Mechanik flüssiger Körper.
die in einem besondern Hefte beiliegen.
Gedruckt bei Johann Spurny,Buchdrucker und Schriftgiesser.
1832.
[[II]][[III]]
Vorrede.
Das wissenschaftliche Publikum erhält hiermit den zweiten Band des Handbuches der
Mechanik, welcher die Lehre von flüssigen Körpern begreift. Bei der Re-
dakzion dieses Bandes wurde derselbe Zweck wie bei dem ersten verfolgt, nämlich eine
technische, auf die Anwendung für Künste und Gewerbe berechnete Darstellung der
mechanischen Grundsätze zu liefern und das Ganze auf eine vollkommen deut-
liche und fassliche Art abzuhandeln. Diess Werk soll nicht bloss ein Hilfsbuch
für jene seyn, welche die Kollegien besuchen, sondern auch diejenigen, welche Kennt-
nisse der Elementarmathematik besitzen, jedoch keine öffentlichen Vorlesungen hören
können, in die Lage setzen, dasselbe zum Selbststudium zu benützen. Weil
jedoch mehrere Gegenstände nur mit Hilfe der höheren Analysis behandelt werden
können, so wurden solche Rechnungen, wie es auch bei dem ersten Bande der Fall
war, in Noten unter dem Texte beigesetzt, die Resultate derselben aber in den im
Texte aufgenommenen Beispielen gehörig benützt.
Da der I. Band dieses Werkes mit so ehrenvollem Beifalle aufgenommen wurde,
so darf man hoffen, dass dieser Band ein gleiches Interesse um so mehr verdienen
möchte, da die Gegenstände desselben bei weitem schwieriger, als jene des vorigen sind.
Sachkundige Leser dürften vorzüglich bei nachfolgenden Gegenständen eine bessere
Aufklärung finden, als man sie bisher in den mechanischen Schriften angetroffen hat.
Die Bestimmung der spezifischen Schwere der Luft und des Gesetzes
ihrer Abnahme auf Gebirgen, welches aus mehreren in Europa und Amerika angestellten
barometrischen Messungen abgeleitet wurde, und die hiernach aufgestellte Theorie der
Höhenmessungen mittelst Barometer und Thermometer-Beobachtungen, endlich die
Anleitung zur Konstrukzion und dem Gebrauche des Manometers dürfte für den mathema-
tischen Theil der Physik ein willkommener Beitrag seyn. Die Bewegung des Was-
sers innerhalb eines mit einer Oeffnung versehenen Gefässes, und die
Bahn, auf welcher dasselbe zur Oeffnung gelangt, dann die Bewegung bei dem Austritte des
*
[IV]Vorrede.
Wassers oder ausserhalb der Oeffnung des Gefässes, erscheint hier auf eine
Art abgehandelt, wodurch dieser vielfältig besprochene, aber noch immer sehr schwierig
befundene Gegenstand, eine neue Aufklärung erhält. Die Gesetze der Bewegung und
des Widerstandes in Röhrenleitungen sind aus einfachen Betrachtungen abge-
leitet, mit mehreren von Bossut, du Buat und Couplet, bei grossen Wasserleitungen
angestellten Versuchen verglichen, und in so einfachen Formeln ausgedrückt, dass man
hiervon in der Anwendung ohne eine schwierige Rechnung Gebrauch machen kann.
Die Theorie des hydrometrischen Pendels und die Anleitung zu seinem Ge-
brauche wird diesem Instrumente bei solchen Messungen eine allgemeinere Anwendung
gewähren. Die Bestimmung der Stauhöhe und der Staulinie oder des Längen-
profils für die Oberfläche fliessender Wässer gehörte bisher zu den schwierigsten Ge-
genständen der Hydraulik und erscheint hier auf eine befriedigende Art allgemein
aufgelöst.
Für die praktische Mechanik ist die Theorie der Wasserräder von grosser
Wichtigkeit, nachdem der grösste Theil unserer Maschinenwerke durch die Kraft des
Wassers bewegt wird. Es ist demnach die Theorie der unterschlächtigen und der
mittelschlächtigen Räder hier mit aller Ausführlichkeit behandelt worden. Die Theo-
rie der unterschlächtigen Räder wurde mit den Erfahrungen von Bossut und Smeaton
zusammen gehalten, und hierbei eine Uibereinstimmung bei den meisten von diesen,
bereits vor 80 Jahren angestellten Versuchen dargethan, welche sehr befriedigend ist.
So sehr man gewunschen hat, die Theorie der oberschlächtigen Räder mit einigen Erfah-
rungen anderer Schriftsteller zu vergleichen, so war man diess nicht im Stande, nach-
dem bei den bisher bekannt gemachten Versuchen über oberschlächtige Räder gewöhn-
lich mehrere Elemente fehlen, die zu einer genauen Vergleichung mit der vorgetragenen
Lehre erfordert werden. Inzwischen dürfte die aufgestellte Theorie wohl alle Rück-
sichten erschöpfen, welche bei der Behandlung dieses schwierigen Gegenstandes zu
nehmen sind. Die berechneten Tabellen und die Anleitung zu ihrem Gebrauche wer-
den Jedermann in die Lage setzen, solche Räder zweckmässig auszuführen und die zu
bewirkende Arbeit in vorhinein anzuschlagen.
Das letzte Kapitel enthält die Theorie des Widerstandes, welchen feste
Körper bei ihrer Bewegung in flüssigen finden. Hierbei ist zuerst der
freie Fall und senkrechte Wurf der Körper, dann aber die Bahn schiefgeworfener Kör-
per im widerstehenden Mittel berechnet, und dieser schwierige analytische Gegenstand
auf eine solche Art durchgeführt, dass man in allen Fällen im Stande ist, die Bahn
der Körper genau zu bestimmen.
Man hat sich bemüht, dem Gegenstande des II. Bandes eben so mannigfaltige An-
wendungen, wie dem I. Bande beizufügen. Da die Anlage der Wasserleitungen
häufig vorkommt, so wurde dieselbe mit allem Detail durchgeführt und zugleich eine
[V]Vorrede.
kurze Beschreibung der Wasserleitungen von Prag, Paris und einigen englischen Städ-
ten gegeben. Die Anlage der unterschlächtigen Getreidemahlmühlen und
der oberschlächtigen Bretsägen wurde ebenfalls aufgenommen, und so behan-
delt, dass wohl Jedermann eine solche Anlage darnach zweckmässig auszuführen in
Stand gesetzt ist. Es ist zu bedauern, dass in den meisten Schriften über den Mühlen-
bau entweder gar keine oder unzuverlässige Erfahrungen über die Grösse der Kraft an-
geführt sind, welche zur Bewirkung einer bestimmten Arbeit, z. B. zum Mahlen von
100 Pfund Korn oder zum Sägen von 100 Quad. Fuss Flächeninhalt, erfordert wird.
Es ist zu hoffen, dass andere Schriftsteller auf der Grundlage der vorgetragenen Theo-
rie mehr Erfahrungen anstellen, und zum allgemeinen Gebrauche mittheilen werden.
Endlich ist dem letzten Kapitel eine Darstellung der Kanalschiffahrt in
England beigefügt, welche auf ähnliche Art, wie die Beschreibung der Eisenbah-
nen im I. Bande verfasst, unseren Lesern ein deutliches Bild von dem Zustande der
Wasserkommunikazionen in England geben wird. Man wird sich aus dem sehr bedeu-
tenden Verkehre, welcher von mehreren Kanälen angeführt wurde, überzeugen, dass
der grosse Gewinn, der bei mehreren solchen Kanalunternehmungen noch immer Statt
findet, lediglich der grossen Masse der transportirten Güter, welche auf dem Birming-
ham-Kanale bis zu dreissig Millionen Zentnern jährlich steigt, zuzuschreiben ist. Wo
eine solche Lebhaftigkeit des Verkehres Statt findet, dort wird immer die Anlage ei-
nes noch so kostspieligen Kanales lohnen. Für Deutschland aber, wo der Verkehr weit
geringer ist, kann das Bild der englischen Kanäle keineswegs als Muster dienen; hier
müssen lediglich die nach den Lokalumständen verfassten Uiberschläge
der Bauauslagen und des mit Sicherheit zu erwartenden Gewinnes entscheiden, ob
man sich zur Anlage eines Kanales oder einer Eisenbahn oder auch nur einer Landstrasse
zu entschliessen habe. Wir können keineswegs der so häufig ausgesprochenen Meinung,
man solle nur Kanäle und Eisenbahnen bauen und der Verkehr werde sich gewiss fin-
den, — unbedingt beitreten; bei erleichterter Kommunikazion und wohlfeileren Trans-
portmitteln werden zwar immer mehr Gegenstände, als es früher der Fall war, geführt,
allein diese Hoffnung auf Vermehrung des Frachtquantums muss immer sehr wohl über-
legt und begründet werden, wenn selbe die Bedingung der Anlage einer neuen Kommu-
nikazion ist, die durch Private ausgeführt werden soll. Andere Rücksichten können
bei den Unternehmungen des Staates eintreten, und Entschädigungen der Baukosten
gewähren, auf welche der Privatmann nicht rechnen kann.
Mehrere Berechnungen und Tabellen, welche in diesem Bande vorkommen, waren
sehr schwierig zu bearbeiten; inzwischen ist hierbei dieselbe Sorgfalt und der Fleiss wie
im ersten Bande verwendet worden, und es dürfte kein erheblicher Fehler aufzuweisen
seyn. Die wenigen im Drucke entstandenen Fehler sind am Ende des Werkes beige-
fügt. Bei der Verfertigung der Zeichnungen für die Kupfertafeln wurde immer der
[VI]Vorrede.
Zweck vor Augen gehalten, Jedermann in die Lage zu setzen, die dargestellten Ma-
schinen mit Hilfe der Beschreibungen erbauen zu können. Die Korrektheit der Kupfer-
tafeln dürfte sich bei ihrer Prüfung bewähren.
Da die Herausgabe dieses kostspieligen Werkes keine besondere Unterstützung
geniesst, so hängt dessen baldige Beendigung und seine grössere Ausdehnung lediglich
von der Theilnahme des wissenschaftlichen Publikums ab. Den früheren Anzeigen zu
Folge soll das ganze Werk 200 Druckbogen und 100 Kupfertafeln, von gleicher Grösse
wie die bisher erschienenen, erhalten. Da nun der erste Band 86 Bogen mit 40 Ta-
feln, und dieser 70 Bogen nebst 28 Tafeln enthält, so wären nur noch 44 Bogen und
32 Kupfertafeln zu liefern. Dass aber eine ausführliche Behandlung der vorzüglichen
bei dem Bau-, Hütten- und Fabrikswesen, der Land- und Forstwissenschaft vorkom-
menden Maschinen einen weit grösseren Raum erfordert, wird Jedermann einsehen.
Das komplete Verzeichniss der Herren Pränumeranten wird dem dritten Bande
vorgedruckt, nachdem vorzüglich die Buchhandlungen im Auslande mit der Angabe
der Pränumerazionen noch im Rückstande sind.
Im Falle eine Uibersetzung dieses Werkes in die französische oder englische
Sprache gewunschen werden sollte, behalte ich mir vor, dieselbe zu besorgen, und
dann nicht nur den Text nach den Maassen und Gewichten jener Länder umzuarbeiten,
sondern denselben auch mit jenen Beiträgen und Erfahrungen zu bereichern, welche
bis dahin gemacht werden. Uiberdiess würde auch die ganze Auflage des Werkes den
Bedürfnissen von Frankreich oder England entsprechend bearbeitet werden müssen,
um dort eine ähnliche Aufnahme zu finden, welche demselben in Deutschland zu Theil
wurde. Ich finde mich zu dieser Erklärung desshalb veranlasst, weil die Abhandlung
meines Vaters über Frachtwägen und Strassen im Jahre 1827 und meine Abhandlung
über die Vortheile der Anlage einer Eisenbahn zwischen der Moldau und Donau im
Jahre 1829 in Paris übersetzt erschien, jedoch durch diese blossen Uibersetzungen,
abgesehen von den vielen eingetretenen Unrichtigkeiten, weder dem ursprünglichen
Zwecke der Verfasser, noch den Bedürfnissen in jenem Lande genügend entsprochen
wurde.
Prag den 31ten März 1832.
F. Anton R. v. Gerstner.
[[VII]]
Inhalt des zweiten Bandes.
Einleitung.
§. 1. Begriff der flüssigen Körper. Vollkommen
und unvollkommen flüssige Körper. — §. 2. Eintheilung
der flüssigen Körper in elastische und unelastische. —
§. 3. Eintheilung der Mechanik flüssiger Körper.
I. Kapitel.
Hydrostatik.
§. 4. Erklärung der Hydrostatik. — Gleichgewicht
der Theile unelastischer Flüssigkeiten, in so fern sie
bloss als flüssig betrachtet werden. — §. 5. Der Druck
der Flüssigkeiten ist ohne Rücksicht auf ihre Schwere
der Grösse der gedrückten Flächen proporzional. — §. 6.
Anwendung hiervon auf die hydrostatische Presse des
Bramah. Beispiel. — §. 7. Gleichgewicht unelastischer
Flüssigkeiten mit Rücksicht auf ihre Schwere. — §. 8.
Gewicht eines N. Oe. Kubikfusses reinen Wassere. Druck
des Wassers auf die Bodenflächen verschiedenartiger Ge-
fässe. — §. 9. Kommunizirende Röhren. Anwendung auf
Wolf’s anatomischen Heber und die Real’sche Filtrir-
oder Auflösungspresse. — §. 10 und 11. Druck des Was-
sers auf eine senkrechte Seitenwand. — §. 12. Druck
des Wassers auf einen Theil einer vertikalen Fläche. —
§. 13. Winkelrechter Druck des Wassers auf eine schief
stehende Seitenwand. — §. 14. Dasselbe auf eine Oeff-
nung in einer schiefen Seitenwand. — §. 15. Bemerkun-
gen über den winkelrechten Druck des Wassers gegen
Seitenflächen. — §. 16. Horizontaler und senkrechter
Druck des Wassers auf schief stehende Wände. — §. 17.
Anwendung auf die Bestimmung der Stärke der Schützen. —
§. 18. Berechnung der erforderlichen Kraft zum Aufzuge
einer Schütze. — §. 19. Bestimmung der Stärke der
Wasserröhren. — §. 20. Stärke bleierner Röhren nach
der Theorie und Erfahrung. — §. 21. Dieselbe Bestim-
mung für gusseiserne Röhren. — §. 22. Stärke der Röh-
ren von Blech, Stein und Holz. — §. 23. Berechnung
des Gewichtes der Röhren.
§. 24. Gesetz bei dem Eintauchen fester Körper in
flüssige. Hydrostatische Wage. — §. 25. Fälle, welche
bei dem Eintauchen fester Körper im Wasser vorkom-
men können. Anwendung hiervon, um grosse Lasten mit-
telat Schiffen aus dem Grunde des Meeres oder der Flüsse
zu heben, geaunkene Brückenbögen zu erhöhen etc. —
§. 26. Anwendung hiervon zur Bestimmung des Gewich-
tes fester oder des Kubikinhaltes irregulärer hohler Kör-
per. — §. 27. Bestimmung des kubischen Inhaltes irre-
gulärer solider Körper, Methode, verschiedene Körper
durch Abwägen im Wasser von einander zu erkennen. —
§. 28. Begriff der spezifischen Schwere und allgemeine
Methode, dieselbe zu bestimmen. — §. 29. Erster Fall.
Die spezifische Schwere eines festen Körpers, welcher
schwerer als Wasser ist, und von demselben nicht auf-
gelöst wird, zu bestimmen. — §. 30. Zweiter Fall. Be-
stimmung der spezifischen Schwere von Körpern, die in
körnigter Gestalt oder in Pulverform vorkommen. —
§. 31. Dritter Fall. Dieselbe Bestimmung mit Ausschluss
der in den Körpern befindlichen Luft. — §. 32. Vierter
Fall. Untersuchung der spezifischen Schwere fester Kör-
per, welche leichter als Wasser sind und demnach auf
demselben schwimmen. — §. 33. Fünfter Fall. Bestim-
mung der spezifischen Schwere fester Körper, welche das
Wasser einsaugen. — §. 34. Sechster Fall. Dieselbe Be-
stimmung bei festen, im Wasser auflösbaren Körpern. —
§. 35. Siebenter Fall. Bestimmung der spezifischen Schwe-
re der Flüssigkeiten. — §. 36. Untersuchung der spezifischen
Schwere der Hölzer. — §. 37. Erklärung der Aräo-
meter. — §. 38. Berechnung der Skale eines Aräome-
ters für spezifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser,
§. 39. Beispiele hierüber. — §. 40. Dieselbe Berechnung
für spezifisch schwerere Flüssigkeiten als Wasser. Bei-
spiele. — §. 41. Sool- oder Salzwagen. Eintheilung ihrer
Skalen. — §. 42. Tabelle der spezifischen Schwere der
vorzüglichsten Körper. — §. 43. Berechnung der Bestand-
theile eines Gemisches zweier Metalle oder Problem des
Archimedes. — §. 44. Neuere Erfahrungen über Metall-
mischungen. — §. 45. Bestimmung des Gesetzes bei den
Legirungen von Zinn und Blei, nach den Erfahrungen
des Herrn Prof. Meissner in Wien. — §. 46. Beispiele
hierüber. — §. 47 und 48. Bestimmung des Gesetzes bei
den Mischungen von Alkohol und Wasser nach den Meiss-
ner’schen Versuchen. — §. 49. Beispiele hierüber. §. 50.
Redukzion der Gewichte der Körper auf den leeren Raum.
§. 51. Tiefe des Einsinkens unbeladener Schiffe.
Beispiel. — §. 52. Erklärung und Berechnung der Aich-
skale für geradlinigte Schiffe. — §. 53. Aichskale bei
krummlinigten Schiffen. — §. 54. Berechnung der Stabi-
lität der Schiffe, welche mit geraden Flächen begränzt
sind. Folgerungen aus dieser Rechnung. — § 55. Bei-
spiele über die Ladungsfähigkeit der Schiffe mit Hinsicht
auf ihre Stabilität. — §. 56. Berechnung der Stabilität
der Schiffe, welche mit krummen Flächen begränzt sind.
§. 57. Erklärung der verschiedenen Arten Brunnen.
Artesische Brunnen in Frankreich, England, Amerika und
andern Ländern. — §. 58. Artesische Brunnen in der
Gegend bei Wien und Bestimmung jener Gegenden, wo
sie in Böhmen mit Erfolg anzulegen wären.
[VIII]Inhalt des zweiten Bandes.
II. Kapitel.
Aërostatik.
§. 59. Erklärung des Gegenstandes der Aërostatik. —
§. 60. Grösse des Druckes der atmosphärischen Luft nach
Toricelli. — §. 61. Kugelbarometer. — §. 62. He-
berbarometer. Beurtheilung der bevorstehenden Witte-
rung mittelst des Barometers. — §. 63. Verfertigung der
Barometer. — §. 64. Mariotte’sches Gesetz über die Aus-
dehnung der Luft. — §. 65. Ausdehnung der Luft durch
die Wärme. — §. 66. Thermometer, Bestimmung
des Gefrier- und Siedepunktes, Luftthermometer, Queck-
silberthermometer. Verschiedene Eintheilung der Skalen
der Thermometer. — §. 67. Verfertigung der Quecksil-
berthermometer. — §. 68. Apparate zur Messung der
Ausdehnung fester Körper durch die Wärme. — §. 69.
Tabelle über die Längenausdehnung verschiedener fester
Körper vom Gefrier- bis zum Siedepunkte. — §. 70. Aus-
dehnung tropfbar flüssiger Körper durch die Wärme. —
§. 71. Bestimmung des Gesetzes der Ausdehnung tropf-
barer Flüssigkeiten. — §. 72. Dichtigkeit, Volumen und
Gewicht des Wassers bei verschiedenen Temperaturen. —
§. 73. Ausdehnung des Quecksilbers durch die Wärme. —
§. 74. Ausdehnung anderer tropfbarer Flüssigkeiten durch
die Wärme. — §. 75. Aenderung der Hohlmaasse durch
die Wärme.
§. 76. Allgemeine Bestimmung des Gewichtes
der Luft mit Hinsicht auf den Barometer- und Ther-
mometerstand. — §. 77. Berechnung des Verhältnisses
des Gewichtes der Luft zum Quecksilber aus barometri-
schen Messungen der Hrn. Prof. David und Hallaschka
zu Prag. — §. 78. Bemerkungen hierüber. — §. 79.
Berechnung der spezifischen Schwere der Luft aus meh-
reren in Europa und Südamerika angestellten barome-
trischen Messungen. — §. 80. Ableitung eines Gesetzes
für das Verhältniss der spezifischen Schwere der Luft
zum Quecksilber am Gebirge der Cordilleren. — §. 81.
Verhältniss der spezifischen Schwere der Luft zum
Quecksilber nach mehreren barometrischen Beobach-
tungen von de Luc und andern Physikern. — §. 82.
Spezifische Schwere der Luft nach Maassgabe der Höhe
in Europa. — §. 83. Einfluss der Abnahme der allge-
meinen Schwere auf die Dichtigkeit der Luft auf Gebir-
gen. — §. 84. Anwendung dieser Abhandlung über die
spezifische Schwere der Luft bei den Höhenmessungen
durch das Barometer. — §. 85. Beispiele hierüber. —
§. 86. Genaue Bestimmung des Gewichtes von einem
Kubikfuss Luft bei der Barometerhöhe von 28 pariser
Zoll und der Temperatur des schmelzenden Schnees für
jeden Ort der Erdoberfläche. — §. 87 und 88. Erklärung,
Berechnung und Konstrukzion der Skale eines Manome-
ters. — §. 89. Beispiel hierüber.
§. 90. Erklärung der Sang-, Druck- und vereinig-
ten Sang- und Druckpumpen. — §. 91. Berechnung
der Höhe, auf welche das Wasser nach jedem Hube steigt
und der grössten Höhe, auf welche dasselbe durch das
blosse Ansaugen gehoben werden kann, im Falle sich
das Saugventil am unteren Ende des Saugrohres befin-
det. — §. 92. Dasselbe für den Fall, wenn das Ventil am
oberen Ende des Saugrohres angebracht ist. — §. 93.
Kraft zur Betreibung einer Saugpumpe ohne Rücksicht
auf Widerstände. — §. 94. Dasselbe für eine Druck-
pumpe. — §. 95. Dasselbe für eine vereinigte Saug-
und Druckpumpe. — §. 96. Konstrukzion der Kunstsätze
in den Bergwerken. — §. 97. Konstrukzion der verschie-
denen Ventile. — §. 98. Konstrukzion der Kolben für
Saugwerke. — §. 99. Kolben für Druckwerke. — §. 100.
Konstrukzion der Bramah’schen Wasserpresse.
III. Kapitel.
Freier Ausfluss des Wassers durch
Oeffnungen.
§. 101. Ausfluss des Wassers durch Oeffnungen in
den Wänden der Gefässe. — §. 102 und 103. Metho-
den, den Ausfluss des Wassers aus Oeffnungen zu mes-
sen. — §. 104. Bewegung des Wassers innerhalb eines
Gefässes; Bahn, auf welcher das Wasser zur Oeffnung
gelangt und Bewegung des Wassers ausserhalb der Oeff-
nung des Gefässes. — §. 105. Versuche von Bossut über
den Ausfluss des Wassers aus Oeffnungen in einer dünnen
Wand. — §. 106. Folgerung aus diesen und andern Ver-
suchen. — §. 107. Versuche über den Ausfluss des Was-
sers aus kurzen Ansatzröhren. — §. 108. Versuche über
die innerhalb einer Röhre stattfindende Zusammenziehung.
— §. 109. Versuche über den Ausfluss aus konischen Röh-
ren. — §. 110. Beispiele über den Ausfluss des Wassers durch
kleine Oeffnungen. — §. 111. Ausfluss des Wassers in
durchaus offenen Seitenöffnungen oder Wandeinschnitten
eines Behälters, worin eine unveränderte Druckhöhe des
Wassers Statt findet. — §. 112. Dasselbe für eine Sei-
tenöffnung, deren oberer Theil geschlossen ist. — §. 113.
Versuche über den Abfluss des Wassers in einem Mühl-
gerinne. — §. 114. Versuche über den Ausfluss des Was-
sers aus Schützenöffnungen. — §. 115. Grösse des Zu-
sammenziehungskoeffizienten für die verschiedenen Fälle
des Ausflusses. — §. 116. Verschiedene Beispiele hier-
über.
§. 117. Ausfluss des Wassers durch kreisförmige
oder ellyptische Oeffnungen. — §. 118. Dasselbe für den
Fall, wenn das Wasser nur durch einen Theil einer solchen
Oeffnung ausfliesst. — §. 119. Ausfluss des Wassers aus
Behältern, welche keinen Zufluss erhalten. — §. 120. An-
wendung hiervon auf die Konstrukzion der Wasseruhren, das
Ablassen der Teiche etc. — §. 121. Berechnung der Zeit,
innerhalb welcher der Wasserspiegel in einem Gefässe
um eine gegebene Tiefe sinkt. Beispiele. — §. 122. Aus-
fluss aus zwei, durch eine Scheidewand mit einander ver-
bundenen Gefässen. — §. 123. Dasselbe, wenn mehrere
oben offene Gefässe mitsammen durch Scheidewände ver-
bunden sind. Anwendungen hiervon auf den Abfluss des
Wassers in einem Thale, worin mehrere Teiche überein-
ander angelegt sind. — §. 124. Anwendung hiervon auf
den Ausfluss des Wassers in Röhren. — §. 125. Erklärung
der Kanalschiffahrt. — §. 126. Schleussung der Schiffe.
— §. 127. Bestimmung der Zeit, in welcher eine Schleusse
gefüllt und entleert wird.
IV. Kapitel.
Bewegung des Wassers in Röhren mit
Rücksicht auf den Widerstand der
Wände.
§. 128. Erklärung der Widerstände bei der Bewe-
gung des Wassers in Röhren. — §. 129. Aufstellung
der Gesetze für diese Widerstände in gerade fort-
gehenden Röhren. — §. 130. Folgerungen hieraus.
— §. 131. Vorrichtungen, deren sich Bossut bei den
Versuchen über die Widerstände des Wassers in Röhren-
leitungen bediente. — §. 132. Versuche von Couplet,
Bossut, du Buat und Ritter v. Gerstner (Vater) und
Berechnung dieser Versuche nach der aufgestellten Theo-
rie. — §. 133. Prüfung der aufgestellten Formel für die
Widerstände des Wassers in Röhrenleitungen. — §. 134.
Aufstellung einer allgemeinen Formel für die Bewegung
des Wassers in Röhren als Resultat der Theorie und Er-
[IX]Inhalt des zweiten Bandes.
fahrung. — §. 135. Anwendung dieser Formel für Röh-
ren von verschiedenem Durchmesser. — §. 136. Versuche
über die Flüssigkeit des Wassers bei verschiedenen Tempe-
raturen von Ritter v. Gerstner (Vater). — §. 137. Folgerun-
gen hieraus. — §. 138 und 139. Berechnung dieser Versuche.
— §. 140. Folgerungen hieraus. — §. 141 bis 143. Bemer-
kungen über die Röhrenwiderstände. — §. 144. Bewegung
des Wassers in geneigten Röhren. — §. 145. Verschiedene
Beispiele über Röhrenleitungen. — §. 146. Widerstand des
Wassers in gebogenen Röhren. — §. 147. Versuche hier-
über von du Buat. — §. 148. Berechnung der Dimen-
sionen für eine Röhrenleitung, die eine bestimmte Was-
sermenge zu liefern hat. — §. 149. Versuche bei Röh-
renleitungen von grossem Durchmesser und Uibereinstim-
mung derselben mit der aufgestellten Formel. — §. 150.
Bewegung des Wassers aus einer weiteren Röhre in eine
engere. — §. 151. Vertheilung des Wassers aus einer
Hauptröhre in zwei Seitenröhren von gegebenem Durch-
messer. — §. 152. Bestimmung der Durchmesser dieser
Seitenröhren, wenn die auszufliessende Wassermenge gege-
ben ist. — §. 153. Gesetze für die Vertheilung des Was-
sers in mehrere Röhren, die aus einer Hauptröhre oder
den Behälter Zufluss erhalten. — §. 154. Beispiel hierüber.
§. 155. Berechnung der Steighöhe des Wassers bei
springenden Strahlen. — §. 156. Bestimmung
der Sprunghöhe des Wassers bei verschiedenen Ausfluss-
öffnungen. — §. 157. Bestimmung des Durchmessers der
Zuleitungsröhre für eine gegebene Sprunghöhe und Aus-
flussöffnung. — §. 158. Berechnung der Widerstände des
Wassers innerhalb eines konischen Gussrohres. — §. 159.
Berechnung derselben Widerstände für ein Gussrohr nach
der Krümmung der Zusammenziehung des Wassers. —
§. 160. Anwendung auf Feuerspritzen. Messung
der grössten Steighöhe des Wassers. — §. 161. Berech-
nung der Anzahl der Arbeiter, welche zur Betreibung
einer Spritze ohne Rücksicht auf Widerstände erfordert
werden.
§. 162. Konstrukzion der hölzernen Wasserleitungs-
röhren. — §. 163. Gusseiserne Wasserleitungsröhren,
Legung und Verbindung derselben. — §. 164. Kompen-
sazionsröhren hinsichtlich der Ausdehnung oder Verkür-
zung der Röhren bei versehiedenen Temperaturen. —
§. 165. Visitirröhren, Reinigung der Wasserleitungsröh-
ren. — §. 166. Inkrustirung der Röhren, Reinigung
derselben auf verschiedene Art. Aufthauen gefrorener
Röhren. — §. 167. Prüfung der Wasserleitungsröhren.
— §. 168. Hähne oder Pipen. — §. 169. Gewöhnlicher
Kegelhahn, detto mit Getriebe. — §. 170. Hahn mit
Schuber. — §. 171. Luftständer bei in die Höhe gebo-
genen Wasserleitungsröhren. — §. 172. Hähne mit
Schwimmer zur Regulirung des Zuflusses des Wassers.
— §. 173. Hydraulischer Wassermesser. — §. 174. Prü-
fang des Wassers hinsichtlich seiner Brauchbarkeit. —
§. 175. Erfahrungen über die Konsumzion des Wassers
in Städten. — §. 176. Leitung und Klärung des Was-
sers. — §. 177. Beschreibung der Quellwasserleitung
für das k. k. Schloss in Prag. — §. 178. Beschreibung
der Teichwasserleitung für das k. k. Schloss in Prag.
— §. 179. Beschreibung der Wasserleitungen für die Alt-
stadt, Neustadt und Kleinseite in Prag. — §. 180. Be-
merkungen hierüber. — §. 181. Geldbeträge, die für
den Bezug des Wassers in Prag gezahlt werden. —
§. 182. Wasserleitungen in Frankreich. — §. 183. Aeltere
Wasserleitungen in Paris. — §. 184. Gegenwärtige An-
stalten in Paris zum Bezuge und zur Filtrirung des
Wassers. — §. 185. Beschreibung des Ourcqkanales und
Angabe des Entwurfes, um Panis hinreichend mit Wasser
zu versehen. — §. 186. Beschreibung zweier grosser
Springbrunnen in Paris. — §. 187. Einrichtung der
Wasserleitungen in England. — §. 188. Wasserleitungen
in London. — §. 189. Wasserleitungen in Manchester
und Liverpool. — §. 190. Wasserleitungen in Glasgow
und Edinburgh in Schottland.
§. 191. Theorie des Hebers. — §. 192. Stech-
heber. Berechnung der Zeit, in welcher eine bestimmte
Wassermenge aus einem Gefässe mittelst eines gewöhn-
lichen Hebers abgelassen werden kann. — §. 193. Ver-
schiedene Arten Heber. — §. 194. Gemauerte Heber
am Kanale von Languedoc. — Zirknitzer See in Krain.
— §. 195. Anwendung des Hebers bei Mühlwerken zur
Schonung der Teichdämme. — §. 196. Untersuchung,
auf welche Höhe das Zuleitungsgerinne eines unter dem
Mühlendamme befindlichen Wasserrades zu stellen sey,
damit durch das Rad die meiste Arbeit zu Stande ge-
bracht werden könne. — §. 197. Wenn zur Schonung
eines Teichdammes zwei Röhren darüber geführt und
mittelst derselben das Wasser auf zwei ungleich hohe
Räder geleitet wird, die Höhe beider Gerinne zu be-
stimmen, damit die Arbeit der Räder ein Maximum
werde. — §. 198. Schwingungszeit des Wassers in He-
bern oder kommunizirenden Röhren.
§. 199. Erklärung des Heronsbrunnens. —
§. 200. Berechnung der Höhe, auf welche das Wasser bei
demselben springt. — §. 201. Erklärung der vom Ober-
kunstmeiater Holl in Schemnitz angegebenen Luftma-
schine. — §. 202. Berechnung des Wasserbedarfs zu ei-
nem Hube und Anwendung auf die im Amalienschachte
zu Schemnitz aufgestellt gewesene Maschine. — §. 203.
Bemerkungen über die Wirkung der Luftmaschine.
V. Kapitel.
Bewegung des Wassers in Kanälen und
Flussbetten.
§. 204. Erklärung verschiedener bei diesem Gegen-
stande vorkommender Ausdrücke. — §. 205. Gefälle der
Flüsse. Pegel oder Wassermerkpfähle. — §. 206. Ge-
schwindigkeit fliessender Gewässer. — §. 207. Die Ge-
schwindigkeiten fliessender Wässer sind auf gleichen Tie-
fen unter der horizontalen Linie einander gleich. — §. 208.
Die Geschwindigkeiten des Wassers in einem Flusse ver-
halten sich umgekehrt wie die Querschnittsflächen des
letztern. — §. 209. Erklärung der Widerstände bei der
Bewegung fliessender Gewässer. — §. 210. Fälle, welche
hierbei eintreten können und Aufstellung einer Gleichung
für die gleichförmige Bewegung des Wassers in Mühl-
kanälen und regulären Flussbetten. — §. 211. Verglei-
chung der aufgestellten Formel mit jener von Herrn Ey-
telwein. — §. 212. In Flüssen und Kanälen verhalten
sich die mittleren Geschwindigkeiten bei verschiedenen
Anschwellungen, wie die Quadratwurzeln aus den mitt-
lern Tiefen. — §. 213. Beispiele über die Bewegung des
Wassers in Mühlkanälen und regulären Flussbetten. —
§ 214. Die grösste Geschwindigkeit des Wassers befin-
det sich in jedem Flusse über der grössten Tiefe. —
§. 215. Vortheilhaftestes Profil eines Mühlkanales, wenn die
Seitenwände unter rechtem Winkel stehen können. —
§. 216. Vortheilhaftestes Profil eines Mühlkanales, wenn
die Seitenwände geböscht sind. — §. 217. Trapezförmi-
ges Profil eines Mühlkanales oder Flusses nach Hrn. Eytel-
wein. — §. 218. Beispiele über die Anlage der Mühl-
kanäle. — §. 219. Rücksichten, welche bei der Anlage
der Mühlkanäle zu nehmen sind. — §. 220. Benützung
der kleinen Flussarme zur Betreibung von Mühlwerken
und Bestimmung der vortheilhaftesten Höhe des Einbaues
**
[X]Inhalt des zweiten Bandes.
zur Stauung des Wassers. — §. 221. Bemerkungen über
die Bewegung des Wassers in Flüssen.
§. 222. Messung der Querprofile eines Flusses. —
§. 223. Messung der Geschwindigkeit des Wassers an sei-
ner Oberfläche mittelst schwimmender Körper. — §. 224.
Dasselbe mittelst eines kleinen Rädchens. — §. 225.
Messung der mittleren Geschwindigkeit des Wassers mit-
telst des Stabes von Cabeo. — §. 226. Messung der Ge-
schwindigkeit des Wassers an der Oberfläche und in je-
der Tiefe mittelst der Röhre des Pitot. — §. 227. Das-
selbe mittelst des Stromquadranten oder hydrometrischen
Pendels. — §. 228. Beispiel hierüber. — §. 229 und 230.
Messung der Geschwindigkeit des Wassers auf grösseren
Tiefen mittelst des hydrometrischen Pendels, wenn auf
die Stosskraft des Wassers an den Faden Rücksicht ge-
nommen wird. — §. 231. Konstrukzion des hydrometri-
schen Pendels. — §. 232. Messung der Geschwindigkeit
des Wassers an der Oberfläche und in jeder Tiefe mittelst
der hydraulischen Schnellwage des Michelotti. — §. 233.
Dasselbe mittelst des Wasserhebels von Lorgna. —
§. 234. Dasselbe mittelst der Wasserfahne von Ximenes. —
§. 235. Dasselbe mittelst des Tachometers oder Geschwin-
digkeitsmessers von Brünings. — §. 236. Hydrometri-
scher Flügel von Woltmann zu demselben Zwecke. —
§. 237. Bestimmung des Gesetzes, nach welchem sich die
Geschwindigkeiten vom Wasserspiegel bis zum Grund-
bette der Flüsse gewöhnlich zu ändern pflegen. Geschwin-
digkeitsskale nach den Versuchen am Arno, Ober- und
Unterrhein und an der Waal. — §. 238. Gesetz der Ab-
nahme der Geschwindigkeit des Wassers in Flüssen. —
§. 239. Berechnung der Wassermenge, welche ein Fluss
abführt. — §. 240. Geschwindigkeiten, wodurch ver-
schiedene Materialien in einem Flusse fortgeführt werden.
— §. 241. Bemerkungen über die Wichtigkeit solcher
Geschwindigkeitsmessungen.
§. 242. Benützung des Wassers zur Betreibung von
Maschinen. Anlage der Wehren. — §. 243. Erklärung
mehrerer bei diesem Gegenstande vorkommender Benen-
nungen. — §. 244. Stau des Wassers in Flussbetten, Stan-
höhe und Stauweite. Verschiedene Fälle, welche hier ein-
treten können. — §. 245. Bestimmung der Stauhöhe für
den Fall, wenn in einem Flusse ein Wehr von einem Ufer
zum andern in einer solchen Höhe erbaut wird, dass das-
selbe kleiner ist als die frühere Wassertiefe. — §. 246.
Beispiel hierüber. — §. 247. Stauhöhe für den Fall,
wenn dem Wehre die ganze Wassertiefe zur Höhe gege-
ben wird. — §. 248. Stauhöhe für den Fall, wenn das
Wehr über die Oberfläche des natürlichen Wassers ge-
baut wird. — §. 249. Stauhöhe bei Verengung des Fluss-
bettes, z. B. bei dem Baue der Brücken. — §. 250. Stau-
höhe, welche durch die Anlegung von Buhnen entsteht.
— §. 251. Bei Einbauen in einem Flusse wird die Ge-
schwindigkeit des Wassers am Boden grösser als an der
Oberfläche. Versuche von Mariotte hierüber. Bemerkungen
über den Stau. — §. 252. Bestimmung der Stauweite,
und dann der Stauhöhe für jeden Ort der Stauweite mit-
telst einer elementaren Berechnung. — §. 253. Beispiel
hierüber. Allgemeine Gleichung für die ungleichförmige
Bewegung der fliessenden Wässer und das Längenprofil
für ihre Oberfläche. — §. 254. Anflösung des vorigen
Beispieles nach der aufgestellten höheren Rechnung.
VI. Kapitel.
Stoss des Wassers und dessen Wirkung
auf unterschlächtige Räder.
§. 255. Verschiedene Arten der Wasserräder. —
§. 256. Fälle, welche bei dem Stosse des Wassers vor-
kommen. — §. 257. Stoss eines isolirten Wasserstrahles
auf eine ruhende winkelrecht entgegenstehende Fläche.
— §. 258. Stoss des Wassers in Gerinnen gegen unter-
schlächtige Räder nach der Theorie von Parent. —
§. 259. Wasserstoss in Gerinnen auf solche Flächen, wel-
che sich mit einer geringeren Geschwindigkeit als das
daranfliessende Wasser bewegen, nach der Theorie von
Ritter von Gerstner (Vater). — §. 260. Vergleichung
dieses Wasserstosses mit jenem bei unterschlächtigen
Rädern. — §. 261. Bestimmung der Wassermenge, wel-
che bei einem unterschlächtigen Wasserrade in einem
Gerinne wirklich zum Stosse kommt. — §. 262. Der
Halbmesser des Wasserrades hat auf die Grösse seiner
Wirkung keinen Einfluss. Bestimmung der vortheilhaf-
testen Geschwindigkeit des Rades zur Bewirkung der
grössten Wirkung. — §. 263. Rückstau des Wassers,
wenn ein Wasserrad im Gerinne angebracht ist. — §. 264.
Beseitigung dieses Rückstaues. Kröpfung des Gerinne-
bodens unter dem Rade. — §. 265. Bestättigung der ge-
fundenen vortheilhaftesten Geschwindigkeit eines Wasser-
rades mit den hierüber bekannt gewordenen Erfahrungen.
— §. 266. Bemerkungen hierüber. — §. 267. Die Ein-
richtung der Hebelsarme des Maschinenwerkes muss im-
mer für die der grössten Wirkung entsprechende Ge-
schwindigkeit der Radschaufeln und die der Arbeit zu-
trägliche Geschwindigkeit gemacht werden. —
§. 268. Erfahrungen über die vortheilhafteste Ge-
schwindigkeit der Mühlsteine. — §. 269. Erfahrungen über
das Mahlquantum bei verschiedenen Getreide-Mahl-
Mühlen. — §. 270. Untersuchung, ob es vortheilhafter
sey, zwei Räder in ein und dasselbe Gerinne hinter ein-
ander zu stellen, oder für jedes Wasserrad ein eigenes
Gerinne vorzurichten. — §. 271. Kröpfung eines Gerinnes
mit zwei Rädern. — §. 272. Untersuchung des Vortheiles,
welchen drei in ein gemeinschaftliches Gerinne hinter
einander gestellte Räder gegen den Fall haben, wenn je-
des Rad in ein besonderes Gerinne gestellt wird. — §. 273.
Kröpfung der Gerinne mit drei Rädern. — §. 274. Wi-
derstand, welchen das Wasser von den Wänden des Gerin-
nes erführt. — §. 275. Versuch bei einer Wasser-Mahl-
Mühle in Prag zur Bestimmung des Bewegungsmomentes,
welches für ein gegebenes Mahlquantum erfordert wird.
— §. 276. Hiernach abgeleitete Grundsätze bei der An-
lage einer Mahl-Mühle. — §. 277. Erklärung der Getreide-
Mühlen und der Operazionen, welche bei dem Mahlen vor-
kommen. — §. 278. Beschreibung einer unterschlächtigen
Getreide-Mahl-Mühle in Prag. Gefälle derselben und
Regulirung der Oberfläche der Hauptschwelle mittelst des
Normalpfahles. Bau der Mühlgerinne und Schützen. —
§. 279. Bauart der unterschlächtigen Wasserräder. —
§. 280. Vorgelege. — §. 281. Mühlspindel, Befestigung
des Läufers an derselben und seine jedesmalige Stellung.
— §. 282. Bodenstein, Läufer, Eigenschaften der Mühl-
steine. — §. 283. Zuführung des Getreides mittelst des
Rumpfes. Bewegung des letztern. Rührer oder Stein-
ruthe. — §. 284. Beutelsack, Befestigung und Bewegung
desselben. Warnung. — §. 285. Bemerkungen über die
Stellung des Läufers mittelst des Steges. — §. 286. Lohn
für das Getreidemahlen.
§. 287. Bestättigung der vorgetragenen Theorie
des Wasserstosses in Schusagerinnen durch hierüber an-
gestellte Versuche. Untersuchung der Fälle, welche hier-
bei Statt finden können. — §. 288. Versuche von Bos-
sut über die vortheilhafteste Anzahl der Radschaufeln
und Vergleichung derselben mit der aufgestellten Theo-
rie. — §. 289. Genaue Bestimmung der Grösse und Wir-
[XI]Inhalt des zweiten Bandes.
kung des Staues in Mühlgerinnen. — §. 290. Genaue
Bestimmung der Grösse des Wasserstosses und der vor-
theilhaftesten Geschwindigkeit der Radschaufeln mit
Rücksicht auf den Rückstau des Wassers. — §. 291. Wi-
derstand der Luft und der Reibung bei Wasserrädern. —
§. 292. Versuche von Smeaton zur Bestimmung der vor-
theilhaftesten Geschwindigkeit der unterschlächtigen Was-
serräder und ihrer Wirkung. Vergleichung dieser Ver-
suche mit der aufgestellten Theorie. — §. 293. Weitere
Versuche von Smeaton zu demselben Zwecke und Ver-
gleichung derselben mit unserer Theorie. — §. 294. Ver-
suche von Bossut und Vergleichung derselben mit der
Theorie. — §. 295. Uibereinstimmung der angeführten
Versuche mit der Theorie und Bemerkungen hierüber.
§. 296. Stoss des Wassers auf Schiffmühlen-
räder. — §. 297. Anordnung der Schiffmühlen zum
Getreidemahlen.
VII. Kapitel.
Oberschlächtige Räder, Kropfräder.
§. 298. Verschiedene Arten oberschlächtiger Rä-
der. — §. 299. Forderungen, welchen die zweckmässigste
Bauart der Zellen oberschlächtiger Räder entsprechen
soll. — §. 300. Gewöhnliche Bauart oberschlächtiger
Räder. — §. 301. Bestimmung des wasserhaltenden Bo-
gens eines oberschlächtigen Rades bei der gewöhnlichen
Bauart. — §. 302. Vortheile der Verminderung des Win-
kels, welchen die Kropfschaufeln mit dem Theilrisse bil-
den. — §. 303. Beispiel hierüber. — §. 304. Konstruk-
zion der oberschlächtigen Räder von Eisen. Vortheile,
wenn der Umfang solcher Räder mit angegossenen Zäh-
nen versehen ist, welche unmittelbar in das Getriebe ein-
greifen. — §. 305. Statisches Moment des wasserhalten-
den Bogens eines oberschlächtigen Rades. — §. 306. Un-
tersuchungen über den Einfluss und Stoss des Wassers.
Vortheilhafteste Geschwindigkeit des Wasserrades. Loth-
rechte Stellung der Schütze. — §. 307. Weitere Ausfüh-
rung dieses Gegenstandes. Tabelle zur Berechnung der
grössten Wirkung oberschlächtiger Räder, wenn die Zel-
len mit zwei Drittel ihres Inhaltes angefüllt werden. —
§. 308. Beispiel hierüber. — §. 309. Tabelle zur Be-
rechnung der grössten Wirkung oberschlächtiger Räder,
wenn die Zellen nur mit dem vierten Theile ihres In-
haltes angefüllt werden. — §. 310. Vergleichung der ge-
fundenen Resultate, wenn die Zellen bis zu ⅔tel oder
nur mit ¼tel ihres Inhaltes angefüllt werden. Beispiel
hierüber. Bestättigung dieser Theorie bei Hammerwer-
ken. — §. 311. Untersuchung, in welchen Fällen die An-
legung der unterschlächtigen oder oberschlächtigen Rä-
der vorzuziehen sey.
§. 312. Untersuchung des Widerstandes, welcher
bei dem Sägen des Holzes entsteht. — §. 313.
Erfahrungen von Belidor über das Bretsägen. Erfah-
rungen bei dem Zerschneiden der Bauholzstämme durch
Zimmerleute. — §. 314. Versuch bei einer Bretsäge in
Prag zur Bestimmung des Bewegungsmomeutes für eine
gegebene Schnittfläche. — §. 315. Versuch bei einer Bret-
säge zu Stiahlau in Böhmen. — §. 316. Versuche von
Coriolis in Frankreich und Bemerkungen hierüber. —
§. 317. Berechnung einer in Böhmen aufgestellten ober-
schlächtigen Bretsäge nebst Angabe ihrer Leistung. —
§. 318. Beschreibung einer oberschlächtigen Bretsäge in
Böhmen. Bauart des Zuleitungsgerinnes und der Schütze. —
§. 319. Bauart des oberschlächtigen Wasserrades, des
Stirnrades. Drehlings und des Schwungrades. — §. 320.
Kurbel, Lenker, Sägegatter nebst Gattersäulen. — §. 321.
Bauart des Wagens und Befestigung der Stämme auf dem-
selben. — §. 322. Vorrückung des Wagens während dem
Sägen, Zurückschieben des Wagens nach vollbrachtem
Schnitte. — §. 323. Bestimmung der Zuschiebung des
Klotzes bei jedem Schnitte der Säge, Einrichtung des
Zuschiebezeuges. — §. 324. Einhängung und Schrän-
kung der Säge. Regulirung der Bewegung des Wagens.
Sägespändach. — §. 325. Gebäude einer Bretsäge, Ab-
änderungen derselben. Vorrichtung zum Aufziehen der
Klötze. — §. 326. Einrichtung einer Bretsäge mit zwei
Blättern. Bretsäge nach englischer Art, mit eisernem
Rahmen, eisernem Gatter und mehreren Sägeblättern.
§. 327. Prüfung der Zweckmässigkeit der Bauart
eines bestehenden oberschlächtigen Wasserwerkes. —
§. 328. Anwendung hiervon auf die §. 317 beschriebene
oberschlächtige Bretsäge. Verbesserungen, welche hin-
sichtlich der wirksamen Wassersäule für die obere Hälf-
te des Rades hierbei zu machen wären. — §. 329. Das-
selbe bei der wirksamen Wassersäule für die untere
Hälfte des Rades. Allgemeine Bemerkungen über die
Untersuchung und Verbesserung der Bauart der ober-
schlächtigen Räder und über die Abänderung, welche
sodann bei dem übrigen Maschinenwerke vorgenommen
werden muss.
§. 330. Erklärung der mittelschlächtigen oder
Kropfräder. — §. 331. Bauart der Kropfräder nach
Eytelwein und Neumann. Abrundung des Kropfgerin-
nes nach Neumann. — §. 332. Bemerkungen über die
letzte Konstrukzion. — §. 333. Räder mit gekrümmten
Schaufeln nach Poncelet und Bemerkungen hierüber. —
§. 334. Berechnung des Bewegungsmomentes eines Kropf-
rades und Untersuchung der Umstände, unter welchen es
ein Maximum wird. — §. 335. Berechnung des grössten
Bewegungsmomentes der oberschlächtigen Räder, wobei
das Wasser nicht vom Scheitel, sondern zur Seite ein-
fällt und der Zufluss desselben nicht unterhalb, sondern
über den Schützen Statt findet. — §. 336. Vergleichung
dieser Anordnung mit einem oberschlächtigen Rade nach
der frühern Theorie. Vortheile dieser Kenstrukzion. —
§. 337. Beseitigung des Rückstaues bei Kropfrädern. —
§. 338. Weite der Radkränze bei Kropfrädern. — §. 339.
Angabe einer zweiten Art, den Wasserzufluss oberhalb
eines Schutzbretes zu leiten und beliebig zu reguliren. —
§. 340. Dritte Art, den Zufluss des Wassers mittelst
zweier Schützen auf ein Wasserrad zu leiten. Bauart
eines solchen Rades zu Belper in England.
VIII. Kapitel.
Widerstand fester Körper bei ihrer
Bewegung in flüssigen.
§. 341. Allgemeine Gesetze für den Widerstand
fester Körper bei ihrer Bewegung in flüssigen. — §. 342.
Widerstand geneigter Flächen. — §. 343. Versuche über
den Stoss des Wassers an schiefe Flächen und Verglei-
chung derselben mit der Theorie. — §. 344. Versuche
des englischen Obersten Beaufoy über den Widerstand,
welchen verschiedenartig geformte feste Körper bei ihrer
Bewegung im Wasser finden. — §. 345. Versuche von
Walker in London über den Widerstand, welchen Boote
bei ihrer Bewegung im Wasser mit verschiedenen Ge-
schwindigkeiten erfahren. Folgerungen aus diesen Ver-
suchen hinsichtlich der Fracht auf Kanälen und Eisen-
bahnen.
§. 346. Bestimmung des Widerstandes der Ober-
fläche einer Kugel. — §. 347. Untersuchung des freien
Falles einer Kugel im widerstehenden Mittel. Bestim-
[XII]Inhalt des zweiten Bandes.
mung der grössten Geschwindigkeit, welche dieselbe er-
halten kann und Beispiele hierüber. — §. 348. Bewegung
einer lothrecht in die Höhe geworfenen Kugel im wi-
derstehenden Mittel nebst Beispielen hierüber. — §. 349.
Dasselbe für den Fall, wenn die Kugel mit einer klei-
nern Geschwindigkeit geworfen wird. Vergleichung der
gefundenen Formeln mit jenen im I. Bande (§. 492). —
§. 350. Bahn schief geworfener Kugeln mit Rücksicht
auf den Widerstand der Luft. Allgemeine Gleichungen
für diesen Fall. — §. 351. Angabe einer genauen Me-
thode zur Berechnung der Bahn der Kugeln, die weder
von der Grösse der Wurfsgeschwindigkeit, noch von der
Kleinheit der Winkel, welche die Richtung der Kugel
zu Anfang und in jedem Punkte ihrer Bewegung mit
dem Horizonte macht, abhängig ist. Allgemeine Tabelle
zur Berechnung der Bogenlänge und der Coordinaten der
Ballistischen Linie im widerstehenden Mittel. — §. 352.
Berechnung der Bahn einer Kugel im widerstehenden Mit-
tel für die Wurfswinkel von 45, 30 und 15 Grad. All-
gemeine Bemerkungen über die Auflösung dieser schwie-
rigen Aufgabe.
§. 353. Geschichtliche Darstellung der Kanal-
schiffahrt in England und ihrer Vortheile. — §. 354.
Vortheile des englischen Klima für die Anlage der Ka-
näle, Schwierigkeiten ihrer Ausführung. Kanäle der
grossen und kleinen Schiffahrt. Tabellarische Uebersicht
der englischen Kanäle. — §. 355. Bildung der Akzien-
gesellschaften und Parlamentsakten zur Ausführung der
Kanäle. Uibersicht der Erträgnisse und des Preises der
Kanalakzien in England. — §. 356. Kurze Beschreibung
der vorzüglichsten Schiffahrtskanäle in England, ihrer
Anlage, Baukosten, des jährlich geführten Frachtquan-
tums, der Einnahmen und Auslagen. Kanal des Her-
zogs von Bridgewater. Sankeykanal. Manchester-
Bolton und Burykanal. Kanal von Rochdale, von
Ashton und Oldham, von Huddersfield und Peak-
Forest Kanal. — §. 357. Seeschiffahrt von Liverpool
und Zunahme derselben während der letzten 80 Jahre. —
§. 358. Kanal von Ellesmere und Chester; Brücken-
wasserleitung von Cysylte. Kanal von Shropshire, von
Shrewsbury, von Ketley, Grand Trunk Kanal und Ka-
nal von Erewash. — §. 359. Kanal von Leeds und Li-
verpool. — §. 360. Kanal der Themse und des Flusses
Medway, Kanal von Oxford, Grand Junction und Mon-
mouthshire Kanal. — §. 361. Kennet und Avon Kanal.
§. 362. Gloucester und Berkeley Kanal. — §. 363. Ka-
nal von Birmingham, dann Birmingham und Fazeley
Kanal. Beschreibung der grossen Arbeiten, welche vom
Jahre 1825 bis 1829 an diesem Kanale vorgenommen wur-
den. — §. 364. Forth und Clydekanal in Schottland.
Erträgnisse desselben vom Jahre 1800 bis 1828. Dampf-
schiffahrt auf diesem Kanale. — §. 365. Caledonischer
Kanal in Schottland. — §. 366. Bemerkungen über die
Art der Ausführung der englischen Kanäle und ihre Ver-
zinsung. — §. 367 und 368. Untersuchung der Frage, ob
die Anlage der Schiffahrtskanäle oder Eisenbahnen zur
Beförderung der Frachten zuträglicher sey. — §. 369.
Vortheile der Eisenbahnen und allgemeine Bemerkungen.
Vergleichung der im I. und II. Bande vorkommenden ausländischen
Maasse, Gewichte und Münzen mit jenen in Oesterreich.
- 1 englischer Fuss = 0,9642 N. Oe. Fuss.
- 1 engl. Yard = 3 engl. Fuss = 2,8926 N. Oe. Fuss = 1,1734 N. Oe. Elle.
- 1 engl. Meile = 1760 Yards = 848 N. Oe. Klafter.
- 1 engl. Handelspfund, Imperial Standard Avoirdupois Pound = 0,8099 N. Oe. Pfund = 25,9168 N. Oe. Loth.
- 1 engl. Acre Flächeninhalt = 1125 N. Oe. Quadratklafter.
- 1 engl. Tonne = 20 engl. Zentner, den Zentner zu 112 Pfund oder zu 8 Stones, jedes von 14 Pfund =
= 1814 N. Oe. Pfund. - 1 Newcastle Chaldron Steinkohlen = 53 engl. Zentner.
- 1 engl. Imperial Standard Gallon = 0,07829 N. Oe. Eimer = 0,14 N. Oe. Kub. Fuss.
- 1 Liv. sterling = 20 Shilling zu 12 Pence = 10 fl. Conv. Münze im 20 Gulden-Fusse.
- 1 alter Pariser Fuss, Pied = 1,0276 N. Oe. Fuss.
- 1 mètre = 10 decimètre = 100 centimètre .... = 3,1635 N. Oe. Fuss.
- 1 Litre = 1/1000 Kub. mètre = 0,03166 N. Oe. Kub. Fuss.
- 1 altes Pariser Pfund, Livre = 0,8741 N. Oe. Pfund.
- 1 Kilogramme = 1,7857 N. Oe. Pfund.
- 1 französische Tonne = 1000 Kilogrammes = 1786 N. Oe. Pfund.
- 1 Franc = 100 Centimes = 24 Kreuzer Conv. Münze.
- 1 Rheinländer, Preussischer oder Berliner Fuss = 0,993 N. Oe. Fuss.
- 1 Preussisches, Berliner oder Kölnisches Pfund = 0,8352 N. Oe. Pfund.
- 1 Rheinländer Scheffel = 0,8937 N. Oe. Metzen.
- 1 Dresdner Fuss = 0,893 N. Oe. Fuss.
- 1 Schwedischer Fuss = 0,9391 N. Oe. Fuss.
- 1 Schemnitzer Berglachter = 1° 4″ 10,5‴ N. Oe. Maass.
- 1 Soldi = 0,15453 Rheinländer Fuss.
- 1 Amsterdamer Pfund = 0,8806 N. Oe. Pfund.
- 1 Schwedisches Schalpfund = 0,7563 N. Oe. Pfund.
- 1 Dresdner Pfund = 1 Leipziger Pfund = 0,8347 N. Oe. Pfund.
- 1 böhmische Elle = 2 böhm. Fuss = 2. 15/16 N. Oe. Fuss.
Mechanik flüssiger Körper.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 1
[[2]][[3]]
Einleitung.
§. 1.
Flüssige Körper nennt man diejenigen, deren Theile entweder gar nicht, oder
so wenig an einander hängen, dass sie durch Einwirkung einer äusserst geringen Kraft
verrückt oder zwischen einander verschoben werden können. Wir sehen die Eigenschaft
der Flüssigkeit deutlich an dem Wasser, Quecksilber, den flüssigen Metallen, der
Luft und den Dämpfen jeder Art. Alle einzelnen Theile dieser Flüssigkeiten sind nämlich
für sich beweglich, ohne die benachbarten Theile mit fortzureissen, sie geben jedem
Drucke sogleich nach, man kann daher fremde Körper ohne merklichen Kraftaufwand
zwischen dieselben bringen. Dagegen wissen wir, dass bei festen Körpern die Theile
unter einander auf eine solche Art zusammenhängen, dass die Bewegung eines Theiles
ohne eine gleiche Bewegung der benachbarten nicht Statt finden kann, und dass über-
haupt das Eindringen eines fremden Körpers zwischen seine Theile ohne eine gewaltsame
Beschädigung oder Trennung gar nicht möglich, noch weniger eine Bewegung zwischen
denselben gedenkbar ist.
Es ist merkwürdig, dass die Flüssigkeit der Körper bestehen kann, obgleich ihre
Theile sich wechselseitig mehr oder minder anziehen. Denken wir uns z. B. ein System
von polirten kleinen Kugeln, die einander ohne Reibung berühren, und sich wechselseitig
nach Richtungen gegen ihre Mittelpunkte anziehen, so dass die Anziehung in allen Punk-
ten ihrer Peripherie gleich ist, so kann man eine jede dieser Kugeln um die andere her-
umdrehen und wo immer hin ohne Widerstand bewegen, weil die gleiche Anziehung der
umgebenden Kugeln sich überall aufhebt. In England zeigt man in physikalischen Kabi-
netten weite, mit sehr kleinen Kugeln (sogenanntem Vogeldunst) angefüllte Gefässe, wo-
mit die angeführten Eigenschaften der Flüssigkeiten und überhaupt alle Phänomene bei
dem Schwimmen, so wie auch die Wellenbewegung sehr auffallend dargestellt wird. Auf
diese Art kann man sich daher die Flüssigkeit der Körper am leichtesten vorstellen. Auch
erklärt sich hieraus, dass durch Anziehung die Theile der Körper nur in dem Falle an
einander festgemacht werden, wenn sich die Anziehung nicht in der ganzen Peripherie
der Elemente gleich, sondern nur nach bestimmten Richtungen und bestimmten Punkten
derselben äussert, wie wir diess bei dem Gefrieren des Wassers und bei den Krystal-
lisazionen gewahr werden.
1*
[4]Einleitung.
Die flüssigen Körper werden gewöhnlich in vollkommen und unvollkommen
flüssige eingetheilt. Erstere heissen diejenigen, deren Theile unter einander vollkommen
beweglich sind, als das Wasser, das Quecksilber, die Luft, die Dämpfe und alle Gasarten;
unvollkommen flüssig hingegen sind jene Körper, deren Theile einen gewissen Zusammen-
hang, welchen man Zähigkeit nennt, besitzen. Beispiele hievon sehen wir bei meh-
reren Körpern, welche, durch Wärme flüssig gemacht, sich wieder abkühlen, als bei
dem Wachse und Harze, dem Oehle und den Metallen.
§. 2.
Die flüssigen Körper können noch in zusammendrückbare oder elastische, und in
unpressbare oder unelastische eingetheilt werden. Die ersteren, nämlich die elasti-
schen Flüssigkeiten, haben eben so wie die elastischen festen Körper (Siehe §. 235, I. Bd.)
die Eigenschaft, dass sie durch Einwirkung äusserer Kräfte ausgedehnt, oder auch in einen
kleineren Raum zusammengepresst werden können. Diese Eigenschaft besitzen aber die
elastisch flüssigen Körper in einem so hohen Grade, dass sie ihr Volumen nur durch die
Fortdauer einer gleichförmig auf sie einwirkenden äusseren Kraft behalten; wenn diese
vermindert wird, sogleich ihren Raum vergrössern, und wenn sie ganz aufhört, sich bis
in’s Unendliche ausbreiten. Diess ist bei der atmosphärischen Luft, den Gasarten und
den Wasserdämpfen der Fall.
Unpressbare oder unelastische Flüssigkeiten hat man im Gegentheile die-
jenigen genannt, welche sich weder zusammenpressen lassen, noch ausgedehnt werden
können. Hierher werden alle tropfbar flüssigen Körper und vorzüglich das Wasser ge-
rechnet. Im verflossenen Jahrhunderte haben die Akademiker zu Florenz Wasser in
hohle Kugeln von Gold einschliessen und dem Drucke einer sehr starken Presse unter-
legen lassen und gefunden, dass hierdurch keine merkliche Verminderung des Volu-
mens, sondern nur ein Durchschwitzen des Wassers durch die unsichtbaren Oeffnungen
dieses äusserst dichten Metalles bewirkt werden konnte; diess gab die eigentliche Ver-
anlassung zu der angeführten Eintheilung der Flüssigkeiten. In neueren Zeiten hat
man durch Anwendung hoher Quecksilbersäulen zur Zusammendrückung des Wassers in
gläsernen Gefässen gefunden, dass das Maass des Volumens des zusammengedrückten
Wassers kleiner sei, als das Maass der Ausdehnung des Gefässes, in welchem das ge-
drückte Wasser enthalten war; auf diese Art ist demnach eine Zusammendrückung des
Wassers sichtbar dargestellt worden, und somit entfiel auch der Grund der obigen Ein-
theilung. Zum Beweise der Elastizität des Wassers dient übrigens noch die bekannte
Erfahrung, dass der Mittelpunkt einer hinter einem Teiche aufgestellten Zielscheibe
von einer bleiernen, gegen das Bild auf der Oberfläche des Wassers abgeschossenen
Flintenkugel um so genauer getroffen werde, je genauer die Mitte dieses auf der Teich-
oberfläche sichtbaren Bildes der Scheibe erzielt wird; es muss demnach die bleierne
Kugel, der man die vollkommene Elastizität nicht beimessen kann, wegen der elasti-
schen Kraft des Wassers von der Oberfläche des letzteren eben so wie die Lichtstrah-
len unter gleichem Winkel reflectirt werden. Da jedoch der Spielraum der Zusam-
mendrückung des Wassers äusserst gering ist, so wird hierauf in allen Fällen, wo der
Druck desselben und der übrigen tropfbar flüssigen Körper in Anschlag kommt, keine
[5]Einleitung.
Rücksicht genommen, demnach diese Körper als unzusammendrückbare be-
handelt.
Die merkwürdige Elastizität, welche die luftförmigen flüssigen Körper besitzen,
wird wegen ihrer vielfältigen Anwendung in einem eigenen Kapitel abgehandelt werden,
nachdem wir früher von den Eigenschaften, welche allen flüssigen mehr oder minder
elastischen Körpern zukommen, gesprochen haben.
§. 3.
Die Mechanik flüssiger Körper wird gewöhnlich in fünf Hauptabschnitte einge-
theilt, nämlich:
- I. Die Hydrostatik, welche von den Gesetzen des Druckes und Gegendruckes
flüssiger Körper und zwar sowohl unter einander als auch gegen andere damit
in Berührung gebrachte feste Körper handelt; - II. die Hydraulik, worin die Gesetze der Bewegung flüssiger Körper und ihre
Widerstände erklärt werden; - III. die Aërostatik, welche von den Gesetzen des Gleichgewichtes und Druckes
elastischer Flüssigkeiten handelt; - IV. die Pneumatik, oder die Lehre von der Bewegung der elastischen Flüssig-
keiten; - V. die Hydrodynamik, welche von den Kräften der flüssigen Körper, womit sie
sich selbst und andere Körper in Bewegung setzen oder auch ihre Bewegung
hindern, handelt.
Unserem Grundsatze gemäss, die Theorie mit steter Rücksicht auf die Anwendung
vorzutragen, werden wir auch die Mechanik flüssiger Körper nicht in der strengen
Ordnung dieser fünf Hauptabtheilungen behandeln, sondern die minder zusammenge-
setzten Maschinen sogleich bei dem Vortrage der Theorie darstellen, und nur die grös-
sern Maschinenanlagen, bei deren Erklärung die Theorie der Mechanik fester und
flüssiger Körper vorausgesetzt wird, dem III. Bande unseres Werkes vorbehalten.
[6]
I. Kapitel.
Hydrostatik.
§. 4.
Die Hydrostatik begreift die Lehre vom Druck und Gegendruck der flüssigen
Körper sowohl unter sich, als mit andern damit in Berührung gesetzten Körpern.
Aus dem Begriffe, welchen wir §. 1. von flüssigen Körpern gegeben haben, folgt,
dass ihre Theile nicht anders zusammengehalten und aufbewahrt werden können, als
wenn man selbe in die hohlen Räume anderer fester Körper oder in Gefässe einschliesst;
das Wasser z. B. kann nur in Gefässen von Metall, ...... aufbewahrt, und so von einem
Orte zum andern gebracht werden.
Wir wollen nun zuerst die Eigenschaften betrachten, welche aus der Beweglich-
keit der Theile in einer von allen Seiten umschlossenen Flüssigkeit folgen, die wir
uns zuerst ohne alle Schwere denken. Nehmen wir an, dass ein Theilchen irgend
woher einen Druck erfährt, so wird sich die Flüssigkeit nur dann im Zustande der
Ruhe befinden können, wenn auch alle übrigen Theile derselben nach jeder Seite
einen gleichen Druck ausüben und erleiden. Denn erfährt z. B. das Theil-
Fig.
1.
Tab.
41.chen a irgend einen Druck, so hat es vermöge der vollkommenen Beweglichkeit der
umgebenden Theile die Fähigkeit nach allen Seiten auszuweichen, und sich dorthin zu
bewegen, woher es einen geringern Gegendruck erfährt; bleibt aber das Theilchen a
in Ruhe, so wird es auch alle neben ihm liegenden Theilchen mit derselben Kraft aus-
einander treiben, oder drücken, mit welcher es irgend woher gedrückt wird. Demnach
erfahren alle Theile um a einen gleichen Druck; dasselbe muss aber auch bei b Statt
finden; denn würde z. B. der Theil b nach der Richtung c b stärker als nach der Rich-
tung a b gedrückt, so würde er vermöge seiner Beweglichkeit dem stärkeren Drucke
folgen; es müsste daher eine Bewegung eintreten, was dem angenommenen Gleichge-
wichte oder der Ruhe der Flüssigkeit widerspricht. Was sich aber von a und b be-
weisen lässt, kann auch von c, d, e ...... erwiesen werden und demnach ergibt sich,
dass bei einer aus vollkommen beweglichen, nicht schweren Thei-
len zusammengesetzten Flüssigkeit im Zustande der Ruhe in allen
diesen Theilen nach allen Richtungen ein gleicher Druck vorhan-
den seyn müsse.
§. 5.
Hieraus ergibt sich offenbar, dass der Druck der Flüssigkeiten auf un-
Fig.
2.gleiche Flächen sich wie diese Flächen selbst verhalte oder diesen
Flächen proporzional sey. Es sey nämlich Fig. 2 ein Gefäss, welches mit einer
[7]Grundsätze für flüssige, nicht schwere Körper.
Flüssigkeit z. B. mit Wasser gefüllt und verschlossen wurde, worin man jedoch zwei Oeff-Fig.
2.
Tab.
41.
nungen A B und C D, die mit Stöpseln bedeckt sind, angebracht hat. Da die Flüssig-
keit nach der obigen Erklärung auf einen jeden Punkt dieser zwei Stöpsel gleich stark
drückt, so ist offenbar, dass wenn der eine z. B. eine 10 Mal grössere Fläche als der
andere hat, auch der Druck auf denselben 10 Mal grösser, und überhaupt der Druck der
Fläche proporzional seyn müsse. Werden daher diese Stöpsel mit Gewichten beschwert,
und setzen wir das eigene Gewicht des Stöpsels A B sammt dem darauf liegenden Ge-
wichte = P und das eigene Gewicht des Stöpsels C D sammt dem darauf liegenden
Gewichte = p, die zwei Flächen der Stöpsel = F und f, so muss für den Zustand des Gleich-
gewichtes F : f = P : p seyn.
Die Richtigkeit dieses Satzes lässt sich durch ein Experiment leicht erweisen.
Nimmt man nämlich ein Gefäss, welches bis auf zwei Oeffnungen vollkommen verschlossenFig.
3.
ist, bringt man in diese Oeffnungen zwei sehr gut passende Stöpsel an, und legt so lange
Gewichte darauf, bis sie einander das Gleichgewicht halten, so werden sich diese Ge-
wichte z. B. wie 1 : 10 verhalten, wenn die Oeffnungen in diesem Verhältnisse stehen.
(Hierbei ist jedoch die Reibung der Stöpsel nicht berücksichtiget).
Der vorhergehende Satz findet offenbar nicht nur Statt, wenn die Oeffnungen oben,
sondern auch, wenn sie seitwärts wie Fig. 4 oder auch unten angebracht sind, weil wirFig.
4.
nach unserer Voraussetzung auf das grössere Gewicht, womit die unteren Theile von
der Schwere der daraufliegenden belastet sind, noch keine Rücksicht nehmen. Uebri-
gens leuchtet es von selbst ein, dass dieser erste Satz eine Analogie mit dem Uaupt-
satze der Statik habe, wo sich die Gewichte oder Kräfte im Zustande des Gleichge-
wichtes verkehrt wie ihre Hebelsarme verhalten.
§. 6.
In neueren Zeiten hat man von diesem Satze, dass der Druck nach Verhältniss
der Fläche zunehme, eine Anwendung zur Konstrukzion einer Presse gemacht, welche
unter dem Namen hydrostatische Presse bekannt ist. Die Erfindung derselben
wird dem Engländer Bramah zugeschrieben. Die Presse gewährt den Vortheil, dass
sie einen sehr kleinen Raum einnimmt und wirksamer als alle andern bekannten Pres-
sen ist; man wendet sie daher in Fabriken zum Pressen der Zeuge, in Papiermühlen
zum Pressen des Papieres und zu vielen andern Zwecken, ja sogar zum Ausreissen der
Baumstöcke, zum Heben eines Dachstuhles u. s. w. an. Bei dieser Presse ist das Wasser
in einem sehr dünnen Rohre a b mit dem Wasser in einem stärkeren Rohre c d in Ver-Fig.
5.
bindung gesetzt; in dem ersten Rohre wird ein Kolben a e herabgedrückt, welcher das
Wasser in das weitere Rohr presst und hiedurch den Kolben d i, auf welchem die Last
liegt, hinauftreibt. Der Kolben a e wird durch die Kraft, welche an dem Hebel A C
wirkt, herabgedrückt, an dem Ende C wirken gewöhnlich ein oder mehrere Menschen;
manchmal wird der Kolben durch die Kraft eines Wasserrades, oder wie es in den
englischen Fabriken der Fall ist, durch eine Dampfmaschine bewegt.
Es sey die am Ende des Hebels in C wirkende Kraft = K, der Druck, welchen
diese Kraft auf den Kolben a e hervorbringt = 𝔎, die Fläche des kleineren Kolbens
= f, und jene des grösseren = F, endlich sey Q der Druck des Wassers gegen F, so
[8]Hydrostatische Presse des Bramah.
Fig.
5.
Tab.
41.wird auch, wenn man keine Reibung berücksichtigt, Q die Kraft seyn, womit die Zeu-
ge zusammengepresst werden. Da sich nun nach dem vorigen §. die drückenden Ge-
wichte wie die Flächen verhalten, so ist 𝔎; : Q = f : F und wegen des Hebels ist
K : 𝔎; = A B : A C, folglich K : Q = f . A B : F . A C, und da man die Kraft eines Arbeiters,
welcher für eine kurze Zeit verwendet wird, zu 100 ℔ annehmen kann, so ergibt sich
; will man daher einen sehr grossen Druck ausüben, so müssen die
Verhältnisse und möglichst gross werden.
Beispiel. Es sey der Durchmesser der kleineren Röhre = 1 Zoll und des grös-
seren Cylinders = 24 Zoll, so ist , ferner sey das Verhältniss der
Hebelsarme A B : A C = 1 : 10, so ist Q = 100 . 10 . 24 . 24 = 576000 Pfund = 5760 Zentner; ein
Mensch kann daher einen Druck von 5760 Zentner ausüben; hierbei ist jedoch auf die
Reibung noch keine Rücksicht genommen.
Da dieser Druck ausserordentlich gross ist, so wird auch die Presse des Bramah
als die stärkste von allen bekannten Pressen angesehen, und in neueren Zeiten in den
Fabriken sehr häufig angewendet. Wir werden die detaillirte Zeichnung dieser Ma-
schine, ihre genauere Berechnung und die Bemerkungen über ihren Gebrauch später
liefern.
§. 7.
Die bisher angeführten Sätze folgen sämmtlich bloss aus der Beweglichkeit
der Theile flüssiger Körper. Alle Flüssigkeiten haben jedoch noch eine zweite
Eigenschaft, dass sie auch schwer sind, es werden demnach die unteren Theilchen
von den oberen gedrückt, und der Druck auf ein Theilchen ist desto grösser, je tiefer
es unter der Oberfläche liegt. Betrachten wir das mit einer Flüssigkeit gefüllte Gefäss
Fig.
6.Fig 6, so muss ein jedes Theilchen c auch nunmehr, wenn es in Ruhe ist, von allen
Seiten einen gleichen Druck erleiden, und ebenfalls in allen Richtungen gleich stark
drücken, indem sonst eine Bewegung erfolgen würde. Wenn wir auf den Druck der
äusseren Luft, der sich auf die Oberfläche m n bei einem offenen Gefässe wirksam äus-
sert, keine Rücksicht nehmen, so wird c bloss von allen darüber liegenden Punkten
oder von der Wassersäule a c gedrückt, auf gleiche Art wird das Theilchen d von der
Wassersäule b d gedrückt u. s. w. Da aber diese Wassersäulen nur für dieselbe hori-
zontale Fläche eine gleiche Höhe haben, so folgt, dass in jeder horizontalen
Fläche alle Theile einen gleichen Druck erleiden müssen.
Hieraus ergibt sich noch die weitere Eigenschaft, dass das Wasser an sei-
Fig.
7.ner Oberfläche immer horizontal stehen müsse, denn würde es eine Erhö-
hung m n o bilden, so würde der Punkt p von der Wassersäule n p, dagegen m und o
als an der Oberfläche befindlich gar nicht gedrückt werden; folglich würde m und o
in dieser Lage nicht bleiben, und dem stärkeren Drucke von p aus nachgeben, oder das
Wasser sich so lange bewegen müssen, bis es eine horizontale Fläche bildet.
Dasselbe lässt sich auf folgende Art beweisen. Es sey b ein Punkt auf der
schiefen Oberfläche des Wassers, so lässt sich der lothrechte Druck b d desselben,
[9]Grundsätze für flüssige, schwere Körper.
wie bei jedem auf einer schiefen Fläche befindlichen schweren Körper in zwei TheileFig.
7.
Tab.
41.
zerlegen, wovon b c winkelrecht auf die schiefe Fläche, und b a in der Richtung der-
selben herabwirkt. Der Punkt b als Theil einer flüssigen Masse wird sich daher auf
dieser schiefen Fläche nicht erhalten können, sondern mit der Kraft b a herablaufen,
und da diess bei jedem andern Punkte der Fall ist, so wird das Wasser so lange her-
ablaufen, bis die Kraft nach der schiefen Richtung = 0 oder die Oberfläche des Was-
sers horizontal wird, d. h. einen rechten Winkel mit der Lothrechten bildet.
Diese Eigenschaft der Flüssigkeiten benützen wir bei unseren Nivellirinstru-
menten, die mit Hülfe des Wassers oder Weingeistes horizontal gestellt werden,
demnach eine Richtung angeben, welche zu der Oberfläche des Wassers parallel ist.
§. 8.
Um den Druck des Wassers auf bestimmte Flächen angeben zu können, muss man
vorerst das Gewicht eines Kubikfusses Wasser kennen. Bei dem französischen Dezimal-
maasse wird das Gewicht des reinen oder destillirten Wassers in einem kubirten Centi-
meter (bei 3° Reaumur Thermometer und 76 Centimeter Barometerhöhe) ein Gramm
genannt, und es enthält ein N. Oe. Kubikfuss Wasser 31585,17 kubirte Centimeter, wel-
che demnach 31585,17 Gramm wiegen. Nun ist 1 N. Oe. Pfund Handelsgewicht = 32
N. Oe. Loth = 560012,0 Milligramm = 560,012 Gramm; es wiegt daher ein N. Oe. Kubik-
fuss destillirtes oder reines Wasser N. Oe. Pfund, wofür wir immer
56,4 ℔ setzen werden. Ein N. Oe. Kubikzoll reines Wasser wiegt demnach
= 1,0445 Loth. Nach den „Versuchen zur Bestimmung des absoluten Gewichtes des Was-
„sers, der Temperatur seiner grössten Dichtigkeit und der Ausdehnung desselben vom
„Herrn Professor Stampfer in Wien“ wiegt ein N. Oe. Kubikfuss Wasser bei seiner
grössten Dichtigkeit 56,377188 N. Oe. Pfund = 56 ℔ 12 Loth 16,8 Gran (Jahrbücher des k. k.
polytechnischen Institutes in Wien, 16. Band, 1830). Auch nach dieser Bestimmung kann
bei unsern Berechnungen 1 N. Oe. Kubikfuss Wasser mit 56,4 N. Oe. Pfund angeschlagen
werden.
Nennen wir nun B die Breite der horizontalen Bodenfläche eines rechtwinkligenFig.
8.
Gefässes, L die Länge desselben, und H die Höhe der Wassersäule über dem Boden
im Gefässe, alle diese Dimensionen im N. Oe. Fussmaass ausgedrückt, so ist der loth-
rechte Druck auf die horizontale Bodenfläche = 56,4 . B. L. H; dieser Druck
ist daher dem Gewichte aller Theile gleich, die sich in dem Gefässe befinden.
Beispiel. Der Boden eines rechtwinkligen Gefässes sey 8 Zoll breit, 16 Zoll
lang, die Höhe des Wasserstandes betrage aber 6 Fuss, so ist der lothrechte Druck
des Wassers auf den Boden 188 ℔.
Betrachten wir nun ein Gefäss mit schiefen Wänden, welches sich nachFig.
9.
oben zu erweitert. Ein jeder Wassertheil a, der an der schiefen Wand liegt, drückt
nach allen Seiten mit einer Kraft, die der Höhe a c entspricht; mit diesem Drucke
wirkt der Theil a nach allen Seiten, also sowohl winkelrecht auf die schiefe Fläche,
als auch parallel zu derselben auf- und abwärts. Derselbe Druck findet in der gan-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 2
[10]Druck des Wassers auf Bodenflächen.
Fig.
9.
Tab.
41.zen Fläche Statt, welche durch den Punkt a horizontal gezogen wird. Es muss daher
auch der Punkt n und alle in der horizontalen Bodenfläche liegenden Punkte von einer
gleichen Höhe n x = H gedrückt werden. Wird also bloss der lothrechte Druck auf
die Bodenfläche gesucht, so drückt auf den Boden des Gefässes bloss der kubische
Inhalt n o t z w x y s des Wassers und dieser Druck ist, die Seitenwände mögen was im-
mer für eine Neigung haben, = 56,4 . F . H, wenn wir die Fläche des Bodens mit F und
die Höhe der Wassersäule mit H bezeichnen.
Fig.
10.Dasselbe gilt auch von dem Gefässe Fig. 10. Hier wird nämlich der Theil b von
der darüber stehenden Wassersäule a b gedrückt, und da b den Druck nach allen Sei-
ten eben so stark fortpflanzt, so wird auch der in derselben horizontalen Ebene lie-
gende Punkt c eben so stark gedrückt. Da c abermal nach allen Seiten gleich stark
und zwar mit der Wassersäule a b drückt, so muss d mit a b + c d und aus gleichem
Grunde auch e mit dieser Säule gedrückt werden. Auf gleiche Art ergibt sich, dass
der Punkt f und auch g nach der senkrechten Richtung herab von der ganzen Höhe
a b + c d + e f = H gedrückt werde. Da nun ein jeder Punkt der Bodenfläche von
derselben Höhe H gedrückt wird, so beträgt der Druck auf die ganze Bodenfläche
56,4 . B. L. H, wie bei einem nach oben erweiterten Gefässe. Es ist daher überhaupt der
lothrechte Druck des Wassers auf eine jede horizontale Bodenflä-
che = der gedrückten Fläche multiplizirt mit der Höhe des Wassers
und mit 56,4oder dem Gewichte eines Kubikfusses Wasser.
Man hat gegen diesen Satz eingewendet, dass der Druck auf den Boden doch
nicht grösser als jenes Gewicht seyn könne, welches man bei dem Aufstellen des Bo-
dens auf die Wagschale findet, und das nur dem Gewichte des eingeschlossenen Was-
sers gleich kommt. Um diesen Einwurf zu prüfen, lässt man ein Gefäss mit beweg-
Fig.
11.lichem Boden verfertigen, befestigt es mittelst der Anfätze a n und o b auf untergeleg-
ten Balken E, F und verbindet den Boden mit einer Wage. Nun wird zuerst das Ge-
wicht des Bodens allein durch das auf die Wagschale gelegte Gewicht g ausgeglichen,
und dann untersucht, welches Gewicht g' zur Ueberwältigung der Reibung des Bo-
dens an den Wänden m n und o p erfordert wird. Hierauf wird Wasser in das Ge-
fäss gegossen, und mit dem Gewichte G auf der Wagschale in das Gleichgewicht ge-
bracht. Da das Wasser, wenn es den Boden herabdrücken soll, nicht bloss das Ge-
wicht in der Wagschale G heben, sondern auch die Reibung g' überwältigen muss;
so folgt, dass G + g' der wirklich statt findende Druck des Wassers auf den beweg-
lichen Boden sey. Dieser ist genau derselbe, wie ihn die Formel 56,4 . F . H gibt. Man
sieht also, dass dem Gewichte des im Gefässe enthaltenen Wassers noch ein Druck zu-
wächst, welcher aus dem Drucke der schiefen Wandflächen A B und C D auf das Was-
ser entsteht.
§. 9.
Aus dem Vorhergehenden folgt:
12.
- 1tens. In communicirenden beiderseits offenen Röhren muss das Wasser zu beiden
Seiten gleich hoch stehen, sie mögen was immer für eine Gestalt haben. Nehmen
wir nämlich den Punkt a an, so wird derselbe einerseits von der Höhe
[11]Communicirende Röhren.
c d + e f + g h + i k, andererseits aber von 1 m + n o + p q gedrückt, und nur wenn
diese Höhen einander gleich (= a b) sind, bleibt der Punkt a in Ruhe. - 2tens. Befindet sich in einem communicirenden Rohre auf der einen Seite eine
leichtere und auf der andern eine schwerere Flüssigkeit, z. B. Wasser und Queck-
silber, von welchem letztern ein Kubikfuss z. B. 13,6 . 56,4 ℔ wiegt, so wirdFig.
13.
Tab.
41.
der Druck auf c von Seite des Quecksilbers 13,6 Mal grösser, als von Seite
des Wassers seyn; es muss daher für den Zustand der Ruhe die Höhe
a o der Wassersäule 13,6 Mal so gross als jene b o der Quecksilbersäule
seyn. - 3tens. Wenn man auf ein mit Wasser gefülltes Gefäss ein Rohr setzt, und es durch-Fig.
14.
aus mit Wasser bei a füllt, so muss der Punkt c im Rohre die darüber stehende
Wassersäule a c tragen, indem derselbe von dieser Säule gedrückt wird. Der
Punkt o wird aber von der ganzen Höhe a c + c o = a o gedrückt, und übt den-
selben Druck nach allen Seiten aus. Demnach wird ein jeder Punkt an der Boden-
fläche mit der Säule a o = H gedrückt und das Produkt 56,4 . F . H gibt uns aber-
mals den ganzen Druck auf die Fläche des Bodens.
Dieser Satz bleibt auch wahr, wenn man das Rohr nicht von oben, sondern von derFig.
15.
Seite anbringt, und weil ein jeder Punkt der Fläche m n von der Säule a o = H gedrückt
wird, so muss auch der gesammte Druck, womit diese Fläche m n = F gehoben wird,
= 56,4 . F . H seyn. Hierauf beruht die Konstrukzion des sogenannten von Wolf angege-
benen anatomischen Hebers. Dieser besteht nämlich aus einem blechernen Gefässe,
worauf eine thierische Haut oder Blase m n gespannt wird. Schüttet man nun Wasser
durch die Röhre a n hinein, so wird die Blase durch den starken Druck des Was-
sers bedeutend ausgedehnt, und man kann die einzelnen Theile ihrer Textur deutlicher
sehen, als es ohne eine solche Ausdehnung möglich wäre.
Dieser Satz scheint abermals auffallend, weil man, wenn der Boden des Gefässes
auf eine Wage gestellt und das Gefäss sammt dem darin befindlichen Wasser abgewogen
wird, nach Abschlag des Gewichtes des Gefässes gerade nur so viel findet, als der Ku-
bikinhalt des Wassers wiegt, wogegen nach der aufgestellten Formel der Druck auf den
Boden weit mehr, nämlich o g . o a beträgt. Dieser Umstand erklärt sich wieder dadurch,Fig.
14.
dass o g . o a der Druck des Wassers herab, und c h . c a = o g . c a der Druck des Wassers
hinauf, demnach o g (o a — c a) der Druck ist, welchen man auf der Wagschale findet,
wenn das ganze Gefäss abgewogen wird. Will man jedoch den Druck des Wassers bloss
auf die Bodenfläche finden, so muss das Gefäss mit einem beweglichen Boden, wie wir
§. 8 angeführt haben, versehen werden, und dann findet man in der That den Druck auf
den Boden eben so gross, als das Gewicht einer Wassersäule, welche die Bodenfläche
zur Basis, die Höhe bis zum obern Wasserspiegel aber zur Höhe hat.
Auf demselben Grundsatz, wie der anatomische Heber, beruht auch die Real’scheFig.
16.
Filtrir- oder Auflösungspresse, deren man sich zum Extrahiren der Pflanzenstoffe
bedient. Diese besteht nämlich aus einem hohlen Zylinder A B C D mit einem siebförmig
durchlöcherten Boden m n, auf welchen der zu extrahirende Körper und hierauf gewöhn-
lich eine zweite durchlöcherte bewegliche Scheibe o p gelegt wird. Der hohle Zylinder
wird nun mit einem fest anschliessenden Deckel A B geschlossen, und sodann die im
2*
[12]Druck des Wassers auf Seitenflächen.
Fig.
16.
Tab.
41.Deckel befindliche mehrere Fuss hohe Röhre r s mit Wasser gefüllt. Durch den bedeu-
tenden Druck, welchen die hohe Säule verursacht, wird der eingelegte Körper vom
Wasser vollkommen extrahirt, und nachdem die Flüssigkeit durch den Hahn E abge-
lassen wurde, bleibt der Körper gewöhnlich ohne Geschmack und ohne Geruch zurück.
§. 10.
Der winkelrechte Druck des Wassers auf die vertikale Seiten-
fläche A B C D eines Gefässes ergibt sich auf folgende Art: Da die Fläche
Fig.
17.A B C D senkrecht steht, so liegen zwar keine Theile auf derselben, allein die anlie-
genden Theile üben einen Seitendruck aus, welcher wegen ihrer Beweglichkeit eben so
gross ist, als der Druck, welchen sie senkrecht herab von den auf ihnen liegenden
Theilen erfahren. Betrachten wir daher zuerst die Linie A B, so wird der Punkt A
als an der Oberfläche befindlich von keiner Höhe, der Punkt B von der ganzen Höhe
A B und E von der Höhe A E gedrückt. Um den gesammten Druck auf die Linie A B
zu finden, trage man dieselbe seitwärts auf, errichte in B die Linie B N = A B, ver-
binde N mit A, so wird offenbar der Flächeninhalt des Dreieckes A B N dem ganzen
Drucke des Wassers auf die Linie A B gleich seyn, und dieser ist . Den-
selben Druck erfährt aber jede andere Linie der Seitenfläche A B C D, man findet da-
her den ganzen Druck auf die senkrechte Seitenfläche, indem man mit B und 56,4
multiplizirt, oder derselbe ist . Da die Fläche der Seitenwand F = H . B, so
ist der Druck auf dieselbe d. h. man erhält den Druck auf eine
senkrechte rechtwinklige Seitenwand, indem man die Fläche F
derselben mit der mittlern Höhe und mit 56,4multiplizirt.
Beispiel. Dieser Fall kommt bei dem Drucke des Wassers auf senkrecht ste-
hende Mühlenschützen vor. Beträgt die Breite der Schütze B = 5 Fuss und die Höhe
des Wasserstandes vor derselben = 3 Fuss Zoll, so ist der Druck des Wassers, welchen
diese Schütze aushalten muss = 5 . 3,5 · · 56,4 = 1727,25 ℔.
§. 11.
Auf gleiche Weise wird der Druck des Wassers auf eine vertikale Sei-
tenwand gefunden, die eine andere z. B. eine krummlinige Figur bildet. Zertheilen
Fig.
18.wir nämlich die Fläche derselben in mehrere Trapeze, so wird der oberste Punkt des
ersten Trapezes von der Höhe U A und der unterste Punkt von U A + A a gedrückt; dem-
nach ist die mittlere Druckhöhe und der Druck auf dieses Trapez
= f . U C . 56,4, wo unter f seine Fläche verstanden wird. Auf gleiche Art ist der Druck
auf das zweite Trapez = f' . U C . 56,4 ......, demnach ist der Druck auf die ganze Fläche
= F . U C . 56,4. Es sey die Figur ein Kreis, der Halbmesser desselben = R, und die Höhe
[13]Druck des Wassers auf Seitenflächen.
des Wassers über dem Mittelpunkte der Oeffnung = H, so ist der Druck auf die ganze
Oeffnung = . R2 . H . 56,4.
Beispiel. In einem Fasse stehe das Wasser 10 Fuss hoch über der Mitte einer
4 zölligen Oeffnung, so ist der Druck auf dieselbe = 10 . 56,4 = 49,24 ℔. Wenn
man daher die Oeffnung mit einem Zapfen schliesst, so muss derselbe so fest stecken, um
durch einen Druck von 49¼ ℔ nicht herausgetrieben zu werden.
Da dieser Satz bei jeder Seitenfläche von was immer für einer Gestalt Statt findet, so
folgt, dass man den Seitendruck des Wassers auf eine senkrechte Wand berechnet, wenn
man die Fläche der Seitenwand mit der Wasserhöhe oberhalb des Schwerpunktes derselben
und mit dem Gewichte von 1 Kubikfuss Wasser multiplizirt.
§. 12.
Soll man den winkelrechten Druck des Wassers auf einen TheilFig.
19.
Tab.
41.
A B C D einer vertikalen Fläche C D F E berechnen, so ziehe man von dem
Drucke C D . E C 56,4, welcher auf die ganze Fläche C D F E Statt findet, den Druck
auf A B F E oder A B . A E 56,4 ab, und man erhält C D 56,4 — A B 56,4.
Da aber bei einer viereckigen Oeffnung C D = A B, so ist dieser Druck
= (E C2 — A E2) = C D . 56,4 (EC — AE) = 56,4 . CD . E G . A C =
= F . E G . 56,4, d. h. man erhält abermals den Druck, indem man die Fläche der Oeffnung mit
der mittleren Höhe des Wasserstandes und mit 56,4 multiplizirt.
Beispiel. Wird die im §. 10 angeführte Schütze nur 2 Fuss hoch aufgezogen,
so ist der Druck des Wassers gegen die Oeffnung, oder die Kraft, mit der das Was-
ser herausströmt = der Fläche der Oeffnung 5 . 2 multiplizirt mit der Höhe bis zur Mitte
der Oeffnung, nämlich 2 Fuss 6 Zoll und mit 56,4, also = 5 . 2 . 2,5 . 56,4 = 1410 ℔.
§. 13.
Der winkelrechte Druck des Wassers auf eine schief stehende
Seitenwand wird auf folgende Weise gefunden.
Man zertheilt wie §. 11 die ganze Seitenfläche in schmale Streifen A B, .....Fig.
20.
und berechnet zuerst den Druck auf einen solchen Streifen A B, dessen Breite wir = b setzen;
dieser Druck ist offenbar für den untersten Punkt der Wassersäule E B gleich, und wenn
E B auf A B winkelrecht aufgetragen und E mit A verbunden wird, so ist der Druck auf
A B im Gefässe eben so gross, als der Kubikinhalt des verzeichneten Körpers E B A; es
ist nämlich für jeden andern auf gleicher Entfernung A O = A M liegenden Punkt die
drückende Höhe O P = N M. Demnach ist der Druck auf den Streifen
A B und da dieser Druck auf einen jeden andern Streifen der Fläche A B C D eben so
gross ist, so beträgt der Druck auf die ganze Fläche . Es ist aber
[14]Druck des Wassers auf Seitenflächen.
Fig.
20.
Tab.
41.A B . B C die Fläche der Seitenwand und die halbe Höhe über dem untersten
Punkt oder die mittlere Höhe, folglich ist der vertikale Druck auf die ganze Seitenfläche
= 56,4.
§. 14.
Der Druck des Wassers auf eine Oeffnung B C E F in einer schiefen
Fig.
21.Seitenwand A D B C ergibt sich nunmehr leicht. Nach dem Vorhergehenden beträgt
nämlich der Druck auf die ganze Seitenwand und der Druck auf
A D F E ist = ; folglich ist der Druck auf die Oeffnung
B E F C = — = (A B . B G — A E . E K).
Da nun A E : E K = A B : B G und E K = , so ist der Druck
= =
= 56,4 · (A B — A E). Nun ist
= A E + E M = A M, wenn M die Mitte von B E ist, folglich der Druck
= . Da endlich A B : B G = A M : M N oder M N = , so
ist der Druck = 56,4 . B C . M N . E B wie §. 12. Man findet daher den winkel-
rechten Druck des Wassers auf eine jede sowohl gerade als schiefe
Fläche, oder auch auf einen Theil derselben, indem man die gedrückte
Fläche mit der Höhe des Wassers oberhalb des Schwerpunktes der
Fläche und mit 56,4multiplizirt.
§. 15.
Aus diesen Rechnungen ersieht man, dass der winkelrechte Druck des Wassers auf
eine Seitenfläche jedesmal grösser sey, als das Gewicht des über dieser Fläche stehenden
Wassers. Die Ursache hievon liegt in der Beweglichkeit der Wasser-Theile
Fig.
22.und in dem gleichen Drucke derselben nach allen Seiten. Dem zufolge
wird der Punkt b einer vertikalen Seitenwand, obgleich kein Wasser über dieser Wand
steht, doch mit der Höhe a b gedrückt; denn der zunächst an den Punkt b der Wand
anliegende Wassertheil wird von der Höhe a b gedrückt, und drückt eben so stark nach
allen Seiten, also auch senkrecht gegen die Seitenwand. Es ist daher eben so, als
wenn der Punkt b derselben von b c und die ganze Fläche a d von dem Gewichte des
Fig.
23.Wasserprisma a e d gedrückt würde. Aus gleichem Grunde wird Fig. 23 die schiefe
Seitenwand m n von dem Gewichte des Wasserprisma m n o gedrückt, wobei n p = o n
ist. Dieser Druck ist daher viel grösser, als das Gewicht des über der Wand m n
stehenden Wasserkörpers m n p.
Beispiel. Nehmen wir ein rechtwinkliges Gefäss an, wovon jede Seite einen
Fuss misst, so ist für den Fall, als dasselbe ganz mit Wasser gefüllt ist, der Druck auf
die horizontale Bodenfläche = 1 . 1 . 1 . 56,4 = 56,4 ℔ und der Druck desselben Wassers
[15]Druck des Wassers auf Seitenflächen.
auf jede Seitenwand = 1 . 1 . ½ . 56,4 = 28,2 ℔, demnach auf alle vier Seitenwände = 4 . 28,2
= 112,8 ℔. Der Druck auf die Bodenfläche und die 4 Seitenwände beträgt daher 169,2 ℔,
während das Gewicht des im Gefässe enthaltenen Wassers nur 56,4 ℔ oder der dritte
Theil jenes Gesammtdruckes ist.
§. 16.
Nach dem Vorhergehenden ist der Druck des Wassers auf eine jede Seitenwand oder
D = Dieser Druck geschieht offenbar winkelrecht auf die schiefe FlächeFig.
24.
Tab.
41.
der Seitenwand und kann in D', womit die Wand vom Wasser horizontal herausgedrückt,
und in D'' womit selbe senkrecht herabgedrückt wird, zerlegt werden. Da nun D : D' = L : H,
so ist D' = = 56,4 . B . H . , oder der horizontale Druck des Wassers
auf eine schiefe Seitenwand ist eben so gross, als der Druck auf
die senkrechte Wand von gleicher Höhe. Es hat daher die Neigung derFig.
25.
schiefen Fläche auf den horizontalen Druck keinen Einfluss, indem derselbe auf die Flächen
a e, b e, c e ...... gleich ist. Dasselbe findet aber auch bei der krummen Seitenwand
d f e Statt, indem man sie aus sehr vielen geraden Linien zusammengesetzt denken kann.
Die Figur eines Gefässes hat daher auf den horizontalen Druck des Wassers keinen Ein-
fluss und es können auch die Wände eines Gefässes von dem darin enthaltenen Wasser in
keinem Falle von einer Seite mit einer grösseren Kraft als von der andern verschoben
werden. Aus gleicher Ursache folgt auch, dass jeder in das Wasser eingetauchte Körper
von demselben nach keiner Seite bewegt werden könne.
Der senkrechte oder lothrechte Druck D'' des Wassers auf die Seitenwand ergibt sichFig.
24.
aus der Proportion D'' : D = A C : L oder D'' = = 56,4 . Nun ist
der Flächeninhalt des Dreieckes A C O und der kubische Inhalt des darüber
senkrecht stehenden Wassers; es folgt daher, dass der senkrechte Druck des
Wassers auf eine jede Seitenwand dem Gewichte des darüberstehen-
den Wassers gleich sey.
Dass die Grösse des Druckes nicht von der Menge der Flüssigkeit in dem Gefässe
abhängt, versteht sich von selbst; der Druck auf eine Schütze ist daher derselbe, sie mag
an einem kleinen Wasserbehälter oder an den Ufern eines grossen Teiches angebracht
seyn, vorausgesetzt, dass das Wasser in beiden Fällen sich ruhig befindet, und ein Kubik-
fuss dasselbe Gewicht hat. Da der Druck des Wassers nur von der gedrückten Fläche
und von der Druckhöhe abhängt, so kann derselbe in vielen Fällen sehr gefährlich werden.
Diess findet z. B. bei einer Schleusse statt, wenn das Oberwasser durch eine in der Spund-
wand vorhandene Oeffnung mit dem Raume unter dem Schleussenboden in Verbindung
steht und denselben anfüllt. Bleibt hier die Verbindung des Wassers durch eine noch so
kleine Oeffnung hergestellt, so kann der Druck desselben ausserordentlich gross
werden. Es sey zum Beispiele der Unterschied der Wasserspiegel oder die Druckhöhe
= 8 Fuss, und der Boden 9 Fuss breit und 60 Fuss lang, so ist die Kraft, womit die Boden-
fläche gehoben wird = 8 . 9 . 60 . 56,4 = 243648 ℔, oder 2436½ Ztner. Nehmen wir auf gleiche
[16]Stärke der Schützen.
Weise an, das Wasser steige durch Quellen hinter eine 9 Fuss hohe und 100 Klafter lange
Terrasenmauer nur 6 Fuss hoch, so ist der hieraus entstehende Druck = 600 . 6 . 3 . 56,4
= 609120 ℔ = 6091,2 Zentner, welchen nun die Stabilität der Mauer auszuhalten hat.
Hieraus ergibt sich, wie sorgfältig man durch Spundwände, Feststampfen der Erde und
andere Mittel den Zutritt des Wassers unter Böden, hinter Mauern ..... verhindern und
sich gegen den aufwärtigen Druck sichern müsse.
§. 17.
Die vorhergehenden Berechnungen dienen dazu die Stärke der Schützen in
einem jeden gegebenen Falle zu bestimmen, damit sie dem Drucke des Wassers ge-
hörig widerstehen können. Soll nämlich der Ablaufkanal eines Teiches oder das Flu-
der einer Mühle durch eine Schütze geschlossen werden, und ist die Höhe des Was-
sers über der Mitte der Oeffnung und die Fläche der Oeffnung gegeben, so muss die
Schütze immer so berechnet und angelegt werden, dass sie den Druck dieses Wassers
auszuhalten im Stande ist.
26.
Tab.
41.
Es sey Fig. 26 die perspektivische Ansicht der Schütze, die Breite derselben von ei-
nem Schützenbaum zum andern oder die Länge, auf welcher die Pfosten frei auflie-
gen, A B = L, ihre Länge der Schützenöffnung nach, oder ihre Tiefe = T, die Stärke
der Schütze oder Höhe der Pfosten = x und die Höhe des Wassers über der Mitte
der Oeffnung = H, so ist 56,4 . L . T . H der Druck des Wassers oder die Last, welche
die Fläche der Schütze zu erhalten hat. Diese Last ist auf der ganzen Fläche der
Schütze gleichförmig vertheilt. Es ist daher (nach §. 333 Band I.) in Hinsicht auf die
Biegung der Schützenpfosten derselbe Fall, als wenn bloss ⅝ dieser Last in der Mitte
derselben angebracht sind. Nehmen wir an, dass bei diesen Pfosten eine Biegung von
1 : 288 Statt finden darf, und dass selbe von Eichenholz hergestellt werden, so haben
wir nach §. 325 I. B. die Gleichung ⅝ . 56,4 . L . T . H = 17607 . 144 worin mit 144 multi-
plizirt wurde, weil der Koëfizient 17607 für T, x, L in Zollen berechnet wurde, wäh-
rend diese Werthe hier in Fussen substituirt werden. Hieraus folgt x = 0,024 . L . H
oder in Zollen x = 0,238 L . H, wo L und H in Fussen zu setzen sind; es kommt daher
vorzüglich auf die Länge der Pfosten, wie weit dieselben frei aufliegen, und dann auf
die Höhe des Wasserstandes über der Schütze an.
Beispiel. Bei sehr grossen Bergwerksteichen, deren z. B. mehrere in Ungarn
zur Betreibung von Pochwerken, Schlemmwerken u. s. w. angelegt sind, beträgt die
Höhe des Wasserstandes H = 60 Fuss. Nehmen wir die Weite des Ablaufkanales im
Lichten L = 3 Fuss an, so ist die nothwendige Stärke der eichenen Pfosten der Schütze
x = 0,288 . 3 60 = 3,4 Zoll.
§. 18.
Auf gleiche Weise lässt sich auch die Kraft berechnen, welche zum Aufzuge
dieser Schütze erfordert wird. Das Aufziehen der gewöhnlichen Schützen ge-
schieht durch Anwendung eines einfachen Hebebaumes. Bei sehr hohen Wasserständen
wird aber die hölzerne Schütze mit einer starken oben gezähnten eisernen Stange ver-
bunden, in welche ein Getrieb eingreift, welches durch ein Spillen- oder Tretrad oder
[17]Erforderliche Kraft zum Aufzuge der Schützen.
auch durch einen blossen Hebel bewegt wird. Es sey der Halbmesser dieses RadesFig.
27.
Tab.
41.
= d, der Halbmesser des Getriebes = c, und die Kraft am Ende des Hebels oder
am Umfange des Spillenrades = n . K. Der Reibungskoëffizient kann für die Bewegung
der Schütze auf den unterliegenden Balken wenigstens mit 0,5 angenommen werden, da hier
keine Abglättung möglich ist. Nehmen wir nun in dem Beispiele des vorigen §. die
mittlere Höhe des Wassers über der Schütze = 60 Fuss, die Breite derselben im Lichten
= 3 Fuss und die Höhe oder Tiefe der Schütze = 4 Fuss an, so ist der Druck des Was-
sers auf die ganze Fläche der Schütze = 60 . 3 . 4 . 56,4 = 40608 ℔ und man hat für das Auf-
ziehen derselben die Gleichung zwischen Kraft und Last ½ . 40608 . c = n . K . d. Weil man
aber die Kraft der Menschen, welche hier nur eine kurze Zeit wirken, mit 100 ℔ anschla-
gen kann, so ist ½ . 40608 . c = n . 100 . d oder 203,04 . c = n . d.
Da die Getriebe von Eisen sind, so wird die Stärke eines Triebstockes gewöhn-
lich mit 1 Zoll, und der Abstand für den Zahn sammt Spielraum = 5/4 Zoll angenom-
men; ist daher das Getriebe ein Sechser, so hat man c = 9/4 Zoll = 3/16 Fuss. Hat ferner das
Spillenrad oder der Hebel einen Halbmesser von 9 Fuss, so ist 203,04 . 3/16 = n . 9, woraus die An-
zahl der erforderlichen Arbeiter n = 4,2 folgt. Man muss demnach entweder 4 stärkere oder
5 schwächere Menschen zu diesem Aufzuge anstellen. Wäre der Halbmesser von 9 Fuss für das
Spillenrad zu gross, und man wollte nicht mehr Menschen anstellen, so müsste der Auf-
zug mit einem Vorgelege eingerichtet werden. Man könnte auch zu gleichem Behufe
den Mechanismus nach Art eines englischen Hebers einrichten, wobei die Zugstange der
Schütze eben so aufgeschraubt wird, als es bei dem Heben der Lasten der Fall ist.
§. 19.
Nach den bisherigen Grundsätzen können wir nun auch die Stärke der Was-
serröhren in jedem gegebenen Falle bestimmen. Die Röhren, in welchen das Was-
ser geleitet wird, sind offenbar Seitenflächen, welche das Wasser verschliessen und daher
von demselben einen Druck zu erleiden haben. Es entsteht nun die für die Ausübung
wichtige Frage, wie dick oder stark die Röhren seyn müssen, damit sie diesem Drucke
hinlänglichen Widerstand leisten, und nicht bersten.
Betrachten wir Fig. 1. das Querprofil einer Wasserleitungsröhre, so ist offenbar,Fig.
1.
Tab.
42.
dass das Wasser auf alle Punkte ihrer Peripherie senkrecht drücke. Wird die Summe
dieser Drücke zu gross, so zerspringt die Röhre, wobei der Theil ober der Linie α β von
jenem unter dieser Linie abgerissen wird; wir müssen demnach vorerst den Druck des
Wassers auf die Röhre bestimmen und sodann derselben eine solche Stärke geben, dass
sie diesem Drucke zu widerstehen im Stande sey. Wir wollen zu diesem Behufe die Peri-Fig.
2.
pherie der Röhre in mehrere kleine Theile m n, n t, t r ..... zerlegen und den winkelrechten
Druck auf einen solchen Theil durch D E vorstellen. Dieser Druck wird erhalten, wenn
man die Breite m n mit der Länge m b = l des Röhrenstückes, dann mit der Höhe des Was-
serstandes H über dem Schwerpunkte dieser kleinen Fläche und mit 56,4 multiplizirt, oderFig.
3.
es ist D E = m n . l . H . 56,4, wie man am deutlichsten in Fig. 3. sieht.
Da wir annehmen, dass die Röhre in der Linie α β zerreisst, so kann man den DruckFig.
2.
D E in einen horizontalen D F und in einen senkrechten D G auflösen. Es geht demnach die
horizontale Kraft D F verloren, und es bleibt bloss D G oder der senkrechte Druck des Was-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 3
[18]Stärke der Wasserröhren.
Fig.
2.
Tab.
42.sers auf das Element m n übrig. Um diesen zu berechnen, lasse man aus den Punkten
m und n die Senkrechten m p und n q auf den Durchmesser herab, und ziehe m o horizon-
tal, so sind die Dreiecke m n o und G D E einander ähnlich, demnach G D : E D = m o : m n
und wenn der Werth für den winkelrechten Druck substituirt wird,
G D : m n . l . H . 56,4 = m o : m n, woraus, da m o = p q ist, G D = 1 . H . 56,4 . p q folgt, wel-
ches die Kraft ist, womit das Element m n senkrecht zur Linie α β in die Höhe gehoben wird.
Sucht man auf dieselbe Art für das nächste Element n t ebenfalls den senkrechten
Druck auf die Linie α β, so ist derselbe = q s . l . H . 56,4 und für das 3te Element t r ist die-
ser Druck = s u . l . H . 56,4, u. s. w. Addirt man diese Drücke zusammen, so ist ihre Summe
= (p q + q s + s u ....) l . H . 56,4. Wird der senkrechte Druck auf alle Elemente im hal-
ben Kreise gesucht, so übergeht p q + q s + s u .... in den Durchmesser D der Röhre im
Lichten, und wir erhalten den ganzen Druck auf die halbe Röhre = D . l . H . 56,4.
Soll die Röhre nicht zerreissen, so muss die absolute Festigkeit derselben diesen Druck
aushalten. Es sey daher die Stärke der Röhre = X, so ist die auf beiden Seiten zu zer-
reissende Fläche derselben = 2 X . l. Hat man durch irgend einen Versuch für denselben
Körper, woraus die Röhre verfertigt wurde, gefunden, dass die Fläche f durch das Ge-
wicht P zerrissen wird und nimmt man an, dass bei unserer Röhre die Fläche 2 X . l wirk-
lich von dem Drucke des Wassers D . l . H . 56,4 zerrissen wird, so gibt diess die Propor-
tion f : P = 2 X . l : D . l . H . 56,4. Diese Proportion findet aber nicht nur für den Fall des
Zerreissens Statt, sondern sie gilt auch wenn die Röhren dem Drucke noch hinlänglichen
Widerstand leisten, nur muss sodann der Versuch auch für den Fall bestimmt werden, wo
die Fläche f das Gewicht P noch hinlänglich aushielt oder trug. Hieraus folgt nun die
nöthige Stärke der Röhre X = D . H . 56,4. Für eine andere Röhre von demselben Ma-
terial aber ungleichem Durchmesser d und Druckhöhe h ist x = d . h . 56,4 demnach
X : x = D . H : d . h, oder die Stärken gleichartiger Röhren verhalten sich
wie die Produkte ihrer Durchmesser (im Lichten gemessen) in die
Druckhöhen des Wassers.
§. 20.
Um die Stärke der Röhren in einem gegebenen Falle bestimmen zu können, muss
man erst durch Versuche die Grössen f, P oder x, d, h für eine jede Materie bestimmen.
Nach dem Versuche von Musschenbroeck (§. 278. I. Band,) mit Bleidraht wird ein
N. Oe. Quadratzoll von 3326 N. Oe. Pfund zerrissen, wir haben daher durch Substitution
in der, im vorigen §. gefundenen Proportion 3326 ℔ = 2 x' . l' : D' . l' . H' . 56,4 ℔ und
Bei dieser Stärke würde eine bleierne Röhre zerreissen; es muss daher die Stärke ent-
weder weit grösser gemacht werden, oder man muss dieselbe nach Versuchen mit Röh-
ren bestimmen, die einen bestimmten Druck des Wassers aushielten. Ueber bleierne
Röhren hat der Civilingenieur Jardine zu Edinburgh mehrere genaue Versuche ange-
stellt, welche in Dingler’s polytechnischem Journale, Band XIX., 1826, Heft I. Seite 79
[19]Stärke bleierner Röhren.
enthalten sind. Bei dem ersten Versuche hatte die Röhre 1½ Zoll im Durchmesser und
⅕ Zoll Dicke; das Metall war bedeutend weich und biegsam. Die Röhre trug eine Was-
sersäule von 1000 Fuss Höhe ohne alle Veränderung, bei 1200 Fuss Höhe fing sie an zu
schwellen, und barst bei 1400 Fuss Druckhöhe. Als man die Röhre nach dem Versuche
mass, fand man sie in ihrem Durchmesser von 1½ Zoll auf 1¾ Zoll erweitert. Bei einem
zweiten Versuche hielt die Röhre 2 Zoll im Durchmesser und hatte ⅕ Zoll Metalldicke;
sie ertrug den Druck einer Wassersäule von 800 Fuss Höhe, ohne dabei zu schwellen;
barst aber bei einem Drucke von 1000 Fuss Höhe. Alle diese Angaben sind im englischen
Maasse, wobei 1 engl. Fuss = 0,9642 N. Oe. Fuss.
Nehmen wir den Fall des Berstens bei der ersten Röhre an, so ist 12,
woraus m = 844. Bei der zweiten Röhre ist 12, woraus m = 804
Diese zwei Versuche geben daher für das Zerspringen der Röhren X''' = und
X''' = , wogegen die Stärke aus den oben angeführten Musschenbroeck’schen Ver-
suchen mit Bleidraht bloss X''' = folgte. Wenn wir jedoch bemerken, dass in
dem Drahte nur das zäheste Blei enthalten sey, wogegen vom Hrn. Jardine nur gegos-
sene Röhren versucht wurden, so sehen wir, dass diese Erfahrungen wohl beiläufig überein-
stimmen. Da unsere Röhren bei dem vorhandenen Drucke nicht bersten, sondern densel-
ben gehörig aushalten müssen, so muss man die gefundene Stärke wenigstens dreifach nach
der Meinung des Hrn. Jardine, oder besser vierfach annehmen; wir erhalten daher zur
Bestimmung der Stärke bleierner Röhren die Gleichung X''' = d. i. man findet die
Stärke in Linien, wenn man den Durchmesser (im Lichten) der Röhre in Zollen mit der
Druckhöhe in Fussen multiplizirt und das Produkt mit 200 dividirt.
Eine Reihe hieher gehöriger Erfahrungen finden wir in dem Werke: „Essai sur les
„moyens de conduire, d’élever et de distribuer les eaux, par M. Genieys, ingénieur
„au corps royal des ponts et chaussées, Paris 1829, Seite 177“. Der Verfasser dieses
Werkes bemerkt, dass man bei der Bestimmung der Stärke der Röhren nicht bloss auf
den hydrostatischen Druck, welchen dieselben auszuhalten haben, sondern auch auf den
Umstand Rücksicht nehmen muss, dass das Wasser in jeder Röhrenleitung mit einer
bestimmten Geschwindigkeit fliesse, demnach bei schneller Schliessung eines Hahnes,
wodurch seine Bewegung augenblicklich unterbrochen wird, einen bedeutenden Stoss auf
die Wände der Röhre (auf ähnliche Art, wie bei einem hydraulischen Widder, dessen
Einrichtung wir später kennen lernen werden) ausübe; da überdiess bleierne Röhren, wenn
sie in salpetrige Erde kommen, angegriffen werden, so müsse man zu der aus der Formel
gefundenen Stärke immer noch 0,0045mèt. = 2 pariser Linien addiren. Herr Genieys gibt
demnach mit Rücksicht auf die bei den Wasserleitungen in Paris und Versailles vorhan-
denen Erfahrungen die Formel e = 0,005 n . d + 0,0045 zur Bestimmung bleierner Röhren
an, worinn die Stärke derselben e und der Durchmesser im Lichten d in mètern zu neh-
men sind, n aber der Anzahl Atmosphären, eine jede zu 10 mètern gerechnet, als der
drückenden Säule gleichkommt. Nun ist 1 mèter = 3,1635 N. Oe. Fuss, demnach die An-
3*
[20]Stärke bleierner Röhren.
zahl Atmosphären n = , wo h' die Druckhöhe in Fussen vorstellt. Wird
die obige Formel weiter so reduzirt, dass die Stärke e in N. Oe. Linien und der Durch-
messer d in N. Oe. Zollen zu setzen kommt, so erhalten wir:
, wo 2,05‴ die additionelleStärke
ist. Da aber HerrGenieys für den Gebrauch dieser Formel fordert, dass die Druckhöhe statt 15
bis 20 mèt., welche bei den Wasserleitungen in Paris Statt findet, mit 100 substituirt, und die
Röhren auf diese Druckhöhe probirt werden, so müssen wir auch, um in der Formel die wirk-
lich vorhandenen Druckhöhen substituiren zu können, vorerst den Nenner oder die Zahl 527
mit dividiren, und wir erhalten e''' = . Das erste Glied dieser For-
mel stimmt mit den, über diesen Gegenstand von Mariotte gemachten Versuchen sehr
nahe überein. Man findet daher die nothwendige Stärke einer bleiernen Röhre in Linien,
wenn man den Durchmesser derselben in Zollen mit der Druckhöhe in Fussen multiplizirt,
das Produkt mit 92 dividirt, und zu dem erhaltenen Quotienten noch die Zahl 2,05 addirt.
Da diese Formel auf sehr vielen Erfahrungen, welche man bei den Wasserleitungen in
Paris und Versailles gemacht hat, beruht; so kann dieselbe wohl mit Verlässlichkeit in
der Ausübung gebraucht werden. Zur besseren Uebersicht dieses Gegenstandes haben
wir in der nachstehenden Tabelle die ausfallenden Stärken für verschiedene Durchmesser
und Druckhöhen zusammengestellt.
Mit Hülfe dieser Tabelle wird man nun im Stande seyn, die nothwendige Stärke und
demnach auch das Gewicht der Röhren in einem jeden gegebenen Falle zu bestimmen.
Es ist übrigens bekannt, dass bleierne Röhren in Sanitätshinsicht den gusseisernen nach-
stehen und auch im Anschaffungspreise theurer zu stehen kommen.
[21]Stärke gusseiserner Röhren.
§. 21.
Hinsichtlich der Bestimmung der Stärke gusseiserner Röhren haben wir bereits
im I. Bande, §. 254 angeführt, dass eine Fläche von 1 N. Oe. Quadratzoll Gusseisen bei-
läufig von 160 N. Oe. Zentner zerrissen wird. Substituiren wir diese Werthe in die §. 19
abgeleitete Proportion, so ergibt sich X''' = . Bei dieser Stärke
würden jedoch die Gusseisenröhren zerreissen; wir müssen sie daher wieder bedeutend
stärker machen. Diess ist hier um so nothwendiger, als das Gusseisen bei der gewöhn-
lichen einmaligen Schmelzung nicht immer hinlänglich rein ausfällt; sodann werden die
Röhren in Sand geformt und erhalten bei wiederholtem Gebrauche derselben Formtruhen
wegen Versetzung des Kernes nicht immer die gleiche Dicke; sind endlich gusseiserne
Röhren sehr schwach, z. B. nur ¼ Zoll dick, so lassen sie häufig sogar das Wasser durch-
sintern. Aus diesen Gründen kann man die Stärke gusseiserner Röhren beiläufig acht-
mal grösser, als sie die obige Formel gibt, annehmen; wir erhalten daher X''' = ,
wobei aber zu bemerken, dass ihre Stärke wegen den angeführten Mängeln des Gusses
immer wenigstens mit 4 Linien angenommen werden muss, im Falle sie auch durch die
Formel geringer ausfällt.
Herr Genieys hat in dem genannten Werke Seite 178 abermals die bei den Pariser
Wasserleitungen nach der Erfahrung gefundenen Stärken angeführt, und hieraus die
Formel e = 0,0007 n . d + 0,01 abgeleitet, wo abermals 0,01mèt. = 4,56 N. Oe. Linien die
additionelle oder auch die kleinste Stärke gusseiserner Röhren ist. Wird hier die Redukzion
wie bei den bleiernen Röhren gemacht, so erhalten wir e''' = + 4,56; weil aber
diese Formel wieder nur für die Pariser Wasserröhren gilt, die vor ihrem Gebrauche auf
einen Druck von 180 mèt. Wassersäule geprüft werden, während sie in der That nur einen
Druck von 15 bis 20 mèt. auszuhalten haben, so muss der Nenner eben so wie oben mit
dividirt werden, diess gibt sonach den Ausdruck für die Stärke gusseiserner Röhren
e''' = + 4,56. Hiernach ist abermals folgende Tabelle berechnet worden:
Nach dieser Tabelle können nun die Stärken und die Gewichte gusseiserner Wasser-
röhren in jedem Falle ausgemittelt werden. Vor dem Gebrauche sollte jedoch eine jede
Röhre auf den sechs- bis achtfachen Druck geprüft werden, um sich zu über-
zeugen, ob keine Fehler im Gusse vorhanden sind.
Bei den gusseisernen Wasserleitungsröhren in Prag ist die Druckhöhe 16 bis 18
N. Oe. Klafter, (im Mittel 102 Fuss), der Durchmesser der Röhren beträgt zunächst den
Wasserthürmen 4 Zoll und weiter entfernt 3 Zoll, die Dicke der Röhren aber 5 Linien,
welches mit der obigen Tabelle vollkommen übereinstimmt.
§. 22.
Röhren von Blech oder gewalztem Eisen werden bei Wasserleitungen we-
gen der Schwierigkeit ihrer Zusammensetzung nicht angewandt; dagegen werden sie bei
Recipienten und Dampfkesseln gebraucht. Für diese Röhren stellt Herr Genieys die
Gleichung e = 0,0005 n . d + 0,003 auf, woraus nach gehöriger Redukzion
e''' = folgt.
Auch über steinerne Röhren führt Herr Genieys Versuche an, und leitet hieraus die
Gleichung e''' = 0,05 n . d für natürliche Steine her, woraus e''' = folgt. Auf gleiche
Art bestimmt er die Stärke der Röhren von künstlichen Steinmassen oder Ce-
menten, nämlich einer Mischung aus Quarzsand und hydraulischem Mörtel (der im
Wasser bindet) aus der Gleichung e = 0,10 n . d, woraus e''' = folgt. In unsern Gegen-
den werden auch Röhren von Steingut verfertigt und bei geringen Druckhöhen ange-
wendet; man rühmt von denselben vorzüglich die Reinheit und den frischen Zustand
des Wassers. Ihre Stärke dürfte ohne Anstand nach der letzten Gleichung zu berech-
nen seyn.
Hölzerne Röhren faulen bald in der Erde, und können wegen dem geringen Zu-
sammenhange der Jahresringe unter einander nur bei kleineren Druckhöhen angewendet
werden. Die Wasserleitungsröhren in London und Paris waren vormals durchaus von
Holz, als man jedoch später Dampfmaschinen zur Bewegung des Wassers in diesen Was-
serleitungen aufstellte, zersprengte der grössere Druck die Röhren und man war ge-
nöthigt, sie durchaus mit gusseisernen zu vertauschen. Bloss diese sind dermalen in
London und Paris im Gebrauche. Herr Genieys nimmt die kleinste Stärke, welche
man hölzernen Röhren geben kann mit 0,027mèt. an, und leitet mit Zuhülfnahme der
Erfahrung hieraus die Gleichung e = 0,833 n . d + 0,027 her. Die gehörige Redukzion gibt
abermals e''' = + 12,30‴.
Herr K. C. v. Langsdorf führt in seinem ausführlichen Systeme der Maschinenkunde
Heidelberg und Leipzig 1826, I. Band §. 214 folgende Erfahrung für Röhren von Fichten-
und Förlenholze an. Bei einer Druckhöhe von 40 Fuss und dem Durchmesser von 6 Zoll
war die Stärke 60 Linien und diese Röhren mussten von 8 zu 8 Fuss Entfernung mit eiser-
nen Reifen von beiläufig 3 Zoll Breite und ½ Zoll Dicke beschlagen werden. Demnach
[23]Gewicht eiserner Röhren.
ist X''' : 60‴ = D'' . H' : 6″ . 40′, woraus X''' = folgt. Herr von Langsdorf bemerkt
jedoch, dass diese Röhren gewiss eine bei weitem grössere Festigkeit als nöthig war,
hatten. Wo es übrigens darauf ankommt, diese Röhren einem grössern Drucke auszu-
setzen, müssen sie vorerst geprüft werden *).
§. 23.
Ist die Stärke metallener Röhren aus den angeführten Rechnungen bekannt, so
lässt sich leicht das Gewicht derselben berechnen, und hiernach der Voranschlag für
den Materialbedarf verfertigen. Die gewöhnlichste Konstruktion gusseiserner Röh-
ren ist Fig. 31 verzeichnet; dieselbe besteht nämlich aus einem Röhrenstücke von 4 bisFig.
4.
Tab.
42.
6 Fuss Länge und einem angegossenen sogenannten Stutzel von grösserem Durchmesser,
in welchen das nächste Röhrenstück eingeschoben, und durch Hanf mit heissem Pech
übergossen und in den übrigen Zwischenraum eingedrückt, verkeilt und wasserdicht ver-
bunden wird. Nennen wir den Durchmesser der Röhre im Lichten = d, ihre Stärke
= x und Länge = l, so wird das Gewicht der Röhre offenbar erhalten, wenn man von
der äusseren Kreisfläche 11/14 (d + 2 x)2 die innere Kreisfläche 11/14 . d2 abzieht, und diess
mit der Länge l und dem Gewichte eines Kubikzolles Eisen, wofür man gewöhnlich
¼ N. Oe. Pfund annimmt, multiplizirt; demnach ist das Gewicht der Röhre
= , wo sowohl x als d in Zollen zu substi-
tuiren sind.
Zur Berechnung des Gewichtes des Stutzels ist zu bemerken, dass man für die Ver-
stopfung mit Hanf gewöhnlich zu jeder Seite 3 Linien Raum lässt. Man findet daher
dieses Gewicht, indem man von der äusseren Kreisfläche des Stutzels oder
11/14 (d + 0,5 + 4 x)2 die innere Kreisfläche 11/14 (d + 0,5 + 2 x)2 abzieht, und den Rest mit
der Länge l' und dem Gewichte eines Kubikzolles Eisen multiplizirt; diess gibt
(d + 0,5 + 3 x).
Beispiel. Nehmen wir die Länge der Röhre = 60 Zoll und jene des Stutzels
= 8 Zoll, dann den Durchmesser im Lichten d = 3 Zoll an, so beträgt für eine Stärke
von x = 4 Linien das Gewicht der Röhre und des Stutzels 52,38 + 9,43 = 61,81 ℔; für eine
Stärke von 5 Linien = 67,11 + 12,44 = 79,55 ℔; für eine Stärke von 6 Linien
84,50 + 15,71 = 98,21 Pfund u. s. w.
§. 24.
Wird ein fester Körper in eine Flüssigkeit eingetaucht, so ver-
liert er so viel von seinem Gewichte, als das von ihm verdrängte Vo-
lumen der Flüssigkeit wiegt. Der Körper tritt nämlich in diesem Falle an die
[24]Im Wasser eingetauchte Körper.
Stelle eines Volumens von Flüssigkeit, das dem Kubikinhalte dieses eingetauchten Kör-
pers gleich ist, und da die verdrängte Flüssigkeit in ihrem vorigen Stande von der um-
gebenden Flüssigkeit gänzlich getragen wurde, so ergibt sich von selbst, dass die um-
gebende Flüssigkeit auf gleiche Art gegen den eingetauchten festen Körper wirken,
folglich von seinem Gewichte ein gleiches Quantum tragen, oder den eingetauchten
Körper um eben so viel erleichtern müsse. Zur deutlicheren Erklärung dieses Satzes
wollen wir annehmen, die Flüssigkeit sey Wasser und der eingetauchte Körper sey ein
Fig.
5.
Tab.
42.Prisma, dessen Oberfläche c d und Bodenfläche e i einander gleich sind. Setzen wir
jede dieser Flächen = f, so beträgt der Druck des Wassers auf die obere Fläche des
Prisma = f . a c . 56,4 ℔, und auf gleiche Art beträgt der Druck des Wassers auf die
untere Fläche e i des Prisma f (a c + c e) 56,4. Da nun der Druck der Wassertheilchen
nach allen Seiten gleich ist, folglich dieselbe Bodenfläche vom Wasser mit gleicher
Kraft aufwärts gedrückt wird, so folgt, dass der eingetauchte Körper, der mit dem
Gewichte f . a c . 56,4 + Q gegen e i drückt, noch das Gewicht
f . a c . 56,4 + Q — f (a c + c e) 56,4 = Q — f c e . 56,4 = W im Wasser behalten werde. Nun
ist f · c e = K, dem kubischen Inhalte des Körpers; wir erhalten demnach Q — 56,4 K = W
die Gleichung zwischen dem absoluten Gewichte Q, dem Kubikinhalte K und dem Ge-
wichte desselben Körpers im Wasser W. Es leuchtet von selbst ein, dass diese Glei-
chung, welche für einen regulären Körper abgeleitet wurde, auch für jeden irregulären
gilt, da wir bereits gezeigt haben, dass der Druck auf eine jede krumme Linie nach
einer gemeinschaftlichen Richtung derselbe sey, als der winkelrechte Druck auf die
Projektion oder die zugehörige Sehne dieser krummen Linie.
Um diesen Satz durch einen Versuch anschaulich zu machen, bedient man sich
der sogenannten hydrostatischen Wage. Diess ist eine mit aller Genauigkeit
verfertigte Krämerwage, welche in ihrer Konstrukzion mit der im I. Bande, §. 179 be-
schriebenen Probirwage übereinkommt; sie hat jedoch 2 Schalen, wovon die eine ge-
wöhnlich höher als die andere hängt, und an deren höheren unterhalb ein Haken
Fig.
6.zum Anhängen der Körper angebracht ist. Man stelle nun unter diese Wagschale ein
Gefäss, worin reines oder destillirtes Wasser enthalten ist, und befestige mittelst eines Haares
an den Haken einen festen Körper, der z. B. genau einen Kubikzoll Inhalt hat. Wird itzt
das Gleichgewicht an der Wage hergestellt, dann aber derselbe Körper in die Flüssigkeit
versenkt, so wird man finden, dass er genau um eben so viel weniger wiegt, als das Ge-
wicht eines Kubikzolles reinen Wassers oder ℔ = 1,0445 Loth. Hat der einge-
tauchte Körper den Inhalt von 2 Kubikzoll, so wird er um eben so viel leichter seyn
als 2 Kubikzoll reines Wasser wiegen, nämlich 2,089 Loth.
§. 25.
Das Gewicht eines Körpers im Wasser muss immer gleich gross gefunden werden,
derselbe mag bloss unter die Oberfläche des Wassers gebracht, oder sehr tief eingetaucht
werden, in beiden Fällen wird nämlich sein absolutes Gewicht nur um eben so viel ver-
mindert, als das Volumen des verdrängten Wassers wiegt. Dieses leuchtet auch für sich
ein. Wird ein Körper tiefer eingetaucht, so drücken ihn zwar die oberhalb befindlichen.
[25]Im Wasser eingetauchte Körper.
Wassertheile mehr herab, als wenn er sich nahe an der Oberfläche des Wassers befindet,
allein nun werden jene Wassertheile, die sich unter dem Körper befinden, und denselben
tragen, einen um eben so viel grösseren Druck erleiden, und eben so stark wieder zurück-
drücken. Der beiderseitige grössere Druck hebt sich demnach auf und der Körper wirdFig.
5.
Tab.
42.
immer dasselbe Gewicht im Wasser zeigen. Derselbe Schluss ergibt sich aus der Rech-
nung des vorigen §., worin wir die Verminderung des absoluten Gewichtes eines Körpers
im Wasser (56,4 K) für jede Druckhöhe a c gleich gross gefunden haben.
In der Gleichung W = Q — 56,4 K können drei Fälle vorkommen : 1tens. Ist Q = 56,4 K,
oder das absolute Gewicht des Körpers eben so gross, als das Gewicht eines gleichen
Volumens Wasser, so folgt W = 0, und der Körper bleibt auf jeder Tiefe im Wasser stehen,
da er eben so schwer als Wasser ist. Diess ist der Fall bei Wachskugeln, in welche einige
Schrotkörner gedrückt werden; einige Gattungen Eichenholz, auch einige Menschen sind
eben so schwer als Wasser. 2tens. Ist Q grösser als 56,4 K, so wird der Körper im Wasser
zu Boden sinken, weil er schwerer als diese Flüssigkeit ist. Dieser Fall kommt z. B. bei
allen Metallen vor. 3tens. Ist Q kleiner als 56,4 K, so wird der Körper mit der Kraft
56,4 K — Q in die Höhe steigen, demnach zum Theil über der Oberfläche des Wassers
hervorragen und sich schwimmend erhalten, wie diess bei allen weichen Hölzern der Fall
ist. Wir sehen auch hieraus, dass solche Körper, deren absolutes Gewicht grösser als
das Gewicht des durch sie verdrängten Wassers ist, nur in dem Falle schwimmen kön-
nen, wenn man sie aushöhlt oder ihr Volumen vergrössert, um mehr Wasser zu verdrän-
gen. Nach diesem Grundsatze erklärt sich das Schwimmen der Schiffe, die aus ge-
schlagenem Kupfer oder eisernen Platten verfertigt sind.
Hieraus erklärt sich auch die Methode, grosse Lasten mittelst Schiffen aus dem
Grunde des Meeres oder der Flüsse zu heben, gesunkene Brückenbögen zu erhöhen, oder
ihre Schlussteine auszuheben u. s. w. Im ersten Falle führt man nämlich ein Schiff über
den im Grunde versenkten Gegenstand, füllt es so weit mit Wasser, dass es vom Untergehen
gesichert ist, befestigt den zu hebenden Gegenstand mit Ketten gut an das Schiff, und
entleert sodann das letztere vom Wasser. Das Schiff wird nunmehr mit der Kraft 56,4 K — Q
in die Höhe steigen, und den Gegenstand aus dem Sande oder Schlamme des Grundbet-
tes, in welches er versenkt ist, herausheben. Ist diess geschehen, so kann dieselbe
Operazion entweder mehrmal (mit Anwendung zweier Schiffe) wiederholt oder auch der
versenkte Gegenstand, da er bereits aus dem Grundbette gehoben wurde und nunmehr im
Wasser leichter zu bewegen ist, mit Flaschenzügen oder Winden bis an die Oberfläche
gebracht werden.
Soll ein hölzerner Brückenbogen erhöht oder der Schlusstein eines steinernen Bo-
gens ausgehoben werden, so bedient man sich derselben Methode. Man stellt nämlich
einige Schiffe unter denselben, errichtet in den ersteren ein Gerüste, das bis an den Bo-
gen reicht, füllt die Schiffe mit Wasser und erhöht das Gerüste bis unter den Bogen.
Wird nun das Wasser aus dem Schiffe ausgeschöpft, so hebt es den Bogen mit einer Kraft,
welche dem Gewichte des ausgeschöpften Wassers gleich ist. Man sieht von selbst, dass
diese Kraft sehr gross werden könne.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 4
[26]Im Wasser eingetauchte Körper.
§. 26.
Alle Körper sind aus schweren Theilen zusammengesetzt, in welcher Hinsicht das
Gewicht der Körper zum Maasstab ihrer Masse oder der Anzahl ihrer Theile ange-
nommen wird. Da jedoch diese Theile in einigen Körpern dichter, oder näher bei-
sammen sind, in andern weiter von einander entfernt liegen, so folgt, dass zur Bestim-
mung des eigenthümlichen Gewichtes der Körper auch nöthig sey, auf das Volumen oder
auf den kubischen Rauminhalt derselben Rücksicht zu nehmen. Da gleiche Theile von
einem und demselben Körper auch ein gleiches Gewicht haben, so ergibt sich von selbst,
dass man die Masse oder das Totalgewicht eines Körpers aus der Summe der Ge-
wichte seiner einzelnen Theile berechnen könne. Ist nämlich das Gewicht der zur Aus-
messung seines Kubikinhaltes angenommenen Einheit z. B. das Gewicht eines Kubikzolles
oder eines Kubikfusses, und dann die Grösse (das Volumen) des Körpers, oder die Zahl
wie viel solche Einheiten sein Volumen enthält, bekannt, so lässt sich ohne Anstand das
Gewicht des Körpers berechnen. Setzen wir das Gewicht eines Kubikfusses = G und das
Volumen oder kubische Fussmaass des Körpers = K, so ergibt sich das Totalgewicht oder die
Masse des Körpers = Q aus der Proportion 1c' : G = Kc' : Q. Hieraus folgt Q = G . K; die
Masse oder das Totalgewicht eines Körpers wird daher [...]halten, wenn das Gewicht der
zur Bemessung angenommenen Einheit G mit dem Volumen K des Körpers multiplizirt
wird, z. B. ein Kubikfuss Wasser wiegt 56,4 ℔; es wird daher ein Gefäss von 4 Kubik-
fuss eine Wassermenge enthalten, die 4 . 56,4 = 225,6 ℔ wiegt.
Aus dem obigen Ausdrucke folgt G = , d. h. man erhält das Gewicht der Einheit
des Kubikmaasses, wenn man das Gewicht Q des Körpers durch sein Volumen dividirt.
Z. B. Man hat das Gewicht eines Stückes Eisen = 141 ℔ gefunden, wovon der Inhalt
576 Kubikzoll beträgt. Es wird daher das Gewicht eines Kubikzolles dieser Eisenmasse
= ℔ und eines Kubikfusses = = 423 ℔ seyn.
Aus der obigen Gleichung folgt auch noch K = , oder der Kubikinhalt eines Kör-
pers wird erhalten, wenn man sein Totalgewicht durch das Gewicht der zu seiner Aus-
messung angenommenen Einheit dividirt. Diese Gleichung dient, um den Kubikinhalt vor-
züglich der irregulären hohlen Körper aus ihrem Gewichte zu berechnen. Will man
z. B. den kubischen Inhalt irgend eines Gefässes finden, so wiege man dasselbe zuerst
leer und hierauf mit reinem Wasser gefüllt. Gesetzt das Gewicht des leeren Gefässes
sey = 9⅜ ℔ und jenes des vollen = 60 ℔, so beträgt das Gewicht des darin befindlichen
Regenwassers 60 — 9⅜ = 50,625 ℔ = Q. Daraus folgt der kubische Inhalt des Gefässes
= 0,8976 Kubikfuss; dasselbe wird daher beinahe einen halben N. Oe. Eimer ent-
halten, da 1 Eimer = 1,792 Kubikfuss ist.
§. 27.
Eine Anwendung der §. 24. aufgestellten Gleichung besteht in der Bestimmung des
kubischen Inhaltes irregulärer Körper, z. B. eines abgebrochenen Stückes
Stein, eines Geschmeides oder einer Gusswaare, welche nicht zerschlagen werden darf.
[27]Bestimmung der spezifischen Schwere.
Es sey das unbekannte Volumen dieses Körpers = K; man wiege ihn in der Luft und
im Wasser, so hat man die Gleichung W = Q — 56,4 K, woraus K = folgt. Da
nun Q—W der Gewichtsverlust des Körpers im Wasser ist, so erhält man den kubischen Inhalt
des Körpers in Kubikfussen, wenn man seinen Gewichtsverlust im Wasser in Pfunden aus-
gedrückt, durch das Gewicht eines Kubikfusses Wasser oder 56,4 dividirt.
Beispiel. Ein Körper wiege Q = 28,2 Pfund in der Luft und W = 7,05 Pfund im
Wasser, so ist K = Kubikfuss.
Mit Hülfe dieser Methode lässt sich das Gewicht eines Kubikfusses fe-
ster Körper, z. B. der Steine, Metalle, ..... und wenn der Kubikinhalt eines grossen
Körpers bekannt ist, auch sein ganzes absolutes Gewicht bestimmen.
Beispiel. Wiegt ein Stück Roheisen in der Luft 7,5 ℔, im Wasser 6,5 ℔, so ist
sein Kubikinhalt = Kubikfuss. Man findet daher aus der Proportion
, das Gewicht eines Kubikfusses Eisen x = 56,4 . 7,5 = 423 ℔. Betrüge nun
der Kubikinhalt einer gusseisernen Säule 8 Kubikfuss, so wird sie 423 . 8 = 3384 ℔ wiegen.
Dieser Methode bedient man sich vorzüglich, um Körper unter einander zu erken-
nen, und darnach in vielen Fällen ihre Preiswürdigkeit zu bestimmen.
Beispiel. Ein dem Anscheine nach goldener Ring wiegt in der Luft 270 Gran, im Was-
ser aber nur 240 Gran, so hat derselbe den 9ten Theil von seinem Gewichte verloren. Da
man nun aus Versuchen gefunden hat, dass reines Gold den 19ten Theil, Kupfer aber den
8,8ten Theil im Wasser verliert, so folgt, dass dieser Ring grösstentheils von Kupfer
seyn müsse; wäre er aber von Gold, so würde er nur = 14,2 Gran im Wasser verlieren.
§. 28.
Die Körper werden unter einander theils nach dem Maasse und theils nach dem
Gewichte verglichen und man frägt entweder um das Gewicht der Körper für ein be-
stimmtes Maass oder um das Maass derselben für ein bekanntes Gewicht. In beiden
Fällen liegt das Gewicht der Einheit des Maasses zum Grunde, wozu wir bei unsern
bisherigen Berechnungen einen N. Oe. Kubikfuss angenommen haben. Es ist daher von
Wichtigkeit, das Gewicht eines Kubikfusses für jeden Körper zu wissen. Da aber so-
wohl die Maasse, als auch die Gewichte in den meisten Ländern verschieden sind, da-
gegen das reine Regen- oder destillirte Wasser in allen Ländern gleich ist, so ist man
übereingekommen, dieses zum allgemeinen Maasstabe der eigenthümlichen oder spezifi-
schen Schwere der Körper anzunehmen. Man versteht aber unter der spezifi-
schen Schwere oder dem spezifischen Gewichte die Zahl, welche angibt, wie vielmal
irgend ein Volumen eines Körpers schwerer als dasselbe Volumen
reinen Wassers ist. Solche Bestimmungen wurden bereits von den ältern Physikern
gemacht; in neuern Zeiten hat man jedoch beobachtet, dass alle Körper von der Wärme
ausgedehnt und in ihrem Volumen vergrössert werden, man hat demnach sowohl für das
Wasser als für den Körper einen bestimmten Wärmegrad angenommen und hiebei die spe-
zifischen Schweren bestimmt. Reines, destillirtes Wasser hat bei gleicher Temperatur
4*
[28]Bestimmung der spezifischen Schwere.
auch immer eine gleiche Dichte; man nimmt es gewöhnlich bei der mittlern Temperatur
von 14 Grad Reaumur in unserm Klima zum Maasstabe und setzt für diesen Fall seine
spezifische Schwere = 1; hiernach wird nun die spezifische Schwere der andern Kör-
per bestimmt. Wenn man daher sagt, die spezifische Schwere des Quecksilbers sey
= 14, so ist diess eben so viel, als dass ein Kubikfuss Quecksilber 14 Mal so viel als ein
Kubikfuss reines Wasser, oder auch ein Kubikzoll Quecksilber 14 Mal so viel als ein Ku-
bikzoll reines Wasser wiegt.
Nennen wir allgemein die spezifische Schwere eines Körpers = n, so ist das Gewicht
eines Kubikfusses dieses Körpers = n . 56,4; man findet daher das Gewicht eines Kubik-
fusses eines jeden Körpers, wenn man seine spezifische Schwere mit 56,4 multiplizirt.
Wird aber der Kubikinhalt K eines Körpers mit dem Gewichte eines Kubikfusses n . 56,4
multiplizirt, so gibt diess das absolute Gewicht Q des Körpers oder Q = n · 56,4 K. Wird
hieraus n berechnet, und der §. 24 für 56,4 K gefundene Werth substituirt, so ist
n = , d. h. man findet die spezifische Schwere eines je-
den Körpers, wenn man das Gewicht irgend eines Stückes desselben
in der Luft mit dem Gewichtsverluste desselben Stückes im Wasser
dividirt.
Die Methoden, die spezifische Schwere zu bestimmen, sind bei festen Körpern, je
nachdem sie schwerer oder leichter als Wasser sind, dann je nachdem sie sich im Was-
ser auflösen oder nicht, ferner bei flüssigen und luftartigen Körpern verschieden. Wir
werden hier diejenigen Methoden abhandeln, welche in der Ausübung gewöhnlich vor-
kommen, wogegen jene Verfahrungsarten, die bei genauen chemischen Versuchen ange-
wendet werden, für unsern Gegenstand übergangen werden können.
§. 29.
Erster Fall. Die spezifische Schwere eines festen Körpers, welcher
schwerer als Wasser ist, und von dem selben nicht aufgelöst wird,
zu bestimmen. Man nimmt ein willkührliches Stück des zu untersuchenden Körpers,
und wiegt es mittelst einer hydrostatischen Wage, indem es an ein feines Haar angebun-
den wird, im Wasser und in der Luft, so ist nach dem vorigen §. die spezifische
Schwere n = , will man aber das Gewicht eines N. Oe. Kubikfusses bestimmen,
so ist diess = n . 56,4 = .
Beispiel. Es sey das Gewicht eines Stückes Marmor Q = 4 Loth und das Ge-
wicht desselben Stückes im Wasser W = 2,5 Loth, so ist die spezifische Schwere
n = und das Gewicht eines Kubikfusses Marmor = 56,4 . 2,667 = 150,4 ℔.
Diese Methode unterliegt keiner weiteren Schwierigkeit, wenn anders die Abwä-
gung mit der erforderlichen Genauigkeit auf einer hinreichend empfindlichen Wage
vorgenommen wird. Das Befestigen der Körper an Haare (gewöhnlich Pferdehaare)
gewährt den Vortheil, dass dieselben beinahe gleiche spezifische Schwere wie das Was-
ser haben. Sollen jedoch die Resultate sehr genau seyn, so muss auch auf den Ge-
[29]Bestimmung der spezifischen Schwere.
wichtsverlust des eingetauchten Haares Rücksicht genommen werden. Diess wird desto
schwieriger, je kleiner die zu untersuchenden Körper sind, z. B. Juwelen. In solchen
Fällen legt man den Körper auf eine kleine, leichte, an einem dünnen Drahte befestigteFig.
7.
Tab.
42.
Schale und senkt dieselbe bis zu einem an dem Drahte bezeichneten Punkte c in das Wasser.
Wird itzt das Gewicht für den Stand des Gleichgewichtes der Wage genau bestimmt,
sodann der zu prüfende Körper auf die kleine Schale gelegt und durch Zulegen der
Gewichte in der andern Wagschale abermals Gleichgewicht hergestellt, während der
Draht wieder nur bis auf die frühere Tiefe im Wasser eingetaucht ist, so lässt sich
sowohl der Gewichtsverlust des Edelsteines im Wasser als auch seine spezifische
Schwere genau bestimmen.
§. 30.
Zweiter Fall. Soll die spezifische Schwere von Körpern, die in
körnigter Gestalt oder in Pulverform vorkommen, bestimmt und hierbei
auf die dazwischen befindliche Luft oder auf den von den Körnern unausgefüllten Raum
keine Rücksicht genommen werden, so kann man auf nachfolgende Art mittelst der
gemeinen Wage verfahren: Man bedient sich eines Glasgefässes mit einem dün-
nen Halse oder einer Phiole und bestimmt das Gewicht der leeren Flasche (= q). Hier-
auf füllt man diese Flasche zuerst mit dem zu prüfenden Körper, das Gewicht der Flasche
sammt diesem Körper sey = Q; sodann entleert man die Flasche und füllt sie mit reinem
Wasser; das Gewicht der mit Wasser gefüllten Phiole sey = W. Da nun das Gewicht des
Pulvers = Q — q und des gleichen Volumens Wasser = W — q, so ist das spezifische Ge-
wicht des Körpers, n = . Man braucht auch nicht einmal das absolute Gewicht
der Phiole zu kennen, indem man bloss nöthig hat, zuerst die leere Flasche zu tariren,
d. h. auf der Wage in das Gleichgewicht zu bringen, und hierauf darin das Wasser und
sodann das Pulver abzuwiegen; heisst das Gewicht von jenem W', von diesem Q', so ist
das spezifische Gewicht n = .
Beispiel. Ist das gefundene Gewicht des Wassers W' = 515 Gran und des gepul-
verten Zinnobers Q' = 4035 Gran, so ist die spezifische Schwere des Pulvers
n = = 7,835.
Es leuchtet von selbst ein, dass man dasselbe Verfahren zur Bestimmung der spezifi-
schen Schwere tropfbar flüssiger Körper anwenden könne. Bei dieser Methode muss die
Flasche genau bis zu dem Punkte, den man an ihrem Halse durch einen umgebundenen
Faden bezeichnet, zuerst mit Wasser und dann mit der zu prüfenden Flüssigkeit gefüllt wer-
den. Bevor jedoch die Flüssigkeit hineinkommt, muss die Flasche gut getrocknet und das
allenfalls noch hängen gebliebene Wasser durch Verdampfung aus derselben entfernt werden.
§. 31.
Dritter Fall. Soll die spezifische Schwere von Körpern, die in körnigter
Gestalt oder in Pulverform vorkommen, mit Ausschluss der hierin
befindlichen Luft bestimmt werden, so nimmt man abermals eine kleine Glasflasche
mit engem Halse und wiegt sie auf der gemeinen Wage ab. Das Gewicht derselben
[30]Bestimmung der spezifischen Schwere.
(der Tara) sey = q. Man füllt nun die Flasche mit reinem Wasser und wiegt sie wieder.
Wird von dem Totalgewichte Q die Tara q abgezogen, so erhält man das absolute Ge-
wicht derjenigen Wassermenge, welche im Gefässe Platz hat, W = Q — q. Man bringt
nach vollkommener Austrocknung des Gefässes eine beliebige Menge des pulverförmigen
Körpers hinein und wiegt es abermals (P), so ist das Gewicht des Pulvers p = P — q.
Man füllt nun während das Pulver im Gefässe bleibt, das letztere wieder mit Wasser und
sieht darauf, dass keine Luftbläschen im Gefässe an den Körnern oder an dem Pulver
haften bleiben*). Nach vollkommener Entfernung der Luft wird das Gefäss vollends mit
Wasser gefüllt, und auf die Wage gebracht. Wiegt die Flasche dermalen O, so ist
O — q das Gewicht des Pulvers und Wassers in der Flasche, demnach das Gewicht
des Wassers allein = O — q — (P — q) = O — P. Werden beide Gewichte des Was-
sers von einander abgezogen, so erhält man das Gewicht des vom Pulver verdrängten
Wassers = W — (O — P) = Q — q — O + P. Das absolute Gewicht des Pulvers war
= p, demnach ist seine spezifische Schwere n = .
Beispiel. Gepulverter Kalkstein wiege in der Luft p = 480 Gran; das Gewicht
des Wassers in der Flasche betrage Q — q = 1000 Gran, das Gewicht des Kalksteines und
der Flasche P = 960 Gran, endlich das Gewicht der mit Pulver und Wasser gefüllten
Flasche O = 1780 Gran, so ist die spezifische Schwere n = = 2,667.
§. 32.
Vierter Fall. Soll die spezifische Schwere fester Körper, welche leich-
ter als Wasser sind, und demnach auf demselben schwimmen, be-
stimmt werden, so müssen solche leichtere Körper mit einem schwereren, z. B. mit einem
Stückchen Blei oder Eisen belastet oder dasselbe daran gebunden werden, damit sie
gerade noch in das Wasser einsinken. Man wiegt nun zuerst das Stück Eisen in der Luft
(q) und dann im Wasser (w) ab. Hierauf wird das Holz in der Luft (Q) und Holz und
Eisen zusammen im Wasser gewogen (W). Der Gewichtsverlust beider Körper im Was-
ser ist offenbar = Q + q — W, und der Gewichtsverlust des Holzes allein im Wasser
= Q + q — W — (q — w) = Q + w — W. Wird nun das Gewicht des Holzes in der Luft
(Q) durch diesen Gewichtsverlust dividirt, so erhält man die spezifische Schwere des
untersuchten Holzes, n = .
Beispiel. Es sey das Gewicht des Holzes in der Luft Q = 6 Loth, das Gewicht
des Eisenstückes im Wasser w = 10 Loth, das Gewicht des Holzes und Eisens im Wasser
W = 6 Loth, so ist n = = 0,6. Dieses Verfahren fällt bei dem ersten An-
scheine dadurch auf, dass das Gewicht des Holzes und Eisens im Wasser weniger beträgt,
als das Gewicht des Eisens, wenn es für sich allein im Wasser gewogen wird. Bei eini-
gem Nachdenken sieht man jedoch, dass diess der Fall seyn muss, indem das Holz
[31]Bestimmung der spezifischen Schwere.
viel leichter, als Wasser ist, demnach bei seinem Eintauchen im Wasser, wenn es mit
dem Stück Eisen zusammenhängt, weit mehr verliert, als das Gewicht des Holzes in der
Luft beträgt.
Derselben Methode bedient man sich auch, wenn man in dem angenommenen 3ten
Falle die spezifische Schwere eines Pulvers zu bestimmen hat, welches leichter als Was-
ser ist. Hier muss nämlich der mit dem Pulver zu verbindende schwere Körper so ge-
wählt werden, dass er dieses leichte Pulver zugleich einschliessen könne, wie z. B. bei
einem Drathsiebe der Fall ist. Man kann zu gleichem Zwecke auch eine communizirende
Röhre nehmen, den zu untersuchenden leichten Körper, z. B. Holzkohlenstaub auf einer
Seite der Röhre einfüllen, die Röhre oben verschliessen und nun das Wasser von der
andern Seite zutreten lassen, damit es in die leeren Räume des Pulvers eindringe. Die
spezifische Schwere wird hier wie im 3ten Falle bestimmt.
§. 33.
Fünfter Fall. Wenn feste Körper, welche das Wasser einsaugen,
z. B. Sandsteine untersucht werden sollen, so müssen dieselben zuerst im trockenen
Zustande in der Luft gewogen werden (Q). Hierauf lässt man sie mit Wasser ansau-
gen, und wiegt sie abermal in der Luft (Q'), der Unterschied beider Gewichte
Q — Q' = W gibt das Gewicht des eingesaugten Wassers. Wird nun der mit Wasser
angesaugte Körper abermals im Wasser gewogen (W'), so erhält man den Gewichtsverlust,
welchen der trockene Körper für sich allein im Wasser erleidet, falls er kein Wasser ein-
saugen würde, wenn man das Gewicht des vom Körper eingesaugten Wassers (W) zum
gefundenen Gewichtsverluste (Q' — W') addirt. Da nun derselbe
= (Q' — Q) + (Q' — W') = 2 Q' — W' — Q, so ist die pezifische Schwere n = .
Beispiel. Ein Stück Sandstein wiege in der Luft 1100 Gran = Q, mit Wasser voll-
gesogen 1122 Gran = Q'; dieser mit Wasser vollgesogene Sandstein wiege im Wasser 649
Gran = W', so ist der Verlust des Gewichtes = 1122 — 649 = 473 Gran. Eingesogen hat der
Sandstein Q' — Q = 22 Gran; daher ist der wahre Gewichtsverlust = 473 + 22 = 495 Gran und
demnach die spezifische Schwere = = 2,222.
§. 34.
Sechster Fall. Ist der zu untersuchende feste Körper im Wasser auf-
lösbar, so muss man denselben in einer andern Flüssigkeit als Wasser, in welcher
er nicht aufgelöst wird, und deren spezifisches Gewicht bekannt ist, abwiegen; man
bemerke seinen Gewichtsverlust hierin. Demnach kennt man das Verhältniss der Ge-
wichte gleicher Volumen der Flüssigkeit und des festen Körpers und da man auch
das spezifische Gewicht der Flüssigkeit kennt, so braucht man mit demselben nur jenes
gefundene Verhältniss zu multipliziren, um das spezifische Gewicht des zu prüfenden
Körpers zu erhalten. Es sey das spezifische Gewicht der Flüssigkeit, welche man anwen-
det, z. B. des Weingeistes = m, das absolute Gewicht eines Körpers = Q, sein Gewicht
im Weingeiste = W, so ist das spezifische Gewicht desselben n = m .
[32]Bestimmung der spezifischen Schwere.
Beispiel. Das absolute Gewicht das Salpeters sey 220 Gran = Q, das Gewicht
desselben im Weingeist W = 128 Gran, und die spezifische Schwere des Weingeistes
m = 0,792, so ist das spezifische Gewicht des Salpeters n = 0,792 = 1,894.
§. 35.
Siebenter Fall. Um die spezifische Schwere verschiedener Flüs-
sigkeiten zu finden, kann man sich eines festen Körpers von beliebiger Form, z. B.
eines Stückes Glas bedienen. Man wiegt dasselbe zuerst in der Luft ab, sodann in reinem
Wasser und hierauf in den verschiedenen Flüssigkeiten. Es sey der Gewichtsverlust
des Körpers in destillirtem Wasser = V und der Gewichtsverlust desselben Körpers in
irgend einer Flüssigkeit = V', so ist die spezifische Schwere der Flüssigkeit = .
Beispiel. Das massive Stück Glas verliere im Wasser V = 2 Loth, in einer Flüs-
sigkeit V' = 1½ Loth, so ist die spezifische Schwere desselben = = = 0,75.
§. 36.
Zur Bestimmung der zpezifischen Schwere der Hölzer kann man auch
mehrere Stäbe von gleichem Querschnitte in ihrer ganzen Länge verfertigen lassen,
Fig.
8.
Tab.
42.und dieselben in reines Wasser senkrecht eintauchen. Bezeichnet a den Punkt, bis zu
welchem der Stab im Wasser einsinkt, f seine Querschnittsfläche und n die spezifische
Schwere, so ist für diesen Zustand des eingetauchten Holzes das Gewicht des verdräng-
ten Wassers f . a b . 56,4 = f . b c . 56,4 . n oder dem absoluten Gewichte des Stabes, woraus
die spezifische Schwere n = folgt.
Beispiel. Es sey die Länge des ganzen Stabes b c = 10 Zoll und die Tiefe des
Einsinkens a b = 5,5 Zoll, so ist die spezifische Schwere desselben n = = 0,55.
§. 37.
Diese Methode lässt sich auch bei der Bestimmung der spezifischen Schwere
der Flüssigkeiten anwenden. Man nimmt nämlich eine durchaus gleich starke,
hohle, unten zugeschmolzene gläserne Röhre, und stellt sie zuerst in reines Wasser,
Fig.
9.wo selbe z. B. bei a b stehen bleibt. Taucht man nun dieselbe Röhre in eine spezi-
fisch schwerere Flüssigkeit, so sinkt sie bloss bis c d ein, in einer spezifisch leichteren
aber tiefer als a b. In beiden Fällen muss das absolute Gewicht der Röhre dem Ge-
wichte der verdrängten Flüssigkeit gleichkommen; wir haben daher
f . a e . 56,4 = f . c e . n . 56,4 und die spezifische Schwere der Flüssigkeit n = .
Der Gebrauch dieser Röhren hat folgende 2 Unbequemlickkeiten : 1tens. Ist es sehr schwer
ein langes und gleich dickes Rohr zu erhalten; weicht daher dasselbe in der Querschnitts-
fläche um irgend etwas ab, so werden hiedurch auch Fehler in der Bestimmung des
spezifischen Gewichtes veranlasst. 2tens. Fallen solche Röhren von gleicher Dicke in den
Flüssigkeiten, wenn sie nicht sehr tief eingetaucht sind, leicht um, wodurch nun wieder
ihr Gebrauch beschränkt wird.
[33]Aräometer oder Dichtigkeitsmesser.
Da es auf die Gestalt des untern Theiles c e der Röhre gar nicht ankommt, indemFig.
9.
Tab.
42.
derselbe in jedem Falle in der Flüssigkeit versenkt bleibt, so braucht er auch nicht gleich
dick wie der obere zu seyn, und man kann ihm eine willkührliche Gestalt geben. Solche
Röhren gehen unten gewöhnlich in einen grössern hohlen Zylinder oder in eine Kugel
über, an welche eine zweite kleinere Kugel angeschmolzen wird, die man mit Quecksilber
oder Bleischrott füllt; hierdurch wird der vertikale Stand des Instrumentes in jeder Flüs-
sigkeit erhalten. Man nennt diese Instrumente, welche zur Bestimmung der spezifischen
Schwere oder auch des Gewichtes von 1 Kub. Fuss verschiedener Flüssigkeiten dienen,
Aräometer oder Dichtigkeitsmesser; sie werden auch Salzwagen, Soolwagen, Gradirwagen,
auch Laugenmesser, oder Brandweinwagen, Brandweinspindeln, Alkoholometer genannt, je
nachdem sie zur Bestimmung des Gehaltes einer Salzsoole, einer Lauge, oder des Antheiles
reinen Weingeistes (Alkohol), welcher im Brandwein enthalten ist, gebraucht werden.
Alle bisher bekannten Aräometer lassen sich in zwei Hauptklassen eintheilen: 1tens.
Aräometer mit Skalen, welche ohne ein besonderes Gewicht aufzulegen in die Flüssigkeiten
versenkt werden, und wo an der, längst der Röhre fortlaufenden Skale jener Punkt, bis
zu welchem sie einsinken, sogleich das spezifische Gewicht anzeigt. Diese Aräometer
sinken daher in leichtern Flüssigkeiten tiefer als in schwerern ein, und verdrängen
demnach ungleiche Kubikinhalte der zu prüfenden Flüssigkeit. 2tens. Aräometer mit Ge-
wichten, welche durch aufgelegte Gewichte in jeder Flüssigkeit bis zu einem fixen Punkte
eingetaucht und wobei aus dem aufgelegten Gewichte die spezifische Schwere der Flüssig-
keit bemessen wird. Bei diesen Instrumenten wird daher immer ein gleiches Volumen
von Flüssigkeit verdrängt.
Da die Aräometer mit Skalen am meisten im Gebrauche sind, so wird auch vor-
züglich von ihrer Konstrukzion so weit ihre Skale durch Rechnung bestimmt wird, hier
gehandelt. Gewöhnlich werden diese Instrumente entweder für Flüssigkeiten, die
spezifisch leichter sind als Wasser oder auch für solche, die spezifisch schwerer sind,
konstruirt. Wir haben daher von beiden Gattungen Aräometer zu handeln.
§. 38.
Es sey die Skale eines Aräometers für spezifisch leichtere Flüssigkei-
ten als Wasser zu bestimmen, um sowohl die spezifische Schwere als auch
das Gewicht eines Kubikfusses anzuzeigen.
Man wiegt das Instrument auf einer guten Wage in der Luft; sein absolutes Ge-
wicht sey = Q. Senkt man es nun in reines Wasser ein, so bleibe es bei a b stehen.Fig.
10.
Nennen wir den kub. Inhalt des eingesunkenen Theiles = K, so muss dieser Inhalt des
verdrängten Wassers eben so viel als das Gewicht des Instrumentes in der Luft wiegen;
wir haben daher Q = 56,4 K (I), woraus K = . Durch diese Gleichung berechnet man
den kub. Inhalt des eingesenkten irregulären Theiles eben so genau, als man Q bestimmt
hat, und diess Instrument kommt offenbar mit einem andern von gleichem Querschnitte
f genau überein, dessen Länge aus der Gleichung K = f . l = , mithin
Gerstner’s Mechanik. Band II. 5
[34]Aräometer oder Dichtigkeitsmesser.
Fig.
10.
Tab.
42.l = bestimmt wird; es ist demnach eben so viel, als ob statt des untern Theiles
des Aräometers ein Rohr von der Länge l = und dem Querschnitte f des obe-
ren Theiles der Röhre vorhanden wäre.
Man bemerkt nun die Linie a b, bis zu welcher das Instrument im Wasser ein-
sank mit einem umgebundenen Faden und legt hierauf oben auf die Röhre ein klei-
nes Zulagsgewicht p, taucht das Instrument wieder in das Wasser und bemerkt die Linie
c d, bis zu welcher es dermalen einsinkt. Nennen wir die Höhe b d = a und den Quer-
schnitt der Röhre = f, so ist für den zweiten Stand des Instrumentes
56,4 (K + a . f) = Q + p . (II). Wird hievon die Gleichung (I) abgezogen, so erhalten
wir 56,4 . a. f = p, und f = · (III). Durch diese Gleichung wird der Querschnitt
des dünnen Rohres mit derselben Genauigkeit bestimmt, womit das Zulagsgewicht p
gewogen und die Länge des Rohres a gemessen wurde.
Das Instrument wird nun von dem Zulagsgewichte p befreit, abgetrocknet, und
hierauf in eine spezifisch leichtere Flüssigkeit, wovon die spezifische Schwere n oder das
Gewicht eines kub. Fusses (y) erst zu bestimmen ist, abermals frei eingetaucht. Nennen
wir die Höhe, auf welcher das Instrument stehen bleibt, a e = x, so ist (K + f . x) y = Q
und y = . Die obern Werthe für K und f substituirt, gibt
y (IV). Zur Bestimmung der spezifischen Schwere haben wir
aber die Gleichung (V).
Bei der Anwendung der Gleichungen (IV) und (V) können vier Fälle eintreten : 1tens.
Es ist nebst den Dimensionen des Instrumentes die Einsenkung x durch einen Versuch
bekannt, und man fragt um die spezifische Schwere der Flüssigkeit. 2tens. Man fragt für
denselben Fall nach dem Gewichte eines kub. Fusses der Flüssigkeit. 3tens. Nebst den
Dimensionen des Instrumentes ist die spezifische Schwere einer Flüssigkeit gegeben oder
sie wird angenommen und man soll die Tiefe der Einsenkung finden, endlich 4tens, es
ist das Gewicht eines Kubikfusses der Flüssigkeit gegeben, oder es wird angenommen,
und man soll die Tiefe der Einsenkung finden.
Ist das Instrument bereits fertig und soll die Skale hierzu angegeben werden, so
ist es am vortheilhaftesten, verschiedene Werthe für das Gewicht eines Kubikfusses oder
für die spezifische Schwere anzunehmen und hierzu die Höhe x zu berechnen. Da nun
, so ist x = . Hiernach wird die Skale für ein Instrument
bestimmt, welches die Gewichte eines Kubikfusses verschiedener Flüssigkeiten
anzeigt. Will man jedoch an dem Instrumente die spezifischen Schweren
[35]Konstrukzion der Aräometer.
angeschrieben haben, so wird der Werth n = in die vorige Gleichung substituirt,
und man erhält .
§. 39.
1tes Beispiel. Es sey bei einem bereits vorhandenen Aräometer das Gewicht
des Instrumentes Q = 10 Loth, das Zulagsgewicht p = 1 Loth, die Höhe a = 8 Zoll, so
ist x = 80 Zoll. Nun werden für n verschiedene Werthe angenommen, und zwar ist:
Nach diesen Zahlen wird die Skale für das Instrument verfertigt, indem man sie auf
einen Papierstreifen aufträgt, in die Glasröhre hineinschiebt, und darin befestigt. Aus
den beigefügten Differenzen für die Höhe x bei gleichem Unterschiede von n ersieht
man, dass dieselben (nämlich die Werthe für die Höhe x) ungleich sind. Es ist daher
unrichtig, wenn man bei der Konstrukzion dieser Instrumente bloss die 2 äussersten Punkte
von x durch Versuche bestimmt, hiernach diese Entfernung in gleiche Theile theilt, und
gleiche Differenzen der spezifischen Schweren zuschreibt. Bei einer richtigen Kon-
strukzion müssen alle einzelnen Werthe von x für jedes n erst versucht oder berechnet
und hiernach die Skale verfertigt werden.
Will man aber an diesem Instrumente die Gewichte eines Kubikfusses angeschrieben
haben, so berechnet man die Skale nach der Formel .
Nimmt man nun die Werthe y = 56,4, dann y = 56,0 ...... an, so erhält man abermals fol-
gende Tabelle:
[36]Konstrukzion der Aräometer.
Man sieht, dass auch bei dieser Skale die Abtheilungen für gleiche Differenzen der
Gewichte eines Kubikfusses ungleich sind, und von unten hinauf immer grösser werden,
wie im vorigen Falle.
2tes Beispiel. Wir wollen nun den häufiger vorkommenden Fall annehmen,
dass ein Instrument erst zu verfertigen sey. Gesetzt, es soll an einem Aräometer die
spezifische Schwere von 1,00 bis 0,90 angezeigt und die Zwischenabtheilungen der Tau-
sendtel deutlich ausgedrückt werden.
Da hier 100 Theilungen vorkommen, so muss ein Theil, um deutlich sichtbar zu
seyn, die Länge einer N. Oe. Linie erhalten. Die Länge des Rohres muss daher min-
destens 100 Linien = 8⅓ Zoll betragen. Nach Gleichung (V) ist n = . Da diess
Instrument für spezifisch leichtere Flüssigkeiten als Wasser bestimmt ist, so muss für
den Fall als n = 0,90, die Höhe der Skale x = der Länge des Rohres a seyn. Wir haben
daher 0,90 = , woraus folgt; das Rohr muss daher so beschaffen seyn, dass
das Zulagsgewicht p den 9ten Theil vom Gewichte des ganzen Instrumentes beträgt. Weil
man aber diese Gewichte erst abwägen und durch Versuche bestimmen müsste, so ist es
vortheilhafter statt die Werthe zu setzen. Hieraus sieht man, dass der
kubische Inhalt des Rohres der 9te Theil des kubischen Inhaltes der Kugel seyn müsse.
Diess lässt sich, wenn man eine Auswahl aus mehreren bereits fertigen Instrumenten hat,
von freiem Auge beiläufig beurtheilen.
Nehmen wir an, das Aräometer senke um 9 Zoll, wenn der 10te Theil von Q oben
aufgelegt wird, so ist a = 9 Zoll = 108 Linien für p = . Da die 108 Linien in 100 Theile
zu theilen kommen, so erhält ein Theil beinahe eine Linie Länge, welches unserer Auf-
gabe entspricht. Nun ist n = und hieraus x = 1080 .
Diess gibt folgende Werthe:
Aus dieser Rechnung sieht man abermals, dass die Abtheilungen für gleiche Aende-
rungen der spezifischen Schwere eine ungleiche Länge haben und dass es sehr gefehlt
[37]Konstrukzion der Aräometer.
wäre, wenn man die ganze Länge x = 120 Linien in 10 Theile theilen wollte. In diesem Falle
wäre nämlich · 120 = 12, wogegen wir oben 10,91 Linien
· 120 = 24; „ „ 22,04 „ u. s. w. fanden.
Um in unserem Falle für die spezifischen Schweren n = 0,999, dann 0,998 ...... die
Werthe für x zu finden, kann man sich entweder durchaus der Rechnung bedienen oder
man berechnet nur die Werthe von 5 zu 5 Theilen, demnach in der obigen Tabelle noch
einen Mittelwerth; für n = 0,995 ist x = 5,4271 Linien, für n = 0,985 ist x = 16,4467 Linien .....
Da der Abstand für 5 Theile nunmehr unbedeutend ist, so kann man denselben von freier
Hand aus zertheilen, und so das ganze Instrument verfertigen.
§. 40.
Ist ein Aräometer für spezifisch schwerere Flüssigkeiten als WasserFig.
11.
Tab.
42.
zu verfertigen, so tauche man es zuerst in reines Wasser ein, und schütte so lange
Bleischrotte oder Quecksilber hinein, bis es bei dem äussersten Punkt der Skale c d
stehen bleibt. Bezeichnet wieder K den Kubikinhalt des bis c d eingetauchten Instru-
mentes und Q sein absolutes Gewicht, so ist 56,4 K = Q und K = . Man schüttet
nunmehr eine Quantität Schrote oder Quecksilber hinein, bis das Instrument bis a b
eingetaucht ist. Bezeichnet Q' das dermalige Gewicht des Instrumentes in der Luft,
so ist Q' — Q = p, und bezeichnet f die Querschnittsfläche des Rohres und a die Höhe a c
so ist 56,4. f. a = p, und f = . Ist K und f auf diese Art bestimmt, so wird das
Instrument in die zu untersuchende spezifisch schwerere Flüssigkeit eingesenkt. Bleibt
es bei e g an der Oberfläche dieser Flüssigkeit und nennen wir n die spezifische
Schwere der letztern und die Höhe e a = x, so ist (K + f. a — f. x) n . 56,4 = Q', und
wenn die Werthe für K und f substituirt werden n . 56,4 = Q', woraus
folgt. Auf gleiche Art ist für das Gewicht eines Kubikfusses y
die Länge der Skale x = .
Beispiel. Es sey wie im vorigen §. Q' = 10 Loth, a = 9 Zoll und p = 1 Loth,
so ist für die spezifischen Schweren x = 90 .
u. s. w. Will man aber das Instrument für die Gewichte der Kubikfusse einrichten,
so ist x = 90 , also
[38]Konstrukzion der Soolwagen.
u. s. w. Man sieht, dass auch hier die Unterschiede der Entfernungen für gleiche spe-
zifische Schweren ungleich sind, und zwar sind die obern Abtheilungen (indem hier x von
oben gezählt wird) grösser, als die untern Abtheilungen, so wie es auch im vorigen §. der
Fall war.
Hat man ein bereits fertiges Instrument und man will beurtheilen, bis zu welcher
spezifischen Schwere dasselbe zu gebrauchen ist, so hat man, wenn in der vorigen Glei-
chung x = a gesetzt wird (Q' — p) n = Q', also n = . Soll nun die Skale z. B. bis
n = 1,3 reichen, so muss 1,3 = , also p : Q' = 3 : 13 sich verhalten, und weil sich
p : Q' = f . a : K + f . a verhält, so muss der kubische Inhalt des Rohres wenigstens 3/13 vom
kubischen Inhalte des ganzen Instrumentes betragen.
§. 41.
Es gibt noch eine Gattung von Aräometern, welche Sool- oder Salzwagen ge-
nannt werden. Die Einrichtung derselben ist ganz so, wie bei den bisher beschriebenen
Aräometern; ihre Bestimmung aber ist, den Gehalt an Salz, welches sich im Wasser
aufgelöst befindet, auszumitteln. Man gebraucht nämlich diese Wagen in Salz-, Salpe-
ter-, Pottasche-, oder andern Siedereien, um zu erkennen, ob die Lauge oder Soole so viel
Salz enthalte, dass die Feuerungskosten zur Verdampfung des Wassers durch das gewon-
nene Salz ersetzt werden oder dass die Soole sudwürdig sey. Die Skale dieser Wage wird
bloss durch Versuche bestimmt.
Zu diesem Behufe beschwert man zuerst das Aräometer so lange, bis es in rei-
nem Wasser bis zu dem, am oberen Ende der Skale bezeichneten Punkt einsinkt, die-
sem Punkte wird 0 beigesetzt; nun löst man in einer bestimmten Quantität z. B. ei-
nem Pfunde Wasser ein Loth Potta sche oder Salpeter .... auf, wodurch das Wasser
dichter und spezifisch schwerer wird, demnach auch das Instrument nicht mehr so tief
als in reinem Wasser einsinkt; zu dem betreffenden Punkte wird 1 Loth beigesetzt
und hiermit angedeutet, dass in jedem Pfunde der Soole 1 Loth Salz enthalten sey.
Auf gleiche Art kann nun weiter verfahren und hiernach die ganze Skale verfertigt
werden. Da jedoch diese Instrumente je nach ihren Dimensionen verschiedene Skalen
erhalten, so hat man vorgezogen, durch Versuche für diese Laugen die spezifischen
Schweren bei verschiedenen Prozenten von Salz zu bestimmen. Hierüber sind in Gil-
bert’s Annalen der Physik 35. Band, Leipzig 1810, Seite 361 u. ff. umständliche Ver-
suche vom Herrn J. A. Bischof mit Kochsalzsoolen enthalten. Wir theilen einen Aus-
zug hievon Seite 44 mit, worin für die verschiedenen Kochsalzgehalte die spezifischen
Schweren der Soolen angeführt sind. Findet man nun, dass eine Salzsoole z. B. die
[39]Spezifische Schwere verschiedener Körper.
spezifische Schwere von 1,110 hat, so wird auch der Salzgehalt 15 Prozent betragen.
Sobald daher solche Tabellen vorliegen, kann durch den Gebrauch eines Aräometers,
der die spezifische Schwere anzeigt, der Gehalt an Kochsalz sogleich bestimmt werden.
Auf gleiche Art lässt sich der Gehalt an Kali in einer Lauge nach den Seite 42
hierüber angeführten Versuchen des englischen Chemikers Dalton bestimmen, indem
man ebenfalls die spezifische Schwere der Kalilauge untersucht, und die hierzu gehö-
rigen Prozente von Kali in der Tabelle aufsucht. Auf dieselbe Art hat man für meh-
rere andere Soolen oder Laugen die spezifischen Schweren bei verschiedenen Prozen-
ten Inhalt von Salzen etc. bestimmt und in Tabellen zusammengestellt, worüber in der
Chemie umständlicher gehandelt wird.
§. 42.
Mit Anwendung der für die Bestimmung der spezifischen Schwere angegebenen
Methoden haben verschiedene Physiker die Dichte der Körper untersucht. Das nach-
stebende Verzeichniss ist ein Auszug aus der Tafel der spezifischen Schweren oder
Dichten, welche in dem Supplementbande der Physik vom Herrn Professor Baumgartner
(Wien 1831) enthalten ist; die beigefügten Namen bezeichnen die Physiker, welche die
Bestimmungen vorgenommen haben.
[42]Spezifische Schwere verschiedener Körper.
[44]Spezifische Schwere verschiedener Körper.
§. 43.
Die vorstehende Tabelle über die spezifischen Schweren gewährt viele Anwendungen
in der Ausübung. Hierunter gehört auch die Untersuchung, wie bei einer aus zwei
verschiedenen Metallen bestehenden Mischung die Antheile eines
jeden Metalles durch Rechnung auszumitteln seyen. Die erste Lösung die-
ser Aufgabe wird dem Griechen Archimedes, der im Jahre 287 vor Christi Geburt zu
Syrakus geboren wurde, zugeschrieben. Vitruv erzählt (IX, 3), dass der König Hiero zu
Syrakus für den glücklichen Fortgang seiner Regierung den Göttern eine goldene Krone
zu opfern versprochen habe, wozu er dem Goldarbeiter ein bestimmtes Gewicht Gold
übergab und zur Gegenprobe ein gleiches Gewicht Blei hinterlegen liess. Die hieraus
verfertigte Krone hatte richtig dasselbe Gewicht wie die Gegenprobe, sie war überdiess
sehr schön gearbeitet, und mit feinem Laubwerk verziert, wofür der Goldarbeiter reichlich
belohnt wurde. Nach einiger Zeit wurde jedoch dem Könige hinterbracht, dass der Gold-
schmied einen Theil des zur Krone gegebenen Goldes zurückbehalten und dafür eben so
viel Silber beigemischt habe. Dieses verdrcss den König um so mehr, als er glaubte, dass
hierdurch sein Gelübde nicht erfüllt sey. Zur Entdeckung dieses Betruges wusste man
kein Mittel, als die damals bekannte Scheidung des Goldes vom Silber, wobei aber die
Krone oder wenigstens ein Theil derselben hätte zerstört werden müssen. Der König,
welcher die feine Arbeit der Krone schonen, und das Fehlende den Göttern auf eine
andere Art ersetzen wollte, ersuchte den Archimcdes darüber nachzudenken, wie nicht
nur der vorgegangene Betrug erwiesen, sondern auch das Quantum des beigemischten Sil-
bers ausfindig zu machen sey. Während des Nachsinnens hierüber ging Archimedes zu-
fällig in das Bad, und bemerkte, dass bei dem Eintauchen seines Körpers eben so viel
Wasser aufsteigen und über die volle Badwanne überlaufen müsse, als das Volumen seines
Körpers beträgt. Diese Bemerkung gab ihm das Mittel an die Hand, den kubischen In-
halt der Krone zu messen, mit dem kubischen Inhalt eines gleichen Gewichtes Gold oder
Silber zu vergleichen und auf solche Art die Frage vollkommen aufzulösen. Er liess sich
demnach gleiche Gewichte von Gold und Silber mit der Krone geben und füllte ein Ge-
fäss mit reinem Wasser, in welches er zuerst das silberne Gewicht legte. Nachdem das
Gefäss bis zum Uiberlaufen angefüllt war, zog er das silberne Gewicht heraus und mass
das fehlende Wasser, dessen Stelle dieses Gewicht eingenommen hatte, durch Zugiessen
aus dem Sextarius (einem Hohlmasse) bis zur vollen Anfüllung des Gefässes. Dasselbe
geschah mit dem goldenen Gewichte. Nachdem er auf solche Art den kubischen Inhalt der
mit der Krone gleichen Gewichte sowohl von Silber als auch von Gold genau bestimmt
hatte, legte er endlich auch die Krone in das Wasser. Hierbei zeigte sich, dass der
kubische Inhalt der Krone zwar kleiner als der Inhalt des gleichen Gewichtes Silber,
jedoch grösser als der Inhalt des gleichen Gewichtes Gold war, woraus sonach die vorge-
gangene Vermischung des Goldes sich augenscheinlich zeigte.
Die Bestimmung, wie viel Gold und wie viel Silber in der Krone vorfindig sey, ergab
sich aus einer Rechnung, welche seither in allen Lehrbüchern der Arithmetik unter dem
Namen der Alligazionsregel aufgenommen wurde und auf folgenden Gründen be-
ruhet. Es sey der kubische Inhalt des mit der Krone gleich schweren Goldstückes = G,
[47]Problem des Archimedes.
und der Kubikinhalt des mit der Krone gleich schweren Silbers = S, das gleiche Gewicht
der Krone und der beiden Gold- und Silberstücke = K, und der kubische Inhalt der
Krone = V, endlich sey das Gewicht des in der Krone befindlichen Silbers = x und des
Goldes = y. Aus der bekannten Regel, dass die Gewichte gleichartiger Metalle ihrem
kub. Inhalt proporzional sind, folgt K : S = x : ; der kub. Inhalt des in der Krone
befindlichen Silbers ist daher = . Auf gleiche Art ist der kub. Inhalt des in der
Krone befindlichen Goldes = . Da nun diese beiden Grössen dem Kubikinhalte V
der Krone gleich seyn müssen, so erhalten wir S . x + G . y = V. K. Weil aber das Gewicht
der beiden gemischten Theile dem Gewichte der ganzen Krone gleich seyn muss, so ha-
ben wir x + y = K. Aus diesen beiden Gleichungen ergibt sich das Gewicht des in der Krone
enthaltenen Goldes y = K, und das Gewicht des in der Krone enthaltenen Silbers
x = K.
Beispiel. Es sey das Gewicht der Krone K = 150 Loth, G = 8 Kubikzoll, S = 14
Kubikzoll und V = 9 Kubikzoll, so ist nach der Alligazionsregel der Antheil Gold
y = 150 = 125 Loth, und der Antheil von Silber x = 150 = 25 Loth.
§. 44.
Die aufgestellte Regel scheint das Gepräge der vollkommenen Richtigkeit an sich zu
haben und wurde desshalb auch seit beinahe 2000 Jahren angenommen. Der Grund der-
selben beruht darauf, dass Archimedes die Verhältnisse der Bestandtheile der Mischungen
nur aus dem kubischen Maasse des verdrängten Wassers bestimmt hat, wogegen man
in neueren Zeiten diesen kubischen Inhalt durch das Gewicht des verdrängten Wassers
auf der Wage, also viel genauer bestimmte. Die Voraussetzung des Archimedes, dass die
gemischten Körper vor und nach der Mischung das gleiche Volumen behalten, worauf
sich dann die Gleichung = V gründet, ist jedoch mit den neuern Ent-
deckungen im Widerspruche. Diesen gemäss durchdringen sich zwei verschiedene Kör-
per bei ihrer Mischung und haben nach erfolgter Mischung entweder ein grösseres oder
kleineres Volumen, als die Volumen beider Körper zusammengenommen vor der Mischung
betragen hatten, woraus dann weiter folgt, dass die spezifische Schwere im ersten Falle
geringer, im zweiten Falle aber grösser, als die nach der Alligazionsrechnung gefundene
spezifische Schwere seyn müsse.
Thenard führt in seinem Werke: Traité de Chimie élémentaire théorique et pratique,
Paris 1813, tome 1rpag. 394, hierüber folgende Uibersicht an:
[48]Spezifische Schwere der Metallverbindungen.
§. 45.
Da dieser Gegenstand für die Ausübung von grosser Wichtigkeit ist, indem wir häufig
in die Lage kommen aus der spezifischen Schwere eines Metallgemisches die beiderseiti-
gen Antheile der Metalle zu bestimmen, so hat man in neuern Zeiten mehrere Versuche
dieser Art angestellt. Wir haben bereits Seite 40 die spezifischen Schweren der Mischun-
gen von Gold und Platin nach den Versuchen von Prinsep, dann Seite 42 jene der
Mischungen aus Kupfer und Zinn, endlich Seite 45 die spezifischen Schweren der Mischun-
gen von Z[i]nn und Blei angeführt. Mehrere andere Versuche über diesen Gegenstand fin-
den sich in den chemischen Werken. Herr Professor Meissner in Wien hat diesen Gegen-
stand in seinem ausführlichen, im Jahre 1816 über die Aräometrie bekannt gemachten
Werke, vorzüglich aber die Bestimmung der spezifischen Schweren bei verschiedenen
Mischungsverhältnissen des Alkohols mit Wasser, wovon wir demnächst sprechen werden,
mit vieler Gründlichkeit behandelt. Die Resultate der Versuche, welche derselbe über
die spezifischen Schweren der Legirungen aus böhmischem (Schlaggenwalder) Zinn und
Villacher Blei anstellte, sind in der Tabelle XI seines Werkes enthalten, und Seite 50 in
unserer Tabelle wieder aufgenommen. Hiervon enthält die Kolumne I. die Inhaltsmasse y
des Zinnes, und II. jene des Bleies x, welche bei den Versuchen verwendet wurden, und
es erscheint in III. deren spezifische Schwere nach der hierüber angestellten Beobachtung.
Die Kolumne IV. enthält das berechnete spezifische Gewicht bei unveränderten Volumen, wie
es die Formel nach der Alligazionsrechnung gibt; die Kolumne V. enthält
die korrigirte spezifische Schwere, wie sie anzunehmen ist, damit sich die auffallenden
positiven und negativen Differenzen in der Kolumne III. beinahe heben. Da es allgemein
bekannt ist, dass in der Natur keine Sprünge vorgefunden werden, so wird auch bei den
Legirungen der Metalle ein bestimmtes Gesetz vorherrschen; wir haben demnach die Kor-
rekzion der beobachteten spezifischen Schweren (III) in der Art vorgenommen, dass die
korrigirten Zahlen (V) einem beständigen Gesetze folgen. Wie gross diese Korrekzionen
seyen, ist aus der VI. Kolumne ersichtlich, woraus man zugleich sieht, dass sich die posi-
[49]Legirungen von Zinn und Blei.
tiven und negativen Differenzen beinahe aufheben. In der Kolumne VII erscheint das
Volumen der Mischung, welches durch Division der Zahlen in IV durch jene in V offen-
bar erhalten wurde. Wird von den gefundenen Werthen die Zahl 1,0000 abgezogen, so
erhält man die Vermehrung des Volumens der jedesmaligen Mischung, welches in Kolumne
VIII angeführt ist. Für diese Zahlen ist nunmehr das Gesetz aufzusuchen.
Bei näherer Betrachtung dieser Zahlen sehen wir, dass die Vermehrung des Volu-
mens gegen die Mitte oder bei beinahe gleichen Mischungen von Zinn und Blei am gröss-
ten sey und 0,0512 betrage; von hier nimmt sie zu beiden Seiten ab und verschwindet end-
lich ganz, wenn y = 0 oder kein Zinn, und wenn 1 — y = x = 0 oder kein Blei in der
Mischung vorhanden ist. Es muss daher der allgemeine Ausdruck für diese Volumensver-
mehrungen die Faktoren x. y enthalten, wenn wir also die Zahlen in VIII durch x. y di-
vidiren, so gibt diess die Zahlen in IX, von welchen wir annehmen können, dass sie nach
einem Gesetze fortlaufen, welches sich durch die Formel A + B . x + C x2.... ausdrücken
lässt. Um die Werthe für A, B, C auszumitteln, setzen wir für x nach und nach die
Werthe 0,1; 0,2; 0,3; ..... woraus nachstehende 9 Gleichungen folgen:
- A + 0,1 B + 0,01 C = 0,192
- A + 0,2 B + 0,04 C = 0,188
- A + 0,3 B + 0,09 C = 0,188
- A + 0,4 B + 0,16 C = 0,192
- A + 0,5 B + 0,25 C = 0,201
- A + 0,6 B + 0,36 C = 0,213
- A + 0,7 B + 0,49 C = 0,230
- A + 0,8 B + 0,64 C = 0,249
- A + 0,9 B + 0,81 C = 0,270
Wenn wir je drei dieser Gleichungen wie sie unter einander stehen, addiren, und
hiernach jede derselben durch 3 dividiren, so erhalten wir:
- 3 A + 0,6 B + 0,14 C = 0,568
- 3 A + 1,5 B + 0,77 C = 0,606
- 3 A + 2,4 B + 1,94 C = 0,749
- A + 0,2 B + 0,047 C = 0,1893
- A + 0,5 B + 0,257 C = 0,2020
- A + 0,8 B + 0,647 C = 0,2497
Zieht man von den letztern Gleichungen die erste von der zweiten, und die zweite
von der dritten ab, so erhält man: 0,3 B + 0,21 C = 0,0127
0,3 B + 0,39 C = 0,0477. Hieraus folgt 0,18 C = 0,0350 oder
C nahe = 0,2. Die Summe der zwei letzten Gleichungen gibt 0,6 B + 0,6 C = 0,0604 oder
B + C = 0,1, mithin B = — 0,1. Werden endlich die drei zu Grunde gelegten Gleichun-
gen addirt, so ist 3 A + 1,5 B + 0,951 C = 0,6410 oder A + 0,5 B + 0,317 C = 0,2137. Substituirt
man die gefundenen Werthe für B und C, so ist A — 0,05 + 0,0634 = 0,2137, daher A = 0,2.
Mithin ist 0,2 — 0,1 x + 0,2 x2 oder das Gesetz, welchem die Zahlen der Kolumne
IX am nächsten folgen.
Um die Richtigkeit dieser Ableitung zu prüfen, haben wir in der Kolumne X die
Werthe des Ausdruckes und in XI die Produkte derselben mit x. y beige-
setzt. Hierzu wurde 1,0000 addirt, und hierdurch das Volumen der Mischung in XII erhal-
ten; hieraus ergaben sich endlich durch Division der Zahlen in IV durch jene in XII die
berechneten spezifischen Gewichte in der Kolumne XIII. Zum Beweise der Genauigkeit
der Resultate wurden in Kolumne IV die Unterschiede der vom Herrn Prof. Meissner
beobachteten spezifischen Schweren in III mit den nach unserm Gesetze berechneten XIII
beigefügt. Man sieht hieraus, dass diese Differenzen bald positiv und bald negativ sind,
und gewöhnlich nur 0,02 betragen. Die positiven Differenzen geben zusammen + 0,121,
Gerstner’s Mechanik. Band II. 7
[50]Legirungen von Zinn und Blei.
die negativen aber — 0,156; es bleibt daher — 0,035 übrig. Wollte man auch diesen
kleinen Unterschied noch verbessern, so wäre eine neue Korrekzion der Zahlen in III
vorzunehmen, und die Rechnung auf gleiche Art durchzuführen, bis die Summe der
positiven und negativen Differenzen in XIV sich aufhebt. Nachstehende Tabelle ent-
hält die Resultate der oben angeführten Berechnungen.
§. 46.
Mit Hülfe der vorstehenden Tabelle lassen sich nun alle Beispiele über Legirun-
gen von Zinn und Blei auflösen.
1tes Beispiel. Man soll den Gehalt von Zinn und Blei, welcher in einem Ge-
fässe z. B. in einem Teller enthalten ist, angeben.
Man wiege denselben in der Luft, sein absolutes Gewicht sey 14,15 Loth = Q, hier-
auf wiege man denselben im Wasser, und fände W = 12,76 Loth, so ist nach §. 28. die spe-
zifische Schwere des Tellers n = = 10,18; diess fällt zwischen
[51]Legirungen von Zinn und Blei.
zwei Werthe in der Tabelle Kolumne XIII; wir haben nämlich
- für y = 0,20 und x = 0,80 die berechnete spezifische Schwere n = 10,141
- für y = ? „ x = ? „ gefundene „ „ n = 10,18
- für y = 0,15 „ x = 0,85 die berechnete „ „ n = 10,401
- demnach 0,85 — 0,80 : 10,401 — 10,141 = 0,85 — x : 10,401 — 10,18 oder 5 : 26 = 0,85 — x : 0,221,
woraus der Antheil Blei x = 0,8075, demnach der Antheil Zinn y = 0,1925 folgt. Will man
diese Antheile im Gewichte haben, so beträgt das vorhandene Blei 0,8075. 14,15 = 11,43 Loth,
demnach das Zinn 2,72 Loth.
Wollte man dasselbe Beispiel nach der Alligazionsrechnung auflösen, so ist x + y = 14,15,
und = 14,15 — 12,76 = 1,39, woraus x = 11,20 Loth und y = 2,95 Loth folgt.
Man hätte daher bei der Bestimmung des Zinnes einen Fehler von 2,95 — 2,72 = 0,23 Loth
begangen, welches beinahe 8 Prozente des Zinngehaltes beträgt.
2tes Beispiel. Man hat eine Legirung aus Zinn und Blei, deren spezifische
Schwere = 9,465 ist; das vorhandene Stück wiegt 12 ℔, es fragt sich, mit wie viel Pfund
Zinn es versetzt werden muss, damit die neue Mischung 20 Prozent Blei erhalte.
In der Kolumne XIII der Tabelle findet man, dass die Legirung bei der angegebe-
nen spezifischen Schwere 0,35 Zinn und 0,65 Blei enthält. Man findet daher aus der Pro-
portion 1,00 : 0,65 = 12 : x den Antheil Blei x = 7,8 ℔ und daher y = 4,2 ℔ Zinn, welche in
dem gegebenen Stücke vorhanden sind. Nun sollen aber auf 20 ℔ Blei gerade 80 ℔ Zinn
in dem geforderten Metallgemische vorhanden seyn; man findet daher das, zu den vor-
handenen 7,8 ℔ Blei benöthigte Zinn y' aus der Proporzion 20 : 80 = 7,8 : y' und y' = 31,2 ℔.
Weil aber schon 4,2 ℔ Zinn in der gegebenen Legirung vorhanden sind, so folgt, dass
nur noch 31,2 — 4,2 = 27 ℔ Zinn erfordert werden. Mischt man daher die gegebene Le-
girung von 12 ℔ Gewicht mit 27 ℔ Zinn, so erhält man 39 ℔ Metallgemisch, wo in
100 Theilen 20 Theile Blei und 80 Theile Zinn enthalten sind.
§. 47.
Die Mischungen von Alkohol und Wasser sind bei dem vielfältigen Ge-
brauche des Branntweines für das bürgerliche Leben von grosser Wichtigkeit. Es handelt
sich nämlich sehr häufig, den Werth des Branntweines als Handelsgegenstand zu
bestimmen, und wenn derselbe wie es z. B. bei Armeelieferungen eintritt, nicht in der ge-
forderten Stärke geliefert wurde, denjenigen Preis auszumitteln, der mit Rücksicht auf
die wirkliche Güte des Branntweines, d. i. den hierin enthaltenen Alkohol, zu bezahlen kommt.
Bei der Wichtigkeit dieses Gegenstandes wurden seit einer Reihe von Jahren viele
Versuche dieser Art angestellt. Herr Professor Meissner hat in dem bereits genannten
Werke den Mischungen von Alkohol und Wasser eine vorzügliche Aufmerksamkeit geschenkt.
Er bestimmte nämlich mit der grössten Sorgfalt die spezifische Schwere der Mischun-
gen von reinem Alkohol mit Wasser und zwar von 5 zu 5 Prozenten sowohl des Inhalts-
maasses als des Gewichtes. Die Tabelle XXIV in seinem Werke enthält die spezifischen
Schweren dieser Mischungen, wovon wir in der folgenden Tabelle (Seite 53) die
Zahlen in der I. II. und III. Kolumne aufgenommen haben. Hiervon enthält nämlich I. die
Inhaltsmaasse (y) des Alkohols, II. jene (x) des Wassers und III. die beobachtete apezi-
7*
[52]Mischungen aus Alkohol und Wasser.
fische Schwere von 5 zu 5 Prozenten. Die Kolumne IV enthält das berechnete spezifische
Gewicht bei unverändertem Volumen, wie es die Formel 0,7932 y + x gibt. Die Kolumne
V enthält die korrigirte spezifische Schwere, wie sie angenommen werden muss, wenn sich
die auffallenden positiven und negativen Differenzen in der Kolumne III beinahe heben
sollen. Die Vergleichung von V mit III zeigt, dass die Unterschiede oder die Korrekzio-
nen sehr unbedeutend sind, und nur in die vierten Dezimalen fallen, demnach um so weni-
ger beanständigt werden können, da man bei der Beobachtung die vierten Dezimalen nicht
mehr ablesen konnte. Aus V wurde das Volumen in VI dadurch berechnet, indem man
die Zahlen der IV. Kolumne durch jene der V. dividirte und hierauf durch Abzie-
hung dieser Zahlen von 1,0000 die Zahlen der Kolumne VII oder die Volumensver-
minderung der jedesmaligen Mischung bestimmte. Für diese Zahlen muss nunmehr
abermals das Gesetz aufgesucht werden.
Bei näherer Betrachtung derselben sehen wir, dass die Verminderung des Volumens
in der Mitte oder bei gleichen Mischungen von Alkohol und Wasser 0,0364 betrage, und
hier ein Maximum sey, dann aber von beiden Seiten abnimmt und endlich ganz verschwin-
det, wenn y = 0 oder kein Alkohol vorhanden ist, und wenn 1 — y = x = 0 oder kein
Wasser beigemischt ist. Wenn wir demnach die Zahlen in VII durch x. y dividiren, so
erhalten wir jene in der Kolumne VIII, für welche das Gesetz auf gleiche Art abzuleiten
ist, wie wir dasselbe §. 45 bei den Legirungen von Zinn und Blei entwickelt haben. Da bei
diesen Versuchen die spezifischen Schweren mit mehr Genauigkeit als bei den Legirungen
von Zinn und Blei bestimmt wurden, so haben wir auch bei der Entwicklung des Gesetzes
A + B. x + C. x2 ..... fünf Glieder angenommen. Bei der Berechnung der Koeffizienten
A, B, C ..... wurden die Gleichungen 1 und 2, 3 und 4, 6 und 7, 8 und 9 addirt und mit
der mittlern doppelt genommenen Gleichung verbunden. Hiernach ergab sich der Aus-
druck N = 0,2284 — 0,4592 x + 0,7163 x2 — 0,0694 x3 — 0,4147 x4, als die Volumensverminde-
rung, welche für die verschiedenen Werthe von x in der Kolumne IX berechnet ist.
Um nun die Richtigkeit dieser Rechnung darzuthun, erscheint in X das Produkt der
Zahlen in IX mit x. y, oder die Verminderung des Volumens, in XI das hieraus berechnete
Volumen, indem man von 1,0000 die Volumensverminderung abzog, endlich in XII die
berechnete spezifische Schwere, indem man die spezifische Schwere bei unverändertem
Volumen (IV) mit dem berechneten Volumen (XI) dividirte. In der letzten Kolumne XIII
erscheinen die Differenzen zwischen der nach unserem Gesetze berechneten spezifischen
Schwere (XII) und dem von Hrn. Professor Meissner beobachteten spezifischen Gewichte (III).
Wir sehen hieraus, dass diese Differenzen bald positiv und bald negativ sind, und gewöhn-
lich nur in die vierte Dezimale fallen; da überdiess die positiven und negativen Differen-
zen sich beinahe aufheben, so können die Resultate unserer Rechnung als die richtigern
angesehen werden. Nachstehende Tabelle enthält die eben angeführte Rechnung.
[53]Mischungen aus Alkohol und Wasser.
§. 48.
Für die Ausübung ist es von Wichtigkeit das spezifische Gewicht der Mischungen
von Alkohol und Wasser für jeden Unterschied von 1 Prozent Alkohol zu wissen. Zu die-
sem Zwecke haben wir in der nachstehenden Tabelle die von 5 zu 5 Prozent durch
Rechnung gefundenen spezifischen Gewichte aus der vorigen Tabelle zum Grunde ge-
legt und die Zwischenwerthe für die einzelnen Prozente durch Interpolazion bestimmt;
hierbei wurde nämlich die Rechnung so geführt, dass die Differenzen der spezifischen
Schweren dem vorwaltenden Gesetze möglichst entsprechen und nirgends ein Sprung
Statt findet.
[54]Mischungen aus Alkohol und Wasser.
§. 49.
Erstes Beispiel. Werden gleiche Quantitäten z. B. 50 Seidel Alkohol mit 50
Seidel reinen Wassers vermischt, so ist die spezifische Schwere nach der Alligazionsrech-
nung = 0,8966, dagegen die Tabelle für diesen Fall die spezifische
Schwere von 0,9299 ausweist. Wir finden in derselben Tabelle bei 65 Theilen Alkohol
und 35 Theilen Wasser die spezifische Schwere 0,8957, welche mit jener 0,8966 zunächst
übereinkommt. Wollte man daher aus der, nach der Alligazionsrechnung berechneten
spezifischen Schwere 0,8966 schliessen, dass in 100 Seideln Branntwein die Hälfte oder
50 Seidel Alkohol enthalten sind, so würde hierbei ein Fehler von 65 — 50 = 15 Seidel
Statt finden, woraus wir ersehen, wie nothwendig genaue Versuche über diese Mischun-
[55]Beispiele von Mischungen aus Alkohol und Wasser.
gen sind, und welche bedeutende Fehler man nach der Berechnung bei unverändertem
Volumen begehen würde.
Die Ursache dieses bedeutenden Unterschiedes liegt in der Volumensverminderung,
welche nach Tabelle Seite 53, Kolumne X bei gleichen Quantitäten 0,0358, demnach
bei 100 Seideln gerade 3,58 Seidel beträgt. Die Mischung von 50 Seidel Alkohol und
50 Seidel Wasser wird demnach nur 96,42 und nicht 100 Seidel betragen.
Zweites Beispiel. Man hat einen Branntwein von der spezifischen Schwere
0,9450 bestellt und zu dem Preise von a Gulden für den Eimer bedungen. Der Lieferant
bringt einen Branntwein, dessen spezifische Schwere nur 0,9666 ist. Es fragt sich, zu wel-
chem Preise man den letztern bezahlen kann?
Der Preis des Branntweins richtet sich offenbar nur nach dem Alkoholgehalt; man
muss daher vorerst bestimmen, wie viel die bedungene und die abgelieferte Flüssigkeit
an Alkohol enthält. Wir finden in der Tabelle, dass die Mischung von 43 Theilen Alko-
hol und 57 Theilen Wasser die spezifische Schwere 0,9441 hat, welche mit der bedunge-
nen von 0,9450 als gleich angenommen werden kann. Der bestellte Branntwein sollte da-
her 43 Theile Alkohol enthalten und für diese war der Preis von a Gulden bedungen wor-
den. Nach derselben Tabelle enthält eine Mischung, deren spezifische Schwere 0,9666
ist, nur 29 Theile Alkohol; man findet daher aus der Proportion 43 : a = 29 : x den wah-
ren Preis eines Eimers des abgelieferten Branntweins x = .
Drittes Beispiel. Man hat 100 Mass Branntwein von der spezifischen Schwere
0,9422 und fragt, wie viel Mass schwächern Branntwein von der spezifischen Schwere
0,9857 man hieraus erhalten könne.
Der Tabelle Seite 54 zu Folge enthalten 100 Mass des ersteren Branntweins 44 Mass
Alkohol, dagegen 100 Mass des zweiten Branntweines nur 10 Mass Alkohol. Man kann
daher sagen: Aus 10 Mass Alkohol erhält man 100 Mass des verlangten Branntweins,
wie viel Mass (x) geben die vorhandenen 44 Mass Alkohol oder 10 : 100 = 44 : x, woraus
x = 440 Mass. Nun lässt sich die beizuschüttende Wassermenge leicht finden. Von dem
verlangten Branntweine müsste nämlich zu 10 Mass Alkohol immer 90 Mass Wasser bei-
geschüttet werden; es fordern daher 44 Mass Alkohol ein Quantum Wasser = y oder
10 : 90 = 44 : y und y = 396 Mass Wasser, da jedoch in den gegebenen 100 Mass Brannt-
wein schon 100 — 44 = 56 Mass Wasser enthalten sind, so wird nur noch eine Beimi-
schung von 396 — 56 = 340 Mass Wasser erfordert.
Auf diese Art würde man ein Gemisch von 396 Mass Wasser und 44 Mass Alkohol,
zusammen also 440 Mass Branntwein von der verlangten Stärke erhalten, wenn nicht bei
der Mischung eine Verminderung des Volumens einträte. Zur genauern Berechnung wird
daher erfordert, auch hierauf Rücksicht zu nehmen. Nach der Tabelle Seite 53 Kolumne
VII tritt für y = 0,10 und x = 0,90 eine Volumensverminderung von 0,0062, demnach bei
440 Mass eine Verminderung von 440 . 0,0062 = 2,728 Mass ein. Es werden daher 100
Mass Branntwein von der spezifischen Schwere 0,9422 gerade 440 — 2,728 = 437,272 Mass
schwächeren Branntwein von 0,9857 spezifischen Schwere geben, wenn das erste Quantum
mit 340 Mass reinen Wassers gemischt wird.
[56]Redukzion der Gewichte auf den leeren Raum.
Man sieht hieraus, wie andere hierher gehörige Aufgaben aufgelöst werden, worüber
man noch mehr in der bereits angeführten Aräometrie des Herrn Professors Meissner
findet.
§. 50.
Wir haben bisher das absolute Gewicht eines Körpers durch Abwägen desselben in
der Luft auf einer Wage bestimmt. Für den gewöhnlichen Gebrauch ist diess vollkom-
men hinreichend; wenn aber bei genauern physikalischen Untersuchungen das absolute
Gewicht der Körper an und für sich, d. h. im luftleeren Raume gefordert würde, so muss
das Gewicht des verdrängten Luftraumes in Rechnung genommen werden. Da nämlich die
Luft wie das Wasser ein schwerer Körper ist, so verliert jeder Körper bei dem Abwägen
in derselben von seinem absoluten Gewichte eben so viel, als das Gewicht der Luft beträgt,
welches der Körper durch sein Volumen verdrängt. Ein leichter Körper, z. B. weiches
Holz, verliert daher bei dem Abwägen auf einer Wage weit mehr von seinem absoluten Ge-
wichte als das in die entgegengesetzte Schale gelegte viel dichtere, eiserne oder mes-
singene Gewicht. So oft daher eine sehr genaue Abwägung gemacht werden soll, muss
die Redukzion auf den luftleeren Raum geschehen; nur dann lassen sich
nämlich die Gewichte genau unter einander beurtheilen.
Es sey das absolute Gewicht eines Körpers z. B. eines Stück Holzes im luftleeren
Raume G, sein Kubikinhalt K, und die spezifische Schwere der athmosphärischen Luft
= n'. Das absolute Gewicht des auf der Wage im Zustande des Gleichgewichtes vor-
handenen eisernen Schalengewichtes sey = g und sein Kubikinhalt = k. Es ist offen-
bar, dass der erste Körper 56,4 . n' . K und der zweite 56,4 . n' . k bei der Abwägung in der
Luft verliere; demnach G — 56,4 . n' . K = g — 56,4 . n' . k seyn müsse. Hieraus folgt
G = g + 56,4 n' (K — k).
Beispiel. Nehmen wir einen Kubikfuss weichen Holzes, dessen spezifische Schwere
= 0,6, demnach das Gewicht in der Luft = 0,6 . 56,4 ℔ ist. Dieses wird auf der gewöhnlichen
Wage durch ein gusseisernes Schalengewicht von 1/12 Kubikfuss aufgewogen, dessen spezifische
Schwere des Gusseisens = 7,2 sey und daher 0,6 . 56,4 . 1 = . Nehmen wir nun die
spezifische Schwere der atmosphärischen Luft = 0,00129 an, so ist
G = oder G = 33,84 + 0,067. Der Kubikfuss Holz
wiegt daher um 0,067 ℔ = 2,144 Loth im luftleeren Raume mehr, als er auf der Wage mit
33,84 ℔ angegeben wird. Da jedoch dieser Unterschied nur den 505ten Theil beträgt, so
folgt von selbst, dass man bei allen Berechnungen der praktischen Mechanik hierauf
keine Rücksicht zu nehmen brauche, und dass wir für das absolute Gewicht der Kör-
per entweder das in der athmosphärischen Luft gefundene oder das auf den luftleeren
Raum reduzirte nehmen können.
§. 51.
Bei einem jeden Schiffe muss das Gewicht des verdrängten Wassers eben so
gross, als das absolute Gewicht des Schiffes und der Ladung seyn; ist aber das Schiff
leer, so ist auf gleiche Art bloss das Gewicht des Schiffes dem Gewichte des hierdurch
verdrängten Wassers gleich.
[57]Tiefe des Einsinkens leerer Schiffe.
Die erste Aufgabe, welche bei diesem Gegenstande vorkommt, ist die Berechnung,
wie tief ein unbeladenes Schiff im Wasser geht. Wir wollen zuerst ein
reguläres, mit geraden Flächen begränztes Schiff annehmen, dessen Längendurchschnitt
Fig. 12. und Grundriss Fig. 13. ist. Diese Schiffe werden gewöhnlich auf jenen FlüssenFig.
12
und
13.
Tab.
42.
gebraucht, die zu seicht sind, um tiefgehende, mit krummen Flächen begränzte Schiffe
aufzunehmen. So sind die auf der Moldau in Böhmen gebräuchlichen zum fortwäh-
renden Salztransporte bestimmten Schiffe durchaus sehr flach und für eine Wassertiefe
von 18 Zoll berechnet, weil nur diese geringe Tiefe während des grössten Theiles des
Jahres auf der schiffbaren Moldau zwischen Budweis und Prag vorhanden ist; man muss
demnach auch alle diese Schiffe möglichst flach bauen, um hierdurch dasjenige an der
Breite zu ersetzen, was ihnen an der Tiefe fehlt.
Es sey die Breite des Schiffes M N = B, seine Länge ohne die Spitzen nämlich bloss
die Länge des mittleren Theiles C E = L und seine Höhe B C = H, die Länge der
Schnäbel sey A B = D F = a; endlich sey die mit Berücksichtigung der gewöhnlichen
Rippen verglichene Stärke des hölzernen Bodens des Schiffes = d, und der Seitenwände
= d'; demnach ist der kubische Inhalt des mittlern Schiffbodens = B . L . d und der kubische
Inhalt des Bodens vom hintern und vordern Theile = = B . d. √ (a2 + H2).
Der Kubikinhalt der zwei langen Seitenwände ist = 2 . H . L . d' und jener der 4 schie-
fen Wände an den Schnäbeln = . Werden diese
vier Grössen addirt und mit dem Gewichte eines Kubikfusses Holz n . 56,4 multiplizirt, so
erhält man das ganze Gewicht des Schiffes
= . Bezeichnet nun x die
Tiefe, auf welche das leere Schiff einsinkt, so ist 56,4 . B . L . x das Gewicht des verdräng-
ten Wassers, wobei auf das unbedeutende ausser dem mittlern Theile verdrängte Wasser
keine Rücksicht genommen ist. Da nun das Schiff schwimmt, so haben wir die Gleichung
56,4 B . L . x = woraus nun x
bestimmt werden kann.
Beispiel. Die Länge der Holzschiffe, welche die Moldau bei höherem Wasser-
stande befahren, beträgt gewöhnlich für den mittlern Theil L = 48 Fuss, für jeden
Seitentheil oder Schnabel a = 12 Fuss, demnach die Länge von Spitze zu Spitze des
Schiffes gemessen = 12 + 48 + 12 = 72 Fuss. Die Breite dieser Schiffe ist B = 12 Fuss,
und ihre Höhe H = 4 Fuss; die Dicke des Bodens d = 4 Zoll = ⅓ Fuss, und die Dicke
der Seitenwände d' = 3 Zoll = ¼ Fuss. Werden diese Werthe substituirt, und wird die
spezifische Schwere für weiches Holz n = 0,6 gesetzt, so ist
56,4 . 12 . 48 . x = = 12366 ℔
oder x = (242,596 + 122,832) = 0,3807 Fuss = 4,57 Zoll.
So tief geht das Schiff durch seine eigene Schwere im Wasser. Hierzu käme aber
noch die Tiefe hinzuzuschlagen, auf welche das Schiff wegen des Gewichtes der, in
demselben befindlichen, zu seiner Leitung erforderlichen Geräthschaften und Menschen
Gerstner’s Mechanik. Band II. 8
[58]Schiffsaiche.
Fig.
12.
und
13.
Tab.
42.einsinkt. Man kann nun entweder eine kleine Grösse hiefür anschlagen oder das Ge-
wicht dieser Gegenstände zu dem eigenen Gewichte des Schiffes addiren und hieraus
x bestimmen, oder es kann auch das Schiff auf ein ruhiges Wasser gegeben, mit
allen zu seiner Leitung nöthigen Geräthschaften und Menschen belastet, und nun die
Tiefe x am Schiffe selbst bezeichnet werden. Wollte man diese Bezeichnung am Schiffe
ersichtlich machen, um von da aus die Aichskale aufzutragen, so geschieht diess
an der Linie B C und D E zu jeder Seite, also eigentlich an vier Orten.
§. 52.
Unter der Schiffsaiche verstehen wir eine Skale, welche zu beiden Seiten des
Schiffes so angebracht ist, dass der Punkt, bis zu welchem das Schiff einsinkt, das Gewicht
der jedesmal vorhandenen Ladung angibt. Diese Aiche ist auf vielen Flüssen, wo eine
wohlgeordnete und frequente Schiffahrt Statt findet, z. B. auf dem Rhein, gesetzlich
eingeführt und gewährt den wesentlichen Vortheil, dass man sogleich ohne weitere Ab-
wägung das Gewicht der ganzen Ladung in einem Schiffe finden und darnach den Zoll,
im Falle einerlei Güter, z. B. Getreide, geladen sind, ohne Aufenthalt bestimmen kann.
Die Aichskalen werden daher gewöhnlich vor ihrem Gebrauche von den hierzu aufge-
stellten Beamten geprüft, mit einem ämtlichen Zeichen versehen, und dann erst zur
Bestimmung des Gewichtes der Ladung benützt.
Wir wollen nun untersuchen, wie bei dem im vorigen §. angenommenen regulär
gebauten Schiffe die Aichskale durch Berechnung eingetheilt werden kann. Es sey
y = m C die veränderliche Tiefe, bis zu welcher das Schiff eingesunken ist, für die
wir daher die Grösse der Ladung, welche an der Skale bei m und n anzuschreiben
kommt, zu berechnen haben.
Der Kubikinhalt des eingetauchten Schiffes oder der Kubikinhalt des verdrängten
Fig.
14.Wassers besteht, wie Fig. 14 zeigt, aus dem Prisma, dessen Querschnitt m n E C ist, oder aus
m C . C E . M N = y . L . B (I), und aus dem Inhalte der zwei Seitenkörper T Q M o l N.
Diese letztern bestehen aus den Pyramiden Q M o r q = = T t k l N und aus
dem keilförmigen, dazwischen liegenden Stücke Q q r k t T = . Wegen der Aehn-
lichkeit der Dreiecke ist p m : m C = A B : B C, oder p m : y = a : H und
p m = = Q q. Ferner Q T : M N = A u : A S oder q t : B = und
q t = , demnach M q = M N — q t — t N oder M q = ,
woraus M q = . Diese Werthe substituirt geben den Inhalt der vier Pyramiden
= (II).
Der Kubikinhalt der zwei zwischen den Pyramiden liegenden keilförmigen Stücke
ist = (III). Diese drei Grössen mit 56,4 multiplizirt sind dem Ge-
wichte des Schiffes sammt Ladung (G) gleich, wir erhalten daher
[59]Schiffsaiche.
Werden hier die Werthe aus dem obigen Beispiele substituirt, so ist
Wir sehen hieraus, dass wir, um für jeden Werth von G die entsprechende Höhe
y an der Aichskale zu finden, eine Gleichung des dritten Grades erhalten. Um diess
zu vermeiden, nimmt man für y verschiedene Werthe an und berechnet hierzu die
Grösse der Ladung G, welches uns folgende Tabelle gibt.
In dieser Tabelle erscheint eine Ladung von 8 ℔ für y = 4,47 Zoll, während wir
im vorigen §. die Tiefe der Einsenkung des leeren Schiffes mit x = 4,57 Zoll be-
8*
[60]Schiffsaiche.
rechneten. Dieser unbedeutende Unterschied rührt daher, weil wir in jener Rechnung
den Werth für x bloss aus der Einsenkung des mittlern Schiffkörpers berechneten,
während die gegenwärtige Rechnung ganz genau ist. Da es bei dieser Rechnung
auf einzelne Pfunde ohnehin nicht ankommt, so genügt es, wenn man zu den Höhen an der
Skale über dem Nullpunkte oder zu 1, 2, 3, 4, 5, 6 ..... Zoll die Ladungen
G = 28, 57, 86, 115, 145, 174 Ztr. ....... anschreibt.
