Voͤlkerrecht
in Friedenszeiten
nach
Vernunft, Vertraͤgen und Herkommen
mit Anwendung
auf die
teutſchen Reichsſtaͤnde
In der Richterſchen Buchhandlung.
Voͤlkerrecht
Vorerinnerung.
Aufgemuntert durch die nachſichtsvollen und zum Theil
nicht unguͤnſtigen Urtheile des Publikums uͤber den
erſten Theil dieſes Voͤlkerrechts, wuͤrde ich nicht angeſtanden
haben, die uͤbrigen Theile nachfolgen zu laſſen, waͤre ich
nicht durch mancherley Zufaͤlle von einer Zeit zur andern
daran gehindert worden. Endlich ſehe ich mich im Stande,
hier wenigſtens den zweiten Theil zu liefern, der aus mehr
als einem Betracht gleicher Nachſicht bedarf. Meiner vor-
maligen Abſicht nach ſolte derſelbe die noch uͤbrigen Grundſaͤtze
des europaͤiſchen Voͤlkerrechts in Friedenszeiten in ſich faſſen
und dieſe Materie beſchlieſſen; ich ſehe mich aber durch die
Menge von Materialien genoͤthigt, noch einen dritten Theil
hinzuzufuͤgen, welcher die Ausfuͤhrung der einzelnen Hoheits-
rechte in Beziehung auf das Voͤlkerrecht enthalten ſoll. Ich
beſorge allerdings, daß mir von einigen der Vorwurf einer
zu groſſen Weitlaͤuftigkeit in Anfuͤhrung der Beiſpiele gemacht
werden duͤrfte; ich war auch mehr als einmal entſchloſſen,
mich weniger dabey aufzuhalten; allein die Betrachtung:
daß bey dem ſogenanten poſitiven Voͤlkerrechte das meiſte auf
Beiſpiele ankomme, und daß die Saͤtze deſſelben eigentlich
durch das Anerkentnis aller oder doch der meiſten und vor-
zuͤglichſten Nazionen Europens beſtaͤttigt werden ſolten, be-
ſtimte mich, von der bisherigen Methode nicht abzugehn,
* 2und
[]Vorerinnerung.
und ich hoffe, daß viele mir es im Gegentheil Dank wiſſen
werden, hier manches Beiſpiel anzutreffen, das ſonſt, be-
noͤthigten Falls, muͤhſam aufgeſucht werden muͤſte, zumal
da ich mich meiſt der eignen Worte der Vertraͤge und Staats-
ſchriften bedient habe.
Einige Erinnerungen, die man bey dem vorigen Theile
gemacht hat, habe ich beſtens zu benutzen geſucht. Dahin
gehoͤrt, daß ich den wuͤrklich nicht ganz angemeſſenen Aus-
druck: Halbſouverain ſowohl von Landen als von Regenten
gaͤnzlich aufgegeben und mich der, wie ich glaube, ſchickli-
chern Benennung von Landesherrn und landeshoheitlichen
Staaten bedient habe. Gegen andere Einwuͤrfe lieſſe ſich
manches ſagen, ich will mich aber bey deren Widerlegung
nicht aufhalten. Verſichern kann ich indes, daß mir iede
gegruͤndete und belehrende Anmerkung angenehm ſeyn wird.
Der dritte und letzte Theil ſoll baldmoͤglichſt nachfolgen.
Alsdann wird es von dem Wunſche des Publikums und von
meinen uͤbrigen Verhaͤltniſſen abhangen, ob die verſprochene
Ausarbeitung der uͤbrigen Voͤlkerrechts-Materien erſcheinen
ſoll und kann. Wenigſtens hoffe ich mit einem Auszuge
und der Fortſetzung des Georgiſchen Urkundenverzeichniſſes in
Abſicht des Voͤlkerrechts keine unnuͤtze Arbeit zu unternehmen.
Die eingeſchlichenen Druckfehler wird der Leſer groͤſtenteils
zu bemerken und zu verbeſſern im Stande ſeyn, da ich durch
Abweſenheit und andere Umſtaͤnde behindert worden, die
Bogen behoͤrig durchzuſehn. Dresden, am 28. April 1792.
Inn-
[]
Innhalt.
- Zweites Buch.
Von dem Eigenthum der Nazionen, ihrem Ge-
biete und deſſen Erwerbe uͤberhaupt, beſonders von
dem Territorium der Voͤlker in Europa. - Erſtes Kapitel: Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
und deren urſpruͤnglichen Erwerbe. S. 1. - Zweites Kapitel: Von Erlangung des Eigenthums von
andern oder den abgeleiteten Erwerbs-
arten. S. 76. - Drittes Kapitel: Vom gemeinſchaftlichen und geteilten,
unvolkomnen und eingeſchraͤnkten Eigen-
thum der Lande. S. 149. - Viertes Kapitel: Von den Landesgrenzen. S. 170.
- Fuͤnftes Kapitel: Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
S. 211. - Sechſtes Kapitel: Von Garantirung der Lande. S. 243.
- Drittes Buch.
Von den Landesbewohnern und deren verſchiede-
nen Beſtimmungen und Verhaͤltniſſen nach den
Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts. - Erſtes Kapitel: Von den verſchiedenen Gattungen der Lan-
desbewohner und den Gerechtſamen der Voͤl-
ker in Abſicht derſelben uͤberhaupt. S. 255. - Zweites Kapitel: Von den Rechten der Nazionen gegen ein-
ander in Abſicht des geſamten Volks und der
es darſtellenden Staͤnde. S. 264. - Drittes Kapitel: Von den Gerechtſamen in Anſehung der
einzelnen Buͤrger und Unterthanen. S. 296. - Viertes Buch.
Von der Landesregierung und den verſchiedenen
Beſtimmungen der Oberherſchaft in einem Staate,
im Verhaͤltnis gegen andere Nazionen. - Erſtes Kapitel: Von der Feſtſetzung einer gewiſſen Regie-
rungsform. S. 368. - Zweites Kapitel: Von der Regierungsfolge. S. 391.
- Drittes Kapitel: Von Antritt und Endigung der Regie-
rung. S. 428. - Viertes Kapitel: Von den Titeln, Wapen und uͤbrigen
Ehrenzeichen der Regenten. S. 439. - Fuͤnftes Kapitel: Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen der
Regenten gegen einander nach dem Voͤl-
kerrecht. S. 473. - Sechſtes Kapitel: Von den Familienangelegenheiten der
Regenten S. 483.
[[1]]
Zweites Buch.
Von dem Eigenthum der Nazionen, ihrem
Gebiete und deſſen Erwerbe uͤberhaupt, be-
ſonders von den Territorien der Voͤlker
in Europa.
Erſtes Kapitel.
Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 1.
Begrif des Eigenthums.
Die Natur ſelbſt hat zwar den Nationen eben ſo
wenig, als einzelnen Menſchen einen beſtimmten
Theil von den Guͤthern der Erde angewieſen; doch hat
ſie ihnen in dem Geſetze der Erhaltung und Vervol-
kommung [1. Buch. 6. K. 2 — 6 §.] zugleich das
Recht zugeſtanden, ſich aller zu Erreichung dieſes End-
zwecks erforderlichen Dinge zu bemaͤchtigen, in ſofern
den gleichen Rechten der andern dadurch kein Eintrag
geſchieht. Das, was einzelne Menſchen und Fami-
lien im natuͤrlichen Zuſtande, oder, nach Entſtehung
Guͤnth. Voͤlk. 2. B. Ader
[2]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
der Staatsvereine, ganze Voͤlker auf dieſe Art an ſich
bringen, wird ihr Eigenthum, das ſie, mit Aus-
ſchlus aller uͤbrigen, nach ihrem Gefallen zu gebrauchen
berechtigt ſind.
§. 2.
Deſſen Erwerb.
Alle Dinge waren urſpruͤnglich ohne einen beſtimm-
ten Eigenthuͤmer, [res nullius] obſchon alle Menſchen
das Recht hatten, ſich derſelben ohne Unterſchied zu
ihrer Erhaltung und Vervolkommung zu bedienen.
Es war iedem ſelbſt uͤberlaſſen, ſo viel als er hierzu
noͤthig fand, an ſich zu nehmen. Wer eine Sache
zuerſt zu ſeinem Gebrauch ergrif, dem gehoͤrte dieſelbe,
ſo lange er ſich ihrer bediente, eigenthuͤmlich. Niemand
war befugt, ihn an dieſer Ergreifung zu hindern, weil
keiner ein mehreres Recht auf die Sache hatte. Es
war den andern frey, von den noch uͤbrigen Guͤthern
ſich ebenfalls das Noͤthige zu bemaͤchtigen. Dies war
die erſte urſpruͤngliche Erwerbungsart [acquiſitio origi-
naria.] Niemanden ſtand auch an der einmal zu
eigen gemachten Sache nun ein Recht weiter zu, ſie
muͤſte denn von dem erſten Eigenthuͤmer aufgegeben,
und wieder herrnlos geworden ſeyn, oder dieſer ſeine
Rechte einem andern foͤrmlich uͤberlaſſen haben [acqui-
ſitio derivativa.] Jedem gebuͤhrte der wilkuͤhrliche und
ausſchließliche Gebrauch, nicht nur der ſich eigenthuͤm-
lich angemaaſten Hauptſache, ſondern auch aller derſel-
ben anhangenden Nutzungen und kuͤnftigen Zuwuͤchſe
[acceſſiones.]
*] Aus
[3]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 3.
Urſpruͤnglich durch Beſitzergreifung.
Jede Sache, woran niemand noch Eigenthum ge-
habt hat [res nunquam occupata], oder die durch Ver-
laſſung des erſten Eigenthuͤmers wieder in den natuͤrli-
chen Zuſtand zuruͤckgegangen iſt, [res derelicta] kann
daher
[5]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
daher durch bloſſe Beſitzergreifung zu Eigenthum ge-
macht werden. Dieſe Beſitznehmung erfodert nun zwar
eben keine beſtaͤndige koͤrperliche Innehabung, a] ſie
muß jedoch ſo beſchaffen ſeyn, daß der Wille, ſich eine
Sache zuzueignen, und ſie ausſchlusweiſe zu ſeinen Ge-
brauch zu behalten, daraus deutlich erhelle, und, daß
dieſe dadurch den Anmaaſſungen anderer entzogen wer-
de. Sie erfodert gewiſſe Thathandlungen, welche die-
ſes beides zu bewirken im Stande ſind. Der bloſſe
Wille und deſſen Erklaͤrung iſt eben ſo hinlaͤnglich, als
die Beſitzergreifung ohne Abſicht der Zueignung. Daß
die Sache, welche man ſich zueignen will, eines aus-
ſchließlichen Beſitzes faͤhig ſeyn, und niemanden da-
durch eine Beleidigung zugefuͤgt werden muͤſſe, bedarf
keines weitern Beweiſes. b]
§. 4.
Verſchiedene Gattungen des Eigenthums.
Das Eigenthum beſteht theils in beweglichen, theils
in unbeweglichen Guͤtern, auch gewiſſermaaſſen in un-
koͤrperlichen Dingen, naͤmlich in Gerechtſamen; wozu
bei den Nazionen die Majeſtaͤtsrechte oder Regalien
und deren ausſchließlicher Gebrauch gehoͤren. a] Das
vorzuͤglichſte Eigenthum der Voͤlker, wovon die uͤbri-
A 3gen
[6]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
gen Rechte groͤſtentheils abhangen, beſteht in den un-
beweglichen Guͤthern derſelben, ihrem Territorium oder
Gebiete: und davon ſoll in dieſem Buche gehandelt
werden. Da dies wiederum theils aus feſtem Lande,
theils aus Waſſer und was beiden anhaͤngig, zuſammen-
geſetzt iſt, ſo will ich von dieſen verſchiedenen Gegen-
ſtaͤnden nunmehro in beſondern Abſchnitten handeln.
Erſter Abſchnitt.
Von dem Eigenthum und der Herrſchaft der
Voͤlker uͤber den Landesbeſitz.
§. 5.
Eigenthum und Herrſchaft des Landes.
Es laͤßt ſich nicht wohl ein Volk ohne den Beſitz ei-
nes gewiſſen Erdſtriches denken, wenn er auch nur,
wie bey den herumziehenden Nazionen, eine Zeit lang
dauern ſolte. Die Voͤlker Europens haben laͤngſt ihre
beſtimten Wohnplaͤtze. Es ſey nun, daß dieſe Laͤnder
zuerſt von einzelnen Familien bewohnt worden, die
nachher in einen Staat ſich verbunden, oder, daß be-
reits ganze Voͤlker ſich derſelben bemaͤchtigt, und ſie un-
ter die Buͤrger vertheilt haben; ſo ſteht dem Volke
nicht nur das Eigenthum, ſowohl des ganzen Landes,
als gewiſſermaaſſen der Beſitzungen einzelner Buͤrger,
zu, ſondern es hat auch, was zum Weſen der Voͤl-
ker gehoͤrt, zugleich die Oberherrſchaft [Souverainetaͤt]
uͤber das ganze Land und uͤber alle in deſſen Umfange
befindliche, angebaute und unangebaute Oerter, Plaͤtze,
Waͤlder und andere Zwiſchenraͤume erlangt, dergeſtalt,
daß
[7]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
daß keinem andern Volk erlaubt iſt, ſich eines Eigen-
thums oder Herrſchaft uͤber irgend etwas darinn anzu-
maaſſen.
§. 6.
Recht zu neuen Entdeckungen.
Vermoͤge des natuͤrlichen Rechts der Erhaltung
und Vervolkommung iſt es jedoch jeder Nazion er-
laubt, neue unbebaute Laͤnder aufzuſuchen, und in je-
ner Abſicht ſich mehreres Eigenthum, ohne Nachtheil
anderer, zu verſchaffen. Als die Vergroͤſſerungsbegier-
de der Voͤlker Europas in dieſem Welttheile keine hin-
laͤngliche Befriedigung mehr fand, fingen ſie, mittelſt
der immer mehr ausgebildeten Schiffahrt, an, auf
Entdeckung neuer Laͤnder auſſer demſelben auszugehn.
Portugal und Spanien waren bekantlich die erſten,
welche zu Ende des funfzehnten Jahrhunderts ein ſol-
ches Unternehmen mit gluͤcklichem Erfolg ins Werk
ſetzten. Sie bedurften hierzu weiter keiner Einwilli-
gung oder Erlaubnis anderer Nazionen. Ganz uͤber-
fluͤſſig und widerrechtlich, aber den Vorurtheilen dama-
liger Zeiten angemeſſen, waren daher die Verguͤnſti-
gungen, a] welche dieſe Maͤchte ſich uͤber ihre Entdeckun-
gen und deren Beſitz von den Paͤbſten ertheilen lieſſen,
und worinn zugleich andere Nazionen von aͤhnlichen
Unternehmungen ausgeſchloſſen werden ſolten.
§. 7.
Unbewohnter Lande.
Wenn unangebaute und unbewohnte Gegenden, die
nicht in dem Gebiete eines andern Volks liegen, keinen
Eigenthuͤmer haben, ſo iſt kein Zweifel, daß ſich jede
Nazion derſelben nach Gefallen bemaͤchtigen und zueig-
nen koͤnne, und daß ſolche, da ſie alle gleiche Rechte
darauf haben, derjenigen gehoͤren, die ſie zuerſt in Be-
ſitz nimt, ohne daß eine andere ihr desfals Einhalt
thun koͤnte.
§. 8.
Lande der Wilden.
Ganz anders verhaͤlt ſichs aber, nach den Grund-
ſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts, mit den von Wil-
den bewohnten Laͤndern. Ein Land, das einmal be-
wohnt iſt, kann, weil es nicht mehr herrnlos [res
nullius] iſt, von Rechts wegen, ohne Bewilligung der
Bewohner, von keiner andern Nazion eigen gemacht,
und ihrer Herrſchaft unterworfen werden, deſſen Be-
wohner moͤgen auch noch ſo wild, roh und ohne Be-
griffe von Religion und Gottesdienſt ſeyn. Indes ha-
ben die europaͤiſchen Voͤlker hierinn allerdings ganz an-
dere Grundſaͤtze angenommen, und ſich, beſonders un-
ter dem Schein der Ausbreitung chriſtlicher Religion,
fuͤr berechtigt gehalten, nicht nur die Lande der Wil-
A 5den
[10]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
den in Amerika einzunehmen, ſondern auch ihre vorigen
Beſitzer nicht ſelten ganz zu vertilgen.
§. 9.
Deren Beſitznehmung.
Um das Eigenthum dergleichen Lande, es ſey auf
welche Art es wolle, zu erlangen, iſt es nicht hin-
laͤnglich, ſie entdeckt zu haben, oder blos die Abſicht der
Bemaͤchtigung an den Tag zu legen. Sie muͤſſen auf
vorerwaͤhnte Weiſe [§. 3.] wirklich in Beſitz genommen
werden. Das beſitzergreifende Volk muß, z. B. auf
der Inſel ꝛc. wirklich landen, gewiſſe Grenzen abſte-
cken a] und ſie entweder gleich mit Mannſchaft beſetzen,
oder wenigſtens ſolche Veranſtaltungen zuruͤcklaſſen,
woraus andere, die nachher dahin kommen, ſogleich ab-
nehmen koͤnnen, daß ſie einen Eigenthuͤmer habe, und
nicht mehr herrnlos ſey. Die Anbauung muß nachher
auch wirklich erfolgen; denn wenn dieſes nicht ge-
ſchieht,
[12]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
ſchieht, ſo ſind andere Nazionen nicht verbunden, blos
durch das etwa aufgeſteckte Zeichen eines Kreuzes oder
eines andern Merkmals, b] daß bereits jemand da ge-
weſen, ſich von der wirklichen Beſitznehmung abhalten
zu laſſen, c] weil es unerlaubt iſt, ein Land, das man
ſelbſt nicht anbauen kann oder will, ſich zuzueignen,
blos um andere von deſſen Benutzung auszuſchlieſſen. d]
[13]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 10.
Widerſpruͤche anderer Nazionen dagegen.
Es entſtehen nicht nur in den vorerwaͤhnten Faͤllen
daruͤber Streitigkeiten, daß zwey oder mehrere Nazio-
nen ein und daſſelbe Land in Beſitz nehmen, und ſich
zueignen wollen, ſondern verſchiedene europaͤiſche Maͤch-
te haben auch ſchon verlangt, daß keine Nazion weiter
ſich auf einer andern Gegend der naͤmlichen Kuͤſte ꝛc.
die ſie beſitzen, niederlaſſen, oder gewiſſer Laͤnder, auf
deren Beſitz ſie ſelbſt keine Anſpruͤche machen, ſich blos
darum nicht anmaaſſen ſolle, weil ſie durch die Naͤhe
dieſer Beſitzungen ihrem Handel ꝛc. leicht ſchaͤdlich
werden koͤnten. a] Wie ungerecht aber dieſes Verlangen
ſey, erhellet leicht aus dem Grundſatz, daß es keiner Na-
zion erlaubt ſey, ein Land blos aus der Urſach in Beſitz
zu nehmen, um andere von deſſen Nutzen auszuſchlieſ-
ſen, wenn es ſelbſt nicht im Stande iſt, daſſelbe zu
bebauen. b] Kein Volk hat ſeines eignen Nutzens wegen
zu dieſer Ausſchlieſſung ein Recht, wenn andere nicht
durch Vertraͤge ihrem natuͤrlichen Erwerbungsrechte
freiwillig entſagt haben, oder das algemeine Wohl
der
[17]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
der uͤbrigen Nazionen dergleichen nothwendig er-
fodert. c]
§. 11.
Auskunftsmittel in dergleichen Strei-
tigkeiten.
Wenn bey dergleichen Streitigkeiten uͤber das Ei-
genthum und den Beſitz zwiſchen mehreren Nazionen
kein Theil dem andern ſolche uͤberlaſſen will, ſo bleibt
nichts uͤbrig, als daß ſie das Land entweder in Ge-
meinſchaft beſitzen, oder es fuͤr neutral erklaͤren, we-
nigſtens ſo lange, bis das Eigenthumsrecht des einen
unterſucht und entſchieden worden.
§. 12.
Rechte teutſcher Landesherrn.
Das, was in dem Vorhergehenden feſtgeſetzt wor-
den, findet auch nicht nur in Abſicht Teuſchlands, als
eines ſouverainen Staats im Ganzen, ſondern auch
bey den einzelnen teutſchen Landesherrn und andern
blos mit Landeshoheit verſehenen Staaten Platz, wenn
ſie durch ihre Lage oder andere Umſtaͤnde beguͤnſtigt wer-
den, neue Entdeckungen zu unternehmen.
Zweiter Abſchnitt.
Von dem Eigenthum und der Herſchaft in
Anſehung der Gewaͤſſer.
§. 13.
Eigenthum der im Lande befindlichen
Stroͤme, Fluͤſſe ꝛc.
Da nach obigen Grundſaͤtzen das Volk, welches
einen Strich Landes in Beſitz nimt, das Eigenthum
und die Herſchaft uͤber alles erlangt, was in deſſen
gan-
[19]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
ganzem Umfange ſich befindet, ſo gehoͤren ihm ohne
Zweifel auch die vom Lande eingeſchloſſenen Gewaͤſſer,
groſſe und kleine, flieſſende oder ſtehende Landſeen,
Stroͤme, Fluͤſſe, Baͤche, Teiche ꝛc. mit ihrem Bette,
Ufern und Waſſer, ſamt deren Benutzung ausſchließ-
lich, dergeſtalt, daß keine andere Nazion berechtigt iſt,
ohne Erlaubnis ſich irgend etwas davon anzumaaſſen.
Sie machen einen Theil des Gebiets aus, und ein
Volk iſt leicht im Stande, ſich im Beſitz derſelben zu
erhalten, damit ſie nicht wieder in natuͤrlichen Zuſtand
zuruͤckfallen.
§. 14.
Eigenthum der zwiſchen zwey Staaten
laufenden Fluͤſſe.
Ein Volk, welches ein noch unbewohntes Land in
Beſitz nimt, kan allerdings auch den an der aͤuſſerſten
Ausdehnung ſeines Gebiets etwa vorbeilaufenden Fluß
ganz ſich zueignen, wenn jenſeits nicht ſchon ein ander
Volk Rechte darauf erworben hat. Im Fall aber zwey
Nazionen von beiden Seiten zugleich das Land in Be-
ſitz nehmen, oder es wenigſtens von einem ſolchen zwey
Staaten trennenden Gewaͤſſer nicht zu erweiſen iſt, daß
der eine zuerſt den ganzen Fluß ſich zugeeignet habe, ſo
gehoͤrt jedem, weil ſie beide gleiche Rechte darauf ha-
ben, das Eigenthum deſſelben bis in die Mitte; wenn
ſie durch Vertraͤge, das beſte Auskunftsmittel in dieſem
B 2Stuͤcke,
[20]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Stuͤcke, nicht ein anders feſtzuſetzen fuͤr gut finden. a]
In den meiſten Voͤlkervertraͤgen wird aber auch ge-
woͤhnlich die Halbſcheid angenommen, b] und nur ſel-
ten dem einen Volke der ganze Fluß eingeraͤumt. c]
§. 15.
[25]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 15.
Eigenthum des Flußbettes, nach geaͤn-
dertem Lauf des Waſſers.
Aendert ein Fluß, wie es zuweilen geſchieht, ploͤtz-
lich ſeinen Lauf, indem er ſich einen ganz andern Weg
macht, ſo behalten die daran liegenden Voͤlker eben
das Recht am Bette, welches ſie am Fluſſe hatten.
Gehoͤrte er beiden zur Haͤlfte, ſo gehoͤrt ihnen auch das
Bette bis in die Mitte; hatte einer das Eigenthum
allein, ſo bleibt ihm auch das verlaſſene Bette, weil
bey Scheidung des Eigenthums nicht ſowohl auf das
voruͤberflieſſende Waſſer, als auf das feſtgegruͤndete
Bette deſſelben Ruͤckſicht zu nehmen iſt. Anders ver-
haͤlt es ſich bey unmerklichen An- und Abſpielungen
auf der einen und der andern Seite, wovon in dem fol-
genden Abſchnitte bey den natuͤrlichen Anwuͤchſen, und
in dem Kapitel von den Grenzen des Gebietes noch et-
was zu ſagen ſeyn wird.
§. 16.
Eigenthum des Meeres uͤberhaupt.
Weit mehrern Schwierigkeiten iſt die Beſtimmung
des Eigenthums und der Herſchaft der groͤſſern auf der
Oberflaͤche der Erde befindlichen Waſſermaſſen, die
man Meere und offene Seen nennt, unterworfen.
Dieſe wichtige Materie hat von ieher, ſowohl unter
den Schriftſtellern, als unter den Nazionen, mancher-
ley Streit verurſacht. a] Einige haben die voͤllige
Freiheit des Meeres uͤberhaupt von allem Eigenthum
und Herſchaft und den iedermann offenſtehenden Ge-
B 5brauch
[26]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
brauch deſſelben behauptet. b] Andere ſuchten das
Recht und die Moͤglichkeit von deſſen Beſitznehmung
zu erweiſen, und ſchrieben dieſem und ienem Volke das
Eigenthum und die Herſchaft des Meeres zu. c]
Die Gruͤnde der erſtern beſtehen darinnen: Sie
ſagen 1] der Nutzen und Gebrauch des Meeres ſey
unerſchoͤpflich, [inexhauſti vſus] es koͤnne ein ieder ſich
deſſelben bedienen, ohne daß dem andern dadurch etwas
entzogen oder er gehindert wuͤrde, auf dem Meere, z. B.
ebenfals zu ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. ꝛc. die Abſicht der
ausſchließlichen Zueignung falle daher weg, und es ſey
nicht erlaubt, eine Sache der Gemeinſchaft zu entziehn,
die einen hinlaͤnglichen Nutzen und Gebrauch fuͤr alle
gewaͤhre. 2] Das Meer laſſe keine Grenzbeſtimmung
zu, welche doch Statt finden muͤſte, wenn mehrere ſich
das Eigenthum deſſelben anmaaſſen wolten. 3] Keine
Macht der Erde ſey, wegen des groſſen Umfangs der
offenbaren See, hinlaͤnglich, den zum Eigenthum er-
foderlichen Beſitz zu ergreifen, und mit Ausſchlus an-
derer zu behaupten.
Die Gegner erwidern: 1] Jede Sache, die kei-
nen Herrn habe, gehoͤre dem, der ſich derſelben zuerſt
bemaͤchtige. Dieſer Grundſatz ſey auf das Meer ſo-
wohl, als auf die Erde anwendbar. Dieſe ſey in ih-
rem Gebrauche ebenfals unerſchoͤpflich und doch ein Ei-
genthum einzelner Nazionen. 2] Das Meer koͤnne
allerdings durch die Kuͤſten, Klippen, Seebaͤnke, In-
ſeln, Vorgebuͤrge, durch den Kompas, durch die Gra-
de der Meereslaͤnge und Breite, Aequinoctialzirkel und
andere in der mathematiſchen Erdbeſchreibung angenom-
mene und in der Schifskunſt bekante Beſtimmungen
begrenzt werden. 3] Zum Eigenthum ſey eben nicht
ein beſtaͤndiger koͤrperlicher Beſitz erfoderlich; man koͤn-
ne auf einem Landesbezirke eben ſo wenig uͤberal ſeyn,
und ieden Fremden abhalten; genug, daß man ein
Recht
[27]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Recht habe, ihn abzuweiſen, wenn man ihn finde.
Um dies auf dem Meere zu bewuͤrken, ſey die beſtaͤn-
dige Unterhaltung einer Flotte hinlaͤnglich.
Noch andere ſchlagen einen Mittelweg ein und ge-
ben zwar Eigenthum und Herſchaft des Meeres zu,
aber unter gewiſſen Einſchraͤnkungen, wenn naͤmlich
ein Volk ſolche durch Vertraͤge mit den uͤbrigen, ganz,
oder nach gewiſſen Theilen erlangt hat. d]
Was das Meer im Algemeinen betrift, haben nach
meinem Urtheile einzelne Nazionen weder Recht noch
Macht, das Meer, mit Ausſchlus der uͤbrigen, ſich zu-
zueignen. Es iſt nicht zu laͤugnen, daß die Voͤlker,
ſo wie Anfangs einzelne Menſchen und Familien, von
Natur das Recht haben, durch Beſitzergreifung, die
Guͤter der Welt an ſich zu bringen, ſo lange ſie noch
herrnlos ſind. Sie haben an dem Meere ſo viel Recht,
als an der Erde. Aber nur iſt das erſtere nicht blos
als ein Anhang der letztern anzuſehn. e] Es ſind zwey,
auch in Anſehung des Nutzens, den ſie gewaͤhren, ganz
verſchiedene Hauptelemente, woraus unſere Weltkugel
beſteht. So viel Recht nun ieder auf den Gebrauch
der Erde hat, ſo viel Recht hat er auch auf das Meer:
und ſo wenig ein oder etliche wenige Menſchen oder
Voͤlker berechtigt ſind, ſich die ganze Erde ausſchließ-
lich zuzueignen, f] ſo wenig duͤrfen ſie es auch bey dem
Meere thun. Sie koͤnnen Erde und Meer ſich zueignen,
aber von iedem Elemente nur ſo viel als ſie zu ihrer
Erhaltung und Vervolkommung brauchen, und muͤſſen
andern auch das Noͤthige laſſen. Gewoͤhnlich ſehn die-
ienigen, welche einem oder einigen Voͤlkern das Eigen-
thumsrecht des Meeres zuſchreiben, das Meer als einen
unbetraͤchtlichen Theil der Erde an, der als Anhang
zu dem bereits beſitzenden Landesbezirke geſchlagen wer-
den koͤnne. Einige wenige Nazionen wuͤrden auch,
wenn ſie den Einfall haben ſolten, ſich des Meeres
Eigen-
[28]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Eigenthum allein anzumaaſſen, eben ſo wenig im Stan-
de ſeyn, daſſelbe zu behaupten, als wenn bey Anfang
der Erdbevoͤlkerung einige Familien oder Voͤlker ſich
der ganzen Erde oder auch nur eines Welttheils allein
haͤtten bemaͤchtigen wollen.
Wenn das Meer rechtmaͤſſig zu Eigenthum gemacht
werden ſoll, ſo darf iede Nazion von dieſem mit der
Erde gleich wichtigen Elemente, wie gedacht, nur ſo viel
nehmen, als ſie noͤthig hat, und ihr ohne Nachtheil
aller uͤbrigen, die eben das Recht daran haben, ge-
buͤhrt. Da aber die hierzu erfoderliche Abtheilung und
Beſitznehmung unendlichen Schwierigkeiten unterwor-
fen, und kaum moͤglich iſt, ſo bleibt im Algemeinen
der gemeinſchaftliche Gebrauch des Meeres allerdings
beinah das einzige Mittel, denen bey der Eigenma-
chung unvermeidlichen Streitigkeiten auszuweichen.
Hierzu komt, daß der Gebrauch des Meeres keine wei-
tere Bearbeitung, als die Zueignung der Nutzungen,
die es gewaͤhrt, erfodert; daß folglich durch die Ge-
meinſchaft niemanden die Fruͤchte ſeines beſondern
Fleiſſes entzogen werden.
Das Hauptwerk hierbey komt darauf an, daß
man die offene See, oder das groſſe Weltmeer von
den einzelnen Theilen deſſelben, die an oder zwiſchen
die Laͤnder der Nazionen gehen, unterſcheide; wovon
in dem Folgenden gehandelt werden ſoll.
§. 17.
Herſchaft uͤber daſſelbe ohne Eigenthum.
Einige ſind der Meinung, daß eine Nazion, wenn
gleich nicht das Eigenthum oder den alleinigen Beſitz
und Genus, doch wenigſtens die Herſchaft uͤber das
Meer erlangen koͤnne. a] Dieſes waͤren zwey ganz
verſchiedene Dinge, die beiſammen ſeyn, oder getrennt
werden koͤnten, indem ſich auch eine Herſchaft uͤber an-
derer Eigenthum oder uͤber Dinge, die noch in der ur-
ſpruͤnglichen Gemeinſchaft ſind, erwerben laſſe. Zu
dieſer Herſchaft des Meeres rechnen ſie das Recht das
Segelſtreichen zu verlangen, Schifszoͤlle anzulegen,
Schiffahrtsgeſetze zu geben, Verbrechen auf dem Meere
zu beſtrafen u. d. gl. Da aber die Geſetze der Natur
an
[33]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
an ſich keine Herſchaft erkennen, ſo raͤumen die Ver-
theidiger dieſer Meinung auch ein, daß eine ausdruͤck-
liche oder ſtilſchweigende Einwilligung derer hierzu er-
foderlich ſey, uͤber welche die Herſchaft behauptet wer-
den ſoll. Ich will hier nicht alle die Schwierigkeiten,
welchen die Herſchaft uͤber eine in Niemandes Eigen-
thum befindliche Sache unterworfen ſeyn muß, weit-
laͤufig anfuͤhren; b] aber man wird leicht einſehn, daß
zu Einraͤumung einer ſolchen Herſchaft nicht die Ein-
willigung eines oder mehrerer, ſondern aller Theilhaber
noͤthig ſey. Wenn alſo auch eine oder die andere Na-
zion einer dritten iene Herſchaftsrechte zugeſteht, ſo iſt
dies nicht ſowohl fuͤr eine Herſchaft uͤber das Meer,
als fuͤr eine perſoͤnliche Unterwerfung anzuſehn; denn
wenn das Meer nicht im Eigenthum einzelner Voͤlker,
ſondern im gemeinſchaftlichen Beſitz aller iſt, wie kann
die eine Herſchaft anerkennende Nazion den Theil be-
ſtimmen, der ihr gehoͤrt, oder andern etwas vergeben,
wenn ſie nicht eingewilligt haben? Die Herſchaft uͤber
das Meer ohne Eigenthum iſt daher allenfals denkbar,
aber deſto weniger ausfuͤhrbar, da die meiſten Voͤlker
in Europa, deren Beiſtimmung darzu noͤthig waͤre, alle
Herſchaft des Meeres zu bekaͤmpfen ſuchen.
§. 18.
Eigenthum uͤber das Weltmeer oder die
offene See.
So wenig das Meer einer wilkuͤhrlichen Begren-
zung unterworfen iſt, ſo hat doch die Natur ſelbſt es
in verſchiedene groͤſſere und kleinere Abtheilungen ge-
bracht, ie nachdem es hier und da durch nahgelegene
Lande beengt, oder wo dieſe fehlen, eine ungeheuere
Strecke ausgedehnt iſt, die iedoch meiſt alle zuſam-
menhangen. Die letztern heiſſen Ocean, offene See,
Welt- und aͤuſſere Meere. [Oceanus, maria vni-
uerſa, externa.] Die von Laͤndern umgebenen Meere
werden, nach Beſchaffenheit ihres Umfangs und in wie-
ferne ſie mehr oder weniger vom Lande eingeſchloſſen
ſind, geſchloſſene, a] innere Meere [Maria particu-
laria, clauſa, interna] genant. Das, was oben von
dem Eigenthum des Meeres im Algemeinen geſagt
worden iſt, leidet hauptſaͤchlich in Anſehung des Oce-
ans, oder des groſſen Weltmeeres ſeine Anwendung.
Die meiſten Gelehrten, ſelbſt viele von denen, welche
im uͤbrigen das Eigenthum und die Herſchaft der Meere
vertheidigen, ſind dahin einverſtanden, daß der Ocean
voͤllig frey, und weder dem Eigenthum noch der Her-
ſchaft, am wenigſten blos einer oder weniger Nazionen,
unterworfen ſey. b] Der vorzuͤglichſte Grund wird
von der Unmoͤglichkeit der Beſitznehmung und Erhaltung
genommen, doch muß, wie ſchon gedacht, auch noch
die
[35]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
die Unrechtmaͤſſigkeit einer ausſchließlichen Anmaßung
deſſelben in Erwaͤgung kommen. c]
Auſſer den ehemaligen Anſpruͤchen Portugals d]
und nachher gewiſſermaaſſen Spaniens e] hat auch in
neuern Zeiten kein Volk in Europa ausdruͤcklich ein
ausſchließliches Recht auf das Weltmeer behauptet,
obwohl einige Maͤchte der Krone Grosbritannien ein
Beſtreben nach Herſchaft darauf beigemeſſen haben. f]
§. 19.
Eigenthum uͤber die durch Lande abgeſon-
derte Theile des Meeres.
Ob nun gleich die Freiheit der offenen See, oder
der groſſen aͤuſſern Weltmeere, von Eigenthum und
Herſchaft von ieher faſt durchgaͤngig anerkant worden,
ſo haben doch auch immer verſchiedene Nazionen ſich
der in Lande eingeſchloſſenen Abtheilungen des Meeres,
oder der, nach Verſchiedenheit der Laͤnder, mit beſon-
dern Namen belegten Particular-Meere anzumaaſſen
geſucht, und es hat ihnen wenigſtens nicht an Schrift-
ſtellern zu Behauptung ihrer Rechte gefehlt. Wenn
ſaͤmtliche Lande, welche einen ſolchen Theil des Meeres
umgeben, einem Volke gehoͤren, oder wenn, wo meh-
rere daran ſtoſſen, ſich erweiſen lieſſe, daß ein Volk
zuerſt denſelben in Beſitz genommen, und der Eingang
ſo beſchaffen waͤre, daß andere davon fuͤglich abgehal-
ten werden koͤnten, wie z. B. das mittlaͤndiſche Meer
ehemals unter der Roͤmer Herſchaft, ſo kan man die-
ſem Volke das Recht nicht abſprechen, ſich einen ſol-
chen Theil des Meeres zuzneignen: es wuͤrde auch leicht
im Stande ſeyn, theils vom Lande aus, theils mittelſt
einer Flotte ſich bey dem Beſitze zu erhalten und andere
von deſſen Gebrauch auszuſchlieſſen. Den uͤbrigen ge-
ſchieht dadurch kein Unrecht, weil ihnen noch Meer ge-
nug zur Benutzung uͤbrig bleibt. Ich will die vor-
zuͤglichſten Particularmeere kuͤrzlich durchgehn, und zei-
gen, in wie ferne ein oder das andere europaͤiſche Volk
ſich eines Eigenthums daruͤber angemaaſt habe, und
dann bemerken, welche dermalen gemeiniglich fuͤr frey
oder beherſcht gehalten werden.
*] Gro-
[39]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 20.
Das britanniſche Meer.
Unter dem britanniſchen Meere verſteht man nicht
nur, im engern Verſtande, einen Theil des atlanti-
ſchen Meeres, den ſogenanten Kanal zwiſchen den gros-
britanniſchen und franzoͤſiſchen Kuͤſten, von den In-
ſeln Queſſant, bis an die Meerenge von Calais, ſon-
dern auch, in einer weitlaͤuftigern Bedeutung, das
ganze Meer, welches England, Schottland und Irr-
land und die dazu gehoͤrigen Inſeln umfließt. Ueber
beide hat Grosbritannien mehrmalen ein Eigenthum
C 4und
[40]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
und die Herſchaft behaupten wollen, iſt aber beſonders
mit den vereinigten Niederlanden oͤfters daruͤber in
Irrungen und Krieg gerathen. Es ſtuͤtzt ſich auf die
gewoͤnlichen obangefuͤhrten Eigenthumsgruͤnde des
Meeres uͤberhaupt, vornaͤmlich auf einen undenklichen
Beſitz vor Julius Caͤſars Zeiten her: ia es will ſogar
aus dem Namen, den es zum Zeichen des brittiſchen
Eigenthums erhalten haben ſoll, ein Recht herleiten.
Andere europaͤiſche Nazionen, beſonders Frankreich,
haben dieſes Recht aber keinesweges anerkant, und ge-
gen die letztere Behauptung erinnert, daß die Benen-
nung nicht ſowohl von den Britten, als von der itzi-
gen franzoͤſiſchen Landſchaft Bretagne herruͤhre, wie-
wohl die vereinigten Niederlande der Krone Grosbri-
tannien in verſchiedenen Vertraͤgen mancherley Vorzuͤ-
ge in Abſicht auf das britanniſche Meer eingeraͤumt
haben. a]
§. 21.
Die Nordſee oder das teutſche Meer.
Das Eigenthum der Nordſee oder des teutſchen
Meeres, [mare Germanicum] welches zwiſchen Gros-
britannien, den vereinigten Niederlanden, Teutſchland
und Daͤnemark hineingehet, und, mittelſt des Paſſes
von Calais, ſich mit dem Kanal oder eigentlich ſoge-
nanten britanniſchen Meere vereinigt, iſt von Gros-
britannien, den vereinigten Niederlanden und Daͤne-
C 5mark
[42]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
mark verlangt und beſtritten, aber keiner Nazion von
andern zugeſtanden worden.
§. 22.
Die Oſtſee.
Die Oſtſee, oder das baltiſche Meer [mare Balti-
cum] iſt eigentlich ein groſſer Meerbuſen zwiſchen Daͤ-
nemark, Schweden, Rußland, Polen, Preuſſen und
Teutſchland. Auf derſelben ſchreiben ſich Schweden
und Daͤnemark vorzuͤgliche Rechte zu, a] und letztere
Krone hat beſonders in aͤltern Zeiten beinah eine aus-
ſchließliche Herſchaft daruͤber ſich angemaſt, dem aber
Schweden, Polen und die uͤbrigen angrenzenden Na-
zionen widerſprochen haben. Wenn auch Neyrons
Vorgeben gegruͤndet waͤre, daß Schweden, Daͤnemark
und Rußland, in einem Vertrage zwiſchen den letztern
beiden Maͤchten, 1730. das baltiſche Meer unter ſich ge-
theilt haͤtten, b] ſo koͤnte doch dieſes einſeitige Unter-
nehmen den uͤbrigen Nazionen nicht nachtheilig ſeyn. c]
a] Beide
[43]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 23.
[44]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
§. 23.
Mitlaͤndiſches Meer.
Ueber das mitlaͤndiſche Meer, eines der groͤſten,
welches die Lande verſchiedener europaͤiſcher Nazionen
von Aſien und Afrika trennt, und, mittelſt der Meer-
enge von Gibraltar, mit dem atlantiſchen Meere zu-
ſammenhaͤngt, hat, ſeit dem die Herſchaft der Roͤmer,
welche alle daran gelegenen Lande beſaſſen, ein Ende
erreicht, a] im Ganzen eben kein Volk ein ausſchließli-
ches Recht behauptet; auſſer was etwa einige Schrift-
ſteller dieſem oder ienem zuzuſchreiben fuͤr gut gefunden
haben. b] Indes iſt in neuern Zeiten daruͤber geſtrit-
ten worden, ob es fuͤr ein geſchloſſenes Meer zu ach-
ten. c] Auf einzelne Stuͤcke deſſelben hingegen, die
ihren beſondern Namen fuͤhren, z. B. das adriatiſche,
das liguſtiſche Meer, machen mehrere europaͤiſche Voͤl-
ker Anſpruch.
§. 24.
Adriatiſches Meer.
Das Eigenthum und die Herſchaft uͤber das adria-
tiſche Meer, [Mare Adriaticum, Golſo di Venezia] wel-
ches aus einem groſſen Meerbuſen des mitlaͤndiſchen
Meeres zwiſchen den Kuͤſten von Dalmatien, Iſtrien
und Italien von Otranto und gegenuͤber Valona bis
Venedig beſteht, hat beſonders zwiſchen der Republik
Venedig und dem Hauſe Oeſterreich, als Beſitzern des
Koͤnigreichs Dalmatien, dann auch den Koͤnigen von
Neapolis und Sicilien, ingleichen dem Papſt heftige
Streitigkeiten und blutige Kriege veranlaßt. Am leb-
hafteſten verfolgt Venedig, an deren Gebiete dieſes
Meer groſſentheils ſtoͤßt, ihre vermeintlichen Rechte,
und ſucht die Herſchaft dadurch zu erhalten, daß der
Doge, wie bekant, iaͤhrlich mit dieſem Meere, durch
Hineinwerfung eines Ringes, ſich feierlich vermaͤhlt. a]
Die Republik haͤlt ihre Occupation fuͤr ſo rechtmaͤſſi-
ger, weil ihr paͤpſtliche Schenkungen und Verguͤnſti-
gungen b] und dann ein vieliaͤhriger Beſitz zu Statten
kaͤmen, indem iene Feierlichkeit allemal in Gegenwart
von Geſandten der meiſten Voͤlker in Europa geſchaͤhe,
noch keiner aber einen Widerſpruch dagegen vorgebracht
habe. Allein oͤſterreichiſcher Seits erklaͤrt man alles
fuͤr widerrechtliche Anmaaſſungen.
§. 25.
Liguſtiſches Meer.
Ein anderes anſehnliches Stuͤck des mitlaͤndiſchen
Meeres iſt das Liguſtiſche [mare Liguſticum] bei dem
Gebiete der Republik Genua und der Inſel Corſica,
deſſen Eigenthum die erſtere ſich zuſchreibt, und paͤpſt-
liche ſowohl, als kaiſerliche Verguͤnſtigungen, inglei-
chen einen langwierigen Beſitz fuͤr ſich anzieht; aber
andere Nazionen, zumal die daran gelegenen, geſtehn
ihr nichts zu.
§. 26.
Das ſchwarze und einige andere Meere.
An das mitlaͤndiſche Meer ſchlieſſen ſich noch das
aͤgeiſche [mare Aegeum] oder der Archipelagus, wel-
ches mittelſt des Helleſponts, mit dem Mar di Mar-
mora [Propontis] zuſammenhaͤngt, durch den Bosporus
Thracicus geht, und dann das ſchwarze Meer [Pon-
tus
[48]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
tus Euxinus] formirt, von welchem das aſovſche [Pa-
lus Moeotis] noch ein Anhang iſt. Da alle dieſe Mee-
re im Gebiete der ottomanniſchen Pforte liegen, ſo be-
hauptet dieſe auch das Eigenthum daruͤber.
§. 27.
Meerengen und Meerbuſen.
Eben ſo iſt es mit den uͤbrigen kleinern Theilen des
Meeres, Meerengen und Meerbuſen, ſie moͤgen Bayen
oder Buchten ꝛc. ꝛc. ſeyn, beſchaffen. Wenn einem
Volke die ſaͤmtlichen Kuͤſten oder Geſtade gehoͤren,
wie z. B. Schweden an dem finniſchen Meerbuſen,
oder der Pforte an dem Helleſpont und Bosphorus,
oder wenn es ſich unter mehrern zuerſt in Beſitz geſetzt
hat, und ſie ſo beſchaffen ſind, daß es andere davon
abzuhalten vermag, ſo kan ihm das Eigenthum derſel-
ben niemand ſtreitig machen.
§. 28.
Eigenthum und Herſchaft des Meeres an
den Kuͤſten.
Wenn aber die Kuͤſten eines mit Land umgebenen
Theils des Meeres verſchiedenen Nazionen zugehoͤren,
und keine davon dieſen Theil zuerſt in Beſitz genom-
men hat, oder der Umfang deſſelben auch ſo beſchaffen
iſt, daß ein Volk denſelben ausſchlusweiſe zu behaup-
ten nicht im Stande iſt; ſo gehoͤrt iedem anſtoſſenden
Volke ſo viel von dem Meere, als es von den Kuͤſten
aus
[49]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
aus ſich zuzueignen im Stande iſt: das uͤbrige bleibt
blos den anliegenden Nazionen gemeinſchaftlich, wenn
ſie andern den Eingang verwehren koͤnnen, oder, wo
dieſes nicht ſtatt findet, iſt es auch allen andern er-
laubt, ſich des nicht in Beſitz genommenen Theils frey
zu bedienen. Ueberſchreitet der Theil des Meeres, z. B.
eine Meerenge, welche zwiſchen den Landen zweier Na-
zionen durchgeht, die Breite eines groſſen Fluſſes nicht,
ſo hat, wie bey dieſen, iede ein Recht bis auf die
Haͤlfte. a]
Auch von dem offenen Meere, das nicht ins Land
hineingeht, iſt es iedem Volke erlaubt, ſich an den
Kuͤſten, die ihm gehoͤren, ſo viel zuzueignen, als es be-
haupten kan. b] Dieſe Zueignung iſt rechtmaͤſſig und
moͤglich. Es war ieder Nazion von der Natur ver-
ſtattet, von dem Meere, ſo wie von dem Lande, einen
Theil in Beſitz zu nehmen, ſo viel naͤmlich ihre Erhal-
tung und Vervolkommnung erfordert. Sie thut daher
niemanden Unrecht, wenn ſie ſich des ihr zunaͤchſtgele-
genen Meeres ausſchließlich bedienet, und nicht geſtat-
tet, daß andere ihr den ſo nahen Nutzen entziehn. Die
uͤbrigen Voͤlker koͤnnen ſich der offenen See bedienen.
Die Sicherheit und das Wohl des Staats uͤberhaupt
erfordern auch, fremde Schiffe in einiger Entfernung
von den Kuͤſten zu halten, um ſich nicht einem unver-
mutheten Ueberfall auszuſetzen, der hier, wo alles of-
fen, unendlich eher zu befuͤrchten iſt, als bey Nazio-
nen, die mit andern Landen graͤnzen. Die Behauptung,
daß in allen dieſen zu eigen gemachten Theilen des
Meeres, wenigſtens die Schiffahrt, des Handels ꝛc.
wegen, frey bleiben muͤſſe, iſt nach den Grundſaͤtzen
zu beurtheilen, welche weiter unten in Anſehung des
Durchzugs und des Handels durch die Lande eines an-
dern Volks uͤberhaupt vorgetragen werden ſollen.
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. DMoͤg-
[50]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Moͤglich iſt die Beſitznehmung und Behauptung
des an die Kuͤſten ſtoſſenden Meeres auch, weil theils
durch Unterhaltung einer Flotte, theils durch Anſtalten
von den Kuͤſten aus, die Schiffe anderer Nazionen
von deſſen Gebrauche fuͤglich abgehalten werden koͤn-
nen. c]
Wie weit von den Kuͤſten aus ins Meer hinein
das Eigenthum ſich erſtrecke? war beſonders ehedem
eine ſehr ſchwer zu beſtimmende Frage. Die Antwort:
ſo weit man daſſelbe zu behaupten im Stande, war
damals ein ſehr unzuverlaͤſſiger Maasſtaab zur Grenz-
ſcheidung. Jtzt, nachdem das grobe Geſchuͤtz erfunden
worden, hat man das Eigenthum faſt durchgaͤngig ſo
weit angenommen, als das Meer von den Kuͤſten aus
mit Kanonen beſtrichen werden kann. d]
Von den meiſten neuern Voͤlkerrechtslehrern, ſo
wie von den heutigen europaͤiſchen Nazionen ſelbſt,
wird beinah allein uͤber dieſen an die Kuͤſte ſtoſſenden
Theil des Meeres ein Recht des Eigenthums zugeſtan-
den. e]
e] Die
[53]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 29.
Gegenwaͤrtige Grundſaͤtze der europaͤi-
ſchen Nazionen in Abſicht der Her-
ſchaft und Freiheit der Meere.
Nach den heutigen Grundſaͤtzen der Voͤlker in
Europa ſind von den vorgedachten Meeren einige ganz
frey, andere beherſcht und uͤber noch andere wird
geſtritten.
I] Im Eigenthum und beherſcht iſt 1) alles
Meer an den Kuͤſten einer ieden Nazion, ſo weit es
mit Kanonen beſtrichen werden kann. Von ganzen
Meeren, Meerengen ꝛc. 2) das ſchwarze Meer. 3)
Das aͤgeiſche Meer. 4) Das mar di Marmora nebſt
den Meerengen. 5) Der Helleſpont, und 6) Bospo-
rus thracicus, ſaͤmtlich von der ottomanniſchen Pforte.
Die drey Meerengen zwiſchen Daͤnemark und Schwe-
den naͤmlich 7) der Oreſund, 8) der groſſe und 9) der
kleine Belt, welche aus der Nordſee in die Oſtſee fuͤh-
ren, gehoͤren der Krone Daͤnemark a] 10) der bothni-
ſche Meerbuſen von der Oſtſee, der Krone Schweden,
11) der Kanal St. George [mare hibernicum] eine
D 3Meer-
[54]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Meerenge zwiſchen Schottland und Irrland, der Kro-
ne Grosbritannien; den vereinigten Niederlanden 12)
die Suͤderſee, ein Meerbuſen aus der Nordſee im Ge-
biete der Republik; endlich dem Koͤnige von Neapolis
13) die Meerenge zwiſchen Sicilien und Calabrien [fre-
tum ſiculum, auch il Fano di Meſſina.]
II] Frey ſind, ausgenommen den Theil an den
Kuͤſten, 1) der Ocean oder das groſſe Weltmeer nach
allen ſeinen Haupttheilen; vom atlantiſchen Meer,
welches von den Laͤndern, an die es ſtoͤſt, verſchiedene
Benennungen naͤmlich, 2) das luſitaniſche Meer b]
bey Portugal [mare Luſitanicum] 3) das ſpaniſche und
biscayiſche bey Spanien [mare hiſpanicum] 4) das
aqvitaniſche an den Grenzen von Frankreich [mare gal-
licum] erhaͤlt; 5) die Nordſee 6) das weiſſe Meer,
ein groſſer Meerbuſen des Nordmeers, 7) das mitlaͤn-
diſche Meer, und 8) die Meerenge oder ſogenannte
Straſſe von Gibraltar.
III] Man beſtreitet 1) dem Koͤnige von Grosbri-
tannien das Eigenthum des britanniſchen Meeres, be-
ſonders des Kanals; 2) der Republik Venedig, das
adriatiſche; 3) der Republik Genua, das liguſtiſche
Meer: 4) auch das Eigenthum des baltiſchen Meeres
iſt unter ſaͤmtlichen Theilhabern noch unentſchieden. c]
c] Man
[55]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 30.
Rechte des teutſchen Reichs und der ein-
zelnen Landesherrn.
In vorigen Zeiten maaſten ſich die roͤmiſchteutſchen
Kaiſer, vermoͤge ihrer eingebildeten Herſchaft uͤber die
Welt, auch vorzuͤgliche Rechte nicht nur uͤber das an
Teutſchland ſtoſſende Meer, ſondern auch uͤber andere
Meere in Europa an. Daher lieſſen verſchiedene euro-
paͤiſche Nazionen, als ſie noch in genauerer Verbin-
dung mit dem teutſchen Reiche ſtanden, ſich von ihnen
beſondere Verguͤnſtigungen uͤber das Meer ertheilen. a]
Die meiſten der oben erzaͤhlten Eigenthumspraͤtenden-
ten haben dergleichen fuͤr ſich aufzuweiſen. Nachdem
man von ienem Irthum zuruͤckgekommen, maßt ſich
der Kaiſer heutzutage keiner beſondern Oberher-
ſchaft uͤber die Meere weiter an; iedoch ſtehen dem
teutſchen Reiche alle dieienigen Rechte daruͤber zu, wel-
che andere Voͤlker in Europa genieſſen. Dieſe Rechte
aber werden, ſeit begruͤndeter Landeshoheit der Reichs-
ſtaͤnde, nicht vom Kaiſer, ſondern von den einzelnen
Landesherrn ausgeuͤbt, deren Gebiet am Meere liegt;
und zwar nach allen obigen Grundſaͤtzen. b]
Dieſe finden auch zwiſchen den teutſchen Landesherrn
untereinander, z. B. bey dem an den Grenzen von
Teutſchland und der ſchweizeriſchen Eidgenoſſenſchaft
gelegenen, an das Gebiet verſchiedener Reichsſtaͤnde
des ſchwaͤbiſchen Kraiſes ſtoſſenden Bodenſee [mare
Sueuicum, Lacus Bodamicus] ſtatt. Zwar hat das
D 4Haus
[56]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Haus Oeſterreich ſich verſchiedene Vorrechte, ia ſelbſt
eine Oberherſchaft uͤber dieſes ſogenante teutſche Meer
anmaaſſen wollen; aber die uͤbrigen Mitſtaͤnde haben
ſich iederzeit darwider geſetzt. Jeder Landesherr be-
hauptet das Eigenthum und die Herſchaft uͤber den an
ſein Land ſtoſſenden Theil des Sees, und zwar nach
den dort hergebrachten Grundſaͤtzen, ſo weit vom Ufer
in den See hinein, als man leicht Grund faßt, oder
wie es dort heißt, auf den Gruͤnden und Haldinen.
Der Schweb aber, oder die tiefe, weite und freye
See, iſt gemeinſchaftlich. Da dieſe Gruͤnde nicht
uͤberall gleich weit hineingehen, ſo erſtreckt ſich auch das
Eigenthum des einen Landesherrn zuweilen weiter als
des andern. Nur die Stadt Lindau eignet ſich, unter
andern Vorrechten, dieſen See bis in die Mitte zu c].
Drit-
[57]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Dritter Abſchnitt.
Eigenthum des Zuwachſes an Land und Waſſer.
§. 31.
Verſchiedene Arten des Zuwachſes.
Laͤnder, welche am Meere oder andern Gewaͤſſern
liegen, ſind, durch die Gewalt des Waſſers, mancher-
ley zufaͤlligen Veraͤnderungen der Abnahme und Ver-
groͤſſerung unterworfen. Was dem einen entriſſen wird,
waͤchſt gemeiniglich dem andern zu. Dieſer Zuwachs
[acceſſio] iſt auf verſchiedene Art moͤglich. Wenn
das Waſſer nach und nach von einem Lande das Erd-
reich unvermerkt wegnimt, und anderswo anſetzt, ſo
heißt es Anſpielung [alluvio]; ein Anwurf [appul-
ſio, coalitio] hingegen, wenn auf einmal ein betraͤcht-
liches Stuͤck [cruſta] getrennt, und einem andern
Lande zugefuͤhrt wird. Zuweilen ſetzt das abgeſonderte
Erdreich ſich nicht an ein anderes Land, ſondern es haͤuft
ſich im Waſſer und macht, wenn es uͤber daſſelbe her-
vorragt, eine Inſel. Ein abgeriſſenes Stuͤck Land,
welches ſich noch nicht feſtgeſetzt hat, ſondern im Waſ-
ſer, beſonders auf dem Meere herumſchwimmt, wird
eine ſchwimmende Inſel genannt. Die Zueignung
aller dieſer Anwuͤchſe rechnet man zu den urſpruͤnglichen
Erwerbungsarten, weil ſie von der Natur ſelbſt dem
Hauptlande zugefuͤhrt werden.
§. 32.
Eigenthum der Anſpielungen.
So wie ein Volk, welches durch zweckmaͤſſige Vor-
kehrungen ſich dagegen nicht ſchuͤtzt oder ſchuͤtzen kan,
es ſich gefallen laſſen muß, wenn durch natuͤrliche Zu-
faͤlle das Waſſer von ſeinem Grund und Boden das
Erdreich nach und nach wegſpielt, ſo gehoͤrt ihm dage-
gen auch der Zuwachs eigenthuͤmlich, welcher anders-
woher ſeinem Gebiete wieder zugefuͤhrt wird, oder ſonſt
in den ihm gehoͤrigen Waͤſſern entſteht. Es iſt bey al-
maͤligen Anſpielungen nicht zu beſtimmen und zu erwei-
ſen, wem die nach und nach angeſetzten Theile zugehoͤrt
haben; keine Nazion kann ſie daher zuruͤckfodern, oder
ſonſt einigen Anſpruch darauf machen.
§. 33.
Eigenthum der Anwuͤrfe.
Wenn ein betraͤchtliches Stuͤck Erdreich durch irgend
einen gewaltſamen Zufall von einem Gebiete abgeriſſen
und dem andern zugefuͤhrt wird, ſo iſt der vorige Eigen-
thuͤm-
[59]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
thuͤmer zwar eher in Erfahrung zu bringen; nach dem
ſtrengen Rechte der Natur erwirbt aber demungeachtet
dasjenige Volk, an deſſen Territorium es ſich anſetzt,
das Eigenthum daran, indem es aus rechtmaͤſſiger
Ueberzeugung [bona fide] ſich dieſes Zuwachſes bedient,
da es nicht wiſſen kan, ob es wuͤrklich einen Eigenthuͤ-
mer gehabt und ob dieſer nicht ſein Recht daran frei-
willig aufgegeben habe. Das Wiederfoderungsrecht
kan nach dem natuͤrlichen Rechte nur gegen einen un-
rechtmaͤſſigen Erwerber eines andern Eigenthums, und
welcher es mit dem Bewuſtſein der Unrechtmaͤſſigkeit
innehat [malae fidei poſſeſſor] ſtattfinden, a) das Ei-
genthum uͤberhaupt auch nicht laͤnger dauern als der
Beſitz. Der erſte Beſitzer, der ſein Eigenthum durch
einen ſolchen Zufall verliert, hat es, wenn er dem Los-
reiſſen nicht zuvorzukommen, oder das Losgeriſſene ſo-
gleich wieder an ſich zu bringen geſucht hat, entweder
ſeiner Nachlaͤſſigkeit, oder dem Schickſale zuzuſchrei-
ben. Er hat kein Recht des andern Waſſer oder Ge-
biet zu betreten und das, was die Natur demſelben zu-
fuͤhrte, wieder loszureiſſen.
Die roͤmiſchen Rechtslehrer haben dieſen Grundſatz
des ſtrengen Naturrechts etwas zu mildern geſucht, und
erlauben dem vorigen Eigenthuͤmer ſo lange das Wie-
derfoderungsrecht, als die auf dem angeſetzten Stuͤck
Erdreich etwa befindlichen Baͤume und Streicher ꝛc.
nicht Wurzel gefaſt haben b]. Viele Natur- und Voͤl-
kerrechtslehrer haben dieſe allerdings billigere und den
geſelſchaftlichen Verbindungen angemeſſenere, aber blos
wilkuͤhrliche Meinung als einen in der Natur gegruͤn-
deten Satz vorgetragen c].
Einige glauben, daß zu Erlangung des Eigen-
thums an dieſem natuͤrlichen Anwuchſe eine beſondere
Beſitzergreifung noͤthig ſey; d] ſie ſcheint mir aber uͤber-
fluͤſſig, weil ſolcher als ein mit dem Hauptlande ver-
bun-
[60]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
bundener Theil anzuſehen iſt, und nach obigen Grund-
ſaͤtzen niemand anders ſich irgend eines Theils des von
einem Volke einmal beſitzenden Hauptlandes als unzu-
geeignet [res nullius] anmaaſſen kan e].
§. 34.
Inſeln, die in eigenthuͤmlichen Waͤſſern
entſtehn.
Die Inſeln im offenen Meere oder ſonſt einem in
Niemandes Eigenthum befindlichen Gewaͤſſer gehoͤren
nach den im erſten Abſchnitt feſtgeſtelten Grundſaͤtzen
dem erſten Beſitznehmer. Entſtehn dergleichen aber
in einem ſchon eigengemachten Waſſer, ſo gehoͤrt die-
ſer
[61]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
ſer Zuwachs dem Volke, deſſen Eigenthum das Waſ-
ſer iſt. Geſchieht es in dem an den Kuͤſten beſitzenden
Theile des Meeres oder in einem ihm allein zuſtehenden
Fluſſe, ſo iſt die Inſel ihm allein eigen. Dies findet
auch in dem Falle ſtatt, wenn der Fluß bis in die
Mitte einer Nazion zugehoͤrt und an ihrer Seite derglei-
chen anwaͤchſt. Von einer in der Mitte eines getheil-
ten Gewaͤſſers entſtehenden Inſel gehoͤrt jeder ſoviel,
als eine durch die Mitte des Fluſſes gezogene Linie ihr
zutheilt. Iſt das Waſſer ganz gemeinſchaftlich, ſo
wird auch die Inſel ein gemeinſchaftliches Eigenthum;
es muͤſte denn in allen dieſen Faͤllen durch Vertraͤge et-
was anders beliebt werden a].
Es bedarf auch hier keiner weitern Beſitzergreifung:
doch muͤſſen ſchwimmende Inſeln, die von ſelbſt ſich
nicht feſtſetzen, allerdings ergriffen und befeſtigt wer-
den, wenn ein Volk das Eigenthum daran erwerben
will; ſonſt gehoͤren ſie ihm nur ſo lange, als ſie in ſei-
nen Gewaͤſſern ſich befinden.
§. 35.
Anwuchs eines Gewaͤſſers.
Auf aͤhnliche Art iſt auch der Fall zu beurtheilen
wenn zwiſchen zwey Nazionen ein See oder ander Waſ-
ſer, welche der einen allein eigenthuͤmlich gehoͤren, ſich
in das Gebiete der andern ausdehnen. Wird blos
nach und nach unvermerkt von dem Erdreich derſelben
etwas weggenommen und das Waſſer dadurch vergroͤſ-
ſert, ſo komt dies freilich ienem Volke zu gute. Allein
der Beſitzer des Waſſers kan keinen Anſpruch auf das
Land des Nachbars machen, welches durch zeitige Ueber-
ſchwemmung unter Waſſer geſetzt wird, a] oder die
Buchten und Bayen ſich zueignen, welche bey ſolchen
Gelegenheiten etwa in des andern Landen von ſeinem
Gewaͤſſer entſtehen und mit demſelben zuſammenhaͤngen.
Dieſe bleiben dem Eigenthuͤmer des Hauptlandes, wo
der weniger veraͤnderliche Theil, das Bette, entſtan-
den iſt. b].
§. 36.
[63]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
§. 36.
Rechte der teutſchen Landesherrn hierbey.
Alle dieſe Grundſaͤtze ſind auch auf die teutſchen Lan-
desherrn, ſowohl in Ruͤckſicht auswaͤrtiger Nazionen
als unter ſich anwendbar, wenn ſie nicht ganz beſon-
dere Verguͤnſtigungen vom Kaiſer oder andere rechtliche
Titel vor ſich haben. Die algemeinen Belehnungen
mit den Inſeln in einigen Gewaͤſſern ſind, wie beim
Eigenthum der Fluͤſſe uͤberhaupt erinnert worden, der-
malen blos nach den Grundſaͤtzen der Landeshoheit zu
beurteilen a]. Mehrere Landesherrn eignen ſich zwar
in verſchiedenen Fluͤſſen ꝛc. alle entſtehende Inſeln ꝛc.
mit Ausſchlus der benachbarten zu, z. B. Pfalz im
Rhein, Mainz im Mayn ꝛc. ꝛc. aber die uͤbrigen ſind
gewoͤnlich damit nicht einverſtanden b]. Vertraͤge c]
oder beſonderes Herkommen d] geben auch hier der Sa-
che den Ausſchlag.
§. 37.
Eigenthumserwerb an Landen ꝛc. die der
vorige Beſitzer freiwillig wieder
aufgegeben.
Wenn der Eigenthuͤmer den Beſitz eines Landes von
ſelbſt aufgiebt und aufhoͤrt es weiter zu benutzen, ohne
es iedoch auch einem andern zu uͤbertragen [derelictio
praecedens] ſo wird daſſelbe wieder herrnlos [res nul-
lius] und kan daher, nach allen obigen Grundſaͤtzen
von iedem, der zuerſt ſich deſſen von neuem bemaͤchtigt,
in Beſitz genommen und zu eigen gemacht werden a].
Nur iſt zuweilen ſchwer zu beſtimmen, ob etwas fuͤr
auf-
[65]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
aufgegeben zu halten ſey? Komt eine ausdruͤckliche
Erklaͤrung desfals hinzu, ſo iſt die Sache freilich auſſer
Zweifel b]. Sobald indes eine Nazion freiwillig derge-
ſtalt aufhoͤrt ein Land wuͤrklich zu beſitzen und zu benu-
tzen, daß dadurch zugleich alle Merkmale eines fortdau-
ernden Eigenthums verlohren gehen; c] ſo iſt dasjenige
Volk, welches ſich deſſen anmaaſſet, allerdings fuͤr
einen redlichen Beſitzer zu halten, von dem es der vori-
ge Eigenthuͤmer nicht zuruͤckfodern kann d]. Denn ſo wie
zu Erwerbung eines Eigenthums, auſſer der Beſitzer-
greifung nicht eben die ausdruͤckliche Erklaͤrung der
Zueignung erforderlich iſt, wenn dieſe Abſicht ſchon
aus den auf die fortdauernde Benutzung abzweckenden
Thathandlungen erhellet, [§. 3.] ſo iſt auch hier dieſe
Erklaͤrung nicht unumgaͤnglich noͤthig. Der neue Be-
ſitzer eines offenbar verlaſſenen Landes erlangt alsbald
mit der Ergreifung das Eigenthum und bedarf der Ein-
willigung des vorigen Eigenthuͤmers nicht: ſonſt wuͤrde
eben ſo wenig irgend iemand ſeines Beſitzes gewis ſeyn
koͤnnen, als wenn der erſte Beſitzergreifer auf die Ein-
willigung aller uͤbrigen warten ſolte. Die Handlung
ſelbſt legt ſchon den Willen genug am Tage. Dieſe
Erwerbungsart gehoͤrt unter die urſpruͤnglichen, weil
die aufgegebene Sache, vor Erlangung eines andern
Eigenthuͤmers, wieder in ihren natuͤrlichen Zuſtand zu-
ruͤckgeht.
§. 38.
Vermuthliche Verlaſſung eines Landes.
Niemand kann in der Regel wider Willen gezwun-
gen werden, ſein Eigenthum aufzugeben, und es iſt
eine offenbare Beleidigung der Eigenthumsrechte, wenn
ein Volk auf ſolche Art von dem Beſitz eines Landes
verdraͤngt wird a]. Jedoch ſind verſchiedene Voͤlker-
rechtslehrer der Meinung, daß wenigſtens ein nachher
erfolgtes Aufgeben [derelictio ſuperveniens] zu ver-
muthen ſey, wenn der vorige Eigenthuͤmer den unrecht-
maͤſſigen Erwerber viele Jahre im ruhigen und ungeſtoͤr-
ten Beſitz laͤßt b]. Sie nehmen eine ſolche vermuthliche
Auflaſſung [derelictio praeſumta] des Eigenthums
als den Grund der Erwerbung durch die ſogenannte Ver-
iaͤhrung an c]. Da aber in dieſem Falle die, wenn
auch nur ſtilſchweigende, Einwilligung des vorigen Be-
ſitzers noͤthig iſt, wenn der neue ein rechtmaͤſſiges Ei-
genthum erlangen ſoll, die urſpruͤnglichen Erwerbsar-
ten hingegen weiter nichts, als die Beſitzergreifung er-
fodern; ſo gehoͤrt der Erwerb durch langwierigen Be-
ſitz
[71]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
ſitz und Veriaͤhrung, wenn er anders ſtattfindet, mehr
zu den abgeleiteten Arten, wovon in dem folgenden
Kapitel gehandelt werden ſoll d].
§. 39.
Endigung des Eigenthums durch Verluſt
des Beſitzes.
Es komt bey den vorerwaͤhnten Faͤllen hauptſaͤchlich
auf Entſcheidung der ſo oft, beſonders zwiſchen Byn-
E 4kershoeck
[72]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
kershoeck und Titiusa] beſtrittenen Frage an: ob
nach dem Naturrechte das Eigenthum mit Endigung
des Beſitzes einer Sache verlohren gehe, und ob daher
beide gewiſſermaſſen fuͤr gleich zu achten, oder ob das
Eigenthum auch ohne Beſitz fortdauere? Ungeachtet
die meiſten Rechtslehrer der letztern Meinung beitreten, b]
ſo iſt mir die erſtere doch einleuchtender.
Das Eigenthum beſteht in dem ausſchließlichen
Rechte an einer Sache, vermoͤge welchem man dieſelbe
nach Gefallen gebrauchen oder auch einem andern wie-
der uͤberlaſſen kan. Es gehoͤren zu deſſen Erwerbe zwey
weſentliche Erforderniſſe: der Wille der Zueignung und
die wuͤrkliche Beſitzergreifung. So lange beides, der
Wille und der Beſitz fordauern, ſo lange waͤhrt auch
das Eigenthum. Wenn aber eins, und beſonders das
Hauptſaͤchlichſte, der Beſitz fehlt, ſo hoͤrt auch das
Eigenthum auf: der Wille allein vermag nichts. Es
iſt ſonderbar, daß die Gegner dieſer Meinung zum
Verluſt des Eigenthums, ſo wie zu deſſen Erwerbe,
beides, die Aufgebung des Beſitzes und des Willens
fuͤr noͤthig halten, da doch iede Sache der ein weſent-
liches Stuͤck mangelt, aufhoͤrt dieſelbe zu ſeyn. Wie
will man auch etwas, das man nicht im Beſitz hat,
mit Ausſchlus anderer gebrauchen, oder es andern uͤber-
tragen? welches gleichwohl mit dem Begriffe des Ei-
gemhums verbundene Folgen ſind. Das Eigenthum
geht daher, meiner Meinung nach, mit dem Beſitze
verlohren.
Dies iſt auf doppelte Art moͤglich. Der bisherige
Eigenthuͤmer hoͤrt entweder von ſelbſt freywillig auf
zu beſitzen — nicht blos koͤrperlich, ſondern, wie bey
der Beſitzergreifung, durch Aufhebung der Merkmale
und Unterlaſſung der Thathandlungen, welche eine
Sache von den herrnloſen unterſcheiden, — ohne iedoch
den Beſitz einem andern zu uͤbergeben, ſo hat auch das
Eigen-
[73]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Eigenthum ein Ende: ieder kann ſich durch neue Beſitz-
ergreifung die wieder herrnlos gewordene Sache zueig-
nen ohne ſtilſchweigende und vermuthliche Einwilligung
des vorigen Eigenthuͤmers. Sein Beſitz iſt treulich
und rechtlich und dieſer kan ſie auf keine Art wieder
fodern. Wenn er den Beſitz einem andern ausdruͤcklich
uͤbertraͤgt, iſt desfals noch weniger Zweifel vorhanden.
Wird der Eigenthuͤmer hingegen im zweiten Falle,
wider ſeinen Willen, indem er naͤmlich die Sache noch
beſitzt, ſeines Beſitzes beraubt, ſo geht das Eigenthum
allerdings auch’verloren, denn er kan daruͤber nicht
mehr nach Wilkuͤhr ſchalten; allein er hat ohnſtreitig
das Recht Genugthuung deshalb von dem Beleidiger
und unrechtmaͤſſigen Beſitzer zu fodern. Es iſt ihm
auch erlaubt, dieſem die Sache, wo moͤglich, wieder
abzunehmen. Auch der laͤngſte Beſitz kann ihn, wie
in der Folge gezeigt werden ſoll, gegen dieſe Genug-
thuungsfoderung nicht ſchuͤtzen. Nur iſt dies eben keine
Folge eines dem erſtern Beſitzer annoch zuſtehenden Ei-
genthums, ſondern der ihm zugefuͤgten Beleidigung.
Wenn ein anderer die Sache von dem unrechtmaͤſſigen
Beſitzer, ohne ſich des Unrechts auf irgend eine Art
theilhaftig zu machen, rechtmaͤſſig erlangt, ſo kann
der erſte Eigenthuͤmer, dem die Sache wider Willen
entzogen worden, ſie eigentlich von dieſem letztern nicht
wiederfodern, ſondern er muß blos an den Beleidiger
ſich halten.
Nach dieſen Grundſaͤtzen bedarf es weder der ſo
ſchwankenden und in den Rechtsbeſtimmungen gar nicht
zulaͤſſigen vermeintlichen Dereliction, noch der ge-
woͤnlich darauf gegruͤndeten Praͤſcription. Wer den
Beſitz von ſelbſt ausdruͤcklich oder ſtilſchweigend auf-
giebt verliert das Eigenthum auf eine rechtmaͤſſige Weiſe:
wem der Beſitz wider Willen genommen wird verliehrt
es unrechtmaͤſſig und kan die Sache von dem Beleidi-
E 5ger
[74]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
ger iederzeit zuruͤck- und Genugthuung fodern, wenn
er ihm ſolche nicht nachher ausdruͤcklich oder ſtillſchwei-
gend uͤberlaͤßt.
Die in unſerer heutigen Rechtswiſſenſchaft dagegen
aufgenommenen Lehren ſcheinen mir blos wilkuͤhrliche
Grundſaͤtze zu enthalten: und in denen Faͤllen, wo die
Fortdauer eines Eigenthums ohne Beſitz ſich etwa ia
noch annehmen lieſſe, liegen lediglich beſondere Ver-
traͤge zum Grunde. Indes erhellet aus den oben hier
und da vorgekommenen Behauptungen der europaͤiſchen
Nazionen, daß ſie geneigter fuͤr dieſe Abweichungen
ſind.
§. 40.
Beſtimmung des Territoriums.
Alles was ein Volk an Land und Gewaͤſſer a] in
einer zuſammenhangenden Strecke, oder in verſchiede-
nen Weltgegenden eigenthuͤmlich beſitzt, und woruͤber
es die Oberherrſchaft ausuͤbt, macht deſſen Territo-
rium oder Gebiete aus b]. Dasienige wo es ſeinen
eigentlichen und urſpruͤnglichen Wohnſitz hat, wird das
Hauptland, die uͤbrigen auswaͤrtigen Beſitzungen aber
werden
[75]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
werden Nebenlaͤnder genannt. Was in Anſehung
der erſtern Rechtens iſt, gilt in der Regel auch von den
letztern: ob ſie gleich nicht beiſammen liegen, ſo hat
es doch gleiche Bewandnis mit ihnen c]. Je nachdem
eine Nazion ein blos in feſtem Lande beſtehendes Terri-
torium beſitzt, oder auch einen Theil des Meeres unter
ſein Gebiet rechnet, und durch ihre Lage zum Seehan-
del ingleichen zu Unterhaltung einer Flotte, beſonders
von Kriegsſchiffen, beguͤnſtigt wird d] giebt man ihr
den Namen einer Land- oder Seemacht. In Europa
werden hauptſaͤchlich Grosbritannien, die vereinigten
Niederlande, Spanien, Portugal, Sicilien, Daͤne-
mark, Schweden, die Pforte, Venedig und ſeit eini-
ger Zeit auch Frankreich und Rußland, in einem noch
vorzuͤglichern Sinne aber von ieher beſonders die beiden
erſten, weil ihre groͤſte Staͤrke im Seeweſen beſteht,
unter Benennung der Seemaͤchte verſtanden.
Zwei-
[76]
Zweites Kapitel.
Von Erlangung des Eigenthums von andern oder
den abgeleiteten Erwerbungsarten.
§. 1.
Begrif des abgeleiteten Eigenthumser-
werbes.
Die Rechte des Eigenthums erlauben dem rechtmaͤſ-
ſigen Beſitzer einer Sache nicht nur ſich derſel-
ben nach Gefallen zu ſeinem Nutzen zu bedienen, ſon-
dern ſie auch, wenn er es gut oder noͤthig findet, einem
andern eigenthuͤmlich wieder zu uͤberlaſſen. Da aus
dieſem letztern Rechte fuͤr andere dieienigen Erwerbungs-
arten entſpringen, welche man abgeleitete nennt, ſo-
will ich, um die Materie von dem Eigenthumserwerbe
im Zuſammenhange zu vollenden, zuerſt hiervon han-
deln, und dann in der Folge die Benutzung des Eigen-
thums vortragen.
Wenn ein Volk ſein erlangtes Eigenthum eines
Landes — wovon hier hauptſaͤchlich die Rede iſt —
einem andern uͤbertraͤgt, ſo heißt die Handlung des
erſtern eine Veraͤuſſerung [alienatio] und dieſe Art
zum Eigenthum zu gelangen ein abgeleiteter Erwerb
[acquiſitio derivativa]. Bey dieſem Erwerbe von an-
dern kommen daher zwey Stuͤck in Betrachtung: der
Erwerbungsgrund [titulus] und die Uebertragung
[modus] dahingegen bey dem urſpruͤnglichen beyde in
der bloſſen Beſitzergreifung zuſammentreffen.
*] Dan.
[77]Von Erlangung des Eigenthums von andern ꝛc.
§. 2.
Recht zur Veraͤuſſerung.
Die Frage iſt nicht, ob und in wie ferne dem Re-
genten eines Staats, nach Beſchaffenheit der Lande,
die er erb- und eigenthuͤmlich [Patrimonialreiche] oder
nicht beſitzt, das Recht der Veraͤuſſerung, vermoͤge der
innern Verhaͤltniſſe, zuſtehe? Dies muß nach den Vor-
ſchriften der verſchiedenen Staatsgrundgeſetze und Ver-
faſſungen eines ieden Staats uͤberhaupt, auch allenfals
nach den Grundſaͤtzen des algemeinen Staatsrechts be-
urteilt und entſchieden werden; a] ſondern es komt hier
darauf an: ob, wenn dieienigen, welchen es nach der
innern Staatsverfaſſung zukomt, eine Landesveraͤuſſe-
rung vornehmen wollen, andere Nazionen ſich derſelben
widerſetzen koͤnnen? Da ieder mit ſeinem Eigenthum
nach Gefallen alle moͤgliche Handlungen vornehmen
kann und niemand befugt iſt, ſich in dieſelbe zu miſchen,
wenn ihm kein Unrecht dadurch geſchieht, ſo iſt auch
kein Zweifel, daß ein freies Volk wilkuͤhrlich uͤber ſeine
eigenthuͤmlichen Lande ſchalten und ſie, nach Gutbefin-
den, wie und an welche Nazion es will, veraͤuſſern
koͤnne, es muͤſte denn durch Vertraͤge ſich ſeines natuͤr-
lichen Rechts uͤberhaupt, b] oder auch nur in Abſicht
gewiſſer Nazionen c] begeben, oder einem Volke ein
beſonderes Vorrecht eingeraͤumt d] oder endlich andere
Voͤlker ſonſt ein gegruͤndetes Recht zum Widerſpruch
erlangt haben e].
§. 3.
Erwerbungsrecht.
Mit dem Rechte der Veraͤuſſerung ſteht auf der an-
dern Seite das Recht der Erwerbung in der genauſten
Beziehung: wenn dem einen verwehrt iſt zu veraͤuſſern,
ſo kann der andere auch nicht erwerben. Doch geſchieht
es auch, daß man zwar ienem die Veraͤuſſerung aber
dieſem nicht die Erwerbung zugeſtehn wuͤrde. So wie
an ſich iedes Volk die Freiheit hat, durch urſpruͤngliche
Erwerbungen ſeinen Zuſtand zu vervolkomnen, ſo kann
auch in der Regel keinem verwehrt werden, von andern
mehrere Beſitzungen und Laͤnder auf rechtmaͤſſige Art zu
erwerben, wenn nicht die im vorhergehenden Paragra-
phen angefuͤhrten Hinderniſſe eintreten und ein Volk
durch Vertraͤge ſich dieſes Rechts begeben hat a] oder
andere Nazionen aus hinlaͤnglichen Urſachen befugt ſind,
ſich einer ſolchen Erwerbung entgegen zu ſetzen b]. Um
allen Widerſpruͤchen zuvorzukommen bedingt zuweilen
ein Volk ſich von andern, von welchen es dergleichen
beſorgt, die Freiheit ſowohl der Veraͤuſſerung als der
Erwerbung c].
§. 4.
Erforderliche Einwilligung beider Theile.
Zu dem abgeleiteten Erwerbe iſt die Einwilligung
beider Theile noͤthig, desienigen der ſein Eigenthum
veraͤuſſern, und desienigen der es erwerben will, folg-
lich ein foͤrmlicher Vertrag a]. Eine blos einſeitige
Bemaͤchtigung anderer Eigenthums kann nie als recht-
maͤſſig angeſehen werden, wenn deren Genehmigung
nicht dazukomt. Da dieſe Einwilligung, wie bey an-
F 3dern
[86]Von Erwerbung des Eigenthums von andern
dern Vertraͤgen, entweder ausdruͤcklich oder ſtillſchwei-
gend geſchehen kann, ſo flieſſen daraus auch, wie wir
in der Folge ſehn werden, verſchiedene Gattungen des
Erwerbes.
§. 5.
Einraͤumung des Beſitzes.
Die wuͤrkliche Einraͤumung des Beſitzes d. i. die
Handlung, wodurch etwas von einem in die Gewahr-
ſame und Gewalt eines andern gebracht wird [traditio]
halten Grotiusa] und verſchiedene Rechtslehrer nach den
Geſetzen der Natur und alſo unter freien Voͤlkern zu
Erlangung des Eigenthums von andern nicht fuͤr noth-
wendig, ſondern glauben, daß die Uebereinkunft wegen
Ablaſſung eines Eigenthums dem neuen Erwerber ſchon
das Recht zum Beſitz, als eine weſentliche Folge des
Eigenthums zugeſtehe, und den vorigen Eigenthuͤmer
zu Einraͤumung des Beſitzes verbinde. Cocceji und an-
dere b] hingegen ſehen die Uebergabe fuͤr noͤthig an,
weil ienes Verſprechen zwar eine Verbindlichkeit zur
Ueberlaſſung, aber noch nicht die Erwerbung des Eigen-
thums ſelbſt bewuͤrke. So wie der urſpruͤngliche Er-
werb
[87]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
werb des Eigenthums eine Beſitzergreifung erfordere,
ſo gehoͤre auch die Beſitzeinraͤumung zu deſſen Uebertra-
gung auf andere, da ohne ſie keine Benutzung moͤglich
ſey. Puffendorfc] macht einen Unterſchied zwiſchen
Eigenthum ohne Beſitz und mit demſelben, zu welchem
letztern er blos die Uebergabe erfodert. Schrodtd]
glaubt hierbey noch richtiger unter Eigenthumsrecht und
deſſen Ausuͤbung unterſcheiden zu muͤſſen: das erſtere
koͤnne man durch bloſſe Vertraͤge, die letztere erſt durch
Beſitzeinraͤumung erlangen. Mir ſcheint die zweite
Meinung die richtigſte und die Uebernahme des Beſitzes
zu Erlangung des Eigenthums von andern in der Re-
gel allerdings nothwendig zu ſeyn. Ohne Beſitz kann,
wie die Gegner ſelbſt nicht in Abrede ſind, e] keine aus-
ſchließliche Benutzung einer Sache, noch das Vermoͤ-
gen daruͤber nach Wilkuͤhr zu ſchalten, folglich kein
Eigenthum Statt finden. Waͤre die bloſſe beiderſeitige
Einwilligung dazu hinlaͤnglich, ſo muͤſte auch bey der
urſpruͤnglichen Erwerbung der alleinige Wille ein Eigen-
thum verſchaffen; denn der Grund, welchen man an-
fuͤhrt, daß die Uebergabe unnoͤthig ſey, wo der Wille
der Ablaſſung zu Tage liegt, iſt darauf ebenfals an-
wendbar. Das Verſprechen des bisherigen Eigenthuͤ-
mers wegen Ueberlaſſung einer Sache giebt dem andern
ohnſtreitig ein Recht auf das Eigenthum, daß er die
Einraͤumung des Beſitzes fodern, oder ſich ſolchen al-
lenfals ſelbſt verſchaffen kann, aber das volkomne Ei-
genthum erlangt derſelbe nicht eher, als bis er ſich in
deren Beſitz befindet f]. Die Zuſage der Regenten
macht natuͤrlicherweiſe keine Ausnahme von dieſer Re-
gel g]. Wahrſcheinlich haben die durch wilkuͤhrliche
Uebereinkunft eingefuͤhrten Abweichungen von dem ur-
ſpruͤnglichen Naturrechte bey den Lehns- Pfand- und
aͤhnlichen Vertraͤgen, wo auch demienigen, welcher
nicht im Beſitz iſt, dennoch gewiſſe Eigenthumsrechte
F 4zuge-
[88]Von Erwerbung des Eigenthums von andern
zugeſtanden werden, die gegenſeitigen Irthuͤmer und
beſonders den von Puffendorf, Schrodt und andern
angenommenen Unterſchied veranlaßt. Allein in dieſen
beſondern Eigenthumsbeſtimmungen ſind, wie weiter
unten gezeigt werden ſoll, entweder die Eigenthums-
rechte nur geteilt, dergeſtalt, daß beide Theile zuſam-
men erſt ein volkomnes Eigenthum ausmachen, und
weder der Beſitzer allein, noch der, welcher nur gewiſſe
Eigenthumsrechte hat, als volkomner Eigenthuͤmer an-
geſehen werden kann, oder es wird in den Faͤllen, wo
dem Beſitzer ganz kein Eigenthum zukomt, z. B. bey
der Hinterlegung, Verpachtung ꝛc. der Beſitz, durch
Vertrag blos im Namen des Eigenthuͤmers von einem
andern fortgeſetzt. Die Voͤlker ſelbſt ſcheinen auch der
Beſitzeinraͤumung allerdings einigen Werth beizulegen h].
