Von
Nothwendigkeit der
Tauffe/ und was von ungetauffter Chri-
ſten-Kinder Seligkeit zu halten/
Aus den Worten des HErrn Jeſu (Johan. 3, 5.)
Bey der Chriſt- und Graͤflichen Sepultur
Des HochWolgebornen Grafens und Herrens/
Herrn Anthon Günthers/ der Vier-
Grafen des Reichs/ Grafen zu Schwartzburg
und Hohenſtein/ ꝛc. hertzgeliebten
Jungen Herreleins/
Jahres alhier auff dem Schloſſe zu Sondershauſen todt zur Welt ge-
bohren/ und den 16. deſſelben beygeſetzet worden/ Jn der Hof-Kirchen
bey hochanſehnlicher Verſamlung gehalten/ und auff gnaͤdiges
begehren
DEDICATIO
Dem HochWolgebornen Grafen und Herrn/
Herrn
Anthonio Guͤnthern/ der VierGrafen
des Reichs/ Grafen zu Schwartzburgk und
Hohenſtein/ Herrn zu Arnſtadt/ Sondershauſen/ Leuten-
bergk/ Lohra und Clettenbergk/ ꝛc. Meinem gnaͤdi-
gen Grafen und Herrn/
Wie auch der
Durchlauchtigen/ Hochgebornen Fuͤrſtin und Frawen/
Frawen
Marien Magdalenen/ gebohrnen Pfaltzgraͤfin
bey Rhein/ Hertzogin in Beyern/ vermaͤhlten Graͤfin zu
Schwartzburg und Hohenſtein/ wie auch Veldentz und Spanheim/
Frawen zu Arnſtadt/ Sondershauſen/ Leutenberg/ Lohra und
Clettenberg/ ꝛc. Meiner gnaͤdigen Fuͤrſtin
und Frawen/
Gnade/ Friede/ Troſt/ Heyl und Segen von
Gott dem Vater durch Chriſtum Jeſum in Krafft
des heiligen Geiſtes.
HOchwolgebohrner Gnaͤdiger Graff
und Herr/ wie auch Durchlauchtige Hochge-
bohrne gnaͤdige Fuͤrſtin und Fraw/ ſehr ſchoͤne
und nachdenckliche Worte fuͤhret der heilige
Apoſtel (Paulus 2. Cor. 1, 5:)
Gleich wie wir des
Leidens Chriſti viel haben/ alſo werden wir auch
reichlich getroͤſtet durch Chriſtum/ und gibet damit zu-
verſtehen/ daß̃ die Kinder Gottes in dieſer Welt vielem und
mancherley Leiden unterworffen ſeyn/ und durch viel Truͤbſal
in das Reich Gottes gehen muͤſſen/ wie er anderswo ſpricht/
Apoſtelgeſchicht 14. Vnterdeſſen laſſe ſie doch der betrewe Gott
nicht
[] nicht uͤber Vermoͤgen verſuchet werden/
ſie hertzlich und herrlich/ als der Gott alles Troſtes
in allen Truͤbſalen/’
(2. Cor. 1, 4.) Dieſes aber thut nun fuͤr-
nemlichen GOtt der HErr durch ſein heiliges Wort/ als
welches auch darumb auffgeſchrieben iſt/ auff daß wir durch
(Rom. 15, 4.) Ja es iſt das Wort Gottes unſeres ‘Hertzens
Freude und Troſt/’ (Jerem. 15, 16.) Vnd kan uns in allerley
Kreutz und Faͤllen auffrichten und troͤſten. Jn welcher Mey-
nung der alte Kirchenlehrer (Chryſoſtomus Hom. 36. c. 5.
Johan.) nachdencklich ſchreibet:
ein Schatz aller koͤſtlichen Mittel und Artzeneyen.
Denn da wir entweder unſere Suͤnde ablegen/ oder
unſere Begierde daͤmpffen/ oder die Geldliebe ver-
treiben/ oder die Schmertzen verachten/ oder einen
groſſen Muth faſſen/ oder das zugeſchickte Kreutz
und Vngluͤck mit Gedult ertragen wollen/ ſo koͤn-
nen wir doſelbſt viel koͤſtliche Mittel und herrlichen
guten Rath finden.’
Maſſen der Koͤnig David erfahren/
wenn er im (94. Pſalm) ſaget:
mernis/ aber deine Troͤſtung ergetzte meine Seele.’
Vnd im (119. Pſalm):
geweſen were/ ſo were ich vergangen in meinem E-
lend.’
Demnach GOtt der HErr Ew. HochGraͤfl. Gn.
und Fuͤrſtl. Gn. anjetzo hoͤchlich betruͤbet/ in dem Er nach
ſeinem heiligen und allzeit gerechten Willen den Graͤflichen
Eheſegen nicht laſſen lebendig zur Welt gebohren/ und durch
die Waſſer-tauffe widergebohren werden/ daruͤberJhr geſe-
gneter Eheſtand in einen rechten Weheſtand verwandelt
worden: Als iſt auch billig/ daß aus Gottes Wort dem rech-
ten Troſtbache E. E. Gn. Gn. unterrichtet und getroͤſtet wer-
den. Die Paͤbſtiſche Doctores, wie ſie in andern Stuͤcken
A ijeine
[] eine troſtloſe Lehre fuͤhren/ alſo koͤnnen ſie auch bey dieſem
Fall Chriſtliche Eltern wenig troͤſten/ dieweil ſie ſolche unge-
tauffte Kinderlein entweder in einen ſonderlichen Limbum,
alda jhnen weder wol/ noch wehe ſeyn ſoll/ oder gar in die
Hoͤlle verdammen. Dagegen kan uns die goͤttliche heilige
Schrifft viel beſſer unterrichten und troͤſten. Derohalben
auff gnaͤdiges begehren ich aus derſelben dieſen Chriſtlichen
Vnterricht/ was von ungetauffter Chriſten-Kinder Selig-
keit zu halten ſeye/ auffſetzen/ und E. E. Gn. Gn. hiermit zum
Vnterricht und Troſt in aller Vnterthaͤnigkeit uͤbergeben
wollen/ in gewiſſer unterthaͤniger Zuverſicht/ es werden E. E.
Gn. Gn. hierinnen ſattſamen Bericht und Troſt finden/
welches ich von grund meines Hertzens von dem Vater alles
Troſtes durch Chriſtum Jeſum in Krafft des heiligen Gei-
ſtes wuͤnſche. Demſelben getrewen GOtt/ ſeiner vaͤterlichen
Gnade und Barmhertzigkeit/ allmaͤchtigen hoͤheſten Schutz
und Schirm/ zu zeitlichen und ewigen Segen Leides und der
Seelen/ gluͤcklicher Regierung/ beſtaͤndiger Geſundheit/ und
aller gedeylichen Graͤfl. und Fuͤrſtl. Wolfart/ E. E. Gn. Gn.
hiermit trewlich befehlende. Sondershauſen den Sontag
Vocem jucunditatis, 23. Maji, Anno 1652.
E. Hochgraͤfl. Gn.
E. Fuͤrſtl. Gn.
unterthaͤniger
Diener am Wort Gottes
und
getrewer Fuͤrbitter bey Gott
M. JohannesBoͤttiger
Superint.Jm
Jm Namen JEſu/ Amen!
Gnade und Barmhertzigkeit von Gott
dem Vater/ durch Chriſtum JEſum/ den
Heyland aller Menſchen/ und alſo auch
der kleinen Kinder/ ſam̃t der kraͤfftigen Ge-
meinſchafft des heiligen Geiſtes/ ſey mit
uns und allen Hochbetruͤbten jetzt und zu
allen Zeiten/ Amen.
‘DER Menſch gedenckts/’Der Mẽſch
gedenckts/
GOtt
lenckts:
‘Gott aber lenckts’: Daß dieſes ein
wahres Sprichwort/ Geliebte und An-
daͤchtige im HErren JEſu/ koͤnnen wir iſt
auß der Erfahrung in vielen Dingen
bezeugen und erweiſen; Jetzo haben wir ein bewer-
thes Wort
ein Exempel fuͤr Augen an unſerer gnaͤdigen Herrſchafft.
Denn nach dem der barmhertzige Gott des Hoch Wolgebor-
nen Grafen und Herrens/ Herrn Anthon Guͤnthers/ durch
den trauri-
gen Fall un-
ſerer gnaͤdi-
gen Herr-
ſchafft/
der VierGrafen des Reichs/ Grafens zu Schwartzburg und
Hohenſtein/ Herrens zu Arnſtadt/ Sondershauſen/ Leuten-
bergk/ Lohra und Clettenbergk/ ꝛc. unſers gnaͤdigen Herrens
und Landesvaters hertzliebſte Gemahlin mit Leibesfrucht
widerumb geſegnet hatte/ und nunmehr die Geburtsſtunde
sich herbey nahete/ da haben wir gute Hoffnung geſchoͤpffet/
und uͤber den gluͤcklichen Anblick ſolches Graͤflichen Segens/
maſſen wir denn auch hertzlich darumb zu Gott gebeten/ uns
A iijhoͤchli-
[]Lehr- und Troſtpredigt hoͤchlichen zuerfrewen gedacht/ Aber was wir gedacht/ iſt
nicht vollbracht/ in dem Gott der HErr/ als der Herr un-
ſers Lebens/ es anderſt und alſo gelencket/ daß die Durchlauch-
tige und Hochgebohrne Fuͤrſtin und Fraw/ Fraw Maria
Magdalena/ geborne Pfalz Graͤfin bey Rhein/ Hertzo-
gin in Baͤyern/ ꝛc. unſers vor Hochwolgemeldten gnaͤdigen
Grafens und Herrens hertzliebſte Gemahlin jhrer getrage-
nen Fraͤwlichen Buͤrden zwar entbunden/ aber das Kindlein
daruͤber wir
billig be-
truͤbt/nicht lebendig/ ſondern todt anſchawen muͤſſen. Daruͤber iſt
aus dem beſchloſſenen froͤlichen Tauff-begaͤngnis eine hoch-
traurige Leich-Proceſſion worden. Jch gedachte dem lieben
Graͤfl. Kindlein an diesem Orte den Tauff- und Einſe-
gnungs-Sermon zu halten/ jetzt muß ich demſelben nach
GOttes ſchickung die Leichpredigt thun. Das heiſt: Der
Menſch gedenckts/ GOtt lenckts; welches uns zwar zu her-
tzen gehet/ und nicht unbillig ſchmertzet. Derohalben wir
auch mit betruͤbten Hertzen dem Graͤflichen jungen Herrlein
muͤssen uns
aber Gottes
Willen un-
terwerfen/
und
auß Gottes
Wort Troͤ-
ſten.biß hieher ins Traurhauß gefolget ſeyn/ Jedennoch aber muͤſ[-]
ſen wir hiebey Gottes allezeit heiligen und gerechten Willen
in Gedult und Gehorſam erkennen/ und uns aus GOttes
Wort troͤſten/ und weil auch zu dem Ende die Hochbetruͤbte
durch Gottes Wort zu troͤſten ich begriffen bin: Als wollen
wir/ damit dieſes zur Ehre Gottes gereiche/ die hochbetruͤb-
ten Vater- und Mutterhertzen/ und andern Fuͤrſtlichen und
Graͤflichen Anverwanten/ ſo hieruͤber traurig ſeyn/ recht zu
hertzen treffe/ und ſie kraͤfftiglich troͤſte/ umb die Huͤlffe und
Beyſtand des heiligen Geiſtes GOtt den Vater im Namen
JEſu Chriſti anruffen/ und ein andaͤchtiges Vater
Vnſer beten/ ꝛc.
Der
von Nothwendigkeit der Tauffe.
(Der Text Johan. 3. 5.)Text.