Man wird demnach zwei Latten B C und D E von jeder Seite des Schiffes annageln und
die Theilung darauf bemerken, bei der Abmessung aber den mittleren Werth von den
an die Oberfläche des Wassers fallenden Zahlen an den vier Latten nehmen. Die hier-
durch erhaltene Zahl gibt das Gewicht der Ladung, wovon bereits das Gewicht des
leeren Schiffes abgezogen wurde; es müsste demnach noch das Gewicht der zur Be-
dienung des Schiffes erforderlichen Menschen und Geräthschaften abgeschlagen wer-
den, um das eigentliche Gewicht der Ladung auszumitteln.
Es ist überflüssig, eine solche Skale in kleinere Theile als Zolle abzutheilen, weil
man bei dieser Bemessung über die Unterschiede von einigen Zentnern gewöhnlich
hinausgeht, und auch die Einsenkung des Schiffes wegen des unruhigen Standes des
Wassers gewöhnlich nur bis auf einzelne Zolle zu beurtheilen im Stande ist. Uibri-
gens ersicht man aus den in der obigen Tabelle beigefügten Differenzen, dass die
Berechnung einer solchen Skale, wenn die ersten Werthe gefunden wurden, leicht
weiter geführt werden kann.
§. 53.
Wir haben bei der vorstehenden Berechnung ein von geraden Flächen begränz-
tes regulär gebautes Schiff angenommen. Die meisten Schiffe sind jedoch von krum-
men Flächen begränzt, und zwar nach keiner bestimmten Krümmung. Soll in diesem
Falle die Aichskale verfertigt werden, so muss man von dem Schiffe die nothwendigen
Längen- und Querprofile aufnehmen, auf dem Papiere verzeichnen und hieraus zuerst
das Gewicht des Schiffes, dann den kubischen Inhalt und das Gewicht des verdräng-
ten Wassers für eine jede Tiefe y, demnach auch das entsprechende Gewicht der La-
dung bestimmen. Zur Vermeidung von Weitläufigkeit wollen wir hierüber kein beson-
deres Beispiel anführen.
In der Ausübung wird die Aichskale gewöhnlich auch bloss durch ein praktisches
Verfahren bestimmt. Man führt nämlich zuerst das leere Schiff an einen Ort, wo das
Wasser möglichst ruhig ist, z. B. in einen geschlossenen Raum, und bemerkt an den
vier bereits befestigten Latten die Tiefe des Einsinkens, zu welcher 0 beigesetzt wird. Nun
ladet man das Schiff von 10 zu 10, oder von 25 zu 25 .......... Zentner möglichst
gleichförmig, so dass es an den vier Latten um eine gleiche Grösse einsinkt, und schreibt
wieder jedesmal die entsprechenden Ladungen den Theilstrichen zu.
Da es zu beschwerlich ist, mehrere hundert oder tausend Zentner der Reihe nach
abzuwägen und ein Schiff damit zu beladen, so hat man in England eigene Wage-
häuser, welche über den Kanälen erbaut sind, damit ein Schiff unter die Wage ge-
führt, und gewogen werden könne. Das Schiff wird nun leer und dann auch mit der
vollen Ladung, die gewöhnlich in Steinkohlen besteht, gewogen, und zugleich sowohl
[61]Stabilität der Schiffe.
der Mittelpunkt, als auch der Punkt der vollen Belastung des Kanalschiffes, oder auch
noch einige Zwischenpunkte bemerkt. Die Konstrukzion dieser Wagen ist dieselbe,
welche wir in dem I. Bande bei den Strassen- oder Mauthwagen und den für grosse
Güterwägen bestimmten Wagen kennen gelernt haben; das Schiff wird nämlich mit Ket-
ten umwunden, durch eine Verbindung mehrerer Räder aus dem Wasser gehoben, und
dann gewöhnlich mittelst einer Schnellwage abgewogen. Es leuchtet von selbst ein,
dass man sich derselben Manipulazion bedienen könne, um die Aichskale bei einem
beladenen Schiffe zu verifiziren.
§. 54.
Wir kommen nun zur Beantwortung der Frage, welche Sicherheit ein Schiff
gegen das Umstürzen habe? — Es ist aus Erfahrung bekannt, dass ein schmales
Schiff leicht umfalle, und dass diess auch bei einem breiten Schiffe Statt findet, wenn
es sehr hoch geladen ist.
Wir haben demnach die Umstände zu untersuchen, welche auf die Stabilität
des Schiffes oder auf jene Kraft Einfluss haben, mit welcher ein Schiff sich in
der horizontalen Lage erhält, oder womit es aus der schiefen Lage zur horizontalen
wieder zurückkehrt.
Es sey D G K L der Querschnitt eines rechtwinkligen Schiffes in der horizontalen
Lage. Wird dasselbe durch irgend eine Kraft in eine schiefe Lage gebracht, so wird
es auf der einen Seite tiefer in das Wasser einsinken, zugleich aber von der andern Seite
aus dem Wasser emporsteigen, und die Lage wie Fig. 16. einnehmen, wo B E die hori-Fig.
15.
und
16.
Tab.
42.
zontale Wasserfläche vorstellt. Da das Schiff in beiden Lagen ein gleiches Gewicht
hat, so muss auch der ganze Inhalt des verdrängten Wassers immer derselbe bleiben,
folglich muss das Schiff um eben so viel, als es einerseits ausser dem Wasser steht, auf
der andern Seite wieder hineinsinken; es muss daher der Querschnitt D G L K = M G L H
und das Dreieck D M C = C H K, so wie auch die Tiefe des Einsinkens H K gleich
der Höhe des Emporsteigens D M seyn.
Da das Schiff die Stelle des verdrängten Wassers einnimmt, so können wir uns
den Schwerpunkt dieses Wassers zugleich als den Stützpunkt des Schiffes (seines ei-
genen Gewichtes und der Ladung) denken, wie diess bei einem jeden festen Körper
von selbst einleuchtet. In der horizontalen Lage des Schiffes liegt der Schwerpunkt
in der Mitte o; in der schiefen Lage ist die verdrängte Wassermenge von der einen Seite
grösser, als von der andern, es wird sich also der Stützpunkt des Schiffes nicht mehr
in o, sondern in m befinden. Wir wollen nun die Lage dieses Punktes bestimmen.
Ziehen wir durch o die Horizontale A N, auf einer beliebigen Entfernung die Pa-
rallele O P, und fällen wir von den Schwerpunkten t und q der Dreiecke D M C und
C H K, so wie von dem Schwerpunkte m des Trapezes M G L H und von dem Schwer-
punkte der Ladung und des Schiffes a die nothwendigen Perpendikel, so kann man
zur Bestimmung des Schwerpunktes nach §. 69. Band I. die statischen Momente um
Q O berechnen. Es ist daher die Fläche M G L H (= F) multiplizirt mit der Ent-
fernung A m' ihres Schwerpunktes m = der Fläche D G L K (= F) multiplizirt mit der
Entfernung A o ihres Schwerpunktes o, weniger der Dreiecksfläche D M C (= f) multiplizirt
[62]Stabilität der Schiffe.
Fig.
15
und
16.
Tab.
42.mit A t', mehr der Dreiecksfläche C K H (= f) multiplizirt mit der Entfernung ihres
Schwerpunktes A q', oder F . A m' = F . A o — f . A t' + f . A q'
oder F . A m' = F . A o — f (A u — t' u) + f (A u + t' u) oder F (A m' — A o) = f . 2 t' u
und F . o m' = f . 2 t' u, woraus die Entfernung des Schwerpunktes in der horizontalen Rich-
tung oder seine Verrückung o m' = .
Auf gleiche Art erhalten wir, wenn wir die statischen Momente um O P berechnen:
F . m m'' = F . o o' — f . t t'' + f. qq'' oder F . m m'' = F . o o' — f (t r + r t'') + f (r t'' — t r)
oder F (o o' — m m'') = f . 2 t r, woraus m m' = die Senkung des Schwer-
punktes.
Setzen wir den Winkel, um welchen das Schiff verwendet wurde
D C M = H C K = β und die Tiefe des Einsinkens D M = H K = x, so kann für kleine
Winkel der Schwerpunkt t und q der Dreiecke als in der Mitte von β liegend ange-
nommen werden und wir erhalten t r = r C . tang = t' u . tang . Bezeichnet B die
ganze Breite des Schiffes, so ist r C = t' u = , demnach die horizontale
Verrückung des Schwerpunktes o m' = und die Senkung dieses
Punktes m m' = .
Das Gewicht des Schiffes und der Ladung ist dem Gewichte des verdrängten
Wassers gleich; nehmen wir nun der leichtern Rechnung wegen an, dass das Schiff
durch die ausgeglichene Länge L' denselben rechtwinkligen Querschnitt
D G . G L = y . B hat, so wird 56,4 B . y . L' das Gewicht des Schiffes und der Ladung
seyn, wovon der Schwerpunkt in a angenommen wurde. Da dieser Punkt unter dem
Schwerpunkte m des verdrängten Wassers liegt, so haben wir hier einen ähnlichen
Fall wie bei einem Pendel oder wie bei einer Wage (§. 169, I. Band Fig. 3, Tab. 8),
das Schiff wird daher nicht umfallen, sondern mit dem Momente
56,4 B . y . L' × b m = 56,4 . B . y . L' (d o + o m') in seine horizontale Lage zurückzu-
kehren trachten. Setzen wir die Entfernung der zwei Schwerpunkte in der hori-
zontalen Lage des Schiffes a o = e, so ist d o = e . Sin β, weil der Winkel d a o = dem
Verwendungswinkel des Schiffes = β ist, und wir erhalten das Moment der Stabilität
= 56,4 B . y . L' . .
Diese Rechnung setzt den Fall voraus, dass schwere Körper z. B. Eisen, Steine …
unten im Schiffe geladen sind. Wenn jedoch ein leichterer Körper als Wasser z. B.
Holz, geladen wird, so fällt der Schwerpunkt a' des Schiffes und der Ladung über den
Schwerpunkt m des verdrängten Wassers, es bleibt daher bloss das Moment der
Stabilität = 56,4 B . y . L' (o m' — o d') = 56,4 B . y . L' übrig.
Das Moment der Stabilität eines jeden Schiffes ist daher
56,4 B . y . L' , wo das Produkt B . y . L' immer den kubi-
[63]Stabilität der Schiffe.
schen Inhalt des verdrängten Wassers vorstellt. Nun ist : x = 1 : tang β undFig.
15
und
16.
Tab.
42.
tang β = ; ferner ; ist aber der
Drehungswinkel β klein, so ist Cos = 1 und Sin β = tang β, demnach das Moment
der Stabilität = . Dieser Aus-
druck zeigt, in welchem Falle das Moment der Stabilität gross, d. h. wenn eine grosse
Kraft zur Bewegung und endlich zum Umwerfen des Schiffes benöthigt wird; diess
ist nämlich der Fall
- 1tens. je grösser das Gewicht des verdrängten Wassers 56,4 . B . y . L', oder je schwerer
das Schiff sammt Ladung ist. Schwerere und schwer beladene Schiffe haben
demnach im Verhältnisse ihres Gewichtes bei übrigens gleichen Umständen mehr
Stabilität als leichtere; - 2tens. je grösser = tang β oder je grösser die Neigung des Schiffes ist. Sollen
demnach Schiffe um einen grösseren Winkel gedreht werden, so wird auch hierzu
eine grössere Kraft erfordert. - 3tens. Die Stabilität eines Schiffes nimmt vorzüglich mit der Breite B desselben zu,
da sie im Verhältnisse zu B2 steht. Flache Schiffe haben daher eine weit grössere
Stabilität als runde und tief gehende Schiffe, und würde nicht die runde Bau-
art der Seeschiffe behufs ihrer leichtern Beweglichkeit und ihres grössern kubi-
schen Inhaltes erfordert, so wäre es weit zweckmässiger, sie eben so flach wie unsere
Flusschiffe herzustellen. Bei den flachen Seeschiffen können daher auch grössere
Segel als bei runden und tiefer gehenden ohne Gefahr des Umschlagens gebraucht
werden, in welcher Hinsicht die erstern dann auch viel schneller gehen. - 4tens. Ein Schiff verliert seine ganze Stabilität, wenn der Schwerpunkt des Schiffes und
der Ladung auf der Höhe ober dem Schwerpunkte des verdrängten Wassers
liegt, oder wenn e = ist. Man nennt bei einem Schiffe den Punkt, welcher
auf dieser Höhe liegt, das Metacentrum. - 5tens. Die Stabilität eines Schiffes wird vermehrt, wenn e positiv und möglichst gross ist,
wenn also der Schwerpunkt des Schiffes und der Ladung so tief als möglich unter
dem Schwerpunkte des verdrängten Wassers liegt. Da nun der Schwerpunkt des
Schiffes unveränderlich ist, so muss man bemüht seyn, jenen der Ladung möglichst
tief herabzusetzen; auf jedem Schiffe müssen daher alle schweren Gegenstände in
die Tiefe gelegt werden, und Seeschiffe werden aus gleicher Ursache in dem unter-
sten Schiffsraume mit Ballast (gewöhnlich Schotter) beladen, wenn keine andern
schweren Körper vorhanden sind.
[64]Stabilität der Schiffe.
§. 55.
Beispiel. Es sind die Dimensionen eines Schiffes gegeben, man fragt:
- 1tens. Bei welcher Höhe der Ladung verliert es seine ganze Stabilität, wenn diese Ladung
in Scheitholz besteht? - 2tens. Wie hoch kann es mit Holz geladen werden, wenn es von drei Menschen, die bei
dem Beladen an Rand (Bord) treten, nur auf eine gegebene Tiefe x gesenkt werden soll?
Bezeichnet b die verglichene Breite, 1 die verglichene Länge und z die Höhe der La-
dung eines Holzschiffes, so ist b. l . z der kubische Inhalt des geladenen Holzes. Aus
Versuchen ist bekannt, dass eine Klafter weichen Holzes, dessen Scheiterlänge 2½ Fuss be-
trägt, mithin 6 . 6 . 2½ = 90 Kubikfuss enthält, ein Gewicht von 16 Zentner = 1600 ℔ habe;
es wird daher das Gewicht des geladenen Holzes = . b . l . z ℔ seyn.
Ist das Gewicht des Schiffes = S, so ist das gesammte Gewicht des Schiffes sammt La-
dung P = . Da nun das Schiff auf der Tiefe y im Wasser geht, und
eine verglichene Länge L' und verglichene Breite B hat, so ist
56,4 B . L' . y = . b . l . z + S (I). In dieser Gleichung kommen zwei unbekannte
Grössen y und z vor, es wird daher zur Bestimmung derselben eine zweite Gleichung
benöthigt, welche sich aus der Stabilität ergibt. Wird nämlich so viel Holz geladen,
dass das Schiff die ganze Stabilität verliert, so muss in dem Ausdrucke
56,4 y . L' . 2 x der Faktor — e = 0 und e = werden.
Nun ist aber die Höhe des Schwerpunktes der Ladung ober jenem des verdräng-
ten Wassers offenbar, e = ; wir haben daher auch (II).
Aus diesen zwei Gleichungen lässt sich nunmehr z und y bestimmen; die zweite gibt
nämlich z = und wird dieser Werth in I substituirt, so ist
56,4 B . L' . y = ; hieraus ergibt sich
Es sey L' = 60 Fuss, B = 12 Fuss, 1 = 48 Fuss und b = 11 Fuss, ferner sey H = 4 Fuss,
d = 4 Zoll und d' = 3 Zoll, demnach das eigene Gewicht des Schiffes
S = 0,6 . 56,4 {B . L' . d + 2 H . L' . d' + 2 B . H.d'} = 12995 Pfund. Werden diese Werthe sub-
stituirt, so folgt y = 2,9 Fuss und z = 11,2 Fuss, d. h., wenn das Schiff 11 Fuss hoch mit
Holz beladen wird, so geht es 3 Fuss im Wasser, verliert jedoch seine ganze Stabilität,
indem es durch die geringste Kraft selbst in seiner horizontalen Lage umgeworfen wer-
den kann.
Auf gleiche Art wird die zweite Frage beantwortet, wie hoch ein Holzschiff beladen
werden kann, damit dasselbe wenn drei Menschen bei dem Beladen auf den Bord treten,
nicht tiefer als um die bestimmte Grösse sich einsenke. Wir haben hier abermals zwei
[65]Stabilität der Schiffe.
unbekannte Grössen, wovon die eine die Höhe z, auf welche das Schiff geladen wird, die
andere aber, die hierbei Statt findende Einsenkung ist, demnach ist wieder
56,4 B . L' . y = . b . l . z + S (I). Die zweite Gleichung erhalten wir durch die Stabi-
lität; diese soll nämlich so gross werden, dass das Gewicht M, welches an dem Hebels-
arme wirkt, bloss die Einsenkung x bewirkt. Wir haben daher nach §. 54
; ferner ist e = , mithin
(II), woraus z =
und in die Gleichung I substituirt gibt
Beispiel. Nehmen wir B=12 Fuss, b=11 Fuss, L'=60 Fuss, 1=48 Fuss, S=12995 ℔
das Gewicht der Menschen M = 450 ℔ an, so ist für x = ¼ Fuss, y = 2,72 Fuss und
z = 10,37 Fuss. Der kubische Inhalt des geladenen Holzes ist daher=10,37 . 11 . 48=5475,36
Kubikfuss und da die Klafter hier zu Lande 6 . 6 . 2½ = 90 Kubikfuss hat, so können
auf das Schiff = 60,8 Klafter Scheitholz geladen werden.
§. 56.
Wir wollen nun noch die Stabilität eines Schiffes untersuchen, dessen Querschnitt
keine rechten Winkel, wie es bei den vorhergehenden Rechnungen vorausgesetzt wurde,
sondern eine wie immer geartete gemischtlinigte symmetrische Figur bildet. Es stelle
Fig. 17 ein solches Schiff vor, welches bis zur horizontalen M N in dem Wasser ein-Fig.
17.
Tab.
42.
gesunken ist; die Fläche des verdrängten Wassers sey M S N = F und ihr Schwer-
punkt in o. Der leichtern Rechnung wegen wollen wir abermals für das befrachtete
Schiff eine ausgeglichene Länge L' annehmen und auch die Querschnitte in der gan-
zen Länge des Schiffes als gleich voraussetzen. Das Gewicht des verdrängten Wassers
ist daher 56,4 F . L', welches dem Gewichte des Schiffes sammt Ladung gleich seyn
muss. Kommt das Schiff durch irgend eine Kraft in die schiefe Lage Fig. 18,Fig.
18.
so muss der Inhalt des verdrängten Wassers noch immer derselbe wie in der hori-
zontalen Lage seyn; in dieser Lage bezeichnet man die horizontale Wasseroberfläche
und M N die früher an der Oberfläche des Wassers gewesene Durchschnittslinie des
Schiffes. Ziehen wir aus M und N die Perpendikel M a und N b, so ist die Fläche
des Dreieckes M C m = = f und jene des Dreieckes N n C = = f.
Bezeichnen wir die halbe Breite des Schiffes M O = O N mit ; den Winkel, wel-
chen die Seitenwände des Schiffes mit der Horizontalen M N bilden O M S = O N S
mit α; den Winkel, um welchen das Schiff verwendet wurde M C m = N C n mit β, so
dass der Winkel C m M = α — β und C n S = α + β; und setzen wir noch die Entfer-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 9
[66]Stabilität der Schiffe.
Fig.
18.
Tab.
42.nung des Durchschnittes C von der Mitte O oder die Linie C O = z, folglich M C
= — z und N C = + z, so findet man nach der Lehre der ebenen Trigonometrie
m C : M C = Sin α : Sin (α — β) oder m C = , auf gleiche Art findet man
M a = , n C = und N b = . Diese Werthe geben
die Fläche des Dreieckes M C m = und jene des Dreieckes
N C n = . Aus der Gleichheit dieser Flächen folgt die abge-
kürzte Gleichung und aus dieser
und reduzirt, B . z . Sin α . Cos β = Sin β. Cos α.
Da nun z eine sehr kleine Grösse ist, so folgt z = .
Wenn die Seitenwände des Schiffes in der ersten horizontalen Lage desselben
mit der Oberfläche des Wassers den Winkel α = 90° = bilden oder senkrecht stehen, so
ist tang α unendlich gross und z = 0, oder der Punkt C fällt mit dem Punkte O
zusammen, so wie es in der horizontalen Lage der Fall war. Ist aber dieser Win-
kel α kleiner als , also die Seitenwände nach dem Innern des Schiffes geneigt, so
kommt statt + tang α der Werth — tang α in dem obigen Ausdrucke zu setzen, und
die Entfernung z wird negativ, oder der Punkt C liegt von der Mitte nach dem aus
dem Wasser gehobenen Theile. Da übrigens β immer eine sehr kleine Grösse ist
und α nicht viel von einem rechten Winkel abweicht, so wird auch z immer eine sehr
kleine Grösse seyn. Mit Berücksichtigung dessen wird auch immer sehr
nahe = 1, also auch die Flächen und sehr
nahe = = f seyn. Der Schwerpunkt dieser beiden Dreiecke M C m und N C n
muss offenbar in den Halbirungslinien C m' und C n' in den Punkten p und q auf den
Entfernungen C p = ⅔ C m' und C q = ⅔ C n' liegen.
Um für den Raum m S n (= F) der verdrängten Flüssigkeit in der schiefen Lage des
Schiffes den Ort des Schwerpunktes W zu bestimmen, ziehe man durch einen willkühr-
lichen Punkt X die horizontale Achse XI' und die vertikale X k, sodann ziehe man aus
sämmtlichen Schwerpunkten auf diese beiden Achsen winkelrechte Linien, als eben so viel
Hebelsarme der Gewichte, so gibt die Gleichheit der Momente in Bezug auf die vertikale
Achse die Gleichung m S n . W W'' = M S N . o g'' + M C m . p p'' — N C n . q q''
F . W W'' = F . o g'' + f . p p'' — f . q q'', woraus W W'' — o g'' = W w = . t u
[67]Stabilität der Schiffe.
folgt. Weil wir aber die Drehungen des Schiffes als gering, oder den Winkel m C MFig.
18.
Tab.
42.
als klein annehmen, so kann man ohne einen Fehler zu besorgen
t u = p q = p C + C q = ⅔ C m' + ⅔ C n' = ⅔ m' n' setzen. Nun ist aber aus gleicher
Ursache m' n' sehr nahe = M N = B, also auch t u = ⅔ B; mithin ist die horizontale Ver-
rückung des Schwerpunktes oder W w = .
In Bezug auf die horizontale Achse ergibt sich auf gleiche Art für die Momente die
Gleichung m S n . W W' = M S N . o w' + M C m . p p' — N C n . q q'
oder F . W W' = F . o w' + f. p p' — f . q q' woraus
o w' — W W' = o w = folgt. Die Linien q u und t p sind
aber die Entfernungen der Schwerpunkte q und p von den Grundlinien n C und m C der
beiden Dreiecke nach den Dreieckshöhen N b und M a gemessen; da nun diese Schwer-
punkte von der Grundlinie auf ⅓tel der Dreieckshöhe entfernt liegen, so ist
q u = ⅓ N b = Sin β und t p = ⅓ M a = Sin β
was sich auch nach den Gründen der Elementar Geometrie in der Figur selbst leicht
zeigen lässt. Es ist daher
q u + t p = Sin β = ⅓ B . Sin β. Diess gibt die Verrückung
des Schwerpunktes nach der lothrechten Richtung o w = .
Zur Bestimmung der Lage der schiefen Linie o W, in welcher eigentlich der Schwer-
punkt des Wassers verrückt wurde, erhalten wir
tang o W w = ; hieraus ersehen wir die merkwürdige Eigen-
schaft, dass die Linie, in welcher der Schwerpunkt des Wassers zurück-
weicht, parallel mit der Verbindungslinie der beiden Schwerpunkte
p und q liege.
Nun befinde sich der Schwerpunkt des Schiffes sammt Ladung unter o in Q oder
über o in Q' auf der Entfernung o Q oder o Q' = e. Da wieder der Winkel o Q g = dem
Verwendungswinkel β des Schiffes ist, so ist die Horizontale o g oder o g' = e . Sin β.
Das Gewicht des Schiffes sammt Ladung (= 56,4 F . L') wirkt daher bei der schiefen Lage
des Schiffes in der Richtung g Q oder Q' g' und hat von dem Schwerpunkte W der ver-
drängten Flüssigkeit als dem Umdrehungspunkte die Entfernung W w + o g oder
W w — o g' = . Demnach ist 56,4 F . L' das Mo-
ment, womit das Schiff in seine frühere horizontale Lage zurückgedrückt wird,
und welches die Stabilität des Schiffes ausdrückt. Setzen wir noch für f seinen
Werth, so ist diess Moment = 56,4 F . L' . Sin β.
9*
[68]Artesische Brunnen.
Die Bestimmung der Fläche F des eingetauchten Schiffkörpers hängt von der Ge-
stalt des Schiffes ab. Ist F = B . y wie im vorigen §. angenommen wurde, so erhal-
ten wir das Moment der Stabilität = 56,4 B . y . L' . Sin β und da wir im
§. 54. = tang β = Sin β fanden, so ist das Moment = wie
es früher gefunden wurde.
Wäre die Querschnittsfläche des Schiffes parabolisch, und die Tiefe, auf welcher es
im Wasser geht = y, so ist F = ⅔ B . y und daher das Moment der Stabilität
= ⅔ . 56,4 B . y . L' . Sin β. Auch bei dieser Form des Schiffes gelten die
hinsichtlich der Stabilität im vorigen §. gemachten Folgerungen; nun sehen wir, dass
bei der Voraussetzung eines parabolischen Querschnittes das Schiff gar keine Stabilität
besitzet, wenn der Schwerpunkt des Schiffes sammt Ladung sich über dem Schwerpunkte
des verdrängten Wassers auf der Höhe e = befindet. Da nun der Schwerpunkt des
verdrängten Wassers bei dem angenommenen parabolischen Querschnitte auf der Tiefe
⅖ y unter der Oberfläche des Wassers liegt, so ist die Stabilität des Schiffes auch = 0,
wenn der gemeinschaftliche Schwerpunkt der Ladung und des Schiffes auf der Höhe
e — ⅖ y über der Oberfläche des Wassers sich befindet.
§. 57.
Auf dem Grundsatze der kommunizirenden Röhren beruhen auch die, vorzüglich
in neuern Zeiten in Anwendung gebrachten artesischen Brunnen (puits artésiens).
Um sich einen richtigen Begriff von denselben zu machen, bemerken wir, dass es über-
haupt dreierlei Arten von Brunnen gebe. 1tens. Seihbrunnen, Zieh- oder Pump-
brunnen; dieses sind Gruben, welche mehr oder weniger tief, gewöhnlich 4 bis 6 Fuss
im Durchmesser in die Erde gegraben und dann ausgemauert oder mit Holz ausgezim-
mert werden, damit sich das Wasser von allen Seiten hineinziehen und nun mittelst
einer Pumpe, eines Brunnenzuges oder mit Handeimern herausgeschafft werden
könne. Diese Brunnen liegen gewöhnlich in dem schotterigen Untergrunde in der
Nähe der Flüsse, das Wasser steht in denselben eben so hoch als im Flusse und sie
werden gewöhnlich in Gärten, Wohngebäuden etc. angelegt. 2tens. Hydrostatische
Springbrunnen oder Kunstbrunnen sind dagegen jene, die in den Ziergärten
oder auf den öffentlichen Plätzen der Städte angetroffen werden; man sammelt näm-
lich das Wasser in einem höher liegenden Bassin, führt es durch eine Röhrenleitung
an einen tiefen Ort und lässt es dort durch ein kurzes Ansatzrohr vertikal in die
Höhe springen. Wir werden die Grundsätze der Anlage dieser Brunnen später genau
kennen lernen. 3tens. Artesische- oder Springquell-Brunnen (fontaines
jaillissantes) sind dagegen solche Brunnen, die aus einem gewöhnlich sehr tief
gebohrten Loche bestehen, welches bis zu einer oder mehreren unterirdischen
Quellen reicht, woraus das Wasser selbst aufsteigt und bis zur Oberfläche der Erde,
manchmal auch mehrere Fuss über dieselbe sich erhebt. Gewöhnlich sind die
Quellen, welche solche Brunnen speisen, in Lagern von grobem Kiese vorhanden;
manchmal liegt dieser Kies zwischen zwei Thon- oder Letten-(Tegel) Schichten, das
[69]Artesische Brunnen.
Wasser bleibt daher zwischen denselben wie in einer Röhre stehen, und bohrt man
die obere Lehmschichte bis auf das Schotterlager durch, so erhält man einen artesi-
schen Brunnen.
Es sey Fig. 19 der Durchschnitt eines Theiles der Erdoberfläche; bei b sey eineFig.
19.
Tab
42.
Quelle, welche durch Klüfte in der Erde den Weg b c d e nimmt, und bei e zwischen
massiven Erd- oder Steinschichten vom tiefern Eindringen abgehalten wird. Man
bohre nun von der Oberfläche der Erde f die Oeffnung f e und versichere dieselbe
durch eine eingesetzte Röhre so, dass das Wasser von e bis f nicht verlohren geht.
Es ist nun offenbar, dass dasselbe, wenn die Röhre e f bis h fortgesetzt würde, auch
bis zu diesem Punkte h steigen müsste; wenn man aber das Wasser bei f frei
herauslaufen lässt, so wird es auf irgend eine Höhe f g emporsteigen, und man hat
einen artesischen Springbrunnen erhalten. Einen solchen Brunnen kann man daher
wie einen Arm eines Hebers oder einer krummgebogenen (kommunizirenden) Röhre
betrachten, dessen unterirdische Verzweigungen den zweiten Arm bilden.
Ein merkwürdiger Brunnen dieser Art befindet sich seit 200 Jahren in St. Venant,
in der Grafschaft Artois in Frankreich; er ist gegen 200 Fuss tief und das Wasser
erhebt sich aus demselben 6 Fuss hoch über die Erdoberfläche. Da man diese Brun-
nen zuerst in der Grafschaft Artois gefunden haben will, so erhielten sie hievon den
Namen artesische Brunnen. Belidor führt in dem im Jahre 1734 in Paris erschie-
nenen Werke: Science de l’ Ingénieur, liv. 4. chap. 12. an, es befinde sich im Klo-
ster St. André eine halbe Meile von Aire entfernt, in der Grafschaft Artois ein
Springquellbrunnen, der über 100 Tonnen Wasser in einer Stunde liefert, und dieses
Wasser 10 bis 12 Fuss hoch über den Horizont treibt. Ungeachtet dieser alten Nach-
richten ist doch die öffentliche Aufmerksamkeit in Frankreich erst in der neuesten
Zeit auf diesen Gegenstand geleitet worden, und im Jahre 1818 hat die société d’
encouragement pour l’ industrie nationale einen Preis von 3000 Franken, für die
beste Abhandlung über diesen Gegenstand ausgesetzt. Dieser Preis wurde im Oktober
1821 dem Hrn. F. Garnier zuerkannt, und im folgenden Jahre auf Kosten der k. fran-
zösischen Regierung, dessen Abhandlung: „De l’ art du fontenier sondeur et des
puits artésiens par F. Garnier, Paris 1822“ durch den Druck bekannt gemacht. (Von
diesem Werke hat Herr von Waldauf eine deutsche Uibersetzung: „Ueber die Anwen-
dung des Bergbohrens zur Aufsuchung von Brunnquellen in Wien 1824“ herausgegeben.)
Seit jener Zeit wurden häufig Bohrversuche in verschiedenen Gegenden Frankreichs
grösstentheils auf Kosten der Regierung gemacht, und mehrere Städte, die noch vor
wenigen Jahren den grössten Mangel an Wasser hatten, sind gegenwärtig durch die
eröffneten artesischen Brunnen reichlich mit unterirdischem Quellwasser versehen.
In dem, seit 1sten September 1828 in Paris erschienenen Journal du genie civil,
des sciences et des Arts, worin mehrere Aufsätze über artesische Brunnen enthalten
sind, befindet sich im Oktober-Hefte 1828 ein Aufsatz von Hrn. Vte. Héricurt de Thury,
worin ein Verzeichniss vieler in Frankreich bestehender artesischer Brunnen geliefert
wird. Der merkwürdigste hiervon befindet sich in der Stadt Gonnehem in der Nähe
von Béthune, wo ein Grundeigenthümer in einer Wiese vier Brunnen, einen jeden von
45 mèt. Tiefe anlegen liess, die sämmtlich einen 3,57mèt. hoch über die Erdober-
[70]Artesische Brunnen.
fläche aufsteigenden Wasserstrahl gaben. Er vereinigte diese Wässer und betreibt da-
mit ein Wasserrad von 3 mèt. Höhe, womit in 24 Stunden 200 Kilogramm (357 N. Oe. ℔)
Mehl gemahlen wird. Im Augusthefte 1829 dieses Journals wird weiter angeführt, dass
in dem Hafen an der Seine zu St. Ouen nächst Paris das Speisewasser für das Bassin
mittelst artesischer Brunnen einen mèter hoch über den Wasserspiegel gehoben und in
24 Stunden 120 Kubikmèter (17,6 N. Oe. Kubikklafter) Wasser zugeführt werden.
Herr Hofrath Poppe führt in seinem Werke über die artesischen Brunnen (1831) an:
England soll im Jahre 1824 schon 182 artesische Brunnen gehabt haben, wovon einige
400 bis 500 Fuss tief sind, und andere das Wasser bis auf 42 Fuss Höhe über die Erdober-
fläche treiben; ja an einem Orte hat man sogar den gewaltsam hervorspringenden
Strahl eines artesischen Brunnens zur Treibung eines Wasserrades benützt. Bei mehre-
ren dieser Brunnen blieb das Wasser unter der Erdoberfläche, und musste daher erst durch
Anwendung einer Pumpe über dieselbe gebracht werden. Nach demselben Verfasser sollen
die artesischen Brunnen auch in Nordamerika schon bekannt seyn; in Baltimore soll ein
solcher 280 Fuss tiefer Brunnen das Wasser 22 Fuss hoch und in Philadelphia ein Brun-
nen das Wasser 25 Fuss hoch über die Erdoberfläche treiben. In China soll es viele
tausend artesische Salzbrunnen geben. Auch in Teutschland wurden bei Stuttgart, Heil-
bronn, Tübingenund in anderen Städten glückliche Versuche zur Erhaltung solcher Brun-
nen gemacht, worüber mehrere Nachrichten in Dingler’s polytechnischem Journale vor-
kommen.
Garnier führt in dem oben genannten Werke ebenfalls an, dass man seit lange
her ähnliche Brunnen, die über der Oberfläche der Erde hervorquellen oder springen
(fontaines jaillissantes) in den Umgebungen von Boston in Nordamerika besitze; das
Wasser, welches sie liefern, kommt dort aus dem Plänerkalk (Kreidemergel, calcaire
crayeux). Arbeiten, welche zu Sheerness in England bei dem Zusammenflusse des Med-
way aus der Themse vorgenommen wurden, haben gleichfalls gezeigt, dass auf der
Tiefe von 350 Fuss Kreidemergel bestehe, welcher sehr reine und klare Wässer ent-
hält. Sobald man nämlich daselbst die Lehmschichte (couche argileuse), welche sie
niederdrückte, durchbohrt hatte, hob sich das Wasser von der Tiefe von 350 bis 344
Fuss, es schwankte hierauf einige Zeit wie in einer kommunizirenden Röhre und fiel
endlich bis auf 120 Fuss unter die Erdoberfläche.
§. 58.
Die artesischen Brunnen sind in der Gegend beiWien schon seit
zwei Jahrhunderten bekannt. Der berühmte Astronom Cassini erzählt in seinen an die
Akademie der Wissenschaften in Paris in der 2ten Hälfte des 17ten Jahrhundertes erstatte-
ten Berichten, dass er solche Brunnen, die er früher nur in Modena und Bologna ange-
troffen habe, später auch häufig in Niederösterreich fand (Histoire de l’ Academie Royale
des Sciences, Tom. I. An. 1666, pag. 96.). Auch Belidor beschreibt in seiner bereits
erwähnten im J. 1734 erschienenen Science des Ingénieurs die in Niederöstreich be-
findliche Methode Quellbrunnen oder lebendige Brunnen zu bohren. In der unlängst
erschienenen Abhandlung: die artesischen Brunnen in und um Wien vom Freiherrn von Jac-
quin, nebst geognostischen Bemerkungen über dieselben von Paul Partsch, Wien 1831
[71]Artesische Brunnen.
wird angeführt, dass theils in den Vorstädten und theils in den nächsten Umgebungen
Wiens bereits 48 solche Springquellbrunnen bestehen. Die Tiefe dieser Brunnen, die in
einem Verzeichnisse einzeln angegeben werden, beträgt 60 bis 234 Fuss; bei einigen steigt
das Wasser bis nahe an die Oberfläche, bei andern bis über die Oberfläche der Erde, bei
einigen wird es sogar als Springbrunnen in Bassin’s benützt. Diese 48 Brunnen liefern
über 12000 Eimer oder 21504 N. Oe. Kubikfuss Wasser in 24 Stunden; bei einem Brunnen
in Altmannsdorf, der 108 Fuss Tiefe hat, beträgt sogar die Wassermenge in 24 Stunden
1728 Eimer oder 3097 Kubikfuss. Die Temperatur dieses heraufgebrachten Wassers bei
allen solchen Brunnen wechselt von 9 bis 11 Grad Reaumur. Nebst diesen Quell- oder
lebendigen Brunnen gibt es noch eine grosse Menge Brunnen bei Wien, welche bloss auf
das Seihwasser gegraben sind, und daher nicht hieher gehören.
Das Verfahren, dessen man sich in Niederöstreich zur Herstellung dieser Brunnen
bedient, ist folgendes: man gräbt auf die gewöhnliche Art einen Brunnen von 4, 5 bis 6 Fuss
Weite von der oberen Dammerde an durch die unter denselben befindlichen Sand- und
Schotterschichten bis auf die feste Schichte von Tegel; diese wird nun mit einem Hohl-
bohrer und das darunter befindliche Sandstein- oder Thonmergellager mit einem Stein-
bohrer durchbohrt, worauf man gewöhnlich schon auf eine Sandschichte kommt, in wel-
cher diess Quellwasser sich befindet, das durch seinen hydrostatischen Druck mit aus-
serordentlicher Schnelligkeit in die Höhe und manchmal bis nahe an die Erdoberfläche,
manchmal auch bis über dieselbe getrieben wird. Von der untern Steinlage an werden
nun hölzerne Brunnenbohrer, die mit Brunnbüchsen gut verbunden sind, bis über die
Oberfläche der Erde aufgesetzt, auf ihrer ganzen Länge seitwärts mit Lehm gut ver-
stampft und der übrige Brunnenraum wieder mit Erde und Schotter ausgefüllt. Ist der
hydrostatische Druck nicht so gross, dass das Wasser bis zur Oberfläche der Erde steigt,
so sammelt man es auf der Tiefe, wo es stehen bleibt, in einem Schöpfbrunnen, aus wel-
chem das Wasser auf die bekannte Art geschöpft wird. Kommt man bei der vor erwähn-
ten Durchbohrung der ersten Sandsteinlage nicht auf Wasser, so bohrt man in dem ge-
wöhnlich darunter liegenden Tegel wieder fort, und durch die zweite Steinplatte, unter
welcher sich dann gewöhnlich das Wasser befindet.
In Frankreich wandte man viereckige aus Bretern zusammengefügte in einander ein-
geschobene Schläuche an. In England wird das ganze Bohrloch von oben herab bis zur
Quelle mit gusseisernen Röhren ausgefüttert; diese werden Stück für Stück fest auf ein-
ander gefügt, immer tiefer eingetrieben, und in diesen Röhren eigentlich die Bohrung
vorgenommen.
Das Wasser dieser Springquellbrunnen wird in und bei Wien zu dem Bedarfe in
mehreren Bleichen, Kattundruckereien, Gerbereien und andern Fabriken verwendet,
wo es früher mit ungemeinen Kosten herbeigeschafft werden musste. Hierbei kommt
die im Sommer und Winter immer gleiche Temperatur des Wassers vorzüglich zu Stat-
ten, welches auch dann einen ausserordentlichen Vortheil gewährt, wenn das Wasser sol-
cher reicherer Springquellen, im Falle es hoch genug steigt, zur Bewegung eines Rades
verwendet wird.
Nach dieser Darstellung leuchtet es von selbst ein, welchen ausserordentlichen Vor-
theil die Anlage solcher Brunnen in sehr vielen Fällen gewähre. Da jedoch das Bohren
[72]Artesische Brunnen.
artesischer Brunnen auf der geognostischen Kenntniss und Untersuchung
des Bodens vorzüglich beruht, so muss diese nothwendig vorangehen, weil man sonst
Zeit und Geld auf nutzlose Versuche verwenden würde. In Böhmen dürften sich arte-
sische Brunnen in jenen Gegenden anlegen lassen, die mit Flötzgebirgen auf eine bedeu-
tende Tiefe bedeckt sind, nämlich im Ellbogner Kreise in dem Thale zwischen dem Erz-
gebirge und dem Karlsbader Urgebirge; in der Ebene des Saatzer Kreises und im Leit-
meritzer Kreise, in dem Thale zwischen dem Erzgebirge und Mittelgebirge. Hinsichtlich
der Verbreitung der in Böhmen vorhandenen Flötzgebirge ist die eben erst erschienene
Uebersicht der Gebirgsformazionen in Böhmen vom Herrn F. X. M. Zippe, Kustos am
Fig.
20
und
21.
Tab.
42.böhmisch-vaterländischen Museum, Prag 1831 bei Kronberger, nachzulesen. In Fig. 20
und 21 kommt ein Profil der Gebirgslagen in jenen Gegenden vor, wo artesische Brunnen in
Böhmen angelegt werden können; hierbei ist jedoch die Mächtigkeit der einzelnen Lagen
bloss im Ideale entworfen worden, da uns die genauern Bohrversuche noch fehlen.
[73]
II. Kapitel.
Aërostatik.
§. 59.
Wir verstehen unter der Aërostatik die Lehre vom Gleichgewichte und Drucke
der Luft sowohl für sich, als in Berührung mit andern Körpern. Die Luft ist diejenige
Flüssigkeit, welche unsern ganzen Erdball umgibt, und ohne welche kein Thier zu le-
ben im Stande ist. Wir denken uns diese Flüssigkeit, so wie das Wasser aus unendlich
vielen und unendlich kleinen Theilen bestehend, die unter einander keinen Zusammen-
hang haben. Von dem Daseyn dieser Flüssigkeit überzeugt uns der Widerstand, der sich
bei jeder Bewegung eines leichten Körpers äussert. Wird ein Blatt Papier mit der Hand
in der Richtung seiner Fläche durch die Luft bewegt, so unterliegt diese Bewegung gar
keinem Anstande; wenn aber die Fläche des Papieres mit der Richtung seiner Bewegung
einen rechten Winkel macht, und das Papier an seinem Ende gehalten wird, so wird es
schon bei einer sehr geringen Geschwindigkeit von dem Widerstande der Luft umgebo-
gen. Eine jede Bewegung der Luft, jeder Wind gibt uns ebenfalls den Beweis von dem
Daseyn derselben, obgleich wir ihre Theile nicht sehen.
Die Luft hat die Beweglichkeit der Theile und die Schwere mit dem Wasser
gemein; sie hat aber noch eine andere Eigenschaft, welche dem Wasser abgeht, nämlich
die weit grössere Elastizität, oder die Fähigkeit sich durch eine angebrachte
Kraft zusammendrücken zu lassen, und das Bestreben ihren Raum fortwährend zu erwei-
tern oder sich auszudehnen, so wie die Kraft nachlässt.
§. 60.
Der berühmte Galilaei war der erste, welcher den Lehrsatz, dass die Luft schwer
sey, aufstellte. Er wurde hierauf durch den Umstand geführt, dass die Gärtner in Flo-
renz das Wasser mittelst Pumpen nur auf eine beschränkte Höhe zu heben vermochten.
Es blieb jedoch seinem Schüler Torricelli vorbehalten, im J. 1643 den bestimmten Grund
hiervon nachzuweisen. Derselbe nahm eine Glasröhre, die an einem Ende d offen, anFig.
1.
Tab.
43.
dem andern a aber geschlossen war, und füllte sie ganz mit Quecksilber. Er verschloss
hierauf die Oeffnung d mit dem Finger, stürzte die Röhre in ein mit Quecksilber gefüll-
tes Gefäss, und entfernte erst dann den Finger, bis das offene Ende der Röhre unter der
Oberfläche des Quecksilbers im Gefässe stand. Es war auffallend, dass das Quecksilber
aus der umgestürzten Röhre nicht ganz ausfloss, sondern bei jedem Versuche auf einer
Höhe von c b = 27 bis 28 Zoll stehen blieb. Torricelli schloss hieraus, dass die umge-
bende Luft auf das Quecksilber ausserhalb der Röhre nur eben so stark drücken könne,
Gerstner’s Mechanik. II. Band. 10
[74]Torricelli’sche Leere.
Fig.
1.
Tab.
43.als das Quecksilber innerhalb der Röhre auf dieselbe Fläche drückt, und dass der ge-
sammte Druck der Luft auf die ganze Erde nur eben so viel betrage, als ob dieselbe mit
Quecksilber 27 bis 28 Zoll hoch überschüttet wäre. Man nennt den Raum a b in der
Röhre, welcher luftleer bleibt, die Torricelli’scheLeere.
Nach diesem merkwürdigen Versuche sind wir im Stande, den Druck der Luft
auf eine jede Fläche zu berechnen. Beträgt nämlich die Höhe des Quecksilbers
bei dem vorangeführten Versuche z. B. 28 N. Oe. Zoll, und ist die Fläche 1 Quadrat-
fuss gross, so ist der Druck auf diese Fläche, wenn wir die spezifische Schwere des
Quecksilbers mit 13,6 annehmen = = 1789,76 ℔. Man nimmt die Ober-
fläche eines erwachsenen Menschen mit beiläufig 14 Quadratfuss an; der Druck der
Luft auf einen Menschen beträgt daher = 25056,64 ℔ oder 250,57 N. Oe. Ztr.
Diesen ungeheuern Druck empfinden wir desshalb nicht, weil die Luft auch vom Innern
unsers Körpers herauswirkt, zudem vermögen wir nicht, unsern Zustand mit jenem im
luftleeren Raume zu vergleichen. Wir wissen inzwischen, dass die Aenderungen des Zu-
standes der Luft auf die Gesundheit schwacher Personen einwirken, und dass selbst die
stärksten Menschen auf den höchsten Bergen, wo der Druck der Luft viel geringer als in den
Thälern ist, ein Uibelbefinden, Mattigkeit und Beklemmung empfinden, welches bloss dem
Drucke der im Innern des Körpers vorhandenen Luft nach aussen zuzuschreiben ist.
Es ist in vielen Fällen für die Rechnung vortheilhafter den Druck der Luft mit dem einer
Wassersäule zu vergleichen; es fragt sich daher, die Quecksilbersäule von 28 Zoll, welche
gewöhnlich dem Drucke der Luft gleichkommt, in eine eben so stark drückende Was-
sersäule zu verwandeln. Nennen wir die Querschnittsfläche des Quecksilbers im Rohre
= f, und die Höhe dieser Wassersäule = x, so haben wir wegen der angenommenen
Gleichheit des Druckes von einer Quecksilber- und Wassersäule die Gleichung
56,4 f . x = 13,6 . 56,4, woraus x nahe = 32 Fuss folgt; der Druck der atmo-
sphärischen Luft kommt daher einer Wassersäule von 32 Fuss gleich.
Hieraus sehen wir nun schon, dass das Wasser durch den Druck der Luft höchstens auf
32 Fuss Höhe gehoben werden könne, und diese Höhe wird in höhern Gegenden, wo der
Druck der Luft geringer ist, auch weniger als in der Ebene betragen.
§. 61.
Das Experiment von Torricelli gab die Veranlassung zur Verfertigung der Baro-
meter, oder Luftschweremesser. Man beobachtete nämlich, dass das Quecksilber in
der Glasröhre a d nicht immer auf derselben Höhe b c stehen blieb, sondern an einem
Tage stieg, an dem andern wieder herabfiel. Hieraus folgt offenbar, dass der Druck
der Luft nicht immer derselbe sey, sondern dass er zu- und abnehme. Man misst die
Grösse dieses Druckes mit dem Barometer, dessen Konstrukzion gewöhnlich wie Fig. 2
Fig.
2.ist; er besteht nämlich aus einer umgebogenen bei a geschlossenen Glasröhre, die
unten mit einer offenen Kugel versehen ist, und mit Quecksilber gefüllt wird. Dieses
Barometer hat den Namen Kugelbarometer. Die Skale, welche hierbei angebracht
[75]Kugel- und Heberbarometer.
ist, und zum Ablesen der täglichen Quecksilberhöhe dient, hat den NullpunktFig.
2.
Tab.
43.
bei e an der Oberfläche des Quecksilbers in der Kugel, von wo aus die Theilung in
Zolle und Linien vertikal hinaufgetragen wird. Es ist offenbar, dass hier ein kleiner
Fehler eintreten kann, indem die Höhe des Quecksilbers in der Kugel veränderlich
ist. Um den Einfluss hiervon zu berechnen, sey die Querschnittsfläche der Kugel
bei e = F, jene der Röhre = f, das Steigen de Quecksilbers in der Kugel = y,
und das Fallen desselben in der Röhre = a, so haben wir die Gleichung F . y = f . a,
weil dasselbe Quecksilber, welches in der Röhre herabfällt, in der Kugel wieder hinauf-
steigen muss. Demnach ist y = .
Beispiel. Es sey F = 1 Quadratzoll, und f = 1 Quadratlinie; die Höhe des Baro-
meterstandes betrage 28 Zoll = e c, so ist für den Fall, als das Quecksilber um a = c b = 3
Linien fällt, die wirkliche Barometerhöhe = . Wir
sehen hieraus, dass wenn der Durchmesser der Kugel gegen jenen der Röhre sehr
gross ist, dieser Fehler für den gewöhnlichen Gebrauch ausser Acht gelassen wer-
den kann.
§. 62.
Für ganz genaue Bestimmungen der Quecksilberhöhe bedient man sich des Heber-Fig.
3.
barometers, welches aus einer gleich dicken, krumm gebogenen, an dem höhern Schen-
kel verschlossenen, an dem niedrigern offenen und mit Quecksilber gefüllten Glasröhre
besteht. Der Nullpunkt der Skale befindet sich hier in o zwischen den beiden Quecksilber-
Oberflächen, es müssen daher jedesmal beide Höhen vom Nullpunkte bis an die Ober-
flächen des Quecksilbers gemessen, und addirt werden. Bei der Bestimmung der Queck-
silberhöhen zum Behufe der Höhenmessungen kommt es vorzüglich auf die Genauigkeit
der Ablesung an; es wird daher oben und unten ein Nonius angebracht, und mit
Hilfe desselben die Höhe abgelesen. Das Quecksilber in der Röhre muss übrigens von
aller Luft befreit und zu diesem Zwecke gut ausgekocht werden, so wie auch vor seiner
Füllung in die Glasröhre seine spezifische Schwere zu bestimmen ist.
Obgleich das Barometer nur den Druck der Luft anzeigt, so wird dasselbe dennoch
auch zur Beurtheilung der bevorstehenden Witterung gebraucht. Fällt
nämlich das Barometer oder wird die Luft leichter, so ist sie mit Dünsten angefüllt und
es steht gewöhnlich ein Regen bevor; umgekehrt muss bei sehr trockener Luft, die bloss
bei schönem Wetter vorhanden ist, die Luft schwerer werden, und das Quecksilber im
Barometer steigen. Diess trifft jedoch nicht immer zu, weil Winde, die Temperatur der
Luft und andere Ursachen eine Veränderung des Barometerstandes bewirken, ohne dass
ein Regen hierauf folgen müsse. Schnelle Aenderungen des Barometers werden mit Recht
als Zeichen eines bevorstehenden oder bereits in einer fernen Gegend eingetretenen hefti-
gen Sturmes angesehen.
Der mittlere Barometerstand beträgt an der Meeresfläche 28,895 N. Oe. Zoll, auf der
Wiener Sternwarte (85 Klafter höher) 28,315 N. Oe. Zoll und auf der Spitze des Mont-
blanc fand ihn Saussure nur 16,108 par. Zoll oder 16,553 N. Oe. Zoll. Wenn man sich an
einem Orte befindet, der 72,5 Fuss höher als die Meeresfläche liegt, so steht das Barometer
10*
[76]Konstrukzion der Barometer.
daselbst gewöhnlich um eine Linie niedriger. Man ersieht hieraus schon, wie man aus
den Barometerständen den Höhenunterschied zweier Orte finden könne.
§. 63.
Bei der Verfertigung der Barometer hat man zu bemerken, dass die Stärke
(Wanddicke) der Quecksilberröhre nicht mehr als ⅗, höchstens ½ Linie betragen und
der innere Durchmesser der Röhre nicht unter 1,5 Linien seyn dürfe, indem bei einer
dicken Röhre das Auskochen des Quecksilbers erschwert, bei einer engern aber die Be-
weglichkeit dieser Flüssigkeit verhindert wird. Die Röhre erhält jedoch gewöhnlich
auch nicht über 2,5 bis 3 Linien Weite, weil sonst die Masse des Quecksilbers zu sehr
vermehrt würde. Die Glasröhre muss zuerst gut ausgetroknet und von Staub und Schmutz
gereinigt werden, welches am besten noch vor dem Zuschmelzen des obern Endes der
Rëhre geschieht. Bei dem Zuschmelzen hat man zu sehen, dass sich die Röhre oben
in keine Spitze, sondern in eine runde Wölbung endigt; bei einem Heberbarometer muss
auch noch die Röhre in einer gleichförmigen Krümmung umgebogen werden.
Das Quecksilber muss von Schmutz und Feuchtigkeit gereinigt seyn, zu welchem
Behufe man es mehreremale durch feine Papiertrichterchen durchlaufen lässt, bis es am
Papiere keine Unreinigkeit mehr zurücklässt. Die Röhre wird nun theilweise hiermit
gefüllt und über Kohlenfeuer bei einer Neigung von beiläufig 30 bis 45 Grad gut ausge-
kocht. Hierbei muss die Röhre in der ganzen Länge vom geschlossenen Ende an nach und
nach über Kohlenfeuer gebracht, und das Auskochen bei starkem Sieden des Queck-
silbers 6 bis 8 Mal vorgenommen werden, bis alle Luft aus demselben entwichen ist und
dasselbe nach seinem Erkalten mit einer hellglänzenden Metallfläche am Glase erscheint.
Ist das Barometer auf diese Art verfertigt, so wird die Skale aufgetragen; diess geschieht
bei sehr genauen Instrumenten am Glase selbst, bei andern auf einem Papierstreifen, der
auf dem hölzernen Brete, woran das Barometer gewöhnlich festgemacht ist, angeklebt
wird. Eine umständlichere Anleitung zur Verfertigung der Kugel-, Heber-, Reise ....
Barometer wird in der Physik gegeben.
§. 64.
Uiber die Fähigkeit der Luft, sich in einen kleinern Raum zusammendrücken zu lassen,
Fig.
4.
Tab.
43.hat Mariotte in Frankreich im J. 1676 genaue Versuche angestellt. Er nahm eine krumm-
gebogene Röhre, deren kürzerer oben zugeschmolzener Schenkel durchaus einen gleichen
Durchmesser hatte. In diese wurde durch den zweiten offenen Schenkel Quecksilber
gefüllt, und durch wiederhohltes Umlegen der Röhre so viel Luft aus dem kürzern Schen-
kel herausgelassen, bis das Quecksilber in beiden Röhren auf einer gleichen Höhe g und n
stand. (Gewöhnlich wird bei solchen Versuchen etwas mehr Luft herausgelassen, so dass
das Quecksilber im offenen Schenkel niedriger steht, und dann erst wird von aussen das
Quecksilber tropfenweise zugefüllt, bis die Höhe gleich ist. Man ist hierdurch versichert,
dass die im kürzern Schenkel eingeschlossene Luft mit der äussern atmosphärischen
einen ganz gleichen Druck erfährt). Mariotte goss nun abermals Quecksilber in den hö-
hern Schenkel der Röhre, und zwar so viel, bis die Höhe o p des Quecksilbers in der offe-
nen Röhre über der geschlossenen genau so gross war, als welche das Barometer zu gleicher
[77]Mariotte’sches Gesetz.
Zeit in demselben Zimmer zeigte. Daraus schloss er, dass die eingeschlossene Luft nunFig.
4.
Tab.
43.
doppelt so stark als vorhin zusammengedrückt sein müsse, weil im ersten Falle, wo die
Höhe des Quecksilbers in beiden Schenkeln der Röhre gleich war, die eingeschlos-
sene Luft eben so stark als die äussere, demnach mit der Barometerhöhe h gedrückt war;
im zweiten Falle aber, wie das Quecksilber in der offenen Röhre um h Zoll = o p höher
stand, die verschlossene Luft von h + h = 2 h zusammengedrückt seyn musste. Nun
wurde der Raum der eingeschlossenen Luft gemessen und gefunden, dass er halb so
gross als im ersten Falle war, oder dass d m = war. Mariotte goss nun aber-
mals Quecksilber in den längern Schenkel zu, bis die drückende Säule u w = 2 h Zoll
betragen hatte, folglich der Druck auf die innere Luft = 3 h war. Der Raum der
eingeschlossenen Luft betrug hierbei nur den 3ten Theil des ersten Raumes, oder es war
e m = . Auf gleiche Weise fand man, dass die Luft bei einem vierfachen Drucke
nur den vierten Theil, bei einem fünffachen Drucke den fünften Theil .... des ursprüng-
lichen Raumes einnimmt. Die Räume der Luft verhalten sich daher ver-
kehrt wie die Druckhöhen, und da die Druckhöhen den Barometerständen
gleich sind, so verhalten sich auch die Räume der Luft verkehrt wie die Barometer-
höhen.
Dieser Satz, welcher unter dem Namen des Mariotte’schen Gesetzes bekannt
ist, wurde früher nur auf einen Druck von 6 bis 8 Atmosphären oder 6 . 28 bis 8 . 28
Zoll erwiesen. Bouguer erzählt in seiner Reise nach den Cordilleren, dass er diesen
Druck zwar nicht auf grössere Höhen, doch auf kleinere durch Verdünnung der Luft
fortgesetzt und gefunden habe, dass das Mariotte’sche Gesetz bis zur 300 Mal verdünn-
ten Luft vollkommen Statt finde. Im Jahre 1823 wurde die Akademie der Wissen-
schaften zu Paris von dem dortigen Ministerium aufgefordet, möglichst genaue Versuche
über die Elastizität (Expansiv-Kraft) der Wasserdämpfe bei verschiedenen Temperaturen
anzustellen. Die Kommission, welche hierzu ernannt wurde, bestand aus den Herren de
Prony, Arago, Ampère, Girard und Dulong, und beschäftigte sich nicht bloss mit
der obengenannten Aufgabe, sondern stellte auch Versuche über das Mariotte’sche
Gesetz an. Die Quecksilbersäule, welche man hierbei zum unmittelbaren Drucke der
Luft anwendete, und die in Glasröhren gemessen wurde, ging bis zur Höhe von
27 Atmosphären, oder 27 . 0,76m = 20,52mèt = 10,82 N. Oe. Klafter. Das Resultat war die
vollkommene Bestättigung des Mariotte’schen Gesetzes selbst bis zu dem versuchten sehr
bedeutenden Drucke. Der Bericht der genannten Kommission befindet sich in dem Journal
du génie civil, 19meLivraison, 1830, worauf wir im 3ten Bande bei der Abhandlung
über Dampfmaschinen und das Gesetz der Expansivkraft der Wasserdämpfe noch
zurück kommen werden.
Nach den Versuchen der neuern Chemiker findet das Mariotte’sche Gesetz nicht
bloss bei der atmosphärischen Luft, sondern auch bei den übrigen Gasarten Statt. Ob
aber nicht wenigstens einige Gasarten bei sehr grossen Druckhöhen aus dem luftförmigen
Zustande in den tropfbar flüssigen übergehen, ist noch nicht hinreichend dargethan,
[78]Ausdehnung der Luft und der Gasarten.
dürfte jedoch kaum zu bezweifeln seyn, in welchem Falle dann auch das Mariotte’sche
Gesetz aufhört, so wie die Körper tropfbar flüssig werden.
§. 65.
Die Luft hat nebst den bisher angeführten Eigenschaften ihrer Schwere und Zusam-
mendrückbarkeit, noch eine dritte Eigenschaft im vorzüglichen Grade; sie dehnt
sich nämlich durch die Wärme aus, und zieht sich in der Kälte zu-
sammen. Man überzeugt sich von dieser Eigenschaft, wenn man eine nicht ganz mit
Luft gefüllte Blase über glühende Kohlen hält; dieselbe nimmt in diesem Falle an ihrem
Volumen immer mehr und mehr zu, und zerspringt, wenn die Hitze noch mehr erhöht
wird. Um diese Ausdehnung der Luft durch die Wärme, und Zusammenziehung durch
die Kälte deutlicher beurtheilen und zugleich messen zu können, bedient man sich aber-
mals einer krummgebogenen Röhre, in welche so viel Quecksilber gegossen wird, bis es
Fig.
5.
Tab.
43.im eiskalten Wasser in beiden Schenkeln gleich hoch, nämlich in der Linie N O steht.
Die Luft, welche in dem Raume A O enthalten ist, ist daher genau so stark als die
äussere atmosphärische gedrückt, und es muss auch die in A O befindliche Luft die Tempe-
ratur des gefrierenden Wassers haben. Bringt man nun die Röhre in siedendes Wasser,
so dehnt sich die Luft aus dem Raume A O in jenen A M aus, wobei jedoch so viel
Quecksilber aus dem andern Schenkel heraus genommen werden muss, bis es in P und M
gleich hoch steht, demnach die in A M befindliche Luft wieder eben so stark, als
die äussere atmosphärische gedrückt ist. Da das Herausnehmen des Quecksilbers be-
schwerlich ist, so bemerkt man gewöhnlich, um wie viel das Quecksilber in dem offenen
Rohre höher als in dem geschlossenen steht, und sucht dann den Raum, welchen die
Luft bei gleich hohen Quecksilbersäulen einnehmen würde, aus der Proporzion nach dem
Mariotte’schen Gesetze. Bezeichnen nämlich m und R die Punkte, wo das Quecksilber
stehen bleibt, so verhält sich die Barometerhöhe h (zur Zeit der Beobachtung) zu
h + p R, eben so wie der Raum A m zum Raume A M, oder h : h + p R = A m : A M, wor-
aus A M = A m folgt. Der ganze Versuch lässt sich auch noch mit einer ge-
nau eingetheilten sehr dünnen, horizontal liegenden Röhre machen.
Man hat auf diese Art gefunden, dass sich die atmosphärische Luft und alle andern
Gasarten (wenn sie im trockenen Zustande versucht werden) von der Temperatur des
gefrierenden bis zur Temperatur des siedenden Wassers um drei Achtel ihres Volu-
mens ausdehnen. Wird nämlich der Raum A O = 1,000 gesetzt, und ist die Röhre von
A bis M durchaus gleich dick, so findet man O M = 0,375 = ⅜.
§. 66.
Um die Wärme zu messen, setzt man die Intensität derselben der Ausdehnung der
Körper proportional. Die hierzu erforderlichen Instrumente heissen Thermometer.
Sollen sie die Wärme vollkommen genau messen, so müssen sie vom absoluten Null-
punkte oder der Abwesenheit aller Wärme ausgehen und die Grade ihrer Skalen die
Zunahme der Wärme anzeigen. Da jedoch die Bestimmung des absoluten Nullpunktes
zu grossen Schwierigkeiten unterliegt, so hat man für die Thermometer andere will-
[79]Konstrukzion der Thermometer.
kührliche fixe (feste) Punkte nach Uebereinkunft angenommen. Diess ist die Tempera-Fig.
6.
Tab.
43.
tur des siedenden und gefrierenden Wassers. Man hat nämlich beobachtet,
dass die Temperatur des reinen Wassers, so lange Eis oder Schnee darin schmilzt, immer
dieselbe bleibt, es mag sich viel oder wenig Schnee oder Eis darin befinden. Andere Be-
obachtungen haben gezeigt, dass das Wasser dieselbe Wärme (Siedhitze) behält, so lange
als sich Dämpfe hieraus entwickeln, es mag übrigens stark oder schwach kochen, man mag
das Feuer unter dem Gefäss wie immer vermehren. Auf diess Kochen selbst hat nur die
Höhe des Ortes oder der Barometerstand einen Einfluss, auf hohen Bergen kocht näm-
lich das Wasser früher als in tiefen Thälern. Für genaue Bestimmungen muss übrigens
das Wasser in metallenen Gefässen zum Kochen gebracht werden. Man sieht hieraus,
dass der Gefrier- und Siedepunkt des Wassers allerdings verlässliche Anhalts-
punkte zur Konstrukzion der Skale eines jeden Thermometers darbiethen.
Es gibt verschiedene Gattungen Thermometer. Das älteste derselben oder das
Luftthermometer wird erhalten, wenn bei einem Kugelbarometer die Oeffnung A zuge-
schmolzen, und nun die Kugel zuerst in eiskaltes und dann in siedendes Wasser gebracht
wird, in beiden Fällen aber die Höhen des Quecksilbers b und b' an der Skale bemerkt wer-
den. Der Abstand bb' wird nunmehr in gleiche Theile oder Grade getheilt. Die Zahl der an-
geschriebenen Grade, bei welchen das Quecksilber stehen bleibt, zeigt die Temperatur der
Luft an; ist aber das Instrument in eine andere Flüssigkeit eingetaucht, so wird auf gleiche
Art die Temperatur dieser Flüssigkeit angezeigt. Um die einzelnen Grade grösser zu
erhalten, muss die Kugel gross und die Röhre bb' von sehr kleinem Durchmesser seyn.
Thermometer können aus allen Flüssigkeiten verfertiget werden, jedoch sind jene
vorzuziehen, bei welchen der Zwischenraum vom Erstarren bis zum Verdampfen mög-
lichst gross ist. Diese Eigenschaft besitzt vorzüglich das Quecksilber, weil es bei
einer sehr niedrigen Temperatur gefriert, und dagegen eine sehr hohe Temperatur zu sei-
ner Verdampfung erfordert wird, überdiess sind auch in dem Zwischenraume dieser zwei
Punkte die Thermometergrade der Aenderung der Temperatur beinahe proporzional.
Die Skalen der Thermometer werden nach den Vorschlägen dreier Physi-Fig.
7.
ker eingetheilt. 1tens: Reaumur, und nach ihm die ältern Franzosen theilen den
Raum vom Gefrier- bis zum Siedepunkte in achtzig gleiche Theile ein, und heissen
einen solchen Theil einen Grad. Sie schreiben zu dem Gefrierpunkte 0, zu demFig.
8.
Siedepunkte 80. 2tens: Fahrenheit, und nach ihm alle Engländer theilen noch
gegenwärtig die Skale vom Gefrier- bis zum Siedpunkte in 180 Theile, allein sie setzen
zu dem Gefrierpunkte nicht 0, sondern 32 Grad, und zu dem Siedpunkte 212 Grade.
Der Nullpunkt zeigt eine weit grössere, durch eine Mischung von Salmiak und SchneeFig.
9.
künstlich erzeugte Kälte an. 3tens: Celsius in Schweden, und nach ihm die neu-
ern Franzosen theilen den Raum vom Gefrierpunkte bis zum Siedpunkte in 100 Thei-
le oder Centesimalgrade ein.
Die Vergleichung der Thermometergrade unter einander kann nun ohne Anstand
geschehen. Nennen wir die Anzahl Grade nach Reaumur = R, und die ihr entspre-
chenden Grade nach Celsius = C, und nach Fahrenheit = F, so haben wir zur Ver-
gleichung der Reaumur’schen Grade mit jenen von Celsius die Proporzion R : C = 80 : 100,
also 100 R = 80 C oder 5 R = 4 C. Auf gleiche Art erhält man R : F — 32 = 80 : 180,
[80]Konstrukzion der Thermometer.
demnach 180 R = 80 (F — 32) oder 9 R = 4 (F — 32), endlich 180 C = 100 (F — 32)
oder 9 C = 5 (F — 32).
Beispiel. 20 Grad nach Reaumur betragen daher = 25 Grad Celsius, und
20 + 32 = 77 Grad Fahrenheit u. s. w.
§. 67.
Zur Verfertigung der Quecksilber-Thermometer bedient man sich ei-
ner gläsernen, engen Röhre, deren innerer Durchmesser möglichst gleich ist. Die Länge
der Röhre richtet sich nach der Grösse der Kugel; ist diese gross, so wird sich das darin
befindliche Quecksilber in einen grössern Raum ausdehnen, es muss demnach auch eine
längere Röhre mit der Kugel verbunden werden und umgekehrt. Es leuchtet von selbst
ein, dass kleine Veränderungen der Wärme an der Ausdehnung des Quecksilbers desto
deutlicher wahrgenommen werden, je grösser die Kugel, und je länger daher die Ausdeh-
nung des Quecksilbers im Rohre ist. Nennen wir nämlich den Durchmesser der Ku-
gel im Lichten = D, so ist der kubische Inhalt des hierin enthaltenen Quecksilbers
= . Dieses Quecksilber wird durch die Wärme vom Gefrier- bis
zum Siedpunkte um den mten Theil seines Inhaltes ausgedehnt, und steigt in dem Rohre,
dessen Querschnittsfläche d2 beträgt, auf die Höhe x; wir haben daher m · ,
woraus x = . Wir sehen hieraus, dass die Ausdehnung x des Quecksilbers in der
Röhre viel beträgt, wenn der Durchmesser D der Kugel gross, und jener d der Röhre
klein wird. Inzwischen haben grosse Quecksilberkugeln den Nachtheil, dass sie die Tem-
peraturen nur langsamer anzeigen, indem eine kleinere Kugel weit schneller von der
Wärme durchdrungen wird, als eine grössere.
Das Rohr des Thermometers muss durchaus einen gleichen Durchmesser haben,
weil man den Raum zwischen dem Gefrier- und Siedepunkte in gleiche Theile theilt,
und dabei voraussetzt, dass die Ausdehnung des Quecksilbers durchaus der Wärme pro-
porzional sey, demnach auch die Räume für gleiche Wärmegrade einander gleich seyn
müssen. Man prüft die gleiche Stärke der Röhre bevor man noch die Kugel an-
schmilzt, indem man einige Tropfen Quecksilber hineinbringt und nachsieht ob das-
selbe an allen Orten, wohin diese Tropfen gebracht werden, eine gleiche Länge ein-
nimmt. Ist diess der Fall, so muss auch das Rohr einen durchaus gleichen Durch-
messer haben.
Hat man nun eine gleichförmige Röhre gefunden, so wird das Ende derselben mit-
telst der Stichflamme eines Löthrohres glühend heiss gemacht, und ein Stück von einer
andern hohlen Röhre angeschmolzen. Das letztere wird wieder glühend heiss gemacht
und mittelst einer, an das andere Ende gebundenen mit Luft gefüllten Blase aufgeblasen
und so die Kugel gebildet.
Das Quecksilber, dessen man sich zur Füllung der Thermometer bedient, muss mög-
lichst rein seyn, zu welchem Behufe man es (§. 63) durch einen papiernen Trichter mit einer
sehr kleinen Oeffnung laufen lässt. Da das Quecksilber durch die dünne Thermometerröhre
[81]Konstrukzion der Thermometer.
nicht eingeschüttet werden kann, so wird die Kugel auf einem Kohlenfeuer sehr stark
erwärmt, wodurch sich die darin befindliche Luft ausdehnt, und ein Theil hiervon aus
der Röhre entweicht. Man stürzt nun, so lange die Kugel noch heiss ist, das offene
Ende der Röhre in eine Schale mit Quecksilber und lässt sie darin auskühlen. Die aus-
gedehnte Luft zieht sich nach und nach wieder zusammen, und es drückt die äussere
atmosphärische Luft das Quecksilber in die Röhre hinein, so dass ein Theil des Queck-
silbers schon bis in die Kugel gelangt. Nun wird die Röhre mit der Kugel aufgestellt,
damit das Quecksilber sich am Boden der Kugel sammle, in dieser Stellung die Kugel
abermals erhitzt, und sodann wieder am andern Ende in das mit Quecksilber gefüllte
Gefäss gebracht. Es dringt nun abermals ein Theil Quecksilber hinein, und diese Ope-
razion wird so oft wiederholt, bis die Röhre voll ist.
Da auch der Barometerstand auf die Höhe des Quecksilbers in einer offenen Röhre
Einfluss hat, so pflegt man den obern Theil der Röhre luftleer zu machen. Zu die-
sem Behufe wird das obere Ende der Röhre über der Stichflamme bis zu einem Haarröhr-
chen ausgezogen, der obere Theil in der Gegend des Haarröhrchens abgebrochen, und
sodann die Kugel des Thermometers noch über die Temperatur der Siedhitze und zwar
so weit erwärmt, bis das Quecksilber anfängt in das Haarröhrchen einzudringen, in wel-
chem Augenblicke es zugeschmolzen wird. Da die Quecksilberdämpfe der Gesundheit
sehr nachtheilig sind, so muss man sich hüthen, dass nicht ein Theil des Quecksilbers
im Zuschmelzen verdampfe. Beim Erkälten zieht sich das Quecksilber wieder zusammen,
und man erfährt, ob es luftleer ist, indem man es umstürzt.
Die Skale bei dem nunmehr verfertigten Thermometer bestimmt man durch den
Gefrier- und Siedepunkt. Man nimmt nämlich ein Gefäss mit kaltem Wasser, und legt
ein Stück Eis oder Schnee hinein, steckt die Kugel des Thermometers in dasselbe, und
bemerkt den Punkt wo das Quecksilber stehen bleibt durch Umwindung eines feinen
Fadens. Hierauf wird das Instrument in siedendes Wasser gebracht, der Punkt auf glei-
che Art an der Röhre bemerkt, und auch die Barometerhöhe notirt, welche hierbei Statt
hat. Man hat zu sehen, dass diese Operazion bei einem gleichen Barometerstande vor-
genommen werde, wozu man in Frankreich 0,76 met., in England 29 Zoll engl. und in
Deutschland 28 pariser Zoll annimmt. Den Raum vom Gefrier- bis zum Siedepunkte theilt
man in die betreffende Anzahl Grade, und hat auf diese Art das Instrument verfertigt.
§. 68.
Alle festen Körper dehnen sich mehr oder weniger durch die Wärme aus, wie
wir aus sehr vielen Erfahrungen wissen. Wird eine cylindrische Metallstange, welche
genau in einen Ring passt, einige Zeit über Kohlenfeuer gehalten, so findet man, dass
sie in diesen Ring nicht mehr gebracht werden kann, und ein grösseres Volumen an-
genommen, demnach sich ausgedehnt habe. Schon die ältesten Physiker haben Ver-
suche über die Ausdehnung der Körper und vorzüglich der Metalle angestellt; die
hierzu gebrauchten Apparate waren jedoch nicht mit der Genauigkeit verfertigt, um
die Ausdehnung der Körper, welche in vielen Fällen nur sehr wenig beträgt, verlässig
zu bestimmen. Bouguer gab zuerst die Methode an, mit Hülfe eines Fernrohres, das
Gerstner’s Mechanik. Band II. 11
[82]Apparat zur Messung der Ausdehnung fester Körper.
nach einer eingetheilten entfernt aufgestellten Stange gerichtet wurde, die Ausdehnung der
Metalle zu messen. Musschenbroek liess ein Pyrometer verfertigen, in welchem die Metall-
stange in ein mit Wasser gefülltes Gefäss (ein Wasserbad) gelegt, dieses Wasser erwärmt
und die Ausdehnung der Stange dadurch gemessen wurde, dass sie an einem Ende
befestigt war, am andern aber bei eintretender Ausdehnung derselben ein Räder-
werk mit einem Zeiger in Bewegung setzte. Diess Instrument war zwar durch das
Räderwerk sehr empfindlich gemacht, allein eben diess Räderwerk hatte den Nach-
theil, dass es bei Vermehrung und Verminderung der Wärme nicht auf einen be-
stimmten Punkt zurückging, sondern bei verschiedenen Graden an der eingetheilten
Skale stehen blieb. Um dieses zu vermeiden hat SmeatonFühlhebel gebraucht,
mit welchen man jedoch die Ausdehnung auch nicht mit hinlänglicher Deutlichkeit mes-
Fig.
10.
Tab.
43.sen konnte. Ist nämlich A B eine metallene Stange, welche auf einer unverrückbaren
Unterlage C D ruht und am andern Ende den Winkel- oder Fühlhebel B E F berührt, wo-
bei E der Umdrehungspunkt ist, der Punkt F aber den Kreisbogen M N beschreibt, so
wird man bei einem sehr bedeutenden Verhältnisse der Hebelsarme, z. B. von 1 : 100
= E B : E F die Ausdehnung der Stange A B an der eingetheilten Skale gerade 100 Mal
grösser finden. Wenn man an der Skale nur ¼ Linie abliest, so gibt diess eine Ausdeh-
nung von 1/400 Linie, demnach eine sehr kleine Grösse. Soll jedoch dieser Apparat rich-
tig seyn, so muss sowohl die Achse E als die Widerlage bei A vollkommen unverrückbar
gemacht werden, welches aber beinahe unmöglich ist, da die Temperatur der erwärm-
ten Stange A B ebenfalls auf diese Punkte einwirkt, und ihre Lage verändert; es han-
delt sich demnach darum, diesem nachtheiligen Einflusse zu begegnen.
Biot liefert in seinem Traité de physique, I. Band Seite 150 die Beschreibung des
Apparates, welcher von Lavoisier und Laplace zur Messung der Ausdehnung fester
Körper gebraucht wurde. Bei diesem Apparate bediente man sich wie bei jenem von
Bouguer eines Fernrohrs, welches auf eine 100 Toisen entfernte eingetheilte Skale gerich-
tet war. Der Ap parat bestand aus vier von massiven Quadersteinen erbauten Pfeilern
Fig.
11.A, B, C, D, welche doppelt so hoch als breit, und eine Klafter tief in der Erde auf fe-
stem Grunde errichtet waren. Zwischen diesen Pfeilern befand sich der Ofen E F, auf
welchem eine Wanne G H aufgesetzt war, die mit Wasser gefüllt wurde. Hierein wurde
die zu prüfende Stange J K gelegt, welche nach einiger Zeit die Temperatur des Wassers
annahm, und sich derselben entsprechend ausdehnte. Bei Wiederholung der Versuche
fand man es jedoch zweckmässiger, die Wanne G H aus einem seitwärts angebrachten
Kessel mit erwärmtem Wasser von verschiedenen Temperaturen zu füllen. Die zu prü-
fende Stange wurde an gläsernen Trägern a b, a b, die oben an eiserne Querstangen
c d, c d befestigt, unten aber mit Rollen b, b, versehen waren, aufgehangen, damit die
Stange mit Leichtigkeit sich auf den Rollen je nach ihrer Ausdehnung verschieben könne.
Der gläserne massive Stab L J wurde durch eiserne Querstangen N N, n n an die massiven
Pfeiler A, B unverrückbar befestigt und gegen diesen Stab lehnte sich das eine Ende
des zu prüfenden Stabes J K, welches daher auch als unverrückbar anzusehen ist; es
konnte daher nur das zweite Ende K der Stange bei erfolgter Ausdehnung derselben
verschoben werden. An diesem Ende K war abermals eine gläserne Stange O K befesti-
get, welche bei O mit der eisernen Stange Q R, die in ihren Achsen sehr leicht beweg-
[83]Apparat zur Messung der Ausdehnung fester Körper.
lich war, verbunden wurde. So wie nun der Punkt K durch die Ausdehnung von J KFig.
11.
Tab.
43.
verrückt wurde, drehte sich die Stange Q R, mittelst derselben der Hebel R S, und es
wurde durch den letztern das achromatische Fernrohr T T' von 6 Fuss Länge bei T' ge-
hoben; man konnte daher den beschriebenen Raum an der Skale, welche auf 100 Toisen
Entfernung aufgestellt war, genau messen. Zur Vermeidung der Verrückungen wurde die
Stange J K an die gläsernen Stäbe L J' und O K mittelst biegsamer Kupferstreifen befestigt.
Bei diesen Versuchen wurde nun zuerst die Wanne mit Wasser gefüllt, und darein so
lange Eis gegeben, bis es nicht mehr schmolz, und bis die ganze Masse die Temperatur des
Gefrierpunktes angenommen hatte. Hierbei wurde der Punkt der Skale, wohin das Fern-
rohr wies, bezeichnet und hierauf für jede Temperatur des Wasserbades ebenfalls der
Punkt an der Skale notirt. Die Temperatur des Bades wurde mittelst genauer Thermo-
meter gemessen, wobei ein Grad die Länge von beiläufig 2 Linien hatte, demnach auch
die Temperatur leicht bis auf 1/10 Grad bestimmt werden konnte. Die Versuche gingen
von 0 bis 100 Grad Centesimal. Aus dem Verhältnisse der Hebel des Apparates und der
Entfernung des Fernrohres von der aufgestellten Skale wurde sodann die wirklich erfolg-
te Ausdehnung der geprüften Stange J K gemessen. Die Genauigkeit dieser Bestimmung
ging bis auf 1/744 Linie. Man fand bei diesen Versuchen 1tens: dass alle untersuchten
Körper nach erfolgter Ausdehnung vom Gefrier- bis zum Siedepunkte bei der Abkühlung
auf den Gefrierpunkt genau wieder auf ihre ursprüngliche Länge zurückkehrten und
2tens: dass die Ausdehnung dieser Stangen den Graden des Quecksilber-Thermome-
ters genau proporzional sey; es dehnten sich nämlich bei einer doppelten, dreifa-
chen ..... Anzahl Grade, die Stangen um das doppelte, dreifache ..... aus. Kennt man
daher die Ausdehnung für einen Grad Wärme, so findet man dieselbe für jede andere
Anzahl Grade t, indem man die erste mit t multiplizirt. Bloss der gehärtete Stahl machte
hier eine Ausnahme; er dehnte sich nämlich bei höhern Temperaturen weniger aus, so dass
sich seine Ausdehnungsfähigkeit über 81°C. allmählig dem nicht gehärteten Stahle näherte.
Die gefundenen Ausdehnungsgesetze fanden jedoch bei festen Körpern nur so lange
Statt, als dieselben ihren Aggregats-Zustand nicht ändern, d. h. nicht flüssig werden.
Die Aenderungen, welche einige Physiker für die Ausdehnung der festen Körper bei hö-
heren Temperaturen, wobei sie jedoch ihren Aggregats-Zustand noch behielten, gefun-
den haben, sind zu unbedeutend, und können für den Gebrauch bei unsern mechanischen
Berechnungen in jedem Falle ausser Acht gelassen, demnach immer die Ausdehnung
fester Körper den Temperatursgraden proporzional angenommen
werden. Hällström fand die Ausdehnung des Eisens = 0,00000994 t + 0,000000024 t2
+ 0,0000000002 t3, wo t die jedesmalige Temperatur des Quecksilberthermometers in Cen-
tesimal-Graden bedeutet. Allein zwischen t = 0 und t = 100° reicht auch hier das erste Glied
der Gleichung hin oder man kann auch t = 100° setzen und die aus der Formel erhaltene Aus-
dehnung (= 0,001434) den Temperatursgraden proporzional, demnach für 50° mit 0,000717 ......
annehmen.
§. 69.
Nachstehende Tabelle gibt die Ausdehnung fester Körper, welche vom Ge-
frier- bis zum Siedepunkte, oder für 100 Centesimal-Grade Statt findet, für die
Annahme, dass die Länge dieser Körper bei dem Gefrierpunkte = 1,00000000 gesetzt wird.
11*
[84]Ausdehnung fester Körper durch Wärme.
Diese Tabelle ist aus dem vortrefflichen physikalischen Wörterbuche von Gehler, neu
bearbeitet von den Herren Brandes, Gmelin, Horner, Muncke und Pfaff, Leipzig 1825,
I. Band, Seite 582 entlehnt. Die Namen der betreffenden Beobachter sind ebenfalls bei-
gesetzt worden.
Tabelle,
über die Längenausdehnung fester Körper vom Gefrier- bis zum
Siedepunkte, wenn die Länge derselben beim Gefrierpunkte = 1,00000000
gesetzt wird.
§. 70.
Die Ausdehnung tropfbar flüssiger Körper beträgt in der Regel mehr,
und ist nicht so gleichförmig oder den Temperatursgraden entsprechend, als es bei
festen Körpern der Fall ist. Um die Grösse der Ausdehnung tropfbarer Flüssigkeiten
zu messen braucht man verschiedene Apparate, welche gewöhnlich den Thermometern
ähnlich sind, und aus einer gläsernen hohlen Kugel bestehen, an die ein sehr genau
kalibrirtes Glasrohr angeschmolzen ist. Wird dieses Gefäss mit einer Flüssigkeit
gefüllt, und das Volumen derselben nach der Skale an der Röhre für jeden Tempera-
[86]Ausdehnung tropfbarer Flüssigkeiten.
turgrad des Quecksilber-Thermometers bestimmt, so lässt sich die Grösse der Ausdeh-
nung berechnen. Zu diesem Behufe muss jedoch die Ausdehnung des Glases für die-
selbe Temperatur vorläufig bekannt seyn, um sie mit in Anschlag nehmen zu können.
Eine umständliche Beschreibung dieser Versuche findet sich in dem genannten physi-
kalischen Wörterbuche von Gehler. Die Resultate derselben zeigten 1tens dass die Aus-
dehnungen der Flüssigkeiten desto mehr betragen, je niedriger ihr Siedepunkt liegt,
oder je weniger Wärme dieselben bedürfen um zu sieden, und dann in gasförmigen
Zustand zu übergehen, 2tens dass die Ausdehnung tropfbarer Flüssigkeiten zwar immer bei
erhöhter Wärme zunehme, jedoch den Temperatur-Graden des Quecksilber-Thermome-
ters nicht genau proporzional sey. Die meisten Flüssigkeiten befolgen in dieser Hinsicht
eigene Gesetze, welche aus den vorhandenen Erfahrungen erst abgeleitet werden müssen.
Herr I. A. de Luc hat die weitläufigsten Versuche dieser Art angestellt. Er
bediente sich thermometerartiger Apparate, wobei der Standpunkt des Quecksilbers und
jeder andern Flüssigkeit im siedenden Wasser mit 80, im schmelzenden Schnee aber
mit 0 an dem betreffenden Apparate bezeichnet, der Abstand dieser zwei Punkte in
80 gleiche Theile getheilt, und dann die Grade notirt wurden, welche die untersuchten
Flüssigkeiten bei jedem vom Quecksilber-Thermometer angezeigten Temperatur-Grade
einnahmen. Auf diese Art erhielt er folgende Vergleichung der Stände oder der
Ausdehnung der Flüssigkeiten bei gleichen Temperaturen.
Diese Tabelle gibt uns eigentlich eine Vergleichung des Standes mehrerer Thermo-
meter, die aus verschiedenen Flüssigkeiten verfertigt wurden. Wird nämlich bei allen
diesen Flüssigkeiten der Gefrier- und Siedepunkt mit 0 und 80 bezeichnet und der
Abstand dieser zwei Punkte an jedem Thermometer für sich in 80 gleiche Abstände
getheilt, so werden bei gleichen Temperaturen die Flüssigkeiten auf den in der Ta-
belle angeführten Höhen stehen.
§. 71.
Werden diese Erfahrungen über die Ausdehnungen des Olivenöhls, Weingei-
stes, Wassers ...... der Rechnung unterworfen, und nur eine Formel für
den Unterschied der Ausdehnungen dieser Flüssigkeiten in Ver-
gleichung mit dem Quecksilber gesucht; so kann man zur bequemern Auf-
findung des Gesetzes, nach welchem diese Unterschiede fortschreiten, die Bemerkung
benützen, dass dieselben in zwei Fällen zu Null werden, nämlich beim Gefrierpunkt
und beim Siedepunkt, d. i. für t = 0° und t = 80°, und dass sonach die zu findende
Formel die Faktoren t und (80° — t) haben müsse. Setzen wir demnach den Aus-
dehnungsgrad des Olivenöhls = t — A . t (80 — t), so ergeben sich zur Bestimmung des
Werthes von A folgende Gleichungen:
Der mittlere Werth der Grösse A ist sonach = 0,00056 und jeder Ausdehnungsgrad
des Olivenöhls wird seyn t — 0,00056 t (80 — t) = 0,9552 t + 0,00056 t2. Diese Formel
stimmt nun mit den Erfahrungen auf folgende Art überein:
[88]Ausdehnung des Weingeistes.
Eben so findet man die Ausdehnungsgrade für Weingeist. Wir erhalten nämlich auf
gleiche Art wie im frühern Falle:
Der mittlere Werth des Koeffizienten A ist = 0,00305, und die Formel für den Unter-
schied der Ausdehnung des Weingeistes und des Quecksilbers ist sonach:
t — 0,00305 t (80 — t) = 0,75600 t + 0,00305 t2. Zur Beurtheilung der Uibereinstimmung
der Resultate der Rechnung nach dieser Formel mit den Erfahrungen dient nachstehende
Tabelle:
[89]Ausdehnung des Wassers.
Man könnte auf dieselbe Weise wie beim Olivenöhl und Weingeiste auch bei dem Was-
ser den Koëffizienten A suchen. Allein die Erfahrungen lassen sich bei dieser Flüssigkeit
nicht ganz so genau durch die Formel t — A . t (80 — t) darstellen, wie es bei den frü-
hern zwei Flüssigkeiten der Fall war. Wir müssen also mehrere Faktoren annehmen,
oder dem Ausdrucke für die Unterschiede der Ausdehnungen bei Wasser und Quecksil-
ber bei den verschiedenen Temperaturen dieser Flüssigkeit die Form
t — t (80 — t) (A + B . t + C . t2) geben, worin A, B, C erst durch Erfahrung zu be-
stimmende Koëffizienten sind. Stellen wir die Erfahrungen wieder in eine Tabelle zusam-
men, so haben wir:
[90]Ausdehnung des Wassers.
Aus diesen Gleichungen sind nun die mittlern Werthe der Grössen A, B, C zu
bestimmen. Zieht man zu dem Ende die letzte Gleichung von den sechs vorangehenden
ab, so erhält man:
- — 0,00257 = 60 B + 60 . 80 C
- — 0,00217 = 50 B + 50 . 70 C
- — 0,00200 = 40 B + 40 . 60 C
- — 0,00181 = 30 B + 30 . 50 C
- — 0,00147 = 20 B + 20 . 40 C
- — 0,00075 = 10 B + 10 . 30 C
- — 0,000043 = B + 80 C
- — 0,000043 = B + 70 C
- — 0,000050 = B + 60 C
- — 0,000060 = B + 50 C
- — 0,000074 = B + 40 C
- — 0,000075 = B + 30 C
Wird von diesen sechs Gleichungen abermals die letzte von den vorhergehenden
fünf abgezogen; so hat man:
- 0,000032 = 50 C
- 0,000032 = 40 C
- 0,000025 = 30 C
- 0,000015 = 20 C
- 0,000001 = 10 C
- 0,00000064 = C
- 0,00000080 = C
- 0,00000083 = C
- 0,00000075 = C
- 0,00000010 = C
- 0,00000312 = 5 C
und C = 0,0000006
Addirt man die vorhergehenden Gleichungen, welche nur B und C enthalten; so
hat man — 0,000345 = 6 B + 330 C, also ist die mittlere Gleichung — 0,0000575 = B + 55 C,
woraus B = — 0,0000575 — 0,0000330, oder B = — 0,0000905 folgt.
Endlich geben die ursprünglichen Gleichungen, wenn sie addirt werden:
0,08723 = 7 A + 280 B + 14000 C, folglich ist ihre mittlere 0,012461 = A + 40 B + 2000 C,
woraus endlich A = 0,012461 + 0,003620 — 0,001200, oder A = 0,014881; so dass der Ausdehnungs-
grad des reinen Wassers sehr genau durch die Formel
t — t (80 — t) (0,014881 — 0,0000905 t + 0,0000006 t2)
dargestellt werden kann. Um wieder den Grad der Genauigkeit beurtheilen zu können,
mit welchem die Resultate der Rechnungen mit denen der Erfahrung übereinstimmen,
wollen wir dieselben in folgender Tabelle darstellen.
[91]Ausdehnung des Wassers.
Sucht man aus der aufgestellten Formel mit Hülfe der höhern Analysis die grös-
ste Dichtigkeit des Wassers, wobei also die kleinste Ausdehnung desselben vorhanden
ist, so findet man dieselbe bei 4⅓ Grad Reaumur *).
§. 72.
Ueber die Ausdehnung des Wassers und die spezifische Schwere
desselben bei verschiedenen Temperaturen haben nebst de Luc noch viele
andere Physiker Versuche angestellt. Hierher gehören vorzüglich die von Hällström
in Schweden angestellten Versuche, welche mit grosser Verlässlichkeit, jedoch nur von
0° bis zur Temperatur von 30° Centesimal gehen. Setzt man die spezifische Schwere des
Wassers bei der Temperatur von 0° = 1, so ergibt sich dessen spezifische Schwere (y)
für jeden andern Grad t der Centesimalskale des Quecksilber-Thermometers aus der Glei-
chung y = 1 + 0,000052939 t — 0,0000065322 t2 + 0,000000014451 t3, woraus nach der höhern Ana-
lysis **) die Temperatur der grössten Dichte t = 4,°05 Cent. = 3,24 Reaumur, also beiläufig
derselbe Werth wie bei de Luc folgt.
12*
[92]Dichtigkeit und Volumen des Wassers.
Herr Professor Stampfer am k. k. polytechnischen Institute in Wien hat eine Reihe
von Versuchen zur Bestimmung des absoluten Gewichtes des Wassers, der Temperatur
seiner grössten Dichtigkeit und der Ausdehnung desselben in dem XVI Bande der Jahr-
bücher dieses Institutes (Wien 1830) bekannt gemacht. Derselbe bediente sich zu diesen
Versuchen eines hohlen Zylinders von drei Zoll Höhe und drei Zoll Durchmesser, der
aus Messingblech von einer Linie Dicke mit möglichster Genauigkeit verfertigt war, und
nach den mit aller Schärfe vorgenommenen Abmessungen bei der Temperatur des Gefrier-
punktes 21,18497 Kubikzoll, bei t Graden des Reaumur’schen Quecksilber-Thermometers
aber ein Volumen von 21,18497 + 0,001525 t Kubikzoll hatte. Dieser Zylinder wurde nun
mit aller Sorgfalt in destillirtem Wasser von verschiedenen Temperaturen (von 0° bis 26°
Reaumur) abgewogen, die gefundenen Resultate so verbessert, als wäre die Wägung
im leeren Raume vorgenommen worden und nun für jede Temperatur das Gewicht eines
N. Oe. Kubikzolles Wasser berechnet. Bei der Redukzion auf den leeren Raum wurde
die spezifische Schwere der trockenen atmosphärischen Luft bei 0° Wärme und 336,9 Pa-
riser Linien Barometerstand gegen Wasser bei seiner grössten Dichtigkeit = 0,0012990,
mithin das Gewicht eines N. Oe. Kubikzolls trockener atmosphärischer Luft bei 0° Tem-
peratur und 336,9 Pariser Linien Barometerstand = 0,023743 französische Gramme
= 0,023743 Loth und eines Kubikfusses Luft = 2,344 N. Oe. Loth angenommen.
Setzt man die grösste Dichtigkeit des Wassers = 1, die Dichtigkeit bei t Graden des
Quecksilber-Thermometers = D, so ist diesen Versuchen zu Folge für die 80 theilige Skale
D = 0,999887 + 0,000076165 t — 0,000013162 t2 + 0,00000011327 t3 — 0,0000000002972 t4; und für die 100
theilige Skale D = 0,999887 + 0,000060932 t — 0,0000084236 t2 + 0,00000005800 t3 — 0,0000000001217 t4.
Die grösste Dichtigkeit des Wassers findet hier genau bei 3° Reaumur = 3,75° Centesimal
Statt. Aus diesen zwei Gleichungen folgt nachstehende Tabelle für die Dichtigkeit und
das Volumen des Wassers für die 80 theilige und für die 100 theilige Skale, so wie auch
die Tabelle für das absolute Gewicht des Wassers in Wiener Mass und Gewicht.
Dichtigkeit und Volumen des Wassers für die 80 theilige Skale.
Dichtigkeit und Volumen des Wassers für die 100 theilige Skale.
Absolutes Gewicht des Wassers in Nied. Oest. Mass und Gewicht.
Zur bequemen Uibersicht, wie sich die spezifischen Gewichte des reinen Wassers
vom Gefrier- bis zum Siedepunkte verändern, führen wir noch folgende Tabelle aus
dem Traité de Physique expérimentale et mathématique, von J. B. Biot, Tom. I.
p. 425 an, welche nach den Versuchen von Charles berechnet ist. In dieser Tabelle
ist für die Temperatur von 0° Reaumur die spezifische Schwere = 1,00000000 gesetzt.
[94]Volumen und Dichtigkeit des Wassers.
§. 73.
Die Kenntniss der Ausdehnung des Quecksilbers durch die Wärme ist
für uns von grosser Wichtigkeit, indem das Quecksilber bei den Thermometern zur Be-
stimmung der Temperatur, bei den Barometern aber zur Höhenmessung gebraucht wird,
und in diesem Falle wegen seiner Ausdehnung durch die Wärme korrigirt werden muss.
Man hat die Ausdehnung des Quecksilbers bisher als den besten Masstab zur Bestimmung
der Temperatur angenommen, und nach allen Versuchen ist wirklich die Ausdehnung die-
ser Flüssigkeit innerhalb des Gefrier- und Siedepunktes beinahe gleichförmig. De Luc
fand jedoch, wenn er gleiche Gewichte Wasser, wovon das eine die Temperatur des Ge-
frierpunktes (32° Fahr.), das andere jene des Siedepunktes (212°) hatte, vermischte, dass die
Temperatur der Mischung beinahe 119° betrug, während das arithmetische Mittel dieser
Temperatur nur 122° ist. In diesem Falle wurde daher die Temperatur der Mischung
[95]Ausdehnung des Quecksilbers durch die Wärme.
durch das Quecksilber-Thermometer niedriger gefunden, als das arithmetische Mittel
ausweist.
Da die Luft bei der höchsten und niedrigsten Temperatur unverändert bleibt, so
sind die Luftthermometer, deren man sich zuerst bediente, die einzigen absoluten
Wärmemesser. Weil nämlich die Ausdehnung der Luft durch die Wärme eine blosse
Folge der Wärme ist, so muss man aus der Ausdehnung derselben auf die vorhandene
Wärme genau schliessen können. Man kann daher die Ausdehnung der Luft als ein-
ziges genaues Mass der Wärme betrachten. Hiermit muss nun die Ausdehnung des
Quecksilbers, dessen man sich gewöhnlich zu Thermometern bedient, verglichen
werden. Dulong und Petit haben bei verschiedenen Wärmegraden sowohl das Quecksil-
ber- als Luftthermometer beobachtet und folgende Resultate gefunden:
Hieraus ersehen wir, dass die Ausdehnung des Quecksil-
bers der Ausdehnung der Luft bei höheren Temperaturgraden
voreilet, zwischen dem Gefrier- und Siedepunkte aber beide
einander proporzional sind; wir können daher auch an-
nehmen, dass die Ausdehnung des Quecksilbers innerhalb
der beiden festen Punkte des Thermometers der Wärme pro-
porzional sey, und dass sonach das Quecksilber sehr zweck-
mässig zu einem Thermometer gebraucht werden könne.
Die wirkliche Grösse der Ausdehnung des Quecksilbers wurde jedoch von den Phy-
sikern verschiedentlich angegeben. Setzt man nämlich das Volumen des Quecksilbers beim
Gefrierpunkte des Wassers = 1, so ist diess Volumen bei dem Siedpunkte des Wassers
nach Fahrenheit = 1,01610, nach Musschenbroek = 1,014, nach de l’Isle und Lalande
= 1,0150, nach de Luc = 1,0185, nach Schuckburg = 1,0182, nach Roy = 1,0170, nach Ro-
senthal = 1,0171, nach Luz = 1,0174, nach Herbert = 1,0156, nach Cavendish = 1,01872,
nach Dalton = 1,0200, nach Hällström = 1,01758, nach La Place und Lavoisier = 1,0184775,
nach den Versuchen der Londoner Sozietät = 1,0184365, nach Dulong und Petit
= 1,01801802. Aus diesen Versuchen folgt die Ausdehnung des Quecksilbers für 1° Cent.
zwischen den beiden festen Punkten des Thermometers nach La Place und Lavoisier
= , nach den Versuchen der Londoner Sozietät = , nach Dulong und Petit
= ; nach den letztern beträgt aber die Ausdehnung des Quecksilbers bei 200° Cent.
des Luft-Thermometers = und bei 300° Cent. = für 1° Cent.
[96]Ausdehnung anderer tropfbarer Flüssigkeiten.
§. 74.
Auf gleiche Art wurde die Ausdehnung mehrerer tropfbarer Körper
bestimmt. Wird das Volumen derselben bei 0° Cent. = 1,00000 gesetzt, so fand man:
§. 75.
Wenn man für irgend einen Körper die ihm eigenthümliche Längenausdehnung λ
für einen Grad des Thermometers kennt, so lässt sich leicht berechnen, wie viel
seine Ausdehnung von t bis t' Grad betragen werde. Ist nämlich L die ursprüngliche
Länge dieses Körpers bei 0°, so beträgt die Ausdehnung desselben für t° offenbar λ . t . L,
demnach ist die ausgedehnte Länge l = L + λ . t . L = L (1 + λ . t).
Auf gleiche Art findet man für die Temperatur t' die Länge l' = L (1 + λ . t').
Wird diese Gleichung durch die vorhergehende dividirt, so ist
; da aber λ immer ein sehr kleiner Bruch
ist, demnach die höhern Potenzen von λ vernachlässigt werden können, so ist
.
Von dieser Ausdehnung nach der Länge eines Körpers hat man jene seines ganzen
Raumes oder Volumens zu unterscheiden. Diese tritt bei jedem Hohlmaasse ein,
welches für eine bestimmte oder Normal-Temperatur z. B. von 14° Reaumur festgesetzt
wird, und bei jeder andern Temperatur einen grössern oder kleinern Raum einnimmt,
demnach bei jedem genauen Gebrauche desselben immer erst auf die Normaltemperatur
reduzirt werden muss. Es sey k der kubische Inhalt eines Körpers bei der Normaltempe-
[97]Aenderung der Hohlmasse durch die Wärme.
ratur von t°, und k' der Kubikinhalt bei t' Grad, ferner seyen l und l' die Längen ähnlich
liegender Linien bei diesen Körpern für t und t' Grad. Da bei ähnlichen Körpern die ku-
bischen Inhalte zu einander im Verhältnisse der dritten Potenzen ähnlich liegender Seiten
stehen, so ist k : k' = l3 : (l')3 und wenn man statt l' den vorhin gefundenen Werth sub-
stituirt . Nun ist aber sehr nahe = 1 + 3 λ (t' — t),
daher auch .
Hieraus sehen wir, dass 3 λ . k (t' — t) die Ausdehnung des Körpers im kubischen Rau-
me ist, welche durch eine Aenderung der Temperatur von t auf t' erfolgt. Nach die-
ser Formel lässt sich nun auch die Korrekzion eines jeden Hohlmasses berechnen.
Beispiel. Nach „Jäckel neueste Europäische Münz-, Mass- und Gewichtskunde,
Wien 1828 bei Gerold“ Seite 452 u. f. des II. Bandes soll zufolge des Maria There-
sianischen Patentes vom 14. Juli 1756 das in Oesterreich gesetzlich eingeführte Ge-
traidemass, der Metzen bei der mittlern Temperatur (von 14° Reaumur)
dem Inhalte eines zylindrischen Gefässes gleich kommen, welches den Durchmes-
ser von 15″ 5‴ 2⁗ = 15,430556 N. Oe. Zoll und eine Höhe von 18 N. Oe. Zoll hat.
Bezeichnet r den Halbmesser und h die Höhe eines zylindrischen Gefässes, so ist des-
sen Inhalt = π . r2 . h, wo π = 3,14159265 …, demnach ist der kubische Inhalt des öster-
reichischen Metzen = 3366,0885 N. Oe. Kubikzoll. Wäre diess Gefäss aus Schmiedeeisen
verfertigt, so haben wir nach Lavoisier die Ausdehnung (§. 69),
ferner k = 3366,0885 und t = 14° R. Soll nun diess Mass z. B. auf die Temperatur des
Gefrierpunktes 0° R. reduzirt werden, so ist dessen Inhalt
k' = 3366,0885 — 3366,0885 . 3 . 14 . 0,00001526 = 3366,0885 — 2,1574 = 3363,9311 N. Oe. Kubikzoll.
Das gesetzliche Grundmass der Flüssigkeitsmasse in Oesterreich
ist die Wiener oder Niederösterreicher Mass. Nach ihrer Lehre soll der Durchmes-
ser 2″ 10‴ 5⁗ = 2,86805556 Zoll und die Höhe 12 Zoll, demnach der kubische Inhalt 77,5258
Kubikzoll bei 14° R. betragen. Wäre dieses Mass von Messing, so hat man nach Lavoisier für
0° R., k' = 77,5258 (1 — 3.14.0,00002333) = 77,5258 — 0,0760 = 77,4498 Kubikzoll. Ein Gefäss, das
bei der Temperatur von 0° gemessen, 7744,98 Kubikzoll enthielte, würde bei 14° R. schon
7752,58 Kubikzoll = 100 Mass, mithin im ersten Falle um 7,6 Kubikzoll weniger enthalten.
Der Wiener oder N. Oe. Eimer Bier enthält 40 Mass, folglich 40 . 77,5258 = 3101,082
Kubikzoll bei der Temperatur von 14° R; dieses Mass ist für das Ausschenken festge-
setzt. Weil aber das Bier nicht ohne Hefen bereitet werden kann, so sind hiefür noch
2½ Mass bemessen; demnach muss ein Biereimer in den Bräuhäusern 42½ Mass ent-
halten. Die Aenderungen dieses Masses bei verschiedenen Wärmegraden, so wie dessen
Redukzion auf die Temperatur von 0° R. werden auf gleiche Art wie in den frühern Bei-
spielen gefunden, wenn nur die Längenausdehnung der Materie, woraus das Gefäss
verfertigt wurde, bekannt ist.
Man sieht aus diesen Vergleichungen, welchen Einfluss die Wärme auf den Raum-
inhalt der Gefässe nimmt und wie nothwendig es sey, bei genauen Untersuchungen und
Messungen dieser Art auch auf die Wärme die nöthige Rücksicht zu nehmen.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 13
[98]Allgemeine Bestimmung des Gewichtes der Luft.
§. 76.
Wir kommen nun zu der Aufgabe, das Gewicht eines Kubikfusses Luft
mit Rücksicht auf die Temperatur und den Druck der Luft zu be-
stimmen.
Das Gewicht der Luft ist offenbar sowohl von dem Barometer- als Thermometer-
stande abhängig. Steht nämlich das Barometer höher, oder ist der Druck der Luft
grösser, so ist die Luft schwerer, weil sie mehr zusammengedrückt ist, und folglich
eine grössere Dichtigkeit besitzt; nimmt dagegen die Wärme zu, so wird die Luft aus-
gedehnt, sie nimmt einen grösseren Raum ein und wird daher spezifisch leichter. Es
sey daher das Gewicht eines Kubikfusses Luft bei 28 (pariser) Zoll Barometerhöhe und
dem Gefrierpunkte aus Versuchen = 1 gefunden worden.
Um zuerst den Einfluss der Barometerhöhe in Rechnung zu bringen, nehmen wir die-
Fig.
12.
Tab.
43.selbe mit H Zoll an; ist H grösser als 28 Zoll, so wird die Luft, die bei der Barometer-
höhe von 28 Zoll den Raum A B C D eines Kubikfusses einnahm, und I Pfunde wog, durch
die grössere Barometerhöhe H auf den Raum E B C F zusammengedrückt. Nach dem
Mariotte’schen Gesetze verhalten sich die Räume der Luft verkehrt wie die drücken-
den Höhen; demnach wird bei einer doppelten Druckhöhe oder für H = 2 . 28 Zoll
der Raum E B C F = seyn, für welchen Fall das Gewicht der Luft in einem
Kubikfusse doppelt so gross seyn muss. Auf gleiche Art folgt, dass für den Fall
als H = 3 . 28 Zoll, auch das Gewicht der Luft in einem Kubikfusse = 3 l seyn müsse
u. s. w.; demnach verhalten sich die Gewichte der Luft gerade wie die Barometerhöhen,
oder 28″ : 1 = H'' : .
Dieses Gewicht eines Kubikfusses Luft gilt nur für den Gefrierpunkt und für die
Barometerhöhe H. Wir verlangen jedoch das Gewicht eines Kubikfusses Luft (x) für die
Temperatur von t Graden. Nach den Seite 78 angeführten Erfahrungen wird die Luft
durch 80 Grad Wärme nach Reaumur um drei Achtel ihrer Länge ausgedehnt; setzen wir
Fig.
13.also die Ausdehnungen überhaupt den Wärmegraden proportional, so finden wir die Aus-
dehnung D H für einen Kubikfuss A B C D Luft, wenn C D = 1 gesetzt wird, aus der Pro-
portion 80° : = t° : D H und D H = . Demnach ist C H = 1 + . Die Luft, wel-
che in diesen Raum ausgedehnt wurde, wiegt noch ; wir suchen aber bloss das
Gewicht von 1 Kubikfuss oder der in C D enthaltenen Luft. Diess ergibt sich offenbar
aus der Proportion 1 + = 1 : x, woraus x = .
Diese Formel gibt uns das Gewicht eines Kubikfusses Luft für jeden Barometer-
stand H und jede Temperatur t an, wenn nur das Gewicht der Luft für die Temperatur
von t = 0° und H = 28 Zoll durch einen Versuch vorher bestimmt wurde. Wie sodann
das Gewicht der Luft zu- und abnimmt, zeigt uns genau die Formel. Setzen wir
t = 0 und H = 28, so ist x = 1; wäre t = 0 und H = 2 . 28 Zoll, so ist x = 2 l; wäre
[99]Verhältniss des Gewichtes der Luft zum Quecksilber.
H = 28 Zoll und t = 20 Grad, so ist x = ; wäre H = 28 Zoll und
t = — 20°, so ist x = u. s. w.
§. 77.
Das Gewicht 1 eines Kubikfusses Luft bei dem Gefrierpunkte und der Barometer-
höhe von 28 Zoll wird durch einen Versuch sehr schwer zu bestimmen seyn, weil
diese Barometerhöhe mit der Temperatur von 0 Grad nur äusserst selten eintreten wird.
Dagegen wird es leichter seyn, das Gewicht eines Kubikfusses Luft (x) für eine andere
Barometerhöhe H und die Temperatur t zu bestimmen, und nunmehr 1 aus der Formel
durch Rechnung zu finden. Zu diesem Behufe wählt man einen hohen Thurm oder
einen Berg, dessen Höhe durch trigonometrische Messungen oder durch Nivellirung
genau bestimmt ist, und beobachtet das Barometer und Thermometer sowohl unten am
Fusse des Berges als oben in der Höhe. Eine Beobachtung dieser Art wurde am
23. September 1822 gleichzeitig im Observationszimmer unter der Sternwarte von Herrn
Astronom Aloys David zu Prag und auf dem weissen Berge vor dem Stifte St. Margareth
im Niveau der Schlossthurmspitze von dem Herrn Professor der Physik Cassian Hal-
laschka vorgenommen. Die Resultate derselben waren:
Aus den Messungen des Herrn Astronom David mit dem Reichenbach’schen Kreise
ergab sich ein Höhenunterschied zwischen der Schlossthurmspitze und dem Beobach-
tungsorte im Klementinum von 77,1776 Pariser Toisen, oder 79,3109 N. Oe. Klafter.
Um aus den vorstehenden Beobachtungen das Verhältniss des Gewichtes eines Ku-
bikfusses Luft zum Gewichte eines Kubikfusses Quecksilber zu berechnen, sey der Höhen-
13*
[100]Verhältniss des Gewichtes der Luft zum Quecksilber.
unterschied zwischen dem Beobachtungspunkte am weissen Berge oder der Schlossthurm-
spitze und dem Beobachtungsorte im Klementinum = a, die Barometerhöhe am weissen
Berge = h, und jene im Klementinum = H; ferner seyen die Querschnittsflächen der Ba-
rometerröhren an dem Orte, wo die Luft das Quecksilber berührt = f und f', und die Höhe
der Luftsäule von der Schlossthurmspitze bis zum Ende der Atmosphäre = A, das Ge-
wicht eines Kubikfusses Quecksilber in der Barometerröhre bei dem Gefrierpunkt = q,
endlich das mittlere Gewicht eines Kubikfusses Luft in der Luftsäule vom Klementinum
bis zur Schlossthurmspitze zur Zeit der Beobachtung = x.
Nach den Grundsätzen der Statik flüssiger Körper ist der Druck der Luft auf die Queck-
silbersäule einer Barometerröhre dem Gewichte einer Luftsäule gleich, welche zur Grund-
fläche die Querschnittsfläche der Barometerröhre am Orte ihrer gemeinschaftlichen Berüh-
rung, und zur Höhe die Höhe der Atmosphäre über der Oberfläche des Quecksilbers hat.
Diesem Grundsatze zu Folge erhalten wir am weissen Berge f . h . q = f . A . λ, und beider-
seits mit f dividirt h . q = A . λ, wo λ das mittlere Gewicht eines Kubikfusses Luft in der
Säule vom weissen Berge bis zum Ende der Atmosphäre ist. Auf gleiche Art erhalten wir
für das Barometer im Klementinum f' . H . q = f' . A . λ + f' . a . x, und beiderseits mit f' dividirt
H . q = A . λ + a . x. Wird die obere Gleichung von der untern abgezogen, so bleibt
q (H — h) = a . x, oder , oder auch H — h : a = x : q (I) d. i. der Unterschied
der beobachteten Barometerhöhen verhält sich zur wirklichen Höhe der zwei Beobach-
tungsorte wie das Gewicht eines Kubikfusses Luft sich zum Gewichte eines Kubikfusses
Quecksilber verhält.
Wird in dieser Proporzion der im vorigen Paragraphe für das Gewicht eines Kubik-
fusses Luft gefundene Werth in der Art substituirt, dass für die Barometerhöhe die mitt-
lere Höhe , und für den Thermometerstand die mittlere Temperatur der
zwei Beobachtungsorte gesetzt, demnach x = angenommen, so
erhalten wir H — h : a = : q und hieraus
(II).
Die Barometerhöhen, welche in dieser Proporzion vorkommen, zeigen den jedes-
maligen Druck der Atmosphäre an, welcher mit dem Gewichte der Quecksilbersäulen
im Gleichgewichte steht. Die Länge jeder Quecksilbersäule hängt aber auch von der
Temperatur ab, indem das Quecksilber durch die Wärme ausgedehnt wird. Da
die Temperaturen, welche am Barometer im Zimmer der Sternwarte, und am weissen
Berge beobachtet wurden, verschieden sind, so müssen wir beide auf eine gemeinschaft-
liche Temperatur zurückführen, wofür wir die Temperatur des schmelzenden Schnees
oder 0° des Thermometers annehmen. Nach dem Versuche der Herren Dulong und
Petit beträgt die Ausdehnung des Quecksilbers für jeden Grad des Reaum. Thermo-
meters den Theil der Länge der Quecksilbersäule, die indessen = 1 gesetzt wird,
[101]Verhältniss des Gewichtes der Luft zum Quecksilber.
mithin für t Grade = = 0,0002252 t. Eben so beträgt die Ausdehnung des Glases für
t Grade nach Roy = 0,0000097 t, mithin beträgt die sichtbare Ausdehnung des Quecksilbers
allein = 0,0002155 t, wo t die am Barometer beobachteten Reaum. Wärmegrade vorstellt.
Zur Bestimmung der wahren Barometerhöhe hat man daher die Proporzion: Die
ausgedehnte Länge verhält sich zur Länge beim Gefrierpunkte wie die beobachtete Ba-
rometerhöhe zur Barometerhöhe z bei dem Gefrierpunkte, oder 1 + 0,0002155 t : 1 = H : z.
Hieraus ergibt sich die verbesserte Barometerhöhe z = (III). Substituirt
man in diese Gleichung die beobachteten Barometerhöhen und die zugehörigen Wärme-
grade, so ergibt sich folgende Tabelle:
Werden nun diese verbesserten Barometerhöhen statt H und h in die Gleichung II
substituirt, so ergibt sich das Gewichtsverhältniss von einem Kubikfuss Luft zu einem
Kubikfuss Quecksilber, wegen = 99,2283, für die erste Beobachtung
Auf gleiche Art findet man für die zweite Beobachtung 0,0000937; für die dritte = 0,0000941;
[102]Spezifische Schwere der Luft.
für die vierte = 0,0000943; für die fünfte = 0,0000943; für die sechste = 0,0000936; für die
siebente = 0,0000948; für die achte = 0,0000947, endlich für die neunte = 0,0000915. Hieraus
ergibt sich der mittlere Werth = 0,0000938.
§. 78.
Obwohl dieses Verhältniss der spezifischen Schwere der Luft zur spezifischen
Schwere des Quecksilbers mit der möglichsten Genauigkeit berechnet worden ist, so
müssen wir doch bemerken, dass dasselbe mit den genauesten Erfahrungen anderer
Physiker nicht übereinstimmt, wovon die Ursache theils in der verschiedenen spezifi-
schen Schwere des im Barometer befindlichen Quecksilbers, theils auch in der Luft
liegen kann. Die spezifische Schwere des Quecksilbers, welches sich in den Barometern
des Herrn Professor Hallaschka befunden hat, wurde von demselben eigens untersucht,
und 13,652 gefunden. In unserm Handbuche Seite 43 wurde die spezifische Schwere
des Quecksilbers nach den Erfahrungen der englischen Physiker = 13,593 angegeben;
Boerhave hat die spezifische Schwere des einmal destillirten Quecksilbers = 13,570 ge-
funden, und nachdem dasselbe zur Erzielung einer grössern Reinigung mit Gold ver-
setzt und 100 Mal destillirt worden war, ergab sich dessen spezifische Schwere = 13,85,
nach einer 511 maligen Destillirung aber = 14,110.
Weil jedoch bei der gewöhnlichen Verfertigung der Barometer keine so kostbaren
Mittel zur Reinigung des Quecksilbers angewendet werden, so können wir annehmen,
dass die Verschiedenheit der spezifischen Schwere des in den Barometern befindlichen
Quecksilbers von dem Verhältnisse 13,57 : 13,65 = 1 : 1 + begränzt werde, welcher Un-
terschied bei weitem nicht hinreicht, um hieraus die verschiedenen Verhältnisse der aus
Barometerbeobachtungen und Höhenmessungen abgeleiteten spezifischen Schwere der
Luft zum Quecksilber zu erklären.
§. 79.
Da die Bestimmung der spezifischen Schwere der Luft ein höchst
wichtiger Gegenstand der neuern Physik ist, und die daraus abzuleitende genauere
Vorschrift für die Höhenmessungen der Berge noch in mancherley Hinsicht ein
eigenes Interesse hat, so wollen wir versuchen, die Resultate der bisher bekannt-
gewordenen Höhenmessungen mit den an beiden Standpunkten beobachteten Baro-
meterhöhen zusammenzustellen, um hieraus eine genauere Bestimmung der spezifischen
Schwere der Luft abzuleiten. Hiezu ist aber nothwendig, vorerst die genauere Me-
thode *) anzuführen, nach welcher sowohl die Höhenmessungen, als auch die spezifische
[103]Spezifische Schwere der Luft.
Schwere der Luft für alle wie immer grosse Höhen aus genauen Barometer- und Ther-
mometerbeobachtungen abgeleitet werden können. Wir wollen nun die in der Note an-
*)
[104]Spezifische Schwere der Luft.
gegebene Gleichung für annnehmen, und an die Stellen der Grössen H, h, T, T'
und a diejenigen Werthe setzen, welche denselben durch zuverlässige Beobachtungen der
Naturforscher zukommen.
In Gehler’s physikalischem Wörterbuche 5. Band, Leipzig 1829 Seite 292 finden wir
folgende von Ramond auf dem Pic de Bigore und gleichzeitig von Dangos in Tarbes
angestellte Beobachtung : Es war h = 19,845 par. Zoll, und die Temperatur am Barometer
= 7,6° Reaum., in der freyen Luft T' = 3,2Reaum. Grade, H = 27,17 par. Zolle, und
die Temperatur am Barometer = 14,9Reaum. Grade, jene der Luft aber T = 15,3 Grade,
endlich die gemessene Höhe a = 8044 par. Fuss. Daraus ergeben sich die verbes-
serten Barometerhöhen h = 19,813 Zoll, dann H = 27,083 Zolle, und das Verhältniss der
spezifischen Schwere der Luft und des Quecksilbers = 0,0000946.
Im 1ten Bande der Nouvelle architecture hydraulique par Mr. de Prony ist §. 640
folgende Beobachtung angegeben. Herr Saussure fand auf dem Col du géant aus 85
Beobachtungen die mittlere Barometerhöhe h = 227,355 par. Linien und die Wärme
T' = 3,63Reaumur Grade; zu gleicher Zeit fand Herr Lévesque in der Prieurie de
Chamouni die Barometerhöhe H = 300,63 par. Linien, und die Thermometerhöhe
T = 17,283Reaumur Grade. Die geometrische Messung gab die Höhe zwischen beiden
Standorten 1223 Toisen, folglich a = 88056 par. Zoll. Wenn die Barometerhöhen auf
den Gefrierpunkt reduzirt werden, so geben diese Beobachtungen nach der obigen
Gleichung = 0,0000922.
Aus einer grossen Anzahl ähnlicher Barometerbeobachtungen und der Vergleichung
mit ihren gemessenen Höhen hat de Luc gefunden, dass aus der Gleichung
*)
[105]Spezifische Schwere der Luft.
10000 · log = u die Höhe u in Toisen gefunden werde. Daraus folgt,
dass in dem Falle, wenn die mittlere Wärme der Luftsäule zwischen beiden Stand-
punkten t = 16¾ Reaum. Grade beträgt, die gemessene Höhe in Toisen u = 10000 log
seyn müsse. Wird nun mit dieser Gleichung unsere in der Note angeführte allgemeine
Gleichung zur Bestimmung der Höhe a verglichen und bemerkt, dass dieselbe mit 72
dividirt werden müsse, um die Höhe in Toisen zu erhalten, so haben wir
· 2,3025851 . log = 10000 . log . Hieraus folgt
= 0,0000966.
Auf gleiche Art hat Trembley aus einer noch grössern Anzahl verglichener Beob-
achtungen für die Berechnung der Höhen die Gleichung u in Toisen
= 10000 . log gefunden. Aus dieser Gleichung folgt abermals, dass für
den Fall, wenn t = 11,5 ist, die gemessene Höhe in Toisen = 10000 . log seyn müsse.
Wenn wir diese wieder = . 2,3025851 . log setzen, so ergibt sich
= 0,0000944.
Da diese angeführten Beobachtungen mit aller Genauigkeit angestellt und durch
eine grosse Anzahl anderer Beobachtungen bestätiget worden sind, so ergibt sich von
selbst, dass die gefundenen Differenzen in der Bestimmung des Verhältnisses nicht
den unvermeidlichen Beobachtungsfehlern zugeschrieben werden können, sondern in
irgend einem andern bisher noch nicht berücksichtigten Umstand ihren Grund haben
müssen.
Um diesen aufzuklären, wollen wir zuerst die Beobachtungen der Akademiker de la
Condamine, Bouguer und Godin anführen, welche in der an der Kirche zu Quito hin-
terlassenen Innschrift bemerkten, dass die mittlere Höhe des Barometers am Ufer des Süd-
meeres H = 28 Zoll 0 Linien par. Mass, und die mittlere Wärme T = 23 Grad Reaum.,
dann in der Stadt Quito die Barometerhöhe h = 20 Zoll ¼ Linie, die Wärme = 13 Reaum.
Grade, die gemessene Höhe über dem Südmeere u = 1462 Toisen, dann auf dem Berge Pi-
chincha die Barometerhöhe h' = 16 Zoll 0 Linien, die mittlere Wärme = 3 Grad, und
die gemessene Höhe über dem Meere = 2432 Toisen gefunden wurde.
Da diese Beobachtungen in der freyen Luft gemacht wurden, so müssen wir sie vor-
läufig auf diejenigen Barometerhöhen zurückführen, welche das Barometer bei dem Ge-
frierpunkt gezeigt haben würde. Nach der für die Redukzion der Barometerhöhen §. 77
angegebenen Formel ergibt sich die reduzirte Barometerhöhe am Ufer des Südmeeres
= 27,8619 Zoll, in Quito = 19,9649 Zoll, und auf dem Pichincha = 15,9897 Zoll. Mit die-
sen Werthen findet man das Verhältniss für den Zwischenraum vom Ufer des Meeres
bis Quito = 0,0000961, für den Zwischenraum vom Meere bis Pichincha = 0,0000942, und
dann für den Zwischenraum von Quito bis Pichincha = 0,0000924.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 14
[106]Spezifische Schwere der Luft.
Hieraus ist deutlich zu ersehen, dass die für den Gefrierpunkt und die
Barometerhöhe von 28 Zoll berechneten Verhältnisse der spezifi-
schen Schwere der Luft zur spezifischen Schwere des Quecksilbers
für niedrige Gegenden grösser, dagegen auf hohen Bergen kleiner
sind, folglich die Luft in tiefen Thälern von schwererer, auf Bergen
aber von leichterer Art seyn müsse, als es aus dem blossen Verhält-
nisse der abnehmenden Barometerhöhen und Wärmegrade folgt.
§. 80.
Um hieraus die spezifische Schwere für jede Höhe zu bestimmen, wählen wir
hierzu den allgemeinen algebraischen Ausdruck , welcher die Eigenschaft hat,
dass für den untersten Standpunkt, wo die Höhe x = 0 ist, die spezifische Schwere
= A wird, für alle übrigen Höhen über diesen Standpunkt aber die spezifischen Schwe-
ren immer kleiner werden, und für eine unendlich grosse Höhe, wo nämlich gar keine
Luft mehr vorhanden ist, das spezifische Gewicht derselben = 0 werde; womit unsere
Begriffe von der Atmosphäre vollkommen übereinstimmen. Es wird sich also nur um
die Bestimmung der Grössen A und m handeln.
Ohne sich hierüber in weitläufige Rechnungen einzulassen, wollen wir diese Werthe
so angeben, wie sie den angeführten Beobachtungen am meisten entsprechend gefunden
werden, nämlich A = 0,0000983, und m = ; demnach gibt die Gleichung
für die genannten Orte folgende Werthe:
Daraus folgt für die mittlere spezifische Schwere zwischen dem Meere und der
Stadt Quito = 0,0000960, vom Meere bis Pichincha = 0,0000946, und von Quito bis
Pichincha = 0,0000923. Die Differenzen dieser Zahlen sind von den obigen durch
die barometrischen Beobachtungen gefundenen 0,0000961, 0,0000942, und 0,0000924 bloss in
der letzten Dezimalstelle + 1, — 4, + 1 verschieden, welche aber an und für sich so
unbedeutend sind, dass wir das Verhältniss der spezifischen Schwere der Luft zum
Quecksilber für das Gebirge der Cordilleren allgemein annehmen
können.
§. 81.
Den genauesten Aufschluss über diesen Gegenstand geben uns aber die Beobach-
tungen, welche Herr de Luc in den Jahren 1756 bis 1760 mit der grössten Genauigkeit
am Berge Saleve bei Genf, am Leuchtthurme zu Genua, am Glockenthurm der Johan-
[107]Spezifische Schwere der Luft.
neskirche zu Turin, am Thurme der Peterskirche in Genf und zu Supergue, einer
Kirche auf dem Gipfel des Berges bei Turin angestellt und in seinem Werke: „Un-
tersuchungen über die Atmosphäre und die zur Abmessung ihrer Veränderungen dien-
lichen Werkzeuge, 2ter Theil“ umständlich beschrieben hat.
Zur bessern Uibersicht dieser Beobachtungen bemerkt de Luc, dass die Nordseite
des Berges Saleve der Stadt Genf gegen Osten liegt, daselbst eine Stunde weit von
ihr entfernt ist, und sich von Nordost nach Südwest erstreckt. Die fünfzehn Stand-
punkte, welche er für seine Beobachtungen gewählt hat, liegen in gerader Linie inner-
halb eines Raumes von beiläufig 2 Stunden, die 11 ersten nämlich liegen an dem gähen
Abhange des Berges und die horizontale Länge des Raumes den ihre Entfernungen ein-
nehmen, beträgt kaum ¼ Stunde; von dem 11ten bis zum 15ten der sich auf dem höchsten
Gipfel des Berges befindet, erhebt sich der Berg unmerklich, wesshalb man genöthiget
war, die Entfernungen grösser anzunehmen. Uiber die Lage eines jeden Punktes hat
de Luc noch umständlichere Beschreibungen angegeben, und hierüber bemerkt, dass
diese Lage einen Einfluss auf die Beobachtung haben könne, und bei den ersten drey
Standorten auch gewiss hat. Das Barometer am untersten Standpunkte, wo sein Vater
die Barometer- und Thermometerhöhen von ¼ zu ¼ Stunde angemerkt hat, war in dem
untersten Stockwerke eines Wohngebäudes, von welchem der erste Standpunkt um ¾
Stunden entfernt war. Die Höhe dieses Standortes über dem mittelländischen Meere wird
von de Luc mit 1270 Pariser Fuss angegeben. Das Barometer war daselbst an der Mauer
festgemacht, und ist durch die ganze Zeit der Beobachtungen unverändert an derselben
Stelle geblieben. Das Thermometer, an welchem die Temperatur oder der Wärmegrad
der Luft beobachtet wurde, war ausser dem Hause auf einer kleinen Anhöhe in freyer
Luft aufgehängt. Die Thermometerkugeln hatten nur ¼ Zoll im Durchmesser, und waren
den Durchmessern der Barometerröhre beinahe gleich gemacht, damit beide sowohl Ba-
rometer als Thermometer mit gleicher Geschwindigkeit die Temperatur der Luft anneh-
men. Die Barometer waren mit Vorsicht ausgekocht und vollkommen übereinstimmend.
Da es zu weitläuftig wäre, alle übrigen Vorsichten, welche bei diesen Beobachtungen
angewendet wurden, umständlich zu beschreiben, so wollen wir nur noch über die fol-
gende Tabelle, welche einen gedrängten Auszug dieser Beobachtungen enthält, folgendes
bemerken.
In der ersten Kolumne sind die Standpunkte nach den römischen Zahlen I, II,
III, .... angeführt. Die zweite Kolumne enthält die Höhen der Standpunkte in par.
Fussmass, welche sowohl trigonometrisch gemessen, als auch noch mit einem eigenen
Instrumente nivellirt worden sind. In der dritten Kolumne bezeichnet der Buchstabe α,
dass die in derselben horizontalen Reihe angeführten Beobachtungen vor Sonnenauf-
gang gemacht sind, welche de Luc wegen der grossen Gleichförmigkeit der atmosphä-
rischen Temperatur von den übrigen eigens unterschieden hat. Der Buchstabe β zeigt an,
dass die Beobachtungen bei einer niedrigern Temperatur als 16¾ Grade Reaum. und
der Buchstabe γ, dass die betreffenden Beobachtungen bei einer höhern Temperatur der
freyen Luft als 16¾ Grad gemacht worden sind. In der vierten Kolumne ist die Zahl
der Beobachtungen angeführt, welche auf jedem Standpunkte zusammengenommen, und
daraus die mittlere Barometerhöhe berechnet wurde. In der fünften und sechsten
14*
[108]Spezifische Schwere der Luft.
Kolumne befinden sich die auf den Gefrierpunkt reduzirten Barometerhöhen und zwar
in Pariser Linien. In der siebenten Kolumne sind die Unterschiede der beiden vor-
angehenden Barometerhöhen angegeben. Die achte Kolumne enthält die mittlere Tem-
peratur der freien Luft zwischen beiden Standpunkten. In der neunten Kolumne ist
das aus den vorstehenden Barometer- und Thermometerbeobachtungen berechnete Ver-
hältniss der spezifischen Schwere der Luft zum Quecksilber angeführt. Weil de Luc die
Höhen in par. Fussmass angegeben hat, so gründet sich diese Rechnung auf die Gleichung
2,302585 . log . Die zehnte Kolumne enthält die mittlere Höhe
der beiden Standpunkte über dem Mittelländischen Meere nach Toisen, und in der eilf-
ten Kolumne ist zur Vergleichung noch das Verhältniss der spezifischen Schwere der
Luft nach der Seite 112 aufgestellten Gleichung angegeben, worüber
die umständlichere Anweisung folgen wird.
[109]Spezifische Schwere der Luft.
Gleichzeitige Beobachtungen der Barometerhöhen von Hrn. de Luc,
Vater und Sohn.
§. 82.
Uiber die Irregularitäten, welche sich in diesen obgleich mit der grössten Genauig-
keit ausgeführten Höhenmessungen und Barometerbeobachtungen noch vorfinden, führt
Herr de Luc mehrere Umstände an, welche zwar zur Erklärung derselben dienen,
jedoch keinem Gesetze unterliegen, demnach nur durch die Zusammennehmung meh-
rerer Beobachtungen in einer und derselben Stelle ausgeglichen werden können. Un-
geachtet dieser kleinen Anomalien geht doch aus der Ansicht dieser Beobachtungen
deutlich hervor, dass die spezifische Schwere der atmosphärischen Luft
in höheren Gegenden über dem Meere merklich kleiner ist, als es
nach Verhältniss der abnehmenden Barometerhöhen und Wärmegra-
den seyn sollte. Da hiermit auch die Beobachtungen, welche Bouguer und de la
Condamine auf den Cordilleren in Amerika unter einem andern Himmelsstriche an-
gestellt haben, vollkommen übereinstimmen, so wollen wir nun noch aus diesen neuern
Beobachtungen das Gesetz aufsuchen, nach welchem die spezifische Schwere
der Luft nach Maassgabe der Höhe in Europa zu bestimmen seyn dürfte.
Zu dieser Absicht haben wir den Verhältnissen der spezifischen Schwere der Luft, so
wie sich selbe aus den Barometer- und Thermometerbeobachtungen für jede gemessene
Höhe ergeben haben, noch in der 10ten Kolumne die mittlere Höhe der beiden Standorte
über dem Meere in Toisen, welche nämlich der halben Summe dieser beiden Höhen gleich
ist, zu der Absicht beigesetzt, um sie in der Gleichung an die Stelle
von x setzen zu können. Da wir nämlich vorläufig annehmen müssen, dass die spe-
zifische Schwere der Luft vom Meere aufwärts so wie die Wärme gleichförmig abnimmt,
so ergibt sich von selbst, dass auf der Mitte der beiden Standorte diejenige spezifische
Schwere angetroffen werde, welche dem Gewichte der Luftsäule von unten bis zum
obern Standorte entspricht, und den grössseren Druck der Luft auf das untere Baro-
meter bewirkt. Zur Vermeidung der Weitläufigkeit, welche die Berechnung einer jeden
einzelnen Beobachtung nach sich ziehen würde, haben wir zuerst für niedrigere Höhen die
Beobachtungen auf den 15 Standorten des Berges Saleve mit jenen am Leuchtthurme
zu Genua und auf dem Thurme der Peterskirche zu Genf und Supergue bei Turin
zusammengenommen, und für alle diese Beobachtungen die mittlere Höhe der beiden
Standpunkte über dem Meere x = 311 Toisen und das Verhältniss der spezifischen Schwere
= 0,0000970 gefunden; daraus ergibt sich = 0,0000970. Auf gleiche Art
haben wir zur Bestimmung einer Gleichung für grössere Höhen über dem Meere die
Beobachtungen auf den fünf letzten Standorten des Berges Saleve nämlich Nr. XI,
XII, XIII, XIV, und XV mit den Beobachtungen auf der Schneekoppe, auf dem Col
de géant und auf dem Pic de Bigore zusammengenommen und aus der Summe dieser
Zahlen die mittlere Höhe x = 589 Toisen und das mittlere Verhältniss = 0,0000958
gefunden; daraus ergibt sich die Gleichung = 0,0000958. Aus diesen bei-
den Gleichungen folgt m = und A = 0,983. Demnach ist die allgemeine Gleichung für
[112]Barometrische Höhenmessung.
das Verhältniss der spezifischen Schwere der Luft zum Quecksilber .
Diese Gleichung zeigt uns 1tens, dass die spezifische Schwere der Luft an der Ober-
fläche des mittelländischen Meeres eben so gross sey, als sie nach der Messung des
Bouguer an der Oberfläche des Südmeeres gefunden worden. 2tens. Da statt der Grösse
⅓ x in Amerika, bei uns in Europa und zwar in der Nähe der Schweitzer-Gebirge ½ x ge-
funden wurde, so sehen wir, dass die spezifische Schwere der Luft in der Höhe der Cor-
dilleren um etwas weniger abnehmen müsse, als in Europa.
§. 83.
Es wird nicht überflüssig seyn zu bemerken, dass diese Abnahme der spezifischen
Schwere der Luft auf Gebirgen nicht der Abnahme der allgemeinen Schwere, welche sich
nach dem verkehrten Verhältniss der Quadrate der Entfernungen vom Mittelpunkte der
Erde ändert, beigemessen werden könne; denn wenn wir den mittleren Halbmesser der
Erde nach den Messungen der französischen Gelehrten r = 3270000 Toisen setzen, so ist
; dagegen haben wir das Verhältniss der spezifischen
Schwere = 0,0000983, woraus ersichtlich ist, dass die Abnahme
der Schwere = viel kleiner ist als , welchem die Abnahme der spezifischen
Schwere der Luft proporzional ist.
§. 84.
Wir wollen nun die Anwendung dieser Abhandlung über die spezifi-
sche Schwere der Luft bei den Höhenmessungen durch das Barome-
ter zeigen. Oben wurde allgemein gefunden u in Toisen =
. 2,3025851 log , wo nämlich t die mittlere Temperatur der Athmos-
phäre zwischen beiden Standpunkten oder vorstellt. Setzen wir nun an die Stelle
des den gefundenen Werth , so ist die Höhe in Toisen
u = . 10000 log . Um diese Gleichung abzukürzen,
wollen wir bemerken, dass die Zahl = 0,910936 = (1 — 0,089064) ist. Wir haben
demnach die allgemeine Gleichung, u = 10000 log .
Wir können aber an die Stelle der Zahl 0,089064 den gleichbedeutenden Bruch 3/640 . 19 setzen,
und da wir auch für den Fall, wenn die 2ten Glieder der letzten 3 Faktoren sehr kleine
Grössen sind, an die Stelle ihres Produktes die Zahl 1 + setzen kön-
nen; so erhält man die zu messende Höhe in Toisen
a = 10000 log . An der Oberfläche des Meeres ist x = 0,
[113]Barometrische Höhenmessung.
also u = 10000 log . Daraus sehen wir, dass in der Nähe der Oberfläche
des Meeres die zu messende Höhe in pariser Toisen = 10000 log ist, wenn die mittlere
Wärme t = 19 Grad beträgt; ist aber die Wärme grösser oder kleiner als 19 Grad, so ist
zu der berechneten Höhe 10000 log noch 10000 log hinzuzusetzen. Weil
aber diese Gleichung nur an der Oberfläche des Meeres ihre Richtigkeit hat, so kön-
nen wir auf gleiche Art statt die Grösse setzen; dadurch erhalten wir
allgemein u = 10000 log wo nämlich z die Grösse 19 — vorstellt.
Es lässt sich nun für z sehr leicht eine Tafel berechnen, in welcher die Grösse dieser Zahl
nach Verhältniss der Höhe über dem Meere x angegeben ist.
Bevor wir jedoch diese Rechnung hierher setzen, wollen wir noch vorläufig den Fall
betrachten, wenn die zu messende Höhe nicht in pariser Toisen, sondern nach einem an-
deren Masse z. B. in N. Oe. Klaftern bestimmt werden soll. Die Länge der pariser Toise
verhält sich wie bekannt zur Wiener Klafter wie 144 : 140,127; es wird demnach allgemein
die Höhe in N. Oe. Klaftern = 10000 log .
Die vorausgehende zwischen den Klammern enthaltene Zahl ist nach einer ähnlichen Re-
dukzion = 1 — 0,063886 = 1 — . 13,63. Wird nun diess in die Gleichung gesetzt, so
erhalten wir die Höhe in N. Oe. Klaftern = 10000 log .
Diese Gleichung ist von der obigen für par. Toisen nur in der Grösse 13,63 statt dem
vorigen 19 verschieden. Wenn wir nun abermals 13,63 — = z setzen, so erhält die
Gleichung dieselbe Form wie oben.
Um diese Rechnung für jeden besondern Fall zu erspa-
ren, haben wir nach den beiden letzten angeführten Glei-
chungen die Zahl z sowohl für das pariser als auch für das
N. Oe. Mass nach den verschiedenen Höhen über dem Meere
berechnet, wie es die nebenstehende Tabelle zeigt.
Man sieht hieraus, dass mit der Anwendung dieser Ta-
belle die Höhen der Orte aus Barometerbeobachtungen eben
so leicht in par. Toisen oder N. Oe. Klaftern und verhältniss-
mässig in einem jeden andern Masse durch eine eben so
einfache Rechnung bestimmt werden können, als dieses nach
der bekannten Formel des de Luc, Trembley, u. a. der
Fall ist. Wir sehen aber auch, dass die von der Temperatur
t der Luft abzuziehenden Wärmegrade sowohl nach Verhält-
niss der Längenmasse als auch nach Verhältniss der mitt-
lern Höhe der beiden Standpunkte über dem Meere ver-
schieden angenommen werden müssen, demnach für ver-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 15
[114]Barometrische Höhenmessung.
schiedene Orte der Erde keine beständigen Zahlen seyn können. Auch
erhellet hieraus der Grund, warum nach den Beobachtungen des Bouguer für die Höhen-
messungen in Europa nicht dieselbe Gleichung wie in der Nähe des Aequators in Amerika
angewendet werden konnte. Auch sieht man hieraus, warum die Gleichungen, die man
durch Messungen grosser Höhen gefunden hat, nicht auf gleiche Art bei kleineren Höhen
mit der Erfahrung übereinstimmen konnten, und warum in dieser Hinsicht die Formel
des de Luc mit jener des Trembley nicht übereinstimmt, weil nämlich der erstere seine
Formel aus kleineren Höhen, der letztere aber aus grösseren Höhen abgeleitet hat.
§. 85.
Es wird nicht überflüssig seyn, einige Beispiele hierüber anzuführen, um so-
wohl die Art, wie die Höhen der Orte aus Barometerbeobachtungen zu
berechnen sind, als auch die Uibereinstimmung unserer Rechnungsformeln mit der
Erfahrung zu zeigen:
1stes Beispiel. Herr de Luc hat mit seinem Bruder am 22ten und 23ten Juni 1757
die Höhe des Leuchtthurmes zu Genua 223 Fuss gemessen, und dann aus 5 Beobachtungen,
die zu gleicher Zeit am Fusse dieses Leuchtthurmes und in dem oberen Glaskasten angestellt
wurden, die mit Rücksicht auf die Wärme verbesserten Barometerhöhen am Fusse dieses
Leuchtthurmes H = 337 = 337,734 und in dem oberen Glaskasten h = 334 = 334,953
pariser Linien und die mittlere Temperatur der Luft nach seinem Thermometer + 13°
oder nach der Reaum. Skale + 22,34° gefunden.
Diess gibt den log = log 337,734 — log 334,953 = 2,5285747 — 2,5249839 = 0,0035908. Die
Höhe des unteren Standpunktes war 20 Toisen über dem Meere, und die Höhe vom
unteren Standpunkte bis zum oberen beträgt nahe 10000 log = 35,908Toisen. Wird
hievon die Hälfte oder 18 Toisen zur Höhe des unteren Standpunktes über dem Meere
addirt, so ergibt sich die mittlere Höhe der beiden Standpunkte über dem Meere
x = 20 + 18 = 38 Toisen. Diese Höhe liegt in der Tabelle §. 84 zwischen 0 und 100
Toisen, denen für die Höhenmessung in Toisen die Zahlen 19 und 17,9 beigesetzt
sind; wir haben also 100 : 19 — 17,9 = 38 : 0,42; demnach ist die Zahl z = 19 — 0,42 = 18,58;
mithin 1 + (t — z) = 1 + (22,34 — 18,53) = 1 + . 3,76. Wird nun die obige
Zahl 10000 log oder 35,91 mit · 3,76 multiplizirt, so erhalten wir 0,63, welches zu
35,91 addirt die ganze Höhe 36,54Toisen oder 219,2 par. Fuss gibt; die gemessene
Höhe war 223 Fuss; daher beträgt der Fehler nur 3,8 Fuss oder der ganzen Höhe.
2tes Beispiel. Herr Ramond hat auf dem Pic de Bigore die verbesserte Ba-
rometerhöhe h = 237,732 par. Linien gefunden, zu gleicher Zeit fand Herr Dangos in
Tarbes H = 324,948; die mittlere Temperatur zwischen beiden Standpunkten war
t = 9,25Reaum. Grade.
Diese Beobachtung gibt 10000 log = 1357,26. Die Höhe von Tarbes über dem
Meere ist von den französischen Gelehrten mit 164 Toisen angegeben. Hierzu die Hälfte
[115]Barometrische Höhenmessung.
von 10000 log oder 679 gibt die mittlere Höhe der beiden Standpunkte über dem
Meere x = 843. Für diese Höhe ist z vermöge der Tabelle = 10,03, mithin
(t — z) = — 0,78 · . Wird nun diese Zahl mit 1357,26 multiplizirt, so gibt diess
4,96Toisen, welche von der obigen Höhe abgezogen die korrigirte Höhe mit
1357,26 — 5,02 = 1352,3Toisen gibt. Die gemessene Höhe war 1340,7Toisen, folglich
wäre der Fehler 11,6Toisen.
Eine genauer übereinstimmende Rechnung mit der Messung ergibt sich, wenn die
Faktoren 10000 log (1 — 0,089064) , jeder für sich besonders be-
rechnet und alle mit einander multiplizirt werden. Wir erhalten nämlich den ersten
Faktor 10000 log = 1357,26; den zweiten Faktor 1 + = 1 + = 1,04336. Der
dritte Faktor ist für den Fall, wenn die Höhen in par. Toisen gemessen werden sollen
1 — 0,089064 = 0,910936 wie schon oben gezeigt wurde, und der vierte Faktor ist
1 + = 1 + = 1,0421. Das Produkt dieser vier Faktoren
1357,26 . 1,04336 . 0,910935 . 1,0421 = 1344,3Toisen ist von der gemessenen Höhe nur um 3,6Toi-
sen oder um der ganzen Höhe verschieden.
§. 86.
Wir kommen nun zur genauen Bestimmung des Gewichtes von einem
Kubikfuss Luft für jeden Ort der Erdoberfläche. Hierzu können wir uns
der, aus den Barometerbeobachtungen gefolgerten Gleichung für das Verhältniss der
Schwere der Luft zum Quecksilber bedienen. Aus dieser Gleichung
folgt das Gewicht eines Kubikfusses Luft auf der Höhe x über dem Meere in Toisen
bei der Barometerhöhe von 28 par. Zoll und der Temperatur des schmelzenden Schnees
1 = · q, in welcher für q das Gewicht eines Kubikfusses Quecksilber bei
derselben Temperatur des schmelzenden Schnees zu setzen ist.
Da bisher keine unmittelbare Abwägung eines Kubikfusses Quecksilber von
derselben Reinheit, wie es in den Barometern gebraucht wird und bei der Temperatur
des schmelzenden Schnees bekannt ist, so müssen wir uns hierzu der spezifischen
Schwere oder der verhältnissmässigen Gewichte des Wassers und des Quecksilbers be-
dienen. Weil aber auch das Verhältniss der spezifischen Schwere des Quecksil-
bers zum Wasser nicht unmittelbar bei 0 Grad des Thermometers bestimmt werden
kann, indem das Wasser bei dieser Temperatur seinen Zustand ändert und entweder
aus dem festen Zustande des Eises in den flüssigen oder aus dem flüssigen Zustande in
den festen des Eises übertritt, und hierdurch seine spezifische Schwere von 1,0 auf 0,9
ändert, demnach in diesem Zustande keinen festen Punkt zur Vergleichung darbietet,
so hat man die spezifische Schwere aller Körper bei Temperaturen über 0 bestimmt
und hierzu gewöhnlich die mittlere Temperatur von 14 Grad des Reaum. Thermometers
15*
[116]Genaues Gewicht eines Kubikfusses Luft.
angegeben. In dieser Hinsicht können wir auch das Gewicht des Quecksilbers nur aus
Vergleichungen bei demselben Wärmegrade, bei welchem seine spezifische Schwere be-
stimmt wurde, berechnen. Zu dieser Absicht sey das Gewicht eines Kubikfusses Queck-
silber bei 0 Grad = q. Da das Quecksilber von der Wärme ausgedehnt wird, so wollen
wir die Vergrösserung des kubischen Inhaltes von einem Kubikfuss von 0 bis 14 Grad
Reaum. = γ setzen, demnach wird das Gewicht eines Kubikfusses Quecksilber bei 14 Grad
Reaumur = seyn. Das Gewicht eines N. Oe. Kubikfusses Wasser bei 14 Grad
Temperatur ist nach Seite 93 = 56,3024 N. Oe. Pfund; demnach verhält sich bei der
Temperatur von 14 Grad das Gewicht des Quecksilbers zum Gewichte des Wassers wie
: 56,3024. Die spezifische Schwere des Quecksilbers bei dem Gefrierpunkte ist nach
Seite 43 = 13,598, folglich wird aus demselben Grunde die spezifische Schwere bei 14 Grad
= seyn. Weil aber die Gewichte der Körper bei gleichem Volumen den spezifischen
Schweren proporzional sind, so haben wir : 56,3024 = : 1; daraus folgt
q = 13,598 . 56,3024 = 765,6000 N. Oe. Pfunde.
Hieraus folgt das Gewicht eines Kubikfusses Luft an der Oberfläche des Meeres,
wo x = 0 ist, bei 28 par. Zoll Barometerhöhe und bei 0 Grad Wärme
1 = 0,0000983 . 765,6 = 0,0752535, beinahe N. Oe. Pfund, oder genauer 2,40827 N. Oe. Loth.
Für andere Höhen x über dem Meere und bei einem andern Barometerstande h und Ther-
mometerstande t ist das Gewicht eines Kubikfusses Luft
= N. Oe. Pfund.
Beispiel. Die Höhe der Neustadt in Prag oder die Höhe des Zimmers der Prager
Sternwarte über dem Meere ist beinahe x = 100 Toisen, die Wärme t sey = 20° Reaum.
und der Barometerstand h = 27 par. Zoll, so ist in diesem Falle das Gewicht eines Ku-
bikfusses Luft = = 0,06602 N. Oe. Pfund = 2,11264 N. Oe. Loth.
§. 87.
Die angeführte Bestimmung des Gewichtes und der spezifischen Schwere der Luft
betrifft eigentlich nur ihren mittleren Zustand, so wie sich derselbe aus den Seite 109 und
110 angeführten mehr als 400 zu verschiedenen Jahreszeiten und an mehreren Orten ange-
stellten gleichzeitigen Beobachtungen und ihrer Vergleichung mit den gemessenen Höhen
ergeben hat. Wenn aber gefragt wird, wie das Gewicht eines Kubikfusses Luft an irgend
einem andern Orte zu bestimmen sey, so lässt sich diess aus der angeführten Rechnung
nicht vollkommen genau ableiten. Die atmosphärische Luft ist kein einfacher Körper,
sondern ist aus mehreren ungleichartigen Bestandtheilen, hauptsächlich aus Stickluft,
Lebensluft (Oxygen oder Sauerstoff) und einem kleinen Antheil kohlensaurer Luft zusam-
mengesetzt, dem noch Wasserdämpfe und andere zufällige Gasarten beigemischt sind,
[117]Manometer.
und eine jede hievon ist durch ihre eigenthümliche spezifische Schwere von den übrigen
verschieden. Man hat zwar mehrere Instrumente als Eudiometer, Hygrometer, u. a. m. ange-
geben, wodurch einzelne Bestandtheile der atmosphärischen Luft von den übrigen abgeschie-
den oder doch kennbar gemacht werden können; allein hieraus lässt sich über den Einfluss,
den jeder Bestandtheil auf das eigenthümliche Gewicht der atmosphärischen Luft nimmt, kein
bestimmter Schluss auf die an jedem Orte vorhandene spezifische Schwere der Luft ableiten.
Hierüber gibt uns allein das Manometer des Otto von Guerike einen vollkommen
befriedigenden Aufschluss. Derselbe hatte nämlich an das Ende eines Wagebalkens A
Fig. 14 eine grosse möglichst leichte hermetisch geschlossene gläserne Flasche und anFig.
14.
Tab.
43.
das andere Ende B ein kleineres metallenes dichtes Gegengewicht angehängt und beide
ins Gleichgewicht gebracht. Die Flasche stieg, wenn die Luft dichter, und sank, wenn
sie dünner oder spezifisch leichter wurde; im ersten Falle musste nämlich die Flasche
von ihrem absoluten Gewicht mehr verlieren und desswegen scheinbar leichter werden
und im Gegentheile. Bei dieser Vorrichtung kommt es daher nur noch auf die Verferti-
gung einer hinlänglich empfindlichen Wage und auf ein Mittel an, wodurch man in Stand
gesetzt wird, die kleinen Unterschiede, um welche das Gewicht der Flasche zu- oder
abnimmt, genau zu erkennen.
Zur Verfertigung einer solchen Wage, haben wir bereits im I. Bande die Anlei-
tung gegeben. Die Gewichtsunterschiede, welche die Flasche zeigt, lassen sich hier
am leichtesten und verlässigsten durch die Verschiebung eines auf dem Wagebalken
aufgelegten geringen Laufgewichtes p bestimmen. Fig. 14 bis Fig. 21 enthält die Dar-
stellung eines solchen verbesserten Manometers, wie derselbe von meinem Vater angege-
ben und in der Seite 110 angeführten Abhandlung bei den Beobachtungen auf Reisen nach
dem Riesengebirge im Jahre 1786 zuerst gebraucht und seither bedeutend verbessert
wurde. Hiervon ist Fig. 14 die Seitenansicht und Fig. 15 der Grundriss; Fig. 16 bis
Fig. 21 enthalten die Details im grösseren Masstabe. Das Bret C D steht einerseitsFig.
14
bis
21.
auf dem Fusse E und anderseits auf 2 beweglichen Stellschrauben F und G, womit das-
selbe so lange erhöht und erniedrigt wird, bis die zwei unter rechtem Winkel angebrach-
ten Wasserwagen a b und c d einspielen. Der Träger H I steht senkrecht auf der Fläche
des Bretes C D und trägt den Wagebalken B A, der in Spitzen auslauft und an den hölzer-
nen Armen D K und C L durch das Zusammentreffen mit andern daselbst angebrachten Spit-
zen den horizontalen Stand des Wagebalkens anzeigt. Die wirkliche Grösse der Achse bei
I, so wie selbe bei dem Manometer am technischen Institute zu Prag vorhanden ist, erscheint
Fig. 16 in der Seitenansicht, Fig. 17 im Grundrisse von unten und Fig. 18 im Grundrisse von
oben, dann ist Fig. 19 das Ende des Wagebalkens und Fig. 20 die Befestigung des me-
tallenen Gewichtes bei B ebenfalls in natürlicher Grösse, endlich Fig. 21 das verschieb-
bare Gewichtchen gleichfalls in dieser Grösse dargestellt.
Dieses Gewichtchen ist ein dünner Blechstreifen, der den Wagebalken beiderseits um-
greift und in der Mitte eine Erhöhung von Blech hat, um dasselbe mittelst eines umgebo-
genen Hackens hin und her schieben zu können. Das ganze Instrument muss in einen
Glaskasten gebracht werden, wie es bei den feinen Probierwagen der Fall ist. Die Glas-
tafeln müssen sich daher entweder in Scharnieren öffnen und schliessen, oder auch abneh-
men lassen. Hierdurch wird eine vollkommene Ruhe der Luft hervorgebracht, und der
[118]Konstrukzion des Manometers.
obgleich unbedeutende Einfluss der Wärme von Seite des Beobachters verhindert. Es
versteht sich von selbst, dass vor einem jeden solchen Versuche die Glastafeln von beiden
Seiten abgehoben werden müssen, um hiedurch der Luft vollkommen Zutritt zu gestatten.
Da das Instrument auch von oben mit Glas bedeckt ist, so kann man auf den 2 beidersei-
tigen Glastafeln noch einen eingebogenen dünnen Blechstreifen auflegen, um hierauf den
Draht, mittelst welchem das Laufgewichtchen verschoben wird, hin und her bewegen
zu können.
Es sey K das Volumen der gläsernen Flasche in der Luft, welches durch hydrosta-
tische Versuche oder auf andere Art gemessen werden kann, und k das Volumen des
Gegengewichtes. Der Unterschied von beiden zeigt K — k das Volumen der Luft
an, welche durch ihre Verdichtung oder Verdünnung das Gleichgewicht der Flasche
mit dem Gegengewichte ändert. Das Gewicht der Luft bei der Temperatur t = 0 und
der Barometerhöhe h = 28 Zoll sey = l, das Gewicht der Flasche im leeren Raume = Q,
und ihr Volumen = K, mithin wird das Gewicht der von der Flasche verdrängten Luft
= K . l und ihr Gewicht in derselben Luft = Q — K . l seyn. Wird die Flasche an den
einen Arm des Wagebalkens gehängt und dagegen von der andern Seite zur Bewirkung
des Gleichgewichtes an den gleichen Arm ein kleines Fläschchen mit darin eingeschlos-
senem Quecksilber oder Bleischröten u. dergl. angehängt, dessen Volumen = k ist, so ist
das Gewicht dieses Fläschchens in der Luft = q — k . l; wir haben also die Gleichung
q = Q — (K — k) l. Wird nun die Atmosphäre aus was immer für einer Ursache leichter,
so dass das Gewicht eines Kubikfusses nur λ wiegt, so wird das Gewicht der verdrängten
Luft nur (K — k) λ betragen, und weil in diesem Falle kein Gleichgewicht mehr statt
findet, so wollen wir annehmen, dass dieses Gleichgewicht durch ein auf der Entfernung
e aufgelegtes Laufgewicht p hergestellt werde. Diess gibt die Gleichung
q = Q — (K — k) λ — . Wird diese Gleichung von der vorigen q = Q — (K — k) l
abgezogen, so bleibt (K — k) λ = (K — k) l — . Daraus folgt
folglich l — λ = .
Weil p, K — k und a beständige Grössen sind, so folgt, dass die Aenderung des Ge-
wichtes der Luft hauptsächlich aus der Entfernung e erkannt werden muss; es wird also
nothwendig seyn, p nicht zu gross anzunehmen, weil dadurch das e oder der Masstab
zur Kenntniss des Gewichtes der Luft zu klein werden würde. Da aber e nur höchstens
= a werden kann, so haben wir für diesen Fall p = (l — λ) (K — k). Wir wollen nun
annehmen, die Wärme der Athmosphäre sey von 0 auf 26⅔ Grade gestiegen und das Baro-
meter von 28 Zoll auf 27 Zoll herabgefallen, so wird in diesem Falle
λ = , folglich l — λ = . l, oder die Veränderung
des Gewichtes von einem Kubikfusse Luft beträgt nur den 7ten Theil von l, und da in die-
sem Falle p = · l (K — k) wird, so sehen wir, dass man nur nöthig habe, dem Laufgewichte
p den 7ten Theil des Gewichtes der von der Flasche verdrängten Luft bei der Wärme t = 0
und dem Barometerstand h = 28 Zoll zu geben. Um noch grössere Veränderungen des Ge-
[119]Gebrauch des Manometers.
wichtes eines Kubikfusses Luft zu beobachten, wollen wir bei demselben Wärmegrade t
= 26⅔° und die Barometerhöhe h = 18 Zoll setzen; diess gibt λ = · l und die
Grösse des Laufgewichtes p = (1 — λ) (K — k) = . l (K — k), u. s. w.
§. 88.
In der aufgestellten Gleichung λ = l — ist noch die Ausdehnung der Flasche
durch die Wärme nicht berücksichtigt. Die Längenausdehnung des Glases vom Gefrier-
punkt bis zum Siedepunkt betragt nach Lavoisier 0,00059089 bis 0,00091751 oder im Mittel
0,00090420; folglich wird der körperliche Inhalt K — k bei der Wärme t nunmehr
= (K — k) = (1 + 0,0000339 t) (K — k) seyn. Demnach ist das Ge-
wicht der von der Flasche und dem Gegengewichte verdrängten Luft
(1 + 0,0000339 .t) (K — k) λ. Daraus folgt die Gleichung
(K — k) l = (1 + 0,0000339 t) (K — k) λ + , und hieraus ist
λ = , in welcher Gleichung der Nenner offenbar = 1
gesetzt werden kann, wenn t nur einige Grade beträgt.
§. 89.
Wir wollen noch den Gebrauch dieser Luftwage durch ein Beispiel erklären. Die
Flasche des Manometers sey dieselbe, welche auf der Reise nach dem Riesengebirge
gebraucht wurde, folglich K — k = 22,05 N. Oe. Kubikzoll, das Laufgewicht p sey = 2
Gran, jeder Arm der Wage a = 18 Zoll = 216 Linien lang, das Gewicht eines Kubik-
fusses Luft bei t = 0° und h = 28″ sey = N. Oe. Pfund, und wenn wir für Prag
die Höhe über dem Meere x = 100 Toisen annehmen, so ist das mittlere Gewicht eines
Kubikfusses Luft l = 0,074884 Pfund = 575,1 Gran in N. Oe. Gewicht, folglich
(K — k) l = · 575,1 = 7,3385 Gran. Setzen wir nun diese Werthe in die obige Glei-
chung, so ist λ = 575,1 = 575,1. In dieser Gleichung ent-
hält der Ausdruck die Aenderung des Gewichtes der Luft und zeigt, dass für jede
Linie, um welche das Laufgewicht verschoben wird, das Gewicht eines Kubikfusses Luft
sich um 0,73 Gran ändert, woraus das Gewicht eines Kubikfusses Luft für jeden Stand des
Laufgewichtes sehr leicht berechnet werden kann.
Es lässt sich aber auch die Eintheilung des Wagebalkens so angeben, dass zu jeder
Abtheilung das Gewicht eines Kubikfusses Luft angeschrieben werden kann, wodurch nun
das Gewicht ohne Rechnung bestimmt wird. Soll z. B. die Entfernung e, um welche
das Laufgewichtchen verschoben wird, 100 Gran anzeigen, so braucht man nur die Ge-
[120]Gebrauch des Manometers.
wichtsänderung · e = 100 Gran zu setzen, woraus man e = · 100 = 137,8 Linien fin-
det. Da es nun vortheilhaft ist, die Theilstriche so zu wählen, damit sie immer mit einer
ganzen Zahl des Gewichtes der Luft endigen, so macht man in unserm Falle die Propor-
zion : 100 Gran geben 137,8 Linien, also gibt 1/10 Gran 0,1378 Linien. Diese Entfernung
wird nun von dem Punkte, wo sich das Laufgewicht für die Schwere eines Kubikfusses
l = 575,1 Gran befindet, zurückgetragen, und man erhält auf diese Art jenen Punkt am
Wagebalken, wo der Stand des Laufgewichtes genau das Gewicht eines Kubikfusses Luft
von 575 Gran anzeigt. Von diesem Punkte aus werden nun die 137,8 Linien aufgetragen,
diese Länge in 100 gleiche Theile getheilt und die Theilung auf beiden Seiten des Wage-
balkens so weit, als es die Länge desselben gestattet, fortgesetzt; einem jeden dieser
Theile wird nun 1 Gran als Aenderung des Gewichtes von einem Kubikfuss Luft ent-
sprechen, und es wird nur noch nothwendig seyn, die Zahl der Theilstriche von diesem
Punkte aus auf der einen Seite zu 575 zu addiren, und auf der andern Seite von 575 zu
subtrahiren, um sogleich die Anzahl Grane, wie viel ein Kubikfuss wiegt, ablesen zu kön-
nen. Um nun die Ablesung bequemer zu machen, wird man wie gewöhnlich nur
diejenigen Theilstriehe, deren Zahlen mit 5 oder 10 theilbar sind, entsprechend beschrei-
ben. Bei dieser Einrichtung und Bezifferung der Wage wird daher jedesmal die Zahl,
welche dem Theilstrich zugehört, über welchen sich das Laufgewichtchen gerade
befindet, die Zahl Grane angeben, die ein Kubikfuss Luft wiegt. Nach diesem Bei-
spiele wird es nun leicht seyn, die Eintheilung und Beschreibung der Skale des
Manometers für jede andere Werthe von p, a und K — k auszuführen, und sich auf
solche Art ein Manometer zu verschaffen, an welchem das Gewicht eines Kubikfusses
Luft bloss aus dem Stande des Laufgewichtes ohne weiters zu ersehen ist.
Die Vergleichung des Manometerstandes mit denjenigen Zahlen, welche das Ge-
wicht eines Kubikfusses Luft durch Rechnung aus Barometer und Thermometerbeob-
achtungen angeben, wird itzt zeigen, in wie weit das wirkliche Gewicht der Luft an
jedem Orte von dem durch Rechnung gefundenen mittlern verschieden ist und hieraus
auch die Nichtübereinstimmung der Barometerbeobachtungen mit den gemessenen Hö-
hen erklären können. Uibrigens verdient hier noch bemerkt zu werden, dass man in
allen Fällen, wo das Gewicht der Luft unmittelbar benöthigt wird, an dem Manome-
ter ein Instrument hat, welches die befriedigendsten Aufschlüsse zu geben im Stan-
de ist.
Es würde aus Beobachtungen mit dem Manometer leicht seyn, die Höhe eines
Ortes über dem andern zu berechnen, ohne Barometer und Thermometer hiezu
nöthig zu haben, wenn nicht der Transport, die Aufstellung und der Gebrauch dieses
empfindlichen Instrumentes mit solchen Schwierigkeiten verbunden wäre, die man bei
Höhenmessungen im Freien nicht leicht zu beseitigen im Stande ist.
[121]Theorie der Pumpen.
§. 90.
Wenn man in ein mit Wasser gefülltes Gefäss eine beiderseits offene Röhre stellt,Fig.
22.
Tab.
43.
und die Luft am obern Ende bei a anzieht oder ansaugt, so steigt das Wasser in die
Röhre gegen a hinauf; die äussere Luft drückt nämlich auf die Oberfläche m n des Was-
sers, und die innere Luft drückt weniger, weil sie durch das Ansaugen verdünnt wurde,
demnach steigt auch das Wasser in der Röhre hinauf. Auf diesem einfachen Experimente
beruht die Konstrukzion der Saugpumpen.
Alle Pumpen lassen sich in drei Gattungen eintheilen: Saugpumpen, Druck-
pumpen und vereinigte Saug- und Druckpumpen.
Eine Saugpumpe besteht aus dem Saugrohre B C G H, dem KolbenrohreFig.
23.
A B C D, dem Saugventile N, und dem Kolbenventile L, welches letztere durch
die Kolbenstange L M aufgezogen wird. Beide Ventile L und N müssen, wenn sie
aufliegen, luft- und wasserdicht anschliessen. Die Wirkung oder das Spiel der Saugpum-
pen erklärt sich auf folgende Weise: Nehmen wir an, der Kolben L sey in seinem tiefsten
Stande; zieht man denselben mittelst der Kolbenstange L M in die Höhe, so wird die
Luft in dem Raume J B C K verdünnt, das Saugventil N öffnet sich durch den Druck der
in der Saugröhre befindlichen atmosphärischen Luft, und wenn auch diese Luft durch
den Aufzug des Kolbens verdünnt ist, steigt das Wasser durch den Druck der äussern
auf O P wirkenden Luft im Saugrohre in die Höhe. So wie der Kolben seinen höch-
sten Stand erreicht hat, wird er wieder herabgedrückt, und da nun das Ventil N durch
sein Gewicht herabfällt, und während dem Herabgehen des Kolbens geschlossen bleibt,
so wird die Luft im Kolbenrohre zusammengedrückt, sonach das Kolbenventil gehoben,
und ein Theil der Luft entweicht. Ist der Kolben auf seinem tiefsten Stande angelangt,
so wird er abermals aufgezogen, das Saugventil öffnet sich, das Wasser fliesst nach, und
wird diese Operazion mehrmal wiederholt, so steigt das Wasser bis an den Kolben und
endlich über denselben, worauf es durch das Gussrohr bei R ausläuft.
Es leuchtet ein, dass die Oberfläche des Kolbens nie 32 Fuss hoch über der Ober-
fläche des zu hebenden Wassers seyn dürfe, denn da das Wasser unter dem Kolben bloss
durch den atmosphärischen Druck, der einer Wassersäule von 32 Fuss gleich kommt, ge-
hoben wird, so muss der Kolben immer unter 32 Fuss Höhe stehen, weil sonst das Wasser
denselben nicht erreichen würde. Da überdiess das Wasser auch die Ventile heben muss,
und der Druck der Luft bei niedrigem Barometerstande weniger als 32 Fuss beträgt, so
pflegt man die Höhe des Saugrohres nicht über 24 Fuss anzunehmen. Soll daher das
Wasser mit einer Saugpumpe auf grössere Höhen gehoben werden, so erhöht man das
Kolbenrohr bis auf die gehörige Höhe. Ist diese Höhe sehr bedeutend, z. B. 40 oder
50 Klafter, so bringt man mehrere Pumpensätze an, welche in den Bergwerken den
Namen Kunstsätze erhalten. Solcher Pumpen werden immer mehrere übereinander
gestellt, wovon eine der andern das Wasser zuführt. Die unterste Pumpe steht näm-
lich in dem Sumpfe, wohin die Grubenwässer zufliessen, und hebt das Wasser in den
nächsten hölzernen Kasten, worin sich wieder eine Pumpe befindet, die es in den zwei-
ten Kasten hebt u. s. w. bis man durch eine hinreichende Anzahl Sätze das Wasser
in den Stollen, aus welchem es abläuft, gehoben hat. Diese Pumpen werden durch
Gerstner’s Mechanik. Band II. 16
[122]Theorie der Pumpen.
eine gemeinschaftliche Hauptstange, woran die Kolbenstangen aller Pumpen hängen, in
Bewegung gesetzt; sie saugen daher zu gleicher Zeit an, und die Kolben gehen wie-
der gemeinschaftlich zurück. Die Verbindung dieser Pumpen werden wir im III. Bande
bei den Kunsträdern und Wassersäulmaschinen umständlicher kennen lernen; wir be-
merken daher nur vorläufig, dass die Anlage mehrerer Pumpensätze den Vortheil gewährt,
dass die Wässer aus den hohen Strecken in die höher liegenden Wasserkästen geleitet,
und von dort sogleich herausgepumpt werden, ohne desshalb bis zu dem tiefsten Orte
zu gelangen, und von dort erst gemeinschaftlich mit dem übrigen Wasser gehoben zu
werden.
24.
Tab.
43.
Eine Druckpumpe besteht aus dem Kolbenrohre, oder dem Stiefel A B C D,
welches gewöhnlich eine 2 bis 3 Fuss lange metallene Röhre ist, in welcher, so wie bei dem
Saugwerke, der Kolben auf- und abgeht. Dieser Kolben ist jedoch nicht durchbrochen
und mit einem Ventile versehen, wie bei den Saugwerken, sondern er ist ganz massiv.
Das Kolbenrohr steht im Wasser, und hat an seinem untern Ende bei B C ein Ventil. Das
Steigrohr E F G H ist an der Seite des Kolbenrohres angebracht, und leitet das Was-
ser aus dem Kolbenrohre an den Ort seiner Bestimmung. Am untern Ende dieses Steig-
rohres ist eine Ausbauchung vorhanden, in welcher ein zweites Ventil liegt. Die Er-
klärung der Bewegung des Wassers findet nun keinen Anstand. Zieht man nämlich den
Kolben in die Höhe, so hebt das einströmende Wasser das Ventil im Kolbenrohre und füllt
den Raum unter dem Kolben aus. Drückt man sodann den Kolben hinab, so fällt das
untere Ventil zu, es muss daher das Wasser, welches dem Kolben nirgends ausweichen
kann, das Ventil im Steigrohre heben, und darin in die Höhe steigen. Zieht man den
Kolben zum zweiten Male in die Höhe, so schliesst das Wasser durch seine Schwere
das Ventil im Steigrohre, und wird auf diese Art gefangen; das äussere Wasser steigt
abermals dem Kolben nach, und drückt man denselben hinab, so fällt das untere Ven-
til wieder zu, und das Wasser steigt durch das geöffnete Ventil des Steigrohres darin
wieder höher. Dieses Spiel geht so fort, bis das Wasser am obern Ende des Steig-
rohres ausfliesst. Wir sehen hieraus, dass die Druckpumpe durch keine solche Höhe,
wie es bei der Saugpumpe hinsichtlich des Wasseransaugens der Fall war, beschränkt
ist, und dass man durch Anwendung einer hinreichenden Kraft das Wasser auf jede
beliebige Höhe heben könne.
25.
Die vereinigte Saug- und Druckpumpe ist ein gewöhnliches Saugwerk, wel-
ches einen massiven Kolben, und auf der Seite ein Steigrohr mit einem Ventile hat, wie
dasselbe bei der Druckpumpe angebracht ist. Seine Bewegung erklärt sich leicht aus
dem Vorhergehenden.
§. 91.
Die erste Frage, welche bei einer Saugpumpe vorkommt, betrifft die Bestimmung,
wie hoch das Wasser nach einem jeden Hube steigt, und welches die
grösste Höhe ist, auf welche dasselbe durch das blosse Ansaugen
gehoben werden kann. Wir haben hier zwei Fälle zu unterscheiden, indem das
Saugventil entweder oben auf dem Saugrohre liegt, oder am untern Ende desselben im
Wasser angebracht ist. Der zweite Fall gewährt den Vortheil, dass das Ventil, da es
[123]Grösste Ansaughöhe bei Saugpumpen.
beständig im Wasser liegt, fortwährend schliesst. Befindet sich dagegen das Ventil
oben auf dem Saugrohre, und geht die Pumpe einige Zeit nicht, so trocknet das Ventil
aus, und muss desshalb wieder aufgeweicht, und zum Anschliessen gebracht werden.
Diess geschieht gewöhnlich dadurch, dass man die Pumpe von oben mit Wasser anfüllt,
und das Saugventil anquillen lässt.
Bevor wir zur Berechnung der grössten Ansaughöhe des Wassers schreiten, bemerken
wir, dass man den Kolben nie bis an das Ende des Kolbens hinabschieben kann. Be-
findet sich nämlich das Ventil oben am Saugrohre, so kann der Kolben nicht ganz her-
abgehen, weil das Ventil immer einen Raum von einigen Zollen Höhe für seine Bewe-
gung freibehalten muss. Allein auch in dem Falle, wenn das Ventil unten im Saugrohre
angebracht ist, muss dennoch ein kleiner Raum zwischen dem Kolben und dem Boden
des Kolbenrohres übrig bleiben, damit der Kolben bei seiner abwärtigen Bewegung nicht
Schaden leide. Man nennt diesen Raum den schädlichen Raum, weil er der Ansaug-
höhe, wie wir später sehen werden, nachtheilig ist.
Es befinde sich nun das Saugventil am untern Ende des Saug-Fig.
26.
Tab.
43.
rohres; die Länge des Saugrohres sey A B = a, seine Querschnittsfläche = f; die Höhe
des schädlichen Raumes B C = e, und die Höhe des Kolbenhubes C D = b, endlich die
Querschnittsfläche des Kolbenrohres = F. Befindet sich der Kolben an seinem untersten
Punkte C, so wird sowohl im Kolben- als Saugrohre atmosphärische Luft vorhanden seyn;
der Kubikinhalt derselben beträgt im Saugrohre f . a und im Kolbenrohre F . e. Da diese
Luft atmosphärisch ist, so ist sie eben so stark als von einer 28 Zoll hohen Quecksilber-
säule, oder von einer 32 = h Fuss hohen Wassersäule zusammengedrückt. Zieht man
den Kolben in die Höhe, so wird die Luft im Saug- und Kolbenrohre ausgedehnt, und
das Wasser steigt im Saugrohre auf die Höhe x. Der kubische Inhalt der Luft im Saug-
rohre wird daher nur noch f (a — x), im Kolbenrohre dagegen F (e + b) betragen. Diese
Luft wird aber nicht mehr von h, sondern von h — x zusammengedrückt, weil der Druck
der Atmosphäre auf das Wasser ausserhalb der Pumpe zwar = h ist, innerhalb der Saug-
röhre aber die Höhe x zu gewältigen hat, folglich nur mit der Höhe h — x auf die einge-
schlossene Luft drücken kann. Demnach wird der kubische Inhalt f (a — x) + F (e + b)
der Luft bloss von der Höhe h — x zusammengedrückt. Da während dem Ansaugen
keine Luft in die Pumpe dringen konnte, weil das Kolbenventil und der Kolben selbst
als luftdicht schliessend angenommen wird, so haben wir dieselbe Luftmasse bei verschie-
denen Druckhöhen zu betrachten. Vor dem Hube betrug der Raum der Luft im Saug-
und Kolbenrohre f . a + F . e, und die Druckhöhe h; nach dem Hube nimmt dieselbe
Luft den Raum f (a — x) + F (e + b) ein, und wird von h — x zusammengedrückt.
Nach dem Mariotte’schen Gesetze verhalten sich in diesem Falle die Lufträume verkehrt
wie die drückenden Säulen, demnach ist f . a + F . e : f (a — x) + F (e + b) = h — x : h.
Hieraus lässt sich die Höhe x finden, auf welche das Wasser nach dem ersten Kolbenhube
steigt.
Drückt man nun den Kolben wieder herab, so schliesst sich das Ventil unten im
Saugrohre, und das Wasser bleibt auf der Höhe x stehen. Die zuvor verdünnte Luft wird
zusammengedrückt, das im Kolben befindliche Ventil öffnet sich, und es geht so viel Luft
heraus, bis die innere Luft so stark als die äussere atmosphärische gepresst ist, wobei aber
16*
[124]Grösste Ansaughöhe bei Saugpumpen.
Fig.
26.
Tab.
43.auf das Gewicht des Ventils keine Rücksicht genommen ist. Ist der Kolben unten in C
wieder angelangt, so ist der Raum der unter dem Kolben befindlichen Luft im Saugrohre
= f (a — x), und im Kolbenrohre = F . e; die Druckhöhe dieser Luft ist aber = h. Zieht
man hierauf den Kolben zum zweiten Male in die Höhe, so wird die Luft in einen grös-
sern Raum ausgedehnt, sie wird also dünner, und das Wasser steigt im Saugrohre auf
die Höhe x'. Der Raum, welchen die Luft nach dem zweiten Hube einnimmt, beträgt
daher f (a — x') + F (e + b), und diese Luft wird von h — x' zusammengedrückt. Da
wir hier wieder einerlei Luftmassen unter verschiedenen Druckhöhen betrachten, so ist
f (a — x) + F . e : f (a — x') + F (e + b) = h — x' : h, woraus die Höhe x' auf welche
das Wasser beim zweiten Hube steigt, berechnet werden kann. Auf gleiche Art findet
man die Steighöhe x'' des Wassers nach dem dritten Hube aus der Proporzion
f (a — x') + F . e : f (a — x'') + F (e + b) = h — x'' : h.
Die Hubshöhe ist offenbar am grössten (X), wenn das Wasser vor und nach dem
Hube auf einer gleichen Höhe stehen bleibt; setzen wir daher für diesen Fall x'' = x' = X,
so ist f (a — X) + F . e : f (a — X) + F (e + b) = h — X : h. Hieraus folgt
0 = f . X2 — f . a . X — F . e . X — F . b . X + F . b . h und wird das Quadrat ergänzt, und
die Wurzel gezogen, so ist X = .
Beispiel. Es sey die Länge des Saugrohres a = 24 Fuss, die Höhe des schädli-
chen Raumes e = ¼ Fuss, die Hubshöhe b = 1 Fuss, ferner der Durchmesser des Kolben-
rohres = 4 Zoll, und jener des Saugrohres = 2 Zoll, so ist = 4. Demnach ist
X = = 12 + 2,5 ± 9,1. Nimmt man
hier das positive Zeichen, so ist die grösste Ansaughöhe X = 23,6 Fuss; nimmt man aber
das negative Zeichen, so ist X = 5,4 Fuss. Wenn also das Wasser im Saugrohre eine
Höhe von 5,4 Fuss erreicht hat, steigt es nicht mehr. Das Mittel, um es höher zu brin-
gen, besteht darin, dass man den Saugkolben herauszieht, und in die Röhre Wasser
hineingiesst, sodann den Kolben wieder hineinschiebt, und die Pumpe in Bewegung setzt.
Die Erfahrung hat gelehrt, dass, wenn nicht das ganze Saugrohr angefüllt, und nur bis
zur Höhe von 23,6 Fuss oder noch weniger Wasser eingeschüttet würde, man auch in
diesem Falle noch kein Wasser mit der Pumpe heben könne. Man pflegt demnach gleich
anfangs das ganze Saug- und Kolbenrohr mit Wasser anzufüllen und sodann erst den
Kolben hinein zu schieben, um versichert zu seyn, dass keine Luft unter dem Kolben-
ventile mehr vorhanden ist. Da aber bei dem folgenden Pumpen das Wasser im Saug-
rohre nur durch den Druck der Atmosphöre ersetzt werden kann, dieser Druck aber nicht
höher als bis auf 32 Fuss reicht, so sieht man, dass der höchste Stand des Kolbens die
Höhe von 32 Fuss nicht erreichen dürfe.
§. 92.
27.
Betrachten wir nun den zweiten am meisten vorkommenden Fall, wenn das
Ventil am obern Ende des Saugrohres angebracht ist. Um hier die
grösste Ansaughöhe zu finden, wollen wir wieder den Kolben in seiner untersten Lage
annehmen, in welcher der Kubikinhalt der atmosphärischen Luft im Saugrohre, und
[125]Grösste Ansaughöhe bei Saugpumpen.
im schädlichen Raume f . a + F . e, die Druckhöhe auf die eingeschlossene Luft aberFig.
27.
Tab.
43.
h beträgt. Zieht man den Kolben hinauf, so steigt das Wasser auf die Höhe x, und
die verdünnte Luft nimmt nach dem ersten Hube den Raum f (a — x) + F (e + b) ein,
und wird von h — x zusammengedrückt. Demnach ist
f . a + F . e : f (a — x) + F (e + b) = h — x : h, woraus die Ansaughöhe x berechnet wer-
den kann; diese Höhe ist dieselbe, wie wir sie bei der vorigen Saugpumpe nach dem
ersten Hube berechnet haben.
Drückt man den Kolben zum zweitenmale hinab, so schliesst sich im Saugrohre
das Ventil, und es bleibt die vorige verdünnte Luft f (a — x) darin, die von h — x
zusammengedrückt ist. Im Kolbenrohre ist dagegen F . e atmosphärische Luft, weil
sich das im Kolben befindliche Ventil öffnet, sobald die Luft durch das Herabdrücken
dichter wird als die äussere Atmosphäre. Weil wir nun in der Pumpe zweierlei Luft haben,
wovon die eine im Saugrohre, nämlich f (a — x), von der Höhe h — x, jene im Kolbenrohre
(F . e) von der Höhe h zusammengedrückt ist, so werden wir die verdünnte Luft im
Saugrohre auf atmosphärische reduziren, oder denjenigen Raum R suchen, welchen die
verdünnte Luft einnehmen würde, wenn sie von h zusammengedrückt wäre. Auch diess
ergibt sich nach dem Mariotte’schen Gesetze, indem wir f (a — x) : R = h : h — x haben,
woraus R = folgt. Nun lassen sich die beiden Luftmengen addiren;
sie betragen nämlich + F . e und sind beide von h zusammengedrückt.
Zieht man den Kolben zum zweitenmale hinauf, so verdünnt sich die Luft wieder,
und das Wasser steigt auf die Höhe x'; daher ist der Raum der verdünnten Luft
f (a — x') + F (e + b), und sie wird von h — x' zusammengedrückt. Nach dem Mariotte’-
schen Gesetze ist + F . e : f (a — x') + F (e + b) = h — x' : h; aus die-
ser Proporzion würde man abermals die Höhe x' finden. Man sieht nun schon, wie man
mit diesen Proporzionen für die folgenden Ansaugungen fortzufahren hat. Wenn zuletzt
das Wasser im Saugrohre die grösste Höhe X erreicht hat, so ist in der Proporzion wieder
statt dem vorhergehenden und dem folgenden x, nur X zu setzen, folglich haben wir für
die grösste Ansaughöhe + F. e : f (a — X) + F (e + b) = h — X : h. Nach
gehörigen Redukzionen ergibt sich hieraus X = . Die grösste An-
saughöhe hängt demnach von dem Verhältnisse e : b ab, und nur, wenn e = 0 ist, wird X der
Höhe des atmosphärischen Druckes h gleich. Wir sehen hieraus, warum man die Höhe
e den schädlichen Raum nennt; sodann zeigt uns die Formel, dass das Verhältniss
der zwei Flächen F : f keinen Einfluss auf die Ansaughöhe X habe, wenn das Ventil oben
auf dem Saugrohre liegt.
Beispiel. Es sey wie im vorigen Falle b = 1 Fuss und e = ¼ Fuss, so ist die
grösste Ansaughöhe X = = 25,0 Fuss, demnach grösser als im vorigen Falle,
wo das Ventil unten im Saugrohre angebracht war. Weil aber in diesem Falle das Ven-
[126]Kraft zur Bewegung einer Saugpumpe.
til auf dem Saugrohre jederzeit vollkommen schliessen muss, so pflegt man, um sich hier-
von zu versichern, das Kolbenrohr gleich anfangs ganz mit Wasser zu füllen und nach
einiger Zeit nachzusehen, ob das Wasser auf seiner Höhe geblieben ist. Sollte diese ver-
mindert worden seyn, so liegt der Fehler im Ventil des Saugrohres, welches demnach her-
gestellt und vollkommen schliessend gemacht werden muss. Hiernach wird der Kolben
eingeschoben und die Pumpe in Gang gesetzt. Dieselbe Operazion muss jedesmal wieder-
holt werden, wenn die Pumpe kein Wasser geben will. Da auch bei dieser Gattung
Saugpumpen das Wasser nur durch den Druck der Atmosphäre gehoben wird, so sieht
man, dass der höchste Stand des Kolbens nie 32 Fuss erreichen darf.
§. 93.
Um die Kraft zu berechnen, welche ohne Rücksicht auf Widerstände
Fig.
23.
Tab.
43.zur Betreibung einer Saugpumpe erfordert wird, wollen wir den Kolben
während seinem Aufzuge auf seiner mittlern Höhe in dem Punkte I betrachten und die
Saugpumpe bereits ganz mit Wasser gefüllt annehmen. Da das Wasser aus dem Guss-
rohre ausfliesst, so stehe es auf irgend einer Höhe in E, so dass E I die Höhe der Wasser-
säule ist, die durch den Kolben gehoben werden muss. Da aber auf die Oberfläche des
Wassers bei E noch die atmosphärische Luft mit einer Säule von 32 Fuss = h drückt, so
wird das Gewicht der auf den Kolben drückenden Wassersäule = 56,4 . F (E I + h) seyn.
Wie man den Kolben hinaufzieht, so folgt von unten das Wasser, welches von der äusse-
ren Atmosphäre den Druck von der Höhe h erleidet und eben so stark von innen in die
Höhe gedrückt wird, demnach von unten an den Kolben nur mit der Höhe h — I O drücken
kann. Wäre das Saugrohr so hoch, dass h = I O, so würde das Wasser dem Kolben gar
nicht folgen und auch gar kein Druck von unten an den Kolben statt finden. Wir haben daher
den Druck von unten = 56,4 F (h — I O). Da dieser Druck der Kraft zu Hilfe kommt, so ist
K = 56,4 F (E I + h) — 56,4 F (h — I O) = 56,4 F . E O. Die Kraft K muss daher die ganze
Wassersäule vom Unterwasser bis zu dem Wasserspiegel über dem Ausflusse heben, und sie
ist so gross als das Gewicht einer Wassersäule, welche diese ganze Höhe zur Höhe,
und die Querschnittsfläche des Kolbens zur Fläche hat. Nehmen wir noch das Ge-
wicht des Kolbens sammt der Kolbenstange in Rechnung, ziehen wir hiervon das vom
Kolben und der Stange verdrängte Wasser ab, und setzen den Ueberrest = G, so muss
dieses Gewicht ebenfalls addirt werden, und wir erhalten die Kraft an der Kolbenstange
K = 56,4 F . A D + G. (I)
Bei dem Herabdrücken des Kolbens hat man gar keine Kraft auszuüben, der
Kolben wird vielmehr von dem Gewichte herabgezogen, demnach ist K' = — G (II).
Da nun die gleichförmige Bewegung bei allen Maschinen die vortheilhafteste ist,
so wird es auch hier darauf ankommen, die Last so zu vertheilen, dass die Kraft im-
mer dasselbe zu thun bekommt, oder bei dem Aufziehen und Herabdrücken des Kol-
bens gleich sey. Zu diesem Zwecke bringt man gewöhnlich am Ende des Hebels, wo-
durch die Pumpe bewegt wird, ein Gegengewicht, oder wie es bei Bergwerken geschieht,
einen Steinkasten an, der bei dem Aufziehen des Kolbens der Kraft zu Hilfe kommt,
bei dem Herabdrücken desselben aber gehoben werden muss. Nennen wir das Gewicht
des Steinkastens = S, den Hebelsarm desselben = a, und jenen der Last, M R = b, so ist
[127]Kraft zur Bewegung einer Druckpumpe.
die Kraft, welche dem Steinkasten an der Kolbenstange in M das Gleichgewicht hältFig.
23.
Tab.
43.
= ; demnach haben wir beim Hinaufziehen der Kolbenstange
K = 56,4 F .E O + G — (III) und beim Herabgehen K' = — G + (IV). Soll
nun die Kraft in beiden Fällen gleich oder K = K' seyn, so ist
56,4 F . E O + G — = — G + . Hieraus folgt das Gewicht des Steinkastens
S = . Die Anbringung dieses Gegengewichtes wird nun den Vor-
theil gewähren, dass die Kraft sowohl beim Aufzuge als beim Herabgehen des Kol-
bens eine gleiche Arbeit zu verrichten hat. Dieses Gegengewicht ist übrigens um so
nothwendiger, je grösser die Höhe ist, auf welche das Wasser gehoben werden muss;
denn es kann bei Anwendung der menschlichen Kraft der Fall eintreten, dass dieselbe
bei hohen Pumpenwerken die ganze Wassersäule gar nicht zu heben vermag, wogegen
bei dem Anbringen des Gegengewichtes bei jedem Zuge nur die Hälfte dieser Last
zu heben ist.
§. 94.
Es sey nun die Kraft anzugeben, welche man ohne Rücksicht auf Wider-Fig.
24.
stände zur Bewegung des Kolbens einer Druckpumpe anwenden muss.
Betrachten wir den Kolben während dem Herabdrücken auf irgend einer Höhe, so
hat die Kraft, wenn sie unmittelbar an der Kolbenstange wirkt, die ganze Wassersäule
von der untern oder dem Wasser entgegenstehenden Fläche des Kolbens bis zur Aus-
flussöffnung, und nebstbei die Höhe h, womit das ausfliessende Wasser von der atmos-
phärischen Luft gedrückt wird, zu überwältigen; es ist daher für das Herabgehen
des Kolbens K = 56,4 F (G A + A I + h). Dieser Kraft kommt der Druck der Atmos-
phäre 56,4 F . h auf den Kolben, und das Gewicht des Kolbens sammt dem aufgeleg-
ten Zulagsgewichte G zu Hilfe. Wir haben daher
K = 56,4 F (G A + A I + h) — 56,4 F . h — G = 56,4 F (G A + A I) — G.
Beim Hinaufziehen schliesst sich das Ventil im Steigrohre und öffnet sich
jenes im Saugrohre. Die Kraft K' muss daher wieder den Druck der Atmosphäre
56,4 F . h und das Gewicht G überwältigen, wogegen von unten auf den Kolben die
Atmosphäre und die Wassersäule A I mit der Kraft 56,4 F (h + A I) drückt. Wir erhalten
daher die wirklich benöthigte Kraft K' = 56,4 F . h + G — 56,4 F (h + A I) = G — 56,4 F . A I.
Soll hier wieder die Kraft beim Auf- und Niedergange des Kolbens gleich seyn, so
haben wir 56,4 F (G A + A I) — G = G — 56,4 F . A I, woraus G = 56,4 F folgt.
Man muss daher den Kolben so schwer machen oder so viel zulegen, als das Gewicht einer
Wassersäule beträgt, welche die Fläche des Kolbens zur Basis, die halbe Steighöhe aber
zur Höhe hat. Zu diesem Behufe legt man gewöhnlich auf den massiven Kolben oder auf den
Balancier M, welcher denselben herabdrückt, eine hinreichende Anzahl Gusseisen-Platten
auf. Wir sehen aber noch, dass dieses Zulagsgewicht nicht immer gleich bleiben wer-
de. Steht nämlich das Druckwerk, wie es gewöhnlich der Fall ist, in einem Flusse, wo es
durch die Kraft eines unterschlächtigen Wasserrades bewegt wird, so steigt der Wasserspiegel
[128]Kraft zur Bewegung einer Saug- und Druckpumpe.
Fig.
24.
Tab.
43.des Flusses bei verschiedenen Jahreszeiten; da aber das Wasser immer auf denselben Punkt
zu heben ist, so verändert sich die Höhe G A, demnach auch das Zulagsgewicht mit dem
Stande des Wassers; steigt das Wasser im Flusse, so wird G A, folglich auch das Zulagsge-
wicht kleiner, und im Gegentheile. In der Ausübung pflegen die Personen, weiche die
Aufsicht über ein solches Wasserwerk führen, ein oder mehrere Eisenplatten von dem
Kolben oder Balancier abzunehmen oder zuzulegen, bis der Kolben in gleicher Zeit hinauf-
und hinabgeht.
§. 95.
Nach diesen Grundsätzen kann man auch die Kraft berechnen, welche zur Bewe-
Fig.
25.
Tab.
43.gung einer vereinigten Saug- und Druckpumpe erfordert wird. Es be-
finde sich der Kolben wieder auf seiner mittleren Höhe in B, und die Maschine sey
wieder in vollkommenem Gange. Wird nun der Kolben in die Höhe gezogen, so hat die
Kraft K den Druck der Atmosphäre 56,4 F . h zu gewältigen, von unten folgt das Wasser
dem Kolben und drückt denselben in die Höhe. Da diess nur durch den Druck der
äussern Atmosphäre geschieht, und hierdurch das Wasser auf die Höhe I O gehoben wer-
den muss, so bleibt bloss ein Druck 56,4 F (h — I O) übrig, womit das Wasser von
unten an den Kolben drückt. Setzen wir nun noch das Gewicht des Kolbens sammt
Zulagsgewicht = G, so ist die Kraft beim Aufzuge desselben
= 56,4 F . h + G — 56,4 F (h — I O) = 56,4 F . I O + G.
Geht der Kolben herab, so öffnet sich das Ventil im Steigrohre, es hat daher die
Kraft die Wassersäule L G und den bei G wirkenden atmosphärischen Druck h zu über-
wältigen; wogegen der Druck der Atmosphäre auf den Kolben und das Gewicht G der
Kraft zu Hilfe kommt. Wir haben daher
K' = 56,4 F (L G + h) — 56,4 F . h — G = 56,4 F . L G — G.
Soll wieder die Kraft beim Aufziehen und Herabdrücken des Kolbens gleich seyn,
so haben wir 56,4 F . I O + G = 56,4 F . L G — G, woraus G = 56,4 F . Da die-
ses Zulagsgewicht von dem Höhenunterschiede L G — I O bestimmt wird, so sehen wir,
dass das vereinigte Saug- und Druckwerk vor dem einfachen Druckwerke den Vortheil
gewährt, dass es ein kleineres Zulagsgewicht fordert. Uibrigens gilt auch hier dieselbe Be-
merkung, dass sich dieses Gewicht, womit der Kolben beschwert werden muss, mit der
Höhe des Wasserstandes in einem Flusse ändert.
§. 96.
Ein Kunstsatz in den Bergwerken besteht aus einem Saugrohre AB, welches
Fig.
1.
Tab.
44.aus Lerchen- oder Kiefernholz gebohrt, und wegen der nothwendigen Festigkeit hinrei-
chend mit eisernen Ringen beschlagen wird. Auf dasselbe wird das Saugventil bei a ange-
nagelt, und hierauf das Kolbenrohr B G, dessen Durchmesser immer grösser ist, befestiget.
Das Kolben- und Saugrohr werden mittelst eines sogenannten Stöckels C B mitsammen ver-
bunden; diess ist ein rundes ausgebohrtes mit eisernen Reifen beschlagenes Holzstück, in
welches die zwei Röhren eingesetzt, und darin gut verkeilt werden. Bei einem niedern
Satze hat das Saugrohr höchstens 24 Fuss, und das Kolbenrohr bis zum Ausfluss des
Wassers 4 Fuss Höhe; das Wasser wird sonach auf 28 Fuss Höhe mit einer solchen
[129]Konstrukzion der Kunstsätze.
Pumpe gehoben. Bei den hohen Sätzen wird jener Theil a b des Kolbenrohres,Fig.
1.
Tab.
44.
worin sich der Kolben bewegt, von Eisen oder Metall verfertiget, hierauf aber ein
oder mehrere hölzerne Aufsatzröhren E F aufgesteckt; diese Röhren werden, wie der
Durchschnitt bei F zeigt, keilförmig in einander geschoben, das metallene Kolbenrohr
aber mit dem Saugrohre und den hölzernen Aufsatzröhren abermals durch Stöckeln
B C und D E verbunden. Diese Aufsatzröhren E F sind gewöhnlich 2 Klafter lang,
und werden ebenfalls mit mehreren eisernen Ringen versehen; der Durchmesser der-
selben ist eben so gross, als jener des metallenen Kolbenrohres. Die Höhe der Saug-
röhre A B bei hohen Bergwerkssätzen beträgt nur 8 bis 12 Fuss, der Kolbenhub 6 Fuss,
die Höhe des metallenen Kolbenrohres a b ist 8 Fuss und die Höhe, auf welche das
Wasser gehoben wird, oder der Abstand m n der beiden Wasserspiegel 15 bis 16 Klafter.
(Siehe Anleitung zu der Bergbaukunst von Delius, Wien 1773, Seite 322.) Die Höhe
eines mittleren Satzes beträgt nur 8 bis 10 Klafter. Um die metallene Kolben-
röhre in ihrer senkrechten Lage festzuhalten, sind an dieselbe 2 oder 4 herausstehende
Arme o, o' angegossen, die in der Schachtzimmerung befestiget sind; das Saugrohr und
die Aufsatzröhren werden durch Spreizen in der Zimmerung gleichfalls befestiget.
Bei Grundbauen, wo das Wasser nicht über 18 Fuss Höhe zu fördern ist, bedientFig.
28
und
29.
Tab.
43.
man sich gewöhnlich hölzerner Pumpen, die aus viereckigen Bohlen gut zusammen-
gefügt werden und Fig. 28 und 29 dargestellt sind. Das Saugrohr bleibt hier gewöhn-
lich weg und die Pumpe besteht bloss aus einem viereckigen Kolbenrohre, an dessen
unterm Ende ein Seiher und das Saugventil angebracht ist; der Kolben ist ebenfalls
viereckig und wird aus einem Stabe oder hölzernen Klotze verfertiget, der an seinem
untern Theile abgerundet wird, damit das Wasser leichter durchfliessen könne. Inwen-
dig ist ein Klappenventil angebracht. Solcher Pumpen werden immer 2 gegen einander
gestellt, und gemeinschaftlich bewegt, so dass, wenn ein Kolben herabgeht, der andere
aufgezogen wird. Das gehobene Wasser läuft durch eine gemeinschaftliche Rinne ab.
§. 97.
Es gibt verschiedene Gattungen Ventile, welche mehr oder minder dem
Zwecke entsprechen, das Wasser beim Ansaugen gehörig durchzulassen, und sich beim
Herabgehen des Kolbens sogleich luft- und wasserdicht zu schliessen. Die gewöhnlichste
Gattung der Ventile sind die einfachen Klappenventile; sie bestehen aus einer
oder zwei Scheiben starkem, vor seinem Gebrauche in einer heissen Mischung von Talg,
Oehl und Theer getränkten Leder, welches zwischen zwei Platten von Kupfer oder Eisen,
wovon die obere etwas grösser, die untere etwas kleiner als die Querschnittsfläche des
Saugrohrs ist, mittelst einer durchgehenden Schraube hiemit verbunden wird. Das
Leder wird mittelst eines hervorstehenden Lappens auf die obere Fläche des Saug-
rohres angenagelt.
Eine verbesserte Art dieser Ventile ist aus dem Durchschnitte Fig. 2 und dem Grund-Fig.
2
und
3.
Tab.
44.
risse Fig. 3 ersichtlich. Es besteht gleichfalls aus einer Scheibe a b von hinreichend star-
kem Leder, worauf oben ein konisch abgedrehtes Stück Holz c d, unten aber eine schwä-
chere Platte e f von Eisen, die wieder etwas kleiner als die Querschnittsfläche des Saug-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 17
[130]Konstrukzion der Ventile.
Fig.
2
und
3.
Tab.
44.rohres ist, befestiget wird. Diese Verbindung geschieht durch die in der Mitte durch-
gehende Schraube g h oder durch einen unten verkeilten eisernen Bolzen. Das Leder
wird bei a an das Saugrohr angenagelt. Damit bei dem häufigen Heben der Klappen die
Nägel keine Einschnitte in das Leder machen, legt man auf dasselbe einen starken eisernen
Blechstreifen m n, der dort, wo sich das Leder anlegt, abgerundet ist, und schlägt die
Nägel durch die hierin angebrachten Oeffnungen in das Saugrohr ein. Das obere koni-
sche Holz muss eine solche Höhe erhalten, damit das Ventil beim Aufgehen sich nicht
rückwärts an die Kolbenröhre anlehne und geöffnet stehen bleibe.
4
und
5.
Sind die Saugröhren von grösserem Durchmesser, so werden doppelte Klappen-
ventile angebracht; es geht nämlich in diesem Falle eine eiserne Platte a b (der Steg)
quer über das Saugrohr, woran die 2 Ventile, wie der Grundriss und Durchschnitt zeigt,
befestiget sind. Damit die Klappen sich nicht zu weit öffnen und nicht etwa in der
vertikalen Lage stehen bleiben, befindet sich in der Mitte des Steges ein aufrecht stehen-
der Bolzen c d. Aus dieser Figur wird zugleich ersichtlich, wie ein metallenes Saugrohr
mit einem metallenen Kolbenrohre verbunden wird. Beide Röhren werden nämlich im
Gusse mit kreisrunden Rändern e e, e' e' versehen, zwischen welche eine metallene Scheibe
g h, an der der Steg angegossen ist, und beiderseits an dieser Scheibe eine starke Scheibe
von Leder, die in der Mitte gehörig ausgeschnitten ist, aufgelegt und mit Schrauben
m, m, .... gut angezogen wird, damit die Verbindung der Röhren sowohl luft- als was-
serdicht werde.
6
und
7.
Das Kegelventil besteht aus einem abgekürzten hohlen Kegel a b von Metall,
welcher an dem runden Stiele c befestiget ist. Dieser Stiel geht durch den Steg d e und
an dem untern Ende des erstern ist eine Schraube f angebracht, welche verhindert, dass
sich das Ventil mehr hebe, als gerade erfordert wird. Der Steg ist hier abermals mit
der mittlern Eisenplatte g h aus einem Stücke gegossen. Bei geöffnetem Ventile muss der
Raum für den Durchfluss des Wassers so gross als der Querschnitt der Saugröhre seyn.
Nennen wir den Halbmesser des Saugrohrs = r, und die Höhe, auf welche das Ventil
gehoben wird = x, so mus π . r2 = 2 π . r . x und x = seyn, d. h. das Ventil muss we-
nigstens so viel gehoben werden, als der vierte Teil des Durchmessers des Saugrohrs be-
trägt. Damit das Ventil luft- und wasserdicht schliesse, muss der hohle Kegel in die
darunter liegende Platte oder den Teller genau passen und daher eingerieben werden.
8
und
9.
Das Muschelventil besteht aus einem hohlen Kugelabschnitt, welcher abermals
genau in den ausgeschliffenen metallenen Teller passt. Fig. 8 zeigt dieses Ventil mit
einem oberhalb angebrachten Stiele, der wieder durch einen Steg geführt ist.
Kugelventile bestehen aus einer hohlen, metallenen, gut abgedrehten und frei
aufliegenden Kugel, welche in ein ausgeschliffenes Kugelsegment genau passt. Da es
jedoch sehr schwierig ist, eine Kugel vollkommen genau abzudrehen und ihr das gehörige
Gewicht zu geben, um dem Wasser bei dem Durchfliessen keinen zu grossen Widerstand
entgegen zu setzen, so wird das Kugelventil nur selten gebraucht, wogegen Kegelventile
und vorzüglich Klappenventile allgemein im Gebrauche sind.
[131]Konstrukzion der Kolben.
§. 98.
Die Konstrukzion der Kolben ist eben so verschiedenartig als jene derFig.
10.
Tab.
44.
Ventile. Die Kolben bei Saugwerken müssen hinreichend fest gebaut und mit einer
gehörigen Oeffnung und gut passendem Ventil versehen seyn, damit das Wasser durch
den Kolben ohne Anstand dringen könne, und wenn es sich über demselben befindet,
nicht wieder zurückfliesse. Die gewöhnlichste Art Kolben ist Fig. 10 dargestellt; derselbe
besteht aus einem hölzernen Zylinder, durch welchen der Bügel b a b' geht, der durch
die Absätze c, c' und unten bei b und b' durch Schrauben an den Kolben befestiget ist.
In diesem gabelförmigen Bügel wird oben bei a die eiserne Kolbenstange eingehängt.
Das hervorstehende Leder des Klappenventils wird durch den Bügel c am Kolben befe-
stigt und daher nicht weiter angenagelt. Der hölzerne Zylinder ist bei d, d' schräg ein-
gedreht, und es wird daselbst ein lederner Streifen d e e' d' ringsherum angenagelt und
mit seinen beiden Enden zusammengenäht. Dieser Streifen Leder reibt sich nun an der
innern Fläche des Kolbenrohres und muss damit luft- und wasserdicht schliessen. Wir
sehen aus dem Durchschnitte, dass das hervorstehende Leder bei dem Aufzuge des Kol-
bens vom Wasser an die Fläche des Kolbenrohres angedrückt werde und dadurch einen
genauen Schluss bewirke.
Für Saugwerke von grösserem Durchmesser braucht man Kolben mit doppel-Fig.
11.
tem Klappenventile. Der Kern des Kolbens ist hier gewöhnlich von Gusseisen,
wie diess meistens bei den englischen Pumpen der Fall ist; der lederne Streifen d e e' d'
wird durch einen eisernen, von innen abgeschrägten, gut angetriebenen Ring m m' an
dem Kolben festgehalten. Wie der Stiel des Kolbens mit der Kolbenstange durch Ver-
zahnung verbunden wird, zeigt die Figur.
Sollen heisse Flüssigkeiten gepumpt werden, so kann man sich keines LedersFig.
12
und
13.
bei dem Ventile bedienen, man bringt daher ein Scheibenventil an dem Kolben an;
dasselbe wird nämlich von Metall verfertigt und hierin 5 oder 6 Oeffnungen angebracht.
Eine bewegliche metallene Scheibe a b, welche sehr gut auf die zylindrisch abgedrehte
Kolbenstange passt und eben so genau an den Kolben anschliesst, hebt sich bei dem
Durchgange der Flüssigkeit bis zu dem Ansatz c d in die Höhe und fällt wieder hinab,
wenn der Kolben hinaufsteigt. Der äussere Umfang des Kolbens wird mit Werg e f g h,
welches früher in Talg getränkt wurde, umwickelt.
§. 99.
Die Kolben für Druckwerke werden auch auf verschiedene Art konstruirt.Fig.
14.
Die einfachste Art besteht in mehreren übereinander liegenden Scheiben von Leder oder
Filz, welche durch zwei eiserne Platten a b, c d mittelst eines verschraubten oder verkeil-
ten Bolzens e f, woran die Kolbenstange befestiget wird, zusammengehalten werden.
Bei dieser Art Kolben ist jedoch die Reibung anfangs ausserordentlich gross, und wenn
sie etwas abgenützt sind, lassen sie für das zu hebende Wasser einen zu grossen Spiel-
raum. In dieser Hinsicht ist es zweckmässiger, zwischen die zwei metallenen Scheiben
Hanf oder locker gedrehte hanfene Stricke zu wickeln, weil der Hanf anquillt, und da-
durch um so besser an die Kolbenfläche anschliesst.
17*
[132]Konstrukzion der Kolben.
15.
Tab.
44.
Diese Kolben werden auch von Holz oder Metall gemacht, und ein Stück Leder a b c d
ringsherum so angenagelt, dass es zu beiden Seiten hervorsteht, und sich sowohl oben
als unten an das Kolbenrohr anschliesst.
16.
Zweckmässiger ist die Konstrukzion des Kolbens, wenn zwei Stücke Leder gebraucht
werden, wovon das eine a b c d unter rechtem Winkel um eine eiserne runde Platte
e b c f aufwärts, und das andere g h i auf gleiche Art abwärts gebogen ist. Zwischen
denselben liegt dann noch eine Platte k l starkes Leder, und das Ganze wird durch
einen starken Bolzen m n zusammengezogen. Das Leder muss hier wie bei den andern
Kolben mit Oehl und Talg gut eingeschmiert werden.
17.
In neueren Zeiten hat man sich einer verbesserten Art von Kolben bedient, welche
zuerst bei der Bramah’schen Presse in Anwendung gekommen ist. Dieselbe ist Fig. 17
dargestellt. Die Liederung ist hier nicht an den Kolben angebracht, sondern sie ist
am obern Ende des Kolbenrohres befestiget, während der Kolben selbst bloss
aus einem metallenen gut abgedrehten Zylinder besteht, der bei dem Gange der
Maschine auf- und abgezogen wird. Auf das Kolbenrohr wird in diesem Falle ein me-
tallener Deckel mit Rändern a b c a' b' c' aufgelegt; dazwischen werden 2 oder mehrere
lederne Scheiben d b e d' b' e', d f d' f' eingelegt und auf- und abwärts umgeschlagen; sodann
werden die eisernen Ränder des Kolbenrohres und Deckels durch Schrauben zusammen-
gezogen. Diese Kolbenliederung hat den Vortheil, dass wenn auch das Leder durch die
Bewegung des fest angepressten Kolbens sich nach einiger Zeit auslauft, doch das schlapp-
gewordene Leder vom Wasser angedrückt und auf solche Art der sichere Schluss des
Kolbens durch eine längere Zeit unterhalten wird. Wir werden eine noch bessere Lie-
derung dieser Art im nächsten §. bei der Beschreibung der Brahmah’schen Presse ken-
nen lernen.
18
bis
20.
Da es nothwendig wird, zeitweise den Ventilen nachzusehen, um Reparaturen daran
vorzunehmen, und da es zu beschwerlich wäre, immer das Saugrohr von dem Kolben-
rohre abzuschrauben, um dem Saugventil nachzusehen oder den Kolben ganz heraus-
zuziehen, um das Kolbenventil zu verbessern, so wird es nothwendig, auch hiefür eine
zweckmässige Vorrichtung anzubringen. Dieselbe ist Fig. 18 bis 20 bei der ganz aus
Gusseisen nach englischer Art dargestellten Saugpumpe ersichtlich; man bringt näm-
lich am obern Ende des Saugrohres, und am obern Ende des Kolbenrohres einen Zwischen-
satz A B C D and E F G H an, wobei die vordere Platte D C und H G abgeschraubt wer-
den kann. Die Oeffnung, welche durch die Abnehmung dieser Platte entsteht, muss
jedoch so gross seyn, damit man sowohl dem Saug- als Kolbenventile gut beikommen, sie
nöthigenfalls herausnehmen und dagegen neue Ventile einsetzen, sonach den Gang der
Pumpe sogleich wieder herstellen könne. Bei dieser Pumpe ist unterhalb ein Seiher an-
gebracht, um die Unreinigkeiten des Wassers abzuhalten, und oberhalb desselben befin-
det sich eine Zapfenöffnung K, wodurch der allenfalls hineingekommene Sand heraus-
geräumt werden kann.
§. 100.
Die Brahmah’sche Presse, deren Prinzip wir bereits §. 6 angegeben haben, ist mit
ihrem Detail auf der 45sten Tafel dargestellt. Sie besteht aus einem gusseisernen Gerüste
[133]Bramah’sche Wasserpresse.
L M, L' M', das in der Längenansicht Fig. 1, der vordern Ansicht Fig. 3, dann im Grund-Fig.
1 bis
11.
Tab.
45.
risse Fig. 2 ersichtlich ist, und Fig. 11 besonders dargestellt wurde. Auf demselben ruht
eine ebenfalls gusseiserne sehr starke Platte G H, welche Fig. 9 und 10 besonders darge-
stellt ist. In dieser Platte hängt der Stiefel N N' O O', und es ist auf derselben das ei-
serne Gerüste G I K H befestiget, worin die zu pressenden Gegenstände zwischen die Press-
platte E F, und die oben befestigte Platte I K zu liegen kommen. Die letztere hat oben
eine starke Rippe, die bewegliche Pressplatte E F aber, welche Fig. 6, 7 und 8 besonders
dargestellt ist, wird zur Verstärkung derselben unten mit zwei kreuzweise angegossenen
Rippen versehen. Da bei dem Pressen des geschöpften Papieres und anderer Körper,
Flüssigkeiten ablaufen, so ist die bewegliche Pressplatte, wie der Grundriss Fig. 6 zeigt,
mit einer ringsherum laufenden Rinne a a' a'' a''', und einem Rohre b versehen, woraus
die Flüssigkeit in ein untergestelltes Gefäss ablauft.
Das Kolbenrohr oder der Stiefel N N' O O' muss wie alle übrigen Theile der Ma-
schine hinreichend stark von Gusseisen verfertigt werden; es erhält die Gestalt, welche
am deutlichsten aus dem Längendurchschnitte Fig. 4 ersichtlich ist. In diesem Stiefel
wird der genau abgedrehte zylindrische Kolben durch den Druck des eingepumpten Was-
sers aufwärts gegen die Pressplatte gedrückt. Der Kolben ist bei kleinen Pressen mas-
siv; ist er aber sehr gross, so besteht er aus einem starken hohlen Rohre, welches oben
und unten durch angeschraubte Deckel geschlossen wird. Die Liederung des Kolbens,
welche Fig. 4 dargestellt ist, beruht zwar auf den Grundsätzen der Bramah’schen Liede-
rung, ist jedoch auf unserer Kupfertafel verbessert nach jener Art dargestellt worden,
welche bei der Abänderung des Wasserdruckwerkes zu St. Peter in Prag im Jahre 1829
angenommen wurde. Auf den Stiefel wird nämlich eine metallene Scheibe c c gelegt, an
welche ein hohler Cylinder c' c'' von derselben Grösse wie der massive Kolben angegos-
sen ist. In dem Raume c'' d wird ringsherum Hanf oder Lederabschnitzeln eingelegt.
Wird nun der Deckel durch die Schrauben bei c, c angezogen, so wird der Hanf oder
die Lederabschnitte zusammengedrückt, und zugleich gegen die untere schiefe Fläche,
demnach an den massiven Kolben gedrückt, und eine vollkommene Liederung bewirkt.
Wenn sich aber diese Liederung durch den Gebrauch abwetzt, und das Wasser durch-
zulassen anfängt, so brauchen nur die Schrauben c, c wieder angezogen zu werden, um
die Liederung wasserdicht zu machen. Bei dem genannten Wasserdruckwerk in Prag
ist diese Liederung seit beinahe zwei Jahren im ununterbrochenen Gange, und es wurde
bisher keine Erneuerung derselben erfordert.
Der Stiefel steht durch das Rohr P P' Q R S mit der Saug- und Druckpumpe S T in Ver-
bindung. Diese steht in dem Wasserkasten U U' U'' U''', worüber eine starke Querplatte
S S' geht, an welche die Pumpe eingehängt und angeschraubt ist, wie der Querschnitt
Fig. 4 bei e e' zeigt. Durch den Seiher T werden die im Wasser enthaltenen Unreinig-
keiten vom Eindringen in die Pumpe abgehalten. Das Saugventil liegt am untern Ende
des Saugrohres oberhalb des Seihers. Die Kolbenstange ist im obern Theile der Saug-
röhre auf ähnliche Art geliedert, wie diess bei dem grossen Kolben der Fall ist. Es ist
hier abermals eine Platte f f' aufgeschraubt, die den darunter eingelegten Hanf an den
Kolben anpresst, und durch Schrauben angezogen werden kann.
[134]Bramah’sche Wasserpresse.
1 bis
11.
Tab.
45.
Geht der Kolben g h herab, so schliesst sich das untere Saugventil, das im Behält-
nisse R Q angebrachte Kegelventil x wird gehoben, und das Wasser dringt durch das Rohr
Q P' P in den Stiefel, von wo es nicht zurück kann, weil das Ventil x sich sogleich
schliesst, wenn der Kolben h g aufgezogen wird, um neues Wasser anzusaugen. Da es
möglich ist, dass das Rohr oder der Stiefel bei übermässigen Einpumpen durch den
Druck des Wassers zerspringen würde, so wird auf das Behältniss R Q, Fig. 2, 3 und 5
(letztere im doppelten Masse) ein Sicherheitsventil aufgelegt. Dieses besteht aus
einem bei i befestigten Hebel der zweiten Art i l, welcher bei k durch einen konischen
Zapfen das Wasserbehältniss R Q schliesst, und durch den Druck des bei l angehängten
Gewichtes herabgedrückt wird. Der Deutlichkeit halber wurde Fig. 3 der Hebel i l in
der aufgehobenen und Fig. 5 in der aufruhenden Lage dargestellt. Dieses Sicherheits-
ventil hat den Zweck, dass in dem Falle, wenn der Druck auf die Wände, folglich
auch auf das Ventil zu gross würde, der Zapfen bei k gehoben werde, und das Wasser
herausdringen könne. An das Behältniss R Q ist das Rohr m n befestiget und vorn
bei n mit einem Deckel zugeschraubt; wird dieser Deckel abgenommen, so gibt die
Presse nach, und es wird das Wasser durch den Druck des massiven Hauptkolbens heraus-
gedrückt, es fliesst daher aus dem Stiefel durch das Rohr P P' Q m n bei n in das grosse
Behältniss U U' U'' U''' ab.
