durch
einen Theil
von Europa, Afrika und Aſien,
hauptſaͤchlich
in Japan,
in den Jahren 1770 bis 1779.
bey Haude und Spener.1792.
[][][][]
Karl Peter Thunbergs
Reiſen.
Erſten Bandes erſter Theil,
welcher
des Verfaſſers Reiſe von Stockholm nach dem Vorgebirge der
guten Hoffnung, den erſten Aufenthalt zu Cap, die erſte
Reiſe in das Innere des ſuͤdlichen Theils von Afrika,
und den zweyten Aufenthalt zu Cap enthaͤlt.
[][]
Vorrede
des Verfaſſers.
Reiſebeſchreibungen giebt es bereits in ſolcher
Menge, daß man Bibliotheken damit an-
fuͤllen kann; mehrere hundert ſind ihre Zahl. Sie
noch zu vermehren koͤnnte daher ſehr unnoͤthig ſchei-
nen, wenn nicht viele von ihnen mehr eine Menge
Papier, laͤcherliche und oft ungereimte Erzaͤhlun-
gen, unbegreifliche Wunderdinge und unverſtaͤnd-
liche oder verworrne Beſchreibungen von Thieren,
Kraͤutern und andern Landesprodukten, als im
Gegentheil nuͤtzliche und intereſſante Entdeckungen,
zuverlaͤſſige Wahrheiten, bekannte und verſtaͤndli-
che Nahmen und Kennzeichen von Thieren und
Gewaͤchſen enthielten. Wie oft muß man nicht
mit vielem Zeitverluſt einen ganzen Folianten durch-
leſen, ehe man ſo viel wiſſenswuͤrdige und fuͤr
Wahrheit anzunehmende Nachrichten findet, als
[]Vorrede des Verfaſſers.
auf einer einzigen Seite Platz haben koͤnnten?
Wie oft haben nicht Naturforſcher und Oekono-
mie-Verſtaͤndige vergeblich ſich bemuͤhet, in Reiſe-
beſchreibungen etwas, das ſie gebrauchen koͤnnten,
anzutreffen, weil ſie die barbariſchen Nahmen der
Naturalien nicht verſtanden, die vielleicht die Ver-
faſſer ſelbſt nicht gehoͤrig anzugeben gewußt,
manchmahl wohl ſelbſt nicht verſtanden haben moͤ-
gen? Iſt nicht die Muskatennuß, von der faſt
alle Beſchreibungen Oſtindiſcher Reiſen ein Langes
und Breites ſagen, und die verſchiedne Jahrhun-
derte hindurch einer der eintraͤglichſten Handlungs-
zweige fuͤr die Europaͤer geweſen iſt, dem Geſchlech-
te nach, wozu ſie gehoͤrt, zum Theil noch unbe-
kannt? Hat man nicht von den in der Bibel vor-
kommenden Thieren und Gewaͤchſen, obgleich je-
ne das aͤlteſte, heiligſte und allgemeinſte Buch iſt,
bis auf die letzten Zeiten, großentheils nur eine un-
zuverlaͤſſige Kenntniß gehabt? und gilt dies nicht
noch von unſrer jetzigen Zeit? Unwiſſende Reiſen-
de benennen oft auslaͤndiſche und fremde Thiere
mit den Nahmen ſolcher Thiere, die ſie vorher
kannten. — So nennt mancher alle Arten wilde
Katzen Tiger, und verſchiedne Gattungen vom Ge-
ſchlechte der Hunde Fuͤchſe. So vermiſcht man-
cher den Jakhal oder Simſons Fuchs, entweder
[]Vorrede des Verfaſſers.
mit dem gemeinen Europaͤiſchen Fuchſe, oder mit
dem Haushunde, ſo wenig er auch zu der einen
oder andern dieſer Thierarten gehoͤrt.
Jeder Reiſende glaubt Beruf zum Schrift-
ſteller zu haben, und ſeinen Landsleuten etwas
wunderbares erzaͤhlen zu duͤrfen, ſollte er auch
ſelbſt ſo arm an Einſicht und Kenntniß ſeyn, daß
er das, was er ſah und hoͤrte, weder ſelbſt ver-
ſtand, und ſich eine richtige Vorſtellung davon
machen, noch andern richtig und deutlich beſchrei-
ben konnte. Schon aus dieſer einzigen Quelle
ſind mehr unverſtaͤndliche Buͤcher, als man glau-
ben ſollte, hervorgefloſſen.
Wenn daher Reiſebeſchreibungen entweder
das Dunkle in aͤltern Reiſenachrichten aufhellen,
oder uͤber Geographie, politiſche Geſchichte, Na-
turlehre, Oekonomie, Naturhiſtorie, Medicin
und andre Wiſſenſchaften neues Licht verbreiten,
alsdann, aber auch nur alsdann ſind ſie gewiß nicht
uͤberfluͤſſig. Iſt denn der Reiſende fremde Laͤnder
mit den Kenntniſſen, der Einſicht, der Gabe, was
man ſieht und hoͤrt, geſund und richtig zu beurthei-
len, und der Aufmerkſamkeit, wie ein Theil der
Neuern gethan hat, durchreiſet, ſo glaubt man
beym Leſen ſeiner Beſchreibung ihm gleichſam
Schritt fuͤr Schritt nachzureiſen, und was er ſah,
[]Vorrede des Verfaſſers.
auch mit eignen Augen zu ſehen. Wird dabey zu-
gleich alles kenntlich gemacht und verſtaͤndlich und
deutlich erzaͤhlt und beſchrieben, ſo kommt man in
den Stand, wahren Vortheil daraus zu ziehen.
Vom Vorgebirge der guten Hoffnung und
dem dazu gehoͤrigen Theile von Afrika haben ſchon
mehrere uns Nachrichten und Beſchreibungen ge-
liefert. Einige haben uns dieſe in großen Baͤnden
zu leſen gegeben, worin man alles, was dieſes
Stuͤck des ſuͤdlichen Afrika und die daſigen Nieder-
laſſungen der Hollaͤnder betrifft, zu erwarten be-
rechtigt iſt. Kleinerer Beſchreibungen und Samm-
lungen von Nachrichten nicht zu gedenken, gab
Kolbe im Jahr 1727 ein Werk in zwey Foliobaͤn-
den in Hollaͤndiſcher Sprache heraus, die hernach
in verſchiednen Sprachen uͤberſetzt, zu nicht gerin-
gem Gewinn der Verleger, dem uͤbrigen Europa
mitgetheilt wurden. Vor nicht langer Zeit, in
den Jahren 1777 und 1778 kamen zwey Beſchrei-
bungen vom Cap, auch in Hollaͤndiſcher Sprache,
in Octav heraus, die aber, einige Zuſaͤtze abge-
rechnet, nichts anders als Auszuͤge aus dem weit-
laͤuftigen Kolbeſchen Werke ſind. Die kurze Nach-
richt, welche de la Caille, der im Jahr 1751 nach
Cap kam, und 1753 wieder wegreiſete, vom Cap
giebt, enthaͤlt beynahe nichts anders, als was er
[]Vorrede des Verfaſſers.
von andern hoͤrte, und manches darunter iſt ziem-
lich unzuverlaͤſſig. Sparrmann breitet ſich in ſeiner
1783 erſchienenen Reiſebeſchreibung hauptſaͤchlich
uͤber die Geographie und Zoologie dieſes Landes
aus, und da Kolbe’s Nachrichten von den Thieren
auf die alte unbeſtimmte und verworrene Art abge-
faßt ſind, hat die Thierkunde durch ſeine Unterſu-
chungen, Nachforſchungen und Entdeckungen in
verſchiednen Hinſichten gewonnen. Da alſo bereits
ſo viel von dieſem Lande geſchrieben iſt, mithin vie-
les ſchon bekannt ſeyn muß, haͤtte ich vielleicht mir
die Muͤhe, meine Reiſe auch zu beſchreiben, und
den Kaͤufern meiner Reiſebeſchreibung das Geld
dafuͤr erſparen koͤnnen. Allein da nicht nur viele
meiner Landsleute, ſondern auch verſchiedne mei-
ner auswaͤrtigen Freunde, mir theils ihren
Wunſch, die auf meiner Reiſe mich betroffnen
Schickſale ſowohl, als die von mir gemachten Be-
merkungen zu leſen, zu erkennen gaben, theils zur
Bekanntmachung derſelben mich uͤberredeten und
auf mehr als eine Art ermunterten, glaubte ich, es
ihnen nicht wohl abſchlagen zu koͤnnen, in den we-
nigen freyen Stunden, die meine anderweitigen
ſehr uͤberhaͤuften Geſchaͤffte und Arbeiten mir uͤbrig
laſſen wuͤrden, die unter meinen Papieren zerſtreut
liegenden Anmerkungen, welche ich auf meiner
[]Vorrede des Verfaſſers.
Reiſe ſchriftlich aufgezeichnet hatte, zu ſammeln, in
einige Ordnung zu bringen, und dem Publikum
vorzulegen.
Meine Reiſebeſchreibung habe ich in drey
Theile vertheilt. Der erſte begreift die Reiſe von
Stockholm durch Holland und Frankreich nach dem
Cap, insbeſondre den Aufenthalt in Holland und
zu Paris; ferner den Aufenthalt zu Cap nach mei-
ner Ankunft daſelbſt; dann die erſte Reiſe ins
Land bis nach der Kuͤſte der Kaffern; und endlich
den Aufenthalt zu Cap nach meiner Zuruͤckkunft;
welches alles in die Jahre 1770 bis 1773 faͤllt.
Im zweyten Theile wird mein fernerer Aufenthalt
zu Cap, die zweyte Reiſe in die noͤrdlichern Gegen-
den bis nach dem Kafferlande, und die Reiſe auf
der andern noͤrdlichen Seite bis ins Land der Na-
maquas vorkommen. Der dritte wird die Reiſe
nach Java und Japan, meinen Aufenthalt in Ja-
pan, (unter andern auch die Reiſe nach dem Hof-
lager des Kaiſers), und meine Ruͤckreiſe uͤber
Java, Ceilon, das Cap, Holland, England und
Deutſchland liefern.
Weitlaͤuftige naturhiſtoriſche Beſchreibungen
von Thieren oder Gewaͤchſen, zumahl in lateini-
ſcher Sprache einfließen zu laſſen, fand ich nicht
rathſam, weil dergleichen dem allergroͤßten Theil
[]Vorrede des Verfaſſers.
der Leſer Langeweile verurſacht haben wuͤrden.
Zum etwanigen Gebrauche der Botaniker und
Zoologen habe ich dieſe in eignen Abhandlungen
herausgegeben. Jehes Gewaͤchs und Thier aber,
ſo viel moͤglich mit ſeinem rechten und eigentlichen
Nahmen zu benennen, hielt ich demungeachtet doch
fuͤr noͤthig. Manchmahl haͤtte ich weit mehr ſagen
oder erzaͤhlen koͤnnen, als ich thue, wenn ich jedes-
mahl das, was andre mir ſagten oder erzaͤhlten,
haͤtte anfuͤhren wollen. Weil ich aber die meiſte
Zeit nicht wiſſen konnte, wie zuverlaͤſſig, glaub-
wuͤrdig oder genau dergleichen ſey, hielt ich es fuͤr
meine Schuldigkeit, es nur ſelten einzumiſchen.
Meiſtens erzaͤhle und beſchreibe ich alſo nur, was
ich ſelbſt that, ſah und erfuhr.
Sollten hie und da einzelne Nachrichten vor-
kommen, die mit den vorhergehenden oder folgen-
den in keiner Verbindung oder Verwandtſchaft ſte-
hen, und ſollte man uͤberhaupt einen gewiſſen
Plan, eine gewiſſe Ordnung der Gegenſtaͤnde ver-
miſſen, ſo bitte ich desfalls um Entſchuldigung.
Die Menge meiner Geſchaͤffte und Arbeiten, die
vielen Stoͤhrungen und Verhinderungen, unter de-
nen ich meine Nachrichten ſammeln und ordnen
mußte, ließen dies nicht immer zu. Ich mußte
deswegen meiſtens damit zufrieden ſeyn, die Sa-
[]Vorrede des Verfaſſers.
chen in der Folge zu erzaͤhlen, als ich ſie in meinem
Tagbuche angezeichnet fand. Daher kommts denn,
daß ich die Materien weder der Sachordnung noch
der Zeitordnung gemaͤß gehoͤrig zuſammenſtellen
konnte. Eben ſo habe ich, und zwar auch um je-
ner Gruͤnde willen, große Urſache um Nachſicht zu
bitten, wenn man am Ausdrucke, am Style und
der ganzen Schreibart in meiner Reiſebeſchreibung
manches und mit Recht zu tadeln finden ſollte. Es
iſt unglaublich, wie ſehr nicht nur meine faſt unzaͤh-
ligen Geſchaͤffte, als in Anſehung meiner akademi-
ſchen Vorleſungen, der Aufſicht uͤber den mir an-
vertrauten hieſigen botaniſchen Garten, beſonders
aber uͤber die mir ebenfalls uͤbergebnen hieſigen oͤf-
fentlichen Naturalien-Sammlungen, die ich ganz
neu in Ordnung zu bringen und zu inventiren hat-
te, ſondern auch die Verfaſſung meiner andern auf
die Naturgeſchichte ſich beziehenden Schriften und
gelehrten Arbeiten mir die Zeit geraubt haben, auf
das Gewand, worin ich dem Publikum meine
Nachrichten darzuſtellen haͤtte, die noͤthige Auf-
merkſamkeit und Sorgfalt zu wenden.
Ich bin inzwiſchen verſichert, daß in dieſem
erſten Theile, ſo weit er auf die ſuͤdliche Spitze von
Afrika Bezug hat, verſchiedne Gegenſtaͤnde vor-
kommen, die von andern ganz uͤbergangen ſind.
[]Vorrede des Verfaſſers.
Daher kann ich mich damit ſchmeicheln, verſchied-
nes geſagt und erzaͤhlt zu haben, durch deſſen Be-
kanntmachung der Landwirthſchaft, der Naturhi-
ſtorie, der Arzneywiſſenſchaft, der Phyſik, der
Erdbeſchreibung und der Voͤlkerkunde — Wiſſen-
ſchaften, worauf ich vorzuͤglich Ruͤckſicht nahm, —
Vortheil und Gewinn zuwachſen wird. Etwas
Vollkommnes wird man aber auch in dieſem Stuͤcke
nicht von mir verlangen, wenn man bedenkt, daß
ich in einem Lande reiſete, das nicht viel anders
als oͤde und wuͤſte iſt, wo man in großer Geſchwin-
digkeit weite Strecken durchfaͤhrt, wo die Einge-
bohrnen meiſtens Wilde ſind, wo man auch nicht
den kleinſten Funken von Aufklaͤrung, Kenntniſ-
ſen, Wiſſenſchaften oder Geiſtes-Cultur antrifft,
und wo die ganze Natur noch in den Kinderwin-
deln eingewickelt zu ſeyn ſcheint.
Ob ich indeſſen gleich in meiner Reiſebeſchrei-
bung uͤberhaupt manche Anmerkungen, welche die
Geographie, die phyſikaliſche Kenntniß der Laͤn-
der, beſondre die Wiſſenſchaften und Kuͤnſte ange-
hende Anſtalten und Einrichtungen, buͤrgerliche
und oͤkonomiſche Verfaſſungen, die Bauart der
Haͤuſer, die Sitten und Lebensart der Voͤlker, be-
treffen, beygebracht habe: ſo werden die Leſer doch
bald finden, daß auf Entdeckungen, die mit der
[]Vorrede des Verfaſſers.
Naturgeſchichte, der Medicin, und der Oekonomie,
dieſen meinen Lieblingswiſſenſchaften, in Verbin-
dung ſtehen, mein Hauptaugenmerk gerichtet gewe-
ſen ſey. Mein ſorgfaͤltiges, eifriges und nicht ganz
fruchtloſes Bemuͤhen, dergleichen aufzufinden, ſetz-
te mich deswegen auch in den Stand, in dieſem
erſten Theile meines Werks von verſchiednen Ge-
waͤchſen und andern Naturprodukten einen Nutzen
und Gebrauch anzugeben, den man bisher, ſo
viel mir bewußt iſt, wenig oder gar nicht kannte.
Als eßbar und zur Nahrung dienlich wird man ken-
nen lernen: den Capſchen Cavia (Cavia Capenſis),
das Stachelſchwein (Hyſtrix), den Ameiſenbaͤr
(Myrmecophaga), die geſpaltne Siegwurz (Gla-
diolus plicatus), die Aniswurzel, die Gatagay-
wurzel, das Aponogeton diſtachyon, die zwey-
ſtachlige Arduine (Arduina biſpinoſa), die eßba-
re Zaſerblume (Meſembryanthemum edule), die
wellenfoͤrmige Euclee (Euclea undulata), die Stre-
litzie (Strelitzia), der Rankenweinſtock (Vitis vi-
tigenea), das ſtrauchartige Glasſchmalz (Salicor-
nia fruticoſa), die Kafferſche Keulpalme (Zamia
Caffra), das Afrikaniſche Pockenholz (Guajacum
Afrum), die große Stiftblume (Albuca major),
und den Gagel (Myrica). Als heilſame und be-
waͤhrte Arzneymittel bey verſchiednen innerlichen
[]Vorrede des Verfaſſers.
Krankheiten und aͤußerlichen Schaͤden: den ſtach-
ligen Baͤrenfuß (Arctopus echinatus), die Afrika-
niſche Zaunruͤbe (Bryonia Africana), die wellenfoͤr-
mige und die krauſe Aeſkulapie (Aſclepia undulata
et criſpa), den Wollkopf (Eriocephalus), die ſchar-
lachrothe Blutblume (Haemanthus coccineus),
den baͤrtigen Knoͤterich oder Wegtritt (Polygo-
num barbatum), die durchſtochne Klapperſchote
(Crotalaria perſoliata), den Capſchen Pfeffer (Pi-
per Capenſe), die Capſche Fagara (Fagara Capen-
ſis), die oben genannte eßbare Zaſerblume, das
campherartige und das getuͤpfelte Oſmites (Oſmites
camphorina er aſteriſcoides), die Capſche Adonis
(Adonis Capenſis), die blaſenziehende Atragene
(Atragene veſicatoria), den Aethiopiſchen Krull-
farrn (Adianthum Aethiopicum), den honigtra-
genden und den großblumigen Silberbaum (Pro-
tea mellifera et grandiflora), den umgebognen
Saͤuerling (Oxalis cernua), die Tulbaghie (Tul-
baghia), die Montinie (Montinia), den gemeinen
Wunderbaum (Ricinus communis), den ſchwar-
zen Nachtſchatten (Solanum nigrum), die gemuͤs-
artige Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus), das vier-
eckige Dickblatt (Craſſula tetragona), den krebs-
heilenden Kugelſchwamm (Lycoperdon carcino-
male), und die Bucken (Seriphium). — Als
[]Vorrede des Verfaſſers.
nuͤtzlich und brauchbar in der Haushaltung und
Landwirthſchaft auf mancherley Art: zu Seilen
und Stricken: den Baſt von der Wollblume (An-
thyllis); zu Schalen und Naͤpfen: die Schildkroͤten-
ſchalen; zu Rollgardinen (Rouleaux) und Stuͤh-
len: duͤnnes Rohr; zu Rauchtobak: den gemei-
nen Hanf (Cannabis ſativa); zu Zunder: das rie-
ſenmaͤſſige Haſenoͤhrlein (Bupleurum giganteum);
zu Thee: die herzfoͤrmige Borbonie (Borbonia cor-
data); zu Kaffee: den ſternblaͤttrichten Scepter-
baum (Brabejum ſtellatum); zu Seife: das blaͤt-
terleere Salzkraut (Salſola aphyllis); zu Licht: den
herzblaͤttrichten und den eichenblaͤttrichten Gagel
(Myrica cordifolia er quercifolia); zu Trompeten:
den Trompetentang (Fucus buccinalis); zu Beſen
und zum Dachdecken: das zweyzeilige Strickgras
(Reſtio dichotomus); zu Matten und ebenfalls zu
Daͤchern: das flechtbare Cypergras (Cyperus tex-
tilis); zu Zaͤunen und Huͤrden: die Aegyptiſche
Sinnpflanze (Mimoſa Nilotica), die bereits ange-
fuͤhrte zweyſtachlige Arduine, und die Afrikaniſche
Galenie (Galenia Africana); zu Hecken: die Aloe
(Succotrina), die Morgſane oder das Doppel-
blatt (Zygophyllum Morgſana), Quittenbaͤu-
me, Aepfel- und Birnbaͤume, Hagdorn, den
Spillbaum (Evonymus), Weiden, Roſenſtauden,
[]Vorrede des Verfaſſers.
den Baͤrentraubenſtrauch, Eibenbaͤume, Ulmen,
die gemeine Stechpalme (Ilex aquifolium), Buchs-
baum, Linden, die gemeine Cornelle (Cornus
maſcula), Geißblatt, Kirſchbaͤume, den gemeinen
Judasbaum (Cercis ſiliquaſtrum), den fremden
Bocksbaum (Lycium barbarum), die beilkrautar-
tige Peltſche (Coronilla ſecuridaca), Eichen, Lor-
beerbaͤume, Myrtenbaͤume und andre, wie auch
Schafknochen; zu Brennholz: den ſchon erwaͤhn-
ten honigtragenden und den großblumigen, wie
auch den kegeltragenden (conocarpa), den rau-
hen (hirta), den praͤchtigen (ſpecioſa), und den
wahren (argentea) Silberbaum, Heide und die
Brunie (Brunia); zu allerhand Meublen, Haus-
geraͤth und dergleichen, folgende Afrikaniſche Holz-
arten: den Kamaſſiebaum, die ſafranfarbne
Stechpalme (Ilex crocea), den Capſchen und den
Europaͤiſchen Oehlbaum, das Stinkholz, die Gar-
denia Thunbergia, das Bambusrohr und die
Curtiſie (Curtiſia).
Ich weiß zwar ſehr wohl, daß nicht alles in
meiner Reiſebeſchreibung allen gefallen werde,
auch daß nicht alle gleichen Nutzen daraus werden
ziehen koͤnnen. Die Hoffnung mache ich mir aber
doch, daß allezeit etwas vorkommen werde, wel-
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. b
[]Vorrede des Verfaſſers.
ches einer oder der andre, wenn nicht nuͤtzlich, doch
intereſſant finden wird. Auch gebe ich gern zu,
daß die beyden erſten Theile, welche hauptſaͤchlich
vom Cap und den Hottentotten handeln, einem
Lande und einem Volke, wo man gar keine Cul-
tur und wenig Veredlung durch Kunſt, ſondern
faſt bloß die rohe Natur antrifft, unmoͤglich ſo un-
terhaltend werden koͤnnen, als der dritte, welcher
Nachrichten von einem cultivirten Volke enthalten
wird, das foͤrmliche Regierung und andre gute
Einrichtungen hat, und ſelbſt mit den Europaͤiſchen
Laͤndern wetteifern kann. Allein ich hoffe, jenen
geringern Reichthum an intereſſanten Nachrichten
werden die Leſer nicht einem Mangel an Aufmerk-
ſamkeit auf meiner Seite beymeſſen, ſondern auf
die Rechnung des Landes und Volkes ſchreiben,
das auch dem am ſorgfaͤltigſten beobachtenden Rei-
ſenden nicht mehr Stoff zum Erzaͤhlen geben kann,
als es ſelbſt hat. Upſala, den 2. Februar 1789.
Karl Peter Thunberg.
[]
Inhalt.
I.Abtheilung. Reiſe von Schweden nach dem Vor-
gebirge der guten Hoffnung.
- 1. Abſchnitt. Reiſe von Upſala nach HollandS. 1
- 2. Abſchnitt. Aufenthalt und Reiſen in Holland8
- 3. Abſchnitt. Reiſe von Holland nach Paris27
- 4. Abſchnitt. Aufenthalt in Paris33
- 5. Abſchnitt. Ruͤckreiſe von Paris nach Holland59
- 6. Abſchnitt. Reiſe von Holland nach dem Vor-
gebirge der guten Hoffnung65 - II.Abtheilung. Aufenthalt in der Capſtadt vor der
erſten großen Afrikaniſchen Reiſe, nebſt einigen
kleinen Reiſen ins Land.
1. Abſchnitt. Aufenthalt in der Capſtadt95 - 2. Abſchnitt. Einige kleine Reiſen vom Cap ins
Land 119 - III.Abtheilung. Erſte große Afrikaniſche Reiſe.
1. Abſchnitt. Zuruͤſtungen zu dieſer Reiſe 131 - 2. Abſchnitt. Reiſe vom Cap nach Rotheſand133
- 3. Abſchnitt. Reiſe von Rotheſand nach Zwel-
lendam147 - 4. Abſchnitt. Reiſe von Zwellendam bis in die
Naͤhe des Ataquathals154 - 5. Abſchnitt. Reiſe vom Ataquathale durchs Hout-
niqualand160 - Inhalt.
6. Abſchnitt. Reiſe vom Houtniqualande bis an den
Camtourfluß oder die Grenzedes KafferlandesS. 180 - 7. Abſchnitt. Ruͤckreiſe von der Grenze des Kaffer-
landes nach dem Cap191 - IV.Abtheilung. Aufenthalt zu Cap nach der erſten
großen Afrikaniſchen Reiſe.
1. Abſchnitt. Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der
Capſtadt199 - 2. Abſchnitt. Verſchiedne geographiſche und andre
dahin gehoͤrige Nachrichten 211 - 3. Abſchnitt. Verſchiedne Nachrichten von den po-
litiſchen und andern Einrichtungen in den Hol-
laͤndiſchen Beſitzungen am Cap219 - 4. Abſchnitt. Nachrichten von der Landwirthſchaft
in der Kolonie, den Landesprodukten, dem Zu-
ſtande und den Sitten der Landleute, und der-
gleichen 236 - 5. Abſchnitt. Nachleſe botaniſcher Nachrichten 251
- 6. Abſchnitt. Noch verſchiednes die Zoologie be-
treffend 261 - 7. Abſchnitt. Noch einige Nachrichten von den Hot-
tentotten 271 - 8. Abſchnitt. Einige einzelne Begebenheiten und
Vorfaͤlle zu Cap, waͤhrend meines bisherigen Auf-
enthalts daſelbſt 278 - 9. Abſchnitt. Zuruͤſtungen zur zweyten Afrikani-
ſchen Reiſe 288
Erſte[[1]]
Erſte Abtheilung.
Reiſe von Schweden nach dem Vor-
gebirge der guten Hoffnung
vom 13. Auguſt 1770 bis den 17. April 1772.
Erſter Abſchnitt.
Reiſe von Upſala nach Holland
vom 13. Auguſt bis den 5. October 1770.
Ich hatte drey Jahr auf der Univerſitaͤt zu Upſala zu-
gebracht, und hierauf die akademiſche Wuͤrde eines Doc-
tors der Arzneykunſt angenommen, als mir eins von
den daſigen, zu dreyjaͤhriger Unterſtuͤtzung angehender
Gelehrten auf auswaͤrtigen Reiſen beſtimmten Stipen-
dien, deren jedes jaͤhrlich ungefaͤhr 275 Deutſche Reichs-
thaler betraͤgt, zu Theil wurde. Mit dieſem und meinem
etwanigen eignen Vermoͤgen unternahm ich eine Reiſe
nach Paris, um mir da in der Medicin, Chirurgie und
Naturgeſchichte noch mehr Kenntniſſe zu erwerben.
Den 13. Auguſt 1770 reiſete ich in Geſellſchaft
eines meiner Freunde, des Apothekers Barkenmeyer,
von Upſala ab. Wir gingen gerades Weges nach Hel-
ſingoͤr. Ich verließ alſo mein Vaterland, ohne den ge-
ringſten Gedanken daran, daß ich es nicht eher, als
nach einer Zeit von neun Jahren, und nach ſehr weiten
Reiſen in die entfernteſten Laͤnder, wiederſehen wuͤrde.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. A
[2]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Auf unſrer Fahrt uͤber den Sund ſegelte uns eine Men-
ge Schiffe vorbey, eine andre Menge lag, um erſt bey
Kronborg den Zoll zu entrichten, auf der Rhede. Je-
nes ſah einem emporragenden Walde, dieſes einer
ſchwimmenden Stadt aͤhnlich. Aber zu ſehen, daß ein
einziges Reich hier allen Nationen Zoll abfordert, iſt
verdrießlich, zumahl fuͤr einen Schweden. Man aͤrgert
ſich, daß das Schwediſche Reich nicht Theil daran nehmen
kann. Hieran iſt indeſſen wohl vornehmlich die Seich-
tigkeit des Waſſers an den Schwediſchen Kuͤſten Schuld,
die von dem großen Sandſtriche bis an den Helſingbor-
ger Strand, durch groben Sand, Tang (Zoſtera) und
Waſſerriemen (Fucus), welches alles vom Waſſer dahin
getrieben wird, von Jahr zu Jahr zunimmt.
Weil zu Helſingoͤr damahls kein Schiff nach Am-
ſterdam ſegelfertig war, entſchloß ich mich, noch am Ta-
ge meiner Ankunft eine Reiſe zu Lande nach Kopenhagen
zu machen. Der Weg dahin iſt ſehr ſchoͤn, laͤuft eine
Strecke an der See hin, und geht hernach durch unge-
mein angenehme Buͤchen- und Eichenwaͤlder, und durch
den Thiergarten. In dieſem letztern darf man bey Le-
bensſtrafe kein Gewehr abſchießen. Am Wege ſah ich
perennirende Maßliebe (Bellis perennis), gewoͤhnlichen
Baldrian (Valeriana officinalis), wilde Wegwarte
(Cichorium inrybus) und Maͤuſeg[er]ſte (Hordeum mu-
rinum) in Menge. Die letztere waͤchſt auch haͤufig auf
den Straßen zu Kopenhagen. Auch faͤhrt man hier, be-
ſonders wenn man dieſer Stadt naͤher kommt, durch vor-
treffliche Alleen von gemeinen Kaſtanienbaͤumen, mit nie-
dergebognen Staͤmmen. An den Befriedigungen der Gaͤr-
ten ſieht man viele Weinſtoͤcke mit ausgebreiteten Ranken.
Zu Kopenhagen beſah ich den botaniſchen Garten,
mit deſſen Verſetzung man jetzt beſchaͤfftigt war. Her-
[3]Reiſe von Upſala nach Holland.
nach ging ich nach dem Hoſpitale, das, wie man mir
ſagte, nebſt der dazu gehoͤrigen Apotheke von der Koͤni-
gin Karoline Mathilde angelegt iſt, und gegenwaͤrtig et-
wa zweyhundert Kranke beherbergte. Auch ließ ich mir
einige Naturalien-Sammlungen zeigen. Die erſten aber,
welche ich aufſuchte, waren die beyden Profeſſoren Zoͤga
und Fabricius, meine Freunde und ehemahligen Univer-
ſitaͤts-Genoſſen. Dieſe verſchafften mir, andrer Freund-
ſchaftsdienſte nicht zu gedenken, freyen Zutritt zum bo-
taniſchen Garten ſowohl, als zu ihren Privat-Sammlun-
gen; der letztere hat beſonders ein vortreffliches Inſecten-
Cabinet. Sie haͤtten mir auch meinen Aufenthalt in
Kopenhagen noch angenehmer und nuͤtzlicher gemacht,
wenn ſie nicht ſchon an demſelben Tage gegen Abend eine
nothwendige Reiſe nach Schleswig haͤtten antreten muͤſ-
ſen. Ohne Zweifel haͤtte ich auch um ihrentwillen laͤn-
ger da verweilt. Ich beſah noch verſchiedne Merkwuͤr-
digkeiten, als das Koͤnigliche Schloß, die Akademie, die
Boͤrſe, den Schiffswerft, den Friedrichsmarkt, die Haͤ-
fen und dergleichen. In der Stadt fiel es mir auf,
daß die Rinnen oder Goſſen auf den Straßen mit Bre-
tern oder flachen Steinen belegt ſind, welches fuͤr die
Fußgaͤnger von großer Bequemlichkeit iſt; und daß ſelbſt
unter der Erde Wohnungen ſind.
Die Abreiſe geſchah auf einem dazu gemietheten
Wagen, der mich aber nur eine Strecke lang fahren ſoll-
te; hernach wollte ich bis Helſingoͤr einen Poſtwagen
nehmen. Allein als wir nicht mehr weit vom Thiergar-
ten waren, (es war an einem Sonntagabend) fanden
wir alle Wirthshaͤuſer und Kruͤge mit Menſchen, Mu-
ſik und Tanz ſo angefuͤllt, daß ich nirgend, weder Pfer-
de, noch ein Zimmer zum Nachtquartier bekommen konn-
te. Dieſe Geſellſchaften hatten ſich hier von allen Sei-
A 2
[4]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ten verſammelt, und es fehlte ihnen nicht an geſchminkten
und ungeſchminkten Schoͤnen. Laͤrmen von Muſik und
Tanzgetuͤmmel in ſo hohem Grade hatte ich nie geſehen
noch gehoͤrt. Ich konnte mich ſo wenig damit vertragen,
daß ich mein Buͤndel Kraͤuter unter den Arm nahm, und
zu Fuß von dannen ging, um weiterhin eine andre Her-
berge zu ſuchen. Aber da ich die Gegend nicht kannte,
und auch keinen Wegweiſer hatte, ging ich in der Irre
umher, bis mich die Dunkelheit der Nacht uͤberfiel.
Ich mußte alſo am Fuße eines großen Baumes, mitten
zwiſchen zahmen und wilden Thieren unter freyem Him-
mel mir eine Lagerſtaͤtte ſuchen. Am folgenden Morgen
begab ich mich wieder zu Fuß auf den Weg. Es war
ein ſehr ſchoͤner und warmer Tag, und der ſchwere Man-
tel, der mir die Nacht hindurch gegen die Kaͤlte ſo herr-
liche Dienſte gethan hatte, wurde mir nunmehr bey der
ſtarken Sonnenhitze zu großer Laſt. Erſt gegen Mittag
traf ich ein Wirthshaus, wo ich einen Poſtwagen be-
kommen konnte, der mich nach Helſingoͤr brachte. Am
Strande ſah ich unterwegs deutlich, daß die See hier
durch hingeſchwemmten Sand und Meergras an Tiefe
verliert, wiewohl bey weitem nicht ſo ſtark, als auf der
Schwediſchen Seite: ein Umſtand, woraus ſich der wahr-
ſcheinliche Schluß ziehen laͤßt, daß der Sund bereits
ſchmaler geworden ſey, und man Urſache habe zu glau-
ben, er werde es mit der Zeit noch mehr werden. Am
Ufer fand ich einige Arten Tang, Waſſerriemen und
Salzkraut (Salſola), wie auch gemeine Miesmuſcheln
(Mytilus edulis). Laͤngs dem Wege liegen verſchiedne
ſchoͤne Gaͤrten mit Alleen und Lauben.
Zu Helſingoͤr ſind die Haͤuſer zum Theil ganz von
Ziegelſteinen erbauet, zum Theil aber von Fachwerk und
Ziegelſteinen. Die ungemein vielen Brunnen auf den
[5]Reiſe von Upſala nach Holland.
Marktplaͤtzen und in mehreren Straßen gehoͤren zu den
vortrefflichſten und nuͤtzlichſten Einrichtungen in einer
Stadt, wo ſonſt die Theurung ihren Hauptwohnſitz auf-
geſchlagen zu haben ſcheint. Man kann denn doch gutes
Waſſer bequem und wohlfeil haben.
Nicht lange nach meiner Zuruͤckkunft fand ſich ein
Schiff, das nach Amſterdam gehen wollte: es war mit
Getraide von Pillau gekommen. Ich ging an Bord,
und ſegelte den 11. September ab. Wir verloren
zwar ſowohl die Daͤniſche als Schwediſche Kuͤſte bald aus
den Augen; allein ein Sturm noͤthigte uns nach eini-
gen Tagen, drey Meilen von Friedrichshafen in einen
Norwegiſchen Hafen einzulaufen, wo wir ebenfalls un-
ter andern ein Schwediſches Schiff vorfanden. Die
dieſen kleinen Hafen umringenden Berge gewaͤhren
einen fuͤrchterlichen Anblick, und am Strande giebt es
viele ſteile Tiefen. Im Waſſer umher ſah ich eine
Menge Watt (Ulva) und Tang, wie auch viele Kreb-
ſe, Seeſterne (Aſteriae), Meereicheln (Lopades)
und andre Seethiere. Hummer werden hier nicht
geachtet. So theuer zu Helſingoͤr alles iſt, ſo wohlfeil
kann man hier alles haben. Auf den Klippen der Berge
ſah man jetzt nur die Felſenſilene (Silene rupeſtris),
und eine Art wilder Roſen, auch ſchwarze Rauſchbeer
(Empetrum nigrum).
Am 24. gingen wir mit gutem Winde wieder un-
ter Segel. Bald aber bekamen wir abermahls anhal-
tenden widrigen Wind mit Sturm und Regenwetter.
Mehrere Tage lang ſahen wir nichts anders, als dicke
Wolken und See.
Jetzt hatte ich Gelegenheit, die Lebensart des Hol-
laͤndiſchen Schiffsvolks zu bemerken. Ich kann mich
nicht enthalten, hier ein kleines Gemaͤhlde davon zu ent-
[6]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
werfen. Sie eſſen faſt lauter ſehr nahrhafte Speiſen:
Tuͤrkiſche Bohnen mir ſuͤßſaurer Bruͤhe, Stockfiſch mit
Senf und Kartoffeln; geſtobte braune, und gekochte
gelbe Erbſen; ſteife dicke Gruͤtze mit etwas Fett, Mehl-
kluͤmpe mit geſchmolznem Fett und Syrup, nebſt gro-
bem Hollaͤndiſchem geſaͤuertem Brot mit Butter und ei-
nem Stuͤck Kaͤſe. Thee und Kaffee wird mehreremahl
am Tage getrunken: der Thee gewoͤhnlich ſtark, und bis-
weilen mit etwas Safran, beſonders bey ſchlechtem
Wetter, der Kaffee hingegen ſchwach, gemeiniglich oh-
ne Zucker, nie mit Milch oder Rohm; uͤbrigens beydes
ſehr reichlich: zehn bis zwoͤlf Taſſen jedesmahl. Nur
der Schiffer und ich hatten das Gluͤck, den Kaffee mit
etwas Kandiszucker zu trinken, und Engliſches Weiß-
brot mit Butter, auch Reiß mit Roſinen und Butter,
zu eſſen. Fleiſch und Speck eſſen ſie allemahl mit Senf.
Branntwein trinken ſie ſelten, hoͤchſtens wenn ein Lootſe
an Bord kommt, oder die Witterung ſehr uͤbel iſt;
Wein noch ſeltner. Bier haben ſie in Kruken bey ſich,
trinken aber nicht oft davon. Trockne und ſtarke Spei-
ſen mit vielem Fett zubereitet ſind alſo ihre vorzuͤglichſte
Koſt. Auf Reinlichkeit und Sauberkeit im Schiffe ſe-
hen ſie mit beynahe uͤbertriebner Puͤnktlichkeit; ſie
ſcheuern und mahlen faſt beſtaͤndig.
Den 1. October kamen wir in Holland an. Zuerſt
zeigte ſich uns die Inſel Texel. Wir bekamen einen
Lootſen an Bord, der uns nach Amſterdam fuͤhren mußte.
Auf der See ſahen wir eine unzaͤhlbare Menge Fahr-
zeuge: Weſt- und Oſtindienfahrer, Kriegsſchiffe, man-
cherley Arten mittelmaͤßiger und kleiner Schiffe; alle von
ſo mannigfaltiger Geſtalt und Bauart; einige lagen ſtill,
andre ſegelten, einige hiehin, andre dorthin: ein wahrhaftig
bezaubernder Anblick fuͤr ein daran nicht gewoͤhntes Auge.
[7]Reiſe von Upſala nach Holland.
Als wir gegen Bergen, einen kleinen Ort an der
See, kamen, wurde uns unter Lebensſtrafe verboten,
an Land zu gehen, weil das Schiff von der Pohlniſchen
Graͤnze kam, und man daher der Peſt wegen beſorgt
war. Ich war zwar nicht mit von Pillau, ſondern nur
von Helſingoͤr, gekommen; meine Koffer wurden aber
doch mit an Land genommen, und mußten da Quaran-
taine halten. Das Schiff erhielt gleichwohl mit der
ganzen Beſatzung Erlaubniß, nach Amſterdam ſeinen
Lauf fortzuſetzen. Indeſſen kam doch vorher ein
Feldſcheer an Bord, um zu ſehen, ob wir alle geſund
waͤren. Fuͤr dieſe Bemuͤhung, und fuͤr die, daß er
fuͤnf Perſonen nach dem Pulſe fuͤhlte, ließ er ſich ſeinen
Ducaten bezahlen: ſein Amt muß ihm viel einbringen.
Auf unſrer weitern Reiſe nach Amſterdam uͤber
die Suͤderſee kamen wir vor einer Menge Inſeln vorbey,
die mit Staͤdten gleichſam bebauet ſind. In der Ferne
zeigten ſich ganze Waͤlder von Schiffen, die nach allen
Seiten ſegelten. Beydes zuſammen verſchaffte einen
Anblick, der ſich nicht beſchreiben laͤßt. Die See hat
hier Ebbe und Fluth, und bildet bey deren Abwechſelung
lange und krumme Buchten, wo Windſtille herrſcht.
Auf einem Wege von achtzehn Meilen mußten wir ver-
ſchiedne Tage zubringen, weil entweder der Wind bald
ganz ſtill, bald ſehr ſchwach war, oder wir dem Strome
folgen mußten. Wenn wir auf dieſe Art ſtill lagen, be-
ſchaͤfftigten die Matroſen ſich mit Scheuern, Waſchen
und Mahlen: ſogar die Koje, worin der Hund liegt,
wurde angemahlt. Einmahl hatte ich waͤhrend dieſer
Zeit das Vergnuͤgen, ein großes Schiff auf ſogenann-
ten Kameelen nach dem Texel bringen zu ſehen: eine Me-
thode, deren man ſich hier des niedrigen Waſſers wegen
bedient, um die groͤßern Fahrzeuge von der Stadt nach
[8]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
der Muͤndung des Hafens zu transportiren. Uebrigens
ſah ich in dieſem Meerbuſen nichts anders, als Tang von der
groͤßern Gattung, der auf dem Waſſer umherſchwamm.
Zweyter Abſchnitt.
Aufenthalt und Reiſen in Holland
vom 5. October 1770 bis den 26. October 1771.
Den 5. October 1770 gegen Abend langten wir
endlich zu Amſterdam an. Dieſe praͤchtige und volk-
reiche Handelsſtadt hat an der Seeſeite die Geſtalt
eines halben Mondes, und wird von einer faſt allen
Glauben uͤberſteigenden Menge Schiffe umgeben. Die
groͤßern Fahrzeuge liegen auch ganz herum, aber weiter
weg, und gleichen einer auf dem Waſſer ſchwimmenden
Stadt. Sie liegen Bord an Bord in ſolcher Ordnung
neben einander, daß ſie wie eine Mauer ausſehen, da-
bey aber in mehreren Reihen hinter einander; und ihrer
ſind ſo unzaͤhlig viele, daß man die Stadt ſelbſt vor ih-
nen nicht ſehen kann. Innerhalb derſelben iſt die Stadt
auf der Seeſeite mit Pfaͤhlen eingeſchloſſen, ebenfalls in
mehreren Reihen, ſo daß kleine Fahrzeuge und Boͤte
daranher liegen, und durch die gelaßnen Oeffnungen
oder Bruͤcken gehen koͤnnen. Nicht nur nach der See
zu, ſondern auch in der Stadt ſind an den Kanaͤlen
Mauern von Backſteinen aufgefuͤhrt, und Boͤte und
kleine Fahrzeuge koͤnnen da bequem anlegen.
Die Haͤuſer ſind durchgaͤngig ſehr geſchmuͤckt und
nett, obwohl nicht alle gleich bequem. Sie ſind faſt
alle einander ganz aͤhnlich und regelmaͤßig gebauet,
von Ziegelſteinen, fuͤnf Stockwerke hoch, mit Zie-
geldaͤchern, die nicht nach der Straße und dem Hofe,
[9]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
ſondern nach den Seiten herabgehen, und einen nach
vorn ſehenden und auf den Seiten treppenweiſe gebroch-
nen Giebel haben, welches den Haͤuſern weit mehr An-
ſehen giebt, als wenn die Daͤcher nach der Gaſſe her-
abgehen. Unter der Erde pflegt auch ein Stockwerk zu
ſeyn, das zu Werkſtaͤtten, Kuͤchen, bisweilen auch zu
Wohnzimmern, gebraucht wird. Die Fenſter ſind im
zweyten Stockwerke ſehr hoch und haben zwey Abſaͤtze,
weil ſie zugleich auch mit zum erſten Stockwerke gehoͤren,
welches in den gewoͤhnlichen Haͤuſern mit dem zweyten
gleichſam zuſammenfließt. In den breiten Straßen fin-
det man vor den Haͤuſern huͤbſche Treppen, welche zu
dem erſten Stockwerke uͤber der Erde fuͤhren. Die
Mauern und Waͤnde ſind ſehr duͤnn, weil der Boden
ſumpfig iſt, und nur ein ſchwacher Grund gelegt werden
kann. Daher kommts auch, daß hier fuͤnf Stockwerke
kaum ſo hoch, als an andern Orten drey ſind. Inwen-
dig ſieht man manchmahl ganze Zimmer, ſehr oft aber die
Gaͤnge, Dielen und Vorſaͤle, mit Porzellan in kleinen
viereckigen Platten, und den Fußboden mit weißem und
anderm Marmor, belegt. Die Hausſtellen ſind ge-
meiniglich ſchmal, und die Haͤuſer haben deswegen in
der Breite wenige, oft nur ein Zimmer, außer die in
gewiſſen Gegenden der Stadt, wo man mehr pallaſtaͤhn-
liche Gebaͤude antrifft. Kleine Kanaͤle an den Seiten
leiten nach allen Straßen und Haͤuſern Waſſer aus den
Graͤben, und ebenfalls von den Straßen und Haͤuſern
wieder weg. Oefen und deren vorzuͤglichen Nutzen kennt
man faſt in ganz Holland nicht, ſondern man gebraucht
nur Kamine. Auch moͤchte wohl die gewoͤhnliche Feu-
rung, der Torf, nicht ſo tauglich zum Heizen der Oefen
ſeyn, und zugleich mehr Gefahr wegen Dunſtes mit ſich
fuͤhren. Die Gaſſen ſind in der Mitte mit ausgeſuch-
[10]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ten und laͤnglichen Granitſteinen, und zu beiden Sei-
ten mit gelben ſogenannten Klinkers gepflaſtert. Die
Plaͤtze dicht an den Haͤuſern ſind, ſo weit die Treppen
vorſpringen, mit flachen Steinen, entweder Marmor,
oder blauen Kalkſteinen, belegt. Obgleich alle Steine
zum Pflaſtern der Straße von andern Orten weit her-
gehohlt werden muͤſſen, ſo ſieht man doch nirgend ſo aus-
geſuchte Steine dazu gebraucht, oder ein ſo ebenes Pfla-
ſter. Die Klinkers an den Seiten, welche taͤglich ge-
waſchen und immer rein gehalten werden, verſchaffen
den Fußgaͤngern den angenehmſten Weg, wo ſie weder
vom Reiten noch Fahren belaͤſtigt oder mit Koth be-
ſpruͤtzt werden. In Wagen, Cariolen und dergleichen
faͤhrt man hier faſt gar nicht; gewoͤhnlich thun es nur
Aerzte, die in Geſchwindigkeit mehrere Kranke zu be-
ſuchen haben. Wenn man in der Stadt faͤhrt, be-
dient man ſich gemeiniglich großer Cariolen mit hohen
Raͤdern, und einem oder zwey Pferden. In bedeckten
Wagen, wenn man dies ſo nennen will, faͤhrt man
zwar auch wohl, aber die Kutſchkaſten werden von ei-
nem Pferde auf Schlitten gezogen, wodurch weder die
Haͤuſer erſchuͤttert, noch die Straßen unrein werden.
Auf Schlitten und beſonders dazu eingerichteten Schub-
karren werden auch Laſten und Waaren in der Stadt
von einem Orte zum andern gebracht. Durch die ganze
Stadt gehen Graͤben, in welchen kleine und mittelmaͤ-
ßige Fahrzeuge mit allerhand Waaren bis an die ge-
mauerten Ufer kommen koͤnnen. Zu beyden Seiten die-
ſer Kanaͤle ſteht eine Reihe Baͤume und zwiſchen den
Baͤumen Pfaͤhle mit Leuchten. Die kleinen Straßen ſind
ſehr ſchmal, und die Querſtraßen bisweilen aͤußerſt eng.
So wie zu Amſterdam die ſchoͤnen und zierlichen
Gebaͤude und ſo mancherley andre Gegenſtaͤnde das Auge
[11]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
eines Fremden beſchaͤfftigen, ſo wird das Ohr durch die
vielen Glockenſpiele entzuͤckt. Beynahe von allen Kirch-
thuͤrmen und vom Rathhauſe laſſen dieſe ſich mehrere-
mahl in einer Stunde hoͤren. Sie ſpielen alle fuͤnf Mi-
nuten ſehr kurz, alle Viertelſtunden etwas laͤnger, und
alle Stunden, ehe es ſchlaͤgt, ein ganzes Stuͤck.
Zu den vornehmſten und merkwuͤrdigſten Gebaͤu-
den gehoͤren das Rathhaus, welches ſchwerlich ſeines
Gleichen hat; der Prinzenhof, wo alle Schiffe ihre La-
dung angeben muͤſſen; und die große Boͤrſe. Das
Rathhaus iſt auswendig mit Quaderſteinen bekleidet;
im zweyten Stockwerke befindet ſich ein großer hoher
Saal, der mit verſchiednen Arten Marmor ausgelegt,
und mit mehreren marmornen Statuͤen ausgeziert iſt.
In einer ſo großen Stadt, wo eine ſolche Menge
Leute in Bewegung iſt, und ſo anſehnliche Handlung ge-
trieben wird, kann wohl nicht anders als viel Laͤrm und
Geſchrey auf den Gaſſen ſeyn. Bald hoͤrt man jemand
Obſt oder Gartengewaͤchſe ausrufen. Bald ſchreyet ein
Weib: Fiſche zu Kauf. Eine andre kommt alle Mor-
gen, traͤgt zwey ſo weiß als moͤglich geſcheuerte Eimer,
und ruft ihre Milch aus. Bald hoͤrt man einen lum-
picht gekleideten Juden, der alte Kleidungsſtuͤcke feil hat,
ſeine Stimme erheben. Bald ſchreyet ein altes Weib:
kauft friſches Brot. Und dergleichen mehr hoͤrt man
jeden Augenblick. Dies gereicht indeſſen denen, welche
etwas kaufen wollen, zur Bequemlichkeit. Denn man
darf nur die Magd nach der Hausthuͤr ſchicken, ohne
irgend etwas weit herhohlen zu laſſen. Sogleich beym
Eintritte in die Stadt begegnete mir auf der Straße ein
Kerl mit einer Klapper, durch deren Geraſſel er ankuͤn-
digte, daß die Gaſſe gefegt werden ſollte. Alle Mor-
gen fahren große Bretkarren umher, die mehrere Abthei-
[12]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
lungen haben, worin man aus den Haͤuſern ſowohl die
Aſche als den Unrath abhohlt, welches, ſobald der Fuhr-
mann ruft, vor die Hausthuͤre geſetzt wird. Man hat
alſo nicht noͤthig, dergleichen in die Graͤben zu werfen,
welches Verſchlemmung derſelben, Geſtank und Krank-
heiten zur Folge haben wuͤrde.
Jedermann lebt hier uͤbrigens in voͤlliger Freyheit,
ohne allen Zwang: Selbſtgewalt kann niemand aus-
uͤben. Der eine erſcheint geſchmuͤckt, der andre in
Lumpen, ohne daß man Acht darauf giebt. Im Hauſe
und ſogar in der Kirche haben die Leute den Hut auf dem
Kopfe, ohne Ruͤckſicht auf Perſon oder Umſtaͤnde.
Eben ſo hat ein jeder, von welcher Nation oder Reli-
gion er ſey, die Freyheit, ſich mit dem was er verſteht,
ſeinen Unterhalt zu verdienen, wofern es nur ehrlicher
Weiſe geſchieht. Innungen, Zuͤnfte, Monopolien,
ausſchließende Privilegien legen niemand Hinderniß in
den Weg, auf eine oder andre Art ſich etwas zu erwer-
ben. Reiſende ſind weder der Unbequemlichkeit, in den
Stadtthoren viſitirt, noch weniger aber der Gefahr,
dabey gemißhandelt zu werden, ausgeſetzt; denn Land-
zoͤlle kennt man hier gar nicht.
Am Tage nach meiner Ankunft wurden verſchie-
dene Verbrecher oͤffentlich beſtraft. Nahe beym Rath-
hauſe war ein Schafott errichtet, auf welchem einige
mit Ruthen gepeitſcht, und einer geraͤdert wurde.
Waͤhrend der Execution ſahen die Rathsherren in ihrer
Amtskleidung aus den Rathhausfenſtern zu. Dies
ſchien der Strafe kein geringes Anſehen zu geben, weil
diejenigen, welche die Unterſuchung angeſtellt und das
Urtheil geſprochen hatten, ſelbſt zugegen waren, nicht
aber die Vollziehung des Richterſpruchs einem Fiſkale
oder Untergerichts-Bedienten anvertraueten: Leute, die
[13]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
oft nicht verſtehen eine Execution zu dirigiren, und ent-
weder zu nachſichtig oder zu ſtrenge ſind.
Bey meinem Wirthe ſah ich eine artige Methode,
Kinder gehen zu lehren, ohne daß ſie fallen koͤnnen,
und ohne daß eine Waͤrterin etwas dabey zu thun hat.
Man hatte dem Kinde unter den Armen ein ſtarkes Band
umgebunden, deſſen beyde Enden um einen Ring ge-
knuͤpft waren, der ſich an einer in der Decke des Zimmers
befeſtigten Stange bewegte, ſo daß das Kind durch das
Band gehalten, hin und her gehen konnte. Die Wiege
war zur Haͤlfte mit Bogenreifen uͤberſetzt, woruͤber man
ein Tuch breitete, um die Fliegen abzuhalten, wobey das
Kind gleichwohl Raum genug zum Athemholen hatte.
Meinen erſten Beſuch in Amſterdam legte ich bey
den Herren Profeſſoren Burmann ab, die mich mit vie-
ler Freundſchaft und Hoͤflichkeit aufnahmen. Dies
munterte mich auf, dieſen Beſuch jeden Tag zu wieder-
hohlen. Hiedurch wurde ich ſo gluͤcklich, nicht nur ihre
vortrefflichen, zahlreichen und uͤber mehrere Arten ſich
erſtreckenden Naturalien-Sammlungen zu beſehen, ſon-
dern auch ihre koſtbare Bibliothek zu benutzen. Dieſe
letztere enthaͤlt meiſtentheils mediciniſche und naturhiſto-
riſche Buͤcher; und in jenen zeichneten ſich beſonders
ſchoͤne und ſeltene Verſteinerungen und Korallen aus.
Ihr Haus iſt es, wo Linnee ſeine Bibliotheca botanica
vollendete, und taͤglich ſpeiſete. Er ordnete und nannte
ihnen auch eine Menge ihnen bis dahin unbekannter Mi-
neralien, Inſekten und Kraͤuter, beſonders viele Graͤ-
ſer und Mooſe.
Auf dieſe Art wurde mir mein hieſiger Aufenthalt
eben ſo nuͤtzlich als angenehm. Ich wuͤrde auch, des
ſpaͤten Herbſtes ungeachtet, nicht weggeeilt haben, wenn
ich nicht meines kleinen Vorraths von Kleidungsſtuͤcken
[14]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
und Buͤchern haͤtte entbehren muͤſſen. Dieſe hatte man
mir genommen, und ſie mußten Quarantaine halten:
ein Verfahren, das ich nicht nur fuͤr unbillig, ſondern
auch fuͤr unvorſichtig halte. Unvorſichtig iſt es doch
wohl immer, ein Schiff, wovon man glaubt, es koͤnne
mit der Peſt angeſteckt ſeyn, in den Hafen einer großen
und volkreichen Stadt einlaufen, und die Beſatzung
und Paſſagiere mehrere Tage in der Stadt ungehindert
ſich aufhalten laſſen, und hernach das Fahrzeug mit ſei-
ner Ladung Getreide wieder nach dem Texel in die Qua-
rantaine zu ſchicken. Waͤre irgend etwas von Peſt auf
dem Schiffe geweſen, ſo haͤtten ja die Leute ſie nothwen-
dig in die Stadt bringen und darin verbreiten muͤſſen.
Unbillig war es aber auch. Denn im Schiffe war nie-
mand krank, und nicht die geringſte Spur oder Anzeige
von Peſt. Warum nahm man nun bloß den Paſ-
ſagieren, welche nicht mit dem Fahrzeuge von ver-
daͤchtigen Oertern gekommen waren, ihre Koffer,
daß ſie wohl verſchloſſen, (welches gegen alle in
ſolchen Faͤllen vernuͤnftige Anſtalten ſtreitet) Qua-
rantaine halten mußten. Ich konnte nicht umhin,
bey dieſer Gelegenheit die Regenten eines Staats zu be-
dauern, welche ſelbſt in ſo gefaͤhrlichen und bedenklichen
Sachen nicht ſelten auf unverſtaͤndige und unvorſichtige
Bediente ſich verlaſſen muͤſſen. Inzwiſchen hielt ich
durch den Schwediſchen Agenten bey der Admiralitaͤt dar-
um an, daß meine Koffer mir ausgeliefert werden moͤch-
ten. Dies wurde mir aber nur ſo fern bewilligt, daß
ich ſie, wenn ich vor dem Texel vorbeyreiſete, abhohlen
koͤnnte. Ich ſah mich daher genoͤthigt, den Plan mei-
ner Reiſe zu aͤndern, und hernach ganz unſchuldiger
Weiſe eine Menge Ausgaben mir gefallen zu laſſen, zur
Bezahlung theils fuͤr die Zeit, da man meine Sachen
[15]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
in Quarantaine gehalten hatte, theils fuͤr den Trans-
port vom Lande ins Schiff.
In der Zwiſchenzeit, ehe ein Schiff nach Frank-
reich abging, reiſete ich etwas in Holland umher, um
einige der Naturalien-Sammlungen, Gaͤrten und andere
Merkwuͤrdigkeiten, die man in dieſem Lande findet, in
Augenſchein zu nehmen. Unter andern reiſete ich mit
Profeſſor Burmannus nach ſeinem nicht weit von der
Stadt belegenen Landhauſe. Hier iſt ein ſchoͤner Engli-
ſcher Garten, wo die Hecken aus Taxus, Stechpalmen,
Hagbuchen und Eichen beſtehen. Unter den vielen ſelt-
nen Gewaͤchſen, die jetzt bluͤheten, waren die Ceylan-
ſche Amaryllis und die traurige Siegwurz (Gladiolus
triſtis). Unter den Baͤumen, die wie wild ſtanden,
bemerkte ich die breitblaͤttrige Kalmie (Calmia latifolia),
den Kaſtanienbaum mit Weidenblaͤttern (Aeſculus pa-
via), die erlenblaͤttrichte Clethre (Clethra alnifolia), und
die großblumige Magnolie (Magnolia grandiflora).
Von dieſem Landhauſe reiſete ich des Abends mit
einer ſogenannten Treckſchuit nach Leiden. Auf ſolchen
Poſtboͤten reiſet man in Holland durchgaͤngig, weil das
ganze Land mit Kanaͤlen durchgraben iſt. Sie ſind ſehr
lang und haben ein Obdach, ſo daß man allezeit gegen
Regen und Wind geſchuͤtzt iſt. An dem einen Ende iſt
eine Kajuͤte, die der Schiffer ſolchen, die ſchlafen oder
allein ſeyn wollen, bisweilen fuͤr Geld uͤberlaͤßt. Dieſe
Fahrzeuge gehen wie Poſtwagen an gewiſſen Tagen, zu
gewiſſen Stunden und nach gewiſſen Oertern ab, und
kommen jedesmahl zu der feſtgeſetzten Zeit an. Mitten
in der Schute iſt ein Maſt, von deſſen Spitze ein lan-
ges Tau herabgeht, woran ein Pferd geſpannt wird;
auf dieſe Art wird die Schute gezogen. Wenn der
Wind guͤnſtig iſt, ſpannt man auch Segel auf, und
[16]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
durch das Steuerruder hindert man alsdann, daß das
Boot nicht ans Ufer ſtoßt. So viel Gepaͤcke als man
mit ſich tragen kann, darf man ohne beſondre Bezah-
lung mitnehmen. Sobald das Boot in vollem Gange
iſt, bezahlt man die Fracht. Dieſe iſt ſehr maͤßig, und
die Reiſe ſelbſt ungemein bequem und gemaͤchlich.
Zu Leiden ließ ich mein erſtes Geſchaͤfft ſeyn, Herrn
Profeſſor van Royen zu beſuchen. Er zeigte mir ſeine
Capſche Kraͤuterſammlung, wie auch eine andre, die
er neulich von Ceylon bekommen hatte. Ferner beſah
ich das hieſige Naturalien-Cabinett, deſſen Aufſeher Pro-
feſſor Allemand iſt. Im botaniſchen Garten ſammelte
ich viele ſeltene Gewaͤchſe fuͤr mein Herbarium, nebſt
mancherley Saamen, Zwiebeln und Wurzeln fuͤr den
upſalaiſchen Garten. Jener ſtoͤßt auf drey Seiten ans
akademiſche Gebaͤude, die Wohnungen des Profeſſors
der Botanik und des Gaͤrtners, an das Naturalien-Ca-
binett und einige andre dahin gehoͤrige Haͤuſer; der uͤbrige
Theil iſt von einer Mauer eingeſchloſſen. Groß iſt er
eben nicht, aber ſchoͤn und nett, an raren Gewaͤchſen
reich, und in vier Abtheilungen eingetheilt. Unter an-
dern ſah ich ein Herbarium, das zum Gebrauch bey den
Vorleſungen beſtimmt war, und aus allen denjenigen
Kraͤutern beſtand, die im Garten aufgezogen waren
und gebluͤhet hatten. Dergleichen iſt immer ein Zeichen
des Eifers des Lehrers fuͤr ſeine Wiſſenſchaft, und des
Nutzens, den die Studierenden haben koͤnnen. Der
Gaͤrtner, Namens Meetburg, zeigte mir auch ver-
ſchiedene ihm gehoͤrende recht gute Sammlungen, nicht
nur von Gewaͤchſen, ſondern auch von Thieren in Wein-
geiſt und von Inſekten. Ich bekam von ihm theils durch
Tauſch, theils fuͤr Geld einige Amerikaniſche und Oſtin-
diſche Schmetterlinge.
Das
[17]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
Das akademiſche Gebaͤude iſt in mehrere Saͤle oder
Auditorien abgetheilt. Die Katheder ſind klein, und
fuͤr die Studenten ſind Bankſtuͤhle mit Schreibpulpeten
eingerichtet. Die Univerſitaͤts-Bibliothek hat gute Buͤ-
cher, iſt aber nicht ſehr groß, auch nicht praͤchtig.
Das Verzeichniß der Buͤcher iſt gedruckt. Unter dem
Bibliothekſaale iſt der anatomiſche Saal.
Bey dem gelehrten und jetzt ziemlich alten Biblio-
thekar Gronovius ſtattete ich nur einen kurzen Beſuch
ab. Er nahm mich ſehr wohl auf, und wußte den ge-
lehrten Swedenborg, der vor einigen Wochen in Hol-
land geweſen, und von da nach England gereiſet war,
nicht genug zu ruͤhmen.
Den Rathsherrn oder Schoͤpfen Gronovius be-
ſuchte ich auch. Er iſt ein ſehr artiger, aufgeweckter
und gelehrter Mann. Ungeachtet ſeiner vielen Geſchaͤffte
war er doch ſo gefaͤllig, mir alle ſeine koſtbaren Samm-
lungen von Korallen, Fiſchen, Amphibien, Inſekten,
wurmartigen Thieren, Steinen, Kraͤutern und Buͤ-
chern zu zeigen. Die Glaͤſer, worin er die Thiere in
Weingeiſt aufbewahrt, ſind mit einer Glasſcheibe zuge-
deckt, die mit rothem Kitt befeſtigt iſt. Dieſer Kitt iſt
ſo vortrefflich, daß der Weingeiſt gar nicht merklich aus-
gedunſtet war, obgleich die Glaͤſer vor ſieben Jahren ge-
fuͤllt waren. Er lehrte mich die Beſtandtheile und Ver-
fertigung deſſelben. Das Fuͤllen der Glaͤſer muß des
Sommers, nicht aber im Fruͤhlinge geſchehen, ſonſt
ſprengt die Luft die Glasſcheibe entzwey. Unter Herrn
Gronovius Mineralien fand ich viele Stufen aus
Schweden, die Herr Gother ihm geſchickt hatte. In
Anſehung der Eiſenerze aͤußerte er die Meinung: alles
dasjenige Eiſen, welches vom Magneten angezogen
wird, ſey gediegenes Eiſen.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. B
[18]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Die Haͤuſer in Leiden haben eben das Anſehen und
eben die Bauart, als die zu Amſterdam; nur daß un-
ter der Erde keine Wohnungen ſind.
Pfirſchen, Weintrauben, ſowohl rothe als gruͤne,
und Wallnuͤſſe ſind hier im Ueberfluß. Man verkauft
deren jetzt taͤglich in großer Menge.
Außerhalb der Stadt beſah ich den Garten des
weitberuͤhmten Blumiſten, van Hazen; aus welchem
jaͤhrlich eine Menge Blumenzwiebeln und Blumenſaa-
men, auch Buͤſche und Stauden, nach vielen Orten
verkauft wird.
Zu Zuydwyk, nahe bey Leiden, beſuchte ich einen
Landsmann, den Schwediſchen Gaͤrtner Wittbom. Ich
nahm die Gewaͤchſe, welche ich in Leiden fuͤr den botani-
ſchen Garten zu Upſala gekauft hatte, mit dahin, und
gab ſie ihm, daß er ſie fuͤrs erſte aufbewahren, und
kuͤnftiges Fruͤhjahr zu Waſſer nach Schweden ſchicken
moͤchte. Der große und praͤchtige Garten, dem dieſer
Mann hier vorſteht, gehoͤrt einem Grafen Hahn. Er
pranget mit Alleen, Hecken, Teichen, Grotten, Engli-
ſchen Luſthaͤuſern und Lauben, Waſſerkuͤnſten, Chineſi-
ſchen Tempeln und Bruͤcken, und dergleichen mehr. Zur
Befriedigung hat er nichts weiter noͤthig, als die tiefen
und mit Waſſer angefuͤllten Graͤben, welche hier uͤber-
haupt die Grenze zwiſchen Landguͤtern, Feldern, Gaͤr-
ten und Wieſen ausmachen, und wo nicht einmahl das
auf der Weide gehende Vieh hinuͤberſchwimmt.
Nach Haag reiſete ich zu Fuß. Der Weg iſt ſan-
dig und unbequem, aber anmuthig. Zu beyden Sei-
ten ſind große Graͤben, die mit Baͤumen oder beſchnit-
tenem Gebuͤſche beſetzt ſind. Rund um ſich ſieht man
die ſchoͤnſten Hoͤfe und Landhaͤuſer. Am Wege bemerkte
ich die weiße Eſpe, die Erle, das beſemartige Pfriem-
[19]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
kraut (Spartium ſcopavium), den deutſchen Geniſte,
das rohrartige Glanzgras (Phalaris arundinacea) und
andre Gewaͤchſe. In den Wirthshaͤuſern, deren man
auf dieſer Straße viele antrifft, findet man zur Erfri-
ſchung ſtarkes Bier, Wein und Meet. Das Prinzliche
Schloß vor Haag, welches einen ſchoͤnen Garten hat,
ging ich vorbey. Doch beſah ich, ehe ich zur Stadt
kam, den mediciniſchen Garten, welcher ziemlich klein
iſt, aber gleichwohl einige ungemein ſeltne Gewaͤchſe
enthielt.
Haag iſt eine huͤbſche Stadt. Die Haͤuſer ſind
viel breiter, als man ſie in Holland gemeiniglich findet,
und kommen den Haͤuſern zu Stockholm und Paris
nahe. Die Daͤcher gehen nach vorn, und haben kei-
nen Giebel. Die Maͤrkte ſind außerordentlich groß und
mit Baͤumen bepflanzt.
Zu Haag logirte ich bey einem Schweden aus Cal-
mar. In ſeinem Hauſe ſah ich einen Schwediſchen Ka-
chelofen. In ganz Holland bedient man ſich, wie ich
ſchon bemerkt habe, der Kamine, die man mit Torf heitzt.
Dieſe ſind auch nicht ſo eingerichtet, daß man die Roͤhre
mit einer eiſernen Platte zuſchieben oder zudecken kann,
damit die Waͤrme nicht herausgehe. Die Einwohner
glauben, ſolche Kamine, ſo wie auch Oefen, wuͤrden in
einem ſo feuchten Lande mehr nachtheilig als muͤtzlich ſeyn,
und bilden ſich ein, ſie moͤchten dadurch noch mehr
Schnupfen, Fluͤſſe und Gicht bekommen. Die wahre
Urſache aber ſcheint wohl die zu ſeyn, daß es an Holz
fehlt, oder dieſes doch wenigſtens im ganzen Lande hoͤchſt
theuer iſt, und Oefen ſich nicht recht gut mit Torf heitzen
laſſen. Der Torf wird hier bald tonnenweiſe, bald nach
der Zahl verkauft. Er dunſtet auf eine unangenehme
Art, beynahe wie Fett, ſo daß jemand, der deſſen nicht
B 2
[20]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
gewohnt iſt, Kopfweh und Uebelkeit davon bekommt.
Er wird beym Ausgraben in laͤnglichen Stuͤcken geſtochen,
wird langſam zu Kohlen und brennt nicht in Flammen,
giebt aber viel Hitze. Anfangs zuͤndet man ihn mit
kleinen Sticken an.
Von Haag begab ich mich wieder nach Amſterdam.
So oft die Schute unterwegs bey einem Wirthshauſe
ſtille hielt, kamen Sellerweiber und boten Brot, Fi-
ſche und andre Waaren zu Kauf. Der Weg zwiſchen
den beyden Staͤdten iſt uͤbrigens unbeſchreiblich ange-
nehm, beſonders wegen der vielen Hoͤfe, die zu beyden
Seiten des Kanals bey einander wie in einer Reihe lie-
gen, und mit den ſchoͤnſten Gaͤrten und Schloͤſſern pran-
gen. Die Waͤnde der Haͤuſer ſind manchmahl mit Epheu
ganz bedeckt, und den Buchsbaum bildet die Scheere in
tauſend verſchiedne Geſtalten von Thieren, Pyramiden
und Hecken mancher Art.
Waͤhrend der Zeit, da ich auf den Abgang eines
nach Rouen beſtimmten Schiffes wartete, beſuchte ich
taͤglich Profeſſor Burmannus, und benutzte deſſen
Sammlungen und Bibliothek. Jetzt ſah ich den Vor-
theil ein, welchen ein Lehrer einer ſolchen Wiſſenſchaft
davon hat, wenn er ſeinen Buͤchervorrath ſo nahe zur
Hand hat, jeden Augenblick ohne die mindeſte Unbe-
quemlichkeit dahin gehen, ſie nach der Norm, welche
die verſchiednen Zweige der Wiſſenſchaft ſelbſt vorſchrei-
ben, ordnen, und mit den Beſchreibungen und Abbil-
dungen in den Buͤchern ſeine ebenfalls in der Naͤhe be-
findlichen Naturalien-Sammlungen vergleichen kann,
zumahl wenn der Fall eintritt, daß er nicht etwa ein oder
anderes Buch, ſondern bisweilen wohl hundert Schrift-
ſteller zugleich nachſchlagen und vergleichen muß. Gro-
ße oͤffentliche Buͤcherſaͤle, die nur an gewiſſen Tagen ge-
[21]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
oͤffnet werden, oft einem einzigen Bibliothekar, der un-
moͤglich ſich fuͤr alle Faͤcher der Gelehrſamkeit gleich in-
tereſſiren kann, zur Aufſicht uͤbergeben ſind, nicht im-
mer gedruckte Katalogen haben, wo man nicht allezeit
ſo viel Buͤcher als man gebraucht, abhohlen laſſen darf,
und wo dies Abhohlen denn doch auch niemahls ohne Um-
ſtaͤnde und Belaͤſtigung geſchehen kann, ſind daher in je-
ner Hinſicht allezeit weniger brauchbar. Ein Lehrer, der
dieſe Bequemlichkeit und dieſen vorzuͤglichen Nutzen von
Buͤchern haben will, kann deswegen nicht fuͤglich um-
hin, ſich ſelbſt mit einer Bibliothek zu verſehen, und
was man von der Einrichtung und den Vortheilen gro-
ßer und weitlaͤuftiger Buͤcherſammlungen ruͤhmt, wird
durch die Sache ſelbſt widerlegt. Unter den vielen ra-
ren Buͤchern, die ich hier antraf, waren die rumphi-
ſchen mit Farben illuminirten Abbildungen von Sc[h]ne-
cken und Fiſchen, die Rumphius Sohn auf der Inſel
Amboine mit eigner Hand verfertigt hat; Petiverius Ori-
ginal-Abbildungen von Kraͤutern; die merianſchen Ab-
bildungen von Schmetterlingen und die rumphiſchen von
amboiniſchen Gewaͤchſen, beyde illuminirt. Unter den
mehreren Herbarien aus Oſt- und Weſtindien, und
Afrika, welche ich genau durchſah und unterſuchte, wa-
ren mir beſonders Herrmanns und Oldenlands Samm-
lungen merkwuͤrdig: ſie waren wie Buͤcher eingeheftet.
Als Profeſſor Burmannus mich dabey antraf, daß ich
bey dieſer Gelegenheit verſchiedne Kraͤuter von den weit-
laͤuftigſten Geſchlechtern, als der Ixie, der Heide, und
der Witſche (Aſpalathus), unterſuchte, fuͤr mich nach
dem Syſtem ordnete, und beſchrieb, aͤußerte er, daß er
ſich bemuͤhen wolle, mir Gelegenheit zu verſchaffen,
entweder nach Surinam, oder dem Vorgebirge der gu-
ten Hoffnung zu reiſen, wozu ich das Geld aus Hol-
[22]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
land erhalten ſolle, ſo daß mir die Reiſe nichts koſten
werde. Fuͤr dieſen ſich ſo ſehr auszeichnenden Beweis
ſeines Wohlwollens gegen mich bezeugte ich ihm meine
innige Dankbarkeit, und erklaͤrte, ich ſey bereit, eine
ſolche Reiſe zu unternehmen, und einige Jahre darauf
zu verwenden. Zugleich gab ich ihm meine Verwunde-
rung zu erkennen, daß er in dieſem Stuͤcke ſo viel Zu-
trauen in einen Fremden ſetzen koͤnne, den er nur ſeit ei-
nigen Tagen etwas kenne. Er antwortete mir, er habe
ſchon ſeit der Zeit, da er ſelbſt einen Sommer in Schwe-
den auf der Univerſitaͤt zu Upſala zugebracht, die Schwe-
diſche Nation ſehr lieb gewonnen, und mir ſey er beſon-
ders zugethan, da er wahrgenommen, mit wie vieler
Fertigkeit ich eine Menge ſeiner, von ihm ſelbſt bis da-
hin nicht genau gekannten Naturalien geordnet, mit ih-
ren Nahmen belegt, und beſchrieben habe, woruͤber er
mir in ſehr ſchmeichelhaften Ausdruͤcken viel Lob beylegte,
das ich zu verdienen zu ſuchen mir vornahm. Zugleich
beklagte er ſich daruͤber, daß ſeine Profeſſor-Beſoldung ſo
gering ſey, daß er nur ſeine jaͤhrliche Hausmiethe davon
beſtreiten koͤnne; er faͤnde ſich daher genoͤthigt, ſich durch
eine ſo ſehr als moͤglich ausgebreitete Ausuͤbung der Arz-
neywiſſenſchaft das Nothwendige zu erwerben; dies habe
denn freylich die ſehr unangenehme Folge fuͤr ihn, daß
es ihn von demjenigen Studium abziehe, welches ſeine
Lieblingsbeſchaͤfftigung ausmache und von Amts wegen
ſeine erſte Pflicht ſey. Hier konnte ich nicht anders,
als die Profeſſoren auf den Schwediſchen Univerſitaͤten
gluͤcklich preiſen, die nicht noͤthig haben, einen Theil ih-
rer Zeit dem Erwerbe ihres Unterhalts zu widmen, und
ſich dadurch von ihrer Hauptwiſſenſchaft und dem Unter-
richte der Studierenden zu entfernen.
[23]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
Nunmehr nahm ich auch den Amſterdamer medici-
niſchen Garten, wie auch die verſchiednen Hoſpitaͤler,
welche theils in, theils außer der Stadt ſtehen, in Au-
genſchein. Der botaniſche Garten liegt ſeitwaͤrts von der
Stadt, iſt groß und ſchoͤn, und hat mehrere Orangerien
und Treibhaͤuſer, nebſt einer Menge von den ſogenann-
ten ſucculenten Gewaͤchſen, auch viele Capſche Pflan-
zen. Die große Amerikaniſche Aloe ſtand in voller Bluͤ-
the, und war alle Tage fuͤr Geld zu ſehen. Zum Vor-
ſteher des Noſocomiums, das in der Stadt angelegt iſt,
war Herrn Burmannus Sohn bereits an des Vaters
Stelle ernannt: dieſer letztere bedarf auch ſeines hohen
Alters wegen wohl etwas Freyheit von Geſchaͤften. In
dem Hauſe werden ſieben bis achthundert Kranke unent-
geldlich verſorgt. Von den Weibsleuten liegen meiſten-
theils zwey in Einem Bette, und jeder Kranke hat ſei-
ne Nummer. Beym Morgenbeſuche wird die Nummer
eines jeden, und die Arzney fuͤr dieſen Tag, auf einer
Tafel angeſchrieben. Die Apotheke iſt dicht dabey.
Das ſogenannte Peſthaus ſteht eine Strecke außerhalb
der Stadt.
Die Luft war jetzt in dieſem niedrigen Lande ſehr
feucht und ungeſund, und ſah ganz dick, wie die Luft in
einer Badſtube aus. Das Haar konnte man nicht oh-
ne Nadeln friſirt halten, und kein Kraut anders als mit
vieler Muͤhe am Feuer trocknen. Es regnete haͤufig,
aber faſt immer war es nur ein anhaltender Staub- oder
Nebelregen. Nicht ſelten ſtieg auch ein ſo dicker Nebel
auf, daß viele, die ſich nicht vorſahen, in die Graͤben
fielen, welches ſich bey ſolcher Gelegenheit in Amſter-
dam oft zutraͤgt. Manchmahl ſieht man alsdann auch
dicken Nebel ploͤtzlich den Himmel uͤberziehen, und wenn
dieſer nach kurzer Zeit allmaͤhlig niederfaͤllt, erblickt man
[24]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
von den Leuten auf der Straße anfangs nur den Kopf,
hernach den halben Menſchen, und ſo weiter: eine gar
auffallende Erſcheinung. Jetzt fingen auch Flußfieber
an, ſich zu zeigen und ziemlich allgemein zu werden. Die
Frauensperſonen von geringerm Stande gebrauchen in
der kalten Jahrszeit Torfkohlen in einem Feuerbecken,
das in einem mit verſchiednen Loͤchern verſehenen Kaſten
ſteht, welchen ſie unter den Rock ſetzen, um ſich zu
waͤrmen.
Da die Hollaͤnder uͤberhaupt viel Tobak rauchen,
ſieht man auch in den meiſten, beynahe allen, Haͤuſern
auf dem Tiſche ein kupfernes Gefaͤß mit Torfkohlen,
um die Pfeife anzuzuͤnden, und ein Spuckgeſchirr mit
breitem Rande und enger Oeffnung, um hinein zu
ſpeyen, damit der Fußboden rein bleibe. — Da man
in Holland eben nicht viel Bier trinkt, bedient man ſich
mehr des Kaffees und Thees, um den Durſt zu loͤſchen.
Der Kaffee wird gewoͤhnlich des Morgens mit Milch
und Zuckerkandi getrunken, von welchem letztern man
ein Stuͤck in den Mund nimmt. Die Bohnen werden
nur wenig gebrannt und der Kaffee ſchwach getrunken,
viele Taſſen jedesmahl, und oft ohne Milch und Zucker.
Thee trinkt man hauptſaͤchlich des Nachmittags, biswei-
len mit, bisweilen ohne Milch und Zuckerkandi, alle-
zeit aber im Ueberfluß und viele Taſſen nach einander.
Am Bord wurde manchmahl Milch mit Waſſer ver-
miſcht auf Thee oder Salbeyblaͤtter gegoſſen, und des
Abends getrunken. Suppen ißt man ſelten, ſon-
dern der Hollaͤnder lebt mehr von ſteifen Gerichten,
oder auch von Gartengewaͤchſen, Fiſchen und Fleiſch.
Fiſche ſind faſt das gewoͤhnlichſte Eſſen, und zugleich
das wohlfeilſte. Kartoffeln und Fiſche ſind die vor-
nehmſte Nahrung der Aermeren. Hechte, Barße
[25]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
und aͤhnliche Fiſche ſind gleichwohl rar und theuer.
Fleiſchſpeiſen ißt man nicht ſo haͤufig, und ſie ſind ge-
meiniglich auch theurer. Geringere Leute pflegen bey jeder
Mahlzeit Butterbrot von zweyerley Brot mit Kaͤſe zu
eſſen. Geſalzne Speiſen ißt man ſelten.
Die Frauensperſonen tragen durchgaͤngig kleine
Fiſchbeinroͤcke, und viele haben einen Beutel mit einem
großen ſilbernen Schloſſe an der Seite hangen.
Den 26. October begab ich mich an Bord eines
nach Rouen beſtimmten Fahrzeuges. So lange ich im
Hafen lag, ſah ich taͤglich Milch, Gartengewaͤchſe,
Obſt und andre Victualien zur Stadt bringen. Nach
einigen Tagen ſegelte ich von Amſterdam ab. Beym
Texel bekam ich zu Ausgell, wo alle nach Amſterdam
kommende ſowohl, als alle von da abgehende Schiffe ſich
klariren muͤſſen, meine beyden Koffer endlich wieder,
die auf einem der hier zu beyden Seiten liegenden Qua-
rantaine-Schiffen, verſchiedne Wochen hindurch in ſehr
guter, aber eben ſo unnoͤthiger, Verwahrung geweſen
waren. Um ſie abzuhohlen, bediente ich mich eines
hier gewoͤhnlichen Fuhrwerks, das den daͤniſchen Wa-
gen, die vorn eine Kruͤmmung haben, voͤllig aͤhnlich iſt.
Die Inſel iſt rings mit einem Walle oder Damme um-
geben, der aus Tang beſteht, welchen man auf einan-
der gepackt hat. Der Weg geht am Strande hin, und
iſt erhoͤhet, beſteht aber meiſtens aus Lehmerde, weswegen
er bey jetziger Jahrszeit, da es viel geregnet hatte, ziem-
lich tief und weich war.
Die Inſel Texel, nebſt einem großen Theile von
Holland, liegt, wie man deutlich ſehen kann, niedriger
als die Oberflaͤche des Meers. Daß dieſes nicht ein-
dringen und das Land uͤberſchwemmen kann, hindern die
koſtbaren aufgeworfnen Teiche oder Waͤlle, zu deren Un-
[26]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
terhaltung jaͤhrlich unglaublich große Summen Geldes
angewendet werden. Das Waſſer verſchafft gleichwohl
den Niederlaͤndern unbeſchreibliche Vortheile. Nur ei-
niger zu erwaͤhnen: die Schifffahrt, ſowohl die binnen
Landes als die auswaͤrtige, macht es leicht und bequem;
die Aenger und Wieſen macht es uͤber alle Vorſtellung
fruchtbar und grasreich, und eben hierin liegt der Grund
des ganzen Reichthums und Wohlſtandes dieſes Landes.
Dagegen iſt es aber auch das Waſſer, welches ſo ſtar-
ke und koſtbare Vormauern und Schleuſen erfordert,
oft bey ſtarkem Sturme aus Nord-Weſt durchbricht, Ue-
berſchwemmungen verurſacht, nicht nur das platte Land,
ſondern auch die Staͤdte zum Theil unter Waſſer ſetzt,
und die Einwohner nicht ſelten mit Furcht und Schre-
cken erfuͤllt. Das Erdreich iſt ſelten hart und feſt, ſon-
dern locker und ſumpfig. Mit Recht kann man daher
ſagen, daß kaum irgend ein Land an ſich ſelbſt und von
Natur unreiner iſt, aber durch Kunſt und uͤbertriebne
Sorgfalt hinwiederum keines an Sauberkeit und Net-
tigkeit ihm gleich kommt.
Die Nacht brachte ich in einem Dorfe zu, wel-
chem gegenuͤber unſer Schiff geankert hatte. Bey mei-
nem Wirthe aß ich Miesmuſcheln und Auſtern, der-
gleichen ich zu Amſterdam ſehr haͤufig zu Kauf hatte
bringen geſehen, nicht nur roh, ſondern auch gekocht
mit Eſſig, Oehl und Pfeffer. Wenn die Miesmuſchel,
die man an den hieſigen, ſo wie an andern Kuͤſten in gro-
ßer Menge findet, in Waſſer gekocht wird, ſo daß die
Schale ſich oͤffnet, und wenn man ſie alsdann mit ſuͤß-
ſaurer Bruͤhe iſſet, ſo iſt ſie ſowohl nahrhaft als wohl-
ſchmeckend. So lange das Fahrzeug vor Anker lag,
gingen die Matroſen des Abends ans Land, und hohlten
ganze Eimer voll ſolcher Muſcheln. Spaniſche Zwie-
[27]Aufenthalt und Reiſen in Holland.
beln, abgeſchaͤlt und gekocht, aß das Schiffsvolk bis-
weilen anſtatt Brots zu Erbſen oder andern Gerichten.
So ſauber und rein dieſe Leute auch ſonſt auf ihren
Schiffen alles halten, ſind ſie doch ſehr unreinlich beym
Eſſen. Sie langen mit den Fingern in die Schuͤſſel,
und ihre Finger ſind natuͤrlicher Weiſe nicht ſehr rein,
ſondern im Gegentheil vom Handthieren des Tauwerks ſo
mit Theer beſchmutzt, daß ſie gegen Faͤulniß aller Art
ſehr gut verwahrt zu ſeyn ſcheinen.
Einmahl war es, waͤhrend wir noch vor Anker lagen,
des Abends ganz ſtill, als wir ploͤtzlich das Waſſer in der
offnen See rauſchen hoͤrten, und gegen das Land empor
ſteigen ſahen. Das Waſſer glaͤnzte zugleich wie Feuer,
oder vielmehr wie Mondſchein, aber doch nur, wenn es
ſich bewegte, oder man etwas hinein warf, oder auch
ruderte: ein ganz vortrefflicher Anblick.
Dritter Abſchnitt.
Reiſe von Holland nach Paris
vom 26. October bis den 1. December 1770.
Zwiſchen Calais und Dover ſahen wir an der Engli-
ſchen Kuͤſte zwey Feuerbaken. Seit unſrer Abfahrt von
Texel hatten wir beſtaͤndig Sturm gehabt, und dieſer
wurde jetzt ſo ſtark, daß er verſchiedne Segel zerriß.
Zugleich regnete es ſehr heftig. Endlich legte ſich der
Ungeſtuͤm und wir ſegelten mit gutem Winde an der Kuͤ-
ſte von Frankreich in der Naͤhe eines Steinwurfs hin.
Das Ufer iſt ſehr ſteil, ſpringt oft in Landſpitzen und
Vorgebirgen vor, und ſcheint aus roth geflammtem Kalk
zu beſtehen.
[28]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Den 19. November 1770 kamen wir vor Havre
de Grace an. In dem großen Meerbuſen, welchen das
Land hier bildet, lagen verſchiedne Schiffe. Unſern
Matroſen hatte das ſalzige Waſſer, welches uͤber das
Schiff geſchlagen war, naſſe Fuͤße verurſacht; und jetzt
fingen dieſe an zu ſchwellen, und an verſchiednen Stel-
len große Blaſen zu bekommen. Das einzige Heilmit-
tel, welches ſie gegen dieſe Unbequemlichkeiten gebrauch-
ten, beſtand darin, daß ſie die Fuͤße mit Branntwein
wuſchen. Der Schiffer mußte ſich jetzt nach der Stadt
begeben, um einen ſogenannten Geſundheitsbrief, und
einen Lootſen zu bekommen.
Havre de Grace liegt am Abhange einer Anhoͤhe
zwiſchen Huͤgeln. Die Stadt iſt ſchoͤn, aber nicht ſehr
groß; ſie hat eine gute Lage und einen vortrefflichen Ha-
fen, der gegenwaͤrtig ungefaͤhr hundert und funfzig
Fahrzeuge innerhalb der Mauern enthielt. Außerhalb
lagen einige Hamburgiſche Schiffe, die Quarantaine
hielten.
Von Havre de Grace ſegelten wir bald ab, ohne
an Land geſtiegen zu ſeyn, und fuhren nach Quilleboeuf,
wo die Seine ſich ins Meer ergießt. Hier kamen die
Zollbedienten an Bord, um das Schiff zu verſiegeln;
auch kam ein Lootſe, um uns nach Rouen zu fuͤhren.
Hier lagen zwey in den Strom verſenkte Schiffe, wovon
nur die Spitzen der Maſte ſichtbar waren. Das Waſſer
ſieht hier von der Kreide ganz weißlich aus. — Gegen
Abend warfen wir die Anker bey einem Dorfe, Vilcair,
weil uns der Strom jetzt entgegen war, und der Wind
ſich gelegt hatte. Von der Muͤndung der in vielen
Buchten fortfließenden Seine bis nach Rouen zaͤhlt man
dreißig Franzoͤſiſche Meilen, da eben dieſe Entfernung
zu Lande nur zehn betraͤgt. Ich ging hier mit dem
[29]Reiſe von Holland nach Paris.
Steuermanne an Land, um mich ein wenig umzuſehen.
Am Strande machte der Lehm den Weg ſehr ſchluͤpfrig
und weich, und waͤhrend der Ebbe wurde er tief hinein
von Waſſer entbloͤßt.
Die Bauern wohnen hier dicht bey einander, und
ihre Hoͤfe und Laͤndereyen ſind durch weiter nichts, als le-
bendige Hecken, von Aepfel- und Birnbaͤumen, Weiß-
dorn, Spillbaͤumen (Evonymus) und Weiden getrennt,
zwiſchen denen Roſenſtraͤuche und Brombeerſtauden ſte-
hen; und an den Baͤumen ſchlaͤngelt ſich Epheu hinauf.
Als einem Schweden mußte mir hier der Wunſch aufſtei-
gen, daß man in meinem Vaterlande doch auch einmahl
ſo weit kommen moͤchte, daß lebendige Hecken die Felder
und Wieſen des Landmanns einſchloͤſſen, daß die aus
Pfaͤhlen und Latten beſtehenden Befriedigungen, die man
in unzaͤhliger Menge antrifft, und wodurch nicht nur die
Waͤlder ſehr ruinirt werden, ſondern die auch koſtbar ſind,
verbannet und unſichtbar wuͤrden, und daß man Hirten
annaͤhme, um die Heerden zu huͤten, um deren willen
man ſo theure und unglaublich viele Schutzwehren an-
legt und unterhaͤlt. Wuͤrde alsdann zugleich die Baum-
zucht aufgemuntert und geſchuͤtzt, ſo duͤrfte das Land bin-
nen kurzem zu einem irdiſchen Paradieſe werden koͤn-
nen. — Wo ich jetzt war, ſtehen die Obſtbaͤume in or-
dentlichen Reihen. Ein Stuͤbchen Cider koſtet hier nicht
mehr, als drey Sous, und die Aepfel ſind hoͤchſt wohl-
feil. Den Cider macht man hier auf die Art, daß die
Aepfel in einer runden ausgehoͤhlten Maſchine vermittelſt
eines laͤnglich runden Holzes, das darin herumgedrehet
wird, zerquetſcht werden, dieſer Brey alsdann auf eine
Strohhuͤrde geſchuͤttet und gepreſſet, und der herabflie-
ßende Saft in einem Gefaͤße geſammelt wird. — Die
Bauerhaͤuſer beſtehen aus Fachwerk und Lehmerde. Das
[30]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Landvolk traͤgt hoͤlzerne Schuh, worin Socken oder
Stroh liegt. — Die wilden Gewaͤchſe, welche ich hier an-
traf, waren gemeine Moͤhren, Masliebe oder Tauſend-
ſchoͤn, Kreutzpflanze (Senecio), Muͤnze, Betonien
(Betonica), Miſtel; um die Baͤume fand ich viel Epheu.
Als wir gegen Abend in eine ſolche Gegend gekom-
men waren, wo der Strom von hohen Huͤgeln umgeben
wird, und der Wind nicht ſtark wehen kann, wurde das
Schiff von vier, auch wohl mehr, Pferden an einem
Taue den Strom hinaufgezogen. Die Pferde werden
von den Bauern zu dieſem Gebrauche gem[i]ethet, und die-
ſe geben ſie auch gern dazu her. Als wir Rouen naͤher
kamen, ſchienen verſchiedne Inſeln ſich im Strome zu
bilden. Den 25. November langten wir in dieſer Stadt
endlich an.
Rouen iſt eine ziemlich große und befeſtigte Stadt.
Die Haͤuſer ſind theils ſteinern, theils von Fachwerk.
Sie hat ein ſehr langes und großes Kloſter. Die Schiffe
legen dicht bey der Bruͤcke an, gerade vor dem Markte
und der Boͤrſe. Dieſe Boͤrſe iſt ein unbedeckter Platz und
nur mit einem eiſernen Gitter umgeben. Sie wird nur
bey ſchoͤnem Wetter gebraucht, und dient auch oft zum
gewoͤhnlichen Spatziergange. Eine andre Boͤrſe liegt tie-
fer in der Stadt. Die ganze Straße laͤngs dem Hafen
iſt voll Buden, worin die Schiffsbeſucher ſich aufhalten;
und vom Hafen in die Stadt geht man durch Thore,
die des Abends um neun Uhr geſchloſſen werden. Die
Haͤuſer ſind hier haͤufig mit Schiefer gedeckt. Die
Pferde ſind klein, und haben einen uͤbeln Gang. Auch
Frauensperſonen reiten, und oft ſitzt eine hintenauf.
Waaren und Laſten werden auf großen und unbehuͤlf-
lichen Karren gefahren, und man ſpannt vier bis fuͤnf
Pferde hinter einander vor, die bisweilen großes und
[31]Reiſe von Holland nach Paris.
ſchwerfaͤlliges Sielenzeug haben, bisweilen aber auch mit
Franſen und Schellen geſchmuͤckt ſind. Eſel werden ſehr
haͤufig gebraucht, und auch von dieſen Thieren ſieht man
manchmahl mehrere in einer Reihe vor die großen Karren
geſpannt, und mit Schellen behangen, die eine unangeneh-
me Muſik machen. — Es war zwar noch eben nicht
kalt, aber die Leute trugen doch ſchon Weſten mit Pelz-
werk gefuͤttert. In den Haͤuſern bedient man ſich zwar
durchgaͤngig der Oefen, aber von beſondrer Art. Sie
ſind entweder von Eiſen oder von Porzellan, und dabey
klein, haben eine lange eiſerne Roͤhre, aber keine eiſerne
Klappe oder Schieber, um ſie auf- und zuzumachen.
Gewoͤhnlich ſtehen ſie mitten im Zimmer, und werden
im Fruͤhlinge aus der Stube genommen. Man heitzt ſie
mit kleinen Splittern; ſie erwaͤrmen das Zimmer inner-
halb einer Viertelſtunde, werden aber auch bald wieder
kalt. Zu dem erſtern traͤgt die eiſerne Roͤhre viel bey,
die bey ſtarkem Einheitzen gluͤhend wird. — Die Kauf-
mannsladen und verſchiedne Werkſtaͤtte ſind offen ange-
legt, und allezeit im unterſten Stockwerke. Buͤrger und
Bauern ohne Unterſchied die Sprache, welche anderwaͤrts
die Sprache der Vornehmen iſt, reden zu hoͤren, konnte
nicht anders als mir ſehr auffallen; Dienſtmaͤgde aber
wie Damen, mit Robesrondes und Kopfzeugen, zu-
gleich aber mit hoͤlzernen Schuhen gehen zu ſehen, war
mir hoͤchſt laͤcherlich. — An verſchiednen Stellen in der
Stadt ſind Springbrunnen angelegt, zur Bequemlichkeit
der Einwohner beym Waſſerhohlen. — Unter den Con-
trabande Waaren iſt hier der Tobak am ſchaͤrfſten, und
zwar bey Galeerenſtrafe, verboten. Aller Tobak, den
wir am Bord hatten, wurde ſogleich aufgeſchrieben, und
auf das ſorgfaͤltigſte verwahrt, und dem Schiffsvolke
(man weiß, dieſe Leute koͤnnen ohne jenes widrige Kraut
[32]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
nicht leben, wurde woͤchentlich nur ſo viel davon ausgege-
ben, als zum Gebrauch hinreichte. — Eine Menge
Kaſtanien hat man hier; an allen Ecken werden ſie feil ge-
boten, und ſie ſind zugleich ſehr groß. Man bratet
ſie in einer Pfanne, und iſſet ſie ſo, bisweilen auch wohl
mit friſcher Butter.
Zu Rouen beſuchte ich Herrn Pinard, Profeſſor
der Botanik, und beſah ſein Herbarium, das in Buͤndel ge-
bunden und in Repoſitorien aufgeſtellt iſt. Der botani-
ſche Garten liegt am Ende der Stadt, iſt nicht ſehr groß,
hat aber in der Mitte einen runden Teich, und iſt in zwey
Quartiere abgetheilt. Auch enthaͤlt er eine Orangerie,
die aus drey Zimmern beſteht, aber nicht vorzuͤglich iſt.
Die Reiſe von Rouen nach Paris machte ich in der
gewoͤhnlichen Poſtkutſche, und ich mußte an das Poſtamt
mit Inbegriff der Fracht fuͤr meine Sachen einen Louisd’or
bezahlen. Ich war diesmahl der einzige Paſſagier. Eine
ſolche Poſtkutſche iſt indeſſen ſo groß, daß zehn Perſonen
darin Platz haben, auch wird ſie hinten und vorn mit ei-
ner Menge Koffer und andrer Sachen bepackt. Dies-
mahl waren acht Pferde vorgeſpannt. Wenn der Weg
einen Berg hinabging, wurde eins von den Hinterraͤdern
mit einer eiſernen Kette geſperret. Manchmahl rauchten
die Raͤder von der ſtarken Friction. — Die Landſtraße,
welche durchgaͤngig ſehr breit iſt, ſieht man zu beiden Sei-
ten mit Baͤumen bepflanzt. An allen Bergen liegen blaue
und gelbe Feuerſteine in Menge. Die Haͤuſer auf dieſem
Wege ſind auch von ſolchen Feuerſteinen und Kalk aufge-
fuͤhrt. Ich kam durch verſchiedne Staͤdte, von denen
einige befeſtigt ſind. Die Meilenzeiger ſind von Stein,
und mit einem Kreutze bezeichnet; die Viertel-Meilen-
zeiger aber nur von Holz mit einer kupfernen Platte.
Bey den Kloͤſtern trifft man Bettler, ſowohl Erwachſene
als
[33]Reiſe von Holland nach Paris.
als Kinder haͤufig an: ſie beten das Vater Unſer Latei-
niſch. Hie und da ſieht man Hecken von Brombeer;
ſolche Hecken ſind zwar dornig, aber nicht dicht. Vor
den Wirthshaͤuſern wird den Paſſagieren manchmahl ein
Stuhl hingeſetzt, um ihnen das Ausſteigen aus dem Wa-
gen bequem zu machen. Man kann in den Wirthshaͤu-
ſern nach Belieben entweder mit mehrern Gaͤſten zuſammen
an einem Tiſche ſpeiſen, oder auch ſich in der Kuͤche ſelbſt
die Gerichte ausſuchen, die man haben will; in dieſem
Falle bekommt man einen beſonders gedeckten kleinen Tiſch.
Trinkgeld muß man allenthalben reichlich bezahlen, be-
ſonders dafuͤr, daß man des Morgens, wenn die Poſt-
kutſche abgehen will, geweckt wird: man nennt dies Trink-
geld quelque choſe pour le garçon. — Auf dieſer gan-
zen Reiſe empfand ich viel Kaͤlte: zugleich war faſt be-
ſtaͤndig Nebel und Reif; auch ſah man ſchon Eis auf
dem Waſſer.
Vierter Abſchnitt
Aufenthalt in Paris
vom 1. December 1770 bis den 12. Julius 1771.
Den 1. December 1770 kam ich zu Paris an. Mein
Gepaͤcke wurde im Poſthauſe viſitirt. Ich miethete mir
in der Nachbarſchaft ein Zimmer, um meine Saͤchen da-
hin bringen zu laſſen, bis ich in mehrerer Naͤhe der
Hoſpitaͤler und Akademien ein Logis tiefer in der Stadt
bekommen wuͤrde. Dies waͤhrte auch nicht lange. Denn
da ich von Aſſeſſor Ribe Addreſſe an ſeinen vorigen
Wirth, Namens Berth, hatte, ſuchte ich dieſen ſogleich
auf, bekam Zimmer in ſeinem Hauſe, und ließ auch
meine Koffer alsbald dahin bringen. Meine Ankunft
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. C
[34]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
und meinen Nahmen meldete er unverzuͤglich dem Polizey-
Lieutenant.
Unter meinen Landsleuten beſuchte ich darauf zuerſt
Herrn Heſſeen, welcher ſo gefaͤllig war, mir manche noͤthi-
ge und nuͤtzliche Nachrichten zu geben. Noch am ſelbigen
Tage verfuͤgte ich mich nach dem ſchoͤnen und vortrefflichen
Hoſpitale, la Charité. Bald begab ich mich auch in Ge-
ſellſchaft meines Wirths nach dem großen Hoſpitale, Ho-
tel-Dieu. Dies iſt der Ort, den ich hernach taͤglich be-
ſuchte, und wo man allezeit Gelegenheit hat, etwas zu
lernen, es betreffe die vielfaͤltigen chirurgiſchen Opera-
tionen, welche da vorgenommen werden, oder die Pflege
und Wartung der Kranken. Nicht lange nach meiner
Ankunft ſtiftete ich auch mit zwey andern Landsleuten,
die ſich hier aufhielten, um ſich in der Wundarzneykunſt
zu vervollkommnen, Bekanntſchaft: mit den Herren Ru-
dolph und Luͤcke. Da wir eine und dieſelbe Wiſſenſchaft
trieben, war dieſer Umgang fuͤr mich ſo viel nuͤtzlicher.
Denn weil ſie ſchon einige Zeit in Paris geweſen waren,
erhielt ich von ihnen ohne Muͤhe viele Nachrichten und
Addreſſen. Sonſt kann ein Fremder in dieſer weitlaͤuf-
tigen Stadt lange verweilen, ehe er nach und nach alle
Gelegenheiten, die man hier findet, um in ſeiner Wiſſen-
ſchaft weiter fortzuſchreiten, kennen und ſchaͤtzen lernt.
Sie erboten ſich, mich nach den beyden oben genannten
Hoſpitaͤlern zu begleiten. Als ſie hoͤrten, ich ſey ſchon da
geweſen, bezeigten ſie ihre Verwunderung daruͤber, daß
ich, nach einer Anweſenheit von kaum vier und zwanzig
Stunden, nicht nur dieſe Hoſpitaͤler, ſondern auch man-
ches andre ſchon geſehen hatte. Sie ſchloſſen hieraus,
ich wuͤrde nicht ermangeln, fuͤr das Geld, welches ich in
Paris zu verzehren gedaͤchte, mir den moͤglichſten Vor-
theil in meinem Fache zu verſchaffen.
[35]Aufenthalt in Paris.
Im Hotel-Dieu hatte ich bald Gelegenheit, den
feyerlichen Aufzug anzuſehen, welcher gewoͤhnlich am er-
ſten Sonntage jedes Monaths angeſtellt wird. Die
Nonnen ſowohl als die Moͤnche, welche die Kranken hier
bedienen, trugen bey dieſer Feſtlichkeit weiße Kleider
und ſchwarze Maͤntel, und in den Haͤnden große Wachs-
lichte. Vor dem Altare ſtanden drey junge Maͤochen,
die ſehr ſchoͤn ſangen. Nachher habe ich dies in mehrern
Kirchen bemerkt Die Notredame-Kirche beſah ich, nebſt
andern Kirchen, auch in den erſten Tagen; ſie iſt das
Muſter, wonach die Domkirche zu Upſala gebauet iſt.
Die meiſten hieſigen Kirchen ſind auf gleiche Art ins
Kreutz angelegt, nur meiſtentheils noch ſchoͤner und ohne
Baͤnke und Stuͤhle. In der Schwediſchen Geſandtſchafts-
Kapelle wohnte ich dem Gottesdienſte bey: die Predigt
wurde in Deutſcher Sprache gehalten.
Sobald ich konnte, machte ich auch dem Schwedi-
ſchen Bothſchafter, Grafen Creutz, die Aufwartung.
Dieſer Herr bewies mir, waͤhrend meines ganzen hieſigen
Aufenthalts, viel Wohlwollen. Er iſt es auch, der dazu
beſtimmt war, nach Verlauf einiger Jahre in Schweden
mein Gluͤck zu befoͤrdern. Sein Andenken wird mein
Herz, ſo lange ich lebe, mit der innigſten Dankbarkeit
verehren.
Im Kloſter der heiligen Genevieve war die Biblio-
thek, das Naturalien-Cabinett und der vortreffliche Garten
fuͤr mich das Wichtigſte. Die Bibliothek iſt im obern
Stockwerke befindlich; ſie iſt kreutzweiſe gebauet, und die
Buͤcherbreter ſtehen rings an allen Waͤnden und unter
den Fenſtern, und ſind mit geflochtenen Drahtthuͤren
verſchloſſen. Die Buͤcher ſind numerirt. Zwiſchen
zwey und zwey Repoſitorien ſteht die Buͤſte eines Regen-
ten oder Philoſophen. Der Saal wird Montags,
C 2
[36]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Mittwochs und Freytags um zwey Uhr geoͤffnet, und
ſteht jedesmahl drey Stunden offen. Man leihet auch
Buͤcher aus. Zur Seite iſt das Antiquitaͤten-Cabinett
und die Naturalien-Sammlung in zwey Zimmern. Die
letztere enthaͤlt unterſchiedliche ausgeſtopfte Amphibien und
Fiſche, Mumien, Mineralien, Conchylien und Koral-
len; in dem erſtern iſt eine Menge Alterthuͤmer befindlich.
Alles ſteht in verſchloſſenen Schraͤnken mit Thuͤren von
geflochtnem Draht. Der Garten iſt huͤbſch, und hat
artige Figuren von beſchnittnem Buchsbaum.
Am Weihnachtabend wohnte ich dem katholiſchen
Gottesdienſte bey. Man feyert dergleichen hier in dieſer
Nacht in allen Kirchen mit vielen Ceremonien. Die
Kirchen ſind alsdann mit großen Kronleuchtern ſchoͤn
erleuchtet.
Um die Zeit nicht ungenutzt vorbeyfließen zu laſſen,
beſuchte ich zwar das Hoſpital taͤglich einmahl, zu Zeiten
auch zweymahl; allein dabey ließ ich es nicht bewenden.
Ich machte mich auch ſogleich zu anatomiſchen Sectionen
bey Herrn du Mas, Wundarzt im Hotel-Dieu, anheiſchig.
Ferner wohnte ich den oͤffentlichen Vorleſungen in der chi-
rurgiſchen Akademie (Saint-Come), der mediciniſchen
Akademie (Ecole de Medicine), dem botaniſchen Gar-
ten (Jardin royal) und dem phyſikaliſchen Hoͤrſaale (Col-
lege naval) bey. Außerdem verſaͤumte ich nicht, auch
in der Anatomie, Chirurgie und Entbindungskunſt noch
Privat-Unterricht zu benutzen. Die Anſtalten und Ein-
richtungen, um die Unterweiſung in dieſen Theilen der
mediciniſchen Gelehrſamkeit zu befoͤrdern, ſind hier zahl-
reich und zu gleicher Zeit vortrefflich. Man ſtudiert ſie
auch nicht alle auf einmahl, ſondern nach einander; und
auf dieſe Art koͤnnen nicht nur die Profeſſoren, welche
mit ihren Vorleſungen alterniren, viele Zuhoͤrer haben,
[37]Aufenthalt in Paris.
ſondern die Studierenden werden auch nicht mit zu man-
cherley uͤberhaͤuft. Im Winter-Halbenjahre wird zuerſt die
Anatomie, dann die chirurgiſchen Operationen, darauf die
Chemie, Accouchir-Wiſſenſchaft, und zuletzt gegen den
Sommer die Kraͤuterkunde, Pathologie und andre medici-
niſche Wiſſenſchaften gelehrt. Keine Wiſſenſchaft wird bloß
theoretiſch, ſondern eine jede zugleich praktiſch vorgetragen.
Außer den oͤffentlichen Stunden leſen die meiſten Profeſſo-
ren und Adjuncten, (welche letztere hier Prevots heißen)
zugleich Privat-Collegia, und auch dieſe bisweilen unent-
geldlich. In den oͤffentlichen Collegien faſt aller Profeſ-
ſoren ſind ſogar die Adjuncten ihre Amanuenſes, und
wenn der Profeſſor eine Sache vorgetragen hat, demon-
ſtrirt der Adjunct ſie ſogleich praktiſch.
Den meiſten meiner Leſer, auch denen, welche
nicht Aerzte ſind, oder die an akademiſchen Einrichtungen
eben nicht Theil nehmen, wird es, glaube ich, nicht un-
angenehm ſeyn, wenn ich hier ein ausfuͤhrliches Verzeich-
niß der oͤffentlichen ſowohl als der Privat-Vorleſungen ein-
ruͤcke, die in Paris zum Nutzen derer, welche die Medi-
cin ſtudieren, gehalten werden. — Sabatier lieſet im
Januar und den folgenden Monaten in Saint-Come
oͤffentlich zuerſt uͤber die Zergliederungskunſt, und hernach
uͤber die chirurgiſchen Operationen. Privatim traͤgt er
die Anatomie in einer Zeit von ſechs Wochen fuͤr ſechs
und dreyßig Livres vor; eben das thut er in Anſehung der
chirurgiſchen Operationen. Auch nimmt er Penſionaͤre
im Invalidenhauſe an, welchem er vorſteht. — De la
Faye, dieſer ehrwuͤrdige Greis, lehrt ebenfalls in Saint-
Come des Vormittags die chirurgiſchen Operationen, wel-
ches Collegium des Nachmittags von ſeinem Adjuncten
Gourſaud repetirt wird. In gemahlten Abbildungen
zeigt er die Krankheiten verſchiedner Theile des menſchli-
[38]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
chen Koͤrpers zugleich. — Petit, ein artiger und muntrer
Mann, traͤgt im Maͤrz und den naͤchſten Monathen die
Anatomie und Phyſiologie, hernach die Lehre von den chi-
rurgiſchen Operationen, und zwar im Jardin royal, vor.
Die letzteren werden am Schluſſe jeder Lection vom De-
monſtrator wirklich verrichtet. — Du Sçu lieſet in
Saint-Come Nachmittags ebenfalls die Zergliederungs-
wiſſenſchaft auf gleiche Art, wie Sabatier Vormittags.
Die Theile werden erſt in ihrer natuͤrlichen Lage gezeigt,
und darauf zergliedert, um auch andre Theile zeigen zu
koͤnnen Zugleich wird eben dieſer Theil an einem trock-
nen Praͤparate, imgleichen in Abbildungen demonſtrirt;
dieſe letzteren beſitzt du Sçu in großem Formate, und
ſie ſind vorzuͤglich gut illuminirt. — Gegen den Fruͤh-
ling traͤgt Tenon in Saint-Come die Lehre von den
Krankheiten, und privatim die Lehre von den Augenkrank-
heiten insbeſondre vor. — Im May und den folgen-
den Monathen wird eben daſelbſt von Brasdor Vormit-
tags um eilf Uhr, und von Hevin Nachmittags um drey
uͤber die Therapie geleſen. — Im Jardin royal haͤlt
Macquer vom Junius an uͤber die Chemie Vorleſungen.
Waͤhrend der Lehrſtunde werden jedesmahl in einem durch
ein Gitter abgeſonderten Zimmer die Operationen ange-
ſtellt, welche am Schluſſe der Apotheker Roel zeigt und
erklaͤrt. In eben dieſen Monathen traͤgt Juſſieu die Bo-
tanik vor, theils im Auditorium, theils im Jardin royal,
wo die Gewaͤchſe auf den Beeten vorgezeigt werden. —
Louis lehrt zu eben der Jahrszeit in Saint-Come die
Phyſiologie Vormittags, welches da auch Nachmittags
Bordenave thut. — Zu eben der Zeit und an eben dem
Orte lieſet Fabre des Vormittags, und Tenon des Nach-
mittags die Pathologie. Doch geſchieht dies nur woͤchent-
lich an zwey Tagen, Dienſtags und Freytags, daher bis in
[39]Aufenthalt in Paris.
den November damit fortgefahren wird. — Pean lieſet
in dieſen Monathen auch in Saint-Come und zwar die
Entbindungskunſt fuͤr die, welche die Wundarzneykunde
ſtudieren, Dienſtags und Donnerſtags um halb zwey.
Ein gleiches geſchieht von Barbaut fuͤr die Hebammen,
Mittwochs und Sonnabends um eilf Uhr. — Gendron
handelt in zwey Monathen, May und Junius, Montags,
Dienſtags und Freytags um eilf Uhr, die Wiſſenſchaft
von den Augenkrankheiten ab. Die Theile des Auges
zeigt er an Praͤparaten, und in großen illuminirten Abbil-
dungen, und die Krankheiten der Augen ſelbſt in
Email. — Im College naval wird des Winters, Mon-
tags, Donnerſtags und Sonnabends die Phyſik gelehrt.
Die Experimente werden immer zu gleicher Zeit angeſtellt.
Die Maſchinen und Inſtrumente ſetzt man zu dieſem Ende
auf einen Tiſch, der auf einer erhoͤheten Buͤhne ſteht,
um welche die Zuhoͤrer auf ſtufenweiſe in die Hoͤhe gehen-
den Baͤnken ſitzen. Dies Collegium wird um eilf Uhr ge-
halten, und Leute aller Art, nicht bloß Studenten, wohnen
ihm bey. — In der Ecole de Medicine wird woͤchent-
lich in ſechs Stunden zuerſt die pathologiſche Anatomie,
und hernach die Chemie gelehrt. Jene traͤgt der Profeſ-
ſor in der erſten halben Stunde in Lateiniſcher Sprache
vor. Wenn er geſchloſſen hat, zeigt der Demonſtrator
die Theile ſelbſt vor, und lieſet daruͤber in Franzoͤſiſcher
Sprache. In dem Collegium uͤber die Chemie macht le
Roux jederzeit die Experimente. — Auch wird in eben
dieſem Inſtitute von Profeſſor Dionis in Lateiniſcher
Sprache Anweiſung zu den chirurgiſchen Operationen gege-
ben. Dies Collegium wird unmittelbar darauf vom De-
monſtrator Franc in Franzoͤſiſcher Sprache repetirt. —
Den Hebammen wird in der Ecole de Medicine
vom May an, von Mellin ein Curſus der Entbindungs-
[40]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
kunſt, nebſt den darauf ſich beziehenden Theilen der
Anatomie vorgetragen. Goubelly thut dabey als De-
monſtrator Dienſte. — Dies ſind die oͤffentlichen
Collegia.
Privat-Vorleſungen werden von verſchiednen Profeſ-
ſoren uͤber allerhand mediciniſche und chirurgiſche Wiſ-
ſchaften, in großer Anzahl gehalten. Noͤthig ſcheint
dies kaum zu ſeyn, da uͤber alle Theile der Medicin und
Chirurgie, und die dazu gehoͤrigen Vorbereitungs- und
Huͤlfswiſſenſchaften, ſo viele oͤffentliche Collegia geleſen
werden. Indeſſen pflegt man doch jenen haͤufig beyzuwoh-
nen, und zwar hauptſaͤchlich deswegen, um bey den chi-
rurgiſchen Operationen und in Anſehung des Accouche-
ments ſelbſt Hand anzulegen. Aus dieſer Urſache ver-
pflichtete ich mich auch ſogleich bey du But und du Mas
zu einem Curſus uͤber die ausuͤbende Wundarzneykunſt,
ſo wie bey Salayres zu einem Privat-Collegium uͤber die
Entbindungswiſſenſchaft; dies letztere beſonders in der Ab-
ſicht, um die Wendungen und Handgriffe bey ſchlimmen La-
gen des Kindes praktiſch zu lernen. — Nun von andern
Privat-Lehrſtunden. Didier, ein ſehr geſchickter Wundarzt,
traͤgt die Lehre von den Krankheiten der Knochen, nebſt
dem, was damit in Verbindung ſteht, vor. — Bey Riel
legt man Hand an das Disſeciren ganzer Cadaver, und
er lehrt zugleich die Theorie davon. Man bezahlt dafuͤr
dreyßig Livres. — Du Sçu laͤßt ſich dagegen fuͤr ſein
anatomiſches Collegium, das er in vier Monathen en-
digt, hundert Livres entrichten. — Ferrand lieſet uͤber
die chirurgiſchen Operationen. — Guerin handelt die
Lehre von den Krankheiten der Augen ab. — Ueber die
Entbindungskunſt wird von nicht weniger als ſechs Pro-
feſſoren privatim geleſen. Levret lehrt dieſelbe in Zeit von
ſechs bis ſieben Wochen fuͤr zwey Louisd’ors; Goubelly,
[41]Aufenthalt in Paris.
Lauverjat, du Sçu und Pean, auch la Rie tragen ſie
ebenfalls vor; der letztere in den Haͤuſern zweyer Hebam-
men. La Rie nimmt zwar kein Geld, denn er will gern
viel Zuhoͤrer anlocken; aber er laͤßt ſich hernach fuͤr Zei-
gung der Handgriffe einen Louisd’or bezahlen. — Ohne
Bezahlung zu nehmen lehren Didier die Oſteologie, und
Moreau die praktiſche Chirurgie woͤchentlich vier Stun-
den in der dritten Etage des Hotel-Dieu. Auch halten
die Geiſtlichen in der Charité bisweilen anatomiſche Vor-
leſungen umſonſt.
Außerdem haben die Studierenden beſtaͤndig Zu-
gang zu den hieſigen oͤffentlichen ſowohl als einigen Pri-
vat-Einrichtungen, durch deren Benutzung man ſeine
Kenntniſſe in der Botanik und Materia medica, auf
eine vorzuͤgliche Art vermehren und berichtigen kann. Herr
Royer, Material- und Spezereyhaͤndler in der Haupt-
ſtraße der Vorſtadt Saint-Germain oͤffnet nach vorher
geſchehener Bekanntmachung alle Dienſtage, Donnerſta-
ge und Freytage im May ſeine Gaͤrten den Botanikern,
und zu andern Zeiten den Hebammen und den Apotheker-
geſellen. Auch ſtellt er Mittwochs und Sonnabends bo-
taniſche Spatziergaͤnge an. Seine Sammlung von Spe-
zereyen und Naturalien zeigt er ebenfalls den Studieren-
den gern. Herr Barbau du Bourg haͤlt gleichfalls Vor-
leſungen uͤber die Kraͤuterkunde. In dem ſogenannten
Apothekergarten (Jardin des Apothicaires) bekommt
man alle da bluͤhende Gewaͤchſe fuͤr achtzehn Livres *).
Aus dem jetzt mitgetheilten Verzeichniſſe erhellet,
daß in Paris nicht nur die anſehnlichſte mediciniſche Fa-
cultaͤt iſt, und keine andre Univerſitaͤt in dieſem Stuͤcke
[42]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
dagegen ſich vergleichen kann, ſondern auch, daß zur Er-
lernung der Arzneywiſſenſchaft hier mehr Anſtalten vor-
handen ſind, als ſonſt irgendwo. Welch ein Gluͤck waͤ-
re es, wenn auch alles eben ſo gut und auf die gehoͤrige
Art beobachtet, bewerkſtelliget und ausgefuͤhrt wuͤrde!
Die Anzahl der Studenten, welche Medicin ſtudiren,
iſt auch wohl gewiß an keinem Orte ſo groß als hier: ſie
geht uͤber dreytauſend.
Ein ſogenanntes ſchwarzes Bret, wo die Anzei-
gen der zu haltenden Vorleſungen angeſchlagen werden,
findet man auf der hieſigen Unwerſitaͤt nicht. Die Pro-
feſſoren pflegen daher Billette auszutheilen, um von ih-
ren Privat-Collegien und andern Sachen Nachricht zu ge-
ben. Und da die Studenten zu jenen ſich in den oͤffent-
lichen Collegien aufſchreiben, wird zu dieſem Ende bis-
weilen ein foͤrmlicher Aufruf angeſtellt.
Die Hoͤrſaͤle ſind meiſtens rund gebauet. Die Baͤn-
ke machen ein Amphitheater und ſind ohne Ruͤcklehne.
In der Mitte ſteht ein Tiſch, an welchem der Profeſſor
ſitzt, ungefaͤhr ſo, wie man es in einem anatomiſchen
Saale anzutreffen pflegt. Vor der Thuͤre ſteht allezeit ei-
ne Wache, ſowohl um Unordnung und Laͤrm zu verhuͤten,
als auch um der Handlung mehr Anſehen und Wuͤrde zu
geben. Mit Degen oder Hirſchfaͤnger wird niemand ein-
gelaſſen, damit niemand dadurch den andern im Gedraͤn-
ge hindern oder auch Misbrauch davon machen koͤnne.
Die Thuͤr des Auditoriums wird nicht eher geoͤffnet, als
bis die Glocke ſchlaͤgt; manche von den Zuhoͤrern ſtehen
daher eine halbe Stunde davor, und warten, bis aufge-
macht wird, um auf einer der unterſten und dem Pro-
feſſor naͤchſten Baͤnke einen bequemen Platz zu bekommen.
Oft wird der Profeſſor mit Haͤndeklatſchen begruͤßt, ſo-
wohl wenn er kommt, als wenn er weggeht.
[43]Aufenthalt in Paris.
Disputationen werden hier im mediciniſchen Fache
auch genug gehalten. In der Ecole de Medicine wird
Dienſtags und Donnerſtags disputirt: die Saͤtze, wel-
che alsdann vertheidigt werden, betragen einen halben
Bogen. Der Disputations-Saal iſt alsdann abgetheilt.
Draußen ſitzt einer in ſchwarzer Kleidung mit einem Kra-
gen an einem Tiſche und theilt die Theſes aus. Inwendig
ſitzen die Officianten in uͤberzognen Baͤnken und auf Ka-
thedern. Der Praͤſes und der Reſpondent haben weiße
Hemden an. Der Reſpondent ſitzt dem Praͤſes zur Sei-
te. Die Opponenten erſcheinen in ſchwarzen Kleidern
mit Maͤnteln und blauen Kragen. — In der Ecole de
Chirurgie wird auf gleiche Art disputirt. Die Katheder
ſind alsdann mit Sammet, der mit goldnen Treſſen beſetzt
iſt, geſchmuͤckt. Rund herum ſtehen Baͤnke, und in der
Mitte Stuͤhle. Alle dieſe Anſtalten geben dem Acte viel
Anſehen. Eben ſo giebt es den oͤffentlichen Vorleſungen
der Profeſſoren eine nicht geringe Feyerlichkeit, daß dieſe
dabey in ihrer Amtstracht erſcheinen, welche in ſchwarzer
Kleidung und einem weißen Kragen beſteht. — Beym
Disputiren hoͤrt man die Franzoſen das Lateiniſche bey-
nahe ſo wie das Franzoͤſiſche ausſprechen, und man hat
anfangs Muͤhe, ſie zu verſtehen.
Aufmunterung zum Fleiß und zur Lernbegierde ſchei-
net an einem Orte nicht noͤthig zu ſeyn, wo ſo viele vor-
treffliche Gelegenheiten, in Wiſſenſchaften und Kuͤnſten
weit zu kommen, vorhanden ſind. Allein man hat auch
jene nicht aus der Acht gelaſſen. Es werden naͤmlich
oͤffentliche Pruͤfungen angeſtellt, da die Geſchickteſten
Belohnungen bekommen, die in goldnen und ſilbernen
Schaumuͤnzen, nebſt gewiſſen Vortheilen und Vorzuͤgen
beſtehen. Einem ſolchen Examen wohnte ich einmahl in
Saint-Come bey, wo die Studenten wechſelsweiſe einan-
[44]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
der fragten und antworteten. Bey einem andern eben
daſelbſt war ich auch zugegen, da ſechs Profeſſoren exa-
minirt wurden. Zu einem ſolchen Examen kann jeder,
der will, ſich melden, nur kein Auslaͤnder und kein Pa-
riſer. Diejenigen, welche zu der Ecole practique, oder
der gedachten Pruͤfung zugelaſſen werden, und daſelbſt
den Preis erhalten, genießen hernach den Vortheil, daß
ſie, ohne dafuͤr beſonders zu bezahlen, todte Koͤrper ſe-
ciren und chirurgiſche Operationen daran vornehmen
duͤrfen.
Unter den Hoſpitaͤlern zu Paris, und vermuthlich
unter allen Hoſpitaͤlern in der Welt, iſt das Hotel-
Dieu das groͤßte. Der Fond zu ſeiner Unterhaltung
wird auf ſechs Millionen Livres angegeben, die ehemahls
nach und nach, meiſtentheils als freywillige Geſchenke
geſammelt ſind. Die Kranken genießen hier Arzney und
Pflege umſonſt, ohne Anſehen der Perſon, und ohne
auf die Anzahl Ruͤckſicht zu nehmen. Gemeiniglich wer-
den ſie auf langen Baaren hingebracht. Im Aufnahme-
zimmer werden ſie eingeſchrieben. Der Eingang geht
durch die Kirche. Sogleich beym Eingange faͤngt ein
Zimmer fuͤr Kranke mit einer Reihe Betten an. Dieſe
Betten ſind aber nicht immer in Ordnung. Am Ende
dieſes Zimmers ſind die Eingaͤnge in die groͤßern Saͤle.
In dieſen ſtehen mehrere Reihen Betten, und in jedem
Bette liegen mehrere Kranke, beſonders Kinder, manch-
mahl vier beyſammen. Im mittlern Stockwerke liegen
diejenigen Patienten, welche des Beyſtandes der Wund-
aͤrzte beduͤrfen, und im oberſten die Frauensperſonen,
welche entbunden ſind oder ihre Niederkunft erwarten.
Den Kranken maͤnnlichen Geſchlechts warten Moͤnche,
und den weiblichen Nonnen auf. Das Eſſen wird den
Kranken in Naͤpfen oder kleinen Schalen gereicht. Bey
[45]Aufenthalt in Paris.
dem Bette ſteht ein behangener Nachtſtuhl. Große Lam-
pen erleuchten das Zimmer. Wenn ein Patient geſtor-
ben iſt, wird er in das Todtenzimmer (Salle des morts)
getragen. Die, welche Vormittags ſterben, werden
beſonders, und die, welche Nachmittags, auch beſonders
hingelegt. Gewoͤhnlich ſterben in Zeit von vier und
zwanzig Stunden zwiſchen zehn und zwanzig Perſonen.
Wenn ſie begraben werden ſollen, naͤhet man ſie in grobe
greiſe Leinwand. Die Zahl der Kranken erſtreckt ſich
ungefaͤhr bis dreytauſend, wovon zweytauſend von Aerz-
ten, und tauſend von Chirurgen bedient werden. Den
1. Maͤrz waren der Kranken 3950, und in der folgen-
de Woche 3978.
Die Charité iſt netter und ſchoͤner, aber viel klei-
ner. Sie enthaͤlt etwa dreyhundert Betten, und hat
eine eigne Apotheke. Man nimmt hier nur eine beſtimm-
te Anzahl Kranke an, denen Herr du Sçu, welcher Vor-
ſteher iſt, Zettel giebt, auf deren Vorzeigung ſie aufge-
nommen werden.
Das Invalidenhaus, wo alte und gebrechliche Sol-
daten unterhalten werden, hat auch ein großes Zimmer
fuͤr Kranke, und liegt an der einen Seite der Stadt.
Die dazu gehoͤrige Kirche iſt groß, und hat einen ſehr
ſchoͤnen erhabnen Chor, der mit Marmor ausgelegt iſt,
und in der Mitte einen etwas niedrigern Platz hat, wo-
hin niemand, außer dem Koͤnige, erlaubt wird hinabzuge-
hen. Daher wird hier auch, ſo wie bey den Thuͤren,
Wache gehalten. Die Wache beſteht ſehr oft aus ge-
brechlichen Leuten. — Neben dem Invalidenhauſe iſt
die Ecole militaire.
Das Bicetre oder Lazaret fuͤr veneriſche Kranke iſt
außerhalb der Stadt. Wer da aufgenommen werden
will, muß vorher Erlaubniß dazu haben.
[46]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Der botaniſche Garten (Jardin royal) ſteht unter
der vortrefflichen Aufſicht des geſchickten Thouin. Er
iſt groß und beſteht aus zwey langen Quartieren, die mit
Hecken umgeben ſind. Die Beete ſind mit Buchsbaum
umpflanzt. Der unterſte Theil des Gartens gleicht ei-
nem wilden Walde, der aus allerhand Baͤumen beſteht.
Zur linken Seite ſind die Orangerien und Treibhaͤuſer.
Draußen vor dieſen iſt ein Platz, wohin die Gewaͤchs-
toͤpfe des Sommers geſetzt werden, wie auch verſchiedne
durch Taxus-Hecken abgeſonderte kleine Felder fuͤr Ge-
waͤchſe. Oberhalb derſelben ſtehen auf einer kleinen An-
hoͤhe ebenfalls einige Treibhaͤuſer, nebſt der Wohnung des
Gaͤrtners, wie auch ein Gemach zur Aufbewahrung der
Saͤmereyen. Hinter den Treibhaͤuſern und der Orangerie
auf dieſer Anhoͤhe ſind Spatziergaͤnge und ein kleiner
Wald, wie auch ein Berg, der ſo hoch iſt, daß man von
da ganz Paris uͤberſehen kann. Jeder Botaniker hat hier
freyen Zutritt, ſo wie der Garten auch zum Spatzieren
offen ſteht. Die Hecken beſtehen aus Eibenbaum, Ul-
men, Stechpalmen, Buchsbaum, Linden, Cornel-
Kirſchbaum, Geißblatt, Kirſchbaum mit doppelter Blu-
me, Judasbaum, Bocksdorn, Peltſchen (Coronilla ſecu-
ridaca), Feldmaßholder, Flieder oder Syringen, und
dergleichen. Unter den Baͤumen, die im Garten ſtehen,
bemerkte ich verſchiedne Arten Maßholder, die Stein-
eiche, den Kermesbaum, die immergruͤne Cypreſſe, den
Bermudiſchen Wachholder, den Taxus, die Ulme, die
Linde, die Roßkaſtanie, den Indasbaum, zweyerley
Gattungen Steinlinde, den Quittenbaum und beyde Ar-
ten des Platanus.
Neben dem botaniſchen Garten an der Straße
ſteht das Muſeum fuͤr die Naturalien, welches mehrere
Zimmer enthaͤlt. Im erſten werden die Holzarten, die
[47]Aufenthalt in Paris.
Rinden und Borken, die Samen, die Wurzeln, die
Fruͤchte und dergleichen, in Flaſchen, die in Schraͤnken
mit Glasthuͤren ſtehen, und mit den Franzoͤſiſchen Nah-
men bezeichnet ſind, aufbewahrt. Im zweyten iſt das Mi-
neralien-Cabinett befindlich: dies iſt praͤchtig; alles iſt in
Schraͤnken verſchloſſen, die auf ſtufenweiſe in die Hoͤhe
gehenden Repoſitorien ſtehen; unter andern ſind hier viele
Verſteinerungen und verſchiedne Arten geſchliffenen Mar-
mors. Im dritten ſtehen die Voͤgel, ebenfalls in Schraͤn-
ken mit glaͤſernen Thuͤren, von dreyfach verſchiedner Tiefe.
In der unterſten Abtheilung jedes Schranks liegen die
Eyer und Neſter; ich fand hier auch einige Korallen und
Conchylien, wie auch eine Partey Inſekten in viereckigen
mit Glas bedeckten flachen Kaſten. Im vierten haͤngen
die Amphibien unter der Decke des Zimmers; auch ſah
ich ein ausgeſtopftes Zebra, deſſen Haut la Caille vom
Cap mitgebracht hat; imgleichen werden hier verſchiedne
Fiſche, Inſekten und Wuͤrmer, nebſt einigen Amphi-
bien, in Weingeiſt aufbehalten. Das Zimmer fuͤr die
anatomiſchen Praͤparate war damahls noch nicht ganz
fertig. Alle Dienſtage und Donnerſtage wird dies Ca-
binett von zwey bis fuͤnf Uhr zum oͤffentlichen Gebrauche
geoͤffnet. In jedem Zimmer ſteht eine Wache, die Leu-
te von beſſerm Stan[d]e hereinlaͤßt.
So viel von dem, was die Medicin, und die dar-
auf ſich beziehenden Anſtalten in Paris betrifft. Nun
von andern Gegenſtaͤnden.
Das Seinewaſſer, welches durch die Stadt fließt,
iſt ungeſund, beſonders fuͤr Fremde, die hieher kommen.
Von der aufgeloͤſeten Kreide, welche es enthaͤlt, ſieht
es ganz milchfarbig aus, und verurſacht Diarrhoͤe.
Des Morgens fahren in Paris große Karren auf
den Gaſſen umher, um den Unrath abzuhohlen und weg
[48]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
zubringen, der beym Ausfegen an die Mauer oder Wand
gekehrt worden.
Die Haͤuſer in Paris ſind haͤufig mit Schiefer ge-
deckt. Sie ſehen meiſtentheils auswendig dunkel aus;
und da die Fenſter an der inwendigen Seite der Mauer
eingeſetzt ſind, haben ſie noch weniger Anſehen. Auch
werden die Fenſter durchgaͤngig nach dem Zimmer, nicht
nach der Straße zu geoͤffnet. Die unteren Fenſter wer-
den auch wohl in die Hoͤhe geſchoben. Im zweyten Stock-
werke ſind haͤufig, bisweilen auch im dritten, vor den
Fenſtern kleine Altane mit einem Gitter angebracht.
Die Bettſtellen ſind ſehr hoch und groß, und ſtehen
frey, von der Wand abgekehrt. Man ſchlaͤft auf vielen
Betten. Die Kopfkiſſen ſind cylinderfoͤrmig, und ein
Hals, der nicht daran gewoͤhnt iſt, liegt ſehr unbequem
darauf.
Die Gaſſen ſind des Abends und Nachts nirgend
beſſer, als in Paris, erleuchtet. Die Laternen ſind groß,
hangen an Seilen, die quer uͤber die Straße gezogen
ſind, und geben gar keinen Schatten. Ueberhaupt ſind
die hieſigen Polizey-Anſtalten ganz vorzuͤglich gut. Tag
und Nacht gehen Patrouillen, und zwar dicht hinterein-
ander, um die Sicherheit in dieſer großen und weitlaͤuf-
tigen Stadt zu erhalten. Faſt in jeder Straße haͤlt ſich
ein Commiſſaͤr auf, dem es zukommt, kleine entſtandne
Streitigkeiten zu ſchlichten. Bisweilen traͤgt es ſich zu,
daß Leute, es ſey gewaltſamer Weiſe, oder durch einen
Zufall, auf der Straße das Leben verlieren. Da es
nun unmoͤglich iſt, daß die Polizey-Bedienten alle ſolche
Leute kennen koͤnnen, werden ſie in einem gewiſſen Hauſe,
in einem dazu beſtimmten, mit einem Gitter verſehenen,
Zimmer einige Tage lang oͤffentlich zur Schau geſtellt,
damit die, welchen ſie angehoͤren, oder wer ſonſt jemand
ver-
[49]Aufenthalt in Paris.
vermißt, ſie da, ehe ſie begraben werden, beſehen
koͤnnen.
Auf der Straße wird Obſt und manche andre Waa-
re ausgerufen, ſelbſt das Waſſer, welches Kerle aus
der Seine holen, und zum Hausbehufe verkaufen.
Sogar Auctionen werden nicht ſelten auf der Straße ge-
halten; der Auctionator gebraucht alsdann keinen Ham-
mer oder Schluͤſſel, um zuzuſchlagen, ſondern ruft nur
zum erſten, zum andern, und zum dritten, laͤßt ſich ſo-
dann augenblicklich das Geld auszahlen, und geht weiter.
Ueberhaupt findet man auf den Straßen alles, Altes
und Neues, zu Kauf.
Eben ſo trifft man auf allen Maͤrkten und andern
oͤffentlichen Plaͤtzen, auch beynahe in allen Gaſſen, Schuh-
putzer an, die den Fußgaͤngern ihre Dienſte anbiethen.
Dieſer Dienſte bedarf man auch, weil es hier des vielen
Fahrens wegen und da die Gaſſenrinnen mitten in der
Straße ſind, faſt das ganze Jahr hindurch unrein iſt.
In meinem Vaterlande wuͤrden dieſe Leute uͤbel daran
ſeyn; denn ſie wuͤrden Dreyviertheil des Jahres ohne
Verdienſt bleiben. Wenn es regnet, kann man vor Re-
genſchirmen kaum durchkommen; dieſe ſind hier aber auch
unentbehrlich, weil jedermann, wie in Japan, beſtaͤndig
mit bloßem Kopfe geht. — Wer des Nachts ſpaͤt in
der Stadt zu gehen hat, findet Leute mit Leuchten auf
der Straße, die fuͤr ein geringes Trinkgeld ihn zu Hauſe
leuchten.
Schon im December ging man mit Muffen. Die-
ſe traͤgt man hier ſehr klein, und entweder von ſeidnem
Zeuge oder von Federn, und mit einem Bande, um ſie
zuzuziehen. Als die Kaͤlte um die Mitte des Januars
ſtaͤrker wurde, trugen manche, wenn ſie ausgingen, Ge-
faͤße mit Feuer, um die Haͤnde zu waͤrmen. Sobald
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. D
[50]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Thauwetter einfiel, ſtroͤmte auf den nach der Seine ſich
neigenden Straßen das Waſſer in ſolcher Menge, daß
man nicht gehen konnte.
Jedermann iſſet hier Weizenbrot, auch die gerin-
gen Leute; dieſe koͤnnen daher mit Brot allein, ohne
Fleiſch oder Zugemuͤſe, ſich beſſer behelfen, als wenn ſie
Rockenbrot aͤßen. — Beym Aufdecken legt man in
Frankreich nicht immer Meſſer auf, ſondern ſehr oft
ſind die Gaͤſte genoͤthigt, ſich ihres Taſchenmeſſers bey
Tiſche zu bedienen. Man pflegt daher ein ſolches bey
ſich zu fuͤhren, das dazu taugt.
Unter den Gebaͤuden zeichnet ſich das Kaufmanns-
haus (palais des Marchands) durch ſeine Schoͤnheit
aus. Da werden auch allerhand Putzſachen und Galan-
terie Waaren verkauft. Am Abend vor Neujahr wird es
aufs praͤchtigſte illuminirt, und alle Waaren und Sa-
chen werden alsdann hervorgeſetzt, um ſie zu zeigen. —
Luxemburg iſt ein vortreffliches Palais, mit einem Schloß-
platze und großen Garten, worin man, eben ſo als in den
Thuillerien, ungehindert ſpatzieren kann, wiewohl niemand,
der nicht einen Degen traͤgt, eingelaſſen wird. Die da-
ſige Gemaͤhlde-Gallerie ſteht Mittwochs und Sonnabends
von zehn bis ein Uhr offen. An der einen Seite ſieht
man die Geſchichte der Marie de Medicis, und in den
Zimmern an der andern Seite ſind ſowohl große als klei-
ne Schildereyen in Menge aufgeſtellt. — Unter den
Kloͤſtern ſind verſchiedne recht groß, haben inwendig ei-
nen großen Hof, und manchmahl ganz huͤbſche Gaͤrten,
worin jedermann die Promenade erlaubt iſt. — Vaux-
Hall liegt außerhalb der eliſaͤiſchen Felder. Einige En-
trepreneure haben es angelegt, und unterhalten es. Es
iſt ſehr praͤchtig. An gewiſſen Tagen wird da ein Orche-
ſter gehalten, und wer Luſt hat, kann tanzen. Gegen
[51]Aufenthalt in Paris.
Abend wird ein Feuerwerk angeſtellt. Um hereinzukom-
men, muß man ein Billet haben, wofuͤr man dreyßig
Sous bezahlt. — Im Boulevard wird der Boden mit
Waſſer angefeuchtet, damit es nicht ſtauben moͤge. Das
Waſſer wird zu dieſem Ende auf Karren hingefahren,
und die Tonnen haben hinten eine Roͤhre, an welcher ei-
ne andre Roͤhre in die Quer angebracht iſt, die viele
Loͤcher hat, wo das Waſſer in feinen Strahlen her-
auslaͤuft. — Das Bois de Bologne beſteht groͤßten-
theils aus Eichen, und die Leute beluſtigen ſich da mit
Tanz und auf andre Art.
Nun etwas von Feſttagen und heiligen Gebraͤuchen.
Um und nach Weihnachten wurden die Bilder des Erloͤ-
ſers und der Jungfrau Maria mit dem Chriſtkinde in
kleinen Schraͤnken, mit Lichtern und Kronen umher, allent-
halben auf den Straßen, und vor den Haͤuſern ausge-
ſtellt. — Waͤhrend der Faſtenzeit, da kein Fleiſch ge-
geſſen werden durfte, wurden alle Fleiſchſcharne in der
Stadt verſchloſſen. Der Tiſch wurde theurer, weil
Milch und Eyer ſehr im Preiſe ſtiegen, und Fleiſch nur
in demjenigen Scharren verkauft wurde, der dem Hotel-
Dieu gehoͤrt, welches dieſe Zeit uͤber dadurch viel gewinnt.
So lange das Carneval dauert, ergoͤtzt man ſich auf
tauſenderley Art; unter andern wurde ein Knabe, der
auf einem ſchoͤn geſchmuͤckten Ochſen mit vergoldetem
Ruͤcken ritt, durch alle Gaſſen gefuͤhrt. Viele maſkir-
ten ſich und ritten auf Pferden umher, oder fuhren auf
Wagen und Cariolen herum, in einem ſo ſeltſamen
Aufzuge, und in ſolcher Menge, daß ein Fremder in Ver-
ſuchung haͤtte kommen koͤnnen, zu glauben, das halbe
Volk in der Stadt habe den Verſtand verloren.
Unten am Calvair, einem großen Huͤgel an der
Seine, wird, da wo man hinaufgeht, in ſieben Zimmern,
D 2
[52]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
deren je zwey und zwey in einer Breite ſind, die Leidens-
geſchichte Jeſu in ſieben Aufzuͤgen vorgeſtellt. Ganz oben
ſtehen drey Kreutze und Chriſti Grab, nebſt einer Kirche.
Waͤhrend der Oſterfeyertage wird das Kreutz dem Volke
zum Kuͤſſen dargereicht, welches ſich haufenweiſe zum
Altare und zum Prieſter, der es hinhaͤlt, vordraͤngt. Zwey
Moͤnche nehmen mittlerweile auf Tellern das Allmoſen
oder Opfer in Empfang. Auch werden den Tag vor
Oſtern bemahlte und bunt gemachte Oſtereyer allenthalben
auf den Straßen verkauft. Sobald die Faſten nur zu
Ende ſind, werden Tauben in die Stadt gebracht, und
Fleiſch zum Verkauf ausgehaͤngt.
Am Fronleichnamstage gingen die Geiſtlichen aus
allen Kirchen mit ihrem Herrgott, den eine glaͤſerne
Kapſel verwahrte, eine Sonne umgab und ein Baldachin
bedeckte, in ihren Kirchſpielen umher, mit Muſik, Trom-
meln, Rauchfaͤſſern und Blumenkoͤrben. Alle Haͤuſer
waren, ſo weit die erſte Etage geht, mit Tapeten aller-
hand Art bekleidet, wodurch jene ſo unkenntlich wurden,
daß ein Fremder ſie nicht ohne Muͤhe wieder finden konn-
te. Die Straßen wurden mit Blumen beſtreuet, und
hin und wieder Altaͤre errichtet, wo die Prieſter hinauf-
ſtiegen, um Gaſſen und Haͤuſer zu ſegnen. Waͤhrend
der Proceſſion wurde Geld geſammelt, um dafuͤr Gefan-
gene aus dem Petit Chatelet loszukaufen. Manche Un-
gereimtheiten und laͤcherliche Aufzuͤge bekommt man bey
dieſer Gelegenheit zu ſehen. Aeltern warfen nicht ſelten ih-
re Kinder auf die Erde, damit der Umgang uͤber ſie herge-
hen moͤchte, wobey ſie indeſſen keinen Schaden nahmen.
Von den hieſigen Merkwuͤrdigkeiten habe ich noch
einige, die ich in Augenſchein nahm, nachzuhohlen. Am
meiſten fiel mir das auf, was ich bey dem beruͤhmten
Emailleur Roux ſah. Dieſer Mann verfertigt von
[53]Aufenthalt in Paris.
Email Augen, die ſo aͤhnlich ſind, daß man ſie von wirk-
lichen nicht unterſcheiden kann, und zugleich alle Krank-
heiten der Augen darſtellen. Die verſchiednen Farben
im Auge bringt er durch verſchieden gefaͤrbtes Email her-
vor, das er in kleinen Stangen von Venedig kommen
laͤßt, und hernach mit verſchiednen Metallen vermiſcht.
Seine Einrichtungen hiezu, die er nicht leicht jemand
zeigt, ſind folgende. Auf einem Tiſche liegt eine meſſingne
Platte feſt, auf welcher ein Kaͤſtchen mit Oehl und einem
ſehr großen Dachte ſteht. Unter dem Tiſche iſt ein Blas-
balg, den er ſelbſt tritt, und deſſen Ende durch den
Tiſch in die Hoͤhe geht. An dieſem Ende wird eine glaͤ-
ſerne Roͤhre befeſtigt, die ſich gegen das Feuer der Lam-
pe krumm hinbiegt, ſo daß er vermittelſt dieſes durch
den Blasbalg verſtaͤrkten und getriebnen Feuers das Email
zum Schmelzen bringt. Am Ende eines Pfeifenſtiels
blaͤſet er zuerſt die Augenkugel, die er allmaͤhlig in Form
von Ringen in die Weite ausdehnt, und hernach zuſam-
menzieht, bis bloß ein Loch fuͤr die Hornhaut bleibt, die
er alsdann aus zugeſetztem blauem Email bildet. Darauf
wird das Ende wieder heiß gemacht, und zuerſt die Horn-
haut, hernach die uͤbrige Kugel, aufgeblaſen. Mit ei-
ner Stange durch einander gemiſchten blauen und weißen
Email, traͤgt er alsdann eine Reihe kleiner Punkte oder
Fleckchen innerhalb des Randes der Hornhaut auf, inner-
halb dieſer Reihe eine Reihe weißer Puncte und binnen
dieſer letztern wiederum eine von blauen und weißen Fleck-
chen, welche hernach durch die Hitze zuſammengetrieben
werden. Darauf wird ſchwarzes Email aufgetragen,
um die Pupille zu bilden, und außerhalb derſelben ein
etwas groͤßeres Haͤufchen feinen und klaren Kryſtallglaſes,
um die Hornhaut durchſichtig zu machen. Alles dieſes
wird hernach durch das Feuer, allezeit vermittelſt Blaſens
[54]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
von inwendig, in ſeine natuͤrliche Form gebracht. Um
zuletzt den Pfeifenſtiel los zu machen, wird die Kryſtall-
ſtange ganz los an der einen Seite der Hornhaut befeſti-
get, der Pfeifenſtiel weggenommen, und die Kugel hin-
terwaͤrts formirt. Waͤhrend des Blaſens wird die Groͤ-
ße der Hornhaut und der Kugel nach einem genauen Maa-
ße zirkelrund eingerichtet Vom ganzen Auge wird nach
hinten ſo viel weggenommen, daß alles wohl paſſet, und
die Ecke wird am Feuer geebnet. Ehe der Pfeifenſtiel
weggenommen wird, blaͤſet er die Kugel nach zwey Sei-
ten auf, um beide Augenwinkel zu bekommen. Wenn
ſolchergeſtalt alles fertig iſt, befeſtigt er eine Stange Kry-
ſtall ganz los an die Ecke des Auges, und die Stange,
die vorher an der Hornhaut feſt gemacht war, nimmt er
weg, und blaͤſet die davon zuruͤckbleibende kleine Vertie-
fung zu. Dann wird das Auge in ein mit Feuer und
heißer Aſche angefuͤlltes Gefaͤß gelegt, damit es darin
langſam kalt werde. Dieſer Mann arbeitet mit Brillen
in einem dunkeln Zimmer mit zugemachten Fenſterladen.
Vor dem Feuer hat er eine an einem Stiele befeſtigte me-
tallne Platte, deren convexe Seite gegen das Feuer ge-
kehrt iſt. Jeden Monath theilt er armen Leuten, welche
dergleichen beduͤrfen, umſonſt Augen aus. Leuten von mit-
telmaͤßigen Umſtaͤnden uͤberlaͤßt er ſie fuͤr ſehr billigen Preis.
Reiche aber muͤſſen ihn gut bezahlen: von dieſen nimmt
er einen bis fuͤnf und zwanzig Louisd’ors. Wundaͤrzte
bekommen das Stuͤck fuͤr ſechs Livres. Hat jemand das
Ungluͤck gehabt, ein Auge zu verlieren, und will ſich ſeiner
Email-Augen bedienen, ſo darf er nur zu ihm gehen, um
nach dem geſunden Auge ein zweytes zu beſtellen. Man
kann ihm auch mit der Poſt eine Zeichnung oder genaue
Beſchreibung zuſchicken, ſo macht er die Augen danach.
In ſolchen Faͤllen legt er allezeit Proben von den Arten
[55]Aufenthalt in Paris.
Email, die er gebraucht hat, in Papier gewickelt, bey,
um davon ein andermahl wieder Gebrauch machen zu
koͤnnen. So wie der Stern verſchieden gefaͤrbt iſt, muß
auch die Farbe und Schattirung geaͤndert werden. Nach
dem verſchiednen Alter macht er auch die Augen verſchie-
den groß, bisweilen macht er ſie auch mit Winkeln oder
mit Haͤkchen. Drey Monathe, bis ein halbes Jahr,
kann man ein ſolches Auge gebrauchen; alsdann aber
muß man es gegen ein neues vertauſchen, weil es abge-
nutzt worden. Fuͤr ein Auge, das irgend eine Augen-
krankheit darſtellt, nimmt er einen Louisd’or, wenigſtens
zwoͤlf Livres. Die Anzahl dieſer letztern Art Augen,
die bey ihm zu haben ſind, geht uͤber funfzig.
Die unvergleichlichen gewirkten Tapeten, welche
in der Fabrik der Gobelins verfertigt werden, zeigt man
jaͤhrlich am Fronleichnamstage oͤffentlich. Die Waͤnde
und Mauern des ganzen Hofes ſowohl als alle Zimmer,
ſind alsdann damit behaͤngt. Ich ſah darunter verſchie-
dene ausfuͤhrliche Geſchichten aus der Bibel, aus Ovids
Verwandlungen und andre. Die Figuren waren alle,
als wenn ſie lebten.
Der Apothekergarten (Jardin des Apothicaires) iſt
zwar klein, aber er enthaͤlt verſchiedne vorzuͤgliche Ge-
waͤchſe, und unten ein artiges Luſtwaͤldchen. Fuͤr den
freyen Zutritt bezahlt man eigentlich zwoͤlf Livres, außer-
dem aber ungefaͤhr ſechs Livres Trinkgeld. Alsdann be-
kommt man vom Gaͤrtner ein Verzeichniß, wonach man
die nicht numerirten Kraͤuter aufſuchen muß.
Die Vieharzney-Akademie (Ecole royale veteri-
naire) zu Charenton, beſah ich mit zweyen meiner
Freunde, den Herren Weber und Wollſtein. Jetzt be-
fanden ſich da etwa hundert Eleven. Die Eleven woh-
nen im obern Stockwerke, bisweilen zwey oder drey auf
[56]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
einer Stube. In der untern Etage iſt an einer Seite
das anatomiſche Theater, welches einen großen Saal
ausmacht, und an der andern ein langes Zimmer, mit
drey Reihen allmaͤhlig in die Hoͤhe gehenden Baͤnken,
zum Gebrauch bey den oͤffentlichen Pruͤfungen. Als ich
da war, wurde gerade ein ſolches Examen (Concours)
gehalten. Dies geſchieht gewoͤhnlich vier bis fuͤnfmahl
im Jahre. Der Praͤſes und einige Deputirte als Bey-
ſitzer, ſaßen an einem langen Tiſche und hatten alle Pa-
pier vor ſich liegen, um aufſchreiben zu koͤnnen. Auf
einem andern etwas kleinern lagen anatomiſche Praͤpa-
rate. Man war eben mit der Myologie des Pferdes
beſchaͤfftigt. Die Eleven demonſtrirten zwey und zwey
um einander, ſo daß der eine fragte, und der andre ant-
wortete. Zwey wurden als die geſchickteſten befunden,
und dieſe beyden mußten um den Preis looſen. Jeder,
den man aufrief, wurde mit Nahmen genannt. Im
obern Stockwerke iſt auch das Cabinett, worin ganz vor-
zuͤgliche Praͤparate von allerhand Thieren in glaͤſernen
Schraͤnken und Kaſten aufbewahrt werden. In einem
dicht daran ſtoßenden Gebaͤude wohnt der Director die-
ſer vortrefflichen Anſtalt. An der Seite des Gartens iſt
eine Schmiede, auch zum Unterrichte der Lernenden, mit
vier Eſſen. Das Hoſpital fuͤr krankes Vieh iſt in ver-
ſchiedene Staͤlle abgetheilt, die in zwey langen Reihen
fortgehen. Zum Behufe der Arzneymittel fuͤr das Vieh
iſt ein kleiner botaniſcher Garten angelegt, der ſogar
eine kleine Orangerie hat. Auch iſt eine ſehr gute Apo-
theke dabey. Junge Leute, die hier in Penſion ſind,
bezahlen monathlich zwanzig Livres. Unter verſchiednen
Gattungen von Schafen, die ich hier ſah, war auch ein
Tuͤrkiſches, dem das linke Hinterbein abgenommen war,
und das mit einem hoͤlzernen Beine ging.
[57]Aufenthalt in Paris.
In der chirurgiſchen Akademie zeigte la Faye, ge-
rade als ich eben einmahl da war, ein ſechs und dreyßig-
jaͤhriges Maͤdchen, das im ſiebenten Jahre die Pocken
gehabt, und hernach durch Abſceſſe oder Krebsſchaden
die Zunge nach und nach ſtuͤckweiſe verloren hatte.
Zwey Jahr darauf hatte es nicht ſprechen koͤnnen; all-
maͤhlig hatte es ſich aber doch mit der Zeit wieder dazu
gewoͤhnt. Man ſah jetzt keine Spur von einer Zunge,
ſondern die Mandeln ſtanden nur etwas hervor. In-
zwiſchen ſprach ſie doch ſehr vernehmlich und ſang auch
deutliche Worte, welches ſie auf die Art bewerkſtelligte,
daß ſie die Zaͤhne zuſammenbiß und die untere Lippe ge-
gen die obere druͤckte.
Am zweyten May bekam die Franzoͤſiſche Garde, die
blaue Uniform mit ſilbernen Treſſen hat, und die Schwei-
tzer-Garde, welche roth mondirt iſt, den feyerlichen
Segen fuͤr dieſes Jahr in der Notredame-Kirche, wo-
hin ſie mit vieler Muſik und großem Pompe aufgezogen
waren. Bey dieſer Gelegenheit beſtieg ich den Thurm
dieſer Kirche, wo man eine herrliche Ausſicht hat.
Am Tage der Vermaͤhlung des Grafen von Pro-
vence mit einer Sardiniſchen Prinzeſſin, war ganz Pa-
ris mit Lichtern und Lampen, die draußen vor die Fen-
ſter geſtellt waren, erleuchtet, und auf den Marktplaͤtzen
wurde Eſſen und Wein ausgetheilt.
Den 2. Julius hatte ich einen ſonderbaren An-
blick. Gegen Abend wurde ein Kerl in Effigie durch
einige Gaſſen der Stadt gefuͤhrt, und darauf gekoͤpft
und verbrannt. Man erzaͤhlte mir, vor mehreren Jah-
ren habe jemand in der Trunkenheit am Wege, gerade
vor einem Kloſter, ein Marienbild mit ſeinem Degen
geſchlagen und geſtochen, und ſey hernach auf dieſe Art
beſtraft worden; zum Andenken dieſer abſcheulichen
[58]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
That werde jene Strafe noch alle Jahre im Bildniſſe
wiederhohlt.
Außer den unzaͤhligen Arten von Vergnuͤgen, wel-
ches Paris ſeinen Einwohnern im allerreichſten Maaße
verſchafft, und wodurch dieſe glaͤnzende Stadt ſo viele
Fremde herbeylockt, hatten die hier anweſenden Schwe-
den, gerade zu der Zeit, als ich da war, die unbeſchreib-
liche Freude, den Kronprinzen des Schwediſchen Reichs,
unſern jetzigen theuern Koͤnig, und deſſen juͤngſten Bru-
der, den Herzog von Oſtgothland, im erwuͤnſchteſten
Wohlſeyn hier zu ſehen. Unter vielen andern hatte auch
ich das Gluͤck, dieſen beyden, mir ſo werthen, Prinzen
vorgeſtellt zu werden. Doch unſre Freude waͤhrte nicht
lange. Sie wurde durch die traurige Nachricht vom
Tode Adolph Friedrichs, dieſes allgemein geliebten Mo-
narchen, bald und unvermuthet unterbrochen, und die
darauf folgende Krankheit des Prinzen Friedrichs machte
uns auch ſeinetwegen beſorgt. Wir ſahen alſo unſern
neuen Koͤnig nach kurzer Zeit Paris wieder verlaſſen;
unſre innigſten Wuͤnſche fuͤr ſein Wohl begleiteten ihn
zu ſeinem Volke, welches mit offnen Armen und ſehn-
ſuchtsvollen Herzen dem Prinzen entgegen ſah, der be-
ſtimmt war, ſeinen Verluſt zu erſetzen und ſein Vater
zu werden.
Unter den Freunden, die ich mir zu Paris erwarb,
muß ich vorzuͤglich Herrn Geoffroy nennen. Dieſer
nahm mich mit der erſinnlichſten Gefaͤlligkeit auf, und
erwies mir ungemein viel Dienſte. Er hat auch eine
anſehnliche Inſekten-Sammlung, die in einem Zim-
mer in kleinen glaͤſernen Kaſten rings an den Waͤn-
den ſteht.
Von Paris machte ich auch zu Boote auf der Seine
eine Reiſe nach Verſailles, und von da weiter nach Tria-
[59]Aufenthalt in Paris.
non, um den daſigen Koͤniglichen botaniſchen Garten
zu beſehen, welcher alle andre, die ich geſehen habe, weit
uͤbertrifft. Auch beſitzen die beyden Herren Richard da-
ſelbſt eine vortreffliche Kraͤuterſammlung, welche der
juͤngere von ihnen auf Majorca und Minorca zuſammen-
gebracht hat.
Fuͤnfter Abſchnitt.
Ruͤckreiſe von Paris nach Holland
vom 18. Julius bis den 10. December 1771.
Den 18. Julius 1771 reiſete ich von Paris wieder
nach Rouen, um von da den Weg zur See nach Am-
ſterdam fortzuſetzen, und hernach eine weitere Reiſe nach
Oſtindien vorzunehmen, dem Anerbiethen gemaͤß, das
Profeſſor Burmannus mir waͤhrend meines Aufenthalts
zu Amſterdam gethan, und welches ich mit der freudigſten
Bereitwilligkeit angenommen hatte. Der Weg ging
theils zu Lande, theils in einem Boote die Seine hinab.
Unterwegs beſah ich die große und kuͤnſtliche Maſchine,
welche das Waſſer mehrere Franzoͤſiſche Meilen weit nach
Verſailles, und zwar anſehnliche Hoͤhen hinauf, treibt.
Bey Rouen iſt die Seine von betraͤchtlicher Breite. Die
daſige große Bruͤcke uͤber dieſelbe iſt auf große Boͤte ge-
bauet, und kann in mehrere Stuͤcke auseinander ge-
nommen werden.
Draußen vor Rouen beſah ich die Kattundruckerey.
Man druckt mit kleinen viereckigen Formen, deren man
nach Verſchiedenheit der Farben mehrere nach einander
gebraucht. Die Form wird erſt in ein Sieb getaucht,
das in einer gefaͤrbten Fluͤſſigkeit ſchwimmt, und her-
nach wird ſie durch einen Knaben mit einer Buͤrſte be-
ſtrichen, welche in die Farbe, die eigentlich gebraucht
[60]Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
werden ſoll, getunkt iſt. Darauf wird die Form auf
die Stelle des Zeuges, wo ſie abgedruckt werden ſoll,
mit ſtaͤhlernen Stiften angepaſſet, mit der einen Hand
niedergelegt, und mit einem Kloͤppel, den man in der
andern Hand hat, darauf geſchlagen. Nach dem Ab-
drucke haben die Farben ein mattes und ſchlechtes An-
ſehen; ſie werden aber ſchoͤn und hoch, wenn der Kat-
tun hernach in einer beſonders zubereiteten Lauge ge-
kocht wird.
Der Berg bey Rouen hat foͤrmliche Schichten Kalk
und Feuerſtein, deren jede ungefaͤhr eine Hand breit,
oder etwas breiter iſt. Dieſe Schichten gehen bis in
die Mitte, da der Kalk anfaͤngt. Der Feuerſtein iſt
meiſtentheils ſchwarz, zum Theil aber auch weiß, grau,
gelb, oder blaͤulich, und hat viele Vertiefungen und Er-
hoͤhungen. Obſchon der Kalk auf dieſe Art mit Feuer-
ſtein gleichſam durchſpickt iſt, werden doch Steine zum
Baue daraus gehauen. Bey Paris iſt der Kalk mehr
mit Petrificaten durchmiſcht. Die Berge bey Bouille
enthalten auch Feuerſtein, und die bey Quilleboeuf Kalk-
gries und kleine Stuͤcke Feuerſtein.
Den 9. Auguſt reiſete ich mit einem Hollaͤndiſchen
Schiffe von Rouen ab. Wir ſegelten allmaͤhlig den
Strom hinab, und legten oft vor Anker; bisweilen,
wenn das Waſſer abwaͤrts lief, ſchwammen wir mit dem
Strome fort. Die Ebbe wird, je naͤher man dem Meere
kommt, immer ſtaͤrker, ſo daß waͤhrend derſelben der
Grund gar ſehr entbloͤßt wird, und die Schiffe gaͤnzlich
ohne Waſſer im weichen Lehmſchlamme liegen.
Auf dieſer Fahrt bemerkte ich, daß die Berge zu
beyden Seiten, außer Kalk und Feuerſtein, aus bald
hellern, bald dunklern Kalkſchichten beſtanden, die bis
einen Zoll dick, und von der Ebbe und Fluth gebildet
[61]Ruͤckreiſe von Paris nach Holland.
ſind. Dies kann man ſehr deutlich an den Erhoͤhungen
ſehen, die noch unter Waſſer ſtehen und durch die Ebbe
entbloͤßt werden. Die Farbe in dieſen Schichten kommt
daher, daß der untenliegende Lehm dunkelfarbig, der
Bodenſatz aber, den das Waſſer daruͤber zuruͤcklaͤßt,
heller oder eigentlich gelbgrau iſt. So kann man hier
ganz klar merken, wie die Schichten in den Bergen ſich
bilden. Waͤhrend der Ebbe naͤmlich, welche langſam
geht, laͤßt der Bodenſatz des Waſſers ſich nieder, und
hieraus entſtehen hervorragende Abſaͤtze treppenweiſe uͤber
einander. Ehe nun die Fluth kommt, welches geſchwind
geſchieht, wird der niedergeſunkne Bodenſatz jedesmahl
etwas haͤrter. Die Berge von Paris bis nach der See
ſind beynahe von einer und derſelben Hoͤhe, uͤberhaupt
aber gar nicht ſehr hoch, und zwiſchen hinein gehen
Buchten, deren Rand zum Theil flach und allmaͤhlig
ſich neigend, zum Theil aber ganz ſteil iſt. Steil iſt er
oft dadurch geworden, daß Stuͤcke herabſtuͤrzen; wel-
ches man zur Zeit der Ebbe an den kleinen Sandbaͤnken
ſieht, die ſich auf die Zukunft bilden. Hin und wieder
liegen unten vor dieſen Bergen flache Landſtrecken, die
bald groͤßer bald kleiner ſind, und welche das Waſſer
ehemahls nach und nach vergroͤßert, jetzt aber ganz ver-
laſſen hat. Einige davon ſind noch nackt, andre hin-
gegen, ob ſie gleich noch weich ſind, ſieht man doch
ſchon mit Gras bewachſen und als neulich entſtandne In-
ſeln. Naͤher bey Havre de Grace formirt die Ebbe und
Fluth bey dieſen Inſeln Buchten, die wie kleine Haͤfen
ausſehen, und denen, welche in der Naͤhe der groͤßern
Berge angetroffen werden, in allen Stuͤcken aͤhnlich ſind.