VNd JEſus ſprach: Warlich/
warlich ich ſage dir/ Es ſey denn
daß jemand von newen geboh-
ren werde aus dem Waſſer und Geiſt/
ſo kan Er nicht in das Reich GOttes
kommen.
EJn fruchtbares und tugendſamesEintugend-
ſames weib
wird mit
dem Wein-
ſtock vergli-
chen/
Weib/ Geliebte in dem HErren Chriſto/
wird von dem heiligen Geiſte einem frucht-
baren Weinſtocke verglichen im (128. Pſal.)
da geſchrieben ſtehet:
ſeyn wie ein fruchtbar Weinſtock
umb dein Hauß herumb.’
Solche Vergleichung eines frommen Weibes mit dem
Weinſtocke geſchiehet (1.) wegen der Gebrechligkeit weil ſie ge-
brechlich uñ
ſchwach
und Schwachheit. Der Weinſtock iſt ein ſchwaches
und geringes Holtz/ bedarff vieler Pfleg- und Wartung/
muß ſeine Pfaͤhle/ oder Mauren und Waͤnde haben/ daran
Er auffwachſen kan: Alſo ſeynd die Weibesperſonen auch
ſchwach/ſowol ihres Leibes halber von Natur/ an der Stim- am Leibe/
me/ an allen Gliedern/ und muͤſſen viel und mancherley
Kranckheiten außſtehen/ inſonderheit auch jhre von GOtt
beſchehrete Leibesfrucht mit Schmertzen zur Welt tragen/
nach dem Außſpruch Gottes:
Du ſolt mit Schmertzen (Gen. 3.)
Kinder
[]Lehr- und Troſtpredigt
am Gemuͤt/
Kinder gebaͤren.
Als wie auch an jhrem Gemuͤthe und
Verſtande/ welches der Satanas bey unſerer erſten Mutter
der Eva zu ſeinem Vortheil wargenommen/ gebraucht/ und
ſie betrogen hat/ wie der Apoſtel Paulus drauff deutet/ wenn
er ſpricht:
Vnd Adam ward nicht (durch die Schlange
zuerſt) verfuͤhret/ das Weib aber ward (zuerſt durch die
Schlange) verfuͤhret/ und hat die uͤbertrettung ein[-]
gefuͤhret/
(1. Timoth 2, 14.) Dahero der Apoſtel Petrus die
Weiber
nennet (1. Petr. 3, 7.)
uͤber welche Worte der heilige Lutherus ſetzet:
ſten ſind GOttes Werckzeuge/ aber das Weib iſt
beyde am Leibe und an Muth ſchwaͤcher denn der
darumb jh-
rer mit Ver-
nunfft zu
ſchonen.
Mann/ darumb ſein mit Vernunfft zu ſchonen iſt.’
Dadurch die Chriſtliche Maͤnner erinnert werden/ daß ſie
mit Vernunfft bey jhren Weibern wohnen/ ſaͤuberlich mit
jhnen umbgehen/ ſie ſchuͤtzen/ vertheidigen/ jhnen rathen und
helffen/ jhrer Schwachheit halber ſie nicht veraͤchtlich/ ſon-
dern ehrlich halten/und mit jhnen Gedult tragen ſollen.
Weil ſie
fruchtbar
(2.) wegen der Fruchtbarkeit. Ein Weinſtock
wie gering er auch an Holtz anzuſehen/ ſo traͤget er doch
uͤber die maſſen ſchoͤne und liebliche Frucht/ die Goͤtter und
Buch der
Richter 9. 13
an
Fruͤchten
des Geiſtes
und
des Leides/
Menſchen froͤhlich macht:
Alſo begabet GOtt den weib-
lichen Stamm/ das ſchwache Werckzeug auch mit den Ga-
ben des Geiſtes/ daß ſie Miterben ſeyn der Gnade des
Lebens/
(1. Petr. 3, 7.) und an dem
ſto als geiſtliche Reben viel Fruͤchte bringen/’
(Jo[-]
han. 15, 5.) Ja GOtt begnadet ſie mit Fruͤchten/ deren die
gantze Welt in allen dreyen Staͤnden geneuſt/ wenn Er ſie
mit Leibesfruͤchten ſegnet/ und froͤhliche Kindermuͤtter aus jh-
zwar in
ſchwachheit
nen machet/ und ob ſchon dieſes mit groſſen Schmertzen/ und
anklebender Schwachheit zugehet/ ſo werden ſie doch ſelig
durch
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
durch Kinder zeugen/ und hindert ſie nicht an der Seligkeit: doch
in Seligkeit
Sondern ſie koͤnnen bey ſolchem jhrem Stande ſelig werden/
ſo ſie die Weiber bleiben im Glauben (an Chriſtum)
und in der Liebe (gegen den Nechſten) und in der Hei-
ligung (in einem gottſeligen Leben) ſampt der Zucht
(in Gebaͤrden und Wandel)
(1. Tim. 2, 15.)
(3.) wegen des offt unvermuthenden Ver- weil es offt
mit der
Frucht ſehr
traurig zu-
gehet/
derbens der Frucht.Der edle Weinſtock hat jetzt ſchoͤne
gebluͤhet und Augen gewonnen/ macht gute Hoffnung zu
einer ſuͤſſen uñ lieblichen Frucht/ bald wird er durch ploͤtzlichen
Frost/ Reiff und Vngewitter erſchrecket/ da fallen die Traͤub-
lein ab und verwelcken/ und verlieret ſich alle gefaſſete Freude
und Hoffnung. Ebenes falles wird eine tugendſame Hauß-
krone wie ein fruchtbarer Weinſtock võ Gott geſegnet/ [di] man
der lieblichen Frucht von jhr zugewarten hat/ aber offt ſchickts
Gott alſo/ daß die ſchoͤnen Gewaͤchslein/ ſo aus ehelicher Liebe
erfolgen ſollen/ allzufruͤezeitig hinfallen/ und durch den zeitli-
chen Todt noch wol im Mutterleibe/ ehe ſie dieſe Welt be- wie ein
Exempel
an unſerer
gnaͤdigen
Herrſchafft
ſchawen/ hingeriſſen/ und ins finſtere Grab verſencket wer-
den/ da gibts alsdenn traurige und betruͤbte Hertzen/ naſſe
Augen und groſſe Schmertzen/ wie wir dergleichen Traur-
Exempel an unſer gnaͤdigen Herrſchafft jetzo fuͤr uns haben.
Alldieweil nun leicht zuerachten iſt/ daß ſowol wegen der na-
tuͤrlichen Affecten, weil Kinder von Hertzen kommen/ und
wider zu Hertzen gehen/ dann auch/ daß das liebe Kind-
lein ohne Tauffe dahin geſtorben/ und gleichwol heiſſet:
Waſſer und Geiſt/ ſo kan er nicht in das Reich
Gottes kommen/’
(Johan. 3.) ſich traurige Gedancken und
Anfechtungen finden moͤgen. Derohalben gebuͤhrt ſichs/ daß
Bwir
[]Lehr- und Troſtpredigt
daruͤber ſie
zu troͤſten/ wir die Betruͤbte nicht ohne Troſt laſſen/ ſondern ſie aus
Gottes Wort/ dem groſſen Lehr- und Troſtbuche mit Troſt
und mit genugſamen Vnterricht verſorgen. Zu dem Ende
darumb wil
ich handeln
von
der Tauffe
Nothwen-
digkeit/ und
was von
ungetauften
Chriſten-Kindern zu
halten. bin ich an dieſe heilige ſtaͤte getretten/ und mache aus abge-
leſenen Worten dieſen Vortrag/ welcher handelt
Von der Nothwendigkeit der heiligen Tauffe/
und was von ungetauffter Christen-Kin-
der Seligkeit zu halten ſey?
O HERR du ewiger Gott/ gib mir unvermoͤ-
genden des Geiſtes Krafft und Staͤrcke/ ſolches mit
Nuß zu vollbringen/ und troͤſte du Vater alles Tro-
ſtes uns reichlich in aller Truͤbſal/ umb Jeſu Chriſti
willen/ Amen.
Der
Menſch/ ſo
ſelig wẽ den
wil/DJe abgeleſene Worte/ Sel. im HERRN
JEſu/ ſind aus dem Geſpraͤch/ welches unſer
HErr Chriſtus mit dem Nicodemo dem Ober-
mußſten der Phariſeer gehalten/ genommen/ und
weil dieſer von Chriſto Vnterricht begehrte/ wie
von newem
gebohren
werden/er in das ewige Leben kommen ſolte/ wieſe jhn der HERR
Chriſtus auff die geiſtliche Widergeburt/ und ſprach:
War-
lich/ warlich ich ſage dir/ es ſey denn daß jemand
(er ſey wer er wolle unter den Menſchen/ wenn er gleich auſſer
der wahren Erkaͤntnis Gottes und ſeines Sohnes der aller-
froͤmſte und unſtraͤfflichſte were/ wie die Phariſeer ſich zu ſeyn
erachten/
(Apoſt. Geſch. 26. 5. Phil. 3, 6.))
von newen ge-
bohren werde/ (von der Suͤnde/ die jhm in der fleiſchli-
chen
[]von Nothwendigkeit der Tauffe. chen Empfaͤngnis und Geburt von Vater und Mutter an-
geerbet/
(Pſalm. 51, 7.) durch das verordnete Mittel geiſtlicher
weiſe abgewaſchen/ gereiniget/ geheiliget/ gerecht gemacht/
und alſo gleichſam auffs newe von GOtt gebohren werde/)
kan er das Reich GOttes nicht ſehen/ noch in
daſſelbe kommen. Da dem Nicodemo ſolches unge-
reimt fuͤrkam/ widerholet der HErꝛ Chriſtus die vorige Rede/
erklaͤrete ſie noch deutlicher/ und ſprach: ‘Warlich/ warlich
ich ſage dir/ Es ſey denn/ daß jemand von newen
geboren werde durch das Waſſer und Geiſt/ ſodurch das
Waſſer
kan er nicht in das Reich GOttes kommen/’ und
nennet nunmehr das ordentliche Mittel der geiſtlichen Wi- Calvinus
in Comm.
\&l. 4. inſtit.
c. 16. § 25.
Marlor.
ſup. h. 1.
Juſtinus Apol. 2.
Tertul. in l.
de Bapt.
Cypr. lib. 3.
ad Quirin.
c. 25.
Ambroſ. l.
3. de Spir. S.
c. 11.
Hieron. in.
c. 16. Ezech.
Gregor.
Nazianz. \&
Nyſſen. in
ſermon. de
Bapt. \& alii.
und Geiſt/
als
durch das Waſſerbad
im Wort/
dergeburt/ welches iſt Waſſer und Geiſt. Durch das Waſſer
wird verſtanden das Tauff-waſſer. Denn ob zwar etliche
von den Calviniſten/ als der Calvinus, Marloratus und an-
dere/ durch das Waſſer nicht die Tauffe/ ſondern den heiligen
Geiſt verſtehen wollen/ damit ſie denen/ welche den unge-
taufften Kindern die Seligkeit abſprechen/ antworten koͤn-
nen:
So iſt doch der alten und newen Kirchenlehrer Mey-
nung/ der auch der Benedictus Aretius beypflichtet/ daß
durch das Waſſer alhier die Tauffe verſtanden werde/ als die
da iſt das Waſſerbad im Wort/
(Epheſ. 5, 26.)
der Widergeburt und Ernewrung/’
(Tit. 3, 5.) Durch
den Geiſt wird verſtanden der heilige Geiſt/ welcher durch
das Tauffwaſſer/ wie auch durchs gepredigte Wort/ Mar. 1, 4.