Es bleibt nun noch übrig, die Bewegung des kleinen Kolbens g h zu erklären.
Diese geschieht durch den Hebel W W'. Da aber derselbe bei W aufliegt, folglich in
allen übrigen Punkten Kreise beschreibt, so würde durch die Befestigung des Kolbens
an den Hebel mittelst eines Stiftes bei o (Fig. 3) die Kolbenstange derselben Kreis-
bewegung folgen müssen, folglich durch ihre Hin- und Herbewegung kein vollkomme-
ner Schluss an die Liederung Statt finden können. Um dieses zu vermeiden, dient
der Rahmen t u w w' y, (Fig. 1) welcher an seinem untern Ende mit der Kolbenstange
fest verbunden, und oben durch die Stütze Z geführt ist. Innerhalb dieses Rahmens
befindet sich das Gehänge s r o' t' o'', welches unten durch die Achse o' o'' mit dem
Hebel W W' verbunden ist, und oben mittelst der Achse w' w in den Rahmen eingehängt
ist. Durch diese Vorrichtung wird die kreisförmige Bewegung von der Achse w w'
aufgenommen, und mittelst dieser Achse die Kolbenstange vollkommen senkrecht auf-
und abwärts bewegt.
[135]
III. Kapitel.
Freier Ausfluss des Wassers durch Oeffnungen.
§. 101.
Die Hydraulik handelt von den Gesetzen der Bewegung der tropfbaren Flüs-
sigkeiten, als Wasser, Weingeist, Quecksilber u. dgl. m.; und ist in dieser Hinsicht
für die flüssigen Körper dasselbe, was die Mechanik für die festen Körper ist. Ob-
wohl zu den tropfbar flüssigen Körpern auch die zähen Flüssigkeiten gerechnet wer-
den, so müssen wir doch zur grösseren Deutlichkeit die vollkommen Flüssigen voraus-
gehen lassen, und die Abweichungen, welche bei den letztern angetroffen werden, unter
den Widerständen der Bewegung anführen.
Der einfachste Fall, welcher hier zuerst behandelt wird, ist der Ausfluss des
Wassers durch Oeffnungen in den Wänden der Gefässe. Wenn am Bo-
den oder in der Seitenwand eines grossen Gefässes eine kleine Oeffnung gemacht,Fig.
1
und
2.
Tab.
46.
diese mit einem Spund oder Zapfen wasserdicht verschlossen und sodann das Gefäss
mit Wasser angefüllt wird, so drückt das letztere gemäss §. 14. der Hydrostatik an
alle Punkte der Wände, welche seinen Abfluss hindern, mit einer Kraft, die dem Ge-
wichte einer Wassersäule gleich ist, welche die entgegenstehende oder gedrückte Fläche
zur Grundfläche und die Höhe des Wasserstandes von der Oberfläche bis zum Mittelpunkte
der Oeffnung zur Höhe hat. Wird dieser Spund oder Zapfen herausgezogen, oder die
den Ausfluss hindernde Fläche weggenommen, so strömt das Wasser mit derselben
Kraft aus, mit welcher es vorher an den Spund, der seine Bewegung aufgehalten hat,
angedrückt wurde. Die ausfliessende Wassermenge ist demnach um so grösser, je grösser
die geöffnete Fläche und je höher der Wasserstand über der Oeffnung ist, bis zu wel-
chem das Gefäss angefüllt war. Um ein bestimmtes Mass für diesen Ausfluss anzugeben,
wollen wir die Fläche der Oeffnung oder die Querschnittsfläche des Wasserstrahles = f
und die Geschwindigkeit des ausfliessenden Wassers oder den Raum, wie weit sich das-
selbe gleichförmig oder in der angenommenen Richtung in 1 Sekunde von der Oeffnung
entfernt = c setzen, so leuchtet von selbst ein, dass die in jeder Sekunde ausfliessende
Wassermenge so gross sey, als der kubische Inhalt eines Prisma oder zylindrischen Kör-
pers, welcher die Querschnittsfläche f des ausfliessenden Wasserstrahles zur Grundfläche
und die Geschwindigkeit c zur Höhe oder Länge hat. Wenn demnach das Wasser
bei unveränderter Geschwindigkeit durch eine Zeit von t Sekunden auszulaufen fort-
fährt, so wird die während dieser Zeit ausfliessende Wassermenge M = f . c . t seyn.
[136]Freier Ausfluss des Wassers durch kleine Oeffnungen.
§. 102.
Da die Messung der Fläche der Ausflussöffnung nach den Regeln der Geometrie vor-
genommen wird und keinen Anständen unterliegt, so handelt es sich nur noch um die
Bestimmung der Geschwindigkeit c. Hierzu dienen vorzüglich 3 Methoden: die erste
Methode wurde von Torricelli versucht. Derselbe brachte nämlich an der Seite eines
Fig.
3.
Tab.
46.Gefässes ein horizontales kurzes Rohr und in demselben eine kleine aufwärts gerich-
tete Oeffnung a an, und beobachtete, dass der aufsteigende Wasserstrahl beinahe dieselbe
Höhe erreichte, bei welcher der Wasserspiegel im Gefässe stand. Da nun hier das Was-
ser als ein schwerer, durch den Druck des im Gefässe befindlichen Wasserstandes in die
Höhe geworfener Körper betrachtet werden kann, so muss es auch den Gesetzen, welche
wir hierüber im VIten Kapitel der Mechanik fester Körper aufgestellt haben, folgen. Wird
nämlich ein schwerer Körper senkrecht in die Höhe geworfen, oder über die schiefe
Fig.
7.
Tab.
28.Fläche A C von A aus herabgelassen, so steigt derselbe an der andern Seite auf die gleiche
Höhe E G = J C = A I, von welcher er herabgelaufen war. Da nun die Geschwindigkeit,
welche der Körper durch den freien Fall oder durch das Herablaufen über die schiefe
Fläche von der Höhe A I = J C = E G = h erhält, nach §. 512. = 2 √ g . h ist, so folgt,
dass auch die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser bei a aus dem Gefässe ausgetreten
ist = 2 √ g . m n = 2 √ g . h seyn müsse *)
Die Ursache, warum das Wasser die Höhe des Wasserspiegels im Gefässe nicht
erreicht, liegt in mehreren Umständen, wovon der Widerstand der Luft und die Reibung
an den Wänden der Ausflussröhre die vorzüglichsten sind. Man hat gefunden, dass das
Wasser höher steigt, wenn der Strahl dicker ist und wenn er nicht vollkommen senkrecht
in die Höhe geht, demnach das aufsteigende Wasser durch dasjenige, welches wieder
[137]Ausfluss des Wassers durch kleine Oeffnungen.
zurückfällt, in seiner Bahn nicht verhindert wird. Wenn man daher bei diesem Versuche
den Wasserstrahl etwas schief ausströmen lässt, so steigt das Wasser beinahe auf die Höhe
h und wir können c = 2 √ g . h setzen. — Toricelli war der erste, welcher in seiner im
J. 1644 erschienenen Abhandlung „Del moto dei gravi“ den Satz, dass sich die Ge-
schwindigkeiten, wie die Quadratwurzeln aus den Druckhöhen verhalten, aufstellte.
§. 103.
Eine zweite Art die Geschwindigkeit des ausfliessenden Wassers zu bestimmen,
lässt sich aus dem Masse des horizontalen Raumes und der Tiefe des Ortes ableiten,
wo der ausfliessende Wasserstrahl auffällt. Da die Wassertheile schwer sind, demnach bei
ihrer freien Bewegung den Gesetzen der Schwere unterliegen, so beschreibt das aus-
fliessende Wasser dieselbe parabolische Bahn, die wir für alle schweren Körper im VIten
Kapitel der Mechanik umständlich angegeben und den Ort des geworfenen Körpers für
jede Zeit zu berechnen gelehrt haben. Nennen wir nämlich die Geschwindigkeit, wo-Fig.
4.
Tab.
46.
mit das Wasser aus der Oeffnung fliesst = c, so würde dasselbe, wenn die Schwere
keine Wirkung auf den Wasserstrahl hätte, sich in der horizontalen Linie A B fortbe-
wegen und in der Zeit t den Raum A B = b = c . t beschreiben. Weil aber die Schwere
auf den Strahl wirkt, so wird derselbe in der gleichen Zeit t um den Raum
A E = a = g . t2 senkrecht herabgezogen. Da man nun für den Ort N, wo der Strahl
nach t Sekunden auffällt, sowohl den horizontalen Raum A B = E N = b als auch die
Tiefe A E = a messen kann, so lässt sich hieraus sowohl die Zeit t, in welcher der
Bogen A N beschrieben wird, als auch die Geschwindigkeit c, mit welcher das Wasser
bei A aus dem Gefässe ausfloss, berechnen. Es ist nämlich t = √ und substituirt,
c = = b . √ , woraus folgt. Wenn man daher das Quadrat der horizon-
talen Entfernung durch die vierfache Fallhöhe dividirt, erhält man die Geschwindig-
keitshöhe , welche immer der Druckhöhe oder der Wasserstandshöhe über der Mitte
der Ausflussöffnung beinahe gleich ist.
Um hierüber ein Beispiel zu geben, wird in den Vorlesungen am technischen
Institute zu Prag ein mit Wasser angefülltes kupfernes Gefäss gezeigt, in welchem 4 Oeff-
nungen m, n, o, p auf verschiedenen Höhen angebracht sind. Die unterste OeffnungFig.
5.
befindet sich 15 Zoll = 5/4 Fuss unter der Oberfläche des Wassers. Dieses Gefäss wird
auf ein Stativ in eine horizontale Wanne gestellt, in welcher ein, in Zolle und Linien ge-
theilter Masstab zur Messung der Sprungweite angebracht ist. Die Tiefe des Masstabes
unterhalb der untersten Oeffnung des Gefässes beträgt 6 Zoll 11 Linien. Wird nun der
Zapfen aus dieser Oeffnung herausgezogen, so fällt der Strahl auf dem Masstabe in
der Entfernung von 16,5 Zoll auf, welche aber nach Massgabe des Wasserausflusses und der
dadurch verminderten Druckhöhe immer geringer wird. Wir haben daher für den Anfang
des Ausflusses a = 6″ 11‴ und b = 16,5″, woraus h = = 9,84″ = 9″ 10‴ folgt, wogegen im
Versuche die Höhe des Wasserstandes h = 11″ 9‴ gefunden wurde. Nachstehende Tabelle
Gerstner’s Mechanik. Band II. 18
[138]Ausfluss des Wassers durch kleine Oeffnungen.
enthält die Resultate der Versuche mit dem beschriebenen Modelle, welche sich bei dem
Ausflusse des Wassers auf den verschiedenen Höhen ergaben:
Man ersieht hieraus, dass der Unterschied der berechneten Geschwindigkeitshöhe
von der wahren Druckhöhe h um 0,5 bis beinahe 2 Zoll abweicht, welches wie
im vorigen §. angeführt wurde, theils von dem Widerstande der Luft und theils von
jenem Widerstande herrührt, welchen das ausfliessende Wasser an der Peripherie der
Oeffnung erfährt; der letzte hat bei so kleinen Gefässen immer ein bedeutenderes
Verhältniss, als wenn die Versuche mit grösseren Gefässen und grössern Oeffnungen
angestellt werden, wie es aus den nachfolgenden Erklärungen über den Ausfluss des
Wassers durch Röhren deutlicher werden wird. Wir können demnach auch aus den
Versuchen dieser Art zur Bestimmung der Geschwindigkeit c bei der Druckhöhe h die
Gleichung c = 2 √ g . h folgern.
§. 104.
Eine dritte Methode die Geschwindigkeit des aus einem Gefässe ausfliessenden
Wassers zu finden, besteht darin, dass man die Wassermenge M, welche in der be-
stimmten Zeit t durch die Oeffnung f ausfliesst, in einem Gefässe auffängt und den
kubischen Inhalt derselben misst. Wird diese Wassermenge M mit f . t dividirt, so sollte
man hieraus nach der Gleichung c = dieselbe Geschwindigkeit c wie bei den frühern
zwei Methoden finden. Man hat jedoch bei einem jeden Versuche dieser Art ein sehr
abweichendes Resultat erhalten *)
[139]Bahn des ausfliessenden Wassers.
Zur Erklärung dieses auffallenden Unterschieds hat Newton zuerst die Gestalt des
ausfliessenden Wasserstrahles näher untersucht und gefunden, dass derselbe sich ausser-
*)
18*
[140]Bahn des ausfliessenden Wassers.
halb der Oeffnung zusammenzieht und dass sonach die aus einem Gefässe wirklich
ausfliessende Wassermenge nur aus der Fläche des zusammengezogenen Strahles zu be-
*)
[141]Bahn des ausfliessenden Wassers.
rechnen sey. In diesem Strahle fand Newton wirklich die Geschwindigkeit c = 2 √ g.h;
demnach wird auch die Richtigkeit dieser Formel durch die dritte Methode bestätigt.
*)
[142]Bahn des ausfliessenden Wassers.
Newton (philosophiae naturalis principia mathematica lib. II. propositio XXXVI)
fand die Dicke des Wasserstrahles, welcher aus einer ⅝ Zoll weiten vertikalen Oeffnung
*)
[143]Bahn des ausfliessenden Wassers.
ausströmte, auf der Entfernung von ½ Zoll von der Oeffnung = Zoll. Hiernach ver-
hält sich die Fläche der Oeffnung zur Fläche des zusammengezogenen Wasserstrahls
= = 1 : 0,7056.
[144]Bahn des ausfliessenden Wassers.
Nebst Newton haben über diesen Gegenstand viele andere Schriftsteller, als Poleni,
Daniel Bernoulli, du Buat, Bossut, Langsdorf, Vince, Michelotti, Hachette und
Eytelwein Versuche gemacht, und auf diese Art gefunden, wie gross die ausfliessende
Menge für eine jede Gattung Oeffnungen sey.
§. 105.
Der einfachste hierher gehörige Fall tritt dann ein, wenn die Ausflussöffnung
in einer dünnen Wand oder metallenen Platte angebracht ist, sonach die
Richtung des ausfliessenden Wassers mit dieser Platte einen rechten Winkel bildet.
Die Zusammenziehung beträgt hier am meisten und da Versuche dieser Art am leich-
testen anzustellen sind, so besitzen wir auch die meisten über diesen Fall.
Der Abbé Bossut führt im II. Bande seiner im Jahre 1787 erschienenen Hydrody-
namik §. 449 und ff. mehrere Versuche an, welche derselbe über den Ausfluss des Was-
*)
[145]Ausfluss aus Oeffnungen in dünnen Wänden.
sers aus Oeffnungen in kupfernen Platten von ½ Linie Dicke anstellte. Das Gefäss, an
welchem diese Platten angebracht wurden, war 12 par. Fuss hoch, 3 par. Fuss breit und
eben so lang. Die Resultate seiner Versuche sind in der folgenden Tabelle enthalten,
in welcher wir die vorletzte Kolumne nach der Gleichung M = f . t . 2 √ g . h berechnet
und hierbei für Paris g = 15,098 par. Fuss, dann das Verhältniss der Peripherie zum Durch-
messer π = 3,1416 gesetzt haben. Das Verhältniss der, für die volle Ausflussöffnung be-
rechneten Wassermenge zu der wirklich ausgeflossenen ist in der letzten Kolumne
ersichtlich.
§. 106.
Herr Abbé Bossut gibt im §. 488 seines Werkes eine Tabelle, welche die Ausfluss-
mengen des Wassers aus einer Oeffnung von 1 Zoll Durchmesser in einer dünnen Platte
für verschiedene Druckhöhen enthält. Wir haben in dieser Tabelle in der 4ten Ko-
lumne das Verhältniss der für die ganze Ausflussöffnung nach der Formel
M = f . t . 2 √ g . h = 1728 . (1/12)2 . . 60 . 2 √ (15,098 h) = 4394,54 √ h berechneten Wasser-
menge mit der aus der Erfahrung gefundenen beigefügt:
Gerstner’s Mechanik. Band II. 19
[146]Ausfluss aus Oeffnungen in dünnen Wänden.
Diese Versuche zeigen, dass bei gleicher Grösse der Oeffnung und kleinern Druck-
höhen verhältnissmässig mehr Wasser ausfliesse als bei grösseren Druckhöhen, oder dass
die Zusammenziehung des Wassers bei kleinern Druckhöhen weniger als bei grössern be-
trage; hieraus sieht man, dass bei niedrigen Wasserständen die einzelnen Wasser-
fäden von oben nicht mehr in so schrägen Richtungen einfallen, oder dass die Wasser-
fäden in der Ausflussöffnung mit der lothrechten Linie keinen so grossen Winkel machen
als es bei grössern Druckhöhen des Wassers der Fall ist. Bei kleinern Druckhöhen wird
sich daher der Strahl nicht so viel zusammenziehen, als bei grösseren; allein diese Un-
terschiede sind zu unbedeutend, um in der Ausübung beachtet zu werden.
Aus den Versuchen, welche von Bidone in den „Memoires de l’Académie de Turin,
Tome XXVII, 1822“ angeführt werden, und durch Ausflussöffnungen in Kupferblechen
von ½ Linie Dicke Statt hatten, ergibt sich der Zusammenziehungskoeffizient im Mittel
von 36 Beobachtungen mit 0,6216.
Auf gleiche Art geben die Versuche von Brindley und Smeaton für denselben Fall
im Mittel 0,6213. Die Versuche vom Herrn Eytelwein, welche in dessen „Handbuch der
Mechanik fester Körper und der Hydraulik“ angeführt werden, und wobei der Ausfluss
aus einer einzölligen Oeffnung in einer ½ Linie dicken Platte Statt hatte, gaben eben-
falls 0,6176.
Nach allen diesen Versuchen kann man annehmen, dass bei dem Ausflusse durch
eine dünne Wand die wirkliche Wassermenge beiläufig 0,6176 oder 0,62 derjenigen be-
[147]Ausfluss aus kurzen Ansatzröhren.
trage, welche ohne Rücksicht auf die Zusammenziehung aus der einfachen Formel
M = f . t . 2 √ g . h berechnet wird.
§. 107.
Der zweite Fall des Ausflusses tritt dann ein, wenn das Wasser nicht durch
eine dünne Wand eines Behälters, sondern durch eine zylindrische Ansatzröhre
ausfliesst. Derselbe Fall findet bei jedem Gefässe Statt, wobei eine dickere Wand
vorhanden und die Ausflussöffnung in derselben angebracht ist. Es kommt hier immer
vorzüglich darauf an, wie lang die Ansatzröhre im Verhältnisse zu ihrem
Durchmesser sey, indem bei kurzen Röhren das Wasser sich von den Wänden
derselben trennt, und dann eben so ausfliesst, als durch dünne Platten. Sind aber die
Ansatzröhren länger, so übt die Anziehungskraft ihrer Wände gegen den Strahl eine Wir-
kung aus, demnach beträgt die Zusammenziehung weniger, indem sich die Wassertheile
den Wänden mehr nähern. Nimmt jedoch die Länge der Röhren bedeutend zu, so treten
andere Widerstände ein, welche durch die Reibung an den Wänden verursacht werden,
und wodurch abermals eine Verminderung des Wasserausflusses entsteht.
Ist die Länge der Ansatzröhre nicht viel grösser als der Durchmesser derselben,
so kann der Ausfluss auf eine doppelte Art vor sich gehen: 1tens. Wenn man die
Hand oder eine Tafel vor das Ansatzrohr hält, bis dasselbe ganz mit Wasser gefüllt
ist, so wird das Wasser vermöge seiner Adhäsion sich an die Wände der Röhre an-
schliessen und voll ausfliessen; da sich jedoch das Wasser entweder innerhalb der
Ansatsröhre noch etwas zusammenzieht, oder nicht mit der ganzen Geschwindigkeit,
die der Wasserstandshöhe zugehört, ausfliesst, so beträgt die ausfliessende Wassermenge
nach den hierüber gemachten Versuchen beiläufig 0,8125 von derjenigen, welche für die
ganze Querschnittsfläche der Ausflussöffnung aus der Formel f . t . 2 √ g . h berechnet
wird. 2tens. Wird aber die Oeffnung mit einem Zapfen verschlossen und dieser
schnell herausgezogen, so findet man, dass die äussere Oeffnung der Ansatzröhre vom
Wasser nicht angefüllt wird, und der Ausfluss beiläufig eben so viel als bei einer Oeff-
nung in einer dünnen Wand beträgt. Dasselbe erfolgt, wenn das Wasser auf die oben
angegebene Art voll ausfliesst, und dem Gefässe eine Erschütterung, z. B. ein Schlag
mit einem Hammer, beigebracht wird, wo sich das Wasser von den Wänden der Röhre
trennt und abermals nur so viel als durch dieselbe Oeffnung in einer dünnen Wand
ausfliesst.
Auch über den Ausfluss aus kurzen Ansatzröhren sind sehr viele Versuche ge-
macht worden. Herr Abbé Bossut führt in dem angeführten Werke §. 529 nach-
stehende Tabelle an, welche die wirklich ausgelaufene und die aus der Formel für
den vollen Querschnitt berechnete Wassermenge für verschiedene Druckhöhen bei einer
Ansatzröhre von 1 Zoll im Durchmesser und 2 Zoll Länge enthält; wir haben in dieser
Tabelle die zweite Kolumne wie im vorigen §. berechnet und noch die vierte Kolumne
beigefügt, welche das Verhältniss der berechneten Ausflussmenge zu der wirklichen
darstellt.
19*
[148]Ausfluss aus kurzen Ansatzröhren.
Auch aus diesen Versuchen ergibt sich, dass die Zusammenziehung bei kleinern
Druckhöhen nicht so viel beträgt, als es bei grössern Druckhöhen der Fall ist.
Herr Eytelwein führt in dem genannten Handbuche der Mechanik und Hydraulik
nachstehende Versuche über den Ausfluss aus zylindrischen Ansatzröhren von verschie-
dener Länge an.
Bei dem ersten Versuche trennte sich der Wasserstrahl von den Wänden, welches
gewöhnlich der Fall ist, wenn die Länge der Röhren nur 1½ bis 2 Mal so gross als
der Durchmesser derselben ist. Beträgt die Röhrenlänge 2 bis 4 Mal so viel, als der
Durchmesser, so fliesst das Wasser in der äusseren Oeffnung voll, und die ausfliessende
Wassermenge ist beiläufig mit 0,8125 f . t . 2 √ g . h anzunehmen. Beträgt aber die Röhren-
länge mehr als das vierfache des Durchmessers, so vermindert die Reibung an den
Wänden den Ausfluss, und es treten jetzt Gesetze ein, welche wir im folgenden Kapitel
näher kennen lernen werden.
§. 108.
Um über die Zusammenziehung des Wassers in kurzen Ansatzröhren einen Auf-
schluss zu erhalten, hat mein Vater bereits im Oktober 1802 in Horžowitz folgende
Versuche angestellt: Er liess ein konisches hölzernes Fass A B C D, dessen obererFig.
12
und
13.
Tab.
46.
Durchmesser 25¾ Zoll, der untere 21¼ Zoll und die Höhe 30 Zoll betrug, verfertigen
und brachte an dasselbe eine blecherne Ansatzröhre a b c d von 5½ Zoll Länge und 1⅞
Zoll im Durchmesser an. An diese Röhre wurde oben, wie der Durchschnitt Fig. 13
zeigt, ein krummgebogenes blechernes Rohr e f g h und in dasselbe bei h ein Glas-
rohr luftdicht befestigt. Das Glasrohr war an beiden Enden offen und wurde an dem
untern Ende in ein mit Wasser gefülltes Gefäss E F G H gestellt. Alle Dimensionen sind
bei diesem Versuche im böhmischen Masse angeführt, wovon 24 Zoll = 22,5 N. Oe. Zoll.
Vor der Oeffnung a b war innerhalb des Gefässes eine Schütze angebracht, welche
man, nachdem das Gefäss A B C D mit Wasser gefüllt war, aufzog. Das Wasser floss
nun bei c d voll aus und stieg zugleich aus dem untern Gefässe in dem Glasrohre i h
in die Höhe. Itzt wurde von 5 zu 5 Sekunden sowohl die Höhe des Wasserstandes
ober der Oeffnung im Behälter als auch die Höhe, auf welcher das Wasser in der
Röhre i h stehen blieb, angemerkt. Die Resultate der Versuche sind in nachstehen-
der Tabelle enthalten.
Bei diesen Versuchen ist zu bemerken, dass das
Ansatzrohr a d von 1⅞ Zoll Durchmesser absichtlich die
Länge von 5,5 Zoll oder eine grössere Länge als der
doppelte Durchmesser erhielt, damit das Wasser
auch bei c d gewiss voll ausfliessen und in keinem
Falle eine Ablösung desselben an der äussern Oeff-
nung dieser Röhre Statt finden könne. Die Versuche
zeigen daher, dass innerhalb der Röhre a b c d
wirklich eine Zusammenziehung Statt fand; das bei
a b einströmende Wasser hat nämlich einen Theil
der Luft zwischen a d und dem Wasserstrahl in der
Röhre mit fortgerissen und dadurch die Wasser-
menge in der Röhre so weit vermindert, bis die
Triebkraft des Wassers der Ansaughöhe m n in dem
gläsernen Rohre gleich war. Diese Triebkraft wurde
[150]Ausfluss aus konischen Ansatzröhren.
bei vermindertem Wasserstande im Behälter geringer und daher auch die Höhe m n
des Wassers im Glasrohre kleiner.
Bei einer zweiten Reihe von Versuchen wurde eine Ansatz-
röhre a d von 13 Fuss 2 Zoll Länge und demselben Durchmes-
ser, wie die frühere Röhre von 1⅞ Zoll angesteckt. Die Resul-
tate der Versuche sind in der nebenstehenden Tabelle enthal-
ten. Das Wasser in der gläsernen Röhre wurde nur Anfangs
für einen Augenblick angesogen, aber es fiel sogleich in der
Röhre bis zu dem Wasserspiegel E H herab. Dieser zweite
Versuch zeigt 1tens, dass das Wasser in der gläsernen Röhre i h
nicht mehr angesogen werden konnte, demnach durch die Aus-
flussröhre a d voll geflossen ist, oder sich in derselben nicht
mehr zusammengezogen habe. 2tens. Da dasselbe Gefäss nun-
mehr eine grössere Zeit zu seinem Ausflusse benöthigte, so sieht
man, dass das Wasser in der Röhre a d mit einer kleinern Ge-
schwindigkeit ausgeflossen ist, demnach schon ein Widerstand
an den Wänden der Röhre Statt hatte.
§. 109.
Werden konische Röhren an ein Gefäss angesetzt, so
kann der Wasserausfluss bedeutend vermehrt werden. Diese Röhren können sich entwe-
der nach aussen verengen, oder nach aussen erweitern, oder auch es können zwei solche
Röhren an einander gesetzt werden. Wenn konische Röhren, die sich auf gleiche Art
wie der zusammengezogene Strahl verengen, innerhalb des Gefässes angesezt werden, so
folgt itzt das Wasser bei geraden Röhren beinahe der Richtung ihrer Wände und man kann,
wie aus nachfolgenden Versuchen zu ersehen ist, die Ausflussmenge der, nach der Formel
ohne Rücksicht auf Zusammenziehung berechneten beinahe gleich bringen.
Aus diesen Versuchen ersieht man, dass die konischen Röhren, wenn sie beiläufig die
Gestalt des zusammengezogenen Strahles haben, wie es im 4ten und 5ten Versuche der Fall
war, den Ausfluss mit beinahe 0,9 oder nur ein Zehntel weniger Wasser geben, als bei
einem vollen Ausflusse, oder wenn die Mündung genau die Gestalt des zusammengezoge-
nen Strahles hätte. Dem 6ten Versuche zu Folge, wobei die Einmündung enger als die
Ausmündung und die Länge = 8,8 oder beinahe 9 Mal länger als die Einmündung
der Röhre war, ergab sich der Ausfluss grösser. Die Ursache hievon dürfte in der Anzie-
hung der grössern Peripherie der Röhrenwände an den Ausmündungen liegen, weil das
Wasser bei dem Durchflusse durch die Röhren von dieser grössern Peripherie mehr be-
schleunigt wird, als bei zylindrischen Röhren.
Eine grosse Anzahl Versuche über den Ausfluss aus verschieden geformten Konischen
Röhren findet man in dem Handbuche der Mechanik und Hydraulik von Eytelwein. Da
jedoch in der Ausübung meistens nur zylindrische Röhren vorkommen, so glauben wir die-
sen Gegenstand übergehen zu können.
§. 110.
Mit Hilfe der vorstehenden Erfahrungen lassen sich nun alle Beispiele über den
Ausfluss des Wassers durch kleine Oeffnungen berechnen.
1stes Beispiel. In einem hinlänglich weiten Gefässe befindet sich eine 4 Zoll
breite und eben so hohe Oeffnung in einer dünnen Wand und das Wasser in demselben
erhält so viel Zufluss, dass es fortwährend auf 10 Fuss über der Mitte der Oeffnung stehen
bleibt. Es fragt sich nun, wie viel Wasser in 1 Sekunde abfliessen wird.
Da hier f = ⅓ . ⅓ = 1/9 Quadratfuss und die Fläche des zusammengezogenen Strahles
= 0,6176 f ist, so haben wir M = 0,6176 . 1/9 . 1 . 2 √ 15,5 . 10 = 1,709 Kub. Fuss.
2tes Beispiel. Ein Gefäss ist mit einem kurzen Ansatzrohr von 4 Quadratzoll
Fläche versehen. Der Zufluss des Wassers in dieses Gefäss beträgt 7 Kub. Fuss in 5 Se-
kunden; es fragt sich, wie hoch bleibt das Wasser über der Mitte der Oeffnung stehen,
wenn der Zufluss eben so viel als der Abfluss beträgt.
Für diesen Fall ist M = 7 für t = 5 und f = 1/36, demnach für eine kurze Ansatzröhre
7 = 0,8125 . 1/36 . 5 . 2 √ 15,5 h, woraus h = 62,06 Fuss folgt.
3tes Beispiel. In einen Wasserbehälter fliesst 0,4 Kub. Fuss Wasser in der Se-
kunde zu, und dasselbe bleibt 12 Fuss über der Mitte der Ausflussöffnung stehen. Es
fragt sich, wie gross diese Oeffnung ist, wenn der Ausfluss durch ein kurzes Ansatzrohr
geschieht.
Hier ist M = 0,4 und h = 12, demnach 0,4 = 0,8125 . f . 2 √ 15,5 . 12, demnach
f = 0,018 Quad. Fuss = 2,6 Quadratzoll.
4tes Beispiel. Welche Zeit wird erfordert, damit aus einer kreisrunden, in einer
dünnen Platte angebrachten Oeffnung, deren Durchmesser 1,5 Zoll beträgt, bei einer Druck-
höhe von 6 Fuss eine Wassermenge von 5 Kub. Fuss ausfliesse.
Hier ist M = 5, h = 6 und f = , demnach
5 = 0,6176 · . t . 2 √ 15,5 . 6, woraus t = 34,2 Sekunden.
[152]Ausfluss aus Seitenöffnungen der Gefässe.
§. 111.
Der Ausfluss des Wassers in durchaus offenen Seitenöffnungen
oder Wandeinschnitten eines Behälters, worin eine unveränderte
Druckhöhe des Wassers Statt findet, wird auf folgende Art berechnet:
14.
Tab.
46.
Es sey m n = H die gegebene Druckhöhe des Wassers, so ist die Geschwindigkeit,
womit dasselbe am Boden ausfliesst c = 2 √ g . H = n o; auf der halben Höhe in p ist
c' = 2 √ g · = p q, auf dem vierten Theile der Höhe in r ist c'' = 2 √ g · = r s, .... dem-
nach verhält sich c : c' : c'' .... = … oder die Geschwindigkeiten des
Wassers sind den Quadratwurzeln aus den Druckhöhen proporzional. Nimmt man nun die
Druckhöhen m r, m p, m n ..... als Abscissen an, trägt hierauf die Geschwindigkeiten r s
p q, n o .... als die Ordinaten auf, und verbindet die Endpunkte dieser Ordinaten, so er-
hält man die parabolische Linie m s q o und die Fläche der Parabel m s q o n m. Es ist nun
offenbar, dass die aus der Seitenöffnung in einer Sekunde ausfliessende Wassermenge einem
Wasserprisma gleich sey, welches diese Fläche der Parabel zur Grundfläche, und die
Breite b der Oeffnung zur Höhe oder Tiefe hat. Nach §. 77 des I. Bandes ist die Fläche
der Parabel = ⅔ . m n . n o = ⅔ H . 2 √ g . H; demnach wäre die ausfliessende Wassermenge
in 1 Sekunde = ⅔ b . H . 2 √ g . H; da jedoch eine Zusammenziehung des Wassers bei dieser
Oeffnung ebenfalls Statt findet, so muss diese Grösse noch mit einem Koeffizienten, den wir
inzwischen m nennen wollen, multiplizirt werden. Wir erhalten auf diese Art die Wasser-
menge, welche durch eine von oben bis unten offene Seitenöffnung eines Gefässes in t
Sekunden ausfliesst, M = m . ⅔ b . H . t . 2 √ g . H.
§. 112.
Hiernach lässt sich nunmehr die Ausflussmenge für eine Seitenöffnung berechnen,
welche nicht durchaus bis an den Wasserspiegel offen, sondern wovon der obere Theil
geschlossen ist, wie es z. B. bei Schützen der Fall ist.
15.
Wäre diese Oeffnung bis an den Wasserspiegel offen, so würde die eben berechnete
Wassermenge M = m . ⅔ b . H . t . 2 √ g . H in der Zeit t ausfliessen. Denkt man sich nun
die untere Oeffnung p n verschlossen und nur die obere offen, so würde auf dieselbe
Art die ausfliessende Wassermenge in gleicher Zeit = m . ⅔ b . h . t . 2 √ g . h seyn. Zieht
man diese Wassermenge von der erstern ab, so erhält man offenbar jene, welche durch
die untere Oeffnung p n ausfliesst oder M' = m . ⅔ b . t . {H √ H — h √ h} 2 √ g. (I.)
Bei dem Ausflusse durch kleine Oeffnungen haben wir gefunden, dass man die
Fläche der Oeffnung mit der Geschwindigkeit, welche dem Mittelpunkte derselben
zukommt, multipliziren müsse, um die Ausflussmenge zu erhalten. Wird dieselbe Me-
thode auch hier angewendet, und bemerkt, dass die Höhe der Oeffnung = H — h und die
Druckhöhe bis auf die Mitte derselben = h + ist, so erhalten wir
M'' = m . b . t (H — h) 2 √ g (II.) In der Ausübung ist es oft bequemer, diese
2te Formel zu gebrauchen, und die unter dem Texte angeführte Berechnung zeigt, dass
[153]Ausfluss aus Seitenöffnungen der Gefässe.
der Unterschied zwischen beiden Methoden in jedem Falle so unbedeutend ist, dass man
sich in der Ausübung füglich der einen oder der andern Formel bedienen könne. *)
Bei der angeführten Rechnung wurde die Geschwindigkeit des ausfliessenden
Wassers als parallel zu den Wänden angenommen. Diese Bedingniss findet
aber nur bei dem Durchflusse des Wassers in Röhren mit parallelen Seitenwänden Statt;
wenn jedoch das Wasser vor der Oeffnung B b c C aus einer bedeutend grösseren FlächeFig.
16.
Tab.
46.
gegen diese Oeffnung zusammenfliesst, wie es bei jedem grossen Behälter, Teiche, See ....
Statt findet, so haben wir denselben Fall, welchen wir bereits bei dem Ausflusse aus
kleinen Oeffnungen behandelt haben. Das von beiden Seiten zudrängende Wasser
ändert nämlich die Richtung der Wasserfäden und der Ausfluss wird gegen die Mitte
der Oeffnung zusammengedrückt. Ist die Weite des Gefässes im Vergleiche mit der
Oeffnung hinreichend gross, so wird die Zusammenziehung dasselbe Mass haben wie
bei kleinen Oeffnungen, und die Fläche des zusammengezogenen Strahles wird sich auch
Gerstner’s Mechanik. Band II. 20
[154]Ausfluss aus Seitenöffnungen der Gefässe.
hier zur Fläche der Oeffnung wie 0,6176 : 1 = 62 : 100 verhalten. Da nämlich in diesem
Falle die Wasserfäden im zusammengezogenen Strahle parallel neben einander fliessen
und die gemeinschaftliche Geschwindigkeit 2 besitzen, so ist einleuchtend, dass
die ausfliessende Wassermenge dem Produkte der Fläche des zusammengezogenen Strah-
les in die gemeinschaftliche Geschwindigkeit gleich sey, oder M = 0,62 b . h . 2 .
Wenn aber das Gefäss vor der Einmündung enger ist, oder seine Wände der Peri-
pherie der Oeffnung mehr genähert werden, so tritt hier wieder derselbe Fall ein, wel-
Fig.
6.
Tab.
46.chen wir bereits in Fig. 6 angedeutet haben. Die Winkel, welche die ausfliessen-
den Wasserfäden A B b, a m e u .... mit der winkelrechten Linie auf die Fläche der Oeff-
nung B' B bilden, sind hier kleiner, oder die Strahlen fallen mehr parallel gegen die
Oeffnung zusammen; es kann daher auch die Fläche des zusammengezogenen Was-
serstrahles nicht so viel zusammengedrückt werden, als diess bei sehr weiten Gefässen
der Fall ist. Wenn endlich das Gefäss dieselbe Weite, wie die Oeffnung selbst hat, so
findet gar keine Zusammenziehung Statt, und der Ausfluss ist dem Produkte b . h . 2
gleich, wie wir ihn berechnet haben.
Hieraus sehen wir, dass die Ausflussmenge nie kleiner als M = 0,6176 . b . h . 2
werden kann, oder dass der Zusammenziehungskoeffizient m der Fläche nie weniger als
0,6176 oder 0,62 betrage. Bei engern Seitenwänden des Gefässes wird m immer grösser
und endlich bei parallelen Wänden m = 1, folglich muss in diesem Falle die Ausfluss-
menge, so wie wir sie berechnet haben, dem Produkte aus der Fläche der Ausflussöff-
nung in die ganze Geschwindigkeit, welche dem Mittelpunkte der Oeffnung zukommt,
gleich seyn. Für die dazwischen liegenden Fälle lässt sich keine bestimmte Regel ange-
ben, weil hierüber genügende Versuche noch mangeln und weil bei theoretischen Betrach-
tungen über diesen Gegenstand nicht bloss die Nähe der Seitenwände bei der Oeffnung,
sondern auch ihre gebogene Gestalt zu berücksichtigen seyn würde.
§. 113.
Um den wirklichen Abfluss des Wassers in einem Mühlgerinne durch
eine bis oben offene Schützenöffnung zu berechnen, werden abermals Versuche benöthigt,
nachdem die bisher angeführten Versuche dieser Art bloss für kleine Oeffnungen gelten.
Da diese Versuche im Grossen angestellt werden müssen, so sind sie weit schwieriger, als
jene mit kleinen Oeffnungen, die eine weit grössere Genauigkeit der Beobachtung zulassen.
Versuche dieser Art hat Herr Eytelwein mit dem Bau-Inspektor Kypke bei Bromberg in
einem Bache angestellt. Dieser war auf eine Länge von 250 Fuss mit starken Bretern auf
4 Fuss Breite und 3 Fuss Höhe rechtwinkelig ausgesetzt, und lief in dieser Länge in
gerader Richtung fort.
Bei den Versuchen, welche mit möglichster Genauigkeit angestellt wurden, ist zuerst
die Wassermenge, welche bei dem ungehinderten Laufe in dem Kanal abfloss, genau ge-
messen worden und man fand, dass sie für die Sekunde 4021 Kub. Zoll = 2,327 Rheinländer
Kub. Fuss betrug. Es wurde nun in der Entfernung von 240 Fuss vom Anfange des Ka-
nals eine Querwand von 1⅛ Zoll dicken Bretern genau eingesetzt und in der Mitte dieser
Wand rechtwinkelige, scharf abgehobelte Oeffnungen angebracht, deren unterster Rand
[155]Abfluss des Wassers in Mühlgerinnen.
bei jedem Versuche 7 3/16 Zoll von der Sohle des Kanals abstand. Diese Oeffnun-
gen waren sämmtlich oben offen und hatten die Breite von 6, von 10 .... bis
41⅜ Zoll. Da die ganze Breite des Gerinnes 4 Fuss betrug, so können wir nur bei
den ersten Oeffnungen eine völlige Zusammenziehung annehmen. Dieses fand jedoch
nicht mehr bei der letzten Oeffnung Statt, deren Breite 41⅜ Zoll = 3 Fuss 5⅜ Zoll be-
trug, wogegen die ganze Oeffnung nur um 6⅝ Zoll breiter war.
Bei einer jeden Oeffnung wurde der Beharrungsstand oder der unveränderliche
Stand des Wasserspiegels abgewartet, und dann erst die Abmessung vorgenommen.
Herr Eytelwein bemerkt, dass bei diesen Versuchen das Wasser sich jedesmal in derFig.
17.
Tab.
46.
Oeffnung um die Grösse a e unter dem aufwärtigen Wasserstande gesenkt habe, dass
demnach der Wasserstand ober der Oeffnung nicht durch e b, sondern durch
o p = a e + e b bemessen werden musste. Obgleich die Schwelle der Oeffnung wie oben
angeführt wurde, 7 3/16 Zoll über der Sohle des Kanales angebracht war, so bemerkte man
doch, dass kleine schwimmende Körper mit dem übrigen Wasser am Boden fortge-
flossen sind, und in der Nähe dieser Schwelle sich hoben und über dieselbe abflossen.
Der Wasserstrahl bildete an der Oberfläche nach der ganzen Breite der Ausfluss-
öffnung keine gerade Linie, sondern er war in der Mitte höher, zu beiden Seiten ein-
gesenkt und erhöhte sich wieder an den Wänden der Oeffnung. Nach der Richtung
des abfliessenden Wassers stellt Fig. 18 den horizontalen Durchschnitt des Wasserstrah-Fig.
18
und
19.
les in der Höhe der Ueberlasschwelle und Fig. 19 das vertikale Profil durch k l vor.
Hieraus ersieht man, dass der Wasserstrahl an seiner Oberfläche k l breiter, unten aber
bei e f wegen der grössern Zusammenziehung schmäler sey, so dass der obere Theil
a k g i h l b, welcher in Fig. 18 punktirt erscheint, ober dem untern durch Schraffirung
angezeigten Wasserstrahle a e g i h f b wie ein Mantel überhängt, am Ende bei g und h
aber mit dem erstern zusammenfällt und auf diese Art die Fig. 18 dargestellte Gestalt
bildet.
Da die Zusammenziehung des Strahles wegen seiner irregulären Figur keiner ein-
fachen Berechnung fähig ist, so wird der Zusammenziehungskoeffizient bloss aus der
Gleichung m = berechnet, wobei g = 15⅝ Rheinländer Fuss ist, alle
übrigen Masse auch hierin angegeben sind, demnach wegen der Gleichheit der Di-
mensionen im Zähler und Nenner keine Redukzion auf N. Oe. Mass mehr benöthigt
wird. Bei dieser Berechnung ist auf die unbedeutende Geschwindigkeit, welche das
zufliessende Wasser bei o (Fig. 17) hatte, keine Rücksicht genommen worden, da diese
nach der Bemerkung des Herrn Eytelwein als unbedeutend vernachlässigt werden kann.
Nachstehende Tabelle enthält die Resultate der Abmessungen bei diesem Versuche und
die letzte Kolumne die nach der vorstehenden Gleichung berechnete Grösse des Zu-
sammenziehungskoeffizienten.
20*
[156]Abfluss des Wassers in Mühlgerinnen.
Obgleich diese Versuche mit vielem Fleisse vorgenommen wurden, so zeigt doch
der berechnete Werth des Zusammenziehungskoeffizienten m, dass hiebei Beobachtungs-
fehler unterliefen, wie es bei solchen Messungen leicht eintreten kann. Man hätte
nämlich im Versuche Nr. 1, wo die Breite der Oeffnung am kleinsten war, die Zusam-
menziehung am grössten oder m am kleinsten finden sollen, wogegen bei den folgenden
Versuchen m immer grösser werden und bei dem Versuche Nr. 6 das meiste betragen
sollte, weil hier die Breite der Oeffnung von der ganzen Breite des Gerinnes nur wenig
mehr abwich, also die Zusammenziehung am wenigsten betragen konnte.
Aus diesen Versuchen und mehreren andern, welche über den Ausfluss des Wassers
aus oben geöffneten Wassereinschnitten, oder ganz aufgezogenen Schützenöffnungen
vorgenommen wurden, lässt sich der Werth des Zusammenziehungskoeffizienten mit
m = 0,63 annehmen. Derselbe Koeffizient kann auch bei der Berechnung des Wasser-
abflusses bei grossen Uiberfällen, wobei auf allen Seiten Zusammenziehung Statt
findet, angenommen werden.
§. 114.
Der Ausfluss des Wassers aus Schützenöffnungen, vor welchen ein bedeutender Was-
serstand vorhanden ist und wo die Schütze nicht auf die ganze Höhe des
Oberwassers aufgezogen wird, lässt sich nicht nach der vorstehenden Erfah-
rung berechnen und fordert abermals die Vornahme eigener Versuche.
Da diese Versuche im Grossen angestellt werden müssen, so sind sie nicht leicht
mit der erforderlichen Genauigkeit auszuführen, und es finden sich in den hydraulischen
Schriften nur wenige Beobachtungen dieser Art, die man mit Verlässigkeit praktischen
Berechnungen zum Grund legen könnte. In den Mémoires sur les roues hydraulique
à aubes courbes, mues par dessous, par M. Poncelet, Metz, 1827 sind mehrere
Versuche dieser Art angeführt, wovon die folgenden an dem Wasserwerke des Herrn
[157]Ausfluss des Wassers aus Schützenöffnungen.
Nicéville in Metz angestellt wurden. Die Schütze in dem Mühlgerinne stand hierbei
nicht senkrecht, sondern machte mit dem Horizonte einen Winkel von beiläufig 63,5
Grad und die abfliessende Wassermenge wurde dadurch bestimmt, dass man den Quer-
schnitt des zusammengezogenen Strahles möglichst genau abmass. Die Resultate der Ver-
suche enthält nachstehende Tabelle.
Die Zusammenziehung fand hier nur an der obern Seite Statt; wenn sie daher an
allen Seiten Statt findet, wird der Werth von m etwas kleiner.
Aehnliche Versuche über den Ausfluss des Wassers aus Schützenöffnungen führt
d’ Aubuisson in den Annales des mines, 2meserie, 3melivraison, 1828 an. Die Brei-
te der rechtwinkeligen Schützenöffnungen betrug 0,4035met. und die Aufzugshöhe 0,036,
dann 0,044, dann 0,019 und zuletzt wieder 0,019met. Das Behältniss, aus welchem das
Wasser abfloss, war 20 met. lang, 2 met. breit und 2. met. hoch, die Höhe des Wasser-
standes über der Schützenöffnung oder das Druckwasser betrug nicht ganz 2 met. Die
Zusammenziehungs-Koeffizienten ergaben sich für die obigen 4 Fälle mit 0,674, dann 0,708,
ferner 0,702 und zuletzt 0,701; das Mittel aus diesen Zahlen ist 0,696. Da jedoch die
Schützenöffnung so klein war, so konnten leicht bei der Abmessung derselben Fehler
unterlaufen.
§. 115.
Diese Versuche und mehrere andere, welche über den Ausfluss aus Schützenöffnun-
gen angestellt wurden, sind bei weitem nicht so übereinstimmend, als es bei den früher
angeführten Versuchen durch kleine Oeffnungen der Fall war. Herr Eytelwein liefert
über alle diese Versuche nachstehende Uibersichtstabelle, worin die dritte Kolumne
den Werth von m. 2 √ g für g = 15⅝ Rheinl. Fuss enthält. Werden diese Werthe
mit 2 √ g = 2 √ 15 ⅝ = 7,9 dividirt, so erhält man den Werth des Koeffizienten m,
welcher in der vorletzten Kolumne beigefügt ist. Hieraus folgt nun die Gleichung für
den Wasserausfluss in der letzten Kolumne, bei deren Gebrauche für N. Oe. Mass
g = 15,515 N. Oe. Fuss. zu setzen ist.
[158]Grösse der Zusammenziehungs-Koeffizienten.
§. 116.
Mit Benützung der vorstehenden Erfahrungen lassen sich nun alle hierher gehöri-
gen Beispiele auflösen.
1tes Beispiel. Eine vorzügliche Anwendung dieser Berechnungen findet bei
Bemessung des Wasserzuflusses in kleinern Bächen Statt. Da die irregu-
läre Gestalt der Ufer und des Flussbettes solcher Bäche nicht wohl eine Rechnung zu-
lassen, so pflegt man dieselben durch einen rechtwinkeligen Einbau mit Pfählen und
Bretern genau abzuschliessen, in dessen Mitte eine Schützenöffnung angebracht wird, die
man zur Messung des Wasserabflusses auf einer bestimmten Höhe über der Bodenschwelle
Fig.
20
und
21.
Tab.
46.a b offen hält. Fig. 20 stellt die vordere Ansicht und Fig. 21 den Längendurchschnitt
eines solchen Einbaues vor. Es sey in diesem Falle die Breite der Oeffnung a b = b = 1 Fuss
und die Höhe derselben a c = 6 Zoll; hierbei beobachte man nun, dass das Wasser auf
einer Höhe a d von 3 Fuss über dem Schweller der Oeffnung beständig stehen bleibt.
Es fragt sich nun, wie gross die Wassermenge ist, welche dieser Bach in einer Sekunde
abführt?
Da der Wasserspiegel e d über der Schützenöffnung unveränderlich stehen bleibt,
so muss durch diese Oeffnung in einer Sekunde eben so viel abfliessen, als der Bach
Wasser zuführt. Werden daher die Werthe in der Formel II, §. 112 substituirt, so ist
M = 0,633 . 1 . ½ . 2 √ (15,515 . 2,75) = 4,13 Kub. Fuss, welche der Bach in einer Sekunde
abführt.
[159]Beispiele.
Derselben Methode bedient man sich auch, um die Wassermenge zu be-
stimmen, welche eine Quelle gibt. Da das Ausschöpfen des aus der Quelle
z. B. in einer Minute ausfliessenden Wassers nicht leicht möglich ist, so leitet man die-
ses Wasser in einen kleinen Graben und setzt in denselben eine gut schliessende Breter-
wand ein, in welcher eine rechtwinkelige Ausflussöffnung angebracht wird. Die Mes-
sung der Höhe, auf welcher sich das Wasser fortwährend erhält und die Grösse der Aus-
flussöffnung gibt nun das Mittel, den Ausfluss für die Sekunde genau zu berechnen. Bei
dieser Methode muss jedoch die Breterwand in dem Wassergraben auf einer solchen
Entfernung eingelegt werden, dass das rückstauende Wasser die Oberfläche des Quell-
wassers nicht erreicht und dadurch dieses Wasser in die Oeffnung, wo es herausbricht,
zurückdrückt. — Auch könnte man statt einer Oeffnung in der Breterwand einen Ein-
schnitt bis an die Sohle des fliessenden Wassers anbringen und nun die beständige Höhe,
auf welcher das Wasser sich erhält und die Breite der Oeffnung bemessen, wornach dann
die abfliessende Wassermenge berechnet wird. Diese letztere Methode hat in Karlsbad
gedient, die Wassermenge, welche der Sprudel und die demselben zunächst liegenden
Quellen geben, bei ihrem Ausflusse in die Tepl abzumessen. Dieses Verfahren musste
hier angewendet werden, da man in dem geschlossenen Sprudelgebäude wegen der auf-
steigenden heissen Dämpfe die Höhe nicht sehen konnte, auf welcher das Wasser über
der Ausflussöffnung stehen blieb.
2tes Beispiel. Bei der Erückenmühlen-Wehre an der Moldau in Prag liegtFig.
22.
Tab.
46.
die Hauptschwelle oder der Fachbaum a d der Mühlengerinne um 7/4 böhmische Ellen
= 3,5 böhm. Fuss = 3,5 . 15/16 oder 3,281 N. Oe. Fuss niedriger als die oberste Schwelle e f
der Wehre. Nehmen wir nun an, das Oberwasser stünde mit der Oberfläche e f der
Wehre, welche Fig. 22 durch die punktirten Linien angezeigt ist, in gleicher Höhe.
Es fragt sich nun, wie viel Wasser in 1 Sekunde durch ein Mühlgerinne von 4 N. Oe. Fuss
Breite einlaufen werde, im Falle die Schütze ganz, oder auch nur auf eine unbestimmte
Höhe aufgezogen wird?
Da die hiesigen Schützenöffnungen ohne Flügelwänden gebaut sind, so ist der Zu-
sammenziehungskoeffizient nach der vorigen Tabelle mit m = 0,633 anzunehmen. Wir
haben daher für den Fall, als die Schütze ganz aufgezogen wird, die in einer Sekunde
zuströmende Wassermenge nach der Formel §. 112
M = 0,633 . ⅔ . 4 . 3,281 . 2 √ (15,515 . 3,281) = 79,03 N. Oe. Kub. Fuss.
Würde dieselbe Schütze 3 Fuss hoch aufgezogen, so ist die Ausflussmenge in 1 Sekunde
nach §. 112, Formel I, M = 0,633.⅔.4.{3,281 √ 3,281 — 0,281 √ 0,281}2. √ 15,515 = 77,05 Kub. Fuss,
nach §. 112, Formel II, M = 0,633 . 4 . 3 . 2√ (15,515 . 1,781) = 79,86 Kub. Fuss.
Wird dieselbe Schütze 2 Fuss hoch aufgezogen, so ist
nach Formel I, M = 0,633 . ⅔ . 4 . {3,281 √ 3,281 — 1,281 √ 1,281} 2 √ 15,515 = 59,75 Kub. Fuss.
nach Formel II, M = 0,633 . 4.2.2 √ (15,515 . 2,281) = 60,25 Kub. Fuss.
Wird diese Schütze 1 Fuss hoch aufgezogen, so ist die Wassermenge
nach Formel I, M = 0,633 . ⅔ . 4. {3,281 √ 3,281 — 2,281 √ 2,281} 2 √ 15,515 = 33,22 Kub. Fuss.
nach Formel II, M = 0,633 . 4 . 1 . 2 √ (15,515 . 2,781) = 33,26 Kub. Fuss.
Wenn endlich dieselbe Schütze nur 6 Zoll hoch aufgezogen wird, so ist
[160]Beispiele.
nach Formel I, M = 0,633 . ⅔ . 4 . {3,281 √ 3,281 — 2,781 √ 2,781} 2 √ 15,515 = 17,358 Kub. Fuss.
nach Formel II, M = 0,633 . 4 . 0,5 . 2 √ (15,515 . 3,031) = 17,363 Kub. Fuss.
Aus diesen Berechnungen ersehen wir, dass die Unterschiede der Resultate der
Formel I und II vorzüglich bei kleineren Druckhöhen so unbedeutend sind, dass man
sich ohne Anstand der einen oder der andern bedienen könne.
3tes Beispiel. Bei einem Teiche befindet sich ein oben offener Abfluss,
der die Breite b = 6 Fuss hat, die Höhe des Wassers bis zum Fachbaume ist h = 2,5
Fuss. Da die umliegende Gegend zu sehr überschwemmt wird, so wünscht man den
Wasserspiegel um a = 1 Fuss zu erniedrigen. Es fragt sich, wie viel die Oeffnung
des Abflusses breiter gemacht werden müsse, wenn der Fachbaum unverrückt auf der-
selben Höhe bleiben soll.
Es sey die neue Breite der Oeffnung = B, so ist die Wassermenge, welche durch
die Oeffnung gegenwärtig fliesst, M = m . b . h . ⅔ . 2 Wird der Wasserspiegel
um a = 1 Fuss erniedrigt, so ist die Höhe des Wassers sodann = h — 1 = h — a, daher
die Wassermenge die nach der Erweiterung der Oeffnung durchfliessen wird
= m . B (h — a) ⅔ . 2 . Da das Wasser auf der Höhe h — a beständig stehen
bleiben soll, so muss in beiden Fällen dieselbe Wassermenge in einer Sekunde zu-
fliessen; es ist daher m . b . h . ⅔ . 2 = m . B (h — a) ⅔ . 2 , woraus die
gesuchte Breite . Ist b = 6 Fuss und h = 2,5 Fuss, so ist
Fuss; die Ausflussöffnung muss daher um
B — b = 6,91 Fuss erweitert werden.
4tes Beispiel. Es soll bei demselben Teiche, wo sich der Wasserspiegel um
1 Fuss senken soll, die Breite der Oeffnung dieselbe bleiben; es fragt sich nun um
wie viel (x) der Uiberlasschweller erniedrigt werden muss.
Wir haben wieder für den dermaligen Zustand des Abflusses M = m . b . h . ⅔ . 2 .
Wird die Oeffnung erniedrigt und der Wasserspiegel senkt sich um 1 Fuss, so ist die
Höhe des Wassers im Durchlasse = h — 1 + x, demnach die Wassermenge
= m . b (h — 1 + x) ⅔ . 2 . Da wieder in beiden Fällen dieselbe Wasser-
menge durchfliessen muss, so ist m . b . h . ⅔ . 2 = m . b (h — 1 + x)⅔ . 2 ,
oder h √ h = (h — 1 + x) und auf das Quadrat erhoben, h3 = (h — 1 + x)3,
demnach auch h = h — 1 + x und x = 1 Fuss, d. h. der Ausfluss muss so viel erniedrigt
werden, als der Wasserspiegel sinken soll.
5tes Beispiel. Ein Teich hat in jeder Sekunde M = 64 Kub. Fuss Wasserzufluss. In
dem Damme soll ein Durchlass mit Flügelwänden von b = 6 Fuss Breite angelegt werden;
man fragt, wie hoch sich das Wasser über dem Schweller des Durchlasses erhalten werde.
Das Wasser wird sich erst dann auf einer beständigen Höhe erhalten, wenn der Aus-
fluss eben so gross als der Zufluss ist; wir haben daher, wenn für m der Werth 0,856 sub-
stituirt wird 64 = 0,856 . 6 . h . ⅔ . 2 √ (15,515 . h). Wird hier auf das Quadrat erhoben und
dann die Wurzel des dritten Grades gezogen, so folgt h = 1,78 Fuss.
6tes Beispiel. Ein Teich hat in jeder Sekunde M = 15 Kub. Fuss Wasserzufluss.
In demselben wird eine Freischleusse angebracht, die mit einer 12 Zoll breiten Oeffnung
[161]Ausfluss aus elyptischen Oeffnungen.
versehen ist. Wie hoch muss die Fallschütze aufgezogen werden, damit der Wasserstand
auf dem Fachbaume die gegebene Höhe von 4 Fuss betrage.
In diesem Falle ist M = 15, b = 1, H = 4 und m = 0,633. Werden diese Werthe
in die Formel I, §. 112 substituirt, so erhalten wir 15 = 0,633 . ⅔ . {4 √ 4 — h √ h} 2 √ 15,515,
woraus h = 2,3 folgt; der obere Rand der Schützenöffnung bleibt daher um 2,3 Fuss
unter der Oberfläche des Wassers, es muss also die Schütze auf 4 — 2,3 = 1,7 Fuss auf-
gezogen werden.
§. 117.
Bisher haben wir den Ausfluss des Wassers aus rechtwinkeligen Querschnitten ab-
gehandelt; es kann jedoch der Fall eintreten, dass das Wasser durch eine kreisför-
mige oder elyptische Oeffnung aus einem Behälter ausfliesst. Die
höhere Analysis lehrt uns *), dass man die ausfliessende Wassermenge erhält, wenn
die Fläche der Ausflussöffnung mit jener Geschwindigkeit multiplizirt wird, womit das
Wasser durch den Mittelpunkt der Oeffnung fliesst. Hierbei ist in Bezug auf die Zu-
sammenziehung des Strahles dasselbe zu erinnern, was bei dem Ausflusse aus recht-
winkeligen Oeffnungen angeführt wurde.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 21
[162]Ausfluss aus elyptischen Oeffnungen.
§. 118.
Manchmal tritt der Fall ein, dass das Wasser durch eine elyptische oder zylindrische
Röhre geleitet wird, jedoch kein so bedeutender Zufluss Statt findet, um die Röhre
beständig voll zu erhalten; es bleibt daher der obere Theil derselben leer. Auch
für diesen Fall gibt uns die höhere Analysis die in der Note abgeleitete Formel *), mit
deren Benützung sich alle hierher gehörigen Aufgaben auflösen lassen.
[163]Ausfluss bei veränderlicher Druckhöhe.
§. 119.
Findet ein Ausfluss aus Behältern Statt, welche keinen Zufluss erhal-
ten, so müssen offenbar die Geschwindigkeiten des ausfliessenden Wassers wie dieFig.
25.
Tab.
46.
Quadratwurzeln aus den Druckhöhen abnehmen, folglich dieselbe gleichförmig
verzögerte Bewegung eintreten, als wenn ein Körper senkrecht in die Höhe ge-
worfen wird. Nennen wir daher die Druckhöhe oder die Höhe des Wasserstandes zu
Anfange des Ausflusses = A, so ist die anfängliche Geschwindigkeit = 2 und die
Endgeschwindigkeit 2 √ g . 0 = 0, demnach die mittlere Geschwindigkeit des Ausflusses
c = und die mittlere Quantität, welche in 1 Sekunde ausläuft = m . f .
Wenn also T die Zeit ist, in welcher das ganze Wasser F . A aus dem Gefässe aus-
fliesst, so ist T . m . f . = F . A, woraus die Zeit T = folgt *)
Auf gleiche Art lässt sich auch die Zeit t berechnen, in welcher das Gefäss bis
auf eine bestimmte Höhe a ausläuft und zwar hat man hierzu zweierlei Methoden.
Nach dem vorigen ist die Zeit, in welcher das ganze Gefäss ausfliesst,
T = und die Zeit t', in welcher der übrige Theil, dessen Höhe a ist, aus-
fliesst t' = , folglich die Zeit, in welcher das Wasser von der Höhe A auf
a herabkommt = T — t' = t = .
Wird hier der frühere Werth von T substituirt, so ist t = T . (I)
Auf eine andere Weise lässt sich diess auch so berechnen. Es ist offenbar, dass
die anfängliche Geschwindigkeit = 2 und die Endgeschwindigkeit, wenn nur
noch die Wasserhöhe a im Gefässe ist = 2 , demnach die mittlere Geschwindig-
keit des Ausflusses = seyn müsse. Hieraus folgt
t . m . f = F (A—a) und t = (II).
21*
[164]Beispiele.
§. 120.
Mit Hilfe der vorstehenden Gleichungen lassen sich nun alle Aufgaben auflösen, die
über den Fall des Ausflusses aus Gefässen, welche keinen Zufluss erhalten, gestellt zu
werden pflegen.
1tesBeispiel. An einem prismatischen Behälter, dessen horizontaler Quer-
schnitt F = 100 Quadrat Fuss = 14400 Quadrat Zoll betragt, befindet sich in einer
Tiefe von 10 Fuss unter dem Wasserspiegel eine 3 Quad. Zoll = f grosse Oeffnung
mit einer kurzen Ansatzröhre, in welcher Zeit wird das Wasser um 6 Fuss herabsinken?
In diesem Falle ist der Zusammenziehungskoeffizient nach Seite 158, m = 0,813,
demnach = 5904,06, und die Zeit, in welcher das Gefäss ganz leer würde
T = 5904,06 = 4742,3 Sekunden = 1h 19Min. 2 Sec. Weil aber das Wasser im Ge-
fässe nicht ganz ausfliesst, sondern nur um 6 Fuss sinken soll, so bleibt am Ende dieser
Zeit noch eine Höhe von 4 Fuss = a übrig, und es ist die Zeit t', in welcher dieser Wasser-
stand von 4 Fuss aus dem Gefässe noch ausfliessen würde t' = 5904,06 = 2999,3
Sekunden. Der Unterschied dieser zwei Zeiten gibt nun die Zeit, in welcher das Wasser
um 6 Fuss sinkt t = T — t' = 1743 Sekunden = 29Min. 3Sec.
Bedient man sich zur Auflösung dieser Aufgabe der im vorigen §. gefundenen Formel
II, so ist t = = 1743 Sekunden, welcher Werth von dem
vorigen gar nicht abweicht. Die Formel I ist jedoch der zweiten (II) der grössern
Genauigkeit wegen im Allgemeinen vorzuziehen.
2tesBeispiel. Eine Anwendung dieser Theorie findet bei den Wasseruhren
Statt, welcher sich die Griechen und Römer zur Bestimmung der Zeit bedienten. Diese
Uhren waren grosse Gefässe, die mit Wasser (oder Sand) gefüllt wurden, das durch eine
sehr kleine Oeffnung ausfloss. Auf dem Gefässe war eine Skale angebracht, wo man
nach dem Stand des Wassers die Zeit ablesen konnte. Obgleich diese Wasseruhren
nicht mehr im Gebrauche sind, so ist es doch interessant, die Skale einer solchen Uhr
nach hydraulischen Grundsätzen verfertigen zu können oder die Höhe zu bestimmen, wo
das Wasser nach Ablauf einer jeden viertel Stunde oder jeder Minute ..... steht. Wir
wollen als Beispiel den Fall annehmen, dass das Wasser aus einem zylindrischen Ge-
fässe binnen 2 Stunden durch eine am Boden desselben angebrachte Oeffnung gänzlich aus-
fliessen soll. Man fragt 1tens um das Verhältniss dieser Oeffnung zum Querschnitte des
Gefässes und 2tens um die Angabe der Höhen an der Wand des Gefässes, bei welchen
das Wasser nach jeder viertel Stunde stehen wird?
Aus der Bedingniss der Aufgabe ist die Zeit der gänzlichen Entleerung
T = 2.3600 = , woraus = 7200 m folgt. Es sey die Höhe des zylin-
drischen Gefässes A = 15 Zoll = 5/4 Fuss und die Oeffnung in einer dünnen Platte ange-
[165]Beispiele.
bracht, demnach der Zusammenziehungskoeffizient nach Seite 158, m = 0,619, so ist
= 0,619 . 7200 = 15701,6 und wenn die Flächen Kreise sind, das Verhältniss
ihrer Durchmesser = √ 15701,6 = 125,31. Wird daher der Durchmesser des Gefässes
D = 6 Zoll angenommen, so wäre der Durchmesser der Ausflussöffnung
d = Zoll = Linien oder etwas grösser als ½ Linie. Da es nicht wohl möglich
ist, der Oeffnung genau diese Grösse zu geben, so pflegt man sie etwas kleiner zu machen,
wornach die Entleerung des Gefässes etwas länger als 2 Stunden dauern wird. Wir wol-
len die ganze Dauer der Entleerung = 2,5 Stunden setzen, so ist für diesen Fall
= 9000 . 0,619 = 19627, demnach für D = 6 Zoll, die Ausflussöffnung d =
Zoll = oder sehr nahe ½ Linie.
Da die Eintheilungen von viertel zu viertel Stunde gemacht werden sollen, so müssen
wir die ganze Höhe in 2,5 . 4 = 10 Theile eintheilen. Weil aber die Höhen des Wassers
in Behältern den Quadraten der Zeit ihres Ausflusses proporzional sind, so wird sich die
Höhe der untersten oder ersten Abtheilung zur Höhe des ganzen Gefässes wie
12 : 102 = 1 : 100 verhalten, also ist die Höhe der untersten Abtheilung = 15″ · = 0,15
Zoll oder 1,8 Linie. Aus gleicher Ursache wird die zweite Abtheilung auf der Höhe
4 Mal 1,8 Linie = 7,2 Linie, die dritte Abtheilung auf der Höhe 9 Mal 1,8 = 16,2 Li-
nie, die vierte Abtheilung auf der Höhe 16 . 1,8 = 28,8 Linie ...... und die zehnte oder
letzte Abtheilung auf die Höhe 100 . 1,8 = 180 Linien = 15 Zoll zu stehen kommen.
3tesBeispiel. Ein Fischteich hat an seiner Oberfläche 90000 Quad. Klafter,
der Fachbaum der Schütze befindet sich 3 Fuss unter dem obersten Wasserspiegel. Zum
Vortheil einer Mühle, welche in jeder Sekunde 2 Kubikfuss Wasser bedarf, soll der Teich
gezogen und das Wasser so weit abgelassen werden, bis der Spiegel desselben um 1 Fuss
erniedrigt wird; es fragt sich:
- 1tens. Wie gross der Kubikinhalt des abzulassenden Wassers sey,
- 2tens. wie lange die Mühlen dadurch im Gange erhalten werden, und
- 3tens. wie hoch zu jeder Zeit die Schütze zu ziehen sey, damit der Ausfluss in
jeder Sekunde die verlangten 2 Kubik Fuss betrage.
Zur genauen Auflösung der ersten Frage würden sehr viele Profile des Teiches er-
fordert, zu deren Aufnahme und Berechnung die nothwendige Zeit und Mühe benöthigt
wird. Zur Vermeidung einer solchen in einem praktischen Falle eintretenden Berech-
nung, wollen wir uns einer approximativen Auflösung bedienen. Es sey nämlich die Länge
des Teiches an der Oberfläche = 600 Klafter und aus einem Versuche habe sich ergeben,
dass die Tiefe des Wassers von 1 Fuss eine Länge von 40 Klaftern erfordert. Demnach
wird die Länge des auf 1 Fuss erniedrigten Teichwassers 560 Klafter seyn. Nehmen wir
nun an, dass diese Teichfläche der obern ähnlich ist, so haben wir nach dem Grund-
satze, dass die Flächen sich wie die Quadrate ähnlicher Seiten verhalten, die Proporzion
6002 : 5602 = 90000□° : 78400□°. Nach den Regeln der Stereometrie beträgt der Kubik-
[166]Beispiele.
inhalt eines abgestutzten Kegels, dessen obere Fläche F = 90000 . 36□' und die untere
f = 78400 . 36□', dann die Höhe h = 1 Fuss ist,
(F + + f) = ⅓ (90000 + + 78400) 36 = 3028800 Kubikfuss, wel-
ches der Kubikinhalt des abzulassenden Wassers ist.
Die Beantwortung des zweiten Theiles der Frage ergibt sich, wenn wir den Kubik-
inhalt des abzulassenden Wassers mit dem Bedarf von 2 Kubikfuss in jeder Sekunde
dividiren, wodurch wir 1514400 Sekunden oder 17 Tage 12 Stunden und 40 Minuten er-
halten, nach deren Verlauf das Wasser im Teiche um 1 Fuss niedriger stehen wird.
Um den dritten Theil der Frage, wie hoch nämlich die Schütze aufgezogen werden
muss, zu beantworten, wollen wir die Breite der Schützenöffnung b = 2 Fuss und die
unbekannte Höhe dieser Oeffnung = z, die Höhe des Wasserstandes über dem Fachbaume
= h und den Zusammenziehungs-Koeffizienten m = 0,633 setzen. Die in einer Sekunde
ausfliessende Wassermenge ist M = m . b . z . 2 , oder in unserm Falle, wo im An-
fange der Wasserstand h = 3 Fuss ist, 2 = 0,633 . 2 . z . 2 , woraus z = 0,116 Fuss
= 1,4 Zoll folgt. Zu Ende des berechneten Ablaufes ist die Höhe des Wasserstandes
nur h = 2 Fuss, also 2 = 0,633 . 2 . z' . 2 √ 15,5 . 2, woraus sich z' = 0,142 Fuss = 1,7 Zoll er-
gibt. Aus dem Vergleiche beider Werthe sieht man, dass die Höhe der Schütze wäh-
rend der Zeit des Ablaufes bei 1 ½ Zoll erhalten werden müsse.
§. 121.
Wenn sich an einem prismatischen Gefäss eine oben offene rechtwinke-
lige Oeffnung in einer vertikalen Wand befindet, so lässt sich die Zeit, in
welcher der Wasserspiegel um eine gegebene Tiefe sinkt, auf folgende
Art berechnen:
Es sey der horizontale Querschnitt des Behälters = F, die Breite der rechtwinke-
ligen Oeffnung = b, die Höhe des Wasserstandes vor dem Anfange des Ausflusses = H,
und die nach Verlauf der Zeit t noch übrige Höhe des Wasserstandes = x, so ist die
Zeit, in welcher das Wasser von der Höhe H auf die Höhe x herabfällt, nach der Lehre
der höhern Analysis, t = *).
Fliesst das Wasser nicht ganz aus, und es bleibt die Höhe h übrig, so ist die Zeit,
in welcher das Wasser von der Höhe H auf h herabfiel t = . Soll
[167]Beispiele.
aber der Behälter ganz leer werden, so wird x = 0, also die Zeit des gänzlichen Aus-
flusses unendlich gross, oder der Wasserbehälter fliesst nie ganz aus. Die Ursache hier-
von ist, dass bei sehr kleinen Höhen das Wasser nur in Tropfen fliessen kann, wobei
aber wegen der unendlich kleinen Wasserstandshöhe die Geschwindigkeit eben so klein,
folglich die Zeit des Zuflusses zur Oeffnung und jene zur völligen Entleerung des Ge-
fässes unendlich gross wird.
1tes Beispiel. Ein Fischbehälter hat an seiner Oberfläche 800 Quad. Klafter
= 28800 Quad. Fuss = F, die Breite der rechtwinkeligen oben offenen Oeffnung oder des
Wasserablaufes sey b = 2 Fuss und die Höhe des Wasserstandes an derselben H = 4 Fuss.
Wird nun der Ablauf ganz geöffnet oder die Schütze ganz aufgezogen, so lässt sich die
Zeit, in welcher dieser Behälter bis auf h = 1 Fuss Wassertiefe leer wird, leicht be-
rechnen.
Die Substituzion unserer Werthe in die obige Gleichung gibt nämlich
t = = 4334 Sek. = 1h 12Min. 14Sek.
2tes Beispiel. Ein Teich hat eine Oberfläche von 90000 Quad. Klafter = 3240000
Quad. Fuss und einen mittlern Wasserstand von 2 Fuss über den Fachbaum der Schütze;
durch einen Wolkenbruch wird dieser Wasserstand auf H = 7 Fuss erhöht, und da man
bei dieser Wasserhöhe einen Dammbruch besorgt, so werden alle Schützen ganz aufge-
zogen, um den Wasserspiegel auf seinen frühern Stand zu bringen oder um a = 5 Fuss
zu senken. Es fragt sich, in welcher Zeit t diese Wassermenge abgelaufen seyn wird,
wenn die Breite aller Schützenöffnungen zusammen b = 40 Fuss beträgt.
Die höhere Analysis *) gibt uns nach der unter dem Texte beigefügten genauen
Auflösung eine Zeit von 7h 48Min. für diesen Fall an.
[168]Ausfluss aus zusammengesetzten Behältern.
§. 122.
1.
Tab.
47.
Wenn zwei Gefässe M N E A, und A E Q P durch eine Scheidewand A D
so mit einander verbunden sind, dass das Wasser durch die Oeffnung D E aus
einem Gefässe in das andere treten kann und nun in das erste Gefäss so viel Wasser zu-
läuft, dass es fortwährend auf der Höhe M N erhalten wird, so wird auch das Wasser
in dem zweiten Gefässe A E Q P nach und nach steigen und endlich auf denselben Was-
serstand A E gelangen. Im ersten Augenblicke fliesst das Wasser mit der Geschwin-
digkeit c = 2 aus dem ersten Gefässe in das zweite über. Diese Geschwindig-
keit nimmt jedoch fortwährend ab und beträgt im Punkte C nur noch 2 , und in
B nur 2 . In beiden Fällen hebt sich nämlich der Druck des auf gleicher Höhe
befindlichen Wasserstandes C E und B E auf und es bleibt bloss der Unterschied der
Druckhöhen A E — C E = A C und A E — B E = A B als die wirksame Druckhöhe übrig,
wodurch nun die Geschwindigkeit des Wasserausflusses hervorgebracht wird.
Die Zeit der Anfüllung des Gefässes A E Q P lässt sich mit Hilfe des §. 119 leicht
finden. Das Wasser hat nämlich eine gleiche verminderte Bewegung, als wenn es sich
durch die Oeffnung D E = f frei ausleeren sollte. Es wird demnach auch hier die Zeit
der Anfüllung T = seyn, wo H = A D und F die Querschnittsfläche des Ge-
fässes A E Q P ist.
§. 123.
Werden mehrere oben offene Gefässe dergestalt mitsammen durch
Scheidewände verbunden, dass das Wasser aus einem Gefässe in das andere durch
unten angebrachte Oeffnungen laufen kann, so lässt sich der Ausfluss des Wassers aus
solchen zusammengesetzten Behältern nach den bisherigen Grundsätzen ohne
Fig.
2.Anstand berechnen. Nehmen wir den Fall an, dass drei solche Gefässe mitsammen durch
Scheidewände verbunden werden, und dass der Zufluss des Wassers in das erste Gefäss eben
so gross als der Abfluss desselben aus dem letzten Gefässe sey, so kann man 1tens die Höhe,
auf welcher das Wasser in einem jeden Gefässe stehen bleibt und 2tens die Wassermenge
berechnen, welche auf diese Art aus einem Gefässe in das andere fliesst.
Zu dieser Bestimmung wollen wir annehmen, dass das Wasser in dem Gefässe bereits
in einem Beharrungszustande sey. Vom Anfange nämlich, wenn das Wasser in
das erste Gefäss einfliesst, werden die Höhen, auf welchen es in demselben und in den
*)
[169]Ausfluss aus zusammengesetzten Behältern.
andern Gefässen steht, sich ändern, jedoch nach einiger Zeit einen unveränderlichenFig.
2.
Tab.
47.
Stand annehmen. Es seyen x, y und z die Höhen, um wie viel die Oberfläche des Was-
sers in jedem Gefässe über der Oberfläche des nächstfolgenden steht, so ist die Summe
dieser Höhen der ganzen Druckhöhe H gleich oder x + y + z = H (I).
Ist M die Wassermenge, welche in 1 Sekunde in das oberste Gefäss zufliesst, so muss
dieselbe auch in das zweite und dritte Gefäss in derselben Zeit gelangen. Da aber die
Geschwindigkeiten, womit das Wasser aus einem Gefässe in das andere strömt, nur von
dem Unterschiede der Druckhöhe des Wassers in beiden Gefässen herrühren, so erhalten
wir M = m . f . 2 (II). Ferner m . f . 2 = m . f' . 2 (III), endlich
m . f' . 2 = m . f'' . 2 (IV).
Aus diesen 4 Gleichungen lässt sich nebst den Grössen x, y und z noch eine z. B.
M bestimmen, wenn nur f, f', f'', H und m bekannt sind; ist aber M gegeben, so kann
man H finden. Es ist nämlich y = x und z = x und wird diess substituirt
H = x + x , woraus x = , demnach auch
y = , und z = , endlich
M = m . f.2.
Aus dieser Rechnung ersehen wir, dass die Wassermenge, welche aus einem zusam-
mengesetzten Behälter ausfliesst, desto kleiner ist, durch je mehr Oeffnungen das Was-
ser sich bewegt. Ist nämlich bloss eine Oeffnung vorhanden, oder fliesst das Wasser aus
dem ersten Gefässe sogleich frei ab, so ist nach dem vorigen, M = m . f . 2 . Sind
Oeffnungen vorhanden oder hängen zwei Gefässe zusammen, so ist
M' = m . f . 2. Wäre f = f', so ist M' = m . f . 2 . Sind drei
Oeffnungen von gleicher Grösse vorhanden, so ist
x = = y = z und die Wassermenge M'' = m . f . 2 . Demnach
stehen die Wassermengen, welche bei gleicher Grösse von f durch 1, 2, 3, .... Behälter
fliessen können, in dem Verhältnisse . . . . = 1 : 0,707 : 0,577 ....; das Wasser
wird daher desto langsamer fliessen, durch je mehr Oeffnungen es geleitet wird.
Es muss jedoch nothwendig bemerkt werden, dass diese Berechnung nur dann für
richtig anzunehmen sey, wenn die zwischen dem Zuflusse und Abflusse des Wassers lie-
genden Behälter von einer solchen Grösse sind, dass die Geschwindigkeit, womit das
Gerstner’s Mechanik. Band II. 22
[170]Ausfluss aus zusammengesetzten Behältern.
Wasser aus einer Oeffnung ausfliesst, auf die Geschwindigkeit, mit der es aus der nächsten
Oeffnung (des zweiten Behälters) fliesst, keinen Einfluss hat, in welchem Falle daher das
Wasser bei seinem Abflusse vor jeder Oeffnung als stillstehend betrachtet werden kann.
Liegen mehrere Teiche so übereinander, dass die Wasserspiegel der unteren
Teiche, zeitweilig z. B. bei einem starken Regengusse so anschwellen, dass dieselben die
Zapfenöffnungen der obern Teiche bedecken, so findet dieselbe Rechnung Statt. Es wird
nämlich desto weniger Wasser aus diesen Teichen durch das nächstliegende Thal abflies-
sen, jemehr solche Teiche darin angelegt sind. Werden dagegen die untern Teiche auf-
gelassen (abgebrochen), so fliesst die ganze Wassermasse durch die einzige Oeffnung des
obern Teiches ohne weiteres Hinderniss in kürzerer Zeit ab, und die Flüsse, in welche
diese Wässer aus mehreren solchen Thälern strömen, schwellen schneller an. Hieraus
erklärt sich, warum z. B. in Böhmen nach dem Aufheben mehrerer Teiche öftere und
schnellere Anschwellungen der grossen Flüsse beobachtet wurden, als dieses bei dem
Bestehen derselben Teiche früher der Fall war. Auch ersieht man hieraus, dass in
dem umgekehrten Falle, wenn man das Wasser in einem Lande länger aufhalten und
für die Landwirthschaft, Fabriken oder zu andern Zwecken verwenden will, dieses durch
Anlegung mehrerer Teiche am zweckmässigsten geschehen könne. Ein weiterer Grund
für die Anlage der Teiche ist aus der Verordnung Kaiser Karl IV. ersichtlich, welcher
mehrere Teiche in Böhmen zu dem Zwecke anlegen liess, damit, wie es in der Verord-
nung heisst, die Menge der Dünste und Fische vermehrt würde („Ut Numerus vaporum
et piscium augeatur“).
§. 124.
Fliesst das Wasser nicht in offenen Behältern, sondern in geschlossenen Röhren,
so findet dieselbe Rechnung Statt; es bedeuten nämlich x, y, z die Höhen, welche er-
fordert werden, um das Wasser aus einem Gefässe in das andere zu drücken oder zum
Ausflusse zu bringen. Hier findet man genau dieselben Gleichungen. Es muss jedoch
abermals bemerkt werden, dass bei Röhrenleitungen, die aus mehreren Stücken von
Fig.
3.
Tab.
47.ungleichem Durchmesser zusammengesetzt, oder bei ihrer Verbindung nicht so zusam-
mengefügt sind, dass sie als eine einfache Röhre betrachtet werden können, die ange-
führte Rechnung nur dann angewendet werden kann, wenn die Geschwindigkeit, welche
dem Wasser durch den Ausfluss aus der ersten Röhre in die zweite mitgetheilt wird,
durch den Widerstand der Wände der zweiten Röhre wieder aufgehoben wird. In
diesem Falle wird nämlich in der Formel für M die Gefällshöhe H bei einer jeden
solchen Zusammensetzung, wo die Fläche f kleiner wird, einen neuen Divisor bekom-
men, demnach wird eine solche Röhrenleitung desto weniger Wasser geben, je mehr
unrichtige Zusammenfügungen in derselben vorkommen.
§. 125.
Eine wichtige Anwendung der vorstehenden Berechnung findet bei der Bestimmung
der Zeit Statt, in welcher eine Schleusse gefüllt und entleert wird.
Vor Behandlung dieses Gegenstandes glauben wir, unsern Lesern eine kurze Dar-
stellung der Vortheile der Schiffahrt mittelst Kanälen und Schleussen und
der Art, wie mittelst derselben Berge und Thäler übersetzt werden, zu geben.
[171]Kanäle in England.
Die Schiffahrt auf Flüssen wurde seit den ältesten Zeiten ausgeübt. Da jedoch
die Rückfahrt oder sogenannte Bergfahrt auf den Flüssen mit bedeutenden Hinder-
nissen verbunden war und eine sehr grosse Zugkraft erforderte, so verfiel man auf den
Gedanken, künstliche Schiffahrtstrassen, die man Kanäle nannte, zu graben. Diese
Kanäle wurden anfangs bloss horizontal angelegt; die Lasten wurden auf denselben in
Booten oder Schiffen mit sehr geringer Zugkraft fortgebracht, und man fand, dass ein
Pferd 500 bis 600 Zentner mit gleicher Anstrengung fortschaffen konnte, mit wel-
cher es auf einer Chaussée 15 bis 20 Zentner fortzog. Diese künstliche Schiffahrt
blieb durch mehrere Jahrhunderte bloss den ganz flachen Ländern vorbehalten, bis
man im Jahre 1642 zuerst auf den glücklichen Gedanken verfiel, Schleussen anzulegen,
worin die Schiffe ohne Anwendung einer besondern Zugkraft mehrere Fuss gehoben
oder herabgelassen, und auf diese Art selbst Berge von bedeutenden Höhen ohne
Vermehrung des Kraftaufwandes übersetzt werden konnten.
England hatte bis zum Jahre 1755 noch keine Kanäle. Zu dieser Zeit entschloss
sich der Herzog von Bridgewater einen Kanal bei Manchester zum Behufe des Transpor-
tes seiner Steinkohlen von Worsley nach Manchester anzulegen. Der Bau dieses Ka-
nals begann unter der Leitung des Ingenieurs Brindley, in Folge einer Parlamentsakte
vom Jahre 1758, und wurde binnen einigen Jahren glücklich vollendet. Dieser Bau both
für die damalige Zeit sehr grosse Schwierigkeiten dar, indem mehrere Objekte von Be-
deutenheit hierbei ausgeführt und der Kanal auf einem Aquaeduct mittelst dreier Bo-
gen quer über den schiffbaren Fluss Yrrwell geführt werden musste. Der glückliche
Erfolg dieser Unternehmung, welche ihrem Eigenthümer einen ungeheuern Gewinn
brachte, veranlasste sehr bald die Bildung vieler Akziengesellschaften, auf deren Kosten
Kanäle in allen Gegenden von England angelegt wurden. Der Verkehr in diesem
Lande wurde durch diese künstliche Schiffahrt so sehr erleichtert, dass die ersten
Staatsmänner noch gegenwärtig einen grossen Theil des Wohlstandes in England sei-
nem ausgedehnten Kanalsysteme zuschreiben. Huerne de Pommeuse gibt in seinem
Werke: „Des Canaux navigables, considérés d’une manière générale avec des re-
cherches comparatives sur la navigation intérieure de la France et celle de l’An-
gleterre; Paris 1822.“ eine Uibersicht der bis dahin in England ausgeführten Kanäle,
gemäss welcher 102 Kanäle in einer Länge von 2682¼ englischen Meilen (568,6 N. Oe.
Meilen) erbaut waren, worunter noch jene Kanäle, deren Länge weniger als 5 engl.
Meilen betrug, nicht begriffen sind. Da seit jener Zeit mehrere Kanäle verlängert
und neue angelegt wurden, so kann man die Länge der gegenwärtig in England be-
stehenden Schiffahrtskanäle wenigstens auf 3000 engl. Meilen (636 N. Oe. Meilen)
anschlagen.
§. 126.
Die Schiffe werden, wie wir bereits erinnerten, in den Schleussen durch den blossen
Druck des Wassers ohne einer weitern Kraft gehoben oder gesenkt. An jenen Strecken,
wo der Kanal eine Anhöhe zu überschreiten hat, wird nämlich derselbe durch ein oderFig.
4.
Tab.
47.
mehrere Schleussen unterbrochen. Eine solche Schleusse ist ein Behälter A C H G B,
worin ein oder mehrere Schiffe Platz haben; an dem obern und untern Ende desselben
22*
[172]Schleussung der Schiffe.
Fig.
4.
Tab.
47.sind Thore A C und B G angebracht, in welchen kleinere Oeffnungen C und G mit
Schützen vorhanden sind. Hierdurch kann der Behälter oder die Schleussenkam-
mer mit Wasser gefüllt und dasselbe wieder abgelassen werden; derselbe Zweck kann
aber auch durch besondere zur Seite der Thore befindliche Ablaufkanäle erreicht werden.
Die Kanäle werden von einer Schleusse zur andern horizontal fortgeführt, demnach kön-
nen auch die Schiffe, welche sie befahren, mit gleicher Leichtigkeit in beiden Richtun-
gen fortgehen. Einer Schleusse wird gewöhnlich ein Gefälle von 6 bis 8 Fuss gegeben.
Wenn daher die Anhöhen, welche Kanäle übersetzen, steil sind, so pflegt man zwei
oder mehrere Schleussen unmittelbar an einander zu stellen.
Soll nun ein Schiff den Kanal hinauffahren, so wird die Schleussung auf folgende
Art vorgenommen: Das Schiff fährt aus dem unteren Kanal in die Schleussenkammer
ein, worauf das untere Thor geschlossen und die im oberen Thore befindliche Schütze
aufgezogen wird. Das Wasser strömt durch die Schützenöffnung in die Schleussenkam-
mer und steigt darin so lange, bis es die Höhe des Wasserspiegels im Kanale oberhalb
der Schleusse erreicht hat. Bei diesem Steigen wird das Schiff zugleich gehoben und
wenn der Wasserspiegel in der Schleusse und im Kanale auf gleicher Höhe ist, werden
die oberen Schleussenthore geöffnet und das Schiff fährt itzt im Kanale weiter, bis es
abermals zu einer Schleusse gelangt.
Soll im Gegentheile ein Schiff aus dem oberen Kanale in den unteren gelangen, oder
bergab fahren, so führt man es bis zu dem obern Schleussenthore. Ist die Schleussen-
kammer gefüllt, so fährt das Schiff sogleich hinein; ist diess aber nicht der Fall, so
bleibt das Schiff am obern Schleussenthore stehen und es wird die in diesem Thore be-
findliche Schütze aufgezogen, nachdem das untere Thor geschlossen wurde. Das Wasser
in der Kammer wird nun durch das von oben zuströmende Wasser so lange anwach-
sen, bis es sich mit demselben in einer Ebene befindet. Itzt öffnet man die oberen
Schleussenthore, und führt das Schiff in die Kammer, schliesst hierauf das obere Thor
und öffnet die Schütze im unteren Thore. Durch diese fliesst das Wasser aus der Kam-
mer ab, und fällt endlich bis auf den Wasserspiegel im untern Kanale, worauf man
die untern Thorflügel öffnet und das Schiff hinausfahren lässt. Es leuchtet von selbst
ein, dass die Kammer nicht für jede Schleussung eigends gefüllt werden müsse. Wenn
nämlich ein Schiff hinauf fährt und hierauf ein zweites hinabfährt, so wird die Schleussen-
kammer nur zum Behufe des Hebens des Schiffes gefüllt und das nächste Schiff geht nun
mit derselben Wassermasse aus dem oberen Spiegel in den unteren herab. Wird ein
Kanal auf diese Art über ein Gebirge geführt, so unterliegt diess zwar keinem Anstande,
allein es muss immer das zur Schleussung erforderliche Wasser aus dem höchsten Punkte
(dem Scheidungspunkte) in den Kanal zugeführt und zu diesem Behufe auf der grössten
Höhe die nothwendigen Wasserbehälter angelegt werden. Der Wasserbedarf wird aus
der Anzahl Schiffe, welche den Kanal jährlich befahren und der Grösse der Schleussen-
kammern mit Rücksicht auf die fortwährende Verdampfung des Wassers berechnet.
§. 127.
Die Zeit, binnen welcher eine Schleussenkammer mit Wasser ge-
füllt wird, berechnet man auf folgende Art: Wird die im oberen Thore befindliche
[173]Zeit zur Schleussung der Schiffe.
Schütze aufgezogen, so fliesst das Wasser mit der Geschwindigkeit c = heraus,Fig.
4.
Tab.
47.
wo h die Höhe des Wasserstandes bis zur Mitte der Ausflussöffnung bezeichnet. Diese
Geschwindigkeit dauert so lange, bis der untere Theil C E F D der Schleussen-
kammer, dessen kubischen Inhalt wir Q nennen wollen, bis zur Mitte der Ausfluss-
öffnung gefüllt wird; demnach ist die hierzu erforderliche Zeit = .
Die Zeit, in welcher A C D B gefüllt wird, berechnet man nach §. 119. Es ist nämlich
die anfängliche Geschwindigkeit, wenn das Wasser gerade über die Mitte der Oeff-
nung steigt = und da die Druckhöhe und demnach auch die Geschwindigkeit am
Ende = 0 ist, so wird die mittlere Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser vor der Oeff-
nung steigt und den Raum A C D B anfüllt = seyn, demnach ist die zur Anfüllung
erforderliche Zeit = . Die Zeit, in welcher die ganze Kammer volläuft, ist
daher .
Die Zeit, in welcher eine volle Schleussenkammer wieder ablauft,
lässt sich auf gleiche Art berechnen. Nennen wir das Gefälle der Schleusse oder den
Höhenunterschied vom obern bis zum unteren Wasserspiegel = H, so ist die anfängliche
Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser aus der Oeffnung im untern Thore ausströmt
= ; ist aber die Schleussenkammer ganz entleert, so ist in dem Augenblicke,
als diess eintritt, die Geschwindigkeit des Ausflusses = 0, demnach die mittlere Geschwin-
digkeit = . Hieraus ergibt sich die Zeit, in welcher der kubische Inhalt Q + R
der Kammer ausfliesst T' = .
Bei beiden Berechnungen wurde angenommen, dass der Wasserspiegel im Kanale
oberhalb und unterhalb der Schleusse sich durch die Anfüllung oder Entleerung der-
selben nicht ändere, oder dass das Wasser im Kanale weder fällt noch steigt. Diese
Annahme unterliegt keinem Anstande, indem der Kubikinhalt einer Schleussenkam-
mer im Verhältnisse zum Kubikinhalte des Wassers in den anstossenden Kanalstrecken
gewöhnlich so unbedeutend ist, dass er daselbst keine merkliche Aenderung des Was-
serspiegels bewirkt.
Beispiel. Die gewöhnlichen englischen Kanalschiffe sind 60 Fuss lang; nehmen
wir die untere Länge des Wasserspiegels in der Kammer E F = 1 = 66 Fuss und die obere
Länge C D = L = 72 Fuss, dann die Breite der Schleusse b = 8 Fuss, den Fall einer
Schleusse H ebenfalls = 8 Fuss und die Höhe des Wasserstandes in der oberen Kanal-
strecke bis zur Mitte der Oeffnung h = 3,5 Fuss, endlich die Fläche der Ausflussöffnung
f = 2 Quad. Fuss an, so ist 8 = 2484
Kub. Fuss; ferner R = L . b . h = 72 . 8 . 3,5 = 2016 Kub. Fuss, demnach die Zeit, bin-
nen welcher die Schleusse volläuft T = = 357Sec. = 5Min. 57Sec. und
[174]Zeit zur Schleussung der Schiffe.
die Zeit, in welcher diese Schleusse entleert wird
T' = = 326Sec. = 5Min. 26Sec.. Rechnet man nun noch für das Ein-
und Ausfahren des Schiffes, dann für das Schliessen der Thore eine Zeit von 1 bis
1,5 Minuten, so folgt, dass zur Schleussung eines einzelnen Schiffes, es sey bei der
Berg- oder Thalfahrt, wenigstens 7 Minuten erfordert werden, oder dass in einer
Stunde 8 bis 9 Schiffe durch eine Schleusse gelangen können. Wenn jedoch nach
jedem Schiff, welches hinauf geht, sogleich ein anderes hinabgebracht wird, so wird
die Zeit einer Füllung der Kammer erspart und man kann in 9 Minuten beide Schiffe be-
fördern, demnach in 1 Stunde beiläufig 7 Schiffe hinauf und 7 Schiffe hinab führen.
[175]
IV. Kapitel.
Bewegung des Wassers in Röhren mit Rücksicht auf
den Widerstand der Wände.
§. 128.
Wir haben im vorigen Kapitel sowohl auf analytischem Wege als durch eine grosse
Anzahl Erfahrungen bewiesen, dass das Wasser aus Gefässen mit derselben Geschwindig-
keit ausfliesst, welche allen Körpern im freien Falle von der Oberfläche des Wasserstandes
bis zum ausfliessenden Wasserstrahle von der Schwere beigebracht wird, und dass hierbei
weder die Länge des Weges, welchen die Wassertheile längst den Wänden der Gefässe
oder zwischen den andern Wassertheilen zurücklegen, noch die Richtung des ausfliessen-
den Wasserstrahles zu berücksichtigen ist. Wenn wir demnach die Höhe des Wasserstan-
des über der Mitte der Oeffnung = h und die Fallhöhe der schweren Körper in der ersten
Sekunde = g setzen, so ist die Geschwindigkeit des ausfliessenden Wassers c =
und dieselbe erleidet selbst durch die Zusammenziehung, welche man an dem Wasser-
strahl auf einer kurzen Entfernung von der Oeffnung beobachtet, keine Aenderung, wie
ebenfalls im vorigen Kapitel gezeigt wurde.
Da dieser Satz als eine allgemeine Folge der Schwerkraft und des Druckes, welchen
die ausfliessenden Wassertheile von dem im Gefässe darüber stehenden ruhigen Wasser
erfahren, anzusehen ist, und da die unveränderte Mittheilung dieser vereinten Kraft
nur bei dem sehr geringen Zusammenhange der Theile und der vollkommenen Flüssigkeit
des Wassers Statt findet, so glaubte man, dass das Wasser bei seiner Bewegung in
Röhren auch am Ende desselben mit gleicher Geschwindigkeit c = ausfliessen
und dass demnach auch eine horizontale Röhrenleitung von grösserer oder kleinerer
Länge einerlei Wassermenge geben müsse. Man war der Meinung, dass, wenn auch
einige Wassertheile an den Röhrenwänden so wie bei der Reibung fester Körper einen
Widerstand finden, und dadurch in ihrer Bewegung aufgehalten würden, doch die in-
nern Wassertheile, welche nicht mehr an den Wänden, sondern an andern vollkommen
flüssigen Wassertheilen fortfliessen, von ihrer durch den Druck des Wasserstandes im
Behälter erlangten Geschwindigkeit c = nichts verlieren könnten.
Diesen Gründen stand jedoch die Erfahrung entgegen, und man befand sich in
sehr grosser Verlegenheit, als man bei längern Wasserleitungen und vorzüglich bei jenen
von Marly nach Versailles gesehen hatte, dass bei weitem nicht dieselbe Wassermenge
[176]Widerstände des Wassers in Röhren.
am Ende der Röhren abfloss, welche aus denselben Röhren bei einer kürzeren Länge
oder in der Nähe des Wasserbehälters ausgeflossen ist. Diese Beobachtung stimmte mit
einer zweiten eben so wichtigen überein, gemäss welcher die springenden Wasserstrahlen
bei weitem nicht auf die Höhe des Wasserspiegels im Behälter, woraus das Wasser durch
Röhren zu den Springbrunnen geleitet wurde, sich erhoben.
Uiber die Ursache dieser merkwürdigen Erscheinung hat uns erst am Ende des ver-
flossenen Jahrhunderts Herr du Buat in seinem Werke „Principes d’ Hydraulique, véri-
fiés par un grand nombre d’expériences, Paris 1786“ mehr Aufklärung gegeben,
und durch eine grosse Anzahl von Erfahrungen gezeigt, dass die Ursache dieses Zurück-
bleibens des Wassers oder der Verminderung seiner Geschwindigkeit bei sehr langen
Röhrenleitungen nur dem Widerstande der Wände und der Biegung der
Röhren beizumessen sey. Nicht so glücklich war du Buat bei der Untersuchung und
Auffindung der Gesetze, nach welchen dieser Widerstand zu bemessen und bei prakti-
schen Aufgaben über die Anlage grösserer Wasserleitungen in Rechnung zu nehmen
sey. Seine empirische Formel *) ist weder mit physischen Gründen hinlänglich un-
terstützt, und noch weniger mit jener Einfachheit dargestellt, welche man bei solchen
Gegenständen zu wünschen pflegt. Wir wollen demnach vorläufig die Grundsätze anfüh-
ren, nach welchen der Widerstand der Wände bemessen werden kann und sodann zur
Bestimmung der Grösse dieses Widerstandes, so wie es bei der Reibung der festen
Körper der Fall war, die nothwendigen Koeffizienten durch Versuche ausmitteln.
§. 129.
Wenn eine horizontale Wasserröhre von gleichem Durchmesser in ihrer ganzen Länge
mit Wasser angefüllt ist und dieses Wasser aus einem Behälter erhält, so dass dasselbe
mit einer gleichen Druckhöhe durch die Röhre fortgeleitet wird, so muss auch die Ge-
schwindigkeit des Wassers sowohl am obern als untern Ende der Röhre und überhaupt
in jedem Querschnitte dieselbe seyn. Da nämlich am untern Ende weder mehr noch
weniger Wasser abfliessen kann, als in das obere Ende der Röhrenleitung einfliesst,
durchaus aber ein gleicher Querschnitt vorhanden ist, so muss auch der Wasserabfluss
für die Sekunde und die Geschwindigkeit an jedem Orte gleich seyn. In dieser Hin-
sicht können wir das ganze Wasser in der Röhre als einen Körper betrachten, bei dem
auf gleiche Art wie bei festen Körpern alle Theile sich mit gleicher Geschwindigkeit
bewegen.
Der Widerstand des Wassers an den Röhrenwänden wird theils der Adhäsion
der Theile an die ganze Wand der Röhre, theils auch dem Stosse beige-
[177]Widerstände des Wassers in Röhren.
messen, welchen die Wassertheile an die hervorstehenden festen Theile der Röhren-
wand ausüben. Wir wollen jeden dieser Widerstände für sich besonders betrachten.
I. Da das Wasser sich an die Röhrenwand wie an jeden andern festen Körper an-
hängt, so muss es bei seiner Bewegung von derselben losgerissen werden. Die Summe
der Theile, an welche sich das Wasser anhängen kann, ist offenbar der innern Fläche der
Röhrenwand gleich, folglich die hierzu erforderliche Kraft der Fläche der Röhren-
wand oder dem Produkte aus der Peripherie p der Röhre im Lichten, in die Länge 1
proporzional. Diese Annahme unterliegt keinem Anstande, da auf eine doppelt, drei-
mal ..... so grosse Fläche auch doppelt, dreimal ..... so viele Theile sich anhängen,
das Wasser demnach in eben diesem Verhältnisse in seiner Bewegung aufgehalten wird,
oder einen solchen Widerstand erfährt. Wollte man nach der Erklärung einiger Schrift-
steller annehmen, dass die innere Fläche der Röhren mit einer unveränderlichen dünnen
Wasserschichte, die fortwährend an der Oberfläche der Röhren anklebt, benetzt werde,
so muss das durchfliessende Wasser von diesen an der Röhre anklebenden Wassertheil-
chen abgerissen werden. Die Adhäsion des Wassers mag nun auf die eine oder die
andere Art geschehen, so ist offenbar, dass der hieraus entstehende Widerstand in jedem
Falle dem Produkte p.1 proporzional sey.
II. Der zweite Theil des Widerstandes entsteht aus dem Stosse oder dem Drucke
der Wassertheile an die vorstehenden Theile der Röhrenwand. Eine Röhre mag noch
so glatt seyn, so hat sie doch gewisse Erhöhungen und Vertiefungen, an welche die
Wassertheile bei ihrer Bewegung eben so anstossen, wie es bei der Reibung der festen
Körper der Fall ist, mit dem blossen Unterschiede, dass dort die hervorragenden Theile
abgebrochen werden, was hier nicht Statt findet. Durch den Stoss der Wassertheile
an die Röhrenwände entsteht ein Widerstand, zu dessen Gewältigung abermals eine
Kraft erfordert wird. Da diese Kraft von der Grösse der Röhrenwände abhängt, so
ist sie dem Produkte p . 1 proporzional.
Wenn das Wasser sich durch die Röhre bewegt, so wird das Abreissen aller Theil-
chen in jeder Zeitsekunde um so öfter wiederholt, je grösser die Geschwindigkeit des
in der Röhre fliessenden Wassers ist. Nennen wir diese Geschwindigkeit = v, so ist
der erste Theil des Widerstandes, dem Produkte 56,4 p. 1 . v proporzional. Da jeder
Druck oder Widerstand durch das Gewicht eines Wasserkörpers ausgedrückt werden
kann, so können wir einen Koeffizienten B annehmen, welcher mit 56,4 p . l . v multiplizirt
den kubischen Inhalt des Wasserkörpers gibt, dessen Gewicht der Kraft 56,4 P gleich
ist, welche zur Uiberwältigung dieses von der Adhäsion herrührenden Widerstandes
erfordert wird.
Bei dem Stosse der Wassertheile ist zu bemerken, dass die Zahl der Stösse in jeder
Sekunde erstens mit der Geschwindigkeit zunimmt, ferner dass auch die Grösse jedes
Stosses selbst noch derselben Geschwindigkeit proporzional ist. Die ganze Wirkung des
Stosses wächst daher wie das Quadrat der Geschwindigkeit und es ist die zu seiner Uiber-
wältigung erforderliche Kraft 56,4 Q dem Produkte 56,4 p . l . v2 proporzional, oder wenn wir
die Geschwindigkeitshöhe = u setzen, so können wir die Kraft, welche zur Gewältigung
Gerstner’s Mechanik. Band II. 23
[178]Widerstände des Wassers in Röhren.
der Stösse des Wassers nöthig ist, dem Produkte 56,4 p . l . u = 56,4 p . l · proporzional
setzen. Da 56,4 p . l . u das Gewicht eines Wasserkörpers ist, so darf dasselbe nur noch
mit einem Koeffizienten A multiplizirt werden, um die wirkliche Kraft 56,4 Q zur Ge-
wältigung des Widerstandes vom Stosse zu erhalten.
Hieraus ergibt sich der gesammte Widerstand des Wassers an den Wänden der Röhre,
56,4 P + 56,4 Q = 56,4 p . l . Der Widerstand, welchen die ganze Was-
sermenge, die durch die Röhre durchgeht, erleidet, ist daher einer Wassersäule
gleich, deren Grundfläche die innere Oberfläche (p . l) der Röhre und
deren Höhe die Grösse + B. v ist.
Dieser Widerstand muss nun durch das Gewicht einer Wassersäule gewältigt werden,
welche auf den Anfang der Röhre drückt, und das Wasser mit der Geschwindigkeit v
fortzuschieben im Stande ist. Setzen wir die Höhe des Wasserstandes im Behälter
über der Mitte der Oeffnung = h und die Fläche der Oeffnung = f, so ist der Druck an
die Oeffnung der Röhre nach hydrostatischen Grundsätzen dem Gewichte der Wassersäule
f . h gleich. Weil aber das Wasser bei dem Anfange der Röhre mit der Geschwindigkeit v
einfliessen muss, so ist hierzu nach §. 103 die Höhe oder die Wassersäule f · nö-
thig, es bleibt demnach zur Gewältigung der Widerstände bloss die Wassersäule
f . h — f · übrig, und wir erhalten P + Q = f . h — f · = p . l .
Wird diese Gleichung mit f dividirt, und das Glied auf die andere Seite gesetzt, so
haben wir die Höhe des Wasserstandes im Gefässe . Es zer-
fällt demnach die ganze Druckhöhe h in zwei Theile, wovon der
erste Theil die eigentliche Geschwindigkeitshöhe des Wassers
, der zweite Theil aber diejenige Höhe ist, welche zur Uiber-
wältigung der Widerstände in den Röhren erfordert wird.
§. 130.
Aus der aufgestellten Gleichung ersehen wir:
1tens. Dass die Höhe des Wasserstandes im Gefässe um so grösser seyn müsse,
je grösser die Geschwindigkeit v und die Produkte und B . v sind.
2tens. Dass der Widerstand des Wassers in Röhrenleitungen hauptsächlich von
der Länge der Röhrenleitung 1 bestimmt wird.
Bei kurzen Ansatzröhren ist 1 unbedeutend, demnach kann der Widerstand der Röh-
renwände vernachlässigt werden, und die Geschwindigkeitshöhe ist der Höhe des Was-
serstandes h gleich, demnach v = , wie wir es §. 102 erwiesen haben. Allein
[179]Widerstände des Wassers in Röhren.
selbst in dem Falle, wenn A und B unbedeutende Grössen sind, kann dennoch der Wider-
stand eine sehr grosse Höhe des Wasserstandes im Behälter erfordern, wenn die Länge 1
der Röhrenleitung sehr gross ist.
3tens. Setzen wir den Durchmesser der Röhre im Lichten = d, so ist die Peri-
pherie der Oeffnung p = π . d und ihre Fläche f = , demnach . Hierdurch
erhalten wir die Höhe des Wasserstandes im Behälter . Hier-
aus ergibt sich, dass der Widerstand des Wassers an den Röhrenwänden vorzüglich
von dem Verhältnisse abhängt, oder im geraden Verhältnisse der Länge und im um-
gekehrten der Halbmesser der Röhren stehe. Der Widerstand kann demnach auch bei
kurzen Röhren sehr gross werden, wenn der Halbmesser der Röhren sehr klein ist, folg-
lich nach der Division doch eine grosse Zahl erhalten wird. Hieraus sehen wir auch,
dass zur Bestimmung des Widerstandes der Röhrenwände Versuche mit Röhren von klei-
nern Durchmessern angemessener sind, als jene mit grössern Durchmessern, weil bei den
letztern, im Falle d gross ist, dasselbe Verhältniss erst durch eine bedeutende Länge 1
erreicht werden kann.
Es verdient hier noch bemerkt zu werden, dass schon Newton in seinen princ. phil.
nat. Lib. II. prop. XXI. den Satz aufstellte, dass der Widerstand des Wassers theils dem
Quadrate und theils der einfachen Geschwindigkeit proporzional sey. Er leitete diesen
Satz aus seinen Versuchen über den Widerstand der Pendel im Wasser her.
§. 131.
Zur Bestimmung der vorstehenden Koeffizienten A und B werden Versuche benöthigt,
welche mit möglichster Genauigkeit angestellt seyn müssen, weil der Widerstand des
sehr beweglichen Wassers an und für sich nicht bedeutend seyn kann. Die weitläufig-
sten Versuche dieser Art sind von dem Herrn Abbé Bossut, Generalinspektor über die
Maschinen und hydraulischen Werke der königlichen Gebäude, dann von Herrn du Buat,
Obristlieutenant bei dem k. franz. Ingenieurkorps angestellt, und in ihren hydraulischen
Schriften bekannt gemacht worden. Nebst diesen Versuchen führen wir noch einige im
Grossen gemachte von Couplet in Frankreich, und einige eigene Erfahrungen an. Bei
allen diesen Versuchen, welche wir der Berechnung der Werthe von A und B zum
Grunde legen, waren die Leitungsröhren des Wassers horizontal.
Herr Abbé Bossut bediente sich zu seinen Versuchen einer Vorrichtung, welche
Fig. 5 im Längendurchschnitt und Fig. 6 im Grundrisse dargestellt ist. Er liess auf einerFig.
5
und
6.
Tab.
47.
Anhöhe zunächst der Stadt Mézières zwei Behälter A B C D und E F G H in der Erde
ausgraben; der erste hiervon enthielt 25 bis 30 Kubik-Toisen und war zum beständigen
Ersatze des Abflusses bestimmt; der zweite Behälter E F G H, worin das Wasser bestän-
dig auf gleicher Höhe über der Achse der Röhre erhalten wurde, hielt beiläufig 6 Kubik-
Toisen Wasser, wenn er bis zur grössten Höhe, die 4,5 par. Fuss betrug, angefüllt war. Eine
23*
[180]Versuche über die Röhrenwiderstände.
Fig.
5
und
6.
Tab.
47.horizontale Röhre G J von weissem Blech, und beiläufig 8 bis 9 Zoll im Durchmesser stellte
die Verbindung des Behältnisses E F G H mit dem würfelförmigen Gefässe K her; diess
letztere war ebenfalls von weissem Blech verfertigt, hatte 1 Fuss auf jeder Seite zur Länge,
und war auf allen Seiten verschlossen. Auf einer lothrechten Wand dieses Gefässes wur-
den senkrecht an M und N zwei geradlinigte Röhren von weissem Blech angebracht, de-
ren Länge fortwährend vergrössert wurde und von 30 bis 180 Fuss reichten. Da das
Gefäss K von allen Seiten verschlossen war, so folgt, dass die Höhe des Wassers über der
Achse einer jeden Röhre bei den Versuchen dem vertikalen Abstande von dieser Achse
der Röhre bis zum Wasserspiegel im Behältnisse E F G H gleichkam. Bei den Ver-
suchen wurde von den zwei Röhren M und N immer eine verstopft, die andere von 30 bis
180 Fuss verlängert, und die Ausflussmenge in einem jeden Falle gemessen. Die Division
derselben durch die abgelaufene Zeit und die Querschnittsfläche der Röhre im Lichten
gab offenbar die Geschwindigkeit des Wassers. Damit endlich keine Unreinigkeiten bei
der Bewegung des Wassers mit fortgeführt wurden, war bei G zu Anfange der Verbindungs-
röhre G J ein Seiher angebracht; dann wurden auch an den Röhren M und N kleine
Löcher in die Wände gebohrt, um der gefangenen Luft den Ausgang zu erleichtern, diese
Löcher aber später wieder mit ein wenig Wachs verstopft.
§. 132.
Bei den andern oben genannten Versuchen wurde ebenfalls darauf gesehen, dass die
Höhe des Wasserstandes in dem grossen Behälter, woraus das Wasser in die Röhre ge-
flossen ist, während der ganzen Dauer des Versuches unverändert blieb. Zur Erklä-
rung, wie diese Versuche in Rechnung zu nehmen seyen, heben wir jenen Versuch von
Couplet aus, welchen derselbe mit Röhren von 84240 par. Zoll = 7020 par. Fuss Länge und
5 Zoll im Durchmesser anstellte. Hierbei fand er nachstehende Werthe für die Druck-
höhe über der Mitte der Röhre und die beobachtete Geschwindigkeit des Wassers in
der Röhre:
- 1. Versuch. Druckhöhe d. Wassers = 25 Zoll u. Geschwindigk. desselb. in d. Röhre = 5,323 Z.
- 2. „ „ „ = 24 „ „ „ „ = 5,213 „
- 3. „ „ „ = 21,083 „ „ „ „ = 4,806 „
- 4. „ „ „ = 16,750 „ „ „ „ = 4,127 „
- 5. „ „ „ = 11,333 „ „ „ „ = 3,154 „
- 6. „ „ „ = 5,583 „ „ „ „ = 2,0107 „
Diese Werthe werden nun in die §. 129 gefundene allgemeine Gleichung
· v . B substituirt und, da hier alles in pariser Zollen gemessen
ist, 4 g = 4 . 15,098 . 12 = 724,7 par. Zoll angenommen, Demnach erhalten wir zur Be-
stimmung der Koeffizienten A und B folgende 6 Gleichungen:
[181]Berechnung der Versuche.
- 25,000 = 0,0391 + 2635,0272 A + 358727,616 B
- 24,000 = 0,0375 + 2527,2000 A + 351314,496 B
- 21,083 = 0,0319 + 2149,3048 A + 323885,952 B
- 16,750 = 0,0235 + 1583,7120 A + 278126,784 B
- 11,333 = 0,0137 + 923,2704 A + 212554,368 B
- 5,583 = 0,0056 + 377,3952 A + 135505,094 B
Werden die ersten 3 und dann die zweiten 3 Gleichungen addirt, so erhalten wir
- 70,083 = 0,1085 + 7312,0320 A + 1033928,064 B (I)
- 33,666 = 0,0428 + 2884,3776 A + 626186,246 B (II)
Die weitere Redukzion dieser zwei Gleichungen gibt
- 0,0000677 = 0,0070721 A + B
- 0,0000537 = 0,0046063 A + B
Wird die untere Gleichung von der obern abgezogen, so folgt
- 0,0000140 = 0,0024658 A und A = .
Durch Addizion der Gleichungen I und II erhalten wir ferner
- 103,749 = 0,1513 + 10196,4096 A + 1660114,310 B
und wird der gefundene Werth von A substituirt, so ist B = .
Hieraus ergibt sich die vollständige Gleichung für die Bewegung des Wassers in
5 zölligen Röhren .
Um sich von der Richtigkeit dieser Gleichung zu überzeugen, brauchen wir bloss
für eine jede, bei den obigen Versuchen beobachtete Geschwindigkeit die zugehörige
Druckhöhe h abzuleiten, und wir erhalten folgende Tabelle:
[182]Versuche mit Röhrenleitungen.
I. Versuche von Couplet mit Röhren von 5 par. Zoll im Durchmesser.
Die letzte Kolumne dieser Tabelle zeigt, dass die Differenzen der berechneten
Druckhöhe von der beobachteten sich beinahe aufheben, und dass demnach die aufge-
stellte Gleichung mit den gefundenen Werthen im Versuche genau übereinstimmt. Das-
selbe ergibt sich aus allen nachfolgenden Versuchen, wo die aufgestellte Gleichung
auf dieselbe Art abgeleitet wird.
II. Versuche von Bossut mit Röhren von Weissblech von 2,01 par.
Zoll im Durchmesser.
III. Versuche von Bossut mit Röhren von Weissblech von 16 Linien
im Durchmesser.
IV. Versuche von du Buat mit Röhren von Weissblech von 1 Zoll im
Durchmesser.
V. Versuch von Franz Jos. Ritter v. Gerstner mit einer gläsernen
Röhre von 0,51 par. Zoll im Durchmesser.
VI. Versuch von Franz Jos. Ritter v. Gerstner mit einer gläsernen
Röhre von 0,39 par. Zoll im Durchmesser.
VII. Versuche von Franz Jos. R. v. Gerstner mit einer gläsernen Röhre
von 0,27 par. Zoll im Durchmesser.
VIII. Versuche von du Buat mit einer Röhre von 2,9 par. Linien im Durch-
messer.
[186]Versuche mit Röhrenleitungen.
§. 133.
Bevor wir aus den vorstehenden Erfahrungen einige allgemeine Regeln zur Be-
messung des Widerstandes der Röhren aufstellen, müssen wir noch wegen der Analogie
dieses Gegenstandes mit der Reibung der festen Körper auf folgenden Umstand auf-
merksam machen. Bereits in der Einleitung zu diesem Gegenstande wurden die
Gründe angeführt, aus welchen die zur Gewältigung des Widerstandes der Röhren-
wände nöthige Druckhöhe nebst dem Verhältnisse der innern Wandfläche zur Quer-
schnittsfläche der Röhren, sowohl der ersten als zweiten Potenz der Geschwindigkeit
proporzional seyn muss. Hieraus folgt aber, dass der Widerstand der Röhrenwände
verschwinden müsse, wenn das Wasser sich in Ruhe befindet, oder wenn die Geschwin-
digkeit desselben v = 0 ist. Diese Folge wird auch dadurch bestättigt, dass ohne Be-
wegung des Wassers nicht wohl ein Hinderniss dieser Bewegung gedenkbar ist. Da
wir jedoch bei dem Reibungswiderstande der festen Körper gesehen haben, dass der-
selbe bei grössern und kleinern Geschwindigkeiten nicht merklich verschieden ist,
demnach nur eine beständige Grösse zum Masse hat, welche nach den dort aufge-
stellten Erklärungen nur von dem Verhältnisse der Höhe zur Länge der sich reiben-
den Theile abhängt, so wird es nöthig, auch bei den flüssigen Körpern zu unter-
suchen, ob sich nicht ebenfalls hierbei ein beständiger Widerstand vorfindet, und ob
sonach in unserm allgemeinen Ausdrucke für den Widerstand nicht etwa der ersten
und zweiten Potenz der Geschwindigkeit auch noch eine beständige Grösse
beizusetzen sey.
Zu dieser Absicht wollen wir annehmen, dass die zur Gewältigung des Wider-
standes der Röhrenwände nöthige Druckhöhe oder
bei kreisförmigen Röhren = sey, wo durch Anwendung dieser
Gleichung aus den hierüber angeführten Versuchen die Grössen A, B und C zu be-
stimmen sind.
Da hier drei unbekannte Grössen abgeleitet werden müssen, so ergibt sich von selbst,
dass hierzu auch wenigstens 3 Beobachtungen erfordert werden. Weil es aber auch sehr
schwierig ist, die Bemessung der Druckhöhe und der Gleichförmigkeit des Durch-
messers der Röhren mit der Genauigkeit von 1/100 und 1/1000 Zoll zu bewerkstelligen, so
haben wir unter den vielen Versuchen, welche über diesen Gegenstand angestellt worden
sind, nur jene gewählt, bei welchen für dieselbe Länge und denselben Durchmesser
der Röhren mehr als 3, sonach 6, 12 und mehr Beobachtungen angeführt sind, um
durch das Zusammennehmen mehrerer Beobachtungen in eine Gleichung diesem Um-
stande möglichst zu begegnen und auf solche Art übereinstimmende Mittelzahlen zur
Bemessung des Widerstandes der Röhren zu finden. Wir wollen demnach zur Bestim-
mung der Grösse C den ersten und fünften von den angeführten Versuchen wählen, da
der erste mit einem Durchmesser von 5 Zoll und der fünfte mit einem Durchmesser von
½ Zoll angestellt ist, zwischen welchen Werthen die Dimensionen unserer Röhrenleitun-
gen gewöhnlich liegen.
[187]Versuche mit Röhrenleitungen.
Für den ersten Versuch ist die Länge der Röhren 1 = 84240 par. Zoll und ihr Durch-
messer d = 5 par. Zoll. Mit diesen Werthen ergeben sich nach Massgabe der beobach-
telen verschiedenen Druckhöhen und Geschwindigkeiten folgende 6 Gleichungen:
- 0,0391 + 2635,0272 A + 358727,616 B + 67392 C = 25,000
- 0,0375 + 2527,2000 A + 351314,496 B + 67392 C = 24,000
- 0,0319 + 2149,8048 A + 323885,952 B + 67392 C = 21,083
- 0,0235 + 1583,7120 A + 278126,784 B + 67392 C = 16,750
- 0,0137 + 923,2704 A + 212554,368 B + 67392 C = 11,333
- 0,0056 + 377,3952 A + 135505,094 B + 67392 C = 5,583.
Wird die erste Gleichung zur zweiten, eben so die dritte zur vierten und dann
die fünfte zur sechsten addirt, so erhalten wir folgende 3 Gleichungen:
- 0,0766 + 5162,2272 A + 710042,112 B + 67392 . 2 C = 49,000
- 0,0554 + 3733,5163 A + 602012,736 B + 67392 . 2 C = 37,833
- 0,0193 + 1300,6656 A + 348059,462 B + 67392 . 2 C = 16,916.
Wird nun die 2te Gleichung von der 1ten und die 3te von der 2ten abgezogen, so
ergibt sich:
- 0,0212 + 1428,7104 A + 108029,376 B = 11,1670
- 0,0361 + 2432,8512 A + 253953,274 B = 20,9170.
Nach der Redukzion dieser beiden Gleichungen folgt A = und B = .
Werden diese Werthe für A und B in die Summe der obigen Gleichungen
0,1513 + 10196,4096 A + 1660114,310 B + 67392 . 6 C = 103,7490 substituirt, so ergibt sich
C = — , welches offenbar bei solchen Versuchen eine gänzlich unmessbare
Grösse ist, demnach um so mehr vernachlässigt werden kann, als das gefundene nega-
tive Zeichen auf eine Beschleunigung schliessen lassen würde, wogegen der Wider-
stand in unserer Rechnung als eine positive Grösse betrachtet werden muss.
In dem fünften Versuche war 1 = 63 par. Zoll und d = 0,51 par. Zoll, demnach
. Diese Werthe und jene bei der Beobachtung gefundenen geben nach
Seite 184 folgende 12 Gleichungen:
- 10,930 + 5400,706 A + 43976,471 B + 8400 . 1/17 C = 45
- 9,621 + 4753,906 A + 41258,824 B + 8400 . 1/17 C = 40
- 8,395 + 4148,118 A + 38541,176 B + 8400 . 1/17 C = 35
- 7,153 + 3534,424 A + 35576,471 B + 8400 . 1/17 C = 30
- 5,830 + 2880,706 A + 32117,647 B + 8400 . 1/17 C = 25
- 4,562 + 2254,165 A + 28411,765 B + 8400 . 1/17 C = 20
- 3,313 + 1637,012 A + 24211,765 B + 8400 . 1/17 C = 15
- 2,099 + 1037,153 A + 19270,588 B + 8400 . 1/17 C = 10
- 0,933 + 461,012 A + 12847,059 B + 8400 . 1/17 C = 5
- 0,730 + 360,706 A + 11364,706 B + 8400 . 1/17 C = 4
- 0,552 + 272,753 A + 9882,353 B + 8400 . 1/17 C = 3
- 0,353 + 174,424 A + 7905,882 B + 8400 . 1/17 C = 2
24*
[188]Versuche mit Röhrenleitungen.
Werden je vier Gleichungen zusammenaddirt, so ergeben sich folgende drei Glei-
chungen:
- 36,099 + 17837,154 A + 159352,942 B + 8400 · C = 150
- 15,804 + 7809,036 A + 104011,765 B + 8400 · C = 70
- 2,568 + 1268,895 A + 42000,000 B + 8400 · C = 14
Wird nun die 2te Gleichung von der 1ten und die 3te von der 2ten abgezogen,
so ergibt sich:
- 20,295 + 10028,118 A + 55341,177 B = 80
- 13,236 + 6540,141 A + 62011,765 B = 56
Die Redukzion dieser Gleichungen gibt A = und B = .
Werden diese Werthe für A und B in die Summe der obigen 3 Gleichungen
54,471 + 26915,085 A + 305364,707 B + 8400 · C = 234 substituirt, so ergibt sich
C = — . Das negative Zeichen der beständigen Grösse C zeigt abermals, dass
dieselbe nur eine Folge der Zifferrechnung seyn könne und von den unvermeidlichen
Beobachtungsfehlern herrühre; diese Grösse ist aber auch an und für sich so klein,
dass hierdurch die Druckhöhe h nur unmerklich verändert werden kann.
Wir haben aus dieser Ursache bei der obigen Beobachtung der angeführten Ver-
suche I bis VIII die beständige Grösse C weggelassen und nur die Faktoren A und B
so ausgemittelt, dass hieraus die bei den Beobachtungen Statt gefundenen Druckhöhen
bis auf unmerkliche Differenzen hervorgehen. Da überhaupt die Druckhöhen und die
Geschwindigkeiten nur zu der Absicht in Zollen angegeben wurden, um dadurch den
Bewegungswiderstand um so bemerklicher zu machen, und da die in den letzten Ko-
lumnen der Versuchsreihen I bis VIII ersichtlichen Differenzen gewöhnlich viel kleiner
als 1 Zoll, dann theils positiv und theils negativ sind, und sich in ihrer Summe bei-
nahe immer aufheben, so dürfte man sich mit den angeführten Werthen von A und B
sehr wohl befriedigen können.
§. 134.
Die vorstehenden Bemerkungen betreffen eine jede Versuchsreihe an und für sich;
es handelt sich nun noch, die Resultate dieser Versuche unter einander zu vergleichen
und hieraus wo möglich allgemeine Gesetze abzuleiten.
Von den angeführten Versuchen sind jene von Couplet mit Röhren von Gusseisen,
jene von Bossut mit Röhren von Weissblech und die letztern Versuche mit den klei-
nen Durchmessern mit Glasröhren angestellt worden. Bei der Reibung fester Körper
haben wir bereits den grossen Einfluss der Verschiedenheit der letztern kennen ge-
lernt und gesehen, dass alle Körper von was immer von einer Materie die möglichste
Politur erhalten müssen, damit ein beständiges Gesetz bei der Reibung eintrete. Von
einer solchen Politur kann bei den Wasserleitungsröhren keine Rede seyn. Wir wer-
[189]Versuche mit Röhrenleitungen.
den sonach aus den abgeleiteten Werthen der Koeffizienten A und B nur Mittelzahlen
angeben, um dadurch der Ausübung möglichst zu entsprechen. Zur Uibersicht dieses
Gegenstandes haben wir die Werthe von A und B nach Verhältniss der Durchmesser
in nachstehender Tabelle geordnet und in der letzten Kolumne aus den sogleich unten
angeführten Gründen die Werthe von B. √ d für d in pariser Zollen beigefügt.
Aus dieser Tabelle ersehen wir: 1tens die Werthe von A unterscheiden sich so
wenig von einander, dass man hierfür entweder die beigesetzte Mittelzahl oder
die runde Zahl A = allgemein annehmen kann.
2tens. Weit mehr sind jedoch die Werthe von B von einander verschieden, in-
dem die Nenner derselben, wie man aus der vorletzten Kolumne sieht, mit dem Durch-
messer d der Röhren steigen. Eine vorläufige Untersuchung hat gezeigt, dass diess
beinahe im Verhältnisse der Quadratwurzeln der Durchmesser Statt findet, oder dass
B . √ d, wie die der Tabelle beigefügte letzte Kolumne zeigt, in jedem Versuche dem
mittlern Werthe von nahe kommt. Will man daher die, bei den Versuchsrei-
hen I bis VIII aufgefundenen Werthe von B für jeden Fall berechnen, so braucht man
[190]Versuche mit Röhrenleitungen.
bloss den Bruch mit zu multipliziren. Eine genauere Betrachtung der
obigen Tabelle zeigt jedoch, dass der Nenner von B . √ d in den Versuchen Nr. 5 und 6
mit kleinen Durchmessern von dem sichtbaren Gesetze bedeutend abweicht; wenn wir
uns daher an die Werthe von B . √ d bei den grössern Durchmessern halten, so kann für
B . √ d ohne Anstand die runde Zahl 1/18000 angenommen werden. Hieraus folgt nun die
allgemeine Gleichung für die Bewegung des Wassers in horizentalen Röhren für Durch-
messer von 1 bis 5 Zoll, . In diesem Ausdrucke
können die Grössen h, v, l, d und g entweder durchaus in Fussen, oder durchaus in
Zollen substituirt werden, nur muss im letzten Faktor , der Werth von d immer
in par. Zollen angenommen werden. Da übrigens der Pariser Fuss sich zu dem Wiener
Fuss = 10276 : 10000 verhält, so können bei diesem unbedeutenden Unterschiede alle
Werthe in obiger Gleichung auch im Wiener oder Nied. Oest. Mass substituirt werden,
nachdem die Koeffizienten A und B ohnehin nicht bis auf die letzten Ziffern richtig
bestimmt werden konnten.
§. 135.
Die Werthe von A = und B = in der létzten Formel sind aus den
angeführten Versuchen zu dem Zwecke empirisch abgeleitet, weil die Durchmesser der
Wasserleitungsröhren gewöhnlich nur 1 bis höchstens 5 Zoll betragen. Bei dieser Ablei-
tung wurde überdiess auf die möglichste Einfachheit einer, für die Anwendung geeigne-
ten Rechnungsformel Rücksicht genommen. Nehmen wir nun in der aufgestellten Glei-
chung für d die Werthe 1 bis 5 an, so erhalten wir für
die Bewegung des Wassers in Röhren von diesen Durchmessern folgende Gleichungen:
- für 1 zöllige Röhren ist h =
- „ 2 „ „ „ h =
- „ 3 „ „ „ h =
- „ 4 „ „ „ h =
- „ 5 „ „ „ h = .
§. 136.
Wir haben noch einen, für die Bewegung des Wassers äusserst wichtigen Umstand zu
berücksichtigen, nämlich die Temperatur des Wassers in den Röhren. Bei
den angeführten französischen Versuchen wurde diese Temperatur nicht bemerkt, man
kann jedoch annehmen, dass hierbei die gewöhnliche Temperatur von 10 bis 14° Reaum.
Statt hatte. Da aber das Wasser seinen flüssigen Zustand nur der Wärme zu verdanken
hat, und da es bei Abnahme dieser Wärme zu einem festen Körper (zu Eis) wird, so er-
[191]Versuche mit Röhrenleitungen.
gibt sich von selbst, dass die Flüssigkeit des Wassers bei verschiedenen Wärmegraden
verschieden sey, und dass dieser Umstand vorzüglich bei der Bewegung des Wassers in
Röhren von kleinem Durchmesser sich von einem merklichen Einflusse zeigen
müsse. Diese Betrachtungen bewogen meinen Vater bereits im Jahre 1796 hierüber einige
Versuche anzustellen, welche unter dem Titel: „Versuche über die Flüssigkeit des Was-
sers bei verschiedenen Temperaturen“ in den neueren Abhandlungen der k. böhmischen
Gesellschaft der Wissenschaften, III. Band, Prag 1798 bekannt gemacht und später in
Gilberts Analen der Physik, V. Band, Seite 160 aufgenommen wurden.
Bei diesen Versuchen wurde ein zylindrisches Gefäss a b c d von verzinntem EisenblechFig.
7
und
8.
Tab.
47.
11,5 par. Zoll hoch und 411/12 Zoll im Durchmesser gebraucht; dasselbe wurde mit möglich-
ster Sorgfalt von durchaus gleichem Durchmesser verfertigt. Dieses zylindrische Gefäss
wurde mit einem andern e f g h umgeben, welches 5,5 Zoll im Durchmesser und 11,75 Zoll
Höhe hatte, so dass zwischen den Wänden beider Zylinder überall, wie auch unten am
Boden ¼ Zoll Zwischenraum vorhanden war. Dieser Zwischenraum wurde bei Versuchen mit
höheren Temperaturen mit eben so heissem Wasser angefüllt, um dadurch für den inneren
Zylinder während der Dauer des Versuches eine gleichförmigere und beständigere Erwär-
mung zu erhalten. Nahe am Boden des Zylinders war eine Oeffnung bei c von 4,5 Linien
im Durchmesser in horizontaler Richtung angebracht. Durch diese Oeffnung ging eine
kurze blecherne Röhre c i, welche an den Wänden des innern und äusseren Zylinders ange-
löthet war. Zugleich wurde dafür gesorgt, dass diese kurze Röhre nicht über die inwen-
dige Fläche des Gefässes hervorstand, wesshalb dieselbe mit dem innern Zylinder so viel
möglich eben gemacht wurde. Oben war das Gefäss mit einem darauf passenden, in der
Mitte erhabenen Deckel e k h versehen, der in seiner Mitte k eine 9 Linien weite Oeffnung
hatte, durch welche der Masstab eines Schwimmers ganz frei und ohne sich an den Rand
der Oeffnung anzulehnen, nieder zu gehen pflegte. Der Schwimmer mnop war aus 2
sich durchkreutzenden Theilen von Holz zusammengesetzt, deren jeder 4⅔ Zoll lang, 9,5
Linien breit, und 2 Linien dick war. Dieses Kreuz diente, schwimmend auf der Ober-
fläche des Wassers, ein rundes beiläufig 1,5 Linien diekes, senkrecht darauf gestecktes
Stäbchen q r zu tragen, welches mit aller Sorgfalt in ganze und zehntel Zolle eingetheilt
war. Dieser Schwimmer wurde sammt dem Stäbchen vorher durch einige Stunden auf
warmes Wasser gesetzt, und als er sich vollkommen angesogen hatte, wurden die Abthei-
lungen des Masstäbchens so eingerichtet, dass jeder Theilungspunkt bei der Oberfläche
des Deckels genau die Höhe des Wasserstandes über der Mitte der Ausflussöffnung an-
zeigte. Eben so wurde auch dieser Schwimmer vor dem Anfange eines jeden Versuches
durch einige Stunden auf Wasser gesetzt, damit er sich jedesmal vorher vollkommen an-
saugen und bei den Versuchen selbst keine Unrichtigkeit mehr veranlassen möchte.
Nebst dem wurde der Stand des Stäbchens während den Versuchen noch mehrmals ge-
prüft, und jene Versuche wurden verworfen, wo sich eine Unrichtigkeit vermuthen liess.
Die Glasröhren waren aus einem sehr grossen Vorrath 6 bis 7 Fuss langer Baro-
meterröhren ausgewählt. Man nahm hierbei vorzüglich auf gleiches reines Glas, ohne
Knöpfe, und auf einen gleichförmigen Durchmesser Rücksicht. Die ausgewählten Röh-
ren wurden nachher noch einer sorgfältigern Prüfung unterworfen, indem man sie, so wie
gewöhnlich die Thermometerröhren, mittelst einer hineingelassenen 4 bis 5 Zoll langen
[192]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
Fig.
7
und
8.
Tab.
47.Quecksilbersäule, Zoll für Zoll prüfte. Nur diejenigen Stücke dieser Röhren, in welchen
die Quecksilbersäule sich nicht über 1/80 ihrer Länge änderte, wurden für tauglich ange-
nommen. Das übrige wurde beiderseits abgebrochen und das Ende der Röhren bis auf
die erforderliche Länge abgeschliffen. Endlich wurde die erwähnte Quecksilbersäule
auf einer Probierwage genau abgewogen. Dieses Gewicht diente, nebst der Länge, welche
sie in der Röhre einnahm, den Durchmesser derselben weit genauer zu berechnen, als es
durch irgend eine andere mikroskopische Messung möglich gewesen seyn würde. Die
hierbei nöthige eigenthümliche Schwere des Quecksilbers wurde mittelst eines eigenen
Versuches bestimmt und = 13,70 gefunden.
Um den Einfluss, den die Verschiedenheit des Durchmessers der Röhren auf die Bewe-
gung des Wassers hervorbringt, von jenem abzusondern, den die Länge der Röhren verur-
sacht, hat man Röhren von verschiedenem Durchmesser genau einerlei Länge gegeben, so-
dann diese Länge abgeändert und so viel möglich die vorigen Durchmesser beibehalten.
Ein Ende jeder Glasröhre wurde mit einem hölzernen zapfenförmigen Ansatz bekleidet,
womit man sie verlässiger und bequemer an das zylindrische Gefäss anstecken und nach
geendigtem Versuche wieder wegnehmen konnte; die durchbohrte Oeffnung des Zapfens war
genau so gross, als es die Stärke jeder Glasröhre forderte, und die äussere Grösse der Zapfen
passte genau in die oben erwähnte blecherne Röhre des zylindrischen Gefässes. Man
sorgte dafür, dass das Ende dieser Zapfen sammt dem Ende der durchgesteckten Glasröhre
mit der inneren Fläche des Gefässes eine vollkommene Ebene bildete.
Die Wasserwage diente den Tisch sowohl, worauf das Gefäss stand, als auch die
Röhren volikommen horizontal zu stellen. Röhren, deren Glas ein wenig gebogen war,
wurden so gelegt, dass die Fläche ihrer Biegung horizontal zu liegen kam, damit näm-
lich die Bewegung des Wassers durch die Röhre, so viel möglich, weder steigen noch
fallen, sondern in einer horizontalen Ebene fortgehen möchte.
Das Thermometer war von Herrn Abbé Gruber mit vieler Genauigkeit verfertigt.
Die Kugel hatte nur 3 Linien im Durchmesser. Der Zwischenraum zwischen dem Ge-
frierpunkt und Siedpunkt, der in 80 gleiche Theile getheilt war, hatte eine Länge von
11 Zollen; man konnte daher Zehntheile eines Grades sehr leicht unterscheiden.
Die Verfahrungsart war nun folgende: Nachdem das Gefäss und die ange-
steckte Röhre in die erforderliche horizontale Stellung gebracht und die Ausflussöffnung
der Röhre gehörig verschlossen war, so wurde in das Gefäss heisses Wasser gegossen und
der Schwimmer mit dem Masstabe darauf gesetzt. Man wartete nun die Zeit ab, bis
durch allmählige Abkühlung die Temperatur des Wassers dem bestimmten Thermometer-
grade nahe kam. Als diess erfolgte, wurde das Gefäss mit seinem Deckel verschlossen,
die Ausflussöffnung der Röhre geöffnet und das Auge mit dem Rande der Oeffnung des
Deckels in horizontaler Lage gehalten. In dieser Stellung wurden die Zeitsekunden be-
merkt, bei welchen die Abtheilungen des Masstabes unter die Fläche der Oeffnung
hinabsanken. Diese Verfahrungsart gewährte den doppelten Vortheil: 1tens dass man
jedesmal eine ganze Reihe Versuche, gewöhnlich von 10,7 bis 0,7 Zoll Wasserhöhe erhielt,
und 2tens dass ein Versuch den anderen berichtigte, indem die Zwischenzeiten von
einer Abtheilung zur andern dem Gesetze einer sich offenbarenden Reihe folgen mussten.
Zeigte sich nämlich z. B. die Zwischenzeit von einer Abtheilung zur nächstfolgenden um
[193]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
1 oder höchstens 2 Sekunden zu klein, so musste die beobachtete Zwischenzeit für die
nächstvorhergehende oder nachfolgende Abtheilung um eben so viel zu gross seyn.
Die Besorgniss, dass die Oberfläche des Wassers im Gefässe eine kleine hinabsin-
kende Bewegung hatte, und desswegen mit einem ruhigen Wasserstande keine vollkom-
mene Vergleichung zulasse, fällt weg, wenn wir bedenken, dass diese Bewegung des
Wassers im Gefässe bei der grössten angesteckten Röhre über 500 und bei der kleinsten
über 5000 Mal kleiner ist, als die Bewegung des Wassers durch die Glasröhre. Wenn
wir noch überdiess bedenken, dass bei diesen Versuchen selbst die Geschwindigkeit des
Wassers durch die Röhren nicht sehr erheblich war, so erhellet von selbst, dass die Ober-
fläche des Wassers im Gefässe weit ruhiger seyn musste, als wenn man auf was immer für
eine Art von oben in das Gefäss hätte Wasser zugiessen wollen, um dadurch eine bestän-
dige Wasserhöhe zu unterhalten.
Der Schwierigkeit, dem Wasser eine bestimmte Wärme zu geben und selbe
durch eine so lange Zeit zu unterhalten, als das volle Gefäss zu seiner Ausleerung
besonders bei engen Röhren nöthig hatte, wurde dadurch abgeholfen, indem man für
jede Temperatur 2 Reihen Versuche machte; die erste nämlich bei einem um 1 oder
2 Grade höheren und die zweite bei einem gleichen oder eben so viel niedrigern Ther-
mometergrade, woraus sich nachher die Zeitmomente für den dazwischen liegenden be-
stimmten Thermometergrad sehr verlässig berechnen liessen. Es versteht sich übrigens
von selbst, dass die Versuche für einen höhern Thermometergrad in einem warmen Zim-
mer und für einen niedrigeren in einem eben so kalten Zimmer gemacht wurden, so dass
sich die Temperatur während einer Versuchsreihe im ersten Fall nur sehr wenig, im
letzten aber gar nicht änderte. Jedesmal wurde die Wärme des Wassers mit dem Ther-
mometer nicht nur im Gefässe, sondern auch beim Ausflusse desselben am
Ende der Röhre gemessen. Der Unterschied war jedoch so gering, dass es unnütz seyn
würde, beide anzuführen; man hat in dieser Rücksicht von beiden bloss das Mittel in
Rechnung genommen.
Weil sich die Bewegung des Wassers leichter aus
seiner Geschwindigkeit, nämlich aus dem Raum, den
das Wasser während einer Sekunde in den Röhren
zurücklegte, als aus der Zeit des Ausflusses beurthei-
len lässt, so sind in den folgenden Tabellen Seite 195
bis 198 die Geschwindigkeiten angeführt, welche bei
jeder Wasserstandshöhe erfolgten, und nur am Ende,
noch zum Uiberfluss, die Zeiten angemerkt, in welchen
das Wasser von 10,7 bis 5,7 und 0,7 Zolle ausgeflossen
ist. Die Art, wie diese Geschwindigkeiten berechnet
wurden, wird folgendes Beispiel deutlich machen.
Die erste Röhre, welche 0,0674 Zoll im Durchmesser,
folglich 0,00357 Quadratzoll zur Oeffnung hatte, gab
bei 30° Wärme nebenstehende Beobachtungen.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 25
[194]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
Um hieraus die Geschwindigkeit, welche dem Wasserstand 10,2 zugehört, zu fin-
den, wird die Zeit für den nächstvorhergehenden Wasserstand 10,3 von der Zeit für
den nächstfolgenden 10,1 (nämlich 2Min. 13Sek. von 3Min. 21Sek.) abgezogen; der Unter-
schied beträgt 68 Sekunden. Daraus folgt die Geschwindigkeit des Wassers im Ge-
fässe = Zolle. Wird nun diese Geschwindigkeit mit der Querschnittsfläche des Was-
sers im Gefässe (= 19 Quadratzolle) multiplizirt, und mit der Querschnittsfläche der
Oeffnung (= 0,00357) dividirt, so erhalten wir die Geschwindigkeit des Wassers durch
die Röhre = 15,7 Zolle, so wie sie in der folgenden ersten Versuchsreihe angeführt wird.
Uiber den Ausfluss des Wassers aus der Mündung der Röhren
verdient noch eine Erscheinung angemerkt zu werden. Gewöhnlich bildete der mit
einer grossen Geschwindigkeit herausschiessende Wasserstrahl, wie bekannt, eine Pa-
rabel. Diese verwandelte sich bei abnehmender Geschwindigkeit in eine gerade senk-
rechte Linie, welche an der Mündung mit der horizontalen Länge der Röhren einen
rechten Winkel bildete. Nachher zeigte der Wasserstrahl eine zurückgehende krumme
Linie, welche ihre Konvexität der Röhre zuwendete. Endlich bei noch kleineren
Geschwindigkeiten floss dass Wasser horizontal unten an der Röhre zurück, und
trennte sich von derselben in Tropfen, die auf verschiedenen Entfernungen von der
Ausflussöffnung herabfielen. Um das letztere zu verhindern, und das nämliche Wasser
zum Gebrauche für mehrere Versuche zu sammeln, wurde rückwärts, beiläufig 1 Zoll
von der Mündung, ein Faden um die Röhre gebunden, das Wasser an demselben
gesammelt, und in das zum Auffangen bestimmte Gefäss hinabgeleitet. Diese Verän-
derungen werden in der folgenden Versuchstabelle durch die Buchstaben s und h an-
gezeigt; nämlich s bedeutet den senkrechten Fall des Wasserstrahls in einer geraden
Linie, und h den Anfang der horizontalen zurückgehenden Bewegung desselben.
Der beträchtliche Einfluss, den die Verschiedenheit der Wärme auf die Bewegung
des Wassers verursachte, hatte noch den Wunsch erregt, auch über den Einfluss,
den etwa die verschiedenen Bestandtheile des Wassers hervorbrin-
gen, Versuche anzustellen. Zu dieser Absicht wurden die Versuche mit den zwei
längeren Röhren, bei welchen nämlich dieser Einfluss sich am grössten hätte zeigen
müssen, sowohl mit reinem destillirten Wasser, als auch mit gemeinem trüben Flusswas-
ser wiederhohlt. Das letztere wurde jedoch vorher durch ein weisses leinenes Tuch
geseihet, um dadurch die gröbern Unreinigkeiten, welche die Röhren vielleicht ver-
stopft und überhaupt nur Unregelmässigkeiten verursacht haben würden, davon abzu-
scheiden. Dieses filtrirte Wasser blieb aber noch immer nur halb durchsichtig, und
setzte nach geendigten Versuchen, durch eine Ruhe von 14 Tagen, einen feinen Schlamm
ab, wodurch es etwas heller wurde. Weil aber die angestellten Versuche zeigten, dass
dieser aufgelöste Schlamm zwar einige kleine, aber mit jenen, die von der Wärme her-
rühren, in keinen Vergleich kommende Aenderungen in der Bewegung des Wassers her-
vorbrachte, so schien eine weitere Analyse des gebrauchten Flusswassers zur gegenwär-
tigen Absicht überflüssig. Das Resultat der angeführten Versuche enthalten die folgen-
den Tabellen:
[195]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
Versuch I und II.
mit einer Röhre von 0,0674 Zoll (⅘ Linien) Durchmesser und 33 Zoll Länge.
[196]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
Versuch III und IV.
mit einer Röhre von 0,1333 Zoll (1⅗ Linien) Durchmesser und 33 Zoll Länge.
Versuch V.
mit einer Röhre von 0,07 Zoll (⅚ Linien)
Durchmesser und 9,7 Zoll Länge.
Versuch VI.
mit einer Röhre von 0,119 Zoll, (1 3/7 Linien)
Durchmesser und 9,7 Zoll Länge.
Versuch VII.
mit einer Röhre von 0,136 Zoll, (1⅔ Linien)
Durchmesser und 7,9 Zoll Länge.
Versuch VIII.
mit einer Röhre von 0,2 Zoll (2⅖ Linien)
Durchmesser und 63 Zoll Länge.
§. 137.
Aus den vorhergehenden Versuchen ist zu ersehen:
1tens. Dass die Wärme, nicht etwa unbedeutende, sondern sehr beträchtliche Aen-
derungen in der Bewegung des Wassers verursache. Die unten beigesetzten Zeiten des
Ausflusses beweisen diess auf eine vorzügliche Art. — Da bei einem jeden der ange-
führten Versuche I bis VIII, die Röhre, das Gefäss, Wasser und die Höhen des Was-
serstandes, folglich alle äussere Ursachen, die auf die Bewegung des Wassers einen
Einfluss haben, die nämlichen sind, so folgt offenbar, dass der Widerstand, welcher
dem fliessenden Wasser begegnet, nicht allein in äussern Ursachen, sondern auch in
der Flüssigkeit des Wassers selbst zu suchen sey.
2tens. Dass die Aenderungen, welche die Wärme in der Geschwindigkeit des
Wassers hervorbringt, grösser sind bei Röhren von einem kleinen, und kleiner bei
einem grössern Durchmesser; ferner dass sie grösser sind bei kleinern Geschwindigkei-
ten, und kleiner bei grösseren. Das erste ergibt sich aus der Vergleichung einer Ta-
belle mit der andern; das zweite sehen wir auf jeder Seite in den untersten Ver-
suchen bei kleinen Wasserstandshöhen, wo die Verhältnisse der Geschwindigkeiten von
einem Wärmegrad zum andern gewöhnlich grösser sind als bei grössern Wasser-
standshöhen.
3tens. Der Einfluss der Wärme ist am grössten in der Nähe des Gefrierpunktes.
Diess sehen wir vorzüglich aus der Tabelle Nr. III und IV, wo die Abnahme der Geschwin-
digkeit des Wassers vom 4ten Thermometergrade zum 1ten, oder durch 3 Grade weit
grösser ist, als durch 5 und 10 Grade bei höheren Temperaturen. Auch ist sehr sicht-
bar, dass dieser Einfluss überhaupt nicht im Verhältniss der Wärme zu- und abneh-
men, sondern sein Maximum habe, welches sowohl von der Geschwindigkeit des Was-
sers, als auch von der Grösse des Durchmessers der Röhren abhängt.
4tens. Die Formel von du Buat (Seite 176 in der Note) gilt, wenn sie bei den
angeführten Versuchen angewendet wird, für keinen bestimmten Wärmegrad. Gewöhn-
lich gibt sie die grösseren Geschwindigkeiten zu klein, und die kleinen zu gross. —
Diejenigen Versuche von Couplet, welche du Buat mit seiner empirischen Formel
nicht übereinstimmend und desswegen verdächtig gefunden hat, dürften demnach doch
ihre Richtigkeit und den Grund ihrer Abweichung nur in der Formel des du Buat
haben. Bei unserer Ableitung haben sich nämlich Seite 189 die Versuche von Couplet
mit 5 zölligen Röhren als übereinstimmend mit den Versuchen von du Buat und Bossut
gezeigt.
5tens. Die Wärme allein ist aus dem Grunde, weil sie die Flüssigkeit vermehrt,
schon hinreichend den Kreislauf des Blutes und der Säfte zu beschleunigen. Der
Puls schlägt geschwinder unter heissen Himmelsstrichen als unter kalten. Bei Röhren
von sehr geringem Durchmesser, als z. B. diejenigen sind, wodurch die Arterien mit
den Venen kommuniziren, macht die Wärme noch weit grössere Aenderungen, als sie
in unseren Versuchen vorkommen.
6tens. Eben so sehen wir, warum die Vegetazion in warmen Sommertagen besser
von Statten gehe, als im Herbst und Winter. Der zweite Theil der Folgerung unter
[200]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
3tens zeigt uns zugleich die Ursache, warum für gewisse Pflanzen nur ein bestimmter
Wärmegrad am zuträglichsten sey, und warum sie sich nicht nur bei abnehmender, son-
dern auch bei zunehmender Wärme schlechter befinden.
7tens. Endlich erklären sich noch viele andere Erscheinungen, die bei dem Laufe
des Wassers in Röhren, Kanälen und Flüssen beobachtet werden. In unbedeckten Gerin-
nen bleibt das Wasser sehr auffallend zurück, wenn in dieselben Schnee fällt. Ungeach-
tet das Wasser noch nicht gefriert, so bildet sich hierbei ein Grundeis, welches dem Was-
ser mehr Konsistenz gibt und auf eine in die Augen fallende mechanische Art die Ver-
zögerung des Wassers sichtbar macht, die wir durch die angeführten Versuche bei höhe-
ren Temperaturen gefunden haben.
§. 138.
Um über den Einfluss der Wärme auf die Bewegung des Wassers in gewöhnlichen
Röhren einige Aufklärung zu erhalten, wollen wir den letzten Versuch, wo der Durch-
messer d = 0,2 Zoll und die Länge l = 63 Zoll betrug, demnach d : l = 0,2 : 63 = 1 : 315
war, einer Rechnung unterziehen. Werden die Koeffizienten A und B auf gleiche Art
bestimmt, wie wir es bei den 5 zölligen Röhren Seite 180 und 181 gemacht haben, so
erhalten wir für die verschiedenen Temperaturen folgende Gleichungen:
- für t = 10° ist die Gleichung h =
- „ t = 20° „ „ „ h =
- „ t = 30° „ „ „ h =
- „ t = 40° „ „ „ h =
Die Richtigkeit dieser Gleichungen ergibt sich aus nachstehenden Tabellen, worin
für jede Beobachtung die Druckhöhe berechnet erscheint.
[201]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
Versuch mit einer gläsernen Röhre von 0,200 par. Zoll Durchmesser
bei der Temperatur des Wassers von 10° Reaum.
[202]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
Versuch mit einer gläsernen Röhre von 0,200 par. Zoll Durchmesser
bei der Temperatur des Wassers von 20° Reaum.
Versuch mit einer gläsernen Röhre von 0,200 par. Zoll Durchmesser
bei der Temperatur des Wassers von 30° Reaum.
[204]Versuche mit Rücksicht auf die Wärme.
Versuch mit einer gläsernen Röhre von 0,200 par. Zoll Durchmesser
bei der Temperatur des Wassers von 40° Reaum.
§. 139.
Da sich aus den für verschiedene Temperaturen berechneten 4 Gleichungen, Seite
200 keine genügende Bestimmung über den Einfluss der Wärme ableiten lässt, und da
der Grund hiervon vorzüglich in der geringen Druckhöhe, der Geschwindigkeit und
ihren Differenzen von einem Versuche zum andern liegen kann, so wurde ein neuer
Versuch mit einer gläsernen Röhre von 0,2 Zoll im Durchmesser und 62 Zoll Länge
mit grösseren Druckhöhen angestellt. Die Ergebnisse dieses Versuches sind in der
folgenden Tabelle enthalten, worin die beobachteten Geschwindigkeiten für die Tem-
peraturen von 12, 20 und 28 Grad bei gleichen Druckhöhen erscheinen. Aus diesen
Erfahrungen ergeben sich folgende Gleichungen für die Bewegung des Wassers:
- bei 12° haben wir h =
- „ 20° „ „ h =
- „ 28° „ „ h =
Nach diesen Gleichungen sind die Druckhöhen in den 3 letzten Kolumnen berech-
net worden.
§. 140.
Aus den abgeleiteten 3 Gleichungen im vorigen §. ersehen wir:
1tens. Der Koeffizient A hat für einen jeden Wärmegrad einen eigenen Werth,
welcher mit dem Seite 189 bei Röhren von kleinem Durchmesser gefundenen beinahe
übereinstimmt.
2tens. Der Koeffizient B hat ebenfalls verschiedene Werthe. Der angenommenen
Bestimmung Seite 190 zu Folge wäre für die mittlere Temperatur von 10 bis 15°, wobei
die Versuche I bis VIII angestellt wurden, B = , welcher
Werth mit jenem im vorigen §. für die Temperatur von 12 Grad gefundenen nahe
übereinstimmt.
3tens. Sind die Geschwindigkeiten des Wassers in einer Röhrenleitung so klein,
dass v2 gegen v vernachlässigt werden kann, oder dass der Widerstand nur von dem Pro-
dukte B . v abhängt, so nimmt die Wärme, wie die Bestimmung des Werthes von B bei
der vorigen Rechnung zeigt, einen bedeutenden Einfluss.
Nehmen wir von den obigen Bestimmungen jene bei 12° und bei 28° als Masstab an,
so folgt, dass der Nenner von B durch die Temperatursänderung von 28 — 12 = 16° um
10284 — 8569 = 1715 zunehme; wir finden daher die Vermehrung für t° aus der Propor-
zion 16° : 1715 = t° : 107 t. Demnach wäre in dem obigen Versuche für eine jede Tem-
peratur t der Koeffizient B = anzunehmen. Da nun bei grossen Durchmes-
sern, wie aus der Tabelle, Seite 189 bekannt ist, der Nenner von B für die mittlere Tem-
peratur weit grösser als bei Röhren mit kleinen Durchmessern ist, so kommt bei Röhren
mit grössern Durchmessern die Zahl 107 t zu einer viel grössern Zahl im Nenner von B
zu addiren, als es bei Röhren von kleinen Durchmessern der Fall ist. Hieraus sehen wir,
dass die Wärme bei engen Röhren und kleinen Geschwindigkeiten des Wassers einen
weit grössern Einfluss, als bei grössern Durchmessern und bedeutenden Geschwindigkei-
ten verursacht.
Da bei der praktischen Anwendung die Temperatur des Wassers in Röhrenleitungen
immer als die mittlere von 10 bis 15° Reaum. angenommen werden kann, so können wir
uns in der Ausübung mit der §. 134 abgeleiteten allgemeinen Gleichung
begnügen. Für eine genauere Bestimmung der Koeffizienten A und B würde noch eine
eigene Theorie über den Einfluss erfordert, welchen der Widerstand der Wände gegen
die nächsten Wassertheile und gegen jene Theile des fliessenden Wassers, die mehr in
der Mitte der Röhre liegen, äussert; eben so wäre noch eine Theorie hinsichtlich des
Einflusses der Wärme nöthig, um zu zeigen, in welchem Verhältnisse die geringere spe-
zifische Schwere des wärmern Wassers gegen die Theile der Röhrenwände steht; end-
lich wäre noch bei kleinen Röhren die Wirkung der Haarrörchenkraft in Anschlag zu
nehmen. Diese Gegenstände gehören aber mehr in das Gebiet der Physik und es dürfte
das hierüber angeführte für das praktische Bedürfniss hinreichen.
[207]Bemerkungen über den Röhrenwiderstand.
§. 141.
Wenn in der obigen Gleichung die Länge der Röhrenleitung l = 0 ist, so bleibt
h = , demnach die Geschwindigkeit des ausfliessenden Wassers v = 2 √ g . h, welche
Gleichung ohne Berücksichtigung der Widerstände der Wände bei dem Ausflusse aus
Oeffnungen in dünnen Platten oder bei sehr kurzen Ansatzröhren Statt findet, wie §. 102
gezeigt wurde.
Wenn 4 l = 180 d oder l = 45 d, oder wenn die Länge der Röhrenleitung 45 mal so
viel als der Durchmesser der Röhren (im Lichten gemessen) beträgt, so haben wir die
allgemeine Gleichung h = , woraus ersichtlich ist, dass von dem
ganzen Gefälle mehr als die Hälfte zur Uiberwältigung der Widerstände der Röhren ver-
wendet werden müsse; es bleibt demnach bei dieser Röhrenleitung weniger als die
halbe Gefällshöhe zur Bewirkung der Geschwindigkeit, womit das Wasser fort-
fliesst, übrig. Es sey z. B. der innere Durchmesser einer Röhrenleitung d = 4 Zoll und
41 = 180 . 4 Zoll oder l = 180 Zoll = 15 Fuss, so ist für diesen Fall
h . Wäre nun die Geschwindigkeit in der Röhre v = 2 Fuss, so ist
h = = 0,065 + 0,065 + 0,01 = 0,14. Hieraus sehen wir, dass von der gan-
zen Gefällshöhe beiläufig die Hälfte zur Bewirkung der Geschwindigkeit des Wassers
und der Rest zur Uiberwältigung der Widerstände bei der Bewegung des Wassers in der
Röhrenleitung verwendet wird.
Es muss jedoch nothwendig erinnert werden, dass für alle solche kurze Röhren, wo
4 l = 180 d oder l : d = 45 : 1 ist, sich keine genaue Bestimmung für die Ausflussmenge
des Wassers angeben lässt, weil dasselbe nicht nur zunächst der Einmündung in die
Röhre eine Zusammenziehung erleidet, sondern auch bei der Fortsetzung seiner Bewe-
gung innerhalb der Röhre eine solche wellenförmige Bahn annehmen wird, auf welche
sich weder die Lehre von der Zusammenziehung des Wasserstrahles, noch jene von den
Widerständen des Wassers an den Wänden der Röhre genau anwenden lässt. Zu einer
genauen Rechnung wird demnach erfordert, dass die Länge l der Röhren immer mehr
als den 100fachen Durchmesser d betrage, wie es bei den Versuchen I bis VIII Seite 182
bis 185 durchaus Statt fand. Nur in diesem Falle tritt keine Zusammenziehung mehr ein,
so wie bereits in dem Versuche §. 108 deutlich gezeigt wurde. Wenn jedoch kurze Röh-
ren bei ihrem Einflusse so gestaltet werden, dass sie die Form des zusammengezogenen
Wasserstrahles (Seite 144 in der Note) annehmen, so würde auch eine solche kurze Röhre
durchaus mit Wasser gefüllt seyn, demnach auch die aufgestellte Theorie über die
Widerstände der Bewegung des Wassers vollkommene Anwendung finden.
§. 142.
Bei dem Gebrauche der Gleichung h = ist noch zu be-
merken, dass man bei der praktischen Anwendung, wenn es sich nicht um eine sehr
[208]Bemerkungen über den Röhrenwiderstand.
grosse Genauigkeit in der Berechnung handelt, manchmal den ersten Theil des Röhren
widerstandes und in andern Fällen den zweiten Theil vernachläs-
sigen kann. Diese 2 Theile werden nämlich einander gleich, wenn oder
v = . Bei Röhren von 1 Zoll tritt dieser Fall ein, wenn v = = 0,62 Fuss
ist; bei Röhren von 4 Zoll, wenn v = = 0,31 Fuss, bei Röhren von 9 Zoll, wenn
v = = 0,21 Fuss, endlich bei Röhren von 16 Zoll, wenn v = = 0,16 Fuss ist.
Da nun unsere Röhrenleitungen gewöhnlich zwischen diesen Dimensionen zu liegen pfle-
gen, so folgt, dass für den Fall, als die Geschwindigkeit des Wassers ⅙ bis 4/6 Fuss be-
trägt, der Widerstand, welcher von der einfachen Geschwindigkeit des Wassers abhängt,
eben so gross sey, als jener Widerstand, der von dem Stosse des Wassers bewirkt wird.
Wenn aber v bedeutend grösser als ⅙ bis 4/6 Fuss ist, demnach 3, 4 oder mehr Fuss
beträgt, so kann man ohne Anstand den Theil als zu unbedeutend weglas-
sen, und man erhält die Gleichung h = , woraus die Geschwindigkeit
folgt.
Ist aber die Geschwindigkeit v des Wassers so unbedeutend, dass sie nur einen
Zoll oder weniger beträgt, so kann gegen weggelassen werden
und wir erhalten h = . Diese Formel wird demnach ihre An-
wendung finden, wenn die Druckhöhen sehr gering und die Durchmesser der Röhren
klein sind. Um aber zu entscheiden, ob man die eine oder andere Formel wählen
solle, ist es nothwendig, die Wassermenge, welche die Röhrenleitung geben soll und
den Durchmesser derselben beiläufig zu kennen, und hieraus v ebenfalls beiläufig zu
bestimmen.
§. 143.
Die bisherigen Betrachtungen haben uns gezeigt, dass die Druckhöhe zur Uiberwälti-
gung der Widerstände einer Röhrenleitung desto grösser seyn müsse, je grösser die Länge
der Röhrenleitung und je kleiner der Durchmesser derselben im Lichten ist. In weiten
Röhren findet daher das Wasser keinen so grossen Widerstand, wie
in engen, und durch weite Röhren wird verhältnissmässig viel mehr Wasser als
durch enge Röhren fliessen. Um diese Folgerung deutlicher zu machen, nehmen wir zwei
Röhrenleitungen an, welche beide neben einander fortlaufen und dieselbe Länge l = 400
Fuss, so wie auch dasselbe Gefälle h = 20 Fuss haben; es sey jedoch der Durchmesser der
ersten Röhrenleitung 3 Zoll und jener der zweiten 6 Zoll. Da sich die Flächen wie die
Quadrate der Durchmesser der Röhren verhalten, so würde aus der zweiten Röhrenleitung
4 Mal so viel Wasser ausfliessen, als aus der ersten, wenn die Geschwindigkeit am
[209]Geneigte Röhrenleitungen.
Ende beider Röhren gleich wäre. Nehmen wir l = 400 Fuss und h = 20 Fuss an,
so ist im ersten Falle v = = 2,9 Fuss und im zweiten Falle
v' = = 4,1 Fuss; es verhält sich daher v' : v = 1,4 : 1 und wir sehen, dass
die 6 zöllige Wasserleitung 4 . 1,4 = 5,6 Mal mehr Wasser als die 3 zöllige Wasserleitung
in gleicher Zeit geben wird.
§. 144.
Bei allen bisherigen Untersuchungen haben wir die Röhren horizontal wie
Fig. 9 an den Behältern angebracht vorausgesetzt. Es kann jedoch der Fall eintreten,Fig.
9
bis
11.
Tab.
47.
dass die Röhren von dem Behälter aus in verschiedenen Neigungen z. B. wie Fig. 10
oder Fig. 11 gegen den Horizont fortlaufen. Es ist offenbar, dass in einem jeden dieser
Fälle für das Gefälle oder die Druckhöhe h bloss der Höhenunterschied von der Ober-
fläche des Wassers im Behälter bis zur Mitte der Ausflussöffnung anzunehmen sey.
Wir haben bereits oben angeführt, dass die Geschwindigkeit des Wassers in einer
Röhrenleitung von einerlei Durchmesser durchaus gleich seyn müsse, indem dasjenige
Wasser, was in 1 Sekunde zufliesst, auch wieder in 1 Sekunde abfliessen muss. Aus dem-
selben Grunde kann bei dem Ausflusse des Wassers am Ende der Röhrenleitung keine
Zusammenziehung mehr eintreten. Wir haben demnach für die Wassermenge,
welche eine Röhrenleitung in 1 Sekunde gibt, immer die Gleichung M = f . v oder auch M
= 11/14 d2 . v (I) Hierzu kommt die zweite Gleichung für die Bewegung des Wassers
h = . (II)
In diesen zwei Gleichungen kommen 5 veränderliche Grössen, nämlich die Wasser-
menge M in 1 Sekunde, der Durchmesser d der Röhre im Lichten, die Länge l der Röh-
renleitung, das ganze Gefälle h derselben und endlich die Geschwindigkeit v des Wassers
in der Röhrenleitung vor. Wenn daher von diesen 5 Grössen drei gegeben sind, kann
man die übrigen zwei berechnen.
§. 145.
1tes Beispiel. Es sey die Gefällshöhe h, die Länge der Röhrenleitung l und
ihr Durchmesser d gegeben; es fragt sich, mit welcher Geschwindigkeit v das Wasser
in der Röhre fliessen werde, und welche Wassermenge M man in einer Sekunde erhält.
Wir haben für diesen Fall h = .
Wird hier der Koeffizient von v2 weggeschafft und das Quadrat ergänzt, so ist, da offen-
bar nur das positive Wurzelzeichen Statt finden kann:
Aus dieser Gleichung lässt sich für einen jeden Fall der Werth von v berech-
nen. Wird dieser mit der Querschnittsfläche im Lichten der Röhre multiplizirt, so
gibt das Produkt die Wassermenge M in einer Sekunde.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 27
[210]Beispiele über Röhrenleitungen.
Es sey die Druckhöhe des Wassers oder der Höhenunterschied vom Wasserspie-
gel im Behälter bis zum Ausflusse aus der Röhre h = 20 Klafter = 120 Fuss, der Durch-
messer im Lichten der Röhrenleitung d = 4 Zoll = ⅓ Fuss und die Länge derselben
vom Behälter bis zu dem Orte des Ausflusses l = 400 Klafter = 2400 Fuss, so ergibt
sich die Geschwindigkeit des Wassers in der Röhre durch Substituzion in der obigen
Gleichung v = 6,6 Fuss.
Hätte man dagegen auf die Widerstände des Wassers bei der Bewegung in den Röh-
ren keine Rücksicht genommen, und die Geschwindigkeit bloss aus der Druckhöhe berech-
nen wollen, so wäre v = = 86 Fuss. Dieser Unterschied zwi-
schen beiden Geschwindigkeiten ist so ausserordentlich gross, dass man in keinem
Falle in der Ausübung den Einfluss des Widerstandes der Röhren vernachlässigen
kann. Die Wassermenge, welche diese Röhrenleitung in einer Sekunde gibt, findet
man nunmehr leicht aus der Gleichung M = 11/14 d2 . v = 11/14 (⅓)2 . 6,6 = 0,58 Kubikfuss;
dieselbe beträgt demnach in jeder Stunde 2088 Kubikfuss.
Hierbei muss nothwendig erinnert werden, dass diese Wassermenge das Maximum
sey, welches man in dem gegebenen Falle erhalten kann. Sollten sich
die Röhren verschlämmen, oder bei den Zusammenfügungen Ungleichheiten im Durch-
messer vorhanden seyn, so entstehen neue Widerstände, welche die Wassermenge aber-
mals vermindern. Bei unserer Berechnung ist nur das Minimum der Widerstände
in Anschlag gebracht, so wie wir auch bei der Reibung der festen Körper immer nur das
Minimum der Widerstände, welche bei vollkommen geglätteten Oberflächen nothwendig
vorhanden sind, angeschlagen haben. Sind die Oberflächen der reibenden festen Kör-
per nicht vollkommen geglättet, oder finden bei Wasserleitungen in der Zusammensetzung
der Röhren ungleiche Durchmesser Statt, oder verschlämmen sich die Röhren, oder wer-
den endlich die Röhren, wie es zuweilen geschieht, durch hinein gefallene Steine oder
andere Körper verstopft, so wird die Geschwindigkeit und demnach auch die Wasser-
menge noch mehr vermindert. Diese Umstände, und vorzüglich der letztere liegen
jedoch ausser der Möglichkeit einer genauen Berechnung.
2tes Beispiel. Um zu zeigen, in welchem Verhältnisse die Geschwindigkeiten in
einer Röhrenleitung sich bei Zunahme der Länge vermindern, wollen wir in dem obigen
Beispiele, wo h = 120 Fuss und d = ⅓ Fuss ist, verschiedene Werthe für die Länge l
annehmen, und wir erhalten:
- für die Länge l = 100 Klafter, die Geschwindigkeit v = 13,3 Fuss
- „ „ l = 200 „ „ „ v = 9,4 „
- „ „ l = 300 „ „ „ v = 7,7 „
- „ „ l = 400 „ „ „ v = 6,6 „
- „ „ l = 500 „ „ „ v = 5,9 „
- „ „ l = 600 „ „ „ v = 5,4 „
- „ „ l = 700 „ „ „ v = 5,0 „
- „ „ l = 800 „ „ „ v = 4,7 „
- „ „ l = 900 „ „ „ v = 4,4 „
- „ „ l = 1000 „ „ „ v = 4,2 „
[211]Beispiele über Röhrenleitungen.
Hieraus zeigt sich offenbar, welchen ausserordentlichen Einfluss die Länge einer Röhren-
leitung auf die Geschwindigkeit und die Wassermenge nimmt, und wie sehr man in jedem
Falle bedacht seyn müsse, eine jede unnöthige Verlängerung der Wasserleitungsröhren
zu vermeiden.
3tes Beispiel. Ein Bräuhaus braucht in jeder Minute 6 Kubikfuss Wasser. Das
Wasser wird durch eine 3000 Fuss lange Röhrenleitung zugeführt. Die Gefällshöhe auf
diese ganze Länge beträgt 4 Fuss. Es fragt sich, wie gross der Durchmesser der Röh-
ren angenommen werden müsse, damit die verlangte Wassermenge in der bestimmten
Zeit ausfliesst und mit welcher Geschwindigkeit sich das Wasser in der Röhre bewegen
werde.
In diesem Falle ist M = 6/60 = 0,1 Kubikfuss, dann h = 4 Fuss, l = 3000 Fuss, und es
ist v und d zu bestimmen. Substituiren wir die gegebenen Werthe in die §. 144 auf-
gestellten 2 Gleichungen, so ist
0,1 = · d2 . v und 4 = . Wollte man aus der ersten
Gleichung den Werth für v in die zweite Gleichung substituiren, so liesse sich die letztere
selbst durch höhere Rechnung nur sehr schwer auflösen. Es bleibt daher nichts
übrig, als verschiedene Werthe für d anzunehmen, und zu untersuchen, bei welchem
Durchmesser (d) der verlangte Ausfluss eintritt, oder wann beide Gleichungen zu-
treffen.
Nehmen wir zuerst den Werth d = 2 Zoll = ⅙ Fuss an, so ist
v = = 4,58 und wird diess in die zweite Gleichung substituirt, so ist
h = = 148,63 Fuss, wogegen h nur 4 Fuss betra-
gen darf. Wir sehen hieraus, dass man für d grössere Werthe annehmen muss; wir
wollen daher einige solche Werthe versuchen und erhalten folgende Resultate:
Aus dieser Tabelle sehen wir, dass der wahre
Werth von d zwischen 4,2 und 4,5 liegt. Nehmen wir
nämlich d = 4,2 an, so ist h = 4,31, daher um 0,31 zu
gross; nehmen wir jedoch d = 4,5, so wird h = 3,15,
oder um 0,85 zu klein. Man kann daher nach der
regula falsi sagen: Eine Aenderung von d um
4,5 — 4,2 = 0,3 bringt eine Aenderung von h um
4,31 — 3,15 = 1,16 hervor, wie viel muss man da-
her zu d = 4,2 addiren, um den wahren Werth zu
erhalten, oder um die Differenz 4,31 — 4 = 0,31
zu bewirken; demnach ist: 1,16 : 0,3 = 0,31 : x, wor-
aus x = 0,08 und demnach der wahre Werth von
d = 4,2 + 0,08 = 4,28 Zoll. Diess gibt die Geschwindigkeit v = = 1,00 Fuss.
Versucht man, in wie ferne dieser Werth von d und v zutrifft, so gibt die Substitu-
zion h = = 3,92 Fuss. Da aber h genau
27*
[212]Widerstand in Biegungen.
4 Fuss betragen soll, so fehlt hier nur noch 0,08 Fuss, welches so unbedeutend ist,
dass man diese Differenz ohne Anstand vernachlässigen kann.
§. 146.
Wir haben bisher die Gesetze der Bewegung und des Widerstandes, welchen das
Wasser in geraden Röhren findet, zu bestimmen gesucht. Weil aber die Röhren-
leitungen sich nach der Beschaffenheit des Terrains richten müssen, so muss man auch
bei den meisten Röhrenleitungen von der vollkommen geraden Richtung abgehen und den
Röhren oft vielfache Biegungen sowohl auf- als abwärts, als auch in der horizontalen
Lage geben. Zur Erklärung des Widerstandes, den man in solchen Fällen bei der Be-
wegung des Wassers wahrgenommen hat, glaubten die meisten Schriftsteller annehmen
Fig.
12.
Tab.
47.zu dürfen, dass das Wasser in Flüssen und in Röhren in jeder Biegung nach dem
allgemeinen Gesetze der Bewegung seine gerade Richtung a b beibehalten, durch b e
fortsetzen, dann bei e abgewiesen, und nach der Richtung e f g des folgenden
Röhrenstückes fortgetrieben werden müsse. Unter dieser Voraussetzung ist demnach die
Kraft, welche den Wasserstrahl bei e zurücktreibt, der Linie e o = 2 e m proporzional.
Setzen wir nun den Winkel b c f = w, so ist der Winkel m b e = m c b = ½ w, demnach
verhält sich der Druck des Wassers e o an die Röhrenwand zur Kraft b e, welche das
Wasser bei seiner Bewegung besitzt, wie 2 e m : b e oder wie 2 Sin ½ w : 1. Die Kraft
womit das Wasser in den Röhren fortfliesst, ist offenbar dem Gewichte derjenigen
Wassersäule gleich, welche dem Wasser die Geschwindigkeit v ertheilte; diese hat
aber die Querschnittsfläche f der Röhre und die Geschwindigkeitshöhe zu ihrem
Masse. Demnach ist der Druck, womit das Wasser an der gebogenen Röhrenwand zu-
rückgetrieben wird = 56,4 f · · 2 Sin ½ w. Die Kraft, welche die Bewegung des Was-
sers durch gebogene Röhren hindert, muss diesem Drucke proporzional seyn, und man
kann sonach den Widerstand des Wassers in gebogenen Röhren = 56,4 m . f · · 2 Sin ½ w
setzen, wo m eine durch Versuche zu bestimmende Grösse bezeichnet. Da aber zur
Gewältigung dieses Widerstandes in dem ursprünglichen Wasserbehälter eine Druck-
höhe h' vorhanden seyn muss, so haben wir 56,4 f . h' = 56,4 m . f · · 2 Sin ½ w, oder
h' = m · · 2 Sin ½ w.
Wir sehen hieraus, dass die Höhe h' um so grösser ist, je mehr die Röhre gebogen
oder je grösser der Winkel w ist. Setzen wir diesen Winkel = 180 Grad, so ist der Wi-
derstand der grösste, nämlich = m · · Wäre w grösser als 180 Grad, z. B. = 200°,
so würde Sin ½ w = Sin 100° = Sin 80°, also kleiner als 1 seyn, und der Widerstand wäre
wieder kleiner. Diesem Uibelstande, dass die Wiederstände der Biegungen von 180 + φ
und 180 — φ einander gleich seyn sollen, so wie es die Sinusse sind, glaubte du Buat da-
durch zu begegnen, dass man bei grössern Biegungswinkeln mehr als eine Zurückprallung
[213]Widerstand in Biegungen.
annehmen könne, demnach den Widerstand der Summe der Sinusse aller Abprallungs-
winkel oder setzen könne. Die Grösse
der einzelnen Abprallungswinkel hat du Buat nicht bestimmt, sondern bei seinen Versu-
chen sich an die Grössen von 24° 34′, dann 36° und 56° 14′ gehalten.
Da die Bewegung des Wassers der Biegung um so näher kommt, je kleiner die Ab-
prallungswinkel angenommen werden, so können wir allerdings annehmen, dass man bei
dieser Vorstellungsart der Wahrheit sich nähere; dabei ist aber doch zu bemerken,
dass auch der Widerstand um so grösser wird, je kleiner die Abprallungswinkel angenom-
men werden; wenn wir z. B. einen Winkel von 144° in zwei Winkel zu 72° eintheilen, so
ist 2 Sin 72° = 1,902; wird aber derselbe Winkel von 144° in 24 Theile, jeder von 6° ge-
theilt, so ist 24 Sin 6° = 2,509, also viel grösser. Hieraus folgt, dass man den Wider-
stand des Wassers in krummen Röhren ganz genau erhalten könne, wenn der Biegungs-
winkel in eine sehr grosse Anzahl Theile getheilt wird, folglich 2 Sin ½ w dem Linear-
masse des Winkels, oder = w gesetzt werden müsse.
Diese Betrachtung lässt sich noch durch folgende genauere Berechnung rechtfertigen.
Wir haben bereits in der Mechanik fester Körper, und wieder Seite 142 gezeigt, dass jeder
Körper, der sich nach einer krummen Linie bewegen soll, in jedem Punkte seiner Bahn eine
Fliehkraft P äussere, welche durch die Gleichung ausgedrückt wird, wo Q
das Gewicht des Körpers, v seine Geschwindigkeit und r den Krümmungshalbmesser
der Bahn bezeichnet. Setzen wir die Masse oder das Gewicht eines solchen Theiles
seinem kubischen Inhalte f . m n gleich, so ist die Kraft, womit der Körper an die WandFig.
13.
Tab.
47.
der Röhre drückt . Nun ist aber dem Linearmasse des Winkels w.
Es ist sonach der Druck des Elementartheiles an die Röhrenwand . Auf
gleiche Weise ist der Druck des folgenden Theiles , jener des dritten
Setzen wir w + w' + w'' .... = dem Bogen a b = W, so ist der Druck
aller Theile, die in der Biegung enthalten sind . Sind auf gleiche Art in
der Röhre noch mehrere Biegungen vorhanden und werden dieselben mit W', W'' .....
bezeichnet, so ist der gesammte Druck, der in allen diesen Biegungen an die eine
oder andere Seite der Röhrenwand entsteht . Wir kön-
nen demnach den Widerstand, der aus diesem Druck an die Röhrenwand entsteht, durch
den Kubikinhalt des Wassers vorstellen. Zur Uiberwäl-
tigung dieses Widerstandes sey in dem Behälter die Wassersäule h' nothwendig, so wird
der Druck des Wassers gegen die Röhre = f . h' seyn. Demnach haben wir
und .
[214]Versuche über den Widerstand in Biegungen.
§. 147.
Es kommt nun wieder darauf an, den Koeffizienten m durch Versuche zu bestim-
men. Wir werden zu diesem Behufe die Resultate der von du Buat hierüber angestell-
ten Versuche benützen, welche im 3ten Kapitel seiner „Principes d’Hydraulique“ ent-
halten sind. Du Buat bediente sich eines Behälters, an welchem immer 2 Röhren von
gleichem Durchmesser und gleicher Länge angesetzt waren. Die eine Röhre war gerade,
die andere unter einem bestimmten Winkel gekrümmt. Die geraden Röhrenstücke waren
von Weissblech verfertigt, die krummen Stücke aber von Blei und so genau an die geraden
angesetzt, dass bei den Zusammenfügungen weder ein Wulst, noch ein Einschnitt oder
eine Vertiefung sichtbar war. Alle Krümmungen waren Kreisbogen, deren Mittelpunkts-
winkel genau gemessen wurden.
Bei jedem Versuche wurde nun zuerst die Höhe des Wasserstandes im Behälter ge-
messen, welcher bei der geraden Ansatzröhre eine bestimmte Geschwindigkeit v des
ausfliessenden Wassers bewirkte. Hierauf wurde in demselben Behälter die Höhe des
Wasserstandes ausgemittelt, welcher zur Bewirkung derselben Geschwindigkeit v in der
gekrümmten Ansatzröhre erforderlich war. Der Unterschied dieser Wasserstandshöhen
gab die Druckhöhe h', welche zur Uiberwältigung des Widerstandes in Biegungen erfor-
dert wurde. Hieraus lässt sich nun der Koeffizient m ableiten.
Da in diesen Versuchen die Winkel in Graden angegeben sind, so haben wir für
die Einführung derselben in unsere aufgestellte Rechnung erst folgende Proporzion zu
machen : 180° : 3,141593 = die gegebene Anzahl Grade (γ) : zur Länge des Bogens (W),
woraus folgt. Da ferner für pariser Mass 2 g = 724,7 . ½ = 362,35 Zoll, so
gibt diess substituirt in die, im vorigen §. abgeleitete Gleichung
.
In der nachfolgenden Tabelle erscheinen sowohl die, bei den Versuchen gefundenen
Werthe für h und v, als auch die aus jedem Versuche abgeleitete Gleichung zur Bestim-
mung des Koeffizienten m.
[215]Versuche über den Widerstand in Biegungen.
Werden sämmtliche in der letzten Kolumne enthaltene Gleichungen addirt, so er-
halten wir 52,235 = m . 1677,644, woraus folgt. Wird dieser Werth
[216]Beispiele über Röhrenleitungen.
in die früher angeführte Gleichung h' = m . v2 . γ . 0,000043 substituirt und hierin mit
4 g dividirt und mit dem gleichen Werthe 724,7 multiplizirt, so erhalten wir
. In dieser Gleichung kann nun
h', v und g entweder in Fussen oder in Zollen, im französischen oder N. Oe. Masse
substituirt werden, jedoch muss γ immer in Graden ausgedrückt seyn. Da wir statt
923 die runde Zahl 1000 annehmen können, so folgt, dass die Druckhöhe h' zur
Uiberwältigung des Widerstandes gekrümmter Röhren erhalten wird, wenn man die
Geschwindigkeitshöhe des fliessenden Wassers mit dem 1000ten Theile der Summe
der Biegungswinkel der Röhre multiplizirt. Hierbei ist wieder zu bemerken, dass
man auf diese Art nur das Minimum des Widerstandes erhält, indem die Versuche mit
vollkommen gleichförmig gekrümmten Röhren von durchaus einerlei Durchmesser ange-
stellt wurden. Wenn demnach bei einer Wasserleitung in Krümmungen Röhren zu-
sammengefügt sind und diese nicht vollkommen passen, wenn die Röhren in den Krüm-
mungen sich verschlämmen oder andere Hindernisse entstehen, so wird eine neue
Druckhöhe zur Uiberwältigung derselben erfordert.
§. 148.
Mit Hülfe der vorstehenden Berechnung lassen sich alle über gekrümmte Röhren-
leitungen vorkommende Aufgaben auflösen.
1tes Beispiel. Es sey die Länge einer Röhrenleitung 1 = 6000 Fuss, die Druck-
höhe des Wassers oder das Gefälle vom Wasserspiegel im Behälter bis zur Ausflussöff-
Fig.
14.
Tab.
47.nung h = 10 Fuss, der Durchmesser der Röhren im Lichten d = 3 Zoll = ¼ Fuss,
endlich die Biegungswinkel der Röhrenleitung w = 90°, w' = 120°, w'' = 130°,
w''' = 70° und w'''' = 80°; es fragt sich, mit welcher Geschwindigkeit das Wasser in die-
ser Röhrenleitung fliessen werde, und wie viel die abgeführte Wassermenge betrage.
Da hier w + w' + w'' + w''' + w'''' = 490° = γ, so ist die Druckhöhe zur
Uiberwältigung des Widerstandes in den Biegungen nach dem vorigen Paragraphe
und wir erhalten die allgemeine Gleichung für diese Röhrenleitung
oder 1,1593 = v2 + 0,3570 v, woraus
v = 0,91 Fuss folgt. Demnach beträgt die Wassermenge in 1 Sekunde
und die Wassermenge in 1 Stunde = 160,9 Kubik-
fuss. Der Verlust am Gefälle, welcher wegen der Uiberwältigung der Widerstände
in den Biegungen entsteht, beträgt hier Fuss und
ist demnach im Verhältnisse der andern Widerstände nur sehr unbedeutend.
2tes Beispiel. Eine Fabriksunternehmung benöthigt in einer Stunde 900 Ku-
bikfuss Wasser, welches aus einem 500 Klafter entfernten Teiche zugeleitet werden soll.
Das Gefälle von der Oberfläche des Teiches bis zur Ausflussöffnung des Wassers aus
[217]Beispiele über Röhrenleitungen.
der Röhrenleitung beträgt nach dem vorgenommenen Nivellement 12 Fuss; es fragtFig.
15.
Tab.
47.
sich, wie gross der Durchmesser der Röhrenleitung angenommen werden müsse, um
die geforderte Wassermenge richtig abzuführen.
In diesem Falle ist h = 12 Fuss, 1 = 500 Klafter = 3000 Fuss,
Kubikfuss. Die Summe der Biegungswinkel der ganzen Röhrenleitung wollen wir der
vorgenommenen Abmessung zu Folge γ = 400° setzen. Wir erhalten demnach folgende
2 Gleichungen 11/14 d2 . v = ¼ und h = 12 .
Werden hier verschiedene Werthe für d angenommen, hieraus v bestimmt und nun
der Werth für h berechnet, so erhält man nachstehende Resultate:
Um hieraus den genauen Werth zu finden, haben wir die Proporzion: die Differenz
von 12,25 — 10,02 = 2,23 wird durch eine Aenderung im Durchmesser von 5 — 4,8 = 0,2
Zoll bewirkt, um wie viel muss daher derselbe Durchmesser von 4,8 Zoll vermehrt
werden, um die Differenz 12,25 — 12,00 = 0,25 zu bewirken, oder
12,25 — 10,02 : 5 — 4,8 = 12,25 — 12,00 : x, woraus x = 0,02 Zoll, und demnach der Durch-
messer der Röhrenleitung d = 4,8 Zoll + 0,02 = 4,82 Zoll folgt. Dass diess der richtige
Durchmesser sey, ersieht man aus der Substituzion in obige zwei Gleichungen; denn
es folgt aus der ersten , die Geschwindigkeit v = 1,97 Fuss, und aus
der zweiten Gleichung die Druckhöhe h = 11,97 Fuss.
§. 149.
Wir haben bereits früher angeführt, dass sich in den bisherigen mechanischen
Schriften nur wenige Versuche vorfinden, worin bei grossen Röhrenleitungen
die Werthe für h, l, d, v und M genau verzeichnet erscheinen.
Die Ursache hiervon liegt offenbar in der Schwierigkeit, bei Röhren mit gros-
sem Durchmesser die Wassermenge, welche sie in einer bestimmten Zeit geben, mit
Verlässigkeit zu bestimmen; hierzu würde das Auffangen der ausgeflossenen Wasser-
menge während einigen Minuten wenigstens erfordert, wozu jedoch bei grossen Röhren-
leitungen gewöhnlich die genauen Vorrichtungen fehlen. Wir haben demnach bei der
Gerstner’s Mechanik. Band II. 28
[218]Beispiele über Röhrenleitungen.
Ableitung unserer Formel nur einige Erfahrungen von Couplet mit 5 zölligen Röhren,
und dagegen weit mehr mit grosser Genauigkeit angestellte Erfahrungen mit Röhren
von kleinen Durchmessern benützt. Diese Röhren waren entweder mit der grösstmögli-
chen Genauigkeit zusammengefügt, oder bestanden, wie es bei gläsernen Röhren der
Fall war, bloss aus einem Stücke, welches sehr genau kalibrirt wurde. In dieser Hin-
sicht haben wir bereits erinnert, dass die Resultate unserer Formel nur das Minimum
des Widerstandes angeben, welcher bei einer bestimmten Röhrenleitung Statt finden kann,
und dass sonach bei minder vollkommen zusammengefügten Röhren, bei eingetretenen
Verschlämmungen oder bei andern zufällig vorhandenen Hindernissen die Widerstände
zunehmen, und demnach auch die zur Uiberwältigung derselben erforderliche Druck-
höhe vermehrt werden müsse.
Wir wollen nun unter diesen Voraussetzungen die Ergebnisse einiger grösseren Er-
fahrungen mit unserer §. 134 aufgestellten Formel vergleichen.
du Buat führt in seinen „Principes d’Hydraulique“ eine von Couplet im Grossen
angestellte Erfahrung an. Der Durchmesser der Röhrenleitung betrug im Lichten ge-
messen 18 par. Zoll, die Länge derselben 3600 Fuss = 43200 par. Zoll, die Druckhöhe
145,083 par. Zoll, die Röhrenleitung war gerade und die beobachtete Geschwindigkeit des
Wassers war 39,159 par. Zoll. Werden diese Werthe in unsere Formel substituirt, und
hieraus h berechnet, so ist
Zoll,
wogegen die erforderliche Druckhöhe h = 145,083 Zoll, demnach beiläufig um den 6ten
Theil grösser war.
In der Maschinenlehre von Erich Nordwall, aus dem Schwedischen übersetzt von
Blumhof, Berlin 1804, wird in der 2ten Abtheilung des ersten Bandes Seite 63 folgender
Versuch angeführt: Bei dem König Adolph Friedrichs Göpel wird das Wasser von
dem sogenannten obern Tallbacks Teiche oder Reservoir unterhalb des Kronteichs,
Fig.
16.
Tab.
47.durch eine beinahe 438 Ellen lange und 7 Zoll weite Röhrenfahrt A H B C auf das Kunst-
rad geleitet. Die erste Abtheilung A H dieser Röhrenfahrt, von 120 Ellen Länge ist un-
gefähr 10 Grad, die zweite H B von 300 Ellen Länge, 3 Grad unter dem Horizont geneigt,
und die dritte B C von 17¾ Ellen steht beinahe lothrecht. Nordwall fand die bei C
ausfliessende Wassermenge = 112 Kub. Fuss per Minute, wobei die Röhrenmündung in A
gehörig erweitert war und die Oeffnung bei C, 25 Fuss unter dem Wasserspiegel im Teiche
lag. — In diesem Falle ist daher, weil 1 schwedische Elle = 24 schwed. Zoll, die Länge
der Röhrenleitung 1 = 10506 schwed. Zoll, der Durchmesser d = 7 Zoll, die Druckhöhe
h = 300 Zoll, die Geschwindigkeit des Wassers Zoll, und die
Biegungswinkel γ = 103°. Zur Substituzion in unserer Formel müssen wir nach Nord-
wall g = 16 schwed. Fuss setzen, und erhalten demnach
oder
h = 9,14 + 315,38 + 0,94 = 325,46 Zoll, wogegen die von Nordwall angegebene Druckhöhe
von 300 Zoll beiläufig um den 12ten Theil kleiner ist.
[219]Vertheilung des Wassers in mehrere Röhren.
Bei diesen zwei im Grossen angestellten Erfahrungen war daher die Druckhöhe im
ersten Falle um ⅙ grösser, im zweiten um 1/12 kleiner, als sie nach der Berechnung aus
unserer Formel folgt. Da jedoch bei so bedeutenden Wassermengen die genaue Messung
derselben sehr schwierig ist, überdiess auch die oben genannten Gebrechen bei den
Zusammenfügungen der Röhren u. s. w. vorhanden seyn konnten, so dürfte man keinen
Anstand nehmen, die Resultate unserer Berechnung als richtig anzusehen.
§. 150.
Wenn das Wasser durch mehrere Röhren von verschiedenen Durchmessern geleitet
wird, so tritt bei dem Einströmen desselben in eine jede neue Röhrenleitung (von andernFig.
17.
Tab.
47.
Durchmesser) derselbe Fall ein, welchen wir bereits §. 104 erklärt haben. Ist die fol-
gende Röhre D E E' D' enger als die vorhergehende B C C' B', so erfolgt eine Zusammen-
ziehung des Wasserstrahls, welche sich nach dem Verhältniss der beiden Durchmesser
richtet; ist nämlich der Durchmesser oder die Oeffnung D D' der nächstfolgenden Röhre
viel kleiner als der Durchmesser der vorhergehenden Röhre, so verhält sich die Quer-
schnittsfläche des zusammengezogenen Wasserstrahles zur Querschnittsfläche der Oeffnung
wie 62 : 100, mithin beträgt der Durchmesser des zusammengezogenen Wasserstrahles
d d' = 0,787 D D'. Sind aber die Durchmesser der beiden Röhren einander gleich, oder
D D' = C C', so findet keine Zusammenziehung Statt. In andern Fällen, wo die Durch-
messer nur wenig verschieden sind, wird auch die Zusammenziehung weniger betragen,
und der Zusammenziehungskoeffizient der Einheit näher kommen. Die Rechnung für die
Geschwindigkeit des Wassers in beiden nächstfolgenden Röhren wird noch verwickelter,
wenn hierbei zugleich der Widerstand der Röhrenwände berücksichtigt werden soll. Da
jedoch diese Rechnung bei der Frage über die Vertheilung des Wassers in
Städten, wo dasselbe aus einem gemeinschaftlichen Behälter oder aus einer Hauptröhre
mehreren Parteyen zugeführt werden soll, höchst wichtig ist, so wollen wir zur Erleich-
terung derselben annehmen, dass bei jeder Zusammensetzung entweder mittelst eines der
Zusammenziehung proporzionalen Trichters oder auf andere Art dafür gesorgt worden,
dass die Röhren durchaus voll fliessen.
§. 151.
Als Beispiel wollen wir annehmen, dass das Wasser aus einer Hauptröhre in zweiFig.
18.
Seitenröhren getheilt werden soll, dass alle diese Röhren horizontal in gerader Rich-
tung liegen und dass die Druckhöhe in der Hauptröhre und für beide folgende Röhren
= h = 120 Fuss sey. Der Durchmesser der Hauptröhre sey D = 4 Zoll = ⅓ Fuss, die
Länge derselben vom Behälter bis zu der Theilung des Wassers A B = L = 1200 Fuss.
Die Seitenröhre B C habe die Länge 1 = 600 Fuss und den Durchmesser d = 3 Zoll.
Die andere Seitenröhre B D habe dagegen die Länge λ = 900 Fuss und den Durchmesser
δ = 2 Zoll. Es fragt sich, mit welcher Geschwindigkeit das Wasser sowohl in der Haupt-
röhre als in den beiden Seitenröhren fliessen und wie viel Wasser am Ende jeder Seiten-
röhre ausfliessen werde.
Da das Wasser in einer jeden der angeführten Röhren bei der vorhandenen Druckhöhe
von 120 Fuss mit einer bedeutenden Geschwindigkeit fliessen wird, so können wir nach
28*
[220]Vertheilung des Wassers in mehrere Röhren.
§. 142 denjenigen Theil des Widerstandes, welcher von der ersten Potenz der Geschwin-
digkeit abhängt, vernachlässigen. Weil aber das Gefälle der Hauptröhre nicht nur den
Widerstand an den Wänden derselben Röhre überwältigen, sondern auch die Bewegung
in den Seitenröhren hervorbringen muss, so haben wir am Theilungspunkte B der bei-
den Röhren die Druckhöhe , und weil diese Druckhöhe für beide Sei-
tenröhren gemeinschaftlich ist, so haben wir
, wo nämlich c die Geschwindig-
keit in der ersten und v die Geschwindigkeit in der zweiten Seitenröhre vorstellt.
Die Wassermenge, welche die erste Seitenröhre in jeder Sekunde gibt, ist offen-
bar , und jene der zweiten Seitenröhre ; weil aber beide Seiten-
röhren von der Hauptröhre gespeiset werden, so haben wir
. Wir haben sonach zur Bestimmung der drei Ge-
schwindigkeiten C, c und v auch drei Gleichungen, nämlich
und D2 . C = d2 . c + δ2 . v.
In diesen drei Gleichungen kommen 10 Grössen, nämlich h, L, C, D dann c, l, d
und v, λ, δ vor; wenn daher sieben hiervon gegeben sind, kann man die drei andern
berechnen. Setzen wir die in unserem Beispiele angenommenen Werthe in diese Glei-
chungen, so ist
und , oder 7440 — 80 C2 = 54⅓ c2 = 121 v2 (I) und 16 C = 9 c + 4 v (II).
Aus den beiden letzten Gliedern der Gleichung I folgt .
Setzen wir diesen Werth in die Gleichung II, so erhalten wir 16 C = c (9 + 4 . 0,6701)
und C = 0,7300 c. Wird dieser Werth in die beiden ersten Glieder der Gleichung I
gesetzt, so findet man 7440 — 80 (0,7300)2 . c2 = 54⅓ c2, woraus .
Fuss. Demnach ist C = 0,7300 c = 6,394 Fuss und v = 0,6701 c = 5,869 Fuss.
Hiernach ergibt sich nun die Wassermenge, welche am Ende der einen Röhre in
1 Sekunde ausfliesst Kubikfuss, und jene bei der andern
Seitenröhre Kubikfuss, endlich die Wassermenge, welche
in jeder Sekunde in der Hauptröhre zufliesst Kubik-
Fuss oder eben so viel, als aus den beiden Seitenröhren ausfliesst.
§. 152.
Im vorigen Beispiele haben wir den Fall angenommen, wo die Röhrenleitung
bereits angelegt ist, und die Wassermenge, welche dieselbe gibt, gesucht wird. In
[221]Vertheilung des Wassers in mehrere Röhren.
den meisten Fällen ist aber die Wassermenge, welche jede Nebenröhre liefern soll,
gegeben, und es handelt sich, den Durchmesser dieser Röhren zu bestimmen, um dar-
nach die Anlage einzurichten.
Beispiel. Es sey die Druckhöhe abermals h = 120 Fuss, die Länge der Haupt-
röhre L = 1200 Fuss und der Durchmesser derselben D = 4 Zoll = ⅓ Fuss. Die Länge
der ersten Seitenröhre sey 1 = 600 Fuss und jene der zweiten λ = 900 Fuss. Die erste
Seitenröhre soll in der Sekunde ein Viertel und die zweite ein Sechstel Kubikfuss
Wasser geben. Die ganze Röhrenleitung wird horizontal in gerader Richtung ange-
legt; es fragt sich, wie gross die Durchmesser d und δ anzunehmen seyen.
Werden die gegebenen Werthe in die im vorigen §. aufgestellten Gleichungen
substituirt, so erhalten wir
(I und II)
(III), (IV) und (V). Um aus diesen 5 Glei-
chungen eben so viele darin vorkommende unbekannte Grössen zu bestimmen, suchen
wir zuerst aus III den Werth von C; dieser ist C = 4,77 Fuss. Wird diess substituirt,
so folgt , ferner und . Hieraus
finden wir durch abermalige Substituzion und 124902 δ5 = δ + 20.
In diesen 2 Gleichungen ist d und δ in Fussen ausgedrückt; da aber beide
Werthe Brüche geben, so ist es besser, diese Gleichungen auf Zollmass zu übersetzen;
wenn wir daher das erste Glied mit 125 und das zweite mit 12 dividiren, so erhalten
wir (A) und (B), worin nun d und δ in Zollen
zu suchen sind. Da und gegen die 5te Potenz dieser Grössen vernachlässigt wer-
den können, so erhalten wir für eine beiläufige Bestimmung
Zoll und Zoll. Hiervon gibt der
erste Werth, wenn er in die Gleichung A substituirt wird, 13,45 — 0,19 = 13,26 statt
. Wird der zweite Werth in die Gleichung B substituirt, so erhält man
20,02 — 0,17 = 19,35 statt 20, welche Werthe für die Ausübung hinlänglich genau berech-
net sind.
Werden diese Werthe in die Gleichungen IV und V substituirt, so folgt die Ge-
schwindigkeit, womit das Wasser in der ersten Seitenröhre fliessen wird
Fuss, und die Geschwindigkeit des Wassers in der zweiten
Seitenröhre Fuss.
In der Ausübung wird es zweckdienlich seyn, die gefundenen Dimensionen von
d und δ etwas zu verstärken, indem unsere Berechnung nur jene Werthe gibt, welche
[222]Vertheilung des Wassers in mehrere Röhren.
einer Röhrenleitung entsprechen, die vollkommen zusammengefügt, nicht verschlämmt
ist, und wobei kein anderes Hinderniss als der Widerstand an den Wänden vorkommt.
In dieser Hinsicht kann man in unserem Falle für d wenigstens 2,3 und δ mit 2,1 Zoll
im Lichten der Röhren annehmen.
§. 153.
Die meisten Wasserleitungen liegen an Flüssen, wo das Wasser durch ein vereinigtes
Saug- und Druckwerk mittelst unterschlächtiger Räder (wovon wir später umständlich
sprechen werden) in ein Hauptbehältniss oder Reservoir gehoben wird. Diese Behältnisse
liegen häufig 20 bis 30 und mehr Klafter über der Oberfläche des Wasserspiegels in dem
sogenannten Wasserthurme (Wasserschloss), und es wird von demselben aus das Wasser
gewöhnlich durch eine hinlänglich weite Hauptröhre in die Stadt oder jenen Stadttheil
geleitet, welcher von diesem Reservoir mit Wasser versehen werden soll. Da man sich
gegenwärtig bei solchen Anlagen gewöhnlich gusseiserner Röhren bedient, deren An-
schaffung immer bedeutende Kosten verursacht, so wird es jederzeit darauf ankommen, den
Durchmesser der Wasserleitungsröhren entsprechend zu wählen. Es wäre in dieser Hin-
sicht zu kostspielig und unzweckmässig, wenn man die Hauptröhre von dem Reservoir
aus mit gleichem Durchmesser bis an das Ende der Stadt oder bis zur letzten Ausflussöff-
nung führen und überhaupt den Ausfluss des Wassers nur dadurch reguliren wollte, dass
man die an der Hauptröhre bei jeder Nebenleitung angebrachten Hähne (Pipen) mehr und
minder öffnen oder schliessen wollte. Es ist in diesem Falle zweckmässiger, das Wasser
Fig.
19.
Tab.
47.aus dem Reservoir A durch eine hinlänglich weite Hauptröhre zuerst in einen, an dem
höchsten Orte der Stadt gelegenen Behälter B zu leiten und aus diesem durch zwei
oder mehrere Seitenröhren den, für jeden Theil der Stadt besonders bemessenen Wasser-
bedarf fortzuführen. Diese Seitenröhren werden dann nur den, ihrer Wassermenge ent-
sprechenden Durchmesser erhalten, und die ganze Anlage wird weit wohlfeiler zu Stand
kommen, als wenn man mit dem gleichen Durchmesser der Hauptröhre das Wasser in
alle Stadttheile geleitet hätte. Es handelt sich daher, die Grösse der Durchmesser so-
wohl für die Hauptröhre als für die Seitenröhren in einem jeden gegebenen Falle zu
berechnen.
Zu diesem Behufe sey L die Länge der Hauptröhre A B, nämlich die Länge des ver-
tikalen Stückes vom Reservoir A bis zum Boden herab und die Länge der unten fertge-
führten Leitung bis zum gemeinschaftlichen Behälter B; das Gefälle von der Oberfläche
des Wassers im Reservoir A bis zur Oberfläche im Behälter B sey = H; der Durchmes-
ser dieser Hauptröhre = D und die Geschwindigkeit des Wassers innerhalb derselben
= C, endlich die ganze Wassermenge, welche dem gemeinschaftlichen Behälter B zu-
geführt werden soll = M.
Für die erste Seitenröhre B F sey die Länge = 1, das Gefälle vom Behälter bis zur
Ausflussöffnung bei F = h, der Durchmesser der Röhrenleitung = d, die Geschwindig-
keit des Wassers = c und die Wassermenge, welche abgeführt werden soll = m.
Für die zweite Seitenröhre B G sey die Länge = l', das Gefälle = h', der Durch-
messer = d', die Geschwindigkeit = c' und die abzuführende Wassermenge = m'.
[223]Vertheilung des Wassers in mehrere Röhren.
Für die dritte Seitenröhre B E sey die Länge l'', das Gefälle = h'', der Durch-Fig.
19.
Tab.
47.
messer = d'', die Geschwindigkeit des Wassers = c'', und die abzuführende Wasser-
menge = m''; u. s. w.
Es leuchtet von selbst ein, dass die Wassermenge, welche in der Hauptröhre fort-
geleitet wird, der Summe der Wassermengen aller Seitenröhren gleich seyn muss; dem-
nach haben wir M = m + m' + m''. Für die Bewegung des Wassers in der Haupt-
röhre ist , wenn nämlich der Theil des Widerstandes, welcher von
der ersten Potenz der Geschwindigkeit abhängt, vernachlässigt wird. Die Wassermenge,
welche in einer Sekunde in der Hauptröhre fortgeführt wird, ist , woraus
und daher . Wird dieser Werth in die obige Gleichung
gesetzt, so erhalten wir , und weil als ein
sehr kleiner Bruch gegen 1 vernachlässigt werden kann, so folgt .
Dieselbe Berechnung findet bei dem Ausflusse des Wassers aus dem Behälter B in
eine jede von den Seitenröhren Statt, indem das Wasser in den Seitenröhren hier ledig-
lich durch die Druckhöhe oder den Wasserstand im gemeinschaftlichen Behälter B seine
Bewegung erhält. Wir erhalten demnach auf gleiche Art für die erste Seitenröhre B F
die Gleichung . Wenn wir die vorige Gleichung mit dieser divi-
diren, so ergibt sich für das Verhältniss des Durchmessers der Hauptröhre zum Durch-
messer der ersten Seitenröhre die Gleichung . Auf gleiche Art
folgt für die zweite Seitenröhre , und auf gleiche Art ergeben
sich nun auch die anderen Gleichungen für alle an dem gemeinsamen Behälter angebrach-
ten Seitenröhren. Erhalten diese Röhren die berechneten Durchmesser, so werden sie
die geforderte Wassermenge für jeden Stadttheil richtig abliefern, und es wird sonach
die ganze Anlage mit den geringsten Kosten ausgeführt seyn.
§. 154.
Beispiel. Es seyen an dem gemeinsamen Behälter B drei Seitenröhren angebracht,
wovon die erste bei F in 24 Stunden die Wassermenge von 4800 Kub. Fuss, die zweite
bei G in gleicher Zeit 9600 Kub. Fuss, und die dritte bei E in derselben Zeit 14400 Kub.
Fuss Wasser geben soll; die Länge der Hauptröhrenleitung sey L = 3000 Fuss, und ihr
Gefälle H = 100 Fuss.
Hieraus ergibt sich die Wassermenge in 1 Sekunde m = 1/18 Kub. Fuss, m' = 2/18 Kub.
Fuss, m'' = 3/18 Kub. Fuss, demnach M = ⅓ Kub. Fuss. Die Grösse des Durchmessers
der Hauptröhrenleitung A B vom Reservoir A bis zum Behälter B ergibt sich aus der
Gleichung , woraus
[224]Vertheilung des Wassers in mehrere Röhren.
D = 0,2867 Fuss = 3,44 Zoll folgt. Weil sich aber bei solchen Röhrenleitungen die genaue
Zusammensetzung nicht verbürgen lässt, und wir in dieser Hinsicht schon früher bemerkt
haben, dass man den Durchmesser der Röhren um etwas vermehren müsse, so wollen wir
D = 4 Zoll = ⅓ Fuss setzen und das Verhältniss der übrigen Durchmesser darnach
berechnen.
Es seyen die Gefälle der einzelnen Röhrenleitungen oder die Höhenunterschiede vom
Wasserspiegel im Behälter B bis zu den Ausflussöffnungen am Ende der Seitenröhren bei
F, G und E, nämlich h = 6 Fuss, h' = 8 Fuss und h'' = 12 Fuss, die Längen der Röhren-
leitungen l = 600 Fuss, l' = 1000 Fuss und l'' = 800 Fuss, so ergeben sich nach dem vo-
rigen §. folgende Gleichungen zur Bestimmung der Durchmesser der Seitenröhren
- für die 1te Seitenröhre und = 1,609.
- für die 2te Seitenröhre und = 1,167.
- für die 3te Seitenröhre und = 1,125.
Wird jetzt der Werth von D mit 4 Zoll angenommen, so ergeben sich die Durchmesser
sämmtlicher Seitenröhren d = 2,5 Zoll, d' = 3,4 Zoll, und d'' = 3,6 Zoll.
§. 155.
Wir haben bereits §. 102 angeführt, dass die Höhe, auf welche ein aufwärts gerich-
teter Wasserstrahl steigt, der Fallhöhe gleichkommt, von welcher nämlich die schwe-
ren Körper bei dem freien Falle die Geschwindigkeit c erlangen. Weil aber die Ge-
schwindigkeit des Wassers in Röhren von dem Widerstande der Röhrenwände verzögert
und sonach von der Gleichung bestimmt wird, so haben wir für den
Fall, wenn das Ende einer Röhrenleitung senkrecht aufwärts gebogen wird, für die
Sprunghöhe die Gleichung . Hieraus ergibt sich, dass die Sprunghöhe
von der Fall- oder Druckhöhe des Wassers sehr verschieden sey, wenn das Verhält-
niss eine bedeutende oder eine solche Grösse erhält, welche gegen die Einheit
nicht vernachlässigt werden kann. Wenn nämlich die Länge der Röhre 1 dem 45fachen
Durchmesser d gleich ist, so beträgt die Sprunghöhe nur . Sie wird noch kleiner,
wenn 1 grösser als 45 d ist, und sie kann der Fallhöhe nur dann gleich kommen, wenn
ist, d. h. wenn die Länge der Röhre, durch welche das Wasser aus dem Be-
hälter zufliesst, = 0 ist.
Bei dieser Berechnung haben wir angenommen, dass die Geschwindigkeit c des
Wassers nur einige Fuss beträgt, und dass sonach der Theil des Widerstandes, welcher
[225]Steighöhe des Wassers bei Springbrunnen.
von der einfachen Geschwindigkeit abhängt, vernachlässigt werden kann. Für eine
genauere Rechnung ergibt sich daher die Sprunghöhe aus der Gleichung mit Rücksicht
auf die Widerstände in Biegungen
woraus die Sprunghöhe, welche wir mit z bezeichnen wollen,
folgt. Für den Fall, wenn 1 und γ un-
bedeutende Grössen sind, können wir setzen, und erhalten dann für die Be-
rechnung der Sprunghöhe die Gleichung .
Dieser Ausdruck dürfte zur Erklärung jener Unterschiede hinreichen, welche Ma-
riotte und andere Physiker bei Versuchen über die Höhe der springenden Strahlen und
ihrer Vergleichung mit der Gefällshöhe gefunden haben. Da Mariotte die zu einer
genauen Berechnung nöthigen Maasse der Zuleitungsröhren nicht angegeben hat und
wir uns nicht erlauben dürfen, seine übrigens sehr schätzbaren Erfahrungen durch
willkührliche Zusätze zu ergänzen, so müssen wir bloss bei dieser allgemeinen Be-
merkung stehen bleiben.
§. 156.
Da der Widerstand der Röhrenwände hauptsächlich von dem Verhältnisse ab-
hängt und die Zuleitungsröhren öfters sehr lang gemacht werden müssen, so pflegt
man den Durchmesser d der Zuleitungsröhre grösser als die Aus-
flussöffnung zu machen und zur Erzielung einer grossen Sprunghöhe für die Aus-
flussmündung nur eine kurze Ansatzröhre anzubringen, oder wo es sich thun lässt, den
Strahl bloss aus einer dünnen horizontalen Platte ausströmen zu lassen. Da hierbei
die §. 105 angeführte Zusammenziehung des ausfliessenden Wasserstrahles Statt findet,
so wollen wir den Durchmesser der Ausflussmündung = δ und die Geschwindigkeit des
Ausflusses = c setzen. Hiernach ist die in einer Sekunde ausfliessende Wassermenge
. Weil durch jeden Querschnitt der Röhre dieselbe Wassermenge in einer
Sekunde fliessen muss, so haben wir . Hieraus folgt die Geschwin-
digkeit in der Zuleitungsröhre . Setzen wir nun die Sprunghöhe ,
so erhalten wir für die Bewegung des Wassers die allgemeine Gleichung
. Hierbei wurde jener Theil des Wi-
derstandes, der von der ersten Potenz der Geschwindigkeit abhängt, vernachlässigt,
welches hier um so mehr geschehen kann, weil man grössere Sprunghöhen verlangt,
demnach auch das Wasser in der Zuleitungsröhre immer mit einer Geschwindigkeit zu-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 29
[226]Steighöhe des Wassers bei Springbrunnen.
fliessen wird, die mehrere Fuss beträgt. Aus der letzten Gleichung folgt die Sprung-
höhe des Wasserstrahles .
Beispiel. Es sey die Länge der Röhrenleitung 1 = 3000 Fuss, ihr Durchmesser
d = 2 Zoll, der Durchmesser der Ausflussöffnung δ = ½ Zoll, also , der Zusam-
menziehungskoeffizient nach Seite 158, m = 0,619, die Summe aller bei der ganzen
Leitung vorkommenden Biegungswinkel γ = 200 Grad, endlich die ganze Gefällshöhe
h = 5 Klafter = 30 Fuss.
Werden diese Werthe in die vorstehende Gleichung substituirt, so ergibt sich die
Höhe des springenden Strahles Fuss. Ist
aber die Oeffnung für den springenden Strahl oder der Durchmesser δ = 1 Zoll, wäh-
rend die übrigen Grössen dieselben bleiben, so ist und man findet nunmehr
die Höhe des springenden Strahles Fuss.
§. 157.
Aus den vorhergehenden Beispielen ersieht man, welchen bedeutenden Einfluss das
Verhältniss des Durchmessers der Oeffnung zu dem Durchmesser der Zuleitungsröhren
hat, und dass es also nothwendig ist, zur Erzielung einer grossen Sprunghöhe den
Durchmesser der Zuleitungsröhren verhältnissmässig grösser zu machen. Die Bestim-
mung dieses Durchmessers ergibt sich aus der oben angeführten Gleichung. Setzen
wir nämlich zur Erleichterung der Rechnung γ = 0, so erhalten wir aus der obigen
Gleichung .
Beispiel. Es sey wie oben die Druckhöhe h = 30 Fuss, die Länge der Röh-
renleitung l = 3000 Fuss, der Durchmesser der Ausflussöffnung δ = 1 Zoll = 1/12 Fuss,
m = 0,619 und die verlangte Sprunghöhe z = 20 Fuss, so muss der Durchmesser der
Zuleitungsröhre Zoll seyn, wofür man zur
grösseren Sicherheit 4 Zoll annehmen kann. In diesem Falle ist nun, wenn γ wie im
ersten Beispiele = 200 Grad beibehalten wird, die zu erwartende Sprunghöhe
Fuss.
§. 158.
Die angeführte Rechnung ist nicht nur für Wasserleitungen, sondern auch für
Feuerspritzen und andere ähnliche Maschinenwerke, bei welchen zwar die Röhren
nicht lang, aber zur Verminderung ihres allzu grossen Gewichtes sehr enge gebaut
[227]Konisches Gussrohr.
werden müssen, von der grössten Wichtigkeit. Hierbei ist aber noch zu bemerken,
dass die Anwendung einer dünnen Platte Statt einer Ausflussröhre zwar die Sprung-
höhe vergrössert, dass jedoch hierdurch der Wasserstrahl bei kleinen Oeffnungen, die
zur Erreichung einer grossen Höhe erfordert werden, in der Luft sehr zerstreut wird.