Dies alles ſetzt zugleich die Entſtehung der Berge und
das Abnehmen des Waſſers in ein helles Licht. Naͤher
gegen das Meer ſcheint der Feuerſtein nicht nur in gerin-
[62]Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
gerer Menge vorhanden, ſondern auch nicht ſo reif zu
ſeyn, als tiefer ins Land hinein. Am Strande iſt er et-
was blaß, und hat dickere und graue Cruſte; ſcheint
auch nicht ſo hart zu ſeyn. Der Feuerſtein entſteht ge-
wiß durch Coagulirung in und von Kalk, ſo unaͤhnlich
beyde hernach auch einander ſind. Bey Brot, das durch
gehinderte Gaͤhrung und durch Kaͤlte eine abgebackne
Rinde bekommt, ſollte man kaum glauben, daß die Rin-
de ſich aus eben der Materie gebildet habe, woraus das
Brot beſteht, obgleich keine andre Veraͤnderung, als
das Backen, damit vorgegangen iſt.
Den ganzen Fluß hinab faͤhrt ein Lootſe mit, und
beſorget, daß das Schiff ſich vor Anker legt, wenn die
Ebbe anfaͤngt. Es liegt alsdann ſo lange ſtill, bis dieſe
voruͤber iſt. Die Schiffe legen ſich in dieſem Falle oft
nahe ans Land, und in die Buchten hinein, und zwar
laͤngs derſelben in den weichen Moder, da ſie alsdann
auf einer Seite liegen und ruhen. Unſer Lootſe war bey
dieſer Gelegenheit ſo unvorſichtig, daß er das Schiff in
eine Bucht brachte, und es in die Quere legte. Als nun
das Waſſer abgefloſſen war, ruhete es auf dem Hinter-
und Vordertheile, und weil es in der Mitte keine Stuͤtze
hatte, brach es quer ab, und mußte hernach nach Havre
de Grace gebracht werden, um ſich ausbeſſern zu laſſen.
Dieſer Schiffbruch auf trocknem Lande noͤthigte mich,
meine Sachen auf ein anderes Fahrzeug zu bringen,
und mit dieſem meine Reiſe nach Amſterdam weiter
fortzuſetzen.
Auf dem Wege von Rouen hatte ich mehrmahls
Gelegenheit zu ſehen, wie das Landvolk ſich an Sonn-
und Feſttagen auf freyem Felde mit Tanz und dergleichen
beluſtigte. Die Maͤdchen hatten einen beſondern Anzug,
eine Schnuͤrbruſt, an den Roͤcken hinten und auf den
[63]Ruͤckreiſe von Paris nach Holland.
Seiten Schleifen, auf dem Kopfe goldne und ſilberne
Spitzen, und einen zu beyden Seiten herabhangen-
den Habit.
Den 22. Auguſt langte ich zu Honfleur an. Dies
iſt eine kleine Stadt am Ausfluſſe der Seine, mit ſchoͤ-
nen Haͤfen. Die Ebbe entbloͤßt hier einen ſehr großen
Theil des Strandes des Fluſſes, und waͤhrend dieſer
Zeit faͤngt man Krabben mit einem Netze, das zwiſchen
zwey Stoͤcken aufgeſtellt iſt, womit man es vor ſich
hin ſchiebt.
Auf dieſer, ſo wie auf meinen folgenden Reiſen,
hatte ich recht Gelegenheit zu bemerken, wie die Matro-
ſen vom Winde ſchwache und rothe Augen, von der
Woͤlbung des Schiffs krumme Beine und hervorſtehende
Hintertheile, und von der vielen Arbeit, beſonders dem
Handthieren der Taue, harte Schwielen in den Haͤnden
bekommen.
Der 30. Auguſt war der angenehme Tag meiner
Wiederkunft nach Amſterdam. Mein erſter Beſuch
war bey meinen Goͤnnern, den Profeſſoren Burman-
nus. Waͤhrend der Zeit, da ich mich zu meiner be-
vorſtehenden weiten Reiſe anſchickte, beſuchte ich taͤg-
lich des Vormittags den mediciniſchen Garten. Die
Nachmittage brachte ich in Burmannus Hauſe, in ſei-
nen Sammlungen und in ſeiner Bibliothek zu. In je-
nem Garten unterſuchte ich dem Wunſche dieſes Man-
nes gemaͤß, alle diejenigen Kraͤuter, welche auf den
Beeten ſtanden, um nachzuſehen, ob die beygeſetzten
Nahmen richtig waͤren. Sie waren nach van Royens
Syſteme geordnet, und bey jedem Gewaͤchſe ſtand ein
gemahlter Stock mit aufgeſchriebner Nummer. Auch
beſah ich die Mahlerakademie, den anatomiſchen Saal
mit den da befindlichen Praͤparaten, die auslaͤndiſchen
[64]Erſte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Thiere im Blaauwe Jan, nebſt mehreren Merkwuͤrdig-
keiten. Blaauwe Jan heißt ein gewiſſes Buͤrgerhaus,
wo Wein geſchenkt wird, und verſchiedne, ſowohl vier-
fuͤßige Thiere als Voͤgel, manchmahl ſehr ſeltne, aus
beyden Indien und Afrika, in Behaͤltniſſen und Bauern
verwahrt, und oͤffentlich gezeigt werden. Dieſe Thiere
locken eine Menge Leute herbey und befoͤrdern dadurch
den Abſatz des Weins; denn die Zuſchauer werden alle-
zeit genoͤthigt, eine oder mehrere Bouteillen theuern
Wein zu nehmen, bekommen dagegen die Thiere um-
ſonſt zu ſehen. — Des Morgens beſuchte ich auch
fleißig die Hoſpitaͤler.
Unter den neuen Bekanntſchaften, welche ich in
dieſer Zeit ſtiftete, ſind mir beſonders die Herren Klein-
hof und Schelling wichtig. Jener hatte ſich drey Jahr
in Weſtindien und ein und zwanzig Jahr zu Batavia
aufgehalten. Er wohnte jetzt zwey Tagreiſen von Am-
ſterdam, lebte von ſeinen Zinſen, und theilte mir ver-
ſchiedne Nachrichten, Indien betreffend, mit. Der
letztere iſt lange in Amerika geweſen, und war jetzt im
Begriff, als Aufſeher uͤber die Lazarete wieder dahin zu
gehen. Unter andern erzaͤhlte er, die Krankheit, welche
bey den Amerikanern herrſcht, und Jaſſi *) heißt, ſey
in Europa unbekannt; es ſey eine ſchmerzhafte, chroni-
ſche und mit Ausſchlag verbundne Krankheit; man em-
pfinde dabey ein Stechen in der Haut, wie von Nadeln;
ſie werde mit Queckſilber geheilt. Der Ausſatz, ſagt
er, ſey in Amerika ſehr gaͤnge, er fange wie ein kleiner
Fleck an, der ſich hernach ausbreite, und bisweilen uͤber
die ganze Haut erſtrecke; dieſer Fleck ſey ohne alles Ge-
fuͤhl, ſo daß man es nicht einmahl empfinde, wenn mit
einer
[65]Ruͤckreiſe von Paris nach Holland.
einer gluͤhenden Nadel hineingeſtochen wird; mit der
Zeit fallen die Finger und andre Gliedmaßen ab, ohne
daß man es fuͤhle; durch gute Diaͤt koͤnne dieſe Krank-
heit lange verborgen gehalten werden, und wenn ſie uͤber-
all ausſchlaͤgt, pflege ſie wohl ganz aufzuhoͤren; ſchweiß-
treibende Mittel ſeyen ſehr dienſam, Mercurius aber
ſchaͤdlich.
Uebrigens ſah ich hier noch zweyerley, das mir
merkwuͤrdig war. Erſtlich den jaͤhrlichen Jahrmarkt,
welcher drey Wochen dauert, da nicht nur auf allen
Marktplaͤtzen, ſondern auch an vielen andern Orten
Buden in Menge ſtehen. Zweytens die Einfuͤhrung
eines Profeſſors der Rechtsgelehrſamkeit im Athenaͤum
oder der Univerſitaͤt. Seine Rede bey dieſer Gelegenheit
war Lateiniſch, und handelte von der buͤrgerlichen Rechts-
wiſſenſchaft, in ſo fern ſie auf die Befoͤrderung der
Handlung Beziehung hat. Alle Profeſſoren erſchienen
bey dieſer Feyerlichkeit in ſchwarzer Kleidung und Maͤn-
teln, weiſſen Prieſterkragen und großen Alongeperuͤcken,
wovon zwey anſehnliche Locken vorn, und eine auf jeder
Schulter herabhingen.
Sechster Abſchnitt.
Reiſe von Holland nach dem Vorge-
birge der guten Hoffnung
vom 10. December 1771 bis den 17. April 1772.
Seit meinem vorigen Aufenthalte in Amſterdam hatte
Profeſſor Burmannus, waͤhrend ich in Paris war, mit
einigen vornehmen und reichen Herren hier in Amſter-
dam von mir geſprochen, und ihnen von meinen natur-
hiſtoriſchen Kenntniſſen viel Gutes geſagt. Zugleich
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. E
[66]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
hatte er ihnen den Nutzen vorgeſtellt, den ich, als ein
Liebhaber auslaͤndiſcher und ſeltner Baͤume und Straͤuche
ihnen wuͤrde leiſten koͤnnen, wenn ich auf ihre Koſten
Gelegenheit haben koͤnnte, nach einem oder andern
Theile des noͤrdlichen Aſiens zu reiſen. Beſonders hatte
er Japan dazu in Vorſchlag gebracht, weil man aus die-
ſem Lande noch gar keine Gewaͤchſe in Europa habe, un-
geachtet es wahrſcheinlich ſey, daß ſie auf offnen und
freyen Plaͤtzen eben ſo gut muͤßten fortkommen koͤnnen,
als die, welche man in ſpaͤtern Zeiten in großer Anzahl
aus dem noͤrdlichen Amerika heruͤbergebracht habe. Dieſe
Herren, welche, ſobald es auf ihre Obſt- oder Luſtgaͤr-
ten ankam, ſchlechterdings keine Koſten ſparten, ließen
ſich hiedurch reitzen, und beſchloſſen, mich auf einer
Reiſe nach Japan, mit dem noͤthigen Gelde ſowohl, als
mit Empfehlungen zu unterſtuͤtzen. Und da keine andre
Nation, als die Hollaͤnder, nach Japan kommen darf,
war es nothwendig, daß ich die Hollaͤndiſche Sprache
nicht nur mußte gut verſtehen, ſondern auch ſprechen
koͤnnen. Zur Erreichung dieſer Abſicht drang ich dar-
auf, daß ich mich vorher ein Paar Jahre auf dem
Vorgebirge der guten Hoffnung aufhalten, und im
Dienſte der Hollaͤndiſchen Compagnie angeſtellet werden
moͤchte.
Die Compagnie ruͤſtet ihre vielen Schiffe nach Oſt-
indien jaͤhrlich zu drey verſchiednen Zeiten aus. Die
erſte Flotte iſt im September fertig, und heißt die Kir-
meß-Flotte (Kermis-Schepen); die zweyte, welche
nicht ſo zahlreich iſt, liegt um Weihnachten zum Abſe-
geln bereit, und heißt die Weihnachts-Flotte (Kers-
Schepen); die dritte nennen ſie die Oſter-Flotte
(Paaſche-Schepen), und dieſe wird gegen Oſtern in
Stand geſetzt, und iſt die kleinſte. Die erſte Flotte
[67]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
war jetzt bereits fertig, und wartete im Texel nur auf
guͤnſtigen Wind. Die zweyte war auch ſchon mit allen
ihren Officieren verſehen. Man beſchloß deswegen, ich
ſollte als außerordentlicher oder uͤberzaͤhliger Wundarzt
auf einem der Schiffe angeſetzt werden, die dermahlen
nach dem Cap beſtimmt waren, um dieſe Reiſe mit
mehr Freyheit von Geſchaͤfften verrichten zu koͤnnen, und
nicht verbunden zu ſeyn, andre Dienſte zu thun, als
mir ſelbſt gefiele. Hiedurch erhielt ich auch hernach den
wichtigen und unſchaͤtzbaren Vortheil, daß ich bey mei-
ner dortigen Ankunft die Erlaubniß bekam, ganze drey
Jahr da zu bleiben, ohne noͤthig zu haben, mit dem
Schiffe, wohin man es weiter verſchicken wuͤrde, mit-
zugehen. Ich wurde alſo auf dem Schiffe Schoon-
Zigt angenommen, und hatte das Vergnuͤgen, es von
einem Schwediſchen Capitain, einem unweit Calmar
gebuͤrtigen Smalaͤnder, Nahmens Rondecranz, gefuͤhrt
zu ſehen.
Die kurze Zeit, da ich noch in Amſterdam blieb,
wandte ich dazu an, ſo viel ich nur konnte, Nachrich-
ten und Kenntniß von der hieſigen maͤchtigen Oſtindi-
ſchen Compagnie, von den Einrichtungen und der Oeko-
nomie auf den Schiffen, und der Verfaſſung der in Oſtin-
dien befindlichen Handelscomtoire zu bekommen.
Nicht lange vor der Abfahrt wurde die Beſatzung
gemuſtert, welche an Bord gehen ſollte, und jeder legte
dabey im Hauſe der Oſtindiſchen Compagnie ſeinen Eid
ab. Darauf wurden ihre Sachen ins Schiff gebracht.
Alle Laden und Kiſten, (welche man fuͤr Bezahlung neu
bekommt,) werden im Oſtindiſchen Hauſe mit dem Zei-
chen der Compagnie, welches eingebrannt wird, bezeich-
net. Ein Soldat bekommt nur eine kleine Lade, die un-
gefaͤhr eine Elle ins Gevierte groß iſt, um ſeine Sachen
E 2
[68]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
zu verwahren. Ein Matroſe, der mehr Kleidungs-
ſtuͤcke, um damit abzuwechſeln, noͤthig hat, bekommt
eine Lade, die zweymahl ſo groß iſt. Den Officieren
werden eine oder mehrere große Laden, und uͤberdem ein
Flaſchenkeller, einige Koͤrbe und eine Biertonne zuge-
ſtanden; die mehreren Laden und Koͤrbe, nicht nur um
Gepaͤcke und Lebensmittel zu verwahren, ſondern auch um
Waaren einzupacken, wiewohl ſie gewoͤhnlich außerdem
Mittel und Wege wiſſen, Proviant und beſondre Koffer
an Bord zu bekommen und mitzunehmen. Auf jedem
Schiffe werden uͤber hundert Matroſen und zwey bis
dreyhundert Soldaten angenommen. Einen oder zwey
Tage vorher, ehe die Mannſchaft zu Schiffe gehen ſoll,
wird in allen Gaſſen getrommelt, und dadurch das Zei-
chen gegeben, daß jedermann ſich beym Schiffe einzu-
finden hat, um an Bord gebracht zu werden. Wohnt
gerade einer von den Officieren in der Straße, ſo er-
weiſet man ihm die Ehre, lange und ſehr laut vor ſeiner
Hausthuͤre zu trommeln: eine Ehre, die ihm allezeit
einige Gulden koſtet, und eine Menge Volks um ſein
Haus verſammelt.
Der 10. December 1771 war der Tag meiner
Abfahrt von Amſterdam. Ich fuhr mit dem Directeur
Beaumont in der Jacht der Oſtindiſchen Compagnie nach
dem Texel, wo die Schiffe nach verſchiednen Orten in
Oſtindien ſegelfertig lagen, und nur auf die Muſterung
und auf guten Wind warteten. Mit Empfehlungs-
briefen an den Gouverneur auf dem Cap, Ryk Tul-
bagh, war ich vom Herrn Rheede von Oudshorn, der
gegen Oſtern als Vice-Gouverneur eben dahin abreiſen
ſollte, wie auch vom Buͤrgermeiſter Temmink, reichlich
verſehen. Eben ſo hatte mir Profeſſor Burmannus und
deſſen Schwiegermutter an den Polizey-Rath Berg
[69]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
und den Juſtiz-Secretair Nethling Recommandations-
Schreiben mitgegeben.
Einige Tage nachher, da wir im Texel angekom-
men waren, hatte ich Gelegenheit, der Muſterung ei-
nes Oſtindien-Fahrers beyzuwohnen. Die Officiere
bekamen, ſobald ſie aufgerufen waren, ihre Inſtructio-
nen, und man wies ihnen ihre Zimmer und Kojen an.
Hierauf wurde der Schiffsrath beſtellt. Alsdann
wurden die Soldaten und Matroſen gemuſtert. Man
erkundigte ſich aufs neue nach ihrer Tauglichkeit, uner-
achtet ſie vor ihrer Annahme zu Amſterdam bereits exa-
minirt waren. Befand man ſie eben nicht ſehr brauch-
bar, welches man oft nur nach dem Anſehen, oder nach
der Ausſage eines ſehr elenden Schiffers, beurtheilte,
ſo wurde ihnen, gegen vorher geſchehene Abrede, und
gegen Recht und Billigkeit, ihre monathliche Beſoldung
um einen oder mehrere Gulden geringer angeſetzt. Nach-
dem der Directeur Abſchied genommen hatte, kletterte
das ganze Schiffsvolk die Maſten und das Takelwerk
hinauf, nahmen ihre Huͤte und Muͤtzen ab, ſchwenk-
ten ſie umher, und ließen ein dreymahliges Freudenge-
ſchrey erſchallen. Man dankte von der Jacht mit lau-
tem Geſchrey. Darauf wurden die Kanonen auf dem
Schiffe abgefeuert, welches man von der Jacht be-
antwortete.
Am Tage der Muſterung trug ſich auf dem Schiffe,
mit welchem ich abgehen ſollte, das Ungluͤck zu, daß
ein Soldat in einem Taue an der Ankerwinde ſich ver-
wickelte, und auf eine ſehr gefaͤhrliche Art das linke Bein
brach. Dieſer traurige Vorfall entzog mir das Vergnuͤ-
gen, meine Zeit, ſo lange bis alle Schiffe gemuſtert
ſeyn wuͤrden, auf der Jacht bey Herrn Beaumont, die-
ſem eben ſo liebenswuͤrdigen als einſichtsvollen Manne
[70]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
zuzubringen. Am folgenden Morgen mußte ich von
Amts wegen mich an Bord meines Schiffes begeben.
Der Patient war bereits verbunden, ohne daß man die
Schlagader hatte finden und unterbinden koͤnnen. Un-
terdeſſen daß man Anſtalt machte, das Bein abzuneh-
men, kam der Befehl an, den Kerl nach Amſterdam
ins Lazaret zu bringen.
Wir mußten noch vierzehn Tage auf guͤnſtigen
Wind warten, ehe wir unter Segel gehen konnten.
Waͤhrend dieſer Zeit benutzte ich die Gelegenheit, mir
die Einrichtungen und Anſtalten auf dem Schiffe, ſo-
wohl die Geſunden, als die Kranken betreffend, be-
kannt zu machen. Einige davon will ich jetzt beſchreiben.
Jeder waͤhlt ſich einen Kameraden, dem er ſich auf
der Reiſe am meiſten anzuvertrauen gedenkt. In An-
ſehung des Eſſens gilt die Verfuͤgung, daß bey jedem
Tiſche ſieben Mann ſpeiſen, und ein ſogenannter Back-
meiſter bey jedem Tiſche die Aufſicht hat. Unter die
Matroſen ſowohl als die Soldaten, werden gedrechſelte
hoͤlzerne Schalen und Schuͤſſeln ausgetheilt, welche auf
der See nicht ſo zerbrechlich, als irdenes oder ſteinernes
Geſchirr ſind.
Da die Leute erſt ſeit einer Woche auf dem Schiffe
waren, glaubte ich bey meiner Ankunft keine Kranke
vorzufinden. Mit Erſtaunen aber wurde ich gewahr,
daß ſchon mehrere krank geworden waren. Man ſagte
mir, die Anzahl der Kranken und Geſtorbnen auf den
Schiffen, die ſeit dem September im Texel lagen, ſey
ſehr groß. Sie war dies auch wirklich in dem Grade,
daß, als wir hernach mit gutem Winde abſegelten, ver-
ſchiedne Schiffe, wegen Mangels an geſunder Mann-
ſchaft, auf Verſtaͤrkung warten mußten, ob ſie gleich mit
mehr als dreyhundert Mann waren beſetzt worden. Den
[71]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
Urſachen, woher es kommen konnte, daß ſo viele Leute
in ſo kurzer Zeit erkranket und zum Theil geſtorben wa-
ren, forſchte ich genau nach, und fand, daß ihrer meh-
rere waren. Die Luft war damahls ſehr dick und feucht,
und der Nebel ſehr oft ſo dick, daß niemand es wagte,
von einem Schiffe zum andern zu fahren, ohne den Kom-
paß mitzunehmen, um den Weg zuruͤckzufinden, weil
die auf den Schiffen aufgehaͤngten Leuchten nicht im
Stande waren, mit ihrem Lichte durch den Nebel zu
dringen. Ehe die Schiffe unter Segel gehen, herrſcht
auch wenig Ordnung, weder in der Oekonomie des
Schiffs, noch unter dem Schiffsvolke ſelbſt. Was
aber ſehr viel, wenn nicht alles, zu der Ausbreitung der
Krankheiten beytraͤgt, iſt wohl ohne Zweifel die Menge
verdorbner Soldaten, welche die ſogenannten Seelen-
verkaͤufer an Bord ſchaffen. Die Koͤrper dieſer Leute
ſind zum Theil ausgehungert, zum Theil mit Scorbut
und verdorbnen Saͤften angefuͤllt. Da ſie des Lebens
auf dem Schiffe und der ſehr feuchten und kalten See-
luft nicht gewohnt ſind, bekommen ſie leicht und in kur-
zer Zeit Faulfieber und ſtecken hernach die uͤbrige Be-
ſatzung an. Dies geſchieht ſo viel eher, wenn ſie zu-
gleich mit Kleidung ſchlecht verſehen ſind, oder den
Muth haben ſinken laſſen.
Hier iſt der Ort, wo ich von dieſen abſcheulichen
Leuten, den ſogenannten Seelenverkaͤufern, dieſen ver-
achtungswuͤrdigſten unter allen Mitgliedern einer buͤr-
gerlichen Geſellſchaft, etwas ausfuͤhrlich reden muß.
Ich bin dies denen ſchuldig, welche nach Holland reiſen
wollen, damit ich ſie vor dieſen Unmenſchen warnen
koͤnne. Denn nicht ſelten machen ſie ankommende Rei-
ſende ungluͤcklich, wenn ſie ſie aufs argliſtigſte in ihre
Haͤuſer locken, und ſodann nach Oſt- oder Weſtindien
[72]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
verkaufen. Dieſe Menſchenraͤuber ſind Buͤrger, und
heißen Koſthouders (Speiſewirthe). Sie haben Recht
und Freyheit, Fremde fuͤr Geld zu beherbergen und zu
ſpeiſen, und unter dieſem Deckmantel veruͤben ſie die
unmenſchlichſten Verbrechen, ohne daß dieſe jedesmahl
zur Kenntniß der Obrigkeit kommen, oder beſtraft wer-
den koͤnnen. Sie halten nicht nur Bediente, welche
auf den Straßen die Fremden ausſpaͤhen, ſondern ha-
ben auch ein Verſtaͤndniß mit den Fuhrleuten (Kruyers),
welche die Sachen der Fremden vom Fahrzeuge nach dem
Wirthshauſe bringen. Dieſe muͤſſen ihnen die ankom-
menden Fremden ins Haus ſchaffen, welches ihnen un-
ter dem Vorwande, daß ſie ſie in ein Wirthshaus brin-
gen, ſehr haͤufig gelingt. Sobald ein Fremder in dem
Hauſe eines ſolchen Boͤſewichts ankommt, wird er ge-
woͤhnlich mit einer Menge andrer, deren Zahl zu hun-
dert und daruͤber geht, in einem einzigen Zimmer einge-
ſchloſſen. Hier werden dieſe Leute ſehr kaͤrglich und elend
bekoͤſtigt, als Soldaten zum Dienſt der Compagnie an-
gegeben, und endlich, wenn die Schiffe ſegelfertig lie-
gen, an Bord gebracht. Der Seelenverkaͤufer be-
kommt dafuͤr die Loͤhnung von zwey Monathen, und ei-
nen ſogenannten Transport auf hundert, hundert und
funfzig bis zweyhundert Hollaͤndiſche Gulden. Waͤh-
rend der Zeit von zwey, drey bis vier Monathen, da
die Leute auf die beſchriebne Art bey dieſem Kerl einge-
ſchloſſen gehalten werden, erzeuget ſich bey ihnen Scor-
but, Faͤulniß im Koͤrper, und Milzſucht, welche her-
nach bald ausbrechen, wenn ſie an Bord kommen. Man
kann ſie alsdann an ihrer blaſſen Geſichtsfarbe, blauen
Lippen, geſchwollnen und wunden Beinen, von den ge-
ſunden und muntern leicht unterſcheiden. Transport
nennt man einen Zettel, den die Oſtindiſche Compagnie
[73]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
bis zu einer gewiſſen Summe jedem, der ſich in ihren
Dienſt begeben hat, bewilliget, um ſich equipiren zu
koͤnnen; er beſteht alſo in Vorausbezahlung eines Theils
des Soldes. Die Compagnie bezahlt aber einen ſolchen
Zettel nicht weiter, als ſo fern man in der Folge etwas
von der Summe, welche er enthaͤlt, abverdient hat.
Wenn alſo jemand vorher ſtirbt, ehe er ſo viel Sold oder
Gehalt verdient hat, als der Zettel enthaͤlt, ſo iſt das
ruͤckſtaͤndige verloren. Ein ſolcher Zettel wird daher
allezeit mit großem Verluſt verkauft; und dieſer Verluſt
iſt betraͤchtlicher oder geringer, je nachdem der Inhaber
mehr oder weniger kraͤnklich oder ſtark, folglich der An-
ſchein, daß er noch eine Zeitlang leben werde, groͤßer
oder kleiner iſt; ſelten wird mehr als die halbe Summe
bezahlt. Auf dieſe Weiſe faͤllt mancher Unſchuldige, oft
von beſſerm Stande und guten Vermoͤgensumſtaͤnden,
unwiſſend den Seelenverkaͤufern in die Haͤnde, und
muß, er mag wollen oder nicht, ſich als Soldat nach
Oſt- oder Weſtindien bringen laſſen, wo er verbunden
iſt, der Capitulation zufolge, wenigſtens fuͤnf Jahr
lang zu dienen. Indeſſen ſind nicht alle, welche dieſe
Leute in ihre Haͤnde bekommen, ſolche, die ungluͤcklicher
Weiſe hineingerathen. Manche ſind auch darunter,
die keinen andern Ausweg wiſſen ſich ihren Unterhalt zu
verſchaffen, und ſich daher bey ihnen freywillig in die
Koſt geben. Dieſe bekommen denn bey ihnen auf Cre-
dit Herberge und Bekoͤſtigung, werden aber um der
Sicherheit willen eingeſperret, bis ſie zu Schiffe ge-
bracht werden koͤnnen. Daß aber auch in der That
mancher nur durch ein Ungluͤck in ihren Schlingen ſich
verwickelt, und nicht heraus kann, iſt leider eine un-
leugbare Wahrheit. Es geſchieht gleichwohl nie mit
Vorwiſſen der Obrigkeit, bleibt auch, wenn es ja ein-
[74]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
mahl entdeckt wird, nicht ungeſtraft. Darum kann
man inzwiſchen doch die Directeure der Compagnie eben
ſo wenig entſchuldigen, daß ſie dieſes, das menſchliche
Geſchlecht ſo entehrende, Verfahren nicht kennen wollen,
als ſie davon freyſprechen, daß ſie es bisweilen beguͤn-
ſtigen. Denn da die Oſtindiſche Compagnie ſehr oft
Mangel an Leuten hat, und ihren Sold ungern erhoͤhen
will, ſo ſind jene gezwungen, den Seelenverkaͤufern
durch die Finger zu ſehen. Wollte auch bey der Muſte-
rung jemand ſich entdecken, und den Verlauf der Sache
erzaͤhlen, ſo duͤnkt doch dem Directeur, der freylich als-
dann wenig Gewiſſenhaftigkeit beſitzen muß, ein ſolcher
Menſch ſey nicht zu gut dazu, der Compagnie zu dienen.
Die Direction waͤre alſo im Stande, aller Hinterliſt
und Gewaltthaͤtigkeit bey dem Engagement ihrer Leute
vorzubeugen, wenn ſie bey der Annahme, beſonders
aber bey der Revuͤe am Bord, genaue Unterſuchung an-
ſtellte, und den mindeſten Funken von menſchlicher Em-
pfindung und Gerechtigkeitsliebe bey ſich aufkommen laſ-
ſen wollte. Oft hoͤrt man auch, daß ſolche Ungluͤck-
liche ihrer Kleidungsſtuͤcke und andrer Sachen von den
Seelenverkaͤufern beraubt worden ſind, welche ſie da-
gegen mit zwey oder drey Paar wollnen Struͤmpfen,
Schifferhoſen und Jacken von Segeltuch, ſechszehn
Pfund Tobak, und einem Toͤnnchen Branntwein aus-
ſteuern. Und von dieſem gewiß nicht beneidenswerthen
Eigenthume wird ihnen oft das meiſte ſogleich bey ihrer
Ankunft auf dem Schiffe wieder geſtohlen, ſo daß ſie
hernach in der Kaͤlte mit bloßen Fuͤßen und bloßem Ko-
pfe gehen muͤſſen, und kaum das Nothwendigſte haben,
ihren Koͤrper zu bedecken. Wenn die Leute ſolcherge-
ſtalt ſchlecht gekleidet und betruͤbtes Herzens ſind, und
dabey, nicht auf die glimpflichſte Art, zu grober und
[75]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
anhaltender Arbeit gezwungen werden, iſt es denn wohl
ein Wunder, wenn unter ihnen Krankheiten ſehr bald
entſtehen und ſich in Geſchwindigkeit ausbreiten? Unter
zwanzig Kranken trifft man anfangs kaum einen Matroſen
an, ſondern nur ſolche, welche die Seelenverkaͤufer zu Sol-
daten gemacht haben. Dieſe verabſcheuungswuͤrdige Gat-
tung von Menſchen verurſacht daher durch ihre elenden
Leute der Compagnie ſelbſt unwiderſprechlich großen Scha-
den und Verluſt. Das leichtſte Mittel, dieſem allen zu-
vorzukommen, waͤre meines Dafuͤrhaltens, daß man auf
dem Schiffswerfte ein Wirthshaus anlegte, wo Arme,
die Luſt haͤtten Dienſt zu nehmen, ſo lange, bis die
Schiffe ſegelfertig wuͤrden, Unterhalt bekaͤmen und mit
dem Noͤthigen ausgeruͤſtet wuͤrden, welches ſie denn her-
nach freylich abverdienen muͤßten, aber ohne durch das
alles einen Boͤſewicht zu bereichern.
Diebſtahl wird auf den Oſtindien-Fahrern, waͤh-
rend ſie im Texel liegen, auch in ſo hohem Grade aus-
geuͤbt, als wohl nicht leicht anderswo. Man bricht des
Nachts die Laden und Koffer auf, und nimmt alles her-
aus, daß die Beſitzer manchmahl nicht ein einziges Stuͤck
Zeug behalten, als was ſie auf dem Leibe tragen. Man
ſtiehlt Hangmatten und Betten, ſo daß die Leute auf dem
nackten Boden liegen muͤſſen. Man nimmt den Leuten,
wenn ſie ſchlafen, die Muͤtze weg, und zieht ihnen die
Schuh aus. Ja nicht ſelten werden den Kranken Hoſen
und Struͤmpfe vom Leibe geſtohlen. Es iſt daher oft der
Fall, daß Leute, die ſchlafen, wenn ſie aufwachen, und
Kranke, wenn ſie geneſen, mit bloßem Kopfe, ohne
Schuh und Struͤmpfe, und halb nackt gehen muͤſſen,
ſollte es auch noch ſo kalt ſeyn.
Nun noch ein Paar Worte von der Pflege und Be-
handlung der Kranken. So lange die Schiffe im Texel
[76]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
vor Anker liegen, duͤrfen die Arzneykiſten nicht geoͤffnet
werden, ſondern man muß die noͤthigen Medicamente
aus der Stadt hohlen. Die Kranken werden waͤhrend
dieſer Zeit im mittlern Verdecke placirt. Sobald man
aber in die offenbare See kommt, werden ſie unter das
Halbverdeck oder ins erſte Verdeck hinauf transportirt,
weil man alsdann die Ankerſpindel nicht mehr gebraucht.
Fuͤr diejenigen Kranken, welche keine Hangmatten ha-
ben, wird alsdann an der einen Seite eine hoͤlzerne Lager-
ſtaͤtte zurecht gemacht. Auf die andre Seite wird eine
von den Arzneykiſten geſetzt, indem die andre mitten vor
die Ankerwinde zu ſtehen kommt, wo auch die ganze
Reiſe uͤber alles, was zum Verbinden gebraucht wird, ſei-
nen Platz hat. Der Arzt der Oſtindiſchen Compagnie,
Doctor Famars, hatte zwar angeordnet, daß zur Ver-
hinderung der Ausbreitung der Krankheiten die Schiffs-
waͤrter einen Schwamm mit Eſſig im Munde halten und
ſich mit Eſſig waſchen; daß die Geſunden Tamarinden-
waſſer trinken und Loͤffelkrautſpiritus gebrauchen; daß die
Geneſenden Chinatinctur und friſches Hammelfleiſch be-
kommen; daß die Waͤnde in den Schiffen mit Eſſig be-
ſprengt werden ſollten, und dergleichen mehr. Allein
dieſe und andre Anſtalten waren doch nicht hinreichend,
die verheerende Epidemie zu hemmen. Dieſe hoͤrte auch
unterwegs beynahe nicht eher auf, als bis der Tod die
halb verfaulten Leute, die von den Seelenverkaͤufern ge-
liefert waren, faſt ganz weggerafft hatte.
Den 30. December lichteten wir im Texel die An-
ker, und ſegelten mit guͤnſtigem Oſtwinde ab, nachdem
Capitain Morland auf dem Commandeurſchiffe Boven
Kerkerpolder mit Kanonſchuͤſſen das Zeichen dazu gegeben
hatte. Mit uns zugleich ging eine ſehr zahlreiche Menge,
ſowohl Oſtindiſcher als gewoͤhnlicher Kauffahrteyſchiffe ab.
[77]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
Als Lootſe, Beſucher und andre Abſchied genommen und
das Schiff verlaſſen hatten, und wir die dritte Bak-
tonne vorbey waren, wurden die Stuͤcke geloͤſet, und je-
der wuͤnſchte dem andern eine gluͤckliche Reiſe. Am fol-
genden Tage paſſirten wir den Kanal zwiſchen Frankreich
und England. Einige Tage nachher befanden wir uns
bereits in der Spaniſchen See, und das Waſſer, wel-
ches bisher gruͤn geweſen war, ſah nunmehr ganz
dunkelblau aus, und die Luft war um einen guten
Theil waͤrmer.
Auf dieſer Fahrt trug ſich ein Vorfall zu, der fuͤr
verſchiedne von uns, unter andern auch fuͤr mich, ſehr
traurige Folgen haͤtte haben koͤnnen. Außer andern
Gerichten wurden einmahl des Abends auf dem Officier-
Tiſche Pfannkuchen gegeben, wozu der Backmeiſter an-
ſtatt des Mehls aus Verſehen, oder vielmehr aus un-
verzeihlicher Unwiſſenheit, beynahe die Haͤlfte Bleyweiß
ausgegeben hatte. Dieſes Bleyweiß war in einer Kruke,
und zum Mahlen auf dem Schiffe beſtimmt; die Kruke
ſtand in einem Schranke und der Dumme konnte ſie nicht
einmahl an ihrer Schwere erkennen. Die Pfannkuchen
waren duͤnn, und hatten hie und da braun gebrannte
Flecken, beſonders auf einer Seite; waren uͤbrigens aber
weiß und ſo trocken, als wenn nicht das mindeſte von
Butter darin geweſen waͤre. Der Koch, den man im
Verdacht hatte, er habe ſie ſchlecht gebacken und die But-
ter geſpart, wurde hereingerufen und ausgeſcholten.
Ein Kuchen wurde gleichwohl aufgegeſſen, und zwar hat-
ten die meiſten am Tiſche davon genoſſen. Er ſchmeckte
etwas ſuͤßlich, ohne daß man im uͤbrigen das geringſte
von Gift verſpuͤren konnte. Die uͤbriggebliebenen wur-
den vom Hofmeiſter und den Aufwaͤrtern verzehrt, ſo daß
uͤberall zwanzig Perſonen davon aßen. Die Wirkung
[78]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
hievon war die, daß einige ſogleich, unter andern die Jun-
gen, ihrer reitzbareren Nerven wegen, andre in der Nacht,
wieder andre aber erſt am folgenden Tage, das, was ſie
genoſſen hatten, wieder von ſich gaben. Das Bleyweiß
hatte ſich in dem Gefaͤße, worin die Pfannkuchen ange-
ruͤhrt waren, ganz dunkelgrau auf den Boden geſetzt.
Ob wir gleich faſt durchgaͤngig glaubten, Kupferroſt aus
der Pfanne muͤſſe an dieſem Erbrechen Schuld ſeyn,
zum Theil auch wohl die Seekrankheit mit fuͤr eine Urſa-
che davon hielten, ſo gerieth ich doch beym Anblick je-
nes Bodenſatzes auf den Einfall, ihn zu unterſuchen.
Ich legte zu dieſem Ende etwas davon auf eine Kohle,
und ſchmelzte es mit dem Blaſerohre zu Bley. Zugleich
erwog ich, daß der ſaure Franzwein, den wir bey Ti-
ſche getrunken hatten, und der nun ganz ſuͤß aufſtieg,
nicht bloß durch den wenigen Zucker, womit die Kuchen
beſtreuet waren, ſo ſuͤß geworden ſeyn koͤnne, ſondern
daß dieſe Veraͤnderung des Geſchmacks von irgend etwas
Bleyartigem herkommen muͤſſe. Und dieſe Idee war es
eben, die mich darauf brachte, die Unterſuchung anzu-
ſtellen, ob ich gleich noch nicht zu begreifen im Stande
war, wie es habe zugehen koͤnnen. Die, welche noch
am ſelbigen Abend ſich erbrachen, wurden der Bleyma-
terie los, und waren ſogleich wieder geſund; unter an-
dern waren die ſaͤmmtlichen zur Aufwartung angenom-
menen Knaben ſo gluͤcklich. Verſchiedne Officiere fuͤhl-
ten auch nichts weiter, nachdem ſie zum Vomiren ge-
kommen waren. Vermuthlich hatten ſie von denjeni-
gen Pfannkuchen bekommen, die zuerſt gebacken waren,
mithin weniger Bleyweiß enthielten. Andre mußten ih-
re Mahlzeit theurer bezahlen, und von dieſen muß ich be-
ſonders reden. Der Capitain befand ſich nach geſchehe-
nem Erbrechen ein Paar Tage wohl, bekam aber hernach
[79]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
eine Kolik, die ſich weder durch aͤußerliche erweichende
Mittel, noch durch erweichende Getraͤnke, noch auch
durch Klyſtiere wollte vertreiben laſſen, ſondern zwey
Tage anhielt. Alsdann gab man ihm des Abends eine
Doſis aufgeloͤſetes Opium, worauf die Kolik voͤllig ver-
ging, und der Mann weiter gar nichts Uebels verſpuͤrte.
Er war hektiſch, und ſogar der Huſten blieb dadurch eini-
ge Tage aus. Niemand war aͤrger geplagt, als der
Domine (Schiffsprediger) und ich. Erſt den folgen-
den Morgen kam ich zum Vomiren, welches aber auch
beynahe den ganzen Tag anhielt. Ueberall erbrach ich
mich zwiſchen dreyßig und vierzigmahl, und von dem,
was ich ausgebrochen hatte, formirte ſich in dem Gefaͤ-
ße ein brauner Bodenſatz, der uͤber fuͤnf Eßloͤffel an-
fuͤllte. Der Kuchen, welchen ich zu mir genommen
hatte, war einer von den oberſten auf der Schuͤſſel, folg-
lich auch einer von den zuletzt gebackenen geweſen. Eben
deswegen hatte er aber auch viel Bleyweiß enthalten,
weil dies vermoͤge ſeiner Schwere in dem Gefaͤße, wor-
in das zum Kuchen Zuſammengeruͤhrte geſtanden, auf
den Boden geſunken war. Zugleich fuͤhlte ich Kopf-
ſchmerzen und Bauchweh, welches letztere doch eben nicht
ſtark war. Schon am naͤmlichen Tage ſchwoll mir das
Zahnfleiſch um die Wurzel der Zaͤhne ſo auf, daß ſich
kleine Hoͤker formirten, die mir unſtreitig Bleyweiß zu
enthalten ſchienen und ſehr empfindlich waren. Eben ſo
ſchwollen mir auch die Mandeln ſowohl im Munde als
unter dem Kinne. Der Speichel war ſehr zaͤh, und
die Zunge ſah braͤunlich aus. Durch haͤufiges Trinken
erleichterte und befoͤrderte ich das Erbrechen, und um
den Geſchwulſt im Munde zu lindern, bediente ich mich
eines erweichenden Gurgelwaſſers. Am folgenden Tage
find ich an, foͤrmlich, wiewohl gelinde, zu ſaliviren; der
[80]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Mund wurde inwendig wund, beſonders an den Sei-
ten; und der Odem bekam einen haͤßlichen Geſtank.
Ueber den Zaͤhnen ſetzte ſich ein gelblicher Schleim.
Der Urin faͤrbte ſich roͤthlich. Um die Materie von
oben nach unten zu treiben, nahm ich ein Laxativ ein.
Den Tag darauf hielt der Speichelfluß, obwohl gelinde,
an, und die wunden Stellen im Munde wurden ganz
gelb. Am fuͤnften Tage befand ich mich etwas beſſer.
In der folgenden Nacht aber entzuͤndete ſich das Weiße
in den Augen. Dieſe Inflammation vertrieb ich indeſſen
ſehr leicht, bloß durch Reiben mit den Augenliedern.
Am naͤchſten Tage wurde es wieder ſchlimmer mit mir.
Die Thraͤnen floſſen beſtaͤndig, und waren ſcharf und
beißend. Die rechte Seite des Geſichts ſchwoll auf.
Dabey empfand ich Ohrenſchmerzen, beſonders wenn
ich ſchluckte; und ich konnte daher nicht ohne die groͤßte
Beſchwerde trinken; ſaugen aber, oder etwas, das nicht
fluͤſſig war, niederſchlucken, konnte ich gar nicht. Ge-
gen Mittag zeigten ſich an den Fingern aufgeſchwollne
rothe Flecke, theils groͤßere, theils kleinere, ungefaͤhr ſo
als wenn man Froſt darin hat, doch ohne daß ſie eben
weh thaten; nach einigen Stunden verloren ſie ſich,
kamen aber nach ein Paar Tagen wieder. Den fol-
genden Tag war der Geſchwulſt im Halſe weg; die
Bleymaterie zog ſich vom Kopfe nach dem Unterleibe,
und verurſachte von neuem Erbrechen, welches ſogar
zwey ganze Tage nachher anhielt, da ſich denn auch
zugleich Blut, zuerſt wenig, hernach mehr, zeigte.
Das viele Vomiren machte mich nunmehr ganz matt.
Am zehnten Tage verſpuͤrte ich nur Uebelkeit und zwi-
ſchendurch eine gelinde Kolik. Den Tag hernach war
mir Mund und Hals ſo trocken, daß alles zuſammen-
klebte; auch bemerkte ich Bleyweiß im Speichel. Am
fol-
[81]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
folgenden Tage hatte ich wieder eine Kolik und fuͤhlte da-
bey Steifheit in den Knien; vier andern, die von den
Pfannkuchen gegeſſen hatten, wurden die Knien eben-
falls ſteif. Den naͤchſten Tag fanden ſich Kopfweh und
Uebelkeit ein, und ich war ſehr ſchwach. Am achtzehn-
ten Tage ſtellte ſich wieder eine Kolik ein, dabey empfand
ich fliegende Schmerzen im rechten Arme, und anhal-
tende Schmerzen in den Knien, unter den Fußſohlen
und im Fuße ſelbſt zwiſchen den Knochen, ſo daß ich mit
Muͤhe gehen konnte; dies dauerte zwey Tage fort.
Hernach befand ich mich ziemlich wohl, und bekam all-
maͤhlig meine Kraͤfte wieder, bis im Anfange des Fe-
bruars meine vorigen Plagen wieder eintraten, zu wel-
chen ſich nun auch ein Flußfieber geſellte, das mich den
9. Februar noͤthigte, mich zu Bette zu legen. Auch
nahm die Mattigkeit in den Knien von Tage zu Tage
wieder ſehr zu. Um den Magen zu reinigen, nahm ich
ſogleich ein Brechmittel. Am 16. hatte ich ſtarkes
Kopfweh, Schmerzen in den Gliedern, und eine Kolik.
Dies hielt mehrere Tage an, und wenn die Schmerzen
am ſtaͤrkſten waren, nemlich Mittags und Nachmittags,
hatte ich zugleich ein Fieber. Waͤhrend dieſer Zeit ge-
brauchte ich einige Tage hindurch temperirende Mittel,
und des Morgens eine Abfuͤhrung von einer Unze Pflau-
menlatwerge, wonach ich die Bleichſucht bekam. Dieſe
mattete mich in Geſchwindigkeit ſo ab, daß ich beynahe ohn-
maͤchtig wurde, hoͤrte aber nach einer Doſis aufgeloͤſeten
Opium ſogleich auf. Darauf konnte ich zwar das Bette
verlaſſen; war aber noch immer damit geplagt, daß mir
der Kopf ſchwer und die Knien ſchwach waren. Dies
waͤhrte auch ohne merkliche Aenderung bis zum 23., da
der Kopf mir noch ſchwerer wurde, und Ohrenſchmer-
zen an der rechten Seite hinzu kamen. Am folgenden
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. F
[82]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Tage wurde das Kopfweh ſehr ſtark, wobey ich heftiges
Klopfen oder Schlagen im Kopfe auf der rechten Seite
empfand, und zwar in ſolchem Grade, daß ich, wenn
ich mich im Bette aufrichtete oder ſonſt bewegte, bey-
nahe Convulſionen bekam und einen Schlagfluß befuͤrch-
tete. Die Ohrenſchmerzen nahmen ebenfalls ungemein
zu; auch verſpuͤrte ich dann und wann Zahnweh an der
rechten Seite. Ich ließ mir daher eine Aber oͤffnen,
und gebrauchte andre dienliche Mittel. Den Tag dar-
auf blieben die naͤmlichen Symptomen, und zwar in
gleicher Heftigkeit. Auch konnte ich von jetzt an des
Nachts nicht ſchlafen. Am naͤchſten Tage verlohren die
Ohrenſchmerzen ſich ganz, und das Klopfen im Kopfe
wurde ſchwaͤcher. Dagegen aber bekam ich nunmehr
Schmerzen in allen Gliedern, in einigen ſtaͤrker, in an-
dern ſchwaͤcher; beſonders fuͤhlte ich dergleichen ſehr in
den Knien und Elnbogen, welche faſt ganz lahm wur-
den. Die Kolik war gelinde, aber in der linken Niere
fuͤhlte ich bisweilen einen Schmerz, der zwar empfind-
lich war, aber bald voruͤberging. Wenn ich auf dem
Ruͤcken lag, merkte ich Engbruͤſtigkeit, die mit trocknem
Huſten verbunden, und bald ſtaͤrker, bald gelinder war.
Alle dieſe Zufaͤlle waren am Tage um zehn und um vier
Uhr heftiger als ſonſt, und alsdann ging auch der Puls
ſtark und unregelmaͤßig; vielleicht ruͤhrte dies von der
Tageshitze her. Im Magen konnte ich jetzt nichts Sau-
res vertragen, dergleichen ich ſonſt ins Getraͤnk gemiſcht
hatte, als Tamarindenwaſſer, Citronſaft und aͤhnliches;
ſondern ich durfte nur ein Paar Tropfen verſuͤßten Sal-
petergeiſt in den Thee gießen. Ich legte mir zwar ein
Spaniſchfliegenpflaſter zwiſchen die Schultern, das Kopf-
weh ließ deswegen aber nicht nach. Den 28. hoͤrte das
Schlagen im Kopfe und der kurze Athem auf, obgleich
[83]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
der Kopf noch immer ſo ſchwer wie Bley blieb. Die
Gliederſchmerzen wurden jetzt zwar auch gelinder, nah-
men aber noch gegen Abend wieder an Heftigkeit zu, und
drangen ſogar in die Schultern, vermehrten ſich auch
noch am folgenden Tage. Den 1. Maͤrz und die nach-
herigen Tage nahmen die Schmerzen ab. Allein die
Schwere des Kopfs und die Schwachheit in den Knien
hielten noch lange an, und waren auch mit einigen
Schmerzen verbunden, welches alles ich der in dieſen
Theilen noch befindlichen Bleymaterie zuſchrieb. End-
lich wurde ich allmaͤhlig ganz hergeſtellt. Vermuthlich
aber waͤren weit nachtheiligere und laͤnger fortwaͤhrende
Folgen fuͤr meine Geſundheit aus dieſem ganzen Vorfalle
entſtanden, wenn ich nicht bald in einem ſo ſchoͤnen Lan-
de, als das Vorgebirge der guten Hoffnung iſt, ange-
kommen waͤre, da viele und ſtarke Leibesbewegungen mir
haͤtte machen, und mich durch alle die angenehmen
Fruͤchte, Gartengewaͤchſe und Weine, welche dies Land,
von den fleißigen Europaͤern gebauet, ſo reichlich und
vortrefflich hervorbringt, erfriſchen und ſtaͤrken koͤn-
nen. — Der Domine hatte gleichfalls in den erſten
Tagen ſtarkes Erbrechen und Kolikſchmerzen. Auch
ſchwoll ihm ſowohl als dem Befehlshaber uͤber die Solda-
ten das Zahnfleiſch auf, wobey der Mund wund und
dieſe wunden Stellen ganz gelb wurden; indeſſen hatte
der letztere weder ſo heftiges Erbrechen, noch ſo ſtarke Ko-
likſchmerzen. Der erſtere wurde gegen das Ende des
Januars wieder mit einer heftigen Kolik befallen, die
ſich bey dem Gebrauche erweichender Mittel nur langſam
legte, und nach Verlauf einiger Tage mit einer voͤlligen
Darmgicht wieder eintrat. Und nun wollten weder
Rhabarber, noch Decoct von Senne-Blaͤttern, noch ge-
woͤhnliche ſcharfe Klyſtiere, noch Stechpillen Eroͤffnung
F 2
[84]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
verſchaffen; auch war ſogar ein Tobaksklyſtier ohne Ef-
fect, bis es zum zweytenmahl applicirt wurde, da denn
zwar Eroͤffnung erfolgte, aber die Kolikſchmerzen und
das Erbrechen nicht eher aufhoͤrte, als bis eine gute
Doſis von Sydenhams aufgeloͤſetem Opium gebraucht
war. — Der Unterkoch bekam ebenfalls, nachdem
einige Tage verſtrichen und das erſte Vomiren vorbey
war, eine Kolik. Dieſe hoͤrte zwar nach dem Gebrau-
che gewoͤhnlicher Mittel auf, kam aber wieder, und
wurde immer ſtaͤrker, daß man ſogar eine Magenent-
zuͤndung beſorgte; denn er wurde von den heftigen
Schmerzen faſt raſend, und wollte ſich den Bauch auf-
ſtechen. Man verordnete daher Aderlaß und Klyſtier,
wodurch er auch Linderung erhielt. Am andern Tage
aber nahm die Kolik nebſt der Darmgicht wieder zu,
und man gebrauchte umſonſt ſtarke Klyſtiere und Stech-
pillen; ſelbſt Tobaksklyſtiere ſchlugen nicht an, als bis
man ſie dreymahl vergeblich wiederhohlt hatte. Hernach
gab man ihm aufgeloͤſetes Opium, um die Kolik zu ſtil-
len, allein ohne ſo gute Wirkung als das vorigemahl,
daher denn ein Spaniſchfliegenpflaſter auf den Unterleib
gelegt wurde. Dies that wohl guten Effekt, allein der
Patient wurde darnach ſo lendenlahm, daß er nicht ge-
hen konnte, welches indeſſen allmaͤhlig nachließ. —
Mir machte alſo freylich dieſer ungluͤckliche Vorfall mit
dem Bleyweiß, wodurch jedoch keiner das Leben ein-
buͤßte, das meiſte zu ſchaffen. Er lehrte mich aber
auch, auf meinen folgenden Reiſen in Anfehung des
Eſſens und Trinkens ſorgfaͤltiger auf meiner Huth zu ſeyn.
Und in Anſehung der Folgen, die er bey einigen, beſon-
ders bey mir hatte, und der damit verbundnen Sympto-
men halte ich ihn immer fuͤr ſo merkwuͤrdig, daß ich mich
mit der Ueberzeugung ſchmeichle, auch meine nicht medici-
[85]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
niſchen Leſer werden es mir verzeihen, wenn ich mich bey
ihrer Beſchreibung etwas lange aufgehalten habe.
Die Hollaͤndiſchen Schiffe pflegen auf der Reiſe
nach dem Cap, zumahl wenn ſie lange von widri-
gem Winde in der Nord-See umhergetrieben ſind,
zu Sanct-Jago anzulegen, um friſches Waſſer und
Lebensmittel einzunehmen, obgleich das daſige Waſ-
ſer ſich nicht ſehr lange haͤlt. Wir ſegelten mit gutem
Winde vorbey, um uns auf unſrer Fahrt nicht aufzu-
halten.
Den 19. Januar 1772 hatten wir die Inſel
Canaria mit ihren hohen, gelben und rothen Bergen
zur Rechten, und Forteventura zur Linken. Am fol-
genden Tage bekamen wir Paſſat-Wind. Den 29. wa-
ren wir unter dem funfzehnten, und den 3. Februar un-
ter dem achten Grade der Breite.
In dieſen Gegenden des Meers ſahen wir des
Abends und des Nachts leuchtende Thiere zu Tauſenden,
wie Sterne, im Waſſer, wenn daſſelbe vom Schiffe be-
wegt wurde; wie auch große Kugeln, die gegen das Ka-
juͤtfenſter, wenn es offen ſtand, einen Schein, wie von
mattem Blitze, gaben. In einigen Naͤchten ſahen wir,
daß es wirklich blitzte, ohne daß man irgend Donner
hoͤrte. Man ſagte, dies bedeute Wind; diesmahl traf
die Prophezeihung gleichwohl nicht ein. Um dieſe Zeit
fingen wir auch Fiſche, und ſahen verſchiedne von
den großen Voͤgeln, die man Malmucken (Malle-
mocken) nennt. Unter andern ſchwamm einmahl eine
große Menge Hornfiſche (Baliſtae) von derjenigen Gat-
tung, deren letzter Strahl in der Ruͤcken-Floßfeder ſehr
lang iſt, hinter unſerm Schiffe her. Die Hitze wurde
taͤglich ſtaͤrker und unertraͤglicher, und Citronſaft mit
Zucker war uns jetzt zum Labetrunke unentbehrlich. Ein-
[86]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
mahl zeigte ſich uns in dieſer Zeit eine ſehr ſchoͤne Waſ-
ſerhoſe. Die Saͤule fing unten auf dem Waſſer, mit
gleichſam zerſtreuten kleinen Wolken an, wuchs darauf
aus denſelben in einem ſchmalen, in einer Beugung em-
porſteigenden, Zuge oder Strahle mit ebenen Seiten in
die Hoͤhe, welcher, ſobald er uͤber die Mitte hinauf
war, nach und nach dick wurde und ſich in einer Wolke
endigte. Dieſe Erſcheinung waͤhrte nicht lange, ſon-
dern verſchwand bald.
Den 22. Februar, kurz vor zwoͤlf Uhr, paſſirten
wir die Linie. Die Hitze war jetzt ſo ſtark, daß die
Butter wie Oehl floß, und die Siegel auf den Briefen
weich, und wenn Briefe auf einander lagen, ganz un-
kenntlich wurden. Nunmehr zeigten ſich auch die flie-
genden Wachtelfiſche (Exocoetus volitans), in ziemlicher
Menge: meiſtens flogen ſie in einer Reihe in der Breite,
bisweilen doch aber auch, wiewohl ſelten, in entgegen-
ſtehenden Gliedern. Imgleichen ſahen wir in dieſer
Gegend eine Art großer Voͤgel, die ſehr hoch flogen.
Der Scorbut fing an mehr uͤberhand zu nehmen.
Das Waſſer faulte, obſchon Queckſilber darin war,
nahm bereits einen ekelhaften Leichengeruch an, und wur-
de voll Wuͤrmer, daß man es ohne Kaffee oder Thee
nicht trinken konnte. Nach einigen Wochen aber wurde
es von ſelbſt wieder rein und wohlſchmeckend, nachdem
alles Unreine und die Wuͤrmer ſich auf den Boden ge-
ſenkt hatten. Mittlerweile ſammelten wir dann und
wann Regenwaſſer, obzwar dies verbothen war, weil
man glaubte, Regenwaſſer verurſache Krankheiten, und
unerachtet es vom Tauwerke nach Theer ſchmeckte. Um
das Bier zu conſerviren, legte man zwey Eyer in das
Faß, die darin zerplatzten.
[87]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
Die Sonne paſſirten wir den 22. Die Hoͤhe
mußte mit dem Octanten nunmehr auf der Steuerbord-
ſeite genommen werden: bisher war dies auf der Bak-
bordſeite geſchehen. Sobald wir auf dieſe Art ein wenig
ſuͤdlich von der Linie gekommen waren, wurde der Wind
immer ſtaͤrker, wiewohl er manchmahl nicht vorzuͤglich
gut war, ſondern uns einige ſiebenzig Meilen weit vom
Lande nach der Amerikaniſchen Seite trieb. Auch wurde
es von Tage zu Tage kuͤhler, je mehr wir uns dem Suͤd-
pole naͤherten.
Den 24. Maͤrz hatten wir die Hoͤhe des Vorge-
birges der guten Hoffnung. Hier fiſchten und aßen wir
Delphine. Auch flogen an dieſem Tage Mallemucken
(ich habe oben vergeſſen zu ſagen, daß dies die großen
bunten Mewen ſind) in Menge vorbey; ſie waren braun
und unten weiß. Als ſie muͤde waren, ſetzten ſie ſich
auf den Wellen nieder, um auszuruhen. In den fol-
genden Tagen ſahen wir von ihnen keine mehr. Wenn
dieſe Voͤgel haͤufig fliegen, ſo pflegen die Schiffer daraus
abzunehmen, daß man nicht ſehr weit vom Lande ſey. —
In dieſer Gegend des Meers ſahen wir auch ſchon Trom-
petentang im Waſſer fließen: ein ſicheres Zeichen, daß
wir uns dem Cap naͤherten, weil dieſe Art Meergras
ſich vom daſigen Strande losreißt, und dann weiter
ſchwimmt.
Die Anzahl der Kranken, welche ſeit dem Anfan-
ge unſrer Reiſe ſehr groß geweſen war, (faſt beſtaͤndig
lagen hundert und funfzig Mann krank) begann gegen-
waͤrtig anſehnlich abzunehmen, nachdem freylich unge-
mein viele, die nicht zu retten waren, und faſt alle Un-
taugliche, das Leben verlohren hatten. Und hier will
ich, ehe ich in der Beſchreibung der Reiſe ſelbſt weiter
[88]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
gehe, von den Krankheiten unter unſerm Schiffsvolke,
von den Krankenanſtalten und was damit verwandt iſt,
wie auch von verſchiednen andern Einrichtungen und Ge-
wohnheiten auf dem Schiffe, einige naͤhere Nachrichten
mittheilen.
Die unter unſern Leuten am Bord meiſtens vor-
kommenden Krankheiten waren Fleckfieber, boͤsartige
Faulfieber, Katarrhal-Fieber, zum Theil mehr, zum Theil
weniger boͤsartige, Roſe, Scorbut, ſchlimme und ge-
faͤhrliche faule Schaͤden, Geſchwuͤre, Huſten, Diar-
rhoͤe, Dyſenterie, veneriſche Krankheiten und manche
andre. Unter den Matroſen wurden die, welche beym
Steuer ſtanden, in Schweiß kamen, und ſich hernach
vor Erkaͤltung nicht huͤteten, haͤufig krank. Doch wa-
ren Soldaten mit verdorbenen Saͤften die meiſten, wel-
che erkrankten und am wenigſten hergeſtellt werden konn-
ten. Selten brach ſich ein Fieber mit einer richtigen und
guten Criſis. Denn entweder lagen die Kranken faſt
nackt, oder ſtanden zur Unzeit, wenn ſie im Schweiße la-
gen, auf, und tranken heimlich kaltes Waſſer, oder goſſen
ſich insgeheim kaltes Waſſer uͤber den Leib. Hiedurch ent-
ſtanden verſchiedne Metaſtaſen, als große und gefaͤhrliche
Abſceſſe an den Armen, Haͤnden, Beinen und Backen,
von denen einige in kalten Brand uͤbergingen, andre aber
die Kranken ſo ſehr mitnahmen, daß ſie vor Entkraͤftung
ſtarben. Andre verlohren mehr oder weniger das Gehoͤr.
Nahm die Mataſtaſe ihren Weg nach den dicken Beinen,
ſo verurſachte ſie unausſtehliche Schmerzen; nach den
Augen, ſo konnten die Patienten kaum ſehen; nach den
Fuͤßen, ſo folgte die Waſſerſucht in den Beinen. Eini-
ge bekamen die unaͤchten Pocken. Unter den mancher-
ley Symptomen bey den Fiebern bemerkte ich bey verſchie-
[89]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
denen Kranken ein hartnaͤckiges Erbrechen, bey andern
einen eben ſo hartnaͤckigen Durchlauf. In den boͤsarti-
gen Fiebern raſeten die Kranken haͤufig. Bey einigen we-
nigen ſtellte ſich ein ſogenannter unſchaͤdlicher Wahnſinn
(delirium innocuum) ein, waͤhrend deſſen ſie vier und
zwanzig Stunden hindurch faſt beſtaͤndig ſangen, ehe
ſie ſtarben.
Um den Krankheiten auf der Reiſe vorzubeugen,
war verordnet, daß die Luftpumpen ſtets im Gange ſeyn
ſollten; daß genau Acht gegeben wuͤrde, daß die, welche
das Saufen liebten, nicht am Tage ſchliefen, und des
Nachts ſoͤffen; daß beſtaͤndig ein Segel vom großen Ma-
ſte in die große Oeffnung des Schiffs herabhinge, um
friſche Luft ins Schiff hinunter zu bringen; daß bey gu-
tem Wetter die Leute ſich auf dem Verdecke aufhalten ſoll-
ten; daß alsdann auch die Laden und Kiſten, imgleichen
die Hangmatten heraufgebracht, und ausgeluftet, das
Schiff aber mittlerweile rein gemacht, mit Wachholder-
beeren und angezuͤndetem Schießpulver durchraͤuchert und
mit Eſſig beſprengt werden ſollte. Außerdem wurden
die Leute nicht nur angehalten, ſich oft zu waſchen
und zu reinigen, Kleidung und Hemde oft zu trock-
nen und zu wechſeln, ſondern auch ſich auf allerhand Art
zu beluſtigen.
Man nimmt auf den Schiffen ſo viele Kranken-
waͤrter an, als noͤthig ſind, um der Kranken zu pflegen,
ſie mit Eſſen und Trinken zu bedienen, ihnen die Arzney
einzugeben, ihnen aus und in die Hangmatten zu helfen,
und dahin zu ſehen, daß die Geneſenden ſich auf dem
Verdecke in friſcher Luft aufhalten.
Der Doctor oder erſte Chirurgus beſucht die Kran-
ken taͤglich zweymahl, des Morgens um acht, und des
[90]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Nachmittags um vier Uhr, da allererſt die Verbindungs-
zeit iſt. Diejenigen Kranken, welche zur Arzneykiſte
kommen koͤnnen, werden auf einer Tafel angezeichnet.
Darauf wird verordnet, was an dieſem Tage gebraucht
werden ſoll. Alsdann werden die Kranken in ihren Lager-
ſtaͤtten beſucht. Hernach ſtattet der Doctor dem Capi-
tain oder dem wachthabenden Steuermanne Bericht ab,
ob in der vorigen Nacht jemand geſtorben iſt, wie auch
von der Anzahl und Beſchaffenheit der Kranken. Die
Nahmen der Verſtorbnen werden auf einen Zettel geſchrie-
ben, und von den Kranken wird eine Liſte verfertiget, und
dem Hoch-Bootsmanne eingehaͤndigt, damit ſie nicht auf
die Wache oder zu andern Geſchaͤften commandirt werden
moͤgen. Uebrigens haͤlt der Doctor ſowohl ein Tagebuch
die Kranken betreffend, als auch einen Aufſatz von dem,
was fuͤr ſie erfordert wird, wie auch ein Verzeichniß der
Geſtorbnen, welches alles dem Gouverneur des Orts,
wohin die Reiſe geht, uͤbergeben wird. Das Eſſen fuͤr
die Kranken wird vom Doctor ordinirt, und der Budde-
lier empfaͤngt Anweiſung es zu veranſtalten. Die ſchlecht-
ſten und ſchwaͤchſten bekommen zugleich etwas Suppe oder
anderes, ſo am Officier-Tiſche uͤbrig geblieben iſt. Was
uͤbrigens, außer den Medicamenten, und deren Zuberei-
tung betreffend, noͤthig iſt, wird des Morgens gefordert,
als friſches Waſſer, Zucker, Eſſig, Oehl, Citronſaft,
ſpaniſcher und weißer Wein, Salpeter, Wachholder-
Branntwein und dergleichen: es wird auf einen Zet-
tel verzeichnet, der dem erſten Steuermanne eingehaͤn-
digt wird.
Iſt jemand geſtorben, und hat der Doctor Rap-
port davon abgeſtattet, ſo laͤßt der wachthabende Steuer-
mann ſogleich ſeine Lade heraufhohlen, und ſeine Klei-
[91]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
dungsſtuͤcke unter andre, die deren beduͤrfen, vertheilen.
Wenn die Schiffe in einem Hafen liegen, und alsdann
jemand ſtirbt, ſo wird eine kleine Flagge bis an die Mitte
der Stange aufgezogen, worauf ein Boot mit einem
Sarge kommt, um ihn abzuhohlen. Auf der See aber
wird der Todte in die Hangmatte genaͤhet, auf einige
Stunden vor dem großen Maſte hingelegt, und darauf
uͤber Bord geworfen, nachdem man zu den Fuͤßen Sand
oder Bley hineingethan hat, damit er zu Grunde gehen
moͤge. Macht jemand vor ſeinem Tode ein Teſtament,
ſo wird ſolches vom Ober-Bootsmanne, dem Konſtabel
und einigen andern unterſchrieben.
Die Ration, welche das Schiffsvolk woͤchentlich
oder eine Woche um die andere von gewiſſen Sachen, als
Oehl, Tamarinden, Citronſaft, Butter, Kaͤſe und
dergleichen haben ſoll, wird ihnen oft nur monathlich
oder alle fuͤnf Wochen gereicht, je nachdem der Capitain
und der erſte Steuermann es fuͤr gut und ihre Rechnung
dabey finden. Hiedurch wird den Leuten verſchiedenes ab-
gekuͤrzt, das jene Officiere nachmahls verkaufen; oder es
hat die Folge, daß ſie mit einemmahl mehr bekommen,
als ſie in ihren kleinen Laden unter ihren Lumpen aufbe-
wahren koͤnnen; oder daß, wenn ſie eine groͤßere Ra-
tion, als ſeyn ſollte, erhalten, im Anfange zu viel eſſen
und hernach nichts haben; oder daß den Einfaͤltigen unter
ihnen, die es nicht gut zu verbergen verſtehen, alles oder
ein Theil geſtohlen wird. Fleiſch und Speck wird indeſſen
oͤfter und ordentlicher ausgetheilt. Eſſig, Oehl, Salz
und Pfeffer bekommt die Beſatzung gewoͤhnlich ſo viel als
ſie gebraucht; Butter aber wird jedem woͤchentlich ein
halbes, und Brot viertehalb Pfund zugewogen. Dem
Koche wird fuͤr jeden Mann Dienſtags ein Pfund Speck,
[92]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Donnerſtags Fleiſch, Freytags Stockfiſch, Sonntags
Erbſen und Fleiſch, die uͤbrigen Tage aber Gruͤtze, Erb-
ſen und Bohnen ausgegeben. Manchmahl werden auch
Kartoffeln, rother Kopfkohl, Lauch und Zwiebeln,
Meerrettig, gelbe Wurzeln, bisweilen mit, bisweilen
ohne friſches Fleiſch oder Speck gegeben. Sobald das
Schiff gluͤcklich in die offne See gekommen war, wurden
Mann fuͤr Mann drey ganze Kaͤſe, jeder von einigen
Pfunden, ausgetheilt. — Die Compagnie ſchickt auch
Struͤmpfe, und Kleidungsſtuͤcke von grobem duͤnnem un-
geſchornem Tuche, mit, wovon denen, welche Gebrauch
davon machen wollen, auf Credit uͤberlaſſen wird. Eine
ſolche Austheilung geſchieht, wenn es dem Capitain be-
liebt, unter diejenigen, welche etwas verlangen, nicht
immer unter die, welche etwas noͤthig haben.
Einmahl wurde auf dieſer Reiſe eine Auction am
Bord gehalten, um den Nachlaß eines verſtorbnen Ma-
troſen zu verkaufen. Das dafuͤr geloͤſete Geld betrug
acht und ſechszig Gulden. Die Haͤlfte hievon wurde fuͤr
die Armen in Holland, und die andre Haͤlfte fuͤr die Ar-
men auf dem Cap beſtimmt, ohne an die rechtmaͤßigen
Erben des Verſtorbnen zu denken.
Den 30. Maͤrz ließen ſich wieder verſchiedne große
Voͤgel ſehen, und gaben zu erkennen, daß wir dem Cap
naͤher kamen. Jetzt wurden zum andernmahl unter dieje-
nigen Soldaten, welche bis dahin halb nackt gegangen wa-
ren, Kleidungsſtuͤcke ausgetheilt. Einige Tage hernach ſa-
hen wir Beſansſegel (Holothuria phyſalis), auf dem Waſ-
ſer ſegeln. Die großen Malmucken zeigten ſich nun auch
in groͤßerer Menge; widriger Wind aber hinderte uns
noch, naͤher ans Land zu kommen. Ferner ſahen wir ei-
nen kleinen blauen und weißen Vogel von der Groͤße einer
[93]Reiſe von Holland nach dem Vorgebirge ꝛc.
Schwalbe uͤber dem Waſſer ſchweben. Auch gingen
zwey Nord-Kaper (Balaenae) uns vorbey. Bald dar-
auf erblickten wir ſchon Landvoͤgel, welche ſich von See-
voͤgeln dadurch unterſcheiden, daß ſie nicht ſo geſchwind
fliegen, ſondern mehr mit den Fluͤgeln flattern.
Den 11. April bekamen wir den Tafelberg zum
erſtenmahl zu Geſichte. Das Waſſer war nunmehr
ganz gruͤn. Schon ſeit einigen Tagen hatte es die ſchwar-
ze Farbe verlohren, und gruͤnlich ausgeſehen. Dies iſt
immer ein Zeichen, daß das Meer ſeichter wird, und fuͤr
den Seemann, daß er dem Lande nahe kommt. Wir
konnten aber doch noch nicht den Hafen erreichen, weil
wir Suͤd-Oſt-Wind hatten, der uns noͤthigte, einige Tage
in der See zu loviren. In dieſer Zeit ſahen wir noch
waſſerſpruͤtzende Nord-Kaper und huͤpfende Seehunde;
und auf dem Waſſer Trompetentang in Menge, worauf
nicht ſelten Landvoͤgel ſich ſetzten, um zu ruhen. Endlich
langten wir den 16. April auf der Reede in der Tafelbay
gluͤcklich an, warfen das Anker, loͤſeten die Kanonen
und wuͤnſchten einander Gluͤck. Auf der Reede lag
ſchon vor uns unter andern ein Schwediſches Schiff, das
kurz vorher eingelaufen war, und auf welchem mein
Freund, Profeſſor Sparrmann, ſich befand.
Kaum hatten wir dieſe ſuͤdlichſte Spitze von
Afrika erreicht, als ſchon aus der Stadt der Schiffs-
Commandeur und ein Wundarzt zu uns kamen; jener,
um die mitgebrachten Briefe und der Compagnie gehoͤrigen
Papiere abzuhohlen; dieſer, um ſich nach der Anzahl der
gegenwaͤrtigen Kranken und der unterwegs Verſtorbnen
zu erkundigen. Der letzteren waren jetzt eben nicht ſehr
viele; die erſteren aber machten eine Zahl von 115 aus,
unter denen zehn bereits im Texel vor dem Anfange der
[94]Erſte Abtheilung. Sechster Abſchnitt. u. ſ. w.
Reiſe geſtorben, und zwey ungluͤcklicher Weiſe uͤber
Bord gefallen waren. Die andern mit uns ausgelauf-
nen Schiffe hatten noch mehr Todte: eins 158, wovon
136 im Texel, und 22 auf der Reiſe geſtorben waren;
das zweyte 230; und das dritte 103. — Auch ka-
men ſehr bald eine Menge ſchwarze Sclaven und Chine-
ſer mit kleinen Boͤten, um fuͤr Geld, auch fuͤr Klei-
dungsſtuͤcke und Waaren, friſches Fleiſch, Garten-
gewaͤchſe und Obſt zu verkaufen, welches das Schiffs-
volk auch begierig erhandelte.
Der 17. April 1772 war endlich der erwuͤnſchte
Tag, da ich das Land betrat, und in der Capſtadt
ankam.
[95]
Zweyte Abtheilung.
Aufenthalt in der Capſtadt vor der
erſten großen Afrikaniſchen Reiſe,
nebſt einigen kleinen Reiſen
ins Land
vom 17. April bis den 7. September 1772.
Erſter Abſchnitt.
Aufenthalt in der Capſtadt.
In der Capſtadt bekam ich meine Wohnung bey Herrn
Fehrſen. Mein erſtes war, daß ich dem Vice-Gouver-
neur, Baron van Plettenberg, und den uͤbrigen Mit-
gliedern der Regierung, welchen ich empfohlen war, und
an die ich Briefe abzugeben hatte, die Aufwartung machte.
Der alte wuͤrdige und allgemein geliebte Gouverneur
Tulbagh war bereits den 11. Auguſt vor Alter und am
Podagra verſtorben. Die an ihn gerichteten Briefe haͤn-
digte ich daher Baron Plettenberg ein, der mich mit
vieler Gewogenheit empfing, und mir verſprach, meine
Abſicht, ins Land hinein eine Reiſe vorzunehmen, zu
beguͤnſtigen und thaͤtig zu befoͤrdern.
Sogleich am Tage nach unſrer Ankunft wurden
die Kranken in Begleitung des Unter-Feldſcheers aus dem
Schiffe ins Lazaret gebracht. Darauf marſchirten die
Soldaten nach der Stadt, angefuͤhrt von ihrem Befehls-
[96]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
haber, der hernach am Lande nur als Sergeant diente,
wie dies allezeit ſo gebraͤuchlich iſt.
In meinem Vaterlande ſtand jetzt der ſchoͤnſte
Fruͤhling bevor; hier auf der Suͤd-Seite des Aequators
aber naͤherte ſich im Gegentheil der Winter. In meh-
reren Monathen konnte ich alſo noch nicht mit Nutzen die
inneren Gegenden des Landes durchreiſen, ſondern mußte
dazu den Anfang des Septembers abwarten. Die Zwi-
ſchenzeit glaubte ich nicht beſſer anwenden zu koͤnnen, als
wenn ich die hieſigen Einrichtungen, beſonders die Verfaſ-
ſung der Compagnie kennen zu lernen ſuchte; die Ge-
waͤchſe und Thiere in der Naͤhe der Stadt, und die naͤchſten
Gebirge mir genauer bekannt machte, und kleine Reiſen in
demjenigen Lande vornaͤhme, welches ich kuͤnftig ganz zu
durchwandern und mit Aufmerkſamkeit zu beſehen und zu
unterſuchen hoffte.
Das Vorgebirge der guten Hoffnung iſt die aͤußer-
ſte Landſpitze, nicht nur des ſuͤdlichen Afrika, ſondern
der ganzen alten ſuͤdlichen Welt, und unter allen Vor-
gebirgen oder Landſpitzen in der ganzen Welt das be-
ruͤhmteſte und vornehmſte. Bartholomaͤus Dias, ein
Portugieſe, war bekanntlich der erſte, welcher es im Jahr
1487 entdeckte, und Koͤnig Emanuel gab ihm den Nah-
men, welchen es noch jetzt fuͤhrt: Vaſco de Gama be-
ſuchte es zum andernmahl 1497, und zwar auf Befehl
eben dieſes Koͤnigs. Den von de la Caille angeſtellten
Beobachtungen zufolge liegt es unter dem 33. Grade und
35 Minuten ſuͤdlicher Breite, und dem 35. Grade und
2 Minuten der Laͤnge.
Der Fuß der Berge oder Anhoͤhen um die Stadt
beſteht aus rothgeflammter Lehmerde. Dieſe Farbe ruͤhrt
daher, daß das Waſſer in den Ritzen herunterfließt, und
dieſelben mit der eiſenartigen Saͤure, welche es enthaͤlt,
auf
[97]Aufenthalt in der Capſtadt.
auf dieſe Art faͤrbt. Weiter hinauf liegen große, mit-
telmaͤßige und kleine Steine ohne Ordnung, die von den
Bergen herniedergerollet ſind.
Die Schiffe, welche in der Tafelbay auf einer ſehr
großen Reede ankern, liegen ungefaͤhr eine Viertelmei-
le oder etwas weiter von der Stadt. Wenn man an
Land geht, wird man weder durch Thore, oder Zoll-
Schlagbaͤume, noch durch Beſucher oder Thorſchreiber
aufgehalten. Die Stadt hat weder Waͤlle noch Thore,
und man wohnt doch ſo ſicher als moͤglich darin, ob ſie
gleich in dem Lande eines wilden Volks liegt.
Die Stadt iſt ſehr regelmaͤßig gebauet. Sie er-
ſtreckt ſich in geraden Straßen und Abtheilungen vom
Strande bis an den Abhang, welche der Fuß des Tafel-
berges bildet, und iſt hinten vom Tafelberge, zur Linken vom
Loͤwenberge, und auf der Oſt-Seite ein wenig vom Teu-
felsberge umgeben. Nach Suͤden und Oſten liegt ſie al-
ſo meiſtentheils offen. Die Haͤuſer ſind alle von Stein,
durchgaͤngig weiß uͤbertuͤncht, ein oder zwey, ſelten drey,
Stockwerke hoch, und haben meiſtentheils flache ge-
mauerte Daͤcher, oder ſind auch wohl mit der hier zu
Lande wachſenden Grasart, welche das Dachſtrickgras
(Reſtio tectorum) iſt, auf niedrigen Sparren gedeckt.
Des hier wehenden ſtarken Windes wegen koͤnnen ſie we-
der mit Ziegeln gedeckt, noch hoͤher gebauet werden.
Das Haus des Gouverneurs und das Packhaus der
Compagnie ſind die einzigen Gebaͤude von drey Etagen.
Die Dienſtbothen beſtehen hier nicht aus Euro-
paͤern, ſondern aus ſchwarzen oder braunen Sklaven aus
Madagascar, Malabar und andern Indiſchen Laͤndern.
Dieſe reden groͤßtentheils entweder gebrochen Portugie-
ſiſch, oder Maleyiſch, ſelten Hollaͤndiſch. Sie lernen al-
lerley Handwerke, wodurch ſie ihren Herren viel Geld
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. G
[98]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
verdienen, beſonders die, welche Schneider, Tiſchler,
Maurer oder Koͤche ſind. Man vermiethet die Sklaven
auf Monathe, Wochen oder Tage, um zu arbeiten,
und in dieſer Zeit muͤſſen ſie ihren Herren taͤglich ein ge-
wiſſes Geld einbringen. Die Sklaven maͤnnlichen Ge-
ſchlechts tragen ihr Haar, auf welches dieſe Leute einen
großen Werth ſetzen, in ein zuſammen gewundenes
Schnupftuch, wie in einen Turban gewickelt; die Maͤg-
de wickeln es auch und befeſtigen es mit einer großen
Nadel. Kurze Jacken oder Waͤmſe mit Hoſen, nach
Art des Schifferanzugs, machen die uͤbrige Kleidung
der Sklaven aus; und zum Zeichen, daß ſie ihre Frey-
heit verlohren haben, gehen ſie allezeit barfuß und ohne
Hut. Daß Sklaven freygegeben werden, geſchieht aͤußerſt
ſelten. Ehe man zu Tiſche geht, ſowohl Mittags als
Abends, kommt eine Sklavin mit Waſchwaſſer und
einem Handtuche, und reicht es den Gaͤſten, ſich die Haͤn-
de zu waſchen; eben dies nach geendigter Mahlzeit. In
den Haͤuſern der Reichern bekommt jeder Fremde bey
Tiſche einen Sklaven hinter den Stuhl zur Aufwar-
tung. Dieſer haͤlt oft einen großen Faͤcher, der aus
einem Palmblatte beſteht, in der Hand, um damit die
Fliegen wegzujagen, die hier eben ſo laͤſtig ſind, als in
Europa.
Sowohl in als außer der Stadt ſind ſchoͤne und
nette Gaͤrten, nicht nur Kuͤchengaͤrten, ſondern auch
Obſtgaͤrten angelegt. Die außerhalb der Stadt werden
vermittelſt der von den Bergen herabgeleiteten Kanaͤle ge-
waͤſſert. Der große und reitzende Garten der Compagnie
raget unter den uͤbrigen wie eine alte Eiche unter Buͤ-
ſchen empor. Aus dieſen Gaͤrten erhalten die ankom-
menden Fremden ihre erſte Erfriſchung, und ihr uͤber-
fluͤſſiger Vorrath verſieht ſowohl die Hollaͤndiſchen, als
[99]Aufenthalt in der Capſtadt.
die Schiffe andrer Nationen mit dem, was ſie zu ihrer
Reiſe beduͤrfen. Die Samen muͤſſen indeſſen jaͤhrlich
friſch aus Holland gehohlt werden, weil hier die meiſten
mit der Zeit ausarten, Blumenkohl ausgenommen, deſ-
ſen Samen ſich hier vorzuͤglich veredelt, und von hier
nach Holland verkauft wird, wo er ſich in der Folge ver-
ſchlechtert. Aepfel, Birnen und andre Europaͤiſche Fruͤch-
te werden loſer und reifer, erreichen aber nicht die vor-
zuͤgliche Guͤte des Geſchmacks, als in Europa, halten
ſich auch nicht lange. Auch Pfirſchen werden nicht ſo
gut, als im ſuͤdlichen Europa: man trocknet ſie haͤufig
wie Birnen, ſowohl mit als ohne den Kern. Die aus
Europa hieher gebrachten Baͤume, als Eichen, weiße
Eſpen und andre, verlieren im Winter ihre Blaͤtter eben
ſo als in den Laͤndern, wo ſie einheimiſch ſind, bekommen
ſie doch aber bald wieder. Von den Afrikaniſchen Baͤu-
men hingegen faͤllt das Laub nicht ab. Dieſer Umſtand
iſt allerdings merkwuͤrdig. Denn einmahl iſt die Kaͤlte
hier im Winter nicht ſtaͤrker, als in Schweden im Herb-
ſte, und dann geſchieht es auf der Suͤd-Seite der Aequi-
noctial-Linie zu eben der Zeit, da auf der Nord-Seite die
Blaͤtter auf den Baͤumen wieder ausſchlagen. Linden
laſſen ſich hier aber nicht ziehen, weil ſie die herrſchenden
heftigen Sturmwinde nicht vertragen koͤnnen. Eben ſo
wenig kommen Haſelſtauden, Kirſchbaͤume, Stachel-
beeren, Rauhbeeren oder Krausbeeren, und rothe und
ſchwarze Johannisbeeren hier fort: ſie wachſen ſchlecht
und tragen ſelten. Die Myrten wachſen zu der Hoͤhe
eines Baums, bekommen aber keinen dicken, ſteifen und
aſtreichen Stamm.
Indem ich von den hieſigen Gaͤrten rede, kann ich
den Gaͤrtner Auge nicht mit Stillſchweigen uͤbergehen.
Dieſer Mann hat viele und ſehr weite Reiſen tief ins Land
G 2
[100]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
hinein gemacht, und alle diejenigen Gewaͤchſe und In-
ſekten geſammelt, die der verſtorbne Gouverneur Tul-
bagh nach Europa an Linné, Burmannus und van
Royen geſchickt hat. Da er ſolche Reiſen alle Jahre ver-
richtete, verkaufte er zugleich an Fremde ſowohl Kraͤu-
terſammlungen als auch Voͤgel und Inſekten. Von[ ]ihm
kaufte der Directeur Grubb die vortreffliche Sammlung
von Kraͤutern, die hernach Profeſſor Bergius zum Geſchen-
ke bekam, und in ſeinem Werke von den Capſchen Pflanzen
ſo unvergleichlich beſchrieben hat. Auge’s botaniſche
Kenntniſſe ſind nicht groß, und ſeine Sammlungen er-
ſtrecken ſich gemeiniglich nicht weiter, als uͤber das, was
ſich durch Groͤße oder Schoͤnheit auszeichnet. Inzwi-
ſchen haben wir ihm doch faſt allein alle die ſeit Her-
mannus, Oldenlands und Hartogs Zeiten in dieſem Theile
von Afrika gemachten botaniſchen Entdeckungen zu ver-
danken.
Nunmehr komme ich zu den militaͤriſchen Einrich-
tungen auf dem Cap. Die Citadelle liegt am Strande,
oſtwaͤrts unterhalb der Stadt. Sie iſt von hohen Mauern
und tiefen Graͤben eingeſchloſſen, und mit hinlaͤnglichen
Wohnzimmern fuͤr den Gouverneur, obgleich dieſer nie-
mahls da wohnt, den Major, die uͤbrigen Officiere und
die Soldaten verſehen. Sobald die Sonne untergeht,
wird das große Thor zugeſchloſſen, da denn allen Solda-
ten, die nicht Urlaub bekommen haben, durch Trom-
melſchlag das Zeichen hereinzukommen gegeben, und die
Mannſchaft von jeder Compagnie aufgerufen wird. Das
kleine Thor bleibt bis zehn Uhr offen, und alsdann muͤſ-
ſen die draußen ſich befindenden Soldaten, welche keinen
Nacht-Urlaub haben, wenn mit einer Glocke gelaͤutet
wird, ſich einſtellen. In der Nacht wird das Thor nicht
leicht aufgemacht, außer im Nothfalle, zum Exempel, um
[101]Aufenthalt in der Capſtadt.
eine Hebamme zu hohlen. In der Citadelle muß allezeit
ein Feldſcheer ſchlafen.
Der Zuſtand der hieſigen Garniſon iſt ſchlecht.
Das erſte, was ein Soldat ſich erwerben muß, iſt die
Mondirung. Dieſe bekommt er zwar von der Compa-
gnie, aber nicht anders als gegen Bezahlung, oder ſo,
daß er ſie abverdient. Alle drey Jahr laͤßt die Compagnie
eine gewiſſe Partey Mondirungen zur Bekleidung der Be-
ſatzung verfertigen; in der Zwiſchenzeit aber laͤßt ſie kein
Stuͤck machen. Traͤgt es ſich nun zu, daß die verfer-
tigte Anzahl fuͤr die neu ankommenden Soldaten auf die
Zeit, bis wieder neue Mondirung gemacht wird, nicht hin-
reicht, ſo muß der Soldat ſo lange in den Kleidern, die er
hat, waͤre es auch nur das Wams, welches er vom See-
lenverkaͤufer bekam, Wache thun. Diejenigen Solda-
ten, welche in Holland einen ſogenannten Transport-Zet-
tel bekommen haben, erhalten hier nicht eher Sold, als
bis die ganze Zeit verfloſſen iſt, da ſie den Werth des
Zettels abverdient haben. Gewoͤhnlich waͤhrt dies an-
derthalb Jahr, auch wohl laͤnger; und in dieſer ganzen
Zeit bekommt er nur etwas Koſtgeld und Dienſtgeld.
Was er ſonſt zu Unterhalt und Kleidung bedarf, muß
er entweder durch ſein Handwerk, wenn er eines verſteht,
oder durch Wachen, die er an den Tagen, da er frey
iſt, fuͤr andre thut, ſich ſelbſt verdienen. Hat ein
Soldat ein nuͤtzliches Handwerk gelernt, ſo kann er taͤg-
lich einen halben Reichsthaler (Ducaton) verdienen,
da er denn ſeine Wache mit vier Hollaͤndiſchen Stuͤbern
bezahlt. Mit Waſchen fuͤr andre koͤnnen ſie auch etwas
verdienen. Ein Soldat kann auch wohl doppeltes Koſt-
geld bekommen; aber alsdann werden ihm fuͤr Subſidien,
wie es genannt wird, monathlich zwey Gulden von ſei-
nem Solde abgezogen. Jeder kommt alle zwey, bis-
[102]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
weilen auch wohl nur alle drey Tage auf die Wache, und
hat folglich einen oder zwey Tage frey. Die Wache
dauert vier und zwanzig Stunden. Die kleinen Wachen
werden mit einem Corporal und drey Mann, und die
groͤßern mit einem Sergeanten und zwoͤlf Mann beſetzt.
Zwey Stunden ſteht jeder auf dem Poſten, hat alſo vier
Stunden frey. Jeder Soldat iſt ſchuldig fuͤnf Jahr,
die Zeit der Reiſe nicht mit gerechnet, zu dienen. Waͤh-
rend dieſer Zeit darf er nicht zu Hauſe reiſen; wenn
aber die Officiere einem wohlwollen, ſo wird viel davon
abgekuͤrzt, und manchmahl bekommt er die Erlaubniß,
ſchon mit demſelben Schiffe zuruͤckzugehen. Wenn er
ſeine Zeit ausgedient hat, ſteht es ihm frey, entweder
zu Hauſe zuruͤckzukehren, oder laͤnger zu dienen. Geht
er eine neue Capitulation ein, welches das erſtemahl auf
drey Jahr geſchieht, ſo wird ſein Sold mit monathlich
zwey Gulden vermehrt. Wenn dieſe Jahre vorbey ſind,
kann er zum andernmahl auf drey Jahr capituliren, da
er denn abermahls eine monathliche Zulage von zwey
Gulden bekommt. Hernach wird nichts mehr zugelegt,
wofern er nicht zugleich eine Stufe hoͤher hinauf ruͤckt.
Wer als Soldat hingekommen iſt, kann zum Corporal,
Sergeanten oder Officier, auch wohl zum Aſſiſtenten
auf einem Comtoire, oder, wenn er in Europa die Chi-
rurgie gelernt hat, zum Feldſcheer avanciren. Uebrigens
kann ein Soldat von der Muſkete und dem Dienſte auf
mehr als eine Art loskommen. Gemeiniglich geſchieht
dies ſo, daß er, wie man es hier nennt, auf Paß geht.
Er iſt alsdann von allen Dienſten frey, und kann ſich er-
naͤhren, womit er will, auch jedes Handwerk treiben.
Dafuͤr werden monathlich vier Thaler, und dem Adju-
tanten bey der Compagnie ein Schilling bezahlt; wogegen
er ſeinen monathlichen Sold zu gut behaͤlt. Jetzt waren
[103]Aufenthalt in der Capſtadt.
von der Garniſon ungefaͤhr hundert und funfzig ſoge-
nannte Paßgaͤnger. Die vier Thaler Paßgeld werden
unter die dienſtthuende Mannſchaft vertheilt, und ha-
ben den Nahmen Dienſtgeld. Ein Gemeiner bekommt
davon acht bis neun, ein Corporal zwoͤlf, ein Ser-
geant ſechzehn Schilling, das uͤbrige wird unter die
Officiere vertheilt. Dies Paßgeld muß genau am letzten
Tage jedes Monaths bezahlt werden, und zwar an den
Prediger, welcher es einnimmt. Bey bevorſtehendem
Kriege aber wird kein Paßgang geſtattet, ſondern wenn
Krieg iſt, muß jeder Dienſte thun. Freywaͤchter oder
Beurlaubte zum Vortheile der Stabs-Officiere hat man
noch außerdem: der Gouverneur nimmt fuͤr ſich ſo viele
als ihm beliebt; der Major vier und zwanzig und wohl
mehr; der Fiſkal zwey, der Buchhalter einen, und ſo
weiter: dieſe muͤſſen alsdann fuͤr den, welchem ſie zuge-
ſchlagen werden, arbeiten oder ihnen ihr Paßgeld bezah-
len. Je mehr dergleichen Leute angenommen werden, deſto
oͤfter muͤſſen die andern auf die Wache, welche alſo da-
durch leiden. Die Loͤhnung zahlt den Soldaten alle vier
Monath der Lieutenant bey jeder Compagnie aus; der Mo-
nath, da dies geſchieht, heißt daher bey ihnen der gute Mo-
nath. Manchmahl verlangt ein Einwohner in der Stadt
oder auf dem Lande einen Soldaten entweder zum Infor-
mator ſeiner Kinder, oder zum Arbeiter in ſeiner Werk-
ſtatt; alsdann kann er ihn auf die oben beſchriebne Art
durch den Gouverneur oder die Officiere leicht bekommen.
Wenn aber ein ſolcher Soldat in Holland einen Transport-
Zettel bekommen hat, ſo muß dieſer ſodann mit ungefaͤhr
achtzig Reichsthalern bezahlt werden, und dieſe Summe
muß der Kerl nach und nach abverdienen; ſtirbt er aber
vorher, ehe dies geſchehen iſt, ſo hat der, welcher ihn ange-
nommen hat, den Schaden. Auf gleiche Art koͤnnen
[104]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
auch wohl Matroſen Paßgaͤnger werden; dieſe muͤſſen
aber alsdann dem Equipage-Meiſter monathlich acht Tha-
ler bezahlen. Voͤllige Dienſterlaſſung kann jemand zwar
ebenfalls erhalten; aber nicht anders, als daß er ſich
fuͤr untauglich zum Dienſt der Compagnie erklaͤren laͤßt.
Verſchiedne von der Mannſchaft giebt es auch, die weder
Dienſt thun, noch auf Paß gehen, noch Sold genießen,
aber ſo lange Friede iſt, frey ſind. Dieſe heißen Auf-
gehobene (Ligten). Wenn ein ſolcher Kerl aber ein-
mahl wieder in Dienſt tritt, iſt er verbunden, ſeine fuͤnf
Jahr, auf die er capitulirt hat, auszudienen. — Dar-
auf, daß die Soldaten ſich nett und rein halten, wird ſehr
geſehen, beſonders auf der Parade und auf der Wache.
Da muͤſſen ſie mit weißen Hemden, geputzten Knoͤpfen
und Schnallen, blankem Gewehr, weißen Unterkleidern
und weißen Struͤmpfen erſcheinen. — Wird ein Sol-
dat krank, ſo bringt man ihn in das Lazaret; hier ge-
nießt er freye Arzney und Bekoͤſtigung, bis er herge-
ſtellt iſt. Dagegen bekommt er waͤhrend dieſer Zeit we-
der Sold noch Koſtgeld, ſondern bloß Dienſtgeld. Hat er
eine veneriſche Krankheit, ſo wird ihm auch das Dienſtgeld
entzogen. Will er nicht ins Hoſpital, ſo kann er an-
derswo bleiben, muß aber alsdann Arzt, Aufwartung,
und was er gebraucht und verzehrt, ſelbſt bezahlen; behaͤlt
indeſſen doch Sold und Koſtgeld zu gut. — Die Sol-
daten bekommen hier nicht die Erlaubniß ſich zu verhei-
rathen, weil man beſorgt, daß ſie alsdann, da ſie mit
ihren Weibern außerhalb der Citadelle wohnen muͤßten,
ſich in der Stadt in Schulden vertiefen moͤchten, da
man denn gezwungen ſeyn wuͤrde, ſie nach Batavia zu
ſchicken, welches die gewoͤhnliche Strafe ſolcher Leute iſt.
Freylich waͤre es viel beſſer, wenn den Corporalen und
Gemeinen verſtattet wuͤrde zu heirathen. Bey dem Ge-
[105]Aufenthalt in der Capſtadt.
nuſſe ſeines Soldes wuͤrde der Kerl demungeachtet Dien-
ſte thun, und an den freyen Tagen mit Unterricht oder
einem Handwerke ſein Brot verdienen koͤnnen. Bey je-
nem Verbothe hingegen werden, wie die taͤgliche Erfahrung
lehrt, viele liederlich, und wohl gar durch feile ſchwarze
Weibsbilder in Anſehung der Geſundheit auf immer
verdorben. Zudem ficht auch ein beweibter Soldat im
Kriege mit mehr Muth und Tapferkeit fuͤr Vaterland,
Weib und Kinder. Dies alles aber ſcheint man nicht zu
erwaͤgen; ſondern, wenn ein Kerl heirathen will, muß
er Abſchied nehmen, und ein freyer Buͤrger werden. Und
dennoch wird er dies nur unter der Bedingung, daß er,
wenn die Noth es erfordern ſollte, bey der Compagnie
wieder, und zwar in derſelben Eigenſchaft, als er davon
Abſchied nahm, in Dienſt treten muß.
In der Citadelle wird taͤglich, außer des Sonntags,
Morgens und Abends von einem ſogenannten Krankentroͤ-
ſter Betſtunde gehalten. Des Sonntags ſtehen waͤh-
rend des Gottesdienſtes vor dem Kirchhofe und vor der
Kirchenthuͤr Schildwachen; in der Kirche aber hat man
dergleichen nicht gern.
Draußen vor der Citadelle, auf einem geraͤumigen
Platze, der den Boͤttchern gehoͤrt, werden die Waſſerton-
nen und Weinfaͤſſer von den Schiffen hingelegt, um
ausgebeſſert und umgearbeitet zu werden. Auch pflegt
da immer eine Menge Planken und Breter zu liegen.
Damit nichts geſtohlen werde, ſteht hier allemahl des
Nachts eine Schildwache. Dieſer Poſten bringt bisweilen
etwas ein, wenn naͤmlich der Soldat einen Liebhaber mit
ſeiner Geliebten ertappt, die alsdann, um dem Verhafte
und der Entdeckung zu entgehen, genoͤthigt ſind, einige
Thaler Trinkgeld fuͤr das kleine Vergnuͤgen, das ſie ſich
zwiſchen den Bretern machten, zu bezahlen.
[106]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Am Strande ſind zur Vertheidigung der Stadt
verſchiedne groͤßere und kleinere Batterien angelegt. Die
Feſtung oder Citadelle ſelbſt ſoll ſowohl gegen einheimiſche
als auswaͤrtige Feinde ſichern; die Batterien aber eigent-
lich gegen Schiffe fremder Maͤchte. Dieſe beſchießen auch
die Reede viel beſſer, als die Citadelle je thun kann; ihrer
ſind fuͤnf, aber ſie ſind eben nicht im beſten Zuſtande.
Die Bauern oder Koloniſten im ganzen Lande ſind,
wie die Einwohner der Stadt, insgeſammt Buͤrger, und
muͤſſen ſich daher, ſo wie dieſe, allezeit bereit halten,
bey entſtehendem Kriege das Land zu beſchuͤtzen. Sollte
ploͤtzlich Gefahr vor einem Feinde ſich zeigen, ſo koͤnnen
auch die Einwohner des ganzen Landes durch Kanonen-
ſchuͤſſe und aufgeſteckte Flaggen in Geſchwindigkeit auf-
gebothen werden. In gewiſſen Entfernungen ſtehen naͤm-
lich Kanonen, und bey jeder Kanone eine Flaggenſtange:
mit beyden wird, wenn man einen Feind bemerkt, oder
eine große fremde Schiffsflotte ſich naͤhert, ein Zeichen
gegeben. Auf dem Loͤwenberge (Leeuwen-Kop) ge-
ſchehen ſieben Schuͤſſe; darauf wird beym Salzfluſſe
(Qoutrivier) geſchoſſen, und ſo immer weiter die naͤchſte
Kanone abgefeuert. Vor dem Schuſſe wird die Flagge
aufgezogen. Auf dieſe Art macht man die Gefahr bin-
nen kurzer Zeit durchs ganze Land kund. Die ſaͤmmtliche
Buͤrgerſchaft, ſowohl in der Stadt, als im ganzen
Lande, iſt zum Dienſte bey Vertheidigung des Landes
foͤrmlich enrollirt, und in verſchiedene Compagnien, theils
zu Pferde, theils zu Fuß, eingetheilt. Die Officiere wer-
den aus ihrer eigenen Mitte genommen. Alle Jahr kom-
men ſie zuſammen, um ſich in den Waffen zu uͤben; als-
dann ziehen ſie in der Stadt auch ordentlich auf die
Wache. Von den freyen oder freygelaßnen Schwarzen
laͤßt man nicht gern jemand mit auf die Buͤrgerwache
[107]Aufenthalt in der Capſtadt.
ziehen. Zu Kriegszeiten muͤſſen ſie Batterien aufwer-
fen und andre Schanzgraͤber-Arbeit verrichten. Die Spa-
den ſind dann ihr Gewehr. Sie haben indeſſen doch ih-
ren eignen Capitain. Wenn Noth an Mann tritt,
muͤſſen auch die Sklaven mit gegen den Feind. Feder
Hausherr muß alsdann ſeine Sklaven vor ſich hertreiben,
und dieſe werden ebenfalls in Compagnien vertheilt. Auch
die Bedienten der Compagnie ſogar muͤſſen im Nothfalle
mit Kriegsdienſte thun. Buͤrger, freye Schwarze, Skla-
ven und Compagnie-Bediente bekommen jede ihre gewiſ-
ſen und angewieſenen Stationen. Die Secretaire, Kan-
zelliſten und Schreiber werden innerhalb des Caſtells ge-
braucht; andre vertheilt man in die Batterien.
Die Capſtadt ſteht ganz und gar unter der Ge-
richtsbarkeit der Compagnie, mithin unter dem Gouver-
neur und dem Fiſkale. In oͤkonomiſchen und Polizey-
Sachen hat ſie gleichwohl ihre eignen Einrichtungen,
Buͤrgermeiſter, einen Polizey-Rath, verſchiedne von
ihr abhangende Beamten und dergleichen.
In der Stadt iſt nur eine einzige, und zwar refor-
mirte, Kirche *), die ziemlich groß und ſchoͤn iſt. Die
Lutheraner haben bisher nicht die Erlaubniß erhalten koͤn-
nen, eine Kirche zu bauen, obſchon ihre Anzahl ſehr
groß iſt. An der reformirten Kirche ſtehen zwey Prediger,
welche in der Stadt wohnen und gut beſoldet werden. —
Den Stillfreytag feyert man hier wenig; die Leute arbei-
ten an demſelben, wie an andern Tagen, und des Nach-
mittags iſt Gottesdienſt und Predigt. Man feyert alſo
nur einen halben Tag, und zwar zum Andenken des Be-
graͤbniſſes Chriſti; das Andenken ſeines Leidens und To-
des begeht man hingegen gar nicht feyerlich. —
[108]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Die Compagnie hat ihr eignes Sklavenhaus, wel-
ches nahe am Garten liegt, und eine Menge Sklaven be-
herbergt. Dieſe muͤſſen im Garten arbeiten, die Hand-
arbeit bey den Bauen verrichten, die Waaren, welche
von den Schiffen kommen, tragen, und dergleichen mehr.
Die Kranken unter ihnen genießen der Pflege eines eig-
nen Feldſcheers. Die Compagnie hohlt ihre Sklaven meiſt
von Madagaskar. Privat-Perſonen dagegen kaufen die ih-
rigen von den Officieren der aus Indien kommenden Schif-
fe, ſowohl Hollaͤndiſcher als Franzoͤſiſcher, ſelten Engliſcher,
niemahls Schwediſcher. Ehe die Schiffe von hier ab-
ſegeln, werden aus dem Krankenhauſe diejenigen, wel-
che geneſen ſind, herausgenommen, und auf die Schiffe
vertheilt.
Dies erinnert mich daran, von den hieſigen Skla-
ven uͤberhaupt hier noch etwas hinzuzufuͤgen. Oft leben
Sklaven, die zwey verſchiednen Herren gehoͤren, mit
Vorwiſſen der Herren, zuſammen in ehelicher Vertrau-
lichkeit. Die aus ſolchem Umgange erzeugten Kinder ge-
hoͤren allezeit dem Herrn der Sklavin. Traͤgt es ſich zu,
daß ein Freygegebner oder einer, der ſich losgekauft hat,
mit einer Sklavin lebt und Kinder zeugt, ſo ſind die Kin-
der Sklaven. Eben ſo wird es mit den Kindern gehalten,
die eine Sklavin von einem Europaͤer bekommt. Hier-
aus ſieht man auch, was fuͤr eine Bewandtniß es mit den
Ehen der Sklaven hat: ſie werden leicht geſchloſſen,
leicht entheiligt und leicht gebrochen. — Der Herr
kann ſeinen Sklaven zwar wohl mit der Karbatſche ſtrafen,
hat aber kein Recht uͤber ſein Leben, ſondern dieſes kommt
bloß der Obrigkeit zu. Wird ein Sklave von ſeinem Herrn
zu hart gemißhandelt, ſo hat er die Erlaubniß, ſich dar-
uͤber beym Fiſkale zu beklagen; und wenn man ſeine Kla-
ge gegruͤndet findet, verurtheilt man den Herrn zu einer
[109]Aufenthalt in der Capſtadt.
anſehnlichen Geldſtrafe. Macht ein Sklave Mine, an
ſeinen Herrn, ſeine Frau, oder irgend einen andern
Europaͤer Hand anzulegen, ſo macht er ſich des Todes
ſchuldig. Ein Sklave kann kein guͤltiges Zeugniß able-
gen. Auch darf er kein Schießgewehr tragen, noch
weniger dergleichen beſitzen. Ueberhaupt werden die
Sklaven, die allezeit eine groͤßere Anzahl, als die Eu-
ropaͤer ausmachen, unbewaffnet gehalten. Wenn ein
Sklave freygelaſſen iſt oder ſich losgekauft hat, ſo traͤgt
er ſogleich Schuhe und Struͤmpfe, nebſt Hut, als
Zeichen der erhaltnen Freyheit.
Einige wenige hieſige Familien ſtammen, und zwar
jetzt im dritten Gliede, muͤtterlicher Seits von Schwar-
zen her. Die erſten Abkoͤmmlinge von einem Europaͤer,
der eine freygegebne braune Sklavin geheirathet hat,
werden dunkelfaͤrbig, aber doch dabey mehr oder weniger
weiß. Die Kinder dieſer erſten Abkoͤmmlinge werden,
wenn dieſe mit Europaͤern verheirathet ſind, ganz weiß,
und nicht ſelten ungemein ſchoͤn.
Ich kehre zu den Nachrichten von den Einrichtun-
gen in der Capſtadt zuruͤck. Das Hoſpital oder Kran-
kenhaus hat eine uͤble Lage, iſt jetzt auch ſehr baufaͤllig.
Man hat daher auch die Anſtalt gemacht, daß bald ein
neues zu Stande kommen wird, welches nicht nur ge-
raͤumiger, ſondern auch bequemer ſeyn ſoll. Die Kran-
ken genießen eben keiner guten Pflege. Dies ruͤhrt von
den ſchlechten mediciniſchen Kenntniſſen desjenigen Man-
nes her, dem die Ober-Aufſicht daruͤber anvertrauet iſt.
Die Compagnie wenigſtens ſpart keine Koſten. Man
erzaͤhlte mir, bloß zu Anſchaffung von Mandeln fuͤr die
Kranken beſtehen ſie jaͤhrlich in zweyhundert Ducatonen
oder etwas uͤber ſechshundert Gulden, und von dieſen
Mandeln genieße kein Patient eine einzige. Alle halbe
[110]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Jahr wird die Haͤlfte dieſer Summe angewieſen, nachdem
man vorher genau ausgerechnet hat, wie viel tauſend
Mandeln man nach jedesmahligem gangbarem Preiſe
fuͤr das Geld bekommen kann. Dieſe Summe iſt da-
her allezeit gleich, aber die Menge der Mandeln iſt nach
Verſchiedenheit des Preiſes unterſchieden. Die Kran-
ken bekommen indeſſen, dieſe Menge ſey groß oder klein,
immer gleich viel, naͤmlich wenig oder gar nichts. Fuͤr
jeden, der im Hoſpitale eine Salbcur gebraucht, be-
kommt der Feldſcheer acht Reichsthaler, und zwey
Reichsthaler bezahlt der Patient fuͤr Arzney, genießt
alſo die Cur doch nicht umſonſt.
Der Garten der Compagnie iſt 996 Schritt lang
und 261 breit, und hat 44 Abtheilungen oder Quar-
tiere, die durch Hecken abgeſondert werden, welche
meiſtentheils aus Eichen, zum Theil auch aus gewoͤhn-
lichem Lorbeer (Laurus nobilis) beſtehen. Dieſe Lor-
beerbaͤume ſind mehrere Ellen hoch. Ich bemerkte hier,
daß die rauhe Royene (Royena villoſa), welche bey ei-
ner ſolchen Eiche ſtand, einen Zweig gerade durch den
Stamm der Eiche getrieben hatte, in welchem ſie jetzt
als ein paraſitiſches Gewaͤchs ſich befand. Eben ſo be-
merkte ich in einem andern Garten, wo eine hoͤlzerne
Bank zwiſchen zwey Baͤumen feſtgenagelt war, daß die
Borke des einen Baums uͤber die Bank wie ein Loͤcher-
ſchwamm (Boletus) hingewachſen war, und die Bank
feſthielt. Der Garten der Compagnie iſt uͤbrigens zum
oͤffentlichen Spatzierplatze immer geoͤffnet. In der ober-
halb deſſelben befindlichen Menagerie ſind verſchiedne
ſeltne lebendige Thiere, beſonders eine Menge Voͤgel.
Die Stadt hat drey große Marktplaͤtze. An dem
einen liegt die reformirte Kirche. Dieſer hat auch eine
Waſſerkunſt, welche die Einwohner mit Waſſer verſieht.
[111]Aufenthalt in der Capſtadt.
An dem andern ſteht das Rathhaus. Der dritte iſt
erſt neulich angelegt, und zwar zur Bequemlichkeit fuͤr
die Landleute, die mit Waaren hereinkommen, welche ſie
zum Verkauf bringen. An dieſem Markte ſoll auch die
Hauptwache der Nachtwaͤchter angelegt werden. Einige
Straßen ſind mit Graͤben verſehen, die Waſſer enthal-
ten, welches von den oberhalb der Stadt liegenden Ber-
gen herkommt. Doch ſind dieſer Graͤben nicht ſehr
viele. Aber die Waſſerleitung, welche von eben dieſen
Bergen Waſſer in Roͤhren nach der großen Schiffbruͤcke
oder Anlegebank neben der Feſtung leitet, wo alle Sa-
chen aus den Schiffen ausgeladen werden, iſt von mehr
Wichtigkeit. Denn die Boͤte von den Schiffen koͤnnen
hier ſehr bequem anlegen, und ihre Tonnen mit dem
friſcheſten Waſſer fuͤllen.
In den Haͤuſern, ſowohl zu Cap als auf dem Lan-
de, findet man keine Kamine; auch bedarf es dieſer
nicht. Oefen ſind vollends unbekannt. Hie und da
habe ich indeſſen wohl einen Kamin im Saale geſehen,
den man gleichwohl mehr zum Vergnuͤgen, als aus Be-
duͤrfniß, angelegt hatte. Die Frauensperſonen gebrauchen
aber doch durchgaͤngig Kohlen in Kiken (Feuerbecken),
die in einem Kaſten oder einer Lade ſtehen, und unter
die Roͤcke geſetzt werden, um ſich im Winter zu waͤrmen.
Die Schiffs-Officiere verkaufen waͤhrend ihrer
hieſigen Anweſenheit mit gutem Vortheile verſchiedne
Europaͤiſche Waaren, als Wein, Bier, Tobak, ir-
dene Pfeifen, grobe und feine Eiſenwaare, Tuch,
Schuhe, Glaͤſer und Hausgeraͤth. Geraͤucherte Schin-
ken und Wuͤrſte, geraͤuchertes Rindfleiſch, geraͤucherte
Rinderzungen, Hering, Stockfiſch, Lachs, Kaͤſe und
dergleichen laͤßt man ſich hier auch gern aus Europa
bringen und bezahlt es gut. In den Monathen April,
[112]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
May und Junius, da die Schiffe auf der Reede liegen,
ſtellen die Schiffs-Officiere foͤrmliche Auctionen an,
um die mitgebrachten Waaren zu verkaufen, wofuͤr
ſie dem Fiſkale fuͤnf Procent bezahlen. Dieſer bekommt
auch fuͤr jede ſogenannte Recognitions-Kiſte, die an
Land gebracht wird, fuͤnf Reichsthaler, da in Holland
nur fuͤnf Gulden dafuͤr entrichtet werden. Alle Eu-
ropaͤiſche Waaren werden hier zu dreyßig, funfzig bis
hundert Procent verkauft.
Wenn fremde Schiffe nach ihrer Ankunft zu Cap
nur eine kurze Zeit auf der Reede zu liegen noͤthig ha-
ben, um ſich zu verproviantiren, ſo ſehen dagegen die
Hollaͤndiſchen Fahrzeuge ſich gezwungen, lange liegen
zu bleiben, weil ſie auf ihre kranke Mannſchaft warten
muͤſſen, die endlich denn doch mit halb hergeſtellter Ge-
ſundheit an Bord gehen muß. Die Hollaͤnder beduͤrfen
auch allezeit mehr Schiffsvolk, als andre, um die Schiffe
zu regieren und alles gehoͤrig zu handhaben. Denn ſie
gebrauchen noch nach alter Art ſtarke Bloͤcke und dicke
Taue, die unbehuͤlflich und in jeder Hinſicht plump ge-
macht ſind.
Unter den Krankheiten ſind hier die Kinderblattern
und Maſern die gefaͤhrlichſten. Gegen dieſe Krankhei-
ten verfuͤgt man hier dieſelben Anſtalten, als anderwaͤrts
gegen die Peſt. Sobald daher ein Schiff ſich auf der
Reede vor Anker gelegt hat, wird ein Feldſcheer an
Bord geſchickt, um zu unterſuchen, ob dieſe Krankhei-
ten auf dem Schiffe jetzt ſich befinden oder waͤhrend der
Reiſe graſſirt haben. Iſt eins von dieſen beyden der
Fall, ſo darf niemand an Land kommen, ſondern dem
Schiffe wird ein andrer Platz angewieſen, und mittler-
weile verſieht man es mit den Nothwendigkeiten, deren
es bedarf. Kommen die Pocken einmahl hieher, ſo
fliehet
[113]Aufenthalt in der Capſtadt.
fliehet jedermann ins Land hinein. Jetzt waren auch
Pocken und Franzoͤſiſche Schiffe, die man gewiſſerma-
ßen fuͤr feindlich hielt, das einzige, welches die reichen
Bauern und Buͤrger erſchrocken, furchtſam und fluͤchtig
machen konnte. Die Einimpfung der Blattern einzu-
fuͤhren, ſo vernuͤnftig iſt man hier noch nicht geweſen.
Im Jahr 1713 kamen die Blattern zum erſtenmahl, und
zwar mit einem Daͤniſchen Schiffe hieher. Sie richte-
ten damahls ſowohl unter den Europaͤern als Hottentot-
ten eine ſchreckliche Verheerung an, und nur drey Haͤu-
ſer blieben frey davon. Die Hottentotten ſtarben in
ſolcher Menge, daß ſie todt auf dem Felde und an den
Wegen lagen, ohne begraben zu werden. Zum an-
dernmahl graſſirten ſie 1755, und zum drittenmahl im
April 1767, da ſie ebenfalls durch ein Daͤniſches Schiff
hergebracht waren. Seit dieſer Zeit haben ſie ſich nicht
gezeigt. Als die Maſern zum letztenmahl im Schwange
gingen, verurſachten ſie eine ſo viel aͤrgere Verwuͤſtung
im Lande, da die vom Statthalter umhergeſchickten Chi-
rurgen ſie nicht kannten, ſondern auf eine ganz verkehrte
Art behandelten. Zu bedauern iſt es freylich, daß die
Nachrichten von dem Zuſtande der Arzneywiſſenſchaft
und der Geſchicklichkeit der Aerzte zu Cap von den letzten
Jahren wenig troͤſtlicher lauten, als die man beym Kaͤm-
pher von den Chirurgen in Oſtindien antrifft.
Die Kaͤlte iſt hier im Auguſt oder September am
ſtaͤrkſten, beſonders des Morgens und Abends, wenn
es regnet oder ſehr wehet. Den Wind fuͤhlt man hier
ſehr, weil man nur duͤnne Kleidung traͤgt. Als Win-
termonathe betrachtet man hier den halben May, den
Junius, den Julius und den halben Auguſt. Waͤh-
rend dieſer Zeit koͤnnen keine Schiffe in der Tafelbay an-
kommen, woran die heftigen Stuͤrme aus Nord-Weſt
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. H
[114]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſchuld ſind, welche alsdann herrſchen und die Schiffe
aufs Land treiben wuͤrden; ſie muͤſſen daher in der fal-
ſchen Bay vor Anker gehen. Im Auguſt, da der Win-
ter zu Ende geht, ſieht man die Fluren ſchon wieder mit
friſchen Gewaͤchſen und Blumen ſich ſchmuͤcken. — Uebri-
gens herrſchen in dieſer Gegend hauptſaͤchlich zwey Win-
de, die oft ſehr heftig wehen, des Sommers Suͤd-Oſt-,
und des Winters Nord-Weſt-Wind. Wenn der Oſt-
Wind oder Suͤd-Oſt-Wind ſich aufmacht, treibt er die
Wolken gegen die Gebirge und laͤngs uͤber dieſelben weg.
Alsdann bemerkt man oben auf denſelben kleinen Staub-
regen. Hernach vertheilen die Wolken ſich unterhalb der
Spitzen der Berge, und wenn alle Wolken vertrieben
ſind, haͤlt der Wind zwar oft noch an, das Wetter
aber bleibt klar und ſchoͤn.
Vom Cap ſieht man nach der Landſeite den Hori-
zont ſich mit hohen Bergen endigen, welche ſich quer
uͤber das ganze Land erſtrecken. Das flache Feld zwi-
ſchen dem Cap und dieſen Bergen iſt einer Tagreiſe breit,
und beſteht meiſtens aus einer unbewohnten Sandhaide,
welche Mangel an Waſſer hat. Waſſer iſt in dieſer
Gegend nicht leicht anderswo anzutreffen, als nahe bey
den einzeln und zerſtreut liegenden kleinen Bergen, die
faſt gar keinen Zuſammenhang zu haben ſcheinen. Ein
Reiſender, der nicht die Vorſicht gebraucht hat, Waſ-
ſer mitzunehmen, hat kein andres Mittel, bey brennen-
der Hitze etwas zu bekommen, womit er den Durſt loͤſchen
kann, als daß er ſich wohl umſieht, ob er nicht irgend
einen ſchwarzen Hirten mit der Heerde eines Europaͤi-
ſchen Landbewohners auf der Weide anſichtig werden
kann; denn dieſe Leute haben entweder ſelbſt Waſſer
bey ſich, oder wiſſen doch Anleitung zu geben, wo
etwas zu bekommen iſt. Im Winter, da es viel
[115]Aufenthalt in der Capſtadt.
regnet, ſteht dagegen ein guter Theil dieſer Ebenen
unter Waſſer.
Verſchiedne Natur-Produkte gebraucht man zu Cap,
wenn man in Europa ſich zu eben dieſem Behufe ganz
andrer bedient. Aus duͤnnem Rohr macht man Roll-
Gardinen oder Rouleaux inwendig vor die Fenſter; man
ſpaltet es zu dieſem Ende ganz fein, wie in Faͤden, und
befeſtiget dieſe mit Zwirn zuſammen. Auch flicht man
Koͤrbe, Korb-Bettſtellen und Stuhlſitze daraus. Die
dicken Bambosſtaͤmme, welche ſehr ſtark, obgleich in-
wendig hohl ſind, gebraucht man zu Leiterbaͤumen, zu
Bahren, auch zu Traghoͤlzern an Zubern. Aus den
zartern und weniger dicken Staͤmmen dieſes Rohrs macht
man Zaͤune oder Hakelwerk oben auf den Mauern oder
Planken um die Gaͤrten. Die Samenzapfen des Sil-
berbaums (Protea argentea), gebraucht man oft zur
Feuerung. Aus dem zweyzailigen Strickgraſe (Re-
ſtio dichotomus), einer Art Binſen oder Riſtgen, macht
man lange Beſen. — Die Schoten der Vehtblume
(Gethyllis), rechnet das Frauenzimmer unter ſeine
liebſten und angenehmſten Wohlgeruͤche. Dieſe Scho-
ten, welche hier Kukumakranka heißen, haben auch
wirklich einen ſehr lieblichen Geruch: ſie riechen unge-
faͤhr wie Erdbeeren, und durchduften das ganze Zim-
mer. Sie ſind einen Finger lang, und oben breiter als
unten. Die Vehtblume waͤchſt uͤbrigens in den Sand-
ſtrichen außerhalb der Stadt; jetzt hatte ſie weder Blaͤt-
ter noch Bluͤthe.
Am Strande außerhalb der Feſtung graͤbt man in
den aus Lehmerde beſtehenden Anhoͤhen die Erde, welche
mit einer Menge kleiner Schneckenhaͤuſer angefuͤllt iſt,
aus, ſchuͤttet ſie in Koͤrbe, und waͤſcht ſie mit Waſſer
ſo lange aus, bis die Schneckenhaͤuſer allein zuruͤckblei-
H 2
[116]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ben. Die vom Waſſer ausgeworfnen großen Schnecken-
haͤuſer ſammelt man ſorgfaͤltig auf, legt ſie in großen
Haufen bey einander, und laͤßt ſie trocknen. Aus die-
ſen ſowohl als jenen kleinern Schneckenhaͤuſern brennt
man hernach Kalk, den man beym Bauen gebraucht.
Zu dieſem Ende errichtet man einen Holzſtoß von duͤn-
nen Zweigen und Straͤuchen, worauf die Schnecken-
haͤuſer gelegt und verbrannt werden. Auf der Robben-
inſel (Robben-Eyland) werden vorzuͤglich viele folcher
Schneckenhaͤuſer geſammelt, und Kalk in großer Menge
daraus zum eignen Gebrauch der Compagnie gebrannt;
man gebraucht zu dieſer Arbeit die daſigen Gefangnen
oder ſogenannten Banditen. Andrer Kalk findet ſich
eben ſo wenig, als Berge, die Kalk enthalten, im
ganzen Lande.
Von den Sitten und der Lebensart der Einwohner
zu Cap will ich hier nicht reden. Das eine bemerke ich
nur, daß die Muͤtter in dieſer Stadt ſelten ihren Kin-
dern Ammen halten, ſondern ſie ſelbſt ſaͤugen; welches
ich auch als die Urſache anſehe, warum die Weiber
hier faſt durchgaͤngig ein leichtes Wochenbette haben.
Dagegen will ich jetzt eins und das andre erzaͤhlen,
was ich in dieſer Zeit meines Aufenthalts zu Cap zu ſehen
Gelegenheit hatte. Das erſte mag folgendes ſeyn. Man
brachte neun und funfzig Hottentotten, theils Maͤnner,
theils Weiber, theils Kinder, ungefaͤhr hundert und
funfzig Meilen weit, als Gefangne nach der Stadt.
Dieſe Hottentotten hatten in jenen entlegenen Gegenden
gegen die da wohnenden Koloniſten verſchiedne Gewalt-
thaͤtigkeiten ausgeuͤbt. Ein Hottentotten-Capitain,
Nahmens Kes, hatte ſie in einer großen Kluft zwiſchen
Bergen greifen laſſen, wo ſie ſich verſteckt, und gegen
ein wider ſie ausgeſchicktes Commando Bauern und Sol-
[117]Aufenthalt in der Capſtadt.
daten nicht nur verſchanzt, ſondern auch mit großen,
auf dieſe ihre Feinde herabgewaͤlzten Steinen, lange
vertheidigt hatten. Auf zwey Koloniſtenhoͤfen hatten
ſie das Vieh geraubt, die Bauern todtgeſchlagen, die
Haͤuſer gepluͤndert, und ſich mit Schießgewehr verſehen.
Sie leugneten ihr Verbrechen nicht, ſagten aber, ſie
haͤtten ſich dazu gezwungen geſehen, weil die Europaͤer
jaͤhrlich mehr und mehr von ihrem Lande und ihren Be-
ſitzungen wegnaͤhmen, ſie in die Enge trieben, und im-
mer tiefer ins Land hinein draͤngten, wo ſie von andern
Hottentotten wieder weggejagt oder ermordet wuͤrden.
Dieſe Hottentotten waren von den ſogenannten Buſch-
maͤnnern (Boſch-Mannen), und ſchwarzbrauner Farbe.
Einige gingen ganz nackt, und hatten nur eine Binde
um den Leib, die vorn die Schamtheile bedeckte. Ueber
den Ruͤcken hatten einige ein los hangendes Schaffell,
das vorn kaum an einander reichte, und oben uͤber den
Kopf in Form einer Klappe oder Kutte hinaufging. Die
Weiber trugen ihre Kinder auf dem Ruͤcken, und ſchon
Maͤdchen von eilf bis zwoͤlf Jahren waren mit Kindern
verſehen. Das Weibsvolk hatte Ohrgehaͤnge in den
Ohren, und um die Armgelenke breite metallne Ringe.
Der Mund ſtand bey dieſen Leuten weit hervor, ſo wie
auch die Kinnbacken, und ſie hatten daher unglaublich
viel Aehnlichkeit mit Affen. Nachdem ſie zu Cap einige
Zeit im Gefaͤngniſſe geſeſſen hatten, wurden ſie zuletzt
blaß und beynahe weiß.
Den 28. Junius feyerten die hieſigen Javaner ihr
Neujahr. In einem ihrer Haͤuſer hatten ſie ein Zim-
mer mit Decken ausgeſchmuͤckt, womit Waͤnde und Bo-
den bekleidet waren. Nach vorn, etwas von der Wand
ab, war ein Altar errichtet, auf dem in der Mitte ein
Pfeiler ſtand, welcher bis an die Decke des Zimmers
[118]Zweyte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
reichte, und mit ſchmalen, mit Goldpapier und ſeidnem
Zeuge uͤberzognen, Striemen bekleidet war, zwiſchen wel-
chen etwas, das Spitzen aͤhnlich ſah, herablief. Un-
ten ſtanden Bouteillen mit Blumenſtraͤußen. Vor dem
Altare lag ein Kiſſen, und auf dem Kiſſen ein großes
Buch. Die Frauensperſonen waren nett gekleidet, blie-
ben aber an der Thuͤre ſtehen oder ſitzen. Die Manns-
leute hatten weite Roͤcke, wie unſre Schlafroͤcke, von
Kattun oder Seide an; ſie ſaßen im ganzen Zimmer
herum, auf dem Boden, mit kreutzweiſe uͤber einander
gelegten Beinen. Man raͤucherte ſtark mit Raͤucher-
pulver, hatte auch verſchiedne gelbe Wachslichter ange-
zuͤndet. Viele von den Anweſenden hatten ſich mit Faͤ-
chern verſehen, womit ſie ſich abkuͤhlten, welches auch
bey der ſtarken Hitze noͤthig war, die durch die in dieſem
engen Zimmer verſammelte Menge Menſchen noch ver-
mehrt wurde. Zwey Prieſter unterſchieden ſich durch
eine kleine kugelfoͤrmige Kalotte von den uͤbrigen, welche
Schnupftuͤcher in Geſtalt eines Turbans um die Koͤpfe
gewunden hatten. Ungefaͤhr um acht Uhr des Abends
fing dieſes Feſt an. Es wurde mit Geſang eroͤffnet:
bald ſangen ſie laut, bald ſchwach, bisweilen die Prie-
ſter allein, bisweilen die ganze Gemeine. Darauf betete
einer von den Prieſtern etwas aus dem vor dem Altare
auf dem Kiſſen liegenden großen Buche vor, und bis-
weilen betete die Gemeine laut nach. Ich bemerkte,
daß ſie auf morgenlaͤndiſche Art, von der Rechten zur
Linken laſen, und vermuthete, daß es der Koran ſey,
deſſen ſie ſich bedienten, weil die Javaner groͤßtentheils
Muhamedaner ſind. Unterdeſſen daß ſie auf dieſe Art
ſangen und beteten, tranken ſie Kaffee aus Taſſen, und
der Vornehmſte in der Verſammlung ſpielte bisweilen zu
dem Geſange auf der Violine. Dieſer war, wie ich
[119]Aufenthalt in der Capſtadt.
hernach hoͤrte, ein Prinz aus Java, der dem Intereſſe
der Hollaͤndiſchen Compagnie entgegen geweſen, und aus
dieſer Urſache aus ſeinem Vaterlande nach dem Cap ge-
bracht war, wo er auf Koſten der Compagnie lebt.
Einmahl ſah ich einer Chineſiſchen Beerdigung zu.
Auf dem Begraͤbnißplatze, welcher eine kleine Strecke von
der Stadt liegt, ſieht man duͤnne Rohrruthen aufgeſtellt,
die mit baumwollnem Garn zuſammengebunden ſind, ſo
daß ſie einen Bogen oder ein zuſammengebognes Dach
uͤber dem Grabe formiren.
In dem Leibe eines großen Ebers, den ich ſchlachten
ſah, traf ich unterſchiedliche Gedaͤrm-Wuͤrmer (Lumbri-
cos) an. Man ſagte mir, dergleichen Wuͤrmer ſeyen
hier gewoͤhnlich in dem Leibe der Schweine zu finden.
Zweyter Abſchnitt.
Einige kleine Reiſen vom Cap
ins Land.
Waͤhrend dieſes meines Aufenthalts in der Capſtadt
machte ich einige kleine Reiſen in der Nachbarſchaft, um
die umliegende Gegend naͤher kennen zu lernen. Im An-
fange des Junius beſuchte ich in Geſellſchaft des Doctor
le Sueur den Berg Paarl. Dieſer war dahin eingela-
den, um einen kranken Mann zu beſuchen, der vorher
am Fieber danieder gelegen, und nunmehr, da dieſes
voruͤber war, eine ſolche Schwaͤche in den Gliedern und
Gelenken bekommen hatte, daß er die Haͤnde nicht zum
Munde bringen konnte, und ihm die Knieſcheiben ſo los
waren, daß er weder gehen noch ſtehen konnte. Herr
le Sueur iſt zu Cap gebohren, hat aber in Holland
ſtudiert, und zu Groͤningen die Doctorwuͤrde ange-
nommen.
[120]Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Unterwegs trafen wir hie und da große Fluͤſſe an, die
jetzt durch den vielen Regen ſo geſtiegen waren, daß das
Waſſer, welches ſehr ſtark floß, beynahe in den Wagen
ging. Der Weg von der Capſtadt nach Paarl betraͤgt
eine Tagereiſe. Das Erdreich iſt in dieſer Gegend ſehr
mager, und beſteht lediglich aus loſem Sande, worun-
ter der harte Berg zu liegen ſcheint, welcher aus braunen
eiſenhaltigen Klumpen beſteht, die aus Lehmerde und
Vitriolſaͤure, nebſt Schiefer, zuſammengeſchlemmt ſind.
Auf dieſen magern Gefilden waͤchſt demungeachtet eine
Menge Phylika (Phylica), Haidekraut (Erica) und
Silberbaͤume (Protea). Die Kaͤlte iſt zu Paarl des
Morgens und Abends heftiger als zu Cap, und der Reif
und Rauhfroſt ſchadet oft den Kuͤchengewaͤchſen in den
Gaͤrten. Der Oſt-Wind ſoll hier ungemein ſtark ſeyn,
und nicht ſelten des Sommers die Weitzenkoͤrner aus den
Aehren wehen.
Die Hoͤfe zu Paarl liegen ſaͤmmtlich unten an den
Bergen, von welchen das Waſſer zu ihnen hinablaͤuft.
Der Waſſermangel an andern Orten, und die daraus
entſtehende Magerkeit des Bodens ſind die Urſachen,
warum dieſes ſonſt ſo vortreffliche Land nicht ſehr ſtark
bewohnt werden kann. Ueberhaupt iſt nicht zu leugnen,
daß das Erdreich in der ſuͤdlichen Spitze von Afrika an
ſich mager, demungeachtet aber fruchtbar iſt; wiewohl
ſeine Fruchtbarkeit von vielen gar ſehr uͤbertrieben vorge-
ſtellt wird, und nicht ſowohl dem Boden, als der vor-
trefflichen Beſchaffenheit des Clima zuzuſchreiben iſt. Wo
Waſſer und etwas ſchwarze oder ſogenannte Gartenerde
vorhanden iſt, mithin etwas geſaͤet und gepflanzt werden
kann, da giebt es gewoͤhnlich eine herrliche Getreideernte,
vortreffliches Obſt und lieblichen Wein. Das Hauptau-
genmerk des Landmanns, wenn er ſich an einem Orte nie-
[121]Einige kleine Reiſen vom Cap ins Land.
derlaſſen und anſiedeln will, iſt daher, ſchwarze oder Gar-
tenerde aufzuſuchen und nachzuſpuͤren, ob ſich in der
Nachbarſchaft etwas Waſſer findet. Das von den Ber-
gen zu den unten liegenden Hoͤfen herabfließende Waſſer
wird oft durch Kunſt dahin, wo man es gebrauchen will,
geleitet, zum Exempel nach Waſſerkuͤnſten, nach Gaͤr-
ten, um ſie bey eintretender Duͤrre zu bewaͤſſern, oder
nach angelegten Fiſchteichen. Dasjenige Waſſer, wel-
ches auf dem Felde unterhalb der Berge ſich in Baͤche
ſammelt, die hin und wieder ſo tief werden, daß man Faͤh-
ren oder Boͤte, um uͤberzukommen, gebrauchen muß,
wiſſen die Landleute durch Daͤmme aufzufaſſen, und in
ihre an ſolchen Baͤchen liegende Weinberge oder vielmehr
Weingaͤrten zu leiten, welche alsdann bey langſamen Ab-
fluſſe des Waſſers zugleich geduͤnget und fruchtbarer ge-
macht werden.
In der Gegend von Paarl bluͤhet der Weinbau ſehr,
und man ſieht hier Weinſtoͤcke, die funfzig Jahr alt ſind.
Eine Weinrebe traͤgt, der mir davon gemachten Erzaͤh-
lung zufolge, ſchon im erſten Jahre, nachdem ſie ge-
pflanzt iſt, Frucht, und im dritten Jahre liefert ſie be-
reits eine voͤllige Ernte. Die Weinſtoͤcke haͤlt man hier
durchgaͤngig niedrig, um ſie zu zwingen, daß ſie recht
große Trauben tragen. Die Weinberge werden alle
Jahr umgegraben, jedoch ſo, daß die Weinſtoͤcke nicht
beſchaͤdigt werden. Beym Duͤngen graͤbt man die Erde
um den Weinſtock auf und raͤumt ſie weg, ſo daß eine
Grube entſteht, worin der Miſt gelegt wird. Wenn
ein Weinſtock ausgeht, ſo beugt man eine Ranke von
dem naͤchſt dabey ſtehenden herunter in das Loch, die
alsdann ſehr bald Wurzel faſſet, und hernach vom
Mutterſtocke abgeſchnitten und zum eignen Weinſtocke
wird.
[122]Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Unter den Getreidearten ſaͤet und bauet man hier
zwar auch Gerſte; aber, welches merkwuͤrdig iſt, bloß
zum Futter fuͤr die Pferde. Man maͤhet ſie des Jahrs
mehreremahl ab; zum erſtenmahl gewoͤhnlich im Auguſt,
wenn ſie Aehren bekommen hat. Man ſieht auch haͤufig
Gerſte in Bunden nach der Stadt zum Verkauf zu Pfer-
defutter bringen. Auf dem Lande maͤhet man des Abends
einige Bund ab, und wirft ſie im Stalle, oder auch auf
dem Hofe, wo die Pferde oft des Nachts bleiben und
nur angebunden werden, den Pferden, wenn ſie von
der Arbeit oder von der Weide zu Hauſe kommen, zum
Nachtfutter vor.
Jeder Bauer beſitzt viel Vieh, Pferde, Ochſen,
Kuͤhe, Schafe, Laͤmmer, Ziegen, Enten und Gaͤnſe.
Alles Vieh wird des Morgens ausgetrieben, muß den
Tag uͤber auf den Hoͤhen und Bergen weiden, und kommt,
wenn die Sonne untergeht, wieder zu Hauſe. Ein
Sklave iſt der Hirt. Des Nachts liegt alles Vieh unter
freyem Himmel, jedoch jede Art fuͤr ſich, auf einem
Platze, der mit einer von Lehmſteinen erbaueten Mauer
umgeben iſt. Die Schafe ſollen in Anſehung der Wolle
hiedurch Schaden leiden. Ein angenehmer Anblick iſt
es, zu ſehen, wie die Laͤmmer, welche man, ſo lange
ſie noch zart ſind, zu Hauſe behaͤlt, des Abends ihren
zuruͤckkommenden Muͤttern entgegenlaufen. Sobald ſich
die Stimme der Mutter in weiter Entfernung kaum hoͤ-
ren zu laſſen anfaͤngt, fangen auch die hungrigen Laͤmmer
ſchon an zu bloͤken, und ihnen eine Strecke entgegen zu
laufen; wenn ſie ſie aber alsdann noch nicht anſichtig
werden, laufen ſie wieder zuruͤck. Wenn die Muͤtter
naͤher kommen, vermehrt ſich das Geſchrey, und die
Laͤmmer laufen ihnen von neuem mit vollem Gebloͤke ent-
gegen, und begleiten ſie von da an zu Hauſe. Die hie-
[123]Einige kleine Reiſen vom Cap ins Land.
ſigen Schafe ſind alle von der Afrikaniſchen oder breitge-
ſchwaͤnzten Gattung. Ihre Wolle iſt nicht vorzuͤglich,
und wird weder zu Tuch noch andern beſonders guten Zeu-
gen gebraucht, noch weniger ausgefuͤhrt. Herr Hem-
mingh hat ſich aber doch vor einigen Jahren ein Stuͤck
Tuch zu einem ganzen Kleide aus ſolcher Wolle weben
laſſen. Von den Knochen der Schafbeine macht man
hier auf dem Lande ſowohl, als in der Stadt ſelbſt, ei-
nen ſehr auffallenden Gebrauch. Man ſtellt ſie um die
an der Gaſſe ſtehenden Baͤume im Kreiſe herum, oder
auch wohl zur Scheide zwiſchen die Blumenbeete in den
Gaͤrten. Hier machen ſie einen artigen Zierrath, in-
dem das Ende des Angelgelenkes (Articulatio Ginglymi)
allezeit nach oben gekehrt iſt.
Die Woͤlfe faͤngt man hier auf eine artige und be-
queme Weiſe. Man mauert von Ziegelſteinen, oder
auch wohl nur von Lehmſteinen, ein viereckiges Haus,
entweder in Quadrat oder in laͤnglicher Geſtalt, auf, und
giebt ihm Mannshoͤhe, manchmahl auch noch groͤßere
Hoͤhe. Man deckt kein Dach, ſondern legt nur einige
ſchmale Stuͤcke Holz druͤber her. Nach vorn laͤßt man
eine niedrige Oeffnung mit einer Fallthuͤr. Inwendig
ins Haus legt man etwas Luder, um welches man einen
Strick bindet, der an einem hoͤlzernen Pflocke befeſtigt
wird. Dieſen Pflock zieht man nebſt dem daran befeſtig-
ten Stricke durch die Hinterwand, und ſteckt ihn in einen
Klotz, der auswendig an der Wand herunterhaͤngt,
und an deſſen oberem Ende ein andrer Strick angebracht
iſt. Dieſer Strick geht uͤber das Dach nach der Vor-
derſeite des Hauſes, und wird in der Fallthuͤr befeſtiget,
welche damit uͤber der Oeffnung in die Hoͤhe gehalten wird.
Wenn nun der Wolf durch die Oeffnung in das Haus
gekommen iſt, und anfaͤngt das Luder zu bewegen, ſo
[124]Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ruͤckt er zugleich den Pflock aus dem Loche des Stocks,
und die Thuͤr faͤllt nieder, ſchließt den Eingang zu, und
ſperrt den Wolf gefangen ein.
Es wird hier auf dem Lande ſehr viel Butter ge-
macht. Des Sommers buttert man jeden Tag, des
Winters aber nur alle zwey oder drey Tage. Zur
Winterzeit gießt man warmes Waſſer ins Butterfaß,
damit ſich die Milch geſchwinder buttern laſſe. Das
Butterfaß hat die Geſtalt eines langen abgeſtumpften
Kegels, iſt alſo unten weiter als oben, und oben ſetzt
man eine hoͤlzerne Schale mit hohem Rande los hinein,
damit waͤhrend des Butterns nichts herausſpritze.
Das Gras iſt hier nicht im Ueberfluß. Die Erde
iſt damit bey weitem nicht ſo dicht bewachſen, als in Eu-
ropa, wo es mit ſeinen mancherley Blumen ſie wie mit
dem ſchoͤnſten Teppiche bedeckt; ſondern es ſteht ſehr
duͤnn, und dazwiſchen ſieht man nichts als Sand. Man
kann ſich nicht einmahl mit Vergnuͤgen darauf nieder-
legen, um auszuruhen.
Dies fuͤhrt mich auf den Gebrauch, den man von ver-
ſchiednen hieſigen Gewaͤchſen theils in der Haushaltung,
theils in der Arzneykunſt oder auch als Futter fuͤr das Vieh
und andre Thiere macht. Die Blaͤtter des Aethiopiſchen
Schlangenkrauts (Calla aethiopica), welches ſogar in den
ſchmalen Waſſergraͤben draußen vor den Gaͤrten zu Cap
waͤchſt, dient zur Nahrung des Afrikaniſchen Stachel-
ſchweins, oder ſogenannten Eiſenſchweins (Yzer-Varken).
Die Wurzel vom ſtachligen Baͤrenfuß (Arctopus echi-
natus), der nicht nur am Cap, ſondern auch anderwaͤrts
waͤchſt, wird als ein vortreffliches blutreinigendes Mittel
in Geſtalt eines Decocts, ſogar gegen die Gonorrhoͤe
gebraucht. Dieſe Wurzel iſt nicht dicht oder feſt, und
enthaͤlt ein ganz weißes und reines Harz. Die Wurzel
[125]Einige kleine Reiſen vom Cap ins Land.
der Afrikaniſchen Zaunruͤbe (Bryonia africana), ge-
braucht der Landmann als ein Brechmittel; in Wein
oder Branntwein infundirt, purgirt ſie gut, beſonders
wenn man ein Stuͤck Brot nachiſſet. Der moͤnchskap-
penfoͤrmige Storchſchnabel (Geranium cucullarum), ein
wohlriechendes Kraut, wird in kleine Beutel geſteckt und
aufgelegt, als ein erweichendes Mittel applicirt. Die
Zweige vom Oehlbaume (Olea Europaea), giebt man
den Laͤmmern zu freſſen. Der Blaͤtter der herzfoͤrmi-
gen Borbonie (Borbonia cordata) bedient man ſich auf
dem Lande ſtatt des Thees. Die Montinie (Montinia
acris) wird, ſo ſcharf ſie auch iſt, von den Schafen
gefreſſen. Die Frucht des ſternblaͤttrichten Scepter-
baums (Brabejum ſtellatum), welches ein großer Strauch
iſt, der an den Baͤchen waͤchſt, heißt hier zu Lande wilde
Kaſtanien (wilde Caſtanien). Die Hottentotten eſſen
ſie. Die Landleute gebrauchen ſie manchmahl anſtatt
des Kaffee; die aͤußere Schale wird alsdann von der
Frucht abgenommen, und das Bittre durch Waſſer aus-
gezogen; darauf kocht, brennt und ſtoͤßt oder mahlt man
ſie wie Kaffeebohnen.
Die Feldſcheere, Apotheker und andre ſuchen,
wenn ſie in hieſigen Gegenden die gewoͤhnlichen und rech-
ten Apothekengewaͤchſe nicht antreffen, andre auf, die
ihnen, entweder an Bluͤthe, Blaͤttern, Geruch, oder
an aͤußerer Geſtalt und Farbe, einigermaßen aͤhnlich
ſind, und geben ihnen den Nahmen der eigentlichen Apo-
thekenkraͤuter. Ein Arzt, welcher dergleichen quid pro
quo nennen hoͤrt, muß ſich dadurch nicht verfuͤhren oder
irre machen laſſen.
Gegen den Biß der Schlangen ruͤhmt man hier
als ein vorzuͤgliches Mittel das Blut der Waſſerſchild-
kroͤten, das zu dieſem Gebrauche getrocknet wird, bis
[126]Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
es die Form kleiner Schuppen annimmt. Der Land-
mann nimmt es alsdann auf ſeinen Reiſen in dieſem
Lande mit, welches von dieſem ſo gefaͤhrlichen Ungeziefer
einen großen Vorrath von der Natur zu ſeinem Antheile
bekommen hat. Wird jemand von einer Schlange ge-
biſſen, nimmt er einigemahl ſo viel, als er mit den Fin-
gern faſſen kann, von dieſem Blute ein, und legt zu-
gleich etwas davon auf die Wunde.
Gicht, Podagra und Waſſerſucht ſind Krankhei-
ten, die bey den Landleuten ſehr haͤufig angetroffen
werden. Die Urſache hievon liegt theils in vielem
Weintrinken, theils in der oͤftern Abwechſelung kalter
Winde.
Auf dem Lande brauet man hier gar kein Gerſten-
bier, weil der Landmann, um den Durſt zu loͤſchen, durch-
gaͤngig Waſſer, Thee, Kaffee und Wein trinkt. Zu
Cap aber, oder eigentlich nahe vor der Stadt, hat man
eine Brauerey angelegt. Das da gebrauete Bier wird
aber niemahls recht gut, ſondern blaͤhet ſehr, und wird
bald ſauer. Dies iſt der Grund, warum man Bier
aus Europa kommen laſſen muß. Beſonders ſchaͤtzt
man das Hollaͤndiſche, Daͤniſche und Engliſche Bier
hoch, wovon man auch bey Tiſche dann und wann, wie-
wohl ſehr ſparſam, trinkt.
Bey einer Wittwe zu Paarl waren drey Hotten-
totten im Dienſte. Dieſe Leute ſprachen fein, und mit
leichtem und geſchwindem Schnalzen der Zunge, ſowohl
vor als nach dem Ausſprechen der Woͤrter. Ihre Farbe
war braun, aber nicht ſchwaͤrzlich, ſondern beynahe ſo,
als wenn ein Europaͤer von der Sonne ſtark gebrannt
iſt; und uͤberdem ruͤhrte ihre braune Farbe mehr von
dem vielen Schmieren mit ſtinkenden Sachen, als von
der Natur her. Die Maͤdchen rauchten gern Tobak,
[127]Einige kleine Reiſen vom Cap ins Land.
und zwar aus einer Pfeife, die ſo kurz war, daß der
Kopf faſt die Lippen beruͤhrte. Sie haben beſonderes
Haar; es iſt ganz ſchwarz, und wie kurze Wolle zuſam-
mengekruͤllt, und ſieht wie die Flocken auf gewiſſen woll-
nen Zeugen mit kahlen Zwiſchenraͤumen, aus.
Die Haͤuſer bauet ſich jeder Bauer ſelbſt, biswei-
len von Ziegelſteinen, bisweilen nur von Lehm, Kalk und
Sand. Die Haͤuſer der beguͤterten Landbewohner ſind
ungefaͤhr eben ſo, als die Haͤuſer in der Stadt eingerich-
tet. Zuerſt kommt man auf die Diele, vor welcher
eine lange Gallerie hergeht. Zu beyden Seiten der Diele
iſt eine Kammer; auf der einen Seite die Gallerie, die
Kuͤche, und auf der andern eine Schlafkammer. Bey
weniger wohlhabenden Landleuten hat die Gallerie zu
beyden Seiten eine Kammer, und die Kuͤche iſt hinten.
Die Huͤtten der Armen ſind bloß von Lehmſteinen auf-
gefuͤhrt, und die Thuͤren und Fenſter darin ſind ſo
ſchlecht, daß allenthalben der Wind durchſtreicht.
Zu Paarl iſt eine Kirche, die einen reformirten
Prediger und Kuͤſter hat. Indeſſen wird nicht alle
Sonntage foͤrmlicher Gottesdienſt gehalten, ſondern
wenn der Prediger verreiſet oder krank iſt, oder andre
Abhaltung hat, lieſet der Kuͤſter der Gemeine etwas aus
der Bibel vor. Auf dem Lande werden die Todten
ohne Geiſtlichen, ohne Gebet, und ohne daß man,
wie in Schweden gebraͤuchlich iſt, dreymahl feyerlich
Erde auf den Sarg wirft, begraben. Die Trauungen
und Kindtaufen muͤſſen allezeit in der Kirche geſchehen,
und von Nothtaufe will man hier nichts wiſſen.
Die Toͤchter der Koloniſten laſſen ſich bisweilen
von ſchwarzen Sklaven ſchwaͤngern. Das Geld,
welches ein ſolches Maͤdchen zur Ausſteuer be-
kommt, verſchafft ihr hernach demungeachtet ge-
[128]Zweyte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
meiniglich einen Mann. Der Sklave aber wird
weggeſchafft.
Die Gaſtfreyheit iſt durchgaͤngig beym Landmanne
ſehr groß. Ein Reiſender kann daher ohne die mindeſte
Bezahlung, weder fuͤr Herberge und Zimmer, noch
fuͤr Eſſen und Trinken, ſo lange Zeit, als er will, bey
dieſen Leuten zubringen, die ihn auf die freundſchaft-
lichſte und guͤtigſte Art aufnehmen und bewirthen. In
der Stadt hingegen kommt einem Fremden der Aufent-
halt ſehr theuer zu ſtehen, und man muß da fuͤr Zim-
mer und Bekoͤſtigung taͤglich wenigſtens einen bis an-
derthalb Reichsthaler bezahlen.
Die Leute auf dem Lande eſſen gewoͤhnlich und re-
gelmaͤßig viermahl des Tages: um ſieben Uhr das Fruͤh-
ſtuͤck, um eilf zu Mittage, um vier das Nachmittags-
brot und um acht zu Abend.
Die Zeit zu ackern und zu ſaͤen iſt hier im April
und May. Im Junius und Julius wird das Brach-
feld umgepfluͤget. Man laͤßt den Acker oft mehrere, ja
wohl gar zehn, zwoͤlf bis funfzehn Jahr brach liegen,
und alsdann iſt es ſo gut, als wenn er ganz aus dem
Dreiſche gebrochen wuͤrde. Die groͤßten Buͤſche radet
man vorher aus, ehe man zum Umreißen des Ackers
ſchreitet, die kleinen uͤberlaͤßt man dem Pfluge. Her-
nach ſammelt man alles Strauchwerk zuſammen, und
verbrennt es ſogleich auf dem Acker, welcher durch die
Aſche davon anſehnlich geduͤnget wird. Auf den Stel-
len, wo das Brennen geſchehen iſt, waͤchſt die Saat
allezeit ſtaͤrker und dichter, und man kann ſie ſogleich
beym erſten Anblicke kennen. Der Weitzen giebt hier
gemeiniglich das achte oder zehnte, oft auch das funf-
zehnte, zwanzigſte bis fuͤnf und zwanzigſte Korn; in
andern Gegenden bekommt man noch weit mehr. Man
hat
[129]Einige kleine Reiſen vom Cap ins Land.
hat ſogar einmahl an einem Orte von viertehalb Tonnen
Ausſaat hundert und zehn Tonnen gedroſchen.
Am Ende des Junius beſuchte ich Paradys, nebſt
einigen andern der Compagnie gehoͤrigen Hoͤfen, die
unterhalb des Tafelberges liegen. In dieſer Gegend liegt
auch Rondbuſch, ein Sommer-Luſtplatz des Gouver-
neurs. Laͤngs dieſer Oſt-Seite des Tafelberges wehen die
Suͤd-Oſt-Winde bey weitem nicht ſo ſtark, als am Cap;
daher wachſen hier auch Waͤlder und Buͤſche. Die
gemeine Tanne (Pinus ſylveſtris) ſteht hier unter
andern Baͤumen, und erhebt ſich mit ſchoͤnen Kro-
nen. Die wilden Weintrauben (Wilde Druyfen,
Vitis vitiginea) prangten jetzt mit ihren rothen Bee-
ren, die wie Kirſchen ausſehen, und gegeſſen
werden.
Im Anfange des Julius nahm ich einen Spatzier-
gang nach Conſtantia und den umherliegenden Hoͤfen
vor, der mich einige Tage beſchaͤfftigte. Auch hier
fließen an verſchiedenen Stellen zwiſchen den Thaͤlern
Baͤche von den Bergen herunter, ſo daß man um
dieſe Jahrszeit kaum uͤberkommen kann. — So-
wohl hier, als naͤher nach dem Cap, fand ich Eiſen-
ſteine (Yzer-Klippen). — Die Wolken ſah ich
hier gegen einander ziehen; die unteren kamen aus
Suͤdoſt, und die oberen gingen nach Suͤd-Oſt: dies
war in der That ein ſchoͤner Anblick. — Das Vieh,
welches ſonſt hier zu Lande durchgaͤngig unter freyem
Himmel liegt, treibt man hier des Nachts unter Dach,
in eine Art Schauer, das vorn offen iſt.
Drey Wochen hernach machte ich eine Prome-
nade nach Paarl und Stellenboſch. Bey dieſer Ge-
legenheit ſah ich den Kapokvogel. So nennt man
hier einen ſehr kleinen Vogel, der ein ungemein kuͤnſt-
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. J
[130]Zweyte Abtheil. Zweyter Abſchn. u. ſ. w.
liches und ſchoͤnes Neſt bauet, welches ſo dick als ein
wollner Strumpf iſt, und wozu er ſich der Flocken der
wilden Rosmarinſtaude bedient.
Auch lernte ich auf dieſer Spatzierreiſe den Amei-
ſenfreſſer, oder das hier ſogenannte Erdſchwein (Aard-
Varken) kennen. Dieſes Thier graͤbt ſich große Loͤcher
in die Erde, worin es am Tage vor ſeinen Feinden
ſicher liegt. Das Land iſt hier von ſolchen Loͤchern
ganz voll. Es ſoll ein ſtarkes Thier ſeyn, und meh-
rere Ochſen, ſo erzaͤhlt man mir, ſind nicht im Stan-
de, es aus ſeinem Lager herauszuziehen. Es graͤbt
ſehr geſchwind. Sein Fleiſch wird gegeſſen, beſon-
ders haͤlt man die Schinken geraͤuchert fuͤr ein herr-
liches Eſſen. Es lebt von verſchiednen Arten Ameiſen,
beſonders den großen rothen, die ihre Wohnungen aus
Lehmerde bauen, hier ſehr haͤufig ſind, und ſich alle
Jahr ſehr vermehren.
[131]
Dritte Abtheilung.
Erſte große Afrikaniſche Reiſe
vom 7. September 1772 bis den 2. Januar 1773.
Erſter Abſchnitt.
Zuruͤſtungen zu dieſer Reiſe.
Sobald die Jahrszeit mir guͤnſtig ſchien, nahm ich
meine erſte große Reiſe in das Innere von Suͤd-Afrika
vor. Dies war im Auguſt, als der Winter zu Ende
ging, und die Fluren mit neuen Gewaͤchſen und Blu-
men ſich ſchmuͤckten. Eine ſo weite und lange Reiſe,
zumahl wenn ſie fuͤr mich nuͤtzlich ſeyn ſollte, erforderte
mancherley Vorbereitungen und Zuruͤſtungen. Das
beſte dabey war in dieſer Ruͤckſicht, daß ich der Koſten
wegen nicht verlegen ſeyn durfte, weil die Compagnie
mir das Verſprechen gethan hatte, zu dieſer Reiſe einen
großen Theil des noͤthigen Geldes herzugeben.
Vor allen Dingen verſah ich mich mit den erfor-
derlichen Kleidungsſtuͤcken; dann mit Kiſten und klei-
nen Beuteln zu Zwiebeln und Samen, mit Inſekten-
ſchachteln und Stecknadeln, einem Faͤßchen Arrak, um
Schlangen und Amphibien aufzubewahren, mit Baum-
wolle und Kiſten, um Voͤgel auszuſtopfen und einzupa-
cken, und mit grobem Papier zum Trocknen der Kraͤu-
ter. Ferner nahm ich Thee und Zwieback fuͤr mich
ſelbſt, und Tobak zum Austheilen an die Hottentotten
J 2
[132]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
mit, imgleichen Schießgewehr, und eine Menge Pul-
verkugeln und Hagel von verſchiedner Gattung. Mit
Schuhen verſorgte ich mich auf vier Monathe, und
dieſer Artikel betrug nicht wenig, weil das in Indien be-
reitete Leder gar nicht ſtark iſt, und die Schuh außerdem
von den ſcharfen Steinen in den Gebirgen ganz entzwey
geſchnitten und ſehr bald abgenutzt werden.
Meine Reiſe-Equipage beſtand in einem Reitpfer-
de, einem Karren oder Wagen, der nach Art eines
Ruͤſtwagens mit Segeltuch uͤberzogen war, und ſechs
Ochſen, welche die ganze Reiſe uͤber vorgeſpannt werden
ſollten. Drey Reiſegefaͤhrten geſellten ſich zu mir: der
oben bereits erwaͤhnte Gaͤrtner Auge, welcher ſchon acht-
zehn, theils laͤngere, theils kuͤrzere Reiſen ins Land ge-
macht hatte, und jetzt mein treuer und ſicherer Wegwei-
ſer ſeyn wollte; Herr Immelmann, ein junger Mann,
Sohn eines Lieutenants; und ein Sergeant, Nahmens
Leonhardi, welcher dieſe beſchwerliche Reiſe in der Abſicht
machte, um theils große Thiere, theils Voͤgel zu ſchie-
ßen, und endlich zwey zahme Hottentotten, von denen
der eine unſer Fuhrmann und der andre unſer Ochſenlei-
ter ſeyn ſollte.
Wer hier zu Lande reiſet, richtet das Fuhrwerk un-
gefaͤhr auf folgende Art ein. Man faͤhrt auf einem gro-
ßen Wagen, der hundert und zwanzig bis hundert und
vierzig, ja wohl gar zweyhundert Reichsthaler koſtet,
und mit einem Zelte von Sackleinwand oder Segeltuch
verſehen iſt. Vor dieſen Wagen werden zehn bis zwoͤlf
Ochſen geſpannt, die ein Fuhrmann mit einer langen
Peitſche antreibt, und ein andrer Kerl durch Fluͤſſe und
vor Hoͤfen vorbey, oder nach Hoͤfen hin lenkt. Die
Pferde ſind hier zu dergleichen Gebrauch zu ſchwach,
und finden auch in dieſem ganzen Theile von Afrika we-
[133]Zuruͤſtung. zur erſten großen Afrikan. Reiſe.
der Weide, noch Waſſer; man kann ſie daher zu weiten
Reiſen nicht gebrauchen. Auch bedient man ſich keiner
Packpferde, um von den dem Cap nahe liegenden Hoͤ-
fen Getreide, Waaren oder andre Sachen nach der
Stadt zu bringen. Nur einige Reiche gebrauchen bis-
weilen ein Spann oder auch wohl ſechs Pferde vor ihren
Wagen auf kurzen Reiſen. Aber zum Reiten bedient
man ſich der Pferde uͤberall im ganzen Lande. Wenn die
tief im Lande wohnenden Bauern nach dem Cap reiſen, ſo
haben ſie gewoͤhnlich fuͤnf bis ſechs loſe Ochſen bey ſich,
um mit den Zugthieren abwechſeln zu koͤnnen, welches
auf einer Reiſe, die mehrere Wochen waͤhrt, wohl noͤ-
thig iſt. Die Peitſche der hieſigen Fuhrleute iſt ein In-
ſtrument, das im Stande zu ſeyn ſcheint, ſich ſowohl
bey andern, als bey den Ochſen, zu deren Dienſt ſie
meiſtentheils beſtimmt iſt, in Achtung zu ſetzen.
Zweyter Abſchnitt.
Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
Den 7. September 1772 reiſete ich mit meinen Rei-
ſegeſellſchaftern von der Stadt des Caps ab. Zuerſt ka-
men wir nach Jan Beſis Kraal, einen an der See-
kuͤſte belegenen, und der Compagnie zugehoͤrigen, Vieh-
hofe. Um 11 Uhr langten wir hier an. Auf dem
Sandboden ſah ich den pomeranzengelben Silberbaum
(Protea hypophylla) allenthalben kriechen und mit ſei-
nen zu beyden Seiten in die Hoͤhe ſtehenden Blaͤttern
ganz niederliegen. Bey der Elennsquelle (Elands-Fon-
teyn) traf ich eine aͤhnliche Gattung an, die wie ein
Strauch in die Hoͤhe ſtand, und breitere Blaͤtter hatte,
uͤbrigens jener ſehr aͤhnlich war.
[134]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Um 12 Uhr ſetzten wir unſre Reiſe zu einem an-
dern, der Compagnie zuſtaͤndigen Hofe, Nahmens
Rohrthal (Riet-Valley) fort. Von hier gingen wir
weiter nach einem Hofe, der den Nahmen ſeines Be-
ſitzers Moſtert fuͤhrt, und endlich die ſalzige Quelle
(Brack-Fonteyn) vorbey nach dem gruͤnen Thale (Groe-
ne Kloof), einem ungemein großen Viehhofe, welcher
der Compagnie gehoͤrt und acht Stunden Weges von der
Stadt liegt. An dieſem ſchoͤnen Orte hielten wir uns
eine ganze Woche auf, theils weil es hier viel fuͤr uns
zu ſammeln gab, theils weil die von dem heißen Sande
zuruͤckprallenden Sonnenſtrahlen auf meine Augen die
uͤble Wirkung hatten, daß ſich eine ſehr heftige Entzuͤn-
dung derſelben erzeugte, die mehrere Tage hartnaͤckig
anhielt.
Das Land iſt in dieſen Gegenden zwar von Euro-
paͤiſchen Koloniſten ſehr gut angebauet, auch ſchon recht
ſtark bewohnt; man hat aber noch keine beſtimmte Mei-
len im Lande feſtgeſetzt; auch haben die Hoͤfe und Fluͤſſe
noch nicht uͤberall anpaſſende und unterſcheidende Nah-
men. Die Hoͤfe werden oft nach ihren Beſitzern be-
nannt; und die Entfernungen berechnet man gemeinig-
lich nach der Zeit, da man mit einem Ochſenwagen von
einem Orte zum andern faͤhrt; und eine ſolche Abthei-
lung betraͤgt, auf das genaueſte gerechnet, eine See-
meile. Dies alles verurſacht einem Reiſenden viel
Schwierigkeit, und macht, daß die Oerter, welche ich
auf meinen Afrikaniſchen Reiſen beſucht habe, mit den-
jenigen Hollaͤndiſchen Nahmen, die ſie an Ort und
Stelle haben, benennen muß.
Die ſandigen und niedrigen Gefilde, durch welche
wir bisher gekommen waren, ſtanden jetzt ganz voll
Zwiebelgewaͤchſe, die wir in großer Menge antrafen.
[135]Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
Außerdem aber fanden wir auch andre Kraͤuter, die dem
im abgewichnen Winter gefallnen haͤufigen Regen ihr
Wachsthum zu verdanken hatten, und dieſe ſonſt kah-
len Sandhaiden mit tauſenderley Blumen ſchmuͤckten.
Die Zwiebeln der eßbaren Schwertlilie (Iris edulis)
werden hier gekocht und gegeſſen: ſie ſchmecken wie Kar-
toffeln. Die Samenbehaͤltniſſe der Euphorbie (Eu-
phorbia) gebraucht man hier, zu Pulver geſtoßen,
um die Woͤlfe zu toͤdten. Hier ſah ich zum erſtenmahl
Oehl vom Samen des Wunderbaums (Ricinus).
Man kocht den Samen in Waſſer, ſchaͤumt das oben
fließende Oehl ab, und nimmt hernach eine ganze Thee-
taſſe voll davon ein, um gelinde zu laxiren. Die Blaͤt-
ter des Strauchs, getrocknet und um den Kopf gelegt,
ſollen gegen Kopfſchmerzen gute Dienſte thun. Die
Afrikaniſchen Blumen veraͤndern ihre Farbe ſehr, doch
am meiſten auf der obern Seite: auf der untern ſind
die Farben nicht ſo veraͤnderlich.
In den Suͤmpfen ſah ich allenthalben Flammin-
ger (Phoenicopterus ruber) waten; auch hielten Enten
und Schnepfen (Scolopax capenſis) ſich in denſelben auf.
