitgliedern dieſer
Commißionen kleine Beſoldungen, oder andere Vor-
theile, angedeihen laßen. Nichts iſt ſo ungereimt,
als denen Neuanfangenden ihr Etabliſſement durch
die Koſten des Meiſterrechts ſchwehr zu machen und
ihnen dasjenige Geld aus den Haͤnden zu nehmen, das
ſie zum Anfange ihrer Handthierung ſo noͤthig haben.
Der ſchlechte Zuſtand des Nahrungsſtandes in vielen
Landen ruͤhret nebſt andern Urſachen, auch aus dieſer
Quelle her. Die geſunde Vernunft lehret uns, daß
der Staat, wenn er ſeinen wahren Vortheil verſtehet,
die Etabliſſements der Leute eher unterſtuͤtzen und be-
foͤrdern, als geſtatten ſoll, daß ihnen der Anfang durch
tauſenderley Unkoſten ſchwehr gemachet werden ſoll.
Nichts als die Geſchicklichkeit muß ein Recht haben,
die Nahrungsgeſchaͤfte zu treiben; und der aͤrmſte
Mann, wenn er nur die erforderliche Faͤhigkeit hat,
muß in Anſehung der Erlaubniß ſich zu naͤhren, ſo
wenig Hinderniß finden, als der wohlhabendeſte. Die-
ſes
[229]der Manufacturen und Fabriken.
ſes erfordert nicht allein die Befoͤrderung der Geſchick-
lichkeit, die zu Erhaltung der Manufacturen und
uͤberhaupt zum Aufnehmen des Nahrungsſtandes ſo
nothwendig iſt; ſondern es iſt ſolches auch der natuͤr-
lichen Billigkeit gemaͤß; indem arme und reiche gleich-
maͤßig Unterthanen des Staats und Mitglieder des
gemeinen Weſens ſind, die ein gleiches Recht haben,
ſich zu naͤhren, weil ſie an der gemeinſchaftlichen Gluͤck-
ſeeligkeit, dem Endzwecke der Republiken, gleiches Recht
und Anſpruch haben. Alle andere Einrichtungen ſind
Policeygebrechen, die faſt in allen Staaten ſehr viel
und groß ſind. Man ſiehet von ſelbſt leicht ein, daß
nach dieſen Grundſaͤtzen bey ſolchen Pruͤfungen weder
auf die Beſchaffenheit eines Meiſters Sohnes, noch
auf die Heirath mit eines Meiſters Witwe oder Toch-
ter, noch auf andre ſolche Umſtaͤnde, welche die Zuͤnfte
unter andern ungeheuren Mißbraͤuchen eingefuͤhret ha-
ben, der geringſte Betracht gemacht werden muß. Hierher
muß man auch die Einſchraͤnkung rechnen, welche die
meiſten Handwerker eingefuͤhret haben, daß ein jeder
Meiſter nur ein oder zwey Lehrlinge zu halten befugt
iſt. Das heißt die Frucht des Fleißes und der Ge-
ſchicklichkeit, ſowohl als die Erweiterung des Nah-
rungsgeſchaͤftes, das dem Staate ſo nuͤtzlich iſt, unter-
druͤcken und nur darauf bedacht zu ſeyn, daß die unge-
ſchickten und traͤgen Meiſter mit durch geſchleppet
werden, als worauf alle Verfaſſungen der Zuͤnfte
hinauslaufen.


P 3Unter
[230]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
Gute Land-
ſtraßen und
Bequemlich-
keiten zur
Schiffarth
durch Schiff-
barmachung
der Ströme,
durch Canäle
und Häfen
dienen ſehr
zu Erhal-
tung der
Manufactu-
ren.