§. 6.
[91]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
§. 6.
Verſchiedene Arten des Erwerbes von
andern.
Die Arten und Bewegurſachen der Veraͤuſſerungen
und Erwerbungen koͤnnen mancherley ſeyn. Man uͤber-
laͤßt einem etwas entweder ohne irgend eine andere
Verguͤtung, oder gegen aͤhnliche und andere Dinge,
oder auch gegen Erfuͤllung ſonſt eines Verlangens; es
geſchieht theils im Leben, theils auf den Todesfall ꝛc.
zuweilen freiwillig oft auch gezwungen ꝛc. daher giebt
es verſchiedene Arten des abgeleiteten Eigenthumser-
werbes, welche den Namen Schenkung, Tauſch, Kauf,
Abtretung, Erbfolge u. d. g. fuͤhren. Ich will die vor-
zuͤglichſten davon nunmehr durchgehen.
***] Einige
[92]Von Erwerbung des Eigenthums von andern
§. 7.
Tauſch.
Die aͤlteſte Erwerbung eines Eigenthums von an-
dern geſchah, in Ermangelung des Geldes, wohl durch
Tauſch. Es iſt auch noch heutzutage unter den Nazio-
nen ſehr gewoͤhnlich, daß eine der andern tauſchweiſe
ein Stuͤck Landes gegen ein anderes uͤberlaͤßt, mehren-
teils um die aus deren Lage herruͤhrenden Unbequemlich-
keiten oder Irrungen zu heben. Dergleichen Austau-
ſchungen, beſonders kleiner Portionen, kommen unter
benachbarten Voͤlkern faſt in allen Grenzvertraͤgen ſo
haͤufig vor, daß es hier wohl keines Beiſpiels bedarf.
Sie werden in Friedensſchluͤſſen, bey Abtretung der
Lande und in andern Vertraͤgen zuweilen ausdruͤcklich
bedungen a]. Auch ſind ſchon ganze Reiche, wie mit
Sicilien
[93]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Sicilien und Sardinien in der Quadrupelallianz, gegen
einander ausgetauſcht worden.
§. 8.
Kauf.
Der Fall, daß eine Nazion fuͤr eine Summe Gel-
des ganze Stuͤcke Landes an eine andere uͤberlaͤßt, ge-
ſchieht, beſonders in neuern Zeiten, zwar ſeltener,
doch finden ſich verſchiedene Beiſpiele davon in der Ge-
ſchichte. So verkaufte die Koͤnigin Johanna von
Neapolis 1358. das Gebiet von Avignon und die
Grafſchaft Venaiſſin um 84000 Livres an den Papſt
Klemens VI. ob ſie aber die Kaufſumme wuͤrklich erhal-
ten habe zweifelt man a]. Ludewig XIV. Koͤnig von
Frankreich kaufte 1662. von Koͤnig Karl III. in Eng-
land die Stadt Duͤnkirchen, Mardyck ꝛc. um 5 Mil-
lionen Livres b]. Kaiſer Karl VI. uͤberließ im Jahre
1713. das aus der ſpaniſchen Verlaſſenſchaft an ihn
gekommene Marqviſat Finale kaͤuflich der Republick
Genua fuͤr 1200000 Gulden c].
b] Du
[94]Von Erwerbung des Eigenthums von andern
§. 9.
Abtretung.
Zuweilen ſieht ein Volk oder deſſen Regent ſich ver-
anlaßt aus ſonſtigen Ruͤckſichten und Beweggruͤnden
einem andern ein Stuͤck Landes freywillig abzutreten,
um dadurch gewiſſe Anſpruͤche oder Foderungen zu be-
friedigen. Dergleichen Ceſſionen pflegen hauptſaͤchlich
bey Friedensſchluͤſſen vorzukommen, wiewohl dieſe letz-
tern mehr zu den unwilkuͤhrlichen Veraͤuſſerungen gehoͤ-
ren. Doch findet man auch auſſerdem mehrere Bei-
ſpiele davon. Portugal trat an Spanien 1777 in dem
Neutralitaͤts- und Handelsvertrage vom 11. Maͤrz die
Inſeln Annobon und Ferdinando del Po ab, um
letzterer Krone den Negerhandel an den Africaniſchen
Kuͤſten zu erleichtern a]. Im Jahre 1784. trat Frank-
reich der Krone Schweden, wegen des ihm eingeraͤum-
ten freien Gebrauchs des Hafens von Gothenburg und
anderer Handelsvortheile die Inſel St. Barthelemy
in Weſtindien ab b]. Der Ueberlaſſung von Landen
als Heirathsgut wird weiter unten gedacht werden.
Oftmals tritt eine Nazion der andern blos ihr Recht
oder ihre Anſpruͤche an ein Land ab, und uͤberlaͤßt es
dieſer, ſolche geltend zu machen c].
c] Davon
[95]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
§. 10.
Schenkung.
Schenkungen ganzer Lande waren in vorigen Zeiten
ebenfals gewoͤhnlicher als dermalen. Beſonders waren
die Paͤpſte ſehr freigebig in Austheilung ſolcher Laͤnder
die ſie weder beſaſſen, noch ſonſt mit Recht in Anſpruch
nehmen konten. Dies geſchah, aus dem damaligen
Wahne einer vorgeblichen Weltherſchaft, vorzuͤglich
unter dem Deckmantel der chriſtlichen Religionsausbrei-
tung, mit den Landen der Wilden und anderer rohen
Voͤlker. Die paͤpſtlichen Schenkungen an Portugal
und Spanien, deren ich ſchon oben [1. Kap. §. 6.
Anmerk.] gedacht habe, gingen nicht nur auf die neuen
amerikaniſchen Entdeckungen, ſondern auf alle Koͤnig-
reiche und Laͤnder der Unglaͤubigen in Africa ꝛc. ꝛc. a],
weshalb auch Ferdinand der Katholiſche von Arrago-
nien verſchiedene Eroberungen daſelbſt vornahm. Die
Inſel Sardinien wurde im Jahre 1004. von Papſt
Johann XVIII. dem, der ſie den Arabern entreiſſen wuͤr-
de geſchenkt, von Papſt Bonifaz VIII. aber 1297.
nebſt Korſika dem Koͤnig Jakob II. von Arragonien ein-
geraͤumt b]. Auf dieſe Art konten ſie die anſehnlichen
Erwerbungen leicht vergelten welche ihnen, groſ-
ſenteils durch eine gutmuͤthige Freigebigkeit zu Theil
wurden. Die angeblichen Schenkungen der fraͤnkiſchen
Koͤnige Pipin und Karls des Groſſen, die Schenkung
und Erbſchaft der reichen Marggraͤfin Mathilde und
unzaͤhlige andere kleine Schenkungen ſind theils zu be-
kant, theils zu weitlaͤuftig, als daß ich ihnen hier
einen Platz einraͤumen koͤnte.
Sonſt
[96]Von Erwerbung des Eigenthums von andern
Sonſt ſchenkte noch die Koͤnigin Charlotte von Cy-
pern dies Koͤnigreich 1485. an Herzog Karl I. von
Savoyen, c] Kaiſer Karl V. die Inſel Maltha 1530
an den Johanniterorden d]. Durch Schenkung erwarb
Frankreich 1349. Dauphiné ꝛc. ꝛc. e].
§. 11.
Wahl.
Die Wahl eines Regenten in bloſſen Wahlreichen,
beſonders wo man ſich auch nicht einmal an eine gewiſſe
Familie zu halten hat, iſt lediglich ein Perſonalwerk
und an ſich weder fuͤr den waͤhlenden Staat, noch fuͤr
das Volk, deſſen Regent zum Beherſcher eines ſolchen
Wahlreichs gerufen wird, ein Land-Erwerbungsmittel;
doch
[97]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
doch kann ſie Gelegenheit dazu geben, wenn die Nazion
einen Regenten waͤhlt, welcher eigene Erblande beſitzt
und ihn vermoͤgen kann, ſolche dem Wahlreiche einzu-
verleiben, wie die Polen durch die Wahl des Herzogs
Jagello 1386 die Verbindung Litthauens mit der Krone
bewuͤrkten a].
Eine dergleichen Erwerbung durch Wahl kann auch
noch in dem Fall geſchehen, wenn in Erbreichen, nach
gaͤnzlichem Abgang des regierenden Hauſes, die Staͤnde
ſich genoͤthigt ſehn ein neues Oberhaupt zu erkieſen.
So waͤhlten in Daͤnemark, nach Abſterben des koͤnig-
lichen Mannsſtamms mit Waldemar III. im Jahre
1375., die Staͤnde GlavIV., Waldemars Enkel von
ſeiner Tochter Margarethe, welcher bald drauf von ſei-
nem Vater das Koͤnigreich Notwegen nebſt den Anſpruͤ-
chen auf Schweden erbte. Dieſe letztern wurden nach-
her von der Koͤnigin Margarethe ausgefuͤhrt und als-
dann dieſe drey Reiche durch die bekante kalmariſche
Union vereinigt b]. Durch die in Portugal, nach Ab-
gang des Mannsſtammes mit Koͤnig Heinrich 1580.,
von den Staͤnden unter den Praͤtendenten vorgenom-
mene Wahl Koͤnig Philip II. von Spanien erfolgte
gleichfals auf eine Zeitlang die Vereinigung dieſer bei-
den Koͤnigreiche c].
§. 12.
Heirath.
Durch Heirath kann ein erblicher Regent auf ver-
ſchiedene Art ſeinem Reiche neue Lande erwerben. Ehe-
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Gdem
[98]Von Erlangung des Eigenthums von andern
dem geſchah es nicht ſelten, daß die Prinzeſſinnen ein
Heirathsgut an Landen und Provinzen erhielten und
ihren Gemalen zubrachten a]. Alphons III. Koͤnig von
Portugal bekam mit der natuͤrlichen Tochter Koͤnig Al-
phons X. von Kaſtilien, Beatrix das Koͤnigreich Al-
garve zum Heirathsgut b]. Philip III. Koͤnig von
Frankreich erwarb mit ſeiner Gemalin Iſabelle von Ar-
ragonien die Grafſchaften Carcaſſonne und Bezier und
erweiterte damit die franzoͤſiſchen Beſitzungen c].
Es iſt auch eine Erwerbung und Vereinigung meh-
rerer Reiche moͤglich, wenn ein Regent eine Gemalin
nimt, die ſelbſt Beherſcherin von Reichen und Landen
iſt. Philip IV der Schoͤne von Frankreich hatte die
Koͤnigin Johanna von Navarra zur Gemalin und
brachte dadurch dies Koͤnigreich wenigſtens eine Zeitlang
an Frankreich. Nachdem es in der Folge wieder eige-
ne Koͤnige gehabt hatte, gelangte nach Karls III. des
letzten Tode deſſen Tochter Blanka zur Regierung.
Dieſe war an Koͤnig Johann II. von Arragonien ver-
maͤlt, welcher daher 1425. das Koͤnigreich Navarra
mit ſeiner Krone verband. Die beiden Koͤnige von
Frankreich Karl VIII. und Ludwig XIII. hatten nach
einander die Herzogin Anna von Bretagne zur Ehe,
durch welche dieſes Herzogthum an Frankreich kam d].
Sind die Beſitzungen des Gemals geringer, ſo wer-
den dieſe auch wohl dem groͤſſern Reiche der Gemalin
einverleibt. So geſchah 1137. die Vereinigung der
Grafſchaft Katalonien mit dem Koͤnigreich Arragonien
da Koͤnig Ramiro II. von Arragonien ſeine Tochter Pe-
tronella an den Grafen Raymund V. von Barcellona
oder Katalonien verheirathete und ihr das Koͤnigreich
zum Heirathsgut uͤberließ e].
Zuweilen haben Prinzeſſinnen ihren Gemalen blos
gewiſſe Anſpruͤche und Rechte auf Laͤnder zugebracht und
dadurch uͤber kurz oder lang dem andern Reiche einen
Zuwachs
[99]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Zuwachs verſchaft. Koͤnig Franz I. von Frankreich
verſprach im Frieden zu Noyon 1516. ſeine Tochter Lu-
dovica dem Koͤnige Karl von Kaſtilien und zum Hei-
rathsgut alle Rechte und Anſpruͤche die er an das Koͤ-
nigreich Neapel hatte f].
Auch auf den Fall, wenn die verabredete Heirath
durch Verſchulden des einen oder des andern Theils
nicht volzogen wuͤrde hat man einander ſchon gewiſſe
Lande zur Entſchaͤdigung verſprochen. Dies geſchah
z. B. in den verſchiedenen Heirathsvertraͤgen zwiſchen
den Koͤnigen von Frankreich und Spanien in Abſicht
einer Vermaͤlung des ſpaniſchen Prinzen Karls, nach-
maligen Kaiſers unter dem Namen Karls V., mit
einer franzoͤſiſchen Prinzeſſin; wiewohl alles unerfuͤlt
blieb g].
Am haͤufigſten aber wird noch heutzutage durch Ver-
maͤlung den Regenten anderer Reiche ein Recht verſchaft,
fuͤr die Zukunft, bey einem nach der Staatsverfaſſung
ſich ereignenden Falle, durch Erbfolge, mehrere Laͤnder
zu erwerben h], das ihnen mitunter in den Ehevertraͤ-
gen ausdruͤcklich zugeſichert zu werden pflegt i].
G 2h] Wenn
[100]Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 13.
Erbfolge vermoͤge Verwandſchaft.
Die bisher angefuͤhrten Erwerbungen der Voͤlker
und ihrer Beherſcher durch freiwillige Veraͤuſſerung an-
derer beziehen ſich auf die im Leben [inter vivos] ge-
woͤnlich vorkommenden Veraͤnderungen: nun ſind noch
dieienigen zu erwaͤhnen uͤbrig, welche auf den Todesfall
zu
[101]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
zu geſchehen pflegen. Auf die Voͤlker ſelbſt laſſen ſich
dieſe, wie Ickſtatt a] ganz richtig erinnert, eigentlich
zwar wohl nicht anwenden, weil dergleichen moraliſche
Perſonen erſt mit voͤlliger Aufloͤſung ihres ganzen geſel-
ſchaftlichen Bandes ein Ende nehmen; da aber in mon-
archiſchen Staaten die Regierung nur durch eine ein-
zige Perſon beſorgt und die ganze Nazion durch den
Regenten dargeſtelt wird, nach deſſen Tode, durch
Wahl oder Erbfolge, iedesmal ein anderer eintreten
muß, ſo kann dieſer Fall, wie ich ſchon bemerkt habe,
oͤfter eine Gelegenheit zum Landeserwerb fuͤr andere
Nazionen werden.
Es iſt freilich unter den Natur- und Voͤlkerrechts-
lehrern eine annoch unentſchiedene Frage: ob die Natur
ſelbſt gewiſſen Perſonen uͤberhaupt oder wenigſtens
denen, welche der Verſtorbene ernannt hat, ein vor-
zuͤgliches Recht auf deſſen hinterlaſſene Guͤter zugeſtehe? b]
Mit dem Tode, ſagen viele, hoͤrt im Naturſtande das
Eigenthum auf, die Guͤter des Verſtorbenen werden,
weil ſie iedem nur zu Befriedigung ſeiner eignen Be-
duͤrfniſſe von der Natur eingeraͤumt waren, wieder
herrnlos, ſo daß ſie, ohne Auswahl, von dem erſten
Beſitzergreifer wieder eigen gemacht werden koͤnnen.
Im urſpruͤnglich natuͤrlichen Zuſtande, den man ſich
ohne eheliche und alle andere geſelſchaftliche Verbindung
folglich ohne Kinder, Verwandten ꝛc. denkt, c] hat
dieſe Behauptung alsdenn allerdings ſeine Richtigkeit,
wenn iemand ohne ſeinen Willen zu erklaͤren verſtirbt.
Grotius glaubt hingegen mit andern d] es ſey, was
der Fall anlanget, da der Beſitzer ohne einen Nachfol-
ger zu ernennen [ab inteſtato] verſtorben, nicht zu
vermuthen, daß er ſeine Guͤter nach dem Tode habe
Preis geben, ſondern wahrſcheinlicher, daß er ſie denen,
welchen er die meiſte Liebe ſchuldig, z. B. ſeinen Kin-
dern, Verwandten ꝛc. habe laſſen wollen; zumal da
G 3aus
[102]Von Erlangung des Eigenthums von andern
aus einer iedermann erlaubten Beſitzergreifung eine
Menge ſchaͤdlicher Unordnungen in Abſicht auf die To-
desfaͤlle entſtehen wuͤrden e]. Allein aus einer ſolchen
bloſſen Vermuthung iſt wohl kein beſtimtes Recht her-
zuleiten: ich glaube vielmehr, daß es, nachdem auf
unſern bewohnten Erdſtrichen alles bereits zu Eigen-
thum gemacht iſt, Nothwendigkeit ſey, wenigſtens den
Kindern und Nachkommen ſeine Guͤter zu hinterlaſſen,
weil dieſe ſonſt, nach der Eltern Tode des nothduͤrf-
tigen Unterhalts und Eigenthums groͤſtentheils wuͤrden
entbehren muͤſſen f]. Die Erbfolge anderer Perſonen
in Ermangelung der Kinder und Nachkommen hinge-
gen beruht ohnſtreitig auf wilkuͤhrliche Beſtimmung
theils des Sterbenden theils der Landesgeſetze.
Nach eingefuͤhrten Staatsverbindungen laͤßt ſich
wenigſtens nicht mehr annehmen, daß die Guͤter der
Verſtorbenen herrnlos wuͤrden. Hier pflegt die Erb-
folge gewiſſer Perſonen durch Geſetze beſtimt zu ſeyn,
im unbeerbten Fall aber das Obereigenthum des Staats
einzutreten. Eben ſo wenig kann ein Volk, nach Ab-
ſterben des Regenten in monarchiſchen Staaten als
erledigt fuͤr ieden andern betrachtet werden, weil wenn
die Regentenfolge nicht in voraus beſtimmt iſt, alle
Gewalt auf das Volk ſelbſt zuruͤckfaͤlt.
Wenn nun eine Nazion die Oberherſchaft einem
Regenten und ſeiner ganzen Familie aufgetragen hat,
oder dieſer ſonſt ſogenante eigenthuͤmliche Lande beſitzt,
uͤber die er wie uͤber Privateigenthum ſchalten kann,
ſo dient vorzuͤglich entweder die in den Grundgeſetzen
etwa vorgeſchriebene oder die ſonſt herkomliche Erbfolgs-
art dabey zur Norm. Bey entſtehenden Zweifeln aber
komt es, da die Natur auſſer der Nachfolge der Kin-
der ꝛc. nichts beſtimt, im erſtern Falle hauptſaͤchlich
auf die Entſcheidung des Volks, im letztern hingegen,
wenn guͤtliche Vereinigung nicht Statt findet, noch
mehr
[103]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
mehr auf den Ausſchlag der Waffen unter den Praͤten-
denten an g].
Die verſchiedenen Gattungen der Erbfolge, die
Theilnahme des weiblichen Geſchlechts daran und deren
gewoͤhnliche Verzichtleiſtungen ſind hier kein Gegenſtand
der Unterſuchung. Bey der Materie von der Regie-
rungsfolge wird noch etwas davon zu ſagen ſeyn, das
weitere gehoͤrt groͤſtenteils in das Staatsrecht. Uebri-
gens iſt dieſe Erbfolge, ſowohl die ſogenante agnati-
ſche, von Seiten der maͤnlichen Verwandten, als
auch die cognatiſche, von weiblicher Seite, eine der
gewoͤnlichſten Arten mehrere Laͤnder zu erwerben, aber
auch die reichhaltigſte Quelle mannichfaltiger Streitig-
keiten unter den Voͤlkern. Beiſpiele hiervon wuͤrden
unnoͤthig ſeyn, da die Geſchichte faſt aller europaͤiſchen
Staaten dergleichen in Menge darbietet, unter andern
auch die weitlaͤuftigen Erbfolgsſtreitigkeiten wegen der
ſpaniſchen und oͤſterreichiſchen Lande in dieſem Jahrhun-
dert gewis iedem Leſer nicht unbekant ſind h].
G 4h] Struvii
[104]Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 14.
Erbfolge vermoͤge letzten Willens.
Auch die natuͤrliche Guͤltigkeit des letzten Willens
[teſtamentum] durch welchen der Erblaſſer allein, ohne
Wiſſen und Einwilligung des Erben erklaͤrt, wer nach
ſeinem Tode zum Beſitz der hinterlaſſenen Guͤter gelan-
gen ſoll, ziehen viele in Zweifel, nicht nur aus den
vorhin angefuͤhrten Gruͤnden, ſondern auch darum,
weil aus einem einſeitigen Willen keine Verbindlichkeit
entſtehe, zu der Zeit aber, wo die Einwilligung des
Erb-
[105]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Erbfolgers hinzukomt, der Verſtorbene den Beſitz
nicht mehr uͤbergeben koͤnne. Das Teſtament ſey alſo
ein unvolkomnes Geſchaͤft, welches blos durch wilkuͤhr-
liche buͤrgerliche Geſetze ſeine Kraft erhalten a]. Allein
da der Eigenthuͤmer einmal das Recht hat nach Wil-
kuͤhr mit ſeinen Guͤtern zu ſchalten und ſolche im Leben
andern zu uͤberlaſſen, ſo verdient die Meinung derer
wohl den Vorzug, welche behaupten, daß auch nach
dem Rechte der Natur die Uebertragung ſeines Eigen-
thums an andere durch einen ſogenanten letzten Willen
gegruͤndet ſey b]. Ohne die Einwilligung des Erben
kann es freilich nicht geſchehn; aber es iſt eben nicht
noͤthig, daß dieſe beiden Willenserklaͤrungen zuſam-
mentreffen. Zur Vollendung der Erwerbung gehoͤrt
zwar auch die Erlangung des Beſitzes, dieſen kan der
Erbe ſich iedoch fuͤglich ſelbſt verſchaffen.
Indes leidet der Gebrauch und die Guͤltigkeit der
Teſtamente unter den Regenten freier Voͤlker, wenn
ſie ſonſt die nach den Staatsgrundgeſetzen erfoderlichen
Eigenſchaften haben, keinen Zweifel, wie die Beiſpiele
mehrerer durch letzte Willen an andere Nazionen gekom-
mener Laͤnder bezeugen. Auch hier verdient das Teſta-
ment Koͤnig Karls II. von Spanien von 1700 woraus
die vorerwaͤhnten Erbfolgsſtreitigkeiten groͤſtenteils ent-
ſtanden, angefuͤhrt zu werden.
§. 15.
Erbfolge vermoͤge Vertrages.
Am wenigſten laͤßt ſich gegen eine Erbfolge einwen-
den, welche durch foͤrmliche Vertraͤge, die man Erb-
folgsvertraͤge, Erbverbruͤderungen ꝛc. [pacta ſuc-
ceſſoria, confraternitates etc.] nennt, zwiſchen den
Regenten zweier Staaten, auf einen gewiſſen Todes-
fall oder nach Erloͤſchung eines ganzen Hauſes, entwe-
der wechſelſeitig oder einſeitig ausdruͤcklich bedungen
wird: vorausgeſetzt, daß ſolche nicht zum Nachtheil
anderer, welche ein gegruͤndetes Recht auf den Nach-
las haben, eingegangen werden. Hier kann der Ver-
ſtorbene auch nicht mehr den Beſitz ſelbſt einraͤumen,
gleichwol ſpricht man dieſen Vertraͤgen deshalb die
Guͤltigkeit nicht ab. Durch eine dergleichen Erbver-
aͤnderung erhielt Koͤnig Ludwig I. von Ungarn 1370
das Koͤnigreich Polen a]. Merkwuͤrdig iſt unter andern
auch der Vertrag zu Troyes 1420. zwiſchen Koͤnig
Karl VI. von Frankreich, oder vielmehr ſeine Gemalin
und dem Koͤnig Heinreich V. von England, vermoͤge
welchem dieſer des erſtern Tochter zur Ehe erhielt und
gleichſam an Sohnes ſtatt, zum Nachtheil des Dau-
phins mit der Bedingung angenommen wurde, daß er
die Krone Frankreich erben ſolte, welches auch geſcha-
he;
[107]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
he; wiewohl dieſe Erbſchaft durch Kriege bald wieder
verlohren ging b].
Hieher kan man auch rechnen, wenn in oͤffentlichen
Vertraͤgen, Friedensſchluͤſſen ꝛc. einem Hauſe der An-
fall gewiſſer Laͤnder zugeſtanden wird, wie z. B. 1713
im Utrechter Frieden zwiſchen Grosbritannien und Spa-
nien Art. 14. und zwiſchen Spanien und Savoyen
Art. 6. bedungen wurde, daß nach Abgang des Hauſes
Savoyen das Koͤnigreich Sicilien an Spanien fallen
ſolte. Darauf that Spanien zwar im Wiener Frieden
1725. Art. 5. u. 7. Verzicht, doch wurde ihm die
Erbfolge in Sardinien vorbehalten.
§. 16.
Schenkung auf den Todesfall.
Zu den Vertraͤgen wegen der Erbfolge gehoͤrt auch
die Schenkung auf den Todesfall [donatio mortis
cauſſa] weil hier der Erbfolger noch bey Lebzeiten des
Erblaſſers ſeinen Willen erklaͤrt ob das voͤllige Eigen-
thum gleich erſt nach deſſen Tode an ihn gelangt. Fuͤr
eine ſolche Schenkung duͤrfte z. B., wenigſtens nach
den Begriffen des natuͤrlichen Rechts, dieienige anzu-
ſehen ſeyn, welche Herzog Karl III. von Lothringen
mit den Herzogthuͤmern Lothringen und Bar an Koͤnig
Ludwig
[108]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Ludwig XIV. von Frankreich 1662 vornahm a] wiewohl
dieſelbe nicht in Erfuͤllung ging.
§. 17.
Freiwillige Unterwerfung.
Eine moͤgliche, obgleich ſeltene Erwerbungsart
kann auch vorkommen, wenn ein Volk, das bisher
einen eigenen Staat ausgemacht hat, ſich, weil es ſeine
Freiheit nicht laͤnger behaupten kan, oder aus andern
Gruͤnden, einen politiſchen Tod zufuͤgt, freiwillig,
und mit Einverſtaͤndnis derer, die ein Recht dabey
haben, die Souverainete aufgiebt und ſich vertragsweiſe
einer andern Nazion als eine Provinz unterwirft a].
Dies war gewiſſermaſſen der Fall als 1396. die Re-
publik Genua ſich der Oberherſchaft der Krone Frank-
reich unterwarf: doch that es mehr blos die Guelfiſche
Parthey, der Staat wurde auch nachher durch die Gi-
bellinen wieder in Freiheit geſetzt b].
§. 18.
Erwerb durch abgenoͤthigte Veraͤuſſerung.
Da bey den Erwerbungen von andern ein beider-
ſeitiges. Einverſtaͤndnis erfoderlich iſt [§. 4.] ſo kann
wider
[109]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
wider Willen keine Nazion in der Regel gezwungen
werden, ihr Eigenthum einer andern auf irgend eine
Art zu uͤberlaſſen a]. Doch giebt es allerdings Aus-
nahmen wo in Nothfaͤllen z. B. zu Beendigung eines
Krieges, oder wenn das algemeine Wohl oder die Er-
haltung eines Staats es ſonſt unumgaͤnglich erfodert,
das andere Volk zur Einwilligung genoͤthigt werden
kan. So lange aber dieſe noch fehlt kann die Erwer-
bung als beſtaͤndig nicht angeſehn werden. Zuweilen
muß ein Staat, durch beſondere Umſtaͤnde veranlaßt,
ſich in voraus verbindlich machen, kuͤnftig eine ver-
langende Veraͤuſſerung unter gewiſſen annehmlichen
Bedingungen einzugehn b].
§. 19.
Einſeitige Vertheilung andrer Laͤnder.
Hieraus folgt von ſelbſt, daß es andern Nazionen
eben ſo wenig erlaubt ſey, uͤber die Lande eines dritten
Volks
[110]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Volks, ohne deſſen Wiſſen und Willen, Verabredun-
gen zu nehmen und deren Abtretung und Vertheilung
zu bedingen; es muͤſte denn gleichfals die aͤuſſerſte Noth
und das Wohl des Ganzen es erfodern. Indes haben
die europaͤiſchen Nazionen freilich ſchon mehrmalen aus
minder wichtigen Urſachen eine ſolche Uebereinkunft fuͤr
erlaubt angeſehen a]. So gingen unter andern im
Jahre 1500 die Koͤnige Ferdinand von Spanien und
Ludwig XII. von Frankreich, welche beide Anſpruͤche auf
das Koͤnigreich Neapel machten, einen Vertrag ein,
wie ſie daſſelbe durch Krieg an ſich bringen und unter
ſich theilen wolten b]. Koͤnig Karl II. von England
errichtete mit Frankreich 1670. ein Buͤndnis gegen die
Vereinigten Niederlande worinne man ſich wegen der
kuͤnftigen Theilung ihrer Lande verglich c]. Hierher
gehoͤren auch die bekanten Theilungstractaten wegen der
ſpaniſchen Monarchie von 1698. und 1700 d]. In
dem Wormſer Vertrage 1743. kamen Grosbritannien,
Sardinien und Oeſterreich uͤberein, daß die Republik
Genua das von Kaiſer Karl VI. 1713. erkaufte Mar-
qviſat Finale gegen eine feſtzuſetzende Summe an Sar-
dinien uͤberlaſſen ſolte, vermoͤge der Anſpruͤche, welche
Oeſterreich darauf zu haben glaubte und welche es an
Sardinien abtrat e]. Nicht weniger kann man hierher
die zwiſchen Rußland, Preuſſen und Oeſterreich 1772.
verglichene Theilung verſchiedener Lande der Krone Po-
len, die ſie mit Vorlegung ihrer darauf machenden
Anſpruͤche in Beſitz nahmen, rechnen.
Andern Maͤchten, welche etwa die Garantie ſolcher
Lande uͤbernommen haben, oder wenn ſonſt das alge-
meine Wohl es erfodert, ſteht allerdings das Recht
zu, ſich dergleichen Maasregeln zu widerſetzen, zumal
wenn ſie darum angeſprochen werden. Von Seiten
der Krone Polen bot man zwar auch alles auf, dieſe
Theilung zu hintertreiben; man proteſtirte dagegen,
ſuchte
[111]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
ſuchte Huͤlfe bey andern Nazionen, beſonders den Ga-
rants der Friedensſchluͤſſe zu Oliva, Wehlau und Kar-
lowitz; aber es war alles ohne Erfolg, ſo, daß ſie
am Ende ſich doch bequemen muſte f].
*] M.
[113]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
§. 20.
Eroberung im Kriege.
Eine der vorzuͤglichſten Gattungen dieſer abgenoͤ-
thigten Erwerbsart ſind die Eroberungen im Kriege und
darauf in den Friedensſchluͤſſen erfolgte Abtretungen,
wogegen andere Nazionen eigentlich nichts zu ſagen
haben, ſie muͤſten denn durch Vertraͤge oder andere hin-
laͤngliche Urſachen, wozu auch die Erhaltung des
Gleichgewichts gezaͤhlt wird, berechtigt ſeyn a]. Die
umſtaͤndliche Eroͤrterung dieſes Gegenſtandes gehoͤrt
iedoch zur Materie des Voͤlkerrechts in Kriegszeiten.
§. 21.
Eigenmaͤchtige Wegnahme.
Es geſchieht aber auch wohl in Friedenszeiten, daß
eine Nazion es fuͤr noͤthig oder zutraͤglich haͤlt, einer
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Handern
[114]Von Erlangung des Eigenthums von andern
andern ein Stuͤck Landes wegzunehmen und ſich deſſen
Beſitzes zu bemaͤchtigen. Sind die Urſachen dazu nicht
ſehr triftig, ſo iſt dies eine offenbare Beleidigung der
Eigenthumsrechte a]. Auſſer der bereits erwaͤhnten
Theilung von Polen giebt die ruſſiſche Einnahme der
Krim eins der neuſten Beiſpiele hiervon. Dieſe ſolte
iedoch, dem Vorgeben nach, nicht aus Vergroͤſſerungs-
ſucht, ſondern aus Nothwendigkeit die Grenzen des
Landes zu ſichern, geſchehen ſeyn, weil ſolche von einer
Rotte Raͤuber bewohnt wuͤrde, die wider alles Voͤlker-
recht Raͤubereyen und Mordthaten in der Nachbarn
Land zu treiben fuͤr Pflicht hielten b].
§. 22.
Abfall einer Provinz und Unterwerfung
an eine andere Nazion.
Eine Nazion kann auch ein Stuͤck Landes verlieren,
wenn eine Provinz durch Empoͤrung ſich losreißt und
entweder einen neuen Staat bildet, [wovon im erſten
Kapitel des erſten Buchs §. 4. bereits gehandelt wor-
den] oder ſich einem andern Volke und Regenten un-
terwirft und dadurch deren Lande erweitert a]. So
wenig eine dergleichen rebellirende Provinz, wenn ſie
einen eignen abgeſonderten Staatskoͤrper bilden will,
eher fuͤr ein freies Volk anzuſehn und zu behandeln iſt,
als bis der vorige Oberherr ſie von dem ihm ſchuldigen
Gehorſam losgezaͤhlt und als frey erkant hat, eben ſo
wenig kann eine Erwerbung auf dieſe Art als recht-
maͤſſig angeſehen werden, bevor die erſtere Nazion ihre
Einwilligung dazu gegeben hat. Ob ſolche Trennun-
gen wohl den uͤbrigen Maͤchten ſelten gleichguͤltig ſeyn
koͤnnen b]
[115]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
koͤnnen b], ſo finden ſich doch in der Geſchichte meh-
rere Beyſpiele von Abfaͤllen und Unterwerfungen, wo-
bey eine und die andere Nazion kein Bedenken getragen
hat, die Unterwerfung gut zu heiſſen, ſie wohl gar zu
veranlaſſen c], oder doch zu beguͤnſtigen um dadurch
auf laͤngere oder kuͤrzere Zeit ihre Lande zu erweitern.
So befreite 1282. Sicilien ſich durch die ſicilianiſche
Veſper von dem franzoͤſiſchen Druck und ergab ſich dem
Koͤnig Peter von Arragonien d]. Preuſſen riß ſich
1454 von dem teutſchen Orden, weil er ihm nicht
Schutz genug gegen ſeine Feinde gewaͤhren konte, los
und unterwarf ſich der Krone Polen e], dagegen fielen
von dieſer 1654 die Koſaken ab und begaben ſich theils
unter ruſſiſche theils unter ottomanniſche Herſchaft f].
Die Provinzen Katalonien und Rouſſillon gingen 1641.
von Koͤnig Philip IV. in Spanien an Frankreich uͤber g].
H 2e] Hiſtoire
[116]Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 23.
Erwerb ſolcher Lande durch ſtilſchweigende
Einwilligung.
Die noͤthige Einwilligung bey dieſen abgeleiteten
Erwerbarten kann, ſchon oben erinnertermaaſſen, wie
bey andern Vertraͤgen, von beiden Seiten ohnſtreitig
auch ſtilſchweigend durch Thathandlungen geſchehen.
Wenn eine Nazion auf vorgedachte eigenmaͤchtige Weiſe
der andern ein Stuͤck landes abnimt oder ſich den aus-
ſchließlichen Beſitz eines Landes anmaaßt, das ſie fuͤr
herrnlos und aufgegeben haͤlt, da es doch noch einen
Eigenthuͤmer hatte, ſo iſt an deren Abſicht der Zueig-
nung wohl nicht zu zweifeln. Sie erlangt nach den
im vorigen Kapitel angefuͤhrten Grundſaͤtzen des natuͤr-
lichen Rechts allerdings auch ein Eigenthum an dem-
ſelben, allein es iſt in Ruͤckſicht des vorigen Beſitzers
ein unrechtmaͤſſiges Eigenthum, zu deſſen Beſtande
wenigſtens ebenfals eine ſtilſchweigende Einwilligung
und Aufgabe ſeines vormaligen Eigenthumsrechts [de-
relictio ſuperveniens] erfolgen muß. Fuͤr nichts an-
ders kann man es aber fuͤglich anſehen, wenn der vo-
rige Eigenthuͤmer, unterrichtet von der unrechtmaͤſſigen
Innehabung, ſolche Handlungen, beſonders mit dem
gegenwaͤrtigen Beſitzer ſelbſt vornimt, welche eine An-
erkennung des Eigenthums nothwendig vorausſetzen a];
z. B. Vertraͤge mit ihm uͤber das Land eingeht, die von
dem andern Volke deshalb angenommenen Titel und
Wappen
[117]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Wapen anerkennt, oder wohl gar deſſen Garantie gegen
einen dritten uͤbernimt, oder durch hinlaͤngliche Ver-
wahrung, wenigſtens doch fortwaͤhrenden Gebrauch des
Titels und Wapens ꝛc. b] die gegentheilige Abſicht we-
gen Vorbehalt ſeiner Rechte an den Tag zu legen.
Wo ſolche Merkmale der Einwilligung vorhanden ſind,
bedarf es weiter keines Verlaufs von vielen oder wenig
Jahren.
§. 24.
Ob durch Veriaͤhrunga) nach den Grund-
ſaͤtzen des natuͤrlichen Voͤlkerrechts?
Eine der wichtigſten aber auch zugleich der beſtrit-
tenſten Fragen im Voͤlkerrecht iſt die: ob durch ſoge-
nante Veriaͤhrung [vſucapio, praeſcriptio a] irgend
ein Recht oder auch der Beſitz und das Eigenthum eines
Landes verloren und von dem andern erworben werden
koͤnne? Die Hauptſchriftſteller des Natur- und Voͤl-
kerrechts, Grotius, Puffendorf, Ickſtatt, Wolf,
Vattel, Real und mehrere b] beiahen, andere hinge-
gen als Vasqvius, du Puy, Aubery, Glafey,
H 3Achen-
[118]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Achenwall ꝛc. ꝛc. c] verneinen ſie und halten die Ver-
iaͤhrung blos fuͤr eine Vorſchrift der Privatgeſetze.
Das Dunkle und Widerſprechende, welches man bey
ſehr vielen in den Grundſaͤtzen und dem Vortrage die-
ſer Materie antrift, ruͤhrt groͤſtenteils von den unrich-
tigen Begriffen her, die ſie ſich von der Voͤlkerveriaͤh-
rung machen, indem ſie dieſelbe mit der ſtilſchweigen-
den Einwilligung durch Handlungen und dem undenk-
lichen Beſitz entweder fuͤr eins halten, oder wenigſtens
vermiſchen d]. Unter der Veriaͤhrung wovon hier die
Rede iſt verſtehe ich dieienige Erwerbungsart, welche
blos durch langwierigen Beſitz aus der Vermu-
thung entſpringt, daß der vorige Eigenthuͤmer durch
bloſſes Stillſchweigen ſeine Rechte aufgegeben und
eingewilliget habe e]. Auſſer einer zum Veriaͤhren taug-
lichen Sache erfodern f] ihre Vertheidiger hierzu haupt-
ſaͤchlich das Stilſchweigen des vorigen Eigenthuͤmers g]
den vieliaͤhrigen, laͤngſtens Menſchengedenken uͤberſtei-
genden Beſitz h) und, beſonders bey Veriaͤhrungen
kuͤrzerer Zeit, auch eine rechtmaͤſſige Ueberzeugung von
Seiten des Erwerbenden i]. Sie glauben daß eines
Theils daraus die Vermuthung entſtehe, der vorige
Beſitzer habe die Sache voͤllig aufgegeben, weil er ſie
ſonſt wahrſcheinlich ſo lange nicht vernachlaͤſſigen und
ſeine Rechte daran, bey vorgekommener Gelegenheit,
bemerklich zu machen gewis nicht unterlaſſen wuͤrde,
andern Theils ſey ein ſo nachlaͤſſiger Eigenthuͤmer, der
das Seinige in den Haͤnden eines andern weiß, ſeines
Rechts billig fuͤr verluſtig zu erklaͤren, weil die alge-
meine Sicherheit und Ruhe eine Gewisheit des Eigen-
thums verlange, welches aber auſſerdem ſtets zweifel-
haft bleiben, und nach ſo langen Jahren ſchwerlich zu
erweiſen ſeyn, folglich beſtaͤndige Zwiſtigkeiten und
Kriege veranlaſſen, auch uͤberhaupt mit einer geringern
Sorgfalt behandelt werden wuͤrde.
Bey
[119]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Bey genauerer Unterſuchung iſt iedoch die Unzu-
laͤnglichkeit dieſer Gruͤnde ſofort einleuchtend. Es iſt
keine Urſach vorhanden, warum das gaͤnzliche Stil-
ſchweigen mehr fuͤr ein Zeichen der Genehmigung als
des Widerſpruchs angeſehen werden ſolte. Die Zeit
an ſich bewuͤrkt eben ſo wenig und kann eine von An-
fang unrechtmaͤſſige Handlung nicht rechtfertigen k].
Aus bloſſen Vermuthungen, die doch eben ſo ſtark und
wohl noch ſtaͤrker fuͤr die Beibehaltung des Eigenthums
ſind, laͤßt ſich kein kraͤftiger Beweis gegen ein gegruͤn-
detes Recht hernehmen, welches durch den nachherigen
Anſpruch dargethan werden kan l]. Bey der im natuͤr-
lichen Zuſtande herſchenden Freiheit und Gleichheit un-
ter den Menſchen und Voͤlkern fehlt es auch an der
Verbindlichkeit, ihre Rechte gegen den dermaligen Be-
ſitzer zu verwahren, zumal wenn Furcht der Uebermacht
oder andere Umſtaͤnde ſie daran hindern m]: eben ſo
wenig ſind andere befugt, die vermeintliche Nachlaͤſſig-
keit durch Entziehung des Eigenthums zu beſtrafen n].
So wie die Natur Sicherung der oͤffentlichen Ruhe
durch Gewisheit des Eigenthums verlangt, ſo will ſie
auch nicht, daß iemanden das Seine von andern blos
durch vieliaͤhrige Vorenthaltung entzogen werde o].
Der Nutzen allein ſchließt die Nothwendigkeit noch nicht
in ſich. Solchergeſtalt laͤßt ſich die Veriaͤhrung nach
dem natuͤrlichen Voͤlkerrechte nicht behaupten.
h] Eine
[121]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
H 5k] Zu
[122]Von Erlangung des Eigenthums von andern
m] Gros-
[123]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
o] Vattel
[124]Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 25.
[126]Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 25.
b) Nach dem freiwilligen und europaͤi-
ſchen Voͤlkerrechte?
Grotius fuͤhlte ſelbſt die Schwaͤche der aus einer
blos vermuthlichen Auflaſſung hergenommenen natuͤr-
lichen Gruͤnde, und ſucht daher der Veriaͤhrung meh-
rere Kraft beizulegen, daß er ſolche als zu dem frei-
willigen Voͤlkerrecht gehoͤrig anſieht a]. Ueberdies
werden von ihm und andern eine Menge Beiſpiele aus
der iuͤdiſchen, griechiſchen, roͤmiſchen und andern aͤl-
tern und neuern Geſchichten angefuͤhrt, welche, be-
ſonders die erſtern, als von dem Volke Gottes herge-
nommen, ein algemeines Anerkentnis der Veriaͤhrung
durch wilkuͤhrliche Einwilligung der Nazionen beweiſen
ſollen b].
Was die Guͤltigkeit der Veriaͤhrung nach dem frei-
willigen Voͤlkerrechte anlanget, ſo laͤßt ſich wohl
kaum mit Grunde behaupten, daß ſie zur geſelſchaftli-
chen Verbindung der Voͤlker ſo weſentlich gehoͤrte, daß
dieſe ohne ſolche Gefahr laufen wuͤrde. Die angefuͤhr-
ten Beiſpiele zeigen zwar, daß einige beſonders aͤltere
Nazionen dem langwierigen Beſitz einige Kraft beige-
legt haben, ſie machen aber keinesweges eine algemeine
auch noch dermalen unter den europaͤiſchen Nazionen
verbindliche zu dem wilkuͤhrlichen Voͤlkerrechte gehoͤrige
Uebereinſtimmung aus.
Dieſe laͤßt ſich auch in Anſehung der letztern nicht
erweiſen. Einige kleinere Maͤchte haben zwar darinn
einige Zuflucht zu finden geglaubt und ſich zuweilen auf
die Veriaͤhrung bezogen c]; auch wohl die groͤſſern,
wenn es ihr Vortheil erfoderte d] und verſchiedene ha-
ben ihre Rechte gegen alle Veriaͤhrung ausdruͤcklich ver-
wahrt e], woraus iedoch noch nicht folgt, daß ſie die-
ſelbe
[127]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
ſelbe fuͤr zulaͤſſig angeſehen, ſondern eben ſo gut, daß
ſie ſich nur noch mehr, auch gegen dieſes Vorurtheil
haben verwahren wollen. Von vielen iſt im Gegen-
theil erweislich, daß ſie ſich gegen die Guͤltigkeit der
Veriaͤhrung, zumal wenn der Beſitzer in keiner recht-
maͤſſigen Ueberzeugung iſt, deutlich erklaͤrt haben f].
§. 26.
Undenklicher Beſitz.
Von der Veriaͤhrung, welche nach richtigen Begriffen
blos eine lange, hoͤchſtens Menſchengedenken uͤberſteigende
Zeit erfodert, iſt der undenkliche Beſitz, d. i. ein ſol-
cher, deſſen Unrechtmaͤſſigkeit, wenn er gleich ſeinem
Urſprunge nach nicht alle erfoderliche Eigenſchaften ge-
habt haben ſolte, ſich weder durch Zeugen noch Urkun-
den erweiſen laͤßt, gar ſehr unterſchieden a]. Faͤlſch-
lich erfodern verſchiedene Voͤlkerrechtslehrer einen ſol-
chen Beſitz bey der Veriaͤhrung b]. Wo dieſer vorhan-
den iſt bedarf es der Veriaͤhrung und vermeintlichen
Aufgabe nicht: es komt auch dabey weder auf einen
rechtmaͤſſigen Titel noch auf eine rechtliche Ueberzeugung
an. Dieſe werden vorausgeſetzt, weil das Gegentheil
ſich nicht erweiſen laͤßt. Ueberhaupt iſt der undenkliche
Beſitz nicht ſowohl eine beſondere Erwerbungsart, als
nur ein Beweis des Eigenthums, der gegen alle andere
Anſpruͤche ſchuͤtzt, indem der Mangel an Nachrichten
die Unmoͤglichkeit in ſich ſchließt, ein gegruͤndeteres
Recht darzuthun.
Wenn man dieſe drey Erwerbsarten und Beſitz-
ſtaͤnde, der ſtilſchweigenden Einwilligung, der
Veriaͤhrung und des undenklichen Beſitzes gehoͤrig
von einander unterſcheidet, ſo wird es, glaube ich,
nicht ſchwer ſeyn, iede derſelben nach ihren vorange-
fuͤhrten eignen Grundſaͤtzen zu beurteilen und deren
Werth unter den Voͤlkern zu beſtimmen.
Zu wuͤnſchen waͤre es freilich, daß die Nazionen
uͤber dieſen ſo wichtigen Gegenſtand eine Richtſchnur
J 2feſt-
[132]Von Erlangung des Eigenthums von andern
feſtſetzen moͤchten, wodurch die aus den oft ſehr weit-
hergeholten Anſpruͤchen entſtehenden Streitigkeiten und
Kriege, zum Beſten der algemeinen Ruhe, um vieles
vermindert werden wuͤrden. Aber dies wird wohl ein
frommer Wunſch bleiben!
§. 27.
Landeserwerb durch Unterthanen.
Noch verdient eine Erwerbsart angemerkt zu wer-
den, wie Nazionen nicht von andern Voͤlkern, ſondern
durch ihre eigene Unterthanen gewiſſermaaſſen den Be-
ſitz ſouverainer Lande erlangen koͤnnen. Eine unab-
haͤngige Privatperſon, die ihr Vaterland, gezwungen
oder freiwillig, auf rechtmaͤſſige Weiſe verlaſſen hat,
kan, wie Vattel lehrt a], ohnſtreitig auf Entdeckungen
ausgehn und wenn es ihr gluͤckt, in einem herrnloſen
Lande ein unabhaͤngiges Eigenthum und deſſen Ober-
herſchaft erlangen, die niemand ihm zu entziehen befugt
iſt. Ob aber wuͤrkliche Unterthanen eines Volks durch
dergleichen auswaͤrtige Entdeckungen und Beſitznehmun-
gen zugleich ein mit Oberherſchaft verbundenes Eigen-
thum daran erwerben koͤnne, oder ob erſtere ihren Sou-
verainen gebuͤhre? iſt eine Frage die nach den Grund-
ſaͤtzen
[133]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
ſaͤtzen des Staatsrechts beurteilt werden muß. Hier
bemerke ich nur ſo viel, daß ſeit den amerikaniſchen
Entdeckungen einige europaͤiſche Nazionen ihren Unter-
thanen, beſonders ganzen Geſelſchaften, zuweilen der-
gleichen Beſitzungen mit einer Art von Oberherſchaft
verſtattet oder nachgeſehen haben. Das von Spanien
den Jeſuiten verſtattete Reich in Paraguay und die Be-
ſitzungen der grosbritanniſchen oſtindiſchen Kompagnie ꝛc.
koͤnnen zum Beiſpiel dienen b].
Wo nun ſolche Beſitzungen in den Haͤnden der Un-
terthanen ſich befinden, kann der Staat ſie von ihnen
entweder durch Vertraͤge, oder, nach Beſchaffenheit
der Umſtaͤnde, durch Einziehung erwerben. Das
Schickſal des ieſuitiſchen Reichs c], die ehemaligen
Abſichten Grosbritanniens, die Beſitzungen der oſtin-
diſchen Kompagnie zur Krone zu ziehen, weil ſolche
in den Haͤnden einer Handelsgeſelſchaft ungebuͤhrlich
und gefaͤhrlich waͤren ſind bekant d].
Daß dergleichen Lande, durch Abtretung oder Weg-
nahme in die Gewalt anderer Nazionen gelangten, wer-
den die Voͤlker, deren Glieder die Beſitzer ſind, ſchwer-
lich zugeben.
J 3*] Von
[134]Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 28.
Rechte und Verbindlichkeiten a) des ver-
aͤuſſernden Volks;
Wenn beide Theile in den Bedingungen der Ver-
aͤuſſerung und des Erwerbes einig ſind, ſo muß ſchon
gedachtermaaſſen die veraͤuſſernde Nazion der andern,
wenn ſie die eingegangenen Verbindlichkeiten erfuͤlt hat,
vor allen Dingen den Beſitz einraͤumen, dieſelbe auch
dabey ſchuͤtzen, wenn das Land von andern in Anſpruch
genommen, und ſie ſchadlos halten, wenn es ihr wegen
aͤlterer Rechte darauf, gar entzogen werden ſolte.
Dieſe Gewaͤhrleiſtung [evictionis praeſtatio] fließt
theils aus der Natur der desfals geſchloſſenen Vertraͤge,
beſonders des Kaufs, Tauſches und dem aͤhnlicher Er-
werbsarten, theils wird ſie auch ausdruͤcklich mit be-
dungen a].
Die durch rechtmaͤſſige Vertraͤge volzogenen Veraͤuſ-
ſerungen der Nazionen ſind in der Regel unwiderruf-
lich und koͤnnen nicht durch die Ausflucht unkraͤftig ge-
macht werden, daß die Grundgeſetze des Staats ſolche
nicht erlaubten, weil die ſo nothwendige Zuverlaͤſſig-
keit der Vertraͤge dadurch verletzt werden wuͤrde. Wenn
die Nazion, aus Noth oder Vortheil bewogen, zur
Veraͤuſſerung ſich entſchließt, ſo entſagt ſie, wie Vat-
telb] behauptet, ſogleich dieſem Grundgeſetze. Iſt
aber der Regent allein, ohne Eiwilligung des Volks
hierzu
[135]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
hierzu nicht berechtiget, ſo muß die erwerbende Nazion
auch auf deren Herbeibringung Bedacht nehmen. In-
des wird zuweilen beim Verkauf ausdruͤcklich der Wie-
derkauf auf beſtimte oder unbeſtimte Friſt verabredet c]
oder bey Abtretungen die Wiedererwerbung unter an-
nehmlichen Bedingungen freigeſtelt d] oder endlich auf
beſondere Eraͤugniſſe der Ruͤckfall feſtgeſetzt e].
Dieſe und alle andere den Vertraͤgen beigefuͤgte Be-
dingungen ſind nach deren Vorſchrift lediglich zu beur-
teilen und beide Theile zu deren Erfuͤllung verbunden.
§. 29.
b) Des erwerbenden Volks.
Das erwerbende Volk wird, ſobald es den Beſitz
erlangt hat, voͤlliger Eigenthuͤmer des Landes und kann
damit, wie mit iedem andern Eigenthum, nach Gefal-
len ſchalten und walten, in ſo fern die Vertraͤge, durch
welche er es uͤberkommen, keine Einſchraͤnkung enthal-
ten.
[137]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
ten. Was wegen Beobachtung der Landesfreiheiten,
Bezahlung der auf den neuerworbenen Landen haften-
den Schulden Rechtens iſt, wird weiter unten gelehrt
werden. Hier iſt nur noch die Frage zu unterſuchen:
ob das erwerbende Volk befugt ſey, die neuen Lande
mit ſeinen bisherigen Beſitzungen zu vereinigen und
nach Befinden ihnen voͤllig einzuverleiben, und als
einen Theil derſelben zu behandeln? Es komt dabey
hauptſaͤchlich auf die Bedingungen und Umſtaͤnde an,
unter welchen der Erwerb geſchehen iſt. Wenn dieſer
unbedingt erfolgt und die Verfaſſung des Landes es
leidet a], ſo findet die Einverleibung allerdings Statt,
zumal wenn, wie oben von Frankreich erwaͤhnt worden,
die Staatsgrundgeſetze die Einverleibung aller Erwer-
bungen zur Nothwendigkeit machen. Gemeiniglich
pflegt ſolche bey der Ueberlaſſung entweder ausdruͤcklich
verſtattet, oder verboten zu werden b].
§. 30.
[139]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
§. 30.
Rechte teutſcher und anderer Landesherrn
in Anſehung des Erwerbes von andern.
Nach eben dieſen Grundſaͤtzen ſind auch die Landes-
veraͤuſſerungen und Erwerbungen der teutſchen und
anderer bloſſen Landesherrn zu beurteilen, in ſo ferne
die Grundgeſetze des Staats von dem ſie abhaͤngig ſind,
ſo viel beſonders die zu demſelben gehoͤrigen Lande be-
trift, nicht eigene Vorſchriften und mehrere Einſchraͤn-
kungen enthalten.
In Teutſchland iſt das Veraͤuſſerungsrecht der
Reichslande ſowohl von Seiten des Kaiſers, als der
Staͤnde in vielen Stuͤcken eingeſchraͤnkt, iedoch ſind
hier Tauſch, Kauf, Abtretung, Erbfolge ꝛc. und andere
freiwillige, auch abgenoͤthigte Veraͤuſſerungen, ebenfals
gewoͤnlich. Dabey komt hauptſaͤchlich die Eigenſchaft
der Lande: ob ſie Lehen oder Erbe? und des Erwerbers:
ob es eine auswaͤrtige Nazion, oder ein Mitſtand? in
Betrachtung a].
Bey den Veraͤuſſerungen an auswaͤrtige Nazionen
iſt wieder ein Unterſchied zu machen: ob ein Stuͤck
Landes ganz von dem teutſchen Reiche getrennt, der
Herſchaft eines andern Volks unterworfen und deſſen
Landen einverleibt wird, oder ob es, mit Beibehaltung
der Reichsverbindung und Hoheit, nur durch perſoͤn-
liche Vereinigung an deſſen Regenten gelangt?
Wenn vorherige Vertraͤge, oder die im teutſchen
Reiche uͤbliche Erbfolgsordnung hierunter nicht ſchon
klare Maaſſe geben, ſo iſt in beiden Faͤllen eigentlich
allerdings die Genehmigung des ganzen Reichs erfoder-
lich b]; doch lehrt die Geſchichte, daß ſowohl mit als
ohne dieſelbe manche Lande in Friedensſchluͤſſen und
andern Vertraͤgen, zum Theil auch auf gewaltſame
Weiſe,
[140]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Weiſe, von Teutſchland ab- und an andere europaͤiſche
Maͤchte gekommen ſind c].
Unter ſich haben die teutſchen Reichsſtaͤnde freiere
Haͤnde, und wenn die unter ihnen vorkommenden Ver-
aͤuſſerungen nicht den Reichsgrundgeſetzen, noch den
Reichs- und Landesverfaſſungen zuwider ſind d], und
bey den Lehnen die lehnsherrliche Einwilligung nicht ver-
abſaͤumt wird, ſo kann ordentlicherweiſe weder Kaiſer
und Reich, noch ein einzelner Reichsſtand, am aller-
wenigſten eine auswaͤrtige Nazion e] etwas dagegen ein-
wenden; es muͤſten denn beſondere Umſtaͤnde eintreten,
welche einen oder den andern gleichwol zum Widerſpruch
berechtigten f].
Genoͤthigt koͤnnen teutſche Landesherrn eben ſo
wenig als freie Voͤlker werden, wider Willen, ihre
Lande wegzugeben — die Faͤlle einer Reichsacht ausge-
nommen —, indes iſt ſchon verſchiedenemal etwas der-
gleichen verlangt und bedungen worden g].
Das Recht der Erwerbungen von auswaͤrtigen
Nazionen iſt nirgends eingeſchraͤnkt. Die teutſchen
Reichsſtaͤnde koͤnnen daher ſo viel unabhaͤngige Neben-
lande erwerben und beſitzen, als ſie Gelegenheit haben
zu erlangen, wenn ſonſt niemand gegruͤndete Urſach
hat, ſich der Erwerbung entgegen zu ſetzen. Sie ſind
in Ruͤckſicht dieſer ganz nach den Grundſaͤtzen des Voͤl-
kerrechts zu beurteilen, und koͤnnen daher auch ihrer
Wiederveraͤuſſerung halber nach Wilkuͤhr ſchalten. Es
fehlt an Beiſpielen von dergleichen Erwerbungen nicht,
und noch heutzutage beſitzen verſchiedene Reichsſtaͤnde
als Kurbrandenburg, Kurhannover ꝛc. zugleich ſouve-
raine Lande in Europa h].
Die Erwerbung der Reichslande ſteht mit der
Veraͤuſſerung in genauem Bezug und kann, unter Be-
obachtung des Erfoderlichen, in der Regel ebenfals
keinem Reichsſtande verwehrt werden i].
Daß
[141]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Daß die Veriaͤhrung bey den Erwerbungen der
Reichsſtaͤnde unter ſich Statt finde leidet keinen Zwei-
fel, da die unter denſelben guͤltigen Reichs- und andere
angenommene Geſetze ſolche ausdruͤcklich anerkennen k].
Die Vereinigung mehrerer unerworbener Lande
oder deren abgeſonderte Regierung haͤngt von der beſon-
dern Verfaſſung der Reichslande und den Bedingun-
gen des Erwerbes ab und kann, wenn ſie dieſen nicht
entgegen iſt von andern Reichsſtaͤnden eigentlich nicht
gehindert werden l]. Aber alle dieſe vielfaͤltigen Be-
ſtimmungen hierunter gehoͤren mehr in die Lehre des
teutſchen Staatsrechts, und wuͤrden unnoͤthigerweiſe
hier zu viel Platz wegnehmen m].
Drit-
[149]
Drittes Kapitel.
Vom gemeinſchaftlichen und geteilten, unvolkomme-
nen und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
§. 1.
Begrif dieſes Eigenthums.
In dem Begriffe des Eigenthums liegt zwar aller-
dings das alleinige Beſitz- und Gebrauchsrecht [1. K.
§. 39.] einer Sache, mit Ausſchlus aller andern Theil-
haber, und wenn dieſe Erforderniſſe unzertrent beiſam-
men ſind, und ohne Einſchraͤnkung ausgeuͤbt werden
koͤnnen, ſo iſt es ein volkommenes, uneingeſchraͤnk-
tes Eigenthum [dominium plenum, illimitatum].
Vermoͤge der dem Eigenthuͤmer zuſtehenden uneinge-
ſchraͤnkten Gewalt, koͤnnen die Rechte des Eigenthums
iedoch, durch das Einverſtaͤndnis mit andern, auf
mancherley Art dergeſtalt beſtimt und verteilt werden,
daß entweder mehrere Perſonen oder Nazionen gleiche
Rechte, obſchon nach einem gewiſſen Maasſtabe, an
dem Beſitze und an der Benutzung haben, oder daß
einige Eigenthumsrechte dieſer, einige einer andern
Perſon oder Nazion zugehoͤren, welche zuſammen erſt
das voͤllige Eigenthum ausmachen [2. K. §. 5.]. Er-
ſteres iſt ein gemeinſchaftliches, letzteres ein geteil-
tes, unvolkommenes Eigenthum [dominium minus
plenum]. Nach dieſem kann eine Art von Eigenthum
ohne Beſitz und Benutzung, und ein Beſitz ohne Eigen-
thum Statt finden a]. Geht der Eigenthuͤmer mit
K 3andern
[150]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
andern blos ſolche Bedingungen ein, wodurch die Frei-
heit in Ausuͤbung der Eigenthumsrechte einigermaaſſen
beſchraͤnkt wird, ſo entſteht ein eingeſchraͤnktes Ei-
genthum [dominium limitatum, reſtrictum] b].
§. 2.
Gruͤndet ſich auf Vertraͤge.
Ein ſolches Eigenthum kann blos durch wechſel-
ſeitige Uebereinkunft und Vertraͤge entſtehen, folglich
gehoͤrt deſſen Erwerb zu dem abgeleiteten. So wie
iedem Eigenthuͤmer erlaubt iſt, ſein Eigenthum ganz
zu veraͤuſſern und andern zu uͤberlaſſen, ſo ſteht dem-
ſelben auch frey, ihnen nur gewiſſe Stuͤcke oder Rechte
davon einzuraͤumen, das uͤbrige aber ſich ſelbſt vorzu-
behalten. Erbſchaft und aͤhnliche Erwerbsarten geben
auch oͤfters zu dergleichen gemeinſchaftlichem oder geteil-
tem Eigenthum Anlas. Es iſt zwar moͤglich daß bey
dem urſpruͤnglichen Erwerbe mehrere gemeinſchaftlich
ein
[151]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
ein Land entdecken und ſich zueignen; dies ſetzt aber
auch ſchon einen Vertrag voraus, weil nach dem ur-
ſpruͤnglichen Naturrechte auf den Fall, wenn mehrere
zufaͤllig ein Land zugleich entdecken und in Beſitz neh-
men, iedem nur ſo viel mit voͤlligem Eigenthum gehoͤrt,
als er wuͤrklich in Beſitz genommen hat a].
§. 3.
Gemeineigenthum.
Das Gemeineigenthum [condominium] welches
in den gleichen ungeteilten Rechten zweier oder meh-
rerer an einer Sache, wiewohl nach verſchiedenem
Maasſtabe a] beſteht, kann, nach dem gleichen oder
ungleichen Verhaͤltnis des letztern wiederum auf man-
cherley Art beſtimt werden. Unter den europaͤiſchen
Nazionen kommen indes dergleichen Gemeinſchaften
ganzer Laͤnder ſelten, wohl aber bey einigen Orten vor.
Zwiſchen Sardinien und Parma z. B. ſollen, nach
Moſers Bericht b], in dem Grenzvergleiche vom
10. Maͤrz 1766. die beiden Orte Monſenico und Mon-
caſacca gemeinſchaftlich geblieben ſeyn. Die Inſel
St. Martin war ehemals Frankreich und den Vereinig-
ten Niederlanden gemein, iedoch mehr nach gewiſſen
beſtimten Theilen, die letztern wurden aber nachher
daraus vertrieben c].
§. 4.
Lehen.
Zu dem geteilten Eigenthum gehoͤren hauptſaͤchlich
die lehnbaren Lande [feuda] an welchen, nach den
Grundſaͤtzen der Lehnsverbindung, dem einen Theile
das ſogenante Obereigenthum [dominium directum]
den andern aber das nutzbare [dominium vtile] unter
dem Verſprechen einer beſondern Ergebenheit und mit
Uebernehmung gewiſſer Verbindlichkeiten zu deren An-
erkennung uͤberlaſſen iſt. Dieſe Theilung kann auf
doppelte Art geſchehen, wenn entweder der volkomne
Eigenthuͤmer einem andern das Obereigenthum mit
Vorbehalt der Benutzung auftraͤgt [feudum oblatum]
oder wenn einer dem andern blos das nutzbare Eigen-
thum zugeſteht, ſich aber die uͤbrigen Eigenthumsrechte,
oder das Obereigenthum ausbedingt [feudum datum].
Von dieſen in aͤltern Zeiten auch unter den Staaten
in Europa ſehr haͤufigen Lehnsverbindungen, von wel-
chen heutzutage vorzuͤglich noch die Lehnsabhaͤngigkeit
des Koͤnigreichs Neapel von dem paͤbſtlichen Stuhle
und der Inſel Malta von Sicilien bemerkt zu werden
verdient, habe ich, in Beziehung auf deren Unſchaͤd-
lichkeit gegen die Souverainetaͤt, ſchon oben [1. B.
1. K. §. 38. im 1. Th. S. 135. ff.] gehandelt.
§. 5.
[153]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
§. 5.
Pfandſchaft.
Dieſe Theilung des Eigenthums tritt auch bey der
Verpfaͤndung [pignus] ein, wenn eine Nazion der
andern zur Sicherheit und Entſchaͤdigung einer von ihr
erhaltenen Geldſumme oder eines ihr gegebenen Ver-
ſprechens a], bis zu deren Wiedererſtattung oder Er-
fuͤllung, den Beſitz und gemeiniglich auch die voͤllige
Benutzung eines Stuͤck Landes [cum pacto antichre-
tico] einraͤumt. Es ſey nun daß man annehme, es
werde hier, nach der angeblichen Eigenſchaft der ehe-
maligen teutſchen Pfandſchaften, ein wenigſtens nutz-
bares Eigenthum, bis zu Erfuͤllung der eingegangenen
Verbindlichkeiten auf den andern uͤbertragen b], wel-
ches den natuͤrlichen Begriffen des Eigenthums, wo-
bey das Hauptwerk auf den Beſitz ankomt, keinesweges
entgegen iſt; oder daß man dem Pfandsinnhaber blos
einen im Namen des Schuldners fortfuͤhrenden Beſitz
ohne alles Eigenthum, beilege, zumal wenn dieſer
mehrere Eigenthumsrechte ſich ausdruͤcklich vorbehalten
hat; ſo iſt doch auch das Eigenthum des letztern, wenn
Beſitz und Benutzung ihm fehlen, fuͤr kein volſtaͤndi-
ges anzuſehn, ſondern in beiden Faͤllen eine Theilung
der Eigenthumsrechte vorhanden.
Dergleichen Verpfaͤndungen waren ehedem nicht
ſelten unter den Nazionen. So wurden die Staͤdte
und Schloͤſſer Vliſſingen, Rameken und Briel ꝛc.
von den Vereinigten Niederlanden 1585. an England
verpfaͤndet, unter Jakob I. aber wieder eingeloͤſt c].
Daͤnemark uͤberlies 1654. an Schweden die Provinz
Halland mit ihren Zugehoͤrungen zu Sicherung des ge-
ſchloſſenen Friedens auf dreiſſig Jahr zum Unterpfand d].
Im Jahr 1768 trat Genua die Inſel Corſica an Frank-
K 5reich
[154]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
reich pfandweiſe, aber wie einige wollen mehr zum
Schein und wuͤrklich, eigenthuͤmlich ab e].
Der Vertrag, wodurch iemanden ein Unterpfands-
recht an einer Sache zugeſtanden wird, ohne ſie ihm
in Beſitz zu geben [hypotheca] iſt mehr, zum Vortheil
der Privatverhaͤltniſſe, durch buͤrgerliche Geſetze einge-
fuͤhrt, und hat bey den Geſchaͤften der Nazionen kei-
nen ſonderlichen Nutzen; da ein Volk, im unterblei-
benden Zahlungsfall, auch ohne beſondere Verſicherung
auf ein gewiſſes Land, ſich an den ſaͤmtlichen Beſitzun-
gen der ſchuldigen Nazion zu erholen berechtiget iſt f].
Am wenigſten weiß das Natur- und Voͤlkerrecht etwas
von einer ſtilſchweigenden Hypothek, wie das roͤmiſche
Recht ſie lehrt g]. Indes fehlt es nicht ganz an Bei-
ſpielen von Hypotheken der erſtern Gattung unter den
europaͤiſchen Nazionen; wie unter andern die Vereinig-
ten Niederlande 1625. der Krone England in einer
Verſchreibung ein bloſſes Unterpfandsrecht an allen
ihren Provinzen, Staͤdten ꝛc. Vermoͤgen ꝛc. zuſicher-
ten h]. Da hierdurch das Eigenthumsrecht des
Schuldners an dem Lande, worauf eine ſolche Verſi-
cherung haftet, allerdings dergeſtalt eingeſchraͤnkt wird,
daß er eigentlich, ohne Zuthun des Glaͤubigers, nicht
nur frey damit nicht ſchalten, ſondern dieſer auch, der
Zahlung wegen, eines vorzuͤglichen Rechts an dem ver-
hypothecirten Lande ſich anmaaſſen, und es, wie einige
wollen, ſogar von dem dritten Beſitzer, an den es,
ohne ſeine Einwilligung gelangt iſt, zuruͤckfodern kann;
ſo laͤßt ſich dabey auch fuͤglich ein nicht blos einge-
ſchraͤnktes, ſondern ein wuͤrklich unvolkomnes und ge-
teiltes Eigenthum annehmen.
§. 6.
Depoſitum.
Es geſchieht zuweilen, daß ein Volk einige ihm
eigenthuͤmlich zugehoͤrige oder in ſeiner Gewalt ſich be-
findliche
[156]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
findliche Lande oder Orte einer andern Nazion auf eine
Zeitlang in Beſitz und Gewahrſam giebt, ohne ihr
iedoch ein weiteres Eigenthum daran zuzugeſtehn. Der
Beſitzer uͤbt daher die ihm dabey etwa uͤberlaſſenen
Rechte, ſo wie den Beſitz ſelbſt blos an der Stelle und
im Namen des wuͤrklichen Eigenthuͤmers aus, und
dieſer behaͤlt allerdings, auch ohne Beſitz noch Rechte
des Eigenthums, weil hier ausdruͤcklich dem andern
nichts als der bloſſe Beſitz ꝛc. eingeraͤumt worden. Es
iſt aber immer ein ſehr unvolkomnes Eigenthum, weil
daran eins der wichtigſten Erfoderniſſe, der Beſitz
mangelt.
Die Urſachen und Abſichten einer ſolchen Beſitzein-
raͤumung koͤnnen mancherley ſeyn. Im dreiſſigiaͤhrigen
Kriege wurden der Krone Frankreich 1634. von Schwe-
den und den evangeliſchen Reichsſtaͤnden in Teutſch-
land die Feſtung Philipsburg und verſchiedene Staͤdte
im Elſas zu ihrer und der Staͤnde Sicherheit in Ver-
wahrung gegeben a]. Im Jahre 1757. gab die Kai-
ſerin Koͤnigin die Haͤfen Oſtende und Nieu port dem
Koͤnige in Frankreich in Verwahrung b]. Bey der
unlaͤngſt errichteten bekanten Reichenbacher Convention
zwiſchen Oeſterreich und der Pforte wurde ebenfals be-
dungen, daß erſteres die Feſtung Choczim bis zum
Frieden zwiſchen Rußland und der Pforte als ein De-
poſitum behalten ſolte c].
c] de
[157]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
§. 7.
Seqveſtration.
Eine mit der vorigen verwandte Beſitzart ohne Ei-
genthum iſt die Scqveſtration, wenn ein zwiſchen
mehrern im Streite befangenes Land einem dritten bis
zu Austrag der Sache, mit Einwilligung der Theil-
haber a], in Beſitz gegeben wird. Auch hiervon kom-
men Beiſpiele in der europaͤiſchen Staatengeſchichte vor.
Als man in den Streitigkeiten zwiſchen Polen und
Kurbrandenburg wegen Elbingen verlangte, daß vor
Angehung der Tractaten, dieſe Stadt zufoͤrderſt reſti-
tuirt werden ſolte, wolte Kurbrandenburg ſich dieſes
nicht gefallen laſſen, ſondern allenfals die Stadt den
Mediatorn als ein Seqveſtrum einſtweilen einraͤu-
men b]. Dem Koͤnig von Preuſſen wurde 1713. von
den nordiſchen Alliirten das von Schweden eroberte
Stettin in Seqveſtration gegeben c].
§. 8.
Eingeſchraͤnktes Eigenthum.
Die Ausuͤbung des Eigenthums kann, wenn auch
deſſen vorzuͤglichſte Rechte, der Beſitz und die Benu-
tzung unzertrennt beiſammen ſind, doch durch Vertraͤge
verſchiedentlich eingeſchraͤnkt werden, wenn der Eigen-
thuͤmer ſich dadurch entweder ſeiner Freiheit in gewiſſen
Stuͤcken, z. B. der wilkuͤhrlichen Veraͤuſſerung, zum
Vortheil eines andern begiebt, oder ihm einigen An-
theil an der Ausuͤbung dieſes oder ienes Rechts ein-
raͤumt. Dergleichen Einſchraͤnkungen finden bey allen
einzelnen Rechten des Eigenthums Statt, und ſchla-
gen in die Materie der ſogenanten Voͤlkerdienſtbarkei-
ten mit ein, wovon in der Folge mehrere Beiſpiele vor-
kommen werden.
§. 9.
Rechte der Theilhaber.
Daß die geſetzlichen Vorſchriften der Privat-Lehn
und anderer buͤrgerlichen Rechte hier keine Anwendung
leiden
[159]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
leiden darf ich kaum erinnern. Da alle dieſe beſondern
Beſtimmungen des Eigenthums auf wilkuͤhrliche Ein-
richtungen und Vertraͤge beruhen, ſo muͤſſen die Rechte
der Theilhaber auch lediglich darnach, nach dem Her-
kommen und allenfals aus der Abſicht und Natur dieſer
Vertraͤge beurteilt werden.
In Anſehung der zwiſchen mehrern gemeinſchaft-
lichen und geteilten Eigenthumsrechte, die zuſammen
erſt ein volſtaͤndiges Ganzes ausmachen, ergiebt ſich
im Algemeinen ſoviel, daß kein Theilhaber nach voͤlli-
ger Wilkuͤhr mit dem ganzen Lande, und uͤber den ihm
zuſtehenden Antheil nur in ſo weit ſchalten, denſelben
veraͤuſſern oder ſonſt gebrauchen kann, als dem andern
Theile kein Schaden dadurch zugefuͤgt wird.
Was die Lehen inſonderheit anlanget a] kann da-
her der Vaſall ohne Einwilligung des Oberlehnsherrn
[domini directi] das Lehn weder veraͤuſſern, verpfaͤn-
den, demſelben eine bleibende Dienſtbarkeit auflegen,
noch irgend einen dem Obereigenthum nachtheiligen Ge-
brauch davon machen, wenn ihm nicht eins oder das
andere ausdruͤcklich zugeſtanden iſt b] wohl aber hat
er das Recht, alle Eigenthumsnutzungen ſelbſt oder
durch andere daraus zu ziehn. Eine Afterverleihung
[ſubinfeudatio] und Aufkuͤndigung des Lehns [refuta-
tio feudi] findet nur dann Statt, wenn ſie ohne den
mindeſten Nachtheil des Lehnsherrn geſchehen koͤnnen.
Eben ſo wenig kann dieſer, zum Schaden des Vaſal-
len das Obereigenthum wilkuͤhrlich veraͤuſſern, weil es
bey der Lehnsverbindung zumal in aufgetragenen Lehen,
mehr auf moraliſche Rechte und Pflichten, als auf
phiſiſche Leiſtungen ankomt c]: er darf das nutzbare Ei-
genthum nicht eher, als bis es, nach den Bedingungen
des Lehnsvertrages, durch den Tod des Vaſallen, oder
aller derer, welchen die Nachfolge zugeſtanden worden,
oder durch Vergehn wider die Lehnsverbindlichkeit d]
[Felonie]
[160]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
[Felonie] eroͤfnet wird wieder an ſich ziehn; doch iſt
ihm frey, auf den bevorſtehenden Anfall, andern in
voraus eine Anwartſchaft [Expectanz] darauf zu er-
theilen e]. Uebrigens iſt der Lehnsherr und der Vaſall
zu Leiſtung alles deſſen verbunden, was die Lehnbriefe
und andere Vertraͤge oder ein beſtaͤndiges Herkommen
verlangen f]. Dieſe geben bey entſtehenden Irrungen
auch lediglich den Ausſchlag g]. Die Aufhebung der
Lehnsverbindung, wie iedes andern Vertrages, durch
gemeinſames Einverſtaͤndnis, leidet keinen Zweifel,
und haben wir davon Beiſpiele zwiſchen Polen und
Preuſſen ꝛc.
Bey den Pfandſchaften h] kan der Schuldner die
ihm vermoͤge des Vertrages auch ohne Beſitz uͤbrigge-
bliebenen Eigenthumsrechte zwar andern uͤberlaſſen, das
Pfand ſelbſt darf aber nicht eher wieder zuruͤck gefodert
werden, als bis die Zahlung erfolgt oder die Verbind-
lichkeit erfuͤlt iſt. Wenn dem Glaubiger nicht der Be-
ſitz, ſondern nur eine vorzuͤgliche Verſicherung auf ein
gewiſſes Land [Hypothek] zugeſtanden worden iſt, ſo
darf der Eigenthuͤmer daſſelbe ohne ienes Einwilligung
nicht veraͤuſſern. Der Pfandinnhaber iſt nicht befugt
ſich eines voͤlligen Eigenthumsrechts an dem verpfaͤn-
deten Lande anzumaaſſen und daſſelbe weiter zu veraͤuſ-
ſern, es waͤre denn eine gewiſſe Zeit zur Einloͤſung
beſtimt und nach deren Verlauf die Zueignung oder
der Verkauf bedungen [lex commiſſoria]. Eine bloſſe
Veriaͤhrung, wenn die Einloͤſung auſſerdem auch noch
ſo lange nicht erfolgen ſolte, findet hier keinesweges
Statt i]. Indes kann dem Glaͤubiger, wenn es noͤthig
iſt, die fernere Verpfaͤndung nicht verwehrt werden:
er iſt aber verbunden, ſobald die Wiederbezahlung er-
folgt, das Pfand wieder auszuantworten und darf es
einer andern Foderung halber nicht zuruͤckhalten, wenn
die Umſtaͤnde ihn nicht veranlaſſen, ſich aus den Beſi-
tzungen
[161]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
tzungen des ſchuldigen Volks uͤberhaupt bezahlt zu ma-
chen k]. Wegen Gebrauch des verpfaͤndeten Landes
waͤhrend der Innehabung komt es auf den Vertrag
an: in wie ferne dieſelbe einem Volke uͤberlaſſen wor-
den? ob die Oberherſchaft dabey mit begriffen? ob die
Benutzung blos zur Verguͤtung der Zinſen oder zugleich
zu Abtragung der Hauptſumme angeſchlagen? ob die
Zeit hierzu beſtimt oder uͤberhaupt bis zur gaͤnzlichen
Tilgung hinausgeſetzt? und in welcher Maaſſe, letztern
Fals, die Ablegung einer Rechnung erfoderlich ſey l]?
Jede Benutzung muß indes ſo eingerichtet werden, daß
alles im vorigen Stande bleibe und kein Nachtheil fuͤr
das Land daraus erfolge.
Das Depoſitum und die Seqveſtration haben ge-
meiniglich beſondere Ruͤckſichten auf dieienigen zum
Grunde, welchen ſie anvertraut werden, die Rechte
der Aufbewahrung und Zuruͤckfoderung ſchraͤnken ſich
daher lediglich auf die contrahirenden Theile ein und
ſind genau nach der deshalb getroffenen Uebereinkunft
abzumeſſen m].
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Ld] Daß
[162]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
*] Es
[169]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
§. 10.
Rechte der Landesherrn in Teutſchland.
Teutſchland ſowohl im Ganzen, als deſſen einzelne
Landesherrn wie nicht weniger andere mit Landeshoheit
begabte Regenten richten ſich auch in allen dieſen vor-
erwaͤhnten Verhaͤltniſſen gegen unabhaͤngige Nazionen
lediglich nach den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts, in
ſo ferne ihre uͤbrige Verbindung und Abhaͤngigkeit von
dem hoͤhern Staate nicht beſondere Einſchraͤnkungen
verlangen a].
Unter ſich haben aber die teutſchen Reichsſtaͤnde,
bey denen die Gemeinheiten, Lehen, Pfandſchaften,
Seqveſtrationen ꝛc. haͤufig vorkommen, auſſer den Nor-
men der deshalb vorhandenen Vertraͤge allerdings zu-
foͤrderſt die Geſetze des Staatsrechts und der in Teutſch-
land aufgenommenen Lehn und anderer Privatrechte,
und nur erſt, wo dieſe nicht entſcheiden die Vorſchrif-
ten des Natur- und Voͤlkerrechts zu beobachten b].
L 5*] Eine
[170]Von den Landesgrenzen.
Viertes Kapitel.
Von den Landesgrenzen.
§. 1.
Begrif der Landesgrenzen.
Der aͤuſſerſte durch gewiſſe Kenzeichen beſtimte Um-
ris eines Landes von einem Ende zum andern
macht deſſen Grenzen aus. Sie bezeichnen den Um-
fang, welcher zum Eigenthum und zur Herſchaft eines
ieden Volks gehoͤrt, und ſondern ihn von dem Terri-
torium anderer Nazionen ab. So weit dieſe ſich aus-
dehnen, ſo weit erſtrecken ſich in der Regel auch die
Herſchaft und die Hoheitsgerechtſame des Volks.
Wenn die letztern einer Nazion, durch ausdruͤckliche
oder ſtilſchweigende Vertraͤge, uͤber die Grenzen ihres
Eigenthums hinaus in andern Territorien zuſtehen; ſo
werden deshalb beſondere Gerichts- Gleits- Forſt-
Jagd- oder andere Grenzen errichtet. Grenzen, welche
die Lande und Hoheit der Voͤlker von einander ſcheiden,
werden oͤffentliche [fines publici] genant, im Gegen-
ſatz
[171]Von den Landesgrenzen.
ſatz der Privatgrenzen [fines privati] wodurch das
Eigenthum und die Gerechtſame einzelner Mitglieder
des Staats bezeichnet werden b]. Ihre Beſtimmung
iſt um ſo nothwendiger, ie bedenklichere Irrungen
hierunter aus der Ungewisheit entſtehen koͤnnen c].
§. 2.
[172]Von den Landesgrenzen.
§. 2.
Verſchiedene Gattungen der Landes-
grenzen.
Die Grenzen des Landes ſind entweder ſolche, wo
die Natur ſelbſt die Unterſcheidungszeichen an die Hand
giebt, welche die Nazionen zur Richtſchnur annehmen,
und heiſſen natuͤrliche [limites naturales, occupatorii]
oder ſolche, welche durch Kunſt und menſchlichen Fleis
aufgerichtet werden, kuͤnſtliche [artificiales]. Eine
dritte Gattung, welche durch Beſtimmung abgemeſſe-
ner Rechte in Vertraͤgen feſtgeſetzt werden, heiſſen po-
litiſche Grenzen [politici, menſurati] a]. Dieienigen
Territorien, welche natuͤrliche Grenzen haben, werden
vom Grotius b] territoria arcifinia, die beiden andern
hingegen limitata genant c].
§. 3.
[173]Von den Landesgrenzen.
§. 3.
Natuͤrliche.
Zu den natuͤrlichen Grenzen gehoͤren alle Arten Ge-
waͤſſer, Meere, Fluͤſſe, Baͤche, Teiche ꝛc. Thaͤler, Waͤlder,
wuͤſte Plaͤtze und dergleichen von der Natur hervorge-
brachte nicht leicht aufzuhebende Kennzeichen; welche
daher, wo es moͤglich, allen andern Grenzzeichen vor-
gezogen zu werden pflegen. Es finden ſich haͤufige Bei-
ſpiele faſt aller dieſer Gattungen unter den Voͤlkern
in Europa.
§. 4.
Kuͤnſtliche Grenzen.
Dahin ſind zu rechnen die durch menſchlichen Fleis
gemachten Landgraben und Wehre, aufgeworfene Hau-
fen, Steine, hoͤlzerne Saͤulen, gezeichnete Baͤume a]
und dergleichen. Sie werden meiſtens nur in Erman-
gelung der natuͤrlichen Grenzzeichen gewaͤhlt b] und
ſind faſt in allen Grenzvertraͤgen anzutreffen c].
§. 5.
Geſchloſſenes Territorium und einge-
ſchloſſene Lande.