Auf dem Felde in den Gebuͤſchen hoͤrte ich Trappgaͤnſe
(Otis), und die kleinen Voͤgel, welche man hier Haantje
(Haͤhnchen) nennt, huͤpften da in Menge umher. Auch
ſah ich ſtolze Straußen laufen, unter denen die Maͤnn-
chen ſich durch ihre ſchwarzen Federn von den Weib-
chen unterſcheiden. Von Boͤcken ſah ich mehrere Ar-
ten, als Hirſchthiere (Harte-Beeſten, Capra doreas),
Steinboͤcke (Capra Grimmia), Taͤucherboͤcke (Duykers,
Capra) und andre.
Nicht weit von einem Brunnen am Paardeberge
zeigte man mir mit Schwefel vermiſchte Lehmerde.
[136]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Den 14. September reiſeten wir den Orangebrun-
nen (Orange-Fonteyn) und den Eulenkraal (Uyle-
Kraal) vorbey nach dem Theebrunnen (Thee-Fonteyn),
welches ein Weg von ſechs Stunden war. Hierauf ka-
men wir den Elennsbrunnen (Elands-Fonteyn) vorbey nach
der Saldanhabay, wo wir am folgenden Tage anlangten.
Unſere Reitpferde ließen wir auf einem Bauerhofe, und
darauf fuhren wir in einem Boote durch den Hafen nach
dem Orte uͤber, wo die Compagnie einen Poſten hat,
wo wir einige Tage blieben.
Die Landbewohner auf dieſer Seite vom Cap be-
ſitzen weder Weinberge noch viel Ackerland; dagegen aber
ſo viel mehr Vieh. Man buttert hier alle Tage in einem
Butterfaſſe, das wie eine Pumpe iſt, und die Butter-
milch, ſo vortrefflich ſie auch iſt, giebt man den Kaͤl-
bern und Hunden. An Hausgeraͤth iſt hier ein ſolcher
Mangel, daß die Leute ganz arm daran ſind. Viel
Wild von allen Arten, Boͤcke, Enten und dergleichen
giebt es hier in Menge. Auf den Inſeln in und um die
Saldanhabay waͤchſt viel Gras; allein man trifft da gar
kein Vieh, weder Schaafe noch Kuͤhe, an. Man
faͤngt da aber Robben (Phocae) in großer Anzahl, aus
deren Speck man vorzuͤglich guten Thran macht. Von
den kleinen Robben gebraucht man nur das Fell, und
zwar zu Jagdtaſchen und Tobaksbeuteln. Die großen
wiegen bis vierzehn oder funfzehnhundert Pfund. Vor
einiger Zeit hatte ſich beym Robbenfange folgende un-
gluͤckliche Begebenheit zugetragen: Ein Soldat, der
auf dieſen Fang ausgeſandt war, wollte, da er einen
Robben geſchoſſen hatte, und das Thier ſchon wie todt
da lag, ihm die Ader aufſchneiden, um ihm das Blut ſo
viel beſſer abzuzapfen, welches man fuͤr noͤthig haͤlt, um
ſo viel beſſern Thran zu bekommen. Allein das Thier
[137]Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
lebte noch, und packte ihm die Hand; und indem der
Kerl dieſelbe in Geſchwindigkeit wegzog, biß es ihm den
Daumen ab, und zog die Sehne weit heraus. Bey
meinem Botaniſiren ſtieß ich auf einen todten Tiger, der
am Strande lag. Vermuthlich hatte er von einem gif-
tigen Kraute gefreſſen, und darauf Waſſer geſucht,
war aber, ehe er Waſſer angetroffen ſchon geſtuͤrzt. —
Den ſchwarzen Saft des Blackfiſches (Sepia) gebraucht
man hier mit Eſſig vermiſcht, anſtatt ſchwarzer Tinte.
Dieſer Wurm hat wirkliche Augen, die ihre Hornhaut,
ſchwarze Haut, Kryſtalllinſe, nebſt allen gewoͤhnlichen
Feuchtigkeiten haben. — Den Saft der Milchdiſtel
oder gemuͤsartigen Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus) preßt
man aus, und bedient ſich ſeiner, um Wunden zu rei-
nigen und zu heilen. — Die große Stiftblume (Albuca
major) waͤchſt in dieſer Gegend hoch, ſchlank und ſchoͤn.
Der ſaftvolle Stengel derſelben, deſſen Saft etwas
ſchleimig iſt, dient den Hottentotten und andern Reiſen-
den dazu, daß [ſie] ihn ausſaugen, um den Durſt zu loͤ-
ſchen. — Uebrigens ſind im Hafen viele Sandbaͤnke,
die man bey niedrigem Waſſer ſehen kann.
Von der Saldanhabay reiſeten wir nach Thefonteyn
zuruͤck. Unterwegs ſah ich auf einem Bauerhofe mit
Verwunderung, wie geſchwind und fertig der Bauer die
Caſtration ſeiner Ochſen verrichtete. An funfzig von
zwey und einem von drey Jahren wurde dieſe Operation
in einer Abendſtunde vorgenommen, und zwar auf fol-
gende Art. Zuerſt legte man dem Ochſen einen Strick
um die Hoͤrner und einen andern um den einen Hinter-
fuß, zog ihn ſo um, daß er auf die eine Seite zu Bo-
den fiel, und band ihm alle vier Fuͤße zuſammen. Als-
dann durchſchnitt man mit einem Meſſer von außen her
alle Haͤute bis in den Hoden ſelbſt hinein, faßte den
[138]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Hoden, drehete die Hodenſchnur herum und ſchrapte ihn
mittlerweile gleichſam ab, bis er abgeloͤſet war.
Auf dieſem Theile meiner Reiſe ſah ich die weiche
Pharnacie (Pharnacia mollugo, Hollaͤndiſch Mugge-
Kruyd) in Menge: es waͤchſt beſonders haͤufig in naſſen
Jahren, und macht das Rindvieh, welches davon frißt,
ſehr fett. Ueber die Samenkapſeln des ſtachligen Am-
pfers (Rumex ſpinoſus), welcher hier uͤberall waͤchſt,
klagt man ſehr, weil ſie mit ihren ſcharfen Zacken oder
Stacheln den Sklaven und andern, die barfuß gehen,
in die Fuͤße ſtechen und manchmahl ſehr verwunden.
Die ſchwarzen Beeren eines hier vielfaͤltig wachſenden
Strauchs, den man Kraͤhenbuſch (Kraaije-Boſch)
nennt, freſſen die Capſchen Kraͤhen ſehr begierig. Der
Secretairvogel (Falco ſecretarius, Hollaͤndiſch Secreta-
ris) zeigte ſich mir haͤufig mit ſeinem ſchoͤnen Kopfe und
langen Beinen. Er laͤuft ſehr ſchnell, und lebt auch
wohl von gefangnen Schlangen. Man erzaͤhlte mir,
die Jungen ließen ſich nur mit vieler Muͤhe groß ziehen,
weil ſie gar zu leicht ſich ein Bein zerbraͤchen. Bey Con-
ſtantia hatte ich indeſſen doch einen alten Secretarisvo-
gel geſehen, der zahm war. Er legt zwey bis drey Eyer,
und bauet ſein Neſt von Zweigen auf Straͤuchen und
Baͤumen. Man trifft ihn faſt allezeit einſam und ohne
ſeines gleichen an, auch iſt er eben nicht ſehr zahlreich
vorhanden.
Den 25. reiſeten wir von Thefonteyn ab, und
paſſirten die Faͤhre beym Bergfluſſe (Berg-Rivier).
In dieſer Gegend eſſen die Leute die Aniswurzel (Anys-
Wortel). Sie ſchmeckt gut, und man bratet ſie entwe-
der in Aſche oder kocht ſie in ſuͤßer Milch, oder ſtobt ſie
auch wohl mit Fleiſch. Die Bauern laſſen durch ihre
Sklaven manchmahl eine ganze Menge davon ausgra-
[139]Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
ben, und verkaufen ſie hernach in der Stadt. Auch die
Gatagaywurzel (Gatagay-Wortel) wird in Aſche gebra-
ten und gegeſſen, hat aber einen uͤbeln und unangeneh-
men Geſchmack. Den Haber, welcher aus Europa
hieher gekommen iſt, ſieht man jetzt als das ſchlimmſte
Unkraut hier zu Lande an, weil die Koͤrner von dem ſtar-
ken Winde gar leicht ausfallen, ſich ſelbſt ſaͤen und das
andre Getreide erſticken und vertilgen. Ein durch den
Haber verdorbnes Feld mehrere Jahre dreiſch liegen zu
laſſen, hilft nicht, weil der Haber in der Erde ſich ganz
unverſehrt erhaͤlt, und ſobald das Land wieder gepfluͤgt
iſt, hervorwaͤchſt. — Von Inſekten ſah ich hier be-
ſonders die Miſtkaͤfer (Trichius laticollis) allenthal-
ben in großer Menge. Den ganzen Tag uͤber thun die-
ſe Thierchen nichts, als daß ſie mit den Hinterfuͤßen gro-
ße Kugeln oder Pillen von Dreck zuſammenrollen, wo-
mit ſie allezeit ruͤckwaͤrts gehen. Mit den Vorderfuͤßen
machen ſie große Loͤcher in den Sand, welchen ſie auch
mit dem Kopfſchilde aus dem Wege raͤumen. Ver-
muthlich legen ſie ihre Eyer in die Kuͤgelchen, welche ſie
hernach im Sande vergraben. Verſchiednemahl be-
merkte ich, daß zwey einander halfen, eine ſolche Kugel
zuſammen zu rollen. — Des Abends fingen wir eine
Art Grashuͤpfer (Pneumora). Wenn die Sonne un-
tergegangen iſt, fangen dieſe Inſekten an, ſich hoͤren zu
laſſen, und zwar durch einen beſondern Laut, der daher
entſteht, daß ſie ihre zackigen Hinterfuͤße an ihrem leeren
und durchſichtigen Unterleibe ſtreichen, und welcher dem
Anſcheine nach weit in der Ferne gehoͤrt werden kann.
Als ich merkte, daß dieſe, wie viele andre Nacht-Inſekten
das Licht ſehr lieben, ließ ich draußen auf dem Felde ein
großes Feuer anzuͤnden, wobey wir ſie fingen, ſobald
ſie angezogen kamen. Ihr ganzer Koͤrper iſt wie eine
[140]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Blaſe, und ſo leer, daß man ſie nicht, gleich andern
Inſekten, auf Nadeln geſpießt mit ſich fuͤhren kann. —
Noch etwas, das ich vorher nicht geſehen hatte, waren
die Neſte der Finken oder Kernbeißer (Loxia). Dieſe
ſind von kuͤnſtlich zuſammen geflochtnen Grashalmen
gemacht, hangen an Zweigen uͤber den Suͤmpfen und
Teichen, und haben einen langen, engen und ſchmalen
Eingang, wie einen Hals, wodurch der Vogel ein- und
ausgeht. Dieſer Hals hindert die Raubvoͤgel, zu den
Jungen zu kommen, und das Waſſer, uͤber welchem das
Neſt an niedrigen Buͤſchen und Straͤuchen haͤngt, haͤlt
die Fuͤchſe und andre Raubthiere ab. — Man hat hier
auch einen Vogel, den man Nachtigall nennt; es iſt aber
keine Nachtigall, ſondern ein Vogel, der den Geſang und
die Manier verſchiedner andrer Voͤgel nachahmt.
Das Rindvieh iſt hier mehreren ſchlimmen Krank-
heiten unterworfen, woran nicht ſelten manches Stuͤck
ſtirbt. Blutkrankheit (Blaar- oder Bloed-Ziekte)
nennt man, wenn die Adern im ganzen Koͤrper auf-
ſchwellen. Aderlaß und ſtarke Bewegung ſoll ein gutes
Mittel dagegen ſeyn. Stirbt ein Stuͤck Vieh an dieſer
Krankheit, ſo iſt das Fleiſch gar nicht zu gebrauchen. —
Die Schwammkrankheit (Spons-Ziekte) faͤngt damit
an, daß zuerſt ein Fuͤß, und hernach der ganze Koͤrper
ſchwillt. Bisweilen haͤlt ſie drey Tage an; bisweilen
toͤdtet ſie aber auch binnen drey Stunden. Wenn der
Fuß ſogleich abgeſaͤgt wird, kann dem Tode vorgebeugt
werden. Dieſe Krankheit ſcheint in der That aus keiner
andern Urſache, als von dem Biſſe einer Schlange her-
zuruͤhren, von welchen Thieren in den warmen Afrika-
niſchen Laͤndern eine ſo große Menge vorhanden iſt. —
Die Lahmſucht (Lam-Ziekte) beſteht darin, daß das
Vieh nicht auf den Beinen ſtehen kann. Sie hat einen
[141]Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
geringen Anfang, und ſchreitet langſam und allmaͤhlig
weiter. Nach dem Tode findet man, daß die Knochen
ganz leer ſind, und gar kein Mark enthalten, ſondern
anſtatt deſſen mit Waſſer angefuͤllt ſind. — Eine vier-
te Krankheit nennt man hier die Harnkrankheit (Piſs-
Ziekte). Mit dieſer wird nicht nur das Rindvieh, ſon-
dern auch die Pferde befallen. Sie laͤuft darauf hin-
aus, daß das Vieh nicht ſtallen kann, und entſteht,
wenn es von der geniſtartigen Euphorbie (Euphor-
bia geniſtoides, Hollaͤndiſch Piſs-Goed) frißt, welche
eine Milch enthaͤlt, die zwar dem Magen und Ge-
daͤrme nicht ſchadet, aber die Blaſe angreift, und be-
ſonders die Harngaͤnge verſtopft. Wenn man die Ru-
the druͤckt, kann man dieſe zaͤhe Materie herauspreſſen.
Die Bauern pflegen daher entweder ſich dieſer Methode
zu bedienen, oder auch wohl die Materie mit einem
Strohhalme nach inwendig zuruͤckzuſtoßen. Wenn man
das Vieh fleißig friſches und gutes Waſſer trinken laͤßt,
kann die Krankheit nicht uͤberhand nehmen. Im Sommer
aber, wenn das Waſſer dick und unrein wird, und die
Materie nicht verduͤnnen kann, ſtirbt es haͤufig daran.
Nachdem wir zur rechten Seite des großen Berg-
fluſſes das Ribeck-Caſtel, einen großen und hohen ein-
ſam ſtehenden Berg, und zur Linken den Piketberg,
darauf aber die Honigberge (Honing-Bergen) vorbey
gereiſet waren, kamen wir des Abends auf einen Hof,
der einem Manne, Nahmens Griling, gehoͤrt. Den 26.
reiſeten wir uͤber den ſogenannten Vierundzwanzigfluß
(Vier-en-twintig-Rivier) nach dem Hofe Arnheim,
von da weiter zu dem kleinen Bergfluſſe (Kleyne-Berg-
Rivier), und endlich durch das Rotheſandthal (Roode-
Zands-Kloof), nach dem Waferslande (Wafers-Land)
oder Rotheſand (Roode Zand). Die Schlucht oder
[142]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
das ſchmale tiefe Thal, durch welches wir von dem gegen
dem Cap liegenden niedrigeren, aber allmaͤhlig hoͤher
werdenden, Sandfelde nach Rotheſand kamen, iſt eine
von den wenigen engen Vertiefungen oder Abgruͤnden,
welche die lange Bergkette bildet; man kann zwar mit
einem Wagen hindurchfahren, aber doch nicht ohne alle
Gefahr. An einigen Stellen iſt ſie ſo ſchmal, daß zwey
Wagen einander nicht ausweichen koͤnnen. In ſolchen
engen Wegen machen die Fuhrleute mit ihren großen
Peitſchen ein entſetzliches Geklatſche, das man eine Mei-
le weit hoͤren kann, damit derjenige Wagen, welcher
zuerſt hineingekommen iſt, ungehindert durchfahren
kann, ehe ein andrer hineinfaͤhrt.
Sobald wir uͤber die Berge nach Rotheſand ge-
kommen waren, ſchien uns das Land hier viel hoͤher, als
auf derjenigen Seite, woher wir kamen. An dem ei-
nen Ende ſchließt ſich dieſer Diſtrikt mit hohen Bergen,
welche die Winterecke (Winter-Hoek) heißen. Dieſer
Nahme hat ſeinen Urſprung daher, daß die Gipfel faſt
das ganze Jahr uͤber mit Schnee bedeckt ſind. Am an-
dern Ende iſt dieſe Gegend offen, und es laͤuft von da
eine Reihe Berge aus, welche die Senfecke (Moſtaards-
Hoek) heißen, und ſich mehr und mehr in der Breite
nach Suͤden ausdehnen.
In Rotheſand logirten wir bey de Wett, einem
Abkoͤmmlinge von einer der Franzoͤſiſchen Familien, die
unter den allererſten Koloniſten waren, welche ſich in
dieſem Theile von Afrika niederließen, um Weinberge
anzulegen, und Fruchtbaͤume zu pflanzen. Um unſer
Zugvieh ſich ausruhen und etwas erhohlen zu laſſen,
brachten wir an dieſem angenehmen Orte beynahe ganze
vierzehn Tage zu. Dies gab uns Muße, nicht nur die
bereits geſammelten Kraͤuter und Samen in Ordnung
[143]Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
zu bringen und gehoͤrig zu verwahren, ſondern auch alle
umliegende Berge und Anhoͤhen zu beſuchen.
Unter andern reiſeten wir uͤber den Waſſerfall und
die Berge nach einem jenſeit wohnenden Sattelmacher,
Nahmens Schwieger, und von da am folgenden Tage
weiter zu einem andern Koloniſten, Nahmens Olivier.
Bey dieſem ließen wir unſre Pferde und wanderten zu
Fuß den Berg hinauf.
Eine andre Nebenreiſe ging uͤber den Witſenberg.
Dieſer hat auf der andern Seite ein Land, oder vielmehr
eine Schlucht, die ſchmaler, als Rotheſand, aber unge-
faͤhr viermahl hoͤher iſt. Von dieſer Hoͤhe konnten wir
den Tafelberg beym Cap ſehen. Wegen der Kaͤlte und
des ſpaͤteren Sommers kommen die Blumen hier wenig-
ſtens um einen Monath ſpaͤter hervor. Der Schnee
faͤllt hier oft drey Fuß hoch, und bleibt in der Tiefe eini-
ge Tage, auf dem Berge aber laͤnger liegen. Hinter
dieſer Tiefe ſieht man andre Berge, und hinter dieſen
wiederum andre hohe Gebirgsreihen, jenſeit deren das
Bockland (Bokke-Veld) liegt. In dieſem kleinen,
hohen und kalten Bezirke hat man Viehhoͤfe angelegt;
aber Getreide bauet man da gar nicht, weil man es nicht
von da uͤber die Berge transportiren kann. Wir hatten
eine ganze Stunde Zeit noͤthig, um zu Pferde uͤber den
Berg zu kommen.
Zu Rotheſand zeigte man mir den ſo beruͤhmten
Schlangenſtein (Slange-Steen). Dieſer Stein wird
aus Indien hieher gebracht, und ſehr theuer, oft mit
zehn bis zwoͤlf Reichsthalern bezahlt. Nur wenige Land-
bewohner haben ſich dergleichen anſchaffen koͤnnen, und
wer einen beſitzt, haͤlt ihn in großem Werthe. Er iſt
auf einer Seite rund, faſt wie eine Kugel, und ſchwarz
von Farbe, in der Mitte hat er aber doch einen blaſſen
[144]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Flecken, als wenn die Stelle abgefaͤrbt waͤre. Er hat
durch und durch ganz feine Roͤhrchen, wie Eichenholz,
oder eine irdene Pfeife mit ſehr engen Oeffnungen.
Wenn man ihn ins Waſſer legt, ſo giebt er in die Hoͤhe
ſteigende Waſſerblaſen von ſich, welches ein Beweis ſei-
ner Guͤte iſt, die man ſonſt auch daran erkennt, daß
er am Gaumen feſtklebt, wenn man ihn in den Mund
nimmt. Wenn man ihn auf die Stelle eines Schlan-
genbiſſes legt, ſetzt er ſich an der Wunde feſt, und zieht
das Gift heraus, und wenn er ſich voll geſogen hat, faͤllt
er von ſelbſt ab. Legt man ihn alsdann in Milch, ſo
zieht das Gift wieder heraus, und die Milch wird blau.
Oft ſcarificirt man gleichwohl die Wunde, ehe man den
Stein auflegt, mit einem Scheermeſſer. — Wenn
ein Hottentotte von einer Schlange gebiſſen wird, ſo hilft
er ſich damit, daß er ſogleich einen Froſch aufſucht, und
die Wunde mit demſelben reibt. Die Hottentotten ken-
nen auch die Kunſt, einen andern mit dem Munde das
Gift ausſaugen zu laſſen, nachdem ſie mit einem Meſſer
die Wunde rund umher ſcarificirt haben. — Unter andern
findet man hier eine Art Schlangen, die man Baum-
ſchlange (Boom-Slang) nennt, weil ſie ſich oft auf
Baͤumen aufhalten ſoll; ſie iſt acht Fuß lang, und ſieht
oben ganz braunroth, unten ganz gelblich aus. — Mit
der knoblauchartigen Tulbaghie (Tulbaghia alliacea),
die man hier wildes Knoblauch (wilde Knoflook) nennt,
und deren Wurzel einen ſehr ſtarken Knoblauchgeruch
hat, glaubt man die Schlangen behexen zu koͤnnen. —
Mit dem Gifte der Schlangen, wie auch dem Safte
des Giftbaums, (Gift-Boom, Sideroxylum toxiferum)
vergiften die Hottentotten ihre Pfeile, womit ſie nicht
nur wilde Boͤcke und wilde Buͤffelochſen ſchießen, ſondern
ſich auch gegen ihre Feinde vertheidigen.
Jetzt
[145]Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
Jetzt waren in dieſen Gegenden die Schwalben Mor-
gens und Abends ſehr beſchaͤfftigt, ihre Neſte zu bauen.
Dies pflegt hier ihre Arbeit in den beyden Monathen
September und October zu ſeyn. Gewoͤhnlich niſten ſie
in den Haͤuſern der Landleute, ſelten in Hoͤhlen oder Ri-
tzen der Berge; jenes wird ihnen um ſo viel leichter, da die
Hausthuͤren auf dem Lande faſt immer offen ſtehen. Zum
Bau des Neſtes nimmt dieſer Vogel Lehmerde, die er
mit dem Schnabel bereitet, und in kleinen Kluͤmpchen
anſetzt, wodurch der Bau alle Tage weiter fortruͤckt und
auch ſeine gehoͤrige Ruͤndung bekommt. Die Schwal-
ben machen es uͤbrigens hier, wie in Europa; ſie ziehen
jaͤhrlich weg, und kommen um die angefuͤhrte Jahrszeit
zuruͤck, und die Einwohner wiſſen nicht zu beſtimmen,
wohin ſie ſich gegen den Winter begeben, und wo ſie den-
ſelben zubringen.
Verſchiedne Kraͤuter lernte ich hier kennen, unter an-
dern eine Art Vogelmilch (Ornithogalum), welche man
hier Tintirintjes nennt, von dem Laute, welcher entſteht,
wenn man die Stengel davon an einander reibt. — Die
ſogenannten Waſſerzwiebeln (Aponogeron diſtachyon,
Hollaͤndiſch Waater-Uyntjes) wachſen hier an vielen
Orten, und zwar ſehr zahlreich in ſeichten Suͤmpfen und
Pfuͤtzen. Ihre auf dem Waſſer ſchwimmenden Blumen
breiten den ſchoͤnſten Geruch um ſich her. Die Wurzeln
dieſes Gewaͤchſes gebraucht man ſehr haͤufig als Speiſe:
man iſſet ſie gebraten. — Die Gurken macht man
hier ein, um ſie zum Deſert zu gebrauchen; zuerſt legt
man ſie in Salzlake, und hernach in Weineſſig und Spa-
niſchen Pfeffer. — Aus dem Decocte vom ſchwarzen
Nachtſchatten (Solanum nigrum) und der gemuͤsarti-
gen Gaͤnſediſtel (Sonchus oleraceus), die faſt allenthal-
ben wild wachſen, macht man mit Wachs und Schmalz
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. K
[146]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
eine vortreffliche Salbe, die zur Heilung mancherley Wun-
den und Schaͤden gebraucht wird, und unter dem Land-
volke ein allgemeines und ſehr beruͤhmtes Heilmittel iſt. —
Als etwas ganz Sonderbares bemerkte ich, daß man hier
die Hodenſaͤcke der maͤnnlichen Schafe iſſet: ſie werden
gebraten und ſchmecken recht gut, erregen aber im Ma-
gen viel Unruhe.
Noch mehr aber ſetzte mich eine Erzaͤhlung in Ver-
wunderung, die ich in Rotheſand allenthalben hoͤrte, und
wodurch meine Neugier aufs hoͤchſte gereitzt wurde. Man
verſicherte mich einſtimmig, daß auf dem hieſigen Ge-
birge ein Buſch ſey, der verſchiedne wunderbare Dinge
trage, von denen man faſt glauben ſollte, daß ſie aus
feinem Semiſchleder gemacht ſeyen, als Muͤtzen, Hand-
ſchuh, Struͤmpfe und dergleichen. Ich bat beynahe
jedermann, den ich anſichtig wurde, mir, wenn es moͤg-
lich waͤre, etwas von dieſen wunderbaren Sachen zu ver-
ſchaffen, und ſetzte mir vor, dieſe Gegend nicht eher zu
verlaſſen, als bis ich uͤber eine ſo unglaubliche Nachricht
naͤhere Erlaͤuterung haben wuͤrde. Nach einigen Tagen
hatte man mir bereits einige ſolche Blaͤtter von den Ber-
gen heruntergehohlt. Dieſe Blaͤtter waren mit einem
ſehr dicken zottigen Weſen, wie mit zottigem Haar,
uͤberzogen, und hatten viel Aehnlichkeit mit weißem
Sammet. Die Maͤdchen, welche mit dergleichen Blaͤt-
tern ſchon oft umgegangen waren, fingen ſogleich an,
mit beſondrer Behendigkeit dies Rauhe abzuziehen, und
zwar ohne es zu zerreißen, ſondern es blieb ſo ganz und
zuſammenhangend, als es geweſen war. Wenn man
es auf dieſe Art abgezogen hatte, war es zugleich umge-
kehrt, und man ſah auf einer Seite die gruͤnen Adern
des Blatts. Je nachdem die Figur des Blatts mehr
oder weniger rund oder laͤnglich war, verfertigte man dar-
[147]Reiſe vom Cap nach Rotheſand.
aus hernach verſchiedne von den oben angefuͤhrten Sa-
chen, und um ihnen die gehoͤrige Form zu geben, nahm
man bisweilen die Schere zu Huͤlfe. Aus den Sten-
geln machte man Struͤmpfe und lange [Frauenshandſchuh];
aus den kleineren Blaͤttern Muͤtzen. So war demnach
die Sache an ſich ſelbſt nicht ganz ſo wunderbar, als ſie
erzaͤhlt wurde; fuͤr mich aber war noch uͤbrig, zu unter-
ſuchen, zu welchem Gewaͤchſe dieſe Blaͤtter gehoͤrten.
Dies noͤthigte mich, ſelbſt auf die hoͤchſten Spitzen der
Berge zu klettern, woher man ſie gehohlt hatte. Hier
war das Gewaͤchs ſelbſt zwar nicht ſelten, aber ich hatte
doch viel Muͤhe, eins davon in der Bluͤthe und mit Sa-
men anzutreffen. Endlich erreichte ich meinen Zweck,
und uͤberzeugte mich, daß es zu dem Geſchlechte des Ha-
ſenoͤhrleins (Bupleurum giganteum) gehoͤre. Der rau-
he Ueberzug wird auch, wie feine Wolle, zurecht gemacht
und wohl getrocknet anſtatt Zunders gebraucht, wozu es
ſehr tauglich iſt.
Von Rotheſand merke ich uͤbrigens noch an, daß
dieſer Diſtrikt eine ſchoͤne Kirche mit einem eignen Predi-
ger hat. In dieſer Kirche ſind alle diejenigen einge-
pfarret, die tiefer im Lande wohnen. Dieſe Leute kom-
men aber ſelten oͤfter als jaͤhrlich einmahl hin, und bey
dieſer Gelegenheit laſſen ſie zugleich ihre Kinder taufen.
Dritter Abſchnitt.
Reiſe von Rotheſand nach Zwellendam.
Den 6. October verließen wir dieſe anmuthige Ge-
gend, nachdem ich ſowohl von Kraͤutern und Samen,
als von Voͤgeln eine anſehnliche Menge geſammelt, und
unſre Zugochſen ſich hinlaͤnglich erhohlt hatten. Unſern
K 2
[148]Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Weg nahmen wir jetzt weiter durchs Land, uͤber verſchied-
ne Fluͤſſe, und zwar zuerſt uͤber den Hirſchthierfluß
(Haartebeeſts-Rivier). An dieſem Fluſſe trafen wir
Michael de Plois Hof an, und hier nahmen wir das er-
ſte Nacht-Quartier. Ehe wir aber dahin kamen, fuhren
wir einen Berg vorbey, welcher der Schlangenberg (Slan-
gen-Kop) heißt, und vielleicht der ſonderbarſte in ſeiner
Art iſt. Er liegt von dem uͤbrigen Gebirge abgeſondert,
wie eine iſolirte Klippe, und iſt nicht ſehr hoch. An der
einen Seite iſt eine große, tief hineingehende Ritze oder
Spalte, welche dieſen Berg merkwuͤrdig macht, weil
jeden Herbſt faſt alle Schlangen aus der ganzen Gegend
dahinein kriechen und ſich verſammeln, um da in Ruhe
und Sicherheit zu liegen und ihren Winterſchlaf zu hal-
ten. Gegen den Sommer, ſobald die Waͤrme etwas
ſtark wird, ſieht man wieder Schlangen von mancherley
Art, und oft in große Buͤndel oder Knaͤuel zuſammenge-
wickelt, aus dieſer Borſte herauskommen, worauf ſie
ſich uͤber die ganze Ebene ausbreiten, und die eine hiehin,
die andre dahin ſich begiebt, um Nahrung zu ſuchen,
und das Fleiſch wieder zu bekommen, das ſie in ihrem
Winterlager verlohren haben.
Sonſt bemerkte ich noch, daß man hier zu Lande
den Blaſenbaum oder Blaſenſtrauch (Colutea veſicaria)
ſtoͤßt, und bey Augenkrankheiten gebraucht. Die Birn-
quitten ſah ich hier als Hecken gepflanzt.
Vom Hirſchthierfluſſe reiſeten wir uͤber den Hexen-
fluß (Hex-Rivier), den breiten Fluß (Breede-Rivier),
Mattjesthal (Mattjes-Valley oder Kloof) und den
Brandſtieg, (Brand-Steeg) weiter, bis wir bey Pe-
ter de Wett, unweit des warmen Bades, anlangten.
Hier ruheten wir einen Tag aus, um uns des Bades zu
bedienen, und die umliegenden Berge zu beſuchen.
[149]Reiſe von Rotheſand nach Zwellendam.
Das warme Bad hat ſeinen Urſprung unten am
Gebirge, auf der Oſt-Seite deſſelben, und zwar in einem
ſandigen Boden. Der Quellen ſind eigentlich ſieben, von
denen die eine, mit den andern verglichen, ſehr ſtark iſt,
und viel Waſſer giebt. Die zweyte, welche zugleich die
oberſte iſt, giebt eben nicht viel Waſſer, ſie befindet ſich
ſuͤdwaͤrts von der erſten, und die dritte iſt nahe dabey.
Weiter unterwaͤrts liegt die vierte, die ziemlich ſtark iſt;
die fuͤnfte iſt von dieſer einige Ellen entfernt, die ſechste
aber in der Mitte; dieſe letztere ſpringt nicht beſtaͤndig
auf einer Stelle, ſondern abwechſelnd an mehreren Or-
ten. Die unterſte Quelle iſt die ſtaͤrkſte, und ſprudelt
heftig. Das Waſſer iſt ſiedend heiß, ſo daß man Thie-
re darin abbruͤhen kann. Der Dampf ſteigt wie aus
einem kochenden Topfe empor, und dauert in der Rinne,
worin das Waſſer herabfließt, zwey Buͤchſenſchuͤſſe weit
fort. Die Seiten und der Boden der Rinne haben kei-
nen Bodenſatz, aber es waͤchſt gruͤner Waſſerfaden (Con-
ferva viridis) darin. Die in der Rinne liegenden Stei-
ne, welche jetzt etwas uͤber die Oberflaͤche des Waſſers
hervorſtanden, haben aber doch eine graue Kruſte, und
in der Rinne ſelbſt fand ich lockere Steine, die man mit
einem Meſſer ſchaben und anſtatt Kreide gebrauchen
kann. Ich hielt einen Klumpen blauer Wolle, wie auch
blaues Zuckerpapier ins Waſſer: beydes aͤnderte ſeine
Farbe nicht: ein Zeichen, daß das Waſſer keine Saͤure
enthaͤlt. Bleyzucker brachte im Waſſer keine weitere Ver-
aͤnderung hervor, als daß es daſſelbe milchweißlich faͤrbte,
und vom Chinapulver wurde es etwas braun. Im Gan-
zen quillt das Waſſer ohne Abaͤnderung immer gleich ſtark;
des Sommers ſoll es gleichwohl heißer ſeyn. Man kann
weißes leinenes Zeug darin waſchen, ohne daß es ſich
faͤrbt, und im Bade ſelbſt kann man Fleiſch kochen,
[150]Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
ohne daß es unſchmackhaft wird oder einen uͤbeln Neben-
geſchmack bekommt; alles Zeichen, daß das Waſſer ſehr
rein iſt. In einiger Entfernung von den Quellen ſam-
melt ſich das Waſſer waͤhrend des Herabfließens in ver-
ſchiednen theils kleinen, theils großen Loͤchern oder Gru-
ben, wo hinein man ſich ſetzen kann, um dieſes Bad zu
benutzen. Ueber einige derſelben ſind zur Bequemlichkeit
der Brunnengaͤſte kleine Huͤtten gebauet, und zu dieſen
kann man aus einem vom Gebirge herunterfließenden
Bache nach Belieben kaltes Waſſer leiten. Man wagt
immer zu viel, wenn man ſich ohne Geſellſchaft in dies
Bad begiebt. Denn die Hitze des Waſſers treibt das
Gebluͤt aus dem Koͤrper nach außen, und die Adern im
untern Theile deſſelben, ſo weit er im Waſſer iſt, wer-
den ſo ausgedehnt, daß ſich das Gebluͤt zu ſehr vom Kopfe
wegzieht, und man Gefahr laͤuft, binnen einer Viertel-
ſtunde in Ohnmacht zu fallen. Manchmahl bekommt
man ſogar Uebelkeit und Erbrechen davon. — Unter
den Kranken, die jetzt hier waren, um das Bad zu ge-
brauchen, waren beſonders zwey ſehr bedauernswuͤrdig.
Der eine war ein Landmann, der eine ſchlimme Wunde
im Unterleibe hatte, welche von dem heftigen Stoße eines
wuͤthenden Ochſen herruͤhrte: er konnte nicht das min-
deſte, außer etwas weniges vom Brunnenwaſſer, genießen,
weil das Erbrechen bey ihm beſtaͤndig fortwaͤhrte. Der
andre war ein Sklave, welcher auf der rechten Schulter
ein ſehr großes Fleiſch-Gewaͤchs hatte, wodurch der Arm
nach vorn aus dem Gelenke getrieben war, und welches
von einem ſchweren Falle auf das Schulterblatt herkam.
Sowohl hier als auch beſonders in den Sandeb-
nen waͤchſt die eßbare Zaſerblume (Meſembryanthemum
edule) in großem Ueberfluß. Man nennt ſie hier die
Hottentotten-Feige, weil die Frucht, wenn ſie reif und ge-
[151]Reiſe von Rotheſand nach Zwellendam.
ſchaͤlt iſt, einen ziemlich guten Geſchmack hat. Sie hat
mancherley Blumen, rothe, fleiſchfarbne, gelbe und weiße.
Den 9. October reiſeten wir uͤber die Moritzhoͤhe
nach Koree. Dieſer Berg beſteht zum Theil aus Schie-
fer (Schiſtus ſcriptura candida) in duͤnnen Blaͤttern,
der aber ſehr broͤckig iſt, und zu Rechentafeln gar nicht
taugt. In den Ritzen des Berges halten ſich viel hier
ſogenannte Dachſe (Daſſen), oder eigentlich Capſche
Kavia (Cavia capenſis) auf, wovon man hier glaubt,
daß ſie eine monathliche Reinigung haben. Von dieſer
Hoͤhe konnten wir auch das Karroland (Carro-Veld)
ſehen, welches ſehr duͤrr, mager und ganz ohne Gras
iſt, und nur eine Menge ſaftreicher Gewaͤchſe und Straͤu-
che hervorbringt. Die zur Rechten liegenden Sandberge
haben oben an den Seiten weißen Sand, der ſehr tief
liegt, und vom Winde umhergetrieben wird.
Wo wir jetzt waren, ſtand die zweyſtachlige Ar-
duine (Arduina biſpinoſa), ein ſehr ſtachliger Buſch,
voll reifer Beeren; die Hottentotten eſſen dieſe Beeren. —
Das Doppelblatt (Zygophyllum Morgſana), ein ſchoͤ-
ner Strauch, ſchmuͤckte jetzt mit ſeinen Blumen die Ber-
ge; man bedient ſich ſeiner haͤufig zu Lauben. — Die
Aegyptiſche Sinnpflanze (Mimoſa nilotica) waͤchſt hier
ebenfalls in Menge. Die Boͤcke freſſen die Blaͤtter der-
ſelben, und bekommen dabey oft die Stacheln in die Fuͤße,
ohne daß es ihnen jedoch ſchadet. Wenn dieſer Buſch
abgehauen wird, faͤllt er manchmahl den Leuten auf den
Leib, und die Stacheln dringen alsdann tief hinein, bre-
chen auch wohl ab und bleiben feſt ſitzen.
Da in dieſem Bezirke die Hoͤfe nahe bey einander
liegen, bezeichnet man hier die Schafe, beſonders durch
Einſchnitte in die Ohren. Wenn es lange regnet, wer-
den die Schafe ſteif und manche ſterben. Sie bekom.
[152]Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
men auch wohl die Waſſerſucht, welche der Bauer damit
curirt, daß er ihnen Loͤcher in den Bauch ſticht, und das
Waſſer abzapft. Auf einigen Hoͤfen ſchiert man die
Schafe bisweilen, aber die Wolle gebraucht man ſelten;
oft giebt man den Sklaven die Schaffelle ungeſchoren.
Ich hatte hier auch Gelegenheit, an den Laͤmmern eben
dieſelbe Operation im großen verrichten zu ſehen, die ich
vorher mit einer Menge Ochſen vornehmen ſah. Der
Landmann verſchneidet ſie ſelbſt, und zwar mit einem klei-
nen Meſſer, womit der Hodenſack aufgeſchnitten wird.
Wenn dies geſchehen iſt, werden beyde Teſtikel nach ein-
ander herausgezogen, und mit vieler Behendigkeit ab-
geloͤſet.
In einem Fluſſe, der eine kleine Ausbucht, und
in derſelben ein tiefes Loch hat, ſah ich, wie die Na-
tur im kleinen einen Waſſerwirbel oder ſogenannten Mael-
ſtrom bildet. Ueber dem Loche floß Schaum und Unrei-
nigkeit, dem Laufe des Bachs gerade entgegen, im Kreiſe
herum, und wurde im Mittelpuncte des Wirbels nach
der Tiefe hinabgezogen.
Zu Koree mußten wir wegen des hohen Waſſers in
den Fluͤſſen uns einige Tage aufhalten, worauf wir uͤber
den Koreefluß, den wir zweymahl paſſirten, und hernach
uͤber den Sandfluß (Zand-Rivier), welcher oft aus-
trocknet, bis nach dem Rohrbrunnen (Riet-Fonteyn)
unſre Reiſe fortſetzten. Von hier gingen wir weiter uͤber
Klas Voigts Fluß (Claes-Vogts-Rivier) nach einem
Hofe, deſſen dermahliger Eigenthuͤmer le Roux hieß. —
Unterwegs ſah ich die Capſche Miſtel (Viſcus capenſis),
ein paraſitiſches Gewaͤchs, mit ihren Beeren, welche die
Voͤgel gern eſſen, allenthalben an den Zweigen der Baͤu-
me, beſonders des Sumachs (Rhus) ſich hinaufſchlin-
gen und ausbreiten.
[153]Reiſe von Rotheſand nach Zwellendam.
Den 15. October reiſeten wir Gerts Hof vor-
bey; uͤber einen ſehr tiefen Fluß zu Philipp Bota und von
da Droſkis Hof vorbey zu Jakob Bota. Hier zeigte man
mir ein aus dem Gebirge aufgenommnes Stuͤck Katzen-
ſilber oder Katzenglimmer (Mica argentea), das mit
durchſichtigem und unordentlich kryſtalliſirtem Kalkſpath
vermiſcht war. Auch ſah ich Bergpech (Bitumen), das
der Landmann in dieſen Gegenden Dachſenharn (Daſſen-
Piſs) nennt, weil er glaubt, es ſey verdickter Urin von
den großen Bergratzen oder Capſchen Kavia (Cavia ca-
penſis), die man hier findet. Man erzaͤhlte, es werde
in den Ritzen des Berges haͤufig angetroffen, beſonders bey
einem hervorſpringenden großen Kranze (groote Krants).
Dies Bergpech war ſehr unrein, unter dem Landvolke
aber als ein ſehr gutes Heilmittel bey Arm- und Bein-
bruͤchen bekannt. — Die Buͤſche vom herzblaͤttrichten
Gaͤgel (Myrica cordifolia), deſſen Beeren mit einem
Fette, das dem Wachſe aͤhnlich iſt, umzogen ſind, legt
man hier in große Kochtoͤpfe mit ſiedendem Waſſer, um
das Fett zu ſchmelzen und hernach abzuſchaͤumen. Es
ſieht wie graues unreines Wachs aus, iſt haͤrter als Talg,
und etwas loſer als Wachs. Die Bauern gießen Lich-
ter davon; die Hottentotten aber eſſen es wie ein Stuͤck
Brot, bald allein, bald zu Fleiſch.
Weiter ging unſre Reiſe den Bruyntjesfluß (Bruynt-
jes-Rivier), und den Loͤwenfluß (Leeuwen-Rivier)
vorbey nach dem Keurebaumsfluſſe (Keure-Booms-Ri-
vier), der ſeinen Nahmen von der in dieſer Gegend haͤu-
fig wachſenden Capſchen Sophore (Sophora capenſis),
hat. Die Wurzel der wellenfoͤrmigen Aeſkulapie (Aſcle-
pia undulata) gebraucht man hier infundirt gegen die
Kolik. Auch bedient man ſich der ſcharfen Beeren der
Capſchen Fagare (Fagara capenſis) gegen dieſe Krank-
[154]Dritte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
heit. Das Gyps-Kryſtall, welches in den Bergen
des ſuͤdlichen Afrika gefunden werden ſoll, ſtreuet man,
zu Pulver geſtoßen, in Wunden, um dieſelben zu rei-
nigen.
Vom Keureboomsfluſſe reiſeten wir durch den
Pußpaßfluß und das Pußpaßthal (Pus-Pas-Valley)
nach Zwellendam.
Zu Zwellendam kamen wir den 18. October an.
Hier reſidirt einer von den Land-Droſten der Compagnie,
welcher die Aufſicht uͤber das ganze tiefer hinein liegende
Land hat, und deſſen Amt gewiſſermaßen mit dem Amte
eines Landes Hauptmanns uͤbereinkommt. Der damahli-
ge Land-Droſt war Herr Menz. Wir wurden von ihm
zu Mittage wohl bewirthet.
Vierter Abſchnitt.
Reiſe von Zwellendam bis in die Naͤhe
des Ataquathals.
Von Zwellendam ſetzten wir die Reiſe uͤber den breiten
Buͤffeljagdfluß (Buffeljagts-Rivier) fort und kamen
nach einem der Compagnie gehoͤrigen Platze, Nahmens
Rohrthal (Riet-Valley). Hier verweilten wir einige
Tage, um unſre bisher gemachten Sammlungen in gehoͤ-
rige Ordnung zu bringen, und unſer erbaͤrmliches, von
den ſteinigen und gebirgigen Wegen ganz zerbrochnes und
zerſtoßnes Fuhrwerk auszubeſſern. Fuͤrwahr unſer Kar-
ren war ſo klein, ſo gebrechlich und ſo alt, daß vielleicht
niemand, weder vor noch nach uns ſich wird ruͤhmen
koͤnnen, mit einem aͤhnlichen Fuhrwerke eine ſo lange und
gefaͤhrliche Reiſe tief in dieſes gebirgige Land gemacht zu
haben.
[155]Reiſe von Zwellendam nach dem Ataquathale.
In dieſer Gegend fangen die Ebenen an etwas
grasreicher zu werden, und einigermaßen das Anſehen
von Aengern und Wieſen zu gewinnen. Die Berge,
welche uns von Rotheſand her begleitet hatten, fangen
an ſich in Huͤgeln und großen Abſaͤtzen zu ſchließen. In
eben dieſem Verhaͤltniſſe fangen auch die Viehheerden an
hier groͤßer und allgemeiner zu werden; dagegen werden
Weinberge und Saatfelder ſeltner, wiewohl ſie ſich noch
nicht verlieren. Unter dem Vieh graſſiren hier oft an-
ſteckende Seuchen, auch wird das Vieh nicht ſelten vom
hitzigen Fieber, das man Brandkrankheit (Brand-Ziekte)
nennt, befallen. Dieſe Krankheit greift zuerſt Lunge und
Leber, hernach den uͤbrigen Koͤrper an, und das Fleiſch
wird davon ſo los, daß die Faſern gar nicht an einander
hangen.
Nicht weit von dieſem Hofe, welcher die Compa-
gnie hauptſaͤchlich mit allerley Arten großer Baͤume zu
Bauholz verſorget, liegt in einem ziemlich großen Thale
ein betraͤchtlicher Wald, der den Nahmen Großvaters-
wald (Groot-Vaaders-Boſch) fuͤhrt. Zu dieſem Wal-
de ſtellten wir eine kleine Nebenreiſe an, um die Afrika
eignen Baumarten kennen zu lernen. Wir kamen, den
Bauerhof Rohrkuhle (Riet-Kuyl) vorbey, nach dem
Taubeneckfluſſe (Duywen-Hoeks-Rivier). Hier bil-
det der Berg eine ſehr tiefe Kluft, die deswegen die
Hoͤlle (de Helle) heißt. Der Wald iſt ſehr hoch und
dicht; die Baͤume hatten aber jetzt zu unſerm Leidwe-
ſen weder Bluͤthe noch Frucht, daher wir unſre Neu-
gier nicht befriedigen konnten. Einiger will ich indeſſen
doch mit ein Paar Worten erwaͤhnen. Das Kamaſchen-
holz (Camaſſie-Hout) iſt eine ſehr feine Art Holz, und
wird zu Leiſten an Schraͤnken und andern Meublen ge-
braucht. — Das Stinkholz (Stink-Hout) hat mit
[156]Dritte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
dem Wallnußholze Aehnlichkeit: es iſt ein großer Baum
und man macht Schreibtiſche und Schraͤnke daraus. —
Die gelbe Stechpalme (Ilex crocea, Hollaͤndiſch Gelb-
holz, Geel-Hout) iſt ſehr dick, und hellgelb, bald
dunkler, bald heller; der Baum iſt groß und wird zu Ti-
ſchen gebraucht. — Den Capſchen Pfeffer (Piper ca-
penſe), welchen man in dieſem Walde in Menge an-
trifft, nennt der Landmann Steißpfeffer (Staart-Peper)
und gebraucht ihn wie Gewuͤrz. — Uebrigens zeigte
man mir ein Stuͤck Bergkryſtall, von der Laͤnge des klei-
nen Fingers, das man hier gefunden hatte; es war an
beyden Enden ſpitz.
Nicht weit von dieſem Hofe haben einige Hotten-
totten ihren Wohnplatz. Man bedient ſich ihrer bis-
weilen zum Dienſte der Compagnie und des Hofes. Auf
Branntewein und Tobak ſind dieſe Leute ganz raſend er-
picht; und in Unreinlichkeit und Geſtank ſcheinen ſie ihr
ganzes Vergnuͤgen zu ſetzen. Sie beſchmieren den ganzen
Koͤrper mit Fett, und pudern ihn hernach mit Pulver
von Bucku, oder Dioſma (Dioſma). Wir beſuchten
ſie, und um uns als Fremden zu gefallen, hatten ſie ſich
uͤberdem mit rothen und ſchwarzen Streifen bemahlt.
Die Weibsleute trugen vorn am Unterleibe ein dreyeckiges
Stuͤck Fell, und die Mannsperſonen einen Beutel, um
die Geſchlechtstheile zu verbergen. Sowohl um den Hals
und die Arme, als um den Leib waren ſie mit Korallen-
oder Perlſchnuͤren geziert, die in verſchiednen Umgaͤn-
gen umgewunden waren, und aus blauen, weißen, ro-
then und bunten Glasperlen oder glaͤſernen Korallen be-
ſtanden. Einige trugen auch eiſerne, meſſingene oder
lederne Ringe um die Gelenke der Arme. Ein Schaffell
um die Lenden und ein anderes uͤber den Ruͤcken machte
ihre ganze Kleidung aus. Die Pfeife fuͤhrten ſie be-
[157]Reiſe von Zwellendam nach dem Ataquathale.
ſtaͤndig im Munde. Dieſe Leute leben uͤbrigens von ih-
rem Vieh und von allerhand Zwiebeln und Wurzeln, die
ſie auf dem Felde aufzuſuchen und auszugraben wiſſen.
Von den Sitten der hieſigen Bauern merke ich noch
an, daß ſie die Zeit allezeit nach dem Laufe der Sonne
beſtimmen und eintheilen.
Auf dem Hofe der Compagnie ließen wir unſern
Karren ſtehen, und bekamen an deſſen Statt einen gro-
ßen mit Segeltuch uͤberzognen Wagen, nebſt zehn fri-
ſchen Ochſen, zu bequemerer Fortſetzung unſrer Reiſe
nach der Kuͤſte der Kaffern. Mit dieſem verbeſſerten
Fuhrwerke reiſeten wir denn auch weiter uͤber den Krakus-
fluß und den Krakusberg (Kraakous-Hoogte), fer-
ner uͤber den Fettfluß (Vet-Rivier) und verſchiedne
Hoͤfe vorbey. In dieſen Gegenden waͤchſt haͤufiger, als
ich je anderswo bemerkt habe, der Aloebaum oder die
durchſtochne Aloe (Aloe perfoliata), aus deſſen Blaͤt-
tern das Aloeharz hervorquillt. Die Schafe freſſen
hier verſchiedne giftige Gewaͤchſe, als den glaͤnzenden
Sumach (Rhus lucidum), den Afrikaniſchen Bocksdorn
(Lycium afrum) und dergleichen.
Den 25. October beſuchten wir Martin Lagrans
am Palmitfluſſe (Palmit-Rivier), einen Bauer, der
ſo viele Huͤhner hatte, daß er alle Tage hundert Eyer be-
kam. Von hier gingen wir uͤber den Suͤßmilchsfluß
(Zoete-Melk-Rivier), das ſchwarze Thal (Svarte
Valley) vorbey, zu einem am falſchen Fluſſe (Vals-
Rivier) belegenen Hofe Nahmens Wohlzufrieden (Wel-
te-Vreede). Dicht am ſchwarzen Thale zur Linken ſahen
wir ſehr deutlich, daß die Bergklippen eiſenhaltig waren.
Auf unſrer fernern Reiſe ritten wir das große Thal
(Groote Valley) vorbey, und durch den breiten Gold-
fluß (Gouds-Rivier), bis wir zu Daniel Pinard ka-
[158]Dritte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
men. Hier bemerkte ich eine artige Methode, wie die
Bauern ihre Huͤhnerhaͤuſer von Ungeziefer rein halten.
Die Huͤhnerhaͤuſer werden bloß von Lehmerde gebauet,
beynahe wie große Backoͤfen; und wenn ſie mit Ungezie-
fer angeſteckt ſind, legt man nur etwas Stroh hinein, und
zuͤndet es an; ſobald dies ausgebrannt iſt, ſind ſie rein.
Hernach kamen wir eine große Klippe vorbey, die
von den vielen daſelbſt ſich aufhaltenden Bienen den Nah-
men Honigklippe (Heuning-Klip) bekommen hat. Von
da kamen wir zu einem nahe beym Artaquasthale (Arta-
quas-Kloof) belegenen Hofe. Die Honigklippe giebt in
der Ferne ein merkwuͤrdiges Echo, das verſchiedne Sylben
wiederhohlt, und deswegen hier zu Lande ſehr beruͤhmt iſt.
In dieſen Gegenden bedient man ſich des Oehlbaum-
holzes (Olive-Hout, Olea capenſis), um Stuͤhle dar-
aus zu machen; es iſt weiß und ſehr ſchwer. — Man
ſaͤet hier zwar nicht viel Weitzen; die Erde iſt aber ſo
fruchtbar, und die Wurzel des duͤnn geſaͤeten Getreides
vervielfaͤltigt ſich in ſo viele Zweige, daß jedes Korn mehr
als eine Aehre hervorbringt. Nicht ſelten zaͤhlt man
zwanzig, ja wohl gar gegen achtzig Aehren. Ich hielt
dies, als man es mir erzaͤhlte, fuͤr unglaublich, und
nahm mir daher vor, die Aehren und Wurzeln auf dem
Acker ſelbſt zu zaͤhlen, und die Sache dadurch genauer zu
unterſuchen. Da fand ich nun, daß aus der Wurzel
eines einzigen Weitzenkorns ſehr oft verſchiedne Halme und
Aehren emporgewachſen waren, wiewohl ich die Anzahl
nicht hoͤher als ein und vierzig antraf. — Die Brand-
blaͤtter, oder Blaſen ziehende Atragene (Atragene veſica-
toria) vertreten hier und in verſchiednen andern Gegen-
den bey dem Landmanne die Stelle der Spaniſchen Fliegen.
Zerſtoßen und aufgelegt ziehen ſie auch in Zeit von einer
halben Stunde eine große Blaſe, die ſich lange offen er-
[159]Reiſe von Zwellendam nach dem Ataquathale.
haͤlt. Die Wurzel wird auch in Scheiben zerſchnitten
und aufgelegt, und zieht alsdann ſo ſtark, daß, wenn ſie
nur eine Nacht aufliegt, die Wunde einen ganzen Mo-
nath offen bleibt. Das Kraut ſelbſt waͤchſt meiſtentheils
am Abhange der Berge, und wird auch gegen Rheuma-
tiſmen und Gliederſchmerzen gebraucht.
Diejenigen Hottentotten, welche wir bisher auf
unſrer Reiſe angetroffen hatten, waren in den Haͤuſern der
Europaͤer, oder doch in der Nachbarſchaft der Hoͤfe der
Koloniſten erzogen, alſo nicht voͤllig in ihrem natuͤrlichen
oder Hottentottiſchen Zuſtande. Die, welche wir jetzt,
beſonders aber die, welche wir hernach beſuchten, wohn-
ten groͤßtentheils in weiterer Entfernung von den Euro-
paͤern und von ihnen getrennt, hatten zum Theil eigne
Doͤrfer und eigne Wirthſchaft, und zeigten ſich mehr
und mehr in demjenigen Zuſtande, worin ſie von Natur
waren, und wir ſie naͤher kennen zu lernen ſuchten.
Vor hundert Jahren war es viel leichter, die eigenthuͤm-
liche Lebensart und Sitten dieſes Volks zu erforſchen und
ſich gehoͤrige Kenntniß davon zu verſchaffen, da ſie dem
Cap naͤher wohnten, zahlreicher waren, und in ihrer Frey-
heit lebten. Jetzt iſt der Weg zu der Gegend ihres Auf-
enthalts ſehr weit, ihre buͤrgerlichen Geſellſchaften klein,
ihre Sitten und Lebensart ſehr veraͤndert, und die ganze Na-
tion in einem gezwungenen und eingeſchraͤnkten Zuſtande.
Diejenigen, welche ſich bey den Koloniſten in Dienſt
vermiethet haben, koͤnnen zum Theil ziemlich gut Hollaͤn-
diſch ſprechen. Als die Bauern zu allererſt ſich in dieſen
Bezirken niederließen, fanden ſie die Hottentotten ſehr
bange vor Pulver und Schießgewehr, und hoͤrten ſie ſagen,
ſie koͤnnten nicht begreifen, wie es mit den Pfeilen der
Europaͤer (Pfeile nannten ſie die Kugeln), welche ſie
nach dem Schuſſe in der Fahrt nicht ſehen, und mit ihren
[160]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Schrauben, die man nicht wie einen Nagel einſtecken
koͤnnte, beſchaffen ſey.
Man ſprach hier viel von einem Hottentotten, der
vor einigen Jahren geſtorben war. Dieſer Kerl war von
einem wilden Buͤffelochſen geſtoßen, und hatte dadurch
den ganzen untern Kinnbacken verlohren. Demungeach-
tet lebte er noch zwoͤlf bis dreyzehn Jahre nach dieſem un-
gluͤcklichen Vorfalle. Reden konnte er nicht. Das Eſ-
ſen zermalmte er zwiſchen zwey Steinen, die bey den Hot-
tentotten die Stelle des Moͤrſers zu vertreten pflegen,
und ſtopfte es hernach mit den Fingern in den Schlund.
Tobak konnte er auch rauchen, wenn er die Hand vorhielt.
Endlich erſchoß er noch denſelben Buͤffel, der ihn ſo be-
ſchaͤdigt hatte.
Seit unſrer Abreiſe von Rotheſand bis hieher, hat-
ten wir unſern Weg beſtaͤndig Suͤd-Oeſtlich genommen.
Das Land, wodurch wir reiſeten, war zu beyden Seiten
von Bergen umgeben, von denen die zur Rechten liegen-
de Reihe nunmehr zu Ende war, ohne ganz nach der
Kuͤſte des Meeres hinzureichen. Die andre Gebirgskette
aber, welche wir zur linken Hand hatten, erſtreckte ſich
noch weiter, und wir ſahen uns daher genoͤthigt, hinuͤber
zu reiſen, wenn wir tiefer ins Land hinein wollten Ei-
ne ſolche Paſſage uͤber dies Gebirge geht durch das Atta-
quasthal (Attaquas-Kloof), welches ſo lang iſt, daß die
Durchfahrt beynahe einen ganzen Tag waͤhrt.
Fuͤnfter Abſchnitt.
Reiſe vom Ataquathale durchs
Houtniqualand.
Den 29. October beſchloſſen wir, mit Herrn Immel-
mann unſern Wagen durch das Attaquasthal gehen zu
laſſen,
[161]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
laſſen, ſelbſt aber zu Pferde einen Umweg durch das grasrei-
che und auch mit Wald ſtark bewachſene Houtniquasland,
welches zur Rechten liegt, und ſich voͤllig bis an die See er-
ſtreckt, zu machen, und hernach an einem andern Orte uͤber
das Gebirge zu gehen, und unſerm Wagen im langen
Thale (Lange-Kloof) entgegen zu kommen. Wir rit-
ten daher den großen und kleinen Salzfluß (kleyne en
groore Brak Rivier) vorbey nach Salzquell (Zout-
Fonteyn), einem dem Koloniſten Vivier gehoͤrigen Hofe;
von da weiter durch ein Thal, wo viele Waldung war,
und eine Kolonie vorbey, wo wir keine andre Leute, als
Hottentotten, die der Viehheerden warteten, antrafen,
nach Kleinbrunn (Kleyn-Fonteyn) am Wittelsfluſſe
(Wittels-Rivier). An den folgenden Tagen ſetzten wir
die Reiſe weiter fort, kamen einige Kolonien vorbey,
und langten endlich auf Georg Bota’s Hofe, Sandvliet
(Zand Vliet), am Kehrumfluſſe (Keerom-Rivier) an,
wo wir uns eine kurze Zeit aufhielten.
In dieſem ganzen ſuͤdlichen Theile von Afrika findet
man zwar eigentlich gar keine Wege; die Straße aber,
welche die Reiſenden in den dem Cap naͤher liegenden Ge-
genden gewoͤhnlich zu reiſen pflegen, iſt doch einigermaßen
gebahnet. Allein tiefer im Lande ſieht man oft nicht die
geringſte Spur eines Weges. Daher kann es in den
entweder ſehr weitlaͤuftigen oder ſtark mit Gebuͤſch be-
wachſenen Ebenen ſich ſehr leicht zutragen, daß man ſich
verirret. Aus dieſer Urſache muß ein Reiſender die Zei-
chen, welche man alsdann hat, um wieder zurecht zu
kommen, genau wiſſen und in Acht nehmen. Dieſe be-
ſtehen darin, daß man genau zuſieht, ob man auf dem
Boden Schafdreck liegen findet, welches eine Anzeige zu
ſeyn pflegt, daß in der Nachbarſchaft irgend ein Hof be-
findlich iſt; ob man irgend eine Heerde Vieh weiden ſieht;
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. L
[162]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
ob man Ackerland gewahr werden kann, und derglei-
chen mehr.
Das Land iſt in dieſen Gegenden allenthalben ſehr
mit Huͤgeln und kleinen Bergen beſaͤet, und beſteht faſt
aus nichts anderm, als flachen, grasreichen Ebenen, klei-
nen Huͤgeln und waldigen, waſſerreichen Thaͤlern. In
den Waͤldern ſtehen große und hohe Baͤume, die aber
großentheils krumm und uͤbel gewachſen, auch, wie in
den nordlichen Laͤndern, mit Moos bedeckt ſind. An ver-
ſchiednen Orten ſah ich hier Land, das abgeſenget war, und
welches man mit demjenigen vergleichen kann, das man
in Schweden hat, wo man es Suedje-Land nennt. Es
iſt indeſſen von dieſem letztern ſehr unterſchieden, denn
in Schweden brennt man Holz oder Gebuͤſche ab, um
den Platz mit der Aſche zu duͤngen, ihn umzupfluͤgen und
zu beſaͤen. Hier aber hat es damit folgende Bewandniß.
Verſchiedne Ebenen haben hier ſehr hohes Gras, welches
fuͤr die Kuͤhe zu ſtrenge und beynahe ganz unbrauchbar iſt,
und hindert, daß friſches und gruͤnes Gras nicht aufkom-
men kann, außerdem aber eine Menge Schlangen und
Raubthiere beherbergt. Ein ſolches Stuͤck Land wird
daher in Brand geſteckt, damit aus den Wurzeln wieder
junges Gras hervorſprießen kann. Sind ſolche Plaͤtze
hie und da mit Buͤſchen bewachſen, ſo werden dieſe ganz
ſchwarz gebrannt, und bleiben nachher lange Zeit, wie
mit Ruß uͤberzogen, ſtehen, zum großen Verdruſſe fuͤr
die Reiſenden, welche da hindurch muͤſſen.
Unterwegs fand ich eine gelbe, aber nicht giftige
Schlange, von der Laͤnge einer Viertelelle: ſie lag am
Wege unter Steinen. Auch ſah ich in dieſen Gegenden
viele Straußeyer. Man erzaͤhlte mir, daß man manch-
mahl einen Stein in einem ſolchen Eye finde, den man
einfaſſe und zu Knoͤpfen gebrauche.
[163]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
Die Hottentotten um den Kehrumfluß bedienen
ſich, welches ich bey dieſem Volke nicht uͤberall angetrof-
fen habe, eines ledernen Sacks, der mit einem Riemen
uͤber die Schultern gehaͤngt wird, und bis auf die Lenden
herabhaͤngt. Unten iſt er mit herunterhangenden Rie-
men, wie mit Troddeln geziert, worin Schneckenhaͤuſer
feſt gebunden ſind, die, wenn der Hottentotte geht oder
ſich ſonſt bewegt, klappern. Sie bedienen ſich dieſes
Sacks, um verſchiedne Sachen hineinzuſtecken und zu
verwahren, ungefaͤhr wie wir unſre Taſchen gebrauchen.
Das Weibsvolk ſchmuͤckt ſich mit Schneckenhaͤuſern, wo-
mit es nicht nur die Muͤtzen beſetzt, ſondern die es auch in
Geſtalt von Armbaͤndern um die Gelenke der Haͤnde
traͤgt. Es ſind gewoͤhnlich Schwimmſchnecken (Nerita
hiſtrio) und Porzellanen (Cypraea moneta). Die
Muͤtze ſelbſt hat kein rundes Mittelſtuͤck, ſondern beſteht
bloß aus einem zuſammengenaͤheten Streife von Buͤffels-
haut, der einer Hand breit, und mit jenen Schnecken-
haͤuſern, bald mehr, bald weniger, je nachdem ſie es
haben koͤnnen, reihenweiſe verziert iſt. Die Weibsper-
ſonen in andern Gegenden tragen auf dem Kopfe eine
kegelfoͤrmige geſtreifte Muͤtze, die aus verſchiednen ſchwar-
zen, weißen und braunen Striemen von Lammfell zuſam-
mengenaͤhet iſt. Bisweilen ſind auch dieſe Muͤtzen mit
Glaskorallen geſchmuͤckt, die in verſchiednen Figuren auf-
genaͤhet ſind, oder auch wohl wie Perlenſchnuͤre vorwaͤrts
heruͤber hangen. Um die Arme und Beine haben ſie
durchgaͤngig Ringe von Rinderhaut, deren Verfertigung
ich hier zu ſehen Gelegenheit hatte. Die aus der Rin-
derhaut ausgeſchnittnen platten Streifen werden ſo lan-
ge geklopft, bis ſie voͤllig rund werden, und die beyden
Enden hangen ſo nett zuſammen, daß man die Stelle,
wo ſie an einander gefugt ſind, nicht bemerken kann.
L 2
[164]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Die auf dieſe Art entſtandnen Ringe werden hernach uͤber
den Fuß gezwaͤngt, und die Hottentotten, beſonders die
Weibsleute, gebrauchen ſie in Menge, ſo daß manch-
mahl das halbe Bein und noch wohl mehr damit bedeckt
iſt. Verſchiednemahle ſah ich ſie auch dieſe Ringe wa-
ſchen und hernach ſchmieren. — Aus der Rinde der
Wollblume (Anthyllis), wiſſen die Hottentotten ſich
Taue und Stricke zu machen, womit ſie ſich, wie auf
einer Leiter, die Baͤume hinauf helfen, wenn ſie Honig
heraushohlen wollen. Sie ziehen alsdann zuerſt um den
Stamm eine Schlinge, ſetzen einen Fuß hinein, ziehen
darauf wieder eine Schlinge um den Stamm und zwar
weiter oben, und treten hinein, machen ſodann die un-
tere Schlinge los, und legen ſie wieder oben an, womit
ſie ſo lange fortfahren, bis ſie ſo hoch ſind, als ſie wol-
len. — Bisweilen hat es ſich in der Gegend, wo ich
jetzt war, zugetragen, daß ein Europaͤer eine Hottentot-
tin geheirathet hat, die alsdann getauft iſt. Noch oͤfter
aber iſt der Fall eingetreten, daß ein Koloniſt ohne ordent-
liche Ehe mehrere Kinder mit einer Hottentottiſchen Bey-
ſchlaͤferin gezeuget hat. Die Kinder ſind hernach ge-
tauft, wenn ſie verſchiedne Jahre alt waren.
Auf unſrer jetzigen Reiſe wurden wir faſt taͤglich
von haͤufigen und ſtarken Regenſchauern, die nicht ſelten
mit Donner und Blitz vergeſellſchaftet waren, durchnetzt.
Da am Cap um dieſe Jahrszeit immer gutes Wetter iſt,
ſo ſieht es aus, als wenn der Winter und die Regenzeit
hier noch gar nicht Abſchied nehmen wollen. Der Regen
war uns um ſo viel laͤſtiger, da wir theils nicht Gelegen-
heit hatten, unter Dach zu kommen, und die Sonne
zwiſchen den Regenſchauern nicht ſo lange ſchien, daß ſie
unſre naſſen Kleider trocknen konnte; theils auch der Erd-
boden, beſonders an den Bergen, ſo naß und ſchluͤpfrig
[165]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
war, daß die Pferde, welche hier zu Lande niemahls be-
ſchlagen werden, beſtaͤndig ausglitſchten oder ſtolperten,
und wir an mehr als einer Stelle viel Gefahr liefen, Ar-
me und Beine zu zerbrechen. Inſonderheit ſtanden wir
den 2. November anhaltende Regenguͤſſe aus, als wir
den Quaimannsfluß (Quaimanns-Drift) paſſirten, ei-
nen Fluß, welcher, wie verſchiedne andre dem Meere be-
nachbarte Fluͤſſe in dieſer Gegend, die merkwuͤrdige Ei-
genſchaft hat, daß er durch die Ebbe und Fluth faͤllt und
ſteigt; und endlich durch verſchiedne mit Holz bewachſne
Thaͤler und Fluͤſſe nach Magermannskraal, einem Viehhofe
oder Kolonie, die Friedrich Seele gehoͤrt, kamen. Muͤder,
naſſer und aͤrger zugerichtet konnten wir wohl nicht leicht
irgendwo anlangen als hier, und ſchlechter konnten wir
auch wohl nicht leicht beherberget werden, als auf dieſem
Bauerhofe. Europaͤer wohnten hier gar nicht, ſondern ei-
ne ſchwarze Sklavin war im Nahmen der Leute, welchen
der Platz gehoͤrte, Wirthin im Hauſe, und hatte die Aufſicht
uͤber eine große Heerde Kuͤhe, und uͤber die Hottentotten,
welche Hirten dabey waren. Das Haus war eine laͤnglich
viereckige Huͤtte, aus hoͤlzernen Balken errichtet und uͤberall
mit Lehm bekleibt. In dieſer Kathe mußte ich mit meiner
Geſellſchaft und einer großen Anzahl Hottentotten die Nacht
zubringen, und wir waren doch noch froh, daß wir gegen
Regen, ſtarken Wind und Kaͤlte ein Obdach hatten.
Weil wir in den vorhergehenden Tagen, ſeit un-
ſrer Trennung vom Wagen, verſchiedne Kraͤuter und an-
dre Merkwuͤrdigkeiten geſammelt hatten, und daher nicht
mehr alles auf unſern Pferden mitnehmen konnten, wa-
ren wir ſchon auf dem vorigen Bauerhofe genoͤthigt gewe-
ſen, drey Trag- oder Packochſen zu nehmen, die unſre
Bagage tragen mußten, und dazu drey Hottentotten, um
dieſelben zu fuͤhren. Packochſen werden in dieſen Gegen-
[166]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
den, ſo wie auch anderwaͤrts, haͤufig gebraucht. Von den
Hottentotten werden ſie zu dieſem Ende zahm gemacht
und abgerichtet. Sie ſtecken ihnen hernach durch den
Naſenknorpel einen hoͤlzernen Pflock, an deſſen beyde
Enden ein Riemen gebunden wird, der die Stelle des
Zaums vertritt, und an welchem der Ochſe mit Sicher-
heit gefuͤhrt wird.
Bey dieſer Gelegenheit konnte ich wieder manches
von den Gewohnheiten der Hottentotten bemerken. Auf
Reiſen fuͤhren dieſe Leute allezeit ein oder zwey Wurfſpie-
ße, oder Haſſagai, mit ſich. Dieſe beſtehen aus einer
eiſernen Spitze oder Lanze, die auf jeder Seite halb aus-
gehoͤhlt und eine Viertelelle lang iſt. Bisweilen hat
dieſes ſpitze Gewehr auch einen eiſernen Stiel, bisweilen
aber nicht. Dieſer Stiel iſt entweder rund und glatt,
oder gereift. Dieſe Lanze binden ſie mit ledernen Rie-
men an einem runden und duͤnnen Stabe von Haſſagai-
holze (Curtiſia faginea) feſt, der gegen das Ende im-
mer ſchmaͤler wird und eine Klafter lang iſt. Mit die-
ſen Wurfſpießen, die ſie ganzer hundert Schritte weit
ſehr behende zu werfen wiſſen, vertheidigen ſie ſich gegen
ihre Feinde ſowohl als gegen wilde Thiere, und toͤdten
auch damit Buͤffelochſen und anderes Wild. Anſtatt
irdener Gefaͤße und Kalabaſſen hat Nachdenken und Ar-
muth ſie gelehrt, die Schalen von Landſchildkroͤten zu ge-
brauchen, welche ſich haͤufig in den Sandebenen zwi-
ſchen den Buͤſchen aufhalten, beſonders die kleine und die
ſogenannte geometriſche Schildkroͤte (teſtudo minuta,
und geometrica). — Hin und wieder findet man
große ausgehoͤhlte Gruben, wie Wolfsgruben, welche
die Hottentotten gut zudecken und Buͤffelochſen und
Raubthiere darin fangen. — Bey den hieſigen Hot-
tentotten lernte ich auch eine artige Methode kennen, oh-
[167]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
ne Backofen in Geſchwindigkeit Brot zu backen. Sie
kneten das Mehl auf gewoͤhnliche Art mit Waſſer, bis
ein foͤrmlicher Teig daraus wird. Darauf machen ſie
daraus einen dicken Kuchen, den ſie in heiße Aſche legen
und auch mit heißer Aſche bedecken. Von der Hitze wird
dieſer Kuchen ſogleich durchgebacken; aber auch von der
Aſche ſo verunreiniget, daß man genug zu ſchrapen hat,
ehe man davon eſſen kann. — Die Huͤtten der Hot-
tentotten in dieſen Gegenden ſind rund und niedrig, und
dabey mit Strohmatten bedeckt, ſo daß ſie wie Heuhau-
fen ausſehen: vorn haben ſie eine kleine Oeffnung, ne-
ben welcher das Feuer zu brennen pflegt. Vor dem
Feuer ſitzen die Hottentotten allezeit niedergekauert, und
die Weiber legen alsdann ihre viereckige Schamdecke
unter ſich. — Von dem vielen Schmieren und von
der Hitze des Klima bekommen die Hottentottinnen ohne
Ausnahme ſchlaffe und tief herunterhaͤngende Bruͤſte.
Wenn ſie daher ihre Kinder auf dem Ruͤcken tragen,
koͤnnen ſie ihnen ſehr bequem die Bruſt uͤber die Schul-
ter zuwerfen. Nicht ſelten gleichen ihre Bruͤſte Kala-
baſſen, ſowohl in Anſehung der Geſtalt als der Groͤße.
Gar ungemein fiel mir gleichwohl ein Weib auf, das ſo
lange Bruͤſte hatte, daß ſie bis auf die Schenkel herab-
hingen: groͤßer habe ich ſie bey keinem Hottentottiſchen
Weibsbilde geſehen.
Sobald der Morgen erſchien, machten wir uns
reiſefertig, und ritten durch verſchiedne Fluͤſſe, als den
Krakocku, Ao, Kukuma und Neiſena. Die Waͤlder,
durch welche wir mußten, waren dicht und voll zackiger
Buͤſche. Wege gingen gar nicht durch, außer Fußſtei-
ge zum Gebrauch der Hottentotten, ſo daß wir die Haͤlf-
te Weges zu Fuß gehen oder vielmehr kriechen, und un-
ſre Pferde am Zuͤgel hinter uns her leiten mußten. Der
[168]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Gaͤrtner Auge, welcher ehemahls mehr als eine Reiſe
durch dieſe Gegenden gemacht hatte, war jetzt unſer
Wegweiſer. Unſre Hottentotten mit den Zugochſen hat-
ten wir zuruͤckgelaſſen. Gegen Mittag langten wir
beym Kukumafluſſe an. Wir ritten durch einen Arm
deſſelben, um durch ein vor uns liegendes dichtes Gehoͤlz
zu einem Viehhofe zu kommen, den wir auf einer An-
hoͤhe jenſeits des Waldes liegen ſahen, und der Helgert
Muͤller gehoͤrte. Auf dieſem Wege aber erlebten wir
ein großes Ungluͤck.
Wir waren naͤmlich noch nicht tief ins Holz hin-
ein geritten, als wir auf einen alten und dabey ſehr gro-
ßen wilden Buͤffelochſen ſtießen, der auf einem Platze,
welcher einige Ellen ins Gevierte frey von Gebuͤſche war,
ganz allein lag. Er wurde nicht ſobald unſern Gaͤrtner,
welcher voran ritt, gewahr, als er mit ſchrecklichem Ge-
bruͤll auf ihn zuſtuͤrzte. Jener bog ſogleich zur Seite,
und hinter einen dicken Baum, und kam daher mit ſei-
nem Pferde dem Buͤffel einigermaßen aus den Augen.
Dieſer fuhr darauf gerades Weges auf den Sergeanten
los, welcher in der Mitte ritt, und gab mit ſeinen Hoͤr-
nern dem einen ſeiner Pferde einen ſo gewaltigen Stoß
in den Bauch, daß es augenblicklich auf den Ruͤcken fiel,
die Beine in die Luft kehrte, und ihm das ganze Gedaͤr-
me aus dem Leibe hing, in welchem Zuſtande es bey-
nahe eine halbe Stunde lebte. Mittlerweile waren der
Gaͤrtner und der Sergeant auf Baͤume geklettert, wo
ſie ſicher zu ſeyn glaubten. Der Buͤffelochs nahm nach
jenem erſten Anfalle ſeinen Weg dahin, woher wir ge-
kommen waren. Unterwegs verfehlte er daher nicht,
auch bey mir anzuſprechen. Ich kam ihm gerade entge-
gen, und hatte in dem unbeſchreiblichen Gedraͤnge, wel-
ches die Zweige der Baͤume und Buͤſche verurſachten,
[169]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
und vor dem Geraͤuſche, wenn ſie gegen den Sattel und
das Gepaͤck ſchlugen, von dem was vorgefallen war,
nicht das geringſte hoͤren oder ſehen koͤnnen. Dazu
kam, daß ich wohl um eine Minute zuruͤckgeblieben war.
Denn weil ich unterwegs oft Halt machte, um Kraͤuter
zu pfluͤcken und in meinem Schnupftuche zu verwahren,
war ich gern der Hinterſte in der Geſellſchaft, um die
uͤbrigen nicht im Reiten zu hindern; und daher war ich
nicht ſelten eine Strecke zuruͤck. Doch ich muß erſt noch
etwas nachhohlen, ehe ich von mir erzaͤhle. Der Ser-
geant hatte auf dieſer Reiſe zwey Pferde bey ſich. Das
eine davon war bereits ein Opfer der Wuth des wilden
Thiers geworden. Das andre ſtand jetzt gerade im We-
ge des Buͤffels, welcher zum Walde hinaus wollte. Als
dieſer es erblickte, wurde er noch grimmiger, als vorher,
und fiel daſſelbe mit ſo wuͤthender Heftigkeit an, daß er
es nicht nur durch die Bruſt und zugleich durch den Sat-
tel ſtieß, ſo daß die Hoͤrner oben aus dem Sattel her-
ausragten, ſondern es auch ſo gewaltig gegen die Erde
warf, daß es im Augenblicke todt, und alle Knochen im
ganzen Koͤrper zerſchmettert waren. Gerade als er mit
dieſem Pferde ſich noch beſchaͤfftigte, kam ich da an, wo
ich ihn ſehen konnte. Hier aber war der Wald ſo dicht,
daß es mir unmoͤglich war, mit dem Pferde umzuwen-
den, oder damit auf die Seite zu kommen. Ich ſah
mich deswegen genoͤthigt, es ſeinem Schickſale zu uͤber-
laſſen, und meine Zuflucht zu dem naͤchſten etwas gro-
ßen Baume zu nehmen, auf welchen ich hinaufkletterte.
Sobald der Buͤffel mit dem zweyten Pferde fertig war,
kehrte er um, und rannte mit groͤßter Geſchwindigkeit
den Weg, welchen wir nahmen. Von dem Baume,
worauf ich ſaß, konnte ich deutlich ſehen, daß das eine Pferd
todt war, das andre mit den Beinen arbeitete, um in
[170]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
die Hoͤhe zu kommen, wozu es aber nicht im Stande
war, und die beyden uͤbrigen vor Furcht und Schrecken
bebten, ohne entkommen zu koͤnnen. Von meinen Reiſe-
gefaͤhrten aber konnte ich keinen anſichtig werden, auch
nichts von ihnen hoͤren. Ich glaubte daher nichts an-
ders, als daß ſie ebenfalls beym erſten Angriffe des Buͤf-
fels, wenn nicht zu Tode geſtoßen, doch zu Schaden
gekommen waͤren. Sobald ich vermuthete, daß das
Ungeheuer eine Strecke weg ſey, eilte ich herabzuſteigen
und ſie aufzuſuchen, ob ich auf irgend eine Art ihnen
Beyſtand leiſten koͤnnte. Wie ich auf dem ganzen
Tummelplatze keine Spur von ihnen gewahr wurde, fing
ich an zu rufen. Endlich meldeten ſie ſich; ich ging zu
ihnen, und fand ſie wie zwey Katzen auf einem Baume
ſitzen, die Jagdflinte auf dem Ruͤcken, und dieſe mit
feinem Vogelhagel geladen. Sie waren noch ſo erſchro-
cken, daß ſie kein Wort hervorzubringen vermochten.
Ich ſprach ihnen, ſo gut ich konnte, Troſt zu, und
rieth ihnen, herunter zu kommen, weil das ſicherſte ſey,
einen ſo gefaͤhrlichen Ort, wo wir noch einmahl angefal-
len werden koͤnnten, ſobald als moͤglich zu verlaſſen. Der
Sergeant fing endlich an zu weinen, und den Verluſt
ſeiner beyden raſchen Gaͤule mit Schmerzen zu beklagen.
Der Gaͤrtner hingegen konnte in Zeit von mehreren Ta-
gen vor fortwaͤhrender Angſt kaum reden.
Wir kehrten nunmehr dieſelbe Straße zuruͤck, wo-
her wir gekommen waren, und arbeiteten uns uͤber ſehr be-
ſchwerliche Berge auf einem andern Wege nach dem Orte,
wohin wir gedachten. Der Sergeant konnte ohne Pferd
nicht durch den Fluß kommen; ich ließ ihn alſo hinter
mir aufſitzen, uͤberließ ihm hernach das Pferd allein,
und wanderte zu Fuß nach dem Hofe. Hier war meine
erſte Sorge, einige Hottentotten nach dem Walde zu
[171]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
ſchicken, um den beyden todtgeſtoßnen Pferden die Saͤt-
tel abzunehmen, deren wir auf unſrer ferneren Reiſe
nicht wohl entrathen konnten. Dieſe Leute bewaffneten
ſich mit ihren gewoͤhnlichen Wurfſpießen, und erzaͤhlten,
ſie haͤtten bereits gemerkt, daß ein Buͤffel ſich in dieſem
Gehoͤlze ganz einſam aufhielte, den eben deswegen, weil
er ſo boͤſe ſey, die uͤbrigen Buͤffelochſen von ihrer Heerde
weggejagt, und allein zu leben gezwungen haͤtten.
Auf dem Hofe, wo wir jetzt angelangt waren,
trafen wir gar keinen Europaͤer, ſondern nur Hotten-
totten an, und keine andre Huͤtten, als die kleinen und
hoͤchſt elenden, welche dieſe ſelbſt bewohnten, und worin
des Ungeziefers wegen auch nicht einmahl im aͤußerſten
Nothfalle kein Europaͤer einige Stunden wuͤrde verwei-
len koͤnnen. Unſer Nachtlager nahmen wir daher unter
freyem Himmel, legten eine Strohmatte unter den Leib
und den Sattel unter den Kopf, und ließen uns zu den
Fuͤßen Feuer anzuͤnden. Zu unſerm Gluͤck war es ſehr
klares und ſchoͤnes Wetter; die Kaͤlte aber war ſo ſtark,
daß ſie uns des Schlafs beraubte, und uns noͤthigte,
alle Stunde uns aufzurichten, um uns auf allen Sei-
ten am Feuer zu waͤrmen. Das Feuer zu unterhalten,
hatten wir am Abend vorher die Vorſicht gebraucht, eine
hinlaͤngliche Menge Holz und Zweige zuſammenbringen
zu laſſen.
Nicht weit vom Hofe ſah ich einen ganz kleinen
eingezaͤunten Platz, wo Hanf ſtand, den die Hottentot-
ten geſaͤet hatten. Sie nennen ihn Dakka, und gebrau-
chen ihn durchgaͤngig, wiewohl zu einem ganz andern
Zwecke, als wozu ihn die arbeitſamen Europaͤer gebrau-
chen. Der Hottentotte hat zu nichts einen ſo ſtarken
Hang, als zum Tobaksrauchen, und mit nichts kann man
ihn ſo leicht und geſchwind zu Dienſten aufmuntern, als
[172]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
mit Tobak. Allein zum Rauchen und der dadurch her-
vorzubringenden angenehmen Berauſchung findet er den
Tobak doch nicht ſtark genug, ſondern vermiſcht ihn, um
nicht nur geſchwinder, ſondern auch mit mehr Wolluſt
ſich zu berauſchen, mit Hanf, den er vorher ganz fein
zerhackt. Unbegreiflich iſt es, wie dies Volk, das vor
Ankunft der Europaͤer weder mit der uͤbrigen Welt den
mindeſten Umgang hatte, noch den Gebrauch des To-
baks kannte, demungeachtet ſo erpicht auf denſelben wer-
den konnte, daß es fuͤr Tobak und Branntwein ein an-
ſehnliches Stuͤck ſeines eignen Landes am Cap an die
Hollaͤnder verkaufte; ein Handel, der den Hottentotten
in der Folge, ſowohl in Ruͤckſicht auf ihre Freyheit, als
in Anſehung des von ihren Vaͤtern ſeit Jahrtauſenden be-
ſeßnen Landes, ſo viel gekoſtet hat.
Am folgenden Tage verließen wir dieſen Platz, und
kamen zu des Koloniſten Peter Plant Hofe, der den
Nahmen Milchholzkraal (Melkhout-Kraal) fuͤhrt,
und am tiefen Fluſſe (Diep-Rivier) liegt. Unſer
Sergeant mußte es ſich jetzt gefallen laſſen, zwey Tage
auf einem von den Zugochſen zu reiten, weil wir nir-
gend Pferde antrafen. Dieſer Ritt ging auch ziemlich
gut von Statten, war aber beſchwerlich, theils wegen
der Breite des Ochſen, theils weil ſich keine Steigbuͤgel
anbringen ließen.
Wir reiſeten weiter durch den Piſangfluß (Piſang-
Rivier) nach Jakob Bota’s Hofe, der auch Piſangri-
vier heißt. Der Hof, welcher weiter nichts als ein
Viehhof iſt, liegt nicht weit von der Kuͤſte. Eine ganze
Commuͤne Hottentotten, die aus mehr als funfzig Per-
ſonen beſtand, war im Dienſte dieſes Bauern, wohnte
in deſſen Nachbarſchaft und lebte durch ſeine Verſorgung.
Der Koloniſt ſelbſt war nicht zu Hauſe, ſondern gerade
[173]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
an demſelben Tage, da wir auf ſeinem Hofe ankamen,
nach Cap gereiſet. Ein alter treuer Hottentotte, ein
beſcheidner und dienſtfertiger Kerl, war mittlerweile un-
ſer Wirth, und leiſtete uns alle noͤthige Huͤlfe. —
Nicht weit von dieſem Platze iſt ein ſehr großer und vor-
trefflicher Hafen.
Meine beyden Reiſegeſellſchafter, die ſich von ih-
rem großen Schrecken noch nicht erhohlt hatten, und
der vielen Muͤhſeligkeiten und Widerwaͤrtigkeiten, die
mit einer ſolchen Reiſe verbunden ſind, muͤde waren,
faßten jetzt den Entſchluß, ihren Gefahren und Aben-
theuern hier ein Ziel zu ſetzen, ihre Wißbegierde fuͤr
geſaͤttigt anzuſehen, und ſich ſofort wieder auf die Ruͤck-
reiſe nach Cap zu begeben, wo ſie wenigſtens mehr Wein
trinken konnten, und ſich vor Buͤffelochſen weniger fuͤrch-
ten durften. Als ich ihnen aber vorſtellte, wie feig dies
ausſehen wuͤrde, und daß ſie bis jetzt auf dieſer Reiſe ſo
wenig geſammelt haͤtten, wie auch, daß wir von unſerm
Wagen, unſerm einen Gefaͤhrten und unſerm Gepaͤcke
getrennt waͤren, und daß, wenn ſie auch nicht weiter von
der Geſellſchaft ſeyn wollten, ich dennoch meine Reiſe
fortſetzen wuͤrde, ließen ſie ſich endlich uͤberreden, und
aͤnderten ihre Entſchließung.
Unterdeſſen, daß dieſe von ihrem ausgeſtandnen
Ungemach hier einige Tage ausruheten, beſuchte ich den
Strand, und die am Ufer liegenden Berge. Dieſe letz-
tern fand ich mit allerley Buͤſchen bewachſen, beſonders
mit der zweyſtachligen Arduine (Arduina bispinoſa).
Dieſe ſtand an vielen Stellen ſo dicht, daß man gar
nicht durchkommen konnte, und daß ich nicht ſelten ganze
Strecken oben uͤber dem ſteifen und dichten Buſchwerke
hinkriechen mußte, welches denn freylich mit ſeinen ſpi-
tzen Stacheln Haͤnde und Fuͤße ganz blutruͤnſtig machte.
[174]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Der mich begleitende Hottentotte, welcher barfuß war,
wurde ſo zerriſſen und blutig, daß es ein Jammer war
ihn anzuſehen. Weil ich aber beym Suchen nach Kraͤu-
tern und Blumen mich in dem Geſtraͤuche einmahl ver-
irret hatte, war kein anderes Mittel als dieſes uͤbrig,
mich heraus zu arbeiten. — Uebrigens ſah ich in die-
ſer Gegend die Strelitzie (Strelitzia), mit goldnen Blu-
men und blauen Saftbehaͤltniſſen (Nectarium) haͤufig
ſtehen. Sie iſt eine der allerſchoͤnſten Blumen, und
ich nahm Zwiebeln davon mit, um ſie nach Europa zu
ſchicken. Man ſagte mir, daß die Hottentotten die
Frucht dieſes Gewaͤchſes eſſen.
Unter den hieſigen Bergen iſt der Robbenberg der
vornehmſte. Er hat ſeinen Nahmen von den Seehun-
den, welche beym Sonnenſchein ans Land kommen, und
ſich auf die unterhalb des Berges befindlichen flachen
Anhoͤhen hinlegen, um ſich zu ſoͤnnen und zu ſchlafen.
Ich ſah deren verſchiedne liegen. Der Robbenberg er-
ſtreckt ſich in Geſtalt einer Halbinſel weit ins Meer, und
iſt mit kleinen Schneckenhaͤuſern bedeckt. Er iſt von
beſondrer Beſchaffenheit, und unterſcheidet ſich von allen
andern Bergen, die ich in Afrika geſehen habe. Die
mittlere, ungefaͤhr vier Klafter hohe, Lage oder Schicht,
beſteht aus einer ganz feſten Miſchung, theils runder,
theils unregelmaͤßig eckiger Kieſelſteine und verhaͤrte-
tem Kalk, ſo daß man es fuͤr eine durch Kunſt angelegte
Mauer anſehen koͤnnte. Die oberſte Schicht ſchien mir
ein braͤunlicher Steinfels zu ſeyn. Die unterſte Lage iſt
Sandſtein. An einer andern Seite des Berges fand
ich gehaͤrteten Sand, dem das Waſſer eine ausge-
ſchweifte Geſtalt gegeben hat. An einigen Stellen iſt
Sand mit Lehmerde durchmengt, der zum Theil in großen
Stuͤcken heruntergefallen iſt. An dem ebnen Fuße des
[175]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
Berges ſieht man verſchiedne theils große, theils kleine
Gruben, von denen einige ſo rund ſind, als wenn die
Kunſt ſie gemacht haͤtte, andre aber eine laͤngliche Figur
haben. An einer Seite beſteht die unterſte Lage aus
weißgrauem fettem Quarz. Ueberdem hat dieſer Berg
lange Ritzen und Spalten, worin dicke Stalaktiten
haͤngen, die mit feinen, hin und wieder gruͤnlichen,
Flocken uͤberzogen ſind. Der Sandſtein iſt ſehr fein.
Zu Piſangrivier hatte ich wieder Gelegenheit, vie-
les von den Sitten und der Lebensart der Hottentotten
kennen zu lernen. Mit dem Zubereiten des Eſſens ha-
ben ſie nicht viel Muͤhe. Das Buͤffelfleiſch ſchneiden
ſie nur in Scheiben, legen es in die Aſche auf einige
wenige Kohlen, da es denn zugleich halb geraͤuchert und
halb gebraten wird, und eſſen es hernach ohne Brot,
wenn es gleich ſchon ſtinkend geworden iſt. Fett ißt der
Hottentotte am allerliebſten, ja er kann es ſogar in großen
Portionen trinken, ohne Unbequemlichkeit davon zu ver-
ſpuͤren. Wenn eine Kuh nicht kalbet, ſondern un-
fruchtbar iſt, muß ſie geſchlachtet werden; von dem
Fleiſche eſſen alsdann aber nur die Verheiratheten, die
Unverheiratheten duͤrfen nicht davon koſten. — Die
kleinen Huͤtten der Hottentotten werden oft ſowohl mit
kriechendem als huͤpfendem Ungeziefer ſo angefuͤllt, daß
ſie ſie nicht bewohnen koͤnnen. Sie ſind alsdann genoͤ-
thigt, ſie nach einer andern Stelle zu verſetzen. Ein
ſolches Umziehen dauert auch nicht ſehr lange, und koſtet
ſehr wenig; ich ſah es hier in Geſchwindigkeit und ohne
Muͤhe verrichten. Sie ſtecken zuerſt einige ſchlanke Zwei-
ge oder Wieden in die Erde, und beugen ſie, daß ſie eine
bogenfoͤrmige Geſtalt bekommen, um der Huͤtte die ge-
hoͤrige Hoͤhe und Woͤlbung zu geben. Darauf uͤber-
decken ſie dieſe mit Binſen oder Cypergras (Cyperus
[176]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
textilis), oder auch mit Matten, die von ſolchen Bin-
ſen geflochten ſind, und ſowohl gegen Regen als Wind
ſattſam ſchuͤtzen. Unten herum legen ſie Miſt, um die
Huͤtte an der Erde dicht zu machen. — Unter den
muſikaliſchen Inſtrumenten der Hottentotten bemerkte
ich dasjenige, welches ſie Su-Koa, die Hollaͤnder die
Topfpauke (Potte Slaan) nennen. Es beſteht aus
einem mit Waſſer angefuͤlltem Topfe, uͤber welchen ein
gut eingeweichtes Schaffell ausgeſpannt iſt, das ſie un-
terwaͤrts mit einem Riemen umher feſtbinden. Wenn
ſie auf dieſem Inſtrumente ſpielen, legen ſie die Finger
der linken Hand gegen den Rand, und ſtellen den Dau-
men gegen die Mitte. Mit den beyden erſten Fingern
der rechten Hand ſchlagen ſie alsdann an den Rand ge-
gen uͤber, und bringen dadurch einen dumpfen Ton her-
vor, der gar nichts Angenehmes hat. Sie ſchlagen dieſe
Pauke zwiſchendurch, wenn ſie Muſik machen. Nach
dieſer ſchlechten Muſik ſah ich einen Hottentotten auf
folgende Art tanzen. Mit der rechten Hand faßte er in
ein unter dem Dache der Huͤtte befeſtigtes Band, und
tanzte auf einem Flecke ſtehend, ſo daß er mit beyden
Fuͤßen zugleich ſprang und den Takt ſchlug. Waͤhrend
dieſes Springens drehete er den Koͤrper in verſchiednen
Kruͤmmungen herum, und ſchleuderte den Kopf in ei-
nem halben Zirkel von der einen Schulter nach der an-
dern. Ein ſolcher Tanz waͤhrt bisweilen ſehr lange, und
preßt Schweiß in Menge aus, welchen ſie im Geſichte
mit einem Fuchsſchwanze abtrocknen. Der Tanzende
ſingt zugleich nach einem gewiſſen Takte. Von ver-
ſchiednen Sachen bemerkte ich, daß die Hottentotten ſie
in ihrer Sprache nicht mit eignen Worten nennen konn-
ten, zum Exempel Kaffee, Schabracke, Compagnie
und dergleichen. — Ihre Kinder tragen die Weiber
auf
[177]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
auf dem Ruͤcken, und zwar innerhalb des Schaffelles.
Sie machen dies ſo: um das Kind und um den Hals
der Mutter binden ſie einen Riemen, um das Kind
oberwaͤrts feſtzuhalten; ein andrer Riemen geht auswen-
dig um das Schaffell und um den Hintertheil des Kin-
des, wodurch es unterwaͤrts feſtgeſchnuͤrt wird: auf
dieſe Art iſt das Kind ganz ſicher, und macht auch der
Mutter eben keine Laſt, ſondern dieſe verrichtet, indem
ſie das Kind ſo auf dem Ruͤcken hat, ihre Geſchaͤffte. —
Einige hieſige Hottentottiſche Weiber hatten Glaskorallen-
ſchnuͤre um die Beine; andre hatten die herabhaͤngen-
den Seiten ihres Schaffells mit glaͤſernen Korallen ge-
ſchmuͤckt. Dergleichen Geſchmeide bekommen ſie nebſt
andern Kleinigkeiten von den Bauern als einen Theil
des Lohns fuͤr ihren Dienſt. Einige hatten eine Schild-
kroͤtenſchale auf dem Ruͤcken haͤngen, worin ſie entweder
Tobak oder ihr Buku (Dioſma) verwahrten. In Er-
mangelung irdener Pfeifen rauchen ſie aus hoͤlzernen.
Ueberhaupt iſt in dieſen Gegenden ein ſolcher Mangel an
Hausgeraͤth und Geſchirren, daß ſelbſt die Koloniſten
oft genoͤthigt ſind, ſowohl Milch als Honig in ledernen
Schlaͤuchen aufzubewahren. — Die Buͤffel zum Ge-
brauche dieſes Hofes ſchießt ein Hottentotte, dem der
Bauer dieſe Geſchicklichkeit beygebracht hat, und wel-
cher auf dieſe Art die ganze Haushaltung mit Fleiſch ver-
ſieht, ohne ein Stuͤck von der Heerde nehmen zu duͤr-
fen. Die Felder und Ebenen ſind in dieſem Theile des
Landes ganz mit wilden Buͤffeln angefuͤllt, und es iſt
nichts ſeltenes, ihrer hundert und mehr, ja wohl zwey-
hundert in einer einzigen Heerde beyſammen zu ſehen.
Gewoͤhnlich liegen ſie am Tage in den Waͤldern und
dicken Gebuͤſchen ſtill, und gehen des Nachts aufs Feld,
um zu weiden. Einem Hottentottiſchen Schuͤtzen, den
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. M
[178]Dritte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
der Bauer zum Schießen der Buͤffelochſen haͤlt, wer-
den die Kugeln zugezaͤhlt, und eben ſo viele erlegte Buͤf-
fel muß er liefern. Die vielen auf dem Hofe Piſangri-
vier befindlichen Hottentotten werden daher ohne Koſten
unterhalten, und ohne Verminderung des zahmen Vie-
hes, welches das ganze und einzige Eigenthum des
Bauers ausmacht. Vom Buͤffelfleiſche faͤllt der groͤßte
Theil den Hottentotten zu, dagegen gehoͤrt die Haut alle-
zeit dem Bauer ſelbſt. Das Haus, worin wir zur
Herberge waren, war geraͤumig und groß, von Lehm-
ſteinen recht gut aufgemauert, und mit Thuͤren und
Fenſteroͤffnungen verſehen, die aber anſtatt glaͤſerner
Fenſter nur hoͤlzerne Lieder hatten, weil man Glasfen-
ſter in ſo weiter Entfernung vom Cap nicht wohl haben
kann. Die ganze Kuͤche hing oben voll dicker Striemen
Buͤffelfleiſch, das gedoͤrret und geraͤuchert wurde, um
es hernach als geraͤuchertes Fleiſch zu eſſen. Die Buͤf-
felhaͤute bereiten die Hottentotten auf folgende Weiſe:
ſie ſpannen das Fell auf der Erde unter freyem Himmel
aus, und befeſtigen es mit Pfloͤcken; alsdann beſtreuen
ſie es mit warmer Aſche, und ſchaben die Haare mit ei-
nem Meſſer ab. Anſtatt gewoͤhnlicher Schuhe, die
ſo tief im Lande niemand habhaft werden kann, und der
Landmann, wenn er nach Cap kommt, zu kaufen oft
nicht im Stande iſt, gebraucht man hier durchgaͤngig
ſogenannte Feldſchuhe. Dieſe verfertigt ſich der Land-
mann gemeiniglich ſelbſt auf eine eigne und beſondre Art,
meiſtentheils aus Buͤffelleder, bisweilen aus Rindleder,
ſelten aus der geſtreiften Haut des Zebra. — Es war
beluſtigend zu ſehen, wie herzlich die Hottentotten, ſo-
wohl die auf dem Hofe wohnenden, als die fremden,
die in unſerm Gefolge waren, einander mit der Tobaks-
pfeife bewirtheten. Sie ſetzten ſich in einen Kreis nie-
[179]Reiſe v. Ataquathale durchs Houtniqualand.
der, und die Pfeife ging in der ganzen Geſellſchaft
rings herum; jeder reichte ſie ſeinem Nachbar. Bey
einem ſolchen geſellſchaftlichen Rauchen thut ein jeder ei-
nige ſtarke Zuͤge, bis er den Mund voll Rauch hat, wo-
von er etwas weniges niederſchluckt, und das uͤbrige durch
Naſe und Mund ausblaͤſet.
Aus den Waldungen in Houtniquas verkaufen
die dem Muſchelbay-Diſtrikte naͤher wohnenden Bauern
Holz, ſowohl zum Bau als auch an die Tiſchler und
andre Handwerker; obgleich der Transport ſehr beſchwer-
lich iſt, und viel Zeit wegnimmt. Aus den Gegenden
aber, wo ich jetzt war, hat der Bauer weiter nichts,
das er nach dem Cap zum Verkauf bringen kann, als
Ochſen zum Schlachten und Butter. Haͤtte man, ent-
weder von hier, oder von der Muſchelbay eine Art Schiff-
fahrt eingerichtet, ſo wuͤrde die Verfuͤhrung der Pro-
dukte dieſes Landes viel bequemer, und die Waaren,
welche man von hier dahin bringt, beſonders alle Arten
Holz, zu Cap nicht ſo theuer ſeyn. Allein an derglei-
chen hat man bisher noch gar nicht gedacht, und man
ſieht es wohl gar nicht einmahl fuͤr nuͤtzlich an.
Nachdem unſer ganz muthlos gewordner Sergeant
ſich endlich wieder aufmuntern laſſen, und hier ein Reit-
pferd geliehen bekommen hatte, begaben wir uns wieder
auf den Weg weiter ins Land hinauf und nach dem Ge-
birge zu, um jenſeit deſſelben unſern Wagen wieder an-
zutreffen, und uns uͤberhaupt beſſer zu befinden. Wir
reiſeten auf dieſer Fahrt einen andern, ebenfalls Bota
zugehoͤrigen Hof vorbey, paſſirten zwey Fluͤſſe und
kamen nach Malakaßkraal. Von da ging unſre
Reiſe am Keureboomsfluſſe (Keurebooms-Rivier)
hinauf, bis wir zu Schackalkraal (Jackhalskraal)
anlangten.
M 2
[180]Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Der Keurebomsfluß iſt auf dieſer Seite die Grenze
des Houtniqualandes. Houtniquas iſt uͤbrigens reich an
Gras, Waldungen und Buͤffelochſen.
Sechster Abſchnitt.
Reiſe vom Houtniqualande bis an den
Camtourfluß oder die Grenze des
Kafferlandes.
Nachdem wir eine Zeitlang uͤber und laͤngs Bergen ge-
ritten waren, kamen wir durch den Keureboomsfluß nach
Peter Jagers Viehhofe.
Hier erquickten wir uns nach lange ausgeſtandnem
Durſt an der ſogenannten Hottentottiſchen Schlauch-
milch, wovon zu koſten wenige Reiſende, wenn ſie
nicht in hohem Grade durſtig ſind, von ſich werden er-
halten koͤnnen. Dieſe Milch iſt ſehr ſauer und kalt,
und labet daher ungemein. Zudem iſt ſie ſehr merk-
wuͤrdig, nicht nur weil ſie in einem ledernen Sacke auf-
bewahrt wird, ſondern auch weil ſie erſtaunlich alt iſt.
Vorhin glaubte ich, die aufgekochte und geronnene Milch,
die man in Norrland hat, und da dicke Milch nennt,
und die verſchiedne Monathe alt iſt, ſey die aͤltſte Milch
in der Welt. Jetzt aber fand ich, daß die Schlauch-
milch der Hottentotten ſechs- bis achtmahl aͤlter ſey. Der
Schlauch, worin ſie aufbehalten wird, beſteht aus der
Haut eines Bocks von der Gattung der Capra oreas (oder
Elennantelope), die dicht zuſammengenaͤhet und an
der Wand aufgehaͤngt wird. Andre Haͤute ſollen nicht
ſo tauglich dazu ſeyn. In einen ſolchen aufgehaͤngten
Sack gießt man friſche ſuͤße Milch, die dann bald ſauer
[181]Reiſe v. Houtniquas bis an den Camtourfluß.
wird, gerinnt und Klumpen bildet. Hernach wird,
ohne daß man den Schlauch rein macht, alle Tage neue
Milch zugegoſſen, die ebenfalls bald ſauer wird. Das
Reinmachen des Schlauchs nehmen die Hottentotten
hoͤchſtens nur nach mehreren Monathen, oft kaum in ei-
nem oder zwey Jahren vor. — Butter machen die
Hottentotten von ihrer Milch ſelten, und wenn ſie es
thun, ſo haben ſie bloß die Abſicht, ſich damit zu ſchmie-
ren. Die Maquas- Hottentotten verrichten das But-
tern auf die Art, daß ſie ſuͤße Milch in einen ledernen
Schlauch gießen, welchen zwey Hottentotten an den
beyden Enden halten, und worin die Milch von einem
Ende nach dem andern ſo lange hin und her geſchuͤttelt
wird, bis ſie ſich zu Butter formirt.
Wir reiſeten weiter uͤber die ſehr hohen Berge nach
dem langen Thale (Lange Kloof) zu dem Bauer Mat-
thias Sonntag. An den Bergen ſahen wir allenthalben
Wolken hangen, die mit ihren feuchten Duͤnſten, ob
es gleich nicht regnete, uns ganz durchnetzten. Dieje-
nigen Seiten der Berge, welche wir paſſirten, waren
bisweilen ſo ſteil, und der Weg ſo ſchmal, daß wir nicht
ohne Lebensgefahr hinuͤber kamen, und Grauen uns
uͤberfiel, wenn wir hinabſahen. Das auf der andern
Seite belegne Land, oder das lange Thal, iſt ſehr hoch
gegen dasjenige, aus welchem wir kamen; die daſigen
Berge ſind folglich niedrig in Vergleichung mit der entſetz-
lichen Hoͤhe, welche ſie auf der andern Seite nach dem
Meere zu haben.
Auf dieſem Hofe ſah ich Seife aus der Lauge
des Kannabuſches oder Salzkrauts (Salſola aphylla),
machen. Die Lauge wird ſo lange gekocht, bis ſie dick
wird; alsdann gießt man Hammelfett zu, und faͤhrt
damit fort, bis die Maſſe die gehoͤrige Conſiſtenz be-
[182]Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
kommt. Darauf gießt man ſie aus, und macht laͤng-
lich viereckigte Stuͤcke daraus.
Von hier kamen wir zu Peter Freres Hofe. Die-
ſer Mann war ein gewaltiger Elephantenjaͤger, und hatte
weite Reiſen, ſelbſt ins Land der Kaffern, gemacht. Er
erzaͤhlte mir unter andern, daß die Hottentotten in ihrer
Sprache nicht weiter als bis fuͤnf zaͤhlen koͤnnen. Sein
Hof heißt Misgunſt (Misgunſt), und liegt am tiefen
Fluſſe (Diep-Rivier).
Wir kamen hierauf einen andern ihm ebenfalls ge-
hoͤrigen Hof am Affenfluſſe (Aapjes-Rivier) vorbey,
nach Klippdrift, und von da weiter uͤber den Haderfluß
(Krakeel-Rivier) zu Matthias Streidung.
Hier ſahen wir eine ſehr große Menge Graͤber, die
aus kleinen, viele Steine enthaltenden, Huͤgeln beſtan-
den. Ich erkundigte mich zwar genau, was fuͤr Be-
wandtniß es mit dieſen Graͤbern habe; allein kein Euro-
paͤer war im Stande, mir die geringſte Nachricht davon
zu geben. Ein alter Hottentotte inzwiſchen ſagte mir,
in dieſer Gegend ſeyen die Leute in großer Anzahl an
Wunden geſtorben, und gab mir viel Veranlaſſung,
es fuͤr ſehr wahrſcheinlich zu halten, daß dieſer Platz
ehedem bewohnt und volkreich, und daß es die Pocken ge-
weſen, die ſo gewaltige Verheerung angerichtet haben.
Unſre Reiſe ging ferner Peter Nuͤckerts Hof, der
den Nahmen Unerwartet (Onverwacht) fuͤhrt, vor-
bey, und durch den Wagenbaumfluß (Waagebooms-
Rivier) zu Heinrich Kruͤger.
In dieſer Gegend traf ich die Cichorienkaͤfer (Me-
loe Cichorei) mit allen Variationen dieſer Gattung
in Menge an: ſie freſſen die Bohnen und andres Gar-
tengewaͤchſe ab. — Jetzt fingen auch die Brachvoͤgel
(Tantalus), hier zu Lande wilde Truthuͤhner (wilde
[183]Reiſe v. Houtniquas bis an den Camtourfluß.
Kalkoon) genannt, an, ſich zu zeigen. Man ſagte
mir, daß ſie gegen den Winter wegziehen, den Winter
uͤber wegbleiben, und im September und October wie-
derkommen. — Im langen Thale (Lange Kloof)
iſt es des Winters ſehr kalt, und es faͤllt eben ſo viel
Schnee, als jenſeit Witſenberg.
Von hier kamen wir zu Thomas Frere am krum-
men Fluſſe (Kromne Rivier), und weiter zum Eſchen-
walde (Eſſchen-Boſch). Dies iſt ein anmuthiger
Wald, faſt ganz auf ebenem Boden. Das Land wird
in dieſer Gegend nach dem Meere zu allmaͤhlig niedriger,
ſo daß das lange Thal viel hoͤher iſt, als der Diſtrict
um den krummen Fluß.
Es hatte den ganzen Tag geregnet, und ſowohl
den Abend als die Nacht hindurch dauerten die Regen-
guͤſſe ununterbrochen fort. Wir waren daher ganz durch-
naͤßt, und mußten alle vier unter den Ueberzug unſers
Wagens kriechen, um gegen den Morgen leidlicheres
Wetter abzuwarten. Die uns begleitenden Hottentot-
ten mußten unter dem Wagen Schutz ſuchen, weil es
ſchlechterdings unmoͤglich war, Feuer zu unterhalten.
Am folgenden Tage bekamen wir heiteres Wetter und
Sonnenſchein. Weil wir aber keine trockne Kleidung
anziehen konnten, mußten wir unſre Kleider auf dem
Leibe an der Sonne trocknen.
Vom Eſchenwalde gelangten wir nach dem tiefen
Fluſſe (Diep-Rivier), dem Loͤwenwaldfluſſe (Leeu-
wenboſch-Rivier), und endlich nach dem Seekuhfluſſe
(Zeekoe-Rivier). Die Bergkette, welche wir in Ro-
theſand zur Linken, hernach im langen Thale zur Rech-
ten hatten, und die von Witſenberg an fortgeht,
endigt ſich hier, ehe ſie den Strand erreicht. Hin-
gegen waͤhrt die Gebirgsreihe zur Linken noch fort,
[184]Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
und jenſeit derſelben liegt das Karroland (Carro-
Veld).
Auf den hieſigen Gebirgen halten ſich, wie man
mir erzaͤhlte, bisweilen noch Loͤwen auf. Vor dieſem
ſollen ſie da ſehr haͤufig anzutreffen geweſen ſeyn; jetzt
ſind ſie aber meiſt ausgerottet. — Am krummen Fluſſe
findet man am Strande in Loͤchern eine Art Schnecken,
aus dem Geſchlechte der Scheide (Solen filiqua), von
denen man erzaͤhlt, daß man ſie unmoͤglich durch Gra-
ben bekommen koͤnne, ſondern nur auf die Art, daß
man einen langen ſpitzigen Zacken hineinſtecke, und ſie
ſo heraufziehe.
Auf den Anhoͤhen unterhalb der Berge in dieſem
Bezirke waͤchſt der Afrikaniſche Brotbaum (Brood-
Boom, Zamia caffra) haͤufig. Dies iſt ein Palm-
baum, der hoͤchſtens die Hoͤhe und Dicke eines Mannes
hat, ſich weit ausbreitet, und einzeln ſteht. Manch-
mahl ſchießen aus einer Wurzel zwey bis drey Staͤmme
auf. Aus dem Marke dieſer Baͤume wiſſen die Hotten-
totten Brot zu bereiten. Sie bohren oder graben das
Mark heraus, vergraben es darauf in die Erde, und
laſſen es ganze zwey Monathe darin liegen, bis es fault.
Alsdann kneten und formiren ſie es zu einem Kuchen,
den ſie auf ihre gewoͤhnliche ſchmutzige Art in heißer
Aſche backen. Der Brotbaum ſteht mehrentheils an
trocknen Stellen zwiſchen Steinen, und waͤchſt lang-
ſam. — Die Hottentotten eſſen auch die Beeren vom
Guarribuſche oder der Euklee (Euclea undulata). Sie
ſchmecken ſuͤß; zerſtoßen und gegohren geben ſie einen
Eſſig wie Pontak. — Das viereckige Dickblatt
(Craſſula tetragona), gebraucht man hier wie ein adſtrin-
girendes Mittel: man kocht eine Handvoll davon mit
Milch und trinkt es gegen den Durchlauf.
[185]Reiſe v. Houtniquas bis an den Camtourfluß.
Den 22. November trafen wir bey Jakob Kock am
Ausfluſſe des Seekuhfluſſes ein. Sein Hof liegt nicht
weit vom Meeresufer; und es war jetzt das andremahl,
daß wir auf unſrer Reiſe dicht an die See kamen. An
dieſem Orte verweilten wir mehrere Tage, theils um die
bisher geſammelten Sachen in Ordnung zu bringen, theils
um die ganze Gegend umher in botaniſcher Hinſicht zu
durchſuchen, theils um unſer ermuͤdetes und ganz ma-
ger gewordnes Zugvieh zu weiden und ausruhen zu
laſſen.
Hier erfuhr ich den mediciniſchen Gebrauch ver-
ſchiedner als Arzneymittel mir bisher unbekannter Sa-
chen. Die innere Haut des Magens der Schafe ge-
braucht man hier zu Lande, getrocknet, zu Pulver ge-
ſtoßen, und eingenommen, als ein Brechmittel, wie
auch gegen das Fieber. Haſenblut haͤlt man fuͤr dien-
lich gegen die Roſe, wenn man leinene oder wollne Lap-
pen hineintunkt, trocken werden laͤßt, und unmittelbar
auf dem Koͤrper traͤgt, jedoch ohne ſie auf die Stelle zu
legen, wo die Roſe iſt. Verſchiedne verſicherten auch
als zuverlaͤſſig, daß das Blut von Schildkroͤten, ſowohl
eingenommen, als getrocknet und wie Pulver aufgeſtreuet,
ein ſehr gutes Heilmittel bey Wunden von vergifteten
Pfeilen ſey.
Vom Seekuhfluſſe ab machten wir zu Pferde eine
Reiſe nach dem Kabeljaufluſſe (Cabeljaus-Rivier),
und weiter nach dem Camtousfluſſe (Camtous-Rivier).
Dieſer letztere iſt ſehr tief und breit, und in ihn ergießt
ſich auch, nicht ſehr weit vom Meere, der Lurifluß (Loe-
ris-Rivier). Er macht die Grenze des Kafferlandes,
und zugleich war er das aͤußerſte Ziel unſrer diesmahli-
gen Reiſe.
[186]Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Am Camtousfluſſe wohnen Hottentotten und Kaf-
fern um einander, gleichſam als auf der Grenze ihrer
beyderſeitigen Laͤnder. Einige Meilen tiefer ins Land
hinein nimmt das eigentlich ſogenannte Kafferland den
Anfang.
Im Fluſſe ſelbſt finden ſich noch viele Nilpferde
oder Seepferde (Hippopotamus), die man hier zu Lande
Seekuͤhe nennt. Faſt hat man ſich daruͤber zu verwun-
dern, da ſie ſeit langer Zeit in ſo großer Anzahl wegge-
ſchoſſen ſind und ſich dadurch unglaublich vermindert ha-
ben. Der proceſſus mamillaris dieſes Thiers ſoll ein gu-
tes Mittel gegen den Stein ſeyn. Verſchiedne Seekuͤhe
wurden zwar von uns verwundet, aber keine todtgeſchoſ-
ſen. Wir hielten uns auch einmahl eine ganze Nacht
bis an den Morgen in der Naͤhe dieſes Fluſſes an einem
Orte, wo dieſe Thiere ans Land zu kommen pflegen, auf;
aber wir ſahen keines kommen.
Bey den in dieſer Gegend wohnenden Bauern ſah
ich verſchiedne chineſiſche Schweine. — Die Gold-
haͤhnchen (Chryſomela) thun den Gartengewaͤchſen vie-
len Schaden; manche freſſen ſie ganz kahl. — Die
Rindviehheerden machen des Landmanns Eigenthum aus.
Sie ſind aber verſchiednen, zum Theil ganz eignen,
Krankheiten unterworfen. Dahin gehoͤrt die ſogenannte
Zungenkrankheit (Tung-Ziekte). Dieſe beſteht darin,
daß die Zunge voll Blaſen wird, welche einen duͤnnen
Eiter geben; und ſie macht, daß das Vieh nicht freſſen
kann, ſondern abnimmt, und endlich ganz mager wird,
ja wohl gar daran ſtirbt. Der Landmann pflegt dieſe
Blaſen mit Salz abzureiben. — Eine andre ſolcher
Krankheiten des Hornviehes iſt die Klauenkrankheit
(Klaauw-Ziekte). Wenn das Vieh damit befallen
wird, werden die Klauen an den Fuͤßen los, und die
[187]Reiſe v. Houtniquas bis an den Camtourfluß.
Thiere koͤnnen nicht gehen. Dieſe Krankheit ſcheint
von der Sommerhitze zu entſtehen, beſonders wenn die
Ochſen auf Reiſen am Tage zu ſehr angeſtrengt werden.
Man haͤlt ſie hier fuͤr anſteckend. So viel iſt gewiß,
daß ſie einen Ochſen nach dem andern angreift, und ich
habe ganze Spanne daran krank geſehen. Sie ſcheint
mir aber doch mehr von einer gemeinſchaftlichen Urſache,
als von Anſteckung herzukommen. Anfangs hinket das
Vieh nur, hernach aber wird es zum Ziehen auf Reiſen
unbrauchbar. In einer oder zwey Wochen geht dieſe
Krankheit aber doch gewoͤhnlich von ſelbſt vorbey.
Unter andern erzaͤhlte man mir hier, daß vor eini-
ger Zeit ein Bauer von einer Schlange, und zwar von
derjenigen Gattung, die man hier Ringhals nennt, als
er barfuß im Graſe gegangen, in den Fuß gebiſſen ſey.
(Man geht hier uͤberhaupt ſehr haͤufig barfuß, weil es
an Schuhen und Struͤmpfen fehlt. Schuhe und
Struͤmpfe gebraucht der Landmann ſelten anders, als
wenn er nach der Stadt des Cap reiſet, oder die Kirche
beſucht.) Ich erkundigte mich genau nach den Sympto-
men, die dieſer Biß verurſacht hatte, und erfuhr fol-
gendes. Der Bauer war eine ganze Meile von ſeiner
Heimath entfernt, als er gebiſſen wurde. Er ſchickte
ſogleich ſeinen Sklaven zu Hauſe, um in Geſchwindig-
keit ein Pferd zu hohlen. Dieſes kam ſehr bald an, und
der Bauer ritt zu Hauſe, nachdem er das Bein ſtark
bebunden hatte, um das Gift zu verhindern hinauf zu
ziehen. Bey ſeiner Zuhauſekunft wurde er ſo ſchlaͤfrig,
daß ſeine Frau ihn mit Muͤhe wachend erhalten konnte.
Er wurde auch ſogleich blind, und dieſe Blindheit waͤhrte
vierzehn Tage. Das Bein war ſo geſchwollen, daß die
Haut ſich uͤber das Band gelegt und feſt angeſchloſſen
hatte, und mit Muͤhe heruntergebracht werden konnte.
[188]Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Man machte mit einem Meſſer Einſchnitte in die Wun-
de, und wuſch den Fuß mit ſalzigem Waſſer. Dabey
gab man dem Patienten heiße Milch in ſehr großer
Menge zu trinken, mehrere Eimer voll in einer Nacht;
die er aber doch beſtaͤndig wieder von ſich gab. Darauf
wurde der Schlangenſtein auf die Wunde gelegt. Der
Mann geneſete allmaͤhlig wieder, hat aber noch jetzt, nach
Verlauf etlicher Jahre, bey Veraͤnderung des Wetters,
Schmerzen da, wo der Biß geſchehen iſt, und biswei-
len bricht die Wunde ſogar voͤllig auf.
Jetzt iſt es Zeit, daß ich von den Kaffern, die
ich am Camtousfluſſe zuerſt kennen lernte, einige Nach-
richt gebe. Sie ſind von Statur groͤßer, beſſer ge-
wachſen, ſchwaͤrzer und ſtaͤrker als die Hottentotten,
auch unerſchrockner und tapferer. Um die Arme tragen
ſie zum Zierrath theils eiſerne, theils elfenbeinerne Rin-
ge, welche letzteren einen halben Zoll breit ſind, und
deren ſie gewoͤhnlich mehr als einen an jedem Arme ha-
ben. Die Weibsperſonen, welche ich hier ſah, hatten
durch einen Ohrzipfel ein Loch geſtochen, und trugen ei-
nen Stachel vom Stachelſchweine darin. Sie zeigten
uns auch Ohrgehaͤnge von zwey verſchiednen Geſtalten;
ſie waren von Kupfer, das mit Silber vermiſcht war,
und die Kaffern erzaͤhlten, ſie haͤtten ſie von Nationen
bekommen, die weiter im Lande wohnten. — Die
Taͤnze der Kaffern ſind beſonders artig. Ihrer zwey
oder mehr ſtellen ſich entweder mit den Seiten oder mit
dem Ruͤcken gegen einander, balanciren auf den Zehen,
und ſtoßen mit den Ferſen gegen die Erde, wobey ſie
alle Glieder, und zwar nach dem Takte, und beynahe
alle Muskeln, beſonders aber Augen, Stirne, Hals,
Kopf, Mund und Kinn bewegen. Die den Tanz be-
gleitende Muſik beſteht in einem groben und ſchnarren-
[189]Reiſe v. Houtniquas bis an den Camtourfluß.
den Geſange, und mitunter hoͤrt man bisweilen ein
Pfeifen, wobey ſie die Lippen zur Seite ziehen, und die
Zaͤhne, zwiſchen welchen das Pfeifen geſchieht, bloß ſe-
hen laſſen. Die Frauensperſonen laufen dabey umher,
und ſingen und ſpringen nach demſelben Takte, unter ſteter
Bewegung des Kopfs und der Glieder. Ein großer Theil
der Kaffern begleitete uns auf unſrer Ruͤckreiſe nach dem
Seekuhfluſſe, und dieſe Leute zeigten uns verſchiedne ihrer
Kuͤnſte; beydes vermuthlich, um etwas von unſerm gu-
ten Tobak habhaft zu werden, der ihnen gar zu gut
ſchmeckte.
Die Kaffern beſitzen zwar kein Schießgewehr; er-
legen aber nichts deſto weniger Buͤffel und andre wilde
Thiere mit ihren Spießen, die wie bey den Hottentotten
Aſſagai heißen. Wenn ein Kaffer auf die Spur kommt,
wo ſich einige Buͤffel aufhalten, ſo blaͤſet er auf einer
von Schafknochen gemachten Pfeife, die man ſehr weit
hoͤren kann. Alsdann kommen ihrer mehrere zuſammen,
und umringen die Buͤffel, naͤhern ſich ihnen mehr und
mehr, und werfen mit den Spießen nach ihnen. Von
acht bis zwoͤlf Buͤffeln entkommt ſodann ſelten einer.
Indeſſen traͤgt es ſich doch bisweilen zu, daß, indem
die Buͤffel zu entfliehen ſuchen, einer von denen, die vor
ihm ſtehen, todtgeſtoßen wird, welches man aber bey
dieſem Volke wenig achtet. Wenn die Jagd zu Ende
iſt, ſchneidet jeder ſein Stuͤck von dem erlegten Wildpre-
te ab. — Außer dem Wilde, das die Kaffern jagen
koͤnnen, beſitzen ſie große Heerden Hornvieh, fuͤr welche
ſie hinlaͤngliche Nahrung haben, da ſie laͤngs der See-
kuͤſte die vortrefflichſten Grasebnen bewohnen. Ihre Och-
ſen ſind gemeiniglich daran zu kennen, daß ſie ſie in den
Ohren, wie auch unten in den Hals ſchneiden, ſo daß lange
Stuͤcke herabhangen. Auch zwingen ſie die Hoͤrner, daß
[190]Dritte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
ſie in verſchiednen unfoͤrmlichen Geſtalten wachſen muͤſſen.
Vor dieſem tauſchte die Compagnie ſowohl von dieſen Kaf-
fern als von den Hottentotten eine Menge Rindvieh zum
Schlachten, gegen Tobak, Branntwein, glaͤſernen Ko-
rallen und ein Stuͤck Eiſen ein. Jetzt geſchieht es ſelten,
und dieſer Handel iſt auch allen Bauern verbothen.
Die Kaffern haben wie die Hottentotten in jeder
Familie oder Dorfſchaft einen Hauptmann, den ſie oft
Capitain nennen, und welcher gegen Feinde und auf der
Jagd ihr Anfuͤhrer iſt.
Von den Hottentotten habe ich auch noch einiges
nachzuhohlen. Ich ſah hier Koͤrbe, die von ihnen ge-
flochten, und ſo dicht waren, daß ſie Waſſer und Milch
hielten; auch Flaſchen von Rhinocerosblaſen, die ſie zu
eben dieſem Endzwecke gebrauchten. — Die Hottentot-
ten, welche bey den Koloniſten im Dienſte ſind, rauchen
oft aus irdenen Tobakspfeifen, die aber ſo kurz ſind, daß
der Kopf faſt die Lippen beruͤhrt. So kurz ſind ſie davon,
daß, ehe ſie den weiten Weg von Cap herkommen, die
Stiele ganz entzwey- und abbrechen. Wenn ſie aber keine
irdene Pfeifen haben, ſo gebrauchen ſie ſowohl als die
Kaffern eine, aus einem langen, duͤnnen und hohlen
Stocke gemachte Pfeife, in deſſen eines Ende ein eben-
falls hohler Pflock, und auf dieſen ein ausgehoͤhlter cy-
linderfoͤrmiger Stein geſteckt wird, welcher den Kopf
vorſtellt, und wo der Tobak hineingelegt wird.
Haben ſie auch dieſen Apparat nicht, ſo nehmen ſie
ein Bockshorn, und zwar von dem ſogenannten Elenn-
thiere (Capra oreas). In das ſpitze Ende deſſelben
bohren ſie ein Loch, ſtecken einen hohlen Pflock hinein,
und oben auf dieſen einen ſteinernen Pfeifenkopf. Beym
Rauchen ſperren ſie uͤber der ganzen weiten Oeffnung des
Horns den Mund auf, und thun einige ſtarke Zuͤge.
[191]Reiſe v. Houtniquas bis an den Camtourfluß.
Den Rauch behalten ſie einige Augenblicke im Munde,
und hernach ſchlucken ſie einen Theil davon nieder, den
andern blaſen ſie wieder aus. Darauf geben ſie die Pfei-
fe einem andern, und ſo geht ſie in der ganzen Geſell-
ſchaft herum. Kommen Fremde nach einem Kraale,
ſo werden ſie allezeit auf dieſe Art mit Tobak tractirt. —
Bey den Hottentotten fand ich doch, welches ich nicht
erwartet haben wuͤrde, Toͤpfe von gebrannter Erde zum
Kochen, die ſie ſelbſt verfertigt hatten. — Die Boh-
nen vom Afrikaniſchen Pockenholze (Guajacum afrum)
kochen und eſſen die Hottentotten, obgleich dieſer Strauch
giftig iſt. — Das Waſſer verwahren ſie in Daͤr-
men. — Die Weiber in dieſer Gegend geben den Kin-
dern, wenn ſie ſie auf dem Ruͤcken tragen, die Bruſt unter
dem Arme durch, wenn ſie vorher ihnen zu dieſem Ende
den Kopf niedergebogen haben. — Am Camtousfluſſe
ſtieß ich auf eine Partey Hottentotten, die ſich da gela-
gert hatten, um eine neulich geſchoßne Seekuh zu ver-
zehren; um ſie her war ein ſo abſcheulicher Geſtank, daß
wir kaum vor ihnen vorbey kommen konnten, ohne er-
ſtickt zu werden.
Siebenter Abſchnitt.
Ruͤckreiſe von der Grenze des Kaffer-
landes nach dem Cap.
Im Anfange des Decembers brachen wir vom Cam-
tousfluſſe auf, und traten unſre Ruͤckreiſe an, nachdem
wir hier unſre Ochſen ſich erhohlen laſſen, und das Land
weiter hinaus beſehen hatten, als es auf dieſer Seite
vom Cap von Europaͤern bis jetzt bewohnt war.
[192]Dritte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Auf dem Wege nach dem langen Thale (Lange
Kloof) ſah ich auf einem Hofe, mit welcher Bequem-
lichkeit und wie vortheilhaft der Landmann das von den
Bergen herabfließende Waſſer dazu anzuwenden weiß, um
ſeine Weinberge und Gaͤrten zu bewaͤſſern. Man leitet
das Waſſer allezeit auf der hoͤhern Seite wie einen Bach
durch dergleichen Gegenden, und von da laͤßt man Rin-
nen oder gleichſam kleine herunterlaufende Graben zwi-
ſchen den Weinſtoͤcken oder den Gartenbeeten herabgehen.
Wenn man kein Waſſer noͤthig hat, verſtopft man dieſe
kleinen Rinnen mit Erde. Auf gleiche Art leitet man
das Waſſer zu den Muͤhlen, Fiſchteichen und andern
Orten, wo man es gebraucht.
Wir kamen wieder zu Matthias Sonntag, und
reiſeten von da nach Wolfskraal (Wolfe-Kraal), uͤber
den Keureboomsfluß und den tiefen Fluß nach dem Gaͤn-
ſekraal (Ganſe-Kraal), in welcher Gegend wir niedrige
Berge antrafen, hinter denen das Kamenaſſenland (Ca-
menaſſie-Land) liegt. Auf dieſem Wege hatte ich Ge-
legenheit zu bemerken, daß man hier zu Lande die Gerſte
nicht maͤhet, ſondern mit Sicheln ſchneidet. Weiter
ging unſer Weg uͤber Eſelsjagd, (Ezels-Jagt) nach
dem Dornfluſſe (Doorn-Rivier), und dem großen
Dornfluſſe (Groote Doorn-Rivier), ſo daß wir uns
immer zur Rechten hielten, und das Ataquathal zur Lin-
ken ließen. Hierauf kamen wir durch das trockne Karro-
land (Carro-Veld) zu Gerd van Nimwegen, und fer-
ner zu Gerd Klutes Hofe am Schlangenfluſſe (Slange-
Rivier). Dieſer Hof liegt ſo tief im Gebirge, daß ich
kaum glaube, daß jemand ſich vorſtellen werde, hier ei-
nen bewohnten Ort anzutreffen. Dieſer ganze Diſtrikt
iſt unglaublich duͤrr und mager, und Schafe machen
einzig und allein die Heerden des Landmanns aus. Der
Erd-
[193]Ruͤckreiſe von der Grenze des Kafferlandes ꝛc.
Erdboden beſteht aus Lehmerde, die mit Salz vermiſcht
iſt; das Salz ſieht man allenthalben an den Bergen zu
beyden Seiten des Fluſſes von der Hitze kryſtalliſirt; eine
Bemerkung, die ich auch ſchon an den Bergen bey Cap
gemacht hatte.
Wir hatten jetzt eine erſtaunlich lange, magere,
duͤrre und am Tage brennende Ebene vor uns, durch
welche wir mußten, und wo es wegen Waſſermangels
gar keinen Hof gab, da wir haͤtten ausruhen koͤnnen.
Wir lagen daher einen großen Theil des Tages ſtill, und
begaben uns erſt des Nachmittags, ſobald es anfing et-
was kuͤhl zu werden, auf den Weg. Nachdem wir ver-
ſchiedne große und mit Hoͤlzung bewachſene Fluͤſſe, die
jetzt gaͤnzlich ausgetrocknet waren, zuruͤckgelegt hatten,
kamen wir endlich an der linken Seite des Gebirges zu
einem wuͤſten Hofe, wo wir aber doch noch lebendige
Hecken von Aloe (Aloe ſuccotrina) antrafen. Unter-
wegs ſahen wir im Gebirge eine Menge Tiger, die hier
haͤufiger waren, als ich ſie irgendwo bemerkt hatte.
Nun einige botaniſche und entomologiſche Wahr-
nehmungen, die ich auf dieſem Theile meiner Reiſe machte.
Der Kugelſchwamm (Lycoperdon carcinomale) waͤchſt
hier auf den Ameiſenhaufen; man praͤparirt ein braunes
Pulver davon und gebraucht es gegen den Krebs. Die
Schafe freſſen die zarten Blaͤtter der Aegyptiſchen Sinn-
pflanze (Mimoſa nilotica). — Der Zaſerblume mit
weißen Blumen (Meſembryanthemum) bedienen die
Hottentotten ſich gegen den Durſt, indem ſie daran
ſaugen; vorher laſſen ſie ſie faulen und bereiten ſie zu
dieſem Gebrauche. — Die Cichorienkaͤfer (Meloe Ci-
chorei) thun vielen Schaden an den Aepfelbaͤumen und
Gartengewaͤchſen, indem ſie das Laub und die Blaͤtter
ganz zerſtoͤren. — Auf den Zweigen der Baͤume und
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. N
[194]Dritte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Straͤuche halten ſich viele Schildlaͤuſe (Coccus) auf, die
den Schafen gefaͤhrlich ſeyn, und ſie toͤdten ſollen.
In den folgenden Tagen ſetzten wir die Reiſe uͤber
die Hoͤfe Wohlgefunden (Welgevunden), Waſſerfall
(Waater-Vall), Mauſekraal (Muyſen-Kraal), zu ei-
nem Landmann, Nahmens Schmidt, fort. Von da
gings weiter uͤber das Gebirge durch das flache Thal
(Platte Kloof) und verſchiedne Hoͤfe vorbey, zu dem der
Compagnie gehoͤrigen Platze Rohrthal (Riet-Valley).
Hier machten wir Halt, um auszuruhen.
Mittlerweile beſuchten wir wieder den Großvater-
wald (Groot-Vaaders-Boſch), wo verſchiedne Arten
Baͤume zum eignen Gebrauche der Compagnie gefaͤller
werden. Ich hatte gehofft, jetzt mehrere Baͤume in Bluͤ-
the zu finden, allein die Zeit dazu war noch nicht voͤl-
lig da. Der Schoͤnbaum (Calodendrum) war der
einzige, der bluͤhete. Auf den Blumen dieſer Baͤu-
me ſah ich ſchoͤne Schmetterlinge in Menge ſitzen,
die den honigſuͤßen Saft herausſogen; ich konnte aber
keines habhaft werden. Durch Huͤlfe meiner mit Hagel
geladenen Buͤchſe war ich indeſſen doch im Stande, ei-
nige wenige Zweige mit Blumen herunter zu ſchießen.
Vom Rohrthale reiſeten wir durch den breiten Fluß
(Breede-Rivier) und uͤber den Fluß Ohnende (Zonder-
Ende-Rivier), welcher letztere ſehr tief iſt, und deswe-
gen eine Faͤhre hat, auf der man uͤbergeſetzt wird. Den
Platz der Compagnie, Tigerecke (Tiger-Hoek), ließen
wir zur Seite liegen, und nahmen den Weg laͤngs dem
Fluſſe Ohnende zu einem andern der Compagnie zuſtaͤndi-
gen Poſten, der das Suͤßmilchthal (Zoete-Melk-Valley)
heißt. Schraͤge gegen dem flachen Thale (Platte Kloof)
uͤber iſt dasjenige warme Bad, welches den Nahmen des
Elefantenbades (Olifants-Bad) fuͤhrt, an der Seite des
[195]Ruͤckreiſe von der Grenze des Kafferlandes ꝛc.
Gebirges; ich hatte aber diesmahl nicht Zeit es zu
beſehen.
Das Land war jetzt theils von der brennenden Som-
merhitze, theils von den heftigen austrocknenden Win-
den ſehr duͤrr. Die Fliegen hatten ſich ſo anſehnlich ver-
mehrt, daß ſie auf den meiſten Hoͤfen hoͤchſt beſchwerlich
waren. Um ſie in den Haͤuſern zu vermindern, hatte man
unter der Decke der Zimmer kleine Quaͤſte aufgehaͤngt.
Dieſe Quaͤſte beſtreicht man taͤglich mehrmahls mit ſuͤßer
Milch, und wenn Fliegen in Menge ſich daran herum
geſetzt haben, nimmt man einen langen leinenen Beutel,
haͤlt ihn unter, und ſchuͤttelt die Fliegen hinein; hernach
wringet man den Beutel um, daß ſie nicht heraus koͤnnen.
Hier hatte ich wieder Gelegenheit zu ſehen, wie
der Secretaͤrvogel, der eine Menge Schlangen auffrißt
und zerſtoͤrt, dieſelben mit den Fuͤßen feſt tritt, und mit
der Spitze der Fluͤgel darauf ſchlaͤgt, daß ſie nicht an ihn
kommen und ihn beißen koͤnnen. Dieſer Vogel frißt
auch Fleiſch und allerley Wurzeln. — Die blauen Gold-
haͤhnchen (Chryſomela) fuͤgen dem Getreide, an dem
ſie freſſen, großen Schaden zu.
Unter den Gewaͤchſen traf ich hier die gefiederte
Pſoralea (Pſoralea pinnata, Hollaͤndiſch Pinwortel)
haͤufig an. Die Landleute betrachten ſie als das laͤſtigſte
und ſchlimmſte Unkraut in den Gaͤrten, weil es ſehr tief in
die Erde waͤchſt und ungemein feſt ſteht, und daher
ſchwer auszujaͤten iſt. — Die wilden Kaſtanien, oder
die Frucht vom ſternblaͤttrichten Scepterbaume (Brabe-
jum ſtellatum) freſſen hier die wilden Schweine ſo gern,
daß ſelten eine liegen bleibt, die aufgehen kann, wofern
ſie nicht zwiſchen Steine faͤllt.
Den 27. December kamen wir bey dem warmen
Bade des ſchwarzen Berges, oder dem ſogenannten Ba-
N 2
[196]Dritte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
de hinter den Bergen (Bad agter de Berg) an. Dies
Bad entſpringt aus einer Anhoͤhe unterhalb des Berges
auf der linken Seite deſſelben, und zwar beſonders aus
zwey Quellen. Das Waſſer iſt mittelmaͤßig warm, und
ſetzt in den Rinnen, worin es fortlaͤuft, hellgelben Oker
in Menge an. Die Anhoͤhe beſteht aus Eiſenſtein oder
eiſenhaltiger Lava, die ſchwer, ſchwarz und glaͤnzend,
dabey dicht iſt, und gegen Stahl geſchlagen Feuer giebt.
Sogar der Weg uͤber dieſelbe iſt ſchwarz von dem zer-
malmten Eiſenſteine, der wie Ruß daruͤber herliegt.
Das Waſſer ſchmeckt nach Eiſen, oder wie Tinte, aber
nicht nach Schwefel. Vom Chinapulver, wie auch vom
blauen Vitriol, wird es ſchwarz, vom Bleyzucker aber
weiß. Kranke bedienen ſich dieſes Waſſers ſowohl zum
Baden als auch zugleich zum Trinken, beobachten aber
dabey eben ſo wenig Ordnung als gute Diaͤt. Das
Waſſer wird in einer Rinne von der Quelle nach einem
aus Bretern zuſammengeſchlagnen Hauſe geleitet, in wel-
chem einige Treppen herunter gehen, worauf man ſo tief
im Waſſer ſitzen kann, als man will. Die Compagnie
hat hier auch ein ſteinernes Gebaͤude auffuͤhren laſſen,
und einem alten Manne die Aufſicht uͤber daſſelbe gege-
ben. Die wenigen Zimmer, welche hier zum Gebrauche
der Brunnengaͤſte vorhanden ſind, hat man durch grobe
Leinwand in viele kleine Zellen abgetheilt. Einige woh-
nen in eignen Zelten oder auf ihren Wagen; einige logi-
ren auf dem unterhalb des Bades liegenden Bauerhofe.
Das Bad wird das ganze Jahr hindurch benutzt, vor-
zuͤglich aber im Sommer vom Auguſt bis zum Februar.
Der oberwaͤrts liegende Berg heißt der ſchwarze Berg.
Hierauf kamen wir zu dem Landeigenthuͤmer Baden-
horſt. Hier war man jetzt mit dem Dreſchen des Wei-
tzens beſchaͤfftigt. Scheunen, um das Getreide darin
[197]Ruͤckreiſe von der Grenze des Kafferlandes ꝛc.
zu verwahren, hat man hier zu Lande gar nicht. Sie
wuͤrden auch uͤberfluͤſſig ſeyn in einem Lande, wo man in
dieſer Jahrszeit gar keinen Regen hat, und daher das
Korn unter freyem Himmel haben kann. Von der ſtar-
ken Hitze wird aber das Stroh ſo muͤrbe und ſproͤde, daß
es zerbricht; es kann alſo nur Abends und Morgens,
wenn es kuͤhl iſt, gehandhabt werden. Zum Dreſchen
macht man ebenfalls unter freyem Himmel einen ebenen
Platz zurecht, und faſſet ihn mit einer runden und niedri-
gen Mauer von Lehmſteinen ein. Auf dieſer Tenne brei-
tet man das Getreide los, nicht in Garben, aus einan-
der, und fuͤhrt einen Trupp Pferde, die man gewoͤhnlich
in einer Reihe an einander bindet, bisweilen aber auch
frey gehen laͤßt, allenthalben darauf herum, die das
Korn durch ihr beſtaͤndiges Umhergehen austreten. Im
Mittelpunkte dieſer runden Dreſchdiele ſteht ein Kerl,
der das vorderſte Pferd an einem Zaume haͤlt, und drau-
ßen ſteht ein andrer, der die Pferde mit einer langen
Peitſche in ſtetem Trabe herumtreibt. Das Stroh wird
auf dieſe Art freylich ganz zertreten und zum Decken der
Daͤcher voͤllig unbrauchbar. Dagegen geht das Dreſchen
auch ſo geſchwind von Statten, daß ſechs Mann an ei-
nem Tage dreyßig Tonnen Weitzen ausdreſchen und rein
machen koͤnnen.
Von hier nahmen wir unſern weitern Ruͤckweg
durch den kleinen Butterfluß (Kleyne Boter-Rivier),
wo man das Meer ſehen kann, die kleine Holzecke (Kley-
ne Hout-Hoek) vorbey, uͤber die große Holzecke (Groo-
te Hout-Hoek) durch das Hottentottiſch Hollaͤndiſche
Thal (Hottentotts-Hollands-Kloof). Hier iſt ein ſehr
hoher Berg, uͤber den ein Weg nach dem Cap geht, der
ſo ſteil hinablaͤuft, daß er ſehr gefaͤhrlich zu ſeyn ſcheint.
Inzwiſchen ſind dieſer und der uͤber Rotheſand gehende
[198]Dritte Abth. Siebenter Abſchn. u. ſ. w.
Weg beynahe die einzigen, dabey aber doch die gewoͤhn-
lichſten, und die Landleute aus dem ganzen Lande muͤſſen
mit ihren ſchweren Laſtwagen einen von beyden paſſiren.
Unterhalb des Berges liegen verſchiedne anſehnliche Hoͤfe
mit huͤbſchen Gebaͤuden, die ich, ſo wie den Berg und
den Strand, beſuchte.
In dieſer Gegend feyerten wir den Neujahrstag,
und begaben uns mit den Einwohnern der ganzen Nachbar-
ſchaft nach dem Strande hinab, um dieſen Tag mit laͤnd-
lichen Luſtbarkeiten zuzubringen.
Am Strande fand ich Trompetentang (Fucus
buccinalis) in Menge ausgeworfen. Die Leute blaſen
damit foͤrmlich wie mit Trompeten.
Endlich machten wir noch eine Tagreiſe uͤber die
weite ebene Sandflaͤche, die ſich vom Hottentottiſchen
Holland bis nach dem Cap erſtreckt, und trafen den 2.
Januar 1773 in der Stadt gluͤcklich wieder ein.
[199]
Vierte Abtheilung.
Aufenthalt zu Cap nach der erſten
großen Afrikaniſchen Reiſe
vom 2. Januar bis gegen die Mitte des
Septembers 1773.
Erſter Abſchnitt.
Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der
Capſtadt.
Sobald ich zu Cap angekommen war, ließ ich meine
erſte Sorge ſeyn, die waͤhrend meiner Reiſe in einer Zeit
von vier Monathen gemachten Sammlungen von Thie-
ren, Gewaͤchſen und Samen nicht nur genau durchzu-
ſehen, zu ordnen und das noͤthige zu ihrer Aufbewah-
rung zu veranſtalten, ſondern ſie auch ſo einzurichten,
daß ſie zu Schiffe nach Europa abgeſchickt werden konn-
ten. Ich ließ daher die Saͤmereyen gut trocken werden,
klebte die Kraͤuter auf große Bogen Papier, packte die
Voͤgel und Inſekten in Kiſten, verwahrte die Zwiebeln,
pflanzte die lebendigen Baͤume in Kaſten, vertheilte den
anſehnlichen Vorrath auf verſchiedne nach Holland zuruͤck-
kehrende Schiffe, und ſchickte ihn nach Amſterdam und
Leiden zum Geſchenke fuͤr die daſigen botaniſchen Gaͤrten.
Was nach dieſer Verſendung uͤbrig blieb, packte ich, in
einzelne Parteyen abgetheilt, fuͤr meine Goͤnner und Freun-
de in Schweden ein, nahmentlich fuͤr die Herren von
Linné, Archiater Beck, Profeſſor Bergius und Doctor
[200]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Montin. Ich hatte auch bald nachher Gelegenheit, mit
Schwediſchen Schiffen dieſen Ueberreſt nach meinem Va-
terlande abgehen zu laſſen.
Die folgenden Monathe wandte ich, eben ſo als
im vorigen Jahre, dazu an, in der Nachbarſchaft des
Cap ſelbſt zu botaniſiren, einige kleine Reiſen ins Land
zu machen, und meine naturhiſtoriſchen Sammlungen
theils noch genauer zu unterſuchen und in Ordnung zu
bringen, theils was ich Neues und bisher Unbekanntes
darunter fand, zu beſchreiben.
Zuerſt ſtattete ich dem Polizey-Secretair Berg auf
ſeinem Landhauſe unweit Conſtantia einen Beſuch ab.
Ich hatte mit dieſem Manne ſchon in der Stadt Bekannt-
ſchaft geſtiftet, und bey ihm zugleich Herrn Sonnerat,
einen Franzoſen, kennen gelernt, der in der Eigenſchaft
eines ſehr geſchickten Zeichners mit Herrn Commerçon die
weiteſten Reiſen um die Welt, und nach vielen Indiſchen
Laͤndern gemacht, und neulich auf einem Franzoͤſiſchen
Schiffe von Isle de France zu Cap angekommen war. Ihn
fand ich bey Herrn Berg vor, und ſeine Geſellſchaft mach-
te mir den Aufenthalt bey demſelben, welcher einige Wo-
chen waͤhrte, doppelt angenehm. Beſonders vertrieben wir
die Zeit damit, daß wir botaniſirten, und eine Menge ſchoͤ-
ner Capſcher Voͤgel fuͤr unſre Sammlungen ſchoſſen.
Unter den vielen Excurſionen, die wir gemeinſchaft-
lich vornahmen, ging eine im Januar den Tafelberg hin-
auf, weil wir ſehen wollten, wie es auf ſeiner Spitze
ausſaͤhe, und was fuͤr Gewaͤchſe er oben hervorbringe.
Beyde hatten wir uns mit Schießgewehr, Proviant,
Papier und dergleichen verſehen, welches zwey Sklaven
trugen, die wir in der Stadt zu unſerm Dienſte gemie-
thet hatten. Um drey Uhr des Morgens begaben wir
uns auf den Weg, und gingen den Fuß des Berges
[201]Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
hinan, ehe die Sonne aufging und uns mit ihren heißen
Strahlen die Reiſe zu beſchwerlich und ermuͤdend machen
konnte. Kurz nach acht Uhr hatten wir bereits den Gi-
pfel erſtiegen, wo wir eine angenehm gemaͤßigte Kuͤhle
empfanden. Unſre Muͤhe ſahen wir durch eine Menge
ſeltner Gewaͤchſe, beſonders von der ſogenannten Rag-
wurz (O chidea) ſehr bald belohnt. Dieſe Gattung
habe ich hernach weder zu andern Jahrszeiten hier, noch
auf andern Bergen finden koͤnnen. Unter andern prang-
te mit ihren großen rothen Blumen die großblumige
Ragwurz (Orchis grandiflora, oder Diſa uniflora in
Bergii Plantis Capenſ.). Von der dem Tafelberge eigen-
thuͤmlichen Stendelwurz (Serapias tabularis) traf ich nur
ein einziges Individuum an. Die ſchwarzweiße Sten-
delwurz (Serapias melaleuca) hingegen zeichnete ſich
haͤufig durch ihre ſchwarzen und weißen Blumen aus:
die ſeltenſten Blumen unter allen. Die blaue Diſa lon-
gicornis, welche theils ungemein reitzend, theils von ganz
beſondrer Geſtalt iſt, bekam ich hier mit Muͤhe und nicht
ehne Lebensgefahr, und zwar zum erſten und letztenmahl.
Sie ſtand naͤmlich nur an einer einzigen Stelle, auf ei-
ner ſteilen Klippe, ſo hoch hinauf, daß wir auf keine an-
dre Art dazu kommen konnten, als nachdem wir die Seite
der Klippe ſo weit als moͤglich hinauf geklettert waren.
Ich ſtieg Herrn Sonnerat auf die Schultern, und riß
ſo mit einem langen Stocke fuͤnf Stengel davon ab; die
einzigen, welche jetzt in Bluͤthe ſtanden. Herr Sonne-
rat, der vorher nicht Gelegenheit gehabt hatte, am Fu-
ße des Berges ſo viele Gewaͤchſe zu ſammeln, als ich,
brachte an dieſem einen Tage eine Zahl von dreyhundert
Gattungen zuſammen. Er hatte aber dabey das unange-
nehme Schickſal, daß er barfuß zuruͤckgehen mußte, ob
er gleich drey Paar Schuhe zu dieſem Spatziergange mit-
[202]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
genommen hatte. Denn von der Menge ſcharfer Stei-
ne, die theils unten am Berge, theils in den Vertie-
fungen, durch welche der Weg geht, herabgerollt lie-
gen, werden nicht nur die Sohlen der Schuhe abgenutzt,
ſondern auch das Oberleder geht entzwey. Nette und
duͤnne Franzoͤſiſche Schuhe kann man daher auf ſolchen
Berg-Wallfahrten gar nicht gebrauchen, ſondern ſie
muͤſſen von gewichstem Leder gemacht ſeyn und dicke
Sohlen haben.
Der Tafelberg hat ſeinen Nahmen davon bekom-
men, daß er vorn gegen die Stadt und den Hafen eben
abgeſchnitten und wie ein Tiſch ausſieht. Wenn man
hinauf kommt, merkt man, daß er vorwaͤrts etwas eben
iſt; hernach aber erſtreckt er ſich in Abſaͤtzen allmaͤhlig wei-
ter. In den oben auf dem Berge befindlichen Tiefen
nehmen verſchiedne Baͤche ihren Anfang, die theils nach
der Stadt, theils ſeitwaͤrts fließen, und gutes, friſches,
kaltes Waſſer haben. Gleichwohl konnte ich keine ei-
gentliche Quelle gewahr werden, auch fand ich oben
nicht, wie Einige vorgeben, einen fiſchreichen See.
Sondern alles dies Waſſer ſammelt ſich zum Theil vom
Regen, und zum Theil aus den Wolken, welche uͤber
den Berg hinziehen, ohne unten Regen zu geben. Oben
auf dem Berge ſtehen verſchiedne ſchon ziemlich ausgewit-
terte Steine von ſonderbarer Geſtalt, und zugleich in
ſolcher Stellung, daß man glauben ſollte, ſie waͤren
durch Kunſt hingeſtellt.
Die Hoͤhe des Tafelberges betraͤgt 3350, oder, nach
de la Cailles Berechnung, 3353 Fuß, und zwar auf der
Weſt-Seite, welche die niedrigſte iſt. Der Teufelsberg
graͤnzet auf der Oſt-Seite an ihn und iſt 30 Fuß nie-
driger, ob es gleich das Anſehen hat, als wenn ſeine
Spitze hoͤher ſey. Mit dieſem und dem Loͤwenberge
[203]Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
macht der Tafelberg Einen Berg aus: unten haͤngt er mit
ihnen zuſammen, weiter hinauf aber trennen anſehnliche
Thaͤler ihn davon.
Auf den Tafelberg kann man an verſchiednen Stel-
len hinaufkommen, vorn, hinten und auf den Seiten.
Eben daſelbſt kann man auch heruntergehen. Alle dieſe
Wege habe ich in den funfzehnmahlen, da ich dieſen
Berg waͤhrend meines hieſigen Aufenthalts beſucht habe,
hinreichend verſucht, um ſie aufs genaueſte kennen zu
lernen. An der Vorderſeite iſt der Berg nur in der gro-
ßen Vertiefung, welche beynahe die Mitte haͤlt, und
ſehr ins Auge faͤllt, zugaͤnglich. Dieſer Aufgang wird
gewoͤhnlich gebraucht, obwohl er der ſteilſte iſt, beſon-
ders nicht weit von der Spitze, wo er zugleich ſehr ſchmal
wird, und an beyden Seiten von faſt ſenkrechten Waͤn-
den eingeſchloſſen iſt. Der Fuß unten, an welchem die
Stadt ſelbſt liegt, betraͤgt ungefaͤhr ein Drittheil von der
Hoͤhe des Berges, geht von flachen und mit Gebuͤſch be-
wachſenen Huͤgeln nach und nach in die Hoͤhe, und bil-
det alsdann groͤßere Huͤgel, die abſchuͤſſiger und mit gro-
ßen von oben herabgerollten Steinen bedeckt ſind. Hier-
auf faͤngt die oben gedachte Vertiefung an, welche un-
ten funfzig bis ſechzig Schritt breit iſt, dann immer
ſchmaͤler wird, endlich nur eine Breite von ſechs bis ſie-
ben Schritten behaͤlt, und oben mit ſehr großen Stei-
nen beynahe ganz verſtopft iſt. Weit oben in dieſer
Vertiefung fand ich feine loſe Sandſteine, groͤßte und
kleinere, liegen, die tiefer unterwaͤrts durch ihr Hinab-
rollen zu Grus und Sand zermalmt waren.
Der Tafelberg, der Teufelsberg, der Loͤwenkopf,
und andre hieſige Berge haben eben ſo, als die Berge in
Europa, ihre Lagen und Schichten. Die oberſten Lagen
gehen ganz horizontal, die unterſten aber ſchief. Oben
[204]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſcheinen dieſe Berge aus Sandſtein oder einer vulkani-
ſchen Aſche, in der Mitte aus Trapp oder Schwarzſtein,
und unten aus Schiefer zu beſtehen. Ganz oben auf
dem Tafelberge findet man ſowohl einzelne Steine als
hervorſtehende feſte Klippen, die ſehr verwittert ſind,
nicht allein oben und an den Seiten, ſondern auch un-
terwaͤrts, ſo daß ſie große Hoͤhlungen bilden. Dies
Verwittern ruͤhrt nicht nur von dem darauf ſtehen blei-
benden Waſſer, ſondern, wie ganz deutlich iſt, von der
Luft ſelbſt her, deren Feuchtigkeit zwiſchen die feinen
Oeffnungen eindringt, und die Steine aufloͤſet. Die
großen Steine, welche auf den Anhoͤhen unten an den
Vergen liegen und von oben da hinunter gerollet ſind,
auch ſehr alt ausſehen, beſtehen aus Trapp, worin ſich
groͤßre und kleinere Vertiefungen finden, die durch Ver-
witterung entſtanden zu ſeyn ſcheinen. Dieſe ſowohl,
als die kleinen Steine, enthalten nicht nur inwendig,
ſondern auch auf der Oberflaͤche Quarzſtuͤcke, welches
deutlich zu beweiſen ſcheint, daß dieſe letzteren ſich nicht
da gebildet haben, ſondern eingeſchloſſen worden ſind,
zumahl, da ſie nicht an die Steine ſelbſt, welche einen
ziemlichen Grad Haͤrte und eine glatte, gleichſam abge-
ſchliffne, Oberflaͤche haben, feſt gewachſen ſind. Die
Steine in den unterſten Schichten ſind los und dunkel-
farbig und laſſen ſich zerreiben. Bisweilen ſind ſie et-
was bleich oder aſchgrau. Sowohl die Luft, als das
Waſſer verzehrt ſie ſo ſehr, daß am Rande handbreite
Lamellen wie Hahnenkaͤmme in die Hoͤhe ſtehen. Dieſe
unterſten Schieferlagen, die oben mit Erde und Gras
bedeckt ſind, machten an einigen Stellen die Haͤlfte von
der Hoͤhe des Berges aus. Sie gehen von Suͤden nach
Norden, aber nicht ganz horizontal, ſondern nach We-
ſten etwas geneigt und nach Oſten in die Hoͤhe mit ſchar-
[205]Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
fen verwitterten Lamellen. Auf dieſe Art erſtrecken ſie
ſich ſogar in die See hinein, wie man an den Klippen,
ſowohl an denen, die hervorragen, als an denjenigen, wel-
che vom Waſſer bedeckt ſind, deutlich ſehen kann.
Den Loͤwenkopf beſuchte ich ebenfalls unterſchied-
lichemahl. Dieſer liegt eigentlich an der Weſt-Seite
des Tafelberges, und endigt ſich oben in einer faſt unzu-
gaͤnglichen Spitze. Von dieſer Spitze erſtreckt er ſich in
einem langen allmaͤhlig ſich [n]eigenden Ruͤcken weiter,
und ſchließt ſich endlich in einem aufs neue in die Hoͤhe
gehenden Huͤgel, der den Nahmen Loͤwenſchwanz (Leeu-
we-Staert) fuͤhrt. Nicht weit vom Gipfel iſt der Loͤwen-
kopf an einer Stelle ſo jaͤh, daß man an einer Klippe
ein ſtarkes Seil hat befeſtigen muͤſſen, durch deſſen
Huͤlfe man eine beynahe ſenkrechte Wand hinanklettert.
Oben auf der Spitze haͤlt ſich beſtaͤndig eine Wache auf,
um die Schiffe, welche beym Cap zu landen gedenken,
zu entdecken und zu beobachten. Zu dieſem Endzwecke
iſt da ein kleines Haͤuschen mit einem Kamine, um Eſ-
ſen zu kochen, gebauet. Auch ſtehen da drey Kanonen,
von denen, ſo oft man ein Schiff ankommen ſieht, eine
abgefeuert wird, und eine hohe Stange, um die Flagge
aufzuziehen. Aus der Anzahl der Schuͤſſe weiß die Re-
gierung ſogleich, ob einzelne Schiffe oder eine Flotte
ankommen. Des Abends geht der Mann, welcher das
Amt hat, die Flagge auf- und niederzulaſſen, herun-
ter und begiebt ſich in ſein Haus, das in dem tiefen Grun-
de zwiſchen dem Tafelberge und der Loͤwenkuppe ſteht.
Wenn die entdeckten Schiffe naͤher kommen, wird die
Flagge auf dem ſogenannten Loͤwenruͤcken (Leeuwe-Rug),
und wenn ſie in den Hafen einlaufen, auf der Citadelle
aufgezogen, wo man ſie nicht eher niederlaͤßt, als bis
ſie ſalutirt haben. Kommt ein Schiff zwar zum Vor-
[206]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſchein, aber ſo daß es nur vorbeygeht, ſo wird die Flag-
ge auf dem Loͤwenkopfe weggenommen, ſobald man es
nicht mehr ſehen kann. Die Flagge iſt nicht immer die-
ſelbe, ſondern fuͤr jeden Monath eine andre. Sie iſt
gleichſam das, was zu Lande die Loſung iſt. Denn ihre
Farbe beſtimmen die Directeure in Europa, und machen
ſie niemand, als den Regierungen zu Batavia und zu
Cap, und den Capitainen der abgehenden und zuruͤckkeh-
renden Schiffe in verſchloſſenen Briefen bekannt. Hier-
aus koͤnnen die Schiffs-Befehlshaber ſehen, ob das Cap
bey ploͤtzlich entſtandnem Kriege in feindliche Haͤnde ge-
rathen iſt, und ſich dadurch warnen laſſen, nicht einzu-
laufen. Zu Kriegszeiten kann, wie ich ſchon an einem
andern Orte angefuͤhrt habe, die ganze Kolonie tief ins
Land hinein, wenn die Ankunft einer großen Flotte ent-
deckt wird, in groͤßter Geſchwindigkeit durch Kanonen,
Flaggen und Feuer, die im ganzen Lande von Strecke zu
Strecke vertheilt ſind, aufgebothen werden. — Die
oberſte Schichte des Loͤwenkopfs beſteht aus loſem rothem
Sandſteine, der ſo auswittert, daß große Vertiefungen
zuruͤckbleiben *).
Im Maͤrz brachte ich einmahl einen ganzen Tag
oben auf dem Tafelberge zu. Am Abend hatte ich von
dieſer anſehnlichen Hoͤhe einen Anblick, den ich mit Recht
zu den ſonderbarſten und zugleich ſchoͤnſten rechne. Der
Tafelberg hat, wie alle andre Berge dieſes Landes, eine
ſolche Lage, daß er ſich von Nord-Weſt nach Suͤd-Oſt
erſtreckt, mithin die eine lange Seite gegen Nord-Oſt,
und die andre gegen Suͤſt-Weſt ſteht. Die in Oſten auf-
gehende Sonne ſcheint hier nicht, wie in Europa, nach
Norden, ſondern nach Suͤden, und ſinkt endlich auf
[207]Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
der Weſt-Seite des Berges in den Ocean hinab. Daher
hat man auf der Nord-Oſt-Seite fruͤheren Morgen und
Sonnenſchein, auf der Suͤd-Weſt-Seite hingegen
laͤngeren Abend und ſpaͤteren Sonnenſchein. Auf dem
Gipfel des Tafelberges zeigten ſich mir alſo ungefaͤhr um
fuͤnf Uhr des Abends gleichſam zwey verſchiedne Wel-
ten; die weſtliche hatte noch die ſchoͤnſte Abendſonne
und einen hellen Horizont, die oͤſtliche aber war ſchon
mit Finſterniß und dickem Nebel bedeckt. Dieſer aus
der erwaͤrmten Erde aufſteigende Nebel verdickte ſich ſo-
gleich in der geſchwind abgekuͤhlten Luft, und war daher
ſo ſtark, daß man vom ganzen Lande gar nichts ſehen
konnte. Man haͤtte glauben ſollen, eine große dicke Wol-
ke zu ſehen. Eben dies war auch eine von den Urſachen,
warum die Ausſichten auf beyden Seiten des Berges,
die einen Augenblick vorher gleich waren, jetzt auf eine
ſo ſehr in die Augen fallende Art ſich von einander un-
terſchieden.
In der Mitte des Maymonaths machte ich in
Herrn Gordons und eines vor nicht gar langer Zeit hie-
her gekommnen engliſchen Gaͤrtners, Nahmens Maſſon,
Geſellſchaft eine Reiſe um die ſaͤmmtlichen zwiſchen Cap
und der falſchen Bay liegenden Berge herum. Wir
waren zu Fuß, und brachten auf dieſer Excurſion ver-
ſchiedne Tage zu.
Wenn man in der vorhin erwaͤhnten Vertiefung
zu dem Gipfel des Tafelberges hinaufſteigt, ſo hat man
zur Rechten eine andre Vertiefung, die nach der See-
ſeite hinabgeht. Zur Linken entſpringt eine Quelle, die
in einem kleinen Bache hinunterfließt; ſie iſt aber mit
Gebuͤſch ſo bewachſen, daß man ihren Urſprung, der
ſich unter einer großen Klippe befindet, nicht ſehen kann.