1. Petr. 1, 23. kraͤfftiglich in den Widergebornen wircket die
Vergebung der Suͤnden/ die Schenckung der Gerechtigkeit/
und die Ernewrung. Vnd iſt alſo die Tauffe nicht eine
ſchlechte Waſſertauffe/ ſondern mit Gottes Wort verfaſſet/
und auch der heilige Geiſt darbey. Wer nun alſo getaufft
B ijwird/
[]Lehr- und Troſtpredigt
wird/ der iſt nicht allein aus Waſſer/ ſondern auch aus dem
Geiſte getaufft/ und wer alſo getaufft iſt/ der iſt Geiſt/ das iſt/
zum Gnadenkinde Gottes und Erben des ewigen Lebens ge-
macht/ wer aber nicht getaufft wird/ der iſt Fleiſch vom Fleiſch
geboren/ auß ſuͤndlichen Saamen gezeuget/ des Bildes Got-
tes beraubet/ mit Suͤnden verunreiniget und verderbet/ da-
her auch fuͤr Gottes Augen ein Grewel/ und deſſen Zorn un-
terworffen/ Epheſ. 2, 3. und kan alſo nicht in das Reich Got-
tes kommen/ ſondern iſt ſchuͤldig der ewigen Verdamnis.
nes/ das iſt/ unreines/Apoſtelgeſchicht 10. und das da
Grewel thut und Luͤgen/ ſondern die geschrieben
ſind im Buche des Lam̃s/’
(Offenbahr. 21. 27.) Darauß
wir ſehen/ daß zur Zeit des Newen Teſtaments die Tauffe
nicht ſey ein unnoͤthig Ding/ wie der Schwenckfelder und
Widertaͤuffer Rotte laͤſtert/ daß man wol entbehren/ oder an-
ſtehen laſſen/ und ſparen moͤge biß̃ man alt werde. Denn hie
ſtehet ein klarer Spruch: ‘Es ſey denn daß jemand wi-
dergebohren werde aus dem Waſſer und Geiſt/
ſo kan er nicht ins Reich Gottes kommen/’ und
wird dieſe Exceptiva in dieſe exponentem reſolviret: Kein
Vngetauffter wird ins Reich Gottes kommen. Dieſe
Meynung trifft alle/ ſowol die Alten/ als die jungen Kinder-
lein/ daß/ wer da wolle ins Reich Gottes kommen/ der muͤſſe
Lutherusin
ſeiner Kir-
chenpoſtill
Geſt. Trin. ſich taͤuffen laſſen.
ſpricht der
Herr (Lutherus),
auch die Kinderlein hiervon nicht
ausgeſchloſſen/ ſondern in diesem Spruch einge-
ſchloſſen haben/ ſo ſie ſollen in Gottes Reich kom-
men/ daß man jnen die Tauffe mittheile und reiche.
Denn er wil ſie auch new gebohren haben/ und in
jhnen
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.jhnen wircken/ wie er anderswo ſie heiſſet zu jhm
bringen/ und ſaget/ daß ſolcher/ ſo zu jhm bracht
werden/ ſoll das Himmelreich ſeyn. So ſie nun ſol-
len zu Chriſto kommen/ ſo muß man ſie der Mittel
und Zeichen nicht berauben/
biß hieher Lutherus. Wer
nun ſich oder ein Kind von der Tauffe abhelt/ der helt ſich und
daſſelbe auch/ ſo viel als an jhm iſt/ vom Himmelreich ab.welches iſt
noͤthig
Derohalben das Sacrament der heiligen Tauffe hochnoͤ-
thig/ und keines weges/ wo mans nach Chriſti Ordnung ha-
ben kan/ zuverachten oder zuverſeumen iſt. Denn die Tauffe als
von Chriſto
geboten/
iſt von Chriſto geboten und eingeſetzet. Denn gleich wie ſie
im alten Teſtament fuͤrgebildet/ 1. Petr. 3, 20, 1. Corinth. 10, 1.
und verheiſſen worden Ezech. 36, 25. Zach. 13, 1. Alſo hat auch
Chriſtus dieſelbe zu ſeiner Zeit eingeſetzt und befohlen. Gehet
hin/ ſprach er zu ſeinen Juͤngern/ in alle Welt/ und leh-
ret alle Voͤlcker/ und taͤuffet ſie im Namen des Va-
ters/ und des Sohnes/ und des heiligen Geiſtes/
(Matth. 28, 19.)So geſchach auch zu Johannes des
Zachariæ Sohn/ der die Tauffe angefangen/ der Be-
fehl Gottes in der Wuͤſten/ und er kam in alle Ge-
gend umb den Jordan/ und prediget die Tauffe der
Buſſe/ zur Vergebung der Suͤnden/ (Lucæ 3, 2.) und
wurden eben darumb die Schrifftgelehrten als Veraͤchter
des goͤttlichen Raths gehalten/ weil ſie die Tauffe Johannis
nicht annehmen wollten: Die Phariſeer und Schrifft-
gelehrten verachteten Gottes Rath wider ſich ſelbſt/
und lieſſen ſich nicht von jhme/ Johanne nemlich/
taͤuffen/Lucæ 7, 29. Und eben darauff ſtehet auch Chri-
ſtus/ wenn er in unſeren Worten mit einem gedoppelten End-
ſchwur zu dem Nicodemo/ und ſaget:
Warlich/ warlich
ich ſage dir/ es ſey denn daß jemand gebohren
B iijwerde
[]Lehr- und Troſtpredigt
und
als ein or-
dentliches
Mittel zur
Seligkeitwerde aus dem Waſſer und Geiſt/ ſo kan er nicht
in das Reich GOttes kommen.
Die Tauffe iſt
nothwendig als ein ordentliches Mittel zu unſerer Gerech-
tigkeit und Seligkeit/ als dadurch wir widergebohren/ von
Suͤnden gewaſchen/ Kinder Gottes und Erben des ewigen
ſo da
wird er Ver-
gebung der
Suͤnden/Lebens werden. Denn ſie wircket Vergebung der Suͤnden.
Ananias ſprach zu Paulo: Stehe auff/ und laß dich
taͤuffen/ und abwaſchen deine Suͤnde/ und ruffe an
den Namen des HErren/ (Apoſtelgeſch. 22, 16.)Es iſt
der freye offene Born wider die Suͤnde und Vnrei-
ſchaffet ein
newes Lebẽnigkeit/ (Zach. 13, 1.) Sie ſchaffet ein newes Leben/ beſage der
Worte Pauli:Wir ſind mit Chriſto begraben durch
die Tauffe in den Todt/ auff daß gleich wie Chriſtus
iſt aufferwecket von den Todten/ alſo ſollen wir
auch in einem newen Leben wandeln/ (Roman. 6, 4.)
und
gibt die e-
wige Selig-
keitSie gibet die ewige Seligkeit. Denn GOtt macht uns
ſelig nach ſeiner Barmhertzigkeit/ durch das Bad
der Widergeburt/und Ernewerung des heiligen
Geiſtes/ (Tit. 3, 5.)
Das Waſſer macht uns ſelig in der
Tauffe/ (die da iſt ein kraͤfftiges Mittel/dadurch uns Gott
zur Widergeburt und alſo auch zur Seligkeit befoͤrdert. Es
iſt aber ſolche unſere Tauffe (nicht das abthun des Vn-
flats am Fleiſche/ ſondern der Bund eines guten
Gewiſſens mit GOtt/ daß wir in- durch und vermittels
dieſes heylſamen Waſſerbades im Wort/ von unſern Suͤn-
den abgewaſchen/ und in den Bund Gottes auffgenommen
werden/ und alſo ein gutes Gewiſſen von GOtt erlangen/
durch die Aufferſtehung JEſu Chriſti/ darauff ſich
der Tauffbund gruͤndet/ als welche ein oͤffentliches Zeugnis
iſt/ daß Gott durch Chriſti Todt verſuͤhnet/ und unſere Suͤn-
de vollkoͤmlich durch Jhn bezahlet ſeyn/
(1. Petr. 3, 21.) Vnd
ſolches
[]von Nothwendigkeit der Tauffe. ſolches gibet die Tauffe allen/ die da gleuben. Denn wer daallen
denen/ die
da gleuben/
gleubet/ und getaufft wird/ der wird ſelig werden/
(Marci 16, 16.) Dieſer Vrſachen halber iſt die Tauffe noͤthig
als ein verordnetes Mittel zur Seligkeit/ und kan niemand
ohne dieſelbe ordentlicher weiſe in das ewige Leben kommen.
Dieſe Nothwendigkeit aber iſt nicht abſolutè und ſchlechterjedoch nicht
ſchlecht und
bloß/
Dinge zuverſtehen/ alſo daß alle die jenigen verlohren und
verdampt ſeyn muͤſten/ welche ohne jhre Schuld und einige
Verachtung derſelben mangeln/ und ungetaufft dahin ſter-
ben/ in dem ſie die Tauffe nach Chriſti Ordnung nicht er-
langen noch haben koͤnnen. Das wird in GOttes Wort
nirgends gelehret/ kan auch aus dieſem Spruch Chriſti nicht
erzwungen werden: Sondern ordinatè, wo die Ordnungſondern
ordentlicher
weiſe
D. Gerh. de
Sacrament.
pag. 364.
GOTtes kan ſtatt haben/ und in acht genommen werden.
Denn zu unſerer Gerechtigkeit und Seligkeit ſeyn
bloß und ſchlechter Dinge noͤthig die Gnade Got-
tes/ und das theure Verdienſt Jeſu Chriſti/ ordinatè
aber und ordentlicher weiſe das Wort Gottes und
die Sacramenta; ohne jene die Gnade Gottes und das
Verdienſt Chriſti/ kan nach dem Suͤndenfall ſchlechter Din-
ge niemand ſelig werden/ ohne dieſe das Wort und die Sa-
cramenta/ werden und koͤnnen ſelig werden die/ welche GOtt
aus Gnaden in Chriſto Jeſu nach ſeiner hohen Freyheit wil denn
Gott nicht
dran ver-
bunden/
als
welcheꝛ auch
offte auſſer
der oꝛdnung
handelt/
in
natuͤrlicher
Erhaltung/
ſelig machen. Denn ob wir Menſchen ſchon an dieſe ordent-
liche Mittel bey verluſt unſerer Seligkeit/da wir derſelben
nachkommen koͤnnen/ verbunden ſeyn/ſo wil ſich doch GOtt
nicht allezeit daran verbinden/ ſondern behelt jhm auch fuͤr
die freye Macht offtmals mit uns Menſchen ohne Mittel zu
handeln/ und daß ſowol in der leib- als in der geiſtlichen Er-
haltung. Denn das taͤgliche Brot und natuͤrliche Speiſe iſt
ein ordentliches Mittel der Erhaltung unſeres natuͤrlichen
Lebens/
[]Lehr- und Troſtpredigt
Lebens/ und muß ein jeder/ der nicht hungers ſterben wil/ ſich
dieſes ordentlichen Mittels gebrauchen: Jedennoch haben
wir Exempel/ da GOtt ohne ſolche Mittel etliche Menſchen
erhalten hat/ als von dem Moſe ſtehet/
geſſen/ und kein Waſſer getruncken viertzig Tage
und viertzig Nacht/’
(5. Buch Moſe 9. 9.) dergleichen von
dem Elia geleſen wird 1. Buch der Koͤnig. 19. 8. So iſt ein
ſolches Exempel vor weniger Zeit zu Halberſtadt mit einer
Jungfrawen/ deren Mutter ich noch gekennet/ und bey mei-
nem waͤrenden Ampt doſelbſt begraben habe/ geſchehen/ wel-
che von natuͤrlicher Speiſe gar nichts genoſſen/ uñ doch etliche
in geiſtlicheꝛ
Erhaltung/
Jahr gelebet hat. Anderer Exempel zugeſchweigen. Derglei-
chen ſehen wir auch/ daß offt fuͤrgegangen bey den geiſtlichen
ſowol
im alten
zur Seligkeit verordnete Mittel/ die Beſchneidung des al-
ten Teſtaments/ an deren ſtatt die Tauffe im newen Teſta-
ment auffkommen/ war das Mittel dadurch die Nachkom-
men Abrahæ mit Gott in den Bund tratten/ dadurch ordent-
licher weiſe GOtt ſich mit denſelben verbunden/ daß er jhr
Gott/ und ſie ſein Volck ſeyn ſolten/ mit der Draͤwung/
wo ein Knaͤblein nicht beſchnidten wuͤrde/ deſſen
Seele ſolte ausgerottet werden aus ſeinem Volck/’
(1. Buch Moſ. 17. 10. und 14.) dennoch ſeynd die Maͤgdlein
auſſer dieſer Ordnung ſelig worden. Es wil zwar der Jeſuit
Seſs. 2.