Unter die Maaßregeln, die zu Erhaltung der Ma-
nufacturen und Fabriken erfordert werden, gehoͤret
ferner, daß man die Huͤlfsmittel derſelben immer mehr
erleichtert. Auch hier findet das plus ultra ſtatt.
Wenn ein Land durch bluͤhende Manufacturen reicher
geworden iſt und mithin die Einkuͤnfte des Regenten
ſelbſt vermehret worden ſind; ſo kann er von ſeinen
vermehrten Einkuͤnften keinen anſtaͤndigern Gebrauch
machen, als wenn er koſtbahre Werke zur Bequemlich-
keit des Transportes der Waaren unternimmt. Hier-
her gehoͤren ſchoͤne Landſtraßen, die Schiffbarmachung
der Stroͤhme, gute Canaͤle und Schleußen, ſichere
und wohlbeſchuͤtzte Haͤfen und dergleichen. Solche
Werke legen nicht allein den Reichthum und die Pracht
einer Nation auf die vernuͤnftigſte und nuͤtzlichſte Art
zu Tage, ſondern ſie ſind zugleich eines der wirkſamſten
Mittel zu Erhaltung der Manufacturen und Fabriken.
Der Manufacturier und Kaufmann erhalten dadurch
einen wohlfeilern Transport. Sie ſind dahero im
Stande ihre Waaren wohlfeiler zu verkaufen, ſich
auswaͤrts den Debit zu erhalten und denen miteifernden
Nationen den Markt abzugewinnen.


Das wohl-
feile Jnter-
eſſe iſt gleich-
falls ein gu-
tes Hülfs-
mittel zu Er-
haltung der
Manufactu-
ren.

Wenn es zu Erhaltung der Manufacturen gerei-
chet, die Huͤlfsmittel derſelben immer mehr zu erleich-
tern; ſo iſt es gewiß eine hierzu dienliche Maaßregel, das
Jntreſſe von denen Capitalien immer mehr zu erniedri-
gen. Dieſe Sache hat einen uͤberaus großen Einfluß
in
[231]der Manufacturen und Fabriken.
in die Manufacturen. So wie ein hohes Jntereſſe
das Aufkommen der Manufacturen verhindert, oder
den Verfall bereits bluͤhender Manufacturen verurſa-
chen kann; weil eines Theils der Manufacturier, wenn
er das Geld nicht anders als um hohe Zinſen haben
kann, entweder nicht beſtehen oder welches faſt einer-
ley iſt, den auswaͤrtigen Debit verliehren wird; an-
dern Theils aber ſich vielweniger auf die Manufactu-
ren und die Arbeitſamkeit befleißigen werden, wenn ſie
durch Ausleihung der Capitalien mehr gewinnen und
bequemer leben koͤnnen; ſo iſt gewiß ein wohlfeiles
Jntreſſe eines der wirkſamſten Mittel das Aufkom-
men der Manufacturen zu befoͤrdern und ihren bluͤhen-
den Zuſtand zu erhalten. Unter zwey Nationen, die
ſich ſonſt in gleichen Umſtaͤnden befinden, wird diejenige
allemal den meiſten Debit an ſich ziehen und in allen
andern Umſtaͤnden mehr gewinnen, welche das wohl-
feileſte Jntreſſe hat. Nun pfleget zwar ein bluͤhender
Zuſtand der Manufacturen und Fabriken gemeiniglich
auch ein niedriges Jntereſſe nach ſich zu ziehen. So
wie ein bluͤhender Zuſtand dieſer Nahrungsgeſchaͤfte
auswaͤrtigen Debit und folglich eine Vermehrung des
in dem Lande circulirenden Geldes vorausſetzet; ſo
wird allemal die natuͤrliche Folge davon ſeyn, wenn
ſonſt keine großen Fehler und Gebrechen im Staate
vorwalten, daß das Jntereſſe erniedriget wird. Allein
die Regierung muß es bey dieſem natuͤrlichen Erfolge
nicht bewenden laßen, ſondern beſtaͤndig eine ernſtliche
Aufmerkſamkeit auf dieſe Sache richten. Nebſt den
erforderlichen Geſetzen wider den Wucher gehoͤret vor-
P 4naͤmlich
[232]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
naͤmlich hierher, daß ſie wider alle Arten des Miß-
trauens, die in dem Staate einreiſſen wollen, wachſam
iſt, weil dieſe am meiſten die Circulation des Geldes
hemmen und den hohen Preiß der Capitalien verurſa-
chen. Vornaͤmlich aber muß ſie nicht zulaßen, daß
eine Art des Gewinnſtes im Staate einreiſſe, bey wel-
chen man mehr Vortheil ziehen kann, als bey der Ar-
beitſamkeit und bey Ausleihung der Capitalien. Wenn
der Staat Schulden hat; ſo verdienet es auch eine
beſondere Aufmerkſamkeit daß man kein hoͤheres Jn-
treſſe reiche, als es denen Umſtaͤnden des Landes gemaͤß
iſt und daß man durch den Handel mit denen Schuld-
papieren des Staats nicht zu viel gewinnen kann.
Das Jntreſſe ſo der Staat giebt, iſt gemeiniglich die
Richtſchnur vor das Privatintreſſe. Hier ließe ſich
ein Fehler von Engelland zeigen, wenn es der Raum
dieſes ohnedem ſtark anwachſenden Buches geſtattete.
Gewiſſe Beſchaffenheiten bey denen Schulden des
Staats verurſachen, daß diejenigen, ſo dieſe Schuld-
papiere in Haͤnden haben, ein ganz anderes Jntereſſe
haben, als der Landmann, der Manufacturier und
der arbeitſame Theil des Volkes, ſo daß daraus faſt
zwey entgegen geſetzte Partheyen entſtanden ſind, die
viel nachtheilige Folgen haben koͤnnen, wenn man nicht
in Zeiten auf eine Abaͤnderung bedacht iſt.