In allen an und auf dem Berge befindlichen, theils groͤ-
[208]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ßeren, theils kleineren, flachen Thaͤlern, trifft man
Waſſer, lockre Erde und Moos an, wodurch ſie faſt
alle in Moraͤſte verwandelt werden. Suͤd-oſtwaͤrts nei-
get er ſich durch kleine Thaͤler allmaͤhlig mehr und mehr,
bis er vor der Holzbay (Hout-Bay) ganz aufhoͤrt.
Durch das lange ſchmale Thal, welches die von
Conſtantia nach der aͤußerſten ſuͤdlichen Spitze fortlaufen-
de Bergſtrecke vom Tafelberge trennt, und den Nahmen
Pavianthal (Babian-Kloof) fuͤhrt, gingen wir nach
der Holzbay. Hier iſt ein Hof angelegt. Zur Rechten
ſieht man den kleinen Loͤwenkopf (Kleyne Leeuwe-Kop),
welches ein dem großen Loͤwenkopfe beym Cap aͤhnlicher,
ſpitz in die Hoͤhe gehender Berg iſt. Ferner erſcheint da
der Karfunkelberg (Kafunkel-Berg), welcher laͤnglich,
und deſſen Fuß vom Strande an mit feinem, weißen
Flugſand bedeckt iſt. Er formirt eine Landſpitze, deren En-
de in einem kegelfoͤrmigen und nach der See uͤberhangenden
Berge beſteht und Haͤnglippe (Hang-Lip) heißt, und
wird ſowohl vom Tafelberge, als vom Loͤwenkopfe vermit-
telſt eines tiefen Thals getrennt. In die Holzbay ergießt
ſich ein Arm eines oben auf dem Tafelberge entſpringen-
den ziemlich großen Bachs. Die See bildet in der Holz-
bay bey niedrigem Waſſer gleichſam Fluͤſſe, deren Ufer
durch das Herabfallen des Sandes eine ſteile Geſtalt ha-
ben. Die ganze Bucht iſt voll runder Sandſteine, gera-
de wie durchgaͤngig der Strand des Wetternſees in
Schweden. Zur Linken zeigt ſich der Steinberg (Steen-
Berg), an deſſem Fuße auf der andern Seite Klein- und
Groß-Conſtantia liegen, und welcher ſich in Geſtalt einer
Landſpitze, die Steinbergsecke (Steenbergs Hoek) heißt,
in die See erſtreckt. Hier liegt Mausburg (Muyſen-
burg), ein der Compagnie zugehoͤriger Hof.
Von
[209]Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
Von der Holzbay wanderten wir uͤber die Berge
nach der Norderecke (Nord-Hoek), wo drey Hoͤfe liegen,
und ein großer Meerſtrudel befindlich iſt. Dieſe Ecke
iſt die aͤußerſte Spitze des Berges ſelbſt, gegen uͤber iſt
eine andre Landſpitze, der man den Nahmen Schlangenkopf
(Slangen-Kop) gegeben hat. Die Duͤnen beſtehen hier
alle aus Triebſand, der in Huͤgeln von verſchiedner Hoͤhe
liegt, wovon die neueren noch kahl, die aͤlteren aber mit
Geſtraͤuch bewachſen ſind. Unter dieſem bemerkte ich be-
ſonders haͤufig den Wachsſtrauch oder die herzblaͤttrichte
Gagel (Myrica cordifolia), welcher hier meiſtentheils
niedrig waͤchſt und am Boden kriecht. Gegen Suͤd-Oſt
ſtoͤßt man auf eine tiefe Stelle, die wie ein Teich iſt,
und eine Hoͤhe von drey bis vier Ellen hat. Jetzt war
ſie zum Theil mit Waſſer angefuͤllt, deſſen Oberflaͤche
von Flamingern (Phoenicopterus ruber) faſt bedeckt
war. Der Grund iſt ſandig, mit Lehm vermiſcht. Im
Winter ſteht dieſe tiefe Stelle verſchiedne Monathe ganz
voll Waſſer. Sie bekommt dies aber nicht aus dem
Meere, von dem ſie auch eine ziemliche Strecke entfernt
iſt, ſondern vom Regen; das Waſſer ſteigt und faͤllt da-
her auch nicht mit der Fluth und Ebbe. — Unter den
hier wachſenden Straͤuchen heißt einer Duͤnenholz (Duyn-
Hout) oder Schwarzholz (Zwart-Hout); er hat flei-
ſchichte Blaͤtter; jetzt bluͤhete er nicht. Der Schlangen-
buſch, ſonſt Bucken (Seriphium), der hier waͤchſt, ſoll
die Wuͤrmer abtreiben. — Wir trafen hier einen ſehr
beruͤhmten Bauer, Nahmens Jan Bruyns, einen der
fertigſten und geſchickteſten Schuͤtzen im ganzen Lande.
Dieſes iſt der Mann, welcher mit Heupner die ungluͤck-
liche Reiſe nach Rio de la Goa, durch das Kafferland
machte, da ſieben von der Geſellſchaft durch die Kaffern
ermordet wurden, und nur er mit fuͤnf andern entkam.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. O
[210]Vierte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Weiter ging unſre Reiſe uͤber die Berge nach Wild-
ſchuͤtzbrand, wo wir nur eine auf einem ſchoͤnen grasreichen
Platze ſtehende Hottentotten-Wohnung fanden; und dar-
auf wieder ein wenig zuruͤck nach der falſchen Bay. Den
von der falſchen Bay ſich weit in die See hinein erſtre-
ckenden unfruchtbaren Bergen haben Koloniſten und See-
fahrer den Nahmen Norwegen (Norweegen) beygelegt.
Falſche Bay, Bay Falſo, oder Simonsbay heißt
der Hafen an derjenigen Seite, wo die Schiffe nur zur
Winterszeit ankommen, und wo ſie vor den Stuͤrmen
des Nord-Weſt-Windes, welche zu dieſer Zeit den in
der Tafelbay liegenden Schiffen ſo gefaͤhrlich ſind, in Si-
cherheit liegen. Der Hafen iſt hier groͤßer als beym Cap.
Der Strand iſt eben nicht breit, und an verſchiednen
Stellen ſpringen die Berge ſo weit vor, daß gar kein
Strand da iſt. Die Haͤuſer liegen auf den Bergen und
Huͤgeln ſelbſt, und reichen manchmahl zur Bequemlichkeit
der Fremden nicht hin. Eine große runde Klippe im
Hafen wird die Arche, eine andre die Romanklippe, und
eine weiter hinaus oſtwaͤrts liegende Inſel das Malagaſſen-
Eyland genannt. Außer einem der Compagnie gehoͤri-
gen Hauſe, welches der Reſident bewohnt, ſind hier
noch einige andre oͤffentliche Gebaͤude, als ein Hoſpital,
ein Packhaus, und ein Schlachthaus, wie auch etliche Hoͤ-
fe, die Privat-Perſonen gehoͤren. Der Garten der Com-
pagnie liegt etwas weiter weg.
Von der falſchen Bay marſchirten wir uͤber flache
und ebene Sandfelder, Muyſenburg und den Fiſcher-
platz der Compagnie vorbey, und wieder nach der Cap-
ſtadt. In den Sandebnen ſind hie und da kleine Bin-
nenſeen, die von der Sonnenhitze noch nicht voͤllig ausge-
trocknet waren. Auch hegten dieſe waſſerreichen Gefilde
noch hin und wieder Flaminger, die mit ihren weißen
[211]Kleine Nebenreiſen in der Naͤhe der Capſtadt.
und blutrothen Federn dieſe Gegend ſchmuͤckten, und die
im Waſſer ſich aufhaltenden Wuͤrmer und Ungeziefer
verzehrten. Wir ſchoſſen einen davon, ſo daß der Fluͤ-
gelknochen zerſchmettert wurde, und der Vogel nicht flie-
gen konnte; es koſtete uns aber doch die groͤßte Muͤhe,
ihn zu bekommen, weil er mit ſeinen langen Beinen weit
geſchwinder durch das eine halbe Elle tiefe Waſſer watete,
als wir ihm nachkommen konnten.
Zweyter Abſchnitt.
Verſchiedne geographiſche und andre
dahin gehoͤrige Nachrichten.
Die Robbeinſel (Robben-Eylandt) liegt beym Eingan-
ge des Hafens, ungefaͤhr eine Meile von der Stadt.
Alle einlaufende Schiffe ſegeln dieſelbe vorbey, und in-
dem dies geſchieht, wird auf der Inſel die Hollaͤndiſche
Flagge aufgezogen. Bisweilen, wenn ſtarker Suͤd-Oſt-
Wind die Schiffe hindert in den Hafen zu kommen, le-
gen ſie ſich bey der Robbeinſel vor Anker. Vor dieſem
war dieſe Inſel der Aufenthalt unzaͤhlbarer Seehunde,
wovon ihr auch der Nahme geworden iſt. Jetzt aber,
ſeitdem dieſe gaͤnzlich verjagt ſind, halten ſich auf derſel-
ben nur Chamaͤleone, Wachteln und zu ewiger Gefan-
genſchaft verdammte Verbrecher auf. Dieſe Leute —
man nennt ſie am Cap Banditen, — haben hier eigent-
lich das Geſchaͤfft, am Strande taͤglich eine gewiſſe Men-
ge Schneckenhaͤuſer zu ſammeln, woraus hernach zum
Gebrauche der Compagnie Kalk gebrannt wird. Zu die-
ſer Verbannung und Arbeit werden nicht nur ſchwarze
Sklaven, die etwas verbrochen haben, ſondern auch Eu-
ropaͤer zur Strafe fuͤr ſchwere Verbrechen, verurtheilt.
O 2
[212]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Unter den Baͤchen und kleinen Fluͤſſen am Cap iſt
derjenige einer der anſehnlichſten, welcher ſein Waſſer
vom Tafelberge bekommt, und ſich in den Hafen ergießt.
Er heißt der Salzfluß (Zout-Rivier). Sein Waſſer
iſt auch nicht nur unweit des voͤlligen Ausfluſſes ins Meer
ſalzig, weil das Seewaſſer ſich damit vermiſcht, ſondern
er faͤllt auch mit der Ebbe und Fluth.
Unterhalb der Berge ſowohl als nahe am Strande
findet man am Cap verſchiedne, zum Theil groͤßere, zum
Theil kleinere, erhabene Sandſtrecken, welche von dem
vielen Flugſande entſtehen, und oft, bisweilen zwey-
mahl in einem Jahre, ihre Lage und Stelle aͤndern, ſo
wie der Wind ſie entweder hiehin oder dorthin treibt.
Diejenige dieſer Sandſtrecken, welche unterhalb des Loͤ-
wenſchwanzes befindlich iſt, ſcheint beſonders merkwuͤrdig
zu ſeyn, und zu zeigen, wie dieſer Berg ehedem entſtan-
den iſt, und wie ſeine Lagen und Schichten ſich gebildet
haben. Sie liegt außerhalb der Batterie, erſtreckt ſich
von Suͤden nach Norden, und hat eben die Richtung,
welche die Berge am Cap und im ganzen Lande haben, je-
doch ſo, daß ſie ſich hin und wieder nach Oſten oder We-
ſten ein wenig kruͤmmt, je nachdem die hier herrſchenden
Winde den Sand etwas ſeitwaͤrts getrieben haben.
Nordwaͤrts vermehrt ſie ſich jaͤhrlich ganz bis nach dem
Ufer der See. Am weſtlichen Ende iſt ſie gekruͤmmt,
und wird allmaͤhlig niedriger, welches entweder von der
nicht weit davon in eben derſelben Richtung fortlaufenden
andern erhabenen Sandſtrecke, die aber feſt und dicht iſt,
und zum Galgenplatze gebraucht wird, oder von dem
den Wind abhaltenden Loͤwenſchwanze herkommt. Der
Sand in jener großen hohen Sandſtrecke iſt im Sommer
los und fliegt umher. Des Winters iſt er etwas feſter,
welches vom Regen herruͤhrt, aber doch beynahe ſo los,
[213]Verſchiedne geographiſche Nachrichten.
wie lockrer Schnee; nur einige Stellen ſind hart. Die
Sandlagen bilden ſich ſo, wie der Sand hingewehet wird,
und haben, wie die Schichten der Berge, eine ſchraͤge
Lage gegen den Horizont. Einige Lagen ſind lockrer, an-
dre dichter, je nachdem der Flugſand mehr oder weniger
rein oder gemiſcht war, ehe der Regen ihn hart machte.
Dieſe Lagen gehen entweder in gerader Linie oder wellen-
foͤrmig fort, und der weiße und ſchwarze Sand, woraus
ſie beſtehen, ſieht in der Ferne wie Agat aus. Jener ſo-
wohl als dieſer wird von der See ausgeworfen. Des
ſchwarzen Sandes iſt weniger als des weißen, aber der
letztere treibt mehr umher, und bildet kleine Huͤgel. Die
Sandſtrecke ſelbſt liegt dem Tafelberge gegen uͤber, und laͤuft
mit ihm parallel. Ihre Hoͤhe iſt faſt allenthalben gleich,
und nicht ſehr hoch. Auf der Suͤd-Seite neiget ſie ſich
allmaͤhlig, nach Norden aber iſt ſie ſteil. Der Sand
fliegt wie Flugſchnee, und manchmahl wird in einem Ta-
ge, jedoch an verſchiedenen Stellen, mehr als eines Dau-
mens hoch hinaufgetrieben. Steine, und was ſonſt im
Wege liegt, wird auf der Suͤd-Seite nackt gewehet, auf
der Nord-Seite aber wird ein hoher und ſpitzer Rand
daraus, wie man oft beym Schnee ſieht, wenn er auf
dem Felde immer nach einer Seite hingewehet wird.
Auf aͤhnliche Art ſcheinen die Schichten in den Bergen
ehemahls von dem Winde und den Wellen gebildet zu
ſeyn, und eben derſelben Urſache, naͤmlich den beyden
hier herrſchenden Winden, ihren Urſprung zu danken zu
haben.
Je oͤfter ich die Gegend um das Cap durchreiſete,
deſto feſter uͤberzeugte ich mich, daß das ganze Vorgebirge
der guten Hoffnung nichts anders als ein Berg ſey.
Denn die Ruͤcken der Berge, ſowohl die groͤßten, als die
kleinſten, erſtrecken ſich alle ohne Ausnahme von Suͤd-
[214]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Oſt nach Nord-Weſt, haben folglich eben die Richtung,
welche die hier im Lande herrſchenden ſtarken Winde ha-
ben. Sie liegen auch unter einander parallel; ihr jedes-
mahliger Abſtand von einander aber iſt nicht gleich, ſon-
dern zwiſchen einigen ſind die Thaͤler oder Gruͤnde breit,
manchmahl ſogar bewohnt, zwiſchen andern ſind ſie
ſchmal. Gegen Nord-Weſt hatte ich nicht Gelegenheit,
das Ende dieſer Bergſtrecken zu ſehen; vermuthlich ge-
hen ſie da ganz bis dicht ans Meer, ohne einen niedrigen
Strand zu laſſen. Gegen Suͤd-Oſt gehen ſie allmaͤh-
lig herunter, und werden endlich ganz flach, ehe ſie das
Meer erreichen; doch ſind die Berge im Hottentottiſchen
Holland hievon ausgenommen. Sonderbar iſt es, daß,
wenn man von der Stadt nordwaͤrts ins Land hinein rei-
ſet, und uͤber einen Berg gekommen iſt, das Land auf der
andern Seite hoͤher; wenn man uͤber die weiter entfern-
ten Berge gekommen iſt, noch hoͤher erſcheint, und daß
dies drey- bis viermahl ſo zunimmt. Das jedesmah-
lige Land zwiſchen ſolchen Bergſtrecken iſt daher nichts an-
ders als eine Vertiefung die aber ſo breit iſt, daß man
ihr den Nahmen einer Landſchaft gegeben und verſchiedne
Hoͤfe darin angelegt hat. Beſteigt man die Berge,
welche dieſe Vertiefungen umgeben, ſo ſieht man von da,
wiewohl im kleinen, aͤhnliche Bergſtrecken und Vertiefun-
gen, welche letzteren aber eng und ſelten bewohnt ſind.
Der Abſtand zwiſchen zwey Bergſtrecken betraͤgt bisweilen
eine ganze Meile und wohl mehr; manchmahl nur eine
halbe, oder bloß eine Viertelmeile, und ganz oben nur
einen Steinwurf. Indeſſen ſind ſolche Thaͤler oder
Gruͤnde keinesweges eben und ganz flach, ſondern in der
Mitte tiefer, zu beyden Seiten aber hoͤher, und zwar
deſto mehr, je naͤher man den Bergen kommt. In der
Mitte fließen die, bald einfachen, bald aus mehreren
[215]Verſchiedne geographiſche Nachrichten.
Quellen zuſammenkommenden, tiefſten Baͤche, und zwar
mit den Bergſtrecken parallel. Zunaͤchſt am Cap, wo
die ſuͤdliche Spitze des Dreyecks iſt, das Afrika formirt,
ſind die Berge am kuͤrzeſten. Je weiter man ins Land
hinein kommt, und je breiter das Land wird, deſto laͤnger
werden auch die Bergſtrecken.
Die in der Gegend von Drakenſtein befindlichen
Bergſtrecken haben einerley Richtung mit den nahe bey
der Stadt liegenden Bergen, naͤmlich von Norden nach
Suͤden. Dieſe Lage der Berge macht, daß die in den
Thaͤlern zwiſchen den Bergen liegenden Hoͤfe zu verſchied-
ner Zeit Tag und Nacht bekommen. Die auf der linken
Seite unterhalb der Berge belegenen haben fruͤher Tag
als die andern, weil die Sonne, wenn ſie uͤber die Spi-
tzen der Berge, welche hier oft mit Hagel bedeckt ſind,
und davon weiß ausſehen, in einem Augenblicke die ganze
weſtliche Seite erleuchtet. Die Bewohner der unter-
halb der Berge an der Oſt-Seite belegnen Hoͤfe hingegen
behalten die Sonne des Abends laͤnger, und ſehen, wie die
andre Seite mit Finſterniß und einem aufſteigenden hell-
blauen Nebel bedeckt wird, waͤhrend ſie ſelbſt noch den
ſchoͤnſten Sonnenſchein haben.
Dem Cap am naͤchſten und der Stadt gerade gegen
uͤber liegen die Tigerberge. Dieſe haben ein und dieſelbe
Richtung mit dem Elefantenkopfe (Olifants-Kop), und
den blauen Bergen (Blaauwe Berg), welche alle durch
Thaͤler von einander getrennt ſind.
Dieſe Beſchreibung der Richtung, Geſtalt und
Hoͤhe der Berge, wie auch der Beſchaffenheit des Landes
wird hoffentlich uͤber die Geographie dieſes Theils von
Afrika etwas mehr Licht verbreiten, als man bisher ge-
habt hat. Auch erhellen daraus die Urſachen, warum
ein, unter einem ſo guten und gemaͤßigten Himmelsſtriche
[216]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
liegendes Land in einer Gegend unglaublich fruchtbar und
bewohnt, in einer andern aber ganz kahl, ausgedoͤrret,
und beynahe ganz oͤde und unzugaͤnglich iſt.
Uebrigens fuͤge ich noch folgende geographiſche
Nachrichten, die Gegend um das Cap betreffend, hinzu.
Stellenboſch liegt in einem Grunde zwiſchen hohen Ber-
gen, der nach Suͤd-Weſt gegen die Bay Falſo zu offen
iſt. Es iſt eigentlich ein Dorf, das einige und dreyßig
Haͤuſer, nebſt einer Kirche, und zwey foͤrmliche mit Ei-
chen bepflanzte Straßen hat, und von einem kleinen Fluſſe
durchſtroͤmt wird. Auch iſt es der Sitz eines Land-Dro-
ſten. — Nicht weit von Stellenboſch liegt die ſoge-
nannte Franzoͤſiſche Ecke (Franſche Hoek), unterhalb
der Berge in einer von den dazwiſchen befindlichen Ver-
tiefungen. Dieſer Ort iſt deswegen merkwuͤrdig, weil
er ſogleich nach Anlegung der Stadt zuerſt bewohnt wur-
de, und zwar von den Franzoͤſiſchen Fluͤchtlingen, die ſich
in den Jahren 1680 bis 1690 aus Holland hieher bega-
ben und die erſten waren, welche hier im Lande Weinber-
ge anlegten. — Drakenſtein iſt ebenfalls eine in der
Naͤhe des Caps, unterhalb eben derſelben Bergſtrecken,
belegene Kolonie.
Auf der ſuͤdlichen Spitze von Afrika herrſchen haupt-
ſaͤchlich zwey Winde. Der eine wehet heftig, und faſt
taͤglich des Sommers; und dieſe Jahrszeit nennt man
hier die gute Jahrszeit (Goede Mouſſoon). Der andre
wehet im Winter; und dieſe Jahrszeit heißt die ſchlimme,
(Quaade-Mouſſoon). Der Suͤd-Oſt-Wind iſt ſtark,
und wird gewoͤhnlich vom ſchoͤnſten, heiterſten Wetter
ohne Regen begleitet. Der Nord-Weſt-Wind iſt ſtuͤr-
miſch, und hat gemeiniglich Regenſchauer zu ſeinen Ge-
faͤhrten. Jener beſteht oft in kurzen, heftigen und ge-
ſchwind auf einander folgenden Stoßwinden, die nicht
[217]Verſchiedne geographiſche Nachrichten.
ſelten ſo ſtark werden, daß ſie nicht nur den Staub und
Sand in die Hoͤhe treiben, ſondern auch kleine Steine
aufwerfen, die dem, welcher alsdann auf der Straße,
oder auf freyem Felde iſt, und dem Winde entgegen
ſteht oder geht, ins Geſicht fliegen, ſo daß man weder
in die Hoͤhe ſehen, noch weiter gehen kann, ſondern genoͤ-
thigt iſt, entweder ſtill zu ſtehen, oder ſich auf die Erde
niederzuwerfen. Fremde, die dies nicht wiſſen, und
ſich alſo nicht in Acht nehmen, geben daher, wenn ſol-
che Stoßwinde toben, manchmahl viel Anlaß zum La-
chen, indem der Wind ihnen Hut, Peruͤcke und Haar-
beutel wegreißt, und durch die Gaſſen treibt. Sogar
groͤßre Boͤte wirft der Wind alsdann auf der Rhede um,
ſo daß die Leute darin ſich nicht retten koͤnnen, ſondern
unfehlbar ertrinken: ein Ungluͤck, das ſich in dieſem
Jahre hier dreymahl zugetragen hat. Aus dieſer Urſa-
che waget ſich auch, wenn der Wind anfaͤngt heftig zu
wehen, niemand nach den Schiffen, oder von denſel-
ben ans Land. Der Suͤd-Oſt-Wind macht ſich ge-
woͤhnlich gegen Mittag auf, wenn der Morgen ſchoͤn,
warm und ſtill geweſen iſt. Gegen eilf, zwoͤlf oder ein
Uhr wird er heftiger, und bis drey, vier oder fuͤnf Uhr,
auch noch wohl laͤnger, haͤlt er an. Hernach wird es wie-
der gutes Wetter, und nicht ſelten ein angenehmer und
ſchoͤner Abend. Des Morgens iſt daher die Luft oft
ſehr warm, und man kann alsdann faſt nicht anders
als duͤnn gekleidet gehen; nachdem aber der Wind ange-
fangen hat zu wehen, fuͤhlt man ſehr ſtark, daß es kalt
geworden iſt, und man kann oft nicht ohne Ueberrock
ausgehen. Dieſe ploͤtzliche Abwechslung verurſacht, daß
man ſich hier gar leicht erkaͤlten kann, und daß die Ein-
wohner mit Schnupfen, Gicht und andern Fluͤſſen haͤu-
fig beſchwert ſind. Zwar verliert durch jenen ſtarken
[218]Vierte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Wind der Sommer an Anmuth; die Hitze wird aber
auch dadurch ertraͤglicher, als ſie ſonſt ſeyn wuͤrde. Ehe
der Suͤd-Oſt-Wind ſich erhebt, pflegt man den Nebel
oben auf den Bergen ſich ſetzen zu ſehen, und beſonders
ſieht alsdann der mit einer Menge heller Wolken be-
deckte Tafelberg aus, als wenn er in eine Peruͤcke ge-
huͤllt waͤre. Wenn der Wind zunimmt, ſo ſtuͤrzen dieſe
Nebelwolken vor dem Berge nieder, ohne jedoch Regen
zu geben. Inzwiſchen wehet der Wind auch bisweilen,
wiewohl ſelten, ohne daß dergleichen Wolken auf dem
Berge liegen; und eben ſo haͤlt der Wind, auch wenn
alle Wolken vor dem Berge zerſtreuet ſind, manchmahl
bey klarem und ſchoͤnem Wetter noch wohl an. Er haͤlt
ſich gemeiniglich unten an der Erde, und iſt ein niedri-
ger Wind. Zu Zeiten ſieht man den Nord-Weſt-
Wind die hoͤheren Wolken denjenigen, welche der Suͤd-
Oſt-Wind treibt, entgegenjagen, und die Voͤgel koͤn-
nen zwiſchen den Wolken, die von dieſen beyden Win-
den eine Strecke fortgetrieben werden, ganz ruhig flie-
gen. Im Winter herrſchen der Nord-Weſt-Wind
und der Suͤd-Weſt-Wind. Beyde werden von Re-
gen begleitet, und ſind den auf der Rhede liegenden
Schiffen gefaͤhrlich. Im April aͤndern die Winde ſich;
der Suͤd-Oſt-Wind hoͤrt nach und nach auf, und der
Nord-Weſt-Wind tritt ein. Der April und May,
ſo wie auch der Auguſt und September ſind daher gleich-
ſam die Stillſtands-Monathe, die ſchoͤnſten im ganzen
Jahre, und die, da es nicht regnet.
Je weiter man vom Cap uͤber die Gebirge ins Land
hinein reiſet, und je hoͤher das Land wird, deſto kaͤlter
findet man das Klima. Im Winter faͤllt da Schnee,
noch oͤfter aber Hagel, einer Viertelelle hoch und noch
hoͤher; er bleibt manchmahl mehrere Tage, und oben
[219]Verſchiedne geographiſche Nachrichten.
auf den Bergen mehrere Wochen liegen, ohne zu ſchmel-
zen. Im October ſah ich auf den ſchneeweißen Gipfeln
der Berge den Hagel noch liegen, da das unten an den
Bergen liegende Land ſich ſchon in ſeiner ganzen Som-
mer-Schoͤnheit zeigte. In dem Verhaͤltniſſe, wie das Land
hoͤher, und die Kaͤlte ſtaͤrker wird, kommen da auch alle
Gewaͤchſe ſpaͤter zum Vorſchein. Der Unterſchied, wel-
chen ich in dieſem Stuͤcke bemerkte, betrug ganze zwey
Monathe. Am Cap kommen daher alle Kraͤuter und
Blumen zuerſt hervor, weil das Land da niedriger und
die Luft milder iſt. Eben ſo iſt die ganze ſuͤdliche Kuͤſte,
wo die Berge allmaͤhlig herabgehen, allezeit waͤrmer,
und deswegen auch mehr bewohnt und bevoͤlkert, als
jede andre Gegend dieſes Landes.
In den Wintermonathen, wenn viel Regen faͤllt,
ſieht man das Waſſer an einigen Orten in den Bertie-
fungen zwiſchen den Bergen die hoͤchſten, und dabey
ganz ſteilen und kahlen Klippen, wie einen Gießbach,
mit Heftigkeit herabſtroͤmen.
Dritter Abſchnitt.
Verſchiedne Nachrichten von den po-
litiſchen und andern Einrichtungen in
den Hollaͤndiſchen Beſitzungen
am Cap.
Außer der in der Capſtadt ihren Sitz habenden Regie-
rung wird das Land noch von zwey Aemtern regiert, in
deren jedem ein Land-Droſt der oberſte Beamte iſt. Der
eine wohnt zu Stellenboſch und der andre zu Zwellen-
dam. Unter ihrer Jurisdiction ſteht derjenige Theil des
Landes, der nach Norden und Nord[-]Weſt liegt.
[220]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Der Fiſcal zu Cap iſt in Ruͤckſicht auf ſein Amt
unabhaͤngig, und ſteht in Anſehung deſſelben nicht unter
dem Gouverneur, ſondern iſt nur der Direction in Hol-
land unmittelbar verantwortlich. Wenn zwiſchen Buͤr-
gern oder andern Einwohnern Streit entſteht, ſo belegt
er ſie mit Strafe. Die Geldſtrafen ſind hier nicht fuͤr
jede Art von Verbrechen feſtgeſetzt, ſondern ſie richten
ſich meiſtentheils nach den Vermoͤgens-Umſtaͤnden der
Verbrecher. Der Fiſcal, welcher von ſolchen Geldbußen
anſehnliche Einkuͤnfte hat, behandelt daher die Verbre-
cher und Stoͤhrer der oͤffentlichen Ruhe, wie der Arzt
einen vollbluͤtigen Kranken behandelt, dem er allezeit
mehr Blut abzapft, wenn er einen ſtaͤrkeren Ader-
laß vertraͤgt.
Von den auf Verbrechen geſetzten Strafen be-
merke ich, daß Leute, die mit Vieh Unzucht begehen,
hier nicht zum foͤrmlichen Verhoͤr und gerichtlicher Un-
terſuchung geſtellet, ſondern als ſolche, die unwuͤrdig
ſind, im Gefaͤngniſſe zu ſitzen, vor dem Richter zu er-
ſcheinen, oder von einem Prediger beſucht zu werden,
erſaͤuft werden. Einen Sklaven ſah ich auf dieſe Art
vom Leben zum Tode bringen.
Von einigen andern Hinrichtungen war ich auch
ein Zuſchauer. Unter andern wurde ein Sklave gerichtet,
der ſeinen Herrn ermordet hatte. Man legte ihn auf
ein Kreutz, band ihn feſt, zwickte ihn an den Armen
und Beinen, und zwar an acht verſchiednen Stellen,
mit zackigen gluͤhenden Zangen, ſchlug ihm mit dem
Rade Arme und Beine entzwey, hieb ihm endlich den
Kopf ab, und ſteckte denſelben auf einen Pfahl. Bey
einer Execution iſt allezeit der Juſtiz-Rath, welcher die
Unterſuchung gehabt und das Urtheil gefaͤllet hat, zuge-
gen: er geht in Proceſſion zum Richtplatze, um der
[221]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
Handlung mehr Anſehen zu geben. Das Gehege wird
von Soldaten formirt. Das Hochgericht iſt zwiſchen
der Stadt und der Citadelle, an einem etwas erhabnen
Orte. Wenn Miſſethaͤter auf dieſem, eigentlich inner-
halb der Stadt liegenden, Richtplatze abgethan ſind, wer-
den ſie allezeit gegen Abend aus der Stadt nach einem
außerhalb derſelben befindlichen Galgenplatze gefuͤhrt.
Hier werden ſie entweder aufgehaͤngt, und zwar gemei-
niglich in einem eiſernen Harniſche, darin das Gerippe
ſich lange haͤlt, oder ſie werden auf das Rad geflochten.
Solcher Galgenplaͤtze außerhalb der Stadt ſind zwey:
der eine beym Eingange in den Hafen, unterhalb des Loͤ-
wenſchwanzes (Leeuwen-Staert), an dieſen werden
die Europaͤer gehenkt; der andre iſt außerhalb der Cita-
delle beym Salzfluſſe (Zout-Rivier), und fuͤr die
Sklaven und Hottentotten beſtimmt.
Nicht lange nach meiner Zuruͤckkunft wurden auch
die Hottentotten, welche, wie ich bereits erzaͤhlt habe,
an einigen weit entfernt wohnenden Koloniſten Gewalt-
thaͤtigkeit ausgeuͤbt hatten, und vor einiger Zeit nach
Cap gebracht waren, beſtraft. Einige unter ihnen ka-
men mit Ruthenſtrafe davon; andre wurden gepeitſcht
und zugleich auf dem Ruͤcken gebrandmarkt; einige be-
kamen außer dieſer gedoppelten Strafe auch noch die, daß
ihnen die große Sehne an der Ferſe abgeſchnitten wurde.
Darauf wurden ſie wieder auf freyen Fuß geſtellt, aber
doch andern zur Warnung wieder nach der Gegend ih-
rer Heimath weggefuͤhrt. Man hatte ſich ihrer nicht
ohne Muͤhe und Schwierigkeit bemaͤchtigt, weil ſie ſich
in Kluͤften und Tiefen zwiſchen den Bergen ſo verſchanzt
hatten, daß Kugeln aus Schießgewehr ſie gar nicht tref-
fen konnten. Außerdem hatten ſie ſich mit Steinen ver-
theidigt, die ſie von den Bergen herabwarfen. Die
[222]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Compagnie hatte nicht nur die Bauern gegen ſie aufge-
bothen, ſondern auch einen Corporal mit fuͤnf Mann
aus der Citadelle detaſchirt, um ſie mit Granaten zu
bombardiren. Endlich waren ſie durch den Hottentot-
ten-Hauptmann Kees mit Liſt gefangen genommen.
Jetzt liefen wieder Nachrichten, und zwar aus dem Ro-
ckenlande (Rogge- Veld) ein, daß die Buſch- oder
Waldhottentotten (Boſchmans- Hottentotten) die da
wohnenden Bauern beſtohlen und ermordet haͤtten.
Die Beamten und Bedienten der Compagnie wiſ-
ſen ſich mancherley Sporteln zu machen. Alles, was
durch ihre Haͤnde geht, muß ihnen Geld einbringen.
Nicht ſelten ſind ſie zu ſolchen, obgleich unrechtmaͤßigen,
Mitteln, ihre Einkuͤnfte zu vermehren, gezwungen.
Denn in einem Lande, wo die meiſten Beduͤrfniſſe noch
einmahl ſo theuer, als in Europa, ſind, koͤnnen die
wenigſten von ihrer Beſoldung leben. So zieht der
Gouverneur von jedem Faſſe (Legger) Wein zehn
Reichsthaler. Andre Beamten haben ſogenannte Paß-
gaͤnger von den Soldaten, die keinen Dienſt thun, und
wofuͤr jene die Loͤhnung ſich auszahlen laſſen. Einige
bereichern ſich durch das Wiegen der Waaren, andre
durch verdorbne Waaren. Ein geſtrandetes Schiff fuͤllt
vielen Perſonen den Beutel. Wegen der Habſucht des
Schiffers und des Steuermanns bekommt das Schiffs-
volk ſelten, was ihm gebuͤhrt. Der Soldat muß dem
Officier abgeben. Die Kranken muͤſſen Hunger und
Mangel an Arzney leiden, um Geſunden Unterhalt zu
verſchaffen; und die Todten hinterlaſſen einen Theil ihrer
Verlaſſenſchaft dem, welcher am erſten davon nimmt.
Ein nicht unwichtiger Theil der Einkuͤnfte der Com-
pagnie fließt aus der Verpachtung des Weinverkaufs und
des Schlachtens. Der Weinhandel wird gewoͤhnlich jaͤhr-
[223]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
lich einmahl, und zwar am letzten Auguſt, an den Meiſt-
biethenden oͤffentlich verpachtet. Wer das meiſte biethet,
wird fuͤr das Jahr General-Weinpaͤchter, und bekommt
dadurch das ausſchließende Recht, Wein, nicht nur an
Fremde und an Hollaͤndiſche Schiffs-Officiere, ſondern
auch in Wirthshaͤuſern und Kruͤgen, zu verkaufen. Die
Bauern, welche Weinberge beſitzen, haben zwar die
Erlaubniß, an Capſche Buͤrger zu ihrem Hausbehufe
zu verkaufen. Aber weder jene, noch dieſe, duͤrfen
bey ſehr hoher Geldſtrafe das mindeſte davon an einen
andern verkaufen. Hiedurch wird der Preis des Weins
fuͤr fremde Nationen anſehnlich geſteigert, und in den
Wirthshaͤuſern muß man weit mehr als den doppelten
Preis bezahlen. Der General-Paͤchter hat alſo allein
die Freyheit, den Weinhandel im kleinen zu treiben,
oder ihn gegen eine gewiſſe Abgabe den Wirthen und
Kruͤgern zu uͤberlaſſen. Dieſe Pacht betraͤgt jaͤhrlich
zwiſchen dreyßig und vierzigtauſend Gulden.
Bey der Verpachtung des Schlachtens wird auf
die entgegenſtehende Weiſe verfahren; ſie geſchieht zwar
auch durch oͤffentlichen Aufboth, aber der, welcher den
wenigſten Both hat, bekommt ſie, naͤmlich wer ſich
anheiſchig macht, zur Verſorgung der Hollaͤndiſchen
Schiffe und zu anderm Gebrauche der Compagnie friſch
geſchlachtetes Fleiſch fuͤr den wohlfeilſten Preis zu lie-
fern. Hiedurch waͤchſt der Compagnie freylich keine baare
Geldeinnahme zu; aber ſie bekommt alles Fleiſch, das
ſie gebraucht, viel wohlfeiler, als es ſonſt moͤglich waͤre,
ſo daß ſie alſo doch viel dadurch gewinnt. Dagegen wird
aber auch durch eben dieſe Verpachtung, fuͤr den Buͤr-
ger ſowohl als fuͤr den Fremden, das Fleiſch theurer.
Wenn alſo die Compagnie das Pfund fuͤr zwey Deut
bekommt, ſo muͤſſen die Buͤrger in der Stadt vier Deut
[224]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
und daruͤber, und Fremde zwey Hollaͤndiſche Stuͤber be-
zahlen. Ein Schlachtochſe wird gewoͤhnlich fuͤr fuͤnf
Hollaͤndiſche Reichsthaler verkauft; Schiffe von frem-
den Nationen muͤſſen zehn Reichsthaler und wohl noch
mehr geben. Dieſe Verpachtung geht auf ein, zwey,
drey, fuͤnf oder ſieben Jahre. Zur Weide fuͤr das
Vieh werden gewiſſe dazu beſtimmte Plaͤtze im gruͤnen
Thale (Groene Kloof) eingeraͤumt, wofuͤr aber keine
Abgabe verlangt wird.
Jeder freye Einwohner in der Stadt und auf dem
Lande muß zur Zeit der Noth Kriegsdienſte thun. Da-
her muͤſſen die Soͤhne der Einwohner, wenn ſie das
funfzehnte Jahr erreicht haben, ſich foͤrmlich einſchrei-
ben laſſen, und von dieſer Zeit an ſich alle Jahr zu den
Waffenuͤbungen einfinden. Beym Einſchreiben leiſtet
ein ſolcher zugleich den Eid der Treue. Hat ein Vater
zwey Soͤhne, die dem Exerciren beywohnen, ſo iſt er
ſelbſt frey davon. Dieſe Uebungen in den Waffen, ſo-
wohl zu Pferde, als zu Fuß, werden alle Jahr, von
der Buͤrgerſchaft in der Stadt, und von den Bauern
in der Kolonie, theils zu Stellenboſch, theils zu Zwel-
lendam angeſtellt. Verſaͤumt jemand bey dieſen Exer-
cir-Zuſammenkuͤnften zu erſcheinen, ſo muß er dafuͤr
eine Geldbuße erlegen.
Zum Dienſte der Garniſon in der Citadelle wer-
den Gahrkoͤche oder vielmehr Marketender angenommen,
welche Eſſen kochen und es portionweiſe an die Solda-
ten verkaufen. Jeder Soldat bekommt von der Com-
pagnie woͤchentlich zweymahl drey Pfund Brot. Da-
gegen muß aber auch jeder dem ſogenannten Raport-Gaͤn-
ger monathlich von ſeiner Loͤhnung zwey Stuͤber zu Stie-
feln bezahlen, und außerdem muͤſſen die andern fuͤr die-
ſen letzteren Wache thun.
Die
[225]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
Die hier im Handel und Wandel gangbare Muͤnze
kommt theils aus Europa, welches hier immer das Va-
terland (Vaader-Land) heißt, theils aus Oſtindien.
Diejenigen Muͤnzſorten, welche am haͤufigſten circuli-
ren, ſind Ducatonen, Schillinge und Deute (Duy-
ten). Die Ducatonen, ſowohl alte als neue, gelten,
wie alle andre Muͤnzen, hier mehr als in Europa; ge-
woͤhnlich betraͤgt der Unterſchied 25 Procent, ſo daß ein
Ducaton 12 Schillinge oder 72 Hollaͤndiſche Stuͤber
werth iſt. Schillinge hat man hier ſelten andre, als
die ſogenannten Sechſthalber (Zeſthalf), welche in Hol-
land 5½ Stuͤber gelten. Zweyſtuͤber-Stuͤcke und einzelne
Hollaͤndiſche Stuͤber bekommt man faſt nicht zu ſehen.
Dukaten und goldne Reuter (Goude-Ruyders) ſind
ebenfalls rar. Hollaͤndiſche Gulden hat man gar nicht.
Die Capſchen Gulden ſind nur eine eingebildete Muͤnze,
und werden in Lohn und Beſoldung zu 16 Stuͤber an-
gerechnet. Ein Reichsthaler wird zu 8, und ein Dukat
zu 18 Schillingen gerechnet. Spaniſche Piaſter (Span-
ſche Matten) nimmt man gern in Bezahlung an: man
rechnet ſie zu 9 Hollaͤndiſchen Schillingen. Von ver-
ſchiednen Oſtindiſchen Oertern werden allerley Sorten
Rupien nach dem Cap gebracht. Sie werden fuͤr halbe
Reichsthaler angenommen, und im Handel und Wan-
del ſehr geſucht. Zu Cap ſelbſt iſt nie Muͤnze gepraͤgt,
es wird auch nicht erlaubt.
Von den hieſigen Hoſpital-Einrichtungen habe ich
beylaͤufig ſchon verſchiednes erzaͤhlt. Einiges habe ich
noch nachzuhohlen. Das bisherige Hoſpital war, ſei-
ner Unbequemlichkeit nicht zu gedenken, lange Zeit ſchon
ſehr baufaͤllig geweſen. Die Compagnie hatte deswegen
bereits vor mehreren Jahren beſchloſſen, ein neues und
groͤßeres Lazaretgebaͤude, und zwar auf einer zweckmaͤßi-
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. P
[226]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
geren Stelle, anzulegen. Man hatte auch ſchon aus
Holland Bau-Materialien, geſchickte Arbeiter und vor-
zuͤglich gute Werkzeuge hieher geſchickt. Waͤhrend mei-
ner Anweſenheit zu Cap wurde nun mit dem Bau wirk-
lich angefangen. Der Platz zum neuen Hoſpitale wurde
auf der Oſt-Seite der Stadt, zwiſchen dem Tafelberge und
der Citadelle, gewaͤhlt, wo es eine freye und offene Lage
hat, und Sonne und Wind es gehoͤrig treffen und die
Luft rein halten koͤnnen. Den Grundſtein legte der Gou-
verneur Plettenberg. Die Arbeit ging aber ſehr lang-
ſam von Statten, weil die Eigennuͤtzigkeit der Aufſeher
nicht zuließ, ſie zu foͤrdern; denn ſie verdienten nicht
nur deſto mehr dabey, je laͤnger der Bau dauerte, ſon-
dern ſie nahmen auch der Gelegenheit wahr, zum Bau
eigner Gebaͤude einen Theil der Leute und der Materia-
lien zu gebrauchen.
Ich beſuchte das Hoſpital ungemein ſelten, weil da
nichts fuͤr mich zu lernen war. Eins ſah ich aber doch,
das ich vorher nirgend bemerkt hatte, naͤmlich daß die
Krankenwaͤrter mit Stricken verſehen waren, womit ſie
die Unruhigen unter den Patienten bisweilen zuͤchtigten.
Wahrlich ein herrliches Geneſungsmittel! Die von der
Compagnie beſtellten Wundaͤrzte im Hoſpitale ſowohl als
auf den Schiffen ſind groͤßtentheils untaugliche und un-
wiſſende Leute, und findet man einmahl einen geſchickten
Mann unter ihnen, ſo iſt es gewoͤhnlich ein Auslaͤnder.
Eine Probe von der Behandlungsart der Kranken mag
noch dieſe ſeyn: wenn Brechmittel oder aͤhnliche Medi-
camente verordnet werden, ſo ſchreiben ſie das Recept
manchmahl nur an die Bettſponde; von andern Medica-
menten giebt man den Patienten gemeiniglich ſogleich eine
Doſis, denn ſie liegen fertig in einem Kaſten, den der
Chirurgus bey den Lazaretbeſuchen ſich nachtragen laͤßt.
[227]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
Mit dem Hoſpitale iſt eine Apotheke verbunden.
Außer dieſer aber wurde jetzt von einem Buͤrger zu Cap
noch eine andre Apotheke angelegt. Der Landmann hat
alſo nunmehr beßre Gelegenheit, ſich die noͤthigen Arz-
neyen anzuſchaffen, als bisher, da er in den meiſten
Faͤllen genoͤthigt war, ſie, und zwar ſehr theuer, den
Feldſcheeren abzukaufen.
Die Einwohner der Capſtadt pflegen mit einem oder
anderm von den beym Hoſpitale angeſetzten Wundaͤrzten
in Anſehung der Bedienung und der etwa noͤthigen Arz-
neymittel einen foͤrmlichen jaͤhrlichen Accord zu treffen.
Dies iſt auch fuͤr ſie in der That um ſo viel nothwendi-
ger, da ſie eine Menge Sklaven haben, und hier oft
gefaͤhrliche anſteckende Krankheiten graſſiren. Dieſer
Urſache iſt es aber auch zuzuſchreiben, daß die hieher kom-
menden und ſich hier eine kurze Zeit aufhaltenden Aerzte
und Wundaͤrzte nicht leicht gerufen werden, wenn man
nicht gleichſam glaubt, daß ſie Wunderwerke verrichten
koͤnnen. Meine mediciniſche Praxis war daher in der
Stadt ſehr eingeſchraͤnkt. Ich bemuͤhte mich auch eben
nicht, ſie zu erweitern, um nicht an meinen botaniſchen
Beſchaͤfftigungen gehindert zu werden. Dagegen hatte
ich mehr Gelegenheit, den Landleuten in dieſem Stuͤcke
mit meinen Kenntniſſen zu dienen; und dieſe bedurften
auch nicht nur deſſen mehr, ſondern waren zugleich dank-
barer. Dabey machte ich faſt jedesmahl und durchgaͤngig
die Anmerkung, daß die von mir verordnete Medicin,
ſowohl ſtaͤrkere als gewiſſere Wirkung bey den Sklaven,
als bey den Europaͤern hatte; denn die Koͤrper der er-
ſtern waren theils nicht durch ſchlechte Lebensordnung ſo
ſehr verdorben, theils an den Gebrauch der Arzneymit-
tel noch nicht gewoͤhnt.
P 2
[228]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
In Anſehung der Heirathen findet hier eine beſondre
Einrichtung Statt. Weder Buͤrger noch Landleute duͤr-
fen heirathen, ehe ſie die Einwilligung dazu vom Gou-
verneur erhalten haben. Um dieſen Conſens wird ge-
woͤhnlich des Donnerſtags angehalten; und ſobald er
ausgefertigt iſt, wird dem Freywerber eine ſogenannte
Ordonnance gegeben, welche der Braͤutigam in Gegen-
wart der Braut am Sonnabend beym Juſtiz-Rathe ein-
giebt. Dieſer unterſucht genau, ob die Verlobten zu
nahe mit einander verwandt ſind, oder nicht, und giebt,
wenn ſich das letztere ausweiſet, zu der Heirath ſeine Ge-
nehmigung, und die Erlaubniß, ſich an drey nach ein-
ander folgenden Sonntagen von der Kanzel aufbiethen
zu laſſen. Wenn daher die Landleute heirathen wollen,
muͤſſen ſie zu der Zeit, da ſie ihre jaͤhrliche Reiſe nach
der Stadt machen, um ihre Waaren zu verkaufen, und
ihre Abgaben zu entrichten, zugleich Hochzeit machen
und ſich in der Landkirche, wo ſie eingepfarret ſind,
trauen laſſen. Sollte der Gouverneur auch jemand
die Einwilligung zur Heirath verſagen, ſo kann er doch
den Contrahenten nicht wehren, bey einander zu woh-
nen. Dies geſchieht manchmahl, und alsdann ſind die
Leute gemeiniglich gezwungen, mit der Trauung ſo lange
zu warten, bis ein neuer Gouverneur kommt, der denn
ſeine Einwilligung gern zu geben pflegt. Bisweilen
traͤgt es ſich auch wohl zu, daß die Braut ſich an den
Juſtiz-Rath wendet, und man hat Faͤlle, daß dieſer ſich
veranlaßt geſehen hat, den Ausſpruch fuͤr die foͤrmliche
Vollziehung der Ehe zu thun. Steht aber der Braͤuti-
gam im Dienſte der Compagnie, ſo kann ihm das Un-
gluͤck begegnen, daß ihn der Gouverneur vom Cap weg-
nimmt und nach einem andern Platze in Oſtindien ſchickt.
Die Maͤdchen pflegen ſich hier zu Lande fruͤh zu verhei-
[229]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
rathen, und da die Kolonie ſich bisher anſehnlich ausge-
breitet hat, iſt auch der Anwachs der Volksmenge ſehr
ſtark geweſen.
So weit ins Land hinein auch die Kolonie der Hol-
laͤnder in dieſen Gegenden erſtreckt, und von Euro-
paͤern bewohnt iſt, und obgleich die Hottentotten; ſo
weit Europaͤer wohnen, faſt ganz ausgerottet ſind, ſo
eraͤuget ſich doch bisweilen der Fall, daß Sklaven weg-
laufen, und, beſonders wenn ſie in die Gebirge fluͤch-
ten, nicht wieder zu bekommen ſind. Sehr ſelten hin-
gegen begiebt es ſich, daß ein Soldat oder ein Matroſe
entlaͤuft und tief ins Land die Flucht nimmt, weil ein
ſolcher leicht wieder gefunden wird. Bekommt man ei-
nen entlaufnen Sklaven, der zugleich ein Heide iſt, wie-
der, ſo empfaͤngt er entweder von ſeinem Herrn, oder
von den Polizey-Bedienten des Fiſcals, Schlaͤge. Ent-
weicht aber ein Chriſt aus dem Dienſte der Compagnie,
ſo wird er, wenn man ſeiner habhaft wird, gehenkt.
Jenem rettet der Geldeswerth, welchen er fuͤr ſeinen Herrn
hat, das Leben; dieſen verdammen die Geſetze zum Tode.
Tauſchen aber duͤrfen Soldaten und Matroſen wohl mit
einander, und es traͤgt ſich auch bisweilen wirklich zu,
daß ein Soldat Matroſe und ein Matroſe fuͤr ihn Sol-
dat wird, und umgekehrt.
Jeder Sklave iſt ſchuldig, ſeinem Herrn taͤglich
zwey Schillinge einzubringen. Dies betraͤgt jaͤhrlich
ungefaͤhr achtzig Reichsthaler. Hiedurch macht ein
Sklave ſich nun zwar in kurzer Zeit bezahlt; aber er ver-
dient damit doch nichts ab, ſondern ſeine Sklaverey
dauert ſein ganzes Leben fort.
Man ſieht hier viele Kinder, die Europaͤer mit
ſchwarzen Frauen oder Maͤdchen gezeuget haben. Ge-
ſchwiſter dieſer Art iſt aber doch nicht gleich ſchwaͤrzlich.
[230]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Ich ſah einen Sohn ſolcher Aeltern, der ſchwarz war,
große Augen hatte, und wie die Mutter ausſah; ſein
Bruder war weißlich, hatte nur hie und da ſchwarze
Flecken, und war mehr dem Vater aͤhnlich; ſeine Schwe-
ſter war halb ſchwarz. Ueberhaupt aber pflegen ſolche
Kinder mit ihrem Europaͤiſchen Vater viel Aehnlichkeit
zu haben.
Bey der Taufe ſehen die Geiſtlichen in der Capſchen
Kolonie es als eine Hauptſache an, daß der Vater nicht
nur bekannt, ſondern auch dabey zugegen ſeyn ſoll. Iſt
ein Kind unehelich, und giebt der Vater ſich nicht zu er-
kennen, ſo bleibt es ungetauft. Iſt die Mutter eine
Schwarze, oder eine Hottentottin, der Vater aber ein
Chriſt, und begehrt dieſer, daß es getauft werde, ſo wird
die Taufe zugelaſſen. Uebrigens darf keine Kindtaufe
anders als in der Kirche verrichtet werden. Daher muͤſ-
ſen die entfernt wohnenden Koloniſten ihre Kinder, wenn
ſie ihre jaͤhrliche Reiſe nach der Stadt thun, mitneh-
men, um ſie unterwegs in der Kirche, wo ſie eingepfar-
ret ſind, taufen zu laſſen. Oft werden daher die Kin-
der ein halbes, wohl ein ganzes Jahr alt, ehe ſie die
Taufe bekommen. Obgleich keine Sklaven im Chri-
ſtenthume unterwieſen, auch ihre Kinder nicht getauft
werden, ſo iſt doch die Compagnie gegen diejenigen Kin-
der, welche von Sklavinnen, die unmittelbar im eignen
Dienſte der Compagnie ſtehen, gebohren werden, ſo
chriſtlich geſinnet, daß ſie ſie taufen und in der chriſtli-
chen Religion einigermaßen unterrichten laͤßt. Die Ur-
ſache hievon ſcheint hauptſaͤchlich zu ſeyn, weil die mei-
ſten ſolcher Kinder einen Europaͤiſchen Vater haben.
Die Lutheraner ſind zwar in der Capſtadt ſehr zahl-
reich, haben aber bis jetzt keine eigne Kirche. Der
uͤbertriebne Religionseifer der Reformirten hat dies bis
[231]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
jetzt zu verhindern gewußt *). Sie ſind daher genoͤ-
thigt, zur Haltung ihres Gottesdienſtes ſich eines Haus-
bodens zu bedienen, den ſie zu dieſem Gebrauche eini-
germaßen eingerichtet haben. Da ſie aber auch keinen
Geiſtlichen haben, ſo haben ſie nicht oͤfter Gelegenheit,
oͤffentlichen Gottesdienſt zu halten, als wenn ein Schwe-
diſches Schiff hieher kommt, deſſen Prediger die Hoch-
deutſche Sprache verſteht und reden kann. Alsdann
wird auch Abendmahl gehalten. Auch geht ein Klinge-
beutel um, und was darin geſammelt wird, bekommt
der den Gottesdienſt verrichtende Geiſtliche. Daß
manchmahl viel Zeit verſtreicht, ehe eine ſolche Gelegen-
heit ſich darbiethet, ſieht man leicht ein. Wie wenig
aber jene Intoleranz der Denkungsart und Menſchen-
liebe der hieſigen Geiſtlichkeit zur Ehre gereicht, davon
darf ich wohl nichts ſagen.
Ich komme auf die Schifffahrt und Handlung.
Im Januar und den folgenden Monathen kommen auf
der Capſchen Rhede die meiſten Schiffe, ſowohl aus
Europa als aus Oſtindien an, um ſich hier zu erfriſchen.
Sie waͤhlen dieſen Ort hiezu vor andern deswegen, weil
hier die Luft geſund, und der reichſte Vorrath an Wein
und Eßwaaren aller Art vorhanden iſt. Wenn ein
Schiff ſich auf der Rhede vor Anker gelegt hat, ſo darf
aus der Stadt, in den erſten drey Tagen, bey vierzig
Reichsthaler Strafe, niemand an Bord deſſelben gehen.
Das Cap kann man mit Recht als eine Reiſe-Station fuͤr
die Oſtindien-Fahrer anſehen; denn hier ruhen ſie nach
einer Reiſe von mehreren Monathen aus, nehmen
neuen Reiſe-Proviant mit, und haben, ſie moͤgen nun
hin- oder zuruͤckreiſen, ungefaͤhr den halben Weg zuruͤck-
[232]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
gelegt. Der Aufenthalt kommt ihnen hier aber auch
theuer zu ſtehen. Fremde Schiffe muͤſſen fuͤr den An-
kergrund fuͤnfhundert Gulden bezahlen. Alle Lebensmit-
tel, und was ſie ſonſt noͤthig haben, muͤſſen ſie fuͤr ho-
hen Preis kaufen, wozu beſonders die oben erwaͤhnte
Verpachtung des Weinhandels und des Schlachtens viel
beytraͤgt.
Zu Friedenszeiten gehen die Schiffe von hier nach
Europa gewoͤhnlich einzeln, ſelten fahren mehrere zu-
ſammen; jenes koͤnnen ſie alsdann auch mit Sicherheit
thun. Hingegen zu Kriegszeiten, oder auch, wenn
man dem Frieden nicht trauet, ſegeln mehrere zuſam-
men, ſo daß uͤberall zwey oder drey Flotten abgehen.
Ehe ein Hollaͤndiſches Schiff abſegelt, wird fuͤr einen
jeden, der zum Schiffe gehoͤrt, die Rechnung aufgeſetzt,
und ihm eingehaͤndigt, damit er wiſſe, wie viel von ſei-
nem Solde er zu Gute hat. Dieſe Rechnung kann er
mitnehmen, oder auch, wenn er lieber will, auf dem
Auszahlungs-Comtoire (Soldy-Comtor) ſich bezah-
len laſſen. Bleibt jemand auf der Reiſe zu Cap oder
an einem Orte zuruͤck und doch dabey noch im Dienſte
der Compagnie angeſtellet, ſo kann er ſeine Beſoldung
oder Loͤhnung alle drey oder vier Monathe heben; der
Gulden wird ihm aber alsdann nicht hoͤher als zu funf-
zehn bis ſechzehn Stuͤber angerechnet, da denn der Ver-
luſt fuͤr ihn betraͤchtlich iſt. Will man den Sold ein
ganzes Jahr ſtehen laſſen, ſo bekommt man im Auguſt,
da die Buͤcher abgeſchloſſen werden, ſeine Rechnung, die
man alsdann verkaufen kann, und wofuͤr man baares
Geld, den Gulden zu achtzehn, neunzehn bis zwanzig
Stuͤber, bekommt, folglich wenig oder nichts verliert.
Eine ſolche Rechnung iſt wie ein Wechſel, und in Europa
bekommt man von der Compagnie volle Valuta dafuͤr.
[233]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
Auch kaufen zu Cap die Kaufleute und andre, die Geld
nach Europa zu remittiren haben, dergleichen Rechnun-
gen gern. An dem Gelde, das man baar mit nach Hol-
land zuruͤcknimmt, verliert man 25 Procent, ſo wie
man an demjenigen, welches man aus Holland mit-
bringt, zu Cap 25 Procent gewinnt.
Wenn Matroſen oder Soldaten im Hoſpitale zu
Cap ſterben, werden ihre nachgelaſſenen Habſeligkeiten
verauctionirt. Das daraus geloͤſete Geld wird zu Be-
ſtreitung der Begraͤbnißkoſten angewandt. Gewoͤhnlich
wird die Leiche in ein Laken genaͤhet, und auf dem Lei-
chenwagen weggefahren. Hat aber der Verſtorbne ſo viel
nachgelaſſen, daß die Summe fuͤr die in der Auction ver-
kauften Sachen — es verſteht ſich, nachdem man das Be-
ſte vorher zu ſich genommen hat; wenigſtens geſchieht dies
manchmahl — etwas betraͤgt, ſo beſteht man ihm wohl
einen Sarg, der zehn Reichsthaler koſtet. Bringt die
Auction etwas Anſehnliches ein, ſo wird bey dem Be-
graͤbniſſe mit Wein tractirt. Ueberhaupt iſt man alle-
zeit ſo vorſichtig, es ſo einzurichten, daß den Verwand-
ten und Erben nichts uͤbrig bleibt. Gemeiniglich wird
in einer ſolchen Auction die ganze Kiſte oder Lade des
Verſtorbnen, zwar geoͤffnet, aber nicht allezeit gehoͤrig
durchſucht, in Pauſch und Bogen verkauft.
Zu Cap konnte ich recht ſehen, wie dreiſte Seefah-
rer die Englaͤnder ſind. Sie thun es hierin allen andern
Nationen zuvor. Oft ſah ich ſie auf die Rhede herein
laviren, wenn der ſtarke Suͤd-Oſt-Wind wehete, und
die Hollaͤndiſchen Schiffe entweder draußen in der See
herumſchwaͤrmten, oder bey der Robbeninſel ankerten,
und da liegen blieben, bis ſie guͤnſtigeren Wind beka-
men. Jene ſegeln meiſtentheils nach Einſicht und Er-
fahrung, und haben ſehr gut ſegelnde Schiffe; dieſe
[234]Vierte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
muͤſſen ſich nach den Befehlen der Compagnie richten,
und ihre Schiffe ſind unbehuͤlflich.
Die Hollaͤndiſchen Schiffs-Officiere, ſowohl auf
den von Europa kommenden, als auch beſonders von den
aus Oſtindien zuruͤckgehenden Schiffen, verkaufen hier
allerhand Waaren in Menge. Jene bringen meiſten-
theils Europaͤiſche Weine, Bier, geraͤucherte Schinken,
Kaͤſe, thoͤnerne Tobakspfeifen, Tobak, bisweilen auch
allerley Kramwaaren zum Verkauf. Dieſe haben Kattun,
Chitſe, baumwollne Zeuge, Reiß, Thee und derglei-
chen bey ſich. Wenn ſie dieſe Waaren nicht alle bey
den hieſigen Material-Haͤndlern und Kraͤmern anbringen,
ſo verkaufen ſie den Reſt in oͤffentlicher Auction. Eben
ſo machen es manche Buͤrger: ſie kaufen Waaren im
großen ein, und verhandeln ſie hernach in Auctionen.
Dergleichen Auctionen werden in den Winter- und
Fruͤhlingsmonathen oft angeſtellt, ſogar auch fuͤr Rech-
nung der Compagnie. Die Regierung gebraucht hiebey
die Vorſicht, daß ſie nicht leicht Privat-Auctionen er-
laubt, ehe die Compagnie ihre Waaren abgeſetzt hat.
Unter den fremden Schiffs-Officieren ſind die Engliſchen
und Daͤniſchen diejenigen, welche den meiſten Handel
treiben. Die erſteren verkaufen hauptſaͤchlich eine Men-
ge, ſowohl grober als feiner Eiſenwaaren, beſonders
Meſſer fuͤr die Matroſen, Scheren und dergleichen.
Die letzteren bringen aus Europa Daͤniſches Bier und
Theer, und auf der Ruͤckreiſe von Oſtindien Bengaliſche
Chitſe mit. Die Schwediſchen Schiffs-Officiere han-
deln wenig. Wenn ſie von Oſtindien zuruͤckkommen,
verkaufen ſie bloß einige Doſen Thee, Nankin und Chi-
neſiſche ſeidne Zeuge, welches ſelten eine groͤßre Summe
betraͤgt, als ſie im Wirthshauſe fuͤr einige Tage Logis
und Bekoͤſtigung bezahlen muͤſſen. Die Schwediſchen
[235]Von politiſchen Einrichtungen am Cap.
Waaren, welche hier den meiſten Abgang finden, ſind
ſonſt graues ungeſchornes Tuch fuͤr den gemeinen Mann,
Breter, Planken, Balken, Kupfer, Meſſing, Spa-
den, Hering, beſonders aber Theer, Kohlen und Eiſen,
welche letzteren Waaren hier theuer bezahlt werden. Die
Compagnie bekommt fuͤr hundert Pfund Eiſen acht Reichs-
thaler, ob es gleich kaltbruͤchig und ſchlechter als das
Schwediſche iſt. Fuͤr alle diejenigen Waaren, die von
Privat-Perſonen verkauft werden, muͤſſen dem Fiſcale
fuͤnf Procent entrichtet werden. Das Geld fuͤr die in
Auctionen erſtandnen Waaren wird nicht eher als nach
ſechs Wochen bezahlt. Dieſe haͤufigen Auctionen, wo
alle Arten von Waaren feil ſind, machen die Jahrmaͤrkte
ganz entbehrlich; man weiß auch weder zu Cap noch auf
dem Lande von irgend einem Jahrmarkte. Um ſowohl
auf ſolchen Auctionen das noͤthige zu erhandeln, als
auch alles uͤbrige, was man auf einem Schiffe noͤthig
hat, zur rechten Zeit zu kaufen, muß jede Nation, de-
ren Schiffe hier vor Anker gehen, zu Cap einen Com-
miſſionair haben, der dies beſorgt; dieſer pflegt denn
aber auch fuͤr ſeinen Theil dazu beyzutragen, daß die
Schiffe alles ſehr theuer bezahlen muͤſſen.
Unter allen Auslaͤndern waren jetzt die Franzoſen
die, welche zu Cap am wenigſten in Anſehen ſtanden.
Zum Theil ruͤhrte dies daher, weil ſie meiſtentheils ohne
Geld hieher kamen, und in der Nothwendigkeit waren,
alles auf Credit und Wechſel zu nehmen. Zum Theil
war die Urſache auch, weil die Einwohner befuͤrchteten,
die Franzoſen haͤtten die Abſicht, im Fall der Entſtehung
eines Krieges, ſich des Ortes zu bemaͤchtigen. In Anſe-
hung der Englaͤnder hingegen ſind ſie in dieſer Ruͤckſicht
unbeſorgt. Einen Franzoͤſiſchen Officier, wenn er auch
noch ſo nett gekleidet und geputzt war, und zum Zeichen
[236]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
ſeiner Verdienſte oder doch der Gnade ſeines Koͤnigs den
Ordensſtern auf der Bruſt trug, war daher wenig geach-
tet. Ein Engliſcher Steuermann dagegen, obgleich
mit abgeſchnittnem Haar, ſtand in großer Achtung, weil
er blankes Geld hatte, und ſeine Nation mit Holland allürt
war. Bey dem allen waren es damahls die Franzoſen,
welche die Kolonie am meiſten bereicherten, weil ſie hier
auf Credit kauften, mithin alles viel theurer, als andre
bezahlen mußten und zugleich ſehr viele Waaren, theils
zum Behuf ihrer Schiffe, theils fuͤr die Garniſon auf
Isle de France, brauchten.
Fremde, die ſich zu Cap wohnhaft niederlaſſen,
koͤnnen, wie in Holland, ſich ernaͤhren, womit ſie wollen,
und jedes beliebige Gewerbe treiben; gewoͤhnlich treiben
ſie entweder Handlung oder ein Handwerk, manchmahl
auch beydes zugleich.
Vierter Abſchnitt.
Nachrichten von der Landwirthſchaft
in der Kolonie, den Landesprodukten,
dem Zuſtande und den Sitten der
Landleute, und dergleichen.
Die Einwohner auf dem Lande, zum Theil auch die in
der Stadt, ziehen dieſen Theil von Afrika, welchen ſie
als ihr eigentliches Vaterland anſehen, ob ſie gleich ſonſt
Holland das Vaterland nennen, allen andern Laͤndern
vor, weil es alles, was zum Lebensunterhalte nothwen-
dig erfordert wird, im Ueberfluß hervorbringt. Dieſen
Vorzug raͤumen ſie ihrem Lande ein, und doch erfahren
ſie jeden Tag, daß das ſogenannte Vaterland, Holland,
ſie mit allem andern, was ſie beduͤrfen, verſorgen muß.
[237]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
Selbſt die Pflugſchaar, womit ſie dieſes fruchtbare Land
ihrer Geburt pfluͤgen, muͤſſen ſie dorther haben.
Die vom Hafen und der Stadt nicht weit entfernt
liegenden Hoͤfe haben Weitzenfeld, Weinberge und Gaͤr-
ten in groͤßter Menge; dagegen treiben ſie wenig Vieh-
zucht. Die Weinberge nahe beym Cap, welche den be-
ſten und delicateſten Wein geben, weil die Trauben da
groͤßer und reifer, als in andern Gegenden, werden,
tragen das meiſte ein, und verdraͤngen an verſchied-
nen Orten ſogar den Weitzen, deſſen Bau man mehr
und mehr den weiter weg wohnenden Landeigenthuͤmern
uͤberlaͤßt.
Wenn auf dem Lande ein Hof verkauft wird, ſo
ſchließt man den Kauf in Gulden, deren drey auf einen
Reichsthaler gerechnet werden.
Weitzen iſt das einige Getreide, das hier zu
Lande allgemein gebauet wird, und auch die Muͤhe
des Ackermanns reichlich belohnt. Rocken ſaͤet man
ſelten, es ſey denn ein wenig zum Vergnuͤgen, oder
daß ſolche Bauern es thun, die das Stroh an-
ſtatt des hier durchgaͤngig gewoͤhnlichen Strickgraſes
zum Dachdecken gebrauchen wollen. Den Weitzenacker
laſſen einige Landleute mehrere Jahre brach liegen, damit
er recht gut ausruhen moͤge; ſie koͤnnen dies auch thun,
da ſie des Feldes viel haben. Wenn man entweder Feld,
das nie beſtellt war, ganz friſch aus dem Dreiſche bricht,
oder Acker, der viele Jahre brach gelegen hat, aufreißt,
welches eine ſehr muͤhſame Arbeit iſt, ſo wird ſolches im
Auguſt zum erſten, und nach geendigter Saatzeit im
May zum andernmahl gepfluͤgt. Der hieſige Pflug hat
zwey Raͤder, von denen das eine kleiner als das andre iſt.
Im Anfange des Septembers muͤſſen die Sklaven das
Unkraut auf dem Acker ausjaͤten, ſowohl aus dem Wei-
[238]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
tzen als aus der Gerſte. Dieſe wird gemeiniglich im No-
vember, und jener im December geerntet.
In Anſehung des Weinbaues thun es die beyden
Hoͤfe, welche den Nahmen Groß- und Klein-Conſtantia
fuͤhren, und unterhalb des Tafelberges an der Oſt-Seite
deſſelben liegen, allen uͤbrigen und dem ganzen Lande weit
zuvor. Sie ſind es, wo der unter dem Nahmen des
Conſtantia-Weins oder Cap-Weins bekannte, und in Eu-
ropa ſo vieles Geld koſtende, vortreffliche und ausnehmend
wohlſchmeckende Wein waͤchſt. Dieſer Wein iſt ſehr
ſuͤß, angenehm und lieblich, und kann nur als Nach-
tiſch-Wein gebraucht werden, weil er reichlich getrunken
durch ſeine Suͤßigkeit den Magen beſchwert. Es giebt
bekanntlich zwey Arten Cap-Wein, rothen und weißen.
Von dem rothen werden jaͤhrlich ungefaͤhr ſechzig, und
von dem weißen etwa neunzig Faß (Legger) gewonnen.
Doch iſt dies nicht jedes Jahr gleich, weil der Wein hier
ſo wenig als anderswo alle Jahr gleich gut geraͤth. Je-
ne beyden Hoͤfe ſind indeſſen jetzt nicht mehr die einzigen,
wo dieſer Wein waͤchſt, obgleich ſie lange Zeit die einzigen
waren, die ihrer Lage wegen ihn hervorbringen konnten.
Gegenwaͤrtig giebt es ſchon mehrere Hoͤfe, ſowohl in
der Nachbarſchaft von Conſtantia, als an einigen, wie-
wohl wenigen, andern Stellen, die ihren Wein zu eben
der Guͤte bringen koͤnnen. Da aber die Compagnie den
Verkauf des Conſtantia-Weins ſich ausſchließend vorbehal-
ten hat, und der auf den andern Hoͤfen erzielte Wein,
wenn er fuͤr Conſtantia-Wein gelten ſollte, Contrebande
ſeyn wuͤrde, und unter dieſem Nahmen von Privat-Per-
ſonen weder gekauft, noch in Holland eingebracht werden
darf, ſo hat man den Kunſtgriff erfunden, dieſem Wei-
ne, der dem eigentlichen Conſtantia an Guͤte ganz und
gar nichts nachgiebt, den Nahmen Magenwein zu geben.
[239]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
Unter dieſem Nahmen wird er denn meiſtens an fremde
Schiffs-Officiere, und zwar wohlfeiler als jener, verkauft.
Durch jedes Faß (Legger) Wein, welches fuͤr Rech-
nung der Compagnie aufgekauft wird, vermehrt der Gou-
verneur zu Cap ſeine Einkuͤnfte. Die Compagnie bezahlt
naͤmlich jedes Faß (Legger) gewoͤhnlich mit 40 Reichs-
thalern; auch ſtellt der Landmann, der ihn verkauft, die
Quittung auf 40 Reichsthaler; er bekommt aber nur
27, nachdem man außer den 10, welche der Gouver-
neur in ſeine Taſche ſteckt, noch 3 als einen Zehnten ab-
gezogen hat. Der ordinaire Wein iſt bisweilen ſo wohlfeil,
daß die Einwohner zu Cap den Legger nur mit 10 Reichs-
thalern bezahlen: ich habe dies in den drey Jahren meines
hieſigen Aufenthalts ſelbſt einmahl erlebt. Dies iſt ein ſehr
wohlfeiler Preis, denn ein Legger haͤlt 150 Kannen.
Auf verſchiednen Hoͤfen hatte ich Gelegenheit zu
ſehen, wie der Wein hier zubereitet und behandelt wird,
und die verſchiednen Arten Weine kennen zu lernen, die
das Land in den ſuͤdlichen Gegenden in ſehr großer Men-
ge hervorbringt. Das Preſſen oder Keltern geſchieht
hier im Maͤrz, und zwar in Ermangelung gehoͤriger Werk-
zeuge, Geraͤthſchaften und Anſtalten, auf eine einfache-
re Art, als in Europa. Die Trauben werden durch die
Sklaven gepfluͤckt, eingebracht und in ein großes Kuͤben
geſchuͤttet. Zum Auspreſſen gebraucht man ein Kuͤben,
deſſen Boden und Seiten mit Loͤchern dicht bey einander
ganz durchbohrt ſind. Dieſes Kuͤben wird in ein ande-
res groͤßeres geſetzt, und zwar auf ein Kreutzholz, das
man vorher auf den Boden gelegt hat, damit der noͤthi-
ge Zwiſchenraum bleibe. Dieſes aͤußere Kuͤben hat ei-
nen Zapfen, den man auszieht, da alsdann der ausgepreßte
Saft in ein darunter ſtehendes drittes hoͤlzernes Geſchirr
fließt. In das innerſte Kuͤben werden die Trauben bis
[240]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
ganz oben an den Rand gelegt, daß es ganz voll wird.
Darauf ſteigen drey bis vier Sklaven, nachdem ſie ſich
vorher, beſonders Beine und Fuͤße, in einem dabey ſte-
henden Waſſerkuͤben ſo rein als moͤglich gewaſchen haben,
oben auf die Trauben im Kuͤben, treten auf denſelben ſo
lange herum, bis ſie ganz zerquetſcht ſind und der Saft ſo
rein, als es ſich nur immer thun laͤßt, herausgepreßt iſt,
und halten ſich dabey an einem oben unter der Decke befeſtig-
ten Stricke. Der herauslaufende Saft wird ſogleich ab-
gezapft, und in große hohe Zuber oder Stannen gegoſſen,
worin er gaͤhren muß. Wenn Trauben oder Stiele ſich
vor die Oeffnung des innern Kuͤben ſetzen, und den Saft
am Auslaufen hindern, ſo werden ſie mit einem Stocke
weggeſtoßen, an deſſen Ende eine Art Buͤrſte in die Que-
re angebracht iſt. Iſt man mit dem Auspreſſen fertig,
ſo legt man, ehe das Kuͤben wieder voll geſchuͤttet und
von neuem der Anfang mit Preſſen gemacht wird, die
Haut oder Schlau von den ausgepreßten Trauben nebſt
den Stielen auf eine von duͤnnem Rohr geflochtne Huͤrde,
und reibt beydes auf derſelben mit den Haͤnden ſo lange
hin und her, bis die Haut durchgeht. Die Stiele blei-
ben alsdann auf der Huͤrde zuruͤck, werden abgeloͤſet und
weggeworfen, weil man glaubt, ſie wuͤrden den Wein
barſch und ſtreng machen. Die Haut wird darauf in
die Gaͤhrtonne geworfen, welche am folgenden Morgen
ſchon in vollem Gaͤhren iſt, da denn das Dicke zu Boden
ſinkt, und der Moſt klar wird. Dieſen zapfet man
hernach auf Tonnen, ſo daß man in das Spundloch ei-
nen geflochtnen Korb ſetzt, um den Wein zugleich zu ſei-
gen. Das in der Gaͤhrtonne zuruͤckbleibende Dicke wird
in ein viereckiges hoͤlzernes Gefaͤß, wie ein Kaſten, gelegt,
das an den Seiten und im Boden ganz durchloͤchert,
und in ein anderes aͤhnliches groͤßeres, an der Seite mit
einem
[241]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
einem Zapfen verſehenes, Gefaͤß oder Kaſten auf ein hoͤl-
zernes Kreutz geſetzt iſt. Oben iſt eine hoͤlzerne oder me-
tallne Schraube uͤber einem Brete, welche ſo feſt zuge-
ſchroben wird, bis aller Saft auf den letzten Tropfen
herausgepreßt iſt. Aus der nach dieſem Preſſen uͤbrig-
bleibenden Schale oder dem Hefen deſtillirt man Brannt-
wein. Gaͤſt gebraucht man gar nicht, um den Moſt
in Gaͤhrung zu bringen. Die weißen und gruͤnen Trau-
ben geben weißen, und die rothen rothen Wein. Die
Muſkatellertrauben, ſowohl die rothen als weißen, geben
den Conſtantia, und die blutrothen geben Pontac. Die
verſchiednen Nahmen giebt man den Weinen, je nach-
dem ſie dieſen oder jenen Europaͤiſchen Weinen aͤhnlich ſind,
wenn auch gleich weniger Unterſchied dazwiſchen iſt. Ver-
ſchiedne Weine, beſonders die weißen, werden geſchwefelt,
um zu verhuͤten, daß ſie nicht in weitere Gaͤhrung kommen,
und hernach auf den Faͤſſern, worauf ſie gefaßt werden,
ſauer werden. Das Schwefeln macht man auf folgen-
de Art. Man tunkt Streifen Leinwand in Schwefel,
legt ſie doppelt und befeſtigt ſie ſo an einem eiſernen Ha-
ken, der oben vermittelſt einer Oeſe an einem kegelfoͤrmi-
ge Holze feſt ſitzt. Darauf zuͤndet man die Schwefel-
Leinwand an, laͤßt ſie an dem Haken in das Faß hinab, und
haͤngt den Haken darin an. Die Oeffnung des Faſſes
wird durch das Stuͤck Holz, worin der Haken feſt ge-
macht iſt, und das man mit einem Lappen umwunden
hat, zugeſtopft. Wenn der Schwefel ausgebrannt iſt,
wird dieſes Holz herausgenommen, und die Oeffnung
foͤrmlich mit einem Zapfen zugemacht, damit der Schwe-
feldampf in die Staͤbe des Faſſes eindringen moͤge. Auf
dergleichen geſchwefelte Faͤſſer wird hernach der Wein
gefaßt, und der Schwefel hindert, daß er nicht wieder
in Arbeit oder Gaͤhrung kommen kann.
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. Q
[242]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Die Viehzucht, beſonders das Hornvieh, macht
fuͤr die entfernter wohnenden Koloniſten den groͤßten Theil
ihrer Nahrung aus, und oft iſt ſie das einzige, wovon
ſie leben. Es ſcheint aber doch nicht, als wenn ſie ſo
viel Vortheil davon haben, wie ſie wohl haben koͤnnten,
und als wenn ſie ſich alles gehoͤrig zu Nutze machen. Kaͤ-
ſe zum Exempel machen die Landleute nur ſelten. Wenn
es ja bisweilen geſchieht, ſo thun ſie es faſt nur zum
Spaß, und ihre Kaͤſe ſind alsdann klein, duͤnn und
ſchlecht. Doch mag auch wohl die Milch Schuld
daran ſeyn, die hier mit der fetten Milch, welche die
Kuͤhe in Holland geben, verglichen, ziemlich mager iſt.
Das Vieh, nicht nur die Kuͤhe und Ochſen, ſondern
auch das uͤbrige Vieh, geht das ganze Jahr hindurch auf
der Weide, wird des Abends zu Hauſe getrieben, und
liegt des Nachts in Huͤrden unter freyem Himmel. Das
Gras, welches auf den weitlaͤuftigen Ebenen und Ge-
filden die Nahrung des Viehes iſt, und im Winter
des Regens wegen am ſtaͤrkſten und reichlichſten waͤchſt,
auch am beſten, des Sommers aber der ausdoͤrrenden
Winde und der Hitze halber am ſchlechteſten iſt, gehoͤrt
meiſtens zu den ſchlechteren Gattungen; es iſt ſtreng und
grob. Die Kuͤhe geben daher auch nur wenig Milch
nach dieſem Graſe, und dieſe kann auch eben nicht fett
ſeyn. Dies iſt zugleich die Urſache, warum das Vieh ſich
hier in einigen Jahren allezeit verſchlechtert. Die hieſigen
Kuͤhe und Ochſen ſind zwar von Hollaͤndiſcher Art und
Abkunft, aber doch bereits gar ſehr ausgeartet. Eine
Hollaͤndiſche Kuh, die hieher gebracht, und mit vierzig
bis funfzig Reichsthalern bezahlt wird, giebt mehr Milch
als drey inlaͤndiſche; die von ihr erzielten Kuͤhe werden
ſchon ſchlechter, und im dritten oder vierten Gliede ſind
ſie bereits wie die uͤbrigen, von denen man taͤglich nicht
[243]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
mehr als ein Stuͤbchen Milch bekommt. Die Butter
wird oft von der ſuͤßen Milch, ehe ſie gerinnet und ſauer
wird, gemacht, und wenn ſie friſch iſt, in der Stadt mit
8, 12 bis 16 Stuͤber, geſalzen aber mit 2, 4 bis 6
Stuͤbern das Pfund bezahlt. — Der Schafmiſt wird
gewoͤhnlich zum Duͤngen der Weinberge gebraucht; der
Pferdemiſt aber in die Gaͤrten gebracht. Jener liegt in
den Huͤrden manchmahl eine Elle hoch und noch hoͤher. —
Aus den großen und dicken Schwaͤnzen der Afrikaniſchen
Schafe ſchmelzt man das Fett heraus, und verkauft es.
Ein ſolcher Schwanz wiegt ein ganzes Liespfund und be-
ſteht aus lauter Fett. Das ausgeſchmolzne Talg iſt
nicht nur die groͤßte Delice fuͤr die Hottentotten, ſon-
dern wird auch ſehr haͤufig an die Matroſen verkauft, die
ſich damit verſorgen muͤſſen, weil ſie hier keine Butter
bekommen koͤnnen. Es wird, mit etwas Salz und Pfef-
fer vermiſcht, in Buͤtten und kleinen Faͤſſern verwahrt,
und von den Matroſen auf der See anſtatt Butter auf
dem Brote gegeſſen.
Wilde oder gewoͤhnliche Erdbeeren wachſen am Cap
gar nicht. Man hat aber Garten-Erdbeeren, wozu man
die erſten Pflanzen aus Holland hat kommen laſſen, und
die in den Gaͤrten um die Stadt auf Beeten gezogen wer-
den. Alle drey Jahr pflanzt man ſie um. Sie ſchme-
cken gut, aber nicht ſo ſchoͤn, als die Europaͤiſchen. Sie
werden theuer verkauft und machen ſich gut bezahlt. Blu-
menkohl kommt in den Capſchen Gaͤrten, beſonders auf
der Robbeninſel, wo er haͤufig gezogen wird, vortrefflich
fort, und veredelt ſich ſo, daß er gewiß nirgend in der
ganzen Welt ſeines gleichen hat. Man macht ihn haͤu-
fig mit Eſſig und Spaniſchem Pfeffer (Weißbeere,
Capficum) ein, und iſſet ihn hernach als Salat beym
Braten. — Maulbeerbaͤume ſah ich auf verſchiednen
Q 2
[244]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Hoͤfen in der Nachbarſchaft der Stadt. Sie tragen vor-
treffliche und wohlſchmeckende Fruͤchte, welche aber nach
der Capſtadt nicht haͤufig zu Kauf gebracht werden. —
Deſto mehr nimmt dagegen der Landmann fuͤr Mandeln
ein. Dieſe werden in den waͤrmeren und fruchtbareren
Gegenden in Menge gewonnen. Man verkauft ſie nicht
nach dem Gewichte, ſondern nach Hunderten und Tau-
ſenden. Die nach Batavia gehenden Schiffs-Officiere
kaufen einen großen Theil davon, und verkaufen ſie dort
wieder mit großem Vortheil. — Auch werden hier nicht
nur Weintrauben zu Roſinen, ſondern auch verſchiedne
andre Gattungen Fruͤchte gedoͤrret und an die Seefah-
rer verkauft.
Weitzen bauet man hier mehr, als das Land und
die Stadt gebrauchen. Man hat auch manchmahl La-
dungen davon nach Indien gebracht, wo aus dem Wei-
tzenmehl fuͤr die Vornehmen Brot und Zwieback gebacken
wird. Nach Europa aber Weitzen zu verfuͤhren, dazu
hatte man bisher den Weg fuͤr zu weit, und die Fracht
fuͤr zu koſtbar gehalten. Im vorigen aber ſowohl, als
in dieſem Jahre hat man ganze Quantitaͤten davon nach
Holland geſchickt, wo man mit dem Capſchen Weitzen
ſehr gut zufrieden iſt, weil er an Gewicht viel ſchwerer
iſt, als der Europaͤiſche. Seitdem naͤmlich Pohlen,
das Kornmagazin fuͤr Holland, in den verfloßnen Jah-
ren mit Krieg heimgeſucht und zum Theil verheeret war,
die Zufuhr alſo von da geringer wurde, auch faſt ganz
Europa Miswachs getroffen hatte, beſchloß die Hollaͤn-
diſch-Oſtindiſche Compagnie, einige kleine Fahrzeuge nach
dem Cap zu ſchicken, um Weitzen daher zu hohlen. Im
vorigen Jahre kam ein ſolches Schiff, und dies Jahr
zwey Fregatten. Fuͤr eine Fracht (Vragt) Weitzen
bekommt der Landmann achtzehn Reichsthaler. Eine
[245]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
Fracht haͤlt zehn Mudd (Mudden) oder ungefaͤhr fuͤnf
Tonnen. Auf Franzoͤſiſchen Schiffen wurde im gegen-
waͤrtigen nicht nur, ſondern auch ſchon im verwichnen
Jahre, ebenfalls Weitzen in Menge nach Isle de France
gehohlt. Die hieſigen Landleute duͤrfen aber ihren Wei-
tzen nicht ſelbſt an fremde Kaufleute oder Schiffer verkau-
fen, ſondern dies iſt ein Regale der Compagnie, welche
allein das Recht hat, Weitzen zur Ausfuhr zu verkaufen.
Was ſie alſo davon nicht an die Einwohner der Stadt
abſetzen, muͤſſen ſie der Compagnie uͤberlaſſen.
Unter andern Victualien, welche theils zur Stadt
fuͤr die Einwohner zu Kauf gebracht, theils von den
Schiffs-Officieren zu ihrer Reiſe-Proviſion haͤufig gekauft
werden, bemerkte ich beſonders Straußeneyer. Haupt-
ſaͤchlich ſind es die Sklaven, welche ſie ſammeln und zur
Stadt bringen. Dieſe haben, wenn ſie die Herden in
den Sandebenen huͤten, Gelegenheit, die Stellen zu fin-
den, wohin die Straußen ihre Eyer legen, und ſie weg-
zunehmen. Manchmahl treffen ſie ein ganzes Dutzend, ja
wohl gar ein ganzes Schock ſolcher Eyer, auf einer Stelle
beyſammen an, manchmahl aber auch weniger, zumahl
ſo lange die Zeit des Legens waͤhrt. Beym Wegnehmen
ſind ſie ſo vorſichtig, es nicht mit den Haͤnden zu thun,
weil alsdann die Straußen es durch den Geruch merken,
und den Ort zu verlaſſen pflegen; ſondern hohlen ſie nach
einander, ſo wie der Vogel ſie gelegt hat, mit einer lan-
gen Stange weg. Die Eyer werden das Stuͤck gewoͤhn-
lich mit einem Hollaͤndiſchen Schillingsſtuͤcke, welches
ungefaͤhr fuͤnf Schwediſche Schillinge betraͤgt, bezahlt.
Meiſtentheils werden ſie zu Backwerk und Ruͤhrey ge-
braucht, wozu ſie auch am tauglichſten ſind. Beſonders
ſchmecken ſie auf die letztere Art zubereitet ſehr gut, wenn
viel Butter dazu kommt. Ein einziges Ey iſt fuͤr meh-
[246]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
rere Perſonen hinreichend. Da Huͤhnereyer auf dem
Schiffe ſelten lange ganz bleiben, und es ſo viel Muͤhe
erfordert, ſie taͤglich umzuwenden, ſo zieht man um des-
willen die Straußeneyer ihnen weit vor, weil dieſe ſowohl
ihrer Groͤße als ihrer dicken und ſtarken Schale wegen
ſich leicht aufbewahren laſſen, ohne daß ſie zerbrechen.
Ueberhaupt gilt von dem Verkaufe alles deſſen, was
die Landleute, es ſey im großen oder im kleinen, zur
Stadt bringen, daß ſie es entweder an die Compagnie
oder an Buͤrger verkaufen muͤſſen, aber nicht die Er-
laubniß haben, irgend etwas an Fremde zu verkaufen.
Da weder vor der Stadt noch in der Naͤhe derſel-
ben Waldung iſt, das wenige Buſchwerk ausgenommen,
das oben an den Bergen in den Vertiefungen ſteht, ſo
iſt das Brennholz, obſchon man hier die Zimmer nicht
heitzt, und Feurung nur in der Kuͤche gebraucht, zu
Cap rar und theuer. Das meiſte, oder vielmehr beynahe
alles, Holz, welches man in der Kuͤche brennt, ſind et-
weder Wurzeln von Silberbaͤumen (Protea), die man
ausgraͤbt, oder abgehauene Zweige von kleinem Geſtraͤuche.
Zum Ausgraben und Hauen gebraucht man die Sklaven,
die auch das, was ſie ausgraben und hauen, zu Hauſe
tragen muͤſſen. Sie pflegen die geſammelten Wurzeln
und Zweige in zwey Bunde zu binden, dieſe Bunde an
den beyden Enden einer Stange zu befeſtigen, und ſo auf
der Schulter zu tragen. Zwey ſolche Bunde, welche
zu ſammeln und nach der Stadt zu bringen, ein Tag-
werk ausmacht, werden fuͤr zwey Hollaͤndiſche, oder
zehn Schwediſche Schillinge verkauft. Außer den Wur-
zeln und Zweigen vom Silberbaume, deſſen ich ſchon ge-
dacht habe, beſteht das meiſte dieſes Strauchholzes aus
Zweigen von verſchiednen Arten Haide (Erica) und
Brunie (Brunia). Waͤre die Kaͤlte hier zu Lande ſtreng
[247]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
und das Heitzen der Zimmer nothwendig, ſo wuͤrden die
Einwohner wegen des unglaublichen Holzmangels ſehr
zu bedauern ſeyn. Planken, Bohlen, Breter, Balken,
Latten und andres Bauholz iſt ebenfalls ungemein theuer.
Denn das Land liefert nur wenig dergleichen, und das,
was man hat, kommt aus entfernten Gegenden, und
wird alſo durch den Transport ſehr koſtbar. Das mei-
ſte, welches man gebraucht, wird daher aus Europa
oder Oſtindien gebracht. Gemeiniglich wird es ellen-
weiſe verkauft, und ein Fuß Breter mit zwey Schillin-
gen Hollaͤndiſch bezahlt.
Eben ſo wird es den Landbewohnern ſchwer, ihre
Hoͤfe, Aecker, Weinberge, Gaͤrten und Viehplaͤtze mit
gehoͤrigen Befriedigungen zu verſehen. In einigen Ge-
genden, wo es an anderm Gebuͤſche, das brauchbarer
dazu waͤre, fehlt, nehmen ſie die Afrikaniſche Galenie
(Galenia Africana), die man hier Kraalbuſch (Kraal-
Boſch) nennt, dazu. Nicht weit vom Cap ſind auf ei-
nigen Landguͤtern und Hoͤfen Mauern von den da umher
liegenden Eiſenſteinen (Yzer Klippen) gelegt.
Die nicht weit von der Stadt wohnenden Gutsbe-
ſitzer pflanzen auf ihre Hoͤfe, theils zur Zierde, theils um
des Schattens willen, verſchiedne Europaͤiſche Baͤume,
als Eichen, Kaſtanien, Tannen, Myrten, Citronbaͤume
und Pomeranzenbaͤume, welche zugleich zur Zeit der Bluͤ-
the den angenehmſten Duft um ſich her verbreiten.
An Wildpret hat das Land einen ſolchen Ueberfluß,
daß wenige Laͤnder ihm darin gleich kommen. Demunge-
achtet iſt die Jagd, wenigſtens in den der Stadt benach-
barten Gegenden, in gewiſſen Monathen, naͤmlich vom
May bis Auguſt, foͤrmlich verbothen, und niemand darf
waͤhrend denſelben bey nicht geringer Strafe jagen oder
ein Stuͤck Wild ſchießen.
[248]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Hunde halten die Landleute auf ihren Hoͤfen in gro-
ßer Anzahl. Sie leiſten ihnen auch mancherley weſent-
lichen Nutzen. Sie werden von den Sklaven, welche
die Herden huͤten, als Hirtenhunde gebraucht, halten
die wilden Thiere von den Hoͤfen ab, ſchuͤtzen manchmahl
ihren Herrn vor der Gewaltthaͤtigkeit der Sklaven, und
thun auf der Jagd ſowohl als auf Reiſen wichtige Dienſte.
Die Einwohner in der Stadt pflanzen nicht leicht einen
Baum vor ihre Haͤuſer, ohne einen todten Hund dabey
zu begraben; ſie glauben, und zwar ganz richtig, das
Gedeihen und Wachsthum des Baumes dadurch zu be-
foͤrdern; ſie koͤnnten aber auch andre todte Thiere dazu
nehmen.
Beym Seekuhthale (Zeeko Valley) hat die Com-
pagnie einen Hof, wo Dachſtrickgras (Reſtio tectorum)
in Menge gewonnen wird. Man ſchneidet es zu einer
gewiſſen Zeit mit einer Sichel ab, und bereitet es zum
Dachdecken. So wie die Leute eine Hand voll abgeſchnit-
ten haben, halten ſie es am oberen Ende feſt, und ſchleu-
dern das kurze Gras, welches ſie nicht mit gefaſſet haben,
und das zum Decken nicht taugt, weg. Darauf wird
es in Schwaden gelegt, damit es trocken werde, und
wenn es trocken genug iſt, in Buͤndel zuſammen gebun-
den. Und mit dieſem Strickgraſe deckt man ſowohl auf
dem Lande als in der Stadt uͤberall die Gebaͤude, und
manchmahl macht man auch Huͤtten davon. Ein ſol-
ches Dach kann zwanzig bis dreyßig Jahre liegen, und
wuͤrde noch laͤnger aushalten, wenn nicht der Suͤd-Oſt-
Wind viel Staub und dergleichen hinauf wehete, das ſich
darin feſtſetzt, und hernach, wenn es regnet, die Naͤſſe
in ſich zieht, und dadurch Faͤulniß verurſacht.
So großen Ueberfluß die Leute auf dem Lande an
Eßwaaren haben, ſo groß iſt bey ihnen oft der Mangel
[249]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
an Meublen und Hausgeraͤth. Stuͤhle und Tiſche ma-
chen ſie in vielen Gegenden ſelbſt, und uͤberziehen jene mit
Kalbfellen oder Flechtwerk von ledernen Riemen. Die
Fußboͤden in den Haͤuſern ſind von feſt geſtampfter und
eben gemachter Erde. Um ſie hart und dicht zu ma-
chen, gießt man beym Stampfen entweder Waſſer,
worin Kuhdreck aufgeloͤſet worden, oder Ochſenblut
daruͤber her, wodurch ſie zugleich ein glattes Anſehen be-
kommen.
Das ganze Land wird zwar von einerley Art Kolo-
niſten bewohnt; die Landguͤter und Hoͤfe ſind aber doch
in Anſehung ihres Erwerbes und Beſitzes nicht von einer-
ley Beſchaffenheit. Das in der Naͤhe des Hafens und
der Stadt belegene Land hat man ehemahls den Hotten-
totten gegen Tobak, Branntwein und andre Waaren
abgekauft. Die uͤbrigen weitlaͤuftigen Diſtrikte ſind nach-
her von den Koloniſten allmaͤhlig in Beſitz genommen.
Daher kommt es nun, daß die dem Cap nahe liegenden
Guͤter und Hoͤfe, bis an die Piketberge und etwas wei-
ter, eigenthuͤmliche Beſitzungen ſind, und den Bewoh-
nern erblich zugehoͤren, wovon ſie alſo auch keine eigent-
liche Abgabe bezahlen, und die ſie als Grundherren mit
dem ganzen Eigenthumsrecht veraͤußern koͤnnen. Die
uͤbrigen tiefer im Lande jenſeit der Gebirge belegenen Hoͤfe,
heißen Lehnplaͤtze (Verleenings-Plaats). Dieſe ſind
von den Bauern mit Genehmigung des Gouverneurs ur-
bar gemacht und angebauet, und die Bewohner muͤſſen
von jedem ſolchen Hofe der Compagnie jaͤhrlich eine Ab-
gabe von vier und zwanzig Reichsthalern entrichten. Sie
koͤnnen auch ohne Bewilligung des Gouverneurs nicht
verkauft oder auf andre Art veraͤußert werden. Die Ge-
baͤude gehoͤren den Bewohnern, und dieſe koͤnnen ſie ver-
kaufen; Grundherrſchaft aber iſt die Compagnie.
[250]Vierte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Geſalzenes und Boͤkelfleiſch wird hier zu Lande wenig
gegeſſen, hoͤchſtens einigemahl des Winters. Einige
Landleute ſalzen Rindfleiſch ein, um es in der Stadt zu
verkaufen, wo man es zur Proviſion auf den Schiffen
wieder verkauft. An einigen Orten gebraucht man Ta-
marinden, ihrer Saͤure wegen, ſtatt Eſſigs, beſonders
um Rindfleiſch damit zuzubereiten. Man ſchneidet das-
ſelbe in duͤnne Scheiben, beſtreicht ſie mit dem Safte der
Tamarinden, laͤßt ſie an der Sonne ein wenig trocken
werden, und bratet ſie darauf in einer Pfanne, da denn
das Fleiſch nicht nur wohl muͤrbe wird, ſondern auch ſehr
gut ſchmeckt.
Nicht nur in der Stadt, ſondern im ganzen Lande
herrſcht uͤberall die Sitte, daß man nach Mittage eine
oder zwey Stunden ſchlaͤft, weil die Hitze alsdann ſehr
ſtark iſt.
Bey Tiſche bekommen niemahls die Gaͤſte die Ober-
ſtelle, ſondern der Wirth und die Wirthin nehmen ſie
ſelbſt ein, jeder von ihnen an einer Seite des Tiſches;
umher wird den Fremden ihr Platz angewieſen. Wirth
und Wirthin ſetzen ſich auch zuerſt, und noͤthigen als-
dann die Gaͤſte, ſich ebenfalls zu ſetzen. Sieht der Wirth
einen Fremden kommen, oder erwartet er einen Gaſt,
ſo geht er ihm allezeit entgegen, reicht ihm die Hand,
biethet ihm guten Tag, und fraͤgt nach ſeinem Befinden.
Kommt man zu Pferde oder zu Wagen, ſo wird man
gebethen, abzuſteigen und einzutreten. Iſt man unbe-
kannt, ſo erkundigt der Wirth ſich nach dem Nahmen.
Die Frau ſteht nicht auf, wenn der Fremde in die Stu-
be tritt, ſondern nickt nur mit dem Kopfe, und gruͤßt.
Ein ſonderbares muſikaliſches Inſtrument ſah ich
bey einem Landmanne. Es war aus viereckigen Staͤben
verfertigt, die von verſchiedner Laͤnge waren und auf zwey
[251]Nachricht. v. d. Landwirthſch. in d. Kolonie.
andern Staͤben lagen. Auf jene oberen Staͤbe ſchlaͤgt
man mit zwey hoͤlzernen Hammern, ungefaͤhr wie auf
ein Hackbret, und man erhaͤlt durch die ungleiche Laͤnge
der Staͤbe Mannichfaltigkeit und Verſchiedenheit der
Toͤne.
Von den vielen Gruͤnigkeiten, Obſt und andern
Fruͤchten, die man hier gewoͤhnlich und in Menge iſſet,
bekommen die Europaͤer, wenn ſie hierher kommen, an-
fangs gewoͤhnlich eine Diarrhoͤe, die aber nicht ſo ge-
faͤhrlich iſt, als die, von welcher die Fremden zu Bata-
via gemeiniglich befallen werden.
Fuͤnfter Abſchnitt.
Nachleſe botaniſcher Nachrichten.
Der Sommer in Europa iſt fuͤr jeden, der etwas Ge-
fuͤhl fuͤr Schoͤnheiten der Natur hat, unendlich ange-
nehmer und reitzender, als der Sommer am Cap. Dort
ſieht man belaubte Waͤlder und Haine, grasbedeckte
und blumenreiche Wieſen und Auen, und Felder voll
wallender Saat. Hier vermiſſet man Wieſen und
Auen ganz; auf den Ebenen ſteht das Gras fleckweiſe
und weit von einander, dazwiſchen ſieht man nacktes
Sandfeld; Weitzenfelder erblickt man hier eins und dort
eins; und die Waͤlder ſind ſelten, dabey voll zackiger
Baͤume und entbloͤßt von allem, was das Auge vergnuͤgen
kann. Fuͤr den Botaniker aber hat der hieſige Sommer,
bey allem Mangel an Anmuth, dennoch ſehr viel merk-
wuͤrdiges. Im Vorhergehenden habe ich ſchon manche
Bemerkungen von Gewaͤchſen dieſes Landes einzeln und
gelegentlich eingeſtreuet. Jetzt will ich das uͤbrige nach-
hohlen.
[252]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Der ſtachlige Baͤrenfuß (Arctopus echinatus,
hier zu Lande Krankentroſt, Zieke-Trooſt, genannt) ein
niedriges Dolden tragendes Kraut, ohne Stengel, und
das flach auf der Erde liegt, waͤchſt allenthalben um die
Stadt auf den aus Lehmerde beſtehenden Anhoͤhen un-
terhalb der Berge. Dies Gewaͤchs iſt der harten Spi-
tzen und Zacken wegen, wovon ſowohl die Blaͤtter als auch
die reifen Samenbehaͤltniſſe voll ſind, eine wahre Plage
fuͤr die Sklaven, welche ſtets barfuß gehen, und ſehr
haͤufig Beine und Fuͤße daran verletzen.
Der Oehlbaum (Olea Europaea) waͤchſt uͤberall
auf den die Stadt umgebenden Bergen und Huͤgeln, ſo
wie auch in andern Gegenden. Die Blaͤtter ſind ſchma-
ler, als in Europa, und die Beeren kommen ſelten zur Reife.
Man preßt hier auch kein Oehl daraus, ſondern gebraucht
ſie nur als ein Mittel gegen die Diarrhoͤe. Der Baum
iſt uͤbrigens dem Europaͤiſchen Oehlbaum ſo gleich, daß man
ihn unmoͤglich fuͤr eine beſondre Gattung halten kann.
Auf eben dieſen Bergen und Anhoͤhen waͤchſt auch
die dornblaͤtterichte Cliffortie (Cliffortia ruſcifolia), und
die lanzenfoͤrmige Borbonie (Borbonia lanceolata). Bey-
de haben mit dem Wachholderſtrauche viel Aehnlichkeit.
Auch trifft man da die heiſteriſche Polygala (Polygala
Heiſteria), die ſehr ſcharfe Blaͤtter hat, haͤufig an.
An allen dieſen Straͤuchen ſticht man ſich ſehr leicht,
wenn man dicht vorbey geht. Den Capſchen Spargel
(Aſparagus Capenſis) findet man auch in Menge. Man
zerreißt an ſeinen zuruͤckgebognen Spitzen oder Dornen
die Kleider, und wird im Gehen dadurch ſehr aufgehal-
ten. Die Einwohner nennen ihn deswegen Wacht een
Beetje (Wart ein wenig).
Wilder Knoblauch oder die knoblauchartige Tul-
baghie (Tulbaghia alliacea, wilde Knoflook) waͤchſt
[253]Nachleſe botaniſcher Nachrichten.
nicht nur auf der großen Sandebene am Cap, ſondern
auch in verſchiednen andern Gegenden des Landes. Man
gebraucht ihn gegen die Hektik, entweder in Waſſer oder
in irgend einer Suppe gekocht.
Bey Muyſenburg ſtehen viele Wachsbaͤume oder
Gagel, ſowohl von der eichenblaͤtterichten als von der
herzblaͤtterichten Gattung (Myrica quercifolia und cordi-
folia). Die Beeren dieſes Strauchs ſind ganz rund,
weich und von der Groͤße einer Erbſe. Ihre Farbe iſt
an ſich ſelbſt voͤllig ſchwarz, ſie ſind aber mit einem hell-
grauen oder weißlichen Mehl uͤberzogen. Man ſammelt
ſie, wenn ſie reif ſind, im Maͤrz, kocht ſie in Waſſer,
bis dieſer weißliche Staub ganz geſchmolzen iſt und wie
Fett oben auf dem Waſſer ſchwimmt. Dies Fettartige
ſchaͤumt man hernach ab, und laͤßt es abkuͤhlen und hart
werden, da es denn mit Wachs ſehr viel Aehnlichkeit,
und eine ins Graue fallende gruͤnliche oder vielmehr eine
aſchgraue Farbe bekommt. Die Bauern machen, wenn
ſie eine ziemliche Menge davon haben, Lichte davon; die
Hottentotten aber eſſen es wie Kaͤſe.
Der gemeine Lorbeerbaum (Laurus nobilis) bildet
an verſchiednen Orten ſo dichte Hecken, daß man kaum
hindurchſehen kann. Er beugt ſich auch bey dem ſtaͤrk-
ſten Winde, ohne zu brechen.
Wer in der Kraͤuterkunde ein wenig bewandert iſt,
weiß, wie man dadurch, daß gewiſſe Blumen ſich oͤff-
nen oder verſchließen, oft wie vermittelſt einer Uhr mit
Gewißheit die Tagesſtunden nicht nur, ſondern ſogar
bevorſtehenden Regen oder trocknes Wetter beſtimmen
kann. Gewaͤchſe mit ſolchen Blumen ſind auf den Cap-
ſchen Bergen nicht ſelten. Die wellenfoͤrmige Moraͤe
(Moraea undulata) giebt deutlich zu erkennen, was die
Uhr ſey; denn ſie oͤffnet ſich niemahls eher als um neun
[254]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Uhr des Morgens, und des Abends um vier, und ehe
die Sonne untergeht, zieht ſie ſich wieder zuſammen.
Eine aͤhnliche Eigenſchaft beſitzt die Zimmetixie, hier zu
Lande ſonſt Abendblume, oder Kanehlblume (Avond-
Bloem, Caneel-Bloem) genannt, (Ixia cinnamomea):
ſie oͤffnet ſich jeden Abend um vier Uhr, und riecht die
ganze Nacht hindurch ſehr angenehm. Die zweytheilige
Wunderblume (Mirabilis dichotoma), hier Vieruhr-
blume (Vier Uurs Bloem) genannt, ſchließt ſich alle
Abend um vier Uhr; viele haben ſie auch um ihrer Schoͤn-
heit willen im Garten. — Bevorſtehenden Regen zei-
gen die Blumen verſchiedner Zwiebelgewaͤchſe an, als der
Ixie (Ixia), Moraͤe (Moraea), Schwertlilie (Iris)
und Galaxie (Galaxia). Die zarten Blumen dieſer
Gewaͤchſe oͤffnen ſich des Morgens nicht, wenn man bald
Regen zu erwarten hat; und wenn es des Nachmittags
regnet, ſchließen ſie ſich eine Stunde vorher. Verſchied-
ne dieſer Blumen geben auch, beſonders zur Abend- und
Nachtzeit, einen angenehmen Geruch, der ſchwachem Nel-
kengeruche ſehr aͤhnlich iſt, als die traurige und die ruͤck-
waͤrts gekruͤmmte Siegwurz (Gladiolus triftis, recurvus),
die haarige, und die ſichelfoͤrmige Ixie (Ixia piloſa fal-
cata), wie auch die oben angefuͤhrte Abendblume.
Ein ſonderbares Gewaͤchs lernte ich hier kennen,
welches ſowohl die Landleute, als die Einwohner zu Cap
Erdroſe (Aard-Rooze) nennen. Es iſt die blutrothe
Hyobanche (Hyobanche ſanguinea), hat niedrige, von
Farbe hochrothe Blumen, iſt kaum einen Finger lang
und hat weder Zweige oder Ranken, noch Blaͤtter. Es
waͤchſt im Winter und Fruͤhlinge auf den niedrigen Sand-
ebenen ſowohl um die Stadt als anderwaͤrts nicht weit
von der Kuͤſte, und raget nur mit ſeinen blutrothen Blu-
men uͤber die Erde hervor. Von aͤhnlicher Art iſt die
[255]Nachleſe botaniſcher Nachrichten.
rachenfoͤrmige Meriane (Antholyza ringens), mit ih-
ren weit offenſtehenden Blumen, und die ſich vielfaͤltig
veraͤndernde geſpaltne Siegwurz (Gladiolus plicatus).
Dieſe ſind mit ihren Blumen eine reiche Zierde dieſer
Sandhaiden. Sie ſitzen mit ihren fleiſchartigen Zwie-
beln ſehr tief im Sande, und erheben nicht viel mehr, als
die Hyobanche, ihre Blumen uͤber die Oberflaͤche der
Erde. Von aͤhnlicher Art iſt die Blutblume, ſowohl die
ſcharlachrothe, als die kaſtanienbraune (Haemanthus
coccineus und puniceus), welcher die Einwohner den
ſonderbaren Nahmen Koͤnig von Candia (Koning van Can-
dia) geben. Sie iſt eine der groͤßten und ſchoͤnſten Blu-
men, die am Cap gegen den Winter bluͤhen, und pran-
get mit ihrer blutrothen Farbe aufs herrlichſte. Die Blu-
men ſitzen ganz dicht uͤber der Erde, als wenn ſie aus
ihr unmittelbar hervorgewachſen waͤren, und zur Zeit der
Bluͤthe ſind gar keine Blaͤtter zu ſehen; denn dieſe ſind
vorher ſchon verwelkt und abgefallen. Nach der Bluͤthe
kommt die Frucht hervor, und hernach allererſt die Blaͤt-
ter; dieſer ſind zwey, und ſie liegen dicht und flach auf
dem Boden. Eben dieſe Bewandtniß hat es mit den,
rund umher mit ſchwarzen Haaren bewachſenen, Blaͤttern
der gefranzten Amaryllis (Amaryllis ciliaris), welche
hier ſehr haͤufig waͤchſt, aber aͤußerſt ſelten bluͤhet.
Im Garten der Compagnie zu Cap bluͤhen in den
Wintermonathen drey huͤbſche Arten der Gardenie. Die
blumenprangende (florida) ſcheint aus Indien hieher ge-
bracht zu ſeyn. Wenigſtens habe ich ſie in dieſem Theile
von Afrika auf allen meinen Reiſen nirgend wild wachſen,
ſondern allezeit, ſogar bey den Bauern in den entfernten
Gegenden, in den Gaͤrten gepflanzt geſehen. Sie traͤgt hier
allezeit gefuͤllte Blumen, bringt daher hier aber auch keine
Frucht, wie in China, wo man gelbe Farbe zum Faͤr-
[256]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
ben daraus bereitet. Die Rothmannie (Gardenia
Rothmannia) hat nicht ſo ſchoͤne Blumen als jene, und
ſowohl die Blume als die Frucht bekommt, wenn ſie tro-
cken werden, eine ſchwaͤrzliche Farbe. Die Thunber-
gie (Gardenia Thunbergia) iſt zwar nur ein kleiner,
aber ſeiner Blumen wegen einer der praͤchtigſten Baͤume,
die es nur giebt. Man hat ihn vor einigen Jahren aus
den tiefer im Lande befindlichen Waͤldern, wo er jedoch
nur ſparſam gefunden wird, gehohlt und in den Garten
gepflanzt. Er waͤchſt ſehr langſam, und hat ſo hartes
Holz, daß man es zu Keulen, Kloͤppeln und dergleichen
gebraucht. Wenn er einmahl angefangen hat zu bluͤ-
hen, ſo waͤhrt die Bluͤthe einige Monathe fort, und es
kommen taͤglich neue Blumen hervor, indem die alten
nach und nach verbluͤhen, ſchlaff herabhangen, und
endlich abfallen. Die Blume iſt ſehr lang oder hoch,
weiß, dick und weich, wie das vortrefflichſte Saͤmiſch-
leder anzufuͤhlen. Sie hat auch einen angenehmen Ge-
ruch, und verliert ihre weiße Farbe nicht.
Im Auguſt, wenn der Winterregen die trocknen
Berge am Cap angefeuchtet hat, kommen verſchiedne
ſchoͤne Blumen von Zwiebelgewaͤchſen hervor. Beſon-
ders zeichnen ſich die Ixie und Moraͤe, deren ich bereits
in einer andern Ruͤckſicht erwaͤhnt habe, vor andern aus.
Die ſchuppige Ixie (Ixia bulbocodium) findet man
ſehr haͤufig; es giebt ihrer verſchiedne Variationen, ſo-
wohl in Anſehung ihrer Groͤße, als auch der Farbe der
Blumen. Von der Moraͤe fuͤhre ich hier nur drey Ar-
ten an: die Bergmoraͤe (collina) und die ſcheidenfoͤr-
mige (ſpathacea), deren niederhangende Blaͤtter ſich,
wenn man vorbeygeht, um die Fuͤße ſchlagen, und
manchmahl machen, daß man umfaͤllt; nebſt der wellen-
foͤrmigen (undulata), deren Blume wie eine große
Spinne
[257]Nachleſe botaniſcher Nachrichten.
Spinne ausſieht, und durch ihren uͤbeln Geruch die
Schmeißfliegen an ſich lockt. Die Schwertlilien (Iri-
des), beſonders die ſchmetterlingartige (papilionacea)
uͤbertreffen indeſſen durch ihre reitzend ſchoͤne Blumen,
deren Pracht ſich nicht beſchreiben laͤßt, alle andre hie-
ſige Gewaͤchſe.
Im Auguſt bluͤhen auch die Eichen, deren Blaͤt-
ter kurz vorher ausgeſchlagen ſind; die Aprikoſen, deren
Zweige alsdann aber noch gar kein Blatt haben, ſondern
ganz nackt ſind; die Erlen (Betula alnus), die Man-
delbaͤume und die Pfirſichbaͤume.
Einige in Beziehung auf das Cap auslaͤndiſche
Gewaͤchſe traf ich auch an. Der Gouverneur ließ dies
Jahr im Garten der Compagnie ein beſonderes Treibhaus
fuͤr die Ananas anlegen. Dieſe zu Batavia ſo wohl-
ſchmeckende und reitzende Frucht kommt hier aber weder
zu der Reife noch zu dem Wohlgeſchmack, als in Oſtin-
dien. Eben ſo geht es mit dem Piſang oder der paradi-
ſiſchen Muſe (Muſa paradiſiaca), welche zwar in eini-
gen Gaͤrten gezogen wird, aber ſelten bluͤhet, und deren
Frucht, wenn ſie dergleichen auch traͤgt, niemahls voͤllig
reif und wohlſchmeckend wird. — Die amerikaniſche
Aloe oder vielmehr Agave (Agave Americana), die man
zuerſt aus Europaͤiſchen botaniſchen Gaͤrten hat kommen
laſſen, waͤchſt jetzt ſchon wild unten an den Bergen vor
der Stadt, und bluͤhet alle Jahr, und zwar ſehr ſchoͤn,
ohne hier ſo ſtarken Zulauf von Zuſchauern zu bekommen,
als zu Amſterdam. — Den Campherbaum (Laurus
Camphora) hat man aus Oſtindien hergebracht. Man
pflanzt ihn in Gaͤrten. Er kommt auch recht gut fort;
man hat ihn aber doch noch eben nicht vermehrt, auch
noch nicht angefangen, Campher davon zum Gebrauch
zu nehmen. — Eben ſo bauet man im Garten der
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. R
[258]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
Compagnie die lange Gilbwurz oder Curcume (Curcuma
longa). Die Wurzel ſelbſt gebraucht man gleichwohl
hier wenig, ſo haͤufig man auch in Europa zum Faͤrben,
und in Oſtindien beynahe bey der Zubereitung aller Spei-
ſen, Gebrauch davon macht.
Das ſogenannte Kaffernkorn (Caffers-Koorn),
oder das Kafferſche Pferdgras (Holcus Caffrorum),
haben einige als eine Seltenheit in ihren Gaͤrten. Es
waͤchſt Manns hoch, hat einen großen Straus Blumen,
und giebt viel Korn, erfordert aber auch viel Waͤrme.
In einem Lande, wie dieſes, wo der Zugang zu
einer Apotheke gewoͤhnlich beſchwerlich und koſtbar, wenn
nicht oft unmoͤglich iſt, und die von Europa kommenden
Medicamente auch ſehr theuer ſind, hat die Noth die
Einwohner gelehrt, die Heilkraft der in ihren Gegenden
wachſenden einheimiſchen Gewaͤchſe zu verſuchen, und
ſich ihrer in Krankheiten zu bedienen, welches auch in
verſchiednen Faͤllen von der beſten Wirkung iſt. Es war
mir nicht nur als Arzt, ſondern auch als Botaniker, wich-
tig, mir hievon die moͤglichſte Kenntniß zu verſchaffen,
theils um meine eigne Wiſſenſchaft zu vermehren, theils
um fuͤr das Wohlwollen und die Dienſtfertigkeit, welche
die Koloniſten mir erwieſen, mich thaͤtig dankbar zu be-
zeigen. Denn dieſe Leute konnten mir in ihrer Ein-
falt nur eine geringe Anleitung geben, die in den ihnen
bekannten Faͤllen brauchbaren Gewaͤchſe kennen zu ler-
nen; ich konnte ihnen hernach denn naͤhere Anweiſung zu
ihrem zweckmaͤßigſten Gebrauche geben. Außerdem,
was im Vorhergehenden ſchon beylaͤufig davon vorgekom-
men iſt, bemerke ich hier noch folgendes.
Die adſtringirenden rothen, [f]leiſchartigen Wur-
zeln des auf den Sandebenen am Cap in verſchiednen
Gattungen wachſenden Storchſchnabels (Geranium) ge-
[259]Nachleſe botaniſcher Nachrichten.
brauchen die Landleute gegen die Diarrhoͤe, Dyſenterie
und rothe Ruhr. — Die Wurzel der Afrikaniſchen
Zaunruͤbe (Bryonia Africana) wird nicht nur als ein
Brechmittel, ſondern auch zum Laxiren gebraucht. Den
Urin zu treiben, bedient man ſich der hier ſogenann-
ten Bitterwurzel (Bitter-Wortel), oder der Wurzeln
der Aeſculapia, ſowohl der wellenfoͤrmigen, als der
krauſen (Aſclepias unduluta und criſpa), wie auch des
Krauts vom Wollkopfe (Eriocephalus). — Eben
dieſen Zweck ſucht man auch oft, anſtatt der officinellen
Meerzwiebel (Scilla maritima), durch die Wurzel der
ſcharlachrothen Blutblume (Haemanthus coccineus) zu
erreichen. Dieſe waͤchſt haͤufig an hohen Oertern, und
unten an den Bergen, und hat eben davon hier zu Lan-
de den Nahmen Bergſcilla. Die Wurzel iſt groß,
weiß, ſchleimig, faſerig und etwas ſcharf. In Schei-
ben geſchnitten und in Eſſig gelegt, giebt ſie einen, wie-
wohl etwas ſchwachen, Meerzwiebelſaft (Oxymel ſcilliti-
cum), der gegen die Waſſerſucht und die Engbruͤſtigkeit
gute Dienſte thut. — Von dem baͤrtigen Knoͤtrich oder
Wegtritt (Polygonum barbatum), das in den Graͤben
und an Teichen waͤchſt, und ſcharf iſt, wird bey waͤſſe-
rigem Geſchwulſte (Oedema) in den Fuͤßen Gebrauch
gemacht. — Das Decoct von den Blaͤttern der durch-
ſtochnen Klapperſchote (Crotalaria perfoliata), treibt
den Urin ſtark, und iſt daher gegen die Waſſerſucht
gut. — Der Capſche Pfeffer (Piper Capenſe), wird
ſtatt andern Pfeffers an vielen Orten als ein den Magen
ſtaͤrkendes Mittel gebraucht. — Die Capſche Fagare
(Fagara Capenſis), welche hier wilder Cardamom heißt,
thut manchmahl gute Wirkung bey der aufblaͤhenden Ko-
lik (Colica flatulenta), und bey gichtartiger Glieder-
lahmheit. — Der Saft der eßbaren Zaſerblume (Me-
R 2
[260]Vierte Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
ſembryanthemum edule) vertritt die Stelle ſowohl eines
innerlich als aͤußerlich zu gebrauchenden Arzneymittels:
innerlich gegen die rothe Ruhr und gegen die Schwaͤmme
bey Kindern; aͤußerlich heilt er, wenn man Stellen,
da man ſich verbrannt hat, damit beſtreicht. — Von
dem campherartigen Oſmites (Oſmites camphorina),
das man hier Bellis nennt, wird viel Aufheben gemacht.
Das Kraut hat auch, ſeiner Camphermaterie und ſei-
nes ſtechenden Geruchs und Geſchmacks wegen, woraus
erhellet, daß es ſehr aufloͤſend ſey, viel Brauchbarkeit
in der Medicin. Aeußerlich wird es in einem Beutel
auf entzuͤndete Stellen oder bey der Kolik auf den Un-
terleib gelegt, bisweilen gebraucht. Den davon deſtil-
lirten Spiritus, welcher hier den Nahmen Spiritus Bel-
lidis fuͤhrt, ruͤhmt man als ein vorzuͤgliches Mittel ge-
gen Huſten und Heiſerkeit. Mir kam er gleichwohl in
dieſen Faͤllen als zu hitzig vor. Gegen Schlagfluͤſſe und
Gliederlahmheit aber verordnete ich ihn mit guter Wir-
kung. Das eigentliche campherartige Oſmites, welches
das beſte iſt, fand ich nur auf dem Gipfel des Tafelber-
ges. Da dieſes alſo ſelten iſt, bedienen viele ſich an
ſeiner Stelle des getuͤpfelten Oſmites (Oſmites aſteriſcoi-
des), das nicht ſo ſtark riecht, und auch weniger wirk-
ſam iſt. — Den Durchlauf zu hemmen, gebraucht
man nicht ſelten die herbe und ſtrenge Rinde des groß-
blumigen Silberbaums (Protea grandiflora). — Die
Capſche Adonis (Adonis Capenſis) und die blaſenziehende
Atragene (Atragene veſicatoria), hier Brandblatt genannt,
gebrauchen die Leute ſtatt Spaniſcher Fliegen, auch gegen
Huͤft- oder Lendenweh (Iſchias) und gegen Fluͤſſe; bey-
de wachſen an den Seiten der Berge und an hohen Stel-
len in der Naͤhe des Caps. — Der Aethiopiſche Krull-
farrn oder Frauenhaar (Adianthum Aethiopicum), das
[261]Nachleſe botaniſcher Nachrichten.
an den Seiten des Teufelsberges waͤchſt, iſt als Thee ge-
gen Huſten und Bruſtkrankheiten dienlich. — Die
Blumen des honigtragenden Silberbaums (Protea melli-
fera) enthalten einen ſuͤßen Saft, der verdickt in Bruſt-
krankheiten gute Wirkung thut; man nennt den Baum
hier Tulpenbaum und Zuckerbaum (Tulp-Boom, Suy-
ker-Boom). — Von dem wilden oder niedergebognen
Saͤuerling (Oxalis cernua), der unter allen Arten des
Saͤuerlings hier am haͤufigſten zu finden iſt und auch
am hoͤchſten wird, macht man ein gutes und brauchba-
res Haſenampferſalz (Sal acetoſellae).
Das ſtrauchartige Glasſchmalz (Salicornia fruti-
coſa), welchem man hier auch den Nahmen Seekoralle
(Zee-Koral) giebt, waͤchſt dicht am Strande. Die
Soldaten und andre geringe Leute bereiten ſich, ſeines
ſalzartigen Geſchmacks ungeachtet, mit Oehl und Eſſig
Salat daraus.
Von dem zweyzeiligen Strickgraſe (Reſtio dicho-
tomus) macht man Beſen. Es heißt deswegen auch
Beſenrohr (Beeſem-Riet).
Sechster Abſchnitt.
Noch verſchiednes die Zoologie
betreffend.
Verſchiedne Einwohner, ſowohl in der Stadt als auf
dem Lande, beſitzen Rhinoceroshoͤrner, oder hier ſoge-
nannte Einhornhoͤrner (Eenhoornings-Hoorn), die ſie
ſorgfaͤltig aufbewahren, theils als eine Seltenheit, theils
als ein brauchbares Mittel, ſowohl in gewiſſen Krank-
heiten, als auch Gift in Getraͤnken zu entdecken. Et-
[262]Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
was davon fein geſchabt und eingenommen, glauben ſie,
helfe dies Horn bey Kindern, wenn ſie Kraͤmpfe und
Convulſionen haben. Noch allgemeiner aber iſt der
Wahn, man koͤnne in Bechern, die aus dieſem Horne
verfertigt ſind, wenn man Getraͤnk hineingießt, ſogleich
mit Gewißheit ſehen, ob Gift darin ſey, indem vergifte-
tes Getraͤnk darin alsbald ſo zu gaͤhren anfange, daß es
herausfließe. Von jungen Thieren, die ſich noch nicht
begattet haben, ſollen die Hoͤrner hiezu am beſten und
untruͤglichſten ſeyn. Aus ſolchen Hoͤrnern drechſelt man
Becher, die in Gold oder Silber eingefaßt, und an ge-
kroͤnte Haͤupter und andre vornehme Herren, oder an
Freunde verſchenkt, oder auch ſehr theuer, manchmahl
das Stuͤck fuͤr funfzig Reichsthaler, verkauft werden.
Das Horn ſelbſt hat eine kegelfoͤrmige Geſtalt, iſt unten
dick, oben aber ſtumpf, bey alten Thieren oft einen
Fuß hoch, und ſitzt vorn uͤber der Schnautze. Bey ei-
nigen Rhinoceros, die man deswegen Zweyhoͤrner (Twee-
hoͤrnings-Hoorn) nennt, ſitzt zwey oder drey Zoll von
demſelben noch ein zweytes, aber kuͤrzeres und uͤberhaupt
kleineres Horn. In Anſehung der Farbe haben dieſe
Hoͤrner mit Kuhhoͤrnern die meiſte Aehnlichkeit. Ich
war neugierig zu wiſſen, ob ſie die Kraft, Gift in Gaͤh-
rung zu bringen und dadurch zu entdecken, wirklich be-
ſaͤßen. Ich verſuchte es daher mit vielen ſolchen Hoͤr-
nern, ſowohl unverarbeiteten, als zu Trinkgeſchirren ge-
drechſelten, ſowohl von alten als jungen Thieren. Nie-
mahls aber ſah ich, daß das hineingegoßne Gift in Be-
wegung oder Gaͤhrung kam, ob ich gleich verſchiedne
Arten ſchwaͤcheres und ſtaͤrkeres, dazu nahm. Wenn ich
Solutio Mercurii ſublimati corroſivi, Aqua phagaedenica,
oder dergleichen hinein goß, ſo ſtiegen bloß einige Waſſer-
blaſen in die Hoͤhe, die aus der in den Poren des Horns
[263]Noch verſchiednes die Zoologie betreffend.
eingeſchloßnen und jetzt davon ſich trennenden Luft ent-
ſtanden waren.
In den Gruͤnden und Kluͤften des Tafelberges ſah
ich viele Dachſe und Paviane. Die erſten wurde ich
beſonders oben am Berge gegen den Gipfel zu, gerade
beym Aufgange der Sonne gewahr. Alsdann iſt ihre
allgemeine Gewohnheit hervorzukommen, und ſich zu ſoͤn-
nen. Wenn man ſie ſchießen will, muß man ſich ihnen
behutſam und vorſichtig naͤhern, und mit einer ge-
ſchwind ſchießenden Buͤchſe ſie ſo zu treffen ſuchen, daß ſie
auf der Stelle liegen bleiben. Schießt die Buͤchſe nicht
geſchwind, ſo machen ſie ſich ſchon, waͤhrend das Zuͤnd-
pulver abbrennt, davon; und werden ſie nicht auf der
Stelle ganz todt geſchoſſen, ſo fluͤchten ſie, ſo verwun-
det ſie auch ſeyn moͤgen, in die Hoͤhlen und Kluͤfte, wo
es unmoͤglich iſt, ſie heraus zu hohlen. Das Fleiſch
der Dachſe wird gegeſſen, und ſchmeckt nicht uͤbel.
Die Paviane halten ſich auf dem Tafelberge in
ziemlich großer Menge auf. Den Voruͤbergehenden ſind
ſie gefaͤhrlich. Denn ſie bleiben auf Felſen und Klip-
pen, wohin Hagel aus gezogenen Buͤchſen oft nicht
reicht, unerſchrocken ſtehen, und rollen oder werfen eine
Menge kleiner und großer Steine herab. Eine gute
Buͤchſe iſt in ſolchen Faͤllen aber doch unentbehrlich.
Man kann ſie denn doch damit ſo weit wegjagen, daß
man von ihren Steinen eben nicht viel zu befuͤrchten hat.
Es iſt artig anzuſehen, wenn ſie fliehen. Mit den
Jungen auf dem Ruͤcken thun ſie oft auf ſenkrechte Fel-
ſen hinauf, die unglaublichſten Spruͤnge, und nur ſel-
ten kann man ſie mit einem Schuſſe treffen. Wird
auch einer geſchoſſen, ſo ſtirbt er doch nicht leicht; denn
dieſe Thiere haben ein gar zaͤhes Leben. In der Stadt
halten verſchiedne Leute zahme Paviane, die an einer
[264]Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Kette feſt gebunden ſind. Ihre Geſchwindigkeit und Ge-
lenkigkeit, zu klettern, zu ſpringen und zu entgehen,
uͤbertrifft alle Vorſtellung. Wenn ſie auch gleich ange-
bunden ſind, iſt es dennoch unmoͤglich, in einem Abſtan-
de von einigen Klaftern ſie mit einem Steine zu treffen.
Entweder fangen ſie den Stein wie einen Ball mit den
Vorderfuͤßen, oder pariren mit einer Behendigkeit und
Geſchwindigkeit, die ſich nicht beſchreiben laͤßt, aus. Au-
ßerdem daß die Paviane vom Tafelberge haͤufig herab-
kommen, und die Gaͤrten pluͤndern, leben ſie auch von
den fleiſchigen Zwiebeln verſchiedner Gewaͤchſe, die ſie
aufgraben, ſchaͤlen und freſſen. Man ſieht manchmahl
ganze Haufen ſolcher Schalen, beſonders bey den Stei-
nen, wo ſie ſich lange aufgehalten haben. Hauptſaͤch-
lich iſt es die geſpaltene Siegwurz (Gladiolus plicatus),
die ſie auf dieſe Art zu ihrer Nahrung gebrauchen, daher
auch dies Gewaͤchs ſelbſt hier den Nahmen Pavian be-
kommen hat. Die Wurzeln werden auch von den Ko-
loniſten ſelbſt bisweilen gekocht und gegeſſen.
Des Stachelſchweins (Hyſtrix), hier Eiſenferkel
(Yzer-Vaerken) genannt, glaube ich bereits erwaͤhnt
zu haben. Seine gewoͤhnliche Nahrung iſt die Wurzel
des Aethiopiſchen Schlangenkrauts (Calla Aethiopica).
Es nimmt aber auch mit Kohl und anderm Kuͤchenge-
waͤchs fuͤr lieb, und richtet daher manchmahl in den Gaͤr-
ten großen Schaden an.
Von drey Arten kleiner Thiere, welche hier den
allgemeinen Nahmen Maulwurf (Mol) fuͤhren, lei-
den die Gewaͤchſe in den Gaͤrten ſowohl in als vor der
Stadt auch viel. Die eine Art heißt der weiße Maul-
wurf (Witte Mol) und iſt das Afrikaniſche Murmel-
thier (Marmota Africana). Es hat die Groͤße einer
kleinen Katze, aber einen kurzen Schwanz. Seine
[265]Noch verſchiednes die Zoologie betreffend.
Farbe iſt ganz weiß. Es haͤlt ſich beſonders haͤufig auf
den Sandflaͤchen am Cap auf. Hier graͤbt es große Loͤ-
cher und wirft uͤber denſelben kleine Huͤgel, wie Maul-
wurfshaufen, auf, welche fuͤr den, der an ſolchen Orten
geht, ſehr beſchwerlich ſind, weil man hineintritt und
oft Gefahr laͤuft zu fallen. Es iſt zugleich ein boͤſes
Thier, und beißt um ſich, wenn man es gefangen hat.
Seine Nahrung ſind verſchiedne Wurzeln und Zwie-
beln, dergleichen in den hieſigen Gegenden haͤufig vorhan-
den ſind, beſonders von der Siegwurz (Gladiolus), Ixie
(Ixia), Meriane (Antholyza), und Schwertlilie
(Iris). Pennant beſchreibt daſſelbe unter dem Nahmen
der Afrikaniſchen Ratze (African-Rat). — Die zwey-
te Art jener den Gaͤrten ſo ſchaͤdlichen Thiere iſt der ſo-
genannte Maulwurf mit dem Bleſſen (Bles-Mol),
oder das Capſche Murmelthier (Marmota Capenſis).
Dies iſt kleiner, als das vorhergehende, weiß und braun
gefleckt. — Die dritte Art iſt der ſogenannte gelbgruͤ-
ne oder blinde Maulwurf (Geelgroene oder blinde Mol),
oder der eigentliche Aſiatiſche Maulwurf (Talpa Aſiatica).
Er graͤbt ſeine Gaͤnge in den Gaͤrten unter der Erde,
und verdirbt dadurch die Gartenbeete, auch die aus
Buchsbaum und Myrten beſtehenden Hecken und Ein-
faſſungen. — Die beyden erſten Arten trifft man auch
weiter vom Cap in den Sandſtrecken an *).
[266]Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
Im Winter kommen auf den vielen um das Cap
liegenden Inſeln ungemein viele Robben an, die man
hier uͤberall Seehunde nennt, weil ſie, wenn ſie im
Waſſer ſpringen, einem Hunde nicht unaͤhnlich ſehen.
Sie werfen und ſaͤugen hier waͤhrend dieſer Zeit ihre
Jungen, und werden alsdann auch in Menge gefangen
und todtgeſchlagen, um aus ihrem Fette fuͤr Rechnung
der Compagnie Thran zu kochen. Sonderbar iſts, daß
dieſe Seehunde, welche doch eigentlich Waſſerthiere ſind,
nicht, ſobald ſie zur Welt kommen, von Natur ſchwim-
men koͤnnen. Es geht ihnen, wie gewiſſen Voͤgeln, die
die Mutter fliegen lehren muß. Der Seehund lernt
von ſeiner Mutter ſchwimmen. Sobald das Junge ein
gewiſſes Alter erreicht hat, faßt die Alte es um den
Hals und zieht es mit ſich ins Waſſer, wo es ſo lan-
ge plaͤtſchert, bis es endlich anfaͤngt zu ſinken, da
denn die Mutter ihm wieder aufhilft. Auf dieſe Art
laͤßt ſie das Junge verſchiedne Verſuche machen, bis
es endlich ſchwimmen gelernt hat, und in See gehen
kann.
Des Winters werdenauch, wenn der Nord-
Weſt-Wind nach der Tafelbay zuſtuͤrmt, bisweilen
Nordkaper in dieſelbe hineingetrieben. Als ich zu Cap
war, trug ſich dieſer Fall einmahl zu; das Thier war
aber ſchon todt. Seine Laͤnge betrug uͤber zwey Klafter.
Aus dem uͤber dem Waſſer liegenden Ruͤcken ſchnitt man
große Stuͤcke heraus, um aus dem Specke Thran zu
kochen.
Diejenige Art Landſchildkroͤten, welche den Nah-
men geometriſche Schildkroͤte (Teſtudo geometrica)
fuͤhrt, und ohne Zweifel die ſchoͤnſte unter allen dieſen
Thieren iſt, findet man hier ſehr haͤufig in den Sand-
ſtrecken unter den Buͤſchen. Die Schalen derer, welche
[267]Noch verſchiednes die Zoologie betreffend.
ſehr klein, und eben deswegen ſchoͤner, als die andern
ſind, gebraucht man zu Schnupftobaksdoſen.
Außer dem ſeine Farbe veraͤndernden Chamaͤleon
giebt es hier zwey andre Arten Eidechſen in Menge,
naͤmlich die Dorneidechſe und der Kroͤtenſalamander
(Lacerta Stellio und Orbicularis). Sie ſitzen allenthal-
ben auf den Steinen und ſoͤnnen ſich, laufen aber ge-
ſchwind weg, wenn jemand kommt, und verkriechen ſich
unter die Steine. Beyde Gattungen ſehen ſcheuß-
lich aus.
Unter den mancherley Arten Fiſche, die zu Cap
gegeſſen werden, ſind der Todtenkopf oder Joſeph (Dods-
Kop, Joſef), welches eigentlich der Seehahn (Chimaera
callorynchus) iſt, und der Spiegelroche (Raja mira-
letus). Der Krampffiſch (Raja Torpedo), Hollaͤn-
diſch Trill-Viſch (Bebfiſch), wird zwar manchmahl
auch im Hafen gefangen, aber man iſſet ihn nicht.
Der Capſche Hummer oder Baͤrenkrebs (Cancer
arctos), welchen man hier faͤngt, iſt ſo groß, als der Hum-
mer (Gamarus), der an den Schwediſchen Kuͤſten ge-
fangen wird. Er hat aber keine ſo große Scheren, iſt
auch uͤberall rauh wegen ſeiner hervorſtehenden und ſte-
chenden Spitzen. Er ſchmeckt ſtark und eben nicht
angenehm.
Der Meduſenkopf (Aſterias caput Meduſae),
eins der wunderbarſten und kuͤnſtlichſten Thiere, wird
bisweilen nicht weit vom Cap in der See aufgefiſcht.
Selten findet man dies Seegeſchoͤpf todt an den Strand
geſpuͤlt. Will man es unbeſchaͤdigt und wohlbehalten
nach Europa ſchicken, ſo muß es von Fiſchern, die hoch
in die See fahren, gefangen werden, und zwar mit vie-
ler Behutſamkeit, damit kein Glied abbreche, oder das
Thier ſeine aͤußerſten und feinſten Faͤden nicht einbeuge
[268]Vierte Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
und zuſammenwickle. Wenn es lebt, oder auch erſt neu-
lich geſtorben iſt, ſieht es roͤthlich, oder ſtark fleiſchfarbig
aus; wenn es aber trocken wird, bekommt es eine etwas
graue Farbe. Das Trocknen muß im Schatten, bey
ſchoͤnem Wetter, an einem freyen Orte, wo der Wind
allenthalben wehen kann, geſchehen; denn im Sonnen-
ſcheine ſchmilzt das Thier, und in zu ſtarkem Schatten
kann es leicht faulen. Dies unvergleichliche Thier wird den
Schiffern gewoͤhnlich mit ſechs, oft mit zehn Reichstha-
lern bezahlt. Wenn man es [n]ach Europa ſchicken will,
muß man es in einen mit geka[rt]etſchter Baumwolle gefuͤll-
ten Kaſten legen.
Am Strande unterhalb der Stadt trifft man ver-
ſchiedne Arten Muſcheln, beſonders mehrere große und
ſchoͤne Gattungen der Klippkleber (Patella) an.
Die Pelikane oder Kropfgaͤnſe (Pelicanus onocro-
talus), welche mit ihren großen Kroͤpfen gar ſonderbar aus-
ſehen, ſind an den Kuͤſten nicht ſelten. Sie naͤhren ſich
von Fiſchen und dergleichen am Strande. Man hat ſie
zu Cap auch zahm.
Der Capſche Neuntoͤdter (Lanius collaris), haͤlt
ſich am Cap in Menge auf. Man findet ihn in allen
Gaͤrten, und nennt ihn hier den Fiſkal, auch wohl den
Canarienbeißer (Canarie-Byter). Er iſt weiß und
ſchwarz. Er gehoͤrt, ob er gleich ſehr klein iſt, zu den
Raubvoͤgeln, und lebt von Inſekten, beſonders von
Miſtkaͤfern und Heuſchrecken. Dieſe faͤngt er nicht nur
mit vieler Behendigkeit, ſondern ſteckt ſie auch, wenn er
nicht alle, die er gefangen hat, ſogleich auffreſſen kann,
zum kuͤnftigen Gebrauche auf die Zaͤune, und zwar ſo ge-
ſchickt, daß man glauben ſollte, Menſchenhaͤnde haͤtten ſie da
aufgeſpießt. Er faͤngt auch Canarienvoͤgel und Sperlinge,
verzehrt aber von ihnen nichts weiter, als den Bregen.
[269]Noch verſchiednes die Zoologie betreffend.
Eine ſchoͤne Art Droſſeln, der Ceylonſche Kram-
metsvogel (Turdus Ceilonus), haͤlt ſich ziemlich haͤufig
in den Gaͤrten vor der Stadt auf, und ſingt ſehr ange-
nehm. Seine Farbe iſt gruͤn.
Lachtauben (Columba riſoria) trifft man hier im
Lande uͤberall an, beſonders in ſolchen Gegenden, wo viel
kleines Gebuͤſch iſt. Die Landlente eſſen ſie ſelten; das
Fleiſch ſchmeckt auch, zumahl gebraten, ziemlich trocken.
Es iſt ſonderbar, daß dieſer Vogel ſich niemahls von ei-
ner Stelle nach einer andern begeben kann, ohne hernach
zu lachen. Dies Lachen, ſo wie der gurgelnde Turtel-
taubengeſang dieſer Taube, verraͤth allezeit ihren Auf-
enthalt.
In der Nachbarſchaft einiger Hoͤfe fand ich auch die
gruͤne Bergſchwalbe oder den Immenwolf (Merops apia-
ſter), und zwar nicht ſelten in ſehr großer Menge. Dies
iſt ein unvergleichlich ſchoͤner Vogel: ſeine Farbe iſt gelb
und meergruͤn. Am Tage ſucht er im Felde ſeine Nahrung
von Inſekten; des Abends aber kommt er ſcharenweiſe zu
Hauſe, und zwar mit einem Gezwitſcher, das einem bey-
nahe das Gehoͤr benimmt. Sie verſammeln ſich alsdann
allmaͤhlig mehr und mehr in den Gaͤrten, und ſetzen ſich
endlich, ehe es voͤllig dunkel wird, auf die Zweige der Po-
meranzen und andrer Baͤume, um da zu ſchlafen.
Mitten im Sommer zeigt ſich auf den Sandgefil-
den am Cap, beſonders aber in der Naͤhe großer Hoͤfe,
der Goldfink (Loxia orix) in unzaͤhlbarer Menge. Sei-
ne Federn haben zu dieſer Jahrszeit eine hochrothe Farbe,
und geben dem Vogel ungemeine Schoͤnheit. Gerade
wenn das Korn reif wird, bekommt er dieſen ſeinen Som-
merſchmuck. Seine graubraunen Federn am Halſe und
auf dem Ruͤcken werden alsdann allmaͤhlig ſammetroth,
und nur die Fluͤgel und der Schwanz bleiben unveraͤndert.
[270]Vierte Abtheil. Sechster Abſchn. u. ſ. w.
Dies gilt gleichwohl nur vom Maͤnnchen; denn das Weib-
chen muß dieſer Reitze entbehren, und bleibt das ganze
Jahr hindurch graubraun. — Der Senegalſche Kern-
beißer (Loxia Aſtrild) haͤlt ſich in dieſen Gegenden,
beſonders auf dem Lande in den Gaͤrten ſehr zahlreich
auf. Seines rothen Schnabels wegen giebt man ihm
hier den Nahmen Ro[od]-bekje (Rothſchnabel). Dieſe
Voͤgel fliegen gemeiniglich in großen Haufen, und ſtuͤr-
zen, wenn ſie ſich niederlaſſen, ſo tief ins Gras hinab,
daß man ſie gar nicht ſehen kann, und doch fehlt es
ihrer großen Menge wegen nie, wenn man alsdann
nach ihnen ſchießt, daß man nicht, obgleich ſie zu den
kleinſten Voͤgeln gehoͤren, auf einen Schuß ihrer meh-
rere erlegt.
Unter den Kaͤfern iſt beſonders der Milchtropf,
(Carabus decemguttatus) in dieſem Lande in ſehr großer
Anzahl anzutreffen. Er haͤlt ſich in verſchiednen Gegen-
den auf, und oft findet man ihn dicht am Wege. Er
heißt hier, weil er ſo geſchwind laͤuft, Aard-Looper
(Erdlaͤufer). Dieſer Kaͤfer hat eben die Eigenſchaft,
als der Carabus crepitans, in SchwedenStyckjunkare,
Stuͤckjunker, genannt, naͤmlich, daß er, wenn man ihn
jaͤgt oder faͤngt, aus ſeinem After mit Heftigkeit eine
Feuchtigkeit ausſpritzt, die wie feiner Rauch ausſieht,
ſich weit verbreitet, und wenn ſie jemand in die Augen
kommt, eben ſolche Schmerzen verurſacht, als wenn
man Branntwein hineinſpritzt. Hiedurch macht er ſeine
Verfolger auf einige Augenblicke blind, und bekommt Ge-
legenheit zu entfliehen, weil der Schmerz an zwey Mi-
nuten waͤhrt.
[271]
Siebenter Abſchnitt.
Noch einige Nachrichten von den
Hottentotten.
So weithin ich auch auf meiner Reiſe, ſowohl gegen
Norden als Oſten, in dieſes weitlaͤuftige Land eindrang,
fand ich doch wenig Ueberbleibſel der Hottentottiſchen
Voͤlker, welche, einige zahlreicher, andre weniger zahl-
reich, noch im Anfange des jetzigen Jahrhunderts daſſel-
be bewohnten. So wie die Koloniſten ſich mehr und
mehr ausgebreitet haben, ſind die Hottentotten genoͤthigt
worden, ſich wegzubegeben, und jenen, ſowohl fuͤr ihre
Wohnungen, als fuͤr ihre Herden, Platz zu machen.
Noch mehr aber, als das Vordringen der Europaͤer, ſind
die Pocken, dieſe vorhin ihnen ganz unbekannte Krankheit,
Schuld an ihrer Verminderung, denn es iſt nicht zu be-
ſchreiben, welche Verheerungen dieſe unter ihnen ange-
richtet haben: durch ſie ſind die meiſten von ihnen getoͤd-
tet. Gegenwaͤrtig findet man nur hie und da noch zer-
ſtreut, einige Doͤrfer oder Kraale von ihnen, die gleich-
ſam eben ſo viele kleine buͤrgerliche Geſellſchaften ausma-
chen. In dieſen leben ſie entweder unabhaͤngig und fuͤr
ſich, oder ſo, daß ſie, theils auf den der Compagnie ge-
hoͤrigen Hoͤfen und Plaͤtzen, oder wie man es hier nennt,
Poſten, theils bey den Koloniſten im Dienſte ſtehen.
Oft, beſonders dem Cap naͤher, ſind dieſe Kraale gar nicht
zahlreich bewohnt; weiter ins Land hinein aber trifft man
ſie zum Theil ziemlich groß und volkreich, und die Einwoh-
ner nach ihrer Art in guten Umſtaͤnden, an. Die weni-
gen von den Hottentotten noch vorhandnen Ueberreſte be-
halten zum Theil ihre alten Stammnahmen. Gewoͤhn-
lich aber bezeichnen dieſe Nahmen, die ehemahls jede be-
[272]Vierte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
ſondre Hottentottiſche Voͤlkerſchaft unterſchieden, jetzt das
Land, wo ſie ehedem in großer Anzahl wohnten, und die
großen Fluͤſſe, welche da durchfloſſen, oder die Graͤnze
davon ausmachten. In dem Verhaͤltniſſe, als das
Land mehr oder weniger mit Waſſer verſehen war, wa-
ren auch dieſe verſchiedne Voͤlker mehr oder weniger zahl-
reich und beguͤtert an Viehherden. Die ganze Nation
machte gleichwohl bey dem allen nicht mehr, als einige
tauſend Mann, und jedes ihrer Laͤnder nicht mehr als ei-
ne Provinz aus.
Gunjemans-Hottentotten heißen die, welche dem
Cap am naͤchſten, und zwar am Vorgebirge ſelbſt woh-
nen. Sie erſtrecken ſich nach der falſchen Bay, dem
Hottentottiſch-Hollaͤndiſchen Gebirge, und von da zur
Linken bis gegen Stellenboſch. Das Land, welches ſie
bewohnen, iſt weitlaͤuftig genug, aber voll ſandiger und
unfruchtbarer Ebenen. Die Gunjemans waren die,
welche zu allererſt gegen gewiſſe Waaren der Hollaͤndiſchen
Compagnie ein Stuͤck ihres Landes abtraten. Jetzt ſind
nur noch ſehr wenige, und beynahe kann man ſagen, gar
keine von ihnen uͤbrig.
Die Kokoquas bewohnten das auf der Nord-Sei-
te dem Cap am naͤchſten liegende Land, um das gruͤne
Thal (Groene Kloof). Auf meiner Reiſe, die zuerſt
nach dieſer Seite ging, traf ich noch verſchiedne von die-
ſem Volke an, und bekam auch von einem Poſten oder
Platze der Compagnie ihrer zwey zu meiner Bedienung auf
der Reiſe. Ihr Land iſt, wie das Land der Gunjemans,
niedrig, flach und ſandig, hat großen Mangel an Waſ-
ſer, und iſt vor dieſem eben ſo wenig volkreich geweſen, als
es von den Koloniſten uͤberall hat koͤnnen angebauet wer-
den. Es erſtreckt ſich ganz nach dem Meere hin, und
enthaͤlt nur einige wenige Huͤgel und kleine Berge.
Die
[273]Noch einige Nachrichten v. den Hottentotten.
Die Suſſaquas-Hottentotten, von denen noch ver-
ſchiedne vorhanden ſind, beſuchte ich, als ich meine Reiſe
weiter nach Norden und der Saldanhabay fortſetzte. Da
auch dies Land allenthalben niedrig, ſandig und arm an
Waſſer iſt, hat dieſe Voͤlkerſchaft ebenfalls immer nur
aus einer kleinen Anzahl beſtanden, und ſich von der
Viehzucht genaͤhrt.
Die weiter nach Norden wohnenden und von vor-
mahls zahlreichen Staͤmmen herkommenden Hottentotten,
hatte ich auf dieſer Reiſe keine Gelegenheit zu beſuchen,
indem ſich dieſelbe mehr oſtwaͤrts nach den Gebirgen, und
den jenſeit dieſer liegenden Laͤndern richtete. Von den
Einwohnern der Gegenden aber, wohin ich kam, ließ ich
mir doch von den an ſie graͤnzenden Hottentottiſchen Voͤl-
kern, die ich in Zukunft ſelbſt kennen zu lernen hoffte,
genaue Nachricht mittheilen. Hiedurch erfuhr ich, daß
an der Seeſeite und um die Helenen-Bay die Odiquas,
welche ebenfalls ein flaches, mageres und ſandiges Land
bewohnen, zunaͤchſt an die Suſſaquas ſtoßen. Ihre
Nachbaren hinwiederum ſind die Chirigriquas, ein zahlrei-
cheres und wohlhabenderes Volk, das ein gutes und
grasreiches Land, welches der große Elefantenfluß (Oli-
fants-Rivier) durchwaͤſſert, bewohnt. An dieſe Chi-
rigriquas graͤnzen zwey große und ſehr bekannte Voͤlker-
ſchaften, die kleinen Namaquas, welche der Kuͤſte am
naͤchſten, und die großen Namaquas, die weiter vom
Meere ab wohnen.
Denjenigen Hottentottiſchen Voͤlkern, welche in ehe-
mahligen Zeiten die Einwohner der oͤſtlichen Diſtrikte
oder der Kaffernkuͤſte geweſen ſind, beſuchte ich auf dieſer
Reiſe faſt alle. Wenn man die ſogenannten Hottentot-
tiſch-Hollaͤndiſchen Berge zuruͤckgelegt hat, kommt man
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. S
[274]Vierte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
in ein unebenes, mit Huͤgeln und Bergen angefuͤlltes
Land, das ganz bis nach dem warmen Bade von der
ſogenannten Koopmans-Nation (Kaufmanns-Nation)
bewohnt geweſen iſt, und derſelben gehoͤrt hat. An
dieſe haben nach der Seeſeite hin zunaͤchſt die Sonquas-
Hottentotten gegraͤnzt, die ich auf der Ruͤckreiſe zur
Linken ließ. Das Land dieſer letzteren iſt ziemlich ma-
ger, und die Europaͤer haben nur wenig davon in Beſitz
genommen.
Die Heſſaquas wohnen der Kaufmanns-Nation
am naͤchſten, und von ihnen ſind wenige uͤbrig. Wei-
ter gegen Oſten, um den großen und tiefen Fluß
Ohnende (Zonder-End), faͤngt dasjenige Land an,
welches vor Zeiten die Dunquas-Hottentotten be-
wohnt haben.
Das Gauriquas-Land erſtreckt ſich etwas weiter
nach Nord-Oſt, und iſt von ſehr guter Beſchaffenheit und
reich an Gras. Der große Goldfluß (Groote Gouds-
Rivier), ein anſehnlicher Strom, benetzt es. In vori-
gen Zeiten iſt es ſehr bevoͤlkert geweſen.
Reiſet man noch weiter ins Land laͤngs der Seekuͤſte,
ſo kommt man zu den Houtniquas-Hottentotten. Dieſe
haben ihr gebirgiges und waldiges Land vor den Euro-
paͤern am laͤngſten geſichert. Sie ſind auch von ih-
nen bis jetzt ſo wenig verdraͤngt, daß ich vor meiner
Ankunft beym Camtousfluſſe unter allen von mir be-
ſuchten Hottentottiſchen Voͤlkern keines zahlreicher, als
dieſes fand.
Weiter nordwaͤrts bey dem langen ſchmalen Thale,
durch welches man nach dem eigentlich ſogenannten lan-
gen Thale (Lange Kloof) und dem dahinter liegenden
Lande reiſet, trifft man den Diſtrikt, welcher von den Ata-
[275]Noch einige Nachrichten v. den Hottentotten.
quas-Hottentotten bewohnt wird, und bergig und
grasreich iſt.
Noch weiter nach Oſten, wenn man der Seekuͤſte
nachgeht, kommt man zuerſt zu den Camtours, dar-
auf zu den Heykoms und endlich zu den Kaffern. Alle
von dieſen Voͤlkern bewohnte Laͤnder haben viele Huͤgel
und kleine Berge, und vortreffliche Viehweiden. Die
Ebenen zwiſchen den Bergen ſtehen ganz voll des herr-
lichſten Graſes; ſind auch von vielen, zum Theil be-
traͤchtlichen und fiſchreichen Fluͤſſen durchſchnitten. Und
da dieſe Voͤlker bisher von den Koloniſten noch nicht
weggedraͤngt ſind, ob man gleich in dieſen Gegen-
den bereits einige Viehhoͤfe angelegt hat, ſo ſind ſie
nicht nur zahlreich, ſondern auch wohlhabend und reich
an Vieh.
Die Hottentotten nehmen gern einen Hauptmann
an, den ſie Kapteen (Capitain) nennen, und da die
Hottentotten das Anſehen haben ſollen, mit der Hollaͤn-
diſchen Compagnie im Bunde zu ſtehen, ſo wird ein ſol-
cher Kapteen, den ſie indeſſen ſelbſt waͤhlen, vom Gou-
verneur zu Cap beſtaͤtigt. Ein Hottentotten-Kapteen
dieſer Art kam waͤhrend meines Aufenthalts zu Cap in
Geſellſchaft einiger ſeiner Landsleute dahin, um ſich in
ſeiner Wuͤrde beſtaͤtigen, und nach altem Gebrauche
einige Geſchenke geben zu laſſen. Zum Zeichen ſeiner
Wuͤrde wird einem ſolchen Manne ein mit einem meſ-
ſingnen Knopfe, auf den das Wapen der Compagnie
geſtochen iſt, verſehener Stock uͤberreicht. Wenn die
Hottentotten gegen ihre Feinde zu Felde, oder wenn ſie
gegen Raubthiere auf die Jagd ziehen, iſt er der Anfuͤh-
rer des Haufens, und wirft zugleich den erſten Spieß.
In andern Ruͤckſichten hat er nicht viel mehr, als alle
S 2
[276]Vierte Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
uͤbrige, zu ſagen, traͤgt aber doch gern ein Kalbfell
oder eine Tigerhaut, wenn die andern ſich mit Schaf-
fellen begnuͤgen.
Alle Hottentotten, ſo viele ich deren kennen gelernt
habe, kommen, auch wenn ſie zu noch ſo verſchiednen
Staͤmmen gehoͤren, darin uͤberein, daß ſie, wenige aus-
genommen, klein von Statur, mager und ſchmaͤchtig
ſind, hervorſtehende Backenknochen, eine platte Naſe,
einen ſtark hervorragenden Mund, ein ſpitziges Kinn,
einen ſchwanken Ruͤcken und einen großen Bauch haben.
Die Farbe der Haut iſt von Natur gelblich; durch Fett
und Schmutz aber iſt ſie, bey einigen mehr, bey andern
weniger, dunkel geworden. Das Haar giebt einen ſon-
derbaren Anblick, und iſt kraus wie Wolle; bey den
meiſten iſt es nicht laͤnger, als die Zoͤpfe oder Flocken
auf rauhem wollnem Zeuge, hoͤchſtens einen Zoll oder
einen Finger lang, und es ſieht wie zuſammengedrehetes
wollnes Garn aus. Von einem Barte trifft man ſel-
ten eine Spur an; hat ein Hottentotte einen Bart, ſo
iſt er allezeit kraus. Die Weibsperſonen haben durch-
gaͤngig herabhangende und ſehr lange Bruͤſte. Alle Hot-
tentotten, ohne Ausnahme, lieben Branntwein und
Tobak bis zur Raſerey, und an Geſtank und Unrein-
lichkeit ſcheinen ſie ein beſondres Vergnuͤgen zu finden.
Sie ſchmieren ſich mit Fett, und pudern oder beſtreuen
ſich mit dem ſchon beylaͤufig angefuͤhrten Bucku, oder
Pulver von den Blaͤttern der Dioſma. Ein uͤber die
Schultern, und ein anderes uͤber die Lenden hangendes
Schaffell, nebſt einem Beutel bey den Mannsperſonen,
und einem viereckigen Stuͤcke Leder bey den Weibsleuten,
beydes, um die Schamtheile zu bedecken, macht ihren
ganzen Anzug aus. Uebrigens tragen ſie auf dem Kopfe
[277]Noch einige Nachrichten v. den Hottentotten.
eine lederne Muͤtze, und ſchmuͤcken ſich mit eiſernen oder
kupfernen Ringen um die Arme, mit Schnuͤren glaͤ-
ſerner Korallen um den Leib, und mit ledernen Rin-
gen um die Beine. Die Huͤtten, worin ſie wohnen,
ſind niedrig und klein, und rund, ungefaͤhr wie ein
Heuhaufe. Sie ſitzen allezeit kauernd, (hockend oder
in der Huke), ſind geſchmeidig und leicht, aber faſt
alle ſehr faul. Hausgeraͤth haben ſie faſt gar nicht,
und was ſie haben, iſt hoͤchſt elend. Schildkroͤten-
ſchalen ſind ihre Trinkſchalen. Das Waſſer bewah-
ren ſie in Daͤrmen, und die Milch in Koͤrben und
Schlaͤuchen von Bockshaut auf. Ihre Beduͤrfniſſe
ſind zwar ſehr geringe; aber doch iſt ihre Armuth
uͤberall ſichtbar.
Es iſt etwas ſehr ſeltenes, bey einem Hottentotten
irgend einen beſchaͤdigten Theil des Koͤrpers zu ſehen,
und noch ſeltner trifft man gebrechliche, oder Leute mit
lahmen Gliedern unter ihnen an. Weil ſie nicht nur
ſehr ſparſam und maͤßig leben, ſondern auch alle Spei-
ſen ohne Salz und ohne Gewuͤrz eſſen, ſo ſind ſie ge-
woͤhnlich ſehr wenig Krankheiten, Gebrechen oder Un-
paͤßlichkeiten ausgeſetzt. Bisweilen graſſiren wohl Rheu-
matiſmen und Fieber unter ihnen; dieſe ſind aber nur
Folgen der Veraͤnderung der Witterung, beynahe der
einzigen Urſache, woraus Krankheiten bey ihnen entſte-
hen. Und doch ſind jene Krankheiten bey den in ihrer
Freyheit lebenden Hottentotten viel ſeltener, als bey
denen, welche ſich bey den Hollaͤndiſchen Koloniſten in
Dienſt begeben haben.
Von den Negern merke ich hier gelegentlich noch
an, daß, wenn ſie an irgend einer Stelle des Koͤrpers
eine Wunde bekommen, und dieſelbe geheilt wird, die
[278]Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
Narben anfangs zwar weiß, hernach aber doch allmaͤh-
lig ſchwarz werden.
Achter Abſchnitt.
Einige einzelne Begebenheiten und
Vorfaͤlle zu Cap waͤhrend meines bis-
herigen Aufenthalts daſelbſt.
Unter dem, was ſich waͤhrend dieſer Zeit zu Cap zu-
trug, war das erfreulichſte fuͤr mich die Ankunft der
Schwediſchen Schiffe. Dieſe brachten nicht nur ver-
ſchiedne meiner vaterlaͤndiſchen Freunde, und eine Men-
ge Briefe an mich aus Schweden, ſondern auch die frohe
Nachricht von der im vorigen Jahre in dieſem Reiche
durch Guſtav den dritten auf eine ſo merkwuͤrdige, und,
faſt kann man ſagen, einzige Art, und zu ſo un-
beſchreiblichem Vortheile fuͤr die Ruhe und Wohlfahrt
meines Vaterlandes, ins Werk geſetzte Staatsveraͤnde-
rung, an. Die Empfindung meiner Freude hieruͤber
vermag ich nicht zu beſchreiben.
Sehr groß war aber dagegen meine Betruͤbniß,
als auf einem der neuankommenden Hollaͤndiſchen
Schiffe, anſtatt des neu ernannten hieſigen Gouver-
neurs Rheede van Ouds-Horn, ſein waͤhrend der Reiſe
erblaßter Leichnam hieher gebracht wurde. Durch den
Tod dieſes Herrn, deſſen Gewogenheit ich mir zu Am-
ſterdam erworben hatte, verlohr ich in Anſehung der mir
von ihm verſprochnen Unterſtuͤtzung auf meinen Afrikani-
ſchen Reiſen ſehr viel. Die Ankunft der Leiche war mit
vielen Feyerlichkeiten verbunden. Das Admirals-Schiff
hatte die Flagge nur bis zur Haͤlfte der Stange aufgezo-
[279]Begebenheiten und Vorfaͤlle zu Cap.
gen, zum Zeichen daß es den Gouverneur verlohren habe.
Die Leiche ſelbſt wurde mit aller Pracht, die bey dem
Begraͤbniſſe eines Gouverneurs gebraͤuchlich iſt, ans
Land gebracht. Mit allen Glocken wurde gelaͤutet, und
die auf der Rhede liegenden Schiffe feuerten alle Minu-
ten, wodurch die Feyerlichkeit viel Anſehen und Groͤße
erhielt. Vor der Leiche wurden zwey Handpferde gefuͤhrt,
darauf das Wapen und der Scepter des Verſtorbnen
getragen; dieſen folgten Trompeter, Trommelſchlaͤger,
Soldaten und Buͤrger zu Pferde, unter Anfuͤhrung ih-
res Majors.
Einmahl trug ſich waͤhrend meines Aufenthalts am
Cap ein Ungluͤck zu, das ſich hier haͤufig zu eraͤugen
pflegt. Ein Jaͤger, der den Commandanten der Gar-
niſon, Major von Prehm, auf einer kurzen Reiſe be-
gleitet hatte, verlohr durch einen ungluͤcklichen Schuß,
wobey der Lauf der Buͤchſe zerſprengt ward, eine Hand.
Er hatte nach einem Streithahn geſchoſſen, und ver-
muthlich zu ſtark geladen. Man findet hier viel Leute,
die auf aͤhnliche Art eine Hand verlohren haben. Der
vorige Gouverneur Tulbagh, ein Mann, der ſich von
der Muskete zu dieſem erhabnen Poſten durch jede Stufe
des Dienſtes hinaufgehoben hatte, war durch einen un-
gluͤcklichen Schuß, wobey das Gewehr geſprungen war,
um eines ſeiner Augen gekommen. Eben dies Ungluͤck
haͤtte mich ſelbſt beynahe betroffen. Ich war ausgegan-
gen, um am Strande nahe bey der Stadt einige Peli-
kane, dergleichen des Abends haufenweiſe da vorbey flie-
gen, zu ſchießen. Der ganze Schafft der Flinte zer-
ſplitterte ſich waͤhrend des Abſchießens, und, da ver-
ſchiedne kleine Stuͤcke mir ins Geſicht und gegen die Haͤn-
de flogen, wurde ich recht empfindlich dadurch verwun-
[280]Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
det. Um mich vor einem ſolchen unangenehmen Vor-
falle in Zukunft ſicher zu ſtellen, ſchenkte mir der be-
kannte Capitain Eckeberg, deſſen Sparrmann in ſeiner
Reiſebeſchreibung ſo ruͤhmlich erwaͤhnt, und der dies Jahr
eins der Schwediſchen Schiffe hieher gefuͤhrt hatte, eine
zuverlaͤſſige Schwediſche Buͤchſe, die ſeit dieſer Zeit, ſo-
wohl in Afrika als auf Java meine treue und ſtete Ge-
faͤhrtin war, und mir unbeſchreibliche Dienſte leiſtete.