Da nun die auf solche Weise zurückfallenden kleinen Tropfen zum Löschen des Feuers
ohne Wirkung sind, so wendet man bei Feuerspritzen entweder kurze zylindrische,
gewöhnlich aber konische Steig- und Gussröhren an. Die kurzen zylindrischen Ansatz-
röhren gewähren den Vortheil, dass der Widerstand der Röhrenwände wegen der kur-
zen Länge 1 unbedeutend ist. Wir haben jedoch schon früher bemerkt, dass für
den Fall, wenn die Länge der Ansatzröhren nicht viel grösser als der Durchmesser
der Gussmündung ist, die Röhre zwar von aussen vollfliessen, jedoch wegen der in-
nerhalb derselben Statt findenden Zusammenziehung weniger Wasser geben werde, als
wenn das Wasser mit seiner ganzen Geschwindigkeit sie erfüllen würde. In diesem
Umstande liegt daher nicht nur der Grund, warum der springende Strahl nicht die-
selbe Höhe, wie aus Oeffnungen in einer dünnen Platte erreicht, sondern auch, warum
bei ihrer Anwendung der Wasserstrahl nicht so wie bei konischen Röhren zusammen-
gehalten wird, bei welchen die Ungleichheit des obern und untern Durchmessers kein
bedeutendes Zusammenlaufen der Theile des Wasserstrahles veranlasst. Herr Karsten
hat in seiner: „Abhandlung über die vortheilhafteste Anordnung der Feuerspritzen,
welche den von der königl. Sozietät der Wissenschaften in Kopenhagen auf das Jahr
1771 ausgesetzt gewesenen ersten Preis erhalten hat. Greifswalde, 1773.“ hierüber be-
reits bemerkt, dass der ausfliessende Wasserstrahl zwar eine kleinere Zusammenziehung
als in dünnen Platten erfährt, dass dieselbe aber nicht ganz unbedeutend sey, und
sowohl bei der Berechnung der Höhe des Wasserstrahles, als auch hinsichtlich der
Zerstreuung desselben einige Rücksicht verdiene.
Die unter dem Texte beigefügte Rechnung
zeigt, dass die zur Gewälti-
29*
[228]Gussrohr nach der Krümmung der Zusammenziehung.
Fig.
20.
Tab.
47.gung des Reibungswiderstandes bei einem konischen Gussrohre
nothwendige Druckhöhe sey, wo die Länge
dieses Rohres M N = a, der kleinere Halbmesser M B = b, der grössere Halbmesser
N D = B und die Geschwindigkeit, mit welcher der Wasserstrahl aus der Oeffnung A B
tritt, gleich c ist.
Beispiel. Bei einer Spritzenprobe, mit welcher Herr Karsten vorzüglich befriedigt
wurde, war der Durchmesser der obern Oeffnung des Gussrohres 2 b = 7,5 Linien, der
Durchmesser am untern Ende des Rohres 2 B = 1,5 Zoll, also , die Länge des
Gussrohres a = 3,5 Fuss = 42 Zoll. Demnach ist die zur Gewältigung des Reibungs-
widerstandes für dieses Gussrohr nöthige Druckhöhe
, wozu dann noch die Geschwindigkeits-
höhe beizusetzen kommt. Die Summe beider ist daher . Hieraus sehen
wir, dass bei dieser Spritze wegen der Widerstände im Gussrohre die Kraft beiläufig
um den vierten Theil der ganzen Steighöhe vermehrt wird.
§. 159.
Wir haben bereits §. 109 die Vortheile angeführt, welche der Beförderung des Aus-
flusses dann zukommen, wenn Statt einer kurzen zylindrischen Ansatzröhre der Ausmün-
dung die Gestalt des zusammengezogenen Wasserstrahles innerhalb des
Gefässes gegeben, und auf solche Art die Zusammenziehung ausserhalb des Gefässes be-
seitigt wird. Zu derselben Absicht wurde in der Note, §. 104, Seite 142 bis 144 gezeigt,
Fig.
21.dass die Bögen A E C und B F D des zusammengezogenen Strahles einem Kreise zuge-
hören, dessen Halbmesser p =3/2 C D = 3 e ist, wenn nämlich N D = e gesetzt wird.
Auf gleiche Art fanden wir M B = ε = 0,787 e und , woraus
B q = e — ε = 0,213 e folgt, welche Grösse wir mit β bezeichnen wollen.
Setzen wir nun für den Punkt F die Ordinate F m = x und O F = y, so ist
B m = y — ε, welches wir mit u bezeichnen wollen. Weil aber B F D ein Kreisbo-
gen ist, welcher mit dem Halbmesser p beschrieben wird, so haben wir die bekannte
Gleichung x2 = (2 p — u) u. Da hier die Grösse u gegen den Durchmesser 2 p als unbe-
deutend vernachlässigt werden kann, so ist . Auf gleiche Art ist
folglich und .
[229]Gussrohr nach der Krümmung der Zusammenziehung.
Wir wollen nun nach diesen Verhältnissen den Widerstand berechnen, welchen dasFig.
21.
Tab.
47.
Wasser bei seinem Ausflusse durch das Mundstück A B C D erfährt. Die unter dem
Texte beigefügte Rechnung *) zeigt, dass die Druckhöhe h' zur Gewältigung des Wider-
standes im Mundstücke, wenn demselben die Gestalt des zusammengezogenen Wasser-
strahles gegeben wird, nur 1/90 von der Geschwindigkeitshöhe des aus der Mündung aus-
fliessenden Wassers betrage, und dass diess allgemein Statt finde, der Durchmesser des
ausfliessenden Wasserstrahls mag grösser oder kleiner genommen werden. Hierdurch er-
halten wir eine sehr leichte Berechnung sowohl für die Menge des in 1 Sekunde aus-
fliessenden Wassers, als auch für die hierzu erforderliche Druckhöhe.
Nennen wir nämlich die Länge des Rohres, wodurch dem Mundstücke das Was-
ser zugeführt wird = 1, und den Durchmesser desselben = d, so ist die Geschwin-
digkeit im Gussrohre und die zur Bewirkung der Sprunghöhe nöthige
Druckhöhe . Wenn also die Höhe A, auf welche das
Wasser getrieben werden soll, gegeben ist, so haben wir und die nöthige
Druckhöhe . Wenn wir nun so wie bei dem vorigen konischen
Gussrohre den Durchmesser der obern Mündung 2 ε = 7,5 Linien = ⅝ Zoll, den Durch-
[230]Bemerkungen über springende Strahlen.
messer des Rohres d = 1,5 Zoll, folglich und die Länge des Gussrohres l = 42 Zoll
setzen, so ist die nöthige Druckhöhe H' = A (1 + 0,019 + 0,011) = 1,030 A.
Bei dem vorigen durchaus konischen Gussrohre war H = 1,259 A; folglich beträgt
der Unterschied zwischen beiden 0,229 A, also mehr als ein Fünftel der ganzen
Steighöhe A, oder wenn wir bei beiden dieselbe drückende Wassersäule H voraus-
setzen, so ist die Steighöhe bei dem frühern konischen Rohre und bei dem
Rohre mit der Krümmung des zusammengezogenen Srahles ; es verhält sich da-
her . Demnach ist die Steighöhe mit unserm trichterför-
migen Mundstücke bei derselben Druckhöhe um ⅕ grösser als bei dem konischen Mund-
stücke. Wir glauben hiernach für alle solche Fälle den Rath ertheilen zu können, dass
man den Gussröhren die zylindrische Form gibt und oben ein Mundstück an-
schraubt, dessen innere Höhlung nach der Gestalt des zusammen-
Fig.
22.
Tab.
47.gezogenen Strahles gearbeitet ist. Die Bearbeitung eines solchen Mundstücks
wird keinem Anstande unterliegen, wenn man sich hierzu eine Fläche mit den Lehrbögen
A B und A' B' verfertigt, und zur Beschreibung dieser Bögen den Halbmesser A C und A' C'
dem doppelten Durchmesser A A' gleich nimmt, und die Höhe des Mundstückes
m n = 5/7 A A' macht, wofür man m n = A A' setzen kann.
§. 160.
Zur Bestimmung der Wassermenge, welche eine solche Spritze geben wird, ha-
ben wir offenbar M = π . ε2 . c und , also auch . Wenn also
von den 3 Grössen M, ε und A zwei gegeben sind, so lässt sich aus dieser Gleichung
immer die dritte finden.
Uiber die senkrechte Richtung des Strahles ist noch zu bemerken, dass der-
selbe von unten aufwärts zwar sehr geschlossen bleibt, jedoch oben in der Nähe des höch-
sten Punktes wegen der abnehmenden Geschwindigkeit sich sehr erweitern muss. Setzen wir
z. B. den untern Halbmesser ε und jenen auf der Höhe x = y, dann die grösste Höhe ,
so ist die Geschwindigkeit auf der Höhe und weil die Wassermengen
in jedem Querschnitte einander gleich sind, so ist
daraus folgt . Setzen wir die Höhe , so ist y = 2 ε, und eben
so wenn ist, so ist y = 3 ε u. s. w.
Weil aber durch diese Erweiterung die äusseren Strahlen in einer schiefen Richtung
steigen und folglich nicht mehr die ganze Höhe erreichen können, so geschieht es, dass
das Wasser an der Seite schon früher umkehrt und das Aufsteigen des Strahles verhin-
dert; hieraus erklärt sich, warum zwar der erste Theil des ausfliessenden Strahles die
Höhe erreicht, aber durch sein Zurückfallen das Aufsteigen der nächstfolgenden
Wassertheile hindert, so dass ein beständiger Wechsel in der Höhe des Strahles erfolgt.
In dieser Hinsicht pflegt man den springenden Strahlen eine kleine Neigung zu geben,
[231]Anwendung auf Feuerspritzen.
damit die von oben zurückkehrenden Wassertheile neben die Oeffnung fallen, und das
Aufsteigen des Strahles nicht hindern. Bei Feuerspritzen wird diese Neigung nach Ver-
hältniss der Höhe und Breite der Gebäude noch grösser gemacht und die Spritzen selbst
auf eine angemessene Entfernung vom zu löschenden Feuer gestellt. Da es jedoch darauf
ankommt, die grösste Höhe zu messen, auf welche der springende Strahl bei einer gege-
benen Spritze mit einer bestimmten Anzahl von Menschen getrieben werden kann, um
hiernach die Brauchbarkeit dieser Maschinen zu beurtheilen, so pflegt man die zu pro-
birende Spritze auf einen geräumigen Platz zu führen, das Gussrohr unter einem Winkel
von 45 Grad mit dem Horizonte zu richten und die Entfernung zu messen, in welcher der
Strahl auf den Horizont fällt; die Hälfte dieser Entfernung gibt die grösste Höhe, auf
welche der Strahl in der senkrechten Richtung getrieben werden kann. Nach §. 503 Seite 546
im I. Bande ist nämlich die Wurfsweite oder der ganze horizontale Raum des auf den
Horizont zurückfallenden Körpers . Diese Wurfsweite ist
offenbar am grössten, wenn Sin 2 w = 1, folglich der Winkel w = 45 Grad, und in diesem
Falle ist die Wurfsweite oder der doppelten Höhe des senkrecht steigenden Strah-
les gleich.
§. 161.
Mit Hilfe der vorstehenden Berechnungen lässt sich nun auch die Anzahl der
Menschen bestimmen, welche zur Betreibung einer Spritze nothwendig sind.
Es sey die Kolbenfläche dieser Spritze = F und an dieselbe drücke die Wasser-
säule H, so muss der Kolben offenbar mit einer Kraft 56,4 F . H niedergedrückt wer-
den. Setzen wir das Verhältniss der Hebelsarme, durch welche die Kolbenstange be-
wegt wird und die Kraft der angestellten Menschen = n . K, so ist
. Wenn wir nun annehmen, dass der Kolben z. B. in einer
Sekunde niedergeht, so ist die in derselben Zeit herausgetriebene Wassermenge
M = F . e, wenn nämlich die Höhe des Kolbenzugs e genannt wird. Setzen wir den
Werth in die vorige Gleichung, so ist , oder
. Nun ist aber der Raum, den die Kraft der Arbeiter in
einer Sekunde zurücklegen muss = v, woraus sich die Anzahl der
anzustellenden Menschen ergibt.
Die Anzahl Arbeiter wird demnach erhalten, wenn das Bewegungsmoment des Was-
sers durch das Bewegungsmoment eines Arbeiters dividirt wird. Unter dem Bewe-
gungsmomente des Wassers wird hier das Produkt aus dem Gewichte des Wassers,
welches in einer Sekunde in die Höhe getrieben werden soll, in die ganze Steighöhe
H mit Inbegriff der Widerstandshöhe verstanden.
Beispiel. Es sey die Wassermenge, welche die Spritze in einer Sekunde gibt
M = ⅙ Kubikfuss und die Steighöhe A = 72 Fuss; demnach ist die Druckhöhe nach §. 159
H = 1,03 . 72 = 74,2 Fuss. Das Bewegungsmoment K . v eines Arbeiters wollen wir in dem
[232]Konstrukzion der Wasserröhren.
gegenwärtigen Falle, wo die Menschen in kurzen Zeiträumen abgewechselt werden, dem
doppelten mittleren Bewegungsmomente 2 . 2,5 . 25 ℔ setzen. Mit diesen Werthen erhalten
wir die Anzahl der Menschen, welche zur Betreibung eines einfachen Druckwerkes oder
Spritze nothwendig ist, , wofür wir 6 Menschen annehmen können.
Werden aber zur fortwährenden Unterhaltung des springenden Strahles 2 Stiefel ange-
wendet, so sind an jeder Seite der Spritze 6, folglich zusammen 12 Menschen nothwendig.
Mit diesen Betrachtungen schliessen wir die Theorie dieses Gegenstandes, und be-
merken, dass das praktische Detail und die weiteren Berechnungen über Feuerspritzen
später folgen werden.
§. 162.
Nachdem wir in den vorhergehenden §§. die vollständige Theorie über die Leitung
des Wassers durch Röhren und die Benützung des letztern zu Springbrunnen gegeben
haben, kommen wir nunmehr zu den praktischen Bemerkungen über diesen Gegenstand.
Die Wasserleitungsröhren werden entweder von Holz, von Gusseisen oder Blei,
seltener aus künstlichen irdenen, gebrannten Massen verfertigt. Die Stärke dieser Röhren
haben wir bereits §. 20, 21 und 22 nach der Theorie und Erfahrung bestimmt. Es handelt
sich nun, anzugeben, wie diese Röhren zusammengefügt und gelegt werden. Die erste
Fig.
1.
Tab.
48.Art hölzerne Röhren zusammenzufügen ist Fig. 1 dargestellt; es werden nämlich die
Röhren an ihren Enden konisch abgearbeitet, und eine Röhre in die andere gescho-
ben, nachdem man die Fläche a b c d mit getheerten Hanf umwickelt hat. Hierauf
wird ein schmiedeiserner Ring e f angetrieben. Die zweite Art hölzerne Röhren zu
Fig.
2.verbinden, ersehen wir aus Fig. 2; es wird nämlich ein eiserner Ring m n o p, der in
der Mitte mit einem hervorstehenden Rande a b versehen ist, zur Hälfte in die eine und
zur Hälfte in die andere Röhre eingelassen, zu welchem Behufe die nothwendige Oeff-
nung für diesen Ring beiderseits eingestemmt wird. Hierauf werden die Röhren fest
Fig.
3.an einander getrieben. Endlich stellt Fig. 3 die dritte Art dar, wie hölzerne Röhren
zusammengefügt werden; hierbei wird wieder die einzuschiebende Röhre mit getheer-
tem Hanfe umwickelt und beide Röhren fest in einander getrieben.
In der Hauptstadt Prag, wo noch ein grosser Theil der Wasserleitungsröhren von
Holz gelegt ist, werden dieselben aus gesunden Stämmen Kiefern, in der Länge von
15 bis 16 Fuss erzeugt; der äussere Durchmesser dieser Stämme beträgt im Mittel
zwischen dem Zopf- und Stammende 12 Zoll, der Durchmesser im Lichten derselben
für die Wasserleitung beträgt aber nur 2¼ Zoll. Diese Röhren werden durch den
Fig.
4.Fig. 2 dargestellten und Fig. 4 im doppelten Masstabe gezeichneten eisernen Ring (eine
eiserne Büchse) von 4 Zoll im Durchmesser mitsammen verbunden und erhalten kein
weiteres Beschläge. Da nun diese Röhren einen Druck von 16 bis 21 Klafter vertikaler
Höhe vom Wasserspiegel in den Reservoirs auf den Prager Wasserthürmen an gerech-
net, auszuhalten haben, so ergibt sich für diese kiefernen Röhren nach Seite 23 die
Gleichung , welche mit der Erfahrung von Langsdorf nahe übereinstimmt,
wogegen aber seine Röhren mit eisernen Ringen beschlagen waren. Diese Röhren
[233]Gusseiserne Wasserröhren.
dauern in Prag im Durchschnitte nur 6 Jahre und gehen gewöhnlich desshalb zu Grund,
weil das Wasser wie Fig. 5 zeigt, das Holz bei m o angreift und in der angezeigtenFig.
5.
Tab.
48.
Krümmung m n o, selbst bis auf 3 und 4 Zoll Tiefe ausfrisst. Ist diess geschehen, so
sind die Röhren unvermögend, den bedeutenden Druck auszuhalten und sie zerspringen.
Aus dieser Ursache werden gegenwärtig alle neuen Wasserleitungen in Prag mit guss-
eisernen Röhren hergestellt, und die hölzernen Leitungen nach und nach durch
gusseiserne ersetzt.
§. 163.
Die gusseisernen Wasserleitungsröhren in Prag, mittelst welcher dasFig.
6.
Moldauwasser in die an beiden Ufern liegenden Stadttheile geführt wird, sind 5 Fuss lang,
5 Linien stark und mit einem an die Röhre angegossenen Stutzel oder einer Muffe von
8 Zoll Länge versehen; die letztere dient, um die nächste Röhre aufzunehmen, und hat
einen Durchmesser von 5 Zoll im Lichten, wenn der äussere Durchmesser der Röhre 4 Zoll
10 Linien beträgt; es bleibt daher ein Zwischenraum von 2 Linien übrig. In diese Muffe
wird nun die nächste Röhre eingeschoben, und in den Zwischenraum von 2 Linien höl-
zerne Keile getrieben, die früher in heissen Theer eingelassen wurden, wodurch man
eine vollkommene Wasserdichtigkeit erlangt. Die Verkittung dieser Röhren liess sich
aus dem Grunde nicht anwenden, weil die Leitung bei dem fortwährenden Gebrauche
für die Stadt nicht so lange ohne Wasser gelassen werden kann, bis der Kitt erhärtet.
Nicht alle eisernen Röhren sind mit einer Muffe versehen, sondern sie bestehen auch ausFig.
7.
geraden Rohrstücken, zu deren Verbindung die erforderlichen Muffen von 8 Zoll Länge
besonders gegossen werden. Fig. 7 zeigt die Verbindung zweier solcher Rohrstücke
mit einer verschiebbaren Muffe.
Sowohl die Röhren mit Muffen als jene ohne dieselben erhalten eine Stärke von
5 Linien und einen Durchmesser von 3 oder auch 4 Zoll im Lichten. Ihre Länge
beträgt immer ohne die Muffen 5 Fuss; es kommen daher auf 1000 Fuss Länge ge-
rade 200 Stück Röhren und eben so viele Muffen zu rechnen. Das Gewicht derselben
beträgt für eine Länge von 5 Fuss bei einem Durchmesser von 4 Zoll gerade 100 ℔, bei
3 Zoll 70 ℔, bei 2½ Zoll 50 ℔, bei 2 Zoll 40 ℔, und bei 1½ Zoll 30 ℔, worunter auch
schon die Muffe begriffen ist, doch werden diese schwachen Gattungen nur bei den
Nebenröhren in einzelne Gebäude gebraucht. Der N. Oe. Zentner dieser Röhren wird
in Prag mit beiläufig 5 fl. C. M. bezahlt.
Werden gusseiserne Röhren mit hölzernen verbunden, so wird die hölzerne Röhre aFig.
8.
nach dem Durchmesser der eisernen b ausgestemmt, erhält von Aussen einen geschmie-
deten eisernen Reifen c c und wird dann mit hölzernen Keilen d, d ausgezwickt, wie
Fig. 8 zeigt.
Wo eine Röhrenleitung sich theilt, werden die nächsten Röhren entweder wieFig.
9
und
10.
Fig. 9 unter spitzen oder wie Fig. 10 unter rechtem Winkel angegossen. Wo aber eine
Röhrenleitung in gekrümmten Strassen fortgeführt, oder um ein Eck gelegt werden
muss, wird sie, so viel es nur thunlich ist, in einer möglichst grossen Krümmung ange-
legt und die Röhren derselben entsprechend gegossen. Endlich werden die eisernen
Leitungsröhren in Prag wenigstens 6 bis 7 Fuss unter der Erdoberfläche eingegraben,
damit selbe von der Einwirkung des Frostes frei bleiben. Die Erfahrung hat gezeigt,
Gerstner’s Mechanik. Band II. 30
[234]Kompensazionsröhren.
dass diese Röhren in einer Tiefe von 4 bis 5 Fuss noch einfroren, wodurch dann die
Leitung des Wassers im Winter gehemmt wurde. — Hinsichtlich der Stärke der Röhren
ist noch zu bemerken, dass die vertikalen Einfallsröhren, welche von den Reservoirs
der Wasserthürme herabgehen, eine Stärke von 9 Linien, die Leitungsröhren in der
Stadt selbst aber durchaus die angegebene Stärke von 5 Linien erhalten; die 9 Linien
starken Röhren sind ebenfalls 5 Fuss lang und wiegen sammt der Muffe 150 bis 155 ℔.
11.
Tab.
48.
Eine andere Art der Verbindung gusseiserner Röhren erscheint Fig. 11; es wird
nämlich an jedem Ende der Röhre ein senkrecht hervorstehender Rand angegossen, wel-
cher mit Oeffnungen zur Aufnahme von Schrauben versehen ist. Man legt nun zwischen
die hervorstehenden Ränder zweier Röhren eine Bleiplatte und zu beiden Seiten Schei-
ben von Leder, welches in Theer getränkt wurde, und zieht dieselben mittelst der
Fig.
12.Schrauben an. Noch eine Art der Verbindung gusseiserner Röhren erscheint Fig. 12;
hierbei ist an jede Röhre eine Muffe angegossen und man wickelt an die innere Röhre
in den halben Spielraum getheerten Hanf und vergiesst die andere Hälfte mit Blei
oder schlägt einen bleiernen Ring bei a b hinein. Endlich können gusseiserne Röhren
Fig.
13
und
14.mit hervorstehenden Rändern noch auf die Art verbunden werden, welche Fig. 13
im Durchschnitt und Fig. 14 in der Ansicht darstellt. Es werden nämlich zwei
mit Lappen versehene Halbkreise mittelst Schrauben zusammengezogen und so die
hervorstehenden Ränder der Röhre, zwischen welche ein getheerter Streifen von
Leder oder Filz eingelegt wird, wasserdicht verbunden.
§. 164.
Wenn gusseiserne Röhren unter der Erdoberfläche liegen, wo die Temperatur
immer dieselbe bleibt, so reichen die bisher beschriebenen Verbindungsarten derselben
hin; allein wenn gusseiserne Röhren am Tage liegen und beide Ende oder mehrere
Punkte der Leitung fest gemacht sind, so muss eine Vorrichtung vorhanden seyn, wo-
durch der Einfluss, welchen die Temperatur auf die Länge derselben nimmt, möglichst
behoben wird. Wir haben Seite 84 angeführt, dass die Ausdehnung des Gusseisens für 80°
Reaum. 1/900 der Länge desselben beträgt. Da nun die Temperatursänderung in unserem
Klima mit beiläufig 40° anzunehmen ist, so wird eine Röhrenleitung von 1800 Fuss Länge
im Sommer beiläufig um 6 Zoll länger und im Winter um 6 Zoll kürzer werden, als die
Länge derselben bei der mittleren Temperatur beträgt. Man bringt zu diesem Behufe
in entsprechenden Entfernungen Kompensazionsröhren an, innerhalb welcher die
Fig.
15.Ausdehnung oder Verkürzung der Röhren Statt finden kann. Fig. 15 zeigt die einfachste
Art derselben, welche Herr Girard in Paris vorgeschlagen hat; es wird nämlich auf den
hervorstehenden Rand einer Muffe ein sehr genau an die eingeschobene Röhre passen-
der Filz oder getheerter Hanf angelegt, und mittelst eines gusseisernen Ringes a b durch
die Schrauben c d, e f in dieser Lage erhalten. So lange nun dieser Filz genau schliesst,
kann sich auch die Röhre A beliebig verlängern oder verkürzen, ohne dem Wasser einen
Ausweg zu gestatten. Da jedoch der Filz oder getheerte Hanf sich in einiger Zeit ab-
Fig.
16.wetzt, so bedient man sich der Kompensazionsröhre Fig. 16, welche von Hachette
in Paris vorgeschlagen, bei der Wasserleitung von Marly gebraucht wurde. Man legt
hierbei nach Art der Bramah’schen, Seite 133 beschriebenen Liederung getheerten Hanf in
[235]Untersuchung und Reinigung der Röhren.
den Raum m n o p, m' n' o' p' ein, und drückt denselben durch Anziehen der Schrauben
mittelst der schiefen Flächen m n und m' n' fortwährend an die Oberfläche der Röhre
A zur Bewirkung einer genauen Schliessung an. Man hat zu gleichem Zwecke verschie-
dene Kitte vorgeschlagen, welche in den Raum m n o p gebracht, die Eigenschaft besitzen,
das Wasser fortwährend abzusperren; doch haben dieselben grösstentheils nicht entsprochen.
§. 165.
Die gusseisernen Wasserleitungsröhren werden in Prag, wie wir bereits erinnerten,
zur Vermeidung des Einfrierens 6 bis 7 Fuss unter die Erdoberfläche gelegt, d. h. in
die Erde eingegraben. Man hat aus gleicher Ursache nirgends diese Röhren in die ge-
wölbten Kanäle, welche sich unter dem Strassenpflaster befinden, und zur Ableitung des
Wassers und des Unrathes dienen, legen können, da sie darin überall einfroren. Es
fragt sich nun, wie man einem Gebrechen der Röhrenleitung nachsehen könne; z. B.
wie eine zersprungene oder verstopfte Röhre aufgefunden wird. Zu diesem Zwecke
dienen die sogenannten Visitirröhren; diess sind 6 Zoll lange vertikal aufrechtste-Fig.
17.
Tab.
48.
hende Röhrenstücke, welche den gleichen Durchmesser und gleiche Dicke wie die
Röhre selbst haben und an derselben angegossen werden. Eine jede zwölfte Röhre ist
mit einem solchen Visitirrohre versehen; diese kommen daher in der Entfernung von
12 . 5 = 60 Fuss = 10 Klafter vor. Damit eine solche Röhre aus der übrigen Verbindung
herausgenommen werden könne, ist an jedem Ende derselben eine bewegliche Muffe
angebracht, welche daher zurückgeschlagen werden kann. Das aufrechtstehende 6 Zoll
hohe Rohr wird mit einem hölzernen Spunde zugeschlagen, welcher durch mehrere von
beiden Seiten angebrachte Schläge wieder freigemacht werden kann. Endlich werden von
20 zu 20 Klafter sogenannte Wasserkreuze oder Spundfutter über einem jeden zweiten
Visitirrohre aufgemauert, um mittelst derselben den Röhren leichter beikommen zu kön-
nen. Befindet sich nun irgendwo eine gesprungene oder schlecht verbundene Röhre,
wo das Wasser entweicht, so wird von 20 zu 20 Klafter bei den aufgemauerten Spund-
futtern nachgesehen und untersucht, ob die Röhre daselbst noch voll fliesst; wo diess
nicht mehr der Fall ist, wird die letzte Strecke von 20 Klaftern aufgegraben und statt
der schadhaften Röhre eine neue eingelegt.
Die Visitirröhren dienen auch zum Reinigen der Wasserleitungsröhren.
Da nämlich das Wasser im untern Theile von Prag durch Druckwerke in die 16 bis 21 Klaf-
ter hoch in den Wasserthürmen vorhandenen Reservoirs gehoben und von dort durch andere
Röhren in der Stadt vertheilt wird, ohne dass irgendwo eine besondere Reinigung oder Fil-
trirung desselben Statt findet, so wird fortwährend, vorzüglich aber nach Regengüssen oder
bei Eisgängen, wo das Wasser in der Moldau sehr trübe ist, eine bedeutende Menge fei-
ner Sand und Schlammtheile mit dem Wasser in die Reservoirs gehoben und von dort in
den Röhren weiter geführt. Dieser Schlamm setzt sich in den Röhren ab und bildet da-
selbst Erhabenheiten, welche beiläufig die Form der ungarischen Knoppern oder Nüsse
haben und wodurch der innere Röhrendurchmesser nach und nach immer mehr vermin-
dert wird; es wird demnach nothwendig die Wasserröhren von Zeit zu Zeit vom Schlamme
zu reinigen. Die einfachste Reinigung besteht darin, dass man die hölzernen Spunde
aus den Visitirröhren von 20 zu 20 Klaftern einzelnweise herausschlägt, worauf das Was-
ser mit Heftigkeit daselbst herausfliesst und einen Theil des in den Röhren abgesetzten
30*
[236]Inkrustazionen der Röhren.
Schlammes mit sich reisst. Um diese Reinigung zu vermehren, wird nun noch durch
die Visitirröhre Wasser mittelst einer Handspritze eingespritzt, wodurch die Bewegung
innerhalb der Röhren vergrössert und der Schlamm hierdurch herausgeführt wird. Diese
Reinigung geschieht alle Jahre nach dem Eisgange oder auch während des Jahres, wenn
mehrere anhaltende Regengüsse eintraten und sich bereits viel Schlamm abgesetzt hat.
§. 166.
Alle Wässer, welche durch Röhrenleitungen fortgeführt werden, enthalten nebst Sand
und Schlamm, welcher sich nach den Ortsverhältnissen mehr oder minder in densel-
ben befindet, auch häufig kohlensauren Kalk, schwefelsauren Kalk und etwas Bittererde,
so wie Eisenoxyd, oder auch nur einige dieser Körper. Hierdurch geschieht es ge-
wöhnlich, dass sie sich in einiger Zeit inkrustiren, d. h. dass sich die genannten Kör-
per in den Röhren absetzen, und auf diese Art ihren Durchmesser verringern. Wo die
Wässer, welche eine Röhrenleitung fortführt, viel kohlensauren Kalk mit sich führen,
werden diese Inkrustazionen in kurzer Zeit sehr bedeutend. Diess ist z. B. in der Ge-
gend bei Wien der Fall. In dem Lehrbuche der Baukunst von Franz Weiss, Major im
k. k. Ingenieurkorps, wird im 2ten Bande Seite 51 als Thatsache folgendes angeführt:
„Als in den Jahren 1820 etc. die über das Glacis der Stadt Wien laufenden gusseisernen Röh-
renleitungen (der fortifikatorischen Veränderungen wegen) ausgegraben und nach andern
Richtungen gelegt werden mussten, fand man einzelne Röhren, die obwohl sie 3 Zoll
zur Weite hatten, dermassen mit festen, beinahe in Stalaktit übergehenden Kalktuf in-
krustirt waren, dass dem Wasser zu seiner Strömung kaum eine Oeffnung von einem
Quad. Zoll Querschnitt übrig blieb.“ Dieser Absatz bestand grösstentheils aus Kalk,
welcher nach Entweichung der Kohlensäure sich niederschlug, dann aus etwas Bitter-
erde und Eisenoxyd.
In Paris waren vor mehreren Jahren die gusseisernen Wasserleitungsröhren so ver-
stopft, dass das Wasser in denselben kaum mit einem Zoll im Durchmesser floss, wäh-
rend der frühere Durchmesser 4 Zoll betragen hatte; man befürchtete daher, dass die
Leitung des Wassers in Kurzem ganz aufhören werde. Um nun die Röhren zu reini-
gen, wollte man dieselben nach Aufreissung des Strassenpflasters auseinander legen,
und dann wieder an ihren frühern Ort bringen. Die Auslagen hierfür waren mit
100000 Franken berechnet, wobei aber ausserdem der Verkehr in den Strassen bedeutend
gehemmt worden wäre. Die Regierung forderte die französischen Gelehrten auf, ein Mit-
tel anzugeben, wodurch die Reinigung der Röhren ohne Abbrechung derselben mög-
lich gemacht würde. Der Chemiker Herr d’Arcet untersuchte die Inkrustazion der
Röhren, und fand, dass sie aus kohlensaurem und schwefelsaurem Kalk bestand und
daher durch Salzsäure aufgelöst werden konnte. Nach seinem Vorschlage wurde nun eine
jede Röhrenstrecke für sich abgesperrt, und in dieselbe Salzsäure hineingelassen. Nach
einiger Zeit verband sie sich mit dem Kalke aus dem kohlensauren Kalk und es blieb
bloss der schwefelsaure Kalk, jedoch in so poröser Gestalt übrig, dass derselbe, als
nach Auflösung des kohlensauren Kalkes die gesättigte Salzsäure heraus- und frisches
Wasser wieder eingelassen wurde, in Stücken mit dem Wasser herausging, und die
Röhren vollkommen gereiniget waren. Bei dieser Operazion war man nirgends in die
Nothwendigkeit versetzt, das Strassenpflaster aufzureissen, und die Kosten derselben
[237]Prüfung der Stärke der Röhren.
betrugen bloss 25000 Franken oder den vierten Theil dessen, was das Aufreissen des
Pflasters und Reinigen der Röhren gekostet hätte.
In Prag wird nebst der im vorigen Paragraphe beschriebenen Reinigung der
Wasserröhren von dem angehäuften Schlamme noch eine zweite Hauptreinigung alle
4, 5 bis 6 Jahre vorgenommen, wodurch der abgesetzte Kalk und was sonst das Was-
ser mit sich führt, von den Röhren abgebrochen wird. Diess geschieht mittelst der
sogenannten Rohrbirn, welche von Eisen verfertigt, mit Federn a b, die sich anFig.
18.
Tab.
48.
die Seitenwand der Röhren anlegen, versehen ist. Zum Behufe dieser Reinigung
werden die von 20 zu 20 Klaftern angebrachten Visitirröhren durch Zurückschlagen
der Muffen herausgenommen, die Rohrbirn in das dazwischenliegende Röhrenleitungs-
stück von beiläufig 20 Klaftern Länge eingelegt, und mittelst einer stückweise angesetz-
ten eisernen Stange hin- und hergezogen. Durch die Federn, welche sich hierbei an
die innere Wand der Röhre anlegen, wird der Ansatz von Kalk und andern Theilen
in den Röhren abgebrochen und wenn man wieder Wasser hineinlässt, die Röhren voll-
kommen gereinigt. Da der Druck der Federn gegen die Röhrenwände bei einer Rohrbirn
zur völligen Reinigung nicht hinreichen würde, so hat man mehrere solche Rohrbirnen
von ungleichen Dimensionen und zieht immer stärkere und stärkere durch die Wasser-Fig.
19.
leitungsröhren, bis sie vollkommen gereinigt sind. Fig. 19 stellt eine einfach gespaltene
Rohrbirn vor, welche nicht so vielen Reperaturen als jene mit Federn unterliegt.
Manchmal ereignet es sich dennoch, dass die Wasserleitungsröhren zufrieren und
demnach aufgethaut werden müssen. Diess geschieht, indem man abermals die
Spunde aus den Visitirröhren herrausschlägt und mittelst einer Tragspritze mit Windkes-
sel, welche mit einem langen hanfenen Schlauche versehen ist, heisses Wasser in die
Röhre spritzt, welches nach und nach das Eis aufthaut und somit dem Schlauche immer
mehr Raum zum Vordringen gewährt.
§. 167.
Die Wasserleitungsröhren müssen vor ihrem Gebrauche in zweifacher Hinsicht ge-
prüft werden, ob sie nämlich den richtigen Durchmesser in ihrer ganzen Länge
haben, und ob die Röhren nach allen Seiten die gleiche und gehörige Stärke besitzen,
dann ob nicht einige Blasen oder andere Gussfehler in denselben vorfindig sind.
Um zu erfahren, ob eine Röhre die bestimmte innere Oeffnung habe, wird einFig.
20.
eiserner Stab mit einer Scheibe von dem geforderten Durchmesser (das Visitireisen)
durch die ganze Länge der Röhre gezogen, wo man sogleich sieht, ob der gehörige
Durchmesser vorhanden sey.
Die Prüfung der Stärke der Röhren wird gegenwärtig in einem jeden guten
Eisenwerke noch vor Ablieferung der Röhren vorgenommen. Man bedient sich hierzu der
hydrostatischen Presse, welche wir im vorigen Kapitel umständlich beschrieben
haben. Es wird nämlich das eine Ende der zu prüfenden Röhre geschlossen, und in
das andere Ende Wasser so lange eingepumpt, bis der Druck desselben, welcher sich aus
dem am Sicherheitsventile angebrachten Gewichte berechnen lässt, wenigstens zweimal
so gross als jener Druck ist, welchen die Röhren nach ihrer Verwendung an Ort und
Stelle auszuhalten haben. Es leuchtet von selbst ein, dass man bei dieser Probe nicht
bloss die kleinen im Gusse allenfalls gebliebenen Oeffnungen, sondern auch eine jede Blase
[238]Gebrauch der Hähne oder Pipen.
und überhaupt jeden Fehler zu entdecken im Stande sey. Die Wasserleitungsröhren,
welche in Horžowitz gegossen werden, unterliegen daselbst einzelnweise einer solchen
Probe.
§. 168.
Bei jeder Wasserleitung werden Hähne oder Pipen (Robinets) gebraucht. Der
Zweck derselben ist, den Lauf des Wassers in einer Röhrenleitung entweder ganz abzusper-
ren oder zu vermindern. Will man in ausserordentlichen Fällen, z. B. bei Feuersbrünsten
die ganze Wassermenge, welche eine Röhrenleitung fortführt, an dem bestimmten Orte
ausfliessen lassen, so werden alle andern Leitungsröhren mit Hähnen abgesperrt; fällt eine
Reparatur in einer entfernten Röhrenstrecke vor, so sperrt man mittelst eines Hahnes den
Wasserlauf an der beschädigten Strecke und macht es dadurch möglich, dass alle zwi-
schen dem Hauptbehälter (Wasserthurme) und der beschädigten Strecke liegenden Was-
serausflüsse ungehindert fortgehen; soll endlich in einer Haupt- oder Nebenröhre etwas
weniger Wasser fortgeführt werden, so wird diess auch durch theilweise Schliessung des
betreffenden Hahnes erreicht. Hieraus sieht man, dass jede Röhrenleitung nothwendig
mit einer hinreichenden Anzahl solcher Hähne versehen werden muss.
Die Hähne werden zwischen zwei Röhren in eigends hierzu gewöhnlich von Messing
gegossene kurze Rohrstücke eingesetzt. Da die letztern den gleichen innern Durchmesser
wie die beiderseits anliegenden Wasserleitungsröhren haben müssen, und auch der Hahn in
seinem ganz geöffneten Zustande dem Wasser einen ungehinderten Lauf gewähren muss, so
folgt von selbst, dass jeder Hahn folgende Eigenschaften haben müsse: 1tens muss die
Oeffnung in demselben so gebohrt seyn, dass das Wasser bei seinem Durchflusse keinen
Widerstand findet. 2tens muss derselbe sich vollkommen schliessen und dem Wasser
nirgends einen Ausweg gewähren. 3tens muss die Absperrung des Wassers nach und
nach geschehen, damit das Wasser, vorzüglich wenn es sich schnell in der Röhre be-
wegt, keine nachtheilige Rückwirkung und vielleicht sogar ein Zerspringen derselben
bewirke. Je grösser die Hähne sind, desto schwieriger ist es, allen diesen Bedingungen
Genüge zu leisten.
§. 169.
Die gewöhnlichste Gattung Hähne sind die Kegelhähne (Robinets coniques). Die
Fig.
1
und
2.
Tab.
49.Darstellung derselben ist Fig. 1 im Durchschnitte und der Vorderansicht, Fig. 2 aber im
Grundrisse gezeichnet. Derselbe besteht aus dem messingenen Rohrstücke A B C D, in
welches eine konische Oeffnung E F G H gebohrt ist. In diese Oeffnung passt ein mes-
singener an seinem Umfange gut abgedrehter Kegel J E F L M G H K, welcher mittelst
des Hebels oder Schlüssels N O bewegt wird. Der Kegel ist in einer Richtung genau so
Fig.
3.dick wie die Röhre durchbohrt, und lässt daher im Falle diese Oeffnung wie Fig. 3 mit der
Richtung der Röhre A B C D zusammenfällt, was sich leicht aus der Lage des Schlüssels N O
beurtheilen lässt, dem Wasser einen ungehinderten Lauf; wird jedoch die Oeffnung in die
Fig.
4.Fig. 1 und 4 dargestellte Lage gebracht, so schliesst der Kegel den ganzen Wasserlauf ab.
Damit der Kegel durch den Druck des Wassers nicht gehoben wird, ist unten eine Platte
R S angebracht, welche durch den Keil T U angezogen und dadurch der Kegel, wenn er
sich allenfalls schon ausgeschliffen hätte, etwas herabgezogen und seine genaue wasser-
[239]Kegelhahn.
dichte Schliessung wieder bewirkt wird. Doch müsste in diesem Falle die Oeffnung im
Hahne an ihrem obern Theile erweitert werden, um keine Verengung des Wasserlaufes
zu verursachen. Dieser Hahn wird gewöhnlich nur bei Leitungsröhren von einigen Zollen
im Durchmesser gebraucht; bei Röhren von 10 oder mehr Zoll im Lichten wird seine
Bewegung schwierig und es verliert sich wegen Mangel des genauen Schlusses viel
Wasser.
Für diese grössern Röhrenleitungen hat Herr Girard in Paris einen Kegelhahn
mit Getriebe vorgeschlagen, welcher Fig. 5 und 6 dargestellt ist.
Dieser Hahn besteht wie der vorige aus einem messingenen Rohrstücke A B C D,Fig.
5
und
6.
Tab.
49.
an welches das Gehäuse E F G H zur Aufnahme des durchbohrten Kegels angegossen
ist. Dieses Gehäuse wird oben und unten mit zwei Platten J K und L M geschlossen,
zu welchem Behufe an dem Halse des Gehäuses der im Grundrisse Fig. 6 ersichtliche
Rand mit sechs Lappen f, f . . . . angegossen ist; diese fallen mit gleichen, an den
Platten J K und L M befindlichen Lappen zusammen. Zwischen den Platten und dem
Rande des Gehäuses werden lederne Scheiben, die in warmen Unschlitt getränkt wurden,
eingelegt, die 6 Lappen mittelst der durchgehenden Schrauben angezogen und auf
diese Art der wasserdichte Schluss bewirkt.
In das Gehäuse passt ein abgedrehter genau eingeriebener Kegel, dessen Durch-
schnitt aus Fig. 5 ersichtlich ist. An die obere Fläche dieses Kegels ist eine zylin-
drische Achse N, welche durch die obere Platte J K geht und sich ausserhalb dersel-
ben in ein Sechseck endigt, angegossen. An dieses Sechseck ist das gezähnte guss-
eiserne Stirnrad O P aufgesteckt, welches durch zwei eiserne Getriebe O und P mit-
telst Kurbeln umgedreht und dadurch der Kegel in dem Gehäuse verwendet wird.
Bei dem Durchgange der beschriebenen zylindrischen Achse N durch die obere Platte
J K sind abermals in Unschlitt getränkte Lederplatten eingelegt, um einen wasserdich-
ten Schluss zu bewirken. Der schmiedeiserne Rahmen Q R S T dient sowohl, um den
zwei Kurbelachsen, welche unten aufstehen, die Stützpunkte für ihre Umdrehung zu
geben, als auch um der Druckschraube U als Mutter zu dienen. Mittelst dieser Schraube
wird der Kegel nach Bedürfniss herabgedrückt und mit der entgegengesetzten Schraube
V von unten gehoben; diess letztere geschieht, wenn der Hahn herausgenommen wer-
den soll.
Diese Konstrukzion ist etwas zu viel zusammengesetzt, kann aber in dem Falle
gute Dienste leisten, wenn der Hahn nicht vollständig genug eingerieben ist.
§. 170.
Der Hahn mit Schuber (Robinet à vanne, valve cock), welcher vorzüglich bei
den englischen Wasserleitungen im Gebrauche ist, ist Fig. 7 bis 16 dargestellt und bestehtFig.
7
bis
16.
abermals aus dem messingenen Rohrstücke A B C D, welches an die Wasserleitungsröhren
angeschraubt wird. Dieses Rohrstück ist jedoch aus zwei Theilen A B E F und G C D H
zusammengesetzt, welche sowohl unter sich, als mit dem Deckel oberhalb F H durch
Schrauben wasserdicht verbunden werden. Ober der Mitte dieses Deckels ist eine
Stopfbüchse (stuffing box) angebracht, durch welche der zylisdrische Theil I K
[240]Hahn mit Schuber.
Fig.
7
bis
16.
Tab.
49.der Schraube K L wasserdicht geht. Bei Umdrehung dieser Schraube wird ein Sattel
oder eine Schraubenmutter M, und mittelst derselben der Schuber c d, welcher mit dem
Sattel O P, wie Fig. 12 zeigt, verbunden ist, gehoben oder herabgedrückt. Bei dieser
Bewegung bleibt nämlich die Schraubenspindel L K in ihrer Pfanne L ohne sich zu
erhöhen oder zu erniedrigen, während der Sattel M bei Umdrehung der Schraube in
den Gewinden derselben auf- und abgeht.
Der Sattel M ist zu beiden Seiten mit Nuthen versehen, welche in den Falz des
hervorstehenden Randes O P (Fig. 12) passen, der an den Schuber angegossen ist
Da nun der Sattel M in diesem Ansatze O P sich mittelst der Nuth etwas hin- und
herbewegen kann, so erhellet, wie mittelst dieser Einrichtung der Schuber durch den
Druck des abzusperrenden Wassers in der Röhre horizontal verschoben und an die Mün-
dung der Röhre bei G L (Fig 7) angedrückt wird; hierdurch wird nun auch der was-
serdichte Schluss bewirkt, ohne dass ein Druck an die Schraube entstünde. Der Schuber
kann sonach durch die Schraube L K, welche bei I mittelst eines Schlüssels umgedreht
wird, sowohl auf- als abwärts gebracht, und hierdurch die Röhrenleitung nach Bedürfniss
geöffnet und geschlosssen werden, und hierbei wird durch den Druck des Wassers und
die mögliche horizontale Fortrückung des Schubers ein ganz genauer Schluss desselben
an die entgegenstehende Platte bewirkt. Damit endlich die Reibung bei dem Aufziehen
des Schubers nicht zu gross werde, sind sowohl an dem Schuber, als an den Platten,
woran er sich auf und ab bewegt, kupferne Ringe, wie die Figuren zeigen, angebracht,
welche nach Fig. 9 bei dem Gusse der messingenen Theile in die Form eingelegt werden.
§. 171.
Eine Röhrenleitung lauft selten in einer Ebene fort, sondern steigt und fällt mit
den Strassen der Städte. Da sich nun aus dem Wasser bei seiner Bewegung in
den Röhren häufig Luftblasen entwickeln, welche sodann den höchsten Theil der Röh-
renleitung suchen, so kann es geschehen, dass die Luft sich in dem Scheitel einer sol-
chen hinauf- und dann wieder herabgebogenen Röhrenleitung so sehr anhäuft, dass hier-
durch die Bewegung des Wassers bedeutend vermindert wird. Die angehäufte Luft
wird nämlich, je mehr sie durch das fliessende Wasser zusammengedrückt wird, auch
einen desto grössern Gegendruck auf dasselbe ausüben. Hieraus ergibt sich die Noth-
wendigkeit, in jedem Falle, wo eine Röhrenleitung hinauf- und dann wieder herabgeht,
an dem höchsten Punkte derselben eine Vorrichtung zur Auslassung der daselbst ange-
häuften Luft anzubringen.
1.
Tab.
50.
Zu diesem Zwecke werden an diesen Punkten Luftständer (ventouses) angebracht.
Die einfachste Gattung derselben ist Fig. 1 dargestellt, und besteht aus einem Rohre,
welches bis zum Niveau des Wasserspiegels im Hauptbehälter (im Wasserthurme) sich
erhebt. Dieses Rohr braucht nur sehr schwach zu seyn und kann zur Vorsicht, damit
nichts in die Röhrenleitung hineinfällt, an seinem obern Ende etwas hinabgebogen wer-
den. In Italien werden solche senkrechte Röhren mit einem Mauerwerke von der Stärke
und Gestalt eines Rauchfanges eingeschlossen und dann sfiatatori genannt. Dieses Mit-
tel ist zwar das einfachste, allein es lässt sich in der Regel nur im Freien oder in jenen
[241]Luftständer.
wenigen Fällen anwenden, wo die Druckhöhe des Wassers vom Hauptbehälter sehr ge-
ring ist. In Städten, wo gewöhnlich die Reservoirs oder Hauptbehälter auf hohen Thür-
men liegen, kann diese Vorrichtung nicht gebraucht werden.
In solchen Fällen braucht man Luftständer mit einem Hahne oder einerFig.
2.
Tab.
50.
Pipe (Ventouse à robinet). Diese bestehen aus einem kurzen Rohre a, welches mit-
telst des Hahnes b geöffnet oder geschlossen werden kann. Wird die Röhrenleitung
mit Wasser angelassen, so muss der Hahn b geöffnet bleiben, damit alle Luft entwei-
chen kann und darf daher erst, wenn Wasser hervorquillt, geschlossen werden. Wenn
jedoch das Wasser einige Zeit hierauf durch seine Bewegung Luft mitführt und diese
sich im Scheitel der Wasserleitungsröhre anhäuft, so muss der Hahn für einige Augen-
blicke wieder geöffnet und auf diese Art immer von Zeit zu Zeit verfahren werden. Diese
Luftständer sind bei den Wasserleitungen in Paris im Gebrauche.
Der Luftständer, welcher Fig. 3 bis 5 dargestellt ist, wurde von dem Chev. de Bet-Fig.
3 bis
5.
tancourt in Paris angegeben und von Girard bei den dortigen Wasserleitungen einge-
führt; derselbe ist mit einem Schwimmer versehen und wird daher Ventouse à flotteur
genannt. Er besteht aus dem zylindrischen kupfernen Gefässe A B C D von ⅕ meter
(7,6 Nied. Oest. Zoll) im äussern Durchmesser, und ⅓ meter (12,7 Nied. Oest. Zoll) Höhe,
welches mit der Wasserleitungsröhre durch das angegossene Rohrstück B C E F von
1/10 meter Durchmesser mittelst Schrauben und dazwischen gelegten ledernen Scheiben
wasserdicht verbunden ist. In dem Gefässe A B C D sind zwei Querstücke oder Tra-
versen e angebracht und jede derselben mit einer kleinen Oeffnung in ihrer Mitte verse-
hen. Durch diese Oeffnung geht eine metallene Stange f, welche an die hohle messin-
gene Kugel M luftdicht festgemacht, und an ihrem obern Ende mit dem Kegel K
versehen ist. Dieser Kegel passt genau in die Oeffnung i der Platte O P, welche auf das
zylindrische Gefäss A B C D luftdicht befestigt ist. Die kupferne Kugel M schwimmt
auf dem Wasser, welches durch die Wasserleitungsröhre in das Gefäss A B C D dringt,
und dasselbe anfüllt. Wie jedoch Luftblasen durch das Rohr F E in das Gefäss hin-
aufsteigen und sich bei A D anhäufen, wird nach und nach auch der Wasserspiegel
in dem Behältnisse A B C D und mit demselben die schwimmende Kugel M, demnach
auch die Stange f herabgedrückt, die Oeffnung i frei, und die Luft entweicht. Ist
diess geschehen, so füllt das Wasser den Raum wieder ein, der Kegel K schliesst die
Oeffnung i, und so geht das Spiel fort.
§. 172.
Wenn eine Röhrenleitung einem Wasserbehälter, Röhrkasten oder Bas-
sin Wasser zuführt, so wird am Ende derselben ein Hahn oder eine Pipe ange-
bracht, womit man den Zufluss des Wassers ganz oder theilweise sperren kann. Da-
mit jedoch das Wasser in dem Röhrkasten nicht überlaufe, wird eine zweite vertikale,
gewöhnlich hölzerne oben offene Röhre in dem Wasserkasten befestigt, damit das über-
flüssige Wasser durch diese Ablassröhre (tuyau de trop plein) ablaufen und unten in
den Kanälen oder Kloaken weiter fliessen könne. Diese Einrichtung findet gewöhn-
lich bei unsern Röhrkästen Statt, wo Uiberfluss an Wasser vorhanden ist. Ist diess
Gerstner’s Mechanik Band. II. 31
[242]Hahn mit Schwimmer, Wassermesser.
nicht der Fall, so kann man mittelst eines Hahnes oder Pipe mit Schwimmer
(Robinet à flotteur) den Zufluss des Wassers aus der Röhrenleitung zweckmässig
reguliren.
6.
Tab.
50.
Diese Vorrichtung ist Fig. 6 dargestellt und besteht aus einer metallenen hohlen
Kugel, welche mittelst einer eisernen Stange an den Hahn von Aussen angesteckt
wird. Je mehr sich das Wasser im Behälter und mit demselben die auf seiner Ober-
fläche schwimmende Kugel senkt, desto mehr öffnet sich der Hahn und läuft demnach
auch mehr Wasser zu; ist jedoch der Röhrkasten ganz mit Wasser gefüllt, so bleibt
auch der Hahn geschlossen und mit demselben der ganze Zufluss des Wassers ab-
gesperrt.
7.
Man kann am Ende einer Röhrenleitung statt einer Pipe auch ein Ventil mit
Schwimmer (soupape à flotteur) anbringen. Mittelst des mit einer schwimmenden
hohlen Kugel verbundenen eisernen Hebels wird nun die Oeffnung am Ende der Röh-
renleitung abermals so viel gehoben, dass das Wasser im Behälter fortwährend auf
gleicher Höhe sich erhält.
§. 173.
Es kommt zuweilen noch der Fall vor, dass man die Wassermenge, welche z. B.
in einer Fabrik in einer bestimmten Zeit benöthigt wird, genau zu kennen wünscht.
Kann die Messung des zufliessenden Wassers nicht in dem Zuleitungsgraben auf eine Art
geschehen, welche im vorigen Kapitel beschrieben wurde, oder hat man keinen hinrei-
chend grossen Behälter, um die Wassermenge wenigstens durch einige Minuten aufzu-
fangen und nach ihrem kubischen Inhalte zu berechnen, so kann man sich auch eines
hydraulischen Wassermessers (Compteur hydraulique) bedienen. Derselbe
Fig.
8
und
9.kann auf verschiedene Art eingerichtet werden. Fig. 8 und 9 enthalten die Darstel-
ung eines solchen Apparates, welcher in dem bereits früher erwähnten Werke: „Essai
sur les moyens de conduire, d’élever et de distribuer les eaux par M. Genieys,
Paris 1829“ sich vorfindet. Die Wasserleitungsröhre A führt das Wasser in ein zylin-
drisches Gefäss B, dessen vertikale Wand auf gleicher Höhe mit 10 Oeffnungen von ganz
gleichem Durchmesser durchbohrt ist. Neun Oeffnungen führen das Wasser in den
grossen Behälter C, von wo aus es durch die Röhre D seiner Bestimmung in der Fabrik
zugeführt wird. Aus der zehnten Oeffnung a läuft jedoch das Wasser in ein zweites ver-
tikales zylindrisches Gefäss E, welches demnach nur den zehnten Theil der durch die
Röhre A zufliessenden Wassermenge oder erhält. In diesem zweiten Gefässe sind aber-
mals 10 Oeffnungen von gleichem Durchmesser auf derselben Höhe gebohrt, und aus 9
derselben läuft das Wasser in den Hauptbehälter C und durch die Röhre D in die Fabrik.
Die zehnte Oeffnung b, welche demnach nur fortführt, leitet das Wasser in ein drit-
tes zylindrisches Gefäss F, welches auf gleiche Art mit 10 Oeffnungen von gleicher
Grösse versehen ist, wovon nur eine, nämlich c das Wasser in ein geschlossenes Behält-
niss G führt. Hieraus ist ersichtlich, dass das in G zuströmende Wasser nur der 1000ste
Theil derjenigen Wassermenge seyn werde, welche durch die Hauptröhre A zufliesst.
[243]Prüfung des Wassers.
Es handelt sich nun, das in G zugeflossene Wasser auf eine leichte und verlässlicheFig.
8
und
9.
Tab.
50.
Art zu messen. Zu diesem Behufe ist ein Schwimmer H an einem metallenen Faden be-
festigt, welcher über die feste Rolle K geht und an seinem andern Ende mit einem klei-
nen Gegengewichte L versehen ist. An dem letztern ist ein horizontaler Zeiger ange-
bracht, dessen Spitze an dem Masstabe M N, welcher nach dem Inhalte des Gefässes G
berechnet und eingetheilt ist, genau sogleich den kubischen Inhalt des in G befindlichen
Wassers anzeigt. Ist der Behälter G bereits ganz gefüllt, so wird derselbe mittelst eines
Hahnes abgelassen und kann neuerdings zur Messung des zugeflossenen Wassers gebraucht
werden.
Es ist leicht begreiflich, dass man denselben Zweck auch auf eine andere Art errei-
chen könne. Wir glauben zu diesem Behufe auf die Konstrukzionen derjenigen Apparate
hinzuweisen, welche zur Messung des Gases bei den Beleuchtungen der Gebäude von
den Unternehmern dieser Anstalten zu dem Behufe gebraucht werden, um genau die in
einer bestimmten Zeit verbrannte Menge Gas zu kennen. Diese Beschreibungen sind in
dem Werke von Accum über Gasbeleuchtung, welches Herr Lampadius in das Deutsche
übersetzt hat, und in mehreren über die Gasbeleuchtung bekannt gemachten Schriften
zu finden.
§. 174.
Die §. 162 bis §. 173 beschriebenen Röhren, Hähne, Luftständer, Regulatoren und
Wassermesser sind jene Theile, aus welchen eine Röhrenleitung bestehen kann. Wir
kommen daher zu der Beschreibung des praktischen Verfahrens, welches man bei der
Anlage einer Wasserleitung zu beobachten hat. Hierbei ist vor allem die Prüfung des
Wassers oder die Wasserprobe, dann der Wasserbedarf, welchen eine Röhren-
leitung für eine bestimmte Populazion oder zu einem bestimmten Gebrauche zu geben
hat, und die praktische Anlage der Leitung selbst von dem Punkte aus, wo
die Wässer gefangen werden, zu berücksichtigen.
Das Wasser, welches in Röhrenleitungen fortgeführt wird, ist entweder Fluss-
wasser oder Quellwasser. Beides muss in der Regel vor seinem Gebrauche geprüft
werden, um sich zu überzeugen, ob es keine der Gesundheit oder dem beabsichtigten
technischen Zwecke nachtheiligen Bestandtheile besitze. Bei fliessendem Wasser,
vorzüglich bei kleinen Flüssen oder Bächen ist zu sehen, ob dieselben durch Teiche,
durch Binnenseen oder durch andere stagnirende Gewässer gehen, in welchen eine
starke Vegetazion Statt findet. Bei solchen Wässern ist dann zu untersuchen, ob sie
nicht organische Substanzen aufgelöst enthalten, welche entweder dem Wasser einen
widerwärtigen Geschmack beibringen, oder welche dasselbe in kurzer Zeit zur Fäulniss
disponiren können. Solche Wässer sind untauglich, und der Gesundheit nachtheilig.
Das Wasser wird in Hinsicht auf organische Substanzen auf folgende Art geprüft:
Man schüttet in ¼ Mass von einem solchen Wasser einige Tropfen salpetersauern Sil-
beroxyd. Entsteht durch diesen Zusatz sogleich ein gefärbter flockiger Niederschlag,
so enthält ein solches Wasser verhältnissmässig zu der Menge dieses Niederschlags
auch eine grössere oder kleinere Menge organische Substanzen. Wäre jedoch der
Niederschlag bei seiner Entstehung weiss, und würde erst nach einiger Zeit schwarz er-
31*
[244]Prüfung des Wassers.
scheinen, so deutet dieses nicht auf das Vorhandenseyn einer organischen Substanz,
sondern auf das Daseyn eines salzsauren Salzes.
Bei Brunn- oder Quellwässern hat man zu sehen, 1tens ob das Wasser klar
ist, 2tens ob es einen besondern oder widerwärtigen Geruch hat, in welchem Falle es
nicht zu brauchen wäre, 3tens ob es hartes oder weiches Wasser ist. Hartes Was-
ser wird jenes genannt, worin Hülsenfrüchte sich nicht oder nur schwierig weich kochen
lassen, und welches mit Seife nicht oder nur schwierig schäumt. Im weichen Was-
ser dagegen kochen sich Hülsenfrüchte leicht und schäumt die Seife. Es gibt verschie-
dene Grade der Härte des Wassers, welches sich in Brunnen oder Quellen vorfindet.
Für technische Anwendungen, z. B. Bräuhäuser, Färbereien, Brandweinbrennereien, Pa-
pierfabriken u. d. m. ist ein Wasser nicht zu brauchen, welches in höherem Grade zu
den harten Wässern gehört. Das einfachste Mittel ein Wasser in dieser Beziehung zu
prüfen ist folgendes: Man nimmt z. B. ½ Mass hiervon, setzt es in einer ganz rei-
nen kupfernen Pfanne oder in einem porzellänen Teller auf einen Stubenofen, lässt das
Wasser allmählich, ohne dass es jedoch zum Sieden kommt, verdampfen, und wiegt den
Rückstand, der hiernach übrig bleibt. Beträgt dieser Rückstand mehr als ½ Quent-
chen, so gehört das Wasser schon zu den sehr harten Wässern. Wäre das Gewicht
des Rückstandes geringer, z. B. ¼ Quentchen, so kann es noch als brauchbar ange-
sehen werden. Ausserdem kann man die Brauchbarkeit eines Quellwassers auch dar-
aus beurtheilen, dass man in ½ Mass desselben ½ Loth Seifengeist schüttet. Ist die
Trübung, die dadurch in dem Wasser entsteht stark, sondert sich eine beträchtliche
Menge eines weissen Rahmes auf der Oberfläche des Wassers ab, so gehört es gleich-
falls zu den sehr harten, und ist daher zu technischen Zwecken nicht brauchbar.
Man sieht nun leicht, in welchen Fällen ein Wasser als brauchbar angesehen wer-
den könne. Uibrigens hat man die Beschaffenheit eines Wassers in Sanitätshinsicht
auch dadurch beurtheilen wollen, ob die in der Nähe desselben wohnenden Menschen
stark, von frischer Gesichtsfarbe, ohne triefenden Augen und ohne Fusskrankheiten
seyen; allein diese Umstände liegen häufig in andern Lebensverhältnissen, als dass man
hieraus allein auf die Beschaffenheit des Wassers schliessen könnte.
§. 175.
Der Wasserbedarf, welchen eine Wasserleitung für einen bestimmten technischen
Zweck oder für die Populazion eines Ortes zu liefern hat, muss in jedem vorhandenen
Falle entweder gegeben seyn, oder nach ähnlichen Fällen durch die Erfahrung ausgemit-
telt werden. Der Bedarf des Wassers für einen technischen Zweck oder für eine Fabrik
lässt sich im Allgemeinen nicht bestimmen, da er sich nach dem Betriebe derselben
richtet. Was jedoch den Wasserbedarf für die Einwohner der Ortschaften betrifft, so
liegen hierüber bestimmte Erfahrungen vor. Der kleinste Bedarf findet auf See-
schiffen Statt, wo man täglich 1¼ Barriques de Bordeaux auf 100 Mann rechnet;
da nun 4 Barriques (Oxhoft) = 1 Tonneau = 4 . 3,931 N. Oe. Eimer zu 41 Mass = 644,684
N. Oe. Mass, so gibt diess täglich per Kopf 2 N. Oe. Mass; hiervon dient eine Hälfte zum
Getränk und die andere zum Kochen. In den Oeuvres posthumes von Cormontaigne
tome III, wird angeführt, dass in festen Plätzen zum Trinken, Kochen und Waschen
[245]Wasserkonsumzion in Städten.
täglich 1/10 Kubikfuss per Kopf benöthigt werden, wogegen Hoyer in seinem Wörterbuche
der Kriegsbaukunst ⅙ Kubikfuss oder 4 N. Oe. Mass fordert. Herr Franz Weiss, Major im
k. k. Ingenieurs-Corps, führt in seinem Lehrbuche der Baukunst II. Band, Seite 55 an, „dass
die letztere Angabe von 4 N. Oe. Mass per Kopf durch eine vieljährige Erfahrung der
Bewohner jener Vorstädte Wiens, die ihr Wasser kaufen müssen, vollkommen hinreichend
verbürgt wird, dass jedoch der Wasserbedarf für die Broderzeugung hierunter nicht be-
griffen ist. Wird auch diese berücksichtigt, so benöthigt man täglich ⅕ Kubikfuss per
Kopf, welches für alle wahren Bedürfnisse mehr als genügt; selbst die Evapora-
zion des Wassers bedarf dann keiner Beachtung“. Endlich sagt derselbe Schriftsteller,
dass man für zwei Kinder so viel als für einen Mann, nämlich ⅕ Kubikfuss, für ein Mi-
litärdienstpferd und für einen Schlachtochsen aber 1 Kubikfuss Wasser täglich benöthigt.
Auf diese Art lässt sich nun der jährliche Verbrauch ausmitteln, und darnach der Kubik-
inhalt der Cisternen in festen Plätzen anschlagen. In demselben Werke Seite 49 wird
jedoch gesagt: „Soll eine Wasserleitung allen, sogar den unbillig scheinenden Forde-
rungen in Städten Genüge leisten, so muss sie binnen 24 Stunden drei Fünftel
Kubikfuss Wasser für jede Seele der Bevölkerung liefern“.
Herr Genieys führt in seinem Essai sur les moyens de conduire, d’élever et de distri-
buer les eaux, Paris 1829, Seite 153 an, dass man in Frankreich gewöhnlich für 1000
Einwohner täglich 19195 Litres oder einen Wasserzoll (pouce d’eau) rechnet. Da nun 1 Litre
1 Würfel ist, dessen jede Seite metre misst, demnach Kub. metre =
N. Oe. Kubikfuss = 0,03166 N. Oe. Kubikfuss enthält, so gibt der Bedarf von 19,195Litres
beinahe 0,6 N. Oe. Kubikfuss für eine Person täglich. Hiemit stimmt auch die Wasserkon-
sumzion, welche der Herr Inspektor Hoffmann in seinem öffentlich erschienenen Berichte
über die Anlage einer neuen Wasserleitung zu Frankfurt a. M. (1827, Seite 29) anführt.
Dagegen wird in der Notice historique sur le projet d’une distribution générale
d’eau a domicile dans Paris, et exposé de détails y relatifs, recueillis dans différentes
villes du royaume-uni, notamment à Londres, par C. F. Mallet, ingénieur en chef de
première classe au corps royal des ponts-et-chaussées, Paris 1830, Seite 80 angeführt,
dass nach den an Ort und Stelle gemachten Erhebungen während zwei zu diesem Zwecke
im Jahre 1824 und 1829 unternommenenen Bereisungen Englands, die Wassermenge,
welche täglich durch eigene Akziengesellschaften an die Einwohner vertheilt wird,
in London 80 Litres, in Manchester 44 Litres, in Liverpool 27,5Litres, in Glasgow
100 Litres, in Greenock 56,5Litres und in Edinburgh 61 Litres beträgt. Das Mittel
aus diesen Erfahrungen gibt 61,5Litres per Kopf der ganzen Populazion (die Kinder
mit eingerechnet) oder 1,95, demnach beinahe 2 N. Oe. Kubikfuss täglich.
Dieser Bedarf ist 10 mal grösser als der oben angegebene von 2/10 Kubikfuss; es muss
jedoch bemerkt werden, dass in den vorangeführten englischen Städten keine oder nur
sehr wenige öffentliche Brunnen vorhanden sind, wo die Einwohner das Wasser un-
entgeltlich holen können; endlich darf man keineswegs ausser Acht lassen, dass die
Reinlichkeit der Bewohner Englands viel grösser sey, als es auf dem ganzen Konti-
nente von Europa und namentlich in Frankreich der Fall ist. Wer das Innere von Frank-
reich und England bereist hat, begreift leicht, warum ein Franzose im Durchschnitte
[246]Anlage einer Wasserleitung.
nur 6/10 Kubikfuss, ein Engländer aber 1,95 Kubikfuss täglich bedarf, wobei noch zu
erinnern ist, dass in England meistens Bier, in einem grossen Theile von Frank-
reich aber nur Wein getrunken unh demnach in diesem Verhältnisse weniger Wasser
für einen Menschen benöthigt wird. Die Engländer baden sich sehr oft zu Hause
und halten viel auf reine Wäsche, was bei weitem nicht in diesem Masse in den französi-
schen Städten und selbst in Paris der Fall ist. Uiberhaupt richtet sich der Wasserbe-
darf auch nach dem allgemeinen Wohlstande eines Ortes; je wohlhabender die Einwoh-
ner sind, desto mehr Wasser wird benöthigt, je ärmer und unreiner dieselben leben,
desto weniger Wasser wird erfordert. Man hat in Prag die auffallende Erfahrung ge-
macht, dass seit 10 bis 15 Jahren weit mehr Röhrenwasser benöthigt wird, als es die Zu-
nahme der Populazion erfordern würde. Als Ursache hiervon wird das Tragen weisser
Kleider statt den früher üblichen dunkeln Kalikos, die zunehmende Blumenliebhaberei
und überhaupt die zunehmende Reinlichkeit der hiesigen Einwohner, vorzüglich unter
der ärmeren Klasse angegeben.
Aus allem dem ergibt sich, dass man kein bestimmtes Kubikmass Wasser als den
nothwendigen täglichen Bedarf für eine bestimmte Populazion angeben kann, sondern
dass diess lediglich nach der gewohnten Lebensweisse, dem Grade der Reinlichkeit und
überhaupt nach den vorhandenen Ortsverhältnissen bemessen werden müsse.
§. 176.
Wenn der Wasserbedarf auf die angeführte Weise ausgemittelt ist, so kann derselbe
entweder aus einem fliessenden Wasser oder aus Quellen dem betreffenden Orte zuge-
leitet werden. Bei dieser Leitung kann das Wasser, wenn es aus einem höhern Orte
herabgeführt wird, entweder durch die in der Natur vorhandene Druckhöhe (das Gefälle)
zufliessen, oder es wird mittelst Maschinen in einen höhern Behälter gehoben, und fliesst
von dort mittelst der vorhandenen Druckhöhe durch Röhren an die Orte seiner Bestimmung.
Wir wollen zuerst den einfachsten Fall behandeln, und daher annehmen, dass z. B.
eine Wasserleitung für ein Bräuhaus, ein herrschaftliches Gebäude, eine Fabrik oder
selbst einen Ort aus höher liegenden Quellen geführt werden soll. Sind die Quel-
len aufgefunden, das Wasser geprüft und brauchbar, so wie in hinreichender Menge be-
funden, so muss in den meisten Fällen erst eine Wasserklärung vorgenommen werden.
Zu diesem Behufe wird gewöhnlich ein kellerartiges gewölbtes Häuschen errichtet, welches
Fig.
10.
und
11.
Tab.
50.Fig. 10 im Quer- und Fig. 11 im Längendurchschnitte dargestellt ist. Das Wasser läuft
durch den Steinhaufen a, und die Oeffnung b in das Behältniss c, welches mit Quarzsand
oder einem scharfen im Wasser unauflösbaren eckigen kleinen Schotter angefüllt ist. Weil
das Wasser zwischen diesen Oeffnungen sehr langsam fliessen muss, so setzt es alle erdigen
Theile, die es mit sich führt, ab, und es fliesst ganz rein durch die Oeffnungen d, d . . . .
in den gewölbten unterirdischen Kanal e weiter. Um das Einfrieren zu vermeiden, wird
dieses Häuschen ganz mit Erde bedeckt, und der unterirdische Kanal in der gehörigen Tiefe
angelegt. Der Kanal geht nun bis zunächst der Fabrik oder Ortschaft fort und führt
Fig.
12
und
13.das Wasser daselbst in ein zweites Gebäude, Wasserschloss (Chateau d’eau) ge-
nannt, worin das Wasser einer neuen Klärung unterworfen, und von da aus in einer
oder mehreren Hauptröhren seiner Bestimmung zugeführt wird. Im Wasserschlosse sind
[247]Quellwasserleitung für das k. k. Schloss in Prag.
gewöhnlich eine oder mehrere gemauerte Scheidewände a b angebracht, so dass das
Wasser aus dem gewölbten Kanale in den Behälter A, von da über die Scheidewand bei aFig.
12.
und
13.
Tab.
50.
in den Behälter B und so allenfalls noch in einige Behälter fliesst. Die Ruhe, in welcher
sich das Wasser in jedem Behälter befindet, macht es möglich, dass sich die Schlamm-
theile, welche dasselbe mit sich führt, nach und nach absetzen und dass das Wasser in
dem letzten Behälter, von wo die Hauptröhren ausgehen, vollkommen gereinigt und für
den Gebrauch geeignet, ansammelt. Eine jede Hauptröhre ist mit einem durchlöcher-
ten Seiher m versehen, damit keine zufälligen im Wasser schwimmenden Theile, z. B.
Holzstücke, in dieselbe gelangen können. Um den Wasserzufluss ganz oder theilweise
sperren zu können, ist zunächst dem Seiher ein Hahn oder Pipe angebracht. In kalten
Klimaten wird das Wasserschloss ganz mit Erde bedeckt und die Oeffnung zur Thüre und
allenfalls einem Fenster bei eintretender Winterszeit ebenfalls mit Dünger bedeckt.
Welches Gefälle der beschriebene unterirdische Kanal erhalten müsse, um die Was-
sermenge mit der erforderlichen Geschwindigkeit fortzuführen, wird im nächsten Ka-
pitel behandelt werden. Da jedoch die Anlage der Wasserleitungen zu den wich-
tigsten technischen Unternehmungen gehört und bei Zunahme der Kultur und des
Wohlstandes immer mehrere solche Anlagen zur Ausführung kommen, so glauben wir,
dass es für unsere Leser von Interesse seyn wird, die Beschreibung der Wasserleitungen
in mehreren grössern Städten zu erhalten. Wir wollen zu diesem Behufe zuerst die Was-
serleitungen von Prag, dann jene von Paris und zuletzt jene der vorzüglichsten Städte
in England und Schottland liefern.
§. 177.
Die Wasserleitungen in Prag sind von zweifacher Art: I. Die Wasserleitung
für das k. k. Schloss, welche das Wasser aus höher liegenden Gegenden mittelst
des natürlichen Gefälles herabführt. II. Die Wasserleitung für die drei, an
beiden Moldauufern gelegenen Prager Städte, wo das Moldauwasser mittelst Druck-
werken in Behälter auf Thürmen (Wasserthürmen) getrieben, und von dort mittelst herab-
gehender Röhren den verschiedenen Stadttheilen zugeführt wird. Die ersteren stehen
unter der Leitung des k. k. Hofbauamtes, die zweiten unter dem Bauamte des k. Ma-
gistrates.
I. Uiber die k. k. Schlosswasserleitungen hat uns der Herr Hofbauamtsverwalter Wenzl
Kraus nachstehende Mittheilungen geliefert. Der sämmtliche Wasserbedarf für das
k. k. Schloss, den Hradschin und den höher liegenden Theil der Kleinseite wird A. aus
einer Quellwasserleitung und B. einer Teichwasserleitung geliefert.
A. Die Quellwasserleitung hat ihren Ursprung in der nördlich abdachenden
Berglehne, welche sich von dem Dorfe Libotz über Welleslawin bis zu dem Dorfe Trže-
schowitz herabzieht. Daselbst sind nämlich in verschiedenen Entfernungen von ein-
ander sieben bergmännisch ausgebaute Stollengänge eingeschlagen, in welchen
die vorhandenen Wasserquellen in geschlossenen Röhren gefasst und in zwei Hauptröhren-
zügen zusammengeführt werden; die letztern sind abwärts von dem Dorfe Tržeschowitz
bei dem erlangten bedeutendern und durch keine Verfallungen mehr unterbrochenen
Gefälle in einen einzigen Hauptröhrenzug vereinigt. Obwohl die ursprüngliche Anlage
[248]Quellwasserleitung am k. k. Schlosse in Prag.
dieser mit bedeutendem Kostenaufwande zum Theil in Sandsteinlagen ausgebrochenen
Stollengänge, welche vormals bloss ausgezimmert waren, in der neuern Zeit aber überwölbt
wurden, im Verlaufe der Jahre von 1540 bis 1573 nachgewiesen wird, so lässt sich doch
mit voller Wahrscheinlichkeit annehmen, dass schon viel früher eine Röhrenwasserlei-
tung in die k. k. Burg bestanden hat, wie es schon die auf dem Springbrunnen im dritten
k. k. Burgplatze vorhandene bronzene Statue, den h. Georg zu Pferde vorstellend, welche
im Jahre 1373 angefertigt wurde, bewährt. Man kann hiernach und aus andern alten
Urkunden auf einen mehr als 400jährigen Bestand der k. k. Schlosswasserleitung schliessen.
Die Länge dieser Wasserleitung von dem ersten nächst dem Dorfe Libotz unter dem
sogenannten k. k. Sternthiergarten bestehenden Quellwasserstollen bis an den Schanzen-
graben der k. Hauptstadt Prag gemessen, beträgt 2500 N. Oe. Klafter. Wenn jedoch
hierzu die Zuleitungsweiten aus den übrigen sechs Quellstollen bis an die Hauptröhren
zusammen mit 230 Klaftern, und der geführte zweite Hauptröhrenzug in der Länge von
770 Klaftern mit gerechnet werden, so ergibt sich die gesammte Länge dieser Röhren-
leitungen schon ausserhalb der Stadt mit 3500 Klaftern, welche Länge durch den, über
den Schanzgraben in die Stadt bis in die k. k. Burg gelegten Hauptröhrenzug, und durch
die von demselben ausgehenden Ableitungen noch bedeutend vermehrt wird.
Diese Wasserleitung liefert den Bedarf an klarem Wasser für die k. k. Burg, und
nebst dem hradschiner k. Damenstift werden noch hiermit 14 auf dem Hradschin und
auf der Kleinseite gelegene Privathäuser betheilt, und aus der k. k. Burg wird dieses
Quellwasser in die auf der Kleinseite gelegenen k. k. Dikasterialgebäude herabgeleitet, in
welchen letztern ebenso wie in der k. k. Burg mit diesem stets rein gehaltenen Wasser
auch die wegen Feuersicherheit vorgerichteten Bodenwasserdruckwerke versorgt werden.
Diese Wasserleitung wird sogleich von dem Quellursprunge in geschlossenen Röhren
von 2½ Zoll Durchmesser im Lichten der Bohröffnung fortgeführt. Die Röhren waren
früher von Holz, sind jedoch gegenwärtig grösstentheils durch gusseiserne von glei-
chem Durchmesser ersetzt. Diese Röhren sind 5 bis 6 Fuss unter der Erdoberfläche
eingegraben, jede zu einem Hahn führende Oeffnung wird so wie sämmtliche Röhrständer
im Winter mit Dünger bedeckt, und so geschieht es, dass das Wasser in dieser Röhren-
leitung, welche überdiess einen sehr bedeutenden Fall hat, nie einfriert. Die guss-
eisernen Röhren, welche innerhalb der Stadt bereits beinahe durchaus liegen, sind
sämmtlich ohne angegossenen Muffen und ihre Verbindung wird durch eine über je
zwei Röhren zur Hälfte geschobene Muffe (Uiberschubring) von 4 Zoll Länge dadurch
bewirkt, dass der Zwischenraum oder das Ende einer jeden Röhre auf 2 Zoll Länge
mit Hanf umwickelt, hierauf mit einem Kitt überstrichen und die Muffe noch beider-
seits mit hölzernen Keilen fest gemacht wird. Dieser Kitt wird aus Wagentheer, un-
gelöschtem gepulvertem Kalk und Ziegelstaub verfertigt und erhärtet binnen sehr kurzer
Zeit.
Seit mehreren Jahren werden auch, jedoch nur ausserhalb der Stadt und zu den
Nebenleitungen im k. k. Schlossgarten in jenen Röhrenleitungsstrecken, welche keinen
bedeutenden Druck auszuhalten haben, statt der mangelbar gewordenen hölzernen
Röhren, festgebrannte thönerne Röhren mit gutem Erfolge verwendet. Der Durch-
messer im Lichten derselben beträgt 2½ bis 2 Zoll, ihre Länge 5 Fuss, ihre Stärke
[249]Teichwasserleitung für das k. k. Schloss in Prag.
⅝ Zoll. Bei einem Versuche, welcher mit diesen Röhren vor einigen Jahren im soge-
nannten Hirschgraben gemacht wurde, war eine Druckhöhe von beiläufig 8½ Klafter vor-
handen; die thönernen Röhren hielten diesen Druck aus, allein nach einem Jahre sprang
eine derselben. Die Verbindung dieser Röhren geschieht wie bei den gusseisernen mit-
telst gegossener Uiberschubringe.
Was die Reinigung dieser Quellwasserleitungen betrifft, so genügt es, da die Röhren
nie inkrustirt werden, sie von Zeit zu Zeit durchzuspülen, welches dann mittelst Ziehung
der an den niedrigen Stellen der Röhren angebrachten Lüftungszapfen bewirkt wird. Die
Einfachheit dieser Wasserleitung, welche bei ihrem uralten Bestande stets ununterbro-
chen gebraucht wurde, gibt derselben auch einen entschiedenen Vorzug vor jeder andern
künstlichen Wasserleitung.
§. 178.
B. Die Teichwasserleitung für das k. k. Schloss hat ihren Ursprung aus der
quellenreichen Gegend oberhalb der Dörfer Littowitz und Bržwe auf der Herrschaft
Tachlowitz im Rakonitzer Kreise. Mehrere in der dortigen Lage bestehenden Wasser-
teiche und vorzüglich der bei dem Verkaufe des ehemaligen k. k. Kammergutes Littowitz
vorbehaltene Hauptteich sichern dieser Wasserleitung zu allen Zeiten den hinlänglichen
Wasservorrath, zumal als die dortigen vielen, schon aus den Wiesengründen, oberhalb
der zur Herrschaft Horomieržitz gehörigen Dorfes Chegn, sich sammelnden Zuflussquellen
selbst in der trockensten Jahreszeit stets gehörig ergiebig bleiben. Von dem genannten
littowitzer k. Reservatteiche wird die Wasserleitung in einem offenen Graben in
der Thalfläche durch die Dörfer Hostiwitz, Russin und Libotz auf einem 4000 N. Oe. Klaf-
ter langen Wege bis in den, unter Kaiser Rudolph II. im Jahre 1585 nächst dem Dorfe
Libotz angelegten k. Reservatteich geführt. Von hier wird das für die k. k. Schloss-
wasserleitung benöthigte Wasser mittelst Regulirung der eigends für diesen Zweck unter-
haltenen Wasserschütze durch eine in dem Teichdamme eingelegte Röhre in den
von diesem Teiche ausgehenden Schlosswasserleitungsgraben erst abgegeben. Dieser
vom libotzer k. Reservatteiche am Fusse der Berglehne gegen das Dorf Welleslawin
und weiter abwärts neben dem Dorfe Tržeschowitz bis an den Schanzengraben der k.
Hauptstadt Prag auf die Anhöhe zwischen dem Reichs- und dem Karlsthore geleitete
Wassergraben ist nach der Angabe des berühmten Mathematikers Tycho de Brahe ange-
legt worden und misst nach dem vorbezeichneten in verschiedenen Krümmungen nach
Massgabe des natürlichen Gefälles ausgemittelten Wege 2500 N. Oe. Klafter.
Die Ausmündung dieses offenen Wasserleitungsgrabens findet vor dem Schanzen-
graben auf der erwähnten Stelle in einem unterirdisch angebrachten Wasservertheilungs-
kasten (von den Franzosen Chateau d’eau genannt) Statt. Aus diesem Behältnisse wer-
den vier, und aus dem vorgebauten Wassersammlungsgerinne zwei, daher zusammen
sechs Röhrenzüge fortwährend gespeist. Sämmtliche Röhren haben 2½ Zoll im
lichten Durchmesser und es sind diese Röhrenleitungen von dem Wasservertheilungskasten
über dem Schanzgraben bis in die Stadt aus hölzernen (kiefernen) an den Einmündungen
mit Seigern versehenen Röhren mittelst der gewöhnlichen eisernen Fügungsbüchsen zu-
sammengesetzt, im Bereiche der Stadt aber gusseiserne Röhren angewendet. Diese sechs
Gerstner’s Mechanik. Band II. 32
[250]Teichwasserleitung für das k. k. Schloss in Prag.
Röhrenzüge führen das Wasser auf die k. k. Burgplätze, in die k. k. Hofstallungen, den
k. k. Schlossgarten, die Reitschule u. s. w. und in die übrigen auf dem Hradschin gele-
genen Hofgebäude, ferner in 12 auf dem Hradschin und in 7 auf der Kleinseite gele-
gene Fondsgebäude und Privathäuser, endlich werden zwei in der Spornergasse und
ein auf dem wälschen Platze stehender Wasserbehälter hiervon ebenfalls mit Wasser
versehen.
Auch diese ausgiebige Wasserleitung gewährt den Vortheil, dass sie nur äusserst
selten zufriert. Wenn jedoch zuweilen der Wasserausfluss in der offenen Grabenlei-
tung gefriert, so werden durch den für diese Leitung aufgestellten Aufseher mit Zu-
hülfnahme der erforderlichen Arbeiter sogleich die Schneewehen durchgearbeitet und
die bis auf den Grund vereisten Orte in dem Grabengerinne aufgehauen.
Die Anlage des libotzer k. Reservatteiches, welcher bei seiner vollkommenen An-
schwellung die Wasserleitung mit dem nöthigen Zuflusse durch einen längern Zeitraum
versorgt, bis wieder ein neuer Zufluss aus dem littowitzer Hauptreservatteiche den
Wasservorrath ersetzt, gewährt hier einen sehr grossen Vortheil, indem es zur Winters-
zeit nur nothwendig wird, die Elementarhindernisse bloss in der Strecke des Wasser-
leitungsgrabens von Libotz bis an den Prager Schanzengraben zu bekämpfen, welche
Arbeit durch das bedeutende Gefälle dieses Grabens und durch seine regelmässige
meistens mit hohen Ufern begränzte Anlage unterstützt wird.
Zur Verminderung der Verschlämmung des libotzer k. Reservatteiches besteht an
demselben mittelst zweier Schützen an der Einmündung die Vorrichtung, dass nur dem
reinen Wasser der Einfluss gestattet wird, alle Fluthwässer aber, welche Schlamm-
theile mit sich führen, durch einen Seitengraben gegen das Thal Scharka abgewiesen
werden können. Längs der offenen Grabenleitung vom libotzer Teiche abwärts wer-
den die Wildwässer entweder ganz abgeleitet, oder auf einem Umwege dann erst in
den Wasserleitungsgraben eingelassen, wenn dieselben den mitführenden Schutt und
Schlamm bereits abgesetzt haben. Zu Ende dieser offenen Grabenwasserleitung sind
einige Schuttfangwehren (Wasserklären) mit mehreren Scheidewänden angebracht,
um die trüben Wässer zu läutern.
Zur gehörigen Unterhaltung und periodischen Räumung des Wasserleitungs-
grabens vom libotzer Teiche an, so wie zur Besorgung des beständigen Wasserzu-
flusses ist ein eigener Grabenwärter angestellt; die Räumung des Wassergrabens vom
littowitzer k. Haupt- bis zum libotzer k. Reservatteiche liegt aber den anrainenden
Dominien ob. Um den libotzer Teich in seinem Kubikinhalte nicht verringern zu
lassen, ist eine periodische Ausschlämmung desselben festgesetzt, welche jedoch wegen
Sicherstellung der Schlosswasserleitung für den Winter, bloss während der wärmern
Jahreszeit vorgenommen werden kann. Wenn dieser Teich trocken gelegt und die Aus-
schlämmung vorgenommen wird, muss der ununterbrochene Zufluss des für die k. k.
Schlosswasserleitung benöthigten Wassers unmittelbar aus dem littowitzer k. Reservat-
teiche Statt finden, zu welchem Behufe um den libotzer Teich ein eigener Graben
geführt ist.
Auch bei den in die Stadt geführten sechs Röhrenzügen, welche von dem be-
schriebenen Teichwasser gespeiset werden, und mit den vielen Ableitungen eine be-
[251]Wasserleitung für die drei Pruger Städte.
deutende Verzweigung bilden, wird ausser dem gewöhnlichen Ausschlämmen mittelst
Ziehung der Lüftungszapfen an den Röhren keine weitere Reinigung derselben benö-
thiget, da auch dieses zum häuslichen Gebrauche ganz dienliche und die Vegetazion
der Gartengewächse sehr befördernde Wasser keine Inkrustirung der Röhren veranlasst.
Für das Nachsehen an den sämmtlichen Quell- und Teichwasser-Röhrenleitungen
und für die Besorgung der diessfalls vorkommenden Wasserleitungsarbeiten ist ein
Röhrmeister mit einem Gehülfen angestellt, welchen nach Bedürfniss die erforderli-
chen Handlanger beigegeben werden. Die Auslagen, welche diese Wasserleitungen
verursachen, werden aus dem Fonde der k. k. Hofburgauslagen bestritten. Die Neben-
leitungen, welche in die Privathäuser gehen, werden jedoch auf Kosten der betreffenden
Eigenthümer unter Einwirkung des k. k. Hofbauamtes unterhalten. Wird ein Privat-
gebäude von der k. k. Schlosswasserleitung aus mit einer neu angelegten Nebenleitung
versehen, so muss hierfür eine Einkaufsgebühr entrichtet werden. Ausserdem wer-
den in diesem Falle und von mehreren mit Wasser bereits versehenen Häusern für den
Bezug desselben noch jährliche Wasserzinse, nebstbei aber bei jeder eintreten-
den Besitzveränderung die sogenannte Legitimazionsgebühr entrichtet. Der Be-
trag dieser Gebühren ist sehr verschieden, im Ganzen aber nur unbedeutend. Die Wasser-
leitungen, welche in Privathäuser gehen, haben im Lichten der Röhren gewöhnlich einen
Durchmesser von 1½ bis 2 Zoll. Der Wasserzufluss in jedes Gebäude wird nach Mass-
gabe seines Bedarfes und mit Rücksicht auf den eigenen Bedarf der k. k. Hofburg be-
messen und durch die verschiedenen Bohröffnungen in den Hähnen (Wasserwechselwir-
beln) und auch durch die Stellung dieser Hähne von dem hierzu aufgestellten Wasserlei-
tungspersonale regulirt.
§. 179.
II. Die zweite Abtheilung der Wasserleitungen in Prag, welche ein Eigenthum der
Stadtgemeinde ist und auf ihre Kosten durch das städtische Bauamt unterhalten wird,
versieht die Altstadt, Neustadt und den grössten Theil der Kleinseite mit Wasser.
Nachstehende Details hierüber verdanken wir der Mittheilung des Herrn Bauverwalters
Franz Melchior Dückelmann.
Das sämmtliche Wasser, welches die drei Städte in Prag benöthigen, wird aus
dem Moldauflusse mittelst Wasserdruckwerken, welche an den bestehenden Wehren an-
gelegt sind, in Behälter oder Reservoirs auf Wasserthürmen gehoben, von wo es ohne
einer weitern Reinigung unmittelbar durch Röhren in die Stadt geführt wird. Die
Höhe des Wasserspiegels in den Behältern auf diesen Thürmen über dem Wasserspiegel
im Moldauflusse ist zwar nicht überall dieselbe, beträgt aber an keinem Orte weniger
als 16 und nirgends mehr als 21 N. Oe. Klafter.
Die Zeit, in welcher diese Wasserwerke angelegt wurden, lässt sich nicht bestimmt
nachweisen. Es unterliegt jedoch keinem Zweifel, dass die Wehren in Prag hauptsäch-
lich zum Behufe der Wasserdruckwerke, und nicht so sehr der Mühlen wegen angelegt
wurden. Da es in der Gegend der Altstadt und Neustadt keine Teiche und Quellen gibt,
folglich das Wasser auf solchem Wege nicht zugeleitet werden konnte, so musste man
schon vor mehreren Jahrhunderten bedacht seyn, die Altstadt und später auch die Neu-
32*
[252]Wasserleitung für die drei Prager Städte.
stadt mit Wasser zu versehen. Die Wehren und die an denselben liegenden Wasser-
druckwerke wurden demnach erbaut, und da man eine hinreichende Kraft hatte, auch
Mühlen an den Wehren angelegt. Alle diese Bauten wurden auf Kosten der Stadt-
gemeinde ausgeführt; um sich jedoch der Unterhaltungskosten der Mühlen zu entle-
digen, wurden dieselben später emphiteutisch oder gegen einen jährlichen Zins mit Vor-
behalt des Dominium verkauft. Dass die Wehren schon vor Kaiser Karl IV. im vier-
zehnten Jahrhunderte angelegt wurden, erhellet daraus, weil dieser Monarch ein Patent
über die Regulirung der Wehren zwischen Prag und Budweis hinsichtlich der Schiffahrt
und des Mühlwesens erliess. Auch sollen zur Zeit Karls IV. die Neu-Mühlen angelegt
worden seyn. Die sogenannten Schiffmühlen, die jetzt auch Wehren haben, sind unter
König Wenzeslaus im Jahr 1396 anzulegen bewilligt worden.
Das altstädter Wasserwerk besteht aus zwei Druckwerken, deren jedes
mit vier Stiefeln versehen ist; hiervon werden 13 öffentliche Röhrkästen, 11 öffentliche
Gebäude und 70 Privathäuser mit Wasser versehen; dieses Wasserwerk führt demnach
das Wasser in 94 Ableitungen in der Stadt.
Das Neu-Mühlen-Wasserwerk auf der Neustadt besteht gleichfalls aus
zwei Druckwerken, wovon jedes mit vier Stiefeln versehen ist. Hiervon werden 9 öf-
fentliche Röhrkästen, 7 öffentliche Gebäude und 47 Privathäuser mit Wasser versehen;
dieses Wasserwerk hat demnach im Ganzen 63 Ableitungen.
Das Schüttkaaer Wasserwerk auf der Neustadt besteht aus zwei Druckwerken
jedes mit vier Stiefeln. Hiervon werden 10 öffentliche Röhrkästen, 20 öffentliche Ge-
bäude und 84 Privathäuser, demnach zusammen 114 Orte mit Röhrwasser versehen.
Das kleinseitner Wasserwerk besteht ebenfalls aus zwei Druckwerken, die
zusammen mit 7 Stiefeln versehen sind. Hiervon werden 5 öffentliche Röhrkästen, 8
öffentliche Gebäude und 31 Privathäuser, demnach zusammen 44 Orte mit Röhr-
wasser versehen.
Die Reservoirs (Kessel), welche, sich auf den Wasserthürmen befinden, halten im
Durchschnitte 36 Kubikfuss Wasser. Aus diesen Reservoirs läuft das Wasser durch Ab-
leitungsröhren in die Stadt, und zwar sind bei dem altstädter Wasserwerke 5 solche
Röhren von 4 Zoll Durchmesser im Lichten, bei dem Neu-Mühlen-Wasserwerke 4 Röhren
von 4 Zoll, bei dem Schüttkauer Wasserwerke 6 Röhren von 4 Zoll, endlich bei dem klein-
seitner Wasserwerke 4 Röhren von 3 Zoll Durchmesser angebracht.
Im Durchschnitte schafft jede Wasserdruckmaschine in einer Minute 25 Kubikfuss
Wasser in das Reservoir am Wasserthurme; ein jedes Wasserwerk liefert daher 50 Ku-
bikfuss Wasser in der Minute. Man kann jedoch 10 Prozent hiervon als zu viel vorhan-
denes Wasser, welches die angeführten Ableitungsröhren nicht fassen, annehmen; dieses
fällt durch ein besonderes Abfallsrohr (tuyau de trop plein) wieder in die Moldau ab.
Hieraus ergibt sich der reine Zufluss des Wassers in der Stadt von jedem der 4 Wasser-
thürme im Durchschnitte mit 45 Kubikfuss in der Minute.
Wir haben bereits angeführt, dass die Kleinseite überdiess von der k. k. Schloss-
wasserleitung für 3 öffentliche Röhrkästen und 7 Privathäuser das Wasser bezieht.
Nebstdem werden am Hradschine 2 öffentliche Röhrkästen und 5 Privathäuser mittelst
[253]Wasserleitung für die drei Prager Städte.
einer besonderen, der prager Stadtgemeinde gehörigen und in der Gegend vor dem
Reichsthore in Röhren aufgefassten Quellwasserleitung mit dem nöthigen Wasser versehen.
Der Röhrkasten im sogenannten hohlen Wege bezieht das Wasser aus der Quelle
unter dem Hause N. C. 156 auf dem Hradschin.
Endlich wird aus mehreren Quellen, welche sich im Schanzengraben zwischen dem
Rossthore und blinden Thore befinden, das Wasser durch die Schanzen in das Haus
Nr. 577 in der Schanzengasse geführt.
Diess ist die ganze Vertheilung des Röhrwassers in der Hauptstadt Prag. Nebst-
bei gibt es eine bedeutende Anzahl Brunnen in allen Gegenden der Stadt, wo das
Wasser durch gewöhnliche Pumpen gehoben und als Trinkwasser verwendet wird.
Endlich wird vorzüglich von der ärmern Klasse an beiden Ufern der Moldau viel Was-
ser unmittelbar aus dem Flusse geholt und verwendet. Hieraus ergibt sich, dass man
die Wasserkonsumzion, welche auf einen Bewohner entfällt, nicht zu berechnen im
Stande sey. Wie viel jedoch die vier angeführten Wasserwerke geben, erhellet aus
der angeführten an Ort und Stelle durch das städtische Bauamt vorgenommenen, uns
mitgetheilten Abmessung. Die umständliche Beschreibung und Theorie der Druckwerke
wird später fogen.
§. 180.
Wie die Röhren in der Stadt eingerichtet sind, wie selbe gelegt und von Zeit
zu Zeit gereinigt werden, haben wir Seite 232 bis Seite 237 angeführt. Es ist nicht
zu läugnen, dass das gegenwärtige Verfahren, die gusseisernen Röhren 7 bis 8 Fuss
unter der Er doberfläche einzugraben, in mehrerer Hinsicht unbequem sey, indem es
nicht bloss schwierig wird, eine mangelhafte Stelle der Röhrenleitung, wo z. B. Was-
ser verloren geht, aufzufinden, sondern auch die jedesmalige Aufreissung des Pflasters
und die Ausgrabung der Röhren bedeutende Unkosten und Hemmungen in der Kom-
munikazion dermassen verursacht, dass manchmal einzelne Gassen durch zwei oder
mehrere Tage für das Fuhrwerk gesperrt bleiben. Diesen Uibelständen wäre offenbar
dadurch abgeholfen, wenn die Röhren in eigenen unter dem Strassenpflaster hinrei-
chend tief liegenden gewölbten Kanälen fortgeführt würden. Man hat inzwischen die-
sem Vorschlage nicht bloss die Kostspieligkeit, sondern auch den Umstand entgegen-
gesetzt, dass die bereits bestehenden unterirdischen Abzugs- oder Unrathskanäle wegen
der nothwendigen Gefällseintheilung grösstentheils nicht in jene Tiefe gelegt werden
konnten, wo das Wasser nicht mehr einfriert, dass sonach diese Kanäle für die Auf-
nahme der Wasserleitungsröhren, wie es z. B. in Paris der Fall ist, nicht geeignet
sind, neue Kanäle aber in einigen schmälern Strassen selbst nicht den nöthigen Raum
finden und ihre Anlage einen bedeutenden Fond fordern würden.
§. 181.
Die beschriebenen Druckwerke und sämmtliche Wasserleitungen, welche von densel-
ben ausgehen, sind ein Eigenthum der prager Stadtgemeinde und stehen unter der Ver-
waltung des Magistrates. Die öffentlichen Röhrkästen, welche nach unserer Be-
schreibung in hinreichender Anzahl vorhanden sind, geben der ärmern Klasse und über-
haupt allen Einwohnern Gelegenheit, sich das benöthigte Wasser unentgeltlich zu ver-
[254]Wasserleitung für die drei Prager Städte.
schaffen. Damit jedoch die Stadtgemeinde für die bedeutenden Auslagen gedeckt werde,
welche durch die Unterhaltung der vier Wasserdruckwerke und der hiermit in Verbin-
dung stehenden weit verzweigten Röhrenleitungen veranlasst werden, ist folgende Norm
für den Bezug des Wassers in Privathäusern festgesetzt.
Wenn ein Haus noch keine besondere Wasserleitung hat und die zunächst liegende
städtische Hauptleitung disponibles Wasser besitzt, so muss der Besitzer des Hau-
ses zuerst das Wasser einkaufen. Die bestimmte Summe hierfür beträgt nach der
Grösse des Gebäudes 300 bis 500 fl. C. M. Ist diess geschehen, so wird die Röhren-
leitung in das Gebäude von der Hauptleitung aus auf Kosten des Besitzers unter Aufsicht
des Stadtbauamtes gelegt; der Besitzer übernimmt zugleich die Verpflichtung, diese
Nebenleitung von dem Hauptröhrengange aus für alle kommende Zeiten zu unterhalten,
und überdiess muss derselbe einen jährlichen Zins für den Bezug des Wassers ent-
richten; dieser letztere ist nach der Grösse der Gebäude in drei Klassen eingetheilt.
Zur ersten Klasse gehören die Fabriken, Bräuhäuser, Branntweinbrennereien und an-
dere grössere Industrialanstalten; diese Klasse zahlt 24 fl. C. M. jährlichen Zins. Zur
zweiten Klasse gehören Herrschaftshäuser und andere grosse Privathäuser, welche jähr-
lich 20 fl. C. M. Zins entrichten. Zur dritten Klasse endlich gehören kleinere Pri-
vathäuser, die 12 fl. C. M. jährlichen Zins für den Bezug des Wassers zu zahlen haben.
So oft ein Haus verkauft wird, muss überdiess der neue Besitzer desselben, auch
wenn es schon mit einer Wasserleitung versehen ist, eine Erneuerungs- oder sogenannte
Legitimazionsgebühr entrichten; diese beträgt für die erste Klasse 200 fl., für
die zweite Klasse 150 fl. und für die dritte Klasse 100 fl. C. M.
Kasernen, Aerarialgebäude und jene Gebäude, welche sich in der sogenannten todten
Hand befinden oder wo keine Veränderung des Besitzers eintritt, machen mit der Stadt-
gemeinde besondere Verträge, kraft welcher z. B. bei den Kasernen bloss der jähr-
liche Betrag von 100 bis 200 fl. C. M. entrichtet, dagegen aber von der Stadtgemeinde
auch die Unterhaltung der Röhrenleitung bis in das Gebäude und innerhalb desselben
übernommen wird.
Wenn wir diese Geldbeträge mit jenen vergleichen, welche in England und Frank-
reich mit 5 bis 7 Prozent des Hauszinses jährlich bezahlt werden, so erscheinen sie in
der That sehr gering. Ein Herrschaftshaus, welches jährlich 20 fl. und bei Erneue-
rung des Besitzers wieder 150 fl. zahlt, erhält demnach im Durchschnitte beiläufig um
25 fl. jährlich den Wasserbedarf für einen im Hause angelegten Röhrkasten, wovon nicht
bloss die Bewohner dieses Hauses, sondern, wie es gewöhnlich der Fall ist, auch der umlie-
genden Häuser, die daselbst das Wasser holen, hiermit versorgt werden. Wollte man
den jährlichen Miethzins eines solchen Herrschaftshauses nur zu 2000 fl. anschlagen, so
betrüge die Auslage für das Wasser 1/80 oder 1¼ Prozent des Hauszinses. Ein Privat-
Wohngebäude, welches in die dritte Klasse gestellt, mit 12 fl. jährlich und einer Legiti-
mazionsgebühr von 100 fl. bei Veränderung des Besitzers belastet wird, kann im Durch-
schnitte mit jährlichen 15 fl. Wassertaxe und wenigstens mit 1200 fl. Miethzins in An-
schlag genommen werden. Die Wassertaxe beträgt demnach abermals nur 1¼ Prozent
des jährlichen Miethzinses. Schlägt man nun auch das erste Ankaufskapital für das
[255]Bestimmung des französischen W[as]serzolles.
Wasser, die Anlagskosten der hergestellten Nebenleitung und die Unterhaltungskosten
derselben verhältnissmässig hinzu, so dürfte sich dennoch in keinem Falle ein höhe-
rer Betrag als beiläufig 2½ Prozent des Miethzinses der Häuser ergeben. Die Bewoh-
ner von Prag haben daher im Verhältnisse zu ihrem Miethzinse das Wasser 2 bis 3
Mal wohlfeiler, als es in Frankreich und England der Fall ist.
Wir haben noch zu bemerken, dass das Wasser in allen Gebäuden zu Prag in
eigene steinerne Röhrkästen geführt wird, wohin es ohne Unterbrechung bei Tag
und Nacht zuläuft. Das überflüssige Wasser läuft durch eine Abfallsröhre in den
nächsten Unrathskanal. Damit endlich kein Gebäude zu viel Wasser erhalten könne,
sind die Nebenröhren in die Gebäude, welche 1½ bis 2 Zoll im Lichten Weite haben,
mit Hähnen versehen, deren Bohrung nach der Entfernung vom Wasserthurme, der
Statt findenden Druckhöhe und der benöthigten Wassermengen bemessen ist, und
häufig nur 8, ja selbst nur 3 Linien beträgt. Der Eigenthümer eines Hauses kann
demnach keine grössere Wassermenge erhalten, wenn er nicht etwa den bestimmten
Hahn durch einen andern mit grösserer Bohröffnung verwechselt, für dessen Verhin-
derung aber das aufgestellte Aufsichtspersonale zu sorgen hat.
§. 182.
Bevor wir eine Skizze der Wasserleitungen in Frankreich und vorzüg-
lich jener von Paris liefern, müssen wir bemerken, dass daselbst eine eigene Einheit
zum Messen der von einer Wasserleitung gelieferten Wassermenge angenommen
wird. Dieselbe wird nämlich nach einer alten von Mariotte vorgeschlagenen Einheit,
den Wasserzollen (pouce de fontainier) gemessen. Hierunter versteht man die
Wassermenge, welche durch eine kurze Röhre von 1 par. Zoll im Durchmesser bestän-
dig ausfliesst, wenn die Druckhöhe des Wassers 7 par. Linien über der Mitte dieser
Oeffnung beträgt. Da man hierbei weder die Länge der Röhre, noch die Dicke oder
Gestalt der Wand, in welcher die Oeffnung angebracht ist, bestimmt hat, so leuchtet von
selbst ein, dass die Bestimmung der Wassermenge auf diese Art keinen verlässlichen
Anhaltspunkt darbiethet. Nehmen wir inzwischen mit den französischen Ingenieurs
den Zusammenziehungskoeffizienten mit 0,69 an, und setzen g = 15,098 par. Fuss, so
ergibt sich die Wassermenge, welche durch obige Oeffnung in 24 Stunden ausfliesst,
nach der Seite 161 unter dem Texte aufgestellten Formel
par. Kubikfuss oder 18,651 Kub. meter. In neuern Zeiten hat
man jedoch allgemein angenommen, dass 1 pouce Wasser in 24 Stunden 19195,3litres = 19,1953
Kub. meter, demnach in einer Minute 15 Pinten oder 13,33litres Wasser gibt. Diess
macht 608 N. Oe. Kub. Fuss in 24 Stunden und 12,16 N. Oe. Kub. Zoll in 1 Sekunde.
Der französische Wasserzoll wird in 144 gleiche Theile Wasserlinien (lignes d’eau)
genannt, eingetheilt; eine Wasserlinie gibt daher 133,3litres Wasser in 24 Stunden.
Die Wasserleitungen in mehreren französischen Städten wurden schon zur Zeit der
Römer mit ungeheuerem Aufwande angelegt, wie es die noch gegenwärtig vorhandenen
[256]Wasserleitungen in Frankreich.
Uiberreste der Aquedukten bei Metz, Lyon, Nismes und in mehreren andern Städten
des südlichen Frankreichs beweisen. Der Kaiser Julius liess während seines Aufent-
haltes zu Paris (im Jahre 360) den aqueduc d’Arcueil errichten; eine zweite unterirdi-
sche Wasserleitung begann auf den Höhen von Chaillot an dem Ursprunge der dortigen
Mineralquellen und ging durch die jetzigen elysäischen Felder und einen Theil des Tuil-
lerien-Gartens, wahrscheinlich bis in die Mitte des gegenwärtigen Palais Royal. Im
Jahre 1781 fand man nämlich in dem Garten ein Reservoir von römischer Konstrukzion,
welches im Jahre 375 erbaut worden war.
Die Wasserleitungen, welche zuerst für den Gebrauch der Einwohner von Paris an-
gelegt wurden, leiteten das Wasser von Saint-Gervais und Belleville zu, und wurden
vom Jahre 1180 bis 1223 angelegt. Im Jahre 1606 liess Heinrich IV. die erste hydraulische
Maschine (Druckwerk) unter einem Bogen des Pont-Neuf erbauen, um mittelst der-
selben das Wasser aus der Seine zu heben. Im Jahre 1613 wurde der neue aqueduc
d’Arcueil, welcher das Thal des Flusses Bièvre mit einem grossen aqueduc durchschnei-
det, von der Königin Catherine de Medicis hergestellt; im Jahre 1670 wurde das Druck-
werk an der Brücke Notre-Dame errichtet. Die grössten hydraulischen Monumente
wurden jedoch unter Ludwig XIV. ausgeführt, unter dessen Regierung überdiess sehr viele
wissenschaftliche Untersuchungen über die Bewegung des Wassers in Röhren und Fluss-
betten angestellt wurden. Die Wasserleitungen von Versailles, welche noch heut zu
Tage unter die ausgedehntesten der Welt gehören, wurden damals mit einem Aufwande
von vielen Millionen Livres angelegt. Im Jahre 1682 erbaute der Mechaniker Rannequin
an einem Arm der Seine die Druckmaschine von Marly, mittelst welcher 300 pouces
d’eau auf die Höhe von 162 metres erhoben und das gehobene Wasser von hier nach
Versailles geführt wurde. Die Maschine selbst wurde zur Zeit ihrer Erbauung als das
grösste Kunstwerk angesehen und der Ort desshalb Marly la maschine genannt, allein
die gehobene Wassermenge, welche im Jahre 1694 noch 300 pouces betrug, verminderte
sich fortwährend bis sie im J. 1816 nur noch 28 pouces war. In diesem Jahre wurde die
Maschine abgetragen und an ihrer Stelle eine Dampfmaschine von 64 Pferde Kraft auf-
gestellt, welche letztere 1500 Kub. meter Wasser innerhalb 24 Stunden auf die Höhe
von 162 metres mittelst einer schief hinauflaufenden Röhrenleitung von 1300 metres
Länge hebt.
Unter die grossen Bauwerke des vorigen Jahrhunderts gehört vorzüglich auch noch
der aqueduc de Montpellier, welcher im Jahre 1752 unter der Leitung des berühmten
Ingenieurs Pitot erbaut wurde. Die Länge desselben beträgt 13904 metres von der
Quelle bei Saint-Clément bis zum Platze Peyrou; er endigt sich in einer Länge von
880 metres durch zwei übereinanderstehende gewölbte Bogenreihen (Arkaden), die zu-
sammen 28 metres Höhe haben. Von einem zweiten zur Zeit der Römer bereits erbauten
Aqueduc bei Nismes (pont du gard), welcher aus drei Reihen Bögen über einander be-
steht, ist auch noch der grösste Theil erhalten.
§. 183.
Um die Stadt Paris mit dem Bedarfe an Wasser zu versehen, hatten die Inge-
nieurs Perronet und Chezy bereits im Jahre 1769 den Vorschlag zur Anlegung des
[257]Wasserleitungen in Paris.
Canal de l’Yvette gemacht; die Länge desselben von Chevreuse bis zum Boulevart sollte
17352 loiscs, seine mittlere Breite zwischen der Oberfläche und dem Grundbette 4,5 Fuss,
seine Tiefe 5 Fuss und sein Gefälle 15 Zoll auf 1000 Klafter betragen. Man rechnete,
dass die Geschwindigkeit des fliessenden Wassers 1 Fuss in der Sekunde seyn würde,
wornach diese Leitung 1500 pouces liefern sollte. Die Kosten dieser ganzen Anlage wa-
ren auf 7826000 Livres berechnet.
Dieses Projekt kam jedoch damals nicht zu Stande, allein am 7ten Februar 1777
erhielten die Sieurs Périer das 15 jährige Privilegium (lettres patentes) auf ihre Ko-
sten Pumpen, Dampfmaschinen und Röhrenleitungen an beliebigen Orten zu errichten,
mittelst derselben das Wasser aus der Seine in die verschiedenen Stadtheile zu lei-
ten, und dort um einen beliebigen Preiss zu verkaufen. Die einzige Verpflichtung hier-
bei war, dass binnen 3 Jahren durch diese Wasserleitung wenigstens 1050 pouces Was-
ser vertheilt werden sollten. Périer hatte die ersten Auslagen auf 1440000 Livres be-
rechnet und bildete zu diesem Behufe am 27ten August 1778 eine Akziengesellschaft
unter den wohlhabendsten Einwohnern von Paris, welche dieses Kapital mittelst 1200
Akzien zusammenlegten. Diese Gesellschaft erbaute zuerst die Dampfmaschinen von
Chaillot (pompes à feu de Chaillot), welche noch gegenwärtig bestehen. Zwei Ma-
schinen, deren jede die Kraft von 80 Pferden haben soll, und abwechselnd im Gange
sind, treiben das Wasser in einen gemeinschaftlichen Windkessel. Die Pumpen selbst
sind Saug- und Druckpumpen, haben 2 Fuss im lichten Durchmesser und die Höhe jedes
Hubes, der beiläufig 6 Sekunden erfordert, beträgt 7 Fuss. Der Windkessel ist von
Gusseisen, etwa 6 Fuss weit, 20 Fuss hoch und das Wasser steigt aus demselben
in zwei Reservoirs, von welchen aus es durch Röhren weiter geleitet wird. Diese
Anlage besteht zwar noch, befindet sich aber, da die Dampfmaschinen ganz nach der
alten Konstrukzion erbaut sind, in einem sehr unvollkommenen Zustande. Dieselbe Ge-
sellschaft stellte auf dem andern Ufer der Seine die Dampfmaschine Gros-Caillou
auf, um die Vorstadt Saint-Germain mit Wasser zu versehen. Diese Maschine hat
nur die Kraft von 24 Pferden und hebt das Wasser in ein mit Blei ausgelegtes Reser-
voir von 15 Fuss Länge, 12 Fuss Breite und 4 Fuss Tiefe, welches in der Höhe von
beinahe 100 Fuss in einem Thurme aufgestellt ist. Diese Maschinen und die hiermit
in Verbindung stehenden Röhrenleitungen hatten jedoch die Fonds der Gesellschaft der-
massen erschöpft, dass sie bis zum Juli 1786 eine Summe von 8800000 Livres ausgege-
ben hatte, welche durch 5100 Akzien vorgestellt wurde. Da inzwischen die Stadtge-
meinde einen Theil des Kapitales gegen Verpfändung der Akzien vorgestreckt hatte,
so wurden nach langen Verhandlungen der Gesellschaft sämmtliche Akzien, das Privi-
legium und alle Wasserleitungen sammt Zugehör von der Stadt Paris um den Betrag
von 18360000 Livres abgenommen. Seit dieser Zeit werden die Wasserleitungen auf
Kosten der Stadtgemeinde in Paris unterhalten und für ihre Rechnung das erforder-
liche Wasser daselbst an den öffentlichen Fontainen verkauft.
§. 184.
Wir übergehen die weitern Details über die pariser Wasserleitungen, welche in
dem Werke von Girard, Mémoire pour servir d’introduction au devis général des
Gerstner’s Mechanik. Band II. 33
[258]Wasserleitungen in Paris.
ouvrages à éxecuter pour la distribution des eaux du Canal de l’Ourcq dans l’in-
térieur de Paris (Paris, 1812) enthalten sind. Diesem gemäss sollen die Wasserlei-
tungen folgendes liefern:
- 1. Die Wasserleitungen von Prés Saint-Gervais, Belleville und
Ménil-montant _ _ 15 Pouces. - 2. Die Leitung von Arcueil _ _ 50 —
- 3. Die Dampfmaschine Chaillot _ _ 280 —
- 4. Die Dampfmaschine Gros-Caillou _ _ 70 —
- 5. Die Pumpe an der Brücke Notre Dame _ _ 48 —
- 6. Die kleinen Pumpen und Schöpfwerke _ _ 17 —
- in Allem _ _ 480 Pouces
- oder in 24 Stunden 8952 Kubik-Meter.
Diese Wassermenge wird jedoch nicht unmittelbar für das Bedürfniss der Stadtbe-
wohner, sondern ein grosser Theil hiervon zur Reinigung der Strassen (lavage des rues),
welche in Paris häufig Statt finden muss, da in den meisten Strassen die Unrathska-
näle (égouts) noch fehlen, dann auch zu den öffentlichen Springbrunnen verwendet,
aus welchen das überflüssige Wasser unbenützt abläuft. Die wirkliche, für das Bedürf-
niss der Einwohner verwendete Wassermenge ergibt sich aus der Berechnung, welche
Benoiston de Chateauneuf in seinen Recherches sur les consommations de tout genre
de Paris, im Jahre 1817 bekannt machte; nämlich:
- Anzahl der Häuser in Paris _ _ 26000
- „ „ Einwohner „ _ _ 713966
- Jährliche Auslagen dieser Einwohner für ihren Wasserbedarf _ _ 6200000 Francs.
- Das täglich verbrauchte Wasser beträgt _ _ 169390 voies zu 23
litres. Hieraus folgt, dass jedes Haus beiläufig eine Wasserlinie (133,3litres) täglich be-
darf, und dass jeder Einwohner für das verbrauchte Wasser jährlich 8 Francs 68 centimes
entrichten muss. Das Wasser, welches den Einwohnern in eigenen Tonnen zugeführt
wird, muss jedoch vorher, wenn es zum Trinken dienen soll, einer Filtrirung unter-
worfen werden. Die Anstalten hierfür sind in eigenen grossen Gebäuden an den Ufern
der Seine eingerichtet. Mittelst der hydraulischen Maschinen wird das, häufig sehr
unreine Flusswasser in grosse Behältnisse, welche sich unter dem Dache der Gebäu-
de befinden, gehoben und setzt daselbst den grössten Theil des Schlammes und der
Erde, welche es mit sich führt, ab. Aus diesem Behälter gelangt es in andere tiefer
liegende Behälter, wo es durch eine Lage von groben Flussand und dann durch eine
zweite Lage von solchem feinern aber scharfen Flussand, der mit Kohle gemischt
wurde, geleitet wird. Von hieraus fliesst das Wasser durch lange Rinnen, die mit sehr
vielen kleinen, mit Badeschwämmen bedeckten Oeffnungen versehen sind, ab, und lässt
die allenfalls noch mitführenden Schlammtheile in diesen Schwämmen zurück, so dass
es ganz rein aus den kleinen Oeffnungen herausläuft und nun in Tonnen gefüllt, auf
Wägen abgeführt und in der Stadt verkauft wird. Der Preiss dieses Wassers ist auf
10 centimes (2,4 kr. C. M.) für eine voie (23 litres oder 0,723 N. Oe. Kub. Fuss) festge-
setzt, welches demnach 3,3 kr. C. M. für 1 Nied. Oest. Kubikfuss beträgt. In eini-
[259]Wasserleitungen in Paris.
gen Privathäusern sind noch überdiess kleinere Filtrirapparate (Filtres depuratoires)
aufgestellt, in welchen das Wasser von oben durch verschiedene abwechselnde Schich-
ten von Sand und Kohlenpulver, so wie häufig auch durch eine Lage Badeschwamm
dringt und unten gereinigt ausfliesst.
§. 185.
Aus dieser Darstellung erhellet, wie unvollkommen und unbequem die Anstalten zur
Herbeischaffung des brauchbaren Trinkwassers in Paris sind, und wie theuer dieser noth-
wendige Lebensartikel den dortigen Einwohnern zu stehen kommt. Da überdiess für
jeden Menschen täglich 20 litres oder 1/50 Kub. meter, demnach für eine Bevölkerung
von nahe an 800000 Einwohnern täglich 16000 Kub. meter, oder beinahe 860 Wasserzoll
erfordert werden, die gegenwärtigen Anstalten aber nur die Hälfte liefern, so wurde
der Ourcq-Kanal unter der Konsular-Regierung nach dem Plane des Ingenieurs
Girard angelegt. Dieser Kanal gehört unter die grössten Bauwerke, welche in Frank-
reich ausgeführt wurden. Mittelst desselben wird das Wasser aus den Flüssen Ourcq
und Beuvrone nach Paris geleitet, seine Länge beträgt von der prise d’eau in Mareuil am
Flusse Ourcq, wo er beginnt, bis Paris 93922 métres oder 12,4 N. Oe. Meilen. Der
Bau desselben wurde im September 1802 angefangen, und so thätig betrieben, dass er
bereits im Jahre 1805 mit Wasser angelassen wurde. Der Kanal endigt sich mit ei-
nem grossen Bassin (Bassin de la Villete) von 600 Toisen Länge und 60 Toisen
Breite. Von hier aus wird der Aqueduc de ceinture mit Wasser gespeist. Dieser
Aqueduc geht durchaus unterirdisch gewölbt unter Häusern, Strassen und Gärten längs
der Anhöhe auf der Nordseite von Paris fort. Er ist 4080 met. lang, 1,5met. breit und
beinahe eben so tief, seitwärts befindet sich ein schmaler Fussweg von ½ met. Breite und
er kann mit einem kleinen Kahne befahren werden; seine Soole ist durchaus horizontal,
das Wasser steht daher in demselben beinahe überall so hoch, als in dem Bassin de la
Villete. Dem ursprünglichen Plane gemäss, welchen Herr Girard am 1ten Februar 1808
vorlegte, sollte von diesem Kanale aus das Wasser in die niedrigern Gegenden der Stadt
in Röhren von Gusseisen geführt werden. Allein dieser Plan, worauf sich eine weit ver-
zweigte Leitung des Wassers in Paris gründete, ist bis jetzt noch nicht zur Ausführung
gekommen; der Kanal von Ourcq, auf dessen Bau bis zum 1ten Jänner schon 14353118 Fr.
ausgelegt waren, ist noch immer nicht ganz vollendet, und so wird nur der kleinste Theil
der Wassermenge, welche der Kanal abführt und die nach Girard 13500 Wasserzoll zur
Zeit der grössten Dürre betragen soll, gegenwärtig verwendet.
Bereits im Jahre 1814 hatte eine englische Gesellschaft den Ingenieur Mylne von Lon-
don nach Paris geschickt, um der Regierung den Antrag zu machen, die Arbeiten des
Kanales von Ourcq zu beendigen und eine vollkommene Röhrenleitung in allen Theilen
der Stadt anzulegen, mittelst welcher ein jedes Haus mit reinem Wasser versehen wer-
den kann. Allein die Verhandlungen hierüber scheiterten. Am 23ten Dezember 1829 er-
schien endlich eine königliche Ordonanz, welche die Stadt Paris ermächtigte, die Un-
ternehmung der allgemeinen Vertheilung des Wassers (Entreprise de la distribution gé-
nérale d’eau dans Paris) durch öffentliche Konkurrenz ausführen zu lassen. Die Ge-
sellschaft, welche diese Ausführung zu übernehmen wünschte, sollte 1tens auf ihre Ko-
33*
[260]Springbrunnen in Paris.
sten Dampfmaschinen und ein System von Röhrenleitungen anlegen, mittelst welcher täg-
lich 2000 Wasserzoll aus der Seine gehoben und innerhalb der Strassen von Paris in die
Wohngebäude vertheilt verden können, 2tens auf ihre Kosten alle Arbeiten beendigen,
wodurch täglich 4000 Wasserzoll aus dem Bassin de la Villete theils den öffentlichen
Fontainen zugeführt, theils auch zum Bespritzen der Strassen und Reinigen der Unraths-
kanäle verwendet werden, 3tens von dem erstgenannten Seine-Wasser sollte die Ge-
sellschaft 300 Wasserzoll für öffentliche Röhrkästen und öffentliche Gebäude, Spitäler,
Kasernen, Gefängnisse, etc. unentgeltlich zuführen, und ausserdem noch 6263/144 Wasserzoll
in andere Gebäude unentgeltlich leiten. 4tens der Verkaufspreiss des Wassers von der
Seine oder dem Ourcq-Kanal dürfte höchstens für Privatpersonen für einen Wasserzoll
5000 Franks jährlich betragen. (Diess gibt 0,5 kr. C. M. für 1 N. Oe. Kubikfuss, oder 6,6
mal weniger, als das Wasser gegenwärtig kostet). 5tens sollte die Gesellschaft von
ihrer für das verkaufte Wasser eingegangenen Brutto-Einnahme wenigstens den zehnten
Theil als Minimum an die Stadtgemeinde entrichten und die Unternehmung sollte
jener Gesellschaft zugeschlagen werden, welche sich zu der höchsten Abgabe des
Brutto-Einkommens an die Stadt erklärt, endlich 6tens sollte nach Ablauf von 99
Jahren die Stadtgemeinde ohne weitere Entschädigung zu dem vollkommen freien
Eigenthum der ganzen Unternehmung und Zugehör gelangen.
Die Berechnungen, welche von mehreren Ingenieurs über die Kosten dieser Unter-
nehmung gemacht wurden, wiesen eine Summe von 6 Millionen Francs zur Beendigung
der Arbeiten am Kanal von Ourcq und Leitung von 4000 Wasserzoll zu den öffentli-
chen Fontainen und den andern oben angeführten Zwecken, dann weitere 14 Millionen
zur Anlage der Dampfmaschinen und eines vollkommenen Röhrenleitungssystems aus,
mittelst welchem 2000 Wasserzoll aus der Seine gehoben und in sämmtliche Strassen
nach Bedarf unter die Wohngebäude vertheilt werden können.
Diese bedeutende Summe von 20 Millionen Francs und die übrigen Bedingungen
der Konzession haben aber bisher noch keine Gesellschaft weder in Frankreich, noch
in England vermocht, die Unternehmung zu übernehmen, und so wird bis heut zu
Tage noch der grösste Theil des Wassers zu dem angeführten hohen Preise in den
Strassen von Paris verkauft, was bei der Menge Wägen die hierzu erfordert werden,
keine kleine Unbequemlichkeit daselbst verursacht.
§. 186.
Am Schlusse dieser Beschreibung der Wasserleitungen von Paris fügen wir noch
die Beschreibung zweier vorzüglichen Springbrunnen bei, welche auf der 51. Ta-
Fig.
1
Tab.
51.fel dargestellt sind. Hiervon stellt Fig. 1 den Springbrunnen im Palais royal vor,
welcher wegen seiner Aehnlichkeit mit einer Garbe gerbe d’eau genannt wird. Die
Röhrenleitung, welche das Wasser hierher zuführt, beginnt bei einer Brunnstube (regard)
am Anfange der galerie des Martyrs und hat im Ganzen eine Länge von 2661 meter
und einen Durchmesser von 0,25meter. Das Bassin hat 25 meter im Durchmesser und
0,45meter Tiefe. Die in der Mitte dieses Bassin senkrecht aufsteigende Röhre ist mit
einer kupfernen Ansatzplatte (Crapaudine oder Champignon genannt) bedeckt,
[261]Wasserleitungen in England.
welche, wie Fig. 2, zeigt mit 17 Oeffnungen zur Ausströmung des Wassers versehen ist.Fig.
1
bis
8.
Tab.
51.
In eine jede dieser Oeffnungen ist ein Guss- oder Ausflussrohr angeschraubt, welches
Fig. 3 bis 6 dargestellt ist. Die gusseiserne Röhre C D (tuyau du trop-plein) ist
mit einer kupfernen Einflussöffnung versehen, und mit einem eisernen Gitter bedeckt,
damit durch dieselbe nur das überflüssige Wasser in den gewölbten Kanal ablaufen
und keine andern Körper zufällig hineinkommen können. Der Durchschnitt Fig. 7
zeigt den gewölbten unterirdischen Kanal sammt der gusseisernen Wasserleitungsröhre
und Fig. 8 denselben Kanal an einem Orte, wo das Gewölbe zum Hinabsteigen mit
einer Oeffnung, die durch ein gusseisernes Gitter geschlossen wird, versehen ist. Der
Hahn A, womit die Zuleitungsröhre geschlossen werden kann, ist von derselben Kon-
strukzion, welche wir Seite 239 beschrieben und Fig. 5 und 6, Tab. 49 dargestellt
haben. Der Springbrunnen liefert beiläufig 85 Wasserzoll. Die Auslage für das Bassin
ohne die Zuleitungsröhren und Kanäle betrug 33164 Francs.
Fig. 9 und 10 enthalten die Ansicht und den Durchschnitt einer Fontaine desFig.
9
und
10.
place royale, wo im Ganzen 4 solche Fontainen aufgestellt sind. Die gusseiserne Haupt-
zuleitungsröhre hat abermals einen Durchmesser von 0,25metres im Lichten, theilt
sich jedoch bei dem Eingange auf diesen Platz in mehrere Arme, die zu den 4 Fon-
tainen führen. Da die Hähne bei einer Zuleitungsröhre unterhalb der Fontaine nur
0,103metre Bohröffnung haben, so sind bloss gewöhnliche Kegelhähne A daselbst ange-
bracht, mittelst welcher nun der Zufluss zu jeder Fontaine regulirt werden kann. Durch
den Hahn B kann das Wasser der vertikalen Steigröhre abgelassen werden, durch die
Röhre C D wird das überflüssige Wasser aus der Fontaine in den nächsten Behälter
zurückgeführt; diese Ableitungs- und die Zuleitungsröhren sind hier in der Erde bloss
eingegraben. Ein jeder von den 4 Springbrunnen liefert 6 bis 7 Wasserzoll. Die Aus-
lage für diese 4 Springbrunnen betrug 68000 Francs.
§. 187.
Die Wasserleitungen (Waterworks) in England gehören unter die grössten
Unternehmungen, die daselbst von Privatgesellschaften ausgeführt wurden. In jeder
grössern Stadt wird dermalen der Wasserbedarf für den häuslichen Gebrauch, so wie
für technische Unternehmungen von solchen Leitungen bezogen, die durch Akzienge-
sellschaften ausgeführt wurden. Bei denselben hat die Regierung bloss in den bezüg-
lich ihrer Ausführung erlassenen Parlamentsakten durch weise Verfügungen das Inte-
resse der Unternehmer und des Publikums zweckmässig zu vereinigen gewusst. Das
Studium dieser Parlamentsakten ist daher für jeden, welcher einen Entwurf für eine
solche Unternehmung zu machen hat, von grösster Wichtigkeit; es würde jedoch
den Raum unserer Blätter und den nächsten Zweck dieses Werkes überschreiten, wenn
wir uns mit dem Detail dieses übrigens sehr wichtigen Gegenstandes zu lange be-
schäftigen wollten. Indem wir daher unsere Leser, welche eine nähere Kenntniss hiervon
zu besitzen wünschen, auf die englischen, hierüber durch den Druck bekannt gemachten
Untersuchungen, Berichte und Parlamentsakten verweisen, liefern wir zugleich nach-
stehende gedrängte technische Uibersicht der englischen Wasserleitungen.
[262]Wasserleitungen in London.
Die meisten Wasserwerke in England liegen an den Flüssen, welche die grossen
Städte durchschneiden, und zwar an den obern Theilen dieser Flüsse. Die Liebe zur
Reinlichkeit, welche in England so sehr vorherrscht, gestattet nämlich nicht ein Was-
serwerk in einer Stadt unterhalb der Ausmündungen der Unrathskanäle anzulegen. Die
wenigen Wasserwerke, bei deren Anlage dieses nicht berücksichtigt war, mussten in den
letztern Jahren abgebrochen und an einen höhern Theil des Flusses gelegt werden. Ein
solches Wasserwerk besteht gewöhnlich aus mehreren Pumpensätzen (Saug- und Druck-
werken), welche durch die Kraft einer hinreichend starken Dampfmaschine betrieben
werden. Das angesaugte Wasser wird entweder in ein höher gelegenes Reservoir ge-
hoben, und fliesst von dort durch den hydrostatischen Druck in einer Hauptröhre, wel-
che mit vielen andern Nebenröhren verbunden ist, an den Ort seiner Bestimmung, oder
das Wasser wird unmittelbar durch die Kraft der Dampfmaschine in die Hauptröhre
gepresst, von wo es dann durch Nebenröhren weiter gelangt. Mittelst eines zunächst
der Dampfmaschine angebrachten gusseisernen Windkessels wird die gleichförmige Be-
wegung des Wassers in den Röhren bewirkt. In dem Reservoir, welches gewöhnlich
einen sehr bedeutenden Umfang hat, setzen sich die Schlammtheile und die übrigen Un-
reinigkeiten, welche das Wasser mit sich führt, zu Boden, und es fliesst das reine Was-
ser durch die Röhren ab; zuweilen wird jedoch das Wasser in diesem Behälter erst
einer Filtrirung unterworfen, welche dann darin besteht, dass das Wasser durch mehrere
Lagen scharfen Sand, der zuweilen mit Kohle vermischt wird, vor seinem Abflusse in
die Röhren geleitet wird. Im Innern der Wohngebäude gehen die Wasserleitungsröhren
entweder bloss zu ebener Erde (low service) oder sie münden in allen Stockwerken bis
unter dem Dache aus (high service); eine jede Art Leitung fliesst nur zu bestimmten
Tagesstunden aus und muss auch besonders bezahlt werden.
§. 188.
Die Wasserleitungen in London lernt man am genauesten aus den, im Par-
lamente im Jahre 1828 hierüber Statt gehabten Verhandlungen kennen. Zu jener Zeit
langten nämlich mehrere Bittschriften im Parlamente ein, worin über den Bezug des
Wassers Beschwerde geführt wurde. Hierauf wurden folgende Berichte erstattet:
I. Report of the Commissioners appointed by his Majesty to inquire into the State of
the Supply of Water in the Metropolis. Dated 21 April 1828. II. Report from the
select Committee on the Supply of Water to the Metropolis. Ordered, by the House of
Commons, to be printed, 19 July 1828. In den folgenden Jahren erschienen noch
einige andere Berichte dieser Art.
Aus diesen Berichten ergibt sich, dass London von 8 Privatgesellschaften, die
Wasserwerke auf Akzien errichteten, mit Wasser versehen wird. Die Wasserwerke
Nro. 1 bis 5 in dem nachfolgenden Verzeichnisse liegen auf der linken Seite der Themse,
jene Nro. 6 bis 8 auf dem rechten Ufer. Die Gesellschaft New River bezieht den
grössten Theil ihres Wassers aus Quellen, die Gesellschaft East London bezieht ihr
Wasser aus dem Flusse Lea, welcher sich in die Themse einmündet; die übrigen
Gesellschaften nehmen jedoch alles Wasser aus der Themse. Nachstehende Uibersicht
enthält die wichtigsten Daten über diese Wasserwerke.
[263]Wasserleitungen in London.
Da diese Tabelle aus den angeführten Parlamentsverhandlungen ausgezogen ist,
so können auch alle hierin angeführten Daten, welche die Verhältnisse der Unternehmun-
gen der Wasserwerke für das Jahr 1827 betreffen, als ganz richtig angesehen werden.
Wir sehen hieraus,
1tens, dass für die ganze Populazion von 1300000 Menschen, wie sie zu jener Zeit
beiläufig war, täglich 30534000, demnach auf einen Einwohner täglich 23,49Gallons
Wasser ausfiel, wofür derselbe im Durchschnitte jährlich 2⅔ sh. zu zahlen hatte. Da nun
1 engl. imp. standard Gallon = 0,07829 N. Oe. Eimer = 0,14 N. Oe. Kubikfuss ist, so folgt,
dass ein Einwohner in London im Durchschnitte täglich 3,29 N. Oe. Kubikfuss Wasser
bedarf und hierfür jährlich 1 fl. 50 kr. C. M. zu entrichten hat. Die Wasserkonsumzion
der Thiere, des Strassenbesprengens etc. ist jedoch hierunter auch begriffen.
2tens. Das Unternehmungskapital, welches für die Wasserleitungen in London
von Privaten verwendet wurde, beträgt 28⅔ Millionen Conv. Gulden, wofür jährlich ein
Gewinn von 1 Million 151030 fl. entfällt. Diess würde zwar 4 Prozent betragen, da je-
doch die Gesellschaften einen grossen Theil ihres Gewinnes zur Anlegung neuer Lei-
tungen, Verwechslung gusseiserner Röhren statt der frühern hölzernen, Anlage neuer
Reservoirs etc. verwenden, so beträgt die jährliche Dividende bei den meisten Akzien-
gesellschaften nur 2½ bis 3 Prozent.
[264]Wasserleitungen in den englischen Städten.
§. 189.
Auf gleiche Art wie die Wasserleitungen in London eingerichtet sind, bestehen die-
selben in den andern englischen Städten.
In Manchester wurde erst vor 5 Jahren bei Gorton auf 2 Meilen Entfernung von der
Stadt ein Reservoir von 60 Acres (zu 1125 N. Oe. Quad. Klafter) angelegt, in welchem
sich das Wasser aus Quellen sammelt, und von hier weiter geleitet wird. Eine Haupt-
röhre von 18 Zoll Durchmesser geht nämlich von hier aus und vertheilt mittelst eines
Systemes von Nebenröhren, deren Gesammtlänge gegen 10 deutsche Meilen beträgt, das
Wasser. Ein zweites Reservoir dient zu gleichem Zwecke. Nach den Abmessungen von
Mallet werden täglich 4620000 Litres Wasser in 15000 Häuser, worin 105000 Menschen
wohnen, vertheilt; es kommen demnach auf jeden Einwohner täglich 44 Litres. Die Be-
zahlung an die Gesellschaft (Manchester water works company) wird mit 4 bis 5 Prozent
von dem Hauszins bemessen, und darf höchstens 7½ Prozent desselben betragen.
Liverpool wird von zwei Gesellschaften Liverpool and Harrington company und
Liverpool bootle water works mit Wasser versehen. Die erste sammelt das Wasser in
mehreren auf 20 bis 25 Klafter Tiefe in dem dortigen rothen Sandstein (red sand stone)
angelegten Stollen; diese Stollen haben ein kleines Gefälle und am Ausgange desselben
einen Brunnen, in welchem sich das Wasser sammelt und von da mittelst Pumpen, die
durch eine Dampfmaschine bewegt werden, gehoben und dann weiter geführt wird.
Nach Mallet beträgt die tägliche Wasserkonsumzion für einen Einwohner in Liverpool,
wo das Wasser schwieriger als in Manchester herbeizuschaffen ist, 27½ Litres; hierfür
werden 5 bis 5½ Prozent des Miethzinses bezahlt; für ein Bräuhaus zahlt man 5 bis
50 Liv., für ein Pferd jährlich 5 sh.
§. 190.
In Glasgow sind ebenfalls zwei Abziengesellschaften, welche die Stadt mit Wasser
versehen. Die eine Gesellschaft sammelt das Wasser aus Stollen, welche am linken Ufer
des Clydeflusses bei Dalmarnok angelegt sind. Nebstbei sind grosse Gräben von dem
Flusse aus gelegt, aus welchen gusseiserne Röhren das filtrirte Wasser sammeln und in
ein Hauptbehältniss in Dalmarnok zuführen. Von hier wird das Wasser mittelst Dampf-
maschinen in 2 Reservoirs gehoben, von welchen es durch Röhren in die Stadt geleitet
wird. Weil jedoch die Stollen am linken Ufer, der Haupttheil der Stadt aber am rech-
ten Ufer liegt, so wird das Wasser durch eine biegsame eiserne, aus einzelnen Rohr-
stücken und Stopfbüchsen bestehende Hauptröhre, welche der berühmte Watt herstellte,
erst durch den Fluss geführt. Der Preiss des Wassers ist mit 5 Prozent des Hauszinses
bemessen. Die zweite Gesellschaft bildete sich im Jahre 1808 und sammelte das Wasser
anfangs unterhalb der Stadt. Da man jedoch dieses Wasser nicht geniessen wollte, so
mussten alle bereits ausgeführten Werke abgebrochen und neue oberhalb der Stadt bei
Dalmarnok ohnweit jenen der ersten Gesellschaft angelegt werden.
Für Edinburgh wurde eine neue Wasserleitung im Jahre 1819 unter der Leitung des
Ingenieurs Jardine angelegt. Zwei Reservoirs, worin das Quellwasser sich sammelt,
liefern die hinreichende Menge davon. Das Wasser in dem Haupt-Reservoir befindet
sich 346 Fuss über der mittlern Höhe der Stadt und geht von dort aus mittelst Röhren
in die Stadt. Die Einwohner zahlen 5 Prozent des Miethzinses für den Bezug desselben.
[265]Heber.
§. 191.
Am Schlusse dieses Kapitels über die Bewegung des Wassers in Röhrenleitungen
wollen wir noch die Theorie einiger einfachen hydraulischen Maschinen abhandeln,
welche auf den bisher vorgetragenen Grundsätzen beruhen.
Eine umgebogene an beiden Enden offene Röhre, wird wegen ihres Gebrauches zumFig.
1.
Tab.
52.
Heben des Wassers gewöhnlich ein Heber (siphon) genannt. Bereits im Alterthume
hat man über diese Maschine folgende Erfahrung gemacht: Wird eine kommunizirende
Röhre mit Wasser angefüllt, und um sie in jeder Lage voll zu erhalten, an beiden Enden
mit dem Finger oder mit Stöpseln geschlossen, und dann dergestalt in ein mit Wasser
gefülltes Gefäss gehalten, dass der gebogene Theil B über den Rand des Gefässes, folg-
lich höher zu liegen kommt, als die Oberfläche des Wassers in demselben, so kann man
bei A die Röhre öffnen, und sie bleibt dennoch von A bis B angefüllt, oder das Wasser
fliesst von B nicht in das Gefäss herab. Wenn man endlich in dieser Stellung auch den
zweiten Stöpsel herauszieht und die Röhre öffnet, so fliesst das Wasser durch diese Oeff-
nung so lange aus, bis das Gefäss von E bis A leer geworden ist, oder die Luft bei A
den Zutritt erhält. Die Ursache dieser Erscheinung lässt sich aus dem allgemeinen Drucke
der Atmosphäre auf folgende Art erklären:
Wir haben bereits früher gezeigt, dass die Atmosphäre auf alle Körper, folglich
auch auf die Oberfläche E F des Wassers einen Druck ausübt, welcher der Barometerhöhe
oder einer Wassersäule von beinahe 32 Fuss = H gleich kommt. Wenn die Höhe B F kleiner
ist, als diese Wassersäule, so ist dieselbe ausser Stande, den Druck der Atmosphäre auf E F
zu überwältigen. Ist aber B F grösser als 32 Fuss, so wird das Wasser im Schenkel B A
von B herabfliessen und nur so wie beim Barometer auf der Höhe von 32 Fuss stehen
bleiben; daraus erklärt sich, dass die Röhre bei B nur in dem Falle mit Wasser er-
füllt bleibt, wenn B F kleiner ist, als 32 Fuss, welches bei unsern Hebern gewöhnlich
Statt findet. Zugleich sieht man, dass das Wasser durch den Heber nicht fliessen könne,
wenn die Höhe des umgebogenen Theiles B über dem Wasserspiegel grösser ist, als
32 Fuss, weil in diesem Falle das Wasser in dem Schenkel A B nicht über den Punkt B
gehoben werden kann. Wenn aber die Höhe des Punktes B über dem Wasserspiegel
kleiner ist, als 32 Fuss, so ist der Druck der Atmosphäre gegen die Wassertheile bei
B = 56,4 f (H — B F). Der Druck auf die Fläche f des Stöpsels bei D ist demnach
= 56,4 f (H — G D) Ziehen wir den letztern Druck von dem erstern ab, so bleibt
56,4 f (H — B F — H + G D) = 56,4 f. H D übrig, welches den Druck vorstellt, den der
Stöpsel zu erleiden hat. Wird nun der Stöpsel entweder von dem Gewichte der Wasser-
säule f. H D herausgestossen oder durch eine äussere Kraft herausgezogen, so ist ersicht-
lich, dass das Wasser durch die Röhre nach der Richtung A B D derselben bei D mit
einer Geschwindigkeit ausfliessen werde, welche der Höhe des Wasserspiegels im Gefässe
über der untern Oeffnung des Hebers D zukommt. Setzen wir demnach die Höhe H D = h
und die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser bei D ausfliesst = v, so ist = h, folg-
lich v = .
Ist nun die Querschnittsfläche des Gefässes von einer solchen Grösse, dass wir die
Gerstner’s Mechanik. Band II. 34
[266]Heber.
Fig.
1.
Tab.
52.Höhe des Wasserstandes über der Oeffnung während einer kurzen Zeit t als unveränderlich
betrachten können, so wird die in dieser Zeit ausfliessende Wassermenge
M = t . f . v = t . f . seyn. Hieraus folgt die Zeit, welche zu dem Ausflusse einer
bestimmten Wassermenge M erforderlich ist, .
Beispiel. Es sey der Durchmesser der Röhre d = ⅓ Zoll, also die Fläche
, die Druckhöhe D H = 1 Fuss, die Ausflussmenge
M = 1 N. Oe. Mass = Eimer = Kubikfuss, so ist die Zeit, in welcher 1 Mass
Wasser herausgehoben wird, Sekunden.
§. 192.
Für den gewöhnlichen Gebrauch sind die Heber meistens so klein, dass man die in
der Röhre enthaltene Luft bloss durch Saugen herausziehen kann, wodurch der Druck
der Atmosphäre in Wirksamkeit gesetzt und die Röhre mit Wasser gefüllt, folglich ohne
vorläufiger Anfüllung der Röhre das Wasser sogleich zum Ausfliessen gebracht wird.
2.
Wenn nur eine kleine Wassermenge aus dem Fasse A heraus zu heben ist, bedient man
sich des sogenannten Stechhebers, welcher bloss aus einer geraden Röhre mit einer
am obern Ende angebrachten Kugel besteht. Hierbei wird die Luft an dem obern Ende B
angesogen und die Flüssigkeit z. B. der Wein steigt gewöhnlich sogleich bis in die Kugel C,
welche so gross seyn muss, dass sie das verlangte Mass des Wassers oder Weines zu fassen
im Stande ist. Reicht ein Athemzug nicht hin, um das verlangte Mass in die Kugel zu
bekommen, so wird das obere Ende mit der Zunge geschlossen, und bei einem folgen-
den zweiten Zuge wieder geöffnet, wodurch abermals die Flüssigkeit im Heber höher
steigt, und die Kugel mit eben so viel Flüssigkeit, wie bei dem ersten Zuge gefüllt
wird. Nachdem auf solche Art durch einige Athemzüge so viel Wein in die Kugel
gehoben worden, als man benöthigt, so wird das obere Ende abermals mit der Zunge
oder mit dem Daumen geschlossen, der Stechheber aus dem Fasse oder Gefässe her-
ausgezogen und die Flüssigkeit in das nebenstehende Gefäss durch Eröffnung des obern
Endes abgelassen.
Wenn eine grössere Menge Flüssigkeit z. B. einige Eimer aus einem grösseren Wein-
fasse mittelst eines gebogenen Hebers herausgehoben werden sollen, so dass das Herab-
fallen des Wasserspiegels im Gefässe oder die Aenderung der Druckhöhe zu berück-
sichtigen ist, so finden hierbei dieselben Rechnungen Statt, die wir bereits §. 119 bei dem
Ausflusse des Wassers aus Behältern, die keinen Zufluss erhalten, abgehandelt haben.
Zu einem Beispiele dieser Art wollen wir noch auf die Widerstände der
Röhrenwände Rücksicht nehmen. In diesem Falle sey die Länge der Röhre = 1
und ihr Durchmesser = d, der winkelrechte Querschnitt der Röhre = f und der hori-
zontale Querschnitt des Gefässes = F, die veränderliche Höhe des Wasserstandes über
der Ausflussöffnung sey allgemein = x und die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser
durch die Röhre fliesst = v. Es ist daher die Druckhöhe , und
[267]Doppelter Heber, Ventilheber.
hieraus die Geschwindigkeit des Wassers in der Röhre, , endlich
ist die Zeit, in welcher die Oberfläche des Wassers von der Höhe h auf die Höhe x
sinkt, , wie diess aus der, unter dem Texte *)
beigefügten höhern Rechnung folgt.
§. 193.
Die Anwendung des Hebers fand bereits im Alterthume Statt, wie aus den Schrif-
ten des Heron von Alexandrien (Spiritualium Liber, a Federico Commandino Urbinate
ex Graeco in Latinum conversus, Acced. Jo. Bapt. Aleotti quatuor Theoremata Spiri-
tualia, ex Italico in Lat. conversa. Amst. 1680. 4. Graece, Paris 1593.) hervorgeht.
In physikalischen Kabineten wird gewöhnlich eine bedeutende Anzahl verschiedenartiger
Heber gezeigt und Versuche damit angestellt. Eine genaue Beschreibung dieser Heber
befindet sich im Vten Bande, 1te Abtheilung des bereits erwähnten vortrefflichen Gehler-
schen physikalischen Wörterbuches, neu bearbeitet von den Herren Brandes, Gmelin,
Horner, Muncke und Pfaff. Wir wollen von diesen vielfachen Konstrukzionen des
Hebers bloss folgende, die zuweilen in der Mechanik Anwendung finden, anführen.
Soll mittelst eines Hebers eine Flüssigkeit, deren Berührung für den Mund gefährlichFig.
3.
Tab.
52.
ist, aus einem Gefässe in ein anderes überhoben, oder eine Flüssigkeit über einem lockern
Bodensatze weggenommen werden, so wird an den untern Theil des längern Schenkels
die aufwärts gebogene beiderseits offene Röhre c d angekittet, der kürzere Schenkel in
die Flüssigkeit getaucht, die Oeffnung bei e mit dem Finger geschlossen und bei d die
Luft angesogen. So wie das Rohr b c e sich mit der Flüssigkeit gefüllt hat, erfolgt das
weitere Fliessen im Heber ohne Anstand. Dieser Heber wird ein doppelter (siphon
double ou de laboratoire) genannt.
Um die Berührung der Flüssigkeit mit dem Munde bei dem Ansaugen zu vermeiden,
kann man den Heber auch umkehren, als eine kommunizirende Röhre anfüllen, die beiden
Schenkelöffnungen mit den Fingern verschliessen, denselben abermals umkehren und mit
dem kürzern Schenkel in die Flüssigkeit eintauchen, worauf das Ausfliessen sogleich
erfolgt.
Der Ventilheber (siphon à soupape) ist an einem Schenkel mit einem kleinenFig.
4.
Gehäuse, welches durch ein Ventil geschlossen werden kann, versehen. Wird der
34*
[268]Verschiedene Arten Heber.
Fig.
4.
Tab.
52.Schenkel mit diesem Gehäuse in die Flüssigkeit eingetaucht, so steigt selbe innerhalb
desselben in die Höhe. Hebt man hierauf diesen Schenkel im Wasser in die Höhe und
stösst ihn schnell zurück, so wird noch etwas Flüssigkeit hineintreten und so kann es
geschehen, dass der Heber von der Flüssigkeit nach und nach ganz angefüllt wird, weil
das Ventil das Zurückströmen der Flüsigkeit beständig verhindert. Hat die Flüssigkeit den
höchsten Stand c erreicht, oder wird der Heber zu diesem Behufe etwas umgelegt, so
fängt er zu fliessen an. Bei dieser Konstrukzion hat man nur darauf zu sehen, dass das
Klappenventil nicht schwer und sehr leicht beweglich sey.
5.
Will man bei dem Ausflusse des Wassers aus dem Heber eine gleichförmige
Geschwindigkeit und demnach einen gleichen Abfluss bewirken, so wird auf die
Oberfläche der Flüssigkeit ein schwimmender Kranz A B gelegt und der kürzere Schenkel
durch denselben gesteckt. Wie nun die Oberfläche des Wassers im Gefässe sinkt, geht
auch der Kranz und mit demselben der ganze Heber gleichförmig herab; es bleibt
demnach immer derselbe Höhenunterschied zwischen dem Wasserspiegel im Gefässe und
der Ausflussöffnung; der Abfluss ist daher gleichförmig.
6.
Ein Heber kann auch zur Erzeugung eines springenden Strahles ge-
braucht werden. Nach der obigen Theorie fliesst nämlich das Wasser aus dem längern
Schenkel desto schneller heraus, je tiefer die Ausflussöffnung unter dem Wasserspiegel
im Gefässe liegt. Wird daher das Ende des längern Rohres aufwärts gebogen und eine
Platte mit kleiner Oeffnung aufgeschraubt, so springt das Wasser wie bei einem Spring-
brunnen in die Höhe.
7.
Hierher gehört noch der sich selbst füllende und entleerende Heber (diabetes),
welcher schon dem Heron bekannt war. Dieser Heber wird auf verschiedene Art kon-
struirt und gewöhnlich als ein versteckter Heber eingerichtet. Ist A B C D ein boden-
loses gläsernes Gefäss, welches bei E F durch einen Korkstöpsel geschlossen ist, und wird
eine heberförmig gebogene Röhre a c b durch diesen Stöpsel so gesteckt, dass eine Oeff-
nung b der Röhre unter den Stöpsel und die zweite a über denselben zu stehen kommt,
so kann man das Gefäss A B E F bis nahe an seine Oberfläche mit Wasser füllen, ohne dass
etwas herausläuft. Wie sich aber die Flüssigkeit über die Krümmung des Rohres bei c
erhebt, so fliesst sie sogleich durch den längern Schenkel c b bei b heraus und es ent-
leert sich das Gefäss A B E F bis zu dem untersten Punkte a des krumm gebogenen
Rohres. Bringt man diesen Heber in dem Handgriffe a c b des Bechers A an, so wird
Fig.
8.der letztere ein Vexirbecher genannt.
Weitere Anwendungen des Hebers, welche bloss physikalischen Experimenten zum
Grunde liegen, gehören nicht hierher. Wir bemerken daher nur noch, dass ein Heber
im luftleeren Raume nicht fliessen könne, weil er auf dem Drucke beruht, welchen
die Luft an beiden Enden des Hebers ausübt.
§. 194.
Bei Schiffahrtskanälen wird der Heber manchmal dazu gebraucht, die überflüssigen
Wässer abzuführen. Dieses ist bei dem Kanale von Languedoc oder Canal du Midi der
[269]Gemauerte Heber, Zirknitzer See.
Fall. Derselbe läuft nämlich an einigen Orten am Abhange von Gebirgen fort, so dass
er alles von denselben herabströmende Wasser aufnimmt. Um dieses Wasser, welches
den Dämmen gefährlich werden könnte, wieder abzuführen, brachte man zuerst an dem
Kanale steinerne Uiberfälle (Abzugsröschen) mit Schützen an, welche durch Menschen
bei dem Steigen des Wasserspiegels im Kanale geöffnet wurden. Da man diess später
als nicht genügend erkannte, so wurden gemauerte Heber (épanchoir à siphon)
angelegt, wovon Fig. 9 den Durchschnitt und Fig. 10 den Grundriss enthält. Der kür-Fig.
9
und
10.
Tab.
52.
zere Schenkel befindet sich 65 decimeter über der Sohle des Kanals und der untere Theil
b der gebogenen Oeffnung wurde in das Niveau des Wasserspiegels bei dem mittleren
Stande des Kanales gelegt. Die Höhe der Oeffnung beträgt a b = 5 decimeter. Der
längere Schenkel des Hebers geht ausserhalb dem Kanale über die Dämme herab und es
sind gewöhnlich zwei grössere Oeffnungen und eine kleinere in der Mitte angebracht.
Es leuchtet ein, dass wenn die Oeffnung a b einmal ganz gefüllt ist, der Heber so lange
fliessen würde, bis alles Wasser bis e im Kanale abgeführt ist. Um diess zu vermeiden, hat
man über jeden kürzern Schenkel auf der Höhe des mittleren Wasserstandes im Kanale
ein horizontales Luftrohr c d (ventouse) angebracht, wodurch die Luft, sobald das Was-
ser auf seinen mittleren Stand im Kanale fällt, in den Heber geleitet und so der weitere
Abfluss des Wassers durch den Heber aufgehoben wird.
Aus der Wirkung des Hebers erklärt sich, warum einige Quellen bei feuchter Wit-
terung zuweilen ausbleiben und bei der nachfolgenden trockenen Witterung wieder
fliessen. Ein auffallendes Beispiel dieser Art haben wir in der österreichischen Monar-
chie an dem Zirknitzer See in Krain, auf dessen Boden man nach den Be-
richten der Geographen manchmal in einem Jahre säen, ärnten, fischen, und auch
noch jagen kann. Der Beschreibung zufolge, welche von diesem See und andern
ähnlichen Naturmerkwürdigkeiten Krains in: „Tob. Grubers Briefen hydrographischen
Inhalts aus Krain an den Hofrath v. Born, Wien 1781.“ enthalten ist, hat dieser See
beinahe 3 Quadratmeilen Flächeninhalt. Die Grundlage desselben ist Kalkstein, worauf
verschiedene Erdarten aufgeschwemmt sind. In dem Kalksteine befindet sich eine un-
zählige Menge grosser und kleiner Ritze, Höhlen und Schlünde, aus welchen das
Wasser aufwallend, ja selbst spritzend und sprudelnd in grösserer und kleinerer Menge
herausdringt. Aus den grössern Höhlen werden so grosse Fische häufig ausgeworfen,
dass hierdurch auf dem ganzen See von den angrenzenden Dominien seit undenklichen
Zeiten eine gesetzmässige und bedeutende Fischerei Statt findet. An einigen andern
Orten in dieser Gegend dringt das Wasser so heftig aus dem Erdboden, dass zunächst
daran Sägen- und andere Mühlwerke angelegt sind. Die ganze Gegend kann demnach
als gleichsam ein grosses Sieb angesehen werden, worin trichterförmige Löcher alles
Wasser, das über die Oberfläche des Gebirges fällt, einsaugen und den unterirdischen
Wasserbehältnissen zuführen. Einige dieser Höhlen verschlingen Wasser, wenn der See
im Abfliessen ist und stossen dasselbe aus, wenn er anzuschwellen anfängt. Aus der
Höhle Vranja Jama und einer andern Sucha dulza genannt, strömt zuweilen eine so
bedeutende Wassermenge aus, dass der See binnen wenig Stunden angefüllt wird. Da-
gegen verschlingt die sogenannte Karlauza schnell wieder das Wasser.
[270]Anwendung des Hebers bei Mühlwerken.
Dass diese Höhlen unterirdisch zusammenhängen und das aufgenommene Wasser
wieder an einem entfernten Orte von sich geben, unterliegt wohl keinem Zweifel. Das
Auffallende hierbei ist, dass die Höhlen zeitweilig so entleert sind, dass man hinein-
gehen und ihre Formazion beobachten kann, wobei das hörbare Geräusch das Flies-
sen eines unterirdischen Wassers beweist. Dagegen sind diese Höhlen zu andern Zei-
ten so sehr vom Wasser angefüllt, dass eine bedeutende Menge hiervon herausquillt. Zur
Erklärung dieser Erscheinungen hat man angenommen, dass in dem anliegenden Ge-
birge mehrere grosse Klüfte enthalten sind, in denen sich das Wasser sammelt, und
dass sich dieselben heberartig entleeren, wenn das Wasser eine bestimmte Höhe erreicht
hat. Auf solche Art werden nun die untern Höhlen plötzlich so mit Wasser überfüllt,
dass sie in den See ausströmen. Hieraus wird es nun begreiflich, wie ein grosser Theil
des Zirknitzer Sees anlaufen und dann gefischt werden, wie aber auch zu einer andern
Zeit ein Theil hiervon wieder trocken gelegt und angebaut werden könne.
§. 195.
Es dürfte unsern Lesern nicht unangenehm seyn, einige Anwendungen des
Hebers, welche vor einigen Jahren in Böhmen Statt hatten, kennen zu lernen.
Bei einem Eisenwerke wurde in bedeutender Entfernung von den Hochöfen und Ei-
Fig.
11.
Tab.
52.senhammerhütten ein Sammelteich zu dem Zwecke erbaut, um die Frühjahrs- und hohen
Sommerwässer darin aufzuhalten und sie durch eine längere Zeit für die Werke be-
nützen zu können. Einige Zeit nach diesem Baue entschloss man sich unter diesem
Teiche eine Zain- oder Stabhütte anzulegen und die Höhe des Teichdammes als Ge-
fälle für die Wasserräder zu benützen. Da die Einlegung einer hierzu bestimmten
Röhre gefordert haben würde, den Teichdamm abermals durchzugraben, und dann
wieder zu schliessen, so hat man zur Schonung des gut ausgeführten Dammbaues vor-
gezogen, das Teichwasser mittelst eines Hebers über den Damm herüber zu führen.
Zu dieser Absicht wurde über die Krone des Dammes und die beiderseitigen Böschun-
gen eine gusseiserne Röhre A B C D E H gelegt und dieselbe an beiden Enden mit Ven-
tilen versehen. In dieser Röhre wurde oben an der Krone des Dammes eine koni-
sche Oeffnung G zu dem Behufe angebracht, um die Röhre, nachdem die Ventile
geschlossen wurden, mit Wasser anfüllen zu können. Als diese Oeffnung wieder ge-
schlossen war, wurde zuerst das Ventil an der Teichöffnung A und dann das zweite
im Mühlgerinne bei H geöffnet, worauf das Wasser aus dem Teiche in das Gerinne
floss.
Bezeichnet f die Querschnittsfläche der Röhre im Lichten, und A die Druck-
höhe M H, so ist der Wasserzufluss in 1 Sekunde Wird aber hierbei
auf die Widerstände der Röhrenwände Rücksicht genommen, so ist die Wassermenge
= , wo 1 die ganze Länge der Röhre und d ihren innern Durchmesser
bezeichnet.
[271]Anwendung des Hebers bei Mühlwerken.
Beispiel. Nehmen wir die Länge der Röhre 1 = 100 Fuss, den Durchmesser
derselben d = 1 Fuss, demnach ihre Querschnittsfläche f = 11/14 Quad. Fuss und die
Druckhöhe A = 18 Fuss, so ist die in jeder Sekunde ausfliessende Wassermenge
= = 14,6 Kubikfuss. Diese Wassermenge findet jedoch nur bei dem
ersten Stande des Wasserspiegels im Behälter Statt, und ist auch für den Betrieb eines
Hammers zu gross. Da jedoch der Wasserspiegel im Sammelteiche sich fortwährend
senkt, und hiermit auch das Gefälle A vermindert, so muss die für den Hammer nöthige
Wassermenge durch Erhebung des Ventiles bei H auf die gewöhnliche Art regulirt werden.
§. 196.
In dem vorgenannten Falle entstand noch die weitere Frage, auf welche Höhe
das Gerinne zu stellen sey, damit durch den Hammer die meiste
Arbeit zu Stande gebracht werden könne.
Zur Auflösung dieser Frage wollen wir abermals wie Seite 165 annehmen, dass die
Begränzungen der Oberfläche des Wassers für jede Höhe des Wasserstandes einander ähn-
lich sind, dass wir sonach bei der Berechnung des kubischen Inhaltes des Teichwassers
von einer Höhe zur andern uns der Gleichung für einen abgestutzten Kegel bedienen
können. Es sey die Oberfläche des Wassers anfangs, wenn der Teich ganz voll ist,
= F, die Länge des Teiches = L, das Gefälle des Terrains, in welchem sich der Teich
befindet, sey α für die Länge λ, so wird nachdem der Wasserspiegel um α Fuss gefallen
ist, die Länge des Teiches um λ kürzer werden, folglich die wirklich Länge nur
= L — λ seyn. Wenn wir annehmen, dass die Begränzungen der Oberflächen des Tei-
ches bis zur Tiefe x einander ähnlich bleiben, so wird auf dieser Tiefe die analoge
Länge des Teiches = L — seyn, und da sich die Flächen wie die Quadrate ähn-
licher Seiten verhalten, so haben wir die Proporzion L2: = F : f, woraus
f = F folgt. Der kubische Inhalt des Wasserkörpers von der Höhe x
zwischen den Flächen F und f wird demnach
seyn.
Wir werden in der Folge sehen, dass die Arbeit der Wasserräder ein Maximum
wird, wenn das Produkt aus der verbrauchten Wassermenge in das Gefälle am grössten ist.
Setzen wir in unserm Falle die Höhe des Wasserspiegels über dem Wasser im Abflussgra-
ben = H, so ist die Fallhöhe, welche die oben angeführte Wassermenge über das Rad herab
zurücklegt, = H — x. Das Wasser wird daher am vortheilhaftesten verwendet, wenn
(H — x) x . F ein Maximum wird. Nach der unten beigesetzten
[272]Anwendung des Hebers bei Mühlwerken.
höhern Rechnung *) findet diess Statt, wenn ist.
Beispiel. Es sey das Gefälle am Anfange des Teiches von der Art, dass die
Tiefe α = 1 Fuss für eine Länge von λ = 80 Fuss ist, demnach = 1/80, die Länge des
Teiches sey L = 2400 Fuss, die Höhe des Wasserspiegels im Teiche über dem Abfluss-
wasser H = 36 Fuss, folglich = 1,2. Hieraus folgt für die Anlage der Teichrinne
die vortheilhafteste Tiefe unter dem höchsten Wasserspiegel
Fuss.
Man sieht hieraus, dass für die Einlegung der Fluthrinnen, durch welche das Was-
ser auf oberschlächtige Räder zugeführt wird, die Regel angenommen werden könne, dass
dem Oberwasser ein Drittheil der ganzen Fallhöhe und den Rädern zwei Drittel dersel-
ben Fallhöhe zu geben sey.
§. 197.
Ein anderer hierher gehöriger Fall der Anwendung eines Hebers war folgender:
1
und
2.
Tab.
53.
Bei einer Teichmühle war von den Vorfahren ein höherer Damm zu dem Zwecke
aufgeführt worden, damit der Teich von den Schnee- und höhern Sommerwässern mehr
angefüllt werden, und daher der Mühle einen längern Gang gewähren möchte. Da die
Teichröhre zu demselben Zwecke niedriger als gewöhnlich unter dem Wasserspiegel
angelegt war, so kam der Müller, dem nicht erlaubt wurde, zwei Röhren in verschiede-
nen Höhen in den Teichdamm zu legen, auf den Gedanken, das Wasser hinter dem
Damme aus der Teichröhre in eine grössere Höhe wieder aufsteigen zu lassen und durch
Erhöhung des Gerinnes für das Rad ein grösseres Gefälle zu erhalten, demnach auf
solche Art den obern Theil des Teiches auf das höhere Gerinne und dann noch das
niedrigere Wasser auf das bestehende niedrigere Gerinne seiner Mühle zuzuführen. Die
Ansicht dieser Vorrichtung gab die Gelegenheit zur Beantwortung der Frage, auf wel-
che Höhen beide Gerinne zu legen sind, um das hervorgebrachte
Mahlquantum möglichst gross zu machen.
Für diesen Fall sey die Oberfläche des Teichwassers anfangs, so lange derselbe
[273]Anwendung des Hebers bei Mühlwerken.
ganz voll ist = F, und die Tiefe, auf welche das Gerinne für die Zuleitung des Was-Fig.
1
und
2.
Tab.
53.
sers auf das grosse Rad zu liegen kommt = x. Wenn wir die in der vorhergehenden Rech-
nung angeführten Bezeichnungen beibehalten, und auch die Wasseroberflächen bei ver-
schiedenen Wasserhöhen einander ähnlich voraussetzen, so ergibt sich auf gleiche Art,
wie in der vorigen Rechnung auf der Tiefe x die Oberfläche des Wassers
= F , und eben so der kubische Inhalt des Wasserkörpers für die Tiefe x
= x . F . Setzen wir weiters die Höhe des Wasserspiegels über
dem Wasser im Abflussgraben = H, so ist das Gefälle, mit welchem die berechnete
Wassermenge über das grosse Rad herabfliesst = H — x und daher das Bewegungs-
moment x . F (H — x).
Nachdem nun der Wasserspiegel im Teiche um die Tiefe x gesenkt wurde, so tritt
die Benützung des noch übrigen Wassers für das zweite kleinere Rad ein. Es sey die
Tiefe unter dem bereits gesenkten Wasserspiegel = z, bis zu welcher das Wasser zur
Betreibung des kleinern Rades benützt werden soll, so ist die ganze Tiefe unter dem
anfänglichen Wasserspiegel = x + z, die wir indessen mit y bezeichnen wollen. Die
Wassermenge für die Tiefe y, welche nämlich vom ganzen Teiche benützt wird, ist
offenbar y . F . Wird hiervon diejenige Wassermenge abgezogen,
welche schon über das grosse Rad abgeflossen ist, so ist die für das kleine Rad zu
benützende Wassermenge = F . y — F . x
und da das, für das zweite Rad zu benütze de Gefälle = H — y ist, so erhalten wir
das Bewegungsmoment des zweiten Rades
= F . y (H — y) — F . x (H — y).
Das ganze Bewegungsmoment, welches das Wasser durch die Benützung auf beide Rä-
der gibt, ist daher
F . y (H — y) + F . x (y — x),
welches also bei der vortheilhaftesten Benützung des Wassers ein Maximum seyn muss.
Die unter dem Texte beigefügte höhere Rechnung *) zeigt, in welchem Falle dieses
Statt findet.
Gerstner’s Mechanik Band. II. 35
[274]Schwankende Bewegung des Wassers in Hebern.
Beispiel. Es sey wie im vorigen Falle H = 36 Fuss, = 80 und L = 2400 Fuss,
so findet man durch Substituzion in die unter dem Texte abgeleiteten Gleichungen
y = 12,5 Fuss und x = 5½ Fuss.
Für dieses Beispiel ergibt sich weiter die Wassermenge, welche im Ganzen aus
dem Teiche benützt wird = 8,015 F. Hiervon wird auf das grosse Rad die Wassermenge
= 4,553 F geleitet, es bleibt demnach zur Benützung für das kleinere Rad 3,462 F. Das
Gefälle für das grosse Rad ist = 30,5 Fuss, und wenn dieses mit der Wassermenge mul-
tiplizirt wird, ergibt sich das Arbeitsmoment = 138,87 F. Das Gefälle des kleinern
Rades ist = 23,5 Fuss und gibt mit seiner Wassermenge multiplizirt, das Arbeitsmoment
= 81,36 F. Die Summe beider Arbeitsmomente beträgt daher 220,23 F.
Wenn wir aber die ganze Wassermenge bloss mit dem Gefälle des kleinen Rades,
also mit 23,5 Fuss multipliziren, so erhalten wir das Arbeitsmoment nur = 188,35 F.
Durch die Benützung desselben Wassers auf das höhere und niedrigere Rad wird daher
die Arbeit in dem Verhältnisse wie 6 : 7 vermehrt.
§. 198.
Zur nöthigen Vollständigkeit der Lehre von der Bewegung des Wassers in Hebern
müssen wir noch von derjenigen Bewegung handeln, welche hervorgebracht wird,
wenn das Wasser in einem aufrechtstehenden bis an C O C' angefüllten Heber entwe-
der durch das Eintreiben und plötzliche Herausziehen eines Stöpsels oder auf andere
Art in eine schwankende Bewegung gesetzt wird.
3.
Tab.
53.
Das Wasser sey im Schenkel A B von C bis A gehoben worden, so wird es sich
in dem andern Schenkel bis A' gesenkt haben. Wird dieser Zustand aufgehoben, so
wird das Wasser durch die Uiberwucht in dem einen Schenkel bis zur Horizontalen C
sinken und in dem andern eben so viel aufsteigen; weil es aber auf solche Art durch
die Bewegung in C eine Geschwindigkeit erlangt hat, so wird es diese Bewegung
noch durch den gleichen Raum C B fortsetzen, bis nämlich die entgegenwirkende
Kraft ihm diese Geschwindigkeit wieder benommen hat. Dasselbe geschieht im Schen-
kel A' B'. Nun tritt aber die Uiberwucht in dem andern Schenkel in B' über das
Wasser in B ein und es erfolgt dieselbe Bewegung zurück, das Wasser wird also auf
gleiche Art wie ein Pendel fortfahren in jedem Schenkel auf und nie-
der zu steigen. Die unten beigesetzte Rechnung *) zeigt, dass die Zeit einer
[275]Schwankende Bewegung des Wassers in Hebern.
Schwingung, in welcher nämlich das Wasser von einer Erhöhung zur nächstfolgen-Fig.
3.
Tab.
53.
den in demselben Schenkel zurückkehrt = π √ sey, wenn die Länge des mit Wasser ge-
füllten Hebers C O C' = l ist. Aus der Mechanik fester Körper wissen wir aber, dass wenn
ein Körper im freien. Falle durch die Länge l herabfällt, die hierzu erforderliche Zeit
= √ ist. Es verhält sich demnach die Schwingungszeit des Wassers im Heber, zur
Zeit, in welcher dasselbe Wasser durch die Länge l herabfällt, wie π : 1 oder wie die
Peripherie des Kreises zum Durchmesser. Hieraus sehen wir, dass die Schwingungs-
zeiten alle einander gleich sind, und dass jede um so grösser ist, je grösser die Länge
l des im Heber hefindlichen Wassers ist. Die Querschnittsfläche des Hebers und die
Höhe der Erhebung des Wassers haben hierauf gar keinen Einfluss. Eine ähnliche
Eigenschaft hat man an den Wellen des Meeres bemerkt, wovon wir später noch um-
ständlicher handeln werden.
§. 199.
Unter den Anwendungen des Hebers wird gewöhnlich der sogenannte Heronsbrunn
angeführt. Der angebliche Erfinder desselben war ebenfalls Heron von Alexandrien,
welcher 120 Jahre v. Chr. lebte. Der Heronsbrunn besteht aus zwei von allen SeitenFig.
4.
luftdicht geschlossenen Wasserbehältern M und N, welche mit einander durch zwei Röh-
ren verbunden sind. Das Ende der einen Röhre befindet sich in dem obern Deckel A B
*)
35*
[276]Heronsbrunn.
Fig.
4.
Tab.
53.luftdicht befestigt, geht durch den untern Boden des obern Gefässes M, dann durch den
obern Boden des untern Gefässes N luftdicht durch und endet sich bei F in der Nähe
des untern Bodens. Das andere Rohr ist in dem obern Boden des untern Gefässes be-
festigt, geht durch den untern Boden des obern Gefässes durch und endigt sich bei D
unterhalb des obern Bodens.
Das obere Gefäss wird zuerst durch eine Oeffnung in dem Oberboden bei m mit Was-
ser so hoch angefüllt, dass es die obere Oeffnung D der Luftröhre D E nicht übersteigt,
sodann wird die Oeffnung m durch einen eingeschraubten Stöpsel luftdicht verschlossen.
Hierauf wird in das obere Becken A B Wasser aufgegossen, welches durch die Röhre C F in
den untern Behälter abfliesst, daselbst sich über den Boden verbreitet und die in N befind-
liche Luft durch die Luftröhre E D in das obere Gefäss hinauftreibt. Durch den Druck,
welcher hierdurch auf die Oberfläche L K des Wassers in dem obern Gefässe entsteht,
wird das Wasser genöthigt in die Steigröhre P O aufzusteigen, und am Ende derselben
bei O einen Springbrunnen zu bilden. Sobald sich das Wasser zeigt, so wird der
Hahn n geschlossen, und das Instrument ist für ein Experiment vorbereitet; man kann
es daher an den Ort bringen, wo der Strahl zu springen hat. Ist es daselbst aufgestellt,
so wird das obere Becken mit Wasser angefüllt, der Hahn n geöffnet und das Wasser
steigt bei O über das Becken in die Höhe, bildet so den verlangten Springbrunnen
und fährt ohne weiteres Zugiessen so lange fort, bis das obere Gefäss geleert und das
untere Gefäss durch die Röhre C F von dem Wasser des springenden Strahles ange-
füllt ist.
§. 200.
Zur Berechnung der Höhe, auf welche das Wasser über O springt,
sey die Höhe C F = A, P O = B, die Höhe des Wassers im obern Gefässe = b und
die Höhe des Wassers im untern Gefässe = a. Aus der angeführten Erklärung ist er-
sichtlich, dass die Luft in dem untern Behälter von der Wassersäule A — a gedrückt wird,
und eben so gross ist der Druck auf die Oberfläche des Wassers im obern Gefässe. Die-
sem Drucke steht die Höhe B — b entgegen, und hierzu kommt noch die Wassersäule h
des springenden Strahles und die Widerstandshöhe der Röhren, durch welche das Was-
ser fliessen muss. Setzen wir den Durchmesser der Einfallsröhre C F = D, der Steig-
röhre P O = d und des Gussrohres bei O = e, die Geschwindigkeit, womit das Was-
ser aus der Mündung O ausfliesst = c = 2 , so ist die Geschwindigkeit, womit
das Wasser in der Steigröhre aufsteigt = , und die Geschwindigkeit, womit das
Wasser in der Einfallsröhre zufliesst = . Demnach ist der Druck auf die im
untern und obern Behälter eingeschlossene Luft = der Wassersäule
A — a — . Diesem Drucke steht die Wassersäule
h + B — b + entgegen. Da diese Wassersäulen einan-
der gleich sind, so ist
[277]Höll’s Luftmaschine.
A — a — + B — b +
Wenn nun D = d gesetzt wird, so erhalten wir:
A + b — a — B = . Aus diesem
Ausdrucke lässt sich die Geschwindigkeit c, demnach auch die Steighöhe h =
und die Dauer des Experimentes berechnen.
Beispiel. Es sey die Höhe A = 30 Zoll, B = 6 Zoll und für den mittlern
Stand a = b = 3 Zoll, dann e = 1/12 Zoll und D = d = ⅙ Zoll, so ist = ½
und 100 √ d = 100 √ ⅙ = 40 beinahe, demnach A + B = 36 Zoll und A + b — a — B
= 24 Zoll, dann = 1/16 und = ¼. Hieraus ergibt sich die Gleichung
24 = · 1,3 + c . 0,03 und c = 108,93 Zoll, demnach h = = 15,95 Zoll.
Die ausfliessende Wassermenge in 1 Sekunde ist 0,813 . ¼ . π . e2 . c = 0,483 Kub. Zoll. Ist
nun der Wasserinhalt des obern Gefässes ⅓ Kub. Fuss oder 576 Kub. Zoll, so finden
wir die Dauer des springenden Strahles = = 1192,5Sec. oder nahe 20Min.. Bei dem
Anstellen dieses Versuches wird man bemerken, dass der Strahl anfangs höher, gegen das
Ende dieser Zeit aber niedriger steigt, wovon die Ursache darin liegt, weil für die drü-
ckende Wassersäule = A + b — a — B am Anfange a = 0 und am Ende b = 0 ist,
folglich die drückende Wassersäule am Anfange grösser und am Ende kleiner ist.
§. 201.
Eine weitere Anwendung der Grundsätze des Hebers und des Heronsbrunnes gibt
die vom Oberkunstmeister Joseph Karl Höll in Schemnitz erfundene und im Jahre
1753 bei dem Amalienschachte aufgestellte Luftmaschine. Die HauptbestandtheileFig.
5.
Tab.
53.
dieser Maschine sind: zwei Wasserbehälter A und L, zwei Wasserkessel D und H und
drei Leitungsröhren B, G und S. In dem Wasserkessel D wird die eingeschlossene
Luft durch die eingeleiteten Aufschlagwässer zusammengedrückt. Diese Luft ist mit-
telst der Luftröhre G mit der Luft über dem zu hebenden Wasser im Kessel H in Ver-
bindung und durch ihren Druck wird das in H eingeschlossene Wasser durch die
Steigröhre S in die Höhe getrieben und zum Ausfluss gebracht.
In dem Wasserbehälter A werden nämlich die Aufschlagwässer zusammengeführt.
Aus diesem Wasserbehältniss geht die Einfallsröhre B in den Kessel D herab; diese
dient, dem Kessel D das Aufschlagwasser zuzuführen, und ist bei C mit einem Hahne
versehen, um dadurch die Einfallsröhre absperren und eröffnen zu können. An dem
Kessel D ist unten eine Ausflussröhre E und oben noch eine kleine Röhre F zur ge-
schwindern Entweichung der Luft angebracht; beide Röhren sind mit Hähnen verse-
hen, um durch die untere Röhre den vollen Kessel abzulassen, und durch den Zutritt der
Luft mittelst der Eröffnung der obern Röhre den Abfluss zu befördern. Aus dem Deckel des
Kessels D geht die Luftröhre G heraus und durch den Schacht hinab bis in den un-
tern mit Wasser gefüllten und verschlossenen Kessel H. Diese Luftröhre ist oben mit einem
[278]Höll’s Luftmaschine.
Fig.
5
und
6.
Tab.
53.Hahne J versehen. Die Schlüssel dieses und des Hahnes C hat Höll mit einer Kette
verbinden lassen, damit sie zugleich geschlossen werden können. In der Nähe des untern
Kessels befindet sich das Behältniss L, in welches die von der Maschine zu hebenden
Grubenwässer zusammen geleitet werden. Aus diesem Behälter geht eine Röhre M in den
Kessel H, um die Grubenwässer in den Kessel einzuleiten. Aus dem untern Kessel H
geht von dessen Boden aufwärts die Steigwasserröhre S heraus, welche durch den
Schacht in die Höhe bis in den Ablaufstollen geführt wird, und daselbst das gehobene
Grubenwasser ausgiesset. Zur Verhinderung des Wasserzurücktritts in diesen Kessel ist
diese Steigröhre unmittelbar über den Kessel mit einem Muschelventil (Fig. 6) versehen.
Zur Bedienung dieser Maschine hatte Höll zwei Kunstwärter angestellt, nämlich einen
bei dem obern und einen bei dem untern Kessel.
Wenn bei dem Gange der Maschine der obere Kunstwärter bemerkt, dass das Wasser
aus dem Steigrohre mit vielem Geräusche und Luft vermischt ausfliesst und hierdurch
erfährt, dass der vorhergegangene Hub vollendet ist, so schliesst er durch Anziehen der
Kette die beiden Hähne C und J, damit durch den erstern der Einfluss des Wassers ab-
gesperrt werde, und durch Absperrung des zweiten die zusammengepresste Luft noch
fortfahren möge, den Ausfluss des Wassers aus der Steigröhre zu vollenden. Sodann
eröffnet er den Hahn E, damit das Wasser aus dem Kessel ausfliessen könne, und auch
den Hahn F, damit durch den Zutritt der äussern Luft der Ausfluss befördert werde.
Hierauf öffnet er am Luftrohre den Hahn J allein, damit die zusammengepresste Luft um
so leichter sich ausbreiten und zur Elastizität des atmosphärischen Drucks zurückkehren
könne. Zu gleicher Zeit gibt er dem untern Kunstwärter mit dem an einem Drathe be-
festigten Hammer das verabredete Zeichen, welcher sogleich die beiden Hähne M und N
öffnet, wodurch der untere Kessel mit Grubenwasser gefüllt wird. Die gänzliche Anfül-
lung erkennt er, wenn am obern Hahne N das Wasser auszufliessen anfängt. Sobald
das letztere geschehen ist, schliesst der Grubenwärter die beiden Hähne und gibt dem
obern Kunstwärter das Zeichen, welcher inzwischen die Hähne E und F am obern Kessel
geschlossen hat, und nach erhaltenem Zeichen sogleich den Hahn C der Einfallsröhre
öffnet, damit das Aufschlagwasser den obern Kessel füllen kann.
Hierdurch wird die in diesem Kessel befindliche Luft gegen den Deckel des Kessels
in die Höhe getrieben und durch die Luftröhre auf das in den untern Kessel befindliche
Grubenwasser mit einer solchen Gewalt aufgedrückt, dass das Wasser aus dem untern
Kessel durch die Steigröhre in die Höhe steigen, und sich auf den Erbstollen ausgiessen
muss. Auf diese Art wird das Spiel der Maschine fortgesetzt.
§. 202.
Bevor wir zur Bestimmung der Wirkung dieser Maschine übergehen, haben
wir noch vorläufig zu bemerken, dass die Hebung des Grubenwassers im untern Kessel
nur dann erst beginnen könne, nachdem die im obern Kessel und im Luftrohre einge-
schlossene atmosphärische Luft durch das Aufschlagwasser so weit zusammengedrückt
ist, dass ihr Druck der Steighöhe des zu hebenden Wassers gleich ist.
Setzen wir nun den kubischen Inhalt des obern Kessels = K, den kubischen In-
halt des Luftrohres = R, die Steighöhe von der Mündung des ausfliessenden Grubenwas-
sers bis zur Oberfläche des Grubenwassers im Behältnisse L = e und die Menge des Auf-
[279]Verhältniss der zwei Kessel bei der Luftmaschine.
schlagwassers, welches im obern Kessel an die Stelle derjenigen Luft treten muss, umFig.
5.
Tab.
53.
welche der zusammengedrückte Luftraum kleiner wird, als derjenige Raum, welchen
dieselbe Luft in ihrem atmosphärischen Zustande eingenommen hat = Q, so gibt uns
das Mariotte’sche Gesetz die Gleichung (K + R) h = (K — Q + R) (e + h), daraus
folgt Q = (K + R) . Setzen wir die Grösse des untern Kessels = k, so gibt
uns der Umstand, dass am Ende des Hubes der obere Kessel vom Wasser ganz ange-
füllt, folglich luftleer seyn muss, wenn die verdichtete Luft den untern Kessel ganz ange-
füllt hat, abermals die Gleichung (K + R) h = (k + R) (e + h + a), wo a jene Höhe
des untern Kessels vorstellt, welche der Steighöhe e am Ende des Hubes zuwächst. Dar-
aus folgt der nöthige kub. Inhalt des obern Kessels und zugleich der Wasserbe-
darf zu einem Hube K = k + (k + R) .
Wird dieser Werth in die obige Gleichung substituirt, so erhalten wir jenen kub.
Inhalt des Aufschlagwassers, welcher vor jedem Hube bloss zur Zusammendrückung
der Luft verwendet wird Q = (k + R) = (k + R) , weil
gegen 1 vernachlässigt werden kann. Die letzte Gleichung zeigt, dass der Verlust am
Einfallwasser hauptsächlich von den Grössen R und k und von dem Verhältnisse ab-
hänge, dass 1tens, wenn die Grösse des untern Kessels gegeben ist, nothwendig sey,
das Verhältniss des Luftrohres zum untern Kessel möglichst klein zu machen, und 2tens
dass vom Aufschlagwasser um so mehr ohne Wirkung bleibt, je grösser das Verhältniss
oder je grösser die Steighöhe ist, auf welche die Grubenwässer gehoben werden
müssen, dass folglich diese Maschine nur bei geringern Steighöhen mit Vor-
theil in Anwendung zu bringen sey.
Bei der Luftmaschine im Amalienschachte zu Schemnitz hatte der
untere Kessel die Höhe a = 60 Zoll und den Durchmesser = 32 Zoll, daraus ergibt sich
der kubische Inhalt desselben k = 28 Kub. Fuss beinahe. Das Luftrohr war 132 Fuss
lang und hatte oben einen Durchmesser von 2 Zoll und gegen den untern Theil verjüngt
1 Zoll, daraus folgt sein kub. Inhalt R = 1,68 Kub. Fuss. Die Steighöhe war 16 Lachter
oder 96 Fuss; die Höhe des atmosphärischen Druckes, welche im N. Oe. Mass gewöhn-
lich mit 32 Fuss angenommen wird, beträgt im Schemnitzer Bergmass sehr nahe
30 Fuss = h. Daraus folgt der kub. Inhalt derjenigen Wassermenge, welche bloss auf
das Zusammendrücken der Luft verwendet wird
Q = (28 + 1,68) = 98,7 Kub. Fuss. Die nöthige Grösse des obern Kes-
sels ergibt sich nach der Gleichung K = k + (k + R) = 28 + 99,9 = 127,9 Kub.
Fuss. Dagegen hatte zu Schemnitz der obere Kessel 5 Fuss Höhe und 4⅙ Fuss im
Durchmesser und daher den kub. Inhalt von 68,2 Kubik-Fuss. Hieraus ersehen wir,
dass diess Mass für eine angemessene Wirkung der Maschine zu klein
war.
[280]Bemerkungen über Höll’s Luftmaschine.
§. 203.
Um die Wirkung dieser Maschine vollkommen zu beurtheilen, wäre noch nöthig,
die Zeit eines Hubes und demnach die Zeit, während welcher die Luft bloss zusam-
mengedrückt wird, dann aber auch noch die Zeit, während welcher das in dem untern
Kessel befindliche Grubenwasser auf die Steighöhe e gehoben wird, zu berechnen.
Es versteht sich von selbst, dass die Einfallshöhe in jedem Falle grösser seyn müsse,
als die Steighöhe sammt allen hierbei vorkommenden Widerständen und dass es gleich-
giltig ist, entweder aus der gegebenen Einfallshöhe die Zeit eines Hubes oder um-
gekehrt aus der Zeit eines Hubes die Einfallshöhe zu bestimmen. In jedem Falle
kann die Wirkung der Maschine nur aus dem Verhältnisse des verwendeten Aufschlag-
wassers und seiner Einfallshöhe zum gehobenen Grubenwasser und dessen Steighöhe
beurtheilt werden, wie sich diess in einer bestimmten Zeit, z. B. in 24 Stunden ergibt.
Da wir die Gesetze der Bewegung der Luft durch Röhren noch nicht abgehan-
delt haben, so müssen wir eine genaue Berechnung der Luftmaschine bis dahin ver-
schieben. Aus der obigen, nach statischen Grundsätzen vorgenommenen Berech-
nung haben wir die Menge desjenigen Wassers, welches bei dieser Maschine ohne
Wirkung bleibt, kennen gelernt, und wir werden in der Folge sehen, dass dieser Ver-
lust grösser als bei allen andern bekannten Wasserhebmaschinen
ist. Der Vortheil der Luftmaschine des Höll vor den Pumpwerken und andern Wasser-
hebmaschinen besteht nur darin, dass die Kessel oder Zylinder nicht gebohrt zu wer-
den brauchen, dass keine Abnützung der Kolbenliederung u. d. m. Statt findet und dass
in dieser Hinsicht sowohl zu ihrer ersten Herstellung, als auch zu ihrer fortwährenden
Unterhaltung geringere Kosten nothwendig sind. Aus diesen Gründen hat auch diese
von J. K. Höll im Jahre 1753 aufgestellte Maschine anfangs sehr viel Interesse erregt
und man bemühte sich, nicht nur die zwei zur Bedienung der Maschine erforderlichen
Arbeiter durch Anwendung einer zweckmässigen Steuerung zu ersparen, sondern auch
durch Verbindung mehrerer ähnlichen Maschinensätze die Mittel anzugeben, wie die
Grubenwässer aus grössern Teufen, als die Höhe der Aufschlagwässer beträgt, gehoben
werden können. Die in dieser Hinsicht vorgeschlagenen Verbesserungen sind in Gilbert’s
Annalen der Physik, XVIII. und XLIII. Band und in andern Schriften angegeben. In-
zwischen hat das missliche Verhältnis, welches zwischen dem gehobenen Gruben- und
dem verwendeten Aufschlagewasser schon bei der geringen Höhe von 16 Lachtern zu
Schemnitz Statt fand, die Veranlassung gegeben, dass diese Maschine an keinem andern
Orte aufgestellt und dass auch die in Schemnitz im Jahre 1769 wieder aufgelassen wurde.
[281]
V. Kapitel.
Bewegung des Wassers in Kanälen und Flussbetten.
§. 204.
Man versteht gewöhnlich unter Strom (fleuve) ein fliessendes Wasser, welches sich
unmittelbar in das Meer ergiesst, als z. B. die Elbe, Donau, der Rhein u. s. w.; unter
Fluss (rivière) wird aber jenes fliessende Gewässer verstanden, welches sich nicht
unmittelbar in das Meer, sondern erst in einen Strom ergiesst, und bei der Vereini-
gung mit dem Strome den Namen verliert, als z. B. die Moldau, Eger, March u. s. w.
Endlich wird unter Bach (Ruisseau) dasjenige fliessende Gewässer verstanden, wel-
ches nicht zur Schiffahrt benützt werden kann, und viel kleiner als jeder Fluss ist.
Unter Kanal wird ein fliessendes oder auch stehendes Gewässer verstanden, wel-
ches künstlich ausgegraben wurde, und entweder zur Betreibung von Maschinerien
oder aber zur Schiffahrt benützt wird. Die erste Art Kanäle, gewöhnlich Mühlen-
kanäle genannt, sind sehr häufig bei unsern Getreidemühlen, Bretsägen und andern
Maschinenwerken angewendet; die Schiffahrtskanäle sind jedoch in Oesterreich noch
wenig in Ausführung gekommen und wurden mehr in flachen Ländern angelegt, wo
die Schwierigkeit ihrer Ausführung nicht so gross ist; z. B. in der Lombardie, in
den Niederlanden, in England u. s. w., doch sind in neuern Zeiten ebenfalls Kanäle
über hohe Gebirge jedoch mit bedeutendem Kostenaufwande angelegt worden.
Bei jedem Strome, Flusse oder Bache sind folgende Gegenstände zu betrachten:
1tens. Der Rinnsaal oder das Bette (lit) desselben, nämlich die Höhlung, wel-
che diese Gewässer in der Erdoberfläche ausgewühlt haben und in welchen sie sich
bewegen. 2tens. Der Querschnitt oder das Querprofil (Section) des Flusses,
welches man erhält, wenn man sich eine Ebene senkrecht auf die Richtung seines Lau-
fes denkt. 3tens. Das Gefälle (pente) eines Flusses, welches die Neigung dessel-
ben unterhalb dem Horizonte ist. 4tens. Das Längenprofil eines Flusses oder
der Durchschnitt desselben seiner ganzen Länge nach.
§. 205.
Bei einem Flusse reicht es nicht hin, das Gefälle im Ganzen zu bestimmen z. B.
zu sagen, er habe 20 Klafter Fall, sondern man muss jederzeit auch hinzufügen, auf
Gerstner’s Mechanik. Band II. 36
[282]Gefälle eines Flusses etc.
welche Länge dieses Gefälle Statt findet. Um in dieser Hinsicht eine gleichförmige Be-
zeichnung zu haben, ist man gegenwärtig übereingekommen, allgemein das Gefälle auf
100 Klafter (bei uns Nied. Oest. Klafter) Länge auszudrücken. So oft daher das Gefälle
eines Flusses bestimmt ausgesprochen wird, denkt man sich hierzu eine Länge von
100 Nied. Oest. Klafter. Auf diese Weise hat die Moldau von der Oberfläche des Währes
bei der Joachimsmühle nächst Rosenberg bis zur Einmündung der Malsch bei Budweis
eine Länge von 38972 N. Oe. Klafter und ein Gefälle von 458 Fuss, demnach auf 100 Klaf-
ter ein mittleres Gefälle von 14,1 Zoll. Von Budweis bis zur Oberfläche des Schüttkauer
Wehres in Prag beträgt die Länge 100799 Klafter und das ganze Gefälle 627 5/12 Fuss, dem-
nach das mittlere Gefälle auf 100 Klafter 7,5 Zoll; von dem genannten Wehre in Prag bis
zur Einmündung der Elbe bei Melnik ist die Länge 28746 Klafter und das Gefälle 101,5
Fuss, demnach das mittlere Gefälle 4,2 Zoll, endlich heträgt die Länge der Elbe von
Melnik bis zur sächsischen Gränze 57644 Klafter, das ganze Gefälle 120 Fuss 6 Zoll,
demnach das mittlere Gefälle 2,5 Zoll.
Das Gefälle der Ströme ist in der Regel und vorzüglich bei ihrer Ausmündung in das
Meer am kleinsten, das Gefälle der Flüsse ist grösser und jenes der Bäche ist [...]n bedeu-
tendsten. Um das Gefälle eines Flusses zu bestimmen, hat man sonst die Senkung seines
Bodens gemessen; weil jedoch der Boden eines jeden Flusses mehr oder minder Un-
ebenheiten hat, und weil es nicht so sehr darauf ankommt, die Senkung des Grund-
bettes, als vielmehr die Senkung der Oberfläche des Wassers, oder des sogenannten
Wasserspiegels zu bestimmen, so wird gegenwärtig allgemein, wenn es sich um
die Bestimmung des Gefälles bei einem Flusse, Bache etc. handelt, bloss die Senkung
oder Neigung des Wasserspiegels desselben gemessen. Wir wissen jedoch, dass sich
auch der Wasserspiegel eines jeden fliessenden Gewässers nach seinem Wasserstande
ändert, d. h. das Gefälle der Oberfläche eines Flusses ist bei grösserem oder kleinerem
Wasserstande nicht dasselbe, indem es sich aus Ursachen ändert, welche wir später
näher kennen lernen werden. Man ist desshalb übereingekommen, unter dem Gefälle
eines jeden Stromes, Flusses etc. sein Gefälle bei dem mittlern Wasser-
stande zu verstehen. Zur Bestimmung des mittlern Wasserstandes bei einem Flusse
schlägt man an gewissen Punkten in demselben Pfähle sehr fest ein, die mit einem einge-
theilten Höhenmasse versehen werden; man nennt diese Pfähle Pegel oder Wasser-
merkpfähle. Da es aber bekannt ist, dass das Eis, vorzüglich wenn es schnell zu
thauen anfängt, Pfähle aus ihrer Lage verrückt und in die Höhe hebt, so werden gegen-
wärtig die Skalen, nach welchen die Höhe des Wasserstandes gemessen wird, gewöhnlich
an steinernen Brückenpfeilern oder an felsigten Ufern angebracht.
§. 206.
Man versteht unter der Geschwindigkeit eines Stromes, Flusses etc. denjeni-
gen Raum, welchen das Wasser in dem Strome, Flusse etc. mit gleichförmiger Bewe-
gung in einer Sekunde zurücklegt. Wird die Bewegung eines fliessenden Gewässers
bloss in Hinsicht seiner Schwere und der schiefen Fläche, über welche es herablauft
betrachtet, so folgt, dass die Geschwindigkeit desselben von seinem Ursprunge an, fort-
während zunehmen und bei der Einmündung in das Meer oder in einen grössern Fluss
[283]Geschwindigkeit fliessender Gewässer.
am bedeutendsten seyn würde, weil daselbst die Höhe der schiefen Fläche von ihrem
Ursprunge an am grössten ist; es müssten daher jene Flüsse, deren Fall von ihrem Ur-
sprunge an gerechnet, sehr bedeutend ist, mit einer furchtbaren Geschwindigkeit in das
Meer strömen. Um hiervon eine Idee zu erlangen, führen wir an, dass z. B. die Moldau
von der Joachimsmühle oberhalb Budweis bis zur Mündung der Elbe bei Hamburg ein
Gefälle von 270 Klafter hat. Wollte man hiernach die Geschwindigkeit berechnen, so
ergibt sich für die Elbe bei Hamburg c = 2 = 317 Fuss! — Diese ungeheuere
Geschwindigkeit wäre nicht bloss von der Art, dass die Schiffahrt stromabwärts sehr ge-
fährlich und stromaufwärts beinahe unmöglich wäre, sondern es würden auch die Ufer, sie
möchten noch so fest seyn, angegriffen, und die grössten Verheerungen verursacht.
Die Erfahrung zeigt uns jedoch gerade das Gegentheil. Es haben nämlich alle
Flüsse in der Nähe ihres Ursprunges die grösste Geschwindigkeit und dieselbe vermin-
dert sich desto mehr, je weiter die Flüsse ihren Lauf fortsetzen. Bei den meisten Flüs-
sen ist die Geschwindigkeit bei dem Ausflusse in das Meer so gering, dass in denselben
die Ebbe und Fluth des Meeres bemerkbar wird. Das Wasser fällt nämlich zur Zeit der
Ebbe uud steigt während der Fluth von dem Meere aus in den Fluss zurück oder strom-
aufwärts, so dass das Flusswasser statt gegen das Meer zu fliessen von demselben strom-
aufwärts getrieben wird. Hieraus sehen wir offenbar, dass bei der Bewegung des
Wassers in Flussbetten ähnliche Widerstände vorkommen müssen, welche wir bereits bei
der Bewegung des Wassers in Röhrenleitungen kennen gelernt haben.
§. 207.
Bevor wir zur näheren Betrachtung dieser Widerstände übergehen, wollen wir zuerst
die Bewegung des Wassers, so wie sie ohne alle Widerstände bloss nach den Ge-
setzen der Schwere und der vollkommenen Flüssigkeit desselben
Statt finden würde, betrachten. In dieser Absicht sey A' N' p' W' das Grundbette eines
Flusses. Die Geschwindigkeit des Wassertheilchens in A = c, der Weg, den diesesFig.
1.
Tab.
54.
Wassertheilchen zurücklegt, sey A N p W, der Raum A N = s, die Geschwindigkeit in
N = v, die horizontale Linie A M = x und die Tiefe M N = y.
Wir haben bereits bei der Bewegung über schiefe Flächen in der Mechanik fester
Körper gezeigt, dass ein jeder Körper, wenn er aus dem Zustande der Ruhe über eine
gerade oder gebogene schiefe Fläche herabläuft, in N eine Geschwindigkeit erlangt,
welche der Fallhöhe M N zugehört; wenn er aber in A schon die Geschwindigkeit c
hatte und die dieser Geschwindigkeit zugehörige Fallhöhe = h gesetzt wird, so
wird die Geschwindigkeitshöhe in N, nämlich = h + M N = h + y seyn. Eben
so wird die Geschwindigkeit im Punkte W durch die Gleichung + U W
bestimmt. Daraus ergibt sich, dass die Geschwindigkeiten des Wassers
auf gleichen Tiefen unter der horizontalen Linie einander gleich
seyn müssen. Wenn nämlich M N = O P und die Geschwindigkeit in P = v' ge-
setzt wird, so ist = h + O P = h + M N = , also v' = v. Hieraus folgt
weiters, dass die Geschwindigkeit in p, wenn o p kleiner als M N ist, auch kleiner seyn
36*
[284]Geschwindigkeit fliessender Gewässer.
Fig.
1.
Tab.
54.müsse als in N, und eben so, wenn U W grösser als M N ist, so wird die Geschwindig-
keit in W grösser als in N seyn, oder überhaupt die Geschwindigkeit des Wassers ist auf
gleichen Höhen gleich, in höheren Gegenden kleiner und in niedrigern grösser, als auf
der ursprünglichen horizontalen Linie.
§. 208.
Wenn wir annehmen, dass die Geschwindigkeit des Wassers in dem Querschnitte
A A' in allen Punkten seiner Höhe und Breite von gleicher Grösse = c ist, und wenn
die Höhe dieses Querschnittes A A' = a, die Breite = b und die Querschnittsfläche
ein Rechteck ist, so ist die Wassermenge, welche in jeder Sekunde durch den Quer-
schnitt A fliesst, offenbar dem Prisma a . b . c gleich. Wird auf gleiche Art in einem
andern Querschnitte N N' die Geschwindigkeit = v, die Höhe N N' = u und die Breite
= z gesetzt, so ist die durch diesen Querschnitt in einer Sekunde fliessende Wasser-
menge = u . z . v. Wenn nun zu diesem Flusse zwischen A und N weder etwas hinzu-
kommt, noch etwas abgeht, folglich in jeder Sekunde dieselbe Wassermenge durch beide
Querschnitte fliessen muss, so haben wir die Gleichung a . b . c = u . z . v und
v : c = a . b : u . z oder die Geschwindigkeiten des Wassers verhalten
sich umgekehrt wie die Querschnittsflächen des Flusses. Demnach
würden die Querschnittsflächen desselben Flusses in hohen Gegenden, wo die Geschwin-
digkeiten kleiner sind, grösser, und in niedrigen Gegenden, wo die Geschwindigkeiten
grösser sind, kleiner seyn müssen.
Diese Sätze werden aber bei unsern Flüssen von der Erfahrung nicht bestättigt.
Alle Flüsse haben nämlich bei ihrem Ausflusse in das Meer die kleinste Geschwindig-
keit, dagegen in höheren Gegenden auf den schiefen Flächen über die Gebirge herab
viel grössere Geschwindigkeiten. Die Ursache hiervon liegt offenbar in den bereits er-
wähnten Widerständen, welche das Wasser bei seiner Bewegung in Flussbetten erfährt.
§. 209.
Wir haben bereits bei der Bewegung des Wassers in Röhrenleitungen gezeigt,
dass die Widerstände, welche das Wasser an den Röhrenwänden erfährt, theils der
innern Fläche der Röhren, welche vom Wasser berührt wird, theils auch einer
Funkzion der Geschwindigkeit proporzional sind. Bezeichnen wir die Druckhöhe der
Röhrenleitung wie §. 129 mit h, die Querschnittsfläche der Röhre mit f, die Peripherie
derselben mit p, und ihre Länge mit l, sonach die vom Wasser berührte Fläche mit
p . l, endlich die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser durch die Röhre fliesst,
mit v, so findet, wie in jenem §. gezeigt wurde, die Gleichung
h = Statt. Da die Querschnitte der Röhre einander durch-
aus gleich sind, so muss auch die Geschwindigkeit des Wassers am Anfange und am
Ende der Röhre gleich seyn.
Wir können offenbar einer jeden Röhre, in welche das Wasser aus einem Behäl-
ter fliesst, eine solche Neigung geben, dass ihr Gefälle y auf der Länge l oder dass
[285]Widerstände bei fliessenden Gewässern.
von den Widerständen gänzlich erschöpft wird, folglich die Geschwindigkeit v,
welche das Wasser bei seinem Einfluss in die Röhre besitzt und bei seiner Bewegung
durch die ganze Röhre behält, nur als eine Wirkung des Wasserstandes im Behälter
vor der Röhre zu betrachten ist. Wir haben daher für die Bewegung des Wassers in
die er Röhre die obige Gleichung . Hierin ist das Verhält-
niss der Peripherie der Röhre zur Querschnittsfläche des Wassers und es hat offenbar
die Gestalt dieser Peripherie hierbei keinen weitern Einfluss. Nehmen wir daher eineFig.
2.
Tab.
54.
Röhre von der Form A B C D an, so können wir sie der Länge nach durch die Linie
A C in zwei Theile oder zwei Hälften zerschneiden. Hierdurch wird sowohl die Quer-
schnittsfläche, als auch die Peripherie in zwei Hälften getheilt; es bleibt jedoch das
Verhältniss für jede Hälfte dasselbe wie für die ganze Röhre, da und wir
erhalten daher für die untere Hälfte A D C der Röhre dieselbe Gleichung wie für die
ganze Röhre.
Wird jetzt eine Flusstrecke angenommen, wo die Geschwindigkeit überall
dieselbe ist, so kann diese Strecke als eine solche halbe Röhre A C D betrachtet wer-
den und wir erhalten abermals die Gleichung oder
y = . In diesem Ausdrucke ist p . l die Berührungsfläche des Was-
sers mit dem Grundbette, f das Querprofil des Flusses und die ganze Gleichung gibt
das zur Uiberwältigung der Widerstände nothwendige Gefälle bei der gleichförmigen
Geschwindigkeit v des Wassers an.
§. 210.
Bei der Bewegung des Wassers in Kanälen und Flussbetten können überhaupt
3 Fälle Statt finden:
I. Entweder betragen die Widerstände auf einer bestimmten Flusstrecke eben so
viel, als das vorhandene Gefälle, in welchem Falle der Fluss eine gleichförmige
Bewegung annimmt, d. h. das Wasser die einmal angenommene Geschwindigkeit
beständig beibehält.
II. Die Widerstände können auf einer bestimmten Länge zu ihrer Uiberwältigung
eine kleinere Höhe fordern, als das dieser Länge zugehörige Gefälle beträgt, in
welchem Falle das Wasser mit beschleunigter Bewegung fortfliesst, endlich
III. können die Widerstände des Wassers mehr betragen, als das Gefälle auf der-
selben Länge, und dann ist die Bewegung verzögert, d. h. sie nimmt immerfort ab.
Dieser Fall kommt bei allen Flüssen vor, indem dieselben wie wir bereits erinnerten,
eine immer langsamere Bewegung annehmen und bei ihrer Ausmündung in einen Strom
oder in das Meer die kleinste Geschwindigkeit besitzen.
Bei den Mühlenwerken und andern Maschinenanlagen, die durch die Kraft des
Wassers betrieben werden, leitet man das letztere in eigenen Mühlkanälen, welche
[286]Widerstände des Wassers in Mühlkanälen.
gewöhnlich nur den Querschnitt von einigen Quadratfussen haben und von Holz oder
Stein hergestellt oder auch in einem festen Erdreiche bloss ausgehoben werden. Da
wir später bei der Theorie der Wirkung der Räder sehen werden, dass es am vor-
theilhaftesten sey, einem solchen Kanale nur das zur Fortbewegung des Wassers un-
umgänglich nothwendige Gefälle zu geben, für das Rad selbst aber den grössten Theil
des vorhandenen Gefälles zu behalten, so werden Mühlkanäle bei einer zweckmässigen
Anlage derselben immer nur so ausgeführt, dass das Wasser darin mit gleichförmi-
ger Bewegung fliesst. Derselbe Fall findet bei Kanälen und jenen Flusstrecken
Statt, innerhalb welcher das Wasser die angenommene Geschwindigkeit beibehält und
auch in seinem ganzen Querschnitte, wie es bei einer Röhrenleitung der Fall ist, die-
selbe Geschwindigkeit annimmt. Beide Fälle lassen sich mit der Bewegung des Wassers
in einer Röhrenleitung genau vergleichen und wir können die aus einer grossen Anzahl
Erfahrungen abgeleiteten Werthe A = und B = auch hier benützen. Wir ha-
ben nämlich gesehen, dass diese Werthe bei Röhren von verschiedenen Materien nicht merk-
lich verschieden sind und als gleich angenommen werden können. Demnach können diesel-
ben Bestimmungen auch bei den regulären Mühlkanälen, sie mögen von Holz oder
Stein erbaut seyn, und desgleichen bei jenen Flüssen Statt finden, die sich gleich-
förmig fortbewegen und deren Grundbette als eben betrachtet werden kann, oder worin
sich keine grossen Steine oder Baumstöcke, welche heftige Wellen oder Schwälle verursachen
oder ähnliche Hindernisse vorfinden. Wenn man aber, wie es häufig bei Bächen und auch
bei Flüssen Statt findet, aus dem Geräusche des fliessenden Wassers deutlich erkennen kann,
dass der Widerstand grösser als in Röhrenleitungen ist, so unterliegt dieser Fall keiner
genauen Rechnung und man kann für denselben nur einen beiläufigen Anschlag machen.
Nehmen wir demnach einen Kanal oder eine Flusstrecke mit regulärem Grundbette,
in welchem die Geschwindigkeit des Wassers durchaus gleich bleibt,
demnach das ganze Gefälle von dem Widerstande, welchen das Wasser bei seiner Bewe-
gung auf dem Grundbette findet, erschöpft wird, und setzen wir ferner, diese Ka-
nalstrecke habe keine bedeutenden Brechungswinkel oder der Widerstand, welcher
hieraus entsteht, könne vernachlässigt werden, so haben wir für diesen Fall die Glei-
chung .
Hinsichtlich der Bestimmung des Durchmessers d ist zu bemerken, dass ¼ d bei
kreisförmigen Röhren gefunden wird, wenn ihre Querschnittsfläche f = durch die
Peripherie p = π . d dividirt wird. Bei Flüssen und auch bei Kanälen ist häufig die
Breite derselben sehr gross, die Tiefe aber so unbedeutend, dass der Umfang p der
Querschnittsfläche, der Breite b des Flusses gleich gesetzt werden kann. Bezeichnen wir
nun noch die mittlere Tiefe des Wassers mit a und daher die Querschnittsfläche mit a . b,
so ist und , also d = 4 a und demnach der Koeffizient
B = . Führen wir inzwischen den letzten Werth in die aufge-
[287]Widerstände des Wassers in Mühlkanälen.
stellte Gleichung ein, so ist wo a nach §. 134 in Zollen
zu setzen ist. Nebstbei erhalten wir noch eine zweite Gleichung für die in einer Sekunde
abfliessende Wassermenge M = f . v. Diese zwei Ausdrücke finden für die gleichförmige
Bewegung des Wassers in einem Mühlenkanale oder regulären Flussbette Statt und es
lassen sich nunmehr mittelst derselben eine Menge hierher gehöriger Aufgaben auflösen.
§. 211.
Bevor wir diese Formel für praktische Fälle anwenden, wollen wir dieselbe noch
mit einer vom Herrn Eytelwein angestellten genauen Beobachtung vergleichen. Derselbe
führt nämlich in seinem Handbuche der Mechanik fester Körper und der Hydraulik, 2te
Auflage, Leipzig 1823 Seite 164 an, dass er in dem mit starken Bretern rechtwinkelig
ausgesetzten Mühlkanale bei Bromberg, dessen wir bereits §. 113 erwähnten, die Wasser-
menge in einer Sekunde M = 2,327 Rheinl. Kubikfuss gefunden habe, hierbei nahm die
Oberfläche des Wassers bei ungehindertem Laufe und einer mittlern Tiefe von 5,5 Zoll = a,
ein Gefälle von ⅔ Zoll = y auf die Länge von 100 Fuss = l an. Da überdiess die
Breite des Gerinnes b = 4 Fuss betrug, so lässt sich die Geschwindigkeit v des Wassers
und hiernach die Wassermenge in einer Sekunde berechnen. Weil 1 Rheinl. Fuss
= 0,993 N. Oe. Fuss ist, so können diese Werthe ohne weitere Redukzion in die obigen
Formeln substituirt werden, und wir erhalten , demnach
oder 2,312 = v2 + 0,132 v, woraus v = 1,456 und dem-
nach M = · 4 · 1,456 = 2,669 Kubikfuss folgt. Der geringe Unterschied, welcher zwi-
schen der beobachteten Wassermenge von 2,327 Kub. Fuss und dieser berechneten Was-
sermenge Statt findet, zeigt offenbar, dass unsere Formel für die oben angegebenen Fälle
der gleichförmigen Bewegung des Wassers in Mühlkanälen und regulären Flussbetten
hinlänglich genaue Resultate liefere.
§. 212.
Die Tiefe a bei grösseren Flüssen oder Kanälen beträgt in Zollen ausgedrückt gewöhn-
lich so viel, dass dadurch der zweite Theil des Widerstandes oder in den mei-
sten Fällen gegen den ersten Theil ohne Bedenken vernachlässigt werden kann.
Wir erhalten hiernach für die gleichförmige Bewegung des Wassers in Kanälen oder regu-
lären Flussbetten die abgekürzte Gleichung (I), und
M = a . b . v (II). In diesen zwei Gleichungen kommen 6 Grössen, nämlich y, l, a, b,
v und M vor; man kann daher 2 Grössen bestimmen, wenn die 4 übrigen bekannt sind.
Bevor wir jedoch zu einigen Beispielen hierüber übergehen, wollen wir noch den
Fall betrachten, wenn das Wasser in einem Kanale oder Flusse durch ausserordent-
liche Zuflüsse bedeutend steigt. Hier tritt sodann eine Vermehrung der mittlern
Geschwindigkeit ein.
[288]Geschwindigkeit des Wassers bei Anschwellungen.
Ist das Gefälle des Flusses bei kleinem und bei grossem Wasser dasselbe und ist die
Höhe des niedrigen Wassers = a, des Hochwassers = A, die Breite b aber immer die-
selbe, so wird die Peripherie oder der Umfang, welchen das Wasser bei niedrigem Stande
einnimmt = b + 2 a und der Umfang desselben bei hohem Stande = b + 2 A seyn.
Bezeichnet nun v und V die Geschwindigkeiten, welche in diesen 2 Fällen eintreten, so
ist . Nun kann man füglich b + 2 a = b + 2 A
setzen, weil bei Flüssen und Kanälen die Breite im Verhältniss der Höhe gewöhnlich
sehr viel beträgt; wir erhalten demnach und v : V = √ a : √ A, oder in Flüs-
sen und Kanälen verhalten sich die mittlern Geschwindigkeiten
bei verschiedenen Anschwellungen wie die Quadratwurzeln aus
den mittlern Tiefen. Ein seichteres Wasser fliesst daher immer langsamer als ein
tieferes (bei demselben Gefälle), und wenn das Wasser in einem Flusse um das 4fache
steigt, so wird die Geschwindigkeit doppelt; würde aber das Wasser in einem Flusse
9 mal so hoch steigen, so wird die Geschwindigkeit 3fach u. s. w. Dieses bestättigt aber
auch vollkommen die Erfahrung, indem es bekannt ist, dass ein jeder Fluss bei hohem
Wasserstande z. B. bei Eisgängen immer eine weit grössere Geschwindigkeit als bei nie-
drigem Wasserstande annimmt.
Die obige Gleichung oder v = 2 zeigt uns ferner,
dass ein Fluss, welcher auf dieselbe Länge ein 4faches Gefälle als ein anderer
Fluss hat, auch eine doppelte Geschwindigkeit, bei einem 9fachen Gefälle eine 3fache
Geschwindigkeit u. s. w. haben werde.
§. 213.
Setzen wir in den aufgestellten Gleichungen nach der obigen Bemerkung ,
so ist (I) und M = a . b . v (II).
1stes Beispiel. Bei dem Donaukanale in Wien, welcher die Stadt von der
Leopoldstadt trennt, ist ein Gefälle von 4 Zoll auf 100 Klafter vorhanden, demnach
. Dieser Kanal ist im Mittel 36 Klafter breit und 4 Fuss tief.
Demnach beträgt die mittlere Geschwindigkeit des Wassers in demselben
v = 2 = 5 Fuss, welches wirklich den vorge-
nommenen Messungen zu Folge bei der mittlern Tiefe von 4 Fuss der Fall ist. Als aber
bei der grossen Ueberschwemmung am 1ten März 1830, das Wasser auf die 4fache Höhe
stieg, vermehrte sich auch die Geschwindigkeit auf das doppelte und sie betrug 10 Fuss.