Gretzerus in dem Regensburgiſchen Geſpraͤch/ daß Gott
ein anderes und ſonderes Mittel denſelben zur Seligkeit ver-
ordnet hette/ kan es aber nicht beweiſen. So ſind auch viel
Knaͤblein/ ſo vor dem achten Tage/ und alſo vor der Beſchnei-
dung geſtorben/ ohne die Beſchneidung ſelig worden/ ſinte-
mal ſie an dieſe Ordnung nicht ehe als am achten Tage ver-
bunden geweſen. Hugo de S. Victore, wie es Thomas 4.
ſent. diſt. 1. q. 3. anziehet/ erweiſet unter andern es auch mit
den
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
den Zeugniſſen des R. Abenesræ und R. Salomonis, daß
ſolche unbeſchnidtene Kinder nicht verdampt/ ſondern ſelig
worden ſeyn. Wer wolte die verdammen/ die in der Wuͤſten
geſtorben/ alda die Beſchneidung/ weil ſie der Reiſe halber
ungelegen war/ biſ zu bequemer Zeit von Moſe verſchoben/
Joſ. 5, 3. 5? So Moſes/ Joſua/ und die gantze Iſraelitiſche
Kirche in den Gedancken geſtanden weren/ daß die Kinder-
lein durchaus hetten verlohren ſeyn muͤſſen/ ſo ſie ohne Be-
ſchneidung dahin geſtorben weren/ o ſo wuͤrden ſie auch viel
eher mit euſſerſter Gefahr des zeitlichen Lebens die Kinderlein
beſchnidten/ als mit gewiſſer Seelengefahr die Beſchneidung
ſolange auffgeſchoben haben. So wurden zu der Zeit der
Maccabecr die Weiber/ ſo jhre Kinder beſchnidten/ getoͤdtet/
1. Maccab. 1, 63. und muſten ſolche Sacrament unterwegen
laſſen. Wer wolte aber ſolche Kinder unſelig preiſen und ver-
dammen? wer wolte die unſchuldigen Kinder/ die unter de-
nen/ ſo Herodes ermorden laſſen/ und nicht beſchnidten ge-
weſen/ verdammen? Ach da ſey Gott fuͤr! man richte nicht ſo
liederlich/ Gott nimpt ſich der Menſchen viel beſſer an/ als
wir meynen. Ebenes falles iſt es auch mit der heiligen Tauffe/
dem Sacrament des newen Teſtaments beſchaffen/ die iſt als
newen Te-
ſtaments/
zwar ein ordentliches Mittel/ dadurch wir zu Gottes Kindern
und Erben der Seligkeit werden/dennoch ſeynd ohne dieſelbe
viele ſelig worden. Welches Chriſtus in der Tauffſtifftung
auch anzeiget/ wenn er ſaget:
taufft wird/ der wird ſelig/’
ſetzet er nicht hinzu:
Wer
aber nicht gleubet/ und nicht getaufft wird/ der wird
verdampt/ ſondern gedencket nur des Glaubens/ und nicht
der Tauffe/ ſetzet bloß/wer aber nicht gleubet/ der wird
verdampt/
(Marci 16, 16. ) Warumb mag nun unſer Herr
Chriſtus dieſe ſonderbare Cautel hinzu geſetzet haben? Die
CVrfache
[]Lehr- und Troſtpredigt
Vrſache lehret uns der fromme Bernhardus, da er ſchreibet
(Epiſt. 77.) an Hugonem:
allein durch den Glauben koͤnne ſelig werden/ mit
der Begierde das Sacrament zu empfangen/doch
alſo/ wenn er zuvor ſtirbet/ ehe er ſolche Begierde
vollbringet/ oder ſonſt eine unuͤberwindliche Noth
jhm fuͤrſtoſſet/ und im Wege ligt. Siehe ob nicht
unſer Seligmacher eben hierinne/ da er ſaget/ wer
gleubet/ und getaufft wird/ der wird ſelig/ mit gu-
tem Bedacht und Vorſicht nicht widerholet habe/
wer aber nicht getaufft wird/ſondern nur ſetzet/ wer
aber nicht gleubet/ der wird verdampt: Hiermit
nemlich andeutend/ daß bisweilen alleine der Glau-
be genug ſey zur Seligkeit/ und ohne jhme ſey nichts
genug/’
biß hieher Bernhardus:
Alſo iſt ohne die Tauffe/ da
ſie ſchon angefangen/ und von Chriſto geboten war/ ſelig wor-
den der eine Schaͤcher zur Rechten Hand Chriſti am Kreutze.
Denn er iſt nicht getaufft vor der Kreutzigung/weil ohne vor-
hergehende Buſſe keiner von den Alten muͤſſen getaufft wer-
den; nicht iſt er getaufft an dem Kreutze/ als davon die Evan-
geliſten nichts melden/ und wegen der domaligen groſſen Ge-
fahr nicht vermuthlich; iſt auch nicht glaublich/ daß nach et-
licher fuͤrgeben das Waſſer/ ſo Chriſto auß der geoͤffneten
Seiten gefloſſen/ denſelben beruͤhret/ und gleichſam getaufft
haben ſolte/
wie es auch der (Suaretz tom. 2. diſp. 36. q. 46.)
widerleget ; Nicht iſt er getaufft nach der Kreutzigung/ weil er
geſtorben/ und nach dem Tode man niemand taͤuffen muß/
und dennoch iſt er ſelig worden/ laut der Verheiſſung Chriſti:
‘Warlich ich ſage dir/ heute wirſt du mit mir im Pa-
ra[d]ieſz ſeyn/’ (Luc. 23, 43.) Hieher gehoͤren auch die Catechu-
meni in der erſten Kirchen/davon bald ein mehrers wird an-
zufuͤhren
[]Lehr- und Troſtpredigt
Lucas Oſi-
and. ſup.h.l.
Lucas Oſiander uͤber dieſe Worte ſchreibet :
ber jetzt nicht von denen Kindern/ welche jre Eltern
gerne taͤuffen lieſſen/ aber der Todt jhnen vorkoͤm̃t/
und ſie zur Vnzeit hinnimpt/ denn da haben wir
das gaͤntzliche Vertrawen/daß jhnen an jhrer Se-
ligkeit nichts abgehet/ wenn ſie gleich die Waſſer-
Vnd der
Zweck des
Geſpraͤchs
beſtaͤtiget
Tauffe nicht empfangen haben.’
Welche Erklaͤrung
denn auch der Zweck des Geſpraͤches Chriſti mit Nicodemo
beſtaͤtiget/ welcher iſt/ daß er die Phariſeer widerlegete/ die den
Rath Gottes von der Tauffe wider ſich verachteten/ (Lucæ 7.)
Denn er handelt mit den Oberſten der Phariſeer/ und wil
ſo viel ſagen:
Mein lieber Nicodeme/ du und deine Geſellen
verachten die Tauffe Johannis/ ich aber ſage/ daß kein Vn-
wie auch
von denen/
ſo die Tauf-
fe verachtẽ/
getauffter/ der die Tauffe verachtet/ ins Reich Gottes gehen
werde. Dannenhero dieſer Satz des HErrn Chriſti/ wie ich
jhn droben erklaͤret habe/ daß kein Vngetauffter ins Reich
Gottes kommen werde/ privativèund von denen/ die da
nicht aber
von denen/
ſo der Tauf-
fe ohne jhre
Schuld
mangeln. koͤnnen/ und ſollen getaufft werden/ aber ſolche Ord-
nung und Rath Gottes verachten/ nicht aber negativè
von allen und jeden Vngetaufften ſo bloß dahin zu
verſtehen iſt.
Hierauß iſt nun leichte auff die Frage zu antworten/
Darauß
leicht zu
antworten/
was von
dieſer Se-
ligkeit zu
halten/
derer ſind
zweyerley/
Alte/ als die
Catechu-
meni,
was von Vngetaufften/ welche die Tauffe nicht haben/ und
gebrauchen koͤnnen/ jhrer Seligkeit halber zu halten ſey?
Solcher Vngetaufften aber ſeynd nun zweyerley/ alte/ und
junge Kinderlein. Was die erſten anlanget/ ſo haben wir
zwar ſolche Faͤlle jetzo nicht leichte zugewarten/ weil ſie aber
in der erſten Kirchen offte ſich mit den Catechumenis zuge-
tragen/ und begeben haben/ man auch nicht eins in das an-
dere mengen muß/ und doch gleichwol zu unſerm Zweck dien-
lich iſt : Als wollen wir hiervon zuerſt unſere Meynung er-
oͤffnen.
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
oͤffnen. Die Catechumeni waren die newen Chriſten/ ſo jh-
ren Catechiſmum von gewiſſen darzu beſtellten Lehrern ler-
neten/ mit denen hat ſichs nun offte begeben/ daß ſie die hei-
lige Tauffe nicht erlebet/ ſondern vor empfangener Tauffe
geſtorben ſeyn/ weil ſie aus ſonderlichen Vrſachen jhre Tauf-
fe/ wie Conſtantinus Magnus, Kaͤyſer Valentinianus, und
andere gethan haben/ auffſchoben. Wenn ſie nun als
Maͤrtyrer von den Tyrannen hingerichtet/ oder ſonſten mit
dem Tode uͤbereilet worden/ ſo fraget ſichs/ was von ſolcher
Leute Seligkeit zu halten/ weil ſie nicht nach den Worten
Chriſti durchs Waſſer und Geiſt widergebohren ſeyn? Es
haben ſich Leute gefunden/ welche die jenigen unter denen
newen Chriſten/ ſo nicht getaufft/ oder doch mit der Blut-
Tauffe getauffet und gemartert worden/ ungeachtet ſie im
Glauben geſtorben/ verdammet haben/ wie (Bellarminus lib.