Die Urſache, warum ſolche Ungluͤcksfaͤlle hier mehr, als
anderswo ſich zutragen, iſt die, weil man hier nicht ſehr
viele vorzuͤglich gute und ſichere Flinten und Jagdbuͤchſen
hat, und die, welche dergleichen beſitzen, ſie faſt nie
zu verkaufen pflegen.
Jetzt komme ich zu der Beſchreibung eines viel ſchreck-
lichern Ungluͤcks, und zwar von ganz andrer Art, wo-
bey ich aber auch die meinem Herzen ſo angenehme Ge-
legenheit haben werde, einer die groͤßte Bewunderung
verdienenden Handlung der Edelmuͤthigkeit und Men-
ſchenliebe zu erwaͤhnen. Am erſten Junius, es war
der Montag nach Pfingſten, machte ſich ein ſehr ſtarker
Nord-Weſt-Wind auf, den heftige Orkane und ge-
waltiger Regen begleiteten. In der folgenden Nacht
verlohr eins von den vieren noch auf der Rhede liegen-
den, der Compagnie gehoͤrigen Schiffen, Jonge Tho-
mas genannt, nach und nach alle ſeine Anker, und
wurde darauf in der Gegend des Salzfluſſes (Zout-
Rivier) gegen den Strand auf den Sand getrieben.
Der Stoß war ſo heftig, daß es ſeiner ſchweren Ladung
wegen in der Mitte in zwey Stuͤcke zerbrach. Zugleich
ſtieg das Meer auf dieſer Seite ſo hoch, daß die Wel-
len in einer unglaublichen Hoͤhe uͤber den Strand gingen,
und der Salzfluß ſo anſchwoll, daß man ihn kaum paſ-
[281]Begebenheiten und Vorfaͤlle zu Cap.
ſiren konnte. Von der Mitte des Mays bis in die Mitte
des Auguſts iſt es den Schiffen der Oſtindiſchen Com-
pagnie zwar ganz unterſagt, hier auf der Rhede zu lie-
gen. Bisweilen traͤgt es ſich aber doch zu, daß der
Gouverneur es erlaubt, damit ſie der Unbequemlichkeiten
uͤberhoben ſeyn moͤgen, welche damit verbunden ſind,
wenn ſie in der Bay Falſo ſich verproviantiren und laden
muͤſſen; und dies war jetzt der Fall. Die Compagnie
litt durch jenen Ungluͤcksfall einen ſehr betraͤchtlichen Ver-
luſt an Waaren. Der Verluſt des Schiffes ſelbſt war
nicht weniger bedeutend. Noch weit mehr aber, als
dieſer zwiefache Schaden, war der klaͤgliche Tod einer
großen Menge Leute von der Schiffsbeſatzung zu be-
dauern, welche ganz nahe am Lande auf eine jaͤmmer-
liche Art ums Leben kamen. Nur drey und ſechszig
Mann wurden gerettet; der Ertrunknen waren hundert
und neun und vierzig. An dem Tode dieſer Ungluͤcklichen
war bloß der Mangel gehoͤriger Anſtalten ſchuld. Freylich
wurden Anſtalten zum Retten genug und zur rechten Zeit
gemacht, aber, wer ſollte es glauben? nur zum Retten
derjenigen der Compagnie gehoͤrigen Waaren, welche
man von dem Wrake des verungluͤckten Schiffs bergen
und ans Land moͤchte bringen koͤnnen. Kaum war es
geſtrandet, (es war gerade beym Anbruch des Tages,
als das Ungluͤck ſich eraͤugete), ſo nahm man ſchon die
vortrefflichſten Maaßregeln und traf alle erſinnliche Ver-
fuͤgungen, von den Waaren ſo viel als moͤglich zu ber-
gen. Aber auch einen einzigen Menſchen vom Schiffs-
volke zu retten, dazu ſah ich auch nicht die geringſte An-
ſtalt vorkehren. Sobald als moͤglich wurden aus der
Citadelle dreyßig Soldaten mit einem jungen Lieutenant
nach dem Platze commandirt, wo das Schiff geſtrandet
[282]Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
war. Dieſe mußten genau Achtung geben und verhin-
dern, daß von dem, was der Compagnie gehoͤrte, nichts
geſtohlen wuͤrde. Zugleich wurde in eben dem Augen-
blicke ein Galgen errichtet, mit einer Inſchrift, welche
enthielt, daß jeder, der ſich unterſtehen wuͤrde, ſich
dem Orte zu naͤhern, ohne Unterſuchung und Urtheils-
ſpruch ſogleich daran gehaͤngt werden ſolle. Dies Ver-
both und der Galgen machten, daß diejenigen Einwoh-
ner der Stadt, die aus Mitleiden ſich zu Pferde aufge-
macht hatten, um den Ungluͤcklichen, wenn es moͤglich
waͤre, Rettung zu verſchaffen, ſich genoͤthiget ſahen,
wieder umzukehren, ohne das mindeſte zu ihrem Bey-
ſtande verſuchen zu koͤnnen. Dieſen Menſchenfreunden
blieb daher, ſo wie auch mir, nichts anders uͤbrig, als
von der Unvernunft und Raſerey, ich will nicht ſagen,
dem hoͤchſt liebloſen und grauſamen Betragen, derjeni-
gen Augenzeugen zu ſeyn, die auch nicht im allergering-
ſten darauf bedacht waren, den auf dem Wrake Todes-
angſt ausſtehenden, und von Hunger, Durſt und Kaͤlte
entkraͤfteten, wirklich ſchon halb todten Leuten, Bey-
ſtand und Huͤlfe widerfahren zu laſſen. — Das Be-
dauernswuͤrdige dieſes Ungluͤcks wurde noch durch einen
beſondern Umſtand in hohem Grade vermehrt. Unter
den wenigen, die ſo gluͤcklich waren, durch Schwim-
men ihr Leben retten zu koͤnnen, befand ſich auch der
Conſtabel, ein Mann, den ich kannte, und den ich
auch hernach in der Stadt manchmahl noch getroffen
habe. Er hatte ſich, um deſto leichter ſchwimmen zu
koͤnnen, nackt ausgezogen, und kam auch lebendig ans
Land: ein Gluͤck, deſſen nicht alle, die ſchwammen,
wenn ſie dieſe Kunſt auch noch ſo gut verſtanden, ſich zu
erfreuen hatten; weil ſie entweder gegen Klippen gewor-
[283]Begebenheiten und Vorfaͤlle zu Cap.
fen und jaͤmmerlich zerſchmettert, oder von der Gewalt
der Wellen wieder in die See zuruͤckgeſchlagen wurden.
Als er ans Land ſtieg, fand er ſchon ſeine Lade da ſtehen.
Jedoch wie erſtaunte er, als er ſie aufmachen und ſeinen
Oberrock herausnehmen wollte, aber vom commandi-
renden Lieutenant zuruͤckgewieſen wurde? Doch hiebey
blieb es nicht. Er bath nicht nur den Officier ſehr hoͤf-
lich und beſcheiden, daß er ihm doch erlauben moͤchte,
die noͤthigen Kleidungsſtuͤcke herauszunehmen, um ſeinen
nackten und ganz erfrornen Koͤrper zu bedecken, ſondern
konnte auch mit dem zu der Lade gehoͤrigen Schluͤſſel, den
er auf Seemannsart an ſeinem Guͤrtel feſtgebunden bey
ſich trug, imgleichen mit ſeinem in das Schloß einge-
zeichneten Nahmen beweiſen, daß es wirklich ſeine Lade
ſey. Allein, anſtatt wenigſtens mit ihm Mitleid zu
empfinden, pruͤgelte ihm dieſer tapfre Held den nackten
Ruͤcken und trieb ihn mit Gewalt weg. Als er darauf
in Kaͤlte und Wind, nackt und hungrig den ganzen Tag
ausgedauert hatte, und am Abend nebſt den uͤbrigen
Geretteten nach der Stadt gebracht werden ſollte, hielt
er abermahls darum an, einen Rock aus ſeiner Lade
nehmen zu duͤrfen, um ſich damit zu bedecken. Nun
geſtattete man es ihm zwar; aber — wer ſollte es
glauben? — er fand ſie beym Aufmachen ganz ausge-
pluͤndert und leer. Im Thore, wo er nackt ankam, be-
gegnete er einem Buͤrger, der ſo barmherzig war, ihm
ſeinen Ueberrock zu leihen. Hernach mußte dieſer arme
Mann ſowohl, als die uͤbrigen Ungluͤcklichen, verſchiedne
Tage die Stadt durchſtreichen, um ſich Brot, Klei-
dung und etwas Geld zuſammenzubetteln, bis ſie denn
endlich von der Compagnie wieder verſorgt und in Dienſt
genommen wurden. Wen ergreift nicht Entſetzen, wenn
[284]Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
er dies leſen wird! Wer wird die Erzaͤhlung nicht fuͤr
uͤbertrieben halten? Und doch iſt ſie buchſtaͤblich wahr.
Aber ſo geht man mit den Leuten um. — Doch ich
muß meine Leſer mit dem menſchlichen Geſchlechte durch
die Beſchreibung einer der edelſten und großmuͤthigſten
Handlungen, die je ein Menſch verrichtete, und die beſon-
ders gegen jene Haͤrte des Officiers ſehr abſticht, wieder
ausſoͤhnen. Ein alter Mann, Nahmens Woltemat,
ein gebohrner Europaͤer, jetzt Aufſeher der ſeltnen Thiere,
die man in der, oberhalb des der Compagnie gehoͤrigen
Gartens, angelegten Menagerie lebendig aufbewahrt,
hatte einen Sohn, der in der Citadelle als Corporal
diente, und einer der erſten war, die nach dem Paer-
den-Eyland beordert wurden, um da wegen der Sicher-
heit der geſtrandeten Guͤter Wache zu halten. Der
biedre Greis lieh ein Pferd, und ritt mit einer Flaſche
Wein und einem Brote ſchon des Morgens fruͤh aus
der Stadt zu ſeinem Sohne, um ihm das Fruͤhſtuͤck zu
bringen. Er that dies, ehe man den Galgen gebauet,
und das Placat angeſchlagen hatte. Er hoͤrte das Win-
ſeln und Klaggeſchrey der Ungluͤcklichen auf dem Wrake.
Kaum hatte er das Fruͤhſtuͤck an ſeinen Sohn abgelie-
fert, als er den eben ſo herzhaften, als edelmuͤthigen
Entſchluß faßte, ſich mit ſeinem Pferde, wovon er
wußte, daß es gut ſchwimmen konnte, nach dem Wrake
zu begeben, um ſo viele als moͤglich zu retten. Er kam
hin, und brachte zwey Menſchen gluͤcklich ans Land.
So gefaͤhrlich die Fahrt war, wiederhohlte er ſie doch
noch ſechsmahl, und brachte jedesmahl zwey Perſonen
lebendig mit. Jetzt hatte er auf dieſe Art vierzehn Men-
ſchen das Leben erhalten, als ſein Pferd ſo abgemattet
war, daß er es nicht fuͤr rathſam hielt, zum achtenmahl
[285]Begebenheiten und Vorfaͤlle zu Cap.
das Ueberſchwimmen zu verſuchen. Allein geruͤhrt durch
das unaufhoͤrliche Jammergeſchrey vom Schiffe, konnte
er es nicht von ſich erhalten, ſeiner Empfindung zu wi-
derſtehen: er wagte noch eine Ueberfahrt. Dieſe lief
aber ſo ungluͤcklich ab, daß er ſelbſt das Leben dabey ein-
buͤßte. Denn es ſprangen zu viele Menſchen vom Wrake
herzu; einige ergriffen den Schwanz des Pferdes, an-
dre den Zaum; und hiedurch wurde das Pferd ſo ſehr
belaſtet und entkraͤftet, daß es umfiel, und ſowohl dieſe
armen Leute, als der heldenmuͤthige, edle Greis ertran-
ken. Was jeder Zuſchauer empfand, als er dies ſah,
kann ich mit Worten nicht ausdruͤcken. Moͤchte Wol-
temat, moͤchte ſeine großmuͤthige That, moͤchte ſein Tod,
ein wahrer Heldentod, von der ſpaͤteſten Nachwelt noch
geprieſen werden: moͤchte man Leopold von Braunſchweig
nie ohne Woltemat nennen! — Man ſieht indeſſen
aus dieſem Beyſpiele, wie leicht es geweſen waͤre, das
Leben ſehr vieler zu bergen, wenn man ein ſtarkes Tau
mit dem einen Ende am Wrake, und dem andern am
Lande befeſtigt, und an demſelben entweder einen Korb
oder einen großen Keſſel, worin ſich jedesmahl eine Per-
ſon geſetzt, heruͤber gehohlt haͤtte. — Als der Sturm
vorbey und das Waſſer geſunken war, fand man, daß
das verungluͤckte Schiff nicht weiter vom Strande ent-
fernt lag, als daß man davon beynahe ans Land haͤtte
ſpringen koͤnnen. — Die Anſtalten, welche man ge-
troffen hatte, die Guͤter und Waaren der Compagnie
zu bergen und zu ſichern, waren bey aller Sorgfalt ſo-
wohl als Gewalt, die man dabey anwandte, doch nicht
im Stande, zu verhindern, daß nicht gewiſſe Beamte
und Bediente der Compagnie dieſe Gelegenheit haͤtten
benutzen ſollen, um ſich anſehnlich zu bereichern. Denn
[286]Vierte Abtheilung. Achter Abſchnitt.
da ganze Karren voll Eiſen vom Schiffe an die Schmiede
in der Stadt verkauft wurden, ſo kann man ſich leicht
vorſtellen, wie gewiſſenhaft man bey feineren und koſt-
bareren Waaren verfahren ſeyn moͤge. Die Soldaten
bewachten die an Land gebrachten Sachen auch mit ſo
viel Sorgfalt und Eifer, daß ſie jeden Abend, wenn
ſie abgeloͤſet wurden und einmarſchirten, die Flinten-
laͤufe mit aͤchten goldnen und ſilbernen Treſſen vollgeſtopft
mitbrachten, die zwar durch das Seewaſſer allen Glanz
verlohren hatten, aber doch zum Ausſchmelzen gut wa-
ren. — Doch ich kann dieſe Erzaͤhlung nicht ſchließen,
ohne von dem Charakter und Betragen des Gouverneurs
bey dieſem Vorfalle ein Gemaͤlde zu entwerfen. Ohne
Zweifel erwarten meine Leſer, daß es zu ſeiner Ehre
ausfallen werde; ſie erwarten, ein Herr von ſo hoher
Geburt, von ſolcher Macht und Gewalt, von ſo aus-
gebreitetem Wirkungskreiſe werde ſich durch Edelmuth
und thaͤtiges Beſtreben, das Loos der Ungluͤcklichen zu
erleichtern, vor allen uͤbrigen ausgezeichnet; ſie erwar-
ten, er werde den Sohn des großmuͤthigen Woltemat
auf die ehrenvollſte Art belohnt haben. Er zeichnete ſich
auch aus. Er belohnte Woltemats Sohn auch, aber
wie? Woltemats Sohn hielt einige Tage hernach um
den von ſeinem Vater verwalteten Dienſt an: einen
Dienſt von ſo geringem Belange und ſo wenig Einkuͤnf-
ten, daß er an ſich ſelbſt als Belohnung fuͤr eine ſolche
That auf keine Weiſe angeſehen werden konnte. Der
Gouverneur ſchlug ſeine Bitte ab, und gab den Dienſt
einem andern. Nach einiger Zeit erlaubte er ihm
— eine Erlaubniß, die andre wie eine Beſtrafung be-
trachten, — nach Batavia zu gehen, wo ſein einziger
Bruder, ein daſiger Handelsmann, wohnte, und wo
[287]Begebenheiten und Vorfaͤlle zu Cap.
er guͤtigere Goͤnner und mehr Ausſicht ſein Gluͤck zu ma-
chen, anzutreffen glaubte. Er haͤtte da auch gewiß
ſeinen Wunſch erreicht, wenn er laͤnger gelebt haͤtte.
Allein er war da kaum angekommen, als er ſchon ſtarb,
und zwar weil er das daſige aͤußerſt ungeſunde Klima
nicht vertragen konnte. Nicht lange nach ſeinem Tode
traf denn zu Cap ein Befehl der Directeure der Com-
pagnie ein, Woltemats Soͤhne um des Vaters willen
auf alle Art zu belohnen, zu unterſtuͤtzen und zu beguͤn-
ſtigen: ein Befehl, der den Directeuren eben ſo viel
Ehre machte, als er dem Gouverneur und den Unter-
Beamten zu Cap zur tiefſten Beſchaͤmung gereichen
mußte; nur Schade, daß er zu ſpaͤt anlangte. Ein
neuer Beweis war mir indeſſen jenes Benehmen des
oberſten Befehlshabers, wie Verſtand und ein edles
Herz unendlich hoͤher zu ſchaͤtzen ſind, als Reichthum
und Hoheit und jedes noch ſo ſehr glaͤnzende Geſchenk
des Gluͤcks, und wie ſehr dieſe von jenen gehoben und
erhoͤhet werden, wenn ſie ſich bey einer Perſon vereini-
gen, und in wie hohem Grade ein ſolcher Mann als-
dann allgemeine Hochachtung und Verehrung verdient
und genießt. Ein reicher, dem Wohlleben ergebner
und ganz gefuͤhlloſer Mann war der damahlige Gouver-
neur zu Cap; kein Wunder, wenn er ſo handelte, als
er that. — Ich begriff uͤbrigens jetzt auch die Urſache,
warum die Europaͤer, ſowohl Matroſen als Soldaten,
hier in mehr als einer Ruͤckſicht, mit weniger Mitleid
und Schonung, ja ich kann wohl ſagen, viel haͤrter und
ſchlechter behandelt werden, als die Sklaven ſelbſt. Die
Sklaven verſorgt der Eigenthuͤmer doch mit hinlaͤnglicher
Nahrung und Kleidung, und laͤßt ihnen, wenn ſie
krank ſind, Pflege und Huͤlfe angedeihen. Die Euro-
[288]Vierte Abtheilung. Neunter Abſchnitt.
paͤer, im Dienſte der Compagnie, muͤſſen oft mit zer-
lumpten oder ihnen gar nicht paſſenden Kleidern, wohl
gar halb nackt gehen; und wenn einer von ihnen ſtirbt,
heißt es im gemeinen Sprichworte: fuͤr neun Gulden
bekommt die Compagnie einen andern. — Sonſt kann
ich hier noch anmerken, daß die heftigen Orkane beym
Nord-Weſt-Winde auf der hieſigen Rhede mehr-
mahls Schiffbruch verurſacht haben. — Im Jahr 1692
wurden durch den Sturm drey Schiffe, ein Engliſches
und zwey Hollaͤndiſche, auf den Strand getrieben,
und alle drey gingen verlohren. Vor dreyßig Jah-
ren ſtrandeten auf gleiche Art ſogar ſieben Hollaͤndi-
ſche Schiffe auf einmahl, die auch alle ganz
verungluͤckten.
Neunter Abſchnitt.
Zuruͤſtungen zur zweyten Afri-
kaniſchen Reiſe.
Der September war nunmehr eingetreten, und mit
ihm zeigte ſich auch ſchon der reitzende, blumenreiche
Fruͤhling. Dies war mir ein Wink, mich zu meiner
zweyten langen Reiſe in das Innere des Landes an-
zuſchicken.
Hiebey ſtießen mir aber mehr Hinderniſſe, Schwie-
rigkeiten und Beſorgniſſe auf, als ich nie hatte vermu-
then koͤnnen. Das wenige Geld, welches ich aus Eu-
ropa mitgebracht hatte, war laͤngſt ausgegeben, und
in den ſiebzehn Monathen, die ich hier zugebracht,
hatte ich gar kein Geld zu fernerer Unterſtuͤtzung aus
Hol-
[289]Zuruͤſtungen zur zweyt. Afrikaniſchen Reiſe.
Holland bekommen. Zu Amſterdam hatte ich zwar an
den Buͤrgermeiſtern Ryk Temmink und van der Poll,
und an den Rathsherren van der Deutz und ten Hoven,
auf deren Zureden und Koſten ich uͤberhaupt mei-
ne weite Reiſe unternommen hatte, vornehme und
maͤchtige Goͤnner. Mein Unſtern hatte es aber ſo
gefuͤgt, daß beyde Gouverneure, Tulbagh und Rhee-
de van Ouds-Horn, denen ich aufs ſtaͤrkſte und drin-
gendſte empfohlen war, und von denen ich alle moͤg-
liche Unterſtuͤtzung und Beyhuͤlfe zu erwarten hatte,
mit Tode abgegangen waren, der eine vor meiner
Ankunft zu Cap, und der andre auf ſeinem Wege
dahin. Ich war daher als ein Fremder an einem
unbekannten Orte mir ſelbſt und meinem Schickſale
uͤberlaſſen geweſen, bis meine Amſterdamſchen Goͤn-
ner Nachricht von meinem Zuſtande bekommen, und
denſelben allmaͤhlig zu verbeſſern geſucht hatten. Ein
Ungluͤck iſt ſelten allein: ſo ging mir es jetzt auch.
Denn als ich die Beſoldung, welche ich von der
Hollaͤndiſchen Compagnie unterweges auf der See-
reiſe verdient hatte, mir auszahlen laſſen wollte, fand
es ſich, daß das Schiff, auf welchem ich gereiſet war,
ſeine Muſterrolle nicht bey ſich hatte. Dieſe mußte
erſt aus Europa nachkommen, ehe irgend jemand ſeinen
Sold erhalten konnte. Als naͤmlich das Schiff aus dem
Texel ausgelaufen war, hatten die Beſucher oder Vi-
ſitatoren in der Eile vergeſſen, die Muſterrolle abzuge-
ben, und der Capitain, ſie ihnen abzufordern. Die-
ſer Umſtand war die Urſache, daß keiner von allen,
die auf dem Schiffe engagirt geweſen waren, in
einer Zeit von zwey bis drey Jahren ſein Geld be-
kommen, oder auch zuruͤckreiſen konnte. Die ge-
Thunbergs Reiſe. Erſter Theil. T
[290]Vierte Abtheilung. Neunter Abſchnitt.
dachten Beſucher (Hollaͤndiſch Kruyd-Leeſers) ſind
Bediente der Compagnie vom unterſten Range, de-
ren zwey auf die Zeit, da die Schiffe im Texel
vor Anker liegen, in jedes einquartiert werden. Sie
muͤſſen alsdann auf alles, was an Bord gebracht
wird, Acht geben, und die ganze Haushaltung be-
ſorgen. Von ihnen wird daher alles angeſchafft und
beſorgt, was taͤglich verzehrt und gebraucht wird,
ſo lange bis das Schiff unter Segel geht und mit
gutem Winde auslaufen kann. Deswegen haben
ſie auch, um die Anzahl der Officiere und der
Mannſchaft zu wiſſen, waͤhrend dieſer Zeit die Mu-
ſterrolle in Haͤnden. Gewoͤhnlich ſind ſie eigennuͤtzi-
ge Leute, und mehr darauf bedacht, ſich bewirthen
und beſtechen zu laſſen, oder Butter und Kaͤſe zu
verkaufen, als ihre Geſchaͤffte gehoͤrig in Acht zu
nehmen.
Schon im vorigen Jahre hatte ich anſehnliche
Schulden gemacht. Auch jetzt war kein andrer Aus-
weg fuͤr mich, als dieſelben noch weiter zu ver-
mehren, beſonders wenn ich im Stande ſeyn woll-
te, eine abermahlige koſtbare Reiſe ins Innere des
Landes vorzunehmen, um nicht als ein muͤßiger
Zuſchauer mich zu Cap aufhalten zu duͤrfen. Ich
wandte mich daher wiederum an den Herrn Poli-
zey-Secretair Bergh, der nicht nur bisher ſo guͤ-
tig geweſen war, mich von ſeinem Gelde Gebrauch
machen zu laſſen, ſondern auch jetzt aufs neue mich
ſo großmuͤthig unterſtuͤtzte, daß ich meine zweyte
Reiſe mit Nutzen antreten konnte.
Meine Equipage war diesmahl in den mei-
ſten Stuͤcken eben dieſelbe, als auf der vorigen
[291]Zuruͤſtungen zur zweyt. Afrikaniſchen Reiſe.
Reiſe, mit dem Unterſchiede, daß ich mir anſtatt
des alten und zerbrochnen, einen neuen Karren
machen, und ihn mit einem Zelte von Segeltuch
bedecken ließ. Diesmahl blieb ich auch der einzige
Beſitzer deſſelben, und entging der Einquartierung
des Sergeanten und des Gaͤrtners, die mir das
vorigemahl den kleinen Raum, auf dem ohnehin
kleinen Karren gar ſehr beenget hatten. Außer Pa-
pier, Laden und Kiſten, Pulver und Bley und
andern Nothwendigkeiten, nahm ich diesmahl auch
verſchiedne Medicamente mit, um ſie an die tie-
fer im Lande wohnenden und Mangel daran lei-
denden Koloniſten, welche mir Freundſchaft und
Dienſtleiſtungen erweiſen wuͤrden, austheilen zu
koͤnnen.
Zum Reiſegefaͤhrten hatte ich einen Engliſchen
Gaͤrtner, Nahmens Maſſon, der vom Koͤnige in
England hieher geſchickt war, um fuͤr den Gar-
ten zu Kew alle moͤgliche Afrikaniſche Gewaͤchſe
zu ſammeln. Er war vor einem Jahre mit eben
dem Schiffe hieher gekommen, auf welchem Cook,
Forſter und Sparrmann die Reiſe um die Erde
und nach den Gegenden des Suͤdpols machen ſoll-
ten. Zu Cap war er angelangt, als ich bereits
meine Reiſe nach der Kuͤſte der Kaffern angetre-
ten hatte. Er hatte darauf ebenfalls eine Reiſe
ins Land vorgenommen, auf welcher ihn Herr Ol-
denburg, theils als Geſellſchafter, theils als Dol-
metſcher, begleitet hatte. Zu der jetzigen Reiſe
hatte er ſich ſehr gut ausgeruͤſtet; er hatte einen
großen, ſtarken, mit einem undurchdringlichen Zelte
von feſtem Sacklinnen verſehenen Wagen, und ei-
[292]Vierte Abtheil. Neunter Abſchn. u. ſ. w.
nen ſichern und zuverlaͤſſigen Fuhrmann, einen Eu-
ropaͤer, bey ſich. Er ſowohl als ich, hatten auch
ein Reitpferd, und mehrere Paar Zugochſen.
Wir waren alſo in allem drey Europaͤer und
vier Hottentotten, und machten eine Geſellſchaft
aus, die verſchiedne Monathe hindurch landwaͤrts
ein reiſen, Gutes und Boͤſes fuͤrlieb nehmen, und
oft in oͤden Wildniſſen ſich, ſo zu ſagen, von der
uͤbrigen Welt und dem ganzen Menſchengeſchlechte
trennen wollte.
[]
Karl Peter Thunbergs
Reiſen.
Erſten Bandes zweyter Theil,
welcher
des Verfaſſers Aufenthalt zu Cap einen Winter hindurch,
zwey weite Reiſen in die oͤſtlichen und noͤrdlichen Gegenden
der ſuͤdlichen Ecke von Afrika, die Reiſe nach Java
und den Aufenthalt zu Batavia enthaͤlt.
[][]
Vorrede
des Verfaſſers.
In dieſem zweyten Theile meiner Reiſebeſchrei-
bung, dem ich unter meinen Landsleuten
eben ſo viele guͤnſtige Leſer und guͤtige Beurtheiler
wuͤnſche, als der erſte zu finden das Gluͤck gehabt
hat, iſt der Aufenthalt zu Cap einen Winter hin-
durch, zwey weite Reiſen in die oͤſtlichen und
noͤrdlichen Gegenden der ſuͤdlichen Ecke Afrika’s,
die Reiſe nach Java und der Aufenthalt zu Bata-
via enthalten.
Im Anfange des jetzigen Jahrhunderts, und
zwar im Jahr 1705, gab Simon Melander unter
Profeſſor Harald Wallerius Aufſicht zu Upſala ei-
ne akademiſche Disſertation vom Vorgebirge der
guten Hoffnung heraus. Dieſe enthaͤlt nicht nur
eine geographiſche Beſchreibung deſſelben, ſondern
auch einige Nachrichten von der koͤrperlichen Be-
[]Vorrede des Verfaſſers.
ſchaffenheit, Kleidertracht, Lebensart, Religion,
Regierungsform und Sitten der Einwohner, ſo
weit man dergleichen damahls in Europa bekom-
men konnte, nebſt einem die Capſchen Berge vorſtel-
lenden, aber ſchlecht ins Auge fallenden Holzſchnitte.
Seit jener Zeit iſt uͤber dieſen Theil Afrika’s weit
mehr Licht verbreitet, und man hat ſehr viele, und
zwar ſicherere Nachrichten von dem Lande ſelbſt, den
Einwohnern, den Thieren und Gewaͤchſen, und
andern Merkwuͤrdigkeiten deſſelben bekommen. —
Auch Valentyn hat, im fuͤnften Theile ſeines weit-
laͤuftigen hiſtoriſchen Werks von Oſtindien, Nach-
richten vom Cap und dem dazu gehoͤrigen Lande
mitgetheilt. Da er aber das Cap nur gleichſam
im Vorbeyfahren kennen gelernt hat, iſt er genoͤ-
thigt geweſen, in ſeinen Beſchreibungen ſich auf
das einzuſchraͤnken, was andre ihm erzaͤhlt hatten,
das freylich oft ſehr unzuverlaͤſſig ſeyn mußte. —
Herr Maſſon, der geſchickte Engliſche Gaͤrtner, wel-
cher in meiner Geſellſchaft die oben gedachten bey-
den Afrikaniſchen Reiſen machte, hat zwar bald
nach ſeiner Ankunft in England in einem Briefe an
Herrn Pringle, damahligen Praͤſidenten der Lond-
ner Societaͤt, eine kurze Nachricht von demſelben
mitgetheilt, die auch in den 66ſten Band der Phi-
loſophical Transactions, vom Jahr 1776, 1ſter
[]Vorrede des Verfaſſers.
Theil, Seite 268 u. ff. eingeruͤckt iſt. Da dieſe
aber nur ſehr kurz iſt, habe ich, unerachtet alles
uͤbrigen, was uͤber das Vorgebirge der guten Hoff-
nung und die dazu gehoͤrigen Laͤnder bis jetzt ge-
ſchrieben iſt, die Eitelkeit zu glauben, daß meine Be-
ſchreibung dieſer Reiſe nicht uͤberfluͤſſig ſeyn wird.
In einem, wenn ich ſo ſagen kann, wilden
und beynahe wuͤſten Lande, als dieſer Theil von
Afrika iſt, habe ich verſucht, die Natur ſo zu ſchil-
dern, als ſie iſt, und als ſie ſich meiner Beobach-
tung zeigte. Beſonders habe ich mir Muͤhe gege-
ben, die verſchiedne Geſtalt der Berge, ihre Lage
und Richtung, ihre Hoͤhe, die Lagen und Schich-
ten der Gebirgsarten und dergleichen zu bemerken:
Merkwuͤrdigkeiten, deren Kenntniß dem Naturfor-
ſcher oft eben ſo nuͤtzlich iſt, als die Kenntniß der
Lage, Figur, Beſchaffenheit und Tiefe der Haͤfen
einem vorſichtigen Seefahrer. — Außer der im
erſten Theile befindlichen Nachricht von zwey war-
men Baͤdern in dieſem Lande, habe ich hier noch
die Beſchreibung zweyer andrer eben ſo merkwuͤrdi-
ger warmer Geſundbrunnen in den Afrikaniſchen
Gebirgen mitgetheilt, die indeſſen bis jetzt noch
niemand dampfen oder Feuer aufwerfen geſehen
hat, wie denn uͤberhaupt niemand mit Beſtimmt-
heit angeben kann, daß dieſer Theil der Erde je
[]Vorrede des Verfaſſers.
Erdbeben erfahren habe. Eben ſo, glaubte ich,
wuͤrden Nachrichten von den ſonderbaren ſo ge-
nannten Salzpfannen, die dies Land hat, und der-
gleichen es uͤberall nur ſehr wenige giebt, dem Le-
ſer nicht unintereſſant ſeyn. — Von Thieren, der
Art, ſie zu fangen, dem Schaden oder Vortheil,
den ſie ſtiften, habe ich verſchiednes bemerkt, mich
aber dabey abſichtlich gehuͤtet, durch weitlaͤuftige
und kunſtmaͤßige zoologiſche Beſchreibungen, durch
Nachrichten andrer Naturkuͤndiger und Reiſender
von ihnen, und durch Beyfuͤgung der mancherley
Benennungen bey den Zoologen, den Leſer zu er-
muͤden. Krankheiten des Viehes, zumahl wenn
ſie dieſem Lande eigen, oder doch von aͤhnlichen
Krankheiten des Viehes in andern Laͤndern ver-
ſchieden ſind, habe ich ſorgfaͤltig bemerkt und kurz
beſchrieben.
Ferner habe ich in dieſem Theile meiner Rei-
ſebeſchreibung, zur Befoͤrderung der Kenntniß des
Menſchen, die Lebensart, Sitten, Ceremonien,
Hochzeiten, Begraͤbnißart, Spiele, Muſik und
muſikaliſche Inſtrumente, Waffen, Sprache u. ſ.
w. der Hottentotten, Javaner und andrer Voͤlker
beſchrieben. Hiermit habe ich eine kurze Erzaͤh-
lung von der Anlage, der Ausbreitung und dem
jetzigen Zuſtande der Capſchen Kolonie verbunden,
[]Vorrede des Verfaſſers.
wie auch von den verſchiednen Caravanen, welche
theils die Regierung, theils die Koloniſten von
Zeit zu Zeit, um das Land naͤher zu unterſuchen,
anſtellen laſſen.
Auch habe ich aus guten Gruͤnden der Hot-
tentottiſchen und der Maleyiſchen Sprache, die
man beyde in Europa ſo wenig kennt, einige Blaͤt-
ter gewidmet. Verſchiednen meiner Leſer ge-
ſchieht dadurch vermuthlich kein Gefallen, und dieſe
koͤnnen dieſe wenigen Seiten ja leicht uͤberſchlagen.
Sprachforſcher und kuͤnftige Reiſende aber moͤch-
ten doch dabey wohl ihre Rechnung finden.
Von der Inſel Java hat zwar, außer ver-
ſchiednen andern Reiſebeſchreibern, Valentyn im
vierten Theile ſeines vorhin angefuͤhrten Werks
eine Beſchreibung mitgetheilt. Bey angeſtellter
Vergleichung aber wird ſich jedem Leſer ein ſehr
großer und betraͤchtlicher Unterſchied zwiſchen ſei-
nen und meinen Nachrichten zeigen, weil meine
Beobachtungen und Nachforſchungen mehr dahin
gingen, das Schoͤne und Nuͤtzliche in der Natur,
und die Lebensart und Sitten fremder Voͤlker zu
entdecken und kennen zu lernen.
Um die in dieſem zweyten Theile beſchriebnen
Waffen, Hausgeraͤth und dergleichen durch an-
ſchaulichere Darſtellung zu erlaͤutern, habe ich
[]Vorrede des Verfaſſers.
demſelben auch einige Kupferſtiche beygefuͤgt. In
manchen Reiſebeſchreibungen erſcheinen in ſtarker
Anzahl große, oft praͤchtige, Zeichnungen von
Schloͤſſern, Pallaͤſten und andern ins Auge fallen-
den Gebaͤuden und Werken. Dagegen vermißt
man nicht ſelten die noͤthigen Abbildungen der Klei-
dertracht, Geraͤthſchaften, Muͤnzen, Waffen und
andrer nicht weniger merkwuͤrdiger Dinge. Ich
geſtehe gleichwohl gern, daß ich in dieſem, ſo wie
in verſchiednen andern Stuͤcken, die Abbildungen
aber betreffend, nahmentlich in Anſehung der Fein-
heit, Pracht und Vertheilung der Figuren, man-
ches zu wuͤnſchen uͤbrig gelaſſen haben mag. Ue-
berhaupt haͤtte ich wohl gewuͤnſcht, meine Reiſen
auf eine, ſo wohl meiner Nation als mir ſelbſt, in
Anſehung des Aeußerlichen, mehr Ehre machende
Art, wie zum Beyſpiel die Cookſchen und ſo viele
andre, herausgeben zu koͤnnen. Allein theils muß-
te ich auf den moͤglichſt wohlfeilen Preis des Buchs
Ruͤckſicht nehmen. Theils kann ich nicht anders
als bedauern, daß auf einer Univerſitaͤt, wie Up-
ſala, gegenwaͤrtig kein geſchickter Kupferſtecher
vorhanden iſt, und man hier nicht einmahl eine ge-
hoͤrige und gut polirte Kupferplatte bekommen
kann. Aus dieſer Urſache wollte ich doch lieber
etwas, wiewohl in geringerer Vollkommenheit,
[]Vorrede des Verfaſſers.
als gar nichts in Abbildungen mittheilen, und hie-
zu waͤhlte ich ſolche Gegenſtaͤnde, wovon, ſo viel
ich weiß, bey andern Schriftſtellern keine Kupfer-
ſtiche vorkommen. Eben deswegen habe ich auch
von den verſchiednen in den Oſtindiſchen Laͤndern
gangbaren alten und neuen Muͤnzſorten, deren we-
nige Reiſebeſchreiber erwaͤhnen, und die ich mit
viel Muͤhe und Koſten geſammelt habe, nur eine
kurze Beſchreibung einfließen laſſen, die Abbildung-
gen derſelben aber zu einer beſondern und ausfuͤhr-
licheren Abhandlung verſpart.
Die zu beſchreibenden Gegenſtaͤnde waren fuͤr
mich nicht immer die angenehmſten; indeſſen bin
ich doch bemuͤhet geweſen, die Nachrichten davon
ſo viel moͤglich unterhaltend zu machen. Dabey
hielt ich aber fuͤr meine Pflicht, damit die Wahr-
heit nicht leiden moͤchte, eine ernſthafte Schreibart
einer bluͤhenden oder taͤndelnden vorzuziehen, den
Aerzten gleich, die zwar bisweilen die herbeſten
und bitterſten Arzneyen verzuckern, aber ſich doch
huͤthen, ihnen durch zu viel ſuͤßes ihre ganze Heil-
kraft zu benehmen.
Als eßbare Gewaͤchſe bey den Hottentotten
kommen in dieſem Theile vor: die Capſche Cyanelle
(Cyanella Capenſis), die Fenchelwurzel, die eßbare
Schwertlilie (Iris edulis), die fleiſchfarbige und
[]Vorrede des Verfaſſers.
die gegliederte Stapelie (Stapelia incarnata und
edulis), die Koloquinte, die Haliotis (Haliotis),
die Kafferſche Keulpalme (Zamia Caffra), die Hot-
tentottiſche Waſſermelone, die Hydnore (Hydno-
ra), und andre. Als eßbare und dabey delicate
Fruͤchte bey den Indiern: Ananas, Piſang, Ku-
java (Frucht des Pſidium piriferum), Karambola,
Bilimbing, Manga, Mangoſtanos, Arbuſen, Ko-
kosnuͤſſe, Jambo, Rotang (Frucht des Palm-
riets), Salak, Katappa, Papaija, Nanka, An-
nona, Boa Lanſa, Nephelium (Nephelium),
Melanzanaͤpfel (Solanum Melongena), nebſt meh-
reren. Als eingemachte Sachen oder als Gewuͤrz
brauchen die Indier: Betel, Arek, Spaniſchen
Pfeffer, die Frucht des Bartgraſes oder Kameel-
heues (Schoenanthus), Gurkmeien, die Bambo-
wurzel, Ingber, Kardamomen und die Frucht
der Gewuͤrznaͤgelein. Den Durſt zu loͤſchen, ſich
zu laben und zu berauſchen bedienen die Hottentot-
ten ſich der Zaſerblume (Meſembryanthemum), des
Kameka, des Gli und der Waſſermelone. Zu
Arzneymitteln dienen: die Aethiopiſche Miſtel, der
baumartige Indigo (Indigofera arborea), Boa
ati, die ſchmalblaͤttrige Dodonaͤe (Dodonaea an-
guſtifolia), die Jambolone (Jambolifera), Durio,
Karambole, Bilimbing, Pompelmus (Citrus de-
[]Vorrede des Verfaſſers.
cumanus), und als ein ſtarkes Gift wird die zwey-
theilige Amaryllis (Amaryllis diſticha) gebraucht.
Als zu allerley anderm Behufe brauchbar,
und wirklich auch entweder von den Indiern oder
den Hottentotten dazu benutzt, habe ich zum Bey-
ſpiel folgendes beſchrieben: zu Matten, darauf zu
ſitzen, zu Decken uͤber die Wagen, wie auch zu
Hausdaͤchern, das flechtbare Cypergras (Cyperus
textilis), und feines Palmriet oder Rotang. Zu
Leuchten im Nothfall Kalabaſſen. Zu Koͤchern,
Pfeile darin zu verwahren, die zweytheilige Aloe
(Aloe dichotoma). Fliegen zu fangen, den ſo ge-
nannten Fliegenbuſch. Kohlen zu brennen, die
Aegyptiſche Sinnpflanze (Mimoſa Nilotica), und
den großblumigen Silberbaum (Protea grandiflo-
ra). Zu Bogen: den Sumach (Rhus). Zu aller-
hand Meublen, Geraͤth und Werkzeugen, viele
Baumarten in den Afrikaniſchen Waͤldern, als die
ſafranfarbige Stechpalme (Ilex crocea), das Ka-
maſſienholz, den rothen Birnbaum (Roode Peer),
die Kunonie, die Ekebergie, die Kurtiſie, das
Stinkholz, den Europaͤiſchen und den Capſchen
Oehlbaum, die Gardenie Thunbergie und Roth-
mannie, die weiße Eſche, die rauhe Royene
(Royena villoſa), die Capſche Sophore, das Man-
delholz, die Aegyptiſche Sinnpflanze, den Loͤffel-
[]Vorrede des Verfaſſers.
baum (Leepel-Boom), den großblumigen und
den ſchoͤnen (ſpecioſa) Silberbaum, und andre.
Zum Faͤrben: den Indiſchen Maulbeerbaum (Mo-
rinda citrifolia), die Schale der Mangoſtanos, den
Indigo (Indigofera nila), die Chineſiſche Roſe (Hi-
biſcus roſa Sinenſis), nebſt andern.
In meiner Reiſebeſchreibung, hauptſaͤchlich
in ſo fern ſie Cap und Afrika betrifft, kommen ver-
ſchiedne von den Hollaͤndern eingefuͤhrte Ausdruͤcke
vor, wofuͤr ich im Schwediſchen kein beſtimmtes
und genau daſſelbe ſagende Wort fand, und die
ich da, wo ich ſie zuerſt gebrauchte, naͤher zu er-
klaͤren vergeſſen habe. Vielleicht haben alſo durch
meine Schuld dieſe und jene meiner Leſer ſich von
den damit bezeichneten Sachen entweder keinen
deutlichen, oder wohl gar einen unrichtigen Be-
griff gemacht. Um dies ſo viel moͤglich wieder gut
zu machen, will ich hier eine kurze Beſchreibung
davon einruͤcken, die auch den Leſern der Sparr-
mannſchen Reiſe von verſchiednen Dingen eine be-
ſtimmtere Vorſtellung geben wird.
Eyland bedeutet allezeit eine kleine Inſel.
Rivier heißt uͤberhaupt Fluß, Strom, Bach.
Valley iſt nichts anders als ein Fluß, der an
vielen Stellen mit Schilf ſtark bewachſen, und an
einigen Orten breit, an andern ſchmal iſt.
[]Vorrede des Verfaſſers.
Drift nennt man eine ſolche Stelle eines Fluſ-
ſes, wo das Waſſer ſehr ſeicht iſt, und man da-
her mit Pferden und Wagen durchkommen kann.
Brackt Water (Salziges Waſſer), bedeutet
ſolches ſtillſtehendes Waſſer, das in Thaͤlern,
Gruͤnden oder niedrigen Stellen ſich geſammelt
hat, Salz enthaͤlt, und bald mehr, bald weniger
ſalzig ſchmeckt.
Hoek, das an gewiſſe Nahmen von Bergen
angehaͤngt wird, als Moſtertshoek, bezeichnet ei-
ne von den Bergen auslaufende Ecke.
Kloof heißt ein ſolches Thal, oder ſolche
Gruͤnde zwiſchen Bergen, auch wohl ſolche Ge-
birgskluͤfte, die entweder von Koloniſten bewohnt
ſind, oder doch zur Paſſage, es ſey bloß zu Pfer-
de, oder auch mit Wagen, dienen koͤnnen.
In dieſem zweyten Theile habe ich die Nach-
richten von meinem dreyjaͤhrigen Aufenthalte am
Cap und in den dazu gehoͤrigen Laͤndern geendigt.
Ich habe die Vortheile und Vorzuͤge dieſes Landes
beſchrieben, die es dem Himmelsſtriche, unter wel-
chem es liegt, zu danken hat. Ich habe auch den
Anbau und die Verbeſſerung deſſelben geruͤhmt.
Aber ich habe auch nicht umhin koͤnnen, eine trau-
rige Schilderung ſeiner hoͤchſt elenden und bejam-
mernswuͤrdigen Eingebohrnen zu entwerfen, die
[]Vorrede des Verfaſſers.
ihr Leben auf die allereinfachſte und roheſte Art,
wenig anders als die wilden Thiere, unter welchen
ſie leben, zubringen, ohne alle Wiſſenſchaften,
Kuͤnſte und nuͤtzliche Einrichtungen, ohne Gemein-
ſchaft mit andern, als ihren naͤchſten, eben ſo un-
wiſſenden und ungebildeten Nachbaren, ohne Krieg,
aber auch ohne Handel und Wandel mit angraͤn-
zenden Voͤlkern, ohne die geringſte Kenntniß und
Idee von der Groͤße, Geſtalt und Beſchaffenheit
unſrer Erde, und von den Himmelskoͤrpern, die
alle Tage uͤber ihren viehiſchdummen Haͤuptern
leuchten und weglaufen. Die Kolonie, welche
von Europaͤern taͤglich Zuwachs bekommt, iſt ſchon
ſehr anſehnlich. Der Fleiß und die Betriebſamkeit
dieſer Koloniſten hat es auch bereits dahin gebracht,
daß verſchiedne Gegenden einem irdiſchen Para-
dieſe aͤhnlich ſehen, und das Land bringt einen gro-
ßen Theil deſſen hervor, was zum Unterhalte und
der Bequemlichkeit des menſchlichen Lebens erfor-
dert wird. Demungeachtet aber entbehrt man hier
noch ſehr viele von den Vortheilen, deren Europa
ſich erfreuet. Es giebt im Lande keine Seen, we-
der groͤße noch kleine, keine ſchiffbare Fluͤſſe, kei-
nen andern Fiſchfang als an den Seekuͤſten und
den Muͤndungen der Fluͤſſe; keine hinlaͤngliche, ja
nicht einmahl zur Noth hinreichende Waͤlder und
[]Vorrede des Verfaſſers.
Holzungen; keinen einzigen anmuthigen Hain oder
Luſtwald; keine grasreiche und mit Blumen pran-
gende Wieſen; keine Kalkberge, keine Bergwer-
ke; keine Fabriken, ja nicht einmahl Weberſtuͤhle;
keine Schulen oder Erziehungsanſtalten; keine,
weder reitende, noch fahrende Poſt, nicht einmahl
Poſtbothen; keine Wirthshaͤuſer und Herbergen,
ja in verſchiedenen Diſtrikten dieſes weitlaͤuftigen
Landes fehlt es noch ganz an Richtern und Ge-
richtspflege, an Kirchen und Predigern, an Re-
gen vom Himmel und Brunnen in der Erde; man-
cher andrer nicht nur nuͤtzlicher, ſondern ſo gar un-
entbehrlicher Anſtalten und Einrichtungen nicht zu
gedenken, die in andern Laͤndern der Gegenſtand
des Nachdenkens und der Bemuͤhung ſo wohl der
Regierung als der Einwohner ſind. Moͤchte man
doch von Seiten Hollands ſo wohl als des Capſchen
Gouvernements ſeine Vorſorge zwiſchen dem In-
tereſſe der Compagnie und dem kuͤnftigen Wohl-
ſtande der Kolonie ſo theilen, daß die in einem ſo
ſehr großen Lande zerſtreueten, von der Stadt, von
den Kirchen und vom Umgange mit Menſchen gro-
ßentheils ganz entfernten Koloniſten nicht mit der
Zeit in Muͤßiggang, Barbarey, Unwiſſenheit,
Sittenloſigkeit und elenden Zuſtand gerathen, und
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. b
[]Vorrede des Verfaſſers.
dadurch endlich den von ihnen verdraͤngten ur-
ſpruͤnglichen Einwohnern aͤhnlicher werden, als ſie
jetzt denen ſind, von welchen ſie aus Europa her-
ſtammen. Moͤchte beſonders zu allen Zeiten das
Beſtreben der Gouverneure dahin gehen, ſich die-
ſer Leute ſo anzunehmen, daß nicht eine Kolonie,
die jetzt unſern Zeiten und dem menſchlichen Ge-
ſchlechte ſo ſehr zur Ehre gereicht, nicht ausarte,
und fruͤher oder ſpaͤter ihnen zum ſchmaͤhlichſten
Vorwurf dienen moͤge. Sollte dieſe Kolonie, die
bis jetzt noch der Hollaͤndiſchen Oſtindiſchen Hand-
lungsgeſellſchaft ausſchließend gehoͤrt, und deren
liegende Gruͤnde die Koloniſten nur noch als ein
Lehn von derſelben beſitzen, mit der Zeit mehr Pri-
vilegien und Freyheiten bekommen, ſo iſt gar nicht
zu zweifeln, daß ſie ſich nicht in kurzer Zeit zu noch
groͤßerm Wohlſtande, Anſehen und innerer Staͤr-
ke erheben ſollte, zumahl wenn man alsdann die
Erlaubniß eigner Schifffahrt an den Kuͤſten zu Be-
foͤrderung des Verkehrs und der Handlung, und
uneingeſchraͤnkter Ausfuhr eigner Produkte, we-
nigſtens unbehinderten Tauſches gegen andre Waa-
ren und Sachen, mit mancherley nuͤtzlichen Einrich-
tungen und Anſtalten, nicht bloß in der Capſtadt,
ſondern im Lande ſelbſt, verbaͤnde.
[]
Inhalt.
I.Abtheilung. Zweyte große Afrikaniſche Reiſe, oder
Reiſe von Cap ins Kafferland bis an den Sonn-
tagsfluß.
- 1. Abſchnitt. Reiſe von Cap nach ZwellendamS. 1
- 2. Abſchnitt. Reiſe von Zwellendam bis zum Cam-
tousfluſſe36 - 3. Abſchnitt. Reiſe vom Camtousfluſſe bis zum
Sonntagsfluſſe69 - 4. Abſchnitt. Ruͤckreiſe vom Sonntagsfluſſe nach
der Capſtadt81 - II.Abtheilung. Aufenthalt zu Cap bis zur dritten
großen Afrikaniſchen Reiſe 101 - III.Abtheilung. Dritte große Afrikaniſche Reiſe,
naͤmlich noͤrdlich ins Rockenland und bis zu den
Namaqus.
1. Abſchnitt. Reiſe von Cap nach dem Bocklande116 - 2. Abſchnitt. Reiſe durchs Bockland und ins Ro-
ckenland132 - 3. Abſchnitt. Ruͤckreiſe aus dem Rockenlande nach
Cap153 - IV.Abtheilung. Aufenthalt zu Cap nach der drit-
ten Afrikaniſchen Reiſe 160 - V.Abtheilung. Reiſe von Cap nach Batavia, und
Aufenthalt daſelbſt.
1. Abſchnitt. Reiſe von Cap nach Batavia183 - 2. Abſchnitt. Aufenthalt zu Batavia189
- VI.Abtheilung. Nachrichten von Java, und beſon-
ders von Batavia.
1. Abſchnitt. Beſchreibung der Stadt Batavia,
der daſigen Merkwuͤrdigkeiten, Einrichtungen und
dergleichen S. 193 - 2. Abſchnitt. Von den Europaͤiſchen Einwohnern
zu Batavia, deren Sitten, Lebensart und ſo
weiter 203 - 3. Abſchnitt. Von Handlung, Manufacturen und
Muͤnzen zu Batavia213 - 4. Abſchnitt. Von den Sprachen zu Batavia und
auf Java uͤberhaupt 220 - 5. Abſchnitt. Von den Chineſern und Mohren auf
Java235 - 6. Abſchnitt. Von den Javanern 237
- 7. Abſchnitt. Von den Produkten des Gewaͤchsrei-
ches auf Java, und deren Gebrauche 245 - 8. Abſchnitt. Einige zoologiſche Nachrichten, Bata-
via und Java betreffend 262
Erſte
[[1]]
Erſte Abtheilung.
Zweyte große Afrikaniſche Reiſe,
oder
Reiſe von Cap ins Kafferland
bis an den Sonntagsfluß
vom 11. September 1773 bis den 26. Januar 1774.
Erſter Abſchnitt.
Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Meine Abſicht ging jetzt auf nichts geringeres, als
eine Reiſe in die entfernteren nord-oͤſtlichen Gegenden
dieſes Theils von Afrika, bis nach den Schneebergen zu
thun. Der Weg ſollte zuerſt nordwaͤrts, und hernach
uͤber Kamdebo, und durch andre meiſtens unbewohnte
Diſtrikte gehen; die naͤchſte und am meiſten gebahnte
Straße waͤhlte ich abſichtlich nicht. Etwas kuͤhn war
freylich dies Unternehmen; denn die Laͤnder, welche ich
durchreiſen wollte, ſind gebirgig und oͤde, und aufs vor-
zuͤglichſte war ich, wie die Leſer ſich aus dem Schluſſe
des erſten Theils noch erinnern werden, nicht ausgeruͤſtet.
Demungeachtet wollte ich es nicht unverſucht laſſen, zu-
mahl da es mir gleichguͤltig ſeyn konnte, welche Gegen-
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. A
[2]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
den ich vor andern beſuchte, wenn ich nur Gelegenheit
hatte, in ſolche zu kommen, die ich noch nicht geſehen
hatte, und wo ich Thiere und Gewaͤchſe, welche mir
noch unbekannt waren, zu ſammeln hoffen konnte.
Ich trat alſo mit meiner Geſellſchaft die Reiſe den
11. September 1773 an. Von der Capſtadt kamen
wir zuerſt nach dem der Compagnie gehoͤrigen Platze oder
ſogenannten Poſten Jan Beſis Kraal. Darauf trafen
wir im Rohrthale (Riet-Valley) ein. Dies iſt ein
Hof, wo bloß zum Gebrauche des Gouverneurs Kuͤhe
gehalten werden, und Butter fuͤr ſeinen Tiſch gemacht
wird, die man ihm jede Woche friſch nach der Stadt
bringt. Aus dieſer Urſache iſt auch allen Reiſenden,
die dieſes Weges kommen, verbothen, in dieſer Gegend
ihre Pferde oder Ochſen graſen zu laſſen, da ſonſt das
ganze Land gleichſam eine Gemeinweide iſt, wo Reiſende
allenthalben ihr Vieh ausſpannen und auf die Weide
gehen laſſen.
Unterweges hatten wir zur Rechten die Tigerberge,
und zur Linken die blauen Berge (Blaauwe Bergen).
Ueber das eine Ende der letzteren ging unſer Weg. Vor
ihnen, ehe ſie anfangen, liegen einige Sandhuͤgel;
auch enthalten ſie, ſo weit man ſehen kann, gar keine
Steine, ſondern ſcheinen groͤßtentheils nur aus Sand-
bergen zu beſtehen, die aus Triebſand von der Seite des
Hafens her entſtanden ſind. Das ganze Land iſt in die-
ſer Gegend ſehr ſandig, und dabey voll Suͤmpfe, die
in dieſer Jahrszeit lange mit Waſſer angefuͤllt ſind, und
nun erſt anfingen, gutes Gras zum Futter fuͤr das
Rindvieh hervorzubringen. Daher haͤlt man hier auf
den Hoͤhen auch kein anderes als Hornvieh. Weitzen
wird auch wenig geſaͤet, und Weinbau hat man gar
nicht. Das Waſſer hat oft einen etwas ſalzigen Ge-
[3]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
ſchmack, und die meiſten Monathe hindurch iſt faſt
Mangel daran. In den Suͤmpfen finden ſich hin und
wieder Waſſerſchildkroͤten. Man nimmt ſie haͤufig her-
aus, ſetzt ſie in ein Glas mit Waſſer, und bewahrt ſie
ſo im Hauſe auf, um ſie bey Gelegenheit nach andern
Oertern zu bringen. Wenn Regenwetter bevorſteht,
ſollen ſie jedesmahl im Glaſe hoͤher hinaufſteigen.
Gegen Abend kamen wir nach einem Hofe, der
einer Witwe Muͤller gehoͤrt.
In den Sandebenen ſieht man zwiſchen den Buͤ-
ſchen vielfaͤltig Landſchildkroͤten kriechen. Die Toͤchter
hier im Hauſe hatten durch ihre Sklaven verſchiedne die-
ſer Thiere, große und kleine, hohlen laſſen, um ſie zu
eſſen. Die Zwergſchildkroͤte (Teſtudo puſilla) iſt am
haͤufigſten anzutreffen. Von dieſer Art waren die, wel-
che man jetzt bratete und aß. Ich ſchlich in die Kuͤche, um
zu ſehen, wie ſie zubereitet wuͤrden, und fand, daß die
Maͤdchen unbarmherzig genug waren, die armen Thiere
auf gluͤhende Kohlen zu legen, ſo daß ſie, mit Kopf
und Fuͤßen zappelnd, ganz lebendig gebraten wurden,
bis ſie von der Hitze endlich berſteten. Der eigentli-
che Leckerbiſſen von dieſen Schildkroͤten beſteht in den
Eyern, die aber nichts als gelben Dotter enthalten,
und vorzuͤglich gern gegeſſen werden. — Die Fenchel-
wurzeln bratet und ißt man hier auf die naͤmliche Art,
als die Aniswurzeln. Eben ſo werden die Zwiebeln der
eßbaren Schwertlilie (Iris edulis), welche in dieſen
Ebenen ſehr haͤufig waͤchſt, und theils weiße, theils
gelbe, theils blaue Blumen traͤgt, gebraten und gegeſ-
ſen; man ißt ſie auch gekocht, imgleichen mit Milch
geſtobt: ſie ſchmecken recht gut und ſind dabey nahrhaft.
Die Sklaven pflegen ſie in Menge zu ſammeln.
A 2
[4]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Weiter kamen wir zum Hofe der Compagnie im
gruͤnen Thale (Groene Kloof), nachdem wir den
Dachsberg (Daſſen-Berg), den Buͤrgerpoſten (Bur-
ger-Poſt), den Kuhberg (Koe-Berg), und den
Gruͤnthalsberg (Groene-Kloofs-Berg) vorbeygereiſet
waren. Auf dem Buͤrgerpoſten, wie auch auf dem
Kuhberge liegt eine Kanone bey einer errichteten hohen
Flaggſtange. Beyde dienen dazu, bey entſtehender Ge-
fahr den Einwohnern auf dieſer Seite des Cap ein Zei-
chen zu geben und ſie aufzubiethen.
Das Land iſt hier mit Duͤnen und tiefem Sande
angefuͤllt, wodurch die Wege ſehr beſchwerlich geworden
ſind. — Die Haͤuſer bauet man, in Ermangelung
des Holzes, von ungebrannten, aber doch in der Luft
ein wenig getrockneten Lehmſteinen. — Unter dem
Vieh herrſchte jetzt die Harnkrankheit. Man heilte ſie
mit einem Strohhalme, den man in die Harnroͤhre
ſteckte, und womit man den Gries vom Harze der Eu-
phorbie (Euphorbia), der ſich da wie ein Kalk geſetzt
hatte, los machte: eine Operation, die anfangs doch
blutig war. Man verſicherte mich, daß wenn dieſer
Harnzwang nicht geheilt wuͤrde, die Blaſe, nicht von
der Schaͤrfe, ſondern von der Menge und dem Andrange
des Harns, ſpringen muͤſſe.
Nach einem Aufenthalte von einigen Tagen bega-
ben wir uns nach dem Gaͤnſekraale (Ganſe-Kraal)
und von da an den Meeresſtrand.
An den Klippen faͤngt man hier das Meerohr, eine
Art Schnecken: man kocht und iſſet ſie wie Muſcheln. —
In den Sandfluren halten ſich ſowohl der mit einem
Blaͤſſen bezeichnete, als der weiße Sandmaulwurf
(Marmota Capenfis und Africana) auf. Sie ſollen
in den Gaͤrten viel Schaden anrichten. Man faͤngt ſie
[5]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
entweder in Fallen oder in Gruben. Zuerſt graͤbt man
eine Grube vor ihnen, und hernach hinter ihnen; man ſtopft
auch wohl die Oeffnung hinter ihnen zu, und graͤbt ih-
nen hernach von vorn entgegen. — Hier fand ich auch
eine kleine Kohlenbrennerey. In dieſem an Holz ſo ar-
men Lande brennt man ſonſt faſt gar keine Kohlen, ſon-
dern bekommt die zum Gebrauche der Schmiede noͤthi-
gen Kohlen groͤßtentheils aus Europa. Bey dem Bren-
nen verfaͤhrt man ſo: das Holz wird wie gewoͤhnlich auf
das eine Ende geſetzt, doch ſo, daß die duͤnneren Stuͤcke
zwiſchen die groͤßeren geſetzt werden. Um dieſen Holz-
haufen ſetzt man hernach Schilf und Binſen, und um
dieſe herum auswendig legt man Torf. In die Mitte
und nach außen ſetzt man getheertes Holz, womit der
Meiler angezuͤndet wird. Sobald dieſer in Brand ge-
ſteckt iſt, deckt man die alleroberſte Oeffnung mit Torf
wohl zu. Um den Fuß des Meilers laͤßt man verſchiedne
Zugloͤcher, die man, wenn das Feuer anfaͤngt auszu-
brechen, nach und nach zuſtopft, und darauf die Sei-
ten umher allmaͤhlig ganz zudeckt. Nach einigen Tagen
iſt alles zu Kohlen gebrannt; alsdann oͤffnet man den
Meiler, und loͤſcht das etwa noch vorhandne Feuer mit
Waſſer ſorgfaͤltig aus. Der ganze Kohlenmeiler iſt in-
deſſen nicht groͤßer, als ein Heuhaufe. — Die Hot-
tentotten ſammeln hier Bucku oder Dioſma (Dioſma):
ſie doͤrren es erſt im Schatten und hernach uͤber dem
Feuer, ehe ſie es pulveriſiren.
Nicht weit vom Ufer iſt eine hier zu Lande ſoge-
nannte Salzpfanne. Ich beſah ſie; ſie ſtand jetzt voll
Waſſer. Salzpfannen nennt man hier große Plaͤtze,
wo ſich ſalziges Waſſer ſammelt, das nach der Zeit des
Winterregens allmaͤhlig ausdunſtet, und auf dem Bo-
den Salz zuruͤcklaͤßt, welches der Landmann hohlt und
[6]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
in ſeiner Haushaltung gebraucht. Auf dieſe Art wird
alles Salz, das die Koloniſten im ganzen Lande brau-
chen, ohne das mindeſte Zuthun der Kunſt, von der
Natur zubereitet. Wenn der Winter zu Ende, und
die Regenzeit ebenfalls vorbey iſt, dunſtet das Waſſer
ſehr ſtark aus, welches theils von der ſtarken Sonnen-
hitze, theils von den heftig wehenden Winden herkommt.
Das Salz kryſtalliſirt ſich alsdann, und ſinkt zu Boden.
Die ſtaͤrkſte Kryſtalliſation geſchieht im November und
December, und zwar mitten am Tage zwiſchen zehn und
drey Uhr. Waͤhrend dieſer Zeit ſieht man deutlich, wie
das Salz zuerſt auf aͤhnliche Art als Rahm oder Sahne,
auf der Oberflaͤche ſich kryſtalliſirt, ehe es durch ſeine
Schwere niederſinkt. Dieſe Satzborke iſt ſehr fein,
und giebt feines Salz, das geſammelt werden muß,
ſobald es ſich kryſtalliſirt, und vom Suͤd-Oſt-Winde
auf die Nord-Weſt-Seite getrieben wird. Geſchieht
dies nicht, ſo faͤllt es in verſchiednen Lagen oder Schich-
ten auf den Boden, und bildet eine dicke Lage von gro-
bem Salze, das grobkoͤrnig iſt, von dem Unreinen, das
ſich damit vermiſcht hat, oft eine graue Farbe bekommt,
und zum Einſalzen der Fiſche und des Fleiſches ge-
braucht wird. Das feine Salz hingegen iſt nicht
nur weißer, ſondern auch reiner, und wird nur auf
dem Tiſche und zum Salzen der friſchen Butter ge-
braucht.
Den 19. September reiſeten wir vom gruͤnen Thale
ab: zur Rechten hatten wir auf dieſem Wege das unter
dem Nahmen Buͤrgerpoſt (Burger-Poſt) bekannte Ge-
birge, und zur Linken die Gruͤnthalsberge (Groene-
Kloofs-Berg); vor uns etwas rechter Hand, den Reh-
bockskopf (Reeboks-Kop), und ganz vor uns den
Konterberg (Konter-Berg), hinter welchem wir den Pa-
[7]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
vianberg (Babian-Berg) liegen ſehen konnten. Nach-
dem wir dieſe Berge zuruͤckgelegt hatten, und wieder
auf ebenem Felde waren, erblickten wir das Ribeckkaſtel,
den Vierundzwanzig-Flußberg (Vier en twintig Ri-
viers-Berg) und die Piketberge. Zugleich bemerkten
wir eine große Menge Rehboͤcke (Capra), Hirſchthiere
(Haarte-Beeſt, Capra dorcas), Steinboͤcke (Capra
Grimmia), und Taͤucherboͤcke (Duykers, Capra),
nebſt Streithaͤhnen und Straußen. Den Pfaffengru-
benbrunnen (Papenkuyls-Fountain) und den Eulen-
kraal (Uylekraal) vorbey, kamen wir nach Jan Slab-
berts Hofe.
Nach einigen Tagen langten wir bey der Saldan-
habay an. Dieſe hat viele Inſeln und gefaͤhrliche Un-
tiefen. Einige Stellen halten nur drey Faden Waſſer.
Auf der Findlinginſel (Fundling-Eyland) macht man
Thran von Seehunden in Lehmpfannen, worin er erſt
gegen die Sonne geſtellt wird, damit er ausduͤnſten moͤge.
Darauf wird er in einem Keſſel mit Holz, und hernach
mit demjenigen Fette, das nicht ausgeſchmelzt werden
kann, gekocht. Nahe bey dieſem Hafen liegen ver-
ſchiedne Inſeln, als die Findlinginſel, die Dachsinſel
(Daſſen-Eyland), Jutland, die ſich durch große Stein-
haufen auszeichnet, die Meeweinſel (Meewen-Eyland),
die Taxusinſel (Taxen-Eyland) und die Schafinſel
(Schaapen-Eyland). Sie alle ſind ſehr ſteinig, und
ihrer Klippen wegen iſt es ſchwer und gefaͤhrlich, mit
Fahrzeugen bey ihnen anzulegen. Auf der Taxusinſel
findet man Kaninchen, die, ſeitdem man ſie hieher ge-
bracht hat, ſich in großer Menge vermehrt haben. Die
Dachsinſel iſt beſonders der allgemeine Aufenthalt der
Penguine, einer Art Seevoͤgel, die ganz und gar nicht
fliegen, dagegen aber ſo viel beſſer ſich untertauchen koͤn-
[8]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
nen, daher ſie denn auch ihre meiſte Zeit auf dem Meere
zubringen.
Schiffe laufen in dieſen Hafen ſelten ein, wenig-
ſtens keine andre, als die, welche zu niedrig unterm
Lande geſegelt ſind, und daher nicht nach der Cap-
ſchen Rhede haben hinkommen koͤnnen. Der Ha-
fen geht in verſchiednen Beugungen fort; daher ge-
brauchen die Schiffe mancherley Winde, wenn ſie
heraus wollen.
Von der Saldanhabay ſetzten wir unſre Reiſe nach
Weißeklipp (Witte-Klipp), einem dem Koloniſten To-
bias Moſtert gehoͤrigen Hofe, fort. Seinen Nahmen hat
dieſer Hof von einem kleinen Berge, oder vielmehr einer
iſolirt ſtehenden, und nicht ſehr hohen Klippe, bey welcher
er liegt. Dieſer kahle Berg iſt ganz weiß, aber nicht, wie
man hier glaubt, von Kalk, ſondern von einer Art weißen
Mooſes, naͤmlich der kalkartigen Staubpflanze (Byſſus
lactea). Vorwaͤrts nach dem Hofe hin hat er eine große,
beynahe mondfoͤrmige Hoͤhle mit einem gleichſam gewoͤlb-
ten Dache. Es iſt ſehr ſchwer da hinein zu kommen,
weil der Berg vor derſelben nicht nur ſehr ſteil, ſondern
auch rund und ganz glatt iſt, einige ſchmale Streifen
ausgenommen, die in die Laͤnge hinab laufen, und vom
Regenwaſſer gebildet ſind. Demungeachtet konnte ich
dem Triebe hinein zu gehen, nicht widerſtehen, weil ich
verſchiedne Schwalben, die da ihre Neſter hatten, hin-
fliegen ſah, und vermuthete, es moͤchte auch ein oder
anderes ſeltnes Gewaͤchs ſich da einquartiert haben. Ich
zog deswegen Schuh und Struͤmpfe aus, und kletterte
endlich barfuß gluͤcklich hinauf. Der Ruͤckweg wurde
mir hernach noch weit ſchwerer, weil ich denſelben Weg,
und zwar auf dem Hintern herabrutſchend, wieder hin-
unter mußte. Selten mag wohl dieſe Hoͤhle aͤhnliche
[9]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Beſuche gehabt haben; ſie verdient ſie aber auch nicht.
Denn außer einer todt auf dem Boden liegenden
Schwalbe traf ich nichts darin an, das der Muͤhe werth
geweſen waͤre, geſehen zu werden. Sie iſt ungefaͤhr
zwanzig Ellen vom Fuße des Berges entfernt, und bey-
nahe mitten am Berge; die Hoͤhe und Weite betraͤgt
einige Klafter.
Die Strauße ſind in dieſer Gegend ſehr gewoͤhn-
liche Voͤgel. Ein Maͤnnchen wohnt, wie man mich
verſicherte, mit drey oder vier Weibchen zuſammen, die
uͤberall zwanzig bis dreyßig Eyer legen, auf denen ſie
um einander ſitzen, um ſie auszubruͤten, und zwar in
einem Neſte, das ſie mit den Fuͤßen im Sande zurecht ge-
treten haben. — Auch halten ſich in den hieſigen Ebenen
die Schakale oder Simſonsfuͤchſe in großen Scharen
auf. Die Einwohner nennen ſie wilde Hunde. Sie
fangen und verzehren viele von den hier befindlichen Boͤ-
cken, wie auch viele Strauße. Man ſagt, daß ſie in
großer Anzahl bey einander foͤrmliche Jagd nach dieſen
Thieren, und zwar mit großem Geheul, anſtellen, ſo
daß ſie dieſelben erſt von fern umringen, und dann im-
mer enger einſchließen. Manchmahl thun ſie auch dem
Landmanne großen Schaden, indem ſie gern Schafe
rauben: dieſe muͤſſen daher ſorgfaͤltig gehuͤtet und die
Hirten mit Schießgewehr verſehen werden.
Mit Blumen ſind dieſe flachen Sandgefilde nur
im Fruͤhlinge und im Anfange des Sommers geſchmuͤckt.
Sobald die Duͤrre und der Suͤd-Oſt-Wind anfangen
uͤberhand zu nehmen, wird der Same bald allenthalben
umher geſtreuet, oft ehe er recht zur Reife gekommen iſt.
Aus dieſer Urſache ſah ich mich oft genoͤthigt, den Sa-
men, welchen ich fuͤr Europaͤiſche botaniſche Gaͤrten ein-
nehmen wollte, beſonders von den annuellen Gewaͤchſen,
[10]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
unreif zu ſammeln, und in Papier trocken werden und
nachher voͤllig reifen zu laſſen.
Wir kamen weiter zum Honigberge (Honing-
Klip), einem Hofe des Landeigenthuͤmers Nikolaus Klein.
Unterweges ſah ich die Hottentottiſchen Raben
(Corvus Hottentortus) haͤufig den Kuͤhen auf dem Ruͤ-
cken ſitzen, und ihnen die Milben (Acari), von wel-
chen das arme Vieh hier ſehr geplagt wird, ableſen.
Sie hacken aber auch den Weitzen ſogleich nachher, wenn
er geſaͤet iſt, aus der Erde. — Auf dem Hofe hatte
man einen zahmen Greisbock (Grys-Bok, Capra),
von der Groͤße eines mittelmaͤßigen Lamms, den man in
den Sandebenen gefangen hatte. Sowohl dieſer als
der ſogenannte Steinbock, ſoll den Kopf verſtecken, und
ſich alsdann einbilden, er koͤnne nicht geſehen werden;
daher ſpringen ſie auch nicht leicht eher aus dem Gebuͤſch
auf, um zu fliehen, ehe man ihnen ganz nahe gekom-
men iſt *).
Das Geſtraͤuch auf dieſen Sandhaiden beſteht
bloß aus kleinen, duͤnnen ſtrauchartigen Gewaͤchſen, die
eine, hoͤchſtens zwey Ellen hoch ſind. Die Staͤmme
und Zweige ſind zum Theil ſo duͤnne, daß man ſie gar
nicht zum Brennen gebrauchen kann. Sie dienen aber
doch verſchiednen wilden Thieren zu ſichern Schlupfwin-
keln. Ich hatte oft viele Muͤhe, in dergleichen Gebuͤ-
ſche die kleinen Voͤgel, die ich im Fluge, wenn ganze
Scharen vorbeykamen, geſchoſſen hatte, und die da-
hinein gefallen waren, wieder zu finden.
[11]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Nun trafen wir zu Roſenthal (Roozen-Daal),
Peter Loſpers Hofe, und hernach auf dem Hofe eines
andern Loſpers ein. Dieſe Gegend liegt zwiſchen der
Saldanhabay und der Sancthelenabay, nicht weit von
der Kuͤſte. Sie iſt niedrig, voll Sandduͤnen und tiefer
Stellen (Valley), welche letztere jetzt ganz voll Waſſer
ſtanden, theils vom haͤufigen Winterregen, theils weil der
Bergfluß (Bergs-Rivier) ausgetreten war. Eben um
dieſes allenthalben ſtehenden Waſſers willen, konnten
wir auch weder nach dieſem Fluſſe, noch nach Melks
Hofe kommen, wohin man ſonſt in einem Boote uͤberge-
ſetzt wird. Wir waren alſo in der Nothwendigkeit, uns
nach Brandts Hofe am Salzfluſſe (Zout-Rivier) und
von da nach dem Eigenthum des Sohns dieſes Mannes
am Kameradquell (Maatjes-Fountain) zu begeben.
Dieſer Salzfluß iſt ein ganz andrer, als der,
welcher nahe bey Cap fließt, und ſeines ſalzigen Waſ-
ſers wegen eben den Nahmen fuͤhrt. In dieſem Lande
traͤgt es ſich oft zu, daß ganz verſchiedne, und zum
Theil weit von einander entfernte Inſeln, Berge, Fluͤſ-
ſe und ſelbſt Wohnplaͤtze und Hoͤfe einerley Nahmen ha-
ben: ein Umſtand, der in der Geographie deſſelben
viel Verwirrung verurſacht. Die Hoͤfe und Landeigen-
thuͤmer, deren Benennungen von den Beſitzern vorge-
ſchlagen und von der Regierung beſtaͤtigt werden, wuͤr-
den freylich anpaſſende und deutlich unterſcheidende Nah-
men bekommen koͤnnen, wenn der Gouverneur um dieſe ſo
große und weitlaͤuftige Kolonie, deren Umfang die verei-
nigten Niederlande in Europa vielmahl uͤbertrifft, ſich et-
was mehr bekuͤmmerte. Allein da nicht nur die eigentli-
che ins Meer ſich erſtreckende Landſpitze, ſondern auch die
Stadt, ja ſogar die ganze Kolonie noch gewoͤhnlich Cap
heißt, und die Stadt, obzwar ſie ſchon ſeit hundert
[12]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
und funfzig Jahren angelegt iſt, noch keinen beſondern
Nahmen bekommen hat, (ein klarer Beweis von großer
Sorgloſigkeit und ſchlechter Polizey), ſo iſt es kein
Wunder, wenn einzelne Hoͤfe oft einerley, oder dis
ungereimteſten Benennungen haben.
In der Gegend des Salzfluſſes halten ſich unzaͤhl-
bare Scharen Kernbeißer oder Goldfinken (Loxia
orix) auf, beſonders an denjenigen Baͤchen und Waſ-
ſerſtellen, die mit hohem Schilf bewachſen ſind, worauf
ſie ihre Neſter bauen, und von wo man ihr Zwitſchern,
hauptſaͤchlich gegen Abend, da ſie in Menge dahin zu-
ruͤckkommen, weit hin hoͤren kann. Sie thun dem Wei-
tzen viel Schaden: zuerſt freſſen ſie den Staubbeutel
(Anthera) der Blumen, und hernach die Koͤrner.
Das Weibchen ſieht allezeit grau aus; bey dem Maͤnn-
chen aber kommen vom Junius bis zum Januar allmaͤh-
lig die blutrothen Federn zum Vorſchein. Dieſe Gat-
tung iſt etwas kleiner, als der Capſche Kernbeißer
(Loxia Capenſis); auch ſeine Eyer ſind kleiner und
ganz gruͤn, dagegen die Eyer des letztern grau mit
ſchwarzen Flecken und etwas groͤßer ſind. Uebrigens iſt
dieſer Vogel, wie das ganze Geſchlecht der Dompfaffen,
ſehr dumm, und daher um ſo viel ſchwerer von den Wei-
tzenfeldern entfernt zu halten, wo eben ihrer erſtaunlichen
Menge wegen der Schade, welchen ſie anrichten, be-
traͤchtlich iſt. Wenn man auch ſchon mit einer Buͤchſe
unter ſie ſchießt, da gemeiniglich ihrer viele auf jeden
Schuß fallen, ſo fliegen die andern doch ſofort wieder
hin, ohne ſich irgend vor Gefahr zu ſcheuen. — Die
Kampfhaͤhne ſah ich hier die Blumenknoſpen von der
kraͤuſelfoͤrmigen Laugenblume (Cotula turbinata), wel-
che in dieſem Theile von Afrika in allen niedrigen Sand-
ebenen waͤchſt, abfreſſen.
[13]Reiſe vom Cap nach Zwellendam.
Hierauf kamen wir nach Floris Fiſchers Hofe.
Vom gruͤnen Thale an und noch weiter hin heißt dieſer
Diſtrikt Schwarzland (Zwart-Land). Er hat ſeine
eigne Kirche. Die Predigerſtelle war nun ſeit dem To-
de des letzten Paſtors drey Jahre vacant, ohne daß man
von Holland einen neuen hatte bekommen koͤnnen. In-
deſſen predigte hier doch einmahl des Monaths ein Geiſt-
licher aus der Stadt. Die Bauern haben einen weiten
Weg zur Kirche: einige gebrauchen zwey Tagreiſen.
Nun ritten wir bergan, und zwar laͤngs dem
Schwarzberge und denſelben vorbey, bis wir bey Stof-
fel Schmidt ankamen.
Jetzt wurden die Duͤnen ſeltner, das Land hoͤher,
und das Erdreich feſter. — Ruͤbenzwiebeln, oder
Rapunzeln (Raapuyntjes, Cyanella Capenſis), nennt
man hier eine Art Zwiebeln, die von den Landleuten ge-
braten und gegeſſen wird. — Die Aethiopiſche Miſtel
(Viſcum Aethiopicum) wird gegen die Diarrhoͤe ge-
braucht; man trinkt auch Thee davon.
Weiter kamen wir zu dem Hofe des juͤngern Slab-
bert. Hinter uns hatten wir zur Linken die Piketberge.
Wenn man am Cap iſt, glaubt man eine vor ſich
hin liegende an einander haͤngende Reihe von Gebirgen
zu ſehen. Auf meiner jetzigen Reiſe aber fand ich, daß
dieſe Berge getrennt ſind, und zugleich in verſchiednen
Strecken liegen. Ribeckkaſtel iſt ein Gebirge, das ſich
von Oſten nach Weſten erſtreckt, und auf dieſer Seite
mit dem ſchwarzen Berge endigt. Dieſe laufen alſo
nicht voͤllig parallel mit den hoͤher hinauf liegenden Ge-
birgen.
Wir verfuͤgten uns weiter nach Kornelis Goſens,
eines Sattlers, Hofe. Hier mußte ich einen meiner
Ochſen zuruͤcklaſſen, der an der Huͤfte lahm geworden
[14]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
war, und auf der Reiſe nicht weiter gebraucht werden
konnte.
Der große Bergfluß (Groote Berg-Rivier), den
wir nunmehr erreicht hatten, war von dem vielen Regen
ſehr hoch angeſchwollen, und es war unmoͤglich, an der
gewoͤhnlichen Stelle bey der Fledermaustrifft (Vleer-
muys-Drift) mit dem Wagen durchzufahren. Wir
mußten uns alſo mit der Faͤhre nach Piter Jubers Hofe
uͤberſetzen laſſen. Der Bewohner dieſes Hofes muß die
Faͤhre beſtaͤndig im Stande erhalten, auch das Ueber-
ſetzen beſorgen. Dafuͤr bekommt er jaͤhrlich eine anſehn-
liche Summe Geldes, naͤmlich acht Gulden von jedem
jenſeits liegenden Hofe, und außerdem noch beſondre
Bezahlung von allen andern, die uͤberfahren. Auch
nehmen die ſaͤmmtlichen hier herum liegenden Bauerhoͤfe
an der Unterhaltung der Faͤhre Theil, ſie moͤgen groß
oder klein, arm oder reich ſeyn, die Faͤhre oft, oder ſel-
ten, oder gar nicht gebrauchen. In der That benutzen
einige Bauern ſie niemahls, ſondern reiſen mir ihren
Waaren des Sommers alsdann, wenn das Waſſer in
dieſem Fluſſe niedrig ſteht, und ſie mit dem Wagen
leicht durch die Furth kommen koͤnnen, zur Stadt.
Von hier ging unſer Cours zu Johannes Liebenberg.
Jetzt bekamen wir Weinberge und Gaͤrten mit Citronen-
und Apfelſinbaͤumen zu ſehen. Der Weg iſt hier voͤllig
dicht und hart, und beſteht aus roͤthlichen Steinbergen.
Das Feld iſt ziemlich grasreich.
Ferner ritten wir nach Chriſtian Liebenbergs Hofe,
nach Gerd Kemps Hofe am Dachsberge (Daſſen-Klip)
Friedrich Liebenbergs Hof vorbey, uͤber den beſchwerli-
chen Kartousberg zu Wilhelm Burger, wo wir am
Abend naß und erſchrocken ankamen. Naß waren wir
vom Regen, der waͤhrend der ganzen Paſſage uͤber den
[15]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Berg ununterbrochen angehalten, und uns ganz und gar
durchnaͤßt hatte. Voll Furcht und Schrecken waren
wir noch uͤber den Weg, den wir gekommen waren. Er
war einer der muͤhſeligſten, gefaͤhrlichſten und ſteilſten,
die wir je geſehen hatten, und gewiß ſind kaum andre,
als die ihn gereiſet ſind, im Stande, ſich einen rechten
Begriff davon zu machen. Auch wird dieſer ſchmale
Bergweg (Kloof), der uͤber daſſelbe Gebirge, als der
Bergweg nach Rotheſand (Roode-Zands-Kloof), aber
weiter unterwaͤrts nach dem Norderende hin, geht, von
den ſaͤmmtlichen Einwohnern fuͤr einen der allerſchlimm-
ſten Wege uͤber die Afrikaniſchen Gebirge gehalten.
Auf der Weſt-Seite iſt er nicht ſehr hoch, auch eben
nicht beſchwerlich oder gefahrvoll. Deſto ſchrecklicher
aber wird er auf der Oſt-Seite, wo er ganz ſteil, ſteinig
und ſchmal iſt, und ſich zur Linken ein tiefer Abgrund
zeigt, dem man entgegen faͤhrt. Eine Hand breit
zu weit zur Seite ſetzt Wagen, Ochſen und Fuhr-
mann in die aͤußerſte Gefahr. Die Ueberfahrt war jetzt
mit noch mehr Gefahr als ſonſt verbunden, da der Re-
gen den Weg ſehr glatt und ſchluͤpfrig gemacht hatte, und
das Zugvieh leicht ausglitſchte. Der Hof liegt unmittel-
bar am Fuße des Berges. Der Bauer und ſeine Frau
wußten ihr Erſtaunen uͤber die Ankunft ihrer Gaͤſte,
dergleichen ſie bey ſolchem Wetter an dieſem Orte gar
nicht vermuthet hatten, nicht genug zu erkennen zu geben.
Das Land iſt uͤbrigens, wie Rotheſand, ein breites, nicht
nur auf beyden Seiten, ſondern auch an den beyden
Enden mit Bergen umgebnes, von einem Fluſſe, der
den Nahmen Elefantenfluß (Olifants-Rivier) fuͤhrt,
durchwaͤſſertes und ſehr grasreiches Thal. Von Rothe-
ſand iſt es durch den Winterberg (Winter-Hoek), und
andre daran liegende Berge abgeſondert, auch von ganz
[16]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
andrer Geſtalt und aͤußrer Beſchaffenheit; Rotheſand iſt
viel niedriger, und einen guten Theil ſchmaler; denn die
ganze Breite betraͤgt nur einige Buͤchſenſchuͤſſe.
Froh, nach einer ſo gefaͤhrlichen Reiſe unſer Fuhr-
werk noch in gutem Stande zu haben, begaben wir uns
weiter hinunter zu Schalk Burger, und von da durch
den Elefantfluß, den wir hernach zur Linken hatten.
Wir fruͤhſtuͤckten ein wenig, und verfuͤgten uns nach
dem eine Strecke vom Hofe belegenen warmen Bade,
um daſſelbe in Augenſchein zu nehmen. Der Weg da-
hin war ſehr ſumpfig, und beſchwerlich, ehe wir etwas
aufwaͤrts an den Fuß des Berges kamen.
Dieſes warme Bad, welches gewoͤhnlich unter
dem Nahmen Elefantenwarmebad (Olifants-warme
Baad) vorkommt, heißt auch wohl Engelsbad (Engele-
Baad), von einem Fiſkale Engelmann, der es zuerſt
ausgraben und reinigen, auch auf Koſten der Compa-
gnie, zur Bequemlichkeit der Badegaͤſte ein gut eingerich-
tetes und huͤbſches ſteinernes Haus da hat bauen laſſen.
Die Adern der Quelle haben eigentlich an der Oſt-Seite
der langen Bergkette in einer ziemlichen Hoͤhe oberhalb
des Fußes derſelben, ihren Urſprung, und zwar in einer
Kluft, die ſchraͤge ſuͤdwaͤrts laͤuft, und da in die Quer
eine andre Kluft bildet. Der Adern ſind mehrere; drey
aber ſind die vornehmſten. Aus dieſen fließt das Waſ-
ſer in unterſchiedliche kleine Huͤtten, die da, und zwar be-
ſonders fuͤr die Koloniſten, andre fuͤr die Sklaven, und
wieder andre fuͤr die Hottentotten, angelegt ſind. In
jeder Huͤtte ſind drey oder vier Treppen, die ins Waſſer
hinabgehen, und worauf die Badenden nach Belieben
ſitzen koͤnnen. Auf der einen Seite iſt zugleich die Ein-
richtung getroffen, daß ſie waͤhrend des Schwitzens lie-
gen koͤnnen. Das Waſſer ſelbſt iſt nicht ſiedend heiß,
ſondern
[17]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
ſondern nur lauwarm, hat keinen Geſchmack, ſetzt kei-
nen Ocker oder andern Bodenſatz, und in den Rinnen,
worin es fortgefuͤhrt wird, waͤchſt nur Waſſerfaden
(Conferva). Dies Bad iſt auf derſelben Seite deſſel-
ben Gebirges, und iſt auch von eben der Art, als das
im erſten Theile von mir beſchriebne warme Bad im
Brandthale (Brand-Valleys warme Baad). Auch hat
es darin mit dieſem Aehnlichkeit, daß man darin leine-
nes Zeug waſchen, ohne daß es Flecken giebt, und Eſ-
ſen kochen kann, ohne daß dieſes den mindeſten uͤbeln
Geſchmack bekommt. Auch die blaue Farbe des Zucker-
papiers wird durch dies Waſſer nicht veraͤndert.
Die hier belegenen Hoͤfe haben ſowohl Weinberge,
als Obſtgaͤrten, und fuͤr das Vieh vortreffliche Weide.
Die Berge zur Rechten trennen das Bockland
(Bokke-Veld) von dieſem Thale, und ſcheinen fuͤnf
anſehnliche Bergruͤcken auszumachen, zwiſchen welchen
tiefe Thaͤler ſich erſtrecken, die nach Flintenſchuͤſſen eben
ein ſolches Echo, als nach dem Donner hoͤren laſſen. Ei-
ner von den Bergen, der oben flach und dabey hoch iſt,
und an den Seiten in zwey Erhoͤhungen ſich erhebt,
heißt der kleine Tafelberg.
Anders Lubbe’s Hof vorbey kamen wir zu einem
Hofe, der Peter Gaus gehoͤrte.
Vor Zeiten ſind dieſe gebirgigen Gegenden von
Loͤwen und andern wilden Thieren angefuͤllt geweſen.
Seit mehrern Jahren aber ſind dieſe ſo verſcheucht und
weggewoͤhnt, daß die Einwohner nur ſelten Beſuche von
ihnen bekommen. Gleichwohl muß jeder Koloniſt in die-
ſem Diſtrikte der Compagnie noch eine von Alters her
eingefuͤhrte Steuer bezahlen, die man Loͤwen- und Tiger-
geld nennt. Jeder entrichtet vier Reichsthaler Loͤwen-
und zwey Gulden Tigergeld. Vor dieſem wurde von die-
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. B
[18]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſem Gelde eine Kaſſe formirt, woraus damahls, als
man den Anbau des Landes erweiterte, und die Koloni-
ſten von den wilden Thieren ſehr beunruhigt und gehin-
dert wurden, jedem, der eins derſelben ſchoß oder fing,
eine gewiſſe Praͤmie ausgezahlt wurde. Anfangs bezahl-
te die Regierung fuͤr einen Loͤwen ſechzehn Reichsthaler,
und fuͤr einen Tiger zehn Gulden. In der Folge wur-
de dieſe Summe ſo vermindert, daß man fuͤr eine Loͤ-
wenhaut nur zehn Reichsthaler, und fuͤr eine Tiger-
haut ſechs Gulden bekam. Jetzt, da dieſe Thiere im
groͤßten Theile der Kolonie ſo ausgerottet ſind, daß ſie
ſich ſelten oder gar nicht mehr ſehen laſſen, wird den ent-
fernteſten Koloniſten, welche die einzigen ſind, die
davon beunruhiget werden, nicht anders mehr eine Praͤ-
mie dafuͤr ausbezahlt, als wenn ſie die Thiere leben-
dig nach der Capſtadt bringen und da vorzeigen, welches
ſich aber faſt gar nicht thun laͤßt. Und doch hoͤrt dieſe,
zu jenem beſtimmten Endzwecke eingerichtete Steuer
nicht auf, obgleich die Abſicht erreicht iſt, und die Urſa-
che laͤngſt aufgehoͤrt hat; ſondern ſie hat eben die Natur
und Beſchaffenheit angenommen, wie ſo manche Abga-
ben und Steuern an andern Orten. — Außer dem,
was der Landmann jaͤhrlich fuͤr ſeinen Hof entrichten
muß, bezahlt er auch alle Jahr fuͤr Wachslicht vier
Reichsthaler, fuͤr jedes Pferd einen Stuͤber Hollaͤndiſch,
und fuͤr jedes Hundert Schafe einen Gulden. Ferner
muß jeder Einwohner, der Buͤrger iſt, er ſey arm oder
reich, er beſitze einen eintraͤglichen oder geringen, großen
oder kleinen Hof, eine gewiſſe Abgabe zur Unterhaltung
der Wege und des Straßenpflaſters erlegen. Zu Un-
terhaltung der Bruͤcken und Faͤhren muͤſſen ebenfalls alle
gleich beytragen, ihr Weg mag daruͤber gehen oder
nicht. Dagegen ſind ſie frey von allen Lieferungen zum
[19]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Kriege, es ſey an Mannſchaft oder Ruͤſtung, frey von
Zehnten und andern Abgaben an Korn und Vieh, ſo-
wohl an den Staat als an die Geiſtlichkeit, vom Bau
und Beſſerung der Wege, von Vorſpann, Frohndien-
ſten und allem dergleichen.
An dieſem Orte ſah ich bey einem Maͤdchen ein
ſehr boͤsartiges Ueberbleibſel von den Maſern, das nun-
mehr noch nach drey Jahren vorhanden war. Es beſtand
in blauen, oder vielmehr gruͤnlichen Flecken (Sugillatio-
nes) vor der Stirn und unter den Augen, die zwey bis drey
Wochen dauerten, dann weggingen und hernach wieder-
kamen. Auch an andern Theilen des Koͤrpers, als auf
den Armen und Haͤnden, hatte ſie ſolche Flecken; aber
das Geſicht litt doch vorzuͤglich dadurch und war ganz
entſtellt. Auch ein ſchon zu Jahren gekommner
Bauer hatte nach den Maſern einen ziemlichen Anfall
von der Lungenſucht; ich verordnete ihm die erforderlichen
Arzneymittel, und habe hernach erfahren, daß er ſeine
Geſundheit voͤllig wieder erhalten hat.
In den folgenden Tagen ſetzten wir unſre Reiſe
das Thal hindurch weiter fort, kamen nach Berndt Lub-
be’s Hof, den Pikenierberg, welchen wir zur Linken lie-
ßen, und den daran liegenden Hof, der von ſeinem Be-
ſitzer Matton den Nahmen hat, vorbey, zu dem juͤngern
Berndt Lubbe, am Ende des durch das Thal gehenden
Bergweges.
Jetzt fing das Land an merklich uneben und ber-
gig zu werden. Hier waͤchſt eine Stoͤbe (Stoebe), de-
ren Wurzel genau eben ſo als der Gartenbaldrian (Va-
leriana Phu) riecht, und meiner Meinung nach gegen
die fallende Sucht ein gutes Mittel ſeyn muß.
Den 15. October begaben wir uns wieder auf die
Reiſe. Wir hatten unſre Eßkoͤrbe auf einige Tage an-
B 2
[20]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
gefuͤllt, und nahmen unſern Weg uͤber das Gebirge
nach Kies Koopmanns Hofe, von da weiter zu Span-
nenberg, jenſeits des Dornfluſſes (Doorn-Rivier), und
endlich zu Klaes Losper, deſſen Hof im unterſten Bock-
lande (Bokke-Veld) liegt. Wir waren aber noch nicht
weit am Gebirge hinauf gekommen, als ich das Ungluͤck
hatte, daß durch die Unvorſichtigkeit meines Fuhrmanns
mein Karren umwarf, und die Deichſel brach. Es war
daher ſchlechterdings unmoͤglich, die Reiſe uͤber beſchwer-
liche Gebirgswege in unbewohnten Gegenden weiter fort-
zuſetzen. Wir mußten uns deswegen, ſo gut wir konn-
ten, mit Stricken zu helfen ſuchen, nach dem Bauerhofe
zuruͤckkehren, und einen andern Entſchluß faſſen. Hier
ließ ich meinen Karren wieder in Stand ſetzen, und
wir beſchloſſen, um aͤhnliche Unfaͤlle zu vermeiden, unſre
Wagen und Karren langſam durch das Pikenierthal
(Pikenier Kloof), dann weiter hinauf durch das Ro-
theſandthal (Roode-Zands-Kloof), nach Rotheſand
fahren, und da ausruhen und unſre Ankunft erwarten
zu laſſen. Mittlerweile machten ich und der Englaͤnder
zu Pferde die Reiſe weiter hinterwaͤrts im Thale hinauf
nach Gaus Hofe, wo wir durch das lange Elennthal
(Elands-Kloof), und weiter uͤber das Gebirge nach dem
ſogenannten kalten Bocklande (Koude-Bokke-Veld),
zu Bernhard Forſter kamen.
Das Elennthal iſt ziemlich breit, und ein großer
Fluß fließt hindurch. Das kalte Bockland, welches
zwiſchen dem unterſten und dem warmen Bocklande, wie
auch zwiſchen dem Elefantenthale (Olifants Kloof) und
dem Karrolande (Carro-Veld) liegt, hat eine ſehr hohe
Lage und im Winter ziemlich kalte Witterung. So
kalt iſt es da indeſſen doch nicht, als im Rockenlande
(Rogge-Veld), das weiterhin jenſeits des Karrolandes
[21]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
liegt, und deſſen Einwohner verſchiedne Monathe im
Jahr, vom April bis September, um der Kaͤlte und des
Schnees willen nach dem darunter liegenden Karro zie-
hen, das alsdann Waſſer, Regen und Gewitter hat.
Die Einwohner dieſes Bocklandes ziehen zwar auch mit
ihrem Viehe eine Zeit im Jahre nach Karro, es iſt ih-
nen aber ſcharf verbothen. Das kalte Bockland iſt faſt
genau ſo breit, als das Elefantthal, zu beyden Seiten
mit hohen Bergen umgeben, die nord-weſtwaͤrts zuſam-
menſtoßen, und nur einen ſchmalen Eingang zu einem
auf der andern Seite liegenden flachen Felde uͤbrig laſ-
ſen. Hier faͤllt bisweilen Schnee, der eine Zeit lang
liegen bleibt, ohne zu ſchmelzen. So kalt dies Land in-
zwiſchen ſeyn mag, iſt es doch vor dieſem von den Hotten-
totten weit mehr, als jetzt von den Europaͤern, die hier
nur einige wenige kleine Hoͤfe angelegt haben, bewohnt
geweſen. Ueberhaupt wohnen die Hottentotten in ihren
Ortſchaften zu einer ziemlichen Anzahl beyſammen, oft
mehrere hundert in großen Doͤrfern; ſie leben von Wur-
zeln, dem Fleiſche wilder Thiere und ihren eignen Herden,
zu deren Weide ihnen das ganze Land offen ſteht; und
dabey ſind ſie mit wenigem zufrieden. Jeder Koloniſt
hingegen will fuͤr ſich ſeinen eignen Hof haben; ein Theil
des dazu gehoͤrigen Diſtrikts ſoll zu Weitzenfeld und
Weinbergen angewandt werden. Wilde Thiere werden
ohne Barmherzigkeit, Ueberlegung und gehoͤriges Spa-
ren getoͤdtet; einige ſchießt man aus Luſt, andre rottet
man aus, entweder des Schadens wegen, den ſie im
Felde, in den Gaͤrten und ſonſt anrichten, oder auch um
des Fells willen. — Das Bockland iſt uͤbrigens ziem-
lich flach, und ohne Gebuͤſch und Waldung. Nur hie
und da erblickt man einen niedrigen Strauch. Außer-
dem bringt es weiter nichts als Gras, und an einigen
[22]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Orten eine Art hohen Schilfes oder Binſen hervor. An
den Bergen ſelbſt ſieht man, wiewohl ſelten und zer-
ſtreut, einen großblaͤttrigen Silberbaum (Protea grandi-
flora, Hollaͤndiſch Waageboom, Wagenbaum), welche
Baͤume hier noch dazu niedrig ſind. Seinen Nahmen
hat dieſer Bezirk von den ſogenannten Springboͤcken
(Spring-Bokken, Capra pygargus), die ſich hier in
zerſtreueten Herden aufhalten, und in gewiſſen Jahren
aus den entfernteren Gegenden in unzaͤhlbarer Menge hie-
her ziehen. Die zu beyden Seiten liegenden Berge ſind
ganz kahl, ſehen wie eine alte Mauer aus, und gehen
in die Hoͤhe, ohne einen ſich lehnenden Fuß zu haben,
und ohne daß unten kleine Huͤgel herum liegen, wie dies
bey andern Bergen gewoͤhnlich iſt. Man kann ſehen,
daß die Luft viel davon weggezehrt hat, und mit der Zeit
werden ſie ihre Geſtalt vermuthlich nicht wenig veraͤn-
dern. Die Luft macht, daß viele Theilchen derſelben
verwittern, und dieſe ſpuͤhlt hernach der Regen weg, au-
ßer einige große Stuͤcke, die bisweilen herausfallen.
Das ſtehenbleibende Regenwaſſer verurſacht auch man-
che Loͤcher. Die Klippen, welche viele Spitzen haben,
beſtehen zum Theil aus einer Miſchung von Quarzſtei-
nen, Quarzgries und Sandſtein. Die Feuchtigkeit
macht, daß ſie ſpringen, los werden und endlich ausfal-
len, und in großen Stuͤcken herabrollen. Dies macht,
daß die Berge zerriſſen ausſehen, und dadurch ſelbſt Be-
weiſe ſowohl ihres ſehr hohen Alters als ihrer allmaͤhligen
Zerſtoͤrung ſind. Die Haͤrte des Steins iſt ſehr verſchie-
den, und eben daher verwittern ſie auch ſehr ungleich.
An vielen Stellen findet man Kieſelſteine, die in großen
Klumpen, wie hineingeſpickt, ſtecken: manchmahl ſtecken
uͤber hundert in einem Klumpen. Man trifft hier auch
viel große Huͤgel, die aus Sandſtein beſtehen, welcher
[23]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
unten wie Kalk kreideweiß und los, oben aber, mit eini-
ger Miſchung von Gelbem und Weißem, gelb iſt. In den
Thaͤlern und an den Baͤchen liegt der feinſte Sand, der
unſtreitig oben von den Bergen und deren einzelnen Huͤgeln
vom Regenwaſſer heruntergeſchwemmt iſt. Die Schich-
ten und Lagen der hieſigen Berge auf der Oſt-Seite lie-
gen ſchraͤg, gleichſam als waͤren die Berge etwas geſun-
ken; auch die etwas breiten Schichten haben eine ſolche
Lage, daß ſie gegen Nord-Weſten niedriger und ſuͤd-
oſtwaͤrts hoͤher ſind. Dieſe großen und hohen Bergſtre-
cken, die in verſchiednen Reihen fortgehen, und durch
theils breite, theils ſchmale Gruͤnde und Thaͤler getrennt
ſind, machen die eigentlichen Gebirge dieſes ſuͤdlichſten
Theils von Afrika aus.
Der Springbock haͤlt ſich nicht, wie der Rehbock, auf
dem Gebirge, auch nicht, wie der Steinbock und der Taͤu-
cherbock (Duyker), im Gebuͤſche, ſondern auf ebenem
Felde auf, wo er die ſchoͤnſten und bewundernswuͤrdigſten
Spruͤnge, ein bis zwey Klafter hoch, in die Luft macht.
In den Gebirgen und Gebuͤſchen wuͤrde der Springbock
auch von den Hunden leicht gefangen werden, weil er da
eben nicht gut fortkommen kann. Die Steinboͤcke,
hauptſaͤchlich aber die Taͤucherboͤcke, richten in den Gaͤr-
ten oft Schaden an, indem ſie die jungen Sproſſen und
Knospen an den Baͤumen abfreſſen. Die Springboͤcke
ſchaden auch den Weitzenfeldern ſehr, beſonders wenn ſie
in großen Haufen ankommen. Sie laſſen ſich gar nicht
fangen, weder in Schlingen noch durch Selbſtſchuͤſſe.
Man muß ihnen auf den Feldern, wohin ſie zu kommen
pflegen, auflauern und ſie ſchießen. Man graͤbt zu die-
ſem Ende eine Grube im Acker, worin man ſich ganz
verbergen kann, und wenn ſie nahe genug gekommen ſind,
ſchießt man ſie mit Laufkugeln.
[24]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Unter andern Thieren ſah ich hier eine Art Schlan-
gen, die man Baumſchlangen (Boom-Slang nennt,
und von der man erzaͤhlt, daß ſie auf den Baͤumen die
Voͤgel verſchlingen. — In den Gaͤrten richten die Kern-
beißer (Loxia Aſtrild, hier Rood-Beckjes genannt) viel
Schaden an, denn ſie freſſen Blumen und Samen ab.
Kraͤuter haben dieſe Berge nur in geringer Verſchie-
denheit und Menge. Unter dieſen iſt auch der ſoge-
nannte Fliegenbuſch, oder das gezaͤhnte Tropfkraut (Rori-
dula dentata), deſſen Blaͤtter mit feinen Haaren und
einer zaͤhen und ſchleimigen Feuchtigkeit bedeckt ſind,
woran kleine Inſekten allezeit feſt kleben. Man ſetzt dieſe
Buͤſche in die Haͤuſer, um Fliegen damit zu fangen.
Unſer folgender Aufenthalt war bey Iſaak Viſage.
Darauf ritten wir Niklas Janſens Hof vorbey, und
kehrten bey Karl van der Merwel ein.
Auch hier liegt ein ſogenannter Tafelberg, und zwar
iſolirt mitten im Lande. Nord-weſtwaͤrts iſt er oben
ganz platt, und an der Seite ſteil; nach Suͤd-Oſt aber
iſt er abhaͤngig und ſehr hoch, und hat viele Huͤgel. Die
Einwohner dieſes gebirgigen Landes wohnen zwar in einer
ungemein hohen Gegend; ſie ſagen aber doch allezeit, wie-
wohl ganz unrichtig, (denn das Land wird dahin immer
niedriger) daß ſie nach dem Cap hinauf reiſen wollen.
Der Weitzen hatte hier noch keine Aehren, da ich
ihn doch jenſeit des Berges ſchon voͤllig in Aehren geſehen
hatte. Die Erbſen wurden erſt geſaͤet. Man ſaͤet und
erntet hier uͤberhaupt ein Paar Monathe ſpaͤter, als in
der Naͤhe des Cap und in dem jenſeitigen niedriger liegen-
den Lande. — Daß hier zu Lande das rechte Rad am
Pfluge groͤßer als das linke iſt, habe ich ſchon bemerkt.
Jenes hat acht Speichen, iſt mit einer eiſernen Platte ver-
ſehen, und ſo eingerichtet, daß es nicht abgenommen
[25]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
werden kann. Das kleine hat nur vier Speichen, laͤuft
allezeit auf der ungepfluͤgten hoͤhern Seite, und haͤlt da-
durch den Pflug gerade. — Ich fand hier, daß man
die Schafe Morgens und Abends, wenn ſie ausgetrie-
ben wurden und zu Hauſe kamen, genau zaͤhlte; auch
daß man ſie, um ſie zu kennen, wenn ſie unter fremde
Schafe kommen ſollten, an einem, auch wohl an beyden
Ohren gezeichnet hatte. Das Zaͤhlen war das Geſchaͤfft
der Hausfrau, die auch jedem Schafe ſeinen eignen Nah-
men gegeben hatte. Ihr ſehr gutes Gedaͤchtniß und die
taͤgliche Uebung hatten ihr hierin eine ſolche Fertigkeit und
Genauigkeit gegeben, daß ſie, wenn unter den mehreren
Hundert auch nur eins weg war, es ſogleich vermißte.
Den 20. October kamen wir zu Wilhelm Preto-
ris. Hier trafen wir zwar einen ſehr wohl gelegenen Hof
an; die Witterung iſt aber in dieſer Gegend im Junius,
Julius und Auguſt ſo kalt und rauh, daß viel Schnee
faͤllt, manchmahl mehrere Tage nach einander, und
daß Eiszapfen an den Daͤchern frieren. Alle Kaͤlber,
Laͤmmer und Fuͤllen, die an den Tagen, da der Froſt
anhaͤlt, zur Welt kommen, ſterben in den Huͤrden oder
Pferchen, worin ſie eingeſchloſſen gehalten werden, ohne
daß man ſie auf die Weide gehen laſſen kann, vor Kaͤl-
te und Hunger.
Jan Rasmus und van Heeres Hoͤfe vorbey, reiſe-
ten wir weiter zu Jakob Pinard. Hier fanden wir et-
was Waldung. Der Wirth und ſeine Frau waren eben
nicht zu Hauſe, und wir trafen nur ein Paar Sklaven
und einige Hottentotten-Kinder an. Wir mußten uns
daher begnuͤgen, dieſe Nacht unter Obdach zuzubringen,
und auf Eſſen und Trinken und jede Art von Verpflegung
Verzicht thun, ob wir gleich den ganzen Tag, ohne et-
was gegeſſen zu haben, geritten waren, und der naͤchſte
[26]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Hof noch verſchiedene Meilen weit weg lag. Am folgen-
den Tage machten wir uns deswegen bey guter Zeit wieder
auf den Weg. Skalk van Heere nahm uns auf ſeinem
Hofe ſehr freundſchaftlich auf, und bewirthete uns mit
einem Fruͤhſtuͤck und ziemlich gutem Weine, der ein Pro-
dukt dieſer Gegend war.
Hier nimmt das warme Bockland (Warme Bokke-
Veld) den Anfang. Von dem kalten wird es durch ho-
he Berge abgeſondert, die zum Theil ſehr ſteil ſind, und
welche wir an dieſem Tage herabgekommen waren. Es
liegt demnach viel niedriger und iſt auch in eben dem Ver-
haͤltniſſe weniger kalt. Da in dem kalten Bocklande nur
an einigen wenigen Orten Wein gebauet werden kann, und
derſelbe doch eben nicht ſehr reif wird, ſo kommen dagegen
die Weinſtoͤcke in dem warmen ſehr gut fort, und geben
recht guten Wein. Das warme Bockland macht nur
einen kleinen Bezirk aus, der weder ſehr lang noch ſehr
breit, ſondern mehr rund, und von Bergen in Geſtalt
eines Zirkels umringt iſt. Ausgang aus demſelben hat
man nur durch enge Oeffnungen bey dem Senfthale
(Moſterts-Hoek) und dem Hexenfluſſe (Hex-Rivier).
Das Land iſt flach, allenthalben mit Gras bewachſen,
ohne alle Buͤſche, und von den faſt ganz verjagten Spring-
boͤcken ſieht man nur wenig Ueberbleibſel.
Da wir erfuhren, daß gerade an dieſem Tage zwey
junge Bauern den naͤchſten Weg uͤber das hohe Gebirge
nach dem jenſeit deſſelben liegenden Rotheſand, und zwar
zu Pferde reiſen wollten, ſo beſchloſſen wir, uns dieſer
Gelegenheit auch zu bedienen, und in ihrer Geſellſchaft
zu reiſen. Da aber mein Gefaͤhrte, nachdem wir ſchon
eine Strecke hinauf waren, ſeinen Mantelſack vermißte,
und umkehren mußte, um ihn zu hohlen, unſre auf
der langen Reiſe ſchon etwas matt gewordne Pferde aber
[27]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
nicht im Stande waren, im Gebirge ſo geſchwind fortzu-
kommen, blieben wir hinter unſern Wegweiſern zuruͤck, und
verlohren endlich an den ſteilen Abhaͤngen den ſchmalen, we-
nig bemerkbaren Pfad ſo ſehr, daß wir uns gezwungen ſahen,
umzuwenden, und auf dem vorigen Wege nach dem Hofe
zuruͤckzukehren, und dieſen Tag als verlohren anzuſehen.
Wir ritten hierauf durch einen großen Theil des warmen
Bocklande, und kamen vor Abend zu einem Hofe mit huͤb-
ſchen Gebaͤuden, der vortreffliches Vieh, Milch und
Butter im Ueberfluß hatte, und Peter Funere gehoͤrte.
Von hier iſt kein andrer Weg nach Rotheſand, als durch
Moſtertshoͤk, ein ſehr niedriges und ſchmales Thal,
zwiſchen den zu beyden Seiten liegenden ſehr hohen Ber-
gen. Bey jetziger Jahrszeit war dieſe Reiſe aber gefaͤhr-
lich, weil die großen breiten Baͤche, die hindurch fließen
und durch die wir reiten mußten, jetzt ſehr angeſchwollen
waren. Um nun durch dieſe gefaͤhrliche Paſſage gluͤck-
lich durchzukommen, nahmen wir fuͤr Bezahlung ei-
nen Knecht, der allenthalben Beſcheid wußte, voran
reiten und uns die am wenigſten tiefen Stellen, wo man
durchreiten konnte, zeigen mußte. Beym erſten Ein-
tritte ins Senfthal fanden wir den Weg ungemein ſtei-
nig, bergig und ſteil. Bald darauf mußten wir durch
verſchiedne Fluͤſſe und Baͤche, als den Bruͤckenfluß
(Brug-Drift), den Stromfluß (Stroom-Drift), den
Pfriemenfluß (Elſe-Rivier) und den tiefen Fluß
(Diep-Drift), nebſt verſchiednen andern Baͤchen und
Fluͤſſen, die hernach zuſammenfließen und den breiten
Fluß (Breede-Rivier), der anſehnlich groß iſt, ausma-
chen. Durch dieſe Fluͤſſe kamen wir nur mit vieler Ge-
fahr. Das Waſſer reichte den Pferden bis an den Bauch,
und der Boden lag voll runder Steine, die von den Ber-
gen herabgerollet waren, ſo daß die Pferde kaum gehen
[28]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
oder feſtſtehen konnten. Manchmahl war auch der Strom
ſo ſtark, daß die Pferde Muͤhe hatten, den rechten Weg
zu halten. Endlich kamen wir gluͤcklich zu Rotheſand
bey dem Koloniſten de Wett an, wo unſre Ochſen ſchon
ausgeruhet, ſich erhohlt, und zu der ferneren Reiſe neue
Kraͤfte geſammelt hatten.
An den Fluͤſſen, die wir jetzt paſſirt waren, ſtan-
den verſchiedne Buͤſche und Straͤuche, beſonders einige
Arten des Storchſchnabels (Geranium), die einen an-
genehmen, ſtarken und erfriſchenden Geruch um ſich ver-
breiteten.
Der Diſtrikt, welcher den Nahmen Rotheſand
fuͤhrt, wird nordwaͤrts durch einen Berg, oder vielmehr
ein Gebirge, welches der Winterberg (Winter-Hoek)
heißt, eingeſchloſſen. Dieſes Gebirge trennt es auch
vom Elefantenthallande (Olifants-Kloofs-Land). Dies-
mahl beſah ich dieſe Berge noch genauer, als im vorigen
Jahre. Ich ſtieg bis auf die hoͤchſten Gipfel. An man-
chen Stellen fand ich ſie noch mit Hagel bedeckt. Auf
der einen Seite iſt ein ſchoͤner Waſſerfall, wo das Waſ-
ſer eine ſenkrecht ſteile Klippe herabſtuͤrzt, und in einer
ziemlich großen Vertiefung, die mit verſchiednem Ge-
ſtraͤuch bewachſen iſt, ſich ſammelt, ehe es weiter fließt.
Ich hatte zwar große Luſt dahin zu gehen; allein ein gro-
ßer Umweg, den ich haͤtte machen muͤſſen, hielt mich an-
fangs davon ab. Endlich wagte ich einen Sprung von
wenigſtens zehn bis zwoͤlf Klaftern, der mir auch ſo wohl
gelang, daß ich nicht den mindeſten Schaden nahm,
weil das Gebuͤſch nicht zuließ, daß ich hart fallen
konnte. — Unter andern traf ich in dieſem Gebirge
einen ſchoͤnen, rothen, feinblaͤttrigen Schiefer an, der
hier in breiten Schichten liegt. Man findet ihn hier auch
in großen heruntergefallnen Stuͤcken unter andern Stei-
[29]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
nen, und die Steinhaufen ſehen davon wie Marmor
aus. Sonderbar kam es mir vor, daß ich weder hier
noch in andern Gebirgen dieſer Gegenden Kalkſtein oder
Kalkberge, auch keinen Marmor und Kieſel antraf.
Doch zeigte man mir an einem Orte Strahlgyps (Sti-
rium gypſeum) den man in den Bergen beym Hexen-
fluſſe gefunden hatte. — Außer andern ſeltnen Gewaͤchſen
bemerkte ich auch die ſo rare Diſa caerulea, nebſt der eben-
falls raren Protea nana, deren Blumen wie Roſen aus-
ſehen. Uebrigens waͤchſt hier der Fliegenſtrauch ſehr haͤufig.
Daß Rotheſand weiter nichts als ein zwiſchen ho-
hen Gebirgen liegendes Thal iſt, ſieht man deutlich dar-
an, daß in den Gruͤnden, wo das ſtroͤmende Waſſer
die Erde weggeſpuͤhlt und Rinnen von ein bis zwey Faden
Tiefe gebildet hat, der Boden aus nackten Klippen be-
ſteht, die ihre Schichten oder Lagen haben, welche faſt
ſenkrecht auf der Kante ſtehen, und ſich nur ein wenig ſuͤd-
oſtwaͤrts neigen. Dieſe Schichten ſind vom Waſſer ſehr
weich, los und bleich geworden, und gleichen hart geword-
ner Lehmerde; die Zwiſchenraͤume ſind mit Sand angefuͤllt,
den das Waſſer mitgebracht und da angeſetzt hat.
Die Hoͤfe liegen hier eben nicht weit von einander,
und die Koloniſten ſind faſt ſaͤmmtlich beguͤterte Leute.
Weinberge ſind hier in großer Menge; Weitzen wird un-
gemein haͤufig geſaͤet und Obſtgaͤrten findet man allenthal-
ben. Das Land bringt alſo die eintraͤglichſten Produkte
hervor, als Weitzen, Wein, Apfelſinen, Citronen
und dergleichen. Im Winter iſt aber doch die Kaͤlte
hier manchmahl ziemlich ſtreng, und im letztverfloßnen
Winter, der ganz ungewoͤhnlich kalt geweſen iſt, hatten
die jungen Weinſtoͤcke ſehr gelitten, und an einigen Or-
ten waren ſie ganz erfroren. Man haͤlt hier nur ſo viel
Hornvieh und Schafe, als man zum Behufe der Wirth-
[30]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſchaft gebraucht, und Zugochſen kaufen die Landeigen-
thuͤmer manchmahl in andern Diſtrikten.
In den hieſigen Gaͤrten haͤlt ſich eine Art ſehr klei-
ner Tauben, vermuthlich die kleinſte aus dem ganzen Tau-
bengeſchlechte, die Capſche Taube (Columba Capenſis),
hier Maquastaube (Maquas-Duyf) genannt, in großer
Anzahl auf. Sie freſſen allerley Geſaͤme.
Unter den Gewaͤchſen traf ich hier die knollentra-
gende Ixie (Ixia bulbifera), ein Zwiebelgewaͤchs mit
rother Blume, in groͤßter Menge an. In der Naͤhe
ſieht man freylich wohl, daß ſie ziemlich duͤnn ſteht;
in einiger Entfernung aber ſieht die Flur aus, als wenn
ſie mit einem Stuͤcke Scharlachlaken bedeckt waͤre. Eben
ſo fand ich hier, und zwar ſonſt nirgends, an den Baͤ-
chen die gruͤne Varietaͤt der gefleckten Ixie, (Ixia ma-
culata): ein anderes Zwiebelgewaͤchs, das eine ziemliche
Hoͤhe hat, ſchoͤn ausſieht, und ſeiner langen, aus gruͤ-
nen Blumen, die uͤberall ſo ſelten ſind, beſtehenden Aeh-
ren wegen merkwuͤrdig iſt. — Gli nennen die Hotten-
totten ein Doldengewaͤchs, deſſen Wurzeln ſie ſammeln,
doͤrren, zu Pulver ſtoßen, und mit kaltem Waſſer und
Honig in einem hoͤlzernen Gefaͤße zuſammen geruͤhrt eine
Nacht gaͤhren laſſen, um eine Art Meth davon zu be-
kommen, das ſie trinken, um ſich zu berauſchen. Eini-
ge wenige Glaͤſer dieſes Getraͤnks ſollen hinreichen, einen
Rauſch zu verurſachen, und auf einen ſolchen Rauſch
folgt kein Kopfweh. Von der pulveriſirten Wurzel wer-
den nur ein Paar gute Haͤnde voll genommen.
Noch eine Merkwuͤrdigkeit aus Rotheſand. Ich
ſah da eine Bauerfrau, die bey bequemen Leben und gu-
ten Tagen ſo groß, dick und fett geworden war, daß ich
außer ihr in meinem ganzen Leben nur noch eine ihr gleiche
und zwar auch in den hieſigen Hollaͤndiſchen Kolonien, ge-
[31]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
ſehen habe. Zu Cap hatte ſie ſich neulich wiegen laſſen,
und ihr Gewicht 334 Pfund befunden.
Unſre Reiſe ging weiter uͤber den breiten Fluß,
deſſen Arme ſo ſchlangenfoͤrmig fortlaufen, daß wir
mehreremahl hindurch mußten, ehe wir zu Jan Slab-
berts Hofe kamen, wo wir uns zu Nacht einquartierten.
Von hier ritten wir zu Philipp Plaiſir im Safransgrunde
(Saffrans-Kloof), von da ein Richtſteig uͤber die Berge
geht, den man auch zu Pferde paſſiren kann. Darauf
langten wir bey Jan de Toi an. Das Land ſing hier an
breiter und zugleich flacher zu werden. Auch von hier
geht ein Richtweg uͤber das Gebirge, deſſen man ſich
gleichfalls zu Pferde bedienen kann, wenn man in die
Gegend von Drakenſtein, Parl gegen uͤber, kommt.
Den breiten Fluß (Breede-Rivier) ließen wir jetzt zur
Rechten. Das ebene Land in dieſer Gegend zu beyden
Seiten des Fluſſes heißt Goudena. Weiterhin liegt das
Brandthal (Brand-Valley), welchem gegen uͤber jenſeit
des Gebirges Stellenboſch liegt.
De Plois Hof vorbey kamen wir durch den Hexen-
fluß (Hex-Rivier) zu dem Koloniſten Kaiſer, und von
da weiter zu Alowen Schmidt, deſſen Hof dem ſogenann-
ten Hottentottiſchen Holland ſchraͤge gegen uͤber liegt.
Das Land wurde von nun an immer bergiger und uneb-
ner, und nach gerade trafen wir ſchon wieder foͤrmliche
Gebirge an. Das Erdreich iſt hier, wie man es nennt,
Karro. Die Schafe freſſen hier haͤufig die ſaftreiche
Zaſerblume, (Meſembryanthema, hier Feigenbuſch, Vy-
gen-Boſch genannt), wovon aber ihr Miſt zum Duͤn-
gen untauglich werden ſoll.
Den 2. November langten wir bey Frau Bruel an,
nachdem wir uͤber das quer vor uns liegende Gebirge ge-
ritten, und gleichſam in ein neues Thal gekommen wa-
[32]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ren. Das zur linken Seite belegene Gebirge kruͤmmt
ſich hier etwas, und lenkt ſich mehr nach Oſt-Suͤd-Oſt.
Philipp Bota’s Hof, wohin wir hernach kamen, liegt
dem Tigerberge (Tiger-Hoek) gegen uͤber, welcher
hinter den von dem Hottentottiſch-Hollaͤndiſchen Gebirge
abſtreifenden Bergen liegt. Die Reihe von Bergen, die
von Witſenberg bis hieher fortgeht, ſcheint ſich hier oſt-
waͤrts zu beugen, und gleichſam ganz zu verſchwinden;
in der That aber erſtreckt ſie ſich noch weiter, und laͤuft
in einem Gebirge fort, das tiefer ins Land hinein geht,
und mit jener Bergkette zuſammenhaͤngt. Hierauf paſ-
ſirten wir Klas Voigts Fluß (Claes-Voigts-Rivier),
der ſeine Benennung davon bekommen hat, daß nicht
weit davon ein Koloniſt, Nahmens Klas Voigt, von einem
Elefanten, und zwar ſo, daß man im Staube kaum
Spuren ſeiner Knochen wahrgenommen hat, zu Tode getre-
ten worden iſt. Dann ging es zu Gerd Nels Hofe, beym
Kockmanns Grunde und Fluſſe (Kockmanns-Kloof und
Rivier). In dieſem Fluſſe waͤchſt eine Art Ried oder Bin-
ſen, das man hier Mattengut (Matjes Goed) nennt, und
woraus Matten geflochten werden, die der Landmann zu
Zelten oder Ueberzuͤgen uͤber die Wagen, auch wohl ſtatt
Matratzen gebraucht. Dieſe Matten ſind weich und
biegſam, und die Binſen, wovon ſie gemacht werden,
ſind eine Art Cypergras (Cyperus), dem ich den Bey-
nahmen textilis gab. Es waͤchſt zwey Ellen hoch und
daruͤber, hat beynahe die Dicke eines Tobakspfeifenſtiels,
und iſt inwendig hohl, wie eine Roͤhre.
Nun ging unſre Reiſe weiter zu dem Landeigen-
thuͤmer Droſki. In dieſer Gegend, wie auch in dem
ganzen tiefer hinein liegenden Lande, regnet es, wie man
mich verſicherte, bey Suͤd-Oſt-Winde, wovon am
Cap gerade das Gegentheil geſchieht.
Die
[33]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Die Koloniſten in dieſem Diſtrikte halten zu ihrer
Feld- und Wirthſchaftsarbeit keine andre Leute, als leib-
eigne Sklaven. Dieſe werden in ſolchen Dingen, die
ihre Arbeit und ihren Dienſt betreffen, von ihrem Herrn
ſelbſt, bey begangnen Verbrechen aber von den unter dem
Land-Droſten ſtehenden Gerichtsbeamten beſtraft. Gern
laͤßt der Herr dies letztere nicht geſchehen; denn wenn
Koloniſten ihre Sklaven, es ſey um grober Vergehungen,
oder um unverbeſſerlicher Liederlichkeit, Faulheit und
Nachlaͤſſigkeit willen bey der Obrigkeit verklagen, traͤgt
es ſich bisweilen zu, daß wenn der Sklave dem Richter
gefaͤllt, der Beſitzer, er mag wollen oder nicht, genoͤ-
thigt wird, ihn demſelben zu verkaufen.
Hierauf beſuchten wir den beruͤhmten Jakob Bota.
Dieſer Mann war jetzt ein und achtzig Jahr alt, und
von ſeinen eignen Abkoͤmmlingen lebten dermahlen, ſeine
zwoͤlf Soͤhne mitgerechnet, hundert und neunzig Perſo-
nen. Indeſſen iſt es doch nicht dieſer, obgleich ſonſt ſehr
merkwuͤrdige Umſtand, der ſeinen Nahmen ſo weit aus-
gebreitet hat. Denn in dieſen Kolonien heirathen die
Leute ſehr fruͤh, ſind geſund und ſtark, und zeugen viele
Kinder, von denen nur ſehr wenige ſterben; die ſtarke
Vermehrung der Menſchen, und eine Menge Nachkom-
men am Leben zu ſehen, iſt daher hier etwas ſo ſehr ſelt-
nes nicht. Es iſt vielmehr ein ungluͤcklicher Vorfall auf
einem ſeiner Jagdzuͤge, der ihn ſo allgemein bekannt ge-
macht hat. In ſeinem ein und vierzigſten Jahre ſchoß
er in einem dicken Gebuͤſche einen Loͤwen, der ſogleich ſtuͤrz-
te; konnte aber nicht bemerken, daß da zwey dieſer Thie-
re bey einander waren. Der andre Loͤwe rannte augen-
blicklich auf ihn los, ehe er ſo weit kommen konnte, aufs
neue zu laden. Er verwundete ihn nicht nur mit ſeinen
großen und ſcharfen Klauen ſo, daß er in Ohnmacht
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. C
[34]Erſte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
fiel, ſondern zerfleiſchte auch mit den Zaͤhnen ihm den
linken Arm und die linke Seite dergeſtalt, daß er voͤllig
wie todt auf der Erde liegen blieb. Man weiß, daß
die Loͤwen oft zu großmuͤthig ſind, an einem todten Men-
ſchen ihre Rache auszuuͤben, wofern der Hunger ſie nicht
antreibt, ſie aufzufreſſen. So machte es auch dieſer
Loͤwe; er verließ ihn in jenem Zuſtande, ohne ihm wei-
ter Leid zuzufuͤgen. Seine Dienſtbothen fanden ihn end-
lich, und brachten ihn zu Hauſe. Seine Frau, ein
raſches, entſchloßnes Weib, hohlte ſogleich einige wohlrie-
chende Kraͤuter, die ſie in Waſſer kochte. Mit dieſem
Decoct wuſch ſie taͤglich ſeine Wunden, und wußte ſie
auch meiſterhaft zu verbinden. Endlich wurde er zwar
wieder hergeſtellt, der Arm aber blieb doch von der Zeit
an ſo ſteif, daß er niemahls wieder ein Gewehr anlegen
oder ſchießen konnte. Er war ſonſt bis dahin einer der
ſtaͤrkſten und geſchickteſten Jaͤger im ganzen Lande gewe-
ſen, und hatte ſich ſowohl durch die erlegten Elefanten, als
durch den Verkauf ihrer Zaͤhne ein betraͤchtliches Vermoͤ-
gen erworben. Er erzaͤhlte mir, in ſeiner Jugend ſey
die Kolonie noch nicht weit ins Land hinein ausgebreitet,
und die Hottentotten ſo zahlreich geweſen, daß die Kolo-
niſten nicht ohne Gefahr nach Zwellendam haͤtten kom-
men koͤnnen. Damahls waͤren auch die Elefanten, ſo-
gar ziemlich nahe beym Cap, ſo haͤufig geweſen, daß man
auf der Reiſe nach der Stadt und zuruͤck verſchiedne haͤtte
ſchießen koͤnnen. Er ſelbſt haͤtte auf dieſe Art oft an ei-
nem Tage vier bis fuͤnf, manchmahl zwoͤlf bis dreyzehn er-
legt. Zweymahl in ſeinem Leben haͤtte er auf einer foͤrmli-
chen Elefantenjagd an einem einzigen Tage zwey und zwan-
zig dieſer Thiere mit ſeiner Buͤchſe todtgeſchoſſen. Gute
Schuͤtzen toͤdten den Elefanten allezeit auf Einen Schuß,
trifft aber die Kugel eins von den Vorderbeinen ſo, daß das
[35]Reiſe von Cap nach Zwellendam.
Bein abgeſchoſſen wird, ſo muß man zwey Schuͤſſe thun.
Man legt jedesmahl ſo an, daß die Kugel durch die
Lunge geht; und dies iſt immer der ſicherſte Schuß. Die
Kugeln, die man zum Schießen der Elefanten ge-
braucht, enthalten zwey Drittheile Bley und ein Drittheil
Zinn, und wiegen ein Viertelpfund. Mit der Groͤße
dieſer Kugeln ſteht die Groͤße der Buͤchſen im Verhaͤlt-
niſſe, die daher eine anſehnliche Schwere haben. Je-
der von den beyden eigentlich ſogenannten Zaͤhnen eines
maͤnnlichen Elefanten wiegt dreyßig bis hundert und
dreyßig Pfund. Sie werden von der Hollaͤndiſchen
Compagnie gekauft, die jedes Pfund mit einem Gul-
den bezahlt.
In der Gegend, wo wir jetzt waren, faͤngt das
Land an, ſehr bergig und grasreich zu werden. Es hat
auch hinlaͤngliche Baͤche und kleine Fluͤſſe, imgleichen
etwas Holzung in den Gruͤnden zwiſchen den Bergen.
Das von Hottentottiſch-Holland herkommende Gebirge
wird nun nach und nach niedriger, weiterhin bildet es
nur abgerißne und gar nicht hohe Berge, die endlich
ganz und gar aufhoͤren.
Wir kamen weiter zu Juͤrgen Bota, einem Sohne
des eben erwaͤhnten Greiſes, und von da, Blankenbergs
Hof vorbey, zu dem Koloniſten Rock am Keure-
boomsfluſſe.
Hier ſahen wir einen Affen aus den Waͤldern in
Houtniquas, der mit dem Mohrenaffen (Simia Sabaea)
einige Aehnlichkeit hatte. Seine Fuͤße waren alle ſchwarz,
der Schwanz nach dem Ende zu braun, und die Hoden
hellblau wie Kupfervitriol.
Den 6. November trafen wir zu Zwellendam ein.
C 2
[36]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Zweyter Abſchnitt.
Reiſe von Zwellendam bis zum Cam-
tousfluſſe.
Von Zwellendam reiſeten wir ſogleich weiter zu dem
ſogenannten Poſten der Compagnie am Buͤffeljagdfluſſe
(Buffeljagts-Rivier). Hier raſteten wir einige Tage.
Die zu Zwellendam gehoͤrige Kolonie iſt vor unge-
faͤhr dreyßig Jahren angelegt. Sie hat ihren eignen
Land-Droſten. Den Nahmen hat ſie von dem damah-
ligen Vice-Gouverneur oder ſogenanntem Zweyten
(Tweede) zu Cap, Zwellingrebel. Der erſte hieſige
Land-Droſt hat Rhenius, und der zweyte, welcher
zwar zu meiner Zeit noch lebte, aber ſein Amt nieder-
gelegt hatte, Orack geheißen. Der gegenwaͤrtige war
Herr Mentz.
Der oben ſchon genannte Poſten der Compagnie
wurde anfangs zur Beſchuͤtzung derjenigen Koloniſten
angelegt, die ſich in dieſer Gegend und tiefer hinein nie-
derließen, um Land urbar zu machen, oder Viehzucht
zu treiben. Er beſtand daher zu allererſt aus einer
Schanze, die mit einem Corporal und ſieben Mann
beſetzt war. Als aber das Land von Europaͤern zahlreicher
bewohnt wurde und die Hottentotten ſich wegzogen, wur-
de dieſe ganze Vertheidigungs-Anſtalt unnoͤthig und uͤber-
fluͤſſig. An ihrer Statt hat man einen Hof, wo Vieh
gehalten wird, eingerichtet, und die Soldaten werden
dazu gebraucht, in dem ſogenannten Großvaterwalde
(Groot-Vaaders-Boſch) zum Gebrauch der Compagnie
allerley Nutzholz zu hauen, wovon alle Vierteljahr ein
Wagen voll nach Cap gefahren wird. In dieſer Hol-
zung duͤrfen uͤbrigens auch die umherwohnenden Koloni-
[37]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
ſten, um beſſer ſubſiſtiren zu koͤnnen, Holz hauen, und
nach dem Cap zu Kauf bringen. Die hier von den ehe-
mahls zahlreichen Staͤmmen noch uͤbrigen wenigen Hot-
tentotten werden zum Dienſte des Viehhofes gebraucht.
Dieſe Hottentotten gaben mir aufs neue Gelegen-
heit, manches von der Lebensart, den Sitten und Ge-
braͤuchen dieſes Volks zu erfahren. Verſchiednes von
dem, was ich jetzt beſchreiben werde, mag bey demſel-
ben allgemein, einiges aber den Staͤmmen, wozu die
hieſigen gehoͤrten, eigen ſeyn. Den erſten Abend, da
ſich der neue Mond zeigt, ſieht man die Hottentotten
ſpringen, den Hut abnehmen und einen Knicks machen.
Auch haben ſie die Ceremonie noch nicht voͤllig abgelegt,
daß ſie die Juͤnglinge, wenn ſie ein gewiſſes Alter er-
reicht haben, zu Maͤnnern machen, die von der Zeit an
von den Weibsperſonen abgeſondert leben und ſich zum
maͤnnlichen Geſchlechte halten. Jene Feyerlichkeit be-
ſteht bekanntlich darin, daß der Juͤngling von den Maͤn-
nern foͤrmlich bepißt wird, worauf man ein Stuͤck Rind-
vieh ſchlachtet, wovon ſie das Darmnetz dem jungen
Menſchen um den Hals binden. Die Maͤnner trinken
nie Milch, die eine Frauensperſon gemolken hat. Die
Weiber haben hier oft einen rechten Mann und einen
Nebenmann oder Vicarius zugleich, ſo wie auch die
Maͤnner manchmahl zwey Frauen nehmen. Die Hei-
rath wird gewoͤhnlich ſo vollzogen, daß bey den Aeltern
erſt angefragt wird, und Braut und Braͤutigam darauf
zuſammen zu Bette gehen, und bis an den ſpaͤten Mor-
gen bey einander ſchlafen. Die Todten werden foͤrmlich
begraben. Auf das Grab wird eine mit einem gewiſſen
wohlriechenden Pulver angefuͤllte Schildkroͤtenſchale ge-
ſetzt, auch drey Zweige von irgend einem Buſche dar-
auf geſteckt. Hernach geht das Leichengefolge zu Hauſe
[38]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
und macht ſich luſtig. Von erlegtem Wilde darf nie-
mand eſſen, ehe er zum Manne gemacht iſt; vom Her-
zen und Herzbeutel eines und deſſelben Thiers duͤrfen
auch Mann und Frau nicht zugleich eſſen. Heutiges
Tages ſpeiſen dieſe Hottentotten ihr Fleiſch entweder ge-
braten, oder ordentlich in einem Topfe gekocht. Vor
nicht gar langer Zeit aber, ehe ſie von den Europaͤern
ſich dergleichen Geraͤth angeſchafft haben, bedienten ſie
ſich der unter ihren Landsleuten gebraͤuchlichen Art zu
kochen. Sie fuͤllten naͤmlich einen ledernen Schlauch
mit Waſſer, legten das Fleiſch hinein, und gluͤhend ge-
machte Steine darunter, die durch ihre Hitze das Waſ-
ſer zum Kochen brachten. Pfeil und Bogen gebrauchen
dieſe Hottentotten noch. Dieſes unanſehnlichen aber
gefaͤhrlichen Geſchoſſes bedienen ſie ſich nicht nur zur
Vertheidigung gegen ihre Feinde, ſondern auch wilde
Thiere zu erlegen, wiewohl ſie weder in jener noch dieſer
Ruͤckſicht jetzt ſelten mehr noͤthig haben, Gebrauch da-
von zu machen. Der Bogen iſt einen Zoll dick, und
beſteht aus einem runden Stocke, der etwas laͤnger als
eine Elle iſt, und den ſie mit einer Schnur oder einer
Sehne ſpannen. Die Pfeile machen ſie aus Rohr, das
ſo dick als eine Gaͤnſefeder und kaum eine halbe Elle lang
iſt, und an deſſen eines Ende ſie mit einer feinen Sehne
eine lanzettenartige eiſerne Spitze, die mit Schlangen-
gift beſtrichen wird, feſtbinden. Auch haben ſie, um
mehrere Pfeile darin bey ſich zu fuͤhren, einen foͤrmli-
chen Koͤcher, der die Dicke eines Arms und beynahe die
Laͤnge einer Elle hat, und oben mit einem Deckel ver-
ſehen iſt, der mit ledernen Hespen befeſtigt wird. Muſi-
kaliſche Inſtrumente haben ſie ebenfalls, unter andern
eins, das ſie Rabekin nennen, und eine Art Zither vor-
ſtellt. Es wird aus einem Kalabaſſe oder ausgehoͤhlten
[39]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
Kuͤrbiſſe, und einem daruͤber gelegten duͤnnen Brete ge-
macht, und mit drey oder vier Saiten bezogen, die
mit Schrauben geſpannt werden koͤnnen. Sie ſpielen
dies Inſtrument mit den Fingern. Auf einem andern,
das den Nahmen Kora hat, blaſen ſie, gebrauchen es
aber nicht ſo oft als jenes.
Mitten gegen dieſem Hofe uͤber, nach der Seekuͤſte
hinunter, ſieht man einen Berg, der den Nahmen Potte-
berg (Topfberg) fuͤhrt, und ganze ſechs Meilen ent-
fernt liegt.
In den Gebuͤſchen hier herum haͤlt ſich eine Menge
ſonderbarer Grashuͤpfer oder Heuſchrecken auf, die da
ihre Nahrung ſuchen. Sie ſind roͤthlich von Farbe, und
haben halbe Fluͤgel. Wenn man ſie faͤngt, ſo preſſen
ſie unter einer Scheibe oder Platte, die unterhalb der
Bruſt befindlich iſt, eine ſchleimige und blaſige Feuch-
tigkeit aus, die mit Seifenſchaum Aehnlichkeit hat, und
ſowohl das Thier als die Finger bedeckt. Dies wieder-
hohlen ſie, ſo oft man die Feuchtigkeit abtrocknet. Um
dieſer Eigenſchaft willen gab ich dieſer Gattung den
Nahmen Gryllus ſpumans (ſchaͤumender Grashuͤpfer).
Von derjenigen Art Heuſchrecken, die unter dem Nah-
men Pneumora bekannt ſind, ſah ich ſowohl hier als an-
derwaͤrts Larven oder halb ausgewachſene Thiere in groͤß-
ter Menge auf den Buͤſchen und Straͤuchen. Am Tage
konnten weder ich noch jemand von meinen Gefaͤhrten
ein einziges derſelben vollkommen mit Fluͤgeln finden,
welches mich ſehr in Verwunderung ſetzte.
Die hieſigen bergigen und dabey grasreichen Ge-
genden ſind mit Rehboͤcken und bunten Boͤcken (Bonte
Bok, Capra ſcripta) angefuͤllt *). Auch die Weib-
[40]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
chen von dieſen beyden Arten haben Hoͤrner. Die Laͤm-
mer der letzteren Gattung ſehen anfaͤnglich rothbraun
aus, werden aber mit der Zeit weißgefleckt. Weil das
Land kahl iſt und dieſe Thiere ſehr ſcheu ſind, iſt es zwar
ziemlich ſchwer, dem bunten Bocke ſo nahe zu kommen,
daß man ihn ſchießen kann; wir toͤdteten aber doch einen
mit einer Kugel. Sich einem zu naͤhern, iſt allezeit
gefaͤhrlich; denn wenn er nicht voͤllig todtgeſchoſſen wird,
ſo bedient er ſich ſeiner Hoͤrner, und iſt im Stande den
Jaͤger ungluͤcklich zu machen.
Auf der Entenjagd machte ich hier eine ſonderbare
Bemerkung. Wenn man in den Fluͤſſen Enten ſchießt,
traͤgt es ſich bisweilen zu, daß die Enten ſogleich ver-
ſchwinden, oder daß man ſie mit abgefreßnen Fuͤßen
wieder findet. Dies kommt von den in ſolchen Gewaͤſ-
ſern ſich aufhaltenden Schildkroͤten her, die manchmahl
große Enten, beſonders aber die Jungen, angreifen, ſie
feſthalten und in die Fuͤße beißen.
Nachdem wir hinlaͤnglich ausgeruhet hatten, reiſe-
ten wir weiter, und zwar Peter Bota’s Hof, Nahmens
Rohrkuhle (Ried-Kuyl) vorbey, durch den Butter-
milchs- (Karne-Melks-) und den Schlangenfluß
(Slange-Rivier) zu der Wittwe Foreſt am Tauben-
bergsfluſſe (Duyvenhoeks-Rivier), die uns ſehr lieb-
reich und freundſchaftlich aufnahm.
In der ganzen Strecke Landes, die wir bisher
durchzogen waren, vom Hexenfluſſe an, hatte ich wahr-
genommen, daß die Ufer aller Fluͤſſe mit ſehr zackigen
Baͤumen von der Aegyptiſchen Sinnpflanze (Mimoſa Ni-
lotica) bewachſen waren. — Die von einer bey Zwel-
lendam hervorſtehenden Ecke ſich erſtreckenden Gebirge
gehen nun in gerader Richtung nach Oſten und We-
ſten fort.
[41]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
Am folgenden Tage begaben wir uns fruͤh nach dem
Taubenbergsfluſſe, der etwas vom Hofe entfernt iſt. Von
dem vor kurzen gefallnen Regen war dieſer Fluß noch
ſehr hoch angeſchwollen, und man ſagte uns, die Paſſage
durch denſelben ſey gefaͤhrlich. Gewoͤhnlich haben aber
doch die Fluͤſſe hier zu Lande einige ſeichte Stellen, durch
die man auch alsdann, wenn ſie hoch anwachſen, mit
Wagen und Ochſen durchkommen kann. Solche Fur-
then heißen hier Triften (Driften). Um uns zu einer
ſolchen Trift zu fuͤhren, hatte unſre Wirthin uns einen
Sklaven mitgegeben. Da dieſer aber Hollaͤndiſch we-
der ſprechen noch verſtehen konnte, mußte er uns ſeine
Nachrichten durch Zeichen geben, die er entweder aus
Unwiſſenheit oder aus Bosheit ganz verkehrt gab, indem
er uns einen Zirkelbogen durch den Fluß zur Rechten be-
zeichnete, den wir zur Linken haͤtten nehmen muͤſſen.
Ich, der unter der ganzen Reiſegeſellſchaft der dreiſteſte
war, und auf der ganzen Reiſe immer an der Spitze
ſeyn und voran reiten mußte, ritt ohne Bedenken in
den Fluß ſo weit hinein, bis ich mit dem Pferde in ei-
nem Augenblicke bis an die Ohren ins Waſſer herunter-
ſank. Es war ein ſogenanntes Seekuhloch, das bey-
nahe mein Grab geworden waͤre. Ich waͤre auch ganz
gewiß verlohren geweſen, wenn nicht gluͤcklicher Weiſe
mein Pferd haͤtte ſchwimmen koͤnnen, und ich, der bis-
her in jeder Gefahr das Gluͤck gehabt hatte, nicht zu
erſchrecken, nicht mit ruhigem Geiſte und voͤlliger Ueber-
legung und Entſchloſſenheit daſſelbe, wie es zu beyden
Seiten im Waſſer hin und her ſchwankte, ganz vorſich-
tig gelenkt, und mich zugleich gehalten haͤtte, und im
Sattel feſt geblieben waͤre, da ich vom Waſſer immer
in die Hoͤhe gehoben wurde. Als ich uͤber das Loch ſelbſt
gluͤcklich hinuͤber gekommen war, gelang es mir auch,
[42]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
uͤber den Rand deſſelben wohlbehalten wegzukommen,
obgleich der Rand ſolcher Loͤcher ſehr ſteil zu ſeyn pflegt,
und man da nicht leicht feſten Fuß faſſen kann. Loͤcher
dieſer Art, welche die Nilpferde (Hippopotamus) zu
ihren Lagerplaͤtzen durch Treten mit den Fuͤßen ſich zube-
reitet haben, finden ſich in ſehr vielen Fluͤſſen, obgleich
dieſe Thiere ſelbſt gar nicht mehr anzutreffen, ſondern
alle ohne Ausnahme theils todtgeſchoſſen, theils in ent-
ferntere Gegenden verjagt ſind. Meine erſchrocknen
Kameraden ſtanden noch zitternd und bebend am andern
Ufer, und wollten es lange Zeit gar nicht wagen, ſich
dem Fluſſe anzuvertrauen. Ich befahl daher, nachdem
ich abgeſtiegen war, und das Waſſer etwas von meinem
Pferde hatte ablaufen laſſen, eine beſſere Furth aufzu-
ſuchen, und durch den Fluß zu fahren, worauf die an-
dern nachkamen. Nun dankte ich der Vorſehung mit
inniger Empfindung meines Herzens, daß ſie mich aus
einer ſo augenſcheinlichen, und faſt unvermeidlichen Ge-
fahr gerettet hatte; und fuͤhlte mich deſto geruͤhrter, da
heute gerade mein dreyßigſter Geburtstag war.
Ich ließ mir keine Zeit, mich trocken anzuziehen,
weil dies ohne vieles Umpacken und ohne Zeitverluſt nicht
geſchehen konnte; ſondern, ſobald nur unſer Fuhrwerk
gluͤcklich hindurch war, ſetzten wir unſre Reiſe den gan-
zen Tag ununterbrochen fort, und kamen Chriſtoph Lom-
bards Hof vorbey, zu dem Koloniſten Daniel Plaiſir,
wo wir noch vor Abend eintrafen, und liebreich aufge-
nommen wurden.
Hier ſowohl als an mehreren Orten fand ich eine
Art Voͤgel aus dem Rabengeſchlechte, die kleiner als
Dohlen ſind, und ſchwarze Federn, aber einen weißen
Steiß haben. Sie halten ſich beſtaͤndig in der Geſell-
ſchaft des Rindviehes und der Schafe auf, beſonders
[43]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
des Morgens und Abends, ehe die Kuͤhe und Schafe
ausgetrieben werden, und wenn ſie von der Weide zu
Hauſe kommen. Ihr Geſchaͤfft iſt, ihnen die Milben
(Acarus), welche von den Buͤſchen und Straͤuchen auf
ſie herunterfallen, ſich in die Haut ganz feſt beißen, und
ihnen ſehr laͤſtig ſind, abzuleſen. Sie ſind gleichwohl
ſehr wild und ſcheu, ſo daß ſie, ſobald ſie einen Men-
ſchen in der Ferne zu bemerken glauben, ſogleich wegflie-
gen, und die andern mit großem Geſchrey warnen, wel-
che ſich denn auch augenblicklich davon machen. Ihre
Neſter legen ſie dicht an Fluͤſſen in der Erde an. Un-
ſern Pferden gereichten jene Milben (Acari) nicht we-
niger zu großer Plage. Oft, wenn ich durch Gebuͤſche
ritt, um Blumen und Samen zu ſuchen, wurde mein
Pferd von dieſem blutſaugenden Ungeziefer dermaßen
uͤberſchuͤttet, daß man kaum die Ohren erkennen konnte,
und ich nicht ſelten genoͤthiget war, es durch meine
Hottentotten von dieſen verdrießlichen Gaͤſten foͤrmlich
reinigen zu laſſen, ehe ſie ſich tief in die Haut ein-
beißen konnten.
Nun ging der Weg zu Klaes Bruyns und von da
zu Peter de Wett.
Dieſe ganze Gegend hat einen großen Vorrath von
Aloeſtraͤuchen, die an einigen Orten die Berge und Huͤ-
gel ganz und gar bedeckten, wo ſie in einiger Entfernung
ſich wie eine ganze Armee praͤſentirten. Dieſe Buͤſche
haben Mannshoͤhe; der Stamm iſt unterwaͤrts nackt,
und der Wipfel beſteht aus einer Krone von breiten,
dicken und fleiſchigen Blaͤttern. Die Sklaven waren
jetzt allenthalben damit beſchaͤfftigt, das Aloeharz, deſſen
Nutzen in der Arzneykunſt ſo vorzuͤglich groß, und ſeit
undenklichen Zeiten bekannt geweſen iſt, aus dieſen
Straͤuchen abzuzapfen und zuzubereiten. Ein gewiſſer
[44]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
de Wett, Beſitzer des gedachten Hofes, iſt der erſte
geweſen, der dieſes Harz hier im Lande zu bereiten an-
gefangen hat, daher er auch das ausſchließende Recht
hatte, es gegen einen feſtgeſetzten Preis an die Compa-
gnie zu verkaufen. Nachher haben mehrere Landbewoh-
ner die Kunſt, es zu bereiten, gelernt, die es auch jetzt
den Fremden zu Cap um mehr als die Haͤlfte wohlfei-
ler verkaufen. Die Art der Zubereitung iſt aͤußerſt
leicht und einfach. Es beſteht, um mich der Termi-
nologie der hieſigen Bauern zu bedienen, bloß im Ab-
zapfen und Kochen des Safts. Das Abzapfen kann zu
jeder Jahrszeit vorgenommen werden; allein bey Regen-
wetter oder bald hernach geben die Blaͤtter reichlicheren,
obwohl duͤnneren Saft. Beſonders wendet man zum
Abzapfen diejenigen Tage an, wo ſtilles und klares Wet-
ter iſt, weil der Wind die Blaͤtter zu ſehr zuſammen-
zieht, ſo daß man alsdann weniger Saft bekommt, der-
ſelbe auch zu geſchwind erſtarret. Zu dieſer Arbeit ge-
braucht man meiſtentheils entweder Sklaven oder Hot-
tentotten. Sie wird auf folgende Art verrichtet. Man
ſchneidet zuerſt ein Blatt ab, das auf die bloße Erde ge-
legt und ſtatt einer Rinne gebraucht wird. Ueber dies
Blatt werden darauf andre abgeſchnittne Blaͤtter zu bey-
den Seiten ſo gelegt, daß das dicke oder abgeſchnittne
Ende inwendig zu liegen kommt; auf gleiche Art legt
man uͤber dieſe wieder andre, ein Dutzend und noch
wohl mehr, ſo daß der Saft aus allen dieſen Blaͤttern
in die Vertiefung des ganz unten liegenden herabtroͤpfeln
kann. Die nicht ganz dicht am Stamme abgeſchnittnen
Blaͤtter werden nicht in mehr Stuͤcke zerſchnitten, weil
ſie, wie man glaubt, deswegen doch nicht mehr Saft
geben wuͤrden. Solcher Haufen Blaͤtter legt man denn
eine große Anzahl nach und nach bey einander hin, ſo
[45]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
geſchwind naͤmlich, als der Sklave oder Hottentotte mit
dem Abſchneiden und Hinlegen fertig werden kann.
Wenn der Saft aufhoͤrt herauszufließen, werden die
Blaͤtter abgenommen, und der Saft in Kalebaſſen ge-
goſſen, die ſowohl hier, als an vielen andern Orten,
bey armen oder geringen Leuten die Stelle der Bouteillen
vertreten. Eine große Kalebaſſe oder ein kleiner Eimer
voll iſt das Meiſte, was ein Arbeiter auf dieſe Art an
einem Tage ſammeln kann. Hernach wird der Saft in
engliſchen eiſernen Toͤpfen, die man ſich dazu beſonders
anſchafft, ſo lange gekocht, bis er ſo dick wird, daß er
von einem hoͤlzernen Stabe, den man zur Probe hin-
einſteckt, nicht herablaufen kann. Das Unreine, wel-
ches oben fließt, wird waͤhrend des Kochens abgeſchaͤumt.
Bis uͤber die Haͤlfte kocht der Saft ein; alsdann wird
er in hoͤlzerne Behaͤltniſſe gegoſſen, worin er hernach
ſteif und hart wird. Drey Theile Saft geben gewoͤhn-
lich einen Theil hart gewordnes Harz, und jedes Behaͤlt-
niß oder Kaſten enthaͤlt drey bis fuͤnfhundert Pfund.
Das Harz wird von den Bauern an Leute von fremden
Nationen in der Stadt, und zwar das Pfund fuͤr drey
bis vier, bisweilen auch nur zwey, Hollaͤndiſche Stuͤber
verkauft.
Von de Wett kamen wir zu Daniel Pinard am
Goldfluſſe (Gouds-Rivier). Dieſer Fluß iſt einer
von den groͤßten und anſehnlichſten in dieſem Lande. Sein
Ufer iſt an der Weſt-Seite ſehr ſteil. Der Hof liegt auf
einer ziemlich ſtarken Anhoͤhe jenſeits. Der Fluß kommt
aus dem Innern des Landes, und empfaͤngt daher ſein
Waſſer von Bergen, die verſchiedne Tagreiſen von hier
liegen, und an ſolche duͤrre Gegenden grenzen, welche
zu gewiſſen Zeiten des Jahrs heftige Regenguͤſſe mit ſtar-
ken Gewittern bekommen. Durch dieſe Veranlaſſung
[46]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
wird dieſer Fluß manchmahl ſehr geſchwind dergeſtalt mit
Waſſer angefuͤllt, daß er hoch anſchwillt, wenn gleich
zu eben der Zeit hier das ſchoͤnſte und trockenſte Wet-
ter iſt. Dies macht ihn ſehr gefaͤhrlich, und Reiſende
wagen immer viel, wenn ſie nahe an ſeinen Ufern oder
in den Gegenden, wo das Ufer niedrig iſt, ſich lagern.
Als ich durchritt, ging das Waſſer bis an den Sattel.
Ueber Didelofs Hof, und verſchiedner andrer Ko-
loniſten, als Dierk Marcus, des juͤngern Bernards,
und des juͤngern Plants, Hoͤfe vorbey eilten wir nach der
Muſchelbay (Moſſel-Bay), wo wir den 16. Novem-
ber bey dem aͤltern Bernard, der hier einen ſehr wohl-
belegnen Hof hat, ankamen.
Der hieſige Hafen iſt groß und betraͤchtlich. Schif-
fe laufen aber hier gar nicht ein, es waͤre denn, daß die
Noth ſie zwaͤnge, oder ein Ungluͤck ſie an dieſe Kuͤſte
triebe. Vor einiger Zeit iſt hier ein Daͤniſches Schiff
verungluͤckt, wovon noch verſchiedne Kennzeichen vor-
handen waren. Den Strand und die um denſelben lie-
genden Sandhuͤgel zu beſuchen, wandte ich einen Tag
an, ob ich etwa merkwuͤrdige Gewaͤchſe finden moͤchte.
Ehemahls ſcheint dieſer Diſtrikt von Damaquas-Hot-
tentotten ſtark bewohnt geweſen zu ſeyn.
Die Landeigenthuͤmer in dieſen Gegenden gebrau-
chen uͤberall anſtatt Stricke, Riemen von Thierhaͤuten,
ſowohl zu Linien oder Zugſeilen an den Wagen, als ſonſt.
Sie machen ſie durch Schmieren mit Fett und ſtarkes
Reiben gegen Holz geſchmeidig und brauchbar.
Nunmehr zogen wir weiter, und zwar Klaes
Meyers und Jakob Tuniſſon Bota’s Hoͤfe vorbey, bis
wir wieder zu Dierk Marcus, einem nicht weit von Ha-
gelkraal wohnenden alten Manne und gewaltigen Ele-
fantenjaͤger, kamen. Darauf ging der Weg das Ge-
[47]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
birge hinan, und zuerſt in das ſchmale Hartaquasthal
(Hartaquas-Kloof), zu einem Lagerplatze, welcher der
große Pferdekraal (Groote-Paarde-Kraal) heißt, und
wo wir unter freyem Himmel (das erſtemahl auf dieſer
Reiſe) die Nacht zubrachten.
Nachdem wir den ganzen Vormittag hindurch die
uns zu allen Seiten umgebenden Berge und Huͤgel ſorg-
faͤltig beſichtiget hatten, ſetzten wir die Reiſe durch das
Hartaquasthal nach dem Safrankraale fort, wo wir in
ein ebneres und flacheres Land, das den Nahmen Kanna-
land, nach einiger Leute Ausſprache Kanaansland, fuͤhrt,
kamen, und die Kannahoͤhe (Canna-Hoogt) paſſirten.
Hier bemerkten wir, daß mehrere Strauße in ein
und daſſelbe Neſt ihre Eyer legen. Man erzaͤhlte uns
auch, daß, wenn ein Menſch die Eyer mit den Haͤnden
beruͤhrt, ſie das hernach durch den Geruch gewahr wer-
den, und von der Zeit an nicht mehr dahin legen, ſon-
dern die zuruͤckgebliebenen Eyer noch dazu zertreten.
Weiter reiſeten wir Oker Heins Hof vorbey, und
lagerten uns gegen Abend am Klippfluſſe (Klipp-Ri-
vier). Hier iſt zwiſchen dem Gebirge das Land ver-
ſchiedentlich breiter als Rotheſand, ſehr duͤrr wie Kar-
roland, und viel hoͤher, als das jenſeit der Berge liegen-
de Houtniquasland. Der ebenfalls jenſeit belegene
Bezirk zur Linken heißt Kanku.
Durch den Salzfluß (Brak-Rivier), die Mat-
tenfurth (Matjes-Drift), und das Mattenthal (Mat-
jes-Kloof), wo das lange Thal (Lange Kloof) den
Anfang nimmt, ritten wir Helbecks Hof vorbey zu dem
Koloniſten van Stade.
Hier ſah ich, daß die große Ebene mit hohen und
langen, aber einzeln liegenden Bergen beſetzt iſt, die
in gleicher Richtung mit der großen Gebirgsreihe fort-
[48]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
gehen. Auch bemerkte ich in dieſer Ebene mehr Gebuͤſch
und Baͤume als gewoͤhnlich, aber keine Waldung. Ue-
berhaupt ſchien ſie mir mit dem Bocklande (einige Aehn-
lichkeit zu haben. Die Urſache, warum weder in dieſem
flacheren Diſtrikte, noch auf den Bergen und Huͤgeln
Wald ſteht, iſt ohne Zweifel die faſt beſtaͤndige Duͤrre
und der Mangel an Regen. Daher fand ich auch Baͤu-
me am meiſten in den Gruͤnden zwiſchen den Bergen und
in Thaͤlern, bisweilen auch etwas hoͤher hinauf an den
Bergen. Jenen fuͤhren die herabfließenden Baͤche ge-
meiniglich Waſſer zu; dieſe werden von den vorbeyzie-
henden Wolken befeuchtet.
Von hier ritten wir Buys Hof vorbey zu Gerd van
Royen am tiefen Fluſſe (Diep-Rivier).
Die Berge, welche hier das lange Thal bilden, be-
ſtehen zur Rechten aus der langen Reihe von Bergen,
und zur Linken aus einem zuſammenhangenden Gebirge,
das beym Mattenthale anfaͤngt, und um einen guten
Theil niedriger iſt als die daran hinſtreichende lange Berg-
kette zur Linken, wovon wir die Gipfel ſehr gut ſehen
konnten. Das jenſeits des gedachten niedrigeren Gebir-
ges und dieſer hoͤhern Reihe von Bergen liegende Land,
heißt Kamenaſſie, und hat auch ſchon Koloniſten zu Ein-
wohnern bekommen. Die noch weiter zur linken Seite
belegene Strecke Landes beſteht aus magerm, ebenem und
duͤrrem Karrofelde und geht bis an den oͤſtlichen Elefan-
tenfluß (Olifants-Rivier). Ueberhaupt iſt die Rich-
tung der Gebirge oſt-nord-oſtlich.
Bey Tunis Bota’s Hofe theilt ſich die Bergkette,
und wir kamen nunmehr links in ein Thal, das vorn
von lauter Gebirgen eingeſchloſſen, und nur ein Paar
Buͤchſenſchuͤſſe breit iſt. Dasjenige Thal, welches wir
zur rechten Seite liegen ließen, erſtreckt ſich nach den
Houtni-
[49]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
Houtniquasbergen, uͤber welche man zu Pferde nach den
Houtniquaswaͤldern kommen kann. Bey Hanne Olof-
ſons Hofe fanden wir einen nach dem Kamenaſſienlande
und dem beym Elefantenfluſſe befindlichen warmen Bade
(Olifants warme Baad) fuͤhrenden Fahrweg.
Den 25. langten wir im langen Thale (Lange
Kloof) bey Matthias Sonntag an.
Dies Thal iſt durchgaͤngig ohne Baͤume und Ge-
buͤſch, aber grasreich. Die Kaͤlte iſt da des Winters
ziemlich ſtreng; bisweilen faͤllt auch Schnee, der manch-
mahl drey bis vier Tage liegen bleibt.
Die wenigen Gewaͤchſe, welche man in dieſer Ge-
gend antrifft, hatte ich ſchon auf meiner vorigen Reiſe
genau kennen gelernt und geſammelt. Anſtatt alſo mich mit
botaniſchen Gegenſtaͤnden zu beſchaͤfftigen, beſtieg ich dies-
mahl die Spitzen der hoͤchſten Berge, um die Lage und Rich-
tung der hieſigen Gebirge in genauern Augenſchein zu neh-
men. Nie habe ich auch die Muͤhe, auf hohe Berge zu klet-
tern, herrlicher belohnt gefunden, als hier durch den vor-
trefflichen Anblick, den meine Augen hatten. Eine Strecke
von Bergen, die dem Anſehen nach mehrere Meilen breit
war, und ſich in verſchiedne fortlaufende Gebirgsruͤcken
vertheilte, ſtellten ſich mit den dazwiſchen liegenden
Thaͤlern, wie auf einer Landkarte, meinem Blicke dar.
Zugleich ſah ich deutlich, daß der groͤßte Theil des bisher
zuruͤckgelegten Weges nichts anders war, als ein fortlau-
fender Weg uͤber verſchiedne an einander hangende Ge-
birge und durch faſt eben ſo viele Thaͤler. In dieſer
Strecke Landes, die man mit Recht ein Alpenland nen-
nen kann, haben mehrere tauſend Menſchen und Millio-
nen von Thieren Aufenthalt und Nahrung; da hingegen
die ebenen und flachen Gegenden des ſuͤdlichen Afrika,
wegen Mangel an Waſſer, oft nicht ein einziges Thier
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. D
[50]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
oder auch nur einen Vogel aufweiſen koͤnnen. Jetzt ſah ich
auch, daß die Gebirgsſtrecken nach Oſten immer weiter
aus einander gehen, und folglich die zur Linken hinlaufen-
den, je weiterhin, deſto mehr eine oͤſtliche Richtung
nehmen.
Aus Noth, weil faſt allgemeiner Mangel an Haus-
geraͤth herrſcht, bedient man ſich in dieſer Gegend aus-
gehoͤhlter Kuͤrbiſſe, die mit verſchiednen Loͤchern durch-
bohrt ſind, anſtatt der Leuchten.