Alles, was innerhalb dieſer Grenzlinien ſich befin-
det, iſt in der Regel als zum Eigenthum einer und
eben-
[177]Von den Landesgrenzen.
ebenderſelben Nazion gehoͤrig und ihrer Herſchaft unter-
worfen anzuſehn a]; wenn ein anderes Volk nicht er-
weiſen kann, daß ihm irgend ein Stuͤck davon mit dem
Rechte der Unabhaͤngigkeit zuſtehe b]. Iſt der ganze
Inbegrif wuͤrklich nur einer Oberherſchaft unterworfen,
ſo nent man es ein geſchloſſenes Territorium [terri-
torium clauſum] c] befindet ſich aber innerhalb der
Grenzen noch ein anderer unabhaͤngiger Landesbezirk,
ſo iſt dieſer ein eingeſchloſſenes Territorium d]. Der
Urſprung und Grund der letztern kann mannichfaltig
ſeyn, ſetzt aber gemeiniglich abgeleitete Erwerbsarten
voraus e]. Unter den Voͤlkern in Europa finden ſich
einige ſolche eingeſchloſſene Lande f], noch haͤufiger aber
ſind ſie unter den teutſchen Reichsſtaͤnden anzutreffen.
§. 6.
Zubehoͤrungen eines Landes.
Wenn die Grenzlinien eines Landes nicht genau
genug beſtimt und die Territorialſtuͤcke benachbarter
Staaten ſehr unter einander gemiſcht ſind, ſo iſt die
Eroͤrterung der Frage: was zu dieſem oder ienem Ter-
ritorium eigentlich gehoͤre? oft nicht geringen Schwie-
rigkeiten
[179]Von den Landesgrenzen.
rigkeiten und Weiterungen ausgeſetzt a]. Dieſer Unter-
ſuchungsfall trift hauptſaͤchlich alsdann ein, wenn ein
ſolches Land etwa an ein anderes Volk abgetreten wird;
wovon wir in der europaͤiſchen Staatengeſchichte merk-
wuͤrdige Beiſpiele haben. Dahin gehoͤren unter andern
die Streitigkeiten zwiſchen Frankreich und Grosbritan-
nien wegen des Landes Acadien b] und die franzoͤſiſchen
Reunionskammern in Abſicht der von Teutſchland er-
haltenen Provinzen c]. Es finden hier die naͤmlichen
Beweiſe Statt, welche unten bey den Grenzſtreitigkei-
ten uͤberhaupt vorkommen werden. Ein guͤtlicher Ver-
gleich giebt am Ende die beſte Entſcheidung.
§. 7.
Eigenthum der Grenzorte.
Sind aber auch die Grenzen durch Gewaͤſſer, Berge,
Landſtraſſen ꝛc. an ſich hinlaͤnglich bezeichnet; ſo ent-
ſteht doch zuweilen Zweifel: wem das Eigenthum
daran zugehoͤre? Iſt daruͤber kein beſonderes Einver-
ſtaͤndnis vorhanden; ſo gehoͤrt, wegen Gleichheit der
Rechte, wie ſchon oben [1. Kap. 1. Abſchn. §. 14.]
bemerkt worden, iedem Volke die Haͤlfte davon a].
In dieſer Maaſſe vergleicht man ſich auch in den mei-
ſten Grenzvertraͤgen b]. Nur zuweilen wird hiervon
eine Ausnahme gemacht, und das Eigenthum entwe-
der einem Volke allein zugeſtanden c] oder die Grenz-
linie gar neutral gelaſſen d], ſo daß keinem das Eigen-
thum gehoͤrt. Bey neuabgetretenen Landen kan man
ſich mitunter daruͤber nicht vereinigen: wem die im
Vertrage genanten Grenzorte zugehoͤren ſollen? Dies
kann aber, wenn der Buchſtabe des Vertrages nicht
deutlich genug iſt, blos durch anderweite Uebereinkunft
beſtimt werden e], und iſt die eigenmaͤchtige Weg-
nahme der ſtreitigen Grenzorte keinesweges erlaubt f].
M 3a] Bey
[182]Von den Landesgrenzen.
§. 8.
Grenzſtreitigkeiten.
Aus den Irrungen, welche die Unrichtigkeit und
Unbeſtimtheit der Grenzen uͤberhaupt oder die Dunkel-
heit
[185]Von den Landesgrenzen.
heit der daruͤber errichteten Vertraͤge nothwendig veran-
laſſen muͤſſen, entſtehen oft die heftigſten Streitigkeiten
unter den Nazionen, die, wenn ſie in Guͤte nicht ver-
glichen werden koͤnnen, zuweilen in Thaͤtlichkeiten und
wohl gar am Ende in Krieg ausſchlagen, wie dies
1555. wegen der Finniſchen Grenzen zwiſchen Rußland
und Schweden, 1756. wegen der Grenzen Akadiens
zwiſchen Grosbritannien und Frankreich und 1776.
zwiſchen Spanien und Portugal wegen der Grenzirrun-
gen in Braſilien der Fall war.
§. 9.
Grenzcommiſſionen.
Die guͤtliche Beilegung der Grenzirrungen, ſie
moͤgen bey alten Beſitzungen oder neuabgetretenen Lan-
den ſich hervorthun, geſchieht gemeiniglich durch Er-
nennung gewiſſer Perſonen von beiden Theilen, welche
man Grenzcommiſſarien nennt a]. Dieſe pflegen ge-
meinſchaftlich durch Beaugenſcheinigung an Ort und
Stelle b] die erfoderlichen Unterſuchungen der ſtreitigen
Gegend ſowohl, als der beiderſeitigen Gruͤnde vorzu-
nehmen, auch wohl, bis auf hoͤhere Genehmigung ſich
eines gewiſſen zu vergleichen, dem gemaͤs der Grenzzug
und die Bezeichnung entweder ſogleich, oder in der
Folge bewerkſtelliget wird c]. Es haͤngt von iedem
Volks Wilkuͤhr ab, welcher Perſonen, wenn ſie nur
ſachkundige Maͤnner ſind, er ſich hierzu bedienen will,
wenn nicht daruͤber etwas bereits feſtgeſetzt iſt d].
§. 10.
Beweis der Grenzen durch Urkunden und
Denkmaͤler.
Bey dieſen Unterſuchungen der ſtreitigen Grenzen
geben aͤltere guͤltige Grenzvertraͤge und Beziehungen,
auch
[190]Von den Landesgrenzen.
auch andere oͤffentliche Urkunden welche beſtimmte Nach-
richten davon enthalten, den vorzuͤglichſten Beweis
ab. Annoch ſichtliche mit den erforderlichen Merkma-
len verſehene Grenzzeichen dienen ienen theils zur Er-
laͤuterung und Beſtaͤtigung, theils vertreten ſie deren
Stelle.
§. 11.
Durch Zeugen.
In Ermangelung der Urkunden verdient die Aus-
ſage, beſonders alter und an den Grenzen wohnender
Zeugen, die ſie entweder nach eigner Kentnis, oder
nach einem von ieher herſchenden algemeinen oͤffentli-
chen Gerichte ablegen, allen Glauben.
§. 12.
[191]Von den Landesgrenzen.
§. 12.
Vieliaͤhriger Beſitz und Veriaͤhrung ꝛc.
Was oben [2. Kap. §. 23. ff.] von dem Erwerbe
durch ſtillſchweigende Einwilligung, undenklichen Beſitz
und Veriaͤhrung uͤberhaupt vorgetragen worden, leidet
auch in Anſehung der Grenzen ſeine Anwendung.
Hat ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets zum Abbruch
des benachbarten erweitert, dieſes aber es gewußt und
dazu geſchwiegen, oder wohl gar durch Handlungen
anerkant, ſo iſt dieſe Grenzſcheidung allerdings als
rechtmaͤſſig anzuſehn. Eben ſo wenig kan dieienige in
Zweifel gezogen werden, welche einen undenklichen
Beſitz, davon das Gegentheil nicht zu erweiſen iſt,
zum Grunde hat. Eine blos auf Verlauf gewiſſer
Jahre beruhende Veriaͤhrung hingegen kann auch bey
den Territorialgrenzen zwiſchen Nazionen nicht Statt
finden.
§. 13.
Aus Vermuthungen.
Die Gruͤnde, welche man aus bloſſen Vermuthun-
gen und Wahrſcheinlichkeiten, z. B. aus dem Eigen-
thum allein, aus einzelnen Hoheitsrechten, als Erhe-
bung der Gefaͤlle, aus dem Gleits- Jagd- oder andern
Rechte, welche dieſem oder ienem Volke in einem ge-
wiſſen Grenzorte zuſtehen, ſind minder zuverlaͤſſig,
weil dieſes nur zu den Landen der andern Nazion gehoͤ-
rige Privatguͤter ſeyn, dergleichen Rechte auch als
Voͤlkerdienſtbarkeiten in eines andern Volks Territo-
rium
[192]Von den Landesgrenzen.
rium ausgeuͤbt werden koͤnnen. Sie geben daher,
wenn ſie nicht von andern Zeugniſſen unterſtuͤtzt wer-
den, keinen volſtaͤndigen Beweis a].
§. 14.
Landcharten und Geſchichtſchreiber.
Das Zeugnis der Privatſchriftſteller und Landchar-
tenverfertiger kann hier allerdings allein keinen guͤltigen
Beweis ausmachen, wenn ſie nicht mit andern zuver-
laͤſſigern Nachrichten uͤbereinſtimmen, ob ſie dieſen
gleich ein groͤſſer Gewicht beilegen. Die europaͤiſchen
Nazionen haben ſich iedoch in ihren Grenzirrungen
ſchon verſchiedentlich darauf bezogen.
§. 15.
Grenzvertraͤge.
Gegen alle dieſe Beweiſe bleiben dem Gegentheile
iedoch ſo viele Einwendungen und Ausfluͤchte uͤbrig,
daß, da unter freien Nazionen, wenn ſie ſich nicht
freiwillig einem ſchiedsrichterlichen Ausſpruch unter-
werfen, keine Entſcheidung Statt findet, am Ende
N 2eine
[196]Von den Landesgrenzen.
eine guͤtliche Uebereinkunft der Sache den beſten Aus-
ſchlag giebt. Dieſe pflegt denn von den dazu verord-
neten Commiſſarien in gewiſſe Receſſe oder Grenzver-
traͤge gebracht und von den Regenten der Staaten ge-
nehmigt zu werden a]. Zuweilen geſchieht in Friedens-
ſchluͤſſen eine vorlaͤufige algemeine Verabredung des-
halb, wenn zumal dem einen Theile neue Lande abge-
treten werden oder etwan die Grenzirrungen eine Ver-
anlaſſung des Krieges mit geweſen ſind b].
§. 16.
Grenzcharten und Riſſe.
Zu mehrerer Sicherheit und kuͤnftiger Nachricht
wird oͤfters, beſonders wenn die Grenzen durch Be-
ſchreibung und aufgerichtete Zeichen nicht hinlaͤnglich
unter-
[197]Von den Landesgrenzen.
unterſchieden werden koͤnnen, oder ſonſt eine Zernich-
tung der Grenzmaͤler leicht zu beſorgen iſt, die vergli-
chene Grenzlinie auch durch gemeinſchaftliche dazu ver-
cidigte ſachkundige Perſonen, in einen beſondern Riß
oder Charte gebracht und ſolche dem Grenzvergleiche
beigefuͤgt.
§. 17.
Veraͤnderung der Landesgrenzen.
Die meiſten Grenzzeichen, ſie moͤgen natuͤrliche
oder kuͤnſtliche ſeyn, ſind der Veraͤnderung unterwor-
N 3fen,
[198]Von den Landesgrenzen.
fen, welche theils die Natur ſelbſt durch gewaltſame
Zufaͤlle oder Laͤnge der Zeit, theils menſchliche Nachlaͤſ-
ſigkeit oder wohl gar Bosheit ihnen zufuͤgt. Bey den
natuͤrlichen Grenzen, beſonders den Fluͤſſen entſteht
daher die Frage: ob ihr veraͤnderter Lauf auch eine Aen-
derung in den Grenzen verurſache? Nach den bereits
oben [1. Kap. 1. Abſchn. §. 15. u. 2. Abſchn. §. 32.]
in Anſehung des Eigenthums angefuͤhrten Gruͤnden
komt es hierbey darauf an: ob die Abweichung betraͤcht-
lich ſey oder nicht und ob die an dem Waſſer liegende
Territorien eine gemeſſene oder ungemeſſene Grenze
haben? Iſt die Veraͤnderung unmerklich, oder die
Grenze abgemeſſen a], ſo macht auch dies geringe An-
und Abſpielen keinen weitern Unterſchied. Solte aber
der Fluß ſeinen ganzen Lauf aͤndern, ſo vertritt alsdann
deſſen bisheriges Bette die Stelle der Grenze b]. Bey
einem Fluſſe, der oft ſeinen Lauf aͤndert, iſt es daher
allerdings zutraͤglich, noch beſondere Grenzzeichen auf-
zuſtellen und das Austreten durch dienſamen Bau zu
hindern c], welches denn ohne Zweifel auf gemein-
ſchaftliche Koſten geſchehen muß d]. Uebrigens werden
die Grenzen bey den meiſten Nazionen fuͤr heilig und un-
verletzlich gehalten, und die muthwilligen oder boshaften
Veraͤnderungen und Zernichtungen der Grenzzeichen an
den Unterthanen mit den haͤrteſten Strafen belegt c].
§. 18.
Grenzbeſichtigungen.
Um dergleichen Veraͤnderungen in Zeiten zu bemer-
ken und den daher zu beſorgenden Irrungen vorzubeu-
gen, pflegen gewiſſe von beiden Theilen verordnete
Commiſſarien zu beſtimten Zeiten gemeinſchaftlich die
feſtgeſetzten Grenzen, nach den Vertraͤgen und Charten
zu unterſuchen, und die angetroffenen Unrichtigkeiten
entweder ſogleich abzuſtellen, oder ſie ihren Hoͤfen zur
Entſcheidung vorzulegen a]. Einſeitige Grenzbeſich-
tigungen koͤnnen zwar auch nicht verwehrt werden b],
doch darf den Angrenzenden kein Nachtheil daraus er-
wachſen.
§. 19.
Rechte dritter Nazionen bey Grenzſtrei-
tigkeiten.
Dritte Nazionen, welche kein beſonderes Intereſſe
bey den Landen haben, deren Grenzberichtigung in
Frage iſt, oder von den ſtreitigen Theilen nicht etwa
um Vermittelung erſucht werden a], haben kein Recht
ſich in die Grenzirrungen anderer Voͤlker zu miſchen.
Sie thun es gewoͤnlich auch eben ſo wenig, als andere
ihnen Nachricht davon ertheilen b].
§. 20.
Grenzen des Meeres und anderer Ge-
waͤſſer.
Die Begrenzung der Gewaͤſſer, wenn naͤmlich die
Grenzlinien im Waſſer ſelbſt gezogen werden muͤſſen,
wie bey Fluͤſſen, welche in der Mitte, oder ſonſt nach
einem
[203]Von den Landesgrenzen.
einem gewiſſen Maasſtabe die Grenzen zweier Gebiete
machen, iſt zwar mancherley Schwierigkeiten unter-
worfen, doch laſſen ſich ſolche in Waͤſſern von keinem
betraͤchtlichen Umfange durch die nahen Ufer ꝛc. und
dabey befindlichen Merkmale gar wohl bezeichnen a].
Weit groͤſſer aber ſind dieſe Schwierigkeiten bey dem
Meere, ſo daß daher, wie ich ſchon oben [1. Kap.
§. 16. ff.] bemerkt habe, gewoͤnlich ein Haupteinwurf
gegen das abgeleitete Eigenthum der Nazionen an dem
offenen Meere genommen wird. Doch habe ich dabey
ſchon erinnert, daß gleichwol auch hier, durch wil-
kuͤhrliche Uebereinkunft, nach den Kuͤſten, Inſeln und
andern Merkmalen, nicht weniger nach den in neuern
Zeiten erfundenen Huͤlfsmitteln des Kompaſſes, der
Abtheilung der Grade ꝛc. eine Art des Eigenthums
und folglich der Grenzen angenommen werden koͤnnen b]
und beſonders letztere wuͤrklich zuweilen in ſofern be-
ſtimt werden, daß eine Nazion gegen andere ſich ver-
bindet, uͤber gewiſſe Grenzen nicht zu ſchiffen, zu
fiſchen ꝛc. c]; wie man denn auch, ſchon oben [1. K.
§. 28.] gedachtermaaſſen, die Grenzen der am Meere
gelegenen Laͤnder, drey Meilen [lieues] in daſſelbe
hinein, oder ſo weit ein Kanonenſchus reichen kann,
zu erſtrecken pflegt d].
§. 21.
[205]Von den Landesgrenzen.
§. 21.
Rechte der Landesherrn.
Die Grenzen Teutſchlands, nach ſeiner geographi-
ſchen und politiſchen Bedeutung a] ſind an vielen Orten
noch ziemlich ungewis, und man ſtreitet uͤber verſchie-
dene Lande ob ſie dazu gehoͤren, oder nicht? b] Die
dahineinſchlagenden das Reich im Ganzen betreffenden
Geſchaͤfte gegen Auswaͤrtige ſind nach allen obigen
Grundſaͤtzen zu entſcheiden. Es duͤrfen aber, nach
dem teutſchen Staatsrechte, weder der Kaiſer, noch
die Staͤnde, einſeitig hierunter, ſondern mit gemein-
ſchaftlicher Einwilligung verfahren c]. In ſo ferne
nun die reichsſtaͤndiſchen Landesgrenzen zugleich die
Grenzen des teutſchen Reichs d] ausmachen, ſind die
Landesherrn in ihren mit auswaͤrtigen Nazionen zu er-
richtenden Grenzvertraͤgen, ebenfals an die Genehmi-
gung des Kaiſers und Reichs gebunden d].
Was die Landesgrenzen im innern des Reichs be-
trift, darinn verfahren die Landesherrn unter ſich nach
mehrerer Wilkuͤhr, und errichten die erfoderlichen Ver-
traͤge daruͤber gemeiniglich ohne ſie dem Reiche vorzu-
legen e]. Es findet auch dabey, beſonders was den
Beweis der Grenzen, deren Feſtſetzung und Erhaltung
anlanget, eben das Statt, was unter freien Voͤlkern
gewoͤhnlich iſt f]: nur daß iene, wenn die deshalb ent-
ſtehenden Streitigkeiten in Guͤte nicht beigelegt werden
koͤnnen, nicht ſogleich zu Thaͤtlichkeiten ſchreiten duͤr-
fen, [einige wenige Faͤlle ausgenommen, wo es ihnen
zuweilen allenfals ſich ſelbſt Recht zu verſchaffen nach-
gelaſſen iſt ꝛc.] ſondern den Weg Rechtens, nach Ver-
haͤltnis der Umſtaͤnde vor den Austraͤgen oder Reichs-
gerichten, einſchlagen muͤſſen; wobey der Beſitz und
die unvordenkliche Veriaͤhrung vorzuͤglich den Aus-
ſchlag
[206]Von den Landesgrenzen.
ſchlag geben h]. Auswaͤrtige Nazionen oder dritte Lan-
desherrn ſind auch hier keinesweges befugt, ſich in dieſe
Grenzſtreitigkeiten zu miſchen, wenn nicht beſondere
Rechte derſelben dabey eintreten i].
Der eingeſchloſſenen Territorien giebt es in Teutſch-
land eine Menge, theils ſolche welche die teutſchen
Reichsſtaͤnde in auswaͤrtigen Staaten, beſonders in
Frankreich, theils welche die benachbarten Nazionen
im teutſchen Reiche, theils welche die Reichsſtaͤnde in
ihrer Mitſtaͤnde Landen beſitzen k]. Noch weniger fehlt
es an Streitigkeiten uͤber die ſogenanten geſchloſſenen
Territorien; wofuͤr verſchiedene Reichsſtaͤnde ihre Lande
ausgeben, und daher alles, was von andern darin be-
ſeſſen wird, fuͤr landſaͤſſig und ihrer Landeshoheit un-
terworfen zu betrachten ſich berechtigt halten, wenn
der, welcher eine Ausnahme behauptet, ſolche nicht zu
erweiſen vermag l]; wiewohl, wenn es zur Unterſu-
chung komt, nur wenige Lande dafuͤr anzunehmen ſeyn
duͤrften, weil die meiſten nicht urſpruͤnglich nur einen
Staat ausgemacht haben, ſondern aus mehrern kleinen
unmittelbaren Provinzen zuſammengewachſen ſind, und
vielmehr dem, welcher der Landeshoheit uͤber ein ſolch
eingeſchloſſenes Territorium ſich anmaßt, der Beweis
obliegt; wobey aber keinesweges die Ausuͤbung eines
oder des andern Hoheitsrechts hinreichend iſt m].
Wegen Verruͤckung oder Verletzung der Grenzen
giebt im teutſchen Reiche nicht nur das algemeine Kri-
minalgeſetz Kaiſer Karls V. oder die Peinliche Hals-
gerichtsordnung, deshalb Vorſchrift, ſondern es iſt
auch in mehreren Landesgeſetzen die ſchaͤrfſte Strafe
darauf geſetzt n].
Gleiche Bewandnis hat es groͤſtenteils mit andern
bloſſen Landesherrn. Sie koͤnnen eben ſo wenig wil-
kuͤhrlich einige Grenzveraͤnderungen mit andern Nazio-
nen vornehmen, ſondern haben hierzu die Einwilligung
des
[207]Von den Landesgrenzen.
des hoͤhern Staats, von dem ſie abhangen, noͤthig,
und muͤſſen uͤberhaupt hierunter deſſen geſetzliche Vor-
ſchriften befolgen o].
f] Wegen
[208]Von den Landesgrenzen.
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. On] Menius
[210]Von den Landesgrenzen.
Fuͤnf-
[211]
Fuͤnftes Kapitel.
Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker in An-
ſehung des Eigenthums ihrer Lande.
§. 1.
Umfang der Eigenthumsrechte.
Ein Volk kann von ſeinem Territorialeigenthum,
d. i. von denienigen Landen und Gewaͤſſern, welche
es als ein unter Oberherſchaft vereinigter Staatskoͤrper,
durch urſpruͤnglichen oder abgeleiteten Erwerb, inne
hat, nach den in den vorhergehenden Kapiteln feſtge-
ſtelten Grundſaͤtzen, nach eigner Wilkuͤhr und mit Aus-
ſchlus anderer, allen noͤthigen und moͤglichen Gebrauch
machen, iedoch ohne andern Nazionen einen Schaden
dadurch zuzufuͤgen. Sind gleich nur einige Guͤter des
Territoriums zum Gebrauch des geſamten Staats oder
ſeines Regenten ausgeſetzt, andere hingegen, als Pri-
vateigenthum einzelnen Buͤrgern oder kleinern Geſel-
ſchaften uͤberlaſſen, ſo erſtreckt ſich doch ienes Befug-
nis, vermoͤge der Oberherſchaft a] verhaͤltnismaͤſſig
uͤber alle dergleichen Beſitzungen b], weil dieſe auch fuͤr
zweckmaͤſſigen Erwerb und Benutzung des Privateigen-
thums zu ſorgen und iedermann im Staate bey dem
ungeſtoͤrten Genuſſe des Seinigen zu erhalten verbun-
den und im Nothfall berechtigt iſt, davon zum algemeinen
Beſten, den erfoderlichen Gebrauch zu machen. Die-
ſes Recht wird das Obereigenthum [dominium emi-
nens] genannt c]. Es komt bey dem Eigenthume
O 2haupt-
[212]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
hauptſaͤchlich auf das ausſchließliche Recht des Beſitzes,
der Benutzung und der Veraͤuſſerung in Betrachtung.
Von dem letztern habe ich bereits oben gehandelt, und
will daher hier nur noch die beiden erſtern im Algemei-
nen erwaͤgen.
§. 2.
Ausſchließlicher Territorialbeſitz.
Was den Beſitz anlanget, ſo iſt iedes Volk berech
tigt, andere von ſeinem Territorium, vermoͤge der ihm
uͤber den ganzen Umfang deſſelben zuſtehenden Eigen-
thums- und Oberherſchaftsrechte [1. Kap. §. 5.] aus-
zuſchlieſſen und nicht zu erlauben, daß ſie irgend etwas
innerhalb der Grenzen deſſelben ſich anmaaſſen. Im
Gegentheil ſind andere Nazionen auch verbunden, iede
in dem ungeſtoͤrten Beſitz des Ihrigen zu laſſen. Sie
koͤnnen folglich, wenn gleich noch wuͤſte und unbekante
Plaͤtze in dem Territorium eines andern Volks zu be-
finden, ſich derſelben durch Beſitzergreifung keinesweges
bemaͤchtigen und ein neues Gebiete daſelbſt errichten,
noch weniger wuͤrklich bebaute Landſtriche an ſich
reiſſen,
[213]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
reiſſen, oder gar das Volk aus ſeinen Wohnſitzen
vertreiben.
§. 3.
Recht der Zuruͤckfoderung unrechtmaͤſſiger
Beſitzungen.
Wenn gleichwol ein Volk die Grenzen ſeines Ge-
biets durch Schmaͤlerung eines andern Territoriums
auf eine unrechtmaͤſſige Weiſe erweitert, und die Lande
anderer Nazionen in Beſitz nimt, ſo hat das Volk
deſſen Eigenthum ſie waren, das Recht, ſie wieder zu
verlangen [ius vindicandi] und wenn ſie ihm gutwillig
nicht zuruͤckgegeben werden, ſich durch gewaltſame
Mittel deren Beſitz wiederzuverſchaffen a]. Dieſes
Zuruͤckſoderungsrecht findet iedoch, wie ich ſchon oben
[1. Kap. §. 39.] erinnert habe, nach dem natuͤrlichen
Rechte, blos gegen den unredlichen Innhaber Statt,
der es dem andern entweder ſelbſt entzogen, oder doch
an ſich gebracht hat, da er wuſte, daß es einem andern
auf unrechtmaͤſſige Art genommen war.
Iſt das einem andern entriſſene Territorium bereits
in die Haͤnde eines redlichen Beſitzers gediehen, d. i.
eines ſolchen, der, nicht unterrichtet von der wider-
rechtlichen Entziehung, es von dem letzten Beſitzer auf
gehoͤrige Art, in der Ueberzeugung, daß iener der
wahre Eigenthuͤmer ſey, erworben hat, ſo kann der,
dem es von einem andern entzogen worden, ihm das
Land mit Gewalt nicht wieder abnehmen, ſondern muß
die ihm dadurch zugefuͤgte Beleidigung blos an dem
Beleidiger raͤchen, und durch dieſen wieder zu den Be-
ſitz ſeines vormaligen Eigenthums zu gelangen ſuchen;
denn der letzte redliche Beſitzer hat das Land durch recht-
O 3maͤſſigen
[214]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
maͤſſigen Titel erworben und ſich eigen gemacht. Er
hat den erſten Eigenthuͤmer weder ſelbſt beleidigt, noch
Theil an den Ungerechtigkeiten des Beleidigers genom-
men. Ihm liegt auch nicht ob, bey ieder Erwerbung
erſt oͤffentlich anzufragen, ob einige Anſpruͤche darauf
vorhanden. Doch wird unter Voͤlkern mit ganzen
Laͤndern ſelten der Fall eintreten, daß ſie ohne Wiſſen
dem wahren Eigenthuͤmer entzogen, und ohne einige
Regung deſſelben, auf rechtsbeſtaͤndige Art, von einem
andern mit redlicher Ueberzeugung erworben werden
koͤnten a].
In Anſehung des, bey der Zuruͤckfoderung, von
dem letzten Beſitzer gehabten Aufwandes und der ge-
noſſenen Nutzungen macht man ebenfals einen Unter-
ſchied unter den redlichen und unredlichen Beſitzer. Er-
ſterer ſoll zwar die auf den Erwerb gewandten Koſten
verlieren, von den Nutzungen aber nur die noch vor-
handenen und die zu ſeiner Bereicherung angewandten
herauszugeben verbunden aber auch die erweißlichen
Verbeſſerungen in Gegenrechnung zu bringen berechtigt
ſeyn, dahingegen dem unrechtmaͤſſigen Beſitzer alles,
auſſer der unumgaͤnglich noͤthige Aufwand, abgeſpro-
chen wird b].
Indes iſt nicht zu laͤugnen, daß die europaͤiſchen
Nazionen bey dem Rechte der Zuruͤckfoderung mehr
dieienigen wilkuͤhrlichen Grundſaͤtze angenommen zu
haben ſcheinen, nach welchen dieſelbe wider ieden Be-
ſitzer unternommen werden kann c].
O 4§. 4.
[216]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
§. 4.
Privatbeſitzungen in einem auswaͤrtigen
Territorium.
So wie es von der politiſchen Verfaſſung eines
ieden Staats abhaͤngt, ob den Unterthanen der Ankauf
unbeweglicher Guͤter in fremden Landen erlaubt ſeyn
ſoll a]; ſo ſteht es auch in dem Gutfinden eines ieden
Volks, ob es die in ſeinem Territorium vorhandenen
unangebauten Plaͤtze, als ein Privateigenthum, mit
Vorbehalt der Oberherſchaft b] oder auch den Beſitz
anderer Privatguͤter fremden Nazionen und deren ein-
zelnen Mitgliedern oder Gemeinheiten geſtatten oder
verſagen, und dem gemaͤs ſeinen Unterthanen der Ver-
aͤuſſerung halber die erfoderlichen Geſetze geben will c].
Zuweilen bedingen iedoch die Voͤlker ſich wechſelſeitig
die Freiheit dieſes Erwerbes fuͤr ihre Unterthanen d].
Es koͤnnen die Nazionen einander aber auch durch Ver-
traͤge verſprechen, daß ſie dieſer oder iener den Eigen-
thumserwerb in einem gewiſſen Territorium nicht erlau-
ben wollen e]. Da keine Nazion irgend ein Recht an
dem Territorialeigenthum der andern hat, ſo kann auch
keine, auſſer in den durch Vertraͤge bedungenen Faͤllen,
wider das Verbot oder die Verſtattung dergleichen
Privatbeſitzungen etwas einwenden f]. Uebrigens blei-
ben die von Auswaͤrtigen beſeſſenen Privatguͤter in
allen Stuͤcken der Oberherſchaft des Volks, dem das
Territorium gehoͤrt, unterworfen, und muͤſſen ledig-
lich nach den Landesgeſetzen behandelt werden g].
O 5d] In
[218]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
*] Von
[219]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
§. 5.
Eintritt in das Territorium eines andern
Volks.
Zu den ausſchließlichen Rechten des Territorial-
eigenthums gehoͤrt das Befugnis der Nazionen, nach
Wilkuͤhr, Fremden fuͤr ihre Perſonen und Sachen,
den Eintritt in das Territorium zu erlauben oder zu
verſagen a]. Sie koͤnnen ſolchen entweder gaͤnzlich,
oder nur zu gewiſſen Zeiten b] und an beſtimten Or-
ten c] oder beſondern Gattungen von Perſonen d] un-
ter feſtgeſetzten Strafen verbieten, oder ihn nur unter
gewiſſen Bedingungen e] und nach vorgaͤngiger Anſu-
chung verſtatten. Auf ieden Fall ſind die Nazionen
dabey fuͤr ihre Sicherheit zu ſorgen und zu dem Ende
von dem Namen, Stande ꝛc. f] der ankommenden
Fremden die noͤthige Erkundigung einzuziehn, glaub-
wuͤrdige Paͤſſe g] von dem Orte der Herkunft zu ver-
langen, und andere dienſame Vorkehrungen deshalb
zu treffen berechtigt. Die Erlaubnis des Eintritts iſt
auch nie anders zu verſtehn, als daß dem Lande kein
Nachtheil und der Territorialhoheit kein Abbruch da-
durch zugefuͤgt werde h]. Auswaͤrtige Nazionen koͤn-
nen daher den Eintritt keinesweges als Recht fodern,
und die Verweigerung als Beleidigung anſehn, auſſer
wenn die Noth ſolchen erheiſcht; in welchem Falle ſie
ihn auch wohl mit Gewalt nehmen duͤrfen i]. Unter
den heutigen Voͤlkern in Europa pflegt in Friedenszei-
ten einzelnen Fremden, ohne beſonderes Anſuchen, der
Eintritt in das Territorium nicht leicht verſagt zu wer-
den,
[220]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
den k], wenn ſie ſich den Geſetzen des Staats, wohin
ſie kommen, gehoͤrig unterwerfen l].
§. 6.
[223]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
§. 6.
Aufenthalt in demſelben.
Mit dem Aufenthalte fremder Unterthanen in einem
andern Territorium hat es gleiche Bewandnis. Der-
ſelbe kann iedoch nicht fuͤglich verweigert werden, wenn
nothwendige Geſchaͤfte, Krankheit oder andere Um-
ſtaͤnde ihn unumgaͤnglich erfodern a]. Zuweilen wird
die wechſelſeitige Erlaubnis hierzu unter den Nazionen
auch wohl ausdruͤcklich bedungen b]. Wo aber uͤble
Abſichten bey dem Aufenthalte oder ſonſt unangenehme
Folgen zu beſorgen, ſteht es iedem Volke allerdings
frey, denſelben zu verbieten, [wenigſtens zu verkuͤrzen]
oder andere zweckdienliche Maasregeln dabey zu er-
greifen d].
Es
[224]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
§. 7.
Durchzug und Reiſen durch ein fremdes
Territorium.
Weniger kann der Durchzug durch das Territorium
zu Lande und zu Waſſer einem andern Volke und deſſen
Unterthanen in Friedenszeiten, ohne erhebliche Urſa-
chen, wenn ſie deſſen noͤthig haben a], verweigert wer-
den b]. Denn wenn auch eine Nazion ſelbſt mit der
andern nichts zu ſchaffen haben wolte, ſo muß doch
dieſer erlaubt ſeyn, das was ſie braucht anderswoher
zu holen und zu dem Ende ſich des Durchzuges zu be-
dienen, zumal wenn iener kein Nachtheil dadurch zu-
gefuͤgt wird c]. Damit er unbeſchadet der Souverai-
netaͤt geſchehe iſt uͤbrigens das Volk, durch deſſen Ter-
ritorium der Durchzug begehrt wird, allerdings berech-
tigt, gewiſſe Bedingungen dabey vorzuſchreiben d],
denen die andere Nazion ſich unterwerfen muß.
In
[225]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
In wie ferne dieſes gegenſeitige Befugnis bey
Durchmaͤrſchen der Truppen, Tranſito der Waaren,
Durchfuͤhrung der Verbrecher und Verſtorbenen ꝛc.
ſeine Anwendung leide und den Territorialeigenthuͤmer
zu gewiſſen Entſchaͤdigungsfoderungen berechtige, ſoll
bey den einzelnen Hoheitsrechten unterſucht werden e].
Hier merke ich nur noch an, daß die Erlaubnis
des Durchzugs uͤberhaupt zuweilen ausdruͤcklich bedun-
gen zu werden pflegt, und dann um ſo weniger verſagt
werden darf f].
Durchreiſen einzelner Unterthanen in Geſchaͤften
koͤnnen in der Regel ebenfals nicht verwehrt werden;
bey Reiſen hingegen aus Neugier ꝛc. hat eine Nazion
mehrere Freiheit, ſie zu erlauben oder zu verbieten g],
kann es aber auch fuͤr keine Beleidigung anſehn, wenn
andere ihren Unterthanen die Bereiſung fremder Lande
unterſagen oder doch einſchraͤnken h].
P 2§. 8.
[228]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
§. 8.
Wilkuͤhrliche Benutzung des Territoriums.
Zu den hauptſaͤchlichſten Rechten des Eigenthums
uͤberhaupt und alſo auch des Territorialeigenthums der
Voͤlker gehoͤrt ferner der wilkuͤhrliche Gebrauch oder
Misbrauch und die Benutzung deſſelben, ſo, wie ſie
es ihrer Erhaltung und Vervolkomnung angemeſſen
finden. Es ſteht ihnen daher frey, alles, was zu die-
ſen Endzweck fuͤhrt zu thun oder zu laſſen und vermoͤge
der Oberherſchaft in ihrem Gebiete anzuordnen, ohne
daß andere Nazionen ihnen Einhalt thun duͤrften; es
muͤſte dieſen denn eine Beleidigung dadurch zugefuͤgt
werden, oder iene ihrer natuͤrlichen Freiheit zum Vor-
theil eines andern Volks ſich ausdruͤcklich begeben
haben a]. Zum Ueberflus und zu mehrerer Sicherheit
bedingen indes die Nazionen zuweilen ſich noch die
Ausuͤbung dieſes und ienes Rechts insbeſondere von
andern b].
§. 9.
Rechte in dem Gebiete anderer Nazionen.
Kein Volk kann auch von Natur auf die Benu-
tzung des Territoriums eines andern, oder auf die Aus-
uͤbung
[229]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
uͤbung irgend eines dahineinſchlagenden Hoheitsrechts
im eignen Namen, Anſpruch machen, noch iſt das an-
dere Volk verbunden ihm dergleichen zuzugeſtehn a].
Das Befugnis hierzu muß durch ausdruͤckliche oder
ſtilſchweigende Vertraͤge beſonders erworben werden,
und es haͤngt von der Wilkuͤhr der Nazionen ab, ob
und was fuͤr Rechte ſie andern in ihrem Territorium
einraͤumen wollen. Was iedoch allen uͤbrigen fremden
Nazionen in einem Lande erlaubt iſt, kann einer allein
nicht fuͤglich abgeſchlagen werden, wenn ſie durch vor-
herige Beleidigung ſich eine ſolche Behandlung nicht
zugezogen hat, ob ſie gleich das, was nur einigen aus
beſonderer Verguͤnſtigung zugeſtanden wird, nicht ver-
langen koͤnnen b]. Durch dieſe Geſtattung einzelner
zufaͤlliger Hoheitsrechte geſchieht indes der Souverai-
netaͤt uͤberhaupt kein Abbruch c]. Uehrigens iſt alles
das hieher zu wiederholen, was vormals [1. Th. 4. K.]
von der Freiheit der Nazionen ihre Handlungen nach
eignem Gefallen einzurichten, geſagt worden.
P 3§. 10.
[230]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
§. 10.
Rechte der Nachbarſchaft.
Die benachbarten Nazionen haben, der bloſſen
Nachbarſchaft wegen, hierzu kein ſtaͤrkeres Recht, wenn
auch das Territorium ganz mit den Landen eines andern
Volks umſchloſſen ſeyn ſolte a]. Sie koͤnnen zwar ver-
langen, daß der Nachbar ſein Territorium nicht zum
offenbaren Schaden gebrauche b] ihm iedoch nicht ver-
wehren, ſolche an ſich unſchaͤdliche Anſtalten zu treffen,
die er ſeinen Vortheilen angemeſſen findet, wenn auch
den benachbarten Nazionen dadurch ein gehofter Nutzen
entgehen und ihm alſo mittelbar einiger Nachtheil zu-
gefuͤgt werden ſolte c]. Denn mit eignem Schaden
iſt niemand verbunden des andern Vortheil zu befoͤr-
dern. Indes iſt nicht zu laͤugnen, daß die benach-
barten, beſonders maͤchtigern Nazionen, unter dem
Vorwand der Nachbarſchaftsrechte ſich nicht ſelten eins
und das andere herausnehmen d] und die mindermaͤch-
tigen oft etwas dulten, thun oder laſſen muͤſſen, wozu
ſie den Rechten nach eben nicht verbunden waͤren: wie
denn uͤberhaupt die Klugheit allerdings unter Nachbarn,
wegen der beſtaͤndigen Verbindungen und mannichfal-
tigen Verhaͤltniſſe, eine genauere Beobachtung der an
ſich unvolkomnen und ſogenanten Liebespflichten fodert.
§. 11.
Voͤlkerdienſtbarkeiten.
Der Hauptgrund aller in eines endern Volks Ge-
biete auszuuͤbenden Gerechtſame beruht auf ausdruͤck-
liche oder ſtilſchweigende Einwilligung des Territorial-
eigenthuͤmers, d. i. auf Vertraͤge und Herkommen a].
Man giebt dieſen Rechten gewoͤnlich den Namen der
Voͤlkerdienſtbarkeiten [auf lateiniſch in einer etwas
uneigentlichen Bedeutung: Servitutes iuris publici oder
vielmehr iuris gentium b], und theilt ſie in Activ- und
Paſſiv-Dienſtbarkeiten. Erſtere ſind die, welche
ein Volk in eines andern Territorium auszuuͤben, und
letztere welche es von andern in ſeinen Landen zu dulten
hat. Ueberdies finden bey denſelben noch mancherley
Eintheilungen in verneinende [ſervitutes negativae]
wenn eine Nazion ein gewiſſes Recht z. B. Feſtungen,
Meſſen ꝛc. anzulegen, nicht ausuͤben darf, und beia-
hende [affirmativae] wenn ſie die Ausuͤbung irgend
eines Rechts von andern auf ihrem Territorium leiden
muß, in geiſtliche und weltliche, bey Lehen und Erb-
beſitzungen ꝛc. Statt c]. Auch auf dem Meere und Ge-
P 4waͤſſern
[232]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
waͤſſern die eigentlich unter keiner Herſchaft ſtehen,
koͤnnen gewiſſe Arten von Voͤlkerdienſtbarkeiten einge-
fuͤhrt werden, wenn ein Volk ſich zu Gunſten anderer,
ſeiner natuͤrlichen Freiheit begiebt und verſpricht, in
einer beſtimten Gegend nicht zu fiſchen, zu ſchiffen ꝛc. d].
Alle dieſe Vertraͤge ſind jedoch nicht weiter auszudeh-
nen, als ihr ausdruͤcklicher Innhalt beſaget e].
§. 12.
Nothfall.
Was bey dem Eintritt, Durchzuge und Aufenthalt
in einem andern Territorium bereits erinnert worden,
findet auch bey der Benutzung ſeine Anwendung, daß
naͤmlich im Nothfall a], wo es die Erhaltung unum-
gaͤnglich erfodert, einem Volke gar wohl erlaubt iſt,
des andern Lande zu gebrauchen, iedoch dergeſtalt daß
dieſem der dadurch verurſachte Schaden nachher wieder
erſetzt werde b].
P 5§. 13.
[234]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
§. 13.
Verletzung des Territoriums.
Wenn ein Volk die Grenzen ſeines Gebiets in das
unſtreitige Territorium a] eines andern erſtrecket, ſich
unbefugt Handlungen und Gerechtſame in demſelben
anmaßt, oder andere an Ausuͤbung ihrer Rechte hin-
dert, ſo begeht es eine Verletzung des Territoriums b]
und fuͤgt der andern Nazion eine Beleidigung zu,
welche dieſe verhaͤltnismaͤſſig zu ahnden c] gleiches mit
gleichem zu vergelten d] oder, wenn alle guͤtliche und
gelinde Mittel nichts fruchten, ſich Genugthuung e]
mit Gewalt zu verſchaffen berechtigt iſt f]. Zwiſchen
Nachbarn fallen dergleichen Verletzungen oͤfters vor.
Da ſolche vielmals aus bloſſer Unwiſſenheit, Verſehn
und Uebereilung g] der Unterthanen oder Beamten an
den Grenzen geſchehen, ſo wird nicht ſelten in voraus
feſtgeſetzt, wie man ſich in dergleichen Faͤllen, zu Ver-
huͤtung groͤſſern Misverſtaͤndniſſes, zu verhalten habe h].
Dritte Nazionen nehmen ohne beſondere Veranlaſſung,
an dieſen, ſo wie an andern Streitigkeiten gewoͤnlich
keinen Theil i].
§. 14.
Anſpruͤche, Beſchwerden, Garantie ꝛc.
Ein Volk, welches ein Recht auf das Eigenthum
oder den Beſitz eines Territoriums oder auf die Aus-
uͤbung irgend eines Hoheitsrechts in demſelben hat, oder
zu haben vorgiebt, welches von andern beſeſſen oder
ausgeuͤbt wird, macht Anſpruͤche darauf. Wie dieſe
durch guͤtliche oder gewaltſame Mittel zu verfolgen und
die diesfalſigen Beſchwerden zu erledigen, davon wird
kuͤnftig umſtaͤndlicher zu handeln ſeyn. Indes pflegen
die Nazionen zu Sicherung gegen dergleichen beſonders
ungegruͤndete Anſpruͤche ſich gemeiniglich von andern
den
[240]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
den wechſelſeitigen Schutz bey ihren Beſitzungen und
deren Benutzung, auch Beiſtand im Fall eines thaͤtli-
chen Angrifs verſprechen zu laſſen. Dieſe letztern Ver-
traͤge ſollen den Gegenſtand des folgenden Kapitels
ausmachen.
§. 15.
Rechte in Abſicht Teutſchlands.
Die teutſchen und andern Landesherrn genießen in
ihren Landen gegen auswaͤrtige Nazionen in allen vor-
beruͤhrten Gegenſtaͤnden mit dieſen gleiche Rechte, und
ſind daher nicht verbunden, wider ihren Willen, einem
fremden Volke die Ausuͤbung irgend eines Rechts auf
ihren Territorien im eignen Namen einzuraͤumen, ſon-
dern berechtigt, ſich gegen alle Beeintraͤchtigungen der-
ſelben, auf alle ſonſt erlaubte Art zu ſchuͤtzen a]. Im
aͤuſſerſten Falle koͤnnen Kaiſer und Reich, auf behoͤri-
ges Anſuchen, oder von freien Stuͤcken, ſich nicht ent-
brechen, die Staͤnde bey ihren Rechten zu handhaben
und ihnen gegen auswaͤrtige Eingriffe den erfoderlichen
Beiſtand angedeihen zu laſſen b]. Wenn hingegen
ein teutſcher Landesherr ſich in dem Gebiete anderer
Nazionen zu viel herausnimt, koͤnnen auch dieſe ent-
weder ſelbſt ſich ſogleich Genugthuung verſchaffen, oder
ihre Beſchwerden bey dem Reiche anbringen c]. In
wie ferne uͤbrigens die teutſchen Landesherrn befugt
ſind, auswaͤrtigen Nazionen durch Vertraͤge einige Ge-
rechtſame und gewiſſe ſogenante Voͤlkerdienſtbarkeiten
auf dem Reichsterritorium einzuraͤumen, muß nach den
Grundſaͤtzen des teutſchen Staatsrechts, aus den Lehns-
und andern Verbindungen, worinn ſie mit dem teut-
ſchen Reiche ſtehen und welchen dadurch kein Nachtheil
zugefuͤgt werden darf, beurteilt werden d]. Eben ſo
gehoͤrt
[241]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
gehoͤrt die Eroͤrterung derienigen Rechte, und ſogenan-
ten Reſervaten, welche dem Kaiſer, als Oberhaupt
von Teutſchland, in den Territorien der einzelnen
Reichsſtaͤnde und Landesherrn theils als Ueberbleibſel
ſeiner ehemaligen weitumfaſſenden Macht, theils ver-
moͤge beſonderer Vertraͤge und Herkommen, zuſtehen,
in die Lehre des teutſchen Staatsrechts e].
Die Landesherrn eines naͤmlichen Staats unter ein-
ander muͤſſen in Abſicht auf die Erſtreckung ihrer Ho-
heitsrechte in der Mitſtaͤnde Lande vor allen Dingen
die in den Reichsgrundgeſetzen enthaltenen Vorſchriften
befolgen, und koͤnnen nur dann nach dem Voͤlkerrechte
handeln, wenn iene hierunter nichts beſtimmen und
ihrer Freiheit uͤberhaupt keine Schranken ſetzen. In
Teutſchland ſtehen den Landesherrn nach der Reichsver-
faſſung, beſonders auch vermoͤge kaiſerlicher Privile-
gien, mancherley Gerechtſame in den Territorien an-
derer zu, die keinesweges nach den Grundſaͤtzen des
Voͤlkerrechts beurteilt werden koͤnnen, und mit Recht
den Namen der Staatsrechtsdienſtbarkeiten verdie-
nen f]. Es giebt aber auch noch Faͤlle genug, worinn
die teutſchen Landesherrn nach freier Wilkuͤhr handeln
und andern dieſes oder ienes Recht zugeſtehn oder ver-
ſagen koͤnnen g]. Dieſe andern eingeraͤumte Ausuͤbung
einzelner Hoheitsrechte ſchadet uͤbrigens der Landesho-
heit eben ſo wenig, als der Souverainetaͤt unter unab-
haͤngigen Nazionen h]. Beſchwerden uͤber die zu weite
Ausdehnung ſolcher Gerechtſame und uͤber die Verle-
tzung des Tetritoriums uͤberhaupt kommen auch unter
den teutſchen Reichsſtaͤnden oͤfters vor i] und es finden
dabey eben dieienigen Rechtsmittel Statt, welche oben
bey den Grenzſtreitigkeiten bemerkt worden k].
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Qc] Eben-
[242]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker ꝛc.
g] Wegen
[243]Von Garantirung der Lande.
Sechſtes Kapitel.
Von Garantirung der Lande.
§. 1.
Begrif der Landesgarantie.
Um in Beſitz und Benutzung der Lande, beſonders
ſolcher die durch Krieg oder auf andere Art erſt
neu erworben worden, gegen Anſpruͤche und Eingriffe
deſto ſicherer und ungeſtoͤrter zu ſeyn, pflegen die Na-
zionen in Friedensſchluͤſſen, Buͤndniſſen und andern
Vertraͤgen a], auch wohl in beſondern Urkunden b] ein-
ander zu verſprechen, ſich bey dem ruhigen Beſitz ihrer
Lande gegen alle Beeintraͤchtigungen wechſelſeitig zu
ſchuͤtzen c], welches man die Landesgarantie nennt.
Q 2a] In
[244]Von Garantirung der Lande.
§. 2.
[245]Von Garantirung der Lande.
§. 2.
Verſchiedene Gattungen derſelben.
In Abſicht auf die Dauer der Zeit, und auf den
Umfang der Lande, welche ſie auf beiden Seiten zum
Gegenſtand haben, finden bey dieſer Garantie ver-
ſchiedene Eintheilungen in beſtaͤndige und zeitige,
algemeine und eingeſchraͤnkte, gleiche und ungleiche
Statt.
§. 3.
In Anſehung der Dauer.
Die Dauer dieſer Garantieen beruht auf den Inn-
halt der Vertraͤge und auf die uͤbrigen dabey eintreten-
den Umſtaͤnde. Sind ſolche ausdruͤcklich fuͤr immer
errichtet a] oder wenigſtens auf keine beſtimte Zeit ein-
geſchraͤnkt, auch den Umſtaͤnden nach nicht ſo zu ver-
ſtehen b], ſo dauert die Verbindlichkeit der Garantie
beſtaͤndig fort. Iſt aber die Garantie, oder der Ver-
trag, worinn dieſe mit bedungen worden, nur auf ge-
wiſſe Jahre eingegangen c], wie dies bey den gewoͤhn-
lichen Allianzen zu geſchehen pflegt d] oder die Umſtaͤnde
werden gaͤnzlich veraͤndert, ſo hoͤrt mit ihnen zugleich
die Garantie der Lande auf e].
e] Wenn
[247]Von Garantirung der Lande.
§. 4.
In Abſicht des Umfanges.
Die Garantieen erſtrecken ſich entweder auf alle von
den Theilhabenden Nazionen in und auſſerhalb Europa
beſitzenden a] oder nur auf gewiſſe benante Lande b].
Zuweilen uͤbernimt auch wohl der eine Theil eine weit-
umfaſſendere Garantie, als der andere dagegen ver-
ſpricht c]. Es komt hierbey alles auf den Inhalt der
desfals errichteten Vertraͤge an d].
§. 5.
[249]Von Garantirung der Lande.
§. 5.
Garantie ſtreitiger Lande und kuͤnftiger
Beſitzungen.
Eigentlich gehen die Garantieen nur auf dieienigen
Lande in deren ruhigem Beſitz eine Macht ſich bey Er-
richtung des Garantievertrages befindet, wie dies oͤfters
ausdruͤcklich bemerkt zu werden pflegt a]. Doch ge-
ſchieht es auch wohl, daß eine Nazion die Garantie
ſolcher Lande uͤbernimt, deren Eigenthumsrecht noch
nicht entſchieden und der Beſitz daher ſtreitig iſt b] oder
auch ſolcher, deren Beſitz die andere Nazion erſt kuͤnf-
tig zu hoffen hat c]. Da es, bey entſtehenden Strei-
tigkeiten, ſchwer zu beſtimmen iſt, welcher Theil das
ſtaͤrkſte Recht an einem Lande habe, ſo haͤngt es von
dem Gutbefinden eines ieden Volks ab, ob es ſich zur
Garantie des einſtweiligen Beſitzes, nicht ſowohl gegen
Recht, als nur gegen unerlaubte Gewalt verſtehen
wolle; doch kann den gegruͤndetern Rechten eines drit-
ten dadurch nie einiger Nachtheil zugefuͤgt werden d].
§. 6.
Wechſelſeitige Rechte und Verbindlich-
keiten bey den Landesgarantieen.
Keine Nazion iſt von Natur verbunden, andere
bey dem ruhigen Beſitz ihrer Lande zu ſchuͤtzen, ob ſie
gleich ſelbſt ſich aller Stoͤhrungen, ohne hinlaͤnglichen
Grund enthalten muß. Eine ſolche Garantie kann da-
her auch von andern nicht als Schuldigkeit verlangt,
ſondern muß durch ihre Einwilligung erworben werden.
In
[252]Von Garantirung der Lande.
In den diesfals errichteten Vertraͤgen, worauf es hier-
bey hauptſaͤchlich ankomt, werden gemeiniglich die Be-
dingungen feſtgeſetzt, unter welchen die Huͤlfsleiſtung
gegen Beeintraͤchtigungen und Angriffe erfolgen ſoll,
auch die Staͤrke der Huͤlfe und die Art der Leiſtung be-
ſtimt. Bey eintretenden Umſtaͤnden komt es zwar auf
die in Gefahr ſich befindende Nazion an, ob ſie den
von andern ihr verſprochenen Beiſtand fodern will oder
nicht. Dieſen ſteht aber, wenn der Vertrag nicht
ganz allgemein abgefaſt iſt, allerdings auch frey zu un-
terſuchen: ob der bedungene Fall der Huͤlfsleiſtung
wuͤrklich vorhanden ſey? a] Dieſer Umſtand und an-
dere hierunter moͤgliche Ausfluͤchte und Hinderniſſe b]
ſind denn freilich ſehr oft Urſach, daß die erwartete
Garantie, zumal wenn es bey dem andern Theile am
guten Willen fehlt, entweder gar keine Wuͤrkung hat,
oder doch nicht zum gehoͤrigen Zeitpunct c]. Wenn
uͤbrigens ein Volk andern Lande zu garantiren ver-
ſpricht, woran es vorher ſelbſt Anſpruͤche machte, oder
zu haben glaubte, ſo laͤßt ſich daraus ohnſtreitig eine
Verzichtleiſtung dieſer Anſpruͤche folgern, es muͤſte
denn zur Zeit der uͤbernommenen Garantie noch keine
Wiſſenſchaft davon gehabt und das Recht darauf erſt
nachher erlangt, auch dabey ausdruͤcklich allen ſeinen
bekanten und unbekanten Rechten nicht entſagt haben d].
Jedoch hindert die Garantie an ſich keinesweges, daß
eine Nazion uͤber die ihr garantirten Lande nicht nach
Wilkuͤhr ſchalten koͤnte, und ſelbſt der garantirenden
nicht frey ſtehen ſolte, mit Einverſtaͤndnis der andern,
etwas davon an ſich zu bringen e].
§. 7.
Rechte der teutſchen Landesherrn ꝛc.
Teutſchland hat in Anſehung der Landesgarantieen
unſtreitig das Recht iedes andern unabhaͤngigen Volks a].
Auch deſſen einzelnen Landesherrn ſtehet es, vermoͤge
des ihnen zukommenden Kriegs. Friedens- und Buͤnd-
nisrechts mit Auswaͤrtigen, frey, die Gatantie deren
Lande zu uͤbernehmen b]. Gegen die von letztern ſich
zu bedingende Garantie ihrer Reichslande ſcheint dar-
um einiges Bedenken obzuwalten, weil die Entſchei-
dung der uͤber den Beſitz entſtehenden Streitigkeiten
der hoͤchſten Gerichtsbarkeit im teutſchen Reiche unter-
worfen iſt c], wenigſtens kann die Garantie ſtreitiger
Lande hier nicht Statt finden d]. Dies laͤßt ſich auch
von den Landesherrn gegen einander behaupten.
a] Unter
[254]Von Garantirung der Lande.
Drittes
[255]
Drittes Buch.
Von den Landesbewohnern, deren verſchie-
denen Beſtimmungen und Verhaͤltniſſen nach
den Grundſaͤtzen des Voͤlkerrechts.
Erſtes Kapitel.
Von den verſchiedenen Gattungen der Landesbe-
wohner und den Gerechtſamen der Voͤlker in
Abſicht derſelben uͤberhaupt.
§. 1.
Begrif der Landesbewohner.
Ein vorzuͤgliches Augenmerk verdienen nunmehro die
Mitglieder der Nazion, welche ihren Willen und
ihre Kraͤfte zum algemeinen Beſten unter eine Ober-
herſchaft vereinigt haben, und uͤberhaupt alle Landes-
bewohner, in ſofern ſie naͤmlich einen Gegenſtand wech-
ſelſeitiger Rechte und Verbindlichkeiten unter den Na-
zionen ausmachen. Unter den Landesbewohnern ver-
ſtehe ich hier, im weitlaͤuftigen Sinne und im Gegen-
ſatz der Auswaͤrtigen, alle dieienigen Perſonen und
Familien, welche ſich in einem Lande entweder beſtaͤn-
dig oder nur eine Zeitlang aufhalten, ſie moͤgen darinn
gebohren
[256]V. d. verſchiedenen Gattungen d. Landesbew.
gebohren oder anderswoher aufgenommen ſeyn. Dieſe
Umſtaͤnde veraͤndern indes allerdings die Verhaͤltniſſe
und beſtimmen die verſchiedenen Gerechtſame derſelben
ſowohl in Abſicht der Nazion, deren Mitglieder ſie
ſind, als der, wo ſie ſich aufhalten, oder anderer und
deren einzelne Glieder. Um die letztern deſto beſſer
beurteilen zu koͤnnen, iſt es noͤthig, zufoͤrderſt die aus
den erſtern flieſſenden Begriffe feſtzuſetzen.
§. 2.
Einheimiſche und Fremde.
Die Landesbewohner beſtehen theils aus Einheimi-
ſchen, theils aus Fremden. Einheimiſche ſind die-
ienigen, welche ihre beſtaͤndige Heimath oder Wohnung
[domicilium] in einem Lande haben a], Fremde, wel-
che ſich nur einige obſchon lange Zeit darinn, gewiſſer
Geſchaͤfte wegen, aufhalten und daſelbſt wohnen, ohne
die Abſicht zu haben, ſich beſtaͤndig niederzulaſſen, und
Mitglieder des Staats oder nur Einwohner zu werden b].
§. 3.
Eingebohrne und Auslaͤnder.
Die Einheimiſchen koͤnnen wieder entweder im
Lande, oder auch auswaͤrts aber von Eltern, die ihre
beſtaͤndige
[257]u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.
beſtaͤndige Wohnung in dem Lande haben, gebohren
ſeyn a]; oder ſie haben ſich von andern Orten her da-
ſelbſt niedergelaſſen. Die erſtern werden Einge-
bohrne, die andern Auslaͤnder genannt. Das Land,
in welchem die Eltern zur Zeit der Geburt ihren feſten
Wohnſitz hatten, heißt ihr Vaterland, wiewohl man
im weitlaͤuftigern Verſtande dafuͤr auch das Land an-
nimmt, wo einer ſelbſt ein Mitglied des Staats iſt
und ſeine Wohnung hat.
§. 4.
Buͤrger, Einwohner und Anſaͤſſige.
Alle Einheimiſche ſind zwar Mitglieder des Staats,
ſie genieſſen aber nicht alle immer gleiche Rechte. Die-
ienigen, welche an allen Vortheilen der Staatsverbin-
dung Theil nehmen, und ſowohl in perſoͤnlicher Ruͤck-
ſicht, als in Beſetzung der Aemter, des Guͤterbeſitzes
und andern Stuͤcken ſich gewiſſer Vorzuͤge zu erfreuen
haben, werden Buͤrger [cives] genennt. Die, denen
zwar
[259]u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.
zwar erlaubt iſt, ihre Wohnung in einem Lande auf-
zuſchlagen, aber nicht alle, ſondern nur gewiſſe Vor-
theile von geringerm Grade, nach Vorſchrift der Lan-
desgeſetze, zugeſtanden werden, ſind bloſſe Einwoh-
ner [incolae]. Welche Guͤter in einem Lande beſitzen,
aber nicht daſelbſt wohnen, heiſſen Anſaͤſſige [forenſes]
und koͤnnen eigentlich auf keine perſoͤnlichen, ſondern
nur auf ſolche Vortheile Anſpruch machen, welche der
Guͤterbeſitz gewaͤhrt. Gemeiniglich wiederfahren den
Eingebohrnen beſonders iene Vorzuͤge. Ob und in
wieferne iedoch zuweilen auch die bloſſe Wohnung oder
die Anſaͤſſigkeit einen des Buͤrgerrechts theilhaftig
mache, komt auf die beſondern Landesverfaſſungen an.
§. 5.
Vagabonden.
Dieienigen, welche nirgends einen beſtaͤndigen
Wohnſitz haben, ſondern hie und da herumziehn und
nur eine Zeitlang ſich aufhalten, heißt man Vaga-
bonden, Landſtreicher, Landlaͤufer. Man ſieht
indes gewoͤnlich die durch die Geburt von der Natur
ihm angewieſene Heimath ſeiner Eltern auch ſo lange
fuͤr die ſeinige an, als er ſie nicht in der Abſicht auf-
gegeben hat, nirgends ſich haͤuslich niederzulaſſen.
Dahin werden unter andern herumziehende Comoͤdian-
ten und Gaukler, Marktſchreier, Zigeuner, Bettler ꝛc.
gerechnet.
R 2*] Wolff
[260]V. d. verſch. Gattungen d. Landesbewohner
§. 6.
Emigranten, Fluͤchtige, Vertriebene ꝛc.
Wenn ein Mitglied des Staats ſich veranlaßt ſieht,
ſeinen bisherigen Wohnſitz zu verlaſſen, ſo nennt man
ihn einen Exulanten [Exul]. Geſchieht es aus recht-
maͤſſigen Urſachen um anderswo ſich niederzulaſſen, ſo
wird er mit dem Namen eines Emigranten belegt;
wer ſich hingegen von einer Nazion wegen Verbrechen
auf eine unerlaubte Art trennt, iſt ein Fluͤchtiger,
Ausgetretener [fugitivus]. Beide Faͤlle ſind iedoch
ein freiwilliges Exilium [exilium voluntarium].
Wird einer aber vom Staate genoͤthigt, das Land, wie-
wohl ohne Verletzung ſeiner Ehre zu verlaſſen, ſo tritt
ein unwilkuͤhrliches Exilium [invitum] ein, und er
iſt ein Verwieſener oder Vertriebener. Iſt der
Verluſt der Ehre damit verbunden, ſo heißt man es
eine Verbannung.
§. 7.
[261]u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.
§. 7.
Unterthanen.
Wer der Oberherrſchaft im Staate unterworfen
iſt und derer Befehlen und Anordnungen gehorchen
muß, wird Unterthan [ſubditus] genennt. Das
Weſen der Staatsvereine erfodert, daß alle einzelne
Landesbewohner, ſie moͤgen Einheimiſche oder Fremde
ſeyn, ſo lange ſie Mitglieder des Staats ſind, oder
im Lande ſich aufhalten [ſubditi temporarii] dieſe
Oberherſchaft anerkennen, ſo wie ſie alle auf gleichen
Schutz und Sicherheit Anſpruch zu machen berechtigt
ſind; obgleich die letztern zu den Staatslaſten und per-
ſoͤnlichen Beſchwerungen nicht gezogen werden koͤnnen,
denen die wuͤrklichen Mitglieder des Staats unterwor-
fen ſind. Den Fremden wird, wie ich ſchon oben er-
innert habe, unter keiner andern Bedingung der Ein-
tritt und Aufenthalt in dem Territorium verſtattet, als
daß ſie ſich und ihre Handlungen, welche hier eine
rechtliche Wuͤrkung haben koͤnnen und ſollen, den Vor-
ſchriften und Einrichtungen unterwerfen, welche die
oberſte Gewalt zum Beſten des Staats zu machen fuͤr
gut angeſehen hat. Sie machen ſich daher durch den
Eintritt ſtillſchweigend darzu verbindlich.
§. 8.
Rechte einer Nazion in Anſehung ihrer
Unterthanen im eignen Territorium.
Eine Nazion hat, vermoͤge ihrer Freiheit und Un-
abhaͤngigkeit das Recht, in ihrem Lande ſowohl in Ab-
ſicht der Mitglieder und Unterthanen, als der Frem-
R 3den
[262]V. d. verſch. Gattungen d. Landesbewohner
den die in ihr Territorium kommen, alle diejenigen An-
ſtalten zu machen, welche ihr zum Wohl des Staats
gutduͤnken, ohne daß eine andere Nazion deshalb Ziel
und Maas ſetzen koͤnte; obgleich ſolche den bey dieſer
angenommenen Grundſaͤtzen entgegen ſind: denn es
haͤngt von ihr ab, ob ſie ihren Unterthanen unter dieſen
Verhaͤltniſſen den Aufenthalt daſelbſt verſtatten, und
ob die letztern durch den Eintritt in das Territorium
ſich den Vorſchriften unterwerfen wollen. Doch darf
allerdings den etwa vorhandenen Vertraͤgen kein Nach-
theil oder dem andern Volke und ſeinen Unterthanen
keine offenbare Beleidigung dadurch zugefuͤgt werden.
§. 9.
Rechte der Nazionen uͤber Unterthanen in
fremden Territorien.
Dadurch, daß ein Mitglied der Nazion, welches
in ein fremdes Territorium, nicht in der Abſicht um
daſelbſt beſtaͤndig zu wohnen, ſondern nur um Ge-
ſchaͤfte willen, auf eine Zeitlang ſich begiebt, als zei-
tiger Unterthan den Geſetzen dieſes Landes gehorchen
muß, wird die vorige Verbindung zwiſchen dem Volke,
deſſen Mitglied er iſt, nicht gaͤnzlich aufgehoben, ſon-
dern es bleiben allerdings wechſelſeitige Rechte und
Pflichten, die aber nur inſoweit wuͤrkſam ſeyn koͤnnen,
als ſie den Geſetzen des Volks, wo der Fremde ſich
aufhaͤlt, keinen Eintrag thun. Die uͤbrigen Rechte
ienes Staats ruhen in dieſer Beziehung einſtweilen.
Der
[263]u. d. Gerechtſ. d. Voͤlker in Abſicht derſelben ꝛc.
Der Fremde kann daher von Rechtswegen auf keinen
der Vortheile in einem andern Territorium Anſpruch
machen, die ihm, nach der Verfaſſung ſeines Landes
zukommen. Was ihm hierunter, beſonders nach den
heutigen Grundſaͤtzen der europaͤiſchen Nazionen, ein-
geraͤumt wird, beruht auf eine herkoͤmliche Gefaͤlligkeit,
welche den geſelſchaftlichen Verbindungen gemaͤs wech-
ſelſeitig ausgeuͤbt wird. Ueber auswaͤrtige Unterthanen
aber kann kein Volk, wenn ſie nicht in ſein Land kom-
men, ſich irgend eines Rechts anmaaſſen, oder ſich in
die dieſelben betreffende Einrichtungen und in die Ver-
haͤltniſſe der Unterthanen zu ihrer Oberherrſchaft miſchen,
wenn es nicht durch Vertraͤge, durch Anſuchen ein und
des andern Theils oder durch ein gemeinſames Intereſſe
dazu veranlaßt worden.
§. 10.
Teutſchland.
Dieſe Eintheilungen und Gerechtſame finden groͤ-
ſtentheils auch in Teutſchland und unter den teutſchen
Landesherrn Statt; nur kann man hier in noch meh-
rerm Sinne als Fremder, Buͤrger ꝛc. betrachtet werden,
theils in Ruͤckſicht des ganzen Reichs, theils einzelner
Provinzen ꝛc.; und dann hat, vermoͤge der Staats-
verfaſſung, manche Einrichtung hierunter in den ge-
ſamten Reichslanden eine geſetzliche Kraft, deren An-
erkennung bey voͤllig unabhaͤngigen Nazionen auf bloſſe
Wilkuͤhr beruhet.
R 4*] M.
[264]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
Zweites Kapitel.
Von den Rechten der Nazionen gegen einander in
Abſicht des geſamten Volks und der es dar-
ſtellenden Staͤnde.
§. 1.
Geſamtes Volk und Staͤnde.
Alle Mitglieder des Staats zuſammen als eins be-
trachtet, machen den Koͤrper des geſamten Volks
[populus] oder der Nazion im engern Sinne aus,
deſſen Verhaͤltnis zur Oberherrſchaft durch gemeinſchaft-
liche Vertraͤge oder ſogenante Reichsgrundgeſetze beſtimt
zu werden pflegt. Wegen der Unbequemlichkeit ganzer
Volksverſamlungen ſind heutzutage bey den Nazionen,
wo die beſondere Einwilligung des Volks zu Ausuͤbung
einzelner Hoheitsrechte noͤthig iſt, meiſtens nur gewiſſe
Perſonen oder Gemeinheiten auserſehn, welche unter
dem Namen der Reichs- oder Landſtaͤnde, erfoderlichen
Falls, das geſamte Volk darſtellen, die Obſorge fuͤr
die dieſem zuſtehenden Gerechtſame tragen und den An-
theil
[265]in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.
theil beſorgen, der ihm, nach der Staatsverfaſſung,
an der Regierung zugeſtanden iſt.
§. 2.
Gleichheit der geſamten Volksmenge und
der Staͤnde bey den Nazionen.
Die geſamte Volksmenge und ihre Repraͤſentanten
ſind bey allen europaͤiſchen Nazionen einander gleich,
ſo daß keine Rangordnung, wie bey ihren Souverai-
nen, Statt findet, wenn ſie in Verhaͤltnis gegenein-
ander dargeſtelt oder ihrer in Vertraͤgen gedacht werden
ſoll a]. Sie beſtehn alle aus freien von einander un-
abhaͤngigen Menſchen, und auch das Herkommen hat
hier nicht wie bey ienen einen gewiſſen Vorrang einge-
fuͤhrt. Nur in Anſehung Teutſchlands und ſeiner
Staͤnde leidet dies einige Ausnahme, indem dieſe,
ihrer anſehnlichen Vorrechte wegen b] dergleichen nicht
nur verlangen, ſondern auch zum Theil hergebracht
haben c]. Die Kurfuͤrſten, Fuͤrſten, Herzoge und an-
dere teutſche Reichsſtaͤnde, welchen das Recht des
Krieges, Friedens und der Buͤndniſſe, ſogar mit aus-
waͤrtigen Nazionen, zuſteht, wollen den Reichsſtaͤnden
in andern Reichen, wenn ſie ſonſt auch noch ſo ange-
ſehn ſind und zum Theil gleiche Namen fuͤhren, keines-
weges den Vorrang laſſen d] und es wird ihnen ſolcher
auch ſonſt durchgaͤngig nicht ſtreitig gemacht. Uebri-
gens iſt es ieder Nazion unverwehrt, der geſamten
Volkſchaft eines Staats vor andern bey ſich gewiſſe
Vorzuͤge einzuraͤumen.
R 5c] Mo-
[266]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
§. 3.
Verſchiedenheit der Rechte.
Dieſe Gleichheit berechtigt das geſamte Volk iedoch
nicht, eben die Rechte bey andern Nazionen zu ver-
langen, welche dieſe einem oder dem andern Volke ein-
geraͤumt haben, ſondern es haͤngt von der Wilkuͤhr der
Nazionen ab, was fuͤr Rechte und Freiheiten ſie einem
ieden Volke in ihren Staaten zugeſtehn wollen, und
es kann ihnen nicht verwehrt werden, einem mehrere
Gerechtſame in Handels- und dergleichen Angelegen-
heiten zu goͤnnen. Da keine Nazion hierunter zu et-
was weiter, als zu Beobachtung der algemeinen Pflich-
ten, die freilich gegen alle gleich ſind, verbunden iſt,
ſo muß eine mehrere Verbindlichkeit lediglich durch
Vertraͤge erworben werden a].
§. 4.
Naturaliſation.
Noch weniger koͤnnen Nazionen und ihre Mitglie-
der, die in ein fremdes Territorium entweder nur eine
Zeit-
[268]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
Zeitlang, oder um daſelbſt beſtaͤndig zu wohnen kom-
men, verlangen, daß ihnen die Rechte und Vortheile
der Eingebohrnen, welche man unter dem Namen des
Indigenats begreift, zugeſtanden werden ſollen.
Zuweilen bringt es die Verfaſſung des Landes mit ſich,
daß die bloſſe Aufnahme eines Fremden als Unterthan
ihm iene Rechte gewaͤhrt a]. Gemeiniglich aber wird
eine beſondere Verguͤnſtigung, welche Naturaliſation
heißt, und einzelnen Perſonen oder Familien meiſt in
eignen Urkunden oder ſogenannten Naturaliſations-
briefen, ertheilt werden, hierzu erfodert. Dieſe Na-
turaliſation begreift gewoͤnlich alle Rechte der Einge-
bohrnen in ſich, doch giebt es bey einigen Nazionen
gewiſſe Grade derſelben, die den Fremden bald mehrere
bald mindere Gerechtſame beilegen b]. Dergleichen
Naturaliſation wiederfaͤhrt entweder ganzen Nazionen,
ſo daß alle Glieder derſelben als Eingebohrne anzuſehn
ſind c]; oder allen Fremden, die ſich in einem Lande
niederlaſſen, entweder nur von einer gewiſſen Gat-
tung d] oder ohne Unterſchied e], oder es werden auch
nur einzelne Perſonen und Familien mit dem Indigenat
in einem Lande begnadigt f].
d] Von
[269]in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.
§. 5.
Recht der Standſchaft.
Was die Darſtellung des geſamten Volks durch ge-
wiſſe Repraͤſentanten oder die Staͤnde anlanget, ſo
hat auch hierinn keine auswaͤrtige Nazion etwas zu
ſagen, wenn ſie nicht ſelbſt oder ihre Glieder, wegen
des Beſitzes gewiſſer Guͤter oder aus einem andern recht-
maͤſſigen Grunde, an der Standſchaft Theil zu neh-
men befugt iſt. Bekantlich beſitzen verſchiedene aus-
waͤrtige Souverains zugleich in Teutſchland ſolche
Reichslande, auf welchen das Recht der Standſchaft
mit Sitz und Stimme auf dem Reichstage haftet a];
auch giebt es Faͤlle, daß teutſche Reichsſtaͤnde zugleich
als
[271]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
als Staͤnde auswaͤrtiger Reiche aufgenommen wer-
den b]. Wenn einem Auswaͤrtigen ein ſolches Sitz
und Stimmfaͤhiges Land auf irgend eine geſetzmaͤſſige
Art zufaͤlt, ſo kann ihm das Recht der Reichsſtand-
ſchaft nicht verſagt werden, wenn er ſich deſſen nicht
freiwillig begiebt c] oder beſondere Reichsgrundgeſetze
deshalb vorhanden ſind d].
§. 6.
Unterhandlungen auswaͤrtiger Nazionen
mit dem geſamten Volke und deſſen
Staͤnden.
In wie ferne das geſamte Volk, als ein ſelbſtſtaͤn-
diger Koͤrper betrachtet, durch ſeine Repraͤſentanten die
Staͤnde,
[272]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
Staͤnde, befugt ſey, ohne Zuziehung des Reichsober-
haupts, oder gemeinſchaftlich mit ihm, in Unterhand-
lungen und Vertraͤge mit auswaͤrtigen Nazionen ſich
einzulaſſen, und dieſe ſich alſo an iene wenden koͤnnen;
ob daher das Unternehmen des Volks und der auswaͤr-
tigen Nazion als erlaubt oder unerlaubt und fuͤr eine
Beleidigung ienes Souverains anzuſehn ſey? komt
auf die Grundvertraͤge des Staats an. Sind derglei-
chen Verhandlungen dieſen nicht zuwider, ſo koͤnnen
ſolche, wenn ſie nicht zum Nachtheil des Staats gerei-
chen, der andern Nazion nicht fuͤglich als Beleidigung
angerechnet werden a]. Im teutſchen Reiche, in Po-
len ꝛc. komt dieſer Fall am haͤufigſten vor.
§. 7.
Erhaltung ihrer Rechte und Freiheiten.
Was fuͤr Rechte und Freiheiten dem geſamten
Volke und deſſen Staͤnden, im Verhaͤltnis zur Ober-
herſchaft, in iedem Staate gebuͤhren, beruht ebenfals
auf die unter ihnen errichteten Grundvertraͤge und wird
in dem Staatsrechte gelehrt. Andere Nazionen haben
weder in Anſehung deren Errichtung noch Beobachtung
einige Rechte, wenn ſie nicht durch beſondere Vertraͤge
oder eine uͤbernommene Garantie ſolcher Rechte und
Freiheiten a] auf Erſuchen beider, oder eines und des
andern Theils, oder auch des algemeinen Beſten hal-
ber dazu veranlaßt werden b].
S 2§. 8.
[276]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
§. 8.
Aufwiegelung des Volks.
Es iſt aber keinesweges, zumal in Friedenszeiten,
erlaubt, das Volk eines andern Staats durch gehaͤſ-
ſige Inſinuationen, Beſtechungen und andere Vorſpie-
gelungen zu Beſchwerden gegen die Oberherſchaft,
oder gar zur Untreue und zum Aufruhr gegen dieſelbe
zu verleiten a]. Indes fehlt es doch auch nicht an
Beiſpielen hiervon in der Geſchichte b]. Gegen ein
ſolches Benehmen ſind, wegen der uͤblen Folgen fuͤr
die algemeine Ruhe, die ſchaͤrfſten Ahndungen erlaubt.
S 3§. 9.
[278]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
§. 9.
Verhalten anderer Nazionen bey entſte-
hendem Aufruhr.
Wenn gleichwohl Aufruhr und Empoͤrung in einem
Staate entſtehen, indem ein Theil des Volks der recht-
maͤſſigen Oberherſchaft den ſchuldigen Gehorſam auf
eine unrechtmaͤſſige Art zu entziehen ſucht, ihr auch
wohl Gewalt entgegen ſetzt a]; ſo duͤrfen andere Nazio-
nen ſich ebenfals darein nicht miſchen, noch weniger
den Rebellen einigen Vorſchub an Gelde, Unterhalt,
Kriegsbeduͤrfniſſen leiſten, ſie mit Rath und That un-
terſtuͤtzen, oder ihnen auch nur Aufenthalt und Sicher-
heit bey ſich verſtatten b]. Beſondere Vertraͤge und
Garantieen c], das Anſuchen der ſtreitigen Theile d]
und die Erhaltung der algemeinen Ruhe e] machen iedoch
auch hier eine Ausnahme. So feſt dieſes auch ſchon
in den Vorſchriften des natuͤrlichen Voͤlkerrechts ge-
gruͤndet iſt, und von den meiſten Nazionen beobachtet
wird f]; ſo werden doch auch in den Vertraͤgen der
Nazionen haͤufig daruͤber noch ausdruͤckliche Verabre-
dungen getroffen g], da die Erfahrung gelehrt hat, daß
Nazionen zuweilen kein Bedenken tragen, ſich ſolcher
Rebellen heimlich oder oͤffentlich anzunehmen und ſie
zu unterſtuͤtzen h]. Bloſſe Interceſſionen fuͤr die Re-
bellen in Anſehung ihrer Beſtrafung koͤnnen indes nicht
fuͤglich als eine Theilnahme angeſehn werden i]. Ueb-
rigens iſt es nicht ungewoͤnlich, daß eine Nazion der
andern von den bey ihr entſtehenden Unruhen Nachricht
ertheilt k].
§. 10.
[286]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
§. 10.
Aufkuͤndigung des Gehorſams.
Ein anderer Fall iſt es, wenn das geſamte Volk
oder deſſen Repraͤſentanten, wegen unertraͤglicher Be-
druͤckungen und tyranniſcher Behandlungen oder ande-
rer offenbar grundgeſetzwidriger, dem Wohl des Staats
entgegenlaufender Unternehmungen der Oberherſchaft,
ſich berechtigt glauben, ihr den Gehorſam gaͤnzlich auf-
zuſagen, ſich fuͤr unabhaͤngig zu erklaͤren oder einem
andern Regenten zu unterwerfen oder wenigſtens dem
vorigen, mit Umwerfung der ganzen bisherigen Ver-
faſſung, neue und eingeſchraͤnktere Grundgeſetze vorzu-
ſchreiben. Verſchiedene Rechtslehrer wollen auch hier,
weil ſie zum Theil dem zu Gehorſam und Unterthaͤ-
nigkeit verpflichteten Volke ſelbſt kein Recht der Beur-
teilung, des Widerſtandes und der Beſtrafung uͤber
den Regenten hierunter zugeſtehn, die Einmiſchung
anderer Nazionen in dieſe blos die innere Verfaſſung
betreffende Angelegenheit fuͤr unerlaubt anſehn a]. Gro-
rius hingegen b] und andere machen einen Unterſchied,
ob die Vergehungen der Oberherſchaft blos in harten
Privatbeleidigungen beſtehen, oder ob ſie wuͤrklich of-
fenbare Ungerechtigkeiten und Grauſamkeiten gegen den
Staat ſich habe zu Schulden kommen laſſen und geſtat-
ten im letztern Falle den auswaͤrtigen Nazionen mehr
Recht als dem Volke. Ich will hier die in das Staats-
recht gehoͤrige Frage: wie weit das Volk, ſowohl in
einem uneingeſchraͤnkten Staate, als in einem ſolchen,
wo die Regierung auf gewiſſe Grundgeſetze beruht, be-
rechtigt ſey, der Oberherſchaft, wegen zweck- und ge-
ſetzwidriger Unternehmungen, den Gehorſam aufzukuͤn-
digen? nicht weitlaͤuftig unterſuchen. Die vorzuͤg-
lichſten Staatsrechtslehrer ſind indes dahin einverſtan-
den,
[287]in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.
den, daß der Staat eine zum gemeinſamen Wohl er-
richtete Geſelſchaft ſey, wo zwar iedes einzelne Mit-
glied, als Unterthan gehorchen muß, das geſamte
Volk, als ein Ganzes aber gegen die Oberherſchaft in
gleichen Verhaͤltniſſen ſteht, deren wechſelſeitige Rechte
und Verbindlichkeiten entweder blos aus dem Weſen
des Staats, der gemeinſchaftlichen Wohlfahrt, oder
aus denen zwiſchen ihnen errichteten Grundvertraͤgen
zu beurteilen ſind. Wenn nun ein Theil dem Weſen
der Staatsverbindung oder den ausdruͤcklichen Grund-
geſetzen gerade zuwider handelt, ſo iſt auch der andere
berechtigt, ſich ſeiner Berbindlichkeiten zu entaͤuſſern.
Hier laͤßt ſich nicht ſagen, daß der Untere uͤber ſeinen
Obern urteile ꝛc. c]. Es kann daher allerdings Faͤlle
geben, wo die Tyranney des Oberherrn das Volk zur
Aufkuͤndigung des Gehorſams noͤthigt, zumal wenn in
den Grundgeſetzen der Verluſt der Oberherſchaft auf
deren Verletzung [lex commiſſoria] bedungen iſt d].
Ein Schritt der aber freilich viele Behutſamkeit erfo-
dert und mit unendlichen Schwierigkeiten verknuͤpft iſt.
Nun gebe ich gern zu, daß keine fremde Nazion
ſich in die innere Verfaſſung der andern miſchen duͤrfe;
hat aber das geſamte Volk, oder deſſen Repraͤſentan-
ten, nach allen vorher fruchtlos angewandten gelin-
dern Mitteln, endlich ſich von der Nothwendigkeit
uͤberzeugt, der Oberherſchaft den Gehorſam aufzukuͤn-
digen, und ihn fuͤr ihren Feind erklaͤrt; ſo ſind die
Bande, welche beide verknuͤpften, zerriſſen: ſie hoͤren
auf einen Staat auszumachen und ieder Theil faͤllt in
die natuͤrliche Freiheit zuruͤck; es finden daher keine in-
nern Verhaͤltniſſe mehr Staat. Andere Nazionen ha-
ben alſo, wenn ſie ſich nicht zu Beobachtung der Neu-
tralitaͤt veranlaßt ſehn, die Freiheit, eine oder die
andere Parthie zu ergreifen, ie nachdem ſie von den-
ſelben um Huͤlfe und Beiſtand angeſprochen, oder aus
Ueber-
[288]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
Ueberzeugung des Unrechts, oder aus andern Gruͤn-
den e] dazu bewogen werden; denn es kann auch das
Volk zu weit gehn und die Unterſtuͤtzung der Oberher-
ſchaft rathſamer ſeyn. Deshalb darf man die auswaͤr-
tigen Nazionen noch nicht als Richter dieſer Irrungen
anſehn, indem ſie die beiderſeitigen Gruͤnde an ihren
Ort geſtelt ſeyn laſſen f]. Daß uͤbrigens die Anerken-
nung der voͤlligen Unabhaͤngigkeit, wo es darauf abge-
ſehn iſt, von Rechtswegen nicht eher erfolgen ſolle, als
bis die vorige Oberherſchaft ſie genehmigt, habe ich
ſchon im erſten Theile erinnert. Gegen die Uebernahme
einer bloſſen Vermittelung laͤßt ſich noch weniger ein-
wenden, zumal wenn ſie auf Erſuchen beider Theile
geſchieht.
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. T§. 11.
[290]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
§. 11.
Wie ferne das geſamte Volk fuͤr die von
dem Regenten einer andern Nazion zuge-
fuͤgten Beleidigungen zu haften
verbunden.