1. de Sacram. Bapt. c. 6.) anfuͤhret:
Aber das iſt unrecht ge-
richtet/ und ſtreittet wider die klare Worte und Regel Chriſti :
‘Alle die an jhn gleuben/ ſollen nicht verlohren wer-
den/ ſondern das ewige Leben haben/’ (Johan. 3.) Nun
aber waren dieſe Catechumeni ja glaubig an Chriſtum/ und
wurden in ſeiner Erkentnis unterrichtet/ darumb ſind ſie auch
nicht verlohren/ ſondern ſelig worden. Ein denckwuͤrdiges
Exempel haben wir an dem Roͤmiſchen Kaͤyſer Valentinia-
no, welcher ein rechtgleubiger Chriſte war/ und ſich taͤuffen
laſſen wolte/ mitlerzeit ward er mit dem Tode uͤbereilet/ und
erlangete nicht die heilige Tauffe. Was urtheilet nun von
ſeiner Seligkeit der Ambroſius, der fuͤrtreffliche Kirchen-
lehrer? verdammet er jhn/ oder preiſet er jhn ſelig? hiervon
kan man leſen ſeine denckwuͤrdige Oration, auff welche ſich
auch Bernhardus epiſt. 77. beruffet/de obitu Valentiniani
(tom. 3. p. 3. uſq; ad 13.) in welcher unter andern ſtehen dieſe
C iijWorte:
[]Lehr- und Troſtpredigt
Worte:
Welchen ich taͤuffen wolte/ den habe ich ver-
lohren/ aber er hat nicht verlohren die Gnade/ die er
begehret hat. Vnd ich hoͤre/ ſchreibt er an die Schwe-
ſtern des Valentini daß jhr ſehr traurig ſeyd/ daß
er/ derValentinianusdas Sacrament der Tauffe
nicht empfangen hat. Saget mir/ was ſiehet mehr
bey uns/ als der Wille und das begehren? Nun hat
er ja lengſt dieſen Wunsch gehabt/ daß er moͤchte
widergebohren werden/ uñ mir angezeiget/ daß ich
jhn mit ehiſten taͤuffen ſolte/ darumb er auch mich
zu ſich zu erfordern vermeynet. Hat er deñ nicht die
Gnade/ darnach er Verlangen getragen? hat er
nicht die Gnade/ ſo er begehret? Warlich/ weil er
ſie begehret/ ſo hat er ſie empfangen.
Worauß wir
ſehen/ daß der heilige Ambroſius durchaus wolle/ daß der
Kaͤyser Valentinianus, ob er gleich als ein Catechumenus,
und vor der Tauffe geſtorben/ ſelig ſey. Welcher Meynung
auch Bernhardus in vorangezogener Epiſtel beypflichtet/
und muß der Be [...]llarminus ſolches auch recht heiſſen/ lib. 1. de
Sacram. Baptiſ. c. 6. Auff ſolche weiſe were nun der erſte Fall
beantwortet.
[und]
junge Kin-
derlein/
der Hey-
den/Die kleinen Kinder aber belangend/ und zwar der Chri-
sten-Kinderlein/ denn von der Heyden-Kinder/ und denen/ ſo/
auſſer der Chriſtlichen Kirchen gebohren werden/ haben wir
jetzo keine Frage/ wiewol es auch nur eine Frage bleibet/ und
ſchwer aus der Schrift zu entſcheiden ſtehet/ es were denn/
daß man ex analogia fidei, da wir gleuben/ daß Gott ſo bloß
niemand/ der nicht in der That und muthwillig den Mitteln
zur Seligkeit widerſtrebet/ verwerffe/ und auß dem Exempel
der Kinder zu Rinive/ derer ſich GOtt dennoch jammern
lieſſe/ Jon. 4, 11. etwas jhnen zum beſten schlieſſen wolte. Thun
aber
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
aber beſſer/ weiln das widerſtreben der Eltern/ gleich wie das
begehren der Chriſtlichen Eltern den Kindern zu ſtatten koͤm-
met/ den Heyden Kindern hinderlich und ſchaͤdlich iſt/ daß̃
wir hievon ſchweigen/ als daß wir etwas irrig fuͤrgeben ſol-
ten/ und bleibet nunmehr die Frage von den Chriſten-Kin- der Chri-
ſten/
dern/ und zwar von denen/ die entweder in Mutterleibe ſter-
ben/ oder doch balde mit dem Tode weñ ſie auff dieſe Welt ge-
bohren/ uͤbereilet werden/ alſo daß ſie nicht durch das Waſſer
und Geiſt von newen gebohren werden koͤnnen/ ob ſie ſelig ob dieſe ſe-
lig/
oder zu verdammen ſeyn? Darauff iſt die Antwort: Die
Griechiſche Kirche kan nicht anders/ als der gleubigen Chri-
sten-Kinder/ ob ſie ſchon nicht haben koͤnnen getaufft werden/
ſelig zu preiſen. Jn der Lateiniſchen Kirchen aber iſt die
Meynung bey etzlichen hart gefallen/ unter denſelben iſt der verneinet
Auguſti-
nus, fuͤrnehmſte Auguſtinus, nachdem er die Erb-Suͤnde wider
die Pelagianer erſtritten/ und im Streit wider dieſelbe in die-
ſer Meynung zu weit gangen/ und dieſelbe Kinder nicht fuͤr
ſelig halten wollen/ wie ſeine Meynung auß ſeinem Buch de
natura \& gratia abzunehmen ſtehet. In dem Buche de fide
ad Petrum, welches doch nicht des Auguſtini, ſondern des
Fulgentii iſt/ werden dieſe Kinderlein gar der hoͤlliſchen Pein
uͤbergeben. Die Papiſten dichten eine ſonderliche Vorburgk und
die Papi-
ſten/
der Hoͤllen fuͤr dieſelben/ theils uͤbergeben ſie der Hoͤllen-pein.
(Bellarminus l. 1. de Bapt. c. 4.) ſchreibet: Es hat die Kirche
allezeit gegleubet/ daß die Kinder verdampt wer-
den/ wenn ſie ohne Tauffe auß dieſem Leben ſchei-
den. Dergleichen ſich Hungerus auff dem Colloquio zu
Regenſpurgk auch vernehmen ließ/ Seſſ. 2. und beſtetigens
Tannerus diſp. 4. de Sacram Bapt. q. 3. dub. 1. Salianus in
annal. Eccl. ad ann. 1. p. 90.Alexander Peſantius in 3. part.
Thom. q. 65. art. 4. diſp. 1. und andere. Alleine es ſeynd
hierin-
[]Lehr- und Troſtpredigt
hierinnen auch wie in andern die Paͤbſtler leidige Troͤſter.
Wir aber
halten und
preiſen ſie
ſelig.Wir ſagen aus- und mit Gottes Wort/ daß ſolche Chriſten-
Kinder nicht zu verdammen/ ſondern ſelig ſeyn/ ungeachtet
ſie durch das Sacrament der heiligen Tauffe nicht widerge-
bohren werden/und ſetzen zum grunde
- Denn( 1. ) den gnaͤdigen Willen GOttes/ da er ſich
Gott wil
daß keiner/
auch von
den kleinen
verlohren
werde/
erklaͤret auch nach dem Fall unſerer erſten Eltern/daß er wol-
le/daß alle Menſchen moͤchten erhalten und ſelig werden/wie
(Paulus 1. Timoth. 2, 4.) und (Petrus) in ſeiner (2. Epist. 3. 9.)
lehren; Ja Chriſtus ſelber ſpricht:‘Es ist fuͤr ewren Va-(Matth. 18, 14.) Dahero nothwendig er-
ter nicht der Wille/ daß jemand von dieſen kleinen
verlohren werde/’darumbfolget/ daß er auch ſolche Kinder erhalten/ und ſelig haben
er dieſen ein
Mittel auſ-
ſer der Ord.
nung ver-
ſchaffen
wird/
wolle/ und denenſelben gleich andern ein guͤltiges Mittel der
Seligkeit/ weil das ordentliche ſie nach ſeinem Willen und
Schickung nicht gebrauchen koͤnnen/ verordnet habe und
werde. Welches Mittel an Gottes Seiten wir zwar ſeiner
goͤttlichen Weißheit anheim ſtellen/jedennoch getroſt hoffen/welches iſtes werde Gott den Mangel der ordentlichen Waſſer-Tauffe
die Tauffe
des Gei-
ſtes/
mit der Tauffe des heiligen Geiſtes erſetzen/welches das
Exempel Johannis des Taͤuffers/ der auch im Mutterleibe
mit dem heiligen Geiſte erfuͤllet war/ ausweiſet und bekraͤff-
tiget/ Lucæ 1, 41. An der Menschen Seiten iſt kein ander
Mittel/ daß dieſen Kindern zu beſten kommen koͤnte/ als die-das begeh-ſes einige/ das in der Eltern Willen und begehren/ da ſie Gott
ren der El-
tern/
gebeten und begehret haben/daß jhr Kindlein getaufft und ſe-
lig werden moͤchte/ beruhet/ welches auch Gott anſehen/ und
nicht verwerffen wird/ wie wir bald mit mehrern hoͤren wer-der Glaube/den. An der Kinder Seiten iſt der Glaube/ nicht zwar
fides aliena, anderer Gleubigen und fremb derer Glaube/wie
Bernhardus, Caietanus, und Caſſander dafuͤr gehalten ha-
ben/
[]von Nothwendigkeit der Tauffe. ben/ ſondern fides propria, jhr eigener Glaube/Ebreor. 11, 6.weil ohne
Glauben Gott gefallen unmuͤglichen iſt/
Daß nun ſolchen Glauben auch die Kinder in ſolchen Faͤllen
durch Gottes Gnade und Geiſt haben koͤnnen/ das erweiſet
D. Feurborn faſc. 2. diſp. 9. Solches erhaͤrten die Exempelſo da bewei-Johannis des Taͤuffers/ und anderer. Von dieſem haben
ſen die E-
xempel/
Johannis/
Jacobs/
wir angezeiget/ daß er im Mutterleibe mit dem heili-
gen Geiſte erfuͤllet geweſen. Von dem Jacob dem
Ertzvater ſtehet 1. Buch Mos. 25. 26. wie er im Mutter-
leibe ſeinen Bruder untertretten/ und mit ſeiner Hand die
Verſen des Eſaus gehalten hat. Das iſt keine natuͤrliche
Krafft/ keine Regung des Verstandes und Willens/ keine
Begierligkeit zur erſten Geburt/ zur prærogativ, daß der
Meſſias auß jhme ſolte gebohren werden/ aber durch uͤberna-
tuͤrliche goͤttliche Wirckung/ wird ein ſolcher Streit zwiſchen
dieſen Kindern im Mutterleibe/ alſo daß es auch Jacobs ſe-
tzet und zehlet/ Hoſ. 12. 3. Darauß D. Johan. Tarnovius
in ſeinem Comment.dieſe Lehre einfuͤhret/ daß auch
GOtt in den Kindern die Bewegung des heiligen
Geiſtes in Mutterleibe erwecken koͤnne.Vom Jere-Jeremi-/
mia ſaget GOtt:‘Ich kante dich/ ehe ich dich in Mut-(Je-
terleibe bereitet/ und ſonderte dich aus [...]ſanctificavi te, verordnete dich zum heiligen Ampte/ ehe
denn du von der Mutter gebohren wurdeſt/’
rem. 1, 5.) welchen Bibliſchen Exempeln ein merkliches kan
hinzu gethan werden/ welches ein hochgelahrter Medicus
Johan Rudolph Camerarius Medic. Doctor mit dieſen
Worten erzehlet: Ambroſius Paræus de gener. hom. c. 14.
ein fuͤrtrefflicher Frantzoͤſiſcher Chirurgus ſchreibet/ und be-
ſtetiget es mit einem Ende/ daß er in Eroͤffnung einer
Dſchwan-
[]Lehr- und Troſtpredigt
ſchwangern Frawen/ nach dem ſie verſchieden/ ein lebendiges
Kind mit zuſammen gethanen/ und auffgehabenen Haͤnd-
lein/ und gewandten Angeſicht gleichſam betend/ uͤber ſich
in Himmel ſchawend/ in Mutterleibe gefunden haben.
Darauß wir GOttes hohe Allmacht und Barmhertzigkeit
ſehen/ lernen und verſichert werden/ daß GOtt auch auſſer
der Ordnung wunderliche Wirckung des Geiſtes bey den
Kindern im Mutterleibe habe. So nun GOtt ſolche uͤber
natuͤrliche Bewegungen des heiligen Geiſtes in den zarten
Hertzen der Kinder im Mutterleibe extraordinariè erregen/
und verrichten kan/ wie ſolte jhnen den Glauben/ dadurch
ſie jhm lieb und gefaͤllig werden/ nicht auch verleyhen/ oder in
jhnen wircken koͤnnen? - Chriſus(2.) ſetzen wir zum grunde das vollguͤltige und
hat ſie erloͤ-
ſet/
vollkommene theure Verſuͤhn-Opffer unſers
HERRN Jeſu Chriſti. Denn derſelbe iſt die‘Ver-(I. Johan. 2, 2.)‘Vnd das Laͤmlein
ſuͤhnung/ nicht alleine fuͤr unſere/ ſondern fuͤr der
gantzen Welt Suͤnde/’
GOttes/ ſo der Welt Suͤnde getragen/’ (Johan. I, 29.)