Jetzt kamen wir zu Peter Frere, einem ganz vor-
zuͤglich geſchickten Schuͤtzen und beſonders großen Ele-
fantenjaͤger, der zugleich die Hottentottiſche Sprache fertig
redete. Schraͤge gegen dieſem Hofe uͤber endigt ſich das
Kamenaſſienland, und von hier geht ein Fahrweg uͤber das
Gebirge dahin.
In dieſem ganzen Diſtrikte wird bloß Viehzucht ge-
trieben, und man bringt von hier eine Menge Butter zur
Stadt, wo aber der Landmann nicht mehr als drey, vier,
hoͤchſtens ſechs Stuͤber Hollaͤndiſch fuͤr ein Pfund be-
kommt, ob es gleich der Compagnie ganze zwey Schillin-
ge zu ſtehen kommt.
Die Landleute pflegen auf ihren Reiſen nach dem
Cap und zuruͤck am Tage auszuruhen, und des Nachts,
wenn es kuͤhl iſt, zu fahren. Wir mußten aber gerade
das Gegentheil thun, wofern wir Kraͤuter und andre
Merkwuͤrdigkeiten ſammeln wollten; und dies war doch
der Hauptzweck unſrer Reiſe. Wir ſorgten alſo immer
dafuͤr, daß unſre Ochſen des Nachts jedesmahl, wenn es
mit Sicherheit geſchehen konnte, graſeten. So hatten
wir ſie auch hier am Abend auf die Weide gehen laſſen,
wiewohl nicht weit vom Hofe ſelbſt. Der Abend war
ungewoͤhnlich dunkel; die Hunde fingen einen entſetzlichen
Laͤrmen an, und der ganze Haufen Ochſen draͤngte ſich
[51]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
dicht an den Hof, ohne daß wir ihnen, weil es ganz
finſter war, mit Schießgewehr zu Huͤlfe kommen konn-
ten. Am folgenden Morgen fanden wir, daß ein Ti-
gerwolf (Hyaena maculata) ſie verfolgt, und einem
darunter in den Unterleib gebiſſen hatte, ſo daß die Haut
einer Viertelelle lang abgeriſſen, das Gedaͤrme aber gar
nicht beſchaͤdigt oder herausgezogen war. Die Hyaͤne iſt
ein dreiſtes und gefraͤßiges Thier, das den Reiſenden,
wenn ſie unter bloßem Himmel ſchlafen, manchmahl
den Sattel unterm Kopfe und die Schuhe von den Fuͤ-
ßen wegfrißt. Kommt ſie in eine Schafhuͤrde, ſo mor-
det ſie nicht nur, ſondern jagt auch den Schafen ein ſol-
ches Schrecken ein, daß ſie ſich dicht zuſammendraͤngen
und mehrere dadurch erſticken.
Die folgenden Hoͤfe, zu denen wir kamen, hatten
ihre Nahmen von den dermahligen Beſitzern, Matthias
Streidung, Steffen Frere, Peter Stuͤckert, Andreas
de Pree, und Thomas Frere. Die Wege waren von
vielem Regen weich und beſchwerlich, und die mitten
durch das Thal hinſtroͤmenden Fluͤſſe, welche wir zu paſſi-
ren hatten, waren ſehr tief, und die rechten Stellen zur
Durchfahrt manchmahl ſchwer zu finden. Einmahl
verfehlte mein Fuhrmann der rechten Furth, und fuhr
ſo tief hinein, daß das Waſſer den halben Karren hin-
aufſtieg, und alle meine Sachen, getrocknete und gruͤ-
ne Kraͤuter, Inſekten, Kleider und dergleichen durch
und durch naß wurden. Daher mußte ich, als wir zur
folgenden Nachtherberge kamen, mit unglaublicher Muͤ-
he alles durchſehen und am Feuer trocknen, und manches
war ganz verdorben. Ich hatte auch ſelbſt auf dem
Karren geſeſſen, weil mein Reitpferd auf der bisheri-
gen Reiſe ſo mager und kraftlos geworden war, daß ich
es auf dem letzten Bauerhofe ſtehen laſſen mußte; ich
D 2
[52]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
war daher auch ſelbſt ganz naß geworden. Ueber-
dem waren unſre Ochſen kaum im Stande, den Karren
herauszuziehen, weil der Boden aus ſehr zaͤhem Schlamm
beſtand, den die Raͤder aufwuͤhlten.
Zur Seite der Gegend, wo ich mich jetzt befand,
liegt ſchraͤge gegen uͤber linker Hand eine kleine Strecke
Landes zwiſchen Bergen, die Kuka heißt, und von den
Koloniſten bereits in Beſitz genommen iſt, ob ſie gleich
ſo geringen Umfang hat, daß ſie nicht mehr als zwey
Hoͤfe enthaͤlt. Allenthalben fand ich, daß die Hollaͤn-
diſchen Koloniſten dies weitlaͤuftige Land mehr und mehr
unter ihre Bothmaͤßigkeit bringen; die ohnmaͤchtigen
Hottentotten muͤſſen ihnen uͤberall Platz machen und ſich
denn immer tiefer ins Land hinein fluͤchten. Anfangs
nahmen die Koloniſten nur die grasreichen und beſten
Diſtrikte in den breiten Thaͤlern ein, und ließen den
Hottentotten noch eine Zeitlang die ſchlechteren Ge-
genden in den engen Thaͤlern zwiſchen den Gebirgen.
Endlich hat man ſie aber auch aus dieſen verdraͤngt,
ſo daß ſie jetzt ihr Vaterland ſo gut als ganz verlaſſen
haben.
In den hieſigen Gebirgen werden bisweilen Elenn-
boͤcke (Capra oreas) gefunden und geſchoſſen. Dieſe
Boͤcke ſind von der Groͤße eines mittelmaͤßigen Pferdes,
und ihr Fleiſch iſt nicht nur wohlſchmeckend, ſondern
wird hier zu Lande auch ſehr gern gegeſſen. Die Zunge
dieſes Thiers wird fuͤr den delicateſten Theil gehalten,
giebt auch wirklich den Rennthierzungen an Guͤte nicht
nach. Man ſalzt und trocknet ſie hier haͤufig, und
bringt ſie nach Cap zu Kauf. Man ſagte mir, daß
dieſe Boͤcke nicht, wie der bunte Bock, und der Gems-
bock (Capra oryx) mit den Hoͤrnern ſtoßen, wenn ſie
verwundet werden. Auch giebt es hier eine Art ganz
[53]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe
kleiner Boͤcke, die man Orebi nennt, und welche die
kleinen Bergboͤcke (Capra monticola) ſind. Sie ſind in-
deſſen nur ſehr ſelten anzutreffen. Ich ſah hier ein Jun-
ges, das braun von Farbe, und wenig groͤßer als eine
Katze, aber ſehr ſchoͤn war. Sie halten ſich eigentlich
in den Ebenen im langen Thale (Lange Kloof) auf.
Man wollte mich verſichern, daß beyde Geſchlechte keine
Hoͤrner haben, ob es gleich glaublich iſt, daß die Maͤnn-
chen damit verſehen ſind.
Am folgenden Tage ſetzten wir unſre Reiſe nach
dem Eſchenholze (Eſſe-Boſch) fort. Dies iſt ein klei-
ner huͤbſcher Wald, und hat ſeinen Nahmen von den
großen Baͤumen, aus welchen er beſteht, und die man
hier Eſchenbaͤume (Eſſe-Boom) nennt. Es ſind aber
keine eigentliche Eſchen (Fraxinus), ſondern eine beſon-
dre Gattung Baͤume, die in der Syſtemſprache die Eke-
bergie (Ekebergia Capenſis) heißt, und deren Blaͤtter
nur mit den Blaͤttern der Europaͤiſchen Eſche viel Aehn-
lichkeit haben. Auch wachſen in dieſem Gehoͤlze große
Feigenbaͤume (Ficus Capenſis), deren Fruͤchte die
Speiſe der Paviane ſind, in Menge. Weil hier indeſ-
ſen noch kein Hof angelegt iſt, mußten wir unſern La-
gerplatz dieſe Nacht unter freyem Himmel, an der Seite
eines Gebuͤſches nehmen, und den Sattel zum Kopfkiſ-
ſen machen.
Den 1. December reiſeten wir das krumme Fluß-
land (Kromme Riviers-Land) durch, welches von dem
in vielen Kruͤmmungen hindurch ſich ergießenden krum-
men Fluſſe (Kromme Rivier) ſeine Benennung em-
pfangen hat. Dieſes zwiſchen Bergen hinlaufende Thal
iſt nichts anders, als eine Fortſetzung des langen Thals
(Lange Kloof), wird aber allmaͤhlig niedriger, und zu-
gleich ſchmaler; hie und da iſt es nur einen Buͤchſen-
[54]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ſchuß breit. Eine Ebene enthaͤlt dies Thal indeſſen
nicht, ſondern es beſteht ganz aus dem ſich allmaͤhlig
neigenden und beynahe flach werdenden Fuße der an bey-
den Seiten hinlaufenden und unten gleichſam zuſammen-
ſtoßenden Reihe von Bergen, wo zugleich die von die-
ſen Bergen herunterkommenden Baͤche ſich verſammeln,
und einen ziemlich großen Fluß ausmachen. Die zur
Rechten liegenden Berge fangen am Ende dieſes Thals
endlich an, oben flach und uͤberhaupt niedriger zu werden,
bis ſie endlich ganz verſchwinden, ohne bis an die See-
kuͤſte zu reichen. Zugleich haben ſie hier ſchon zu beyden
Seiten eine ſo krumme Richtung, daß ſie beynahe ganz
ſuͤd-oſtwaͤrts ſich erſtrecken.
Das lange Thal und das Land um den krummen
Fluß, wo gegenwaͤrtig nur wenige von den urſpruͤngli-
chen Einwohnern uͤbrig ſind, ſcheint vor dieſem zahlrei-
cher, und zwar von den ſogenannten Heykam-Hotten-
totten bewohnt geweſen zu ſeyn.
Bey dem Hofe des Koloniſten Vermock hoͤren die
Berge, welche das lange Thal und das Land um den
krummen Fluß bilden, zur rechten Seite ganz auf, und
das Land erſcheint nunmehr ſehr breit zwiſchen dem
Strande und der linker Hand, das warme Bad beym
Elefantenfluſſe vorbey, noch weiter fortlaufenden Reihe
von Bergen. Zur Linken erſtreckt ſich das Elefantenge-
birge (Olifants-Bergen) oſt-nord-oſtwaͤrts, man ſieht
aber deutlich, daß es mehrere Ruͤcken hat, die ſich all-
maͤhlig in verſchiednen Spitzen endigen. Die naͤchſte
linker Hand ſichtbare Bergſtrecke hat den Nahmen des
Seekuhberges (Zee-Koe-Berg), und ſchließt ſich bey
Iſaak Meyers Hofe, wohin wir hernach kamen. Hin-
ter demſelben zeigt ſich eine andre Bergſtrecke, die der
Muͤhlenflußberg (Meulenriviers-Berg) heißt, und bey
[55]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
des Koloniſten Kocks Hofe zu Ende geht, wo wir kurz
vorher einige Tage ausgeruhet hatten, weil er beynahe
der aͤußerſte auf dieſer Seite iſt. Hinter dieſer Berg-
ſtrecke erblickt man noch eine dritte, die noch weiter hin-
geht, der Kabeljauflußberg (Kabeljaauwriviers-Berg)
genannt wird, und bey dem Fluſſe dieſes Nahmens
aufhoͤrt.
Der Seekuhfluß, der nicht ſehr weit vom Hofe
ins Meer fließt, iſt nach der See hin ziemlich fiſchreich.
Die in dieſem und andern Fluͤſſen befindlichen Fiſche
kommen aus dem Meere herauf, und ſelten findet man
in den Fluͤſſen dieſes Landes hoͤher hinauf Fiſche. Fi-
ſcherey kann daher nur in der Gegend der Muͤndung der
Fluͤſſe, und nur von den nicht weit vom Strande woh-
nenden Koloniſten getrieben werden. Zum Fangen
der Fiſche bedient man ſich bloß des Netzes. Einmahl,
als die Soͤhne des Bewohners dieſes Hofes mit einigen
Hottentotten nach dem Strande hinunter gingen, um
zu fiſchen, ging ich mit, um zu botaniſiren. Der
Fluß war hier zwar ſehr breit, durch die von der See
hereingetriebnen Sandduͤnen aber ſo ſeicht, daß, wenn
man weit hineinging, das Waſſer kaum uͤber die Mitte
des Leibes ſtieg. Theils um zu baden, theils um am
Strande Blumen und auf den da wachſenden Straͤuchen
und Buͤſchen Inſekten zu ſuchen, ging ich einige Stun-
den ganz nackt, und hatte bloß ein Schnupftuch um
den Unterleib gebunden, ohne zu vermuthen, daß die
heißen Sonnenſtrahlen nachtheilige Wirkung verurſachen
wuͤrden. Bald aber empfand ich die ſchaͤdlichen Folgen,
als ich gewahr wurde, daß der ganze Theil meines Koͤr-
pers, der nicht im Waſſer geſtanden hatte, roth und
inflammirt war. Dieſe Entzuͤndung nahm ſo zu, daß
ich verſchiedne Tage das Bette huͤten mußte, und nicht
[56]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
einmahl ein feines baumwollnes Hemd auf dem Leibe, am
wenigſten auf den Schultern, welche der Sonnenhitze
am meiſten ausgeſetzt geweſen waren, leiden konnte, ehe
ich mit ſuͤßem Rohm mich geſchmiert und die verbrannte
Haut erweicht hatte.
Unſer Wirth, der oben genannte Meyer, war ein
alter biedrer Mann, ein gebohrner Europaͤer, und einer
der tuͤchtigſten Schuͤtzen im Lande. Er hatte verſchiedne-
mahl weite Reiſen nach der Kuͤſte der Kaffern gemacht,
um Elefanten zu ſchießen, durch deren Zaͤhne er zu dem
Beſitze eines ziemlichen Vermoͤgens gelangt war, worauf er
ſich dieſe ſchoͤne und vortheilhafte Stelle am Seekuhberge
zum Wohnplatze und Anbauorte gewaͤhlt hatte. Er er-
zaͤhlte mir verſchiednes, wovon er Augenzeuge geweſen
war, und das ein Reiſender in dieſen Gegenden auch
bey der groͤßten Sorgfalt nur ſehr ſelten zu bemerken Ge-
legenheit hat. Dahin rechne ich folgendes: Einmahl wur-
de er auf einem ſeiner Jagdzuͤge eine ſogenannte Seekuh
(Nilpferd, Hippopotamus amphibius) gewahr, die eine
Strecke vom Fluſſe abwaͤrts gegangen war, um ihr Jun-
ges zu werfen. Er kroch mit ſeinem Gefaͤhrten in ein
Gebuͤſch, und hielt ſich da ganz ſtill und unſichtbar, bis
das Junge ſich zeigte. Hierauf ſchoß er nach der Mut-
ter, traf auch ſo gut, daß ſie auf dem Platze todt liegen
blieb. Die Hottentotten, welche er bey ſich hatte,
wollten das Junge lebendig fangen, und liefen hinzu,
um es feſt zu halten. Obgleich ihrer aber mehrere wa-
ren, gelang ihnen dies ſo wenig, daß das Junge, wel-
ches vor einigen Augenblicken erſt aus Mutterleibe ge-
kommen, und noch ganz glatt und ſchluͤpfrig war, ih-
nen entwiſchte, und gerades Weges nach dem Fluſſe
zulief, ohne den geringſten Unterricht von der Mutter,
weder in Anſehung des Weges zum Fluſſe, noch dieſes
[57]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
Rettungsmittels bekommen zu haben. — Von den Ele-
fanten erzaͤhlte er, daß das Weibchen ſich bey der Begat-
tung auf die Knie legt, und das Maͤnnchen alſo nie das
Weibchen beſpringen kann, außer wenn dieſes Brunſt
empfindet. — Von den Loͤwen, ihren Sitten und Ei-
genſchaften, auch der Loͤwenjagd, wußte er vieles aus eig-
ner Erfahrung. Ich gab mir viel Muͤhe, mich auch
durch ihn davon zu belehren, weil ich Willens war, jetzt
eine Zeit lang ein Land zu durchwandern, wo der Him-
mel mein Dach, und ein offnes mit wilden Thieren an-
gefuͤlltes Feld meine Lagerſtaͤtte ſeyn wuͤrde, und wobey
es einem Reiſenden uͤberaus wichtig iſt, die Gemuͤths-
art, und Natur derjenigen Thiere zu kennen, vor denen
er ſich ſorgfaͤltig in Acht zu nehmen hat. Die Loͤwen
liegen manchmahl in einem Buſche, ohne ſich zu bewe-
gen, wenn ein Menſch vorbey geht, wofern dieſer nur
thut, als wenn er ſie nicht bemerke. Sie ſpringen auch
wohl auf, ohne Leides zu thun, wenn man nur ſtill ſte-
hen bleibt, und nicht anfaͤngt zu laufen. Iſt der Loͤwe
hungrig, ſo iſt er ſchon gefaͤhrlicher und weniger ſchonend.
Menſchen faͤllt er aber auch alsdann doch nicht gern an.
Ueberhaupt ſtellt er eine genaue Wahl unter dem an,
was er anfallen kann. Hunde frißt er lieber als Ochſen
und Kuͤhe, und Hottentotten viel lieber als andre Men-
ſchen. Dies letztere kommt vermuthlich daher, weil die
Hottentotten, da ſie ſich ſo ſtark beſchmieren, allezeit
ſtinken, und dabey ihre Saͤfte nicht ſo ſcharf ſind, in-
dem ſie nie Salz oder Gewuͤrz gebrauchen. Auch macht
er ſich lieber an einen Hottentotten oder Sklaven, als
an aufgehaͤngtes Buͤffelochſenfleiſch. Unſerm Wirthe
war es einmahl des Nachts ſo ergangen, daß ein Loͤwe,
anſtatt zu dem Fleiſche, das bey der Lagerſtelle aufge-
haͤngt war, zu greifen, daſſelbe vorbeyging, und ei-
[58]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
nen ſchlafenden Hottentotten anpacken wollte. Im
Walde iſt das ſicherſte Mittel, dem Angriffe eines Loͤ-
wen zu entgehen, daß man auf einen Baum klettert,
denn Loͤwen klettern nie auf Baͤume. Tigern entkommt
man auf ſolche Art nicht immer, denn dieſe ſpringen,
wenn ſie von Hunden ſtark gejagt werden, auf Baͤume
und ſuchen da einen ſichern Zufluchtsort. Wird man
einen Loͤwen gewahr, ſo muß man niemahls weglaufen,
ſondern ſtill ſtehen, Muth faſſen und ihm gerade ins
Geſicht ſehen. Liegt ein Loͤwe ſtill, ſo daß er nicht den
Schwanz regt, kann man ſicher ſeyn; wedelt er aber
mit dem Schwanze, ſo iſt er hungrig und man befindet
ſich in vieler Gefahr. Kann man eine ſolche Stellung
bekommen, daß man disſeits einer Grube, und der Loͤwe
jenſeits ſteht, ſo kann man dreiſt Feuer auf ihn geben;
denn uͤber eine Grube wagt er ſich nicht. Eben ſo iſt
man ſehr geſichert, wenn man eine Anhoͤhe oder einen
Berg erreichen kann, denn da hinauf wagt er ſich auch
nicht, um jemand nachzuſetzen. In demſelben Verhaͤlt-
niſſe, als die Koloniſten das Land in Beſitz nahmen, und
weiterhin Hoͤfe anlegten, waren ſie auch genoͤthigt, um
ihrer eignen, ihrer Leute und ihres Viehes Sicherheit
willen, die Loͤwen, ſo viel ſich nur immer thun ließ, zu
vertreiben oder wegzuſchießen. Unſer Wirth hatte erſt
neulich noch eine ſehr unangenehme Erfahrung von dieſer
Nothwendigkeit gemacht, glaubte aber doch jetzt fuͤr ſei-
ne Herden wenig befuͤrchten zu muͤſſen. Der Loͤwe be-
ſitzt eine ſo erſtaunliche Staͤrke, daß er den groͤßten Och-
ſen nicht nur anfaͤllt, ſondern auch bequem und in groͤßter
Geſchwindigkeit auf die Schultern nimmt, und mit ihm
uͤber Zaͤune von ein Paar Ellen Hoͤhe ſpringt, obgleich
die Fuͤße des Ochſen auf der Erde nachſchleppen. Bey
dem allen iſt kein Thier ſo leicht auszurotten als der Loͤwe,
[59]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
ſo ſtark, geſchwind und vorſichtig er auch iſt. Wenn
man durch die Spuren ausgeforſcht hat, wie viel Loͤwen
zuſammen in einem Haufen ſind, ſo ſtellt man eben ſo
viele Buͤchſen da, wo man glaubt, daß ſie durchkommen
werden, zu Selbſtſchuͤſſen hin. Man legt naͤmlich ein
Stuͤck Aas hin, bindet an daſſelbe eine ſtarke Schnur,
und befeſtigt dieſe an den Druͤcker. Sobald nun ein
Loͤwe das Aas anpackt, geht die Buͤchſe los, und die-
ſe iſt ſo geſtellt, daß der Schuß den Kopf trifft. Die
andern Loͤwen, welche dabey ſtehen, laſſen ſich durch den
Knall nicht abſchrecken, ſondern im Gegentheil geht
manchmahl einer von ihnen auf den Rauch zu, und
packt das abgeſchoßne Gewehr mit den Klauen. Inzwi-
ſchen werden alle uͤbrige nach und nach durch die andern
Buͤchſen ebenfalls erlegt, und bisweilen wird der ganze
Trupp in einer Nacht ausgerottet. Wird bey dieſer
Gelegenheit ein Loͤwe nicht todtgeſchoſſen, ſondern nur
verwundet, ſo vermeidet er hernach ſorgfaͤltig ſolche
Selbſtſchuͤſſe, und laͤßt ſich dadurch nicht beykommen,
ſondern faͤllt, auch ohne vom Hunger getrieben zu wer-
den, Menſchen an.
Die Gegend um den Seekuhfluß, ſo weit ich ſie
kennen lernte, hat viel Gras, und iſt ſo beſchaffen, daß
man die Viehzucht da im großen treiben kann. Hornvieh
und Butter iſt auch das einzige, das man von hier nach
dem Cap zum Verkauf bringen kann. Butter wird denn
hier auch ſo viel gewonnen, daß man auf dem Hofe, wo
ich mich aufhielt, beynahe alle Tage butterte, und die
Buttermilch, welche man hier weder fuͤr Menſchen noch
Vieh, anders als ſelten und wenig gebraucht, da wo ſie
ausgegoſſen wird, beynaͤhe Baͤche formirt. Auf dieſem
Hofe hatte man auch viele Hottentotten im Dienſt, und
die Maͤgde unter ihnen, welche das Buttern verrichteten,
[60]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
mußten ſich, wenigſtens an Haͤnden und Armen, waſchen
und rein halten.
Bey meinem hieſigen Aufenthalte hatte ich aber-
mahls Gelegenheit, noch manches mir bisher Unbekannte
von den Sitten und der Sprache der Hottentotten ken-
nen zu lernen. Die in dieſer Gegend wohnenden ſowohl,
als die bey den Europaͤern im Dienſt befindlichen, verhei-
rathen ſich ohne Ordnung. Manchmahl hat auch eine
Frau außer ihrem eigentlichen Manne noch einen andern,
gleichſam zur Reſerve. Wenn ein verheiratheter Hotten-
totte auf eine Zeit lang verreiſet, heirathet nicht ſelten ſei-
ne Frau mittlerweile einen andern. Dies Schickſal hat-
te jetzt meinen vorigjaͤhrigen Fuhrmann betroffen, der
zwar ein Artiges verdient, aber bey der Zuruͤckkunft ſeine
Frau mit einem andern verheirathet angetroffen hat-
te. — Auf meiner vorigen Reiſe hatte ich an verſchied-
nen Orten geſehen, daß die Hottentotten, welche keine
Pferde haben, ſich der Ochſen ſowohl zum Reiten, als
auch ſtatt der Packpferde bedienen. Jetzt hatte ich Gele-
genheit zu beobachten, wie ſie dieſe Thiere zu dieſem Ge-
brauche zuſtutzen. Ein zum Reiten beſtimmter Ochſe
muß ſchon von den erſten Wochen nach ſeiner Geburt an
gewoͤhnt werden, ſeinen Reiter auf dem Ruͤcken zu leiden.
Zu dieſem Ende bindet man ihm anfangs ein Fell uͤber
den Ruͤcken, mit welchem er auch den ganzen Tag in Ge-
ſellſchaft der Mutter auf der Weide gehen muß. Her-
nach werden kleine Knaben auf ihn geſetzt, die auf ihm
umher reiten. Iſt das Kalb zu einiger Gewohnheit hier-
in gekommen, ſo bindet man ein anderes, noch gar nicht
zugeſtutztes ihm an die Seite, das mitlaufen muß, wenn
der Knabe auf jenem reitet: hiedurch wird das andre
ebenfalls vorlaͤufig gebaͤndigt und geuͤbt. Dies Reiten
auf dem Kalbe geſchieht gewoͤhnlich in vollem Galop,
[61]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
und iſt gar luſtig anzuſehen. Gemeiniglich endigt das
Spiel ſich damit, daß das Kalb ſehr behende und nach
Belieben den Reiter abwirft.
Die Sprache der Hottentotten iſt nicht durchgaͤn-
gig gleich, ſondern hat merklich von einander abweichende
Mundarten. Darin aber kommen faſt alle uͤberein, daß
ſie beym Ausſprechen der Sylben und Woͤrter ein gewiſ-
ſes Klappen, Klatſchen oder Schnalzen hoͤren laſſen,
welches die Urſache iſt, warum Europaͤer ſelten dieſe
Sprache richtig reden lernen, obwohl deren Kinder, die
von Kindheit an mit den Kindern der Hottentotten auf-
erzogen werden, es zur voͤlligen Richtigkeit und Fertigkeit
darin bringen. Dies Schnalzen iſt bey den Hottentot-
ten dreyfach, gleichſam dentale, palatinum und gutturale.
Das erſte wird mit der Spitze der Zunge gegen die Zaͤh-
ne; das zweyte mit der Zunge gegen den Gaumen; und
das dritte, welches das ſchwerſte iſt, mit der Wurzel
der Zunge ganz unten in der Kehle hervorgebracht. Fuͤr
Fremde iſt dies Schnalzen deswegen beſonders ſchwer
zu treffen, weil es gerade alsdann, wenn das Wort ſelbſt
ausgeſprochen wird, und weder vorher, noch nachher, ge-
ſchehen muß. Es kommt nicht nur im Anfange, ſon-
dern auch in der Mitte der Woͤrter, in zwey- und drey-
ſylbigen, aber nicht ſelten zweymahl, vor. Wenn mehrere
Hottentotten beyſammen ſitzen, um mit einander zu plau-
dern, ſo lautet es beynahe eben ſo, als wenn eine Par-
tey Gaͤnſe zuſammen ſind und mit einander ſchnattern.
Daß das Sprechen dieſer Sprache, und zwar ſelbſt den
Hottentotten, Muͤhe macht, kann man hinlaͤnglich dar-
an wahrnehmen, daß ſie dabey affektiren und die Lippen
angreifen. Indeſſen koͤnnen ſie doch auch mit der Tobaks-
pfeife im Munde reden, aber alsdann nur wenig und
ganz kurze Geſpraͤche. Die Sprache der Kaffern iſt viel
[62]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
leichter, und hat nur in einigen Worten das Schnalzen.
Eine foͤrmlich eingerichtete Sprache haben alſo dieſe Be-
wohner der ſuͤdlichen Spitze von Afrika. Uebrigens aber
ſind ſie ſo wenig cultivirt, daß ſie gar keine Buchſtaben
und auch gar keine Art, Buchſtaben oder Woͤrter zu
ſchreiben, es ſey auf Papier, in Holz, oder in Stein,
kennen. Die mindeſte Spur von Wiſſenſchaften oder
alten Denkmaͤhlern wuͤrde man daher bey ihnen vergeblich
ſuchen; und uͤberhaupt koͤnnen wohl nicht viele Voͤlker des
Erdbodens weniger gebildet ſeyn, als dieſe. Auch koͤn-
nen ſie viele von den Sachen, die ſie bey den Koloniſten
ſehen, in ihrer Sprache nicht benennen, als Keſſel, To-
bak, Joch, Spuͤlkumm und dergleichen.
Da ich bisweilen mehrere Wochen lang mich außer
den Graͤnzen der Kolonie unter den Hottentotten aufhal-
ten mußte, war ich genoͤthigt, etwas von ihrer Sprache
zu lernen. Um nun die Woͤrter, welche ich nach und
nach lernte, deſto beſſer zu behalten, machte ich mir ein
kleines Lexikon davon. Bey Kolbe findet man ein weitlaͤuf-
tiges Verzeichniß Hottentottiſcher Woͤrter und Redens-
arten, und Sparrmann fuͤhrt ſogar verſchiedne Dialecte
derſelben an. Da aber das meiſte von dem, was ich
aufgezeichnet habe, nicht daſſelbe iſt, was man bey je-
nen antrifft, glaube ich den Sprachforſchern einen Dienſt
zu thun, wenn ich es hier einruͤcke. Die ohne Schnal-
zen auszuſprechenden Vokale bezeichne ich gar nicht; die
mit Schnalzen gegen die Zaͤhne mit `, gegen den Gau-
men mit ´, und in der Kehle mit ^.
- Kòiſe Ein
- Kàmſe Zwey
- Aruſe Drey
- Gnátòi Vier
- Metuká Fuͤnf
- Krubi Sechs
- Gnátigná Sieben
- Gnínka Acht
- Tuminkma Neun
- Gomatſe Zehn
[63]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
- Arikä
- Tutu
- Tup
- Tus Huͤndin
- `A`tti Floh
- Gôs
- Gôoſa
- Bi
- Bip
- Gôsbip Kuhmilch
- Bingôi Butter
- Hôgô
- Kúmap
- Kàu Buͤffel
- Manqua Ein Haufen
Ochſen - Hakva
- Hasp
- Hakv[a] dem-
ma ha Wo iſt das
Pferd? - Hakva ſeo Bring das
Pferd her - Haß Stute
- Kâma Loͤwe
- Kòu Nilpferd
- Kòka Wolf
- Kôukekurr Hahn
- Kà[p]ika Ey
- Kèn Elennbock (Ca-
pra oreas) - Kèns Elennziege
- Kànna Ein Haufen
Elenne - Giép Fuchs
- Guaſſup Tiger
- E`p Pharaoratze
(Viverra Ich-
neumon) - Gona Schaf
- Kámmap Gazelle (Ca-
pra dorcas) - Brê Brot
- Brê marê Gieb Brot
- Kàmma Waſſer
- Kòp Fleiſch
- Dakhan Hanf
- Heip Tiſch
- Kop Tobakspfeife
- Komma Haus, Hof
- Kabû Schießgewehr
- Su Topf, Trom-
mel - Semi Kafferngerſte
- Nôrap Meſſer
- Nénàmhòp Stuhl
- Omma Haus
- Mari Geld
- Kàba
- Taba
- Kroi
- Kroijim
- Kule
- Hava Kroijim Wo iſt der
Wagen? - Häva Kroijim Hier iſt der
Wagen - Krakwa Glaskoral-
len - Kòrup Eiſen, Kupfer
- Géip Kaſten, Kiſte
- Kuijop Wiedeneu-
phorbie (Eu-
phorbia vi-
minalis) - Oìp Klippe, Fels-
ſtein - Námkva Kleidung der
Hottentotten - ’E`i
- E`ip
- Nèip
- E`i koa kôi Mach Feuer
- Géihep Wohnplatz
- Hòma Schlechtes
Wetter - Kànji Lecker
- Ka
- Sinnò
[64]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
- Kudu Richtweg
- Kòu
- Twáp
- Koa Schlagen
- Tàm Schoͤnes Wet-
ter - Sang Warm
- Koroſa Kalt
- O`m Schlafen
- O´m Naͤhen, Sto-
pfen - Keunas Leute
- Dabê
- Dabeté
- Kòa motſchi Guten Mor-
gen - Gòi motſki Guten Abend
- Demma Wo iſt?
- Danna haa ſe
àkroi Wo iſt der Weg
zum naͤch-
ſten Hofe? - Häva ha
- Kông
- Hagatſchi Komm, mein
Freund - Hanka Bring her
- Kài hem Es iſt gut
- Marê Gieb
- Su ſe kôn Lauf weg
- Muſko Haſt du geſe-
hen? - Kúmſea
willſt - Húnköp
- Kúmſea
- Kárra Kehr um, fahr
zuruͤck - Ambup
- Tikkop
- Andes
- Tiſſos
- Kans
- Tikándi
- Kárup
- Tikákwa
- Hònnés
- Kus
- Kùpp Mann
- Kám Mund
- Mu
- Mum
- Kòm Zahn
- Kóyp Naſe
- Samma Bruſt (pectus,
mamma) - Hop Das maͤnnli-
che Glied - Kóutere Die Eichel des
maͤnnlichen
Gliedes
Dem Glauben an Hexerey ſind die Hottentotten
gar ſehr ergeben, und wenn jemand krank wird, oder
ſtirbt, ſind ſie der Meinung, er ſey behext.
Gewoͤhnlich haben die Hottentotten viele Kinder.
Dieſe tragen anfaͤnglich Ringe von Binſen oder Schilf
um die Beine, um ſich daran zu gewoͤhnen; hernach be-
kommen ſie lederne. Die Knaben uͤben ſich, einen zuge-
ſpitzten Stock zu werfen, bis ſie mit der Zeit den Wurf-
ſpieß regieren koͤnnen. Die Hottentotten tragen hier
durchgaͤngig das maͤnnliche Glied in einem Beutel, den ſie
aus
[65]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
aus dem grauen Stuͤcke Fell, das der Capſche Fuchs auf
dem Ruͤcken hat, verfertigen, und um den Leib mit einem
Riemen befeſtigen. Die Kaffern gebrauchen einen aͤhn-
lichen Beutel, aber von anderm Fell, und ſo klein, daß
er oft nichts weiter, als die Vorhaut bedeckt.
Bey den Luſtbarkeiten, welche die Hottentotten an-
ſtellten, beſonders um uns ein Vergnuͤgen zu machen,
bekam ich hier eins ihrer Spiele zu ſehen, das die Kolo-
niſten ihr Kartenſpiel nennen; es beſteht aber in weiter
nichts, als daß ſie plaudern, mit den Fingern Knipp-
chen ſchlagen und lachen. Auch lernte ich ein muſikali-
ſches Inſtrument kennen, das ſie Kora nennen. Es
giebt einen aͤhnlichen Laut, als die Violinſaiten, und
wird aus einem hoͤlzernen Stabe gemacht, uͤber den ſie
eine Schnur ſpannen; an dem einen Ende befeſtigen ſie
die Spitze einer Feder, worauf ſie mit den Lippen bla-
ſen und ſpielen, ſo daß ein ſchnarrender Laut heraus-
kommt.
Jetzt, da die Sommerhitze ſtaͤrker wurde, fing die
bereits von mir beſchriebene Klauenkrankheit an, unter
dem Hornviehe ſich zu zeigen, und der mich begleitende
Englaͤnder mußte hier verſchiedne ſeiner Zugochſen, die
damit behaftet waren, gegen andre, die noch frey davon
zu ſeyn ſchienen, austauſchen. Meine Ochſen plagte
nichts anders als der Hunger; ſie waren aber auch ſo
mager und matt, daß keine Krankheit in ihrem duͤrren
Koͤrper und duͤnnen Schenkeln haften zu koͤnnen ſchien.
Wir ließen daher unſer Zugvieh hinlaͤnglich ausruhen und
wieder zu Kraͤften kommen, um unſre Reiſe nach den ſo-
genannten Schneebergen, unſerm aͤußerſten Ziele, fortzu-
ſetzen: eine Reiſe, zu der wir uns gleichſam von neuem
ausruͤſten mußten. Da wir nun ein Land vor uns hat-
ten, das nur von Hottentotten bewohnt, hin und wie-
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. E
[66]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
der aber ganz unbewohnt war, mußten wir darauf be-
dacht ſeyn, nicht nur einige Hottentotten als Dolmet-
ſcher, Wegweiſer, und zur Bewachung mitzunehmen,
ſondern auch uns mit Proviant zu verſehen. Unſre bra-
ve Wirthin ließ fuͤr uns eine Partey Weitzenzwieback,
und einige Weitzenbrote backen, fuͤllte eine große But-
terbuͤchſe, und ſchlachtete ein Schaf, das ſie einſalzte
und in ſeine eigne Haut einnaͤhete. Wir ſelbſt brachten
unſer Schießgewehr in die beſte Ordnung. Hierauf ver-
fuͤgten wir uns mit friſchen Kraͤften, und mit allem
noͤthigen wohl verſorget, den 9. December auf den
Weg nach dem Kabeljaufluſſe (Kabbeljaauw-Rivier).
An dieſem Fluſſe liegt der aͤußerſte und letztre Koloni-
ſtenhof. Er gehoͤrt einem reichen Buͤrger zu Cap, Nah-
mens van Rhenen, der ihn durch einen Knecht verwal-
ten laͤßt.
Von da kamen wir zum Camtousfluſſe (Camtous-
Rivier). Dieſer Fluß macht jetzt die Graͤnze der Hol-
laͤndiſchen Kolonie aus, welche ſich weiter hinaus nicht
erſtrecken darf. Die Urſache, warum die Regierung
ſcharf verbothen hat, jenſeits keine Hoͤfe anzulegen, iſt,
zu verhindern, daß die Koloniſten mit den da wohnen-
den Kaffern, einem muthigen und tapfern Volke nicht in
Krieg gerathen moͤgen, als wodurch fuͤr die Compagnie
großer Nachtheil erwachſen wuͤrde. Die Gegend hier
umher iſt ſonſt ſchoͤn und reich an Gras.
In der ganzen weitlaͤuftigen Strecke Landes, von
Rotheſand bis zum Camtousfluſſe iſt bis jetzt, ſo volkreich
dieſe Kolonie auch iſt, noch gar keine Kirche vorhanden.
Die Einwohner haben ſchon vor langer Zeit um eine Kir-
che angehalten, ſich auch, obgleich alle andre Prediger
ſowohl in der Stadt als auf dem Lande von der Compagnie
beſoldet werden, erbothen, ſelbſt den Geiſtlichen zu beſolden,
[67]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
wenn die Kirche mitten in der Kolonie an einem ihnen be-
quemen Orte angelegt werden ſollte. Man hat auch
ſchon den Riß und Anſchlag eingegeben, und zugleich um
die Erlaubniß angeſucht, am Kafferkuhlfluſſe (Caffer-
kuyls-Rivier), auf eigne Koſten eine Kirche zu bauen,
weil da die meiſten auf ihren Capſchen Reiſen vorbey muͤſ-
ſen. Allein aus dem allen iſt noch nichts geworden, weil
der Land-Droſt nebſt einigen ſeiner Nachbarn es dahin hat
bringen wollen, daß die Kirche nicht weit von Zwellen-
dam, wo er wohnt, angelegt wuͤrde, obgleich dieſer
Ort an dem einen Ende dieſes großen Landes liegt.
Nun noch einige zoologiſche und botaniſche Anmer-
kungen. Allenthalben in dieſen Gegenden, beſonders an
ſolchen Oertern, die moraſtig ſind und wo Schilf waͤchſt,
haͤlt ſich eine merkwuͤrdige und ſchoͤne Art Dompfaffen,
oder Kernbeißer, Langſchwanz (Lang-Staert) genannt,
(Loxia macroura) auf. Sie ſind den Goldfinken aͤhn-
lich. Die Maͤnnchen haben ſo wie dieſe, beſonders um
die jetzige Jahrszeit, da ſie am ſchoͤnſten ausſehen, ſammt-
rothe Federn. An ihrem langen Schwanze, der an
Laͤnge den ganzen Koͤrper weit uͤbertrifft, ſind ſie aber
leicht davon zu unterſcheiden. Im Winter ſind ſie grau
von Farbe, und dies iſt auch die beſtaͤndige Farbe des
Weibchens, das auch keinen langen Schwanz hat. Es
iſt artig, dieſen Vogel mit ſeinem langen niederhangenden
Schwanze fliegen zu ſehen, der ihn gleichſam herunter
zu druͤcken ſcheint, ſo daß er niemahls gerade fort, ſon-
dern nur in Kruͤmmungen aufwaͤrts und abwaͤrts, fliegen
kann. Wenn der Wind ſtark wehet, hindert ihn der
lange Schwanz uͤberhaupt ſehr am Fliegen, und er kann
alsdann nicht leicht dahin kommen, wohin er will, ſon-
dern wird oft zur Seite geworfen. Uebrigens fliegen die-
ſe Voͤgel aͤußerſt langſam, wenigſtens langſamer, als ich
E 2
[68]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
es je bey einem Vogel geſehen habe. Daher kommts aber
auch, daß man ihn gar leicht ſchießen, und beym Regen
oder ſtarkem Winde ſogar, wenn man geſchwind laͤuft,
beynahe mit der Hand fangen kann.
Von einer Art kleiner, grauer Grashuͤpfer oder
Geſpenſtkaͤfer (Mantis fauſta) glaubt man hier, daß die
Hottentotten ſie anbeten, weswegen man ſie auch Hotten-
tottengott nennt. Dieſe Meinung iſt aber wohl ohne
Grund; wenigſtens habe ich ſie nicht beſtaͤtigt gefunden.
Vermuthlich aber ruͤhrt ſie daher, daß dieſe kleinen Thiere
bey den Hottentotten in einer gewiſſen Achtung ſtehen.
Sie halten den Menſchen oder das Thier fuͤr gluͤcklich,
worauf ſie ſich ſetzen, und thun ihnen daher nichts zu Lei-
de, aber goͤttliche Ehre erweiſen ſie ihnen nicht.
Weil es hier Waſſerſchildkroͤten giebt, fing ich de-
ren eine, um ihr Blut zu bekommen, und es gegen
Schlangenbiß oder ſonſt zu gebrauchen. Sie war unge-
faͤhr einer Hand groß, und doch erhielt ich nur ſehr wenig
Blut. Nachdem ich ihr den Hals abgeſchnitten hatte,
und das Blut herausgelaufen war, ſonderte das Bleiche
und Waͤſſerige ſich ab, und das Rothe, welches ſich
oben hielt, wurde auf Papier trocken, ſchilferig und
ſchwarz.
In dieſer Gegend fand ich die Brotfruchtpalme oder
Keulpalme (Zamia caffra). Die Frucht dieſes Baums
iſt ſehr ſelten, und ich hatte Muͤhe dergleichen zu finden,
um Samen zu bekommen. Einige Baͤume tragen bloß
maͤnnliche Blumen und große Zapfen wie Tannzapfen,
aber ohne Samen. Auf andern wachſen eben ſolche
Zapfen, von der Groͤße eines Menſchenkopfs, und mit
wirklichen Samenkernen. An der untern Seite der
Schuppen des maͤnnlichen Zapfens ſitzt eine unzaͤhlige
Menge Staubbeutel (Anthera), die hernach zerſprin-
[69]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
gen, und einen weißen, etwas zaͤhen, Blumenſtaub
(Pollen) enthalten. An dem weiblichen Zapfen ſitzen
die Samenkerne, welche die Groͤße einer Mandel ha-
ben, zwiſchen den Schuppen ſelbſt, und ſind mit einem
roͤthlichen, muſichten oder breyichten Weſen, das eßbar iſt,
umgeben. Die Frucht waͤchſt unmittelbar aus der Spitze
der Palme hervor, manchmahl ehe ſich noch ein Stamm
uͤber der Erde gebildet hat. Von dem Samen glaubt
man, daß er am beſten und ſicherſten aufgehe, wenn
man ihn foͤrmlich pflanzt, hernach Stroh daruͤber legt,
und daſſelbe anſteckt und aufbrennen laͤßt, oder auch wenn
man ihn vorher in warmen Waſſer eingeweicht hat.
Dritter Abſchnitt.
Reiſe vom Camtousfluſſe bis zum
Sonntagsfluſſe.
Den 10. December paſſirten wir den Camtousfluß,
und verließen damit das Gebiet der Hollaͤndiſchen Com-
pagnie. Zuerſt kamen wir zum Lurisfluſſe. Hier faͤngt
das Land an ſehr uneben und bergig zu werden, und
ſchoͤne Waͤlder, ſowohl in den Gruͤnden zwiſchen den
Bergen, als auch an den Baͤchen zu enthalten, und
uͤberhaupt dem Houtniquaslande aͤhnlich zu ſeyn. Hie
und da ſahen wir große und tiefe Gruben, die gegra-
ben waren, um Elefanten und Buͤffel zu fangen.
Mitten in ſolchen Gruben ſteht ein Pfahl, der oben
ſehr ſpitz iſt, und worauf das Thier ſich ſpießt, wenn
es hineinfaͤllt.
Der hieſige Hottentotten-Capitain beſuchte uns ſo-
gleich des Abends, und lagerte mit einem Theile ſeiner Leu-
te nicht weit von uns. Durch ſeinen Mantel von Tiger-
[70]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
fell und den Stab in der Hand unterſchied er ſich von
dieſen.
Den Galgenwald (Galge-Boſch) vorbey kamen
wir zum van Stadesfluſſe (Van Stades-Rivier), wo
wir Feuer anzuͤndeten und das Nachtlager nahmen. Die
hier wohnenden und mit Kaffern vermiſchten Gonaquas-
Hottentotten kamen in großen Haufen an, um ihren
Beſuch bey uns abzuſtatten. Der gute Hollaͤndiſche
Rollentobak, womit wir ſie bewirtheten, ſchmeckte ih-
nen vortrefflich. Verſchiedne von ihnen trugen Haͤute
von Tigern, die ſie ſelbſt getoͤdtet, und ſich durch dieſe
Tapferkeit das Recht, ſich durch ſolche Tracht auszu-
zeichnen, erworben hatten. Viele hatten einen an ei-
nem hoͤlzernen Stabe befeſtigten Fuchsſchwanz in der
Hand, womit ſie ſich den Schweiß abwiſchten. Dieſe
Hottentotten, welche viel Vieh haben, beſchenkten uns
uͤberfluͤſſig mit Milch, die in geflochtne, aber doch voͤl-
lig waſſerdichte Koͤrbe gemolken war: nur Schade, daß
dieſe Koͤrbe ſo unrein waren, daß wir uns genoͤthigt ſa-
hen, die Milch durch ein leinenes Tuch zu ſeigen.
Nachdem wir den van Stadesfluß paſſirt waren,
kamen wir zu zwey anſehnlichen und großen Doͤrfern, die
aus vielen, in einem Zirkelbogen angelegten, runden
Huͤtten beſtanden. Die Leute ſtuͤrzten aus denſelben wie
ein Strom zu unſern Wagen; unſer Tobak ſchien wie
ein Magnet auf ſie zu wirken. Der Erwachſenen wa-
ren etwa zwey bis dreyhundert. Nachdem die meiſten
ein kleines Stuͤck Tobak bekommen hatten, gingen ſie
voll Freuden wieder nach ihren Huͤtten. Der groͤßte
Theil von ihnen war mit Kalbhaͤuten, nicht aber, wie
die andern Hottentotten, die ich bisher geſehen hatte, mit
Schaffellen, bekleidet. Dieſe Leute waren wohlgewach-
ſen, und hatten ein raſches, unerſchrocknes Anſehen.
[71]Reiſe v. Zwellendam bis zum Camtousfluſſe.
Sowohl um den Kopf als an den Fuͤßen, und um den
Leib hatten ſie ſich mit Borſten, die aus den Schwanz-
haaren verſchiedner Thiere gemacht waren, geſchmuͤckt.
Einige hatten Riemen von Thierhaͤuten, andre Schnuͤre
Glaskorallen verſchiedenemahl um den Leib gewunden.
Kein Zierrath aber war bey ihnen von groͤßerm Werth,
als kleine glaͤnzende Platten von Kupfer oder Meſſing,
die theils laͤnglich, theils rund, theils viereckig waren.
Dieſe wiſſen ſie recht blank zu ſcheuern, und haͤngen ſie
an einer Schnur entweder in die Haare, oder vor die
Stirn, vor die Bruſt, hinten in den Nacken, oder auch
ſogar vor das Geſaͤß; und wenn ſie ihrer mehrere haben,
behaͤngen ſie den ganzen Kopf rund herum damit. Mein
Reiſegefaͤhrte, der Engliſche Gaͤrtner, hatte einen von
den großen kupfernen, vergoldeten, Schaupfennigen bey
ſich, die man in England gepraͤgt und den beyden jetzt
nach dem Suͤdpole ſegelnden Schiffen mitgegeben hatte,
um ſie unter den wilden Voͤlkern, die ſie antreffen wuͤr-
den, auszutheilen. Dieſe Muͤnze ſchenkte er einem von-
denjenigen unter dieſen Kaffern, die ſich beſonders ver-
traulich gegen uns bezeigten, welches ihm ſolche Freude
machte, daß er, dies glaͤnzende Stuͤck vor der Stirne
tragend, uns auf der ganzen Hin- und Ruͤckreiſe Ge-
ſellſchaft leiſtete. Ueberhaupt machten wir den vornehm-
ſten unter ihnen Geſchenke mit kleinen Spiegeln, deren
wir, ſo wie kleine Meſſer, Zunderbuͤchſen und derglei-
chen von Cap mitgebracht hatten, womit wir entweder
die Freundſchaft dieſer Leute auf unſrer Reiſe zu gewin-
nen ſuchen, oder ſie fuͤr geleiſtete Dienſte belohnen
wollten. Die Spiegel machten uns beynahe eben ſo viel
Vergnuͤgen, als ihnen; denn es war eine Luſt zu ſehen,
was ſie alles damit vornahmen. Abwechſelnd beſahen ſich
einer oder mehrere in einem Spiegel; darauf ſahen ſie
[72]Erſte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
einander unter lautem herzlichen Lachen an, und endlich,
welches das poſſirlichſte war, guckten ſie auch hinter den
Spiegel, ob ſie da eben die Bilder faͤnden, die ſie im
Spiegel geſehen hatten. Einige von dieſen Leuten hat-
ten einen ſpitz zugehenden ledernen Beutel mit vier Rie-
men um den Hals vor der Bruſt hangen, den ſie zum
Tobaksbeutel gebrauchten. Andre trugen eine Schnur
Schnecken oder ſogenannter Schlangenſchalen (ſonſt Por-
zellane, oder guineiſches Geld, Cyprea moneta) um
den Hals, woran unten eine Schildkroͤtenſchale hing,
um ihre Buckuſalbe darin zu verwahren. Die meiſten
waren mit Wurfſpießen bewaffnet, und zwar jeder mit
ſo vielen, als er in einer Hand halten konnte. Ihre
Huͤtten waren mit Schilfmatten gedeckt, die, wie ihre
geflochtenen Milchgefaͤße, ſo dicht waren, daß kein Waſ-
ſer durchdringen konnte.
Das Land iſt hier uͤberall mit wilden Thieren ange-
fuͤllt; daher iſt es allerdings gefaͤhrlich durchzureiſen.
Beſonders waren wir unſrer Zugochſen wegen beſorgt,
die durch die Loͤwen leicht ſcheu gemacht und fuͤr uns ver-
lohren gehen konnten. Auch war unſre Geſellſchaft zu
klein, und zu wenig bewaffnet, als daß wir vor den
Einwohnern ſo ganz haͤtten ſicher ſeyn koͤnnen, deren
Sprache unſre Hottentotten nicht einmahl recht verſtan-
den. Wir faßten deswegen den Entſchluß, auch aus
dieſem Dorfe einen Trupp Hottentotten an uns zu zie-
hen, und mitzunehmen. Wir verſprachen ſie mit To-
bak und andern Sachen, die ihnen lieb ſeyn wuͤrden, zu
beſchenken, und ihnen ſo viel wilde Buͤffel, als ſie nur
verzehren koͤnnten, zu ſchießen. Durch dies Verſpre-
chen wurden mehr, als wir wuͤnſchten, herbeygelockt, und
unſre Geſellſchaft machte nunmehr eine Zahl von mehr
als hundert Perſonen aus.
[73]Reiſe v. Camtous- bis zum Sonntagsfluſſe.
Die Bergſtrecke zur Linken, die uns bisher beglei-
tet hatte, hoͤrte nun auf, und rechts ſahen wir die of-
fenbare See. Weiter ins Land hinein war aber doch
zur linken Hand eine noch groͤßre Bergſtrecke zu ſehen.
Das Land, worin wir uns jetzt befanden, heißt Krake-
kamma, iſt reich an Gras und Wald, und voll wilder
Thiere von allerhand Arten, die hier vor den Verfolgun-
gen der Koloniſten ziemlich ſicher ſind, als Buͤffelochſen,
Elefanten, Rhinoceros oder ſogenannte Zweyhoͤrner
(Tweehoorn), geſtreifte Pferde und Eſel (Zebra und
Quagga) und verſchiedne Gattungen Boͤcke, beſonders
Hirſchthiere (Harte-Beeſten) oder Gazellen (Capra
dorcas) in großen Scharen.
Zuerſt reiſeten wir weiter nach Krakekammavalley,
und von da weiter hinunter nach der Kuͤſte, wo wir eine
Menge kleiner Buͤſche und ſelbſt große Waͤlder antra-
fen, die mit großen Herden Buͤffelochſen (Bos caffer)
angefuͤllt waren, welchen dieſe grasreichen Gegenden
zur Weide dienten.
An einem Nachmittage, als die ſtaͤrkſte Hitze vor-
bey war, gingen wir mit einigen Hottentotten auf die
Jagd, in der Abſicht etwas zur Saͤttigung unſers zahl-
reichen Gefolges zu ſchießen. Als wir dem Walde nahe
kamen, wurden wir einen erſtaunlich großen Haufen
wilder Buͤffelochſen gewahr, die waͤhrend ihres Graſens
die Koͤpfe zur Erde niederhangen hatten, und uns nicht
eher anſichtig wurden, als bis wir ihnen dreyhundert
Schritt nahe gekommen waren. Mit einemmahl hob
die ganze aus fuͤnf bis ſechshundert Stuͤcken großen Vie-
hes beſtehende Herde die Koͤpfe in die Hoͤhe und ſah
uns mit Aufmerkſamkeit an. Der Anblick eines ſo zahl-
reichen Haufens von Thieren, wovon ſchon ein einziges
ſehr ſchrecklich iſt, haͤtte ſelbſt dem, welcher nicht, wie
[74]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
ich auf meiner vorigen Reiſe, Gelegenheit gehabt, ſeine
Wuth, Gewalt und fuͤrchterliche Staͤrke zu erfahren,
Schrecken und Entſetzen einjagen koͤnnen. Weil wir
aber die Art der Buͤffel bereits kannten, und wußten,
daß ſie auf freyem Felde nicht leicht jemand angreifen,
fuͤrchteten wir uns gar nicht, weder vor ihrer Staͤrke noch
Menge. Um ſie indeſſen nicht ſcheu zu machen, blie-
ben wir eine Weile ganz ſtill ſtehen, bis ſie wieder an-
fingen, die Koͤpfe zur Erde zu ſtrecken und zu freſſen.
Nun naͤherten wir uns ihnen mit ſchnellen Schritten,
bis wir ihnen auf einen Abſtand von funfzig Schritten
nahe gekommen waren. Unſrer waren drey Europaͤer
und eben ſo viele im Schießen geuͤbte Hottentotten, die
Buͤchſen bey ſich hatten; die uͤbrigen Hottentotten wa-
ren mit ihren Wurfſpießen bewaffnet. Jetzt ſah wie-
der die ganze Schar Ochſen auf einmahl in die Hoͤhe,
wandte ſich gegen uns und ſah uns munter und uner-
ſchrocken an. Wir fanden, daß es Zeit ſey anzulegen,
und gaben alle zugleich Feuer. Kaum waren die Schuͤſſe
abgebrannt, als der ganze ſo ſtarke und ſonſt ſo herzhafte
Haufe, durch das Feuer und den Knall erſchreckt, um-
kehrte, davon lief und in den Wald rannte: ein in ſei-
ner Art unvergleichlicher Anblick. Die verwundeten
Buͤffel trennten ſich von den uͤbrigen, und konnten zum
Theil nicht mitkommen, zum Theil nahmen ſie einen an-
dern Weg. Unter dieſen war ein alter Bulle, der gerade
nach der Seite zulief, wo wir ſtanden, ſo daß wir ge-
zwungen waren, Reißaus zu nehmen, um ſeiner Wuth
zu entgehen. Es iſt zwar nicht moͤglich, daß ein Menſch,
wenn er auch noch ſo geſchwind laufen kann, dieſen Thie-
ren durch Laufen entkommt; man kann ſich aber doch
hinlaͤnglich vor ihnen retten, ſo lange man offnes und
ebnes Feld hat; denn da ſie im Verhaͤltniſſe zu ihrem
[75]Reiſe v. Camtous- bis zum Sonntagsfluſſe.
großen Kopfe ſehr kleine Augen haben, ſehen ſie nicht
viel auf den Seiten, ſondern nur gerade vor ſich hin.
Iſt alſo der Buͤffel etwas nahe gekommen, ſo darf man
nur geſchwind auf die Seite ſpringen und ſich auf die
Erde werfen; denn da er allezeit in gerader Linie vor ſich
hin laͤuft, wird er den Liegenden nicht gewahr, und ver-
miſſet ſeinen Feind nicht eher, als bis dieſer voͤllig ent-
flohen iſt. Dies wußten wir. Unſer ſchwer verwundete
Buͤffelſtier kam uns alſo zwar nahe genug, lief aber zur
Seite vorbey, um in einen nicht weit davon liegenden
Theil des Waldes zu entfliehen, den er aber nicht voͤllig
erreichte, ehe er ſtuͤrzte. Mittlerweile hatten unſre an-
dern Hottentotten eine toͤdtlich bleſſirte Kuh verfolgt, auch
mit ihren Wurfſpießen ein Kalb getoͤdtet. Wir bega-
ben uns ſogleich zu dem niedergefallnen Ochſen, und
fanden, daß die Kugel in die Bruſt gegangen, und
durch den groͤßten Theil des Koͤrpers gedrungen war,
demungeachtet war er mehrere hundert Schritt im Ga-
lop gelaufen, ehe er zu Boden geſtuͤrzt war. Er war
ziemlich alt, grau von Farbe, und beynahe ohne Haare,
welche bey den jungen Thieren ſchwarz ſind. Der Koͤr-
per dieſer Thiere iſt ſehr dick, die Fuͤße dagegen ſind
kurz. Als er auf der Erde lag, war er um den Bauch
ſo dick, daß ich nicht hinaufkommen konnte, ohne mit
einem Anſatze hinaufzulaufen. Nachdem unſre Fuhr-
leute ihm das Fell groͤßtentheils abgezogen hatten, ſuch-
ten wir die eßbarſten und fleiſchigſten Stuͤcke aus, ſalz-
ten etwas ein, brateten das uͤbrige, und hielten auf der
Stelle eine recht gute Mahlzeit. Ich hatte mir vorge-
ſtellt, das Fleiſch eines ſo alten Stiers wuͤrde grobfaſe-
rig und zaͤh ſeyn; zu meiner Verwunderung aber fand
ich, daß es muͤrbe war, und den Geſchmack des Wild-
prets hatte. Das uͤbrige von dieſem Ochſen, die Kuh
[76]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
und das Kalb ließen wir den Hottentotten, die dann
auch nicht ſaͤumten, ſogleich ein großes Feuer anzuzuͤn-
den, und das fuͤr ſie beſtimmte Fleiſch zu braten. Das
allererſte, welches ſie ausſuchten und aufs Feuer legten,
waren die Bein- und Schenkelknochen; das Mark bra-
tete alſo in den Knochen ſelbſt, und wurde von ihnen, als
das, worauf ſie am ganzen Thiere den meiſten Werth
ſetzen, mit dem groͤßten Appetit verzehrt. Die Daͤrme,
Eingeweide, Fleiſch und andre Sachen hingen ſie auf
die Zweige und Baͤume umher, ſo daß der Platz in kur-
zer Zeit, wie die Stelle, wo die Schlaͤchter ihr Vieh
ſchlachten, ausſah. Sie ſelbſt lagerten ſich rund her-
um, um zu braten, zu eſſen und zu ſchlafen.
Als der Tag anfing ſich zu neigen, fanden ich und
meine Reiſegeſellſchafter fuͤr gut, uns wieder zu unſerm
Fuhrwerke zu begeben, um das Feſtbinden unſrer Ochſen
zu beſorgen, ehe es ganz finſter wuͤrde. Unterweges
gingen wir in der Entfernung von einigen hundert
Schritten fuͤnf Loͤwen vorbey, die bey unſerm Anblicke ſo
hoͤflich waren, wegzugehen und ſich ins Holz zu verfuͤ-
gen. Hierauf banden wir unſer Zugvieh an den Wa-
gen feſt, ſchoſſen ein Paar Schuͤſſe in die Luft, zuͤn-
deten rings um unſre Lagerſtelle einige Feuer an, (eine
Vorſicht, die ſowohl der Elefanten, als auch hauptſaͤch-
lich der Loͤwen wegen ſehr noͤthig iſt), legten uns nieder
und an jede Seite eine geladne Buͤchſe, und ſchliefen ſo
in Gottes Nahmen ruhig ein. Dieſe Umſtaͤnde beobach-
teten wir ſeit dieſer Zeit immer, wenn wir in der Noth-
wendigkeit waren, auf freyem Felde in ſolchen Gegen-
den zu campiren, wo Menſchen am Tage, und wilde
Thiere des Nachts, wechſelsweiſe uns in ihrer Gewalt
zu haben ſchienen. Die wilden Thiere liegen waͤhrend
der Hitze des Tages meiſtentheils im Schatten der Waͤl-
[77]Reiſe v. Camtous- bis zum Sonntagsfluſſe.
der ſtill. Des Abends und Nachts aber iſt die Zeit,
da diejenigen, welche Kraͤuter, Gras, Laub und der-
gleichen freſſen, in der Kuͤhlung auf die Weide gehen,
und da denn auch die Loͤwen und andre Raubthiere ſich
hervor machen, um von jenen ihre Nahrung zu ſuchen.
Der Loͤwe kann zwar den Buͤffelochſen nicht mit Gewalt
angreifen; aber er bedient ſich aller ſeiner Liſt dazu. Er
legt ſich in einen Buſch oder dickes Geſtraͤuch verſteckt
auf die Lauer; am liebſten waͤhlt er dieſen Hinterhalt an
Baͤchen, wohin die Buͤffel kommen, um zu ſaufen.
Alsdann ſpringt er ihm mit der groͤßten Behendigkeit auf
den Ruͤcken, beißt ihn mit ſeinen ſchrecklichen Zaͤhnen
in den Nacken, und zerfleiſcht ihm die Seiten mit den
Klauen, bis er entkraͤftet wird und zu Boden faͤllt.
Am folgenden Morgen ging ich zwar aus, um zu
ſehen, ob die Baumarten, welche die Waldungen die-
ſes Landes ausmachen, ſchon Blumen haͤtten; allein ich
fand, daß es dazu noch nicht Sommer genug war. Auch
war der Wald ſo zackig und in einander gewachſen, daß
man faſt gar nicht durchkommen konnte. Ueberdem
war es um der wilden Thiere willen gefaͤhrlich, tief ein-
zudringen. Meine botaniſche Bemuͤhung war alſo dies-
mahl vergeblich.
Bey den Waſſerplaͤtzen, ſowohl hier als wo wir
ſonſt in dieſer ungeheuren Wildniß Waͤlder antrafen,
ſahen wir nicht nur friſche Spuren von Buͤffeln, ſon-
dern auch ſowohl Spuren als Loſung von Elefanten,
Rhinoceros und andern Thieren. Auf dem freyen Felde
fanden wir geſtreifte Pferde und Eſel (Equus Zebra
und Quagga), Hirſchthiere (Capra dorcas), Kudu
(Capra ſtrepficeros) und andre Thiere.
Weil wir hier nichts weiter zu thun hatten, ſchirr-
ten wir zum Aufbruche an, und reiſeten zum Schwarz-
[78]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
kopffluſſe (Zwartkop-Rivier), und der nicht weit da-
von liegenden ſogenannten Salzpfanne, wo wir waͤhrend
der ſtaͤrkſten Hitze des Tages ausruheten. Bey der
Salzpfanne, (was man hier zu Lande darunter verſteht,
habe ich im Vorhergehenden erklaͤrt), hatten wir den
allerſchoͤnſten Anblick, der einem Auge, das an derglei-
chen nicht gewoͤhnt iſt, nicht anders als gleich befrem-
dend und entzuͤckend erſcheinen kann. Sie war gerade
jetzt in dem Zuſtande, da ſie am vollkommenſten und
auch am ſchoͤnſten iſt. Sie macht ein Thal von einer
halben Viertelmeile im Diameter aus, das zu allen Sei-
ten ſo allmaͤhlig niedriger wird, daß das Waſſer in der
Mitte kaum zwey Ellen tief iſt. In der Entfernung
einiger Ellen vom Waſſer iſt dieſes Thal mit einem Ufer
oder Rande umgeben, der einige Ellen hoch und mit
Gebuͤſche rund umher bewachſen iſt. Es iſt mehr laͤng-
lich als rund, und ich hatte Muͤhe, ob ich gleich ſtark
ging, in einer halben Stunde ganz herum zu kommen.
Das Erdreich umher iſt ſandig, wiewohl an einigen
Stellen oben bleicher und blaͤtter- oder ſcheibenweiſe lie-
gender Schiefer zu ſehen war. Die ganze Salzpfanne,
deren Waſſer nicht tief, der ganze Boden aber mit ei-
nem ebnen und flachen Sandbette bedeckt war, ſah voͤl-
lig wie ein zugefrorner mit ſpiegelhellem Eiſe bedeckter
See aus: ein Anblick, der mitten im Sommer und
unter dieſem heißen Himmelsſtriche eine ſonderbare Wir-
kung hervorbrachte. Das Waſſer ſelbſt enthaͤlt reines
Salz, ohne das mindeſte Bittre im Geſchmack. Am
Tage waͤhrend der Sonnenhitze kryſtalliſirt ſich, ſobald
das Waſſer auszudunſten anfaͤngt, auf der Oberflaͤche
ein feines Salz, das ſich zuerſt als funkelnde Schuppen
zeigt, hernach niederſinkt, und ſich auf dem Boden ſetzt.
Der Wind treibt es oft nach einer Seite, und wenn
[79]Reiſe v. Camtous- bis zum Sonntagsfluſſe.
man alsdann davon nimmt, bekommt man ein ſehr fei-
nes und reines Salz. An der Nord-Oſt-Seite hatte
die Salzpfanne ſchon angefangen auszutrocknen; am
ſuͤd-weſtlichen Ende, wohin ſie ſich etwas neigte, war
ſie voller. Weſtwaͤrts dehnt ſie ſich in einen langen Hals
aus. So weit vom Meere und in einer ſo anſehnlichen
Hoͤhe uͤber demſelben einen ſo großen und reichhaltigen
Salzteich zu finden, erregte mit Recht unſre ganze Ver-
wunderung. Allein das Waſſer, welches dieſes Salz
ſetzt, hat mit dem Seewaſſer nicht die mindeſte Gemein-
ſchaft, ſondern kommt bloß vom Regenwaſſer, das im
Fruͤhlinge faͤllt, und des Sommers ganz wegdunſtet.
Der ganze Boden des Landes iſt durch und durch ſalzig.
Das Regenwaſſer, welches von den umliegenden hoͤhern
Stellen herablaͤuft, loͤſet dieſe Salztheilchen auf, fuͤhrt
ſie mit weg, ſammelt ſich in einem ſolchen niedrigen Thale,
ſteht da ſtill, verdunſtet nach und nach, und wird waͤh-
rend dieſes Verdunſtens je laͤnger deſto ſalziger. Die
im langen Thale (Lange Kloof) und dem ganzen auf
dieſer Seite belegenen Lande, wie auch die in Kamdebo,
Kanku und da herum wohnenden Koloniſten muͤſſen ihr
Salz von dieſer Pfanne hohlen. Nicht weit hievon ſind
noch zwey dergleichen Salzpfannen befindlich; ſie geben
aber kein Salz, ehe ſie ausgetrocknet ſind. In dem ſal-
zigen Waſſer waren verſchiedne Inſekten ertrunken und
liegen geblieben. Unter dieſen waren mehrere, die ich
waͤhrend der wenigen Stunden, da ich hier verweilte,
auf den Buͤſchen nicht antraf. Verweilen und im Ge-
buͤſche umhergehen, haͤtte ich eigentlich nicht ſollen,
weil dies in Anſehung der Loͤwen eine ſehr gefaͤhrliche
Stelle war.
Als wir zuruͤckkamen, fanden wir unſre Hottentot-
ten, die wir zur Bewachung unſrer auf der Weide ge-
[80]Erſte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
henden Zugochſen zuruͤckgelaſſen hatten, von denen jetzt
aber nur noch wenige bey uns waren, in voͤlliger Ruhe
und Sorgloſigkeit ſchlafen: ohne Zweifel hatten ſie es
gegen die ſtarke Hitze nicht aushalten koͤnnen.
Gegen Abend fuhren wir noch eine Strecke weiter,
und kamen nach Kuka. Hier ſtand der Bach ſchon ſtill,
und enthielt nur ſalziges Waſſer. Nichts deſto weniger
waͤhlten wir dieſen Ort zu unſerm Nachtlager.
Nicht wenig unerwartet war es uns, hier einen ar-
men Bauer aus der Kolonie anzutreffen, der ſich mit
Weib und Kindern ganz heimlich hieher begeben, und
gelagert hatte, um ſeine kleine Herde Rindvieh hier beſ-
ſer zu ernaͤhren und zu vermehren. Noch mehr aber er-
ſchraken dieſe armen Leute, als ſie uns anſichtig wurden,
weil ſie befuͤrchteten, wir haͤtten ſie als ſolche, die ſich
außerhalb der feſtgeſetzten Graͤnze aufhielten, bey der Re-
gierung angegeben, oder wollten es thun. Der Bauer
beſaß weiter nichts, als eine kleine, von Buſchwerk und
Laub zuſammengeflochtne Huͤtte, worin er mit ſeiner gan-
zen Familie wohnte, und eine noch kleinere dabey ſtehen-
de, die zur Kuͤche diente. Wir beſuchten ſie in ihrer
kleinen Wohnung, und wurden auf unſre Bitte mit et-
was ſuͤßer Milch bewirthet. Aber wir hatten nicht lange
geſeſſen, als die ganze Milchſchale von einem unglaub-
lichen Schwarme Fliegen, die ſich ihrer bemaͤchtigten,
bedeckt und ganz ſchwarz wurde. Dieſe Fliegen fingen
in der Huͤtte mit einemmahl ſo an zu ſchwaͤrmen, daß
wir nicht im Stande waren den Mund aufzuthun, um
zu ſprechen. In meinem ganzen Leben habe ich nicht in
einem ſo kleinen Raume eine ſo entſetzliche Menge Flie-
gen beyſammen geſehen.
Wir eilten daher, daß wir wegkamen, begaben
uns zu unſerm Fuhrwerke, zuͤndeten unſre Feuer an,
berei-
[81]Reiſe v. Camtous- bis zum Sonntagsfluſſe.
bereiteten nicht ſehr weit von der Huͤtte unſre Lagerplaͤtze,
und konnten die ganze Nacht vor dem Geheul der Woͤlfe
und dem Bruͤllen der Loͤwen nicht ſchlafen.
Am folgenden Morgen, den 16. December, ſetz-
ten wir unſre Reiſe zu dem großen Sonntagsfluſſe (Groo-
te Sondags-Rivier) fort. Die Ufer dieſes Fluſſes ſind
ſehr ſteil. Das Land umher iſt duͤrr und mager.
Vierter Abſchnitt.
Ruͤckreiſe vom Sonntagsfluſſe nach der
Capſtadt.
Unſre große Begleitung von Hottentotten hatte uns nun-
mehr groͤßtentheils verlaſſen, da ſie unterweges Wild-
pret genug, um ſich nach Herzensluſt guͤtlich zu thun,
bekommen hatten, und wir mehr und mehr einem
Lande uns naͤherten, wo wir bald nichts als eine voll-
kommne Wuͤſteney haben wuͤrden, wo kein Wild zu hof-
fen war, und wo zugleich der groͤßte Mangel an Waſſer
uns bevorſtand. Wir waren daher jetzt ſo gut als einſam.
Dazu kam, daß die Ochſen meines Reiſegenoſſen, des
Englaͤnders, bereits groͤßtentheils von der Klauenkrank-
heit befallen waren, ſo daß mehrere von ihnen ſtark hink-
ten, und einige faſt gar nicht mehr vorgeſpannt werden
konnten. Aus dieſen Urſachen mußten wir uns mit un-
ſern Fuhrleuten berathſchlagen, und das Reſultat unſrer
gemeinſchaftlichen Ueberlegung war der Entſchluß, ſo aͤu-
ßerſt ungern und gezwungen wir es auch thaten, hier das
Ende unſrer Reiſe ſeyn zu laſſen, und wieder umzukehren,
woher wir gekommen waren. Wir ſahen nur zu deutlich
ein, daß wir nicht im Stande ſeyn wuͤrden, mit abgemat-
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. F
[82]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
teten, ausgehungerten und kranken Zugochſen durch ein
mageres und oͤdes Land zu den Hollaͤndiſchen Koloniſten
bey den Schneebergen und in Kamdebo durchzudringen.
Denn wir hatten uns bey einigen Gonaquas-Hottentotten
nach der Beſchaffenheit der Gegenden, durch die wir
haͤtten reiſen muͤſſen, nach den daſigen Waſſerplaͤtzen,
wilden Thieren und dergleichen genau erkundigt und er-
fahren, daß das Land jetzt ſchon ſehr ausgetrocknet waͤre,
und daß wir lange forcirte Reiſen thun muͤßten, um von
einem unter den wenigen auf dieſem Wege befindlichen
ſalzartigen Waſſerplaͤtzen zum andern zu kommen. Von
den Hottentotten die Wahrheit zu erfahren, iſt uͤbrigens
nicht ſo ganz leicht. Will man ſie heraus haben, ſo darf
man mit den Fragen ihnen nicht geradezu auf den Leib
gehen, ſondern man muß das, was man gern wiſſen
moͤchte, durch Umwege und allerhand Geſpraͤche allmaͤh-
lig herauslocken. Die Hottentotten ſind an ſich zuruͤck-
haltend, und moͤgen auch ſelbſt vorher gern wiſſen, ob
es gute oder boͤſe Leute ſind, die kommen um ſie zu be-
ſuchen. — Ueber dies alles waren wir auch, da uns
die Hottentotten im Stiche gelaſſen hatten, jetzt der noͤ-
thigen Dolmetſcher beraubt, deren Huͤlfe wir uns be-
dienen mußten, wenn wir unterweges auf Kaffern oder
Leute von andern Voͤlkern ſtoßen wuͤrden. Die Kaffern
ſind zwar an und fuͤr ſich ſelbſt keine arge Leute; da ſie
aber Mangel an Eiſen haben, ſind ſie bisweilen ſo gierig
darnach, daß ſie ſich kein Gewiſſen daraus machen, Eu-
ropaͤer bloß deswegen ums Leben zu bringen, um die Schie-
nen der Wagenraͤder und anderes Eiſenwerk, das dieſe
bey ſich haben, in ihre Haͤnde zu bekommen, das ſie her-
nach zu Wurfſpießen ſchmieden oder ſchleifen. So hat-
ten ſie aus dieſer Urſache vor einigen Jahren Heupner und
einige ſeiner Reiſegefaͤhrten ermordet, die ins Land der
[83]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
Kaffern und der Tambucken reiſeten, um Elefantenzaͤhne
an ſich zu tauſchen.
Den Nahmen Schneeberge (Snee-Bergen) fuͤhrt
ein Land, das hoch, und mit andern daneben liegenden
Gebirgen gleichſam auf einem Berge liegt; es hat ihn
eben von der da herrſchenden Kaͤlte und dem haͤufigen
Schnee, der da faͤllt, bekommen. Manchmahl bleibt
der Schnee auf dieſem Gebirge von einem Jahre zum an-
dern liegen, ohne zu ſchmelzen. Alsdann ſind die daſi-
gen Koloniſten genoͤthigt, ſich weg und in das ſogenannte
Unterland zu begeben. Oſtwaͤrts von den Schneebergen
und weiter nach Norden, oberhalb des Kaffernlandes
liegt das Land der Tembucken, und an dieſe graͤnzt ein
Volk, das klein von Wuchs, und weißer als die Hotten-
totten iſt, krauſes Haar hat, und von den Koloniſten
die kleinen Chineſer genannt wird. Die Kaffern, deren
Land eigentlich beym großen Fiſchfluſſe (Groote Viſſch-
Rivier) anfaͤngt, bauen eine Art Erbſen, eine Art
Bohnen und eine Art Pferdegras (Holcus), ſind auch
ſehr reich an Viehherden.
Als die Hitze des Tages ſich zu vermindern anfing,
und wir die hier in Kukekamma befindlichen Gewaͤchſe
einigermaßen unterſucht hatten, traten wir die Ruͤckreiſe
wieder an. Wir nahmen aber nicht denſelben Weg,
welchen wir gekommen waren, ſondern die obere Straße
zu dem Vanſtadesfluſſe, und von da zum Seekuhfluſſe,
wo wir den 20. December gluͤcklich wieder ankamen.
Um den Vanſtadesfluß ſtehen die ſchoͤnſten Wal-
dungen, die ich im ganzen Lande geſehen hatte. Indeſſen
waren noch wenig Baͤume in Bluͤthe. Vorzuͤglich haͤu-
fig wachſen hier die Aſſagaybaͤume (Curtiſia faginea),
aus deſſen Holz die Hottentotten und Kaffern die Schaf-
te ihrer Wurfſpieße machen. Um die Gipfel der Baͤume
F 2
[84]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
ſahen wir eine Menge Schmetterlinge fliegen, ohne daß
wir ſie erreichen konnten; dieſe Inſekten ſind ſonſt in die-
ſen Laͤndern ſehr ſelten.
Unterweges bemerkte ich zur Seite des Weges ei-
nen von Reiſern und Buͤſchen zuſammengeworfnen Huͤ-
gel, auf welchen jeder unſrer Hottentotten im Vorbey-
gehen einige Zweige warf. Als ich fragte, warum ſie
das thaͤten, antworteten ſie mir, da ſey ein Hottentotte
begraben.
Nach unſrer Ankunft brachten wir einige Tage vor
dem Weihnachtsfeſte bey unſerm vorigen Wirthe, Jakob
Kock zu. Hier hatten wir genug zu thun, die dickblaͤttri-
gen, ſaftreichen Gewaͤchſe zu trocknen, und in Ordnung
zu bringen, die wir bisher im Innern des Landes geſam-
melt hatten. Mittlerweile konnten unſre Zugthiere ſich
etwas wieder erhohlen und zu Kraͤften kommen. Vom Feſte
merkten mir inzwiſchen nichts; denn die Reformirten
feyern Weihnachten nicht, ſondern jeder verrichtet in
dieſen Tagen ſeine gewoͤhnliche Arbeit. Der Neujahrs-
tag wird ſo weit als ein Feſttag angeſehen, daß die Nach-
baren alsdann einander beſuchen.
Bey Kocks Hofe iſt ein kleiner Weinberg angelegt,
deren man auch noch bey einigen andern Hoͤfen am krum-
men Fluſſe antrifft. Die Trauben werden aber nicht
ſonderlich reif. Der Wein, den man hier preßt, iſt
daher ſehr ſaͤuerlich, ja manchmahl ſo ſauer, daß man
ihn nicht trinken kann, ſondern nur Branntwein davon
brennt, worauf ſich verſchiedne Landbewohner mit Vor-
theil legen.
Von hier ſetzten wir die Reiſe nach dem krummen
Fluſſe und dem langen Thale (Lange Kloof) fort, wo
Thomas Freres Hofe ſchraͤge gegen uͤber ein Fahrweg uͤber
den Berg nach Sizikamma geht.
[85]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
Hier ſah ich, daß die Landleute in Ermangelung
von Schubkarren, wozu hier das Holz fehlt, Kalb- und
Schaffelle als Saͤcke gebrauchen, um den Dung in die
Gaͤrten zu ſchaffen.
Weiter kamen wir zu Hanne Olofsſons Hofe, und
ritten von da rechter Hand uͤber die Berge zu Anders
Olofsſon, am Rohrthale (Riet-Valley) im Kamenaſ-
ſienlande. Dies Land zwiſchen den Gebirgen iſt ſchmal,
und hat verſchiedne einzelne Berge und Anhoͤhen. Es
ſcheint gleiche Hoͤhe mit dem langen Thale zu haben, und
iſt ein duͤrres, mageres Land.
In dieſer Gegend wachſen zwey Arten Doppelblatt
(Zygophyllum), ſo wohl die krautartige kriechende (ter-
bacea repens), als die ungeſtielte (ſeſſilifolium). Die
Hottentotten nennen dies Gewaͤchs Nenta. Man be-
hauptet, daß die Schafe ſterben, wenn ſie davon freſſen.
Darauf ritten wir zu dem Koloniſten Peter Jor-
dan, der beym Elefantenwarmenbade, und am oͤſtlichen
Elefantenfluſſe wohnt. Die breite Strecke Landes, wo-
durch der Weg ging, iſt uͤberall Karrofeld, hat wenig
Gebuͤſch, kein Gras und wenig Waſſer.
Hier waͤchſt ein Strauch, den die Hottentotten
Kon nennen, und der im ganzen Lande ſehr beruͤhmt iſt.
Es iſt die welke Zaſerblume (Meſembryanthemum emar-
cidum). Die Hottentotten, nicht nur die, welche
in dieſer Gegend, ſondern auch die weit entfernt wohnen,
hohlen dieſen Strauch mit Wurzel, Stamm und Blaͤt-
tern, ſtampfen das alles durch einander und drehen es
hernach zuſammen, wie geſponnenen Tobak. Das Wort
Kon bedeutet Saugbuſch. Die Koloniſten nennen ihn
Kannawurzel. Er waͤchſt nur in den trockenſten Hai-
den, und wird am meiſten von denjenigen Hottentotten
geſammelt, die nicht ſehr weit von dieſen Haiden wohnen.
[86]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Dieſe treiben hernach oft weit umher Tauſchhandel damit,
und nehmen dafuͤr Vieh und andre Sachen. Hier muß
ich anmerken, daß weder Hottentotten noch Kaffern ir-
gend Geld oder etwas aͤhnliches haben, um ſo viel be-
quemer Handlung zu treiben, ſondern daß alles, was ſie
von Kauf und Handlung haben, in Tauſch, entweder
mit Vieh oder andern Sachen beſteht.
Das hieſige warme Bad entſpringt unterhalb der
großen Bergſtrecke einige Klafter weit vom Fuße derſel-
ben. Die Steinart am Fuße des Berges beſteht aus
ganz ſchwarzem Eiſenſteine, der einige Aehnlichkeit mit
Eiſenſchlacken hat. Die Erde umher iſt ganz braͤunlich.
Der Berg ſelbſt enthaͤlt viel weißen Quarz. Das Waſ-
ſer iſt ſehr warm, aber nicht ſiedend heiß, und man kann
ſelbſt da, wo es aus der Erde kommt, darin ſitzen. Der
Quellen des Brunnens ſind drey. Die groͤßte, welche
nach Oſten liegt, kommt eigentlich aus ſehr vielen, zum
Theil groͤßern, zum Theil kleinern, Quellen zuſammen, und
das Becken dieſer Quelle hat uͤber ein Klafter im Durch-
meſſer; dieſe iſt es auch, welche am meiſten gebraucht wird.
Die zweyte iſt um einige Klafter weiter nach Weſten, und
kommt nur aus einem einzigen Loche hervor. Die dritte
und kleinſte liegt wieder einige Klafter von dieſer. Oben
auf dem Waſſer ſieht man eine blaue, duͤnne, feine
Haut, und an den Zweigen und Steinen im Waſſer ſetzt
ſich ſafrangelber Ocker. Der Geſchmack iſt wie von ſchwar-
zer Tinte; der Geruch iſt gar nicht ſtark. Von Thee-
waſſer wird das Waſſer blaͤulich und vom Pulver der
Chinarinde etwas ſchwarz, woraus erhellet, daß es ei-
ſenhaltig ſey. Zum Kochen des Eſſens gebraucht man
das Waſſer nicht; zum Waſchen aber ſoll es ſehr brauch-
bar ſeyn, und keine Flecken geben. Die zunaͤchſt um die
Quelladern liegende Erde iſt ſehr locker, ſieht braͤunlich
[87]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
aus, und enthaͤlt etwas Salz nebſt feinen, glaͤnzenden
Eiſentheilen. Die Salztheile ſind ungemein fein, und
finden ſich ſo wohl in der lockeren Erde ſelbſt als an den in
der Erde liegenden Stuͤcken Holz. An einigen im Waſ-
ſer liegenden Stuͤcken Holz haben ſich außer dem Ocker
auch noch duͤnne und dabey ſproͤde Schuppen geſetzt, die
etwas glaͤnzen, und von den Bauern fuͤr Silber gehal-
ten werden, aber in der That aus Eiſentheilen zu beſte-
hen ſcheinen. Wenn man in dieſem Bade ſitzt, wird
der Umlauf des Gebluͤts ungemein ſtark vermehrt, und
man iſt in Gefahr, in Ohnmacht zu fallen. Meiſten-
theils bedient man ſich des Waſſers nur zum Baden,
einige trinken es aber auch. Das Waſſer waͤchſt nicht
an, wenn es auch noch ſo viel regnet, wohl aber, der Aus-
ſage der Koloniſten zufolge, wenn es donnert. Die Zeit,
das Waſſer zu gebrauchen, iſt bey Aufgang der Sonne,
oder kurz vorher, wie auch des Abends ſpaͤt, wenn es
kuͤhl geworden iſt, weil es am Tage wegen der ſtarken
Sonnenhitze zu heiß iſt. Die Patienten ſetzen ſich als-
dann gerade uͤber die Quelle ſelbſt, bald mehr, bald we-
niger tief hinein.
Um das Land auch jenſeits des Gebirges zu beſehen,
kletterte ich auf die hoͤchſte Spitze deſſelben. Da ſah ich in
nicht weiter Entfernung eine Bergſtrecke, die niedriger
als dieſer Berg, war; das dazwiſchen liegende Land iſt ſo
breit, als das lange Thal, und beſteht aus Huͤgeln und
Thaͤlern. Hinter jener niedrigen Bergſtrecke liegt ein ebe-
nes, mageres Feld, von der Art, die man hier Karro
nennt, das ſo lang, breit und ohne Berge iſt, daß das
Auge das Ende nicht abſehen kann. Auf dieſer ganzen
weitlaͤuftigen Ebene ſind gar keine Hoͤfe, ſie iſt es aber, wo-
durch die Bauern von Kamdebo muͤſſen, wenn ſie nach
dem Cap und von da zuruͤckreiſen, wobey der Weg durch
[88]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
den Hexenfluß geht. Weiterhin liegen wieder Berge,
die ſich vom Rockenlande (Rogge-Veld) bis nach den
Schneebergen erſtrecken. So ſind alſo hier die letzten
Strecken des ungeheuren Gebirges, das vom Houtni-
quaslande und dem Hartaquasthale, wie auch noͤrdlich
vom Rotheſandthale und Cartousthale quer bis nach dem
jenſeits des Bocklandes (Bocke-Veld) liegenden Karro-
lande erſtreckt. Und nicht nur laͤngs dem Fuße dieſer
Gebirgskette haben die Koloniſten ihre vornehmſten und
beſten Hoͤfe angelegt, ſondern ſie ſind auch zwiſchen die
einzelnen Strecken derſelben eingedrungen und haben ſich
in allen dazwiſchen liegenden Thaͤlern niedergelaſſen.
Das beynahe unermeßliche duͤrre Karroland, wel-
ches hinter dem genannten großen Gebirge anfaͤngt, und
ſich in der Laͤnge vom nord-weſtlichen bis an das ſuͤd-oͤſt-
liche Ende dieſer Spitze von Afrika, in der Breite aber
bis an das Rockenland und die Schneeberge erſtreckt, kann
wegen Mangels an Waſſer von Menſchen nicht bewohnt
werden. Kaum koͤnnen einige Thiere ſich da aufhalten,
ausgenommen auf kurze Zeit waͤhrend der Regenmona-
the oder unmittelbar nach denſelben, da man hie und da
in einigen Gruͤnden etwas ſalziges Waſſer antrifft. Da-
her muͤſſen auch diejenigen Koloniſten, die jenſeits deſſel-
ben, entweder im Rockenlande oder in der Naͤhe der
Schneeberge wohnen, dieſe Zeit abpaſſen, wenn ſie durch
dieſe Wuͤſte reiſen wollen. Zugleich muͤſſen ſie ihr Lager
alsdann jedesmahl an ſolchen Orten aufſchlagen, wo ein
Paar Tropfen Waſſer vorhanden ſind, die aber zum
Theil ſo weit von einander entfernt liegen, daß ſie des
Nachts ſo geſchwind als moͤglich eine Reiſe von zehn bis
zwoͤlf Stunden zu machen haben, ehe ſie wieder zu einem
Waſſerplatze kommen. Aus dieſer Urſache iſt es ſehr wich-
tig, dieſe Stellen, wo Waſſer iſt, genau zu kennen.
[89]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
Trifft man auch unterweges Hottentotten, denen die
Gegend bekannt iſt, ſo bekommt man von ihnen doch
nicht leicht Nachricht. Denn wenn ſie wiſſen, wo ein
Ort mit etwas Waſſer vorhanden iſt, ſo halten ſie ihn
geheim, um ſich dabey verſteckt aufhalten zu koͤnnen, wenn
ſie es einmahl noͤthig finden ſollten, aus dem Dienſte zu
laufen. Gras iſt in dieſer Sandwuͤſte auch faſt gar
nicht anzutreffen; die Pferde finden alſo kaum ſo viel,
als ſie zur Stillung des Hungers gebrauchen, und die
Ochſen muͤſſen ſalziges Waſſer und die nach Salz ſchme-
ckenden Blaͤtter der daſigen Straͤuche und Gebuͤſche fuͤr-
lieb nehmen. Sieht man am Tage, wenn die Sonnen-
hitze ſtark iſt, auf eine ſolche ebene und duͤrre Haide hin, ſo
glaubt man ein Schwanken oder Beben der Luft zu ſehen,
ungefaͤhr ſo, als wenn man die Bewegung einer brennen-
den Flamme ſieht. Die Hottentotten, welche dieſe trock-
nen Wuͤſten oͤfter, als die Koloniſten, durchwandern,
kennen und gebrauchen verſchiedne Mittel, nicht nur den
Hunger, ſondern auch hauptſaͤchlich den Durſt zu ſtillen.
Außer dem oben ſchon angefuͤhrten Gewaͤchſe, das ſie
Kon oder Guena nennen, bedienen ſie ſich auch zwey an-
drer: das eine heißt bey ihnen Kameka oder Barup, das
andre Ku; beyde haben große und ſaftige Wurzeln. Ue-
berhaupt ſind Gewaͤchſe, ſowohl Kraͤuter als Straͤuche,
in dieſem Karrolande etwas ſehr ſeltnes. Und von den
wenigen, die da noch ſind, iſt es kaum zu begreifen,
wie ſie ſich unter dieſem brennenden Himmelsſtriche im blo-
ßen Sande ernaͤhren koͤnnen, da wenigſtens acht Mona-
the hindurch nicht ein Tropfen Regen faͤllt. Ihren Staͤm-
men und Zweigen ſieht man es auch an, daß ſie kuͤmmer-
lich fortkommen und beynahe ganz vertrocknet ſind; die
Blaͤtter hingegen ſind, welches man faſt nicht glauben
ſollte, ſehr dick und mit ſalzartigem Safte angefuͤllt, und
[90]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
halten ſich das ganze Jahr uͤber gruͤn. Vielleicht ziehen
aber dieſe friſchen und ſtets gruͤnen Wipfel und Blaͤtter
aus der Luft, welche des Nachts kuͤhl iſt, etwas Feuch-
tigkeit zu ihrer Nahrung ein. Das Erdreich ſieht ganz
verbrannt aus, iſt rothgelb, und beſteht aus Lehm mit
Eiſenocker und Kochſalz vermiſcht.
Den 1. Januar 1774 kamen wir nach einem Jan
van Stade gehoͤrigen Hofe, darauf Gerd van Royens
und van Fors Hof vorbey, zu dem Hofe, den jener van
Royen ſelbſt bewohnt.
Hier ließen wir unſre Fuhrleute und Hottentotten
mit unſerm Fuhrwerke durch das Hartaquasthal weiter
gehen, mit dem Befehle, auf dem Poſten der Compa-
gnie beym Rohrthale (Riet-Valley) unſre Ankunft ab-
zuwarten. Ich ſelbſt und mein Reiſegefaͤhrte beſchloſſen,
die Reiſe durch das zur Rechten liegende trockne Karro zu
Pferde zu machen, und hernach durch das platte Thal
(Platte Kloof) herauszukommen. Dieſe Unternehmung
lief aber eben nicht gluͤcklich fuͤr uns ab. Denn da auf
dieſen Ebenen, die ſelten betreten werden, gar keine Spur
eines Weges vorhanden iſt, ritten wir bald irre, und
verirreten uns je laͤnger je mehr, ſo daß wir endlich we-
der vorwaͤrts noch ruͤckwaͤrts kamen. Wir ritten ſo ge-
ſchwind als unſre Pferde es irgend aushalten konnten, und
die Sonne fing ſchon an ſich zu neigen, ehe wir das ge-
ringſte Zeichen eines Orts, wo ein Hof ſeyn konnte, ge-
wahr wurden. Als die Sonne endlich untergegangen
war, und wir alle Hoffnung aufgegeben hatten, begaben
wir uns ein wenig zuruͤck nach einem Orte, wo wir ein
Thal fanden, in welchem ein kleiner an beyden Ufern mit
Baͤumen bewachſener Bach war, der noch einiges Waſ-
ſer hatte. Hier fanden wir rathſam, die Nacht zuzu-
bringen. Wir ſattelten unſre Pferde ab, banden ihnen
[91]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
den Halfterriemen um den einen Fuß, daß ſie nicht weg-
laufen konnten, und zuͤndeten darauf durch Huͤlfe unſrer
Gewehre ein ſehr großes Feuer von Kannaſtrauch oder
blaͤtterleerem Salzkraut (Salſola aphylla) an. Hier-
auf lagerten wir uns beym Feuer und machten den Sat-
tel zum Kopfkiſſen, konnten aber vor unausſtehlicher
Kaͤlte nicht im mindeſten ſchlafen. Die Kaͤlte iſt zwar
an ſich ſelbſt nicht ſo ſehr ſtark, aber in Vergleichung mit
der brennenden Hitze, die wir am Tage ausgeſtanden
hatten, war ſie jetzt fuͤr uns ſehr empfindlich, und noͤ-
thigte uns einigemahl aufzuſtehen, das Feuer zu ſchuͤren
und auf allen Seiten uns zu waͤrmen. Unſre Schießge-
wehre hatten auf dieſer Reiſe fuͤr uns nun zwar den Nu-
tzen, daß wir allezeit Feuer bekommen konnten; aber et-
was fuͤr unſern Magen zu ſchießen, dazu hatten wir in
dieſer Wuͤſte keine Hoffnung. Ich hatte dies vorher be-
ſorgt, und daher die Vorſicht gebraucht, etwas Zwie-
back und einige Stuͤcke Bruſtzucker in meiner Jagdtaſche
mitzunehmen, das uns jetzt ſehr gut zu Statten kam.
Sobald die Morgenroͤthe ſich zeigte, ſahen wir uns
nach unſern Pferden um, und ſiehe, ſie waren verſchwun-
den. Ein neuer Grund der Beſorgniß fuͤr uns in die-
ſer großen Einoͤde, wo unſer Schickſal ſo unſicher war.
Wir ſuchten im Thale allenthalben nach ihnen, fanden
ſie aber nicht. Darauf ſtiegen wir auf die hoͤchſten Huͤ-
gel, und erblickten endlich jenſeits derſelben unſre Pferde,
die ſich los gemacht hatten, und gewiß deswegen ſo weit
weggegangen waren, um beßre Weide zu bekommen.
Wir ſattelten, und nahmen den Weg ſchraͤge gegen das
Gebirge, wo wir endlich gegen Abend auf einem Bauer-
hofe ankamen. Zum Ungluͤcke aber war der Beſitzer deſ-
ſelben ſo arm, daß er kaum mehr als ein Obdach hatte.
Demungeachtet waren wir froh, daß wir bey ihm uͤber-
[92]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
nachten konnten. Von da langten wir beym Hartaquas-
thale an, wo wir unſre Leute und unſer Fuhrwerk vor-
fanden.
Beym Hartaquasthale (Hartaquas-Kloof) faͤngt
eine neue Reihe Berge an, die mit den vorigen zuſammen-
haͤngt, und zwiſchen welchen dies Thal gleichſam das
Band iſt. Die erſte Bergſtrecke kann man daher beym
großen Pferdekraale (Groote Paerde-Kraal) ſehen,
wenn man durch die folgende Reihe Berge in das Thal
hinein kommt.
Die ganze Strecke Landes von dieſem Hartaquas-
thale bis hinunter nach dem Camtousfluſſe, die jetzt mit
Hoͤfen angefuͤllt iſt, war vor nicht gar langer Zeit noch
wenig bewohnt und bevoͤlkert. Vor drey und zwanzig
Jahren fand man da nicht einen einzigen Hof. Im Jahr
1750 ſchickte der Gouverneur Tulbagh eine Caravane
nach dieſer Kuͤſte, um Nachrichten von dem Lande und
ſeinen Einwohnern einzuziehen. Ueberhaupt war Tul-
bagh, der in den dankbaren Herzen der Einwohner der
Capſtadt und der Kolonie noch lebt, ein Herr, der ſich
in einem ſo anſehnlichen Amte und zum Regenten eines
weitlaͤuftigen Landes erhoben glaubte, nicht bloß um gut
zu leben, ſeinen Stolz zu befriedigen, und Schaͤtze zu
ſammeln, ſondern um das Gluͤck und die Wohlfahrt
der Koloniſten, und das Beſte des ganzen Landes mit
dem Intereſſe der Hollaͤndiſchen Compagnie auf eine recht-
maͤßige Art zu verbinden. Er war alſo eifrig darauf be-
dacht, das Land von Zeit zu Zeit genauer und in weiterer
Entfernung unterſuchen zu laſſen. Hiedurch wurde denn
die gedachte Caravane veranlaßt, die aus hundert und
funfzig Soldaten aus der Citadelle und zwey Koloniſten
beſtand, und einen Officier Nahmens Beutelaer zum
Anfuͤhrer hatte. Auf Koſten der Compagnie ſchickte
[93]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
man eilf Wagen, eine Menge Zug- und Schlachtochſen,
Ammunition und Proviant mit. Die Reiſe ſollte bis
ins Land der Kaffern, von da weiter hinauf nach dem
Lande der Tambukki, und uͤber das Schneegebirge und
durch Kamdebo zuruͤck gehen. Der Stolz und die Ver-
kehrtheit des Anfuͤhrers aber war Schuld daran, daß
wenig ausgerichtet wurde, weswegen dieſer denn auch bey
ſeiner Ruͤckkunft ſeine wohl verdiente Strafe empfing und
vom Cap weggeſchickt wurde. Als Befehlshaber war er
auf der Reiſe ſtrenge und ſtrafte ſcharf. Die Trommel
ließ er auf der ganzen Reiſe ſchlagen, und verjagte hie-
durch alles Wild, welches zu ſchießen die beyden Bauern
beſonders mitgeſchickt waren. Die Leute wurden daher
ſehr aufruͤhriſch. Wenn er des Nachts auf freyem Fel-
de campirte, ließ er die ſaͤmmtlichen Wagen in einen
Kreis ſtellen, die Pferde und Ochſen in denſelben ein-
ſperren und die Zelte ebenfalls darin aufſchlagen. Als
er endlich im Kafferlande ankam, beſchenkte er nicht nur
den Kaffern-Capitain Paloo, ſondern auch deſſen Bruder
mit einer Grenadiermuͤtze, woruͤber hernach ein Krieg
zwiſchen zwey Parteyen Kaffern entſtanden ſeyn ſoll. Das
einzige, was er zum Nutzen der Compagnie ausrichtete,
war, daß er beym Hafen an der Muͤndung des Schwarz-
kopfsfluſſes das Wapen der Compagnie in einen Stein
gehauen aufrichten ließ. Die Reiſe dauerte ganze acht
Monathe. Damahls war jenſeits des Hartaquasthals
noch nicht ein einziger Hof, und die Wege waren ſo un-
bekannt und zugleich ungebahnt, daß manchmahl die Leute
mit ihren Haͤnden die Wagen durch tiefe oder uͤber hohe
Stellen ziehen helfen mußten.
Beym Goldfluſſe (Gouds-Rivier) lagen wir ei-
nen Tag ſtill, um unſre Ochſen ausruhen zu laſſen, die au-
ßerdem von der Klauenkrankheit ſo ſehr beſchwert waren,
[94]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
daß mein Kamerad einen hier laſſen mußte, der gar nicht
mehr fortkommen konnte. Hier hatten wir eine unbe-
ſchreibliche Hitze auszuſtehen, dergleichen ich nie, weder
vorher noch nachher je empfunden habe. Die Leute
machten Thuͤren und Fenſter zu, um Schatten und
Kuͤhlung im Hauſe zu haben. Die Voͤgel konnten kaum
fliegen, und wenn man Athem hohlte, konnte man recht
fuͤhlen, wie heiß die Luft war. Die Hitze ging gewiß weit
uͤber hundert Grad nach Fahrenheitſchem Thermometer.
An den folgenden Tagen ſetzten wir die Reiſe nach
Rietvalley fort, wo wir einige Tage verweilten, um
auszuruhen, und beſonders um den Großvaterwald
(Grootvaaders-Boſch) noch einmahl zu beſuchen, und
zu ſehen, ob die Baͤume nunmehr in Bluͤthe ſtaͤnden,
weil es nun ſchon uͤber die Haͤlfte des Januars, alſo der
Sommer weit naͤher als die vorigenmahle, da wir dieſen
Wald beſucht hatten. Wir waren aber diesmahl nicht
viel gluͤcklicher, denn faſt gar keine Baͤume bluͤheten,
noch weniger hatten ſie Frucht. Auf einigen fanden wir
indeſſen doch Knospen, wiewohl noch nicht aufgebrochen.
Jetzt hielten ſich hier zwey Holzhauer auf, die fuͤr Rech-
nung der Compagnie Holz faͤllten, und nach ſolchen
Stellen ſchafften, wo es auf Wagen geladen werden
konnte. Dies geſchah meiſtens durch Ochſen, die die
abgehauenen Baͤume an Stricken wegziehen mußten.
Da ich keine Hoffnung hatte, dieſe Stelle je wieder zu
beſuchen, wandte ich ſo viel mehr Sorgfalt an, von
allen Arten Baͤumen Zweige mit Blaͤttern zu ſammeln,
und mich nach dem Nutzen und Gebrauche jedes Baumes
und jeder Holzart genau zu erkundigen. Was man
mir davon erzaͤhlte, will ich hier meinen Leſern mitthei-
len. Das ſchwarze Eiſenholz (Zwarte Yzer-Hout),
oder die Rothmannſche Gardenie (Gardenia Rothman-
[95]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
nia), iſt hart und ſtark, und wird zu Achſen und Run-
gen an Wagen gebraucht. Das Gelbholz (Geelhout),
oder die ſafranfarbne Stechpalme (Ilex crocea), ſieht
beynahe wie Buchsbaumholz aus, iſt dicht und ſchoͤn;
man gebraucht es zu Planken, Balken, Tiſchen,
Schraͤnken, Thuͤren und Fenſterrahmen, auch zu
Butterfaͤſſern. Das Kamaſſienholz (Camaſſie-Hout)
iſt nur ein Strauch, und giebt daher nur kleine Stuͤcke,
die zu Leiſten an Meublen, zum Auslegen, zu Hobeln
und andern feinen Werkzeugen gebraucht werden; dies
iſt eine der feinſten und ſchwerſten Holzarten. Das ro-
the Birnbaumholz (Roode Peer) wird zu Wagenkoͤrben
und Wagengeſtellen gebraucht. Das Buckuholz (Bu-
cku-Hout), oder der Capſche Oehlbaum (Olea Capenſis),
iſt das beſte Holz zu Wagenraͤdern. Das rothe Ellern-
holz (Roode-Elſe), oder die Capſche Kunonie (Cuno-
nia Capenſis), iſt ebenfalls zu Wagenraͤdern, Radna-
ben und Stuͤhlen ſehr brauchbar. Das Eſchenholz
(Eſſen-Hout, Eſſen-Boom), oder die Houtniquaseſche
(Houtniquas-Eſſe), Capſche Ekebergie (Ekebergia Ca-
penſis), iſt hart und dicht, und wird zu allerhand Ge-
raͤth und Werkzeugen gebraucht; der Baum iſt hoch.
Vom Stinkholze (Stink-Hout) giebt es zwey Arten,
eine weiße und eine braune. Die braune iſt eine der
ſchoͤnſten Holzarten, dunkelfarbig und geflammt; es
ſieht wie Nußbaum aus, und man verfertigt Schraͤnke,
Pulte, Stuͤhle, Tiſche und andre feine Meublen dar-
aus; wenn es friſch gehauen iſt, ſtinkt es, (wovon es
auch den Nahmen hat); mit der Zeit aber, wenn es
in freyer Luft gelegen hat, vergeht der uͤble Geruch.
Das Holz vom Olivenbaume Olive-Hout), oder dem
Europaͤiſchen Oehlbaume (Olea Europaea), iſt ſehr
ſchwer und ſieht braun aus; die Landleute machen
[96]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Stuͤhle davon, die aber ungemein ſchwer zu handhaben
ſind; man braucht es ſeiner Staͤrke wegen auch zu Muͤh-
len. Die Thunbergſche Gardenie (Gardenia Thunber-
gia, hier wilde Katjepiring genannt), giebt ſtarkes und
hartes Holz, und wird daher zu Keulen und dergleichen
gebraucht. Die weiße Eſche (Witte-Eſſe), gebraucht
man zu Planken, Seiten- und Unterbretern bey Wa-
gen, Bretern fuͤr Schuſter und andre, um Leder dar-
auf zu ſchneiden, bisweilen auch wohl zu Schraͤnken.
Aus dem Schwarzrindenholze (Zwart-Baſt) oder der
rauhen Royene (Royena villoſa), werden Wagenkoͤrbe,
und Joche fuͤr die Zugochſen gemacht. Aus dem Keur-
holze (Keur-Hout), oder der Capſchen Sophore (Sopho-
ra Capenſis), verfertigt man ebenfalls Wagenkoͤrbe und
Raͤder. Der Mandelbaum (Amandel-Hout) wird
von den Schuſtern zu Hacken unter die Schuh und zu
Leiſten gebraucht. Aus dem Haſſagaybaume (Haſſa-
guay-Boom), oder der buͤchenartigen Kurtiſie (Curtiſia
faginea), macht man Wagendeichſeln, und die Hotten-
totten gebrauchen es zu den Schaften ihrer Wurfſpieße.
Das Dornholz (Dorn-Hout), oder die Aegyptiſche
Sinnpflanze (Mimoſa Nilotica), wird zu Hemmſchuhen
und zu Querhoͤlzern an Ochſenjochen gebraucht, auch
werden Kohlen daraus gebrannt. Kohlen brennt man
auch aus dem Holze des Wagenbaums (Waage-
Boom), das man auch ſonſt zur Feurung gebraucht.
Der Rinde vom Kruͤppelbaume (Kreupel-Boom), oder
dem praͤchtigen Silberbaume (Protea ſpecioſa), bedie-
nen ſich die Gaͤrber zum Bereiten und Gaͤrben des Leders.
Aus dem Loͤffelbaume (Leepel-Boom), werden Loͤffel
und hoͤlzerne Teller und Naͤpfe gemacht. — In An-
ſehung der Groͤße ſind unter den Baͤumen, ſowohl in die-
ſem, als andern Afrikaniſchen Waͤldern, folgende die
vor-
[97]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
vorzuͤglichſten: das Gelbholz, der Bucku, der Pelz-
ſame (Tarchonanthus), ſowohl der kampferartige
(camphoratus), als der baumartige (arboreus), die
rothe Eller, die weiße Eller, der Stinkholzbaum, der
Haſſagaybaum, die wilde Kaſtanie (wilde Caſtanie) oder
der ſternblaͤttrige Scepterbaum (Brabejum ſtellatum),
der wilde Feigenbaum (wilde Vyge-Boom, Ficu[s] Capen-
ſis), der Keurebaum, die Aegyptiſche Sinnpflanze und
die Eſche. — Auf den Huͤgeln in der Gegend des
Großvaterwaldes waͤchſt haͤufig die hohe Vogelmilch (Or-
nithogalum altiſſimum), die jetzt in ſchoͤnſter Bluͤthe
ſtand, und mit ihren Blumen, welche in Menge um
einen langen Stengel ſitzen, einen vortrefflichen An-
blick gab.
Vom Großvaterwalde reiſeten wir uͤber Zwellen-
dam zu Steins Hofe, weiter uͤber die Faͤhre, da wo
der breite Fluß (Breede Rivier) und der Fluß Ohnende
(Zonder-End) zuſammenfließen, durch das Heſſa-
quasthal (Heſſaquas-Kloof), Guͤllenhuyſens Hof vor-
bey zu dem Koloniſten Vollenhofen. Beym Zuſammen-
fluſſe jener beyden Fluͤſſe endigt ſich das von Rotheſand
auslaufende Gebirge, und ſchraͤge gegen uͤber formiren
die Zwellendamſchen Berge eine Ecke.
Ferner kamen wir Melks Hof vorbey zu dem Po-
ſten der Compagnie, Tigerberg (Tiger-Hoek). Hier
wird eine Menge Kuͤhe gehalten, und die Butter fuͤr
Rechnung der Compagnie verkauft. Auch laͤßt die
Compagnie in den umliegenden Waldungen eine Menge
Holz zu allerley Gebrauch faͤllen, wiewohl nicht zum
Verkauf, ſondern zu eigenem Gebrauch. Die Ar-
beitsleute haben auch die Erlaubniß, hier etwas Holz
fuͤr ſich zu faͤllen, und zu verkaufen; die Koloniſten
aber duͤrfen gar nichts hauen. Im Houtniquas und
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. G
[98]Erſte Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
einigen andern Waͤldern haben ſie dieſe Erlaubniß zwar;
in manchen aber nicht ohne beſondre Einwilligung der
Compagnie und einer Abgabe von fuͤnf Thalern.
In dieſer Gegend halten ſich die ſogenannten blauen
oder aſchgrauen Boͤcke (Blaauwe Bokken, Capra leuco-
phaca) auf, die unter die ſeltneren Arten hier zu Lande
gehoͤren. Sie ſind weiß mit untergemiſchten ſchwarzen
Haaren. Man ſagt von ihnen, daß ſie ihre neugebohr-
nen Jungen ſehr verwahrloſen, und oft ſo wenig in Acht
nehmen, daß ſie von wilden Thieren aufgefreſſen werden.
Dies ſoll auch die Urſache ſeyn, warum es von dieſer
Art Boͤcke ſo wenig giebt. Ihr Fleiſch ſcheint ſchmack-
hafter, als das von andern Gattungen zu ſeyn.
Auch trifft man hier eine Menge Afrikaniſcher ge-
ſtreifter Pferde (Equus Zebra) an. Niemand aber
darf bey funfzig Thaler Strafe eins ſchießen, und be-
kommt man eins lebendig, ſo muß man es dem Gouver-
neur ſchicken. Alt werden ſie ſehr ſelten gefangen, und nie-
mahls zahm. Die Jungen bleiben in der Gefangenſchaft
ſelten am Leben; ſie laſſen ſich zwar dem Anſcheine nach
zahm machen, man kann ſich aber nie auf ſie verlaſſen.
Weiter reiſeten wir Juͤrgen Lindes Hof vorbey zum
Poſten der Compagnie beym Suͤßmilchsthale (Zoete-
Melks-Valley), wo ein Sergeant mit vier und zwanzig
Mann ſteht, die aber bloß zum Holzhauen in den umlie-
genden Waldungen gebraucht werden. Von hier be-
kommt die Compagnie das meiſte Holz zum Schiffsbau
ſo wohl als zum Hausbau, wovon alle Monathe drey
ſtarke Fuhren nach der Stadt gehen. Die Arbeiter duͤr-
fen hier auch fuͤr ihre eigne Rechnung etwas hauen und
verkaufen. Große Baͤume und Balken werden von
Ochſen aus dem Walde geſchleift, welches unglaublich
muͤhſam iſt. Das kleinere Holz wird da erſt zu Geraͤth-
[99]Ruͤckreiſe v. Sonntagsfluſſe nach der Capſtadt.
ſchaften und Werkzeugen, als Keilen, Beilheften, Flin-
tenſchaͤften, Raͤdern, Axen und dergleichen zurecht ge-
hauen, und ſo herausgetragen. Große Baͤume laͤßt
man erſt eine Zeit lang liegen, damit ſie berſten; hernach
werden ſie geſpalten und zugehauen.
Die Daͤcher der Gebaͤude deckt man hier mit
Weitzenſtroh. Um es dazu brauchbar zu erhalten, be-
dient man ſich einer beſondern Art zu dreſchen. Man
ſchlaͤgt die Garben mit den Aehren gegen einen Klotz, ſo
daß nicht nur die Koͤrner ausfallen, ſondern zugleich die
Aehren abfliegen. Dieſe Methode des Dreſchens iſt
zwar viel langſamer, als die, da man das Korn durch
Pferde austreten laͤßt, aber das Stroh bleibt auch ganz
heil und gerade.
Nunmehr kamen wir zu dem kleinen Poſten der
Compagnie, der den Nahmen Krankenhaus (Zieken-
Huys) fuͤhrt, nur mit zwey Mann beſetzt iſt, und von
dem oben angefuͤhrten abhaͤngt; von da zu dem Koloni-
ſten Groenewall, und ferner nach Guͤllenhuyſens Hofe
am ſchwarzen Fluſſe (Zwarte Rivier). Bey jenem
fangen die ſchwarzen Berge, welche nicht ſehr hoch ſind,
an, und bey dieſem hoͤren ſie ſchon auf.
Weiter langten wir bey den Koloniſten Badenhorſt
und Baier am Butterfluſſe (Boter Rivier) an. Die
Bergſtrecke, welche wir beym Haſſaquasthale zu Ende
gehen ſahen, faͤngt hier an der Seite des kleinen Holz-
berges (Kleyne Hout-Hoek) jenſeits des Franzoͤſiſchen
Berges (Franſche Hoek) an. Vom großen Holzber-
ge (Groote Hout-Hoek) geht ebenfalls eine Reihe Ber-
ge ab, und laͤngs der Kuͤſte hinunter beynahe bis zur
Muſchelbay. Von dieſer laͤuft wiederum ein Bergruͤ-
cken ab, der ſich auf die andre Seite erſtreckt, und
in der Mitte eine hohe Spitze hat, die der babyloni-
G 2
[100]Erſte Abtheil. Vierter Abſchn. u. ſ. w.
ſche Thurm heißt. Mit den uͤbrigen Gebirgen hangen
dieſe beyden Bergſtrecken nicht zuſammen, ſondern ſie laſ-
ſen beym Butterfluſſe eine Oeffnung.
In dieſer Gegend ſchoß ich ein ſchwarz geflecktes
Frett (Viverra). Das Fell roch ſo ſtark nach Muſcus,
daß ich des unleidlichen Geſtanks wegen nicht aushalten
konnte, als ich es auf meinen Karren aufgehaͤngt hatte,
um es zu trocknen. Dieſer Geruch macht indeſſen, daß
die Hunde nicht gern darauf losgehen. Hier nennt man
dieſe Thiere Katzen.
Weiter ging der Weg uͤber den großen Holzberg
und durch den Palmitfluß (Palmit-Rivier), und den
Steinbrachſenfluß (Steenbraaſen-Rivier) nach den
Hottentottiſch-Hollaͤndiſchen Bergen, auf welchen ver-
ſchiedne Hoͤfe liegen.
Auf dieſem Gebirge fanden wir Paviane, große und
boͤsartige Thiere. Der Schwanz reicht bey ihnen nicht
weiter, als die Lenden ſelbſt. Sie wachſen lange, wer-
den alt und beynahe ſo groß als Bluthunde. Alsdann
iſt es ſchwer ſie angeſchloſſen zu behalten, weil ſie außer
eiſernen Ketten alles entzwey beißen. Mehrere Hunde
zuſammen koͤnnen wohl einen Pavian fangen, einer oder
zwey aber ſind dazu machmahl nicht im Stande. Denn
wenn der Pavian, welcher unbeſchreiblich behende und
geſchwind iſt, den Hund bey den Hinterbeinen packt,
ſchleudert er ihn ſo lange rund herum, bis er ganz irre
und wuͤſt im Kopfe wird, als wenn er betrunken waͤre.
Er beißt mit ſeinen großen Zaͤhnen recht grimmig, und
wehrt ſich hartnaͤckig.
Am Ende des Januars trafen wir nach einer fuͤnf-
monathlichen Reiſe in der Capſtadt wieder ein.
[101]
Zweyte Abtheilung.
Aufenthalt zu Cap bis zur dritten
großen Afrikaniſchen Reiſe
vom 26. Januar bis den 29. September 1774.
Da ich in der Stadt ſo ſpaͤt wieder angekommen war,
mußte ich eilen, um mit den zu Anfange dieſes Jahrs
1774 nach Europa zuruͤckſegelnden Schiffen nach Am-
ſterdam, Leiden und Leuwaarden fuͤr die daſigen bo-
taniſchen Gaͤrten die fuͤr dieſelben beſtimmten Zwiebeln,
Samen, trockne Kraͤuter und lebendige Gewaͤchſe, wel-
che eine ziemliche Menge ausmachten, und fuͤr meine
dortigen Goͤnner und Freunde auch die fuͤr ſie zum Ge-
ſchenk geſammelten Inſekten, ausgeſtopften Voͤgel und
andre ſeltne Thiere, Saͤmereyen und Zwiebeln abgehen
zu laſſen. Mit den aus Europa angekommenen Schif-
fen hatte ich Briefe aus Amſterdam erhalten, mit der
Nachricht, daß die im vorigen Jahre an meine daſigen
Goͤnner abgeſchickten botaniſchen Merkwuͤrdigkeiten bey
ihnen wohlbehalten angelangt waren. Dieſe Nachricht
freute mich ſehr, und zwar um ſo viel mehr, da eine
Summe Dukaten beygefuͤgt war, um mich in den
Stand zu ſetzen, einen Theil der in zwey Jahren ge-
machten Schulden zu bezahlen.
Die vier erſten Monathe des Jahrs ſind es, da zu
Cap das meiſte Verkehr iſt, und nicht nur die Hollaͤndi-
ſchen, ſondern auch die fremden Schiffe aus Oſtindien
zuruͤckkommen, und die Schiffe aus Europa anlangen.
Nicht ſelten zaͤhlt man in dieſer Zeit auf der Capſchen
[102]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Rhede zwanzig bis dreyßig Schiffe. Jetzt lag auch die erſte
nach Europa zuruͤckgehende Hollaͤndiſche Flotte ſegelfer-
tig. Mit dieſer ſchickte ich einen Theil meiner Samm-
lungen ab, ſo viel ich davon in Ordnung gebracht hatte.
Das uͤbrige mußte ich noch zuruͤckbehalten, um es erſt in
Ordnung zu bringen, und hernach mit andrer Schiffs-
gelegenheit abzuſenden.
Unter den von Holland angekommenen Schiffen
war eins, das eine ungluͤckliche und langwierige Fahrt
gehabt hatte. Durch die Unwiſſenheit des Capitains
war es in ſo ſchlechten Zuſtand gerathen, und von den
rechten Winden ſo weit abgekommen, daß es zu Ango-
la anlegen mußte, nachdem es vorher, und zwar nur
mit neun Geſunden, in der Wallfiſchbay angekommen
war. Auf dieſer langen Reiſe war die Mannſchaft
theils durch Krankheit, theils durch Skorbut, theils
durch haͤufiges und ſtarkes Aderlaſſen ſo mitgenommen,
daß der groͤßte Theil der Beſatzung ausgeſtorben war.
Bald nach ihrer Ankunft wurde der erſte Wundarzt und
der Capitain angeklagt, daß ſie ihre Sache nicht verſtan-
den haͤtten. Der erſte war auf der Reiſe geſtorben, der
andre empfing ſeine wohlverdiente Strafe. Nicht zu
gedenken, daß die Kranken auf eine voͤllig verkehrte Art
mit undienlichen Arzneymitteln verſehen waren, hatte
man ſie auch in andern Ruͤckſichten ſehr nachlaͤſſig behan-
delt. Man erzaͤhlte, einmahl waͤren des Morgens vier
Todte angegeben, wovon der eine, als er in die Matte
genaͤhet werden ſollen, vom Segelmacher noch lebendig
befunden worden, wiewohl er bald hernach doch geſtor-
ben ſey. An einem andern Morgen habe man fuͤnf
Todte angegeben, man habe ſie alle in die Matten genaͤ-
het, und zwey ſchon uͤber Bord geworfen; als der drit-
te auf das Bret gekommen ſey, habe er gerufen: Herr
[103]bis zur dritten großen Afrikaniſchen Reiſe.
Bootsmann, ich lebe noch; darauf habe der Bootsmann
den ſehr unzeitigen Spaß angebracht: was lebſt du?
weißt du es beſſer, als der Feldſcher? Uebrigens muß
der Capitain fuͤr jeden Kranken, der vom Schiffe ins
Hoſpital kommt, zwey Schillinge bezahlen, wogegen er
deſſen Ranzion auf dem Schiffe behalten kann. Mit
der Erbauung des neuen Hoſpitalgebaͤudes war man
waͤhrend meiner Abweſenheit eben nicht weit fortgeruͤckt.
Man hatte auch nicht wohl weiter kommen koͤnnen; denn
von den dazu beorderten neunzig Mann arbeiteten weni-
ge, und viele von ihnen gingen auf Paß oder Urlaub,
oder wurden auf Rechnung des Hoſpitals zu andrer Ar-
beit gebraucht.
Von England war, um weiter nach Bengalen zu
ſegeln, Lady Monſon zu Cap angekommen. Eine ſo
weite und beſchwerliche Reiſe hatte dieſe Dame unter-
nommen, nicht nur um ihrem Manne, der als Ober-
ſter eines Regiments nach Oſtindien ging, Geſellſchaft
zu leiſten, ſondern auch aus Liebe zur Naturgeſchichte.
Waͤhrend der Zeit, da ſie ſich hier aufhielt, machte ſie
verſchiedne vorzuͤglich gute Sammlungen von Natur-
Merkwuͤrdigkeiten, beſonders aus dem Thierreiche. Da
ich ſehr oft das Vergnuͤgen hatte, nebſt Herrn Maſſon
ſie zu den umher liegenden Hoͤfen zu begleiten, und zur
Vermehrung ihrer Sammlungen viel beyzutragen, ſo
hatte ſie vor ihrer Abreiſe die Guͤtigkeit, mir einen praͤch-
tigen und koſtbaren Ring zum Andenken an ſie und die
von ihr mir bewieſene Freundſchaft, zu ſchenken. Die-
ſe gelehrte Dame war ungefaͤhr ſechzig Jahr alt, und
verſtand außer verſchiednen andern Sprachen auch die
Lateiniſche. Sie hatte einen Zeichenmeiſter bey ſich,
den ſie allein unterhielt, und der ihr beym Sammeln und
Abzeichnen ſeltner Naturalien behuͤlflich ſeyn ſollte.
[104]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap.
Mit den angekommenen Schiffen war auch die
Nachricht angelangt, daß der Baron van Plettenberg
zum Gouverneur ernannt ſey, der auch bald hernach in
ſein Amt eingeſetzt wurde.
Nun will ich einige zerſtreute Nachrichten und Be-
merkungen mittheilen, die ich waͤhrend meines jetzigen
Aufenthalts zu Cap theils einzuziehen, theils zu machen
Gelegenheit hatte. Voran moͤgen die ſtehen, welche die
hieſigen politiſchen und gerichtlichen Einrichtungen, und
die Geſchichte dieſer merkwuͤrdigen Hollaͤndiſchen Kolonie
betreffen.
Der hieſige Gouverneur hat außer einem, inner-
halb des Gartens der Compagnie in der Stadt angeleg-
ten Gebaͤude, ein ſehr ſchoͤnes Haus, Rondeboſch, und
ein anderes, Nieuwland, beyde außerhalb der Stadt, zu
ſeinem Vergnuͤgen. Jetzt ſollte noch ein drittes an der
falſchen Bay, zu ſeiner Bequemlichkeit, wenn er ſich da
aufhielte, gebauet werden. Sowohl zu Rondeboſch
als zu Nieuwland hat die Compagnie ſchoͤne und vortreff-
liche Gaͤrten, woraus die Schiffe und das Hoſpital mit
den noͤthigen Gartengewaͤchſen verſehen werden.
Vor dieſem beſaßen auch die Gouverneure nicht
nur, ſondern ebenfalls andre Beamte der Compagnie,
Landguͤter und Hoͤfe. Da aber der Gouverneur van der
Stell nebſt einigen andern Compagnie-Bedienten einen
großen und den beſten Theil des Landes zu ihrem Eigen-
thume gemacht hatten, und daraus mancherley Beeintraͤch-
tigungen und Nachtheile fuͤr die Buͤrger und Koloniſten
erwachſen waren, wurde ihnen mit einemmahl verbothen,
dergleichen zu beſitzen und an ſich zu kaufen, und die ſie
beſaßen, mußten ſie verkaufen. Zum Erſatz dafuͤr
wurden ihnen, außer ihrer monathlich beſtimmten Beſol-
dung, gewiſſe Sporteln und Neben-Einkuͤnfte bewilliget,
[105]bis zur dritten großen Afrikaniſchen Reiſe.
zum Exempel dem Diſpenſeur fuͤnf von den einkommenden
Waaren, und eben ſo viel von ausgehenden, als Getrei-
de, Butter und dergleichen; dem Caſſeur drittehalb Pro-
cent von dem Gelde; dem Packhausmeiſter vier Procent;
dem Hoſpital-Commiſſarius fuͤnf Procent, und dem Au-
ctions Meiſter fuͤnf Procent von allen Waaren, die durch
oͤffentliche Verſteigerung verkauft werden. Daher beſitzt
jetzt nur noch einer und anderer von den hoͤhern Beamten
nahe bey der Stadt kleine Landhaͤuſer, die aber bloß zum
Vergnuͤgen dienen, und wovon nichts verkauft wird.
Der hieſige Gouverneur hat in Gemeinſchaft mit
ſieben Polizey-Raͤthen den hoͤchſten Befehl ſowohl uͤber
alles, was die hieſige Handlung der Compagnie betrifft,
als auch uͤber die innere Einrichtung und die oͤkonomi-
ſchen Angelegenheiten der Kolonie, ohne unter der Re-
gierung zu Batavia zu ſtehen, welche ſonſt uͤber die in
Indien vorhandnen Handels-Comtoire die oberſte Be-
fehlshaberſchaft hat. Alle Criminalſachen gehoͤren vor
den Juſtiz-Rath. In dieſem hat der Commandant der
Garniſon den Vorſitz, und der Gouverneur hat nichts
darin zu ſagen, außer daß er die Todesurtheile unter-
ſchreibt. Uebrigens ſind in der Kolonie noch zwey an-
dre Jurisdictionen: die eine zu Stellenboſch, unter wel-
cher vier Kirchſpiele, deren jedes ſeine eigne Kirche hat,
ſtehen, naͤmlich Stellenboſch, Drakenſtein, Zwartland
und Rotheſand; die andre zu Zwellendam, welche ſich
nur uͤber ein einziges, aber ſehr weitlaͤuftiges Kirchſpiel,
das gleichwohl bis jetzt weder eigne Kirche noch Prediger
hat, erſtreckt.
Wenn ein Sklave einem Einwohner zu Cap, oder
einem Koloniſten Schaden oder Leides zufuͤgt, ſo muß
gemeiniglich der Herr, dem er gehoͤrt, den Schaden er-
ſetzen und Strafe bezahlen, oft halb ſo viel, als der
[106]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Sklave werth iſt, obgleich der Sklave ſelbſt dafuͤr auch
Leibesſtrafe empfaͤngt. Wenn jemand von geringen Leu-
ten, der im Dienſte der Compagnie ſteht, etwas ver-
bricht, bekommt er gemeiniglich Schlaͤge oder andre koͤr-
perliche Strafe. Ein Buͤrger aber wird mit Geldſtrafe be-
legt, wenn er ein Verbrechen begeht. Jenes dient zur
Beſſerung, oder doch zum Beyſpiel; dieſes zur Berei-
cherung des Fiskals. Die Ehegeſetze ſind hier in ver-
ſchiednen Hinſichten ganz anders als in andern Laͤndern.
Eheſcheidung wird manchmahl um ſonderbarer Urſachen
willen und auf ſonderbare Art erkannt. Vor nicht gar
langer Zeit wurde die Frau eines Mannes, der ſiebzehn
Jahr Soldat geweſen war, und jetzt einen Krug hielt,
durch zweyer Zeugen Ausſage uͤberfuͤhrt, daß ſie die
Hure eines Trommelſchlaͤgers ſey. Der Mann, wel-
cher ſie deshalb anklagte, erreichte zwar ſeine Abſicht,
von ihr geſchieden zu werden; das Weib aber wurde
von aller Strafe freygeſprochen, da der Mann hingegen
Pruͤgel bekam und nach Batavia geſchickt wurde, ohne
das mindeſte von ſeinem Eigenthume mitnehmen zu duͤr-
fen. — Ein Hutmacher in der Stadt, der unverhei-
rathet war, hatte mit zwey ſeiner Sklavinnen Kinder
gezeuget. Fuͤr die Kinder der einen verlangte er als Va-
ter die Taufe; dieſe wurden auch getauft und dadurch
frey; die Kinder der andern blieben Sklaven und
ungetauft.
Nachdem das Vorgebirge der guten Hoffnung vor drey-
hundert Jahren von den Portugieſen zuerſt entdeckt war,
wurde es ſowohl von dieſen hundert Jahre hindurch, als
auch hernach ebenfalls von den Schiffen der Hollaͤndiſchen
Compagnie ein halbes Jahrhundert hindurch beſucht, ehe ein
Fleck dieſes Landes in Beſitz genommen, und der geringſte
Anbau verſucht wurde. Daher ſteigt das Alter der gan-
[107]bis zur dritten großen Afrikaniſchen Reiſe.
zen Kolonie noch nicht uͤber hundert und zwanzig Jahre.
Denn als im Jahr 1650 die Hollaͤndiſchen Schiffe von
Oſtindien zuruͤckkamen und hier durch Tauſch mit den
Hottentotten allerley Erfriſchungen einnahmen, wurde
das Land zum erſtenmahl mit einiger Aufmerkſamkeit von
einem zur Flotte gehoͤrigen Feldſcher, Nahmens Jan
van Riebeek, der einige botaniſche Kenntniſſe beſaß,
beſehen. Da er nun ſo wohl das Klima, als den Boden,
zum Bau verſchiedner Gartengewaͤchſe und Obſtbaͤume
zutraͤglich fand, that er nach ſeiner Zuruͤckkunft den Di-
recteuren den Vorſchlag, hier eine Kolonie anlegen zu
laſſen. Nach reiflicher Ueberlegung beſchloß man es zu
thun, und Jan van Riebeek wurde als Admiral und
Befehlshaber mit vier Schiffen, die mit Bau-Mate-
rialien, Zimmerleuten und allerhand Arten Samen reich-
lich verſehen waren, dahin geſchickt. Sogleich nach ſei-
ner Ankunft ließ er ſich mit den Hottentotten in Unter-
handlung wegen Abtretung eines Stuͤcks Landes ein, und
erhielt es von ihnen. Auf dieſem Platze legte man eine
Feſtung, ein Packhaus und ein Siechenhaus an, und
legte dadurch den erſten Grund zu dieſer ſo großen und
bluͤhenden Kolonie. Die Summe, wofuͤr das erſte
Stuͤck Land gekauft iſt, wird, ſo wie die Groͤße deſſel-
ben, ſehr verſchieden angegeben. Gewoͤhnlich behaup-
tet man, die Summe habe in Waaren an funfzigtau-
ſend Hollaͤndiſche Gulden betragen, wozu hernach bey
Erneuerung des Kaufs noch dreyßigtauſend gekommen
ſeyn ſollen. In den Rechnungsbuͤchern der Compagnie
iſt ſie ohne allen Zweifel ſo groß aufgefuͤhrt; daß aber
die Hottentotten jemahls einen betraͤchtlichen Theil davon
bekommen haben, kommt mir ſehr unglaublich vor. Das
gekaufte Land ſoll ſich bis an die Muſchelbay erſtrecken.
Dies iſt aber um ſo viel weniger wahr oder moͤglich, da
[108]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
waͤhrend der Zeit, als van Riebeek Gouverneur war,
ſeine weitſten Entdeckungen nicht weiter hinaus gingen,
als bis an den Berg, welcher von ihm den Nahmen
Riebeek-Caſtel bekommen hat, und eine gute Strecke
disſeits der langen Bergkette liegt. Meiner Meinung
nach iſt das gekaufte Land anfangs nicht groͤßer geweſen,
als der Strich zwiſchen dem Tafelberge und dem Salz-
fluſſe (Zout-Rivier), und von hieraus hat man her-
nach die Kolonie immer mehr und mehr erweitert, auf
eben die Art als dies noch taͤglich geſchieht. Die Cita-
delle wurde anfaͤnglich von Holz und Erde gebauet; erſt
im Jahr 1664 legte man ſie von Steinen an, und um-
gab ſie mit Graͤben und Bollwerken. Am Salzfluſſe
wurde zugleich eine kleine Schanze angelegt, die man
Kehrdiekuh oder Kuhwende (Keer de Koe) nannte,
und welche dazu dienen ſollte, das Vieh der Compagnie,
welches disſeits derſelben weidete, zu ſchuͤtzen, und zu-
gleich zu hindern, ſowohl durch den Fluß in das Land
der Hottentotten zu gehen, als auch von denſelben ge-
raubt zu werden. Zu dieſem Ende wurde bey der
Schanze auch ein Stall fuͤr funfzig Pferde gebauet, um
den Hottentotten, die ſehr ſchnell laufen und entkommen
konnten, nachſetzen zu koͤnnen. Dies iſt vermuthlich
der erſte und geringe Anfang der ganzen Kolonie, und
des van Riebeek angelegten Hofes Conſtantia. Und
gewiß hatte man bey dieſem Anfange wohl nicht die Ab-
ſicht, ſie ſo weit auszudehnen, als hernach geſchehen iſt,
ſondern nur, daß ſo viel gebauet wuͤrde, als die ankom-
menden Schiffe zu ihrer Erfriſchung etwa beduͤrfen wuͤr-
den. Als man aber das milde Clima, die Fruchtbar-
keit des Bodens und die Schwaͤche der Einwohner ge-
nauer kennen lernte, beſchloß man, hier eine anſehnliche
Kolonie anzulegen. In dieſer Abſicht uͤberredete man
[109]bis zur dritten großen Afrikaniſchen Reiſe.
verſchiedne Leute in Europa, dahin zu gehen, ſich da
niederzulaſſen, und betraͤchtliche Diſtrikte anzubauen,
die ihnen und ihren Nachkommen zum ewigen Eigen-
thum gegeben wurden. Bald nachher wurden auch er-
wachſene Maͤdchen aus den Waiſenhaͤuſern dahin geſchickt,
um dieſe Kolonie noch mehr zu bevoͤlkern. Die Einwoh-
ner bekamen anfangs die zum Anbau des Landes noͤthigen
Geraͤthſchaften auf Credit. Hierauf breiteten ſie ſich bis
Stellenboſch, und hernach bis Drakenſtein, wo man die
meiſte Verſtaͤrkung der Kolonie durch die Franzoͤſiſchen
reformirten Fluͤchtlinge bekam, und endlich jenſeits der
Gebirge bis Rotheſand aus. Nach einiger Zeit wurde
auch das ganze Schwarzland bevoͤlkert, ſo ſandig und
mager es auch war. Zuletzt hat die Kolonie in den letz-
ten dreyßig Jahren den geſchwindeſten und betraͤchtlich-
ſten Zuwachs bekommen, ſo daß das Land nicht nur von
Rotheſand und den Hottentottiſch-Hollaͤndiſchen Bergen
bis nach Zwellendam, ſondern auch in der Muſchelbay,
dem Houtniquaslande, dem langen Thale, und jenſeits
am krummen Fluſſe bis an den Camtousfluß, wie auch
das Bockland, das Rockenland, Kamdebo und die
Schneeberge eingenommen und bewohnt ſind. — Man
nimmt eigentlich drey beſondre Kolonien an: Cap, Stel-
lenboſch und Drakenſtein. Die Capſche Kolonie be-
greift alſo die Stadt, welche ein Kirchſpiel ausmacht
und eine Kirche hat, Paerl mit dem dazu gehoͤrigen
Kirchſpiele und einer Kirche, die Tigerberge und ſo wei-
ter, und erſtreckt ſich bis an den Muſchelbankfluß und
die falſche Bay. Die Kolonie Stellenboſch iſt vom
Gouverneur Simon van der Stell 1670 angelegt; ſie
begreift Stellenboſch ſelbſt, das wie ein Dorf oder Fle-
cken iſt, ein eignes Rathhaus und eine Kirche hat, und
acht Meilen von der Capſtadt liegt, und erſtreckt ſich
[110]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
von den Tigerbergen bis an das Hottentottiſche Holland
und die falſche Bay, noͤrdlich aber bis Paerl und die
Muſchelbank. Drakenſtein iſt auch 1670 angelegt,
hat eine ſehr kleine Kirche, und liegt Stellenboſch ſo
nahe, daß es in allem Betrachte eins damit ausmachen
koͤnnte; es wurde aber auch, wiewohl mehr aus Schmei-
cheley, als aus Nothwendigkeit, wie eine beſondre Ko-
lonie angeſehen. Alles uͤbrige, als Rotheſand, Schwarz-
land, Zwellendam und was noch weiter hinaus liegt,
wird weder als eine, noch als mehrere, einzelne Kolo-
nien betrachtet.
Kruͤge und Wirthshaͤuſer, noch mehr aber Wein-
haͤuſer, ſind in dieſem Lande, wo faſt jeder ſich in ſei-
nem Hauſe mit dem noͤthigen Weine fuͤr ſich und gute
Freunde ſelbſt verſorgt, ungemein ſelten. Man findet
deren faſt gar nicht. Nur fuͤr die geringen Leute giebt
es hie und da einen ſogenannten Krug. Dieſe Kruͤge
ſind aber etwas ganz anders, als was man in Europa
ſo nennt. Sie ſind nicht ſo wohl zum Trinken und Sau-
fen angelegt und eingerichtet, als vielmehr zum Vergnuͤ-
gen und zur Beluſtigung. Daher ſind ſie zugleich Tanz-
haͤuſer, wo ſich jeden Abend Muſikanten einfinden, und
die Gaͤſte, welche nur Wein bekommen koͤnnen, dieſen
aber ſehr theuer bezahlen muͤſſen, Gelegenheit haben zu
tanzen. Kartenſpiel wird nicht geduldet. Der Tanz
waͤhrt auch nur bis zu einer gewiſſen Stunde in der
Nacht, da jeder ruhig und ſtill zu Hauſe geht, ohne
Laͤrmen zu machen, oder andre zu erſchrecken. Wenn
jemand des Nachts Unruhe machte, ſo wuͤrde er von der
Nachtwache bald daran gehindert, oder von der Obrig-
keit beſtraft werden.
Von dem erſtaunlichen Unterſchiede zwiſchen dem,
was die Compagnie fuͤr das, was ſie kauft, bezahlt,
[111]bis zur dritten großen Afrikaniſchen Reiſe.
und dem, was die Einwohner zu Cap bezahlen muͤſſen,
(wovon ich im erſten Theile dieſer Reiſebeſchreibung be-
reits Exempel angefuͤhrt habe), muß ich hier noch ein
ſehr auffallendes Beyſpiel anfuͤhren. Die Compagnie
bezahlte jetzt fuͤr ein lebendiges Schaf nur vier Hollaͤn-
diſche Schillinge, und die Buͤrger in der Stadt bezahl-
ten einen Schilling fuͤr zwoͤlf Pfund Schaffleiſch.
Kohlen ſind zu Cap eine ſehr theure Waare, und
werden meiſtentheils aus Europa hingebracht. Fuͤr ei-
nen Korb Kohlen, der ſechs und dreyßig Scheffel hal-
ten ſoll, aber wenn man kauft, nur zwey und dreyßig
haͤlt, bezahlen die Schmiede achtzehn Thaler, und fuͤr
hundert Pfund Eiſen acht Thaler.
Im Garten der Compagnie zu Cap war ein ſehr
ſchoͤner bedeckter Gang von Kaſtanienbaͤumen angelegt,
die ſchon ſehr dick und groß waren. Dieſer wurde jetzt
auf Befehl des Gouverneurs ganz und gar abgehauen,
weil er ſich aus dem vortrefflichen Holze verſchiedne
Meublen machen laſſen wollte. Dagegen wurde der
Platz zu einem Eichenkampe umgegraben, welcher aber
dem Garten eben ſo wenig jenen herrlichen Schmuck wie-
dergeben wird, als die ſeltnen Thiere jemahls wieder hin-
einkommen werden, die der verehrungswuͤrdige Tulbagh
aus den inneren Gegenden in dieſen Garten hatte zu-
ſammenbringen, ſein anders denkender Nachfolger aber
zum Raube andrer wilden Thiere wieder ins freye Feld
laufen laſſen *).
[112]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Nun etwas zur Botanik gehoͤriges. Die Zwie-
belgewaͤchſe ruhen hier ohne Zweifel bisweilen aus, weil
man ſie nicht alle Jahre in gleicher Menge ſieht. An
einigen Stellen findet man ſie das eine Jahr in der groͤß-
ten Menge, und das folgende Jahr faſt gar nicht.
Die Frucht der Zaſerblume (Meſembryanthe-
mum) wird bisweilen als eine Seltenheit nach der
Stadt gebracht, und hier Roſe von Jericho genannt.
Wenn man ſie ins Waſſer legt, oͤffnet ſie nach und
nach alle ihre Samenbehaͤltniſſe, und ſieht voͤllig wie
eine Sonne aus; wenn ſie wieder trocken wird, zieht ſie
ſich allmaͤhlig zuſammen. Eine ſonderbare, aber auch
ſehr noͤthige Eigenſchaft, die von einer weiſen Einrich-
tung des Schoͤpfers zeugt. Denn dies Gewaͤchs, das
in den duͤrreſten Ebenen waͤchſt, ſchließt ſeine Samen-
koͤrner waͤhrend der heißen trocknen Zeit ſorgfaͤltig ein,
wenn aber die Regenzeit eintritt, und der Same auf-
gehen kann, oͤffnet es ſeine Behaͤltniſſe, und laͤßt den
Samen herausfallen, damit er vom Winde umher ge-
ſtreuet werden kann. Das Waſſer, worin eine ſolche
Frucht gelegen hat, giebt man bisweilen ſchwangern
Frauen, die ihre Niederkunft erwarten, weil man
glaubt, es erleichtre ihnen die Entbindung.
Granataͤpfel wachſen zwar in verſchiednen Gaͤrten,
werden aber nicht verkauft, in der Stadt auch eben
nicht haͤufig gegeſſen. Deſto haͤufiger werden aͤchte Ka-
ſtanien (Aeſculus pavia) zum Verkauf gebracht. Man
ißt ſie theils als Frucht bey Tiſche, theils gebraten und
geſchaͤlt mit etwas Butter.
Bey dem Rathsherrn Berg ſah ich einen ſehr ſon-
derbaren Schwamm, der ihm als eine merkwuͤrdige
Seltenheit von einem im Innern des Landes wohnenden
Koloniſten zugeſchickt war. Dieſer Schwamm, wel-
cher
[113]bis zur dritten großen Afrikaniſchen Reiſe.
cher hier Jackhalskoſt heißt, und in Anſehung der die
Blume ausmachenden und die Befruchtung bewirken-
den Theile das ſonderbarſte aller bisher bekannten Ge-
waͤchſe iſt, machte meinen Entſchluß, die noͤrdlich vom
Cap liegenden Gegenden zu beſuchen, noch feſter, um
dieſes und andre Gewaͤchſe in ihrem eignen, obgleich
ſehr duͤrren und magern, Vaterlande ſelbſt genauer ken-
nen zu lernen.
Der Winter war dies Jahr in den Monathen Ju-
nius, Julius und Auguſt ſehr kalt, und zugleich war
vieler Regen. Beſonders waren den 6. Julius der Teu-
felsberg und der Tafelberg ganz weiß, und mit Schnee
und Hagel bedeckt. An verſchiednen Orten hatten ſo gar
die Weinſtoͤcke und verſchiedne andre Gewaͤchſe durch
den Froſt vielen Schaden gelitten.
Wenn ich in der Nachbarſchaft der Capſtadt bey
muͤßigen Stunden die Berge, Aenger und Felder be-
ſuͤchte, pflegte ich gemeiniglich einen gemietheten Skla-
ven mitzunehmen, der ein Buch und andre noͤthige Sa-
chen, um Kraͤuter und Samen hinein zu legen, tragen
mußte. In der letzten Zeit aber bekam ich durch Vor-
ſorge des Wundarztes zu dieſem Behufe einen Mann
aus dem Hoſpitale, der durch ein ſonderbares Schickſal
in dieſe fernen Gegenden verſchlagen war. Er war in
Deutſchland gebohren, und hatte mit gewiſſen Arzney-
mitteln und einigen chymiſchen Praͤparaten einen kleinen
Handel getrieben, hatte auch zu dieſem Ende in Holland,
Frankreich und England, wo er zuletzt gewohnt hatte,
theils viele Reiſen gemacht, theils ſich verſchiedentlich
aufgehalten. Auf ſeiner letzten Reiſe von England nach
Frankreich wurde er von einem Sturme nach der Hollaͤn-
diſchen Kuͤſte getrieben, wo er Schiffbruch litt, und
zwar alles Seinige verlohr, aber doch lebendig an Land
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. H
[114]Zweyte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
kam. Hier verkaufte er ſeine Knieſchnallen, und begab
ſich durch Huͤlfe des dafuͤr bekommenen wenigen Geldes
nach Amſterdam. Hier traf er einen alten Freund an,
der ſich erboth, ſich ſeiner anzunehmen, aber unter dem
falſchen Verſprechen ihm Herberge zu verſchaffen, ihn zu
einem Zettelverkaͤufer oder ſo genannten Seelenverkaͤufer
brachte. In dieſem Hauſe bewirthete ihn ſein Freund ſo-
gleich mit Branntwein, einer Mahlzeit und Wein, und
beyde ließen es ſich wohl ſchmecken. Endlich nahm jener
Abſchied von ihm, und ging weg. Der Fremde be-
merkte, daß der Wirth ihm beym Weggehen aus dem
Hauſe zwey Dukaten gab. Hierauf wollte man ihn
nicht frey umher oder ausgehen laſſen. Da er nicht
nur das Hollaͤndiſche gut ſprechen konnte, ſondern auch
nur zu gut merkte, in was fuͤr Haͤnde er gerathen ſey,
drohete er dem Seelenverkaͤufer, ihn anzugeben, wo-
fern er ihn nicht ſogleich in Freyheit ſetzte. Dieſer er-
kundigte ſich nach ſeiner Perſon, und ſagte darauf, er
wolle ihn gehen laſſen, ſo bald er die Zeche bezahlt ha-
ben wuͤrde. Dieſe konnte der arme Mann nicht
bezahlen, und daß er ſich darauf berief, nicht er,
ſondern ſein Freund habe das, was ſie verzehrt, gefor-
dert, half ihm auch nichts. Er mußte da bleiben, und
wurde einige Zeit hernach an Bord gebracht, wiewohl
ohne auf dem Oſtindiſchen Hauſe vorher vorgeſtellt und
angenommen zu ſeyn. Bey der Muſterung beſchwerte
er ſich zwar uͤber das erlittne Verfahren. Weil er aber
das, was der Seelenverkaͤufer zu ſeinem Unterhalte und
zu ſeiner Equipirung von der Compagnie bekommen hatte,
nicht bezahlen konnte, mußte er es ſich gefallen laſſen,
mit nach dem Cap zu gehen, wo er krank ankam, und
ins Lazaret gebracht wurde. Einigemahl leiſtete er mir
auf meinen Excurſionen Geſellſchaft, ſetzte ſich aber
[115]bis zur dritten großen Afrikaniſchen Reiſe.
bald wieder in Freyheit, rettete ſich heimlich auf ein
Engliſches Schiff, das auf der Rhede lag, und entkam
gluͤcklich ſeiner Sklaverey.
Aus meiner dritten Afrikaniſchen Reiſe waͤre bey-
nahe nichts geworden. Die hieſige Regierung hatte be-
ſchloſſen, in dieſem Jahre einen Huker nach Madagas-
kar zu ſchicken, um Sklaven einzutauſchen. Der Gou-
verneur Baron Plettenberg trug mir die Stelle des er-
ſten Wundarzts auf dieſem Schiffe an, wenn ich Luſt
haͤtte mitzugehen. Gern haͤtte ich zwar dieſe große
und merkwuͤrdige Inſel beſucht; weit ſtaͤrker aber war
und blieb doch bey mir der Wunſch, eine Reiſe in die
noͤrdlichen Gegenden der Spitze von Afrika zu machen.
Ich lehnte daher den Antrag ab, und ſchlug einen mei-
ner Freunde und Landsleute, Herrn Oldenburg, zu je-
ner Stelle vor, der in meiner Geſellſchaft zwey Jahre
hindurch botaniſche Excurſionen gemacht hatte. Dieſer
bekam ſie auch, langte zwar gluͤcklich auf Madagaskar
an, ſammelte da auch viele dortige Kraͤuter, kam aber
nicht wieder zuruͤck, ſondern buͤßte unter dem ungeſun-
den und brennend heißen Himmelsſtriche dieſer Inſel ſein
Leben ein.
[116]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Dritte Abtheilung.
Dritte große Afrikaniſche Reiſe,
naͤmlich noͤrdlich ins Rockenland
und bis zu den Namaquas
vom 29. September bis den 29. December 1774.
Erſter Abſchnitt.
Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
Im September ruͤſtete ich mich auf gleiche Art, als
zu meinen vorigen Reiſen, zur dritten Reiſe ins Innere
der ſuͤdlichen Afrikaniſchen Laͤnder. Auch diesmahl wur-
de der Engliſche Gaͤrtner Maſſon mein Reiſegefaͤhrte,
wiewohl nach langem Zureden, weil er anfangs gar
nicht geneigt war, dergleichen Muͤhſeligkeiten wieder
zu uͤbernehmen.
Den 29. September 1774 machten wir uns auf
den Weg. Dieſer ging zuerſt durch den Salzfluß
(Zout-Rivier) und den Muſchelbankfluß (Moſſelbank-
Rivier) nach Fiſchersberg (Viſſchers-Hoek), einem
der Compagnie gehoͤrigen großen Ackerhofe, welchen aber
der Gouverneur allein benutzt, und wo man dies Jahr
achtzig Tonnen Getreide ausgeſaͤet hatte.
Hier graſſirte jetzt die Harnkrankheit unter dem
Hornviehe; man ſchrieb ſie der ginſterartigen Euphorbie
(Euphorbia geniſtoides) zu. Die hieſigen Landleute ge-
[117]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
brauchen gegen dieſe Krankheit ein hier ſehr beruͤhmtes
Mittel: ſie geben dem Vieh eine Theetaſſe voll pulveri-
ſirter Straußeyerſchalen mit Eſſig vermiſcht, ein. Bis-
weilen bringen ſie den Gries von dem Harze der Euphor-
bie, der ſich in der Harnroͤhre feſtgeſetzt hat, in der
Laͤnge eines halben Fingers heraus: er ſieht ganz
weiß aus.
Von Fiſchersberg ritten wir Engelaers Hof vorbey
zu Matthias Graͤf am Muſchelbankfluſſe.
In den Gebuͤſchen auf den hieſigen flachen Sand-
ebenen findet man Haſen in ſehr großer Menge, und
man kann ihrer ſo viel ſchießen, als man will. Die Ein-
wohner ſetzen aber auf dies trockne Wildpret gar keinen
Werth. — Auch waͤchſt hier eine große ſaftige Wur-
zel ſehr haͤufig, welche die Hottentotten Ku nennen, und
die ſie zu Mehl mahlen und Brot daraus backen. Die
Koloniſten haben ihr den Nahmen Hottentottiſche Waſ-
ſermelone gegeben.
Weiter ritten wir durch den Muſchelbankfluß, und
kamen zuerſt zu Juͤrgen Kutſe, und hernach zu Abra-
ham Bosmann zu Perlberg (Paerls-Berg).
Der Berg Paerl (Perle) iſt weder hoch noch
lang, aber an Waſſer ſo ergiebig, daß er alle zu bey-
den Seiten umher liegenden Hoͤfe ſo wohl, als eine un-
ten angelegte ziemlich große Muͤhle hinlaͤnglich mit Waſ-
ſer verſorgen kann. Auf der Oſt-Seite ſteht die Kirche,
in welche die umliegende Gegend eingepfarrt iſt. Wir
blieben einige Tage zu Paerlsberg, um den Berg genau
zu beſehen. Als wir den oͤſtlichen Gipfel beſtiegen hat-
ten, fanden wir die Stelle, welche man den Keller der
Compagnie nennt. Hier iſt ein großes, etwas hohles
Felſenſtuͤck auf ein anderes ſich dagegen neigendes Felſen-
ſtuͤck gefallen, wodurch gleichſam ein gewoͤlbter Keller
[118]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
gebildet wird, der an beyden Enden offen, und wo es
ſehr angenehm kuͤhl iſt. Zwey zur Seite liegende ſehr
große, nackte, ſteile und beynahe kegelfoͤrmige Berge,
die unten von ſo weitem Umfange ſind, daß man eine
Stunde Zeit bedarf, um herum zu kommen, fuͤhren
den Nahmen der Perldemanten (Paerls-Diamanten).
Die Hoͤfe in dieſer Gegend haben wenig Ackerland
und Viehzucht, ſondern man bauet da faſt nichts als
Wein. Die Weinſtoͤcke in den hieſigen Weinbergen
werden oft funfzig Jahr alt, und geben guten und deli-
caten Wein. Weitzen bauet man nur zur Nothdurft.
Auf Obſt wird auch wenig geſehen.
Vom Perlberge kamen wir zu Hans van Aarde
am Pferdeberge (Paerde-Berg). Dieſer Berg iſt
etwas hoͤher als jener, liegt allein, und hat ſeinen Nah-
men von den Zebra oder wilden Capſchen Pferden, die
ſich hier vor Zeiten in Menge aufhielten, jetzt aber ſo
ſelten ſind, daß wir nur ein Dutzend derſelben antra-
fen, die gar nicht ſcheu waren, und welche zu ſchießen
die Regierung verbothen hatte.
Anders Lospers, Peter Lospers und Johann Wal-
thers Hoͤfe vorbey, reiſeten wir zu dem Koloniſten
Dreyer bey Riebeekkaſtel. Dies iſt ein großer, hoher,
rund umher ſteiler Berg, der ſeine Benennung von dem
Stifter und erſten Gouverneur dieſer Kolonie, van Rie-
beek hat. Wir kletterten zu der hoͤchſten Spitze deſſel-
ben hinauf, waͤhrend wir unſre Jochochſen ausgeſpannt
hatten, und an der Seite weiden ließen. Wir gingen
an einem Ende hinauf, und mußten beynahe einen gan-
zen Zirkel beſchreiben, ehe wir die Spitze erreichen konn-
ten. Als wir oben waren, ſahen wir unſer Fuhrwerk
unten ſtehen, waren aber auf dieſer Seite durch ſo ſteile
Abſchuͤſſe davon getrennt, daß es uns unmoͤglich ſchien,
[119]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
hier hinunter zu kommen, ſondern wir genoͤthigt waren,
den vorigen Weg, der aber den Umweg von faſt einer
Meile ausmachte, zuruͤckzugehen. Inzwiſchen traf
ich, indem wir hier einige ſeltne Gewaͤchſe aufſuchten,
einen zwar ſehr nahen, aber zugleich ungemein gefaͤhr-
lichen Weg, um zu der andern Seite der ſteilen und faſt
ſenkrechten Wand des Berges zu kommen. Dieſer be-
ſtand in einer Ritze oder Borſte, die einige Faden lang,
aber ſo ſchmal war, daß ſie nur einen mittelmaͤßig dicken
Menſchen faſſen konnte. Ich wagte es auf Haͤnden
und Fuͤßen hindurch zu kriechen, und kam gluͤcklich zur
andern Seite hinuͤber, von wo ich nur noch einen guten
Buͤchſenſchuß weit von unſern Wagen entfernt war.
Mein Reiſegefaͤhrte und deſſen Hund ſtanden ganz be-
ſtuͤrzt uͤber mein kuͤhnes Unternehmen, der eine heulte,
und der andre weinte beynahe und graͤmte ſich, daß er
allein einen weiten Umweg machen, und es nicht von
ſich erhalten konnte, ein gleiches als ich zu wagen.
Meine Dreiſtigkeit wurde außerdem noch mit einem ſehr
kleinen Kraute belohnt, das ich in der Ritze des Berges
fand, und hernach an vielen Orten vergeblich geſucht habe.
Von Riebeekkaſtel ging der Weg uͤber den Fleder-
mausfluß (Vleermuys-Drift), uͤber welchen man auf
einer Faͤhre geſetzt wird, Lombarts und Owerholſens
Hoͤfe und den Honigberg (Honing-Berg), der nur
klein und niedrig iſt, zu Wilhelm Buͤrgers Viehhofe
am Mattenfluſſe (Maatjes Rivier), wo die Wagen in
einem Bote uͤbergefuͤhrt wurden, und die Ochſen durch-
ſchwimmen mußten.
Unterweges bemerkte ich einen ſehr bleichen, nur
ganz matte Farben zeigenden Regenbogen, der aber nicht
durch Regen, ſondern bloß durch aufſteigenden Nebel
formirt wurde.
[120]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Ferner kamen wir zu dem Koloniſten Hanekamp,
am Piketberge. Dieſer erſtreckt ſich hier von Norden
nach Suͤden, hat aber an der Oſt-Seite gegen Norden
Buchten, deren Ruͤcken ſuͤd-oͤſtliche Richtung haben.
Noͤrdlich geht er beynahe bis an die lange Reihe Berge,
von welcher beſondre Bergſtrecken abgehen, die bis an
das Meeresufer reichen. Hieraus ſcheint freylich, der
Piketberg habe eine andre Direction, als alle andre hie-
ſige Berge. Allein nur auf der Oſt-Seite deſſelben er-
ſtreckt ſich ein ſolcher Bergruͤcken, und am noͤrdlichen
Ende geht der Berg noch weit fort, und zwar von Suͤd-
Oſt nach Nord-Weſt. Er iſt hoͤher als Riebeekkaſtel,
und hat auf der Oſt- und Nord-Seite viele ſteile und
unzugaͤngliche Koppen.
In dieſen Gegenden waͤchſt ein Strauch, den man
Sandolive (Zand-Olywe) nennt. Es iſt die ſchmal-
blaͤttrige Dodonaͤe (Dodonaea anguſtifolia). Das
Holz dieſes Strauchs iſt ſehr hart. Man trocknet es,
und der Decoct davon wird als ein purgirendes Mittel
bey Fiebern gebraucht.
In den Gebuͤſchen, die auf dieſen Sandhaiden
ſtehen, halten ſich haͤufig Tiger auf. Ich ſah verſchied-
ne Perſonen, die von ihnen gebiſſen und uͤbel zugerichtet
waren. Doch weiß man kein Beyſpiel, daß jemand
von einem Tiger getoͤdtet ſey. Man behauptet hier durch-
gaͤngig, daß die Tiger lieber wilde Boͤcke als Schafe
freſſen, und haͤlt die Tiger fuͤr falſcher, tuͤckiſcher und
weniger großmuͤthig als die Loͤwen. Selten unterlaͤßt
ein Tiger, auf einen Menſchen, der einen Buſch, wor-
in er liegt, vorbeygeht, loszuſtuͤrzen, und, wie man
mich verſichert, kann er die Worte Sa, Sa, durchaus
nicht rufen hoͤren, ohne anzugreifen. Vor nicht ſehr
langer Zeit war ein Madagaskarſcher Sklave, als er hin-
[121]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
ter einen Buſch beyſeit gegangen, von einem Tiger ange-
fallen und ſo ſchlimm verwundet worden, daß er durch
Verblutung in Ohnmacht gefallen war, wobey er aber
zugleich den Tiger bey der Kehle gefaßt und voͤllig erwuͤrgt
hatte, ſo daß der Tiger todt und der Sklave neben ihm
ohnmaͤchtig angetroffen worden. Der Capſche Tiger iſt
klein, ungefaͤhr ſo groß als ein Hund.
Elefanten trifft man in dieſen Bezirken, wo ſie
ehemahls ſehr haͤufig waren, gar nicht mehr an, ſondern
ſie ſind alle ausgerottet. Die ſicherſte Art, dieſen unge-
heuren Thieren, deren Hoͤhe bis achtzehn Fuß ſteigt, zu
entgehen, ſoll ſeyn, daß man entweder zu Waſſer, oder
zu einer engen Kluft eines Berges ſeine Zuflucht nimmt.
In der Gegend des Piketberges ſchoſſen wir zuerſt
rothe Turteltauben (Roode Turtelduyv) oder die Se-
negalſche Taube (Columba Senegalenſis). Man findet
ſie ſonſt nur in den entlegenern Gegenden dieſes Landes,
und nur erſt ſeit ungefaͤhr ſieben Jahren haben ſie ſich in
der Nachbarſchaft des Cap ſehen laſſen.
Die fleiſchfarbige Stapelie (Stapelia incarnata),
ein dickzweigiges Gewaͤchs ohne Blaͤtter, ſteht in einiger
Anzahl in der Naͤhe der hieſigen Berge. Die Hotten-
totten ſchaͤlen das Aeußere nebſt den Stacheln ab, und
eſſen das Inwendige.
Neben dem Piketberge nordwaͤrts liegen der Capi-
tainthalberg (Capten-Kloofs-Berg), weiterhin der
Dreyquellenberg (Drie-Fountain-Berg), und hinter
dieſen der Pavianberg (Babians-Berg), der mit ſeinen
verſchiednen Enden bis an den Strand geht. Unter-
halb der Berge, Paerl gegen uͤber, iſt der große Vogel-
ſumpf (Vogel-Valley), der von Seevoͤgeln und Schne-
pfen haͤufig beſucht wird.
[122]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Nun kamen wir weiter zu Karrelſpecks Hofe, der
unter dem Piketberge liegt, von da zu Gerdt Schmidt,
ferner zu Dirk Kutſe, wo der verlohrne Sumpf (Ver-
looren Valley) anfaͤngt, und endlich zu Anders Grefe.
Die Wege in dieſen Gegenden, ſo wie um die Sal-
danhabay, ſind durchgaͤngig ſandig und ſchwer zu fah-
ren. Die hieſigen Hoͤfe haben Weinberge, Ackerland
und ſchoͤne Gaͤrten. Ich ſah hier eine Citrone, die eine an-
dre, mit wirklicher Schale verſehene, Citrone in ſich ſchloß;
aber keine von beyden hatte Kerne, und die Schale der
inneren ſchmeckte auch ſaͤuerlich. Auch zeigte man mir
ein Gaͤnſeey, in welchem ein anderes Gaͤnſeey foͤrmlich
eingeſchloſſen war, das aͤußere hatte foͤrmlichen Dotter,
das innere aber gar keinen.
Strauße ſind hier uͤberall ſehr haͤufig. Sie thun
den Landwirthen auf dem Felde oft anſehnlichen Schaden,
indem ſie haufenweiſe ankommen, und die Aehren vom
Weitzen abfreſſen, ſo daß die Halme allein ſtehen bleiben.
An Hoͤhe uͤbertreffen ſie das Korn nicht, und wenn ſie
die Aehren abpfluͤcken, buͤcken ſie ſich mit ihrem langen
Halſe nieder, ſo daß man ſie in der Ferne nicht entdecken
kann. Sobald ſie aber das geringſte Geraͤuſch merken,
heben ſie den Kopf an dem langen Halſe empor, und koͤn-
nen daher die Gefahr fruͤh gewahr werden, und entfliehen,
ehe man ihnen auf den Schuß nahe kommen kann. Wenn
der Strauß laͤuft, hat er ein majeſtaͤtiſches Anſehen.