2tes Beispiel. Die Moldau hat zwischen Budweis und Prag die Länge l =
100799 Klafter, der Fall auf diese Länge beträgt y = 627 5/12 Fuss und die mitt-
lere Tiefe des Flusses a = 1,5 Fuss. Hieraus ergibt sich die mittlere Geschwin-
[289]Beispiele.
digkeit v = 2 = 4 Fuss. Das Wasser vollendet demnach den
Weg von 100799 Klaftern in Sekunden oder in 42 Stunden. Wenn aber das Was-
ser z. B. bei Eisgängen auf die Höhe von 6 Fuss oder 4 Mal höher anschwellt, so ist die
Geschwindigkeit v = 8 Fuss, und das Wasser wird seinen ganzen Lauf in der halben
Zeit oder in 21 Stunden zurücklegen. Bei dieser Rechnung muss aber nothwendig be-
merkt werden, dass man hierbei ein gleichförmiges Gefälle, welches bei der Moldau
nicht Statt findet, annahm, dass man auch auf die vorhandenen Flusskrümmungen, dann
die Wehren, welche die Geschwindigkeit vermindern und das Wasser zur Betreibung der
Mühlgänge zuleiten, und auf andere solche Hindernisse keine Rücksicht nahm. Das Re-
sultat der Rechnung ist daher hier nur als ein beiläufiger Anschlag anzusehen.
3tes Beispiel. Ein Mühlkanal soll eine Wassermenge von M = 5 Kub. Fuss in
1 Sekunde abführen; er ist 4 Fuss = b breit und 1 Fuss = a tief. Wie viel Gefälle
muss man diesem Kanale auf die Länge von 500 Klafter = 3000 Fuss = 1 geben, wenn
er die bestimmte Wassermenge abführen soll.
Hier ist 5 = 1 . 4 . v und daher v = 5/4 Fuss. Wird diess in die Gleichung I. sub-
stituirt und für eine genaue Berechnung auch der zweite Theil des Widerstandes,
welcher von der einfachen Geschwindigkeit abhängt, in Anschlag genommen, so ist
y = 3000 Fuss = 7,6 + 0,5 = 8,1 Zoll. Dieser Mühlkanal
muss daher nothwendig ein Gefälle von 8,1 Zoll in der Länge von 3000 Fuss erhalten,
wenn er die angegebene Wassermenge gehörig abführen soll.
4tes Beispiel. Ein Fluss hat auf die Länge l = 100 Klafter das Gefälle y = 6
Zoll, die Breite desselben sey b = 50 Klafter und die verglichene Tiefe a = 2 Fuss.
Man frägt, 1tens wie gross die Geschwindigkeit v des Wassers und wie gross die Wasser-
menge M sey, welche der Fluss in einer jeden Sekunde abführt. 2tens wie viel Mühl-
gerinne in diesem Flusse angelegt werden können, wenn die Breite eines Gerinnes
b' = 8 Fuss ist und wenn der Schweller dieser Gerinne unterhalb des, im Flusse zu er-
bauenden Wehres 3,5 Fuss = h zu legen kommt.
Die Geschwindigkeit des Wassers im Flusse ergibt sich aus der Gleichung
v = 2 = 4,31 Fuss. Hieraus folgt die Wassermenge in einer Se-
kunde M = 2 . 300 . 4,31 = 2586 Kub. Fuss. Um die Anzahl der Gerinne zu finden, muss
man vorerst die Wassermenge berechnen, welche in einem Mühlgerinne fortfliesst; diese
ist nach Seite 159 = 0,633 . ⅔ . 8 . 3,5 . 2 = 174,06. Wenn daher die anzulegen-
den Mühlgerinne die ganze Wassermenge des Flusses aufnehmen und kein Wasser über
das Wehr bei dem mittlern Wasserstande frei abfliessen soll, so erhält man die Anzahl
der Gerinne = = 15.
5tes Beispiel. Es sey bei einer Serpentine die Länge des Flusses l = 1000 Klaf-
ter, das Gefälle für diese Länge y = 2 Fuss, folglich , die mittlere Tiefe des
Gerstner’s Mechanik. Band II. 37
[290]Beispiele.
Wassers a = 4 Fuss und die Biegungswinkel, welche sich in dieser Länge vorfinden
= 540 Grad, so findet man die Geschwindigkeit des Wassers in der Serpentine nach der
Gleichung y = . Hieraus ist v = 3,74 Fuss.
Wir wollen nun annehmen, dass mittelst eines geraden Durchstiches die
Länge von 1000 Klaftern auf 200 Klafter reduzirt und die Cunette auf 1 Fuss Tiefe und
5 Klafter Breite ausgegraben wird, so ergibt sich für diesen Fall, wo keine Biegungen
mehr bestehen, die Geschwindigkeit des Wassers in der Cunette aus der Gleichung
c = = 4,31 Fuss. Weil nun die Geschwindigkeit in der Cunette und
im Flusse wenig verschieden ist, so wird bei diesem Durchstiche das Grundbette und die
Ufer der Cunette nur wenig mehr als im Flusse angegriffen werden. Steigt aber das
Wasser bei einem Eisgange im Flusse von 4 Fuss auf 12 Fuss Höhe, so wird das Wasser
in der Cunette über dem Grundbette 9 Fuss hoch fliessen, demnach wird die Geschwin-
digkeit im Flusse = 6,11 Fuss und in der Cunette = 12,94 Fuss betragen. Es wird
daher das Grundbette und die Ufer der Cunette viel mehr angegriffen werden, als es im
Flussbette der Fall ist. Sind hier das Grundbette und Ufer der Cunette und des ser-
pentirenden Flusses von gleicher Beschaffenheit, so wird das Bette durch die grössere
Geschwindigkeit vom Wasser erweitert und vertieft werden, demnach die Geschwindigkeit
wegen der Vertiefung noch mehr wachsen, und es wird sehr bald dahin kommen, dass
das alte Flussbette vom Wasser verlassen und das gesammte Flusswasser in das neue
Flussbette der Cunette geworfen, folglich der Zweck des Durchstiches ganz erreicht
seyn wird.
§. 214.
Bei den bisherigen Rechnungen haben wir zur Bestimmung des Widerstandes in
Flussbetten eine mittlere Geschwindigkeit und eine mittlere Tiefe des
Flusses angenommen und in dieser Hinsicht das Querprofil desselben als ein Recht-
eck betrachtet. Obgleich sich diess bei grössern Flüssen, die ein sehr breites Fluss-
bett besitzen, nicht wohl annehmen lässt, so kann man doch den Fluss der Länge
nach in mehrere Theile oder Kanalstrecken zerlegt denken, und bei der bestehenden
Beweglichkeit aller Wassertheile ohne Anstand annehmen, dass in jeder einzelnen sol-
chen Abtheilung der Widerstand der Grundfläche, welche von derselben Abtheilung
berührt wird, dem Quadrate der Geschwindigkeit proporzional sey, und dass sonach
zur Uiberwindung dieses Widerstandes das nöthige Gefälle im geraden Verhältnisse
des obigen Produktes und im umgekehrten der Querschnittsfläche stehen müsse. Mit
Rücksicht auf diese Bemerkungen haben wir allgemein für jede zwischen zwei senk-
rechten Flächen eingeschlossene Querschnittsfläche oder für jeden solchen Kanal die
Gleichung c = . In jeder Abtheilung ist aber immer = der Tiefe
a des Wassers, woraus die Geschwindigkeit c = folgt.
[291]Vortheilhaftestes Profil eines Mühlkanales.
Hieraus sehen wir, dass an seichten Stellen des Flusses, wo a kleiner ist, auch
die Geschwindigkeit kleiner seyn müsse als in den übrigen Abtheilungen, und dass
sich überhaupt in jedem Flusse die grösste Geschwindigkeit über der
grössten Tiefe befindet. Die Ursache, warum sich die Geschwindigkeit der
Flüsse bei einem höhern Wasserstande vermehrt, wie es §. 212 durch Rechnung gezeigt
wurde, lässt sich nunmehr auch leicht einsehen; es bleiben nämlich in jeder kanal-
förmigen Abtheilung des Flusses die Peripherien immer dieselben, wogegen die Quer-
schnittsflächen bei grossem Wasser viel mehr als bei kleinem betragen, demnach auch
die Geschwindigkeit des Wassers grösser als bei einem niedrigen Stande desselben
seyn muss.
§. 215.
Bei jedem Mühlkanale ist das ganze Gefälle vom Einflusse des Wassers in den
Kanal bis zu dessen Abflusse unter dem Mühlwerke gegeben. Von dieser Fallhöhe
muss nun ein Theil für den Mühlkanal und der zweite Theil für das Wasserrad ver-
wendet werden. Die Wirksamkeit der Wasserräder ist aber um so grösser, jemehr
Wasser denselben zugeführt wird und je grösser die Fallhöhe für das Rad ist. Die
Wassermenge, welche auf das Rad geleitet wird, müssen wir aus dem Grunde
als gegeben betrachten, weil dieselbe von jener bestimmt wird, die der Bach
oder Fluss, woran man die Mühle legt, abführt; die Wassermenge für das Rad kann
daher höchstens jener des Baches oder Flusses gleichkommen. Zur Erzielung einer
grossen Wirksamkeit eines Wasserrades wird daher erfordert, dem Gefälle dieses Rades
einen möglichst grossen und dagegen dem Gefälle des Mühlkanals einen möglichst klei-
nen Theil von der gegebenen Fallhöhe zuzuwenden. Es leuchtet aber von selbst ein,
dass der letztere Theil nicht ganz verschwinden oder = 0 seyn könne, weil in diesem
Falle die Geschwindigkeit des Wassers im Mühlkanale auch = 0 seyn würde, folglich
gar kein Wasser zur Mühle zufliessen könnte.
Setzen wir die Geschwindigkeit des Wassers im Mühlgraben = v, und das Quer-
profil desselben = f, so ist der Wasserzufluss M = f . v. Weil dieser durch die Wasser-
menge, welche der Bach oder Fluss abführt, gegeben ist, so wollen wir nicht nur die
Geschwindigkeit v des Wassers in diesem Kanale, welche nicht = 0 seyn kann, sondern
auch die Wassermenge einstweilen als gegeben betrachten. In diesem Falle ist nun auch
f gegeben, weil f = ist. Demnach wird es bei der Bemessung des Gefälles
hauptsächlich auf die Bestimmung der Grösse p ankommen.
Das nothwendige Gefälle eines Mühlkanales wird nämlich ein Minimum, wenn die
Grösse p sehr klein, demnach die Peripherie oder der Umfang des Kanales,
welcher die gegebene Fläche f einschliesst, möglichst klein ist.
Dieser Eigenschaft kommt unter allen Figuren der ganze und der halbe Kreis
und auch jeder Abschnitt des Kreises am nächsten, wenn im letzten Falle die
beiderseitigen Böschungswinkel, oder die Winkel, welche die Oberfläche des Wassers mit
dem abgeschnittenen Kreisbogen macht, gegeben sind. Allein es ist sehr schwierig einen
37*
[292]Vortheilhaftestes Profil eines Mühlkanales.
Kanal, wenn er auch gemauert oder ausgedielt ist, nach dem Profil eines halben Kreises
in der Prax auszuführen; wenn aber derselbe bloss ausgegraben wird, so erhalten sich die
zwei Seitenwände nicht, weil sie bei einem halben Kreise an ihrem obern Theile senk-
recht stehen und daher durch den Druck des Erdreichs einstürzen.
Aus dieser Ursache bedient man sich in der Ausübung gewöhnlich rechtwinkeliger
oder trapezförmiger Figuren, wovon die erstern mit Holz oder Stein ausgelegt, die
letztern aber gewöhnlich im blossen Erdreiche ausgehoben werden. Wir wollen zuerst
annehmen, die Querschnittsfläche des Mühlkanals sey ein Bechteck, die Höhe des
Fig.
3.
Tab.
54.Wassers in diesem Kanale = y und die Breite des Kanals = x, so ist die Querschnitts-
fläche f = x . y und die vom Wasser berührte Peripherie p = 2 y + x. Weil aber
x = ist, so ist auch p = 2 y + , welches zu einem Minimum gemacht werden muss.
Dieses findet Statt, wenn y = gesetzt wird *). In diesem Falle ist aber
x = = √ 2 f, demnach das Verhältniss y : x = : √ 2 f = 1 : 2, also muss in je-
dem Falle die Breite des rechtwinkeligen Kanals doppelt so gross als die Höhe, oder die
Höhe der halben Breite gleich seyn. Wird demnach ein Mühlkanal mit Pfo-
sten ausgedielt oder von Stein ausgemauert, so ist die Gestalt eines halben Quadrates die
vortheilhafteste.
§. 216.
Längere Mühlkanäle werden gewöhnlich nur in den Erdboden eingegraben und kön-
nen desshalb nicht mit rechtwinkeligen Seitenwänden versehen werden, weil auch eine
sehr feste Erde oder Schotter vom Wasser erweicht oder unterwaschen, demnach der
Kanal sehr bald einstürzen würde. Um dieses zu vermeiden, wird den Mühlkanälen ein
trapezförmiges, nach oben erweitertes Profil, und der schiefen Richtung der Sei-
tenwände nach Massgabe des mehr oder weniger bindenden Materials und der klei-
nern oder grössern Geschwindigkeit des Wassers eine steilere oder flächere Böschung ge-
geben. Um nun auch für diesen Fall das vortheilhafteste Verhältniss zu finden, wol-
Fig.
4.len wir den Böschungswinkel b d n = a c m = w, welcher von dem vorhandenen Materiale
abhängt, als gegeben betrachten, und die Seite a c = b d = y und die untere c d = x
setzen. Wir haben demnach die Höhe des Trapezes b n = y . Sin w und die Böschungs-
anlage m c = d n = y . Cos w, folglich die obere Parallele a b = x + 2 y . Cos w . Diess
gibt nunmehr die Fläche des Trapezes f = (c d + a b) = (x + y . Cos w) y . Sin w
und die vom Wasser berührte Peripherie p = a c + c d + d b = x + 2 y. Die unter
dem Texte angeführte Rechnung **) zeigt, dass p ein Minimum wird, wenn
[293]Vortheilhaftestes Profil eines Mühlkanales.
y = und c d = x = gesetzt werden. Daraus
folgt die obere Breite a b = und die Höhe des Trapezes
b n = und die Peripherie p = und mithin
= .
Da der Winkel w nie grösser als 45 Grad werden kann, weil das aufgeschüttete Erd-
reich bei 45 Grad gewöhnlich von selbst abzulaufen pflegt, und dieses bei nassem Erd-
reiche um so mehr Statt finden muss, so haben wir in der folgenden Tabelle zur deut-
lichen Uibersicht dieses Gegenstandes die Abmessungen des Profiles für die Querschnitts-
fläche f und die Winkel von 45°, 40°, 36° 52′, 35° und 30° nach den aufgestellten Gleichun-
gen berechnet. Dieser Tabelle haben wir noch das Verhältniss für einen halben Kreis
und das halbe Quadrat beigesetzt. Bei dem halben Kreise ist nämlich f = , also
r = und die Peripherie p = r . π = , demnach =
= = . Bei dem halben Quadrate haben wir aber f = , also
a = , und die Peripherie p = + a + = 2 a = 2 √ 2 f, demnach = = .
[294]Vortheilhaftestes Profil eines Mühlkanales.
Aus dieser Tabelle ersehen wir:
1tens. Dass bei dem halben Kreise das Verhältniss unter allen übrigen Figuren
wirklich das kleinste ist.
2tens. Bei dem halben Quadrate ist dieses Verhältniss bereits grösser als bei dem
halben Kreise und zwar verhält sich der Werth von in diesen zwei Fällen = 2507 : 2828
= 1 : 1 + ⅙.
3tens. Der Winkel w = 45° ist vortheilhafter als das halbe Quadrat, der Winkel
von 36° 52Min. kommt dem halben Quadrate gleich und bei den kleinern Winkeln ist das
Verhältniss von wieder grösser. Wir sehen hieraus, dass die steilere Böschung des
trapezförmigen Kanales (bei gegebener Fläche f) dem Zwecke, ein kleines Gefälle zu
benöthigen, mehr entspricht, als die flächere Stellung der Seitenwände. In der Aus-
übung kann man bei Mühlkanälen in den meisten Fällen einen Winkel von 45° annehmen,
weil man das Abspühlen des Erdreiches theils durch Verminderung der Geschwindigkeit,
theils durch Bedeckung der Böschungen mit einem mehr bindenden Materiale, welches
zur Verhütung der Durchseigerung ohnehin nothwendig ist, beseitigen kann.
§. 217.
Herr Eytelwein führt in seinem Handbuche der Mechanik fester Körper und der Hydrau-
lik, 2te Auflage, Leipzig 1823, Seite 165 an, dass unter den trapezförmigen Profilen die Sei-
tendossirung (Böschung) eines Sechseckes, welches zwar den kleinsten Umfang habe, zu
steil sey, weil sie 60 Grad betrage, demnach dasselbe in der Ausübung nicht leicht ange-
Fig.
5.
Tab.
54.wendet werden könne. Man erhalte aber ein trapezförmiges Profil, welches hinlängliche
Dossirung und dabei einen kleinen Umfang habe, wenn man die Breite A D eines recht-
winkeligen Profiles A B C D in 6 Theile theilt und davon 2 Theile von A nach a und von D
nach d, dann ebenso 2 Theile von B nach b und von C nach c aufträgt und nun die
Punkte a, b, c und d mitsammen verbindet. Bezeichnen wir einen solchen Theil mit e,
so ist a b = = 5 e, und daher der Umfang der er-
haltenen trapezförmigen Figur a b + b c + c d = 5 e + 2 e + 5 e = 12 e, demnach
eben so gross als der Umfang des halben Quadrates A B + B C + C D = 3 e + 6 e
+ 3 e = 12 e. Auf gleiche Art ist der Flächeninhalt des trapezförmigen Profiles
= (a d + b c) = (10 e + 2 e) = 18 e2 und der Flächeninhalt des halben Qua-
drates = A B . B C = 3 e . 6 e = 18 e2. Das konstruirte trapezförmige Profil hat daher
einen gleichen Umfang und gleichen Flächeninhalt, wie das halbe Quadrat, überdiess
aber den Böschungswinkel a b n, dessen Sinus = = Sin 36° 52Min. ist. Für diesen
Winkel wurden daher in der obigen Tabelle die zu seiner Konstrukzion erforderlichen
Werthe ebenfalls berechnet. Da hier p = 12 e und f = 18 e2 ist, so gibt für diesen
Fall die Substituzion in unsere aufgestellten Gleichungen
(I), wozu dann noch die zweite Gleichung
[295]Anlage der Mühlkanäle.
M = 18 e2 . c (II) hinzukommt. Wenn daher von den fünf Grössen h, l, M, v und e drei
gegeben sind, kann man die übrigen zwei berechnen.
§. 218.
Unsere Mühlkanäle werden gewöhnlich zu dem Zwecke gegraben, um das Wasser
von einem Flusse oder Bache einer Mühle zuzuführen. Man baut nämlich in dem Flusse
oder Bache ein Wehr, welches das Wasser fängt und es in einen seitwärts angelegten
Mühlkanal leitet. Ist die Wassermenge sehr gross, wie es z. B. bei der Moldau in Prag
der Fall ist, so sind die Kanäle nur von kurzer Länge, allein wenn die Wassermenge,
wie bei unsern meisten Bächen unbedeutend ist, so muss das Gefälle dasjenige in der
Kraft des Rades ersetzen, was von der Wassermenge abgeht. Man leitet daher bei
Bächen das Wasser von dem Wehr in einen Kanal, der gewöhnlich in dem Erdreiche
bloss ausgegraben und an der Berglehne des Thales, in welchem der Bach fliesst, so weit
fortgeführt wird, bis man ein hinreichendes Gefälle hat, um dort ein Wasserrad anzu-
bringen. Fig. 6 enthält die perspektivische Darstellung einer solchen Anlage; hierbeiFig.
6.
Tab.
54.
ist A das Wehr, B C der an der Berglehne fortgeführte Mühlkanal, D das oberschläch-
tige Wasserrad, wodurch das Gehwerk der Mühle in Bewegung gesetzt wird und E F
der im Thale fortlaufende Bach, in welchen das Wasser von dem Rade wieder abfällt
und seinen Lauf weiter fortsetzt.
Wir haben bereits angeführt, dass ein jeder solche Mühlkanal etwas Gefälle haben
muss, damit das Wasser mit der gehörigen Geschwindigkeit darin fliessen kann. Das
richtige Verhältniss für das Gefälle und die Dimensionen des Kanales wird man in jedem
praktischen Falle nach Anleitung der bisherigen Rechnungen ausmitteln.
Beispiel. Es sey in dem vorgenannten Falle der Mühlgraben für eine ober-
schlächtige Mahlmühle anzugeben; die Wassermenge, welche durch den Mühlgraben
geleitet werden soll, sey M = 9 Kubikfuss, die Länge des Mühlgrabens
1 = 600 Klafter = 3600 Fuss und der Böschungswinkel = 30 Grad.
Setzen wir vorläufig die Geschwindigkeit v = 1 Fuss, so ist die Querschnittsfläche
des Mühlgrabens f = 9 Quadratfuss, folglich √ f = 3 und daher das Gefälle, welches
dieser Mühlkanal für seine ganze Länge erhalten muss.
h = = 0,324 Fuss = 4 Zoll. Wenn also die Fallhöhe von der Oberfläche beim
Einflusse des Wassers aus dem Bache in den Mühlgraben, oder vom Wehrschweller,
mittelst welchem das Wasser in den Mühlgraben eingefangen wird, bis zur Oberfläche des
abfliessenden Wassers unter dem Rade 12 Fuss beträgt, so wird zur Verwendung für den
Mühlenbetrieb ein Gefälle von 11 Fuss 8 Zoll erübrigen. Man würde dieses Gefälle noch
kleiner erhalten haben, wenn man für die Geschwindigkeit v eine kleinere Grösse z. B.
½ Fuss angenommen hätte. In diesem Falle wäre aber die Querschnittsfläche
f = = 2 . 9 = 18 Quadratfuss, demnach auch alle Abmessungen des Kanals und sonach
die Arbeit des Ausgrabens auf das doppelte vermehrt, wovon die Kosten durch das für
die Mühle gewonnene unbedeutend grössere Gefälle nicht ersetzt werden.
[296]Anlage der Mühlkanäle.
Die Abmessungen für den Mühlkanal werden in dem zuerst angenommenen Falle bei
einer Böschung von 45 Grad nach Seite 293 folgende seyn:
Die obere Breite 2,092 √ f = 6,276 Fuss, die untere Breite 0,613 √ f = 1,839 Fuss und
die Tiefe 0,740 √ f = 2,220 Fuss.
Soll jedoch das trapezförmige Profil nach der Beschaffenheit des Erdreichs bloss
mit einer Böschung von 36° 52Min. angelegt werden, so ist nach Seite 294 die Querschnitts-
fläche desselben = 18 e2 = 9, also e = 0,707 Fuss, demnach die obere Breite 10 e = 7,07
Fuss, die untere Breite 2 e = 1,41 Fuss und die Tiefe 3 e = 2,12 Fuss.
Wollte man aber die Geschwindigkeit des Wassers im Mühlkanale mit v = 2 Fuss
annehmen, so ist das auszuhebende Profil f = 4,5 Quadratfuss, demnach der kubische
Inhalt der Erdarbeit nur halb so gross. Jetzt wird aber der Fall, welchen dieser
Kanal erfordert, bei einer Böschung von 45 Grad, h = = 1,65 Fuss betra-
gen, demnach zur Anlegung des Wasserrades nur die Fallhöhe von 10,35 F. übrig bleiben.
§. 219.
Bei der Berechnung der Anlage der Mühlkanäle nach den aufgestellten Formeln sind
noch folgende wesentliche Umstände zu berücksichtigen:
1tens, ob das Erdreich, worin der Kanal ausgegraben wird, von der Beschaffen-
heit ist, dass man zur Ersparung der Arbeit der Erdaushebung eine grössere Geschwin-
digkeit annehmen kann. Ist das Erdreich sehr leicht oder hat wenig Konsistenz, so
würde es bei einer grössern Geschwindigkeit angegriffen, und die Ufer durchgerissen
werden.
2tens. In dem letzten Falle ist zu untersuchen, ob das zur Erzielung einer
grössern Geschwindigkeit des Wassers im Mühlkanale verwendete, demnach für das
Wasserrad verlorene Gefälle nicht etwa für den Betrieb der Mühle einen grössern
Schaden bringe, als die Verminderung der Anlags- und Unterhaltungskosten des Mühl-
kanales beträgt.
3tens. So vortheilhaft es übrigens ist, dem Wasser im Mühlkanal eine kleinere
Geschwindigkeit zu geben, so ist doch im Gegentheile zu berücksichtigen, dass die
Verschlämmung eines solchen Mühlkanals, welche aus dem eingelassenen trüben Wasser
entsteht, um so grösser sey, je langsamer das Wasser darin fliesst, in welchem Falle
dann auch die Räumungskosten zur nöthigen Unterhaltung des Mühlkanals sich ver-
mehren.
4tens. Bei kleinen Kanälen, in welchen das Wasser langsam fliesst, ist auch
noch zu berücksichtigen, dass sie in kalten Klimaten zur Winterszeit gänzlich ausfrie-
ren, was aber bei einem tiefer und schneller fliessenden Wasser nicht eintritt.
In dieser Hinsicht werden solche Kanäle im Winter zugedeckt, um vorzüglich das
Einfallen des Schnees und das Ansetzen des Treibeises zu verhindern. Auch wird das
Wasser in solchen Mühlkanälen zu Anfang des Frostes durch Einschützen eine Zeitlang
höher gehalten, damit das Treibeis in die Höhe steigen und das Wasser an der Ober-
fläche einfrieren, für das darunter fliessende Wasser aber ein hinreichendes Profil
übrig bleiben möge.
[297]Mühlkanäle an Flussarmen.
5tens. Uiberhaupt ist es für die Ausübung zweckmässig, durch vorläufige Ver-
suche zu bestimmen, bei welcher Geschwindigkeit des Wassers das vorhandene Erd-
reich angegriffen werde. Die Geschwindigkeit des Wassers darf in keinem Falle
grösser genommen werden, als jene, wobei das Erdreich noch liegen bleibt, denn
würde man dem Kanale willkührlich ein grösseres Gefälle geben, so könnte es leicht
geschehen, dass die Ufer angegriffen und der Kanal durchgerissen würde. Hier bleibt
dann nichts übrig, als einen solchen Kanal höher oder niedriger an der Berglehne
zu führen und mit dem angemessenen Gefälle neu auszuheben. Die erste Kanalgra-
bungsarbeit ist daher ganz verloren.
Hieraus werden die Umstände hinreichend zu ermessen seyn, welche bei der
Anlage solcher Kanäle zu berücksichtigen sind.
§. 220.
Die Mühlkanäle, in welchen das Wasser aus grösseren Flüssen zu
den Mühlen geleitet wird, sind gewöhnlich sehr kurz und bedürfen desshalb keiner
Berechnung ihres nothwendigen Gefälles. Inzwischen gibt es doch Fälle, wo die
Mühlen z. B. am Ende eines Flussarmes zwischen einer Insel und dem festen Lande
angelegt werden, folglich der Mühlkanal eine bedeutendere Länge erhält. Hier fragt
es sich nun, wie hoch der Fluss am Ende des Armes geschwellt, oder auf welche
Höhe die Grundschwelle eingelegt werden könne. Weil hier sowohl die Tiefe des
Wassers bei dem Einflusse, als auch die Breite desselben gegeben ist, so wird die
Querschnittsfläche und auch eine Geschwindigkeit des Wassers angenommen und das
hierzu nöthige Gefälle berechnet. Dieses geht itzt dem natürlichen Gefälle des Fluss-
armes und folglich der Mühle ab. Da man hier bei der Annahme einer kleinern Ge-
schwindigkeit zwar mehr Gefälle zur Betreibung der Mühle übrig behält, allein dagegen
die zufliessende Wassermenge geringer wird, so ist aus der Vergleichung dieser Umstände
zu ermessen, welche Geschwindigkeit man annehmen könne, und welches Gefälle dem-
nach für die Anlage der Mühle übrig bleibt. Hieraus ist sodann der Effekt der Mühle
und die Frage, in welchem Grade sie dem Zwecke entsprechen werde, zu beurtheilen.
Gewöhnlich pflegt man die kleinen Flussarme, welche zwischen einer Insel
und dem festen Lande fortlaufen, vorzüglich, wenn sie hinlängliche Tiefe und ein bedeu-
tendes Gefälle besitzen, zur Betreibung von Mühlwerken zu verwenden. Es
sey in diesem Falle die ganze Länge des Flussarmes, an dessen Ende die Mühle angelegt
werden soll A B = l, und das ganze Gefälle des Wassers auf diese Länge oder B C = h.Fig.
7.
Tab.
54.
Die Oberfläche des Hauptschwellers des Mühlgerinnes wird gewöhnlich in die Oberfläche
C des abfliessenden Wassers gelegt und durch diesen Einbau C E das Wasser über dem
Mühlschweller bis N erhoben, von wo es mit dem Gefälle N C gegen das Rad fliesst.
Es ist offenbar, dass wenn die Oberfläche A N des Wassers mit A B zusammenfiele
oder horizontal wäre, das Wasser im Mühlkanale stehen, folglich kein Zufluss zu der
Mühle Statt finden würde. Demnach muss B N = y einen bestimmten Werth erhalten,
welcher das zur Bewegung des Wassers von A bis B erforderliche Gefälle ausdrückt und
es bleibt für das Wasserrad bloss das wirksame Gefälle N C = h — y übrig. Es fragt
Gerstner’s Mechanik. Band II. 38
[298]Mühlkanäle an Flussarmen.
Fig.
7.
Tab.
54.sich nun, wie gross y angenommen werden solle, damit die Arbeit, welche von dem Rade
zu Stande gebracht wird, ein Maximum sey. Nimmt man y gross, so wird das Wasser
zwar geschwinder fliessen, allein h — y kleiner werden und im Gegentheile.
Weil wir diese Rechnung bloss auf eine elementare Art machen wollen, so ist, wenn
a die Tiefe A b des Wassers vor dem Einbaue bezeichnet, die mittlere Tiefe des Wassers
= = a + . Die mittlere Geschwindigkeit v, womit das
Wasser in dem Kanale herabfliessen wird, ergibt sich aus der Gleichung
= , woraus v = folgt. Bezeichnet B
die ganze Breite des Flussarmes, so ist die Wassermenge, welche durch denselben her-
abfliesst und zur Betreibung der Räder verwendet werden kann
= B . Wir werden in der Folge sehen, dass
bei allen Mühlwerken das mechanische Moment oder die zu bewirkende Arbeit eines
unterschlächtigen Wasserrades dem Produkte der Wassermenge in das Gefälle propor-
zional sey; soll daher die Arbeit ein Maximum seyn, so muss auch die obige Wasser-
menge, multiplizirt mit dem Gefälle h — y möglichst gross werden. Wenn wir die be-
ständigen Grössen weglassen, so muss das Produkt
· (h — y) zu einem Maximum werden. Nach der
unten beigefügten höhern Rechnung *) findet diess Statt, wenn y = ist.
[299]Mühlkanäle an Flussarmen.
Beispiel. Es sey die Länge des Mühlarmes I = 600 Klafter, das Gefälle 4 Zoll
auf 100 Klafter, demnach h = 4 . 6 Zoll = 2 Fuss. Nehmen wir nun noch die Tiefe
des Wassers im Mühlkanale a = 2 Fuss an, so folgt y = = ⅓ Fuss. Das
Gefälle des Kanales wird demnach bei der vortheilhaftesten Anlage der Mühle ⅓ Fuss
betragen, es bleibt also für die Höhe des Wassers über dem Schweller
h — y = 2 — ⅓ = 5/3 Fuss übrig. Bezeichnen wir mit b die Breite des im Flussarme
angelegten Mühlkanals, so wird die Wassermenge, welche in denselben einfliesst
= 0,633 . ⅔ . b . 5/3 . = b . 7,15 seyn, wozu das wirksame Gefälle von 5/3 Fuss kommt.
Wie hieraus die übrige Anlage der Mühle berechnet wird, und was für ein Effekt von
derselben zu erwarten sey, werden wir im nächsten Kapitel kennen lernen. Wir bemer-
ken daher nur noch, dass diese Rechnung in jedem Falle von grosser Wichtigkeit sey,
und dass die geringen Leistungen, welche bei so vielen an Flussarmen angelegten Mühlen
Statt hatten, häufig aus der Nichtbeobachtung der Resultate, welche solche Rechnungen
liefern, entsprungen sind.
§. 221.
Bei den bisherigen Untersuchungen über die gleichförmige Bewegung des
Wassers in Flussbetten und Kanälen haben wir immer unter v die mittlere Ge-
schwindigkeit des Wassers in dem ganzen Querschnitte f verstanden. Allein
diese Geschwindigkeit ist gewöhnlich in den einzelnen Theilen eines Flussprofils ver-
schieden und zwar hat man hierüber folgende Beobachtungen gemacht:
Zwischen geraden oder sanft gekrümmten und parallelen Ufern findet man, dass die
Geschwindigkeit des Wassers gewöhnlich in der Mitte, wo die grösste Tiefe Statt findet,
auch am grössten ist, gegen beide Seiten oder gegen die Ufer aber abnimmt. Die
Ursache hiervon wurde bereits Seite 291 dargethan und liegt in dem Umstande, dass die
Widerstände der Seitenwände die Bewegung des Wassers seitwärts mehr verhindern, als
in der Mitte, wo es auf einer grössern Tiefe fliesst. Man nennt desshalb auch in jedem
Flusse den Ort der grössten Geschwindigkeit, die gewöhnlich in der grössten Tiefe Statt
findet, den Stromstrich. Bei gerade fortlaufenden oder sanft gekrümmten Flussufern
liegt daher der Stromstrich in der Mitte, bei Krümmungen oder Serpentinen aber auf
der Seite des konkaven Ufers, welches von der dahingehenden Richtung des Stromes
herrührt.
Man hat weiter beobachtet, dass die Oberfläche eines Flusses selten eine gerade
Linie bildet; kann das Wasser frei abfliessen, so bildet es nach der Länge des Flusses
eine konvexe Oberfläche, wird es aber in seinem Laufe gehemmt oder gestaut, so ent-
steht eine konkave Krümmung in dem Wasserspiegel. Man hat ferner beobachtet, dass
das Wasser, wenn es in einem Flusse steigt, in der Mitte seines Querprofils höher als
an den Ufern steht, wenn es aber fällt, so ist im Gegentheile die Mitte tiefer als beide
Ufer; im letztern Falle wird daher das Wasser von den Ufern gegen die Mitte zuströ-
men und jene Körper, welche am Ufer eingeworfen werden und am Boden nicht auf-
sitzen, werden gegen die Mitte des Flusses getrieben.
38*
[300]Messung der Flussprofile.
Diese Erfahrungen zeigen uns, dass die Geschwindigkeit des Wassers in den Quer-
profilen der Flüsse gewöhnlich sehr ungleich sey; sie ändert sich nämlich sowohl in
der Breite des Flusses als in der Tiefe desselben. Will man demnach die Wasser-
menge, welche ein Fluss oder Strom abführt, genau bestimmen, so muss das Querprofil
desselben in mehrere Theile zerlegt und in jedem derselben die mittlere Geschwindig-
keit bestimmt werden.
§. 222.
Wie die Wassermenge eines kleinen Baches, der in einer Schlucht
zwischen Steinblöcken beinahe unsichtbar fortläuft, oder wie die Wassermenge bei
einer Quelle, die sich in Wiesengründen zertheilt, verlässlich bestimmt wird, haben
wir bereits §. 116 gezeigt.
Bei grössern Gewässern muss das Querprofil des Flusses für sich und eben so
auch die Geschwindigkeit des Wassers in den verschiedenen Abtheilungen des Profiles
abgesondert bestimmt werden. Das Querprofil muss, behufs der Bestimmung der Was-
sermenge, in einer solchen Strecke des Flusses gemessen werden, wo die Ufer ziem-
lich parallel laufen und wo auf eine geraume Weite ein beinahe gleiches Profil und
gleiche Geschwindigkeit vorhanden ist.
Bei einem kleinern Flusse wird dieses Querprofil gemessen, indem man
senkrecht auf dessen Richtung am Ufer beiderseits einige Stangen im Allignement
einsetzt und die Entfernungen vom Ufer mit einer Stange, Kette oder getheerten
Schnur, die Tiefen aber mit einer Sondirstange misst, an derem untern Ende ein run-
des Bret von einigen Zollen und bei tieferen Flüssen von einem Fuss im Durchmesser
befestigt ist. Diess letztere ist vorzüglich bei jenen Flüssen nothwendig, deren Grund-
bette sandig oder überhaupt weich ist.
8.
Tab.
54.
Bei breiten Flüssen steckt man ebenfalls an beiden Ufern einige Stangen im
Allignement in einer senkrechten Richtung A C auf den Fluss ein, stellt sich in B mit
dem Messtische auf, zieht die Linie B c, misst und trägt die Standlinie B F auf, die
wenigstens so gross als die Breite des Flusses seyn muss. Wird nun der Mess-
tisch nach F übertragen, so lässt sich nach gehöriger Einrichtung desselben sogleich
die ganze Breite A C des Flusses bestimmen. Nun fährt ein Gehilfe mit einem Schiffe
oberhalb der Linie A C beiläufig auf jene Entfernung vom Ufer, wo man die Tiefe
messen will, und überlässt dort das Schiff dem Strome, er stellt sich mit der Sondir-
stange auf dem Vordertheile des Schiffes, setzt diese Stange, so wie er in die Linie
A C kommt, senkrecht in den Fluss ein und lässt inzwischen das Schiff entweder an-
halten oder tritt von dem Vordertheile im Schiffe zurück, und bleibt auf diese Art
durch einige Sekunden in der Richtung der Linie A C mit der eingesetzten Stange
stehen. Der Ingenieur bei dem Messtische, welcher dem Schiffe ohnehin gefolgt ist,
wird dadurch in den Stand gesetzt, die Sondirstange genau anzuvisiren. Die Visur wird
auf dem Messtische numerirt und mit dem gleichen Nummer die mit der Stange ge-
messene Tiefe bezeichnet. Ist diess geschehen, so fährt der Gehilfe mit dem Schiffe
wieder Strom aufwärts und misst auf gleiche Art in einer andern Abtheilung die Tiefe,
deren Ort auf dem Messtische auf dieselbe Weise bestimmt wird.
[301]Messung der Geschwindigkeit des Wassers.
Um nun das Profil aufzutragen, werden entweder sogleich auf dem Messtische oderFig.
9.
Tab.
54.
auf einem andern Blatte die Breiten (Abscissen), welche durch Durchschnitte bestimmt
wurden und die zugehörigen Tiefen (Ordinaten) aufgetragen und die Endpunkte der
Tiefen mit einander verbunden. Weil die Tiefen im Verhältnisse der Breite immer sehr
unbedeutend sind, so pflegt man bei dem Auftragen eines solchen Profiles immer
zweierlei Masstäbe anzunehmen und zwar die Tiefen 10 bis 20 mal so gross als die
Breiten des Profiles zu verzeichnen. Der Flächeninhalt des auf solche Art aufgetra-
genen Flussprofiles wird nach den Regeln der Planimetrie berechnet, der Umfang dessel-
ben wird entweder berechnet oder mit dem Zirkel abgenommen. Bei diesen Profilmes-
sungen ist nur noch zu erinnern, dass man die Tiefen so nahe beisammen nehmen muss,
damit zwischen denselben keine bedeutende Unebenheit Statt findet und man daher
eine gerade Linie von dem Endpunkte einer aufgetragenen Tiefe bis zu dem Endpunkte
der andern wirklich ziehen kann. Es ist übrigens in jedem solchen Falle gut, meh-
rere Profile eines Flusses zwischen parallelen Ufern zu messen und hieraus das Mittel
zu nehmen, weil man erst auf diese Art das wahre Stromprofil mit Genauigkeit berech-
nen kann.
§. 223.
Zur Messung der Geschwindigkeit des Wassers bedient man sich verschie-
dener Instrumente, welche mehr oder minder ihrem Zwecke entsprechen. Die einfach-
ste Methode, die Geschwindigkeit des Wassers an der Oberfläche zu bestimmen, be-
steht in dem Gebrauche schwimmender Körper. Man wählt hierzu gewöhnlich
eine kupferne hohle Kugel von 6 Zoll Durchmesser, welche mit Oehlfarbe roth ange-Fig.
10.
strichen wird, um im Wasser sichtbar zu seyn. Mittelst einer in der Kugel ange-
brachten Oeffnung werden so lange Schrottkörner oder Wasser hineingegeben, bis sie
bei der Einsenkung in den Fluss nur etwas über den Spiegel desselben hervorragt.
Die Oeffnung wird hierauf mit einer Schraube oder mit einem Korkstöpsel geschlos-
sen und darauf ein Zeichen befestigt, um die Kugel sichtbar zu machen. Um die
Geschwindigkeit des fliessenden Wassers durch diese Kugel zu bestimmen, wird die
Länge A B des Ufers von einem Querschnitt zum andern mit der Kette genau gemes-Fig.
11.
sen, diese Querschnitte durch Stangen abgesteckt und hierauf die Kugel eine Strecke
ober dem ersten Profile in das Wasser geworfen, damit sie, wenn sie in das abge-
steckte Profil gelangt, bereits die Geschwindigkeit des Wassers im Flusse angenommen
hat. Man beobachtet nun die Zeit an einer Uhr, wann die Kugel durch das erste
Profil und wann sie durch das zweite Profil geschwommen ist. Der Unterschied dieser
Zeiten gibt die Dauer der Bewegung durch den Raum A B, woraus sich die Geschwin-
digkeit bestimmen lässt. Zu dieser Beobachtung werden übrigens, wenn das Wasser
mit einer bedeutenden Geschwindigkeit fliesst, zwei Personen erfordert, wovon eine
mit einer guten Uhr versehen ist, und von der andern das Zeichen erhält, wenn die
Kugel durch das andere Profil gegangen ist.
Beispiel. Es sey die Entfernung der zwei abgesteckten Profile A B = 600 Fuss,
die Zeit, um welche die Kugel durch das erste Profil ging, sey 8h 6Min. 13Sek. und die
[302]Messung der Geschwindigkeit des Wassers.
Zeit, wann sie durch das zweite Profil ging, sey 8h 9Min. 54Sek.. Demnach ist die Zeit,
welche die Kugel von einem Profile zum andern benöthigte
= 8h 9Min. 54Sek. — 8h 6Min. 13Sek. = 3Min. 41Sek. = 221Sek. und die Geschwindigkeit
v = = 2,7 Fuss.
Diese Methode hat bei aller Einfachheit, welche sie empfehlen würde, mehrere
Nachtheile:
1tens. Bei Flüssen ist die Atmosphäre selten ruhig, und es wird eine schwim-
mende Kugel, wenn der Wind derselben entgegenkommt, in ihrer Bewegung aufge-
halten, im Gegentheile aber beschleunigt, wenn der Wind der Richtung des Flusses
folgt. Demnach wird die Messung mit schwimmenden Körpern selten die erforder-
liche Genauigkeit gewähren.
2tens. Wir haben früher bemerkt, dass die Oberfläche des Wassers in einem
Stromprofile selten eine horizontale Linie bildet und dass das Wasser in demselben
gewöhnlich entweder von der Mitte des Flusses gegen die Ufer oder von den Ufern
gegen die Mitte sich bewege. Hieraus folgt, dass eine schwimmende Kugel von dem
Orte, wo sie eingeworfen wurde, selten in einer zu den Ufern parallelen Richtung
fortfliessen, und sich im Gegentheile dem Ufer entweder nähern oder davon entfernen
werde. Man kann daher eine schwimmende Kugel wohl anwenden, um die Geschwin-
digkeit des Stromstriches in einem Flusse, nicht aber um die Geschwindigkeit des
Wassers auf verschiedenen Entfernungen vom Ufer zu bestimmen. Uiberhaupt werden
schwimmende Kugeln gewöhnlich nur dazu gebraucht, um die Geschwindigkeit in einer
regulären Flusstrecke von kleinerer Breite, in einem Bache oder in einem Mühlgraben
zu bestimmen, und nun mittelst dieser Geschwindigkeit ein anderes Instrument zum
Gebrauche der Messungen für Flüsse zu adjustiren.
§. 224.
Es kommt häufig der Fall vor, dass man die Geschwindigkeit des Wassers an
einem bestimmten Orte ausmitteln soll, z. B. in einem Flusse, wo keine gleich-
förmige Bewegung Statt findet, ingleichem die Geschwindigkeit, womit das Wasser
in einem Mühlgerinne gegen ein Wasserrad fliesst. In solchen Fällen ist der Raum,
innerhalb welchem man diese Geschwindigkeit zu bestimmen hat, zu kurz, um eine
Fig.
12.
Tab.
54.schwimmende Kugel anzuwenden; man bedient sich daher eines kleinen Rädchens
von 12 bis 18 Zoll im Durchmesser, mit blechernen Schaufeln nach Art der Strauber-
räder gebaut. Die Wellzapfen dieses Rädchens bewegen sich in einem Rahmen, der
an einer Stange mit der Hand fest gehalten wird. Wird nun das Rädchen in die
Oberfläche des Wassers gestellt, so wird es sich in dem Falle mit einer ganz gleichen
Geschwindigkeit wie das Wasser fortbewegen, wenn die Reibung der Zapfen wirklich
sehr unbedeutend ist. Zu diesem Behufe lässt man die Achsen des Rädchens, welches
sehr leicht gebaut seyn muss, in genau gedrehte Spitzen auslaufen. Da die Zeit eines
Umlaufes dieses Rädchens zu kurz wäre, um hiernach die Geschwindigkeit des Was-
sers verlässlich bestimmen zu können, so werden immer mehrere Umläufe desselben
[303]Stab des Cabeo.
gezählt, und hieraus die Dauer eines Umlaufes berechnet. Zu diesem Zwecke befestigt
man gewöhnlich eine Schnur an der Welle des Rädchens, und lässt sie, ohne stark
anzuziehen, an derselben aufwinden; die Anzahl der Windungen ist offenbar der An-
zahl der Umläufe gleich. Wenn z. B. während 2 Minuten 360 Umläufe Statt hatten,
so ist die Zeit eines Umlaufes = Sekunden. Nehmen wir nun an, dass der Halb-
messer des Rädchens bis zur Mitte der Schaufeln = ½ Fuss ist, so ist die Geschwin-
digkeit des Wassers an dem Orte der Beobachtung v = 3,1416 . 2 . ½ . = 9,42 Fuss.
Die Umläufe an einem solchen Rädchen können auch noch auf eine andere ArtFig.
13.
Tab.
54.
gemessen werden. Man bringt nämlich eine Schraube ohne Ende an den Achsen des
Rädchens an, und lässt sie in ein Stirnrad von z. B. 60 Zähnen eingreifen. Bei jeder
Umdrehung des Rädchens wird daher ein Zahn weiter gerückt und man kann durch
Abzählen der Zähne von einem bezeichneten Anfangspunkte die Zahl der Umdrehun-
gen und hieraus die Geschwindigkeit leicht berechnen.
§. 225.
Um die Geschwindigkeit des Wassers im Mittel der verschiedenen Tiefen zu bestim-
men, d. h. die mittlere Geschwindigkeit an einem bestimmten Orte einer Fluss-
strecke zu finden, dient der Stab desCabeo. Diess ist ein hölzerner Stab oder auchFig.
14.
eine blecherne Röhre, die an ihrem untern Theile durch hineingeworfenen Sand oder
andere Körper beschwert wird, damit sie bei der Einsenkung in ein ruhiges Wasser die
senkrechte Richtung annimmt, und in jener Tiefe stehen bleibt, bis zu welcher man
die Geschwindigkeit in dem Flusse messen will. Lässt man nun eine solche Röhre oder
einen an seinem Ende beschwerten Stab bis beinahe am Boden des Flusses im Wasser
gehen, so ist offenbar, dass sich derselbe mit der mittlern Geschwindigkeit des Wassers
fortbewegen werde.
Man hat auf diese Art gefunden, dass die Stäbe oder Röhren selten senkrecht, son-
dern immer entweder vorwärts oder rückwärts geneigt im Wasser gehen. Versucht man
diese Stäbe zwischen Brückenpfeilern oder andern Flussverengungen, so bleibt der untere
Theil derselben vorwärts und zieht den obern nach sich; demnach muss die Geschwin-
digkeit des Wassers am Boden grösser als an der Oberfläche seyn. Findet man dagegen,
wie es gewöhnlich der Fall ist, dass der obere Theil der Röhre vorauseilt, während der
untere zurückbleibt, so muss auch die Geschwindigkeit oben grösser, unten aber kleines
seyn.
Dieselben Beobachtungen hat schon Mariotte in Frankreich gemacht; er verbandFig.
15.
nämlich mehrere ungleich schwere Kugeln von Wachs mittelst eines Fadens nach Art
einer Kette mitsammen und liess sie nun im Flusse fortschwimmen. Da die Kugeln sich
in keiner geraden, sondern in einer krummen Linie gemeinschaftlich fortbewegten, so
schloss er, dass bei jener Kugel, welche vorauseilt, die grösste Geschwindigkeit vorhanden
seyn müsse und umgekehrt.
Diese beiden Methoden, die Geschwindigkeit zu messen, sind mit mehreren Un-
bequemlichkeiten verbunden. Da die Stäbe so viel als möglich nahe am Boden gehen
[304]Röhre des Pitot.
müssen, um wirklich die mittlere Geschwindigkeit des Wassers auf der ganzen Tiefe
anzuzeigen, so bleiben dieselben leicht an den Steinen, Wurzeln und andern im Flusse
liegenden Gegenständen hängen, welches ebenfalls bei der Verbindung mehrerer Kugeln
geschieht. Ueberdiess bewegen sich die Stäbe mit dem übrigen Wasser gewöhnlich
gegen die Mitte oder den Stromstrich des Flusses und man kann daher seitwärts nur
für kurze Entfernungen die Geschwindigkeit messen. Dieser Apparat leistet daher nicht
diejenigen Dienste, welche man von einem guten Instrumente, mittelst dessen die mittlere
Geschwindigkeit und demnach die Wassermenge eines Flusses genau bestimmt wird,
erwarten kann.
§. 226.
16.
Tab.
54.
Mittelst der Röhre desPitot kann die Geschwindigkeit des Wassers an der Ober-
fläche und dann auch in jeder Tiefe eines Flusses gemessen werden. Sie besteht aus
einer gläsernen Röhre von ½ bis 1 Zoll im Durchmesser, die unten mit einem senkrecht
auf sie gestellten Trichter von Blech verbunden ist. Man kann hierzu auch eine blecherne
Röhre mit einem blechernen Trichter nehmen, wo aber am Ende der erstern ein Stück
Glasröhre angebracht ist. In beiden Fällen wird die Röhre an einer Leiste befestigt, die
sich an einem Pfahle auf- und abschieben lässt. Man stellt nun den Pfahl an dem betref-
fenden Orte in das Wasser und schiebt den Trichter bis zu jener Tiefe hinab, wo man
die Geschwindigkeit messen will. Wenn das Wasser nicht fliesst, so bleibt es in der
Röhre auf gleicher Höhe als ausserhalb derselben. Wird jedoch der Trichter in einem
Fluss und zwar gegen das fliessende Wasser gestellt, so wird das in der Röhre befindliche
Wasser so hoch über den äussern Wasserpiegel hinaufgetrieben, bis der Druck des
bewegten Wassers mit dieser Höhe im Gleichgewichte ist. Es wird daher die Höhe h
der Wassersäule der Geschwindigkeitshöhe des Wassers gleich seyn oder h = . Da
aber Versuche gezeigt haben, dass diese Gleichung nicht in allen Fällen mit der Erfah-
rung übereinstimmt, dass jedoch jederzeit die Höhe h dem proporzional ist, so kön-
nen wir allgemein h = m · setzen. Wird itzt das Instrument an einem Orte eingesenkt,
wo die Geschwindigkeit C an der Oberfläche mittelst einer schwimmenden Kugel bestimmt
wurde, und hierbei die Höhe H, auf welche das Wasser an demselben Orte in der Pitot’-
schen Röhre sich erhebt, gemessen, so hat man abermals H = m · , man kann daher
den Koeffizienten m hieraus bestimmen, in die Formel h = m · substituiren und nun für
jeden Werth von h die Geschwindigkeit c berechnen.
Dieses Instrument empfiehlt sich durch seine besondere Einfachheit und durch den
Umstand, dass alle Reibung hierbei beseitigt ist. Es hat jedoch den Fehler, dass man
es bei kleinen Geschwindigkeiten nicht gebrauchen kann, weil dann der Raum h zu klein
ausfällt z. B. es sey m = 1 und c = 1 Fuss, so ist h = 1/62 Fuss = 2,3 Linien, welches zu
unbedeutend ist, um gemessen werden zu können, zumal als das Wasser sich an der
Röhre wegen der Adhäsion mit dem Glase gewöhnlich etwas hinaufzieht.
[305]Hydrometrisches Pendel.
Um das Instrument für grössere Geschwindigkeiten mit Genauigkeit verwenden zu
können, und bei den Beobachtungen bloss jene Höhe zu erhalten, auf welche das Wasser
in der Röhre wegen seines hydrostatischen Druckes steigt, bringt man an demselben
Stabe, woran die Röhre mit dem Trichter befestigt ist, noch eine zweite unten und obenFig.
17.
Tab.
54.
offene Röhre an, welche mit der erstern gleichen Durchmesser hat. Da nun das Wasser
wegen seiner Adhäsion an das Glas in beiden Röhren auf eine gleiche Höhe steigt, so
braucht man bloss von der Wasserhöhe in der Pitot’schen Röhre, die Höhe in der zwei-
ten offenen Röhre abzuziehen, um das Maass der eigentlichen Geschwindigkeitshöhe zu
erhalten. Man muss ferner dem Stabe oder Pfahle, an welchem die Pitot’sche Röhre
befestigt wird, gegen das Wasser zu eine etwas schneidige oder eckigte Form geben, weil
sonst das Wasser zurückstaut und höher als von aussen im Flusse stehen würde. End-
lich muss der Trichter von vorne hinlänglich erweitert seyn, damit der Widerstand der
Wände auf die Bestimmung der Geschwindigkeit keinen Einfluss nehme.
§. 227.
Unter den Instrumenten, welche zur Messung der Geschwindigkeit des Wassers so-
wohl an der Oberfläche als in verschiedenen Tiefen bei Flüssen gebraucht werden, hat
sich das hydrometrische Pendel oder der sogenannte Stromquadrant durch
seine Einfachheit in der Anfertigung sowohl, als in der Anwendung allgemein em-
pfohlen. Diess Instrument gehört zu den ältern Geschwindigkeitsmessern. Es erhielt
seinen Namen von seiner ehemaligen Form, nämlich einem in Grade eingetheilten Viertel-Fig.
18.
kreise, in dessen Mitte eine Kugel, deren spezifische Schwere grösser, als jene des
Wassers ist, an einem Faden befestigt war. Um das Instrument horizontal stellen zu
können, hing an demselben Mittelpunkte noch ein Loth herab. Wurde nun die Kugel
in ein fliessendes Wasser gebracht, so konnte man aus dem Winkel, welchen der Faden
mit dem Lothe bildete, die Geschwindigkeit des Wassers berechnen. Die gegenwärtig
gebräuchliche Form des Stromquadranten oder von den Italiänern sogenannten hydro-Fig.
19.
metrischen Pendels ist ein Rechteck A B O M, an dessen untern Theile O M die Skale,
welche die Geschwindigkeit des Wassers anzeigt, angebracht ist. Den horizontalen
Stand des Instrumentes erkennt man durch die Wasserwage a b.
Wir wollen nun zuerst den Fall annehmen, dass die Skale für ein hydrome-
trisches Pendel zu berechnen ist, welches bloss zur Messung der Ge-
schwindigkeit an der Oberfläche des Wassers angewendet werden
soll. Wird eine Kugel von Elfenbein, Messing, Kupfer, Bley oder einem andern Metalle
an einen Faden von Seide, Hanf, Flachs oder an einen dünnen Metalldraht befestigt und
in das Wasser gehalten, so stellt sich dieselbe in ruhigem Wasser in die Richtung der
Schwerlinie, welche mit der Oberfläche des Wassers einen rechten Winkel macht; wird
aber dieselbe in ein fliessendes Wasser gehalten, so treibt der Stoss des Wassers die Kugel
von der Senkbleilinie ab und das Pendel begibt sich in die Richtung C G F der Diagonal-
linie, welche in dem Kräftenparallelogramm G H F L von dem Gewichte der Kugel im
Wasser und der Stosskraft des Wassers gebildet wird. Da nämlich die Kugel im Wasser
das Gewicht M hat, so würde sie, wenn sie nicht von dem Faden zurückgehalten würde,
im Wasser senkrecht herabfallen, wogegen die auf die Kugel wirkende Stosskraft K die-
Gerstner’s Mechanik Band. II. 39
[306]Hydrometrisches Pendel.
Fig.
19.
Tab.
54.selbe in der horizontalen Richtung fortzutreiben strebt. Da nun der Faden die Wirkung
der beiden Kräfte G H und G L aufhalten muss und diess nur in der Richtung der Dia-
gonale thun kann, so ergibt sich, dass die Richtung des Fadens ausserhalb des Wassers
die Richtung der Diagonale angibt, welche von den beiden Kräften im Wasser gebildet
wird. Demnach sind auch die Dreiecke C O N und G H F einander ähnlich und es ist
H F : G H oder K : M = O N : C O, woraus oder folgt, wenn wir nämlich die
Höhe des Instrumentes C O = a und die horizontale Entfernung, um welche das Pendel
durch den Stoss des fliessenden Wassers von der Lothlinie A O abgelenkt wird, O N = x
setzen. Das Gewicht M der Kugel wird durch Abwägung derselben im Wasser bestimmt.
Hinsichtlich des Stosses oder Druckes, welchen das fliessende Wasser an die Kugel
ausübt, dient die vorläufige Bemerkung, dass der Druck des Wassers in einem Gefässe
gegen die Fläche einer daselbst angebrachten Oeffnung dem Gewichte einer Wassersäule
gleich ist, welche die Höhe des Wasserstandes oberhalb der Mitte der Oeffnung zu ihrer
Höhe und die Fläche der Oeffnung F zur Grundfläche hat. Wird diese Fläche hinweg-
genommen, so fliesst das Wasser mit einer Geschwindigkeit aus, welche der Höhe des
Wasserstandes zugehört, und so gross ist, als diejenige Geschwindigkeit, welche die
Schwere den fallenden Körpern durch die Höhe des Fallraumes beibringt. Wir kön-
nen also die Kraft des fliessenden Wassers derjenigen Kraft gleichsetzen, welche die Ge-
schwindigkeit c des Wassers bewirkt hat. Daraus folgt, dass die Triebkraft des mit der
Geschwindigkeit c fliessenden Wassers dem Gewichte einer Wassersäule gleich sey,
welche die Querschnittsfläche F der Kugel zur Grundfläche und die Geschwindigkeits-
höhe zur Höhe hat, oder K = 56,4 F · .
Da jedoch das Wasser nicht an die winkelrecht entgegengestellte Durchschnittsfläche
F der Kugel, sondern an die kugelförmige Oberfläche wirkt, folglich die verschiedenen
Richtungen der kugelförmigen Oberfläche noch zu berücksichtigen seyn würden, so wol-
len wir die Kraft K = m . 56,4 F · setzen, wo m eine durch Versuche zu bestim-
mende Zahl ist. Die Substituzion dieser Werthe in die obige Gleichung gibt
, demnach .
Herr Eytelwein führt in seinem Handbuche der Mechanik fester Körper und der
Hydraulik. 2te Auflage, Seite 244 an, dass nach seinen Versuchen der Stoss des Wassers
auf eine Kugel, deren Durchschnittsfläche F ist, nur K = 0,7886 . 56,4 . F · sey. Wir
könnten demnach diesen Werth in die obige Gleichung substituiren, die übrigen Grössen
bei dem Instrumente abmessen und so die Geschwindigkeit c für einen jeden Werth
von x an der Skale berechnen. Es ist inzwischen zuträglicher, mit diesem Pendel an
einem fliessenden Wasser, dessen Geschwindigkeit C bekannt ist, einen vorläufigen Ver-
such zu machen. Es sey die Entfernung, auf welche der Faden bei diesem Versuche
getrieben wird = e, so haben wir für diesen Ort . Werden beide
[307]Hydrometrisches Pendel.
Gleichungen durch einander dividirt, so erhalten wir und daher c : C = √ x : √ e
oder es verhalten sich die Geschwindigkeiten des Wassers wie die
Quadratwurzeln aus den Räumen, welche der Faden an der Skale
beschreibt. Da in der letzten Gleichung die Höhe des Instrumentes a, die Fläche
der Kugel F, das Gewicht derselben M und der Koeffizient m wegfallen, sonach die
Geschwindigkeit durch die einfache Gleichung c = berechnet wird, so folgt von
selbst, dass die Grössen C und e mit aller Genauigkeit bestimmt werden müssen, um hier-
durch das Instrument vollkommen zu adjustiren.
Die Messung einer Geschwindigkeit C, welche bei dieser Proporzion vorausgesetzt
wird, kann an der Oberfläche des Flusses mittelst schwimmender Körper, oder nach dem
Vorschlag des Eustach Manfredi (Nuova Raccolta T. II. p. 373 etc.) durch Ziehen
einer Pendelvorrichtung auf ruhig stehendem Wasser, Messung des beschriebenen Rau-
mes und der dabei verflossenen Zeit, ohne Anstand bewerkstelligt werden.
§. 228.
Beispiel. Es sey die Geschwindigkeit an einem Orte mittelst einer schwim-
menden Kugel gemessen und C = 2 Fuss gefunden worden. Bei der Einsenkung der
Kugel an demselben Orte sey e = 10 Zoll. Werden diese Werthe substituirt, so ist
x = . Setzt man nun c = 1 Fuss, so ist x = 2,5 Zoll, für c = 2 Fuss ist
x = 10 Zoll, für c = 3 Fuss ist x = 22,5 Zoll, für c = 4 Fuss ist x = 40 Zoll, für
c = 5 Fuss ist x = 62,5 Zoll, für c = 6 Fuss ist x = 90 Zoll, u. s. w.
Sollte nun dieses Instrument nur bis 6 Fuss zeigen, so wäre hierzu eine Breite
O M = b = 90 Zoll = 7,5 Fuss erforderlich. Da diese Breite das Instrument zu unbe-
hülflich machen würde, und da die Rechnung meistens so grosse Maasse gibt, so hilftFig.
20.
Tab.
54.
man sich dadurch, dass man die Geschwindigkeiten, wenn die Länge des Instrumentes
b nicht mehr zureicht, auf der Leiste E M aufträgt, Es sey die Höhe, welche hier
aufzutragen kommt D M = y, so haben wir wegen der Aehnlichkeit der Dreiecke D M N
und C O N die Proporzion C O : O N = D M : M N oder a : x = y : x — b, woraus
y = (x — b) folgt. In dieser Gleichung kann y nie = a werden, weil sonst x unend-
lich gross seyn, oder die Linie C N parallel zu O M seyn müsste. Bei der Ausfertigung
des Instrumentes werden die für x und y gefundenen Werthe gewöhnlich auf Streifen
von Messingblech aufgetragen, welche an den hölzernen Rahmen aufgeschraubt werden.
§. 229.
Das bisher angegebene Verfahren dient nur zur Bestimmung der Geschwindigkeit
des Wassers an der Oberfläche und in einer geringen Tiefe unter derselben, wo näm-
lich die Geschwindigkeit des Wassers mit jener an der Oberfläche noch gleich ange-
nommen werden kann. Wenn es sich aber darum handelt, die Geschwindigkeit
in einer grössern Tiefe zu bestimmen, so ist es nöthig zugleich auf die Stosskraft
des Wassers an den Faden Rücksicht zu nehmen, weil die Richtung des Fadens aus-
39*
[308]Hydrometrisches Pendel.
Fig.
21.
Tab.
54.serhalb des Wassers nicht nur von der Stosskraft des Wassers an die Kugel, sondern
auch durch jene an den Faden bestimmt wird. Um dieses mit hinlänglicher Genauig-
keit zu bewerkstelligen, müssen wir die ganze Tiefe des Wassers, auf welcher sich
die Kugel befindet, in mehrere Abtheilungen (C P, P R · · · · · von einer gleichen Höhe
eintheilen *) und die Wirkung für jede Abtheilung besonders bestimmen. Wenn die
Kugel sich unter dem Wasser in der zweiten Abtheilung in Q befindet, so ist das Ge-
wicht der Kugel im Wasser oder M = Q F und die Triebkraft des, mit der Geschwin-
digkeit v fliessenden Wassers an dieselbe K = m · 56,4 · F · = Q E; demnach
würde die Richtung des Fadens, wenn Q an der Oberfläche wäre, durch die Diagonale
Q G bestimmt. Weil aber der Faden D Q vom Wasser nach der horizontalen Rich-
tung fortgetrieben wird, so wollen wir diese Kraft mit S bezeichnen. Da dieselbe auf
den ganzen Faden D Q gleichförmig vertheilt ist, so können wir die Gesammtwirkung
dieser Kraft in den Mittelpunkt der Linie D Q setzen, sonach annehmen, dass sowohl
das untere Ende Q des Fadens als auch das obere Ende D, ein jedes von der halben
Kraft ½ S, getrieben wird. Weil die Wirkung dieser Kraft sich mit der Stosskraft Q E
vereinigt, so sey E H = ½ S. Dadurch erhalten wir im Punkte Q die senkrecht her-
abwirkende Kraft Q F = M und die horizontale Kraft Q H = K + ½ S. Wird aus
beiden das Parallelogramm F Q H J konstruirt, so gibt die Diagonale Q J die Richtung
und auch die Gesammtkraft der in Q wirkenden Kräfte, welche der Faden nur in dem
Falle halten kann, wenn die Richtung D Q sich in der Richtung Q J befindet. Der
Faden wird also im Punkte D die Kraft Q J, oder was eben so viel ist, die beiden Kräfte
Q F = D F' und Q H = D H' zu tragen haben. Am Punkte D wirkt aber noch die
zweite Hälfte der Stosskraft an den Faden ½ S = H' K. Diese Kräfte zusammen geben
die mittlere Kraft D L, mit welcher der Faden ausserhalb des Wassers gezogen wird;
es muss also die Richtung D L und A D zusammen fallen und der Punkt A hat die
Wirkung aller Kräfte, welche sowohl an die Kugel als auch an den Faden wirken, zu
erleiden.
Wegen der Aehnlichkeit der Dreiecke D F' L und A O N haben wir die Proporzion
A O : O N = D F' : F' L = M : K + S, worin noch der horizontale Druck S des
Wassers an den Faden D Q zu bestimmen ist. Dieser Druck ist nach §. 16 eben so
gross als der Druck an einen senkrecht gestellten Faden von gleicher Dicke und der
Länge D M. Setzen wir nun den Durchmesser des zylindrischen Fadens = d und
die Höhe D M = t, so ist die dem Wasser entgegenstehende Fläche des Fadens = d . t,
und wenn wir die Geschwindigkeit des Wassers in dieser ersten Abtheilung für die
Höhe D M = c setzen, so wird der horizontale Druck des Wassers an den Faden
S = m · 56,4 · d · t · seyn. Werden diese Werthe in obige Proporzion substituirt, so
haben wir a : x = M : m · 56,4 · F · + m · 56,4 · d · t · . Wird diess Instrument
zum Behufe seiner Adjustirung an einem Orte eingesenkt, wo die Geschwindigkeit an
[309]Hydrometrisches Pendel.
der Oberfläche = C und der Ausschlag x = e ist, so gibt diess die Proporzion
a : e = M : m · 56,4 · F · . Werden die Glieder dieser Proporzionen durch einander di-
vidirt, so erhalten wir 1 : = 1 : , woraus folgt. Zur
Erleichterung der weitern Rechnungen wollen wir statt den Quadraten der Geschwin-
digkeiten die Druckhöhen einführen, demnach = H, = h und die Geschwin-
digkeitshöhe für den Ort der Kugel = u setzen. Wir haben demnach
und hieraus u = H · · h. Ist mittelst dieser Gleichung u
gefunden, so findet man hieraus die Geschwindigkeit v = .
§. 230.
Um die Geschwindigkeit des Wassers in der dritten Abtheilung zu finden, müssen wir
die Kugel in diese Abtheilung versetzen. Bezeichnen wir die Geschwindigkeit des Wassers
in derselben abermals mit v oder die Geschwindigkeitshöhe = u, die Geschwindigkeits-Fig.
22.
Tab.
54.
höhe der zweiten Abtheilung = h', die Geschwindigkeitshöhe in der ersten Abtheilung = h,
und auf gleiche Art den horizontalen Druck des Wassers an den Faden für die erste Ab-
theilung = S und für die zweite Abtheilung = S', so haben wir für den Punkt D die
Gleichung K + S' = m . 56,4 . F . u + m . 56,4 . d . t . h'. Weil sich im Punkte D mit dem
horizontalen Drucke K + S' noch der Druck an den Faden der ersten Abtheilung ½ S
vereinigt, und hierzu an der Oberfläche bei D' noch die zweite Hälfte des Druckes an
den Faden ½ S kommt, so haben wir an der Oberfläche den ganzen horizontalen Druck
D' K'' = K + S' + S und den senkrechten Druck D' F'' = M. Da sich nun der Faden
in die Richtung der Diagonale D' L'' stellen muss, so haben wir A O : O N = D' F'' : F'' L''
oder a : x = M : K + S' + S und wenn statt K, S' und S die betreffenden Werthe gesetzt
werden, a : x = M : m . 56,4 . F . u + m . 56,4 . d . t . h + m . 56,4 . d . t . h'. Zur Adjustirung
des Instrumentes muss man desselbe an einem Orte an der Oberfläche eines Flusses
versuchen, wo die Geschwindigkeit C des Wassers auf andere Weise gefunden wurde.
Ist hierbei der Ausschlag x = e, so erhalten wir für diesen Ort:
a : e = M : m . 56,4 . F . H. Die Division dieser zwei Proporzionen durch einander gibt
, woraus u = H · (h + h') folgt.
Auf gleiche Art findet man die Geschwindigkeitshöhe der vierten Abtheilung,
wenn wir jene der dritten mit h'' bezeichnen u = H · (h + h' + h'') *) und so
[310]Hydrometrisches Pendel.
weiter für alle Abtheilungen. Aus diesen Gleichungen sehen wir nun, dass die Mes-
sungen der Geschwindigkeiten des Flusses in verschiedenen Tiefen
in jedem Falle an der Oberfläche angefangen, und von einer Abthei-
lung zur andern nach der Tiefe fortgesetzt werden müssen.
§. 231.
In Bezug auf die Konstrukzion des Instrumentes ist zu erinnern, dass
die Grössen M und a zwar in dieser Rechnung weggefallen sind, jedoch ihre Wer-
the bei der Adjustirung des Instrumentes auf die Grösse e einen merklichen Ein-
fluss haben. Wenn mit diesem Instrumente kleine Geschwindigkeiten mit Verlässlich-
keit gemessen werden sollen, so müssen die Grössen M und a so bestimmt werden,
dass sowohl e als auch x einen der verlangten Genauigkeit angemessenen Werth erlangt.
Hierzu dient uns die Proporzion a : e = M : m . 56,4 . F . H. Soll e gross werden, so muss
auch für geringe Werthe von H gross werden. Diess lässt sich be-
werkstelligen, wenn die Querschnittsfläche F der Kugel gross und dagegen ihr Ge-
wicht im Wasser M klein gemacht wird. Das letztere findet Statt, wenn die Materie
woraus die Kugel verfertigt wird, eine geringe spezifische Schwere hat, die jedoch
in jedem Falle grösser seyn muss als die spezifische Schwere des Wassers, weil sie
sonst an der Oberfläche schwimmen und nicht untersinken würde. Da jedoch die
Kugel auch den gehörigen Grad der Festigkeit haben muss, so erreicht man in meh-
reren Beziehungen den vorgesetzten Zweck, wenn man bei diesem Instrumente hohle
Kugeln von Metall anwendet.
Es sey demnach der äussere Durchmesser der hohlen Kugel = D und der innere
Durchmesser des leeren Raumes = Δ, so ist F = ¼ π . D2 und der Kubikinhalt für die
äussere Kugelfläche = ⅔ D . F = ⅔ · ¼ π . D3. Auf gleiche Art ist der kubische Inhalt des
hohlen Raumes = ⅔ · ¼ π . Δ3, demnach gibt die Subtrakzion beider Grössen den kubi-
schen Inhalt der hohlen Kugel = ⅔ · ¼ π (D3 — Δ3). Setzen wir die spezifische Schwere
der Materie, woraus die Kugel verfertigt wird = s, so ist das absolute Gewicht dersel-
ben = 56,4 . s . ⅔ · ¼ π (D3 — Δ3). Hiervon muss das Gewicht des verdrängten Wassers
56,4 . ⅔ . ¼ π . D3 abgezogen werden; also ist das Gewicht der Kugel im Wasser
M = 56,4 . ⅔ . ¼ π (s . D3 — s . Δ3 — D3) = 56,4 . ⅔ . ¼ π . D3 (s — s · — 1). Setzen wir nun
den Durchmesser des hohlen Kugelraumes Δ = D — 2 δ, wo nämlich δ die Dicke der
Kugelmasse vorstellt, so ist = 1 — , wo die höheren Potenzen von aus dem
Grunde vernachlässigt werden, weil δ immer kleiner als D ist und es hier nur auf eine
beiläufige Bestimmung von δ ankommt. Wir erhalten demnach
M = 56,4 · . Wird dieser Werth in die obige Proporzion ge-
setzt, so ist a : e = : m . H, woraus δ = folgt.
Wird die Kugel von Kupfer verfertigt, so ist s = 9, wir wollen ferner m = 1 setzen
und die Höhe des Instrumentes a = 24 Zoll, dann den äussern Durchmesser der Kugel
[311]Hydrometrisches Pendel.
D = 3 Zoll setzen; diess gibt allgemein die Dicke der Kugelmasse δ = . Wird
nun z. B. verlangt, dass das Instrument die Geschwindigkeitshöhen 6 Mal grösser ange-
ben soll, so ist , also δ = Zoll. Wollte man mit dem Instrumente
bei kleinen Geschwindigkeiten die Geschwindigkeitshöhe 12 Mal grösser erhalten, so wäre
, also δ = Zoll, u. s. w.
Bei den Messungen, welche in der nachfolgenden Tabelle enthalten sind, hat man
sich eines Instrumentes bedient, dessen Höhe a = 24 Rheinl. Zoll, , der äussere
Durchmesser der kupfernen Kugel D = 3 Rheinl. Zoll, folglich δ = ⅙ Zoll oder 2 Linien
war. Das Gewicht eines Preussischen Kubikfuss Wasser beträgt nach Eytelwein,
Seite 231 bei 15° Reaum. Temp. 66 preuss. Pfunde. Das Gewicht der hohlen Kugel
ausser dem Wasser betrug daher, wie aus den aufgestellten Formeln erhellet 1,447 ℔, das
Gewicht des gleichen Volumens Wasser 0,540 ℔, demnach das Gewicht der Kugel im
Wasser M = 0,907 ℔; die Dicke des Fadens war d = ¼ Rheinl. Linie. Die Beobachtun-
gen, welche mit diesem Instrumente gemacht wurden und die hiernach berechneten Ge-
schwindigkeitshöhen u und Geschwindigkeiten v in den verschiedenen Tiefen enthält die
nachstehende Tabelle, worin 4 g = 4 . 15⅝ Rheinl. Fuss = 750 Rheinl. Zoll gesetzt ist.
Aus diesem Beispiele ersieht man nunmehr, wie mittelst des hydrometrischen Pen-
dels die Geschwindigkeiten des Wassers an der Oberfläche und in jeder Tiefe der Flüsse
gemessen und berechnet werden. Eine umständlichere Anweisung hierüber findet man
in den: Bemerkungen über das hydrometrische Pendel und über das Gesetz, nach welchem
die Geschwindigkeiten des Wassers von der Oberfläche bis auf das Grundbett der Flüsse
sich ändern, von Franz Joseph Ritter v. Gerstner, k. k. Professor und Direktor etc.
mit einer Kupfertafel. In den Abhandlungen der k. böhm. Gesellschaft der Wissen-
schaften. Prag 1819.
§. 232.
Die hydraulische Schnellwage desMichelotti dient ebenfalls dazu, die
Geschwindigkeit des Wassers an der Oberfläche und in der Tiefe der Flüsse zu mes-
Fig.
23.
Tab.
54.sen. Mit diesem Instrumente wird eigentlich der Stoss oder Druck des Wassers
gewogen und hieraus die Geschwindigkeit berechnet. An einer schneidigen Stange ist
eine Tafel befestigt, gegen welche das Wasser winkelrecht stösst. In A ist dieses
Instrument senkrecht aufgehangen, und zwar kann die Stange durch den daselbst an-
gebrachten horizontalen Hebel durchgeschoben und auf solche Art die Tafel höher
oder niedriger gestellt werden. Auf der einen Seite dieses Hebels ist ein Gegenge-
wicht, welches den Hebel in der horizontalen Lage erhält; auf der andern Seite des-
selben ist ein Laufgewicht P, wodurch der Druck des Wassers abgewogen und hier-
aus die Geschwindigkeit desselben berechnet wird.
Es sey die Fläche der Tafel = F, so wird der Druck des Wassers auf dieselbe
56,4 m · F · betragen, und im Zustande des Gleichgewichtes wird
56,4 m · F · · B A = P . A M seyn. Wenn man nun mit diesem Instrumente an der
Oberfläche eines Wassers, wo die Geschwindigkeit C bereits bekannt ist, einen Versuch
macht, so sey die Entfernung des Laufgewichtes = A O und wir erhalten
56,4 m . F · · B A = P . A O; werden nun diese zwei Gleichungen mit einander divi-
dirt, so ergibt sich und hieraus die Geschwindigkeit des Wassers
v = . Da nun aus dem Versuche C und A O bekannt ist, so kann man für
A M verschiedene Werthe annehmen, v berechnen und nunmehr eine Skale an dem
Instrumente anbringen, wo für jede Entfernung des Laufgewichtes die zugehörigen Ge-
schwindigkeiten beigesetzt sind. Hierbei wird jedoch vorausgesetzt, dass die Entfer-
nung des Schwerpunktes der Tafel vom Umdrehungspunkte des Hebels oder B A im-
mer dieselbe bleibe.
Dieses Instrument ist ohne Vergleich besser, als die Röhre des Pitot, es kann
aber nur an der Oberfläche des Wassers mit Genauigkeit gebraucht werden, weil in
der Tiefe das fliessende Wasser auch auf die Stange a b, die immer eine hinreichende
Dicke haben muss, anstösst. Der Einfluss hiervon lässt sich auf folgende Art be-
rechnen.
[313]Wasserhebel des Lorgna.
Wir wollen wieder die Geschwindigkeit, womit das Wasser auf den SchwerpunktFig.
23.
Tab.
54.
der Tafel wirkt = v und womit es auf den Schwerpunkt der Stange wirkt = c, dann
die Entfernung des Umdrehungspunktes vom Schwerpunkte der Tafel = a und vom
Schwerpunkte der Stange oder Latte = b' nennen, endlich sey h die Tiefe der Tafel
unter dem Wasserspiegel und b die Breite der Latte, dann x der Ausschlag für die
Geschwindigkeit v.
Da bei allen diesen Gegenständen nur der Zustand der Ruhe zu betrachten ist,
demnach der Druck an eine schneidige Latte eben so gross als an eine viereckige Latte
von gleicher Dicke ist, so haben wir P · x = 56,4 · m · F · · a + 56,4 · m · b · h · · b'.
Wird mit diesem Instrumente ein Versuch an der Oberfläche des Wassers gemacht,
wo die Geschwindigkeit C bekannt ist und die Entfernung an der Skale E gemessen
wird, und nehmen wir weiters an, die Entfernung des Umdrehungspunktes vom Schwer-
punkte der Tafel sey nunmehr = A, so erhält man für diesen Fall
P · E = 56,4 · m · F · · A. Werden diese zwei Gleichungen mitsammen dividirt, so ist
. Nunmehr kann man die Berechnung der Geschwindig-
keiten für verschiedene Tiefen auf ähnliche Art, wie es bei dem hydrometrischen Pen-
del gezeigt worden, vornehmen, und mit dem Instrumente in jeder Tiefe die Geschwin-
digkeit messen.
Allein bei diesem Instrumente wird es sehr schwierig, Geschwindigkeiten in einer
Tiefe von 15, 20 oder mehr Fuss zu messen, weil dann die Stange ein grosses Gewicht
erhält, und das Instrument wegen dem Uibergewicht des obern Theiles sehr schwer in
die senkrechte, und der Hebel in die horizontale Lage zu bringen ist. Uiberdiess hat
diese Stange eine weit grössere Dicke, als es bei dem Faden des Pendels der Fall ist.
§. 233.
Der Wasserhebel des Lorgna hat mit dem vorigen Instrumente einige Aehn-Fig.
1.
Tab.
55.
lichkeit; er besteht nämlich aus einem Pfahle, der im Wasser in dem Grunde festge-
stellt wird, und woran rückwärts eine blecherne Röhre R D befestigt ist, an deren
Ende sich eine Rolle bei D befindet. Durch die Röhre und über die Rolle geht ein
Faden, an dessen Ende eine Kugel F, das andere Ende des Fadens aber bei E an dem
kürzern Arme A E des Hebels befestigt ist, so dass, wenn der Strom die Kugel forttreibt,
das Laufgewicht P an dem längern Hebelsarme mit dem Drucke des Wassers an die Kugel
in das Gleichgewicht gebracht werden kann. Man sieht nun, dass der Zweck der ble-
chernen Röhre darin besteht, den Stoss des Wassers auf den Faden zu verhindern.
Aus der Verschiebung des Laufgewichtes kann man die Geschwindigkeit des Wassers
v berechnen; es wird nämlich 56,4 . m · F · · A E = P . O A seyn, und wenn man
mit dem Instrumente an einem Orte an der Oberfläcke des Wassers einen Versuch macht,
wo die Geschwindigkeit bekannt ist, so erhalten wir
Gerstner’s Mechanik. Band II. 40
[314]Wasserfahne des Ximenes.
Fig.
1.
Tab.
55.56,4 . m . F · · A E = P . A Q. Werden nun beide Gleichungen mitsammen dividirt,
so ist abermals und daher . Man kann nunmehr, wenn die Zahlen
aus dem Versuche substituirt sind, für v verschiedene Werthe annehmen, und hieraus
die Entfernung A O berechnen, welche nunmehr als Skale auf dem Instrumente aufgetra-
gen wird.
Dieses Instrument hat dasselbe gegen sich, was wir schon bei dem vorigen bemerk-
ten, dass nämlich die Manipulazion damit bei Versuchen äusserst schwierig ist. Wollte
man damit auf verschiedenen Tiefen messen, so müsste die Röhre bald kürzer und bald
länger genommen werden, überdiess müsste die Kugel hinlänglich weit vom Pfahle ent-
fernt seyn, und eine gleiche spezifische Schwere mit dem Wasser erhalten, damit sie
immer in der horizontalen Lage bleibt.
§. 234.
2.
Die Wasserfahne des Ximenes besteht aus einer Stange, welche unten auf
der Seite ein Bret, oder die sogenannte Fahne befestigt hat. Die Stange dreht sich in
Zapfen, welche sich in zwei Armen, die in einem Pfahle festgemacht sind, bewegen.
An der Rolle A windet sich eine Schnur, welche über eine zweite Rolle B geht, und mit
einer Wagschale in Verbindung steht. Taucht man nun das Instrument in ein fliessendes
Wasser, und legt auf die Wagschale Gewichte auf, so wird die Fahne dem Wasser entge-
gengedreht, und diess geschieht so lange, bis die Fahne dem Drucke des Wassers perpen-
dikulär entgegensteht.
Es sey wieder die Fläche der Fahne = F, ihre halbe Breite = b, der Halbmesser
der an der Stange befestigten Rolle = a und die Geschwindigkeit des fliessenden Wassers
= v, so ist 56,4 m · F · · b = p . a und wird das Instrument an die Oberfläche eines
Wassers gestellt, wo die Geschwindigkeit bereits bekannt ist, so erhalten wir
56,4 . m . F · · b = P . a. Werden beide Gleichungen durch einander dividirt, so
ist , woraus nun die jedesmalige Geschwindigkeit berechnet werden kann.
Bei diesem Instrumente tritt nun wieder die Schwierigkeit ein, dass wenn das Gewicht
p zu gross ist, die Fahne sich zu weit herumdreht, es fordert daher sehr viele Mühe,
das wahre Gewicht zu finden, und die Beobachtungen sind demnach immer mit einem
bedeutenden Zeitaufwande verbunden. Uiberdiess hat das Instrument noch den Fehler,
dass sowohl die Zapfen der Stange, an welchen die Fahne befestigt ist, als auch die
Zapfen der Rolle eine Reibung haben, welche man zwar vermindern aber nie ganz be-
seitigen kann, und demnach die Geschwindigkeit ganz genau zu messen nicht im Stan-
de ist.
§. 235.
Der Geschwindigkeitsmesser von Brünings oder sogenannte Tachome-
ter besteht aus einer Tafel, welche dem Wasser abermals senkrecht entgegen gestellt
[315]Tachometer von Brünings.
und der Druck desselben durch ein Gewicht an einer Wage mit gleichen ArmenFig.
3.
Tab.
55.
abgewogen wird. Man kann hierzu auch eine Schnellwage oder eine Wage mit Zei-
ger brauchen. Die Grösse der Tafel betrug bei den Messungen von Brünings einen
Quadratfuss. Setzen wir sie = F, so erhalten wir für eine gleicharmige Wage
56,4 . m . F · = p und wenn mit dem Instrumente an der Oberfläche des Wassers, wo
die Geschwindigkeit bereits bekannt ist, ein Versuch gemacht wird, so ist
56,4 . m . F · = P. Werden beide Gleichungen mit einander dividirt, so ist ,
woraus wieder die jedesmalige Geschwindigkeit berechnet werden kann.
Dieses Instrument hat vor den früher angegebenen den wesentlichen Vortheil, dass
man die Geschwindigkeit des Wassers in jeder Tiefe messen kann, und dass hierbei die
Tafel dem Stosse des Wassers genau wiakelrecht entgegensteht, endlich dass der Pfahl
hierbei keinen Einfluss ausübt. Aus dieser Ursache sind auch keine verlässlichern und
überdiess mit mehr Sorgfalt angestellten Geschwindigkeitsmessungen bekannt, als jene
von Brünings.
Man findet inzwischen bei näherer Untersuchung derselben dennoch einige Ungleich-
heiten, welche darin ihren Grund haben, dass wenn p zu klein ist, die Tafel bis an den
Pfahl zurück geht und es sehr schwer ist, sie im Gleichgewichte zu erhalten, wenigstens
erfordert diess ausserordentlich viel Zeit. Während den Versuchen schwankt immer die
Wage so stark, dass man das Gewicht p nie vollkommen genau bestimmen kann. Die-
ses Schwanken findet zwar bei andern Instrumenten, wie z. B. bei dem hydrometrischen
Pendel auch Statt, allein es gewährt gerade dort den Vortheil, dass man die kleinste und
grösste Geschwindigkeit der Wellenbewegung sogleich an der eingetheilten Skale erken-
nen und daher auch bestimmen kann, welches bei dem Tachometer unmöglich ist. Uiber-
diess ist hier noch eine Reibung sowohl zwischen der Stange der Tafel und dem Pfahle
bei x, als auch an der Rolle vorhanden, und beide Reibungen müssen erst von dem Stosse
überwältigt werden. Da nun das Holz bei x nicht polirt werden kann und überdiess im
Wasser anschwillt, so kann man die Reibung daselbst unmöglich beseitigen, das Holz
wird aber ausserdem anquellen und es muss ein hinreichender Spielraum bleiben, wel-
cher wieder verursacht, dass die Tafel sich verwenden kann und dann der Fläche des
Wassers nicht volkommen winkelrecht entgegensteht.
§. 236.
Der hydrometrische Flügel von Woltmann besteht aus zwei kleinen
blechernen Flügeln, die so wie die Flügel einer Windmühle gestellt und dem Stosse
des Wassers entgegen gehalten werden, um ihre Umdrehungen in einer bestimmtenFig.
4.
Zeit zu zählen. Diese Flügel drehen sich nämlich mit einer Achse, an welcher sich
eine Schraube ohne Ende befindet. In diese Schraube greift ein gezähntes Rad ein, des-
sen Achsen in einem kleinen Rahmen laufen, der oben an dem Instrumente mit einer
Schnur angezogen oder ausgelassen werden kann. Im gewöhnlichen Zustande greift das
gezähnte Rad in die Schraube ohne Ende nicht ein und erst wenn man zu messen anfan-
gen will, zieht man die Schnur an, und es fällt nun die Schraube ohne Ende in das
40*
[316]Hydrometrischer Flügel von Wollmann.
Fig.
4.
Tab.
55.gezähnte Rad ein. Ist eine bestimmte Zeit verflossen, so lässt man das gezähnte Rad
wieder fallen, der Eingriff hört auf und man erkennt nun die Anzahl der Umdrehungen,
welche während der Beobachtung Statt hatten, aus der Anzahl der Zähne, welche von
der Schraube ohne Ende fortgeschoben wurden. Das Instrument wird abermals an einem
Orte an der Oberfläche des Wassers versucht, wo die Geschwindigkeit bereits bekannt
ist; gesetzt, es seyen hierbei n Umdrehungen in einer Minute. Braucht man nun das
Instrument an einem andern Orte, wo 2, 3, 4· · · · mal mehr Umdrehungen in einer Minute
Statt finden, so ist offenbar, dass die Geschwindigkeit daselbst auch 2, 3, 4· · · · mal
grösser sey; hierbei hat man nur zu beobachten, dass die Stellung der Flügel bei bei-
den Messungen dieselbe sey.
Bei diesem Instrumente ist zu bemerken, dass es so tief in das Wasser kommen
muss, als der Durchmesser der beiden Arme, woran die Flügel befestigt sind; diess be-
trägt beiläufig 10 Zoll. Um es zu adjustiren, müsste man nun auch die Geschwindig-
keit des Wassers von der Oberfläche bis zu einer Tiefe von 10 Zoll auf anderm Wege
ausmitteln. Diess würde man zwar nach dem oben angeführten Vorschlage von Man-
fredi durch Ziehung dieses Instrumentes mittelst einer angemessenen Vorrichtung an der
Oberfläche des Wassers bewerkstelligen können; da jedoch diess zu viele Schwierig-
keiten macht, so hat Wollmann selbst vorgeschlagen, dass man hiermit nur an einem
ruhigen Wasser z. B. auf dem Damme eines Teiches gehen, das Instrument in das
Wasser halten und die Geschwindigkeit des Gehens bestimmen soll; auch meinte er,
dass man diess in der Luft durch Uibersichhalten bei dem Gehen thun könne. Da
jedoch die Luft eine andere spezifische Schwere als das Wasser hat, so würde hierbei
nebst der Reibung an den Achsen auch dieser Umstand zu berücksichtigen seyn.
Das hydrometrische Pendel dürfte demnach unter allen angeführten Instrumenten
als das genaueste angesehen werden, da bei demselben keine ähnlichen Anstände, wie
wir sie bei allen andern Instrumenten kennen gelernt haben, vorkommen und die
Beobachtungen selbst mit der grössten Einfachheit und Leichtigkeit angestellt werden.
§. 237.
Wir haben bereits früher bemerkt, dass die Geschwindigkeiten des Wassers an der
Oberfläche und am Grundbett der Flüsse nicht gleich, sondern in regulären Flüssen bei
ruhigem Wasserstande gewöhnlich an der Oberfläche grösser und am Grundbett kleiner,
jedoch zuweilen auch an der Oberfläche kleiner gefunden worden sind. Da die Bestim-
mung der Wassermenge, welche ein Fluss abführt, wesentlich von der Geschwindigkeit
abhängt, so ist es von Wichtigkeit, das Gesetz zu kennen, nach welchem sich die Ge-
schwindigkeiten vom Wasserspiegel bis zum Grundbett gewöhnlich zu ändern pflegen.
Mehrere Schriftsteller haben sich in dieser Hinsicht bemüht, eine Geschwindigkeits-
skale aufzustellen, um wo möglich aus der Geschwindigkeit an der Oberfläche die
mittlere für die vorhandene Tiefe und hiernach die Wassermenge, welche in jeder
vertikalen Abtheilung des Flusses abfliesst, bestimmen zu können. Da dieses nur durch
genaue Beobachtungen, vorzüglich in grössern Flüssen geschehen kann, so führen wir
hierüber nachstehende Versuche an, welche auch Herr Eytelwein als verlässig ange-
[317]Bestimmung der Geschwindigkeitsskale.
geben hat. Der Versuch I ist von dem Abt Ximenes im Arno, die Versuche II bis
VI von Brünings am Rhein und der Waal vorgenommen worden. Sämmtliche
Versuche sind auf Rheinländer Mass reduzirt, wobei 100 Soldi = 15,458 Rheinl. Fuss; sie
befinden sich in folgenden Werken: „Brünings Abhandlung über die Geschwindig-
keit des fliessenden Wassers, und von den Mitteln, dieselbe auf allen Tiefen zu be-
stimmen; aus dem Holländischen übersetzt von Krönke, mit einer Vorrede von
Wiebeking. Frankfurt a. M. 1798“ und „Ximenes Nuove sperienze Jdrauliche, fatte
ne’ Canali e ne’ Fiumi per verificare le principali leggi e fenomini delle acque
correnti. Siena 1780.“
Um aus diesen Versuchen ein Gesetz abzuleiten, setzen wir wie Seite 322 gezeigt wird
= A — B . x — C . x2, wo Rheinl. Zolle die Geschwindigkeits-
höhe, und x die Tiefe an demselben Orte bezeichnet. Wird nun aus den in der nach-
folgenden Tabelle I enthaltenen Werthen von v die zugehörige Geschwindigkeitshöhe
berechnet, so entstehen aus den ersten 15 Beobachtungen folgende Gleichungen:
- 1,9659 = A — B . 1,932 — C . 3,7326
- 1,9150 = A — B . 2,898 — C . 8,3984
- 1,8572 = A — B . 3,865 — C . 14,9382
- 1,8535 = A — B . 4,831 — C . 23,3386
- 1,7481 = A — B . 5,797 — C . 33,6052
- 1,7518 = A — B . 6,763 — C . 45,7382
- 1,7333 = A — B . 7,729 — C . 59,7374
- 1,7370 = A — B . 8,695 — C . 75,6030
- 1,7333 = A — B . 9,661 — C . 93,3349
- 1,6315 = A — B . 10,627 — C . 112,9331
- 1,6315 = A — B . 11,594 — C . 134,4208
- 1,5571 = A — B . 12,560 — C . 157,7536
- 1,5016 = A — B . 13,526 — C . 182,9527
- 1,4607 = A — B . 14,492 — C . 210,0181
- 1,4136 = A — B . 15,458 — C . 238,9498.
Werden je fünf und fünf Gleichungen addirt, so erhalten wir:
- 9,3397 = 5 A — 19,323 B — 84,0130 C
- 8,5869 = 5 A — 43,475 B — 387,3466 C
- 7,5645 = 5 A — 67,630 B — 924,0950 C,
Die Subtrakzion dieser Gleichungen von einander gibt
0,7528 = 24,152 B + 303,3336 C Hieraus folgt C = 0,00116.
1,0224 = 24,155 B + 536,7484 C
Die Addizion der letzten zwei Gleichungen gibt 1,7752 = 48,307 B + 840,0520 C und
wird der Werth für C substituirt, so folgt B = 0,01657. Werden endlich alle obigen 15
Gleichungen addirt, so ist 25,4911 = 15 A — 130,428 B — 1395,4546 C, woraus nach Substi-
tuzion der Werthe für B und C die beständige Grösse A = 1,95140 folgt. Die Geschwin-
digkeitsskale für diesen Versuch ergibt sich daher aus der Gleichung
[318]Bestimmung der Geschwindigkeitsskale.
= 1,95140 — 0,01657 x — 0,00116 x2 oder v2 = — 0,00116 . 4 g (— 1682,241 + 14,284 x + x2).
Setzen wir um die erste Potenz der veränderlichen Tiefe D E = x aus der Gleichung
Fig.
5.
Tab.
55.zu eliminiren x = z — 7,142 = C E — C D, so erhalten wir die Gleichung
v2 = 0,00116 . 4 g (1733,249 — z2), welche offenbar mit der bekannten Gleichung für die
Ellypse y2 = (a2 — x2) übereinstimmt. Es ist also für die angeführten Messungen die
Geschwindigkeitsskale eine Ellypse, in welcher die Wassertiefen durch die senkrechten
Linien C E, C E', C E'' . . . . die zugehörigen Geschwindigkeiten v aber durch die wag-
recht liegenden Ordinaten E F, E' F', E'' F'' . . . . gemessen werden, und deren Mittel-
punkt C um 7,142 Fuss über der Wasseroberfläche D G O liegt. Setzen wir in der obigen
Gleichung die Abscisse z = 0, so finden wir die grösste Ordinate v oder die halbe
kleinere Achse C B = = 38,83 Zoll = 3,24 Fuss; und wird die Ordinate
v = 0 gesetzt, so ergibt sich die halbe grössere Achse C A = √ 1733,249 = 41,63 Fuss.
Der Scheitel A der Ellypse liegt also 41,63 — 7,14 = 34,49 Fuss unter der Oberfläche des
Wassers. Nachstehende Tabelle enthält die Resultate der obengenannten Versuche.
I. Versuch von Ximenes am Arno.
II. Versuch am Oberrhein von Brünings.
Die Gleichung für die Ge-
schwindigkeitsskale ist
= 2,32909 + 0,03216 x — 0,01081 x2
oder v2 =
— 0,01081 · 4g (— 215,457 — 2,975 x + x2)
Setzen wir hierin x = z + 1,4875, so
erhalten wir
v2 = 0,01081 . 4 g (217,670 — z2) also
abermals eine Ellypse, deren Mit-
telpunkt 1,49 Fuss unter der Wasser-
oberfläche liegt. Wird hierin z = 0
gesetzt, so findet man die halbe
kleine Achse und zugleich die grösste
Geschwindigkeit v = 41,95 Zoll = 3,50
Fuss; für v = 0 ergibt sich die halbe
grössere Achse z = √ 217,67 = 14,75
Fuss, und der Scheitel der Ellypse
liegt 1,49 + 14,75 = 16,24 Fuss unter
der Wasseroberfläche.
III. Versuch am Oberrhein von Brünings.
Die Gleichung für die Ge-
schwindigkeitsskale ist
= 3,93595 + 0,07790 x — 0,01341 x2
oder v2 =
— 0,01341 . 4g (— 293,509 — 5,809x + x2).
Setzen wir hierin x = z + 2,9045 so
erhalten wir
v2 = 0,01341 . 4 g (301,945 — z2) also
abermals eine Ellypse, deren Mit-
telpunkt 2,90 Fuss unter der Ober-
fläche des Wassers liegt.
Wird hierin z = 0 gesetzt, so
findet man die halbe kleinere Achse
und zugleich die grösste Geschwin-
digkeit v = 55,11 Zoll = 4,59 Fuss;
für v = 0 ergibt sich die halbe
grössere Achse
z = √ 301,945 = 17,38 Fuss, und der
Scheitel der Ellypse liegt
2,90 + 17,38 = 20,28 Fuss unter der
Oberfläche des Wassers.
[320]Bestimmung der Geschwindigkeitsskale.
IV. Versuch am Niederrhein von Brünings.
Die Gleichung für die Geschwin-
digkeitsskale ist
= 3,71059 + 0,09306 x — 0,01112 x2
oder v2 =
— 0,01112 · 4g (— 333,686 — 8,369 x + x2).
Setzen wir hierin x = z + 4,1845, so
erhalten wir
v2 = 0,01112 . 4 g (351,196 — z2) also
abermals eineEllypse, derenMittel-
punkt 4,18 Fuss unter der Oberfläche
des Wassers liegt.
Wird hierin z = 0 gesetzt, so fin-
det man die halbe kleine Achse und
zugleich die grösste Geschwindig-
keit v = 54,12 Zoll = 4,51 Fuss; für v = 0
ergibt sich die halbe grössere Achse
z = √ 351,196 = 18,74 Fuss, und der
Scheitel der Ellypse liegt
4,18 + 18,74 = 22,92 Fuss unter der
Oberfläche des Wassers.
V. Versuch an der Waal von Brünings.
Die Gleichung für die Geschwin-
digkeitsskale ist
= 2,85880 + 0,03489 x — 0,00761 x2
oder v2 =
— 0,00761 · 4 g (— 375,664 — 4,585 x + x2).
Setzen wir hierin x = z + 2,2925, so
erhalten wir
v2 = 0,00761 · 4 g (380,920 — z2) also
abermals eine Ellypse, deren Mit-
telpunkt 2,29 Fuss unter der Oberflä-
che des Wassers liegt.
Wird hierin z = 0 gesetzt, so
findet man die halbe kleinere Achse
und zugleich die grösste Geschwin-
digkeit v = 46,63 Zoll = 3,89 Fuss;
für v = 0 ergibt sich die halbe grös-
sere Achse z = √ 380,920 = 19,52 Fuss,
und der Scheitel der Ellypse liegt
2,29 + 19,52 = 21,81 Fuss unter der
Oberfläche des Wassers.
[321]Bestimmung der Geschwindigkeitsskale.
VI. Versuch am Niederrhein von Brünings.
Die Gleichung für die Geschwin-
digkeitsskale ist
= 3,99217 + 0,06380 x — 0,01290 x2
oder v2 =
— 0,01290 · 4 g (— 309,471 — 4,946 x + x2).
Setzen wir hierin x = z + 2,473, so
erhalten wir
v2 = 0,01290 · 4 g (315,587 — z2) also
abermals eine Ellypse, deren Mit-
telpunkt 2,47 Fuss unter der Ober-
fläche des Wassers liegt.
Wird hierin z = 0 gesetzt, so
findet man die halbe kleinere Achse
und zugleich die grösste Geschwin-
digkeit v = 55,26 Zoll = 4,61 Fuss;
für v = 0 ergibt sich die halbe grös-
sere Achse z = √ 315,587 = 17,76 Fuss,
und der Scheitel der Ellypse liegt
2,47 + 17,76 = 20,23 Fuss unter der
Oberfläche des Wassers.
§. 238.
Die angeführten Versuche zeigen, dass die Geschwindigkeiten des Wassers in einem
Flusse dem Gesetze der Ordinaten einer Ellypse folgen, wobei aber sowohl die
Hauptabmessungen der Ellypse, nämlich die grosse und kleine Achse, als auch der tiefere
oder höhere Stand der Ellypse sehr verschieden ist. Die Gründe hiervon lassen sich
nach den allgemeinen Gesetzen der Physik auf folgende Art erklären.
Es ist bekannt, dass nicht nur das Wasser, sondern auch die Oehle, Talg, Wachs und
die meisten Metalle, wenn sie hinlänglich erhitzt sind, flüssig werden, und in dieser Hin-
sicht die allgemeinen Gesetze der Hydrostatik befolgen. Ungeachtet dieser Uiberein-
stimmung in hydrostatischer Hinsicht sehen wir doch bei allen diesen Körpern verschie-
dene Grade von Flüssigkeit, indem einige eine grössere, andere eine kleinere Zähigkeit
an Tag legen, einige bei dem Herabfallen Tropfen bilden, andere aber nur zusammen-
hängend herabfliessen; selbst das Wasser hat keine beständige Flüssigkeit, indem selbe
nach unsern angeführten Versuchen von der Temperatur abhängt, u. s. w. Der vorhan-
dene Grad von Zähigkeit äussert sich vorzüglich bei der Bewegung der flüssigen Körper.
Werden alle Theile des Wassers mit einerlei Geschwindigkeit bewegt, so finden diesel-
ben Gesetze der gleichen Bewegung wie bei den festen Körpern Statt, weil keine Theile
getrennt werden, wenn aber z. B. das Wasser aus einem Gefässe durch eine Oeffnung
ausfliesst, so werden die ausfliessenden Wassertheile von den innern ruhig bleibenden
Gerstner’s Mechanik. Band II. 41
[322]Gesetz der Abnahme der Geschwindigkeit.
abgezogen oder getrennt. Da hierzu eine besondere Kraft wegen der Zähigkeit des
Wassers erfordert wird, so ist es begreiflich, warum ein senkrecht aufsteigender Wasser-
strahl schon aus diesem Grunde sich nicht bis zur Höhe des Wasserspiegels im Gefässe
erheben könne. In einer Flusstrecke, wo eine gleichförmige Bewegung Statt findet,
werden zwar alle Theile des Wassers, da sie über dieselbe schiefe Fläche herablaufen,
von der Schwerkraft auf gleiche Art beschleunigt, jedoch finden die untern Wassertheile
durch ihre Adhäsion oder Reibung am ruhigen Boden einen grössern Widerstand als
die obern, welche nur von dem darunter befindlichen etwas langsamern Wasser ange-
halten werden. Der Widerstand der höher fliessenden Wassertheile kann demnach nur
von der Differenz der Geschwindigkeiten von einer Schichte zur andern bestimmt wer-
den. Da aber überhaupt die Wirkungen des Wassers den Geschwindigkeitshöhen pro-
porzional sind, so kann auch hier die Wirksamkeit der Wassertheile gegen einander nur
aus der Differenz der Geschwindigkeitshöhen erkannt werden. Diese Differenz wird um
so grösser, je höher die Wassertheile über einander liegen; wenn aber die Wirksamkeit
der Wassertheile unter einander überall gleich ist, so muss sich die Geschwindigkeits-
skale aus der Gleichung y = A — B . x ableiten lassen *).
Nun entsteht aber die Frage, ob die Wirksamkeit des Wassers in allen Punkten durch
die ganze Höhe gleich angenommen werden könne. Seiner Natur nach drückt das Was-
ser in einem Flusse auf die darunter befindlichen Theile, so dass die untern Theile mehr
an einander gedrückt werden als die obern. Wenn also zwischen den Wassertheilen eine
Art Reibung Statt findet, so wird diese in den untern Schichten durch einen grössern
Druck als in den obern bewirkt, und daher auch grösser seyn müssen. Hieraus folgt für
die Geschwindigkeitsskale y = A — B . x — C . x2**).
Diese Ansicht wird noch dadurch mehr bestätigt, weil durch das Wasser am Boden
die schlammigen Theile des Flussbettes aufgerührt werden, folglich die untern Wasser-
schichten mehr Schlamm und feinen Sand als die obern fortführen. Auch die Erfahrung
beweist diess hinlänglich, indem bei hohen Wässern Steine in Bewegung gesetzt werden,
die bei niedrigem Wasser im Flusse ruhig liegen bleiben; von hohen Wässern wird der
Sand und Schlamm auf dem Grundbette aufgewühlt, die Wässer werden demnach bei
hohem Stande trüber und dagegen bei abfallendem Wasser wieder heller. Hieraus ist
der Grund ersichtlich, warum wir zur Bestimmung der Geschwindigkeitsskale bei den
obigen Versuchen die Gleichung y = = A — B . x — C . x2 angenommen haben. Die
hiernach berechneten Geschwindigkeitshöhen stimmen mit den beobachteten sehr genau
überein, da die positiven und negativen Differenzen sich ganz ausgleichen. Man sieht
[323]Gesetz der Abnahme der Geschwindigkeit.
aber aus den Differenzen selbst, dass die Versuche von Brünings, obgleich mit sehr vie-
lem Fleisse angestellt, dennoch bei dem Gebrauche eines bessern Instrumentes eben so
nahe übereingestimmt und keine grössern Differenzen, als die Versuche des Ximenes am
Arno gezeigt haben würden. Alle Geschwindigkeitsmesser, bei denen eine Abwägung
Statt findet, unterliegen dem Umstande, dass die Wagen, wenn sie bei der Veränderlich-
keit der Geschwindigkeit oder den fortwährenden Spielungen des Wassers nicht über-
schlagen sollen, weniger empfindlich gemacht werden müssen und dass man unter diesen
Umständen das eigentliche Gewicht für die Wage vielmehr errathen, als genau beurthei-
len könne. Das Pendel hingegen gewährt dem Beobachter die Freiheit, dass man den
Spielungen ruhig zusehen und die mittlere Abweichung des Fadens genau bestimmen
kann. Selbst diese Spielungen zeigen, dass das Wasser in solchen Fällen nicht im-
mer mit gleicher Geschwindigkeit, sondern wellenartig bald schneller und bald lang-
samer an denselben Punkten fliessen müsse.
Aus den angeführten Berechnungen folgt, dass bei den Beobachtungen am Arno der
Mittelpunkt der Ellypse über der Oberfläche des Wassers, dagegen bei den Versuchen
von Brünings am Rhein und der Waal durchaus unter dem Wasserspiegel liege. Hier-
über glaubte man zwar die Erklärung zu geben, dass das Wasser an der Oberfläche von
einem entgegenstehenden Luftzuge in seiner Bewegung aufgehalten, folglich an der Ober-
fläche langsamer als auf einer geringern Tiefe unter derselben fliessen könne. Man
darf aber annehmen, dass Brünings diese Versuche nicht bei heftigen Winden vorgenom-
men habe, wo die Wellenbewegung einen nachtheiligen Einfluss ausgeübt haben würde,
dann müsste auch dieser Umstand die Geschwindigkeit des Wassers an der Oberfläche
in einigen Fällen vergrössert und in andern wieder verkleinert haben. Wir glauben, dass
die Ursache hiervon nur in der Beschaffenheit des Instrumentes und zwar darin liege,
weil das Wasser in der Tiefe über alle vier Seiten der Tafel beinahe mit gleicher Kraft
abgetrieben werden musste, wogegen in der Höhe oder an der Oberfläche des Wassers
der Trieb für die obere Seite ganz entfällt und in einer geringern Tiefe auch kleiner ist,
als in einer grössern. Da nun dieser Trieb von der Wage gewogen wurde, so sieht
man leicht, dass an der Oberfläche ein geringeres Gewicht gefunden, folglich auf eine
geringere Geschwindigkeit geschlossen werden musste, als es wirklich der Fall war.
Da überhaupt die Beschaffenheit des Wassers nicht zu allen Zeiten gleich ist, indem
es bald mehr, bald minder trübe erscheint, und da auch bei hellem Wasser doch die
Verschiedenheit der Farbe eine verschiedene Beschaffenheit desselben offenbar andeu-
tet, so ergibt sich von selbst, dass man auch keine allgemeine Regel für die Abnahme
der Geschwindigkeit des Wassers von der Oberfläche bis zum Boden der Flüsse fest
setzen, sondern sich hierbei nur entweder mit einer beiläufigen Annäherung begnügen,
oder zur genauern Erreichung seines Zweckes unmittelbare Messungen vornehmen müsse.
§. 239.
Nach diesen Vorkenntnissen wird es uns leicht seyn, die Wassermenge zu bestim-
men, welche ein Fluss abführt. Sind die Geschwindigkeiten auf gleichen Entfernungen von
einander von der Oberfläche bis zur Tiefe gemessen worden, wie z. B. bei den Vermes-
sungen von Brünings die Geschwindigkeit von Fuss zu Fuss in der Tiefe herabgemessen
41*
[324]Wassermenge in einem Flusse.
wurde, so darf man nur die verschiedenen Geschwindigkeiten addiren und mit der An-
zahl der Beobachtungen dividiren, um die mittlere Geschwindigkeit in der ganzen Ver-
tikallinie zu erhalten. Hiernach lässt sich nun auch die ganze Wassermenge bestimmen,
welche ein Fluss abführt.
Man zerlegt nämlich das Querprofil dieses Flusses in mehrere kleinere Theile, misst
und berechnet in jedem solchen Theile die abfliessende Wassermenge und bestimmt aus
Fig.
6.
Tab.
55.der Summirung das ganze Wasserquantum, welches der Fluss abführt. Ist Fig. 6 das
Querprofil eines Flusses und A B C D ein Theil desselben, in dessen Mitte, nämlich in
der Linie s t die Geschwindigkeiten von Fuss zu Fuss oder allgemein in der Entfer-
nung h von einander gemessen wurden. Setzen wir die Breite dieses Profiltheiles A B = B
Fig.
7.und tragen die Geschwindigkeiten, welche in der Linie s t gemessen wurden, Fig. 7
auf, so ergibt sich die Figur a m r f, welche mit B multiplizirt den kubischen Inhalt des
Wassers in dem Profiltheile A B C D geben wird. Wir erhalten nämlich, wenn wir die
einzelnen Wassermengen mit w, w', w'' · · · · bezeichnen, die Gleichungen:
h . B = w, dann h . B = w', ferner h . B = w'', ferner
h . B = w''', endlich h . B = w''''. Werden diese Gleichungen
addirt, so ist ( + b n + c o + d p + e q + ) h . B = w + w' + w'' + · · · · = W.
Man erhält nämlich den kubischen Inhalt des Wassers, welches durch den Profiltheil
A B C D fliesst, indem man in der Mitte desselben, nämlich in der Linie s t von Fuss zu
Fuss oder in gleicher Entfernung h die verschiedenen Gesehwindigkeiten misst, sodann
die Hälfte der ersten und letzten Geschwindigkeit zu der Summe aller andern Geschwin-
digkeiten addirt, und die hierdurch erhaltene Totalsumme mit dem Abstande h, in wel-
chem die Geschwindigkeiten gemessen wurden, und mit der Breite B des Profiltheiles
multiplizirt. Die Summe aller Wassermengen der einzelnen Profiltheile gibt die ganze
Wassermenge, welche der Fluss abführt. Wären jedoch die Abstände h nicht einander
gleich, so müsste die Wassermenge, welche durch a m b n, b n c o · · · · abfliesst, theil-
weise berechnet und hieraus die Wassermenge des ganzen Profiltheiles A B C D und jene
des ganzen Flusses bestimmt werden.
§. 240.
Die Bestimmung der Geschwindigkeit des Wassers in einem Flusse ist bei den
meisten Wasserbauten von grösster Wichtigkeit. Das Wasser greift nämlich immer die
leichten, z. B. sandigen oder kleinschotterigen Grundstücke an und führt die abge-
rissenen Theile, nämlich das Erdreich, den Sand und Schotter so lange mit sich fort,
bis es an irgend einem Orte keine so grosse Geschwindigkeit mehr hat, dieses Mate-
riale fortzutragen, es setzt nun dasselbe ab und bildet auf diese Art Untiefen oder
Sandbänke.
So schädlich diese Eigenschaft des Wassers in vielen Fällen ist, indem hierdurch
Uferbeschädigungen, Serpentinen u. s. w. veranlasst werden, so wird doch auch die-
Fig.
8.selbe im Gegentheile manchmal wieder zweckmässig angewendet. Soll z. B. die Ser-
pentine A B C abgeschnitten (coupirt) und zu diesem Behufe die Cunette A C angelegt
[225]Bemerkungen.
werden, so erhält dieselbe nicht das Normalprofil des Flusses in der Serpentine, weilFig.
8.
Tab.
55.
eine so grosse Ausgrabung zu viel Unkosten verursachen würde. Man gräbt desshalb
die Cunette A C mit einem kleinern Profile aus und überlässt die Erweiterung dersel-
ben der Kraft des Wassers; diese Erweiterung wird nämlich dann eintreten, wenn das
Wasser in A C eine solche Geschwindigkeit erhält, um das Materiale des Grundbettes
anzugreifen und fortzuführen. Um diess zu beurtheilen, muss die Geschwindigkeit in
der Cunette A C, welche dasselbe Gefälle wie die Serpentine A B C hat, vor Anlegung
derselben durch Rechnung bestimmt, und hiernach der Antrag zur Ausgrabung eines
grössern oder kleinern Profiles gemacht werden. Will man im Gegentheile in einem
andern Falle Versandungen oder Verschlämmungen eines Flussarmes bewirken, so muss
dem Wasser eine kleinere Geschwindigkeit gegeben werden, welches durch das Verlän-
gern des Flussbettes oder durch das Erweitern desselben erreicht wird.
In dieser Hinsicht ist es wichtig, diejenigen Geschwindigkeiten zu kennen, bei wel-
chen die verschiedenen Materialien in einem Flusse dem Wasser zu widerstehen oder
nachzugeben vermögen. Der Obristlieutenant du Buat hat in seinen Grundlehren der
Hydraulik, welche in das Deutsche übersetzt und von Herrn Eytelwein mit Anmerkungen
und Zusätzen versehen wurden, I. Band, Berlin 1796, §. 71 die Resultate seiner hierüber
angestellten Versuche angeführt. Hieraus geht hervor:
1tens. Dass brauner Töpferthon, ob er gleich schwerer als die übrigen
Materialien ist, der Wirkung des Wassers in einem Flusse nur dann widersteht, wenn die
Geschwindigkeit am Boden etwa drei und jene auf der Oberfläche gegen acht
Zoll beträgt. Die Leichtigkeit, womit derselbe vom Wasser angegriffen wird, rührt
unstreitig von der grossen Feinheit seiner Theile her, die verhältnissmässig mehr Ober-
fläche als Masse darbiethen.
2tens. Feiner Sand widersteht nur einer Geschwindigkeit am Boden von
sechs und auf der Oberfläche von zwölf Zoll.
3tens. Grober und eckiger Sand kommt in den Beharrungsstand, wenn
die Geschwindigkeit am Boden geringer als acht Zoll ist.
4tens. Dem Kiessand in der Seine, welcher sich in drei Klassen, nämlich
feinen, mittlern und groben abtheilt, ist der Beharrungsstand bei den Geschwindigkeiten
von vier, sieben und zwölf Zoll eigen.
5tens. Abgerundete Kieselsteine von einem Zoll im Durchmesser widerstehen
einer Geschwindigkeit von vierundzwanzig Zoll, endlich
6tens. Eckige Feuersteine von der Grösse eines Eyes widerstehen der Ge-
schwindigkeit von sechs und dreissig Zoll.
§. 241.
Die Messungen der Querprofile und Geschwindigkeiten des Wassers sind bei jeder
hydrotechnischen Aufnahme der Flüsse nothwendig, sie werden aber als Grundlage der
meisten Wasserbaue auch erfordert. In einigen Ländern z. B. den Niederlanden
sind diese Messungen von grösster Wichtigkeit. Der Rhein und die Maas, welche aus
Deutschland und Frankreich in dieses Reich strömen und daselbst in die Nordsee aus-
[326]Bemerkungen.
münden, verlieren in der Nähe des Meeres ihr ganzes Gefälle und setzen daher allen
Sand und Schotter, den sie mitbringen, ab. Dadurch wurde bereits seit mehreren Jahr-
hunderten die Anlage von Dämmen (Deichen) an beiden Ufern der Flüsse nothwendig,
und diese Dämme mussten nach Massgabe, als sich das Flussbett mehr vertrug, abermals
erhöht werden. Auf diese Art ist es in einem grossen Theile der nördlichen Provinzen
der Niederlande bereits dahin gekommen, dass das Flussbett dem äussern Erdreich ent-
weder gleich oder selbst höher liegt, und man sieht leicht ein, dass die Erhaltung die-
ser Dämme für die Existenz eines grossen Theiles dieses Landes unumgänglich nothwendig
ist. Die Deichunterhaltung und der Flussbau überhaupt gehören demnach zu den wichtig-
sten Landesanstalten der Niederlande und nicht ohne Grund behaupten die dortigen Hy-
drotekten schon seit vielen Jahren, dass einem Theile des Königreichs bei den immer
wiederkehrenden und stets wachsenden Uiberschwemmungen der Untergang drohe. Be-
reits im Jahre 1745 kamen die Provinzen Holland, Geldern, Westfriesland, Utrecht und
Oberyssel über die Theilung der Wassermenge des Rheines überein und bestimmten, wie
viel ein jeder Arm des Rheines hiervon aufnehmen solle. In dieser Hinsicht müssen alle
Jahre genaue Abmessungen vorgenommen werden, zumal als die Schlammabsetzung im
Rheine nicht fortwährend gleich ist und bald in diesen bald jenen Hauptarm dessel-
ben mehr oder minder Wasser eindringt. Hiernach müssen nun auch die Wasserbauten
angelegt und zu diesem Behufe die Messungen mit grösster Genauigkeit vorgenommen
werden. Ein interessanter Aufsatz über die Theilung des Rheines in den Nieder-
landen, die Gefahren, welche hierdurch entstehen, und die zu ihrer Abwendung aus-
geführten Bauten befindet sich in der: „Beschreibung neuerer Wasserbauwerke in
Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und der Schweiz von G. Hagen, Königs-
berg 1826.“
§. 242.
Wir haben in diesem Kapitel bisher die Gesetze über die gleichförmige Bewegung
des Wassers und dann die Methoden, die abgeführte Wassermenge zu bestimmen, ken-
nen gelernt, und kommen nun gegenwärtig zu der Benützung des Wassers, um
mittelst desselben Maschinen zu betreiben.
Das Wasser der Bäche, Flüsse und Ströme ist in den meisten Fällen die wohlfeil-
ste Kraft und kann um so leichter in Anspruch genommen oder verwendet werden, da es
sonst ohnehin unbenützt abfliessen würde. Diese Kraft hat den Vortheil, dass sie nie
müde wird und Tag und Nacht gleich arbeitet, während die Kraft der Menschen oder
Thiere bloss eine ununterbrochene Arbeit von beiläufig 8 Stunden aushält. Aus dieser
Ursache werden Mühlen, Hammer- und Pochwerke, Gebläse und überhaupt alle Maschi-
nerien und ganze Fabriken, wo es thunlich ist, an das Wasser gestellt, weil dann bloss
die Kosten der Anlage und Unterhaltung der Wasserwerke erfordert werden, welche in
den meisten Fällen, wenigstens in unsern Ländern, weit geringer sind, als die Aufstel-
lung und Unterhaltung der Maschinen, welche mittelst der Kräfte der Thiere, der Was-
serdämpfe oder des Windes bewegt werden.
Das Wasser in Flüssen fliesst gewöhnlich nicht so schnell, um unmittelbar daran
Wasserwerke legen zu können; man muss es daher schwellen und zu diesem Behufe
[327]Zweck der Wehren.
Wehren anlegen. Man baut nämlich, wie wir bereits gesehen haben, von dem Flusse
oder Bache abwärts einen Kanal, der nur so viel Gefälle erhält als es die Bewe-
gung des Wassers unmittelbar fordert. Damit nun aber das Wasser in diesen Ka-
nal hinein fliesse, muss man quer über den Fluss oder Bach ein Wehr bauen. Man
versteht hierunter einen Damm, welcher gewöhnlich von Holz mit dazwischen geleg-
ten Steinen über die ganze Breite des Flusses gebaut wird, das Wasser in die Höhe
staut, und es in den seitwärts geführten Kanal hinein zu fliessen zwingt. An Flüssen
sind die Kanäle unmittelbar neben oder auch in dem Flussbette, wie es in Prag der
Fall ist; sie stossen daher unmittelbar an die Wehren an und die Wasserräder stehen
sogleich neben dem Wehre, wogegen bei Bächen die Wehren häufig einige hundert
Klafter oberhalb dem Maschinenwerke liegen. Im ersten Falle werden unterschläch-
tige Räder, im zweiten oberschlächtige Räder erbaut, deren Erklärung und
Bauart in den nächsten zwei Kapiteln unseres Werkes vorgetragen wird. Die Bauart
der Wehren gehört jedoch in den Gegenstand der Baukunst.
§. 243.
Man nennt den obersten Balken oder die Schwelle bei einem Wehre, worüber das
Wasser fliesst, so wie auch den Balken oder die Schwelle bei dem Einlaufe des Was-
sers in ein Gerinne die Hauptschwelle oder den Fachbaum. Die Höhe dieser
Schwelle ist, wie man leicht einsieht, die wichtigste Bestimmung bei einem jeden
Wehre und der Anlage eines Wasserwerkes. Liegt die Schwelle im Mühlgerinne, wie
es häufig geschieht, in der Sohle des Grundbettes und wird die Schwelle an der Wehr-
oberfläche erhöht, so wird auch das Gefälle vor dem Mühlgerinne erhöht, demnach
liegt es in dem Privatinteresse aller Müller, die Schwellen auf den Wehren mög-
lichst hoch zu legen. Zur Vermeidung der Nachtheile, welche hieraus durch die Uiber-
schwemmung der angränzenden Ländereien entstehen könnten, ist in allen Ländern
eine gesetzliche Bestimmung über die Höhe der Hauptschwellen auf der Oberfläche
der Wehren getroffen und es sind Pegel oder andere bestimmte, unverrückbare Zeichen
errichtet, nach welchen die Höhe der Schwellen auf dem Wehre und in den Mühlge-
rinnen bestimmt wird. Alle Mühlbesitzer dürfen nun diese Höhen unter schweren Ahn-
dungen nicht abändern und gewöhnlich besteht die Einrichtung, dass eine solche
Schwelle nur in Gegenwart eines Beamten der Wasserbaubehörde gelegt werden darf.
So ist in Böhmen die gesetzliche Verfügung getroffen, dass die grösste Höhe der Schwelle
auf der Wehroberfläche über die Schwelle im Mühlgerinne nie mehr als 3 Fuss 6 Zoll
böhmisches Mass betragen darf. Es gibt Wehren, bei denen diese Höhe weit gerin-
ger ist, jedoch an den schiffbaren Flüssen in Böhmen keine, deren Höhe grösser wäre.
Man nennt bei einem Wehre das Oberwasser dasjenige, welches sich ober dem
Wehre und das Unterwasser dasjenige, welches sich unterhalb desselben befindet;
demnach wird das Gefälle bei einem jeden Wehre erhalten, wenn man die
Höhe des Ober- und Unterwassers von einander abzieht; dieses Gefälle ist jedoch
zur Zeit, wenn das Wasser im Flusse anschwillt und das Wehr bedeutend überfliesst,
weit kleiner als bei niedrigem Wasserstande, wie denn auch z. B. in Prag die Weh-
[328]Stauhöhe und Stauweile.
ren bei dem Eisgange vom Wasser so überströmt sind, dass man sie nur wenig mehr
bemerkt.
§. 244.
Ein Stau entsteht nicht bloss, wenn der Lauf des Wassers in seinem natür-
lichen Flussbette durch ein Wehr gehemmt wird, sondern wenn irgend ein Hinder-
niss vorhanden ist, wodurch der Wasserabfluss gehemmt und die Oberfläche desselben
oder der Wasserspiegel erhöht wird. Beispiele solcher Hindernisse sind nebst den
Wehren noch die Brückenpfeiler, Buhnen oder Sporne, grosse Steine, neu entstan-
dene Schotterbänke u. dgl. Für die Berechnung der Stauhöhe, um welche die Ober-
fläche des Wassers erhöht wird, müssen wir zwei Fälle unterscheiden; entweder erstreckt
sich das Hinderniss über die ganze Breite des Flusses gleichförmig, so dass das Wasser
genöthigt wird, nach der ganzen Breite in einer gleichen Höhe abzufliessen, wie es bei
eingebauten Wehren Statt findet, oder auch die Hindernisse erstrecken sich nur über
einige Theile des Flussbettes z. B. die Brückenpfeiler, Buhnen, Schotterbänke u. s. w.
Für die eingebauten Wehren müssen wir wieder drei Fälle unterscheiden: 1tens
wenn die Höhe des Wehres kleiner ist, als die natürliche Tiefe des Flusses vor dem Baue
des Wehres war, folglich das Wehr zu jeder Zeit vom Wasser bedeckt wird. Man nennt
diess ein unvollkommenes Wehr oder unvollkommenen Uiberfall (Reversoirs non complets,
Demi reversoirs) 2tens wenn die Höhe des eingebauten Wehres der gewöhnlichen Höhe
des Flusses gleich kommt und 3tens wenn die Höhe des Wehres die gewöhnliche
Höhe des Wassers übersteigt. Man nennt das letztere ein vollkommenes Wehr, oder
vollkommenen Uiberfall (Reversoirs complets).
Die Ursache, warum man die eine oder andere Art Wehren anlegt, beruht bloss in
der Höhe des Staues oder eigentlich in der Grösse des Gefälles, welches man an diesem
Orte zu erlangen wünscht. Soll das Gefälle gross seyn, so baut man ein vollkomme-
nes Wehr, welches aber immer kostspieliger als ein unvollkommenes ist. Bevor jedoch
ein Wehr angelegt wird, ist es immer nothwendig, die Fragen zu beantworten, welche
die Stauhöhe und Stauweite bei demselben betreffen. Ist nämlich die Höhe des zu
erbauenden Wehres durch die für die Wasserkraft erforderliche Gefällshöhe gegeben,
so frägt es sich, 1tens wie hoch wird das Wehr das Wasser im höchsten Punkte, wel-
cher gerade vor dem Wehr liegt, stauen, oder wie viel beträgt die grösste Stauhöhe
(Hauteur du remou). 2tens, wie weit wird die Erhöhung des Wassers im Flusse
gehen oder wie viel beträgt die Stauweite (Amplitude du remou); endlich 3tens,
wie viel wird die Stauhöhe auf jedem Orte der Stauweite betragen.
Die Beantwortung dieser Fragen ist in den folgenden §§. enthalten. Hat man
mit Hilfe der aufgestellten Formeln die drei Fragen beantwortet, so vergleicht man
die Resultate mit den nivellirten Höhen der beiderseitigen Ufergründe und beurtheilt
nun, ob dieselben vom Wasser überschwemmt werden oder nicht. Liegen diese
Gründe tiefer, als die grösste Stauhöhe bei Hochwässern beträgt, so muss man das
Wehr niedriger bauen, oder den Bau an diesem Orte ganz unterlassen, weil man sonst
den Anrainern bedeutende Entschädigungen leisten müsste.
[329]Stauhöhe bei einem Wehre.
§. 245.
Es sey nun die Stauhöhe für den Fall zu bestimmen, wenn in einem Flusse ein
Wehr von einem Ufer zum andern in einer solchen Höhe erbaut wird, dass dasselbe kleiner
ist als die Wassertiefe. Es sey die gewöhnliche oder natürliche Höhe der Oberfläche
des fliessenden Wassers vor dem Einbaue A C = a, die Geschwindigkeit des Fluss-Fig.
9.
Tab.
55.
wassers, welche vor dem Einbaue Statt hatte = c, die ausgeglichene Breite des na-
türlichen Flussbettes vor dem Einbaue = b, folglich der gewöhnliche Wasserabfluss
= b . a . c. Die Länge des eingebauten Wehres sey = B, die Höhe des Wehres A B = h
und die Stauhöhe D C = x, demnach die Höhe des gestauten Wassers A D = a + x.
Da das gestaute Wasser hinter dem Wehre von der gestauten Oberfläche E D
wieder in die natürliche Oberfläche des Flusses O M herabfällt, so können wir
annehmen, dass das in dem Raume E D C F enthaltene Wasser nach O frei ab-
fliesst. Für diesen Fall ist die Geschwindigkeit des Wassers in C = und die
mittlere Geschwindigkeit des Wassers von D bis C = ⅔ ; demnach ist die
Wassermenge, welche in der ganzen Breite des Wehres durch den obern Theil C D
frei abfliesst = ⅔ B . x .
Die Geschwindigkeit des Wassers in dem Raume B C war vorher c, folglich durch
eine Druckhöhe erzeugt, zu dieser Höhe kommt nun noch die Geschwindigkeits-
höhe x an der Oberfläche, folglich wird die Geschwindigkeit des zwischen C und B
abfliessenden Wassers die Summe beider Höhen + x zu ihrer Geschwindigkeitshöhe
haben und die Geschwindigkeit daher seyn. Diese Ge-
schwindigkeit ist nämlich eben so gross, als die Geschwindigkeit eines Körpers, welcher
über eine schiefe Fläche, deren Höhe x ist, herablauft und bei dem obern Punkte
oder Anfange der schiefen Fläche die Geschwindigkeit c hat, folglich am Ende dersel-
ben die Geschwindigkeit erlangt. Demnach ist die durch den Raum
C B = a — h nach der ganzen Breite B des Wehres abfliessende Wassermenge
= B (a — h) .
Da nicht mehr und nicht weniger Wasser über das Wehr abfliessen kann, als ur-
sprünglich vorhanden war, so würden wir die Summe
⅔ B . x + B (a — h) der ursprünglichen Wassermenge b . a . c
gleich setzen können, wenn hier nicht eine ähnliche Zusammenziehung des Wassers
wie bei dem Ausflusse durch Wandöffnungen Statt fände. Das Wasser, welches auf
dem Grundbette floss, muss sich nämlich vor dem Wehre nach der krummen Linie p BFig.
10.
bis auf die Höhe der Hauptschwelle des Wehres erheben, kommt folglich dort in
einer schiefen Richtung an und wird auf gleiche Art an der Oberfläche wegen seiner
Beschleunigung in der krummen Linie q E im Punkte E nicht horizontal, sondern
nach einer schiefen Richtung abfliessen; da diese beiden Wasserstrahlen endlich eine
gemeinschaftliche Richtung annehmen, so ergibt sich hieraus deutlich der Grund sei-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 42
[330]Stauhöhe bei einem Wehre.
ner Zusammenziehung. Setzen wir demnach den Zusammenziehungskoeffizienten, wel-
cher für diesen Fall Statt findet = m, so haben wir die Gleichung
m . B = b . a . c oder
⅔ . x + (a — h) = , woraus nunmehr die Stauhöhe x zu su-
chen ist. Da für die strenge Auflösung die Grösse x von dem Wurzelzeichen befreit
werden muss und hierdurch eine Gleichung des 6ten Grades zum Vorschein kommt,
welche nur durch Näherung aufgelösst werden kann, so ist es vortheilhafter, die unbe-
kannte x sogleich aus der Gleichung ⅔ . x + (a — h) — = 0
durch Annäherung zu bestimmen.
Zur Bestimmung des Zusammenziehungskoeffizienten m werden wieder Versuche
erfordert. Diese sind leider bisher noch nicht im Grossen angestellt worden. Die
wenigen hierüber im Kleinen gemachten Versuche sind in den gehaltvollen: „Unter-
suchungen über den Effekt einiger in Rheinland-Westphalen bestehenden Wasser-
werke von P. N. C. Egen, Abtheilung I., Berlin 1831“ verzeichnet. Als Resultat der
daselbst angeführten Beobachtungen wird Seite 34 gesagt, dass bei den meisten Uiber-
fällen, die im Grossen vorkommen, auf allen Seiten Zusammenziehung Statt finde
und dass der Koeffizient für diesen Fall, wenn der Abfluss frei ist = 0,63 sey.
Herr Eytelwein nimmt für Uiberfälle ohne Flügelwände m . 2 √ g = 5 im Rheinl.
Maass an, woraus ebenfalls m = 0,633 folgt; für Uiberfälle mit Flügelwänden, oder wenn die
mittlere Breite des Flussbettes der Breite des Wehres oder Uiberfalles gleichkommt,
setzt derselbe m . 2 √ g = 6,76 woraus m = 0,856 folgt.
§. 246.
Beispiel. Es sey die natürliche Höhe des Flusswassers a = 3 Fuss, die Höhe
des Wehres h = 2 Fuss, die Geschwindigkeit des Wassers c = 4 Fuss, die Länge des
schief gestellten Wehres B = 4/3 b und der Zusammenziehungskoeffizient m = 0,856.
Für diese Werthe gibt die aufgestellte Gleichung ⅔ x + — 10,514 = 0.
Um hieraus x nach der bekannten Näherungsmethode aufzulösen, wollen wir zuerst
x = 1 Fuss setzen; diess gibt 5,249 + 8,832 — 10,514 = 14,081 — 10,514 = + 3,567. Da die
positiven Glieder kleiner gemacht werden müssen, so setzen wir x = 0,7 Fuss und erhalten
3,074 + 7,707 — 10,514 = 0,267. Um den richtigen Werth für x mit einiger Wahrschein-
lichkeit zu finden, können wir sagen: die Verminderung der Unbekannten um 0,3, nämlich
von x = 1 auf x = 0,7 bewirkte in dem Werthe der Gleichung eine Verminderung um 3,300,
nämlich von + 3,567 auf + 0,267; demnach wird eine Verminderung der Unbekannten um
z eine Verminderung im Werthe der Gleichung um 3,567, nämlich von + 3,567 auf 0 bewir-
ken. Aus dieser Proporzion folgt z = = 0,324, demnach x = 1 — 0,324 = 0,676
Fuss. Wird dieser Werth in die obige Gleichung substituirt, so ist
2,918 + 7,610 — 10,514 = + 0,014. Sucht man abermals aus einer ähnlichen Proporzion die
Verbesserung der Unbekannten nach dem ersten und letzten Resultate, so findet man
[331]Stauhöhe bei einem Wehre.
diese = = 0,325, demnach x = 1 — 0,325 = 0,675 Fuss. Setzt man wieder
diesen Werth in die erste Gleichung, so findet man 2,911 + 7,606 — 10,514 = + 0,003.
Hieraus sehen wir, dass für den angenommenen Fall die durch den Einbau des Wehres
verursachte Stauhöhe sehr nahe 0,675 Fuss betragen werde.
§. 247.
Der zweite Fall bei der Berechnung der Stauhöhe tritt dann ein, wenn dem
Wehre zur Höhe die ganze Wassertiefe gegeben wird, so, dass die Oberfläche des
Wehres in die Höhe der natürlichen Wasseroberfläche zu liegen kommt. Dieser Fall
lässt sich nach der aufgestellten Gleichung beantworten, indem man nur a = h setzt,
wodurch das zweite Glied in der Gleichung wegfällt. Wir erhalten demnach
⅔ x = . Wird diese Gleichung zum Quadrate erhoben, so ist
16/9 g . x3 = , woraus x = folgt.
Setzen wir hier wie im letzten Beispiele die Tiefe des Wassers a = 3 Fuss, die
Geschwindigkeit desselben c = 4 Fuss, das Verhältniss der Breite des Flusses zur Länge
des schief gestellten Wehres = , die Höhe des Wehres h = a = 3 Fuss, endlich den
Zusammenziehungskoeffizienten abermals m = 0,856, so gibt die letzte Gleichung die
Stauhöhe x = = 1,589 Fuss.
§. 248.
Zur Auflösung des dritten Falles, wenn nämlich das Wehr über die Ober-Fig.
11.
Tab.
55.
fläche des natürlichen Wassers gebaut wird, oder die Höhe des Wehres A B = h
grösser als die Tiefe des Wassers A C = a ist, dient die zuletzt aufgestellte Gleichung,
nach welcher die Höhe D B = x, in welcher der Abfluss des Wassers ins Freie erfolgt,
zu berechnen kommt; diese ist nämlich x = . Die Stauhöhe, um
welche gefragt wird, ist aber C D = A B + B D — A C = h + x — a
= h — a + .
Behalten wir die Abmessungen des vorigen Beispieles und setzen nur die
Höhe des Wehres h = 3,5 Fuss, so findet man hiernach die Stauhöhe
= 3,5 — 3 + 1,589 = 2,089 Fuss.
§. 249.
In einem vierten Falle kann der Einbau von der Art seyn, dass er nie vom
Wasser überstiegen werden kann und dass er daher bloss eine Verengung des Flussbettes
bewirkt, wie z. B. bei dem Baue der Brücken. Zur Berechnung der Stauhöhe für diesen
Fall dient abermals die anfangs aufgestellte Gleichung; nur ist hierin die Höhe h des
42*
[332]Stauhöhe durch Brückenpfeiler.
Einbaues unter dem Wasser = 0 zu setzen und unter B die Summe der Zwischenweiten,
welche dem Wasserabflusse übrig bleiben, zu verstehen. Ist nämlich die Breite eines
jeden eingebauten Brückenpfeilers = β und ihre Anzahl = n, so entziehen sie der Fluss-
breite b den Raum n . β und es bleibt nach dem Einbaue für den Wasserdurchfluss bloss die
Breite B = b — n . β übrig. Die nach diesen Bemerkungen geänderte Gleichung für die
Stauhöhe ist daher ⅔ x + a — = 0.
Für Brückenpfeiler mit spitzen Vordertheilen oder bei schrägen Einbauen kann
nach Seite 158 der Werth m mit 0,954 und in vielen Fällen selbst m = 1 gesetzt werden.
Beispiel. Es sey die Breite eines Flusses b = 130 Klafter = 780 Fuss, über
welchen eine steinerne Brücke mit 5 (= n) Pfeilern von 12 Fuss (= β) Breite zu erbauen
ist. Es fragt sich, wie gross ist der durch den Einbau dieser Brücke zu erwartende
Aufstau des Wassers (= x), wenn die mittlere Tiefe desselben a = 6 Fuss und seine
Geschwindigkeit c = 4 Fuss beträgt, dann m = 1 gesetzt wird.
Mit Anwendung dieser Werthe erhalten wir für die Stauhöhe die Gleichung
⅔ x + 6 — 26 = 0.
- Setzt man hierin x = 1,0 so ist 5,249 + 52,991 — 26 = + 32,240
- für x = 0,1 „ „ 0,166 + 28,270 — 26 = + 2,436
- für x = 0,05 „ „ 0,059 + 26,222 — 26 = + 0,281
- für x = 0,0437 „ „ 0,0480 + 29,9526 — 26 = + 0,0006.
Die durch den Einbau der Brücke zu erwartende Stauhöhe ist daher sehr nahe
x = 0,0437 Fuss.
Wenn an beiden Flussufern oder auch nur an einem derselben eine Buhne (Sporn)
erbaut wird, welche das Wasser nicht übersteigen kann, so findet auf gleiche Art eine
Verengung des Flussbettes Statt und die Berechnung der Stauhöhe geschieht auch
nach der eben aufgestellten Gleichung für die Verengung durch Brückenpfeiler; nur ist
in diesem Falle in der letzten Gleichung statt n . β bloss die Länge der Buhne zu substi-
tuiren.
§. 250.
Ein fünfter Fall findet bei der Anlegung einer Buhne Statt, wenn ihre Höhe h
Fig.
12.
Tab.
55.kleiner ist, als die Tiefe des Wassers a und das Wasser daher dieselbe übersteigt. Wenn
die Stauhöhe, welche durch diesen Einbau verursacht wurde = x ist, so wird, wie bei
dem ersten Falle gezeigt wurde, das Wasser der ganzen Flussbreite nach in dem Raume
x ins Freie abfliessen und die Wassermenge m . b . ⅔ x abführen. In dem Raume
M N, dessen Länge = l sey, fliesst das Wasser unter der natürlichen Wasseroberfläche
so ab, wie im ersten Falle in dem Raume C B über dem Wehre und führt daher die
Wassermenge m . l (a — h) ab; ganz auf dieselbe Weise fliesst das Wasser in
dem übrigen Raume N O in der ganzen Wasserhöhe a und führt die Wassermenge
m (b — l) a ab, wenn B = N O = M O — M N = b — 1 gesetzt wird. Die
Summe dieser einzelnen abfliessenden Wassermengen muss der ganzen Wassermenge des
Flusses a . b . c gleichkommen; diese Bedingniss gibt sonach die Gleichung
[333]Stauhöhe durch eingebaute Buhnen.
oder .
Beispiel. Bei der Flusschiffahrt tritt meistens der Fall ein, dass man in brei-
ten und desshalb seichten Flusstrecken in der trockenen Jahreszeit das Flusswasser
auf eine geringere Breite zusammenhalten will. Zur Erreichung dieses Zweckes wer-
den Buhnen an einem oder an beiden Ufern des Flusses errichtet, welche nur die
fahrbare Wassertiefe zur Höhe bekommen, demnach für die höhern Wässer die ganze
Breite des Flussbettes unbeschränkt lassen. Solche Buhnen wurden z. B. vor mehre-
ren Jahren an der Moldau oberhalb Prag angelegt.
Es sey für einen solchen Fall der niedrigste Wasserstand = 1 Fuss, die für die
Schiffahrt nöthige Tiefe aber 2 Fuss. Es fragt sich nun, welche Länge diese Buhnen
erhalten müssen, wenn ihre Höhe h = 2 Fuss beträgt und die Breite des Flussbettes
b = 150 Klafter = 900 Fuss, die Geschwindigkeit des Wassers aber e = 2 Fuss ist, end-
lich wie gross bei einem höheren Wasserstande z. B. = 5 Fuss die durch die Buhnen
verursachte Stauhöhe seyn werde, wenn die Geschwindigkeit nach §. 212, v = 2 √ 5 = 4,5
Fuss ist.
Zur Beantwortung der ersten Frage müssen wir in der Gleichung des vierten Falles
, die Grösse b = 900 Fuss, h = 2 Fuss,
a = 1 Fuss, c = 2 Fuss, die nach der Bedingniss zu erzweckende Stauhöhe x = 1 Fuss
und m = 0,954 setzen; demnach wird die fragliche Länge der Buhnen n. β = y gesucht
werden können. Wir erhalten nämlich mit Anwendung dieser Werthe für die Länge der
Buhnen die Gleichung Fuss;
die Buhnen müssen daher eine Länge von 759 Fuss bekommen und der für die Schif-
fahrt übrig bleibende Raum hat nur die Breite von 141 Fuss.
Für die Beantwortung der zweiten Frage dient nun die letzte oben angegebene Glei-
chung, in welcher b = 900 Fuss, h = 2 Fuss, c = 4,5 Fuss, 1 = 759 Fuss, a = 5 Fuss und
m wie zuvor = 0,954 gesetzt wird, die Stauhöhe x aber zu finden ist. Die Substituzion
dieser Werthe gibt ,
oder .
- Setzen wir hierin x = 0,6, so ist 3,660 + 37,670 — 35,377 = + 5,953
- für x = 0,4, ist 1,992 + 33,358 — 35,377 = — 0,027
- für x = 0,401 ist 1,999 + 33,381 — 35,377 = + 0,003.
Die Stauhöhe, welche durch die Errichtung der Buhnen zu besorgen ist, wird daher
unter den vorausgesetzten Umständen nur die Höhe von 0,4 Fuss erreichen.
§. 251.
Betrachten wir nun noch die berechneten Fälle im Allgemeinen, so sehen wir
hieraus die mekwürdige Eigenschaft, dass an dem Orte, wo das Wasser durch einen
Einbau verenget wird, die Geschwindigkeit am Boden grösser werde als
an der Oberfläche, wogegen in den natürlichen Flussbetten die Geschwindigkeit
am Boden kleiner gefunden wird als an der Oberfläche; es ist nämlich in dem obern
[334]Bemerkungen über den Stau.
Theile die Geschwindigkeit des gestauten Wassers = , in dem untern Theile
dagegen = , also in jedem Falle grösser.
Schon Mariotte hat diese Erscheinung in seinen angestellten Versuchen beobachtet;
er brachte nämlich eine hohle metallene Röhre in das Wasser und beschwerte sie an dem
untern geschlossenen Ende so lange mit eingefülltem Sande u. dgl., bis sie sich in einer
vertikalen Lage schwebend im Wasser erhielt. Diese Röhre brachte er vor einer Brücke
in die Seine und überliess sie dem Strome. So lange die Röhre ober der Brücke im na-
türlichen Flussbette sich befand, schwamm sie mit dem obern hervorragenden Theile in
einer nach vorwärts geneigten Lage; er schloss daher dass die Geschwindigkeit des
fliessenden Wassers an der Oberfläche grösser und in der Tiefe kleiner sey; als aber die
Röhre zwischen die Brückenpfeiler oder in das verengte Flussbett kam, schwamm sie
in der umgekehrten Lage und zeigte die Geschwindigkeit an der Oberfläche kleiner und
in der Tiefe grösser; unterhalb der Brücke im natürlichen Flussbette nahm die schwim-
mende Röhre abermals die erste Lage an. Hierdurch wird offenbar die obige Bemer-
kung vollkommen bestätigt.
Die anfänglich aufgestellte allgemeine Gleichung lässt sich auch in die Form
bringen, aus welcher sich weiters die
Stauhöhe ableiten lässt. Da
für jeden Fall eine gegebene Grösse ist, so zeigt die letzte Gleichung deutlich, dass die
Stauhöhe um so grösser werde, je kleiner die Geschwindigkeit c des Flusses ist, weil in
diesem Falle die negative Grösse kleiner ist, also weniger abgezogen wird und daher
mehr übrig bleiben muss. Wir sehen demnach, dass in ebenen Gegenden, wo das Wasser
in dem Flusse mit einer kleinern Geschwindigkeit fliesst, grössere Staue und daher auch
grössere Uiberschwemmungen erfolgen, als in jenen Flusstrecken, wo eine grössere Ge-
schwindigkeit des Wassers Statt findet, was auch die Erfahrung bestätigt. Hinsichtlich
des Verhältnisses der Länge des Wehres B gegen die Breite b des Flusses sehen wir,
dass die Stauhöhe desto weniger betragen wird, je länger ein Wehr ist, oder je schiefer
dasselbe über den Fluss geführt wird. Wenn endlich der Zusammenziehungskoeffizient
m = 1 ist, oder diesem Werthe sehr nahe kommt, so wird auch die Stauhöhe viel weni-
ger betragen, als im Gegentheile.
§. 252.
Die zweite Frage, welche wir zu beantworten haben, betrifft die Stauweite.
Es handelt sich nämlich in einem jeden praktischen Falle nicht bloss um die Bestim-
mung, wie viel die grösste Stauhöhe, zu deren Berechnung wir bereits die Anleitung
gaben, beträgt, sondern auch wie weit der Stau in dem Flusse reiche und wie gross die
Stauhöhe des Wassers auf einem jeden Orte der Stauweite sey.
13.
Tab.
55.
Um dieses zu beantworten, sey M B N die Oberfläche des gestauten Flusses und
N C die ganze Stauhöhe. Es ist leicht einzusehen und wird in der folgenden Theorie
erwiesen, dass die Linie M N keine gerade, sondern eine krumme Linie sey. Um eine
Annäherungsrechnung zu machen, können wir uns dieselbe als einen Kreisbogen
[335]Stauweite.
vorstellen; ziehen wir nun aus dem Punkte N eine Tangente zu dieser krummen Linie,Fig.
13.
Tab.
55.
so wird selbe die Oberfläche des Flusses vor dem Einbaue, nämlich die Linie M C in O
schneiden und es bildet M O die zweite Tangente diese grossen Kreises, der mit der
krummen Linie übereinkommt. Aus der Lehre vom Kreise ist bekannt, dass die zwei
Tangenten N O und M O einander gleich seyn müssen; wir haben daher nur die Länge
der einen zu finden und mit 2 zu multipliziren, um die ganze Stauweite zu erhalten. Zu
diesem Behufe ziehen wir noch aus O und B die horizontalen Linien O A und B D, so wird
A C das Gefälle für das ungestaute Wasser auf der Strecke O A seyn, demnach ist
. Wird das Wehr in den Fluss gebaut, so wird
oberhalb dem Wehre sowohl die Querschnittsfläche als auch die Peripherie des Flusses
grösser, seine Geschwindigkeit aber kleiner. Es sey die Fläche = F, die Peripherie = P,
die mittlere Tiefe des gestauten Wassers = A und die Geschwindigkeit = v, so wird D N
das Gefälle auf die Länge B D = O A seyn und wir erhalten abermals die Gleichung
. Zieht man die zweite Gleichung von der ersten
ab, so ist . Da
nun A C — D N = A C — D A — A N = N C — D A und da, wie unten gezeigt wird, die
Stauhöhe in der Mitte O B = D A = ¼ N C ist, so folgt
. Weil aber
O A = E F = ½ M E ist, so folgt die
ganze Stauweite.
Zur Berechnung der Stauweite muss daher die ganze Stauhöhe, dann die Grössen p, f,
a, c und P, F, A, v gegeben seyn oder ausgemittelt werden.
Um die Stauhöhe für jeden Punkt der Stauweite zu finden, sey wiederFig.
14.
M N die krumme Oberfläche des gestauten Wassers, M O der Halbmesser der Krüm-
mung und N C die grösste Stauhöhe. Verlängert man die Linie M O, bis dieselbe den
Kreis in Q schneidet, und zieht man die Linie C N Q, so ist nach den Regeln der Geome-
trie C M2 = C N . M Q, wenn man C Q = M Q annimmt. Zieht man aus irgend einem andern
Punkte a die Linie a Q, so hat man wieder a M2 = a b.M Q. Demnach verhält sich C M2 : a M2
= C N : a b oder C M : a M = √ C N : √ a b, oder die Stauhöhen verhalten sich
wie die Quadrate der Stauweiten vom Anfange der Stauung angerech-
net. Wenn demnach die ganze Stauweite und Stauhöhe bekannt ist, so kann man für
jede Stauweite die betreffende Stauhöhe und umgekehrt finden. Ist die ganze Stauhöhe
= N C = H und die ganze Stauweite M N = E, so werden die Stauhöhen auf ¼ E, 2/4 E
und ¾ E gleich 1/16 H, 4/16 H und 9/16 H seyn, weil nach der obigen Proporzion
1/16 H : 4/16 H : 9/16 H : 16/16 H = (¼ E)2 : (2/4 E)2 : (¾ E)2 : (4/4 E)2 = 1 : 4 : 9 : 16 sich verhält.
Will man aber die Stauweiten vom Punkte der grössten Stauhöhe messen, so ist
a M = C M — C a und daher C M : C M — C a = √ C N : √ a b oder
[336]Stauweite.
a C : C M = √ C N — √ a b : √ C N. Aus diesen zwei Proporzionen kann man die Stauhöhe
für jeden Punkt, wenn die Länge C M, C a und die grösste Stauhöhe gegeben ist, oder
umgekehrt die Entfernung C a, welche einer bestimmten Stauhöhe a b entspricht, finden.
§. 253.
Beispiel. Bei einem Flusse, dessen mittlere Tiefe a = 2 Fuss und sein Gefälle
4 Zoll auf 100 Klafter oder , folglich seine Geschwindigkeit c nach der Gleichung
berechnet = 3,5 Fuss beträgt, wird ein Wehr von der Höhe
h = 5,5 Fuss eingebaut; es fragt sich 1tens. Auf welchen Entfernungen vom Wehre
befinden sich die gestauten Wassertiefen h' = 4 Fuss, 3 Fuss u. s. w., wenn das Wasser bloss
auf der Höhe des Wehres gehalten und der ganze Wasserzufluss auf die zur Seite liegen-
den Mühlwerke abgeführt wird. 2tens. Auf welche Höhe wird das Wasser gehoben,
wenn alle Mühlschützen geschlossen werden, folglich die ganze Wassermenge über das
Wehr abfliessen muss und auf welchen Entfernungen vom Wehre befinden sich dann die
gestauten Wassertiefen h' = 5,5 Fuss, 4 Fuss u. s. w., endlich 3tens. Auf welche Höhe
wird das Wasser über dem Wehre gehoben, wenn zur Zeit einer Anschwellung des Flusses
die mittlere Wassertiefe a auf 6 Fuss anwächst und der ganze Wasserzufluss über das Wehr
abfliessen muss, und wie nehmen dann die gestauten Höhen nach den verschiedenen Ent-
fernungen vom Wehre ab.
Die Berechnung der gesuchten Stauweiten des ersten Theiles der Frage kann auf
eine elementare Weise nach den im vorigen §. aufgestellten Formeln geschehen *).
Hier
ist nämlich C = 3,5 Fuss, a = 2 Fuss, die ganze Stauhöhe N C = 3,5 Fuss, die mittlere
[337]Ungleichförmige Bewegung des Wassers.
Tiefe A des gestauten Wassers für die Strecke O A ergibt sich aus der Betrachtung, dassFig.
13.
Tab.
55.
die Tiefe bei N = 5,5 Fuss, bei B aber nur = 2 + ¼ . 3,5 = 2,875 Fuss sey, weil wie wir
*)Gerstner’s Mechanik. Band. II. 43
[338]Ungleichförmige Bewegung des Wassers.
früher erinnerten, die Stauhöhe auf der halben Stauweite nur den 4ten Theil der gan-
zen Stauhöhe beträgt. Demnach ist die mittlere Tiefe Fuss.
*)
[339]Ungleichförmige Bewegung des Wassers.
Die mittlere Geschwindigkeit des Wassers in der gestauten Strecke O A finden wir ausFig.
13.
Tab.
55.
der Gleichung a . b . c = A . b . v, woraus Fuss folgt.
Werden diese Werthe in die aufgestellte Gleichung für die Stauweite substituirt, so
ist dieselbe
oder M E = 10599 Fuss = 1766,5 Klafter. Die Stauweite wird also in dem Falle als
das geschwellte Wasser bloss auf der Höhe des Wehres gehalten wird, sich beinahe auf
eine halbe Meile erstrecken.
Nehmen wir nun wegen der Gleichförmigkeit mit der auf der folgenden Seite vorkom-Fig.
14.
menden genauen Auflösung dieses Beispieles mittelst höherer Rechnung für die Entfernung
N b = C a = 156,4 Klafter, so ergibt sich die hierzu gehörige Stauhöhe aus der Propor-
zion M C : M C — a C = √ N C : √ b a, oder 1766,5 : 1766,5 — 156,4 = √ 3,5 : √ b a, woraus
b a = 2,91 Fuss folgt. Die ganze Wassertiefe in dem Punkte b wird daher = 2 + 2,91 = 4,91
Fuss seyn, wogegen nach der genauen Rechnung die Tiefe an diesem Orte 5 Fuss be-
trägt. Auf gleiche Art findet man für eine Entfernung C a = 315,6 Klafter die ganze
Wassertiefe = 4,36 Fuss, für 479,2 Klafter die Wassertiefe = 3,86 Fuss, u. s. w.
§. 254.
Eine vollkommen genaue Auflösung der obigen Aufgabe wird mittelst der unter dem
Texte vorkommenden höheren Rechnung gemacht.
Zur Berechnung der gesuchten Stauweiten des 1ten und 2ten Theiles der Frage,
wollen wir vorerst die Hülfsgrössen p, μ, ρ, γ, M und P nach den unter dem Texte aufge-
stellten Gleichungen berechnen. Nach diesen Gleichungen findet man für die gegebenen
Werthe ; μ = 0,017759; ρ = 0,784661, γ = 0,982241, M = 0,538132 und P =—1,040746.
*)
43*
[340]Bestimmung der Staulinie des Wassers.
Für die Beantwortung des ersten Theiles der Frage ist die grösste Wassertiefe am Wehre
z = 5,5 Fuss. Setzt man nun in die obige für die Stauweite aufgestellte allgemeine
Gleichung die Werthe und zwar z = 5,5, β = h', a = 2 Fuss und übersetzt die natürlichen
Logarithmen zugleich in briggische, so findet man für die fragliche Stauweite die abge-
kürzte Gleichung
.
Nach dieser Gleichung findet man, wenn x zugleich auf Klafter reduzirt wird,
für die gestaute Höhe h' = 5,5; 5 ; 4,5; 4 ; 3,5; 3 ; 2,5; 2,1; 2,05.. Fuss
die zugehörige Stauweite x = 0 ; 156,4; 315,6; 479,2; 650,5; 837,5; 1066,6; 1415,5; 1537,9 Klft.
Für den zweiten Theil der Frage lässt sich die Höhe, auf welche das Wasser durch
den Einbau des Wehres für den Fall gehoben wird, wenn der ganze Wasserzufluss über
das Wehr abfliessen muss, nach der Gleichung §. 248 für die Stauhöhe berechnen, wenn
man in dieser h = 5,5′, a = 2′, c = 3,5 den Zusammenziehungskoeffizienten m = 0,954 und
b = B setzt, man findet sodann Fuss, um wie viel nämlich
der Wasserspiegel gehoben wird. Es ist daher die grösste Wassertiefe am Wehre
z = 2 + 4,75 = 6,75 Fuss. Setzt man diesen Werth für z in die allgemeine Gleichung für
die Stauweite, und bemerkt, dass die übrigen Werthe für p, γ, M und P ungeändert blei-
ben, so erhält man für die Stauweiten die abgekürzte Gleichung
.
Nach dieser Gleichung findet man, wenn x zugleich auf Klafter reduzirt wird
für die gestaute Wassertiefe
h' = 6,75; 6,5; 6 ; 5,5; 5 ; 4,5; 4 ; 3,5; 3 ; 2,5; 2,1; 2,05 Fuss.
die zugehörige Stauweite
x = 0 ; 76,4; 229,8; 384,4; 540,9; 700,0; 863,6; 1034,9; 1221,9; 1451,0; 1501,7; 1922,3 Klftr.
Für den dritten Theil der Frage dient zur Berechnung der Höhe, auf welche der
Wasserspiegel des angeschwollenen Flusses durch das Wehr gehoben wird, die §. 245
für die Stauhöhe x in diesem Falle aufgestellte Gleichung
, wenn man nämlich unserm Beispiele zu
Folge hierin die Wassertiefe a = 6 Fuss, die Höhe des Wehres h = 5,5, die Geschwin-
digkeit des Wassers c = 6, m wie früher = 0,954 und b = B setzt. Man findet sodann
. Die Auflösung dieser Gleichung durch Nähe-
rung gibt sodann den Werth für die Erhöhung des Wasserspiegels x = 3,20. Es ist
sonach für die Berechnung der Stauweiten die grösste Wassertiefe am Wehre
z = 6 + 3,2 = 9,2 Fuss.
Bevor wir nun zur Berechnung der Stauweiten schreiten können, müssen wir vor-
erst die in der allgemeinen Gleichung für die Stauweite vorkommenden Koeffizienten
[341]Staulinie des Wassers.
für die Werthe des eben betrachteten Falles nach den hierfür oben gegebenen Glei-
chungen bestimmen. Setzt man hierin nach dem vorliegenden Falle a = 6 und c = 6 Fuss,
so findet man ; μ = 0,006052; ρ = 0,800399; γ = 0,993948; M = 1,616162 und
P = — 0,532669; diese Werthe und z = 9,2 Fuss in die allgemeine Gleichung für die Stau-
weite substituirt gibt nach gehöriger Redukzion
.
Nach dieser Gleichung findet man, wenn x zugleich auf Klafter reduzirt wird;
für die gestaute Höhe
h' = 9,2; 8,5; 8 ; 7,5; 7 ; 6,5; 6,1; 6,05 · · · Fuss
die zugehörige Stauweite
x = 0 ; 316,0; 564,6; 844,9; 1183,5; 1664,9; 2575,0; 2933,8 · · · Klafter.
Diese drei berechneten Beispiele über die Stauweiten dürften über die krumme
Linie, welche die Oberfläche des Wassers nach dem Längenprofil annimmt, die deut-
lichste Vorstellung geben, und zugleich zeigen, dass die grösste Stauweite, so weit ihre
genaue Kenntniss für die Anwendung wichtig ist, durch die aufgestellte allgemeine
Gleichung ziemlich genau begränzt ist, obwohl die Staulinie ihrer Gleichung zu Folge
eine Asymptote hat, der sie sich in unendlicher Entfernung nähert, wornach also die
grösste oder ganze Stauweite mathematisch unendlich gross wäre.
[342]
VI. Kapitel.
Stoss des Wassers und dessen Wirkung auf unter-
schlächtige Räder.
§. 255.
Die Benützung des Wassers zur Bewegung von Rädern und Mühlwerken soll beiläufig
um das Jahr 400 n. Chr. in Anwendung gekommen seyn. Geschichtlichen Mittheilun-
gen zu Folge waren die Mühlen in Rom an den Kanälen, welche das Wasser der Stadt
zuführten, angelegt. Als im Jahre 536 der König der Gothen Vitiges Rom belagerte,
liess derselbe die 14 grossen Wasserleitungen verstopfen und brachte auf diese Art die
Mühlen zum Stehen. Belisar liess nun die Mühlen auf Fahrzeuge setzen und von der
Tiber treiben, woraus allerdings hervorgeht, dass um jene Zeit auch schon die Schiff-
mühlen bekannt waren. Ausonius, welcher um das Jahr 379 lebte, erwähnt einer
Mühle, welche an einem kleinen Flusse lag, der in die Mosel fällt; hiernach wären
die Wassermühlen in Deutschland schon früher eingeführt gewesen.
Das Wasser kann zur Treibung eines Rades oder einer Mühle auf zweifache Art
angewendet werden, indem entweder die Schaufeln des Rades der Bewegung des flies-
senden Wassers so entgegengesetzt werden, dass dasselbe unterhalb der Radwelle diese
Schaufeln trifft; oder auch kann das Wasser oben auf ein Rad geleitet und in Kästen
(Zellen) geführt werden, welche sich an dem Umfange desselben befinden. Das Gewicht
des Wassers, welches im letztern Falle auf der einen Seite des Rades angebracht ist,
verursacht, dass das Rad hierdurch in Bewegung kommt und eine Kraft auszuüben
vermag. Hieraus ergibt sich auch die Eintheilung aller Räder, welche entweder un-
terschlächtig, oder oberschlächtig oder auch mittelschlächtig sind. Bei
den erstern wirkt das Wasser bloss durch seinen Stoss, bei den zweiten fällt das Was-
ser auf das Rad und wirkt durch seinen Druck, bei den mittelschlächtigen Rädern
endlich wirkt das Wasser sowohl durch den Stoss als durch den Druck. Die unter-
schlächtigen Räder werden gewöhnlich an Flüssen mit geringerem Gefälle, die mittel-
schlächtigen an Flüssen mit grösserem Gefälle, die oberschlächtigen Räder aber ge-
wöhnlich an Bächen, wo das vorhandene Gefälle den Durchmesser des Rades übersteigt,
angewendet. An Teichen oder Seen, aus welchen das Wasser durch Schützen abge-
lassen wird, pflegt man meistens nur unterschlächtige oder mittelschlächtige Räder
anzulegen.
[343]Wasserräder.
Von den unterschlächtigen Rädern gibt es folgende Arten. 1tens. Strauber-Fig.
16.
Tab.
55.
räder, welche bloss einen Kranz haben, worauf die Schaufeln beiderseits vorstehend
aufsitzen. Diese Räder werden gewöhnlich dann angewendet, wenn die Geschwindigkeit
des Wassers sehr bedeutend und dagegen der Zufluss desselben nur gering ist. 2tens.
Staberräder bestehen aus zwei Kränzen oder Reifen, zwischen welche die SchaufelnFig.
17.
eingesetzt werden, ohne über die Kränze hinauszustehen. Diese Räder werden dort an-
gewendet, wo die zu verrichtende Arbeit eine grössere Kraft, demnach eine grössere
Schaufelfläche und überhaupt ein stärkeres Rad erfordert. 3tens. Pansterräder er-Fig.
18.
halten weit grössere Schaufeln, welche desshalb nicht bloss in die Reifen am Umfange
des Rades eingesetzt, sondern noch ein- oder zweimal unter sich verbunden (verriegelt)
werden. Pansterräder werden dann gebraucht, wenn die Geschwindigkeit des Wassers
klein ist und man demnach durch eine grössere Fläche der Schaufeln die gehörige Kraft
zu bewirken genöthigt wird. Pansterräder sind gewöhnlich so eingerichtet, dass ihre
beweglichen Achsenlager bei höherem Wasserstande gehoben werden, um auch bei gros-
sem Wasser mahlen zu können. Das Aufziehen geschieht entweder durch Schrauben
oder Hebel. Im ersten Falle wird die Vorrichtung ein Zugpanster, im zweiten ein
Stockpanster genannt. Mit einem solchen Pansterrad ist manchmal ein Schwimm-
gerinne verbunden, welches mit dem Rade zugleich in die Höhe gezogen wird, um den
Abfluss des Wassers unter dem Rade zu verhindern.
Man pflegt den unterschlächtigen Rädern, so oft es das Gefälle zulässt, einen Kropf
zu geben, in welchem Falle dieselben Kropfräder genannt werden. Endlich werden
unterschlächtige und mittelschlächtige Räder beinahe immer in ein Gerinne gestellt,
welches gewöhnlich aus zwei hölzernen mit einem Boden versehenen Wänden besteht
und dazu dient, das Wasser zusammen zu halten und mit möglichst kleinem Verluste auf
das Rad zu führen. Die Gerinne werden mit Schützen versehen, um das Wasser
nach Bedarf mehr oder minder zufliessen zu lassen, oder auch ganz abzusperren.
§. 256.
Die Theorie der unterschlächtigen Räder beruht auf folgenden Grundsätzen:
Wird eine Fläche f von fliessendem Wasser gestossen, so übt dasselbe auf diese Flä-
che einen Druck aus und der letztere lässt sich immer durch ein Gewicht messen, wel-
ches diese Fläche nach entgegengesetzter Richtung ziehen oder im Gleichgewichte er-
halten kann. Man pflegte sonst bei dem Stosse folgende Fälle anzunehmen:
I. Wenn die gestossene Fläche unbeweglich bleibt und zwar 1tens: Wenn
alles Wasser zum Stosse kommt z. B. bei einem isolirten Strahle, der aus einem
Gefässe gegen eine entgegengesetzte unbewegliche Fläche winkelrecht herausschiesst und
parallel zur Fläche abfliessen muss. 2tens: Wenn das unbewegliche Bret oder die
Schaufel in einem Flusse steht, demnach die gestossene Fläche gegen den Querschnitt
des Flusses sehr klein ist, und ein bedeutender Theil des Wassers auf beiden Seiten der
Schaufeln ausweichen kann.
II. Bewegt sich aber zugleich auch die gestossene Fläche, so kann wieder
1tens: der Stoss in einem begränzten Gerinne (Schussgerinne, Mühlgerinne), wo alles
[344]Stoss eines isolirten Wasserstrahles.
Wasser zum Stosse kommen soll oder 2tens: in einem freien Flusse vor sich gehen.
Wir wollen nun einen jeden dieser Fälle betrachten, nach theoretischen Grundsätzen
berechnen und mit den hierüber angestellten Erfahrungen vergleichen.
§. 257.
Um die Grösse des Stosses eines isolirten Wasserstrahles auf eine ru-
hende Fläche zu finden, befestige man nahe an der Ausflusöffnung eines Gefässes
Fig.
1.
Tab.
56.eine Fläche oder Tafel, an welche der ausfliessende Wasserstrahl stossen soll. Diese
Fläche sey bei A beweglich und mit einem Hebel D C unter rechtem Winkel verbunden;
zugleich werde durch das Gewicht p das Gleichgewicht am unbelasteten Hebel herge-
stellt. Beträgt nun die Entfernung A B vom Umdrehungspunkte bis zur Mitte der Aus-
flussöffnung des Wassers eben so viel als A C, oder die Entfernung, auf welcher das Ge-
wicht P, womit der Stoss gemessen wird, angebracht ist, und wird, nachdem die Oeff-
nung des mit Wasser gefüllten Gefässes geöffnet worden, nach und nach bei C so viel
Gewicht zugelegt, bis die Fläche B unbeweglich und senkrecht stehen bleibt, so wird
auch das Gewicht P den jedesmaligen Stoss oder Druck des Wassers gegen die Fläche
anzeigen. Durch solche Versuche hat man gefunden, dass der Wasserstoss oder
P zweimal so gross ist als das Gewicht einer Wassersäule, welche
zu ihrer Grundfläche die Fläche des zusammengezogenen Strahles
f und zur Höhe die Höhe h des Wasserstandes über der Mitte der
Ausflussöffnung hat, oder P = 56,4 . 2 f. h. Die Versuche, welche der Abbé
Bossut und Herr Langsdorf hierüber angestellt haben, geben genau diese Resultate, jedoch
wurde hierbei bemerkt, dass der Durchmesser der gestossenen Fläche wenigstens viermal
so gross als der Durchmesser des ausfliessenden Wasserstrahles seyn müsse. Wenn aber
die gestossene Fläche kleiner ist, so findet auch diese Formel nicht mehr Statt. Nach
den Versuchen von Herrn Langsdorf ist der Stoss nur halb so gross, oder P = 56,4 f. h
wenn die gestossene Fläche dem Querschnitte des Strahles vor seiner Ausbreitung
gleich ist.
Der wissenschaftliche Grund der angeführten ersten Erfahrung, wo nämlich alles
Wasser aus einem isolirten Strahle zum Stosse kommt, ist folgender: Bezeichnet c die
Geschwindigkeit und f die zusammengezogene Fläche des ausfliessenden Wassers, so ist
56,4 . f . c . d t das Gewicht der Wassermenge, welche in der unendlich kleinen Zeit d t
ausfliesst. Würde dieselbe Wassermenge durch sich selbst oder durch ihr eigenes Ge-
wicht bewegt, so würde sie in der Zeit d t die Geschwindigkeit 2 g . d t erlangen; nach
den allgemeinen Gesetzen der Mechanik wird nun die Kraft P, welche im Stande seyn
soll, die Geschwindigkeit des Wassers ganz aufzuhalten oder dem Wasser nach der ent-
gegengesetzten Richtung die Geschwindigkeit c zu ertheilen, aus folgender Proporzion
bestimmt: 56,4 f . c . d t : 2 g . d t = P : c, woraus der Stoss des Wassers
folgt *). Die Uibereinstimmung dieser Theorie mit der Erfah-
[345]Stoss eines isolirten Wasserstrahles.
rung bestättigen alle hierüber angestellten Versuche, bei welchen übrigens nur noch zu
beobachten ist, dass die Richtung des Wasserstrahles genau winkelrecht gegen die Tafel
gestellt seyn muss. Hätte nämlich die Tafel eine schiefe Stellung gegen den Strahl,
so würde die Geschwindigkeit des Wassers von der Tafel nicht ganz, sondern nur der-
jenige Theil hiervon aufgefangen, welcher bei der Zerlegung der Geschwindigkeit
die winkelrechte Stellung hat.
Gerstuer’s Mechanik. Band II. 44
[346]Stoss des Wassers in Gerinnen.
§. 258.
Die Beobachtung, dass die Stosskraft des Wassers gegen unterschlächtige Räder ver-
mehrt wird, wenn man dasselbe in Gerinne einschliesst und dadurch das Ab-
fliessen neben dem Rade hindert, führte bald auf die Konstrukzion der gegenwärtig übli-
chen Mühlgerinne. Man glaubte in diesem Falle, weil das Wasser die Schaufeln nur
mit der Differenz der Geschwindigkeit c — v treffen kann, auch die obige Formel für
den Wasserstrahl an die ruhende Schaufel anwenden zu können, wenn man statt c den
genannten Unterschied der Geschwindigkeiten c — v setzt, wo c die Geschwindigkeit
des Wassers und v jene des Rades bezeichnet. Hiernach würde der Stoss in einem sol-
chen Gerinne = seyn.
Parent stellte diese Formel für die Stosskraft des Wassers in Gerinnen in den
Mémoires de l’ academie des sciences pour l’ année 1704 auf, und rechtfertigte sie bloss
dadurch, weil das Wasser die Radschaufeln, die sich mit der Geschwindigkeit v bewe-
gen, nur mit dem Uiberschusse seiner Geschwindigkeit oder mit c — v erreichen könne.
Er setzte sonach das Maass der Bewegung oder das Produkt aus der Kraft in die Ge-
schwindigkeit der Radschaufeln dem Ausdrucke v (c — v)2 proporzional und leitete
hieraus ab, dass dasselbe ein Maximum wird, wenn v = ⅓ c ist. Diese Bestim-
mung widerspricht aber der Erfahrung, welche schon von Mariotte angestellt und
seitdem von vielen andern Hydraulikern wiederholt worden; diese zeigte nämlich,
dass die Geschwindigkeit für den vortheilhaftesten Betrieb der Mühlen grösser als
⅔ c und beinahe = ½ c seyn müsse, wie wir später umständlicher sehen werden. Die
Unrichtigkeit hiervon lässt sich aber auch aus der einfachen Betrachtung ableiten,
dass die Wassermenge, welche in einer Sekunde in das Schussgerinne fliesst, dem
Produkte 56,4 f . c gleich ist und die nämliche bleibt, ob sich das Rad im Schussgerinne
geschwind oder langsam bewegt; die zufliessende Wassermenge kann demnach dem Pro-
dukte 56,4 f (c — v) nicht gleich seyn. Wir sehen hieraus, dass die Annahme von Parent,
welche zu jener Zeit von den meisten hydraulischen Schriftstellern angenommen wurde,
sowohl von der Erfahrung als von der Theorie widerlegt werde.
Um in dieser Hinsicht einen verlässigern Maasstab für die vortheilhafteste Geschwin-
digkeit eines Wasserrades und für das Maass des grössten mechanischen Momentes zu er-
halten, haben schon gegen das Ende des verflossenen Jahrhundertes Smeaton und
Bossut Versuche angestellt, hierbei ein möglichst genau passendes kleines Rad in ein
Mühlgerinne gestellt, an der Welle desselben eine Schnur befestigt und die Ge-
wichte untersucht, welche von diesem Rädchen bei verschiedenen Geschwindigkeiten
des Wassers aufgezogen wurden. Aus der Vergleichung der auf eine bestimmte Höhe
aufgezogenen Gewichte und der hierzu erforderlichen Zeit, sollte der Maasstab für das in
jedem Falle bewirkte Bewegungsmoment und für die vortheilhafteste Benützung des
Wassers abgeleitet werden. Man konnte jedoch die gefundenen Resultate mit einander
nicht in Uibereinstimmung bringen, indem die Werthe von Bossut der halben Geschwin-
digkeit, jene von Smeaton aber dem Drittel der Geschwindigkeit am nächsten kamen.
[347]Stoss des Wassers in Gerinnen.
Da diese Versuche nur durch eine gründliche Theorie gehörig beleuchtet werden
konnten, so hat mein Vater zuerst in dem zweiten Bande der Abhandlungen der k. böhm.
Gesellschaft der Wissenschaften. Prag, 1795, eine umständliche Theorie des Was-
serstosses in Schussgerinnen mit Rücksicht auf Erfahrung und An-
wendung bekannt gemacht und zugleich aus Mangel genügender anderweitiger Er-
fahrungen eine Reihe von Versuchen angestellt, welche die Theorie vollkommen recht-
fertigen. In den nachfolgenden §. §. wird diese Theorie mit den neuern seit dem
Jahre 1795 hierzu gemachten Zusätzen mitgetheilt.
§. 259.
Zur Bestimmung des Wasserstosses oder des Druckes, welchen das in Be-
wegung befindliche Wasser gegen eine nicht ruhig stehende, sondern mit
geringerer Geschwindigkeit vorausgehende Fläche ausübt, wollen wir
uns diese Fläche im Schussgerinne senkrecht aufgestellt denken. Diese Fläche gehe
mit einer Geschwindigkeit v fort, die kleiner als die Geschwindigkeit c des Wassers ist
und sie passe zugleich so vollkommen in das Gerinne, dass sie dem nachfolgenden Wasser
keinen Ausweg gestattet, sondern dasselbe nöthigt, seine Bewegung nur mit der Geschwin-
digkeit v fortzusetzen. Da wir nicht wohl annehmen können, dass das Wasser seine Ge-
schwindigkeit c plötzlich verlassen und dagegen die Geschwindigkeit v eben so schnell
annehmen werde, so wollen wir bei Voraussetzung eines horizontalen Gerinnes das Was-
ser bei seiner Ankunft vor der bewegten Fläche in mehrere senkrechte Schichten
A a b B, B b c C, C c d D .... eintheilen, dann die Geschwindigkeit, womit das Wasser inFig.
3.
Tab.
56.
der kleinen Zeit d t den Raum a b beschreibt = c, endlich jene Geschwindigkeit, womit
die verminderten Räume b c, c d, d e und e f beschrieben werden, mit c', c'', c''' und v
bezeichnen. Setzen wir nun die Querschnittsfläche des herbeifliessenden Wassers A a = f,
so ist der kubische Inhalt des im Raume A a b B enthaltenen Wassers d M = f . c . d t und
wir sehen, dass dasselbe Wasser auf seinem Wege von b nach c, dann von c nach d, von
d nach e die Räume c' . d t, c'' . d t, c''' . d t .... zurücklegt. Bezeichnen wir auf gleiche
Art die Querschnittsfläche B b = f', die Querschnittsfläche C c = f'' .... und die letzte
Fläche E e = φ, so haben wir für eine jede dieser Stellungen
d M = f . c . d t = f' . c' . d t = f'' . c'' . d t ..... = φ . v . d t, weil wir annehmen, dass dasselbe
Element sich nach und nach in diesen Stellungen befindet. Da nun das Element bei
seinem Fortrücken von A a nach B b, die Geschwindigkeit c in die Geschwindigkeit c'
verändert und da der Winkel, den die Richtung des bewegten Elementes mit der entge-
genstehenden Fläche bildet, wegen der senkrechten Stellung dieser Fläche in dem hori-
zontalen Gerinne beständig ein rechter bleibt, sonach Sin λ = 1 ist, so ist nach §. 257
der Druck, den das Element d M gegen das vorausgehende ausübt .
Weil aber das zweite Element von diesem Drucke nicht beschleunigt wird und in seiner
Bewegung selbst den Verlust c' — c'' an seiner Geschwindigkeit erleidet, so ist auf
gleiche Art der Druck, welchen dieses zweite Element für sich gegen die Fläche ausübt
, folglich der Druck von beiden . Eben so finden
44*
[348]Stoss des Wassers in Gerinnen.
Fig.
3.
Tab.
56.wir den gesammten Druck der drei ersten Elemente und wenn dieses
bis zur entgegenstehenden Fläche, die sich mit der Geschwindigkeit v bewegt, fortge-
setzt wird, so finden wir den gesammten Druck an diese Fläche von allen Elementen, die
vor dieser Fläche ihre Geschwindigkeiten ändern .
Setzen wir nun statt d M das Gewicht 56,4 f . c . d t, so ergibt sich der gesammte
Stoss an die Fläche . Aus dieser Gleichung sehen wir, dass der
Grund, warum der Wasserstoss an eine in Bewegung befindliche Fläche der Differenz
der Geschwindigkeiten c — v proporzional sey, nicht in dem Umstande liegt, weil das
Wasser die vorausgehende Fläche nur mit der Geschwindigkeit c — v erreichen kann;
diess liegt vielmehr darinn, weil dem Wasser bei seinem Drucke an die Fläche noch die
Geschwindigkeit v übrig bleibt. Hierbei muss aber bemerkt werden, dass das Was-
ser in dem angeführten Falle wegen Veränderung seiner Geschwindigkeit von c in v vor
der entgegenstehenden Fläche die Höhe E e = A a · einnehmen werde, folglich in die-
sem Falle seine Oberfläche auf die Höhe gehoben werden
müsse. Hieraus entsteht ein Rückstau, welcher dem Wasserstosse zur Last fällt. Dieser
Umstand muss demnach in horizontalen Mühlgerinnen berücksichtigt und entweder die
Kraft des Stosses um diesen Rückstau vermindert, oder ein anderer Weg gezeigt werden,
wodurch der Rückstau entfällt. Hierüber wird in der Folge mehr gehandelt werden.
§. 260.
Bei der vorhergehenden Rechnung haben wir angenommen, 1tens: dass die senk-
recht entgegenstehende Fläche beständig vorhanden sey und 2tens: dass dem Wasser
gar kein Ausweg zur Seite oder unter dieser Fläche gestattet werde.
Diese beiden Umstände finden aber bei unsern unterschlächtigen Wasserrädern nicht
Statt, indem die Schaufeln durch die Umdrehung des Rades den Wasserspiegel bei ihrem
Eintritt in das Wasser nur berühren, sich dann immer tiefer in dasselbe einsenken und
die senkrechte Stellung nur während eines Augenblickes unter dem Mittelpunkte des Ra-
des einnehmen, von wo sie sodann wieder in die Höhe steigen. Wir sehen hieraus, dass
diese Bewegung der Schaufeln dem Wasser sehr vielen Spielraum zu seinem ungehinder-
ten Abflusse gestatte. Auch ist die Geschwindigkeit, womit die verschiedenen Punkte
der Radschaufeln der Bewegung des Wassers ausweichen, sehr verschieden; sie ist näm-
lich an der Peripherie des Rades am grössten, und näher bei dem Mittelpunkte nach Ver-
hältniss des kleinern Halbmessers auch kleiner.
Es sey die Geschwindigkeit an der äussern Peripherie B des Rades = V, sonach
der Raum, welcher während einer sehr kleinen Zeit beschrieben wird
Fig.
4.D e = D' e' = B b = V . d t. Wenn wir diese Bewegung D e in die senkrechte D g
und in die horizontale D d zerlegen, so haben wir wegen der Aehnlichkeit der Dreiecke
D d e und C A D die Proporzion D e : D d = D C : C A, also D d = V . d t . .
[349]Stoss des Wassers in Gerinnen.
Wenn wir auf gleiche Art den Raum A a suchen, welcher in derselben Zeit an der in-Fig.
4.
Tab.
56.
nern Peripherie zurückgelegt wird, so ist wegen der Aehnlichkeit der Dreiecke C A a
und C B b nunmehr C B : C A = B b : A a, also .
Weil nun C D = C B und D e = B b = V . d t ist, so finden wir D d = A a und auf
gleiche Art finden wir für den Punkt D' auch D' d' = A' a' und so für alle andern Punkte.
Hieraus folgt, dass die Geschwindigkeiten, womit die Punkte D, D' · · · · der Rad-
schaufeln dem Wasser nach der horizontalen Richtung ausweichen, den Geschwindig-
keiten in den Punkten A, A' · · · · derselben Radschaufeln in ihrer senkrechten Stellung
gleichkommen.
Setzen wir nun die Geschwindigkeit der Radschaufeln für den Mittelpunkt A' = v
und die Höhe derselben A B = β, so ist die Geschwindigkeit
in , wenn der Halbmesser C A' = R gesetzt wird. Eben so
ist die Geschwindigkeit der Schaufel in . Weil aber β im Verglei-
che mit 2 R sehr klein ist und wir demnach den Bruch gegen 1 vernachlässigen
können, so ergibt sich hieraus, dass wir nicht nur die Geschwindigkeiten
in A und B gleich annehmen können, sondern auch, dass die Rad-
schaufeln in den Punkten D und D' dem Wasser nach der horizontalen
Richtung mit der gleichen Geschwindigkeit v ausweichen.
§. 261.
Wir haben also nur noch diejenige Wassermenge zu suchen, welche den Rad-
schaufeln in ihren verschiedenen Stellungen wirklich begegnet, und wie viel
davon zwischen den Schaufeln unbenützt mit der unveränderten Geschwin-
digkeit c entgehet.
Es sey Z z der Boden des Schussgerinnes und Y y die Oberfläche des Wassers;Fig.
5.
die Geschwindigkeit, mit welcher sich die Mittelpunkte der Schaufeln im Kreise be-
wegen, sey = v, und die Geschwindigkeit des Wassers im Schussgerinne = c. Wenn
die Schaufel bei O die Oberfläche des Wassers berührt, so ist O der erste Punkt, an
welchen das Wasser anstösst. Setzen wir nun die Entfernung der Schaufeln
P O = O N = N M · · · · = E, und die Zeit, in welcher der Raum P O vom Rade zurück-
gelegt wird = t, so ist wegen der gleichförmigen Bewegung . Wenn nun das
Wasser an der Oberfläche in derselben Zeit den Raum L O mit der Geschwindigkeit c
zurücklegt, so ist auch , folglich und daher . Weil nun
der Punkt L in derselben Zeit nach O kommt, in welcher P nach O gelangt, so wird
zwischen der Entfernung O w der Schaufeln nur die Länge des Wasserfadens
eingeschlossen, weil das Wasser zwischen L und Y schon zwischen die
zwei nachstehenden Schaufeln gefangen wird, folglich den Punkt O nicht mehr treffen
kann und von dem Punkte P aufgehalten wird.
[350]Stoss des Wassers in Gerinnen.
5.
Tab.
56.
Auf gleiche Art ist nach Verlauf der Zeit t, nach welcher nämlich die Schaufel
O o in die Stellung N n kommt, der Punkt N der erste, welcher vom Wasser in der
Richtung K N getroffen wird, und die Länge ist diejenige, welche wäh-
rend der Bewegung der Schaufel aus der Stellung N n in die Stellung M m zwischen
N und ν eingeschlossen wird. Auf dieselbe Art wird der Wasserfaden in
den Raum M μ eingeschlossen.
Hieraus erhellet, dass zwischen der Schaufel O o und P p während der Bewegung
des Punktes O bis A die in dem Raume O N M A H J K L befindliche Wassermenge
eingeschlossen wird und an die Schaufelfläche O o während ihrer Bewegung durch
das Mühlgerinne von O nach A bis U wirken kann.
Wir wollen nun den Punkt γ suchen, in welchem der Punkt L des Wassers die
Schaufel O o in der Stelle γ erreicht. Weil die Zeit, in welcher der Raum L γ von
dem Wasser mit der Geschwindigkeit c beschrieben wird, eben so gross seyn muss,
als die Zeit, in welcher der Raum O γ mit der Geschwindigkeit v von der Schaufel
zurückgelegt wird, so haben wir und weil L γ = L O + O γ, so ist auch
, woraus folgt. Oben wurde gefunden.
Demnach ist . Auf gleiche Art findet man die Entfernung N φ, auf wel-
cher der Punkt K die Schaufel in φ erreicht, ebenfalls . Wenn nun der
Punkt φ mit T zusammenfällt, so sehen wir, dass alle zwischen L und K liegenden
Wasserpunkte die Schaufel zwischen γ φ treffen, folglich die ganze Wassermenge
L O N K, welche zwischen den beiden Stellungen der Schaufeln O o und N n einge-
fangen wurde, auch die Schaufel O o vor ihrem Austritte aus dem Wasser erreichen
werde, dass sonach die ganze Wassermasse deren Querschnitt L O N K = L O . a α ist,
statt der Geschwindigkeit c die Geschwindigkeit v annehmen müsse.
Werden auf gleiche Art die Punkte gesucht, in welchen die Wasserpunkte J und
H die Schaufeln M m und A a treffen würden, wenn sich diese mit ihrer Geschwin-
digkeit v längst des Gerinnes fortbewegen könnten, ohne früher nach der Richtung
der Peripherie aus dem Wasser treten zu müssen, so findet man hierfür dieselbe Ent-
fernung . Weil aber in diesem Falle die Punkte κ und
ψ ausserhalb der Kreislinie A S T fallen, folglich die Schaufel nicht mehr treffen
können, so wollen wir umgekehrt den Punkt i suchen, welcher die Eigenschaft hat,
dass i in derselben Zeit nach S kommt, in welcher M nach S gelangt. Hierzu dient
uns die Gleichung , woraus folgt. Nach dem obi-
gen haben wir . Aus diesen beiden Gleichungen sieht man,
dass die Länge des Wasserfadens, der wirklich zum Stosse kommt, oder welcher die
betreffende Schaufel bei ihrem Austritte noch trifft, für einen jeden Punkt der Pe-
[351]Stoss des Wassers in Gerinnen.
ripherie zwischen N und A erhalten werde, wenn die zugehörige Sehne mit Fig.
5.
Tab.
56.
multiplizirt wird. Demnach wird die Summe aller dieser Wasserfäden dem Produkte
aus der Fläche N α T A mit gleich seyn. Weil wir aber die Fläche
N α T A = ⅔ N T . A α setzen können, so ist die zwischen N und A zum Stosse kom-
mende Wassermenge = ⅔ N T . A α . b . Vorhin haben wir aber N T = E
gefunden; also wird die zwischen N T A zum Stosse kommende Wassermenge
= ⅔ E · · A α . b seyn. Wird nun hierzu noch die zwischen O und N zum Stoss
gelangende Wassermenge zugesetzt, so erhalten wir die gesammte Wassermenge,
welche an alle im Wasser befindliche Schaufeln stösst
(I). Nun verhält sich aber in dem
kleinen Kreisbogen O N A T U die Linie α A : a A = N T2 : O U2. Hierin ist
und wenn wir die Anzahl Schaufeln, die zu gleicher Zeit im Wasser
gehen = n setzen, so ist O U = n . E; wir erhalten demnach .
Demnach ist die zum Stoss gelangende Wassermenge ,
wenn wir nämlich die Höhe des Wassers im Schussgerinne a A = a setzen. Weil aber
diese Wassermenge in der Zeit anstosst, in welcher nämlich jede Schaufel in die
Stelle der nächst vorausgehenden tritt, so können wir nunmehr auch die Wassermenge
bestimmen, welche in jeder Sekunde zum Stoss gelanget. Wir haben nämlich
: zur gesuchten Wassermenge =
.
Bei dieser Gleichung ist aber zu bemerken, dass α A kleiner als a A, folglich
auch N T kleiner als O U, oder kleiner als n . E folglich die Anzahl n der
im Wasser gehenden Schaufeln grösser als der Quozient seyn müsse, denn wäre
N T = O U, folglich α A = a A, so würde die in 1Sek. anstossende Wassermenge nach der
Gleichung (I) nur = a · b · c (1 — ⅓) = ⅔ a · b · c seyn. Aus dem Umstande, dass n grösser
als seyn muss, folgt, dass die Anzahl der zu gleicher Zeit im Wasser gehenden
Schaufeln n um so grösser seyn müsse, je grösser ist, oder je mehr die Geschwin-
digkeit der Schaufeln der Geschwindigkeit des Wassers nahe kommt. Wäre nämlich
v = c, so würde auch eine unendlich grosse Anzahl von Schaufeln nicht hinreichen,
um das zwischen den Schaufeln eingeschlossene Wasser einem wirksamen Stosse zuzu-
führen. Die Wichtigkeit dieser Bemerkung für den praktischen Gebrauch oder für
jeden Fall, wo mittelst unterschlächtiger Räder eine Arbeit bewirkt werden soll, leuch-
[352]Arbeit eines Wasserrades.
tet von selbst ein, obgleich dieselbe in den bisherigen hydraulischen Schriften und
Versuchen noch nicht berücksichtigt wurde.
§. 262.
Da wir nun gefunden haben, dass rücksichtlich des durch die Kreisbewe-
gung der Schaufeln erfolgenden Ein- und Austrittes aus dem Wasser nur die Was-
sermenge an die Schaufeln stossen kann, so ergibt sich
der wirkliche Stoss oder Druck des Wassers .
Fig.
6.
Tab.
56.Wir wollen nun die Grösse der Arbeit untersuchen, welche in einer bestimmten Zeit
von dieser Kraft K bewirkt werden kann. Um diess mit der nöthigen Deutlichkeit zu thun,
wollen wir annehmen, dass eine Last Q mittelst eines über eine feste Rolle gehenden
Seiles auf eine gegebene Höhe H aufgezogen werden solle. Der Halbmesser der Welle
sey = r, der Halbmesser des Wasserrades von der Mitte der Welle bis zur Mitte der
Schaufeln = R, so ist nach den bekannten Gesetzen der Statik
R. Aus der Geschwindigkeit der Rad-
schaufeln v ergibt sich die Geschwindigkeit, mit welcher das Seil auf die Welle aufge-
wunden, und die Last gehoben wird ; mithin ist die Zeit eines Aufzuges .
Daraus folgt die Anzahl der Aufzüge z. B. in einer Stunde oder 3600 Secunden, wenn
nämlich die Wasserkraft ununterbrochen und nur allein zur Hebung der Last verwendet
wird, . Wird nun diese Anzahl Aufzüge mit der jedesmal aufgezogenen
Last Q multiplizirt, so ist der Effekt und wenn wir an die Stelle
von Q seinen Werth setzen, so ist der Effekt
, wo abermals die Verhältnisse der
Hebelsarme aus der Rechnung entfallen, so wie wir es bereits bei der Anwendung der
thierischen Kräfte gefunden haben.
Diese Gleichung für den Effekt zeigt uns, dass derselbe von dem Produkte der
3 Faktoren v abhängt, wovon der erste durch die Grösse
der anstossenden Wassermenge, der zweite durch den Druck des Wassers an die Radschau-
feln und der dritte von der Geschwindigkeit dieser Radschaufeln bestimmt wird. Soll
demnach die Wirkung des Wassers zur Betreibung von Maschinen die möglichst grösste
seyn, so muss dieses Produkt zu einem Maximum gemacht werden *).
[353]Vortheilhafteste Geschwindigkeit eines Wasserrades.
Nach der unten beigefügten höhern Rechnung wird diess zu einem Maximum, wenn
= ½ — m gesetzt und die Grösse m durch Auflösung der Gleichung
m + 4 m2 + 4 m3 = gesucht wird.
Zur leichtern Beantwortung der diessfälligen Fragen und zur bessern Uibersicht die-
ses Gegenstandes wollen wir für die Anzahl der zu gleicher Zeit im Wasser stehenden
Schaufeln n die Zahlen 2, 3, 4, 5 .... setzen und die in das Gerinne in einer Sekunde
einfliessende Wassermenge a . b . c mit M bezeichnen. Hierdurch erhalten wir für hori-
zontale Gerinne folgende Werthe.
In dieser Tabelle ist die Anzahl der Schaufeln durchaus grösser als angenom-
men, weil man voraussetzt, dass Jedermann daran liegen werde, seine Räder so einzu-
richten, damit das grösstmögliche Bewegungsmoment erreicht werde. Wir haben nämlich
schon Seite 351 gesehen, dass für n = 1 die anstossende Wassermenge nur = ⅔ M = 0,6667 M,
folglich kleiner als 0,7768 M ist. Hieraus ist ersichtlich, dass die Anzahl der im Wasser
stehenden Schaufeln nie kleiner als zwei seyn dürfe, wo nämlich in demselben Augenblicke,
als eine dritte eintritt, die erste Schaufel im Austritt aus dem Wasser begriffen ist. Für die-
sen Fall ist die vortheilhafteste Geschwindigkeit des Rades v = 0,389 c, also etwas grös-
ser als ⅓ c; die anstossende Wassermenge beträgt 0,7768 M oder etwas mehr als ¾ des vor-
handenen Wasserzuflusses und das Bewegungsmoment ist nur 0,3692 . 56,4 M · , woge-
Gerstner’s Mechanik. Band. II. 45
[354]Halbmesser eines Wasserrades.
gen das grösstmögliche Bewegungsmoment, wenn alles Wasser zum Stosse kommt
= 0,5 . 56,4 M · seyn würde.
Aus der Tabelle ersehen wir weiter, dass mit der Vermehrung der Schaufeln nicht
nur die anstossende Wassermenge, sondern auch die Geschwindigkeit und das Bewegungs-
moment bedeutend vermehrt werden. Weil aber auch in dieser Hinsicht nicht zu weit ge-
gangen werden darf, indem, wie die Rechnung zeigt, der Vortheil einer sehr grossen
Anzahl Schaufeln nicht so bedeutend ist, um eine besondere Rücksicht zu verdienen, so
glaubt man, dass in jedem Falle die Anzahl von 6 bis 8 Schaufeln, welche zu gleicher
Zeit im Wasser zu gehen haben, ausreichen dürfte und dass man hierbei ohne Anstand
die vortheilhafteste Geschwindigkeit des Rades v = ½ c und die anstossende Wasser-
menge = M setzen kann.
In diesem Falle haben wir für den Durchmesser des Rades, die Entfernung und
Anzahl der Schaufeln an der Peripherie folgende Gleichungen: Es sey die Tiefe des Was-
sers im Schussgerinne = a, die Entfernung der Schaufeln von einander = E, so haben
Fig.
7.
Tab.
56.wir in dem Falle, wenn n Schaufeln im Wasser gehen sollen A O : A D = A D : A B
oder a : : 2 R, folglich R = . Weil aber bei der Bestimmung der
Grösse der Räder noch der Umstand zu berücksichtigen ist, dass die gewöhnlichen Uiber-
schwemmungen des Wassers nicht die Oeffnung für die Radwelle erreichen und das Geh-
werk unter Wasser setzen dürfen, so müssen wir die Grösse der Räder als gegeben an-
nehmen und wir erhalten demnach die Entfernung der Schaufeln E =
daher ist die Anzahl der Schaufeln an der ganzen Peripherie des Rades
N = .
Beispiel. Es sey der Halbmesser des Rades R = 9 Fuss aus den angeführten
Gründen nothwendig, so ist für den Fall, wenn 6 Schaufeln im Wasser gehen sollen,
n = 6 und die Tiefe des Wassers im Gerinne a = 1,26 Fuss, folglich
N = 6 . = 35,6, wofür wegen der leichtern Theilbarkeit des Kreises in
6 Theile die Zahl 36 angenommen werden kann. Auf gleiche Art erhält man für n = 7
die Anzahl der Schaufeln an der Peripherie N = 42; für n = 8 wird N = 48, u. s. w.
§. 263.
Bevor wir zur Berechnung einer ganzen Werksanlage mit Anwendung unterschläch-
tiger Räder übergehen, müssen wir noch hauptsächlich auf den Umstand des gehemm-
ten Wasserabflusses im Schussgerinne aufmerksam machen, und die Mit-
tel angeben, wodurch dessen Folgen beseitigt werden können.
Wir haben bereits Seite 348 gezeigt, dass in horizontalen Gerinnen das Wasser
hinter dem Rade auf einer grössern Höhe abfliessen müsse, als diess bei dem Zufluss
des Wassers zu den Radschaufeln der Fall war. Setzen wir nämlich die Höhe des zu-
fliessenden Wassers im Gerinne = a, seine Geschwindigkeit = c und die Breite des
Gerinnes = B, dann die Geschwindigkeit des abfliessenden Wassers = v und die
Höhe desselben = y, so ist wegen der Gleichheit des Zu- und Abflusses
[355]Kröpfung des Gerinnes bei einem Rade.
a . B . c = y . B . v, woraus y = folgt. Dieser Höhe steht von Seite des zuflies-
senden Wassers nur die Höhe a entgegen; es werden daher nach den Sätzen der
Hydrostatik alle Punkte der Querschnittsfläche a . b mit einer Kraft zurückgedrückt,
welche = 56,4 a . b (y — a) ist. Dieser Druck muss von der wirksamen Kraft des Was-
serstosses abgezogen werden, wenn dem Rückstau nicht durch andere Mittel begegnet
wird. Demnach wäre der Wasserstoss bei einer hinlänglichen Anzahl von Schaufeln
im ersten Falle nur auf 56,4 a . b . c — 56,4 a . b anzuschlagen. Setzen
wir in dieser Gleichung, so wie es bei einer hinlänglichen Anzahl von Schaufeln der
Fall ist v = ½ c, so beträgt die wirksamste Kraft des Rades in einem horizontalen Ge-
rinne nur 56,4 a . b . Hieraus sieht man, dass der Rückstau vorzüglich bei
grossen Flüssen, wo die Höhe des Wassers im Gerinne grösser ist, von Bedeutung
werden kann, wenn nämlich die Geschwindigkeitshöhe die Höhe des Wassers im
Gerinne nicht bedeutend übersteigt.
Um diesem Uibelstande zu begegnen, hat man vorgeschlagen, dem Boden des Ge-
rinnes eine Neigung zu geben, bei welcher das Gefälle des Gerinnes der Höhe des
Rückstaues gleich ist. In diesem Falle würde das Gerinne unter dem Wasserrade um
die Grösse — a und im Falle der vortheilhaftesten Benützung des Wassers um
die Höhe a des herbeifliessenden Wassers gesenkt werden müssen.
§. 264.
Zweckmässiger erscheint folgende Einrichtung. Bei den unterschlächtigen
Mühlen in Böhmen wird gewöhnlich die Hauptschwelle des einfallenden Wassers
unter der Mühlschütze in die Oberfläche des im Flussbette abfliessenden Wassers
oder in die Oberfläche des Unterwassers gelegt, wodurch die Höhe des Wassers vor
der Schütze, nämlich A B der Normalhöhe des Wassers gleich wird. Setzen wir dieseFig.
8.
Tab.
56.
Höhe A B = h, und die Breite des Gerinnes zwischen den Griessäulen = b, so ist die
Menge des einfallenden Wassers nach §. 111, M = m . ⅔ . b . h . und die Ge-
schwindigkeit des Wassers auf der Hauptschwelle c = . Soll nun das Wasser
im Schussgerinne nicht gestaut werden, sondern durchaus in der Höhe des Unterwas-
sers oder nach der horizontalen Oberfläche B D G abfliessen, so wird die Höhe des
Gerinnebodens unter der Hauptschwelle oder D E dadurch bestimmt, dass der Punkt
E am Gerinneboden dieselbe Geschwindigkeit wie D an der Oberfläche erhalten kann,
weil das Wasser am Gerinneboden hinter der Hauptschwelle wegen dem Gegendruck
des Unterwassers nicht mehr beschleunigt werden kann, folglich mit derselben Ge-
schwindigkeit wie im Punkte D fliessen muss.
Setzen wir demnach die Höhe des Wasserstandes im Gerinne vor dem Rade D E = a
und die Breite des Gerinnes daselbst = B, so gibt uns die Gleichheit der abfliessenden
Wassermengen die Gleichung a · B · c = a · B · = m · ⅔ b · h · , woraus
45*
[356]Kröpfung des Gerinnes bei einem Rade.
Fig.
8.
Tab.
56.a = m · ⅔ h · folgt. Setzen wir für den Zusammenziehungskoeffizienten nach Seite 158,
m = 0,633, so erhalten wir a = 0,633 · ⅔ h · = 0,422 h · = D E. Weil aber die vor-
theilhafteste Geschwindigkeit des Wassers bei einer hinlänglichen Anzahl von Schau-
feln v = ½ c ist, folglich die Höhe des vom Rade gestauten Wassers = 2 a = G H
beträgt, so ist ersichtlich, dass, wenn der Punkt G abermals in der horizontalen Linie
des Wassers liegen soll, der Gerinneboden unter dem Rade auf die Tiefe
2 a = 2 . 0,422 h · = 0,844 h · gelegt werden müsse. Daraus ergibt sich die Kröpfung
des Gerinnebodens unter dem Rade = 0,422 h · . Diese Gleichung gibt uns den
Vortheil, dass wir die Höhe des Wassers hinter dem Rade = 2 a = 0,844 h · der Höhe
des Wassers im Flusse, in welchen das Gerinne einmündet, nöthigenfalls gleich machen
können. Setzen wir nämlich die Tiefe des Wassers im Flusse, welche nie kleiner seyn darf
als die Höhe 2 a, = A, so erhalten wir das Verhältniss der Breiten des Gerinnes ,
welche Gleichung in dem Falle angewendet werden muss, wenn die Wassertiefe im na-
türlichen Flusse seichter wäre, als es die Höhe des Wehres erfordern würde.
§. 265.
Da man überhaupt den Bau aller Fluthwerke so einrichten muss, wie sie dem voraus-
zusetzenden mittlern oder kleinsten Wasserstande entsprechen, weil man bei hohen Wäs-
sern dem Abflusse durch Verminderung der Anzahl der Radschaufeln oder auf andere Art
abhelfen und überhaupt wegen zu vielem Wasser für die Mühlgerinne nie in Verlegen-
heit seyn kann, so wollen wir bei den folgenden Betrachtungen sowohl eine hinläng-
liche, der grössten Wirkung entsprechende Anzahl von Radschaufeln, als auch die hierzu
nöthige Senkung oder Kröpfung des Gerinnebodens voraussetzen.
Mit dieser Voraussetzung haben wir allgemein den Wasserstoss an das Rad in jeder
Sekunde = 56,4 M und das mechanische Moment = 56,4 M v. Soll nun
dieses Moment oder die Arbeit des Rades am grössten werden, so muss das Produkt
(c — v) v möglichst gross, folglich v = seyn, sonach das Wasser mit der halben Ge-
schwindigkeit, welche vor den Rädern Statt findet, aus dem Mühlgerinne abfliessen.
Die Richtigkeit dieses Satzes wird durch die Erfahrung hinlänglich bestättigt.
Mariotte erzählt in dem Traité du mouvement des eaux, II Partie, III discours, 5 regle,
dass die Mühlräder an der Seine zu Paris zwischen dem pont neuf und pont au change
und eben so das Wasserrad bey dem Pumpwerk zur Samaritaine an ihrer Peripherie die
Hälfte der Geschwindigkeit des zufliessenden Wassers haben. Belidor, architecture
hydraulique, tome I, livre II, §. 649, fand bei der Mühle zu la Fere die Geschwin-
digkeit des Wassers c = 17 Fuss 3 Zoll 4 Linien, die Geschwindigkeit der Schaufeln
v = 8 Fuss 4 Zoll 7 Linien, welche beinahe die Hälfte der vorigen, und vom Zustande
[357]Grösstes Bewegungsmoment eines Wasserrades.
des vortheilhaftesten Wasserstosses bei weitem nicht so viel entfernt ist, als Belidor
nach der Theorie des Parent glaubte. H. Wiebeking sagt über diesen Gegenstand in
seinen Beiträgen zum praktischen Wasserbau und zur Maschinenlehre, Düsseldorf 1792,
Seite 190: „Ueber das Verhältniss der Geschwindigkeit des Wasserrades zur Geschwin-
„digkeit des Wassers im Gerinne habe ich viele und wiederholte Beobachtungen an-
„gestellt und bei zehn Wasserrädern eine Mittelzahl gefunden; nach derselben ver-
„hält sich v : c = ½ : 1. Jene Mühlen, über welche ich Beobachtungen anstellte,
„waren ziemlich vortheilhaft eingerichtet“ u. s. w. Aehnliche Erfahrungen sind auch
in mehreren andern mechanischen Schriften angeführt.
§. 266.
Zur bessern Aufklärung dieses Gegenstandes wollen wir in der Gleichung für die
Kraft, womit das im Schussgerinne aufgehaltene Wasser an die Schaufeln drückt,
K = 56,4 M den Werth v = ½ c an der Stelle von v und M = a . b . c = f . c
setzen. Demnach erhalten wir K = 56,4 f · = 56,4 f . h, wo nämlich f die Quer-
schnittsfläche des durch die Oeffnung unter der Schütze ausfliessenden Wassers und
h die Druckhöhe, von welcher das Wasser durch diese Oeffnung herausgetrieben
wird, bezeichnet. Da wir nun in der Hydrostatik gesehen haben, dass der Druck ge-
gen eine Schütze, von welcher diese Oeffnung geschlossen wird, eben so gross als
56,4 f . h ist, so folgt auch, dass das Wasser gegen die Schaufeln genau denselben
Druck ausübt, den die Schütze, welche diesen Druck abschliessen soll, auszuhalten hat.
Wenn wir nun das mechanische Bewegungsmoment suchen, womit das Wasser im
Schussgerinne fortfliesst und zu diesem Behufe die Kraft K = 56,4 f . h mit der Ge-
schwindigkeit c multipliziren, so erhalten wir dieses Moment = 56,4 f . h . c = 56,4 M . h.
Wir wissen aber aus der vorhergehenden Theorie, dass für den Fall der grössten Wir-
kung dieselbe Kraft K = 56,4 f . h nur mit multiplizirt werden muss, was nun das
mechanische Bewegungsmoment = 56,4 f . h · = 56,4 M · gibt. Hieraus erhellet, dass
bei dem vortheilhaftesten Wasserstosse im Schussgerinne das mechanische Be-
wegungsmoment des Wassers 56,4 M . h eigentlich in zwei Theile zer-
legt und die eine Hälfte dem Rade zugewendet, die andere Hälfte
dem abfliessenden Wasser gelassen wird. Es ist demnach nur einem Miss-
verstande zuzuschreiben, wenn einige Schriftsteller behauptet haben, dass bei dem
vortheilhaftesten Stosse des Wassers an die Schaufeln unterschlächtiger Räder die
Hälfte von der Kraft des Wassers verloren gehe.
Auch sieht man aus dieser Darstellung, dass für den Fall, wenn die Räder mit
einer grössern als der halben Geschwindigkeit des Wassers herumgehen, der Stoss an
die Schaufeln derselben nur = 56,4 f . c ist. Für den Fall also, wenn dem
Wasser die ganze Geschwindigkeit c gelassen wird, oder v = c wäre, ist dieser Aus-
druck = 0, folglich gar kein Druck an die Schaufeln vorhanden, und es kann auch keine
[358]Einfluss der Grösse des Rades auf den Effekt.
Wirkung des Rades Statt finden. Im Gegentheile, wenn dem Wasser die ganze Ge-
schwindigkeit entzogen, oder v = 0 gesetzt wird, ist zwar der Druck des Wassers an
das Rad der grösste, nämlich = 56,4 f · = 56,4 f . 2 h, weil aber nunmehr das Rad
stille stehen, folglich abermals keine Arbeit verrichten würde, so wäre das Bewegungs-
moment wieder = 0. Die Gleichung für den grössten Effekt 56,4 f . c · hält demnach
das Mittel zwischen beiden Extremen, wo nämlich im ersten Falle der Druck K der
kleinste oder = 0 und die Geschwindigkeit v = c, folglich die grösstmögliche, im
zweiten Falle aber der Druck an die Schaufeln zwar am grössten, jedoch die Ge-
schwindigkeit v = 0 die kleinste ist.
§. 267.
Weil bei allen Maschinen das Produkt der Kraft in ihre Geschwindigkeit dem
Produkte der gehobenen Last in ihre Geschwindigkeit gleich kommt, so ist hieraus
ersichtlich, warum in der Gleichung K . v = 56,4 f . c v die Hebelsarme ent-
fallen oder von keiner Wirkung befunden worden sind. Die Grösse des
Halbmessers oder Durchmessers eines Wasserrades ist daher für den Effekt desselben
ganz gleichgültig, indem derselbe dadurch weder vermehrt noch vermindert wird;
zugleich sehen wir, dass bei jeder Maschine, die durch den Stoss des Wassers bewegt
wird, die Frage über die Grösse der Arbeit, und ob die von der Maschine verrichtete
Arbeit wirklich ein Maximum sey, am schicklichsten aus der vortheilhaftesten
Verwendung des Wassers im Schussgerinne beantwortet werden könne.
Hierbei wird nämlich vorausgesetzt, dass die Reibung, der Widerstand der Luft und
andere Nebenumstände keine merklichen Hindernisse veranlassen, welche, im Falle sie
Statt finden, die Wirkung der Maschine immer etwas zurücksetzen und durch andere
mechanische Mittel möglichst beseitigt werden müssen.
Die Bestimmung der vortheilhaftesten Geschwindigkeit der Radschaufeln dient
hauptsächlich dazu, um durch angemessene Verhältnisse der Hebelsarme den Gang
der Maschine so einzurichten, wie sie für die zu verrichtende Arbeit am zuträglich-
sten ist.
Bei den Getreidemühlen hat man die Erfahrung gemacht, dass zur Erzeugung
eines brauchbaren Mehles nur eine bestimmte Geschwindigkeit der Mühlsteine anzu-
wenden sey, weil bei der grössern Geschwindigkeit das Mehl gleichsam verbrannt
wird und das hieraus gebackene Brod einen eigenen widrigen Geschmack erhält; bei
einer zu langsamen Bewegung aber das zerschrotene Getreide oder Mehl zwischen den
Mühlsteinen sitzen bleibt und dem Beutelsack nicht hinlänglich zugeführt wird. Auf
gleiche Art ist auch z. B. bei Spinnmaschinen, Webereien, Hammer- und Pochwerken
u. s. w. nur eine bestimmte Geschwindigkeit der Arbeit zuträglich. Ist nun diese be-
kannt, so ergibt sich hieraus von selbst das vortheilhafteste Verhältniss der Hebels-
arme, welches diesen Geschwindigkeiten proporzional angenommen werden muss.
[359]Geschwindigkeit der Mählsteine.
§. 268.
Ein Beispiel wird das Gesagte besser erläutern. Bei den Getreidemühlen
haben Belidor und Fabre in Frankreich, dann Wiebeking und mehrere Schriftsteller
in Deutschland über die vortheilhafteste Geschwindigkeit der Mühlsteine folgende Er-
fahrungen in ihren über den Mühlenbau herausgegebenen Schriften bekannt gemacht.
In der Mühle zu la Fere, welche aus mehreren Ursachen verdient hatte von Belidor
als Muster aufgestellt zu werden, hatte der Mühlstein 6 Fuss im Durchmesser und
machte in jeder Minute 53 Umläufe (Architecture hydraulique, T. 1, §. 656). Fabre
(Versuch über die Getreidemühlen §. 388) erhielt von einem Mühlsteine, der 5 Fuss
im Durchmesser hatte, nur gutes Mehl, wenn derselbe in jeder Minute 48 bis 61
Umgänge machte; bei 68, 81 und 95 Umgängen war die Erhitzung des Mehles immer
merklicher und das daraus gebackene Brod jederzeit schlechter. Wiebeking (Beiträge
zum praktischen Wasserbau, VI. Abschnitt, Seite 159) liefert aus seinen Beobachtungen
der besten Mühlen in Pommern und am Rhein eine Tafel, in welcher die Umläufe
der Mühlsteine sehr nahe im umgekehrten Verhältnisse ihrer Durchmesser zunehmen.
Aus diesen Beobachtungen folgt, dass die französischen Mühlsteine, welche nicht
flach, sondern etwas konisch zugehauen sich über einander bewegen, an ihrer Peripherie
eine Geschwindigkeit von 16 bis 17 pariser Fuss, oder im Mittel 17 Rheinl. Fuss, die deut-
schen flachen Mühlsteine hingegen 24 Rheinl. Fuss Geschwindigkeit haben. Am Lande in
Böhmen haben die Mühlsteine nur 2½ bis 3 Fuss im Durchmesser und die Anzahl der
Umläufe in einer Minute ist bei kleinen Mühlsteinen 180, bei grössern 150, woraus wie-
der die Geschwindigkeit am Umfange beinahe = 24 Fuss folgt. Hierbei ist zu bemer-
ken, dass die französischen Mühlsteine nach Belidor und Fabre so behauen sind, dass
sie in der Mitte einen bedeutenden, nämlich der Grösse des zu vermahlenden Kornes
angemessenen Zwischenraum besitzen, welcher aber gegen die Peripherie hin, wo die
Steine nur die bereits zermahlenen Getreidekörner (Schrot) noch feiner zu zermahlen ha-
ben, kleiner wird. Nehmen wir in dieser Hinsicht mit Belidor und Fabre an, dass der
Schwerpunkt des Zerreibens bei den französischen Mühlsteinen auf ⅔ des Halbmessers,
bei den deutschen hingegen auf der Hälfte desselben zu setzen sey, so findet man für
diese Schwerpunkte die Geschwindigkeit sowohl für die deutschen als französischen
Mühlsteine einander beinahe gleich und für beide 12 Fuss. In der folgenden Tafel
ist die Zahl der Umläufe der Mühlsteine so berechnet worden, dass den französischen
Mühlsteinen auf der Entfernung von ⅔ ihres Halbmessers die Geschwindigkeit 12 Fuss,
den deutschen hingegen auf der Mitte ihres Halbmessers dieselbe Geschwindigkeit von
12 Rheinl. Fuss beigelegt wurde. Die Anzahl der Umläüfe, welche ein Mühlstein in
1 Minute macht, ist nämlich immer = , wo C die Geschwindigkeit des Steines an
der Peripherie und r seinen Halbmesser bezeichnet.
[360]Geschwindigkeit der Mühlsteine.
Bei den Mühlsteinen in Prag, welche 31 bis 32 N. Oe. Zoll im Durchmesser haben,
wurden ähnliche Beobachtungen angestellt: Bei den Neumühlen, in der Mühle des
Herrn Hlawsa fand man bei den ersten vier Gängen den Durchmesser der reibenden
Fläche der Mühlsteine = 32 N. Oe. Zoll und im Mittel 252 Umläufe in 1 Minute. Hier-
aus folgt die Geschwindigkeit der Mühlsteine an ihrem Umfange
= = 35,2 Fuss. In der Mühle des Herrn Wiskocžil am linken Moldau-
ufer war der Durchmesser der reibenden Fläche der Mühlsteine = 31 Zoll und die An-
zahl der Umläufe in 1 Minute im Mittel = 237,8, woraus nun wieder die Geschwindig-
keit am Umfange = = 32,2 Fuss folgt. Die Ursache dieser schnellern
Bewegung der Mühlsteine liegt darin, dass das Getreide bei der hierortigen Mahlme-
thode 5 bis 6 mal aufgeschüttet, hierbei die Steine weiter auseinander gestellt und das
Getreide nicht viel angegriffen wird, folglich auch dieselbe Erhitzung wie bei einer nä-
hern Stellung der Steine nicht zu befürchten ist.