Die Meinungen der Voͤlkerrechtslehrer ſind uͤber
die Frage; in wie ferne das geſamte Volk die Hand-
lungen ſeines Regenten zu vertreten und fuͤr die einer
andern Nazion von ihm zugefuͤgten Beleidigungen zu
haften verbunden? nicht einſtimmig. Es kommt hier
allerdings auf deren Einwilligung an. Einige erſtrecken
daher die Verbindlichkeit des Volks auf alle Handlun-
gen der Regierung, weil es ſeinen Willen, bey Errich-
tung des Staatsvereins, uͤberhaupt dem Willen der
Regierung unterworfen haͤtte a]. Andere verlangen
eine iedesmalige beſondere Beiſtimmung des Volks,
die entweder ſtilſchweigend durch Unterſtuͤtzung ihrer
Unternehmungen mit Geld, Manſchaft ꝛc. oder aus-
druͤcklich bey den daruͤber vorher angeſtelten Berath-
ſchlagungen ertheilt werden koͤnte b]. Noch andere
nehmen auf die verſchiedenen Handlungen des Regen-
ten Ruͤckſicht, ob ſie naͤmlich aus den Quellen der
Oberherſchaft oder aus einem tyranniſchen Eigenwillen
flieſſen, und wollen zwar im erſtern Falle dem Volke
eine algemeine Verbindlichkeit, im zweiten aber nur in
ſo weit auferlegen, als es ſich der einen oder andern
theilhaftig gemacht hat c]. Da aber der Regent, ver-
moͤge der Staatsverbindung zu allem berechtigt iſt,
was er dem algemeinen Beſten fuͤr zutraͤglich haͤlt,
und, wenn die Verfaſſung es nicht erfodert, nicht alle-
mal einer beſondern Einwilligung des Volks bedarf,
dieſem auch an ſich kein Recht zuſteht uͤber iede Hand-
lung der Regierung die ſie vermoͤge iener Verbindung
unter-
[291]in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.
unternimt zu urteilen, oder nach der Meinung der Mo-
narchomachen, ſich ihr zu widerſetzen; ſo iſt ohnſtreitig
das Urteil des Schrodt d] das richtigſte, daß man
einen Unterſchied machen muͤſſe unter den Handlungen
der Regenten, die ſie vermoͤge des Staatsvertrages,
als Repraͤſentanten der Nazion, und unter ſolchen,
die ſie auſſer der Staatsverbindung, blos als Privat-
perſonen vornehmen. Im erſtern Falle iſt das Volk
im algemeinen verbunden die Handlungen zu vertreten,
im letztern nur alsdann, wenn es ſich derſelben auf
irgend eine Art theilhaftig gemacht hat. Ebenſo koͤn-
nen auch die Handlungen der Unterthanen und ſelbſt
des geſamten Volks welche ſie ohne Theilnahme der
Regierung unternehmen, nicht der ganzen Nazion zu-
gerechnet, ſondern als Privathandlungen angeſehn und
beſtraft werden e].
§. 12.
Diesfalſige Rechte teutſcher Landesherrn.
So wie in andern Staaten das geſamte Volk in
Beziehung auf den Regenten ein mit gewiſſen Rechten
begabtes Ganze ausmacht, ſo iſt auch nicht zu laͤug-
nen, daß die geſamten teutſchen Reichsſtaͤnde, im Ge-
T 2genſatz
[292]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
genſatz des Reichsoberhaupts als ein eignes Ganze an-
zuſehn ſind. Aus dieſem Geſichtspuncte haben ſie auch
ſelbſt von ſich verſchiedentlich den Ausdruck: Corpus
Germanicum gebraucht, und es kann ihnen, zumal da
ſogar iedem einzelnen Reichsſtande das Recht des Krie-
ges, Friedens ꝛc. zukomt, das Befugnis nicht fuͤglich
abgeſprochen werden, auch in dieſer Eigenſchaft, der-
gleichen Rechte gegen auswaͤrtige Nazionen auszuuͤben,
Geſandte abzuſchicken und anzunehmen ꝛc. und ſelbſt
mit dem Kaiſer in Geſtalt eines beſondern Koͤrpers in
Unterhandlungen zu treten. Indes hat der Kaiſer die-
ſen Ausdruck ſchon als verfaſſungswidrig anſehn und
deſſen Gebrauch nicht zugeben wollen a]. In Anſe-
hung der Naturaliſation finden gegen auswaͤrtige Na-
zionen die Grundſaͤtze des algemeinen europaͤiſchen
Voͤlkerrechts Statt, unter den Mitſtaͤnden hingegen
bedarf es derſelben eben nicht, da in Teutſchland ge-
woͤnlich uͤberall ohnedies durch bloſſen Guͤterbeſitz ꝛc.
das Buͤrgerrecht erworben wird b]. In wie ferne ein
Auswaͤrtiger oder Reichsmitſtand, vermoͤge des Guͤ-
terbeſitzes oder ſonſt, zugleich das Recht eines Land-
ſtandes in eines andern Territorium genieſſe, haͤngt
von ieder Landesverfaſſung ab c]. Zu Aufrechthaltung
der reichsſtaͤndiſchen Rechte und Freiheiten duͤrfen
fremde Nazionen ſich der teutſchen Reichsſtaͤnde eben
ſo wenig annehmen, als dieſe ſich des in- und auslaͤn-
diſchen Anhangs enthalten und fremde Huͤlfe nicht an-
rufen ſollen d], es muͤſten denn beſondere Vertraͤge
deshalb zu Grunde liegen e]. Dies gilt auch bey Strei-
tigkeiten zwiſchen einzelnen Landesherrn und ihren Land-
ſtaͤnden, wo die Mitſtaͤnde, auf Erſuchen zwar der
Vermittelung ſich unterziehn, aber eigenmaͤchtig nichts
unternehmen koͤnnen, weil dem Reichsoberhaupt der
alleinige Schutz und rechtliche Beiſtand hierunter ge-
buͤhrt f]. Sie muͤſſen allerſeits, zumal die Mitſtaͤnde
ſich
[293]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
ſich der Aufwiegelung der Unterthanen enthalten g].
Bey auswaͤrts entſtehendem Aufruhr aber komt es auf
das Gutbefinden der Reichsſtaͤnde an, ob ſie ſich, auf
Erſuchen, in dieſe Haͤndel miſchen wollen h]. Die
Landesherrn gegeneinander aber, und beſonders die be-
nachbarten Kraisſtaͤnde, ſollen in dergleichen Faͤllen
einander beiſtehn i] und die aufruͤhreriſchen Unterthanen
des andern keinesweges in Schutz nehmen k]. Aus-
waͤrtige Nazionen ſollen ſich derſelben nicht theilhaftig
machen l].
T 3d] Wahl-
[294]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
Drittes Kapitel.
Von den Gerechtſamen in Anſehung der einzelnen
Buͤrger und Unterthanen.
§. 1.
Verſchiedenheit der Verhaͤltniſſe.
Bey den Gerechtſamen der Voͤlker gegen einander
in Abſicht auf die einzelnen Buͤrger und Unter-
thanen kommen verſchiedene Verhaͤltniſſe in Erwaͤgung.
Man kann ſie theils nach ihrer Anzahl, theils nach
ihrem Stande, Range, ihren Pflichten, haͤuslichen
Verfaſſung, Vermoͤgenszuſtand ꝛc. betrachten.
§. 2.
Bevoͤlkerung und Anlegung neuer Colo-
nieen.
In den meiſten Staaten wird die Menge der Lan-
desbewohner und Unterthanen als eine der vorzuͤglich-
ſten
[297]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
ſten Grundlagen des Wohlſtandes angeſehn: es erfo-
dert daher die Staatsklugheit alle Mittel anzuwenden,
wodurch die Vermehrung derſelben befoͤrdert und die
Verminderung verhuͤtet werden kann. Jede Nazion
hat auch das unſtreitige Recht dazu, in ſofern andern
keine Beleidigung zugefuͤgt wird. Es kann ihr daher
von andern nicht verwehrt werden, neue Colonieen an-
zulegen, d. i. entweder noch unbebaute Gegenden ihres
Territoriums innerhalb Europa, oder auch neu ent-
deckte Lande in andern Welttheilen mit Bewohnern zu
beſetzen; ſie muͤſte denn durch Vertraͤge, dergleichen
ich ſchon oben angefuͤhrt habe, ſich verbindlich gemacht
haben, daß eine gewiſſe Gegend ganz unbebaut und
neutral liegen bleiben, oder die Etablirung einer Hand-
lung daſelbſt unterlaſſen werden ſolle a]. Daß eine
Nazion zu dieſer Bevoͤlkerung ſich ſeiner eignen in ge-
wiſſen Gegenden vielleicht im Ueberflus vorhandenen
Bewohner ſich bediene und ſolche in die unbebauten
Lande verſetze, kann andern Nazionen gleichguͤltig ſeyn,
wenn ſie nicht durch Vertraͤge beſondere Rechte in Ab-
ſicht der zu verſetzenden Unterthanen erlangt haben b].
§. 3.
Aufnahme der Fremden.
Es ſteht ihnen aber auch frey, Fremde, welche
freiwillig kommen und ſich daſelbſt niederlaſſen wollen,
aufzunehmen, ohne daß die Nazionen deren Mitglie-
der ſie ehemals waren, ſich daruͤber beſchweren koͤnten,
ob ſie es gleich ungern ſehen a], wenn die andern Na-
zionen nicht beſondere Vertragspflichten auf ſich haben;
welches beſonders in Anſehung der Fluͤchtigen, die
Verbrechen oder anderer Urſachen wegen ihr Vaterland
heimlich verlaſſen, oͤfters bedungen zu werden pſlegt b].
So rathſam es indes iſt, fremde Ankoͤmlinge im
Staate aufzunehmen, ſo kann eine Nazion doch, wenn
ſie einiges Bedenken dabey findet, nicht genoͤthigt wer-
den, beſonders die aus einem andern Lande Vertrie-
benen aufzunehmen, ob ihnen gleich der Durchzug
nicht wohl verweigert werden darf c].
a] Doch
[299]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
§. 4.
Deren Anlockung.
Eben ſo wenig kann den Nazionen verwehrt wer-
den, durch oͤffentliche Bekantmachungen, fremden Un-
terthanen, die ſich bey ihnen niederlaſſen wollen, ge-
wiſſe Vortheile und Freiheiten zu verſprechen, um die,
welche irgendwo auszuwandern veranlaßt ſind, zu be-
wegen ſich eher zu ihnen als anderswohin zu begeben.
Faſt alle europaͤiſche Nazionen haben ſich, nach Be-
ſchaffenheit der Umſtaͤnde, dieſes Mittels bedient a]
ohne ſich an die Einwendungen zu kehren, welche etwa
hier und da deshalb geſchehen ſind b].
§. 4.
Verleitung durch Emiſſarien.
Ob ſich nun gleich gegen dieſe innerhalb der Gren-
zen eingeſchraͤnkt bleibende Mittel nichts einwenden
laͤßt, ſo iſt es doch keinesweges erlaubt, Leute oder
ſogenante Emiſſarien in des andern Volks Lande zu
ſchicken, um deſſen Unterthanen durch mancherley Ver-
ſprechungen abwendig zu machen, oder ſie durch andere
liſtige Mittel zum auswandern zu bewegen a]. Die
andere Nazion kann ſich daruͤber mit Grunde beſchwe-
ren b], deſſen Abſtellung, auch die Beſtrafung ſolcher
Perſonen verlangen, ſie auch, im Betretungsfall, ſelbſt
mit den haͤrteſten Strafen belegen c]. Oefters ver-
wahren Nazionen ſich durch Vertraͤge gegen dergleichen
hinterliſtige Abziehung der Unterthanen d]. Eben ſo
wenig
[304]Von den Gerechtſamen
wenig duͤrfen die nach auswaͤrtigen Gegenden beſtimten
Emigranten, denen man den Durchzug verſtattet hat,
waͤhrend ihres Aufenthalts im Lande verleitet werden e].
§. 6.
Deren Wegnahme.
Eine nicht nur unerlaubte, ſondern auch als wahre
Verletzung des Territoriums anzuſehende Handlung iſt
es, wenn ſogar Unterthanen aus dem Gebiete einer
andern Nazion, zu Bevoͤlkerung irgend einer Gegend
mit Gewalt weggeholt werden. Sie giebt zu den ge-
gruͤndeteſten Klagen Anlas, und kann, wenn die Zu-
ruͤckgabe und andere Genugthuung nicht erfolgen, wie
iede andere Beleidigung mit Recht geahndet werden a].
§. 7.
Auswanderung.
Die Unterſuchung uͤber das Befugnis der Untertha-
nen, einzeln oder Schaarenweiſe, mit Aufhebung ihrer
bis-
[307]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
bisherigen Staatsverbindung, aus dem Lande zu wan-
dern und ſich anderswo niederzulaſſen, und das Recht
des Regenten, die Auswanderung bey Strafe zu ver-
bieten, gehoͤrt in das Staatsrecht und die Verfaſſung
einzelner Lande a]. Ein ſolches Verbot koͤnnen andere
Nazionen indes nicht als eine Beleidigung anſehn und
ſich daruͤber beſchweren, da eine iede berechtigt iſt, in-
nerhalb ihrem Gebiete dieienigen Anſtalten zu treffen,
welche ihr eignes Wohl erfodert, und daher nicht zuzu-
geben, daß der Staat durch nachtheilige Auswande-
rungen von Einwohnern entbloͤßt werde. Ob auch
gleich die meiſten Nazionen ſich der gewoͤnlichen Anlo-
ckungsmittel zu Bevoͤlkerung ihrer Staaten bedienen;
ſo treffen ſie doch dagegen bey ſich, die zweckmaͤſſigſten
Vorkehrungen zu Verhuͤtung des Auswanderns b].
Ein anders iſt es, wenn durch Vertraͤge der Nazionen
fuͤr die Unterthanen gewiſſer Lande die Erlaubnis der
freien Auswanderung uͤberhaupt, oder nur unter beſon-
dern Umſtaͤnden bedungen worden iſt c]; wie dies bey
Abtretung einiger Provinzen in Friedensſchluͤſſen oder
ſonſt zu geſchehen pflegt d].
§. 7.
Zuruͤckfoderung der Unterthanen.
Die Unterthanen eines Volks, welche in einem
andern Lande ſich blos eine Zeitlang aufhalten, daſelbſt
aber keinen feſten Sitz, mit Aufhebung ihrer vorigen
Verbindung, aufgeſchlagen haben, koͤnnen ſich in der
Regel, wenn ſie nicht Verbrechens, Schulden oder
anderer Urſachen wegen, gehalten werden a] iederzeit
ungehindert wieder weg und in ihre vorige Heimath be-
geben. Zum Ueberflus wird dieſe Freiheit iedoch auch
U 3in
[310]Von den Gerechtſamen
in Vertraͤgen zuweilen noch beſonders bedungen b].
Das andere Volk hat auch, zumal unter gewiſſen Ver-
haͤltniſſen c] das Recht, ſeine in fremden Landen be-
findlichen Unterthanen, welche nicht foͤrmlich entlaſſen
worden ſind, abzuberufen und zuruͤckzufodern d]. Dieſe
muͤſten denn, durch Naturaliſation ꝛc., bereits engere
Verbindungen eingegangen ſeyn e], freiwillig daſelbſt
bleiben wollen f], oder Verfolgungen halber ſich dort-
hin gefluͤchtet haben g]. Die Anſchlagung der Avoca-
torien in fremden Landen kann aber eben ſo wenig ver-
langt werden h] als es erlaubt iſt, ſeine Unterthanen
mit Gewalt daraus abzuholen i]. Da deren Vorent-
haltung indes oͤfters Streitigkeiten veranlaßt k], ſo
pflegen die Nazionen ſich wegen Zuruͤckgabe und Aus-
lieferung, beſonders der Fluͤchtigen l], oder deren Un-
ſtatthaftigkeit m] in voraus zu vergleichen.
§. 9.
Deren Ausſchaffung.
Einer Nazion ſteht aber auch frey, fremde Unter-
thanen, die ſich bey ihr aufhalten, wegen uͤbler oder
verdaͤchtiger Auffuͤhrung, oder aus andern erheblichen
Urſachen a] auch vermoͤge Repreſſalien, beſonders bey
ausbrechenden Feindſeeligkeiten b] aus dem Lande fort-
zuſchaffen c]. Es kann aber keine mit Recht verlangen,
daß ihre, oder die Unterthanen einer dritten Macht,
die ihr verdaͤchtig und gefaͤhrlich ſcheinen, von der an-
dern fortgeſchaft werden ſollen, ob es wohl aus Gefaͤl-
ligkeit zu geſchehen pflegt d].
§. 10.
Anerkennung des Standes, Titels, Ran-
ges ꝛc. fremder Unterthanen.
Jede Nazion kann ihre Buͤrger und Unterthanen
in gewiſſe Klaſſen und Staͤnde eintheilen, ihnen, nach
Gefallen, Wuͤrden, Titel, Orden, Wapen ꝛc. beile-
gen und einem vor dem andern gewiſſe Vorzuͤge und
den Rang, iedoch ohne Nachtheil anderer Staaten a]
einraͤumen. Sie kann aber freilich von andern Na-
zionen nicht als Schuldigkeit verlangen, daß ſie alles
dieſes ebenfals anerkenne und ihnen desfals gleiche
Ehre erweiſen b]. Doch erfodert der eigne Vortheil
allerdings, es zu thun c], wenn dergleichen Einrich-
tungen
[316]Von den Gerechtſamen
tungen den Grundgeſetzen und Verfaſſungen des eignen
Staats nicht zuwider ſind d]; weil ſonſt von der an-
dern Seite eine gleiche Verweigerung erfolgen wuͤrde.
Unter den europaͤiſchen Nazionen iſt es auch Herkom-
mens, daß der auswaͤrtige Stand, Titel, Bedienung ꝛc.
in andern Landen gleichfals erkant werden e]; iedoch
iſt, wenn Zweifel daruͤber entſteht, einige Legitimation
noͤthig f]. Die Vorſtellung des Fremden durch den
dort befindlichen Geſandten ſeines Hofes, oder eines
andern angeſehenen Mannes iſt meiſt hinreichend hierzu.
Der Fremde kann iedoch wegen ſeiner bekleidenden, dem
Namen nach, etwa gleichen Wuͤrde, keinesweges
gleiche Ehre mit den Einheimiſchen, welche eine aͤhn-
liche fuͤhren g], oder wohl gar gewiſſe Vorzuͤge uͤber
die Einheimiſchen verlangen, die in ſeinem Lande da-
mit verbunden ſind h]; ſondern muß ſich, weil die
Grundſaͤtze hierunter ſehr wilkuͤhrlich und an den mei-
ſten Hoͤfen verſchieden ſind, in Anſehung Ranges,
Ceremoniels ꝛc. nach ieden Orts Gebrauche richten,
oder, wenn er ſich damit nicht begnuͤgen will, lieber
die Gelegenheiten zu Streitigkeiten hierunter vermeiden,
da freilich dergleichen Anordnungen an ſich fuͤr ihn
nicht verbindlich ſind i]. Doch darf keinem, zumal
bey Militaͤr-Chargen, die faſt uͤberall einander gleich
ſind, und ihren beſtimten Rang haben k] dasienige
verweigert werden, was ſeines Gleichen von andern
Nazionen wiederfaͤhrt l]. Gegen blos durchreiſende
oder nur kurze Zeit ſich aufhaltende Standesperſonen
wird indes zuweilen eine Ausnahme gemacht und ihnen
mehrere Ehre erwieſen m].
b] de
[317]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
§. 11.
Standes, Titulatur ꝛc. ꝛc. Ertheilungen
an fremde Unterthanen.
Den eigenen Unterthanen kann ein Souverain der-
gleichen Gnadenbezeigungen ertheilen, auch wenn ſie
ſich auſſerhalb Landes in anderer Nazionen Gebiete auf-
halten a]. Auch werden gewoͤnlich keine Schwierig-
keiten gemacht, den Adel ꝛc. derer zu erkennen die ſich
von auswaͤrts in einem andern Lande niederlaſſen wol-
len, wenn ſie den vorgeblichen Adel erweiſen koͤnnen b].
Es fragt ſich aber: ob ein Souverain befugt ſey, frem-
den Unterthanen, die ſich bey ihm oder auswaͤrts auf-
halten, dergleichen Standeserhoͤhungen ꝛc. angedeihen
zu laſſen? Dies kann, wenn den Unterthanen deren
Annahme uͤberhaupt nach den Grundgeſetzen ſeines
Staats erlaubt iſt, nicht anders geſchehen, als ent-
weder auf eignes Verlangen oder Veranlaſſen, oder
doch
[319]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
doch mit vorhergehendem Wiſſen und Willen, oder
endlich wenigſtens mit nachheriger Genehmigung des
Souverains, deſſen Unterthan er iſt; zumal wenn es
Wuͤrden, Praͤdicate ꝛc. ſind, welche dieſer ſelbſt zu
ertheilen das Recht hat c]. Der begnadigende Sou-
verain pflegt dem andern auch ſelbſt davon Nachricht
zu ertheilen. Gewoͤnlich macht man keine Schwierig-
keiten, die Annahme zu geſtatten; wenn aber iene Er-
foderniſſe mangeln, hat der andere Souverain aller-
dings Urſach, ſich daruͤber zu beſchweren d] wenigſtens
die Anerkennung der Standeserhoͤhung bey ſich zu ver-
weigern e], und uͤberhaupt deren Gebrauch ſeinem Un-
terthan auch auswaͤrts zu verbieten. Es fehlt indes
an Beiſpielen nicht, daß Souverains fremden Unter-
thanen, dergleichen Standeserhoͤhungen ertheilt oder
ſie doch unter die Zahl des Adels in ihrem Lande auf-
genommen haben f]. Doch iſt es auch in verſchiede-
nen Staaten verboten, fremde Wuͤrden, Titel ꝛc. an-
zunehmen, und ſich deren zu bedienen g]. Wenn uͤbri-
gens die Annahme derſelben gleich verſtattet wird, ſo
kann der begnadigte Unterthan doch auf keine Art einen
der Verfaſſung ſeines Staats und deſſen Unterthanen
nachtheiligen Gebrauch davon machen h].
§. 12.
Wuͤrkung der Ehrloſigkeit auſſer Landes.
Wenn im Gegentheil ein Unterthan in einem Lande
gewiſſer Vergehungen halber, ſeiner Wuͤrden entſetzt
und fuͤr ehrlos erklaͤrt worden iſt, ſo kann dieſe Ehr-
loſigkeit auſſerhalb Landes von Rechtswegen ebenfals
keine Wuͤrkung haben: die europaͤiſchen Nazionen pfle-
gen hierinn auch gegen die Schuldigen, die ſich zu
ihnen begeben, nachſichtiger zu ſeyn, und ſie, wenn
das Verbrechen nicht zu gros, ſogar Militaͤrperſonen,
ohne foͤrmliche Einſetzung in ihre vorige Ehre, fuͤr ehr-
lich zu erkennen und ihnen wohl gar Dienſte und Wuͤr-
den zu uͤbertragen, wie dies mehrere Beiſpiele, unter
andern des Herzogs von Ormond ꝛc. beweiſen. Die
andere Nazion findet ſich dadurch nicht leicht beleidigt,
es muͤſte der Unterthan denn ſich eines ſehr groben
Staatsverbrechens ꝛc. ſchuldig gemacht haben; ſie iſt
iedoch,
[323]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
iedoch, bey vorkommenden Gelegenheiten, nicht ver-
bunden, ſeine Reſtitution zu erkennen.
§. 13.
Auswaͤrtige Verheirathungen ꝛc.
Was den Hausſtand der Unterthanen, die Ehen,
die Geburt und Erziehung der Kinder und andere recht-
liche Beſtimmungen die davon abhangen und auf aus-
waͤrtige Lande eine Beziehung haben, anlanget, haͤngt
es nicht weniger von dem Gutbefinden einer Nazion ab,
ob und wie ferne ſie den Maͤnnern z. B. die Verheira-
thung mit auswaͤrtigen Weibern und den Frauensper-
ſonen das Heirathen auſſer Landes verſtatten wollen.
Den Fremden ſteht zwar frey, um auswaͤrtige Weiber
anzuhalten, die andere Nazion hat aber auch das Recht
zu unterſuchen, ob ihr dergleichen Heirathen zutraͤglich
ſeyn moͤchten a], und kann ſolche, wegen eignem Man-
gel an Weibern, wegen beſorgender Verfuͤhrung zum
Auswandern, wegen des Vermoͤgens und anderer truͤf-
tigen Gruͤnde fuͤglich abſchlagen b], ohne daß iene Na-
zion, deren Mitglieder ſie ſind, es fuͤr eine Beleidi-
gung anſehn koͤnte, wenn es nicht aus offenbarer Ver-
achtung und mit wuͤrklichem Schimpf geſchieht. Nur
im aͤuſſerſten Nothfall wuͤrde eine Nazion zum gewalt-
ſamen Raube und Entfuͤhrung der Frauensperſonen aus
fremden Landen berechtigt ſeyn c]. In verſchiedenen
europaͤiſchen Staaten ſind dem Frauenzimmer auch die
Ehen ins Ausland verboten und gewiſſe Strafen, als
der Verluſt des Buͤrgerrechts ꝛc. darauf geſetzt d], oder
X 2auch
[324]Von den Gerechtſamen
auch den Maͤnnern die Verheirathung mit Fremden nur
unter gewiſſen Bedingungen erlaubt e].
Bey Geburt der Kinder und deren Erziehung haben
die Unterthanen mehrenteils volkomne Freiheit; wenn
iedoch in den Landesgeſetzen, in Beziehung auf Aus-
waͤrtige, deshalb etwas feſtgeſetzt iſt f], ſo muͤſſen iene
ſolches allerdings befolgen, und dieſe haben kein Recht
ſich daruͤber zu beſchweren.
Mit Legitimation der Unehelichen, Ertheilung der
Voliaͤhrigkeit hat es die Bewandnis wie mit den Wuͤr-
den. Der andere Staat hat zwar keine Verbindlich-
keit dergleichen Handlungen anzuerkennen, es wird
aber doch wegen Gleichheit auf der andern Seite nicht
unterlaſſen; nur koͤnnen auch iene hier die Rechte nicht
verlangen, welche ihnen nach ihrer Landesverfaſſung
deshalb zukommen g].
§. 14.
Aufnahme Fremder zu Buͤrgern oder Va-
ſallen, und deren Huldigungs- und
Lehnspflicht ꝛc.
Daß alle Fremden, welche in einem Lande ſich auf-
halten, der Oberherſchaft des Staats, worinn ſie ſich
befinden, unterworfen und als zeitige Unterthanen an-
zuſehen ſind, habe ich ſchon oben erinnert a]. Sie ſind
X 3dieſem
[326]Von den Gerechtſamen
dieſem Staate aber weiter keine beſondere Treue und
Unterwuͤrfigkeit anzugeloben verpflichtet b]. Mit den
Naturaliſirten wird es verſchiedentlich gehalten. An
einigen Orten muͤſſen ſie den Eid der Treue ſchwoͤren,
an andern nicht c]. Gewoͤnlich geſchieht dies beim
Ankauf von Guͤtern oder Anlegung anderer Etabliſſe-
ments in auswaͤrtigen Landen d], wenn anders, obge-
dachtermaaſſen, nach der Verfaſſung der beiderſeitigen
Staaten, in dem einen den Fremden erlaubt iſt, der-
gleichen Beſitzungen zu haben, und in dem andern den
Buͤrgern und Unterthanen freiſteht, ſich anderswo an-
zukaufen. Niemand darf ſich indes weiter, als es die
Geſetze ſeines Landes verſtatten, gegen andere Nazio-
nen verpflichten e]. Von dieſen allein haͤngt es auch
ab, ob einer eine ſolche doppelte Verbindung als be-
ſtaͤndiger Unterthan zweier Herrn aufhaben koͤnne f]
oder unter gewiſſen Verhaͤltniſſen eine davon aufgeben
muͤſſe g]. Zuweilen ſind die Unterthanen des einen
Landes vermoͤge Vertraͤge verbunden, zugleich die Ober-
herſchaft eines andern, aus beſondern Urſachen, die
Huldigung zu leiſten, wenn ſie auch daſelbſt nicht an-
ſaͤſſig ſind h]. In wie ferne Fremde durch den Guͤter-
beſitz und die Huldigung, auſſer der Unterthanen Eigen-
ſchaft auch das Buͤrgerrecht und alle damit verknuͤpfte
Vortheile erlangen, beruht ebenfals auf die Verfaſſung
eines ieden Landes i]. Wer uͤbrigens, durch rechtmaͤſ-
ſige Entlaſſung, ſeiner bisherigen Unterthanenpflicht
erledigt worden iſt, kann nachhero nicht weiter als Un-
terthan angeſehn und behandelt werden k]. Auch die
wegen des Beſitzes von Lehnguͤtern abzulegende Vaſal-
lenpflicht, und der Umfang deren Verbindlichkeit be-
ruht auf beſondere Landesverfaſſungen l].
X 4f] Der-
[328]Von den Gerechtſamen
X 5l] So
[330]Von den Gerechtſamen
§. 15.
Gebrauch fremder Unterthanen zu Ge-
ſchaͤften.
So wie man gemeiniglich bey den in einem Lande
vorfallenden Geſchaͤften und Arbeiten eher einheimiſche,
als Fremde zu gebrauchen pflegt, auſſer wo etwa zu
dieſer oder iener Verrichtung oder Handthierung Aus-
waͤrtigen mehrere Kentnis und Geſchicklichkeit bei-
wohnt; ſo ſteht es iedoch auch dem andern Volke frey,
ſeinen Unterthanen, wenn er ſie entweder ſelbſt noͤthig
hat, oder der andern Nazion dieſen Vortheil zuzuge-
ſtehn ſonſt Bedenken traͤgt, ſo wie das Wegreiſen oder
Wegziehn uͤberhaupt, alſo auch zu verbieten, daß ſie
ſich in fremden Landen zu gewiſſen Arbeiten nicht ge-
brauchen laſſen und auswaͤrts in keine Dienſte treten a]
wenn die Freiheit hierzu ihnen durch Vertraͤge nicht
ausdruͤcklich bedungen iſt b]. Was die Annahme
fremder Staats-Kriegs- und anderer angeſehener Be-
dienungen betrift, davon ſoll weiter unten noch einiges
beigebracht werden.
§. 16.
Religion der Unterthanen.
Was die eigentliche Verfaſſung eines Landes in
Religions- Kirchen- und andern geiſtlichen Sachen an-
langet, davon ſoll kuͤnftig bey den einzelnen Hoheits-
rechten ausfuͤhrlicher gehandelt werden. Hier will ich
nur der Religion der Unterthanen in ſo ferne gedenken,
als ihre Verſchiedenheit auf die Dultung, Aufnahme,
Abhaltung, Vertreibung oder Verſtattung gewiſſer
Gerechtſame derer, die ſich zu einer andern Religion
als die herrſchende im Lande iſt, bekennen, einigen
Einflus hat. Vermoͤge der Freiheit und Unabhaͤngig-
keit der Nazionen beruht es allerdings, in Gemaͤsheit
der bey ihnen errichteten Staatsgrundgeſetze, ganz auf
ihrer Wilkuͤhr, ob ſie andere Religionsverwandten un-
ter ihre Landesbewohner auf- und in Schutz nehmen,
dulten a], und an den buͤrgerlichen und andern Rech-
ten Theil nehmen laſſen b], oder ihnen den Aufenthalt
abſchlagen, ihre Religionsuͤbung, iedoch ohne einigen
Glaubens- und Gewiſſenszwang, einſchraͤnken oder ſie
gar ausſchaffen will c]. Wenn ihnen iedoch, nach den
Grundgeſetzen des Staats einmal gewiſſe Rechte zuge-
ſtanden ſind, und ſie denen zuwider, in ihrer Religion
zu ſehr gedruͤckt und gekraͤnkt werden; ſo iſt es weder
den Unterthanen zu verargen d], wenn ſie bey andern
Nazionen ihres Glaubens Huͤlfe und Beiſtand ſuchen,
noch dieſen uͤbel auszulegen, wenn ſie ſich ihrer Glau-
bensgenoſſen durch guͤtliche Vorſtellungen und andere
dienſame Mittel annehmen, weil alle Verwandten
einer
[332]Von den Gerechtſamen
einer Kirche mit einander in Verbindung ſtehen und
gewiſſermaaſſen ein Ganzes ausmachen, die Religions-
angelegenheiten daher nicht blos als ein zur innern Ein-
richtung eines ieden Staats gehoͤriger Gegenſtand be-
trachtet werden koͤnnen e]. Wenigſtens pflegen die eu-
ropaͤiſchen Nazionen einander dieſes Recht nicht ſtreitig
zu machen f]. Hat eine Nazion uͤberdies die Garan-
tie desfals uͤbernommen g], oder ſonſt ein weſentliches
Intereſſe dabey h], ſo iſt ſie auch wohl noch zu ernſtli-
chern Schritten berechtigt i]: das meiſte kommt hier
auf Vertraͤge und beſondere Verfaſſungen und Verhaͤlt-
niſſe der verſchiedenen Glaubensgenoſſen, ſowohl in
einem Staate, als gegen andere Nazionen an k].
c] Die
[334]Von den Gerechtſamen
h] Die
[336]Von den Gerechtſamen
i] Es
[337]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
§. 17.
Beraubung der Freiheit, Sklaverey ꝛc.
Bey den chriſtlichen Nazionen in Europa iſt der
dem freigebohrnen Menſchen ganz zuwiderlaufende bar-
bariſche Stand der Sklaverey, und die ehedem her-
ſchende Gewonheit, die Kriegsgefangenen als Sklaven
zu behandeln, zwar aufgehoben, obgleich in der hier
und da noch uͤblichen Leibeigenſchaft einige Spuren da-
von anzutreffen ſind a]; bey der Pforte hingegen ſind
iene Grundſaͤtze noch groͤſtentheils im Schwange. Be-
ſonders pflegen auch die Unterthanen derienigen Nazion,
die mit ihr nicht in Buͤndnis und Freundſchaft ſteht,
wenn ſie auf ihr Gebiet kommen, zu Sklaven gemacht
und ihre Guͤter confiſcirt zu werden b]. Daher haben
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Yver-
[338]Von den Gerechtſamen
verſchiedene europaͤiſche Nazionen in Vertraͤgen mit
ihr, ſich deshalb zu verwahren geſucht c]. In Frank-
reich iſt es im Gegentheil Herkommens, daß ein
Sklave, ſobald er auf franzoͤſiſches Gebiet komt, ſeine
Freiheit erlangt, ausgenommen die zu Bauung des
Landes in die amerikaniſchen Colonieen beſtimten Ne-
gern d]. Des in der Pfalz uͤblichen Gebrauchs, nach
welchem freie Leute, durch den Aufenthalt daſelbſt, zu
eine Art von Sklaven, welche man Wildfaͤnge nennt,
gemacht werden, ſoll weiter unten mehrere Erwaͤhnung
geſchehn.
§. 18.
[339]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
§. 18.
Rechte in Abſicht des Vermoͤgens der
Fremden.
Jeder Buͤrger und Unterthan im Staate hat in der
Regel das mit dem Eigenthum verbundene Recht, uͤber
ſein Vermoͤgen, es moͤgen Guͤter oder Barſchaften ꝛc.
ſeyn, zu beſtimmen, und es, nach den Geſetzen des
Landes, unter den Lebendigen und auf den Todesfall an
andere zu bringen, wenn nicht beſondere Verbote hier-
unter vorhanden ſind a]. Auch den Fremden kann,
wenn ihnen einmal der eigenthuͤmliche Guͤterbeſitz in
einem auswaͤrtigen Staate erlaubt iſt, dies Recht nicht
fuͤglich verſagt werden b]. Die Erbfolge ohne Teſta-
ment richtet ſich gemeiniglich in Anſehung der Guͤter
nach den Landesgeſetzen wo ſie gelegen, im uͤbrigen aber
nach den Vorſchriften des Staats, deſſen Mitglied
iemand iſt. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit den Feierlich-
keiten bey den deshalb zu errichtenden Teſtamenten.
Das meiſte komt hierbey auf die beſondern Landesver-
faſſungen an c]. Indes iſt bey einigen Nazionen den
Fremden zwar bey Lebzeiten verſtattet, uͤber ihr Ver-
moͤgen auf eine verbindliche Art zu diſponiren, ſie koͤn-
nen es aber nach dem Tode weder durch Teſtament, noch
auf ſonſt eine Weiſe an auswaͤrtige Verwandte oder
uͤberhaupt in fremde Haͤnde bringen, ſondern der
Staat maaßt ſich deſſelben an d]. Dieſe unter dem
Namen des Albinagialrechts [ius albinagii] bekante
Gewonheit, war vormals beſonders in Frankreich ein-
gefuͤhrt e], und genoſſen nur wenige Gattungen von
Perſonen eine Befreiung davon f]. Dies Recht iſt
aber nach und nach durch Vertraͤge mit Frankreich ge-
gen die mehreſten europaͤiſchen Nazionen ſowohl, als
gegen die teutſchen Reichsſtaͤnde aufgehoben worden g];
Y 2iedoch
[340]Von den Gerechtſamen
iedoch erſtrecken dieſe Vertraͤge ſich nicht auf die ameri-
kaniſchen Colonieen, wenn es nicht ausdruͤcklich bedun-
gen worden iſt h]. Zum Ueberflus haben auch verſchie-
dene andere Nazionen ſich in Vertraͤgen wechſelſeitig
das freie Erbrecht fuͤr ihre in des andern Landen befind-
lichen Unterthanen verſprochen i].
Eine andere billigere Gewonheit beſteht in dem Ab-
zuge gewiſſer in den Geſetzen zuweilen beſtimter Sum-
men, [fuͤnf auch zehen und mehr vom Hundert] welche
unter dem Namen der Nachſteuer von dem Vermoͤ-
gen derer die aus einem Lande in ein anderes wandern,
oder als Abzugsrecht von den an Auswaͤrtige fallen-
den Erbſchaften erhoben werden k]. Gegen dieienige
Nazion, wo dergleichen hergebracht iſt, wird von an-
dern gemeiniglich ein Gleiches beobachtet l]. Verſchie-
dene Staaten haben iedoch auch wegen dieſer Abgaben
beſondere Verabredungen mit einander getroffen, nach
welchen dieſelben entweder ganz aufgehoben oder doch
auf ſehr geringe Summen geſetzt ſind m].
§. 19.
Uebrige Pflichten gegen Fremde uͤber-
haupt.
Uebrigens ſind die Nazionen und deren einzelne
Glieder verbunden, ihr Betragen gegen andere Nazio-
nen und deren Mitglieder, ſie moͤgen ſich auſſer dem
Lande oder bey ihnen als Fremde aufhalten, ſo einzu-
richten, daß ſie dieſe in allen ihren ſowohl natuͤrlichen
als erworbenen Rechten ungeſtoͤrt laſſen und ihnen keine
Beleidigung zufuͤgen a]. Sie muͤſſen beſonders denen,
welche in ihr Gebiet kommen, alle moͤgliche Sicherheit
und Schutz gegen Beleidigungen und andere Gewalt-
thaͤtigkeiten oder unrechtmaͤſſige Beſchwerungen ihrer
Guͤter und Perſonen gewehren b], ihnen auch, wenn
ſie von irgend iemand daſelbſt Unrecht erlitten haben
ſolten, durch Beſtrafung der Beleidiger und ſonſt alle
erfoderliche Genugthuung wiederfahren laſſen c]. Zu
Huͤlfe und Beiſtand in Gefahr und zu Leiſtung anderer
Liebespflichten, ſo wie zu einem dienſtfertigen und ge-
faͤlligen Betragen uͤberhaupt, ſind ſie zwar durch keine
aͤuſſere volkomne Verbindlichkeit verpflichtet, aber die
Grundſaͤtze der Voͤlkermoral und Staatsklugheit erhei-
ſchen ſolche allerdings von ihnen, beſonders gegen
Nachbarn und andere freundſchaftliche Nazionen d].
Zuweilen werden ſie in Vertraͤgen ausdruͤcklich verſpro-
chen und koͤnnen dann als Schuldigkeit verlangt
werden e].
§. 20.
Betragen der Fremden in einem Lande.
Dagegen duͤrfen aber auch die in einem Lande be-
findlichen Fremden nichts unternehmen, wodurch die
oͤffentliche Ruhe geſtoͤhrt oder den Landesbewohnern
einige Beleidigung zugefuͤgt werden koͤnte. Widrigen-
fals iſt die Landesregierung, welcher die Beſchuͤtzung
der eignen Unterthanen in einem noch vorzuͤglichern
Grade obliegt, befugt, den fremden Beleidiger zur
Genugthuung und zum Erſatz des ienen etwa zugefuͤg-
ten Schadens anzuhalten a]. Sie hat daher das Recht,
alle nicht nur wuͤrklicher Vergehungen ſchuldige, ſon-
dern auch blos verdaͤchtige Perſonen von andern Na-
zionen in ihrem Lande in Verhaft nehmen und ſie nach
Befinden beſtrafen zu laſſen b]. Doch erſtreckt ſich
dies Befugnis nicht auf dieienigen, welche in andern
Landen
[347]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Landen etwas unerlaubtes begangen haben, wenn nicht
beſondere Veranlaſſungen von der andern Seite des-
halb vorhanden ſind c], ſondern ſie genieſſen hier ſo
lange des Schutzes, als ſie ſich den Geſetzen des
Staats gemaͤs betragen d].
§. 21.
[348]Von den Gerechtſamen
§. 21.
Wie ferne die Handlungen einzelner Glie-
der der ganzen Nazion zuzurechnen?
Nicht alle Unternehmungen einzelner Unterthanen
ſind indes als Handlungen der ganzen Nazion anzu-
ſehn und ihr zur Laſt zu legen. Ob und in wie ferne
ſolches geſchehen koͤnne, komt auf den Antheil an, den
man dieſer dabey zuſchreiben kann. Wenn daher ein
Mitglied derſelben gegen eine andere Nazion etwas
vorgenommen, das Volk, oder deſſen Regent aber
ihm ſolches weder geheiſſen oder Anleitung dazu gege-
ben, noch nachher genehmigt oder auf irgend eine Art
ſich deſſelben theilhaftig gemacht hat, ihnen auch keine
Schuld oder Nachlaͤſſigkeit zum Vorwurf gereichet,
daß ſie naͤmlich die Handlung, durch zweckmaͤſſige
Vorkehrungen, haͤtten verhindern ſollen und koͤnnen;
ſo findet auch keine Zurechnung gegen dieſelben Statt a].
Indes iſt die Nazion, deren Mitglied er iſt, wenn
das rechtswidrige Unternehmen auſſer dem Territorium
des andern Volks geſchehen, oder er ſich vor der Be-
ſtrafung aus demſelben entfernt hat, allerdings ver-
bunden, die gebuͤhrende Ahndung an ihm zu volſtrecken
und den aus ſeinen Guͤtern moͤglichen Erſatz zu bewuͤr-
ken b], oder denſelben der Nazion, welcher der Scha-
den oder die Beleidigung zugefuͤgt worden, zur eignen
Genugthuung auszuantworten c], weil die Verweige-
rung der Strafe eine ſtilſchweigende Genehmigung des
Vergehens in ſich ſchlieſſen wuͤrde. Die letztere iſt
iedoch nicht befugt, ſich ienes Unterthanen durch eigene
gewaltſame Wegnahme aus dem andern Territorium zu
bemaͤchtigen d]. In Friedensſchluͤſſen und andern Ver-
traͤgen wird uͤbrigens nicht ſelten ausdruͤcklich bedungen,
daß dergleichen Vergehungen einzelner Unterthanen
nicht
[349]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
nicht der ganzen Nazion zur Laſt fallen, ſondern blos
an dieſen gehoͤrig geahndet werden ſollen e].
§. 22.
Landesherrliche Rechte der teutſchen Reichs-
ſtaͤnde hierbey, und zwara] in Anſehung
der Volksmenge.
Die Landesherrn haben in dieſen Stuͤcken groͤſten-
teils gleiche Rechte, in ſo weit die Verfaſſung des
Hauptſtaats nicht beſondere Vorſchriften deshalb ent-
haͤlt. Den Reichsſtaͤnden in Teutſchland ſteht ſowohl
in Beziehung gegen andere unabhaͤngige Staaten, als
gegen ihre Mitſtaͤnde a] frey, fuͤr die moͤglichſte Be-
voͤlkerung ihrer Staaten, auch, wenn ſie Gelegenheit
dazu haben, fuͤr die Anlegung auswaͤrtiger Colonieen
Sorge zu tragen. Sie koͤnnen ſich hierzu aller zweck-
maͤſſigen Mittel, iedoch ohne den Gerechtſamen anderer
zu nahe zu treten, bedienen. Es iſt ihnen erlaubt,
durch oͤffentliche Bekantmachung, Fremden, die aus
andern europaͤiſchen oder teutſchen Provinzen, ſich bey
ihnen niederlaſſen wollen, mancherley Vortheile zu
ver-
[351]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
verheiſſen b], nur duͤrfen ſie nicht durch Gebrauch der
Emiſſarien oder anderer liſtigen Mittel, ſelbſt in
andern Landen die Unterthanen abwendig zu machen
und an ſich zu locken ſuchen c]. Sie ſollen uͤberhaupt
eigentlich keine Unterthanen, beſonders Leibeigene d]
ihrer Mitſtaͤnde anders annehmen, als wenn ſie von
dieſen rechtmaͤſſig entlaſſen worden ſind e]. Ohne aus-
druͤckliche Vertraͤge ſind ſie aber eben ſo wenig ſchuldig,
dieienigen, die ſich der Sicherheit und des Schutzes
wegen zu ihnen gefluͤchtet haben, auszuliefern f], als
ihnen verwehrt werden kann, die Vertriebenen aufzu-
nehmen g].
Der Auswanderung ſind ſie auf alle Art Schranken
zu ſetzen befugt h], wo die Reichsgrundgeſetze i] oder
andere Vertraͤge k] nicht beſondere Erlaubnis hierzu
verſtatten, ohne daß iemand ſich daruͤber beſchweren
duͤrfte l]. Sie haben das Recht, ihre Unterthanen,
welche ohne Erlaubnis das Land verlaſſen, zuruͤckzufo-
dern m] und koͤnnen Fremde, die ſich ungebuͤhrlich auf-
fuͤhren, ausſchaffen n].
§. 23.
b] In Anſehung des Standes, der Ehre ꝛc.
Im Verhaͤltnis gegen Auswaͤrtige iſt bey den teut-
ſchen Landesherrn wegen wechſelſeitiger Anerkennung
des einheimiſchen Standes, der Wuͤrden, Titel beider
Z 2Unter-
[356]Von den Gerechtſamen
Unterthanen in des andern Landen eben das Rechtens,
was unter den europaͤiſchen Nazionen deshalb ange-
nommen iſt a]. Dies findet auch in Anſehung der
Wuͤrden, Titel ꝛc. unter den Reichsſtaͤnden ſelbſt
Statt b]. Nur was die Standeserhoͤhungen und
Wappenertheilungen anlanget, wird der Kaiſer bekant-
lich hierinn als die einzige Quelle derſelben durch ganz
Teutſchland angeſehn, wenn ein Reichsſtand nicht be-
ſondere Privilegien deshalb beſitzt c]. Ob man dem
Reichsoberhaupte nun gleich dieſes Recht nicht in
Zweifel ziehen kann, ſo werden doch deſſen Begnadi-
gungen hierunter in den meiſten Reichslanden nicht
ganz unbedingt, auch gewoͤnlich nicht eher anerkant d],
als bis derienige, welcher dergleichen erhalten zu haben
vorgiebt, ſich durch Vorzeigung des daruͤber erhaltenen
Diploms e] behoͤrig legitimirt, und nach deshalb an-
geſtelter Unterſuchung, die Notification ins Land er-
gangen iſt. Gemeiniglich geſchieht auch vom Kaiſer
ſelbſt eine Anzeige davon an den Landesherrn, deſſen
Unterthan der Begnadigte iſt. Daß uͤbrigens derglei-
chen kaiſerliche Standeserhoͤhungen und Titulaturen
den Landesherrn keinen Nachtheil zufuͤgen ſollen, wird
ausdruͤcklich in der kaiſerlichen Wahlcapitulation ver-
ſichert f]: und ſo verſteht es ſich auch, daß Untertha-
nen die von Mitſtaͤnden erhaltenen Titel, Wuͤrden ꝛc.
nicht zum Nachtheil ihrer Landesfuͤrſten gebrauchen
duͤrfen g].
Bey der Ehrloserklaͤrung eines Unterthanen komt
es auf das Gutbefinden der Mitſtaͤnde an, ob ſie ihm
bey ſich der Ehre wieder theilhaft werden laſſen wollen;
doch kann dieſes allerdings bey dem erſtern Staate keine
Wuͤrkung haben h].
§. 24.
c] In Anſehung des Haus- und Familien-
ſtandes.
Hierinn koͤnnen die teutſchen Landesherrn ſowohl
gegen auswaͤrtige Nazionen, als gegen ihre Mitſtaͤnde,
die ihnen beliebigen Verordnungen treffen, z. B. die
Verheirathung in- oder aus fremden Landen erlauben
oder verbieten a]. Faſt durchgaͤngig iſt es aber den
Geiſtlichen unterſagt, Perſonen, welche von auswaͤrts
kommen, ohne die erfoderlichen Zeugniſſe und Erlaub-
nis von der Obrigkeit ihres Landes, zu trauen b].
Die Legitimationen unehelicher Kinder hat zwar der
Kaiſer das Recht durch ganz Teutſchland guͤltig zu ver-
richten, iedoch werden ſie auch von den Landesherrn
vorgenommen. Indes behaupten verſchiedene Rechts-
Z 4lehrer
[360]Von den Gerechtſamen
lehrer, daß die letztern auſſer eines ieden Gebiete nicht
guͤltig waͤren c]. Aber dies iſt wohl blos nach dem
ſtrengen Rechte zu verſtehn, nach welchem dergleichen
Handlungen auch unter ſouverainen Staaten auswaͤrts
keine Wirkung haben, weil die Hoheitsrechte ſich nicht
uͤber das Territorium hinaus erſtrecken. Nach einem
faſt algemeinen Herkommen wird ihnen das Anerkent-
nis in andern Landen nicht leicht verſagt werden. Ueb-
rigens kann freilich kein Reichsſtand einen Unterthanen
des andern legitimiren ꝛc. welches Recht nur dem Kai-
ſer, nach den Reichsgeſetzen, gebuͤhrt, den kaiſerli-
chen Pfalzgrafen hingegen werden auch in dieſem
Stuͤcke hier und da Schwierigkeiten gemacht d].
§. 25.
d] Aufnahme fremder Unterthanen zu
Buͤrgern, Huldigung, Wildfangsrecht ꝛc.
In Teutſchland iſt es nicht ungewoͤnlich, daß ein
Landesherr in des andern Landen Unterthanen habe,
die im uͤbrigen unter der Landeshoheit der letztern ſtehn.
So wie die meiſten der diesfalſigen beiderſeitigen Ge-
rechtſame auf Vertraͤge und Herkommen beruht, ſo
wird dem erſtern Landesherrn auch von den Untertha-
nen in andern Landen, nach Befinden und den etwa
habenden Beſitzungen die Huldigung geleiſtet oder
nicht a]. Ja es leiſtet hier, vermoͤge Vertraͤge, wohl
ein Landesherr dem andern eine Art von Huldigung b].
Noch gewoͤnlicher iſt in Teutſchland, ſchon obgedach-
termaaſſen,
[361]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
termaaſſen, die Huldigung von eines andern Landes
Unterthanen wegen Erbverbruͤderungen und anderer
Staatsrechtsſervituten c]. In wie fern ein Fremder,
der ſich in einem reichsſtaͤndiſchen Territorium nieder-
laͤßt, zugleich das Buͤrgerrecht erwerbe, haͤngt von
der Verfaſſung eines ieden Landes ab d].
Auch ſind im teutſchen Reiche viele Unterthanen
andern Landesherrn mit Lehnspflicht zugethan, nicht
nur in ſo fern ſie auswaͤrts Lehnguͤter beſitzen, ſondern
es finden ſich haͤufig Guͤter im Lande, die von auswaͤr-
tigen Landesherrn zu Lehn gehen e]. Dies ſind noch
Ueberbleibſel des alten Feudalſyſtems; denn heutzutage
wird, wegen der zu beſorgenden nachtheiligen Folgen,
einem Unterthanen nicht leicht verſtattet, ſein Gut
einem Auswaͤrtigen zu Lehn aufzutragen f].
Leibeigene haben, wenn ſie ohne entlaſſen zu ſeyn,
an einem andern Orte wohnen, ebenfalls einen doppel-
ten Landesherrn, da ſie in dieſem Falle, ihrem vorigen
Herrn noch verpflichtet bleiben, bey ihm zur Huldigung
erſcheinen, einen gewiſſen Zins erſtatten und andere
hergebrachte Gerechtſame uͤber ſich erdulten muͤſſen g].
Ein beſonderes ſogenantes Wildfangsrecht hat hier-
unter, vermoͤge alten Herkommens und der von Kaiſer
Maximilian I. 1518. und nachher oͤfter beſtaͤttigten
Privilegien, Kurpfalz in einem gewiſſen Diſtrict ſo-
wohl in ſeinen als in verſchiedener benachbarten Lan-
desherrn Territorien, daß alle auſſer einer rechtmaͤſſigen
Ehe erzeugte Perſonen, und alle Fremde, die in Jahr
und Tag keinen nachfolgenden Herrn haben, kurpfaͤl-
ziſche Leibeigene oder Wildfaͤnge werden, uͤber welche
Kurpfalz, auſſer der Huldigungs- und Dienſtpflicht,
manche dem Landesherrn, unter dem ſie ſich befinden,
beſchwerliche Gerechtſame ausuͤbt h], die ſchon zu vie-
len Streitigkeiten Anlas gegeben haben, welche zum
Theil durch den ſogenannten Heilbronner Schied von
Z 51667.
[362]Von den Gerechtſamen
1667. den Frankreich und Schweden, auf Anſuchen,
zwiſchen Pfalz und den intereſſirten Reichsfuͤrſten,
Trier, Koͤln, Speyer, Worms, Wuͤrzburg ꝛc. er-
theilten, beigelegt und die pfaͤlziſchen Rechte naͤher
beſtimt worden ſind i].
§. 26.
[363]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
§. 26.
e] In Anſehung der Arbeiten auſſer
Landes.
Auch die Landesherrn koͤnnen ihren Unterthanen,
beſonders Kuͤnſtlern und Handwerkern verbieten, ſich
ihrer Arbeit wegen auſſer Landes zu begeben a], und
von den auswaͤrtigen oder benachbarten Staaten ſich
brauchen zu laſſen; es ſey nun, daß das Land ſie ſelbſt
noͤthig habe, oder daß man Auswaͤrtigen dadurch nicht
gewiſſe Vortheile uͤberliefern wolle, oder aus andern
Urſachen b]. Die Auswaͤrtigen haben kein Recht ſich
daruͤber zu beſchweren.
§. 27.
f] Religionsfreiheit der Unterthanen.
In Abſicht der Religionseigenſchaft der teutſchen
Unterthanen, ihrer Rechte und Freiheiten hierunter
auch im Verhaͤltnis zu andern Landesherrn, ihres
Rechts zu emigriren, geben die teutſchen Reichsgrund-
geſetze, beſonders der Religions- und weſtphaͤliſche
Friede groͤſtenteils hinlaͤngliche Beſtimmungen an die
Hand, welche in den Lehrbuͤchern des teutſchen Staats-
rechts
[365]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
rechts zu erſehen ſind. Da die Kronen Frankreich und
Schweden, ſchon oben erinnertermaaßen, wegen der
uͤbernommenen Garantie dieſes letztern Friedens, ſo
wie die uͤbrigen contrahirenden Theile deſſelben, das
Recht und die Verbindlichkeit haben, fuͤr deſſen Auf-
rechthaltung auch in Anſehung der Religionsfreiheit der
teutſchen Unterthanen zu ſorgen; ſo kann es dieſer bey
erleidenden reichsgrundgeſetzwidrigen Bedruͤckungen
nicht verwehrt werden, bey ienen und ihren Glaubens-
verwandten Reichsſtaͤnden Huͤlfe zu ſuchen a]. Bloſſe
freundſchaftliche Interceſſionen ſind wohl auch andern
Staaten erlaubt. Eben ſo wenig kann einzelnen Lan-
desherrn, oder auch den geſamten Staͤnden eines Re-
ligionstheils das Recht ſtreitig gemacht werden, ſich
ihrer Glaubensgenoſſen ſowohl bey Auswaͤrtigen, als
bey ihren Mitſtaͤnden durch behufige Vorſtellungen und
andere zweckdienliche Mittel anzunehmen b]. Die Auf-
nahme und Dultung fremder von der herſchenden Re-
ligion eines Landes abweichenden Glaubensgenoſſen
ſind ebenfals nach obigen Grundgeſetzen und der Ver-
faſſung eines ieden Staats zu beurteilen. Der Ju-
denſchutz war ſonſt ein kaiſerliches Reſervat, das nur
durch Privilegien einzelnen Staͤnden ertheilt wurde,
wird aber itzt, vermoͤge der Landeshoheit faſt durchgaͤn-
gig ausgeuͤbt c].
§. 28.
g] In Anſehung des Vermoͤgens.
Das Nachſteuer- und Abzugsrecht wird von den
teutſchen Landesherrn in Anſehung des Vermoͤgens,
welches durch Auswanderung oder Erbſchaft in fremde
Lande geht, eben ſo ausgeuͤbt, wie unter den europaͤi-
ſchen Staaten, und kann durch Vertraͤge gemindert
oder ganz aufgehoben werden a]. Das Albinagialrecht
wird gewoͤnlich nur als Retorſion gegen Frankreich
oder andere Staaten, wo es hergebracht iſt, ausgeuͤbt;
doch iſt dieſes Recht, wie ich oben bereits angemerkt
habe, in neuern Zeiten von Frankreich gegen die meh-
reſten Reichsſtaͤnde aufgehoben worden b].
§. 29.
[367]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
§. 29.
h] Sicherheit und Schutz der Fremden in
Teutſchland.
Die Grundſaͤtze des europaͤiſchen Voͤlkerrechts ſind
hierinn auch bey den teutſchen Landesherrn, ſowohl ge-
gen Auswaͤrtige, als gegen Mitſtaͤnde anwendbar.
So lange des andern Unterthanen in fremden Landen
ſich aller Beleidigungen und unerlaubten Handlungen
enthalten, muͤſſen ſie auch allen Schutz daſelbſt genieſ-
ſen; wenn dieſer aber auch auſſer Landes uͤber fremde
Unterthanen ſich erſtrecken ſoll, muͤſſen beſondere Ver-
traͤge zum Grunde liegen. Ohne Wiſſen und Willen
des Landesherrn iſt indeſſen dergleichen und beſonders
der auswaͤrtige Schutz teutſcher Unterthanen, welcher
zu Abbruch der dem Kaiſer deshalb zuſtehenden algemei-
nen Rechte gereichet, keinesweges erlaubt a]. Verge-
hungen fremder Unterthanen koͤnnen, wenn dieſe im
Lande anzutreffen ſind, ſofort geahndet, oder es muß,
wenn ſie auſſerhalb ſich befinden, auf geſetzmaͤſſige Art
Genugthuung gefodert werden, die auch ienen wieder-
fahren muß, wenn ſie in fremden Landen beleidigt wor-
den ſind.
Viertes
[368]
Viertes Buch.
Von der Landesregierung und den verſchiede-
nen Beſtimmungen der Oberherſchaft in
einem Staate im Verhaͤltnis gegen an-
dere Nazionen.
Erſtes Kapitel.
Von der Feſtſetzung einer gewiſſen Regierungsform.
§. 1.
Begrif der Regierungsform oder Conſti-
tution eines Staats.
Jeder unabhaͤngige Staat erfodert eine hoͤchſte Ge-
walt, [Majeſtaͤt, Souverainetaͤt,] welche
die zur gemeinſchaftlichen Gluͤckſeeligkeit vereinigten
Willen und Kraͤfte der in eine Staatzgeſelſchaft ver-
bundenen Mitglieder und Landesbewohner dieſer Abſicht
gemaͤs regiere und anwende. Die Ernennung derieni-
gen Perſonen, welche dieſe Gewalt und die dazu gehoͤ-
rigen Rechte nach ihrem ganzen Umfange, oder wenig-
ſtens die weſentlichſten derſelben, beſitzen, die Bedin-
gungen, unter welchen ihnen ſolche anvertraut, und
die Art, wie ſie ausgeuͤbt werden ſollen, geben dem
Staate
[369]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
Staate die Form, unter welcher er ſich als ein politi-
ſcher Koͤrper darſtelt und beſtimmen die Regierungs-
form oder die Conſtitution und Verfaſſung deſſelben.
Die umſtaͤndlichere Ausfuͤhrung dieſer Materie gehoͤrt
in das algemeine Staatsrecht, und indem ich die Kent-
nis der daſelbſt angenommenen Grundbegriffe voraus-
ſetze, will ich hier nur ſoviel davon beruͤhren, als zu
dem gegenwaͤrtigen Zwecke [erforderlich] ſeyn duͤrfte.
§. 2.
Verſchiedene Arten derſelben.
Es ſind verſchiedene Beſtimmungen hierunter moͤg-
lich. Die gewoͤhnlichſte Eintheilung wird iedoch daher
genommen, ob die hoͤchſte Gewalt nur einer phyſiſchen
Perſon, oder mehrern, die zuſammen eine moraliſche
Perſon ausmachen, uͤbertragen iſt: die erſtern werden
Monarchieen, und die Perſon, der Monarch oder
Souverain, die andern Republiken genannt. Von
den letztern giebt es wieder zwey Hauptgattungen,
naͤmlich Ariſtocratieen und Democratieen, ie nachdem
die mehrern Perſonen blos in einer Auswahl der Na-
zion, oder in dem ganzen Volke beſtehen. Alle dieſe
nennt man einfache Regierungsformen. Daraus,
daß dieſe wieder verſchiedentlich zuſammengeſetzt wer-
den koͤnnen, entſtehen die vermiſchten, welche iedoch
darnach beurteilt zu werden pflegen, wo die meiſten
und vorzuͤglichſten Majeſtaͤtsrechte ſich beiſammen fin-
den a]. Hierzu komt noch das Staatenſyſtem, wenn
mehrere unabhaͤngige Staaten, zu Befoͤrderung des
gemeinſchaftlichen Wohls, in eine gleiche Geſelſchaft
als ein politiſcher Staatskoͤrper zuſammentreten [Syſte-
ma foederatorum civitatum].
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. A aVon
[370]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
Von den heutigen ſouverainen Staaten in Europa
gehoͤren bekantlich zu den Monarchieen, 1] Portu-
gal, 2] Spanien, 3] Frankreich, 4] Teutſchland,
5] Grosbritannien, 6] der Kirchenſtaat, 7] Neapel
und Sicilien, 8] Sardinien, 9] Malta, 10] Daͤne-
mark, 11] Schweden, 12] Polen, 13] Preuſſen,
14] Ungarn, 15] Rußland und 16] die Pforte. Re-
publiken ſind: 1] die vereinigten Niederlande, 2] die
Schweitz, 3] Venedig, 4] Genua, 5] Lucca, 6] Ra-
guſa und 7] San-Marino, wovon die vier vorletzten
eine ariſtokratiſche, die letzte aber eine ariſto-demokra-
tiſche Regierung haben. Die beiden erſtern hingegen
machen Staatskoͤrper verbundener Voͤlker oder Staa-
tenſyſteme aus, in deren verſchiedenen einzelnen Staͤd-
ten und Cantons die demokratiſche Regierungsform
eingefuͤhrt iſt b].
b] de
[371]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
§. 3.
Staatsgrundgeſetze.
Vermoͤge der Freiheit und Unabhaͤngigkeit hat iedes
Volk das Recht, lediglich nach eigner Wilkuͤhr ſich
eine Regierungsform zu waͤhlen, welche es fuͤr die
beſte, oder ſeinen Verhaͤltniſſen am zutraͤglichſten haͤlt.
Dies pflegt durch gewiſſe Vertraͤge zwiſchen dem Volke
und denen, welchen die Ausuͤbung der hoͤchſten Gewalt
anvertraut wird, zu geſchehen. Man nennt ſolche
Grundvertraͤge oder Grundgeſetze des Staats
[pacta fundamentalia, leges fundamentales] und ſie
geben die vorzuͤglichſte Norm, nach welcher der Re-
gent die Regierung des Staats einzurichten verbunden
iſt, und wornach die beiderſeitigen Verhaͤltniſſe und
die Grenzen der Macht des Regenten zu beurteilen ſind.
Das Wohl des Staats erfodert fuͤr deren Aufrechthal-
tung die vorzuͤglichſte Sorgfalt zu tragen und ſolche
gegen innere und aͤuſſere Verletzungen zu verwahren a].
Indes fehlt es auch hier an Beiſpielen nicht, daß der-
gleichen Grundgeſetze mit Concurrenz fremder Nazionen
errichtet worden b].
A a 2a] Vattel
[372]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
§. 4.
Streitigkeiten uͤber die Regierungsver-
faſſung.
Wenn uͤber dieſe Grundgeſetze und uͤber die Regie-
rungsverfaſſung uͤberhaupt Zweifel entſtehen, ſo iſt
niemand als die Theilhaber befugt, ſich der Entſchei-
dung anzumaaſſen, oder eine Erklaͤrung der zweifel-
haften Grundgeſetze vorzunehmen a]. Keinesweges
aber ſteht einer andern auswaͤrtigen Nazion einiges
Recht hierunter zu b]; wiewohl beſonders dieienigen,
welche etwa eine Garantie hierbey uͤbernommen haben,
ſich nicht ſelten dergleichen anzumaaſſen pflegen.
§. 5.
Einmiſchung anderer Nazionen.
Ueberhaupt darf keine Nazion ſich unterſtehn, etwas
gegen die Regierungsverfaſſung einer andern zu unter-
nehmen a], oder ſich in Gegenſtaͤnde, welche dieſelbe
betreffen, ſo wenig als in die uͤbrigen innern Angele-
genheiten b] zu miſchen und ſich irgend ein Recht hier-
bey anzumaaſſen c]; ſie muͤſte denn, wie bey den Strei-
tigkeiten zwiſchen der Oberherſchaft und dem Volke
bereits erinnert worden, von der andern Nazion dar-
um erſucht werden d] oder vermoͤge einer uͤbernomme-
A a 3nen
[374]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
nen Garantie oder ſonſtigen Verbindlichkeit e], oder
ihres eignen Wohls und Intereſſe wegen, wohin man
auch die Nachbarſchaft und Bundsgenoſſenſchaft zu rech-
nen pflegt, dazu berechtigt ſeyn f]. Das bloſſe Er-
bieten einer freundſchaftlichen Vermittelung kann ihr
indes nicht fuͤglich als Beleidigung angerechnet werden,
ſondern wird eher zuweilen mit Dank angenommen g].
Selbſt dritte Nazionen wollen oͤfters nicht zugeben,
daß Fremde ſich in die Conſtitution einer andern
miſchen und deren Freiheit dadurch in Gefahr ſetzen h].
Dieienigen, welche einigen Grund zur Einmiſchung zu
haben glauben, pflegen den uͤbrigen Nazionen von
ihren Maasregeln Nachricht zu erteilen i].
h] So
[379]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
§. 6.
Garantie und Aufrechthaltung der Con-
ſtitution.
Um einer Regierungsverfaſſung deſto mehr Dauer
und Sicherheit gegen innere und aͤuſſere Erſchuͤtterun-
gen zu geben, pflegen Nazionen oͤfters ſich ſolche von
andern garantiren und verſprechen zu laſſen, ihnen bey
vorfallenden gewaltſamen Angriffen auf dieſelbe Bei-
ſtand zu leiſten. Dieſe Garantie erfolgt, auf Erſu-
chen, gemeiniglich von denen, welche bey Feſtſetzung
der Conſtitution mit gewuͤrkt haben. Dieienigen,
welche dergleichen uͤbernommen haben, koͤnnen dann,
bey eintretendem Falle, der andern Nazion, wenn ſie
es verlangt, die verſprochene Huͤlfe nicht wohl verwei-
gern.
[380]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
gern a]. Zuweilen errichten ſogar dritte Maͤchte unter
ſich Vertraͤge uͤber die Garantie der Regierungsverfaſ-
ſung einer andern Nazion, wenn ihnen an deren Auf-
rechthaltung beſonders gelegen iſt b]. Auch iſt eine
ehemals uͤbernommene Garantie ſchon wieder aufgekuͤn-
digt und zuruͤckgenommen worden c]. Uebrigens ſind
hier die bey den Garantieen uͤberhaupt guͤltigen Grund-
ſaͤtze anwendbar.
§. 7.
[382]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
§. 7.
Veraͤnderung der Regierungsform.
So wie iede Nazion das Recht und die Freiheit
hat, ihre urſpruͤngliche Regierungsform und Verfaſ-
ſung nach Gutbefinden feſtzuſetzen, ſo muß es ihr,
wenn es mit Einwilligung ſaͤmtlicher intereſſirten Theile
geſchieht, auch erlaubt ſeyn, ſolche in der Folge, wenn
es die Umſtaͤnde erfodern, zu verbeſſern und umzuaͤn-
dern a]. Kein ander Volk iſt an ſich befugt, dies zu
verhindern, es muͤſte denn durch beſondere Verbind-
lichkeiten b] oder durch ein wegen Verletzung ſeiner eig-
nen volkomnen Rechte dabey habendes Intereſſe, hier-
zu berechtigt ſeyn c]. Ob aber eine blos im algemeinen
uͤbernommene Garantie hinlaͤnglich ſey, ſich einer vor-
zunehmenden Veraͤnderung der Regierungsform zu wi-
derſetzen, leidet eben die Zweifel, welche ich ſchon oben
[2. B. 2. Kap. §. 2. und 6. Kap. beſonders §. 6.]
bey der Landesveraͤuſſerung wegen obwaltender Garan-
tie bemerkt habe. Da die Garantie in der Regel mehr
zum Nutzen derer, welche ſich die Aufrechthaltung ver-
ſprechen laſſen abzweckt, damit keine gewaltſamen und
widerrechtlichen Veraͤnderungen vorgehen, ſo kann die-
ſes, wenn ſie mit Einverſtaͤndnis aller Theilhaber ge-
ſchehen, die garantierende Nazion ſchwerlich zu einem
Widerſpruche berechtigen, wenn ſie ſonſt kein weſent-
licheres Intereſſe dabey hat d]. Eben ſo wenig duͤrfen
andere Nazionen ein Volk zu Veraͤnderung ſeiner Con-
ſtitution noͤthigen, oder ſich anderer unerlaubter Mittel
hierzu bedienen e].
b] Wenn
[383]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
§. 8.
Anerkennung der Regierungsform.
Wenn eine Nazion fuͤr gut gefunden hat, ihre Con-
ſtitution zu verbeſſern oder umzuaͤndern, ſo pflegt ſie
den uͤbrigen, beſonders denen, mit welchen ſie in
freundſchaftlichen Verhaͤltniſſen ſteht, ſolches bekant
zu machen a]; und dieſe koͤnnen mit Grunde die Aner-
kennung der neuen Regierungsverfaſſung nicht verwei-
gern, wenn die Veraͤnderung auf eine rechtmaͤſſige Art
geſchehen und ihren etwa dabey habenden Rechten da-
durch nicht zu nahe getreten worden iſt b].
§. 9.
Teutſche Landesherrn.
Auch die landeshoheitlichen Staaten, und beſon-
ders die der teutſchen Reichsſtaͤnde, werden nach ver-
ſchiedenen Formen regiert. Allein dieſe haben, weil
ſie nicht voͤllig unabhaͤngig ſind, und keinen ſelbſtſtaͤn-
digen Staat ausmachen, ſondern als Theile eines an-
dern Hauptſtaats gelten, allerdings in Anordnung ihrer
Regierungsverfaſſung und deren Veraͤnderung nicht
dieienige Freiheit, welche den unabhaͤngigen Nazionen
hierunter zuſteht. Sie koͤnnen keine Veraͤnderung vor-
nehmen, wenn ſie auch der Verfaſſung ihres Landes
nicht zuwider waͤre, und mit Einwilligung ihrer Land-
ſtaͤnde geſchaͤhe, weil das ganze Reich dabey intereſſirt
iſt, und eine iede Haupaͤnderung auf das Reichsſyſtem
einen Einflus haben wuͤrde; wogegen ihnen irgend et-
was zu unternehmen nicht erlaubt iſt a]. Eben ſo we-
nig kann das Reichsoberhaupt fuͤr ſich allein, weder in
Anſehung der ganzen Reichsverfaſſung, noch in der
Einrichtung einzelner Staaten ſich einer Aenderung an-
maaſſen b]. Noch weniger haben auswaͤrtige Nazio-
nen einiges Recht hierunter oder duͤrfen von den Lan-
desherrn in ſolcher Abſicht gebraucht werden c]. Es
gehoͤrt vielmehr zur Obliegenheit und zum Wohl des
Reichsoberhaupts und ſaͤmtlicher Glieder fuͤr die Auf-
rechthaltung der Reichsverfaſſung die moͤglichſte Sorg-
falt zu tragen: wie denn ſelbſt Auswaͤrtigen ſolche nicht
ganz gleichguͤltig zu ſeyn pflegt. Und ob wohl die Kla-
gen uͤber Verletzung der Reichsverfaſſung von dieſer
B b 2und
[388]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
und iener Seite nicht ſelten ſind, ſo fehlt es doch auch
an Beiſpielen nicht, daß der Kaiſer d] und die Lan-
desherrn ſowohl unter ſich e] als mit fremden Nazio-
nen f], oder auch wohl dieſe letztern allein g] ſich zu
Erhaltung der Conſtitution des teutſchen Reichs nicht
nur im Ganzen, ſondern auch deſſen einzelnen Staa-
ten, durch Vertraͤge verbindlich gemacht haben.
Zwei-
[391]
Zweites Kapitel.
Von der Regierungsfolge.
§. 1.
Von der Regierungsfolge und deren ver-
ſchiedenen Gattungen uͤberhaupt.
Nach Beſtimmung der Perſonen, welchen man die
hoͤchſte Gewalt im Staate anvertrauen will, in
der Regierungsform, muß auch, beſonders in
monarchiſchen Staaten, die Art feſtgeſetzt werden,
wie dieſe Perſonen zur Ausuͤbung der Regierung gelan-
gen ſollen, d. i. die Regierungsfolge. Wird das
Recht hierzu einer Perſon iedesmal blos auf ihre Le-
benszeit uͤbertragen, ſo, daß nach deren Abſterben ein
neuer Regent gewaͤhlt werden muß, ſo iſt es ein Wahl-
reich; wenn aber die Regierung und das Recht dazu
zu gelangen einer ganzen Familie, oder einer Perſon
fuͤr ſich und in voraus fuͤr ihre ſaͤmtlichen Nachkom-
men, nach einer gewiſſen Ordnung, aufgetragen wird,
ſo iſt es ein Erbreicha]. Aus der Verſchiedenheit
dieſer Ordnung entſtehen mehrere Gattungen der Erb-
reiche. Iſt die Regierungsfolge mit der gewoͤnlichen
Privaterbfolge verbunden und durch Vertraͤge der regie-
renden Familie oder anderer Souverains feſtgeſetzt; ſo
nennt man es im eigentlichen Verſtande ein Erbreich
[regnum hereditarium]; iſt hingegen die Ordnung der
Erbfolge in der Regierung durch beſondere Grundge-
ſetze der Nazion angeordnet, ſo heißt es ein Erbfol-
gereich [regnum ſucceſſorium]. Eine dritte Gattung
entſteht, wenn gar keine Grundgeſetze oder Familien-
B b 4ver-
[392]Von der Regierungsfolge.
vertraͤge deshalb vorhanden ſind, ſondern theils der
iedesmalige Regent aus ſeiner Familie, oder ſonſt,
den Nachfolger, theils wenigſtens der letzte, eine neue
Familie zur Regierungsfolge, mit Einſtimmung der
Nazion, wilkuͤhrlich erwaͤhlen kann: dieſe werden Pa-
trimonialreiche und gemiſchte Erbreiche [regnum
patrimoniale und mixtae ſucceſſionis] genannt, weil
ſie ſowohl von den Erb- als Wahlreichen etwas gemein
haben b].
Wahlreiche ſind in Europa dermalen nur noch
Teutſchland, der Kirchenſtaat und Malta, nachdem
Polen durch die neuere Conſtitutionsaͤnderung bekant-
lich nunmehr zum Erbreich erklaͤrt worden iſt.
Erbreiche hingegen, und zwar im eigentlichen
Sinne: Spanien, Sicilien, Sardinien, Daͤnemark,
Ungarn und Boͤhmen nebſt den uͤbrigen oͤſterreichiſchen
Staaten, ingleichen Preuſſen; Erbfolgsreiche:
Portugal, Frankreich, Grosbritannien und Schweden.
Zu den Patrimonialreichen werden gewoͤnlich die Pforte
und Rußland, ſeit Peter I. gerechnet c].
§. 2.
Recht der Nazionen in Beſtimmung der
Regierungsfolge uͤberhaupt und beſonders
der Erbfolge.
Die urſpruͤngliche Beſtimmung der Ordnung in
der Regierungsfolge haͤngt, ſo wie die Regierungsform
ſelbſt, lediglich von der Wilkuͤhr einer Nazion ab; es
ſey nun, daß das Volk oder die Staͤnde ſolche wuͤrk-
lich ſelbſt anordnen, oder daß ſie ſich die Vertraͤge der
Familie, der ſie das Erbfolgsrecht uͤbertragen hat, oder
auch andere Einrichtungen hierunter durch ſtillſchwei-
gende Einwilligung gefallen laſſen a]. Sie kann auch
gewiſſe Bedingungen hinzufuͤgen und verlangen, daß
der iedesmalige Regent z. B. einer gewiſſen Religion
zugethan ſeyn oder andere Erfoderniſſe haben ſolle b].
Wenn eine Veraͤnderung in der Regierungsfolge vor-
zunehmen noͤthig oder gut iſt c], ſtehet ſolches der Na-
zion, oder der regierenden Familie oder denen, die ſonſt
ein gegruͤndetes Recht dazu erlangt haben, allerdings
frey d], ſolche durch neue Vertraͤge, Teſtamente ꝛc.
oder auf andere ihrer Verfaſſung nach, rechtsbeſtaͤndige
Art zu beſtimmen e].
§. 3.
Einmiſchung anderer Nazionen hierbey.
Andere Nazionen muͤſſen ſich dieſe zur innern Ver-
faſſung eines ieden Volks gehoͤrige Einrichtungen ge-
fallen laſſen und ſie anerkennen a]. Sie haben kein
Recht, ſich darein zu miſchen, eine dahingehoͤrige Be-
ſtimmung vorzuſchreiben, oder die rechtmaͤſſig feſtge-
ſetzte Erbfolge zu verhindern, wenn ihnen keine Ge-
rechtſame dadurch gekraͤnkt werden b] und, nach den
heutigen Grundſaͤtzen der europaͤiſchen Nazionen, das
Gleichgewicht dabey nicht in Gefahr komt c]. Zuwei-
len laſſen Nazionen ſich dies ausdruͤcklich in Vertraͤgen
verſprechen d]; es ſind iedoch, vorzuͤglich in neuern
Zeiten, oͤfters Faͤlle vorgekommen, wo auswaͤrtige
Maͤchte, unter allerhand Vorwand, wegen verletzter
Gerechtſame ihrer Regenten, wegen des Gleichge-
wichts, oder auch blos aus Freundſchaft und Nachbar-
ſchaft, eine ſonſt rechtliche Erbfolge vernichtet und da-
gegen nach wilkuͤhrlichen Grundſaͤtzen eine andere vor-
geſchrieben
[396]Von der Regierungsfolge.
geſchrieben oder bey deren Feſtſetzung mit gewuͤrkt
haben e].
e] Eins
[397]Von der Regierungsfolge.
§. 4.
Erbfaͤhigkeit der einzelnen Perſonen von
der regierenden Familie und deren Aus-
ſchlieſſung von der Regierungsfolge.
Erbfolgsfaͤhig ſind an ſich alle dieienigen, die zur
Familie, der die Regierung aufgetragen iſt, gehoͤren
und auf welche die vorgeſchriebene Ordnung ſich er-
ſtreckt a]; denn es ſteht denen, welche ein Recht die
Erbfolge zu beſtimmen haben, ohnſtreitig bey Feſtſe-
tzung derſelben frey, gewiſſe Perſonen der regierenden
Familie z. B. die aus ungleicher Ehe erzeugten, legi-
timirten Kinder, oder das weibliche Geſchlecht b] ent-
weder ganz oder unter gewiſſen Bedingungen c] davon
auszuſchlieſſen. Dieienigen, welche ein Recht dazu
haben, koͤnnen auch ſelbſt ſich deſſen begeben d]. Wenn
die Regierungsfolge aber einmal gehoͤrig angeordnet
iſt, und die Ordnung eine Perſon trift, auf welche
iene Ausſchlieſſung ſich nicht erſtreckt, ſo kann ihnen
ſolche nicht, am wenigſten von fremden Nazionen ent-
zogen
[398]Von der Regierungsfolge.
zogen werden e]. Doch fehlt es auch hier des Gleich-
gewichts und anderer Staatsurſachen wegen, nicht an
Beiſpielen vom Gegentheil f].
f] Auch
[400]Von der Regierungsfolge.
§. 5.
Entſcheidung der Erbfolgsſtreitigkeiten.
Wenn die Erbfolge ſo zweifelhaft iſt, daß daruͤber
in der Nazion Streitigkeiten entſtehen, ſo komt es ent-
weder lediglich auf die guͤtliche Vereinigung der Na-
zion a], oder auf das Gluͤck der Waffen an b], wer
fuͤr den rechtmaͤſſigen Erbfolger zu erklaͤren ſey. Auf
keinen Fall ſteht andern Nazionen ein Recht der Beur-
teilung und Entſcheidung zu. Sie haben ſich auch,
wenn durch innere Unruhen eine Revolution in der
Ebfolge bewuͤrkt wird, darein nicht zu miſchen c]. In-
des ſteht es, wenn ſie ſich alles deſſen enthalten, gleich-
wohl frey, die Parthey eines oder des andern Theils
zu nehmen oder neutral zu bleiben d], wenn ſie ſich
nicht durch Vertraͤge zu etwas anderm verbunden
haben e].
e] Naͤm-
[401]Von der Regierungsfolge.
§. 6.
Garantie der Erbfolge.
Um mancherley Streitigkeiten bey der Erbfolge,
und der Einmiſchung fremder Nazionen dabey vorzu-
beugen, pflegen die Regenten ſich das Recht der Erb-
folge von andern garantiren zu laſſen. Dies geſchieht
entweder in Friedensſchluͤſſen oder in beſondern Ver-
traͤgen, und zwar theils ausdruͤcklich, theils dadurch,
daß einem Souverain alle ſeine Reiche, Beſitzungen ꝛc.
verſichert werden a]. Mehrere europaͤiſche Nazionen
haben ſich auf dieſe Art wegen ihrer Erbfolge vorzuſehn
geſucht b]. Es komt ohnſtreitig auf ieder Nazion Gut-
befinden an, wenn ſie um eine dergleichen Garantie
angeſprochen wird, ob, in wie ferne, und unter wel-
chen Bedingungen ſie ſolche uͤbernehmen will. Nur
tritt, wie bey allen Garantieen, auch hier oft der Fall
ein, daß ſie zur Zeit der Noth ohne Wuͤrkung bleiben c].
§. 7.
Wahlfolge.
Nach Abgang oder Abſetzung der bisherigen regie-
renden Familie iſt ſelbſt in Erbreichen die Wahl eines
neuen
[405]Von der Regierungsfolge.
neuen Regenten und ſeiner Nachkommen erfoderlich.
Sie findet auch in den ſogenanten Patrimonial- und
vermiſchten Reichen, wo dem vorigen Regenten einiges
Wahlrecht zuſteht, Statt. Hauptſaͤchlich aber komt
die Wahlfolge in den eigentlichen Wahlreichen vor,
wo iedesmal, nach Abſterben eines Regenten, ein
neuer durch die Wahl zu ernennen iſt. Die Grundver-
faſſung des Staats muß das Recht der Wahl in allen
dieſen Faͤllen beſtimmen.
§. 8.
Wahlrecht und Freiheit.
Das Wahlrecht kann denen, welchen es nach der
Verfaſſung zukomt, auf keine Weiſe, zumal durch an-
dere Nazionen entzogen oder ihnen die verfaſſungsmaͤſ-
ſige Freiheit hierunter benommen werden a], wenn ſie
nicht durch beſondere Vertraͤge ſich dieſer Freiheit bege-
ben b] und etwa zu Gunſten einer Perſon bereits er-
klaͤrt haben c]. In manchen Reichen ſind hieruͤber be-
ſondere Vorſchriften und Wahlgeſetze vorhanden d],
deren Errichtung zwar allein von der Nazion abhangt,
die aber doch, auf Erſuchen, von andern Nazionen
garantirt werden koͤnnen e].
§. 9.
Einmiſchung anderer Nazionen.
Andere Nazionen duͤrfen ſich in die Wahlen eben
ſo wenig als in die Erbfolge miſchen, die Wahl eines
Kandidaten mit Gewalt durchſetzen wollen, oder ande-
rer directer oder indirecter Mittel ſich bedienen, ihre
Abſicht hierunter zu erreichen a]. Es werden daher in
Wahlreichen mehrenteils die auswaͤrtigen Geſandten,
und andere fremde Perſonen, denen man einigen Ein-
flus zutrauen koͤnte, von dem Wahlorte abgehalten b].
Doch giebt es Beiſpiele genug, daß fremde Nazio-
nen c], ſelbſt unter dem Scheine die Wahlfreiheit zu
erhalten, die waͤhlende Nazion nach ihren Abſichten
C c 4gelenkt d],
[408]Von der Regierungsfolge.
gelenkt d], einem Prinzen die Wahl angetragen e] und
ihm ſolche in Vertraͤgen verſprochen, auch die verlangte
Wahl mit Gewalt durchgeſetzt haben f]. Ohne Erſu-
chen des intereſſirten Staats ſind andere Nazionen
eigentlich auch nicht befugt, unter ſich Vertraͤge uͤber
die Aufrechthaltung der Wahlfreiheit eines dritten
Reichs zu [errichten]g]. Ihre Einmiſchung pflegt ie-
doch alsdenn zu erfolgen und entſchuldigt zu werden,
wenn eine Auffoderung vorausgegangen iſt h], eine
uͤbernommene Garantie, oder beſondere Vertraͤge i]
deshalb vorhanden ſind, oder eine wuͤrkliche Gefahr
des Gleichgewichts k], wie nicht weniger deren eigenes
weſentliches Intereſſe und Erhaltung dabey obwaltet l];
wiewohl oͤfters auch bloſſe Nachbarſchaft, Conve-
nienz ꝛc. als hinlaͤngliche Urſachen angeſehen werden
wollen m].
[412]Von der Regierungsfolge.
§. 10.
Empfehlung eines Wahlkandidaten.