Die Erhal-
tung des be-
ſondern Cre-

Die ſchaͤdlichſte Art des Mißtrauens iſt der Man-
gel des Credits. Wir haben zwar ſchon oben in dem
zweyten
[233]der Manufacturen und Fabriken.
zweyten Abſchnitte den Zuſammenhang deſſelben mitdits iſt
gleichfalls
nothwendig.

denen Manufacturen und Fabriken gezeiget. Allein
dieſe Sache iſt zu Erhaltung dieſer Nahrungsgeſchaͤfte
ſo nothwendig, daß wir ſie hier insbeſondere erwaͤh-
nen muͤſſen. So bald der beſondere Credit im Lande
verfaͤlt; ſo bald werden auch die Manufacturen und
Fabriken ſich ihrem Verfall naͤhern. Die Erhoͤhung
des Jntreſſe wird nicht allein die Folge aus dem Man-
gel des Credites ſeyn, ſondern die Manufacturiers,
davon die wenigſten im Stande ſind, diejenigen Si-
cherheiten zu geben, die man bey dem Mangel des
Credits erfordert, werden in die Verlegenheit geſetzet
werden, gar kein Geld erlangen zu koͤnnen. Ein
Staat, der ſeine Manufacturen aufrecht erhalten will,
muß demnach inſonderheit auf weiſe und wirkſame
Geſetze zu Erhaltung des Credits bedacht ſeyn;
und dieſe Geſetze muͤſſen in genaue Erfuͤllung geſetzet
werden.


Man kann ſchwehrlich den Credit aufrecht erhal-Manufa-
cturgerichte
gereichen
zur Erhal-
tung der Ma-
nufacturen.