Beispiel. Wir wollen nun annehmen, dass die für die Mühle gesetzlich bestimmte
Fig.
9.
Tab.
56.Höhe der Wehrschwelle oder des Wehrrückens über der Hauptschwelle des Mühlgerinnes
4 Fuss betrage. Daraus folgt die Geschwindigkeit des zufliessenden Wassers
c = = 15,748 Fuss, demnach ist die vortheilhafteste Geschwindigkeit der Rad-
schaufeln v = 7,87 Fuss. Nach den angeführten Beobachtungen wird ein gutes Mehl
nur in dem Falle erzeugt, wenn die Mühlsteine an dem Orte ihres grössten Angriffs eine
Geschwindigkeit von 12 bis höchstens 15 Fuss (= C') besitzen. Setzen wir demnach den
Halbmesser eines französischen Mühlsteines nach Belidor = 3 Fuss, so wird für die Zer-
reibung des Getreides im Schwerpunkte nur der Halbmesser von 2 Fuss (= r') in Rech-
nung zu nehmen seyn. Der Halbmesser des Wasserrades sey R = 9 Fuss; wird nun an
die Welle dieses Wasserrades ein Kammrad gesetzt, dessen Halbmesser bis zum Angriffs-
punkte wir y nennen wollen, so wird die Geschwindigkeit der Kämme = v · seyn.
[361]Erfahrungen über das Mahlquantum.
An der Achse des Mühlsteines befindet sich ein Getriebe, dessen Halbmesser bis zum An-Fig.
9.
Tab.
56.
griffspunkte wir x nennen wollen; demnach ist die Geschwindigkeit der Triebstöcke
= . Da nun die Kämme des Kammrades sich mit den Stöcken des Getriebes immer-
fort berühren, folglich beide eine gleiche Geschwindigkeit besitzen müssen, so haben
wir die Gleichung v · , folglich y : x = und werden die Zahlen unsers
Beispiels substituirt, so ist y : x = = 6,9 : 1. Der Durchmesser des Kammrades
muss demnach beinahe 7 mal so gross als der Durchmesser des Getriebes seyn. Nimmt
man das Getriebe mit 18 Zoll im Durchmesser an, so erhält das Kammrad einen Durch-
messer von 6,9 . 18 = 122,4 Zoll = 10 Fuss 4,2 Zoll. Hat die Mühle diese Einrichtung,
so wird die Geschwindigkeit des Mühlsteines die oben angeführte zur Erzeugung eines
brauchbaren Mehles nothwendige seyn, und zugleich auch die Kraft des Wassers auf die
zweckmässigste Art benützt werden.
§. 269.
Wir haben nun noch zum Behufe der Einrichtung einer Getreidemühle bestimmte
Erfahrungen über das Mahlquantum anzugeben, welches von einem bestimm-
ten Bewegungsmomente hervorgebracht wird. Da das Gehwerk einer Mühle mehr oder
minder Vollkommenheit besitzt und die Reibung in den Lagern, so wie zwischen
Zahn und Getriebe nach der Konstrukzion der Zähne und der Verschiedenheit der
reibenden Körper auch grösser oder kleiner seyn kann, da endlich die Mechanismen
zur Bewegung des Beutelsackes und zur Zuführung des Getreides zwischen die Mühl-
steine ebenfalls verschieden sind, überdiess selbst die Operazionen des Aufschüttens und
Mahlens des Getreides nicht überall auf dieselbe Art vorgenommen werden, so leuchtet
von selbst ein, dass auch das Bewegungsmoment, welches zum Vermahlen eines bestimm-
ten Quantums, z. B. eines Metzens Korn erfordert wird, nicht in jeder Mühle gleich ge-
funden werden könne. Die Mahlmühlen, welche in Amerika erfunden, von dort nach
England und Frankreich eingeführt und deren einige bereits auch in Deutschland und
zwar in Magdeburg, Berlin, Guben und Hamburg aufgestellt wurden, werden als die
vollkommensten dieser Art betrachtet. Die Beschreibungen derselben finden sich in
einem Aufsatze des k. preuss. geheim. Oberregierungsrathes und Direktors der Gewerbe-
schule, Herrn Beuth zu Berlin in den „Verhandlungen des Vereins zur Beförderung
des Gewerbfleisses in Preussen“, 1825, 2te Lieferung, dann in dem Recueil des machi-
nes, instruments et appareils, qui servent à l’êconomie rurale, par Leblanc, 6meli-
vraison; im polytechnischen Journale von Dingler, Band XXXI, Seite 329, endlich
sind die Vortheile der in England üblichen Manipulazionen bei dem Mahlen in dem
Werke von Clement: Des grains, des disettes et des reserves genau beschrieben.
Herr P. N. C. Egen, Direktor der Real- und Gewerbeschule zu Elberfeld, führt
in seinen bereits erwähnten: Untersuchungen über den Effekt einiger in Rheinland-
Westphalen bestehenden Wasserwerke folgende Erfahrungsresultate über das Mahlquan-
tum an, welches von einem bestimmten Bewegungsmomente täglich bewirkt werden
Gerstner’s Mechanik. Band II. 46
[362]Erfahrungen über das Mahlquantum.
kann. Derselbe nimmt hierbei das Bewegungsmoment eines Pferdes oder
das Produkt der Kraft eines Pferdes in seine Geschwindigkeit zum Maasstabe an und
setzt diess beiläufig = 520 Cöllnische Pfund mit 1 Rheinl. Fuss multiplizirt. Da nun
1 Cölln. Pfund = 0,8352 N. Oe. Pfund und 1 Rheinl. Fuss = 0,9929 N. Oe. Fuss, so wäre das
Bewegungsmoment eines Pferdes im N. Oe. Maass und Gewicht = 431. Hiernach sind
nachfolgende Erfahrungen zu beurtheilen:
In der Feldmühle bei Soest auf dem Soesterbach liegend, wo Herr Egen die voll-
ständigsten und genauesten Versuche in den Jahren 1828 und 1829 anstellte, ist das
Kraftmoment, welches das Rad Nro. I. nach der Messung mit einem genauen Dyna-
mometer wirklich ausübt = 1048 oder 2 Pferdekräfte stark, womit in der Stunde 194
Pfund oder 2½ Scheffel Gerste geschroten werden; der Mühlstein macht 75 Umläufe in
der Minute. Bei dem Gange Nro. II., wo der Stein 64 Umläufe in der Minute machte,
betrug das dem Rade mitgetheilte reine Kraftmoment 1120 oder 2,2 Pferdekraft, es wer-
den dabei in der Stunde für jede Pferdekraft 86 Pfund oder fast genau 1 Scheffel Wei-
zen zwischen rheinischen Mühlsteinen vermahlen.
Andere Erfahrungen stellte Herr Egen an der Mahlmühle zu Lohne bei Soest an.
Nach denselben wurde bei dem dritten Rade mit dem reinen Kraftmoment von 900 oder
1,7 Pferd, stündlich 164 Pfund Gerste geschroten. Diess beträgt für jede Pferdekraft 96,5
Pfund oder 1,25 Scheffel, welches Resultat mit dem zur Feldmühle erhaltenen nahe ge-
nug übereinstimmt.
Herr Egen führt an, dass die Müller in der dortigen Gegend annehmen, dass 3 Scheffel
Weizen, 5 Scheffel Roggen zum Brodbacken und 8 Scheffel Gerste zu Schrot in gleicher
Zeit vermahlen werden können, wobei er bemerkt, dass das Brodkorn daselbst ganz fein
gemahlen wird. Auf diese Weise werde auf den dortigen Mühlen mit jeder Pferdekraft
stündlich 0,5 Scheffel Weizen, 0,8 Scheffel Roggen zu Brodmehl und 1,2 Scheffel Gerste
zu Schrot vermahlen, welche Resultate Herr Egen in vielen andern dortigen Mühlen
bestättigt fand.
Aus vielfachen Erfahrungen in Frankreich und England ist es bekannt, dass die in der
Werkstatt von Maudslay in London verfertigten Dampfmahlmühlen, welche durch eine
Maschine von 16 Pferdekräften getrieben werden, wenn sie 4 Mahlgänge haben, mit jedem
Gange stündlich 250 Pfund Getreide, also gegen 3 Scheffel vermahlen. Die Steine
haben nur 4 Fuss Durchmesser, sie machen aber 115 bis 120 Umläufe in der Minute. Jede
Pferdekraft vermahlt demnach hierbei stündlich 0,75 Scheffel Getreide zu feinem Mehle.
Herr Egen bemerkt hierzu, dass die Mühlen in Rheinland-Westphalen beinahe dasselbe
leisten würden, wenn nicht bei ihrer geringen Arbeit, die Reibung der Maschinentheile
verhältnissmässig zu stark wäre; dieselbe nehme nämlich gegen ein Drittel der Kraft weg.
In der Magdeburger Dampfmahlmühle, die von Freund in Berlin nach englischen
Grundsätzen im Jahre 1822 erbaut wurde und 3 Gänge hat, welche mit einer Kraft von 10
Pferden getrieben werden, machen die Mühlsteine 100 Umläufe in der Minute und jeder
Gang mahlt stündlich 2,3 Scheffel Weizen. Diess gibt für jede Pferdekraft 0,69 Scheffel,
welches mit der vorstehenden Angabe von den in England erbauten Mühlen genau genug
zusammentrifft.
[363]Erfahrungen über das Mahlquantum.
Nach Farey’s Beobachtungen mahlt jede Pferdekraft in den englischen Dampfmühlen
stündlich 0,61 Scheffel Weizen, welche Angabe noch etwas niedriger als die vorige ist.
Hachette stellte Beobachtungen in den Mühlen von Corbeil an; er fand, dass jede
Pferdekraft stündlich 0,8 Scheffel Weizen bei einmaligem Durchgange durch den Mahl-
gang fein vermahle (mouture à la grosse, im Gegensatze der in Frankreich und
Deutschland üblichen mouture économique, wo Weizen bei mehrmaligem Durchgange
durch die Steine vor und nach fein vermahlen wird).
Navier nimmt auf ältere Beobachtungen gestützt, ein fast 1½ mal so starkes Produkt
an, oder dasselbe Produkt, wenn Grüze doppelt vermahlen wird (moudre et remoudre
sur gruaux.)
Coulomb berechnet das mittlere reine Moment, das der Wind auf die Flügel der
Mühlen um Lille ausübt, zu 1000 oder zu 8 Pferden. Mit dieser Kraft sollen dort
stündlich 900 ℔ Getreide vermahlen werden. Diess gibt auf 1 Pferdekraft 112,5 ℔ oder
1,3 Scheffel Weizen, wahrscheinlich grob gemahlen (Coriolis p. 244).
Fenwick will in England viele Versuche über Getreidemühlen angestellt haben.
Er sagt, dass 1 Boll Roggen, welches gegen 2⅔ Scheffel ausmacht, stündlich zu ver-
mahlen, eine reine Kraft von 2 Pferden in den bessern englischen Mühlen erfordere.
Diess gibt für jede Pferdekraft = 1,3 Scheffel, also ein sehr starkes Resultat. (Darstel-
lung der mechanischen Wissenschaften von Gregory II. Band, Seite 286)
Belidor rechnet, dass ein Mahlgang, wenn der Stein 4348 ℔ schwer ist und bei
6 Fuss Durchmesser 53 Umläufe in der Minute macht, innerhalb 24 Stunden 120 Sep-
tiers Getreide mit einer Kraft von 3½ Pferden vermahlen könne. Diess gibt stündlich
für jede Pferdekraft 1,2 Scheffel (Architecture hydraulique, Tom. I. p. 293).
Nachstehende Tabelle enthält die Uibersicht dieser Erfahrungen, welchen zugleich
das Mahlquantum in N. Oe. Metzen beigesetzt ist, welches für die Stunde von 1 Pferde-
kraft erhalten wird. Hierbei ist 1 Rheinl. Scheffel = 0,8937 N. Oe. Metzen gesetzt.
46*
[364]Erfahrungen über das Mahlquantum.
Obwohl in diesen Versuchen die Art der Vermahlung, die Feinheit der erzeugten
Mehlgattungen u. dgl. m. nicht mit jener Bestimmtheit angegeben ist, welche man
bei diesem Gegenstande wünschen muss, so dürften dieselben doch zur Beurtheilung
der Leistungen einer Mühle hinreichen. In den Hauptstädten wird gewöhnlich ein
feineres, zu besseren Gebäcken taugliches Mehl verlangt, wozu der Weizen mit grös-
serer Sorgfalt gewählt, gereinigt und zu dem Zwecke mehrmals aufgeschüttet wird,
um das zuerst gewonnene Mehl von dem letztern, welches gewöhnlich wegen Zerrei-
[365]Vortheil zweier Räder in einem Gerinne.
bung der Schale schwärzer ausfällt, abzusondern. In dieser Hinsicht wird in Böhmen der
Weizen gewöhnlich 5 bis 6 mal aufgeschüttet und das feinere Mehl nur von dem ersten
Aufschütten gewonnen. Dagegen pflegt man das Korn, woraus das Mehl zum Brod-
backen für das Militär, die Dienstleute etc. nicht von derselben Feinheit und Weisse
verlangt wird, nur 3 mal aufzuschütten, und wo kein besonderer Ausschlag begehrt
wird, alle 3 Gattungen Mehl zusammen zu mischen. Für das Schroten des Malzes
zum Gebrauche der Bierbrauer und Brandweinbrenner ist ein 1maliges Aufschütten hin-
reichend. In dieser Hinsicht rechnet man, dass in derselben Zeit von einem Mahlgange
10 Strich Weizen oder 20 Strich Korn gemahlen und 50 Strich Gerste und Haber ge-
schroten werden können.
Mit Rücksicht auf diese Umstände wird man im Stande seyn, nicht nur die Lei-
stungen einer Mühle zu beurtheilen, sondern auch die Frage aufzulösen, ob und wie viel
Mahlgänge angelegt werden können, wenn vorläufig sowohl der Wasserzufluss als auch
das Gefälle vor dem Baue der Mühle gemessen worden sind.
§. 270.
Bei grössern Flüssen ist der Wasserzufluss und das zur Mühlenbenützung vorhan-
dene Bewegungsmoment gewöhnlich so gross, dass es zur Betreibung mehrerer Müh-
len hinreicht. Hierbei entsteht nun zuerst die Frage, ob es vortheilhafter sey
für jedes Wasserrad ein eigenes Gerinne vorzurichten oder
mehrere Räder in ein und dasselbe Gerinne zu legen und das vom er-
sten Rade abfliessende Wasser für das zweite und eben so für die übrigen Räder zu
verwenden.
Zur Beantwortung dieser Frage wollen wir die Wassermenge, die zur Betreibung
eines Rades nothwendig ist, = M setzen, so ist das Bewegungsmoment dieses Rades
= 56,4 M v. Diess ist am grössten, wenn v = c, folglich haben wir das
grösste Bewegungsmoment eines Rades = 56,4.
Würde daher die Wassermenge M, welche in einem Gerinne zur Betreibung zweier
Räder benützt wurde, in zwei Gerinne vertheilt, so würde das Bewegungsmoment eines
jeden Rades = seyn, folglich die Bewegungsmomente beider Räder zu-
sammen 56,4 M . betragen.
Wenn aber in dasselbe Mühlgerinne zwei Räder hinter einander gelegt werden,
so wollen wir annehmen, dass die Geschwindigkeit des ersten Rades = v und jene
des zweiten Rades = v' ist. Wir erhalten daher das Bewegungsmoment des ersten
Rades = v und das Bewegungsmoment des zweiten Rades
56,4 M v'. Da nun das Wasser von dem zweiten Rade frei abfliesst, so wird
sein Bewegungsmoment am grössten, wenn v' = v und folglich das Bewegungsmo-
ment = . Sollen nun beide Räder mit gleich grossem Vortheile betrie-
[366]Kröpfung eines Gerinnes mit zwei Rädern.
ben werden, so müssen wir das Bewegungsmoment des ersten Rades dem vortheilhafte-
sten Bewegungsmomente des zweiten Rades gleich setzen, dadurch erhalten wir
; daraus folgt (c — v) v = v2, folglich haben wir
v = c und v' = . Wir sehen hieraus, dass die Geschwindigkeit des ersten
Rades nicht die Hälfte, sondern von der Geschwindigkeit des herbeiströmenden Was-
sers seyn muss. Eben so ist die Geschwindigkeit des zweiten Rades nur die Hälfte jener
des vom ersten Rade abfliessenden Wassers oder der Geschwindigkeit, womit das Was-
ser in das Gerinne strömt.
Substituirt man diese Werthe in die obigen Formeln, so ist das Bewegungsmoment
des ersten Rades = und das Bewegungsmoment
des zweiten Rades = . Die Bewegungsmo-
mente beider Räder sind demnach einander gleich und ihre Summe beträgt 56,4 . .
Wird nun diese Summe der Bewegungsmomente mit jener für zwei Räder in einem
Gerinne zusammengehalten, so haben wir 56,4 = 25 : 32,
beinahe wie 3 : 4. Die beiden Räder in einem Gerinne werden demnach dasselbe Mahl-
quantum in 3 Tagen abliefern, was mit den Rädern in abgesonderten Gerinnen erst in 4
Tagen aufgebracht werden kann.
§. 271.
Zur Vermeidung des Rückstaues haben wir für die beiden Räder in abge-
sonderten Gerinnen die Tiefe des Gerinnbodens unter der Mitte des Rades wie oben = 2 a
wo a die Tiefe des Wassers im Gerinne vor dem Rade vorstellet.
10.
Tab.
56.
Wenn aber zwei Räder hintereinander in ein Gerinne gestellt werden, so ist die Ge-
schwindigkeit des hinter dem ersten Rade abfliessenden Wassers v = ⅘ c. Weil nun die
Wassermenge a . b . c auch hinter dem Rade abfliessen muss, so ist
a' . b . v = a' . b . ⅘ c = a . b . c. Daraus folgt die Tiefe unter der Mitte des ersten Rades
a' = 5/4 a und für das zweite Rad, wo die Geschwindigkeit des abfliessenden Wassers
nur v' = ⅖ c ist, folgt auf gleiche Art a'' = 5/2 a.
§. 272.
Wenn der Zufluss des Wassers hinreicht, um drei Räder betreiben zu können, so
haben wir für den Fall, wenn drei Räder hintereinander in ein gemeinschaftliches
Gerinne gestellt werden, das Bewegungsmoment des ersten Rades = v,
jenes der zweiten Rades = v' und eben so das Bewegungsmoment des drit-
ten Rades = v''.
Weil das Wasser vor dem letzten Rade mit einer viel kleinern Geschwindigkeit
als vor den beiden vorausgehenden anströmt, so müssen wir vorerst das Bewegungs-
[367]Vortheil dreier Räder in einem Gerinne.
moment des letzten Rades zu einem Maximum machen. Demnach muss v'' = ½ v' seyn,
dadurch wird dieses Bewegungsmoment = . Setzen wir nun das Bewe-
gungsmoment des zweiten Rades diesem letzten gleich, so haben wir
; daraus folgt v' = ⅘ v, folglich ist das Bewegungs-
moment des zweiten Rades = (v — ⅘ v) ⅘ v. Wird nun das Bewegungs-
moment des ersten Rades diesem gleich gesetzt, so erhalten wir
(v — ⅘ v) ⅘ v; daraus folgt v = 25/29 c, mithin v' = 20/29 c und
v'' = 10/29 c. Dadurch wird das Bewegungsmoment des ersten Rades
; das Bewegungsmoment des zweiten Rades
= ; und das Moment des dritten Rades
= .
Würde dagegen die Wassermenge M in drei Gerinne vertheilt, sonach jedes Rad
nur mit der Wassermenge betrieben, so wäre das Bewegungsmoment eines jeden Rades
= , folglich das Bewegungsmoment aller 3 Räder = . Die Summe
der Bewegungsmomente der 3 Räder in abgesonderten Gerinnen verhält sich demnach zu
der Summe der Bewegungsmomente der 3 Räder in einem gemeinschaftlichen Gerinne
wie = 841 : 1200 oder beinahe wie 7 : 10; die 3 Räder in
abgesonderten Gerinnen können demnach diejenige Arbeit erst in 10 Tagen verrichten,
welche die 3 Räder in einem gemeinschaftlichen Gerinne in 7 Tagen zu Stande bringen.
Diese Bemerkung ist um so wichtiger, weil dasjenige Wasser, welches bei der An-
wendung eines Rades theils in den Zwischenräumen zwischen den Rädern und dem Gerinne,
theils auch unter den Rädern ohne anzustossen abfliesst, bei den abgesonderten Gerinnen
gänzlich verloren geht, bei Anordnung dreier Räder in einem gemeinschaftlichen Gerinne
aber bei den folgenden Rädern zur Verwendung gebracht werden kann. Dieser Vortheil
erhellet auch aus dem Umstande, weil das Wasser bei der Anwendung dreier Räder mit
der Geschwindigkeit v'' = 10/29 c beinahe = ⅓ c abfliesst, während das abfliessende Was-
ser bei abgesonderten Gerinnen die Geschwindigkeit ½ c behält.
§. 273.
Zur Bestimmung der Kröpfung wollen wir die Tiefe des mit der Geschwin-Fig.
11.
Tab.
56.
digkeit c zufliessenden Wassers = a, die Tiefe des unter dem ersten Rade mit der Ge-
schwindigkeit v = 25/29 c abfliessenden Wassers = a', und eben so die Tiefe des unter dem
zweiten Rade mit der Geschwindigkeit v' = 20/29 c abfliessenden Wassers = a'' und end-
lich die Tiefe des mit der Geschwindigkeit v'' = 10/29 c unter dem dritten Rade abflies-
senden Wassers = a''' bezeichnen. Da nun unter allen Rädern dieselbe Wassermenge
[368]Kröpfung der Gerinne mit drei Rädern.
Fig.
11.
Tab.
56.a . b . c abfliesst, so haben wir a . b . c = a' . b . 25/29 c = a'' . b . 20/29 c = a''' . b . 10/29 c.
Daraus folgt a' = 29/25 a, a'' = 29/20 a und a''' = 29/10 a.
Da die letzte Wasserhöhe beinahe = 3 a ist, so kann der Fall eintreten, dass die
natürliche Tiefe des Flusses kleiner ist als diese Höhe; dadurch würde das Wasser bei
dem letzten Rade mit der Geschwindigkeit v'' = 10/29 c nicht frey abfliessen können, sonach
das letzte Rad im Stau gehen. Dieser Fall findet vorzüglich bei kleinen und seichten Flüs-
sen Statt, wenn für dieselben eine grosse Gefällshöhe für das Wehr bewilligt wird, denn wir
haben oben gefunden a = 0,422 . h, folglich wäre die Tiefe unter dem letzten Rade
= 29/10 a = 1,224 . h. Setzen wir nun die natürliche Tiefe des abfliessenden Wassers = A,
so müsste zur Vermeidung des Staues die Höhe A grösser als 1,224 h seyn; wäre die Höhe
des Wehres h grösser als A, so ergibt sich von selbst die Unmöglichkeit dieser Anord-
nung. Um dem abzuhelfen, wird die Breite des Gerinnes B grösser als die Breite
zwischen den Griessäulen b gemacht. Da nun zwischen den Griessäulen die auf die Breite
b beschränkte Wassermenge = m . b . h . ⅔ . eben so gross ist als die im Ge-
rinne abfliessende, so können wir diese Wassermenge = a . B . setzen, da-
durch wird a = m . ⅔ h · = 0,422 h · , folglich ist die Höhe des unter dem letz-
ten Rade abfliessenden Wassers a''' = 29/10 . 0,422 h · = 1,224. h · , welche nun der Tiefe
des Wassers im Flusse A gleichgesetzt werden kann; dadurch erhalten wir die Breite des
Gerinnes B = 1,224 · .
§. 274.
Bei allen diesen über die zweckmässigste Geschwindigkeit und Stellung der Räder,
dann für die Kröpfung angegebenen Regeln wurde die Oberfläche für den Abfluss des
Wassers zwischen den Mühlrädern horizontal angenommen und der Widerstand,
welchen das Wasser von den Wänden des Gerinnes erfährt, noch nicht in Be-
trachtung gezogen. Das letztere kann ohne Anstand Statt finden, wenn die Gerinne sehr
weit und die Geschwindigkeit des Wassers nicht bedeutend ist, welches hauptsächlich an
grossen Flüssen der Fall ist, wo wegen Vermeidung der Uiberschwemmungen keine grosse
Stauhöhe für das Wehr gestattet werden kann. Bei kleinern Flüssen hingegen, wo die
natürliche Höhe der Ufer eine grössere Erhöhung des Wehres zum Vortheile der Mühle
gestattet, demnach die Geschwindigkeit des Wassers im Mühlgerinne grösser wird, kann
man die gleichförmige Geschwindigkeit durch eine angemessene Neigung des Gerinne-
bodens herstellen. Zu dieser Absicht dient die für den Widerstand des Wassers ange-
gebene Gleichung h = . Wird hierin wegen der grossen Ge-
schwindigkeit der zweite Theil vernachlässigt und die Höhe des Wasserstandes im Ge-
rinne = a, die Breite des Gerinnes = b, folglich die Peripherie p = 2 a + b und die
Querschnittsfläche f = a . b, endlich die Geschwindigkeitshöhe des Wassers = H
gesetzt, so ist die zur Erzielung einer gleichförmigen Geschwindigkeit nöthige Neigung
des Gerinnes .
[369]Versuch bei einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
Bossut hat nach seinen Versuchen die Neigung, welche man dem Gerinne zur Bewir-
kung einer gleichförmigen Geschwindigkeit geben soll gefunden. Diese Regel
ist aber nur aus Versuchen im Kleinen abgeleitet und es haben dagegen andere mehr im
Grossen angestellte Versuche gezeigt, dass das Gefälle von Bossut viel zu gross ange-
geben und mit einer offenbaren Beschleunigung des Wassers verbunden sey. Bei den
Mühlen in Prag betragen die Gefälle der Mühlgerinne nur 1/40, 1/30 und höchstens 1/24
ihrer Länge. Diese Gerinne sind aber nebstdem gegen ihre Ausmündung etwas er-
weitert und diese Erweiterung nimmt eben so wie bei dem Gefälle gleichförmig zu und
beträgt 1/60 bis 1/150 der Länge. Auf diese Umstände muss daher bei der Anlage oder
bei der Beurtheilung der Zweckmässigkeit eines solchen Wasserwerkes immer die ge-
hörige Rücksicht genommen werden.
§. 275.
Zur grössern Deutlichkeit dieses Gegenstandes wurden in der am linken Moldau-
ufer zu Prag angelegten Getreidemühle, deren Darstellung auf den Tafeln Nr. 57, 58
und 59 erscheint und deren umständliche Beschreibung Seite 375 folgt, in dem Mühl-
gerinne, wo zwei Räder, deren jedes einen Mahlgang betreibt, hinter einander ste-
hen, am 26. Jänner 1832 alle Abmessungen vorgenommen, welche auf die Verwendung
der Wasserkraft und ihre Leistung Bezug haben. Hierbei fand man die Höhe des
Wasserstandes über der Hauptschwelle des Mühlgerinnes oder den Wasserspiegel des
Oberwassers über der Oberfläche der Hauptschwelle = 3 Fuss 9 Zoll, die Schütze war
zu dieser Zeit nur 3 Fuss 4 Zoll hoch gezogen und die Breite der Oeffnung zwischen
den Griessäulen war 5 Fuss 11 Zoll = 71/12 Fuss. Da die Hauptschwelle nicht in der
Oberfläche des Unterwassers sondern um 1 Fuss 3 Zoll = 15/12 Fuss niedriger gefunden
wurde, so war die vorhandene Druckhöhe des Wassers über der Oberfläche des Unter-
wassers nur (3′ 9″) — (1′ 3″) = 2 6″ = 30/12 Fuss. Hieraus ergibt sich die in das Ge-
rinne in einer Sekunde einfliessende Wassermenge, wenn man die Summe des
Ausflusses für den obern Theil von 30/12 Fuss Höhe nach §. 112 und für den untern Theil
von 15/12 Fuss Höhe, wo eine Druckhöhe von 30/12 Fuss durchaus Statt findet, nach
Seite 154 berechnet
= 130,7 Kub. Fuss.
Die Geschwindigkeit, womit das Wasser in dem Gerinne vor dem ersten Rade an-
kommt ist = 2 √ 15,5 · 30/12 = 12,45 Fuss, woraus die Höhe des Wassers vor diesem Rade,
wo die Breite des Gerinnes 6 Fuss ist, a = Fuss = 21 Zoll folgt. Da die wirk-
liche Messung an diesem Orte 22 Zoll gab, so wird die Richtigkeit der vorhergehenden
Rechnung hierdurch hinlänglich bestättigt.
Unter dem zweiten Rade war die Breite des Gerinnes sehr nahe = 7 Fuss und
die gemessene Höhe des Wasserstandes = 2 Fuss. Daraus folgt die Geschwindigkeit
des abfliessenden Wassers v' = = 9,34 Fuss.
Aus diesen Daten können wir das gesammte Bewegungsmoment des Was-
sers berechnen, welches zur Betreibung der zwei Mahlgänge verwendet wurde. Dieses
Gerstner’s Mechanik. Band II. 47
[370]Versuch bei einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
ist nämlich = 56,4 . 130,7 9,34 = 6907. Mit diesem Bewegungsmomente wur-
den in einem Tage 30 Metzen Kern auf beiden Gängen zusammengenommen vermah-
len und dabei 6 mal aufgeschüttet; demnach ist zur Vermahlung eines Metzens in 24
Stunden bei 6maligem Aufschütten das Bewegungsmoment 230 nothwendig. Weil aber
bei der Vermahlung des Kornes zu ordinärem oder Militärbrodmehl nur 3 mal aufge-
schüttet wird, und in dieser Hinsicht von demselben Bewegungsmomente in gleicher Zeit
2 Metzen Korn vermahlen werden, so beträgt das nöthige Bewegungsmoment für einen
Metzen Korn nur 115.
Dieses Resultat stimmt mit andern Beobachtungen, die in frühern Jahren bei ober-
schlächtigen Mühlen in Böhmen angestellt wurden, sehr nahe überein, welchem zu
Folge das Bewegungsmoment von 100 im Mittel zur Vermahlung eines Metzens Korn
binnen 24 Stunden benöthigt wird. Hieraus folgt, dass bei den böhmischen Wasser-
mühlen von einer Pferdekraft in 24 Stunden nur 4 Metzen, folglich in einer Stunde nur
⅙ Metzen gemahlen werden können.
Wenn wir diess Resultat mit den Seite 364 angeführten Erfahrungen des Herrn
Egen zusammen halten, so ist dasselbe höchstens ein Drittel von den Erfahrungen des
Herrn Egen, bei welchen aber die Art der Vermahlung und die Anzahl der Aufschüttun-
gen nicht genau angegeben erscheint. In dieser Hinsicht lässt sich der bedeutende Unter-
schied zwischen jenen und den hierortigen Erfahrungen nur dann aufklären, wenn die
Manipulazion bei dem Vermahlen und das gewonnene Produkt genauer beschrieben wird.
Wir wollen noch das für die Bewegung zweier Räder verwendete Bewegungsmoment,
welches wir = 6907 fanden, mit demjenigen Momente vergleichen, das wir §. 270 für die
Benätzung des Wassers durch zwei Räder in einem Gerinne angegeben haben. Nach
der daselbst aufgestellten Formel beträgt nämlich das grösste Bewegungsmoment für jedes
Rad 56,4 M . . In unserm Falle ist M = 130,7 und = 30 Zoll = 2,5 Fuss,
demnach das Bewegungsmoment für ein Rad 56,4 . 130,7 · · 2,5 = 5897 und für beide
Räder = 11794. Wird von dieser Summe das wirklich verwendete Bewegungsmoment
6907 abgezogen, so bleibt noch das Bewegungsmoment 4887 übrig. Wir sehen, dass
dieses mehr als hinreichend ist, noch ein drittes Rad in dasselbe Gerinne zu stel-
len, welches auch in derselben Mühle in dem nächst anliegenden Gerinne, worein auch
nur dieselbe Wassermenge fliesst, bereits geschah und von allen übrigen Mühlen in
Prag, wo gröstentheils drei Räder in einem Gerinne gehen, mit dem bekannten guten
Erfolge bestehet. Auch hat der Eigenthümer der Mühle Herr Wiskocžil bei Vornahme
der Abmessung des Gerinnes erklärt, dass im Falle des Bedarfes von denselben zwei
Gängen, welche am Tage der Abmessung zusammen nur 30 Metzen feines Mehl (bei
6 maligen Aufschütten) lieferten, ein Quantum von 42 Metzen desselben feinen Mehles
geliefert werden könne, wozu jedoch alle 30 Schaufeln in das Rad eingesetzt werden
müssen, während zur Zeit der Abmessung 6 hiervon heraus geschlagen waren.
Uibrigens muss hierbei noch bemerkt werden, dass bei diesen Rädern die Schau-
feln nur 7 bis 8 Zoll zur Höhe haben, wogegen das Wasser im Gerinne 20 bis 24 Zoll
hoch fliesst, und dass ferner die Räder nicht genau in das Gerinne passen, sondern
sowohl unter denselben den Spielraum von 2½ Zoll als zur Seite den Spielraum von 3 Zoll
[371]Versuch bei einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
haben, um dem Anfrieren im Winter nicht zu unterliegen, dass sonach in diesen Hin-
sichten sehr viel Wasser ober und unter den Schaufeln und von beiden Seiten unbenützt
abfliesst. Dieses Wasser kommt zwar zum Theile den folgenden Rädern wieder zu gut,
es kann jedoch in keinem Falle eine so grosse Wirkung hervorbringen, als dann Statt
finden würde, wenn die Höhe der Schaufeln der Höhe des Wassers im Gerinne gleich
wäre und überdiess die wegen mehreren Ursachen unvermeidlichen Spielräume am Bo-
den des Gerinnes und an den Seitenwänden nicht vorhanden wären.
Aus der ganzen Berechnung dieser Mühle sehen wir, dass die Grösse des
Wasserstosses nur aus dem Gewichte der in einer Sekunde herbei-
fliessenden Wassermenge und aus dem Unterschiede der Geschwin-
digkeiten, mit welchen das Wasser gegen die Radschaufeln fliesst
und hinter denselben wieder abfliesst, berechnet wurde, weil offenbar
nur der Unterschied dieser Bewegungen der Kraft beigemessen werden kann, womit die
Räder betrieben wurden, und deren Rückwirkung im Gegentheile das Wasser im Schuss-
gerinne aufgehalten hat. Da bereits sehr viele Versuche über die Benützung des Was-
sers in Mühlgerinnen gemacht worden sind und noch gemacht werden dürften, so
glaubt man dieses Verfahren denjenigen, die sich mit solchen Versuchen beschäftigen,
um so mehr empfehlen zu dürfen, als die angeführten unbenützten Abflusswege und
die übrigen Widerstände, welche hier eintreten, mit hinlänglicher Genauigkeit nicht
wohl ausgemittelt werden können.
§. 276.
Bei der Anlegung einer Mühle wird es demnach darauf ankommen, zuerst die
Wassermenge zu bemessen, auf deren Benützung man mit Sicherheit rechnen kann,
und dann das Gefälle auszumitteln, wie hoch das Wasser durch den Bau eines Weh-
res gestaut werden dürfe, um hieraus die Geschwindigkeit zu berechnen, mit welcher das
Wasser gegen die Mühlräder geleitet werden kann. Da die Hauptschwellen gewöhnlich
in die Oberfläche des Unterwassers gelegt werden, so wird sich dem gemäss nach §. 264
die Höhe des Wassers im Mühlgerinne und nach §. 274 die Neigung des Mühlgerinnes bei
einem, dann nach §. 271 und 273 dieselbe Neigung für zwei oder drei Räder, die hinter-
einander in einem Gerinne aufgestellt werden, bestimmen lassen.
Aus der herbeifliessenden Wassermenge M und aus der Höhe H des Wassers vor den
Mühlschützen findet man das zu benützende vortheilhafteste Bewegungsmoment für ein
Rad = 56,4 M .
Aus diesem Produkte wird die Anzahl der Mahlgänge im Gerinne be-
stimmt, welche von diesem Bewegungsmomente betrieben werden können. Hierbei
ist nun hauptsächlich sowohl die Grösse der in jedem Lande üblichen Mühlsteine,
die Anzahl der Metzen oder Scheffel, welche mit einem solchen Steine in 24 Stunden
gemahlen werden und das hierzu erforderliche Bewegungsmoment zu berücksichtigen.
Da wir bereits angeführt haben, dass die Seite 364 aufgestellten Erfahrungen über das
Mahlquantum, welches von einer Pferdekraft bewirkt werden kann, nicht mit jenem
Detail in den hierüber erschienenen Schriften angegeben sind, was zur genauen Beur-
theilung der Vermahlungsmethode und des gewonnenen Produktes nothwendig ist, so
47*
[372]Grundsätze bei der Anlage einer Mahl-Mühle.
können wir uns auch vorläufig nur an die in Böhmen übliche Vermahlungsart des
Korns und Weizens zu Mehl halten.
Bei der am 26. Jänner 1832 in der Wiskocžil’schen Mühle vorgenommenen genauen
Beobachtung wurden binnen 24 Stunden von dem Seite 370 berechneten Bewegungs-
momente 6907, oder 7000 (demnach von beiden Gängen zusammen) 20 böhm. Strich
= 20 · 1,522 = 30,4 oder 30 N. Oe. Metzen Korn zu feinem Mehl gemahlen und dieses hier-
bei 6mal aufgeschüttet. Wird Weizen gemahlen, so wird derselbe zur Gewinnung des fei-
nen Mehles 5 bis 6mal aufgeschüttet, welches auch bei sehr gutem Korn der Fall ist.
Mit demselben Bewegungsmomente kann aber binnen 24 Stunden das doppelte Quantum
oder 40 Strich = 60 Metzen gröberes Kornmehl (sogenanntes Magazinmehl) er-
zeugt werden, wenn das Korn nur dreimal aufgeschüttet wird; dieses Mehl wird in
die Magazine des k. k. Militärs geliefert und zum Backen des Militär- oder Kommiss-
brodes verwendet. Nach der bestehenden Vorschrift müssen von 1 Strich = 116 N. Oe.
Pfund Korn, 108 ℔ Magazinmehl und 6 ℔ Kleie abgeführt werden; es ist daher nur ein Ab-
gang von 2 ℔ gestattet. — Wenn endlich von denselben zwei Rädern nur Schrot für Brau-
häuser erzeugt wird, wobei nur eine einmalige Aufschüttung Statt findet, so beträgt
das Quantum binnen 24 Stunden 6mal so viel als im ersten Falle, nämlich 120 Strich = 180
Metzen. — Die Mühlsteine, deren man sich hierbei bedient, haben, nämlich die Läufer zu
Anfange ihres Gebrauches eine Höhe von 31 bis 34 Zoll, der Bodenstein aber nur 12 bis
14 Zoll Höhe. Der Durchmesser der reibenden Fläche beträgt 31 N. Oe. Zoll, der Läufer
ist aber gegen oben etwas konisch und hat oben 30 N. Oe. Zoll. Der Durchmesser der
Oeffnung oder das Läuferauge beträgt 8½ N. Oe. Zoll.
Um nun auch die Anzahl der Umläufe des Läufers in einer Minute genau zu bestim-
men, wurde die Zeit einer Umdrehung des Wasserrades mit einer guten Sekundenuhr
beobachtet. Das erste Rad zunächst der Mühlenschütze machte genau 9 Umläufe in
61 Sekunden, wogegen die Zeit eines Umlaufes bei dem zweiten Wasserrade 8 Sekunden
war. An der Welle eines jeden Wasserrades ist ein Stirnrad mit 66 Zähnen und 4½ Zoll
Theilung befestigt, welches demnach in gleicher Zeit wie das Wasserrad seine Umläufe
zurücklegt. Dieses Stirnrad greift bei jedem Gange in einen, an einer zweiten horizontalen
Welle befindlichen Drehling mit 16 Triebstöcken. An der Welle dieses Drehlings ist
bei beiden Gängen ein Kammrad mit 60 Kämmen und 3 ¾ Zoll Theilung befestigt.
Dieses greift in das Getriebe an der Mühlspindel, welches bei dem ersten Gange 9, bei
dem zweiten 8 Triebstöcke hat. Hieraus folgt die Anzahl der Umdrehungen des Mühl-
steines bei dem ersten Gange in einer Minute = = 243,4 und bei dem zwei-
ten Gange = = 232. Das Mittel von beiden gibt beinahe 238 Umdrehungen
in einer Minute, wie wir bereits Seite 360 angeführt haben. — Da die Mühlsteine bei
beiden Gängen von gleicher Grösse sind und auch beinahe dieselbe Anzahl Umdrehun-
gen in einer Minute zurücklegen, so wird auf jedem Gange in 24 Stunden dasselbe Mahl-
quantum bis auf einen unbedeutenden Unterschied erzeugt.
Wenn auf den Mühlen, wie es häufig geschieht, Korn zu ordinärem Brodmehl vermahlen
und diess nur 3mal aufgeschüttet wird, so kann man nach vorstehender genau erhobener
Erfahrung annehmen, dass mit einem Bewegungsmoment von 3500 in 24 Stunden 30 Metzen
[373]Grundsätze bei der Anlage einer Mahl-Mühle.
gemahlen werden können. Diess gibt für 1 N. Oe. Metzen ein Bewegungsmoment von
117 oder in runder Zahl von 100. Diese Zahl wird sich dann genauer bestimmen, und
auch die Vortheile der einen oder andern Bauart Mühlen z. B. der amerikanischen
oder englischen gegen die deutschen näher angeben lassen, wenn bei diesen Mühlen
eben so umständliche Beobachtungen angestellt und bekannt gemacht werden, als sie
hier bei der Wiskocžil’schen Mühle in Prag angeführt wurden.
Wird nun eine Mühle mit gleicher Einrichtung wie diese in Prag angelegt, so braucht
man bloss das für die neue Anlage berechnete Bewegungsmoment 56.4 M · mit 3500 zu
dividiren, um die Anzahl der Mahlgänge zu erhalten, bei deren jeder Stein mit einem
Durchmesser von 31 Zoll zu versehen ist und wo dann auch jeder Gang binnen 24 Stunden
das Mahlquantum von 30 Metzen Kornmehl, welches 3 Mal aufgeschüttet wurde, liefern
wird. Wollte man aber einen Mühlstein mit anderm Durchmesser annehmen, so lässt
sich derselbe aus der Betrachtung ableiten, dass das während gleicher Zeit gemahlene
Quantum offenbar von der Fläche der Mühlsteine abhängt, im Falle dieselben in ihrem
Schwerpunkte eine gleiche Geschwindigkeit haben. Nennen wir nun S die Anzahl Metzen,
welche in 24 Stunden mit einem Mühlsteine, dessen Durchmesser x ist, gemahlen werden
sollen und setzen, dass hierbei, wie es gewöhnlich der Fall ist, das Läuferauge dieselbe
Grösse behält, so ergibt sich der Werth von x aus der Proporzion
, woraus x in Zollen = .
Es versteht sich von selbst, dass bei einem grössern Mühlsteine, womit in 24 Stunden mehr
vermahlen wird, auch das nöthige Bewegungsmoment in diesem Verhältnisse grösser
seyn müsse.
Wenn auf die angeführte Art sowohl das tägliche Mahlquantum, als auch der Durch-
messer des Mühlsteines bestimmt ist, so kommt es nur noch darauf an, die Verhältnisse des
Triebwerkes so auszumitteln, damit der Mühlstein mit der nöthigen Geschwindigkeit umge-
hen möge. Setzen wir zu dieser Absicht die Geschwindigkeit des Mühlsteines an seiner Pe-
ripherie C = 32 Fuss, den Durchmesser desselben = D, jenen des Wasserrades = A, die Ge-
schwindigkeit der Radschaufeln = v und das Verhältniss, wie oft der Mühlstein bei einem
Umgange des Wasserrades umlaufen müsse = n, so ist die Zeit eines Umganges des Was-
serrades = und die Zeit eines Umganges des Mühlsteines = . Demnach ver-
hält sich , woraus n = folgt.
Beispiel. Es sey A = 16,5 Fuss, D = Fuss, C = 32 und v = 8 Fuss, so ist
n = .
Diese Zahl n wird nicht weiter in Faktoren zerlegt, wenn ein Kammrad allein hin-
reicht, dem Mühlsteine die gehörige Geschwindigkeit zu geben. In diesem Falle ver-
hält sich die Anzahl der Kämme des Kammrades, welches an der Welle des Wasser-
rades befestigt ist, zur Anzahl der Triebstöcke im Getriebe an der Mühlspindel = n : 1.
Wenn aber die Geschwindigkeit kleiner ist, so muss n in zwei schickliche Faktoren für
die zwei Verhältnisse bei dem Vorgelege zerlegt werden. Diese zwei Verhältnisse pflegen
[374]Erklärung der Getreidemühlen.
jedoch die Müller nur beiläufig und zwar so anzunehmen, dass bei dem ersten Rade das-
selbe etwas kleiner, bei dem zweiten grössern Rade des Vorgeleges aber etwas grösser
ausfällt. In unserm Falle könnte man statt 24,75 die nächste Zahl 24 annehmen und diese
nun in die 2 Faktoren 4 und 6 zerlegen. Das Verhältniss des Stirnrades zum ersten Dreh-
ling wäre nun = 4 : 1 und das Verhältniss des Kammrades zum Getriebe = 6 : 1 anzu-
nehmen. Man könnte demnach dem Stirnrade 60 Kämme und dem Getriebe 15 Stö-
cke, dem Kammrade aber 48 Kämme und dem Drehling 8 Stöcke geben, wodurch die
verlangte Geschwindigkeit so wie durch eine jede andere Zerlegung des Werthes von
n in die gehörigen Faktoren bewirkt wird.
§. 277.
Nachdem wir in den vorigen §. §. die Grundsätze der Benützung des Wassers
bei der Bewegung unterschlächtiger Mahlmühlen abgehandelt haben, übergehen wir
nunmehr zu einer vorzüglichen praktischen Anwendung des bisher vorgetragenen, näm-
lich zur Detailbeschreibung der Getreide-Mahlmühlen. Der Zweck dieser Müh-
len ist das Zermahlen oder Zerreiben des Getreides und das Sieben des-
selben, d. h. das Absondern des Mehles von den Kleien und Hülsen der Getreide-
körner. In den ältesten Zeiten wurden diese Körner in Mörsern gestampft und dann
ausgesiebt, welches beides durch Taglöhner, bei den Römern vor Erfindung der Ge-
treidemühlen durch Sklaven bewirkt wurde. Bei den gegenwärtig gebräuchlichen Müh-
len wird das Zerreiben durch zwei Steine, das Sieben aber durch das soge-
nannte Beutelzeug bewirkt.
Die zwei Steine, welche das Getreide zerreiben, sind flache, auf einanderliegende Zy-
linder von ungleicher Härte, wovon der untere der Bodenstein, der obere aber der
Läufer heisst. Beide Steine sind an den zwei Flächen, zwischen welchen das Getreide
zerrieben wird, mit kleinen Furchen eingehauen. Der Bodenstein sitzt in dem Mühlgebäu-
de fest auf und bewegt sich nicht, der Läufer aber wird durch eine eiserne Achse oder Spin-
del von unten aus bewegt, damit die obere Oeffnung desselben zum Einschütten des Ge-
treides frei bleibt. Da der Läufer auf dem Bodensteine nicht gerade aufsitzt, sondern
in einer bestimmten, der Zerreibung des Getreides angemessenen Höhe über demselben
erhalten wird, so sieht man leicht, dass das hineingefallene Getreide zwischen den Stei-
nen zermahlen oder zerrieben, durch die Form der eingehauenen Furchen und durch
die Schwungkraft auf die Seite getrieben werde und am Rande der Steine heraus komme.
Damit nun das zerriebene Getreide nicht auf allen Seiten entweiche, wird eine hölzerne
Butte, die bloss auf einer Seite ein Mehlloch hat, über die Steine gestürzt und das ge-
mahlene Getreide auf diese Weise bloss durch die eine Oeffnung abgeführt. Da der Zweck
der ersten Operazion des Mahlens vorzüglich in dem Zerreissen und Zerschroten der
Körner besteht, so enthält das hierbei gewonnene erste Produkt gewöhnlich nur einen
kleinen Theil Mehl, welches durch Sieben davon abgesondert werden muss. Zu diesem
Ende wird ein Sack von einem eigends hierzu bereiteten Gewebe oder Zeug, Beutel-
tuch genannt, an das Mehlloch befestigt; dieser Sack hat eine schiefe Lage gegen
seine untere Offnung und der Grad der Feinheit des Zeuges, woraus er verfertigt ist,
bestimmt auch die Feinheit des Mehles, welches durch denselben durchfallen soll. Zur
[375]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
Erleichterung des letztern wird der Beutelsack beständig hin und her bewegt, d. h.
gebeutelt, wodurch das Mehl in den darunter stehenden Mehlkasten fällt und der
übrige Theil von den anfangs nur gröblich zerrissenen Körnern an dem untern offenen
Ende des Beutelsackes herausgeht. Aus dem herausgefallenen Schrot wird durch eine
zweite und mehrmalige Operazion das übrige Mehl gewonnen. Diess sind die Haupt-
operazionen, welche bei dem Mahlen des Getreides vorkommen.
§. 278.
Wir übergehen nunmehr zur Darstellung und Beschreibung der einzelnen Theile einerTab.
57,
58
und
59.
Mühle und wollen hierzu die in Prag bestehende unterschlächtige Getrei-
demühle des Herrn Wiskocžil wählen. Die Darstellung derselben ist auf den Kupfertafeln
Nro. 57, 58 und 59 enthalten. Diese Mühle hat fünf Gänge, welche am linken Moldauufer an
einem daselbst befindlichen Flussarme liegen. Es gehören hierzu drei Gerinne oder Fluther,
in deren einem zwei Räder, in dem andern drei Räder stehen, das dritte aber das Freige-
rinne oder sogenannte galte Fluther ist, in welchem nämlich bei hohen Wässern das über-
flüssige Wasser abgeführt wird. Da alle Gänge in ihrer Konstrukzion übereinstimmen, so
wurde in den Kupfertafeln nur das Gerinne mit zwei Wasserrädern und den zugehörigen
Gängen, dann das darneben liegende Freigerinne aufgenommen, jedoch das Gerinne mit
drei Wasserrädern und den zugehörigen drei Mühlgängen ausgelassen. Die Tafel 57 enthält
den Grundriss des Fluthwerkes und Gehwerkes zweier Gänge, die Tafel 59 den Längendurch-
schnitt durch das Mühlgerinne vor beiden Rädern, auf der Tafel 58 aber erscheint Fig. 1
die vordere Ansicht der Gerinne vor den Schützen, welche durch das Gebäude verlängert
die Seitenansicht des Gehwerkes (Fig. 2) gibt. Fig. 3 enthält die vordere Ansicht und
Fig. 4 den Durchschnitt des Gehwerkes, endlich Fig. 5 bis 16 die Darstellung der vorzüg-
lichsten einzelnen Theile desselben. Zur deutlichern Ersichtlichmachung sind auf allen
drei Kupfertafeln die einzelnen Theile mit gleichen Buchstaben bezeichnet worden.
Die Schütze eines jeden Gerinnes, welche auf Tafel 57 im Grundrisse, auf 58 in der
vordern Ansicht und auf 59 im Durchschnitte erscheint, besteht aus einem Ober- und
Unter- dann zwei Querriegeln von Eichenholz, welche, wie in der Zeichnung dargestellt
ist, an einander gefügt und mittelst zwei starker Schrauben an den Aufzugbaum A be-
festigt sind. Zwischen diesen Riegeln sind weiche zwei Zoll starke Pfosten möglichst gut
an einander gefügt, damit kein Wasser durchdringen könne. Der Aufzugbaum A ist von
Eichenholz, 5 Zoll breit, 7 Zoll stark und mit einer doppelten Reihe 5 Zoll von einander
entfernter Löcher zum Behufe des Aufziehens der Schütze, und oben an der Seite mit
einer Reihe von eisernen Zähnen versehen. Derselbe geht durch den 18 Zoll breiten und
15 Zoll hohen Holm oder Fachbaum B von Eichenholz, auf welchem ein Sperrhacken
befestigt ist, durch dessen Einlegen in die eisernen Zähne des Aufzugbaumes das Zurück-
fallen des letztern und der Schütze verhindert wird. Die Schütze läuft zwischen den Gries-
säulen C, C (Tab. 57), welche mit 4½ Zoll breiten und 7 Zoll tiefen Falzen versehen
sind. Zur Verminderung der Reibung bei dem Aufziehen sind in diesen Falzen Eisen-
schienen angenagelt. Das Aufziehen der Schütze geschieht mittelst eines Hebebaumes.
Die Hauptschwelle oder der Fachbaum D, welcher Tab. 59 im Durch-
schnitte am besten ersichtlich ist, muss nach der gesetzlichen Bestimmung für diese
[376]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
Tab.
57,
58
und
59.Mühle 42 Zoll böhm. Maass = 40 Zoll N Oe. Maass unter der Wehre liegen, oder der
Abstand des Wehrrückens von der Oberfläche der Schwelle muss 40 N. Oe. Zoll betra-
gen. Zu diesem Behufe ist oberhalb der Schütze auf der Entfernung von einigen Fussen von
derselben ein Normalpfahl fest in den Fluss geschlagen, dessen Oberfläche 40 N. Oe.
Zoll über der Oberfläche der Hauptschwelle liegt. Da aber unterhalb dieser Mühle
ein zweites Wehr liegt, welches bei dem Normalstande des Wassers einen Rückstau von
10 Zoll verursacht, so beträgt bei unserer dargestellten Mühle der Unterschied vom
Oberwasser bis zum Unterwasser nur 40 — 10 = 30 Zoll. Die Oberfläche der Schütze
oder die Höhe des obern Querriegels derselben pflegt man gewöhnlich der Höhe des
Normalpfahles gleich zu machen, damit kein Wasser darüber fliessen und die Räder, im
Falle ganz zugeschützt ist, zum Stillstande gebracht werden können. Zur Zeit als der
Wasserspiegel in der Moldau dem Wehrrücken gleichkommt, steht daher das Wasser
vor der Schütze auch bis zum obersten Punkt ihrer Höhe, im Falle sie geschlossen
ist; für diesen Fall wird die Schütze im Freigerinne ganz geschlossen, die Schützen
der Mühlgerinne aber ganz (oder beinahe ganz) aufgezogen, so dass die ganze Wasser-
menge ohne durch die Schütze gehemmt zu werden, in das Gerinne gegen die Räder
strömt. Steigt aber das Wasser in der Moldau um einige Zoll, so wird die Mühlschütze nur
auf die Höhe des Normalpfahles aufgezogen, und die Schütze bleibt daher einige Zoll tief
im Wasser. Auf die Schütze des Freigerinnes pflegt man alsdann eine Pfoste aufzuset-
zen, um das Einströmen des Wassers in das Freigerinne zu verhindern. Steigt end-
lich das Wasser in der Moldau noch höher, so wird die Schütze des Freigerinnes
aufgezogen und dem überflüssigen Wasser hierdurch der ungehinderte Ablauf gestattet.
Damit endlich die Schütze, wenn sie geschlossen wird, auch unten kein Wasser durch-
lasse, ist die Hauptschwelle D, welche 15 Zoll breit und 16 Zoll hoch ist, an ihrem
obern Theile mit zwei Falzen versehen, wovon der eine für die Schütze, der andere
aber für den Gerinneboden bestimmt ist.
Vor der Schwelle befindet sich eine 11 Zoll starke Spundwand E, welche wie
im Grundrisse Tab. 57 ersichtlich ist, zusammengefügt wird; der Zweck derselben be-
steht darin, das Eindringen des Wassers uuter den Gerinnboden zu verhindern. Vor
der Spundwand befindet sich eine Reihe Rundpfähle F, welche durch die Schwelle
G mitsammen verbunden werden und sowohl zur bessern Versicherung als zur genauern
Einrammung der Spundwand dienen.
Das Gerinne besteht aus 3 zölligen Pfosten H, welche mit starken eisernen Nä-
geln an die Wandpfähle J und Grundschwellen K befestigt werden. Die Grundpfähle
L sind rund, 10½ Zoll stark, von Kiefernholz und oben in die Grundschwellen K ein-
gezapft. Die Wandpfähle J sind eben so stark, jedoch von Eichenholz und ausserhalb
des Grundes abgezimmert. Es ist jedoch wegen des baldigen Faulens des obern Thei-
les auch üblich, die Wandpfähle unter dem Wasserstand nach der Länge des Gerinnes
abzuschneiden, zu verschwellen und hierauf eigene Wandstühle aufzuzapfen. In einem
und dem andern Falle wird die Weidebank M auf die Wandpfähle aufgezapft. Zur
Verhinderung des Ausflusses des Wassers in den Ecken des Gerinnes und zur bessern
Anschliessung des Wassers an die Schaufeln der Wasserräder wird in den beiderseiti-
gen Ecken des Gerinnes ein eichenes nach der Stärke der Pfosten falzartig ausgehöhl-
[377]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
tes 7½ Zoll starkes Holz N eingelegt. Die Breite des Gerinnes zwischen den Gries-Tab.
57,
58
und
59.
säulen beträgt 5 Fuss 11 Zoll N. Oe. Maass; das Gerinne ist auf seiner ganzen Länge
gleichförmig geneigt und erweitert sich ebenfalls gleichförmig. Das Gefälle des 13 Klaf-
ter 5 Fuss langen Gerinnes beträgt 3 Fuss 4 Zoll, mithin 2,9 Zoll per Klafter. Die Er-
weiterung des Gerinnes auf dieselbe Länge beträgt bloss 6 Zoll.
§. 279.
Die Wellen der Wasserräder sind von Eichenholz, 19 Zoll stark, mit eisernen
Ringen hinreichend beschlagen und mit schmiedeisernen Wellzapfen von 3 Zoll Stärke
versehen. Die Lager dieser Zapfen sind in die sogenannten Angewellen O sowohl
von aussen als auch in der Mühle eingelegt; diese sind dergestalt eingerichtet, dass
sie durch Herausnahme der Keile nach Aussen geschoben und das Zapfenlager heraus-
genommen werden kann.
Die Bauart der unterschlächtigen Wasserräder in Prag zeichnet sich
durch ihre Leichtigkeit und hinreichende Festigkeit aus. Die Arme dieser Räder sind
5 Zoll breit, 3 Zoll stark und sämmtlich durch die Welle durchgesteckt. Auf dieselben
sind zwei Kränze befestigt, deren jeder aus 6 einfachen Felgen, die an den Armen zu-
sammenstossen, besteht. An diesem Orte sind nun die anstossenden Felgen mit einer
zweiten 5 Fuss langen und 2½ Zoll starken Felge P Q durch Nägeln fest zusammenge-
bunden. Die Arme sind am Ende nach der Stärke und Breite der zwei überlegten
Felgen eingeschnitten. Die hölzernen Schaufeln werden bloss mit umgebogenen
Wieden von einem zähen Holze und mit hölzernen Keilen an die beiden Radkränze be-
festigt, wie der Grundriss Tab. 57 und Seitenansicht Tab. 59 deutlich ausweist. Das
erste Rad zunächst der Schütze misst im Durchmesser 10½ böhm. Ellen = 19,7 N. Oe. Fuss;
das zweite aber 11½ Ellen = 21,6 Fuss. Die Achsen der Wellen beider Räder liegen auf
gleicher Höhe. Die Zahl der Schaufeln bei einem jeden Rade beträgt 30, eine jede von
8 Zoll Höhe, und es stehen jedesmal 4 Schaufeln zugleich im Wasser und nebstbei ist
noch eine Schaufel im Eintritte begriffen. So wie jedoch das Wasser den Wehrrücken
oder den Normalpfahl um etwas übersteigt, werden einige Schaufeln herausgeschlagen,
um die Geschwindigkeit des Wasserrades hinsichtlich der Mühlsteine dadurch zu mässigen.
§. 280.
Jeder Gang ist mit einem Vorgelege versehen, zu welchem Behufe an der Welle
eines jeden Wasserrades ein Stirnrad R R befestigt ist. Der Durchmesser eines jeden
Stirnrades beträgt im Theilriss, oder auf ⅔ der Kammlänge von der Peripherie des
Rades an gemessen 7 Fuss 3 Zoll, böhm. Maass. Ein jedes Stirnrad hat 66 Kämme mit
4½ Zoll Theilung und zwar in doppelter Reihe. Diese Kämme greifen in den Drehling
S, dessen Stöcke an dem Umfange einer zweiten eichenen Welle befestigt sind. Die
Zahl der Triebstöcke an beiden Drehlingen ist 16. An derselben Welle ist ein Kamm-
rad T T befestigt, welches bei beiden Gängen ebenfalls von gleicher Grösse ist. Der
Durchmesser beider Kammräder beträgt nämlich im Theilrisse 5 Fuss 11 Zoll und die
Anzahl der Kämme ist 60 mit 3¾ Zoll Theilung. Endlich greift dieses Kammrad in
das Getriebe U, welches bei dem ersten Mühlgange 9, bei dem zweiten aber nur 8 Trieb-
stöcke hat.
Gerstner’s Mechanik, Band. II. 48
[378]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
§. 281.
57,
58
und
59.
Das letzte Getriebe ist an einer eisernen Welle, der sogenannten Mühlspindel
oder dem Mühleisen 1 befestigt. Dieselbe ist im doppelten Maasse Fig. 15 dargestellt.
Auf die eiserne Mühlspindel wird ein genau passendes Quereisen k, Haue genannt, auf-
gesteckt, welches Fig. 8 in der obern Ansicht, Fig. 9 in der Seitenansicht, Fig. 10 im
Längendurchschnitt und Fig. 11 in der Ansicht von unten dargestellt ist. Auf dieser
Haue ruht nun der Läufer, welcher demnach von der Mühlspindel getragen wird.
Die letztere geht durch den Bodenstein, und ist daselbst mit einem Buchse a um
geben, welcher in den Bodenstein fest gekeilt und oberhalb mit Leinwand umwun-
den wird, damit kein Getreide oder Mehl durchfallen könne. Dieser Buchs (Büchse)
ist zur Hälfte von Birken- oder Erlenholz, zur Hälfte von Eisen verfertigt. Damit
die Mühlspindel ihren konzentrischen, vertikalen Gang erhalte und nach Erforderniss
des Mahlens etwas höher oder niedriger gestellt und somit der Läufer auch gehoben
oder gesenkt werden könne, ruht dieselbe in einem Zapfenlager oder einer Pfanne,
welche Fig. 12 in der obern Ansicht, Fig. 13 im Längendurchschnitt und Fig. 14 im
Querdurchschnitt dargestellt ist. Dieses Lager ist in einem hinlänglich starken höl-
zernen Hebel dem Stege b eingelassen, welcher auf den zwei Tragbänken c und c'
ruht. Hiervon wird c', wie man am besten Fig. 2 sieht, mittelst der Hebeschiene
d, der Hebeleiste e und einiger darunter geschobenen Keile e' höher oder nie-
driger gestellt und damit auch das Mühleisen sammt dem Läufer gehoben oder gesenkt.
Bei andern Mühlen pflegt man die Hebeschiene d an ihrem obern Ende mit Gewinden
zu versehen, welche durch eine Schraubenmutter im Boden des Gebäudes gehen und auf
die gewöhnliche Art mittelst einer Kurbel gehoben oder gesenkt werden.
Wenn das Getreide das erstemal aufgeschüttet wird oder das erstemal zwischen die
Mühlsteine kommt, so müssen die Steine am weitesten von einander gestellt, bei jeder
spätern Aufschüttung immer mehr herabgelassen und bei den feinsten Mehlgattungen am
meisten genähert werden.
§. 282.
Der Bodenstein liegt in dem Steinkasten zwischen den Steinriegeln fest und wird
an seiner Oberfläche genau wagerecht gestellt. In dieselbe werden Rinnen in geraden
Linien von dem Mittelpunkte des Steines gegen seine Peripherie zu ausgehauen, wie Fig. 6
dargestellt ist. Bei grössern Steinen werden am Umfange derselben, wo die Entfernung
dieser Rinnen zu gross wäre, noch kürzere solche Vertiefungen ausgehauen.
Der Läufer, welcher im Durchschnitte Fig. 5 erscheint, hat eine hinauf zu etwas
konische Gestalt, und ist mit einer eben so grossen Oeffnung in seiner Mitte (Läufer-
auge genannt), nebstdem aber an seinem untern Theile mit einer viereckigen Oeffnung
zur Aufnahme der Haue, auf welcher der Läufer fest sitzt, versehen. Der Läufer wird
in krummen Linien gehauen, wie Fig. 7 darstellt, und zwar laufen alle diese Linien
vom Mittelpunkte des Steines aus und gegen die Peripherie desselben zu, damit auf
diese Weise die Körner, nachdem sie an dem Bodensteine zerrieben wurden, an den
Umfang desselben herausgetrieben werden. Die krumme Linie, nach welcher die Läu-
fer gehauen werden, ist eine logarithmische Spirallinie, welche die Eigen-
schaft hat, dass alle geraden vom Mittelpunkte gezogenen Linien bei dem Durchschnitte
[379]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
mit der krummen Linie einen gleichen Winkel bilden. Die Müller pflegen sich dieseTab.
57,
58
und
59.
krumme Linie zu verzeichnen, auf einem Brete aufzureissen, dieses hiernach auszu-
schneiden und nun als Schablone bei dem Behauen oder Schärfen der Mühlsteine zu
benützen. Uibrigens pflegt man bei den Schärfungen mit den krummen und geraden Li-
nien abzuwechseln, so dass der Läufer einmal krumm und das anderemal wieder gerade
und der Bodenstein immer auf die entgegengesetzte Art gehauen wird.
Die Mühlsteine, zwischen welchen das Getreide gemahlen wird, müssen von der
Art seyn, damit sie die Körner angreifen und gleichsam zerschneiden, dann sich jedoch
nicht so leicht abnützen. Harte Sandsteine, welche bimstein- und gleichsam glasartig
sind, eignen sich vorzüglich dazu. In Prag bedient man sich der Sandsteine aus dem
2½ Meilen entfernten Žehrowitzer oder Dogeser Bruche, von welchen der grösste Theil der
Brücke in Prag gebaut worden seyn soll. Zum Mahlen des ganz feinen Mehles gebraucht
man Sandsteine aus Zittau in der Lausitz. Uibrigens muss der Läufer immer stärker oder
höher als der Bodenstein seyn und eine bestimmte Schwere haben, um das Getreide ge-
hörig zermalmen zu können; wäre nämlich der Läufer zu leicht, so würde ihn das harte
Getreide bei der Umdrehung heben und dasselbe sonach nicht zerrieben werden. Aus
dieser Ursache pflegen die Läufer in Böhmen bei dem Anfange ihres Gebrauches beinahe
1½ Elle hoch und eben so dick zu seyn; durch die Schärfungen werden sie nun immer
niedriger, bis sie zuletzt die Höhe von 14 bis 15 Zoll erhalten, wo sie nicht mehr genug
Gewicht haben. Da man nun die Läufer in dieser Eigenschaft nicht mehr brauchen kann,
so verwendet man sie zu Bodensteinen, wo ihre weitere Abnützung ohne Nachtheil ist.
§. 283.
Das Getreide, welches gemahlen werden soll, wird in einen oberhalb den Mühl-
steinen befindlichen viereckigten Kasten, den Rumpf V, geschüttet. Derselbe hat die
Form, welche man am besten aus dem Durchschnitte Fig. 4 ersieht, und hängt in der
Rumpfleiter, die aus vier Hölzern f, f, f', f'' besteht, welche auf den zwei Schwellen
g, g' nach der Seite geschoben werden kann, wenn die Steine wegen der Schärfung abge-
hoben werden. Der Rumpf hat keinen daran befestigten, sondern einen beweglichen
Boden W, welcher der Schuh genannt wird. Dieser Boden hängt hinten und vorne
an Baststricken und kann vorne mittelst eines kleinen Haspels h nach Bedarf höher oder
niedriger gestellt werden, wenn mehr oder weniger Getreide in den Stein fallen soll.
Damit aber der Ausfluss des Getreides aus der im Schuhe angebrachten Oeffnung
in das Läuferauge gleichförmig erfolge, ist an dem Schuhe ein Daum b' angebracht,
welcher etwa einen Zoll tief in das Läuferauge reicht. An dem obern Ende dieses
Auges ist ein eiserner Ring p in den Stein fest eingelassen, welcher wie Fig. 16 zeigt,
mit einem Zahne oder einer kleinen schiefen Fläche versehen ist. Da der Schuh durch
sein Gewicht senkrecht herabhängt, so wird der Daum b' so gestellt, dass er beständig
an den Umfang dieses eisernen Ringes andrückt. Wird nun der Läufer gedreht, so
schiebt sich der Daum über die schiefe Fläche des Ringes Fig. 16 hinauf und fällt bei
jedem Umlaufe einmal über die Höhe dieser schiefen Fläche zurück. Diess verursacht
nun eine beständige Bewegung des Schuhes, wodurch jede Verstopfung des Getreides
bei seiner Ausströmung aus dem Rumpfe verhindert wird. Zur sichern Bewegung des
48*
[380]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
Tab.
57,
58
und
59.Schuhes ist es zweckmässig, den Daum von einer hölzernen Feder auf gleiche Art an-
ziehen zu lassen, wie es bei dem sogenannten Rührer geschieht.
Damit nämlich das eingeschüttete Getreide sich in dem Steine nicht verstopfe, wird
ein Rührer oder Steinruthe g'' mittelst eines Nagels beweglich an den Kloben h'
befestigt und mittelst eines hölzernen Bügels i i' beständig angezogen. Diese Steinruthe
legt sich ebenfalls an dem Umfange des eisernen Ringes Fig. 16 an und wird daher durch
den daselbst angebrachten Zahn gleichfalls hin und her bewegt.
§. 284.
Das aus dem Schuhe herabkommende Getreide fällt auf beiden Seiten der Haue auf
die Oberfläche des Bodensteines, vertheilt sich zwischen beiden Steinen, wird durch
die sich kreuzenden Schärfungslinien zerrissen und gelangt so an den äussern Umfang
dieser Steine. Damit das gemahlene Getreide nicht auf allen Seiten entweiche, wird über
die Steine ein aus Fassdauben zusammengesetzter und mit eisernen Reifen beschlagener
Lauft I gestürzt, welcher bloss auf einer Seite mit dem Mehlloche k' (Fig. 4) versehen
ist. Das gemahlene Getreide fällt durch dieses Loch in den Beutelsack X, in wel-
chem die Siebung desselben innerhalb des Beutelkastens Y vorgenommen wird. Zu
diesem Behufe wird der Beutel in seiner Mitte mit einem ledernen Ring umgeben, wel-
cher zu beiden Seiten von einer hölzernen Gabel m, die man am deutlichsten im
Grundrisse Tab. 57 sieht, gefasst wird. Diese Gabel steckt in der Welle o, welche an
beiden Enden mit Zapfen versehen ist, die in Lagern laufen. An dieser Welle ist ein höl-
zerner Arm oder Anschlag n auf der dem Beutelsack entgegengesetzten Seite angesteckt,
welcher an drei unter dem Getriebe an der Mühlspindel hervorstehende Daumen q (Fig. 4)
anschlägt. Wie nämlich die Mühlspindel im Kreise herumgeht, wird der Arm n, hier-
durch die Gabel m und der Beutelsack X verrückt, worauf dieser Arm n durch die
Spannung des Beutelsacks wieder in die vorige Lage zurückkehrt, sogleich an den
nächsten Daumen q des Getriebes anschlägt und auf diese Art ein beständiges Schüt-
teln des Beutelsacks bewirkt. Durch dieses beständige Anschlagen des Armes n an die
hervorstehenden drei Daumen des Getriebes wird das hörbare Geräusche in unsern
Mühlen bewirkt. Zur Sicherung der Bewegung des Beutelsacks ist es ebenfalls noth-
wendig in der Welle o, wie der Grundriss Tab. 57 zeigt, eine hölzerne Feder r anzu-
stecken, welche durch den Haspel s mehr oder minder angezogen werden kann. Durch
diese Feder wird die Welle stets in ihre ursprüngliche, durch den Anstoss des Armes
n an die Daumen q verrückte, Lage zurückgebracht.
Der Beutel wird vorn durch die hölzerne Feder t, welche wie der Durchschnitt Fig. 4
zeigt, an den Mehlkasten bei u mit Keilen befestigt ist, gehörig angespannt. Durch die
Schüttelung des Beutels wird das Mehl in den Mehlkasten ausgestaubt und die gröbern
Theile, welche noch nicht zerrieben sind, fallen sammt der Kleie in den Schrot-
kasten Z. Der Mehlkasten Y ist von allen Seiten mit dünnen Bretern verschalt und auf
einer Seite oben mit einem grössern und am Boden mit einem kleinern Schuber x versehen.
Der erstere dient, damit der Müller in den Kasten hineingreifen, etwas Mehl mit der
Hand herausnehmen, die Qualität des Mehles untersuchen und hiernach den Mühlstein
stellen könne. Der zweite Schuber wird eröffnet, wenn das fertige Mehl aus dem Mehl-
kasten herausgenommen und in einen vorgehaltenen Sack eingefüllt wird. In manchen
[381]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
Mühlen pflegt man auch an einer oder an beiden Seiten bloss die obere Hälfte des Mehl-
kastens mit Leinwand zu verhängen.
Endlich befindet sich noch in jenen Mühlen, wo bloss ein Gang vorhanden ist und
der Müller nicht beständig in der Werkstube zugegen ist, eine Warnung, d. h. eine
Glocke, welche läutet, wenn kein Getreide im Rumpfe mehr vorhanden ist. Die Vorrichtung
hierzu kann auf verschiedene Art gemacht werden, z. B. durch den Beutelsack, welcher
während dem Beuteln wegen dem Gewichte des darin befindlichen Mehles immer schlapp
ist und etwas herabhängt. Sobald nun kein Mehl mehr darin ist, so spannt sich der
Beutelsack an und stösst an einen Arm, der mit einem Glockenzuge in Verbindung steht.
Man kann auch auf das Getreide in dem Rumpfe eine hölzerne Tafel legen, welche mit
demselben herabgeht und wenn sie auf die bestimmte Tiefe kommt, mit einem Hebel in
Bewegung kommt, der eine Glocke anzieht.
§. 285.
Der Läufer muss, so wie er durch die fortwährende Abnützung niedriger wird,
auch immer mehr und mehr gesenkt werden, demnach muss der Steg, auf welchem die
Mühlspindel in ihrer Pfanne ruht, verhältnissmässig mehr und mehr herabgelassen werden.
Da nun das Getriebe an der Mühlspindel fest ist und das Kammrad, welches in das Ge-
triebe eingreift, ebenfalls feststeht, so folgt, dass bei dem Herabgehen der Mühlspindel
auch das Getriebe herabgehe und dass sonach der Eingriff in das Kammrad auch nach
und nach an einem höhern Punkte des Getriebes Statt finden werde. Würden statt des
Getriebes und des Kammrades konische Räder vorhanden seyn, bei welchen die Abnüt-
zung weit geringer ist, so würde auch der Eingriff bei der allmähligen Senkung des Läu-
fers ganz verlohren gehen. Diess ist zugleich die Ursache, warum bei unsern Mühlen
noch immer Getriebe und Kammräder gebraucht werden, obgleich die Vortheile der ko-
nischen Räder hinsichtlich ihres richtigen Eingriffs und ihrer Dauer nicht unbe-
kannt sind.
§. 286.
In den meisten Staaten bestehen gesetzliche Bestimmungen hinsichtlich des Mahl-
lohnes. Da das Mehl und das Schrot (die Kleien) mit Zuschlag eines unbedeutenden
Quantums, was verstaubt, eben so viel wiegen muss, als das Getreide, und da man ferner
aus Erfahrung weiss, wie viel Mehl dem Gewichte nach *) aus einem Zentner Getreide
[382]Beschreibung einer Wasser-Mahl-Mühle in Prag.
erhalten wird, so erhellet, dass allerdings eine Kontrolle für das Mahlen Statt finden könne,
allein diese Kontrolle kann nie sehr genau seyn, weil das Getreide aus verschiedenen Ge-
genden von ungleicher Beschaffenheit ist und überhaupt selbst in einem Jahre die Kör-
ner voller, in einem andern Jahre aber leerer sind, demnach auch das Mehlquantum ab-
weicht. Aus dieser Ursache ist in den österreichischen Staaten durch die von der Kai-
serin Maria Theresia erlassene Mühlenordnung bestimmt worden, dass jedem Müller
der sechzehnte Theil des Getreides als Belohnung für das Erzeugen gewöhn-
lichen Brodmehles gebührt, im Falle er das Getreide zu Mehl vermahlt; bei den Schro-
ten des Malzes, oder wenn nicht so oft aufgeschüttet wird, als das Mehl erfordert, wird
eine verhältnissmässig geringere Entschädigung und bei feinern Mehl für die Hauptstädte
eine besondere Vergütung von den Partheien geleistet. Dagegen gebühren diesen Par-
theien nebst dem erzeugten Mehle auch die abgefallenen Hülsen oder Kleien.
Wir schliessen diese Beschreibung mit der Bemerkung, dass das weitere Detail
über die Operazionen des Mahlens nicht in unser Gebieth gehöre und in den über
Mühlenbau und Mehlbereitung bekannt gemachten Werken nachgelesen werden könne.
Hier verdient vorzüglich ausser den Seite 361 schon genannten Werken noch erwähnt
zu werden: Der Wasser-Mahl-Mühlenbau von Karl Neumann, mit einer Vorrede
von J. A. Eytelwein, I. Band in 3 Heften, Berlin 1810 und 1818. Anweisung zum prak-
tischen Mühlenbau für Müller und Zimmerleute ausgearbeitet von Heinrich Ernst,
Leipzig 1802. Melzers Mühlenbaukunst. Beiers Mühlenschauplatz.
§. 287.
Da die Theorie des Wasserstosses in Schussgerinnen von der grössten Wichtigkeit
ist, indem die Anlage der unterschlächtigen Wasserwerke, deren Anzahl in jedem Lande
sehr bedeutend ist, hierauf beruht, so dürfte es unsern Lesern willkommen seyn, eine
Bestättigung der in diesem Kapitel vorgetragenen wichtigsten Leh-
ren durch hierüber angestellte Versuche zu erhalten. Wir werden dem-
nach die Versuche einiger Schriftsteller über diesen Gegenstand anführen, selbe der
Theorie entgegenhalten und die Richtigkeit der letztern durch eine bei diesem schwie-
rigen Gegenstande sehr merkwürdige Uibereinstimmung erweisen.
Bevor wir zur Anführung dieser Versuche schreiten, müssen wir in Erinnerung
bringen, dass Seite 351 gezeigt wurde, dass die Anzahl n der zu gleicher Zeit im Was-
ser gehenden Schaufeln eines unterschlächtigen Rades immer grösser als der Quozient
seyn müsse, weil für den Fall als n = die zum Stoss kommende Wasser-
menge nur ⅔ a . b . c oder zwei Drittheile der in das Gerinne einströmenden Wasser-
menge beträgt. Weil aber bei den Versuchen mehrerer Schriftsteller zur Bestimmung
der vortheilhaftesten Anzahl Schaufeln, n auch kleiner als genommen wurde, so
wollen wir vorerst diesen Fall noch besonders betrachten und zu diesem Behufe die
§. 261 gegebene Theorie in kurzem wiederholen und für unsern Fall anwenden.
Bezeichnet L l, M m, A a, O o ···· die Schaufeln eines Wasserrades und A H die
Höhe des Wasserstandes im Gerinne, dann v die Geschwindigkeit am Umfange des
[383]Stoss des Wassers im Schussgerinne.
Rades und c jene des Wassers, so ist offenbar, dass sobald die Schaufel in E die Ober-Fig.
12.
Tab.
56.
fläche des Wassers berührt, auch das in der Linie D E befindliche Wasser zuerst bei E
an die Schaufel zu stossen anfängt; in der Stellung M m kommt der erste Punkt der
Wasserlinie M F zum Stosse und so wird die Zahl der anstossenden Wasserlinien immer
grösser, bis endlich in der Stellung A a das Wasser in seiner ganzen Höhe an die
Radschaufeln anstösst. So wie die Schaufel aus einer Stellung z. B. M m tiefer in das
Wasser eindringt, geht der Punkt M des Rades nach der Richtung M O mit der Ge-
schwindigkeit v fort. Weil aber das Wasser in eben dieser Richtung mit seiner grös-
sern Geschwindigkeit c nachzufliessen strebt, so geschieht es, dass die nachfolgenden
Wasserpunkte x, y ···· die Radschaufel einholen und gleichfalls zum Stosse gelangen,
bis endlich die folgende Schaufel L l in die Stellung M m eintritt, den Wasserfaden
M F abschneidet und hierdurch die Gränze für die Wassermenge bestimmt, welche
zwischen jeden zwei Schaufeln M m und L l eingefangen wird, und welche nur allein
an die Schaufel M m stossen kann.
Die Zeit, in welcher L nach M geht, ist = und eben so ist die Zeit, in wel-
cher das Wasser den Raum F M beschreibt = . Weil aber diese Zeiten einander
gleich sind, so haben wir oder F M = , und eben so gross sind
auch die Linien D E und B A. Das Wasser, welches zwischen jeden zwei Schaufeln
eingeschlossen wird, ist also in dem Raume b . E A B D = b . F M . A H =
enthalten. Weil aber die Wassermenge W im Schussgerinne den Raum b . c . A H ein-
nimmt, so können wir den Werth W = b . c . A H substituiren und so erhalten wir die
Wassermenge, welche zwischen jeden zwei Schaufeln eingeschlossen wird = .
Man sieht nun sogleich, dass nicht alles Wasser, welches in dem Raume E A B D
eingeschlossen wird, an die Schaufel M m stossen könne. Denn dazu, dass der Punkt F
zum Stosse gelange, wird erfordert, dass derselbe die Schaufel M m noch erreiche,
ehe sie bei O aus dem Wasser wieder in die Höhe steigt. Weil aber jede Schaufel
um den niedrigsten Punkt A nur einen Augenblick verweilet und sogleich wieder in
die Höhe geht, so ist offenbar, dass auch von dem Wasser bei B A nur ein sehr
kleiner Theil zum Stosse gelangen könne. Es sey z derjenige Punkt des Wassers,
welcher den Raum z O mit der Geschwindigkeit c in eben der Zeit zurücklegt, in
welcher die Sehne M O von der Schaufel M m mit der Geschwindigkeit v beschrieben
wird, so ist , daher z M = . Auf gleiche Art
ist auch d E = E e und alle Punkte der krummen Linie A z d werden auf die
nämliche Art bestimmt. Hieraus folgt, dass die Wassermenge, welche an die Schau-
fel M m während ihrer Bewegung durch den Bogen E A e zum Stosse gelangt, im
Raume d A E enthalten sey. Weil nun in der Fläche d A E jede Ordinate z M zur zu-
gehörigen Sehne M O des Kreises in dem gemeinschaftlichen Verhältnisse c — v : v steht,
[384]Stoss des Wassers im Schussgerinne.
Fig.
12.
Tab.
56.so verhält sich auch der Flächenraum d A E zum Kreisabschnitte E A e wie c — v : v.
Der Kreisbogen E A e ist aber in Rücksicht der ganzen Peripherie des Rades sehr klein
und von einem parabolischen Bogen so wenig unterschieden, dass wir ohne Fehler die
Fläche E A e = ⅔ E e . A H setzen können ; daher ist auch die Fläche d A E = ⅔ d E . A H.
Es kommt nunmehr darauf an, ob d E, welches = ist, grösser oder
kleiner als D E, was = ist, oder ob grösser oder kleiner als ist.
Da aber die Anzahl der im Wasser zu gleicher Zeit gehenden Schaufeln n = , so
fragt es sich, ob die Anzahl n der im Wasser gehenden Schaufeln kleiner oder grösser
als ist.
I. Im ersten Fall, wo n kleiner als ist, verhält sich das Wasser, welches
zwischen den Schaufeln L l und M m eingeschlossen wird, zum Wasser, welches an die
Schaufel M m zum Stosse gelangt, wie E A B D : E A d = D E : ⅔ d E = L M . c : ⅔ E e (c—v).
Weil aber das nämliche Verhältniss bei jeder folgenden Schaufel immerfort wiederholt
wird, so steht auch die Wassermenge W, welche in jeder Sekunde in das Schussgerinne
fliesst, zur Wassermenge, welche in jeder Sekunde zum Stosse gelangt, in dem nämlichen
Verhältnisse. Hieraus folgt die zum Stoss wirklich kommende Wassermenge
= . Wird dieser Werth in die Seite 348 gefundene allgemeine Glei-
chung für den Wasserstoss = statt M gesetzt, so
erhalten wir für diesen ersten Fall den Wasserstoss K = .
II. In einem zweiten Falle ist die Anzahl n der im Wasser gehenden Schaufeln
grösser als . Für diesen Fall ist nach Seite 351 die zum Stosse gelangende Was-
sermenge = und daher der Wasserstoss in diesem zweiten Falle
K = .
III. In einem dritten Falle, wo ist, beträgt nach Seite 351
die in einer Sekunde anstossende Wassermenge nur ⅔ a . b . c und demnach der Stoss
K = ; es fliesst demnach der dritte Theil des Wassers zwischen den
Radschaufeln durch, ohne anzustossen. Dagegen geht im ersten Falle mehr als der dritte
Theil, im zweiten Falle aber weniger als der dritte Theil des vorhandenen Wassers ver-
loren; der zweite Fall ist daher vortheilhafter als der erste, und findet, wie wir bereits
erinnerten, gewöhnlich bei den Wasserrädern Statt. Hieraus erklärt sich auch, warum
der Wasserstoss mit der Anzahl der Schaufeln gewöhnlich zunehme.
§. 288.
Herr Abbé Bossut hat viele Versuche in der Absicht angestellt, um die vor-
theilhafteste Anzahl der Schaufeln für unterschlächtige Wasserräder ausfindig
[385]Versuche von Bossut über die Anzahl der Schaufeln.
zu machen. Zu diesem Ende liess derselbe ein kleines Wasserrad verfertigen, woran 48
Schaufeln angeb [...]cht waren, die aber bei den Versuchen auf 24 und bis auf 12 verringert
wurden. Diese Schaufeln waren sämmtlich gegen den Mittelpunkt des Rades gerichtet. Das
Rad wurde in ein künstlich hergestelltes Gerinne so gestellt, dass der Rand der Schaufeln
etwa noch eine halbe Linie vom Boden und den Wänden dieses Gerinnes abstand. An die
Welle des Rades wurde eine Schnur befestigt, das andere Ende derselben über eine in
der Höhe befestigte Rolle gezogen und daran ein Gewicht gebunden, welches das Was-
ser, indem es an die Schaufeln des Rades anstösst und das Rad sammt der Welle in Um-
lauf bringt, in die Höhe ziehen musste.
Das Wasserrad hatte 3 Fuss 1 Zoll 10 Linien im äussern Durchmesser. Bossut ver-
änderte bei den Versuchen nicht bloss die Anzahl der Schaufeln, sondern auch die ange-
hängten Gewichte und zählte die Umdrehungen, welche das Rad bei jedem Versuche in
einer bestimmten Zeitfrist machte. Im §. 1002 seiner Hydrodynamik findet sich hierüber
folgende Tabelle:
Die Geschwindigkeit des Wassers wurde mittelst sehr leichter auf dem Wasser schwim-
mender Körper gemessen, welche 300 Fuss in 30 Sekunden zurücklegten; diese konnten
aber offenbar nur die Geschwindigkeit des Wassers auf der Oberfläche angeben. Um die
Reibung oder den Widerstand des Wassers am Boden und an den Wänden des Kanales
zu überwältigen und eine gleichförmige Bewegung auf der Oberfläche herzustellen, musste
dem Kanal 1/10 Gefälle oder beiläufig 6 Grad Neigung unter dem Horizont gegeben werden.
Aus der nämlichen Ursache folgt ebenfalls, dass unter der Oberfläche gegen den Boden
des Kanales eine geringere Geschwindigkeit Statt gefunden habe. Um also der Wahr-
heit näher zu kommen, wollen wir die mittlere Geschwindigkeit des Wassers um 1/10 gerin-
ger oder c = 9 Fuss nehmen.
Bossut hat die Wassermenge, die in jeder Sekunde in den Kanal floss, nicht an-
gegeben, versichert aber (§. 722) dass er die Wassermenge, die in einer gegebenen
Zeitfrist durch den Kanal floss, am Ende des Kanales aufgefangen und eben so viel Was-
Gerstner’s Mechanik. Band. II. 49
[386]Versuche von Bossut über die Anzahl der Schaufeln.
ser erhalten habe, als die Oeffnung des Behälters für sich allein, ohne den angebrach-
ten Kanal, in der nämlichen Zeit gegeben hätte. Die beständige Wasserhöhe im Be-
hältniss ober dem Boden des Kanales war 2 Fuss; die Oeffnung, durch welche das Was-
ser in den Kanal eingelassen wurde, war 5 Zoll breit und 1 Zoll hoch. Wenn wir aus
diesen Abmessungen (gemäss §. 373 und 716 von Bossut) die Ausflussmenge aus dem Behält-
nisse berechnen, so folgt, dass in jeder Sekunde 408 Kub. Zolle Wasser in den Kanal
geflossen sind.
Die Tiefe des Wassers im Kanal an dem Orte, wo das Rad angebracht war, betrug
nach der Beobachtung von Bossut 13 bis 14 Linien, daher war die Querschnittsfläche des
fliessenden Wassers 5 · 13,5 · 1/12 = 5⅝ Quad. Zolle. Wird nun die Wassermenge (408 Kub.
Zolle) mit dieser Querschnittsfläche dividirt, so erhalten wir die Geschwindigkeit des
Wassers nur = 72½ Zoll oder 6 Fuss ½ Zoll, welche beträchtlich kleiner ist als die oben
gefundenen 9 Fuss; woraus zu ersehen, dass Bossut die Wasserhöhe nicht vorher, als das
Wasser ungehindert mit der Geschwindigkeit c durch den Kanal floss, sondern zur Zeit,
da das Rad in Arbeit war, gemessen habe. Das Produkt aus der Breite des Kanales
(5 Zoll) in die mittlere Geschwindigkeit des Wassers (9 Fuss = 108 Zoll) ist 540 Qua-
dratzoll. Wenn wir mit diesem Produkte die Wassermenge (408 Kub. Zoll) dividiren, so
Fig.
12.
Tab.
56.ergibt sich die Höhe des Wassers im Kanal (Fig. 12) A H = ¾ Zoll beinahe. Hieraus
erhalten wir die Sehne E e = = 10½ Zoll. Die Peripherie
des Rades ist nahe = 10 Fuss oder = 120 Zoll. Setzen wir die Anzahl der Radschaufeln
in der ganzen Peripherie = N, so ist die Entfernung der Schaufeln L M = ; daher
. Nennen wir endlich die beobachtete Anzahl der Umdrehun-
gen des Rades U, so ist die Geschwindigkeit der Radschaufeln v = ;
folglich .
Bei dem ersten Versuche war die Anzahl der Schaufeln N = 48; daher
. Die Anzahl der beobachteten Umdrehungen war U = 34; daher
, Folglich ist kleiner als , und mit dieser Erfahrung
muss die Formel für den ersten Fall (Seite 384) übereinstimmen. Wenn wir auf die
nämliche Art die übrigen Versuche durchgehen, so findet sich, dass mit Ausnahme
des zweiten Versuches, welcher zum zweiten Fall gehört, auch alle übrigen Versuche
zum ersten Fall gehören, und dass der beobachtete Wasserstoss mit der Formel
K =
übereinstimmen müsse.
Um weitläufigere Rechnungen zu vermeiden, wollen wir bloss die Verhältnisse
betrachten. Es folgt nämlich aus der letzten Formel, 1tens: dass bei gleicher Was-
sermenge W und gleicher Anzahl der Schaufeln N, der Wasserstoss K, oder die gehobe-
nen Gewichte sich wie (43,2 — U)2 verhalten müssen. Vergleichen wir demnach den drit-
ten und vierten Versuch mit einander, so ist (43,2 — 30⅓)2 : (43,2 — 28 ½)2 = 12 : 15,7.
[387]Rückstau bei Rädern in Schussgerinnen.
Eben so gibt der fünfte und sechste Versuch (43,2 — 25)2 : (43,2 — 23)2 = 12 : 14,8. Der
wirkliche Stoss oder die angehängten Gewichte verhielten sich aber in beiden Fällen wie
12 : 16. Der kleine Unterschied kann ohne Anstand der Stauung, der Reibung und dem
Widerstande der Luft zugeschrieben werden.
2tens: Wenn der Stoss K, oder die gehobenen Gewichte die nämlichen bleiben,
so steht die Anzahl der Schaufeln N mit (43,2 — U)2 im umgekehrten Verhältniss. Ver-
gleichen wir dem gemäss den ersten, dritten und fünften Versuch, und eben so den vier-
ten und sechsten Versuch mit einander, so ergibt sich
Diese Uibereinstimmung wird hinreichen, um unsere Formel für den ersten Fall
des Wasserstosses (Seite 384) einigermassen zu bestättigen. Der zweite Fall (Seite 384) wird
am Ende dieser Abhandlung durch weit genauere Versuche und Rechnungen seine Be-
stättigung erhalten, indem an der genauen Kenntniss desselben weit mehr gelegen ist,
als am erstern.
§. 289.
Bevor wir zur Berechnung der nachfolgenden vorzüglich über den zweiten Fall
von Smeaton angestellten Versuche übergehen, wollen wir die Grösse und Wir-
kung des Staues in Mühlgerinnen bei einem unterschlächtigen Wasserrade, wo-
von wir bereits Seite 348 und 355 gehandelt haben, nochmal untersuchen und hierbei
auf alle Umstände Rücksicht nehmen, um unsere Ausdrücke, welche dadurch etwas zu-
sammengesetzter werden, mit den Ergebnissen der Versuche genau vergleichen zu können.
Wir haben bereits bemerkt, dass die Verminderung der Geschwindigkeit des Was-
sers durch den Stoss an die Radschaufeln die Ursache sey, dass das Wasser unter dem
Rade anschwillt und die Höhe desselben im Schussgerinne nach dem Stosse grösser
als vor demselben ist. Wenn das Schussgerinne nicht so viel Gefälle besitzt, als das
Wasser nöthig hat, um mit der übrig gebliebenen Geschwindigkeit gleichförmig abzu-
fliessen, so wird die Bewegung desselben von dem Boden und den Wänden des Schuss-
gerinnes verzögert und das Wasser schwillt noch mehr an. Zur Untersuchung dieses
Gegenstandes setzen wir die Höhe, welche das Wasser im Schussgerinne vor dem StosseFig.
3.
Tab.
56.
einnimmt = a, die Höhe desselben nach verrichtetem Stosse = x und die Breite des
Gerinnes oder die Länge der Schaufeln = B. Jede Radschaufel ist offenbar eine Wand,
welche mit dem Wasser gleichförmig fortgeht, an welcher aber das Wasser von der
einen Seite die Höhe a, von der andern die Höhe x einnimmt; und welche desswegen
von der ersten Seite den hydrostatischen Druck , von der andern entgegen-
gesetzten Seite aber den Druck erfährt. Der Unterschied
wirkt dem Wasserstosse entgegen und muss von der Stosskraft, die das Wasser auf das
unterschlächtige Rad ausübt, abgezogen werden.
Es kommt hierbei nicht darauf an, ob das Wasser erst hinter der Schaufel bei O o
die grössere Höhe x erreicht, oder ob es schon vor der Schaufel bei N n auf dieselbe
49*
[388]Rückstau bei Rädern in Schussgerinnen.
Fig.
3.
Tab.
56.oder auch auf eine grössere Höhe hinaufsteigt, weil nämlich der grössere hydrostati-
sche Druck des Elementes n N S s dem Stosse des vorhergehenden Elementes m M N n
die Kraft entzieht. Eben so wird die Stosskraft des Elementes
l L M m um vermindert. Die Summe dieser zwei Verluste ist
= . Auf gleiche Art ist die Summe aller Verluste, welche der
gesammten Stosskraft aller Elemente zwischen N n und B b entgeht
= . Wenn Fig. 3 die Höhe M m grösser ist
als O o, so wird die Stosskraft des Wassers zwischen M m und O o um
vermehrt, zwischen M m und A a aber um ver-
mindert, folglich ist der Verlust, den die Stosskraft des gesammten Wassers zwischen
O o und A a erleidet =
wie zuvor.
Es bilden sich bei dem Stosse des Wassers an unterschlächtige Räder gewöhnlich
sehr mannigfaltige Wellen. Aus dem jetzt angeführten erhellet, dass diese Wellen die
fortdauernde mittlere Bewegung des Rades weder vermehren noch vermindern können.
Jede Welle für sich allein kann zwar in dem Augenblicke, in welchem sie an das Rad
anschlägt, den Wasserstoss sowohl durch ihre grössere Masse als Höhe vermehren ; allein
der Uiberfluss ihrer Masse entgeht der nachfolgenden Untiefe, und weil ihre Höhe so-
wohl vorwärts als rückwärts einen gleichen Druck ausübt, so entzieht sie der Stosskraft
des nachfolgenden Wassers wieder so viel, als ihre Stosskraft durch den Nachdruck der
grössern Höhe vermehrt worden ist.
§. 290.
Die bisherigen Betrachtungen sind allgemein, wenn nämlich unter x diejenige Höhe
verstanden wird, mit welcher das Wasser hinter dem Rade wirklich abfliesst, sie mag
übrigens von was immer für Ursachen herrühren. Wir kommen nunmehr zur nähern Be-
trachtung des besondern Falles, wenn das Wasser nur allein von der verminderten Ge-
schwindigkeit, welche durch den Stoss an die Schaufeln veranlasst worden, gestaut wird.
Vor dem Stosse ist die herbeifliessende Wassermenge W offenbar = B . a . c, daher
die Höhe des Wassers a = . Wenn wir die Wassermenge, welche wirklich
zum Stosse gelangt, und ihre Geschwindigkeit c in v verändert, μ . W nennen, so
ist diejenige Wassermenge, welche leer, d. h. ohne einen Stoss zu verrichten durch-
gehet und ihre Geschwindigkeit c beibehält, offenbar = (1 — μ) W. Hieraus erhalten
wir die Höhe des Wassers nach dem Stosse x = ;
folglich x — a = . Setzen wir 1 — μ = λ, so ergibt sich x =
[389]Grösstes Bewegungsmoment eines Rades.
folglich x + a = . Weil aber die Grösse in Ver-
gleichung mit der vorausstehenden Einheit für jeden Fall sehr klein ist, so können wir selbe
ohne Nachtheil in der Ausübung weglassen, und x + a = setzen. Mittelst
dieser Bestimmung erhalten wir den Gegendruck dieser Stauung
.
Die Grösse μ haben wir bereits Seite 384 bestimmt, nämlich im ersten Falle bei einer
geringen Anzahl Schaufeln ist μ = , und im zweiten Fall, wenn die An-
zahl der Schaufeln grösser ist μ = . Wenn wir daher nach Be-
schaffenheit der Umstände den ersten oder den zweiten Werth für μ voraussetzen, so haben
wir den Wasserstoss allgemein = und nach Abzug der Stauung
K = .
Bei der Untersuchung, wie die Kraft des Wassers am vortheilhaftesten zu benützen
sey, müssen wir nothwendig voraussetzen, dass das Rad mit einer hinlänglichen Anzahl
Schaufeln versehen worden, so dass μ beinahe = 1 ist. Weil nun in diesem Falle die
anstossende Wassermenge μ . W vorzüglich von der Anzahl der im Wasser gehenden
Schaufeln abhängt, so können wir selbe für eine beständige Grösse ansehen. Mit dieser
Voraussetzung wird das Bewegungsmoment des Rades
K . v = nach der Lehre der höhern Analysis *) am
grössten, wenn die Geschwindigkeit der Radschaufeln v = genommen wird.
Mit dieser Geschwindigkeit ist der Wasserstoss bei Vernachlässigung der kleinen Brüche
K = und das Bewegungsmoment des Rades
K . v = beinahe. Hieraus sehen wir 1tens, warum bei hohen Flu-
then die Wasserräder einen so beschwerlichen Gang in Schussgerinnen haben, und dass
die Bewegung des Rades beinahe aufhören müsste, wenn die Höhe des Wassers a im
Schussgerinne so gross würde als ⅔ vom Gefälle h. 2tens, dass man an grossen Flüssen,
wo viel Wasser aber wenig Gefälle zu erhalten ist, lieber schmale als breite Schaufeln
wählen, und die nöthige Stossfläche in der grössern Länge derselben ersetzen müsse, bis
nämlich entweder die Grösse unbeträchtlich, oder doch wenigstens der Ausdruck
[390]Widerstand der Luft und der Reibung bei Wasserrädern.
der hervorzubringenden Bewegung gleich wird. Weil aber im letztern
Falle wegen v = die Geschwindigkeit des Rades grösser seyn muss, als die
halbe Geschwindigkeit des Wassers, so muss die Einrichtung des Räderwerks diesem an-
gemessen gemacht werden. Hiervon findet eine Anwendung bei den Schiffmühlen Statt.
Es ist bekannt, dass Pansterräder bei hohen Fluthen in die Höhe gehoben werden,
wodurch die Höhe des anstossenden Wassers a vermindert, folglich ihre Bewegung ge-
mäss unserer aufgestellten Formel vergrössert wird. Bei Staberrädern hingegen wird
die Anzahl der Schaufeln vermindert, welches ebenfalls unserer gegebenen Theorie ge-
mäss ist. Wenn daher die innere Einrichtung einer Mühle bei grössern und kleinern
Wasserhöhen im Schussgerinne die nämliche bleiben soll, wie dieses bei Staberrädern
der Fall ist, so muss die Anzahl der Schaufeln an der Peripherie des Rades in eben dem
Verhältnisse vermindert werden, als die Höhe des Wassers im Schussgerinne steigt. Man
ersieht hieraus, wie die Richtigkeit unserer aufgestellten Theorie auch durch diese zwei
Fälle bestättigt wird.
§. 291.
Hinsichtlich der Widerstände, welche das Wasser bei seiner Bewegung an den
Wänden der Schussgerinne findet, haben wir bereits Seite 369 erinnert, dass sich nach
den Versuchen von Bossut (§. 788 seiner Hydrodynamik) das Wasser in Schussgerin-
nen gleichförmig bewegt, wenn demselben auf jede 10 Fuss Länge 1 Fuss Gefälle ge-
geben wird; wir haben jedoch bemerkt, dass dieses Resultat keineswegs als unbedingt
anzunehmen sey.
Der Widerstand, welchen die Luft der Bewegung eines Wasserrades entgegen-
setzt, wird gewöhnlich dem Gewichte einer Luftsäule gleichgehalten, welche die Sum-
me aller Schaufelflächen zur Grundfläche und die Fallhöhe, welche ihrer Geschwin-
digkeit zugehört zur Höhe hat. Setzen wir nämlich das Gewicht eines Kubik-
fusses Luft = α, die Anzahl der Schaufeln, die sich in der Luft bewegen, = N, die
Fläche einer jeden Schaufel = f, so ist dieser Widerstand = . Weil je-
doch die Luft in der Nähe des Rades selbst eine Wirbelbewegung nach der Richtung
der Schaufeln annimmt, so ist dieser Widerstand in der Ausübung kleiner, als ihn
diese Formel angibt.
Wie endlich die Reibung in den festen Theilen der Maschinen berechnet werde,
haben wir bereits in dem ersten Bande dieses Werkes kennen gelernt. Auf diese Art
können wir nun bei sehr genauen Rechnungen über die Kraft des Wasserstosses auf
alle hierbei vorkommende Umstände Rücksicht nehmen.
§. 292.
Im 51ten Bande der Philosophical Transactions vom Jahre 1751 führt Herr Smea-
ton die Resultate von sehr vielen hierher gehörigen Versuchen an, die er in der Ab-
sicht angestellt hat, um die vortheilhafteste Geschwindigkeit der unter-
[391]Versuche von Smeaton mit unterschlächtigen Rädern.
schlächtigen Wasserräder und ihre Wirkung ausfindig zu machen. Seine
Maschine zur Prüfung des Wasserstosses war im Wesentlichen so eingerichtet, wie wir
bereits Seite 385 angeführt haben, nur mit dem Unterschiede, dass die Gewichte nicht
unmittelbar an das andere Ende der Schnur angebunden, sondern daselbst in eine
Wagschale gelegt wurden, die an einer beweglichen Rolle hing, um welche das an-
dere Ende der Schnur gezogen und oben neben der festen Rolle befestigt wurde. Sein
sinnreiches Verfahren, die Geschwindigkeit des Wassers vor dem Stosse, die herbei-
fliessende Wassermenge, und den Widerstand der Luft sammt der Reibung zu bestim-
men, verdient am angeführten Orte selbst nachgelesen zu werden. Um die Art, wie
er bei diesen Versuchen zu Werke ging, zu erklären, wird eine Reihe derselben ausführ-
lich und mit folgenden Umständen angeführt:
Die Wagschale sammt der beweglichen Rolle wog 10 Unzen avoir du poids Gewicht;
weil der Wasserstoss nebst den Gewichten in der Schale auch noch diese 10 Unzen he-
ben musste, so müssen selbe zu allen in der zweiten Reihe angeführten Gewichten hinzu-
gegeben werden. Da aber diese Gewichte zusammen an einer beweglichen Rolle hingen,
so kommt von denselben nur die Hälfte auf Rechnung des Wasserstosses. Diese wird
in der zweiten Reihe der folgenden Tabelle angeführt.
Um die Geschwindigkeit des Wassers zu erhalten, legte Herr Smeaton 1 Pfund
8 Unzen in die Schale, und liess durch selbe, indem die Schnur statt oben, nunmehr
von unten um die Welle gewickelt war, das Rad nach der nämlichen Richtung, in
welcher dasselbe vom Wasser gedrehet wurde, jedoch zuerst allein, und ohne Beihülfe des
Wassers in Bewegung setzen, wobei es nach angenommener gleichförmiger Bewegung
in einer Minute 85 Umläufe machte. Bei dieser Bewegung des Rades war offenbar
der Widerstand der Reibung und der Luft unwirksam. Sodann aber wurde zugleich
das Wasser herbeigelassen, worauf das Rad 86 Umdrehungen zurücklegte, oder sich bei-
nahe mit der vorigen Geschwindigkeit bewegte. Hieraus folgt, dass, wenn Widerstand der
Luft und Reibung die Bewegung des Rades nicht hinderten, und die Schaufeln mit dem
[392]Versuche von Smeaton mit unterschlächtigen Rädern.
Wasser gemeinschaftlich fortgingen, das Rad in einer Minute sehr nahe 85½ Umdrehungen
machen würde. Wird nun die Peripherie des Rades, welche = 3,14 · 24 = 75 Zoll war, mit
dieser Anzahl Umdrehungen multiplizirt, und mit der verflossenen Zeit von 60 Sekunden
dividirt, so erhalten wir den Raum, den das Wasser in 1 Sek. zurücklegte c = 106,9 Zoll.
Eben so wird die Geschwindigkeit der Radschaufeln bei jedem Versuche erhalten,
wenn die beobachtete Anzahl Umdrehungen mit der Peripherie des Rades = 75 Zoll mul-
tiplizirt und mit der verflossenen Zeit von 60 Sekunden dividirt wird; oder wenn wir die
Anzahl der Umdrehungen des Rades = U setzen, so ist v = . Diese Geschwindigkeit
findet sich in der dritten Kolumne der folgenden Tabelle. Zum Uiberfluss wurde noch
bei dem 9ten Versuch die Geschwindigkeit des Rades gemäss der Reihe, die sich aus den
vier nächst vorhergehenden Versuchen ergibt, angenommen.
Die 4te Kolumne enthält den Uiberschuss, der sich ergibt, wenn von der Geschwin-
digkeit des Wassers c = 106,9 Zoll die Geschwindigkeit v der Schaufeln abgezogen wird.
Die Peripherie des Rades bei diesen Versuchen war = 75 Zoll, die Peripherie der
Welle, um welche die Schnur lief = 9 Zoll, die Breite des Schussgerinnes = 4 Zoll, die
Höhe der Schaufeln gemäss seiner beigefügten Zeichnung = 3 Zoll, die Anzahl der Schau-
feln N = 24, die Wassermenge W, welche in jeder Sekunde in das Schussgerinne floss,
war = 122 Kub. Zoll, und das Gewicht eines Kub. Zolles Wasser = 0,579 Unzen avoir du
poids. Hieraus folgt das Gewicht des in jeder Sekunde herbeifliessenden Stosswassers
Fig.
12.
Tab.
56.56,4 W = 70,6 Unzen, die Höhe desselben im Schussgerinne a = 0,29 Zoll, die Sehne des im
Wasser gehenden Bogens (Fig. 12), nämlich E e = 5,24 Zoll, die Entfernung der Radschau-
feln L M = 3,13 Zoll und die Anzahl der Schaufeln, die im Wasser gehen = n = 1,7.
Wenn wir nun die Geschwindigkeit c des Wassers mit dem in der vierten Kolumne
angeführten Unterschiede der Geschwindigkeiten c — v dividiren, und den erhaltenen
Quozienten mit der Anzahl Schaufeln, die im Wasser gehen, vergleichen, so ergibt sich,
dass die drei ersten Versuche zum ersten Fall, alle übrigen aber zum zweiten Fall gehören.
[393]Versuche von Smeaton mit unterschlächtigen Rädern.
Um die Resultate der Theorie unmittelbar mit den in der zweiten Kolumne an-
geführten Gewichten vergleichen zu können, wollen wir das Gewicht des Stosswassers,
und eben so den Wasserstoss mit der Peripherie des Rades (= 75) multipliziren, und mit
der Peripherie der Welle (= 9) dividiren, um auf solche Art das aufzuziehende Gewicht
daraus abzuleiten. Dem zufolge ist das Gewicht des herbeifliessenden Wassers, wenn das-
selbe an die Peripherie der Welle reduzirt wird 56,4 W · = 588,3 Unzen, und das Ge-
wicht des Wassers, welches an das Rad wirklich anstösst, ist in den ersten drei Versuchen
(gemäss Seite 384) ; in den übri-
gen Versuchen aber .
Der Betrag dieser Wassermenge für jeden Versuch insbesondere findet sich in der
zweiten Kolumne der folgenden Tabelle. Der Wasserstoss gemäss Seite 389
befindet sich in der dritten Kolumne.
Die Stauung ist gemäss S . 389
oder wenn wir die dort weggelassene kleine Verbesserung zur grössern Genauigkeit hier
beibehalten, so ist dieser Widerstand . Dieser findet sich
in der vierten Kolumne. Die Ursache, warum die am Umfange des Rades anstossende
Wassermenge auf die Peripherie der Welle reduzirt wird, ist, um auf solche Art den
aus der Rechnung hervorgehenden Wasserstoss unmittelbar mit den von Smeaton
angegebenen Gewichten vergleichen zu können, wogegen, wenn man diese Gewichte an
die Peripherie des Rades, wo der Wasserstoss Statt findet, reduzirt hätte, die beob-
achteten Gewichte im Verhältniss der Halbmesser viel kleiner geworden wären.
Der Widerstand der Luft und der Reibung lässt sich sehr vortheilhaft aus Herrn
Smeaton’s Versuchen unmittelbar berechnen, indem derselbe nebst den obigen Versu-
chen, die zur Bestimmung der Geschwindigkeit des Wassers dienten, noch anführt,
dass mit 2 Unzen in der Schale das Rad für sich allein und ohne Beihülfe des Was-
sers in einer Minute 30 Umdrehungen machte. Wird hierzu das Gewicht der Schale
und Rolle (= 10 Unzen) addirt, und von der Summe, wie vorhin, die Hälfte genom-
men, so folgt, dass der Widerstand der Luft und der Reibung bei 85 Umdrehungen
mit 17 Unzen und bei 30 Umdrehungen mit 6 Unzen im Gleichgewichte stand. Weil
der Widerstand der Luft nach Seite 390 dem Quadrate der Geschwindigkeit des Rades,
oder, was gleich viel ist, dem Quadrate der Umdrehungen proporzional ist, so wollen
wir die Anzahl der Umdrehungen = U und den Widerstand der Luft allgemein
= L . U2 setzen.
Die Reibung ist, wie bekannt, theils der eigenen Last der Maschine, theils auch
der gehobenen Last proporzional. Setzen wir die Reibung, welche von der Last der
Maschine herrührt = R und die gehobene Last = Q, so ist die Reibung allgemein
= R + r . Q. Dem gemäss haben wir folgende zwei Gleichungen
Gerstner’s Mechanik. Band. II. 50
[394]Versuche von Smeaton mit unterschlächtigen Rädern.
L . 852 + R + 17 r = 17 und L . 302 + R + 6 r = 6. Hieraus ist
, und R = 4,43 (1 — r). Es kommt also noch allein auf die Bestimmung der
Reibung an, die von der gehobenen Last Q herrührt, wozu r den Koeffizienten abgibt.
Nach der Zeichnung, welche Herr Smeaton von seiner Maschine in Kupfer stechen
liess, ist gemäss dem beigefügten Maasstabe: der Durchmesser des Rades A = 24 Zoll,
Durchmesser der Welle b = 3 Zoll, Durchmesser des Zapfens an der Welle β = ½ Zoll,
Durchmesser der Rollen d = 5 Zoll, Durchmesser ihrer Achsen δ = ⅓ Zoll. Gemäss
den Versuchen des Herrn Coulomb nehmen wir hier den Reibungskoeffizienten m = ⅛ an.
Nach den Gesetzen der Statik ist das Reibungsmoment an der Achse der beweglichen
Rolle = m · Q · δ; wird diess mit dem Durchmesser dividirt, so ist die Grösse der
Reibung an der Peripherie der beweglichen Rolle. Hierzu kommt die Reibung an der
festen Rolle; diese beträgt wieder , da hier der Druck von jeder Seite vorhan-
den ist. Beide addirt geben 2 m · Q · als die Reibung, welche die Kraft an der Schnur
zu überwältigen hat. Da wir den Wasserstoss = annehmen können, die Schnur aber
mit der Spannung hinaufzieht, so ist der Druck auf den Zapfen , folglich
die Reibung auf den Umfang der Welle oder auf die Zugkraft an der Schnur reduzirt
= . Beide Grössen zusammen geben
; oder r = . Demnach ist der Widerstand der
Luft , und die Reibung
R + r · Q = 4,43 (1 — r) + r · Q = 4,39 + . Hierbei ist offenbar, dass, wenn auch
die Bestimmung der Grösse r, wozu Herr Smeaton die genauen Abmessungen nicht
selbst angegeben hat, einigen kleinen Fehlern unterworfen seyn sollte, diese sowohl
auf den Widerstand der Luft, als auch auf die Reibung einen so kleinen Einfluss haben,
dass wir die Grösse r vielmehr ganz hätten vernachlässigen können. Gemäss diesen
Formeln wurde der Widerstand der Luft in der fünften, und die Reibung in der sech-
sten Kolumne der folgenden Tabelle berechnet. Die siebente Kolumne enthält die geho-
benen Gewichte, so wie sie in der vorhergehenden Tabelle angeführt wurden. Die achte
Kolumne enthält die Summe der vierten, fünften, sechsten und siebenten Kolumne. In der
neunten Kolumne endlich befinden sich die Unterschiede, welche erhalten werden, wenn
der berechnete Wasserstoss in der dritten Kolumne von der Summe des gesammten Wider-
standes in der achten Kolumne abgezogen wird.
[395]Versuche von Smeaton mit unterschlächtigen Rädern.
Wir sehen hieraus: 1tens. Dass der berechnete Wasserstoss nach unserer Theorie
mit der Summe des ganzen Widerstandes nahe übereinkomme. Beim 1. und 2. Versuche
findet sich eine Irregularität, die man schon oben an der unregelmässigen Abnahme der
beobachteten Umdrehungen des Rades wahrnehmen konnte. Dem Herrn Smeaton war
eigentlich nur an der Genauigkeit des 3., 4., 5. und 6. Versuchs gelegen, bei welchen eben
so wie beim siebenten Versuch der ausgefallene Unterschied nur beiläufig den vierzigsten
Theil des gesammten Widerstandes beträgt. 2tens. Die zweite Kolumne gibt zu erkennen,
wie beträchtlich das anstossende Wasser kleiner sey, als die herbeifliessenden 588 Unzen
Wasser. Beim fünften Versuch, wo die Wirkung des Rades am grössten war, fehlten
588 — 427 = 161 Unzen oder beinahe der vierte Theil der ganzen Wassermenge. Wenn
Herr Smeaton für sein Rad eine grössere Anzahl Schaufeln gewählt hätte, so würde er von
dem nämlichen Wasser eine viel grössere Wirkung erhalten haben. 3tens. Die Stauung,
in der vierten Kolumne wird um so merklicher, je langsamer die Bewegung des Rades ist,
und ihrer Grösse ist es vorzüglich zuzuschreiben, warum das Rad beim neunten Versuche
stehen blieb. Nach der Erzählung des Herrn Smeaton hatte das Rad anfangs eine kurze
Bewegung angenommen, als sich aber das Wasser wegen zu langsamen Abfluss vor den
Schaufeln anhäufte, blieb dasselbe stehen; welches unserer Theorie vollkommen gemäss
ist. Denn wenn wir beim neunten Versuch die Stauung weglassen oder nicht viel grösser
als beim vorhergehenden Versuch annehmen, so findet sich gleichfalls der Wasserstoss
grösser als die Summe des Widerstandes.
§. 293.
Die übrigen Versuche, die H. Smeaton noch anführt, wurden auf gleiche Art, wie die
vorhergehenden, berechnet. In der 1. Kolumne der folgenden Tabelle befinden sich Num-
mern, wodurch die angeführten Versuche in einer fortlaufenden Reihe gezählt werden. Die
2., 3., 4. und 5. Kolumne enthält Zahlen, welche aus den Beobachtungen des H. Smeaton ge-
nommen wurden. Die Zahlen der 6., 7., 8. und 9. Kolumne sind aus dem vorhergehenden
gemäss unserer Theorie berechnet worden. Weil H. Smeaton den Widerstand der Luft und
der Reibung durch eigene Versuche bestimmte, und mit den gehobenen Gewichten, in der
50*
[396]Versuche von Smeaton mit unterschlächtigen Rädern.
5. Kolumne, in eine Summe zusammenzog, so war nicht nöthig, selben hier besonders zu
berechnen. Die 10. Kolumne enthält den Uiberschuss des Wasserstosses über die Stauung.
Wenn endlich dieser Uiberschuss mit den gehobenen Gewichten in der 5. Kolumne vergli-
chen wird, so ergeben sich die Unterschiede der Theorie und Erfahrung, welche in
der 11. Kolumne angeführt werden.
Die Uibereinstimmung dieser Versuche mit der angeführten Theorie dürfte hinreichen.
Uibrigens ist auch in diesen Versuchen das anstossende Wasser (in der siebenten Kolumne)
beträchtlich kleiner als das herbeifliessende (in der zweiten Kolumne), woran, wie schon
erinnert worden, die zu geringe Anzahl der Schaufeln Schuld ist. Wir haben bereits S. 353
gesehen, dass die vortheilhafteste Geschwindigkeit des Rades nebst den Gesetzen des Was-
serstosses noch von der Anzahl der im Wasser gehenden Schaufeln nach Seite 389 und vom
Verhältniss der Höhe des Wassers im Schussgerinne zur Höhe, welche der Geschwindig-
digkeit des Wassers zugehört, abhänge; weil aber alle diese Grössen bei jedem Ver-
suche eine Aenderung erlitten haben, so ist leicht begreiflich, warum Herr Smeaton die
vortheilhafteste Geschwindigkeit des Rades so sehr veränderlich gefunden habe, und
warum selbe den Gesetzen des Parent um so näher kam, je weniger der Widerstand der
Stauung betrug. Sowohl der Unterschied des herbeifliessenden und anstossenden Was-
sers, als auch die Stauung sind zu beträchtlich, als dass sich die gegebenen Annäherungen
S. 353 und 389 hierbei anwenden liessen. Eine genauere Auseinandersetzung dessen aber
erfordert mühsame Rechnungen, die man hier so viel als möglich zu vermeiden suchte,
und welche im gegenwärtigen Falle um so mehr wegbleiben können, als nicht abzusehen
ist, welcher nützliche Gebrauch davon gemacht werden könnte.
§. 294.
Herr Abbé Bossut hat theils in Schussgerinnen, theils auch in Kanälen, deren
Querschnitt viel grösser war als die Schaufeln des Rades, mehrere Versuche angestellt,
um durch selbe die vortheilhafteste Anordnung der Wasserräder auf dem Wege der Er-
fahrung ausfindig zu machen. Da die letztern Versuche zu unserm Gegenstande nicht
gehören, so werden wir nur die erstern anführen und mit der vorgetragenen Theorie zu-
sammen halten.
Seine Maschine war so eingerichtet, wie oben (Seite 385) erwähnt worden; die Ab-
messungen derselben waren folgende:
- Durchmesser der äusseren Peripherie des Rades _ _ A = 36 Zoll
- „ „ „ Welle sammt der Schnur _ _ b = 2⅔ „
- „ „ „ Wellenzapfen _ _ β = ¼ „
- „ „ „ festen Rolle, über welche die Schnur lief _ _ d = 3⅔ „
- „ „ „ Rollenzapfen _ _ δ = 2/9 „
- Breite der Schaufeln _ _ B = 5 „
- Höhe der Schaufeln, welche vom anstossenden Wasser nie über-
stiegen wurde _ _ = 6 „ - Anzahl der Schaufeln _ _ N = 48 „
- Gewicht des ganzen Rades _ _ M = 44 Pfund.
Es fehlte beyläufig ½ Linie, dass die Radschaufeln den Boden und die Wände des
Gerinnes nicht berührten. Das Wasser floss in das Gerinne aus einem grossen Behält-
niss, worin beständig einerlei Höhe über den Boden der Ausflussöffnung unterhalten
wurde. Diese Höhe war = 12 Zoll, die Breite der Oeffnung = 5 Zoll, und ihre Höhe
[398]Versuche von Bossut mit unterschlächtigen Rädern.
= 2 Zoll. Gemäss dem 473ten und 716ten §. seiner Hydrodynamik flossen durch diese
Oeffnung in jeder Sekunde 552 Kub. Zolle, oder 22 Pfund Wasser.
Die Geschwindigkeit des Wassers, welche der Höhe des Wasserstandes über der
Mitte der Ausflussöffnung (= 11 Zolle) zugehört, ist 91,5 Zoll. Dass Schussgerinne
hatte aber auf jede 10 Fuss horizontaler Entfernung vom Behältniss 1 Fuss Gefälle;
und weil das Rad von der Ausflussöffnung 50 Fuss entfernt war, so betrug dieses Ge-
fälle bis zum Rade noch 5 Fuss. Durch diesen beträchtlichen Fall wurde das Wasser
nach seinem Ausflusse aus dem Behältniss noch beschleuniget, es erhielt jedoch bald
diejenige Geschwindigkeit, mit der es die ganze Länge des Gerinnes (= 300 Fuss)
gleichförmig durchfloss. Wenn die Schütze geöffnet und das Wasser in das Schuss-
gerinne eingelassen wurde, so legte das erste Wasser den Raum von 100 Fuss in 11 Se-
kunden zurück; kleine Stückchen Pantoffelholz, die auf die Mitte des Wassers geworfen
wurden, nachdem es seinen vollen Lauf angenommen hatte, durchliefen eben diesen
Raum in 9 Sekunden. Die erste Erfahrung gibt die Geschwindigkeit des Wassers am
Boden des Gerinnes beinahe = 108 Zoll: die zweite gibt die Geschwindigkeit auf der
Oberfläche = 133 Zoll. Dass Mittel von beiden ist 120,5 Zoll. Die mittlere Geschwin-
digkeit des Stosswassers (= c) ist aber kleiner als das eben angeführte Mittel, weil
erstens: die Geschwindigkeit des Wassers, nachdem es seinen vollen Lauf angenom-
men hat, am Boden kleiner ist, als die Geschwindigkeit des ersten Wassers, welches
durch die immer zunehmende Höhe des nachfolgenden Wassers beschleuniget wird.
Zweitens: fliesst das Wasser auch an den Seitenwänden eben so langsam, als am
Boden, weil es an selben die nämlichen Hindernisse erfährt. Hieraus folgt, dass das
gehinderte, langsammer fliessende Wasser von der ganzen Querschnittsfläche einen
grössern Raum einnimmt, als das geschwindere auf der Mitte der Oberfläche. Da nun
die Zeit, in welcher das Wasser mit seiner mittlern Geschwindigkeit den Raum von
100 Fuss zurücklegte, zwischen 10 und 11 Sekunden fällt, und nicht viel grösser als
10 Sekunden seyn kann, so wollen wir aus Mangel anderer Gründe, hierzu 10⅓ Sekunde
annehmen, wodurch wir wenigstens der Wahrheit näher zu kommen hoffen können, als
wenn wir auf diese angeführten Gründe gar keine Rücksicht genommen hätten. Hieraus
folgt die mittlere Geschwindigkeit des Stosswassers c = 116 Zoll.
In der zweiten und dritten Kolumne der folgenden Tabelle stehen die Beobachtungen
so, wie sie vom Herrn Abbé Bossut im 1008ten §. seiner Hydrodynamik angeführt werden.
Wenn wir die Wassermenge, welche in jeder Sekunde in das Gerinne floss,
(B . a . c = 552 Kub. Zoll) mit dem Produkte aus der Breite des Gerinnes in die Ge-
schwindigkeit des Wassers (B . c = 5 . 116) dividiren, so erhalten wir die Höhe des Was-
sers im Schussgerinne a = = 0,95 Zoll; weil aber der Spielraum zwischen den
Schaufeln und dem Boden des Gerinnes ½ Linie (= 0,04 Zoll) beträgt, so waren die
Schaufeln 0,91 Zoll tief ins Wasser eingesenkt. Werden diese vom Durchmesser des Ra-
des (= 36 Zoll) abgezogen, und für den übrig bleibenden Durchmesser (= 35,1) die
Peripherie des Kreises gesucht, so ist die Peripherie des Rades für die Mitte des Stos-
ses = 110,3 Zoll. Wird endlich diese mit der Anzahl der beobachteten Umdrehungen
des Rades multiplizirt, und mit der Anzahl Sekunden, in welchen diese Umdrehungen
[399]Versuche von Bossut mit unterschlächtigen Rädern.
geschehen sind, dividirt, so erhalten wir die Geschwindigkeit der Radschaufeln (v), so
wie sie den Beobachtungen des Herrn Abbé Bossut in der fünften Reihe der folgenden
Tabelle beigesetzt wurden.
Bevor wir diese Erfahrungen mit unserer Theorie vergleichen können, müssen wir
erst von dem Stosswasser (= 22 Pfund) dasjenige Wasser abziehen, welches dem Spiel-
raume zwischen den Schaufeln und Wänden des Gerinnes zugehört, weil dasselbe of-
fenbar neben den Schaufeln floss, folglich nicht an die Schaufeln stossen konnte. Um je-
doch über diese Kleinigkeit nicht allzu weitläufige Rechnungen beizubringen, wollen wir sie
nur allein für den 42ten und 43ten Versuch, welche unter den angeführten die mittleren sind,
berechnen, und für alle übrigen Versuche ohne Unterschied von gleicher Grösse anneh-
men. Die Geschwindigkeit des Wassers am Boden war beinahe 108 Zoll; wenn wir diese
mit der Fläche des Spielraums zwischen dem Boden des Gerinnes und den Radschaufeln
(= 5/24 Quadratzoll) multipliziren, so erhalten wir 22,5 Kub. Zoll Wasser, welche in jeder
Sekunde unter dem Rade durchflossen. Wir werden noch in der Folge sehen, dass das
Wasser beim Stosse vor jeder Schaufel wenigstens auf 5½ Zoll in die Höhe stieg; weil
es nun auf diesem höchsten Punkte mit der Geschwindigkeit des Rades (58 Zoll), am
Boden aber mit der jetzt angeführten Geschwindigkeit (108 Zoll) sich fortbewegte, so
ist die mittlere Geschwindigkeit desselben = 83 Zoll. Wird diese mit dem Spielraume
an beiden Seitenwänden (= 11/24 Quadratzoll) multiplizirt, so ergibt sich, dass neben den
Radschaufeln 38,0 Kub. Zoll dahin flossen. Die Summe von beiden ist 60,5 Kub. Zoll = 2,4
Pfunde. Daher ist 56,4 W = 22 — 2,4 = 19,6 Pfunde.
Weil die Schaufeln 0,91 Zolle tief im Wasser gingen, so ist die SehneFig.
12.
Tab.
56.
E e = 2 = 11,3 Zolle. Wenn die äussere Peripherie des Rades (= 113 Zolle)
mit der Anzahl der Schaufeln (= 48) dividirt wird, so ergibt sich die Entfernung der
[400]Versuche von Bossut mit unterschlächtigen Rädern.
Fig.
12.
Tab.
56.Schaufeln L M = 2,35 Zolle. Hieraus erhalten wir die Anzahl der Schaufeln, welche zu
gleicher Zeit mit einander im Wasser gingen, = n = 4,81.
Bei dem ersten Versuche Nr. 37 ist = 2,12; folglich kleiner als die An-
zahl Schaufeln, die zu gleicher Zeit im Wasser gehen n = 4,81, bei den übrigen Ver-
suchen ist noch kleiner; aus dieser Ursache gehören alle diese Versuche zum
zweiten Falle des Wasserstosses, und die anstossende Wassermenge richtet sich
(gemäss Seite 384) nach der Formel . Weil aber der Was-
serstoss sich zur gehobenen Last verhält, wie der Durchmesser der Welle (b = 2⅔) zum
Durchmesser des Rades (A = 35,1), so wollen wir die anstossende Wassermenge mit dem
letztern Verhältniss multipliziren, um sonach den Wasserstoss unmittelbar mit den geho-
benen Gewichten vergleichen zu können. Zu dieser Absicht ist das Gewicht der anstos-
senden Wassermenge nach der Formel berechnet, und
das Resultat für jeden Versuch insbesondere in die dritte Kolumne der folgenden Tabelle
gesetzt worden. In der vierten Kolumne befindet sich der Wasserstoss
. Die fünfte Kolumne enthält die
Stauung nach Seite 393 = K . g · . Wird hier statt c die Seite 398 angeführte
mittlere Geschwindigkeit = 116 Zoll und a = 0,95 Zoll gesetzt, so folgt hieraus die
Stauung = K · 181 · .
Der Widerstand der Luft wurde, den Erfahrungen des Herrn Bossut ge-
mäss, nur halb so gross als nach §. 291, nämlich angenommen.
Die Reibung richtet sich in dem vorliegendem Falle nach der Formel
, wo M das Gewicht des Rades (= 44 Pfunde), und Q
die angehängte Last an der Schnur bedeuten. Setzen wir den Reibungskoeffizienten
m = ⅛, und für die übrigen Buchstaben die vorhin angegebenen Werthe, so wird die
Reibung = 0,5 — .
In der achten Kolumne ist die Summe des gesammten Widerstandes der Stauung, Luft,
und Reibung von der Kraft des Wasserstosses (in der vierten Kolumne) abgezogen wor-
den. Die neunte Kolumne endlich enthält die Unterschiede der achten und zweiten
Kolumne.
[401]Versuche von Bossut mit unterschlächtigen Rädern.
Die Unterschiede in der letzten Kolumne sind so klein, dass man kaum eine genauere
Uibereinstimmung wünschen kann, vorzüglich vom 40ten bis 45ten Versuch, zwischen wel-
che der vortheilhafteste Wasserstoss fällt.
Bei den letzten zwei Versuchen würde sich noch eine genauere Uibereinstimmung
der Theorie und Erfahrung ergeben haben, wenn wir die Wassermenge, welche ne-
ben den Schaufeln vorbeifliesst, für diese Versuche besonders in Rechnung genommen
hätten.
§. 295.
Die merkwürdige Uibereinstimmung, welche die Resultate dieser von Bossut im
J. 1777 bekannt gemachten Versuche mit der aufgestellten Theorie geben, kann als der
richtigste Maasstab zur Begründung der letztern angesehen werden. Es ist indess nicht
zu zweifeln, dass sich auch bei den Versuchen von Smeaton eine grössere Uibereinstim-
mung zeigen würde, wenn er unsere Theorie gekannt und derselben gemäss seine Versuche
eingerichtet hätte. Da es nun von Wichtigkeit ist, noch mehrere Versuche hierüber an-
zustellen, so glauben wir, dass das Interesse dieser Versuche dadurch sehr gewinnen
würde, wenn man nebst dem von Smeaton beobachteten Verfahren immer ein und dasselbe
Gewicht beibehält und dagegen den Durchmesser der Welle oder des Korbes, um welchen
das Seil läuft, abändert oder denselben anfangs kleiner annimmt und dann nach und nach
vergrössert. Man wird hieraus sehen, dass die nämliche angehängte Last mit einerlei
Wasserrad, Wassermenge und Gefäll auf dieselbe Höhe in verschiedenen Zeiten gehoben
wird und man wird immer einen Durchmesser finden, bei welchem diess in der kürzesten
Gerstner’s Mechanik. Band II. 51
[402]Schiffmühlräder.
Zeit geschieht. Man sieht leicht ein, dass durch die Abänderung der Hebelsarme wohl
jede Last gehoben werden kann, dass jedoch das Minimum der Zeit, in welcher diese
Hebung verrichtet wird, nur durch das angemessene Verhältniss der Geschwindigkeit der
Radschaufeln zur Geschwindigkeit des Wassers erreicht werde.
§. 296.
Werden Mühlen auf Schiffe gesetzt, sonach unterschlächtig betrieben, so
können dieselben nach gleichen Grundsätzen wie die unterschlächtigen Mühlen behandelt
werden. Der Unterschied in ihrer Bauart besteht aber vorzüglich darin, dass die Schau-
feln der Schiffmühlräder viel grösser gemacht werden müssen, weil die Geschwindigkeit
des Wassers selbst in grösseren Flüssen nicht so bedeutend ist, als jene, welche das
Wasser in den meisten Mühlkanälen durch die Stauung des Wehres erhält.
Zur Bemessung der Wirkung der Schiffmühlräder dient sonach folgende Rechnung.
Fig.
13.
Tab.
56.Es sey die Geschwindigkeit des Flusswassers = c, die Geschwindigkeit der Radschau-
feln = v und die Entfernung der Schaufeln von einander = E, so erhalten wir, wie
bereits bei den frühern Rechnungen gezeigt wurde, die Zeit, in welcher diese Entfer-
nung E von den Radschaufeln zurückgelegt wird = und wenn dass Flusswasser in
derselben Zeit den Raum L O zurücklegt, so ist , demnach L O = . Da
nun für alle Punkte O', N, A, welche die Schaufel O o bei ihrem Einsinken in das Wasser
nach und nach berührt, dieselbe Gleichung Statt findet, sonach L O = L' O' = K N = H A
ist, so ergibt sich, dass zwischen jeden zwei hinter einander folgenden Schaufeln wäh-
rend ihrer Bewegung von der Oberfläche O bis zum niedrigsten Punkte A die Wasser-
menge L O O' N A H K L' L = L O . a A eingeschlossen wird.
Wir wollen nun untersuchen, wie viel von dieser Wassermenge die Schaufel O o auf
ihrem Wege von O nach A bis S wirklich erreichen könne und desswegen genöthigt
werde, seine Geschwindigkeit c in jene der Schaufel v zu verändern. Zu dieser Absicht
gibt uns der Umstand, dass die Räume O γ und L γ, wovon der erste von der Schaufel
mit der Geschwindigkeit v, der zweite L γ aber vom Wasser mit der Geschwindigkeit
c zurückgelegt wird, in einerlei Zeit beschrieben werden, die Gleichung
. Daraus folgt und wenn wir statt L O den
Werth E · setzen, so ist . Wenn demnach das anstossende Wasser
die Schaufel noch vor ihrem Austritte erreicht, so muss O γ kleiner als O S oder
E kleiner als n . E seyn, wenn nämlich n die Anzahl der an der Oberfläche
im Wasser gehenden Schaufeln bezeichnet. Für diesen Fall haben wir bereits bei den
unterschlächtigen Rädern die anstossende Wassermenge = a . b . c
gefunden. Wenn aber der Punkt γ hinter S fällt, sonach der Punkt L die Schaufel
vor ihrem Austritt aus dem Wasser nicht erreicht, welcher Fall vorzüglich bei einer
[403]Bewegungsmoment eines Schiffmühlenrades.
sehr langsamen Bewegung des Wassers Statt findet, so müssen wir zur Bestimmung derFig.
13.
Tab.
56.
anstossenden Wassermenge den Punkt U suchen, welcher die betreffende Schaufel bei
ihrem Austritte aus dem Wasser in S einholt. Weil der Raum O S mit der Geschwin-
digkeit v, der Raum U S mit der Geschwindigkeit c und beide in gleicher Zeit zu-
rückgelegt werden, so haben wir die Gleichung , woraus
U O = O S folgt. Auf gleiche Art ergibt sich unterhalb der Oberfläche des
Wassers in jeder horizontalen Linie L' U' O' S' die Länge des anstossenden Wasserfadens
U' O' = O' S' . Da für alle Punkte von der Oberfläche O bis an den tiefsten
Punkt A der Radschaufeln dieselbe Gleichung Statt findet, so folgt, dass die ganze zum
Stoss gelangende Wassermenge durch die Fläche U U' A N O' O angegeben und der Fläche
O S A gleich seyn werde. Nun können wir die Fläche O S A sehr nahe
= ⅔ O S.A a setzen, mithin wird die zum Stoss gelangende Wassermenge = ⅔ a · b · O S
seyn, wenn nämlich a die Höhe A a der Schaufeln und b ihre Breite bezeichnet.
Die zwischen zwei Schaufeln eingeschlossene Wassermenge L O O' N A H K L' L ver-
hält sich daher zu der zum Stoss gelangenden Wassermenge U O O' N A U' U wie
L O . a . b : ⅔ a . b . O S . Setzen wir nun statt L O den Werth E · , so haben
wir auch E · · b . a : ⅔ a . b . O S so wie der Wasserzufluss in jeder Sekunde
a . b . c zu der in jeder Sekunde anstossenden Wassermenge M'. Daraus folgt diese Was-
sermenge M' = ⅔ a . b . (c — v). Weil n die Anzahl der im Wasser gehenden Schau-
feln bezeichnet, so ist n . E = O S, demnach die anstossende Wassermenge
M' = ⅔ a . b . n (c — v).
Diese Formel muss statt der obigen in dem Falle gesetzt werden, wenn L O
grösser als U O oder wenn grösser als O S oder auch grösser als
n . E , folglich wenn die Anzahl der im Wasser gehenden Schaufeln n kleiner als
ist. In diesem Falle ist aber das Bewegungsmoment
. Da in die-
sem Ausdrucke nur die Grösse v (c — v)2 veränderlich ist, so findet das Maximum für
den Fall v = ⅓ c Statt.
- Setzen wir nämlich v = ⅚ c, so wird v (c — v)2 = 5/216 c3
- „ „ „ v = 4/6 c, „ „ v (c — v)2 = 16/216 c3
- „ „ „ v = 3/6 c, „ „ v (c — v)2 = 27/216 c3
- „ „ „ v = 2/6 c, „ „ v (c — v)2 = 32/216 c3
- „ „ „ v = ⅙ c, „ „ v (c — v)2 = 25/216 c3.
Diese Regel, dass v = ⅓ c seyn solle, wurde bereits von Parent angegeben; wir
sehen jedoch, dass sie nur für den Fall gilt, wenn n kleiner als oder n klei-
51*
[404]Anlage der Schiffmühlen.
Fig.
13.
Tab.
56.ner als 3/2 folglich wenn abwechselnd 1 und 2 Schaufeln im Wasser
gehen.
Setzen wir für v den gefundenen Werth ⅓ c, so ist das vortheilhafteste Bewegungs-
moment = 56,4 a . b . c . n · = 56,4 a . b . c · . Weil aber in dieser
Gleichung angenommen wird, dass alle Wasserfäden in gerader Richtung gegen die
Schaufeln fortgehen und so, wie es bei den geschlossenen Mühlgerinnen der Fall war,
zur Seite nicht ausweichen können, so haben mehrere Schriftsteller diese Gleichung
noch mit dem Verhältnisse des geraden zum schiefen Stosse zu multipliziren erachtet.
Dieses ist nach den Erfahrungen von Woltmann = ⅔ und nach der Erfahrung von Eytel-
wein = 0,7886. Nehmen wir mit Rücksicht auf die Erfahrungen den beinahe mittleren
Werth ¾ an, so erhalten wir das Bewegungsmoment, welches vom Wasser auf ein Schiff-
mühlrad ausgeübt wird = 56,4 a . b . c . n · , wornach die Anlage der Mühle ge-
macht werden kann.
§. 297.
Wir wollen nun annehmen, dass eine Schiffmühle zum Getreidemahlen eingerich-
tet werden soll. Nach den Seite 372 für das Mahlquantum der Prager Mühlen ange-
führten Versuchen folgt, dass zur Vermahlung von 30 Metzen Korn zu ordinärem Brod-
mehl das Bewegungsmoment 3500 nothwendig sey. Hieraus ergibt sich für das nöthige
Bewegungsmoment eines Schiffmühlenrades, welches dieselbe Quantität Korn vermahlen
soll, die Gleichung 3500 = 56,4 a · b · c · n · . Um in dieser Gleichung die An-
zahl n der im Wasser gehenden Schaufeln wegzuschaffen, können wir nach der Theo-
rie des Kreises ½ O S = setzen. Nehmen wir ferner die Anzahl aller
Schaufeln an der ganzen Peripherie = N an, so ist die mittlere Entfernung dieser
Schaufeln E = , folglich haben wir
. Setzen wir nun diesen Werth in die
obige Gleichung, so ergibt sich 3500 = 56,4 a · b · c · , woraus
die nöthige Grösse der Schaufeln a · b für jede Geschwindigkeit c des Wassers berechnet
werden kann.
Beispiel. Wir wollen annehmen, es sey die Geschwindigkeit des Wassers c = 6
Fuss, die kleinste Tiefe des Wassers sey gleich der Höhe der Schaufeln a = 3 Fuss, der
Halbmesser des Rades sey R = 9 Fuss und die Anzahl der Schaufeln an der Peripherie
der Anzahl der Radarme gleich, oder N = 6, so haben wir die Gleichung:
3500 = 56,4 · 3 · b · 6 · . Hieraus folgt die nöthige Breite der Rad-
schaufeln b = 23 Fuss.
[405]Anlage der Schiffmühlen.
Wir müssen jedoch hierbei erinnern, dass bei einer grössern Anzahl Schaufeln dieFig.
13.
Tab.
56.
Aufgabe auf den Fall der unterschlächtigen Räder zurückgeführt und dadurch auch
ein vortheilhafteres Bewegungsmoment erhalten werden könne. Zu dieser Absicht wol-
len wir in dem gegenwärtigen Falle die Zahl der Schaufeln N = 24 annehmen; dem-
nach ist die Entfernung derselben E = = 2,0 Fuss.
Wird nun mit dieser Entfernung in die an der Oberfläche des Wassers liegende Sehne
des Rades O S = = 13,4 Fuss dividirt, so ist die Anzahl der
im Wasser gehenden Schaufeln = = 7 beinahe. Weil wir nun bereits bei den
unterschlächtigen Rädern gesehen haben, dass bei einer so grossen Anzahl der zu
gleicher Zeit im Wasser gehenden Schaufeln die anstossende Wassermenge von der
herbei fliessenden a · b · c nicht merklich abweicht, so können wir das Bewegungsmoment
mit Rücksicht auf die zu beiden Seiten abfliessende Wassermenge
= ¾ . 56,4 a · b · c v setzen. Demnach ist die vortheilhafteste Geschwindigkeit
v = ½ c und das Bewegungsmoment = ¾ · 56,4 · 3 b · 6 · = 3500, woraus die nöthige
Breite der Radschaufeln b = 15,8 Fuss folgt.
Um die Einrichtung des Gehwerkes für den ersten Fall, wo N = 6 ist, anzuordnen,Fig.
14
und
15.
haben wir die Geschwindigkeit des Wasserrades im Mittelpunkte der Schaufeln
v = ⅓ c = 2 Fuss. Diese Gehwerke pflegen gewöhnlich mit einem Vorgelege versehen
zu seyn. Setzen wir die Geschwindigkeit des Stirnrades = v' und dessen Halbmesser
= B, den Halbmesser des Drehlings, welcher dieselbe Geschwindigkeit hat = D, die Ge-
schwindigkeit des Kammrades = v'' und dessen Halbmesser = E, den Halbmesser des
Getriebes, welches wieder die Geschwindigkeit v'' hat = F, endlich die Geschwindig-
keit des Mühlsteines am Orte des grössten Angriffes, nämlich in der Mitte, nach Seite 359
= 12 Fuss und den äussern Halbmesser des Mühlsteines nach Seite 372 für das Mahl-
quantum von 30 N. O. Metzen = 31 . ½ = 15,5 Zoll, so verhält sich
2 : v' = R — ½ a : B und v' : v'' = D : E, endlich v'' : 12 = F : 15,5 . ½, demnach
2 : 12 = (R — ½a) D . F : B . E . 15,5 . ½; hierinn ist R — ½ a = 9 — 1,5 Fuss = 90 Zoll; neh-
men wir ferner D = 9 Zoll und F = Zoll an, so folgt B . E = = 60 . 47;
es kann demnach B = 60 Zoll und E = 47 Zoll angenommen werden.
[406]
VII. Kapitel.
Oberschlächtige Räder, Kropfräder.
§. 298.
Die unterschlächtigen und Schiffmühlen-Räder werden gewöhnlich nur an grössern
Flüssen gebraucht, wo man nämlich eine grosse Wassermenge zu verwenden hat, und
dasjenige, was dem Wasser an Gefälle und an Geschwindigkeit gebricht, sehr leicht
durch grössere Schaufeln und hinlängliches Wasser ersetzen kann. In jedem Lande
kann jedoch nur ein kleiner Theil der Bewohner von den Vortheilen der grössern Flüsse
Gebrauch machen, während der grössere Theil derselben sich in Gebirgsgegenden be-
findet, wo das Wasser noch in mehrere kleine Bäche vertheilt ist. Da sonach in die-
sen Gegenden nur das Wasser aus kleinern Bächen zur Betreibung der Mühlen und an-
dern Maschinen verwendet, dagegen aber die nöthige Triebkraft durch ein grösseres
Gefälle ersetzt, und dem Wasser dadurch eine sehr grosse Geschwindigkeit gegeben
werden kann, so kamen die gewerbsfleissigen Bewohner dieser Gegenden wohl sehr
bald auf den Gedanken, das Wasser von oben auf die Schaufeln der Räder fallen zu las-
sen, damit auf solche Art das Wasser nicht bloss durch seine grössere Geschwindigkeit,
sondern auch durch sein Gewicht wirken und die Triebkraft des einfallenden Wasser-
strahls vermehren möchte. Diese Räder werden oberschlächtige Räder (Roues
à augets, Overshot Wheels) genannt.
1.
Tab.
60.
Die einfachste Art der oberschlächtigen Räder ist demnach jene, wo das Rad aus
einer starken Welle besteht, in deren Umfang unmittelbar Schaufeln eingesetzt und
beiderseits mit Kränzen versehen werden. Auf diese Räder, Walzenräder genannt,
stürzt das Wasser gewöhnlich aus einem mehrere Fuss oberhalb derselben liegenden
hölzernen Gerinne mit einer grossen Geschwindigkeit herab, wodurch den Rädern eben-
falls eine sehr grosse Geschwindigkeit beigebracht wird. Bei der Anlage dieser Rä-
der hatte man daher hauptsächlich den Zweck vor Augen, durch eine möglichst ein-
fache Vorrichtung eine sehr grosse Geschwindigkeit zu bewirken, wie diess z. B. bei
der Betreibung kleinerer Mühlsteine, der Bretsägen, bei Löffelmühlen u. s. w. der Fall ist.
2.
Eine verbesserte Art dieser Räder ist jene, wo das nach der Art der unterschläch-
tigen Räder gebaute, zur Bewirkung einer grössern Kraft mit einem grössern Halbmes-
ser versehene Rad inwendig mit einem Boden umgeben, das Mühlgerinne ebenfalls
schief gelegt und das einfallende Wasser in der Nähe des Scheitels auf das Rad ge-
[407]Verschiedene Arten der oberschlächtigen Räder.
leitet wird. Weil aber das Wasser hierbei nur eine kurze Zeit auf den Schaufeln ver-
weilet und sich sehr bald ausschüttet, so verfiel man wohl bald auf den Gedanken,
die Schaufeln nicht wie bei unterschlächtigen Rädern in die Verlängerung des Halb-
messers, sondern unter einem Winkel so einzusetzen, damit das Wasser zwischen dieFig.
3.
Tab.
60.
Schaufeln und den Boden des Radkranzes einfallen möge. Soll nun das Wasser lange
im Rade bleiben, so muss der Winkel, welchen die Schaufeln mit der Peripherie ma-
chen, sehr klein seyn. Ist diess aber der Fall, so erreichen zuletzt die Schaufeln bei
einer gegebenen Breite des Radkranzes den Boden nur auf grösserer Entfernung. Da-
durch entsteht der Nachtheil, dass die Schaufeln m n, p t … einander zu nahe kom-
men und den Inhalt der Zellen verengen, indem die Schaufeln selbst einen grossen
Theil des einfallenden Wassers verdrängen, demnach auch das Rad mit Holz überfüllt,
und zu schwer wird.
Um diesem Nachtheile zu begegnen, hat man von der Schaufel m n den Theil o n,Fig.
4.
welcher in dem Wasser q p t steht, weggelassen, und eine andere Schaufel o q in die
Oberfläche des Wassers p o q gestellt und eben so für die folgende auf gleiche Art die
Schaufel r s eingesetzt, wodurch der Vortheil erhalten wird, dass durch die Entfernung
des Theiles zwischen o und s der Inhalt des Wassers q p r s vergrössert und dass auch
statt des längern Theiles o n nur die kürzere Schaufel o q nöthig ist, wodurch also so-
wohl dem Wasser ein grösserer Inhalt als auch dem Rade mehr Leichtigkeit verschafft
wird und die Schaufeln nunmehr aus schmälern Bretern m o und o q zusammengesetzt
werden können, wogegen die nöthige Breite m n aus einem Stück nicht überall zu
finden ist.
Aus diesen Gründen bedient man sich gegenwärtig allenthalben der gebrochenen
Schaufeln. Es besteht nämlich eine jede Schaufel m o q aus zwei Theilen, wovon
der obere Theil m o, p r, … die Stoss- oder Setzschaufel und o q, r s, … die
Kropf- oder Riegelschaufel genannt wird; der zwischen zwei Schaufeln enthal-
tene Raum wird gewöhnlich eine Zelle genannt.
§. 299.
Bevor wir von der zweckmässigsten Bauart der Zellen eine Anleitung
geben können, wollen wir vorläufig die Forderungen anführen, denen ihre Bau-
art entsprechen soll.
Es sollen nämlich 1tens: die Zellen so beschaffen seyn, dass sie das Wasser leicht,
und ohne Hinderniss von oben aufnehmen, dasselbe bis zum niedrigsten Punkte des Ra-
des aufbehalten, dort aber auch ganz ausschütten, ohne einen Theil des Wassers an der
entgegengesetzten Seite mit in die Höhe zu nehmen. Man sieht bald ein, dass dieselben
einfachen Mittel, welche der leichtern Aufnahme des Wassers von oben zuträglich sind,
auch unterhalb das zu frühe Ausschütten befördern, dass also die Vermehrung der Wir-
kung an der obern Seite zugleich mit einer Verminderung an der untern Seite verbun-
den ist. Um eine grosse Wirkung hervor zu bringen, sollen sie
2tens: viel Wasser aufnehmen können, ohne dadurch mit Holz überladen und zu
schwer zu werden. Macht man zu dieser Absicht die Entfernung der Schaufeln gross,
[408]Grundsätze für den Zellenbau.
so wird das Rad zwar leicht, aber dasselbe erhält nur wenige Zellen, und kann demnach
nicht mehr Wasser aufnehmen, als diese geringe Anzahl zu fassen vermag. Stellt man
im Gegentheile die Schaufeln nahe zusammen, so erhält man viele Zellen, aber ihr Inhalt
wird klein, das Rad wird mit Holz überladen und schwer, und für das Wasser bleibt
abermals zu wenig Raum übrig.
3tens. Die Richtung des einfallenden Wasserstrahles muss mit der Richtung der
Setzschaufeln genau übereinstimmen, weil das Wasser durch eine schiefere Richtung
über das Rad hinweggeführt, durch eine zu seigere Richtung aber auf die rückwärtige
Seite der Setzschaufeln fallen und einen der Bewegung des Rades entgegenstehenden
Stoss bewirken würde. Ist nun der Winkel, den die Setzschaufeln mit der Periphe-
rie des Rades machen, gross, so fällt das Wasser unterhalb zu früh aus den Zellen;
ist aber dieser Winkel klein, so muss das Aufschlagwasser entweder auf einer grös-
sern Tiefe vom Scheitel in die Zellen geleitet, oder nahe beim Scheitel mit einer
grössern horizontalen Geschwindigkeit fortgetrieben, folglich mit einem höhern Wasser-
stand im Gerinne versehen werden. Es erhellet von selbst, dass beide Fälle zu einem
grössern Verluste vom Gefälle führen.
4tens. Die Bestimmung der vortheilhaftesten Geschwindigkeit des Wassers unter-
liegt gleichen Schwierigkeiten. Denn zu einer grossen Geschwindigkeit ist ein grosses
Gefälle des Gerinnes oder ein hoher Wasserstand vor der Schütze nothwendig, welche
Höhe dem Durchmesser des Rades und dem wirksamen Gefälle nothwendig entgeht.
Ist aber die Geschwindigkeit des einfallenden Wassers klein, und dagegen für die
zweckmässigste Arbeit eine grössere Geschwindigkeit der Radschaufeln nothwendig, so
kann das Aufschlagewasser nur erst dann auf die Schaufel wirken, nachdem es durch
seinen Fall, oder durch Beschleunigung in den Zellen, folglich immer auf Kosten des
vorhandenen Gefälles die Schaufeln eingeholt hat.
5tens. Nebst der vortheilhaftesten Höhe des Wasserstandes im Gerinne fordert
noch der Ort und die Stellung der Schützen, wie auch der Ort, wo das Wasser in
die Zellen fallen soll (wozu gewöhnlich die zweite oder dritte Zelle von oben vorge-
schlagen wird) ihre eigene Bestimmung.
Alle diese Gegenstände sind genauer mathematischer Rechnungen fähig, woraus
die Bedingnisse von selbst hervorgehen, unter welchen die Wirkung des oberschläch-
tigen Rades zu einem Maximum wird. Weil aber alle diese Gegenstände miteinan-
der zusammenhängen und jeder nur dann seine vortheilhafteste Wirkung äussert, wenn
auch alle übrigen ihre vollkommenste Grösse erhalten haben, wodurch also sechs bis
sieben Maxima zu gleicher Zeit Statt finden müssen, welches nicht leicht bei einer andern
Aufgabe der Fall ist; so erhellet von selbst, warum es bei allem Aufwande von Mühe
und Kosten so schwer und aus blossen Versuchen beinahe unmöglich war,
richtige allgemeine Regeln für die Anordnung der oberschlächtigen Wasserräder aus-
findig zu machen. Uiberhaupt ist bekannt, dass Erfahrungen und Versuche zur um-
ständlichern Kenntniss der Gegenstände zwar nothwendig, aber auch für sich selbst
dunkel sind und nur zu einseitigen Resultaten führen, wenn sie nicht durch eine Theo-
rie erklärt, und durch ihren Zusammenhang unter sich und mit andern bekannten Ge-
genständen deutlich gemacht werden.
[409]Bauart der oberschlächtigen Räder.
Wir werden in dieser Abhandlung erstens: den Bau der Zellen in Hinsicht auf
Inhalt, Leichtigkeit der Anfüllung und Gewinnung einer grossen hydrostatischen Höhe
betrachten, und hieraus die angemessenste Entfernung der Schaufeln, ihre Stellung und
Anzahl ableiten. Dann werden wir zweitens: die Wirkung des Wassers in mecha-
nischer Hinsicht, nämlich die Richtung des einfallenden Strahles, den Ort und die
Stellung der Schützen, die nöthige Höhe des Wasserstandes im Gerinne, sammt der
Geschwindigkeit und Fliehkraft des Wassers untersuchen, und hieraus die vortheilhaf-
teste Eintheilung des Gefälles, und die angemessenste Grösse des Rades für jedes ge-
gebene Gefälle zu bestimmen suchen.
§. 300.
Die gewöhnliche Bauart der oberschlächtigen Räder ist folgende:Fig.
1.
Tab.
61.
Bezeichnet A B die Höhe oder den äussern Durchmesser des Rades, so erhält dasselbe bei
grossen Rädern, die viel Wasser fassen sollen, 12 Zoll, bei kleinen 10 oder auch 9 Zoll
zur Breite des Kranzes A D, B E. Diese Breite theilt man in drei gleiche Theile, trägt
von D bis f ein Drittheil auf und beschreibt mit dem Halbmesser f C aus dem Mittelpunkte
C des Rades einen Kreis, welcher der Theilriss genannt wird. Man gibt nun dem Rade
gewöhnlich 3 mal so viel Schaufeln, als der äussere Durchmesser desselben Fusse hat und
theilt demnach den Theilriss in eben so viele gleiche Theile. Bezeichnet D den Durch-
messer des Theilrisses und E die Entfernung einer Zelle von der andern im Theilrisse,
so ist 3 D : 22/7 D = 1 : E, woraus E = 22/21 Fuss folgt; wir können demnach die Entfernung
einer Schaufel von der andern im Theilrisse mit 1 Fuss annehmen.
Die Richtung der Setzschaufeln wird gewöhnlich durch die Breite der
Breter bestimmt, aus welchen man selbe verfertigt. Denn würde man sie breiter ma-
chen, so müsste man selbe aus zwei Bretern zusammensetzen, was mühsam und unhaltbar
wäre. Man nimmt also die Breite des Bretes, welches gewöhnlich bei den 12 Zoll breiten
Kränzen zu 16 Zoll und bei den 9 Zoll breiten Kränzen zu 12 Zoll angenommen wird, in
den Zirkel, setzt den einen Fuss in den Punkt i des Theilrisses und schneidet mit dem
andern in der Peripherie des Rades ein, wodurch die Richtung h i der Setzschaufeln er-
halten wird, die auf solche Art eine Winkel von 30 Grad mit dem Theilrisse bilden.
Die Richtung der Kropfschaufeln bestimmt man auf eine doppelte Art:
Entweder legt man die Kropfschaufel in die aus i nach dem Mittelpunkte des Rades gezoge-
ne gerade Linie i k, oder in die auf die Richtung der Stosschaufel m r senkrecht gezogene
Linie m n (Fig. 2). Man befestigt endlich an dem innern Umfange D k c E der Kränze Breter,Fig.
2.
welche die Zellen nach der Mitte des Rades schliessen und der Boden genannt werden.
§. 301.
Wir wollen nun diese Konstrukzion den früher angeführten Forderungen an ein ober-
schlächtiges Rad entgegenhalten, zu welchem Behufe wir, um diesen Gegenstand mit der
nöthigen Deutlichkeit abzuhandeln, ein solches Rad von mittlerer Grösse in Fig. 1Fig.
1.
dargestellt haben. Der Durchmesser des Theilrisses beträgt hierbei 12 Fuss, die Breite
des Radkranzes 9 Zoll, die Breite der nach der Richtung des Halbmessers liegenden
Kropfschaufeln 3 Zoll, die Breite der Setzschaufeln 13 Zoll und der noch übrige Theil
Gerstners Mechanik. Band II. 52
[410]Bestimmung des wasserhaltenden Bogens.
Fig.
1.
Tab.
61.des Radkranzes vom Theilrisse bis an die äussere Peripherie beträgt 6 Zoll; mithin bilden
die Setzschaufeln mit dem Theilrisse sehr nahe einen Winkel von 30 Grad, die Anzahl
der Schaufeln ist 36, demnach die Entfernung derselben beinahe 12,6 Zoll.
Wenn wir nach diesen Maassen den Inhalt der Zelle a c d e berechnen, wo nämlich
a c in der Richtung des horizontalen Halbmessers liegt, so ist dieser Inhalt sehr nahe
= b e = 12,6 = 75,6 Quad.Zoll. Wird dieser Inhalt b e mit
der Entfernung b e dividirt, so findet man die mittlere Höhe des Wassers im Rade, wie
hoch nämlich das Rad angefüllt wäre, wenn das Wasser über der ganzen Peripherie des
Radbodens gleichförmig vertheilt wäre, und die Schaufeln zwischen dem Wasser gar kei-
nen Raum einnähmen. Diese Bestimmung ist in der bekannten Preisschrift: Enucleatio
quaestionis, quomodo vis aquae ad molas circumagendas cum maximo lucro im-
pendi possit? Auctore F. A. Euler, praemio ornato a societate regia scientiarum
Goettingensi. A. 1754 und seither in allen Lehrbüchern der Hydraulik bei der statischen
Berechnung der oberschlächtigen Räder angenommen worden. Die Höhe des soge-
nannten wasserhaltenden Bogens ist daher + b c;
ist nun a b = ⅔ a c, so ist diese Höhe = ⅔ a c, das Rad ist also bis auf ⅔ der Höhe des
Kranzes angefüllt, oder man kann annehmen, dass der Boden des Rades auf eine Höhe
von ⅔ a c mit Wasser überfüllt ist.
Hiervon muss aber, wenn bloss nach der im Rade enthaltenen Wassermenge gefragt
wird, der Inhalt der Kropfschaufel d e und Setzschaufel e a abgezogen werden. Nehmen
wir nun für die Stärke der Breter ¾ Zoll an, so haben wir die Fläche (3 + 13) ¾ = 12
Quad. Zoll; es bleibt demnach für das Wasser 75,6 — 12 = 63,6 Quadr. Zoll Raum übrig. Eben
so viel Wasser, als in dieser Zelle enthalten ist, ist auch in allen darüber liegenden Zel-
len vorhanden, wenn wir nämlich annehmen, dass von diesem Inhalte vom Scheitel bis
zum horizontalen Halbmesser nichts ausfliesst.
Unterhalb des horizontalen Halbmessers fangen die so weit gefüllten Schaufeln an,
ihr Wasser über die Setzschaufeln auszugiessen und dieses dauert so lange fort, bis die
Setzschaufel in die horizontale Lage kommt und demnach kein Wasser mehr zurückzuhal-
ten im Stande ist. Dieses geschieht auf der Entfernung v u oder 30 Grade vom tiefsten
Punkte, weil der Winkel u C v dem Winkel q v p gleich ist, und dieser, wie oben ge-
zeigt wurde, 30 Grad beträgt. Wir können demnach annehmen, dass der wasserhal-
tende Bogen nur bis zur Mitte des Bogens b v reiche, und weil b v = 90 — 30 = 60 Grad ist,
so wird der wasserhaltende Bogen noch 30 Grad unter den horizontalen Halbmesser
reichen. Demnach ist die Tiefe, wie weit das Wasser im Radkranze unter den horizon-
talen Halbmesser hinabreicht, dem halben Halbmesser C b gleich.
§. 302.
Diese Rechnungen geben nur die Querschnittsfläche des Wasserinhaltes, oder die
vertikale Durchschnittsfläche des wasserhaltenden Bogens. Wird diese Fläche noch
mit der Breite zwischen den Radkränzen multiplizirt, so ergibt sich der kubische
Inhalt des Wassers, welchen das Rad aufzunehmen fähig ist. Man
[411]Stellung der Kropf- und Setzschaufeln.
sieht von selbst, dass man durch eine hinlängliche Entfernung der Radkränze dieFig.
1.
Tab.
61.
Wassermenge bis zu jeder verlangten Grösse vermehren könne und dadurch in Stand
gesetzt werde, eine jede Last mit diesem Rade zu gewältigen. Da jedoch die Weite
nicht übermässig vermehrt werden darf, so wird es noch darauf ankommen, sowohl
die Breite der Radkränze, als auch die Länge des wasserhaltenden Bogens zu unter-
suchen, um davon gehörigen Gebrauch zu machen.
Wir haben bereits angeführt, dass einige Mechaniker die Breite der Radkränze
auf 12 und mehr Zolle vergrössern. Hierbei ist aber zu bemerken, dass diese Ver-
grösserung immer mit einem Verluste am Gefälle verbunden sey; wenn nämlich das
Gefälle und die Höhe, auf welcher das Wasser über dem Rade herbeigeführt wird,
gegeben ist, so kann die Vergrösserung der Breite der Radkränze nur nach innen
Statt finden, wodurch aber der Theilriss des Rades offenbar kleiner wird. Einige Hydrau-
liker haben zu derselben Absicht den Theilriss nicht auf ein Drittheil, sondern auf die
Mitte des Radkranzes gesetzt und dadurch ebenfalls eine Vergrösserung des wasserhal-
tenden Bogens erhalten. Im ersten Falle beträgt nämlich die Höhe des wasserhalten-
tenden Bogens b c + ½ a b = ⅔ a c = ⅔ b, wo b die Höhe des Radkranzes ist; wird aber der
Punkt b auf die Mitte gesetzt, so ist auf dieselbe Art die Höhe des wasserhaltenden
Bogens = b c + ½ a b = ½ b + ¼ b = ¾ b. Die Vermehrung beträgt daher 1/12 b oder den
12ten Theil von der Breite des Radkranzes. Wir werden aber sehen, dass in diesem Falle
der Zwischenraum zwischen den Setzschaufeln beinahe eben so viel kleiner wird, und wenn
man hierbei die Dicke der Radschaufeln berücksichtigt, so würde dieser Inhalt nur bei
einer sehr langsamen Bewegung des Rades mit Wasser angefüllt werden können.
Eine vortheilhaftere Anordnung gewährt die Verminderung des Winkels,
welchen die Kropfschaufeln mit dem Theilrisse bilden. Es sey Fig. 3Fig.
3.
der Winkel a b f, welchen die Oberfläche des Wassers oder die Richtung der Kropfschau-
fel mit dem Theilrisse macht, = λ und der Winkel a e b, welchen die Setzschaufel mit dem
Theilrisse bildet = μ. Setzen wir nun die Breite der Radkränze b = a g, dann a f = ⅔ b und
f g = ⅓ b, so ist die Seite a b = und f b = , eben so ist a e =
und e f = , folglich ist e b = . Demnach
ist der Flächeninhalt des Dreieckes a b e = und der Inhalt
b c d e = , folglich der Flächeninhalt von
a b c d e a = . Wird dieser Flächeninhalt mit e b dividirt, so erhalten
wir die Höhe des wasserhaltenden Bogens = ⅔ b, also eben so gross als wir ihn bei der
winkelrechten Stellung der Kropfschaufeln erhalten haben, und wir sehen hieraus, dass
die Winkel λ und μ, welche die Kropf- und Setzschaufeln mit dem
Theilrisse machen, auf die Höhe des wasserhaltenden Bogens kei-
nen Einfluss haben. Aber bei dieser Stellung der Schaufeln wird das Wasser
aus den Zellen erst auszufliessen anfangen, wenn die Richtung a b c horizontal wird;
dieses geschieht, wenn der Winkel u C b = λ ist, und die Zellen haben ihr Wasser ganz
52*
[412]Beispiel.
verloren, wenn die Linie v p horizontal oder der Winkel u C v = μ wird; wir können
demnach die gänzliche Entleerung auf die Mitte des Bogens b v in r setzen.
§. 303.
3.
Tab.
61.
Beispiel. Es sey λ = 60 Grad und μ = 30 Grad, so geht die Länge des wasser-
haltenden Bogens bis auf die Tiefe von 90 — λ + = 45 Grad
unter den horizontalen Halbmesser h C herab, wogegen wir bei der winkelrechten Stel-
lung der Kropfschaufeln nur 30 Grad gefunden haben. Es gibt demnach der wasserhal-
tende Bogen in dem gegenwärtigen Falle eine Wassersäule unter dem horizontalen Halb-
messer h C von der Höhe R . Sin 45 = 0,707 R, wogegen für den ersten Fall diese Höhe
nur 0,5 R betragen hat. Die Vergrösserung dieser Säule ist demnach ⅕ R.
Wir müssen nun noch die Länge der Setzschaufel a e und die Länge der Kropf-
schaufel e d, dann die Anzahl der Zellen suchen, welche das Rad in diesem Falle erhal-
ten muss. Wir haben bereits b e = gefunden; setzen wir nun, so wie
es hier der Fall ist λ = 2 μ, so ist b e = , folglich, wenn λ = 60 Grad, daher
Sin λ = ⅞ und b = 9 Zoll gesetzt wird, b e = Zoll = 4/7 Fuss. Die Peripherie des
Rades, wenn der Durchmesser 2 R desselben in Fussmass angenommen wird, ist 22/7 . 2 R;
dividiren wir diess mit der Entfernung b e = 4/7 Fuss, so ergibt sich die Anzahl der Zellen
= 22/7 . 2 R . 7/4 = 11 R. Die Anzahl der Theilpunkte ist daher 11 mal so gross als
der Halbmesser des Theilrisses Fusse hat. In unserm Falle war R = 6 Fuss, demnach
ist die Anzahl der Theilungspunkte oder die Anzahl der Zellen = 11 . 6 = 66.
Die Länge der Setzschaufeln war a e = , weil aber in unserm Falle μ = 30
Grad ist, so ist a e = ⅔ . 9 . 2 = 12 Zoll, also eben so gross als im ersten Falle an-
genommen wurde.
Die Länge der Kropfschaufeln b c ist offenbar = und weil λ = 60 Grad,
so ist b c = 9/3 . 8/7 = 3 3/7 Zoll, also nur um 3/7 oder beiläufig ½ Zoll grösser als im
ersten Falle.
Diese Bauart oberschlächtiger Räder kann demnach in praktischer Hinsicht gar
keinem Anstande unterliegen, weil die Grösse der Setz- und Kropfschaufeln, wie gross
immer der Halbmesser des Rades angenommen werden mag, dieselbe bleibt, und nur
die Anzahl der Schaufeln hier 11 mal und dort 6 mal so gross, als der Halbmesser
Fusse hat, angenommen werden muss.
Die Oeffnung b i zwischen zwei Zellen ist offenbar
= a b . Sin b a i = , oder wenn wir λ = 2 μ setzen, so ist
b i = , folglich weil μ = 30 Grad, ist b i = 3 . 8/7 = 3 3/7 Zoll.
[413]Wasserräder von Eisen.
Man könnte zwar durch eine noch grössere Verminderung der Winkel λ und μ denFig.
3.
Tab.
61.
wasserhaltenden Bogen noch mehr verlängern, aber dann würden die Maasse a e und b c
viel grösser, dagegen b e und b i kleiner, folglich die Anzahl der Schaufeln noch
mehr vergrössert und die Oeffnung für den Zufluss derselben vermindert werden. Das
letzte wäre vorzüglich bei hölzernen Schaufeln der Fall, weil durch die nothwendige
Dicke dieser Schaufeln die Grösse b i noch mehr vermindert und man sehr bald da-
hin kommen würde, dass sich die Schaufeln ganz schliessen.
§. 304.
Wir haben bereits oben gezeigt, dass zur Berechnung der Wassermenge, die das
Rad aufzunehmen fähig ist, von der Fläche a c d e der Flächeninhalt der Setz- und
Kropfschaufel abgezogen werden müsse. Hieraus folgt, dass die Schaufeln selbst so
dünne gemacht werden sollen, als es nur die nöthige Festigkeit erlaubt. Dieser Zweck
wird wesentlich befördert, wenn die Setz- und Riegelschaufeln von Metall-
blechen gemacht werden. In dieser Hinsicht verfertigt man bereits seit mehreren Jah-
ren in England solche Wasserräder von Eisen, wobei die Schaufeln von gewalztem Blech,
die Radkränze von eben solchem Blech oder Gussplatten, die Radarme oder Speichen
von Stabeisen und die Welle nebst den sie umgebenden Kränzen zur Einsetzung der
Speichen von Gusseisen sind. Bei andern Rädern sind Wellen, Speichen und Radkränze
von Eisen, die Schaufeln aber von schwachen hölzernen Bretern, endlich macht man
zuweilen die Wellen von Holz und umgibt sie mit gusseisernen Kränzen, an welche
schmiedeiserne Speichen und auf die letztern entweder eiserne oder hölzerne Radkränze
und Schaufeln befestigt werden. Die vorzüglichsten eisernen Räder dieser Art werden
in der Maschinenfabrik der Herren Fairbairn et Lillie, Engine makers et Engineers
in Manchester, Canal street, Nro. 122 verfertigt. Im September 1829, als der Heraus-
geber dieses Werkes die Fabrike besuchte, war daselbst ein ganz aus Eisen hergestell-
tes oberschlächtiges Rad verfertigt worden; dasselbe hatte einen Durchmesser von
60 Fuss, 12 Fuss Breite und war für einen Fall des Wassers von 57 Fuss hergestellt.
Die Kraft dieses Rades war 120 Pferden gleich angeschlagen; dasselbe kostete loco
Manchester 2400 liv. Sterling, und hatte ein Totalgewicht von 60 Tonnen oder 1089
N. Oe. Zentner. Aus dieser und einigen andern englischen Maschinen-Fabriken wur-
den in den letztern Jahren mehrere solche Räder nach Deutschland und vorzüglich in
die Schweiz gesendet. In Zürich und dessen Umgebung waren im Jahre 1829 bereits
gegen 20 solche eiserne Wasserräder aufgestellt, deren Vortheile man vorzüglich bei
Kropfgerinnen sehr gross fand. Die vortrefflich eingerichtete Baumwoll-Spinnfabrike
der Herren Escher, Wyss et Comp. in Zürich wird durch zwei unterschlächtige Was-
serräder betrieben, deren Wellen, Speichen und Radkränze von Eisen, die Schaufeln
aber von Holz sind. Diese Räder liegen an der Limat und werden durch eine Druck-
höhe von 35 Zoll betrieben; sie haben zusammen eine Breite von 30 Fuss, nämlich jedes
15 Fuss, die Schaufeln sind 30 Zoll hoch und stehen senkrecht auf der Peripherie des
Rades; beide Räder betreiben die, unter der einsichtsvollen Leitung der Herren Escher
Vater und Sohn, stehende Fabrike mit 12600 Spindeln sammt allen zugehörigen Maschi-
[414]Wasserräder von Eisen.
nen. Andere Räder von gleicher Konstrukzion sind in Getreidemühlen, Bretsägen und
andern Fabriken in und um Zürich aufgestellt.
In Frankreich wurden eiserne Wasserräder zuerst in der Fabrike von Ryssler, Dixon
et Comp. zu Cernay im Elsass verfertigt. Im Frühjahr 1829 wurde ein solches Rad bei
Lucern in dem Kupferwalzwerke, welches von Herrn Nikolaus Mayer angelegt wurde,
zur Zeit, als der Herausgeber dieses die Anstalt besuchte, aufgestellt. Dieses Rad war
oberschlächtig, hatte 30 Fuss im Durchmesser, 8 Fuss Breite und war an einer Welle von
Eichenholz befestigt. Das Gewicht desselben betrug 600 Zentner, wovon das gewalzte
Blech für die Schaufeln 120 Zentner ausmachte. Der Preiss dieses Rades war 42000 franz.
Franken oder 16800 Conv. Gulden.
In der 4ten Auflage des Werkes von Hachette, Traité des Machines befindet sich die
Beschreibung und Zeichnung eines solchen Rades, welches in England erbaut und zu
Wässerling im Elsass, departement du haut Rhin, Vallée St. Amarin bei einer
Spinnerei aufgestellt wurde. Diese Zeichnung ist abermals in dem Werke von Herrn Egen
Fig.
5
und
6.
Tab.
60.aufgenommen worden und erscheint auf der 60ten Tafel Fig. 5 im Grundrisse, Fig. 6 aber
in der Vorderansicht und dem Durchschnitte. Der äussere Durchmesser dieses Rades
ist 22,9 Fuss, seine Breite im Lichten misst 16,9 Fuss, die Radkränze sind 15 Zoll hoch,
die Anzahl der Zellen beträgt 70. Die Entfernung der Riegelschaufeln beträgt dem-
nach 1 Fuss. Die Kropf- und Riegelschaufeln bestehen aus einem Stück gewalzten
Blech, welches so gebogen ist, dass der Bug auf die Mitte des Kranzes fällt, dem-
nach unserer Bezeichnung zu Folge der Theilriss in der Mitte des Kranzes angenom-
men werden kann. Die Stellung der Setzschaufeln bildet mit der äussern Peripherie
einen Winkel von beinahe 26 Grad, die Riegelschaufeln liegen in der Richtung des
Halbmessers.
Durch diese Bauart können die Zellen zwar sehr viel Wasser aufnehmen, da je-
doch die Entfernung der Setzschaufeln von einander nur beiläufig den dritten Theil
von der Entfernung der Kropfschaufeln oder 4 Zoll beträgt, so würde, wenn die Zellen
sich ganz mit Wasser anfüllen sollten, die Geschwindigkeit des einfallenden Wassers
3 mal so gross seyn müssen, als die Geschwindigkeit des Rades oder der Kropfschau-
feln und dann würde der Punkt der gänzlichen Entleerung auf den Winkel von
90 — 26 = 64 Grad fallen. Es könnte demnach unter der Mitte des Rades nur eine
Wassersäule von 32 Grad Bogenlänge vorhanden seyn, und daher würde die Hälfte des
Halbmessers der Wirksamkeit des Rades entgehen. Zur Beseitigung dieser Nachtheile
bemerkt Herr Egen (Seite 194 seines Werkes) dass dieses Rad nur mit dem sechsten
Theile des Zelleninhaltes mit Wasser gefüllt werde, wobei aber der Grund so breiter
Radkränze und eines so grossen Inhaltes der Zellen unbeantwortet bleibt. Da unsere
Zellen nach der früher angeführten Theorie zwei Drittheile von der Breite des Rad-
kranzes füllen können, so erhellet, dass man für dieselbe Wirkung bei dem Rade in
Wässerling mit der Hälfte oder höchstens zwei Drittel der Breite der Radkränze nach
unserer Bauart auslangen konnte. Hätte nämlich der Kranz bei diesem Rade statt 15 Zoll
bloss 9 Zoll Höhe erhalten, so würde man oben 15 — 9 = 6 und eben so unten
15 — 9 = 6 Zoll, demnach zusammen 12 Zoll am Hebelsarme des Rades und am wirk-
[415]Wasserräder von Eisen.
samen Gefälle gewonnen haben, welches selbst für dieses Rad bei seinem bedeutendenFig.
5
und
6.
Tab.
60.
Durchmesser nicht gering zu achten ist. Auch wäre noch zu bemerken, dass durch das
ungeheure Gewicht des Rades die Frikzion in den Zapfenlagern sehr vermehrt und da-
durch der wirksamen Kraft des Wassers ein bedeutender Theil entzogen wird. Wir glau-
ben demnach, dass man die früher vorgetragenen Grundsätze auch bei dem Baue solcher
eiserner Räder mit Vortheil gebrauchen dürfte.
Uibrigens sind die Kränze und die Welle dieses Rades von Gusseisen, die Arme aber
von Schmiedeeisen. Die Welle ist so geformt wie es der Grundriss Fig. 5 in punktirten
Linien darstellt, woraus man ersieht, dass gegen beide Ende derselben Scheiben ange-
gossen sind, an deren jeder 20 Arme durch Schrauben befestigt wurden. Davon stehen
10 mit s bezeichnet senkrecht und stützen die Radkränze an ihrem Umfange, 10 andere
mit m bezeichnet stehen schräge und vereinigen sich paarweise in der Mitte unter dem
Radkranze, um auf diese Art die konzentrische Bewegung des Rades sicher zu stellen.
Das Wasser strömt auf dieses Rad durch ein eisernes Gitter a, dessen flache Schie-
nen den Strahlen gerade die Richtung geben, damit das Wasser genau parallel mit den
Setzschaufeln und demnach ohne einen nachtheiligen Anstoss zu veranlassen, in die
Zellen gelange. Das Zuleitungsgerinne und die Schütze sind ebenfalls von Gusseisen
und die Schütze wird durch das gezähnte Rad b so gestellt, dass das Wasser nicht unter,
sondern bloss über derselben hinweg fliesst. Das Gewicht der Schütze wird durch
das Gegengewicht c aufgewogen. Endlich ist bei d ein Gitter angebracht, um fremde
Körper zurückzuhalten. Welcher Vortheil dadurch entsteht, dass das Gerinne nicht
über der Mitte das Rades steht, sondern seitwärts angebracht ist, werden wir bei der
nachfolgenden Theorie näher untersuchen.
Wir glauben jedoch bereits jetzt schon auf die Vortheile aufmerksam zu machen, wel-
che die neuere mit dem Baue eiserner Räder gewöhnlich verbundene englische Konstruk-
zion dadurch gewährt, dass der Radkranz eines solchen oberschlächtigen, oder auch unter-
schlächtigen Rades mit angegossenen Zähnen versehen ist, welche unmittelbar in das
Getriebe A eingreifen. Diese Zähne sind bei manchen Rädern gegen die innere Peri-
pherie des Radkranzes, wie Fig. 6 bei dem Rade in Wässerling, bei andern englischen
Rädern aber am äussersten Umfange des Radkranzes angegossen. Im ersten Falle muss die
Welle des gezähnten Rades A auf einem seitwärts des Wasserrades in der Höhe ange-
brachten Zapfenlager B und auf einem zweiten innerhalb des Mühlgebäudes vorhandenen
Lager ruhen, so dass das Rad A über das erste Lager B hervorsteht; im zweiten Falle
kann das erste Lager sich über dem Wasserrade befinden, wornach das gezähnte Rad A
zwischen seinen beiden Lagern befestigt ist. In beiden Fällen ist es einleuchtend, dass die
Anzahl der Umdrehungen des Rades A selbst bei einer langsamen Bewegung des Wasser-
rades sehr bedeutend werden könne. Wenn z. B. der Halbmesser des Rades A = 9 Zoll
und der Halbmesser oder die Entfernung der am Umfange des Wasserrades angegossenen
Zähne 9 Fuss beträgt, so wird auch das Rad A in derselben Zeit 12 Umläufe beschreiben,
in welcher das Wasserrad sich einmal herumdreht. Wir haben bei der Beschreibung der
unterschlächtigen Mahlmühlen Seite 377 gesehen, dass man zur Bewirkung der erforder-
lichen Geschwindigkeit des Mühlsteines ein Vorgelege und demnach immer 3 Wellen be-
nöthigt. An der ersten horizontalen Welle befindet sich nämlich das Wasserrad und das
[416]Statisches Moment des wasserhaltenden Bogens.
Stirnrad, an der zweiten horizontalen Welle der Drehling und das Kammrad, an der dritten
Welle endlich steckt das vertikal stehende Getriebe mit dem oben befestigten Läufer. Weil
man nun durch die vorangeführte englische Konstrukzion dem gezähnten Rade A so-
gleich die gehörige Geschwindigkeit geben kann, so wird bei dieser Einrichtung das
Stirnrad ganz erspart und die Welle des Wasserrades wird viel kür-
zer und braucht bei weitem nicht jene Stärke zu besitzen, welche zur Anbringung der
Arme für die Stirnräder nöthig ist. In dieser Hinsicht wäre daher diese Konstrukzion
allgemein zu empfehlen, und sie würde auch bei hölzernen Rädern anzuwenden seyn,
wenn dieselben einen vollkommen konzentrischen Gang haben.
Welchen Vortheil der Bau eiserner Räder bei Kropfgerinnen verursache, werden wir
bei der Theorie derselben noch näher kennen lernen.
§. 305.
Die bisherigen Betrachtungen über den Bau der Zellen betreffen hauptsächlich den
Inhalt des Wassers, welches die Zellen aufzunehmen vermögen, und zugleich den Ort
wo das Wasser aus den Zellen ausfliesst und seine Wirksamkeit endet. Es ist nun noch
übrig, dasselbe für den Einfluss, wo nämlich die Wirksamkeit des Wassers anfängt, und
dann die Grösse der gesammten Wirksamkeit des Wassers in allen
Zellen vom Einflusse bis zum Ausflusse zu bestimmen.
4.
Tab.
61.
Wir haben bereits oben gezeigt, dass in jeder Zelle von beiden Seiten des Theil-
risses gleiche Wassermengen sich vorfinden und dass man in dieser Hinsicht das gesammte
Wasser als eine angefüllte konzentrische Ringfläche betrachten könne, in deren Mitte
sich der Theilriss befindet. Wenn wir nun diese Ringfläche in mehrere einzelne Ele-
mente m m' n' n, n n' o' o, o o' p' p .... zerlegen und die Breite des Rades zwischen den
Kränzen = B setzen, so ist der Inhalt eines jeden Wasserelementes = m m' . a b . B und
das Gewicht desselben ist, wenn alle Maasse in N. Oe. Fussen verstanden werden
= 56,4 . m m' . a b . B. Ziehen wir aus der Mitte v des Elementes a b die senkrechte v w,
so ist das statische Moment dieses Elementes = 56,4 . m m' . a b . B . C w. Ziehen wir
ferner aus den Punkten a und b die horizontalen Linien a a' und b b' und auf diese die
winkelrechte b t, so ist das Dreieck a b t dem Dreiecke v C w ähnlich, und wir erhalten
a b : b t = C v : C w, folglich ist das Produkt a b . C w = b t . C v = a' b' . C A, demnach
ist das statische Moment des obersten Elementes, wenn dieser Werth substituirt wird
= 56,4 . m m' . B . a' b' . C A. Auf gleiche Art ist für das nächstfolgende Element
n n' o' o das statische Moment = 56,4 . n n' . B . b' c' . C A, u. s. w. Hieraus sieht man
von selbst, dass die Summe der statischen Momente aller Elemente des Wasserbogens
von a bis A = 56,4 . M N . B . a' A . C A sey. Auf gleiche Art ist für den untern Bogen
von A bis zum Ausflusse u, die Summe aller Momente = 56,4 . M N . B . A u' . C A; demnach
ist das statische Moment für den angefüllten Radbogen von a bis u = 56,4 . M N . B . a' u' . C A
oder dem Gewichte eines Wasserprisma gleich, welches die Quer-
schnittsfläche M N . B des waserhaltenden Bogens zur Basis und den
lothrechten Abstand zwischen dem Anfange und dem Ende des was-
serhaltenden Bogens a' u' zur Höhe, endlich zum Hebelsarme den
Halbmesser des Theilrisses hat. Die Wirksamkeit eines oberschlächtigen Rades
[417]Einfluss des Wassers in die Zellen.
ist also u m so grösser, je grösser die Querschnittsfläche des wasserhaltenden Bogens und
je grösser die lothrechte Höhe a' u' vom Einflusse bis zum Ausflusse des Wassers ist.
§. 306.
Da wir zur Vermehrung der Höhe A u' bereits das erforderliche bemerkt haben, so
kommen wir nunmehr zu den nöthigen Betrachtungen über den Einfluss des
Wassers. Weil aber das oberschlächtige Rad nicht bloss durch das Gewicht des
Wassers, sondern auch durch den Stoss des einfallenden Wasserstrahles
bewegt wird, so müssen wir diesen Gegenstand allgemeiner und zwar in dieser doppelten
Hinsicht behandeln.
Es sey P L Q J das Querprofil des Wassers, welches auf dem Gerinneboden zurFig.
5.
Tab.
61.
Oeffnung J, durch welche das Wasser auf das Rad fällt, zugeleitet wird und J L sey die
Schütze. Die Höhe des Wasserstandes im Gerinne über der Mitte der Oeffnung sey
K H = h; die Höhe von der Mitte der Schützenöffnung bis zum Theilriss sey H A = a.
Es sey D der Punkt, wo der Wasserstrahl in den Theilriss einfällt; man ziehe durch
den Punkt D die horizontale D B und setze die Höhe A B = z, den Winkel vom Scheitel A
bis D, wo der Wasserstrahl in den Theilriss einfällt A C D = w; den Winkel, welchen der
ausfliessende Wasserstrahl mit dem Boden des Gerinnes macht, T J i = ν; den Halbmes-
ser des Theilrisses A C = R, die bekannte Fallhöhe der schweren Körper in der ersten Se-
kunde = g, endlich die Wassermenge, welche in jeder Sekunde unter der Schütze aus-
fliesst, und in die Zellen des Rades fällt = M.
Wir haben oben bei dem Ausflusse durch Oeffnungen gezeigt, dass die Geschwindig-
keit, mit welcher das ausströmende Wasser winkelrecht auf die Fläche der Schütze J L
ausfliesst ist. Diese Geschwindigkeit J i lässt sich in die horizontale
und in die lothrechte zerlegen.
Die Richtung des austretenden Wassers J i wird nach seinem Austritte aus der
Oeffnung, wie wir bereits an mehreren Orten gezeigt haben, in die parabolische
Linie J D umgebogen, wobei die horizontale Geschwindigkeit nicht geändert, aber die
senkrechte durch die Schwerkraft beschleunigt wird. Die Geschwindigkeit in D nach
der Richtung des Strahles D f ist nämlich . Weil
aber die horizontale Geschwindigkeit durch die Beschleunigung nicht vermehrt wird, so
wollen wir aus D die horizontale Linie ziehen. Aus diesen
beiden Geschwindigkeiten lässt sich nun der Winkel E D f finden, den die Richtung des
Strahles in D mit der Horizontallinie macht, es ist nämlich
. Es leuchtet von selbst ein, dass die Richtung
des einfallenden Wassers zur Richtung der Setzschaufeln parallel seyn, folglich mit dem
Theilrisse A D denselben Winkel machen müsse, den wir oben μ genannt haben. Setzen
wir zu diesem Winkel den Winkel A D B, den nämlich der Theilriss mit der Horizon-
talen B D macht, welcher auch dem Winkel A C D = w ist, noch hinzu, so haben wir
μ + w = E D f, folglich ist Cos (μ + w) = . Daraus folgt die
Höhe des Wasserstandes im Gerinne .
Gerstner’s Mechanik. Band. II. 53
[418]Statisches Moment des Rades.
4
und
5.
Tab.
61.
Die Bewegung des Wassers nach der Richtung D f lässt sich abermals in die zwei
Theile D F nach der Richtung der Peripherie und in D d nach der Richtung des Halb-
messers zerlegen. Die erste D F liegt in der Richtung des Theilrisses und da die mitt-
lere D f in der Richtung der Setzschaufeln liegt, so machen sie mit einander den Winkel
μ = f D F. Demnach ist die Geschwindigkeit nach der Richtung des Theilrisses, nach
welcher sich nämlich das Rad bewegt, D F = D f . Cos μ = ,
die wir gleich c setzen wollen; die zweite D d liegt in der Richtung des Halbmessers
und wird demnach von der Achse der Welle aufgehalten und entfällt in dieser Hinsicht
aus der Rechnung für den Wasserstoss. Bewegt sich nun das Rad langsamer oder mit
einer kleinern Geschwindigkeit als c, so entsteht ein Wasserstoss, dessen Grösse aus der
Gleichung 56,4 M bestimmt wird, wo nämlich M die in einer Sekunde in die Zellen
des Rades fliessende Wassermenge und v die Geschwindigkeit des Rades bezeichnet; das
statische Moment dieses Stosses ist = 56,4 M R, hierzu muss aber noch das stati-
sche Moment des wasserhaltenden Bogens addirt werden. Zu dieser Absicht wollen wir die
Querschnittsfläche des wasserhaltenden Bogens = M N · B mit f bezeichnen. Weil wir
aber den Raum, den die Querschnittsfläche m m' in einer Sekunde beschreibt v nennen,
so ist M offenbar = f · v, also . Ferner ist die Höhe a' A offenbar = B C = R · Cos w
und die untere Höhe A u' des wasserhaltenden Bogens ist auf gleiche Art
; mithin ist das statische Moment des wasserhaltenden Bogens
. Wird nun dieses zu dem statischen Mo-
mente des Rades addirt, so erhalten wir das gesammte Moment
. Wir haben aber bereits bei
der Anwendung der thierischen Kräfte, bei dem Wasserstosse an unterschlächtige Räder
und an andern Orten der Mechanik gezeigt, dass der Effekt oder die in einer bestimm-
ten Zeit geleistete Arbeit dem Produkte aus der Kraft in die Geschwindigkeit v des beweg-
ten Körpers gleich sey. Wir erhalten demnach den Effekt in einer Sekunde
. Wenn nun R, w, λ und μ ge-
geben sind, so ist der Effekt am grössten, wenn die Geschwindigkeit des Rades v = ½ c
gemacht wird; dieser Effekt ist demnach .
Wir sehen, dass der Effekt nebst der Wassermenge M auch von den Höhen ,
R . Cos w und R . Cos ½ (λ + μ) abhängt. Das Wasser wäre am vollkommensten ver-
wendet, wenn diese Höhe der ganzen Gefällshöhe vom Oberwasser bis zum
Unterwasser K Y gleich seyn könnte. Diese ganze Höhe K Y ist
= K H + H A + A W + W Y = h + a + 2 R + a, wenn nämlich für das untere Freihängen
des Rades bis zum Theilrisse, W Y = H A = a angenommen wird. Ziehen wir von diesen
[419]Bestimmung der Stellung der Schütze.
Grössen die vorigen ab, so gibt uns der Unterschied den Verlust am GefälleFig.
5.
Tab.
61.
= h + a + 2 R + a — — R . Cos w — R . Cos ½ (λ + μ). Es muss also
dafür gesorgt werden, dass dieser Verlust so klein als möglich gemacht werde. Nun ist
aber R — R . Cos w = z, folglich ist der Verlust am Gefälle auch
= h + a + z — + a und weil
, so ist der Verlust am Gefälle
= (h + a + z) + a. Diesen Verlust am Ge-
fälle wollen wir in zwei Theilen behandeln, wovon der erste (h + a + z)
durch Grössen bestimmt wird, die bei dem Einflusse zu berücksichtigen sind, und der
zweite R + a den Abgang des Gefälles für die untere Wasser-
säule betrifft. Bei dem ersten Theile wird der Faktor 1 — ½ Cos2μ durch die Stellung
der Setzschaufeln bestimmt, diesen müssen wir also als gegeben annehmen; bei dem
zweiten Faktor wollen wir zuerst die Grösse h oder die Höhe des Wasserstandes im Ge-
rinne betrachten. Oben war . Soll nun diese Höhe klein
werden, so muss im Nenner Cos2ν möglichst gross, folglich ν = 0 gesetzt werden
oder die Stellung der Schütze J L muss lothrecht seyn; in diesem Fall
erhalten wir . Wird nun dieser Werth in h + a + z gesetzt,
so erhalten wir die Höhe von der Oberfläche des Wassers im Gerinne bis zum Orte, wo
der Strahl in D einfällt, .
Diese wird ein Maximum, *) wenn R . Sin w . tang (μ + w) = 2 (a + R — R . Cos w) ist.
§. 307.
Da der Wasserstrahl bei seinem Ausflusse aus der Oeffnung J wegen dem lothrechten
Stande der Schütze die horizontale Richtung haben muss, so ist ersichtlich, dass der
parabolische Bogen nur durch die horizontale Geschwindigkeit und durch den
Fall der schweren Körper von der Höhe a + z bestimmt werde; demnach ist die Zeit, in
welcher die Höhe H B zurückgelegt wird, . Weil nun aber der horizon-
tale Raum J S von J bis zur senkrechten Linie durch D in derselben Zeit mit der Ge-
schwindigkeit beschrieben wird, so ist
53*
[420]Bestimmung des einfallenden Wasserstrahles.
Fig.
5.
Tab.
61.Setzen wir nun an die Stelle von h seinen oben gefundenen Werth , so erhal-
ten wir den horizontalen Raum . Substituiren wir weiters für tang (μ + w)
den gefundenen Werth , so ergibt sich J S = R . Sin w, also muss die Entfer-
nung J S gerade so gross seyn als B D, folglich muss die Schütze lothrecht
über dem Mittelpunkte des Rades stehen, und das Gerinne, wo-
durch das Wasser in die Zellen des Rades geleitet wird, in dersel-
ben lothrechten Linie endigen.
6.
Zur grössern Uiberzeugung von der Richtigkeit der bisher geführten Rechnungen
wollen wir die Gleichung R . Sin w . tang (μ + w) = 2 (a + R — R . Cos w) = 2 (a + z)
näher betrachten. In derselben ist R . Sin w = B D, und weil der Winkel B D O = μ + w,
so ist R . Sin w . tang (μ + w) = B O; nun ist aber nach der Eigenschaft der paraboli-
schen Linie H D die Subtangente B O = 2 B H; weil aber B H = a + z, so sehen
wir, dass die obige Gleichung mit der Eigenschaft der parabolischen Bahn des Strah-
les genau übereinstimmt. Wir können also mit voller Sicherheit den Winkel w aus der
Gleichung R . Sin w . tang (μ + w) = 2 (a + R — R . Cos w) bestimmen. Wenn wir diese
Gleichung mit 2 R dividiren, so erhalten wir ½ Sin w . tang (μ + w) + 1 — Cos w.
Da diese Gleichung keine algebraische Auflösung zulässt, so wollen wir dieselbe
vorläufig für einen bekannten Fall versuchen. Wir haben schon im Vorherge-
henden gesehen, dass zur Erzielung einer hohen Wassersäule die Grössen
R . Cos w + R . Cos ½ (λ + μ) gross, folglich die Winkel w und μ möglichst klein seyn
müssen. Wir können also statt tang (μ + w) den beinahe gleichen Werth Sin μ + Sin w,
dann Cos w = Sin2 w setzen; dadurch erhalten wir
Sin w . Sin μ + Sin2 w = + Sin2 w, woraus R . Sin w . Sin μ = 2 a folgt.
Setzen wir nun den Winkel, welchen die Setzschaufeln mit dem Theilrisse machen,
μ = 30 Grad, so ist Sin μ = ½. Daraus folgt 4 a = R . Sin w = B D. Wenn wir also
a = 1 Fuss und die Entfernung der Theilpunkte, wie gewöhnlich auch = 1 Fuss set-
zen, so sehen wir, dass der Wasserstrahl in die 4te Zellen fallen müsse; ist aber
a nur = ¾ Fuss ist, so ist R . Sin w = 3 Fuss, also muss der Wasserstrahl in die 3te Zel-
le fallen. Hieraus ist die bekannte Regel der Praktiker ersichtlich, vermöge welcher
der Wasserstrahl in die 3te oderte Zelle des oberschlächtigen
Rades fallen soll. Da es aber von Wichtigkeit ist, den Winkel w genau zu be-
stimmen, um davon sowohl zur Bestimmung der Höhe des wasserhaltenden Bogens
C B = R . Cos w als auch der Wasserstandshöhe im Schussgerinne
Gebrauch zu machen, so haben wir den Winkel w in der nachfolgenden Tabelle be-
rechnet.
Die Methode, deren man sich bei dieser Rechnung bediente, wollen wir im fol-
genden Beispiele zeigen. Hierbei haben wir die Grösse a zur Einheit und zum
Maasstabe des Halbmessers R angenommen; weil a bei unsern gewöhnlichen Rädern beina-
[421]Bestimmung des einfallenden Wasserstrahles.
he 1 Fuss beträgt. Da man in der 2ten Kolumne der folgenden Tabelle bereits die Winkel w für
alle Verhältnisse für von 1 bis 30, folglich für Räder von 2 bis 60 Fuss im Durch-
messer des Theilrisses berechnet hat, es demnach nur auf die Bestättigung der Rech-
nung ankommen kann, so wollen wir in unserem Beispiele R = 10 a, also = 0,1
und μ = 30 Grad annehmen und den Winkel w näherungsweise bestimmen. Zu die-
ser Absicht sey w = 15° 30Min. und dann w = 15° 40Min.; wir haben also, wenn diese
zwei Werthe für den Winkel w gesetzt werden, folgende 2 hypothetische Gleichungen
= 0,1 + 1 — Cos 15° 30Min.
und = 0,1 + 1 — Cos 15° 40Min.. Setzt man nun nach
den Sinustafeln die Werthe, so ist nach der ersten Gleichung = 0,1 + 0,0364
und nach der zweiten Gleichung = 0,1 + 0,0372. Werden nun diese Glei-
chungen reduzirt, so ergibt sich aus der ersten die hypothetische Gleichung 0,1360 = 0,1364
und aus der zweiten 0,1382 = 0,1372. Aus der ersten Gleichung folgt, wenn das 1te Glied
vom 2ten abgezogen wird, der Fehler + 0,0004 und wenn auf gleiche Art in der 2ten Glei-
chung verfahren wird, so ergibt sich der Fehler — 0,0010; demnach haben wir nach der
bekannten Regel von 2 falschen Sätzen: der Unterschied der 2 herausgebrachten Fehler
+ 0,0004 + 0,0010 zum Unterschied der angenommenen Hypothesen 15° 40Min. — 15° 30Min., wie
ein herausgebrachter Fehler 0,0004 zum Fehler der 1ten Hypothese, oder 14 : 10Min. = 4 : 2,9Min.,
also ist w = 15° 30Min. + 2,9Min. = 15° 33Min., so wie er in der Tabelle angeführt wor-
den ist.
Es kommt nun noch darauf an, die übrigen Grössen zu finden, wodurch die Wirkung
des oberschlächtigen Rades nach der Gleichung Seite 418
zu bemessen ist.
Die 3te Kolumne enthält die Entfernung des Punktes D, wo der Strahl in den
Theilriss einfällt, B D = R Sin w.
Die 4te Kolumne enthält die Höhe des Wasserstandes h über der Mitte der Aus-
flussöffnung.
Die Grösse h wurde = gefunden, weil aber
tang ist, so haben wir auch . Dieser Ausdruck
lässt sich aber allgemeiner auf folgende Art konstruiren : Weil B H = H O = a + z = ½ O BFig.
6.
Tab.
61.
ist, so können wir aus H zu O D die parallele Linie H P ziehen, so wird
B P = ½ B D = ½ R . Sin w seyn; ziehen wir nun auf H P die winkelrechte P Q, so ist
aus der Aehnlichkeit der Dreiecke B H : B P = B P : B Q, oder
a + z : ½ R . Sin w = ½ R . Sin w : B Q; also B Q = = h oder der Höhe
des Wasserstandes H K ober der Mitte der Oeffnung.
[422]Bestimmung der Entleerung der Zellen.
Die 5te Kolumne enthält die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser aus dem Ge-
rinne unter der Schütze ausfliesst = .
Die 6te Kolumne enthält die Geschwindigkeit des Rades .
6.
Tab.
61.
Die 7te Kolumne enthält die Grösse oder weil
Cos2μ = ¾, so ist . In Fig. 6 ist die Linie H B in J in zwei
Theile getheilt; wäre μ = 0, also Cos μ = 1, so würde zu der Wassersäule C B = C' D'
noch die Grösse B J = D' J' addirt, woraus man ersieht, dass von dem ganzen Gefälle
an der obern Hälfte des Rades K J = ½ K B verloren geht. Dieser Verlust ist wegen
der Stellung des Gerinnes über dem Wasserrade und wegen den Gesetzen des Wasser-
stosses, so wie wir bereits bei unterschlächtigen Rädern gezeigt haben, unvermeidlich.
Weil aber der Winkel μ = 30, folglich Cos2μ = ¾ ist, so kommt in dieser Hinsicht
nur die Wassersäule D' i = ¾ D' J' zuzusetzen. Man sieht aus dieser Zeichnung den
unbedeutenden Einfluss, den der Winkel μ auf die Grösse der Wassersäule C' i am obern
Theile des Rades verursacht.
Die 8te Kolumne der Tabelle enthält die Höhe des wasserhaltenden Bogens für den
obern Theil nämlich R . Cos w.
Die 9te Kolumne enthält die wirksame Wassersäule an der obern Hälfte des Rades
oder die Summe der Zahlen in der 7ten und 8ten Kolumne.
Die 10te Kolumne enthält die ganze verwendete Gefällshöhe für die obere Hälfte
des Rades nämlich h + a + R.
Die 11te Kolumne enthält den Verlust, welcher sich ergibt, wenn die wirksame
Wassersäule in der 9ten Kolumne von der verwendeten Gefällshöhe in der 10ten Kolumne
abgezogen wird.
Die 12te Kolumne enthält den Verlust nach Prozenten, welcher sich ergibt, wenn
die Zahlen der 11ten Kolumne mit den Zahlen der 10ten Kolumne dividirt werden.
Bevor wir die wirksame Wassersäule unter dem horizontalen Halbmesser des Rades be-
rechnen, müssen wir noch die Aenderungen untersuchen, welche die Oberfläche des Was-
sers in der ersten und zuletzt ausgiessenden Zelle durch die Fliehkraft erleidet. Wenn
wir die Geschwindigkeit, welche im Theilrisse Statt findet, v nennen, so haben wir §. 104
Seite 143 gezeigt, dass durch die Fliehkraft jedes Wassertheilchen q nach der Rich-
tung des Halbmessers auswärts mit einer Kraft getrieben werde, welche ge-
Fig.
7.funden worden. Wenn wir nun aus dem Punkte M auswärts die Linie
und das Gewicht des Theilchens q in der senkrechten Richtung = M S setzen, so
gibt uns die Diagonallinie des Parallelogrammes M J Q S die Richtung, nach welcher das
Wassertheilchen q von beiden vereinten Kräften getrieben wird, und man sieht von
selbst, dass die Oberfläche des Wassers M K nach dem zweiten Grundsatze der Hy-
drostatik winkelrecht auf diese mittlere Kraft M Q seyn müsse. Der Winkel K M P,
welchen die Oberfläche des Wassers mit der Horizontalen bildet, ist offenbar gleich
dem Winkel M Q J, denn M Q ist winkelrecht auf M K und Q J winkelrecht auf M P.
Der Winkel Q M J ist gleich dem Winkel L M K, welchen nämlich die Richtung der
[423]Bestimmung des einfallenden Wasserstrahles.
Kropfschaufel p M K mit dem Theilrisse L M bildet, den wir vorher mit λ bezeichnetFig.
7.
Tab.
61.
haben. Da in dem Dreiecke M Q J die Sinusse der Winkel den gegenüberstehenden Sei-
ten proporzional sind, so haben wir M J : J Q = Sin M Q J : Sin J M Q oder wenn wir die
gleichen Werthe setzen = Sin K M P : Sin λ; daraus folgt Sin K M P = .
Im Vorhergehenden haben wir gefunden, dass die Geschwindigkeit v = ½ c, folglich
ist, mithin ist der Sin K M P = Sin W = .
Auf gleiche Art findet man den Winkel W' für die gänzliche Entleerung der Zellen
aus der Gleichung Sin W' = . Wir sehen also, dass der Anfang
des Ausgusses nicht auf der Höhe des Bogens u b = λ, sondern auf der Höhe
u M = λ + W Statt finde, und dass auf gleiche Art das Ende des Ausgusses nicht auf
der Höhe des Bogens u v = μ, sondern auf der Höhe des Bogens u V = μ + W' Statt
finde. Daraus ergibt sich, dass das Ende des Ausflusses im Mittel auf die Höhe des
Bogens zu setzen sey; wornach daher die Länge des untern wasser-
haltenden Bogens , und folglich die Höhe der zugehörigen
wirksamen Wassersäule = R . Cos ist.
In der 13ten und 14ten Kolumne befinden sich vorläufig die Winkel W und W', nach
den aufgestellten Gleichungen berechnet, und in der 15ten Kolumne die Höhe der wirk-
samen Wassersäule für den untern Bogen.
Die 16te Kolumne enthält die verwendete Gefällshöhe sammt dem untern Freihän-
gen = R + a.
Die 17te Kolumne enthält den Verlust der Gefällshöhe für die untere Radhälfte
und die 18te enthält denselben Verlust nach Prozenten.
Die 4 letzten Kolumnen enthalten für das ganze Rad: die wirksame Wassersäule
oder die Summe der 9ten und 15ten Kolumne, das hiezu verwendete ganze Gefälle oder
die Summe der 10ten und 16ten Kolumne, den Verlust oder den Unterschied der beiden
letzten Summen und die letzte oder 22te Kolumne denselben Verlust nach Prozenten
der ganzen Gefällshöhe.
[424]
Tabelle zur Berechnung der grössten
Wirkung oberschlächtiger Räder, bei ⅔ Zellenanfüllung.
[426]Beispiel.
§. 308.
Aus der vorigen Tabelle lassen sich alle Maasse sowohl für den Bau oberschlächtiger
Räder, als auch für ihre Wirkung ableiten. Um hiervon ein Beispiel zu geben, wollen
wir annehmen, dass bei einem Gebirgsbache der Wasserzufluss, auf welchen durch das
ganze Jahr mit Beihülfe der Teiche gerechnet werden kann, 2 Kub. Fuss = M in je-
der Sekunde betrage. Mit diesem Wasser soll eine Mühle nach Art der oben ange-
führten Prager Mühlen gebaut werden, welche täglich 20 Metzen Korn zu Brodmehl
vermahlen im Stande ist. Es entsteht nun die Frage, welches Gefälle hierzu noth-
wendig und welche Dimensionen dem Rade, den Zellen und dem übrigen Räderwerk
gegeben werden müssen, um auf diese Wirkung mit Sicherheit rechnen zu können.
Nach Seite 373 werden auf den Prager Mühlen in 24 Stunden 20 Metzen Korn mit
einem Bewegungsmoment von 20 . 117 = 2340 vermahlen. Wird dieses Moment mit dem
Gewichte des gegebenen Wasserzuflusses 2 . 56,4 Pfund dividirt, so ergibt sich die nö-
thige wirksame Gefällshöhe = 20,7 Fuss. Wird dieses Gefälle in der 19ten Ko-
lumne aufgesucht, so finden wir 20,68 . a als dasjenige, welches dem berechneten am
nächsten kommt. Wird nun a = 1 Fuss gesetzt, so sehen wir, dass hierzu nach der
1ten Kolumne das Wasserrad einen Halbmesser R = 12 Fuss im Theilrisse erhalten müsse.
Hierzu ist die Wasserstandshöhe im Gerinne nach der 4ten Kolumne h = 1,48 Fuss noth-
wendig. Rechnen wir hierzu die Höhe von der Mitte der Ausflussöffnung bis zum Theil-
risse a = 1 Fuss und eben so die Höhe vom Theilriss bis zum Unterwasser a = 1 Fuss,
so beträgt das ganze Gefälle von der Oberfläche des Oberwassers bis zur Oberfläche
des Unterwassers = 1,48 + 1 + 24 + 1 = 27,48 Fuss, welches mit der 20ten Kolumne
übereinstimmt; wodurch also die Hauptfrage beantwortet ist.
Nach §. 303 erhält das Rad 11 mal so viel Zellen als der Halbmesser Fusse hat, oder
11 . 12 = 132 Zellen. Die Breite der Radkränze beträgt 9 Zoll und die Konstrukzion der
Zellen ist nach demselben §. auszuführen. Da die Wassermenge von 2 Kub. Fuss in jeder
Sekunde in die Zellen des Rades aufgenommen werden muss, die Zellen aber nach Ab-
schlag der Schaufeln nur auf 0,9 von 6 Zoll = Fuss Höhe angefüllt werden, und das
Rad nach der 6ten Kolumne mit der Geschwindigkeit von 5,7 Fuss sich bewegt, so be-
trägt die Profilfläche des gefüllten Radkranzes 5,7 · Quad. Fuss. Wird nun die Was-
sermenge 2 Kub. Fuss mit dieser Profilfläche dividirt, so ist die nöthige Weite zwischen
den Radkränzen = = 0,8 Fuss sehr nahe, wofür man aus Gründen, die später
noch mehr erklärt werden, wenigstens 1 Fuss annehmen kann.
Wird nun dem Gerinne eine Breite von ¾ Fuss im Lichten gegeben, und nennen wir
die Höhe, wie hoch die Schütze gezogen werden muss, = x, so ist nach §. 115 die aus-
fliessende Wassermenge 2 = m . ¾ . x . 2 = 0,856 . ¾ . x . 2 . Hier-
aus folgt die Höhe, auf welche die Schütze gezogen werden muss, x = 0,33 Fuss oder 4
Zolle sehr nahe.
[427]Geringere Anfüllung der Zellen.
Weil aber die Höhe des Wasserstandes durch zufällige Umstände verändert werden
kann, dagegen aber anderseits nothwendig ist, dass der Wasserstrahl nach der Richtung
der Setzschaufeln auf der Entfernung R . Sin w = 2,81 Fuss in den Theilriss einfalle,
und in keinem Falle das Rad überschreiten darf, so ist nothwendig, in der Richtung der
Tangente O D ein Bret l n unmittelbar über der äussern Peripherie des Rades am BodenFig.
6.
Tab.
61.
und an die Seitenwände der Oeffnung zu befestigen. Zur Bestimmung der Entfernung
und Richtung dieses Bretes dient die Linie H m = ½ B D = ½ R . Sin w = 1,4 Fuss
und die Höhe H O = H B = a + z = a + R — R . Cos w = 1,33 Fuss. Die Ge-
schwindigkeit des Wasserrades beträgt v = 5,7 Fuss, und wenn die Geschwindigkeit an
dem Umfange der Mühlsteine = 30 Fuss seyn soll, so unterliegt die Berechnung des
Räderwerkes nach den bekannten Grundsätzen keinem weitern Anstande.
§. 309.
Da man jedoch bei Hammerwerken und mehreren andern Maschinen in den Fall
kommt, dass das Rad zu einer Zeit mit einer grössern, zu einer andern Zeit aber mit
einer kleinern Kraft betrieben, hierbei aber die Bedingniss, dass das Wasser stets nach
der Richtung der Setzschaufeln in das Rad einfalle, unabänderlich beibehalten wer-
den muss, so ist ersichtlich, dass dieses Bedürfniss nur durch die einzulassende Was-
sermenge und durch das höhere und niedrigere Aufziehen der Schütze erfüllt wer-
den könne. Es ist demnach nothwendig, für alle solche Fälle die Radschaufeln nicht
bis zu ⅔ der Höhe der Radkränze, sondern weniger anzufüllen, um dadurch den Ar-
beiter in Stand zu setzen, durch ein höheres Aufziehen der Schütze die Wirkung des
Rades nach Bedarf zu vermehren. Da auf diese Art die Zellen nur eine kleinere Was-
sermenge aufnehmen, daher die Verengung des Raumes für den Einfluss des Wassers
zwischen den Setzschaufeln weniger hinderlich wird, so erlangt man zugleich den Vor-
theil, durch Verminderung der Winkel λ und μ die Entleerung der Zellen tiefer
herabzusetzen. In dieser Hinsicht haben wir bei der Berechnung der folgenden Ta-
belle die gewöhnliche Bauart der oberschlächtigen Räder, die Anzahl der Zellen und
Breite der Radkränze beibehalten, jedoch den Theilriss in die Mitte der Krän-
ze gesetzt. Hieraus ergibt sich der Winkel, den die Setzschaufeln mit dem Theil-
risse machen, nach der Gleichung tang o q n = tang ; in unserm FalleFig
8.
ist , folglich μ = 20° 33Min.; für die Anfüllung wurde statt zwei Drittel
nur ein Viertel der Breite der Radkränze angenommen. Es ist aber der
Inhalt einer Zelle = ½ (m n + p q) o q = ¾ b . E, hiervon der Inhalt des Dreieckes
m n p = ½ m n . m p = ½ b . E abgezogen, gibt den Inhalt des Dreieckes n p q = ¼ b . E, es
wird also dieser Inhalt auszufliessen anfangen, wenn p n horizontal wird; in diesem Falle
ist aber tang λ = tang m p n = , folglich λ = 36° 52Min.. Mit
diesen Winkeln ist die folgende Tabelle berechnet.
54*
[428]
Tabelle zur Berechnung der grössten Wirkung oberschlächtiger Räder,
wenn die Zellen nur mit dem vierten Theile ihres Inhaltes angefüllt werden.
§. 310.
Wird diese Tabelle für die nur zum 4ten Theile angefüllten Zellen mit der vorigen
für die bis zu ⅔ des Inhaltes angefüllten Zellen verglichen, so sehen wir, dass die
wirksame Wassersäule bei der obern Hälfte des Rades, obgleich der Winkel μ
im letzten Falle viel kleiner angenommen wurde, doch nur unbedeutend verschieden
ist, wie es die Vergleichung der Zahlen der 9ten Kolumne in beiden Tabellen zeigt;
vielmehr sind die Wassersäulen R . Cos w im letzten Falle um etwas kleiner, weil durch
die Verminderung des Winkels μ der Winkel w für den einfallenden Strahl vergrössert
wird. Auch ist die Wasserstandshöhe h in der 4ten Kolumne für den kleinern Winkel μ
grösser, wodurch sonach auch die verwendete Gefällshöhe in der 10ten Kolumne grösser,
jedoch das wirksame Gefälle in der 9ten Kolumne nicht in demselben Maasse vergrössert
wird. Da jedoch die Unterschiede des Verlustes nach Prozenten in beiden Fällen
nur unbedeutend verschieden sind, so können wir über diese kleinen Unterschiede bei
der obern Hälfte des Rades mit voller Beruhigung hinausgehen.
Dagegen finden wir aber an der untern Hälfte des Rades bei der Anfüllung
nur zum 4ten Theil die wirksame Wassersäule in der 15ten Kolumne bedeutend grösser
als wenn die Zellen auf ⅔ angefüllt werden, wovon die Ursache zum Theil in der Vermin-
derung des Winkels μ, hauptsächlich aber in dem Winkel λ liegt. Bei der gewöhn-
lichen Bauart der Räder beträgt nämlich der Winkel λ, wenn die Zellen bis an die
Kropfschaufeln angefüllt werden, 90 Grade; das Wasser fängt demnach, wenn wir der
grössern Deutlichkeit wegen, die Fliehkraft nicht berücksichtigen, schon bei dem hori-
zontalen Halbmesser oder bei 90 Grad über dem untersten Punkt des Theilrisses, an
auszufliessen, und die Zellen sind gänzlich geleert, wenn die Setzschaufeln in die
horizontale Stellung kommen, oder 30 Grad vom tiefsten Punkte entfernt sind. Das
Mittel von beiden gibt = 60 Grad, und daher wird die wirksame Wassersäule
für die untere Hälfte des Rades = R . Cos 60 = 0,5 R seyn. In der vorigen Tabelle
war λ = 60° und μ = 30° angenommen, das Mittel von beiden beträgt 45 Grad und
die wirksame Wassersäule ist daher R . Cos 45 = 0,707 R. Im letzten Falle bei der An-
füllung bis zum vierten Theile des Inhaltes war λ = 36° 52′ und μ = 20° 33′; das Mittel
von beiden ist 28° 43′ und daher die wirksame Wassersäule R . Cos 28° 43′ = 0,877 R.