Er ſcheint auch nicht ſehr zu eilen, ob er gleich in kurzer
Zeit ſehr weit fortkommt, zumahl wenn er vor dem Win-
de laͤuft. Wenn der Wind auch nur wenig wehet, be-
wegt er die Fluͤgel hin und her, und hilft ſich, wenn er
geſchwind entlaufen will, damit fort. Alsdann iſt es
auch ſchlechterdings unmoͤglich, ihn ſelbſt mit dem ſchnell-
ſten Pferde einzuhohlen; dies kann man nur alsdann
[123]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
thun, wenn es ſehr heiß und dabey ganz ſtill iſt, oder wenn
ihm die Fluͤgel abgeſchoſſen ſind. Unterwegs ritt ich ein-
mahl des Morgens bey einer Stelle, wo ein Weibchen
auf dem Neſte ſaß, dicht vorbey. Der Strauß ſprang
auf, um mich zu verfolgen, in der Abſicht zu verhindern,
daß ich die Eyer oder die Jungen nicht gewahr werden
ſollte. Jedesmahl da ich mich mit dem Pferde gegen
ihn kehrte, ging er zwar weg, und ließ mich zehn bis
zwoͤlf Schritt voraus jagen; ſo bald ich aber weiter ritt,
kam er mir ſogleich wieder nach. Auch hier verſicherten
die Koloniſten, daß in den Straußeyern bisweilen ein
oder zwey Steine angetroffen werden, die hart, weiß, et-
was flach und glatt, und ſo groß als eine kleine Bohne ſind;
man ſchleift ſie und faßt ſie zu Knoͤpfen ein; ich bin aber
nie ſo gluͤcklich geweſen, einen ſolchen Stein zu ſehen.
Rebhuͤhner oder Berghuͤhner (Tetrao) findet man
ſo wohl hier als an andern Orten im Ueberfluß. Wenn
man im Trabe ihnen nachreitet, fliegen ſie nicht ſogleich
auf, ſondern laufen ſo geſchwind laͤngs dem Wege hin,
daß man ſie kaum erreichen kann. Endlich aber fliegen
ſie unter gewaltigem Geſchrey ploͤtzlich zur Seite auf, und
entkommen voͤllig.
Oben erwaͤhnte ich des verlohrnen Sumpfes oder
Thals (Verlooren Valley). Dies iſt eigentlich ein
tiefer, großer Sumpf, oder ſich langſam fortbewegender,
und faſt ſtill zu ſtehen ſcheinender Fluß, der vom Gebirge
ſein Waſſer bekommt, und ins Meer fließt. Das Ufer
iſt an den meiſten Stellen mit Rietgras, Schilf und
Binſen (Carex, Arundo) bewachſen, und zwar nicht
ſelten ſo hoch, daß man gar kein Waſſer ſehen kann.
In ſolchem hohen Schilfe hat eine unzaͤhlbare Menge Voͤ-
gel Aufenthalt und Zuflucht, unter andern verſchiedne
Arten Reiger, als die blauen und die großen (Ardea
[124]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
caerulea und maior), Enten, Waſſerhuͤhner (Fulices)
und andre. An verſchiednen Stellen iſt dieſer große
Waſſerſumpf nur ſchmal, an andern aber breit; beſon-
ders erweitert er ſich immer mehr, je naͤher er dem Stran-
de kommt. Hie und da hat er auch große Loͤcher und
ſehr tiefe Stellen, die ganz voll Waſſer ſtehen. Er fließt
auf der Nord-Seite ins Meer, und da er hier ſeicht iſt,
ſcheint die Muͤndung ganz trocken und von aufgeworfnem
Sande voͤllig zugedaͤmmt zu ſeyn, ſo daß man ihn fuͤr
ganz ſtillſtehendes Waſſer halten ſollte. Je naͤher der
See, deſto tiefer wird er in der Mitte, und deſto we-
niger Schilf hat er. Waͤhrend ſeines Laufs kruͤmmt er
ſich in vielen Beugungen, und fließt zwiſchen zwey eben
nicht hohen Bergſtrecken hin. Das Waſſer iſt ſuͤß und
geſund, in der Naͤhe des Strandes aber wird es, be-
ſonders in der trocknen Jahrszeit, von dem aus der See
ſich hinein miſchenden Waſſer etwas ſalzig.
Laͤngs dieſem Waſſer, vom Anfange bis zum Aus-
fluſſe ins Meer, campirten wir mehrere Tage unter freyem
Himmel; denn in dieſen ſandigen und magern Gegenden
wohnen keine Koloniſten, ſondern es ſind da nur einige
wenige Viehſtellen, die meiſtentheils Hottentotten zur
Aufſicht und Huͤthung anvertrauet werden. In der Naͤ-
he eines ſolchen Viehhofes, wo ſich nur Hottentotten be-
fanden, hatten wir den Verdruß, mit Ungeziefer beſetzt
zu werden. Zwar lagerten wir uns eine gute Strecke
von ihren Wohnungen; allein vor unſrer Ankunft hatten
ſie auf der Erde rund umher ihre von Laͤuſen ganz wim-
melnden Schaffelle ausgebreitet, und hievon waren unſre
Kopfkiſſen, auf denen wir im Schatten unſrer Karren
zu ſitzen pflegten, ſogleich bevoͤlkert, ſo daß wir dieſe hung-
rigen und plagenden Gaͤſte mit aller Muͤhe und Arbeit
kaum in zwey Tagen los werden konnten.
[125]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
An Schlangen haben dieſe ſandigen, mit kleinem
Gebuͤſch bewachſenen Ebenen einen reichen Segen. Kein
Tag verging, da wir nicht ihrer mehrere fingen, die wir
denn in Faͤſſern voll Branntwein verwahrten. Waͤhrend
wir auf der Erde ſaßen und aßen, liefen ſie uns zum
oͤftern uͤber die Beine, ohne einen von uns zu beißen.
Einmahl ſchlang eine Schlange ſich mir um das linke
Bein, ließ ſich aber, ohne zu beißen, ganz ſacht abſchuͤt-
teln. Eine andre kroch mir, als ich auf der Erde lag,
unter dem Leibe hin, und hernach einem von der Geſell-
ſchaft, der bey mir ſaß, uͤber das bloße Bein, daß er
es wie Eis kalt fuͤhlte; aber keinem von uns that ſie et-
was Leides. Hieraus ſcheint deutlich zu folgen, daß die
Schlangen nicht gern beißen, wenn ſie nicht getreten oder
ſonſt beleidigt und genoͤthigt werden, ſich zu vertheidi-
gen. Mehrmahls liefen Schlangen quer uͤber den Weg,
und nicht ſelten den Pferden zwiſchen den Beinen durch,
ohne ihnen etwas zu Leide zu thun.
Eben ſo voll ſind dieſe Gegenden von Maulwurfs-
haufen, worin die Sandmaulwuͤrfe ihren Aufenthalt
haben. Das Reiten iſt hier daher ſehr unbequem und
gefaͤhrlich, weil die Pferde tief hineinfallen und oft
ſtuͤrzen.
Beym Anfange des verlohrnen Sumpfes, dem Ende
des Piketgebirges ſchraͤge gegen uͤber, geht eine Bergſtre-
cke ab, die bis an das Meeresufer, wo jener Sumpf
zu Ende geht, fortlaͤuft, und die Anhoͤhen auf der ei-
nen Seite deſſelben ausmacht. Von den Piketbergen
gehen auch einige Bergruͤcken ab, welche ſich jenſeits des
verlohrnen Sumpfes endigen. Die große und lange Rei-
he Berge, welche ganz vom Cap Falſo beym Hottentotti-
ſchen Holland an, quer durch das ganze Land fortgegan-
gen iſt, ſchließt ſich hier in zerſtreueten und abgerißnen
[126]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Bergen und Huͤgeln, und man hat nicht, wie bey Rothe-
ſand und dem Pikeniergrunde, noͤthig, an dieſem Nor-
der-Ende jene Reihe Berge zu paſſiren.
Von jenem Sumpfe oder vielmehr tiefen und faſt
gar nicht fließenden Fluſſe kamen wir hernach zum langen
Sumpfe (Lange Valley), einem aͤhnlichen, aber viel
kleinern Waſſer, als das vorige. Von hier an hatten
wir ein ſehr langes und duͤrres Karroland zu durchreiſen,
ehe wir wieder zu den Bergen hinauf, und zu einem Or-
te kamen, der den Nahmen Herrenherberge (Heeren-
Logement) fuͤhrt. Dieſe duͤrre Strecke Landes iſt voll
Sandhuͤgel und Duͤnen, und hat nur einige wenige
Viehhoͤfe, wo aber die Bauern nicht ſelbſt wohnen, ſon-
dern nur einige gemiethete Hottentotten halten, um die
Herden zu huͤthen. Viehzucht kann hier auch nur allein
getrieben werden, weil wegen Duͤrre und Magerkeit des
Bodens weder Getreide, noch Gartengewaͤchſe, noch
Fruchtbaͤume wachſen koͤnnen.
Gegen das Ende dieſes Karrofeldes kamen wir
durch verſchiedne kleine, gar nicht tiefe Thaͤler, die von
der Sommerhitze jetzt ganz ausgetrocknet waren. Dieſe
Thaͤler geben bey dieſer Jahrszeit einen gar beſondern An-
blick. Denn die Lehmerde, welche waͤhrend der Regen-
zeit weich und im Waſſer gleichſam ganz herumgeruͤhrt
wird, ſetzt ſich hernach lagenweiſe, und formirt ver-
ſchiedne Schichten von ungleicher Feinheit, welche endlich
von der Hitze ſpringen und ganz deutlich zu ſehen ſind. Die
unterſte Lage iſt die groͤbſte, und enthaͤlt eine Menge frem-
der Partikeln, die vermoͤge ihrer Schwere zuerſt zu Bo-
den geſunken ſind. Die oberſte Rinde iſt nicht nur die
reinſte, ſondern auch die feinſte, und dabey ſo trocken,
daß ſie, wie eine neue irdene Tobakspfeife, an der Zunge
und an den Lippen feſt klebt. Proben, ſo wohl von dieſen
[127]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
Erdarten, als von den meiſten Steinarten dieſes Landes
habe ich mit nach Schweden gebracht, und dem akade-
miſchen Mineralien Cabinette zu Upſala einverleibt.
Auch fand ich auf dieſem Wege ein ſeltnes Ge-
waͤchs, wonach ich ſchon lange geſucht hatte, naͤmlich
den Royeniſchen Kodon (Codon Royeni), und doch ſah
ich nur einen einzigen Buſch davon, den ich aber niemahls
werde vergeſſen koͤnnen. Der Tag war einer der heiße-
ſten, und die Hitze ſo unertraͤglich, daß wir beſorgten,
unſer Vieh moͤchte ganz verſchmachten und ſterben. Von
dieſer unausſtehlichen und quaͤlenden Hitze waren unſre
Koͤrper gleichſam ganz aufgeſchwollen, und die Schweiß-
loͤcher in hoͤchſtem Grade geoͤffnet. Der Buſch, welchen
wir antrafen, war uͤberall mit weißen, zerbrechlichen
und durchſichtigen Stacheln bedeckt, woran ich und mein
Reiſegefaͤhrte, als wir hinzu liefen, und wetteiferten,
mit bloßen Haͤnden, die meiſten Blumen abzupfluͤcken,
uns die Haͤnde ſo verwundeten, daß wir mehrere Tage
Schmerz und Unbequemlichkeit davon hatten.
Endlich kamen wir denn ganz abgemattet auf der
Herrenherberge an. Dieſe beſteht aus einem Thale zwi-
ſchen Bergen mit einer ziemlich hohen Anhoͤhe, uͤber wel-
che man fahren muß, um in eine andere Gegend zu
kommen, die ebenfalls nicht ſehr fruchtbar iſt. Es iſt
wirklich ein ſehr angenehmer Ort, mit etwas Holzung und
einem Bache ſuͤßen Waſſers. Den Nahmen hat dieſe
Stelle davon, daß auf der einen Seite des Berges bey-
nahe ganz zur Linken eine ſehr große Vertiefung, wie ein
Saal iſt, der durch zwey verwitterte und ausgefallne
Felsſtuͤcken gebildet worden. Ich kletterte hinauf und
fand an den Seitenwaͤnden die Nahmen verſchiedner Rei-
ſenden. Neben dieſer Hoͤhle iſt eine andre gewoͤlbte, aber
etwas kleinere Vertiefung. In jener groͤßern iſt eine
[128]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
kleine Ritze, worin ein Baum, dem Anſcheine nach
von der Gattung des Eiſenholzes (Sideroxylon) ſeine
Wurzeln befeſtiget hatte, der vollkommen friſch und im
beſten Gedeihen, und uͤber vier Ellen hoch war, ob er
gleich zu ſeinem Wachsthum und Nahrung nicht mehr
Waſſer, als das wenige, das waͤhrend der Regenzeit
in der Ritze ſtehen bleibt, haben konnte.
Die Berge hier und rund umher haben uͤbrigens
ein duͤrres, mageres, kuͤmmerliches Anſehen; ſie ſehen
wie verbrannt aus, und ſind mit einer Menge großer,
nackter und loſer Steine bedeckt.
Unterdeſſen daß wir uns hier erfriſchten, und auch
unſre abgematteten Zugochſen ſich erquicken ließen, kam
vom Elefantenfluſſe (Olifants-Rivier) ein Landmann
zu Pferde an, der uns erzaͤhlte, daß da, wo unſer
Weg durchging, ſich ein Loͤwe aufhielte, den man noch
neulich am Wege geſehen, und der einem Hottentotten
nachgeſetzt haͤtte. Wir konnten gleichwohl nicht umhin,
dieſe gefaͤhrliche Straße zu reiſen, ſondern brachen be-
reits am folgenden Tage dahin auf. Um deſto beſſer auf
unſerer Huth zu ſeyn, ritten wir den ganzen Tag mit ſcharf
geladner Buͤchſe, und zwar den Hahn geſpannt, im Ar-
me, bis wir Abends ſpaͤt zu Peter van Seele am Ele-
fantenfluſſe anlangten. Hier verweilten wir einige Tage
und es gefiel uns bey dieſen freundſchaftlichen und gaſt-
freyen Leuten ſehr wohl.
Der Weg war groͤßtentheils ſandig, und die An-
hoͤhen, welche wir zu paſſiren hatten, zeigten auf ihren
kahlen Oberflaͤchen rothen Sandſtein mit darin ſitzenden
Kieſelſteinen, welche letztere vermuthlich in den Sand-
ſtein hinein gekommen und von demſelben umſchloſſen wa-
ren, ehe er ſo hart geworden, daß er einen feſten Berg
ausgemacht. Eben ſo ſcheint ihre glatte Oberflaͤche davon
her-
[129]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
herzuruͤhren, daß ſie von den Meereswellen abgeſchliffen
worden, ehe ſie ſich in den Sandſtein feſtgeſetzt haben.
Verſchiedne der hieſigen Berge ſind oben platt, wie der
Tafelberg. Sie endigen ſich jenſeits des Elefantenfluſſes,
ehe ſie das Ufer der See erreichen; zwiſchen ihnen und
dem Ufer ſoll eine Ebene von der Breite einer ganzen
Tagreiſe ſeyn. Die im Bocklande befindlichen Berge en-
digen ſich ebenfalls gegen das Meeresufer jenſeits des
Elefantenfluſſes, neigen ſich aber nicht allmaͤhlig, ſon-
dern behalten bis gegen das Ende eine anſehnliche Hoͤhe.
Die ſo genannte Waſſermelone der Hottentotten,
welche eigentlich eine große, vielen Saft enthaltende Wur-
zel iſt, hat hier in der Sprache dieſer Leute den Nahmen
Kamerup. Eine andre Wurzel, aus dem Geſchlecht der
Lobelie (Lobelia), welche ſie ebenfalls eſſen, nennen ſie
Karup. Aus der Wurzel und dem Honig eines gewiſſen
Doldengewaͤchſes, das man hier Moͤhren (Moor-Wor-
tel) nennt, bereiten die Hottentotten vermittelſt Gaͤh-
rung einen berauſchenden Trank.
Auf dem großen Elefantenfluſſe hielt ſich ganz na-
he beym Hofe eine wilde Gans von der Gattung der Ae-
gyptiſchen Gans (Anas Aegyptiaca) auf, und richtete
auf den Weitzenfeldern großen Schaden an. Sie war
vorher ſchon mit Hagel verwundet, aber mit dem Leben
davon gekommen. Dies machte, daß ſie ziemlich ſcheu
und ſo vorſichtig war, daß ſie beym geringſten Anblicke
der Leute vom Hofe nach der andern Seite des Fluſſes
ihre Zuflucht nahm, und niemand ihr auf den Schuß
nahe kommen konnte. Vor mir als einem Fremden
ſchien ſie ſich weniger zu fuͤrchten, und daher konnte ich
einmahl auf ihre Ankunft disſeits des Fluſſes lauern,
und ſie endlich, zu großer Freude meiner Wirthsleute,
ſchießen.
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. J
[130]Dritte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Von nun an hatten wir duͤrre und oͤde Gegenden
zu durchwandern. Wir verſaͤumten deswegen nicht, uns
hier mit Proviant, als Zwieback, Brot, Butter und
friſchem Fleiſche zu verſorgen, welches alles unſre brave
Wirthin mit vielem Vergnuͤgen fuͤr uns herbeyſchaffte.
Darauf ließen wir uns nebſt unſerm Gepaͤcke in einem
kleinen Bote uͤber den ziemlich breiten und an mehreren
Stellen ſehr tiefen Elefantenfluß ſetzen; unſre Ochſen aber
ließen wir nebſt dem Fuhrwerke ſchwimmend uͤbertreiben.
Das Ufer dieſes Fluſſes ſchmuͤckt zu beyden Seiten ein
ſchoͤner Wald von verſchiednen Arten Baͤumen, haupt-
ſaͤchlich von der Nilſinnpflanze (Mimoſa Nilotica). Her-
nach ritten wir unterhalb des Endes des Gebirges weg,
deſſen erſte und groͤßte etwas auslaufende Ecke die Wind-
ecke oder der Windberg (Wind-Hoek), und die andre
Maskamma heißt.
Darauf kamen wir zu einem, dem Koloniſten Ras
gehoͤrigen Viehhofe, der den Nahmen Trutru fuͤhrt.
Hier fand ich auf kleinen Huͤgeln die ſo genannte
Waſſermelone der Hottentotten, nach der ich mich
lange vergeblich umgeſehen hatte. Dieſe Wurzel iſt bey-
nahe kugelrund, etwas gelblich und von der gewoͤhnlichen
Haͤrte einer Ruͤbe. Sie haͤlt uͤber eine Viertelelle im
Durchmeſſer, ſchmeckt angenehm und loͤſcht den Durſt.
Die Hottentotten eſſen ſie gern. Die Blume war noch
nicht weit aufgebrochen; ſo viel ich aber ſehen konnte,
gehoͤrt das Gewaͤchs zu der Ordnung der ſo genannten
Contortae, nahmentlich zu dem Geſchlechte des Leuchters
(Ceropegia) oder der Schlingen (Periploca).
Waſſer fanden wir zwar wohl hie und da in den
Kluͤften und Gruͤnden der Berge, bisweilen auch unten
an den Bergen; das Land ſelbſt aber iſt hier durchgaͤn-
gig ſo mager und duͤrr, daß man gar keine Guͤter und
[131]Reiſe von Cap nach dem Bocklande.
Hoͤfe hat anlegen koͤnnen. Die Berge des Bocklandes
ſahen wir vor uns liegen: ſie erſtrecken ſich weit nach der
Seeſeite, und verſchiedene hervorſtehende Ecken, die wie
eben ſo viele Bergſtrecken ausſehen, gehen von ihnen ab.
Je weiter wir in dieſer Wuͤſte fortreiſeten, (der Weg
durch dieſelbe betrug wenigſtens drey Tagreiſen), deſto
duͤrrer wurde ſie. Auf dieſem ganzen Wege trafen wir
nicht mehr als drey Stellen an, die jetzt noch etwas ſal-
ziges Waſſer enthielten. Dieſe kleinen Waſſerſtellen
waren noch dazu ſehr ſchwer aufzufinden, weil ſie nicht
am Wege, ſondern eine Strecke davon liegen. Ein
Fremder reiſet ſie leicht vorbey, und laͤuft dadurch fuͤr
ſich und ſeine Pferde oder Ochſen Gefahr, vor Durſt
umzukommen. Gluͤcklicher Weiſe trafen wir einen Land-
mann, der von Cap kam und dieſe Straße reiſete, dem
wir aber mit unſern ſchwachen Thieren nicht nachkom-
men konnten. Wir baten ihn daher, einen Stock mit
einem Lappen Leinewand an den Stellen des Weges auf-
zurichten, wo wir ausruhen, und in deren Naͤhe wir
dieſes Waſſer ſuchen muͤßten. Den einen Abend wa-
ren wir ſo gluͤcklich, die rechte Waſſerſtelle zu treffen,
welche den Nahmen Einzelner Dornbaumsfluß (Enkel
de Doornbooms-Rivier) fuͤhrt; den andern Abend
waren wir nicht ſo gluͤcklich, und unſre Pferde und Och-
ſen waren im Begriff vor Hitze und Durſt zu ſterben,
ehe wir am dritten Abend, nachdem wir bey einem Orte,
dem man den Nahmen Loͤwentanz oder Loͤwenjagd (Leeu-
we-Dans, Leeuwe-Jagt) gegeben hat, unterhalb der
Bocklandberge ankamen, wo wir die Nacht zubrachten,
weil wir da einen kleinen Bach friſchen Waſſers, Nah-
mens Dornfluß (Doorn-Rivier) antrafen.
Die Gegend, wo wir jetzt waren, iſt des Winters,
da es regnet, die allertauglichſte zur Schafzucht, nicht
J 2
[132]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ſo gut aber zur Hornviehzucht. Daher ziehen auch die
Bauern zu dieſer Jahrszeit mit ihrem Vieh dahin. Die
Schafe werden auch auf dieſen magern Fluren oft ſo
fett, daß man ihr Fleiſch vor Fett nicht eſſen kann, und
zum Schlachten allezeit die magerſten ausſucht. Wenn
die Schlaͤchter hier eine Partey Schafe aufgekauft und
vierzig bis funfzig Meilen weit nach der Capſtadt getrie-
ben haben, haben dieſe gerade ſo viel abgenommen, daß
ſie zum Schlachten nicht zu fett ſind.
Die Richtung aller hieſigen Gebirge iſt nach der
See hin nord-nord-oͤſtlich, und ins Land hinein, wo
ſie zugleich ſehr flach ſind, als wenn ſie oben abgeſchnit-
ten waͤren, ſuͤd-ſuͤd-weſtlich. Linker Hand ſieht man
eine Reihe Berge anfangen, die ſich in der Laͤnge nach
der Meereskuͤſte erſtreckt, und eben nicht hoch iſt.
Uebrigens traf ich in dieſen Karro-Ebenen die meiſten
und merkwuͤrdigſten Zaſerblumen (Meſembryanthemum),
und dagegen wenige Euphorbien (Euphorbias), nebſt
Dickblatt (Crafſula) und Nabelkraut (Cotyledon) an.
Zweyter Abſchnitt.
Reiſe durchs Bockland und ins
Rockenland.
Den 2. November ritten wir das Bocklandgebirge hin-
an. Der hoͤfliche Landwirth, welcher uns vorbey gefah-
ren war, gab uns ein Spann Ochſen zu Huͤlfe, weil
unſer Zugvieh ganz abgemattet und kraftlos, der Berg
hingegen ſo ſteil war, daß mehrere Hottentotten das
Fuhrwerk mit Stricken feſthalten mußten, um zu ver-
huͤten, daß es nicht umfiel. Dieſer Berg iſt außerdem
auch noch ſehr uneben, und hat viele Erhoͤhungen von
[133]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
Schiefer; oben hat er einen ſteilen, aber dabey flachen
Ruͤcken. Oben iſt die Luft ziemlich kalt, und der Boden
mit vielem Graſe bewachſen.
Das Bockland liegt zwiſchen dem 30. und 31.
Grade ſuͤdlicher Breite.
Nicht weit vom Wege am Berge fanden wir die
zweytheilige Aloe (Aloe dichotoma), deren Stamm,
wenn er die hinlaͤngliche Dicke erreicht hat, von den Hot-
tentotten ausgehoͤhlt und zu Koͤchern gebraucht wird.
Eben ſo muͤde als vergnuͤgt kamen wir hierauf zu
Klas Lospers Hofe, wohin wir im vorigen Jahre ſchon ge-
wollt hatten, durch einen widrigen Vorfall aber gehin-
dert worden waren. An dieſem Manne hatten wir jetzt
einige Tage hindurch, da wir bey ihm ausruheten, ei-
nen eben ſo guͤtigen Wirth, als wir vorher an ihm einen
treuen Wegweiſer und liebreichen Helfer gehabt hatten.
Er war dermahlen der reichſte Hirt, wenn ich ihn ſo nen-
nen kann, im ganzen Lande; denn er beſaß wenigſtens
zwoͤlftauſend Schafe, uͤber ſechshundert Stuͤck großen
Hornviehes und eine Herde von ungefaͤhr zweyhundert
Kaͤlbern.
Linker Hand hatten wir jetzt einen der Kuͤſte naͤher
liegenden Strich Landes, der von zwey zahlreichen und
wohlhabenden Voͤlkern, den großen und den kleinen Na-
maquas, bewohnt iſt. Dieſe Leute treiben Viehzucht;
ihr Hornvieh ſchien mir aber von ganz andrer Art, als
das Vieh der Kaffern und der Koloniſten zu ſeyn, mei-
ſtentheils war es ſehr hochbeinig, groß und ohne Hoͤcker
auf dem Ruͤcken.
Das Bockland, wo wir nun angelangt waren, iſt
nichts anders, als ein etwas hohes Gebirge, das oben
flach iſt, und mit verſchiednen Ecken nach der Meeres-
kuͤſte hin ſich erſtreckt. Es beſteht aus verſchiednen
[134]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Schichten: die oberſte iſt Sandſtein, in dem viele run-
de geſchliffne Kieſel ſtecken, der aber auch haͤufig ſchie-
ferartig iſt, und vom Regen von einander geloͤſet wird.
Weil die ganze Strecke Landes ſehr unfruchtbar,
und daher von den Koloniſten wenig beſetzt iſt, findet
man hie und da noch verſchiedne kleine Hottentottiſche
Doͤrfer, deren Einwohner kleine Hornviehherden haben,
zum Theil auch bey den wenigen hier wohnenden Bauern
im Dienſte ſind, von denen ſie Vieh und einige Kleinig-
keiten zum Lohn bekommen.
Mit dieſen ſo wohl, als mit den tiefer ins Rockenland
hinein wohnenden Hottentotten, die vor dieſem viel zahl-
reicher und beguͤterter waren, trieb die Hollaͤndiſche Com-
pagnie ehemahls Tauſchhandel, der jetzt aber groͤßten-
theils aufgehoͤrt hat. Daß er nicht mehr fortdauert,
daran iſt Ungerechtigkeit und Gewaltthaͤtigkeit Schuld,
welche die zu Betreibung deſſelben dahin geſchickten Leu-
te dabey ausuͤbten, und wobey die Gouverneure, deren
Sache es nicht zu ſeyn ſcheint, die Rechte der Menſch-
heit, ſondern vielmehr nur das Intereſſe der Compagnie
und ihr eignes geltend zu machen, faſt immer durch die
Finger ſahen. Wenn der Gouverneur einen Poſti-
rungs-Corporal mit einigen Mann hinſchickte, um gegen
Arrak, Glaskorallen, Eiſen und etwas Tobak, Ochſen
von den Hottentotten einzutauſchen, nahm dieſer nicht
nur ihre Schlachtochſen, ſondern auch Kuͤhe, Kaͤlber
und Schafe. Und dieſer Tauſch geſchah nicht allezeit
mit dem guten Willen der Hottentotten, ſondern auch
mit Zwang und oft mit Gewalt, und man nahm nicht
nur das Vieh der zu Hauſe ſich befindenden, ſondern
auch der abweſenden, ohne ſie einmahl fragen zu laſſen.
Ueberdem war man ſo niedertraͤchtig, daß man Waſſer
unter den mitgenommenen Arrak goß, und ihn dadurch
[135]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
verſchlechterte. Es iſt noch nicht lange, daß ein gewiſ-
ſer Corporal auf dieſe Weiſe fuͤnfhundert Stuͤck Ochſen
erhandelte, von denen er nur funfzig im Schlachthauſe
der Compagnie ablieferte, mit den uͤbrigen ſich ſelbſt
bereicherte. Daher bekamen denn die Hottentotten all-
maͤhlig einen ſolchen Widerwillen gegen dieſen Tauſchhan-
del, daß ſie zum Theil auf Vermehrung ihrer Herden
nicht weiter dachten, theils dieſe Gegend ganz verließen,
davon liefen, und hernach nicht ſelten den Koloniſten,
welche ſich des Landes nach und nach bemaͤchtigten, Vieh
ſtahlen. Auf ſolche Art hat dieſer Tauſchhandel, wodurch
die Compagnie wenig gewann, der fuͤr die Hottentotten
aber unbillig und grauſam war, jetzt ſo wohl auf dieſer
nord-weſtlichen, als auf der ſuͤd-oͤſtlichen Seite dieſes
Landes aufgehoͤrt, beſonders ſeitdem daſſelbe voͤllig be-
wohnt iſt, und die an Vieh reichen Koloniſten ſo viel da-
von liefern koͤnnen, als je gebraucht wird. Wollte man
dergleichen Handel wieder einfuͤhren, ſo muͤßte es mit
den Kaffern und den Namaquas geſchehen, die viel
Vieh beſitzen, und bisher in ihrem Lande von den Kolo-
niſten noch keine Beeintraͤchtigung erlitten haben.
Im Bocklande ſahen wir die im Rockenlande lie-
genden Berge gegen Oſten, die Hantumsberge in nicht
ſo weiter Entfernung gegen Norden, und weiter noͤrdlich
eine Reihe Berge, hinter welchen eine Ebene von faſt
endloſer Laͤnge liegen ſoll, die gar keine Berge, aber ver-
ſchiedne ſo genannte Salzpfannen hat, und von Buſch-
maͤnnern oder Buſchhottentotten (Boſchis-Mannen) be-
wohnt iſt. Alle jetzt genannte Berge liegen hoch, und
gleichſam uͤber den Bocklandbergen.
Die Buſchhottentotten haben den ſchlechteren, ma-
gerern, kahlern und kaͤltern Theil der ſuͤdlichen Spitze von
Afrika inne, und wohnen noͤrdlich und oͤſtlich vom Lande
[136]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
der Namaquas, quer uͤber dem Rockenlande und ganz bis
nach den Schneebergen hin. Dies Volk iſt auch unter
allen das aͤrmſte und elendeſte. Selten oder nie beſitzen
ſie Vieh; oft haben ſie nicht einmahl einen gewiſſen
Wohnort, ſondern ſchwaͤrmen im Lande umher, leben
von Rauben und Stehlen, und halten ſich des Nachts
in Hoͤhlen auf. Viele gehen auch ganz nackt. Ver-
ſchiedne glaubwuͤrdige Leute haben mir erzaͤhlt, daß ſie,
wenn ſie des Nachts in Loͤcher unter der Erde kriechen,
manchmahl ſich ſo viele von ihnen auf einander legen, bis
das Loch voll iſt, und daß alsdann der, welcher oben zu
liegen kommt, ſich mit dem Felle eines hier ſo genannten
Dachſes (Das), das iſt eines Capſchen Kavia (Cavia
Capenſis) gegen Wind und Kaͤlte zudeckt. Von Farbe
ſind ſie gelbbraun, und etwas kleiner als Hottentotten,
und haben ſehr kleine und ſchmaͤchtige Glieder. Der
Bauch, welcher bey ihnen ſehr weit hervorſteht, macht
beynahe den ganzen Menſchen aus.
Dieſe Buſchhottentotten hatten mehrere Jahre hin-
durch die ſich hier ausbreitenden Koloniſten, wie auch die
im Rockenlande und bey den Schneebergen, beunruhigt,
ihnen ihr Vieh weggeſtohlen, verſchiedne von ihnen ſelbſt
ermordet, und ihre Hoͤfe in Brand geſteckt. Deswe-
gen hatte man von Zeit zu Zeit eine Menge Leute deta-
ſchirt, um ſie zu verjagen, und beſonders hatte man im
vorigen Jahre, nach drey verſchiednen Gegenden, drey gro-
ße Commando’s abgeſchickt. Ein ſolches Commando,
das hundert Mann ſtark war, und nur aus zwey und
dreyßig Chriſten, uͤbrigens aus dienenden Hottentotten
beſtand, war gegen die Namaquas Buſchmaͤnner ausge-
ſchickt, und begegnete uns jetzt, indem es von ſeiner Expe-
dition zuruͤckkam. Sie hatten auf dieſem Heerzuge un-
gefaͤhr hundert dieſer wilden Leute getoͤdtet und zwanzig zu
[137]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
Gefangenen gemacht, die aber meiſtentheils kleine Kin-
der waren, und zum Theil mitgefuͤhrt wurden. Im
Jahr 1765 ſollen ſie bey einer aͤhnlichen Expedition
hundert und ſechs und achtzig todtgeſchoſſen haben.
Von den jetzt dorther zuruͤckkommenden Chriſten hatte
keiner das Leben verlohren.
Die Hottentotten werden wie Bundesgenoſſen an-
geſehen, und duͤrfen daher nicht zu Sklaven gemacht
werden. Diejenigen von ihnen aber, welche im Kriege
gefangen genommen werden, beſonders junge Leute, wer-
den auf einige Zeit Leibeigene, und muͤſſen ohne Lohn die-
nen, duͤrfen aber nicht an andre verkauft werden. Wenn
ein Koloniſt ein aͤlternloſes Hottentottiſches Kind zu ſich
nimmt, um es groß zu ziehen, ſo muß es zwar bis in
ſein fuͤnf und zwanzigſtes Jahr umſonſt dienen; alsdann
aber hat es Freyheit, entweder davon zu gehen, oder
noch laͤnger, jedoch fuͤr beſtimmten jaͤhrlichen Lohn, zu
dienen.
Die Buſchmaͤnner fuͤgen indeſſen nicht nur den
Koloniſten Schaden zu, ſondern beſtehlen und berauben
auch die hier wohnenden andern Hottentotten, welche
auch von jenen durch die unter ihnen ausgeuͤbten Gewalt-
thaͤtigkeiten und Pluͤnderungen groͤßtentheils wirklich rui-
nirt ſind, und ſich daher in Menge bey den Koloniſten
in Dienſt gegeben haben.
Die Buſchhottentotten gebrauchen bisweilen
Wurfſpieße, die aber dickere und kuͤrzere Schafte haben,
als die Aſſagayen der Kaffern. Sie bedienen ſich ihrer
nicht nur zum Werfen, ſondern auch das geſtohlne Vieh
damit todt zu ſtechen. Ihr eigentliches Gewehr aber,
womit ſie Krieg fuͤhren und ſich vertheidigen, ſind Bo-
gen und giftige Pfeile, womit ſie ſehr gut umzugehen
wiſſen. Der Pfeil iſt mit einem dreyeckigen duͤnnen
[138]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Eiſen beſchlagen, das an einem Knochen feſt gebunden
iſt, der einen Finger lang, und an deſſen Ende ein
Rohr befeſtiget iſt. Dies Eiſen ſo wohl, als die Schnur
oder das Strick, womit es an den Knochen gebunden
iſt, beſtreichen ſie hernach mit zubereitetem Schlangen-
gifte. Die Buſchmaͤnner ſind die geuͤbteſten Schuͤtzen
unter allen Hottentotten, und man ſagt, daß ſie ihre
Pfeile zweyhundert und achtzig Schritt weit ſchießen
koͤnnen. Eben ſo gut wiſſen ſie auch, wie die Paviane,
wenn man mit Steinen nach ihnen wirft, mit der groͤß-
ten Geſchwindigkeit und Behendigkeit den auf ſie ge-
ſchoßnen Pfeilen auszuweichen; und wenn ſie die Flin-
tenkugeln der Europaͤer nur ſehen koͤnnten, wuͤrden
ſie es ſich zutrauen, auch dieſen auszuweichen. Im
Laufen haben ſie ſolche Fertigkeit, daß ſie von niemand
darin uͤbertroffen werden, ſondern es beynahe laͤnger als
ein Pferd aushalten koͤnnen. Auf ebenem Felde kann
man ſie zu Pferde wohl einhohlen; kaum aber, wenn
der Weg ſteinig iſt, und niemahls an bergigen Orten.
Hunger koͤnnen die Buſchhottentotten ebenfalls ſehr
lange aushalten. Dagegen ſind ſie aber auch im Stande,
wenn ſo viel da iſt, unglaublich viel zu eſſen, und eben
dadurch wird ihnen der Unterleib ſo erſtaunlich ausge-
dehnt. Wenn ſie Hunger leiden muͤſſen, binden ſie einen
Riemen um den Leib, und ſchnuͤren ſich denſelben nach
und nach ſo zu, daß der Nabel endlich gegen den Ruͤck-
grad zu ſitzen kommt.
Wenn ein Buſchmann eine Schlange gefangen
und getoͤdtet hat, ſchneidet er ihr den Kopf nicht ab, ſon-
dern beißt ihn mit den Zaͤhnen ab, ſchneidet darauf die
Giftblaſe heraus, und trocknet das Gift ein wenig an
der Sonne, bis es zaͤhe wird. Hernach thut er den
Saft irgend eines giftigen Baums, gewoͤhnlich vom gif-
[139]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
tigen Hammerſtrauche (Ceſtrum venenatum), hinzu,
welches macht, daß das Gift am Pfeile beſſer feſt ſitzt. Ue-
brigens ſagt man, daß die Hottentotten und Buſchmaͤn-
ner ſich gegen die Wirkung giftiger Pfeile und des Biſ-
ſes giftiger Thiere dadurch abhaͤrten, daß ſie ſich von Zeit
zu Zeit von giftigen Schlangen, Skorpionen und der-
gleichen beißen laſſen, bis ſie daran gewoͤhnt ſind. Ei-
nige ſollen aber doch durch dergleichen Verſuche das Le-
ben einbuͤßen. Auch giebt man den Urin eines auf dieſe
Art praͤparirten Hottentotten fuͤr ein gutes Gegengift
aus, ſo daß er deswegen von ſolchen, die von Schlangen
gebiſſen ſind, getrunken wird.
Wenn es donnert, ſind die Buſchhottentotten ſehr
boͤſe und fluchen, weil ſie glauben, der Donner ſey die
Wirkung eines boͤſen Weſens.
Um das Eigenthum der Koloniſten vor den Anfaͤl-
len der Hottentotten zu ſichern, hat die Compagnie oſt-
waͤrts von Zeit zu Zeit ſo genannte Poſten, oder Plaͤtze,
die mit einigen Soldaten beſetzt ſind, anlegen laſſen.
Auf der Weſt-Seite aber jenſeits der Berge findet ſich
nicht ein einziger dergleichen, und doch waͤren ſie gerade hier
am noͤthigſten. Die Bauern in dieſer Gegend muͤſſen da-
her gegen die umherſtreifenden Buſchmaͤnner zu ihrer
Vertheidigung ſich ſelbſt bewaffnen, und die reicheren
unter ihnen muͤſſen die andern gewoͤhnlich mit Ku-
geln, Pulver, Pferden und Mannſchaft verſehen.
Zum Feld-Corpora beſtellt man gewoͤhnlich einen von den
Bauern, der alsdann von anderm Buͤrgerdienſte frey iſt.
Soll ein etwas großes Commando ausgeruͤſtet werden, ſo
pflegt die Regierung auf Koſten der Compagnie Brannt-
wein, Kugeln, Pulver und Handfeſſeln mitzuſchicken.
Wenn Fremde auf einem Bauerhofe ankommen,
pflegen die da befindlichen Hottentotten allezeit jeden von
[140]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
ihnen einen beſondern, auf ſein Ausſehen, ſeine Hand-
thierung oder eine andre Eigenſchaft paſſenden, Nahmen
zu geben. Auch mit mir und meiner Reiſegeſellſchaft
machten ſie es an verſchiednen Orten ſo.
Wenn wir uns, welches ſehr oft geſchah, unter
bloßem Himmel gelagert hatten, und vergaßen, uns
mit dem Schießgewehr Feuer zu verſchaffen, ſo be-
dienten die Hottentotten ſich einer andern Methode, die
eben ſo artig als ſicher iſt. Sie gebrauchen dazu zwey
Stuͤcke harten Holzes, wovon das eine laͤnglich geruͤndet,
und das andere flach und mit einem Loche durchbohrt iſt.
Das platte Stuͤck legen ſie auf die Erde, und treten mit
dem Fuße auf das eine Ende, um es feſt zu halten.
Darauf legen ſie trocknes Gras rund um das Loch, ſtecken
das laͤnglich runde Holz hinein, und drillen es mit den
Haͤnden ſo geſchwind darin herum, daß das Gras von
dem ſtarken Reiben Feuer faͤngt.
Wenn wir im freyen Felde unſer Fleiſch in unſerm
Topfe kochten, ſo kamen bisweilen Hottentotten herbey,
die, nachdem wir das Fleiſch herausgenommen hatten,
mit dem im Topfe zuruͤckgebliebnen Fette, zuerſt ſich
uͤberall ſchmierten, und hernach den Ruß am Topfe uͤber
den ganzen Leib ſtrichen.
Unter den Gewaͤchſen, die wir in dieſem Diſtrikte
antrafen, bemerkte ich beſonders gewiſſe giftige Zwiebeln
(Gift-Bolles) von der Gattung der zweyzeiligen Amaryl-
lis (Amaryllis diſticha), die an verſchiednen Orten ſehr
haͤufig wachſen. Sie haben große Blumenſtraͤuße.
Die Wurzel iſt beynahe ſo groß, als eine geballte Fauſt,
und dabey giftig. Die Hottentotten gebrauchen ſie mei-
ſtens dazu, ihre Pfeile damit zu vergiften, mit denen
ſie hernach das kleinere Wild, als die Springboͤcke, und
dergleichen ſchießen. Die Zwiebeln haben, wie man
[141]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
glaubt, ſtaͤrkeres Gift, wenn ſie im Schatten, als wenn
ſie im Sonnenſcheine wachſen.
Dieſer Theil des Bocklandes, welcher auch das
unterſte Bockland heißt, liegt zwar ſehr hoch; demun-
geachtet verſichert man, daß nur ungemein ſelten Schnee
da falle.
An den folgenden Tagen ſetzten wir unſre Reiſe
laͤngs dem Bocklande nach dem ſo genannten Hantumlande
fort. Das Land wird hier allmaͤhlig niedriger. Der
Diſtrikt Hantum faͤngt mit zerſtreut liegenden Bergruͤcken
an; weiterhin liegt ein hoher Berg, der eigentlich den
Nahmen Hantumsberg hat, und zwiſchen welchem ein
Grund oder offnes Thal hingeht, wodurch wir ritten.
Oben iſt dieſer Berg eben, und mit dem Rockenlande
ſcheint er gleiche Hoͤhe zu haben. So bald das Bockland
zu Ende geht, wird das Land je laͤnger deſto trockner, und
ein voͤlliges Karro. Es hat aber anſehnliche Fluͤſſe, die
jetzt noch Waſſer, das ſalzig ſchmeckte, enthielten, im
Sommer aber ganz austrocknen.
In Hantum ritten wir van Rhens Viehhof am
Rohrbrunnen (Riet-Fountain), und hernach Heinrich Laus
Viehhof vorbey zu dem Koloniſten Abraham van Wyk. Die-
ſer Mann war ſo dick und fett, als ich ihrer wenige geſehen
habe. Als die Hunde durch ihr Bellen die Ankunft Frem-
der ankuͤndigten, trat er in ſeine Stubenthuͤr, um ſeine
Gaͤſte zu empfangen. Mein Gefaͤhrt ſo wohl als ich ver-
wunderten uns nicht wenig, in einem Striche Landes,
der ſo unbeſchreiblich mager war, und worin wir ver-
ſchiedne Tage lang gereiſet waren, ohne irgend ein leben-
diges Geſchoͤpf anſichtig zu werden, einen ſo wohl beleib-
ten, ſtarken und fetten Mann anzutreffen.
In dieſer Gegend fanden wir auch den merkwuͤr-
digen Afrikaniſchen Stechſchwamm (Hydnora Africana),
[142]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
den ich ſchon ſeit langer Zeit kennen zu lernen gewuͤnſcht
und aufgeſucht hatte. Er gehoͤrt unſtreitig zu den aller-
ſonderbarſten Gewaͤchſen, die in neuern Zeiten bekannt
geworden ſind. Er waͤchſt allezeit unter den Buͤſchen und
auf den Wurzeln der Malabariſchen Euphorbie (Euphor-
bia Tirucalli). Der unterſte Theil deſſelben, welcher
die Frucht iſt, wird nicht nur von den Hottentotten ge-
geſſen, ſondern dient auch den Fretten (Viverra), Fuͤch-
ſen und andern Thieren zur Nahrung.
Weiter kamen wir zu Chriſtian Bocks Hofe, und
von da zum Rhinocerosfluſſe (Rhonnoſter Rivier), wo
wir genoͤthigt waren, auszuſpannen und zu uͤbernachten,
obgleich hier ein Loͤwe vor zwey Tagen ein Zebra getoͤdtet
und noch nicht voͤllig verzehrt hatte.
Ueberhaupt haben hier die Loͤwen in den Gebirgen
ihren Aufenthalt, und ſind fuͤr die Herden der Landleute
eben ſo unangenehme Nachbaren, als die Buſchmaͤnner.
Unter den hieſigen Einwohnern ſind auch viele, die in Ge-
fahr geweſen ſind, von dieſen ſchrecklichen Raubthieren
umgebracht zu werden. Unter andern erzaͤhlte man mir
von einem Koloniſten Nahmens Korf, der nicht weit von
dem erwaͤhnten Fluſſe wohnt. Ein Loͤwe hatte ſich in
dem dicht bey ſeinem Hofe fließenden Bache ins Schilf
gelegt, ſo daß von ſeinen Leuten niemand vor Furcht es
wagte, Waſſer zu hohlen oder mit den Kuͤhen auf die
Weide zu gehen. Der Bauer ſelbſt war daher in der
Nothwendigkeit, ihn anzugreifen, und zu verſuchen,
ob er ihn wegjagen koͤnnte. Er nahm zu dieſem Ende
einige Hottentotten mit, denen aber auch ſehr bange war.
Da aber der Loͤwe im dicken Schilfe verſteckt lag, konnte
er ihn nicht ſehen, folglich auch nicht treffen, ſondern
er mußte verſchiedne Schuͤſſe aufs Gerathewohl ins Schilf
thun. Der Loͤwe, hiedurch gereitzt, ſtuͤrzt auf ihn los.
[143]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
Dieſer kann ſich nicht vertheidigen, weil er ſein Gewehr
abgeſchoſſen hat und keine andre Waffen bey ſich fuͤhrt,
auch die Hottentotten ihn im Stiche gelaſſen haben, und
davon gelaufen ſind. Der Loͤwe greift ihn an und packt
ihn um den Leib. In dieſem Augenblicke faßt jener den
Muth, die eine Hand dem Loͤwen in den Rachen zu ſtecken,
und hindert ihn dadurch ihn zu zerreißen. Endlich aber
verblutet er ſich ſo ſehr, daß er in die ſtaͤrkſte Ohnmacht
ſinkt. Der Loͤwe haͤlt ihn in dieſem Zuſtande fuͤr todt,
laͤßt ihn los, geht davon und begiebt ſich wieder ins Schilf,
wo er darauf einige Tage liegen blieb. Als der Bauer
wieder zu ſich ſelbſt kam, fand er, daß er von den Klauen
des Thiers in beyden Seiten ſchlimme Wunden bekommen
hatte, und ſeine Hand ſo zerbiſſen war, daß er keine
Hoffnung haben konnte, daß ſie je geheilt und wieder
brauchbar werden wuͤrde. Kaum war er zu Hauſe ge-
kommen, ſo nahm er ſelbſt — welch ein Muth! — das
Beil in die andre Hand, legte die verwundete Hand auf
einen Block, ſetzte das Beil darauf, befahl ſeinem Knechte,
mit einer Keule zuzuſchlagen, und hieb ſich ſo die Hand
ſelbſt ab. Hierauf ließ er die Stelle mit Kuhmiſt und
einer daruͤber gelegten Blaſe gehoͤrig verbinden, und die
Wunde durch den Gebrauch der gewoͤhnlichen aus dem
Decocte wohlriechender Kraͤuter, etwas Schmalz und
Wachs bereiteten Salbe, wieder zuheilen. — Eine
andre Geſchichte hatte ſich erſt vor einiger Zeit zugetra-
gen. Sie iſt dieſe. Ein alter Landmann ging mit ſei-
nem Sohne aus, um einen Loͤwen von ſeinem Hofe zu
verjagen. Dieſer ſprang dem alten Manne in Geſchwin-
digkeit auf den Ruͤcken. Der Sohn aber ließ ihm nicht
Zeit, ihn zu toͤdten, ſondern ſchoß ihn in dieſer Stellung
todt, ohne ſeinen Vater zu verſehren. — Von einer
Wittwe in der Gegend der Schneeberge erzaͤhlt man auch
[144]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
eine merkwuͤrdige und dabey ſchreckliche Begebenheit.
Dieſe ging aufs Feld, und wollte einen Loͤwen, der ihrem
Vieh viel Schaden gethan hatte, und jetzt in der Nachbar-
ſchaft deſſelben ſich aufhielt, vertreiben. Allein der Loͤwe kam
auf ſie zugerannt, biß ihr ſogleich einen Arm ab und fraß
ihn auf. Hierauf fiel ſie in eine Ohnmacht, und da fraß
er ihr ſo gar den Kopf auf. Eine Hottentottiſche Dienſt-
magd wollte ihr zu Huͤlfe kommen, wurde aber auch von
ihm aufgefreſſen. Die Kinder im Hauſe ſahen durch die
Ritzen der Hausthuͤr dem entſetzlichen Schauſpiele zu, gru-
ben ſich darauf durch die Erde unter der Wand hinten im
Hauſe, und liefen zu dem naͤchſten Hofe.
Von dieſem gefaͤhrlichen Platze begaben wir uns
nach Daunis, wo die Buſchmaͤnner die Wohnung ver-
brannt, und die ganze Kolonie zerſtoͤhrt haben, ſo
daß der Beſitzer mit ſeinen Leuten ſich anderswohin bege-
ben muͤſſen.
Das Land iſt hier eben und hat verſchiedne nach
Nord-Oſt und Suͤd-Weſt fortlaufende Berge. Vor
uns lagen jetzt die Rockenlandberge.
Auch hier beſchrieb man uns die ſo genannte Moͤhre
(Moorwortel) als eine Wurzel, woraus mit einem Zu-
ſatze von Waſſer und Honig die Hottentotten ſich einen
berauſchenden Trank bereiten. Die Zeit, dieſelbe zu
ſammeln, iſt beſonders im November und December.
Ferner ritten wir laͤngs dem trocknen Fluſſe (Droo-
ge-Rivier) hinauf, wo zwey Bauern, die uns nach-
kamen, erzaͤhlten, ſie haͤtten geſehen, daß geſtern ein
Loͤwe uns den ganzen Weg auf dem Fuße nachgegangen,
endlich aber bey dem Anblick einer Herde Schafe umge-
kehrt und auf dieſe zugerannt ſey.
Hierauf ging unſre Reiſe oberhalb der Rockenland-
berge und laͤngs derſelben fort; von da weiter durch ein
Thal,
[145]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
Thal, das von dieſen Bergen gebildet wird, und das
Thor (Poort) heißt, und endlich die Berge ſelbſt hin-
auf zu Wilhelm Steenkamps Hofe. Hier heißt das Land
das unterſte Rockenland (Onderſte Rogge-Veld), aber
nicht deswegen, weil es eine niedrigere Lage, als die andern
Theile des Rockenlandes hat, ſondern weil es vom Cap
am weitſten entfernt liegt. Der Nahme Rockenland
kommt von einer Art wild wachſenden Rockens her, der
daſelbſt an den Buͤſchen und Straͤuchen in Menge gefun-
den wird.
Im Winter iſt es in dieſen Gegenden ſehr kalt;
es friert und ſchneiet alsdann. Daher kann in dieſer
Jahrszeit ſich hier kein Vieh aufhalten, ſondern es wird
in das Karroland hinunter getrieben. Die Koloniſten
im unterſten Rockenlande, die mit guten Haͤuſern verſe-
hen ſind, bleiben bisweilen fuͤr ihre Perſonen da; die
aber im mittelſten Rockenlande, ziehen insgeſammt weg.
Das ganze Land iſt ohne Wald, und hat nur die
Zaſerblume (Meſembryanthemum), den Federtraͤger
(Pteronia), die Stoͤbe (Stoebe), die Othonne (Othon-
na) und einige andre, die aber ſaͤmmtlich auch nur in
kleinen Straͤuchen wachſen.
Ferner beſteht das ganze Rockenland eigentlich aus
Einem großen, weiten Berge, aber doch ſo, daß es Hoͤhen
und Thaͤler enthaͤlt, und keine beſonders hohe Bergruͤcken
hat, und deswegen nicht eben, ſondern ſehr uneben iſt.
Die oberſte Schicht des Berges iſt harter Sandſtein, der
in großen Stuͤcken bricht, und zum Bau der Haͤuſer und
Kraale ſehr brauchbar iſt. Die mittelſte Lage beſteht aus
Schiefer, wie man in den Kluͤften und Ritzen ſehen
kann; ſie iſt tiefer als die oberſte. Die unterſte enthaͤlt
rothen Sand und Lehm, mit darin eingeſchloßnen, theils
groͤßern, theils kleinern, runden Feldſteinen.
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. K
[146]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Das Rockenland iſt nun beynahe ſeit dreyßig Jah-
ren von Koloniſten bewohnt. Die Hoͤfe liegen aber nicht
weit ins Land hinein, ſondern nahe am Berge und laͤngs
demſelben, ſo daß der bewohnte Theil noch ziemlich ſchmal
und klein iſt. Das Erdreich im unterſten Rockenlande
beſteht meiſtentheils aus ſchwarzbrauner, mit etwas Lehm
vermiſchter Erde, die locker iſt, und leicht Borſten be-
kommt. Im ganzen Rockenlande, ſo wie auch in Kam-
debo, regnet es des Winters nicht, ſondern nur im Fruͤh-
linge und Sommer, und alsdann allezeit mit Gewitter.
Weiter kamen wir zu Jakob Laue, Adrian Laue
und Gerd dvan Wyk. Die Hoͤfe dieſer Koloniſten liegen
alle in Thaͤlern zwiſchen Bergen. Auf einem der in die-
ſer Gegend liegenden Berge ſahen wir das unten liegende
Karro, ferner den Windberg (Wind-Hoek), Mas-
kamma, den Tafelberg am Elefantenfluſſe, das kalte
Bockland und den Winterberg in Rotheſand (Roode-
Zands-Winter-Hoek), welches alles in Einer Strecke liegt.
Die Berge im Bocklande und in Rotheſand ſind niedriger,
als das Rockenland. Das Karro liegt zwiſchen beyden,
und zwar hoͤher, als dasjenige Karroland, durch wel-
ches wir zwiſchen dem Elefantenfluſſe und dem Bocklande
gekommen waren, beynahe ſo hoch, als Maskamma und
die Berge im Bocklande.
Obgleich der Sommer herannahete, war es doch
noch betraͤchtlich kalt, und des Nachts fror es. Des
Nachmittags war auch der Wind allezeit kalt.
Nunmehr fuͤhrte unſer Weg uns zu Thomas Nels
und von da zu Adrian van Wyks Hofe. Dieſer letztere
liegt da, wo das Land am hoͤchſten iſt, und ein entſetzlich
tiefes Thal geht von hier nach dem Karrolande hinab.
Auch iſt hier ein Weg nach dem Karro und nach dem
Senfberge (Moſtards-Hoek). Im Rockenlande iſt
[147]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland
der Weg allenthalben ſteinig, ja man kann wohl ſagen,
mit runden und eckigen Steinen ganz angefuͤllt.
Hier hatte ich wieder Gelegenheit, einige die Hot-
tentotten betreffende Bemerkungen zu machen. Sie ha-
ben in dieſer Gegend die Gewohnheit, ihre Todten in
Bergkluͤften zu begraben. Die in ſtarke Ohnmacht fal-
len, haben das harte Schickſal, ſogleich begraben zu wer-
den. — Daruͤber, daß die bey den Bauern dienenden
und beynahe nackt gehenden, Hottentotten die Kaͤlte ſo
gut vertragen koͤnnen, verwunderte ich mich ſehr. Sie
haben nur uͤber den Ruͤcken ein Schaffell, deſſen rauhe
Seite ſie des Winters inwendig, und des Sommers aus-
wendig kehren. Beine und Fuͤße ſind gemeiniglich bloß.
Bisweilen frieren aber doch einige todt. — Ein Hot-
tentottiſches Maͤdchen ſah ich hier, deren linker Arm beym
Elnbogen ſchon aufhoͤrte. Sie war ſo gebohren. Bey
der Geburt hatte die Mutter das Kind ums Leben brin-
gen wollen; denn die Muͤtter pflegen es bey den Hotten-
totten ſo zu machen, wenn ſie Kruͤppel gebaͤhren. Ein
Koloniſt aber war ſo mitleidig geweſen, es zu retten.
Die Koloquintengurke (Cucumis colocynthis)
nennt man hier wilde Gurke. Die Hottentotten eſſen
ſie; bisweilen kommt ſie, mit Eſſig eingemacht, ſo gar
auf den Tiſch der Koloniſten, ob ſie gleich ungemein bit-
ter und herbe ſchmeckt. Man ſagt, daß auch die Schafe
ſie gern freſſen. — Die gegliederte kriechende Stapelie
(Stapelia articulata repens), ein dickes Gewaͤchs ohne
Blaͤtter, wird ebenfalls, ſo wohl von den Hottentotten als
den Koloniſten eben ſo wie Gurken mit Eſſig eingemacht,
gegeſſen.
Karreholz nennt man hier den Sumach (Rhus),
eine Holzart, woraus die Hottentotten in dieſen Gegen-
den ihre Bogen machen.
K 2
[148]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Aus den innern Theilen des Landes kommen oft
Springboͤcke hieher. Sie ziehen ſo gar ins Bockland und
wohl noch etwas weiter. Dergleichen Wanderungen,
die man mit den Zuͤgen der Bergmaͤuſe im Schwediſchen
Lappland vergleichen kann, geſchehen von ihnen nach Ver-
lauf gewiſſer Jahre. Sie kommen alsdann zu vielen
Tauſenden, gehen nach einander in einer Reihe und freſ-
ſen da, wo ſie durchkommen, alles Gras, das ſich nur
findet, ab. Auf dieſem Zuge laſſen ſie ſich ſchlechterdings
durch nichts hindern. Bekommt eine Ziege unterwegs
Junge, ſo laͤßt ſie dieſe liegen. Wenn die Bauern auch
unter ſie ſchießen, ſo ſetzen ſie demungeachtet ihren Weg
ununterbrochen fort. Nicht einmahl durch Loͤwen und
andre Raubthiere, die dem Haufen nachfolgen, und viel
Verwuͤſtung darunter anrichten, laſſen ſie ſich abſchrecken.
Kommen ſie in der Naͤhe eines Hofes vorbey, ſo bleibt
auf dem Felde faſt nichts fuͤr das Vieh des Eigenthuͤmers
zu freſſen uͤbrig, ja nicht einmahl Waſſer zum Saufen.
Die Saatfelder muͤſſen die Landleute alsdann Tag und
Nacht bewachen laſſen, ſonſt freſſen ſie ihnen das Korn ſo
weg, daß ſie faſt nichts uͤbrig behalten.
Weiter kamen wir zu einer Quelle auf ebenem Fel-
de, wo wir die Nacht zubrachten, und darauf uͤber ei-
nen Berg zu Paul Kerſte beym Kreutzbrunnen (Kruys-
Fountain). Hier faͤngt das mittelſte Rockenland an,
das von dem vorhergehenden nur durch einige Bergruͤcken
abgeſondert iſt.
Als wir Nachmittags fertig waren, von hier auf-
zubrechen, und unſre Pferde geſattelt hatten, begegnete
mir der aͤußerſt unangenehme Vorfall, daß eine Schlange
mein Pferd, da es im Fluſſe unterhalb des Hofes getraͤnkt
wurde, unten in die Bruſt biß. Anfangs achtete ich dies
zwar nicht, ſondern ich ſetzte mich auf. Nicht lange
[149]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
hernach aber wurde ihm der ganze Fuß ſteif, und der Ge-
ſchwulſt nahm in Geſchwindigkeit ſo zu, daß, ehe ich ei-
nen Steinwurf weit vom Hofe war, das Pferd nicht
mehr fort konnte, ſondern auf der Stelle zuruͤck bleiben
mußte. Man ſagte mir, daß ſich hier eine Art kleiner,
kaum eine Viertelelle langer, aber ſehr giftiger Schlan-
gen in Menge aufhalten; von dieſen mußte eine es ſeyn,
die den Biß gethan hatte.
In dem Hauſe unſers folgenden Wirths, Kornelis
Kutſee, war der Sohn vor einiger Zeit auch von einer
giftigen Schlange in die Hand gebiſſen. Man hatte die
Hand ſcariſicirt, und einen Schroͤpfkopf aufgeſetzt, um
das Gift herauszuziehen. Hierauf hatte man die Hand
in Vitriolwaſſer geſteckt, das davon ganz ſchwarz gewor-
den war, hernach eine gewiſſe Zwiebel und zuletzt getrock-
netes Schildkroͤtenblut aufgelegt. Von dieſem behauptet
man, daß es, wenn es auf der Wunde liegt, wieder
aufweicht, fluͤſſig wird und gaͤhrt. Sollte etwa Schlan-
gengift mehr Attraction gegen Schildkroͤtenblut als gegen
Menſchenblut aͤußern, und daher auch von Schildkroͤten-
blute angezogen und eingeſogen werden?
Jeder Landbewohner, der aus dem Rockenfelde uͤber
Muſtaertshoek nach Cap und zuruͤck reiſet, muß jaͤhrlich
etwas Gewiſſes zur Wegebeſſerung erlegen. Die Land-
leute in den entferntern Gegenden ſind meiſtens arm, und
muͤſſen doch mehr Abgaben, als die andern entrichten.
Wir trafen hier wieder ein Commando an, das
die Buſchhottentotten bis ins Rockenland verfolgt hatte.
Es beſtand aus ſieben und vierzig Chriſten und uͤberhaupt
aus einigen und neunzig Mann. Dieſe hatten ungefaͤhr
zweyhundert und dreyßig Buſchmaͤnner theils getoͤdtet,
theils gefangen genommen. Einer von den Koloniſten war
bey dieſer Gelegenheit mit einem Pfeile ins Knie geſchoſſen,
[150]Dritte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
und an dieſer Wunde geſtorben. Das dritte Commando,
welches nach der Gegend der Schneeberge marſchirt war,
hatte vierhundert Buſchhottentotten getoͤdtet, und ſie-
ben Mann waren durch Pfeile bleſſirt, aber keiner hatte
das Leben verlohren.
Manchmahl traͤgt es ſich zu, daß die Buſchmaͤnner
nicht nur mit einemmahl die ganze Herde eines Landeigen-
thuͤmers wegnehmen, wenn ſie auf die Weide getrieben
wird, ſondern auch die Leute, welche das Vieh huͤthen,
ums Leben bringen. Sie treiben alsdann ſo geſchwind
ſie koͤnnen, Nacht und Tag, das geraubte Vieh ſo weit
fort, bis ſie in Sicherheit zu ſeyn glauben. Was nicht
mit kann, ſtechen ſie mit ihren Wurfſpießen todt. Waͤh-
rend der Flucht ſtellen ſie auf den Bergen Waͤchter hin,
die abgeloͤſet werden, und genau Acht geben und anzeigen
muͤſſen, ob ihnen auch von den Koloniſten nachgeſetzt
wird. In dieſem Falle verbergen ſie ſich, wenn es thun-
lich iſt, in den Gebirgen. Auf ihrem Ruͤckzuge ſchlach-
ten, braten und eſſen ſie. Haben ſie nun auf dieſe Art
eine Menge Rindvieh weggefuͤhrt, und in weiter Entfer-
nung in einige Sicherheit gebracht, ſo lagern ſie ſich da-
mit, bauen ſich Huͤtten oder Kraale entweder von Zaſer-
blumenſtrauch oder von Matten, und leben denn da bey
einander, ſo lange der Raub ihnen Nahrung giebt. Die
von der Expedition zuruͤckkommende Mannſchaft erzaͤhlte,
ſie haͤtten einen ſolchen Kraal oder Lagerplatz geſehen, der
wie ein Dorf in zwey Reihen mit Huͤtten bebauet geweſen
waͤre, und wo ſie an der einen Seite uͤber funfzig Huͤt-
ten gezaͤhlt haͤtten, aus welchen aber alle Buſchmaͤnner
bereits weggezogen geweſen. Allein hier im Rockenlande
haben dieſe Buſchhottentotten waͤhrend der beyden letz-
ten Jahre mehr als zehntauſend Schafe, und eine Menge
Ochſen geraubt, und zugleich viele Koloniſten mit ihren
[151]Reiſe durchs Bockland und ins Rockenland.
Sklaven und Hottentotten ermordet. Wenn dieſen Leu-
ten von den Koloniſten zu Pferde nachgeſetzt wird, ſo
entfliehn ſie in die Gebirge, wo ſie wie Paviane die Gip-
fel und andre unzugaͤngliche Stellen einnehmen. Bis-
weilen kriechen ſie auch in die Spalten und Kluͤfte der
Berge, und ſchießen aus dieſen Verſchanzungen mit ihren
Pfeilen. Vor dem ebenen Felde ſcheuen ſie ſich ſehr.
Wenn ſie ſich gegen ihre Feinde vertheidigen, geſchieht es
allezeit mit Bogen und vergifteten Pfeilen. Die Kolo-
niſten bewaffnen ſich dagegen ſo, daß ſie ein Fell ſich vor-
halten laſſen, worin die Pfeile ſtecken bleiben, die bis-
weilen wie ein Regenſchauer ankommen. Sehen die
Buſchmaͤnner alsdann, daß ihre Pfeile nicht durchge-
hen, ſo ſchießen ſie nicht mehr, als eine Salve. Wird
einer von ihnen mit einer Kugel verwundet, ſo ſieht man
ihn nie weinen oder im geringſten klagen. Dies Volk
ſchmiert ſich durchgaͤngig mit fetten Sachen, und daruͤber
mit einer rothen Kreide. Im Nothfall lebt es von
Schlangen, Eidechſen, dem Fleiſche von Zebra, Loͤwen
und Pavianen, auch von Zwiebeln, Ameiſeneyern und
verſchiednen andern Dingen. Die Zaſerblume (Me-
ſembryanthemum) kauen ſie erſt, und hernach rauchen
ſie ſie.
Nun ritten wir weiter laͤngs dem Fiſchfluſſe (Viſch-
Rivier) Oliviers Hof vorbey zu Jakob Theron, und
kamen den 3. December zu Eſterhuyſens Hof. Hier
mußten wir einige Tage verweilen, weil ein entſetzliches
Ungewitter mit Sturm, Kaͤlte, Regen, Hagel und
Schnee einfiel und vier und zwanzig Stunden unaufhoͤr-
lich anhielt. Wir waren genoͤthigt, uns nicht nur in der
Stube zu halten, ſondern auch unſre Oberroͤcke anzu-
ziehen, um uns gegen dieſe ungewoͤhnliche und unvermu-
thete Kaͤlte zu ſchuͤtzen. Dieſe Kaͤlte ruͤhrte uͤbrigens
[152]Dritte Abtheil. Zweyter Abſchnitt. u. ſ. w.
theils von der Hoͤhe des Gebirges, theils von der Heftig-
keit des Nord- und Nord-Weſt-Windes her. Ueberhaupt
iſt, wie ich ſchon bemerkt habe, die Kaͤlte in dieſem Rocken-
lande des Winters ſehr ſtreng, und es faͤllt Schnee bey
ſtarkem Froſte. Die Bauern wohnen hier deswegen
nur einige Monathe im Jahr, naͤmlich vom October bis
May, bauen hier ihre Haͤuſer und ſaͤen ihren Weitzen.
So wohl Saat als Wohnung muͤſſen ſie waͤhrend der
Zeit, da ſie ſich in dem unten liegenden Karrolande auf-
halten, den Buſchhottentotten Preis geben. In dieſen
niedrigen Gegenden regnet es gewiſſe Monathe im Jahr,
ſo daß ſie da mit ihrem Vieh eine Zeit lang bleiben koͤnnen,
bis die herannahende Duͤrre ſie zwingt, wieder aufs Ge-
birge ins Rockenland zu ziehen. — Der Berg iſt hier
in Vergleichung mit dem unterwaͤrts liegenden Karro-
lande wenigſtens ſo hoch, als der Tafelberg am Cap. Ein
Fahrweg geht von hier nach dem Karrolande.
Auf dem Wege hieher war mir ein Unfall zugeſto-
ßen, der mich ſehr verdrießlich machte, und den ich auf
ebenem Wege am wenigſten vermuthen konnte. Durch
die Unvorſichtigkeit meiner Hottentotten, die gegen einen
an der Seite liegenden Stein fuhren, fiel mein Karren
um, das Zelt, womit er bedeckt war, zerriß, und ein
großer Theil meiner Kiſten und Kraͤuterpacke wurde ſo
ruinirt, daß ich vieles wegwerfen mußte.
Uebrigens ſah ich hier Schnuͤre Geſchmeide, wel-
che die Hottentotten aus Straußeyern gemacht hatten.
Dieſe ſchleifen ſie zu kleinen, runden Ringen, die ſie zu-
ſammenreihen. Dieſer Schmuck ſieht nicht uͤbel aus.
[153]
Dritter Abſchnitt.
Ruͤckreiſe aus dem Rockenlande
nach Cap.
Gern haͤtten wir unſre Reiſe noch weiter ins Rocken-
land hinauf fortgeſetzt. Allein weil unſre Ochſen theils
zu mager waren, theils ihnen die Fuͤße ſo weh thaten,
daß ſie auf dieſen ſteinigen und ſcharfen Bergen nicht
laͤnger gehen konnten, waren wir gezwungen, auf die
Erfuͤllung dieſes Wunſches Verzicht zu thun. Den 3.
December fruͤh begaben wir uns daher von jenem kalten
Orte wieder weg und den Berg hinab. Bey unſrer Ab-
reiſe lag noch Eis von der Dicke eines Speciesthalers.
So lange wir noch auf dem Berge waren, hatten wir
ſtrenge Kaͤlte und Wind. Je weiter wir aber hinunter
kamen, deſto ſtiller und waͤrmer wurde es, bis wir nach
einer Zeit von drey Stunden das unten liegende Karro
erreichten, da denn die Hitze wieder anfing unertraͤglich
zu werden.
Der Weg den Berg hinab ging uͤber verſchiedne
jaͤhe Hoͤhen und Abſaͤtze. Deswegen mußten wir nicht
nur beyde Hinterraͤder mit eiſernen Ketten hemmen, ſon-
dern auch den Wagen von den Hottentotten mit Stri-
cken feſthalten laſſen, damit er weder umfallen, noch
auf die Ochſen hinabſtuͤrzen moͤchte. Der oberſte Ab-
ſatz war der ſteilſte. Er heißt Uytkyk (Ausſicht),
weil man da ungemein weit umherſieht. Der andere hat
den Nahmen Moritzhoͤhe (Maurits-Hoogt).
In dem trocknen und magern Karrolande hatten
wir jetzt eine ſehr weite Strecke zu durchreiſen, ehe wir
hoffen konnten, nach einem bewohnten Orte zu gelangen.
Aus dieſer Urſache hatten wir uns auf dem letzten Bauer-
[154]Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
hofe im Rockenlande mit ſo viel Zehrung verſorgt, als
wir auf einige Tage noͤthig zu haben glaubten. Und ſo
ſahen wir uns im Stande, unſre Reiſe, durch eine
brennende Wuͤſte fortzuſetzen, eine Wuͤſte, die an Waſ-
ſer ſo arm, daß kein Sperling da leben kann, und von
lebendigen Geſchoͤpfen ſo ſehr entbloͤßt iſt, daß ſich nur
hie und da in Loͤchern einige Maͤuſe aufhalten, denen dem
Anſcheine nach die ſaftigen Blaͤtter der Straͤuche ſo viel
verſchaffen, als noͤthig iſt, um zugleich den Hunger zu
ſtillen und den Durſt zu loͤſchen. Der Aufgang der Son-
ne lockt dieſe Erdmaͤuſe jeden Morgen hervor. Ihre
Wohnungen gehen allezeit ſchief hinunter, und haben die
Oeffnung nach Oſten. Wir verſuchten zwar, einige
davon, die mit dem Kopfe in die Hoͤhe kamen, zu ſchie-
ßen; fanden aber ſo wohl zu unſrer Verwunderung, als
zu unſerm Verdruſſe, daß ſie ſich mit unglaublicher Ge-
ſchwindigkeit in ihre Loͤcher zuruͤckzogen, ſo bald ſie
das Feuer anſichtig wurden. Verſchiednemahl gab ich
mir alle Muͤhe, mit der vortrefflichſten Buͤchſe eine zu
treffen, ſchoß aber jedesmahl fehl. Endlich verfiel ich
darauf, etwas Papier los auf die Zuͤndpfanne zu legen,
ſo daß ſie den Blitz des Zuͤndpulvers nicht ſehen konnten,
und da ertappte ich einige.
Doch ich muß unſre Reiſe naͤher beſchreiben. Von
dem zuletzt genannten Hofe im Rockenlande kamen wir
zu dem Koloniſten Meyburg, deſſen Hof am Fuße des
Berges liegt, von da zu der Goldblumbergſtraße (Goud-
blooms-Kloof), und endlich am dritten Tage durch klei-
ne Gruͤnde und Thaͤler zum Ungluͤcksfluſſe (Ongelyks-
Rivier), welcher ſeinen Nahmen davon hat, daß ein
Koloniſt nahe bey demſelben von einem Loͤwen ganz und
gar aufgefreſſen iſt. Hier machten wir zwey Tage Halt,
um die Ankunft eines Landmanns abzuwarten, der nach
[155]Ruͤckreiſe aus dem Rockenlande nach Cap.
der Capſtadt reiſen wollte, und verſprochen hatte, uns
mit ſeinen Zugochſen durch das vor uns liegende aͤußerſt
duͤrre Karro zu helfen. Da er aber ausblieb, und dieſer
Lagerplatz von der Beſchaffenheit war, daß wir ſo wohl
als unſre Thiere Gefahr liefen, nicht nur zu verhungern,
ſondern auch vor Durſt umzukommen, ſahen wir uns
in der Nothwendigkeit uns anzugreifen, und von eilf
Uhr des Nachts bis den andern Morgen zu reiſen, da
wir zu einem kleinen Bache kamen, in deſſen Naͤhe ein
kleiner einzelner Berg liegt, welcher den Nahmen Pfer-
deberg (Paerde-Berg) fuͤhrt.
Die jetzt von uns zuruͤckgelegte Strecke Landes iſt
mit kleinen Bergen und in die Laͤnge fortgehenden Anhoͤ-
hen angefuͤllt, die zum Theil von einander abgeſondert
ſind, zum Theil zuſammenhangen, und in weſt-nord-
weſtlicher Richtung gegen die Berge im Rockenlande und
Bocklande hinlaufen. Das wenige Waſſer, welches
ſich hier an einigen wenigen Stellen und in kleinen Loͤchern
findet, iſt nicht nur ſalzig, ſondern auch von Lehmerde
und andrer Unreinlichkeit ſo dick und truͤbe, daß wir ein
Schnupftuch daruͤber legen, und dadurch ein wenig mit
dem Munde einſaugen mußten. Es giebt zwar noch ei-
nen andern Weg, etwas weiter unterwaͤrts, der weniger
Berge hat, auch ebener, zugleich aber noch aͤrmer an
Waſſer iſt.
Nun kamen wir zum Dornfluſſe (Doorn-Rivier).
Faſt ganz bis hieher ſenkt das Karroland ſich allmaͤhlig
von den Bergen im Rockenlande nach denen im Bocklan-
de, und iſt beynahe ganz ohne Buͤſche.
Weiter ging die Reiſe durch ein, von den zwiſchen
dem Karro und dem Bocklande liegenden Bergen gebilde-
tes Thal zu einem der Wittwe van der Merwel gehoͤri-
gen Hofe, wo wir uns zwey Tage aufhielten.
[156]Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Bey dieſer Frau, die uns eine ſehr gute Haushaͤl-
terin zu ſeyn ſchien, ſah ich eine artige Methode, Lin-
ſen von darunter befindlichem Weitzen zu reinigen. Sie
ſchuͤttete die Linſen, wie ſie waren, ihren Huͤhnern hin,
welche die Weitzenkoͤrner ganz ſauber herauslaſen, daß
auch nicht eins darunter blieb, die Linſen aber nicht an-
ruͤhrten.
In dieſer Gegend kocht man die Blaͤtter des baum-
artigen Indigo (Indigofera arborea), und haͤlt das De-
coct davon fuͤr ein gutes Mittel gegen den Stein.
Die Gebirgslagen neigen ſich hier ſehr, und ſind
dabey auch ungemein unregelmaͤßig. Die Bergſtrecken
kruͤmmen ſich hier auch anſehnlich nach Oſten.
Nachdem wir hier einen Hammel gekauft, ge-
ſchlachtet und in ſeinem eignen Felle eingeſalzen hatten,
reiſeten wir weiter, bis wir zu dem ſo genannten verkehr-
ten Thale (Verkeerde Valley) kamen. Dies iſt eine
der ſchoͤnſten Stellen, die ich im ganzen Lande geſehen
habe. Das Thal iſt auf beyden Seiten mit Bergen um-
geben, iſt ſehr grasreich, und hat einen Moraſt, der
ſo viel Waſſer enthaͤlt, daß man ihn mit einem kleinen
Landſee vergleichen koͤnnte. Uns reitzte dieſer angenehme
Ort, ob er gleich unbewohnt war, da einige Tage aus-
zuruhen, unſer eingepoͤkeltes Hammelfleiſch in ſtiller Ein-
ſamkeit zu verzehren, und unſre ſeit einiger Zeit zuſam-
mengebrachten Sammlungen durchzuſehen, und in Ord-
nung zu bringen. Auch hatten unſre Pferde und Ochſen
noͤthig, einmahl auszuruhen und ſich zu erhohlen.
Den 14. December kamen wir durch ein im Ge-
birge belegenes Thal, das man die Straße (S[t]raet)
nennt, zu dem Koloniſten de Voß am Hexenfluſſe (Hex-
Rivier). Nun langten wir alſo, um ſo zu ſagen, wie-
der in der Chriſtenheit an, das nenne ich in ſolchen Ge-
[157]Ruͤckreiſe aus dem Rockenlande nach Cap.
genden, wo die Hoͤfe der Koloniſten dichter bey einander
liegen. Sehr angenehm mußte dies uns ſeyn, weil wir
nunmehr verſchiedne Wochen lang in Wuͤſteneyen und
Einoͤden umhergeirret, die meiſten Naͤchte unter freyem
Himmel und an den gefaͤhrlichſten Oertern zugebracht und
mehrmahls an Eſſen und Trinken Mangel gelitten hatten.
Nicht weit vom Hofe zwiſchen Bergen faͤngt ein
Arm des Hexenfluſſes an, der ſich unten im Thale mit
dem Hauptarme, welcher ebenfalls in dem hieſigen Ge-
birge entſpringt, vereinigt.
Von hier reiſeten wir zu den Koloniſten Jordan
und van der Merwel und weiter durch das Hexenfluß-
thal (Hex Riviers-Kloof) nach Rotheſand. Jenes
hat gar keine Huͤgel oder Anhoͤhen, ſondern iſt ganz
eben, und den Fluß muß man mehreremahl paſſiren.
Auf den Spitzen der zu beyden Seiten liegenden Berge
lag noch viel Schnee oder Hagel. Die Gebirgslagen oder
Schichten laufen hier bisweilen unregelmaͤßig, bisweilen
neigen ſie ſich. Die Hoͤhe, uͤber welche wir vom Kar-
rolande bis zum Ausfluſſe des Hexenfluſſes bey Rotheſand
gereiſet waren, iſt ſehr breit, und hat ſo wohl in die Laͤnge
als in die Quere verſchiedne kleine Thaͤler.
In den hieſigen Gebirgen haͤlt ſich in den Ritzen
kahler Felſen, eine Art Springratzen (Gerboa Capenſis)
auf, welche die Bauern fuͤr eine Gattung Haſen anſehen,
und Berghaſe oder Springhaſe (Berg-Haas, Spring-
Haas) nennen. Dies Thier hat ein ſonderbares An-
ſehen. Die Vorderbeine ſind ſehr kurz, die Hinterbeine
aber dagegen beynahe ſo lang als der ganze Koͤrper, und
das Thier verrichtet damit die wunderbarſten und ſchoͤn-
ſten Spruͤnge. — Auch findet man hier eine Art Luchſe,
die ſich durch die ſchwarze Farbe des aͤußerſten Endes
des Schwanzes und einen langen Zopf Haare an den
[158]Dritte Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Spitzen der Ohren von andern unterſcheiden. Bey Pen-
nant heißen ſie die Perſiſche Katze, und bey Buͤffon
Karakal. Die hieſigen Landleute nennen ſie rothe Ka-
tzen. Das Fell dieſer Thiere ruͤhmt man hier als ein
ſehr dienſames und vertheilendes Mittel, wenn man Glie-
der, die durch Erkaͤltung mit Fluͤſſen oder ſonſt mit Gicht
behaftet ſind, damit umwindet.
Von Rotheſand nahmen wir den gewoͤhnlichen Weg
durch die ſchmale Paſſage deſſelben, die Roode Zands-
Kloof heißt, und an einer Stelle eine anſehnliche Hoͤhe
hat, uͤber welche der Weg geht; hernach reiſeten wir
an der Seite des Berges hin.
Rotheſand iſt gleichſam der Schluͤſſel zum ganzen
Lande. Es liegt jenſeits der quer durch die ganze ſuͤdli-
che Spitze von Afrika fortlaufenden Reihe Berge. Hier
fahren daher die meiſten Landbewohner auf ihrer jaͤhrlichen
Reiſe nach Cap vorbey, außer die, welche den Weg
durch das Hottentottiſche Holland nehmen. In Ro-
theſand hat ſich daher ein Feldſcher zum Dienſte der
Kranken niedergelaſſen, und zugleich eine kleine Apotheke
angelegt, wodurch er ſich artiges Geld verdient hat. Er
laͤßt ſich alle Arzneymittel ſehr theuer bezahlen; ein ein-
ziges Laxirpulver koſtet einen halben Thaler. Bisweilen
bringen die Koloniſten auch Kranke mit hieher, ſo wohl
von den Ihrigen als Sklaven, und laſſen ſie unter Pflege
und Wartung des Feldſchers da, bis ſie bey der Ruͤck-
reiſe wieder vorbeykommen. Verſchiedne Koloniſten in
dieſer Gegend ſuchten mich zu uͤberreden, daß ich mich
hier niederlaſſen moͤchte; ſie meinten es auch recht gut.
Allein die Liebe zur Botanik und zu meinem Vaterlande
zog mich von hier nicht nur nach Indien, ſondern auch
zu dem mir ſo lieben und unter Guſtavs weiſer und mil-
der Regierung ſo gluͤcklichen Schweden.
[159]Ruͤckreiſe aus dem Rockenlande nach Cap.
Zu Rotheſand ſieht man das Riebeekkaſtel auf der
Suͤd-Oſt-Seite weit in die Laͤnge hinauslaufen, und im-
mer niedriger werden.
Hierauf reiſeten wir den Pferdeberg (Paerde-Berg)
vorbey durch den Kaufmannsfluß (Koopmann-Rivier),
einen Bach, der ein Arm des Bergfluſſes (Berg-Rivier)
iſt; ferner durch den Buͤrgerfluß (Burgers-Drift), uͤber den
Bergfluß und Elſiskraal vorbey nach der Capſtadt. Hier
kam ich alſo den 29. December 1774 gluͤcklich, wohl-
behalten und vergnuͤgt wieder an, und dankte der Vor-
ſehung, die mich auf meiner dreyjaͤhrigen Reiſe in dieſem
unſchlachtigen Lande und bey ſo manchen Gefahren und
Beſchwerlichkeiten am Leben und bey erwuͤnſchtem Wohi-
befinden erhalten, und mein Bemuͤhen, meine Kennt-
niſſe zu erweitern, und den Wiſſenſchaften Nutzen zu
ſchaffen, gefoͤrdert hatte.
[160]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Vierte Abtheilung.
Aufenthalt zu Cap nach der dritten
Afrikaniſchen Reiſe
vom 22. December 1774 bis den 2. Maͤrz 1775.
Nach meiner Gewohnheit war mein erſtes und vor-
nehmſtes Geſchaͤfft, nachdem ich in der Stadt wieder
angelangt war, die waͤhrend der letzten Reiſe gemachten
Sammlungen in Ordnung zu bringen, und zu Schiffe
nach Europa zu ſchicken.
Waͤhrend meiner Abweſenheit war das im vorigen
Jahre, um zum Behufe der Compagnie eine Menge
Sklaven aufzukaufen, nach Madagaskar abgegangene
Schiff wieder angekommen. Unter andern Sachen, die
verſchiedne von der Beſatzung mitgebracht hatten, war
beſonders eine große Menge Tigerporcellane (Cypraea
tigris), eine Schneckenart, die ſehr huͤbſch ausſieht und
zu Schnupftobaksdoſen gut gebraucht werden kann; fer-
ner viele rothe Sturmhauben (Buccinum rufum), wel-
che zu dem Geſchlechte des Kinkhorns gehoͤren, und ſo
genannte Madagaskarſche Katzen, oder Geſpenſtthiere
(Lemur catta). In Anſehung dieſer letzteren ließ ich
es mir angelegen ſeyn, zuzuſehen, ob die Augen ſo be-
ſchaffen waͤren, als an demjenigen dieſer Thiere, das
Linné beſchrieben hat, naͤmlich daß das eine Auge einen
laͤnglichen und das andre einen runden Augapfel hat.
An dieſem waren beyde Augaͤpfel rund und am Tage ſehr
klein, voͤllig eben ſo, als bey andern Thieren. Dieſe
Art Geſpenſithiere hat in Ruͤckſicht auf ihren langen und
mit
[161]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
mit abwechſelnden ſchwarzen und weißen Ringen bezeich-
neten Schwanz, einige Aehnlichkeit mit den Katzen.
Es iſt ganz angenehm, ein ſolches Thier mit einer lan-
gen Kette an einer Stange angebunden zu haben, denn
es laͤuft durch Huͤlfe ſeiner vier Fuͤße oder Haͤnde mit
unglaublicher Leichtigkeit und Geſchwindigkeit daran auf
und nieder.
Schon ſeit einigen Jahren hatte ein reicher Land-
mann, Nahmens Melk, an einem, draußen vor der
Stadt am Strande, unterhalb des ſo genannten Loͤwen-
ſchwanzes angelegten ſteinernen Gebaͤude bauen laſſen,
mit dem Vorgeben, es zu einem Packhauſe fuͤr ſeine
Waaren zu machen. Allein als es nunmehr fertig ge-
worden war, ſchenkte er es der hieſigen Lutheriſchen Ge-
meine, daß ſie es zur Kirche gebrauchen ſollte; ließ es
auch mit dazu paſſenden Fenſtern verſehen. Gluͤcklich
waͤre dieſe ſehr zahlreiche Gemeine, wenn ſie auch ihren
eignen Lutheriſchen Prediger bekommen, und in dieſem
zur Kirche eingerichteten Gebaͤude ihren Gottesdienſt
verrichten koͤnnte.
Einen Theil der Zeit meines jetzigen hieſigen Auf-
enthalts brachte ich damit zu, noch verſchiednes von
dem, was ich von dieſem Lande und deſſen uralten Ein-
wohnern, den Hottentotten, theils ſelbſt bemerkt, theils
von zuverlaͤſſigen Leuten erfahren hatte, aufzuſchreiben.
Das Merkwuͤrdigſte davon will ich hier zum Schluſſe
meinen Leſern mittheilen.
Zuerſt alſo die Nachleſe von dem, was die Hotten-
totten betrifft. Hottentotten heißen alle diejenigen Voͤl-
ker, welche die ſuͤdliche Ecke von Afrika bewohnen, und
zu beyden Seiten des Vorgebirges der guten Hoffnung
ſich ausgebreitet haben. Wie weit ihr Land eigentlich
ſich erſtreckt, iſt nicht genau bekannt. Dieſer Voͤlker
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. L
[162]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
ſind zwar ſehr viele, und ſie ſind in mehreren Betrach-
tungen von einander unterſchieden. Man kann aber
doch deutlich ſehen, daß ſie alle von einem gemeinſchaft-
lichen Stamme entſproſſen, und von den, andre Afri-
kaniſche Kuͤſten bewohnenden Negern und Mohren ſehr
unterſchieden ſind. Die patriarchaliſche Regierung, oder
da jeder Stamm unter ſeinem Oberhaupte ſteht, h[a]t ſich
bey ihnen am laͤngſten erhalten, und erhaͤlt ſich bey man-
chen von ihnen noch jetzt. Und dies iſt es eben, was
die vielen theils kleineren theils groͤßeren Voͤlkerſchaften
und Familien, worin ſie vor dieſem eingetheilt waren,
und, ſo viele ihrer noch exiſtiren, noch jetzt eingetheilt
ſind, hervorgebracht hat. Dergleichen kleine Hotten-
tottiſche Voͤlker waren ehemahls die Gunjemans, Ko-
koquas, Suſſaquas, Odiquas, Chirigriquas, Kop-
mans, Heſſaquas, Sonquas, Dunquas, Damaquas,
Gauris, Attaquas, Heykoms, Hautniquas und Cam-
tours-Hottentotten, von welchen heutiges Tages wenige
mehr uͤbrig ſind. Jetzt hat man noch die kleinen und
die großen Namaquas, die Gonaquas-Kaffern, die
Buſchmaͤnner und andre. Von dieſen ſcheinen verſchie-
dne in ehemahligen Zeiten wieder in beſondre kleinere
Zweige oder Geſchlechter abgetheilt geweſen zu ſeyn.
Alle, außer den Buſchmaͤnnern, ſind Hirten, und
beſitzen zum Theil anſehnliche Herden. Vor andern
ſind die Viehherden der Kaffern und Namaquas, von
deren Laͤndern die Europaͤer noch nichts in Beſitz genom-
men haben, betraͤchtlich. Sie leben auch hauptſaͤchlich
von ihren Herden. Außerdem aber leben ſie auch von
der Jagd; ſie jagen verſchiedne wilde Thiere, beſonders
Buͤffelochſen und wilde Boͤcke von verſchiednen, meiſten-
theils von den groͤßten Gattungen, ſo genannte Seekuͤhe
und Elefanten. Imgleichen naͤhren ſie ſich von unter-
[163]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
ſchiedlichen Arten Wurzeln, als von der Schwertlilie
(Iris), Ixie (Ixia), Moraͤe (Moraea), Siegwurz
(Gladiolus), auch von den Bohnen des Afrikaniſchen
Pockenholzes (Guajacum Afrum) und dergleichen. Die
Maͤnner genießen auch Kuhmilch, die ſie ſelbſt melken,
und die Weiber Schafmilch. Um den Durſt zu loͤſchen,
trinken ſie gewoͤhnlich Waſſer, auch wohl Waſſer und
Milch zuſammen, und im Nothfalle ſaugen ſie, wenn
ſie nichts anders haben, den Durſt zu ſtillen, Zaſerblu-
men (Meſembryanthemum), Stiftblumen (A[l]buca)
und andre ſaftige Gewaͤchſe aus. Das Geſchaͤfft der
Mannsperſonen iſt Krieg zu fuͤhren, auf die Jagd zu
gehen, zu melken, zu ſchlachten, und Waffen und
Kriegsgeraͤth zu verfertigen. Die Weibsleute hingegen
warten die Kinder, hohlen Holz, graben Zwiebeln, und
bereiten das Eſſen. Das Fleiſch eſſen ſie bald gekocht,
bald gebraten, gemeiniglich aber noch halb roh, und
dabey ohne Salz, Gewuͤrz und Brot. Feuer bringen
ſie hervor, indem ſie zwey Stuͤcke hartes Holz ſtark und
geſchwind an einander reiben. Ackerbau treiben die
Hottentotten uͤberall nicht, ausgenommen die Kaffern,
aber auch nur ſehr wenig; was dieſe bauen, beſteht bloß
in Pferdgras oder ſo genanntem Kaffernkorn (Holcus),
Bohnen, Hanf und dergleichen. Unter den uͤbrigen
findet man nur hie und da einen, der eine Hand voll
Hanf ſaͤet. — Auf die Jagd gehen ſie entweder ge-
meinſchaftlich, oder jeder fuͤr ſich. In dieſem letztern
Falle jagt ein jeder was und ſo viel er will und gebraucht.
Allgemeine Jagden aber werden von der ganzen Dorf-
ſchaft angeſtellt, entweder gegen ganze große Herden
Wild, als Buͤffel und dergleichen; oder wenn ſie ſich
und ihre Herden gegen den Anfall benachbarter boͤſer wil-
der Thiere ſichern wollen. Eben ſo machen ſie es gegen
L 2
[164]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
gemeinſchaftliche Feinde; da bewaffnen ſie ſich alle und
ziehen zuſammen in den Streit. Ihre Waffen und Ge-
wehr, ſo wohl auf der Jagd als im Kriege, beſtehen
in zugeſpitzten Wurfſtaͤben (Kirris), Wurfſpießen
(Aſſaguay) und Bogen und giftigen Pfeilen.
In Wiſſenſchaften und Kuͤnſten aller Art ſind die
Hottentotten eben ſo roh und unwiſſend, als in allen
andern Dingen. Einige beſitzen ſchlechterdings nichts
eignes, weder Haus noch Hof, noch einen gewiſſen Ort
des Aufenthalts. Ihr Handel iſt ſehr eingeſchraͤnkt;
weit hin erſtreckt er ſich nicht, auch beſteht er bloß im
Tauſche gewiſſer Waaren gegen andre. Geld oder
Muͤnze beſitzen ſie daher eben ſo wenig, als ſie deſſen
beduͤrfen. Doch wiſſen die Namaquas, welche in ih-
rem Lande Berge haben, die Kupferkies und ſo gar Ei-
ſenſtein enthalten, auf die ungekuͤnſtelteſte und ein-
fachſte Art aus dieſen Erzen Kupfer und Eiſen zu
ſchmelzen, das ſie hernach ſchmieden und gebrauchen.
Ihre Huͤtten bauen die Hottentotten von hoͤlzernen
Sproſſen, die ſie in die Erde ſtecken und oben in Bogen
zuſammenbiegen, ſo daß ſie eine runde Geſtalt geben
und eine Hoͤhe von ungefaͤhr zwey Ellen behalten. Dieſe
bedecken ſie hernach mit Matten, die aus Schilf ge-
flochten ſind. An der einen Seite laſſen ſie nach unten
eine Oeffnung, von der Hoͤhe einer Elle zum Eingange
fuͤr die Menſchen und zum Ausgange fuͤr den Rauch
vom Herde, welcher ſogleich vorn beym Eingange iſt.
Dergleichen Huͤtten, in einen bald groͤßern bald kleinern
Kreis zuſammengeſtellt, machen ein Dorf aus. In-
nerhalb des runden Bezirks eines ſolchen Dorfs wird das
Vieh, wenigſtens die Schafe, des Nachts eingenom-
men und vor wilden Thieren geſichert. So lange in
einer Gegend fuͤr das Vieh Weide genug iſt, wohnen
[165]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
ſie da auf dieſe Art ungeſtoͤrt bey einander. Gebrichts
aber an Nahrung fuͤr ihr Vieh, oder ſtirbt jemand von
ihnen, ſo zieht die ganze Dorfſchaft anders wohin. So
ſind demnach die Hottentotten, eben ſo wie die Lappen und
Araber, herumziehende Hirten. In einer Huͤtte wohnen
einige zuſammen, die denn freylich keinen andern Platz
haben, als daß ſie an der Wand herum ganz zuſam-
mengekruͤmmt liegen koͤnnen.
Hausgeraͤth haben ſie wenig oder nichts. Eben
die Kleidung, welche einen Theil des Koͤrpers bedeckt,
dient ihnen auch zum Bette. Das Eſſen kochen ſie in
Waſſer, und zwar in ledernen Schlaͤuchen mit gluͤhend
gemachten Steinen; einige bedienen ſich dazu doch aber
auch irdener Toͤpfe. — Die Milch verwahren ſie in
ledernen Saͤcken, Blaſen von Thieren und Koͤrben, die
aus Rohr, und zwar ſo dicht, daß ſie Waſſer halten,
geflochten ſind. Ein lederner Tobaksbeutel und eine
ſteinerne oder hoͤlzerne Tobakspfeife machen, nebſt den
Waffen, das uͤbrige aus.
Hunde halten ſie allein bloß zur Vertheidigung
ihrer Viehherden, wenn ſie auf der Weide ſind. Dieſe
Hunde ſind ſehr haͤßlich, aber doch muthig und dreiſt.
Fette Sachen ſind das, was die Hottentotten am
liebſten, und mit unglaublicher Wohlluſt und Begierde,
genießen. Das Fett von Seekuͤhen koͤnnen ſie beynahe
wie Waſſer trinken, und den Schwanz der Schafe,
welcher ganz und gar aus lauter Fett beſteht, ziehen ſie
allem andern vor. — Berauſchende Getraͤnke lieben
ſie auch ſehr. Aus gewiſſen Wurzeln und aus Honig
verſtehen ſie einen Meth zu bereiten, der leicht und ſtark
berauſcht. Arrak und Branntwein trinken ſie gern.
Auf das Tobakrauchen ſind ſie ſehr erpicht. Sie rau-
chen ihn theils allein, theils mit Hanf vermiſcht; wenn
[166]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
ſie keinen Hanf haben, miſchen ſie auch wohl Phlomis
(Phlomis), die bey ihnen wilde Dakka heißt, oder
wohl gar Elefanten- oder Rhinocerosdreck darunter.
Ihre Kleidung iſt ſehr einfach und duͤrftig. Die
meiſten tragen ein Schaffell uͤber die Schultern, und
ein andres dergleichen um die Lenden, wovon ſie die rauhe
Seite des Winters inwendig, und des Sommers aus-
wendig kehren. Dieſe Felle ſind mit etwas Fett bereitet.
Sie bedecken den Koͤrper hinten, vorn laſſen ſie ihn aber
faſt ganz bloß und offen. Um die Scham zu verbergen,
gebrauchen die Weiber ein kurzes, viereckiges, biswei-
len doppeltes, Stuͤck Leder, das bis auf die Haͤlfte der
Lenden herabgeht, und die Mannsperſonen ein Futteral
von Fuchshaut, das wie ein Beutel ausſieht, und mit
einem Riemen um den Leib gebunden wird. Die Go-
naquas-Hottentotten und die Kaffern kleiden ſich in
Kalbfelle, und ihre Fuͤrſten in Tigerfelle. Die Beine
ſind nackt, und die Fuͤße faſt nie mit Schuhen bedeckt.
Sie zieren aber, beſonders thut dies das weibliche Ge-
ſchlecht, die Beine, vom Spanne bis an die Wade, mit
runden Ringen von Thierhaͤuten, welche zugleich den
Biß der Schlangen abhalten, und zur Zeit der Noth
ſo gar ihnen ſelbſt zur Nahrung dienen, da ſie dieſe Ringe
uͤber gluͤhenden Kohlen braten und eſſen. Der Kopf iſt
gewoͤhnlich ohne alle Bedeckung. Bisweilen ſetzen ſie
wohl eine ſpitz in die Hoͤhe gehende lederne Muͤtze auf,
aber nur ſelten. Die Weiber brauchen in einigen Ge-
genden einen breiten, runden, und mit Schneckenhaͤu-
ſern gezierten Kranz von Buͤffelsleder. Den Hals und
die Mitte des Leibes ſchmuͤcken ſie mit allerhand glaͤſernen
Korallen, die ſie von den Europaͤern eintauſchen. An
das Halsband haͤngen ſie manchmahl eine Schildkroͤten-
ſchale, worin ſie ihr Bukku verwahren. Die Kaffern
[167]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
haͤngen Stacheln vom Stachelſchweine in die Ohren,
und einige unter dem weiblichen Geſchlechte in den ent-
fernteren oͤſtlichen Laͤndern bedienen ſich kupferner Ohrrin-
ge, um ihre braunen Reitze zu erhoͤhen. Die Kaffern tra-
gen am linken Arme elfenbeinerne Ringe, oft mehr als
einen; andre nehmen in deren Ermangelung Ringe von
Meſſing oder Eiſen. Alle, beſonders die Kaffern, ma-
chen viel aus blanken Blaͤttchen von Kupfer, Meſſing
und Eiſen, die ſie in die Haare, oder an andre Stellen
des Koͤrpers haͤngen.
Die Unreinlichkeit lieben die Hottentotten im hoͤch-
ſten Grade. Den Leib beſchmieren ſie mit fetten Sachen,
und daruͤber reiben ſie Kuhmiſt, Fett und dergleichen
ein. Hiedurch werden die Schweißloͤcher verſtopft, und
die Haut wird mit einer Oberflaͤche oder duͤnnen Borkebe-
deckt, die ſie im Sommer vor der brennenden Sonnenhitze
und im Winter vor der Kaͤlte ſchuͤtzt. In die Schmiere
miſchen ſie Pulver von einem ſtark riechenden Kraute,
das ſie Bukku nennen; es iſt von dem Geſchlechte der
Dioſme (Dioſma), gewoͤhnlich die ſo genannte ſchoͤne
(pulchella). Hievon bekommen ſie einen unangeneh-
men und ſo ſtinkenden, unausſtehlichen Geruch, daß
ich bisweilen kaum im Stande war, ihn von meinen
Hottentotten, die auf der Reiſe meine Fuhrleute waren,
auszuhalten.
Von Wuchs ſind die Hottentotten meiſtentheils
klein, beſonders gilt dies von den Weibsperſonen. Je-
doch findet man unter ihnen bisweilen auch Leute von
fuͤnf bis ſechs Fuß Hoͤhe. Ihre natuͤrliche Farbe iſt
weder ſchwarz noch weiß, ſondern gelblich. Ihr aͤußres
ziemlich ſchwarzes Anſehen ruͤhrt von dem vielen
Schmutze her, der ſich durch das Schmieren in die
Haut auf immer feſt ſetzt. Gewiſſe Zuͤge im Geſichte
[168]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
und eine eigne Phyſiognomie zeichnen dies Volk eben ſo
wohl als andre Voͤlker aus. Der Backenknochen (Os
tygomaticum) ſteht allezeit weit hervor, und ſie ſehen
aus dieſer Urſache durchgehends mager aus. Die Naſe
iſt an der Baſis platt, der Naſenzipfel dick und etwas
ſtumpf, aber doch nicht ſehr kurz. Die Lippen ſind et-
was dick. Das Haar iſt pechſchwarz, wie Wolle krans
und zuſammengekruͤllt, ſelten dick, gewoͤhnlich duͤnn,
und hat mit den Zoͤpfchen oder Flocken auf rauhem woll-
nen Zeuge Aehnlichkeit. Barthaare haben ſie wenig,
auch nur wenig Haare um die Schamtheile. Der Ruͤck-
grad iſt auffallend krumm, und zwar einwaͤrts gebogen.
Nie habe ich irgend jemand geſehen, der in dieſem Stuͤcke
mit den Hottentotten zu vergleichen geweſen waͤre. Ver-
ſchiedne ſah ich unter ihnen, bey denen der Ruͤcken ſo
eingebogen war und die Lenden nach hinten ſo hervorſtan-
den, daß zwey Perſonen darauf ſitzen konnten. Uner-
achtet die Hottentotten allezeit mager ſind, und wenig
Fleiſch haben, wird dennoch ihre Haut, beſonders an
den Bruͤſten der Weiber, welche ſo ſehr groß ſind, daß
ihnen hierin keine Weibsperſon auf dem Erdboden gleich
kommt, durch das viele Schmieren mit Fett unglaub-
lich ausgedehnt. Die Buſchhottentotten haben dickere
Baͤuche, als die andern.
Ihre Sprache iſt arm, und unterſcheidet ſich merk-
lich von allen andern Sprachen in der Welt, nahment-
lich dadurch, daß ſie mit dem Schnalzen oder Schmatzen,
welches ich im erſten Theile umſtaͤndlicher beſchrieben ha-
be, ausgeſprochen wird. Geſchrieben habe ich ſie nie
geſehen. Die Hottentotten ſelbſt haben keinen Begriff
vom Schreiben. Uebrigens iſt die Sprache oft das ein-
zige, was die faulen, indolenten Hottentotten von un-
vernuͤnftigen Thieren auszeichnet.
[169]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
Die Traͤgheit, Unthaͤtigkeit und Unempfindlichkeit
der meiſten Hottentotten iſt in der That ſo uͤbertrieben
groß, daß ſie bey dem Viehe faſt nicht aͤrger ſeyn kann.
Viele ſchlafen ihre ganze Lebenszeit, und laſſen ſich bloß
durch unuͤberwindlichen Hunger aufwecken, der ſie end-
lich zwingt aufzuſtehen, um Speiſe zu ſuchen und zu
eſſen. Wenn ſie ein Wildpret erjagt haben, lagern ſie
ſich um ein gemeinſchaftliches Feuer, und wechſeln mit
Braten, Eſſen und Schlafen ſo lange ab, als noch das
Geringſte zu verzehren uͤbrig iſt, und bis ſie der Hunger
wieder wegtreibt.
Bey ſo in Faulheit verſunkenen und von Unflath
uͤberzognen Leuten ſollte man wohl nicht erwarten, die
mindeſte Spur von Hoffart oder Eitelkeit anzutreffen.
Und doch zeigen ſich dieſe Eigenſchaften auch bey dieſen
elendeſten unter den Menſchen. Denn ſie ſchmuͤcken
ſich nicht nur, wie ich ſchon verſchiedentlich bemerkt habe,
am ganzen Leibe mit allerhand, ihrer Meinung nach,
putzenden Sachen, ſondern bemahlen ſich auch, wenn
ſie Beſuch von Fremden bekommen, das Geſicht mit
mancherley Figuren in brauner oder ſchwarzer Farbe.
Die erſtaunliche Traͤgheit der Hottentotten iſt auch
die Urſache, daß man wenig oder gar keine Religion bey
ihnen antrifft. Es ſcheint zwar, als wenn ſie nicht ganz
ohne Begriff von einem maͤchtigen hoͤhern Weſen waͤren,
auch das Leben der Seele nach der Trennung vom Koͤr-
per erkennten. Aber ſie beweiſen gar keinem goͤttlich
ſeyn ſollenden Weſen irgend eine Art der Verehrung, ha-
ben gar keine gottesdienſtliche Plaͤtze oder Handlungen,
und nehmen weder auf Belohnung noch Beſtrafung nach
dem Tode Ruͤckſicht. Viel deutlichere Vorſtellung ha-
ben ſie von einem boͤſen Geiſte, den ſie glauben, vor
dem ſie ſich fuͤrchten, und den ſie als die Urſache der
[170]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Krankheiten, des Todes, des Donners und alles Boͤ-
ſen, das ihnen widerfaͤhrt, anſehen. Beym Eintritte
des Neumondes und Vollmondes tanzen ſie und begehen
eine Art Freudenfeſt. Allein es iſt nicht glaublich, daß
dies eine Religionshandlung bey ihnen ſey, oder daß ſie
deswegen den Mond anbeten. Viele von ihnen halten
zwar ein kleines Inſekt, eine unanſehnliche Heuſchrecke, eine
Art des Geſpenſtkaͤfers (Mantis fauſta), fuͤr ein Gluͤck
bringendes Thier. Niemahls aber ſah ich, daß ſie ihm
einige Verehrung beweiſen, auch habe ich es nie von an
dern erfahren. Die Beſchneidung iſt als eine Ceremonie,
aber gar nicht als eine auf Religion Bezug habende Sa-
che, bey mehreren gebraͤuchlich, und ſcheint ſeit den aͤlte-
ſten Zeiten bey ihnen eingefuͤhrt zu ſeyn, wiewohl ſie heu-
tiges Tages unter dieſem Volke nichts weniger als allge-
mein iſt.
Aberglaͤubiſch ſind ſie uͤbrigens in hohem Grade;
beſonders glauben ſie Zauberey. Wenn jemand krank
wird, ſtehen ſie in der Meinung, er ſey behext, ſchreyen
laut, und geben ihm viele Stoͤße, um ihn geſund und
am Leben zu behalten. Stirbt er, ſo wird noch weit hef-
tiger geſchrien, die Leiche wird nach einigen Stunden
begraben, und das ganze Dorf verlaͤßt ſeinen Wohnplatz
und zieht nach einem andern Orte. — Zu gewiſſen Zei-
ten treiben ſie auch ganze Herden Schafe durch den Rauch
mitten uͤber einem großen Feuer, um ſie vor dem An-
griffe der wilden Hunde zu ſichern; ein ſonderbarer und
ohne Zweifel auch aberglaͤubiſcher Gebrauch.
Die Hottentotten beyderley Geſchlechts heirathen
fruͤh. Die Heirath iſt auch mit keinen Schwierigkeiten
oder Umſtaͤnden verbunden. Wenn der Freyer ſich an-
gemeldet und die Einwilligung des Maͤdchens ſo wohl als
der Aeltern deſſelben erhalten hat, wird ein gewiſſer Tag
[171]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
zur Hochzeitfeyer angeſetzt. Am Hochzeittage werden ſo
wohl der Braͤutigam als die Braut von dem Manne, den
man den Prieſter oder Ceremonien-Verrichter des Dorfs
nennen koͤnnte, mit dem natuͤrlichen Waſſer deſſelben
beſprengt, oder eigentlich zu reden, bepißt. Darauf
ſchlachtet man, je nachdem man vermag, einen Ochſen
oder ein Schaf, und bewirthet damit die Hochzeitgaͤſte.
Dieſe ſitzen nach ihrer Art, weil ſie weder Stuͤhle
noch etwas anders zum Sitzen haben, allezeit, und
zwar auf die ihnen eigne Art, auf der Erde. Was bey
ihren Hochzeiten geruͤhmt zu werden verdient, iſt, daß
ſie, ſo erpicht ſie ſonſt auf berauſchende Sachen ſind,
bey dieſer Gelegenheit doch niemahls viel trinken. Eben
ſo wenig machen ſie dabey Gebrauch von Muſik und
Tanz. — Bisweilen nimmt ein Mann zwey Frauen, oft
traͤgt es ſich auch zu, daß eine Frau zwey Maͤnner nimmt,
obgleich die Hurerey ſonſt in gewiſſen Faͤllen mit dem
Tode beſtraft wird. Eine Wittwe, die ſich zum andern
mahl verheirathet, muß ſich ein Glied von einem Finger
abſchneiden laſſen; eben das muß ſie noch einmahl thun,
wenn es zum dritten mahl geſchieht: jedes neue Braut-
bette macht alſo eine neue Verſtuͤmmlung ihrer Finger
nothwendig. Ehe ein junger Menſch heirathen darf,
muß er zum Manne gemacht werden. Dies geſchieht
vor dem achtzehnten Jahre. Der, welchen man als
Prieſter oder Ceremonien-Verrichter anſehen kann, be-
ſprengt ihn mit ſeinem natuͤrlichen Waſſer, und ſondert
ihn von der Mutter und den uͤbrigen Frauensperſonen
ab, von denen er, von dieſer Zeit an, auch ſtets abge-
ſondert bleibt.
Den neugebohrnen Kindern geben die Hottentotten
Nahmen; dieſe Nahmen nehmen ſie meiſtentheils von einem
Thiere, bald einem zahmen, bald einem wilden, her.
[172]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Vor Zeiten war, Kolbe’s Erzaͤhlung zufolge, bey
den Hottentotten das Caſtriren gebraͤuchlich. Gewoͤhn-
lich geſchah dieſe Operation ums achte Jahr. Man nahm
den linken Hoden weg, theils damit der Caſtrirte keine
Zwillinge ſollte zeugen, theils aber mit mehr Leichtigkeit
laufen koͤnnen.
In Anſehung der Erbſchaft iſt das Recht der Erſt-
geburt bey ihnen ſo ſehr in Ausuͤbung, daß der aͤlteſte
Sohn jedesmahl der einzige Erbe der ganzen vaͤterlichen
Nachlaſſenſchaft iſt.
Bey großen Feyerlichkeiten machen ſie von Geſang
und verſchiednen muſikaliſchen Inſtrumenten, wie auch
von ganz eignen und ſehr ſonderbaren Taͤnzen Gebrauch.
Unter denjenigen Hottentotten, welche noch ganz
in ihrer Wildheit leben, und mit den chriſtlichen Einwoh-
nern gar keine Gemeinſchaft haben, ſind noch verſchiedne
barbariſche Sitten uͤblich. Alte und abgelebte Leute wer-
den lebendig begraben, oder auch wohl in eine Hoͤhle oder
Kluft im Gebirge gebracht, wobey man ihnen auf einige
wenige Tage Eſſen und Trinken mitgiebt. Hier kommen
ſie entweder in kurzer Zeit vor Hunger um, oder werden
ein Raub der wilden Thiere. — Auch Kinder werden
aus mehr als Einer Urſache weggeſetzt und ihrem Schick-
ſale uͤberlaſſen. Wenn eine Mutter im Wochenbette
oder kurz nachher ſtirbt, wird das Kind nebſt der Mut-
ter begraben, weil niemand iſt, der ihm weiter Nahrung
geben kann; denn von Ammen oder kuͤnſtlichen Nahrungs-
mitteln kleiner Kinder haben ſie keinen Begriff. Bringt
eine Mutter Zwillinge zur Welt, und glaubt ſie nicht
beyde ernaͤhren zu koͤnnen, ſo wird eins weggeworfen.
Sind beyde Knaben, ſo behalten ſie den beſten, geſunde-
ſten und ſtaͤrkſten; iſt eins ein Maͤdchen, ſo trifft allezeit
dieſes das Loos, weggeſchafft zu werden. Auch verfah-
[173]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
ren ſie mit ſolchen Kindern ſo, die gebrechlich zur Welt
kommen.
Diejenigen, welche in der Nachbarſchaft Europaͤi-
ſcher Kolonien wohnen, begraben ihre Leichen in der Er-
de; die andern in Hoͤhlen oder Kluͤften der Berge. Den
Todten nehmen ſie durch ein Loch an der Seite, nicht
aber durch die Thuͤre heraus, und wickeln ihn in ſeinen
Anzug von Schaffellen ein. Darauf tragen drey oder
vier Traͤger ihn auf den Armen weg. Der Leiche folgt
ein Zug Manns- und Frauensperſonen in zwey verſchied-
nen Haufen und mit vielem Geſchrey. Zuletzt wird,
wenn der Verſtorbne etwas Vermoͤgen beſaß, ein Stuͤck
Vieh geſchlachtet und gegeſſen.
Von Jahr- und Zeitrechnung findet man bey den
Hottentotten kaum die geringſte Spur. Einen Neu-
jahrstag, dergleichen doch die meiſten, ſelbſt heidniſche
Voͤlker, faſt in allen Laͤndern des Erdbodens als einen ſehr
wichtigen Zeitpunkt bemerken und mit mehr oder weniger
Freude und Feyerlichkeit begehen, kennen ſie gar nicht.
Eben ſo wenig berechnen ſie auf irgend eine Art die Zeit
oder den Lauf der Natur. Das einzige, welches ſie be-
merken, iſt, daß ſie jaͤhrlich zu gewiſſen Zeiten die Zwie-
belgewaͤchſe hervorkommen, bluͤhen und verſchwinden ſe-
hen. Dies iſt gleichſam der Kalender, wonach ſie auf
ihr Alter ſchließen, welches ſie gleichwohl ſelten oder
niemahls mit einiger Gewißheit wiſſen. Die Erkundi-
gung, wie alt jemand iſt, oder wie alt die Leute unter
ihnen zu werden pflegen, iſt daher umſonſt. Noch ver-
geblicher wuͤrde die Muͤhe ſeyn, die man ſich geben wuͤr-
de, aus alten Ueberbleibſeln, Truͤmmern oder Denk-
maͤhlern dem Alter dieſes Volks nachzuforſchen, und zu
erfahren, ſeit wie lange es bewohnt ſey, woher ſeine
Einwohner gekommen, und was fuͤr Veraͤnderungen
[174]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
mit demſelben vor dieſer Zeit vorgefallen ſeyn moͤgen.
Alte Ruinen hat das Land ganz und gar nicht, weder
von verbrannten Pallaͤſten und zerſtoͤrten Schloͤſſern, noch
von verwuͤſteten Staͤdten. Die Hottentotten ſelbſt ken-
nen weder ihren eignen Urſprung, noch die Entſtehung
und Veranlaſſung der bey ihnen gebraͤuchlichen Ceremo-
nien und Sitten. Die wenigſten unter ihnen koͤnnen et-
was von dem erzaͤhlen, was ſich vor der Zeit ihrer Vaͤ-
ter bey ihnen zugetragen hat.
Seitdem die Europaͤer angefangen haben, dieſen
Theil des ſuͤdlichen Afrika zu bewohnen, hat derſelbe man-
cherley und große Veraͤnderungen erfahren. Die eigen-
thuͤmlichen Einwohner ſind theils nach und nach ausge-
ſtorben, wozu hauptſaͤchlich verheerende und anſteckende
Krankheiten das Ihrige beygetragen haben; zum Theil
haben ſie ſich allmaͤhlig weg und in die inneren Gegenden
gezogen. In ihre Stelle ſind in eben dem Verhaͤltniſſe
die Europaͤer geruͤckt und immer weiter zu allen Seiten
vorgedrungen. Vor anderthalb hundert Jahren ſtand
das Land gleichſam unter der Gewalt der gefaͤhrlichſten
und ſchrecklichſten Raubthiere, die unter einer unzaͤhligen
Menge andrer wilden Thiere das Gleichgewicht erhielten.
Jetzt reiſet man in eben dieſem Lande meiſtens ſicher und
ohne Gefahr. Da wo vor Zeiten nur Herden weideten,
ſieht man jetzt verſchiedne Oſtindiſche und die meiſten Eu-
ropaͤiſchen Getreidearten wachſen, Gartengewaͤchſe ge-
deihen und Obſtgaͤrten und Weinberge prangen. Von
zahmen Thieren hat man ſo wohl aus Europa als aus an-
dern Laͤndern verſchiedne Arten hieher gebracht, und hier
mit gutem Erfolge einheimiſch gemacht, als Pferde, Kuͤ-
he, Schweine, und verſchiedne Arten Federvieh und Voͤ-
gel. Eben dies gilt von vielen nuͤtzlichen Produkten des
Gewaͤchsreichs, die unter den Haͤnden der fleißigen Ko-
[175]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
loniſten und durch Beguͤnſtigung des milden Clima hier
ſehr gut fortkommen, und faſt durchgaͤngig recht ſchmack-
haft ſind. Dahin gehoͤren Erbſen und mehrere Arten
Bohnen, Spargel, Pfirſchen, Aprikoſen, Aepfel, un-
ter andern auch Renetten, Birnen, Pflaumen, Apfel-
ſinen, und Erdbeeren. Die Weintrauben ſind, ſo wie
die davon gemachten Roſinen und der daraus gepreßte
Wein, uͤberhaupt recht gut, zum Theil ganz vortreff-
lich. Melonen, Waſſermelonen, Granataͤpfel und
die Frucht des Kujavabaums (Gojava Boom, Pſidium)
werden ebenfalls ziemlich gut. Aber Stachel und Rauch-
beeren, Johannisbeeren, Kirſchen und Nuͤſſe gedeihen
nicht. Maulbeeren hingegen Mandeln, Feigen, Wall-
nuͤſſe, Kaſtanien und Citronen geben den Europaͤiſchen
an Guͤte nichts nach. Wurzelgewaͤchſe und andre Gar-
tengewaͤchſe kommen meiſtentheils gut fort, und oft ver-
edeln ſie ſich hier in hohem Grade; man muß aber von
den meiſten Arten den Samen jaͤhrlich aus Europa kom-
men laſſen, denn die von hieſigem Samen gezognen Gar-
tenfruͤchte arten ſogleich aus. Ruͤben, Kohlruͤben, Kar-
toffeln, Zwiebeln und Lauch, Salat, Kohl, beſonders
Blumenkohl, werden daher in groͤßter Menge gebauet.
Unter dem Getreide gedeihet und geraͤth der Weitzen am
beſten. Von dieſem ſo wohl als von Fruͤchten, Obſt
und Kuͤchengewaͤchſen bringt jetzt das Land nicht nur ſo
viel hervor, als die Einwohner fuͤr ſich ſelbſt gebrauchen,
ſondern ſie koͤnnen auch noch die vielen hier ankommenden,
und theils nach Indien, theils nach Europa gehenden
Schiffe damit reichlich verſorgen.
Das nordwaͤrts vom Cap gelegne Land und ſeine
Einwohner naͤher und genauer kennen zu lernen, hat
man ſich von jeher viel Muͤhe gegeben. Beſonders ſind,
ſeit der erſten Anlage einer chriſtlichen Kolonie auf dieſem
[176]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
Vorgebirge, von Zeit zu Zeit Reiſen, bald weite, bald
kurze, zum Theil auf Koſten und Veranſtaltung der Com-
pagnie, zum Theil von Privat-Perſonen, einige in großer,
andere in kleiner Geſellſchaft, auch in dieſe noͤrdlichen
Laͤnder (von Reiſen in die ſuͤd-oͤſtlichen Gegenden habe
ich vorhin erzaͤhlt) zu dieſem Ende angeſtellt. Die,
welche zu meiner Kenntniß gekommen ſind, will ich kuͤrz-
lich beſchreiben.
Im Jahr 1669 geſchah eine ſolche Reiſe nach der
Saldanhabay, welche bey dieſer Gelegenheit von der
Hollaͤndiſchen Compagnie zuerſt in Beſitz genommen wur-
de. Im Jahr 1670 wurden zwey Sergeanten, Nah-
mens Kruydhof und Kruſe, nach der Muſchelbay und
Helenenbay geſchickt; von beyden nahm man damahls
ebenfalls Beſitz. Im Jahr 1683 machte der Faͤhnrich
Olof Berg eine Reiſe nach dem Namaquaslande. Einige
Jahre hernach, 1685, machte der Gouverneur Simon
van der Stell ſelbſt eine ſehr lange und weite Reiſe ins
Land der Namaquas bis an den Wendezirkel. Er hatte
ſechs und funfzig Europaͤer, zwey Makaſſaren, drey
Sklaven, ſechs Buͤrger, zwey Feldſtuͤcke, acht Karren,
ſieben Wagen, ohne der Buͤrger eigne Wagen, ein Bot,
eine Menge Zugochſen, Pferde, Proviant, Pulver,
Gewehr und mancherley Waaren zum Tauſchhandel mit
ſich. Der Hauptgegenſtand dieſer Reiſe waren die Kup-
ferberge; man wollte unterſuchen, ob das Erz die Ko-
ſten des Ausgrabens, Schmelzens und Bearbeitens be-
zahlen, ob man dazu hinreichend Holz und Waſſer haben,
oder ob in der Naͤhe ein Hafen, wo das Erz zu Schiffe
abgehohlt werden koͤnnte, ſeyn wuͤrde. Die Reiſe
waͤhrte funfzehn Wochen.
Waͤhrend der Zeit, da im Anfange des jetzigen
Jahrhunderts den Koloniſten der Tauſchhandel mit den
Hotten-
[177]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
Hottentotten frey ſtand, geſchahen weite Reiſen ins In-
nere des Landes: eine im Jahr 1702 von fuͤnf und vier-
zig Buͤrgern mit vier Wagen bis ins Land der Kaffern;
1704 eine andre ins Namaquasland; 1705 eine von
dreyßig bis vierzig Landbauern, von denen jeder ſeinen
Hottentotten bey ſich hatte, noch weiter in eben daſſelbe
Land.
Im Jahr 1705 reiſete der Land-Droſt Starren-
burg auf Befehl der Regierung ebenfalls ins Land der Na-
maquas, hauptſaͤchlich in der Abſicht, um zum Behuf
der Compagnie eine Menge Vieh durch Tauſchhandel an
ſich zu bringen. Er hatte einen Corporal, den Gaͤrtner
Hartog, verſchiedne Sklaven und viele Hottentotten
bey ſich.
Der Gouverneur Tulbagh ſchickte im Jahr 1761
eine aus ſiebzehn Chriſten, acht und ſechzig Hotten-
totten und funfzehn Wagen beſtehende Caravane unter
Befehl und Anfuͤhrung eines Buͤrgers, Nahmens Hop,
nach denjenigen noͤrdlichen Gegenden, die ich neulich be-
ſucht hatte. Zugleich gingen von Seiten der Compa-
gnie der Landmeſſer Brink, der Gaͤrtner Auge, und der
Feldſcher Rykvoet mit. Auch wurden von der Com-
pagnie drey Wagen, ein großes Boot, Schießpulver,
Kugeln, Eiſen, Tobak und dergleichen mitgeſchickt. Die
Veranlaſſung zu dieſer Caravane war die, daß ein Bauer,
der in jenen Gegenden weit ins Land hinein gereiſet war,
dem Gouverneur berichtet hatte: ein Hottentotte habe
ihm erzaͤhlt, daß er von einem ſehr tief ins Land hinein
an einem ſehr großen Fluſſe wohnenden Volke gehoͤrt ha-
be, das ſich in Leinwand kleide, gelb von Farbe ſey, und
in die daſigen Berge hinein und wieder heraus gehe. Man
nahm hievon Anlaß zu glauben, auf der dortigen Kuͤſte
finde ſich ein Portugieſiſches Comtoir, das die Regierung
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. M
[178]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
ausſpaͤhen muͤſſe. Ein Theil der Geſellſchaft brach den
16. Julius von Cap auf; die uͤbrigen gingen ſpaͤter ab,
und ſtießen beym Elefantenfluſſe (Olifants-Rivier) un-
term 31. Grad 40 Minuten der Breite, und dem 38.
Grad 18 Minuten der Laͤnge zu jenen. Bis den 6.
December wurde die Reiſe hundert und zwanzig Meilen
weit in gerader nordlicher Richtung vom Cap, bis zum
26. Grad 18 Minuten Breite und dem 37. Grad 37
Minuten Laͤnge fortgeſetzt. Hier kehrten ſie um, und
kamen den 27. April 1762 in der Capſtadt wieder an,
ohne etwas von dem oben gedachten Volke entdeckt zu
haben. Dieſe iſt die weitſte Reiſe, welche die Euro-
paͤer auf dieſer Seite nach Afrika hinein bisher gemacht
haben. Nicht nur weiter, ſondern auch ſelbſt ſo weit zu
kommen, iſt aͤußerſt beſchwerlich, da das Land ſehr duͤrr,
an Waſſer arm und bergig iſt, und die Wege oft ſehr
ſteinig ſind. Auf dieſer Reiſe hatte der Gouverneur nie-
mand vom Militair, ſondern nur freye Buͤrger und Land-
bauern mitgeſchickt; denn die vom Militair hatten ihm
auf der vorhergehenden, von mir weiter oben beſchriebnen
Reiſe in die oͤſtlichen Laͤnder, zum großen Mißvergnuͤgen
gereicht, und oben drein dieſelbe ſehr koſtbar gemacht.
Demungeachtet aber lief auch dieſe Reiſe nicht voͤllig ſo
gut ab, als ſie gekonnt haͤtte, weil das Privat-Intereſſe
mehrerer Perſonen verſchiedne Hinderniſſe und Schwierig-
keiten in den Weg legte. Viel trug auch ohne Zweifel
der Mangel an Waſſer und die ſteinigen ſchlimmen We-
ge dazu bey, die Reiſe aufzuhalten und beſchwerlich zu
machen, weil die Zugochſen dadurch ſehr entkraͤftet, und
zum Gehen untauglich wurden, auch haͤufig ſtarben. Bey
dem allen aber war wohl die von der Regierung den Bauern
gegebne und von dieſen auf eine unvorſichtige Art benutzte
Erlaubniß, waͤhrend der Reiſe von den Hottentotten
[179]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
Vieh durch Tauſchhandel frey an ſich zu bringen, die
Haupturſache, weswegen die Reiſe dort abgebrochen wer-
den mußte. Naͤmlich anſtatt daß die Bauern erſt auf der
Ruͤckreiſe von dieſem vortheilhaften Tauſchhandel haͤtten
Gebrauch machen ſollen, geſchah dies groͤßtentheils ſchon
auf der Hinreiſe, und zwar theils aus Geitzigkeit, theils
um die Wagen von dem zum Tauſchhandel mitgenomm-
nen ſchweren Eiſen zu erleichtern. Hiedurch geſchah es,
daß die Caravane mit einer Herde Ochſen uͤberhaͤuft wur-
de, die man nicht nur zum Theil wegen Beſchwerlichkeit
der Reiſe im Stiche laſſen mußte, ſondern die auch den
wenigen Waſſervorrath fuͤr das zum Fortſchaffen der
Wagen noͤthige Vieh noch mehr verminderten.
Vor einigen Jahren unternahm zwar der Vice-Gou-
verneur Kloppenborg auch in Geſellſchaft eines Landmeſ-
ſers, eines Kaufmanns und eines Wundarztes eine Reiſe
in die noͤrdlichen Diſtrikte. Da ſie ſich aber nicht uͤber
die Graͤnzen der Kolonie ſelbſt erſtreckte, war ſie von
keinem Belange und auch eben nicht merkwuͤrdig.
Nun noch ein Paar Worte von der Beſchaffenheit
dieſes Landes. So ſchoͤn, grasreich, fruchtbar und be-
voͤlkert das Land oſtwaͤrts von Cap iſt, ſo duͤrr, mager und
oͤde iſt es nordwaͤrts; und je weiter man hinein kommt,
deſto trockner und einer Wuͤſte aͤhnlicher iſt es. Wenn
man von Cap nach Norden uͤber drey oder vier Gebirgs-
reihen gereiſet iſt, ſo kommt man in eine Gegend, die zwar
hoͤher, als der Strand bey Cap iſt, aber doch etwas nie-
driger hinabgeht, als die zwiſchen jenen Gebirgsreihen
liegenden Thaͤler oder Gruͤnde. Dies Land heißt Karro
oder Karrofeld, Karroland. Es ſcheint wie ein breiter
Streif uͤber dieſe ganze Ecke von Afrika, vom Meeres-
ufer an der Nord-Weſt-Seite bis zur Seekuͤſte an der
Suͤd-Oſt-Seite, wegzugehen. Die Breite deſſelben
M 2
[180]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap
iſt vermuthlich nicht allenthalben gleich; an einigen Stel-
len aber bedarf man ganzer ſechs Tage, um durch Huͤlfe
ſtarker Nachtreiſen hindurch zu kommen. Am Tage
ſcheint hier die Sonne brennend heiß, die Naͤchte dage-
gen ſind ziemlich kalt. Der hieſige große und faſt allge-
meine Waſſermangel, und das duͤrre Erdreich (man
bedenke, daß in einer Zeit von acht Monathen im Jahre
kein Tropfen Regen faͤllt) macht, daß dieſe Wuͤſte
nur einige wenige Kraͤuter und Straͤuche mit fleiſchigen
Blaͤttern, als das Dickblatt (Craſſula), die Zaſerblu-
me (Meſembryanthemum), das Nabelkraut (Cotyle-
don), die Peſtwurzel (Cacalia), und die Stapelie
(Stapelia) hervorbringt. Aus eben den Urſachen koͤn-
nen auch weder Menſchen noch Thiere im Sommer ſich
da aufhalten. Auch kann weder Gras wachſen, noch
irgend eine Getreideart gebauet werden. Das Erdreich
beſteht aus Lehm, der mit Eiſenocker und einer Menge
Seeſalz vermiſcht iſt. Waͤhrend meiner Reiſen durch die-
ſe Einoͤden ſah ich, ob ich gleich in verſchiednen Gegen-
den durchkam, nicht einen einzigen Sperling, auch gar
kein vierfuͤßiges Thier, außer die oben beſchriebenen Ra-
tzen, die in Loͤchern in der Erde wohnen, lange ohne
Waſſer leben, und ihren Durſt durch die ſaftigen und
ſalzig ſchmeckenden Blaͤtter der Buͤſche loͤſchen zu koͤnnen
ſcheinen. Uebrigens kommt dieſe weitlaͤuftige Wuͤſte dem
Auge faſt ganz eben vor, außer daß ſie ſich nach Norden
ein wenig und ſehr langſam zu erheben ſcheint. Iſt man
nun in der Breite hindurch gereiſet, ſo ſtoͤßt man endlich
auf ein ſehr hohes Gebirge, welches von der Beſchaffen-
heit iſt, daß man beynahe eine ganze Tagereiſe noͤthig
hat, um ganz hinauf zu kommen. Es hat den Nahmen
Rockenlandsgebirge (Roggelands-Berg). Man trifft
auf demſelben wenig eigentliche Erde an, und ſo gar iſt
[181]nach der dritten Afrikaniſchen Reiſe.
es an den meiſten Orten eine flache Klippe, nackt und
kahl. Auch hat es keinen Abhang, wie andre Berge, ſon-
dern es iſt faſt durchgaͤngig eben, und erſtreckt ſich in
dieſer Lage ſo weit nordwaͤrts, daß das Ende den Kolo-
niſten noch nicht bekannt war. Es liegt zwar der Sonne
und dem Aequator um verſchiedne Grade naͤher, als das
Cap; demungeachtet aber iſt es da nicht nur kalt, ſondern
die Kaͤlte iſt im Winter ſo ſtreng, daß das Land eine ge-
raume Zeit hindurch mit Schnee, Hagel und Eis ganz
bedeckt iſt.
Waͤhrend meiner Reiſen ſo wohl als meines Aufent-
halts zu Cap hatte ich viel Gelegenheit, den ſuͤdlichen
Himmel zu betrachten. Großentheils war ſein Anblick
fuͤr mich fremd. Einige bekannte Geſtirne hatten eine
ganz andere Lage als auf der Nord-Seite der Mittellinie,
andre vermißte ich ganz. Der Heerwagen, welcher den
Bauer auf der noͤrdlichen Haͤlfte des Erdbodens im Win-
ter des Nachts die Zeit ſo getreu anzeigt, ſah ich tief am
Horizonte herabgeſunken. Dagegen ſchienen den Ein-
wohnern dieſes Landes die ſo genannten Capſchen Wolken,
die bekanntlich zwey dunkle Flecken am Himmel ſind,
ein eben ſo ſicheres Kennzeichen zu ſeyn. Jetzt bedauerte
ich, mit lebhaftem Gefuͤhl, wie viel ich entbehrte, daß ich
mich in jungen Jahren nicht mehr auf die Erlernung ei-
ner ſo vortrefflichen Wiſſenſchaft, als die Sternkunde,
gelegt hatte. Fuͤrwahr ich haͤtte gern alle ehemahls mit
ſo vieler Muͤhe und Verdruß auswendig gelernte Defini-
tionen und einen großen Theil meiner Kenntniß und Fer-
tigkeit in todten Sprachen, deren Erlernung einen be-
traͤchtlichen Theil meiner Jugendzeit, die ich dieſer und
andern ſo nuͤtzlichen Wiſſenſchaften haͤtte widmen koͤnnen,
weggenommen hatten, fuͤr die Kenntniß eines einzigen
Geſtirns hingegeben.
[182]Vierte Abtheilung. Aufenthalt zu Cap ꝛc.
Ich ſchließe dieſe Beſchreibung mit zwey einzelnen
Bemerkungen. Nirgend habe ich haͤufigere und ſchlim-
mere Halskrankheiten, als in der Capſchen Kolonie, be-
ſonders in der Stadt, wahrgenommen. Sie ruͤhren von
der ſchleunigen Veraͤnderung der Witterung her, beſon-
ders davon, daß es nach ſtarker Hitze auf einmahl kalt
wird. Die Mandeln ſchwellen dabey ſo ſehr, daß der
Kranke in Gefahr iſt, zu erſticken, und hernach geht dieſe
Geſchwulſt gewoͤhnlich in Geſchwuͤr uͤber. Manche wer-
den von dieſer Krankheit mehrmahl im Jahre, und zwar
aufs heftigſte befallen. Beyde Geſchlechter ſind ihr auf
gleiche Art ausgeſetzt.
In der Capſtadt hat man die Straßen in die Laͤnge
durchgehends mit Europaͤiſchen Eichen (Quercus Ro-
bur) bepflanzt: dies ziert die Stadt ſehr, und giebt
Schatten vor den Haͤuſern.
(Ende der Afrikaniſchen Reiſe.)
[[183]]
Fuͤnfte Abtheilung.
Reiſe von Cap nach Batavia, und
Aufenthalt daſelbſt
vom 2. Maͤrz bis den 21. Junius 1775.
Erſter Abſchnitt.
Reiſe von Cap nach Batavia.
Waͤhrend meines letzten Aufenthalts zu Cap kam nicht
nur eine fuͤr mich beſtimmte Summe Geldes an, ſon-
dern es liefen auch Empfehlungsbriefe an den General-
Gouverneur van der Parra zu Batavia ein. Ich mußte
mich alſo nunmehr zu der Reiſe nach Oſtindien und von
da weiter nach Japan anſchicken. Waͤhrend der drey
Jahre, die ich im ſuͤdlichen Afrika zubrachte, hatte ich
ſo wohl von bewohnten als oͤden Gegenden deſſelben ſo
viel durchreiſet, als mit einem, weniger als mittelmaͤßi-
gen Geldvorrathe je moͤglich war. Zugleich hatte ich in
dieſer Zeit ſehr viel Beweiſe des Wohlwollens von Sei-
ten des Gouverneurs und verſchiedner Mitglieder der
Regierung erfahren, und von Landsleuten nicht nur, ſon-
dern auch von andern Einwohnern ungemein viel Freund-
ſchaft genoſſen. Aller dieſer mir widerfahrnen Gewogen-
heit und Guͤtigkeit, konnte ich beym Abſchiede aus die-
ſem Lande nicht anders als mit der innigſten Dankbar-
keit mich erinnern, und die Abreiſe hatte in der That
[184]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ſehr viel Ruͤhrendes fuͤr mich, ſo wie ich in meinem gan-
zen Leben des mir in Afrika erwieſenen Guten niemahls
vergeſſen werde.
Noch kurz vor meiner Abreiſe war ich indeſſen ſo
gluͤcklich, mit einem vortrefflichen Manne, dem Re-
gierungsrathe Holmberg, einem gebohrnen Schweden,
Bekanntſchaft zu ſtiften. Er war jetzt auf der Ruͤckreiſe
von Surate begriffen, wo er verſchiedne Jahre hindurch
zur vorzuͤglichen Zufriedenheit ſeiner Vorgeſetzten, der
Hollaͤndiſchen Compagnie gedient, und vom Commerz-
Weſen ſolche Kenntniſſe ſich verſchafft hatte, als wenige
beſitzen, und wenige zu ſchaͤtzen wiſſen. Er beehrte
mich mit ſeiner aufrichtigen Freundſchaft, und gab mir
ein Recommandations-Schreiben an den Rathsherrn Ra-
demacher zu Batavia mit, das mir weit groͤßern Nu-
tzen verſchaffte, als ich je zu hoffen gewagt hatte.
Der 2. Maͤrz 1775 war der Tag, da ich das
mir ſo werthe Cap verließ, und an Bord des Schiffes
Loo mich begab, das vom Capitain Berg gefuͤhrt wurde,
und auf welchem ich als außerordentlicher Chirurgus an-
geſtellt war. Der Weg ging unmittelbar nach Batavia.
Auf dieſem Schiffe befand ſich auch ein junger
Herr, der ſich einen Grafen von Loͤwenſtein nannte, und
fuͤr einen Prinzen vom Kaiſerlichen Hauſe ausgab. Er
war ungluͤcklicher Weiſe auf die Veranſtaltung eines ſo
genannten Seelenverkaͤufers nach Cap geſchickt, und
wurde auch jetzt noch genoͤthigt, mit nach Java zu gehen,
ohne daß die Regierung zu Cap, warum nicht? kann
ich nicht beſtimmen, es gewagt haͤtte, ihm die Ruͤck-
reiſe von da nach Holland zu erlauben. Seiner eignen
Erzaͤhlung zufolge war er als ein Reiſender mit einem
Bedienten zu Nimwegen angekommen, wo er bey einem
Seelenverkaͤufer das Logis bekam. Dieſer beraubte ihn aller
[185]Reiſe von Cap nach Batavia.
ſeiner in einem großen Koffer befindlichen Sachen, hielt
ihn drey Tage eingeſperrt, und ſchickte ihn hernach zu
einem Kameraden ſeines ſpitzbuͤbiſchen Handwerks nach
Amſterdam. Bey dieſem letzteren ſaß er, nebſt ſeinem
Bedienten, ganze drey Wochen eingeſchloſſen, und wurde
von ihm endlich nach dem Texel auf ein Schiff geſchafft,
ohne vorher auf dem Oſtindiſchen Hauſe geweſen, oder
die Muſterung paſſirt zu ſeyn. Sein Bedienter war
waͤhrend der Reiſe an einer Krankheit geſtorben. Er
ſelbſt hatte ſich zum Soldaten muͤſſen machen laſſen, und
beſaß von allen ſeinen Habſeligkeiten weiter nichts mehr,
als ein einziges rothes Kleid, und einen koſtbaren Ring.
Waͤhrend der ganzen Reiſe hatte er krank gelegen, war
auch als ein Kranker zu Cap ins Hoſpital gekommen.
Hier hatte ihn einer ſeiner Landsleute erkannt, und da-
durch war es allgemein bekannt geworden, wer er ſey.
Die Capſche Regierung hatte doch, auf erhaltne Nach-
richt hievon, die Anſtalt getroffen, daß er als Paſſagier
die Reiſe nach Batavia machen und auch am Officier-
Tiſche ſpeiſen durfte.
Wir hatten guten Wind, und kamen ſehr bald
und gluͤcklich bis zum 40ſten Grad ſuͤdlicher Breite.
Darauf ſegelten wir oſtwaͤrts, und verlohren von nun
an in jedesmahl vier und zwanzig Stunden eine Viertel-
ſtunde, und auch wohl mehr, je nachdem der Wind
ſtark war und wir geſchwinder ſegelten.
Am 5. April ſahen wir bereits die Inſel Sanct
Paul. In der folgenden Nacht ſegelten wir zwiſchen
derſelben und der Inſel Amſterdam durch. Die letzte
hatten wir noch am folgenden Tage im Geſichte.
Jetzt wurde das ſtarke Hollaͤndiſche Bier, welches
die Compagnie, wie gewoͤhnlich, zum Gebrauch fuͤr die
Officiere mitgegeben hatte, unter dieſelben vertheilt.
[186]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Der Unter-Streuermann that zwar den Vorſchlag, es
fuͤr allgemeine Rechnung zu verkaufen, und hernach das
dafuͤr geloͤſete Geld zu theilen; dies wurde aber nicht
angenommen. Wein, Bier und manche andre Sachen,
welche die Hollaͤndiſche Compagnie fuͤr die Tafel der Offi-
ciere mitgiebt, werden ſelten oder niemahls bey der Mahl-
zeit gebraucht, wo ſie doch vorzuͤglich gebraucht werden
ſollten; ſondern entweder wird dergleichen vom Capi-
tain und erſten Steuermanne ganz untergeſchlagen, oder
auch alsdann erſt ausgetheilt, wenn es verdorben, oder
gegen ſchlechteres vertauſcht iſt. Daher erfordert es
denn die Nothwendigkeit, daß jeder ſelbſt ſich mit man-
cherley zur Proviſion gehoͤrigen Artikeln verſorgt, um
die man ſich auf den Schiffen andrer Nationen nicht be-
kuͤmmern darf.
Den 2. May erblickten wir die Inſel Mone. Am
folgenden Tage entdeckte man oben vom Maſte bereits
Land von Java, welches wir den Tag darauf ſchon auf
dem Verdecke ſehen konnten.
In dem Verhaͤltniſſe, als wir dem heißen Luftſtriche
naͤher kamen, mehrte ſich auch taͤglich die Anzahl der
Kranken. Die meiſten waren mit dem Skorbut be-
haftet; viele hatten ſich durch ploͤtzliche Abwechſelung von
Hitze und Kaͤlte Erkaͤltungen zugezogen.
Endlich bekamen wir die Inſel Java foͤrmlich zu
Geſichte. Wir freueten uns nicht wenig, in einem
Lande anzulangen, das fuͤr ſehr viele der Gegenſtand ih-
rer Wuͤnſche, aber auch fuͤr die meiſten zum Grabe be-
ſtimmt war. Die Berge auf Java ſo wohl, als auf
den umliegenden Inſeln waren alle gruͤn und mit Gehoͤlz
bewachſen, und gaben den Augen einen lebhaften und
angenehmen Anblick. Die tiefer im Lande liegenden
Berge erſchienen hier, wie anderwaͤrts, immer hoͤher
[187]Reiſe von Cap nach Batavia.
und hoͤher, denn das Land erhebt ſich vom Ufer an
allmaͤhlig mehr.
Den 9. ſegelten wir die Klapperinſel vorbey. Zwi-
ſchen Java und der Prinzeninſel fuhren wir in die be-
kannte Meerenge, die Sumatra von Java trennt,
die ſo genannte Straße von Sunda oder Straat-Sunda,
ein. Hier fing der Wind ſogleich an ſtill zu werden,
und dieſe Stille verurſachte, daß die Reiſe etwas lang-
ſam von Statten ging. Allenthalben erblickten wir hier
kleine und große zerſtreut liegende Inſeln. Das Waſ-
ſer iſt oft ſehr ſeicht. Gegen die Nacht warfen wir
die Anker.
Am 12. wurde der Super-Cargeur in einer Jacht
nach Batavia abgehohlt, welche zugleich die Briefe der
Compagnie und andre Papiere dahin mitnahm. Durch
dies Mittel wird die Compagnie jedesmahl vorher von
allem benachrichtigt, ehe ein Schiff auf der Rhede an-
kommt; denn dies geſchieht allezeit, ſo oft ein Schiff
im Sunde anlangt.
Zwey Tage darauf kamen verſchiedne Javaner in
kleinen Boͤten oder Prauwen, nach unſerm Schiffe.
Dieſe Boͤte waren mit einer Art Verdeck von loſen Bre-
tern verſehen, unterhalb welcher viele Abtheilungen wa-
ren, worin ſie Brot, Eyer, Ananas, Kokosnuͤſſe, Pi-
ſang, Gojavus, Salat, Rettiche und andre Garten-
gewaͤchſe und Fruͤchte hatten, die ſie zu Kauf bothen.
Einige von den Javanern kamen zu uns an Bord; die
andern blieben in den Boͤten zuruͤck, um die verkauften
Sachen aufs Schiff zu reichen, die jene annahmen,
und ſich auch das Geld dafuͤr bezahlen ließen. Es war
ſehr artig anzuſehen, wie behende ſie dies verrichteten, be-
ſonders wie behutſam und zugleich geſchwind ſie die Eyer
mit den Haͤnden auffingen, ohne daß ein einziges hinfiel
[188]Fuͤnfte Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
oder zerbrach. Das bekommene Geld beſahen ſie ſehr
genau, und waren ſehr darauf bedacht, ſo viel moͤglich
neues und noch nicht abgenutztes zu erhalten; altes Geld
nahmen ſie ungern an. Das Schiffsvolk wurde er-
mahnt, nicht zu viel von den Fruͤchten und Gartenge-
waͤchſen zu eſſen. Beſonders warnte man vor der zwar
angenehmen, aber ſchaͤdlichen Ananas, weil dieſelbe in
einem vom Skorbut verdorbnen Koͤrper und bey Leuten,
die daran nicht gewoͤhnt ſind, leicht Durchlauf und
rothe Ruhr verurſacht.
Waͤhrend der Fahrt im Sunde legten wir uns faſt
unzaͤhligemahl vor Anker, weil ſonſt bey oft eintretender
gaͤnzlicher Windſtille das Schiff vom Strome zuruͤckge-
trieben ſeyn wuͤrde.
Nechter Hand fuhren wir Bantam vorbey. Dies
iſt die Reſidenzſtadt eines der Koͤnige des Landes, der
ganz und gar von der Hollaͤndiſchen Compagnie abhaͤngt.
Die Stadt iſt befeſtigt, und hat eine Citadelle, nebſt
einer Beſatzung von dreyhundert Mann Hollaͤndiſcher
Truppen. Dieſe Garniſon haͤlt die Compagnie da unter
dem Titel einer Leibwache des Koͤnigs, in der That
aber, um ein wachſames Auge auf ihn zu haben, da-
mit er nichts gegen das Intereſſe der Compagnie moͤge
vornehmen, und nahmentlich keinen Pfeffer an Leute
von andern Nationen verkaufen koͤnnen.
Den 18. May trafen wir gluͤcklich auf der Rhede
von Batavia ein, und warfen unter lautem Frohlocken
die Anker. Die Rhede iſt groß, aber nicht tief; ihre
Tiefe nimmt von Jahr zu Jahr ab, ſo wie auch der
Strand ſelbſt immer hoͤher wird. Der Grund iſt mora-
ſtig. Die Schiffe liegen nicht weit von der Stadt ſelbſt,
nach welcher man in Boͤten den Fluß hinauf ſegelt.
[189]Reiſe von Cap nach Batavia.
Am folgenden Tage fuhr ich mit dem Capitain an
Land. Mein Logis bekam ich in der ſo genannten Her-
renherberge (Heeren-Logement), einem zur Bequem-
lichkeit der Fremden angelegten großen Gebaͤude.
Zweyter Abſchnitt.
Aufenthalt zu Batavia.
Die Empfehlungsſchreiben, welche ich bey mir hatte,
naͤmlich vom Buͤrgermeiſter Temmink zu Amſterdam an
den General-Gouverneur van der Parra, von Herrn Holm-
berg an den Rathsherrn Rademacher, und vom Doctor
le Seur zu Cap an Doctor Hoffmann, hatte ich bereits
vom Schiffe ab nach der Stadt geſchickt. Mein erſtes
Geſchaͤfft war daher jetzt, dieſe Maͤnner ſelbſt zu beſuchen.
Ich war ſo gluͤcklich zu erfahren, daß ſie ſaͤmmtlich, ſo
wohl bey meinem erſten Beſuche, als hernach bey jeder
Gelegenheit wetteiferten, mir Wohlwollen, Freund-
ſchaft und Unterſtuͤtzung zu beweiſen. Ewig werde ich
dieſe Maͤnner verehren, und nie vergeſſen, was ſie fuͤr
mich thaten.
Da der General-Gouverneur allezeit des Morgens
fruͤh, um ſieben oder acht Uhr, ehe die Hitze groß gewor-
den iſt, Audienz giebt, (wobey er zugleich ſich von allen
Beamten, Unter-Befehlshabern und Officianten Bericht
abſtatten laͤßt, und die noͤthigen Befehle ertheilt; und
dies geſchieht jeden Tag); ich aber nicht eher als gegen
Mittag an Land kam, konnte ich dieſem Herrn erſt Nach-
mittags um vier Uhr die Aufwartung machen. Er em-
pfing mich ſehr liebreich, und verſprach mir in allem,
wozu ich in Anſehung meiner Reiſe nach Japan ſeines
Beyſtandes beduͤrfen wuͤrde, befoͤrderlich zu ſeyn. Er
[190]Fuͤnfte Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
wohnte jetzt auf ſeinem Landſchloſſe nicht weit von der
Stadt, wo die Luft friſcher und geſunder iſt. — An
eben dieſem Abend ging ich auch zu Doctor Hoffmann,
traf ihn aber nicht zu Hauſe. Am folgenden Morgen,
ehe ich zum Ausgehen kommen konnte, beſuchte er mich
in meinem Logis, both mir den Aufenthalt in ſeinem
Hauſe und ſo gar ſeinen Tiſch an, nahm mich auch ſo-
gleich in ſeinem Wagen mit nach der Apotheke der Com-
pagnie, wo er wohnte, und die unter ſeiner Ver-
waltung ſtand. Zu Cap war ich, um meine Schulden
zu bezahlen, vor meiner Abreiſe genoͤthigt geweſen, von
Doctor le Seur eine Summe Geldes zu borgen, die ich
von meiner zu Batavia zahlbaren Beſoldung an Herrn
Hoffmann auszuzahlen mich anheiſchig gemacht hatte.
Er wußte dies, und hieraus konnte er hinlaͤnglich wahr-
nehmen, daß ich keiner von den Reiſenden ſey, die ſich
bereits Indiſche Schaͤtze erworben haben, und daß ich
waͤhrend eines dreyjaͤhrigen Aufenthalts zu Cap, nicht
ſo wohl Gold, als Gewaͤchſe und andre Naturalien ge-
ſammelt habe. Er hatte hievon auch ſo gar ſchon mir
Herrn Rademacher, deſſen Arzt er war, geſprochen,
und dieſer vortreffliche Mann hatte ihm darauf ſogleich
funfzig Dukaten fuͤr mich ausgezahlt, ehe ich einmahl
meinen Beſuch bey ihm abſtatten koͤnnen, und ehe er
den Mann kennen gelernt, deſſen ſehr mittelmaͤßige Um-
ſtaͤnde ſein Mitleid rege machten. Bey mehreren, faſt
moͤchte ich ſagen, taͤglichen Beſuchen, fand ich, daß
dieſer Mann nicht nur den vortrefflichſten Charakter, ſon-
dern auch viel Liebe zu Kuͤnſten und Wiſſenſchaften be-
ſaß, und, welches noch mehr iſt, zumahl in einem
Lande, wo jedermann den Mammon verehrt, Kuͤnſte
und Wiſſenſchaften auch kannte, ſelbſt getrieben hatte
und noch trieb. Er war es auch, durch deſſen Vor-
[191]Aufenthalt zu Batavia.
ſorge ich auf meinen botaniſchen Excurſionen einen ſehr
brauchbaren und guten Javaner zum Begleiter und
Wegweiſer bekam; einen Mann, der die maleyiſchen
Nahmen und den mediciniſchen Nutzen, und den unter
ſeinen Landsleuten uͤblichen Gebrauch der Baͤume und
Kraͤuter ziemlich gut kannte, und mir jedesmahl aus-
fuͤhrlich anzeigte. Ueberdem mußte ich, ob ich gleich
taͤglich Zutritt zu Herrn Hoffmanns Tiſche hatte, doch
woͤchentlich wenigſtens zweymahl bey Herrn Rademacher
ſpeiſen, da ich denn allezeit eine ausgeſuchte Geſellſchaft
der meiſten Beamten und andrer Perſonen antraf, die
ſich in Europa Kenntniſſe von einer oder andern nuͤtz-
lichen Wiſſenſchaft erworben hatten.
Durch Herrn Rademacher wurde ich auch mit Herrn
Boers bekannt, der ſehr oft bey ihm und ſein ſehr guter
Freund war, und der mir auch viel Freundſchaft und
Guͤtigkeit erzeigte. Er beſaß ein ſehr eintraͤgliches Amt.
Denn hier iſt ein eigner Mann dazu beſtellt, bey dem
ſich alle zu Schiffe angekommne Fremde melden, und
durch ſeine Beſorgung und Veranſtaltung alles, was ſie
von Proviant und andern Beduͤrfniſſen haben wollen,
verſchaffen laſſen muͤſſen. Dieſe Bedienung hatte er.
Unter andern Beweiſen ſeiner Gewogenheit muß ich den
ruͤhmen, daß ich von ihm auf Bodmerey eine Anleihe
von mehr als tauſend Thalern bekam, wofuͤr ich Einhoͤr-
ner (Unicornum verum) aufkaufte, die ich in Japan
mit großem Vortheil wieder zu verkaufen hoffte.
Da die nach Japan beſtimmten Schiffe noch in drey
Monathen nicht abſegeln konnten, hatte ich zu Batavia
Gelegenheit, ſo wohl das Land ſelbſt, als insbeſondre die
naturhiſtoriſche Beſchaffenheit deſſelben, wie auch den
eintraͤglichen Handel der Compagnie etwas kennen zu ler-
nen, deſſen Hauptſitz und Mittelpunkt hier iſt, worin
[192]Fuͤnfte Abtheil. Zweyter Abſchn. u. ſ. w.
er ſich aus den vielen Oſtindiſchen Comtoiren, Facto-
reyen und Beſitzungen vereinigt.
Als im Anfange des Maymonaths die Zeit heran-
nahete, da die nach Japan beſtimmten Schiffe abſegeln
ſollten, ſchickte ich mich zu meiner Reiſe dahin an. Herr
Rademacher ſuchte mich zwar zu uͤberreden, daß ich zu
Batavia bliebe, und rieth mir, die erledigte Bedienung
eines daſigen Arztes, deren Einkuͤnfte man jaͤhrlich auf
ſechs bis achttauſend Thaler ſchaͤtzte, anzunehmen. Allein
ich zog doch die Pflicht, dem in Holland gethanen Verſpre-
chen nachzukommen, meinem eignen Vortheile vor, welches
mir um ſo viel leichter wurde, da ich waͤhrend meines kur-
zen Aufenthalts daſelbſt hinlaͤnglich gewahr geworden
war, daß man hier großen Gewinn nicht immer mit rei-
nen Haͤnden einſammelt. Ich dankte daher meinem Goͤn-
ner aufs herzlichſte fuͤr ſeine gute Abſicht, und ließ mir
zu meiner bevorſtehenden Japanſchen Reiſe allerhand
Kleidungsſtuͤcke, theils ſeidne, theils tuchene mit Galo-
nen und anderm Schmucke machen, um mich unter den
neugierigen Japanern, welche die Europaͤer mit mehr
Aufmerkſamkeit betrachten, als je ein Naturforſcher ein
ſeltnes Thier beſehen kann, mit Wuͤrde und Anſtand
zeigen zu koͤnnen.
Bey der erſten Zuſammenkunft des Raths war ich
bereits als erſter Wundarzt auf dem groͤßten oder Admi-
ralſchiffe unter der nach Japan beſtimmten Flotte ange-
ſtellt. Der Befehlshaber, welcher dies Jahr ebenfalls
dahin abſegeln wollte, bekam zugleich Befehl, mich bey
ſich zu behalten, und mir zu erlauben, als Legations-Me-
dicus die Reiſe an den Hof des Kaiſers zu thun, wohin
er waͤhrend ſeines Aufenthalts in Japan als Ambaſſadeur
gehen ſollte.
Sechste
[193]
Sechste Abtheilung.
Nachrichten von Java, und beſon-
ders von Batavia.
Erſter Abſchnitt.
Beſchreibung der Stadt Batavia,
der daſigen Merkwuͤrdigkeiten, Ein-
richtungen und dergleichen.
Batavia iſt eine Stadt von anſehnlicher Groͤße und
ſehr ſchoͤn gebauet. Sie enthaͤlt viele praͤchtige maſſive
Gebaͤude, in welchen die Zimmer ſehr groß ſind, und
der freyen Luft offen ſtehen; eine unter dieſem brennend
heißen Himmelsſtriche, wo man Kuͤhlung ſo noͤthig hat,
vortreffliche Einrichtung. Die Straßen ſind aber nicht
gepflaſtert, weil die von den Sonnenſtrahlen erhitzten
Steine den Fuͤßen der Sklaven, welche barfuß gehen,
und ſo gar den Fuͤßen der Pferde, die hier nicht beſchla-
gen werden, zu vielen Schaden thun wuͤrden. In-
deſſen findet man doch in den meiſten Gaſſen eine Reihe
flacher Steine zur Bequemlichkeit fuͤr die Europaͤer. In
allen Straßen ſind zu beyden Seiten große Baͤume
gepflanzt, die bey der Hitze etwas Schatten und Kuͤh-
lung geben.
So wohl außerhalb der Stadt, als in derſelben,
ſind allenthalben Waſſergraͤben gezogen, die an beyden
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. N
[194]Sechste Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Seiten mit Mauern verſehen ſind. Auf dieſen Kanaͤ-
len bringen große und kleine Boͤte allerhand Gartenge-
waͤchſe, Fruͤchte und andre Sachen, auch Gras fuͤr die
Pferde, nicht nur in die Stadt, ſondern auch faſt in
alle Gaſſen derſelben zum Verkauf. Sie ſind nicht tief,
oft nicht tiefer als zwey Ellen. Ihr Waſſer leiten ſie
nach der Rhede. Die Rhede iſt zwar groß und weit,
aber ſeicht und ſchlammig.
Die Stadt iſt wohl befeſtigt, ganz und gar mit
Waͤllen umgeben, und mit verſchiednen Thoren verſehen,
bey denen eine gewiſſe Anzahl Soldaten ihren Poſten
hat, und die jeden Abend zugeſchloſſen werden. Die
Waͤlle indeſſen ſind weder ſehr ſtark noch breit. Die
Citadelle liegt am einen Ende der Stadt gegen die See-
ſeite, iſt ziemlich groß, und ſchließt zugleich den Raths-
ſaal, die Packhaͤuſer, verſchiedne andre wichtige Ge-
baͤude, als die Comtoire der Compagnie, die Rentkam-
mer, das Zeughaus, die Laboratorien und dergleichen,
und auch einige Wohnhaͤuſer in ſich. An der einen
Seite der Muͤndung des Fluſſes liegt ein ſo genanntes
Waſſer-Caſtell, deſſen Beſtimmung iſt, die Rhede zu
beſchießen. Jetzt iſt es ſehr verfallen, und taͤglich ſtuͤr-
zen große Stuͤcke vom Mauerwerke herunter, die denn
vom Waſſer bald weggeſpuͤhlt werden. An den Kanaͤlen
in der Stadt ſind kleine ſteinerne Feſtungswerke ange-
legt, die mit Kanonen beſetzt ſind, und dazu dienen,
die Graͤben ſo wohl als die Straßen zu beſchießen, wenn
Aufruhr entſteht. Auf ſolchen Fall iſt zugleich die An-
ſtalt gemacht, daß man in Geſchwindigkeit Kanonen
auf die Gaſſen bringen kann, die in gewiſſer Entfernung
von einander aufgefuͤhrt werden, um die Indianer und
Sklaven zu zwingen, ſich in den Haͤuſern zu halten.
Dieſe Vertheidigungs-Anſtalten ſind fuͤr ein Volk, das
[195]Beſchreibung der Stadt Batavia.
in einem mit Gewalt eingenommenen Lande wohnt, und
an Anzahl nur gering iſt, zwar nothwendig, erhoͤhen
aber gewiß die Schoͤnheit der Stadt nicht, und erwecken
dem, welcher gewohnt iſt, uͤber das, was er ſieht, Be-
trachtungen anzuſtellen, keinen angenehmen Begriff von
der Art und Weiſe, wie die vielen Leckerbiſſen, Ge-
wuͤrze, koſtbaren Zeuge und theuern Meublen, deren
ſich Europa mit ſo viel Vergnuͤgen und Wohlluſt be-
dient, in dieſen entfernten Gegenden gewonnen und
angekauft werden.
Die innerhalb der Citadelle befindlichen Packhaͤu-
ſer, oder wie ſie eigentlich heißen ſollten, Magazine
oder Waarenlager, der Compagnie, ſind angelegt, theils
um darin Getreide, Reiß, Wein und andre Getraͤnke,
nebſt mancherley ſonſtigen Beduͤrfniſſen, nicht bloß zum
Gebrauche fuͤr Batavia, ſondern auch fuͤr die meiſten
uͤbrigen Comtoire in ganz Indien; theils aber auch Spe-
zereyen und verſchiedne andre Kaufmannsguͤter fuͤr Eu-
ropa und andre Handelsplaͤtze darin aufzubewahren.
Auf der Rhede vor Batavia ſind ſehr viele Inſeln,
die ſie nicht nur vor Stuͤrmen ſchuͤtzen, ſondern auch
der Hollaͤndiſchen Compagnie mancherley Vortheile ver-
ſchaffen. Sie hat auf demſelben Magazine fuͤr ver-
ſchiedne Waaren, ihre Schiffswerfte, und viele andre
wichtige Gebaͤude und Anſtalten.
Auf der Landſeite hat Batavia eine ſehr große und
ſchoͤne Vorſtadt, die nicht nur von Europaͤern, ſondern
auch von Chineſern und Leuten von andern Indiſchen
Nationen bewohnt wird.
Etwas weiter hinaus trifft man eine Menge Luſt-
haͤuſer mit den reitzendſten Gaͤrten an. Hier bringen
die Reichen und Vornehmen ihre geſchaͤfftfreyen Stun-
den zu, weil die Luft hier ſchon geſunder, als in der
N 2
[196]Sechste Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Stadt iſt. Auf verſchiednen dieſer Luſtplaͤtze ſah ich
große mit Waſſer angefuͤllte Kruken, worin lebendige
Goldfiſche waren, die mit ihren glaͤnzenden Farben und
ihrer uͤberhaupt ſehr ſchoͤnen Geſtalt prangten, und un-
ter Muſchelblumen (Piſtia ſtratiotes), einem ganz ſon-
derbaren Gewaͤchſe, das man gepflanzt hatte, um den
Fiſchen Schatten zu geben, ſpielten.
Die Stadt Batavia hat ſechs Kirchen, zwey re-
formirte, eine Portugieſiſche, eine Lutheriſche, eine
Hoſpitalkirche, und eine in der Citadelle. Außerhalb
der Stadt ſteht noch eine Portugieſiſche. Jede hat ihre
Prediger, die man aus Holland kommen laͤßt, und wel-
che hier in großem Anſehen ſtehen, und ſehr gut beſol-
det werden.
So groß und volkreich dieſe Stadt iſt, trifft man
hier doch weder Kaffeehaͤuſer, noch Weinkeller, noch
Wirthshaͤuſer an; ſondern alle Fremde, ſie moͤgen mit
Hollaͤndiſchen oder andern Schiffen kommen, ſind genoͤ-
thigt, in der ſo genannten Herrenherberge zu logiren.