ten, wenn nicht beſondere Commercien und Manufa-
cturgerichte im Lande angeordnet werden. Die Strei-
tigkeiten in Handlungs und Manufacturſachen erfor-
dern inſonderheit eine ſchleunige Entſcheidung. Lang-
wierige Proceße und die darzu erforderlichen Koſten
ſind ſchon an ſich ſelbſt ſchaͤdlich; und ſie ſind es noch
mehr bey Kaufleuten und Manufacturiers, deren Cre-
dit und Aufrechterhaltung oͤfters darauf ankommt,
P 5daß
[234]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
daß ſich ihre Gegner und Schuldner nicht mit der
Chicane eines langwierigen Proceßes gegen offenbar
gerechte Forderungen ſchuͤtzen koͤnnen. Die Proceße
zwiſchen Kaufleuten und Manufacturiers muͤſſen dem-
nach auf die allerkuͤrzeſte Art und gleichſam ſtehenden
Fußes geſchlichtet werden; wie denn die Leipziger Han-
delsgerichte, die hierinnen andern zum Muſter dienen
koͤnnen, wirklich eine ſolche Beſchaffenheit haben. Al-
lein, wenn man uͤberhaupt im ganzen Lande eine ſo
ſehr abgekuͤrzke Art des gerichtlichen Verfahrens ein-
fuͤhren wollte; ſo wuͤrde ſolches in Anſehung derjenigen
Einwohner, die keine Kaufleute oder Manufacturiers
ſind, allzu ſtrenge und tumultuariſch ausfallen. Man
kann dieſes als einen Fehler von denen Engliſchen Ge-
ſetzen bemerken. Sie ſind ſehr gut in allen Hand-
lungsſachen. Allein da man ſie allgemein gemacht
und die ganze Nation vor nichts als Kaufleute angeſe-
hen hat; ſo ſind ſie in vielen Dingen allzuſtrenge und
uͤbereilt, ſo daß viele Leute dabey ohne Noth zu Grun-
de gerichtet werden. So ſehr ich die Langwierigkeit
der Proceße haſſe und ſolche vor eines der groͤßten Uebel
in dem Staate halte: ſo bin ich doch zweifelhaftig, ob
nicht ein allzu tumultuariſches gerichtliches Verfahren
ein eben ſo großes Uebel iſt. Der Sache kann demnach
nicht beſſer abgeholfen werden, als durch beſondere
Handels und Manufacturgerichte; und man kann be-
haupten, daß ſie ein großes zu Aufrechterhaltung der
Manufacturen und Fabriken beytragen. Unterdeſſen
halte ich dergleichen Gerichte nicht gleich Anfangs bey
Einfuͤhrung und Gruͤndung der Manufacturen und Fa-
briken
[235]der Manufacturen und Fabriken.
briken noͤthig, ſondern ich glaube, daß ſie nur erſt bey
dem bluͤhenden Zuſtande derſelben noͤthig und mithin
mehr ein Mittel ihrer Aufrechterhaltung, als ihrer
Gruͤndung ſind. Bey Einfuͤhrung der Manufactu-
ren muß man aus den oben hin und wieder angefuͤhr-
ten Gruͤnden mehr als jemals auf die Aufrechterhal-
tung der Manufacturiers ſehen und auf alle Art ver-
huͤten, daß ſie nicht uͤber den Haufen geworfen wer-
den. Man kann alſo nicht allemal mit ihnen nach der
Strenge des Rechtes verfahren; und der Staat kann
dieſes auch wegen der Unterſtuͤtzung, die er ihnen an-
gedeihen laͤßt, nicht geſchehen laßen. Ob nun zwar