Hieraus ist einleuchtend, dass in allen Fällen, wo es darauf ankommt, das
Gefälle möglichst zu benützen, es vortheilhaft seyn werde, die Zel-
len nicht ganz anzufüllen und daher das Fehlende am Inhalt durch
die Weite der Radkränze zu ersetzen.
Die Rechnung hierüber unterliegt keinem Anstande; im vorigen Beispiele war die
gegebene Wassermenge M = 2 Kub. Fuss und das zur Vermahlung von 20 Strich Korn
nöthige Gefälle 20,7 Fuss. Wenn wir diese Zahl in der 19ten Kolumne der gegenwär-
tigen Tabelle aufsuchen, so findet sich dieselbe nahe bei = 10½ Fuss, folglich
ist der Durchmesser des Theilrisses nur 21 Fuss statt der vorigen 24 Fuss und das
nöthige ganze Gefälle ist 25⅛ Fuss statt der vorigen 27½ Fuss. Wir sehen hieraus,
[431]Vortheile oberschlächtiger gegen unterschlächtige Räder.
dass bei der geringern Anfüllung zugleich ein kleineres Gefälle benöthigt wird,
welches in jenen Fällen, wo es sich erst um die Herstellung des Gefälles handelt, für
jeden Bauherrn von Wichtigkeit ist. Die Geschwindigkeit des Rades ist nach der
6ten Kolumne v = 7,25 Fuss. Wenn wir für die Höhe des Radkranzes abermals 9 Zoll oder
¾ Fuss annehmen, so haben wir für die Anfüllung zum vierten Theile die Gleichung
2 Kub. Fuss = · 7¼. Hieraus folgt die Weite der Zellen oder die Breite des
Rades zwischen den Radkränzen B = 1,47 Fuss, wofür man zur grössern Sicherheit
2 Fuss annehmen kann. Der Vortheil, dass man bei dem Antrag einer geringen An-
füllung der Zellen zugleich in Stand gesetzt wird, durch eine höhere Ziehung der
Schützen die Kraft des Rades nach Bedürfniss zu verstärken, ist bereits oben ange-
führt und umständlich erklärt worden.
Zur Bestättigung dieser Theorie verdient noch bemerkt zu werden, dass mein
Vater bei mehreren Untersuchungen über die Einrichtung der Hammerräder
das Aufschlagwasser durch Herablassung der Schützen bis zur Hälfte der Oeffnungs-
fläche vermindern liess und hierbei bemerkte, dass die Stabhämmer, welche vorher
68 bis 70 Schläge in einer Minute gemacht hatten, mit der Hälfte des Aufschlagwas-
sers nicht 34 oder 35, sondern 42 bis 48 Schläge in derselben Zeit gemacht haben,
welches daher zum offenbaren Beweis dient, dass die wirksame Wassersäule durch
Verminderung des Aufschlagwassers um den vierten oder dritten Theil vermehrt wor-
den, folglich durch eine angemessene Erweiterung der Radkränze derselbe Effekt mit
einem geringern Wasserzufluss bewirkt werden konnte. Dass diess in Gegenden, wo die
Hämmer vorzüglich in Sommermonaten wegen Wassermangel durch eine längere Zeit
stehen müssen, von der grössten Wichtigkeit sey, leuchtet von selbst ein.
§. 311.
In mehreren Schriften wird die Frage untersucht, ob und in welchen Fällen
die Anlegung der unterschlächtigen oder oberschlächtigen Räder
vorzuziehen sey. Die Beantwortung dieser Frage ergibt sich gleichfalls aus den
angeführten Tabellen. Wir haben nämlich bei den unterschlächtigen Rädern gezeigt,
dass bei denselben in jedem Falle die Hälfte des Gefälles unbenützt bleiben müsse; diess
beträgt nach Prozenten berechnet 0,50 des ganzen Gefälles. Nach unserer 1ten Tabelle
beträgt der Verlust 0,60 bei dem Gefälle 4,10 a und 0,47 bei dem Gefälle 6,26 a, folglich
wäre es bei dem Gefälle von 5½ Fuss gleichgültig ein ober- oder
unterschlächtiges Rad anzulegen.
Im zweiten Falle aber, wenn die Zellen nur zum 4ten Theile angefüllt werden, be-
trägt der Verlust 0,53 bei dem Gefälle 4,11 a und 0,40 bei dem Gefälle 6,32 a; folg-
lich tritt der Fall der gleichen Wirkung des ober- und unterschlächtigen Rades bei
dem Gefälle von 4½ Fuss ein. Dieses Resultat wird durch die Erfahrungen in Böh-
men in der Art bestättiget, dass bei 5 bis 6 Fuss Gefälle wirklich schon die ober-
schlächtigen Räder den unterschlächtigen vorgezogen werden.
[432]Widerstand bei Bretsägen.
Hierbei wäre aber noch zu bemerken, dass die Wirkung der oberschlächtigen Rä-
der noch dadurch vermehrt werden kann, wenn das Schützenwerk für den Einfluss des
Wassers so gestellt wird, dass die Räder unterhalb nach derselben Richtung wie das
abfliessende Wasser sich bewegen, folglich das Freyhängen erspart wird. Diese Be-
trachtung führt uns zu den sogenannten Kropfrädern. Bevor wir jedoch diesel-
ben abhandeln, wollen wir, so wie es bereits bei unterschlächtigen Rädern hinsichtlich
der Getreide-Mahlmühlen der Fall war, auch hier eine vorzügliche Anwendung der
oberschlächtigen Räder, nämlich zur Betreibung der Bretsägen kennen lernen.
§. 312.
Einige Mühlenbaumeister waren der Meinung, dass der Widerstand, den das Holz
der Säge entgegen setzt, nebst der Festigkeit oder Zähigheit des Holzes und den Ab-
messungen des Sägeschnittes nach seiner Länge, Breite und Tiefe, auch noch von der
Geschwindigkeit, womit die Säge geführt wird, abhängig sey, so zwar, dass der Wider-
stand um so kleiner seyn soll, je grösser die Geschwindigkeit der Säge ist. Als Grund
dieser Meinung hat man nicht nur die allgemeine Erfahrung angeführt, dass bei einem
geschwindern Gang die Säge weiter vordringt, sondern sich auch noch auf das Bei-
spiel der Kanonen- und Flintenkugeln beruffen, welche um so tiefer eindringen, je
grösser ihre Geschwindigkeit ist. Dagegen ist aber zu bemerken, dass zur Hervor-
bringung einer grössern Geschwindigkeit der Kugel und der Säge auch eine grössere
Kraft erforderlich sey; folglich der Kraft, welche die Säge treibt, hierdurch kein Vor-
theil zukommen kann.
Das Zerschneiden des Holzes mit einer Säge hat die grösste Aehnlichkeit mit der
Reibung. Bei der letztern werden nämlich die hervorstehenden Theile abgerissen oder
zurückgedrückt, welches auch bei dem Zerschneiden des Holzes mit der Säge Statt
findet. Von der Reibung haben aber Musschenbroek, Coulomb und andere Physiker durch
Versuche, die bei dem Drucke einiger Pfunde bis zu 25 Zentner angestellt worden sind,
umständlich erwiesen, dass die Reibung nur dem gegenseitigen Druck der sich reiben-
den Flächen proporzional ist und durch die grössere oder geringere Geschwindigkeit,
womit die Körper auf einander fortrücken, weder vermehrt noch vermindert werde.
An und für sich leuchtet wohl von selbst ein, dass die Säge nur diejenige Kraft
zu gewältigen habe, womit die abzureissenden Sägespäne mit dem Sägeblock zusam-
menhängen; aber diese Kraft ist offenbar nur in der innern Beschaffenheit des Holzes
zu suchen, und kann durch Anbringung einer äussern Kraft, welche diesen Zusammen-
hang zerstören will, weder vermehrt noch vermindert werden. In Betrachtung dieser
Gründe dürfte der Satz, dass der Widerstand der Säge nur dem kubischen
Inhalte oder der Breite, Dicke und Länge des Sägeschnittes proporzional
sey, keinem Widerspruche unterliegen. Hieraus folgt, dass zur Bewirkung einer grös-
sern durchzuschneidenden Länge, nebst der Höhe des Schnittes oder Stärke des Säge-
blocks auch die Breite der Sägebahn oder die Weite der sogenannten Schränkung der
Säge entgegenstehe. Das letzte wird durch unzählige Beispiele bestättiget, indem nicht
nur geschärfte Messer leichter eindringen, sondern auch die härtesten Steine durch
[433]Versuch von Belidor über Bretsägen.
dünne Drähte mit dazwischen gebrachtem Schmirgel geschnitten werden. In Hinsicht
der Höhe des Sägeschnittes wird allgemein zugestanden, dass der Widerstand eines
stärkern oder höhern Klotzes grösser ist, als eines schwächern; jedoch ist hierbei das
Verhältniss, nach welchem nämlich der Widerstand von der Höhe vermehrt wird, noch
zu untersuchen.
§. 313.
Belidor führt in seiner Hydraulik an, dass 3 Personen einen 12 Zoll dicken trocke-
nen Stamm Eichenholz in einer Stunde auf eine Länge von 5 Fuss und einen andern
Klotz, der nur 7 Zoll dick war, in derselben Zeit auf eine Länge von 17 bis 18 Fuss
durchschnitten haben; demnach war die Schnittfläche im ersten Fall 5 . 12/12 = 5 Quad.
Fuss, im zweiten Fall aber 17 . 7/12 = 9,92 Quad. Fuss, also der Effekt bei dem schwä-
chern Holze beinahe doppelt so gross als bei dem stärkern. Obwohl Belidor über die
innere Beschaffenheit der beiden Hölzer, das Alter, die Anzahl der durchschnitte-
nen Jahresringe u. dgl. m. nichts angibt, demnach ein grosser Theil des angeführten
Unterschiedes auf Rechnung dieser Umstände zu setzen seyn dürfte, so ist doch an-
derseits auch nothwendig zu bemerken, dass wenn an einem stärkern Klotze dieselbe
Kraft angebracht wird, mit welcher ein schwächerer Klotz zerschnitten wurde, die
gleiche Kraft in den stärkern Klotz nicht so weit eingreifen kann, als in den schwä-
chern, dass demnach auch die Späne, welche bei dem Zerschneiden des stärkern
Klotzes abfallen, verhältnissmässig kürzer oder kleiner seyn müssen als bei dem schwä-
chern Klotze. Hieraus ist ersichtlich, dass die Späne, welche beim Zerschneiden des
schwächern Holzes abfallen, bei dem stärkern Holze mehrmals zerschnitten oder wenn
wir das Verhältniss der Höhe des stärkern zum schwächern Stamme wie 2 : 1 annehmen,
bei dem stärkern eigentlich 2 mal zerschnitten werden müssen, sonach auch eine grössere
Kraft erfordert wird. Daraus würde folgen, dass der nöthige Kraftaufwand beim Zer-
schneiden stärkerer und schwächerer Hölzer dem Quadrate der Höhe des Schnittes pro-
porzional seyn würde. Dieses Verhältniss wird jedoch in dem angeführten Fall des
Belidor nicht bestättigt, denn 72 : 122 verhält sich wie 49 : 144 oder sehr nahe wie
1 : 3, wogegen die Fläche des Sägeschnittes im zweiten Falle nur doppelt so gross
war. Hieraus erhellet, dass man Rechnungen über die Wirkung der Sägemühlen nur
durch Versuche mit gleichem Holze und gleicher Höhe des Schnittes verlässig be-
gründen könne. Indess kann doch das Flächenmaass aus der Länge und Höhe bei
gleicher Breite oder Dicke des Schnittes zu einem beiläufigen Anschlage dienen.
Bei dem Zerschneiden der Bauholzstämme oder Latten u. dgl. durch Zimmerleute
werden gewöhnlich 3 Personen verwendet, wovon ein Mann oben und zwei Mann unten
stehen; die Säge wird vom ersten nach jedem Schnitte gehoben, und die beiden an-
dern ziehen die Säge mit einem angemessenen Drucke wieder herab. Obzwar es das
Ansehen hat, als ob der Schnitt in diesem Falle nur durch die Kraft der beiden un-
tern Arbeiter bewirkt wird, so ist doch zu bemerken, dass das Gewicht der Säge,
welches von dem obern Arbeiter allein gehoben wird, der Kraft der beiden untern
Arbeiter beim Herabziehen der Säge zu Hülfe kommt, und dass die hierbei Statt fin-
dende Ungleichheit durch das Abwechseln der Arbeiter gänzlich ausgeglichen wird.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 55
[434]Versuch bei einer Bretsäge in Prag.
Wenn wir demnach das Bewegungsmoment eines Arbeiters mit k . c = 30 . 10/3 = 100 in
Anschlag nehmen, so folgt, dass mit dem Bewegungsmoment 300 von einem
trockenen, 12 Zoll hohen Stamme Eichenholz in jeder Stunde eine Länge von 5 Fuss oder
in der täglichen Arbeitszeit von acht Stunden Vierzig Quadratfuss
Eichenholz durchschnitten werden.
§. 314.
Da die meisten Bretsägen durch die Kraft des Wassers betrieben werden, und es
darauf ankommt, das Bewegungsmoment verlässlich auszumitteln, womit in einer bestimm-
ten Zeit eine gegebene Schnittfläche erzeugt werden kann, so wurde am 18ten Februar 1832
ein möglichst genauer Versuch dieser Art in der Seite 369 bereits beschriebenen Wis-
kožil’schen Mühle zu Prag angestellt. Neben dem Mühlgerinne mit zwei Rädern, worin
die angeführten Versuche über das Getreidemahlen angestellt wurden, befindet sich ein
zweites Gerinne, worin drei Wasserräder hinter einander stehen. Hiervon ist das erste
Wasserrad so vorgerichtet, dass das Gehwerk der Getreidemühle ausgerückt und dagegen
das Gehwerk einer Bretsäge eingeschoben werden kann. An dieser Bretsäge wurden nun
die Versuche angestellt.
Da es nicht möglich war, die Höhe des Wasserstandes hinter dem ersten Wasserrade
oder bei dem Ablaufe des Wassers vom ersten Rade zu messen, indem die Räder sehr
nahe an einander stehen und das wasser zwischen den Rädern sich in einer bedeutenden
Wellenbewegung befindet, so wurde bloss die Breite und Tiefe des Wassers vor dem
ersten Rade und hinter dem letzten Rade gemessen, die Geschwindigkeit des Wassers an
beiden Orten bestimmt und hieraus das Bewegungsmoment aller drei Räder ausgemittelt.
Die Division desselben mit 3 gibt das Bewegungsmoment eines Rades, da es aus vieljähriger
Erfahrung bei dieser Mühle bekannt ist, dass ein jedes Rad eine gleiche Arbeit verrichtet.
Die Höhe des Wasserstandes über der Hauptschwelle des Mühlgerinnes oder der Höhen-
unterschied zwischen dem Wasserspiegel des Oberwassers und der Oberfläche der Haupt-
schwelle betrug an diesem Tage 3 Fuss 8¼ Zoll, die Höhe auf welche die Schütze auf-
gezogen wurde und durch welche sonach das Wasser einströmen konnte, war 2 Fuss
7½ Zoll, dann die Breite der Oeffnung zwischen den Griessäulen 6 Fuss ½ Zoll. Da die
Hauptschwelle nicht in der Oberfläche des Unterwassers, sondern um 1 Fuss 2¼ Zoll nie-
driger gefunden wurde, so war die vorhandene Druckhöhe des Wassers über der Ober-
fläche des Unterwassers nur (3′ 8¼″) — (1′ 2¼″) = 2′ 6″ = 30/12 Fuss, wie Seite 369. Hier-
aus ergibt sich die Wassermenge, welche zur Zeit des Versuches in einer Sekunde in das
Gerinne einströmte
M = ⅔ · 0,633 · =
= 113,9 Kub. Fuss. Die Geschwindigkeit, womit das Wasser in dem Gerinne vor dem
ersten Rade ankommt, ist = = 12,45 Fuss. Bei dem Abflusse des Wassers
hinter dem dritten Rade wurde die Breite des Gerinnes = 6 Fuss 3½ Zoll und die Wasser-
tiefe = 2 Fuss 10¼ Zoll gemessen. Hieraus ergibt sich die Geschwindigkeit v aus der
Gleichung 113,9 = · v und v = 6,34 Fuss. Das ganze Bewegungsmoment des
Wassers, welches zur Betreibung der drei Räder verwendet wurde, betrug daher
[435]Versuch bei einer Bretsäge in Prag.
56,4 . 113,9 6,34 = 8027,3, demnach das Bewegungsmoment des Wasserrades,
womit die Bretsäge betrieben wurde = 2676, wofür wir die runde Zahl 2700 annehmen
können.
Mit diesem Bewegungsmomente wurden nun folgende Arbeiten verrichtet:
I. Ein Klotz Tannenholz, welcher 2 Klafter 5 Fuss 6 Zoll Länge hatte, wurde
in 15Min. 15Sek. wirklicher Arbeitszeit seiner ganzen Länge nach durchgeschnitten; die
Höhe des Schnittes betrug 9 Zoll, demnach die Schnittfläche 13,125 N. Oe. Quadratfuss.
II. Derselbe Klotz Tannenholz wurde seiner ganzen Länge nach in 19Min. 15Sek.
wirklicher Arbeitszeit an einem zweiten Orte durchschnitten, wo die Höhe des Schnit-
tes 10,5 Zoll, demnach die Schnittfläche 15,313 N. Oe. Quad. Fuss betrug.
Der erste Versuch gibt 51,639, der zweite 47,729, demnach das Mittel von beiden
49,68 oder 50 N. Oe. Quad. Fuss Schnittfläche, welche von dem Bewegungsmomente
2700 in einer Stunde bei ununterbrochener Arbeit erzeugt wird. Weil jedoch das Zu-
rückführen des Wagens und Verrücken des Stammes nach jedem Schnitte einen Still-
stand verursacht, der dem zehnten Theile der wirklichen Arbeitszeit gleich kommt,
demnach während jeder Stunde nur 54 Minuten wirklich gesägt und 6 Minuten auf die
Bedienung der Maschine verwendet werden, so folgt aus den obigen Erfahrungen, dass
mit dem Bewegungsmomente von 2700 binnen 1 Stunde 45 und in 24
Stunden 1080 N. Oe. Quad. Fuss Schnittfläche bei Tannenholze erzeugt
wird. Demnach wird bei einem Bewegungsmomente 300 in 1 Stunde eine Fläche von
5 Quad. Fuss zerschnitten, welches mit der Erfahrung von Belidor, der für dieses Bewe-
gungsmoment ebenfalls 5 Quad. Fuss ausmittelte, ganz genau übereinstimmt. Nur hatte
Belidor die Erfahrung von trockenem Eichenholze angeführt, während bei unserm Ver-
suche Tannenholz genommen wurde, welches in demselben Jahre geschlagen und auf
der Moldau herbeigeschwemmt worden, folglich dem sogenannten grünen Holze gleich
gehalten werden kann. Uibrigens ist bekannt, dass das grüne Holz sich leichter schnei-
den lasse, als das trockene, dass aber auch im Gegentheile das Eichenholz leichter
geschnitten werde, als Tannen- und Fichtenholz, wodurch sich beide Holzgattungen
in unserm Versuche und jenem von Belidor beinahe ausgleichen. Uiber unsern Ver-
such ist noch zu bemerken, dass im ersten Falle der 9 Zoll hohe Schnitt für jede
Stunde eine Schnittfläche von 51,639 und der zweite 10,5 Zoll hohe Schnitt aber nur
47,729 Quad. Fuss gegeben hat, woraus abermals hervorgeht, dass die niedrige Höhe
des Schnittes einen grössern Effekt als die grössere Höhe desselben gegeben hat, wel-
ches wieder mit den Erfahrungen von Belidor übereinstimmt.
H. Wiskocžil gab uns noch folgende von ihm gemachte Erfahrungen an: 5 Stämme
Eichen oder auch Kiefern werden in gleicher Zeit wie 4 Stämme Tannen oder Fichten
(bei gleicher Schnittfläche) gesägt; inzwischen schneiden sich Fichten doch etwas
schwerer wie Tannen, und Kiefern am leichtesten. Ahorn und Zwetschken (Pflaumen)
schneidet sich wie Eichenholz, Linde schneidet sich auch schwer. Je trockener die
Klötze sind, desto schwerer werden sie geschnitten; jedoch ist der Unterschied bei wei-
chen Holzarten grösser, als bei harten.
55*
[436]Versuch bei einer Bretsäge in Stiahlau.
Zur Vervollständigung unserer oben angeführten, am 18ten Februar 1832 über das Sä-
gen von Tannenholz angestellten Versuche ist noch zu bemerken: die Dicke des Ei-
sens im Sägeblatte war 3/16 Zoll und die Breite des Schrankes, demnach die Breite des
Sägeschnittes (Schnittbreite) = 3½ Linie. Das Wasserrad machte in 2 Minuten 13,5 Um-
drehungen; an der Welle desselben war ein Stirnrad mit 66 Kämmen befestigt, welches
in einen Drehling mit 18 Stöcken eingriff, an dessen Welle ein zweites Stirnrad mit 48
Kämmen befestigt war. Diess griff in ein Getriebe mit 10 Stöcken ein, an dessen Welle
das Schwungrad und die Kurbel mit 15 Zoll Hubshöhe angebracht war.
Hieraus folgt die Anzahl der Umdrehungen der Kurbel oder die Anzahl der Sä-
geschnitte in einer Minute = 6¾ . 66/18 . 48/10 = 118,8 oder 120; es wurde daher jeder
Schnitt in einer halben Sekunde, demnach das Herabgehen der Säge in ¼ Sekunde
und das Aufheben derselben abermals in ¼ Sekunde verrichtet; die Tiefe des Eindrin-
gens bei jedem Schnitte, oder die Tiefe des Sägeschnittes war in dem ersten Versuche,
wo die Höhe des Schnittes 9 Zoll betrug = = 1,38 Linien
und bei 10,5 Zoll Schnitthöhe im zweiten Falle = = 1,09 Linien.
Hinsichtlich der Geschwindigkeit des Sägens hat die hierortige Erfahrung
gezeigt, dass bei Kurbeln von 7,5 Zoll Halbmesser oder 15 Zoll Hubshöhe die Säge bei
einem guten Gange sehr nahe zwei Schnitte in jeder Sekunde machen muss; geht sie
nämlich geschwinder, so werden die Sägespäne nicht gehörig ausgeworfen, wieder mit
zurückgezogen, nochmals zerschnitten und dadurch die Kraft unnöthig vermehrt; geht
sie aber langsamer, so werden viele Späne von den Zähnen nicht gehörig abgerissen
und gleiten längs der Säge herab, wodurch die Breter rauh bleiben, demnach keine glatte
Oberfläche erhalten. Es benöthigt daher auch das Bretsägen eine angemessene
Geschwindigkeit, wie wir es bereits bei dem Mahlen des Getreides gesehen haben.
§. 315.
Uiber das Bewegungsmoment, welches zum Sägen einer bestimmten Fläche erfor-
dert wird, führen wir noch folgende Erfahrung an:
Auf der Herrschaft Stiahlau in Böhmen befindet sich eine Sägemühle, die von einem
Kropfrade betrieben wird. Dieses Rad hat 14 Fuss im Durchmesser, die Höhe des
Kropfes beträgt 4,7 Fuss, die Einfallshöhe des Wassers 2,8 Fuss. Das Wasserrad war von
innen mit einem Boden und beiderseits mit Kränzen wie bei oberschlächtigen Rädern
verschen, und weil dasselbe zu einem Versuche für die Wirkung der Kropfräder die-
nen sollte, so war es so genau in das Kropfgerinne eingepasst, dass nur wenig Wasser
unbenützt durchkommen konnte. Durch mehrere Versuche wurde erwiesen, dass seine
grösste Wirksamkeit nur bei der halben Geschwindigkeit des einfallenden Wasserstrahls
Statt fand. Mit diesem Rade wurde eine Bretsäge betrieben; der Wasserzufluss unter
der Schütze war 12,35 Kub. Fuss in jeder Sekunde oder 697 Pfund Aufschlagwasser. Die
wirksame Wassersäule war sehr nahe 6 Fuss, demnach das Bewegungsmoment
697 . 6 = 4182. Mit diesem Momente wurde ein 14 Zoll hoher tannener Sägeklotz in der
[437]Andere Versuche bei Bretsägen.
Mitte bis auf eine Länge von 17,5 Fuss in 15 Minuten durchgeschnitten; die durch-
schnittene Fläche war demnach sehr nahe 20 Quadratfuss; diess gibt 80 Quadratfuss für
eine Stunde. Da wir oben für das Bewegungsmoment 2700, die durchschnittene Fläche = 50
Quadratfuss bei ununterbrochener Arbeit gefunden haben, so gibt uns für denselben Fall
die Proporzion 2700 : 50 = 4182 : x die durchschnittene Fläche x = 77,4 Quadratfuss
Tannenholz. Die geringen Unterschiede lassen sich leicht aus der Verschiedenheit der
Hölzer, der dabei verwendeten Maschinen u. s. w. erklären; wir können daher die obige
Erfahrung als richtig annehmen.
§. 316.
Da die Bretsägen zu den am meisten in der Anwendung vorkommenden Maschinen
gehören, so ist es erwünschlich, ausser den vorstehenden in Böhmen angestellten Erfah-
rungen und jenen von Belidor noch einige andere Erfahrungen hierüber anzuführen, um
vorzüglich das Bewegungsmoment, welches zum Zersägen einer bestimmten
Fläche Breter erfordert wird, bestimmen zu können. Herr Egen, welcher in seinen
bereits angeführten „Untersuchungen über den Effekt einiger in Rheinland-Westphalen
bestehenden Wasserwerke“ mehrere schätzbare Untersuchungen über verschiedene Ma-
schinen-Anlagen anführt, sagt Seite 168 seines Werkes, es sey ihm nicht möglich ge-
wesen, den Kraftaufwand zu bestimmen, welcher zum Schneiden von einem Quadratfuss
Breter erforderlich ist. Inzwischen wird Seite 169 angeführt, dass bei dem unterschläch-
tigen Rade zu Laer, welches eine Kraft von 12 Pferden konsumirte (verwendete?) in 12
wirklichen Arbeitsstunden 540 Quadratfuss Breter geschnitten wurden. Da die Anzahl
der Pferdekräfte des Wasserrades in Prag = = 6,75 ist und hiermit in einer Stunde
im Durchschnitt 50 Quadratfuss geschnitten werden, so ergibt sich die Schnittfläche,
welche durch 12 Pferdekräfte in 12 wirklichen Arbeitsstunden erzeugt wird, aus der
Proporzion 6,75 . 1 : 50 = 12 . 12 : x und x = 1067 Quadratfuss. Diess weicht zwar von
der angeführten Fläche von 540 Quadratfuss bedeutend ab, wird jedoch dadurch aufge-
klärt, dass dieses Rad nach der Erklärung des Herrn Egen bei einer unterschlächtigen
Bauart beiläufig nur einen Nutzeffekt von 25 Prozent gebe. Demnach stimmt diese ob-
gleich nicht hinlänglich genau angeführte Erfahrung mit unseren in Böhmen angestellten
Beobachtungen doch einigermassen überein.
In dem Werke: „Du Calcul de l’effet des machines, ou considérations sur l’emploi
des moteurs et sur leur évaluation, par Coriolis, Paris 1829“ werden Seite 244 bis 262
mehrere Erfahrungen über die Kraft angeführt, welche zur Bewirkung verschiedener Ar-
beiten nothwendig ist. Um die Arbeit, die bewegende Kraft (travail moteur)
oder einen Widerstand (travail resistant), welcher sich bei einer Maschine oder
an einem bestimmten Punkte derselben äussert, auszudrücken, nimmt Coriolis zur
Einheit das Gewicht von 1000 Kilogrammes (= 1785,676 N. Oe. Pfund) an, welche auf
die Höhe von 1 metre (= 3,1635 N. Oe. Fuss) gehoben werden. Diese Einheit, welche auf
N. Oe. Maass und Gewicht reduzirt 5648,986 oder in runder Zahl 5650 beträgt, nennt der-
selbe ein dynamode. Bei der Annahme dieser Einheit, welche das in unserm Werke als
Einheit angenommene Bewegungsmoment (nämlich das Produkt aus der Anzahl der
[438]Erfahrungen von Coriolis.
bewegten Pfunde in die Geschwindigkeit oder den Raum während einer Sekunde) ersetzen
soll, wird keine Zeitdauer angegeben, demnach jede Arbeit nur durch das Produkt
der Anzahl Pfunde, welche getragen, aufgezogen.... werden, in den ganzen von dieser
Last zurückgelegten Raum ausgedrückt.
Es leuchtet von selbst ein, dass die Annahme dieser Einheit nicht jene Bestimmtheit
mit sich trägt, welche zur Beurtheilung der Leistung einer Arbeit oder
einer Maschine hinreicht; denn wenn die Zeit, in welcher eine Last auf eine bestimmte
Entfernung getragen wurde, nicht zugleich auch angegeben ist, so lässt sich in keinem
Falle die Zweckmässigkeit der Verwendung der vorhandenen Kraft beurtheilen. Herr
Coriolis scheint diess auch in einigen Fällen anerkannt zu haben, indem er bei einigen
Arbeiten die Zeit, in welcher sie verrichtet wurden, mit anführt. So sagt derselbe
Seite 255, dass die englische Pferdekraft nach Watt, wenn dieselbe für 8 Stunden berech-
net wird, 2188 dynamodes beträgt. Nun nimmt aber Watt die Kraft eines Pferdes zu
180 engl. Pfund bei 3 engl. Fuss Geschwindigkeit, während 8 wirklichen Arbeitsstunden
an. Wird diess auf N. Oe. Maass und Gewicht reduzirt und mit 5650 dividirt, so erhal-
ten wir = 2149 dynamodes, welches mit den von Coriolis
angegebenen 2188 ziemlich übereinstimmt. Wäre auf gleiche Art bei den andern Arbei-
ten, welche in diesem Werke angeführt werden, die Zeit angegeben worden, so würde
sich wahrscheinlich ebenfalls eine Uibereinstimmung mit unsern und andern Erfahrungen
nachweisen, welches jedoch unter diesen Umständen nicht Statt findet.
Eine zweite Ursache, warum die Erfahrungen von Coriolis so schwer zu würdigen
und zu gebrauchen sind, liegt in dem Umstande, dass derselbe die lebenden Kräfte
der Thiere, des Wassers, Windes ....., welche von der Geschwindigkeit des treiben-
den und getriebenen Körpers abhängen, von den todten Kräften, womit sich Gewichte
bewegen, deren Wirkung von der Geschwindigkeit nicht abhängt, auf gleiche Art be-
handelt hat. Wenn nämlich ein Mensch mit der Geschwindigkeit von 2½ Fuss eine Last
von 25 Pfund trägt, sonach in einem Tage den Raum 2,5 . 3600 . 8 = 72000 Fuss zurück-
legt, so ist sein 8stündiges Bewegungsmoment 25 . 72000 = 1800000. Wird dieses mit der
Grösse eines dynamode dividirt, so wäre seine tägliche Arbeit 319 dynamodes. Wir
haben aber im I. Bande dieses Werkes Seite 15 gezeigt, dass derselbe Mensch mit 4 Fuss
Geschwindigkeit nur 10 Pfund tragen kann. In diesem Falle ist sein täglicher Raum
4 . 3600 . 8 = 115200 Fuss und sein 8stündiges Bewegungsmoment 115200 . 10 = 1152000 und
mithin wäre seine tägliche Arbeit nur 204 dynamodes. Wenn endlich derselbe Mensch mit
5 Fuss Geschwindigkeit gehen sollte, so könnte derselbe nichts tragen, weil sein Kraft-
vermögen von der Geschwindigkeit ganz erschöpft würde, folglich derselbe Mensch gar
kein dynamode besitzt. Man sieht hieraus, wie unbestimmt und unzuverlässig ein solches
Maass für die Schätzung der menschlichen und thierischen Arbeiten wäre. Dasselbe
findet sich aber auch bei dem Wasser, denn wenn wir z. B. annehmen, dass 10000 Pfund
Wasser sich mit der Geschwindigkeit von 10 Fuss gegen die Schaufeln eines unterschläch-
tigen Rades bewegen und dasselbe nöthigen, sich mit der Geschwindigkeit von 5 Fuss zu
bewegen, so wäre der Druck an die Schaufeln, wie wir §. 265 gezeigt haben
= 56,4 M = 10000 = 1613 und weil diese Last mit der Geschwindig-
[439]Berechnung einer Bretsäge.
keit von 5 Fuss bewegt wird, so wäre das Bewegungsmoment 1613 . 5 = 8065 oder 1,4
dynamodes. Wenn aber die Schaufeln mit 9 Fuss Geschwindigkeit ausweichen, so wäre
der Druck an dieselben 10000 · = 322,6 Pfund. Weil aber diese Last mit der Geschwin-
digkeit von 9 Fuss bewegt wird, so wäre ihr Bewegungsmoment 322,6 . 9 = 2903,4 oder
0,51dynamodes. Diese Beispiele dürften hinreichen, um die Unanwendbarkeit eines sol-
chen Maasses für die Berechnung der Arbeiten, die durch belebte Kräfte verrichtet wer-
den, darzuthun. Wir werden demnach die Erfahrungen von Coriolis und andern Schrift-
stellern, wenn ihnen ähnliche Bestimmungen fehlen, nicht zu benützen im Stande seyn und
wünschen nur, dass spätere Beobachter auf der Basis eines gründlichern Studiums die
Wissenschaft mit jenen Erfahrungen bereichern möchten, die bis heut zu Tage noch bei
so vielen Arbeiten fehlen, obgleich sie sowohl zur Anlage eines neuen als zur genauen
Beurtheilung eines bestehenden Maschinenwerkes unumgänglich benöthigt werden.
§. 317.
Da wir in dem vorigen Kapitel die umständliche Darstellung und BeschreibungTab.
62
und
63.
der Getreide-Mahl-Mühlen geliefert haben, so wollen wir nun auch dasselbe für
Bretsägen thun. Wir haben zu diesem Behufe auf den Tafeln Nr. 62 und 63
eine in Böhmen bestehende, nach gewöhnlicher Art gebaute, durch ein oberschläch-
tiges Rad betriebene Bretsäge mit allem Detail dargestellt, und zugleich die wichtig-
sten neuern Konstrukzionen dieser Maschine beigefügt. Von der Bretsäge nach ge-
wöhnlicher Bauart enthält Tab. 62, Fig. 1 den Grundriss, dann Tab. 63, Fig. 1 die
Seitenansicht, Fig. 2 den Querdurchschnitt und Fig. 3 den Längendurchschnitt;
ferner Fig. 4 bis 13 einzelne, zu dieser Maschine gehörige Theile im grössern
Maasstabe. Tab. 62 Fig. 5 ist die Darstellung, wie die runden Stämme oder Klötze
mittelst des Ganges der Säge aufgezogen werden, dann ist Fig. 6 der Mechanismus,
wie die Bewegung der Säge erfolgt, besonders gezeichnet. Auf Tab. 62 ist Fig 2
die vordere Ansicht und Fig. 3 der Querdurchschnitt eines Sägegatters mit zwei Säge-
blättern, welches ebenfalls bei einer Bretsäge in Böhmen aufgenommen wurde, dann
Fig. 7 bis 10 die einzelnen dazu gehörigen Theile dargestellt. Endlich enthält Tab. 62
Fig. 4 die Ansicht eines nach englischer Bauart konstruirten eisernen Sägegatters mit
7 Sägeblättern.
Die Tab. 62, Fig. 1, dann Tab. 63, Fig. 1 bis 3 dargestellte Maschine wird durch
ein oberschlächtiges Wasserrad von 2 Klafter 4 Fuss 9 Zoll im äussern Durchmesser,
15¾ Fuss im Theilrisse und 24½ Zoll Breite im Lichten in Bewegung gesetzt. Das
Rad enthält 56 Zellen, deren Entfernung im Theilrisse = 10,6 Zolle beträgt
Sowohl das obere als das untere Freihängen des Rades beträgt 6 Zoll und der Wasserstand
vor der Schütze 1 Fuss 10 Zoll, mithin ist das ganze bei dieser Mühle verwendete Gefälle
= 2° 4′ 9″ + 6″ + 6″ + 1′ 10″ = 3° 1′ 7″. Dieses Wasserrad legt nach der an Ort und
Stelle gemachten Beobachtung eine Umdrehung in 4,3 Sekunden zurück. An der Welle
desselben befindet sich ein Stirnrad von 2 Klafter 3 Zoll Durchmesser im Theilriss mit
120 Kämmen, welches in einen Drehling von 17 Stöcken eingreift, an dessen Welle die
[440]Berechnung einer Bretsäge.
Tab.
62
und
63.Kurbel, mittelst welcher die Säge gehoben wird, angebracht ist. Dem zufolge ist die Zeit
eines Hubes der Säge oder die Dauer eines Sägeschnittes bei der aufgenommenen Bret-
säge = = 0,609 Sekunden. Der Halbmesser der Kurbel ist 7,5 Zoll, demnach
die Hubshöhe der Säge = 15 Zoll. Die Länge des Armes von der Säge bis zum Schieb-
zeuge (Tab. 62 Fig. 6) ist 1° 4′ 6″ = 126 Zoll, die Länge der Schere = 14 Zoll, der
Halbmesser des eisernen Zahnrades = 15 Zoll, der Halbmesser des Drehlings am eisernen
Zahnrade = 7 Zoll, die Zahl der Triebstöcke des Kumpfes, welcher in die Kämme des Wa-
gens eingreift = 6, und jene der Kämme in dem darein greifenden Stirnrade = 40. Hieraus
ergibt sich die Entfernung, um welche der Wagen und daher auch der darauf ruhende Klotz
bei jedem Schnitte weiter gerückt wird = = 0,12 Zoll = 1,44 Linien. Die
Klötze, welche auf dieser Säge geschnitten werden, haben 15 bis 24 Zoll im Durchmesser
und 21 Fuss Länge. Die Breite der Oeffnung für das einströmende Wasser ist 2 Fuss, die
Schütze wird 5 Zoll hoch aufgezogen und die Druckhöhe des Wassers oder der Abstand des
Wasserspiegels vom Boden des Gerinnes ist 1 Fuss 10 Zoll. Unter diesen Umständen
macht die Säge bei 15 Zoll starken und 21 Fuss langen Klötzen in 1260 Sekunden un-
unterbrochener Arbeit einen Schnitt oder schneidet in derselben Zeit eine Fläche von
21 . 5/4 = 26,25 Quad. Fuss weiches Holz durch. Dieses gibt für eine Stunde 75 Quad. Fuss.
Wird für das Zurückdrehen des Wagens und Richten des Klotzes jedesmal 2 Minuten ge-
rechnet, so werden mit dieser Kraft 63 Schnitte oder 1654 Quad. Fuss Schnittfläche in
24 Stunden gemacht.
Die in einer Sekunde zuströmende Wassermenge auf dieses Rad ist nach Seite 159
gleich 0,633 . ⅔ . 2 (1,833 √ 1,833 — 1,417 √ 1,417) 2 √ 15,5 = 5,3 Kub. Fuss. Da das Rad
sich in 4,3 Sekunden herumdreht, so ist dessen Geschwindigkeit im Theilrisse, dessen
Durchmesser 2° 3′ 9″ beträgt v = = 11,5 Fuss, demnach haben wir zur Bestim-
mung der Höhe x des Wassers in den Zellen die Gleichung 5,3 = 11,5 · · x, woraus
x = 2,71 Zoll. Die Wassermenge in jeder Zelle ist = 0,407 Kub. Fuss. Aus der
Fig.
14.
Tab.
63.Höhe x der Anfüllung wurde nun der Winkel λ, bei welchem die Zellen auszugiessen
anfangen, auf folgende Art berechnet. Die Fläche m n q t ist = ⅔ m n . n q; wird
hiervon die Fläche m p n = ½ m n . n p abgezogen, so bleibt für den Inhalt der Zelle
⅔ m n . n q — ½ m n . n p übrig, welches = n q . x seyn muss. Daraus folgt
n p = = = 7,75 Zoll. Demnach ist
tang m p n = tang λ = = = 1,1613 und der Winkel λ = 49° 16Min. Der Winkel
μ ist beinahe = 30 Grad.
Da der ausströmende Wasserstrahl 3 Zellen überschreitet, so ist R . Sin w = ,
folglich Sin w = = 0,3365 und der Winkel w ist 19° 40Min. Demnach ist die wirk-
same Wassersäule für die obere Hälfte des Rades R . Cos w = 7,875 . 0,9417 = 7,42 Fuss.
[441]Berechnung einer Bretsäge.
Hierzu kommt noch die Höhe = ⅜{h + a + R (1 — Cos w)} = ⅜(1,20 + 1 + 0,46) = 1,00 Fuss
zu addiren.
Die Veränderungen der Winkel λ und μ durch die Fliehkraft geben die Gleichun-
gen (Seite 423), Sin W = = = 0,4105 und
Sin W' = = = 0,2709. Hieraus folgen die Winkel W = 24° 14Min.
und W' = 15° 43Min. Demnach ist die Höhe des untern wasserhaltenden Bogens
= R . Cos = 7,875 . Cos 59° 36,5Min. = 3,98 Fuss und die ganze wirksame
Wassersäule + R . Cos w + R . Cos = 1,00 + 7,42 + 3,98 = 12,4 Fuss.
Hieraus ergibt sich das Bewegungsmoment = 56,4 . 5,3 . 12,4 = 3707. Da mit diesem Momente
bei ununterbrochener Arbeit in einer Stunde 75 Quad. Fuss weiches Holz geschnitten
werden, so entfällt für ein Moment von 300 stündlich eine Schnittfläche von 6,1 Quad.
Fuss, welches mit den Seite 435 und 437 angeführten Erfahrungen nahe überein-
stimmt.
Nehmen wir aus diesen drei Erfahrungen das Mittel, so ergibt sich für das Moment von
300 die Fläche von 5,60 Quad. Fuss oder für das Bewegungsmoment von 1000 die
Schnittfläche von 18,7 N. Oe. Quad. Fuss, welche bei weichem Holze
innerhalb einer Stunde erzeugt wird. Diese Erfahrung kann nun bei der
Anlage der Bretsägen, welche auf ähnliche Art, wie die nachstehend beschriebene
eingerichtet sind, zum Grunde gelegt werden.
§. 318.
Nach dieser vorläufigen Uibersicht der Hauptdimensionen, des Ganges und der ArbeitTab.
62
und
63.
der Bretsäge kommen wir zur ausführlichen Beschreibung aller einzelnen Theile derselben,
welchem wir die Konstrukzion oder Bauart dieser Theile, dann das Verfahren beifügen
werden, mittelst welchem an einer solchen Bretsäge Umänderungen vorgenommen wer-
den, wenn die Maschine wegen Verschiedenheit der Klötze, welche geschnitten werden
sollen, oder wegen der stattfindenden Betriebskraft anders eingerichtet werden muss.
Das Wasser zum Betriebe des Rades wird mittelst des Gerinnes oder Wand-
troges A (Fig. 1 und 3, Tab. 63) zugeleitet; diess Gerinne wird aus 3 Zoll starken
weichen, besser aber aus eichenen Pfosten hergestellt, die mittelst Zwingen a, a.....
zusammengehalten und durch Keile, welche in die absichtlich etwas grösser gelassenen
Oeffnungen der Riegel eingetrieben werden, so fest verbunden, dass es ganz wasserdicht
ist. Eine jede dieser Zwingen besteht aus 4 Theilen, nämlich einer Schwelle, worauf
zugleich das Gerinne ruht, aus 2 Säulen zur Seite und einem obern Querriegel aus
6 Zoll im Quadrate starken weichem oder harten Gehölz. Die Schwelle kann jedoch
etwas stärker seyn und muss zu beiden Seiten des Gerinnes vorragen, damit die Säulen
in derselben stehen können und auch ein wenigstens 6 Zoll langer Kopf zur Verhinderung
des Aufspaltens beim Eintreiben der Keile übrig bleibt. Weil diese Gerinne in den
Gerstner’s Mechanik. Band. II. 56
[442]Bauart des oberschlächtigen Wasserrades.
Tab.
62
und
63.Ecken am schnellsten faulen und dann daselbst das Wasser auslassen, so pflegt man in
diese Ecken ein nach der Figur derselben aus einem 6 Zoll starken Holze ausgezim-
mertes Stück Eichenholz einzulegen, welches dann eine weit längere Dauer gewährt.
Gerade über dem Scheitel des Wasserrades befindet sich die Schütze b, mittelst
welcher das Wasser in der erforderlichen Höhe auf das Rad gelassen wird. Die Schütze
läuft in dem Wandtrog vor zwei an denselben genagelten Leisten und der in ihrer Mitte
befindlichen Aufzugleiste durch den Holm c; sie wird mittelst einiger eiserner Ringe
an den Hebel d befestigt, und durch ihn aufgezogen. Die Schütze selbst besteht aus
einer einfachen Lage 1½ Zoll dicker Breter, welche an die Aufzugleiste und an zwei andere
2 Zoll von den Seitenrändern entfernte Bretstücke von 4 Zoll Breite mittelst hölzerner
vorn und hinten verkeilter Nägel befestigt sind. Man pflegt den letztern gegen die eiser-
nen, welche im Wasser leicht rosten, den Vorzug zu geben. Hinter der Schütze befin-
det sich eine Klappe e, welche mit der Schütze zugleich aufgezogen und herabgelassen
wird; sie dient die Oeffnung für das Aufschlagwasser zuzudecken, wenn dasselbe bei
herabgelassener Schütze über die letztere hinweg und in dem Gerinne weiter fortfliesst.
Gegen das Ende dieses Gerinnes befindet sich eine zweite Klappe f, welche mittelst
eines Hebels g aufgezogen und dadurch das Wasser auf ein kleines Rad C gelassen wer-
den kann, durch dessen Umdrehung der Wagen der Bretsäge zurückgedreht wird.
§. 319.
Unter dem Gerinne befindet sich in der Wasserradstube das oberschlächtige
Wasserrad B von 2 Klafter 4 Fuss 9 Zoll im äussern Durchmesser; dasselbe hat einen
9 Zoll breiten Kranz und 56 Zellen. Der Kranz ist aus doppelten, zusammen 4 Zoll brei-
ten Felgen von Eichenholz zusammengesetzt, wovon die innern beiläufig ¼ Zoll we-
gen dem Einlarven (Einsetzen) der Schaufeln stärker als die äussern sind; sie werden
mittelst hölzerner Nägel, deren sich zwei Paar zwischen je zwei Schaufeln oder in
jeder Zelle befinden, auf die gewöhnliche Art verbunden. Die Schaufeln werden, wie
bei s' Fig. 8 Tab. 63 zu sehen ist, ¼ Zoll tief in die Radkränze eingelarvt; die Riegel-
schaufeln r' stehen senkrecht auf der Peripherie des Rades und reichen bis zum
Theilriss, welcher sich auf ein Drittel der Breite des Kranzes befindet; sie sind aus
¾ Zoll starken weichen Bretern verfertigt und jede erhält zwei runde Zapfen, mittelst
welcher sie in die Löcher q in den Radkranz eingesetzt werden. Die Setzschaufeln w'
sind so eingesetzt, dass sie mit der Peripherie des Rades einen Winkel von 30 Grad bilden;
sie sind von ½ Zoll starken weichen Bretern verfertigt, erhalten keine Zapfen, und werden,
wenn die Kränze schon zusammengesetzt sind, bloss in die Einlarvung eingeschoben und
sowohl an die Riegelschaufeln als an die Kränze, nämlich an jede mit 2 eisernen Nägeln,
wie Fig. 7 und 8 zeigt, angenagelt. Der innere Boden des Rades ist aus ½ Zoll
starken weichen Bretern zusammengefügt, welche nach Fig. 7 mit eisernen Nägeln an
die Radkränze befestigt werden.
Der Kranz ist an die Arme mittelst des sogenannten Schämels befestigt; die-
ses ist ein 8 Zoll breites und 4 Zoll hohes Stück Eichenholz, welches nach Fig. 9 für die
Arme ausgelocht, mit 4 eisernen Ringen beschlagen und mittelst zweier Zapfen an jedem
[443]Wasserradswelle, Bauart des Stirnrades.
Ende nach Fig. 7 und 8 mit dem Radkranze verbunden wird. Er ist hinten mit dem in-Tab.
62
und
63.
nern Boden bündig und der innere Zapfen entspricht in der Seitenansicht Fig. 8 den Bo-
denbretern. In die zwei Oeffnungen des Schämels werden die Arme des Wasserrades
von 7 Zoll Breite und 4 Zoll Stärke eingelegt und verkeilt. Diese Arme (Schloss-
arme genannt) umfassen die Welle und werden daselbst nach Fig. 7 und 8 in einan-
der eingeschnitten. Die Welle selbst, welche an ihrem übrigen Theile rund zugezim-
mert ist, wird an der Stelle, wo sie die Arme umfassen, achteckig abgezimmert, dar-
auf 4 Stück Klötze u' aufgelegt, und etwas eingelassen, wie Fig. 8 zu sehen ist, end-
lich aber mittelst der Keile k'' sowohl die Arme gehörig befestigt, als auch bei dem Ein-
hängen des Radkranzes dort, wo es nöthig ist, dergestalt nachgeholfen, damit die Peri-
pherie mit der Achse der Welle vollkommen konzentrisch werde.
Aus Fig. 1 Tab. 63 ersieht man, dass der ganze Radkranz aus 8 Felgen besteht, wo-
von die innern Fugenschnitte durch scharfe Linien, die äussern aber durch punktirte Li-
nien angedeutet werden. Aus derselben Zeichnung ersieht man auch die Eintheilung der
Felgennägel, welche mit den doppelten Felgenlagen und den übrigen bereits angegebe-
nen Theilen dem ganzen Rade die hinreichende Festigkeit geben. Wir bemerken daher
nur noch, dass bei einem grössern Durchmesser des Rades die freiliegende Felge zwi-
schen den äussern Theilen der Arme zu lang wird und in der Mitte durch 8 andere
Arme unterstützt werden müsste, welche auf einen zwischen die Fig. 1 dargestellten
Arme, eingelassenen Wechsel aufgezapft sind.
Die Wasserradswelle (Fig. 1, Tab. 62) ist von Eichenholz, 21 Zoll stark und liegt
mit den 4½ Zoll langen und 3 Zoll starken Zapfen auf metallenen Zapfenlagern, welche
einerseits in dem Angewelle E, anderseits aber in einem grossen Eichenklotz F ein-
gelegt sind. Das Angewelle ist dergestalt eingerichtet, dass durch Herausnahme der
Keile h die zwei anliegenden Hölzer weggenommen, und das Zapfenlager, wenn es
auf einer Seite ausgelaufen ist, entweder gewendet, oder sonst was immer für eine
Reparatur an diesen Theilen vorgenommen werden kann. Der Eichenklotz F dient
als feste Unterlage für die beiden sich gegenseitig von einander drückenden Haupt-
räder der Maschine, nämlich des Stirnrades und des Drehlings, von welchen die Welle
D des letztern noch nebstdem bedeutende Erschütterungen zu erleiden hat.
Das Stirnrad G, welches unmittelbar an der Wasserradswelle befestigt ist, hat
2 Klafter 2 Zoll im Durchmesser des Theilrisses und 120 doppelte Kämme mit 3⅚ Zoll
Theilung. Es muss sehr fest gebaut seyn, da es eine bedeutende Kraft auszuüben hat.
Sein 9 Zoll breiter Kranz besteht aus 3 Felgenlagen von Eichenholz, welche zusam-
men 9 Zoll dick sind; die Kämme sind von Buchenholz, 3 Zoll lang, 1 4/6 Zoll dick und
3⅙ Zoll sammt Backen breit, der runde durchgehende Kammstiel ist aber 1 4/6 Zoll dick
und verjüngt sich etwas nach unten. Es betragen daher die Backen der Kämme auf
jeder Seite ¾ Zoll, und die Löcher für die beiden Kammreihen sind in der Mitte 1½
Zoll von einander entfernt, so dass die Kämme daselbst ganz aneinander anschliessen.
Die ganze Peripherie des Stirnrades bilden 6 Felgen, deren Schnitte, dann Eintheilung
der Felgennägel aus Fig. 3, Tab. 63 zu ersehen sind; die innern und hintern in dieser Zeich-
nung nicht sichtbaren Felgenschnitte werden abwechselnd so eingetheilt, dass kein
56*
[444]Drehling, Schwungrad, Kurbel, Sägegatter.
Tab.
62
und
63.Schnitt einen Arm treffe. Die Kammstiele, welche durch den Kranz gehen, bekommen
an der innern Seite einen hölzernen Vorschlagnagel, welcher das Herausfallen dersel-
ben verhindert. Die 6 Paar Arme dieses Rades sind von Eichenholz paarweise durch
die Radwelle gesteckt, 4 Zoll dick und 6 Zoll breit; sie stehen in der Mitte des Kran-
zes wegen des bessern Anziehens ½ Zoll von einander und werden an die äussern Sei-
ten desselben ½ Zoll tief eingelarvt und mit einem Schraubennagel angezogen. In der
Welle werden die Arme mit Keilen, welche an den äussern Seiten der Arme stehen,
befestigt.
Das Stirnrad greift in einen Drehling von Gusseisen mit 17 Stöcken. Dieser ist
weit dauerhafter und hat einen sicherern Gang, als die gewöhnlichen Drehlinge, Ge-
triebe und Kumpfe von Holz. Er wird an die daselbst sechseckig gezimmerte Welle
mittelst Keilen befestigt, wie Fig. 3, Tab. 63 zu ersehen ist.
Hart an diesem Drehlinge steht das Schwungrad H, welches zur Bewirkung der
gleichförmigen Bewegung bei dem Auf- und Niedergehen der Säge wegen dem unglei-
chen hierbei statt findenden Widerstand immer vorhanden seyn muss. Es hat 6 Fuss 8
Zoll im äussern Durchmesser, besteht aus zwei zusammen 9 Zoll breiten Felgenlagen von
dem schwersten vom Wurzelende der Eichenstämme genommenen Holze; der Kranz ist
8 Zoll breit und wird so wie Fig. 3 zeigt, zusammengesetzt und genagelt. Die Arme sind
hier so wie bei dem Stirnrade G eingelegt, nur dass solche nicht ganz einen Zoll vor dem
Kranze vorstehen, um bei ihrer Bewegung der Luft keine so grosse Querschnittsfläche
darzubiethen.
§. 320.
Die Kurbel ist sammt dem daran befindlichen Bleiel in der Radwelle (Fig. 9 Tab. 62)
von Schmiedeisen. Damit solche durch die schnelle Bewegung nicht aus ihren Lagern geho-
ben werde, ist sie mittelst einer Zwinge i (Fig. 2, Tab. 63) zugedeckt, welche auf zwei in dem
eichenen Block F feststehende Zapfen aufgesetzt und mit Keilen befestigt wird. An der
Kurbel befindet sich der hölzerne mit Eisen beschlagene Lenker J, welcher an dem
Sägegatter K bei k befestigt ist und durch die Bewegung der Kurbel das Hinauf- und
Herabgehen des Sägegatters hervorbringt. Die deutliche Zeichnung des Lenkers, sammt
einem ebenfalls in Böhmen ausgeführten, etwas verbesserten Beschläge sieht man Fig. 2 u. 3
Tab. 62 Der Lenker ist ganz von Eichenholz 4 Zoll breit und verglichen 3 Zoll dick. Seine
Kappenbeschläge sind oben und unten mit Schrauben angezogen und die Drehung geschieht
zwischen zwei metallenen Zapfenlagern, welche zum Herausnehmen eingerichtet, bei m und
n in der Seitenansicht, bei l aber in der obern Ansicht dargestellt sind. Der Lenker muss übri-
gens so lang als nur immer möglich gemacht werden, weil sodann wegen seiner mehr senk-
rechten Richtung an der Leichtigkeit der Bewegung offenbar gewonnen wird. Das Säge-
gatter K ist aus weichem, 5 Zoll breiten und eben so dicken Holz zusammengefügt, je-
doch wird dem obern und untern Riegel, zwischen welchen die Säge gespannt ist, eine
etwas grössere Breite gegeben. Diese Riegel haben Zapfen, welche durch die Seitenhöl-
zer ganz durchgehen und liegen nebstdem noch oben und unten auf zwei Untersatzeln o
Fig. 2 auf, welche aus einem Stück mit den Seitentheilen dergestalt verfertigt sind, dass
die schwächern Theile bei der Bearbeitung mit der Hacke abgehauen werden.
[445]Säge, Bauart des Wagens.
In der Mitte zwischen dem obern und untern Riegel ist die Säge Q an eisernenTab.
62
und
63.
Bolzen gespannt, welche durch eiserne an den hölzernen Querriegeln befestigte Bügel
durchgesteckt und mit Schrauben scharf angezogen sind. Die Konstrukzion der eisernen
Bügel ist am besten in Fig. 2 und 3 Tab. 63 zu ersehen; sie endigen sich in zwei Schrau-
benbolzen, welche durch ein Unterlageisen gesteckt und alsdann mittelst zweier Schrau-
benmuttern angespannt werden. Die Bügel haben dort, wo die Säge durchgeht, einen
Schlitz. In diesen Bügeln ist nun die Säge auf 1 oder 2 eisernen, ¾ Zoll dicken Bolzen
eingehängt, zu welchem Zwecke in das Sägeblatt Löcher geschlagen werden. Um das
Verrücken der Bügel an den hölzernen Riegeln zu verhindern, werden dieselben entwe-
der etwas in das Holz eingelassen, oder einige kleine Keile, wie Fig. 2 Tab. 62 zu sehen
ist, unter sie geschlagen. Das Gewicht des Sägegatters muss immer so gross gemacht
werden, damit der Widerstand bei dem Hinauf- und Herabgehen der Säge gleich sey, zu
welchem Zwecke dasselbe nöthigenfalls mit aufgelegten eisernen Platten beschwert wird.
Das Sägegatter lauft zwischen den 10 Zoll breiten und 10 Zoll dicken Gattersäulen
p, welche nach der Stärke des Gatters ausgehöhlt und das letztere an erstere mittelst der
Vorsatzdaumen r angehalten wird. Durch diese Daumen gehen starke Schraubenbolzen,
welche zugleich auch die Gattersäulen an zwei andere zwischen dem Zimmerwerke des
Gebäudes befestigte 10 Zoll im Quadrate starke Säulen q anhalten. Damit das Säge-
gatter sich leichter zwischen den Gattersäulen bewege, ist solches nächst den Vorsatz-
daumen von den 3 Seiten, wo es sich reibt, und eben so auch die Gattersäulen an die-
ser Stelle an zwei Seiten mit hartem Holze ausgefüttert, wie Fig. 2 Tab. 62 zu sehen
ist. Diese Ausfütterung ist so hoch, als der Hub der Säge es erfordert, steht beiläufig
⅕ Zoll vor, kann, wenn sie mehr abgenützt ist, wieder neu ersetzt und muss stets mit
Seife eingeschmiert werden. Die Säulen q sind in dem obern und untern Tram mit
Zapfen versetzt, und damit solche bei der bedeutenden Erschütterung dennoch stehen
bleiben, sind sie von unten noch durch einen besondern Tram t (Fig. 2 Tab. 63) unter-
stützt und an den obern Tram mittelst vorgesteckter Keile dergestalt gut befestigt.
Diese Befestigung ist nämlich so hergestellt, dass alle 3 genannten Träme sich nur ge-
meinschaftlich schwingen können, demnach auch alle Schwingungen bedeutend vermin-
dert werden.
§. 321.
Der Wagen, worauf der Klotz, welcher geschnitten werden soll, ruht, besteht aus
den untern Strassenbäumen L, den obern Strassenbäumen M, dem Richtschämel N,
Ruheschämel O und Kammbaum P.
Die untern Strassenbäume L sind 7 Zoll breite und 5½ Zoll hohe nach der
ganzen Länge des Gebäudes gestreckte weiche Hölzer, welche 2 Zoll tief in die darun-
ter befindlichen Sturzträme des Gebäudes eingelassen sind. Da solche selten aus einem
einzigen Stücke bestehen, so geschieht die Zusammensetzung ihrer einzelnen Theile
immer auf einem solchen Tram, jedoch so, dass nicht beide Strassenbäume auf einem
Trame zusammengefügt werden. An ihrer obern Seite sind sie mit einer 3 Zoll brei-
ten und ⅜ Zoll dicken, in das Holz eingelassenen Eisenschiene belegt, welche mit ei-
sernen Nägeln, deren Köpfe ebenfalls versenkt sind, befestigt werden.
[446]Bauart des Wagens.
62
und
63.
Die obern Strassenbäume M, haben dieselben Dimensionen wie die untern,
doch sind sie kürzer und bestehen immer nur aus einem Stücke. Sie sind immer auf
2 Fuss 6 Zoll Entfernung ausgehöhlt und daselbst mit eisernen Laufrädchen, die nach
unten ¾ Zoll vorstehen müssen, versehen. Diese Laufrädchen, welche Fig. 12 und 13
Tab. 63 im Durchschnitt und der Seitenansicht dargestellt sind, werden mit eisernen
Schraubenbolzen, in welchen sie sich zugleich drehen, befestigt. Werden daher die
obern Strassenbäume auf die untern aufgelegt, so können die erstern und somit der
ganze Wagen mit grosser Leichtigkeit hin- und herbewegt werden.
Der Richtschämel N, ist ein nach Fig. 4, Tab. 63 ausgezimmertes 15 Zoll breites,
12 Zoll hohes und 4 Fuss 2 Zoll langes weiches Holz. Er umfasst die obern Strassenbäume
von zwei Seiten, lässt sich auf selben hin- und herschieben und wird immer nach der
Länge des zu schneidenden Klotzes gestellt, alsdann aber mit seitwärts eingetriebenen Kei-
len u Fig. 5 befestigt. Auf dem Richtschämel liegt ein anderes Holz x, welches 2 Fuss
10 Zoll lang, 6 Zoll hoch, 7 Zoll breit und gewöhnlich von Eichen ist; dasselbe wird
vorne nach der Gestalt des Klotzes etwas ausgehöhlt und seitwärts an der obern Seite
mit zwei Klammern versehen, welche mit ihren Spitzen in den Klotz eingeschlagen wer-
den, um ihn fest zu halten. Dieser Klotz muss nach jedem vollbrachten Schnitte um
die Stärke des Brettes verrückt werden und dennoch sehr fest liegen. Zu diesem Zwecke
wird der Klotz x durch das Eisen w (Fig. 4 und 5) mit einem oder auch zwei Keilen v fest
angehalten, welche sehr leicht herausgeschlagen und wieder eingetrieben werden können.
Der Ruheschämel O ist von weichem Holze, aber höher und breiter als der
Richtschämel und besteht daher meistens aus zwei Stücken, die mit 2 Schrauben y
(Fig. 6) zusammengehalten werden. Das grössere Stück ist 4 Fuss 2 Zoll lang, 17 Zoll
hoch und 14 Zoll breit, umfasst die obern Strassenbäume von 2 Seiten und ist mit ihnen
unverrückbar mittelst einer Schraube, welche in Fig. 6 punktirt zu sehen ist, verbunden.
Das kleinere Stück ist eben so lang, 8 Zoll hoch und 7 Zoll breit, oben mit einem starken
Eisenblech beschlagen, auf welches der zu schneidende Klotz immer mit dem Stamm-
ende, nachdem dieses zuvor etwas flach gehauen ist, gelegt wird. An der obern Seite
des Richtschämels wird die Gabel z, welche mit 2 oder drei Spitzen versehen ist, mit-
telst dreier aus der Zeichnung Fig. 1, Tab. 62 und Fig. 6, Tab. 63 zu ersehender Eisen
fest gehalten. Sie bewegt sich darin leicht hin und her und wird mittelst eines dar-
unter geschlagenen Keiles nach Erforderniss festgestellt. Die an ihrem vordern Ende
befindliche Nase dient sie zurückschlagen zu können, wodurch der untere Keil gelockert
wird. Dieses Befestigen und wieder Zurückschlagen der Gabel geschieht nach jedem
vollbrachten Schnitte, weil alsdann der Klotz auf dem Ruheschämel jedesmal so wie
bei dem Richtschämel um die Bretstärke verrückt und wieder befestigt werden muss.
Zur leichteren Verrückung des Klotzes trägt der früher erwähnte Blechbeschlag bei, und
die Befestigung des Klotzes geschieht mittelst der am hintern Ende der Gabel befind-
lichen 2 oder auch 3 messerförmigen Spitzen, welche in den Klotz eingetrieben werden.
Diese Gabel ist aus der Ursache gespalten, damit bei jedesmaliger Verrückung des Klot-
zes, die Säge sich ausserhalb dem Klotze zwischen den Zinken derselben bewegen könne,
zu welchem Zweck auch der Ruheschämel um die ganze Breite der Säge und um so
viel als der Klotz auf ihn aufliegt, durchgeschnitten werden muss.
[447]Vorrückung des Wagens während dem Sägen.
§. 322.
Damit die beiden oberen Strassenbäume nicht auseinander weichen, müssen selbe anTab.
62
und
63.
ihrem hintern Ende mittelst des Riegels a' (Fig. 1, Tab. 62) verbunden werden, welches
durch Verzapfung und Einschlagung hölzerner Nägel geschieht. An dem vordern Ende
wird diese Verbindung durch die in dem Ruheschämel befindliche Schraube bewirkt, in-
dem die in beiden Theilen des Ruheschämels vorhandenen Zapfen mehr zur bessern
Haltbarkeit der in der Mitte getrennten Theile desselben, als zum Zusammenhalten der
Strassenbäume dienen.
Der Kammbaum P (Fig. 2, Tab. 63) ist ein 6 Zoll hohes und 4 Zoll breites Stück
Eichenholz in gleicher Länge mit den obern Strassenbäumen. Er ist mit 3¾ Zoll langen,
2½ Zoll breiten, 1\frac{4}{6} Zoll dicken und 3¾ Zoll von einander entfernten Kämmen von Bu-
chenholz versehen. Die Kammstiele desselben gehen durch, und sind an ihrer obern Seite
mittelst kleiner durchgesteckter Keile vor dem Zurückfallen gesichert. Dieser Kammbaum
ist mit denselben Schraubenbolzen befestigt, welche die Laufrädchen halten, und er bil-
det längs des ganzen Wagens einen vorstehenden Falz, welcher nebst den beiden Gatter-
säulen, zwischen welchen er ebenfalls genau durchgeht, verhindert, dass der Wagen von
der ihm vorgeschriebenen Bahn abweiche. Zur Verminderung der Reibung muss der
Kammbaum dort, wo er an die untern Strassenbäume anliegt, dann die Gattersäulen
dort, wo der Wagen durchgeht, gut eingeseift werden; es ist jedoch vortheilhafter, den
Kammbaum mit einer Eisenschiene und die untern Strassenbäume sammt Gattersäulen
mit Frikzionsrädchen nach Art der Laufrädchen zu versehen.
Der Hauptzweck des Kammbaumes ist, den Wagen weiter zu schieben; diess
geschieht durch die in denselben eingreifende Ziehwelle b'. Dieselbe ist von Eichen-
holz, hat 8 Zoll im Durchmesser und bildet unterhalb dem Kammbaume einen Kumpf
von 8 Stöcken, welcher in die Kämme des Kammbaumes genau eingreift. Die Ziehwelle
liegt in metallenen Zapfenlagern, welche im Gebäude in einem zwischen 2 Sturzträmen
mittelst Zapfen und eisernen Bügeln befestigten Trame, in der Wasserradstube aber in
einem gewöhnlichen Angewelle eingelassen sind. Bei schweren Klötzen ist es jedoch
vortheilhaft an jedem Strassenbaume einen Kammbaum anzubringen, zu diesem Behufe
die Ziehwelle mit zwei Kumpfen zu versehen und dadurch eine gleichförmige Bewegung
des Wagens zu bewirken.
Beinahe in der Mitte der Ziehwelle b' befindet sich das Ziehstirnrad c' von
4 Fuss 2 Zoll Durchmesser im Theilriss. Es hat 40 einfache, 3 Zoll lange, 2½ Zoll breite
und 1\frac{4}{6} Zoll dicke Kämme mit 3 [...] Zoll Theilung; der Kranz desselben besteht aus 2 eiser-
nen Felgenlagen, die zusammen 3¾ Zoll dick und 5½ Zoll breit sind; es hat 4 Durchsteck-
arme von Eichenholz und seine Bauart ist fast ganz dieselbe, wie jene des Stirnrades G.
Das Ziehstirnrad c' greift in einen Drehling d' mit 9 Stöcken, an welchem nebstbei
eine Handkurbel und eine eiserne Zahnscheibe e' angebracht ist. Dieser Drehling
ist ganz von Eichenholz gebaut und seine Konstrukzion aus Fig. 10 und 11 Tab. 63 zu
ersehen. Er besteht nämlich aus zwei Scheiben von 19 Zoll Durchmesser und 2¼ Zoll
Dicke zusammen. Hiervon ist die äussere etwas stärker und es wird in dieselbe die ei-
serne Zahnscheibe e' aufgesetzt und ihre vorstehenden vier Lappen in dieselbe einge-
[448]Zurückschieben des Wagens.
Tab.
62
und
63.lassen; sodann wird die zweite innere Scheibe darüber gelegt und beide mit 4 Schrau-
benbolzen, welche durch die Lappen der Zahnscheibe gehen, zusammengezogen. An die
äussere Peripherie werden alsdann zwei eiserne Reife angetrieben und für die Triebstöcke
viereckige Löcher eingestemmt. Auf der andern Seite des Getriebes befindet sich ein
Bret von 1⅓ Zoll Dicke und bloss 1 Fuss im Durchmesser, an dessen Peripherie runde
Löcher für die Triebstöcke durchgeschlagen werden. Diese runden Löcher werden an
ihrem Umfange in etwas durch einen um die Peripherie der Scheibe getriebenen eisernen
Reif abgeschnitten, und eben so wird der runde Zapfen der Triebstöcke gegen den Reif
etwas abgespalten, damit bei dem fertigen Getriebe die äussere Seite der Triebstöcke mit
dem Reife bündig liege. In der Mitte beider Scheiben ist eine viereckigte Oeffnung
durchgeschlagen, welche von 4 Stück ¼ zölligen Futterbretchen zwischen den Scheiben
fortgesetzt wird; in diese Oeffnung wird die Spindel von Schmiedeeisen, welche an die-
ser Stelle viereckig ausgeschmiedet ist, gesteckt, und mit Keilen befestigt. Die Trieb-
stöcke, welche nach dem obigen an einem Ende mit runden, am andern Ende mit vier-
eckigen Zapfen versehen seyn müssen, werden alsdann durch die viereckigen Löcher der
grössern Scheiben und mit den runden Zapfen in die kleinere Scheibe hineingesteckt, so-
dann aber beiderseits gut verkeilt. Auf eben die Art werden auch neue Triebstöcke statt
den abgenützten alten eingelegt. Die an der Spindel befindliche Handkurbel dient, den
Wagen auf kleinere Distanzen zu bewegen, wenn solches nämlich durch das an der Zieh-
welle befindliche kleine Wasserrad C nicht füglich geschehen kann.
Dieses kleine Wasserrad C hat den Zweck, den Wagen nach jedesmaligen voll-
brachtem Schnitte zurück zu schieben. Weil nämlich in diesem Falle das grosse Wasser-
rad ausser Wirksamkeit tritt, indem die Säge nicht schneidet, so fällt das Wasser über
die Schütze des grossen Rades und der Bretschneider lässt solches, sobald er das Rück-
gehen des Wagens wünscht, durch Aufhebung der Klappe f auf das kleine Rad fallen.
Die Bauart dieses kleinen Wasserrades ist beiläufig so, wie jene des grossen Rades B,
nur fällt das Wasser verkehrt auf, um das Zurückdrehen zu bewirken; übrigens hat die-
ses Rad nur wenig Kraft auszuüben, daher auch seine Bauart von keiner besondern Wich-
tigkeit ist. In Fig. 1 Tab. 63 ist die Konstrukzion desselben ersichtlich, wobei die punk-
tirten Linien die äussern Felgenschnitte und dann den durch die Welle durchgesteckten
Arm andeuten, welcher letztere in die äussere Felge beiläufig ¼ Zoll tief eingelarvt und
mit zwei Schraubenbolzen befestigt wird. Die Aufhebung der Klappe f in dem Gerinne
geschieht durch den Hebel g, dessen zweites Ende in das Gebäude hineinreicht, und
durch dessen Herabdrücken die Klappe ohne besonderem Kraftaufwande gehoben wird.
§. 323.
Die bisherige Erklärung und die Zeichnungen, vorzüglich aber Fig. 6 Tab. 62, wo
die verschiedenen Standpunkte der Säge durch punktirte Linien angedeutet sind, zeigen,
wie der Wagen, worauf der zu sägende Klotz ruht, durch Umdrehung des Ziehrades
und des dazu gehörigen Getriebes mit der Zahnscheibe weiter geschoben wird. Damit
nun diese Operazion die Säge selbst verrichten könne, ist das sogenannte Zuschiebe-
zeug nothwendig. Dieses besteht aus der Klaue f', der Schere g', der Zuschiebwelle
[449]Zuschieben des Klotzes während dem Sägen.
h' und dem Arme i'. Man sieht aus Fig. 6 wie durch das Wasserrad das an derselbenTab.
62
und
63.
Welle befestigte Stirnrad, hierdurch der Drehling sammt Schwungrad und der Kurbel
umgedreht und auf diese Art der Lenker sammt dem daran befestigten Sägegatter auf-
und abwärts bewegt werde. Die Zeichnung stellt die Kurbel in ihrer niedrigsten Lage
dar, wogegen die punktirten Linien den Arm i', der mit dem Sägegatter, woran er be-
festigt ist, gehoben wird, in der obersten Lage darstellen. Durch dieses abwechselnde
Heben und Herabdrücken des Armes i' wird die Zuschiebwelle h' hin- und hergedreht
und die an selbe befestigte Schere g' hin- und hergeschoben. Die an die Schere befe-
stigte Klaue f' hat eine gleiche Bewegung und schiebt dadurch das eiserne Zahnrad e'
immer weiter, dessen Rückgehen durch einen einfallenden Sperrkegel (Fig. 3, Tab. 63)
gehindert wird. Man sieht nun leicht ein, wie durch die Umdrehung des eisernen Zahn-
rades das Stirnrad c' mittelst des an das Zahnrad befestigten Getriebes umgedreht, von
diesem Stirnrade aber die Ziehwelle b' sammt dem daran befindlichen Kumpf, welcher
endlich in die Zähne des Kammbaumes P eingreift, und hierdurch der Wagen sammt dem
aufruhenden Klotze während dem Schneiden fortwährend und gleichförmig bewegt oder
der Säge zugeführt wird.
Das Zuschiebezeug wird ausser dem Arme i' grösstentheils aus Eichenholz verfertigt;
man pflegt die Arme i' und f' nur 2 bis 3 Zoll stark, die Zuschiebewelle 5 Zoll im Durch-
messer und die Schere g' vier Zoll im Quadrate zu machen. Die Schere erhält mehrere
Löcher, in welchen die Klaue mit einem eisernen Vorstecknagel gehalten und nach Er-
forderniss höher oder niedriger gestellt werden kann, je nachdem der Wagen mehr oder
weniger schnell bewegt werden soll. Die Bestimmung, um wie viel der Klotz bei jedem
Schnitte der Säge zugeführt werden soll, hängt von der Dicke und Härte des zu sägenden
Klotzes, dann von der vorhandenen Wasserkraft ab. Je weniger der Wagen vorrückt,
desto weniger Holz hat die Säge bei jedem Schnitte abzureissen, mit desto geringerer
Kraft hann sie daher bewegt werden.
Gewöhnlich lässt man den Klotz zwischen 1/12 bis ¼ Zoll bei jedem Schnitte vorschie-
ben. Ein tieferer Schnitt als ¼ Zoll ist wohl nur bei sehr grosser Hubshöhe der Säge
von etwa 20 bis 30 Zoll thunlich, weil sonst die Breter durch das gewaltsame Abreissen
dicker Späne zu rauhe Oberflächen erhalten. Um die Länge der Schere für jede gege-
bene Grösse der Zuschiebung zu finden, haben wir g' = i' ; hierin ist g' die Län-
ge der Schere vom Mittelpunkte der Welle bis an den Punkt, wo der Vorstecknagel die
Klaue hält, i' die Länge des Armes zwischen dem Sägegatter und der Welle h', c' die
Zahl der Kämme im Ziehstirnrad, b' die Grösse der jedesmaligen Zuschiebung, z' der
Durchmesser des Zahnrades, K die Hubshöhe der Säge, d' der Durchmesser des Ge-
triebes und k' die Zahl der Stöcke im Kumpfe an der Ziehwelle. Auf gleiche Art
gibt e = die Entfernung der Zähne am eisernen Zahnrade.
§. 324.
Zur Erzielung eines gleichförmigen Ganges der Säge und eines durchaus gleichen
und glatten Sägeschnittes, ist es von Wichtigkeit, die Säge an der Zahnseite nicht ganz
Gerstner’s Mechanik. Band. II. 57
[450]Regulirung der Bewegung des Wagens.
Tab.
62
und
63.vertikal, sondern auf die stattfindende Hubshöhe immer um die Grösse der Zuschiebung
mit dem obern Theile überhängend zu machen. Z. B. bei 15 Zoll Hubshöhe, ⅛ Zoll
Zuschiebung und 5 Fuss Höhe der ganzen Säge, wie es bei der durch die Zeichnung dar-
gestellten Sägemühle der Fall ist, muss die durch die Zahnspitzen bis an die beiden Auf-
hängspunkte verlängerte Linie oben um ½ Zoll überhängen oder vom Perpendikel abwei-
chen; hierdurch wird erzielt, dass alle Zähne zu jeder Zeit gleich stark arbeiten.
Die Säge muss ferner auch geschränkt seyn, d. h. die Zähne derselben müssen
abwechselnd zu beiden Seiten ihrer Breite etwas vorstehen, damit der Sägeschnitt breiter
wird und die Säge leichter durchgehe. Dieser Schrank ist gewöhnlich = ⅕ Zoll, bei
neuen Sägen = ¼ Zoll, bei bereits sehr abgeschliffenen Sägen = ⅛ Zoll. Je kleiner
er seyn kann, d. h. je dünner die Säge ist, desto weniger Kraft wird zur Bewegung der-
selben erfordert, allein dünne Sägeblätter, welche zugleich die hinreichende Festigkeit
haben, fordern auch das beste Eisen zu ihrer Verfertigung.
Bei jeder Säge muss die Einrichtung getroffen werden, dass der Wagen nach
vollendetem Schnitte nicht mehr weiter geschoben und dadurch vielleicht der Richt-
schämel zerschnitten werde, wenn nicht etwa der Aufseher der Maschine gegenwärtig
ist und den Klotz für den neuen Schnitt zurückschiebt. Gewöhnlich geschieht diess
dadurch, dass an das im Gebäude befindliche Ende des Hebels d, an dessen andern
Ende die Schütze angehängt ist, eine Schnur mit einer kleinen hölzernen Schiene l'
(Fig. 2 Tab. 63) befestigt wird. Diese Schiene hat unten ein Loch, mit welchem sie
an einem in der Säule q feststeckenden Nagel angehängt wird, ½ Zoll über diesem
Nagel befindet sich aber ein Loch, das durch die Säule q und durch die Gatter-
säule p durchgeht; in diesem steckt ein locker laufender Pflock, welcher etwas län-
ger gemacht wird, als die Dicke von p und q zusammen beträgt. Sobald nun die
Schiene l' angehängt und dieser Pflock von hinten eingesteckt wird, so dringt er bis
an die Schiene l' und steht noch etwas vor; an denselben stösst nun das Eisen m'
(Fig. 1 Tab. 62) des Richtschämels N, wenn dieser bis an das Sägegatter angekommen
ist, und drückt ihn an die Schiene l', wodurch letztere von dem feststeckenden Nagel
abgehoben und durch die Last der am obern Ende hängenden Schütze hinaufgezogen
wird. Durch diese aufwärtsgehende Bewegung von d wird zugleich der darauf ruhende
Stab n' (Fig. 3, Tab. 63) gehoben, an welchem die Klaue f' mittelst eines Seiles an-
gebunden ist, zugleich mit ihm in die Höhe geht, und daher nicht mehr in die Zähne
des Zahnrades eingreifen kann. Weil aber durch denselben Mechanismus auch die
Schütze herabfällt, so läuft das Wasser nicht mehr auf das grosse oberschlächtige
Rad, sondern fällt über die niedrige Schütze, läuft im Gerinne fort und wird nach
Erforderniss zum Zurückdrehen des Wagens auf die bereits angeführte Weise benützt.
Es versteht sich übrigens von selbst, dass das Seil, an welchem die Schiene l' gebun-
den ist, in seiner Länge genau mit dem nothwendigen Hube der Schütze übereinstim-
men muss, damit solche immer auf die gehörige Höhe aufgezogen sey.
Zur Ableitung der herabfallenden Sägespäne dient das Sägespändach U (Fig. 2
Tab. 63) durch welches der Lenker mittelst eines Einschnittes durchgeht. Man pflegt
diesen Einschnitt mit Leinwand zu verhängen, um das Herabfallen der Sägespäne auf
die Kurbel und in das Zapfenlager zu vermeiden. Weil aber demungeachtet Sägespäne
[451]Gebäude einer Sägemühle.
durchfallen, so wird aus dem Wassergerinne mittelst kleiner Rinnen ein kleiner be-Tab.
62
und
63.
ständig zufliessender Wasserstrahl auf den Zapfen der Kurbel geleitet, wodurch alle
Sägespäne abgespült werden und zugleich auch die Erhitzung des Zapfens in dem La-
ger bei der bedeutend schnellen Umdrehung vermieden wird. Man leitet zu gleichem
Zwecke auch auf die andern Zapfen solche kleine Wasserstrahlen zu.
§. 325.
Das Gebäude, worin eine Bretsäge aufgestellt wird, muss so hergestellt werden,
dass alle Theile hinlängliche Unterstützung haben und das Innere desselben vor Regen
und Wind geschützt sey. Da Bretsägen meistens in waldigten Gegenden errichtet wer-
den, so pflegt man hierbei nur den untern Bau von massivem Mauerwerke herzustellen
und darauf einen hölzernen, mit einzölligen Bretern verschalten Oberbau nach den vor-
liegenden Zeichnungen aufzusetzen. Von R bis S (Fig. 1 Tab. 62) darf jedoch wegen
der Aufwälzung der Klötze weder eine Verschalung noch eine Verriegelung Statt finden.
Das obere und untere Stockwerk des Gebäudes wird mit 1½ Zoll starken Bretern ge-
dielt und die Kommunikazion zwischen beiden durch die hölzerne Stiege T erzielt.
Für die Zähne des Kammbaumes sind sowohl die obere Dielung als auch die Sturzträme
etwas ausgeschnitten.
Die Gattersäulen stehen immer in der Mitte des Gebäudes und dieses muss dop-
pelt so lang als die längsten Klötze seyn, welche auf dieser Maschine geschnitten
werden sollen. Der Wagen wird nur 4 bis 5 Fuss länger gemacht, als die längsten
Klötze messen.
Hinsichtlich der Abänderungen, welche die Sägemühlen bei der beschriebenen
Bauart erfordern, ist noch folgendes zu bemerken. Sind die Klötze länger oder kürzer,
so wird bloss erfordert, den Wagen und das Gebäude in diesem Verhältnisse zu ver-
längern oder zu verkürzen; sind die Klötze von härtern Holz, so lässt man den Wa-
gen bei jedem Schnitte weniger zuschieben; sind aber die Klötze stärker, z. B. 3 bis
4 Fuss oder noch mehr im Durchmesser, so müssen die Sägeblätter länger und die Hubs-
höhe der Säge vergrössert werden. Die grössere Hubshöhe erzielt man durch die
Vergrösserung der Kurbel, welche bis zu 15 Zoll im Halbmesser gemacht werden kann.
Bei einem solchen stärkern Klotze wird man dann mit Rücksicht auf die vorhandene
Wasserkraft der Zuschiebung die gehörige Einrichtung geben. In jedem Falle hat man
darauf zu sehen, dass die Säge die gehörige Geschwindigkeit behalte, worüber das noth-
wendige bereits Seite 436 angeführt wurde, indem es offenbar unzweckmässig wäre, hierin
eine Aenderung vorzunehmen.
Noch haben wir einer Vorrichtung zu erwähnen, mittelst welcher die zu schnei-
denden Klötze durch die Bewegung der Säge von dem äussern Boden oder aus dem
Wasser in das Mühlgebäude aufgezogen werden; dieselbe ist Fig. 5 Tab. 62 dargestellt.
Durch die Bewegung des Sägegatters K wird nämlich eine Schiene o' bis in die durch
die Punktirung angedeutete Lage gehoben; diese Schiene steckt in der Welle p' fest,
in welcher nebstdem die doppelte Schere q' q' befestigt ist. Durch die Bewegung der
Schiene o' wird nun die Welle p' gedreht und mit ihr auch die Schere q', welche die
in ihr befestigten zwei Klauen r' r' wechselweise vorschiebt und zurückzieht, wodurch
57*
[452]Bretsägen mit mehreren Sägeblättern.
Tab.
62
und
63.das eiserne Zahnrad s' immer weiter geschoben und beide Seile, in welchen der Klotz
hängt, immer mehr und mehr auf den aus Latten verfertigten horizontal liegenden Korb
aufgewunden werden. Dieser Korb ist mit dem Zahnrade s' auf ähnliche Art wie bei
dem Getriebe e' (Fig. 10 und 11, Tab. 63) verbunden, und hat 10 bis 15 Fuss Länge;
an jedem Ende desselben wickelt sich ein Seil auf, in welchem der Klotz hängt, der
auf diese Art auf der schiefen Fläche immer mehr und mehr aufgezogen wird.
§. 326.
Hat man mehr Wasserkraft, als zur Betreibung einer Säge erfordert wird, so kann
man in demselben Gebäude, welches zu diesem Zwecke breiter angelegt wird, zwei
Sägen aufstellen, deren jede für sich arbeitet. Zu diesem Behufe bringt man entweder
an der eichenen Welle D zu jeder Seite eine Kurbel an, oder man lässt das Stirnrad
G in einen Drehling von jeder Seite eingreifen, während die übrige Maschinerie die-
selbe bleibt.
In einem solchen Falle ist es jedoch zweckmässiger, eine Säge mit zwei oder
mehreren Blättern zu versehen, als mehrere Sägen, deren jede zugleich nur ei-
nen Schnitt macht, in demselben Gebäude aufzustellen. Man hat in diesem Falle
nicht bloss den Vortheil, dass man nur das Räderwerk für eine Säge und ein schma-
les Gebäude bedarf, folglich an Anlagskosten erspart, sondern man gewinnt auch da-
durch, weil der Widerstand der Reibung bei einer Säge mit zwei oder mehr Blättern
beinahe derselbe bleibt, während er im Verhältnisse der Anzahl Sägen zunimmt, wenn
jede nur mit einem Blatte versehen ist.
Fig. 2 und 3, dann 7, 8 und 10, Tab. 62 enthalten die Details einer in Böhmen
im vorigen Jahre aufgestellten Bretsäge mit zwei Blättern, mit deren Erfolg
man vorzüglich zufrieden war. Die Spannringe, in welche die Sägeblätter hierbei
eingespannt werden, sind oben und unten gleich gestaltet. Sie bekommen dort, wo
sie die Sägen aufnehmen, eine hufeisenförmige Form (Fig. 7) und sind an ihrem unte-
ren Ende mit einem Querstabe α β (Fig. 8) verbunden, welcher nebst den 4 Stell-
schrauben γ auch noch 4 seichte Einschnitte δ enthält, in welche die ¾ Zoll starken
Bolzen ε gelegt werden, auf welchen die Sägeblätter (Fig. 10) mittelst der darin durch-
geschlagenen Löcher aufgehängt werden. Zwischen beide Sägeblätter wird oben und
unten ein Klötzel ν (Fig. 2) von hartem Holze und der Stärke der zu schneidenden
Breter eingelegt und diese alsdann mit den Stellschrauben γ fest angezogen. Die
Sägeblätter können von jedem Schmiede an beiden Enden leicht in die Form Fig. 10
gebracht werden, welche sie beim Ankaufe gewöhnlich nicht haben. Man pflegt ein
Blatt mit 3 oder 4 Löchern zu versehen, um es sodann auf eben so viele Bolzen auf-
zuhängen. Beim Durchschlagen der Löcher durch die Sägeblätter muss auch zugleich
auf das Uiberhängen der Säge Rücksicht genommen werden.
Uiber dem Spannringe befindet sich eine Warze μ (Fig. 8) und 2 andere Stellschrau-
ben η η, deren Zweck darin besteht, den Spannring gegen jede horizontale Verschie-
bung an den Riegeln des hölzernen Gatters zu sichern. Der obere Spannring endet
sich nach oben in zwei Schrauben λ, auf welche, nachdem selbe durch das Unterlegei-
[453]Bretsäge nach englischer Art.
sen ρ gesteckt worden, die Muttern aufgesetzt und die Sägeblätter ganz schraff angezo-Tab.
62.
gen werden können. Der untere Spannring endet sich in eine Gabel, in welcher mittelst
einer Schraube nach Fig. 2 und 3 der Lenker festgehalten wird. Bei Veränderung der
Sägen müssen jedesmal zuerst die Stellschraubeu η und γ, und dann die Ziehschrauben λ
nachgelassen werden, worauf nach Bedarf stärkere oder schwächere Klötze ν eingelegt,
oder auch die Sägeblätter ausgewechselt werden können.
Fig. 4, Tab. 62 ist die Darstellung eines nach englischer Art konstruirten eisernenFig.
4.
Rahmens, worin sich ein ebenfalls eisernes Gatter mit 7 Sägeblättern auf- und abbewegt.
Der Hauptrahmen muss in dem Gebäude immer hinreichend befestigt seyn; an den-
selben sind 4 genau abgedrehte und gut polirte schmiedeiserne Zylinder a b befe-
stigt, an welchen das Sägegatter A B C D mit den eingespannten Sägeblättern sich
auf- und abbewegt. Die Bewegung desselben geschieht mittelst einer Kurbel, welche
an der eisernen Welle E F befestigt ist. An derselben Welle befindet sich das guss-
eiserne Getriebe, welches bei den englichen Bretsägen, wie wir bereits Seite 415 an-
führten, unmittelbar durch das Wasserrad mittelst der an seinem Umfange angegos-
senen Zähne in Bewegung gesetzt wird. Eine solche Bretsäge, deren nach Seite 413
bereits im Jahre 1829 auch mehrere in der Schweitz aufgestellt waren, besteht daher
aus einem Wasserrade und einem darüber befindlichen Getriebe, an dessen Welle so
gleich die Kurbel nebst dem Schwungrade befestigt ist. Es leuchtet von selbst ein,
dass diese Konstrukzion bei der grössten Einfachheit auch noch eine bedeutende Ver-
minderung der Reibung des Sägegatters in dem Rahmen bezweckt. Uiberdiess gewäh-
ren Bretsägen mit mehreren Sägeblättern den wesentlichen Vortheil, dass sie bei einer
Anlage an Flüssen, wo der Wasserstand sich häufig ändert, nach Massgabe der jedes-
mal vorhandenen Kraft mit einer oder mehreren Sägeblättern gehen können, wogegen
Bretsägen mit einem Sägeblatte bei höherem Wasserstande zwar etwas schneller arbeiten,
aber doch bei weitem nicht die jedesmalige Kraft immer gehörig benützen können.
Nach diesen Gründen wird es begreiflich, wie die Eigenthümer solcher nach eng-
lischer Art gebauter Sägen mit mehreren Blättern behaupten können, dass sie nach
der Umbauung ihrer Sägen wenigstens 2 mal so viel Breter in einem Jahre erzeugen,
als es früher der Fall war.
§. 327.
Wir haben in der vorhergehenden Abhandlung die Regeln angegeben, nach wel-
chen die grösste Wirksamkeit der oberschlächtigen Wasserräder und das grösste Quan-
tum ihrer Arbeit erzielt werden kann. Da jedoch die meisten bisher bestehenden ober-
schlächtigen Mühlen und andere durch die Kraft oberschlächtiger Räder betriebene
Werke ohne Kenntniss dieser Regeln erbaut wurden und in dieser Hinsicht von dem
Maximum ihrer Wirksamkeit mehr und weniger entfernt sind, so handelt es sich noch
um eine Vorschrift, wie die wirklich bestehenden oberschlächtigen
Wasserwerke zu beobachten, Verbesserungen derselben anzugeben,
und der Grad der Wirksamkeit einer jeden Aenderung vorläufig aus-
zuweisen sey, um hiernach sowohl die Verbesserungen zu würdigen, als auch das
Verhältniss des hierzu erforderlichen Aufwandes im voraus beurtheilen zu können.
[454]Prüfung eines oberschlächtigen Rades.
Wir haben gezeigt, dass die Arbeit einer jeden Maschine dem Bewegungsmo-
mente proporzional ist, welches von derselben hervorgebracht wird. Bei oberschläch-
tigen Rädern ist dieses Bewegungsmoment gleich dem Produkte aus dem Gewichte des
hierbei in jeder Sekunde verwendeten Aufschlagwassers und der wirksamen Wassersäule.
Die letztere hängt wieder von dem Unterschiede der Geschwindigkeiten des einfallenden
Wassers und des Rades und dann hauptsächlich von der Höhe des wasserhaltenden Bo-
gens sowohl in der obern als untern Hälfte des Rades ab. Die Wassermenge, welche
auf das Rad geleitet wird, lässt sich an Orten, wo nur ein Rad betrieben wird, schon
aus dem Wasserzuflusse in den Zuleitungsgräben und Mühlgerinnen auf die bekannte
Art messen. Da jedoch diese Wassermenge nur sehr selten zur Betreibung eines ein-
zelnen Rades verwendet wird, so geschieht diess bei jedem Rade am verlässigsten aus der
Bemessung des Wasserstandes vor der Schütze und aus der Breite und Höhe der Oeff-
nung, welche nach der aufgezogenen Schütze dem Wasser zum Ausflusse eröffnet wird.
Da dieser Gegenstand bereits an mehreren Orten dieses Werkes umständlich behandelt
wurde, so haben wir nicht nöthig, hierüber noch eine besondere Anweisung anzuführen.
Die Höhe der wirksamen Wassersäule für die obere Hälfte des
Fig.
9.
Tab.
61.Rades, nämlich R. Cos w ergibt sich am leichtesten aus folgender Berechnung. Es
sey die Höhe des Wasserstandes ober der Mitte der Ausflussöffnung, welche sich bei je-
dem im Gange befindlichen Mühlenrade ohne Anstand bemessen lässt, H K = h, so ist die
Geschwindigkeit des Ausflusses Der Ort, wo der Wasserstrahl in die äussere
Peripherie des Rades einfällt, sey D und der Winkel A C D = w, der Halbmesser des
Rades A C = R, so ist B D = R . Sin w und B C = R . Cos w. Die Zeit, in welcher das
Wasser den Raum H J = B D zurücklegt, wollen wir t nennen, so ist
B D = R . Sin w , und weil das Wasser in derselben Zeit durch die Höhe
J D = H B herabfällt, so ist . Setzen wir nun den Raum von der Mitte der
Oeffnung bis zur äussern Peripherie des Rades H A = a und A B = z = R — R . Cos w, so
ist . Wird nun dieser Werth in die obige Gleichung an die Stelle von t
gesetzt, so ist B D = R . Sin , folglich B D2 = R2 . Sin2 w = 4 h (a + z)
oder R2 (1 — Cos2 w) = 4 a . h + 4 h . R — 4 h . R . Cos w. Wird diese Gleichung geordnet,
so haben wir R2 . Cos2 w — 4 h . R . Cos w = R2 — 4 h . R — 4 a . h. Wird hier zu beiden
Seiten der Gleichung 4 h2 hinzugesetzt, so haben wir (R . Cos w — 2 h)2 = (R — 2 h)2 — 4 a . h.
Daraus folgt die gesuchte Höhe der wirksamen Wassersäule in der obern Hälfte des
Rades R . Cos .
Bevor wir von dieser Gleichung einen Gebrauch machen, wollen wir noch folgen-
de Bemerkungen voraus schicken. 1tens: Wäre die Wasserstandshöhe vor der Schüt-
zenöffnung h = 0, so ist R . Cos w = R und w = 0, folglich die Höhe der wirksa-
men Wassersäule zwar die grösstmögliche, allein da in diesem Falle das Wasser senk-
recht auf die Peripherie des Rades herabfallen würde, folglich das Rad nicht in Be-
wegung setzen könnte, so erhellet die Unbrauchbarkeit dieser Annahme von selbst.
2tens: Wäre a oder das sogenannte obere Freihängen des Rades = 0, so ist aber-
[455]Prüfung eines oberschlächtigen Rades.
mals R . Cos w = 2 h + R — 2 h = R. Aber auch dieser Antrag kann desshalbFig.
9.
Tab.
61.
nicht Statt finden, weil die kreisförmige Peripherie des Rades nicht gestattet, den
Punkt D des einfallenden Wasserstrahles unmittelbar vor die Mitte der Ausflussöffnung
zu setzen. 3tens: Wäre endlich , so ist R . Cos. w = 2 h, folglich die
Höhe der wirksamen Wassersäule in ihrer Art die kleinste.
Hieraus ist ersichtlich, dass in jedem Falle das Freihängen des Rades a kleiner
als seyn muss. Mit Rücksicht auf diese Bemerkung ist
, und die Höhe der wirksamen Wassersäule
R . Cos , demnach ist der Verlust an der obern wirksamen
Wassersäule R — R . Cos w = . Hieraus sehen wir, das R in jedem
Falle grösser als 2 h seyn müsse, und dass der Verlust an der Höhe um so kleiner
ist, je kleiner a angenommen wird. Es ist demnach für die bestmögliche Benützung
des Wassers bei einem oberschlächtigen Rade nothwendig, das Freihängen des Rades
a möglichst klein zu machen.
§. 328.
Wir wollen unsere Rechnung auf die Seite 439 beschriebene oberschlächtige
Bretsäge zu einem Beispiele anwenden. Die Höhe des Wasserstandes über dem
Boden des Gerinnes war daselbst = 1 Fuss 10 Zoll, die Schütze wurde 5 Zoll hoch
aufgezogen, demnach ist h = 1 Fuss 7,5 Zoll. Das obere Freihängen war 6 Zoll und
wenn wir noch hierzu den Abstand bis zur Mitte der Ausflussöffnung mit 2,5 Zoll ad-
diren, so ist a = 8,5 Zoll. Der äussere Halbmesser des Rades war R = 8 Fuss 4,5 Zoll
= 8,375 Fuss, mithin R . Cos w = Fuss.
Dieselbe Gleichung, welche für die äussere Peripherie des Rades gefunden worden,
gilt auch für den Theilriss und jeden andern Bogen innerhalb des Radkranzes, wenn
wir nur statt a die Höhe von der Mitte der Ausflussöffnung bis zur Peripherie dieses
Kreises setzen. Bei der obigen Bretsäge war der Theilriss 6 Zoll unter der äussern
Peripherie des Rades, mithin a = 14,5 Zoll und der Halbmesser R' = 7,875 Fuss, dem-
nach C B' = R' . Cos w' = Fuss.
Werden beide berechneten Werthe C B und C B' aufgetragen, und die horizonta-
len Linien B D und B' D' zu ihren zugehörigen Peripherien gezogen, so geben die
beiden Punkte D und D' die Richtung des einfallenden Strahles an und man würde hier-
aus sehr leicht berechnen können, ob und wie viel der Winkel, den der Wasserstrahl
mit der innern Peripherie des Rades bildet, von dem gegebenen μ = 30 Grad abweicht.
Da sich jedoch eine jede vorgefundene Differenz sehr leicht durch Erhöhung oder Er-
niedrigung des Wasserstandes H K beheben lässt, und auch bei den meisten Mühlwer-
ken schon behoben angetroffen wird, so wollen wir nun noch zur Bestimmung der
unbedeutenden Höhe, welche wegen der Geschwindigkeit des einfallenden Wasserstrah-
les der obern Säule R' . Cos w' = 6,929 Fuss hinzuzusetzen ist, übergehen.
[456]Prüfung eines oberschlächtigen Rades.
9.
Tab
61.
Diese Wassersäule ist, wie wir bereits früher gesehen haben . Die Ge-
schwindigkeit c, mit welcher das Wasser in den Theilriss des Rades einfällt, wird durch
die Seite 418 abgeleitete Gleichung bestimmt. Da h und a
gegeben sind und z = R' — R'. Cos w' gefunden wurde, dann der Winkel μ, welchen
die Setzschaufeln mit der Peripherie machen, ebenfalls bekannt ist, so unterliegt die
Berechnung dieses Werthes keinem Anstande. Wir haben nämlich in unserm Falle
μ = 30 Grad, h = 1,625 Fuss, a = 14,5 Zoll und R' = 7,875 Fuss, folglich
z = R' — R' . Cos w' = 7,875 — 6,929 = 0,946 Fuss. Demnach ist die Geschwindigkeit des
einfallenden Wasserstrahles Fuss. Die Ge-
schwindigkeit v, womit das Rad sich bewegt, lässt sich am leichtesten aus der Umlaufszeit
des Rades berechnen. Man erhält nämlich die Geschwindigkeit v des Rades, wenn die
Peripherie 2 π . R' = R' mit dieser Umlaufszeit dividirt wird. Die Peripherie des Theil-
risses ist in unserm Falle . 15,75 = 49,50 Fuss. Beträgt nun die Umlaufszeit des Rades
4,3 Sekunden, so ist die Geschwindigkeit desselben Fuss. Die Höhe
der zuzusetzenden Wassersäule ist demnach Fuss.
Demnach beträgt die wirksame Wassersäule für die obere Hälfte des Rades
6,929 + 0,648 = 7,577 Fuss, welches von dem Halbmesser des Theilrisses 7,875 Fuss sehr
wenig abweicht.
Das ganze Gefälle für die obere Hälfte des Rades ist
K H + H B + B C = h + a + R' = 1,625 + 1,208 + 7,875 = 10,708. Dividiren
wir dasselbe mit a = 1,208 um eine Vergleichung mit der für die grösste Wirksamkeit
angeführten Tabelle machen zu können, so erhalten wir ; es ist demnach
8,86 a = 10,71 Fuss. Wird diese Zahl in der 10ten Kolumne der Tabelle Seite 424 aufge-
sucht, so fällt dieselbe zwischen 7,88 a und 9,00 a und nach der nebenstehenden 9ten Ko-
lumne ist die vortheilhafteste wirksame Wassersäule = 7,36 a oder für unsern Fall
= 7,36 . 1,208 = 8,89 Fuss, wogegen für das bestehende Rad das wirksame Gefälle nur
7,58 Fuss gefunden wurde. Inzwischen ist der Unterschied von 1,31 Fuss noch immer
nicht von der Art, um bloss aus diesem Grunde auf eine vortheilhaftere Bauart des Ra-
des anzutragen
§. 329.
Wir kommen nun zur Bestimmung der wirksamen Wassersäule für
die untere Hälfte des Rades. Hierzu sind die Winkel λ und μ, dann W und W'
erforderlich.
Zur Berechnung des Winkels λ, bei welchem nämlich die Oberfläche des Wassers
in den Zellen horizontal wird, bedürfen wir der Wassermenge, welche in einer jeden
Sekunde in das Rad fliesst, oder zur Betreibung des Rades verwendet wurde. Diese
ist in unserm Falle M = 5,3 Kub. Fuss. Die Geschwindigkeit des Wasserrades wurde
v = 11,512 Fuss gefunden, die Breite des Rades zwischen beiden Kränzen war B = 24,5 Zoll.
[457]Prüfung eines oberschlächtigen Rades.
Setzen wir nun die Höhe des Wassers in den Zellen = x, so finden wir dieselbe aus der
Gleichung M = B . v . x, nämlich Zoll.
Der Flächeninhalt einer Zelle ist in unserm Falle, wo der Theilriss auf ein Drittel
der Breite des Radkranzes angenommen wurde = (b + ⅓ b) ½ e = ⅔ e . b, wenn die
Entfernung einer Kropfschaufel von der andern mit e und die Höhe des Radkranzes mit
b bezeichnet wird. Setzen wir die Höhe des leeren Theiles der Zelle an der innern
Peripherie des Kranzes = y, so ist der unausgefüllte Raum . Wird nun dieser
Raum von dem Inhalte der Zelle abgezogen, so muss der Uiberrest ⅔ e . b —
dem Flächeninhalt des Wassers in einer Zelle e . x gleich seyn. Daraus ergibt sich
. Da das Rad 56 Zellen hat, so ist die Entfernung
der Schaufeln Zoll und daher die Höhe des leeren Raumes
Zoll. Hieraus folgt tang
und der Winkel λ = 49° 16Min.
Hierzu kommt noch der Winkel W, welcher durch die Fliehkraft entsteht; derselbe
ergibt sich nach Seite 423 aus Sin , woraus
W = 24° 14Min. folgt. Die Summe der beiden Winkel ist = λ + W = 73° 30Min., wo die
Zellen auszugiessen anfangen; die dazu gehörige Wassersäule ist
R' . Cos (λ + W) = 7,875 . 0,2340 = 2,24 Fuss.
Da der Winkel, welchen die Setzschaufeln mit dem Theilrisse machen μ = 30 Grad
gegeben ist, so kommt hierzu noch der Winkel W', welcher von der Fliehkraft herrührt.
Die Gleichung Sin gibt den Winkel W' = 15° 43Min.
Demnach ist der Winkel, bei welchem die Zellen ganz entleert sind = 30° + 15° 43Min.
= 45° 43Min. und die zugehörige Wassersäule R' . Cos 45° 43Min. = 7,875 . 0,6982 = 5,50 Fuss.
Das Mittel von beiden, nämlich Fuss kann für die Höhe der un-
tern wirksamen Wassersäule angenommen werden. Das ganze wirksame Gefälle
des Rades ist daher 7,58 + 3,87 = 11,45 Fuss. Dagegen beträgt das verwendete Gefälle
10,708 + 7,875 + 1 = 19,58 Fuss. Werden hiervon die vorstehenden 11,45 Fuss abge-
zogen, so beträgt der Verlust 8,13 Fuss oder 42 Prozent des ganzen Gefälles.
Wird dieses Resultat mit den Seite 425 und 429 angeführten Tabellen verglichen, so
sieht man, dass nach der ersten Tabelle der Verlust für dasselbe Gefälle nur 28 und nach
der zweiten nur 22 Prozent beträgt. Dieser bedeutende Unterschied, welcher hauptsäch-
lich von dem zu frühen Ausgiessen des Wassers herrührt, verdient allerdings eine ge-
nauere Würdigung; wir wollen daher alle Verhältnisse des Rades nach der Tabelle
Seite 429 angeben und durch ihre Vergleichung mit den bestehenden Verhältnissen des
Rades den Grad der Würdigkeit einer jeden vorzunehmenden Abänderung erwägen.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 58
[458]Prüfung eines oberschlächtigen Rades.
Das verwendete Gefälle beträgt bei diesem Rade 19,58 Fuss. In der 20ten Kolumne
der Tabelle finden wir das Gefälle 19,66 a. Setzen wir nun zur leichtern Rechnung
a = 1 Fuss, so beträgt der Halbmesser des zugehörigen Theilrisses 8 Fuss, welches von
unserm Halbmesser mit 7,875 Fuss nicht viel abweicht. Die Höhe des Wasserstandes über
der Mitte der Oeffnung ist 1,66 Fuss, welche mit unserer Höhe 1,625 Fuss ebenfalls sehr
nahe übereinstimmt. Dagegen beträgt nach der 7ten Kolumne die Höhe der wirksamen
Wassersäule, welche von der Geschwindigkeit des einfallenden Wassers herrührt 1,50 Fuss,
wogegen wir bei unserm Rade nur 0,65 Fuss gefunden haben. Die Höhe des wasserhal-
tenden Bogens für die obere Hälfte des Wasserrades ist nach der 8ten Kolumne 7,22 Fuss,
welche von der bestehenden mit 6,93 Fuss nur um 0,29 Fuss verschieden ist. Die mittlere
Höhe der Wassersäule in der untern Hälfte des Rades beträgt nach der 15ten Kolumne
6,65 Fuss, wogegen wir nur 3,87 Fuss gefunden haben. Man sieht hieraus, dass durch
eine zweckmässigere Bauart des Rades in der obern Hälfte ein Gefälle von 1,14 Fuss, in der
untern aber ein wirksames Gefälle von 2,78 Fuss zu gewinnen und demnach das vorhan-
dene wirksame Gefälle von 11,45 Fuss bis auf 15,37 Fuss zu erhöhen seyn werde. Da die
Arbeit der Maschine diesem Verhältnisse proporzional ist, so wird man leicht ermessen
können, ob das Verhältniss 11,45 : 15,37 oder in kleinen Zahlen 8 : 11 lohnend genug
seyn werde, um eine zweckmässigere Bauart vorzunehmen.
Uiberhaupt zeigen diese Bemerkungen, dass es nicht so sehr an der Vorrichtung für
den Einfluss des Wassers, als vielmehr an dem zu frühen Ausflusse des Wassers aus den
Zellen des Rades liege, wenn die Arbeit der oberschlächtigen Räder nicht dem Verhält-
nisse des vorhandenen, gewöhnlich sehr grossen Gefälles entspricht. Da eine tiefere
Herabsetzung des Ausflusses nur dadurch zu erreichen ist, wenn die Winkel λ und μ ver-
mindert werden, hierzu aber erfordert wird, dass die Querschnittsfläche und die Höhe
des Wassers in den Zellen vermindert, dann die nöthige Aufnahme des vorhandenen Was-
serzuflusses durch die grössere Breite des Rades oder Entfernung der Radkränze bewirkt
werde, so müssen wir noch diese Entfernung in unserm Falle bestimmen.
Wir hatten den Wasserzufluss = 5,3 Kub. Fuss. In der Tabelle wurde angenommen,
dass die Höhe des Wassers in den Zellen nur ein Viertel von der Höhe der Radkränze,
nämlich ¼ b betrage, oder dass die Zellen nur mit dem 4ten Theile ihres Inhaltes mit
Wasser gefüllt werden. Weil aber die Wassermenge M im Rade nach der 6ten Kolumne
der Tabelle sich mit der Geschwindigkeit v = 6,82 Fuss bewegt, so haben wir, wenn B
die nöthige Entfernung der Radkränze bezeichnet, die Gleichung M = B . v . oder
5,3 = B . 6,82 . 3/16, woraus B = 4,1 Fuss folgt. Diese Abänderung und die Herabsetzung
des Winkels μ auf 20° 33Min. enthalten die hauptsächlichsten Gründe, aus welchen die
Vertiefung des Ausflusses und somit die grössere Wirksamkeit des oberschlächtigen Ra-
des folgt. Aus diesem Beispiele wird man übrigens leicht ersehen, wie man in jedem
andern Falle zu verfahren hat.
Hat man die Kraft eines oberschlächtigen Rades bei einer Bretsäge durch zweck-
mässige Abänderung vergrössert, so muss nun das Schiebezeug so eingerichtet werden,
dass es die Klötze in demselben Verhältnisse mehr zuschiebt, d. h. man muss diese Zu-
[s]chiebung so lange vermehren, bis die für das Rad bemessene, in der 6teu Kolumne
[459]Erklärung der Kropfräder.
der Tabelle enthaltene Geschwindigkeit erfolgt. Derselbe Zweck wird aber auch er-
reicht, wenn das Räderwerk, nämlich die Anzahl der Kämme des Drehlings zu jenen
des Stirnrades der Maschine so abgeändert wird, dass z. B. bei der oben beschrie-
benen Säge 11 Schnitte in gleicher Zeit, wie früher 8 Schnitte erfolgen.
§. 330.
Die dritte Gattung Wasserräder sind die mittelschlächtigen oder Kropfräder,
welche bisher nur dann angewendet wurden, wenn das vorhandene Gefälle für ein
oberschlächtiges Rad zu klein befunden wurde. Wir haben gesehen, dass das Bewe-
gungsmoment der oberschlächtigen Räder dem Gewichte des Wasserzuflusses in einer
Sekunde multiplizirt mit der Höhe der Wassersäule, auf welcher sich das Wasser im
Rade erhält, gleichkommt und dass dieses Moment bei unterschlächtigen Rädern im
Falle der vortheilhaftesten Benützung des Wassers nur dem Gewichte des Wasserzu-
flusses multiplizirt mit der halben Höhe des Gefälles gleich ist. Da nun bei ober-
schlächtigen Rädern der Höhe der Wassersäule nebst dem Freihängen auch noch die
Höhe, um welche das Wasser zu früh aus den Zellen herausfällt, entgeht, so verfiel
man auf den Gedanken, zur Gewinnung dieser Wassersäule den untern Theil des Ra-
des mit einem nach der Krümmung desselben anschliessenden Gerinneboden, Kropf
genannt, zu versehen, um auf diese Art sowohl die Höhe dieser Wassersäule als auch
das Freihängen sammt der Tiefe des unten abfliessenden Wassers dem Bewegungs-
momente des Rades zuzuwenden. Hierzu wird aber erfordert, dass das Wasser so
lange in den Zellen bleibe, als es zur Gewinnung dieser Höhe nothwendig ist, zu
welchem Zwecke die Schaufeln der Kropfräder entweder gebrochen oder zellenartig
gebaut werden.
§. 331.
Die Konstrukzion dieser Kropfräder wird auf verschiedene Art angegeben.
Ist das Gefälle oder die Höhe des Kropfes nicht sehr bedeutend, so pflegt man den
Kränzen eine Breite von 12 Zoll zu geben, den Theilriss auf die Mitte zu setzen und
die Anzahl der Schaufeln oder Zellen 3 mal so gross anzunehmen, als der Durch-
messer im Theilrisse Fusse hat. Die Stellung der Kropfschaufeln gegen die Stoss-
schaufeln wird nun auf verschiedene Art vorgenommen.
Herr Eytelwein gibt in seinem Handbuche der Mechanik fester Körper und der
Hydraulik, Seite 258 (2te Auflage) folgende Verzeichnungsart der Schaufeln eines Kropf-
rades an. Es sey Fig. 1 in d ein Theilungspunkt so angenommen worden, dass sichFig.
1.
Tab.
64.
derselbe an jener höchsten Stelle des Gerinnes befindet, wo die Rundung desselben mit dem
Rade einen gemeinschaftlichen Mittelpunkt c hat. Man theile den vertikalen äussern Halb-
messer c b des Rades in eben so viel gleiche Theile als Schaufelweiten im Quadranten
a b befindlich sind, also hier in 8 Theile. Bezeichnet man nun die Theilungspunkte
vom Mittelpunkte c herab mit 1, 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8 und eben so die Punkte am Umfange
des Rades von b nach a, so gibt die Linie von 4 in c b nach dem gleichnamigen Punkt
4 in a b die Lage der Wasser- oder Stosschaufel d e, deren Länge durch den
58*
[460]Konstrukzion der Kropfräder.
Fig.
1.
Tab.
64.in der Mitte der Kränze gezogenen Theilriss e g bestimmt wird. Die Lage der Kropf-
oder Riegelschaufel wird dadurch gefunden, dass man die Weite d e aus e
nach dem innern Umfange des Rades bis f trägt oder d e = e f macht; oder man
setzt die Riegelschaufel winkelrecht auf e d, in welchem letztern Falle man den
Theilriss so wie bei oberschlächtigen Rädern auf ⅓ der Breite des Radkranzes in der
Richtung gegen den Mittelpunkt des Rades gemessen anzunehmen pflegt. Bei schma-
len Kränzen oder bei einer starken Kröpfung ist es nützlich, die Riegelschaufeln so
breit zu machen, dass sie noch etwas über den innern Rand der Kränze vorspringen,
damit das einstürzende Wasser nicht überschlagen möge.
2.
In dem Wasser-Mahl-Mühlenbau von Karl Neumann, Berlin 1810, 2tes Heft, Seite 144
wird folgende Konstrukzion der Kropfräder empfohlen: Es sey A ein Stück Rad, wo
man die Lage der Schaufeln zu 3 Fuss Kropfhöhe und B ein Stück Radkranz, wo man
dieselben zu 6 Fuss Kropfhöhe bestimmen soll. Das Rad selbst habe in beiden Fällen
8 Fuss im äussern Halbmesser. Man ziehe den Theilriss in der Mitte des Reifens und
trage die Schaufelweiten a a', a' a'', a'' a''' .... auf; hierauf theile man eine solche Weite
a a' in so viel gleiche Theile, als das Rad im äussern Halbmesser Fusse hat, also hier in 8.
Man zähle von a aus so viele gleiche Theile ab, als der Kropf Fusse zur Höhe hat,
demnach bei A drei und bei B sechs Theile, und bemerke den Punkt b, durch welchen
man nach der Richtung des Halbmessers die Linie c d zieht. Verbindet man bei A
den Punkt a mit den Punkten c und d, so gibt dieses die Richtung beider Theile der
Schaufel, wovon der äussere a c die Wasser- oder Stosschaufel und der innere a d die
Kropf- oder Riegelschaufel bezeichnet. Bei dem 6 Fuss hohen Kropf B hingegen, wo
der Winkel c a d kleiner als ein rechter werden würde, gibt zwar a c die Richtung der
Stosschaufel, die Riegelschaufel a f aber wird auf erstere im rechten Winkel gesetzt
und das Stück f d mit einem Boden versehen. Uiberhaupt muss der Winkel, welchen
beide Theile der Schaufel zusammen machen, bei niedrigen Kröpfungen ganz stumpf
seyn, bei höhern aber dem rechten immer näher kommen, bis er diesen erreicht.
Bei dem rechten Winkel fängt der innere Boden im Rade an, welcher so wie die
Kröpfung höher wird, immer an Breite zunimmt, bis die Kropfhöhe dem Halbmesser
des Rades gleich ist, wo sich der Boden schliesst, demnach das Rad inwendig ganz
geschlossen wird.
In demselben Werke von Neumann wird im ersten Hefte Seite 104 eine besondere
Fig.
3.Regel für den Anfang oder die Abrundung des Kropfgerinnes gegeben. Es
sey A der Anfang einer 6 Fuss hohen, B einer 4 Fuss hohen und C einer 2 Fuss hohen
Kröpfung zu einem Wasserrad von 16 Fuss Durchmesser. Man lege das Gerinne vom
Fachbaum bis zum Anfange des Kropfes horizontal und runde nur den Anfang des
Kropfes so ab, dass das Wasser nach der Tangente des Rades seinen Stoss ausüben
könne. Bezeichnet m n die Lage des horizontalen Gerinnes und n o die Rundung der
Kröpfung, so schneiden sich beide Linien in n. Man nehme den dritten Theil des
Wasserstandes vor der Schütze, z. B. 6 Zoll, wenn der Wasserstand 18 Zoll ist, trage
diesen von n nach p und nach q. Ferner ziehe man aus p auf m n die Lothrechte
p s und aus q auf den Bogen n o die Winkelrechte q t, welche demnach in der Rich-
tung des Halbmessers liegen muss. Wo sich die beiden Linien p s und q t in r schnei-
[461]Rundung des Kropfes.
den, setze man den Zirkel ein und beschreibe mit dem Halbmesser r p den Bogen p q,Fig.
3.
Tab.
64.
welcher die Abrundung des obern Theiles des Kropfes angibt. Geht der Kropf bis
gegen die Mitte des Rades, wie hier bei D, in welchem Falle das Rad schon halb-
schlächtig wird, so kann man noch immer diese Verzeichnungsart beibehalten; man
arbeitet aber die Kropfschwelle bei v etwas aus, damit das Wasser von dieser Schwelle
lossreisst und sich nicht am Boden des Kropfes herunterzieht.
§. 332.
Uiber die letzte Konstrukzion ist zu bemerken, dass es vortheilhafter sey, den ein-
fallenden Strahl so zu richten, damit das Wasser nicht nach der Tangente der Peri-
pherie des Rades, sondern nach der Richtung der Stosschaufeln einfallen
möge. Im ersten Falle fliesst nämlich immer ein Theil des Wassers durch den Spiel-
raum zwischen dem Boden des Kropfes und dem Rade in der ganzen Breite dessel-
ben unbenützt herab und nimmt hierbei eine beschleunigte Bewegung an, wodurch der
Querschnitt oder die Breite desselben Wasserstrahls vermindert wird, demnach auch
dieses Wasser nie mehr in die untern Schaufeln gelangen kann. Wenn dagegen das
Wasser nach der Richtung der Stosschaufeln einfällt, so überspringt es den Zwischen-
raum zwischen dem Rade und dem Kropfe. Es bezeichne b g d h den Längendurch-Fig.
4.
schnitt des Gerinnebodens. Man verlängere die Richtung der Stosschaufel a b bis e,
mache e f = e b, ziehe in b die winkelrechte Linie c b auf b e, in f die lothrechte
f c und beschreibe nun mit dem Halbmesser c b = c f den Bogen b o f, so wird der-
selbe die Krümmung des Bodens zu Anfang der Kröpfung bezeichnen und offenbar
dazu dienen, das Wasser eben so in die Zellen zu führen, wie es bei oberschlächtigen
Rädern der Fall war.
Da Kropfräder mit gebrochenen Schaufeln gleichen Gesetzen wie die oberschläch-
tigen Räder unterliegen, demnach das Wasser in den Zellen theils durch seinen Stoss,
vorzüglich aber durch sein Gewicht zu wirken hat, so leuchtet von selbst ein, dass
der Bau dieser Zellen so eingerichtet werden müsse, damit dieselben das Wasser
möglichst tief unten ausgiessen. Zu diesem Behufe muss nach unserer frü-
hern Theorie der Winkel, welchen die Stosschaufeln mit der Peripherie des Rades
bilden, sehr klein angenommen werden; damit aber das Wasser über diese flachen
Schaufeln nicht herausstürze, sondern lange in den Zellen gehalten werde, muss der
Boden eines solchen Kropfrades inwendig verkleidet werden. Die Besorgniss, dass
etwa die abgesperrte Luft in diesen Zellen ihre gänzliche Anfüllung nicht gestatten
werde, entfällt dadurch, weil die Zellen, wenn sie das Wasser lange halten sollen, so
wie bei oberschlächtigen Rädern nie ganz, sondern nur mit einem kleinen Theile ihres
Inhaltes angefüllt werden dürfen.
§. 333.
Hierher gehört der Vorschlag, welchen Herr Poncelet, Capitaine du Génie in einem
Mémoire sur les Roues verticales à palettes courbes mues par en dessous, suivi d’ ex-
périences sur les effets mécaniques de ces roues in den Annales de Chimie et de Phy-
[462]Räder mit krummen Schaufeln.
sique, Tome XXX, Paris 1825 bekannt gemacht hat. Diese Abhandlung ist in dem
Jahrgange 1826 des polytechnischen Journals von Dingler übersetzt erschienen. Herr
Poncelet hat hierfür nach dem Erkenntniss der Académie royale des Sciences den von
Herr Moutyon gestifteten Preis für Mechanik, eine goldene Medaile, 1000 Franken werth,
erhalten. In der Einleitung zu dieser Abhandlung wird gesagt, dass die gewöhnlichen
unterschlächtigen Räder nur ¼ bis ⅕ jenes Effektes leisten, welcher aus der vollkommenen
Benützung des Wassers abgeleitet wird. (Diess tritt nach unserer Theorie nur dann ein,
wenn die unterschlächtigen Räder entweder zu geschwind gehen, oder nicht die hinläng-
liche Anzahl Schaufeln besitzen). Zur Vermehrung der Wirkung der Räder schlägt
Poncelet vor, 1tens: Zwischen die zwei Radkränze gekrümmte Schaufeln einzusetzen,
welche mit dem äussern Umfange des Rades einen sehr kleinen Winkel bilden und von
Fig.
5.
Tab.
64.da aus immer weniger gegen den Halbmesser des Rades geneigt sind. 2tens: Die
Schütze in einer schiefen Lage zunächst unter das Wasserrad zu stellen. Fig. 5 stellt
den Durchschnitt eines solchen Rades vor. Zur Bestimmung der Krümmung der Schau-
feln bedient sich Herr Poncelet folgender Konstrukzion: Es sey A b irgend ein Halbmes-
ser, so wird zuerst die Breite des Radkranzes so angenommen, dass sie nie weniger als
ein Viertel der ganzen Fallhöhe betragen soll. Man ziehe nun b o ungefähr unter 10 Grad
mit A b oder mache e b o = 10° und nehme den Punkt o auf 1/7 oder ⅛ der Breite des
Radkranzes über seinem innern Umfange an. Aus diesem Punkte o beschreibe man nun
mit dem Halbmesser o b den Kreisbogen b m, welcher die krummen Schaufeln des Ra-
des angibt. Die Anzahl dieser Schaufeln wird wie bei oberschlächtigen Rädern bestimmt;
man wird daher bei Rädern von 4 bis 5 Meter im Durchmesser eine Zahl von 36 bis 40
Schaufeln annehmen können. Herr Poncelet schliesst aus seinen Untersuchungen, dass die
Quantität der Wirkung, die durch ein Rad mit krummen Schaufeln wirklich geliefert
wird, bei einem Falle von 0,80 bis 2 Meter nie geringer als 0,6 seyn kann und oft 0,67
der Quantität der Wirkung beträgt, welche der ganzen Höhe des Wassers im Behälter
von seinem obern Niveau an bis auf den niedrigsten Punkt des Rades gleichkommt.
Die umständliche Ausführung seiner Ansichten ist in den genannten Werken enthalten,
worauf wir zur Vermeidung der Weitläufigkeit hinweisen, und nur noch bemerken, dass
nach einem spätern Berichte des Herrn Poncelet im Dezemberhefte 1825 der Annales
de Chimie et de Physique ein nach diesen Grundsätzen zur Betreibung einer Spinnerey
zu Briey bei Metz und ein zweites zu Falck an einer Mühle daselbst erbautes Rad
den Erwartungen der Bauherrn entsprochen hat.
Uiber diese Konstrukzion ist zu erinnern, dass das Wasser bei seinem Eintritte in
die Zellen sich auf den krummen Schaufeln wie auf einer schiefen Fläche erhebt,
ohne, wie es bei den unterschlächtigen Rädern der Fall ist, einen winkelrechten
Stoss an den Halbmesser des Rades selbst im höchsten Stande der Schaufeln ausüben zu
können. Das Wasser wird daher die Schaufeln und Radkränze, wenn sie nicht über-
mässig hoch gemacht werden, überspringen, und dadurch den winkelrechten Stoss,
welcher bei gewöhnlichen Schaufeln Statt findet, nicht ganz erreichen können. Es
kann daher zwar der Stoss durch das Gewicht des Wassers in den Zellen etwas ver-
mehrt werden, wie es schon bei den von Bossut vorgeschlagenen geneigten Schaufeln
der Fall war; wie viel aber dieser Gewinn nach Abzug des Verlustes, der bei dem
[463]Bewegungsmoment eines Kropfrades.
Stosse aus der Differenz der Geschwindigkeit entsteht, betragen könne, ist noch nicht
hinlänglich ausgewiesen worden. Wir werden später sehen, dass bei Kropf- oder
unterschlächtigen Rädern mit gebrochenen Schaufeln, im Falle die Gefällshöhe h, wie
es hier angenommen wurde, 2 Meter beträgt, eine weit grössere Wirkung als
0,67 . 56,4 M . h, wie Herr Poncelet als Maximum der Wirkung für diesen Fall angibt,
bewirkt werden könne.
§. 334.
Die Rechnung über die Wirkung der mittelschlächtigen oder Kropfräder wird auf
dieselbe Art wie bei den oberschlächtigen gemacht. Es sey feba ein Wasserfaden,Fig.
6.
Tab.
64.
welcher nach der horizontalen Richtung des Mühlkanals mit der Geschwindigkeit
c herbeifliesst und nach der Richtung der Setzschaufel b a in die Zelle einfällt.
Man verlängere den horizontalen Weg f e und ziehe aus a die Linie a g senkrecht
darauf. Die Geschwindigkeit nach der Richtung f e sey = c und a g = p, so wird
die Geschwindigkeit des einfallenden Wasserstrahls bei
seyn. Der Winkel, welchen die Setzschaufel mit dem Theilrisse macht, sey = μ,
so wird die Geschwindigkeit des einfallenden Wasserstrahles nach der Richtung des
Theilrisses seyn. Für die beste Wirkung des Wassers muss
daher die Geschwindigkeit desselben im Rade, oder die Geschwindigkeit des Rades
nach der frühern Theorie seyn und wir haben die von der
Geschwindigkeit herrührende wirksame Wassersäule .
Wenn wir nun annehmen, dass durch das genaue Anschliessen des Kropfes das Was-
ser ganz in den Zellen gehalten wird, so ist das Bewegungsmoment des Rades
. Das vorhandene Gefälle ist offenbar
. Wird von diesem das wirksame Gefälle abgezogen, so ist
der Verlust am Gefälle . Wir können daher das Rewe-
gungsmoment des Rades auch = 56,4 M (E D — V) setzen.
Hieraus sehen wir, dass zur vortheilhaftesten Benützung des Wassers nöthig sey,
die Grösse V möglichst klein zu machen, zu welchem Behufe 1tens, der Winkel,
welchen die Setzschaufeln mit dem Theilrisse machen = 0 anzunehmen wäre. Da die-
ses jedoch nicht möglich ist, weil in diesem Falle die Zellen an der äussern Peri-
pherie des Rades durch die Setzschaufeln ganz geschlossen würden, so ist nur nöthig,
den Winkel μ möglichst klein zu machen. 2tens. Auf gleiche Art sind auch die
Grössen möglichst klein anzunehmen. Bezeichnen wir die Länge der Setz-
schaufel a b mit l und die Abkröpfung des Gerinnebodens b q mit k, so ist
p = 1 . Sin (w — μ) + k. Hieraus sieht man, dass p wenig beträgt, so lange der Win-
kel w — μ klein ist. Sein grösster Werth würde Statt finden, wenn der Winkel
w = 90 + μ wäre, folglich das Gefälle mehr als der Halbmesser des Rades betrüge.
Da aber dieser Fall den oberschlächtigen Rädern zugehört und in der Folge eigends
[464]Oberschlächtiges Rad mit seitwärts stehendem Gerinne.
Fig.
6.
Tab.
64.abgehandelt werden wird, so dürfen wir annehmen, dass die Grösse p immer einen
unbedeutenden Werth behalte, so lange das Gefälle kleiner als der Halbmesser ist, wie
es bei den Kropfrädern gewöhnlich Statt findet.
Demnach kommt es nur vorzüglich darauf an, dass der Kropf an die Peripherie des
Rades genau anschliesse, damit die Höhe A D dem Effekte ganz zugewendet werde. Da
jedoch dieses besonders bei hölzernen Rädern, welche immer Veränderungen unterliegen,
für die Länge der Zeit nicht wohl ausführbar ist, so ist es so wie bei oberschlächtigen
Wasserrädern nothwendig, die Winkel μ und λ möglichst klein zu machen, damit das
Ausfliessen des Wassers aus den Zellen tief herabgesetzt und auf diese Art die Höhe
des wasserhaltenden Bogens vergrössert werde. Wir haben in dieser Hinsicht bereits
bei der frühern Theorie gesehen, dass die Zellen nicht ganz angefüllt und dagegen
die Weite zwischen den Radkränzen vergrössert werden müsse. Weil aber hierbei der
nöthige Spielraum zwischen den Kränzen und dem Kropfe hinreichen kann, das wenige
in den Zellen enthaltene Wasser gänzlich aufzunehmen, folglich auch die Bekleidung
mit einem Kropfe entbehrlich werden würde, so ist es doch vortheilhaft, diesen in der
Absicht beizubehalten, um die Geschwindigkeit des ausfliessenden Wassers zu vermeh-
ren, damit dasselbe bei dem Abflusse der Bewegung des Rades nicht hinderlich werde.
§. 335.
Die vorangeführten Gründe und die möglichste Ersparung des Freihängens der
Räder waren die Ursache, dass man auch oberschlächtige Räder nach Art der mittel-
schlächtigen vorzurichten, und dieselben unterhalb mit einem Kropfe zu bekleiden
veranlasst worden ist. Wir haben schon früher angeführt, dass bei den eisernen Rä-
dern das Gerinne nicht wie gewöhnlich über die Räder hinaufgesetzt, sondern rück-
wärts, wie Fig. 7 zeigt, gegen das Rad geführt und der Zug der Schützen nicht von
Fig.
7.oben, sondern von unten nach aufwärts gerichtet werde, damit nämlich das Wasser
bloss über die Schützen überlaufen und nach der Richtung der Setzschaufeln in die
Zellen möglichst senkrecht herabfallen möge. Zur Verhütung, dass selbst bei steigen-
dem Wasserstande keine nachtheilige Geschwindigkeit gegen die Rückseite der Schau-
feln entstehen möge, hat man zwischen der Schütze und dem Rade noch ein Gitter-
werk von breiten eisernen Schienen angebracht, damit das nach der horizontalen Rich-
tung im Schussgerinne herbeifliessende Wasser sich an diesem Gitterwerke abstossen
und bloss nach der Richtung der Setzschaufeln in die Zellen einfallen könne. Da es
von Wichtigkeit ist, die Vortheile genau zu bemessen, welche man dieser Einrichtung
seit ihrer Einführung vor den bekannten oberschlächtigen Rädern zuschrieb, so wird
hierüber folgende Rechnung angeführt.
Es sey A K die Oberfläche des Wassers im Schussgerinne; die Schütze sey von
G nach H herabgeschoben und dadurch dem Ausflusse des Wassers die Höhe K H = h
eröffnet, dann sey die Breite des Wasserstrahles, welcher gewöhnlich der Weite der
Radkränze gleichkommt = B. Die auf das Rad in einer Sekunde fliessende Wasser-
menge wird daher seyn, und es ist aus dieser Gleichung zu
ersehen, wie der Wasserzufluss M durch Erhöhung oder Erniedrigung der Schütze
[465]Berechnung dieses Rades.
vermehrt oder vermindert werden könne. Setzen wir die Höhe des Wasserstandes imFig.
7.
Tab.
64.
Schussgerinne über den Punkt D, wo das Wasser in den Theilriss auffällt, D K = H, so
ist die Geschwindigkeit des nach der Richtung der Setzschaufeln einfallenden Wasser-
strahles Aus dieser Geschwindigkeit entsteht ein Stoss auf den Punkt D
nach der Richtung der Setzschaufeln, welcher nach §. 257 seyn würde,
wenn die Kropfschaufeln nicht ausweichen könnten; weil aber diese mit der Geschwin-
digkeit v nach der Richtung der Peripherie des Rades fortgehen, so müssen wir den
Stoss des einfallenden Wassers in und in zerlegen.
Mit der ersten Kraft wird das Rad nach der Richtung des Theilrisses und zwar nach
§. 259 mit der Kraft 56,4 M getrieben. Der zweite Theil wirkt gegen die
Achse des Rades und wird von derselben aufgehoben. Wird nun die erstere Kraft mit
der Geschwindigkeit v des Rades multiplizirt, so haben wir das von der Geschwindig-
keit des einfallenden Wassers bewirkte Bewegungsmoment v.
Für den Fall des Maximum ist v = ½ C . Cos μ, folglich die grösste Höhe, welche der
Wassersäule zugesetzt wird, . Hierzu kommt noch
die Höhe des wasserhaltenden Bogens C E = R . Sin μ, folglich ist die Höhe der wirk-
samen Wassersäule für die obere Hälfte des Rades.
Es sey m n die horizontale Oberfläche des Wassers bei dem Anfange des Ausflusses
und der Winkel, den diese Oberfläche mit dem Theilrisse macht = λ = P C O, so ist die
Höhe des wasserhaltenden Bogens C O = R . Cos λ. Da die Zellen bei der horizontalen
Lage der Setzschaufeln ihr Wasser gänzlich verloren haben, so ist die Höhe C S = R . Cos μ;
folglich ist die mittlere Höhe des wasserhaltenden Bogens in der untern Hälfte des Rades
= ½ R (Cos λ + Cos μ). Die Winkel λ und μ müssen noch wegen der Fliehkraft um die
Winkel W und W' vermehrt werden. Für den ersten haben wir
Sin und für den zweiten Sin .
Demnach erhalten wir die mittlere Höhe des wasserhaltenden Bogens an
der untern Hälfte des Rades.
Die Substituzion dieser beiden Höhen gibt uns das gesammte Bewegungsmo-
ment und
für den Fall des Maximum ist dieses Moment
.
§. 336.
Wir wollen nun diese neue Anordnung in einem Beispiele mit einem
oberschlächtigen Rade nach unserer frühern Theorie vergleichen,
und hierbei die Höhe der Radkränze, die Entfernung und Anzahl Zellen, wie auch die
Gerstner’s Mechanik. Band II. 59
[466]Vergleichung beider Konstrukzionen.
Fig.
7.
Tab.
64.Winkel λ und μ, dann die Höhe der Anfüllung des Radkranzes eben so wie §. 309, S. 427
annehmen. Da es zu weitläufig seyn würde, alle Gefälle von 4 Fuss bis 66 Fuss durch-
zugehen, so wollen wir nur den Winkel λ, wo die Zellen auszugiessen anfangen,
= 36° 52Min. und μ = 20° 33Min. so wie dort annehmen, und zuerst für den Fall R = 20 Fuss
das wirksame und verwendete Gefälle aufsuchen. Die Höhe des Wasserstandes über dem
Theilriss sey K D = H = 2 Fuss, so ist Fuss, R.Sin μ = 20.0,3510 = 7,02 Fuss.
Die Gleichung Sin gibt W = 1° 30Min. und die Gleichung
Sin gibt den Winkel W' = 0° 53Min., mithin ist ½ R . Cos (λ + W)
= 10 . Cos 38° 22Min. = 7,84 Fuss und ½ R . Cos (μ + W') = 10 . Cos 21° 26Min. = 9,31 Fuss.
Es beträgt demnach das wirksame Gefälle 0,88 + 7,02 + 7,84 + 9,31 = 25,05 Fuss und
das hierzu verwendete Gefälle ist = H + R . Sin μ + R = 2 + 7,02 + 20 = 29,02 Fuss,
wobei angenommen wurde, dass der Wasserspiegel des Unterwassers mit dem Theilrisse
des Rades zusammenfällt. Der Verlust beträgt also 3,97 Fuss und wenn dieses mit dem
ganzen Gefälle dividirt wird, beinahe 0,14 oder 14 Prozent des ganzen Gefälles, wogegen
nach der Tabelle Seite 429 bei dem gleichen Gefälle von 29,02 Fuss der Verlust nach der
XXI Kolumne 5,26 Fuss oder nach der XXII Kolumne 18 Prozent des ganzen Gefälles beträgt.
Obwohl der Unterschied zwischen beiden nicht bedeutend ist, so wäre doch noch
hierüber zu bemerken, dass man bei dem oberschlächtigen Rade die Schütze von der
rückwärtigen Seite anbringen und dadurch bewirken kann, dass das Rad nach der
Richtung des abfliessenden Wassers sich bewegt, folglich das untere Freihängen, wel-
ches vom Theilriss bis an die Oberfläche des Wassers 1 Fuss beträgt, erspart werden
kann. In diesem Falle würde bei dem oberschlächtigen Rade bei demselben Gefälle der
Verlust nur 4,26 Fuss oder 15 Prozente betragen.
Auf gleiche Art wie oben findet man für R = 12 Fuss die Werthe
Fuss und R . Sin μ = 12 . 0,3510 = 4,21 Fuss. Die Gleichung
Sin gibt den Winkel W = 2° 31Min. und die Gleichung Sin
gibt den Winkel W' = 1° 28Min.; mithin ist ½ R . Cos (λ + W) = 6 . Cos 39° 23Min. = 4,64 Fuss
und ½ R . Cos (μ + W') = 6 . Cos 22° 1Min. = 5,56 Fuss. Es wird also das wirksame Gefälle
für diesen Fall 0,88 + 4,21 + 4,64 + 5,56 = 15,29 Fuss und das verwendete Gefälle
H + R . Sin μ + R = 2 + 4,21 + 12 = 18,21 Fuss seyn. Der Verlust beträgt demnach 2,92
Fuss oder 16 Prozent vom ganzen Gefälle, wogegen nach der Tabelle der Verlust für
ein gleiches verwendetes Gefälle 4,12 Fuss oder 23 Prozent gefunden wird. Wollte man
wieder 1 Fuss für das Freihängen abziehen, so bleibt für das oberschlächtige Rad
ein Verlust von 3,12 Fuss oder 17 Prozent vom ganzen Gefälle.
Ist der Halbmesser des Rades nur R = 6 Fuss, so findet man für dieselben Win-
kel λ und μ die Werthe Fuss und R . Sin μ = 6 . 0,3510 = 2,11 Fuss.
Aus der Gleichung Sin findet man den Winkel W = 5° 2Min. und aus
[467]Beseitigung des Rückstaues bei Kropfrädern.
der Gleichung Sin ist der Winkel W' = 2° 56Min. Durch Substituzion
ergibt sich ½ R . Cos (λ + W) = 2,23 und ½ R . Cos (μ + W') = 2,75, demnach ist das
wirksame Gefälle für ein Rad von 6 Fuss Halbmesser 0,88 + 2,11 + 2,23 + 2,75 = 7,97 Fuss,
und das verwendete Gefälle H + R . Sin μ + R = 2 + 2,11 + 6 = 10,11 Fuss, mithin ist
der Verlust = 2,14 Fuss oder 21 Prozent des ganzen Gefälles. Nach der Tabelle findet
man für ein gleiches Gefälle von 10,11 Fuss den Verlust von 3,11 Fuss oder 31 Prozent.
Wird hingegen abermals 1 Fuss für das Freihängen abgeschlagen, so ist der Verlust am
Gefälle bei dem oberschlächtigen Rade 2,11 Fuss oder 21 Prozent.
Hieraus sieht man, dass der Vortheil dieser neuen Konstrukzion gegen die bisherige
Bauart oberschlächtiger Räder, wobei das Wasser vom Scheitel einfällt, desto grösser
werde, je mehr das ganze vorhandene Gefälle beträgt. Liegen solche Räder an Bächen
oder Teichen, deren Wasserstand veränderlich ist, so kann man bei dem Anwachsen
des Wassers durch Regulirung der Schütze den Einfluss in eine höhere Zelle leiten;
wenn daher auch der untere Theil des Rades im Wasser watet, so wird dagegen die
Höhe der wirksamen Wassersäule oben vergrössert. Bei oberschlächtigen Rädern hinge-
gen muss das Wasser nach der Einrichtung Seite 427 bei jedem Stande immer in dieselbe
Zelle einfallen, wogegen der Gang des Rades durch die Anschwellung des Unterwas-
sers erschwert wird. Hieraus ergeben sich nun die Vortheile dieser neuen, in Eng-
land seit mehreren Jahren eingeführten Einrichtung.
§. 337.
Man hat bei Kropfrädern sehr häufig die Bemerkung gemacht, dass denselben der
Stau, welcher hinter dem Rade entsteht, sehr nachtheilig sey und man hat zu dieser
Absicht unter der Mitte des Rades einen lothrechten Fall für das Gerinne in Antrag ge-Fig.
1.
Tab.
64.
bracht, um dadurch das Stauwasser bis auf die Höhe des abfliessenden Wassers im Ab-
flussgerinne zu erniedrigen. Diese Höhe wurde auf ½ bis ¾ der Höhe des Radkranzes
angenommen. Um hierüber einen Aufschluss zu geben, muss bemerkt werden, dass das
Wasser, wesches in den Zellen des Radkranzes mit der Geschwindigkeit v herabfliesst,
auch mit derselben Geschwindigkeit aus dem Rade ungehindert ausfliessen müsse, weil
sonst das Zurücktreiben des Stauwassers durch die Radschaufeln selbst bewirkt, folglich
dieser Verlust dem wirksamen Gefälle entgehen würde.
Um hierüber nicht die weitläufige Rechnung, die wir bereits über das nöthige Ge-
fälle in Flüssen und Kanälen in unserer frühern Theorie angeführt haben, zu wiederholen,
wollen wir annehmen, dass in dem Wasserabzugskanale für die abzuführende Wasser-
menge M bereits das Gefälle, die Breite β und die Geschwindigkeit γ des abfliessenden
Wassers ausgemittelt sey. Setzen wir nun die Höhe des abfliessenden Wassers in diesem
Kanale = α, so gibt uns die Gleichung M = B . x . v = β . α . γ die nöthige Tiefe
. Wird nun diese Höhe von der Oberfläche des Wassers bei seinem
Ausflusse, oder die Höhe α — x unter das Kropfgerinne abwärts aufgetragen, so ist von
selbst ersichtlich, dass das Wasser ohne Aufstau abfliessen werde.
59*
[468]Weite der Radkränze bei Kropfrädern.
§. 338.
Wir haben bereits §. 310 bemerkt, dass man bei oberschlächtigen Rädern die
Weite der Radkränze immer hinreichend gross annehmen müsse, damit
sich die Zellen nur mit einem kleinen Theile ihres Inhaltes, welcher höchstens ein Drittel
betragen darf, anfüllen, oder damit die Höhe des Wassers in den Zellen nach der Rech-
nung nur höchstens den dritten Theil der Höhe des Radkranzes beträgt. Nach diesen
Grundsätzen sieht man leicht ein, dass bei einem oberschlächtigen Rade, wenn es mit
einer grössern Wassermenge gefüllt wird, auch der Ort des ausfliessenden
Wassers hinaufsteigen und daher eine Verminderung der Höhe der wirksamen Wassersäule
eintreten muss. Der Effekt des Rades, welcher dem Produkt aus der Wassermenge in
diese Höhe proporzional ist, kann sich also nicht nach Verhältniss der zugeleiteten
Wassermenge allein vermehren. Hiervon kann man sich leicht durch einen Versuch bei
jedem oberschlächtigen Rade überzeugen, wie bereits Seite 431 bemerkt wurde. Wird
z. B. auf ein solches Rad, welches Stabhämmer betreibt, einmal irgend eine Wassermenge
M und bei einem zweiten Versuche die doppelte Wassermenge 2 M geleitet, so wird man
sogleich finden, dass das Rad im zweiten Falle während gleicher Zeit nicht die doppelte
Arbeit liefert, oder dass die Hämmer, welche z. B. früher 40 Schläge in einer Minute
machten, bei der doppelten Wassermenge nicht 80 Schläge, sondern immer weniger ma-
chen werden. Im letztern Falle ist nämlich der Punkt des Ausflusses aus den Zellen er-
höht und dadurch die Höhe der wirksamen Wassersäule vermindert worden, wornach nun
auch der Effekt für die doppelte Wassermenge nicht zweimal so viel als bei der einfachen
Wassermenge betragen kann.
Hieraus sieht man, dass es in allen diesen Fällen vorzüglich darauf ankomme, dem
Rade die nothwendige Weite zu geben, in welcher Hinsicht auch alle in neuern
Zeiten in England erbauten Räder viel breiter als es früher der Fall war, gemacht und
gewöhnlich so berechnet sind, dass sie nur mit dem 5ten oder 6ten Theile des Zelleninhal-
tes angefüllt werden. Will man aber ein bestehendes Rad so umbauen, dass es z. B. die
doppelte Wassermenge aufnehmen könne, so muss dasselbe die doppelte Breite erhalten,
damit eine gleich hohe wirksame Wassersäule vorhanden seyn möge.
§. 339.
8.
Tab.
64.
Eine zweite Art den Wasserzufluss oberhalb eines Schutzbretes zu
leiten und beliebig zu reguliren, ist Fig. 8 so dargestellt, wie dieselbe im
nördlichen Theile von England seit mehreren Jahren üblich ist. An die Sohle a b des
gusseisernen Gerinnes wird ein hinreichend grosses starkes Leder befestigt, welches sich
bis c an die eisernen Stangen anlegt, und dadurch den Wasserzufluss so wie eine Schütze
ganz absperrt. Dieses Leder wickelt sich um die Welle c d, die höher und niedriger
gestellt und dadurch auch der Wasserzufluss, welcher bloss über der Welle statt findet,
auf einen höhern oder niedrigern Ort am Umfange des Rades geleitet werden kann. Zu
diesem Zwecke liegen die Zapfen der Welle c d in dem untern Ende zweier gezähnter
Stangen e f, welche durch zwei Getriebe g bewegt werden, die an einer gemeinschaft-
lichen eisernen Achse fest sitzen und mittelst Kurbeln an dieser Achse bewegt werden
[469]Wasserzufluss oberhalb der Schützbreter.
können. Bei der Umdrehung dieser Getriebe werden die Stangen e f und mit denselbenFig.
8.
Tab.
64.
auch die Welle d c auf- und abbewegt und dadurch die lederne Schütze auf- oder abge-
rollt; das Wasser kann sonach an einem beliebigen Punkte des Radkranzes zugeleitet
werden und man kann auch mehr oder weniger von den Räumen zwischen den eiser-
nen Stangen öffnen. Damit sich endlich das Leder immer knapp um die Welle c d
winde, ist ein Riemen an jedem Ende dieser Welle angebracht, der aber das Schütz-
leder nicht berührt. Dieser geht dann oberhalb dem Wasser über zwei Rollen und
wird an seinem Ende durch ein schweres Gewicht straff angezogen.
§. 340.
Eine dritte Art den Zufluss des Wassers mittelst zweier SchützenFig.
9.
auf ein Wasserrad zu leiten, ist in Fig. 9 dargestellt. Dieselbe ist die Skize
eines Durchschnittes des Wasserrades, welches in der grossen Spinnerei des Herrn
Strutt zu Belper, 7 englische Meilen von Derby aufgestellt ist. Die Breite dieses Ra-
des beträgt 15 Fuss, sein Durchmesser 21,5 Fuss und das Gefälle bei mittlerem Wasser-
stande 14 Fuss. Dieses Rad liegt an dem Flusse Derwent, welcher hier durch ein
grosses, halbkreisförmig aus Quadersteinen gebautes Wehr gestaut wird. Die Schüzze
besteht aus zwei Theilen a b und c d, wovon der erstere durch die lange Schraube
m n, welche durch konische Räder von der Maschine aus betrieben wird, auf- und
niedergelassen werden kann. Das obere Schutzbret c d wird durch eine gezähnte Stange
mittelst des Getriebes e, an welchem eine Kurbel steckt, aufgezogen und niedergelassen.
Das Wasser läuft auf das Rad über den obern Rand b des untern Schutzbretes und
kann daher bei Anschwellung des Flusses auch höher zugeleitet werden. Lässt man aber
das obere Schutzbret c d ganz herab, so wird der Wasserzufluss auf das Rad abgesperrt.
Beide Schutzbreter legen sich bei ihrer Bewegung an einen starken gusseisernen Rost an,
welcher auf der Hauptschwelle A befestigt ist. Die Schienen B dieses Rostes sind, wie
der Durchschnitt zeigt, sehr breit, ½ Zoll dick, 2½ Zoll von einander entfernt und so
gestellt, dass sie das Wasser in der gehörigen Neigung von dem obern Rande b des
untern Schutzbretes a b auf die Schaufeln des Rades leiten. Das obere Schutzbret ist
15 Fuss lang und 2½ Fuss hoch, das untere aber eben so lang und 5 Fuss hoch. Wenn
daher das Wasser 1 Fuss unter dem obern Rande des obern Schutzbretes steht und das
letztere ganz herabgelassen ist, so ist der Druck auf beide Schutzbreter
= 56,4 . 6,5 . 15 . 3,25 = 17872 Pfund. Damit nun die Schutzbreter diesen bedeutenden
Druck auszuhalten vermögen, sind unmittelbar vor denselben 4 aufrecht stehende eiserne
Stangen und zwar 2 an beiden Enden und 2 an dazwischen liegenden Stellen angebracht.
Ausserdem sind an dem Schutzbrete grosse Frikzionsrollen befestigt, um die Reibung
an diesen eisernen Stangen zu vermindern. Ein Theil der Fabrike wird durch 2 Räder
von den obigen Dimensionen betrieben, welche neben einander liegen und nur durch
eine Mauer getrennt sind, auf welcher die Wellzapfen ruhen.
Ein jedes Rad hat eine gusseiserne Welle, an welcher sowohl in der Mitte, als an
beiden Enden ein 2 Zoll starker und 6 Zoll hoher hervorstehender Rand angegossen ist.
An diesen Rand sind schmiedeiserne 5/4 zöllige Stangen und zwar an den Enden und in
[470]Wasserzufluss oberhalb der Schützbreter.
Fig.
9.
Tab.
64.der Mitte, theils vertikal, theils in diagonaler Richtung mit Schrauben auf gleiche Art
befestigt, wie es bei dem Rade zu Wässerling Fig. 5 und 6 Tab. 60 dargestellt ist.
An dem obern Ende dieser Stangen ist der Boden des Rades, welcher aus ⅔ Zoll
starken Gusseisenplatten besteht, angeschraubt. Die Schaufeln, welche sich an dem Um-
fange des Rades befinden, sind von Holz, von gleicher Höhe, 40 an der Zahl und stehen
winkelrecht auf die Peripherie des Rades. Als Grund hiervon gab Herr Strutt dem Heraus-
geber dieses, welcher am 25ten Jänner 1827 die Fabrike besuchte, an, dass die Höhe des
Wassers im Flusse Derwent zu veränderlich sey und daher ein Kropfrad zu viel in dem
rückstauenden Wasser waten müsse, welches dann bei gebrochenen Schaufeln noch
schädlicher wäre, als wenn die Schaufeln am Umfange des Rades winkelrecht stehen. Eine
Vorrichtung zum Heben der Räder bei höherem Wasserstande ist hier nicht vorhanden.
Da das Wasser in den Zellen dieses Rades nicht so vollkommen gehalten wird, wie in
den Zellen der ober- und mittelschlächtigen Räder, indem der Kropf an das Rad nie
so vollkommen anschliessen kann, dass nicht ein Theil des Wassers unbenützt abfliesst,
so scheint uns die beschriebene Bauart jener eines Kropfrades nachzustehen. Uibri-
gens kann auch der Rückstau des Wassers bei eintretenden Anschwellungen des Flusses
bei einem Rade mit geraden Schaufeln nicht geringer seyn als bei den gebrochenen.
Es ist noch zu bemerken, dass die Regulirung des Wasserzuflusses bei diesem Rade
auf gleiche Art wie bei den Dampfmaschinen durch den Gang der Maschinerie erfolgt.
Es wird nämlich durch das Wasserrad eine stehende Welle mit zwei an beweglichen He-
beln befestigten Schwungkugeln in Bewegung gesetzt. So wie nun einige Spinn- oder
andere Maschinen in der Fabrike, welche das Wasserrad treibt, eingestellt werden, folg-
lich das Wasserrad wegen des geringeren Widerstandes schneller zu gehen anfängt, wer-
den diese Kugeln wie bei den Dampfmaschinen weiter auseinander getrieben, hierdurch ein
Hebel bewegt und mittelst desselben die Schütze verhältnissmässig herabgelassen. Auf
diese Art wird nun die schnelle Bewegung des Wasserrades wieder vermindert und der
gleichförmige Gang desselben, so wie der hiermit in Verbindung stehenden Maschinen
bewirkt. Wir werden diesen Mechanismus bei den Dampfmaschinen genauer kennen
lernen.
[471]
VIII. Kapitel.
Widerstand fester Körper bei ihrer Bewegung in
flüssigen.
§. 341.
Wir haben in dem VI. Kapitel des I. Bandes bei der Abhandlung über die freie Bewe-
gung der Körper durch beschleunigende Kräfte versprochen, diesen Gegenstand noch um-
ständlicher, nämlich mit Rücksicht auf den Widerstand der Luft zu behan-
deln. Wir wollen uns daher in diesem Kapitel sowohl mit der Untersuchung der Gesetze
des freien Falles, als auch der Bahn schiefgeworfener Körper beschäftigen und nebstbei
auch den Widerstand untersuchen, welchen feste Körper bei ihrer Bewegung in flüssi-
gen erfahren, um hierauf bei der Bauart und Bemessung der Geschwindigkeit der Schiffe
Rücksicht nehmen zu können. Wir werden sodann einige vorzügliche Konstrukzionen
der Schiffahrtskanäle nebst Schleussen und Kanalschiffen anführen und am Schlusse die-
ses Kapitels, womit der II. Band unseres Werkes beendigt wird, eine Darstellung der
Kanalschiffahrt in England beifügen.
Es ist allgemein bekannt, dass wenn ein Körper durch irgend eine Kraft in Bewe-
gung gesetzt wird, seine erhaltene Geschwindigkeit, falls keine andere Kraft weiter auf
ihn drückt, und er sich in einem widerstehenden Mittel bewegt, nach und nach abnehmen
und der Körper endlich zur Ruhe kommen werde. Wird z. B. eine Kugel auf einer ho-
rizontalen polirten Tafel gestossen, wo sie ausser dem Widerstande, den die Reibung
ihrer Bewegung entgegensetzt, noch den Widerstand der Luft erfährt, so wird durch
diese beiden Widerstände die der Kugel zu Anfang des Stosses beigebrachte Geschwindig-
keit fortwährend vermindert und die Kugel selbst nach einer gewissen Zeit, deren Dauer
von ihrem Durchmesser, der Politur der Fläche, der Dichtigkeit der Luft u. dgl. m. ab-
hängt, endlich zur Ruhe gebracht. Es leuchtet von selbst ein, dass von zwei Flüssig-
keiten, deren Dichtigkeiten verschieden sind, die dichtere der Bewegung desselben Kör-
pers bei gleicher Geschwindigkeit einen grössern Widerstand entgegensetzt, als die min-
der dichte; von der ersten müssen nämlich mehr schwere Theile auf die Seite geschafft
werden, als bei der zweiten, wozu also auch eine grössere Kraft nothwendig ist.
Da uns über dasjenige, was bei diesem Gegenstande zu berücksichtigen ist, die Er-
fahrung die besten Aufschlüsse gibt, so führen wir zuerst nachstehende allgemeine Ge-
setze an, welche man bei der Bewegung fester Körper in flüssigen beobachtet hat.
1tens. Der Widerstand richtet sich in einer und derselben Flüssigkeit nach der
Grösse und Gestalt der Oberfläche des Körpers. Ist diese Fläche eine
[472]Widerstand fester Körper in flüssigen.
Ebene z. B. die vordere Fläche eines Zylinders und die Richtung der Bewegung auf
diese Ebene winkelrecht oder nach der Achse des Zylinders, so wächst der Widerstand
nach Verhältniss dieser Fläche. 2tens. Der Widerstand wächst ferner bei übrigens
gleichen Umständen mit dem Quadrate der Geschwindigkeit oder der soge-
nannten Geschwindigkeitshöhe, weil bei einer grössern Geschwindigkeit der
Körper in derselben Zeit mehreren Theilen begegnet und weil er diesen Theilen zu-
gleich nach Verhältniss der Geschwindigkeit eine grössere Bewegung mittheilen muss.
Es befinde sich ein Körper unterhalb der Oberfläche des Wassers oder einer an-
dern Flüssigkeit, in welcher derselbe horizontal bewegt werden soll, seine der Rich-
tung der Bewegung winkelrecht entgegenstehende Querschnittsfläche sey = f und die
Höhe von dem Schwerpunkte dieser Fläche bis zur Oberfläche des Wassers = h, so drückt
auf diesen Körper im Zustande der Ruhe nach hydrostatischen Gesetzen das Gewicht
der Säule f . h; setzen wir das Gewicht eines Kub. Fusses dieser Flüssigkeit = w, so
wird der Druck auf diesen Körper sowohl vorwärts als rückwärts w . f . h seyn. Wenn
aber der Körper in der Flüssigkeit nach der angenommenen horizontalen Richtung mit
der Geschwindigkeit v bewegt wird, so wird, wie bereits in den ersten Grundsätzen der
Hydraulik gezeigt wurde, zu dem hydrostatischen Drucke w . f . h noch jener hinzu-
kommen, welcher zur Höhe die, der Geschwindigkeit v entsprechende Geschwindigkeits-
höhe hat. Wenn sich daher die Fläche f des Körpers mit der Geschwindigkeit v
bewegt, so ist der Druck auf die vordere Seite und der Druck an
die hintere Seite . Da diese beiden Kräfte einander entgegen wirken,
so wird man für die Grösse des Widerstandes, welchen die bewegte Fläche f erfährt,
erhalten. Der Widerstand, wel-
cher auf die Fläche wirkt, ist daher dem Gewichte einer Säule der
Flüssigkeit gleich, welche die Fläche f zur Grundfläche und die
doppelte Geschwindigkeitshöhe zur Höhe hat.
Der Fall, dass der Druck an die hintere Fläche = h — ist, findet nur bei kleinen
Geschwindigkeiten Statt, wo kleiner als h ist. Bei grössern Geschwindigkeiten kann
die Flüssigkeit hinter dem bewegten Körper nicht so schnell zusammen fliessen, um die
hintere Fläche zu erreichen. Wenn endlich die Geschwindigkeit des Körpers sehr gross,
folglich die Geschwindigkeitshöhe so bedeutend ist, dass die hydrostatische Wasser-
säule h dagegen ausser Acht gelassen werden kann, so drückt bloss an die vordere Fläche
eine Säule von der Höhe ; in diesem Falle ist daher der Widerstand .
Man sieht aus diesen Betrachtungen überhaupt, dass es bei der Bemessung des Wi-
derstandes, den ein Körper bei seiner Bewegung in einer Flüssigkeit erleidet, nicht bloss
auf den Widerstand der vordern Fläche ankommt, sondern auch auf den Druck an die
hintere Fläche, welcher der Bewegung des Körpers bei der Uiberwindung dieses Wider-
standes zu Hilfe kommt.
[473]Widerstand geneigter Flächen.
§. 342.
Wenn die vordere Fläche des bewegten Körpers A B mit der Richtung seinerFig.
1.
Tab.
65.
Bewegung Q S keinen rechten Winkel macht, sondern einen Winkel B S R = α bil-
det, so müssen wir in Hinsicht, als der Körper in jedem Punkte seiner Bahn noch
immer mit der ganzen Fläche A B die Flüssigkeit berührt, auch den Widerstand der
Flüssigkeit dieser Fläche proporzional setzen und annehmen, dass alle Punkte dieser
Fläche mit der Kraft m · w · f · fortgetrieben werden, wo m einen durch Versuche zu
bestimmenden Koeffizienten bezeichnet. Setzen wir nun diesen Druck = R S, so können
wir denselben in zwei Theile zerlegen, wovon S U winkelrecht auf die Fläche und S V
parallel zu derselben wirkt. Der erste Druck ist S U = m · w · f · · Sin α, und mit
dieser Kraft werden die nächst anliegenden Theile des widerstehenden Mittels nach der
Richtung S U winkelrecht auf die Fläche fortgetrieben. Der zweite Druck S V veranlasst
eine parallele Bewegung zu dieser Fläche, welche nur die Theile der Flüssigkeit nach
dieser Richtung in Bewegung setzen, den bewegten Körper selbst aber nicht hindern kann.
Uiber diese Theorie, welche von den Ansichten anderer Schriftsteller abweicht,
ist zu bemerken, dass man hierbei glaubte, den Druck des bewegten Körpers an die
Flüssigkeit von der Bewegung, nach welcher die Flüssigkeit fortgetrieben wird,
unterscheiden zu müssen. Der Druck an die Flüssigkeit ist in allen Punk-
ten der Säule proporzional, ohne Rücksicht, nach welcher Richtung die Flüssigkeit
selbst in Bewegung gesetzt wird, weil dieser Druck offenbar dem Körper eigen ist, und
von dem, was hieraus erfolgt, noch nicht abhängen kann. Auf gleiche Art ist in der
Hydrostatik der winkelrechte Druck an jedes Element einer schiefen Fläche dem Pro-
dukte aus der Fläche dieses Elementes in die ganze darüber befindliche Wasserstands-
höhe gleich, obschon die Fläche mit der Höhe und Richtung der Schwere einen Winkel
bildet.
Auf gleiche Art ist hier der Druck, mit welchem die flüssigen Theile fortgetrieben
werden, nach den Gesetzen der Hydrostatik der Anzahl der Theile proporzional, welche
an dieser Fläche liegen. Stellen wir uns z. B. diese Theile durch kleine Kugeln vor,
so liegen 5 Theile an der Fläche A B, während in der winkelrechten Projekzion nurFig.
2.
3 solche Theile vorhanden sind. Nach den Gesetzen der Hydrostatik werden die 5 Theile
insgesammt nach der Richtung A A' gedrückt, in welcher die Fläche selbst gedrückt
wird, und bei der Bewegung legen alle diese Theile gleiche Räume zurück, so dass der
Inhalt der bewegten Flüssigkeit dem Produkte aus der Anzahl der Theile in A B mit
dem Raume eines jeden solchen Theiles gleichkommt, obschon man nach den Gesetzen
der Geometrie den Inhalt der bewegten Flüssigkeit nur dem Inhalte des Parallelogrammes
A A' B' B = A A' . A' B oder dem Produkte aus der Geschwindigkeit in die winkel-
rechte Projekzion der Fläche gleich zu setzen hätte. Der Unterschied liegt offenbar
darin, weil die bewegten Theile nicht bloss die Fläche erfüllen, sondern hinter einander
fortgehen.
Gerstner’s Mechanik, Band. II. 60
[474]Versuche über den Stoss an schiefe Flächen.
§. 343.
Uiber den Stoss gegen schiefe Flächen wurden bisher Versuche von zweierlei Art
angestellt. Die ersten betreffen nämlich den Stoss eines isolirten Wasserstrahles
gegen die unbegränzte Fläche eines festen Körpers; die zweiten hinge-
gen betreffen den Stoss eines festen Körpers gegen die unbegränzte
Flüssigkeit.
3.
Tab.
65.
Für den ersten Fall sey A B die Richtung des Wasserstrahles und M N sey die Fläche,
welche gegen die Richtung des Strahles A B unter dem Winkel A B M = α geneigt ist
und gegen welche der Strahl seinen Druck ausübt. Man zerlege die Kraft A B in die
auf die Fläche winkelrechte D B und in die parallele C B. Setzen wir die Kraft des
anstossenden Wasserstrahles A B = K, so ist die winkelrechte D B = K . Sin α und die
parallele C B = K . Cos α. Mit der ersten Kraft wird die Fläche nach der Richtung
D B winkelrecht zur Fläche getrieben; wenn aber die Fläche so gestellt ist, dass sie nur
nach der Richtung des Wasserstrahles A B ausweichen kann, so müssen wir die Kraft D B
noch in E B parallel zum Wasserstrahl und in F B winkelrecht auf die Richtung des
Wasserstrahles zerlegen. Die erste Kraft ist E B = D B . Sin α = K . Sin2α; also
wird die Kraft, womit die schiefe Fläche nach der Richtung des
Wasserstrahles fortgetrieben wird, nur = K . Sin2α seyn. Es wird sich
daher der zur Richtung der Kraft parallele Stoss an die schiefe Fläche zum Stoss an die
winkelrechte Fläche wie Sin2α : 1 verhalten.
Setzen wir, die Richtung des Wasserstrahles sey die Richtung einer Röhre, deren
Querschnittsfläche f ist, so haben wir bereits §. 257 gezeigt, dass die Kraft A B, wenn
sie an eine Fläche winkelrecht anstösst = 56,4 f · ist. Demnach wird die Kraft,
welche die Fläche bei der schiefen Stellung auszuhalten hat = 56,4 f · · Sin2α seyn.
Die Richtigkeit dieser Sätze wird durch eine grosse Reihe von Versuchen des Herrn
Langsdorf vollkommen bestättigt, aus denen wir nach Herrn Eytelwein nur nachstehende
Versuche herausheben.
§. 344.
Uiber den Widerstand, welchen feste Körper bei ihrer Bewegung in
flüssigen erfahren, haben in Frankreich d'Alembert, Condorcet und Bossut im Jahre
1775 und dann wieder Bossut und Condorcet im Jahre 1778 vielfältige Versuche angestellt.
In einen grossen Wasserbehälter in Paris wurden nämlich prismatische Gefässe gebracht,
an das vordere keilförmige Ende derselben ein Seil gebunden, dieses über zwei Rollen
geführt und nun mittelst angehängter Gewichte an dem Ende dieses Seiles die Bewegung
der im Wasser eingetauchten Gefässe beobachtet. Während der ersten Augenblike war
die Bewegung beschleunigt, allein sie wurde in kurzer Zeit gleichförmig, wobei man
daher die Schwere des angehängten Gewichtes als eben so gross wie den Widerstand des
Wassers, welcher bei der beobachteten gleichförmigen Geschwindigkeit entsteht, anneh-
men muss.
Da der Widerstand, welchen feste Körper bei ihrer Bewegung im Wasser erleiden,
für die Bauart der Schiffe und die Schiffarth überhaupt von grösster Wichtigkeit ist,
so haben nicht bloss die französischen, sondern auch die englischen Gelehrten hier-
über Versuche angestellt, deren Resultate jedoch bisher keineswegs so übereinstim-
mend sind, um hieraus die absolute Grösse des Widerstandes für jeden Fall bestimmt
angeben zu können. Eine Zusammenstellung der vorzüglichsten Versuche dieser Art
findet sich in dem Werke: „A treatise of Mechanics, theoretical, practical and de-
scriptive, by Olinthus Gregory, 3d. edition, London 1815.“ Hiervon ist eine deutsche
Uibersetzung von Herrn Dietlein, Lehrer an der k. preussischen Bauakademie im J. 1828
erschienen, in welcher nebstbei noch in einer besondern Beilage die Versuche und
Beobachtungen über den Widerstand des Wassers vom Obersten Beaufoy, Mitgliede
der k. Sozietät enthalten sind. Diese Versuche wurden aus den Annals of Philosophy,
Aprilheft 1822 übersetzt.
Man bediente sich bei Anstellung dieser Versuche verschiedenartig gestalteter pris-
matischer Gefässe, welche auf grosse Behälter gesetzt und deren Bewegung mittelst
eines Gewichtes hervorgebracht wurde, welches an dem Gefässe befestigt war und dann
über ein paar Rollen ging, um den horizontalen Widerstand des Schiffes durch die
senkrechte Bewegung des Gewichtes bemessen zu können. In allen Versuchen war der
winkelrechte Querschnitt der Gefässe ein Quadratfuss. Bei der ersten Versuchs-
reihe hatte das Gefäss, wie der Grundriss und die Ansicht Fig. 4 zeigt, die LängeFig.
4.
Tab.
65.
am Vordertheile a b = 3 Fuss, den Mitteltheil b c = 1 Fuss und c e = 1 Fuss, dann die
Länge des hintern Theiles c d = 4 Fuss 6 Zoll. Nebstbei wurden dieselben Versuche
mit einem zweiten Gefässe Fig. 5 angestellt, welches denselben Vorder- und Mitteltheil,
jedoch keinen Hintertheil hatte. Da auf diese Art beide Gefässe Fig. 4 und 5 einanderFig.
5.
im Vorder- und Mitteltheile gleich sind, so muss der Unterschied der Widerstände,
nach Abzug der Reibung des Wassers (der in allen Fällen vorgenommen wurde) von
der Gestalt der Hintertheile abhängen. Beide Körper Fig. 4 und 5 wurden in der, durch
den Pfeil angezeigten Richtung auf einem grossen Wasserbehälter durch Gewichte,
welche an einer Schnur senkrecht über Rollen herabgingen, in Bewegung gesetzt und
der Zustand der gleichförmigen Bewegung abgewartet Die Gewichte, welche in
60*
[476]Widerstand fester Körper im Wasser.
Fig.
4
und
5.
Tab.
65.diesem Falle bei verschiedenen Geschwindigkeiten erfordert wurden, sind in der fol-
genden Tabelle enthalten. Die Differenz der Gewichte, welche die Körper Fig. 4
und 5 in jedem Falle bewegten, gibt den sogenannten verneinten Druck, nämlich
56,4 f , welcher bloss von der Verschiedenheit der Hintertheile herrührt und
desswegen der verneinte genannt wird, da er dem vordern Drucke zu Hülfe kommt,
demnach von der bewegenden Kraft der vordern Fläche abgezogen werden muss. Die
Dimensionen der Körper sind im englischen Längenmaasse, die erforderlichen Gewichte
aber in englischen Pfunden Avoir du poids angegeben.
I. Tabelle, für a b = 3 Fuss, b c = 1 Fuss, c e = 1 Fuss und c d = 4,5 Fuss.
6
und
7.
Zur bessern Begründung der vorigen Versuche bediente man sich der Körper Fig. 6
und 7; hierbei sind abermals die Vorder- und Mitteltheile gleich, allein die erstern bil-
den Kreisbogen, während der Hintertheil bei Fig. 6 wie bei Fig. 4 keilförmig geformt, bei
Fig. 7 aber nicht vorhanden ist. Der Querschnitt durch g i ist abermals 1 Quadr. Fuss,
allein der Widerstand beträgt bei den verschiedenen Geschwindigkeiten durchaus mehr,
als bei Fig. 4 und 5, wo der Vordertheil keilförmig war. Diess bestättigen auch an-
dere Erfahrungen, indem es z. B. bekannt ist, dass alle spitzigen oder schneidigen Kör-
per das Wasser weit leichter durchschneiden als stumpfe. Auch sind jene Fische,
welche schneller schwimmen, z. B. die Raubfische, mit spitzigern oder schneidigern
Köpfen versehen, als andere. Die Resultate der Versuche mit den Körpern Fig. 6 und 7
enthält nachstehende Tabelle:
II. Tabelle, für f g = 1 Fuss, g i = 1 Fuss und g h = 4,5 Fuss.
Die nächsten Versuche wurden mit solchen Körpern angestellt, wobei die Seiten
Fig.
8
bis
13.des Keiles wenigstens 4½ mal so lang sind, als die Grundfläche breit ist. Die hintern
Enden der Körper Fig. 9, 11 und 13 waren kürzer, als die der Körper 8, 10 und 12, indem
die Seiten bei jenen nur 3 Fuss, bei diesen aber 4½ Fuss lang waren. Nachstehende drei
Tafeln enthalten die Resultate der Versuche mit diesen Figuren, und rechtfertigen den
[477]Widerstand fester Körper im Wasser.
Schluss, dass der verneinte Druck bei den Körpern, deren Hintertheile wenigstens 4½ mal
so lang als die Breite derselben sind, so klein ist, dass er als = 0 angesehen, und da-
her weggelassen werden kann.
III. Tabelle
IV. Tabelle.
V. Tabelle.
Man könnte aus den Tafeln I und II schliessen, dass unter allen Formen, welche
das Hintertheil erhalten kann, die stumpfste jene sey, bei welcher der verneinte Druck am
grössten wird. Um hierüber ein bestimmtes Resultat zu erhalten, wurden noch die Wi-Fig.
14
bis
16.
Tab.
65.
derstände für die Figuren 14, 15, 16 ausgemittelt. Von denselben ist Fig. 16 mit Fig. 5
einerlei, indem sie ein quadratisches Hintertheil hat; Fig. 15 ist einerlei mit Fig. 11,
wenn diese umgedreht, d. h. wenn das Hintertheil zum Vordertheil gemacht wird und
umgekehrt; endlich ist das Hintertheil von Fig. 14 ein gleichseitiges Dreieck. Die Er-
gebnisse dieser Versuche enthält nachstehende Tabelle.
VI. Tabelle.
Es ist auffallend, dass ein Hintertheil in Form eines gleichseitigen Dreieckes den
verneinten Druck nicht nur nicht vermindert, sondern sogar vermehrt und dagegen
ein kreisförmiges Hintertheil den verneinten Druck vermindert. Wurde ein gleichsei-
tiges Dreieck an der Grundlinie eines gleichschenklichen angebracht, so vermehrte
sich der Widerstand nahe an der Oberfläche bedeutend, wie aus folgenden Versuchen
hervorgeht. Ein Keil von 43 Fuss Länge, 4,75 Fuss Breite und 1,28 Fuss Dicke, der
mit dem Wasser eben eingetaucht war, erforderte eine bewegende Kraft von 395,5 Pfun-
den, wenn seine Schärfe das Wasser mit 12 Fuss Geschwindigkeit in der Sekunde durch-
schneiden sollte. Befestigte man an denselben ein Hintertheil in Form eines gleich-
seitigen Dreieckes, so waren zur Hervorbringung derselben Geschwindigkeit 470 Pfund
erforderlich, also 74,5 Pfund mehr. Dass sowohl die Gestalt als die Länge dazu bei-
trugen, um den verneinten Druck zu vermindern, geht aus der Vergleichung der Versuche
mit den Figuren 14 und 15, Tab. VI. hervor. Aus der Vergleichung aller 6 Tabellen
ergeben sich zwar die angeführten interessanten Folgerungen, allein dieser Gegenstand
erfordert zu seiner gründlichen Behandlung noch weit mehrere mit Genauigkeit anzu-
stellende Versuche.
§. 345.
In den Philosophical transactions vom Jahre 1828 befinden sich nachstehende in-
teressante Versuche, welche der Civil-Ingenieur James Walker zu London über den
Widerstand, welchen Boote bei ihrer Bewegung im Wasser erfahren,
im Jahre 1827 anstellte. Diese Versuche wurden vorzüglich zu dem Zwecke gemacht,
um die Vermehrung des Widerstandes zu bestimmen, welchen ein Kanalschiff bei
Zunahme seiner Geschwindigkeit erleidet. Da man nämlich in den letztern
Jahren in England, wie wir bereits in dem I. Bande unsers Werkes berichteten, mehrere
sehr bedeutende Eisenbahnen anlegte und aus Versuchen nachwies, dass die Kraft
zur Fortschaffung eines beladenen Wagens bei einer gut gelegten und wohl unterhal-
tenen Eisenbahn für jede Geschwindigkeit dieselbe sey (Siehe §. 583, I. Band), so ver-
fielen die Eigenthümer der bestehenden Kanäle auf den Gedanken, Dampfschiffe auf
denselben einzuführen, um wo möglich einen eben so schnellen Transport der Waaren
zu bewirken, als es auf den Eisenbahnen der Fall ist. Die Untersuchung der Frage,
in welchem Verhältnisse der Widerstand eines Kanalschiffes bei grösserer Geschwin-
digkeit zunehme, war daher für die Unternehmer der Kanäle und Eisenbahnen von gros-
ser Wichtigkeit, da man in England die Schnelligkeit des Verkehrs als eine vorzügliche
Bedingniss des Aufschwunges der Nazionalindustrie ansieht.
Herr Walker bemerkt in der Einleitung zu seinen Versuchen, dass die in Frank-
reich angestellten Versuche mit Körpern von allzu geringen Dimensionen und nur für
eine Geschwindigkeit von höchstens 2½ engl. Meilen in der Stunde (3,5 N. Oe. Fuss in
der Sekunde) gemacht wurden. In allen diesen Fällen habe überdiess die Reibung an
den Rollen, die Reibung des im Wasser herabhängenden Seiles, die Kürze des Rau-
mes, innerhalb welchem die gleichförmige Bewegung Statt fand, einen allzu grossen
Einfluss genommen, als dass man aus den Resultaten solcher Versuche mit Verlässlich-
[479]Widerstand der Boote im Wasser.
keit jenen Widerstand bestimmen könne, der bei grössern Körpern, z. B. Kanalschiffen
und bei einer grössern Geschwindigkeit derselben entsteht.
Zur Beseitigung aller dieser Anstände wurden die Versuche mit zwei Booten ge-
macht, wovon das erste Fig. 17, 18 und 19, das zweite aber Fig. 20, 21 und 22 in derFig.
17
bis
22.
Tab.
65.
Längenansicht, Querdurchschnitt und Grundriss dargestellt ist. Diese Boote wurden
mit Balast gefüllt und in den grossen künstlich hergestellten Hafen zur Aufnahme der
von Ostindien kommenden Schiffe (East India Import Dock) gebracht; dieser Wasser-
behälter ist 1410 Fuss lang, 560 Fuss breit und 24 Fuss tief; man konnte daher anneh-
men, dass das Schiff durch keinen Rückstau des Wassers, als welcher unmittelbar durch
die Bewegung desselben veranlasst wird, in seiner Bewegung aufgehalten werde. An
dem Vordertheile des Schiffes war ein Kraftmesser zwischen dem Schiffe und dem Seile
befestigt, welcher daher unmittelbar am Schiffe die Kraft anzeigte, die der Zug des
letztern erforderte. Der Kraftmesser wurde vor und nach seinem Gebrauche durch
angehängte Gewichte untersucht. Das Seil wurde mittelst einer am festen Lande auf-Fig.
23.
gestellten Winde mit zwei Kurbeln aufgewunden und hiermit das Schiff angezogen.
Die Gleichförmigkeit der Bewegung der Arbeitsleute wurde nach einiger Uibung mit
Hilfe eines seitwärts aufgestellten Pendels bewirkt, indem die Arbeiter die Bewegung
der Kurbeln den Oscillazionen des Pendels entsprechend vornahmen. Ein Raum von
1/10 engl. Meile = 176 yards = 528 engl. Fuss wurde nun beiläufig in der Mitte des Was-
serbehälters durch am Ufer aufgestellte Stangen bezeichnet und man versicherte sich
von der gleichförmigen Bewegung des Schiffes dadurch, dass dasselbe bereits vor dem
Eintritte in diesen Raum eine gleiche Länge zurücklegte. Auf dem Schiffe selbst be-
fanden sich 3 Personen, wovon eine von 2 zu 2 Sekunden die Zugkraft an dem Index
des Kraftmessers ablas, die zweite dieselbe niederschrieb und ein dritter Mann das
Boot regierte. Es leuchtet von selbst ein, dass die Kraft zur Bewegung des im Was-
ser herabhängenden Seiles, die Reibung an den Rollen und alle übrigen bei andern
Versuchen Statt gehabten Widerstände hier nicht vorhanden waren, indem der Kraft-
messer jedesmal genau die Anzahl Pfunde bezeichnete, welche zum unmittelbaren Zuge
des Schiffes erfordert wurden.
Die Versuche in der Tabelle I wurden in einem Boote gemacht, worin sich nebst
den 3 Personen noch 42 Zentner Ladung befand. Die Länge dieses Bootes über der
Oberfläche des Wassers war 18,5 Fuss, seine Breite 6 Fuss, die Tiefe, auf welcher es
eingetaucht war, 2 Fuss. Die ganze Tiefe oder Höhe des Bootes betrug 3 Fuss, es
ragte demnach 1 Fuss über dem Wasser hervor und der grösste eingetauchte Quer-
schnitt war 9 Quad. Fuss. Die Versuche in der Tabelle II wurden mit demselben
Boot, jedoch bloss mit 2 Tonnen Ballast gemacht.
Die zweite Kolumne enthält die Anzahl Sekunden, in welchen das Boot 176 yards
oder 1/10 engl. Meile mit gleichförmiger Bewegung zurücklegte, die dritte Kolumne
die hiernach berechnete Geschwindigkeit in engl. Meilen und Theilen derselben, die
vierte Kolumne den wirklichen Widerstand bei der Bewegung des Bootes oder die An-
zahl Pfunde, welche der Kraftmesser anzeigte. Die fünfte Kolumne enthält die Berech-
nung desselben Widerstandes unter der Voraussetzung, dass derselbe mit dem Quadrate
[480]Widerstand der Boote im Wasser.
der Geschwindigkeit zunimmt, wobei aber in Tab. I der Versuch Nr. 5 und in Tab. II der
Versuch Nr. 4 zum Grunde gelegt und hiernach die andern Geschwindigkeiten berechnet sind.
I. Tabelle.
II. Tabelle.
Der mittlere Widerstand von Nro. 7, 8 und 10 in der Tabelle II beträgt 9,41 Pfund
und die zugehörige Geschwindigkeit 2,529 Meilen. Der mittlere Widerstand von Nro. 1
und 2, wo die grösste Geschwindigkeit Statt hatte, ist 42,59 Pfund und die Geschwin-
digkeit 4,529 Meilen in der Stunde. Berechnet man nach dem ersten Resultate den
Widerstand nach dem Quadrate der Geschwindigkeiten, so würde er 30,18 ℔ betragen,
wogegen derselbe 42,59 ℔ war. Aehnliche Resultate ergeben sich auch bei Verglei-
chung der andern Geschwindigkeiten und der zugehörigen Widerstände.
Nachstehende Versuche wurden mit dem Fig. 17 bis 19 dargestellten Boote ge-
macht, dessen Länge 28 Fuss betrug; da jedoch dieses Boot allzu leicht und der Wir-
kung des Windes zu viel ausgesetzt war, so wurde das schmälere Boot, womit die
Versuche Tab. I und II angestellt wurden, später wieder gebraucht. Nachstehende
Tabelle enthält die Resultate von 5 Versuchen, welche mit dem grösseren Boote ge-
macht wurden.
Einige andere Versuche wurden mit einem schmalen Themse-Boote gemacht, wo-
bei die Entfernung 80 yards betrug. Die mittlere Geschwindigkeit war bei 4 Versuchen
106 yards in der Minute oder 3,61 Meilen in der Stunde und der wirkliche Widerstand
10,4 ℔. Bei 4 andern Versuchen war die Geschwindigkeit 160 yards in der Minute
oder 5,45 Meilen in der Stunde, während der Widerstand schon 29 ℔ betrug, obgleich
er im Verhältnisse des Quadrates der Geschwindigkeit gegen die ersten 4 Versuche nur
23,70 ℔ betragen sollte.
Aus diesen Versuchen schliesst Herr Walker, dass der Widerstand eines Bootes bei
grössern Geschwindigkeiten in einem stärkern Verhältnisse als dem Quadrate
dieser Geschwindigkeiten zunehme; da diess jedoch im unbegränzten Wasser Statt fand,
wofür man den grossen Behälter im Vergleiche der gebrauchten Boote ansehen kann,
so werde dieser Widerstand noch weit mehr bei Kanälen betragen. Als Folgerung hier-
aus stellt Herr Walker den Satz auf: Nimmt man an, dass 30 Tonnen auf einem Kanal
und 7½ Tonnen auf einer horizontalen Eisenbahn mit derselben Geschwindigkeit von
2½ engl. Meilen in der Stunde von gleicher Kraft fortgezogen werden, so müsste bei
einer Geschwindigkeit von 5 Meilen in der Stunde der Widerstand auf der Eisenbahn
und dem Kanale einander gleich seyn, wenn man die Vermehrung des Widerstandes
auf dem Kanale im Verhältnisse des Quadrates der Geschwindigkeit annimmt. Nach
dem Resultate der angeführten Versuche sind jedoch die Widerstände auf dem Kanale
und der Eisenbahn schon bei einer Geschwindigkeit gleich, welche weit weniger als 4
Meilen in der Stunde beträgt. So oft daher ein Transport oder Verkehr mit einer
Geschwindigkeit von 4 engl. Meilen oder mehr in der Stunde Statt finden soll, ver-
dient eine Eisenbahn der Anlage eines Kanales vorgezogen zu werden.
Hieraus sieht man, warum in neuern Zeiten die Eisenbahnen in England einen so
entschiedenen Vorzug vor Kanälen erhielten und warum sie denselben ohne Rücksicht
auf Baukosten und andere Umstände verdienen, wenn die Transporte mit grösserer Ge-
schwindigkeit vorgenommen werden sollen.
§. 346.
Nach diesen Voreinleitungen kommen wir zu der im I. Bande versprochenen Ab-
handlung über den freien Fall und über die Bahn geworfener Kör-
per im widerstehenden Mittel. Da wir in dem Vorhergehenden gesehen haben,
dass der Widerstand nicht bloss von der Gestalt der vordern, sondern auch von der
hintern Fläche eines Körpers abhängt, in jedem Falle aber dem Quadrate der Ge-
schwindigkeit proporzional gesetzt werden kann, so wollen wir den winkelrechten Wi-
derstand gegen eine ebene Fläche = m . w . f · setzen und annehmen, dass m
durch Versuche bestimmt werden müsse. Wir wollen nun zuerst das Verhältniss des
Widerstandes einer krummen Oberfläche zum Widerstande auf ihre, zur Richtung der
Bewegung vertikale Projekzionsfläche untersuchen und hierzu die Oberfläche ei-
ner Kugel wählen.
Es sey demnach J C die Richtung, nach welcher die Kugel mit der Geschwindig-
keit v im widerstehenden Mittel getrieben wird. Da sich alle Punkte der Kugel mit
Gerstner’s Mechanik. Band II. 61
[482]Widerstand einer Kugel.
Fig.
24.
Tab.
65.der Geschwindigkeit v bewegen müssen, so wird jedes Element A M der Oberfläche
der Kugel, dessen Fläche wir = f setzen wollen, den Widerstand m · w · f · erfah-
ren, dieser Widerstand sey = A B. Wird derselbe in A D nach der Richtung des
Halbmessers und in A E parallel zur Oberfläche zerlegt, so ist wegen der Aehnlich-
keit der Dreiecke A D B und C A O die Kraft A D = A B · . Dieselbe Kraft fin-
det sich an der entgegen gesetzten Seite in a, wenn H A = H a gesetzt wird. Nun
können wir diese zwei Kräfte als Widerstände betrachten, welche der Kugel in den
Richtungen der Halbmesser A C und a C begegnen. Weil aber diese zwei Kräfte mit
einander den Winkel A C a bilden, so können wir eine jede derselben wieder in zwei
andere zerlegen, wovon die eine a g = A G = A D · = A B nach der
Richtung der Bewegung und die andere a f = A F winkelrecht auf die Richtung der
Bewegung wirkt. Da die letzteren F A und f a in entgegen gesetzten Richtungen wir-
ken, so heben sie sich auf; die erstern G A und g a wirken aber nach der parallelen
Richtung H J, es wird daher ihre Summe 2 A B den Widerstand der beiden
Elemente in A und a geben.
Wenn wir uns um den Mittelpunkt O dieser Kräfte mit dem Halbmesser A O einen Kreis
denken, dessen Fläche auf die Richtung H J winkelrecht ist, so sehen wir, dass in allen
Punkten der Peripherie dieses Kreises immer zwei einander gegenüberstehende Elemente
denselben Widerstand ausüben; es wird demnach der Widerstand der Zone A M m a dem
Flächeninhalte dieser Zone multiplizirt mit dem Widerstande eines jeden Punktes der Zone
gleich seyn, und derselbe ist = A M · 2 π A O · A G = A M · 2 π A·O · A B . Setzen wir
statt A B seinen Werth, so ist der Widerstand der Zone = A M . 2 π . A O · m . w · ,
wo f die Flächeneinheit für jeden Punkt ist. Nach der unten beigefügten höhern Rech-
nung*) ist der Widerstand der vordern halben Kugeloberfläche = ⅔ . m . w . π . r2 · .
Weil nun π . r2 die Fläche des grössten Kreises oder die Fläche der Projekzion der hal-
ben Kugel ist, so sehen wir, dass der Widerstand der krummen Ober-
fläche der Halbkugel sich zum Widerstand der Projekzionsfläche
wie ⅔ : 1 verhält.
[483]Freier Fall einer Kugel.
Die Versuche, welche Herr Eytelwein hierüber zum Behufe seines Stromquadranten
in dem Bromberger Kanal angestellt, und in der Sammlung nützlicher Aufsätze und
Nachrichten, die Baukunst betreffend, Jahrgang 1799 im I. Bande, Seite 53 bekannt ge-
macht hat, geben die Verhältnisszahl 0,7886, welche von unserm ⅔ = 0,6667 nur um
0,1219 abweicht. Die Ursache hiervon dürfte in dem Umstande liegen, dass wir in un-
serer Rechnung nur den Widerstand der Vorderfläche betrachtet und auf den sogenann-
ten verneinten Widerstand des hintern Thelles, so wie auch auf die Reibung des fe-
sten Körpers mit dem flüssigen keine Rücksicht genommen haben. Weil aber dieser
Umstand nur auf die absolute Grösse dieses Widerstandes einen Einfluss hat und die
Grössen w und dadurch nicht geändert werden, so wird uns diess nicht hindern, die
Gesetze des freien Falles und die Bahn geworfener Körper in widerstehenden Mitteln
nach den Grundsätzen der Analysis vollkommen richtig darzustellen.
§. 347.
Der freie Fall einer Kugel im widerstehenden Mittel wird durch
folgende Gleichungen bestimmt. Bezeichnet r den Halbmesser der Kugel, so ist \frac{4}{3}π · r3
der kubische Inhalt derselben, und setzen wir das Gewicht eines Kubikfusses der Ma-
terie der Kugel = p und das Gewicht eines Kubikfusses der Flüssigkeit, in welcher
sich die Kugel bewegt = w, so ist das Gewicht der Kugel in demselben Mittel
= (p — w) 4/3 π · r3 und der Widerstand dieser Kugel in der Flüssigkeit
= μ · w · π · r2 · , wo nämlich unter μ der Koeffizient für die Kugeloberfläche ver-
standen wird. Fällt daher eine Kugel durch ihr eigenes Gewicht im widerstehenden
Mittel herab, so ist ihre beschleunigende Kraft in jedem Punkte
= (p — w) 4/3 π · r3 — μ · w·π · r2 · . Nach der unten beigefügten höhern Rechnung *)
61*
[484]Beispiele.
ist die Zeit, in welcher die Kugel ihre grösste Geschwindigkeit V während dem freien
Falle im widerstehenden Mittel erlangt, t = · nat. log und der bis
zum Eintritte dieser grössten Geschwindigkeit beschriebene Raum
s = · nat. log .
1tes Beispiel. Ein Regentropfen habe den Durchmesser 2 r = 1 Linie = 1/144 Fuss;
man soll die grösste Geschwindigkeit, welche derselbe bei dem freien Falle in der Luft
erlangen kann, bestimmen. Das Verhältniss der spezifischen Schwere der Luft zum
Quecksilber ist nach §. 82, Seite 112 für 28 Zoll Barometerhöhe und 0 Grad Wärme
= , wo x die Höhe des Ortes über die Meeresfläche in Pariser Toisen an-
deutet. Setzen wir für Prag x = 100 Toisen und die spezifische Schwere des Queck-
silbers = 13,598, so ist , folglich — 1 = 751. Setzen wir ferner
nach Eytelwein μ = 0,7886, so ist die grösste Geschwindigkeit, welche der herabfallende
Regentropfen erhalten kann, V = = 16,54 Fuss.
2tes Beispiel. Eine eiserne Kugel von 6 N. Oe. Pfund Gewicht hat, wenn man
die spezifische Schwere des Gusseisens = 7,2 setzt, einen Durchmesser 2 r = 3,7 Zoll.
Sinkt diese Kugel durch ihr eigenes Gewicht im Wasser herab, so beträgt die grösste Ge-
schwindigkeit, welche sie durch ihren Fall erlangen kann
V = = 10,01 Fuss. Wenn aber dieselbe eiserne Kugel durch ihre
eigene Schwere in der Luft herabfällt, so ist = 752.7,2 = 5414, folglich — 1 = 5413
und die grösste Geschwindigkeit, welche die Kugel durch ihren Fall in der Luft annneh-
men kann, ist V = = 295,77 Fuss.
3tes Beispiel. Auf gleiche Art findet man für eine 12pfündige Kugel den Halb-
messer r = 2,30 Zoll und V = 330 Fuss. Für eine 24pfündige Kugel ist r = 2,90 Zoll
und V = 370 Fuss.
Diese Bestimmungen für V gelten aber nur für den Fall, wenn in der allgemeinen
Gleichung für das Verhältniss der spezifischen Schwere der Luft zum Quecksilber
für h = 28 pariser Zolle, t = 0° Reaum. und x = 100
Toisen angenommen wird; wenn aber diese Grössen andere Werthe haben, so wird auch
durch ihre Substituzion der Werth von V anders ausfallen. Da man es nicht darauf an-
kommen lassen kann, für jeden besondern Fall das V den bestehenden Verhältnissen der
Atmosphäre gemäss erst vorläufig auszumitteln, so hat man es bei dem §. 350 abgehan-
delten schiefen Wurfe der Körper für zweckmässiger gehalten, die Grösse V unbestimmt
zu lassen und dann zu einem Beispiele die gegebene Geschwindigkeit c, womit der
Körper geworfen wird, in einem bestimmten Verhältnisse zu V (wie c = 2 V, . . . .) anzu-
nehmen und hiernach die Bahn zu berechnen.
[485]Senkrechter Wurf einer Kugel.
Setzen wir in die Gleichungen zwischen t und v für v die grösste Geschwindigkeit
V, so wird die Zeit t unendlich gross, und eben so, wenn wir in die Gleichung zwischen
v und s für v die grösste Geschwindigkeit V setzen, so wird auch der Raum, durch wel-
chen der Körper fallen muss, bis er die Geschwindigkeit V erlangen kann, unendlich
gross. Hieraus sehen wir, dass die frei fallenden Körper sich der berechneten grössten
Geschwindigkeit nur nähern, aber dieselbe nie erreichen können.
§. 348.
Wir wollen nun den 2ten Fall untersuchen, wenn ein Körper mit einer ge-
gebenen Geschwindigkeit c lothrecht in die Höhe geworfen z. B.
eine Kanonenkugel lothrecht in die Höhe geschossen wird.
In diesem Falle wirkt sowohl das Gewicht des Körpers (p — w) 4/3 π .·r3, als auch
der Widerstand der Luft μ . w .·π .·r2 · seiner Bewegung entgegen. Nach der unten
beigefügten höhern Rechnung *) erhalten wir die Zeit, in welcher ein Körper, der mit
der Geschwindigkeit c senkrecht in die Höhe geworfen wird, in seiner Bahn die Ge-
schwindigkeit v erreicht t=, und den bis da-
hin beschriebenen Raum s = , nat . log . Setzen wir in der zwei-
ten Gleichung die Geschwindigkeit v = 0, so erhalten wir die grösste Höhe, auf
welche der Körper steigen kann S = · nat . log , und die
[486]Beispiele.
Zeit, in welcher der Körper diese Höhe erreicht,
T = · Arc . tang .
Beispiel. Wird die 6pfündige Kanonenkugel des vorigen Beispieles mit der Ge-
schwindigkeit c = 600 Fuss in die Höhe geworfen, so lässt sich die grösste Höhe und
die Zeit, in welcher sie diese erreicht, nach den vorstehenden Gleichungen berechnen,
wenn für V die im obigen Beispiele berechnete grösste Geschwindigkeit = 296 Fuss und
gesetzt wird. Wir erhalten nämlich die Zeit des Aufsteigens
T = · Arc . tang · 1,1010 = 10,5 Sekunden und die grösste Höhe,
welche die Kugel in dieser Zeit erreicht
S = · nat .·log · 1,6309 = 2305,2 Fuss.
Die Zeit, in welcher die Kugel von dieser Höhe 2305,2 Fuss wieder herabfällt, ergibt sich
aus den im vorigen §. hierfür aufgestellten Gleichungen t = · nat .·log
und s = · nat .·log . Da die Höhe, von welcher der Körper herab-
fällt, dieselbe seyn muss, auf welche er aufgestiegen ist, so erhalten wir
· nat .·log · nat .·log . Aus dieser Glei-
chung folgt und hieraus endlich v = . Diese Gleichung gibt
uns die Proporzion v : c = V : = 1 : und wir sehen hieraus, dass
der Körper in jedem Falle mit einer kleinern Geschwindigkeit auffällt, als diejenige
war, mit der er in die Höhe geworfen wurde. Weil aber auch = , und
wenn man hierin statt v den eben gefundenen Werth substituirt
= ist, so erhalten wir mit diesem Werthe die Zeit, in welcher der
Körper von seiner grössten Höhe wieder herabfällt
t = · nat. log . Setzen wir abermals ,
V = 296 Fuss und c = 600 Fuss, so ist die Zeit
t = · nat . log · 1,4557 = 13,0 Sekunden,
und die Geschwindigkeit, mit welcher die Kugel unten ankommt, ist
v = = 265,46 Fuss.
[487]Bahn schief geworfener Körper.
§. 349.
Wenn der Körper mit einer kleinern Geschwindigkeit c, als mit derjenigen V, die
er bei dem Herabfallen im widerstehenden Mittel höchstens erlangen kann, in die Höhe
geworfen wird, sonach ein Bruch ist, dessen höhere Potenzen schnell abnehmen, so
ist nat. log = nat. log ··· · · ·, folglich ist die
Höhe, auf welche der Körper steigen kann S = .
Auf gleiche Art ist Arc. tang · · · · ·, folglich die Zeit, in
welcher er die grösste Höhe erreicht T = .
Diese beiden Gleichungen stimmen mit jenen überein, die wir für den freien Fall
im leeren Raume gefunden haben. Im leeren Raume ist nämlich w = 0 und die grösste
Geschwindigkeit, die der Körper durch seine fortwährende Beschleunigung erlangen
kann, unendlich gross; demnach verschwinden die erste und alle höhern Potenzen von
und wir erhalten den Raum, auf welchen der Körper steigen kann, S = und
die hierzu nöthige Zeit T = , welches genau dieselben Formeln sind, welche im
I. Bande dieses Werkes §. 492 aufgestellt wurden.
Auf gleiche Art erhalten wir die Geschwindigkeit, mit welcher der Körper wieder
unten auffällt v = = c und die Zeit, in welcher er von der grössten Höhe
herabfällt t = · nat. log =
= · nat. log , welches mit den Formeln im I. Bande
ebenfalls übereinstimmt.
§. 350.
Mit Hilfe der vorgetragenen Grundsätze lässt sich auch die Bahn schiefgewor-
fener Körper mit Rücksicht auf den Widerstand der Luft berechnen. Die
Wichtigkeit dieser Aufgabe, vorzüglich für die Artillerie leuchtet von selbst ein, inzwi-
schen hat man bisher eine genaue Auflösung derselben noch nicht erhalten, und in die-
ser Hinsicht nur Annäherungen versucht, die aber weder allgemein giltig und selbst für
die angenommenen Fälle nicht ganz entsprechend befunden worden sind. Man hofft
daher, dass die nachstehende allgemeine Auflösung dieses schwierigen Gegenstandes
dem wissenschaftlichen Publikum nicht unwillkommen seyn werde.
Wird eine Kugel nach der Richtung A U mit der Geschwindigkeit c geworfen undFig.
25.
Tab.
65.
setzt man den Winkel, welchen A U mit der Horizontalen A H bildet = α, so ist im
Punkte A die horizontale Geschwindigkeit = c · Cos α und die vertikale = c . Sin α.
Es sey der Körper nach der Zeit t im Punkte M, und seine Geschwindigkeit nach der
[488]Bahn schief geworfener Körper.
Fig.
25.
Tab.
65.Richtung der Bahn sey = v, der Winkel N M O den die Bahn an demselben Orte mit
der Horizontallinie macht = λ, die Abscisse A L = x und die Ordinate L M = y.
Nach der unten beigefügten Rechnung der höhern Analysis *) ergeben sich Gleichungen
[489]Bahn schief geworfener Körper.
für die Coordinaten x und y, welche zeigen, dass die Bahn des geworfenen Körpers
andern Gesetzen, und nur dann dem Gesetze einer Parabel folgt, wenn man in die-
sen Formeln annimmt, dass der Körper im leeren Raume herabfällt, wo seine Bewegung
*)
Gerstner’s Mechanik. Band II. 62
[490]Bahn schief geworfener Körper.
fortwährend beschleunigt und die Geschwindigkeit V, welche er erreichen kann, un-
endlich gross, oder = 0 wird.
§. 351.
Aus den im vorigen Paragraphe für die Berechnung der Coordinaten angegebenen
Differenzial-Gleichungen würden sich auch die Coordinaten für jeden Punkt der krum-
men Linie bestimmen lassen, wenn jene Differenzial-Gleichungen in ihrer allgemei-
nen Form integrirt werden könnten. Da aber hierzu noch keine Methode bekannt ist,
so hat man bisher verschiedene Annäherungen versucht und zur Erhaltung konvergi-
render Reihen angenommen, dass die Grösse und der Winkel λ so klein sind, dass
die höheren Potenzen derselben weggelassen werden können. Weil aber im widerste-
henden Mittel die Geschwindigkeit V auf die Grösse beschränkt
ist und bei der Luft für eine 6 pfündige Kanonenkugel = 296 Fuss gefunden wurde, so
müsste man zu einer algebraischen Annäherung den Werth von c viel kleiner als 296
Fuss annehmen. Da jedoch die Kraft des Schiesspulvers so gross ist, dass die aus
Kanonen und andern Gewehren abgeschossenen Kugeln mit einer viel grössern Geschwin-
digkeit fortgetrieben werden, so wollen wir eine eigene Methode zur Berechnung der
Bahn unserer Kugeln angeben, welche weder von der Grösse der Geschwin-
digkeit c, noch von der Kleinheit der Winkel α undλ, welche die Rich-
*)
[491]Bahn schief geworfener Körper.
tung der Kugel zu Anfang und in jedem Punkte ihrer Bewegung mit dem Horizonte
macht, abhängig ist.
Diese Methode beruht erstens auf dem vollständigen Integral
L = und zweitens auf der genauen Berechnung der Länge des Bogens
s = · nat · log . Wenn nun nach der letzten Gleichung
die Länge der Bögen s für alle Winkel, welche die Richtung der Bahn erhalten kann,
entweder von 5 zu 5 Grad oder zur Erzielung einer noch grössern Genauigkeit von
Grad zu Grad berechnet wird, so kann man diese Bögen von einander abziehen und
die Unterschiede so kleiner Bogenlängen als gerade Linien betrachten. Dadurch er-
halten wir in jedem Dreiecke M N O die Länge des Bogens M N = der endlichen Dif-
ferenz von s = Δ s und da der Winkel N M O = λ ist, so folgt
M O = Δ s · Cos λ = Δ x und N O = Δ s · Sin λ = Δ y. Die Summe aller Δ xFig.
25.
Tab.
65.
vom Anfangspunkte A bis zu dem Punkte L gibt die Abscisse für den Punkt L, näm-
lich A L = x und die Summe aller Δ y die Ordinate L M = y. Um diese Rechnung
noch genauer zu führen, müssen wir bemerken, dass der Bogen A M im Punkte M
mit der Abscissenlinie den Winkel N M O = λ, in dem folgenden Punkte N aber nach
unserer Rechnung einen um 5 Grad kleinern Winkel λ' macht; weil nun die Gleichung
Δ y = Δ s · Sin λ die Linie N O zu gross, und die Gleichung Δ y = Δ s · Sin λ'
den Werth für N O zu klein geben würde, so haben wir zur genauern Bestimmung
der Grössen N O und M O statt des Winkels λ den Winkel angenommen, sonach
Δ x = Δ s · Cos und Δ y = Δ s · Sin gesetzt.
Zur leichtern Ausführung solcher Rechnungen dient die nachfolgende Tabelle.
In der ersten Kolumne dieser Tabelle befinden sich die Winkel λ, bis zu welchen die
Länge des Bogens berechnet werden soll und in der zweiten Kolumne ist die Grösse
angegeben. Die dritte Kolumne enthält den Werth für nat · log · tang (45 — ½ λ). Für
diejenigen, welche nicht im Besitze der Tafeln natürlicher Logarithmen sind, wird
hier bemerkt, dass die natürlichen Logarithmen mit Hilfe der Briggischen berechnet
werden, wenn der jedesmalige Briggische Logarithmus mit der Zahl 2,302585 multiplizirt
wird. Die vierte Kolumne enthält die Grösse — nat · log · tang (45 — ½ λ). Weil
aber tang (45 — ½ λ) kleiner als 1, und daher der Logarithmus eine negative Grösse
ist, so erhellet, dass durch die Subtrakzion dieser Zahlen von den Zahlen in der zwei-
ten Kolumne eigentlich die Summe von beiden entsteht.
Die auf solche Art berechnete Tabelle ist allgemein und es lassen sich mit ihrer
Hilfe alle Bahnen geworfener Körper für jeden Winkel α berechnen. Es leuchtet von
selbst ein, dass man bei dieser Rechnung keineswegs, so wie es andere Schriftsteller gethan
habea, genöthigt sey, den Winkel αsehr klein anzunehmen, da sich nach unserer
Theorie die Bahn geworfener Körper im widerstehenden Mittel oder die sogenannte Bal-
listische Linie mit gleicher Verlässlichkeit für jeden Werth von α bestimmen lässt.
62*
[492]Bahn schief geworfener Körper.
Allgemeine Tabelle zur Berechnung der Bogenlänge und der Coor-
dinaten der Ballistischen Linie im widerstehenden Mittel.
§. 352.
Beispiel. Es sey die Bahn einer Kugel im widerstehenden Mittel für den Fall
zu berechnen, wenn selbe unter dem Winkel α = 45 Grad abgeschossen wird, und die
Wurfsgeschwindigkeit c zweimal so gross als die grösste Geschwindigkeit V ist, welche
diese Kugel bei dem freien Falle in der Luft erlangen kann.
Diess kann mit Hilfe der vorstehenden allgemeinen Tabelle ohne Anstand gesche-
hen und es enthält nachstehende Tabelle die Resultate dieser Berechnung. Die erste
Kolumne enthält den Winkel λ, bis zu welchem die Länge des Bogens s berechnet
werden soll. Die zweite Kolumne enthält die Grösse
L = — nat · log · tang (45 — ½ α) — . Da
in der vierten Kolumne der vorhergehenden Tabelle bereits alle Werthe für
— nat · log · tang (45 — ½ λ) berechnet sind, so müssen wir, weil α = 45 Grad
ist, bei 45 Grad in der Tabelle anfangen und von dem dort angeführten Werthe
+ 2,29559 alle nachfolgenden Werthe für die Winkel 40, 35, 30 · · · · Grad abziehen. Wir
erhalten auf diese Art für 40 Grad den Werth L = 2,29559 — 1,85829 = 0,43730, bei 35 Grad
[493]Bahn eines unter 45 Grad geworfenen Körpers.
ist eben so L = 2,29559 — 1,50763 = 0,78796, u. s. w. Die dritte Kolumne enthält die Länge
des Bogens s = · nat · log , oder wenn wir für unser Bei-
spiel c = 2 V, folglich = 2 setzten, und für der Kürze wegen K schrei-
ben, so ist s = K · nat · log (1 + 2 L). Diese Werthe befinden sich in der dritten Kolumne.
In der vierten Kolumne befinden sich die Unterschiede ∆ s, welche erhalten werden,
wenn jede vorhergehende Bogenlänge von der nächstfolgenden abgezogen wird. Die fünfte
Kolumne enthält das Produkt ∆ s · K · Cos = ∆ x und die sechste Kolumne das
Produkt ∆ s · K · Sin = ∆ y. Die siebente Kolumne enthält die Summe aller
∆ x bis zu dem gegebenen Winkel oder die Abscisse x und die achte Kolumne die
Summe aller ∆ y bis zu demselben Winkel oder die Ordinate y.
26.
Tab.
65.
Um die Resultate dieser Tabelle bildlich darzustellen, sind die Coordinaten x und y
in Fig. 26 genau aufgetragen und hierbei zum Maasstabe K = 1½ Zoll angenommen
worden. In derselben Figur erscheint zugleich nach demselben Maasstabe die parabo-
lische Linie aufgetragen, welche derselbe Körper mit einer gleichen anfänglichen Ge-
schwindigkeit c = 2 V bei dem Wurfswinkel α = 45 Grad im luftleeren Raume beschrei-
ben würde. Man sieht aus der vorhergehenden Tabelle und der aufgetragenen Zeichnung,
dass die grösste Höhe, welche der Körper erreicht, nämlich 0,897 K dort Statt findet, wo
das Steigen aufhört oder wo λ = 0 ist. Der Ort, wo der Körper wieder in dieselbe hori-
zontale Linie einfällt, ist dort, wo die Höhe y über dem Horizont = 0 wird, also in un-
serm Falle zwischen λ = — 65 und λ = — 70 Grad. Die genaue Bestimmung dieses Werthes
ergibt sich aus der Proporzion 0,151 + 0,119 : 5° = 0,151 : 2,8°. Demnach ist λ = — 67,8°. Für die
Bestimmung der grössten Wurfsweite haben wir : 0,151 + 0,119 : 2,406 K — 2,294 K = 0,151 : z und
die grösste Wurfsweite = 2,294 K + z = 2,357 K = 2,357 · = 2,357 · = 3331 Fuss.
Auf dieser Weite wird eine mit 2 . 296 = 592 Fuss unter dem Winkel von 45° abgeschossene
Kugel in den Horizont wieder auffallen, wenn die Barometerhöhe 28 par. Zoll, die Tem-
peratur 0° R., endlich die Höhe des Ortes über dem Meere 100 Toisen beträgt.
Zur deutlichern Beurtheilung, welchen Einfluss die Bewegung im widerstehenden
Mittel auf die Bahn des geworfenen Körpers macht, haben wir noch nachstehende zwei
Tabellen für die Wurfswinkel α = 30 und α = 15 Grad berechnet.
Die zwei Bahnen, welche sich aus den Rechnungsresultaten der vorstehenden zweiFig.
26.
Tab.
65.
Tabellen ergeben, erscheinen ebenfalls in Fig. 26 zugleich mit den Bahnen aufgetragen,
welche dieselben Körper bei gleicher Wurfsgeschwindigkeit und gleichem Wurfswinkel
im luftleeren Raume beschreiben würden. Diese letztern Bahnen sind mit punktirten
Linien in der Figur bezeichnet, während die Bahnen im widerstehenden Mittel durch
fortlaufende Linien ausgedrückt sind.
Aus dieser Zeichnung ist hauptsächlich der grosse Unterschied ersichtlich, welchen
die Bahn geworfener Körper im widerstehenden Mittel gegen die Bahn im luftleeren
Raume macht, im Falle die Körper mit grosser Geschwindigkeit, wie es in den
obigen Beispielen angenommen wurde, geworfen werden. Dieser Unterschied ist so be-
deutend, dass man hier kein bestimmtes Verhältniss zwischen beiden Bahnen auch nicht
beiläufig annehmen kann. In dieser Hinsicht werden in der Artillerie gewöhnlich Probe-
schüsse gemacht, die Wurfsweite bei 45 Grad gemessen und hieraus die Erhöhungswin-
kel der Kanonen, welche man in jedem Falle anzunehmen hat, beurtheilt. Zur richtigen
Beurtheilung dieser Winkel müsste man aber immer erst für verschiedene Dichtigkeiten
der Luft die Bahn berechnen und dieselbe mit dem Ergebnisse des Probeschusses ver-
gleichen, um hieraus auf die Bahnen bei andern Wurfswinkeln schliessen zu können.
Da übrigens eine unter 45°, unter 30° oder unter 15° abgeschossene Kugel nach dem vor-
stehenden Beispiel den Horizont unter 67,8°, 52,4° und unter 26,1° trifft, so sieht man, dass
die Annahme eines Wurfswinkels von höchstens 30° nach der Angabe einiger Schriftstel-
ler zur approximativen Bestimmung der Schussweite nicht hinreichen könne, weil die
Tangenten der Winkel über 45° grösser als 1 sind, demnach ihre höhern Potenzen nicht
verschwinden können.
[496]Kanalschiffahrt in England.
§. 353.
Wir haben bereits §. 125 eine kurze Darstellung der Vortheile der Schif-
fahrt mittelst Kanälen und Schleussen gegeben. Da die Beschreibung und
Darstellung der englischen Eisenbahnen, welche am Schlusse des I. Bandes dieses Werkes
aufgenommen wurde, bei unsern Lesern so vielen Beifall fand, so glauben wir, dass es eben
so interessant seyn dürfte, eine gedrängte Beschreibung der Anlage der vorzüglichsten
in England ausgeführten Kanäle, so wie auch eine Darstellung der kommerziellen Ver-
hältnisse derselben, nämlich des Statt findenden Verkehres, der Auslagen für ihren
Bau, ihre Unterhaltung und der Einnahmen bei ihrer Benützung zu liefern. Diese Dar-
stellung dürfte die über diesen Gegenstand bekannt gemachten Schriften, Phillips
History of Inland Navigation, Sutcliff Treatise on Canals and Reservoirs, Smeaton
Reports on Canals, Dupin voyages dans la grande Bretagne, Cordier histoire de la
navigation intérieure, Huerne de Pommeuse des Canaux navigables, Hogrewe Be-
schreibung der in England angelegten schiffbaren Kanäle und andere Werke hierüber
ergänzen und gegenwärtig noch einen besondern Werth erlangen, nachdem man sich
in mehreren deutschen Staaten mit der Untersuchung beschäftigt, ob die Anlage einer
Eisenbahn oder eines Kanales zur Herstellung einer Kommunikazion vorzuziehen sey.
Unter der glänzenden Regierung der Königin Elisabeth (1558 — 1603) wurde der
erste Grund zu Englands Gewerben, Handel und Seemacht gelegt. Sie beförderte und
unterstützte die Manufakturen und begünstigte den auswärtigen Handel. Unter der spä-
tern Regierung der Königin Anna (1702 — 1714) wurde das glückliche Verwaltungs-
system, dem England seine Grösse verdankt, noch mehr entwickelt. Die Engländer waren
früher nur Seefahrer, welche andern Nazionen um bedungene Frachtlöhne Waaren und
Güter zur See führten. Mehrere weise Verordnungen, deren Zweck die Beförderung
der inländischen Industrie war, wurden unter Anna’s Regierung erlassen; zur Empor-
bringung der Schiffahrt wurden grosse Prämien ausgesetzt. Es ist bekannt, dass diese,
Königin, um ihrem Parlamente ein sichtbares Zeichen dessen zu geben, worauf die Auf-
merksamkeit dieser hohen Versammlung gerichtet seyn sollte, ausdrücklich befahl, dass
der Lordkanzler seinen Sitz auf einem Wollsacke einnehmen solle, welches noch bis zum
heutigen Tage der Fall ist. Wo die Wichtigkeit der Industrie in solchem Grade er-
kannt, gewürdigt und dieselbe mit kräftiger Hand unterstützt wird, dort wird der Wohl-
stand unfehlbar zunehmen und die Nazion mit raschen Schritten auf einen Standpunkt
gelangen, dessen Höhe vorher kaum gekannt wurde! —
Die Unternehmung der zahlreichen Kanäle und Strassen in England wird von den
ersten Schriftstellern als eine wichtige Quelle der Wohlhabenheit und des Reichthumes
angesehen, welcher in England seit den letzten 70 Jahren so sehr über Hand genommen
hat. Mit Recht sagt Cordier, dass, so lange England keine Kanäle und gute Strassen
hatte, auch sein Handel bloss auf die Seehäfen beschränkt war; wie jedoch Strassen
erbaut, Kanäle angelegt und Flüsse schiffbar gemacht wurden, entstanden auch Manu-
fakturen im Innern des Landes, der Ackerbau vervollkommnete sich, der Handel nahm
zu und die Einkünfte des Staates und der Privaten wuchsen in gleichem Verhältnisse
mit den verbesserten Kommunikazionen. Durch diese Mittel ist der Gewerbsfleiss, die
[497]Kanalschiffahrt in England.