Nun aber gehoͤren ſolche Kinderlein auch zur Welt/ und ſind
ein Theil derſelben/ darumb hat auch Chriſtus JEſus jhre
Suͤnde getragen/ und iſt dafuͤr die Verſuͤhnung/ und ſolcher
Kinder Heyland worden. Dannenhero er nicht alleine ein
Kind gebohren/ ſondern auch durch die uͤberſchattung des hei-
ligen Geiſtes im Mutterleibe empfangen/ und ein kleines
Wuͤrmlein worden/ auff daß er auch der zarten Kinderlein
im Mutterleibe Herr und Heyland wuͤrde/ und jhre unreinedeſſenſuͤndliche Empfaͤngnis durch ſeine allerheiligſte Empfaͤngnis
Verdienſt
ſie durch den
Glauben
ergreiffen/
und Menſchwerdung heiligte. Nun ſeynd die Gnade Got-
tes/ und der theure Verdienſt Jesu Chriſti bloß und ſchlechter
Dinge
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
Dinge zu unſerer Seligkeit noͤthig/ und weil dieſelbe auch ſol-
che Kinder angehen/ maſſen ſie durch den Glauben/ darvon
droben gemeldet/ des Verdienſtes und Blutes Chriſti theil-
hafftig worden/ ſo werden ſie auch auß Gnaden/ ob ſie ſchon
nicht getaufft ſeyn/ und das Mittel/ welches doch nicht bloß/
ſondern nur ordentlicher weiſe nothwendig iſt/ nicht erhalten
haben/ in Chriſto Jeſu gerecht und ſelig. - Nechſt dieſem und (3.) geben wir auch dieſe Vrſach/haben die
Tauffe be-
gehret/
daß ſolche Chriſten-Kinder ſelig ſeynd/ welche iſt das be-
gehren der heiligen Tauffe. Denn iſt bey den Alten
genug/ wie Auguſtinus und andere muͤſſen zugeben/ und das
Concilium Tridentinum ſeſſ. 6. c. 4. nicht leugnen kan/ ſon-
dern ſaget/ daß die Tauffe nothwendig ſey in revel in
voto, in der That/ oder in dem begehren: Iſt nun
das begehren bey den Alten genug/ wie geſagt/ alſo daß ſie die
Tauffe begehret haben/ und nichts deſtoweniger ſelig wor-
den/ ob ſie ſchon nicht getaufft ſeyn? Ey ſo iſt auch dieſes be-in
jhren Eltern
und
der Chriſtli-
chen Kir-
chen/
gehren bey den jungen Kinderlein genug. Welches begeh-
ren/ ob es zwar alters halben bey den Kinderlein nicht ſeyn
kan/ ſo haben doch ſolches die gleubigen und Chriſtlichen El-
tern gehabt/ welche nichts mehrers gewuͤnſchet und von Gott
gebeten haben/ als daß ihr Kindlein moͤchte getaufft werden;
Vnd dieſer Wille und begehren der Eltern wird
interpretativè den Kindern zugerechnet. Denn gleich
wie es natuͤrliches rechtens iſt/ daß die unmuͤndigen Kin-
der/ ſo lange ſie unmuͤndig ſeynd/ als ein Stuͤck jhrer Eltern
gehalten werden muͤſſen/ und was die Eltern jhrenthalben
thun oder verſprechen/ das koͤmpt jhnen zu gute/ und wird fuͤr
guͤltig gehalten/ als wenns die Kinder ſelber gethan oder
verheiſſen hetten: Alſo wird in dieſem Nothfall wegen der
heiligen Tauffe dafuͤr gehalten/ daß/ was die Eltern begehret
D ijund
[]Lehr- und Troſtpredigt
und gewolt/ daß ſolches die Kinder auch begehret und gewolt
haben; maſſen ja auch denen getaufften Kindern der Wille
der Eltern und der Chriſtlichen Kirchen an ſtatt jhres eige-
nen Willens zugerechnet wird. Warumb wolten wir nicht
dergleichen von denen Kindern/ die GOtt durchs Gebet fuͤr-
getragen/ und die man zur Tauffe zu bringen beſchloſſen hat/
aber durch den Todt vor derſelben Empfangung weggeriſ-
ſen/ auch zugeben/ daß der Eltern und Kirchen Wille an ſtatt
der Kinder Wille geachtet werden koͤnne? Iſt den getaufften
Kindern genug/ da ſie fuͤr ſich die Tauffe nicht begehren koͤn-
nen/ wann ſie dieſelbe durch jhre Eltern und die Kirche begeh-welchesren laſſen/ und alſo in der That empfangen? Warumb ſolte
jhnen zuge-
rechnet und
genug iſt.
nicht auch der Wille der Kirchen und der Eltern guͤltig ſeyn
die Tauffe in voto oder begehren zu empfahen? Nun aber
betet die gantze Chriſtliche Kirche in jrer Litaney fuͤr Schwan-
gere und Saͤugende/ und ſpricht: | ‘Allen Schwangern
und [Saͤugern] froͤliche Frucht und Gedeyen geben/
Erhoͤre uns lieber HErre GOtt.’ Ja Chriſtliche El-
tern laſſen auch in jhrer Kirchen abſonderlich fuͤr ſich beten/
dabey allezeit begehret wird/ daß Gott dem Kindlein die hei-
lige Tauffe widerfahren laſſen wolle/ umb Chriſti Jeſu wil-
len. Darumb ſeufftzen/ und beten zu Gott Chriſtliche Eltern
taͤglich/ und iſt implicitè in jhrem Gebet dieſes begriffen/ daß
GOtt der HErr/ doferne das Kindlein das ordentliche Mit-
tel nicht erleben ſolte/ wolle nach ſeiner hohen Gnade und
freyer Allmacht es dennoch zu ſeinem Tempel und Gnaden-
gefaͤß machen/ und von den angebohrnen Suͤnden reinigen/
oder wolle jhm das ordentliche Mittel der heiligen Tauffe er-
leben und widerfahren laſſen. Denn ob wir zwar die geiſt-
lichen Gaben ohne Bedingung von Gott bitten ſollen/ uns
auch an die ordentliche Mittel/ dadurch er uns dieſelbe zu ge-
ben
[]von Nothwendigkeit der Tauffe. ben verheiſſen hat/ halten und binden muͤſſen/ ſo muͤſſen wir
doch Gott nicht daran verbinden/ und jhm vorſchreiben/ wie
und wordurch er ſie uns geben ſoll/ ſondern ſolches ſeinem hei-
ligen/ gerechten und guten Willen anheim ſtellen/ und gehor-
ſamlich in aller Gedult uns unterwerffen. Da haben wir
alsdenn den Troſt/ und die kindliche Zuverſicht/ daß uns
Gott werde erhoͤren/ und alles zum beſten dienen laſſen. Deñ
das iſt die Freudigkeit (das kindliche Vertrawen/ die gewiſ-
ſe Zuverſicht) die wir haben zu jhm/ (ſo aus dem Glau-
ben entſtehet) daß/ ſo wir etwas bitten nach ſeinem
Willen/ (ſolcher geſtalt wie ers uns verheiſſen/ und wie es jh-
me gefaͤllig) ſo hoͤret er uns. Vnd ſo wir wiſſen/ daß
er uns hoͤret was wir bitten/ ſo wiſſen wir (doͤrffen
nicht zweiffeln) daß wir die Bitte haben/ die wir von
jhm gebeten haben/ (das jenige erlangen/ darumb wir im
Namen ſeines Sohnes JEſu Chriſti jhn demuͤtig im Gebet
angelanget haben) I. Johan. 5, 14. 15.Der heilige Geiſt
vertritt uns auch mit unausſprechlichen Seufftzen/
(Rom. 8, 26.) Ach darumb wird ſolches Gebet nicht umbſonſt
und vergebens/ſondern gewiß Amen und erhoͤret ſeyn. - (4.) erweiſet ſolche Seligkeit der ungetauff- Seynd auch
an das or-
dentliche
Mittel
nicht ver-
bunden/ uñ
doch ſelig/
gleich wie
die Kinder/
ſo ohne Be-
ſchneidung
dahin ge-
ſtorben vor
dem achten
Tage/
ten Chriſten-Kinder die Vergleichung ſo ſich fin-
det zwiſchen der Beſchneidung und der heiligen
Tauffe. Denn die Beſchneidung war das Sacrament
des alten Teſtaments/ und das ordentliche Mittel/ dadurch
die Nachkommen des Abrahams mit GOtt in den Bund
tratten; Alſo iſt auch die Tauffe das ordentliche Mittel des
Gnadenbundes im newen Teſtament/ welchen GOtt mit
uns Menſchen zum ewigen Leben machet. Gleichwie nun
aber die Kinder/ welche vor dem achten Tage/und alſo unbe-
D iijſchnidten
[]Lehr- und Troſtpredigt
ſchnidten ſtarben/ nicht koͤnnen verdammet werden: Denn
ſonſten were die Vrſach GOtt dem HErrn/ der am achten
Tage/ und nicht ehe die Beſchneidung zuverrichten gebotenin der Wuͤ-hat. Vber dieſem iſt mercklich das Exempel der Iſraelitiſchen
ſten/
Kinder/ ſo in der Wuͤſten geſtorben/ alda das Geſetz von der
Beſchneidung 40. Jahr/ nicht daß ſie ſelbige verachtet/ oder
willkuͤhrlich gehalten hetten/ ſondern weil wegen jhres ſteti-
gen reiſens ſie ſolche Beſchneidung nicht erdulden konten/
auffgeſchoben. Wer wolte leugnen/ daß jhrer viel in ſolcher
langer Zeit ohne Beſchneidung geſtorben? Wer kan und wil
ſie aber verdammen/ und nicht ſelig preiſen? Der Koͤnig undDavidsProphet David/ als jhm ſein Kindlein ohne Beſchneidung/
Soͤhnlein/
wie es dafuͤr die meiſten Theologi halten/ geſtorben/ troͤſtete
ſich damit/ daß er wuͤrde zu demſelben kommen/ 2. Sam. 12, 23.
Wenn nun Davids Soͤhnlein nicht in der Seligkeit/ ſon-
dern verdammet/ oder in der erdichteten Vorburgk der Hoͤl-
len/ wie die Paͤbſtler meynen/ geweſen/ ſo hette David auch
dahin fahren muͤſſen? Was were das vor ein Troſt? wie
wolte er ſich und ſein Weib hieruͤber getroͤſtet haben/ wie er
doch gethan/ maſſen außdruͤcklich im Texte ſtehet 2. Sam.
cap. 12, V. 24? Was were das fuͤr ein Wunſch? was fuͤr ein
begehren? in dem aber David/und ſein Soͤhnlein an einen
Ort kommen ſeyn/ weil er ſaget/ er wolte zu jhm fahren/ und
David ohne allen Zweiffel ſelig/ und ſelig zu ſeyn begehret
hat/ ſo folget daß ſein Soͤhnlein auch ſelig. Gleich wie nun
die Kinder des Volcks Jſrael/ ſo in ſolchen Nothfaͤllen ohne
Beſchneidung geſtorben/ nicht verdammet ſeyn/ſondern ſe-
lig worden: Eben alſo koͤnnen wir auch die Chriſten-Kinder/
welche in ſolchem Fall nicht haben koͤnnen getaufft werden/
nicht verdammen/ ſondern muͤſſen ſie ſelig halten und prei-
ſen. Denn die Tauffe iſt denen mitzutheilen und anzuneh-
men
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
men befohlen/ ſo ſie annehmen koͤnnen/ und die auch lebendig
zur Welt gebohren ſeyn: Welche nun GOtt nicht lebendig
zur Welt kommen leſſet/ die koͤnnen ja nicht widergebohren/
und darumb auch dieſerwegen nicht verdampt werden/ ſon-
ſten were die Vrſach der Verdamnis GOtt der HErr ſelb-
ſten/ als in deſſen Hand das Leben ſolcher Kinder ſtehet/ wel-
ches aber wider ſeinen gnaͤdigen Willen/ und vorangefuͤhrete
Spruͤche goͤttliches Wortes ſtreittet.