die Manufacturiers gleich Anfangs von der ordentli-
chen Gerichtsbarkeit auszunehmen ſind; ſo kann man
doch ihnen noch keine beſondern Geſetze und Gerichte
geben, ſondern ihre Streitigkeiten und die Anſpruͤche,
die andere an ſie machen, ſind durch eine beſondere
Commißion zu entſcheiden, deren weißlich eingerichtete
Jnſtruction im Hauptwerke auf die Conſervation der
Manufacturiers gehen muß. Ueberdieß da derglei-
chen Manufacturgerichte unumgaͤnglich erfordern, daß
ſelbſt Manufacturiers Beyſitzer von dieſen Gerichten
ſind, weil eine richtige Entſcheidung dieſer Streitig-
keiten ſchwehrlich geſchehen kann, ohne eine genaue
Kenntniß von dem ganzen Weſen und der Beſchaffen-
heit dieſer Nahrungsgeſchaͤfte zu haben, ſo wuͤrden
deucht mich allerley Unbequemlichkeiten daraus entſte-
hen, wenn in einer Stadt nur erſt ſehr wenige Ma-
nufacturiers und Fabrikanten vorhanden waͤren, und
man wollte dennoch ſo fort beſondere Manufacturge-
richte
[236]V. Abſchnitt. Von Erhaltung
richte einrichten. Dieſe wenigen Manufacturicrs
wuͤrden entweder alle Beyſitzer des Gerichtes werden,
und alsdenn wuͤrde dieſes Judicium in Anſehung der
unter ihnen entſtehenden Streitigkeiten ganz unnuͤtze
ſeyn, oder wenn man nur ein paar der aͤlteſten zu
Beyſitzern nehmen wollte; ſo wuͤrden dieſe dadurch um
ſo eher Gelegenheit haben, den oben beruͤhrten gewoͤhn-
lichen Neid und Verfolgung gegen die neuanfangen-
den Fabrikanten mit mehrern Nachdruck auszuuͤben.
Mich deucht ich habe dieſe Umſtaͤnde bey anfangenden
Manufacturen und denen fruͤhzeitig errichteten Manu-
facturgerichten in der That bemerket. Dieſe Gerichte
ſind alſo keine Sache, die bey der erſten Gruͤndung
der Manufacturen ſtatt finden kann. Allein alle dieſe
Umſtaͤnde fallen weg, wenn die Manufacturen bereits
in einem bluͤhenden Zuſtande ſind; und alsdenn ſind
ſie ein nothwendiges Mittel ihrer Erhaltung. Wenn
dieſe Gerichte den abgezielten Endzweck bewirken ſollen;
ſo muͤſſen in einer jeden Stadt, wo bluͤhende Com-
mercien und Manufacturen ſind, zwey dergleichen
Iudicia angeordnet werden, naͤmlich ein oberes und
unteres; und jedes muß aus einigen geſchickten Rechts-
gelehrten, ſowohl als aus einigen erfahrnen Kaufleu-
ten und Manufacturiers beſtehen. Aus dem untern
ergehen die Appellationen an das obere Handelsgerichte.
Denn wenn die Appellationen an die ordentlichen hoͤ-
hern Landes Iudicia ergehen ſollten; ſo wuͤrde der End-
zweck dieſer Gerichte nur zur Helfte erreichet werden.
Jn Leipzig iſt die Einrichtung wirklich alſo beſchaffen;
und es iſt nur erlaubt bey einer gewiſſen Summe und
beſon-
[237]der Manufacturen und Fabriken.
beſondern Umſtaͤnden von dem Oberhandelsgerichte
weiter an die Landesregierung nach Dreßden zu ap-
pelliren.