Die Einmiſchung geſchieht hauptſaͤchlich in ſo ferne,
als man entweder einen Wahlkandidaten vorzuͤglich
unterſtuͤtzt, oder andere nicht anſtaͤndige von der Wahl
ausſchlieſſen will. Die bloſſe Aeuſſerung: daß man es
gern ſaͤhe, wenn dieſer oder iener gewaͤhlt wuͤrde, und
eine Empfehlung ohne Aufdringen, und Anwendung
anderer nachdruckſamer Mittel, kann mit der Wahl-
freiheit gar wohl beſtehen a], und iſt bey den meiſten
Wahlreichen von den benachbarten und andern intereſ-
ſirten Nazionen uͤblich b]; wird auch von dem waͤhlen-
den Volke ſelten als Beleidigung aufgenommen.
[414]Von der Regierungsfolge.
§. 11.
Ausſchlieſſung eines Candidaten.
Aehnliche Bewandnis hat es mit der Ausſchlieſſung
eines Wahlkandidaten, wider welchen andere Nazio-
nen etwas einzuwenden haben. Sie koͤnnen allenfals
ihre Bedenklichkeiten gegen denſelben dem waͤhlenden
Volke zu erkennen geben, und anſuchen, daß er nicht
gewaͤhlt werden moͤchte, deſſen Ausſchlieſſung aber nicht
als Schuldigkeit verlangen; ſie muͤſten denn das Recht
hierzu auf andere Art erlangt a], oder, nicht ſowohl
wegen einer vermeintlichen Schuldigkeit des Candida-
ten fuͤr das Wahlreich, als wegen der eignen daraus
zu beſorgenden Gefahr, ein beſonderes Intereſſe bey der
Wahl haben b]. Es iſt daher ſchon oͤfter geſchehen,
daß andere Nazionen wider die Wahl dieſes oder ienes
Prinzen proteſtirt und erklaͤrt haben, ihn nicht zu er-
kennen c], woruͤber zuweilen heftige Streitigkeiten ent-
ſtanden ſind d].
a] Wie
[416]Von der Regierungsfolge.
[417]Von der Regierungsfolge.
§. 12.
Entſcheidung ſtreitiger Wahlen.
Die Entſcheidung ſtreitiger oder zwieſpaͤltiger
Wahlen durch innere Unruhen und Factionen, kommt
Guͤnth. Voͤlk. K. 2. B. D dlediglich
[418]Von der Regierungsfolge.
lediglich der Nazion zu, und muͤſſen die intereſſirten
Theile ſich der Reichsverfaſſung gemaͤs deshalb verglei-
chen oder die Sache ſonſt ausmachen a]. Auswaͤrtige
Maͤchte haben darein nichts zu ſagen, auſſer wenn ſie,
nicht wie bey der uͤbrigen Einmiſchung, durch beſondere
Vertraͤge, den eignen aus dieſen Unruhen ihr zuwach-
ſenden Schaden und Nachtheil dazu berechtigt oder
ſonſt aufgefodert werden. Ehedem maßten ſich vor-
zuͤglich die Paͤpſte ein Entſcheidungsrecht hierunter an,
das ihnen aber beſonders in neuern Zeiten keinesweges
mehr zugeſtanden wird b]. Deſto haͤufiger pflegen an-
dere Nazionen, unter irgend einem Vorwand, in ſol-
chen Faͤllen geſchaͤftig zu ſeyn c].
§. 13.
[419]Von der Regierungsfolge.
§. 13.
Garantie der Wahlen.
Die Garantie der in einem Reiche etwa vorhande-
nen Wahlgeſetze, und daß oͤfters andere Nazionen,
ohne Concurrenz des Wahlreichs, blos ihres eignen
Vorteils wegen, zu Aufrechthaltung der Wahlfreiheit
eines dritten Staats unter ſich Vertraͤge errichten,
habe ich ſchon oben [§. 9.] beruͤhrt. Uebrigens ge-
ſchieht die Garantie der Wahlen auch zuweilen auf Er-
ſuchen oder mit Theilnahme des Wahlſtaats. Dieſe
Garantie liegt entweder ſchon in der uͤbernommenen
Garantie der Conſtitution a] oder wird noch beſonders
verſprochen, und geht entweder die Wahlfreiheit uͤber-
haupt an b] oder erſtreckt ſich auch nur auf einen einzel-
nen gewaͤhlten Regenten, deſſen Wahl man aufrecht
zu erhalten ſich verbindet c], oder man macht ſich auch
wohl anheiſchig, die Garantie einer Wahl in voraus
zu uͤbernehmen d].
§. 14.
Competenten und Praͤtendenten.
Wenn in Erbreichen eine Perſon vorhanden iſt,
welche aus einer Menge moͤglicher Urſachen, als wegen
ent-
[421]Von der Regierungsfolge.
entfernterer Verwandſchaft, wegen unehelicher, un-
rechtmaͤſſiger und untergeſchobener Geburt ꝛc. von einer
andern, die ein ſtaͤrkeres Recht zur Regierung hat,
oder wenigſtens zu haben glaubt, ausgeſchloſſen wird,
oder wenn in Wahlreichen, bey entſtehenden Unruhen
und Spaltungen des Volks, von den verſchiedenen
Partheien mehrere erwaͤhlt werden, wovon ieder die
Rechtmaͤſſigkeit der Wahl behauptet und auf die Regie-
rung Anſpruch macht, oder auch wenn Betruͤger ſich
aufwerfen und fuͤr eine Perſon ausgeben, die allenfals
wuͤrklich einiges Recht auf den Thron haben koͤn-
ten, ſo nennt man dieſe, wenn ſie noch darum ſtreiten,
Mitwerber, Competenten, Praͤtendenten hingegen
die uͤbrigen wenn der eine ſich bereits im Beſitz befin-
det a]. Dergleichen Praͤtendenten koͤnnen auch daher
entſtehen, wenn ein Regent durch Krieg oder innere
Factionen ſein Reich verliert b]. Die beiderſeitigen
Rechte muͤſſen, wie von den uͤbrigen Wahlſtreitigkeiten
ſchon erinnert worden, lediglich nach den Grundgeſetzen
der Conſtitution, welche die Nazion in zweifelhaften
Faͤllen gar wohl zu erklaͤren befugt iſt, entſchieden,
oder, wenn dieſe nicht auslangen und in Anwendung
zu bringen ſind, die Streitigkeiten durch die Praͤten-
denten ſelbſt, entweder in guͤtlichen Vertraͤgen, durch
compromiſſariſchen Ausſpruch oder auf andere Weiſe c]
und endlich mit Gewalt der Waffen beendigt werden d].
Andern Nazionen ſteht, auſſer unter ienen mehrerwaͤhn-
ten Umſtaͤnden, kein Entſcheidungsrecht dabey zu e].
Doch haͤngt es, ſo lange die Sache zweifelhaft iſt,
von ihrem Gutbefinden ab, ob ſie die Parthen des
einen oder andern ergreifen f], ihm Aufenthalt, Schutz
und die einem Regenten gebuͤhrenden Ehrenbezeigungen
gewaͤhren wollen g]. Wenn der eine aber bereits zum
ruhigen Beſitz gelangt und von den meiſten uͤbrigen
Nazionen anerkant iſt, ſo wird es allerdings als Be-
D d 3leidigung
[422]Von der Regierungsfolge.
leidigung angeſehen, wenn dem andern Theile derglei-
chen zugeſtanden oder ihm wohl gar Beiſtand gegen
ienen geleiſtet wird h]. Um dergleichen Theilnahme
zu verhindern, laſſen ſich die Nazionen daher von an-
dern oͤfters verſprechen, daß ſie der Praͤtendenten ſich
nicht annehmen, und ihnen in ihren Landen weder Auf-
enthalt verſtatten, noch ſonſt eine Unterſtuͤtzung zu-
kommen laſſen wollen i].
§. 15.
Mitregenten.
Ob und in wie ferne die Souverains einer Nazion
einen Mitregenten annehmen koͤnnen, komt auf die
Grundverfaſſung eines ieden Reichs an, und wenn
dieſe
[425]Von der Regierungsfolge.
dieſe es erlaubt, haben andere Nazionen eigentlich nichts
dagegen zu ſagen, wenn nicht beſondere ihnen zuſtehen-
de Rechte dadurch verletzt werden.
§. 16.
Landesherrn.
Bey den teutſchen Landesherrn trift man ebenfals
verſchiedene Arten der Regierungsfolge, Erb- und
Wahlſtaaten an. Zu den letztern gehoͤren die geiſtli-
chen Erz- und Bisthuͤmer ꝛc. Es ſind mehrenteils ge-
wiſſe Grundgeſetze, Erbvertraͤge, Erbverbruͤderun-
gen ꝛc. deshalb vorhanden, welche in zweifelhaften
Faͤllen zur Beurteilung und Entſcheidung dienen.
Dieſe gehoͤrt aber allerdings vor das Reichsoberhaupt
und die Reichsgerichte a]; daher auch die Landesherrn
in Anſehung der Garantie und im uͤbrigen nicht ſo nach
voͤlliger Wilkuͤhr verfahren koͤnnen, wie unabhaͤngige
Nazionen b]. Die Einmiſchung anderer, beſonders
auswaͤrtiger Staaten ſolte auch hier keinesweges Statt
finden, doch fehlt es an Beiſpielen nicht, daß ſie ſich
in die Regierungsfolge gemiſcht c], und ſolche durch
ihre Einwuͤrkung regulirt haben d].
D d 5Bey
[426]Von der Regierungsfolge.
Bey den Wahlen der teutſchen geiſtlichen Landes-
herrn haben die Kapitel zwar das freie Wahlrecht, doch
ſteht dem Kaiſer e] ſowohl, als einigen Mitſtaͤnden f],
vornaͤmlich den Schutzherrn, einige Concurrenz dabey
zu; nicht zu gedenken, daß auch hier ſehr oft auswaͤr-
tige Nazionen, nicht blos durch Empfehlungen, ſon-
dern oͤfters durch nachdruͤcklichere Mittel ihren Einflus
haben g].
Die Anſpruͤche eines Praͤtendenten gehoͤren ebenfals
zur Entſcheidung des Reichsoberhaupts h].
Drit-
[428]
Drittes Kapitel.
Von Antritt und Endigung der Regierung.
§. 1.
Kroͤnung.
In monarchiſchen Staaten, deren Oberhaupt mit
der kaiſerlichen oder koͤniglichen Wuͤrde bekleidet
iſt, pflegt nach einem Herkommen unter den Nazionen,
der neue Regent, nachdem er durch die Erbfolge oder
Wahl zur Regierung gelangt iſt, gleichſam zur Beſtaͤ-
tigung und feierlichen Einweihung, gekroͤnt und geſalbt
zu werden, und man nent ſie daher gekroͤnte Haͤup-
tera]. Die Nothwendigkeit und Feierlichkeiten der
Kroͤnung beruhen auf die Verfaſſung und das Herkom-
men ieden Reichs. Auswaͤrtige Nazionen haben da-
bey nichts zu ſagen b], als daß ihre Souverains zu-
weilen zu den Feierlichkeiten eingeladen werden und
denſelben beiwohnen. Doch haben die Paͤpſte ſich be-
kantlich in aͤltern Zeiten mancherley Rechte hierunter,
beſonders in Abſicht der roͤmiſchen Kaiſerkroͤnung ange-
maßt c]. Auch geſchieht es wohl, daß dieienigen,
welche wider die Wahl oder Erbfolge des Regenten
etwas einzuwenden haben, auch die Kroͤnung deſſelben
zu verhindern und ihre Gerechtſame hierunter durch
Proteſtationen zu verwahren ſuchen d].
§. 2.
[430]Von Antritt und Endigung der Regierung.
§. 2.
Antritt der Regierung.
Von dem erfolgten Regierungsantritt pflegen die
Souverains den andern, beſonders freundſchaftlichen
Nazionen a], in Schreiben, welche durch den gewoͤn-
lichen oder einen auſſerordentlichen Geſandten b], oder
durch Curirs ꝛc. wie es herkomlich, uͤberreicht werden,
Nachricht zu ertheilen, und von dieſen dagegen Gluͤck-
wuͤnſche zu erhalten c]. Dieſe Gewonheit beruht ſo-
wohl uͤberhaupt, als in der Art, auf bloſſe Wilkuͤhr d],
und kann nicht leicht als Schuldigkeit angeſehn wer-
den. Nur der Papſt verlangt deren Beobachtung als
eine ſolche von dem Kaiſer und den uͤbrigen catholiſchen
Maͤchten e]. Doch pflegen uͤber die Notification und
uͤber die Abſtattung der Gluͤckwuͤnſche zuweilen Ver-
traͤge errichtet zu werden f], welche, ſo wie ein etwa
vorhandenes verbindliches Herkommen, allerdings be-
folgt werden muͤſſen; widrigenfals die andere Nazion
die Unterlaſſung oder Abweichung auf irgend eine Weiſe
als Beleidigung anſehn, und die Annahme verweigern
kan g]. Die Notification wird iedoch gemeiniglich un-
terlaſſen, wenn man weiß, daß die andere Nazion die
Anerkennung eines Regenten verweigert h]. Zuweilen
ſtelt der Hof, dem die Notification geſchieht, ſelbſt
einige Feierlichkeiten deshalb an, wenigſtens aber wird
den Unterthanen der Nazion, deſſen Regent die Regie-
rung antritt, die ſich in andern Landen befinden, wenn
ſie deshalb gewiſſe oͤffentliche Freudenbezeigungen an-
ſtellen wollen, ſolches, mit Vorbewuſt der Obrigkeit
nicht leicht verwehrt i].
§. 3.
Erkennung des Regenten.
Auf dieſe Notification ſind andere Nazionen, wenn
die Gelangung auf den Thron durch Erbfolge oder
Wahl gehoͤrig geſchehen iſt a] verbunden, den neuen
Regenten, den die Nazion annimmt, auch zu erken-
nen, welches gemeiniglich dadurch geſchieht, daß die
Notification angenommen und beantwortet wird b];
denn wenn Streitigkeiten und Zweifel dabey obwalten,
haͤngt es, ſchon obgedachtermaaſſen, von der Wilkuͤhr
einer ieden ab c]. So lange aber eine oder die andere
Nazion, aus vorerwaͤhnten Gruͤnden, Urſach zum
Widerſpruch gegen die Thronbeſteigung eines Regenten
zu haben glaubt, kann die Anerkennung freilich nicht
verlangt werden. Es ſind daher ſchon oͤfter Faͤlle vor-
gekommen, daß andere Nazionen, beſonders einen ge-
waͤhlten Regenten, wegen zwieſpaltiger Wahl, wegen
Unanſtaͤndigkeit der Perſon, wegen unrechtmaͤſſiger
Entſetzung des vorigen Oberhaupts, wegen mangeln-
der Theilnahme einiger Wahlglieder und ſonſt die An-
erkennung
[433]Von Antritt und Endigung der Regierung.
erkennung verweigert haben d]; und daß dieſe erſt in
der Folge zuweilen durch Krieg, in den darauf gefolg-
ten Friedensſchluͤſſen bewuͤrkt werden muͤſſen e]. Wenn
dieſe nicht erfolgen will, pflegt der andere Theil ſich
aller dienſamen Mittel, als Anfangs Vorſtellungen,
Negociationen, Drohungen und am Ende gar Gewalt
zu bedienen f]. Auch haben ſchon dritte dabey inter-
eſſirte Nazionen ſich bemuͤht, die Anerkennung zu er-
halten g], oder von andern verlangt, daß ſie einen
gewiſſen Regenten nicht erkennen moͤchten h].
§. 4.
[435]Von Antritt und Endigung der Regierung.
§. 4.
Abdankung der Regierung.
Ob und in wie ferne einem Regenten erlaubt ſey,
freiwillig die Regierung niederzulegen, muß aus den
Grundgeſetzen eines ieden Staats beurteilt werden;
andere Nazionen haben in der Regel nichts darein zu
ſagen a]. Ein Souverain, welcher die Regierung ab-
gedankt hat, pflegt iedoch ſowohl in ſeinem Staate,
als auswaͤrts, die perſoͤnlichen Gerechtſame der Sou-
verains zu genieſſen b]. Indes kann auch andern
Nazionen, wenn ſie Nachtheil daraus zu befuͤrchten
haben ſolten, nicht verargt werden, andere Maasre-
geln hierunter zu ergreifen, und ihm z. B. ſogar den
Aufenthalt bey ſich abzuſchlagen c].
E e 2b] Moſer
[436]Von Antritt und Endigung der Regierung.
§. 5.
Abſetzung.
Eben ſo verhaͤlt es ſich mit der wider Willen des
Regenten abgenoͤthigten Entſagung oder Abſetzung eines
Souverains, wenn die Nazion etwa, vermoͤge der
ſogenannten commiſſoriſchen Clauſel a], oder wegen
offenbarer Tyranney das Recht hat, ſich der Abſetzung
anzumaſſen b], oder ſolche durch Unruhen und Factio-
nen bewuͤrkt wird c]. Andere Nazionen aber koͤnnen
von einem Volke die Entſetzung ſeines Regenten nicht
verlangen, oder ſich ſelbſt derſelben unterfangen d], als
allenfals im Kriege, wenn die Nothwendigkeit es er-
fodert e]. Wenn ſie aber auf irgend eine Art geſchieht,
ſo komt es auf die Umſtaͤnde, und einer ieden Nazion
Wilkuͤhr und Gutbefinden an, ob ſie ſich deſſen anneh-
men, wenn er das Gluͤck hat, ſich wieder auf den
Thron zu ſchwingen, ihn anerkennen, ihm, wenn er
Zuflucht zu ihnen nimt, wenigſtens Aufenthalt ver-
ſtatten, und ihm andere Ehre erweiſen wollen f]. Nur
ſteht ihnen kein Recht einer entſcheidenden Beurteilung
zu g].
a] Wie
[437]Von Antritt und Endigung der Regierung.
§. 6.
Die Landesherrn pflegen einander, auch wohl aus-
waͤrtigen Nazionen, ebenfals von ihrem Regierungs-
antritt Nachricht zu erteilen, und erhalten Gluͤckwuͤn-
ſche dagegen. Die Anerkennung unter ſich hat hier um
ſo weniger Schwierigkeiten, weil bey entſtehenden
Zweifeln in den meiſten Faͤllen die Entſcheidung des
Reichsoberhaupts eintritt. In Anſehung auswaͤrtiger
Nazionen iſt es ſchon oͤfter vorgekommen, daß dieſe
einen teutſchen Landesherrn nicht haben erkennen wollen
oder von letzterm nicht erkant worden ſind a]. In die
Abdankung der Regierung, beſonders in den geiſtlichen
Wahlſtaaten, haben, wenn ſie rechtmaͤſſig geſchieht,
weder die Mitſtaͤnde noch andere Nazionen ſich zu mi-
ſchen, ſo wenig als in die Entſetzung, welche iedoch,
durch die Achtserklaͤrung, nach den Reichsgeſetzen b]
nicht anders als mit Einwilligung der Reichsſtaͤnde
geſchehen ſoll, und wobey in Anſehung der Geiſtlichen
dem Papſt vermoͤge der Concordaten von 1448. zumal
ehedem viele Gewalt zuſtand c].
a] So
[439]Von d. Titeln, Wapen u. andern Ehrenzeich. ꝛc.
Viertes Kapitel.
Von den Titeln, Wapen und andern Ehrenzeichen
der Regenten.
§. 1.
Von den Titeln der Regenten uͤberhaupt.
Die Titel der Regenten ruͤhren entweder von ihren
Wuͤrden, oder ihren Landen, oder von andern
Ehrenbezeigungen und Veranlaſſungen her. So wie
iede freie und unabhaͤngige Nazion befugt iſt, ſich ihre
Regierungsform und die Art der Regierungsfolge ihrer
Regenten zu erwaͤhlen, ſo hat ſie ohnſtreitig auch das
Recht, nach Wilkuͤhr, ihrem Territorium eine Be-
nennung zu geben, die Wuͤrde ihres Regenten zu be-
ſtimmen und ihm andere Ehrenzeichen und Titel beizu-
legen; oder der Regent kann mit Einſtimmung ſeines
Volks ſelbſt dergleichen annehmen a]. Nach dem na-
tuͤrlichen Rechte haben die Wuͤrden und Titel an ſich
E e 4frei-
[440]Von den Titeln, Wapen
freilich keinen Werth, und geben den Nazionen, die
urſpruͤnglich alle einander gleich ſind, durch ihre Ver-
ſchiedenheit keinen Vorzug b]. Man hat auch in neu-
ern Zeiten dieſen Grundſatz mehr als ehemals zu befol-
gen geſucht. Indes haben Vorurtheil und Herkom-
men mit gewiſſen Namen eine hoͤhere Meinung verbun-
den, welche, iener Gleichheit ungeachtet, doch auf die
Verhaͤltniſſe der Nazionen, und die perſoͤnlichen Zu-
ſtaͤndigkeiten der Regenten, die ſie fuͤhren, einen groſ-
ſen Einflus haben. Dahin gehoͤren beſonders die Kai-
ſer- und Koͤnigswuͤrde.
§. 2.
Kaiſerwuͤrde.
Die Kaiſerwuͤrde hielten in aͤltern Zeiten nicht nur
die Regenten, die damit bekleidet waren, ſondern auch
andere Nazionen fuͤr die hoͤchſte. Sie wurde vorzuͤg-
lich a] von den Beherrſchern des Roͤmiſchteutſchen
Reichs [naͤchſt den Regenten des orientaliſchen Kaiſer-
thums zu Conſtantinopel, von welchen letztern die tuͤr-
kiſchen Sultane, nach Zerſtoͤhrung dieſes Reichs,
ſolche annahmen und dem roͤmiſchen Kaiſer ſelbſt ſtrei-
tig machten, bis ſie 1606. ſich verglichen, beide dieſen
Titel zu gebrauchen b];] und gewiſſermaaſſen ausſchlus-
weiſe gefuͤhrt, indem ſie nicht zugeben wolten, daß ein
anderer Regent ſich deſſen bediente c]. Die Czaare,
oder
[441]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
oder Koͤnige von Rußland hatten zwar laͤngſt den Titel:
Autocrator, welcher im Griechiſchen eben ſo viel, als
Imperator bedeutet, [wiewohl die roͤmiſchen Kaiſer
dieſe Ueberſetzung nicht dulten wolten] gefuͤhrt, nah-
men aber 1721. den Kaiſertitel foͤrmlich an d]. An-
dere europaͤiſche Souverains als Spanien, Frankreich,
Grosbritannien, legten ſich ehedem zwar zuweilen eben-
fals den kaiſerlichen Titel bey und pflegen ſich deſſen
noch, aber nicht gegen andere europaͤiſche Nazionen,
ſondern nur in Verhandlungen mit einigen Aſiatiſchen
und Africaniſchen Fuͤrſten zu bedienen, und erhalten
ſolchen von ihnen wieder e].
§. 3.
Koͤnigliche Wuͤrde.
Nach der kaiſerlichen folgt zunaͤchſt die koͤnigliche
Wuͤrde, womit auch der Roͤmiſche Kaiſer zugleich als
Koͤnig
[443]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
Koͤnig in Germanien bekleidet iſt. Sie begreift eben-
fals verſchiedene Vorzuͤge vor den uͤbrigen Wuͤrden
anderer Regenten in ſich, welche man mit dem Namen
der Koͤniglichen Ehrenbezeigungen zu belegen pflegt.
Das Land desienigen, der dieſe Wuͤrde fuͤhrt, iſt ge-
woͤnlich ein Koͤnigreich, doch iſt ſie zuweilen auch blos
perſoͤnlich, indem ſie ſolchen Prinzen zugeſtanden wird,
die entweder gar keinen a] oder doch einen geringen
Staat zu regieren haben. Die letztern fuͤhren indes
nicht ſowohl den Titel: Koͤnig als Koͤnigliche Ho-
heit, und erhalten ihn mehrenteils in Ruͤckſicht ihrer
Abſtammung aus koͤniglichem Geſchlechte oder wegen
Anſpruͤche auf ein Koͤnigreich b].
§. 4.
Koͤnigliche Ehrenbezeigungen.
Die eigentlich mit der koͤniglichen Wuͤrde verbun-
denen Vorzuͤge werden, theils vermoͤge Vertraͤge, theils
wegen Herkommen, auch ſolchen Regenten zugeſtan-
den, die nicht einmal den koͤniglichen Titel fuͤhren,
ia ſelbſt Staaten, die keine monarchiſche Regierungs-
form haben, und zwar in der Perſon der ſie darſtellen-
den Geſandten, indem man dieſen dieienige Ehre er-
weißt, welche eigentlich blos denen von gekroͤnten
Haͤuptern gebuͤhren. Dahin gehoͤren, auſſer den Kur-
fuͤrſten des teutſchen Reichs, die Republiken Venedig,
die Vereinigten N. Lande und die Schweitz, ingleichen
der Grosmeiſter zu Malta. Genua und andere Re-
publiken machen auch Anſpruͤche darauf, ſie werden
ihnen aber beſtritten.
§. 5.
Ehemalige Rechte des Roͤmiſchen Kaiſers
und der Paͤpſte hierunter.
In denen Zeiten, wo die Kaiſer und Paͤpſte noch
als Oberherrn der ganzen Chriſtenheit angeſehn wur-
den, maaßten ſich beide auch an, koͤnigliche und an-
dere Wuͤrden zu ertheilen, und ſtritten ſich um das vor-
zuͤglichere Recht dazu. Andere Nazionen trugen kein
Bedenken, dieſe Standeserhoͤhungen anzuerkennen,
wie
[445]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
wie verſchiedene Beiſpiele von einem und dem andern
lehren a]. Am meiſten nahmen ſich die Paͤpſte dabey
heraus, die keine andere Erhebung fuͤr guͤltig anſehn
wolten, als welche von ihnen geſchehen war. Aus
dieſem Grunde erregten ſie auch bekantlich gegen die
preuſſiſche Koͤnigswuͤrde, welche Friedrich I. ohne ihr
Zuthun eigenmaͤchtig angenommen hatte, ehemals hef-
tige Streitigkeiten b], iedoch haben ſie in neuern Zei-
ten nachgegeben c]. Ueberhaupt aber raͤumt man heut-
zutage keinem von beiden ein Recht weiter ein, andern
Nazionen dergleichen Geſetze vorzuſchreiben d], auſſer
daß der Kaiſer, unter andern Standeserhebungen, wie
obgedacht, zuweilen noch den Titel: Koͤnigliche Ho-
heit zu erteilen pflegt.
§. 6.
Eigne Annahme hoͤherer Wuͤrden.
So wie die Nazion urſpruͤnglich das Recht hat,
ihrem Souverain eine gewiſſe Wuͤrde beizulegen oder
annehmen zu laſſen, ſo kann es, auch nach den heut-
zutage
[447]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
zutage unter den europaͤiſchen Nazionen angenommenen
Grundſaͤtzen, ihr nicht verwehrt werden, ſich kuͤnftig
einer hoͤheren Titulatur zu bedienen, als ſie bisher ge-
fuͤhrt hat a], oder dem Lande eine andere Benennung
zu geben ꝛc. b]. Jedoch duͤrfen ſie dabey den Rechten
anderer nicht zu nahe treten und etwa mehrere Vorzuͤge
verlangen. In neuern Zeiten haben wir zwey merk-
wuͤrdige Beiſpiele hiervon bey den Regenten in Ruß-
land c] und Preuſſen d], wovon der erſte den Kaiſer-
dieſer aber den Koͤnigstitel annahmen.
§. 7.
Anerkennung anderer Nazionen.
Ob aber eine ſolche Erhoͤhung der Wuͤrde und Ver-
aͤnderung der Titulatur gleich bey der Nazion ſelbſt an-
erkant und dem Regenten gegeben werden muß; ſo
koͤnnen doch andere Nazionen nicht genoͤthigt werden,
aus Schuldigkeit ein Gleiches zu thun. Wenn ſie ſich
auch gefallen laſſen, daß eine andere ſelbſt ſich ihrer
bediene a], ſo iſt dennoch, damit ſie dieſelben auch von
ihnen beigelegt erhalte, deren ausdruͤckliche oder ſtil-
ſchwei-
[448]Von den Titeln, Wapen
ſchweigende Einwilligung erfoderlich b]. Sie pflegen,
nach den Pflichten der Geſelſchaft, auch die Anerken-
nung der Wuͤrden und Titel, welche eine Nazion ſelbſt
ihrem Souverain erteilt, nicht leicht zu verweigern,
wenn dieſe die zu Behauptung einer ſolchen Wuͤrde er-
foderlichen Eigenſchaften beſitzt, und die Titel nicht
ungewoͤnlich und beſonders in Anſehung der daraus her-
zuleitenden Anſpruͤche auf Vorzuͤge, Rechte ꝛc. nicht
bedenklich ſind c]. In dieſem letztern Falle aber ſind
die andern allerdings berechtigt, dieſelben nicht zu er-
kennen und ſich dagegen zu verwahren d], die Sicher-
ſtellung ihrer Gerechtſame hierunter zu verlangen, oder
wenigſtens gewiſſe Einſchraͤnkungen und Bedingungen
dabey feſtzuſetzen e]. Gewoͤnlich geben die Souve-
rains, welche eine andere Wuͤrde oder Titulatur ange-
nommen haben, dem andern Nachricht davon f] und
dann pflegt die Anerkennung entweder ausdruͤcklich in
foͤrmlichen Erklaͤrungen, Vertraͤgen ꝛc. g] oder durch
ſtilſchweigende Genehmigung in Beilegung derſelben,
durch Gluͤckwuͤnſche dazu ꝛc. h] zu erfolgen. Zuweilen
wird, um deſto ſicherer zu gehn, die Anerkennung auch
wohl im voraus vor der foͤrmlichen Annahme bedun-
gen i]. Ehe dieſe Anerkennung nicht erfolgt iſt, kann
die Verweigerung eines Titels nicht als Beleidigung
angeſehn werden k], wenn auch mehrere Maͤchte ihn
bereits erkant haben l]. Indes ſteht es der Nazion,
deren Wuͤrde ꝛc. von einer andern nicht anerkant wer-
den will, ohnſtreitig frey, mit dieſer die Verbindung
und Gemeinſchaft aufzuheben m]. Auch von allen die-
ſem geben die Ruſſiſchen und Preuſſiſchen Kaiſer- und
Koͤnigswuͤrden die deutlichſten Beweiſe n]. Weniger
Schwierigkeiten und Bedenklichkeiten hat es, wenn
die Annahme eines Titels nicht ganz neu iſt, ſondern
z. B. nur ein Koͤnigreich, das vorher mit einem an-
dern verbunden war, als ein beſonderes Reich an ein
anderes
[449]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
anderes regierendes Haus komt, wie Sicilien und Sar-
dinien im Utrechter Frieden o].
§. 8.
Titel: Majeſtaͤt.
Auſſerdem giebt es noch verſchiedene Titel und Praͤ-
dicate, welche theils allen Regenten gemein, theils
einigen
[453]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
einigen, durch beſondere Verguͤnſtigungen, zugeteilt
ſind. Die Regenten der republikaniſchen Staaten in
Europa bedienen ſich keiner ihnen gemeinſamen Titu-
latur, indem einige Hochmoͤgende, die andern Groß-
moͤgende ꝛc. Herrn genant werden a]. Den monarchi-
ſchen Regenten aber iſt der Titel: Majeſtaͤtb] ge-
mein, den ietzt alle gekroͤnte Haͤupter, auſſer dem
Papſte c], einander beizulegen, und ſolchen auch von
den Republiken zu erhalten pflegen, ſo daß ſie, nach
Beſchaffenheit der Umſtaͤnde, entweder Kaiſerliche
oder Koͤnigliche oder Kaiſerlich-Koͤnigliche Maje-
ſtaͤt genannt werden, da ſonſt nur der Titel: Koͤnig-
liche Wuͤrde, Hoheit ꝛc. gewoͤnlich war d]. Die
aͤltere Bedeutung und den wilkuͤhrlichen Gebrauch des
Majeſtaͤtstitels nicht zu gedenken, eigneten ſich die
roͤmiſchteutſchen Kaiſer beſonders ſeit Karl V. denſel-
ben vorzuͤglich zu, und wolten ihn keinem andern Mon-
archen verwilligen e]. Doch fingen dieſe nach und
nach auch an ſich deſſen zu bedienen, legten ihn ein-
ander bey, und erhielten ihn auch, ſeit dem weſtphaͤli-
ſchen Frieden, von dem Kaiſer theils durch Vertraͤge,
theils durch ſtilſchweigende Bewilligungen von Zeit zu
Zeit zugeſtanden f]. Spanien und Frankreich machten
den Anfang damit. Doch erſtreckte ſich dies nicht auf
die in der Reichskanzley ausgefertigte Schreiben, und
Preuſſen erhielt auch dieſes Vorrecht unter Karl VII.
durch ein beſonderes Kaiſerliches Reſcript g]. Heut-
zutage wird daher der Titel: Majeſtat als verbunden
mit der koͤniglichen Wuͤrde betrachtet, obgleich Frank-
reich und Spanien ſolchen Preuſſen im Utrechter Frie-
den durch einen Separatartikel noch beſonders bewil-
ligten h].
F f 3b] Vattel
[454]Von den Titeln, Wapen
§. 9.
Beſondere paͤpſtliche Praͤdicate.
Verſchiedene Souverains der europaͤiſchen Staa-
ten Roͤmiſchkatholiſcher Religion haben in aͤltern und
neuern
[455]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
neuern Zeiten von den Paͤpſten, mehrenteils wegen
beſonderer Verdienſte um die Religion, gewiſſe Ehren-
benennungen erhalten a], die ſie ſowohl ſelbſt gebrau-
chen, als von ihren Glaubensgenoſſen und gewoͤnlich
auch von den Evangeliſchen erhalten. Grosbritannien
hat dergleichen Ehrennamen ſogar nach veraͤnderter Re-
ligion beibehalten. Vermoͤge dieſer Praͤdicate heißt
der Koͤnig von Frankreich: Chriſtianiſſimus, der Aller-
chriſtlichſte ꝛc. Der Urſprung hiervon iſt ungewis.
Auch wird ihm in den paͤpſtlichen Bullen und Breven
der Titel des erſtgebohrnen Sobns der Kirche bei-
gelegt. Spanien erhielt wahrſcheinlich vom Papſt
Alexander VI. 1496. wegen ſeines in Bezwingung der
Mauren bewieſenen Eifers und Einfuͤhrung der Inqui-
ſit on den Titel Catholicus, der Catholiſche. In
England wurde dem Koͤnig Heinrich VIII. 1521. vom
Papſt Leo X. das Praͤdicat: Defenſor fidei,Beſchuͤ-
tzer des Glaubens beigelegt, weil er ein Buch wider
Luthern zu Vertheidigung der ſieben Sacramente ge-
ſchrieben hatte: Papſt Klemens VII. beſtaͤtigte es.
Papſt Alexander VII. legte auch dem Koͤnig in Polen
Johann Caſimit den Titel: Rex Orthodoxus bey, weil
er die Socinianer aus Polen vertrieben hatte, er iſt
aber nicht gebraucht worden b].
Noch in neuern Zeiten erhielt Koͤnig Johann V.
in Portugall von Papſt Benedict XIV. 1748. den
Titel: Fideliſſimus, der Allergetreuſtec], und der
Koͤnigin Maria Thereſia in Ungarn ꝛc. wurde 1758.
vom Papſt Clemens XIII. der von einigen Koͤnigen in
Ungarn ſchon ehedem gefuͤhrte Titel: Apoſtoliſche er-
neuert d].
Da die katholiſchen Koͤnige einen beſondern Werth
auf dieſe Ehrennamen zu ſetzen pflegen, ſo kann ihnen
allerdings nicht verwehrt werden ſie zu fuͤhren; es komt
aber, wie bey den uͤbrigen Titeln, auf die andern Na-
F f 4zionen
[456]Von den Titeln, Wapen
zionen an, ob ſie ihnen ſolche beilegen wollen, weil der
Papſt ihnen hierunter nichts vorzuſchreiben hat. Doch
ſind die Catholiſchen desfals allerdings meiſtens wilfaͤh-
rig, und die Evangeliſchen ſehen es auch als eine gleich-
guͤltige ihnen weiter nicht nachtheilige Sache an, und
nehmen keinen Anſtand iene Praͤdicate zu erkennen,
und den Souverains beizulegen. Von Rußland be-
merkt Moſer, daß zwar deſſen Miniſter, aber nicht
die Beherſcher dieſes Reichs dergleichen Praͤdicate in
ihren Schreiben zu geben pflegten.
§. 10.
[457]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
§. 10.
Beſondere Benennungen einiger Staaten.
Die von einer phyſiſchen oder moraliſchen Perſon
des Oberhaupts hergenommene Benennung der Staa-
ten als Reiche, Monarchieen oder Republiken ꝛc.
habe ich ſchon oben angefuͤhrt. Was die Ehrenbe-
nennungen einiger Staaten, nicht ſowohl in Abſicht
auf die Titel des Regenten, als auf den Staat im
Ganzen, zuweilen auch ohne Innbegrif des Oberhaupts,
anlangen, ſo hat das teutſche Reich gewiſſermaaſſen
hergebracht, daß ihm vorzugsweiſe auch vor dem ruſ-
ſiſchen, die Benennungen: Sacrum und Imperium bei-
gelegt werden, indem man nicht nur ſchon geahndet,
wenn das Wort ſacrum ausgelaſſen worden, ſondern
auch Bedenken getragen hat, in oͤffentlichen Verhand-
lungen zu ſetzen: Sacrum Romanorum et Ruſſorum im-
perium, und dafuͤr der Ausdruck: inter Sacrum Roma-
norum Imperium et Majeſtatem Veſtram Imperatoriam
angenommen worden, gleichſam zum Zeichen, daß
man zwar der Ruſſiſchen Regenten perſoͤnliche Kaiſer-
wuͤrde, aber das Reich ſelbſt fuͤr kein Kaiſerthum an-
erkenne a]; wie man denn auch unter dem Worte:
Imperium, ohne Beiſatz, gewoͤnlich das teutſche Reich
verſteht. Indes bedient Rußland ſich allerdings dieſer
Benennungen: es fehlt auch an Beiſpielen nicht, daß
der Ausdruck: ſacrum von andern Reichen gebraucht
worden. Den Republiken Polen, ohne den Koͤnig,
Venedig und Genua wird gewoͤnlich der Titel: Sereniſ-
fima Respublica, die Durchlauchtigſte Republik bei-
gelegt c].
F f 5§. 11.
[458]Von den Titeln, Wapen
§. 11.
Titel von Landen.
Daß ein Regent ſich des Titels von den Landen,
die er, ohne Widerſpruch anderer, wuͤrklich beſitzt a],
oder von neuem erwirbt, bedienen koͤnne, leidet keinen
Zweifel, und ſie werden ihm ſodann auch von andern
ohne Bedenken beigelegt b]. Bey Abtretung einiger
Lande von andern Nazionen wird dies mehrenteils aus-
druͤcklich mit bedungen. Wenn eine Nazion durch
Krieg oder andere Revolutionen zu dem Beſitz eines
Landes gelangt, und die Titulatur davon annimt, ſo
pflegen andere gemeiniglich ſo lange anzuſtehn, ihr
ſolche zu geben, bis dieſelbe durch Friedensſchluͤſſe oder
andere Vertraͤge von dem vorigen Beſitzer foͤrmlich an-
erkant worden iſt c], wenn ein anderes Volk nicht ſonſt
noch beſondere Rechte dabey hat.
Oefters fuͤhren die Souverains aber auch Titel von
Landen, auf die ſie nur ein kuͤnftiges Recht haben d],
oder worauf ſie Anſpruͤche machen e], oder welche ſie
blos ehemals beſeſſen haben f]. Dieienigen, welche
ſich auf Anſpruͤche gruͤnden, werden von dem andern,
der ſie beſitzt gewoͤnlich nicht anerkant, ſondern man
widerſpricht ihnen bey vorkommenden Gelegenheiten g].
Um die Streitigkeiten, welche deshalb bey Vertraͤgen
oder andern oͤffentlichen Verhandlungen vorzukommen
pflegen, zu vermeiden, iſt es gewoͤnlich, daß man,
unbeſchadet der beiderſeitigen Gerechtſame entweder bey
Verleſung der Volmachten ꝛc. die Titulaturen ganz
weglaͤßt, oder dabey bedingt, daß deren Gebrauch oder
Nichtgebrauch keinem Theile ſchaͤdlich ſeyn ſoll h].
Auch in Anſehung der erſt zu hoffen habenden oder ehe-
mals beſeſſenen Lande, kommt es auf die beſitzende
Nazion an, ob ſie zugeben will, daß der andere ſich
des
[459]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
des Titels davon bediene i]; wenigſtens pflegt alsdenn
wegen der letztern bedungen zu werden, daß es dem Be-
ſitzer nicht nachtheilig ſeyn, und daraus kein Anſpruch
auf dieſe Lande hergenommen werden ſolle k]. Wenn
die Streitigkeiten wegen Anſpruͤche beigelegt werden,
begiebt ſich der eine Theil gemeiniglich des Gebrauchs
der Titel von dem Lande l]. Wo man wegen des Ti-
tels von einem Lande Widerſpruͤche zu beſorgen hat,
muß durch Vertraͤge vorgebeugt werden m]. Sonſt
wird die Annahme eines Titels, worauf eine Nazion
kein Recht hat, allerdings als Beleidigung angeſehn n].
d] So
[460]Von den Titeln, Wapen
§. 12.
Einrichtung der Titulaturen uͤberhaupt.
Uebrigens komt es auf die Wilkuͤhr des Regenten
und einer ieden Nazion an, wie ſie ihre Titulatur in
Anſehung der bekleidenden Wuͤrden, anderer ihnen er-
theilter Praͤdicate, und der beſitzenden Lande einrichten,
vermehren oder vermindern wollen. Andere Nazionen
laſſen ſich, wenn ihren Gerechtſamen dadurch nicht zu
nahe getreten wird, ſolches meiſtens gefallen a], und
machen keine Schwierigkeiten, ſie ihnen in der Maaſſe
zu geben, wenn ihnen, wie gewoͤnlich, von derglei-
chen Veraͤnderungen Nachricht ertheilt wird b]. Zu-
weilen werden einem Regenten gewiſſe Titel nur auf
Lebenszeit zugeſtanden c], oder andere Verabredungen
der Titulaturen halber genommen d], welche denn aller-
dings befolgt werden muͤſſen. Uebrigens beruht bey
dem Titulaturweſen ſehr viel auf bloſſe Wilkuͤhr und
zum Theil unverbindliche Gebraͤuche, die zum Voͤlker-
rechte nicht gehoͤren, ob man wohl auch hierunter von
dem Herkommen nicht leicht abzuweichen pflegt.
§. 13.
Wapen.
Mit den Wapen hat es, wie aus den bereits ange-
fuͤhrten Beiſpielen zu erſehen, gleiche Beſchaffenheit
wie mit den Titeln a]: Es kan iede Nazion und ihr
Souverain ſich dergleichen nach Gefallen waͤhlen und
ſie beſonders von Landen annehmen, deren rechtmaͤſſi-
ger Beſitz ihnen von niemand ſtreitig gemacht wird.
Sie werden, wenn kein Bedenken dabey obwaltet,
nicht leicht gemisbilligt, ob die Nazionen gleich eben
ſo wenig ein verbindliches Recht, die Anerkennung als
Schul-
[465]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
Schuldigkeit zu verlangen haben, als bey den Titeln.
Das meiſte komt auch hier, beſonders bey entſtehenden
Streitigkeiten, auf Vertraͤge an, wodurch der Ge-
brauch entweder bedungen b], oder Verzicht darauf ge-
leiſtet wird c].
Guͤnth. V. R. 2. B. G g§. 14.
[466]Von den Titeln, Wapen
§. 14.
Orden.
Zu dem aͤuſſern Glanz der Hoͤfe gehoͤren vorzuͤglich
die Orden, welche die Souverains und Republiken
ihren und andern verdienten Unterthanen, als beſon-
dere Gnadenzeichen, zu ertheilen pflegen. Es geſchieht
auch oͤfters, daß ſolche von den Regenten ſelbſt einan-
der, zuweilen auf vorherige Anfrage, zum Theil durch
eigne Geſandſchaften, zugeſchickt und von dieſen ange-
nommen werden a]. An ſich kann ieder unabhaͤngige
Regent nach Wilkuͤhr hierunter verfahren und Orden
errichten, welche er will, ohne daß ihm andere Nazio-
nen Einhalt thun koͤnten b]. Es komt freilich darauf
an, ob er Anſehn genug hat, um ſeinen Ehrenzeichen,
hauptſaͤchlich bey Auswaͤrtigen, Achtung zu verſchaf-
fen; indem es allerdings von deren Gurbefinden ab-
haͤngt, ob ſie ſolche annehmen und ihren Unterthanen
zu tragen erlauben wollen c]. Bey bedenklichen Faͤllen
kann es ihnen nicht veruͤblet werden, wenn ſie derglei-
chen Rittern bey ſich nicht den Zutritt verſtatten d].
In Anſehung des Ordens vom goldenen Vließ
iſt wegen des Grosmeiſterthums und wegen des Rechts,
dieſen Orden zu ertheilen, bekantlich ein langwieriger
noch unentſchiedener Streit zwiſchen Spanien und dem
Hauſe Oeſterreich. Doch bedienen beide ſich dieſes
Rechts e]. Bey dieſer ganzen Materie iſt ebenfals viel
Wilkuͤhrliches und in das Voͤlkerrecht nicht gehoͤrige
anzutreffen.
b] Moſers
[467]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
§. 15.
Hofſtaat, Reſidenz.
Die Anordnung des Hofſtaats, die Aufſchlagung
der Reſidenz, deren Einrichtung, Verzierung ꝛc. haͤn-
gen lediglich von der Wilkuͤhr der Regenten ab, und
ſind ſelten ein Gegenſtand des Voͤlkerrechts, wenn
nicht beſondere Umſtaͤnde eine Verabredung zwiſchen
mehrern Nazionen daruͤber veranlaſſen a]. Wer ſeinen
Wohnſitz unter der Hoheit einer andern Nazion waͤhlt,
muß, wenn Vertraͤge oder Herkommen keine naͤhere
Beſtimmung der beiderſeitigen Gerechtſame an die Hand
geben, allerdings deshalb die Verfuͤgungen der hoͤchſten
Herſchaft anerkennen, unter deren Gebiete die Woh-
nung liegt b].
§. 16.
Landesherrliche Rechte hierbey.
Die bloſſen Landesherrn unter ſich haben hierinn,
beſonders was die Annahme und Veraͤnderung der
G g 3Wuͤr-
[470]Von den Titeln, Wapen
Wuͤrden, Titel und Wapen ꝛc. anlanget, mindere
Freiheit, und beduͤrfen in den meiſten Stuͤcken der
Einwilligung des Reichsoberhaupts, zum Theil auch,
wenn es z. B. bey der neuern Wuͤrde mit auf Sitz und
Stimme ankomt, ihrer Mitſtaͤnde a]. Gegen aus-
waͤrrige Nazionen aber haben ſie weiter keine Verbind-
lichkeiten, als andere freie Nazionen unter ſich. Wenn
die Erhoͤhung der Wuͤrde ꝛc. daher mit Einwilligung
der dabey intereſſirten Theile geſchieht, ſo kann ſie von
den uͤbrigen Landesherrn nicht fuͤglich verweigert wer-
den, und die Anerkennung findet gewoͤnlich keine
Schwierigkeit, es muͤſten denn offenbare Rechte eines
oder des andern dadurch gekraͤnkt werden b]. In Be-
ziehung auf Auswaͤrtige haͤngt ſolche, wenn es nicht
Titel ſind, die ſie in der Eigenſchaft zugleich beſitzender
Reichslande, wie Grosbritannien, Daͤnemark, Schwe-
den, Preuſſen ꝛc. erhalten, von der beiderſeitigen Wil-
kuͤhr ab, und wird ebenfals am ſicherſten durch Ver-
traͤge bewuͤrkt c]. Eigenmaͤchtige Anmaaſſungen in
Titulaturen, beſonders von Landen, die ein anderer be-
ſitzt, werden auch unter den Landesherrn widerſprochen
und ſtreitige Titulaturen nicht anerkant d]. In Anſe-
hung dieſer iſt es auch unter ihnen gewoͤnlich, ihre Ge-
rechtſame wegen deren Gebrauch oder Nichtgebrauch in
Vertraͤgen ꝛc. zu verwahren e]. Die Entſcheidung der-
gleichen Streitigkeiten gehoͤrt hauptſaͤchlich vor das
Reichsoberhaupt, oder ſie muͤſſen auf andere in den
Reichsgeſetzen vorgeſchriebene Weiſe beigelegt werden f].
Den Kurfuͤrſten geſteht man die koͤniglichen Ehrenbezei-
gungen auch auswaͤrts zu g]. Doch bekommen ſie eben
ſo wenig als andere Reichsſtaͤnde den Titel: Majeſtaͤt,
welchen auch der Kaiſer denienigen, welche zugleich
auswaͤrtige Kronen beſitzen, entweder gar nicht, oder
mit Einſchraͤnkung beilegt, wenn ſie lediglich in der
Eigenſchaft der Reichsſtaͤnde handeln h]. Das meiſte
hier-
[471]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
hierunter beruht auf das Reichsherkommen, das auch
Auswaͤrtige zu befolgen pflegen i].
Viele angeſehene Kur- und Fuͤrſten des Reichs
haben Orden errichtet, die ſie auch einander mitthei-
len k]. Doch iſt es nicht gewoͤnlich, daß auswaͤrtige
Souverains von ihnen dergleichen erhielten, wohl aber
geſchieht es oͤfter, daß iene von dieſen damit beehrt
werden l].
Die Reſidenz und uͤbrige Hofſtaat iſt ihrer Wilkuͤhr
uͤberlaſſen, doch darf deren Einrichtung den Mitſtaͤn-
den ꝛc. nicht zum Nachtheil gereichen, beſonders wenn
ſie, wie es im teutſchen Reiche zuweilen der Fall iſt,
ihre Reſidenz in eines andern Standes Gebiete haben m].
i] von
[473]Von den perſoͤnl. Verhaͤltniſſen der Regenten ꝛc.
Fuͤnftes Kapitel.
Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen der Regenten
gegen einander nach dem Voͤlkerrecht.
§. 1.
Von dieſem Gegenſtande uͤberhaupt.
Die perſoͤnlichen und Familienangelegenheiten der
Souverains in Europa, welche durch Verwand-
ſchaft und Vertraͤge faſt alle mit einander in Verbin-
dung ſtehn, ſind, in ſoferne ſie blos ihre Privatver-
haͤltniſſe betreffen, und zum Theil nur auf Grundſaͤtze
des Wohlſtandes beruhen, ſelten ein Gegenſtand der
Voͤlkerverhandlungen, und gehoͤren in dieſer Ruͤckſicht
mehr zum Privatfuͤrſtenrecht und der Ceremonielwiſſen-
ſchaft als zum Voͤlkerrecht. Ich will mich daher hier-
bey nicht weitlaͤuftig aufhalten, ſondern nur eins und
das andere bemerken, was auch auf die Rechte und
Verhandlungen der Nazionen einigen Einflus zu haben
pflegt.
§. 2.
Die Perſon des Regenten iſt, um des algemeinen
Beſten willen, nach den Grundſaͤtzen des algemeinen
Staatsrechts unverletzlich, und auch die Nazionen ge-
gen einander befolgen ihn, ſo daß ſie bey vorkommen-
den Anfaͤllen auf die Perſon eines Souverains in Ahn-
dung des Verbrechers gewoͤnlich gemeinſchaftliche Sache
machen a]; auch bey verſpuͤrten Anſchlaͤgen nicht unter-
laſſen, einander zu warnen b]; am wenigſten aber,
ſogar im Kriege, ſich dergleichen widrige Abſichten ge-
gen dieſelben erlauben c].
§. 3.
Beleidigungen.
Die Souverains der Nazionen muͤſſen ſich aller
perſoͤnlichen Beleidigungen gegen einander in Handlun-
gen und Schriften enthalten a], widrigenfals der andere
allerdings berechtigt iſt, Genugthuung zu fodern b],
und ſich ſolche, im Verweigerungsfall, ſelbſt mit Ge-
walt der Waffen, zu nehmen c]. Sie duͤrfen auch
nicht zugeben, daß ihre Unterthanen z. B. durch belei-
digende Schriften d], Zeitungen e], Kupferſtiche ꝛc.
ſich dergleichen erlauben, ſondern ſind verbunden, wenn
ſie deren Beſtrafung auch nicht freiwillig vornehmen,
doch wenigſtens auf Anſuchen des beleidigten Theils,
dieſem, zwar, wie obgedacht, nicht durch Auslieferung
des Verbrechers, aber doch ſonſt auf eine hinlaͤngliche
Art Genugthuung zu verſchaffen f]. Indes fehlt es
freilich nicht an Beiſpielen, daß ein Hof die Beleidi-
ger wohl gar in Schutz genommen, oder wenigſtens
die Beſtrafung derſelben, unter mancherley Vorwand
abgelehnt hat g]. Ein incognito reiſender Souverain
kann, wenn ihm, ſeiner Verborgenheit wegen, etwa
einige Beleidigungen wiederfahren ſeyn ſolten, nicht
allemal die ſtrengſte einem Regenten gebuͤhrende Ahn-
dung verlangen, weil hier mehr ſeine angenommene
Privatperſon in Betrachtung komt. Ueberhaupt iſt
die Unterlaſſung eines nicht auf verbindliche Grundſaͤtze
beruhenden Ceremoniels, nicht ſowohl fuͤr Beleidigung
als fuͤr Unhoͤflichkeit zu achten h].
a] In
[476]Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen
h] Deſſen
[478]Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen
§. 4.
Reiſen und Aufenthalt in fremden Ter-
ritorien.
Souverains, die oͤffentlich durch ein fremdes Ter-
ritorium reiſen wollen, pflegen dem Regenten deſſelben,
wegen Veranſtaltung der erfoderlichen Bequemlichkei-
ten, davon Nachricht zu geben a], ſich auch wohl ein
ſicheres Geleit zu erbitten, duͤrfen aber, ohne Erlaub-
nis, kein militaͤriſches Gefolge mit ſich fuͤhren b].
Wenn dergleichen Reiſen haͤufiger oder gewoͤnlich vor-
kommen, werden auch wohl in Vertraͤgen daruͤber Ab-
reden genommen c]. Die Reiſenden muͤſſen ſich aller-
dings den algemeinen Landesverfuͤgungen, auch in Ruͤck-
ſicht contagioͤſer Zeiten desfals unterwerfen d], wie-
wohl ihnen gewoͤnlich auch mancherley Freiheiten, unter
andern die Religionsuͤbung fuͤr ſich und ihr Gefolge ꝛc.
zugeſtanden werden e]. Das meiſte beruht auf das in
iedem Lande eingefuͤhrte Herkommen. Wenigſtens muß
man ihnen alle Sicherheit verſchaffen, verlangt aber
dagegen von dieſen, daß ſie durch zweideutige Hand-
lungen kein Mistrauen erwecken f].
Um Aufſehn und Schwierigkeiten im Ceremoniell
zu vermeiden, geſchehen viele Reiſen der Souverains
incognito, ſolche ſind indes auf der andern Seite be-
denklicher, weil ſie ſich dabey andern unangenehmen
Vorfaͤllen ausſetzen g].
Was in Anſehung des Einholens, Empfanges,
der Bewirthung, militaͤriſchen Ehrenbezeigungen und
der-
[479]der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.
dergleichen Gegenſtaͤnden zu beobachten iſt, gehoͤrt in
das Ceremonielweſen, wobey wenig verbindliches Statt
findet h]. Das Hauptwerk komt darauf an, ob ein
Souverain oͤffentlich und unter ſeinem Namen, oder
zwar oͤffentlich aber unter einem fremden Namen oder
ganz unbekant reißt i]; in welchem letztern Falle er
eigentlich gar kein Ceremoniel verlangen kann k].
§. 5.
Befreiung von der Unterwuͤrfigkeit.
Ein Souverain, der ſich in eines andern Landen
aufhaͤlt iſt, nach dem ſtrengen Rechte, zwar der Ho-
heit
[480]Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen
heit desienigen Staats, worinn er ſich befindet, unter-
worfen a]; vermoͤge eines faſt algemein angenommenen
Herkommens aber, verſtattet man ihm, in Ruͤckſicht
der mit ſeiner Perſon verbundenen Souverainetaͤt,
wenn auch nicht die Ausuͤbung aller Majeſtaͤtsrechte,
doch wenigſtens die Befreiung von der Gerichtsbarkeit
des andern Souverains fuͤr ſich und ſeine Familie b],
ſelbſt wenn er unter einem angenommenen Namen, ie-
doch nicht, wenn er ganz incognito als Privatmann
reißt. Man geſtattet ihm auch gewoͤnlich die Civilge-
richtsbarkeit uͤber ſein Gefolge, allein die Ausuͤbung
der peinlichen findet mehrern Anſtand c]. Dies leidet
iedoch allerdings eine Ausnahme, wenn eine dieſer Per-
ſonen zugleich im Dienſte des Landes-Souverains
ſteht d]. Solte der andere Regent indes unerlaubte
und feindſeelige Handlungen unternehmen, ſo kann ohn-
ſtreitig ſeine Entfernung verlangt, er auch nach Befin-
den wohl gar als Feind behandelt werden e].
*] Phil.
[481]der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.
§. 6.
Geſchenke und andere Hoͤflichkeitsbezei-
gungen.
Dieſer groͤſtenteils auf bloſſe Wilkuͤhr beruhende
Gegenſtand gehoͤrt nicht weiter hieher, als in ſoferne
man zuweilen durch Vertraͤge a] oder Herkommen b]
etwas verbindliches deshalb feſtgeſetzt hat, wie dies
der Fall zwiſchen den roͤmiſchen und tuͤrkiſchen Kaiſern
und einigen andern europaͤiſchen Souverains iſt c].
Noch oͤfter aber kommen dergleichen Vertraͤge zwiſchen
den letztern und den aſiatiſchen und africaniſchen Staa-
ten vor. Die Unterlaſſung ſolcher bedungenen Hoͤflich-
keitsbezeigungen kann allerdings geahndet, der uͤbrigen
aber, blos als Mangel an Achtung angeſehn und allen-
fals Beſchwerde daruͤber gefuͤhrt werden.
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. H h§. 7.
[482]Von den perſoͤnl. Verhaͤltniſſen d. Regenten ꝛc.
§. 7.
Uebrige perſoͤnliche Verhaͤltniſſe.
Auſſerdem koͤnnen die Souverains noch in verſchie-
dene andere perſoͤnliche Verhaͤltniſſe gegen einander
kommen, die aber blos von verſchiedenen Zufaͤllen ab-
hangen und groͤſtenteils nicht in das Voͤlkerrecht gehoͤ-
ren. So wurde z. B. Koͤnig Heinrich IV. in Frank-
reich fuͤr ſich und ſeine Nachkommen von der Republik
Venedig naturaliſirt a]. Ein nicht unwichtiger Punct
iſt noch die Erbrechung ihrer Briefe und Nachſtechung
der Sigille, wodurch der eine zuweilen hinter die Ge-
heimniſſe des andern zu kommen ſucht. Nach Mo-
ſersb] Meinung wird dieſes Unternehmen zwar oͤffent-
lich gemisbilligt, pflegt aber doch haͤufig zu geſchehen.
§. 8.
Befreiungen der Privatguͤter.
Die perſoͤnlichen Freiheiten der Souverains in
einem fremden Territorium erſtrecken ſich nicht auf die
unbeweglichen Guͤter, welche er daſelbſt als Privat-
perſon beſitzt a]. In Anſehung dieſer muß er ſich den
Landesgeſetzen unterwerfen b]. Die beweglichen Guͤter
aber, welche ein Souverain durch des andern Terri-
torium ſchaffen laͤßt, ſind dem Herkommen nach, auf
vorherige Anzeige, aller Abgaben frey. Die Schul-
den der Regenten werden wie andere Anſpruͤche behan-
delt, und es iſt etwas ſeltenes, daß einer fuͤr des an-
dern
[483]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
dern Schulden Buͤrgſchaft leiſte c]. Mit den daruͤber
entſtehenden Streitigkeiten hat es aͤhnliche Bewand-
nis d].
Sechſtes Kapitel.
Von den Familienangelegenheiten der Regenten.
§. 1.
Vermaͤlung und Gemalin.
Zu den vorzuͤglichſten Familienangelegenheiten gehoͤrt
die Vermaͤlung der Regenten. In der Regel koͤn-
nen ſie ſich eine Gemalin waͤhlen, welche ſie wollen,
gleichen oder ungleichen Standes; und wenn die Ehe
nach ihrer Reichsverfaſſung guͤltig, auch wegen der
kuͤnftigen Erbfolge der daraus erzeigten Kinder kein
Nachtheil fuͤr andere Nazionen zu beſorgen iſt, ſo pfle-
gen dieſe nichts dagegen zu erinnern, ſondern die Ge-
malin behoͤrig zu erkennen a]. Auch wenn eine regie-
rende Monarchin eine Perſon heirathet, die kein Sou-
H h 2verain
[484]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
verain iſt, ſo laſſen ſich die uͤbrigen gewoͤnlich die Ein-
richtung gefallen, welche iene, ihrer Grundverfaſſung
nach, deshalb zu machen fuͤr gut findet b]. Aus beſon-
dern Staatsurſachen ſuchen iedoch andere Nazionen zu-
weilen eine Heirath zu hintertreiben c], und laſſen ſich
z. B. verſprechen, daß eine Prinzeſſin ꝛc. ſich nicht an-
ders, als an ein gewiſſes Haus verheirathe d], oder
gewiſſe Perſonen nicht zu Gemalen waͤhle e]. Auſſer-
dem haben auch die Souverains Freiheit, ihre Prin-
zeſſinnen zu verheirathen an wen ſie wollen, und koͤn-
nen daher nicht gezwungen werden, ſie einem Prinzen
zu geben, der ſie verlangt f], und eben ſo wenig kann
derienige, dem ſie abgeſchlagen wird, ſolches als Be-
leidigung oder Urſach zum Krieg anſehn g]. Die Zu-
ruͤckſchickung einer Braut haͤlt man ebenfals fuͤr Belei-
digung h]. Vormals maßten die Paͤpſte, unter dem
Schein der Diſpenſation ꝛc. ſich mancherley Rechte in
Eheſachen an, und hatten dadurch, wegen der Hin-
derniſſe, die ſie in Weg ſetzten, zugleich einen betraͤcht-
lichen Einflus in die Erbfolge i].
In Anſehung der Titulaturen, des Ranges und
uͤbrigen Ceremoniels, genieſſen ſie groͤſtenteils gleiche
Behandlung mit ihren Gemalen k]. Welche Gerecht-
ſame und Vorzuͤge dem niedern Gemale einer regieren-
den Monarchin zuſtehen ſollen, komt auf die Verfaſ-
ſung an, und werden ihnen ſolche auch nicht leicht von
andern Souverains verweigert l].
§. 2.
Kinder ꝛc.
Hierbey komt wenig ins Voͤlkerrecht eigentlich Ge-
hoͤrige zu bemerken vor. Von den durch die Geburt
erlangten Erbfolgsrechten habe ich ſchon oben gehan-
delt. Daß die Souverains einander bey der Geburt
ihrer Kinder zu Gevattern zu bitten, und ſich alsdenn
in den Curialen dieſes Titels gegen einander zu bedie-
nen pflegen a], ob ſie gleich heutzutage ſelten mehr per-
ſoͤnlich bey der Taufe erſcheinen b], iſt mehr eine wil-
kuͤhrliche Ceremonielſache. Die erſtgebohrnen Soͤhne
und
[487]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
und Erbprinzen in den meiſten europaͤiſchen Staaten
fuͤhren einen beſondern Titel, den ihnen auch Auswaͤr-
tige geben. So heißt er bekantlich in Frankreich der
Dauphin; in Grosbritannien: Prinz von Wallis;
in Portugal: Prinz von Braſilien; in Spanien:
Prinz von Aſturien; in Sardinien: Prinz von Pie-
mont; in Rußland: Grosfuͤrſt ꝛc. c]. Uebrigens
haͤngen auch der Rang und die uͤbrigen Titel ꝛc. der
Prinzen und Prinzeſſinnen ꝛc. von dem herkomlichen
Ceremoniel eines ieden Hofes ab, welches andere ſich
gewoͤnlich hierunter gefallen laſſen. Die natuͤrlichen
und legitimirten Kinder der Souverains werden, ohne
ihnen desfals einen Vorwurf zu machen, faſt uͤberall
der hoͤchſten ſubalternen Wuͤrden faͤhig geachtet und
ſieht man hierbey eben nicht ſo ſehr auf die Ahnen d].
Die auswaͤrtigen Nazionen richten ſich mehrenteils
nach dem, was der Vater, mit Genehmigung der uͤb-
rigen Glieder der Familie, ihrenthalben verordnet e].
Ihre Erbfaͤhigkeit iſt, wie ſchon gedacht, nach der
Grundverfaſſung zu beurteilen, welches auch von den
Vormundſchaften, Curatelen f], Emancipationen ꝛc. g]
der Kinder uͤberhaupt gilt. Betruͤger, welche ſich fuͤr
Anverwandte eines ſouverainen Hauſes ausgeben, pfle-
gen auch auswaͤrts nicht gedultet, ſondern nach Befin-
den beſtraft zu werden h].
f] Indes
[488]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
§. 3.
Familienſtreitigkeiten und Vertraͤge.
In die Streitigkeiten der Souverains mit ihren
Gemalinnen, Kindern und uͤbrigen Gliedern der Fa-
milie haben andere Nazionen kein Recht ſich zu miſchen;
ſie thun es auch ſelten weiter, als daß ſie, beſonders
die Verwandte, ihre Vermittelung, iedoch mit Be-
hutſamkeit, anwenden a]. Man ſieht es daher als
Beleidigung an, wenn ein anderer Regent hierinn wei-
ter geht, und z. B. den Kindern, welche iener als
ungehorſame ꝛc. betrachtet, Aufenthalt und Unterſtuͤ-
tzung gewaͤhrt b], und es wird auch wohl deren Aus-
lieferung verlangt. Indes pflegen die Souverains
doch von dergleichen Familienzwiſten, als einer erfolg-
ten Eheſcheidung ꝛc. Nachricht zu geben c]. Jeder Sou-
verain kann mit ſeiner Familie nach Wilkuͤhr Vertraͤge
errichten, ohne daß Auswaͤrtige dagegen etwas zu ſagen
haben, wenn ihren Rechten dadurch nicht zu nahe ge-
treten
[489]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
treten wird. Dieſe laſſen daher gemeiniglich das auch
bey ſich gelten, was iene in ihren Familienangelegen-
heiten feſtzuſetzen fuͤr gut finden d]. Werden andere
um Uebernahme der Garantie dergleichen Vertraͤge er-
ſucht, ſo finden dabey ebenfals die bey den Garantieen
uͤberhaupt angenommenen Grundſaͤtze Statt.
§. 4.
Theilnahme an den uͤbrigen Familienan-
gelegenheiten.
Uebrigens iſt es gewoͤnlich, daß die Souverains,
vorzuͤglich die, welche in Freundſchaft oder Bundsge-
noſſenſchaft ſtehn, einander von allen vorfallenden an-
genehmen und traurigen Begebenheiten, welche ſie und
ihre Familie betreffen, Nachricht ertheilen, als von
Geburten, Vermaͤhlungen, Todesfaͤllen ꝛc. a]. Dies
geſchieht, wie von den Notificationen bey der Thron-
beſteigung bereits erinnert worden, entweder durch
Schreiben oder durch muͤndliche Eroͤfnung des gewoͤn-
lichen oder eines auſſerordentlichen Geſandten, und
wird auf aͤhnliche Art beantwortet, auch die Theilnahme
durch Freudenbezeigungen, Feſte, oder Anlegung der
Trauer, Anordnung von Exequien ꝛc. an den Tag ge-
legt b]. Ehe die Notification erfolgt, nehmen andere
Souverains meiſt keine Wiſſenſchaft von dergleichen
Vorfaͤllen c].
c] Mo-
[491]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
§. 5.
Beleidigung der Familie.
Auch Beleidigungen, welche Perſonen die zur Fa-
milie eines Souverains gehoͤren, zugefuͤgt werden,
gehen nicht leicht ungeahndet hin. Wenigſtens pflegen
die auswaͤrtigen verwandten Souverains ſich der Be-
leidigten anzunehmen. Die in neuern Zeiten vorge-
kommenen Faͤlle in Daͤnemark, den Vereinigten und
oͤſterreichiſchen Niederlanden koͤnnen hier zum Beiſpiel
dienen.
§. 6.
Landesherrliche Rechte in perſoͤnlichen und
Familienangelegenheiten.
Die perſoͤnlichen und Familienangelegenheiten der
teutſchen Landesherrn unter ſich gehoͤren groͤſtenteils in
das teutſche Privat-Fuͤrſtenrecht und zum Theil ins
Staats-
[493]Von den Familenangelegenheiten d. Regenten.
Staatsrecht, und muͤſſen nach den vorhandenen kai-
ſerlichen Privilegien, errichteten Haus- und Fami-
lienvertraͤgen, den gemeinen Reichs- und andern einge-
fuͤhrten Geſetzen und dem Herkommen ꝛc. beurteilt und
entſchieden werden, welches hauptſaͤchlich dem Reichs-
oberhaupte und den Reichsgerichten obliegt. Nur ſel-
ten kann die Anwendung des Voͤlkerrechts dabey Statt
finden a], wohl aber dient es zwiſchen ihnen und aus-
waͤrtigen Nazionen hierbey lediglich zur Richtſchnur.
In beiderley Beziehungen ſind die gegenſeitigen Belei-
digungen zu unterlaſſen. Die Beſtimmung der Ge-
nugthuung beruht iedoch im erſtern Verhaͤltniſſe auf das
oberſtrichterliche Erkentnis b], im zweiten hingegen
muß ſie auf die unter Voͤlkern uͤbliche Art geſchehen c].
Die Durchreiſe kann einem Landesherrn durch des an-
dern Landen nicht verwehrt werden, ob und mit wel-
chen Ehrenbezeigungen dieſer ienen aber aufnehmen
wolle, komt auf Wilkuͤhr oder Herkommen an. We-
gen der Gerichtsbarkeit, des Gleits, der Zollfreiheit ꝛc.
geben zum Theil die Reichsgeſetze Vorſchriften, und
muß im uͤbrigen der reiſende Landesherr ſich den Landes-
anſtalten gemaͤs bezeigen d]. Auch die freiwilligen
Hoͤflichkeitsbezeigungen und Theilnahme an den Fami-
lienvorfallenheiten, ſind unter ihnen ſelbſt ſowohl als
gegen auswaͤrtige Souverains, ſo wie ſie unter letztern
uͤblich, groͤſtenteils hergebracht.
Appendix A Verbeſſerung der Druckfehler.
- Seite 5. Zeile 10. nach: eben ſo ꝛc. ſetze man hinzu: wenig
- 8. — 1. ſtatt 165. lies 406.
- — 9. ſtatt 406. l. 472.
- 15. — 25. ſt. etablis l. établir
- 21. — vorletzte ſt. draité l. traité
- 37. — 27. ſt. arrager l. arroger
- 39. — 15. ſt. Belohnungen l. Belehnungen
- 67. — 9. ſt. ſuſtiſant l. ſuſſiſant
- — — 13. ſt. une l. un
- 123. — 9. ſt. ſuspenſions l. ſuspenſion
- —— — 14. ſt. guerre l. guerres
- 127. — 22. ſt. unter andern l. und andern
- 167. — 3. ſt. dileyuazione l. dileguazione
- —— — 10. ſt. titali l. titoli
- 171. — 22. ſt. Mallinger l. Mollinger
- 174. — 5. ſt. lais l. laes
- 187. — 18. ſt. nations l. notions
- 205. — 4. von unten ſt. ꝛc. l. g.)
- 215. — 23. ſt. reditiis l. reditus
- 231. — 9. ſt. voiſin l. voiſine
- 237. — 7. ſt. revelu l. revêtu
- 265. — 8. von unten ſt. ſonſt l. faſt
- 271. — 13. ſt. Alkany l. Albany
- 279. — 2. von unten ſt. fondinent l. fondoient
- 283. — 2. ſt. au l. ou
- 294. — 15. ſt. préſenter l. preſente
- 310. — 6. von unten ſt. fines l. fixés
- 335. — 25. ſt. Dicte l. Diete
- 365. — 7. ſt. dieſer l. dieſen
- 369. — letzte ſt. foederatorum l. foederatarum
- 374. — 26. und oͤfter ſt. Sr. l. Se.
- 384. — 5. von unten ſt. in l. ia
- 413. — 4. von unten ſt. tant l. tout
- 416. — 16. ſt. Tatze l. Totze
[] S. 418. Z. 5. del: nicht - 429. — 14. ſt. Proces l. Procer.
- 431. — 13. ſt. Pal. L. II. l. Pol. Lib. II.
- 438. nach §. 6. ſetze: Landesherrn.
- 442. — 24. ſt. Reaſch l. Reuſch
- 454. not. h. Z. 3. nach très ſetze: Chretien
- 461. Z. 4. von unten ſt. Sioͤrnd l. Sioͤrad
- 462. — 12. ſt. natione l. ratione
- —— — 14. ſt. rectione l. ratione
- —— — 27. ſt. potuit l. patuit
- 474. nach §. 2. ſetze: Unverletzlichkeit
- —— Z. 16. ſt. gedachten l. gedrohten
gine dominii, Witeb. 1709.
Chr. Thomaſius, Diſſ. de dominio ejusque natura.
Hal. 1730.
Voͤlkererwerb will ich nur folgende auszeichnen:
Cph. Phil. Richter Diſſ. de acquirendo rerum domi-
nio ex iure gentium, Jen. 1652. und in deſſen
Velitat. n. 28.
Jo. Georg. Kulpis collatio philoſophiae Grotianae
cum principiis iuris Romani circa acquiſitiones iu-
ris gentium ad Hug. Grot. L. II. c. 8. de I. B, \&
P. Arg. 1686. und in deſſen Diſſ. acad. p. 392 —
351.
Gebh. Garber, Diſſ. de rerum dominio iure gentium
acquirendo Lugd. Bat. 1722. 4.
Ev. Otto, Diſſ. de modis acquirendi iuris gentium
Vltraj. 1727.
Paul Jac. Marperger, Diſſ. de acquiſitione dominii
originaria in ſtatu naturae, Lipſ. 1741.
die Gemeinſchaft der Guͤter im natuͤrlichen Zuſtande
[communio primaeva] welche man gemeiniglich an-
nimmt, wohl nicht zu verſtehen. In dieſer Ruͤckſicht
wird ſie von einigen Naturrechtslehrern eine negative
Gemeinſchaft [communio negativa] genant. Eine
wirkliche oder ſogenante poſitive Gemeinſchaft, [com-
munio poſitiva, oder condominium] ohne abgeſonderte
Eigenthumsbezirke konte ſelbſt unter den erſten Bewoh-
nern der Erde nicht lange Statt finden. Als die Natur
ihnen ohne Muͤhe und Fleis uͤberall noch hinlaͤngliche
Nahrung gewaͤhrte, war es freilich einerley, wo ſie die-
ſelbe ſuchen und nehmen wolten: ſo bald aber eine meh-
rere Bearbeitung der Erde hierzu erfoderlich wurde —
und dies geſchah, nach der aͤlteſten Geſchichtsurkunde,
ſehr bald — ſo war es natuͤrlich, daß jeder, um die
Fruͤchte ſeines Fleiſſes gegen die Anmaaſſungen anderer
zu ſichern, ein Stuͤck Landes zur Bebauung ſich zueigne-
te. Die ausdruͤckliche, oder wenigſtens ſtilſchweigende
A 2Ein-
[4]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Einwilligung der uͤbrigen, woraus Grotius [L. II. c. 2.
§. 5. de I. B. \& P.] Puffendorf [I. N. \& G. L. IV.
c. 4. §. 5. u. f.] und andere, die ihnen folgen, in
Ruͤckſicht einer vermeintlichen Gemeinſchaft, ſowohl der
Rechte, als der Guͤter, das Eigenthumsrecht an der
ausſchließlich ſich angemaaſten Sache herleiten, war je-
doch hierzu weder noͤthig noch moͤglich. Niemand hatte
ein Recht auf eine beſtimte Sache; er konte alſo auch
gegen den, der ſich in Ergreifung eines Stuͤck Landes
ſeiner natuͤrlichen Freiheit bediente, nicht behaupten, daß
ihm ſeine Sache und ſein Recht genommen wuͤrde, folg-
lich ihn daran nicht hindern. Wer aber nicht wider-
ſprechen kann, deſſen Einwilligung iſt auch unnoͤthig.
Wie waͤre es uͤberdies moͤglich, daß irgend jemand ſei-
nes Eigenthums je gewis haͤtte ſeyn koͤnnen, wenn er,
vor deſſen Erlangung die ausdruͤckliche oder ſtilſchweigen-
de Einwilligung aller uͤbrigen Erdenbewohner erwarten
ſolte? aus einer bloſſen Vermuthung aber kann ſolche
mit verbindlichem Rechte ohnmoͤglich gefolgert werden.
Dies haben Locke in ſeinem Gouvernement civil [tra-
duit de l’Anglois] Bruxelles 1749. c. 4. Barbeyrac
in den Noten zu vorangefuͤhrten Stellen des Grotius und
Puffendorf, ingleichen Achenwall in I. Nat. L I. §. 116.
ſehr einleuchtend gezeigt. M. vergl. Sam. Cocceji Introd.
ad Henr. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ. prooem. I. c. 3.
diſſ. VI. c. 1. diſſ.XII. L. 4. c.3. Schrodt Syſt.
I. Gent. P.II. c. 1. §. 4 und 6.
lum exiſtere modum dominii acquirendi naturalem,
Lipſ. 1780. Monendum eſt, non ea ſolum in domi-
nio eſſe, quae corpore poſſidentur, ſed in quibus
tale ſignum relictum eſt, ex quo quilibet intelligere
poteſt, ejusmodi res pro derelictis aut nullius non
eſſe habendas. §. 1.
Schrodt l. c. §. 6. 23.
gens L. II. c. 7. §. 88.
§. 204. u. f. L. 2. c. 7. §. 83.
territorio eſt. Ickſtatt L. III. c. 1. §. 6. 10. Schrodt
P. II. c. 1. §. 8. 9.
Nicolaus V. 1454. dem Koͤnig Alfonſus V. von Por-
tugal, und ſeinem Sohn Heinrich ertheilte. [Leibnitii
A 4Cod.
[8]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Cod. I. G. dipl. S. 165. Dumont C. D. T. III.
P. I. S. 200.] der die Beſtaͤtigungen und Erneuerun-
gen verſchiedener Paͤbſte, beſonders Sirt IV. 1481.
[Schmauß Corp. I. G. Acad. T. I. S. 112.] und
Alexander VI. 1493 [Ebendaſ. S. 130] folgten.
Eben dieſer Pabſt Alexander VI. gab auch dem Koͤnige
Ferdinand von Arragonien und der Koͤnigin Iſabelle von
Kaſtilien 1493. eine aͤhnliche Erlaubnis, [Leibn. S.
406. Dumont S. 302. a. a. O.] jedoch, damit es
wegen der aͤltern portugieſiſchen Verguͤnſtigungen keinen
Streit erregen moͤchte, nach einer gewiſſen Grenzlinie,
indem er Indien in das Oſt- und Weſtliche theilte, und
letzteres der Krone Kaſtilien zueignete. Es entſtanden
aber demungeachtet bald Irrungen daruͤber; weshalb
der Pabſt 1494 zu Tordeſillas [ſ. Polit. Journ. May
1787. S. 466] einen Vergleich [den Pabſt Julius II.
1506. beſtaͤtigte, Rouſſet Suppl. C. dipl. T. II. P.I.
S. 28.] zwiſchen beiden Maͤchten vermittelte, worinn
ſie die Erdkugel, in Abſicht der kuͤnftigen Entdeckungen,
foͤrmlich unter ſich theilten. Aber die uͤbrigen europaͤi-
ſchen Nazionen kehrten ſich in der Folge hieran nicht,
weil weder dieſer Vertrag, noch die paͤbſtliche Erlaubnis
ſie von aͤhnlichen Entdeckungen ausſchlieſſen konte. M.
vergl. Grotii mare liberum c. 6. und die Anmerkun-
gen Sam. Cocceji daruͤber. Vattel L. I. c. 18. §. 208.
Wie? fragte Koͤnig Franz I. von Frankreich im Scherz,
wollen denn die Koͤnige von Spanien und Portugal die
neue Welt ganz unter ſich theilen, und mir als ihrem
Bruder, kein Stuͤckchen davon zukommen laſſen? Ich
moͤchte doch den Artikel in Adams Teſtament ſehen, wor-
inn ihnen dieſe groſſe Erbſchaft vermacht wird. Ruſſel
Geſchichte von Amerika [aus dem Engl. uͤberſ.] 3. Th.
S. 101. Aehnliche Aeuſſerungen der Koͤnigin Eliſabeth
von England ſ. m. in Cambdeni Annal. rer. angl. ad an.
1580. Portugal und Spanien ſelbſt haben auch in
neuern
[9]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
neuern Zeiten auf dieſe paͤbſtliche Schenkungen ſich we-
nig geſtuͤtzt. Doch wolte Spanien im Jahre 1784
dem Vorgeben nach, unter andern auch aus dieſem
Grunde, der ſaͤmtlichen Etabliſſements auf der Kuͤſte von
Guinea ſich bemaͤchtigen, ſ. Polit. Journal 1784. Jan.
S. 57.
Achenwall L. IV. §. 231. Schrodt P. II. c. 1.
§. 19. 20.
ſolche Beſitzergreifung weder dem natuͤrlichen Rechte noch
der Billigkeit widerſtreite, weil dem menſchlichen Ge-
ſchlecht daran gelegen ſey, der daſelbſt befindlichen unbe-
nutzten Schaͤtze zu genieſſen, und geſittete Nachbarn zu
haben. Allein dieſe etwa noͤthige Aufklaͤrung koͤnte allen-
fals wohl, ohne die Eigenthumsrechte der aͤltern Beſitzer
zu verletzen, bewirkt werden. Mit gleichem Rechte
koͤnten ſonſt auch jene Wilden und andere fremde Nazio-
nen, wenn ſie Luſt nach den europaͤiſchen Schaͤtzen be-
kaͤmen, und es ihnen einfiele, ſich fuͤr vorzuͤglicher zu hal-
ten, die europaͤiſchen Voͤlker aus ihren Wohnſitzen ver-
jagen. Der Kaiſer von Marocco glaubte wenigſtens
Urſach zum Krieg gegen Spanien zu haben, um dieſer
Krone Ceuta, Oran und einige andere Plaͤtze abzuneh-
men, weil es unanſtaͤndig ſey, daß irgend eine chriſtli-
che Nazion etwas auf der Kuͤſte von Africa beſitze, ſ.
neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 129.
Noch eher lieſſe ſich gegen herumziehende wilde
Voͤlker die Behauptung des Vattel [L. I. c. 18.
§. 209.] und anderer [z. B. Wolffc. 3. §. 310. u. f.]
rechtfertigen: daß ſie mehr Land inne haͤtten, als ſie
brauchten und zu benutzen im Stande waͤren: und da
das urſpruͤngliche Recht nicht mehr an ſich zu ziehen ge-
ſtatte, als man noͤthig habe, und bewohnen und erbauen
koͤnne; ſo verletze man keinesweges die Geſetze der Na-
tur, wenn man ſie in engere Grenzen einſchraͤnkte, in-
dem ihre unſtaͤte Wohnung in ſo unermeßlichen Landen
kaum fuͤr eine wahre Beſitznehmung zu halten ſey.
Wenn
[11]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Wenn die Wilden einen feſten Sitz haben, und
nur hie und da in ihrem Lande noch unbebauete Plaͤtze
ſich finden, ſo muß ohnſtreitig auch von ihnen der oben
angefuͤhrte Grundſatz gelten: daß kein auswaͤrtiges Volk
ſich derſelben mit Recht anmaaſſen koͤnne. Haben ſie
aber, wie Vattel ſagt, wirklich unſtaͤte Wohnungen in
einem unermeßlichen Lande, ſo kann es andern nicht
fuͤglich verwehrt werden, ſich eines Stuͤck Landes zu be-
maͤchtigen, deſſen die Wilden nicht beſonders benoͤthigt
ſind, und wovon ſie keinen wirklichen und ununterbro-
chenen Gebrauch machen; zumal wenn ihnen zu ihrem
Unterhalt noch genug uͤbrig gelaſſen wird. Wenn die
Wilden in Beſitzergreifung und Oberherrſchaft willigen,
oder, wie Vattel bemerkt, die Entdecker ihnen das Land
abkaufen, wie die Puritaner in Neuengland, und die
Quacker unter Pen, in Penſilvanien, findet die Sache
weiter keine Schwierigkeit, ſ. Ruſſel Geſch. von Ame-
rika, 3. Th. S. 374.
ſione coniuncta eſt, vbi ſcilicet res mobiles appre-
henduntur aut immobiles terminis atque cuſtodia ſe-
piuntur, ſagt Grotius in mar. lib. c. 2.
jedoch fuͤr hinlaͤnglich in not. ad Grotii mare lib. c. 5.
in Henr. Cocceji Grot. illuſtr. Tom. IV. Wratisl.
1752. Fol. S. 21.
ſpaniſchen Geſandten: Hiſpani quod hinc illinc appu-
lerint, caſulas poſuerint, flumen aut promontorium
denominaverint, proprietatem acquirere non poſſunt
— vt imaginaria haec proprietas obſtare non debeat
quominus caeteri principes — colonias, vbi Hiſpani
non agunt, iure gentium nequaquam violato dedu-
cant. Cambdenus l. c. ad an. 1580.
qu’il en laiſſe aſſez pour les autres. Si l’on paſſe les
bornes de la moderation et que l’on prenne au de là
de ce dont on a beſoin, on prend alors ſans contredit
ce qui appartient aux autres, Barbeyrac in Not. ad
Puffendorff. L. IV. c. 4. §. 4. M. vergl. Puffendorff
L. IV. c. 6. §. 3.
c. 18. §. 207. 208. Achenwall L. IV. §. 231.
Moſers Grundſaͤtze des europ. Voͤlkerr. in fr. Zeit 4. B.
2. K. §. 12.
**] Von
richten in den Geſchichtsbuͤchern. Von einer ſpaniſchen
Beſitzergreifung z. B. wurde 1771. in der Relation
touchant la priſe de poſſeſſion du port de Monterrey,
la miſſion et la garniſon qu’on y a établies ſous le
nom de St. Charles l’année 1769. erzaͤhlt: après
avoir occupé ce port par mer et par terre, en pré-
ſence d’un grand nombre d’habitans de ce pays—là,
qui n’y mirent pas la moindre oppoſition, on en prit
poſſeſſion ſolemnellement par un acte authentique
dreſſé par ordre de Don Gaſpar de Portola Comman-
dant en Chef et ſigné de divers officiers des deux
Convois etc. ſ. Moſers Beitraͤge zu dem neuſten europ.