Derowegen ſchlieſſen wir nun/ daß die Chriſten-
Kinder/ ob ſie ſchon ohne Tauffe dahin geſtorben/
dennoch bey JEſu Chriſto in der Seligkeit ſeyn.
Denn Gott wil/ daß keiner von den kleinen verloh-
ren werde/ JEſus Chriſtus/ der Heyland aller
Menſchen/ hat ſie auch erloͤſet durch ſein Blut/ ſie
haben die Tauffe in jhren Eltern und der Chriſtli-
chen Kirchen begehret/ und ſeynd GOtt in Chriſto
JEſu vermittels des Gebets fuͤrgetragen/ haben
die Tauffe nicht empfahen koͤnnen/ weil ſie nicht le-
bendig zur Welt gebohren/ drumb ſie auch an die
Tauffe nicht verbunden/ und der Beraubung hal-
ber verdammet werden koͤnnen/ ſondern ſind ge-
taufft mit dem heiligen Geiſte/und durch den Glau-
ben an Jeſum Chriſtum/ den Gott auſſer der Ord-
nung in jhnen gewircket/ von Suͤnden gereiniget/
gerecht und ſelig gemachet. Die Gelehrten koͤnnen
hieruͤber weiter nachſchlagen folgende Kirchenlehrer/ als
Gregor. Nazianz. orat. 40. Ambroſ. in orat. de obit. Va-
lent. Bernh. Ep. 77. ad Hug. Thom. Aquin. part. 3. q. 68.
art. l. Joh. Gerſon. in ſerm. de nat. Mar. Virgin. in concil.
Conſtant. habito. Gabriel Biel lib. 4. diſt. 4. q. 2. Georg.
Caſſand. in tract. de ſtatu infantum, item: Conſult. art. 9.
Dieſes
[]Lehr- und Troſtpredigt
darumb iſt
der Papt-
ſten Mey-
nung irrig/
Dieſes leget nun die Meynung der Paͤbſtiſchen leidigen Troͤ-
ſter gruͤndlich darnieder/ alſo daß auch viele bey jhnen durch
dieſe angefuͤhrete Gruͤnde bewogen/ ſolche harte Meynung
fahren laſſen/ und beſſer von der ungetaufften Chriſten-Kin-
der Seligkeit geurtheilet haben/ als da ſeynd Bonaventura,
Gerſon, Biel, Caictanus, Tilemannus Segebergenſis,
Caſſander und andere/ imgleichen hat ſolche Meynung ge-
mindert Gregorius de Valentia diſp. 4. de Sacram. Bapt.
und
ſolche Kin-
der ſelig/
und auch
Chriſtlich
zu begra-
ben/
q. 3. punct. 4. Seynd nun ſolche Kinder ſelig/ ſo gebuͤhret
jhnen auch ein ehrliches und Chriſtliches Begraͤbnis. Denn
wer wolte ſolchen Kinderlein/ die auch Tempel des heiligen
Geiſtes im Mutterleibe geweſen/ und Erben des ewigen Le-
bens ſeyn/ unter uns ein Chriſtliches Begraͤbnis verſagen/
oder entziehen? Dannenhero iſt in der Nieder-Sachſiſchen
Kirchen-Ordnung loͤblich verordnet/ wann darinnen ſte-
het: ‘Endlich wollen wir auch uns mit unſern Chriſt-
lichen Begraͤbniſſen von den Papiſten hie abſon-
dern/ daß wir mit nichte wollen zulaſſen/ daß die
ungetaufften Kinderlein/ ſo etwa im Mutterleibe
gelebet/ und todt auff die Welt gebohren/ mit der
Eltern/ und fuͤrnemlich der Mutter ſchmertzlicher
Traurigkeit und Anfechtung/ nicht ſolten Chriſt-
lich begraben werden. Denn was von ſolchen Kin-
dern nach GOttes Wort zu halten und zu glau-
ben iſt/ haben wir zuvor an ſeinem Orte gemeldet.
Darumb ſollen ſie mit allen Chriſtlichen Ceremo-
nien, Gelaͤute/ und Geſaͤngen zur Erden beſtetiget
werden.’
Dergleichen rathen und wollen auch D. Chytræus und
D. Phil. Hahn beym Dedekenno vol. 1. part. 3. I. 2. membr.
2. ſect. 7. ſol. 1080. und 1082. beſehet auch D. Feurborn faſc. 2.
diſp.
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
diſp. 7. theſ. 88. So hielt auch dorten derˌ Ambroſius
Epiſt. 34. tom. 3. bey dem Kaͤyſer Theodoſio fleiſſig an/ daß
mit des abgelebten Kaͤyſers Valentiniani, der doch ohne
Tauffe geſtorben/ ehrlichen und herrlichen Begraͤbnis moͤchte
geeilet werden. Es haben auch die Juͤden jhre unbeſchnidtene
Kinderlein ehrlich und herrlich begraben/ wie Vatablus und
andere auß der Hebreer Schrifften anziehen. So gibet dieſer
Bericht denen betruͤbten Eltern/ welche GOtt mit ſolchem
ſchweren Kreutz heimſuchet/ nunmehr einen herrlichen Troſt.
Denn es iſt leichte zuerachten/ was fuͤr Traurigkeit und An-
fechtungen/ ſich bey Chriſtlichen Hertzen dieſes Falls finden
moͤgen/ da wirds offt heiſſen inſonderheit bey der Kreiſſerin:
Ach es iſt mir nach allen ausgeſtandenen groſſen Schmertzen
auch der Troſt und die Freude/ daß der Menſch zur Welt ge-
boren/ hinweg genommen/ ich bin nicht eine froͤliche/ ſondern
recht von Hertzen betruͤbte Kinder-Mutter/ ich habe das Kind-
lein/ darumb ich doch alles gethan/ nicht lebendig/ ſondern todt
anſchawen muͤſſen/ und welches das ſchmertzlichſte iſt/ ſ [iſt] es
nicht getaufft/ und durch das Waſſer und Geiſt widergeboh-
ren/ wer weiß obs auch ſelig iſt!
Bey ſolcher hertzlichen Trau-
rigkeit kan man ſolchen hochbetruͤbten Eltern auß ſolchen ob ſchon jhr
Kindlein
todt zur
Welt ge-
bohren/
Bericht troͤſtlich zureden/ und ſagen:
Betruͤbet euch nicht ſo
ſehr jhr Chriſtlichen Hertzen. Denn daß das Kindelein ſobal-
de geſtorben/ dabey bedencket/ daß Gott ſeine heilige und ge-
rechte Vrſachen gehabt/ warumb er es noch im Mutterleibe
von hinnen nehmen wollen/ dem Kindlein iſt nicht weh/ ſon-
dern wol geſchehen. Wer weiß was fuͤr Elend/ und Vngluͤck
es wuͤrde erfahren haben/ wenn es dieſe Jammer-Welt hette
beſchawen ſollen? Wer weiß ob das Elend nicht ſo groß wor-
den/daß es mit Hiob c. 3. und Jeremia c. 20. ſeinen
Geburts-Tag verfluchet/ und gewuͤnſchet hette/
Edaß
[]Lehr- und Troſtpredigt
daß es im Mutterleibe geſtorben were?
Gott weiß es/
der hat auch ſein beſtes gepruͤfet. Warumb gab ſich der Koͤ-
nig David ſowol zufrieden/ wie ſein Kindlein ſobald geſtor-
ben war? Sonder allen Zweiffeln hat er bedacht/ daß es man-
chem Vngluͤck/ ſo auch hernach erfolget/ entgangen. Ach ſo
faſſet Hiobs Hertz/ Jhr jetzo hoch-betruͤbte Graͤfliche und
Fuͤrſtliche Eltern/ und ſaget in Chriſtlicher Gedult:
HErr hats gegeben/ der HErr hats genommen/
der Name des HErrn ſey gebenedeyet/’
(Job. 1.) Ja
dancket dem HErrn/ daß er das liebe Seelichen durch ſeine
heilige Engel ſo zeitlich abholen laſſen/ ehe es auff dieſer boͤſen
Welt geaͤngſtet und gequaͤlet woͤrden. Gott wird die entzo-
gene Freude anderweit wider erſetzen/ und das Trauren in
und nicht
getauffet
worden.Freude verkehren. Daß aber das Kindlein ohne Tauffe dahin
geſtorben/ darwider troͤſten ſich Chriſtliche Hertzen/ daß ſie
wiſſen und glauben/ daß Gott/ der jhrer und jhres Saamens
Gott iſt/ auſſer der Ordnung daſſelbe ſelig gemachet hat.
Denn der barmhertzige GOtt wil nicht daß jemand von den
kleinen verlohren werde/ ſondern erbarmet ſich auch des Kin-
des in Mutterleibe. JEſus Chriſtus der Welt Heyland hat
es mit ſeinem Blute erloͤſet/ und von den angeerbten Suͤnden
durch ſeine heilige Empfaͤngnis und Menſchwerdung gerei-
niget; der heilige Geiſt hat es im Mutterleibe gleubig/ heilig/
und ſelig gemacht. Es iſt dem Herrn JEſu durch ewer und
vieler frommer Chriſten Gebet fuͤrgetragen/ und hat alſo die
Tauffe begehret/ das iſt in dieſem Nothfall genug/ das iſt ge-
wiß Amen und erhoͤret. Denn ein Chriſten-Menſch iſt
theuer fuͤr GOtt geachtet/ [und] ſein Gebet ein all-
maͤchtig groß Ding/ ſpricht Lutherus, denn er iſt mit
Chriſti Blut geheiliget und mit dem Geiſt GOttes
geſalbet/ was er ernſtlich bittet/ ſonderlich mit dem
unaus-
[]von Nothwendigkeit der Tauffe.
unausſprechlichen Seufftzen ſeines Hertzens/ das
iſt ein groſſes unleidentliches Geſchrey fuͤr GOttes
Ohren/ er muß es hoͤren/ etc. Darumb koͤnnen ſich bey
ſolchen Faͤllen Chriſtliche Eltern GOttes Willen in Gedult
unterwerffen/ und hiemit troͤſten. Ey ſo wird auch unſere gnaͤ-dergleichen
wird auch
unſere Gn.
Herrſchafft
thun/
ſich troͤſten/
dige Herꝛſchafft/ und inſonderheit Jhre Fuͤrſtl. Gn. die Graͤfl.