Wohlhabenheit und die Aufklärung als eine weitere Folge selbst in die bis dahin ver-
lassenen und wilden Gebirge Schottlands gedrungen, die vormals unfruchtbaren Heiden
wurden kultivirt, neue Städte und Ortschaften stiegen überall aus den vorher volks-
leeren Gegenden hervor, selbst die Berge wurden bewässert, und ihr Inneres mit bestem
Erfolge bis in die grösste Tiefe durchwühlt. Wenn man bedenkt, dass alle in Eng-
land bestehenden Kanäle seit den letzten 70 Jahren neu erbaut, dass die meisten Stras-
sen, Brücken, Häfen, Leuchtthürme und andere Kunstwerke in derselben Zeit theils
neu angelegt, theils bedeutend verbessert worden sind, dass die ungeheuere Anzahl
der Manufakturen dieses Landes grösstentheils erst in dieser kurzen Zeit entstanden
ist, und dass diese Unternehmungen mit Ausnahme einiger wenigen, sämmtlich von
Privatvereinen und einzelnen Privaten und vorzüglich zu einer Zeit aus-
geführt wurden, wo ganz Europa und besonders England unter den Drangsalen höchst
kostspieliger Kriege seufzte; so müssen diese Betrachtungen den unbefangenen Beob-
achter in das höchste Staunen versetzen. Es ist unbezweifelt, dass England nur durch
die Anhäufung so vieler nützlicher Arbeiten zu einem so hohen Grade der Macht ge-
langte. Der Staat hat dort den Privaten die Sorge überlassen, Brücken, Strassen und
Kanäle zu erbauen, Flüsse schiffbar zu machen und andere öffentliche Arbeiten aus-
zuführen; wenige Jahre reichten hin, den grössten Theil der nützlichsten Bauten zu
beendigen, mehr als vierhundert Millionen Livres sterling wurden hierzu verwendet
und in weniger als 30 Jahren haben sich dadurch die Einkünfte der Privaten den Be-
rechnungen verlässlicher Schriftsteller zu Folge um 90 Millionen Liv. sterl. vermehrt.
Wie sehr muss diess den Wunsch rege machen, auch bei uns ähnliche Unternehmungen
ausgeführt zu sehen! — Hierunter behaupten gute Komunikazionswege immer einen vor-
züglichen Platz. Eine grosse, über Berge und Abgründe geführte Strasse vereinigt zwei
Völker durch den Handel, welche durch die Natur von einander getrennt und beinahe
eines dem andern unbekannt sind; ein Kanal vereinigt Provinzen, welche bisher von ein-
ander isolirt und beinahe fremd waren, und grosse über Flüsse erbaute Brücken, so wie
die Regulirung der Flüsse, die Herstellung der Seehäfen und andere ähnliche grosse Ar-
beiten, wobei Tausende reichlichen Erwerb finden, tragen offenbar dazu bei, um Na-
zionen reich und mächtig zu machen. — Wohl mit Recht sagte der Staatssekretär Can-
ning bei dem Gastmahle der Gesellschaft der Schiffsrheder im Februar 1825: „Wir
„besitzen kein Mittel, das die andern Nazionen nicht gleichfalls in sich selbst trügen;„
„der Grund unserer Wohlfahrt liegt in der unzerstörbaren Energie des brittischen„
„Volkes und in jenem Unternehmungsgeiste, der seinen Handel bis an das Ende der„
„Welt ausdehnt und das ganze Menschengeschlecht in Erstaunen setzt.“
§. 354.
Die Anlage der Kanäle wird durch die Lage und das Klima von England ausser-
ordentlich begünstigt; die Westwinde, welche während des grössten Theiles des Jah-
res daselbst herrschen, die starken Nebel und häufigen Regen vermehren einerseits
die Menge der Gewässer und vermindern die Ausdünstung; endlich ist die Wärme in
dem grössten Theile des Jahres so gemässigt, dass die Kanäle und Flüsse beinahe im-
mer schiffbar bleiben. Inzwischen ist die Schwierigkeit des Baues der Kanäle weit
grösser, als in den flachen Niederlanden, in Holland und der Lombardei, indem Eng-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 63
[498]Grosse und kleine Schiffahrtskanäle in England.
land durch eine grosse Kette von Gebirgen, die parallel zu seiner westlichen Seite
fortläuft, dann durch eine zweite Gebirgskette, welche entlängst seiner südlichen Grund-
linie fortgeht, der Anlage von Kanälen bedeutende Schwierigkeiten entgegensetzt.
Die erste grosse Gebirgskette ist von 21 Kanälen durchschnitten, welche dazu dienen,
die in entgegengesetzter Richtung laufenden Flüsse zu verbinden und auf diese Art
den deutschen Ocean und das Atlantische Meer mit dem Irrländischen Meere zu ver-
einigen. Die Anlage dieser Kanäle forderte die Durchgrabung von 48 unterirdischen
Stollen (Tunnels), deren ganze Länge über 9 deutsche Meilen beträgt und die häufig
in dem schwierigsten Terrain durchgebrochen wurden.
Da England mit Schottland sehr lang und verhältnissmässig schmal ist, so musste
man von Strecke zu Strecke eine Schiffahrt quer durch das Land in der Richtung von
Ost nach West eröffnen, um die östlichen gegen den Kontinent von Europa liegenden
Küsten mit den westlichen, welche Irrland und den vereinigten Staaten in Nordamerika
gegenüber liegen, zu verbinden und dadurch den bedeutend langen und gefährlichen
Umweg zu vermeiden, welcher durch Umfahrung der mit gefährlichen Klippen versehe-
nen nördlichen Spitze oder der ausgedehnten östlichen, südlichen und westlichen Seite
verbunden ist.
Die vorzüglichsten Handelshäfen, welche sich in England befinden, sind: London
an der Themse, Hull am Humber, Liverpool an der Mersey und Bristol an der Severn;
es sind daher auch die meisten Kanäle entweder mit diesen Städten unmittelbar, oder
durch andere Kanäle oder schiffbare Flüsse verbunden.
Die Kanäle in England sind zweierlei Art, jene der grossen Schiffahrt und
jene der kleinen Schiffahrt. Auf den erstern gehen breitere, auf den zweiten
schmälere Schiffe, ohne dass übrigens eine genaue Bestimmung hierüber Statt fände,
nachdem die Unternehmer der Kanäle die Dimensionen derselben nach eigenem Ermes-
sen bestimmen. Im Allgemeinen haben die Schleussen bei den kleinen und grossen
Kanälen 70 bis 72 englische Fuss zur Länge und bei den kleinen Kanälen gewöhnlich
7 Fuss, bei den grossen aber 14 Fuss zur Breite. Die Kanalschiffe sind diesen Di-
mensionen gemäss eingerichtet und sind daher je nach der Grösse der Schleussen auch
Fig.
1
bis
5.
Tab.
66.kürzer oder länger und schmäler oder breiter. Fig. 1 und 2 Tab. 66 enthalten die Dar-
stellung der Schleussen des Kanales zwischen Birmingham und Liverpool, welcher für
die kleine Schiffahrt berechnet ist; hierbei sind einfache Thore angewendet. Fig 3 bis 5
stellt eine Schleusse von 30 Fuss Breite und 150 Fuss Länge vor. Wir liefern Seite 499
bis 507 eine Detail-Uibersicht der vorzüglichsten in England bestehenden Kanäle mit ihrer
Länge, der Steigung und dem Falle, der Angabe der unterirdischen Strecken oder Stol-
len, der Baukosten und des Jahres ihrer Beendigung. Diese Uibersicht ist aus dem grossen
Werke: Des Canaux navigables, par M. Huerne de Pommeuse, Membre de la Chambre
des Députés entlehnt. Nach dieser Uibersicht wird ein in London im August 1829 öffent-
lich erschienener Ausweis über den dermaligen Preiss oder den Kaufschilling einer jeden
im Börsehandel vorkommenden Kanalakzie folgen, da sich hieraus der Erfolg dieser Unter-
nehmungen wohl mit Verlässlichkeit beurtheilen lässt. Endlich werden wir eine kurze
Beschreibung der grössten Kanäle mit Angabe der vorzüglichen hierbei vorkommenden
Bauobjekte und des Statt findenden Verkehres mittheilen.
[499]Schiffahrtskanäle in England.
Uibersicht der englischen Kanäle
nach Huerne de Pommcuse.
[500]Uibersicht der englischen Kanäle.
[506]Uibersicht der englischen Kanäle.
§. 355.
Beinahe alle Kanäle, welche in der vorstehenden Uibersichtstabelle enthalten sind,
wurden von öffentlich gebildeten Akziengesellschaften errichtet. Hierzu
muss immer eine Parlamentsakte erwirkt werden, worin die Gesellschaft ermächtigt
wird, den Kanal nach den vorgelegten Plänen zu erbauen, die nothwendigen Grundstücke
entweder nach freiem Uibereinkommen mit den Eigenthümern oder nach der Entscheidung
einer Jury anzukaufen, und von allen, den Kanal befahrenden Schiffen eine Tonnen- und
Schleussengebühr (Tonnage and Loskage) zu erheben, die jedoch den in der Akte für
jede Art Güter bestimmten höchsten Satz nicht überschreiten darf. Der Hauptfond einer
jeden solchen Unternehmung beruht in dem eingezahlten Akzienbetrage; es werden
jedoch häufig auch Darlehen gemacht, wozu die Bewilligung entweder schon in der
ersten Parlamentsakte enthalten ist oder in einer zweiten Akte gegeben wird. Die Akzien
werden gewöhnlich mit 100 Liv. st. eingezahlt und kommen auf den englischen Börsen im
Handel vor. Der Kours dieser Papiere ist daher aus der Ursache interessant, weil man hier-
aus in jedem Falle das pekuniäre Gelingen der Kanalunternehmungen beurtheilen kann.
Den verlässlichsten Ausweis dieser Art finden wir in dem wochentlich zweimal in London er-
scheinenden Blatte: Course of the Exchange, published by Authority of the Committee of
the Stock Exchange, by J. Wetenhall, at N°. 1, Copthall Court, Throgmorton Street; with
the addition of the Prices of Canals, Dock Stocks, Assurance Companies etc. etc. Wir
haben hieraus in der nachfolgenden Tabelle die Kourse der Kanalakzien zusammenge-
stellt, wie selbe am 6. Februar 1827 und am 7. August 1829 notirt waren; die Vergleichung
dieser Tabelle biethet einen interessanten Uiberblick dar. Man sieht, welche ausseror-
dentlich hohen Erträgnisse bei einigen Kanälen vorhanden sind, wie sehr aber auch an-
dere nicht entsprochen haben.
64*
[508]Preis der englischen Kanalakzien.
Uibersicht des Preises der Kanal-Akzien in England.
§. 356.
Als Schöpfer der englischen Kunstwerke kann man den Ingenieur Brindley an-
sehen, welcher den berühmten Kanal des Herzogs von Bridgewater im Jahre
1758 zu bauen anfing. Der Zweck dieses Kanals war die Steinkohlen, welche in den
reichen Gruben des Herzogs zu Worsley gewonnen wurden, nach Manchester zu trans-
portiren. Brindley, ein Mühlenbauer, welcher das Vertrauen des Herzogs genoss, verfer-
tigte den Plan zu diesem Kanal und leitete die Arbeiten, welche bloss auf Kosten des Her-
zogs ausgeführt wurden und auf die Summe von 280000 Liv. sterl. im Ganzen stiegen. Der
Kanal fängt in zwei unterirdisch geführten Armen bei Worsley Mill in dem Berge an, wo
die Steinkohlen gewonnen werden und geht sodann mit gleichem Niveau fort. In dieser
Linie wird der schiffbare Fluss Irwell mittelst einer gemauerten Brückenwasserleitung
übersetzt; diese ist 200 Yards lang, 36 Fuss breit und besteht aus 3 grossen Bögen, wo-
von der mittlere 63 Fuss Spannung und 38 Fuss Höhe über den Wasserspiegel des Irwell
hat, um die Durchfahrt der grössten, den Fluss befahrenden Schiffe mit Masten und
Segeln zuzulassen. Diese Brückenwasserleitung war die erste, welche in England aus-
geführt wurde. Die Neuheit und Schwierigkeit des Baues und die bedeutenden, hierauf
verwendeten Auslagen waren für jene Zeiten so ausserordentlich, dass Niemand in Eng-
land das Gelingen dieser Unternehmung hoffte. Der Bau derselben fing im September
1760 an und wurde am 17. Juli 1761 beendigt; wie jedoch der Kanal angelassen wurde und
das erste Schiff denselben befuhr, während zu gleicher Zeit ein anderes unter dem Kanale
mit gespannten Segeln den Fluss Irwell herabgleitete, schenkte man diesem Werke so
vielen Beifall, dass binnen wenigen Jahren eine Menge Kanäle in allen Gegenden Eng-
lands von Privatvereinen ausgeführt wurden.
Der Kanal hat 40 Meilen zur Länge und besteht aus 3 Armen, welche sich zu Long-
fort vereinen, und von da aus nach Worsley, nach Manchester und nach Runcorn an
den Fluss Mersey gehen. Der Theil des Kanales, welcher zu Worsley in das Innere des
Steinkohlenwerkes geführt ist, hat bloss 10 bis 11 Fuss Breite und wird mit Booten be-
fahren, die 40 bis 45 Fuss lang, 4½ Fuss breit sind und 8 bis 12 Tonnen Kohlen enthalten.
Die ersten Transporte wurden von Worsley nach Manchester im Jahre 1761 gemacht. Die
andern Theile des Kanals sind breiter und werden auch von grössern Schiffen befahren.
[511]Sankeykanal, Bolton und Bury Kanal.
Da die zwei Arme innerhalb des Bergwerkes nicht in gleichem Niveau liegen, so wurde, um
die Boote von dem höhern Theile auf den niedrigern herabzubringen, daselbst eine schie-
fe Fläche (Inclined plane) von 453 Fuss Länge und der Neigung von 1 : 4 angelegt.
Diese schiefe Fläche ist mit Eisenschienen belegt und es wird ein jedes Boot auf einen hin-
reichend starken, mit niedrigen eisernen Rädern versehenen Wagen aufgefahren und auf die-
se Art immer ein beladenes Kohlenboot herabgelassen, während ein anderes leeres Boot
auf einem zweiten Wagen zu gleicher Zeit hinaufgezogen wird. Der Verkehr auf dem
ganzen Kanale ist so bedeutend, dass er gewöhnlich 20 Prozent der verwendeten Bau-
kosten jährlich abwarf, obgleich der Preis der Steinkohlen nach Eröffnung des Kanals
auf die Hälfte herabfiel.
Mit dem Kanale des Herzogs von Bridgewater stehen einige andere Kanäle in Ver-
bindung. Der Sankeykanal von 12½ englischen Meilen Länge fängt an dem Flusse
Mersey oberhalb Runcorn an und endigt an den Steinkohlenbergwerken in der Nähe von
Prescot. Dieser Kanal hat 48 Fuss Breite, 5½ Fuss Wassertiefe und wird mit grossen
mit Segeln versehenen Schiffen befahren. Da der Bau dieses Kanales bereits in Folge
einer Parlamentsakte vom Jahre 1755 vorgenommen wurde, und die hiernach gebildete
Akziengesellschaft die erste war, welche sich in England zur Ausführung eines Schiffahrts-
kanales vereinigte, so ist der Sankeykanal in der That der erste, der in Grossbrit-
tanien zur Ausführung kam. An diesem Kanale befinden sich 8 einfache und 2 doppelte
Schleussen; der ganze Fall des Wassers beträgt gegen 60 Fuss. Nach einem, dem Par-
lamente vorgelegten Ausweise wurden schon im Jahre 1771 auf diesem Kanale nach Li-
verpool 45568 Tonnen und nach Warrington, Northwich und andere Orte 44152 Ton-
nen oder zusammen 1⅘ Millionen Zentner Steinkohlen, nebstbei aber eine bedeutende
Menge Getreide, Schiefer, Steine und andere Gegenstände transportirt.
Der Manchester-Bolton und Burykanal wurde im Jahre 1797 von einer
Akziengesellschaft beendigt, die das erforderliche Kapital durch Akzien zu 250 Liv. st. zu-
samme[n]gelegt hatte. Nach Beendigung des Baues wurde der Kanal eröffnet, und Jeder-
mann gestattet, denselben gegen Entrichtung einer, durch die Parlamentsakte beschränkten
Tonnen- und Schleussengebühr (Tonnage and Lockage) zu befahren. Zufolge dem
gedruckten Berichte, welcher den Akzionärs am 1. August 1829 vorgelegt wurde, be-
trug die Einnahme vom 1. Juni 1828 bis 1. Juni 1829 an Tonnen- und Schleussengebühr
5606 Liv. 15 sh. 8¾ d., an reinem Erträgniss der Passagiersboote 1353 Liv. 10 sh. und mit
Hinzufügung einiger andern Einkünfte 8845 Liv. 17 sh. 7¾ d. Ein Theil hiervon wurde
zur Erweiterung des Kanals verwendet, sodann aber eine jährliche Dividende mit 6 Liv.
per Akzie bezahlt, woraus sich erklärt, warum der Werth der Akzien, wie aus dem
Verzeichnisse Seite 508 zu ersehen ist, bedeutend gefallen ist.
Der Kanal von Rochdale vereinigt sich in der Stadt Manchester mit dem
Kanale des Herzogs von Bridgewater und geht nach Rochdale und Halifax. Der
Bau dieses Kanals wurde im Jahre 1794 begonnen und 1814 beendigt. Dieser Kanal
empfängt sein Wasser aus 5 künstlich angelegten grossen Behältern; eine Dampfmaschine
mit der Kraft von 100 Pferden wurde noch besonders erbaut, um das Wasser in einen
höhern Behälter hinaufzubringen und dennoch leidet der Kanal bei anhaltender Trock-
[512]Ashton und Oldham-, Huddersfield- und Peak-Forest Kanal.
niss im Sommer an Wassermangel und die Schiffahrt muss zeitweise unterbrochen wer-
den. Die Unternehmung dieses Kanales beruht auf 5669 Akzien, auf deren jede 85
Liv. eingezahlt wurden; ausserdem wurden noch Darlehen gemacht. Zufolge dem Aus-
weise, welcher den Akzionärs im Frühjahre 1829 vorgelegt wurde, betrug die Brutto-
Einnahme vom 1. Jänner bis letzten Dezember 1828 im Ganzen 44350 Liv. 11 sh. 5 d.,
wovon eine Dividende von 4 Liv. auf die Akzie vertheilt und der übrige Betrag zur
Unterhaltung des Kanals, Rückzahlung der Schulden und Bestreitung der Regiekosten
verwendet wurde.
Der Kanal von Ashton und Oldham fängt bei Manchester an dem Kanale
von Rochdale an und geht bis zur Stadt Ashton. Dieser Kanal wurde ebenfalls von
Privaten auf Akzien errichtet, auf deren jede 97 Liv. 18 sh. eingezahlt wurde. Nach dem ge-
druckten Ausweise, welcher den Akzionärs vorgelegt wurde, betrug die Einnahme für Zoll-
gebühren in dem Verwaltungsjahre, welches sich am 24. Juni 1828 endigte, 10968 Liv.
14 sh. 1½ d. und in dem Jahre, welches sich am 24. Juni 1829 endigte, 11331 Liv. 12 sh. 1½ d.,
wovon immer 4 oder 5 Liv. auf die Akzie vertheilt, und der Rest zur Unterhaltung und
Vervollkommnung des Kanals verwendet wurde.
Der Kanal von Huddersfield steht mit jenem von Ashton in Verbindung,
und ist vorzüglich durch eine unterirdische Strecke von 3 engl. Meilen Länge, welche
beinahe ganz in Felsen gehauen wurde, merkwürdig. Dieser Stollen ist der längste,
welcher in England angelegt wurde, und dient dazu, mittelst des Kanals und der mit
ihm in Verbindung stehenden Kanäle die zwei schiffbaren Flüsse Calder und Mersey,
welche sich in die zwei entgegengesetzten Meere ergiessen, zu verbinden. Nebstbei ist
hier eine Brückenwasserleitung merkwürdig, welche ein gusseisernes Gerinne hat, das
von einem steinernen Bogen getragen wird. Obgleich der Kanal nur 19½ engl. Meilen
zur Länge hat, so betrugen die Baukosten bis zum Jahre 1798, wo er beendigt wurde,
schon 274000 Liv., welche durch die spätere Einnahme keineswegs hinreichend gedeckt
wurden. Nach dem Ausweise, welcher den Akzionärs über die Einnahme vom 1. April
1828 bis 31. März 1829 vorgelegt wurde, war diese zwar 11212 Liv. 15 sh. 5¾ d.; allein die
Unterhaltung des Kanals, die Baukosten neuer Anlagen, die Bezahlung von Zinsen und
die Regiekosten beliefen sich auf beinahe eben so viel und es konnte keine Dividenden-
zahlung Statt finden. Hieraus erklärt sich der niedrige Preis dieser Akzien, welcher
Seite 508 angeführt erscheint.
Der Peak-Forestkanal beginnt an dem Ende des Ashton und Oldham-Kanales
und ist auf der entgegengesetzten Seite und an einem Seitenarme mit Eisenbahnen in Ver-
bindung, welche zu grossen Kalksteinbrüchen führen. Der Bau dieses Kanals bot eben-
falls sehr grosse Schwierigkeiten dar; mittelst einer Brückenwasserleitung von 3 ge-
wölbten Bogen, deren mittlerer 100 Fuss Höhe hat, ist dieser Kanal über den Fluss
Mersey geführt. Die Akziengesellschaft benützt nicht bloss den Kanal zur Fracht
gegen Entrichtung eines bestimmten Zolles, sondern sie lässt auch in den Kalkbrüchen
eine bedeutende Menge Kalk erzeugen, womit sodann Handel getrieben wird. Nach
dem gedruckten Berichte, welcher am 4ten Juni 1829 der Generalversammlung der Ak-
zionäre vorgelegt wurde, betrug die erhobene Zollgebühr (tonnage) von fremden, der
Gesellschaft nicht zugehörigen, auf dem Kanale geführten Gütern in den zwei Benü-
[513]Peak-Forest Kanal.
zungsjahren 1828 und 1829, welche sich aber immer am 25teu März endigen, nach-
stehendes:
Mit Hinzufügung der Einnahme aus dem Handel mit Kalk und Kalksteinen be-
lief sich die jährliche Brutto Einnahme bis zum 25ten März 1829 auf die Summe von
17712 £. 2 sh. 10 d. Dagegen betrugen die Ausgaben:
Der Uiberrest der Einnahme über die Ausgabe, blieb als Reservefond in der Kasse
der Gesellschaft. Wir haben diese detailirte Darstellung der Verwaltung einer öffent-
lichen Unternehmung in der Absicht angeführt, um als Muster für die Akzien-Gesell-
schaften, welche schon bei uns bestehen, oder noch errichtet werden könnten, zu die-
nen. Wir sehen hieraus, wie äusserst gering die Regiekosten einer so grossen Unterneh-
mung in England sind; wir finden, dass die gesellschaftlichen Direkzionen bei dieser
Gesellschaft wie bei den meisten andern unentgeldlich versehen, und nur ein äusserst
geringer Betrag (hier 71 Liv. 17 sh. 10 d.) zur Entschädigung der unmittelbaren Ausla-
gen der Direkzion angerechnet wird; wir sehen ferner, dass diese Direkzion mit kluger
Umsicht die Einkünfte der Gesellschaft dadurch bedeutend vermehrte, dass der Kanal
nicht bloss dem Publikum gegen Entrichtung einer bestimmten Zollgebühr geöffnet wur-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 65
[514]Seeschiffahrt im Hafen von Liverpool.
de, sondern auch überdiess eine eigene Industrie bei Erzeugung von Kalksteinen und
gebranntem Kalk Statt fand; endlich sehen wir, dass von den Einkünften der Gesellschaft
ein bedeutender Theil zur Vervollkommnung der Unternehmung verwendet, und als Re-
servefond zurückgelegt wurde, um für unvorgesehene Fälle als Aushilfe zu dienen.
Möchte dieses Beispiel, und jene, welche wir noch anführen werden, auch für unsere
Gesellschaften wirklich als Muster dienen! —
§. 357.
Die Wasserverbindungen von Liverpool sind desshalb von besonderer
Wichtigkeit, weil dieser Ort die Hauptverbindung zwischen England, Irland und
Nordamerika bildet. Bevor wir die Kanäle, welche von Liverpool ausgehen, näher
beschreiben, wollen wir erst einen Auszug aus einem offiziellen Ausweis über
die Anzahl Seeschiffe, welche seit den letzten 70 Jahren in die Li-
verpool Docks einliefen, und die Zollgebühr, welche sie entrichteten, unseren
Lesern mittheilen. Die Dampfschiffe, welche bloss Reisende nach Irland, Glasgow etc.
führen, in der Mersey liegen bleiben und daher in die Docks nicht einlaufen, sind in die-
sem Ausweise nicht enthalten; die Anzahl der jährlich im Ganzen nach Liverpool ein-
laufenden Schiffe ist daher weit grösser als die Zahlen in diesem Ausweise. Hierbei sind
die Verwaltungsjahre immer bis zum 24. Juni gerechnet.
Bei dieser ausserordentlichen Zunahme des Verkehrs waren die Docks in den letzten
Jahren nicht mehr hinreichend gross, um alle einlaufenden Seeschiffe aufzunehmen; es
wurde demnach im Jahre 1828 eine Parlamentsakte (Dock Bill) erwirkt, kraft welcher
mehrere neue Docks angelegt werden können. Die Arbeiten begannen sogleich und wa-
ren im Herbste 1829, als der Herausgeber dieses sich längere Zeit in Liverpool auf-
bielt, im vollen Gange. Die Leitung derselben war dem Ingenieur Jesse Hartley anver-
traut, welcher hierfür einen jährlichen Gehalt von 1500 Liv. bezog. Die Beschreibung der
[515]Brückenwasserleitung von Cysylte.
vorgenommenen Arbeiten gehört mehr in das Baufach und muss demnach hier übergangen
werden. Wir bemerken daher bloss, dass nach den öffentlich erschienenen Accounts of
the Trustees of the Liverpool Docks, from the 25th of June 1828, to the 24 th of June
1829 die Grundeinlösung zum Behufe der Anlage dieser neuen Docks 110244 Liv. 18 sh.
0 d. oder mehr als eine Million Conv. Gulden betrug, und in diesem Jahre noch mehr als
zweimal so viel für den eigentlichen Bau dieser Docks ausgegeben wurde. Unter andere
Merkwürdigkeiten, welche der Bau darbot, gehörte auch die Anwendung gusseiserner
Piloten, welche mittelst angegossener Ränder fest in einander griffen und in das dortige
Sandsteingrundbette mit dem besten Erfolge eingetrieben wurden.
§. 358.
An dem weiten Bette der Mersey befindet sich aufwärts von Liverpool eine Bucht,
welche Port Ellesmere genannt wird, und der Eingang des merkwürdigen Kanales
von Ellesmere und Chester ist. Dieser Kanal hat mit den Seitenarmen eine
Länge von 109 engl. Meilen, und wird unter die kühnsten Bauunternehmungen in Eng-
land gezählt. Es werden auf demselben alle Arten Güter und Waaren geführt, und
er wurde vorzüglich zu diesem Behufe, und nicht wegen des Transportes der Stein-
kohlen, worauf die meisten andern Kanäle berechnet sind, erbaut. Als vorzügliche
Bauwerke werden die Brückenwasserleitungen von Chirk und Cysylte angesehen. Die
erste hiervon ist beiläufig 200 Yards lang und besteht aus 10 gewölbten Bögen von
50 Fuss Spannung; der Fluss Ceriog, über welchen der Kanal geführt ist, liegt 65 Fuss
tiefer.
Die Brückenwasserleitung von Cysylte wird als die merkwürdigste von
allen in England bestehenden angesehen, und ist bereits in den Werken von Dupin,
Dutens und Cordier beschrieben worden. Wir haben dieselbe auf der Tafel Nr. 68Tab.
68.
dargestellt, um unseren Lesern das Vergnügen zu gewähren, welches selbst nur das
Bild eines so kühnen Baues verursachen muss. Möchte doch ein jeder derselben die-
sen Bau an Ort und Stelle sehen können, um einen richtigen Begriff von dem zu er-
halten, was brittischer Unternehmungsgeist und Beharrlichkeit vermag! — Der Bau
dieser Wasserleitung wurde vom Herrn Telford, dessen kühnen Geist wir schon aus
der Menaikettenbrücke kennen, im Jahre 1795 unternommen; sie führt den Kanal über
das tiefe Thal des Flusses Dee in der Nähe von Llangollen und besteht aus 18 Pfeilern
und 2 gemauerten Landwiderlagen, worauf 19 Bogen von Gusseisen ruhen, die das aus
gehämmerten und gut verbundenen Eisenplatten verfertigte Gerinne des Kanales tragen.
Nach Cordier ist die Länge des gusseisernen Kanalgerinnes 306 met. und die Länge der
anstossenden Dammanschüttungen 457 met., zusammen 763 met. (2414 N. Oe. Fuss), die
Höhe des eisernen Gerinnbodens des Kanales über den Fluss Dee 38,4met. (121 N. Oe.
Fuss), die Breite des Kanales in dem gusseisernen Gerinne 2,38met. (7,53 N. Oe. Fuss),
und die Höhe der eisernen Kästen, in welchen das Wasser fortfliesst 1,6met. (5,06 N. Oe.
Fuss). Der Bau dauerte vom J. 1795 bis 1805 und kostete 54000 Liv. st. oder über eine
halbe Million Conv. Gulden.
Der Kanal von Ellesmere konnte bei so bedeutenden Bauten den Akzionärs wohl
nicht den Nutzen leisten, welcher bei minderer Schwierigkeit der Lokalität entstanden
65*
[516]Kanäle von Shropshire, Shrewsbury und Ketley.
wäre. In den letztern Jahren betrug die Dividende 3 Liv. 15 sh. auf eine Akzie, die mit
133 Liv. eingezahlt wurde, und diess ist abermals nur wieder der äusserst zweckmässigen
gesellschaftlichen Leitung der Unternehmung zuzuschreiben. Nach dem Berichte, wel-
cher der Generalversammlung der Akzionäre am 6. August 1829 vorgelegt wurde, war die
Einnahme in dem verflossenen Jahre, welches hier immer bis zum 30. Juni gezählt wird,
25901 Liv. 1 sh. 4 d., wovon eine Dividendenzahlung mit 13409 Liv. 1 sh. 3 d. Statt hatte,
der Uiberrest aber theils zu neuen Bauten, zur Unterhaltung des ganzen Kanals und einer
zugehörigen Eisenbahnstrecke, und zur Bezahlung der Regie, die im Ganzen nur 400 Liv.
kostete, verwendet, theils aber als Reservefond zurückbehalten wurde.
Der Kanal von Shropshire wurde vorzüglich zum Behufe des Steinkohlen-
transportes angelegt; er ist 7½ Meilen lang und es befinden sich dabei drei schiefe
Flächen. Die zwei ersten sind derjenigen ähnlich, welche sich am Kanale des Herzogs
von Bridgewater befindet und wovon wir bereits gesprochen haben; bei der dritten
schiefen Fläche ist aber ein Gegengefäll vorhanden, oder sie fällt herab und steigt dann
etwas hinauf, damit die Schiffe wieder in den höhern Theil des Kanals gelangen.
Die erste schiefe Fläche ist 320 Yards lang und 120 Fuss hoch, die zweite ist 600 Yards
lang und 126 Fuss hoch, die dritte ist 350 Yards lang und 207 Fuss hoch, die hiermit
in Verbindung stehende wieder aufsteigende schiefe Fläche hat 30 Fuss Höhe. Die Be-
wegung der Schiffe über diese schiefen Flächen wird durch eine Dampfmaschine von
6 Pferdekräften unterstützt. Dieser Kanal, wobei die Baukosten verhältnissmässig gering
waren, indem man alle schwierigen Bauobjekte vermied, verzinset sich nach der Tabelle
Seite 509 gut.
Der Kanal von Shrewsbury dient zum Steinkohlentransporte in die Stadt
gleichen Namens. Auch hierbei ist eine schiefe Fläche von 223 Yards Länge und
75 Fuss Höhe angelegt, auf welcher die beladenen Boote mittelst Eisenbahnwägen,
worauf sie auffahren, herabgehen und zu gleicher Zeit andere leere Boote hinaufziehen.
Der Kanal geht mittelst einer Brückenwasserleitung von Eisen über den Fluss Tern;
dieselbe wurde im Jahre 1796 erbaut und ist die erste Ausführung dieser Art in
England.
Der Kanal von Ketley steht mit dem Kanal von Shropshire in Verbindung,
und hierbei befindet sich wieder die erste schiefe Fläche von 223 Yards Länge und
73 Fuss Höhe, welche in England und zwar im Jahre 1788 erbaut wurde. Die Wägen, auf
welche die Kanalschiffe auffahren, haben hier wie bei den andern schiefen Flächen die-
ser Art ungleich hohe Räder, damit ihre obere Fläche, auf welcher das Boot ruht, bei
dem Herabfahren horizontal liegt. Die Boote haben 20 Fuss Länge, 6 Fuss 4 Zoll
Breite, 3 Fuss 10 Zoll Tiefe und laden 8 Tonnen; ein beladenes Boot, welches hinab-
geht, kann ein anderes mit dem dritten Theile von 8 Tonnen Ladung zu gleicher Zeit
hinaufziehen.
Der Kanal von Trent und Mersey wurde im Jahre 1765 unter der Leitung des
Ingenieurs Brindley angefangen; da von demselben viele andere Kanäle nach Liverpool,
Hull, Bristol und London ausgehen, so pflegt man ihn auch den Grand-Trunkkanal
(Grosstammkanal) zu nennen. Dieser Kanal hat von Preston Broock am Kanale des
Herzogs von Bridgewater, wodurch er mit Liverpool und Manchester zusammenhängt, bis
[517]Grand Trunk Kanal.
zur Einmündung in den Fluss Trent 93 Meilen, worin 75 Schleussen vorkommen; die
Seitenarme, welche hierzu gehören, haben noch 37 Meilen Länge. Bei diesem Kanale
sind 4 unterirdische Stollen erbaut, wovon jener von Harecastle am Scheidungspunkte
des Kanals gelegen ist und der erste in dieser Grösse in England erbaut wurde; er ist
2888 Yards lang, 9 Fuss breit und 12 Fuss hoch, mit Ziegeln gewölbt und bildet einen
halben Kreisbogen, der von der Oberfläche des Wassers anfängt, hat aber keinen Weg
für die Pferde (Treppelweg) zum Schiffszug. Wenn die Boote durch den Kanal gehen,
befinden sich in jedem derselben zwei Führer, welche auf dem Rücken liegen, mit
ihren Füssen gegen das Gemäuer stossen und so die Schiffe fortbringen. Da der Ka-
nal sehr häufig befahren wird, so gehen zuweilen mehrere hundert Schiffe in einer
Linie hinter einander; früh gehen jene gegen London zu durch den Stollen, und
nachmittag wird der Stollen in entgegengesetzter Richtung von den Schiffen befahren,
die von London nach Liverpool gehen. Die ausserordentliche Zunahme des Verkehres
auf dem Kanale und die Aufenthalte, welche die Schiffe in diesem, von Brindley er-
bauten Stollen erfuhren, veranlasste die Akziengesellschaft den Stollen im Jahre 1825
unter der Leitung des Herrn Telford neu bauen zu lassen. Der ganze Stollen wurde
von einem Ende zum andern mit einem elyptischen, aus Ziegeln hergestellten Bogen von
18 Zoll Stärke gewölbt; dieser Bogen stützte sich aber auf einen zweiten flachen gestürzten
Bogen (Reversed arch) von gleicher Stärke, welcher letztere den Boden des Kanales bil-
det. In diesem Gewölbe wurde erst das Mauerwerk hergestellt, welches den Treppelweg
für das Pferd bildet; dieser Weg wurde mit einem eisernen Geländer versehen, über wel-
ches das Zugseil reicht. Das Mauerwerk, dessen Oberfläche den Treppelweg bildet, ist
nicht massiv, sondern besteht aus Pfeilern und Bögen. Die Breite des ganzen Gewölbes
im Lichten ist 14 Fuss, der Treppelweg 4 Fuss, demnach der Wasserspiegel 10 Fuss;
die Höhe des Gewölbes beträgt 15 Fuss. Der ganze Stollen ist 1¾ Meilen lang und
wurde 65 Yards unter dem höchsten Punkte des Berges, welchen er durchschneidet,
angelegt; zum Behufe des Baues wurden 15 Schachte von 8 Fuss Durchmesser und
mehrere kleinere Luftschachte abgesenkt. Die bei diesem Baue wichtige Gerüstung be-
stund aus hölzernen genau angefertigten Gerüstbalken, welche durch Schraubenbolzen
angezogen, mit Bretern eingedeckt und hierauf das Ziegelgewölbe aufgesetzt wurde. Der
Schluss dieses Gewölbes erfolgt von oben, sodann füllten die Arbeiter den über dem Ge-
wölbe befindlichen leeren Raum mit Bruchsteinen aus und schritten so mit der Arbeit immer
weiter, bis endlich bei dem Schlusse zweier Strecken eine Oeffnung von 18 Zoll Durchmesser
übrig blieb, die von unten geschlossen wurde. Die Darstellung einer ähnlichen Gerüstung,
die bei dem Stollen des Themse und Medway Kanals gebraucht wurde, enthält Fig. 6
bis 9, Tab. 67, wovon Seite 522 gesprochen wird.
In den übrigen Strecken ist der Kanal 35 bis 40, an andern Orten aber wieder
25 bis 30 Fuss an der Oberfläche des Wassers breit und hat 5½ bis 4½ Fuss Wasser-
tiefe. Die Schleussen sind sämmtlich 80 Fuss lang, einige 12 Fuss, andere aber nur 7 FussFig.
1
und
2.
Tab.
67.
breit; die Schiffe, welche den Kanal befahren, sind 70 bis 80 Fuss lang, 7 Fuss breit,
und laden 25 bis 30 Tonnen; die Schleussen nehmen demnach entweder ein oder zwei
Schiffe zu gleicher Zeit auf. Fig. 1 und 2, Tab. 67 enthalten die Längenansicht und
den Querdurchschnitt eines Schiffes, welches auf dem Grand Trunk Kanale gebraucht
[518]Mersey und Irwell Kanalschiffe.
wird. Dieselben Schiffe sind auch auf den Birmingham und Worcester Kanälen im Ge-
brauche; sie laden bis zu 30 Tonnen; das Zugseil wird etwas über der Mitte des Schiffes
angebracht und das Schiff gewöhnlich von zwei Menschen begleitet. Da auf diesem Ka-
nal eine sehr bedeutende Fracht Statt findet, so sind die Erträgnisse auch so bedeu-
tend, dass noch im Jahre 1829 auf jede Viertelakzie, welche mit 100 Liv. eingezahlt wurde,
eine jährliche Dividende von 37 Liv. 10 sh. ausfiel, wornach auch der Preis einer solchen
Viertelakzie 790 Liv. war.
3
bis
5.
Tab.
67.
Fig. 3, 4 und 5 derselben Tabelle stellen die Schiffe dar, welche bei der Mersey und
Irwell Kanalschiffahrt gebraucht werden. Dieselben sind 60 Fuss lang und höchstens
12 Fuss breit; sie passen daher in die Schleussen, welche 65 Fuss lang und 13 Fuss breit
sind. Diese Schiffe gehen 5 Fuss tief im Wasser, laden 60 Tonnen und werden durch ge-
spannte Segel bewegt; die Bauart derselben gestattet es, dass sie auch auf andern Flüssen
und selbst an den Meeresküsten ihre Fahrt fortsetzen können. Es gewährt übrigens ein
interessantes Schauspiel, ein Kanalschiff mit so grossen Segeln auf den verhältnissmässig
sehr schmalen Kanälen durch die geschickte Regierung der Segel in jeder Richtung genau
nach den Krümmungen des Kanales seinen Weg schnell fortsetzen zu sehen.
Merkwürdig ist der Kanal von Erewash, welcher parallel mit dem Flusse
Erewash fortläuft, und zum Transporte der Steinkohlen dient. Die geringen Baukosten
dieses Kanales, welche durch 231 Akzien zu 100 Liv. gedeckt wurden, sind im Verglei-
che zu der bedeutenden Einnahme so gering, dass die jährliche Dividende auf jede Akzie
70 Liv. beträgt und der Preis einer Akzie von 100 auf 1500 gestiegen ist.
§. 359.
Der Kanal von Leeds und Liverpool gehört unter die ausgedehntesten Un-
ternehmungen in England, welche nicht bloss für den Transport von Steinkohlen, son-
dern auch für jenen von Kaufmannsgütern berechnet sind. Dieser Kanal eröffnet mit
Hilfe des Flusses Aire, welcher unterhalb Leeds schiffbar ist, eine Wasserkommuni-
kazion zwischen Hull und Liverpool oder zwischen der Nordsee und dem Irländischen
Meere. Im Dezember 1768 wurde der Plan zur Ausführung des Kanales vorgelegt
und die Baukosten auf 259777 Liv. st. angeschlagen. Man berechnete damals 5 Pro-
zent jährliche Zinsen mit 13000 Liv., die Unterhaltungs- und Regiekosten auf 4000 Liv.,
demnach die ganzen jährlichen Kosten auf 17000 Liv. Dagegen wurde die Zollein-
nahme von Kalk und Steinen mit ½ d. für die Tonne und die Meile auf 8500 Liv.,
von Steinkohlen mit 1 d. per Tonne und Meile auf 3500 Liv. und von Metallen und
Kaufmannsgütern mit 1½ d. per Tonne und Meile auf 8000 Liv., demnach zusammen
die jährliche Einnahme auf 20000 Liv. angeschlagen. Die Gesellschaft bildete sich
später, unterzeichnete 2600 Akzien zu 100 Liv. und der Bau wurde im Jahre 1777 be-
gonnen. Die Länge der Hauptlinie des Kanals beträgt 128 engl. Meilen, wovon auf
die Strecke in Yorkshire 80 Meilen und auf jene auf in Lancashire 48 Meilen fallen. Der
Kanal steigt von dem Flusse Aire in Leeds mittelst 44 Schleussen auf 409,5 Fuss Höhe
und senkt sich vom Scheidungspunkte mittelst 47 Schleussen 431 Fuss tief bis zu ei-
nem in Liverpool angelegten Wasserbehälter; dieser letztere liegt noch 52 Fuss über
die Oberfläche des Flusses Mersey bei niedrigem Wasserstande. Die Breite des Ka-
[519]Leeds und Liverpool Kanal.
nals beträgt an der Wasseroberfläche 42 Fuss, die Wassertiefe 5 Fuss; die Schleussen
sind 70 Fuss lang und 15,5 Fuss breit; die Schiffe laden 50 bis 60 Tonnen.
Mit dem Kanale steht noch die Douglas Navigation in Verbindung, welche
durch die Regulirung des Flusses und Anlage einer kleinen Kanalstrecke bewirkt wurde;
ingleichem wurde noch ein Nebenarm des Kanales, Leigh Line angelegt und diess Ganze
bildet nun eine Unternehmung, welche auf 2897¾ Akzien beruht, die mit 100 Liv. ein-
gezahlt wurden und nach der Tabelle Seite 509 im Jahre 1829 den Kours von 470 Liv.
hatten, indem die jährliche Dividende jeder Akzie mit 18 Liv. ausfiel. Nebstdem hat
aber die Gesellschaft noch einige Darlehen gemacht. Der nachstehende an die Akzio-
närs vertheilte und in Druck erschienene Ausweis über die Erträgnisse und Auslagen
dieser grossen Unternehmung für die Zeit vom 1ten Jänner 1827 bis 1ten Jänner 1828 mag
abermals als Belege dienen, welcher ungeheuere Verkehr auf den englischen Kanälen
Statt findet.
Einkommen im Jahre 1827.
Auslagen im Jahre 1827.
Aus diesem Ausweise ersieht man, dass die Kaufmannsgüter, welche auf dem Kanale
geführt wurden, in jeder der drei ersten Strecken mehr als zwei Millionen Zentner jährlich,
die Steinkohlen aber, welche nach Liverpool gingen, über 5 Millionen Zentner, endlich der
ganze Verkehr in der Lancashirestrecke 486250½ Tonnen oder beinahe zehn Millionen
Zentner in einem Jahre betrug. Die Einnahme für Zollgebühren, welche man bei
dem Projekte des Kanals im Jahre 1768 auf 20000 Liv. veranschlagte, betrug im Jahre 1827
106989 Liv. 6 sh. 1½ d. oder mehr als fünfmal so viel! — Glückliches Land, wo ein so leb-
hafter Verkehr, eine Regsamkeit ohne Gleichen, eine Thätigkeit, die Bewunderung erregen
muss, Statt findet. Wie sehr weichen doch die Transporte, welche selbst auf den leb-
haftesten Punkten in Deutschland vorhanden sind, hiervon ab.
Die Fracht auf dem 128 engl. Meilen (27,1 N. Oe. Meilen) langen Kanale mit seinen
91 Schleussen dauert von Leeds nach Liverpool 3½ bis 4 Tage und eben so viel zurück,
es werden daher im Durchschnitte täglich 34,1 engl. Meilen (7,2 N. Oe. Meilen) mit dem
Pferdezuge zurückgelegt. Die Frachtpreise, welche den Fuhrleuten für diese ganze Stre-
cke gezahlt werden, sind folgende:
Für 1 Tonne Kaufmannsgüter (Tücher u. dgl.) 2 Liv. st., es sey nun von Leeds nach
Liverpool oder zurück, für eine Tonne Eisen werden aber nur 32 sh. gezahlt. Die Berech-
nung stellt sich nun auf folgende Art:
[521]Themse und Medway-Kanal.
- Die Tonnengebühr (tonnage), welche der Frächter an die Akziengesellschaft für Kauf-
mannsgüter zu entrichten hat, beträgt für die Tonne und die Meile 1½ d., demnach
für 128 Meilen _ _ 16 sh. - Demnach bleibt ein Lohn für den Pferdezug (haulage) und das gebrauchte
Kanalschiff von 2¼ d. per Tonne und Meile _ _ 24 „ - Zusammen _ _ 40 sh.
- Bei Eisen wird an die Akziengesellschaft ebenfalls 1½ d. für die Tonne und die Meile
als Gebühr entrichtet, oder für 128 Meilen _ _ 16 sh. - Also bleibt für den Pferdezug und die Schiffsmiethe 1½ d. per Tonne und Meile _ _ 16 „
- Zusammen _ _ 32 sh.
Wird der letztere Betrag von 1½ d. für die Tonne und engl. Meile auf N. Oe. Maass
und Gewicht reduzirt, so ergeben sich die Kosten des Pferdezuges und des Schiffes für
1 N. Oe. Zentner die N. Oe. Meile weit mit 0,975 Kreuzer Conv. Münze. Wir haben im
l. Bande Seite 617 angeführt, dass die Fuhrleute auf der Darlington Eisenbahn für die
Tonne und die engl. Meile ½ d. als Frachtlohn erhalten, und dass die Beischaffung des
Wagens auf derselben Bahn ebenfalls für die Tonne und die Meile um ⅛ d. (Seite 616)
verpachtet wurde, wornach also der Pferdezug und Wagen für die Tonne und die Meile
⅝ d. beträgt. Da die Neigung der Darlington Eisenbahn mit jener bei dem Kanale zwi-
schen Leeds und Liverpool beinahe übereinstimmt, so ergibt sich, dass die Frachtko-
sten auf dem Kanale mehr als das Doppelte von jenen auf der Eisen-
bahn betragen. Dieses auffallende Resultat findet sich auch bei andern Kanälen in
England bestättiget, wobei ebenfalls die Frachtkosten weit mehr als auf Eisenbahnen unter
gleichen Verhältnissen betragen.
§. 360.
Der Kanal der Themse und des Flusses Medway (Thames and Medway
canal) verbindet diese zwei Flüsse mitsammen und läuft in seiner ganzen Länge von 8½
engl. Meilen mit gleichem Niveau fort. Bei Frindsbury, wo der Kanal an der Themse
anfängt, ist eine Ebbe- und Fluth-Schleusse (Tide Lock), deren Thore zur Zeit der ho-
hen Fluth geöffnet werden, um den Kanal mit Wasser zu speisen. Die Bauart dieser
Schleusse, welche gusseiserne Thore wie die Schleussen am Caledonischen Canal hat,Fig.
3
bis
5.
Tab.
66.
ist besonders interessant und erscheint auf der 66. Tafel, Fig. 3 bis 5 dargestellt. Die Eck-
und mittlern Säulen, so wie die Querriegel an diesen Thoren sind hohl gegossen, 18zöl-
lig, jedoch nur 1½ Zoll dick im Eisen; dadurch haben die Thore eine bedeutende Festig-
keit und verhältnissmässig kein gar zu grosses Gewicht; da sie jedoch noch immer nicht
wie andere Schleussenthore von einem oder zwei Menschen geöffnet oder geschlossen wer-
den könnten, so sind an diesen Thoren Zugketten befestigt, welche, wie der Durchschnitt
zeigt, sich an der ebenfalls eisernen Welle eines Kabestan oder Gangspille aufwinden.
Die Umdrehung dieses Kabestans erfolgt mittelst eiserner Hebel, welche in dessen Kopf
eingesetzt und von einigen Menschen bewegt werden. Uibrigens gewähren solche guss-
eiserne Thore zwar sehr viel Festigkeit und kommen in England nicht theuerer als höl-
zerne Thore zu stehen, wo sie aber häufig mit dem gesalzenen Seewasser in Berührung
kommen, werden sie nach einigen Jahren von diesem Wasser zerfressen, poros und
Gerstner’s Mechanik. Band. II. 66
[522]Oxford und Grand-Junction Kanal.
müssen daher wieder ersetzt werden. Dieselbe wichtige Bemerkung hat man auch an an-
dern Orten in England gemacht. Der Civil-Ingenieur Stevenson in Edinburgh, Erbauer
des Leuchtthurmes auf Bellrock, versicherte den Herausgeber dieses, dass Gusseisen, wel-
ches bei mehreren am Gestade des Meeres vorgenommenen Bauten verwendet wurde, nach
einigen Jahren so poros war, dass hiervon Stücke wie von Holz mit einem guten Feder-
messer abgeschnitten werden konnten, demnach man auch genöthigt war, Schmiedeisen,
Holz oder Steine an die Stelle des früher gebrauchten Gusseisens anzuwenden.
Die Schleussenthore der genannten Ebbe und Fluthschleusse bewegen sich, wie der
Fig.
3
bis
5.
Tab.
66.Grundriss zeigt, auf Eisenbahnen und sind nicht gerade, sondern gegen die Seite des
darauf drückenden Wassers, also hier gegen den Fluss Medway bogenförmig gekrümmt.
Der Boden der Schleussenkammer besteht aus einem gestürzten oder umgekehrten Ge-
wölbbogen (reversed or inverted arch), welches überhaupt die Bauart ist, wornach man
in England alle Mauern, die einen grossen Druck des Wassers auszuhalten haben, ausführt.
Fig.
6.Die Fig. 6 stellt den Querdurchschnitt einer solchen aus Quadersteinen aufgeführten Mauer
an einem Bassin von 33 Fuss Tiefe vor, und zeigt, wie der gestürzte Bogen angelegt
wird. Die Quadersteine, welche denselben bilden, haben abwechselnd 4 bis 6 Fuss Tiefe
und mindestens 2 Fuss Höhe; die Decksteine an der Kappe des Mauerwerks sind 8 Fuss
tief und 2½ Fuss hoch; die Erde hinter dem Quadersteinmauerwerk wird schichtenförmig
angeführt und gut gestampft.
Bei dem Themse und Medway Kanale wurde ein Stollen angelegt, dessen Gerüstung
Fig.
6
bis
9.
Tab.
67.auf eine vorzügliche Art konstruirt und Fig. 6 bis 9, Tab. 67 dargestellt ist. Hiervon ist
Fig. 6 die vordere Ansicht, Fig. 7 der mittlere Theil, Fig. 8 ein Seitentheil und Fig. 9 ein
Stück des letztern; Fig. 7 bis 9 ist im doppelten Maasstabe. Bei diesem Gerüste kommen
keine Zapfen vor und die Streben werden in Kapseln oder Gehäuse von Gusseisen
eingesetzt, welche man an dieselben und an die nächsten Balken mit Schrauben befestigt.
Bei dieser Konstrukzion wird das Setzen des Gerüstes ganz beseitigt und man kann auch
schwächeres Holz verwenden, als es bei der gewöhnlichen durch Vezapfung verbundenen
Gerüstung erfordert wird.
Der Kanal von Oxford hat eine Länge von 91½ Meilen; sein Bau wurde im
Jahre 1769 begonnen, später durch mehrere Jahre wegen Mangel an Geld unterbro-
chen, im Jahre 1786 aber wieder fortgesetzt und endlich die Schiffahrt im Jahre 1790
eröffnet. Auf diesem Kanale steigt man von Oxford aus 195⅓ Fuss mittelst 30 Schleus-
sen und fällt 74¼ Fuss mittelst 12 Schleussen bis zum Kanal von Coventry. Zwei un-
terirdische Strecken, wovon eine bei Fenny-Compton von 1188 Yards Länge, und eine
bedeutende Anzahl Brücken, so wie mehrere Brückenwasserleitungen von bedeutender
Grösse kommen bei diesem Kanale vor. Die Brückenwasserleitung von Peddlars Bridge
hat 12 Bogen von 22 Fuss Spannung; endlich sind hierbei mehrere Dampfmaschinen auf-
gestellt, welche das Wasser, woran dieser Kanal zuweilen Mangel leidet, auf die hö-
hern Punkte zurückführen. Der Bau dieses Kanales wurde durch 330000 Liv. st., welche
durch Akzien eingezahlt wurden und dann durch einige Darlehen gedeckt. Die Ak-
zien zu 100 Liv., welche bald nach Beginnen des Baues im Preise so bedeutend herab-
fielen, dass man keine weitern Fonds aufzubringen wusste und den Bau zu unterbrechen
genöthigt war, stehen gegenwärtig auf 670 Liv. st.
[523]Kennet und Avon Kanal.
Zu den kostspieligsten Kanalunternehmungen in England gehört auch der Grand
Junction-Kanal. Derselbe fängt bei Brendford an der Themse an und verbindet
sich bei Braunston mit dem Kanal von Oxford; in seiner Länge von 93 Meilen kom-
men 101 Schleussen vor; seine mittlere Breite ist 36 Fuss an der Wasseroberfläche, 24
Fuss am Grundbette und die Tiefe 4,5 Fuss. Die Schleussen haben 86 Fuss Länge, 15
Fuss Breite und gewöhnlich 7 Fuss Fall. Da der Kanal zwei Gebirgsketten übersetzt,
so hat derselbe auch zwei Scheidungspunkte. Hierbei sind auch drei unterirdische Stre-
cken angelegt, wovon jene bei Blisworth später angelegt wurde, da man früher das Ge-
birge daselbst mit schiefen Flächen übersetzte. Ein grosser Damm von 1¼ Meilen Länge
und 30 Fuss Höhe wurde zwischen Wolverton und Cosgrave angelegt. Mehrere sehr
grosse Reservoirs führen das Wasser den höhern Punkten des Kanales zu. Der Ka-
nal hat nebst der Hauptlinie noch 7 Seitenarme, wovon jener, welcher unter dem Namen
des Kanales von Paddington bekannt ist, die grösste Länge misst. Auf den Schiffen,
welche den Grand Junction-Kanal befahren, werden Waaren und Gegenstände aller Art,
dann auch Reisende in sehr gut eingerichteten Paquetbooten, welche Tag und Nacht ge-
hen, befördert. Eine so grosse und ausgedehnte Unternehmung erforderte auch bedeu-
tende Geldkräfte. Ausser dem ersten Unternehmungskapital, welches durch 11600 Ak-
zien, jede zu 100 Liv. eingezahlt wurde, hat die Gesellschaft noch bedeutende Darlehen
gemacht, so dass die ganze Auslage wenigstens 2 Millionen Liv. st. betragen kann. Da-
gegen war die Brutto Einnahme im Jahre 1818 schon über 170000 Liv. st. gestiegen; diese
nahm seit der Zeit fortwährend zu, und im Jahre 1829 war der Preis einer Akzie 295 Liv.,
auf welche in den letzten Jahren immer eine Dividende von 13 Liv. ausfiel. Von diesem
Kanale und den reitzenden Umgebungen, welche er durchströmt, ist eine pittoreske Be-
schreibung von J. Hassel unter dem Titel: Tour on the Grand Junction, illustrated
with a series of Engravings, London 1819 erschienen.
Von dem Monmouthshire-Kanale und den hiermit in Verbindung stehenden Eisen-
bahnen haben wir bereits §. 575 des I. Bandes eine Beschreibung, welcher der Verkehr
und die Erträgnisse dieser Unternehmung für die letzten drei Jahre beigefügt war, gelie-
fert und müssen uns daher zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf beziehen. Die-
ser Kanal stellt in der That eine sehr weit verzweigte, zweckmässig angelegte Schiffahrts-
linie, die durch Eisenbahnen ergänzt wird, dar, und gehört unter die gelungensten Unter-
nehmungen dieser Art in England.
§. 361.
Um eine Verbindung zwischen Bristol und London herzustellen und den gefährlichen
und langen Seeweg bei Kriegen oder stürmischem Wetter zu vermeiden, wurde der Ken-
net und Avonkanal angehegt. Die Unternehmung beruht auf 25328 Akzien, auf de-
ren jede 39 Liv. 18 sh. 10 d. eingezahlt wurde, und besteht dermalen nicht bloss aus dem
Kanale und dem schiffbar gemachten Flusse Kennet, sondern auch in der, von der Ge-
sellschaft erworbenen Schiffbarmachung des Flusses Avon. Die Fahrt von Bristol nach
London findet daher auf folgende Art Statt:
66*
[524]Kennet und Avon-Kanal.
In dieser Strecke war die Schiffbarmachung des Flusses Avon früher eine abgeson-
derte Unternehmung, die durch 32 Akzien begründet wurde. Der Preis einer solchen
Akzie stieg schnell bis zu 1800 Liv. und in den letztern Jahren selbst bis auf 5000 Liv.
Die Kennet und Avon Kanalgesellschaft kaufte zuerst 28 Akzien und dann die letzten 4
Akzien an sich, für welche laut dem Berichte an die Generalversammlung der Akzionärs
vom 21. Juli 1829 der Betrag von 18000 Liv. gezahlt wurde. Hiermit überging die Schiff-
barmachung des Flusses Avon sammt allen zugehörigen Bauten und dem Rechte von je-
dem Schiffe eine bestimmte Tonnengebühr zu fordern, an die Kennet und Avon Kanal-
gesellschaft. Bei dem Kanale selbst ist in technischer Hinsicht die Strecke bei Devizes,
in welcher 29 zunächst aneinander liegende Schleussen (Fox Hanger Locks) über einen
Berg führen, vorzüglich merkwürdig.
Die ganze obengenannte Strecke von 170 engl. Meilen (36 N. Oe. Meilen) mit 123
Schleussen wird von den Schiffen, welche hier bis zu 60 Tonnen Ladung nehmen, in 4
bis 5 Tagen zurückgelegt, jedoch wird nur bei Tage gefahren. Ein jedes Schiff hat
2 Schiffleute und einen Knaben zur Bedienung und wird von 2, 3 oder auch 4 Pferden, je
nach dem Wasserstande, der hier sehr verschieden ist, fortgezogen. Gewöhnlich gehen
dieselben Pferde mit einem Kanalschiffe bis London und kehren mit demselben wieder
zurück. Nehmen wir im Durchschnitte eine Fahrt von 4½ Tagen, Ladung von 60 Ton-
nen und 3 Zugpferde an, so ergibt sich, dass ein Pferd in einem Tage 20 Tonnen Ladung
37,8 engl. Meilen weit, oder 363 N. Oe. Zentner Ladung 8 N. Oe. Meilen weit fortzieht.
Schlägt man das Gewicht des Kanalschiffes zu 300 N. Oe. Zentner an, so entfallen 463
N. Oe. Zentner an Ladung und Schiff auf ein Pferd, womit der Weg von 8 N. Oe. Meilen
in einem Tage zurückgelegt wird.
Gegenwärtig bezahlt man den Frächtern für den Transport einer Tonne Eisen von
Bristol bis London nur 21 sh. Von dieser Summe beträgt die Tonnengebühr, welche an
die Akziengesellschaft entrichtet wird:
- 1. Am Flusse Avon von Bristol bis Bath für die Tonne Eisen _ _ 1 sh. — 6 d.
- 2. Am Kennet und Avon-Kanal und am Flusse Kennet _ _ 5 „ — 0 „
- 3. Auf der Themse _ _ 2 „ — 2 „
- 4. Die Stadt London erhebt an Schiffahrtsgebühr für die Tonne Eisen _ _ 1 „ — 3 „
- Zusammen _ _ 9 sh. — 11 d.
Sonach bleiben für das Auf- und Abladen, das Schiff und den Pferdezug 11 sh. — 11 d.
Da diess auf eine Längenstrecke von 170 engl. Meilen entfällt, so gibt es bloss ⅘ d.
für die Tonne und die Meile. Dieser Frachtlohn ist weit geringer als jener auf dem
[525]Kennet und Avon Kanal.
Leeds- und Liverpool-Kanal und wird nur durch die Opposizion bewirkt, welche durch
die Fahrt zur See entsteht. Man zahlt nämlich als Frachtlohn von dem Hafen Cardiff,
welcher auf der westlichen Seite der Bristoler Meerenge liegt, zur See bis London für
- die Tonne Eisen bloss _ _ 10 sh. — —
- Die Assekuranz von einem Werthe von 5 Liv., womit die Tonne Eisen
beiläufig angeschlagen wird, beträgt _ _ — — 3 d. - Die Seeschiffe können nur die Themse bis zur London bridge hinauffah-
ren und müssen dort ihre Waaren auf kleinere Schiffe (lighters)
umladen, welches für die Tonne eine Auslage macht von _ _ 1 sh. — 6 d. - Zusammen _ _ 11 sh. — 9 d.
oder 12 sh. Da nun die Fracht auf dem Kanale über Bath nach dem obigen mit 21 sh.
gezahlt wird, so bleibt bei den gegenwärtigen niedrigen Frachtpreisen noch immer ein
Unterschied von 9 sh. bei der Tonne zu Gunsten der Seefracht, welcher bei den herabge-
drückten Eisenpreisen wirklich so viel ausmacht, dass man nur zur Zeit der Seestürme
und während des Winters sich der Kanalfracht bedient, bei der bessern Jahreszeit aber
alles Eisen zur See nach London schickt. Nebst dieser bedeutenden Konkurrenz erleidet
die Unternehmung des Kennet und Avon-Kanales noch den Nachtheil, dass nach dem
Freibriefe der Steinkohlenhändler von Newcastle (Charter of the Newcastle Coal tra-
ders) auf keinem Kanale Steinkohlen nach London zugeführt werden dürfen. Hieraus
erklärt sich, warum die Akzien dieser Unternehmung, welche überdiess nicht so zweck-
mässig verwaltet wird, als es bei andern Kanälen der Fall ist, in ihrem Preise bedeutend
herabgefallen sind, wie es der Ausweis Seite 508 zeigt. Nach dem gedruckten Berichte,
welchen die gesellschaftliche Direkzion über die Verwaltung für das Jahr, welches sich
mit dem 29ten Mai 1829 endigte, der Generalversammlung der Akzionärs vorlegte, betrug
die Zolleinnahme in diesem Jahre auf dem Kennet und Avon-Kanal und dem Flusse
Kennet 43817 Liv. 19 sh. 0 d., wozu noch die Einnahme von dem Flusse Avon und einige
kleinere Einnahmen kamen, welche die gesammte Einnahme auf 51821 Liv. 19 sh. 1 d. er-
höhten. Dagegen waren die Auslagen in demselben Jahre:
Bei dieser Unternehmung ist noch zu bemerken, dass die Gesellschaft zur Vermeh-
rung ihres Frachtquantums unter dem 13ten Februar 1828 mit dem Betrage von 10000 Liv. st.
zur Anlage der Avon und Gloucester Eisenbahn subskribirte. Die angeführte Darstel-
lung der ganzen Unternehmung enthält ein gutes Beispiel, wie ein Kanal mit der Schiff-
fahrt zweier Flüsse verbunden und nicht bloss die Anlage des Kanals, sondern auch die
[526]Gloucester und Berkeley Kanal.
Schiffbarmachung (Kanalisirung) der zwei Flüsse von einer Privatgesellschaft übernom-
men und ausgeführt wurde.
§. 362.
Um die unsichere Schiffahrt der Severn und die vielen Sandbänke in derselben zu
vermeiden, wurde der Gloucester und Berkeley Kanal angelegt. Die Kauffahrteischiffe,
welche in Bristol anlangten, mussten nämlich daselbst auf kleinere Schiffe von 100 bis
150 Tonnen überladen werden, um die Waaren nach Gloucester zu bringen. Die Kosten
und Aufenthalte, welche hierdurch entstanden, veranlassten bereits im Jahre 1793 eine
Gesellschaft, sich zur Ausführung eines Kanales zu vereinigen, worauf Schiffe von 300
Tonnen Gehalt bis Gloucester gelangen können. Die Beschreibung dieses Kanales ist
in den Werken von Huerne de Pommeuse, Dupin und andern Schriftstellern ganz un-
richtig angeführt, und verdient daher eine mehr detaillirte Darstellung.
Die Parlamentsakten zur Anlage dieses Kanals wurden in den Jahren 1793, 1797, 1805,
1818, 1822 und 1825 erlassen. In der ersten Akte wurde die Akziengesellschaft ermäch-
tigt, einen Kanal von 18½ engl. Meilen Länge von Berkeley Pill bis Gloucester mit sol-
chen Dimensionen anzulegen, dass alle Kauffahrteischiffe und selbst Westindienfahrer auf
diesem Kanal bis Gloucester gelangen können; hierzu war die Gesellschaft ermächtigt
1100 Akzien, jede zu 100 Liv. st. zu emmittiren. Der Bau des Kanals wurde sofort begon-
nen, derselbe 70 bis 90 Fuss breit und 18 Fuss tief angelegt, allein man konnte mit dem
ganzen Kapitale von 110000 Liv. st. nur die ersten 5 Meilen von Gloucester anzufangen,
herstellen. Vom Jahre 1800 bis 1818 blieb die ganze Unternehmung in diesem unvollen-
deten Zustande, es wurde gar nichts gearbeitet und ein grosser Theil der Akzionäre ging
mit Tode ab. Im Jahre 1818, 1819 und 1820 wurde der Bau weiter fortgesetzt, die Akzien
auf die gegenwärtige Zahl von 1960 vermehrt und weitere 6 Meilen Kanal ausgeführt. Die
Fonds der Gesellschaft waren itzt abermals erschöpft, kein weiterer Akzionär fand sich
vor, und die Unternehmung kam wieder in Stocken. Nun wandte sich die gesellschaft-
liche Direkzion an die Regierung, welche im Jahre 1822 und 1823 zur Beschäftigung der
brodlosen Arbeiter an verschiedene gemeinnützliche Unternehmungen eine Summe von
3 Millionen Liv. st. zusammen vorgestreckt hatte. Die obige Gesellschaft erhielt von
dieser ungeheuren Summe den Betrag von 160000 Liv. st., welcher, so wie es bei den an-
deren unterstützten Unternehmungen der Fall war, mit 4 Prozent verzinset, und jährlich
1/20 der ganzen Schuld oder in 20 Jahren das ganze Kapital zurückgezahlt werden musste.
Der Bau wurde nun nach Empfange des Darlehens fortgesetzt und vom Jahre 1823 bis
1827 die letzten 5¼ Meilen gebaut, und der Kanal hiermit beendigt, nachdem man
beschlossen hatte, ihn nicht 18½ Meilen lang zu machen, und zu Berkeley Pill in
die Severn einzumünden, sondern ihn bei Sharpness Point mit diesem Fluss zu vereini-
gen, wodurch er bloss 16¼ engl. Meilen zur Länge erhielt. Dieser ganze Bau wurde mit
folgenden Geldmitteln ausgeführt:
- 1. Emittirung von 1960 Akzien zu 100 Liv. _ _ 196000 Liv. st.
- 2. Von der englischen Regierung empfangenes Darlehen zu 4% _ _ 160000 „
- 3. Von Privaten wurde noch ausgeliehen _ _ 94000 „
- Zusammen _ _ 450000 Liv. st.
oder 4½ Millionen Conv. Gulden. Da hiervon 16¼ engl. Meilen = 3,445 N. Oe. Meilen
[527]Gloucester und Berkeley Kanal.
hergestellt wurden, so entfielen beinahe 1⅛ Millionen Conv. Gulden als Baukosten für eine
N. Oe. Meile Kanal.
Die Dimensionen dieses merkwürdigen Kanales sind folgende: Die obere Breite be-
trägt 90 Fuss, die untere 20 Fuss, die Wassertiefe 18 Fuss, demnach die Böschung der
Seitenwände beinahe 1 : 2. Der Kanal wurde am 26ten April 1827 eröffnet und wird seit
der Zeit mit schiffen bis zu 500 Tonnen Ladung befahren, wie denn auch am 21ten und
22ten August 1829, als der Herausgeber dieses den Kanal bereiste, gerade mehrere von
Amerika und Westindien kommende Schiffe daselbst einliefen. Da die Severn in dieser
Gegend auf 26 Meilen Länge bloss 10 Fuss Gefälle hat, so hat der Kanal in der ganzen
Länge von 16¼ engl. Meilen keine andern Schleussen als bei seinem Anfange und Ende.
Bei dem Anfange des Kanals in Sharpness Point ist eine doppelte Schleusse von 36 Fuss
Breite und 40 Fuss Tiefe, dann 276 Fuss Länge (nämlich die erste Schleusse 163 Fuss
und die zweite 113 Fuss) erbaut; der Fall einer jeden der zwei zusammenhängenden
Schleussen ist beiläufig 5½ Fuss, und diese doppelte Schleusse gewährt den Vortheil,
dass man bei jeder Schleussung immer nur ½ Schleusse an Wasser verliert. Für den
Hydrotechniker ist der Bau eines Wasserfanges in Sharpness Point zur Einführung des
Severnwassers in den Kanal von grossem Interesse. Derselbe besteht aus zwei massiven,
in den Fluss nach Art der Fangsporne erbauten Mauern, wovon eine ¾ engl. Meilen lang
ist. Nachdem dieser Bau ausgeführt war, versandete sich der Eingang in den Kanal und
ein Theil der Mauern musste wieder abgebrochen werden. Mit dieser abgeänderten An-
lage ist man jetzt ganz zufrieden. Es muss aber erinnert werden, dass die Frühjahrs-
fluthen bei anhaltenden Südwestwinden an diesem Punkte die bedeutende Höhe von 36
bis 38 Fuss erreichen.
Um zufälligen Ereignissen vorzubeugen oder bei Reparaturen einen Theil des Kanales
sperren zu können, ohne das Wasser aus dem ganzen Kanal ablassen zu müssen, sind in
der ganzen Länge desselben 10 paar einfache Schleussenthore (Stop gates) ange-
bracht. Bei dem Ausgange des Kanales in Gloucester ist wieder eine doppelte Schleusse
von 24 Fuss Breite angebracht und ein Wasserbassin angelegt, welches 60 Kauffahrtei-
schiffe fassen kann. Ein grosses Magazin, welches vorzüglich zur Aufbewahrung von
Getreide benützt wird, ist an dem Ufer des grossen Wasserbassin erbaut; mehrere Kra-
niche sind an demselben Ufer aufgestellt und der Cheltenham Tramroad, welchen wir
Seite 639 im I. Bande beschrieben haben, läuft rings um dieses Bassin herum, so dass
die Waaren mittelst der Kraniche aus den Schiffen unmittelbar auf die Eisenbahnwägen
geladen werden können.
Nach Angabe des gesellschaftlichen Beamten, Herrn S. Charlcton ist im Jahre 1828
von den Schiffen, welche den Kanal befuhren, eine Tonnengebühr für 223000 Tonnen ent-
richtet worden und man hoffte im Jahre 1829 auf eine viertel Million Tonnen, nachdem z. B.
in den ersten 16 Tagen des Monats August für 11000 Tonnen die Gebühr entrichtet wurde.
Seit Eröffnung des Kanales am 26. April 1827 bis 21. August 1829 haben 12196 Schiffe den-
selben befahren, worunter jedoch auch die leeren Schiffe und die kleinern Fahrzeuge (Craft)
gerechnet wurden. Die meisten Kauffahrteischiffe, welche auf dem Kanale nach Gloucester
gelangen, bringen Bauholz, ausserdem auch noch Getreide, Weine, andere Kaufmannsgüter,
Baumaterialien u. s. w.; diese Schiffe kommen von Russland, Amerika, Spanien, Portugal,
[528]Gloucester und Berkeley Kanal.
Preussen und andern Ländern und es muss in der That ein erhabenes Schauspiel gewesen
seyn, als am 26. April 1827, drei grosse Dreimaster zuerst den Kanal befuhren und wohl-
behalten in Gloucester ankamen, wo bis dahin nur kleine Fahrzeuge gesehen wurden.
Alle Schiffe laden ihre Waaren entweder in Gloucester auf das Land aus, oder sie über-
laden auf kleinere Schiffe von beiläufig 100 Tonnen Gehalt, womit nunmehr die Schiff-
fahrt auf dem Flusse Severn bis Worcester und von dort bis Birmingham auf dem Ka-
nale fortgesetzt wird.
Die Schiffe gehen auf dem Gloucester und Berkeley Kanale mit Hilfe des Windes und
der Segel hinauf; gewöhnlich werden aber zu einem Schiffe mit 150 Tonnen zwei Pferde
und zu den grossen Schiffen mit 400 bis 500 Tonnen sechs Pferde ausserdem zum Zuge er-
fordert. Die Schiffskapitaine zahlen für zwei Pferde und einen Begleiter 1 Liv. für die
ganze Fahrt von 16¼ Meilen Länge, wo die Pferde den andern Tag immer leer zurück
gehen, da die Schiffe keine Rückladung finden. Selbst die grössten beladenen Schiffe
legen auf dem Kanale 2 Meilen in einer Stunde, demnach den ganzen Weg immer in
einem Tage zurück.
Die Verwaltung dieser grossen Unternehmung wird von dem thätigen Herrn Char-
leton als Beamten (Clerk) seit 12 Jahren gegen einen blossen Gehalt von 150 Liv. gelei-
tet; diesem ist ein Schreiber mit 70 Liv. Gehalt beigegeben. Ausserdem ist ein Schleus-
senaufseher (Lock keeper) in Gloucester aufgestellt, welcher die Register für die durch-
gehenden Schiffe zu verfassen und die Tonnengebühr nach dem Tariffe zu berechnen
hat und bloss wochentlich 1 guinee (10 fl. 30 kr. C. M.) erhält; ein zweiter Schleussen-
aufseher ist in Sharpness Point. Es ist wohl nicht möglich ein grosses Geschäft durch
weniger Menschen und mit geringeren Auslagen verwalten zu lassen, vorzüglich wenn diess
mit der hier vorherrschenden Pünktlichkeit und Rechtlichkeit geschieht. Inzwischen
betrug die Einnahme der ganzen Unternehmung im Jahre 1829 wochentlich beiläufig
nur 180 Liv. oder jährlich gegen 10000 Liv., woraus sich der niedrige Stand der Akzien
dieser Unternehmung hinlänglich erklärt. Sollte ja einmal auf dem Kanale eine Tonnen-
gebühr für eine Million Tonnen erhoben werden, dann wird auch diese Unternehmung
wie so viele andere in England trotz der ungeheuern Baukosten rentiren.
§. 363.
Die Kanäle von Birmingham gehören unter die wichtigsten Wasserverbindungen,
die in England angelegt wurden. Nachdem ⅛ Akzie des alten Birmingham-Kanales,
welche mit 17 Liv. 10 sh. eingezahlt wurde, am 7. August 1829 den Cours von 292 hatte,
oder auf das beinahe 17fache des ursprünglichen Werthes gestiegen war und die Gesell-
schaft sich im Jahre 1825 veranlasst fand, sehr bedeutende neue Arbeiten an diesem Ka-
nale vornehmen zu lassen, so wird auch eine genaue Darstellung der Verhältnisse dieser
Unternehmung für unsere Leser nicht unwillkommen seyn.
Die erste Parlamentsakte für den alten Kanal von Birmingham erging im
Jahre 1768 und in den folgenden Jahren wurden im Ganzen noch 11 solche Akten für
diese Unternehmung erlassen. Der Kanal wurde ursprünglich auf 500 Akzien zu 140 Liv. st.
oder auf das Unternehmungskapital von 70000 Liv. st. gegründet; später wurden aber die
Akzien auf halbe, dann auf viertel und zuletzt auf achtel Akzien getheilt, so, dass gegen-
[529]Birmingham Kanal.
wärtig 4000 achtel Akzien zu 17 Liv. 10 sh. das Stammkapital der Gesellschaft vorstel-
len. Mit diesem Betrage wurden 22⅝ engl. Meilen oder die Hauptlinie des Birmingham-
Kanales hergestellt; in dieser Linie steigt der Kanal von Birmingham aus mittelst dreier
Schleussen 20 Fuss hoch und fällt dann auf eine Tiefe von 126 Fuss herab.
Für den Birmingham und Fazeley-Kanal wurde die erste Parlamentsakte
im Jahre 1783 ertheilt. Dieser Kanal sollte von einer andern Gesellschaft ebenfalls auf
Akzien errichtet werden, allein eine zweite Parlamentsakte vereinigte diese Gesellschaft
mit der ersten und es wurde nun beschlossen, keine neuen Akzien mehr zu kreiren, son-
dern bloss mittelst Anlehen den Bau auszuführen. Der Birmingham und Fazeley-Kanal
ist 20½ engl. Meilen lang und hat einen Fall von 228 Fuss.
Die Unternehmungs-Gesellschaft erbaute später noch mehrere Seitenarme von dem
Hauptkanale aus, so dass derselbe (22⅝ Meilen), der zweite obengenannte Kanal (20½ Mei-
len) und die Seitenarme des erstern, zusammen eine Länge von 70 engl. Meilen ausmachen.
Die Gesammtauslage für diese Strecke wurde durch das Stammkapital von 70000 Liv.
und durch ein Darlehen von beiläufig 130000 Liv. gedeckt, das letztere ist aber aus den
Erträgnissen der Unternehmung bereits ganz zurückgezahlt worden. Bei dem alten
Kanale waren in der Linie von Birmingham bis Woolverhampton zuerst drei Schleus-
sen vorhanden, in welchen man hinauffuhr, sodann 5/4 Meilen horizontale Strecke und
hierauf wieder drei Schleussen, mittelst welcher die Schiffe um eben so viel gesenkt
wurden; um nun das Wasser in das Niveau ober den beiderseitigen drei Schleussen
zu heben, mussten mehrere Dampfmaschinen aufgestellt werden und diess verursachte
jährlich gegen 10000 Liv. st. Kosten. Uiberdiess hatte der alte Kanal bedeutende Krüm-
mungen, endlich war die Fracht auf demselben in den letztern Jahren so sehr gestie-
gen, dass die Schiffe im vollen Sinne des Wortes auf dem Kanale nicht mehr Platz
fanden. Aus diesen Gründen beschloss die Gesellschaft, die alte Kanallinie zu ver-
bessern und erhielt auch im Mai 1825 die Parlamentsakte hierzu. In dieser Akte war
jedoch der Akziengesellschaft nicht mehr das Recht eingeräumt, in strittigen Fällen eine
Jury zur Preisbestimmung der Grundstücke zu berufen, wie diess bei der ersten Anlage
einer jeden neuen Unternehmung der Fall ist; man war sonach genöthigt, die Grund-
einlösung nach freiem Uibereinkommen mit den Grundeigenthümern vorzunehmen und
die erworbenen Grundstücke häufig sehr theuer zu bezahlen.
Die Arbeiten für die verbesserte Kanallinie wurden nach Erlangung der Parlaments-
akte vom Jahre 1825 und nach Erwerbung der Grundstücke angefangen, und als der
Herausgeber dieses am 31ten August 1829 die ganze neue Kanallinie mit dem Bauinge-
nieur Herrn Mackenzie besichtigte, waren die Arbeiten schon so weit vorgerückt, dass
die Eröffnung des neuen Kanales auf die Mitte Oktober 1829 festgesetzt war. Dieser
neue Kanal gewährt gegen den alten folgende Vortheile:
1tens. Bei der neuen Linie waren 6 Schleussen erspart, von welchen nach der
vorhergehenden Beschreibung drei an jedem Ende der 5/4 Meilen langen Strecke nächst
Birmingham vorhanden waren. Man hatte nämlich zu diesem Zwecke den ganzen
Rücken (Smethwick Hill) durchgegraben, um von dem Bassin in Birmingham bis
Tipton oder 8 Meilen weit ohne Schleussen zu fahren.
Gerstner’s Mechanik. Band II. 67
[530]Neue Arbeiten am Birmingham Kanale.
2tens. Der Wassermangel, welcher in diesen 5/4 Meilen und in dem Bassin in
Birmingham häufig vorhanden war und fortwährend die Verwendung mehrerer Dampf-
maschinen benöthigte, ist bei der neuen Linie nicht mehr, indem man ein grosses Zu-
leitungsgerinne (Feeder) von 5 Meilen Länge von dem nächsten Gebirge bis vor die
Stadt Birmingham anlegte und das Wasser mittelst desselben in zwei grosse Reservoirs
führte, aus welchen es in den Kanal nach Bedarf gelassen werden kann. Dieses Gerinne
sammt den Reservoirs kostete gegen 100000 Liv., allein man ersparte dadurch die
frühere jährliche Auslage von 10000 Liv. für die Beischaffung des nothwendigen Wassers.
3tens. Die Länge der neuen Linie ist beiläufig um ein Drittheil kürzer als die
alte Kanallinie; inzwischen wird die letztere ebenfalls offen gelassen, weil an dem alten
Kanale bedeutende Manufakturen liegen, welche ihren Kohlenbedarf auf demselben zu-
führen lassen.
4tens. Dieser alte Kanal hatte 40 Fuss obere Breite, 16 Fuss untere Breite und
5 Fuss Wassertiefe, dann war nur auf einer Seite ein Treppelweg für den Pferdezug
vorhanden. Der neue Kanal ist dagegen oben 50 bis 60 Fuss breit, hat beinahe ver-
tikale Seitenwände und 5 Fuss Wassertiefe, ferner zu jeder Seite einen Treppelweg
(towing path).
5tens. Endlich wird ein neues Bassin und Werfte an dem untern Theile des Ka-
nals, wo er in den Warwick- und Birmingham-Kanal einmündet, angelegt; es kön-
nen daher auch dort Kohlen ausgeladen und für den untern Stadttheil verkauft werden.
Die Ausführung dieser grossen Arbeiten war unter die Oberleitung (superinten-
dance) des Herrn Telford gestellt, welcher jährlich 3 bis 4 mal hierher kam und wäh-
rend einigen Tagen dem Baue nachsah. Der bauführende Ingenieur (residing engi-
neer) Herr Mackenzie musste überdiess alle Monate einen Bericht über die Fort-
schritte des Baues an Herrn Telford nach London einsenden; ausserdem waren noch
einige Bauaufseher (Overlookers) von Strecke zu Strecke angestellt.
Unter den Bauobjekten, welche bei dieser merkwürdigen Kanalanlage vorkommen, zeich-
nen sich vorzüglich die grossen Durchgrabungen und die hierüber geführten Brücken aus.
Die erste ausserhalb der Stadt Birmingham geht gerade durch den Heath Hill, welcher von
der alten Kanallinie umfahren wurde. Der Kubikinhalt der ausgehobenen Erde und Steine
in dieser Durchgrabung beträgt 375000 Kub. Yards; die ganze Arbeit war zu 15 d. für
den Kub. Yard an einen Pächter kontrahirt worden und im August 1829 gingen bereits
alle Kanalschiffe durch diese Strecke.
Die zweite grosse Abgrabung hat zum Zweck, die vorerwähnten drei Schleussen zu je-
der Seite des Smethwick Hill zu ersparen, sie ist 4000 Yards lang, auf einer bedeutenden
Strecke 71 Fuss tief und hat 1650000 Kub. Yards oder 184882 N. Oe. Kub. Klafter Inhalt,
da 1 Kub. Yard = 0,11205 N. Oe. Kub. Klafter ist. Diese Arbeit wurde zu verschiedenen Prei-
sen, deren Durchschnitt 14 d. für den Kub. Yard oder 5 fl. 12 kr. C. M. für die
N. Oe. Kub. Klafter beträgt, an einen Unternehmer verpachtet, im Juni 1827 angefan-
gen und man hoffte Mitte Oktober 1829 den Kanal in dieser Strecke anzulassen, nach-
dem 2 Monate vorher schon [...] mit Wasser gefüllt war und von einer grossen An-
zahl Schiffe, welche das Material herausführten, befahren wurde. Die Kosten dieser
ganzen Abgrabung nebst den bedeutenden Brücken, welche zur Herstellung der Kom-
[531]Neue Arbeiten am Birmingham Kanale.
munikazion darüber angelegt werden mussten, betrugen 127000 Liv. st. oder mehr als fünf
Viertel Million Conv. Gulden für eine Strecke von einer halben deutschen Meile! — Die
Art, wie die angeführte ungeheuere Masse Erde und Steine aus der Abgrabung heraus-
geschafft wurde, war hier besonders merkwürdig. Man hatte nämlich in allen Strecken,
wo gearbeitet wurde, zwei oder mehr Tramroads für die hin- und hergehenden Ei-
senbahnwägen, worauf die Erde weggeführt wurde, angelegt; in den ebenen Strecken
innerhalb der Abgrabung wurden die beladenen Wägen durch Menschen oder Pferde
fortgebracht, über die Böschungen aber dieselben mittelst vier Dampfmaschinen auf-
gezogen, welche von Strecke zu Strecke aufgestellt waren und die Kraft von 14, 30,
28 und 11, oder zusammen von 83 Pferden hatten. Während der Ausgrabung wurden
die Eisenbahnen mit Zunahme der Tiefe auch immer tiefer gelegt; wie aber eine Strecke
beendigt war, wurden die Eisenbahnen ganz abgebrochen, an einem andern Orte auf-
gestellt und eben dahin auch wieder die Dampfmaschinen versetzt; an andern Orten
wurden die beladenen Wägen über die Böschungen auf den Eisenbahnen mittelst Pfer-
den aufgezogen. Mehrere transportable Kraniche dienten dazu, die Quadersteine bei dem
Mauerwerke einzuheben, endlich waren an vielen Orten Pumpen, die auch durch die
Dampfmaschinen bewegt wurden und Tag und Nacht gingen, aufgestellt, um das sich
ansammelnde Wasser fortwährend herauszuschaffen. Alle diese Maschinen und Vor-
richtungen musste jedoch der Pächter ohne weitere Entschädigung beischaffen, da
ihm nur die hergestellte Abgrabung mit den oben erwähnten 14 d. für den Kub. Yard
bezahlt wurde.
Ueber die neue Hauptlinie des Kanales mussten 15 und über die Seitenarme und
die Wasserbassins 11 Brücken, zusammen daher 26 Brücken hergestellt werden, wovon
die meisten von Gusseisen ausgeführt wurden. Die schönste Brücke hierunter ist an
dem Orte angelegt, wo die Abgrabung 71 Fuss tief ist; die Brücke hat hier wie alle
andern nur einen Bogen von Gusseisen, jedoch mit 50 Yards oder 150 Fuss Spannung,
während die Breite des Fahrweges 26 Fuss im Lichten beträgt. Das Gewicht des Guss-
eisens dieser Brücke beträgt 310 Tonnen und die Baukosten derselben beliefen sich
sammt den gemauerten Widerlagspfeilern auf 8000 Liv. st. Die gusseisernen Brücken füh-
ren die Aufschrift: Horseley Jron Works, Staffordshire, 1827, und es wurde der Bau
derselben kontraktmässig einem Unternehmer übertragen, welcher für die Tonne Guss-
eisen, im Baue verwendet, bei der ganz vollendeten und angestrichenen Brücke 14 Liv.
(7 fl. 43 kr. C. M. für den N. Oe. Zentner) erhielt, jedoch hierfür alle Auslagen jeder
Art, welche die Beischaffung und Verwendung des Materials verursachte, zu tragen hatte.
Das Zuleitungsgerinne (Feeder), dessen wir schon erwähnten, wurde ganz neu an-
gelegt, um mittelst desselben das Wasser aus den nächsten Gebirgen in zwei Reser-
voirs bei Birmingham zu leiten. Dieses Gerinne geht beiläufig auf ⅓ seiner Länge in
Stollen fort, welche mittelst herabgesenkter Schächte angelegt wurden; diese Stollen
sind im Lichten 6 Fuss breit, 6 Fuss hoch und ganz von Ziegeln gewölbt. In den
offenen Strecken geht das Feeder an zwei Orten mittelst Brückenwasserleitungen fort,
wovon eine von Gusseisen, die andere aber von Ziegeln und mit Eisenplatten ausge-
legt ist. Das grosse Reservoir, 1½ Meile ausser Birmingham oberhalb einer Krüm-
mung der alten Kanallinie gelegen, misst 85 Acres (zu 1125 N. Oe. Quad. Klafter) wo-
67*
[532]Frachtquantum auf dem Birmingham Kanale.
von aber gewöhnlich nur 70 Acres (49,2 N. Oe. Joch) mit Wasser gefüllt sind; dieses
Reservoir wurde im Jahre 1827 beendigt. Es hat im tiefsten Punkte 55 Fuss Wasser-
tiefe, kann aber nur bis auf 45 Fuss Tiefe abgelassen werden, da es dann mit der
Oberfläche des Kanals gleich steht. Dieses Reservoir enthält nach Angabe des Herrn
Mackenzie das Wasser für 17000 Schleus en, eine jede zu 4000 Kub. Fuss. Ein zwei-
tes kleineres Reservoir wurde unterhalb dem ersten angelegt, jedoch noch nicht mit
Wasser angelassen. Die Baukosten dieser zwei Reservoirs sammt dem Feeder betrugen
mit Einschluss der Grundeinlösung gegen 100000 Liv. st.
Für alle diese Bauten, welche, wie wir gesehen haben, bloss eine Verbesserung der
alten Birmingham Kanallinie bezwecken, wurde von 1825 bis 1829 die Summe von beinahe
400000 Liv. st. ausgegeben und man glaubte damals, dass noch 100000 Liv. st. benöthigt
werden, um den Kanal in den vollkommensten Stand zu setzen. Es scheint zwar bei-
nahe unglaublich, dass man auf die blosse Verbesserung eines bestehenden
Kanales 5 Millionen Conv. Gulden verwendet, allein man wundert sich nicht mehr
darüber, wenn man das Frachtquantum kennt, welches auf dem Kanale transportirt
wird. — Da die Eigenthümer vieler Kohlenwerke jährlich ein Pauschale als Tonnen-
gebühr (Tonnage) bezahlen, so lässt sich das Quantum der Güter, welche den Kanal
befahren, nicht genau ausmitteln; inzwischen befahren unsern Erhebungen zu Folge
wenigstens 150 Schiffe, jedes mit 24 Tonnen Ladung täglich den Kanal, welches da-
her für 52 Wochen zu 6 Tagen, ein Quantum von 150 . 24 . 6 . 52 = 1123200 Tonnen jähr-
lich gibt. Nach den genauern Erkundigungen an Ort und Stelle sollen aber jährlich
1½ Millionen Tonnen oder dreissig Millionen Zentner auf dem Kanale trans-
portirt werden. Diess ist wohl die hinreichende Aufklärung, warum ⅛ Akzie, welche
mit 17 Liv. 10 sh. eingezahlt wurde, im Jahre 1829 den 17fachen Preis von 292 Liv.
hatte. Erstaunenswürdiges Land, in welchem auf einer so kleinen Strecke ein Transport
Statt findet, der wohl auf keinem zweiten Punkte unsers Erdballs vorhanden ist! —
Die Frachtkosten auf dem Birmingham Kanale ergeben sich auf folgende Art. Ein
Kanalboot ladet im Durchschnitte 24 Tonnen Steinkohlen und macht den Weg von
8 engl. Meilen, welches die mittlere Länge der Steinkohlenzufuhr nach Birmingham
ist, in einem Tage. Hierzu kommt ein zweiter Tag, welchen das Schiff im Kohlen-
werke zum Aufladen verwendet, dann ein Tag für das Abladen im Bassin (Wharf) zu
Birmingham, endlich ein vierter Tag für das Zurückfahren; eine solche Reise mit
24 Tonnen Kohlenladung wird daher binnen 4 Tagen zurückgelegt. Das beladene
Schiff wird durch ein Pferd gezogen, welches ein Junge (boy) führt; auf dem Schiffe
selbst befindet sich ein Mann, Steerer oder boatsman genannt. Dieser letztere verwen-
det auf eine Reise nicht 4, sondern bloss 2 Tage, weil er sogleich mit einem andern Boote
den Tag nach seiner Ankunft zurückfährt; dasselbe findet auch bei dem Pferde Statt. Der
Mittelpreis, welcher für den Mann, den Jungen und das Pferd für eine Reise gezahlt wird,
ist 12 sh., wofür jedoch das leere Schiff ebenfalls zurückgeführt werden muss. Hierzu
kommen noch die Kosten für das Schiff selbst, endlich die Kosten für das Auf- und Ab-
laden. In Birmingham werden solche Kanalschiffe von mehreren Unternehmern verfer-
tigt, welche dieselben zu dem Durchschnittspreise von 6 bis 7 sh. wochentlich zum Trans-
porte herleihen; es entfallen daher nebst den obigen 12 sh. für den Pferdezug noch 4 sh.
[533]Frachtkosten auf dem Birmingham Kanale.
für die Schiffsmiethe oder zusammen 16 sh., wofür 24 Tonnen 8 Meilen weit auf dem Kanale
geführt werden. Diess gibt genau 1 d. für die Tonne und Meile oder 0,65 Kreuzer C. M. als
Frachtkosten eines N. Oe. Zentner die N. Oe. Meile weit. Da hierunter noch nicht die
Kosten für das Auf- und Abladen und eben so wenig die Zollgebühr (tonnage), welche
an die Akziengesellschaft für die Benützung des Kanales gezahlt wird, begriffen ist, so
ergibt sich abermals das auffallende Resultat, dass die Frachtkosten auf dem Kanale
wirklich höher als auf einer Eisenbahn zu stehen kommen. Dieses Resultat erklärt sich
übrigens nicht bloss aus dem Aufenthalte, welchen die Schiffe bei der Fahrt durch die
Schleussen erleiden, sondern auch aus dem hohen Preise, welcher für die Miethe des
Schiffes bezahlt wird. Da nämlich diese Schiffsmiethe für 24 Tonnen und die Entfer-
nung von 8 Meilen mit 4 sh. bezahlt wird, so entfällt für das Schiff ¼ d. per Tonne und
Meile, während nach Seite 616 des I. Bandes bei der Darlington Eisenbahn nur ⅛ d. als
Miethe des Wagens ebenfalls für die Tonne und die Meile gezahlt wird. Die Bei-
schaffung des Kanalschiffes kommt daher in England zweimal so
hoch als die Beischaffung der Eisenbahnwägen, welches in einem Lande,
wo das Holz einen so hohen und das Eisen im Gegentheile einen sehr niedrigen Preis
hat, begreiflich ist. Ein Kanalboot zum Transporte von Waaren auf dem Birmingham
Kanale, welches 72 Fuss lang, 6½ Fuss breit und 5 Fuss hoch ist, kostete im Jahre 1829
120 Liv.; ein Boot für Steinkohlen mit gleichen Dimensionen mindestens 70 Liv.; in das
erstere werden beiläufig 20 Tonnen, in das zweite 24 Tonnen geladen. Diese Preise
würden sich in Deutschland, wo das Holz weit wohlfeiler ist, ganz anders stellen. Es
lässt sich daher das Resultat der englischen Kanalfrachtkosten keineswegs auf die Fracht-
kosten auf unsern Kanälen anwenden, sondern es müssen zur Ausmittelung der letztern
immer erst genaue, nach den Lokalitäten berechnete Ueberschläge verfasst werden, wie
wir schon an mehreren andern Orten dieses Werkes bemerkten.
Eine zweite ebenfalls sehr wichtige Kanalunternehmung, welche erst in den letztern
Jahren ganz neu angelegt wurde, ist der Bau des Birmingham et Liverpool Junktion
Kanales. Derselbe stand unter der Leitung des Herrn Telford und man hoffte im
Jahre 1831 den ganzen Kanal beendigen zu können. Die Baukosten waren auf 400000 Liv. st.
angeschlagen, welche durch 4000 Akzien, jede zu 100 Liv. gedeckt wurden. Im August
1829 war auf eine jede dieser Akzien erst 55 Liv. eingezahlt, allein der Kours derselben
Akzien war auf 18 Liv. herabgefallen. Demungeachtet wurden die Arbeiten rasch fort-
gesetzt und man zweifelte nicht an der gänzlichen Ausführung der Unternehmung.
§. 364.
Zu den grössten Kanalunternehmungen in Grossbrittanien gehört der Kanal des
Forth und Clyde. Dieser Kanal ist in Schottland erbaut; sein Zweck besteht darin,
den Kauffahrteischiffen, welche aus der Nordsee in das irländische Meer oder nach
Liverpool gehen wollen, den gefährlichen Umweg um die nördliche Spitze von Schott-
land zu ersparen; der Kanal hat daher die Dimensionen, um gewöhnliche Kauffahrtei-
schiffe aufzunehmen. Im Jahre 1767 wurde die Parlamentsakte zum Baue eines Kanales
erlassen, welcher die Flüsse Forth und Clyde mit einander verbindet und einen Seitenarm
nach Glasgow hat. Das erste Kapital zur Ausführung dieses Kanales, welcher 37¾ engl.
[534]Forth und Clyde Kanal in Schottland.
Meilen erhalten sollte, war auf 150000 Liv. st. angeschlagen, welche durch Emission von 1500
Akzien zu 100 Liv. eingezahlt werden sollten. Die Subscripzion kam jedoch nur bis auf
1297 Akzien zusammen. Der Bau begann am 10. Juni 1768, allein es fehlte bald am Gelde
und der Kanal wurde bis Hamilton Hill bei Glasgow erst am 10. November 1777 been-
digt. Die Arbeiten zur Herstellung der Verbindung der Flüsse Forth und Clyde wurden
am 6. Juli 1786 bei Stokinfield, 3 Meilen von Glasgow begonnen und die Vereinigung des
Kanales mit dem Flusse Clyde bei Bowling Bay am 28. Juli 1790 hergestellt. Vom An-
fange des Baues bis zur Herstellung der Verbindung beider Meere waren daher mehr
als 22 Jahre verflossen. Der Kanal wurde bis Port Dundas nächst Glasgow am 11. Novem-
ber 1790 beendigt und die Verbindung mit dem Monkland-Kanale am 31. Dezember 1790
bewirkt. Die Ursache dieses äusserst langsamen Fortschreitens des Baues liegt bloss
in dem Mangel an Geld, welcher bei dieser Unternehmung so häufig eingetreten war.
Es ist merkwürdig und gereicht dem Unternehmungsgeiste der Schottländer zur Ehre,
dass die Eigenthümer der ersten 1297 Akzien nach Erschöpfung der Fonds immer wie-
der auf ihre mit 100 Liv. subscribirten Akzien einzahlten, so dass der gegenwärtige
Betrag jeder Akzie 400 Liv. 16 sh. ist, welches für 1297 Akzien den Gesammtbetrag von
beinahe 519840 Liv. st. gibt, die dermalen das gesellschaftliche Unternehmungskapital
vorstellen. Dass man sich in den Erwartungen von der Unternehmung nicht getäuscht
habe, erhellet aus dem Erfolge, indem die Dividende einer Akzie seit mehreren Jahren
27 Liv. beträgt und der Kours derselben von 400 Liv. 16 sh. auf 650 Liv. gestiegen ist.
Man ist bei der Anlage dieses grossen Kanales von der Ansicht ausgegangen, dass es
zweckmässiger sey, die Schleussen, welche zur Uibersetzung des Gebirges nothwendig
sind, an beide Ende des Kanales zu legen und auf dem höchsten Punkte desselben eine
möglichst lange ununterbrochene Schiffahrtslinie herzustellen. Zu diesem Behufe steigt
man mittelst 20 Schleussen, jede von 8 Fuss Höhe vom Anfange des Kanales bei Gran-
gemouth vom Flusse Forth auf die Höhe des oben geführten Kanales und senkt sich auf
der westlichen Seite in der Nähe von Bowling Bay eben so schnell mittelst 19 Schleus-
sen von 8 Fuss Höhe in den Fluss Clyde herab. Die Erhöhung des Kanales über den
Forth beträgt daher 160 und jene über den Clyde 152 Fuss oder um 8 Fuss weniger. Die
äusserste Länge der Schiffahrtslinie von der Schleusse Nr. 1 am Flusse Forth bis zur
Schlensse Nr. 39 am Flusse Clyde misst 35 Meilen; hierzu kommt der Seitenarm nach
Glasgow mit 2¾ Meilen; die Gesammtlänge des ausgeführten Kanales ist daher 37¾ engl.
Meilen. Der Weg von Port Dundas bis Grangemouth bat 29 Meilen und jener von Port
Dundas bis Bowling Bay 12 Meilen Länge. Die Schleussen Nr. 1 bis 20 von Gran-
gemouth bis zum höchsten Punkte der Kanallinie sind auf 10¼ Meilen Länge vorhanden;
hierauf kommt eine horizontale Kanalstrecke ohne Schleussen (nämlich zwischen der
Schleusse Nr. 20 und jener Nr. 21) von 16 Meilen Länge; von Nr. 21 bis Nr. 39 sind aber
8¾ Meilen, welches zusammen die oben angeführte Länge der Hauptkanallinie von 35
Meilen gibt. Die mittlere Breite des Kanales an der Wasseroberfläche beträgt 60 Fuss,
die Breite an der Sohle 27 Fuss, die Wassertiefe 9 Fuss. Sämmtliche Schleussen sind
darnach angelegt, dass Kauffabrteischiffe von 68½ Fuss Länge, und 19½ Fuss Breite,
die 8¾ Fuss tief im Seewasser gehen, den Kanal ohne Anstand befahren können. Diese
Schiffe legen den Weg von 35 Meilen von einer See zur andern in 18 Stunden zurück.
[535]Forth und Clyde Kanal in Schottland.
Die Hauptlinie des Kanales ist über 10 grosse Brückenwasserleitungen und 33 kleinere
Objekte dieser Art geführt. Die grösste Brückenwasserleitung über den Fluss Kelvin
ist 400 Fuss lang, 70 Fuss über dem Wasserspiegel des Flusses und besteht aus 4 Bogen
von Quadersteinen. Das Wasser für die Linie am Scheidungspunkte des Kanales wird
in 8 grossen Reservoirs, die zusammen 721 Acres oder über 500 N. Oe. Joch Flächeninhalt
haben, gesammelt. Der Kanal wird nicht bloss von Kauffahrteischiffen, sondern auch
von grossen Passagierbooten befahren und legt den Weg von Port Dundas bis Falkirk
von 25 engl. Meilen in 5 Stunden zurück; von dort aber gehen die Reisenden mit andern
schmälern Booten auf dem Union-Kanale bis Edinburgh. Die Schnelligkeit, womit man
auf diesem Kanale durch die Schleussen gelangt, ist hier vorzüglich merkwürdig; eine
jede Schleusse wird nämlich in 2 Minuten entleert und 3 Minuten dauert das Ein- und
Auslaufen, demnach ist der Zeitverlust bei einer jeden Schleusse von 8 Fuss Fall nur 5
Minuten. Bei der äusserst bedeutenden Zunahme des Verkehres, welcher so sehr an-
wuchs, dass im Jahre 1827 schon 77511, im Jahre 1828 aber 95836 Reisende den Kanal
befuhren, wurde es nothwendig, solche Postschiffe sowohl von Port Dundas, als von
Falkirk täglich 3 mal abgehen zu lassen. Man bezahlte für die ganze Entfernung von 25
englischen Meilen 3 sh. am ersten Platze (Cabin) und 2 sh. am zweiten Platze (Steerage)
am Schiffe.
Ein Seitenarm dieses Kanales führt, wie wir bereits erinnerten, auf einen nördlich
von Glasgow liegenden Berg, Hamilton Hill genannt; hier ist ein grosser Behälter
ausgegraben, welcher den Namen Port Dundas führt und zur Aufnahme aller Seeschiffe
dient, die von Glasgow aus befrachtet werden oder Ladungen dahin bringen. Die Stadt
Glasgow liegt zu beiden Ufern des Flusses Clyde, welcher aber daselbst nur für Boote
oder flachgebaute Dampfschiffe, keineswegs aber für Kauffahrteischiffe fahrbar ist. Von
der Stadt aus erhebt sich eine breite Strasse bis zur Oberfläche des Berges Hamilton,
wo das Bassin angelegt ist, dessen Wasserspiegel gegen 25 Klafter über der Oberfläche
des, die Stadt durchströmenden Flusses liegt. Es gibt wohl wenig überraschendere
Erscheinungen, als die Anlage dieses Port Dundas. Der Herausgeber dieses hat am
9. Oktober 1829 zeitlich früh, we die Stadt mit einem in England gewöhnlichen dichten
Nebel bedeckt war, mit der Karte in der Hand diesen Hafen aufgesucht, welcher 1 engl.
Meile von dem Innern der Stadt entfernt liegt; den bezeichneten Weg verfolgend stieg
ich die steile Strasse hinan und glaubte, ich müsse den rechten Weg verfehlt haben, bis
endlich auf dem Berge angelangt, der Wind den Nebel zertheilte und die Wimpel von
mehr als 30 Kauffahrteischiffen, die unmittelbar vor mir standen, sichtbar machte. Wir
suchen gewöhnlich Kanäle in der Nähe und daher in dem Thalwege der Flüsse, allein
hier erscheint ein Kanal auf 150 Fuss Höhe über einer Stadt und trägt grosse Kauffahr-
teischiffe, während der die Stadt durchströmende Fluss nur von kleinen Fahrzeugen
befahren wird. Wer immer England bereist, soll diesen Punkt nicht verfehlen und er
wird sich hier überzeugen, dass alles durch Beharrlichkeit und Ausdauer dem Menschen
möglich sey. — Hier wird man an die merkwürdige Antwort des Ingenieurs Brindley er-
innert. Als derselbe vor einer Kommission des Unterhauses die Nützlichkeit der Anlage
eines Kanales verfocht, welcher in der Nähe eines Flusses geführt werden sollte, und
daher überflüssig schien, fragte ihn ein Mitglied der Kommission, wozu denn die Vorsehung
[536]Erträgnisse des Forth und Clyde Kanales.
so viele und schöne Flüsse in England geschaffen hätte? — „Diess geschah“, erwiederte
schnell Brindley, „um die Kanäle mit Wasser zu speisen“.
Die Uibersicht der Erträgnisse, welche auf dem Forth und Clydekanale Statt hatten,
ist sehr interessant, weil man hieraus, so wie aus andern solchen offiziellen Ausweisen
das stete Fortschreiten der Industrie in England ersieht; wir theilen daher nachste-
henden Ausweis, welcher den Akzionärs im Jahre 1829 vorgelegt wurde, unsern Le-
sern mit.
Die Beförderung der Reisenden auf dem Kanale fing im Jahre 1809 am 1. Juni
an, und vermehrte sich von Jahr zu Jahr so sehr, dass, wie wir bereits erinnerten,
77511 Personen im Jahre 1827 und 95836 im Jahre 1828 auf dem Kanale befördert wur-
den. Dasselbe Zunehmen des Verkehrs hatte aber auch auf dem schiffbaren Flusse
Clyde Statt. Im Jänner 1812 wurde das erste Dampfschiff auf diesem Flusse, Co-
[537]Dampfschiffahrt auf dem Forth und Clyde Kanale.
met genannt, von 38 Fuss Länge und 11½ Fuss Breite mit einer Maschine von 6 Pfer-
dekräften gebraucht; im Jahre 1817 waren bereits 21 Dampfschiffe im Gange; im Ok-
tober 1829 belief sich aber ihre Zahl auf mehr als 70, welche beinahe ausschliesslich zur
Beförderung von Reisenden von und nach Glasgow verwendet wurden. Die Populazion
dieser Stadt, welche im Jahre 1707 nur 14000 Seelen betrug, war im Jahre 1807 auf
114000, im Jahre 1821 auf 147000 und 1829 bereits auf mehr als 160000 Seelen gestiegen.
Die wichtigste Verbesserung, welche an dem Forth und Clydekanal in der letz-
tern Zeit Statt hatte, betrifft die Einführung der Dampfschiffahrt auf dem-
selben. Zur Zeit als der Herausgeber dieses, im Herbste 1829, den Kanal bereiste,
war man bereits mit Versuchen über diesen Gegenstand beschäftigt, und die Akzien-
gesellschaft hatte ein Commitee zu diesem Behufe aufgestellt. Der interessante Bericht
dieses Ausschusses findet sich in den seit 1831 neu erscheinenden: Annales des ponts
et chaussées. Memoires et documens relatifs à l’art des constructions et au service de
l’ingénieur; Lois, ordonnances et autres actes, concernant l’administration des ponts
et chaussées. Paris, chez Carilian-Goeury, 1831, VI. Cahier, page 369. Wir ersehen
aus diesem Berichte, dass bereits im Jahre 1802 das erste Dampfschiff auf dem Ka-
nale in der Absicht aufgestellt wurde, um mittelst desselben Kauffahrteischiffe an das
Schlepptau zu nehmen und fortzuziehen; allein die Besorgniss, dass die Böschungen
von Erde (Slopes) durch die heftige Bewegung der Wellen angegriffen und der Kanal
auf diese Art beschädi[g]t würde, veranlasste, dass man die Sache bald aufgab. Der
Fortgang, welchen die Dampfschiffahrt in den vereinigten Staaten von Nordamerika
machte, veranlasste die Akziengesellschaft, diesen Gegenstand im Jahre 1812 wieder
aufzunehmen, doch auch dieser Versuch misslang. Im Jahre 1828 wurde das Dampf-
schiff Cupido von dem Flusse Clyde auf den Kanal gebracht und da seine kleinen
Dimensionen die Fahrt durch alle Schleussen, die nur 20 Fuss Breite haben, und un-
terhalb aller Brücken zuliess, so wurden in Gegenwart des Herrn Watt aus Birming-
ham vielfältige Versuche hiermit angestellt. Der Bericht, welcher am 6ten November 1828
hierüber erstattet wurde, wiess nach, dass die Kosten für den Schiffszug bei Anwendung
der Kraft der Dämpfe höchstens die Hälfte der Schiffszugkosten mittelst Pferden be-
trage, dass sonach die Einführung der Dampfschiffahrt auf dem Kanale von sehr
grossem Vortheile sey.
Da man erfahren hatte, dass auf den schmalen Flüssen in Amerika die Räder der
Dampfschiffe nicht zur Seite, sondern hinten angebracht seyen, so liess ein Mitglied
des Commitee eine genaue Zeichnung dieser Schiffe kommen. Sofort wurde an einem
bereits seit dem Jahre 1825 auf dem Kanale gebrauchten, ganz aus Eisen verfertigten
Schiffe, Cyclope genannt, eine Dampfmaschine von 15 Pferdekräften aufgestellt, und
die Räder zur Bewegung des Schiffes hinter demselben angebracht. Obgleich dieses
Schiff wegen der bedeutenden Stärke des gewalzten Eisenblechs, woraus es verfertigt
wurde, sehr schwer ist, so legt dasselbe dennoch die Strecke zwischen Alloa und Port
Dundas von 40 engl. Meilen in kürzerer Zeit zurück, als es bei Anwendung der Pferde-
kraft der Fall ist; von dieser Strecke sind ¾ am Kanale, wo 20 Schleussen durch-
zufahren sind, und ¼ an der Seeküste. Der Transport von Waaren auf diesem Schiffe
Gerstner’s Mechanik. Band II. 68
[538]Caledonischer Kanal.
findet daher noch immer Statt. Zur Beseitigung des nachtheiligen Einflusses, welcher
aus der heftigen Wellenbewegung entstehen könnte, liess die Akziengesellschaft den gan-
zen höher gelegenen Theil des Kanales an beiden Böschungen mit Steinen ausmauern
und die Dämme erhöhen, damit der Wasserstand gleichfalls erhöht werden könne. Nach-
dem man sodann eine Reihe von Versuchen gemacht hatte, wurden zwei neue Dampf-
schiffe bei den Maschinenbauern Fairbairn und Lilly bestellt, mittelst welcher leicht ge-
baute Postschiffe (passage boats) mit Reisenden auf dem Kanale am Schlepptaue mit
einer Geschwindigkeit von wenigstens 6 engl. Meilen in der Stunde fortgezogen werden.
Es ist merkwürdig, dass solche Postschiffe auf dem sehr schmalen Kanale von Paisley
die Strecke zwischen Johnston und Glasgow von 12 engl. Meilen viermal des Tages und
zwar in jeder Stunde 8 engl. Meilen (1,696 N. Oe. Meilen) zurücklegen; diese Schiffe
werden von 6 Pferden gezogen und enthalten gewöhnlich 70 Reisende. Auch auf den
andern englischen Kanälen gehen zwischen den bedeutenden Ortschaften Postschiffe,
welche mit Pferden fortgebracht werden und häufig die Reise sehr schnell zurücklegen.
Da jedoch hierzu immer eine sehr bedeutende Kraft erfordert wird, man aber ander-
seits und vorzüglich seit Einführung der Eisenbahnen auf Schnelligkeit der Transporte
sieht, so ist bei dem Unternehmungsgeiste der Engländer nicht zu zweifeln, dass bin-
nen einigen Jahren auf allen breiteren Kanälen die Dampfschiffahrt eingeführt wird.
In jedem Falle wird der günstige Erfolg auf dem Forth und Clydekanal viel dazu
beitragen.
§. 365.
Die bisher beschriebenen Kanäle wurden sämmtlich durch Akziengesellschaften
oder einzelne Private ausgeführt, welchen die Regierung, wie wir bereits erinnerten,
die Ermächtigung für diese Unternehmungen mittelst einer Parlamentsakte ertheilte. Nur
in ausserordentlichen Fällen wurden jenen Unternehmungen Darlehen aus dem Staats-
schatze bewilligt, welche bereits in der Ausführung weit fortgeschritten waren, dem-
nach die erforderliche Sicherheit darboten, und deren Ausführung überdiess dem ganzen
Lande oder doch einer bedeutenden Landesstrecke, welche der Kanal durchschneidet,
von grossem, anerkannten Nutzen war. Wir kommen nun zu einem Kanale, welcher
ganz auf Staatskosten ausgeführt wurde, und durch seine riesenhafte Anlage die Auf-
merksamkeit eines jeden Reisenden in Anspruch nimmt. Diess ist der Caledonische
Kanal in Schottland, welcher mit solchen Dimensionen erbaut wurde, um Fre-
gatten von 32 Kanonen zu tragen. Dieser Kanal wurde in diesem Jahrhunderte zu
einer Zeit erbaut, wo England ununterbrochen in Kriege verwickelt war; er wurde
erst am 23ten Oktober 1822 eröffnet. Wir empfehlen jedem gebildeten Reisenden, die-
sen Kanal zu bereisen, und sich hierzu eines Dampfschiffes zu bedienen. Da die Zahl
dieser Schiffe in den letztern Jahren in England so sehr vermehrt wurde, so pflegen
gewöhnlich zwei oder drei Familien ein solches Dampfschiff, wofür man täglich einige
Liv. st. zahlt, auf ein oder mehrere Wochen zu miethen und damit den Caledonischen
Kanal, einen Theil der Küsten von Schottland, und manchmal selbst die Orkadi-
schen Inseln zu bereisen. Die geringe Kostspieligkeit dieser Reise, welche durch die
bezaubernd schönen Gegenden Schottlands an den Ufern seiner mahlerischen Seen und
[539]Caledonischer Kanal.
den kühn in das Meer heraustretenden Küsten fortgeht, ist wahrlich von der Art, um
jeden Reisenden, der nur einigermassen über seine Zeit verfügen kann, zu veranlassen,
diese herrliche Gegend zu besuchen.
Nach der Dämpfung des im Jahre 1745 ausgebrochenen Aufstandes ertheilte die Kommis-
sion der konfiszirten Güter dem damaligen Civil-Ingenieur zu Glasgow, James Watt den Auf-
trag, einen Plan von dem mittleren Theile von Hochschottland zu verfertigen. In diesem Jahre
(1773) wurde von Watt der erste Vorschlag gemacht, die Seen Ness, Oich, Lochy, Eil und
Linnhe, welche eine beinahe gerade von Nordost nach Südwest fortlaufende Kette bilden, mit-
telst eines Schiffahrtskanales zu vereinigen, um auf diese Art grosse Kauffahrteischiffe auf ei-
nem kurzen Wege aus der Nordsee in das irländische Meer zu führen, und den gefährlichen
Umweg bei den Orkadischen Inseln zu vermeiden. Das Projekt von Watt lag übrigens
in der Natur der Sache, denn ein Blick auf die Karte reicht hin, um einzusehen, dass die
Buchten und Seen, welche zwischen Fort Inverness und Fort Williams liegen, eine
höchst vortheilhafte Lage zur Verbindung der zwei Meere darbiethen. Zur Zeit als
Watt seinen Vorschlag machte, war man jedoch von dem Erfolg des Forth- und Clyde-
kanales noch nicht überzeugt, und da die Regierung der Unternehmungsgesellschaft des
letzteren einen Betrag von 50000 Liv. st. darleihen musste, um den Bau desselben nicht
aufgeben zu lassen, so konnte man sich allerdings damals noch nicht zur Ausführung eines
so grossen Werkes entschliessen. So wie jedoch der Forth- und Clydekanal eröffnet war,
die Vortheile seiner Ausführung anschaulich vorlagen, und man sehr zu bedauern aufing,
diesem Kanale keine bedeutendern Dimensionen zur Aufnahme grösserer Schiffe gegeben zu
haben, wurde auch das Projekt von Watt wieder aufgenommen und im Jahre 1802 ertheil-
ten die Lords des Staatsschatzes Herrn Telford den Auftrag, diese Gegend neu aufzuneh-
men, und schon 1803 wurden die ersten Fonds zum Baue des Kanales von dem Parlamente
angewiesen. Dem erstatteten Berichte des Herrn Telford zu Folge beträgt die Entfer-
nung des Meerbusens Murray an der Nordsee und des Sees Eil, der einen andern Busen
gegen das atlantische Meer bildet, nur beiläufig 60 engl. Meilen, und in dieser Länge kom-
men vier Seen vor, die zusammen 36¾ engl. Meilen messen, nämlich:
- Der See Oich, welcher am höchsten und zwar 94 Fuss über dem Wasser-
spiegel der Nordsee zur Zeit der Ebbe liegt, hat eine Länge von _ _ 3½ Meilen - Aus diesem See fliesst das Wasser durch den Fluss Oich in den See Ness,
dessen Länge misst _ _ 22 „ - Aus diesem See fliesst das Wasser durch den Fluss Ness bis an die Nord-
see, nachdem es den See Doughfour durchströmte, von _ _ 1¼ „ - Auf der entgegengesetzten Seite vom See Oich befindet sich auf einer
Entfernung von 3000 Yards, innerhalb welcher der Scheidungspunkt
zwischen der Nordsee und dem atlantischen Meere liegt, der See Lochy,
dessen Länge misst _ _ 10 „ - Gesammtlänge der Seen _ _ 36¾ Meilen.
Es war demnach nur eine Durchgrabung von beiläufig 3000 Yards vorzunehmen, um
die Verbindung der Wässer, welche sich in die Nordsee und das atlantische Meer er-
giessen, zu bewirken. Nebstbei wurde aber noch erfordert, entlängs der reissenden
68*
[540]Caledonischer Kanal.
Flüsse Ness, Oich und Lochy Kanäle anzulegen, um eine schiffbare Linie zwischen
den oben genannten Seen zu erhalten. Die auf solche Art ausgegrabene Kanallänge misst
22 Meilen, der übrige Theil der Strecke von 60 Meilen wird auf den Seen zurückgelegt.
Es kann nicht in dem Plane dieses Werkes liegen, eine nähere Beschreibung der
merkwürdigen Bauten, welche bei diesem Kanale Statt fanden, zu geben. Hierüber sind
die Werke von Dupin, Dutens, Huerne de Pommeuse und andere Schriften über den neuern
Kanalbau nachzulesen. Wir bemerken daher bloss, dass der Kanal eine Tiefe von 20 Fuss,
eine Breite von 50 Fuss an seiner Sohle und eine Böschung der Seitenwände von 2 : 3 hat.
Einige Fuss unter dem obern Wasserspiegel ist ein horizontales Banquet von 6 Fuss Breite
angebracht, an dessen Ende wieder dieselbe Böschung bis hinauf reicht. Durch diese
Einrichtung werden die Wellenschläge gegen den obern Theil der Böschungen vermin-
dert, welches hier von Wichtigkeit ist, da der Kanal fortwährend von Dampfschiffen be-
fahren wird; überdiess werden auch die Beschädigungen der Seitenböschungen, welche
bei dem Anstossen der Seeschiffe an die Ufer entstehen, gleichfalls minder gefährlich,
und findet eine Abrutschung des Erdreichs von oben Statt, so bleibt dasselbe auf dem
Banquet liegen und kann leichter herausgeschafft werden, als wenn die gleichförmige
Böschung der Seitenwände von der Oberfläche des Wassers bis zur Sohle des Kanales
herabginge. Dadurch wurde aber die Breite des Kanales an seinem Wasserspiegel auf
122 Fuss erweitert.
Die Höhe von 94 Fuss, auf welcher der höchste See in dieser Linie über der Nordsee
liegt, wird mittelst 12 Schleussen erreicht, und da der Fall bis zum irländischen Meere
nur 90 Fuss beträgt, so sind auf dieser Seite nur 11 Schleussen, demnach am ganzen
Caledonischen Kanale 23 Schleussen vorhanden. Der Bau einer jeden Schleusse ko-
stete 8000 Liv. st. Da man zur Zeit als diese Schleussen gebaut wurden, alles Bauholz
für den Bedarf des Krieges verwendete, so wurden die Schleussenthore von Gusseisen
verfertigt. Die ersten Thore dieser Art, welche sehr massiv waren, wogen 28 Tonnen;
die neuern Thore wiegen bloss 22 Tonnen. Von diesen Schleussen sind vorzüglich jene
merkwürdig, welche zunächst dem See Lochy liegen; man hat nämlich den Kanal am
rechten Ufer des Flusses Lochy von dem See gleiches Namens in einer tiefen Abgrabung
möglichst weit fortgesetzt und sodann 8 Schleussen über einander angelegt. Der impo-
sante Anblick, welchen diese Schleussen von der Ferne gewähren, veranlasste die See-
leute dieselben „Treppe des Neptun“ (Neptune’s stairs) zu nennen. Walter Scott hat
sowohl diese Schleussen als den ganzen Kanal in einem Gedichte besungen, welches in
dem Munde eines jeden Seefahrers klingt, der den Kanal bereist. Bei der Eröffnung dieses
merkwürdigen Kanales am 23ten Oktober 1822 ging zuerst ein Dampfboot und zwei Sloops
auf demselben, und man legt gegenwärtig die Reise von Meer zu Meer in 10 bis 12 Stun-
den zurück.
§. 366.
Die vorstehende kurze Beschreibung der vorzüglichsten Kanalunternehmungen in
England, ihrer Baukosten, des Frachtquantums, welches darauf geführt wird und der
Erträgnisse, welche diese Bauten ihren Unternehmern abwarfen, mag ein Bild von der
Ausdehnung und der Grösse der Wasserkommunikazionen Englands, so wie von dem
[541]Bemerkungen über die englischen Kanäle.
äusserst lebhaften Verkehre daselbst geben. Es ist zu bewundern, dass die grösste Zahl
dieser Kanalbauten innerhalb eines halben Jahrhunderts, nämlich vom Jahre 1760 bis 1810
Statt hatte, während welcher Zeit gerade England in fortwährende Kriege verwickelt war.
Wie gross die Baukosten sämmtlicher Kanalunternehmungen seyen, ist noch von keinem
Schriftsteller nachgewiesen worden und dürfte aus der Ursache nicht anzugeben seyn,
weil beinahe alle Unternehmungen nebst dem von den Akzionärs eingezahlten Stamm-
kapitale noch Darlehen zur Ausführung derselben machten, endlich auch gewöhnlich von
den jährlichen Erträgnissen, wie wir gesehen haben, einen Theil zum weitern Baue ver-
wendeten. Dieser letztere Betrag könnte nur dann ausgewiesen werden, wenn man die
Jahresrechnungen aller Gesellschaften vom Anfange an durchginge. Sutcliffe schätzt
in seiner Treatise on Canals and Reservoirs, welche im Jahre 1816 zu London er-
schien, die Baukosten für Kanäle, welche in den 25 Jahren vor Bekanntmachung seines
Werkes ausgelegt wurden, auf 30 Millionen Liv. st. oder 300 Millionen Conv. Gulden.
Allein dieser Anschlag ist gewiss weit unter der wirklich verausgabten Summe und
kann vielleicht selbst das Doppelte betragen.
Unter den Seite 508 bis 510 angeführten 67 Kanälen, deren Akzien auf der Börse
in London verkauft werden, sind mehrere, welche ihren Unternehmern einen sehr hohen
Gewinn abwerfen und sich noch immer mit 30 bis 50, ja selbst mit 70 Prozent, wie es
bei dem Kanale von Erewash der Fall ist, verzinsen, und es ist bei der steten Zu-
nahme des Verkehres in England auch nicht anzunehmen, dass dieser Gewinn geringer
werden sollte. Inzwischen zeigt derselbe Ausweis, dass auch viele Kanäle den Er-
wartungen nicht entsprochen haben, wie denn mehrere derselben ganz aufgegeben oder
verlassen wurden. In einem Lande, wo der Unternehmungsgeist jeden neuen Gegenstand
mit Lebhaftigkeit auffasst, kann es wohl nicht anders geschehen, als dass nebst vielen
äusserst glücklichen Unternehmungen, wie es hier der Fall ist, auch einzelne minder
vortheilhafte und selbst einige, die den Unternehmern gar keinen Nutzen bringen, zur
Ausführung kommen. Abgesehen von den Vortheilen, welche England im Allgemeinen
aus den Kanälen zog, ist es eine erwiesene hatsache, dass der Bau der Kanäle den Un-
ternehmern im Durchschnitte von grossem pekuniärem Vortheile war. Welche grossen
Kanalbauten noch dermalen in England vorgenommen werden, haben wir an mehreren
Orten und vorzüglich bei dem Kanale von Birmingham Seite 530 angeführt. Man darf
daher keineswegs der Meinung seyn, wie wir in manchen deutschen Schriften seit meh-
reren Jahren gelesen haben, dass die englischen Kanäle grossentheils aufgegeben und
durch Eisenbahnen ersetzt werden.
§. 367.
Der Bau der Eisenbahnen hat in den letzten Jahren allerdings die allgemeine Auf-
merksamkeit in Anspruch genommen und man hat wiederholt die Frage aufgeworfen, ob
die Anlage der Schiffahrtskanäle oder Eisenbahnen zur Beförde-
rung der Frachten zuträglicher sey. Diese Frage hat zwar für jene Länder
ihr Interesse zum Theil verloren, wo die Baukosten bereits ausgelegt und diese Bauwerke
vollendet sind, allein um so wichtiger ist diese Untersuchung für jene Gegenden, wo
solche Anstalten wegen mancherlei vorgefundener Schwierigkeiten noch unterblieben
[542]Beleuchtung der Vortheile der Kanalschiffahrt.
und der Hoffnung glücklicherer Zeiten vorbehalten werden mussten. Wir glauben daher
der Erörterung dieser Frage noch eine Aufmerksamkeit widmen zu können.
Die Hauptvortheile der Wasserfracht beruhen auf der leichten Beweglichkeit
der Theile des Wassers, auf der horizontalen Ebene seiner Oberfläche, und dann
auf der Leichtigkeit, mit welcher Schiffe in Schleussen ohne Anwendung einer be-
sondern Zugkraft vom Wasser selbst gehoben und über Berge hinweggeführt werden.
Uiber die Beweglichkeit der Wassertheile ist zu bemerken, dass dieselbe
im Winter gänzlich verloren gehe, wodurch die Schiffahrt in den nördlichen Ländern
jährlich durch einige Monate unterbrochen wird. Dasselbe geschieht zuweilen auch bei
trockenen Sommern, wo die Kanäle an Wasser Mangel leiden. Wir haben gesehen, dass
zu diesem Behufe bei mehreren Kanälen in England Dampfmaschinen aufgestellt werden
mussten, um das Wasser aus den niedrigern Kanalstrecken in die höhern, wo kein hin-
reichender Zufluss Statt findet und die Ausdünstung zu viel beträgt, zu heben. Im Ge-
gentheile kann auf einer Eisenbahn oder Landstrasse zu jeder Jahreszeit, im Sommer und
Winter gefahren werden, und selbst die Vornahme der Reparaturen hält die Fahrt nicht
auf, weil den beschädigten Stellen leicht ausgewichen werden kann, während bei jeder
grossen Reparatur an einem Kanale die betreffende Strecke abgelassen und die ganze
Fracht auf dem Kanale eingestellt werden muss. Die Landfracht besitzt daher in dieser
Hinsicht schon einige wesentliche Vortheile vor der Wasserfracht.
Die Beweglichkeit der Wassertheile ist bei hinlänglicher Wärme zwar sehr gross,
aber doch nicht von der Art, dass die Schiffe ohne allen Widerstand auf dem Was-
ser bewegt werden könnten. Die Schiffe sinken nämlich in das Wasser um so tiefer
ein, je schwerer sie beladen werden, und dann ist nach Maassgabe des Raumes, den
sie im Wasser einnehmen, auch ihre Bewegung beschwerlicher. Die Wassertheile,
welche vor dem Schiffe in der Fahrtstrasse liegen, müssen auf die Seite geschafft wer-
den und dagegen muss rückwärts der vom Schiffe verlassene Raum sich wieder mit
Wasser anfüllen. Hierdurch entsteht vor dem Schiffe ein Aufstau oder eine Erhöhung
und hinter dem Schiffe eine Erniedrigung des Wassers (mou et remou), welche beide
um so grösser und sichtbarer sind, je schneller das Schiff gezogen wird. Der Wider-
stand, welcher hieraus entsteht, ist der Querschnittsfläche der Körper im Wasser und
bei mindern Geschwindigkeiten dem Quadrate der letztern proporzional, er nimmt
aber bei grössern Geschwindigkeiten, wie die Seite 480 erwähnten Versuche mit Schiffen
darthun, in einem etwas grössern Verhältnisse als dem Quadrate der Geschwindigkeit
zu. In dieser Hinsicht steht den Schiffen auf dem Wasser ein ähnliches Hinderniss
entgegen, wie den Frachtwägen auf dem Steinpflaster. Die Bewegung der Schiffe
wird also vorzüglich von ihrer Geschwindigkeit beschränkt und die nöthige Zugkraft
für die Kanalschiffe kann nicht angegeben werden, ohne zugleich auf ihren Flächen-
raum im Wasser und auf den Weg Rücksicht zu nehmen, den sie in einer bestimmten
Zeit zurücklegen.
§. 368.
Die Last, welche von einem Pferde auf einem Kanale fortgezogen werden kann,
hängt nicht bloss von der Bauart der Schiffe, sondern vorzüglich auch von der Quer-
[543]Beleuchtung der Vortheile der Kanalschiffahrt.
schnittsfläche des Kanales gegen jene des Schiffes ab. Je breiter und
tiefer die Kanäle sind, desto leichter gehen die Schiffe auf denselben, und umgekehrt
gehen die Schiffe auf schmalen Kanälen nur mit Anwendung einer grössern Kraft fort. Da
überdiess das Gewicht der Schiffe, welches ebenfalls von dem Pferde fortgebracht werden
muss, sehr ungleich ist, so lässt sich auch kein bestimmtes Frachtquantum angeben,
welches von einem Pferde bei seiner gewohnten Anstrengung fortgebracht werden kann.
Inzwischen ist es als eine mittlere oder Durchschnittserfahrung von England anzusehen,
dass ein Pferd von mittlerer Stärke eine Ladung von 24 Tonnen oder 435 N. Oe. Zent-
ner und nebstbei noch die Hälfte hiervon als Gewicht des Schiffes fortbringen und
damit in der Stunde einen Weg von 2½ englischen Meilen zurücklegen kann. Neh-
men wir 8 Arbeitsstunden oder täglich den Weg von 20 englischen Meilen (4,24 N. Oe.
Meilen) und die Ladung von 435 N. Oe. Zentnern an und vergleichen hiermit die im
I. Bande Seite 618 angeführte Leistung eines Pferdes auf einer Eisenbahn von 120 N. Oe.
Zentner Ladung auf 4,8 N. Oe. Meilen tägliche Entfernung, so folgt, dass ein Pferd bei der
angegebenen Geschwindigkeit auf einem Kanale 3⅕ mal so viel Ladung führen könne, als
auf einer Eisenbahn. Andere Schriftsteller, welche die früher bestandenen minder
vollkommenen Eisenbahnen zum Maasstabe der Vergleichung annahmen, stellen den
Satz auf, dass ein Pferd auf einem Kanale 4 bis 5 mal so viel an Ladung fortbringen
könne, als es auf einer Eisenbahn der Fall ist. Diess ist jedoch bei den neuern sehr
vollkommen ausgeführten, mit hinreichend starken gewalzten Schienen belegten Eisen-
bahnen keineswegs der Fall, und man kann das von uns aufgestellte Verhältniss als
richtig ansehen. Diess wird man auch noch aus folgenden Gründen begreiflich finden.
Der horizontale Stand, den die Natur der Oberfläche des stehenden Wassers
gibt, ist ohne Widerspruch der vollkommenste, welcher auf Eisenbahnen in demselben
Grade durch Menschenhände nie zu erreichen seyn wird. Wir haben jedoch hierüber
schon bemerkt, dass dieser horizontale Stand von der Anhäufung des Wassers vor dem
Schiffe und von der Niederung des Wassers hinter demselben merklich gestört wird.
Dagegen lehrt die Erfahrung von den Eisenbahnen, dass selbe bei längerem Gebrauche
an der Oberfläche abgeglättet und dass auch die Reibung sowohl an den Bahnschie-
nen als auf den Achsen der Räder immer mehr vermindert werde. Uiber die kleinen
wellenförmigen Unebenheiten, die sich gleich bei der Anlegung, oder durch Nachgie-
bigkeit einzelner Schienen bei den Eisenbahnen ergeben, ist dasselbe zu bemerken, wel-
ches bereits im I. Bande §. 536 von den Strassen angeführt wurde; es wird nämlich die
Zugkraft dadurch weder gehindert, noch befördert, weil die Bewegung des Wagens über
solche kleine Erhöhungen von der sogenannten Trägheitskraft unterstützt und die dabei
verlorene Geschwindigkeit auf der nächstfolgenden abhängenden Seite wieder ersetzt wird.
Uiber den Vortheil, welcher für die Kanalschiffe durch Schleussen bei dem
Hinauf- und Herabsteigen der Frachten über Anhöhen bewirkt wird, lässt sich leicht
aus der Rechnung zeigen, dass die dabei vorfallende Zeitversäumniss sich mit den Vor-
spannkosten bei der Landfracht ausgleiche. Wollte man hierbei auch erinnern, dass die
Zugpferde bei ihrem Stillstande an den Schleussen ausruhen und dadurch zur Fortsetzung
ihres Zuges für die Kanalfahrt mehr Kraft erhalten, so steht dem doch die oben ange-
[544]Beleuchtung der Vortheile der Kanalschiffahrt.
führte Erfahrung bei den englischen Kanälen entgegen, welche zeigt, dass die gewöhn-
liche Geschwindigkeit der Kanalschiffe von 2½ engl. Meilen in der Stunde nicht grösser
ist, als die Geschwindigkeit der Frachtwägen auf ebenen Landstrassen. Die Kraftvermeh-
rung, welche von der kurzen Ruhe bei den Schleussen entstehen kann, wird nämlich
schon bei der Einfahrt und Ausfahrt aus den Schleussen erschöpft. Denn es ist bekannt,
dass alle Schleussenkammern zur Schonung der Baukosten und des Speisewassers enger
als der übrige Kanal und meistens nur so breit angelegt werden, dass nur ein oder
zwei Schiffe darin Raum finden und auch so viele ein- und ausgeführt werden. Weil nun
durch den kleinen Spielraum, der zwischen dem Schiffe und den Wänden der Schleusse
noch übrig ist, so viel Wasser, als der Raum des Schiffes beträgt, bei der Einfahrt
aus der Schleussenkammer hinausgetrieben wird, und bei der Ausfahrt wieder zurück-
treten muss, so wird im ersten Falle der Wasserstand vor dem Schiffe mehr erhöht
und im zweiten Falle hinter dem Schiffe mehr erniedrigt, als auf dem übrigen Kanale.
Selbst die Trägheit einer so grossen Schiffslast, welche sich bei dem Uibergange des
Schiffes von der Ruhe zur Bewegung äussert, kommt den ermüdeten Zugpferden zwar
bei der Einfahrt in die Schleussen zu Hilfe, stellt sich aber bei der Ausfahrt in dem-
selben Maasse entgegen. Hieraus erhellet deutlich, warum sowohl die Einfahrt als
auch die Ausfahrt aus den Schleussen schwerer und mit mehr Anstrengung der Zug-
kraft als auf dem übrigen Kanale verbunden ist.
Nebst den Schleussen werden auch die Kanalbrücken über Bäche und zu niedrige
Thäler und die unterirdischen Kanalstrecken zur Verminderung der Baukosten nur so
breit gemacht, dass gerade ein Schiff durchkommen kann. In allen diesen Fällen ist die
Schiffahrt beschwerlicher und langsamer, als auf den übrigen breitern Kanalstrecken.
§. 369.
Die Eisenwege sind von allen diesen Beschwerlichkeiten nicht nur frei, sondern
sie gewähren auch noch viele Vortheile, die von Kanälen nicht zu erhalten sind, nämlich:
1tens. Ist schon oben bei der Beweglichkeit des Wassers angeführt worden, dass
die Frachtwägen auf Eisenschienen durch das ganze Jahr fahren können, weder von
dem Frost des Winters, noch von der Trockniss des Sommers aufgehalten werden, und
dass selbst die vorfallenden Reparaturen ohne Hinderniss für die Frachtwägen herge-
stellt werden können.
2tens. Die Frachtwägen auf Eisengeleisen brauchen bergab gar keine Zugpferde,
sondern nur einen Mann zur Besorgung der Bremse; dagegen müssen die Kanalschiffe
sowohl bergauf als bergab von den Pferden gezogen werden, weil der horizontale
Stand des Wassers nicht gestattet, die Kraft der Schwere zur Beförderung des Trans-
portes zu benützen. In Gegenden, wo die Beschaffenheit der Gebirge erlaubt, dem
Wege eine solche Steigung zu geben, dass die auf horizontalen Strecken nöthige Zug-
kraft dadurch nur höchstens verdoppelt wird, ist dieser Vortheil so wichtig, dass die
ganzen Vorspannkosten hierdurch wieder zurückersetzt werden, weil bei der Rückfahrt
eben so viele Pferde erspart werden, als für die Fahrt bergauf vorzuspannen nöthig wa-
ren. Dagegen kann der Aufenthalt in Schleussen durch nichts ersetzt werden.
[545]Vortheile der Eisenbahnen.
3tens. Zur Bedienung des Kanalschiffes sind nebst dem Zugpferde noch zwei oder
drei Personen nöthig, wovon eine das Zugpferd, die übrigen das Schiff zu leiten haben.
Bei der Landfracht wird die Leitung des Wagens schon vom Geleise besorgt und es ist
nur eine Person für etliche Wägen zur Besorgung der Pferde nöthig, welche dann auch
bergab mehrere Wägen anhalten kann, wenn dieselben zusammengehängt und durch
Hebel und Gewichte gebremset werden.
4tens. Weil die Zugpferde vor den Frachtwägen auf der Mitte der Strasse gehen,
so braucht die Anlage der Eisenwege nur einen schmalen Strich Landes und diesen nur
von geringerem Werthe, weil Strassen am besten über trockene und magere Gründe geleget
werden. Dagegen fordern die Schiffahrtskanäle theils zur Verminderung des Wider-
standes vom Wasser, theils auch für die flachen Böschungen der Ufer und für die Pferd-
steige neben dem Kanale eine sechs- bis zehnmal grössere Breite, wodurch die Grund-
ablösung kostbarer und der fruchtbringende Boden für die Landwirthschaft vermindert
wird. Dieser Verlust ist um so bedeutender, als die Kanäle des Wassers wegen im-
mer über die niedrigsten und fruchtbarsten Feld- und Wiesengründe geführt werden.
Durch eine sehr mässige ökonomische Rechnung lässt sich zeigen, dass in Fällen, wo
die jährliche Fracht nicht über eine Million Zentner beträgt, auf den unfruchtbar ge-
machten Kanalgründen mehr Feldfrüchte und Futterkräuter wachsen würden, als an
die gesammten darüber gehenden Zugpferde verfüttert werden.
5tens. Die geringere Breite der Eisenwege macht ihre Baukosten in demselben
Verhältnisse kleiner. Diese Bemerkung trifft vorzüglich die kostbarsten Werke des Kanal-
baues, nämlich die Brückenwasserleitungen, welche für die Pferdsteige neben dem Ka-
nal und wegen Wasserhältigkeit der Ufer wenigstens die doppelte Breite der Eisen-
wege nöthig haben und desshalb auch doppelte Baukosten verursachen.
6tens. In Betreff der Schleussen ist schon bemerkt worden, dass die Kosten
bei den Eisenwägen ganz entfallen. Dasselbe gilt auch von allen übrigen Bauwerken,
welche bei Kanälen nur des Wassers wegen gemacht werden, nämlich von Sammlungs-
teichen (Reservoirs), Zuleitungsgräben, Ablösung des Wassers, Uibersetzung der be-
stehenden Mühlwerke u. dgl. Auch die häufigen kleinen Brücken für die durch-
schnittenen Landwege sind bei Eisenwegen überflüssig, weil die Eisenschienen nur eine
unbedeutende Vorrichtung erfordern, indem der zwischen beiden Geleisen ausgefüllte
Pferdesteig Festigkeit genug besitzt, um gewöhnliche Landfuhren darüber gehen zu
lassen, welches der ausgegrabene Wasserkanal nicht gestattet.
7tens. Kleine Anhöhen, wodurch die Beschwerlichkeit des Zuges auf Eisenge-
leisen nur um den dritten Theil oder um die Hälfte der nöthigen Zugkraft vermehrt
und von der entgegengesetzten Seite wieder vermindert wird, brauchen hier gar nicht
in Anschlag zu kommen; weil die Zugpferde für eine kurze Zeit um diesen Betrag
mehr angestrengt werden können, wenn sie dagegen wieder eine eben so grosse Er-
leichterung zur Erholung erhalten. Bei den Bergwerksmaschinen, von welchen die
Bestimmung der Pferdekraft abgeleitet worden, ist derselbe Fall vorhanden. Hierdurch
kann der Weg in ebenen Gegenden oft beträchtlich abgekürzt, die Fahrt beschleunigt
und der Bauaufwand vermindert werden. Im Gegentheile ist man bei Kanälen des hori-
Gerstner’s Mechanik. Band II. 69
[546]Baukosten der Kanäle und Eisenbahnen.
zontalen Wasserstandes wegen genöthigt, alle solche Anhöhen mit beträchtlichen Ko-
sten entweder zu durchgraben oder zu umgehen.
Aus diesen angeführten Vergleichungen erhellet, dass die Bausumme für einen Schif-
fahrtskanal wenigstens dreimal höher steigen müsse als für eine Eisenbahn, welches auch
von der Erfahrung bestättigt wird. Eine genaue Bestimmung, wie hoch eine Klafter
Eisenbahn und eine Klafter Schiffahrtskanal zu stehen komme, lässt sich ganz und gar
nicht angeben. Der Kanal des Herzogs von Bridgewater bei Manchester von 40 engl.
Meilen Länge kostete nach Seite 510 an 280000 Liv. st., während die Eisenbahn zwischen
Manchester und Liverpool von 30¾ engl. Meilen Länge nach Seite 634, I. Band schon
im October 1829 über 600000 Liv. st. Auslagen verursachte. Laut dem später öffentlich
erschienenen Berichte des Kassiers Booth dieser Unternehmung: An Account of the Liver-
pool and Manchester Railway etc. by Henry Booth, treasurer to the Company, Liver-
pool 1831, beliefen sich die Gesammtauslagen bis zum 31ten Mai 1830 schon auf 739165 Liv. st.
5 sh. 0 d. und man berechnete im Juni 1830, dass zur Ausführung dieser Unternehmung
im Ganzen 820000 Liv. st. erfordert werden, welche Summe aber gewiss noch überschrit-
ten wird. In diesem Falle hat daher eine Klafter Eisenbahn beiläufig 4 mal so viel, als
eine Klafter Kanal gekostet, allein die Ursache liegt bloss in der Besiegung aller Lokal-
hindernisse, welche das Terrain der Eisenbahn darboth, während bei dem Kanale an Bau-
kosten weit mehr gespart wurde. Wir haben im Gegentheile im I. Bande dieses Werkes
die Baukosten mehrerer Eisenbahnen angeführt, welche weit geringer als die Anlags-
kosten der Kanäle waren. Demnach lässt sich die Frage, ob der Bau eines Kanales, einer
Eisenbahn oder selbst nur einer Landstrasse vorzuziehen sey, keineswegs allgemein
beantworten, indem hierüber bloss die nach den Lokalumständen
zu verfassenden Uiberschläge und die Grösse des Frachtquantums,
auf dessen Transport man mit Sicherheit rechnen kann, entscheiden.
Es gibt aber noch andere Rücksichten, welche zuweilen bei Anlegung der Ka-
näle genommen werden. Der römische Feldherr Drusus hat in Holland von seinen
Soldaten die Yssel graben lassen, um die nördlichen deutschen Provinzen mit mehr
Vortheil bekriegen zu können. Der Kanal von Languedoc in Frankreich ist nicht so
sehr der Handlung wegen, als vielmehr zur Erleichterung der Kriege gegen Spanien
erbaut worden. Die meisten Kanäle in den Niederlanden und der Lombardei sind
hauptsächlich zur Entwässerung der Ländereien angelegt und werden für den Hand-
lungsverkehr nur gelegenheitlich benützt. Der Caledoniankanal in England wurde mit
solchen Maassen angelegt, um Fregatten von 32 Kanonen zu tragen und zur Zeit eines
Seekrieges benützt werden zu können. Andere Kanäle z. B. der Forth- und Clyde-
kanal dienen vorzüglich dazu, Seeschiffe aus einem Meere in das andere zu bringen,
ohne einen gefährlichen Umweg zurücklegen zu müssen. Solche Rücksichten werden
immer für die Anlage eines Kanales entscheiden.
Obgleich die Eisenbahnen kurze Zeit nach der Unternehmung der Kanäle in Eng-
land, ebenfalls daselbst eingeführt wurden, so hat doch die Vorliebe der Engländer
für das Seewesen und die Schiffahrt, den Kanälen die grösste Ausdehnung gegeben.
Man findet in England leichter Matrosen und Schiffe, als Fuhrleute und Frachtwägen
[547]Allgemeine Bemerkungen.
und begreift daher, warum die Erfindung der Eisenbahnen daselbst beinahe ein halbes
Jahrhundert in ihrer Kindheit blieb und erst in den letzten 5 bis 10 Jahren einen vor-
züglichen Grad der Vollkommenheit erreicht hat.
Die Bewohner des Festlandes von Europa dürften sich bei der gegenwärtigen Ver-
vollkommnung der Eisenbahnen darüber trösten, dass ihnen die Natur zu Schiffahrts-
kanälen nicht dieselbe Gelegenheit gegeben hat, wie dem niedrigen Küstenlande, und
man ist gegenwärtig zu der Uiberzeugung gelangt, dass es zu einem vortheilhaften
Kommerze nicht unumgänglich nothwendig sey, das feste trockene Land gegen seine
Natur in Wasserland umzuschaffen und des horizontalen Wasserstandes wegen mit un-
geheuern Kosten Berge zu durchgraben und tiefe Thäler und Flüsse mit Brücken zu
überspannen, um Schiffe über Mastbäume hinwegsegeln zu sehen. Solche Schauspiele,
die gegenwärtig als Denkmäler der Kunst des Zeitalters betrachtet werden, dürften
sich keine längere Dauer als die römischen Wasserleitungen zu versprechen haben;
weil die Nachwelt bei einer Veränderung der Umstände zur Uiberzeugung kommt, dass
der Vortheil, den solche Bauwerke gewähren, nicht mehr der Unterhaltungskosten werth
ist, sonach dieselben dem Verfall überlassen werden müssen. Bei dem Stande der heuti-
gen Aufklärung kann nur die allgemeine Nützlichkeit einer Unternehmung über ihre
Ausführung entscheiden, es mag diess nun ein Kanal, eine Eisenbahn, oder ein an-
deres Bauwerk seyn.
Wir schliessen diesen Band mit dem lebhaften Wunsche, dass unsern Lesern die Ge-
legenheit dargeboten werden möchte, wohlerwogene, gemeinnützliche Unternehmungen in
ihrem Vaterlande zur Ausführung zu bringen und dass sie in unserer Beschreibung
der englischen Kanäle Anhaltspunkte für die Begründung ähnlicher Bauten finden
möchten.
(Ende des zweiten Bandes.)
[[548]]
Appendix A Druckfehler.
den Salzsoolen der Fall ist, so müssen die gefundenen Werthe aus den obigen, für den Druck des
Wassers abgeleiteten Formeln noch mit der spezifischen Schwere der Flüssigkeit multiplizirt
werden.
Glocke einer Luftpumpe bringt, und jene evakuirt.
— 0,19048 t + 0,022121 t2 — 0,0001385 t3 + 0,0000006 t4. Die grösste Dichtigkeit des Wassers findet für
denjenigen Grad t des Quecksilberthermometers Statt, für welchen die erste abgeleitete Funkzion
= 0 wird; wir haben also zur Bestimmung dieses Grades die Gleichung:
— 0,19048 + 0,044242 t — 0,0004155 t2 + 0,0000024 t3 = 0. Vernachlässigen wir hier die letzten zwei
Glieder, so finden wir Grad nach Reaumur oder genauer t = 4,31 Grad, wo-
von jedoch die neuern Beobachtungen um etwas abweichen.
Quecksilber. Ferner sey auf der unbestimmten Höhe u über den untern Standpunkt die Barome-
terhöhe y und der Wärmegrad t beobachtet worden. Steigt man mit dem Barometer um die Höhe
d u höher, so wird die Barometerhöhe um d y kleiner werden, und es muss wegen der Gleich-
heit der Gewichte der Luftsäule f . λ . d u und der Quecksilbersäule — f . q . d y die Gleichung
λ . d u = — q . d y Statt finden. Wir haben schon oben bemerkt, dass die Gewichte λ und q so-
wohl von der Wärme als auch von der spezifischen Schwere dieser Körper abhängig sind; zu
dieser Absicht haben wir bereits eine Gleichung angegeben, wodurch die Länge der Quecksilber-
nach annehmen, dass die beobachteten Barometerhöhen diese Redukzion schon erhalten haben, so ist
nöthig, dasselbe auch noch für die Luft zu thun, und hiezu haben wir bereits oben gefunden, dass
für λ der Werth gesetzt werden müsse. Weil aber das Gewicht der Körper nicht
nur auf hohen Bergen wegen der grössern Entfernung vom Mittelpunkte der Erde geringer ist, son-
dern auch wegen der bekannten Abplattung der Erde vom Aequator gegen die Pole hin zunimmt;
so wollen wir überhaupt den Halbmesser der Erde an der Oberfläche des Meeres = r und auf der
unbestimmten Höhe z über dem Meere = r + z setzen; demnach ist das Gewicht des Quecksilbers
auf dieser Höhe = q und auf gleiche Art das Gewicht der Luft . Mit
Rücksicht auf diese beiden Umstände erhalten wir die Gleichung
. d y, und weil hier auf beiden Seiten gleich
ist, so können wir mit diesem Faktor beide Theile dividiren und es bleibt daher nur die Gleichung
übrig.
Um diese Gleichung zu integriren ist es nöthig den Wärmegrad t durch eine Funkzion der Höhe
u auszudrücken. Zu dieser Absicht sey die Wärme am untern Standpunkte = T, und am obern
Standpunkte = T'. Setzen wir die Höhe des obern Standpunktes über den untern = a, so finden
wir den Unterschied der Wärme, um wie viel nämlich der Wärmegrad auf der Höhe u kleiner ist,
als am untersten Standpunkte aus der Proporzion . Wenn wir nun
diese Grösse von dem Thermometerstande T am untern Standorte abziehen, so ergibt sich für die Höhe
u der Thermometerstand t = T — (T — T'). Dieser Werth in die obige Gleichung gesetzt
gibt — . Das Integrale dieser Gleichung ist
nat. log y = . nat. log + Konst.
Zur Bestimmung der Konstanten ist zu bemerken, dass am untern Standorte u = 0 und y = H
wird. Daraus folgt nat. log H = · nat. log + Konst.
Wird die obige Gleichung von dieser abgezogen, so ist
nat. log · nat. log .
Wird nun für den obern Stand y = h und u = a gesetzt, so erhalten wir
nat. log · nat. log .
nat. log — ......... daher
nat. log .......
Wird diese Reihe mit multiplizirt, und in die obige Gleichung substituirt, so erhält man
nat. log .
Daraus ergibt sich das genauere Verhältniss
=
wo e = 2,3025851 ist.
In dieser Gleichung kann jedoch das Glied — als unbedeutend ohne Anstand ver-
nachlässigt werden.
bei dem Herablaufen über schiefe Flächen nur nach und nach beschleunigt werden und bei dem
freien Falle die Geschwindigkeit c erst nach Verlauf der Zeit t = √ erhalten, wogegen aber das
Wasser im Gefässe ruhig steht und die Geschwindigkeit erst in der Oeffnung plötzlich erhalten
müsse, folglich der Umstand wegen dieser ungleichen Wirkungsart noch einer Aufklärung bedürfe.
Zu dieser Absicht wollen wir annehmen, dass ein Wassertheilchen M während der kurzen Zeit
seiner Beschleunigung oder seines Aufenthaltes in der Oeffnung den Raum α zurücklege. Wenn
f die Querschnittsfläche dieses Theilchens ist, so können wir M = f. α setzen und die Geschwin-
digkeit dieses Theilchens am Ende des Raumes α nach den bekannten Gesetzen, welche für die
Beschleunigung aller Körper im VIten Kapitel der Mechanik angegeben wurden, suchen. Nennen
wir das Gewicht eines Kubikfusses oder der zum kubischen Masse angenommenen Einheit = γ, so
ist γ . M das Gewicht dieses Theilchens und auf gleiche Art ist auch das Gewicht der darauf
drückenden, die Beschleunigung bewirkenden Wassersäule = γ . f . h. Wir haben sonach : das Gewicht
des Theilchens (γ . M) verhält sich zur Geschwindigkeit, welche die Schwerkraft diesem Theilchen
in der Zeit d t ertheilt (2 g . d t); eben so wie das Gewicht der beschleunigenden Kraft (γ . f . h) zur
Beschleunigung d v, welche dasselbe Theilchen von der beschleunigenden Kraft erhält, oder
γ . M : 2 g . d t = γ f . h : d v und wenn wir d t = setzen, M : 2 g · = f . h : d v. Daraus folgt
M . v2 = 4 g . f . h s, folglich haben wir am Ende des Raumes α, wo nämlich s = α wird, die Ge-
schwindigkeit v = 2 √ g . h · = 2 √ g . h.
Itens, die Bewegung des Wassers innerhalb des Gefässes und die Bahn, auf
welcher das Wasser zur Oeffnung geleitet wird. Iltens, die Bewegung bei
dem Austritte des Wassers oder ausserhalb der Oeffnung des Gefässes.
I. Um das Erstere hinlänglich zu erklären, müssen wir vorläufig über die allgemeinen Gesetze
der Bewegung des Wassers und der übrigen Flüssigkeiten in Röhren und Flussbetten noch fol-
gende analytische Betrachtungen vorausschicken:
6.
Tab.
46.
sene Wasser aus einem weitern Querschnitte A' A gegen einen engern B' B hinfliesst, so wird die
Bewegung der Wassertheile offenbar durch die Form der Wände des Gefässes in der Art bedingt,
dass nicht nur die den Wänden zunächst anliegenden Wassertheile bei ihrer Bewegung diesen Wän-
den folgen müssen, sondern auch die weiter entfernten durch analoge Bewegungen in ihrer gerad-
linigten Bahn abgelenkt, und durch die engern Querschnitte mit einer grössern Geschwindigkeit
durchzufliessen genöthigt werden, als denselben nach den allgemeinen Gesetzen der Schwere zu-
kommen würde. Weil wir aber das Wasser bisher noch als vollkommen flüssig betrachten, und
auf die Widerstände, welche dasselbe von Seite der ruhenden Wände der Gefässe und von der
verschiedenen Geschwindigkeit der in Bewegung befindlichen Wassertheile erfährt, hier noch keine
Rücksicht nehmen, so ergibt sich von selbst, dass der Verlust, den einige Theile an ihrer Bewegung
erleiden, durch den wechselseitigen Druck den übrigen Theilen mitgetheilt werde, folglich von der
ganzen Bewegung, welche die Schwere an und für sich den Wassertheilen
gibt, bei der Bewegung durch Gefässe nichts verloren gehen könne, son-
dern in der Summe aller Bewegungen beim Ausflusse des Wassers aus dem
Gefässe vorfindig seyn müsse.
Wir wollen nun die Bewegung eines Theilchens d M insbesondere betrachten und annehmen, dass
die Bahn, welche das Theilchen im Gefässe zwischen den übrigen beschreibt, durch die Linie amne
vorgestellt werde. Die Geschwindigkeit dieses Theilchens sey in m = v, in n = v' ......., und die
Querschnittsfläche dieses Theilchens in m = z, in n = z' ...... Der Kubikinhalt des Theilchens d M
ist demnach in m = z . v . d t, in n = z' . v' . d t ...... Da das Wasser als unzusammendrückbar
angenommen wird, folglich das Element d M an jedem Orte der Bahn dieselbe Grösse behalten
muss, so haben wir d M = z . v . d t = z' . v' . d t ...... Hieraus folgt z . v = z' . v' = ...... oder
wenn wir die Gleichung z . v = z' . v' ...... in eine Proporzion auflösen, so erhalten wir
z : z' = v' : v = ...... oder die Geschwindigkeiten stehen im umgekehrten Ver-
hältnisse der Querschnittsflächen. Dieser Satz ist bereits in mehreren Schriften an-
geführt und überhaupt bei dem Abflusse des Wassers sowohl durch Röhrenleitungen als in Fluss-
betten allgemein angenommen worden.
Für die Beschleunigung, welche das Wasser auf der schiefen Fläche durch den Raum m n = d s
erfährt, wollen wir die Ordinate a' m für den Punkt m = y und die Abscisse a a' = x, eben so die
Ordinate an dem Punkte n oder a'' n = y' = y + d y setzen, sonach haben wir o n = d y, m o = d x
und m n = d s. Setzen wir nun das Gewicht des Theilchens d M = m l, und die beschleunigende
Kraft nach der Richtung seiner Bahn = m k, so haben wir: das Gewicht des Theilchens d M oder m l
zur beschleunigenden Kraft nach der Richtung der Bahn m k wie m l : m k, und wegen der Aehnlichkeit
der Dreiecke m n o und m l k ist m l : m k = d s : d y. Daraus folgt die beschleunigende Kraft nach der
Richtung der Bahn m k = d M . . Nach den Gesetzen der Beschleunigung durch die Schwere ha-
ben wir d M : 2 g . d t = d M . d v oder wenn wir statt d s den Werth v . d t setzen, und mul-
tipliziren, = d y. Auf gleiche Art folgt für die weitere Beschleunigung von n abwärts
= d y' und eben so = d y'' .....
Dieses sind die Gleichungen, denen die Bewegung der Theile folgen muss, wenn ihre Beschleu-
nigungen bloss nach den allgemeinen Gesetzen der Schwere ohne Rücksicht auf die oben ange-
führten Widerstände geschehen; weil aber bei der gemeinschaftlichen Bewegung des Wassers in
Gefässen die Summe der Kräfte der Summe der Beschleunigungen gleich ist, so können wir diese
Gleichungen addiren, und wir haben:
6.
Tab.
46.d y + d y' + d y'' + ..... = + ..... und wenn wir diese Reihe von a
bis e fortsetzen, so haben wir den allgemeinen Satz, dass die ganze Höhe der Linie A A' über B B'
oder y der Summe der Vermehrungen der Geschwindigkeitshöhen aller Elemente von a bis e gleich
ist. Es wird also noch darauf ankommen, die Grössen , ..... auf eine
allgemeine Art aufzufinden und ihre Summe durch eine algebraische Gleichung anzugeben. Hierzu
dient uns die oben angeführte Gleichung z . v = z' . v' = ...... Nehmen wir zur Vergleichung
für irgend einen bestimmten Ort der Röhre die Querschnittsfläche = f und die Geschwindigkeit = c
an, so haben wir f . c = v . z = v' . z' = v'' . z'' = ...... Hieraus folgt v = c · ........ Wird
diese Gleichung differenzirt und dabei f als beständig angenommen, so ist
und eben so
und .... Hieraus sehen wir, dass die Aenderung der Ge-
schwindigkeit d v sowohl von der Beschleunigung d c, welche der ganzen Masse des Wassers gemein-
schaftlich zukommt, als auch von der Veränderung d oder von der Aenderung der Quer-
schnittsfläche der Röhre abhängt.
Wenn wir nun in der obigen Gleichung
d y + d y' + d y'' + ..... = + ...... die Werthe von d v, d v', d v'' …
substituiren, so erhalten wir
d y + d y' + d y'' + ...... = +
+ . Setzen wir nun
in der ersten Reihe dieser Gleichung statt v, statt v' ......, dann in die zweite Reihe
statt v, statt v' ....., so erhalten wir
d y + d y' + d y'' + .... = +
+
Zur Bestimmung der Summe der ersten Reihe + ...... wollen wir in
Fig.
8.der Fig. 8 die Linie A B = d s und A a = , dann BC = d s' und Bb = ferner C D = d s'' und
C c = ...... setzen, so ist = A a b B, und eben so = B b c C ...... demnach die
Summe + ...... = der ganzen Fläche a A U u = . Auf gleiche
Art ist in der zweiten Reihe + ...... =
Wir haben demnach durch die Integrazion der obigen Gleichungen
y = + Konst.
6.
Tab.
46.
Punkte = A, so haben wir, weil in diesem Punkte y = 0 und die Fläche
= 0 ist, 0 = + Konst. demnach ist Konst. = — .
Wenn wir nun das Integrale von der obersten Querschnittsfläche A' A = A bis zur untersten
B' B = U nehmen und den Querschnitt am Ende der Röhre z = U setzen, so erhalten wir
y = . In dieser Gleichung ist y die ganze Höhe des Ge-
fässes = C D = Y und die Geschwindigkeit, womit das Theilchen d M am Ende der Röhre
a m e nach der Richtung seiner Bahn bei e ausfliesst, die wir = V setzen wollen; und eben so ist
die Geschwindigkeit, welche das Theilchen d M am Anfange der Röhre bei a besitzt, und die
wir α nennen wollen. Daraus ergibt sich .
Für den Beharrungsstand des Wassers, wenn nämlich dem Gefässe oben eben soviel
Wasser zugeführt wird, als unten abfliesst, ist die Geschwindigkeit c an dem bestimmten Orte un-
veränderlich dieselbe, demnach d c = 0. Wir haben also für den Beharrungsstand die Geschwin-
digkeitshöhe des Ausflusses , d. h. die Geschwindigkeitshöhe in der Aus-
flussöffnung ist = der Höhe Y des Wasserstandes ober der Oeffnung + der
Geschwindigkeitshöhe an der Oberfläche des Wassers, womit dasselbe
nämlich in den Wasserspiegel eintritt. Dieser Satz stimmt mit demjenigen überein,
welchen wir §. 510 bei der Bewegung über schiefe Flächen gefunden und für alle krummen Linien,
welche Körper durch die Schwerkraft beschreiben, bewiesen haben.
Auf gleiche Art, wie wir hier die Bewegung des Wassertheiles d M durch die Röhre a m n e
berechnet haben, können wir nun das ganze im Gefässe A A' B' B enthaltene Wasser in eine unzäh-
lige Anzahl analoger Röhren eintheilen, und für jedes Theilchen die Geschwindigkeit des Wassers
in der Oeffnung B' B bestimmen.
II. Weil aber die Richtungen dieser Geschwindigkeiten nicht zu einander parallel sind, son-Fig.
7.
dern mit der senkrechten Linie M e einen Winkel bilden, welcher von der Gestalt des Gefässes
und von der krummen Linie, die das Element d M zwischen den übrigen flüssigen Theilen von
a bis e beschreibt, abhängig ist, so müssen wir noch die Bewegung des Wassers ausser-
halb der Oeffnung B B' (Fig. 6) oder im freien Raume von e bis u untersuchen, und dadurch
den 2ten Theil der im Eingange aufgestellten Frage beantworten.
Zu dieser Absicht sey e p q u die Fortsetzung der Bahn a m n e, welche nämlich das Wassertheil-
chen d M ausserhalb des Gefässes beschreibt, die Geschwindigkeit in e sey wie zuvor = V, die
Geschwindigkeit in p = ν, der Raum p q = d s und der Winkel q p u', den nämlich die Bahn mit der
senkrechten Linie macht = λ. Die Coordinaten der krummen Linie seyen e' p = y und e e' = x.
Da das Element d M in p von der Schwere nach der senkrechten Richtung herabgezogen wird,
so wollen wir das Gewicht d M desselben durch die Senkrechte p O vorstellen, und diese Kraft in
zwei andere, nämlich in p P = d M . Cos λ nach der Richtung der Bahn, und in p Q = d M . Sin λ nach
der winkelrechten Richtung auf die Bahn zerlegen. Demnach geben uns die allgemeinen Gesetze
der beschleunigten Bewegung d M : 2 g . d t = d M . Cos λ : d ν. Setzen wir statt d t den Werth , so
erhalten wir die Beschleunigung d ν = 2 g · · Cos λ, weil aber d s . Cos λ = d y ist, so folgt
ν . d ν = 2 g . d y und hieraus ν2 = 4 g . y + Konst. Zur Bestimmung der Konstanten wissen wir,
dass in der Oeffnung B' B die Abscisse y = 0 ist und die Geschwindigkeit ν = V werden muss, also
7.
Tab.
46.ist ν2 = V2 + 4 g . y oder + y, d. h. im Beharrungsstande ist die Geschwin-
digkeitshöhe in jedem Punkte der Bahn der ganzen Gefällshöhe von dem
Punkte, wo die Bewegung des Wassertheilchens anfängt, bis zu dem Punkte
p, wo sich das Theilchen befindet, gleich. Demnach wird die Geschwindigkeitshöhe
in der Querschnittsfläche der grössten Zusammenziehung, wo die Richtungen der Bewegung zu ein-
ander parallel werden, der ganzen Gefällshöhe von der Oberfläche des Wasserstandes bis zur Quer-
schnittsfläche des zusammengezogenen Wasserstrahls gleich seyn, so wie es die im Texte ange-
führten hierüber angestellten Versuche gelehrt haben.
Wir kommen nun zur Bestimmung der Bahnlinie, welche das Element d M
ausserhalb des Gefässes beschreibt. Hierzu dient vorläufig die allgemeine Bemerkung,
dass ein jeder in Bewegung befindliche Körper nur von denjenigen Kräften beschleunigt wird,
deren Richtungen in der Bahn des bewegten Körpers liegen, diejenigen Kräfte aber, deren Rich-
tungen mit der Bahn einen rechten Winkel machen, von beiden Seiten gleich seyn und einander
aufheben müssen; denn wäre der Druck von einer Seite stärker als von der andern, so würde
der bewegte Körper dem grösseren Drucke nachgeben und von der angenommenen Bahnlinie ab-
weichen müssen. Der schiefen Richtung, womit die Wassertheile von der Peripherie der Oeffnung
des Gefässes gegen die Mitte des Strahles fliessen, und womit die Theile des Strahles eigentlich
zusammengehalten werden, wirkt von Seite der innern Wassertheile vermöge ihrer Inkompressibilität
eine Kraft entgegen, welche die äussern Wassertheile nöthiget, von ihrer Richtung abzugehen, und
die krumme Bahnlinie e p q u zu beschreiben. Wir wollen demnach zuerst den Druck der
äussern Wassertheile gegen die innern untersuchen.
Fig.
9.Ein jeder Körper, welcher von der geraden Richtung seiner Bahn abgelenkt wird, und aus der
geraden p q' in die krumme Linie p q übertreten soll, bedarf einer Kraft, welche ihn nöthiget, in
derselben Zeit, in welcher mit freier Bewegung der Raum p q' = ν . d t zurückgelegt wurde, zu-
gleich den Raum p p' zurückzulegen. Diese Kraft, die wir K nennen wollen, ergibt sich aus dem
allgemeinen Satze, dass die Kräfte den Wirkungen proporzional sind, und weil hier die Räume
zu berücksichtigen sind, so ist d M : g . d t2 = K : p p'. Daraus folgt die Kraft = · p p'. Wenn
wir nun durch den Bogen p q einen Kreis beschreiben, und den Durchmesser dieses Krei-
ses p w = 2 r setzen, so folgt nach der Theorie des Kreises p p' : p q = p q : p w oder 2 r, und
weil p q = ν . d t ist, so erhalten wir p p' = und wenn dieser Werth in die obige Gleichung
substituirt wird, so ergibt sich die Kraft K = d M · . Hiervon müssen wir den Druck d M . Sin λ
abziehen, welchen nämlich das Element durch sein Gewicht nach Aussen ausübt, dadurch erhalten
wir die Kraft d M · . Mit dieser Kraft drücken die äusseren Theile an die innern
und diese drücken eben so stark zurück. Für das Gleichgewicht flüssiger Massen ist aber nöthig,
dass nicht bloss die ganzen Elemente d M, sondern jeder Punkt ihrer Basis
mit einer gleichen Kraft drücken müsse; wenn wir also den Druck
d M . mit seiner Basis d s oder ν . d t dividiren, so erhalten wir die Höhe einer
Wassersäule, welche in der ganzen Bahn e p q u (Fig. 7) dieselbe Grösse haben muss. Setzen wir
nun für den untersten Punkt des zusammengezogenen Wasserstrahles in u die Geschwindigkeit ν = γ
und den Krümmungshalbmesser an demselben Orte r = p, statt d s die Grösse γ . d t, und da in
diesem Punkte der Strahl bereits in der senkrechten Richtung herabfliesst Sin λ = 0, so ist die Höhe
der Wassersäule, welche den Druck der äussern Theile gegen die innern in u vorstellt
7.
Tab.
46.
haben muss, so haben wir die Gleichung = oder wenn diese Glei-
chung mit multiplizirt wird, — Sin . Setzen wir die Geschwindigkeitshöhe im
zusammengezogenen Strahl = h, so ist, wenn wir die Ordinate p u' = η setzen, die Geschwin-
digkeitshöhe für den Punkt p offenbar = h — η = , demnach ist = 2 √ h (h — η). Diese
Werthe in die obige Gleichung gesetzt, geben 2 — Sin λ = . Die Bestim-
mung des Krümmungshalbmessers gibt die bekannte Proporzion 1 : d λ = r : d s, daraus folgt
r = . Die Substituzion dieses Werthes gibt
2 (h — η) — Sin λ = ; wenn wir beide Glieder dieser Gleichung mit
multipliziren, so erhalten wir d Sin λ . √ (h — η) — = . Das
vollständige Integral dieser Gleichung ist Sin λ . √ (h — η) = ; demnach Sin λ = .
Wenn wir in dieser Gleichung die Grösse , welche in jedem Falle sehr klein ist, vernachlässigen,
so erhalten wir Sin , folglich ist die krumme Linie p u ein Kreis, dessen Halbmesser die
Grösse p ist.
Wenn die Oeffnung in der Seitenwand angebracht ist, und ein horizontaler Quer-
schnitt durch die Mitte der Oeffnung oder durch die Mitte des Strahles gemacht wird, so ist die
Geschwindigkeitshöhe des Wassers für jeden Punkt dieses Querschnittes der Höhe des Wasser-
standes h oberhalb diesem Querschnitte gleich, folglich die Geschwindigkeit ν des Wassers durch
den ganzen Weg von der Oeffnung bis zur grössten Zusammenziehung eine beständige Grösse,
demnach wird auch die Schwungkraft eine beständige Grösse seyn, folglich die krumme
Linie des ausfliessenden Wasserstrahles wegen der Unveränderlichkeit des Krümmungshalbmessers
r ein Kreis seyn müssen. Im vertikalen Querschnitte wird das Wasser oben, in der Mitte, und
unten gleich viel abwärts beschleunigt, sonach der ganze Kreis des zusammengezogenen Wasser-
strahles nur um diese Beschleunigung herabgedrückt, und daher an der Gestalt des zusammenge-
zogenen Strahles nichts verändert werden. Wir können demnach diese gemeinschaftliche vertikale
Bewegung, welche die Schwere in der kurzen Zeit, in welcher der Strahl von der Oeffnung bis
zum zusammengezogenen Strahl fliesst, bewirkt, von der gesammten Bewegung aller Theile abzie-
hen, und so wird uns für den ausfliessenden Strahl dieselbe kreisförmig gebogene Gestalt übrig
bleiben.
Die Grösse des Halbmessers p lässt sich nach den oben angeführten Erfahrungen be-Fig.
10.
stimmen, wenn wir den Halbmesser der Oeffnung D B = e und den Halbmesser des zusammenge-
zogenen Strahls d b = ε setzen; demnach ist die Fläche der Oeffnung = π . e2 und die Fläche des
zusammengezogenen Strahls = π . ε2. Nach der Erfahrung verhält sich π . e2 : π . ε2 = 100 : 62;
daraus folgt ε = e √ 0,62 = 0,787 e, demnach ist b W = e — ε = 0,213 e. Bei dem Versuche, wel-
chen Newton in der 36ten Proposizion des 2ten Buches der Phil. nat. anführt, war der Halb-
10.
Tab.
46.messer der Oeffnung e = 5/16 Zoll, und die Entfernung des zusammengezogenen Wasserstrahles von
der Oeffnung beinahe = ½ Zoll, also D d oder B W = 8/5 e. Nach Eytelwein’s Handbuch der Hy-
draulik §. 95 Seite 97, 2te Auflage ist die Entfernung der Fläche des zusammengezogenen Was-
serstrahls von der Ausflussöffnung etwas grösser als der Halbmesser der Ausflussöffnung. Wir
können demnach diese Entfernung B W = 1 1/9 e setzen. Dadurch erhalten wir in dem rechtwinkeligen
Dreiecke B W R die Gleichung B R2 = B W2 + W R2 = B W2 + (b R — b W)2 oder
p2 = + (p — 0,213 e)2; hieraus folgt der Halbmesser der Krümmung des Strahles
p = 3 e sehr nahe.
In der Ausführung lässt sich dieses am leichtesten auf folgende Art verzeichnen: Wenn die
Oeffnung B B' gegeben ist, so trage man aus der Mitte D der Oeffnung die winkelrechte
D d = 10/9 D B auf, und ziehe durch d eine Parallele b' R zu der Fläche der Oeffnung. Wird nun
der Halbmesser B R = 3/2 B B' genommen und aus R der Kreis B b beschrieben und eben so auf der
andern Seite, so erhält man die Gestalt des ausfliessenden Wasserstrahls. Erhält daher eine An-
satzröhre diese Gestalt, so wird das Wasser durch dieselbe durchaus voll flies-
sen, und wir erhalten dadurch den wichtigen Vortheil, dass wir bei der Bewegung des Wassers
durch Röhrenleitungen, dieselben in allen Theilen als vollkommen angefüllt betrachten können,
wenn sie mit solchen Einflussöffnungen versehen sind. Herr Eytelwein hat der Ansatzröhre nur
Fig.
11.die Gestalt eines abgestutzten Kegels a b f e gegeben, das Verhältniss a b : e f = 5 : 4, folglich das
Verhältniss der Querschnittsflächen wie 100 : 64 angenommen, und dabei gefunden, dass die aus-
fliessende Wassermenge sich zur hypothetischen 2 f . t √ g . h verhielt wie 0,9672 : 1 oder beinahe
wie 30 : 31 also beide beinahe einander gleich waren. Der Unterschied, den Herr Eytelwein den schar-
fen nicht abgerundeten Ecken beizumessen glaubte, liegt offenbar in dem Umstande, dass das Was-
ser der geraden Linie der Wände dieser konischen Röhre nicht genau folgen konnte, sondern noch
innerhalb dieser Ansatzröhre eine Zusammenziehung statt gefunden hat.
Die im Texte angeführte Beobachtung, dass die Zusammenziehung bei grössern Druckhöhen
mehr als bei kleinern beträgt, lässt sich nach unserer Theorie leicht aus dem Umstande erklären,
weil die Wassermenge d M, welche in der Zeit d t durch jeden Querschnitt durchfliesst, aus der
Gleichung d M = f . v . d t bestimmt wird. Hieraus folgt f = , da aber v = 2 √ g . h ist,
demnach bei einer grössern Druckhöhe auch grösser wird, so muss der Querschnitt f in diesem Falle
kleiner werden, oder das Wasser zieht sich bei grössern Druckhöhen in einen kleinern Querschnitt
zusammen. Hieraus ersehen wir auch, dass die Querschnittsfläche des zusammengezogenen Strah-
les, welche nach den obigen Beobachtungen = 0,62 angenommen wird, keineswegs als eine bestän-
dige Zahl angesehen werden darf, wovon wir bei dem Ausflusse des Wassers durch gänzlich
offene Seitenöffnungen §. 109 noch umständlicher handeln werden.
16.
eck B C c b, der Wasserstand hinter dieser Oeffnung reiche bis A a und die Höhe desselben über
der Oeffnung sey A B = a, ferner B M = x, M N = d x, die Breite der Oeffnung B b = M m = b
und die Höhe derselben B C = h.
Die Geschwindigkeit, mit welcher das Wasser durch das Element M N n m fliesst, ist offenbar
. Wird diese mit der Fläche b . d x multiplizirt, so ist die durch das Flächen-
element M m n N in 1 Sekunde ausfliessende Wassermenge d M = b . d x . 2 . Das Inte-
gral hiervon ist M = ⅔ b (a + x) . 2 + Konst. Znr Bestimmung der Konstanten haben
wir für x = 0 die ausfliessende Wassermenge 0 = ⅔ b . a . 2 + Konst. demnach
M = ⅔ b (a + x) . 2 — ⅔ b . a . 2 = ⅔ b . 2 √ g . Setzen wir
x = h, so ist der Ausfluss durch die ganze Oeffnung M = ⅔ b . 2 . Nun wol-
len wir die Höhe des Wasserstandes über der Mitte der Oeffnung = A, folglich a = A —
setzen, so ist die ausfliessende Wassermenge
Wenn wir die angezeigten Potenzen in Reihen auflösen, und die 2te Reihe von der 1ten abziehen,
so ist M = ⅔ b . A . 2 .
Aus diesem Ausdrucke ersieht man, dass für den Fall, wenn die Höhe der Oeffnung h im Ver-
gleiche der Höhe des Wasserstandes sehr klein ist, die ausfliessende Wassermenge
= b . h . 2 seyn wird. Also ist die Ausflussmenge in diesem Falle eben so gross, als das
Produkt aus der Fläche der Oeffnung in die Geschwindigkeit, die dem Mittelpunkte der Oeffnung
zukommt. Für den Fall, wenn die Höhe des Wasserstandes über der Ausflussöffnung oder die Grösse
a = 0, folglich A = ist, beträgt die in 1 Sekunde ausfliessende Wassermenge nach der ursprüng-
lichen Formel M = ⅔ b . h . 2 und nach der letzten Approximazion
Der Unterschied zwischen beiden Rechnungsformeln ist demnach so
unbedeutend, dass wir für den praktischen Gebrauch in jedem Falle unbedenklich eine oder die
andere nehmen können.
23.
Tab.
46.
die Oberfläche des Wassers befinde sich in der horizontalen Linie durch E und die Höhe des
Wasserstandes ober dem Mittelpunkte sey E O = A.
Wir wollen zuerst den Ausfluss durch die Fläche des Elementes Q Q' q' q untersuchen. Wird
aus O mit der halben kleinen Achse C O = b ein Kreis C m n beschrieben und der Winkel C O m = φ
gesetzt, so ist P O = b . Cos φ und C P = b — b . Cos φ, demnach die Höhe des Flächenelemen-
tes P p = b . d φ . Sin φ. Ferner ist P m = b . Sin φ, demnach P Q = a . Sin φ und
Q Q' = 2 a . Sin φ. Hieraus ergibt sich die Fläche des Elementes Q Q' q' q = 2 a . b . d φ . Sin2φ.
Die Höhe des Wasserstandes über dem Elemente ist E P = A — b . Cos φ, folglich die Geschwin-
digkeit des Wassers = 2 und wenn diess in
eine Reihe aufgelösst wird = 2 .
Hieraus folgt die Wassermenge, welche in 1 Sekunde durch das Flächenelement ausfliesst, oder
d M = 2 a . b . d φ . Sin2φ.
Wird diese Gleichung integrirt, so ergibt sich der Ausfluss durch das Segment Q C Q' oder
M=2a.b.2
Um den Ausfluss durch die ganze Oeffnung zu erhalten, müssen wir φ = π, mithin Sin φ = 0 und
Cos φ = — 1 setzen, und wir erhalten M = π . a . b . 2 . Die ausfliessende Was-
sermenge M ist demnach beinahe gleich dem Produkte aus der Fläche der Oeffnung (π . a . b)
multiplizirt mit der Geschwindigkeit (2 ), mit welcher nämlich das Wasser durch den Mittel-
punkt O der Oeffnung fliesst.
Wenn die Höhe des Wasserstandes nur bis zum obern Rande der Oeffnung in C reicht, so ist
A = b und die in einer Sekunde ausfliessende Wassermenge M' = · π . a . b . 2 . Wäre die
Oeffnung ein Kreis, so ist a = b und die ausfliessende Wassermenge M'' = · π . a2 . 2 .
Obgleich für den Fall, wenn A = b ist, die ausfliessende Wassermenge durch die Gleichung
M' = · π . a . b . 2 sehr genau berechnet werden kann, so lässt sich doch hiefür auch
24.
Tab.
46.Wenn fliessendes Wasser durch eine elyptische Röhre geleitet wird, aber der Zufluss desselben
nicht so gross ist, um die Röhre beständig voll zu erhalten, sonach von der elyptischen Fläche
A C B D das Segment K C K' leer bleibt, so ist die Fläche des Elementes Q Q' q 'q wie zuvor
2 a . b . Sin2φ . d φ, oder wenn wir φ = 2 μ setzen, so ist diese Fläche
= 8 a . b . Sin2μ . Cos2μ . 2 d μ. In diesem Falle ist aber die Druckhöhe nur = E P = E O — P O,
und wenn wir den Winkel I O E = 2 α setzen, so ist die Druckhöhe
E P = b . Cos 2 α — b. Cos 2 μ = 2 b (Sin2μ — Sin2α), daher die Geschwindigkeit des durch das
Element fliessenden Wassers = 2 = 2 Sin .
Wir erhalten sonach die in einer Sekunde ausfliessende Wassermenge
d M = 32 a . b . Sin2μ . Cos2μ . d μ . Sin μ
= 32 a . b (Cos2μ — Cos4μ — ½ Sin2α. Cos2μ) d μ . Sin μ. Das Integral dieser Gleichung ist
M = 32 a . b , weil
M = 0 werden muss, wenn 2 μ = 2 α ist.
Wir erhalten demnach den Ausfluss durch die ganze Oeffnung, wenn φ = 2 μ = 180° oder
μ = 90° und Cos μ = 0 gesetzt wird, M = 32 a . b
= 32 a . b =.
.
Weil aber 2 Cos2α = 1 + Cos 2 α = 1 + ist, so ist auch
M = (8 b + e) (2 b — e) .
Für den Kreis ist b = a, folglich die Wassermenge M' = (8 a + e) (2 a — e) .
schwindigkeit des ausfliessenden Wassers 2 = 2 Sin , demnach ist
das Element der ausfliessenden Wassermenge d M = 2 a . b . d φ . Sin2φ . 2 Sin . Nun ist
aber Sin φ = 2 Sin · Cos und d φ . Sin = — 2 d Cos . Setzen wir noch zur Abkürzung
φ = 2 μ, so ist
d M = — 2 a . b . 2 d Cos μ . 4 Sin2μ . Cos2μ . 2 = — 32 a . b (1 — Cos2μ) Cos2μ . d Cos μ.
Das Integral dieser Gleichung ist M = 32 a . b , wo nämlich
die beständige Grösse so bestimmt wurde, dass die ausfliessende Wassermenge M = 0 wird, wenn
φ = 2 μ = 0 ist.
Um die durch die ganze Oeffnung ausfliessende Wassermenge zu erhalten, müssen wir
φ = 2 μ = 180, also μ = 90 und Cos μ = 0 setzen. Dadurch erhalten wir
M' = 32 a . b . Vergleicht man diese
Gleichung mit der obigen M' = π . a . b . 2 = 6,0868 a . b , so sieht man, dass der
Unterschied an und für sich gering ist, und bloss daher rührt, weil man die Aproximazion nicht
weit genug fortgesetzt hat.
25.
tale Querschnittsfläche desselben sey = F und die Fläche der Oeffnung = f, endlich die Höhe des
Wasserstandes A B = A. Die Geschwindigkeit im ersten Augenblicke des Ausflusses wird demnach
= 2 seyn; da aber die Oberfläche des Wassers im Gefässe fortwährend fällt, so sey die
noch übrige Höhe des Wassers M B = x und daher die Geschwindigkeit für diese Höhe des
Wassers = 2 . Die in der Zeit d t ausfliessende Wassermenge ist nun
= d t . m . f . 2 = — F . d x, da das Wasser fällt, folglich die Höhe x in der Zeit d t um d x
vermindert wird. Hieraus folgt d t = — . Wird diese Gleichung integrirt, so er-
halten wir t = , weil bei dem Anfange des Ausflusses t = 0 und x = A ist.
Wenn wir x = 0 setzen, so erhalten wir die Zeit des ganzen Ausflusses T = . Hieraus
folgt A = . g. T2 oder die Höhen des Wassers im Behälter sind den Qua-
draten der Zeit ihres Abflusses proporzional.
noch übrige Höhe = x ist, so ist nach §. 111 die in 1 Sekunde ausfliessende Wassermenge
= ⅔ m . b . x . 2 , folglich in der Zeit d t die Wassermenge = ⅔ m . b . x . 2 . d t. Da nun
in derselben Zeit d t der Wasserspiegel um die Höhe d x sinkt, folglich die im Behälter noch übrige
Wassermenge F . x um F . d x vermindert wird, so ist die erste Wassermenge der letztern gleich,
wir erhalten demnach d t = . Hiervon ist mit Rücksicht, dass die Zeit t = 0
wird, wenn x = H ist, das Integral t = .
abfliessende Wassermenge ⅔ m . b . x . d t . 2 . Die auf der Höhe x Statt findende Oberfläche
des Wassers sey = y und die Höhe, um welche sich der Wasserspiegel in dem Zeitelemente d t
senkt = d x, so ist auch die abgeflossene Wassermenge — y . d x, und es muss
⅔ m . b . x . d t . 2 = — y . d x seyn.
Um der schwierigen Bestimmung der Fläche y auszuweichen, wollen wir das §. 120 im 3ten Bei-
spiele angewandte Verfahren als Annäherung auch hier brauchen, und voraussetzen, dass die Länge
des Teiches l = 600 Klafter betrage, und nach den angestellten Lokaluntersuchungen immer um λ = 40
Klafter zunehme, so oft die Wasserhöhe um α = 1 Fuss steigt. Wenn demnach die Wasserhöhe
um x steigt, so wird dadurch die Länge des Teiches um vergrössert, und = l seyn.
Setzen wir bei unserm Teiche die Oberflächen nach den verschiedenen Wasserhöhen sämmt-
lich einander ähnlich, so werden sich diese Flächen, wie die Quadrate der Längen verhalten, und
es wird y = F seyn. Wird dieser Werth in der obigen Gleichung substituirt, so folgt
d t = d x.
Weil nun t = 0 werden muss, wenn der Wasserstand über dem Fachbaume x = H ist, so findet
man das vollständige Integrale dieser Gleichung
t = . Soll nun der Wasser-
nach der gehörigen Redukzion:
t = .
Werden in diese Gleichung die Werthe unserer Aufgabe gesetzt, so erhalten wir:
t =
oder t = 18427 {1,361 — 1 + 0,933 + 0,073} = 25190Sek. = 6h 59Min. 50Sek.
ner gleichförmigen Bewegung durch Röhren besitzt, r den mittleren Halbmesser, welcher erhalten
wird, wenn die Querschnittsfläche der Röhren (in Quad. Zollen) durch den vom Wasser berührten
Theil der Peripherie (in Zollen) dividirt wird; b ist der Nenner des Bruches, wodurch das Ver-
hältniss der Länge der Röhren zu ihrem Gefälle ausgedrückt wird; wenn nämlich das Gefäll 1 Zoll auf
1000 Zoll beträgt, so ist b = 1000. Hiernach ist v = — 0,3 (√r — 0,1).
20.
Tab.
47.
grössere N D = B, die Länge desselben M N = a, die Geschwindigkeit, mit welcher der Wasser-
strahl aus der Oeffnung A B tritt = c. Auf der unbestimmten Länge M O = x sey der Halbmesser
O F = y und die in E F Statt findende Geschwindigkeit = v. Bei der Bewegung des Wassers
durch das Element O P = d x der Länge findet das mit der Geschwindigkeit v sich bewegende
Wasser einen Widerstand, zu dessen Uiberwindung die Druckhöhe nothwendig
ist, wenn wir nämlich nur jenen Theil des Widerstandes in Anschlag nehmen, welcher von dem
Quadrate der Geschwindigkeit abhängt.
Ziehen wir nun zu M N durch B die Parallele B q, so ist O p = b und
, folglich .
Die Wassermenge, welche in jeder Sekunde durch die Oeffnung A B ausfliesst, ist π . b2 . c
und jene, welche durch E F fliesst π . y2 . v und weil in gleichen Zeiten durch jeden Querschnitt
dieselbe Wassermenge gehen muss, so haben wir π . b2 . c = π . y2 . v, woraus die Geschwindigkeit
folgt. Es ist demnach , und demnach
.
vollständige Integral dieser Gleichung .
Nehmen wir dieses Integral für die ganze Länge des Gussrohres oder für x = a, so ist
, oder auch
.
21.
mündung A B verkehrt wie die Querschnittsflächen, oder wie π . ε2 : π . y2; demnach ist
. Dadurch erhalten wir den Widerstand für die Länge O P = d x nach den früher
angeführten allgemeinen Gleichungen . Setzen wir statt y seinen Werth,
so ist . Weil hier in jedem Falle β kleiner als ε, und x klei-
ner als a ist, so können wir diese Differenzialgleichung durch folgende Annäherung auflösen
Daraus folgt die Widerstandshöhe
Wird nun dieses Integral für die ganze Länge des Mundstückes M N genommen und x = a ge-
setzt, so erhalten wir
Nach den oben angeführten Werthen ist
und , mithin
, also sehr nahe .
Oberfläche des Wassers im Gefässe sich um eben so viel senken muss, so ist auch d M = — F. d x,
demnach ist d t = — . Setzen wir die Höhe des Wasserstandes
über der untern Oeffnung des Hebers am Anfange des Ausflusses = A, so ist das vollständige
Integral der letzten Gleichung .
H . F — F = 0.
Hieraus folgt 1 — 2
und endlich .
sowohl in Beziehung auf y als in Beziehung auf x ein Maximum seyn. Der erste Theil wird zu
einem Maximum, wenn y = ist. Auf gleiche Art wird der
zweite Ausdruck zu einem Maximum, wenn x = gesetzt wird.
3.Das Wasser im Schenkel A B sey in seiner Bewegung von A bis M herab, und auf der andern Seite
von A' bis M' aufwärts gestiegen, so beträgt die Uiberwucht des Wassers in einem Schenkel über
den andern so viel als das Gewicht einer Wassersäule, welche die Querschnittsfläche des Hebers f
zur Grundfläche und die Höhe C M + C' M' zur Höhe hat. Setzen wir also die Länge des gefüllten
Hebers C O C' = l, so ist die zu bewegende Masse = f . l, und wenn wir die Höhe A C = a und den
beschriebenen Raum A M = x setzen, so ist C M = a — x = C' M', demnach ist die Uiberwucht
= dem Gewichte der Wassersäule 2 f (a — x). Nun gibt uns die allgemeine Regel der Dynamik
folgende Proporzion: Das Gewicht der Wassersäule l . f würde demselben beim freien Falle in
der Zeit d t die Geschwindigkeit 2 g . d t beibringen : das Gewicht 2 f (a — x) gibt also der Ge-
schwindigkeit c des Wassers in M noch den Zusatz d c. Das Produkt aus den äussern und innern
3.
der Zeit d t bei der Fortsetzung seiner Bewegung von M mit der Geschwindigkeit c zurücklegt. ist
offenbar d x = c . d t. Daraus folgt d t = . Dieser Werth in die obige Gleichung gesetzt, gibt
nach der Division mit f die Gleichung l . c . d c = 2 (a — x) 2 g . d x. Diese Gleichung integrirt gibt
1 . c2 = 4 g (2 a — x) x. Daraus folgt c = 2 .
Hieraus sehen wir, dass die Geschwindigkeit von A bis C immer zunimmt, in C aber, wo
x = a am grössten ist, und von C abwärts bis B wieder abnimmt und in B = 0 ist. Die Be-
stimmung der Zeit, in welcher der Raum A B oder die halbe Schwingung zurückgelegt wird, erhal-
ten wir aus der Gleichung d t = . Um diese Gleichung auf eine bequeme Art
integriren zu können, wollen wir den Bogen A N = a . λ oder den Winkel A C N = λ setzen, so ist
C M = a — x = a . Cos λ und A M = x = a — a. Cos λ, daher d x = a . d λ . Sin λ. Setzen wir diese
Werthe in die obige Gleichung, so erhalten wir
d t = , daraus
folgt t = . Demnach erhalten wir die Zeit, in welcher das Wasser von A bis B kommt,
wenn wir λ = π setzen, und diese ist T = , und eben so ist die Zeit, in welcher das
Wasser von B nach A zurückkehrt oder T' = . Also ist die Zeit einer Schwingung oder
die Zeit der Rückkehr von einer Erhöhung zur nächst folgenden T + T' = π.
det man y = .
und weil die Fläche f als gegeben betrachtet wird, so ist ihr Differenziale
(y . d x + x . d y + 2 y . d y . Cos w) Sin w = 0. Setzen wir in diese Gleichung den Werth d x aus
dieser Werth in die Gleichung für die Querschnittsfläche gesetzt, so ist f = y2. (2 — Cos w) Sin w,
demnach y = und x = .
welches zu einem Maximum werden muss. Diess geschieht am leichtesten, wenn wir die Loga-
rithmen dieses Produktes nehmen, wornach log y + 3 log (a + ) + 2 log (h — y) ein
Maximum seyn muss. Diess gibt = 0. Wird diese Gleichung durch-
aus mit y (h — y) multiplizirt, so ist
h — y — — 2 y = 0 und y = . Hieraus sehen wir, dass y
kleiner als seyn muss, wir können daher y = (1 — u) setzen, wo u eine kleine Bruchzahl ist.
Diess gibt substituirt , woraus
u = folgt. Da u eine kleine Bruchzahl ist, so kann es in der Addizion gegen
ganze Zahlen vernachlässiget werden, und wir erhalten u = . Wird dieser
Werth oben substituirt, so folgt y = (1 — u) = .
C P = P R · · · · = d x.
die Geschwindigkeitshöhe ist, so wäre t (h + h' + h'' · · · · · ) = ∫ y . d z, folglich
u = H · ∫ y . d z, wo nun das ∫ y . d z gefunden werden kann, wenn die Gleichung zwi-
schen y und z oder die sogenannte Skale der Geschwindigkeitshöhen gegeben ist.
ausdrückt, muss eine beständige Grösse seyn, wenn die Wirksamkeit der Wassertheile unter einander
überall gleich ist; setzen wir diese = B, so ist — = B, woraus die Gleichung y = A — B . x folgt.
Grösse B + D . x setzen. Dadurch erhalten wir die Gleichung — = B + D . x, woraus
y = A — B . x — C . x2 folgt, wenn ½ D = C ist.
ungleichförmige Bewegung der fliessenden Wässer und das Längenprofil für
ihre Oberfläche bestimmt wird. Um diese Gleichung aufzustellen, bemerken wir vorerst, dass
Fig.
15.
Tab.
55.nach den allgemeinen Grundsätzen der Hydrostatik jedes Wassertheilchen B das Gewicht aller darüber
befindlichen Wassertheile von A bis B tragen muss, folglich von dem Gewichte einer Wassersäule
gedrückt werde, welche die senkrechte Linie A B zur Höhe hat. Weil aber nach den Grundsätzen
der vollkommenen Flüssigkeit das Wassertheilchen B die Freiheit hat, diesem Drucke nach der
Seite auszuweichen, wenn nicht auch ein gleicher Druck von derselben Seite entgegen steht, so
sieht man, dass das vollkommene Gleichgewicht oder der Zustand der Ruhe in allen Theilen der
Flüssigkeit nur dann Statt finden könne, wenn die Oberfläche des Wassers M A N horizontal ist
sonach alle Punkte der durch B gezogenen horizontalen Linie das Gewicht gleicher Wassersäulen
zu tragen haben. Hat aber die Oberfläche die geneigte Lage L A Q, so wird in der Linie L M O
der Punkt O von der Wassersäule L O gedrückt und da der Punkt B nur von der Wassersäule
A B gedrückt wird, so ergibt sich von selbst, dass der Punkt B von der Wassersäule L O einen
grössern Seitendruck erfahren werde, welcher nämlich L O — A B = L M zur Höhe hat. Was
wir von diesem Punkte B gezeigt haben, lässt sich auch von allen übrigen Punkten der Linie A C
ersichtlich machen, indem alle den gleichen Seitendruck von der Höhe L M erfahren.
Wenn wir nun zur Bestimmung des Längenprofils aus irgend einem Punkte E die horizontale
Linie E D H ziehen und E D = x, D L = y, D H = d x und G A = d y, dann die Quer-
schnitt-fläche A C = f setzen, so ist der Druck an diese Querschnittsfläche dem Gewichte der
Wassersäule 56,4 . f . d y gleich. Ist F R C das Grundbett des Flusses und D E l = α dessen
Neigung zur Horizontallinie, so ist D l = x . tang . α; die Höhe des Wassers im Flussbette in E,
nämlich E F sey = a und die Höhe L R = z, so ist y = D L = D R — R L = x . tang α + a — z,
15.
d y diejenige Druckhöhe abgezogen werden, welche zur Uiberwältigung der Widerstände in dem
Flussbette nöthig ist. Hierzu ist aber nach §. 209 für die Länge d x eine Druckhöhe
nothwendig. Wir haben demnach die Höhe d y — d u, welche an
die Querschnittsfläche f des Flusses drückt und dadurch dem Elemente f . d x die Beschleunigung
d v zusetzt. Setzen wir demnach das Gewicht dieses Elementes = 56,4 f . d x und die Beschleu-
nigung, welche die allgemeine Schwerkraft diesem Elemente geben würde = 2 g · dt = 2 g · ,
so haben wir nach den allgemeinen Gesetzen der Mechanik die Proporzion:
56,4 f · d x : 2 g · = 56,4 f (d y — d u) : d v; daraus folgt
.
Bevor wir von dieser Gleichung einen weitern Gebrauch machen, wollen wir ihre Richtigkeit
noch in folgenden bekannten Fällen prüfen. Bei der gleichförmigen Bewegung des Wassers in
Flüssen ist z = a und v eine beständige Grösse, folglich sowohl d z als d v = 0. Daraus ergibt
sich 0 = d x · tang α — oder weil tang α = der Höhe h des Gefälles ge-
theilt durch die Länge l oder = ist, so haben wir , welches mit der
§. 209 und 210 angegebenen Gleichung übereinstimmt. — Wenn kein Widerstand der Wände im Fluss-
bette Statt findet, folglich u = 0 ist, so haben wir = d x · tang α — d z = d y, mithin = y,
wie es bei der Bewegung des Wassers in Flussbetten ohne Rücksicht auf die Widerstände ge-
zeigt wurde.
Wir wollen nunmehr aus der oben aufgestellten Gleichung
die krumme Linie für die Ober-
fläche des Wassers zu bestimmen suchen. In dieser Gleichung kommen drei veränderliche
Grössen x, z und v vor, wovon eine durch den Umstand zu beseitigen ist, dass durch alle Quer-
schnitte eine gleiche Wassermenge, sowohl vor als nach dem Einbaue durchfliessen muss, diess gibt
b . a . c = b . z . v, woraus und folgt. Der Winkel α lässt
sich durch den Umstand beseitigen, dass vor dem Einbaue des Wehres das Wasser auf dem Grund-
bette F C seine Bewegung mit gleichförmiger Geschwindigkeit c zurückgelegt hat; demnach ist
tang . Setzen wir nun in die obige Gleichung statt v und tang α die
gefundenen Werthe, so erhalten wir
.
Daraus folgt .
Wird diese Gleichung mit z3 multiplizirt und alle Grössen, die zur Funkzion z gehören, auf eine
Seite gebracht, so erhalten wir
lichen Faktor machen, dadurch erhalten wir
.
Um diese Gleichung zu integriren, müssen wir vorläufig die Grösse z3 im Zähler durch die
Division mit dem Nenner wegschaffen, und es ist
.
Wird hier Zähler und Nenner des Bruches mit p multiplizirt, und im Nenner für p sein
Werth gesetzt, so erhalten wir:
.
Nun ist aber z — a ein gemeinschaftlicher Faktor des Nenners; dadurch erhält der Nenner
folgende Gestalt:
und weil ist, auch = .
Dieses statt des gedachten Nenners geschrieben gibt:
.
Setzen wir hierin zur Abkürzung die Grössen und ,
so ist .
Wird nun diese Funkzion nach der bekannten Methode in parzielle Brüche zerlegt, so erhal-
ten wir: .
Zur Bestimmung der Grössen M, P und Q dienen die Gleichungen
und . Wir erhalten sonach
. Hiervon ist das Integrale
.
bestimmen, dass für z = a der Raum x = 0 würde, so wäre diese beständige Grösse unendlich
gross, weil log (a — a) = log 0 einer negativen unendlichen Grösse gleich ist. Es würde daher
die Stauweite in dem angenommenen Falle unendlich gross seyn. Um diesen Uibelstand in der
Rechnung zu vermeiden, setze man für x = 0, die Grösse z = β, wo β grösser als a seyn muss.
Daraus folgt die Gleichung für die Stauweite x zwischen den Wasserhöhen β und z
.
Wenn in dieser Gleichung die Höhe z am Orte des eingebauten Wehres gegeben ist, so lässt
sich hieraus die Stauweite x von dem Einbaue bis zu dem Orte, wo die Höhe β des gestauten
Flusses vorhanden ist, berechnen, jedoch muss die Höhe β grösser als die ursprüngliche a seyn;
denn wollte man β = a setzen, so würde die Stauweite, wie schon bemerkt wurde, unendlich
gross seyn. Die gestaute Oberfläche des Flusses ist demnach eine Linie, welche sich zwar auf-
wärts der ursprünglichen Oberfläche des Flusses immer mehr nähert, jedoch dieselbe nur auf
einer unendlichen Entfernung berühren kann.
seinem Hinzuströmen gegen die unbewegliche Fläche keine Rücksicht genommen worden, welche
tung nach der Seite auch eine Kraft nöthig hat, und wenn diese Ableitung gehindert wird, das
Wasser sich vor der Schaufel anhäufen und auf solche Art den Stoss bis ins Unendliche ver-
mehren würde. Um diesem Einwurfe zu begegnen, wollen wir den gegen die unbewegliche Schaufel
zufliessenden Wasserstrahl in eine unbestimmte Anzahl einzelner Fäden eintheilen und hierunterFig.
2.
Tab.
56.
bloss einen solchen Wasserfaden a b m n auf seinem Wege gegen die ruhende Fläche betrachten.
Ist a b m n der Weg, welchen das Wassertheilchen a b verfolgt und die Geschwindigkeit dieses
Theilchens in a = c, demnach der Raum a b für die Zeit d t = c . d t, endlich die Querschnittsfläche
desselben bei a = f, so wird sein kubischer Inhalt d M = f . c . d t seyn. Der Winkel, welchen
die Richtung a b d seiner Bewegung mit der Fläche d q macht, sey = 90 Grad. Wenn nun das
Wassertheilchen auf seinem Wege bis m gekommen ist, sey seine Geschwindigkeit = v, seine
Querschnittsfläche = φ, demnach der Raum, den das Wasser bei m einnimmt = φ . v . d t = f . c . d t
und der Winkel, den seine Richtung mit der entgegenstehenden Fläche macht, d q m = λ. Wir
können nun die Bewegung m n = d s = v . d t in die winkelrechte m p = v . d t . Sin λ und in die
zur Fläche parallele m o = v . d t . Cos λ zerlegen. Der Bewegung m p steht von Seite der unbe-
weglichen Fläche die Kraft K entgegen, welche wir zu bestimmen haben. Nach den allgemeinen
Gesetzen der Mechanik haben wir demnach d M : 2 g . d t = d K : — d (v . Sin λ), woraus
d (v . Sin λ) folgt. Das Integral dieser Gleichung gibt die Summe aller von a bis
m entgegenwirkenden Kräfte (Konst. — v. Sin λ). Für den Punkt a, wo die Richtung
noch ungeändert ist, haben wir K = 0 und v . Sin λ = c; demnach ist die vollständige Gleichung
(c — v . Sin λ) oder wenn wir statt d M das gleichbedeutende Gewicht 56,4 f . c . d t
setzen, so haben wir auch (c — v . Sin λ).
Nach der senkrechten Richtung wird das Wassertheilchen bloss von der Schwere senkrecht her-
abgezogen, seine Bewegung ist demnach bloss jene der freifallenden Körper und v . Cos λ = 2 g . t,
demnach nämlich der Höhe, wie weit das Wasser auf seinem Wege herabgegangen ist.
Da diese Gleichungen für alle Wasserfäden, in welche der Strahl eingetheilt wird, ihre Richtig-
keit haben, so ergibt sich von selbst, dass der Druck des Wasserstrahles an die entgegenstehende
Fläche erhalten wird, wenn das Gewicht der in einer Sekunde zufliessenden Wassermasse 56,4 f . c
noch mit dem Unterschiede der Geschwindigkeiten c — v . Sin λ multiplizirt und mit der Geschwin-
digkeit 2 g, welche die Schwere allen Körpern in einer Sekunde gibt, dividirt wird. Ist nun die
entgegenstehende Fläche so gross, dass alle Theile parallel zu derselben abfliessen müssen, so ist
die Neigung gegen die Fläche λ = 0, also auch v . Sin λ = 0, die Geschwindigkeit, welche das Was-
ser zu gleicher Zeit von der Schwere erhalten hat, möge eine Grösse haben, welche sie wolle.
In diesem Falle bleibt uns also die Gleichung K = 56,4 f · , oder der Stoss ist so gross, als
das Gewicht einer Wassersäule, welche die Querschnittsfläche des zusammengezogenen Strahles zur
Grundfläche und die doppelte Geschwindigkeitshöhe zur Höhe hat.
bekannten Differenzialmethode zu einem Maximum machen. Dazu erhalten wir die Gleichung
; daraus findet man .
Daraus sieht man, dass bei einer hinlänglichen Anzahl von Schaufeln sehr nahe = ½ seyn müsse.
Setzen wir nun = ½ — m, so ist m eine sehr kleine Zahl, welche aus der Gleichung
m + 4 m2 + 4 m3 = bestimmt wird.
Verhandlungen des Vereins zur Beförderung des Gewerbfleisses in Preussen, 2te Lieferung vom
Jahre 1825 wird gesagt: In England und Amerika ist man im Stande einen Scheffel Weizen bis
auf eine Kleinigkeit in Mehl bester Qualität, wie es zur Ausfuhr erforderlich ist, zu verwandeln;
eben dieses ist auf der, nach englischer Art eingerichteten Mühle des Herrn Corty in Guben,
Regierungsbezirk Frankfurt, der Fall, wo nach dessen aktenmässiger Aussage von einem Zentner
Weizen nur eine ganz unbedeutende Quantität ganz unbrauchbaren Mehls zurückbleibt, die kaum
ein Pfund beträgt. Dagegen liefern z. B. in Neu-Vorpommern 110 Pfund feinen gelben Wei-
zens, und ein gleiches Quantum in Danzig folgende Fabrikate:
- In Wolgast: In Danzig:
- Feines Mehl 64 33/100 64 8/48 Mehl 1ter Sorte
- Mittel „ 14 36/100 10 15/48 „ 2ter „
- Grobes „ 12 62/100 8 1/48 „ 3ter „
- — — — 11 47/48 „ 4ter „
- Kleie 15 54/100 11 22/48 Kleie
- Staubmehl 3 15/100 4 3/48 Abgang.
- 110 Pfund 110 Pfund
oder v = . Setzen wir in dem zweiten Theile dieses Ausdruckes, welcher
offenbar nur die Korrekzion enthält, annäherungsweise v = , so ist v = ,
wo h die Geschwindigkeitshöhe bezeichnet.
diesen = 0, so folgt hieraus tang .
24.Setzen wir A M = dem Differenzial des Bogens H A = d s, die Ordinate des Kreises A O = y, die
Abscisse H O = x und den Halbmesser der Kugel H C = A C = r, so ist der Widerstand der
Zone = m · w · 2 π · y · d s . Nun gibt uns aber die Aehnlichkeit der Dreiecke A M N
und A C O die Grösse A M = , oder d s = . Wird dieser Werth für d s gesetzt, so ist
der Widerstand der Zone A M m a = m . w . 2 π . r . d x . Das Integral dieser Glei-
chung gibt den Widerstand der Oberfläche a H A = m . w .·2 π . r . Setzen
wir nun H O = H C oder x = r, so ist der Widerstand der vordern halben Kugeloberfläche
= ⅔ m . w . π . r2 · .
p · 4/3 · π · r3 : 2 g · d t = (p — w) 4/3 π · r3 — μ · w·π · r2 · : d v, woraus
d v = 2 g · d t folgt. Diese Gleichung zeigt uns, dass die Geschwin-
digkeit des Körpers nicht so, wie bei dem freien Falle ohne Rücksicht auf das widerstehende Mittel im
I. Bande gelehrt wurde, fortwährend zunehme, sondern dass die Beschleunigung mit der Zunahme
der Geschwindigkeit abnimmt, so zwar, dass keine Beschleunigung mehr Statt findet, oder dass die
Geschwindigkeit ihr Maximum erreicht, wenn wird. Nennen wir also die
grösste Geschwindigkeit, welche der Körper durch den Fall im widerstehenden Mittel erlangen kann
= V, so ist V2 = 4 g · r. Durch Substituzion dieses Werthes erhalten wir
d v = 2 g · d t . Aus dieser Gleichung folgt 2 g · d t = .
Das Integral dieser Gleichung ist t = . nat · log . Setzen wir statt d t den
gleichen Werth , so erhalten wir 2 g · d s = und das Integral dieser
Gleichung s = . nat. log .
statt der Grösse 4 g · r schreiben, so erhalten wir
— d v = 2 g . d t ; daraus folgt 2 g . d t . Wenn wir zur
leichtern Integrazion die Grösse = tang φ setzen, so ist und
V2 + v2 = V2 (1 + tang2φ = . Werden diese Werthe in die obige Gleichung substituirt, so
ist 2 g . d t = — V. d φ . Das Integral dieser Gleichung ist offenbar
2 g . t = Konst. — V. φ. Zur Bestimmung der Konst, wollen wir annehmen, dass der
Körper mit der Geschwindigkeit c in die Höhe geworfen werde, demnach = tang α setzen, so
ist 2 g . t = V (α — φ) oder nach der gewöhnlichen Bezeichnungsart
t = .
Multipliziren wir die Gleichung 2 g . d t beiderseits mit v und setzen
d s statt v . d t, so erhalten wir 2 g . d s . Das Integral dieser Glei-
chung gibt s = · nat . log .
M N = d s. Demnach ist im Punkte M die Geschwindigkeit nach der Richtung der Bahn = v,
die horizontale Geschwindigkeit = v . Cos λ und die vertikale = v . Sin λ. Das Gewicht
der Kugel im leeren Raume sey = Q und im widerstehenden Mittel = Q. Der Wider-
stand des Mittels ist nach unserer frühern Bezeichnung = μ . w . π . r2 · .
Wir haben bereits §. 347 gesehen, dass für den Fall, wenn der Körper durch sein Gewicht senkrecht
herabfällt, derselbe nur höchstens die Geschwindigkeit V erlangen könne, und dass V durch die Glei-
chung = 0 bestimmt werde. Daraus folgt
μ. w . π . r2 = . Setzen wir diesen Werth in den Ausdruck
für den Widerstand des Mittels, so ist dieser Widerstand nach der Richtung der Bahn
= .
Wir wollen nun zuerst die Bewegung des Körpers nach der horizontalen Richtung untersuchen.
Da die Richtung der Schwere auf die horizontale Bewegung des Körpers senkrecht ist, so haben wir
bei der Bewegung im luftleeren Raume (I. Band, VI. Kapitel) geschlossen, dass die Geschwindigkeit
des Körpers in horizontaler Richtung in jedem Punkte der Bahn dieselbe bleiben müsse. Bei der
Bewegung im widerstehenden Mittel wird aber die horizontale Bewegung von dem Widerstande des
Mittels gehindert, da jedoch dieser Widerstand nur nach der Richtung der Bahn entgegen wirkt, so
müssen wir denselben noch mit Cos λ multipliziren. Dadurch erhalten wir den Widerstand nach der
horizontalen Richtung = Q · Cos λ.
Nach dem allgemeinen Gesetze der beschleunigenden Kräfte haben wir
Q : 2 g . d t = Q · Cos λ : — d (v . Cos λ). Daraus folgt die Gleichung
— d (v . Cos λ) = 2 g . d t · Cos λ, weil aber v . d t = d s, so haben wir
— d (v . Cos λ) = 2 g (I).
Wird zu beiden Seiten mit v . Cos λ dividirt, und die Gleichung integrirt, so ist
nat . log = 2 g , oder wenn wir zur Abkürzung die Geschwindigkeitshöhe
= H setzen, so ist nat . log .
Der Umstand, dass der Widerstand des Mittels dem Körper nur nach der Richtung seiner Bewe-
gung entgegenwirkt, demnach auf die Richtung desselben in der Bahn keinen Einfluss haben kann,
dient uns zur Aufstellung einer zweiten Gleichung, in welcher der Widerstand des Mittels nicht vor-
kommt. Wir haben bereits au mehreren Stellen dieses Werkes gezeigt, dass zur Bewegung eines
Körpers nach einer krummen Linie eine Kraft P erfordert werde, welche auf die Richtung der
Bahn winkelrecht wirkt und deren Grösse nach der Gleichung P = bestimmt wird. In dieser
Gleichung ist Q das Gewicht des Körpers, v die Geschwindigkeit und R der Krümmungshalbmesser
an jedem Orte der Bahn. In unserm Falle, wo das Gewicht des Körpers im widerstehenden Mittel
recht wirkende Kraft P = Q Cos λ seyn, und weil R = , so haben wir die Glei-
chung Q Cos λ = — . Daraus folgt 2 g · d s Cos λ = — v2 · d λ (II)
Aus der Gleichung (I) folgt 2 g · d s Cos λ = — · d (v · Cos λ). Demnach haben
wir — v2 · d λ = — · d (v . Cos λ). Werden beide Glieder der Gleichung mit divi-
dirt, so erhalten wir — . Das Integral des ersten Theiles dieser
Gleichung ist und das Integral des zweiten Theiles ist
+ nat . log . tang (45 — ½ λ) — nat .·log .·tang (45 — ½ α). Statt dieses letztern
vollständigen Integrales wollen wir der Kürze wegen L schreiben, demnach
= L setzen. Daraus folgt
v2·Cos2λ = (III).
Wird die Gleichung III mit II verbunden, so erhalten wir für den Bogen s die Differenzialgleichung
d s = . Daraus folgt
s = · nat · log (IV), wo keine beständige Grösse beizu-
setzen kommt, weil das Integral schon so bestimmt worden ist, dass für λ = α der Bogen s ver-
schwindet.
Wenn in der aus I abgeleiteten Integralgleichung nat .·log für s der
zuletzt gefundene Werth gesetzt wird, so erhalten wir
nat·. log = ½ nat .·log . Daraus folgt
und die horizontale Geschwindigkeit in jedem
Punkte der Bahn v. Cos λ = , daher die Geschwindigkeit in der Bahn
v = und die senkrechte Geschwindigkeit
v. Sin λ = .
als auch die horizontale und vertikale Geschwindigkeit für jeden gegebenen Winkel λ finden.
Wir können nun auch die Coordinaten x und y der krummen Linie mittelst der Gleichung IV
berechnen; wir haben nämlich d x = d s · Cos λ = .
Auf gleiche Art ist d y = d s · Sin λ = .
Aus den Integralien dieser Gleichungen findet man die Coordinaten x und y für jeden Stellungs-
winkel λ; bevor wir aber zur Bestimmung dieser Integralien schreiten, wollen wir erst den Fall
untersuchen, wenn die Geschwindigkeit V so gross ist, dass die Grösse gegen 1 vernachlässigt
werden kann. In diesem Falle haben wir die horizontale Geschwindigkeit v · Cos λ = c · Cos α,
die Geschwindigkeit nach der Richtung der Bahn v = c · und die senkrechte Geschwindig-
keit v · Sin λ = c · Cos α · tang λ. Ferner ist d s = , folglich der Bogen
s = · L und d x = d s · Cos λ = und die Ab-
scisse x = (tang α — tang λ). Eben so ist
d y = d s · Sin λ = , folglich die zu dem Winkel λ gehö-
rige Ordinate y = (tang2α — tang2λ).
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- TextGrid Repository (2025). Gerstner, Franz Joseph von. Handbuch der Mechanik. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bq0s.0