V. R. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 489. und in eben dieſem
Jahre hieß es von der Inſel St. David: Après avoir
viſité l’isle David le Commandant en a pris poſſeſſion
au nom du roi d’Espagne avec tout l’appareil mili-
taire, qui pouvoit rendre cet acte reſpectable a ſes
nouveaux ſujets. Il a planté une croix faite pour
éterniſer le ſouvenir de cet événement. Il a donné
a cette Isle le nom de St. Charles. Ebendaſ. S. 494.
in Amerika ſind nicht wenig Streitigkeiten unter den eu-
ropaͤiſchen Maͤchten entſtanden. Die Seefahrer kamen
oͤfters auf eine unbebaute oder von Wilden bewohnte
Inſel, die ſie aber zu bevoͤlkern theils der Muͤhe nicht
werth hielten, theils durch die Wilden daran gehindert
wurden. Doch lieſſen ſie zuweilen ein Zeichen ihrer
Anweſenheit zuruͤck. Wenn nun andere Nazionen, die
in der Folge ſich derſelben bemaͤchtigten, irgend einen
betraͤchtlichen Nutzen daraus zogen, machten jene, der
fruͤhern Entdeckung wegen, dieſen gemeiniglich das Recht
darauf ſtreitig. Ein merkwuͤrdiges Beiſpiel giebt die In-
ſel Florida. Sie wurde zuerſt 1497. von dem Englaͤn-
der Sebaſtian Eabot entdeckt, aber nicht benutzt.
Im
[14]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Im Jahre 1512. kam Ponce de Leon dahin, und nahm
das Land, ohne von der erſten Entdeckung etwas zu
wiſſen, im Namen der Krone Spanien foͤrmlich in Be-
ſitz, und gab ihm den Namen Florida. Er wurde aber
von den Einwohnern gehindert eine Colonie daſelbſt an-
zulegen, hinterließ jedoch einen Stein mit einer Auf-
ſchrift. 1528. wurde dieſe Beſitznehmung von dem Spa-
nier Pamphilio de Narvaez wiederholt, aber mit
eben ſo wenigem Erfolge. Seit 1524. geriethen auch
die Franzoſen verſchiedentlich dahin, ohne ſich jedoch da-
ſelbſt niederzulaſſen, bis Johann Rebaut 1562. auf
der oͤſtlichen Seite landete und ein Fort, Namens Karl,
dahin baute. Nachdem er eine Colonie rings um die
aufgeworfene Feſtung abgezeichnet, und an der Muͤndung
des May-Fluſſes eine Saͤule aufgerichtet hatte, mit
der Aufſchrift: daß er dieſes Land fuͤr die Krone Frank-
reich in Beſitz genommen habe, ließ er einige Mann-
ſchaft zuruͤck. Dieſe wurde zwar durch allerhand trauri-
ge Schickſale aufgerieben, aber doch in der Folge wieder
durch neue erſetzt, und die Colonie Karolina gegruͤndet.
Allein die Spanier vernichteten auch dieſe, wiewohl groͤ-
ſtentheils aus Religionshaß, weil die Franzoſen lauter
Proteſtanten waren, auf eine ſchreckliche Art. Ob nun
gleich Dominiqve de Gourgues die Franzoſen durch
eine nicht minder grauſame Behandlung der Spanier
raͤchte, ſo blieben die letztern doch in Beſitz von Florida.
Endlich ſuchten die Englaͤnder ihr altes Entdeckungsrecht
wieder hervor, und machten verſchiedene Verſuche auf
die Beſitznehmung, bis Florida ihnen im Frieden 1763.
von Spanien abgetreten wurde. Ruſſel Geſchichte von
Amerika, 1. Band, S. 111, 3. B. S. 90. u. f. ingl.
S. 442. u. f.
Auch wegen der Inſel Falkland geriethen Spanien
und Grosbritannien in Streit, indem erſteres ſich den
Beſitznehmungen der letztern Macht 1764. widerſetzte.
Gros-
[15]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Grosbritannien behauptete: es ſey nach dem europaͤiſchen
Voͤlkerrecht gewoͤhnlich, daß dieienige Nation, welche
ein Land oder eine Inſel zuerſt entdeckt hat, auch ein
ausſchlieſſendes Recht darauf habe, wenn ſie dieſelben
gleich nicht wirklich mit Colonieen zu beſetzen fuͤr gut faͤn-
de, ſ. Neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 125.
Moſers Beitraͤge a. a. O. S. 516. So maßte auch
Portugal, unter andern aus dem Rechte der erſten Ent-
deckung, ſich aller Etabliſſements auf der Kuͤſte von
Guinea an. Polit. Journ. Jan. 1784. S. 57.
M. vergl. die Note des Herz uͤber Puffendorff I. N.
\& G. L. IV. c. 6. §. 8.
ſche Nazion, wenn ſie ein Stuͤck Landes in Amerika in
Beſitz nimt, aber von den Wilden wieder vertrieben
wird, nunmehro einem andern Volke die Einnahme ver-
wehren koͤnne? Dies war beſonders zwiſchen Frankreich
und Grosbritannien, in Abſicht der Inſel St. Lucie,
der Fall, die bald von der einen, bald von der andern
Macht beſeſſen worden war. Ganz richtig behauptete
Grosbritannien: que l’Isle de St. Lucie a été poſſedée
alternativement par les Anglois et les François; que
les uns et les autres en ont été chaſſés à diverſes re-
priſes par les Sauvages; qu’ainſi il y a eu des inter-
valles, où elle n’a été poſſedée ni par l’une ni par
l’autre nation; et ils en concluent, qu’on ne ſauroit
dèslors établis un droit de propriété ou ſouveraineté
ſur cette isle, ſaute d’un titre ſuffiſant pour conſta-
ter ce droit.Moſers Verſuch des neuſten europ. V.
R. 5. Th. S. 24. u. f. Ruſſel a. a. O. 2. Th. S.
636. u. f. Es laͤßt ſich nach dem natuͤrlichen Rechte
nicht fuͤglich behaupten, daß das Eigenthum weiter
dauere, als man ſich bey dem Beſitz zu erhalten im
Stande iſt; ſ. Moſers Grundſ. des europ. V. R. in
fr. Zeit. 4. B. 2. K. §. 16. wiewohl einige das Gegen-
theil
[16]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
theil vertheidigen, ſ. Io. Gottl. Titius diſſ. de dominio in
rebus occupatis vltra poſſeſſionem durante, Lipſ. 1674.
Ickſtatt L. III. c. 1. §. 14. Schol. welche aber Einert
in der obenangefuͤhrten Schrift §. 1. zu widerlegen ſucht.
Land in Beſitz zu nehmen, ſo erhellet aus dem Vorher-
gehenden, daß dasjenige ein Eigenthum daran erwerbe,
welches zuerſt koͤrperlichen Beſitz z. B. durch Anlandung
ergreift. Treffen mehrere von verſchiedenen Seiten zu-
ſammen, ſo muß jedem ſo viel gehoͤren, als er durch
Zeichen der Beſitzergreifung ſich zu eigen gemacht hat.
Ickſtatt L. III. c. 2. §. 9. 10. Wolff c. III. §. 308.
nen von Beſitzungen in der Suͤdſee auszuſchlieſſen, und
ſogar die dieſſeits der Meerenge gelegene Kuͤſte von den
portugieſiſchen Grenzen in Braſilien bis an die Spitze
von Suͤdamerika allein zu beſitzen, ob es gleich faſt gar
keine Colonien daſelbſt hat. Moſers Beitraͤge ꝛc. 5. Th.
S. 515. Auch die vereinigten Niederlande thaten Vor-
ſtellungen gegen Anlegung einer grosbritanniſchen Colonie
in Oſtindien auf einer den hollaͤndiſchen Beſitzungen nahe
gelegenen Inſel. Ebendaſ. S. 556.
4. B. 2. K. §. 13. u. f.
von England fuͤr ſich und ſeine Nachfolger, zu Gunſten
Spaniens, in einem Vertrage des Rechts ſich begeben
habe, Etabliſſements in irgend einem Theile von Suͤd-
amerika anzulegen. Moſers Beitr. a. a. O. S. 521.
tola glimpflich abzuthun, ſuchte Grosbritannien 1774
die Sache dahin einzuleiten, daß dieſe Inſel ein neutra-
ler Ort bleibe, wo die Schiffe der beiden Nazionen ihre
Guͤnth. Voͤlk. 2. B. BErfri-
[18]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Erfriſchungen ohngeſtoͤrt aufnehmen, und jedesmal frey
anlanden koͤnnen. Ein Mittel, deſſen man ſich oͤfters
bediente, ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 25. Eben-
deſſ. Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 97. 452. u. 460.
In den Streitigkeiten zwiſchen Rußland und Schweden,
wegen der finlaͤndiſchen Grenzen, behauptete Schweden
ebenfals, in Abſicht der Inſel Swart-wirn, in deren
Beſitz Rußland ſich befand: que la poſſeſſion en auroit
du au moins reſter neutre jusqu’à ce que l’on eut
decidé du droit de propriété dans les conferences.
Moſers Verſuch 5. Th. S. 354.
Franz Ludw. von Cancrin Abhandlungen von dem Waſ-
ſerrechte, ſowol dem natuͤrlichen, als poſitiven, vor-
naͤmlich aber dem teutſchen, m. K. Halle 1789. 4.
beſonders 1. Abh. 2. K. §. 88. u. f. S. 68. u. f.
Man trift daſelbſt S. 23. u. f. auch ein weitlaͤuftiges
Verzeichnis der Schriftſteller vom Waſſerrechte an.
Vattel L. I. c. 22. §. 266. Martens précis du d.
des g. L. IV. c. 4. §. 121.
kern unter ſich, ſondern auch mit den teutſchen Landes-
herren und unter dieſen ſelbſt gewoͤhnlich. Die Donau
und Sau ſoll z. B. wo ſie die Grenzen zwiſchen dem
ottomanniſchen und oͤſterreichiſchen Gebiete macht, gemein-
ſchaftlich ſeyn, ſowohl in Ruͤckſicht aller Fiſchereien, als
andern noͤthigen Gebrauch, doch duͤrfen die Fiſcher die
Haͤlfte des Fluſſes nicht uͤberſchreiten. Belgr. Fr. 1739.
Art. 7. In einem der neueſten Grenzvertraͤge zwiſchen
Frankreich und Wuͤrtenberg bey der Grafſchaft Moͤmpel-
gard vom 21. May 1786. Art. 13. wird feſtgeſetzt:
Der Fluß Doux ſolle, wo er die Grenze zwiſchen Frank-
reich und dem Wuͤrtenbergiſchen beruͤhrt, mit der Sou-
verainetaͤt halb nach Frankreich, halb nach Wuͤrtenberg,
die linke Seite zum koͤniglichen, die rechte zum herzogli-
chen Eigenthum gehoͤren. Reuß teutſche Staatskanzl.
20. Th. S. 137. Wie es aber zu verſtehen ſey, wenn
im Vertrage geſagt wird, daß dieſes oder ienes Ufer
eines Fluſſes dem einen Volke gehoͤren ſolle, daruͤber
entſtanden 1774. zwiſchen Polen und Oeſterreich Strei-
tigkeiten. In der Convention vom 21. Sept. 1773.
war Oeſterreich zur Grenze geſetzt: la rive droite de
la Viſtule. Polniſcher Seits behauptete man daher:
le mot: rive droite doit ſouſtraire au domaine Au-
trichien la ville de Kazimierz, puisque toujours et
dans toute rencontre quand on parle des rives d’une
rivière, on entend l’extrémité derniere du courant
de ſes eaux; à moins que par quelque exception
expreſſé-
[21]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
expreſſément enoncée il n’y ſoit autrement pourvu.
Aber Oeſterreich entgegnete: Il eſt conſtant par l’exem-
ple de tant d’autres traités de ceſſion, que la moitie
de l’eau d’une rivière ſuit toujours la rive attenante,
à moins qu’en termes clairs et exprès ce ſens reçu
ne ſoit reſtreint ou étendu. C’eſt ainſi que dans des
traités en latin on ſe ſert plus proprement de l’ex-
preſſion: dexter vel ſiniſter alveus fluvii, qui com-
prend la rive avec la moitie du lit de la rivière au
lieu des mots ripa, litus. In einer anderweiten Con-
vention vom 9. Febr. 1776. wurde Caſimir zwar an
Polen wieder uͤberlaſſen, doch blieb es dabey, que la
moitie du lit de cette rivière appartiendra à S. M.
Imp. et Roy. ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 284.
288. und 307.
ſenden Staate uͤberlaſſen worden, giebt es verſchiedene
Beiſpiele. Im Utrechter Frieden 1713. Art. 10. be-
willigte Frankreich: que les deux bords de la rivière
des Amazones tant le meridional que le ſeptentrional
appartiennent en toute propriété, domaine et ſouve-
raineté a S. M. Portugaiſe. Im Frieden 1785. Art.
7. erkennen die Generalſtaaten die voͤllige Souveraine-
taͤt des Kaiſers auf alle Theile der Schelde von Ant-
werpen bis Saftingen, zu Folge der Linie vom Jahre
1664. Die Oder ſoll, was Teutſchland anlanget,
vermoͤge des weſtphaͤliſchen Friedens, beſtaͤndig mit al-
ler Souverainetaͤt dem Koͤnig und der Krone Schweden
bleiben. Friede zu St. Germain zw. Schweden und Kur-
brandenburg 1679. Art. 12. Ueber den Ausdruck: der
ganze Fluß, entſtanden bey dem polniſchen Theilungsge-
ſchaͤft zwiſchen dieſer Krone und Preuſſen auch Streitig-
keiten. Polen behauptete: La phraſe de la convention
et du draité que la Netze appartienne en entier au
roi de Pruſſe ne peut ſignifier que le cours de l’eau,
B 3ou
[22]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
ou les profits de cette eau — Quant aux profits de
cette eau pour le roi de Pruſſe, ils ne lui ſont pas
disputés; mais ſous leur pretexte il ne peut préten-
dre à l’autre bord de la Netze; car ce ne ſeroit plus
de l’eau, mais de la terre, qui eſt un élément diffe-
rent. Preuſſen entgegnete: Comme Elle doit avoir,
ſelon le traité de Varſovie la rivière de Netze en
entier, il faut qu’Elle en ait auſſi les deux rives.
Sous le nom de rive on ne ſçauroit que comprendre
tout le terrein adjacent au fleuve qui en eſt ſouvent
inondé [vermuthlich nach Anleitung l. 3. Inſt. de rer.
div.] et en fait partie alors, ainfi que les marais que
cette rivière cauſe par ſes inondations. Cette inter-
prétation eſt conforme à l’uſage, et c’eſt en conſé-
quence du meme principe, que la Couronne de Suede,
après avoir obtenu par le traité de Weſtphalie la Po-
meranie citerieure et la rivière de l’Oder avec les
deux rives, ſ’eſt approprié une rive de deux miles
d’Allemagne — Ce qui eſt ajouté dans cette remar-
que de l’élement de l’eau n’eſt qu’un jeu de mots.
Le Roi doit avoir la Netze en entier c’eſt ‒ à ‒ dire
avec les deux rives, qui en ſont un acceſſerie inſepa-
rable. Il n’aura que l’élément de l’eau quand la
rivière deborde, il aura du terrein quand elle rentre
dans ſon lit. Dieſer Streit erſtreckte ſich auch uͤber das
Eigenthum des Fluſſes in Anſehung der Laͤnge. M. ſ.
Moſers Verſuch 5. Th. S. 321. 323. und 325.
Auch im teutſchen Reiche maaſſen ſich einige Landes-
herrn das alleinige Eigenthum der zwiſchen ihren und
andern Landen laufenden Fluͤſſe an; wiewohl groͤſten-
theils mit Widerſpruch der Anſtoſſenden.
Den Rhein verlangen die vier rheiniſchen Kurfuͤrſten,
Mainz, Trier, Koͤln und Pfalz ausſchließlich.
Trier aͤuſſerte unter andern 1743.: Es ſey ein bey allen
vier rheiniſchen Kurfuͤrſten feſtgeſetztes Principium: daß
kein
[23]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
kein Fuͤrſt, Graf noch Reichsſtadt, deren Gebiet an den
Rhein ſtoſſe, an der Herſchaft und Jurisdiction uͤber
den Rheinſtrom participire, ſondern daß ſolche denen
vier rheiniſchen Kurfuͤrſten privative zuſtehe. — So we-
nig die kaiſerlichen dieſen vier Kurfuͤrſten verliehenen
Privilegien und Lehnbriefe, als die alte hergebrachte
Reichs- und am Rhein landkundige Praxis, noch die
Vereine der rheiniſchen Kurfuͤrſten, noch ihre alte und
neue Principia laſſen zu, auſſer ihnen jemanden in das
Condominium Rheni zu admittiren. Moſers nachbarl.
Staatsr. 3. B. 15. K. §. 17. S. 442. Man vergl.
die wegen einer bey Neuwied angelegten fliegenden Rhein-
bruͤcke zwiſchen Trier und Neuwied gewechſelten Staats-
ſchriften in Select. I. P. Tom. 9. p. 340. T. 10. p. 11.
T. 12. p. 353. T. 14. p. 159. ingl. Jac. Chriſt. Klip-
ſtein, Diſſ. de dominio Rheni inter plures controverſo,
Gieſſ. 1740. 4.
Den Mayn eignet ſich mit aller Oberherſchaft der
Kurfuͤrſt von Mainz, hauptſaͤchlich vermoͤge kaiſerlicher
Lehnbriefe, zu, welchen aber Heſſen-Darmſtadt, Ha-
nau, Yſenburg und die Stadt Frankfurt widerſprechen.
M. ſ. Moſers Einleit. in das churmainz. Staatsrecht
S. 97.
Philip Karl des H. R. R. Grafen Fugger von Kirch-
heim Abhandlungen uͤber die Grenzen der dem hohen
Kurthume Mainz uͤber den Mainſtrohm von Lohr
bis an deſſen Ergieſſung in den Rhein zuſtehenden
Oberherſchaft. Mainz 1786. 8.
Gegen dieſe Behauptungen ſind, beſonders in Abſicht auf
Heſſen, folgende Widerlegungen erſchienen: Chr.
Hartm. Sam. Gatzert progr. III. de dominio
Moeni quatenus imprimis ſpectat ad ſereniſſimos
Haſſiae Landgravios tanquam Comites in Catime-
liboco. Gieſſ. 1771. 4.
B 4Helfr.
[24]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Helfr. Bernh. Wenck comment. I. de dominio Moeni.
Darmſt. 1786. 4.
Am Moſelſtrohm will Kurtrier auch das Eigenthum
behaupten, es wird ihm aber von den angrenzenden
Landesherren ebenfals nicht zugeſtanden.
ſ. Moſers kurtrier. Staatsrecht S. 192.
Ebendeſſ. nachbarl. Staatsr. 3. B. 15. K. §. 17.
S. 446.
SchwedersTheat Praeſens von Glafey 1. Th. S.
810.
Dieſe Streitigkeiten ſind zwar in gewiſſer Ruͤckſicht
nach dem teutſchen Staatsrecht zu beurtheilen; wenn
iedoch der das alleinige Eigenthum behauptende Landes-
herr ſolches durch die in demſelben angenommenen Er-
werbungsarten nicht zu erweiſen vermag; ſo ſind ohnſtrei-
tig auch die Grundſaͤtze des Voͤlkerrechts dabey anwend-
bar, nach welchen, im Zweifelsfall, iedem Theile das
Eigenthum zur Haͤlfte gehoͤrt. Ganz richtig behauptet
Herr Gatzert, daß ehedem zwar der Kaiſer eine voͤllige
Oberherſchaft uͤber die Fluͤſſe im teutſchen Reiche aus-
geuͤbt, den Reichsſtaͤnden ſolche aber nur durch kaiſer-
liche Verleihung zugeſtanden habe; daß hingegen, nach
begruͤndeter Landeshoheit, das Recht des Eigenthums
und der Oberherſchaft uͤber die Fluͤſſe nunmehr damit ver-
bunden ſey, und es keiner weitern Verguͤnſtigung beduͤr-
fe; daß daher die alten in algemeinen Ausdruͤcken abge-
faſten Privilegien und Verleihungen, wie z. B. die kur-
mainziſche mit aquis, aquarum decurſibus tam Rheni
quam Moeni ripis \& fluminibus \&c. blos zu verſtehen
ſind, ſo weit ſie innerhalb der Grenzen des Landes, die
bey Fluͤſſen, welche zwey Gebiete von einander trennen,
ſich gewoͤhnlich bis an die Mitte erſtrecken, flieſſen.
§. 11. Wolff c. I. §. 107. Vattel L. I. c. 22. §.
270. v. Cancrin 2. Abh. 1. Kap. §. 56. S. 119.
liefert von Cancrin in der obenangefuͤhrten Schrift 1.
Abh. 2. Kap. §. 52. u. f. S. 44. u. f. In den erſten
Zeiten, ſagt er, war es frey und gemein. Dann entſtan-
den Streitigkeiten daruͤber zwiſchen den Athenienſern und
Lacedemoniern, indem iene die Herſchaft uͤber die an-
grenzenden aͤuſſern Meere behaupteten. Die Karthagi-
nenſer verlangten die Herſchaft uͤber das mitlaͤndiſche
Meer. Nachdem Rom ſich zur Beherſcherin uͤber die
Welt
[29]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Welt emporgeſchwungen hatte, maaſte es ſich auch das
Eigenthum uͤber den Strand und das Meer ſelbſt an.
Mit der roͤmiſchen Hoheit ging die Herſchaft uͤber das
Meer wieder verloren, weil kein ander Volk ſie behaup-
ten konte. So wurden die Meere und offenen Seen nach
und nach wieder frey und allen Nazionen gemein. In
neuern Zeiten maaſten verſchiedene ſich derſelben wieder
an, woruͤber heftige Kriege, beſonders zwiſchen England
und den Niederlanden uͤber den Heringsfang, entſtanden,
welchen die letztern lange Zeit ganz frey ausgeuͤbt hat-
ten. Nun fanden ſich eine Menge Gelehrten, welche
bald die eine, bald die andere Parthey nahmen. M.
vergl. Puffendorff L. IV. c. 5. §. 8. Neyron prin-
cipes du d. des g. E. §. 263. u. f. S. 237.
Schriftſteller uͤber Eigenthum und Herſchaft des
Meeres, ſ. in
von Ompteda Litt. des V. R. 2. Th. S. 521. u. f.
von Cancrin a. a. O. S. 23. u. f.
Samlungen mehrerer Schriften dieſer Art ſind:
Collectio variorum auctorum tractatuum de dominio
maris 1615. 4.
Variorum auctorum diſſertationes de dominio ſive im-
perio maris cum praefatione Ioach. Hagemeyeri
Frcf. ad Moen. 1663. 12.
Henr. L. B. de Cocceji Grotius illuſtratus. Tomus
IV. edit. Wratislav 1752. Fol. enthaͤlt 12. Schrif-
ten uͤber dieſen Gegenſtand. M. vergl. auch:
Fr. Franc. Lud. Peſtel diſſ. ſelecta capita iuris gen-
tium maritimi, Lugd. Bat. 1786. 4.
zuͤglich folgende Schriftſteller:
Hug. Grotii mare liberum ſeu de iure quod Batavis
competit ad indica commercia, Lugd. Bat. 1609.
8. und oͤfter, beſonders 1633. 12. auch in ang.
Cocceji
[30]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Cocceji Grot. illuſtr. M. vergl. deſſen I. B. \& P.
L. II. c. 2. §. 3. c. 3. §. 8—16.
Theod. Graswinkel Vindiciae adverſus Pet. Bapt.
Burgum Liguſtici maris dominii aſſertorem. Hagae
1652. 4.
Io. Henr. Boecler diſſ. de Minoe maris domino, Arg.
1656. in Diſſ. ej. T. II. S. 1073. u. f.
Ad. Fr. Glafey Recht der Vernunft. Dritte Aufl. Frf.
und Leipz. 1746. 4. 4. Kap. Doch haͤlt er den Grund
des unerſchoͤpflichen Nutzens, worauf viele am mei-
ſten ſich ſteifen, nicht fuͤr hinlaͤnglich zu Behauptung
der Freiheit des Meeres, weil er auch auf die Erde,
die doch beherſcht, anwendbar ſey, ſondern er glaubt,
daß alles Eigenthum von der Vernunft gemisbilligt
werde, nachher aber aus Noth, um groͤſſeres Uebel
zu vermeiden, habe ratihabirt werden muͤſſen. Haͤt-
te eine Anzahl Menſchen ſich der erſten Beſitznehmung
widerſetzt, haͤtte ſolche nicht Statt finden koͤnnen. Da
nun aber die Erde einmal im Eigenthum iſt, das
Meer aber noch nicht, ſo folge, daß keine Nazion ſich
daſſelbe zueignen koͤnne, weil bisher alle Voͤlker in
Europa deſſen Eigenthum widerſprochen haben.
Daſ. §. 90. und 91.
M. vergl. Wolff c. I. §. 121. u. f. Vattel l. I. c. 23.
§. 286. u. f. Schrodt P. II. c. 1. §. 10. u. f.
Seraph. de Freitas de iuſto imperio Luſitanorum
Aſiatico adverſus Grotii mare liberum Princiae
1625. 4.
Io. Seldeni mare clauſum ſive de dominio maris Libri
II. primo mare ex iure naturae ſive gentium
omnium non eſſe commune ſed dominii privati ſive
proprietatis capax pariter ac tellurem eſſe demon-
ſtratur. Secundo Sereniſſimum magnae Britanniae
regem maris circumflui vt individuae atque per-
petuae
[31]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
petuae Imperii Britannici appendicis dominum eſſe
aſſeritur, Lond. 1635. Fol. und oͤfter, auch in
Cocceji Grot. illuſtr. p. 1 — 164. Die Entſte-
hungsgeſchichte dieſes Werks enthalten: Io. Seldeni
Vindiciae ſecundum integritatem exiſtimationis
ſuae per convitium de ſcriptione maris clauſi, in
Vindiciis maris liberi adverſus Petr. Bapt. Burgum,
Liguſtici maritimi dominii aſſertorem, Lond. 1653.
4. und in Opp. T. II. p. 1415 — 1437. Dieſe
ſind blos der Vertheidigung gegen die weiter unten
anzufuͤhrende Schrift des Burgus gewidmet, wor-
inn derſelbe vorgab, daß Selden, wie noch itzt viele
glauben, ſein mare clauſum im Gefaͤngniſſe geſchrie-
ben, und durch dieſe Vorſpiegelungen ſeine Freiheit
erlangt habe. Allein Selden zeigt, daß er es laͤngſt
vor ſeinem zweimaligen Gefaͤngniſſe, und zwar bereits
1618. vollendet, und zum Druck beſtimt gehabt; daß
er es aber erſt vier Jahr nachher, als er das letzte-
mal bereits wieder auf freien Fuß geweſen, mit vie-
len Verbeſſerungen und Vermehrungen herausgegeben
habe.
Io. Strauch diſſ. de imperio maris, Ien. 1654. 4.
Herm. Conring diſſ. de imperio maris, Helmſt. 1676.
und in Opp. Tom. IV. S. 946. auch in Cocceji
Grot. illuſt. S. 278. — 294.
Conr. Sam. Schurzfleiſch, Diſſ. maris ſervitus, Wit-
teb. 1671. und in Op. hiſt. polit. Berol. 1699. 4.
S. 1003.
Puffendorff I. N. \& G. L. IV. c. 5. §. 5. u. f.
Theod. Grauer Diſſ. de mari natura libero, pactis
clauſo, Vltraj. 1728. 4.
bemerkt: mare vero terra non continetur, par terrae
aut
[32]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
aut terra maius, vnde terram mari contineri veteres
dixere, L. II. c. 2. §. 3. n. 2.
hominibus vacua occupando ſua facere, ſed ita ta-
men vt meminerint, non vni \& alteri, ſed vniverſo
hominum generi orbem terrarum a numine eſſe con-
ceſſum, ſimulque naturaliter homines eſſe aequales
I. N. \& G. L. IV. c. 5. §. 9. vergl. c. 6. § 3. und
Conring Diſſ. cit. §. 32. Omnis occupatio ita debet
eſſe conſtituta vt non vergat in praeſentiſſimam iniu-
riam \& inevitabile damnum alterius alicuius inno-
centis, qui alias, ſi citra iſtam occupationem eſſet,
eodem iure ac titulo circa hanc rem gauderet. Hinc
vna aliqua respublica totum \& vaſtum Oceanum ſibi
ſoli, cum excluſione omnium aliorum, vindicare
iure nequit, vtpote cum haec occupatio cederet in
maximum detrimentum reliquarum ac praeſertim ma-
ritimarum rerumpublicarum, quarum ſcilicet ſalus in
libero maris vſu conſiſtit.
229. u. f. Wolff c III. §. 357. Schrodt P. II. c. 1.
§. 14. 15. Martens L. IV. c. 4. §. 120. Sam.
Cocceji widerſpricht ſich in dieſem Puncte. In der In-
troduct. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. Lauſan.
1751. 4. diſſ. prooem. XII. §. 237. behauptet er:
acquiri imperium poteſt, etſi res ſingulae natura in
dominium venire non poſſunt. Sane imperium ma-
ris — habere poſſumus, etſi — in proprietate no-
ſtra non ſit conſtituta. und in Not. ad Grotii mare li-
berum c. 5. ſagt er: Ad id, vt imperium acquiratur,
requiritur, vt res ſit in noſtra poteſtate: Sane ſolo
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Canimo
[34]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
animo imperium acquiri nequit: nemo autem diffuſam
illam molem maris in poteſtate habet, nec per rei
naturam habere poteſt.
Gen. in mari Liguſt. L. I. c. 16. S. 502. u. f.
gen verglichen ſich Rußland und Preuſſen, beſonders
in Abſicht des Handels neutraler Voͤlker im Kriege: de
ſoutenir, que c’eſt une mer fermée inconteſtablement
telle par ſa ſituation locale où toutes les nations doi-
vent et peuvent naviger en paix etc. Vertrag v. 8.
May 1781. Art. ſep. 1. in Dohms Materialien 4.
Th. S. 254. M. vergl. in Ruͤckſicht Daͤnemark die
Aeuſſerungen ebendaſ. S. 281. und Polit. Journ. May
1781. S. 526.
Schurzfleiſch diſſ. cit. §. 13. ſchreibt ziemlich heftig:
Atque id indicio eſt, alienum hic eſſe imperium ma-
ris vniverſi, quod qui vni vindicaret inventus eſt nemo
qui ſaperet quidem, neque adeo impetu ſed ratione
vteretur. Ein hartes Urteil, das beſonders den Gen-
tilis, Selden ꝛc. trift.
§. 57. u. f. S. 46. u. f. ſtatt finde, ergiebt ſich aus dem be-
reits Geſagten. Er glaubt naͤmlich, man muͤſſe bey der
Frage: ob die offenbare See einer Herſchaft unterworfen
ſey? zwey Punkte in Betrachtung ziehn: 1] ob es nach
der Natur des Voͤlkerrechts erlaubt, 2] ob es nach der
Natur des Meeres und der Macht der Voͤlker moͤglich
ſey? Die erſte Frage muͤſſe beiaht werden, weil alle
Dinge zum Gebrauch der Menſchen erſchaffen ſind und
dem gehoͤren, der ſie zuerſt occupirt. Aus dieſem Grunde
C 2koͤnten
[36]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
koͤnten auch Voͤlker mit Recht die offenbare See, die
noch unter keiner Herſchaft ſteht, in Beſitz nehmen ꝛc.
Die zwote Frage lieſſe ſich auch beiahen, wenn es moͤg-
lich waͤre, daß ein Volk das nach den Grundſaͤtzen des
Voͤlkerrechts in Beſitz genommene Meer immer ſchirmen
und ſchuͤtzen und ſich dabey erhalten koͤnnte, welches aber
kein europaͤiſches Volk, wegen Eiferſucht der uͤbrigen,
mit aller ſeiner Macht vermoͤgend ſey. M. vergl. Byn-
ckershoeck de dominio mar. c. 3.
lichen Schenkungen, damals, als die Niederlaͤnder an-
fingen nach Indien zu ſchiffen; und Grotius ſchrieb ſein
mare liberum eigentlich gegen Portugal.
ſelnIndiarum und terrae firmae des Meeres Oceani
gab ehedem auch Anlas, Spanien eine vermeintliche
Herſchaft uͤber den Ocean zuzuſchreiben. Alleine Sel-
den l. 1. c. 17. bemerkte ſchon, daß nach terrae firmae
keine Interpunction zu ſetzen ſey, weil dieſer Titel nur
bedeuten ſolle: Koͤnig der Inſeln ꝛc. des oceaniſchen
Meeres, welche Papſt Alexander V. dem Koͤnige von
Spanien geſchenkt hatte. M. vergl. Stypmann de
iure maritimo \&c. L. I. c. 6. n. 179. 311. u. f. in
Cocceji Grot. illuſtr. cit. S. 233 und 239. In die-
ſem Verſtande ſchreibt der Koͤnig ſich auch noch heutzu-
tage: Rey — de las Islas y Tierra firme del Mar
Oceano. Daß Spanien indes noch in neuern Zeiten,
beſonders bey Gelegenheit der Streitigkeiten mit Gros-
britannien wegen der Inſel Falkland ſich fuͤr berechtigt
gehalten habe, alle Nazionen von der Suͤdſee auszu-
ſchlieſſen, iſt ſchon oben §. 10. Not. a. erinnert worden.
ſ. neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 124.
legte den Englaͤndern ein Recht auf die Herſchaft des
Oceans
[37]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Oceans bey. Auch Selden erſtreckte ſeine Behaup-
tungen zu Gunſten Englands auf das ganze Meer.
Mare, ſagt er, intelligimus vniverſum \& tam Ocea-
num apertum ſeu exteriora quae ſunt maria, quam
quae interiora ſunt veluti Mediterraneum, Adriaticum
Aegaeum, Britannicum, Balticum \& quae ſunt id ge-
nus alia haud aliter ab Oceano ac vti partes vnde-
quaque homogeneae a toto diſerepantia L. I. c. 3.
Allein der engliſche Hof ſelbſt hatte in den damaligen
Zeiten ganz andere Geſinnungen; denn als der ſpaniſche
Geſandte Bernardino Mendoza 1580. ſich uͤber einige
Beeintraͤchtigungen des bekanten engliſchen Weltumſeg-
lers Franz Dracke beſchwerte, machte die Koͤnigin Eliſa-
beth mancherley Einwuͤrfe gegen die ſpaniſche Anmaaſ-
ſungen auf die alleinige Schiffahrt nach Indien, und
aͤuſſerte unter andern: maris \& aeris vſus omnibus
eſſe communis. Nec ius in Oceanum populo aut
privato cuipiam poſſe competere, cum nec naturae
nec vſus publici ratio occupationem permittat.
Cambdenus ad an. 1580. In der Folge beſchwerten
ſich iedoch die europaͤiſchen Maͤchte verſchiedentlich uͤber
die grosbritanniſchen Herſchaftsabſichten. La Cour de
Londres, hieß es, a depuis bien long tems pour ma-
xime qu’elle doit dominer excluſivement ſur toutes
les mers; toutes ſes demarches ſans ceſſe dirigeés
vers ce but — Ce ſont toutes ces cauſes réunies, qui
la porterent — à ſ’arrager un empire tyrannique en
pleine mer; à préſcrire des loix arbitraires, incon-
nues et inadmiſſibles — La continuation de la guerre
eſt devenue inévitable — pour mettre un terme
à l’empire tyrannique que l’Angleterre a uſurpé et
prétend conſerver ſur toutes les mers V. Expoſé des
motifs de la France contre la Grande Bretagne du
13. Juil. 1779. und Obſervat. ſur le Memoire juſti-
ficatif. de la Cour de Londres in Dohms Materia-
C 3lien
[38]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
lien 4. Th. S. 100. u. f. M. vergl. Moſers Verſuch
5. Th. S. 481.
tuiſſe ab eo qui terras ad latus vtrumque poſſideat,
etiamſi aut ſupra pateat vt ſinus, aut ſupra \& infra
vt fretum, dummodo non ita magna ſit pars maris,
vt non cum terris comparata portio earum videri
poſſit. M. vergl. §. 10. n. 2. Ein etwas groͤfferer
oder geringerer Umfang im Verhaͤltnis zum Lande thaͤt
zur Sache eben nichts. Das Hauptwerk komt darauf
an, daß die Nazion, welche das Eigenthum eines ſol-
chen Particularmeeres behauptet, den ganzen Umfang
deſſelben vom Gebrauche anderer auszuſchlieſſen vermag.
ſ. Martens L. IV. c. 4. §. 123.
ſind gewoͤnlich aus einer Menge bibliſcher und profaner
Schriftſtellen, aus Schenkungen, Belohnungen und an-
dern Verguͤnſtigungen der Paͤpſte und roͤmiſchen Kaiſer
von den Zeiten her, wo die Herſchaft der Welt noch
unter dieſe beide Monarchen getheilt war, aus dem Be-
ſitz der aͤlteſten Vorfahren, aus dem Anerkentnis andrer
Nazionen, die um Erlaubnis, auf dieſen Meeren zu
ſchiffen, zu fiſchen ꝛc. angeſucht haben, aus Haltung
eines Admirals u. d. g. hergenommen.
zu London 1674. worinnen ſie verwilligten, daß ganze
hollaͤndiſche Flotten vor einzelnen engliſchen Schiffen
die Segel ſtreichen ſollen. Doch haben ſie nachher ge-
aͤuſſert, daß dieſe Ehrenbezeigung nicht eben zum Zei-
chen der Herſchaft, ſondern aus Reſpect, Gewohnheit ꝛc.
geſchehe.
her noch folgende Schriften;
I] Fuͤr die Rechte Grosbritanniens:
Alb. Gentilis Advocatia hispanica Lib. II. Hanov.
1613. 4. Er ſoll auch ein beſonderes Buch de iure
maris geſchrieben haben.
The Sovereignty of the Britiſh Seas in the year 1633.
proved by records hiſtory and the municipal laws
of this Kingdom by Sir John Boroughs [oder Burr-
hus, wie ihn Selden ſchreibt] Keeper of the records
in
[41]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
in the Tower of London 1651. 12. Moſer im
Verſuch 5. Th. S. 482. fuͤhrt Ios. Bourough Im-
perium maris Britannici ex monumentis hiſtoricis
legibusque Anglicae demonſtratum, Lond. 1686,
Fol. an, welches ich fuͤr eine Ueberſetzung des erſtern
halte. Ich habe aber beide nicht zu Geſichte bekom-
men koͤnnen.
Guil. Welwood de dominio maris iuribusque praecipue
ad dominium ſpectantibus. Hagae 1653. 4.
II] Die Widerſpruͤche der vereinigten Niederlande ver-
theidigten, naͤchſt dem Grotius:
Theod. Graswinckelii vindicatio maris liberi adverſus
Guil. Welwoodum Britannici maris dominii aſſer-
torem. Hagae. 1653. 4.
Mart. Schockii imperium maritimum in quo cuique
genti, maximae Belgis foederatis, ſuus vindica-
tur honos. Amſt. 1654. 12. auch in Cocceji Grot.
illuſtr. cit. S. 57 — 110. gehoͤrt einigermaaſſen
auch hieher, er iſt aber mehr hiſtoriſch und enthaͤlt
viele gute Ermahnungen, die erworbene Seemacht zu
erhalten.
fey 1. Th. S. 312. u. f. Moſers Verſuch 5. Th.
S. 473. u. f.
Marc. Zuer. Boxhorn Apologia pro navigationibus
Hollandorum, adverſus Pontum Heuterum [Auct.
Rerum Burgundicarum Libr. VI.] qua praeceden-
tium ſaeculorum navigationes earumque iura \&
inſtituta ex tabulis praeſertim publicis aſſeruntur.
Lugd. Bat. 1633. 12. und in Cocceji Grot. illuſtr.
cit. S. 295 — 304.
Io. Iſaac Pontani diſcuſſionum hiſtoricarum de marl
libero adverſus Io. Seldeni mare clauſum libri II.
Hardervic. 1637. 1640. 8. auch in Cocceji Grot,
illuſtr. S. 111 — 192. Er vertheidigt die Rechte
der Daͤnen.
M. vergl. Schweders Theat. praet. 1. Th. S. 254.
dinand II. dem General Wallenſtein den Titel eines
Generals des oceaniſchen und baltiſchen Meeres
beilegte. Schweden [welches Kraft einer Verguͤnſti-
gung Kaiſer Karls V. die im Stetiner Frieden mit Daͤ-
nemark, unter Kaiſer Maximilian II. Vermittelung,
1570. beſtaͤtigt worden war, ein beſonderes Schutzrecht
uͤber dieſes Meer verlangte] fuͤhrte dies ſogar mit als
eine Urſach des Krieges wider den Kaiſer an. ſ. Stypmann
de iure marit. L. I. c. 6. n. 179. 358. u. f. Henr. Com.
a Bunau diſſ. de iure imp. circa maria §. 25. u. f.
trag von 1730. 30. Octb. hat eigentlich blos den Schifs-
gruß beiderſeitiger Schiffe zum Gegenſtand. Es wird
des Dominii in der Oſtſee, als eines Grundes davon,
in verſchiedenen Artikeln gedacht, deswegen iſt er aber
immer noch kein Theilungsvertrag uͤber dieſes Meer.
tannien in der Allianz vom 21. Jan. 1720. Art. 15.
bedingen: daß dieſes Buͤndnis keinem Theile an ſeinen
Rechten und dominio marium, als Schweden in der
Oſtſee, und Grosbritannien in den Meeren, welche Bri-
tannica genant werden, praͤiudiciren ſolle.
Mare Balticum, i. e. hiſtorica deductio vtri regum
Daniae ne an Poloniae praedictum mare ſe deſpon-
ſatum agnoſcat? Poloni cuiusdam nuper typis
excuſo diſcurſui neceſſario oppoſita 1638. 4.
Anti-Mare Balticum ſeu recapitulatio tractatus cui
titulus: Mare Balticum, ſcilicet an ad Reges
Daniae an ad Reges Poloniae pertineat? 1639. 4.
D. du Maurier diſſ. ſuper vetere Auſtriacorum pro-
poſito occupandi maris Baltici, Paris 1644. 4.
Stypmann a. a. O. L. I. c. 6. ingl. SchwedersTheat.
praet. von Glafey 1. Th. S. 252.
illuſtr. S. 64. Bynckershoeck de domin. maris c. 3.
dominio \& commerciis regi Chriſtianiſſimo vindicandis.
Helmſt. 1670. 4. und in Opp. T. I. p. 989 — 1008.
Er glaubt naͤmlich, daß Frankreich ſich zum Herrn des
mitl. Meeres machen koͤnte, wenn es wolte; und Byn-
kershoeck a. a. O. c. 6 aͤuſſert, daß der Koͤnig in
Frankreich 1657. gegen den hollaͤndiſchen Geſandten
wirklich einen ſolchen Eigenthumsgedanken gehabt habe.
der Pforte 1783. gegen Frankreich, welches die bevor-
ſtehende Erſcheinung einer ruſſiſchen Flotte im mitlaͤn-
diſchen Meere nicht mit gleichguͤltigen Augen anſah, daß
dieſes Meer kein geſchloſſenes Meer [mare clauſum]
wie die Oſtſee ſey, da die Straſſe von Gibraltar nicht
ſo wie der Sund geſchloſſen werden koͤnte, und eine
Menge
[45]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Menge Nazionen gleiches Recht daran haͤtten. Polit.
Journal Jul. 1783. S. 684.
Hineinwerfung goldener Becher in Beſitz nahm. Diod.
Sic. Biblioth. l. 17. Iuſtin. c. 12.
legung der Urkunde uͤber dieſe Schenkung verlangte, gab
der venetianiſche Geſandte, Hyeron. Donatus, die be-
kante
[46]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
kante beiſſende Antwort: Sie werde ſich bey dem Schen-
kungsbriefe Kaiſer Conſtantins uͤber den Kirchenſtaat an
den Papſt befinden. ſ. SchwedersTheat. praet. 2. Th.
S. 607.
nen. Fuͤr die Republik Venedig:
Aug. Mattheacius de iure Venetorum \& iurisdictione
maris Adriatici, Venet. 1617. 4.
Alegazion in iure di Cornelio Francipane per la vitto-
ria navale contro Federico I. Imperatore ed Atto del
Papa Aleſſandro III. per il dominio della republica
Veneta del ſuo Golfo contra alcune ſcritture de Na-
politani, Venezia 1618. 4.
Franc. de Ingenuis, Germani, Epiſtola de iurisdictione
Venetae reipublicae in mare Adriaticum, ſcripta ad
Liberium Vincentium, Batavum, contra Johannem
Bapt. Valenzolam, Hiſpanum \& Laurentium Moti-
num, Romanum, Genev. 1619. 4. auch teutſch in
Londorp. Act. publ. Tom. I. L. II. c. 15. und als
Anhang bey nachſtehender Bergeriſchen Abhandlung.
Iul. Pacii a Beriga de dominio maris Adriatici diſce-
ptatio inter regem Hiſpaniae, ob regnum Neapolita-
num, \& rempublicam Venetam, Lugd. 1619. 4. und
in Cocceji Grot. illuſtr. p. 1 — 18.
Io. Palatii Leo maritimus ſive de dominio maris, Libri
II. contra Graswinckelium, Venet. 1663. 12.
Paolo Sarpi dominio del mare Adriatico della ſereniſſi-
ma republica di Venezia, 1685. 12. auch im ſechſten
Vol. ſeiner Opp. Venez. 1686. 12.
Fuͤr Oeſterreich und Neapel:
Io. Aug. de Berger Succincta Commentatio de imperio
maris Adriatici, Caeſari qua regi Dalmatiarum ac
principi Iſtriae, vt \& regi Neapoleos atque Siciliae
proprio, Lipſ. 1723. 4. auch italieniſch unter dem Titel:
Il
[47]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Il dubbio chiarato intorno al dominio del mare Adria-
tico 1725. 4.
M. vergl. SchwedersTheat. praet. von Glafey 1. Th.
S. 195. 2. Th. S. 607. u. f.
in mari Liguſtico Libri II. Rom. \& Bonon. 1641.
Genuae 1643. 12. auch angehaͤngt dem Werke: Im-
perii Germanici Jus ac Poſſeſſio in Genua Liguſtica,
Hanov. 1751. 4. S. 415 — 610.
Theod. Graswinckel Vindiciae adverſus Petr. Bapt.
Burgum, Liguſtici maris dominii aſſertorem Hagae
1652. 4. Die Vindicias des Selden dagegen habe ich
ſchon §. 16. angezeigt.
M. vergl. Schweders Theat. Praet. 2. Th. S. 495. u. f.
1. Kap. §. 2. La Liberté de la navigation et du
commerce des nations neutres pendant la guerre etc.
Lond. et Amſt. 1780. §. 21.
von Cancrin a. a. O. 1. Abh. 2. K. §. 66. S. 52.
und einer ſeiner vorzuͤglichſten Commentatoren Sam. von
Cocceji halten, nach der Meinung der roͤmiſchen Juri-
ſten, zwar auch die Kuͤſten ſelbſt fuͤr frey und dem ge-
meinſchaftlichen Gebrauche vorbehalten; non, wie Coc-
ceji bey der erſten Stelle ſchreibt, quia natura occupari
non poſſunt, ſed ex medii neceſſitate, quia quatenus
littora ad maris vſum neceſſaria ſunt, communia ne-
ceſſario manere debent [Gebaͤude darauf ſetzen, Baͤume
pflanzen, Netze trocknen ꝛc. werden iedoch dahin nicht
gerechnet] M. vergl. deſſen Introd. ad Henr. Cocceji
Grot. illuſtr. diſſ. prooem. XII. §. 221. u. f. ingl.
Graswinckel adv. Burgum c. 13. p. 219. Allein die
Ufer
[51]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Ufer und Kuͤſten gehoͤren offenbar zum Lande eines Volks
und machen einen Theil deſſelben aus, muͤſſen daher
auch zum Eigenthum desienigen gehoͤren, der das Gan-
ze beſitzt: Von dem im Nothfall ieder andern Nazion
erlaubten Gebrauche deſſelben kan keine algemeine Regel
genommen werden. Ueberhaupt ſcheinen die roͤmiſchen
Rechtslehrer, bey Behauptung einer Gemeinſchaft der
Meere und Kuͤſten, mehr auf die innern Staatsverhaͤlt-
niſſe, als auf die Nazionen Ruͤckſicht genommen zu ha-
ben, ſ. v. Cancrin a. a. O. 2. Abh. 1. Kap. §. 2.
S. 102.
wird, iſt man auch nicht einverſtanden. Die Haupt er-
foderniſſe der Anſtalten dabey ſind, wie bey dem Lan-
desbeſitz, daß die Abſicht der Zueignung daraus deut-
lich erhelle, und daß die Ausſchlieſſung anderer dadurch
bewuͤrkt werde. Defenditur, ſagt Burgus in dominio
maris Liguſt. L. I. c. 17. ac retinetur maris impe-
rium \& poſſeſſio claſſe, bonaque diſciplina ac dili-
gentia; atque vbi ita anguſtum eſt mare, vt e terris
navigantes ad parendum cogi poſſint, arces quoque
ſunt vtiles, quibus res Daniae ad fretum Oreſundae
\& Turcarum Imperator in faucibus Hellesponti ad
maritimum imperium exercendum vtuntur. Dage-
gen wendet zwar Graswinckel ein: qui navigat mare,
non poſſidet mare — aliam occupationem, niſi quae
formam rei mutet, non agnosco — puta ſi projectis
molibus occupatur aut aggeribus clauditur, aut deni-
que ſinus aliquis maris aut fretum occupatur. —
Quidſi ad exemplum privati praedii aliquis inferre
velit, reſpectu provinciae alluens mare provinciae
accedere poſſit: ſed neceſſe erit vt ſimiliter ſepiatur
quo mare clauſum dici poſſit — Verum admitti nullo
modo poteſt id quod Burgus contendit: ſicut priva-
tus ſepiendo mare ſuum facit, ita princeps mare claſ-
D 2ſibus
[52]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
ſibus occupando ſuum faciet. Graswinckel Vindic.
adv. Burgum c. II. p. 189. c. 13. p. 219. c. 16. p.
227. und 232. Aber iener doppelte Zweck kan durch
Flotten und Beſetzung der Kuͤſten mit Kanonen ohnſtrei-
tig eben ſo gut erhalten werden, als durch Einzaͤu-
nung ꝛc. die beim Meere ſelten moͤglich iſt.
gar verſchiedene Meinungen. Man ſetzte die Grenzen
des Eigenthums auf ſechzig, hundert und mehr Meilen,
auf zwey Tagereiſen, ſo weit das Meer uͤberſehen wer-
den kann ꝛc. Der heutige Grundſatz der europaͤiſchen
Nazionen iſt zwar nicht algemein ausdruͤcklich, aber doch
von den meiſten ſtilſchweigend anerkannt. Am richtig-
ſten urtheilt hiervon Bynckershoeck de domin. mar.
c. 2. Exiſtimem itaque eo vsque poſſeſſionem maris
proximi videri porrigendum, quousque continenti
poteſt haberl ſubditum; eo quippe modo, quamvis
non perpetuo navigetur, recte tamen defenditur \&
ſervatur poſſeſſio iure quaeſita: neque enim ambigen-
dum eſt, eum poſſidere continuo, qui ita rem tenet,
vt alius eo invito tenere non poſſit. Vnde domi-
nium maris proximi non vltra concedimus quam
e terra illi imperari poteſt \& tamen eo vsque; nulla
ſiquidem ſit ratio, quum mare quod in alicuius im-
perio eſt \& poteſtate, minus eiusdem eſſe dicamus,
quam foſſam in eius territorio — Quare omnium
videtur rectius, eo poteſtatem terrae extendi, quous-
que tormenta exploduntur, eatenus quippe cum im-
perare tum poſſidere videmur. M. vergl. Ickſtatt L.
III. c. 1. §. 15. Schol.Moſers Grundſ. des europ.
V. N. in Fr. Zeit. 4. B. 1. K. §. 3. deſſen erſte
Grundlehren K. 6. §. 23. 24. deſſen Verſuch 5. Th.
S. 486. Neyron §. 266. S. 239. Martens a.
a. O. §. 122. v. Cancrin 1. Abh. 2. K. §. 65.
S. 51.
an den Kuͤſten ſind:
Fr. Stypmann de iure maritimo Gryphisw. 1652. 4.
und das erſte Buch in Cocceji Grot. illuſtr. ed. cit.
beſonders L. I. c. 5.
Conr. v. Bynkershoeck diſſ. de dominio maris Hag.
1703. 8. und in Opp. min. Lugd. 1752. 4. n. 6.
p. 351. ingl. in Cocceji Grot. illuſtr. p. 361 —
392. M. vergl. Grot. I. B. \& P. L. 2. c. 3. §. 8.
u. f. Wolff c. I. §. 128. Ickſtatt L. III. c. 1.
§. 15. c. 2. §. 18. La liberté de la navigation etc.
§. 22.
der ſich auf den ehemaligen Beſitz von Schonen, weil
dieſe Meerenge damals ganz im daͤniſchen Gebiete lag;
aber auch nach dem Verluſt dieſes Landes hat Daͤnemark
ſich dabey erhalten. Jedoch hat Schwoden im Broͤm-
ſebroiſchen Frieden 1645. Art. 1. und 14. ſich die freye
Schiffahrt durch den Sund und Belt ausbedungen ꝛc.
ohne das Dominium maris zu iuſtificiren.
Herſchaft uͤber das luſitaniſche Meer zugeſchrieben hat.
ſ. Schweders Theat. praetens, von Glafey 1. Th. S. 391.
Zeit. 4. Buch 1. K. Martens précis L. IV. c. 4.
§. 124. 125. und 132. von Cancrin Waſſerrecht
1. Abh. 2. Kap. §. 87. S. 66. u. f. La liberté de
la navigat. §. 23.
imperii Rom. Germ. circa maria Lipſ. 1744. und in
Cocceji Grot. illuſtr. T. IV. p. 393 — 420.
S. 42. ingl. deſſen Landeshoheit in Anſ. Erde und
Waſſer Kap. 17. §. 2. Kap. 23. §. 4.
E. H. v. Roͤmer Voͤlkerrecht der Teutſchen. Halle 1789.
S. 250.
v. Cancrin 1. Abh. 2. Kap. §. 78. S. 60.
Lacus Bodamici. Ien. 1742. und die im Anhange be-
findlichen Rationes warum dem hoͤchſtloͤhl. Erzhaus
Oeſterreich von dem hochloͤbl. ſchwaͤbil. Krais und ſon-
derheitlich deſſen in und an dem Bodenſee ſituirten Fuͤr-
ſten und Staͤnden das ſogenante und neuerlicher Dingen
praͤtendirte Dominium maris weder in petitorio noch
poſſeſſorio eingeſtanden werden koͤnne. Ingl. Moſers
Nachbarl. Staatsr. 3. B. 15. K. §. 15. S. 440.
v. Cancrin S. 70.
1689.
Petr. Haymann diſſ. de incrementis et acceſſionibus
fluvialibus Ultraj. 1713.
Iac. van der Lyn diſſ. de acceſſione naturali beneficio
fluminis facta, Lugd. 1718.
D 5Noae
[58]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Noae Meureri tract. iurid. de alluvione, inſulis alveo
et iure aquatico. Nurnb. 1733. 4.
u. f. M. vergl. Bapt. Aymi tr. de fluviorum allu-
vionibus etc. Venet. 1581. fol. und c. not. Ah. Frit-
ſchii, Ien. 1675. 4.
Io. Sebaſt. Gambs diſſ. de alluvionibus. Arg. 1658.
Georg Engelbrecht diſſ. de iure alluvionis, Helmſt.
1695.
Ios. El. van der Meulen diſſ. de iure alluvionis.
Ultraj. 1738.
et civ. c. XII. §. 7. u. c. XIII. §. 5. Dahingegen
halten Achenwall Ius Nat. L. I. 2. 3. §. 6. 125.
u. ff. beſ. 155 und andere die Beſitznehmung einer Sache,
die ſchon einen Eigenthuͤmer hat, welches man aber nicht
weiß, und ſie in guter Meinung an ſich nimmt, fuͤr
keine wuͤrkliche, ſondern nur fuͤr eine eingebildete [oc-
cupatio putatiua] und den hier in Betrachtung kom-
menden Zuwachs blos fuͤr einen eingebildeten [acceſſio
putatiua] glauben daher, daß die Zuruͤckfoderung auch
gegen den bonae fidei poſſeſſor anwendbar ſey.
§. 52. S. 206.
morabilibus immani aquarum vi vel terrae motu fa-
ctis, Amſt. 1691. 8. und Treueri not. cit. ad Puffend.
c. XII. §. 7. n. 1.
der Ottomanniſchen Pforte 1739. Art. 7. z. B. wird
feſtgeſetzt: Danubii et Savi — emolumentum —
commune ſit —. Si quae vero enascantur, aut iam
enatae ſint inſulae, illi ex contrahentibus cedant, cu-
jus ripae ſunt vieiniores. Mit Polen vergliche eben
dieſer Hof ſich in der Convention vom 9. Febr. 1776:
La ville de Caſimir attenant Craeovie eſt retrocedée
à la Pologne; mais en echange, toutes les iles que
forme la Viſtule dans ſon cours, jusqu’à L’endroit
où ſe terminent les bornes des pays eedés par la pré-
ſente Convention, et la moitié du lit de cette rivière
appartiendront à S. M. Imp. et Royale.Moſers
Verſuch 5. Th. S. 309.
Fritſchii iure fluv. Ien. 1672. n. 5. p. 294 — 948.
Paul.
[62]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
Paul Engelb. Martens diſſ. de iure inſularum Traj.
ad Rhen. 1735. 4.
Franc. de la Rive diſſ. de inſularum adquiſitione Lugd.
Bat. 1768.
v. Cancrin a. a. O. 3. Abh. 2. K. §. 27. u. ff.
S. 184. u. ff. welcher zugleich einen genauen Unter-
richt von den verſchiedenen Abtheilungsarten ſolcher
Inſeln giebt.
div. l. 96. ff. de verb. ſign.] die Ufer wilkuͤhrlich ſo
weit erſtreckt haben, als die groͤſten Ueberſchwemmungen
eines Waſſers reichen, und daß Preuſſen in den polni-
ſchen Theilungsangelegenheiten dieſen Grundſatz behauptet
habe, iſt ſchon oben §. 14. not. c. bemerkt worden.
Mayn ꝛc. Kurbrandenburg mit den Inſeln in den Waſ-
ſerlaͤuften an dem pommeriſchen Meere, die Kron Schwe-
den mit den Inſeln in Vorpommern ꝛc. beliehen ſ. v.
Cancrin a. a. O. S. 189. und Moſers Landeshoheit
uͤber Erde und Waſſer K. 18. §. 4.
u. 24. S. 445. u. 456. C. H. v. Roͤmer Voͤlkerrecht
der Teutſchen S. 239.
horſt und der Stadt Bremen iſt zwar gemeinſchaftlich
aber in einem Vertrage iſt beliebt: ob neue Inſeln und
Saͤnde in der Weſer ſich aufwerfen wuͤrden, die ſollen
desjenigen ſeyn, des Land ſie zunaͤchſt beruͤhren. ſ. Gry-
phiander l. c. c. XVII. n. 112. So werden auch im
Vergleiche zwiſchen Holſtein und Hamburg 1768, letz-
terer
[64]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
terer Stadt alle in einem gewiſſen Diſtrikt neu entſtehende
oder kuͤnftig anwachſende Inſeln, Woͤrder und Saͤnde uͤber-
laſſen ſ. Moſer a. a. O. S. 456.
in der Donau, wo die in dieſem Fluſſe entſtehenden In-
ſeln dem gehoͤren, welcher das Fiſchrecht daſelbſt hat,
und dem anſtoſſenden Landesherrn nur alsdann zufallen,
wenn man theils trocknen Fuſſes von deſſen Lande auf
die Inſel kommen, theils wenn nur zwiſchen dieſer neuen
Inſel und dem Lande nicht mehr durchgeſchift werden kan,
ſ. l. Rud. Engau diſſ. cuinam inſularum in fluminibus
publicis naturam competat dominium? Ien. 1751.
§. 43.
Imp. Heidelb. 1688. u. in deſſen Exercit. curioſ. Vol. I.
p. 970 — 980.
Marq. Freher diſſ. de inſulis Rheni, Heidelb. 1611.
v. Cancrin a. a. O. 3. Abh. 2. K. §. 65. S. 212.
u. ff.
nahm Frankreich in ſeinen Staatsſchriften gegen Gros-
britannien wegen des ſtreitigen Eigenthums der Inſel
St. Lucie in Amerika durchgaͤngig an, Vne terre, heißt
es unter andern in einem Memoire, quoique deeou-
verte et reconnue par quelque nation; même quoique
établie, ſi elle avoit été par la ſuite abandonnée, de-
venoit au rang des terres vacantes et comme telle
étoit le partage de celui qui l’occupoit et ſ’en mettoit
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Een
[66]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
en poſſeſſion. Memoires des Commiſſaires de S. M.
Très. Chret. et de ceux de S. M. Brit. ſur les poſſeſ-
ſions des deux couronnes en Amerique. Amſt. 1755.
8. 3 Bde. Tom. I. P. 1. p. 306. vergl. p. 415. u. ff.
Dergleichen Beſitzergreifungen von andern verlaſſener Laͤn-
er, beſonders in Amerika, finden ſich verſchiedene in der Ge-
ſchichte. [Man vergl. die eben angezogenen Memoires T. I.
P. 2. p. 69. u. ff.] Das ehedem unter Florida begriffene
Carolina entdeckten die Spanier zuerſt. Dieſe ſtritten ſich
lange mit den Franzoſen darum, und nachdem beide es ver-
laſſen hatten, kamen die Englaͤnder und nahmen es in Beſitz.
ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 279. und deſſen Nord-
amerika nach den Friedensſchluͤſſen vom Jahre 1783.
[Leipz. 1784. 85. 3. Baͤnde gr. 8.] 2. Band S. 682.
wo ſich uͤberhaupt von den europaͤiſchen Beſitznehmungen
in Amerika verſchiedene brauchbare Nachrichten finden,
beſonders im 3. Bande 5. Hauptth. der europ. Nazionen
Voͤlkerrecht in Anſehung Amerikas S. 292. u. ff.
vor angefuͤhrten Streitigkeiten: qu’il n’y ſauroit avoir
d’abandonnement abſolu d’aucun pays. que lorsque
le propriétaire poſſeſſeur s’en retire et le delaiſſe vo-
lontairement et ſans aucune neceſſité; que pour qu’vn
pareil abandonnement puiſſe ſervir de baſe au droit
du premier venu ou d’on nouveau poſſeſſeur quel-
conque, il faut que l’acquiescement de l’ancien poſ-
ſeſſeur à cette nouvelle poſſeſſion, ait été intentionné
volontaire et clairement manifeſté par quelque acte,
declaration ou demarche dont ſon abandonnement
puiſſe avoir été accompagné ou ſuivi; et qu’vne
retraite ou deſertion oceaſionnée par ſurpriſe, ruſe
ou force ſuperieure d’autrui, non plus qu’on acqui-
escement apparent et paſſager aux ſuites d’vne pareille
retraite, [le tout occaſionné par neceſſité et nulle-
ment par vne renonciation volontaire] ne ſauroit etein-
dre
[67]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
dre le droit de l’ancien poſſeſſeur ſur vn bien qu’il
n’auroit delaiſſé que de cette matiere. Dagegen be-
hauptete man franzoͤſiſcher Seits: Les Anglois fugitifs
de Sainte-Lucie ont été ſ’établir à Montſerrat, y
ſont demeurés et n’ont ſait pendant dix ans aucune
demonſtration pour rentrer à Sainte-Lucie. Si vne
telle conduite, ſurtout dans ces premiers temps des
établiſſemens dans les isles Caraïbes, où les revolu-
tions etoient ſi fréquentes, n’eſt pas vn ſigne ſuſti-
ſant qu’ils tenoient Sainte-Lucie pour abandonnée,
quels ſignes plus certains peut-on donc exiger? —
Suivant Mrs. les Commiſſaires Anglois, il auroit fallu
vne acte public et authentique par lequel l’Angleterre
eut déclaré qu’elle abandonnoit cette isle; mais ſelon
cette nouvelle iurisprudence, il n’y auroit aucun
exemple d’abandon: [ce ſeroit alors, wird an einer
andern Stelle hinzugefuͤgt, plustôt vne ceſſion ou vne
donation qu’vn abandon] on pourroit quitter vn pays,
n’y rentrer jamais, et ſ’en pretendre éternellement
propriétaire et poſſeſſeur. L’abandon d’vn pays eſt
vn fait qui ſe caracteriſe par lui-même: ſi vn autre
l’ocupe et que celui qui l’occupoit auparavant garde
le ſilence ſans y être eontraint ſans pouvoir pretexter
qu’il ignore qu’vn autre ſ’en ſoit mis en poſſeſſion,
c’eſt la preuve la plus forte et la plus complete de
l’abandon, et telle eſt celle que l’hiſtoire fournit de
l’abandon de Sainte-Lucie par les Anglois. Me-
moires des Commiſſaires cit. Tom. I. P. 1. p. 418.
420 421. P. 2. p. 4.
freiwillige Beſitzverlaſſung den Verluſt des Eigenthums
nicht in ſich ſchlieſſe. Ut res pro derelicta habeatur
duo requiruntur, primo vt quis nolit eſſe amplius
dominus, deinde vt poſſeſſione ſe rei exuat, abii-
eiendo eam aut deſerendo, alterutrum ſi defit domi-
E 2nium
[68]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
nium non amittitur. Fac ergo rem a domino abiici,
non tamen ea mente vt eam amplius ſuam eſſe nolit,
nihil hic amittetur. Puffend. I. N. et G. L. IV. c. 6.
§. 12. Dies lieſſe ſich alleufals behaupten, wenn der
Eigenthuͤmer eine ſolche gegentheilige Willensmeinung
dabey ausdruͤcklich erklaͤrte, ſonſt wuͤſte ich nicht, wofuͤr
man das Wegwerfen oder Verlaſſen anders annehmen
koͤnte als fuͤr ein Aufgeben des Eigenthums. Barbay-
rac [in den Noten uͤber vorangezogenes Kapitel des
Puffendorf §. 1.] ſagt, indem er die Fortdauer des
Eigenthums ohne Beſitz recht einleuchtend machen will:
La poſſeſſion ne fait rien là, qu’autant qu’elle eſt
vne marque inconteſtable de la volonté qu’on a de
retenir ce dont on s’eſt emparé. Pour être donc
autoriſé à regarder comme abandonnée vne ehoſe
dont celui à qui elle appartenoit ne ſe trouve plus en
poſſeſſion, il ſaut qu’on ait lieu d’ailleurs de croire
qu’il a renoncé au droit particulier qu’il avoit acquis.
Warum ſoll aber das freiwillige gaͤnzliche Aufgeben des
Beſitzes nicht ein eben ſo untruͤgliches Merkmal des ver-
laſſenen Eigenthums ſeyn?
Indes ſind auch die europaͤiſchen Nazionen in ihren
Grundſaͤtzen hieruͤber nicht einig, und ſcheinen nicht
durchgaͤngig die bloſſe Verlaſſung eines Landes fuͤr eine
Aufgabe des Eigenthums anſehen zu wollen. Auſſer
dem ſchon obenangefuͤhrten hieß es 1782. das kaiſerliche
Schif Joſeph und Thereſia hat auf den Nicobar-Inſeln
Nancaveri, Souri, Iricutte und Cateſiout Beſitz genom-
men. Sie ſind aber ſchon 1756. von der daͤniſch-oſtindiſchen
Compagnie in Beſitz genommen und 1773 erſt, wegen des
ungeſunden Klima, verlaſſen worden. Doch hat die Krone
Daͤnemark ihr Recht daran noch behalten, woruͤber aber be-
reits vor einigen Jahren der kaiſerliche Hof dem daͤniſchen
hinreichende Genugthuung zu leiſten verſprochen hat.
Polit. Journ. 1782. Aug. S. 175.
Es
[69]und dem urſpruͤnglichen Erwerbe.
Es geſchieht zuweilen, daß eine Nazion eine Stuͤck
Landes verlaͤßt und zu benutzen aufhoͤrt, aber ſich das
Eigenthum durch eine ausdruͤckliche Erklaͤrung vorbehaͤlt.
Merkwuͤrdig iſt hier unter andern der Fall, da 1774.
Grosbritannien den Beſitz der Inſel Falkland verließ und
dem Commandanten die Raͤumung derſelben befahl:
après avoir aſſuré les droits de la Couronne ſur ces
Isles de la manière que cela ſe pratique lorsque l’on
ne juge pas encore la poſſeſſion actuelle convenable:
il s’eſt rendu au fort Egmont et y a executé ſa com-
miſſion. En conſequence Mr. Clayton fit attacher
a ce fort vne plaque de plomb, ſur la quelle il avoit
fait graver l’inſcription ſuivante: Qu’il ſoit notoire
à toutes les Nations, que les Isles de Falkland, ainſi
que ce fort, les magaſins, Quais, Havres, Baies
et Griques qui en dependent, appartiennent de droit
vniquement a ſa très ſacrée Majeſté George III. Roi
de la Grande-Bretagne, de France et d’Irlande,
Defenſeur de la foi etc. En foi de quoi cette plaque
a été fixée et les pavillons de S. M. Britannique de-
ployés et arbores comme vne marque de poſſeſſion par
Samuel Guillaume Clayton, Officier commandant aux
Isles de Falkland, le 22. Mai 1774.Moſers Ver-
ſuch 5. Th. S. 455. ingl. deſſen Nordamerika 3. Th.
S. 307. Hier iſt nun freylich die Abſicht des Verlaſ-
ſenden nicht zu verkennen, nur widerſtreitet ſie dem
Grundſatz, daß niemand mehr ſich zueignen ſolle, als
er wuͤrklich beſitzen und benutzen kann. Moſer am letzt-
erwaͤhnten Orte, S. 308. bemerkt auch, daß die Eng-
laͤnder eine aͤhnliche franzoͤſiſche Schrift zerſtoͤrt und das
Land in Beſitz genommen haben.
abandonné étoit vn titre legitime pour le reclamer
ſur vne autre nation qui ſ’en eſt miſe en poſſeſſion et
qui en jouit paiſiblement, les François ſeroient en
E 3droit
[70]Von dem Eigenthum und Gebiete der Voͤlker
droit de demander la reſtitution d’Antigoa etc. ſagen
die franzoͤſiſchen Commiſſarien gegen Grosbritannien in
angez. Memoires T. I. P. 1. p. 316.
Io. Henr. Feltz diſſ. Excerpta controverſiarum illuſtr.
de rebus pro derelictis habitis, Argent. 1708.
Sam. Fr. Willenberg diſſ. de rebus pro derelictis habi-
tis in Exercit. Sabath. T. II. n. 14.
Dan. Fr. Hoheiſel diſſ. de ſundamentis in doctrina de
praeſcr. et derelictione gentium tacita, Hal. 1723.
Io. van Alphen diſſ. de rebus pro derelictis habitis,
Traj. 1733. 4.
eines Landes in Amerika durch die wilden Einwohner wie-
der vertrieben und ſolches nachher von einem dritten Volke
eingenommen worden habe ich ſchon oben in der Note
zum §. 9. in Anſehung der Inſel St. Lucie zwiſchen
Grosbritannien und Frankreich gedacht; welches letztere
iedoch mit den daſelbſt angefuͤhrten Grundſaͤtzen der er-
ſtern Krone nicht einverſtanden war, ſondern entgegnete:
Il eſt vrai, qu’il y a eu des intervalles pendant les-
quels les François en ont été depoſſedés: mais comme
l’inconſtance des Sauvages qui avoient été excités
par quelques nations voiſines en fut la principale cauſe,
l’abandon forcé ou involontaire d’vne poſſeſſion ne
ſauroit anéantir le droit du proprietaire etc. Mo-
ſers Beytraͤge in F. Zeit. 5. Th. S. 464.
cien poſſeſſeur inſtruit qu’vn autre poſſede et ayant
la liberté de reclamer, garde neanmoins le ſilence.
Memoires a. a. O. p. 306.
deinceps tamen pro derelicta eandem habeat. Puffen-
dorff L. IV. c. 6. §, 12. und Maſcov in den Noten
erinnert: in re quae pro derelicta tantum habetur,
vſucapione opus eſt antequam dominium mutaſſe dici
poſſit,
§. 196. u. f.
§. 9. angefuͤhrte Diſſertation des Titius de dominio in
rebus occupatis vltra poſſeſſionem durante. vergl.
C. H. Breuning diſſ. de praeſcriptione liberis genti-
bus incognita, Lipſ. 1752. c. 3.
ſuae, amiſſa licet poſſeſſione, nemo invitus amittit —
ſed retinet ius eandem recuperandi, quamdiu animum
recuperandi non depoſuerit aut depoſuiſſe cenſeatur.
Vnde talium rerum dominium per occupationem ad-
quiri non poterit prioris domini iure adhuc ſubſiſtente.
alicujus poteſtatis certam regionem habitationis ergo
occupat, territorium recte conſtituere dicitur. Sei-
denſticker com. de iure emigrandi Sect. II. §. 3.
P. II. c. 1. §. 17,
u. in diſſ. ae. T. II. p. 1037 — 1057.
que ejus diverſis acquirendi modis praeſertim deriva-
tivis, Tubing. 1740.
von Frankreich auch von ſeinen Eide: die Guͤter der
Krone
[78]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Krone nicht zu veraͤuſſern, los, um deſſen Abtretungen
im Frieden zu Cambrai 1529. eine Guͤltigkeit beizulegen:
Du Mont Corps Dipl. T. IV. P. 2. p. 61.
nien 1713. wurde z. B. nicht nur Art. 8. feſtgeſetzt:
quod neque Rex Catholicus neque heredes ſucceſſo-
resque ejus quilibetcunque, vllas ditiones, dominia
ſive territoria in America Hispanici iuris, vel vllam
eorundem partem, Gallis, ſive nationi alii cuicun-
que vendent, cedent, oppignorabunt, transferent aut
vllo modo vllove ſub nomine ab ſe et corona Hispa-
nica alienabunt, ſondern der Koͤnig von Spanien ver-
ſprach auch noch in einem Separatartikel: ſe in vllarum
cujuscunque generis aut vbicunque ſitarum ditionum
provinciarum aut terrarum ad coronam Hispaniae ſpe-
ctantium alienationem vlteriorem non eſſe conſenſu-
rum Schmauß C. I. Gent. T. II. p. 1422 u. 1428.
In dem Grenz- und Tanſchvertrage zwiſchen Frankreich
und Genf von 1749. trat erſteres der Republik gewiſſe
Stuͤcke ab: ſous la condition expreſſe qu’Elle ne
pourra jamais les aliener échanger, ceder ou donner
en quelque cas et ſous quelque prétexte que ce puiſſe
être. Moſers Verſuch 5. Th. S. 227.
Art. 14. wegen des an den Herzog von Savoyen abge-
tretenen Koͤnigreichs Sicilien beliebt: vt — regnum
Siciliae nullo ſub praetextu nulloque prorſus modo
alienari donarive poſſit principi aut ſtatui cuilibetcun-
que praeterquam regi Hispaniae Catholico et heredi-
bus ac ſucceſſoribus ſuis. M. vergl. den Utrechter
Friedenstractat zwiſchen Spanien und Savoyen 1713.
Art. 6. und die Ceſſionsacte vom 10. Jun. 1713.
Art. 4.
Gihraltar und der Inſel Minorca verſpricht Art. 10. quodſi
Coronae
[79]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Coronae Magnae Britanniae commodum olim viſum
fuerit donare vendere aut quoquo modo ab ſe alienare
dictae vrbis Gibraltaricae proprietatem, vt prima ante
alios ejus redimendae optio Coronae Hispanicae ſem-
per deferatur; und Art. 11. quodſi quando inſulam
Minorcae et portus, oppida locaque in eadem ſita a
Corona regnorum ſuorum quovismodo alienari in po-
ſterum contigerit, dabitur Coronae Hispanicae ante
nationem aliam quamcunque prima optio poſſeſſionem
et proprietatem praememoratae inſulae redimendi.
des Gleichgewichts [1. Th. 1. B. 5. K.] augenſchein-
lich durch die Veraͤuſſerung leiden und den Nachbarn ein
offenbarer Nachtheil zugefuͤgt werden oder eine etwa uͤber-
nommene Garantie der die Veraͤuſſerungen verbietenden
Staatsgrundgeſetze es erfodern ſolte. Der von dem
Hauſe Oeſterreich vor einiger Zeit beabſichtigte Austauſch
der oͤſterreichiſchen Niederlande gegen Bayern veranlaſte
uͤber die hierunter guͤltigen Grundſaͤtze mancherley merk-
wuͤrdige Erklaͤrungen der europaͤiſchen und teutſchen Hoͤfe.
Preuſſen aͤuſſerte: daß, da durch den Tauſch von ganz
Bayern gegen die Niederlande das Gleichgewicht von
Teutſchland und ſelbſt von Europa verlohren gehen wuͤrde,
ſo koͤnne dem Kurhauſe Brandenburg, welches natuͤrlich
das erſte Opfer davon ſeyn wuͤrde, ſo koͤnne einem Koͤ-
nige von Preuſſen wohl mit Grunde nicht verdacht wer-
den, wenn er einen ſolchen an ſich nicht rechtmaͤſſigen,
ſondern der Reichsverfaſſung und den Friedensſchluͤſſen
zuwiderlaufenden Laͤndertauſch durch conſtitutionsmaͤſſige
Mittel zu hemmen ſuche; und behauptete: daß weil
die pfalzbaieriſchen Hausvertraͤge die Veraͤuſſerung der
Lande ausdruͤcklich verboͤten und ſolche in dem Teſchner
Frieden beſtaͤtigt worden waͤren, dieſer aber mit allen
ſeinen beſondern Vertraͤgen von S. Maj. dem Koͤnig und
vom Kurfuͤrſten zu Sachſen als vorzuͤglichen Contrahenten
und
[80]Von Erlangung des Eigenthums von andern
und von den beiden vermittelnden Maͤchten, den Hoͤfen
von Rußland und Frankreich, dann auch von dem gan-
zen Reiche garantirt ſey, ſo folge daraus, daß niemals
irgend ein Umtauſch von Bayern, ohne Einwilligung und
Mitwuͤrkung aller dieſer Maͤchte und vorzuͤglich ohne iene
des Koͤnigs und ſeiner Reichsmitſtaͤnde Statt haben koͤnne.
Auf die oͤſterreichſche Erwiederung: daß, nach den
eigenen vormals bey aͤhnlicher Gelegenheit angenomme-
nen preuſſiſchen Grundſaͤtzen, die Contrahenten und Ga-
rants des Teſchner Friedens durch die Beſtaͤtigung und
Garantie der pfaͤlziſchen Hausvertraͤge kein Recht bekom-
men, noch ſich vorbehalten haͤtten, uͤber die Neuerung
derſelben einige Beurteilung ſich anzumaſſen, und dieſe
Hausvertraͤge durch ſolche Garantie ſo wenig ein unver-
aͤnderliches Geſetz geworden, als andere Vertraͤge von
Reichsfuͤrſten, daß allein die Fuͤrſten des Hauſes Pfalz
dabey intereſſirt waͤren und die Erfuͤllung der Hausver-
traͤge verlangen koͤnten, und wenn dieſe ſich vereinigten,
eine andere Einrichtung zu machen, niemand dagegen
etwas zu ſagen haͤtte ꝛc. antwortete Preuſſen: daß, nach-
dem S. K. M. mit dem Wiener Hofe uͤber ſeine ver-
meintlichen Rechts- und Tauſchanſpruͤche an Bayern einen
Krieg gefuͤhrt, nachdem dieſer Hof in dem Teſchner Frie-
den allen ſeinen Anſpruͤchen entſaget und in demſelben alle
pfalzbaieriſche Hausvertraͤge, welche allen Tauſch ihrer
Laͤnder verbieten, beſtaͤtigt und garantirt worden, ſo
koͤnne kein Tauſch von Bayern [naͤmlich des ganzen
Herzogthums oder des groͤſten Theils deſſelben] mehr
Statt haben, ohne ausdruͤckliche Einwilligung der haupt-
ſchlieſſenden und garantierenden Theile dieſes Friedens.
M. ſ. die gewechſelten Staatsſchriften unter andern in
Reuß teutſcher Staatskanzley 12. Th. beſ. S. 246.
302. 304. u. 313. vergl. [v. Steck] Eclairciſſemens
de divers ſujets intereſſans pour l’homme d’état etc.
Ingolſt.
[81]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Ingolſt. [Berlin] 1785. c. 3. de l’échange des états
principalement de ceux de l’empire.
Io. Nic. Hertii diſſ. de diviſione regnorum vel quaſi
Gieß. 1710.
Burc. Goth. Struvii Iurisprudentia heroica P. VII.
c. 2. de illuſtrium facultate circa res ad pertinentes
disponendi. Doch nehmen dieſe Schriften mehr
Ruͤckſicht auf die Staatsrechtlichen Grundſaͤtze.
ſich bringen und umgekehrt- Dies verlangt nicht nur
Guͤnth. Volk. R. 2. B. Fdas
[82]Von Erlangung des Eigenthums von andern
das Teſtament Koͤnig Karls II. von Spanien vom 2. Oct.
1700. Art. 13. ſondern es iſt auch in den Utrechter Frie-
densſchluͤſſen von 1713. zwiſchen Frankreich und den
vereinigten Niederlanden Art. 31. zwiſchen Spanien und
Grosbritannien Art. 2. und zwiſchen Frankreich und
Grosbritannien Art. 6., in dem Frieden zwiſchen Spa-
nien und den vereinigten N. L. von 1714. Art. 37. und
in mehrern Vertraͤgen auch in dem Wiener Frieden von
1725. zwiſchen Kaiſer Karl VI. und Spanien Art. 3.
feſtgeſetzt, in welchem letztern es heißt: Quandoquidem
vnica quae excogitari potuit ratio ad conſtituendum
duraturum in Europa aequilibrium ea viſa fuerit vt
pro regula ſtatuatur ne regna Galliae et Hispaniae
vllo vnquam tempore in vnam eandemque perſonam
nec in vnam eandem lineam coalescere vnirique poſ-
ſent, iſtaeque duae Monarchiae perpetuis futuris tem-
poribus ſeparatae remanerent.
Eben ſo hat man ſich in dem Utrechter Frieden zwi-
ſchen Frankreich und den Vereinigten N. L. Art. 14.
auch verglichen: qu’aucune province, ville fort ou
place des Pais-Bas Espagnols, ni de ceux qui ſont
cédés par S. M. très Chretienne ſoient jamais cédés,
transportés, ni donnés, ni puiſſent échoir à la Cou-
ronne de France ni à aucun prince ou princeſſe de la
maiſon ou ligne de France [ni autre qui ne ſera pas
ſucceſſeur des états de la maiſon d’Autriche en Alle-
magne. Barrieretract. zw. Kaiſer Karl VI. Grosbritan-
nien und den V. N. L. 1715. Art. 2. [ſoit en vertu
de quelque don, vente, échange, convention matri-
moniale, ſucceſſion par teſtament, ou ab inteſtat,
ou ſous quelque autre titre que ce puiſſe être, ni
être mis de quelque manière que ce ſoit au pouvoir
ni ſous l’autorité du Roi Très-Chretien ni de quel-
que prince ou princeſſe de la maiſon ou ligne de
France. M. vergl. auch den Barrieretract. zw. Gros-
britt.
[83]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
britt. und den V. N. L. von 1709. Art. 12. und von
1713. Art. 10.
Ob aus einem ſolchen Verſprechen auch andere Nazio-
nen auſſer den Contrahenten, ein Recht erlangen, ſich
der Erwerbung zu widerſetzen daruͤber wurde unter an-
dern ebenfals bey Gelegenheit des nurgedachten Baieri-
ſchen Tauſches geſtritten. Preuſſen aͤuſſerte in der da-
mals bekantgemachten Erklaͤrung der Urſachen ꝛc.
„Auch ſolte das Haus Oeſterreich nicht vergeſſen, daß
es in dem Barrieretr ꝛct. von 1715 den Seemaͤchten zu-
geſagt hat, es wolle keinen Theil der Vereinigten N. L.
iemals einem Fuͤrſten veraͤuſſern, der nicht vom oͤſterrei-
chiſchen Hauſe waͤre. Eine Verbindlichkeit die ohne Ein-
willigung der contrahirenden Theile nicht kann aufgeho-
ben werden. Oeſterreich entgegnete in der Pruͤfung
der Urſachen ꝛc.: Noch iſt es in Europa ganz unbe-
kant, daß die zwo Seemaͤchte ihre allfaͤlligen Rechte und
Befugniſſe der Obſorge des koͤnigl. preuſſiſchen Hofes
uͤbergeben haben. Sobald derſelbe hierzu mit der erfor-
derlichen Gewalt und Volmacht erſcheinen oder allenfals
die Seemaͤchte ſelbſt mit der hier angefuͤhrten beſchwerſa-
men Einwendung gegen den K. K. Hof hervortreten ſol-
ten, wird derſelbe nicht ermangeln hieruͤber — alle
dienſame Erlaͤuterungen zu geben. Die Preuſſiſche
Beantwortung war: Es kann keinem freien Staate
verargt oder verwehrt werden, einen ſolennen und oͤffent-
lich bekanten Tractat, wenn er ihn auch ſelbſt nicht ge-
ſchloſſen, anzufuͤhren — Nicht allein die Seemaͤchte
ſondern auch ganz Europa und das teutſche Reich haben
ein weſentliches Intereſſe, daß der Barrieretract. unver-
bruͤchlich beobachtet werde. ſ. Polit. Journal November
1785. S. 1112. und Reuß a. a. O. S. 219. 254.
u. 339.
Es komt hier allerdings auf den Grund ienes Verbots
an. Iſt dieſer algemein und zum Beſten der uͤbrigen
F 2Nazio-
[84]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Nazionen angenommen, wie in dem vorangefuͤhrten Wie-
ner Frieden: ad conſtituendum duraturum in Europa
aequilibrium, ſo iſt wohl kein Zweifel daß andern ein
Widerſpruchsrecht bleibt, wenn gleich die contrahirenden
Theile einverſtanden waͤren.
licher Nachbarſchaft ſind auch die gewoͤhnlichſten Urſa-
chen, einem Volke die Erwerbung mehrerer Lande oder
deren Eintauſch zu verwehren; wiewohl Moſer [Grundſ.
des itztuͤbl. Europ. V. R. in Fr. Zeit. 4. B. 11. K. §. 5.