Gemahlin/ ſich bey dieſem hochtraurigen Fall damit troͤſten/
und der gewiſſen Hoffnung ſeyn/ daß ſo vieler frommer Chri-
ſten Seufftzer hier und in der gantzen hochloͤbl. Graffſchafft/
fuͤr das junge Herrelein im Namen JEſu Chriſti geſchehen/
gewißlich erhoͤret ſeyn/ und GOtt alles beſſer gemacht habe/
wie wirs haben dencken und meynen koͤnnen. Sie bitten Gott umb
Gedult an-
ruffen/
GOtt umb Gedult und Troſt/ und ſprechen: Verleyhe uns/
o barmhertziger Gott und Vater/ deinen Gnadengeiſt/ und
gib/ daß wir unſern Willen/ der boͤse iſt/ deinem heiligen und
guten Willen gerne unterwerffen/ und ja nicht wider dich
murren/ ſondern dir dancken/ wenn du uns heimſucheſt/ dich
loben/ wenn du uns zuͤchtigeſt/ dich preiſen/ wenn du uns de-
muͤtigeſt/ denn es iſt uns gut/ was du an uns thuſt/ es muß
uns alles zũ beſten dienen/ es iſt auch gut unſerm jungen Her-
relein/ was du an jhm bewieſen haſt/ der Name des HErrn
ſey gelobet und gebenedeyet. Sie erkennen auch bey dieſem die Allmacht
Gottes er-
kennen und
preiſen.
Fall die Allmacht/ und Guͤte Gottes/ preiſen und ruͤhmen ſie.
Dann iſt es ein Zeugnis der wunderbaren Allmacht Gottes/
wenn das Kind lebendig zur Welt gebohren wird: So iſt
es noch ein groͤſſer Zeugnis/ daß Gott die todte Frucht/ ſo ſich
nicht regen oder bewegen kan/ auch nichts zur Geburt/ wie
die Lebendigen/ hilffet/ dennoch ans Liecht fuͤhret/ und der
Mutter am Leben unſchaͤdlich iſt. Denn wer weiß nicht/
daß es mit einem lebendigen Kinde offtmals ſo ſchwer zuge-
het/ daß die Muͤtter ſich daruͤber abmatten/ die Augen zu-
E ijthun-
[]Lehr- und Troſtpredigt thun und ſterben muß/ maſſen das Exempel der Rahel/ und
andere außweiſet: Wievielehr koͤnte ſolches geſchehen bey
todten Leibesfruͤchten/ wo Gott nicht mit ſeiner allmaͤchtigen
Hand das beſte thete. So nun die Mutter am Leben blei-
bet/ ob gleich das Kind todt und verſtorben iſt/ das iſt ein
Werck der Allmacht und Guͤte Gottes/ ſo wir erkennen/ und
preiſen ſollen. Jſts nicht alſo/ daß Gott den Menſchen offt
traurige Exempel fuͤrſtellet/ darauß ſie erſehen koͤnnen/ wie
gefaͤhrlich es ſey mit todten Fruͤchten? Muß nicht die todte
Frucht auch offte der Mutter das Hertze abtretten/ daß bey-
des Kinder und Kreiſterin auff dem Platze bleiben? Bißwei-
len iſts auch wol geſchehen/ daß die todte Frucht im Mutter-
leibe ſich zur ſeiten abgeſencket/ nach langer Zeit vermodert uñ
verfaulet iſt/ da man denn nach langwierigen groſſen ſchmeꝛ[z]ẽ
in die lebendige Mutter mit hoͤchſter Gefahr hinein ſchnei-
den/ und verſuchen muͤſſen/ ob man ſie erretten/ und erloͤſen
koͤnnen. Das Hertz erſchricket/ wenns davon hoͤret/ was muß
denn fuͤr Schrecken/ Angſt und Gefahr da ſeyn/ wenn es er-
fahren wird? Man kan dergleichen Exempel finden beym
Zvvingero vol. 2. l. 4. p. 3. Wittichio tract. de grav. puerp.
p. 50. Nach dem nun der barmhertzige GOtt dieſen Traur-
fall alſo gemiltert/ unſere gnaͤdige Fuͤrſtin und Landes-Mut-
ter fuͤr dergleichen behuͤtet/ ſie dennoch gnaͤdiglich von dieſer
ſchweren Buͤrde und Todtenfrucht erloͤſet/ beym Leben er-
halten/ und faſt es ertraͤchlicher/ als ſonſten geſchehen/ ge-
macht/ das werden Jhr Fuͤrſtl. Gn. danckbarlich erkennen/
die ſchwan-
gere werden
fuͤr die Lei-
besfrucht
beten und
bittẽ laſſen/ und mit uns Gottes Guͤte/ Trewe und Allmacht loben und
preiſen. Ehe ich ſchlieſſe/ ermahne ich hiermit alle Chriſtli-
che Weibesperſonen/ ſo Gott mit Leibesfrucht geſegnet/ und
ſegnen wird/ das ſie des Gebets fuͤr die Leibesfrucht/ ſo ſie un-
ter jhren Hertzen tragen/ nicht vergeſſen/ inſonderheit auch
des
[]von Nothwendigkeit der Tauffe. des gemeinen Kirchengebets/ wollen ſie anderſt/ wenn der-
gleichen Fall/ dafuͤr ſie GOtt in Gnaden behuͤte/ geſchehen
ſolte/ des Troſtes ſo viel gewiſſer ſeyn und werden/ wie auch ſich auch
ſonſt gebuͤr-
lich verhal-
ten/
ſonſten ſich waͤrender Zeit gebuͤhrlich verhalten/ damit ſie den
Ruhm jhres gutes Gewiſſens darbey haben [und] ſagen koͤn-
nen: ‘Wir haben gethan was wir geſolt/ GOtt hat
gethan was er gewolt/ ſein Will der iſt der beſte.’
Wir/ wir hertzliebe Zuhoͤrer muͤſſen bey dieſem hoch- wir muͤſſen
dieſen Fall
alle zu her-
tzen nehmẽ/
und Buſſe
thun.
traurigen Fall bedencken/ was GOtt hiedurch meyne/ es iſt
kein geringes/ daß jetzo faſt zugleich 3. Graͤfl. Leichen in dem
Hochloͤbl. Graͤfl. Schwartzburgiſchen Hause ſeyn/ und uns
Trauren verurſachen. Ach umb Gottes Willen laſſet uns
unſer Leben durchſuchen/ unſere Suͤnde erkennen/ und able-
gen/ wahre Buſſe thun/ und im heiligen Leben wandeln/ da-
mit uns Gott nicht ein haͤrteres aufflege und zuſchicke. Denn
geſchicht das am gruͤnen Holtze/ was wil am duͤrren werden?
Muß ein ſolches unſchuldiges Kindlein/ das noch nie keine
wirckliche Suͤnde gethan/ umb der Erbſuͤnde willen ſo ploͤtz-
lich und zeitlich ſterben/ was muͤſſen denn unſere ſchwere
Suͤnden fuͤr ein Grewel und Schewel fuͤr Gott ſeyn/ wenn
er ſie ins Liecht fuͤr ſein Angeſicht ſtellet? O darumb laſſet
uns Buſſe thun/ und zu Gott bekehren/ damit unſere Suͤnde
zugedecket/ und durch das Blut JEſu Chriſti uns vergeben
werden moͤgen.
Nun es iſt Zeit daß ich ſchlieſſe/ ſo ſeyd getroſt Jhr hoch- Der Troſt
wird zum
Beſchluß
widerholet/
daß das
junge Herr-
lein ſelig/
betruͤbte Graͤfl. Fuͤrſtl. Eltern/ Fuͤrſtl. und Graͤfl. Anver-
wandten/ das liebe junge Herrlein iſt nicht verdorben/ ſon-
dern fuͤrhin gangen/ es iſt nicht umbkommen/ ſondern in den
Himmel kommen/ mit Schmertzen habens Jhr Gn. Gn. ver-
lohren/ mit Freuden werden ſies wider finden/ mit Wehe hat
es Gott weggenommen/ mit Jauchtzen und Wonne wird ers
E iijwider []Lehr- und Troſtpredigt
wider geben/ Ach ja troͤſtet ewre Hertzen/ dann es iſt
bey JEſu Chriſto in der Freude und ſtoltzen Ruh. Were es
muͤglich/ ſo wuͤrde das liebe junge Herrlein aus ſeinem Saͤrck-
lein ſich auffrichten/ und von ſeiner Seligkeit/ die es in Chri-
ſto JEſu empfangen hat/ zeugen und reden.
deſſen Epi-
taphium
und Grab-
ſchrifft:
Nun ich wils in ſeinem Namen und an ſeiner ſtatt thun/
weil unſer Gn. Graff und Herr ſonſten kein Zeugnis abzu-
leſen beliebet/ und gleichſam ſein Mund ſeyn/ und euch/ jhr
Chriſtlichen Zuhoͤrer/ in folgenden Verßlein als in ſeiner
Grabſchrifft alſo anreden:
‘Ach aus der Welt ich geh'! eh' ich darein gebohren
zwar ohne Tauf und Nam: Ich bin drum nicht verloren.
Denn ob ich gleich nicht kan/ mich/ wie ich heiſſe/ nennen
in dieſer Zeitligkeit: So thut mich Chriſtus kennen
bey den Geſegneten/ und dieſen Namen geben/
komm' her Geſegneter/ und geh' ins Freudenleben.
Das iſt mein ſchoͤner Nam/ das iſt die ſchoͤne Gabe/
das iſt die Seligkeit/ die ich empfangen habe/
dagegen gar nichts iſt/ was hie die Welt beliebet/
was der Schwartzburger-land an Macht uñ Ehrẽ gibet.
Drumb troͤſtet euch hiermit und laſſet Trauren fallen/
o Vater-Mutter-Hertz/ und wer fuͤr andern allen
hierob bekuͤmmert iſt. Zur Freud ich bin eingangen/
darauff jhr wartet noch mit ſehnlichen Verlangen:
Ich komm nicht wider her zu euch auff dieſe Erden/
doch werd ich dorten euch mit Freuden wider werden.
Der’
Der GOtt alles Troſtes verſiegle dieſen Troſt in aller
Hochbetruͤbten Hertzen/ behuͤte uns fuͤr dergleichen Traur-
faͤllen/ gebe dem Leibe des jungen Herrlein eine ſanffte Ruhe
biß an den juͤngſten Tag/ und denn eine froͤliche Aufferſte-
hung zum ewigen Leben/ uns allen ſeine Gnade/ daß wir ſei-
nen heiligen Willen in allen preiſen/ jhm gehorſamlich fol-
gen/ und durch Kreutz und Todt zu Chriſto dringen/ das ver-
leyhe uns Gott umb Chriſti JEſu willen/ Amen. Solches
zu erlangen betet mit mir ein andaͤchtiges
Vater unſer/ ꝛc.
TETRA.
TETRASTICHON LUGUBRE
in
fatum
Inclutæ Propaginis maſculæ Schvvartzburgô-Pa-
latin æ ante dias Natalium auras Illuſtriſs. Parentibus
in arce Sondershusâ cheu! præproperè
denatæ.
MOrs tua, vita Tibi,generoſa propago,perennis
Eſt, erit \& Tectum gaudia mille manent.
Sic ſuperaße juvat fatalia ſtamina vitæ,
Vivere quando datum eſt \& ſine morte mori.
Diſpereant ergò, quorum mens devia clamat,
Quod chaos \& limbus ſint ineunda ſuis.
Vindicat hos ſibi divini ſententia juris,
Inq́ polum præſens concio docta locat.
Summiſsô mœrentiq́; animô
ſcriptum
ab
Achatio Wengring Conſiliario
Sondersh. Schvvartzb.
- Holder of rights
- Kolimo+
- Citation Suggestion for this Object
- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Lehr- und Trostpredigt Von Nothwendigkeit der Tauffe/ und was von ungetauffter Christen-Kinder Seligkeit zu halten Aus den Worten des Herrn Jesu Johan. 3, 5.. Lehr- und Trostpredigt Von Nothwendigkeit der Tauffe/ und was von ungetauffter Christen-Kinder Seligkeit zu halten Aus den Worten des Herrn Jesu Johan. 3, 5.. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bq9t.0