Endlich muß ich noch erinnern, daß je vollkomme-Endlich ge-
höret auch
die Flohr der
Landwirth-
ſchaft zu Er-
haltung der
Manufactu-
ren, und die
letztern müſ-
ſen nie auf
Koſten der
erſten unter-
ſtützet wer-
den.

ner die Uebereinſtimmung und der Zuſammenhang
aller Theile des Staatskoͤrpers iſt, deſto unveraͤnder-
licher wird der bluͤhende Zuſtand der Manufacturen
und Fabriken ſeyn und deſto weniger Verfall haben ſie
zu befuͤrchten. Der Verfall derſelben entſtehet ledig-
lich aus dem uͤblen Verhaͤltniß der Einrichtungen des
Staats gegen die Manufacturen und aus andern Feh-
lern, Gebrechen und Unordnungen des gemeinen We-
ſens. Hauptſaͤchlich aber iſt der gute Zuſammenhang
der Landwirthſchaft mit denen Manufacturen und Fa-
briken noͤthig dergeſtalt, daß man einen bluͤhenden Zu-
ſtand der Manufacturen und hauptſaͤchlich die beſtaͤn-
dige Dauer und Erhaltung derſelben ohne dem Flohr
der Landwirthſchaft gar nicht erwarten kann. Der
geringſte Verfall in der Landwirthſchaft erſtrecket auch
ſeinen Einfluß in die Manufacturen und Fabriken;
und man muß ſich demnach ſehr huͤten die Manufa-
cturen auf Koſten der Landwirthſchaft zu unterſtuͤtzen,
oder je ein Befoͤrderungs und Erhaltungsmittel vor
dieſelben zu erwaͤhlen, was der Landwirthſchaft zum
Nachtheil gereichen kann. Jn dieſem Betracht verdie-
net hier dasjenige eine Erlaͤuterung, was wir oben hin
und wieder von dem Verboth der Ausfuhre der rohen
Ma-
[238]V. Abſchnitt. Von Erhaltuug
Materialien geſagt haben. Wenn dieſe Maaßregel
anzurathen iſt; ſo iſt es nur bey der Einfuͤhrung und
Gruͤndung der Manufacturen; und dennoch muß ſol-
ches mit verſchiedenen Einſchraͤnkungen und Vorſich-
ten geſchehen, die oben beruͤhret worden ſind. Allein
wenn die Manufacturen bereits in Flohr ſtehen und
es nur auf deren Aufrechterhaltung ankommt; ſo iſt
dieſes Mittel ungleich weniger anzurathen; wenigſtens
muß dieſes Verboth nicht ohne ſehr große Ueberlegun-
gen geſchehen. So bald die Landwirthſchaft eine Art
der rohen Materialien in groͤſſerer Menge erzeuget;
als die Landesmanufacturen und Fabriken verbrau-
chen koͤnnen; ſo unterſtuͤtzet man die Manufacturen
auf Koſten der Landwirthſchaft. Man verhindert den
Landmann allen Nutzen aus ſeinen Producten zu zie-
hen, den er daraus haben koͤnnte, und man benimmt
ihm alſo nicht allein die Anreizung den Flohr der Land-
wirthſchaft zu erhalten oder hoͤher zu treiben, ſondern
man verhindert auch dadurch einen mehrern Einfluß
des Geldes und mithin die Bereicherung des Staats,
die allemal von uͤberaus großer Wichtigkeit iſt. Wenn
die Manufacturen und Fabriken erſt im Lande ein-
gefuͤhret und gegruͤndet werden ſollen; ſo iſt dieſes
Verboth zuweilen noͤthig. Es iſt ſolches ein Opfer,
welches die Landwirthſchaft denen Manufacturen thun
muß. Denn da dieſes Verboth natuͤrlicher Weiſe ei-
nen ſehr wohlfeilen Preiß dieſer in Menge vorhande-
nen rohen Materialien nach ſich ziehen muß; ſo wer-
den die Manufacturen deſto eher beſtehen und wachſen
koͤnnen. Allein es iſt nicht einmal rathſam, daß die-
ſes
[239]der Manufacturen und Fabriken.
ſes Verboth lange dauret; und die Maaßregeln zur
Gruͤndung und Flohr der Manufacturen muͤſſen ſo
wohl und gerecht erwaͤhlet und ausgefuͤhret werden,
daß keine lange Zeit dabey verſplittert wird. Sonſt
wuͤrden die Manufacturen ſelbſt den Vortheil verlieh-
ren, den ſie daraus ziehen. So bald der Preiß dieſer
rohen Materialien ſo ſtark und anhaltend faͤllt, daß
die Landleute weiter ihre Rechnung nicht dabey finden;
ſo werden ſie ſolche gar bald in geringerer Quantitaͤt
erzeugen und der Preiß wird mithin wieder auf den
Fuß kommen, als er vor dem Verboth geweſen iſt.
Man ſiehet alſo, daß dieſes Verboth nur ein zeitiges
Huͤlfsmittel iſt, das nach guten Grundſaͤtzen nicht
lange dauren kann, weil es gar bald ſchaͤdlich wird.
Es iſt aber auch weiter gaͤnzlich unnoͤthig, ſo bald die
Manufacturen und Fabriken in einigen Flohr gelan-
get ſind. Alles, was zum Vortheil der Landesmanu-
facturen noͤthig iſt, kommt darauf an, daß dieſe rohen
Materialien bey der Ausfuhre mit einigen Zoͤllen be-
ſchwehret werden. Wenn dieſe Zoͤlle nur ſechs bis
ſieben pro Cent betragen und man vorausſetzet, daß
die Koſten der Fracht, der Commißion und dergleichen,
welche die Auslaͤnder zu beſtreiten haben, wenigſtens
eben ſo viel ausmachen; ſo werden unſere Landesma-
nufacturen dennoch allemal den Vorzug in dem Debit
vor den Auslaͤndern behaupten. Denn wenn ihnen
die Materialien zwoͤlf bis funfzehn pro Cent theurer
zu ſtehen kommen; ſo iſt es außer einer ganz beſon-
dern Ungleichheit andrer Umſtaͤnde nicht moͤglich, daß
ſie mit uns gleichen Preiß in Verkauf ihrer Waaren
halten
[240]V. Abſch. Von Erhalt. der Manuf. u. Fabr.
halten koͤnnen. Nachdem wir nunmehro alles beyge-
bracht haben, was zu denen allgemeinen Grundſaͤtzen
und Betrachtungen der Manufacturen und Fabriken
erforderlich iſt, ſo wollen wir hiermit dieſe erſte Ab-
theilung unſeres Buches beſchließen.


Ende des erſten Theiles.

[[241]][[242]][[243]][[244]][[245]]

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Vollständige Abhandlung von denen Manufakturen und Fabriken. Vollständige Abhandlung von denen Manufakturen und Fabriken. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bqch.0