Dies iſt ein großes, ſchoͤnes, ſehr viele Zimmer enthal-
tendes Haus. Hier bekommt man nicht nur Aufwartung,
Zimmer, Betten und Eſſen, wofuͤr man taͤglich einen
Ducaton oder anderthalb Thaler bezahlt, ſondern auch,
wiewohl fuͤr beſondre Bezahlung, Kaffee, Wein und
Bier. Außerdem iſt in dieſem Hauſe nicht nur ein unge-
mein großer Saal fuͤr groͤßere Geſellſchaft, ſondern auch
lange und an einer Seite offne Gallerien oder Gaͤnge, wo
man im Schatten ſitzen oder ſpatzieren kann, nebſt einem
Billard. Kein Bedienter der Compagnie und auch kein
Buͤrger darf irgend einem Fremden in ſeinem Hauſe fuͤr
Geld Wohnung oder Bekoͤſtigung geben; wer aber einen
guten Freund oder Bekannten unentgeldlich und aus Ge-
faͤlligkeit beherbergen will, dem iſt es nicht verbothen.
[197]Beſchreibung der Stadt Batavia.
Verſchiedne Buͤrger halten Pferde und Wagen,
die ſie nicht nur Fremden, ſondern auch andern, welche
ſich keine eigne Equipage halten koͤnnen oder wollen, fuͤr
Geld zum Gebrauche uͤberlaſſen. Einen ſolchen Mieth-
wagen kann man auf Monathe, Wochen, Tage, auch
einzelne Mahle bekommen. Man muß aber ſehr viel da-
fuͤr bezahlen, und die Miethkutſcher werden gewoͤhnlich
reiche Leute.
Vor der Stadt ſteht das aſtronomiſche Obſervato-
rium, das der Prediger Moor zur Befoͤrderung der
Wiſſenſchaften hat anlegen laſſen, welches aber jetzt,
nach dem Tode dieſes Mannes, von niemand gebraucht
wird, und nur von dem Eifer ſeines wuͤrdigen Er-
bauers zeugt.
Zu Batavia iſt auch eine zum Gebrauche der Com-
pagnie angelegte Buchdruckerey, wie auch eine ſehr gute
Bibliothek, die ebenfalls der Compagnie gehoͤrt, und
deren Verzeichniß ſchon im Jahr 1752 gedruckt iſt,
nebſt einem Archiv.
Das Waſſer zu Batavia iſt weder ſehr geſund,
noch eben wohlſchmeckend. Es enthaͤlt etwas Salz,
wodurch leicht Diarrhoͤe verurſacht wird. Bey dem,
welcher zuerſt hieher kommt, und mit Skorbut behaftet
iſt, entſteht davon manchmahl ſo gar die rothe Ruhr.
Die Einwohner laſſen es daher gemeiniglich einige Zeit
in großen Japanſchen irdenen Kruken ſtehen, damit die
unreinen Theile ſich auf den Boden ſetzen, und hernach
loͤſchen ſie gluͤhende eiſerne Stangen darin. So zube-
reitet kann man es ohne die mindeſten nachtheiligen Fol-
gen trinken; auch iſt es denn zu Kaffee und Thee ſehr
gut zu gebrauchen; man trinkt es auch wohl mit rothem
Weine vermiſcht.
[198]Sechste Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
Ehemahls war Jaccatra eine von den Hauptſtaͤdten
der Inſel, ehe ſie von den Hollaͤndern im Jahr 1619
erobert, und das jetzt bluͤhende Batavia, naͤher nach
der See hin, angelegt wurde. Jetzt iſt Jaccatra nur
eine Schanze, oder, wie man dergleichen hier nennt,
ein Feldpoſten. Noch heutiges Tages wird zu Batavia
jaͤhrlich das Andenken dieſer Eroberung gefeyert, indem
man an dem Tage, da ſie geſchah, den 13. May, des
Mittags alle Kanonen um die Stadt abfeuert.
Der General-Gouverneur zu Batavia fuͤhrt einen
ſehr großen und Fuͤrſtlichen Staat. Beſonders faͤllt die-
ſer ſehr in die Augen, wenn er in ſeinem großen vergol-
deten Staatswagen ausfaͤhrt. Er hat ſeinen eignen
Stallmeiſter und Hofmeiſter, und eine Leibwache von
zwoͤlf Mann zu Pferde, nebſt zwey Trompetern, die
alle in Uniform gekleidet ſind. Die Leibwache reitet ſehr
oft mit bloßem Degen, die beyden Trompeter, einen
Europaͤiſchen Laͤufer und vier Mohren als Laͤufer, alle
ſchoͤn gekleidet, vor ſich her, vor dem Wagen, und zur
Seite des Wagens reitet ein Officier. Bisweilen reitet
ſo gar ein Commando von funfzig bis ſechzig Mann,
unter Anfuͤhrung eines Faͤhnrichs oder Sergeanten hin-
ter dem Wagen. Jedermann, die Rathsherren aus-
genommen, muß ihm, wenn er vorbey faͤhrt, ſeine
Ehrerbiethung beweiſen: wer geht, muß ſtill ſtehen;
wer faͤhrt, ausſteigen. Im Rathe, der gewoͤhnlich
Dienſtags und Freytags zuſammenkommt, ſitzt außer
ihm ein General-Director, und fuͤnf wirkliche Raths-
herren, die nicht nur ihre Meinung ſagen und ihr Gut-
achten geben koͤnnen, ſondern auch foͤrmliche Stimme
im Collegium haben. Außer dieſen ſind einige, bald
mehr, bald weniger, extraordinaire Rathsherren, die
nur ihre Meinung aͤußern und Rath geben duͤrfen, aber
[199]Beſchreibung der Stadt Batavia.
kein Votum haben. In dieſe Rathsverſammlung darf
niemand mit dem Degen kommen, ſondern dieſer muß
allezeit draußen gelaſſen werden, wo ihn die Wache in
Verwahrung nimmt. Der General-Gouverneur beſitzt
voͤllig Koͤnigliche Macht und Autoritaͤt. Was ihm be-
liebt, dem ſtimmen die andern gemeiniglich bey; und
wenn dieſe auch gegen ihn ſind, kann er die Sache doch
zur Ausfuͤhrung bringen, da er denn aber auch allein
des Erfolges wegen die Verantwortung hat. Er beſitzt
auch das Recht, mit den Indiſchen Fuͤrſten Buͤndniſſe
einzugehen, Krieg anzufangen und Frieden zu ſchließen.
Ja er maßet es ſich ſo gar wohl an, wenn das Intereſſe
der Compagnie es erfordert, Koͤnige und Fuͤrſten ein- und
abzuſetzen. Der General-Director hat die hoͤchſte Auf-
ſicht uͤber die Handlung, Waaren und Waaren-Maga-
zine der Compagnie; von ſeiner Verwaltung haͤngt alles
ab. Jeder Rathsherr hat die beſondre Aufſicht uͤber eines
von den andern Indiſchen Comtoiren, iſt dabey auch oft
Praͤſident eines oder des andern von den in der Stadt be-
findlichen Collegien. Wenn ein Rathsherr mit zwey Laͤu-
fern vor dem Wagen, jemand vorbeyfaͤhrt oder begegnet,
ſo muß man, waͤhrend man gruͤßt, mit dem Wagen ſtill
halten. Wenn die Gemahlin des General-Gouverneurs
ausreiſet, reiten zwey Trabanten voraus, und oft reiten
zwoͤlf Mann hinter dem Wagen.
Der Juſtiz-Rath zu Batavia, welcher aus eini-
gen Mitgliedern, die in Holland ernannt werden, beſteht,
iſt, ſo wie auch der Fiskal, vom großen Indiſchen Rath
unabhaͤngig. Dieſe Maͤnner werden aber ſchlecht beſol-
det, und ſie koͤnnen nicht darauf rechnen, Schaͤtze zu
ſammeln. Mit verſchiednen von ihnen hatte ich Ge-
legenheit Bekanntſchaft zu ſtiften, und ſo wohl aus
ihren Aeußerungen, als aus andern Umſtaͤnden kam
[200]Sechste Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
es mir vor, daß die Gerechtigkeit hier keine Handels-
waare iſt.
Außer dieſem Rathe, unter deſſen Gerechtigkeits-
pflege die Beamten und Bedienten der Compagnie, ſo
wohl die hohen als niedrigen, in Civil- und Criminal-
Sachen, auch was den Schleichhandel betrifft, ſtehen,
hat die Stadt ihr eignes Rathhaus. Im Stadtrathe
hat einer von den Mitgliedern des großen Indiſchen
Raths den Vorſitz, und verſchiedne aus der Buͤrger-
ſchaft ſind unter dem Nahmen Schoͤpfen Mitglieder.
Dieſer Rath entſcheidet in den vor ihn gehoͤrenden Sa-
chen, ſo gar uͤber Leben und Eigenthum der Indier.
Dergleichen Rathsherren-Aemter werden vom General-
Gouverneur vergeben, und ehrſuͤchtige Leute, die ſich
auf keine andre Art einen hohen Rang verſchaffen koͤn-
nen, bezahlen dafuͤr anſehnliche Summen.
Das Militair beſteht zum Theil aus Europaͤern,
zum Theil aus Indiern, die ordentlich in Dienſt genom-
men und exercirt ſind. Dazu kommen noch die Buͤr-
gerſchaft und die Chineſer, welche ebenfalls, wenn Krieg
entſteht, Dienſte thun muͤſſen. Die Officiere werden
ſo wohl hier, als in ganz Indien als Bediente angeſehen,
welche die Compagnie fuͤr verabredeten Sold zur Ver-
theidigung und zu ihrem Dienſte angenommen hat. Sie
haben hier daher keinen Theil weder an der Verwaltung
der Regierung, noch an der Betreibung des Handels.
Eben ſo wenig hat man ihnen den Rang uͤber die hoͤhe-
ren Beamten eingeraͤumt, die in Anſehung des ſo un-
glaublich eintraͤglichen Handlungsverkehrs fuͤr die nuͤtz-
lichſten und noͤthigſten angeſehen werden. Die Solda-
ten, deren Anzahl das Jahr hindurch ſehr verſchieden iſt,
je nachdem mehr oder weniger verheerende Krankheiten
graſſiren, oder mehr oder weniger Schiffe ankommen,
[201]Beſchreibung der Stadt Batavia.
werden oft aufs unbilligſte, ungerechteſte und haͤrtſte
behandelt. Die, welche von den ſo genannten Seelen-
verkaͤufern angeworben ſind, genießen in langer Zeit kei-
nen Sold; und wenn ſie zum Genuſſe gelangen, be-
kommen ſie doch nicht mehr, als dreyzehn Hollaͤndiſche
Stuͤber vom Gulden, wovon das meiſte zur Bekleidung
abgeht. Nach uͤberſtandnen Krankheiten pflegen ſie ſo
bleich, als ein uͤbertuͤnchter Pfeiler, auszuſehen, und
ſo mager zu ſeyn, daß ſie beynahe durchſichtig ſind.
Zu Batavia ſind zwey der Compagnie gehoͤrige oͤf-
fentliche Hoſpitaͤler. Das eine ſteht in der Stadt und
heißt das Binnen-Hoſpital. In dieſem werden alle Kranke
aus der Stadt und von den Schiffen aufgenommen, und
zur Pflege der Kranken ſind drey Aerzte und zwey
Wundaͤrzte beſtellt. Das andre ſteht außerhalb der
Stadt, und wird das Außen-Hoſpital (Buyten-Hoſpi-
tal) genannt. Hieher werden die Patienten aus jenem
gebracht, ſo bald ſie anfangen zu geneſen, um hier ei-
ne friſchere Luft zu genießen, und mehr Bewegung zu
haben. Außer jenen beyden findet man in der Stadt
noch zwey Krankenhaͤuſer, wovon das eine den Mohren,
und das andre den Chineſern gehoͤrt. Da ſo wohl in
dieſen Lazareten und bey den Regimentern, als auch auf
den Schiffen ſehr viele Wundaͤrzte im Dienſte der
Compagnie angeſtellet ſind, iſt uͤber dieſe alle ein Ge-
neral-Chirurgus geſetzt, der jeden, entweder auf den
Schiffen, oder im Lande, ſo placirt, als er fuͤr dien-
lich erachtet, welche Ernennung vom General-Gouver-
neur und der Regierung beſtaͤtiget wird. — Auf
der Rhede liegt allezeit ein ſo genanntes Wachtſchiff.
Auf dieſem muß des Nachts einer von den mit den
Schiffen angekommenen Wundaͤrzten Wache halten;
dies wechſelt unter ihnen von vier zu vier Naͤch-
[202]Sechste Abtheilung. Erſter Abſchnitt.
ten ab, und keiner iſt davon ausgenommen. Mit zwey
Ducatonen kann man ſich jedoch davon loskaufen, die
einem andern den Dienſt dagegen verrichtenden Feldſcher
ausgezahlt werden. Auf dieſes Wachtſchiff werden die-
jenigen gebracht, welche des Nachts krank werden, oder
waͤhrend der Zeit, da die Stadtthore verſchloſſen ſind,
zu Schaden kommen. — Die Compagnie hat auch
ihre Apotheke, welche alle Medicamente fuͤr die Kran-
ken im Hoſpitale liefert. Dermahlen ſtand ſie unter
meines Wirths, Doctor Hoffmanns, Aufſicht. Zum
Gebrauch der nach Europa und den ſaͤmmtlichen Indi-
ſchen Comtoiren gehenden Schiffe aber wird die Arzney
nach einer gewiſſen Anordnung und nach der Weite der
Reiſe aus einem andern Magazine, oder hier auf Hol-
laͤndiſch ſo genannten Winkel geliefert, das zwey Vor-
ſteher hat, welche jaͤhrlich anſehnliche Einkuͤnfte haben.
Die Inſel Java iſt ungefaͤhr hundert und vierzig
Meilen von Oſten nach Weſten lang, und von Norden
nach Suͤden zwanzig bis fuͤnf und zwanzig Meilen breit.
Sie liegt unterm ſechsten Grade ſuͤdlicher Breite, und
ungefaͤhr dem hundert und vier und zwanzigſten der Laͤnge.
Die Hitze iſt zwar nach dem Thermometer nicht
uͤbermaͤßig ſtark; ſie haͤlt ſich gewoͤhnlich zwiſchen acht-
zig und ſechs und achtzig Grad nach Fahrenheitſcher Be-
rechnung. Sie iſt aber doch ungemein druͤckend und laͤſtig,
weil die Stadt niedrig und an der See liegt, die aus dem
Meere und den ſtehenden Waſſern und Suͤmpfen aufſtei-
genden Duͤnſte unten in der Luft bleiben, und faſt gar kein
Wind wehet, der die Duͤnſte vertheilen, und die Luft er-
friſchen koͤnnte. Gegen Abend macht ſich zwar ein Land-
wind auf, der aber wenig bedeutet, und ſehr ſchwach iſt.
Dies macht, daß die Hitze außerordentlich beſchwert
und entkraͤftet. Denn zwiſchen neun Uhr Vormittags
[203]Beſchreibung der Stadt Batavia.
und vier Uhr Nachmittags kann man nicht außer dem
Hauſe ſeyn, am wenigſten gehen, ohne vor Hitze zu
verſchmachten und vor Schweiß zu vergehen, wenn man
gleich die duͤnnſte Kleidung an hat.
Die das ganze Jahr hindurch zu Batavia herr-
ſchenden Winde ſind entweder See- oder Landwinde, die
ſich nach den Jahrszeiten veraͤndern. In der ſchlimmen
oder Weſt- Jahrszeit (Quaade Moeſſoon oder Weſt-
Moeſſoon), welche auch die Regenzeit heißt, und hier
fuͤr die Winterzeit angeſehen wird, im November oder
den erſten Tagen des Decembers anfaͤngt und bis zum
Maͤrz dauert, wehen die Landwinde aus Suͤd-Weſten
und Weſten, worauf ſich gegen Mittag ein Seewind
aus Nord-Weſten erhebt. In der ſo genannten guten
Jahrszeit (Goode Moeſſoon) blaſen die Landwinde aus
Suͤd-Oſten und Oſten, hernach aus Nord-Oſten, und
endlich aus Norden.
Tag und Nacht ſind hier zu allen Zeiten des Jahrs
beynahe gleich lang. Die Sonne laͤuft faſt gerade uͤberm
Kopfe weg, geht um ſechs Uhr auf und um ſechs unter.
Daͤmmerung, die in unſern noͤrdlichen Laͤndern ſo ange-
nehm iſt, hat man hier nicht. So bald die Sonne un-
term Horizonte iſt, wird es augenblicklich dunkel und
die Luft kuͤhl, und ſo bleibt es die ganze Nacht durch.
Zweyter Abſchnitt.
Von den Europaͤiſchen Einwohnern zu
Batavia, deren Sitten, Lebensart
und ſo weiter.
Zu Batavia findet man, wie zu Amſterdam, ein Ge-
miſch von allerley Nationen und Sprachen. Von den
meiſten Indiſchen Voͤlkern trifft man hier, von einigen
[204]Sechste Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
mehr, von andern weniger an, die hier wohnen, um
in dieſer Hauptſtadt Oſtindiens ſich durch die Handlung
zu bereichern.
Die Europaͤer zu Batavia verrichten ihre Geſchaͤffte
gewoͤhnlich des Morgens fruͤh. Auch ſind die Fruͤhſtunden
die Zeit, wo die ſaͤmmtlichen Ober-Bedienten der Compagnie
ſich zum Gouverneur begeben, um ihm Bericht abzuſtat-
ten, und ſeine Befehle zu erwarten. Dieſe beſorgen denn
ihre Arbeiten zwar zwiſchen neun und zehn Uhr, aber doch
im Zimmer, und zwar wo es kuͤhl iſt. Nach Mittag,
ſo bald man gegeſſen hat, ein Paar Stunden Mittags-
ſchlaf zu halten, bis die groͤßte Hitze des Tages voruͤber
iſt, wird als eine allgemein eingefuͤhrte Sitte beobachtet:
eine Sitte, die unter einem ſo brennenden Himmelsſtri-
che ſehr zu entſchuldigen iſt. Ein Sklave muß waͤhrend
dieſer Mittagsruhe vor dem Sofa ſtehen, mit einem
großen Faͤcher die Muͤcken verſcheuchen und zugleich ſei-
nem ſchlafenden Herrn eine angenehme Kuͤhlung zuwehen.
Jeden Abend von ſechs bis neun Uhr iſt die allge-
meine Viſiten-Zeit. Man beſucht alsdann ungebethen
ſeine guten Freunde, und die Geſellſchaft vertreibt unter
Geſpraͤchen und bey einem Glaſe guten, meiſtens rothen
Europaͤiſchen Weins, wobey aber ununterbrochen ge-
raucht wird, die Zeit. So bald es neun ſchlaͤgt, geht
jeder zu Hauſe, wofern man nicht ausdruͤcklich gebe-
then wird, zum Abendeſſen zu bleiben. Gewoͤhnlich
kommt man mit Rock, Perucke, Huth, Degen und
Stock, und hat einen Sklaven bey ſich, der einen gro-
ßen weiten Sonnenſchirm traͤgt. So bald die Compli-
mente vorbey ſind, giebt man Huth und Stock dem
Sklaven, nimmt die Perucke ab, und ſetzt auf den kahl
geſchornen Kopf eine weiße baumwollne Muͤtze. Darauf
legt man Rock und Degen ab, und laͤßt alles durch den
[205]Von den Europ. Einwohnern zu Batavia.
Sklaven zu Hauſe tragen. Die Geſellſchaft geht vor
die Thuͤr, und bringt den Abend auf einem erhoͤheten
Abſatze draußen vor dem Hauſe zu. Zur erſten Bewill-
kommung wird gemeiniglich ein Glas Hollaͤndiſches Bier
gereicht. Hernach wird Wein auf die Geſundheit eines
jeden in der Geſellſchaft getrunken, bis jeder ſeine Bou-
teille, oder vierzehn Glaͤſer, bisweilen mehr, ſelten we-
niger, ausgeleert hat. Kommt ein Fremder von unge-
faͤhr in die Geſellſchaft, ſo iſt er allezeit willkommen.
Bisweilen formirt ſich auch wohl eine Partie zum Kar-
tenſpiel. Um neun Uhr kommt der Sklave wieder, um
ſeinen Herrn zu Hauſe zu fuͤhren, manchmahl, wenn
es vorzuͤglich dunkel iſt, auch wohl mehrere mit bren-
nenden Fackeln.
Die Gaſtfreyheit wird hier ſehr hochgeſchaͤtzt und
allgemein ausgeuͤbt. Die Vornehmen halten einen oder
zwey Tage in der Woche offne Tafel, wo nicht nur ge-
bethene, ſondern auch ungebethene Gaͤſte willkommen ſind.
Ein Fremder, der genoͤthigt iſt, ſich hier eine laͤngere
Zeit aufzuhalten, darf ſich nur ein kleines Haus zur
Wohnung, und einen Sklaven zur Aufwartung mie-
then. Wenn er dann nur eine und andre Bekannt-
ſchaft geſtiftet hat, darf er fuͤr Eſſen und Trinken wenig
ſorgen. Denn, nicht zu gedenken, daß ihm oft der
Tiſch mehrerer Goͤnner offen ſteht, wird er jedesmahl
da zu Mittag eingeladen, wo er zwiſchen eilf und zwoͤlf
Uhr ſeinen Beſuch ablegt. Um dieſe Zeit kommen die,
welche in Geſchaͤfften ſtehen, von ihren Arbeitszimmern,
und da wird zuerſt ein Appetit-Schluͤckchen von Arrak,
Wachholder-Branntwein, weißem Franzwein oder auch
Japanſchen Sakki, genommen.
Zur Aufwartung haben die Europaͤer durchgaͤngig
Sklaven aus verſchiednen Oſtindiſchen Inſeln. Jeder
[206]Sechste Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
muß deren eine Menge halten, weil des heißen Clima
wegen hier zwey Sklaven nicht ſo viel verrichten koͤnnen,
als am Cap einer. Beſonders hat das Frauenzimmer
eine große Anzahl Sklavinnen. Selten geht eine Dame
aus, ohne ihrer mehrere zur Aufwartung hinter ſich
zu haben.
Die Kleidung der hieſigen Europaͤer iſt auf Euro-
paͤiſche Art gemacht. Weſte und Beinkleider ſind ge-
woͤhnlich von weißem baumwollnen Zeuge oder von
ſchwarzem Atlas, und der Rock von duͤnnem Oſtindi-
ſchen ſeidnen Zeuge. Wiewohl die ganze Kleidung bis-
weilen kaum ein oder zwey Pfund wiegt, ſo iſt doch der
Rock in dieſem heißen Lande eine ſehr ſchwere Laſt, und
man ſchwitzt dabey ſo ſehr, daß man genoͤthigt iſt, ein
oder zweymahl des Tages ein andres Hemd anzuziehen,
obgleich man hier Hemden von feinem baumwollnen Zeu-
ge traͤgt, das den Schweiß einſaugt.
Viele hieſige Europaͤer tragen zwar eine Perucke,
die meiſten aber ihr eignes Haar, und zwar ſchlecht und
recht, ohne alle kuͤnſtliche Friſur, glatt gekaͤmmt, und
faſt niemahls mit Puder. Das Frauenzimmer traͤgt we-
der Muͤtzen, noch Huͤthe, noch Kopfzeuge, noch der-
gleichen etwas, ſondern bindet das Haar, mit wohlrie-
chendem Oehl etwas eingeſchmiert, aber ohne Puder,
oben auf dem Kopfe in einen großen Knoten oder Wulſt
zuſammen, und ihr ganzer Kopf- und Haarſchmuck be-
ſteht lediglich in Juwelen, die ſie einſtecken, und Kraͤn-
zen von wohlriechenden Blumen. Beſonders gehen ſie
mit einem ſolchen Kranze von aufgereiheten Blumen der
Sambaknachtblume (Nyctanthes Sambac) um den Kopf,
wenn ſie gegen Abend Beſuch bey einander machen. Zu
dieſem Gebrauche ſieht man auch alle Tage friſche Blu-
men dieſer Art in der Stadt zum Verkauf umhertragen.
[207]Von den Europ. Einwohnern zu Batavia.
Ihr Geruch iſt unbeſchreiblich angenehm; er gleicht dem
Geruche der Pomeranzen- und Citronenbluͤthe, fuͤllt
das ganze Haus mit ſeinem lieblichen Dufte, und er-
hoͤhet das Vergnuͤgen, welches man in der Geſellſchaft
der hieſigen Damen hat.
Die Betten ſind hier ſehr einfach und kuͤhl. Fe-
derbetten hat man wenig; ſondern man ſchlaͤft meiſtens
auf einer Matratze, einigen Kiſſen und einem Unte[r]-
laken, und deckt ſich mit einer Decke von duͤnnem Kat-
tun, die nicht gefuttert iſt, zu.
Sonderbar kam es mir vor, daß ich ſo wohl in Pri-
vat-Haͤuſern als in den Packhaͤuſern oder Waaren-Ma-
gazinen die Kiſten faſt durchgaͤngig auf Bouteillen ſtehen
ſah. Man bedient ſich dieſer Vorſicht deswegen, weil,
da die Luft ſich hier faſt gar nicht bewegt, und ſich nur
wenig veraͤndert, ſonſt nicht nur der Boden der Kiſte,
ſondern auch die darin befindlichen Sachen ſehr bald
ſchimmelich werden, verderben und endlich gar verfau-
len wuͤrden.
Die Vornehmen fahren, wenn ſie um die Mit-
tagszeit etwas außer Hauſe zu thun haben, in bedeckten
Wagen. Dieſe Wagen ſind klein und leicht, und ha-
ben anſtatt der Fenſter duͤnne ſeidne Gardinen, die nicht
nur die Sonnenſtrahlen abhalten, ſondern auch die Luft
durch laſſen. Die Pferde vor ſolchen Wagen ſind ge-
meiniglich nur klein. Viele behelfen ſich auch mit be-
deckten Cariolen. So wie hier aber in allen andern
Stuͤcken der Rang genau beobachtet wird, geſchieht dies
auch bey den Equipagen. Wer nicht einen gewiſſen ho-
hen Rang hat, darf keinen vergoldeten Wagen brau-
chen; Leute von gewiſſem geringern Range duͤrfen nur
in angemahlten, andre aber muͤſſen in unangemahlten
Wagen fahren.
[208]Sechste Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
Die Indier haben weder Weitzen- noch Rockenbrot.
Das wenige Brot, welches die Europaͤer in der Stadt
ſehr ſparſam, meiſtens zu Fleiſchſpeiſen, eſſen, wird von
demjenigen Weitzen gebacken, der vom Vorgebirge der
guten Hoffnung hieher gebracht wird. Die Indier eſſen
ſtatt des Brots allezeit Reiß, nicht nur allein, ſondern
auch zu allen andern Gerichten. Zu dieſem Gebrauche
wird der Reiß nur in Waſſer gekocht, und wenn das
Waſſer abgelaufen iſt, auf große Piſangblaͤtter geſchuͤttet,
mit den drey erſten Fingern gefaßt und ſo in den Mund
geſtopft.
An den Tiſchen der Vornehmen und Reichen iſſet
man ſehr haͤufig Suppen von Indiſchen Vogelneſtern. Die-
ſe Suppen ſind ungemein nahrhaft und wohlſchmeckend;
zu Cap hatte ich dergleichen auch ſchon gegeſſen. Auf an-
dre Art werden die Vogelneſter gewoͤhnlich nicht zubereitet.
Sie beſtehen aus gallertartigen Faͤden, und werden zu
einem durchſichtigen Gelée in warmen Waſſer aufgeloͤſet.
In den Javaſchen Gebirgen findet man ſie ſehr haͤufig.
Verſchiedne Gartengewaͤchſe, Fruͤchte, Wurzeln,
Blumenkohl und dergleichen nicht nur, ſondern auch Fi-
ſche, werden hier haͤufig mit Eſſig eingemacht. Solche
eingemachte Sachen haben hier den allgemeinen Nahmen
Attjes, und werden zum Braten, auch zu manchen an-
dern Gerichten gegeſſen, um den Appetit zu reitzen und
den Magen zu ſtaͤrken. Den Eſſig ſchaͤrft und verſtaͤrkt
man mit hinein gelegtem Spaniſchen Pfeffer, daher wer-
den dergleichen eingemachte Sachen ungemein hitzig und
brennend. Unter andern macht man auf dieſe Art Gur-
ken, Melonenſchale, und die aromatiſchen Wurzeln
vom Bambobaume ein, welche letztere auch aus China
nach Europa gebracht werden.
Milch
[209]Von den Europ. Einwohnern zu Batavia.
Milch wird in den Europaͤiſchen haushaltungen in
großer Menge gebraucht. Sie wird auch taͤglich zur
Stadt zu Kauf gebracht.
Die Hollaͤnder brauen hier bisweilen eine Art Bier,
das duͤnnes Bier (Kleyn-Bier) heißt. Es wird friſch,
und zwar gegen Abend getrunken. Man trinkt es waͤh-
rend des Aufgaͤhrens, und es giebt einen ſtarken Knall
jedesmahl, wenn man die Kalabaſſe oder Flaſche oͤffnet,
ſchaͤumt ſtark im Glaſe, dehnt den Magen etwas aus,
und erhaͤlt offnen Leib. Der Geſchmack iſt angenehm;
allein, da man gar keinen Hopfen dazu nimmt, kann es
ſich nicht uͤber vier und zwanzig Stunden halten.
Arrak wird nirgend ſo gut gemacht als auf Java.
Zur Verfertigung deſſelben ſind außerhalb der Stadt meh-
rere ſehr anſehnliche Brennereyen angelegt, die aber,
nebſt dem ausſchließenden Rechte, Arrak zu brennen, ver-
pachtet ſind, und zwar nur von Chineſern in Pacht ge-
nommen werden. Reiß iſt das vornehmſte Ingredienz,
woraus dies geiſtige Getraͤnk in großen Pfannen oder
Blaſen, nach vorhergegangenem ſtarken Gaͤhren, mit Zu-
ſatz von Waſſer, Syrup aus den Zuckerſiedereyen und
Saft von Kokosbaͤumen deſtillirt wird. Man gebraucht
den Arrak in ganz Oſtindien ſtatt des Branntweins, und
zugleich, ſo wie in der uͤbrigen von Europaͤern bewohnten
Welt, als das beſte Mittel Punſch zu machen. Von
allen andern deſtillirten Getraͤnken unterſcheidet er ſich
durch ſeinen eignen und beſondern Geruch und Geſchmack.
Man hat ihn von dreyerley Grad der Staͤrke. Der am
wenigſten ſtarke wird von den Chineſern bey ihren Luſtbar-
keiten warm aus Taſſen getrunken. Der weiße, welcher
Kneip heißt, und ſogleich auf Bouteillen gezapft wird,
iſt ſtaͤrker, und wird groͤßtentheils in Indien verbraucht.
Wenn der Arrak auf Tonnen und Faͤſſer gefaßt iſt, um
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. O
[210]Sechste Abtheilung. Zweyter Abſchnitt.
auswaͤrtig verfuͤhrt zu werden, faͤrbt er ſich vom Holze,
und wird der braune Arrak, der ſo haͤufig in Europa ver-
kauft, und zum Punſch gebraucht wird.
Die Hitze des hieſigen Clima bringt bey den hieher
kommenden Europaͤern die Wirkung hervor, daß ſie mit der
Zeit traͤger, unthaͤtiger und weniger munter, als in kal-
ten Laͤndern, werden, und der fleißigſte und arbeitſamſte
verfaͤllt hier nicht ſelten wider ſeinen Willen in Faulheit
und Muͤßiggang.
Eben dieſe hier beſtaͤndig herrſchende Hitze, in Ver-
bindung mit den feuchten Nebeln, die ſich lange unten
in der Luft aufhalten, ohne ſich zu vertheilen, traͤgt auch
viel dazu bey, das Land und beſonders die Stadt ſelbſt
ſehr ungeſund, und die Sterblichkeit ſo groß zu machen,
daß verſchiedne die Stadt das Grab der Europaͤer nen-
nen. Ich muß aber auch geſtehen, daß der von aller-
hand Sachen, die man, ohne daß die Polizey darauf
achtet, in den Fluß wirft, entſtehende Geſtank und die
eigne unbedachtſame Lebensordnung, welche die hieſigen
Europaͤer beobachten, ebenfalls ſehr ſtark wirkende Ur-
ſachen der jaͤhrlich ſo viele von ihnen wegraffenden Ver-
heerung ſind. Die geringen Leute verſehen es meiſten-
theils durch Eſſen von Fruͤchten und Gebrauch des
Arraks zur unrechten Zeit; und die Vornehmen bedienen
ſich mehr, als in einem ſo heißen Erdſtriche geſchehen ſollte,
nicht nur nahrhafter und ſtarker Speiſen, ſondern auch
hitziger Getraͤnke. Dieſe letzteren werden gewoͤhnlich von
Faulfiebern befallen, woran ſie binnen drey Tagen, oft
ſchon innerhalb vier und zwanzig Stunden, ſterben. Die
erſteren werden auch wohl von faulen Fiebern, noch haͤu-
figer aber von der rothen Ruhr getoͤdtet; und von denen,
die durchkommen, behalten die meiſten einen großen aus-
geſpannten Unterleib, nebſt Verſtopfung in irgend einem
[211]Von den Europ. Einwohnern zu Batavia.
der innern Theile (Placenta febrilis), die nicht leicht ſich
vertheilt oder vergeht, wenn ſie nicht nach einem Com-
toir geſchickt werden, wo friſchere und kaͤltere Luft iſt.
Wer die ſtaͤrkſte Geſundheit zu haben ſcheint, iſt am mei-
ſten in Gefahr das Leben zu verlieren, dagegen Schwache,
und Frauensperſonen es am laͤngſten und beſten aushalten,
obgleich auch dieſe, wenn ſie aus Europa roſenrothe Wan-
gen mitbrachten, dieſe geſunde Farbe bald verlieren und
hernach ſo blaß werden, daß ſie wie ein ausgewrungnes
Laken ausſehen. — Daß es aber unter den Indiern,
die von Fruͤchten und Gartengewaͤchſen leben, und nur
Waſſer trinken, bisweilen Leute giebt, die vom Blaſen-
ſteine geplagt ſind, ſollte faſt unmoͤglich ſcheinen. Und
doch habe ich dergleichen angetroffen. Einer von den
Sklaven meines Wirths hatte einen ſehr großen Stein
in der Blaſe, woran er endlich ſtarb. Nach ſeinem Tode
oͤffnete mein Wirth ihn in meiner Gegenwart, und der
Stein wog 4¼ Loth.
In vorigen Zeiten, beſonders nachdem die Hand-
lung der Oſtindiſchen Compagnie zu Stande gekommen
war, reiſeten wenig Leute von Anſehen nach Batavia,
weil man dieſen Ort fuͤr eben ſo gefaͤhrlich, als die Reiſe
dahin ſelbſt anſah. Ein großer Theil der hieſigen Beſa-
tzung und der am Bord der hieher gehenden Schiffe dienen-
den Leute hat damahls alſo wohl aus ſolchen beſtanden, die
in Europa Verbrechen begangen und ſich in der Noth-
wendigkeit geſehen hatten, ihr Vaterland zu verlaſſen,
oder die auch wegen widriger Schickſale und Mangel an
Ausſichten fuͤr die Zukunft gezwungen geweſen waren, ihr
Gluͤck auf der See und jenſeits der See zu ſuchen. Dieſe
machten indeſſen ihr Gluͤck, ſchwangen ſich mit der Zeit
zu den hoͤchſten Aemtern empor, und verſchiedne kamen
von Zeit zu Zeit reich und beguͤtert, mit einer Menge
O 2
[212]Sechste Abtheil. Zweyter Abſchn. u. ſ. w.
Indiſcher Schaͤtze und Koſtbarkeiten zuruͤck. Dies mun-
terte andre auf, ebenfalls ihr Gluͤck zu ſuchen, und die
Hoffnung dazu wurde nach und nach ſo groß und allge-
mein, daß jetzt Maͤnner und junge Leute von guter Ge-
burt und cultivirten Sitten, ja ſo gar Adlige zum Theil
von hohem Range, ſich in Dienſt der Compagnie anneh-
men laſſen, und die Reiſe nach Batavia machen. Ge-
woͤhnlich gehen dieſe als Unter-Kaufleute aus, um die Erle-
digung einer eintraͤglichen Bedienung abzuwarten. Obgleich
ſolche vornehme Herren jetzt jaͤhrlich dahin gehen, und viele
Empfehlungen und viel Hoffnung mitbringen, ſo iſt doch
ſehr zu zweifeln, daß durch dieſe, uͤbrigens dem An-
ſchein nach nuͤtzliche Veraͤnderung der Vortheil der Com-
pagnie nie beſſer als bisher befoͤrdert werden wird, weil
dazu nicht Geburt oder Rang, ſondern Geſchicklichkeit
und Dienſteifer erfordert wird. Denn ob man ſchon
vermuthen ſollte, daß dieſe auch der genoßnen beſſern Er-
ziehung wegen mehr als andre gelernt haben muͤßten, ſo
ſind ſie doch oft nur ſehr wenig brauchbar. Man ſieht
wohl, daß ihre Abſicht nicht ſo wohl dahin geht, der Com-
pagnie nuͤtzliche Dienſte zu leiſten, als vielmehr, nur zu
einer ſolchen Bedienung zu gelangen, wobey ſie in Ge-
ſchwindigkeit reich werden, und mit der gemachten Beute,
die nicht gering ſeyn darf, je eher je lieber nach Europa
zuruͤckkehren koͤnnen, um da von ihren Zinſen zu leben,
und einen ihren geleiſteten Dienſten, ihrem hohen Range
und ihrem Verſtande angemeßnen Aufwand zu machen.
Zu dieſem Endzwecke war mit dem Schiffe, auf dem ich
von Cap hieher kam, ein junger Baron S *** de C***
angekommen, und zu Batavia ſtolzierte jetzt ein Graf von
B ***, waͤhrend er mit Ungeduld auf ein erledigtes
Amt wartete, das ſo wohl ſeine Ehrſucht als ſeine andern
Beduͤrfniſſe zu befriedigen im Stande waͤre.
[213]
Dritter Abſchnitt.
Von Handlung, Manufacturen und
Muͤnzen zu Batavia.
Die Schiffs-Officiere pflegen, wenn ſie nach Batavia
kommen, fuͤr eigne Rechnung, aus Holland und vom Cap
mancherley Kaufmannswaaren mitzubringen, die ſie hier
verkaufen, und wobey ſie gewoͤhnlich anſehnlich gewinnen.
Der Preis der Waaren iſt ſo wohl hier, als an
andern Indiſchen Handelsplaͤtzen ſehr vieler Veraͤnderung
unterworfen. Wenn viele Schiffe von einem Orte an-
kommen, ſo wird auch eine Menge gewiſſer Waaren her-
gebracht, deren Preis alsdann natuͤrlicher Weiſe faͤllt.
Wenn im Gegentheil die Schiffe lange zoͤgern oder wohl
gar ausbleiben, ſo werden gewiſſe Waaren ſelten und
theuer. So hat man zu Batavia manchmahl einen
Schinken mit ſechs und dreyßig Hollaͤndiſchen Thalern
bezahlt. Ueberhaupt rechnet man hier den Gewinn zwi-
ſchen dreyßig und vierzig Procent, bisweilen belaͤuft er
ſich aber auch wohl auf hundert Procent.
Verſchiedne aus Holland kommende Waaren wer-
den zu allen Zeiten ſehr geſucht, und von den hier woh-
nenden Europaͤern, die Handlung treiben, aufgekauft.
Dahin gehoͤren geraͤucherte Schinken, Hollaͤndiſcher Kaͤ-
ſe, Hollaͤndiſches Bier, und verſchiedne Arten Wein,
beſonders rother, auch Selterwaſſer. Der Wein wird
in wohl zugepfropften Bouteillen, das Bier aber in Ton-
nen gebracht; das letztere wird auch tonnenweiſe ver-
kauft, und nachdem es ans Land gebracht iſt, und ein
Paar Tage ſtill gelegen hat, damit es ſich ſetzen koͤnne,
auf Bouteillen gezapft. Es haͤlt ſich nicht nur auf der
Reiſe, ſondern auch hier, wenn es abgezapft iſt, ohne
[214]Sechste Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
ſauer zu werden. Verſchiedne andre Waaren werden
ebenfalls mit gutem Vortheil verkauft, als Juwelen,
Zeuge, wollne Pluͤſche, die Kutſchen auszuſchlagen, Ma-
troſenmeſſer, andre Eiſenwaaren und dergleichen.
Vom Vorgebirge der guten Hoffnung wird nicht
viel hieher zu Kauf gebracht. Mandeln und Roſinen,
die zum Behuf des Krankenhauſes aufgekauft werden,
bringen etwas ein. Mit Eiſen wird indeſſen noch der
vortheilhafteſte Handel getrieben. Verſchiedne Unter-
Officiere auf dem Schiffe, mit welchem ich fuhr, hatten
von den Schmieden zu Cap eine Menge Eiſen erhandelt,
das dieſe fuͤr untauglich anſahen, hauptſaͤchlich kleine und
große Stuͤckchen, die nach dem Schmieden abgehauen
und uͤbrig geblieben waren. Dieſe Eiſenſtuͤckchen, wovon
ſie zu Cap das Pfund fuͤr zwey Hollaͤndiſche Stuͤber ein-
gekauft hatten, verkauften ſie hier an die Chineſer, die ih-
nen fuͤr das Pfund fuͤnf Stuͤber wieder bezahlten.
Aus dieſem allen erhellet, daß in ganz Oſtindien
die Handlung weit riskanter als in Europa iſt. Daher geht
hier auch die vornehmſte Handlungs-Speculation dahin
aus, genau auszuforſchen und zu wiſſen, welche Waa-
ren an dem und dem Orte zu einer gewiſſen Zeit haͤufig
vorhanden, oder wenig anzutreffen ſind oder ſeyn werden.
Baumwolle und Seide machen in ganz Oſtindien
den Stoff aus, woraus die Indier ihre Kleidung ver-
fertigen, und wovon, entweder roh, oder verarbeitet,
jaͤhrlich eine unglaubliche Menge an die Europaͤer verkauft
wird. Auf der Inſel Java wird zwar keine Seide be-
reitet; von Baumwolle aber ſind zwey verſchiedne Arten vor-
handen. Die eine waͤchſt auf einem ſehr hohen Baume,
der eine große, ausgebreitete und ſchoͤne Krone hat;
es iſt der Wollſame mit fuͤnf Staubfaͤden (Bombax pen-
tandrum). Die den Samen in der Huͤlſe umgebende
[215]Von Handlung, Manufacturen ꝛc. zu Batavia.
Baumwolle bekommt den Nahmen Kapok, und wird
nicht geſponnen, ſondern nur zu Matratzen, Bettpol-
ſtern und Kopfkiſſen gebraucht. Die andre traͤgt ein
Buſch oder Strauch, der in der Zeit eines halben Jahrs
zu Mannshoͤhe hinaufwaͤchſt, und hernach vor Ablauf
eines Jahrs vergeht. Dies iſt die krautartige Baum-
wolle (Goſſypium herbaceum). Dieſe giebt in ihren
Samenhaͤuschen eine viel feinere und beſſere Wolle, die
Kapas heißt, geſponnen, und zu unzaͤhligen Arten
baumwollner Leinwand, wenn ich des Ausdrucks mich be-
dienen darf, und Kattune, von unzaͤhligen Graden der
Feinheit, gewebt wird. Von dem in der Baumwolle ſelbſt
eingeſchloſſen liegenden Samen wird ſie auf die Art abge-
ſondert, daß ſie auf ſtraff ausgebreitete Tuͤcher gelegt,
und mit Stoͤcken ſo lange geſchlagen wird, bis aller Sa-
me ſich abgeſondert hat.
Zucker iſt der vornehmſte Gegenſtand der Handlung
der Hollaͤnder nach Japan. Zu Brot- oder Huthzucker aber
darf hier kein Zucker raffinirt werden; das darf allein in
Holland geſchehen. Aller Zucker, der in ganz Oſtindien ge-
braucht wird, iſt entweder Bruſtzucker oder Puderzucker.
Der Bruſtzucker wird meiſtens zum Thee oder Kaffee, der
Puderzucker ans Eſſen und zum Einmachen verſchiedner
Beeren und Fruͤchte gebraucht. Man macht hier der-
gleichen mit Zucker viel ein, als Gewuͤrznaͤgelein und halb
ausgewachſene Muskatnuͤſſe, die man zum Thee ißt, um
den ſchwachen und ſchlaffen Magen zu ſtaͤrken.
Der Spezerey-Handel verſchafft der Hollaͤndiſchen
Compagnie unſtreitig den allergroͤßten Gewinn. Daher
wird auch keinem Privat-Manne, er ſey Buͤrger, oder
Schiffs-Officier, oder bekleide irgend ein Amt, oder ei-
ne Bedienung im Dienſte der Compagnie, erlaubt, da-
mit zu handeln; ſondern die Compagnie hat ſich allen
[216]Sechste Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
Handel damit als ein Monopolium vorbehalten. Treibt
jemand Schleichhandel damit, und iſt ſo ungluͤcklich ent-
deckt zu werden, ſo koſtet es ihm allezeit das Leben, oder
wenigſtens wird er gebrandmarkt und muß auf Lebenszeit
ins Gefaͤngniß.
Opium, das hier durchgaͤngig Amphion heißt, iſt
ebenfalls eine Waare, womit nur die Compagnie aus-
ſchließend handelt, und die außerdem als die aͤrgſte Con-
trabande angeſehen wird; auf den Schleichhandel damit
ſind gleichfalls die ſchwerſten Strafen geſetzt. Meiſten-
theils wird das Opium aus Bengalen gehohlt. Es bringt
der Compagnie unſaͤgliches Geld ein. Das Recht, es zu
verkaufen, wird an einige, meiſtens vornehme, Bedien-
te der Compagnie, als an General-Paͤchter verpachtet,
die anſehnliche Summen dafuͤr bezahlen. Dieſe verpachten
hernach wieder an andre das Recht im kleinen damit zu
handeln, oder vielmehr, ſie verkaufen andern das Opium
im großen zu ſehr hohem Preiſe, die es an die Indier
in kleinen Quantitaͤten wieder verkaufen. Da nun ver-
ſchiedne von den Vornehmſten Theil an jenem Großhandel
haben, ſo wird ſehr ſorgfaͤltig darauf geſehen, daß kein
Opium heimlich eingebracht werden kann, und jeder, der
gegen dies Verboth der Einfuhr ſuͤndigt, der ganzen Stren-
ge der Geſetze uͤbergeben wird.
Die Indiſchen Vogelneſter ſind ein vortheilhafter
Handels-Artikel, beſonders in China. Die Handlung
damit iſt ebenfalls ein Monopolium der Hollaͤndiſchen
Compagnie, und wird meiſtentheils dem Meiſtbiethenden
pachtweiſe uͤberlaſſen.
Zoͤlle, Thorſchreiber und andre dergleichen Einrichtun-
gen, die in Laͤndern, wo die Handlung bluͤhen ſoll, billig we-
der dem Verkaͤufer noch dem Kaͤufer Hinderniſſe in den Weg
legen ſollten, giebt es zwar weder hier, noch in andern
[217]Von Handlung, Manufacturen ꝛc. zu Batavia.
Indiſchen Handelsplaͤtzen. Aber doch muß von allen Waa-
ren, die vom Schiffe gebracht, und im Lande verkauft
werden, eine gewiſſe Abgabe entrichtet werden. Dieſe
Abgabe iſt jetzt an eine Geſellſchaft Chineſer verpachtet,
die zwar auf eine anſtaͤndige und beſcheidne Art die Pack-
kaſten durchſuchen, Koffer aber und kleine Kaſten un-
angeruͤhrt laſſen.
Auf Bodmerey wird hier haͤufig Geld ausgeliehen,
aber die Zinſen dafuͤr ſind ſehr hoch, wiewohl auch, im
Verhaͤltniſſe zu der jedesmahligen Weite der Reiſe, und
zu der groͤßern oder geringern Gefahr auf dieſer oder jenen
See, ſehr verſchieden. Die Fahrt nach Japan wird fuͤr
eine der gefaͤhrlichſten in ganz Oſtindien angeſehen. Die
Bodmerey-Zinſen waͤhrend derſelben belaufen ſich daher
auf zwanzig bis fuͤnf und zwanzig Procent, welche be-
zahlt werden, wenn man nach gluͤcklich zuruͤckgelegter Rei-
ſe nach Batavia zuruͤckkommt. Verungluͤckt aber das
Schiff unterweges, ſo faͤllt alle Forderung weg, und
der Schuldner bezahlt alsdann nie das geringſte fuͤr ein
Capital, das ihm gegen hohen Zins auf Gewinn und
Verluſt geliehen war.
Wenn Schiffe von hier abgehen wollen, pflegen
ſie ſich auf ihre ganze Reiſe hier mit den noͤthigen Lebens-
mitteln und andern Beduͤrfniſſen zu verproviantiren.
Beſonders nehmen ſie eingemachte Fiſche, Huͤhner, En-
ten, Gaͤnſe, Eyer, Waſſermelonen, Pompelmuſe, Ko-
kosnuͤſſe, wie auch Arrak und Reiß, im groͤßten Ueberfluſſe
mit. Dieſe Sachen bekommen ſie hier auch fuͤr ſehr
billigen Preis.
Der Handel mit den Landes-Produkten, als Kaffee,
Zucker, Vogelneſter und dergleichen, beruhet faſt ganz
auf einem einzigen Manne. Dieſer hat den Titel Com-
miſſarius uͤber die Eingebohrnen oder Einlaͤnder. Außer
[218]Sechste Abtheilung. Dritter Abſchnitt.
ihm treibt faſt niemand Verkehr mit den Landeseingebohr-
nen. Dieſe zwingt man, ihre Waaren zum niedrigſten
Preiſe abzuſtehen; und ſo gewinnt jener Commiſſarius
bey dem Handel damit ganz erſtaunliche Summen. Die-
ſer Mann, deſſen Bedienung unſtreitig eine der allerein-
traͤglichſten iſt, verdient außerdem noch unglaublich viel
Geld durch die Summen, welche er gegen die unbillig-
ſten Zinſen vorſchießt.
Die zu Batavia gebraͤuchlichen Muͤnzſorten ſind
entweder Indiſche oder Europaͤiſche. Hollaͤndiſche Du-
katen ſind ziemlich ſelten. Am haͤufigſten ſind Ducato-
nen, Piaſter, Schillinge, beſonders die ſo genannten
Schiffsſchillinge und die Deute, welche letztere die
Compagnie ſchlagen laͤßt, und die auch mit dem Wapen
der Compagnie bezeichnet ſind. Dieſe Javaſchen Deute
ſind, wie man leicht denken kann, von Kupfer. Auf
der einen Seite ſieht man Javaſche Buchſtaben in drey
Reihen, die von einem punktirten Zirkel umgeben ſind;
auf der andern einen Kranz, in welchem die Worte
Duyt Javas nebſt der Jahrzahl ebenfalls in drey Reihen
ſtehen. Man hat ihrer halbe und ganze; ſie dienen zu
Scheidemuͤnze, oder um Kleinigkeiten von Obſt oder
Gruͤnigkeiten zu kaufen, ſind aber mehr im Lande un-
ter den Indiern, als in der Stadt gaͤng und gebe.
Im Handel und Wandel bedient man ſich am meiſten
der Rupien, ſo wohl goldner, als beſonders ſilberner.
Es giebt deren nicht nur ganze, ſondern auch halbe; je-
ne ſind hier gebraͤuchlicher, als dieſe. Eine goldne Ru-
pie gilt zehn Thaler, eine ſilberne gewoͤhnlich einen hal-
ben Thaler. Die, welche hier circuliren, ſind an ver-
ſchiednen Orten gepraͤgt, und kommen aus mancherley
Laͤndern hieher. Zu Batavia hat die Compagnie unter
dem Nahmen des Regenten von Madura ganze und hal-
[219]Von Handlung, Manufacturen ꝛc. zu Batavia.
be goldne, und ganze ſilberne Rupien ſchlagen laſſen.
Man kennt ſie an der beygeſetzten Jahrzahl der chriſtli-
chen Zeitrechnung. Die goldnen ſind ſehr blaß wegen
des untergemiſchten Silbers. Spaniſche Piaſter, ſo
wohl die neuen, als vorzuͤglich die alten, kommen haͤu-
fig vor, und ſind den Indiern ſehr willkommen. Auch
von den in Amerika gepraͤgten eckigen und abgeſchlagnen
Piaſtern, die von den Manilliſchen Inſeln hieher kommen,
giebts viele, theils ganze, theils halbe, theils in noch
kleinern Stuͤcken; ſie ſind von ſehr feinem Silber. Biswei-
len ſah ich auch ſilberne Kaiſerthaler, etwas kleiner als
Piaſter. Dieſe werden gemeiniglich von ſolchen, die nach
Europa zuruͤckreiſen, eingewechſelt, weil darauf wenig
verlohren wird. Ducatonen, beſonders die gereiften,
werden hier zu achtzig Hollaͤndiſchen Stuͤbern gerechnet.
Man hat auch eine Art kupferner Muͤnze, die der Gou-
verneur Swardekron hat ſchlagen laſſen, die aber auf
Koromandel mehr als hier im Gebrauche ſeyn ſoll. Sie
hat die Groͤße eines Schwediſchen Stuͤbers und die Di-
cke eines Rundſtuͤcks *). Auf der einen Seite ſieht man
einen doppelten Rand, worin Batavia und die Jahr-
zahl zu leſen iſt; in der Mitte ein Schwert. Auf der
Seite iſt das Wapen der Compagnie, und daruͤber die
Worte: ½ Stuͤber, zu ſehen. Ueberdies circuliren hier
ſo gar unter den Europaͤern auch Chineſiſche Peetchen
(Petjes), die aus Meſſing gegoſſen ſind, in der Mitte
ein viereckiges Loch, und auch die Groͤße und Dicke eines
Rundſtuͤcks haben. Man reihet ihrer eine gewiſſe Anzahl
auf Band oder Faͤden, und bezahlt ſo, nicht aber durch
einzelnes Abzaͤhlen, damit. Sie kommen aus China durch
Chineſiſche Kaufleute hieher.
[220]Sechste Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
Vierter Abſchnitt.
Von den Sprachen zu Batavia und
auf Java uͤberhaupt.
Da man zu Batavia, wie zu Amſterdam, ein Gemiſch
von allerhand Nationen und Voͤlkern findet, ſo iſt es
auch natuͤrlich, daß hier eine große Menge Sprachen
geſprochen wird. Unter den Europaͤern wird aber doch
allgemein die Hollaͤndiſche geredet, und mit den Sklaven,
ſo wie im Umgange mit andern Indiern, bedient man ſich
gemeiniglich der Maleyiſchen Sprache. Dieſe iſt in der
ganzen oͤſtlichen, und einem Theile der weſtlichen Haͤlfte
Oſtindiens ſo durchgaͤngig eingefuͤhrt, daß man ſich da-
mit, auf gleiche Art, als in Europa mit dem Franzoͤſi-
ſchen, uͤberall forthelfen kann. Sie iſt eine Mundart der
Arabiſchen, wird auch mit Arabiſchen Buchſtaben ge-
ſchrieben. Man hat im Maleyiſchen die Ueberſetzung
eines Theils der Bibel, verſchiedne kleine Woͤrterbuͤcher,
eine Grammatik und einige Gebethbuͤcher. Dieſe Spra-
che iſt leicht zu lernen, ſehr einfach und ungekuͤnſtelt,
auch klingt ſie angenehm. Fuͤr Leute von den verſchiednen
Voͤlkern, welche dieſelbe verſtehen und ſprechen, und ſich
dabey zum Chriſtenthum bekennen, hat die Compagnie
hier eine Kirche bauen laſſen; auch beſoldet ſie die Predi-
ger bey derſelben. Imgleichen haͤlt die Compagnie auf eig-
ne Koſten einen Ueberſetzer oder Translator, ſo wohl fuͤr
die Maleyiſche, als die Javaſche Sprache. Auch wird
hier, ſo wie in den meiſten andern Indiſchen Beſitzungen,
wo die Portugieſen vormahls gehandelt und ihre Sprache
ausgebreitet haben, ein gebrochnes Portugieſiſches geſpro-
chen. Daher iſt auch noch jetzt eine Portugieſiſche Kirche
und Gemeine in der Stadt vorhanden, und außerdem
[221]Von den Sprachen zu Batavia.
noch eine andre, die auf Koſten der Compagnie unter-
halten wird, und wozu ſich ein großer Theil der ſchwar-
zen Chriſten haͤlt. Dieſe Kirchen haben auch verſchied-
ne in Portugieſiſcher Sprache gedruckte Kirchen-, Agen-
den- und Gebetbuͤcher.
Die mir zu Geſicht gekommnen Maleyiſchen Buͤ-
cher ſind folgende: Malaica Collectanea Vocabularia,
(oder Sammlung Maleyiſcher Woͤrterbuͤcher) Batavia
1707 und 1708. 4., wovon der erſte Theil ein, und
der zweyte zwey verſchiedne Woͤrterbuͤcher enthaͤlt. —
Dictionarium Malaico-Latinum et Latino-Malaicum
opera et ſtudio Davidis Hex. Batav. 1707. 4. — Di-
ctionarium of de Woord ende Spraek-Boek in de Duyt-
ſche ende Maleyſche Tale, F. de H. Batavia 1707. 4.
(oder Hollaͤndiſches und Maleyiſches Woͤrterbuch). —
Maleiſche Spraak Kunſt, (Grammatik) von Georg
Heinrich Werndly, Amſterdam 1736. 8. — ’El-
kitâb, ’ija ’itu, Segala Surat, Perdjandjan lama dan
baharuw. Amſterdam 1733. 4. (die heilige Bibel in
die Maleyiſche Sprache uͤberſetzt). Das neue Teſta-
ment iſt 1731 gedruckt. — Sj I X̅ R Segala Maſmur
p Dâûd, (Davids Pſalmen) Amſterdam 1735. 4. —
Ta X̅ Limu -l Dini’l Meſe H H i Ji, ija ’itu, Pang’
adjaran ’agama. Amſterdam 1735. 4. — Nieuwe
Woordenſchat in Nederduitſch, Maleidſch en Portugeeſch.
Batavia 1780. 8. (Neues Nieder-Deutſches, Maleyi-
ſches und Portugieſiſches Woͤrterbuch).
In Portugieſiſcher Sprache ſind mir folgende Buͤ-
cher vorgekommen: Do Vehlo Teſtamento, o primeiro
Tomo. Batavia 1748. 8. — Do Vehlo Teſtamento,
o ſegundo Tomo. Batavia 1753. 8. — O novo
Teſtamento. Batavia 1773. 8. — Catechiſmo. Co-
lombo 1778. 8. — Os CL Pſalmos David; Co-
[222]Sechste Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
lombo 8. Dies iſt ein in Oſtindien gebraͤuchliches Por-
tugieſiſches Geſangbuch mit muſikaliſchen Noten; die
neueſte Auflage iſt von 1778, die man mir nach meiner
Ankunft zu Upſala von Batavia zugeſchickt hat.
Von allen angefuͤhrten, ſo wohl in Maleyiſcher als
Portugieſiſcher Sprache gedruckten, nebſt verſchiednen noch
ſeltneren in Singaleſiſcher, Malabariſcher und Tamuli-
ſcher Sprache, Buͤchern habe ich der Upſalaſchen Univer-
ſitaͤts-Bibliothek ein Exemplar einverleibet.
Da die Erlernung der Maleyiſchen Sprache fuͤr
den, welcher ſich einige Zeit in Oſtindien aufzuhalten hat,
unentbehrlich iſt, noch weniger aber ſolche, die verſchiedne
daſige Laͤnder und Oerter zu bereiſen haben, ihrer entrathen
koͤnnen, ſo ſieht ſich jeder ankommende Fremde genoͤthigt,
ſich ſogleich auf dieſelbe zu legen, zumahl da man nicht
einmahl einen Sklaven zu ſeiner Aufwartung gebrauchen
kann, ehe man die am meiſten vorkommenden Woͤrter
gelernt hat. Meine erſte Bemuͤhung zu Batavia ging
deswegen dahin, mir dieſe Sprache bekannt zu machen.
Zugleich ſetzte ich mir zu meinem Gebrauche ein kleines
Verzeichniß ſolcher Woͤrter auf, von denen ich glaubte,
daß ich ihrer am meiſten beduͤrfen wuͤrde. Vielleicht iſt
dieſes kleine Lexicon fuͤr dieſen und jenen, der in jene
Gegenden reiſet, von einigem Nutzen; vielleicht finden
auch Kenner der Morgenlaͤndiſchen Sprachen es nicht ganz
unintereſſant. Ich will es daher hieher ſetzen.
- Abend,
- Nachmittag
- Abkuͤhlen Arang
- In Acht
nehmen
- In Acht
- Ader Urat
- Aderlaſſen Kular darat
- Affe Monjet
- Allein Sandiri
- Allzuſammen Samonja
- Alt Tua
- Anfangen Mulai
- Angehen Faduli
- Angeſicht Mukka
[223]Von den Sprachen zu Batavia.
- Antworten Menjaut
- Anvertrauen Pentjaja
- Arbeiten Kria
- Arm, Aermel Pundak
- Arm, duͤrftig Miſkin
- Armuth Kaſiakan
- Arzt,
Wundarzt
- Arzt,
- Arzney,
Pulver
- Arzney,
- Arzneykaſte,
Apotheke
- Arzneykaſte,
- Aſche Abu
- Athem Napas
- Aufhoͤren Suda
- Aufklettern Najik
- Aufpaſſen Jaga
- Aufſtehen Bangong
- Aufwecken Kria bangong
- Aufwinden Parreknaik
- Aufziehen
(Kinder,
Vieh)
- Aufziehen
- Auge Matta
- Aus Luar
- Außer Diluar
- Ausgehen Kaloar
- Ausſuchen Pili
- Ausſtehen Tan
- Bald, ge-
ſchwind
- Bald, ge-
- Bang Takkot
- Bart Jingot
- Bauch Prut
- Befehlen Suru
- Begegnen Katombu
- Begehren Minta
- Begraben Tanam
- Begreifen Mananti
- Beißen Pigit
- Bekommen,
finden,
- Bekommen,
- Berg Gunong
- Beſen Sapapo
- Beſſer Lebi bai
- Betruͤbt Suſa ati
- Bette Tampat tidor
- Beugen Menjumba
- Bewahren Simpang
- Bezahlen Bajar
- Biethen Tauwa
- Binden Ikat
- Bisweilen Barankali
- Bitter Pait
- Blaſen, wehen Tjop
- Blatter Biſul
- Blau Biru
- Bleiben Tingal
- Bley Tima
- Blind Buta
- Bloß Tlanjan
- Blut Dara
- Boͤſe Jahat
- Borgen Pinjang
- Borſte Dada
- Braten Goring
- Braͤutigam Tunangan
- Braut Panganting
- Brechen Pitja
- Breit Lebar
- Brennen Angus
- Brief Surat
- Brot Rotti
- Bruder Sudana laki
- Bruͤcke Jambatan
- Buͤffelochs Banting
- Buͤttel Allejotji
- Buſen Panko
- Butter Manteja
- Buttern Bitji
- Citrone Jeurok
- Da Diſitu
- Da oben Diſitu atas
- Da unten Diſitu bauwa
- Darum Dari itu
- Darum nicht Dari itu tida
[224]Sechste Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
- Dach Genting
- Dank,
- Dankſa-
gung
- Das Itu
- Decken Selimo
- Degen Pedang
- Denken Ingal
- Dick Kaſſar
- Donner Geontor
- Doppelt,
zweymahl
- Doppelt,
- Druͤcken Tindis
- Dumm Bado
- Duͤnn Tippis
- Dunkel Glap
- Dunkel
Wetter - (truͤbe Luft)
- Eben Keper
- Ebenfalls Ratta
- Ecke Ujong
- Eid Sumpain
- Eigen Kandiri, Jang
ponja - Einaͤugig Sattu Matta
- Einfach Sakali
- Eingeweide Uſſus
- Einnehmen,
als Arzney
- Einnehmen,
- Einſalzen Tarro azin
- Einſchließen Mendangan
- Eiſen Biſſi
- Eiſengeraͤth Tukan biſſi
- Elfenbein Gaiding
- Entſchuldi-
gung
- Entſchuldi-
- Er Dia
- Erbſchaft
- Erbe
- Erben Dappat puſakan
- Erdbeben Gojang tanna
- Ertrinken Matti di aijer
- Eſſen Makkan
- Eſſig Tjuka
- Eule Kukublu
- Ey Tellor
- Fallen Iatu
- Farbe Dinta
- Faul, traͤge Pamalas
- Fehlen Kurang
- Feige (Frucht) Bualo
- Fein Allus
- Fenſter Ienella
- Fertig Trang
- Feuer Api
- Fieber Demam
- Finger Iare
- Fiſch Ikkan
- Fleiſch Dagin
- Fleißig Radjing
- Fliegen Terbang
- Fluß Kali
- Fragen Tanja
- Frau Bini. Nonje
- Froh Suka ati
- Frucht Boa. Buabu[a]
- Fruͤh Siang
- Fuß Kakki
- Fuͤhren Bauwa
- Gabel Tuſſuk
- Ganz Interu
- Garn Benang
- Garten Kobon
- Geben Kaſſi
- Gebrechlich Pintjang
- Gebuͤſch Utan
- Gedaͤrm Prutnja
- Gefallen Mauw
- Gefecht Prang
- Gehen, ſpa-
tzieren
- Gehen, ſpa-
- Gehirn Ottaknia
- Gehorſam Ormat
- Gelb Koning
- Geld, Muͤnze Wang
Genug
[225]Von den Sprachen zu Batavia.
- Genug Sampe
- Geraͤumig Lebar
- Gerecht Batul
- Geſellſchaft Sobatſobat
- Geſpenſt Matatingi
- Geſtern Kalamari ari
- Gewicht Timbangan
- Gierig Kikir
- Gi[e]ßen Saling
- Gift Iang ſuda Ka-
win - Glauben Pertjaja
- Gleichen Turut
- Glied Panton
- Gluͤck Ontong
- Gnade Ampon
- Gold Mas
- Goldſchmied Tukan mas
- Gott Alla
- Graben Korek tanna
- Graben, Teich Kuntji
- Gras Rompot
- Greifen Pegan
- Gruͤn Iſo
- Gruͤßen Kaſſi tabé
- Grund Tanna
- Gut Baj
- Haar Rambut
- Haben Ada
- Haͤngen Hantong
- Haͤßlich Rupa buſſuk
- Hahn Ajam laki laki
- Halb Saparo
- Hals Ler
- Hand Tangan
- Hart Dapor
- Haß Bintji
- Hauen,
Schneiden
- Hauen,
- Haus Ruma
- Ein Haus
bauen
- Ein Haus
- Haut, Rinde Kulit
- Heilen,
Curiren
- Heilen,
- Heiß, Warm Pannas
- Heirathen,
Ehe
- Heirathen,
- Helfen Tulong
- Herd Kras
- Hervorwach-
ſen, Werden
- Hervorwach-
- Herz Ati
- Hier Diſini
- Himmel Saorga
- Hinken Prentjang
- Hinten Diblakkan
- Hoch Tingi
- Hochmuͤthig Kabeſſaram
- Hoͤlle Duraka
- Hoͤren Dengar
- Hohlen Ambel
- Holz Pohon, Kaju
- Hoſen Tjelana
- Huͤbſch Bagus
- Huhn Ajam prom-
puang - Hund Anjing
- Hunger Lappar
- Hure Sundal
- Huren Beſundal
- Huth Toppi, Tjap-
peo - Ich Betta, Kitta
- Ihr, Euch Lu
- Indigo Nila
- Innerhalb,
Inwendig
- Innerhalb,
- Inſel Pulo
- Jachzornig Bengis
- Jahr Taun
- Jahrszeit Muſſin
- Jahrhundert Salamanja
- Jucken Gatal
- Jung Muda
- Jungferſchaft Prawam
- Juwelen Intan
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. P
[226]Sechste Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
- Juwelier Tukan Intan
- Kaͤſe Kao
- Kaiſer Suſutunang
- Kalk Kapor
- Kalt Dinjing
- Kameel Onta
- Kamm Siſir
- Kamerad Taman
- Kanehl Kajomanis
- Kanone Marian
- Kapaun Ajam Kabiri
- Kaſtel Benteng
- Katze Kotjing
- Kaufen Bili
- Kaufmann Dagang
- Kaufmann-
ſchaft
- Kaufmann-
- Kaum Kantjing
- Keifen Geger
- Kennen Kanal, Raſa
- Kind Beranak
- Kindbette Tampat tidor
beranak - Kirche Meſigit
- Kiſte Petti
- Klappen,
Schlagen
- Klappen,
- Klaue Garok
- Kleben Melenket
- Klebrich Litjin
- Kleid Pakki
- Kleider Pakkian
- Klein Kitjil
- Klettern Naik
- Kneipen Ilpit
- Knie Lutok
- Knochen Tulang
- Kochen Maſſak
- Koch Tukan mſſaak
- Koͤnig Radja
- Kommen Dattang
- Kopf Kappalla
- Kopfkiſſen Tjium
- Koſt Makkanang
- Kraft Kuat
- Kreide Kapor hollan-
da - Krieg Prang
- Krokodil Buaja
- Krumm Blako
- Kucken,
Sehen
- Kucken,
- Kuͤche Dappor
- Kuh Sampi
- Kuhle, Grube Lobang
- Kupfer Tambaga
- Kurz Pendek
- Lachen Tatauwa
- Laden Muet
- Land Tanna
- Lang Pangang
- Langſam Palan
- Laſſen, Er-
lauben
- Laſſen, Er-
- Laufen Larri
- Lauern Megninte
- Laus Kutu
- Leben Idop
- Das Leben Kahidopan
- Leck Botjor
- Lecken Gilat
- Leer Koſſong
- Legen Bareeng
- Leib Miawak
- Leiche Banke
- Leicht Trang, En-
teng - Leinwand Kajin
- Lernen Mengadji
- Leſen Badja
- Leiter Tanga
- Licht Liling
- Leuchter Gunting liling
- Lichtſchere Tampat liling
- Liebe Tjinta
- Lieben Tjinga
- Lippe Bibir
[227]Von den Sprachen zu Batavia.
- Loben Ionji
- Loͤffel Sundak
- Loͤfchen (den
Durſt)
- Loͤfchen (den
- Loͤwe Singa
- Los Talappas
- Luͤge Penju[ſt]a
- Luͤgen Panjuſta
- Luſtig Sukanti
- Mager Kurus
- Mann Laki laki
- Matt Tikkar
- Mauer Tembot
- Maurer Tukan batu
- Mehl Tupor
- Mehr Lagi, Lebi
- Menſch Orang
- Merken Tarrotanda
- Meſſen Ukur
- Meſſer Piſſuk
- Meſſing Tambaga ko-
ning - Mich Kitta, Beta,
Saja - Miethen Sewa
- Milch Suſu
- Mit Dengan
- Mittag Satenga ari
- Modder Lumpur
- Mohr Kadja
- Mond Bulang
- Monath Sa bulang
- Mord Bunu
- Morgen Beſok
- des Morgens Pagi ari
- Muͤcke Iamok
- Mund Mulut
- Muth Tjappe
- Mutter Maa
- Mutterbruder! Sanak
- Mutter-
ſchweſter
- Mutter-
- Nach und
nach
- Nach und
- Nacht Malam
- Nacke Meimang
- Nackt, Bloß Talanjang
- Nadel Iarong
- Naͤchſt Rumanja
- Naͤhen Manjei
- Naͤhnadel Iarong manjei
- Nagel, Pflock Pakel
- Nagel am
Finger
- Nagel am
- Nahe Dikkat
- Naͤher Lebi dikkat
- Narr Gila
- Naſe Idom
- Sich neigen Menjumba
- Nein Trada, Tida
- Nelke Tjinkor
- Neu Baru
- Oben Diatas
- Ochs Sampi
- Oehl Minjak
- Offen Tabukka
- Oeffnen Bukka
- Ohr Koping
- Paſſend Kabetullan
- Perle Mutjara
- Pettſchaft Tjap
- Pfahl Ambara
- Pfeffer Lada
- Pocken
Blattern
- Pocken
- Prieſter Pandita
- Prophet Nabel
- Pruͤfen Tjoba
- Pulver Obat
- Ratze Tikkus
- Rauchen Tjum
- Rechnen Bilang
- Reden
Sprechen
- Reden
- Regnen Ujang
P 2
[228]Sechste Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
- Reich Kaja
- Reis Bras
- Rheinwein Angor aſſam
(ſaurer Wein) - Rinde Kulit
- Rogen Tellor ikkan
(Fiſcheyer) - Roth Mera
- Ruͤcken Pingan
- Rufen Pangil
- Sache Karon
- Salz Garang, Aſſin
- Sand Paſſir
- Sauer Aſſam
- Saugen Mama
- Schaͤrfe Tajam
- Schere Gunting
- Scheren Tjukkur
- Schicken Kirim
- Schießpulver Obat paſſan
- Schiff Kapal
- Schimpflich Malu
- Schlafen Tidor
- Schlaͤfrig Mengantok
- Schlagen Pukkul
- Schlange Ulan
- Schließen,
zuſchließen
- Schließen,
- Schluͤſſel Kuntji
- Schmal Kurang lebar
- Schmecken,
Schmack-
haft
- Schmecken,
- Schmied Tukan biſſi
- Schneiden
mit der
Schere
- Schneiden
- Schneiden
mit dem
Meſſer
- Schneiden
- Schoͤn Bagus
- Schreiben Tulis
- Schreiber Iurre tulis
- Schreyen Geyer
- Schuh Sapato
- Schuſter Tukan ſapato
- Schwach Enting
- Schwarz Ittam
- Schwefel Tjollak
- Schwer Brat
- Schweſter Sudara prom-
puang - Schwimmen Bernang
- See Laut
- Strand Pingir laut
- Segeln Balajar
- Sehen Leat
- Seicht Tjeper
- Seide Sutra
- Seyn Ada
- Er iſt Dia ada
- Setzen,
Stellen
- Setzen,
- Sie Dia orang
- Silber Perak
- Silberſchmied Tukan perak
- Singen Manjsnji
- Sitzen Duduk
- Sogleich Sabantar, Be-
tul - Sohn Annak lakki
- Sonne Matta ari
(Auge des Ta-
ges) - Spaͤt Lama
- Spalten Beladua
- Spezereyen Bumbu
- Speyen Luda
- Speybecken Tampat luda
- Spielen Main
- Spinne Lawa
- Sprache Baaſſa
- Springen Belumpat
- Stadt Kotta
- Stehen Bediri
- Stehlen Mantjuri
[229]Von den Sprachen zu Batavia.
- Stein Batu
- Sterben Matti
- Stern Bintan
- Sticken Tuſſuk
- Stopfen Tiſſi
- Stuhl Karoſſi
- Suͤß Manis
- Tag Hari
- Tanzen Mingibing
- Tau Tali, Kulit
- Taub Tuli
- Taube Burung dara
- Taufen Kria ſarani
- Teig Dupong
- Teller Piring
- Theil Bagian
- Theuer Mahal
- Thier Binatang
- Thuͤr Pinto
- Thun, Ma-
chen
- Thun, Ma-
- Tief Dalam
- Tiger Matjan
- Tinte Tinta
- Tintenfaß Tampat tinta
- Tiſch Meja
- Tochter Anak prom-
puang - Toͤdten Buno
- Tragen Pikol
- Traum Iari beſar
- Traͤumen Minimpi
- Trinken Minum
- Trocknen Kring
- Trunken Makkak
- Ueberall Dimanna
manna - Uebereinkom-
men Iadi ſamaratta - Umfaſſen Polok
- Umgekehrt Sabran
- Umſtoßen Kria jatu
- Umwenden Balek
- Umherſehen Balek tengok
- Unbekannt Hada kanalan
- Ungluͤck Tji laka
- Ungewohnt Trada biaſa
- Unkraut Rompot
- Unordnung Banjier
- Unrecht Sala
- Unrein Kotor
- Unreinlichkeit Tai
- Uns Kitta orang
- Unterwaͤrts Dibauwa
- Unverſchaͤmt lang ter taw
malu - Unverhei-
rathet
- Unverhei-
- Unzeitige
- Niederkunft
- Urſache Iang derri
pandanja - Urtheil Ingatang
- Vater Bappa
- Verbiethen Larang
- Verdorben Ruſak
- Verdruß Sajang
- Verkaufen Djuval
- Verlieren Ilang
- Verſuchen Mentjoba
- Verſtaͤndig Biſa
- Vertheilen Bagi
- Vertrauen Pertaja
- Sich ver-
wundern
- Sich ver-
- Viel Banjer
- Viereckig Ampat ujong
- Vogel Burong
- Vogelneſt Ruma burong
- Voll Punu
- Waͤgen Timbang
- Waͤhlen Pili
- Wagen Padati
- Wandern,
- Umhergehen
- Warm Pannas
- Warten Nanti
- Warum Manappa
[230]Sechste Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
- Warum nicht Manappa tida
- Was Appa
- Waſſer Aijer
- Wechſeln Tukkar
- Weg Iallang
- Weglaufen Pigi
- Wegwerfen Buang
- Weich Lembek, Ok-
kat - Wein Angor
- Weinen Manangi
- Weiſen Unjuk
- Weiß Putti
- Welcher Sappa
- Welt Dunia
- Wenden Balek
- Wenig Sediki
- Weniger Lebi kurang
- Wenn Kappan
- Werfen Lempar
- Wiederum Kombali
- Wind Angin
- Wiſſen Tau
- Woher Derimanna
- Wohl be-
komme es
- Wohl be-
- Wohlfeil Mura
- Wohlſchme-
ckend
- Wohlſchme-
- Wohnen Tingal
- Wollen Mau
- Zahn Gigi
- Zahnfleiſch Dagingigi
- Zeichen Tanda
- Zeit Waktu
- Zerreißen Subek
- Ziege Kambin
prompuang - Ziehen Barrak
- Zimmermann Tukan kajo
- Ziſchen Tjop
- Zittern Semetar
- Zorn Mara, Guſſar
- Zucker Gula
- Zu fruͤh Talalu ſiang
- Zu ſpaͤt Talalu lama
- Zu viel Talalu banjer
- Zu wenig Talalu ſedekit
- Zuletzt Diblakkan
kali - Zwiebel Bawang
- Zwingen Bakſa
Die Benennungen der Zahlen ſind folgende:
- Ein Sato
- Zwey Dua
- Drey Dika
- Vier Ampat
- Fuͤnf Lemma
- Sechs Anam
- Sieben Tujo
- Acht Telappan
- Neun Sambilan
- Zehn Sapulo
- Eilf Saplas
- Zwoͤlf Duablas
- Zwanzig Duapulo
- Ein und
zwanzig
- Ein und
- Dreyßig Dikapulo
- Vierzig Ampatpulo
- Funfzig Lemmapulo
- Hundert Sarattos
- Tauſend Serrives
Manche Dinge, welche die Maleyen erſt von den
Hollaͤndern oder Portugieſen bekommen haben, werden
auch in ihrer Sprache mit Hollaͤndiſchen oder Portugie-
ſiſchen Nahmen benannt. Dahin gehoͤren folgende:
[231]Von den Sprachen zu Batavia.
- Tuch Duk
- Glas Glas
- Fernrohr Kiker
- Keſſel Ketel
- Leuchte Lantarn
- Muͤtze Karpus
- Tobakspfeife Pipa
- Bier Bier
- Struͤmpfe Kous
- Selzerwaſſer Aijer Hollanda
- Suppe Sup
- Streichen
(plaͤtten
leinenes
Zeug u.
dgl.)
- Streichen
- Herr Sinjor
- Frau Nonje
- Thaler Real
- Papier Kartas
Geſchrieben wird das Maleyiſche mit Arabiſchen
Buchſtaben, welche die Maleyen in den Zeiten ange-
nommen haben, da ſie an den Indiſchen Kuͤſten ausge-
breitete Handlung trieben.
In Anſehung der Declinationen, Conjugationen
und grammatikaliſchen Regeln iſt dieſe Sprache eine der
einfachſten und ungekuͤnſteltſten. Demungeachtet ver-
ſtehen ſo wohl Indier als Europaͤer einander recht gut.
Um von der Art und Wortfuͤgung derſelben einen Be-
griff zu geben, will ich einige kurze Geſpraͤche uͤber Sa-
chen, die in der Haushaltung und im gemeinen Umgan-
ge vorkommen, hinzufuͤgen. Vielleicht iſt nicht nur
Liebhabern des Sprach-Studiums, ſondern auch ſolchen,
die in jenen Gegenden reiſen werden, damit gedient.
- Was iſt die Uhr?
- Es hat ſchon acht geſchlagen.
- Wenn es ſo ſpaͤt iſt, warum
habt ihr denn noch nicht im
Hauſe ausgefegt und aufge-
raͤumt? - Wir ſind eben erſt aufgeſtanden.
- Fuͤr einen Sklaven paßt es
nicht, ſo lange zu ſchlafen. - Da ich ſo ſpaͤt zu Bett gehe,
kann ich nicht fruͤher auf-
ſtehen. - Wartet, ich will euch das ein
andermahl ſchon lehren.
- Pukkul brsppa?
- Sudabis pukkul telappan
- Kalu bigilu lama, manappa
lu orang bulong ſapu ru-
ma? - Baro betta orang ſuda bangor.
- Trada patut ſamma, budak
jang tidor bigitu lama - Kalu betta bigitu lami pigi ti-
dor, kitta trabuli bangon
lebi ſiang. - Lain kali nanti betta ajar itu
ſamma lu.
[232]Sechste Abtheilung. Vierter Abſchnitt.
- Diesmahl bitte ich die Frau
um Vergebung. - Iſt das Waſſer noch nicht ge-
kocht? - Noch nicht; ich will es aber ſo-
gleich kochen. - Weſſen Schuld iſt es, daß ich
noch keinen Kaffee bekom-
men habe? - Der Koch iſt Schuld daran.
- Wie ſo?
- Weil er den Keſſel mit Waſſer
hat umfallen laſſen. - Wie ging das zu?
- Ich habe es nicht geſehen.
- Wie wißt ihr es denn?
- Ich habe es nur von ihm ſelbſt
gehoͤrt. - Wo iſt er?
- Ich meine, er iſt in der Kuͤche.
- Laßt ihn alſo ſelbſt zu mir kom-
men. - Ich will ihn rufen.
- Warum iſt kein Waſſer da,
wenn ich Kaffee trinken
will? - Das Waſſer war ſchon dieſen
Morgen um ſechs gekocht. - Wo iſt es denn nun?
- Es iſt umgeſtoßen, und dar-
uͤber habe ich mir den Fuß
verbrannt. - Das iſt eure eigne Schuld.
- Ich fuͤhle es auch noch.
- Ein ander mahl muͤßt ihr ver-
nuͤnftiger ſeyn. - Gut, Frau.
- Heute muͤßt ihr viel Eſſen ma-
chen. - Mehr als alle Tage?
- Ja wohl, denn es kommen vie-
le Fremde zum Eſſen. - Was befiehlt die Frau, daß
ich kochen ſoll?
- Ini ſa kali kitta minta ampon
ſamma nonje. - Ajer bulong ſuda maſſak?
- Bulong, tappe ſabantar nan-
ti mediri. - Sappa punje ſala, jang betta
bulong dappat koſſi? - Tukan maſſak punje ſala itu.
- Manappa?
- Darri dia ſuda kria jatu itu
ketel dengan ajer. - Bigimanna itu ſuda jadi?
- Kitta trada leat.
- Bigimanna lu tai itu?
- Kitta tjomma ſuda dengar itu
darri dia kandiri. - Dimanna dia ada?
- Betta kira, jang dia ada di.
- Bear dia kandiri dattang diſſini
ſamma betta. - Nanti betta pangil ſamma dia.
- Manappa adak korang ajer,
kappan betta mau minom
koffi? - Ajar ſuda ada maſſak pagi ari
pukkul anam. - Dimana adi ſakirin?
- Suda jatu, darri itu kitta lagi
ſuda bakkar betta punje
kakki. - Itu ada lu punje ſala kandiri.
- Sampe ſakarin kitta ada raſa itu.
- Lain kali lu muſte ada lebi
biſa. - Baij, nonje.
- Ini ari lu muſte kria banjak
makanna. - Lebi darri ſari ſari?
- Sungo, darri banjak orang
dattang makkan diſſini. - Appa nonje ſuru, jang kitta
muſte maſſang?
[233]Von den Sprachen zu Batavia.
- Suppe, ein Stuͤck geſalzenes
Fleiſch, Fiſche und Huͤhner. - Was ſoll ich braten?
- Zwey Kapaunen und ein Stuͤck
Hammelfleiſch. - Iſt das genug?
- Ja, es iſt genug. Aber ihr
muͤßt in den Garten gehen,
und diesmahl viel Fruͤchte
auf den Tiſch ſchaffen. - Um welche Zeit will die Frau
eſſen? - Genau um zwoͤlf.
- Was habt ihr zu thun, Maͤd-
chen? - Ich naͤhe an dem Hemde fuͤr
den Herrn. - Und was thut ihr mehr?
- Ich ſtopfe Struͤmpfe.
- Wem gehoͤren die?
- Sie gehoͤren der Frau?
- Wenn nahmt ihr ſie, um ſie
zu ſtopfen? - Geſtern Abend.
- Sind ſie noch nicht fertig?
- Noch nicht.
- Ihr ſeyd gar zu faul.
- Nein, Frau; aber ich habe viele
Loͤcher zu ſtopfen gefunden. - Ihr habt immer etwas zu ſa-
gen. - Ich habe geſtern auch das lei-
nene Zeug geplaͤttet. - Was fuͤr leinenes Zeug?
- Das, welches der Waͤſcher ge-
ſtern zu Hauſe brachte. - Habt ihr die Waͤſche vorher ge-
zaͤhlt? - Ja, ich habe ſie gezaͤhlt, und
ſie iſt richtig. - Ich glaube euch nicht; ich will
ſie ſelbſt zaͤhlen.
- Sup, ſa pottong dagin azin.
ikkan, dengam kerri aſſam
punje. - Appa beta muſte goring?
- Dua ajam kabiri dengan ſa pot-
tong dagin kambing punje. - Sampe itu?
- Sampe juga. Tappe lu muſte
pigi di kobong, ambel ban-
jak rupa buabua pur mak-
kan diblakkan kali. - Pukkul brappa nonje mau
makkan? - Betul pukkul dua blas.
- Appa lu, budok prompuang,
ada kria? - Kitta ada manjei ſingor ponge
kameja. - Lu lagi appa kria?
- Beta ada tiſſi kous.
- Sappa punje?
- Nonje punje.
- Kappan lu ſuda ambel ini puer
tiſſi? - Kalamari pagi.
- Bulong abis?
- Bulong[.]
- Lu ada talalu mallas.
- Trada, nonje; tappe kitta ſu-
da duppat banjak lobang
puer tiſſi. - Lu ſari ſari ada ſ[a]tu appa puer
katta. - Kitta kalamari lagi ſuda ſtrika
itu barang. - Barang appa?
- Iang manatu kalamari daulo
ſuda bauwa di ruma. - Suda bilang itu barang lebi
daulo? - Suda bilang, ada lagi betul.
- Betta trada pertjaja ſamna lu,
kan diri betta mauw bilang.
[234]Sechste Abtheil. Vierter Abſchn. u. ſ. w.
- Gut, Frau, hier iſt die Waͤſche
und der Aufſatz davon. - Seht, wie ihr gezaͤhlt habt.
- Fehlt etwas an der Waͤſche?
- Gewiß, ein Hemd, zwey Un-
terhoſen, und zwey Kuͤſſe-
buͤhren. - Will die Frau, daß ich den
Waͤſcher rufen ſoll? - Lauft hin und ruft ihn.
- Wenn er nicht kommen will,
was ſoll ich ihm denn ſagen? - Sagt, wenn ich das, welches
fehlt, nicht wieder bekomme,
ſoll er es ſelbſt bezahlen. - Und wenn er das nicht will,
was ſoll ich denn mit ihm
machen? - Wenn das geſchieht, muͤßt ihr
ihm ſagen, daß er niemahls
denken ſoll, mein Zeug je
wieder zu waſchen. - Was mehr?
- Daß ich das Geld inne behal-
ten will, das ich ihn fuͤr die-
ſen Monath ſchuldig bin. - Wie viel muß er fuͤr die Waͤſche
bezahlen? - Fuͤr das feine Hemd vier Thaler.
- Fuͤr das andre?
- Fuͤr die zwey Buͤhren, die grob
waren, einen Thaler und
fuͤnf Schillinge. - Noch mehr?
- Fuͤr die beyden Hoſen dritthalb
Thaler. - Hat die Frau noch mehr zu be-
fehlen? - Nein, geht hin, kommt aber
bald wieder. - Ich gehe.
- Bai, nonje, diſſini ada itu ba-
rang dengan dia punje ſurat. - Leat, bigimanna lu ſuda bilang.
- Ada korang barang?
- Sungo, ſatu kameja, dua ljil-
lans dibana punje, dengan
dua ſarong bantel. - Nonje Mauw, jang kitta pigi
pangil ſamma menatu? - Larri juga pungil ſamma dia.
- Kalu di tra mau d[a]ttang, ap-
pa kitta nanti bilang ſamma
dia? - Bilang juga, jang kalu betta
trada dappat itu barang,
jang ada korang, dia muſte
bajar itu. - Kalu dia tra mau itu, appa
kitta nanti bekin ſamma dia? - Kalu bigitu, lu muſte bilang
ſamma dia, jang dia jangan
kira puer tjutje betta punje
barang lagi. - Appa lagi?
- Iang betta nanti pegan itu
vang, jang kitta ada ulang
ſamma dia puer ini bulang. - Brappa dia muſte bajar puer
itu barang? - Itu kameja allus ampat real.
- Puer itu lain?
- Itu dua ſarong bantal, jang ſu-
da ada kaſſar, ſatu real den-
ganlima ſatali. - Lagi?
- Itu dua tjillana dua real ſatenga.
- Nonje ada lagi ſatu appa puer
ſuro? - Trada, pigi, tappe dattang
lakas kombali. - Kitta ada pigi.
[235]
Fuͤnfter Abſchnitt.
Von den Chineſern und Mohren
auf Java.
Unter allen Fremden ſind die Chineſer die zahlreichſten.
Sie behalten ihren National-Charakter, ihre Sitten und
Gebraͤuche bey, ſind die fleißigſten und arbeitſamſten im
ganzen Lande, und unverdroſſen zu allem. Einige von
ihnen reiſen zwiſchen hier und China ab und zu, um Hand-
lung zu treiben. Die meiſten aber ſind hier beſtaͤndig
wohnhaft. Sie ſind groß und ſchlank von Wuchs, und
gelblich von Farbe. Beſonders zeichnen ſie ſich durch ih-
re kleinen und laͤnglichen Augen aus. Einige wenige ha-
ben einen Bart. Die meiſten ſind am ganzen Kopfe ge-
ſchoren, und das Haar, welches ſie mitten auf der ge-
ſchornen Scheitel ſtehen laſſen, flechten ſie in eine oder
drey lange Flechten, die entweder auf den Ruͤcken herab-
hangen, oder um den Kopf gewunden ſind. Ihre Klei-
dung iſt duͤnn und weit, und beſteht aus einem Wamms
oder einer kurzen Jacke, die an der Seite zugeknoͤpft wird,
und aus langen Hoſen wie Schifferhoſen. Schuh tra-
gen ſie, aber ohne Schnallen und mit dicken Sohlen.
Struͤmpfe gebrauchen ſie nicht. An der rechten Seite
am Schenkel haben ſie gewoͤhnlich ein Schnupftuch, und
eine ſilberne Doſe, oder auch einen Geldbeutel hangen,
um klein Geld hinein zu ſtecken. Auf dem Kopfe tragen
ſie einen rund zugeſpitzten Huth oder Schirm, und in der
Hand gemeiniglich einen Faͤcher.
Die Chineſer wohnen nicht bloß in der Stadt ſelbſt,
ſondern auch in großer Anzahl in der Vorſtadt, und ſo
gar im Lande. Sie treiben, wie in Holland die Juden,
einen ſehr ſtarken und ausgebreiteten Handel, die mei-
[236]Sechste Abtheilung. Fuͤnfter Abſchnitt.
ſten Kuͤnſte, und beynahe allein alle Handwerke. Die
Gaͤrten vor der Stadt werden gleichfalls groͤßtentheils
von Chineſern cultivirt. Sie bringen auch fuͤr wohlfeilen
Preis alle Arten von Fruͤchten und Gartengewaͤchſen
nach der Stadt zum Verkauf, ſo wohl zum Gebrauch der
Einwohner als der Schiffe. Auch ſind ſie es, die die
Arrakbrennerey pachten, Zuckerrohr, Kaffee, und Indi-
go bauen. Kurz, ſie ſind hier ganz unentbehrliche Leute.
Außer den Chineſern, welche in der Stadt mit Waaren
und andern Sachen, die ſie feil biethen, umhergehen,
bekommt man auch bisweilen Beſuch von ſolchen, die ihre
Dienſte anbiethen die Ohren zu reinigen, eine in Euro-
pa den Wundaͤrzten unbekannte Operation. Mit eini-
gen feinen Inſtrumenten, wiſſen ſie ſehr nett und behen-
de das Ohrenſchmalz herauszunehmen, und das Ohr
von aller Unreinigkeit, die ſich da etwa ſammeln kann,
zu reinigen, ohne daß damit die mindeſte unangenehme
Empfindung verbunden iſt.
Da aus China gar keine Frauensperſonen weg-
gehen oder ausgefuͤhrt werden duͤrfen, ſo ſind die hier
wohnenden Chineſer genoͤthigt, Javaſche Weiber zu
nehmen.
Den 1., 2. und 3. Junius feyern die hieſigen Chi-
neſer eines ihrer Feſte, welches in einer ſo genannten
Seewettfahrt beſteht. Dieſe wird auf dem durch die
Stadt nach der Rhede laufenden Fluſſe angeſtellt. Sie
bedienen ſich dabey zweyer Boͤte, womit ſie gegen den
Strom rudern. Wer mit ſeinem Boote zuerſt ankommt,
empfaͤngt den aufgeſetzten Preis. Dieſer haͤngt oben an
einer gruͤnen Stange zur Schau, und beſteht gewoͤhnlich
in Schnupftuͤchern, Faͤchern, ſilbernen Muͤnzen oder einer
ſilbernen Doſe. Der Wettſtreit wird verſchiedne mahl
[237]Von den Chineſern und Mohren auf Java.
wiederhohlt. Ihn begleitet Muſik von Pauken und meſ-
ſingenen Becken.
Zu Batavia halten ſich auch Mohren auf. Die-
ſe ſind hier, wie anderwaͤrts, meiſtens Kaufleute. Viele
von ihnen ſind vorzuͤglich groß von Statur. Man kennt
ſie an ihrem eignen, beſondern und huͤbſchen Anzuge.
Sie tragen langes ſchwarzes Haar, das in ein weißes
Tuch gewickelt wird, ſo daß es wie ein Turban ausſieht.
Auch haben ſie Knebelbaͤrte. Einige tragen eine Muͤ-
tze oder einen runden Huth. Ihre Kleidung beſteht in ei-
nem großen, weiten, unten offnen Rock oder Hemde,
das unterhalb der Bruſt mit einer Schnur oder einem
breiten Bande zugebunden wird, unten weiter als oben iſt,
und bis auf die Fuͤße reicht. Ihre Schuhe ſind weit, und
laufen in eine lange, ſchmale Spitze aus, die zuruͤckgebogen
wird; bey den Reichen ſind ſie oft ſtark mit Gold beſetzt.
Sechster Abſchnitt.
Von den Javanern.
Die Javaner ſind gelb von Farbe, haben ſchwarze und
gar nicht tief liegende Augen, eine ſehr wenig zuruͤckge-
druͤckte, aber dabey doch kurze und ſtumpfe Naſe; lan-
ges und ſchwarzes Haar, einen eben nicht großen Mund,
und die Oberlippe iſt etwas mondfoͤrmig umgebogen, dick
und ein wenig hervorſtehend. Die meiſten ſind von
mittlerer, oder vielmehr langer Statur, und ſehen im
Geſichte nicht uͤbel aus.
Im allgemeinen kann man von den Javanern ſa-
gen, was ſo ziemlich von allen Bewohnern der heißen
Laͤnder gilt, daß ſie traͤgen Geiſtes, und nicht ſo er-
finderiſch, ſchlau und ſcharfſinnig als die Europaͤer ſind.
Das Vermoͤgen zu denken beſitzen ſie allerdings, aber
[238]Sechste Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
nicht tief oder angeſtrengt zu denken. Ihre Geſpraͤche
und Unterhaltungen zeigen daher auch wenig Nachdenken.
Ueberhaupt ſind ſie traͤge, ſchlaͤfrig, langſam, und lie-
ben Wohlluſt und Muͤßiggang. Die Hitze des Himmels-
ſtrichs, unter welchem ſie wohnen, wirkt dies bey ihnen.
In der That kann man, ohne den meiſten ſchwarzbrau-
nen Eingebohrnen von Indien Unrecht zu thun, wohl
ſagen, daß zwiſchen ihnen und den Europaͤern groͤßrer
Unterſchied, als zwiſchen den Affen und ihnen iſt.
Die Javaner werden von den Hollaͤndern als freye
Leute angeſehen, und keiner von ihnen darf zum Sklaven
gemacht werden. Man hat mir aber doch erzaͤhlt, daß
es ſich bisweilen zutraͤgt, daß ſie ſelbſt einander verpfaͤn-
den; ein Umſtand, uͤber den ich inzwiſchen keine befriedi-
gende Nachricht erhalten konnte.
Die Javaner ſitzen allezeit auf einer Matte von
Stroh, die auf dem Boden oder der Erde ausgebreitet
iſt; die Fuͤße legen ſie dabey kreutzweiſe uͤber einander.
Auf dem Wege, auf der Straße oder ſonſt auf bloßer
Erde ſitzen ſie auf den Ferſen. Ihre Gruͤße und Com-
plimente beſtehen, wie bey den meiſten andern Indiſchen
Voͤlkern darin, daß ſie die Haͤnde zuſammenlegen und
gegen die Stirn aufheben. Das Eſſen bringen ſie mit
den bloßen Fingern zum Munde, ohne Meſſer und Ga-
bel zu brauchen.
Die brennende Hitze der Luft und das viele Schwi-
tzen macht in dieſen Laͤndern das Baden im Waſſer ſehr
nothwendig. Selten geht daher ein Tag vorbey, daß
man nicht die Indier im Waſſer plaͤtſchern ſieht. Hiezu
ſuchen ſie ſolche Stellen aus, wo ſie vor Krokodilen
ſicher ſind, entweder in Fluͤſſen oder kleinen Buchten der
See. Hiedurch wird nicht nur der Koͤrper gereinigt,
ſondern auch die Schweißloͤcher geoͤffnet. Ueberdem
[239]Von den Javanern.
ſtaͤrkt das kalte Waſſer den Koͤrper, daß ſie hernach we-
niger ſchwitzen, auch leichter und muntrer werden.
Opium wird auf Java und den umliegenden In-
ſeln in großer Menge gebraucht. Die Indier bedienen
ſich deſſelben zwar eben ſo haͤufig, als die Tuͤrken, aber
ſie ſaugen es nicht, wie dieſe. Dagegen bereiten ſie
es zu einem Brey oder Mus, das ſie oben auf den To-
bak ſtreichen, wenn ſie ihn in die Pfeife geſtopft haben.
Wenn ſie nun den Tobak rauchen, werden ſie von eini-
gen Zuͤgen betrunken und verworren; ſind ſie aber ſo un-
vorſichtig, zu viel davon zu gebrauchen, ſo kommen ſie
ganz von Sinnen und werden ſo raſend, daß ſie auf an-
dre losgehen und ſie ermorden wollen. Kommt ein ſol-
cher durch Opium raſend gewordner auf die Straße, ſo
wird Amok, Amok geſchrien, und jedermann hat das
Recht, einen auf dieſe Art berauſchten Menſchen, den
die Geſetze fuͤr vogelfrey erklaͤren, todt zu ſchlagen.
Die Kinder werden bey dieſem, wie bey den meiſten
Indiſchen Voͤlkern auf eine ſehr ungekuͤnſtelte Art erzogen.
Selten hoͤrt man ein Kind ſchreyen. Sehr oft ſieht man
ſie auf der Erde liegen, wo die Muͤtter ſie auf eine aus-
gebreitete Matte hingelegt haben, und hernach davon ge-
hen, daß ſie ſelbſt nach eignem Antriebe auf Haͤnden
und Fuͤßen umherkriechen koͤnnen, bis ſie ſtehen und ge-
hen lernen. Sie werden weder geſchnuͤrt noch gewickelt.
Dieſer Erziehungs Methode iſt es wohl zuzuſchreiben, daß
man keinen Gebrechlichen unter den Javanern ſieht.
Die Kleidung der Javaner beſteht in einem Schnupf-
tuche, den ſie um den Kopf wickeln, einer Weſte mit
vielen kleinen Knoͤpfen, und einem um den Leib befeſtig-
ten Rocke, den ſie Kajin nennen. Bey den Vornehmen
iſt die Weſte nicht ſelten ſchoͤn und praͤchtig geſchmuͤckt.
An den Fuͤßen tragen ſie Pantoffeln, die vorn wie quer
[240]Sechste Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
abgehauen ſind und in die Hoͤhe ſtehen; gehen aber uͤbri-
gens mit bloßen Beinen ohne Struͤmpfe. Einige tragen
eine cylindriſche, oben ganz abgeplattete Muͤtze von weißem
baumwollnen Zeuge, und die durch Staͤrke von Reiß-
mehl ſo ſteif gemacht iſt, daß ſie gerade in die Hoͤhe ſteht,
und ganz durchſichtig iſt. Die Frauensperſonen tragen
um den Leib, zur Bedeckung der untern Theile bis zu den
Fuͤßen, ein Kleid, oder vielmehr ein Tuch, das um den
Unterleib zuſammengewickelt wird, und oberwaͤrts ein
halbes Hemd. Das Haar winden ſie oben auf dem Kopfe
zuſammen, und befeſtigen es mit einer Nadel. Die
Vornehmern gebrauchen auch Pantoffeln, die nicht ſelten
mit reichem Zierrath verſehen ſind.
Auf ihr Haar ſetzen die Indier uͤberhaupt einen gro-
ßen Werth. Es iſt bey ihnen durchgaͤngig pechſchwarz
und ſo lang, daß es bis auf die Lenden hinabreicht. Kein
Tag vergeht, da ſie es nicht mit Kokosoͤhl ſchmieren,
kaͤmmen und nach Landesſitte in Ordnung bringen und
putzen.
Die bey den Javanern uͤblichen Taͤnze hatte ich ei-
nige mahl Gelegenheit zu ſehen, und dabey bekam ich
denn auch ihre Muſik zu hoͤren. Ihre Taͤnze beſtehen
in verſchiednen Bewegungen des Koͤrpers, beſonders der
Arme und Fuͤße. Die Maleyen nennen dieſe Taͤnze
Tantak und die Javaner Rongee. Es befindet ſich alle-
mahl eine wohl gekleidete und geſchmuͤckte Frauensperſon
dabey, die den Tanz zuerſt mit irgend einem von der Ge-
ſellſchaft anfaͤngt, und hernach mit jedem beſonders, ſo
viel deren Luſt zu tanzen haben, fortfaͤhrt. Eine ſolche
Taͤnzerin heißt Rongin, jeder, mit dem ſie getanzt hat,
ſteckt ihr vor dem Schluſſe des Tanzes etwas Geld in die
Hand, welches am Ende zwiſchen ihr und den Muſikan-
ten getheilt wird.
Ihre
[241]Von den Javanern.
Ihre Muſik wird mit verſchiednen Inſtrumenten
gemacht, die gut gehandhabt in einiger Entfernung einen
nicht unangenehmen und gewiſſermaßen recht harmoniſchen
Laut geben. Gewoͤhnlich gebrauchen ſie eine Art Geige,
die aber nur zwey Saiten hat; eine Trommel, die an
beyden Enden mit den Fingern geſchlagen wird; eine Art
Orgel, die aus Stuͤcken Holz von verſchiedner Laͤnge, und
zwar je nachdem die Toͤne hoͤher oder niedriger ſeyn ſollen,
beſteht, welche auf einem runden ausgehoͤhlten Holze lie-
gen, und wie ein Hackbret mit einem hoͤlzernen Hammer
geſchlagen werden, einem kupfernen Keſſel, der aufge-
haͤngt und geſchlagen wird, und zwey kupfernen Becken
oder Schalen, die ſie in den Haͤnden halten und gegen
einander ſchlagen.
Zunahmen oder Geſchlechtsnahmen haben die Ja-
vaner nicht. Jeder hat ſeinen beſondern Nahmen, den
man mit unſern Vornahmen vergleichen kann. Aber auch
dieſen aͤndern ſie oft, wie dieſer und jener Umſtand oder
Vorfall es mit ſich bringt. So bald jemand Vater eines
Sohns wird, aͤndert er ſeinen Nahmen, und anſtatt,
daß in einigen Europaͤiſchen Laͤndern der Sohn nach ſeinem
Vater heißt, zum Exempel Friedrichſon, wenn der Va-
ter Friedrich hieß, wird hier der Vater nach ſeinem Sohne
benannt. Zum Beyſpiel, wenn der Sohn Tjoſo heißt,
ſo hoͤrt der Vater auf, ſeinen bisherigen Nahmen zu ge-
brauchen, und nennt ſich Bappa Tjoſo, das iſt Tjoſo’s Va-
ter. Bekommt er mehrere Soͤhne, ſo nennt er ſich allezeit
nach dem juͤngſten von ihnen.
Die vornehmen Javaner machen viel Staat und
lieben ſehr einen praͤchtigen Aufzug. Sie haben verſchied-
ne Bediente hinter ſich, wovon einer eine Pinangdoſe,
ein andrer die Tobakspfeife, ein dritter Tobak, der vier-
te das Speybecken, der fuͤnfte den Sonnenſchirm und ſo
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. Q
[242]Sechste Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
weiter traͤgt. Ihre Damen laſſen ſich in Stuͤhlen oder
Saͤnften tragen, die mit Silber beſchlagen ſind. Die
Hauptleute oder Fuͤrſten unter ihnen haben bisweilen ſilber-
ne oder gar goldne Scheiden zu ihren Seitengewehren.
Die Boͤte, deren ſich die Javaner auf der Rhede
vor Batavia bedienen, ſind unglaublich ſchmal, aber
lang. Sie beſtehen aus einem Stuͤcke, naͤmlich einem
ausgehoͤhlten Baume und ſind in der That nicht breiter,
als daß eine Perſon darin ſitzen kann; dagegen betraͤgt
ihre Laͤnge einige Ellen. Segel haben ſie nicht. Unerach-
tet dieſer Beſchaffenheit der Boͤte koͤnnen ſie doch ohne
Gefahr und bequem Gebrauch davon machen, weil es
hier dermaßen ſtill iſt, daß die Oberflaͤche des Waſſers
gewoͤhnlich ſo eben und glatt, wie ein Spiegel, ausſieht.
Die Waffen der Javaner ſind von verſchiedner Art.
Kris nennen ſie eine Art Hirſchfaͤnger, die ſo wohl von
Vornehmen als Geringen am haͤufigſten, und zwar bey al-
len Gelegenheiten getragen werden. Dies Seitengewehr
iſt außer dem Handgriffe ungefaͤhr eine halbe Elle lang.
Die Klinge iſt entweder gerade oder geſchlaͤngelt, zwey Fin-
ger breit, ſpitzig und an beiden Seiten ſcharf. Gewoͤhn-
lich ſieht ſie bleyfarbig aus, hat aber zwiſchendurch helle
Streifen. Bisweilen iſt ſie damaſcirt, gemeiniglich ver-
giftet. Man hat ſie in einer hoͤlzernen Scheide ſtecken,
die manchmahl angemahlt, und bey den Reichen aus-
wendig wohl mit einer goldnen oder ſilbernen Platte, die
los iſt, und leicht abgezogen werden kann, belegt iſt.
Die Handhabe oder der Griff iſt von Holz, und von ganz
eigner ſonderbarer Geſtalt. Ein ſolches Kris wird an
der rechten Seite nahe am Ruͤcken, von geringen Leuten
oft auch ganz hinten am Ruͤcken an einem um den Leib
gebundnen Bande getragen. — Sie haben auch eine
Art Saͤbel, die einen dicken Ruͤcken haben, ſchwer und
[243]Von den Javanern.
uͤber eine Elle lang ſind, und woran der Handgriff von
Horn oder Holz iſt; dergleichen ſah ich oft auf dem Mark-
te verkaufen. — Ferner bedienen ſie ſich haͤufig eines
kleinen Hirſchfaͤngers oder vielmehr Dolchs, der eine
Viertelelle lang iſt, einen gebognen Griff hat, und von
einigen wie das Kris im Guͤrtel getragen wird. —
Noch eine andre Waffe tragen nur Leute von ganz ſchlech-
tem Stande, und meiſtentheils keine andre als Dienſt-
bothen. Sie wird als ein Zeichen von Unterthaͤnigkeit
und Unterwuͤrfigkeit angeſehen. Die Klinge oder das Blatt
iſt kurz und breit, und hat mit einem Hackemeſſer Aehn-
lichkeit; an der einen Seite hat ſie eine ruͤndlich erhobne
Schneide, wie die aͤußere Seite einer Schere, und an der
andern einen dicken Ruͤcken. Die Scheide dazu iſt von
Holz, und hat an der einen Seite eine hornene Fe-
der, womit ſie in dem um den Leib gehenden Guͤrtel, und
zwar hinten am Ruͤcken eingeſteckt, feſt gehalten wird. Dies
Werkzeug gebrauchen ſie auch, um damit zu hauen, und
in den dicken Javaſchen Waͤldern ſich einen Weg zu oͤffnen.
Es pflegt noch einmahl ſo lang als breit zu ſeyn.
Die Javaner haben auch ihre eignen Muͤnzen. Ei-
ne Sorte iſt ſelbſt unter ihnen ungemein ſelten, und ich
hatte viel Muͤhe fuͤr einen Hollaͤndiſchen Ducaton oder
einen anderthalb Thaler ein Stuͤck davon zu bekommen.
Die Javaner heben dieſe Muͤnze als etwas altes und als
eine Seltenheit auf, und geben ſie gar nicht aus. Sie
iſt gegoſſen. Das Metall iſt Meſſing, die Groͤße un-
gefaͤhr wie eines Speciesthalers, aber die Dicke wohl
viermahl ſo groß. In der Mitte iſt ein viereckigtes Loch,
das dazu dient die Stuͤcke aufzureihen. Rund umher iſt
ſie mit einem breiten, erhabnen Rande verſehen. Unge-
faͤhr mitten ſieht man einen Baum mit ausgebreiteten
Zweigen, und zu jeder Seite deſſelben eine ungeſtaltete
Q 2
[244]Sechste Abtheilung. Sechster Abſchnitt.
menſchliche Figur, wie ein Gerippe. Das ganz Unge-
ſtaltete in dieſer, ſo wie in allen andern Figuren, welche
die Javaner zeichnen, mahlen, oder in Holz ſchneiden,
iſt eine Folge der mahomedaniſchen Religion, die ihnen
verbiethet ein richtiges Bild zu machen. Dieſe Muͤnze
heißt Pettis Kantang, und man trifft ſie heut zu Tage
nur in dem oͤſtlichen Theile der Inſel, zum Exempel in
der Gegend von Suribaija und Banjermaſſing an.
Java wird nicht von einem einzigen, ſondern von
mehreren Monarchen regiert, obgleich dieſe Inſel eben
nicht ſo groß iſt, daß ſie in ſo viele Reiche getheilt ſeyn
duͤrfte. Zu Bantam iſt ein Koͤnig, in Madura ein
Fuͤrſt oder Prinz, in Surikarta ein Kaiſer und in Djok-
jakarta ein Sultan. Die Ehrentitel der regierenden
Herren in Java ſind nach Ungleichheit ihrer Wuͤrde ſehr
verſchieden. Folgende habe ich mit Gewißheit erfahren.
Der Kaiſer in Surikarta heißt: Suſu bunang, Ober-
fuͤrſt; Pako buna, Nagel oder Stuͤtze der Welt;
Senapati ingalaga, Land- oder Feld-Oberſter; Abdul rak-
man, heiliger Prieſter; Sajidin panatagama, Beſchuͤ-
tzer des Glaubens. Der Sultan in Djokjakarta hat
folgende Benennungen: Sulthan, Fuͤrſt oder Koͤnig;
Haminy kubana, Regent der Welt; Haliſa tolab,
Statthalter Gottes; nebſt den obigen Senapatti ingalaga,
Abdul rakman, und Sajidin panatagama. Der Be-
herrſcher der Inſel Madura wird titulirt: Panembahan
adipatti, freyer Fuͤrſt oder Regent. Ein Prinz heißt
Pangerang, ein Erbprinz Pangerang adepatti, eine Koͤ-
nigin Ratu, eine Prinzeſſin Radin aju. Patti iſt der Nah-
me eines Landes-Hauptmanns oder Befehlshabers uͤber
eine Provinz oder einen etwas großen Diſtrikt. Der-
gleichen giebt es verſchiedne in den unter der Hollaͤndi-
ſchen Compagnie ſtehenden Landſchaften. Sie werden
[245]Von den Javanern.
zwar vom Gouverneur angeſetzt, muͤſſen aber von der
Regierung zu Batavia anerkannt werden. Eben das
gilt von dem uͤber die Chineſer im Lande beſtellten ſo ge-
nannten Capitain. Tommegomme werden die Befehls-
haber uͤber kleine Diſtrikte oder einzelne große Doͤrfer ge-
nannt. Wird ein ſolcher mit einer Prinzeſſin verheira-
thet, ſo bekommt er den Nahmen Radin Tommegom.
Die Javaner ſind uͤbrigens ein freyes Volk, und duͤrfen
nicht zu Sklaven gemacht werden.
Unter den Javanern giebt es auch einen Adel.
Beyde Geſchlechte koͤnnen geadelt werden. Wenn ein
Adliger eine Unadlige heirathet, ſo wird ſie dadurch
ſelbſt geadelt, und umgekehrt.
Die Javaner haben ihre eigne Sprache, die von
der Maleyiſchen unterſchieden iſt.
Der groͤßte Theil von ihnen bekennt ſich zu
Mahomeds Lehre. Dieſe haben eigne Prieſter, von de-
nen die meiſten eine Reiſe nach Mekka gethan haben.
Siebenter Abſchnitt.
Von
den Produkten des Gewaͤchsreiches
auf Java, und deren Gebrauche.
Die gewoͤhnlichen Europaͤiſchen Getreidearten werden
auf Java, ſo wie uͤberhaupt in Indien nicht gebauet;
auch wuͤrden ſie in dieſen heißen Laͤndern nicht fortkom-
men. Reiß aber bauet man hier in ſehr großer Menge,
und mit vielem Vortheil. Von dem niedrigen und zu
gehoͤriger Zeit uͤberſchwemmten Boden dieſes Landes iſt
dies auch nicht anders zu erwarten. In den hoͤhern Ge-
genden der Inſel wird indeſſen auch etwas Reiß gebauet,
[246]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
und er geraͤth, ob er da gleich nicht unter Waſſer ſteht,
wie doch ſonſt gewoͤhnlich erforderlich iſt. Der hieſige
Reiß iſt ganz vorzuͤglich weiß, und wird in Anſehung
der Guͤte ſogleich naͤchſt dem Japanſchen geſetzt. Ehe
man auf Java den Reiß kannte, und ſo haͤufig als jetzt
bauete, lebten die Einwohner von Fennich (Panicum),
deſſen Blumen ſchwaͤrzlich ſind, und das von ihnen all-
gemein gebauet wurde, aber weder ſo gut lohnt, noch
zum Gebrauch ſo gut als Reiß iſt.
Außer dem Reiß bauet man hier auch an einigen
Orten nicht nur Tuͤrkiſchen Weitzen oder Mais (Zea
mais), ſondern auch Pferdgras oder Sorghoſamen
(Holcus, Sorghum).
Von Europaͤiſchen Fruͤchten, Wurzeln und Gar-
tengewaͤchſen bauet man hier wenige, hauptſaͤchlich nur
Kohl, Ruͤben, Kartoffeln und Bohnen. Dagegen
hat das Land an andern Fruͤchten, Wurzeln, Zwie-
belgewaͤchſen und ſonſtigen Gartenfruͤchten, die hier
taͤglich zu Tiſche kommen, einen großen Ueberfluß.
Unter andern wachſen hier zwey Arten Erbſen haͤufig,
welche die Javaner gern eſſen, wovon ſie aber hernach
aus dem Munde uͤbel riechen. Die Hollaͤnder nennen
ſie daher Stinkbohnen. Bey den Landeseingebohrnen
heißt die eine Gattung mit ganz kleinen Blaͤttern Pettee,
die andre Tjenkol.
Kokosnuͤſſe (Cocos nucifera) eſſen die Indier alle
Tage. Sie pfluͤcken ſie, bald mehr, bald weniger reif,
von den Palmbaͤumen ab, oͤffnen ſie mit einem Meſſer,
trinken erſt das inwendig befindliche Waſſer, das wie
Zuckerwaſſer ſchmeckt, und den Durſt loͤſcht, heraus,
und eſſen darauf den weißen, mandelaͤhnlichen Kern
entweder allein oder mit Reiß. Die Europaͤer reiben
den Kern, gießen Waſſer hinzu, machen daraus eine
[247]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
Mandelmilch, und bereiten damit die Karriſuppe und
andre wohlſchmeckende Gerichte.
Piſang nennt hier jedermann die Frucht des Para-
diesbaums (Muſa paradiſiaca), wovon es mehrere Ar-
ten, nicht nur große und kleine, ſondern auch gute und
ſchlechte giebt. Gewoͤhnlich nimmt man dieſe Frucht
unreif vom Baume, wenn ſie noch gruͤn iſt, und haͤngt
ſie auf, damit ſie nachreife, da ſie dann gelb wird.
Die kleinſte Sorte heißt Piſang vadja, und kann mit
Recht zu den delicateſten und geſundeſten Fruͤchten in
der ganzen Welt gezaͤhlt werden. Die duͤnne Schale,
womit ſie bedeckt iſt, laͤßt ſich leicht abnehmen, und das
inwendige musartige Weſen, das zugleich etwas mehl-
artig und von Geſchmack ſuͤßlich iſt, ſchmilzt beynahe
von ſelbſt im Munde. Wenn man auch noch ſo viel
davon iſſet, wird man ihrer doch faſt nie uͤberdruͤſſig.
Piſang gehoͤrt zu den vornehmſten Nahrungsmitteln der
Indier. Dieſe eſſen ſie roh; die Europaͤer thun das
zwar auch, bereiten ſie aber auch außerdem auf man-
cherley Art durch Braten oder Stoben zu. Bisweilen
ſtobt man ſie mit rothem Weine, wie Birnen, oder
kocht ſie geſchaͤlt in dem Decoct von rothem Amaranth,
wovon ſie ſo roth wird, als wenn ſie mit Pontak gekocht
waͤre. Mit Oehl gebraten wird ſie etwas hart, ſchmeckt
aber ſehr angenehm. In beyden Faͤllen wird ſie erſt ge-
ſchaͤlt, und in laͤngliche Scheiben zerſchnitten. Manch-
mahl werden ſolche Scheiben auch wie die ſo genannten
Ochſenaugen in Butter gebraten, und von den Euro-
paͤern bey der Abendmahlzeit gegeſſen. Ein einziger
Baum giebt eine Menge Fruͤchte, bluͤht dagegen nie
mehr als ein einziges mahl; hernach ſtirbt und vergeht er,
vermehrt ſich aber durch neue Schoͤßlinge aus der Wur-
zel. Der Piſangbaum waͤchſt im Lande zwar wild, wird
[248]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
aber doch allgemein, faſt keinen Garten ausgenommen,
gezogen, erreicht die Hoͤhe eines Mannes und hat keine
Zweige. Seine Blaͤtter ſind die allergroͤßten unter ſol-
chen, die ungetheilt ſind und nicht in Falten liegen.
Die Frucht der Ananas (Bromelia ananas) ſehen
viele, beſonders in Europa, fuͤr die wohlſchmeckendſte
und delicateſte von allen Fruͤchten an. Ihr Geruch iſt
angenehm und fuͤllt das ganze Zimmer an. Ihr Ge-
ſchmack verdient auch ganz vorzuͤgliches Lob: er beſteht in
einer unbeſchreiblich angenehmen Miſchung von Suͤßig-
keit und Saͤure, die gleichſam von ſelbſt auf die reitzendſte
Art in die Zunge dringt. Zugleich hat ſie aber auch et-
was ſcharfes an ſich, und enthaͤlt etwas, das leicht
ſchaden kann; man muß ſie deswegen nur zum Deſſert,
nicht aber zur Nahrung oder als Haupteſſen gebrauchen.
Sie hat die Groͤße eines Kopfs. Wenn man die aͤußere
Schale abgeſchnitten hat, ſchneidet man die Ananas der
Breite nach in Scheiben, nimmt dieſe in den Mund
und ſauget etwas daran; auf dieſe Art genießt man nur
den Saft, ſchluckt aber das Faſerige nicht mit hinunter.
Die Europaͤer eſſen ſie, um alle ſchaͤdliche Wirkung zu
verhindern, entweder mit Salz, oder Zucker, oder ro-
them Weine, und zwar ſelten mehr als jedesmahl eine
einzige Scheibe. Oft werden ſolche Scheiben auch wohl
in Streifen geſchnitten, mit Zucker eingemacht und als
Confituͤren zum Thee gegeſſen. Manchmahl ißt man
die Ananas auch in Scheiben geſchnitten und mit rothem
Weine und Puderzucker geſtobt. Wenn ſie nicht reif
iſt, ſo iſt ſie ſcharf und giftig. In Menge gegeſſen ver-
urſacht ſie Diarrhoͤe und rothe Ruhr, beſonders bey Ma-
troſen und Soldaten, wenn ſie zuerſt hieher kommen
und mit Skorbut behaftet ſind.
[249]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
Die Frucht des Kujavabaums (Pſidium) wird,
wenn ſie reif iſt, ſo wohl roh als mit rothem Wein und
Zucker geſtobt, gegeſſen.
Die Jombo oder Jombolone (Iambolifera Indica)
ißt man ebenfalls nicht nur roh, ſondern auch in Schei-
ben geſchnitten und mit rothem Weine geſtobt, nachdem
man vorher den Kern herausgenommen hat. Von die-
ſer Frucht giebt es verſchiedne Gattungen. Die gewoͤhn-
liche, welche ſchlechtweg Jambo heißt, iſt klein, ungefaͤhr
wie eine Pflaume oder Kreeke; die Jambobol iſt ſo groß,
wie eine Birne; und die Jambo aijer mauer riecht und
ſchmeckt wie Roſenwaſſer. Alle drey haben in ihrem
Geſchmacke etwas, das trocken, aber doch nicht zuſam-
menziehend iſt. Der Saft davon wird mit Waſſer von
der Tjampaka oder Michelie (Michelia) und mit Ro-
ſenwaſſer verſetzt gegen Entzuͤndung im Halſe und der
Druͤſen im Munde, auch gegen die Schwaͤmme ge-
braucht.
Manga, die Frucht des Mangobaums (Mangi-
fera Indica), hat eine eyfoͤrmige, aber dabey etwas platte
Geſtalt, und iſt von der Groͤße eines Gaͤnſeeyes, und
gruͤnlich oder gelblich von Farbe. Man ißt ſie oft ohne
andre Zubereitung, als daß die aͤußre Schale mit dem
Finger oder einem Meſſer abgenommen wird. Das in-
wendige Mus, welches den Kern umgiebt, iſt das, was
man iſſet. Auf den Tiſchen der Europaͤer iſt ſie ſehr ge-
woͤhnlich. Nicht ſelten wird ſie, geſchaͤlt und in Schei-
ben geſchnitten, mit Zucker gegeſſen, und dabey in ihre
eigne Bruͤhe getunkt. Mit Zucker eingemacht, wird ſie
auch haͤufig beym Thee gegeſſen. Unreif iſt ſie ſehr ſauer.
Man kocht alsdann mit Zucker, Butter und Eyern ein
ſaͤuerliches Mus davon, das an Geſchmack mit gekoch-
ten ſauern Aepfeln oder Rauhbeeren Aehnlichkeit hat.
[250]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Die Javaner kochen die unreifen Mango in Salzlake;
alsdann ſchmecken ſie wie eingemachte Oliven und wer-
den auch ſo gebraucht. Andre kochen ſie, und machen
ſie hernach mit Pfeffer und Eſſig ein, um ſie wie einge-
machte Gurken bey Fleiſchgerichten zu gebrauchen.
Die Frucht des Gewuͤrznaͤgeleinbaums, oder die
ſo genannten Mutternaͤgelein, werden zu Batavia auch
eingemacht. Sie werden alsdann ganz muͤrbe, und
ſchmecken ſehr gut; das Fleiſchartige hat einen ſaͤuerlichen
Geſchmack. Dieſe Frucht hat die Groͤße eines Huͤh-
nereyes. Auf eben die Art verfaͤhrt man mit der ihr
aͤhnlichen Frucht, der Tjerimelle, die aber kleiner iſt.
In dieſe ſticht man mit einer Nadel viele kleine Loͤcher,
legt ſie darauf in Waſſer, kocht ſie hernach mit Zucker,
und bewahrt ſie mit Zuckerſyrup in glaͤſernen Flaſchen
auf. Beyde Arten eingemachter Sachen iſſet man oft
beym Theetrinken. Bisweilen werden dieſe Fruͤchte aber
auch mit Salz gegeſſen. Man kann ſie ſo gar unreif
mit Salz einmachen: reif ißt man ſie auch wohl ganz
allein; alsdann ſchmecken ſie ſaͤuerlich.
Der Hutbaum oder Katappa (Terminalia ca-
tappa) iſt ein Baum, der wie Wollſame (Bombax) ſei-
ne Blaͤtter abfallen laͤßt. Die Frucht iſt laͤnglich und et-
was platt. Die aͤußerſte Schale iſt gruͤn, wird aber waͤh-
rend des Reifens gelb. In dieſer liegen ein oder zwey Ker-
ne, die ſo ſuͤß als Mandeln ſind, und ſo wohl roh, als in
Torten gebacken, gegeſſen werden, und ſehr nahrhaft ſind.
Die Papaya, oder Frucht des Papayabaums
(Carica papaya), iſt anfaͤnglich auch gruͤn, wird aber
hernach gelb, wie eine Birne, und iſt ſo groß als eine
kleine Melone. Unter der aͤußern Schale liegt ein gel-
bes Fleiſch, das gegeſſen wird, und beynahe wie Melo-
nen ſchmeckt. Wenn die Papaya noch gruͤn und unreif
[251]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
iſt, wird ſie gekocht, und gemeiniglich geſtobt und zu
Fleiſchgerichten gegeſſen.
Unter denjenigen Fruͤchten, die fuͤr die Indier als
gewoͤhnliche Speiſe mehr verſchlagen, ſind die ſo ge-
nannte Brotfrucht, Boa Nanca (Radermachia) und
die ſtinkende Durio (Durio) merkwuͤrdig. Dieſe letz-
tere zeichnet ſich beſonders durch ihren hoͤchſt ekelhaften
und unertraͤglichen Leichengeruch aus, den man in weiter
Entfernung ſchon riecht, wenn ſie zu Kauf gebracht
wird. Demungeachtet findet man ſie ungemein wohl-
ſchmeckend, und ſie wird, ſelbſt von den Europaͤern,
vorzuͤglich gern gegeſſen. Die Durio ſo wohl als die
Brotfrucht, haben die Groͤße eines Kinderkopfs, und
ſind oft noch groͤßer. Beyde ſind mit einer dicken Schale
umgeben, die ſo ſtachlig als ein Zaunigel iſt, und weg-
geworfen wird. Von beyden iſſet man nur das Inwen-
dige, entweder roh, oder auf eine oder andre Art geſtobt.
Von der Durio glaubt man auch, daß ſie den Harn und
den Schweiß treibe, und die Blaͤhungen vertheile.
Salak oder Salacie (Salacia) iſt eine Frucht von
ſonderbarer Geſtalt; ſie hat kleine Schuppen, die ruͤck-
waͤrts uͤber einander liegen. Man findet ſie auf allen
Maͤrkten und Straßen zu Kauf; die Europaͤer aber kau-
fen ſie ſelten. Sie hat mit Birnen viel Aehnlichkeit, iſt
auch ſo groß. Inwendig hat ſie einen weißen, aus ver-
ſchiednen Stuͤcken beſtehenden Kern, der dasjenige, was
gegeſſen wird, und nahrhaft und wohlſchmeckend iſt.
Die Annona, oder Frucht des Flaſchenbaums, ge-
hoͤrt zu denjenigen Fruchtarten, die ich oft auf den
Maͤrkten zu Kauf, ſelten aber auf den Tafeln der Vor-
nehmen ſah. Die von einer duͤnnen Schale eingeſchloß-
ne und den Samen umgebende musartige Subſtanz
wird mit den Lippen und dem Gaumen ausgeſogen, iſt
[252]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
mehlartig, ſuͤß und von angenehmen Geſchmack. Zwey
Arten, die an Groͤße Aepfeln gleichen, kommen am
meiſten vor, naͤmlich die ſchuppige (ſquamoſa) und
die netzfoͤrmige (reticulata).
Zu denjenigen Fruͤchten, welche geſtobt auf die
Tiſche der Europaͤer kommen, ſind auch die Karambola
und die Bilimbing, beyde von der Gattung der Averrhoe
(Averrhoa), zu rechnen. Die erſtere hat faſt die Ge-
ſtalt eines Eyes, iſt aber dabey fuͤnfeckig, und hat ſcharfe,
hervorſtehende Ecken. Von Farbe iſt ſie gelblich, und
in Anſehung der Groͤße kommt ſie einer Birne oder ei-
nem Huͤhnereye nahe. Sie hat eine ſehr angenehme
Saͤure, und wird nicht nur roh, ſondern auch ge-
ſtobt gegeſſen. Einige Sorten ſind aber doch auch ziem-
lich ſauer und herbe. Die Bilimbing iſt laͤnglich, von
der Dicke eines Fingers, und ſo ſauer, daß man ſie
nicht allein eſſen kann. Man ſchneidet ſie daher in
Stuͤcken und kocht ſie in Suppen, macht ſie auch wohl
mit Zuckerſyrup ein. Von ihrem Safte macht man,
wenn man Zucker hinzuthut, einen kuͤhlenden und den
Durſt ſehr loͤſchenden Syrup, der bey hitzigen Fiebern
vortrefflich zu gebrauchen iſt.
Boa Lanſa nennen die Maleyen eine Frucht, von
deren Baum ich nicht im Stande war, eine Blume zu
bekommen; dies war mir um ſo viel unangenehmer, da
dieſe Blume den Botanikern noch ganz unbekannt iſt.
Die Frucht haͤngt in langen Trauben, iſt rund, nicht
groͤßer als eine Rauhbeere oder Stachelbeere, gelblich
von Farbe und rauh. Die Schale iſt nur duͤnn, und
inwendig enthaͤlt ſie einen weißen, ſaͤuerlichen, und da-
bey duͤnnen Saft, den man im Munde ausſaugt. Im
Maͤrz wird ſie reif, ſchmeckt alsdann ſuͤßſauer, und
wird von Leuten beſſern Standes eben nicht geachtet.
[253]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
Die Frucht des Palmriets oder Rotang (Calamus
Rotang) ſah ich auch dann und wann zu Kauf brin-
gen, und von den Indiern kaufen. Wenn ſie reif iſt,
hat ſie die Groͤße einer Haſelnuß, und iſt wie die Salacie
von vorn nach hinten mit kleinen glaͤnzenden Schuppen
uͤber einander belegt. Sie waͤchſt allezeit in großen Trau-
ben. Die breyartige Subſtanz, welche ſie enthaͤlt, und
wovon der Kern umgeben iſt, wird meiſtentheils ausge-
ſogen, um den Durſt zu loͤſchen, bisweilen auch wohl
mit Salz eingemacht, und zum Thee gegeſſen.
Das Oſtindiſche Nephelium oder Rambutan (Ne-
phelium lappaceum) waͤchſt ebenfalls in großen Trau-
ben oder Buͤſcheln, und wird ſehr haͤufig gegeſſen. Die
aͤußere Schale wirft man weg. Den inwendigen weißen
und zaͤhen Saft, worin der Kern liegt, ſaugt man mit
den Lippen aus; er ſchmeckt ſaͤuerlich und loͤſcht den
Durſt. Dieſe Frucht iſt etwas laͤnglich oder ruͤndlich,
roth, uͤberall haarig, und ſo groß als eine Schwetſche.
Die Schale iſt inwendig weiß, und geht leicht ab. Der
Saft iſt gleichfalls weiß, dabey klar und faſt durchſich-
tig, zugleich aber ſo zaͤh, daß man ihn mit den Zaͤhnen
nicht gut abſondern kann; er ſchmeckt ſuͤßſauer und ziem-
lich angenehm, ungefaͤhr wie Citronenſaft mit Zucker.
Der inwendige Kern wird nicht gegeſſen. Es giebt
auch noch eine andre Art Rambutan, die den Beynah-
men Ati hat. Dieſe iſt gut um die Haͤlfte groͤßer, hat
dickeres und kuͤrzeres Haar, und die Schale laͤßt ſich
auch leichter von der inwendigen ſaftigen Materie abloͤ-
ſen. Man ißt ſie auf gleiche Weiſe als jene; ſie iſt
aber ſeltner und theurer.
Die Mangoſtan, Mangoſtanos, Frucht des Man-
goſtabaums, oder der Garcinie (Garcinia mangoſtana),
wird von Bantam nach Batavia gebracht, wo man ſie
[254]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
nur einmahl des Jahrs, naͤmlich im Januar und den
folgenden Monathen, haben kann. Die Schale ſieht
auswendig purpurroth, inwendig bleich aus, iſt uͤbri-
gens weich, ſchmeckt herbe, und dient gegen Diarrhoͤe.
Die Chineſer gebrauchen ſie auch, um ſchwarz damit zu
faͤrben. Dieſe Frucht iſt ganz kugelrund. Wenn man
ſie eſſen will, ſchneidet man gewoͤhnlich die Schale rund
umher ab, ſteckt das darin befindliche und den Samen
einſchließende Mus oder breyartige Weſen, welches weiß,
los, ſuͤß und von unbeſchreiblich angenehmen Geſchmack
iſt, mit einemmahl ganz in den Mund, und laͤßt es wie
gequirlten Milchrahm ſchmelzen. Es enthaͤlt die lieb-
lichſte Miſchung von ſuͤßem und etwas ſaurem, be-
ſchwert den Magen nicht, und man iſſet es ſich auch
nicht zuwider.
Beym Nachtiſche bedient man ſich hier haͤufig der
Waſſermelonen, bisweilen auch wohl der Pompelmoſen.
Von beyden giebt es zwey Arten, rothe und weiße. Beyde
halten ſich auch auf dem Schiffe mehrere Wochen lang,
ohne daß ſie verderben, daher man ihrer auch vor der Ab-
reiſe von hier eine Menge zum Schiffsgebrauche anſchafft
und an Bord nimmt. Die Waſſermelonen oder Arbuſen
(Cucurbita citrullus) wachſen allenthalben in Oſtindien.
Die rothe Sorte wird fuͤr die beſte gehalten. Ihr Saft
iſt ſehr waͤſſerig, klar und duͤnn, kuͤhlend und den Durſt
loͤſchend; er ſchmilzt im Munde wie Zucker und wird
nach der Mahlzeit entweder allein, oder mit Zucker,
manchmahl auch mit Salz gegeſſen. Die Pompelmoſen
(Citrus decumanus) ſind eine Art Citronen, und ſo
groß wie ein Kindskopf. Sie haben einen maͤßig ſauern
Saft, der ſehr kuͤhlt, und den Durſt vortrefflich loͤſcht.
Die Schale iſt dick, laͤßt ſich aber leicht abloͤſen, und
man kann alsdann die ganze Frucht ohne Muͤhe in ver-
[255]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
ſchiedne Stuͤcke zerlegen. Eine einzige Pompelmoſe
reicht fuͤr mehrere Perſonen hin. Der Saft iſt auch
ein Mittel gegen die Dyſenterie, und curirt den
Skorbut.
Der Melanzanbaum (Melongena), eine Art
Nachtſchatten (Solanum), waͤchſt hier wild, wird aber
auch in Gaͤrten gezogen. Die Frucht davon, oder die
Melanzanaͤpfel, nennen die Javaner Fokke fokke. Sie
iſt laͤnglich, hat etwas Aehnlichkeit mit einer Birne, und
purpurblaue Farbe. Wenn ſie in Suppe, oder auch
mit Wein und Pfeffer gekocht wird, ſchmeckt ſie recht
angenehm.
Feigenbaͤume giebt es auf dieſer Inſel verſchiedne
Arten. Oft ſah ich ſie in den duͤrreſten Ritzen der
Mauern wachſen, und konnte mich nicht genug daruͤber
verwundern, wie es moͤglich war, daß ſie von der weni-
gen Feuchtigkeit, die an ſolchen Orten vom Regen etwa
zuruͤckbleibt, ſich erhalten und naͤhren konnten.
Zuckerrohr wird auf Java in Menge gepflanzt, und
die meiſten Oerter in Oſtindien bekommen ihren Puder-
zucker von hier. Ueberhaupt iſt Zucker der vornehmſte
Gegenſtand des hieſigen Handels.
Betel, oder Blaͤtter vom Betelbaum (Piper betle),
der zur Gattung des Pfefferbaums gehoͤrt, kauen die
Indier ohne Unterſchied. Man ſieht es bey ihnen ſo
gar fuͤr eine Unhoͤflichkeit an, jemand anzureden, ehe
man Betel im Munde hat. Daher werden auch jeden
Tag friſche Betelblaͤtter nach der Stadt zum Verkauf ge-
bracht. Die Blaͤtter ſelbſt heißen Siri. Manchmahl
bedient ſich auch das Europaͤiſche Frauenzimmer, beſon-
ders die hier im Lande gebohrnen, des Betels zum Sau-
gen, auf eben die Art, als die Javaner. In ein ſol-
ches Betelblatt legt man ein Stuͤck von einer Arecanuß,
[256]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
(der Frucht der Arecapalme, Areca cathecu), biswei-
len auch ein wenig Kalk; darauf wickelt man das Blatt
zuſammen, und haͤlt es eine Zeit lang im Munde, bis
alle Kraft ausgezogen iſt. Wenn man Kalk hinein legt,
werden Lippen und Zaͤhne, wie auch der Speichel davon
roth und endlich ganz dunkelfarbig. Wer nicht gewohnt
iſt, Betel zu kauen, und es erſt anfaͤngt, wird davon
verworren und gleichſam berauſcht. Mit der Zeit aber
verurſacht die Gewohnheit, daß man ohne Betel im
Munde zu haben, ſich gar nicht behelfen kann, obgleich
der Mund darnach weh thut und wund wird, und die
Nerven der Zunge davon ſo angegriffen werden, daß man
faſt allen Geſchmack verliert. Man ſchreibt ihm in-
deſſen den Nutzen zu, daß er uͤbeln Athem vertreibt, die
Zaͤhne reinigt und das Zahnfleiſch ſtaͤrkt. Die oben ge-
dachte Arecanuß oder Pinangkern zerſchneidet man zum
Gebrauch bey den Siri mit einer beſonders dazu einge-
richteten Schere, die ich oft, vorzuͤglich bey Europaͤi-
ſchen Damen, zu ſehen Gelegenheit hatte. Gewoͤhn-
lich ſchneidet man den Pinangkern in ſechs Theile, und
nimmt jedesmahl eins davon mit den Siri in den Mund.
Auf Java waͤchſt auch der wahre Cacao- oder Cho-
coladebaum (Theobroma cacao) haͤufig. Die Blu-
men ſitzen unmittelbar am Stamme und an den groͤßern
Zweigen. Die Frucht enthaͤlt den Kern, woraus die
Chocolade verfertigt wird.
Von allen Spezereyen, die das heiße Indien her-
vorbringt, wird keine haͤufiger und allgemeiner gebraucht,
als der Spaniſche Pfeffer, oder die Beißbeere (Capſi-
cum), die faſt an alles Eſſen gethan wird. Selbſt der
Reiß wird, mit zerſtoßnem Spaniſchen Pfeffer vermiſcht,
gegeſſen, manchmahl allein, manchmahl mit Kokosnuͤſ-
ſen, und macht, ſo zubereitet, eine vollſtaͤndige Mahl-
zeit
[257]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
zeit. Fiſche, Fleiſchgerichte und Bruͤhen iſſet man gar
nicht, ohne dies heiße Gewuͤrz, und in der ſo genann-
ten Karriſuppe iſt der Spaniſche Pfeffer das Vornehmſte.
Dieſe Karriſuppe, ein in Indien ſehr haͤufig vorkom-
mendes Eſſen, iſt eine gewoͤhnliche Fleiſchſuppe, die mit
verſchiednen Spezereyen, als Bartgras (Andropogon
Schoenanthus), Gelbwurz (Gurkumey), hauptſaͤch-
lich aber Spaniſchem Pfeffer zubereitet wird. Von der
Gurkumey wird ſie ſtark gelb, von dem Spaniſchen
Pfeffer aber ſo heiß und brennend, daß, wer nicht daran
gewoͤhnt iſt, Mund und Hals auf immer zu verbrennen
glaubt, wenn er davon iſſet. Mit der Zeit empfindet
man dies weniger, und endlich gewinnt man ſolchen Ge-
ſchmack daran, daß man nichts lieber iſſet, als dieſe
Suppe. Bey den Indiern reitzt ſie die vom Betel be-
taͤubten und ſtumpf gemachten Zungennerven, und ſtaͤrkt
ihren ſchlaffen und zum Verdauen traͤgen Magen. Um
das Hitzige zu mildern, thut man wohl, jeder ſo viel
ihm gefaͤllig iſt, etwas Reiß hinzu, wenn man davon
eſſen will.
Zu den Javaſchen Gewuͤrzgewaͤchſen gehoͤrt auch
der Arabiſche Koſtbaum (Coſtus Arabicus). Dieſen
traf ich ſo gar am Stadtgraben vor Batavia an. Die
aromatiſche Wurzel deſſelben wird nach verſchiednen Ge-
genden Indiens verfuͤhrt, und mit Vortheil verkauft.
Auch der Ingber, ſo wohl der rechte oder gemeine
(Amomum Zingiber), als auch der wilde (Amo-
mum Zerumbet), wachſen auf Java in den etwas tief
hinein liegenden Gegenden auf duͤrren Sandfeldern, und
oft ſo gar am Wege. Beyde Arten ſind im Grunde
vermuthlich nur eine; wenigſtens iſt wohl nur ein ge-
ringer Unterſchied dazwiſchen, weil die Blumenaͤhre,
welche anfangs rund iſt, nach und nach herauswaͤchſt
Thunbergs Reiſe. 1. Bandes 2. Theil. R
[258]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
und laͤnger wird. Der Ingber wird aber doch von den
Chineſern in den Gaͤrten foͤrmlich gezogen. Man reini-
get zur rechten Zeit die Wurzel von Erde, kocht ſie mit
Zucker, und verkauft ſie ſo wohl nach Indien, als nach
Europa. In Oſtindien ißt man ſie oft, wenn man
Thee trinkt, zur Staͤrkung des Magens. In Europa
hingegen gebraucht man ſie meiſtentheils gegen Heiſer-
keit, Huſten und andre Bruſtkrankheiten.
In den hieſigen Gaͤrten bauet man auch eine Art
Kardomom (Amomum compactum), das geruͤndete
Samenkapſeln hat. Der Same gleicht dem auch in Eu-
ropa gewoͤhnlichen Kardomom, das von verſchiednen Ge-
waͤchſen genommen zu werden ſcheint. Die Blumen-
traube ſitzt ganz unten an der Wurzel, und die Blaͤtter
haben mit den Blaͤttern der Schwertlilie Aehnlichkeit,
nur daß am Ende des Blatts eine Spitze wie ein feiner
Faden befindlich iſt.
Den Indiſchen Maulbeerbaum mit Citronenblaͤt-
tern (Morinda citrifolia), findet man auf dieſer Inſel
auch. Er heißt hier Bengado. Die Einwohner be-
dienen ſich des Saftes aus der Wurzel, um roth zu
faͤrben.
Der Indigo (Indigofera Nila) waͤchſt allenthal-
ben wild, wird aber auch von den Chineſern in Gaͤrten
gezogen. Man bereitet hier uͤberall blaue Indigofarbe
daraus.
Unter vielen andern auslaͤndiſchen Gewaͤchſen, die
hier gebauet werden, ſah ich auch den Weißbaum oder
Schwarzweiß (Melaleuca leucadendra), hier Kajoputibaum
genannt, aus deſſen Blaͤttern das beruͤhmte und vortreff-
liche Kajoputioͤhl deſtillirt wird. Kajo bedeutet in der Ma-
leyiſchen Sprache einen Baum, und Puti heißt weiß.
Das Holz dieſes Baums iſt, wie das Holz der Birken, aus-
[259]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
wendig mit einer duͤnnen, zarten Haut umgeben. Die
Blaͤtter ſind es, woraus das Oehl deſtillirt wird. Dies
Oehl gehoͤrt zu den feinſten, die man hat, und iſt den
Aerzten in Europa faſt gar nicht bekannt. Wenn es
aͤcht iſt, ſieht es grasgruͤn aus, iſt ſo duͤnn wie Spiri-
tus, und ſo fein und rein, daß es nicht das mindeſte
Reſiduum zuruͤcklaͤßt, man mag ihn anzuͤnden, oder
evaporiren laſſen. Es enthaͤlt folglich kein Phlegma, ſon-
dern kommt den reineren Spiritusarten ſehr gleich. Der
Geruch iſt, wie vom Kampher mit etwas Terpentinge-
ruch vermiſcht. In geringer Quantitaͤt riecht dies Oehl
ſehr angenehm; in Menge aber zu ſtark und unangenehm.
Im großen wird es auf der Inſel Banda deſtillirt, und
von da in Bouteillen nach Batavia und Holland gebracht.
In der Medicin iſt es ſehr brauchbar bey Erkaͤltungen,
Rheumatiſmen, Zahnſchmerzen, Entzuͤndungen und
Gichtweh, wenn man die leidenden Theile damit beſtreicht.
Es vertreibt auch Flechten und Kopfſchmerzen. Die
Inſekten koͤnnen es gar nicht vertragen; es iſt daher ein
gutes Verwahrungsmittel gegen Motten und dergleichen.
Vor dieſem war dies Oehl ſehr theuer, ich habe es aber
durch mein Fuͤrwort bey meinen Bekannten in Oſtindien
dahin gebracht, daß es in den Schwediſchen Apotheken
fuͤr die Haͤlfte des vorigen Preiſes verkauft werden kann.
Nun ein Paar Worte von dem mediciniſchen Ge-
brauche einiger andrer hieſigen Gewaͤchſe. Der Kern
der Frucht des Boa Ati, welcher ſehr bitter ſchmeckt,
wird, zu Pulver geſtoßen, ſo wohl von den Maleyen,
als den Javanern, gegen die Kolik gebraucht. Die Me-
lanzanaͤpfel treiben den Urin und Nierengries. — Die
Frucht der Kaſſie, ſo wohl der Javaſchen (Caſſia Iava-
nica), als der Fiſtulkaſſie (Caſſia fiſtula) enthaͤlt in-
wendig eine ſchwarze, laxirende, breyartige Subſtanz.
R 2
[260]Sechste Abtheilung. Siebenter Abſchnitt.
Sie heißt Dranguli; die Schoten ſind lang, aber dabey
rund, auswendig ſchwarz, und hangen wie lange Staͤbe
vom Baume herab. — Ein ſonderbares Kraut lernte
ich hier kennen, wovon man mich verſicherte, daß es
nicht nur den Stein in der Harnblaſe aufloͤſe, ſondern
auch Stuͤcke Porzellan, wenn man ſie in das Kraut hin-
ein legt, muͤrbe mache. In der That kann man kleine
Porzellanſtuͤcke, wenn ſie darin liegen, ohne Muͤhe zer-
kauen. Allein eben das muͤßte auch geſchehen koͤnnen,
wenn man ſie in Leinwand oder dergleichen einwickelte,
das die glatte Oberflaͤche des Porzellans bedeckte, und
hinderte, daß es ſeiner Glaͤtte wegen zwiſchen den Zaͤhnen
nicht weh thun koͤnnte. Man nennt dies Kraut Daun
Kitji. In Bluͤthe habe ich es nie geſehen. Es ſcheint
aber zu den rauhblaͤttrigen Gewaͤchſen (aſperifoliis) zu
gehoͤren. Einige wollen, es ſey eine Art Steinbrech
(Saxifraga).
In den vor der Stadt angelegten Luſtgaͤrten der
Europaͤer prangen verſchiedne Oſtindiſche Straͤuche,
Buͤſche und Gewaͤchſe, theils mit ihren fleckigen Blaͤt-
tern, theils mit ihren ſchoͤnen und wohlriechenden Blu-
men. Zu den erſtern rechne ich die gemahlte Nacht-
blume (Nyctanthes picta) und die gemeine Corallen-
pflanze (Erythrina corallodendrum); zu den letztern
die Chineſiſche Roſe (Hibiſcus roſa Sinenſis), die ans-
laͤndiſche Muraye (Muraya exotica), und andre. Die
Chineſiſche Roſe heißt hier Sapato (Schuhblume); ihre
Blumen geben eine ſehr ſchwarze Farbe, daher beſtrei-
chen die Einwohner die Scheiden ihrer Kris (Seiten-
gewehre, die ich oben beſchrieben habe) und ihre Schub
damit, um ſie zu ſchwaͤrzen. — Die fremde Muſchel-
blume (Piſtia ſtratiotes) hegt man in den großen Kru-
ken, worin man auf den Vorplaͤtzen der Land- und Gar-
[261]Produkte des Gewaͤchsreiches auf Java.
tenhaͤuſer die Goldfiſche haͤlt, zum Schatten fuͤr dieſe
Fiſchchen. Sie waͤchſt aber auch im Ueberfluß in allen
Graͤben und Teichen, oder ſie ſchwimmt vielmehr darin;
denn die Wurzeln dieſes Krauts ſetzen ſich nicht in der
Erde feſt.
Das Palmriet oder Rotang (Calamus Rotang)
gebrauchen die Javaner faſt durchgaͤngig ſtatt Stricke
und Seile, entweder ganz oder in ſchmale Streifen zer-
ſpalten. Sie wiſſen damit alles ſehr behende zu binden.
Auch flechten ſie Koͤrbe, die nicht nur ſtark, ſondern
auch nett ſind, und breite Matten, um darauf zu ſitzen,
die ebenfalls ſehr artig gearbeitet ſind, aus dieſem duͤn-
nen Rohr.
Der Bambosbaum (Arundo Bambos) gehoͤrt zu
den nuͤtzlichſten und unentbehrlichſten in dieſem Lande.
Die Javaner verfertigen daraus in groͤßter Geſchwindig-
keit faſt alles was ſie beduͤrfen. Sie bauen Haͤuſer da-
von, machen Stuͤhle daraus, Tiſche, Bettſtellen, aller-
ley andre Meublen, Treppen, Leitern, Tragſtangen,
Schiffsgeraͤth, und mancherley andre Sachen, die wirk-
lich nett, ſtark und leicht gearbeitet ſind.
Die auf den Straßen zu Batavia vor den Haͤuſern
ſtehenden Baͤume ſind meiſtentheils das große ſo wohl
als das kleine Schoͤnblatt (Inophyllum calophyllum
und calaba), der gemeine Kanarienbaum (Canarium
commune), nebſt einigen andern ſeltenen Arten. Auf
verſchiednen Hoͤfen ſah ich ſehr hohe Baͤume von der
Gattung der ſchoͤnen Guettarde (Guettarda ſpecioſa)
ſtehen. Der groͤßte Baum indeſſen, den ich je geſehen
habe, war eine pferdhaarblaͤttrichte Kaſuarine (Caſuari-
na equiſetifolia), die am Fluſſe ſtand, und ſich mit
ihren breiten und weitlaͤuftigen Zweigen unglaublich weit
ausdehnte.
[262]Sechste Abtheilung. Achter Abſchnitt.
Achter Abſchnitt.
Einige zoologiſche Nachrichten, Bata-
via und Java betreffend.
Auf Java giebt es viele Buͤffelochſen, die aber denen,
welche ich in den Afrikaniſchen Waͤldern geſehen hatte,
ſehr unaͤhnlich ſind. Die hieſigen ſind kleiner, ihre
Farbe faͤllt ins graue, und ſie waͤlzen ſich in ſchlammi-
gen Suͤmpfen und Pfuͤtzen. Sie laſſen ſich zaͤhmen,
wiewohl ſie dabey immer etwas von ihrer natuͤrlichen
Wildheit, bald mehr, bald weniger, beybehalten.
Man braucht ſie als Zugthiere haͤufig vor großen Kar-
ren. Das Fleiſch der Javaſchen Buͤffel wird bisweilen
den Sklaven und Matroſen zu eſſen gegeben, die aber,
beſonders die Sklaven, es nicht gern eſſen, ſondern fuͤr
eine grobe und ungeſunde Speiſe halten, welche es auch
in dieſem heißen Lande wohl ſeyn kann.
Das meiſte Fleiſch, welches hier gegeſſen wird, iſt
von Federvieh, als Huͤhnern, Enten, Gaͤnſen; beſon-
ders aber iſſet man hier eine Menge Fiſche, weil dieſe
leichter, als Fleiſch zu verdauen ſind, und nicht ſo ge-
neigt zu Faͤulniß und faulen Fiebern machen.
Schafe gehoͤren zu den ſeltenſten Thieren dieſes
Landes. Ihr warmes Fell macht die Hitze ihnen unaus-
haltbar. Wird daher manchmahl ein lebendiges Schaf
vom Vorgebirge der guten Hoffnung hieher gebracht, ſo
ſchickt man es gemeiniglich ſogleich in das Innere der
Inſel, und zwar meiſtentheils nach den ſo genannten
blauen Bergen, wo das Land hoͤher und die Luft viel
kuͤhler iſt.
Wilde Schweine findet man in den Waͤldern im
Ueberfluß. Sie leben auch unter den Javanern, als
[263]Zoologiſche Nachrichten v. Batavia u. Java.
Bekennern der mahomedaniſchen Religion, in voͤlliger
Freyheit und Sicherheit, ob ſie gleich ſo wohl den Reiß-
feldern als den Zucker-Plantagen viel Schaden zufuͤgen.
Die Einwohner toͤdten ſie eben ſo wenig, als ſie ſie eſſen.
Krokodile halten ſich hier haͤufig in den Muͤndun-
gen der Fluͤſſe und in den Stroͤmen ſelbſt auf. Sie
wachſen zu einer anſehnlichen Laͤnge. Auf meinen bota-
niſchen Spatziergaͤngen ſah ich nicht ſelten verſchiedene
dieſer Thiere am Strande liegen, um in der Sonne zu
ſchlafen. Bisweilen fangen die Javaner dieſe Thiere,
und zwar mit Haken. Dies ſcheint zwar unglaublich,
geſchieht aber doch ohne viele Muͤhe. Der Krokodil hat
einen ſehr weiten Rachen, und ſeine Zaͤhne in beyden
Kinnladen ſind ſo ſcharf als ein geſchliffnes Beil; daher
beißt er die ſtaͤrkſten Taue mit Leichtigkeit ab. Die Ja-
vaner bedienen ſich aus dieſer Urſache, um ihn zu fan-
gen, eines ſehr los zuſammengewundnen dicken Stricks
von baumwollnem Garn, an deſſen einem Ende ſie einen
Haken mit etwas Aas oder Fleiſch befeſtigen. Wenn
der Krokodil den Haken niedergeſchluckt hat, und nun
den Strick abbeißen will, verwickeln ſeine Zaͤhne ſich in
den loſen Faͤden und haken ſich darin feſt, ſo daß er
nicht im Stande iſt, ſie zu zerbeißen. Der verſchluckte
Haken hindert ihn auch, den Strick auf andre Art ab-
zureißen. Der Haken iſt von Holz. So bald man
merkt, daß der Krokodil feſt iſt, kommen Leute herbey,
um ihn mit andern Werkzeugen zu toͤdten.
Auf Java trifft man verſchiedne merkwuͤrdige Ar-
ten Grashuͤpfer oder Geſpenſtkaͤfer (Mantis), beſon-
ders den Hottentottsgoͤtzen (precaria) und den Euro-
paͤiſchen Blattwandrer (religioſa) an, die von den
Einwohnern Subatten genannt werden. Die Bruſt iſt
bey ihnen eben ſo lang, als der uͤbrige Koͤrper. Sie
[264]Sechste Abtheilung. Achter Abſchnitt.
heben allezeit die Vorderfuͤße auf, wie die Indier, wenn
ſie gruͤßen oder um etwas bitten wollen. Weil dies
Thier ſehr traͤge, ſich ſelten, und wenn es geſchieht, un-
gemein langſam bewegt, die Bruſt voͤllig wie der Stiel
eines Blatts, und die Fluͤgel mit ihren dunkeln Adern
genau wie ein Blatt ausſehen, ſo hat man deswegen eine
Art des Geſpenſtkaͤfers (Mantis gongylodes) das wan-
dernde oder lebendige Blatt genannt. Die Indier ſehen
ſie fuͤr heilige, wenigſtens fuͤr gluͤckbringende Thiere an.
In den Javaſchen Waͤldern haͤlt ſich eine Gattung
großer Cicaden (Cicada) auf, die man Garing nennt.
Sie ſitzen auf den Baͤumen, und geben einen ſo gellen-
den Schall von ſich, als wenn man eine Trompete hoͤrte.
Es iſt ſchwer, dies Inſekt zu ſehen zu bekommen, noch
ſchwerer es zu fangen. Es ſitzt an den Staͤmmen und
an großen kahlen Zweigen der Baͤume, und man ent-
deckt es nicht leicht mit den Augen. Wenn man ihm
naͤher kommt, ſchweigt es allmaͤhlig mehr ſtill, und fliegt
endlich in Geſchwindigkeit davon. Am bequemſten faͤngt
man es mit einem Inſektenfaͤnger, den man ihnen vor-
haͤlt. Die Indier haben noch eine andre Methode: ſie
bringen das Ende eines mit Vogelleim beſtrichnen langen
Stocks an den Hintertheil der Fluͤgel, und machen da-
durch, daß dieſe zuſammenkleben; alsdann koͤnnen ſie
nicht wegfliegen.
Fliegende Eidechſen (Draco volans) fliegen in den
heißen Stunden des Tages vor der Stadt in Menge um-
her; es ſieht gerade ſo aus, als wenn bey uns die Fle-
dermaͤuſe des Abends umherſchwirren. Sie thun aber
niemand etwas zu leide. Ich fing manche von ihnen
im Fliegen.
Kakerlaken (Blattae) und Ameiſen ſind in In-
dien eben ſo allgemein, als in hohem Grade beſchwerlich.
[265]Zoologiſche Nachrichten v. Batavia u. Java.
Jene ſind indeſſen auf den Schiffen am laͤſtigſten. Von
den letzteren wird man allenthalben geplagt. Beſonders
ſind die kleinen rothen Ameiſen arg; dieſe verzehren und
verderben alles. Sie ſind ſo klein, daß man ſie wenig be-
merkt, und daß ſie durch die feinſten Ritzen kommen
koͤnnen. Wenn man ein Inſekt faͤngt, und in einen
Kaſten ſetzt, wird es von dieſem kleinen Ungeziefer ſo-
gleich aufgefreſſen, und ſie laſſen nichts als die Fluͤgel
uͤbrig. Die Ameiſen ſtellen inſonderheit dem Zucker
nach, und ſammeln ſich in der Naͤhe deſſelben in ſo un-
geheurer Anzahl, daß ſie die Kaſten und Schraͤnke, worin
er befindlich iſt, ganz bedecken. Um die Kakerlaken
aus den Koffern und Kleiderſchraͤnken zu vertreiben, iſt
das beſte Mittel, Kampher hineinzulegen; und die klei-
nen rothen Ameiſen haͤlt man am beſten durch Kajopu-
tioͤhl und Kulit Lawang ab, denn den Geruch dieſer
Oehle koͤnnen ſie ſchlechterdings nicht vertragen, ſondern
ſterben davon ſehr geſchwind. Mit dem Kajoputioͤhle,
das fluͤchtiger als das andre iſt, machte ich verſchiedne
Verſuche, um zu ſehen, wie weit ich damit meine In-
ſekten-Sammlungen vor dieſen verheerenden Thierchen
ſchuͤtzen koͤnnte. Wenn ich auf einem Tiſche einen Kreis
damit beſchrieb, und Ameiſen hinein ſetzte, ſah ich deut-
lich, daß ſie es nicht wagten hinuͤber zu gehen, ſondern
nach einer kleinen Weile von den Ausduͤnſtungen deſſel-
ben gleichſam berauſcht wurden, bald foͤrmlich taumel-
ten und endlich ſtarben. Wenn man den Kaſten inwen-
dig mit dieſem Oehle beſchmiert, und dann Ameiſen hin-
ein ſetzt, koͤnnen ſie nach einigen Augenblicken kaum mehr
gehen, und nicht lange darauf ſind ſie ganz todt. Auch
andre Inſekten ſterben davon, einige fruͤher, andre
ſpaͤter. Es iſt alſo klar, daß dieſes Oehl fuͤr die In-
ſekten uͤberhaupt ſo gefaͤhrlich und toͤdtlich iſt, als es in
[266]Sechste Abtheil. Achter Abſchn. u. ſ. w.
den meiſten Krankheiten ein vortreffliches und wirkſames
Arzneymittel abgiebt.
Eben ſo viel Plage, nur auf andre Art, verurſachen
hier uͤberall die Muͤcken oder Muskitos. Das Vergnuͤ-
gen, welches man des Abends und in den kuͤhlen Naͤch-
ten hier ſonſt wuͤrde genießen koͤnnen, wird durch dies
verdrießliche Ungeziefer oft ſehr geſtoͤrt und vermindert.
Es iſt nicht nur unangenehm, durch ihre widrige und
pfeifende Muſik jeden Augenblick im Schlafe beunruhigt
zu werden, ſondern ſie ſtechen auch empfindlich, und
ihr Stich iſt noch dazu ſo giftig, daß große Beulen dar-
nach entſtehen, und Haͤnde und Geſicht aufs haͤßlichſte
dadurch entſtellt, und oft mit Geſchwulſt ganz uͤberzogen
werden. Aus dieſer Urſache darf man im Schlafzimmer
nicht leicht Thuͤren oder Fenſter oͤffnen; thut man es, ſo
muß man des Abends die Muͤcken ſorgfaͤltig hinaus jagen.
Auffallend iſt es, daß beſonders Fremde von ihnen mehr
angegriffen werden, auch von ihrem Stiche mehr leiden,
als wenn ſie ſich hier einige Wochen aufgehalten haben.
Entweder muͤſſen die Ameiſen ihre ſkorbutiſchen Saͤfte
einladender finden, oder gerade dieſe ſalzigen und unrei-
nen Saͤfte muͤſſen ſtaͤrkern Geſchwulſt veranlaſſen.
er hier anfuͤhrt, geſtorben, und manche andere verdienſtvolle Maͤnner an
ihre Stelle gekommen.
übung ihres Gottesdienſtes bewilligt, und ſie haben itzt in der Capſtadt
eine eigne Kirche und öffentliche Lehrer.
ſind die Gebirge am Cap wirkliche Granitgebirge. F.
Erlaubniß, eine Kirche zu bauen, erhalten. S. oben, Seite 107.
ſtreitig gehoͤren ſie zu einer beſondern Abtheilung des ſo weitläuftigen Ge-
ſchlechts, welches die Naturforſcher unter der Benennung Mus zuſammen-
faſſen. Der Bleß-Moll iſt bereits in Pallas Nov. Sp. Quadr. e gli-
rium ordine, pag. 172. tab. VII. unter dem Nahmen Mus Capenſis
beſchrieben, und verdient wegen ſeiner gänzlichen Blindheit, wozu ihn die
Natur ſelbſt verurtheilt hat, die beſondre Aufmerkſamkeit der Beobach-
ter. Ganz blind iſt auch der Goldmaulwurf, den unſer Verfaſſer hier
noch irrig Talpa Aſiatica nennt, da er doch in Aſien nirgends zu
Hauſe iſt. F.
Böcke genannt werden, gehört in das von Pallas ſo gut beſtimmte
Geſchlecht der Antelopen, welches ſich durch ſeine Verwandtſchaft mit
den Hirſcharten von den Ziegen hinlaͤnglich unterſcheidet, obgleich un-
ſer Verf. es noch immer dahin zieht. F.
A. Cervicapra, dieſer ſicherlich A. ſcripta. F.
wohl einiger Milderung fähig ſeyn, zumahl wenn man das Zeugniß
des großen Camper hört, der dieſem Herrn viele wichtige Bereicherun-
gen ſeines unſchätzbaren Cabinetts verdankte. Auch hatte man ſich bey
Cooks zweyter und dritter Weltumſchiffung ſeiner Gefälligkeit in Rück-
ſicht der von den Reiſenden anzuſtellenden wiſſenſchaftlichen Unterſu-
chungen gar ſehr zu rühmen. F.
als ein Pfenning.
- Lizenz
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CC-BY-4.0
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Thunberg, Carl Peter. Reise durch einen Theil von Europa, Afrika und Asien, hauptsächlich in Japan, in den Jahren 1770 bis 1779. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bq6t.0