6.] ſolche nicht fuͤr hinlaͤnglich zur Hindernis anſieht:
indes ſagt er, ſey es eine andere Frage: ob es dennoch
nicht geſchehen wuͤrde? Davon geben aber beſonders die
Streitigkeiten und Kriege wegen der ſpaniſchen Erbfolge,
nach dem Tode Karls II. von Spanien, im Anfange
dieſes Jahrhunderts und das mehrgedachte baierſche
Tauſchproject den einleuchtendſten Beweis. In Anſe-
hung der erſtern ſind die Kriegserklaͤrungen gegen Frank-
reich und andere Staatsſchriften voll von dieſen Grund-
ſaͤtzen. Nur einiges anzufuͤhren, heißt es in dem Ma-
nifeſte des Erzherzog Karl, als angeblichen Koͤnigs von
Spanien vom Jahre 1704. le danger pour l’Espagne
et pour toute la Chretienté ne ſeroit gueres moindre
ſi ces deux grandes couronnes étoient jointes dans la
même maiſon de Bourbon ſi formidable deja, et ſi
deux rois ſi étroitement vnis et dont les grands pays
ſont joints immediatement et de plein pied ſe trou-
voient en état de ſ’entr’aider à opprimer — même
la liberté de l’Europe etc. Ja es werden ſogar der
franzoͤſiſche Atheismus und andere Gruͤnde gegen die Ver-
einigung dieſer beiden Reiche vorgebracht. In dem Ma-
nifeſte des Koͤnigs von Portugal wird von dem bekanten
Partagetractat unter andern geſagt: ita formidinem tolli
duorum imperiorum inter ſe conjungendorum, quod
haud dubie formiduloſum foret caeteris Europae regnis,
Luſi-
[85]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Luſitanis praeſertim, cum Gallia cum Hispania con-
juncta continenti terrarum ſtatu haud vanam finitimo
regno timorem injicere deberet. — Nam ſi duo ea
imperia in vnum coirent, quae maximam totius orbis
partem complectuntur, per quam ſuspecta ac formi-
duloſa omnibus fieret ipſa duarum ampliſſimarum gen-
tium indoles etc. Memoires de Lamberty T. III.
p. 248. u. 275. ff.
Grosbritannien den Vorkauf an der dieſer Krone abgetre-
tenen Inſel Minorca und an der Feſtung Gibraltar be-
dungen. In der Wiener Allianz von 1725. ließ daher
der Koͤnig von Spanien vom Kaiſer Karl VI. Art. 2.
ſich verſprechen: S. Caeſ. Maj. huic reſtitutioni, ſi
amicabiliter fieret, ſeſe non oppoſituram. Eine be-
ſondere Bedingung machte die Kaiſerin Koͤnigin 1778
in dem baieriſchen Erbfolgskriege dem Koͤnige von Preuſ-
ſen, indem ſie ihm, auſſer der kuͤnftigen Vereinigung
der Anſpach-Bayreuthiſchen Lande, zwar auch deren
Austauſch zugeſtehn wolte, bien entendu néanmoins
que les acquiſitions à faire ne puiſſent porter ſur au-
cun pays immediatement limitrophe aux états actuels
de S. M. l’Impératrice Reine Reuß a. a. O. S. 324.
I. G. P. II. c. 2. §. 17.
kann ein Volk allenfalls auch das Eigenthum uͤber einen
ſolchen Theil des Meeres erlangen, der urſpruͤnglich
keines Eigenthums faͤhig iſt, wenn naͤmlich die uͤbrigen
Voͤlker ſich verbindlich machten, darauf nicht zu ſchiffen
und ſonſt keinen Nutzen daraus zu ziehn. Von einigen
Voͤlkern, welche zu Gunſten einer andern Nazion ſich
dieſes Rechts begeben haben werden unten bey der Ma-
terie von der Schiffahrt Beyſpiele vorkommen.
§. 15. etc. C. Wolff. Inſt. I. Nat. et G. P. II. c. 5.
§. 320. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 12. u. Schol. I.
ferendum dominium, Heidelb. 1676. und in Exerc.
curios. T. I. n. 19. p. 213 — 216. ingl. Sam. a Coc-
ceji in introduct. ad H. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ.
prooem. XII. L. IV. c. 3. Sect. I. §. 268. n. 6. u.
ff. I. G. Kulpis Colleg. Grotian. Exercit. V. §. 1.
I. N. Hertius in not. ad Puffend. bey der nachher an-
gez. Stelle.
ſagt Wolf a. a. O. dominio translato transferens quo-
que obligatur ad transſerendam poſſeſſionem — trans-
lato dominio res quoque tradenda et apprehendenda.
Atque hinc patet ad translationem dominii naturaliter
non requiri traditionem. Ich muß geſtehn, daß ich
dieſe Folge nicht recht einſehe. Wie kann man ſagen:
translato
[89]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
translato dominio etc. da eben die Frage iſt, ob das
Eigenthum durch den bloſſen Vertrag uͤbergegangen ſey?
Mir ſcheint eher zu folgen, daß, wenn ohne Beſitz kein
Eigenthum ausgeuͤbt werden kan, das Eigenthum nicht
eher vorhanden ſey, als bis die Beſitzeinraͤumung erfolgt.
Der Eigenthuͤmer muß ſein Recht wenigſtens ausuͤben
koͤnnen, wenn er will, bevor er aber nicht kan, iſt er
auch nicht Eigenthuͤmer.
Geſetzgebungen vor der Uebergabe, wenn der Erwerber
ſich keiner Nachlaͤſſigkeit ſchuldig macht, der Veraͤuſſerer
den etwa eintretenden Schaden zu tragen hat, wiewohl
die roͤmiſchen Rechtslehrer anderer Meinung ſind. Gro-
tius L. II. c. 12. §. 15. wo er auch die Frage ganz
richtig entſcheidet: wer, wenn ebendieſelbe Sache zweien
verkauft worden iſt, den Vorzug habe? Illud quoque
ſciendum, ſagt er daſelbſt, ſi res bis ſit vendita, ex
duabus venditionibus eam valituram quae in ſe con-
tinuit praeſentem dominii translationem ſive per tra-
ditionem ſive aliter. Per hanc enim facultas moralis
in rem abiit a venditore, quod non fit per ſolam pro-
miſſionem. Schrodt hingegen a. a. O. §. 21. in der
Note behauptet, daß der, dem die Sache durch Ver-
trag zuerſt verſprochen worden, vorzuziehen ſey. Das
Recht ſich deshalb an den Verkaͤufer zu halten wird man
dieſem eben ſo wenig abſprechen, als ienem das durch
Beſitz erlangte Eigenthum ſtreitig machen koͤnnen. M.
vergl. indeſſen Puffendorff L. V. c. 5. §. 3. und
Barbeyrac in den Noten zur franz. Ueberſetzung des
Grotius L. II. c. 12. §. 15. und Sam. a Cocceji l. c.
§. 268. n. 22. u. §. 426.
dominii ex promiſſis principum, Hal. 1732. 4.
ausdruͤcklich erwaͤhnt. Man ſehe z. B. den Kaufkon-
F 5tract
[90]Von Erwerbung des Eigenthums von andern
tract uͤber Duͤnkirchen und die franz. Volmacht zur Ueber-
nahme in Memoires d’Eſtrades T. I. p. 413. ed, von
1743. und in dem Kauf uͤber Finale von 1713. wurde
dieſes Marqviſat an Genua cum omnibus iis, cum
quibus ab Anteceſſoribus noſtris et a nobis poſſeſſus
eſt et ad traditionem usque poſſidetur. Bey Ge-
legenheit der bekanten Streitigkeiten zwiſchen Grosbri-
tannien und Frankreich wegen der Grenzen in Arkadien
und verſchiedener anderer Inſeln ſagen die franzoͤſiſchen
Commiſſarien in den Anmerkungen uͤber das Grosbritan-
niſche Memoire v. 15. Novbr. 1751. que pluſieurs
ceſſions et ventes qui ſe ſuccedent l’vne à l’autre
ſans interruption et qui toutes ſont accompagnées
de tradition réelle et ſuivies de poſſeſſion paiſible et
publique denotent et confèrent vn droit de propriété
actuelle etc. Memoires des Commiſſaires de S. M.
T. C. et de ceux de S. M. Brit. etc. à Amſt. 1755.
8. T. I. p. 433. In dem Verkaufe der Stadt Avignon
von der Koͤnigin Johanna von Sicilien an den Papſt
1358 erklaͤrt erſtere zwar, daß ſie blos precario nomi-
ne und an Statt des Papſtes von Errichtung des Ver-
trages an im Beſitz bleiben wolle, donec poſſeſſio —
fuerit per ipſum Papam — realiter apprehenſa, giebt
ihm auch zugleich die Erlaubnis poſſeſſionem — au-
toritate propria quandocunque voluerit apprehenden-
di; allein ſie hatte das verkaufte Gebiet dem paͤpſtlichen
Bevolmaͤchtigten bey dem Vertrage bereits ſymboliſch
uͤbergeben, Papam, ſagt ſie in demſelben, in perſonam
procuratoris ſui per traditionem annuli noſtri de
iisdem liberaliter inveſtimus. Leibnitz Cod. I. G.
p. 201.
Gewoͤhnlich geſchehen dergleichen Uebergaben ſymbo-
liſch blos durch gewiſſe Zeichen. M. vergl. Io. Gtfr.
Schaumburg diſſ. de traditione ſymbolica, Viteb.
1727. u. Ickſtatt Elem. I. G. L. III. c. 3. §. 12. Schol. I.
latiuis, Gieß. 1691. u. in Opuſc. Vol. I. T. 3.
p. 65 — 94.
Theilungstractat, welcher 1700. wegen der bekanten
ſpaniſchen Erbfolge geſchloſſen wurde, aufgefuͤhrt, in-
dem Art. 9. feſtgeſetzt wird, daß das Koͤnigreich Spa-
nien eben ſo wenig iemals an denienigen, welcher zu-
gleich roͤmiſcher Kaiſer oder Koͤnig, als an den, welcher
Koͤnig von Frankreich oder Dauphin ſeyn wuͤrde, kom-
men ſolle: ſoit par ſucceſſion, teſtament, contract
de mariage, donation, échange, ceſſion, appel,
revolte ou quelque autre voïe que ce ſoit. M. vergl.
den vorang. Art. 14. des Utrechter Friedens zw. Frank-
reich und den V. N. Landen. Sie laſſen ſich allenfals,
wie einige wollen, unter zwey Hauptgattungen bringen,
unter Abtretung [freiwillig] und Abnahme [genoͤthigt]
M. ſ. Io. Fr. Wilh. de Neumann Medit. iur. priv.
princip. T. IV. p. 55.
Erbfolge, Wahl ꝛc. haben zwar mehr perſoͤnliche Bezie-
hungen auf die Regenten der Nazionen, da ſolche aber,
wenigſtens in Erbreichen, meiſtens auch dieſen zu gute
kommen, wenn kein Hindernis der Vereinigung vorhan-
den oder es vielmehr wohl gar ausgemachter Grundſatz
iſt, wie in Frankreich, daß alle Guͤter welche der Koͤnig
vor der Gelangung zum Thron beſeſſen, und er ſonſt
durch Erbrecht, Geſchenke, oder andere Faͤlle erwirbt,
dem Koͤnigreiche einverleibt werden muͤſſen, wie das
Parlement zu Tours unter andern 1590. gegen Koͤnig
Heinrich IV. behauptete, welcher ſein vaͤterliches Erbkoͤ-
nigreich Navarra von der Krone Frankreich abgeſondert
wiſſen wolte [Real Science du Gouv. T. II. c. 7.
Sect. I. §. 15.] die neuſten Vorgaͤnge zu geſchweigen;
ſo kann man ſie in gewiſſer Ruͤckſicht fuͤglich auch als
Erwerbungen der Nazionen betrachten.
dern in dem Nimwegiſchen Frieden zwiſchen Frankreich
und Spanien 1678. Art. 14. que les enclaves ont
cauſées dans l’execution du traité d’Aix la Chapelle,
et rétablir pour toujours la bonne intelligence entre
les deux couronnes, il a été accordé que les terres —
enclavées — ſeront echangées contre d’autres qui
ſe trouveront plus proches des places et a la bien-
ſéance de S. M. Catholique etc.
ſiſtens exempla alienationum illuſtrium mediante per-
mutatione factarum.
Cod. I. G. p. 200.
tionum illuſtr. ſiſtens. und Moſers Verſuch 5. Th.
S. 139. u. ff.
Journ. November 1784. S. 2002, vergl. Auguſt
S. 461.
[kanten]Theatro praetenſionum.
fuͤr den Koͤnig in Portugal, conceſſit facultatem quo-
cunque Saracenos et Paganos aliosque Chriſti inimi-
cos vbicunque conſtitutos, ac regna, ducatus, prin-
cipatus, dominia poſſeſſiones et mobilia ac immobi-
lia bona quaecunque per eos detenta ac poſſeſſa in-
vadendi, conquirendi, expugnandi, debellandi et
ſubiugandi, illorumque perſonas in perpetuam ſervi-
tutem redigendi ac regna ducatus etc. ſibi et ſueceſ-
ſoribus ſuis applicandi, appropriandi ac in ſuos ſuc-
ceſſorumque vſus et vtilitatem convertendi. Schmauß
C. I. G. T. I. p. 114.
Mich. Conr. Curtius diſſ. de donationibus regnorum
et regionum a Pontificibus Romanis factis, Marb.
1772. 4.
8. T. II. p. 196.
hardi, Halle 1774. 8. S. 80. ff.
dote et pactis dotalibus exterorum §. 37. ſeqq.
Real Science d. G. T. VI. c. 2. Sect. 2. §. 7.
T. IV. p. 383.
T. I. p. 230. ed. de 1765.
principatibus iure vxorio adquiſitis §. 28.
T. II. p. 11. 16. u. 69.
ten Toͤchter nicht etwa von der Erbfolge ausſchlieſſen,
wie in Portugal das Grundgeſetz zu Lamego.
P. III. c. 1. Sect. 3. §. 26.
laͤngere oder kuͤrzere Vereinigung mehrerer Reiche erfolge
komt theils auf die errichteten Ehevertraͤge, theils auf
die Grundgeſetze der Reiche an, wie z. B. die obenange-
fuͤhrten in Frankreich. Zuweilen bleiben indes auch beide
Reiche gaͤnzlich abgeſondert, ſo daß der Gemal gar kei-
nen Theil an der Landesregierung ſeiner Gemalin nimt.
Beiſpiele hiervon geben die Vermaͤlungen Koͤnig Philip II.
von Spanien mit der Koͤnigin Marie von England, und
Koͤnig Franz II. von Frankreich mit der Koͤnigin Marie
von Schottland, auch Anfangs die Vermaͤlung Ferdi-
nands von Arragonien und Iſabelle von Kaſtilien, ob-
ſchon durch dieſe Heirath der Grund zur Vereinigung
beider Reiche gelegt wurde. Gemeiniglich erfolgt wenig-
ſtens in den beiderſeitigen Erben eine Verbindung: ob
dieſe aber nur perſonell oder real ſey zeigt ſich unter an-
dern hauptſaͤchlich beim Abgang der ganzen beſitzenden
Linie. M. vergl. Real a. a. O. T. IV. c. 2. Sect. 7.
§. 47. und F. L. W. v. Steck Abh. von dem Gemal
einer Koͤnigin, Berlin 1777. 8.
ejusque effectibus ſecundum Ius Nar. Ien. 1746.
c. 11. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 16.
diſſ. prooem. X. §. 12. et 13. cum rebus terrae in
vniuerſum occupatis nihil amplius ſuperſit quod occu-
pari poſſit, vel non quantum ſufficit — homines oc-
cupatis rebus nati — ſuccedunt, in oceupationem
parentum. M. vergl. Diſſ. prooem. XII. L. IV. c. 3.
Sect. 2. §. 278. ff.
Science d. G. T. IV. c. 2. Sect. 11. §. 77. ff.
generatim und beſonders auch c. 4. de ſucceſſione foe-
minar, illuſtr. in regna etc.
iſt auch unter Nazionen und deren Regenten, wenn die
Staatsgrundgeſetze es erlauben, die Annahme an Kin-
desſtatt, wovon in der Geſchichte verſchiedene Beiſpiele
vorkommen. So wurde z. B. Koͤnig Alphons V. von
Arragonien von der Koͤnigin Johanna II. von Neapel
an Kindesſtatt angenommen und gelangte dadurch zum
Beſitz dieſes Koͤnigreichs, ungeachtet die Koͤnigin Jo-
hanna nachher aus Unzufriedenheit uͤber ihn Ludwig III.
von Anjou an ienes Stelle geſetzt hatte. Die Republik
Venedig erklaͤrte die Tochter des Senator Markus Cor-
naro, vor ihrer Verheirathung mit dem Koͤnige Jakob
von Cypern zur Tochter der Republik, und maaſte ſich
deshalb des von ihrem Gemal hinterlaſſenen Koͤnigreichs
an. Grotius L. II. c. 7. §. 12. 14. ff. Struv. a. a.
O. P. IV. c. 5. Sect. 1. de adoptionibus illuſtrium
§. 30. und Sect. 3. de adoptionibus regum et prin-
cip. exter. de Neumann Med. Iur. princ. priv. T. III.
L. 1. c. 8. §. 144.
1699. und in Exerc. curios. Vol. II. p. 377 — 401.
Sam. Cocceji Introd. cit. diſſ. prooem. XII. L. 4. c. 3.
Sect. 4. §. 293. ſeqq.
Steph. Wiſcher diſſ. de teſtamentis I. Nat. ignotis
Ultraj. 1720.
L. IV. c. 10. Ickſtatt L. III. c. 3. §. 14. Schrodt
P. II. c. 2. §. 30. ſ. m.
G 5Diet.
[106]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Diet. Goth. Eckard diſſ. an et in quantum I. Nat. pa-
rentes obligentur ad hereditatem liberis poſt obitum
relinquendam, Lipſ. 1720.
Io. Gotfr. Speirmann diſſ. qua teſtamenta I. N. eſſe
demonſtratur, Helmſt. 1747.
teſtamentaria regum et principum Lugd. Bat. 1752.
p. 190.
Iurispr. Her. P. IV. c. 5. Sect. 3. §. 19.
rumque perſonarum illuſtrium pactitia per confraterni-
tatem, Kilon. 1672.
Casp. Wilh. Ioſ. Goedden diſſ. de pactis ſueceſſoriis
confraternitatibus principum etc. Duisb. 1728.
la propriété de ſes dits Etats et Duchés de Lorraine
et de Bar, leurs dependences et annexes pour en
jouir après ſon decès en tous droits de Souveraineté
et demeurer vnis et incorporés à la couronne de
France à jamais. Du Mont C. D. T. VI. P. 2.
p. 401. M. vergl. Puffendorff I. N. et G. L. IV.
c. 10. §. 9.
§. 8. ff.
Republick Genua ꝛc. Leipz. u. Hann. 1747. §. 16. ff.
nus congruum, ſagt daher Koͤnig Karl XI. von Schwe-
den 1689 in einem Beſchwerdeſchreiben an den Kaiſer
gegen Daͤnemark in den damaligen Streitigkeiten wegen
Holſtein-Schleswig, quam vt quis poſſeſſionibus ſuis
legitimis per vim dejiciatur et ad ſua alienis commu-
tanda invitus adigatur. Quod prodi poterit exem-
plum pernicioſius ad fas nefasque omne miſcendum
et vt potentiores quaevis ſibi licere in infirmiores
credant? Lünig literae proc. Europ. P. III. p. 219.
baieriſchen Lande in den neuſten Zeiten ſind bekant. Zu
den bedungenen Abtretungen rechnet Moſer unter andern
die Uebereinkunft zwiſchen Preuſſen und Sachſen im
Dresdner Frieden 1742. und Hubertsburger 1763. we-
gen des Zolls zu Fuͤrſtenberg und Dorfs Schidlo. Mo-
ſers Verſuch 5. Th. S. 435.
vergl. 8. Th. S. 214.
261. Der Koͤnig von Spanien ließ, als er von dem
erſten Theilungsvertrage Nachricht bekam, dem Gros-
britanniſchen Miniſterium zu erkennen geben: le reſſen-
timent que cauſent a S. M. ces opérations et proce-
dés qui n’ont jamais été vus ni entrepris par aucune
nation ſur les intéréts ou ſucceſſion d’vne autre —
que ſans vne avarice deteſtable on ne ſe laiſſeroit
pas emporter à l’ambition d’vſurper et de boulever-
ſer le pays d’autrui. Que ſi cela ſe permettoit et
n’étoit pas contraire à la loi naturelle, il n’y auroit
aucune nation ni domination en ſureté contre les ma-
chinations et tromperies de la plus forte ou de la
plus malicieuſe, au lieu que la raiſon et non la force
limite les nations. Aehnliche Erklaͤrungen geſchahen
auch gegen die vereinigten N. L. Memoires de Lam.
berty T. I. p. 21. u. 24.
la iuſte attente que la republique de Genes facilitera
autant qu’il ſera néceſſaire vne dispoſition ſi indiſpen-
ſablement requiſe pour la liberté et ſureté de l’Italie
en conſideration de la ſomme qui ſera trouvée être
du à la dite republique. Die Republick beſchwerte ſich
aber hoͤchlich daruͤber beſonders bey Grosbritannien ſo-
daß es zum Kriege mit Sardinien kam, in welchem letz-
tere Krone zwar Finale 1746. eroberte, es aber beim
Aachner Frieden wieder herausgeben muſte. In der
Vor-
[112]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Vorſtellung an Grosbritannien heißt es unter andern:
Le droit le plus ſacré de la nature et de gens, la ré-
ligion des traités etc. — intereſſent trop la gloire de
V. M. et de toute la nation Britannique pour que la
republique ne ſoit pas à l’abri d’vne violence auſſi
manifeſte — Les Senateurs — ont déclaré: que la
republique ne ſe determineroit jamais volontairement
a cette ceſſion — qu’elle ne pouvoit reclamer en
ſa faveur que la juſtice et la foi des traités le plus
ſolemnels et qu’elle espéroit toujours de la religion
et de l’équité des puiſſances qui ont conclu le traité
de Worms qu’elles ne voudroient pas ſacrifier la
republique à des ſimples raiſons de convenance.Mo-
ſers Verſuch 5. Th. S. 140. u. 464.
ſen geſteht ſelbſt, daß dies das erſte Beiſpiel ſey, wel-
ches die Geſchichte von einer Theilung aufweiſen koͤnne,
die zwiſchen drey Maͤchten friedlich angeordnet und voll-
endet worden, und daß ohne den Umſtaͤnden, worinn
Europa ſich damals befand, der geſchickteſte Staats-
mann damit geſcheidert ſeyn wuͤrde. Oeuvres posth.
T. V. In den Staatsſchriften der Republick Polen an
die Theilenden und andere Hoͤfe wurde geſagt: que le
demembrement étoit contraire au droit des nations —
que le motif le plus vrai de cette entrepriſe étoit la
force de ces puiſſances — que les titres auxquels
il ſe fait ne pouvoient être admis ſans infirmer la
ſureté des poſſeſſions de toutes les ſouverainetés du
monde, ſans ébranler la baſe de tous les trones und
der Koͤnig erklaͤrte: qu’il regardoit l’occupation actu-
elle des provinces de la Pologne par les cours de
Vienne, de Petersburg et de Berlin comme injuſte,
violente et contraire a ſes legitimes droits. M. ſ.
Moſers Beitraͤge in Frz. 5. Th. S. 28. u. ff.
kerrechte gemaͤs ſey, wenn fremde Maͤchte von den Lan-
den eines dritten Vertraͤge unter einander machen?
1746. 4.
Grosbritannien 1713. Art. Sep. l. bedungen war: Cum
S. Reg. M. Catholica ex parte ſuaſolemniter ſpondeat,
ſe in vllarum cujuscunque generis aut vbicunque ſi-
tarum ditionum provinciarum aut terrarum ad coro-
nam Hispaniae ſpectantium alienationem vlteriorem
non eſſe conſenſuram, proinde S. R. M. Magnae Bri-
tanniae ex parte ſua reciproce ſpondet — ne quis
ex partibus belligerantibus in pace ineunda vlteriorem
partem alicujus Monarchiae Hispaniae avulſionem a
R. S. M. Catholiea exigat aut adipiſcatur.
die Wegnahme und den Abfall der Lande exemtiones
und rechnet ſie ad alienationes invitas.
Niederlanden: Joh. Aug. Schlettwein die Ungerech-
tigkeit der Trennung der N. L. vom Hauſe Oeſterreich
und die Forderungen des europaͤiſchen Staats- und Voͤl-
kerrechts wider dieſelbige 1790. 8.
gegen Rußland v. 21. Jul. 1788 heißt es: Es iſt eine
ſeit vielen Jahren bekante Sache, daß Rußland kurz
nach dem Frieden von Abo den Plan entwarf, Finnland
von Schweden zu trennen und unter dem beſondern Schein-
vorwande daſſelbe Land unabhaͤngig, in der That nur
eine Lehnsprovinz von Rußland, wie Curland es heut-
zutage wuͤrklich iſt, daraus zu machen NElb. Magaz.
Sept. 1788. S. 1065. u. ff.
S. 643.
lich errichtete Document ſ. m. beim Dumont Corps
dipl. Tom. VI. P. 1. p. 197.
de fundamentis in doctrina de praeſcr. et derelictione
gentium tacita, Hal. 1723. §. 21. 22. u. ff.
preuſſiſchen Deduction bey Gelegenheit der Theilung von
Polen wird von den Kurfuͤrſten zu Brandenburg geſagt:
comme ils ont en même temps pris et conſervé jus-
qu’à nos jours les armes et le titre des ducs de Po-
meranie, nom qui eſt propre et particuliérement
affecté au duché de Pomerellie ils ont conſervé par
là leurs pretenſions ſur ce pays etc. Recueil des
Deductions du Comte de Herzberg T. I. p. 344.
zwiſchen beiden Woͤrtern. Uſucapio braucht er von dem
Erwerber, praeſcriptio von dem der ein Recht oder
Eigenthum verliert. Im Teutſchen wird: Veriaͤhrung
ſo wie im Franzoͤſiſchen: préſcription von beiden geſagt.
Vergl. Vattel L. II. c. 11. §. 140.
Ickſtatt L. III. c. 3. §. 17. ſeq. Wolff c. III.
H 4§. 358.
[120]Von Erlangung des Eigenthums von andern
§. 358 — 367. Vattel L. II. c. 11. §. 140 — 151.
Real Tom. V. c. 4. Sect. 5.
n. 28. Pierre du Puy ſi la préſcription a lieu entre
les princes ſouverains? in deſſen Werke: Les droits
du roi très-Chretien ſur pluſieurs royaumes et états
de l’Europe Paris 1655. fol. Ant. d’Aubery iuſtes
prétenſions du roi ſur l’Empire, Paris 1667. 12.
Glafey Recht der Vern. 4. Kap. §. 193 — 275.
Achenwall I. N. L. I. S. 2. §. 241.
Kipping am unten angefuͤhrten Orte §. 98. Conſen-
ſus tacitus rectiſſime colligitur ex intermiſſa contra-
dictione — maxime ſi rei alicuius anterior dominus
cum poſſeſſore tanquam domino contraxerit etc. und
Ickſtatt l. c. ſi — populus — poſſeſſionem non in-
terpellet — ſi variis inſuper actibus atque indiciis
v. c. de rebus a populo extero poſſeſſis contractus
celebrando, agnoſcendo titulos — ſuo ſe cedere
iure — palam commonſtret. Handlungen, welche
offenbar zur ſtilſchweigenden Einwilligung nicht zur Ver-
iaͤhrung gehoͤren.
quae de ea in medium proferuntur, eſt modus acqui-
rendi dominium rei alienae per diuturnam poſſeſſio-
nem ſcilicet ex praeſumta derelictione et conſenſione.
Walther diſſ. infra cit. §. 15.
Kipping c. 2. §. 174. u. ff.
treten. Sub factis, ſagt Grotius, §. 5. moraliter
veniunt et non facta conſiderata cum debitis circum-
ſtantiis. und Kipping §. 88. nam intermiſſio decla-
rationis eſt loco facti.
nicht vorhanden und eben ſo wenig Zuverlaͤſſiges laͤßt ſich
aus den Meinungen der Schriftſteller erholen. Sie
nehmen, nach Verſchiedenheit der beweglichen oder unbe-
weglichen Dinge und nach der An- oder Abweſenheit der
Theilhaber bald eine kuͤrzere bald eine laͤngere Zeit an.
Da aber alle dieſe wilkuͤhrlichen Grundſaͤtze der Gelehr-
ten fuͤr die Nazionen keine Verbindlichkeit haben, ſo wol-
len Puffendorff [L. IV. c. 12. §. 9.] und andere,
daß dieſe den Ausſpruch der natuͤrlichen Ungewisheit
einem Schiedsrichter uͤberlaſſen muͤſten. Aber wer kann
ſie dazu noͤthigen? Gemeiniglich verlangt man eine un-
denkliche Zeit [tempus immemoriale] worunter Gro-
tius [a. a. O. §. 7.] mit ſeinen Anhaͤngern iedoch mei-
ſtens nicht eine ſolche Zeit verſteht, welche allen moͤgli-
chen Beweis des Gegenteils ausſchließt, ſondern nur
die, welche Gedenken eines Menſchenalters uͤberſteigt,
weil er hinzuſetzt: niſi validiſſimae ſint in contrarium
rationes. Allein hierbey bemerkt Walther [a. u. a.
O. §. 17.] ganz richtig: Quodſi abſolutam quam di-
cunt praeſcriptionem intelligit immemorialem, vbi
priſtinus dominus vel actor neque teſtibus vivis neque
literarum monimentis rem ſuam liquido vincere poteſt,
non video quomodo validiſſimae in contrarium ratio-
nes eſſe poſſunt — hic acquirendi modus non in tem-
poris lapſu, ſed in teſtimoniorum inopia nititur et
minus recte in praeſcriptionibus numeratur. Viele
Gelehrte ſcheinen indes eine ſolche undenkliche Zeit bey
der Voͤlkerveriaͤhrung anzunehmen. M. vergl. Hoheiſel
§. 39.
an. Mala fides vſucapioni et praeſcriptioni ſemper
obſtat conſequenter toto tempore poſſeſſionis bona
fides requiritur. Wolff Inſt. I. N. et G. P. II. c. 8.
§. 464.
wurf ſeiner Gegner angefuͤhrten Behauptung §. 1. tem-
pus ex ſuapte natura vim nullam effectricem habet
iſt die Antwort §. 6. ſed temporis — magna vis eſt
wohl nicht hinlaͤnglich. Wolff ſagt: Nemo adeo ab-
ſurdus erit vt putet ſolo lapſu temporis invito domino
ius transferri poſſe und ſetzt daher den Hauptgrund
auf die vermeintliche Aufgebung.
tius, rem noſtram ſine voluntate noſtra ſatis et ſuffi-
cienter declarata in alium transferri non poſſe, in-
certa autem et dubia modo praeſumtio qua qui longo
tempore ſiluit rem deſeruiſſe videtur.Wolf ſcheint
die Wuͤrkung dieſer Veriaͤhrung auch nur ſo lange anzu-
nehmen, bis kein anderer komt und die Urſachen ſeines
Stillſchweigens angiebt. Quodſi igitur, ſagt er §. 363.
rationes ſilentii diuturni allegantur ratio praeſumtio-
nis ceſſit, conſequenter etiam praeſcriptio — ſi
pars adverſa rationes ſaltem probabiliores allegare va-
let — praeſumtio potior vincit debiliorem. Leviſ-
ſima vero omnino eſt praeſumtio, quae ſola temporis
diuturnitate nititur, atque ideo patet, praeſcriptio-
nem inter gentes quae ex ſolo diuturno ſilentio pro-
cedere debet, maximis difficultatibus implicari, vt
vix vnquam vllus ſit vſus. Abſit autem vt eam con-
fundas cum praeſcriptione immemoriali. Verſchie-
dene leſenswerthe zum Theil obenangefuͤhrte Aeuſſerungen
uͤber dieſe vermuthliche Verlaſſung finden ſich in den zwi-
ſchen Frankreich und Grosbritannien wegen den Streitig-
keiten uͤber die Beſitzungen in Amerika, beſonders die
Inſel St. Lucie gewechſelten Staatsſchriften, in den
mehrerwaͤhnten Memoires des Commiſſaires etc. a
Amſt. 1755. 8. 2. Tom. beſonders T. I. P. 1.
p. 415. u. ff.
Inſel St. Lucie ſeine innerlichen Unruhen zur Entſchul-
digung an. Il eſt vrai qu’il ſe paſſa deux ans depuis
le maſſacre des Anglois et l’invaſion francoiſe, avant
que la couronne Britannique eut revendiqué la poſ-
ſeſſion de Sainte-Lucie par aucune voie de fait;
mais ne gemiſſoit-on pas alors en Angleterre ſous
les calamités d’vne guerre civile? Et vne ſuspen-
ſions ſi paſſagère d’vn reclame actif, occaſionnée par
vne criſe de cette nature, pourroit-on la conſiderer
comme ce ſilentium ſcientis et libere volentit que
Grotius requiert ſi abſolument pour conſtater vn aban-
donnement parfait et volontaire? Dagegen aͤuſſerten
iedoch die franzoͤſiſchen Commiſſarien: Les guerre ci-
viles d’Angleterre ne lui ôtèrent ni la connoiſſance
de l’établiſſement des Francois, ni la liberté de re-
clamer. Que répondroit-on à la France ſi, ſous
prétexte de ſes guerres civiles, elle vouloit revendi-
quer le Breſil, la Caroline etc. Memoires des Com-
miſſ. Tom. I. P. 1. p. 424.
inimica generi humano ſententia, neminem ſine facto
vel conſenſu ſuo, a tertio poſſeſſore omni tempore
probando, privari poſſe dominio ſuo — Conſenſu cer-
te non opus eſt, vbi poenis ſive naturalibus ſive po-
ſitivis locus eſt — declarationem negligens factum
committit quod, niſi privatione rei puniatur, inex-
tricabiles lites parit atque quietem et felicitatem com-
munem gentium neceſſario turbat. Aber wer kann
unter Voͤlkern, vermoͤge der natuͤrlichen Gleichheit, des
Rechts zu ſtrafen ſich anmaaſſen? In der buͤrgerlichen
Geſellſchaft iſt es dem Regenten wohl erlaubt, die
Strafe der Veriaͤhrung auf eine ſolche Nachlaͤſſigkeit
zu ſetzen.
ſung hierbey im Sinne gehabt zu haben, und die Unan-
nehmlichkeiten die daraus entſtehen wuͤrden, wenn
iemand, der ſein Eigenthum freiwillig aufgegeben, es
dem wieder abnehmen wolte, welcher durch nachherige
Beſitzergreifung ſich ſolches zu eigen gemacht hat. Tel
ſeroit, heißt es §. 141. le droit [capable de porter le
trouble dans la ſociété humaine] de negliger entiere-
ment vne choſe qui lui appartient, de la laiſſer pen-
dant vn long espace de tems ſous toutes les appa-
rences d’vn bien abandonné ou qui n’eſt point à lui,
et d’en venir enfin depouiller vn poſſeſſeur de bonne
foi. Aber ich habe die Rechtmaͤſſigkeit einer ſolchen Be-
ſitzergreifung ſchon oben gezeigt.
nah unzaͤhlige. Auſſer denen im erſten Theile S. 17.
gelegentlich bereits angefuͤhrten will ich nur noch die vor-
zuͤglichſten, welche hauptſaͤchlich die natuͤrliche Voͤlker-
veriaͤhrung zum Gegenſtand haben, bemerken.
Franc. Stuckhard de praeſcriptione reges et ſummos
principes adſtringente, Marb. 1682.
Io. Werlhoff diſſ. Vindiciae Grotiani dogmatis de prae-
ſcriptione inter gentes liberas contra Petr. Putea-
num, Helmſt. 1696.
Car. Fr. Drollinger diſſ. de praeſcriptionibus inter gen-
tes, Baſil. 1710.
Dan. Fr. Hoheiſel diſſ. I.) de fundamentis in doctrina
de praeſcriptione et derelictione gentium tacita.
Hal. 1723. II.) de praeſcriptione immemoriali
ſanae rationi et iuri civili contrariante, ib. 1724.
Gotfr. Krauſe progr. Num vſucapio pariter et prae-
ſcriptio in iure naturae ſit fundata atque adeo inter
liberas gentes locum habeat, vt principi huma-
nam legem non agnoſcenti opponi queat? Witeb.
1733.
Io.
[125]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
Io. Chr. Hedler diſſ. an praeſcriptionis et vſucapionis
origo ex iure naturali repetenda ſit, praeceptisque
iuris naturalis nitatur? Wit. 1734.
Io. Wolfg. Kipping comment. de vſucapione iuris pu-
blici qua praeſcriptio et inter gentes etc. valida de-
monſtratur, Helmſt. 1738. 4.
Chr. Gottfr. Weidlich diſſ. de praeſcriptione in ſtatu
naturali, Lipſ. 1739.
Io. Ernſt Gunner diſſ. in qua demonſtratur praeſcriptio-
nem non eſſe iuris naturalis, Ien. 1740.
Iac. Car. Reigersmann diſſ. de praeſcriptione iuris gen-
tium ſive immemoriali, Lugd. Bat. 1749.
Io. Georg. Walther diſſ. de praeſcriptione inter liberas
gentes ad Hug. Grotii Ius B. et P. L. II. c. 4.
§. 1 — 9, Witeb. 1751,
Chr. And. Meycke diſſ. de naturali principio vſucapio-
nis et praeſcriptionis, Altona 1754.
Io. Aug. Hellfeld diſſ. de auctoritate vetuſtae poſſeſ-
ſionis in cauſſis praeſertim illuſtrium, Ien. 1773. 4.
[Dan. Gralath.] Gedanken von der Veriaͤhrung nach den
Grundregeln der Naturgeſetze und des algemeinen Voͤl-
kerrechts in einem Schreiben eines pomerelliſchen
Juriſten an ſeinen Freund in K** auf Veranlaſſung
der behaupteten Anſpruchsrechte des Koͤnigs von Preuſ-
ſen an Pomerellen ꝛc. 1773. 8.
Leop. Fried. Fredersdorff Verſuch einer Unterſuchung
uͤber die Frage: ob die Uſucapion unter freyen Voͤl-
kern ſtatt finde? Braunſchweig 1785. 8.
M. vergl. Meiſter Bibl. Iur. N. et G. P. III. p. 39.
v. praeſcriptio und von Ompteda Literatur des
Voͤlkerrechts 2. Th. S. 512.
bindung ſelbſt, nicht aus wilkuͤhrlicher Uebereinkunft
mehrerer Nazionen folgt [M. ſ. 1. Th. Einleit. §. 14.
u. 15.] denn er ſagt §. 9. ausdruͤcklich: credibile eſt
enim in id conſenſiſſe gentes cum ad pacem commu-
nem id vel maxime intereſſet. Aber wieder bloſſe
Wahrſcheinlichkeit! Auch Wolff ſucht §. 366. zu zei-
gen, daß die Veriaͤhrung zu dem freiwilligen aus ſeinem
groſſen Weltſtaate hergeleiteten Voͤlkerrechte gehoͤre, in-
dem deſſen Ruhe die Gewisheit des Eigenthums erfo-
dere, daher die Beſtaͤtigung der Veriaͤhrung durch Ver-
traͤge ſehr nuͤtzlich ſey.
u. ff. Walther diſſ. cit. §. 25. u. ff.
Streitigkeiten mit Frankreich unter andern europaͤiſchen
Maͤchten gethan. Als z. B. Ludwig XV. 1768.
Avignon ꝛc. abermals einziehen lies, wurde zu Gunſten
des erſtern behauptet: L’on ne ſauroit nier, qu’vne
préſcription de plus de deux ſiecles et vne poſſeſſion
tranquille depuis le regne de Philippe de Valois jus-
qu’à celui de Louis XIV. ne laiſſe aucun lieu de
douter de la validité des droits du St. Siege ſur ce
pays; und wegen ſeiner Anſpruͤche auf Parma und Pla-
cenz, welche im Aachner Frieden dem Spaniſchen In-
fanten zugeeignet wurden, ließ der Papſt durch ſeinen
Geſandten proteſtiren, indem er aͤuſſerte: Le dit St.
Siege a été pendant deux ſiecles entiers en vne poſ-
ſeſſion de ces états non interrompue et approuvéo
par
[128]Von Erlangung des Eigenthums von andern
par le ſilence de l’Empire, des Empereurs et de
tous les rois et princes de l’Europe. Cette longus
poſſeſſion fortifiée d’vne preſcription plus que ſuffi-
ſante, a été attaquée dans les derniers tems ete.
Moſers Verſuch 5. Th. S. 55. u. S. 159. Auch die
Vereinigten N. L. ſchuͤtzten gegen Preuſſen wegen An-
ſtellung eines Kuͤſtenbewahrers bey Oſtfriesland, die
Veriaͤhrung vor, welche letzteres aber nicht gelten laſſen
wolte. Moſers Beitraͤge in Frz. 5. Th. S. 2 und
313. ff.
iaͤhrung hat wollen gelten laſſen; forte, wie Walther
diſſ. cit. §. 10. deshalb ſich aͤuſſert, quod ſe Romanos
putarent hac in cauſſa imitaturos qui vſucapionis et
praeſcriptionis iura vindicabant ſibi, peregrinis dene-
gabant. M. vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 5.
Auch in den mehrgedachten Streitigkeiten zwiſchen Frank-
reich und Grosbritannien wegen der Inſel St. Lucie kam
die Veriaͤhrung mit in Anregung, wobey letztere Krone
aber nicht ſowohl die Guͤltigkeit derſelben uͤberhaupt, als
das Daſeyn in dieſem Falle beſtritt.
naͤiſchen Frieden von 1659. Art. 89. ſeine Gerechtſame
die ihm aus dem Frieden zu Vervin Art. 21. u. 22. zu-
ſtehen und behaͤlt ſolche ſich und ſeinen Nachkommen vor:
non obſtante praeſcriptione quacunque aut temporis
lapſu, quae allegari in contrarium poſſint — in enu-
merata regna, regiones — quocunque ex titulo id
ſit, cui — expreſſe renunciatum non fuit.
Gelegenheit der bekanten Tyeilung von Polen in der zum
Behuf ſeiner Anſpruͤche bekantgemachten Deduction, die
Guͤltigkeit der Veriaͤhrung uͤberhaupt, und ſetzte den
Polen vorzuͤglich auch den Mangel der rechtmaͤſſigen
Ueberzeugung des Beſitzes entgegen puisqu’ils ont pu
et
[129]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
et du ſavoir par l’hiſtoire et par leurs Archives le
vice de leur poſſeſſion etc. und poſſeſſio tam iniuſta
et tam vitioſa heißt es in dem Preuſſiſchen Patent vom
13. Sept. 1772. ex conſenſu gentium moratiorum
praeſcriptione longi temporis corrigi et emendari non
potuit. M. ſ. Comte de Hertzberg, Recueil des
deductions etc. Berlin 1789. Tom. I. p. 313. und
343. vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 73. Spa-
nien aͤuſſerte 1774. in den Streitigkeiten mit Portugal
wegen einiger amerikaniſchen Beſitzungen: que ſes pre-
tentions n’etoient pas plus ſusceptibles de préſcription
que celles des puiſſances qui ont demembré la Pologne
et qui ſ’etoient miſes en poſſeſſion des pays qu’elles
avoient reclamés ſans que les autres puiſſances ſ’y
fuſſent oppoſées.Moſers Beitraͤge in Frzeit. 5. Th.
S. 480. Wegen einiger Anſpruͤche an das Koͤnigreich
Neapel bey den weſtphaͤliſchen Friedenstractaten ſ. Mo-
ſers Verſuch a. a. O. S. 128. ff.
Friedenszeiten die gewaltſame Wegnahme eines Landes
von dem unrechtmaͤſſigen Beſitzer erlaubt ſey? wurde in
den ofterwaͤhnten Irrungen zwiſchen Frankreich und Gros-
britannien geſtritten. Dieſes behauptete: que les re-
vendications de la part de la Grande-Bretagne avoient
prévenu jusqu’à la moindre ombre de préſcription de
ſon droit — ſi en temps de paix il eſt permis d’vſer
de repreſſailles en certaines occaſions, à plus forte
raiſon eſt-il très licite de revendiquer et reprendre
vn bien qu’on nous enleve ſous les memes auſpices,
par pure ſurpriſe et ſous pretexte qu’on le trouve
abandonné — Comment peuvent les Commiſſaires
de S. M. Très-Chretienne reprocher aux Anglois avec
la moindre bonne grace et avec la moindre ombre
de raiſon d’avoir eu recours en temps de paix aux
moyens les plus propres pour ſe garantir d’vne pré-
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Jſcription
[130]Von Erlangung des Eigenthums von andern
ſcription dont les mêmes Commiſſaires de S. M. T. C.
n’auroient pas manqué de ſe prévaloir, ſi elle avoit
eu lieu. Frankreich erwiderte aber: Ce nouveau ſy-
ſtème des Commiſſaires Anglois, où l’on confond
les idées de reclamer et de reprendre — tendroit vi-
ſiblement à renverſer tous les principes du droit des
gens, à mettre toutes les nations dans vn état d’in-
certitude éternelle ſur les poſſeſſions et de guerre
perpetuelle. — Si vne nation refuſe de rendre ce
qui appartient à vne autre e’eſt vne juſte raiſon de
declarer la guerre. Mais où trouvera-t-on, que
le droit des gens autoriſe, ſous prétexte d’empêcher
la préſcription, à reprendre de force et ſans aucune
demande préalable vn pays ſur lequel on ſ’attribue
des pretentions? Memoires des Commiſſaires cit.
Tom. I. P. 1. p. 448. 462. 464. vergl. P. 2. p. 99.
uͤberhaupt ſehe man:
Moſers Verſuch 5. Th. S. 4. u. ff. und deſſen
Beitraͤge in Fr. Zeit. 1. Th. S. 12. u. 5. Th.
S. 2.
Martens précis du droit d. g. T. I. L. 2. c. 3. §. 48.
u. 49.
Neyron principes du droit d. g. L. I. c. 11. §. 292.
u. ff. wo eine Geſchichte der Veriaͤhrung geliefert
wird. Er ſagt die Natur beſtimme keine Zeit, wo-
durch der Beſitz eines unrechtmaͤſſig erworbenen Ei-
genthums befeſtigt werden kann. Die Roͤmer haͤtten
mit den zwoͤlf Tafeln zuerſt dieſe Lehre zu Abkuͤrzung
der vielen Streitigkeiten eingefuͤhrt. Die Anhaͤng-
lichkeit an das roͤmiſche Recht im Mittelalter habe
dieſen Grundſaͤtzen bey den meiſten Staats- und Voͤl-
kerrechtslehrern ſowohl, als bey den Souverainen
zu Beilegung ihrer Anſpruͤche, Eingang verſchaft,
von welchem gelehrten Vorurtheil die Nazionen ſich
iedoch
[131]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
iedoch in der Folge wieder losgeriſſen und die Guͤl-
tigkeit der Veriaͤhrung unter ihnen verworfen haͤtten.
richtigſten Begriffe von der Veriaͤhrung uͤberhaupt hat
und das bloſſe lange Stilſchweigen von dem undenklichen
Beſitz unterſchieden wiſſen will, rechnet gleichwohl
§. 360. u. 61. letztern dahin und haͤlt ihn fuͤr die vor-
zuͤglichſte Veriaͤhrungsart.
worden ſehe man auch Kipping diſſ. cit. §. 143. und
den daſelbſt angefuͤhrten Werlhof. Schrodt Syſt. I. G.
P. II. c. 2. §. 25.
Zeit 2te Aufl. Hamb. 1783. 8. S. 384.
ff. Auch Frankreich hob die 1664. geſtiftete oſtindiſche
Handlungskompagnie 1674. wieder auf, und zog ihre
Beſitzungen zur Krone ayant jugé que la plupart de
ces droits et de ces revenus conviennent mieux à la
première puiſſance de l’Etat qu’à vne Compagnie
etc. Edit du Roi portant revocation de la Compagnie
des Indes occid. du mois de Decembre 1674.
herſchaft in dem Territorium eines andern Volks iſt hier
die Rede nicht, ſondern die Rechtmaͤſſigkeit oder Unſtatt-
haftigkeit deſſen Erwerbes und Beſitzes wird weiter unten
bemerklich gemacht werden. M. vergl. Ickſtatt L. III.
c. 3. §. 16. Schol. 2.
Verkaufe der Koͤnigin Johanna von Sicilien uͤber die
Stadt Avignon an den Papſt von 1358. §. 7. Leib-
nitz Cod. I. G. p. 202. Auch Kaiſer Karl VI. macht
ſich zu dieſer Gewaͤhrleiſtung in dem Kaufcontract uͤber
das Marqviſat Finale vom 20. Aug. 1713. gegen die
Republick Genua anheiſchig, wo es Art. 10. heißt: Li-
cet hisce modis dictis, atque ita ſe habitis omnis
evictionis timor abſit, volumus teneri nihilominus et
promittimus per nos et noſtros — ſucceſſores de de-
bita legitima et perpetua evictione et defenſione.
Du Mont C. Dipl. Tom. VIII. P. 1. p. 405.
auf 8. Jahr an Frankreich uͤberlies im Frieden zu Cha-
teau-Cambreſis 1559. Im Bydgoſter Vertrage von
1657. war der Krone Polen der Wiederkauf des Gebiets
von Draheim gegen Preuſſen vorbehalten; aber in dem
Theilungsvertrage zwiſchen Polen und Preuſſen von 1773.
Art. 5. that erſteres Verzicht auf dieſes Recht ſ. Moſers
Verſuch 5. Th. S. 92.
1715. Art. 6. von Spanien an Portugal uͤberlaſſen,
iedoch Art. 7. hinzugefuͤgt: Quoique S. M. Catholique
cède dès-à-préſent à S. M. Portugaiſe le dit terri-
J 4toire
[136]Von Erlangung des Eigenthums von andern
toire et Colonie du Sacrement, ſuivant le teneur de
l’article précédent, S. M. Catholique pourra néan-
moins offrir vn équivalent pour la dite Colonie qui
ſoit au gré et à la Satisfaction de S. M. Portugaiſe;
et on limite pour cet offre le terme d’vn an et demi
a commencer du jour de la ratification de ce traité,
avec cette declaration, que ſi le dit équivalent vint
à être approuvé et accepté par S. M. P. les ſusdits
territoire et Colonie appartiendront à S. M. C. comme
ſi elle ne l’avoit jamais rendu, ni cédé; mais ſi le
dit équivalent venoit à n’être pas accepté par S. M.
P. elle demeurera en poſſeſſion du dit territoire et
Colonie, comme il eſt déclaré dans l’Article précé-
dent. Die Wiedergabe von Negapatnam an die Ver-
einigten N. L. verſpricht Grosbritannien zu erleichtern
vermoͤge des Friedens von 1784. Art. 6. in der Allianz
mit dieſer Republick von 1788. Art. 10.
maͤnnlichen Linie des Kurhauſes in dem Welauer Ver-
trage 1657. den Ruͤckfall von Preuſſen bedungen, that
aber in dem vorerwaͤhnten Vertrage von 1773. eben-
fals Verzicht darauf. Moſers Verſuch 5. Th. S. 185.
An Oeſterreich wurden die polniſchen Lande 1773. abge-
treten ſans aucun retour ni reverſion dans aucun cas
imaginable.Moſer a. a. O. S. 84.
wegen Holſtein wurde z. B. auf die ſchwediſche Erklaͤ-
rung: que la Suede ne deſire point pour elle la poſ-
ſeſſion du duché de Holſtein von Daͤnemark geaͤuſſert:
que ce ſeroit vne choſe ſans aucune ſignification et
invtile par la qualité féodale attachée au dit duché,
laquelle ne permet point qu’il ſoit incorporé avec vn
autre état au préjudice des droits éventuels de la mai-
ſon Royale de Danemarc.Moſers Beitr. in Frz.
5. Th. S. 7.
ſer Vertrage 1743. dem Koͤnige von Sardinien das Ge-
biet von Vigevano etc. ab pour être vnis à ſes autres
états; und in dem Grenz- und Tauſchvertrage zwiſchen
Frankreich und Luͤttich von 1772. werden beiden Theilen
verſchiedene Orte uͤberlaſſen pour être le tout enſemble
vni et incorporé à perpetuité. Moſers Verſuch 5. Th.
S. 43. u. 232. 33.
J 5Hin-
[138]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Hingegen wurde die Dauphine von ihrem letzten Be-
ſitzer an Frankreich mit der ausdruͤcklichen Bedingung
uͤberlaſſen, daß ſie der Krone nicht einverleibt werden
ſondern beſtaͤndig einen beſondern Staat ausmachen ſolte;
wie ſolches das Parlement von Dauphine beim Anfange
der ietzigen franzoͤſiſchen Unruhen ahndete ſ. Niederelb.
Magazin Auguſt 1788. S. 921. Auch wegen Lothrin-
gen verlangt die Wiener Convention vom 3. Aug.
1736. Art. 13. daß es unter franzoͤſiſcher Hoheit ſeinen
vorigen Namen behalten, ein eigenes Gouvernement aus-
machen und davon nichts zu andern geſchlagen werden
ſolle.
poratione bonorum cumprimis provinciarum, Ien.
1667. und in Opp. ed. Gribneri Tom. II. P. 3.
p. 351. — 360.
die europaͤiſchen Staaten nach der Ordnung durchzugehen
und zu zeigen wie und aus welchen Titeln ſie ihre Lande
nach und nach erworben und zum Theil wieder verloren
haben. Blos der groſſe Umfang dieſes Gegenſtandes
haͤlt mich dermalen davon ab, da ich ohnedies fuͤrchte
ſchon etwas weitlaͤuftig daruͤber geweſen zu ſeyn. Ich
behalte mir es indes nachzuholen vor, wenn Zeit und
Umſtaͤnde annoch die Erſcheinung der in der Vorerinne-
rung zum erſten Theile verſprochenen Regiſter oder Re-
pertorien erlauben ſolten. Indes trift man in den geo-
graphiſchen und ſtatiſtiſchen Schriften von Europa ſchon
einige Nachrichten davon an.
uͤbligen Urkundenausfertigung an Ceſſionen ꝛc. wird in
der Praxis des Voͤlkerrechts gehandelt.
alienandi bona imperii, Ien. 1695.
Gotſr. de Stockhauſen diſſ. de iure ſtatuum imperii
circa alienationem territorii competente, Erf.
1714.
Ge. Henr. Ayrer progr. de liberiore principum imperii
quam privatorum hominum alienandi et oppigno-
randi poteſtate, Gotting. 1773.
ſenden Reichsſtaͤnden getroffenen Grenz- und Tauſchver-
traͤge, dergleichen beſonders in neuern Zeiten mehrere
mit Naſſau-Saarbruͤcken, Naſſau-Weilburg, Stift
Baſel, Wuͤrtenberg ꝛc. ꝛc. errichtet worden, machen
daher einen gewoͤnlichen Gegenſtand der Reichstaͤgigen
Berathſchlagungen aus. M. ſ. Moſer von den teut-
ſchen Reichstagsgeſchichten, Frkf. 1768. 4. S. 79. ff.
und die Staatskanzleien von Faber und Reuß.
Reichslehens in dem Frieden mit auswaͤrtigen Maͤchten ꝛc.
Frkf. u. Lpz. 1750. 4. und in deſſen hiſtor. und iuriſt.
Schriften 2. Band S. 232. — 272. auch in Select. I.
P. noviſſ. T. 30. S. 220. u. ff. welcher behauptet,
daß
[142]Von Erlangung des Eigenthums von andern
daß die teutſchen Reichsſtaͤnde, vermoͤge des ihnen zu-
ſtehenden Rechts des Krieges und Friedens, nicht aber
die reichslehnbaren Fuͤrſten in Italien, befugt waͤren,
ohne Einwilligung Kaiſers und Reichs, lehnbare Lande,
iedoch mit Beibehaltung dieſer Eigenſchaft, an fremde
Nazionen im Frieden zu uͤberlaſſen. M. vergl. Mo-
ſers auswaͤrt. Staatsr. 2. Buch 1. Kap. S. 41. ff.
trennlichkeit der Kurfuͤrſtenthuͤmer feſtgeſetzt und in den
Haus- und Familienvertraͤgen die Veraͤuſſerung der bai-
eriſchen Lande verboten iſt.
zwiſchen Frankreich und Spanien Art. 88. letztere Krone:
die Stadt Juͤlich dem Herzoge von Pfalz-Neuburg ein-
zuraͤumen, mit der Bedingung: Le dit Sieur Duc met-
tant auparavant entre les mains de S. M. Catholique
vn écrit en bonne forme ſigné de ſa main — par
lequel il ſ’oblige de ne pouvoir vendre, aliener
ni engager la dite ville — à aucun ni aucune autres
princes ou perſonnes particuliéres; und im Baadiſchen
Frieden 1714. Art. 17. machte Frankreich ſich verbind-
lich, dem Austauſch einiger baieriſchen Lande kein Hin-
dernis in den Weg zu legen.
tretung eines betraͤchtlichen Stuͤcks von Baiern, nach
Erloͤſchung des Wilhelmiſchen Mannsſtammes, an das
Haus Oeſterreich, der deshalb entſtandene Krieg und
darauf erfolgte Teſchner Friede haben mancherley Unter-
ſuchungen und Eroͤrterungen uͤber dieſen Gegenſtand ver-
anlaßt, die man groͤſtenteils beiſammen antrift in: Ab-
handlungen und Materialien zum neuſten teutſchen
Staatsrechte ꝛc. Berlin und Leipz. 1778. u. ff. 8.
6 Theile.
Nicht minder merkwuͤrdig iſt der unter franzoͤſiſcher
und ruſſiſcher Beguͤnſtigung auf die Bahn gebrachte Vor-
ſchlag
[143]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
ſchlag eines Austauſches der oͤſterreichiſchen Niederlande
gegen Baiern zwiſchen den Haͤuſern Oeſterreich und Pfalz,
welcher bekantlich den berufenen teutſchen Fuͤrſtenbund
veranlaßt hat. Auch hieruͤber ſind eine Menge Schrif-
ten erſchienen, die man in Ren. Car. L. B. de Senken-
berg Supplem. ad Lipenii Bibl. iurid. Lipſ. 1789.
ſ. r. foedera principum Germaniae angezeigt findet.
M. vergl. Polit. Journ. Januar 1786. S. 33. u. ff.
ingl. Reuß teutſche Staatskanzley 9. Th. u. ſſ.
Die Hauptgruͤnde des preuſſiſchen Widerſpruchs wa-
ren, wie ſchon oben [§. 2. not. e. und §. 3. not. a.]
erwaͤhnt worden, das durch dieſen Tauſch in Gefahr
kommende Gleichgewicht von Teutſchland und ganz Eu-
ropa [ſ. 1. Th. S. 384.], und dann die Verletzung
der pfalzbaieriſchen Hausvertraͤge, zu deren Aufrecht-
haltung Preuſſen ſich nicht nur durch den Teſchner Frie-
den, ſondern auch durch das Geſuch des Herzogs von
Zweibruͤcken fuͤr berechtigt und verbunden achtete. Ich
will nur noch einige der vorzuͤglichſten Aeuſſerungen bei-
der Theile hieruͤber anfuͤhren. Es wuͤrde, bemerkte
man Koͤniglich-Preuſſiſcher Seits, daraus augenſchein-
lich eine uͤbergroſſe Maſſe von Macht und ein in einer
Strecke von 200. teutſchen Meilen, faſt vom ſchwarzen
Meer bis an den Rhein zuſammenhaͤngender ungeheurer
Staatskoͤrper entſtehen, gegen deſſen zuſammengedraͤng-
te Staͤrke und Macht, die uͤbrige viel kleinere weniger
fruchtbare und ſo ſehr vertheilte Kraiſe von Teutſchland
niemals wuͤrden Widerſtand thun koͤnnen — Wo
wuͤrde denn das geſetzmaͤſſige Gleichgewicht von Teutſch-
land bleiben, wenn eine ſolche uͤbergroſſe Macht, als
die ietzige Oeſterreichiſche, wilkuͤhrlich vermehrt werden
koͤnte, und keinem Reichsſtand erlaubt ſeyn ſolte, ſich
dagegen mit offenen Erklaͤrungen und conſtitutionsmaͤſſi-
gen Buͤndniſſen zu verwahren? — Oeſterreich entgeg-
nete zwar: Es war nie von einer Vergroͤſſerung des
Erz-
[144]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Erzhauſes, ſondern nur davon die Frage, daß das,
was es auf einer Seite erhaͤlt, auf einer andern nicht
nur durch ein volſtaͤndiges, ſondern ſogar den Empfang
weit uͤberwiegendes Aequivalent wieder hergegeben wer-
den ſolte. Wie nun hierinn eine nicht nur fuͤr Teutſch-
land ſondern fuͤr ganz Europa ſchreckbare Acquiſition zu
finden ſey, iſt eben ſo unbegreiflich, als die Wahrheit
des Satzes unwiderſprechlich, daß, ſobald von dem vor-
liegenden Austauſche die Rede iſt, das Haus Pfalz bey
dem ihm angebotenen Aeqvivalente ſeine Rechnung ent-
weder finden muͤſſe, oder nicht. Iſt das letztere, ſo
faͤlt alle Idee des Austauſches von ſelbſt hinweg; iſt das
erſtere, ſo ſtehet doch wohl weder Oeſterreich noch das
Kurhaus Pfalz unter irgend einer fremden Vormund-
ſchaft um uͤber ihre beiderſeitige Vortheile im Geben
und Empfangen nicht nach ihren ſelbſt eigenen
Einſichten urteilen, vergleichen und ſich entſcheiden
zu koͤnnen — Dem wahren und weſentlichen Gleich-
gewichte im teutſchen Reiche ſtehet keinesweges die allen
Staͤnden deſſelben gebuͤhrende Befugnis entgegen, ſo
viele Reichslande an ſich zu bringen, als ihnen
verliehen werden, oder in rechtlicher Ordnung
an ſie fallen oder ſonſt auf eine in den Geſetzen
gemaͤſſe Art durch Tauſch und andere erlaubte
Wege von ihnen erworben werden koͤnnen —
Der Kaiſer erklaͤrt es daher fuͤr eine offenbare Illegalitaͤt
und Nichtigkeit, die freundſchaftlichen, freiwilligen und
auf eine der geſamten Reichs- Krais- und Staͤndiſchen
Verfaſſung unſchaͤdliche Art vorzunehmende Austauſche
und ſonſtige Arrangemens durch derley Verbindungen
hindern zu wollen, daß ſich ſolchergeſtalt der ſogenante
Unionstractat als ein Werk darſtelt, welches nach ſeiner
ganzen vorliegenden Veranlaſſung, Abſicht und Beſtim-
mung der Grundverfaſſung des Reichs, dem weſtphaͤli-
ſchen Frieden, den kaiſerlichen Wahlkapitulationen offen-
bar
[145]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
bar entgegen, auch wider Sr. Kaiſerl. Majeſtaͤt und das
Kurhaus Pfalz geradezu offenſiv iſt, indem es im Grun-
de auf nichts mehr und nichts weniger abzielet, als die
beiden Haͤuſer Oeſterreich und Pfalz, in dem Falle,
wenn ſie uͤber kurz oder lang zu irgend einem Austauſch
einiger ihrer Beſitzungen einverſtehen ſolten, hievon mit
den Waffen in der Hand abzuhalten, folglich ſie in der
Ausuͤbung iener Rechte und Befugniſſe, die ſie nicht
nur mit allen uͤbrigen Staͤnden des Reichs gemeinſchaft-
lich, ſondern woruͤber ſie inſonderheit ſogar die eventuelle
Beſtaͤtigung des Kaiſers und des geſamten Reichs fuͤr
ſich zum voraus haben, [im Baadiſchen Frieden] auf
eine gewaltſame — Art zu verhindern. Siehe die
Oeſterreichiſchen Staatsſchriften beim Reuß a. a. O.
S. 251. 264. u. ff.
Allein Preaſſen antwortete darauf: Es laͤßt ſich be-
greifen, daß ein Laͤndertauſch moͤglich ſey zwiſchen
Contrahenten, welche darunter freye Haͤnde haben,
und daß er nicht moͤglich ſey, wenn ein ſolcher Laͤnder-
tauſch, wie in Anſehung von Baiern, durch Hausver-
traͤge und Friedensſchluͤſſe, wo nicht ganz verboten, den-
noch auf die Einwilligung aller Contrahenten und Inter-
eſſenten eingeſchraͤnket iſt, von denen man dieſelbe nie
erwarten darf, ſo lange man bey ihnen Kentnis ihrer
Rechte und ihres Intereſſe vorausſetzen kan. Wenn
dazu ein Hof der durch Anſpruͤche und Tauſchprojecte
verſuchten Erwerbung eines Landes durch einen Friedens-
ſchlus entſaget, ſo kann man in allen dieſen Faͤllen ſehr
richtig ſagen, daß ein ſolcher Laͤndertauſch politiſch und
rechtlich unmoͤglich ſey — Es iſt vorhin erwieſen,
wie und wodurch der Tauſch von ganz Baiern gegen die
Niederlande eine fuͤr Teutſchland und Europa ſchreckbare
Acqviſition des Hauſes Oeſterteich ſey. Ein auch ſelbſt
fuͤr das Haus Pfalz in Anſehung der Einkuͤnfte genug-
ſames Eqvivalent, welches ihm das Haus Oeſterreich,
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Kwenn
[146]Von Erlangung des Eigenthums von andern
wenn es wolte, geben moͤchte, iſt noch kein genugſames
Eqvivalent zur Sicherheit des teutſchen Reichs, daß ſel-
biges nicht durch die, mittelſt ſolchen Tauſches, inner-
lich und uͤbermaͤſſig vermehrte Macht des Hauſes Oeſter-
reich in Gefahr gerathe. Das Reich und die Garants
des Teſchner Friedens haben nach den vorhin ſo oft an-
gefuͤhrten Gruͤnden ein Recht, bey dem ohne ihre Zuzie-
hung verſuchten Tauſch von ganz Baiern ein Wort zu
ſprechen. Man mag es auch, wenn man will, Vor-
mundſchaft nennen. Reuß teutſche Staatskanzley 12. Th.
S. 290. 310. 314. Die weitere Ausfuͤhrung der bei-
derſeitigen Gruͤnde verdient in den gewechſelten Staats-
ſchriften ſelbſt nachgeleſen zu werden. M. vergl. noch:
Betrachtung uͤber das Gleichgewicht von Europa und
Teutſchland in Ruͤckſicht auf den Umtauſch von Baiern;
Reuß a. a. O. 14. Th. S. 100. u. ff. Der erwaͤhn-
te Fuͤrſtenbund findet ſich nunmehro gedruckt in Martens
Recueil des principaux traités etc. Gottingue 1790.
u. 91. 3. Tom. 8. Tom. II. p. 553. u. ff.
wolte man als abgenoͤthigte Veraͤuſſerungen anſehen.
Im Nimwegiſchen Frieden kamen Frankreich und Spa-
nien ſogar uͤberein, daß erſteres Dienant im Luͤttichſchen
behalten und letzteres die Einwilligung des Reichs und
des Stifts Luͤttich verſchaffen ſolte. Moſers ausw.
Staatsr. 4. Buch 17. Kap. §. 8. S. 370.
Geſchichte. Marggraf George zu Brandenburg kaufte
1524. das Herzogthum Jaͤgerndorf und vermachte es,
weil ſein Prinz keine Kinder hatte, dem Kurhauſe Bran-
denburg. Das Haus Oeſterreich hat bekantlich ſeine
meiſten Beſitzungen durch Vermaͤhlung erworben. Nach
Abſterben Chriſtoph III. Koͤnigs von Daͤnemark ꝛc. waͤhl-
ten die Staͤnde 1448. Chriſtian I. Grafen von Olden-
burg und Delmhorft. Die Schweden waͤhlten 1743.
den
[147]oder den abgeleiteten Erwerbungsarten.
den Herzog Adolf Friedrich von Holſtein Gottorf zu ihren
Regenten. Dem Kurfuͤrſten Friedrich von der Pfalz
unterwarfen ſich zu ſeinem Ungluͤck 1619. die Boͤhmen,
nachdem ſie ſich von Oeſterreich losgeriſſen ꝛc.
territoriorum S. R. I. G. immediatorum in titulis et
modis acquirendi retinendi et amittendi examinat,
Lipſ. 1724.
J. J. Moſers Abh. von der teutſchen Reichsſtaͤnde Lan-
den ꝛc. Frankf. u. Lpz. 1769. 4. 1. Buch 15. K.
S. 194. u. ff.
A. J. Schnaubert Anfangsgruͤnde des Staatsrechts der
geſamten Reichslande, Jen. 1787. 8. 3. Buch
4. Hauptſt. §. 159. u. ff.
Den Kurfuͤrſten werden vermoͤge der goldenen Bulle
Tit. 10. §. 2. beſondere Vorrechte hierunter zugeſchrie-
ben. M. ſ. I. Fr. Winter diſſ. de praerogativa Ele-
ctorum S. R. I. circa acquirendas absque ſpecifico
imperatoris conſenſu terras imperii, Arg. 1721.
rec. Lipſ. 1737. u. Chr. Rau ſ. resp. Io. Chr. Knötzſch-
ker diſſ. Exercitat. Iur. publ. de praerogativa S. R. I.
principum Electorum ſine ſpeciali Imperatoris con-
ſenſu terras imperil acquirendi, Lipſ. 1791. Ob
aber ein Kurfuͤrſt gleichwol zwey Kutfuͤrſtenthuͤmer zu-
gleich beſitzen koͤnne? wurde unter den Gelehrten in ver-
ſchiedenen Schriften geſtritten ſ. Eroͤrterung der Frage:
ob ein Churfuͤrſt zwey Churfuͤrſtenthuͤmer zugleich beſitzen
koͤnne? 1729. 4.
Io. Chr. Treitlinger diſſ. exhibens S. R. I. principem
iuſtum duorum Electoratuum ſecularium poſſeſſo-
rem, Arg. 1737. rec. 1750.
du d. d. G. L. II. c. 3. §. 49.
ciarum et territoriorum Germaniae, Helmſt. 1687.
K 2Hier-
[148]Von Erlangung des Eigenthums von andern
Hieruͤber entſtand beſonders in neuern Zeiten, wegen
kuͤnftiger Vereinigung der Marggrafthuͤmer Anſpach und
Bayrenth mit der Kur Brandenburg, Streit zwiſchen
dieſem Kurhauſe und dem Hauſe Oeſterreich, indem letz-
teres bey Gelegenheit der baieriſchen Erbfolgsirrungen
verlangte, der Koͤnig von Preuſſen ſolle auf dieſe Ver-
einigung Verzicht leiſten, ſo lange noch nachgeborne
Prinzen dieſes Hauſes da ſind; demienigen zu Folge,
was durch die im brandenburgiſchen Hauſe errichtete
pragmatiſche Sanction feſtgeſetzt iſt, welche durch Kai-
ſer und Reich beſtaͤtiget worden, und dadurch die Kraft
eines oͤffentlichen Geſetzes erhalten hat. Der Koͤnig von
Preuſſen wandte aber dagegen ein: daß die angebliche
Sanction weiter nichts, als das Teſtament des Kurfuͤr-
ſten Albrechts I. ſey, welches auf deſſen Anſuchen von
Kaiſer Friedrich III. beſtaͤtigt worden, das aber von ſei-
nen Nachfolgern habe geaͤndert werden koͤnnen und wuͤrk-
lich geaͤndert worden ſey. Die kaiſerliche Beſtaͤtigung
welche blos eine gewoͤhnliche Formalitaͤt ſey, koͤnne keine
Kraft und Bedeutung haben, als nur zum Beſten der
dabey intereſſirten Partheien; ſie koͤnne durch keinen an-
dern Reichsſtand in Anſpruch genommen werden, der
bey dieſer Erbfolgsordnung nicht intereſſirt iſt, und der
eben aus dieſem Grunde gar kein Recht hat, darzwiſchen
zu kommen oder darinn etwas nachzulaſſen. Eben daſ-
ſelbe laſſe ſich von dem Reiche ſagen, deſſen Beitritt bey
der erwaͤhnten Beſtaͤtigung in nichts andern beſtehe als
in der bloſſen Erklaͤrung: daß dieſe Beſtaͤtigung mit Einwil-
ligung des Reichs geſchehen ſey. [Oeuvres posth. Tom. 5.]
Oeſterreich muſte auch davon abſtehen und im Teſchner Frie-
den 1779. Art. 10. ausdruͤcklich verſprechen, daß es ſich
dieſer Vereinigung nicht widerſetzen wolle.
daher auch in Puͤtters Litteratur des teutſchen Staats-
rechts 3. Th. S. 736. u. ff.
I. Nat. L. I. Sect. II. §. 140. ſehr richtig: Si domi-
nio pars quaedam ſubtrahitur, id quod reſtat, pro-
prie non amplius eſt totum, et hinc dominium minus
plenum, ſi exacte loquamur, non eſt verum domi-
nium. Interim tamen adhuc eodem nomine inſigni-
tur, quatenus a potiori fieri ſolet denominatio, et
quatenus iura dominii, quae parte detracta, reſidua
manent, adhuc conſtituunt plurium iurium partialium
ſummam et totum.
L. IV. c. 4. §. 2.
Paul Franc. Romanus diſſ. de iure dominii reſtricto,
Lipſ. 1675.
tibus indiviſis, pro rata, nicht in ſolidum, nach der
bekauten Rechtsregel: duos ejusdem rei dominos in
ſolidum eſſe non poſſe. Im uneigentlichen Sinne
nennt man es auch noch eine Gemeinſchaft, wenn ein
Land, das eigentlich ein Ganzes ausmacht, von meh-
rern, iedoch ſo beſeſſen wird, daß iedem ſein Antheil
K 4mit
[152]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
mit voͤlligem Eigenthum zuſteht [pro partibus di-
viſis].
1680.
Ejusdem diſſ. de condominio territorii, ib. 1682.
Georg. Ioſ. Wagner diſſ. de condominio territorii.
Mog. 1719.
Germanici in creditorem translato Examen polemi-
cum, Goth. 1746. 4. C. F. Gerſtlachers Handbuch
der
[155]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
der teutſchen Reichsgeſetze 10. Th. S. 2110. not. 186.
Ein ſolches Eigenthumsrecht ſcheinen auch die Contra-
henten des weſtphaͤliſchen Friedens den Pfandsinnhabern
teutſcher Reichslande beigelegt zu haben Inſt. P. O.
Art. V. §. 9. n. 27. wenigſtens laͤßt ſich dergleichen
bey den Wiederkaͤufen, welche ehedem zu Sicherung
der Darlehne haͤufig geſchloſſen zu werden pflegten, und
von vielen fuͤr einerley mit dem teutſchen Pfandrechte
gehalten werden, nicht bezweiflen. M. vergl. de Neu-
mann Ius Priv. princ. T. IV. l. 3. tit. 2. §. 403. ff.
clus par les puiſſances de l’Europe etc. Götting.
1791. 3. Tom. 8. T. 1. p. 229.
I. H. Böhmer diſſ. de diverſo pignoris et hypothecae
iure, Hal. 1718. c. II. §. 3.
§. 382. ff.
Puffendorf. M. vergl. Glaffey Voͤlkerrecht 7. Kap.
§. 109. ff.
Das Recht der Zuruͤckfoderung gegen den dritten redli-
chen Beſitzer laͤßt ſich iedoch mit Grunde kaum behaup-
ten, da, wie weiter unten gezeigt werden ſoll, das
ſtrenge Naturrecht, ſelbſt dem volkomnen Eigenthuͤmer
die Abforderung von einem dritten redlichen Erwerber
nicht verſtattet.
les Pais bas Autrichiens pour garnir ſuffiſamment les
ports d’Oſtende et de Nieupoort et les mettre à
l’abri des hazards que les circonſtances du tems peu-
vent amener, S. M. Imp. eſt convenue de les mettre
à titre de depôt entre les mains du roi ſon allié.
Moſers Verſuch 5. Th. S. 441. vergl. Beitraͤge
zur neuern Staats- und Kriegsgeſch. z. B. S. 125. ff.
comme d’vn depot neutre auſſi longtems et jusqu’à
ce que la paix ſera conclue entre la Ruſſie et la
Porte. de Martens Recueil des traités T. III.
p. 171. M. vergl. den Definitivfrieden v. 4. Aug.
1791. Art. 5. im Polit. Journ. Septbr. 1791.
S. 946.
tes ſequeſtrum neceſſarium, findet untern Voͤlkern ei-
gentlich nicht Statt, da ſie hier keinen hoͤhern Richter
uͤber ſich erkennen. Gleichwohl wurde unter den Con-
trahenten uͤber die ſpaniſche Erbfolge 1698. feſtgeſetzt:
que ſi l’Empereur, le roi des Romains ou l’Electeur
de Bavière refuſent d’y entrer, les deux Seigneurs
Rois et les Seigneurs Etats Généraux empêcheront
le
[158]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
le prince fils ou frère de celui qui reſuſera d’entrer
en poſſeſſion de ce qui lui ſera aſſigné et ſa portion
demeurera comme en ſequeſtre entre les mains des
Vice Rois etc. qui y gouvernent de la part du Roi d’Es-
pague etc. Lamberty Memoires Tom. I. p. 17. u. 19.
heißt es Art. 3. Sr. Koͤnigl. Maj. in Preuſſen verſpre-
chen dagegen, daß ſie den Ort in Poſſeſſion und Seque-
ſtration nehmen, ſelbigen auch der Cron Schweden eher
nicht als bey kuͤnftigem Frieden wieder einraͤumen wollen.
methodo ſcientifica conſcriptum, Lipſ. 1742. 4.
C. F. Langemack algemeines Lehurecht aus philoſophi-
ſchen Gruͤnden erwieſen, Potsdam 1747. 8.
ausdruͤcklich feſtgeſetzt. Die ſchleſiſchen Herzogthuͤmer
Liegnitz, Brieg und Wohlau welche der Herzog von Lieg-
nitz den Koͤnigen in Boͤhmen zu Lehn aufgetragen hatte,
durften nach einem Privilegium von 1511. veraͤuſſert
werden. Moſers Verſuch 5. Th. S. 32.
eigenthumsrecht ohne Einwilligung des Vaſallen nicht
veraͤuſſern koͤnne; in K. F. Zepernicks Samlung
auserleſener Abhandlungen aus dem Lehnrechte 2. Th.
n. 21. S. 237. ff
lers nur alsdann Statt habe wenn dieſe Strafe in dem
Lehnsvertrage darauf ausdruͤcklich geſetzt iſt, behauptet
unter andern auch WolffInſt. I. Nat. et Gent. P. II.
c. 16. §. 747. Wenn indes der Vaſall der, beſon-
dere Ergebenheit erfodernden, Lehnsverbindlichkeit nicht
nur nicht gemaͤs ſondern durch offenbare Beleidigungen
des Lehnsherrn, geradezu entgegen ſich betraͤgt, kann
man dieſen wohl kaum der Ungerechtigkeit beſchuldigen
wenn er auch ſeiner Seits, durch Einziehung des Lehns,
den Vertrag aufhebt. Bey Gelegenheit der Streitigkei-
ten zwiſchen Rußland und Polen wegen Curland aͤuſſerte
erſteres: Si vn prince feudataire ne peut, ſans être
coupable d’vn crime de felonie, être privé de fiefs
qu’il a acquis légalement, de quel droit ſoutien-
dra-t-on que le Duc Erneſt Iean doit être privé
de ſes Duches ſans avoir été entendu, ni jugé et
ſans avoir commis de crime ni contre le roi, ni contre
la republique. Moſers Verſuch 1. Th. S. 154.
Hauſes, oder ſonſt aus rechtmaͤſſigen Urſachen der Anfall
des nutzbaren Eigenthums erfolgt, ſo kann die Nazion,
der das Obereigenthum zuſteht, wider ihren Willen zur
anderweiten Verleihung, in der Regel mit Recht keines-
weges genoͤthigt werden, doch erklaͤrte die Kaiſerin von
Rußland 1730. wegen Curland: daß ſie niemals in
die Incorporation willigen, ſondern das Land bey ſeinem
Recht handhaben wuͤrde, einen eignen Herzog zu haben,
der es als ein polniſches Lehn erkenne. Moſers Ver-
ſuch 1. Th. S. 145. vergl. 5. Th. S. 184.
wegen des Lehns von Malta iaͤhrlich einen Falken uͤber-
reichen und bey ieder ſicilianiſchen Thronveraͤnderung von
neuem die Lehn nehmen. Hier verdienen die, wegen
der Lehnsabhaͤngigkeit des Koͤnigreichs Neapel vom paͤpſt-
lichen
[163]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
lichen Stuhle, zwiſchen beiden Theilen neuerlich ent-
ſtandenen Streitigkeiten bemerkt zu werden, indem der
Koͤnig von Neapel nicht eben die Lehnbarkeit ſelbſt ablaͤug-
net, ſondern ſich nur weigert, die deshalb bisher ge-
woͤnlich geweſene Entrichtung des Zelters und der 7000
Ducaten, wie der Papſt verlangt, als einen Tribut ab-
zutragen, ſondern ſie als ein freiwilliges Geſchenk und
Almoſen fuͤr die paͤpſtliche Kammer angeſehn wiſſen will.
Dieſe Ceremonie war bisher, bey eingetretenen Irrungen
zwiſchen beiden Hoͤfen, verſchiedentlich ausgeſetzt, aber
nicht fuͤr immer verweigert worden [Moſers Verſuch
5. Th. S. 176. ff.]. In der Proteſtation, welche
der paͤpftliche Fiſcal gegen die dermalige Verweigerung
1788. eingelegt hat, heißt es: „Unter den Rechten
des heiligen Stuhls und der apoſtoliſchen Kammer iſt
keines, welches klaͤrer und ſicherer erwieſen waͤre, als
das Recht von dem Koͤnige von Sicilien iaͤhrlich am
Tage vor dem Feſte der heiligen Apoſtel Peter und Paul,
oder auch an dieſem Feſte ſelbſt, mit den gewoͤnlichen
Feierlichkeiten und Formalitaͤten die Bezahlung eines
Tributs von 7000 goldenen Ducaten an die Kammer,
und die Uebergabe eines weiſſen anſtaͤndig geſchmuͤckten
Pferdes zur Anerkennung der hoͤchſten, wahren und un-
mittelbaren Oberherrſchaft zu fodern, welche der apoſto-
liſche Stuhl uͤber das Koͤnigreich Sicilien und das ganze
Land ienſeits des Leuchtthurms bis an die Grenzen des
Kirchenſtaats beſitzt. Dies Recht ward beſonders zur
Zeit der ſehr bekanten Belehnung feſtgeſetzt, die Papſt
Julius II. heiligſten Andenkens, und ſeine andern Vor-
fahren und Nachfolger ertheilten, und ward im Jahre
1734. auf Anhalten Philips V. Koͤnigs von Spanien
und Karls, Infanten von Spanien beſtaͤtiget, der es
auch noch nachmals durch ſein zu Portici bey Neapolis
den 9. April 1739. datirtes Schreiben an Clemens XII.
heiligen Andenkens, ratificirte; welches Recht denn auch
L 2durch
[164]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
durch die beſtaͤndige Gewonheit mehrerer Jahrhunderte
genehmigt worden iſt. Der ietzige Koͤnig von Sicilien
Ferdinand IV. hat es ſelbſt zu beobachten durch Sr.
Eminenz den Kardinal Dominicus Orſeici, der zu dieſem
Ende beſonders deputirt worden, verſprochen, welcher
im Namen des beſagten Koͤnigs Ferdinand volkomnes
Homagium, Unterwuͤrfigkeit und Vaſallenpflicht gegen
Clemens XIII. heiligen Andenks leiſtete und unter andern
auf das Gewiſſen ſeines Herrn ſchwor, er wolle iaͤhr-
lich alle Bedingungen, die in den Briefen der Paͤpſte
gluͤckſeligen Andenkens, Julius II. Leo X. und anderer
roͤmiſcher Paͤpſte und beſonders Clemens XII. bey Ge-
legenheit der Belehnung und Inveſtitur beſagter Reiche
und Laͤnder enthalten ſind, ſo wie auch alle umſtaͤndlich
darinn angefuͤhrte Clauſeln erfuͤllen und ſich zu keiner
Zeit derſelben weigern, ſo wie er denn auch wuͤrklich
allem in den vorigen Jahren volkommen Gnuͤge geleiſtet
hat. Da nun im gegenwaͤrtigen Jahre beſagter Koͤnig
Ferdinand die erwaͤhnten Pflichtleiſtungen gaͤnzlich unter-
laſſen hat; ſo proteſtire ich als Generalfiſcal Paͤpſtl.
Heiligkeit und der apoſtoliſchen Kammer feſt und feier-
lich gegen dieſe Unterlaſſung ꝛc. — Von Seiten Nea-
pels wurde eine Gegenproteſtation eingelegt. [Nieder-
Elb. Magazin Auguſt 1788. S. 914. u. 979.]
Auch erließ der Papſt unterm 9. Jul. 1788. ein Breve
an den Koͤnig von Neapel mit der Aeuſſerung: daß wir
eine Handlung hergeſtelt wuͤnſchen, die durch den Beſitz
ſo vieler Jahrhunderte geheiligt, durch die heiligſten
Bande garantirt, von den Vorfahren verlangt und mit
einem Eide beſtaͤtigt und von Ew. Maj. ſelbſt durch die
ruhige Beobachtung waͤhrend einer Reihe von Jahren
anerkant worden iſt. A. a. O. October 1788. S. 1139.
Dagegen fuͤhrte der Koͤnig von Neapel in dem Ant-
wortſchreiben vom 20. Jul. an: Man weiß aus der
Geſchichte, wie der heilige Stuhl damit [mit der Lehns-
gerech-
[165]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
gerechtigkeit uͤber Neapel] den Anfang machte, ohne
dies Reich ie beſeſſen, noch irgend ein Recht zu haben,
die Souverains deſſelben einzuſetzen, da es durchs Recht
der Eroberung bereits von ihnen beſeſſen ward. Man
weiß wie der heilige Stuhl, da dieſe Souverainetaͤt ent-
weder durch die Erbfolge oder durch Tapferkeit von einer
Familie auf die andere kam, ſich des Rechts anmaaſſen
wolte, ſie zu Lehn zu geben, und ſich das dominium
directum, ohne es iemals in ſeiner Gewalt gehabt zu
haben, vorzubehalten, indem er einen iaͤhrlichen Zins
foderte und denenienigen ein Blatt Pappier gab, die
durch das Voͤlkerrecht bereits fuͤr rechmaͤſſige und eigen-
thuͤmliche Souverains deſſelben anerkant waren. Man
weiß endlich wie der heilige Stuhl einmal aͤhnliche An-
ſpruͤche an England, Sicilien, Sardinien, Schottland,
Arragonien, ia ſogar an das roͤmiſch-teutſche Reich
ſelbſt machte, und wie dieſe nachmals von ſelbſt ver-
ſchwanden, ſo daß ihrer itzt nicht mehr gedacht wird.
Wenn Ew. Heiligkeit nach Ihrer Redlichkeit und Auf-
richtigkeit dieſes erwaͤgen; ſo werden Sie mit mir darinn
uͤbereinſtimmen daß, was die Verſprechungen betrift,
welche die Souverains dieſes Reichs von Zeit zu Zeit
gemacht haben, daß ſie dem heil. Stuhle den Zins rei-
chen und dasienige als von demſelben empfangen anſehn
wolten, was ſie in der That doch nur in Worten em-
pfangen hatten, dieſe Verſprechungen nur bloſſe Pacta
waren, die in Geſetzen pacta ſine cauſſa genant werden,
die, wenn ſie keine Verbindlichkeit in Anſehung von Pri-
vatperſonen haben, noch viel weniger Fuͤrſten und Na-
zionen verbinden koͤnnen, welche blos dem Voͤlkerrechte
und der natuͤrlichen Billigkeit unterworfen ſind, die zur
Guͤltigkeit eines ieden Contracts die wechſelſeitige wuͤrk-
liche Praͤſtation der Contrahenten verlangt; und es hilft
auch nichts, ſich auf einen Beſitz oder auf eine Praͤ-
ſcription zu berufen, wenn es an einem gegruͤndeten
L 3Rechte
[166]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
Rechte fehlt, und wenn man weiß, daß das Principium
fehlerhaft iſt und noch vielweniger, wenn von Sachen
zwiſchen Souverains die Rede iſt, da die Veriaͤhrungen
von den buͤrgerlichen Geſetzen blos eingefuͤhrt ſind, um
die Ruhe der Privatleute zu unterhalten — Uebrigens
wird in dieſem Schreiben noch behauptet: daß bey der
Uebergabe des Zelters keine feierliche Ceremonie und aͤuſ-
ſerer Pomp noͤthig ſey, weil in den paͤpſtlichen Bullen
beſonders Jul II. und Leo X. welche letztere nachher be-
ſtaͤndig zur Norm gedient — davon nichts enthalten
ſey, die Fuͤrſten ſie auch niemals verſprochen haͤtten,
wie ſie doch in Anſehung eines Artikels von ſolcher Wich-
tigkeit ausdruͤcklich und mit Deutlichkeit, auch in beſtim-
ten Worten haͤtten thun ſollen. Die Gewonheit ſey nach
und nach, man wiſſe nicht wie, vielleicht aus Ceremo-
nie und eitler Prachtliebe in vorigen Jahrhunderten ein-
gefuͤhrt und in unſern Zeiten beibehalten worden. Und
wenn auch der Koͤnig ſie ſelbſt in vorigen Jahren aus
Convenienz beobachtet haͤtte, ſo glaube er doch nicht,
ſich dadurch auf eine Art verbindlich gemacht zu haben,
ſie fortſetzen zu muͤſſen, da es eine bloſſe Befugnis iſt,
die niemanden vermoͤge ihrer eignen Natur zur eignen
Beobachtung verbinden koͤnne. Aus einigen zufaͤlligen
Worten, die nachher in etlichen Bullen gegen Kaiſer
Karl VI. ꝛc. vorgekommen, ſey keine Abaͤnderung iener
Bullen Leo X. ꝛc. zu folgern.
Von paͤpſtlicher Seite erſchienen annoch uͤber dieſen
Streit, iedoch blos als Privatſchrift, wovon der Car-
dinal Stephan Borgia Verfaſſer ſeyn ſoll:
Breve Iſtoria del dominio temporale della ſede apo-
ſtolica nelle due Sicilie deſcritta in tre libri, Roma
1788. 4.
Von Seiten Neapel:
1) Del preteſo dominio diretto della S. Sede in ragion
feudale ſul reame di Napoli; e de vantati diritti
della
[167]und eingeſchraͤnkten Eigenthum der Lande.
della Camera apoſtolica di eſſigerne il cenſo e di
eſſigerlo con iſtabilite ſollennitâ, in dichiarazione
e dileyuazione delle propoſizione in ſu di ciò
ſcorſe nelle ſcritture di Roma, Napoli 1789. 4.
2) Lettera a Monſignor Borgia nella quale gli ſi pro-
pongono alcuni dubbj ſu di alcuni punti della di
lui breve iſtoria, Roma 4.
3) Origine, progreſſi e ſine delle pontificie inveſtiture,
Nap. 1789. 4.
4) Dimoſtrazione della falſità de’titali vantati di S.
Sede ſulle Sicilie dell’Abbate Giuseppe Ceſtati
Nap. Tom. I. 1789. 4.
f, Deutſch. Gemeinnuͤtz. Magaz. 1789. 7. Stuͤck
S. 301. Meuſels Litteratur der Statiſt. Leipz.
1790. 7. Hauptſt. 9. Abſch. S. 221. M. vergl.
Io. Aug. Hier. Thalwitzer diff. de obligatione
vtriusque Siciliae Regis tributum annuum ex nexu
clientelari regni neapolitani cum eccleſia R. Pon-
tifici R. more ſolito vlterius praeſtandi. Witteb.
1790. 4.
verſehenen lehnbaren Staaten. Bey einzelnen Guͤtern
die zu dem Lande eines Volks gehoͤren und in dem Terri-
torium liegen, die aber der Staat oder einzelne Landes-
bewohuer von einem auswaͤrtigen Volke als Privatlehen
empfangen, geben die Lehnbriefe ꝛc. zwar auch die vor-
zuͤglichſte Norm, in zweifelhaften Faͤllen glaube ich iedoch,
daß, wenn eine ſolche Verbindung einmal Statt findet,
mehr auf die Lehnsvorſchriften des Oberlehnherrn als auf
die Geſetze des Landes, worinnen das Lehn liegt, Ruͤck-
ſicht zu nehmen ſey, weil dieſe fuͤr ienen nicht verbind-
lich ſind, wohl aber der Vaſall die der Lehnsverbindung
gemaͤſſen Einrichtungen des Lehnherrn annehmen muß,
nur darf dabey allerdings nichts zu Schmaͤlerung der
landesherrlichen Rechte verfuͤgt werden. Nach den po-
L 4.ſitiven
[168]Vom gemeinſch. u. geteilten, unvolkommenen
ſitiven Lehnsgeſetzen in Teutſchland nehmen indes die
meiſten Rechtslehrer die gegenſeitige Meinung an.
ſ. Gribner u. Struv. diſſ. de dominio directo in ter-
ritorio alieno ed. Francke, Lipſ. 1743. 4.
rii ſecundum ius gentium et teutonicum, Hal. 1706.
Viteb. et Lipſ. 1741. 4. vergl. Wolff I. G. c. IV.
§. 481. ſeqq.
comment. ſup. cit. de vſucapione iuris publici §. 183.
84. u. 88. Er meint die Veriaͤhrung laufe von der Zeit
an, wenn der eine Theil einloͤſen, der andere es aber
nicht zugeben wollen und iener ſich dabey beruhigt habe.
[L. III. c. 20. §. 59.] Wolf und andere verſtatten
iedoch die Zuruͤckbehaltung, wenn nicht ein anders be-
dungen worden, wie es oͤfters geſchieht. In dem
Pfandvertrage zwiſchen Frankreich und Genua wegen
Corſica von 1768. Art. 4. heißt es z. B. bien-enten-
du que les dites places ne ſeront comptables que des
ſommes qui auront été employées en Corſe ſuivant
la ſtipulation du premier traité etc.
ſtaaten, wegen der bey Frankreich deponirten Haͤven
Oſtende und Nieupoort, uͤbergebenen Erklaͤrung wird von
den an dieſer Krone uͤberlaſſenen Gerechtſamen gemeldet:
daß die Staatsverwaltung dieſer Plaͤtze in den Haͤnden
derienigen Perſonen, die ſolche bisher beſorgt haͤtten ver-
bleiben und die franzoͤſiſchen Commandanten nur die mi-
litaͤriſche Direction haben, auch daruͤber den Eid der
Treue der Oeſterreichiſchen Regierung ablegen ſolten und
zwar auf eben den Fus, wie die hollaͤndiſchen Generals
in den Grenzplaͤtzen zu thun gewohnt waͤren. Beitraͤge
zur Staats- und Kriegsgeſch. 3. Band S. 126.
nen oder geteilten Eigenthums als Verpachtung, Nies-
brauch ꝛc. Statt finden, die aber mehr unter Privatper-
ſonen als ganzen Nazionen vorzukommen pflegen.
6. u. 17. K. S. 42. 300. u. 364. ff.
deſſen Tract. von der teutſchen Reichsſtaͤnde Landen ꝛc.
Frkf. u. Leipz. 1769. 4.
A. J. Schnaubert Anfangsgr. des Staatsrechts der ge-
ſamten Reichslande, Jena 1787. 8. 2. B. 5. Hptſt.
S. 63. ff.
[dominii vtilis] findet, nach dieſen unter den Reichs-
ſtaͤnden guͤltigen Lehnrechten, bey der ſogenanten geſam-
ten Hand ſtatt, vermoͤge welcher abgeteilten Haͤuſern
an den von der andern Linie beſeſſenen Lehnguͤtern, noch
ein Recht auf kuͤnftige Faͤlle vorbehalten wird. Aehnliche
Bewandnis hat es bey der Mitbelehnſchaft.
redeuntes fines eorundem dicuntur; particulae autem
terrarum aquarumve, quae cujusvis reipublicae ſeu
territorii extremae ſunt limites [Grenzorte, Grenz-
zeichen] ejusdem audiunt. Ickſtatt Elem. I. G.
L. III. c. 1. §. 9.
zen ausmachen, ſo entſteht daraus eine Gattung vermiſch-
ter Grenzen [fines mixti].
Io. Oettinger de iure et controverſiis limitum ac fini-
bus regundis, Vlm. 1642. 4. noviſſ. Hanov.
1711. 8.
Io. Lud. Nicolai diſſ. de iure terminorum et finium,
Alt. 1676. 4.
Franc. Rud. Mallinger diſſ. II. [die erſte ſub praeſ.
Ulr. Marbachii] de terminis et illorum iure, Arg.
1700. et 1701.
Iac. Brunnemann diſſ. de iure limitum provincialium,
Hal. 1704.
Io. Iod. Beck de iure limitum d. i. vom Rechte der Gren-
zen und Markſteine, Nuͤrnb. 1722. u. oͤſt. 4.
Chr. Aug. Menius diſſ. de finibus territorii, Lipſ.
1740.
werden.
§. 25. 26.
reich und Oeſtreich vom 16. May 1769. wurde Art. 13.
verglichen: Le Roi très-Chretien cède en équivalent
à l’Impératrice-Reine Apoſtolique le Bourg, terre
et Seigneurie de Neuve-Egliſe, de même que le
village et la terre de Dranontre avec leurs depen-
dances — ainſi que cinq cents ſoixante dix meſures
de la paroiſſe de Nieppe vers la partie où elle eſt
contigue à la Châtellenie de Warneton; le tout
neanmoins ſous la reſerve expreſſe, et a condition
que ces ceſſions ſeront et demeureront limitées de
manière que le territoire Autrichien n’approchera
dans aucun point plus près que de dix toiſes du grand
chemin de Lille à Dunkerque etc.Moſers Verſuch
5. Th. S. 266.
Portugals nach Suͤden und Weſten, von Spanien gegen
Norden und Weſten, ſo wie von Grosbritannien gegen
Weſten; die Oſtſee nebſt dem groſſen und kleinen Belt
die Grenzen Daͤnemarks gegen Oſten; die Nordſee die
Grenzen von Grosbritannien gegen Oſten, von den Ver-
einigten Niederlanden gegen Norden und Weſten, und
von Daͤnemark gegen Weſten.
Zwiſchen Rußland und der Pforte wurde in dem Ver-
trage von 1773. Art. 2. feſtgeſetzt: que la Dwina ſera
la limite naturelle entre les deux états. Die Donau
wird zur Grenze angenommen zwiſchen der Pforte und
Oeſterreich im Belgrader Frieden 1739. Art. 3. Der
Fluß Kuban ſoll die Grenze zwiſchen Rußland und der
Pforte machen. Friede von 1784. Art. 3.
In dem Schleſiſchen Grenzvertrage zwiſchen Preuſſen
und Oeſterreich vom 6. Decbr. 1742. [Wenck C. I.
G. T. I. S. 748. ff.] heißt es: Die nunmehrige
Graͤnze zwiſchen Maͤhren und Schleſien wird durch einen
eignen Graben, das Grenzwaͤſſerlein genant, bis an das
bald unten beruͤhrende Pfaffenbaͤchlein ebenfals ganz
deutlich unterſchieden. Auch kommen von Grenzteichen
darinn verſchiedene Beiſpiele vor.
Der
[174]Von den Landesgrenzen.
Der Friedens- und Grenzvertrag zwiſchen Portugal
und Spanien von 1777. Art. 6. enthaͤlt: on préſcrira
les bornes ſures et évidentes aux Vaſſaux pour que
chaque nation ſache les limites — C’eſt à cet effet
qu’on choiſira des lais et des fleuves qui puiſſent
ſervir de bornes fixes et inalterables et à leur defaut
les montagnes les plus hautes, lesquels du pied jus-
qu’au ſommet ſeront regardées comme des bornes
n’appartenantes à perſonne. de Martens Recueil
T. 1. p. 639.
Die Pyrenaͤiſchen Gebuͤrge ſind gegen Oſten die
Grenze Spaniens nach dem Pyren. Frieden zwiſchen
Spanien und Frankreich 1659. Art. 42. und den dar-
auf erfolgten Vertrage von 1660. Die Alpen ſcheiden
Frankreich von Italien. Auch iſt im Paſſarowitzer
Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte 1718.
Art. 1. verabredet: Provinciarum Moldaviae et Vala-
chiae partim Poloniae partim Tranſylvaniae limitibus
conterminae interiacentibus vt ab antiquo montibus
diſtinguantur et ſeparentur.
Wuͤſtungen ſind verſchiedentlich gegen die Pforte zu
Grenzen bedungen worden; z. B. nach dem Belgrader
Frieden zwiſchen Rußland und der Pforte von 1739.
Art. 3. ſoll die Feſtung Azoph geſchleift und der wuͤſte
Platz zur Barriere zwiſchen beiden Reichen dienen. M.
vergl. Moſers Verſuch 5. Th. S. 389. In dem
neuſten Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte vom
4. Aug. 1791. wird eine kleine Ebene, die dem Fort
der Inſel Orſowa gegen uͤber liegt, zur Grenze ange-
nommen und dabey feſtgeſetzt: elle reſtera pour tou-
jours dans le ſens le plus ſtrict neutre entre les deux
dominations, c’eſt à dire que la Souveraineté n’en
appartiendra ni à l’vn, ni à l’autre et les parties
contractantes ſ’engagent à laiſſer la ditte plaine ab-
ſolument deſerte ſans jamais permettre à perſonne d’y
bâtir,
[175]Von den Landesgrenzen.
bâtir, d’y demeurer ni d’y exercer la culture.
Polit. Journ. Septbr. 1791. S. 952. Eine aͤhn-
liche Grenze ſuchten die vermittelnden Hoͤfe zwiſchen Ruß-
land und der Pforte zu erlangen. Ebendaſ. Auguſt
S. 888.
aͤnderlichkeit, beſonders der erſtern, zu den natuͤrlichen
Grenzzeichen, die Feldwege hingegen zu den kuͤnſtlichen.
M. ſ. Moſers Tr. von der Reichsſtaͤnde Landen S. 14.
Wenn man unter Baͤume ganze Waͤlder verſteht, lieſſe
ſich dies wohl behaupten, ſonſt glaube ich, daß einzelne
Baͤume, weil ſie, wie andere hoͤlzerne Saͤulen, gewoͤn-
lich noch bezeichnet werden muͤſſen, mehr zu den kuͤnſt-
lichen zu zaͤhlen ſeyn duͤrften. Einige nehmen, nicht
ohne Grund, noch eine Gattung vermiſchter Grenzzei-
chen [limites mixtos] an, die theils durch die Natur,
theils durch die Kunſt bewerkſtelligt ſind. Mollinger
diſſ. cit. I. th. 7.
liche beigeſetzt, und dieſe kann man denn auch ver-
miſchte nennen. Zwiſchen Oeſterreich und Preuſſen
in Schleſien machen nach dem vorangefuͤhrten Grenzver-
trage von 1742, zwar die Oder und verſchiedene andere
Fluͤſſe die Grenze, indes wurde zugleich beliebt- an den
Orten,
[176]Von den Landesgrenzen.
Orten, wo ein Fluß die Grenze macht, die Stationes
allemal mit zwey Saͤulen dies- und ienſeits zu bemerken.
Auch bei Baͤumen wurde mehrenteils noch eine Saͤule
hinzugefuͤgt. In dem Grenzvertrage zwiſchen Rußland
und Polen 1781. Art. 4. wurde ebenfals feſtgeſetzt:
An den Ufern der die Grenze beſtimmenden Fluͤſſe iſt
ſelbige durch numerirte und mit dem Wapen der reſpe-
ctiven Reiche gemerkte Grenzpfaͤhle bezeichnet.
Carlowitzer Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte
1699. Art. 5. beiden Theilen gewiſſe Beſitzungen wie-
der zuruͤck gegeben ea conditione vt Commiſſarii vtrin-
que mox deputandi diſtrictus atque territoria ſingula-
tim deductis particularibus lineis ſeparantes per foſſas,
lapides, palos aut alia quacunque ratione ad evi-
tandam confuſionem poſita ſigna ſegregent atque di-
ſtinguant. Nach dem Grenzvergleiche zwiſchen Daͤne-
mark und Schweden von 1751. ſollen die verglichenen
Grenzen mit Grenzmalen beſetzt werden. Moſers
Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 133. Zwiſchen Vene-
dig und Oeſterreich wurde 1776. feſtgeſetzt, die Grenzen
der Morlachie durch Steine zu bezeichnen, damit es
daruͤber keine Streitigkeit mehr geben koͤnne. Moſers
Verſuch 5. Th. S. 313.
dum finalium eorumque iure, Alt. 1710.
Io. Phil. Streit diſſ. de iure lapidum terminalium,
Erf. 1716.
genti ſeu populo proprium et dominio ejus reſpectu
ſaltem gentium vicinarum accenſendum. Ickſtatt
Elem. I. G. L. III. c. 1. Coroll. ad §. 10. Bey den
Nazionen in Europa leidet dieſe Regel weniger Abfall,
als bey den Reichsſtaͤnden in Teutſchland, weil es bey
ienen, keinen zuſammenhangenden Staat ausmachenden
Reichen, ſchwerer moͤglich iſt, daß ein unabhaͤngiges
Land innerhalb der Grenzen ſich bilde; es muͤſte ein ſol-
ches Territorium denn, wie es nicht ſelten der Fall iſt,
aus mehrern kleinen ſouverainen Landen entſtanden ſeyn
und eins oder das andere davon ſeine Freiheit erhalten
haben; welches aber allemal erſt zu erweiſen iſt.
Gebiete als Privateigenthum ohne Oberherſchaft beſitzt,
iſt hier die Rede nicht, auch nicht von dem obengedach-
ten Gemeineigenthum zwiſchen mehrern Nazionen oder
von einzelnen Rechten in eines andern Territorium ſon-
dern blos von Landen, welche mit ausſchließlichen Eigen-
thum und ganzen Umfang der Oberherſchaft von einem
Volke beſeſſen aber von dem Gebiete eines andern
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. MVolks
[178]Von den Landesgrenzen.
Volks umgeben werden und innerhalb deſſen Grenzen
liegen.
et non clauſo ſive mixto. Alt. 1715.
4. B. 6. Kap. S. 361. ff.
dern Fall der urſpruͤnglichen Erwerbung eines ſolchen
eingeſchloſſenen Territoriums an, naͤmlich: ſi gens
quaedam in regione quadam vacua occupet certa
loca et iura, poſtea vero alia integram regionem,
loca iſta et iura manent gentis quae prior occupauit,
cum quoad dominium tum quoad imperium nec
quicquam iuris in ea competit genti alteri ac per con-
ſequens loca non ſunt de territorio gentis alterius,
eadem vero pati tenetur vt illa intra territorium ſuum
iura ſibi competentia pro lubitu exerceat et de iisdem
diſponat.
lands die Feſtung Landau und verſchiedene teutſche Reichs-
ſtaͤnde ihre Guͤter im franzoͤſiſchen Gebiete. Die paͤpſt-
lichen Lande Avignon und Venaiſſin liegen in Frankreich,
und die Republik San Marino iſt ganz von paͤpſtlichen
Landen umgeben. M. ſ. Moſers Verſuch 5. Th.
S. 53. u. 164. ff.
dem Kriegsmanifeſt von 1739. daß letztere Krone, ob
ihr gleich die Feſtung Gibraltar ohn einiges Territorium
abgetreten worden, ſich dennoch alles zueignen wolle,
wohin ein Canonenſchus reichen koͤnne. Moſers Ver-
ſuch 5. Th. S. 29.
britannien unter andern Art. 12. ab: Novam Scotiam
quoque ſive Acadiam totam limitibus ſuis antiquis
comprehenſam, vt et Portus Regii vrbem nunc An-
napolin Regiam dictam, caeteraque omnia in iſtis
regionibus quae ab iisdem terris et inſulis pendent
etc. Hieraus machte Grosbritannien in der Folge auf
eine Menge Laͤnder Anſpruch welche Frankreich unter
iener Abtretung gar nicht begriffen wiſſen wolte. Es
ſetzte dieſen Anforderungen daher unter andern entgegen:
Les mots de limitibus et de comprehenſam n’ont
jamais été placés nulle part pour donner de l’exten-
ſion. — La phraſe [vt et] que eitent les Com-
miſſaires Anglois, ne donne aucune extenſion à la
ceſſion et ne peut pas opérer ſans le dire, et par
une vertu ſecrete, que ce qui n’étoit pas Acadie
avant le traité, ſoit devenu Acadie après le traité;
M 2ni
[180]Von den Landesgrenzen.
ni que les pays circonvoiſins ou les confins de l’Aca-
die, en ſoient devenus des dependences; ni que
l’acceſſoire ſoit ſix ou huit fais plus conſidérable que
le principal — Iamais on ne prouvera, que par
les apparténances et les dependances d’un pays, on
doive entendre ceux qui en ſont voiſins. Proximité
et dependance ſont deux idées differentes, diſtinctes:
leur confuſion entraineroit celle des limites de tous
les états. Memoires des Commiſſaires de S. M.
très-Chretienne etc. beſonders Tom. I. P. 1. p. 54.
62. 183. ff. M. vergl. D. G. Struben von den
zwiſchen den Kronen Frankreich und Grosbritannien ent-
ſtandenen Streitigkeiten uͤber die Grenzen des Landes
Akadien in Nordamerika; in den Nebenſtunden 5. Th.
n. 42. S. 478. ff. Der hieruͤber nachher 1756. ent-
ſtandene Krieg und darauf erfolgte Friede ſind bekant.
ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 222. ff.
Frieden 1648. Art. 11. §. 70. von Teutſchland abge-
treten wurden: ſupremum dominium, iura ſuperiori-
tatis aliaque omnia in Epiſcopatus Metenſem, Tul-
lenſem et Viradunenſem, vrbesque cognomines eo-
rumque Epiſcopatuum diſtrictus etc. nahm erſtere
Krone durch die errichteten ſogenanten Reunionskammern
in der Folge Gelegenheit, dem teutſchen Reiche eine
Menge Lehn und andere Guͤter, die dem Vorgeben nach,
ehemals zu erwaͤhnten Bisthuͤmern gehoͤrt haben ſolten,
zu entziehn und an ſich zu reiſſen. M. ſ. Rechtmaͤſſi-
ge und politiſche Vorſtellung des Reunions- und
Dependenzenrechts, Kraft deſſen die Krone Frankreich
nicht allein im Elſas, ſondern auch am Rhein und an-
derswo viele Staͤnde des roͤmiſchen Reichs demſelben zu
entziehn und nach Ausſpruch der Kammer zu Metz mit
ſich als ex poſtliminio ſelbige zu incorporiren getrachtet;
wie
[181]Von den Landesgrenzen.
wie weit ſolcher titulus aus den Rechten zu erweiſen
und zu billigen ſey? 1687. 4.
ad Viadr. 1688. 4.
Henr. Engelbrecht diſſ. de reunione pertinentiarum,
Helmſt. 1715. 4.
J. J. Moſer von der geographiſchen Staatsklugheit bey
Schlieſſung der Tractaten; in deſſen vermiſchten Ab-
handl. aus dem Europ. V. R. Frkf. 1756. 8.
S. 264.
an: Wenn der Baum auf beiden Seiten mit den ver-
ſchiedenen Merkzeichen der daran ſtoſſenden Staaten be-
zeichnet iſt; ſo gehoͤrt er beiden gemeinſchaftlich: hat
er nur auf einer Seite ein Grenzzeichen, ſo gehoͤrt er
dem, auf deſſen Seite er gezeichnet iſt. Menius diſſ.
cit. de finibus territorii §. 20.
Herkommen noch durch eine unzaͤhlige Menge Beiſpiele
von allen Nazionen erweiſen. Ich will nur noch einige
wenige anfuͤhren. Die Oder macht die Grenze zwiſchen
Preuſſen und Oeſterreich in Schleſien, und es heißt in
dem Grenzvertrage vom 6. December 1742. deshalb:
Gleichwie nunmehro die Mitte von dem Oberflus auf
beiden Seiten die oberſchleſiſche Landesgrenze — con-
ſtituiret ꝛc. Im Wormſer Vertrage von 1743. wurde
zwiſchen Sardinien und Oeſterreich beliebt: que le Theſſin
formera à l’avenir au milieu de ſon courant la ſepa-
ration et les limites des états reſpectifs.Moſers
Verſuch 5. Th. S. 43. Im Aboer Frieden zwiſchen
Rußland und Schweden 1743. Art. 7. l’on eſt ex-
preſſément convenu, que tous les fleuves et ruiſſaux
qui ſepareront les royaumes, ſeront auſſi partagés
en eux mêmes. Wegen der Schelde zwiſchen Frank-
reich und den Vereinigten Niederlanden iſt in dem Grenz-
vertrage 1769. Art. 7. feſtgeſetzt: Le milieu de la
rivière de l’Escaut ſera la ſeparation des deux domi-
nations. Moſers Verſuch. 5. Th. S. 264. Einer
beſondern Uebereinkunft hierunter gedenkt Mollinger
a. a. O. [diſſ. I. th. 7.] nach welcher zwiſchen der
Stadt Strasburg und Kehl: der Ort, da das meh-
rere Theil Waſſer abhinlauft, oder wo der tieffeſt
und groͤſſeſt Rhein iſt ꝛc. eine Grenzſcheidung macht.
an Preuſſen uͤberlaſſen worden, habe ich ſchon angefuͤhrt.
In
[183]Von den Landesgrenzen.
In einer polniſchen Note bey den desfals entſtandenen
Streitigkeiten hies es: C’eſt une exception faite en
faveur de la cour de Berlin, du droit coutumier des
nations. La propriété, l’uſufruit, la pêche, la
navigation ne ſont pas partages comme de coutume
entre les deux pays limitrophes.Moſers Beitraͤge
in Frzeit. 5. Th. S. 237. So iſt auch in dem Grenz-
vertrage zwiſchen Frankreich und Genf 1749. vergli-
chen: que dans tous les endroits, où les limites du
territoire de Geneve ſe trouveront bornées par les
grands chemins, ces grands chemins ſeront toujours
à l’avenir ſous la ſouverainété de la Couronne de
France et conſéquemment ſoumis à la jurisdiction
de ſes officiers.Moſers Verſuch 5. Th. S. 229.
gedacht. Es gehoͤrt unter andern hieher noch der Frie-
dens- und Grenzvertrag zwiſchen Portugal und Spanien
wegen der amerikaniſchen Beſitzungen von 1777. Art. 5.
u. 6. wo es heißt: on reſervera entre les territoires
des deux couronnes les marais de Menin et les langues
de terre — ſans qu’aucune des deux nations les
occupe, ils ſerviront ſeulement de ſeparation und
Art. 6. il reſtera encore reſervé — un espace de
terrein — de ſorte que cet espace de terrein n’ap-
partiendra ni à l’un ni à l’autre etc. de Martens
Recueil T. I. p. 638. Zuweilen bleiben gewiſſe
Grenzorte nur eine Zeitlang neutral, bis man ſich uͤber
das Eigenthum vergleichen kann, wie z. B. der ſoge-
nante Pamela-Sand zwiſchen Rußland und Schweden
nach dem Aboer Frieden. Moſers Beitraͤge in Fr.
Zeit. 5. Th. S. 282. ff.
niſchen Abtretungen 1773. zwiſchen Polen und Oeſter-
reich. Polniſcher Seits wurde in einer Note ganz rich-
tig bemerkt: comme les mots du traité portent, que
M 4les
[184]Von den Landesgrenzen.
les limites des deux états ſeront, formées ſur la
rive droite de la Viſtule depuis la Sileſie jusqu’au
dela de Sendomir — ces mots laiſſent une indeten-
mination viſible qui a indispenſablement beſoin d’être
remediée, en marquant préciſément l’endroit jus-
qu’où les limites Autrichiennes doivent ſ’étendre;
welches auch nachher erfolgte. Uebrigens behauptete
Oeſterreich bey eben dieſer Gelegenheit: que les places
deſignées pour former la frontière devoient appar-
tenir à la puiſſance en faveur de la quelle ſe faiſoit
la ceſſion.Moſers Verſuch 5. Th. S. 285. und
308. Mir ſcheint indes die Meinung der franzoͤſiſchen
Commiſſarien in dem Memoire vom 4. Oct. 1751. in
den Grenzſtreitigkeiten mit Grosbritannien uͤber Akadien
richtiger zu ſeyn, daß man eher zu Gunſten des abtre-
tenden entſcheiden muͤſſe. Il n’a jamais été queſtion,
heißt es daſelbſt, en fait des ceſſions de l’intention
du ceſſionaire, mais uniquement de celle du cedant
[welches iedoch einige Einſchraͤnkung leiden duͤrfte] et
de ce qui eſt exprimé dans l’acte de ceſſion; la loi
doit même naturellement ſ’interpréter pour celui
qui cède contre celui qui recoit, ſuppoſé qu’il y
ait dans l’acte de ceſſion quelque expreſſion douteuſe,
Memoires des Commiſſaires etc. T. I. P. 1. p. 196.
Zunigradt, auf den Grenzen von Dalmatien, von den
kaiſerlichen Voͤlkern vertrieben und der Ort von dieſen, unter
der Behauptung eingenommen, daß er zu Croatien gehoͤre;
woruͤber heftige Streitigkeiten zwiſchen beiden Staaten ent-
ſtanden. Monathl. Staatsſpiegel Jul. 1699. S. 105.
commiſſionen kommen ſo haͤufig vor, daß ich nur einige,
die ich zuerſt auffinde, anfuͤhren will. Im Wiener
Frieden zwiſchen dem Kaiſer und Frankreich von 1735.
Art. 7. wurde beliebt: Il ſera nommé des Commiſ-
M 5ſaires
[186]Von den Landesgrenzen.
ſaires de part et d’autre pour regler entre S. M.
Imperiale et S. M. Très-Chretienne les details des
limites d’Alſace et des Pays-Bas conformement aux
traités précedens nommément celui de Bade. M.
vergl. Def. Frieden von 1738. Art. 14. Zwiſchen
Grosbritannien und Frankreich ſetzt der Definitiv Friede
von 1783. Art. 11. feſt: Pour prevenir toute diſcuſ-
ſion dans cette partie du monde les deux hautes par-
ties contractantes nommeront dans trois mois après
l’échange des ratifications du préſent traité des Com-
miſſaires, lesquels ſeront chargés de determiner et
fixer les bornes des poſſeſſions reſpectifs. In den
Theilungsvertraͤgen zwiſchen Polen und Preuſſen ꝛc.
1773. iſt auch wegen der kuͤnftig entſtehenden Grenz-
irrungen verglichen: S’il ſ’élévoit encore à l’avenir
des difputes entre les deux états ou leurs ſujets par
rapport aux limites, on nommera des Commiſſaires
de part et d’autre, qui tacheront d’accommoder ces
differends à l’amiable.Moſers Verſuch 5. Th.
S. 95. u. 101.
werbungen von Polen 1773. anfangs nichts von Unter-
ſuchung der Grenzen auf dem Platze hoͤren, ſondern uͤber-
gaben eine ſelbſtgefertigte Charte, und verlangten, daß
die ernanten Commiſſarien darnach die Grenzen reguliren
ſolten. In der Note des Oeſterreichiſchen Geſandten
hieß es: Le Souſſigné — croit ne pouvoir mieux
accelerer l’ouvrage de l’arrangement des frontières —
qu’en communiquant la Carte cijointe, dans laquelle
les limites deſignées ſont en tout conformes au
2. Article du traité de ceſſion — il ſe croit autoriſé
à demander, que les inſtructions des Commiſſaires
de la republique y ſoient pareillement conformes
afin que ceux-ci, inſtruits d’avance de la juſteſſe
des limites, reconnue par l’illuſtre Delegation,
n’aient
[187]Von den Landesgrenzen.
n’aient pour tout ouvrage, qu’à verifier et conſtater
ſur les lieux la conformité de la poſition des aigles
imperiales avec la Carte, qui leur doit ſervir de
regle; au moyen de quoi l’operation longue et
penible des Commiſſaires, n’étant point arrétée par
l’attente des inſtructions particulières, ſe trouvera
notablement abregée et ſera terminée avant la fin de
la belle ſaiſon. Dagegen erregte man aber polniſcher
Seits nicht geringe Schwierigkeiten und Einwendungen
gegen die Richtigkeit und Zulaͤſſigkeit dieſer Charten.
De tout ceci, aͤuſſerte man unter andern, il apparoit,
que cette Carte ne peut pas être admiſe pour fonde-
ment réel des limites des deux états. Mais de plus
il eſt à remarquer, que dans le traité il a été convenu,
qu’on nommera de part et d’autre des Commiſſaires,
pour faire dreſſer ſur les lieux une Carte exacte des
limites reſpectives, parcequ’on a ſenti et reconnu,
en faiſant le traité qu’il falloit recueillir des nations
ſur le local, ſur les demarcations les plus anciennes
des frontières, pour eviter le melange inſeparable
d’inconveniens de la ſuperiorité territoriale de l’un
ou de l’autre état. Preuſſen machte aͤhnliche Foderun-
gen. Es erklaͤrte: La Carte, que S. M. le Roi de
Pruſſe à fait lever, eſt entierement conforme au vrai
ſens du traité du 18. Septembre 1773. Elle doit
donc avec juſtice être priſe pour règle dans la De-
marcation qu’on ſe propoſe de faire. Allein Polen
entgegnete: que ce ſeroit manquer le but d’une Com-
miſſion de frontière, ſi, au lieu de dreſſer de nou-
velles cartes, ainſi que le traité l’ordonne expreſſé-
ment, on ſe bornoit à recommencer les conteſtations
ſur le plan de demarcation levé unilatér alement et
ſur des principes, qui ne ſont rien moins qu’incon-
teſtables — Nous ne connoiſſons d’autre règle de
nos operations communes que le traité même; et
nous
[188]Von den Landesgrenzen.
nous ne conſentirons jamais à lui ſubſtituer une Carte
geographique inexacte à tous égards et dont la cor-
rection demanderoit plus de tems, de travail et de
diſcuſſions qu’il n’en couteroit pour en dreſſer une
nouvelle, conformement au 2. Article du traité en
queſtion. Endlich muſte Preuſſen nachgeben und die
dieſſeitigen Commiſſarien verſicherten: que nous ne
ferons aucune difficulté de concourir à faire lever
une Carte geographique commune ſur les limites dont
on ſera convenu de part et d’autre.Moſers Ver-
ſuch 5. Th. S, 283. ff. u. Beitraͤge in Fr. Zeit.
5. Th. S. 216. ff. vergl. Neuſte Staatsbegeben-
heiten von 1775. S. 237. u. 293.
In dem polniſchen Kriegsmanifeſt gegen Schweden
von 1700. wurde als eine Beſchwerde auch die einſeitige
Grenzbeſtimmung von Seiten Schwedens angefuͤhrt:
imminutis Regni terminis, heißt es darinn, pro ſuo
arbitrio in ſummum Reipublicae contemptum, non
requiſitis neque exſpectatis Commiſſariis Regni Polo-
niae, limites determinauit, ſigna metalia poſuit etc.
Lamberty Memoires Tom. I. p. 76.
Portugal wegen der amerikaniſchen Beſitzungen von
1777. Art. 15. lautet dahin: Afin de fixer avec
d’autant plus d’exactitude les limites propoſées par
ce traité et pour les déterminer de façon, qu’il ne
reſte plus à l’avenir le moindre doute ſur les endroits
que traverſera la ligne et qui ſeront tous ſcrupuleuſe-
ment detaillés par un traité deſinitif, L. M. Très-Fi-
dele et Catholique nommeront des Commiſſaires ou
authoriſeront les Gouverneurs des provinces, à ſe
rendre en perſonne aux endroits determinés pour la
demarcation, ou à y envoyer des gens d’une probité
et intelligence reconnues, qui connoiſſent parſaite-
ment le pays, pour en marquer les frontières con-
formément
[189]Von den Landesgrenzen.
formément aux articles du préſent traité et faire
enſuite vne carte detaillée des limites qu’ils deſigne-
ront. Les Copies des Inſtrumens ou Actes authen-
tiques dreſſés à cet effet et confirmés de part et
d’autre ſeront remiſes aux deux Cours reſpectives,
qui veulent qu’on ne tarde pas à mettre en execu-
tion les articles ſur lesquels on ſ’accorde, et qu’on
réuniſſe ſous un point de vue ceux, qui partagent
les ſentimens, afin que les deux Puiſſances puiſſent
prendre de concert là-deſſus le parti qu’elles juge-
ront à propos. Pour hâter la dite demarcation, et
faire executer les articles de ce traité d’autant plutôt,
les deux Cours nommeront des Commiſſaires inſtruits,
qui faſſent dans le meme tems ce dont on eſt
convenu.
lich bedungen, daß es ſachkundige, geſetzte und fried-
liebende ꝛc. Maͤnner ſeyn ſollen, z. B. im Paſſarowitzer
Frieden zwiſchen Oeſterreich und der Pforte 1718.
Art. 9. ordinentur vtrinque pari numero Commiſſa-
rii, viri neutiquam avidi, ſed graves, probi, pru-
dentes, experti atque pacifici — convenientes ſine
exercitu cum aequali pacificarum perſonarum comi-
tiva. Eben dieſes iſt auch im Belgrader Frieden 1739.
Art. 13. u. 15. ꝛc. feſtgeſetzt.
kiſchen und Venetianiſchen Commiſſarien in Croatien
1699. vorgenommene Grenzſcheidung ſehe man im
Monathl. Staatsſpiegel September 1699. S. 95. ff,
Commiſſaires de S. M. Très-Chretienne et de ceux
de S. M. Britannique ſur les poſſeſſions et les droits
reſpectifs des deux Couronnes en Amerique.
gebenen Charte verſicherte erſteres: on a uſé de la plus
grande diligence poſſible pour en avoir une exacte
connoiſſance. A cet effet on n’a pas manqué d’invi-
ter tous les Poſſeſſeurs de terres, Officiers d’Econo-
mie, Juges jurés et autres perſonnes des diſtricts
reſpectifs pour aſſiſter au tracement des limites en y
joignant auſſi un certain nombre de Payſans à chaque
endroit; et ſoit à l’aide des depoſitions unanimes
des uns et des autres ſoit par l’êxhibition des quit-
tances de leurs contributions, on eſt parvenu à ſavoir
avec certitude les appartenances et dependances de
chaque diſtricte et Palatinat.Moſers Verſuch 5. Th.
S. 301.
Georg. Henr. Ayrer ſ. resp. Arn. de Ramdohr, diſſ.
de limitum praeſcriptione, Gotting. 1746.
Oeſterreich: les vraies frontières de la Ruſſie-Rouge,
de la Volhynie et de la Podolie ne ſçauroient être
conſtatées avec certitude par aucun autre moyen que
par les tarifs des contributions et par les actes et
dietines et des grods qui prouvent, que tel ou tel
territoire appartient à l’un ou l’autre de ces trois
Palatinats. Moſers Verſuch 5. Th. S. 285.
werden heutzutage wohl kaum mehr vorkommen, indes
ſehe man desfals:
Io. Fr. Wernher diſſ. a) de finibus per virgulam mer-
curialem non inveſtigandis, Wittenb. 1734.
b) Vindiciae diſſert. de finibus per virgulam mer-
curialem non inveſtigandis ib. eod.
hiſtoriſchen und geographiſchen Schriften wurde beſonders
zwiſchen Frankreich und Grosbritannien wegen der Gren-
zen von Akadien geſtritten. Beide Theile bezogen ſich
auf Charten, die in des andern Landen und unter ſeiner
Autoritaͤt
[193]Von den Landesgrenzen.
Autoritaͤt herausgekommen waren. Die grosbritanniſchen
Commiſſarien legten den Charten des de l’Isle, Bellin
und Danville deshalb einen beſondern Werth bey: que
de l’Isle étoit Membre de l’Académie royale des
Sciences ainſi que premier Geographe du Roi; que
la carte de Bellin a été compoſée par ordre exprès
de la Marine de France — et la carte du Sieur Dan-
ville a été publiée avec privilège. Die franzoͤſiſchen
fuͤhrten eine Menge Landcharten dagegen an, die in
Grosbritannien herausgekommen z. B. die von Iean de
Laët, Holtey, Poppel etc. dediées au Roi d’An-
gleterre, aux Commiſſaires de l’Amirauté: beſon-
ders ſagten ſie vom Poppel: il a entrepris ſa carte
avec l’approbation des Commiſſaires du bureau du
Commerce et des Plantations, et il paroit qu’ils lui
ont fait communiquer les arpentages — enfin cette
carte eſt dediée à la feue reine d’Angleterre qui ac-
cordoit une protection particulière aux arts et aux
ſciences. Memoires des Commiſſaires etc. T. I.
P. 1. p. 77. u. 233. ff.
Im algemeinen aber behaupteten die grosbritanniſchen
Commiſſarien von den Landcharten: Les cartes ſont
naturellement des temoignages fort legers, les Geo-
graphes les couchent fort ſouvent ſur des arpentages
incorrects, copiant les mépriſes des autres: et ſi les
arpentages ſont corrects, les cartes qui en ſont dreſ-
ſées, quoiqu’elles puiſſent montrer la vraie poſition
d’un pays, la ſituation des isles et villes et le cours
des rivières, cependant elles ne peuvent jamais deci-
der des limites d’un territoire, lesquelles dépendent
entièrement des preuves authentiques; et en ce cas
les preuves ſur lesquelles les cartes doivent être fon-
dées pour leur donner du poids, ſeroient d’elles-
mêmes les meilleurs temoignages, et ainſi devroient
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Nêtre
[194]Von den Landesgrenzen.
être produites dans une diſpute de cette nature, où
les droits des Royaumes ſont intereſſés.
Franzoͤſiſcher Seits entgegnete man: On conviendra
avec les Commiſſaires de S. M. Britannique que l’au-
torité des Geographes ne doit point être deciſive.
Ils ſont plus occupés de donner un air de Syſteme
et de verité à leurs cartes ainſi qu’une apparence de
ſcience et de recherche, qu’à fixer les droits des
princes et les veritables limites des pays — Quoique
des cartes ne ſoient point des titres et qu’on ne pré-
tende point leur donner plus de poids qu’elles n’en
doivent avoir, un pareil concours d’autorités merite
cependant qu’on y ait quelque égard; et quoiqu’il
ne ſoit pas ſuffiſant pour faire une demonſtration il
l’eſt cependant pour établir une opinion qui ne peut
êlle-même être renverſêe que par des titres précis
et formels. Memoires des Commiſſaires T. I. P. 1.
p. 79. 232. u. 237. M. vergl. Moſers Beitr. in
Fr. Zeit. 5. Th. S. 431. 433.
Grosbritannien bezog ſich auch haͤufig auf franzoͤſiſche
Schriftſteller, aber Frankreich erinnerte: Une hiſtoire
n’eſt pas un acte et on ne doit pas y attendre une
rigoureuſe préciſion qui la defigureroit pour la plu-
part des lecteurs — Que des Ecrivains particuliers
augmentent ou diminuent les droits de leur nation;
les Princes ni leurs Miniſtres ne ſe conduiſent pas par
les erreurs populaires: ils doivent la juſtice a leurs
ſujets ils la doivent a leurs voiſins ſoit que les uns
ou les autres exagerent leurs droits qu’ils les negli-
gent ou que même ils les ignorent. Ebendaſ. T. I.
P. 1. p. 310. M. vergl. Reuß teutſche Staatskanz-
ley 12. T. S. 278.
Von etwas mehrerem Gewicht iſt es allerdings, wenn
Staatsmaͤnner oder andere Perſonen, die in Geſchaͤften
des Staats gebraucht werden, zumal uͤber einen zu
ihrem
[195]Von den Landesgrenzen.
ihrem Poſten gehoͤrigen Gegenſtand in Schriften etwas
behaupten; wiewohl auch dieſe den Gerechtſamen dadurch
nichts vergeben koͤnnen, weil es leicht moͤglich iſt, daß
ſie durch mancherley Umſtaͤnde irre gefuͤhrt werden koͤn-
nen. Frankreich behauptete ſogar von einem officiellen
Memoire, welches der franzoͤſiſche Geſandte dem engli-
ſchen Hofe ehemals uͤbergeben hatte: il n’y auroit rien
d’extraordinaire qu’un Miniſtre de France en Angle-
terre ſe fût laiſſé ſurprendre à l’art avec lequel les
ecrivains Anglois ont cherché à établir ce nom
[Neuſchottland von dem Lande Akadien] ſans qu’il
eût aucune réalité; mais dans l’espérance, ſans
doute, qu’il en pourroit acquerir par la ſuite. C’eſt
ainſi qu’on ſ’en eſt ſervi dans des livres et ſur des
cartes, long-tems avant le traité d’Utrecht; mais
de ſimples enonciations Angloiſes [euſſent-elles
adoptées par le Miniſtre de France à la Cour d’Angle-
terre] ne ſont pas des titres et ne peuvent faire
exiſter une colonie qui n’exiſtoit pas. Memoires
des Commiſſ. T. I. P. 1. p. 175. 187.
andern zu beſchweren, wenn bey dieſem Landcharten er-
ſcheinen, welche unrichtig und ihm nachtheilig ſind,
wovon unten ein Beiſpiel zwiſchen teutſchen Landesherrn
vorkommen wird.
Maͤchten, die theils noch nicht oͤffentlich zum Vorſchein
gekommen theils bekant und gedruckt ſind, iſt nicht ge-
ringe, und man kan dergleichen in allen Sammlungen
oͤffentlicher Vertraͤge antreffen.
und Schweden den Nyſtaͤdter Frieden von 1721. Art. 8.
und den Aboer Frieden von 1743. Art. 7. Wegen
der Grenzen zwiſchen Rußland und der Pforte den Frie-
den zu Adrianopel von 1713. Art. 7. ingleichen den
Frieden zu Cainardgi von 1774. Art. 22. wegen der
Grenzen zwiſchen den Grosbritanniſchen und Franzoͤſiſchen
Beſitzungen in Amerika den Pariſer Frieden von 1763.
Art. 7.
finium, Lipſ. 1763. Vergl. Moſers vorerwaͤhnte Ab-
handlung von der geographiſchen Staatsklugheit und de
Bielefeld Inſtitutions politiques Tom. II. c. 6. §. 22.
Erlaͤuterung des Barrieretractats zwiſchen den Vereinig-
ten Niederlanden und Oeſterreich von 1718. Art. 1.
durchgaͤngig auf eine deshalb entworfene Charte: qui
en a été formée et ſignée de part et d’autre etc.
Lamberty Memoires Tom. X. App. p. 62. In dem
Vertrage zwiſchen Polen und Oeſterreich wegen Abtre-
tung einiger Lande 1773. wurde Art. 2 verglichen:
à fin qu’il puiſſe n’y avoir aucun doute ni incerti-
tude à cet égard, il a été convenu, qu’on nommera
de part et d’autre des Commiſſaires pour faire dreſſer
ſur les lieux une carte exacte des limites reſpectives
laquelle devra faire loi dans tous les tems à venir
au ſujet de la frontière des provinces cedées. M.
vergl. den Vertrag von 1776. Moſers Verſuch 5. Th.
S. 85. u. 309. Dies war auch in dem Vertrage mit
Preuſſen feſtgeſetzt. Ich habe aber ſchon oben die
Schwierigkeiten bemerkt, welche deshalb gemacht wur-
den, indem dieſe Hoͤfe die Grenzregulierung nach einer
einſeitig in voraus entworfenen Charte verlangten, iedoch
endlich nachgaben. Dem Definitiv Frieden zwiſchen
Oeſterreich und der Pforte vom 4. Aug. 1791. wurde zu
mehrerer Beſtimmung der Grenzen, ebenfals eine Charte
beigefuͤgt Art. ſep. 3. ſ. Polit. Journ. Sept. 1791. S. 952.
§. 3.
ff. Vattel L. I. c. 22. §. 269. u. 270. v. Can-
crin Waſſerrecht 2. Abth. 1. Kap. §. 20. S. 110.
zwiſchen Polen und Preuſſen die Grenze der abgetretenen
Lande machen ſolte, erinnerte man von letzterer Seite
daher ganz richtig: comme cette rivière change ſou-
vent de cours et d’extenſion il n’y auroit point de
limites
[199]Von den Landesgrenzen.
limites ſures et certaines ſi l’on ne mettoit des po-
teaux ſur la rive de la Netze ou ſur l’extremité du
terrain qu’elle inonde ſouvent. Moſers Verſuch
5. Th. S. 325. Zwiſchen Frankreich und Oeſterreich
wurde in einem Vertrage von 1612. Art. 13. feſtge-
ſetzt: Pour obvier cy-après aux contentions qui
pourroient naitre pour le changement du cours de la
dite rivière de Doubs entre les finages des dits lieux
de Chaulein Peſuel, Champs divers, et Hottelans,
avons dit et declaré que advenant changement du
dit cours, procès verbal en ſera dreſſé par les offi-
ciers des lieux, y pretendants intereſts enſemblement,
que ſera par eux ſigné, et regiſtré es Greffes de leurs
juſtices et baillages de leurs reſſorts pour y avoit
recours quand beſoin ſera, à fin que la propriété,
juſtice et ſouveraineté ſoit conſervée à qui il appar-
tiendra et ſelon ſon droit ab Hohenthal diſſ. de foe-
deribus fin. §. 14. p. 39.
tigkeiten zwiſchen der Republik Venedig und Oeſterreich
bey dem Fluſſe Bambo, welcher auf der Grenze in einen
Kanal faͤlt und oͤfters austritt. Moſers Beitraͤge in
Fr. Zeit. 5. Th. S. 207.
den von 1751. hat man ſich z. B. verglichen, daß der,
welcher ſich unterſtehet, die feſtgeſetzte Grenzlinie durch
Veraͤnderung oder gaͤnzliche Ausreiſſung eines Grenzmals
zu brechen, zum Schrecken und Abſcheu anderer Uebel-
geſinnten an ſelbiger Staͤdte aufgehangen werden ſoll.
Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 135. Die
Pforte und Oeſterreich ſetzten im Carlowitzer Frieden
1699. Art. 5. feſt: Ex vtraque parte ſi quis auſus
fuerit alterare, mutare, evellere, tollere aut quovis
modo violare aliquod ex praedictis ſignis, ille per
N 4omni-
[200]Von den Landesgrenzen.
omnimodam inquiſitionem deprehenſus ad exemplum
aliorum ſeveriſſime puniatur.
und der Republik Venedig von 1764. wegen der Ge-
waͤſſer von Tartaro Art. 27. verglichen: Damit alles
genau beobachtet werde, — ſollen die Viſitatorn der
Mautuaniſchen und Veroneſiſchen Gewaͤſſer allemal im
Monat Junius ſich in Geſelſchaft der zweien Ingenieurs
auf die Reiſe begeben die man zur Viſitation des Tar-
taro und der in denſelben fallenden Gewaͤſſer, wie auch
des Grabens von Pozzuolo und der Malinella beſtimt
hat, um allen Unordnungen zu ſteuern — Und wenn
ſie nicht mit einander uͤbereinkommen, ſo ſollen ſie ihren
Regierungen gleich Nachricht davon geben, die ſich her-
nach wegen der Verfuͤgungen mit einander verſtehen
werden.
z. B. die Beamten [auſſer der iaͤhrlichen Grenzbeſichti-
gung der Aemter] beſonders auf dieienigen Vaſallen,
welche
[201]Von den Landesgrenzen.
welche an der Grenze in dem Kurſaͤchſiſchen Territorio
und zugleich in benachbarter Herſchaften Landen an ein-
anderſtoffende Guͤter beſitzen, ein wachſames Auge haben,
die Confuſion der Landes- mit der Guͤter Particulargren-
zen auf alle Art und Weiſe zu vermeiden ſuchen, auch
ſo oft es noͤthig, und wenigſtens das Jahr einmal ihren
Bericht davon erſtatten. Moſers Landeshoheit in An-
ſehung Erde und Waſſers S. 6. Wegen der nachthei-
ligen Folgen von Veraͤuſſerung der Grenzguͤter an Unter-
thanen benachbarter Staaten. ſ. Menius diſſ. cit.
§. 28.
cialium atque publicorum, Alt. 1716.
den beim Utrechter Frieden 1713. in einem Separat
Artikel: Quandoquidem Domini Ordines Generales
vniti Belgii propoſuerunt quod ditionum ſuarum limi-
tes in Flandria tam arcte et tam ineongrue conſtituti
ſint, vt etc. — Regia Sua Maieſtas Magnae Bri-
tanniae promittit ſpondetque, ſeſe in pactis Caeſa-
ream Suam Maieſtatem inter et Dominos ordines Ge-
nerales ineundis operam et officia collaturam eſſe,
N 5quo
[202]Von den Landesgrenzen.
quo per Caeſaream Suam Maj. Dominis Ordinibus
Generalibus talis territorii Flandrici pars in proprie-
tatem perpetuam cedatur quae praedictis aliisque in-
commodis evitandis et limitibus ibidem amplificandis
meliusque conſtituendis omnino ſufficiat.
ſeit dem Wiener Tractate von 1735. entſtandenen und
ſeit 1785. in oͤffentliche Thaͤtlichkeiten ausgebrochenen
Grenzſtreitigkeiten ſeines Hofes mit der Republik ein
Manifeſt oͤffentlich austheilen lies, worinn er das Be-
tragen der Republik nicht eben von der beſten Seite vor-
ſtelte, ſahe Genua dies als etwas ungewoͤhnliches an
und theilte den europaͤiſchen Hoͤfen ein Gegenmemoire
mit, das ſich alſo anfaͤngt: Da von dem Miniſter des
Turiner Hofes zu Genua, dem Ritter Nomis von Coſ-
ſila, eine Art von Manifeſt in der Stadt vertheilet wor-
den, worinnen das Betragen der Durchl. Republik in
den ſtreitigen Angelegenheiten mit dem Koͤnigl. Sardini-
ſchen Hofe in einem wenig vortheilhaften Lichte darge-
ſtelt wird, ſo hat die Regierung, ohne die Abſichten
ienes Schritts des Miniſters, der wenigſtens unge-
woͤhnlich iſt, aufſuchen zu wollen, folgende Darſtel-
lung in der Abſicht zu entwerfen befohlen, um die Ein-
druͤcke zu rectificiren, die eine widrige Lectuͤre veranlaſ-
ſen kan. Polit. Journ. Februar 1791. S. 197.
Maͤrz S. 225.
des ſogenanten Bodenſees ſ. m. in Moſers Tract. von
der Reichsſtaͤnde Landen ꝛc. 1. B. 2. K. §. 6. S. 16.
und der daſelbſt angefuͤhrten Abhandlung des Buder
de dominio maris Suevici.
Entdeckungen in einer Bulle von 1493. eine Grenzlinie
durch den Ocean und ſchenkte an Spanien: omnes inſu-
las et terras firmas inventas et inveniendas — verſus
Occidentem et Meridiem fabricando et conſtituendo
vnam
[204]Von den Landesgrenzen.
vnam lineam a polo arctico ſc. ſeptentrione ad polum
antarcticum ſc. Meridiem — quae linea diſtet a qua-
libet inſularum quae vulgariter nuncupantur de los
Azores y Cabo verde centum leucis verſus Occiden-
tem et Meridiem. Schmauß. C. I. Gent. A. T. 1.
S. 130.
§. 16. Wegen der Fiſcherey wurde unter andern im
Utrechter Frieden zwiſchen Grosbritannien und Frankreich
1713. Art. 12. ſolche der erſtern Krone an beſtimten
Orten zugeſtanden idque tam amplis modo et forma
vt regis Chriſtianiſſimi ſubditis in dictis maribus ſinu-
bus aliisque locis ad littora Novae Scotiae ea nempe
quae Eurum reſpiciunt intra triginta leucas, incipien-
do ab inſula vulgo Sable dicta eaque incluſa et Afri-
cam verſus pergendo, omnis piſcatura in poſterum
interdicatur. M. vergl. Art. 13. und Pariſer Frieden
1762. Art. 5. Im neuſten Definitiv Frieden zwiſchen
dieſen beiden Maͤchten von 1783. Art. 5. wurde der
13. Art. des Utrechter Friedens aufgehoben und Gros-
britannien verſprach: que la pêche aſſignée aux ſujets
de S. M. Très-Chretienne, commençant au dit Cap
St. Iean paſſant par le Nord et deſcendant par la Côre
occidentale de l’Isle de Terre-Neuve, ſ’étende
jusqu’à l’endroit appellé Cap Raye ſitué au quarante
ſeptième degré cinquante minutes de latitude.
dern den Franzoſen die Fiſcherey im Meerbuſen St. Lau-
rent bewilliget à condition que les ſujets de la France
n’exercent la dite pêche qu’à la diſtance de trois
lieues de toutes les côtes appartenantes à la Grande
Bretagne. und bey der Inſel Cap-Breton wird die
Entfernung gar auf 15. lieues geſetzt.
ſtande begreift man gewoͤnlich blos dieienigen Lande,
welche der Oberherſchaft des roͤmiſchteutſchen Kaiſers
unterworfen ſind, ohne auf dieienigen Provinzen Ruͤck-
ſicht zu nehmen, welche im geographiſchen Sinne, ihrer
Lage nach, zuweilen zu Teutſchland gerechnet werden,
wie C. H. v. Roͤmer im Voͤlkerrechte der Teutſchen,
Halle 1789. 8. S. 245. nach Buͤſchings Grundſaͤtzen
erinnert; denn vbi terminus ſupremae poteſtatis ibi
limes territorii bemerkt ganz richtig Seidenſticker
Comment. de iure emigr. Sect. II. §. 3. p. 10.
M. vergl. Moſer von der teutſchen Reichsſtaͤnde Landen
1. B. 2. K. S. 10. ff.
S. 247. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 44.
gleichen Grenzvertraͤge, hauptſaͤchlich zwiſchen Frankreich
und den benachbarten teutſchen Landesherrn zur Geneh-
migung an die Reichsverſamlung gebracht worden. M.
ſ. oben 2. Kap. §. 30. Vergl. Moſer von der Reichs-
ſtaͤnde Landen S. 15. ff. deſſen nachbarl. Staatsrecht
S. 218. und auswaͤrtiges Staatsr. S. 368. Bey
dem Grenzvertrage mit dem Hochſtift Baſel, worinn
feſtgeſetzt war, daß innerhalb zwey Monaten, nach Aus-
wechſelung der Ratificationen, zur Volziehung des Ver-
gleichs geſchritten werden ſolte, ahndete der Kaiſer, daß
das Geſuch um Genehmigung des Reichs ſpaͤter erfolge,
als die Volziehung des Vertrags bedungen worden.
ſ. Reuß teutſche Staatskanzley 1. Th. S. 59.
denburgiſchen Haͤuſern und der Reichsſtadt Nuͤrnberg
1764. ein weitlaͤuftiger Streit. Erſtere verlangten,
daß die zu Nuͤrnberg herausgekommenen, ihren vermeint-
lichen Gerechtſamen nachtheiligen Charten confiſcirt,
auch der Verfaſſer und Verleger beſtraft werden ſolten;
letztere aber antwortete: die Landcharten waͤren weder
mit des Raths Approbation, noch auf deſſen Befehl
bekant gemacht worden, und er gedenke daher an denen
etwa darinn vorkommenden Fehlern keinen Theil zu neh-
men ꝛc. M. ſ. Gruͤndliche Anzeige, wie faͤlſchlich
zum geſuchten Nachtheil der Gerechtſame der Fuͤrſtlichen
Haͤuſer Brandenburg in denen im Jahr 1764. heraus-
gekommenen dreyen Landcharten die desfalſigen Grenzen
bemerkt ſind, auch wie ſehr ſolche Beſtimmung, und
die den gedachten Landcharten beigefuͤgten Anmerkungen
demienigen, was die Geſchichte und die von den hoͤchſten
Reichsgerichten gefaͤlte Urtheile beſagen zuwiderlaufen,
Bayreuth und Onolzbach 1766. fol. vergl. Moſers
Nachbarl. Staatsr. S. 223. ff.
S. 27. lehrt, 1) auf friſcher That, 2) in ſofern die
Sache klar iſt, 3) nur vertheidigungsweiſe und 4) ſo-
weit ſonſt und uͤberhaupt, die Selbſthuͤlfe nach den
Reichsgeſetzen erlaubt iſt. M. vergl. Io. Ulr. L. B.
de Cramer: Cauſſa violati territorii minime ad viam
facti ſed mandatum S. C. qualificata eſt, in Ej. Ob-
ſervat. Iur. vniv. P. I. n. 82.
§. 7. S. 18.
mark nebſt dem Herzoge zu Braunſchweig die Vermit-
telung und Beilegung der Grenzſtreitigkeiten zwiſchen
Meckelnburg und Pommern 1584. Moſer a. a. O.
S 37. Gegen den eilften Artikel des Grenzvergleichs
zwiſchen
[209]Von den Landesgrenzen.
zwiſchen Frankreich und dem Hochſtift Baſel von 1780.
trat der Herzog von Wuͤrtenberg mit einem Widerſpruch
in Betref der Herſchaft Franquemont hervor, weil er
ihn ſeinen Rechten daran nachtheilig zu ſeyn erachtete,
und bat die Genehmigung des Reichs zu verſchieben,
bis dieſer Anſtand gehoben ſeyn wuͤrde. Frankreich
ſtelte daher eine beſondere Erklaͤrung an den Herzog von
Wuͤrtenberg deshalb aus. Neuſte Staatsbegebenheiten
1781. S. 975. Reuß teutſche Staatskanzley 4. Th.
S. 43. ff.
S. 364. Deſſelben nachbarl. Staatsr. z. B. 1. K.
§. 8. S. 209.
S. 104. u. nachbarl. Staatsr. 3. B. 1. K. §. 7.
ritorio ſuperioritatem territorialem non inferente,
Alt. 1709.
Von den geſchloſſenen Territorien in Teutſchland uͤberhaupt
ſehe man:
Io. Balth. Wernher diſſ. de probatione landſaſſiatus ex
ſitu terrarum, Viteb. 1717.
Andr. Wagner diſſ. II. a) hiſtorica b) iuris publici de
diſtinctione territoriorum imperii in clauſa et non
clauſa, Lipſ. 1752.
Chr. Thomaſius diſſ. de inutilitate brocardici vulgaris:
Quae ſunt in territorio praeſumuntur etiam eſſe
de territorio, Hal. 1709.
Georg. Frid. Aug. Dathe diſſ. de falſitate vulgati:
quicquid eſt in territorio, praeſumitur etiam eſſe
de territorio, Gotting. 1753.
heißt es Art. 114. Welcher boͤßlicher und gefaͤhrlicher
Weiſe ein Untermarkung, Reinung, Mahl- oder Mark-
ſtein verruckt, abhauet, abthut oder veraͤndert, der
ſoll darum peinlich am Leib, nach Gefaͤhrlichkeit,
Groͤß, Geſtalt und Gelegenheit der Sachen und Perſon
nach Rath geſtraft werden.
Rußland und dem Herzog von Curland vom 10/21. May
1783. wird z. B. ausdruͤcklich feſtgeſetzt, daß dieſelbe
erſt, nachdem der Herzog und die Staͤnde von Curland
und Semgallen daruͤber die Ratification des Koͤnigs und
der Republik von Polen beſorgt haben werden, ſeine end-
liche Beſtaͤtigung von Ihro Kaiſerl. Maj. aller Reuſſen
erhalten ſoll.
Herm. Conring de finibus imperii Germanici, Helmſt.
1654. u. oͤfter 4.
Io. Iac. Moſer diſſ. de dubiis regni Germanici finibus
modernis, Frcf. ad Viadr. 1737. und in Opuſc.
acad. Ien. 1744. n. 1.
Car. Wilh. de Carlowitz diſſ. de inſignioribus naevis
politicis Imp. Rom. Germ. in tuendis imperii fini-
bus a tempore Ottonis M. vsque ad Maximilia-
num I. Lipſ. 1764.
ſ. Puͤtters Litteratur des teutſchen Staatsrechts 3. Th.
S. 1. ff.
iure, Gieß. 1728.
J. Rave vom Unterſchied der Oberherſchaft und des Ei-
genthums. Jen. 1766.
prooem. XII. L. IV. c. 2. §. 236. ſeq. Ickſtatt
L. III. c. 1. §. 11. Wolff I. G. c. I. §. 92. 102.
305. ſeq. Vattel droit d. g. L. I. c. 20. §. 244.
ſubditorum, Ien. 1711. und andere vom dominio emi-
nente handelnde Schriften beym Puͤtter Litteratur des
St. R. 3. Th. S. 378.
hom. et civ. c. XIII. §. 5. Die meiſten Natur- und
Voͤlkerrechtslehrer verſtatten zwar dem erſten Eigenthuͤ-
mer das Recht der Wiederfoderung gegen ieden auch red-
lichen Beſitzer [vergl. Grotius L. II. c. 10. §. 1.
n. 2.]. Ich halte aber die gegentheiligen Gruͤnde fuͤr
ſtaͤrker;
[215]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
ſtaͤrker; denn wenn die Rechte des gehoͤrig erworbenen
Eigenthums ſo weit ſich erſtrecken ſollen, ſo ſehe ich nicht,
warum das Eigenthumsrecht des letztern redlichen Er-
werbers, dem keine Schuld und Beleidigung zur Laſt
faͤlt, nicht eben ſo ſtark und noch ſtaͤrker ſeyn ſolte, da
er noch dazu im Beſitz ſich befindet.
nach dem nataͤrlichen Rechte uͤberhaupt ſehe man Puffen-
dorff I. N. et Gent. L. IV. c. 13. Ein Beiſpiel von
Wiedererſtattung der genoſſenen Nutzungen unter den
europaͤiſchen Maͤchten findet ſich im Ryswickſchen Frieden
zwiſchen Grosbritannien und Frankreich von 1697.
Art. 13. wo es heißt: Et in quantum, per auctori-
tatem Domini Regis Chriſtianiſſimi Dominus Rex
Magnae Britanniae impeditus fuerit, quominus frue-
retur reditibus, iuribus et commodis tam principatus
ſui Arauſionenſis quam aliorum ſuorum Dominiorum,
quae poſt concluſum tractatum Neomagenſem, vsque
ad declarationem praeſentis belli ſub dominatione
praedicti Regis Chriſtianiſſimi fuerunt, praedictus
Dominus Rex Chriſtianiſſimus Regi Magnae Britan-
niae reſtituet et reſtitui efficiet realiter, cum effectu
et cum intereſſe debito, omnes iſtos reditiis, iurs
et commoda ſecundum declarationes et verificationes
coram dictis Commiſſariis faciendas.
eine Nazion durch Friedensſchluͤſſe, oder auf andere
rechtmaͤſſige Weiſe erworben, gleichwol dritte Maͤchte,
aus vermeintlichen aͤltern Rechten, mancherley Anſpruͤche
machen; wie man in Schweders Theatro praeten-
ſionum und mehrern dahin gehoͤrigen Schriften ſehen
kan.
findlichen Unterthanen, daſelbſt keine unbeweglichen
Guͤter zu kaufen. Moſers Verſuch 6. Th. S. 37.
muͤſſe die unbebauten Gegenden in ſeinem Lande Frem-
den uͤberlaſſen, wenn ſie ſolche verlangten, oder dieſe
koͤnten vielmehr durch bloſſe Beſitzergreifung das Eigen-
thum
[217]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
thum davon, iedoch unter ienes Volkes Oberherſchaft,
erwerben, weil unbebaute Orte fuͤr nicht beſeſſen zu hal-
ten. Aber dieſer Grundſatz, wenn er auch, wie es
nach des Grotius Abſicht ſcheinet, blos von ſolchen Frem-
den zu verſtehn waͤre, die mit Aufhebung ihrer vorigen
Staatsverbindung, ſich voͤllig in dem Territorium des
andern Volks niederlaſſen wollen, ſtreitet geradezu wider
das einer ieden Nazioa unlaͤugbar zuſtehende Eigenthum
uͤber den ganzen Umfang ſeines Territoriums, wie ſol-
ches Barbeyrac in den Noten zur franzoͤſiſchen Ueber-
ſetzung des Grotius bey dieſer Stelle angemerkt hat;
obwohl der eigne Vortheil eines Volks allerdings erfo-
dert, dieſes zu thun. M. vergl. Wolff I. G. c. III.
§. 275. de Martini Poſit. de iure civit. c. XIX.
§. 586.
c. 3. §. 16. Scol. 2. [vergl. Wolff I. G. c. III.
§. 333.] verdienen dergleichen Veraͤuſſerungen der Pri-
vatguͤter an Fremde eben keine Aufmerkſamkeit im Voͤl-
kerrechte, weil dadurch weder die Gerechtſame noch die
Grenzen des Staats geſchmaͤlert oder veraͤndert wuͤrden.
Da ſie aber, beſonders an den Grenzen, zu mancherley
Streitigkeiten Anlas geben, ſo ſind ſie keinesweges als
gleichguͤltig zu betrachten. Daher erließ Frankreich un-
term 10. Jul. 1731. an die Eigenthumsbeſitzer der
Provinzen Hennegau, Flandern, Artois ꝛc. ein Verbot,
ihre Guͤter, bey Strafe der Confiscation, an Fremde,
die nicht franzoͤſiſche Unterthanen und im Reiche ange-
ſeſſen waͤren, ohne Erlaubnis zu verkaufen, theils um
die Einkuͤnfte davon nicht auſſer Landes gehen zu laſſen,
theils weil den franzoͤſiſchen Unterthanen in den benach-
barten Staaten der Guͤterankauf ebenfals verboten ſey.
Real Science du Gouvern. Tom. IV. c. VII. Sect. 2.
§. 20.
reich von 1785. Art. 24. wird z. B. den oͤſterreichi-
ſchen Unterthanen die Erlaubnis zugeſtanden, in Peters-
burg, Moſcau, Archangel ꝛc. Haͤuſer zu bauen und zu
erkaufen. Desgleichen iſt nach dem Handelsvertrage
zwiſchen Rußland und Portugal von 1787. Art. 36.
den beiderſeitigen Kaufleuten erlaubt, in des andern
Theils Staͤdten ſich anzubauen, Haͤuſer zu kaufen ꝛc. ꝛc.
Utrechter Frieden 1715. Art. 6. nicht zu erlauben, daß
in der von letzterer Krone abgetreten erhaltenen Colonie
de Sacramento eine andere europaͤiſche Nazion, als die
portugieſiſche ſich etablire: und die von Frankreich an
Grosbritannien uͤberlaſſene Inſel St. Chriſtoph ſoll blos
von grosbritanniſchen Unterthanen beſeſſen werden.
Utrecht. Fr. zwiſchen Frankr. und Grosbrit. 1713.
Art. 12. Nach dem Frieden zwiſchen eben dieſen bei-
den Nazionen von 1783. Art. 7. ſollen die Untertha-
nen des Koͤnigs von Grosbritannien, welche auf den
Inſeln St. Lucie und Tabago, die an Frankreich abge-
treten worden, Beſitzungen haben zwar auswandern und
ſolche verkaufen koͤnnen, aber nur an Unterthanen des
Koͤnigs in Frankreich.
die in einem Lande bereits angeſeſſen ſind, ihre Beſi-
tzungen aufzugeben genoͤthiget werden, wie Spanien
1765. ſolches allen Fremden, die ſich in der Havana
etablirt hatten befahl. Moſers Beitraͤge in Fr. Zeit.
5. Th. S. 481. Jedoch muͤſſen die auswaͤrtigen Na-
zionen ſich ſolches gefallen laſſen, wenn dadurch nicht
eingegangene Verbindlichkeiten verletzt werden, wie man
bey dem neuerlichen Verbote in Spanien von mehrern
Seiten ſich beſchwerte.
ſen Religionen die Gaͤter zu veraͤuſſern wird weiter unten
bey den Religionsverhaͤltniſſen gehandelt werden.
L. II. c. 7. §. 94.
chen in gewiſſen Gegenden herſchen. Verſchiedene Vor-
kehrungen deshalb von Seiten des teutſchen Reichs und
ſeiner Staͤnde in den Jahren 1713. u. f. ſehe man in
Fabers Europ. Staatskanzley 21. Th. c. 11. S. 819.
u. 22. Th. c. 8. S. 337. ff. ꝛc. In dem preuſſi-
ſchen Edict unter andern wird das Commercium mit
Oeſterreich und Maͤhren, Schleſien ꝛc. gaͤnzlich aufge-
hoben und verboten, dergeſtalt, daß weder Perſonen,
Vieh noch Waaren, am wenigſten aber alte Kleider,
Betten, Federn, Mobilien und dergleichen leicht Gift
fangendes Geraͤthe, ſo lange die Contagion daſelbſt
waͤhret, in die Lande eingelaſſen werden ſollen, es ſeind
die Perſonen und Sachen mit Paͤſſen verſehen oder nicht.
Auf die welche heimlich ſich einſchleichen oder mit Ge-
walt durchdringen wollen iſt meiſtens Leib- und Lebens-
ſtrafe geſetzt. M. vergl. Gotfr. Strauß diſſ. II. de
iure arcendi forenſes ob metum peſtis, Witteb.
1680. u. 83.
nis, die Zulaſſung zu den Feſtungswerken, Arſenalen ꝛc.
verboten. Moſers Verſuch 6. Th. S. 45.
daͤchtige Leute, welche die Abſicht haben, das Land aus-
zuſpaͤhen oder Unruhen zu ſtiften, Bettler, Landſtreicher,
Zigeuner und anderes herrn- und geſchaͤftsloſes Geſindel
[m. ſ. ein Kurmaynziſches Edict deshalb in Elect. I.
Pub. P. VI. S. 656. ff.] fremde Juden, wegen wel-
cher z. B. 1748. in Daͤnemark ein Placat erſchien,
daß keiner ohne koͤniglichen Gleitsbrief ans Land geſetzt
werden ſolle; Miſſionarien [dieſe wolte unter andern
Portugal
[221]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
Portugal ohne beſondere Verguͤnſtigung in Indien nicht
zulaſſen. Monathl. Staatsſp. Aug. 1699. S. 111.
und dergleichen. M. ſ. Moſers Verſuch 6. Th.
S. 43. ff.
Quarantaine halten ꝛc.
andern unverdaͤchtigen Perſonen, als Gelehrten ꝛc. ge-
meiniglich das Incognito unter andern Namen. Mo-
ſers Verſuch 6. Th. S. 44.
commeatus, Heidelb. 1674,
S. 481. fuͤhrt einige Beiſpiele an, wo beſonders die
hollaͤndiſchen Statthalter in verſchiedenen amerikaniſchen
Beſitzungen, den Schiffen anderer Nazionen, das An-
landen nicht haben erlauben wollen. Als z. B. 1767.
der grosbritanniſche Kapitain Carteret in den Hafen bey
der Stadt Macaſſar einlaufen wolte, um Lebensmittel ꝛc.
einzukaufen, ließ ihm der Statthalter ſagen: daß er
nirgends auf der ganzen Kuͤſte landen ſolte. Carteret
entgegnete: daß dies eben ſo viel heiſſe, als er ſolte mit
ſeiner ganzen Mannſchaft umkommen, und ſo wolten ſie,
wenn es ſeyn muͤſſe, ihr Leben theuer genug verkaufen;
worauf der Statthalter ihm endlich die Erlaubnis zu
landen, iedoch an einem andern Orte der Kuͤſte verſtat-
tete. Dem franzoͤſiſchen Kapitain Bougainville erklaͤrte
der hollaͤndiſche Reſident auf der molukkiſchen Inſel
Boero ebenfals: daß hier keine andern, als der hollaͤn-
diſchen Compagnie Schiffe landen duͤrften. Bougain-
ville aber entſchuldigte ſich mit der Noth in welcher er
ſich befinde, die ihn berechtigte in dem erſten Hafen
den er antraͤfe die Rechte der Menſchheit geltend
zu machen, und erhielt, gegen eine dem Reſidenten
hier-
[222]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
hieruͤber ausgeſtelte ſchriftliche Verſicherung, alle Un-
terſtuͤtzung.
derer, Recruten ꝛc. oder gar bewafnete Corps ein frem-
des Territorium betreten ſollen, iſt die Erlaubnis hierzu
vorher allerdings noͤthig, weshalb auch zuweilen in Ver-
traͤgen die erfoderliche Uebereinkunft getroffen wird.
Was beſonders das Einlaufen der Kriegsſchiffe in die
Haͤfen anlanget wurde unter andern zwiſchen Frankreich
und Portugal im Utrechter Frieden 1713. Art. 7. ver-
glichen: Il ſera permis reciproquement aux Vaiſſeaux
tant Marchands que de Guerre, d’entrer librement
dans les ports de la Couronne de France et dans ceux
de la Couronne de Portugal, où ils avoient coutume
d’entrer par le paſſé, pourvûque ceux-ci n’excedent
tous enſemble le nombre de ſix à l’égard des ports
d’une plus grande capaeité, et le nombre de trois à
l’égard des ports qui ſont moindres. En cas qu’un
plus grand nombre de Vaiſſeaux de Guerre de l’une
des deux Nations ſe préſente devant quelque port de
l’autre ils n’y pourront pas entrer ſans avoir deman-
dé permiſſion au Gouverneur ou bien au Magiſtrat.
Et ſ’il arrivoit, que les dits Vaiſſeaux pouſſés par
le gros tems ou contraints par quelque autre neceſ-
ſité preſſante, vinſſent à entrer dans quelque port,
ſans en avoir demandé permiſſion ils ſeront obligés
de ſaire part d’abord au Gouverneur ou au Magiſtrat
de leur arrivée, et ils n’y pourront pas ſejourner
audelà du tems qui leur ſera permis, ſ’abſtenant
cependant de faire la moindre choſe dont le dit Port
puiſſe être endommagé.
L. III. c. 3. §. 63.
torium wird weiter unten zu reden ſeyn.
c. III. §. 345. ff.
1559. heißt es z. B. omnes et ſinguli vtriusque
regni — incolae quacunque dignitate quocunque
ſtatu et conditione extiterint, poterunt ſeſe mutuis
officiis amicitiae proſequi et excipere, libere, tuto,
ſecure vltro citroque terra marive ac fluminibus com-
meare navigare — illicque quamdiu velint morari,
vel hinc inde quando viſum erit recedere et abire etc.
und ohne beſondere Erlaubnis, ſich laͤnger als drey
Tage [Moſer im Verſuch 6. Th. S. 44. ſagt, nicht
eine Nacht] aufhalten; welches bey den neuerlichen
franzoͤſiſchen Unruhen, wegen der haͤufig ankommenden
Emigranten, zwiſchen der Republik und dem franzoͤſi-
ſchen Geſandten zu Irrungen Anlas gab. ſ. Polit.
Journal April 1791. S. 409.
mit Wachten begleiten zu laſſen, welches, nach Mo-
ſers Meinung, auch die Ankoͤmlinge in den Colonien
ſich gefallen laſſen muͤſten, wo Fremden die Handlung
verboten. Moſers Verſuch 6. Th. S. 43. Indes
fuͤhrte Rußland es 1700. als eine Beſchwerde gegen
Schweden an: quod Generalis ac Gubernator Rigen-
ſis multifariam ad Magnos ac Plenipotentiarios Cza-
reae Majeſtatis mittens, aſpere vociferatus ſit quaſi
quidem ex Miniſtris ac perſonis ad legationem per-
tinentibus, circumeundo vrbem, fortalitia ac muni-
menta luſtrent ac dimetiantur, vociferationes, tur-
bines ad quemcunque tumultum excitent, quod vero
ſub vera promiſſione non factum, et omnibus cum
vigilibus ire cogebantur, etc. Lamberty Memoires
Tom. I. p. 126.
ein Volk eingeſchloſſene Lande in dem Territorium eines
andern beſitzt. Wolff I. G. c. III. §. 323.
P. II. c. 2. §. 7. u. 8.
noxiae vtilitatis] allein, wie Grotius will, ſondern
hauptſaͤchlich auch aus dem natuͤrlichen Rechte, ſeine
Beduͤrfniſſe uͤberall aufzuſuchen. Cocceji Introd. diſſ.
prooem. XII. L. IV. c. 1. §. 225.
den, vorher deshalb angefragt werde; daß der Durchzug
unbewafnet geſchehe ꝛc. Es werden auch wohl gewiſſe
Wege vorgeſchrieben, deren die Reiſenden, nach Be-
ſchaffenheit der Zeiten, Perſonen und Umſtaͤnde ſich be-
dienen muͤſſen. Moſers Verſuch 6 Th. S. 43. oder
man verbietet dieſen und ienen Weg fuͤr gewiſſe Perſo-
nen ꝛc. In dem Accord, welchen die Staaten von
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. PSee-
[226]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
Seeland 1596. mit der Stadt Bruͤgge errichteten, wurde
Art. 8. beliebt: Que le chemin entre Bruges et
l’Ecluſe des deux côtes du Canal de Bruges ſera libre
pour toutes perſonnes qui ne ſont pas militaires,
ſoit pour aller, ſoit pour revenir. Lettres et Negoc.
de Witt. à Amſt. 1725. 8. T. 5. p. 311.
Gewaͤſſern eines andern Volks wird wegen der genauen
Verwandſchaft mit dem Handel ꝛc. daſelbſt am fuͤglich-
ſten mit abzuhandeln ſeyn.
Hochſtift Luͤttich von 1772. wird z. B. Art. 18. feſt-
geſetzt: Frankreich ſolle haben à perpetuité — un
tranſit libre et illimité par le territoire de Heer und
Art. 19. verſpricht Frankreich dem Hochſtift Luͤttich:
de maintenir perpetuellement entierement et irrevo-
cablement libre le paſſage par la grande route qui
du territoire de Heer traverſera celui de Blemont,
et par le territoire de Flamignoul.Moſers Verſuch
5. Th. S. 239. M. vergl. deshalb den Grenzvertrag
zwiſchen Frankreich und Oeſterreich von 1769. Art. 31.
Ebendaſ. S. 272. Auch in dem Hubertsburger Frie-
den zwiſchen den Koͤnigen in Polen und Preuſſen 1763.
Art. 9. wurde bedungen: Sa M. le Roi de Pruſſe
accorde a Sa M. le Roi de Pologne Electeur de Saxe
le libre paſſage en tout tems par la Sileſie en Po-
logne et renouvelle en particulier ce qui a été ſtipulé
la-deſſus dans l’article X. du traité de paix conclu
a Dresde en 1745.
regrinandi libertate inter gentes, Tubing. 1678.
Auch in Abſicht der Reiſen werden die Erlaubnis und
Bedingungen oͤfters im voraus unter den Voͤlkern verab-
redet. Zwiſchen dem Roͤmiſchen Kaiſer und der Pforte
wurde in dem Handelstractat von 1718. Art. 13. feſt-
geſetzt:
[227]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
geſetzt: Liberum eſto Caeſareo-Regiis Subditis, ſive
commercii ſive piae peregrinationis cauſa ad quemcun-
que ditionum Ottomannicarum locum contendere,
vltro citroque absque impedimento commeare, iis
autem, ne in quocunque loco et itinere a tributi
exactoribus aliisve hominibus infeſtentur, a Porta
Ottomannica rigoroſae litterae patentes dabuntur.
Rußland und die Pforte verabredeten 1754. Que
deſormais ceux qui paſſeront du territoire de Tur-
quie ſur celui de Ruſſie et vice verſa devront être
munis de paſſeports imprimés en langues Ruſſe et
Turque. Ceux au contraire qui n’auront point de
tels paſſeports ſeront arrêtés et punis.Moſers
Verſuch 5. Th. S. 390. In dem nachherigen Han-
delsvertrage von 1783. Art. 3. wurde gleichfals bedun-
gen, daß die Ruſſiſchen Unterthanen ꝛc. mit ruſſiſchen
Paſſeports uͤberall durch das ottomanniſche Gebiet ſolten
reiſen koͤnnen. M. vergl. Moſers Verſuch 6. Th.
S. 42. ff.
21. Jan. 1714. ingleichen unterm 16. Jan. 1748.
Moſer von der Landesh. in Policeyſachen 6. Kap. §. 5.
S. 104. M. vergl. Gottl. Sam. Treuer exerc. po-
lit. de licentia peregrinandi legibus circumſcribenda,
Lipſ. 1720. 4.
Dan. Nic. Roſenhand de iure tranſeundi per territoria,
Argent. 1672. 4.
Herm. Zoll diſſ. de tranſitu innoxio Rintel 1701.
Chr. Phil. Streit diſſ. de tranſitu noxio et innoxio per
alienum territorium, Alt. 1713.
Del diritto ai tranſiti Mantua 1785. 8. der Verfaſſer
ſoll der Graf Joh. Bapſt. Gerh. d’Arco ſeyn.
Hauſe Naſſau einen Vergleich, worinn letzteres ver-
ſprach, ſeine Salzqvelle in der Voigtey Herbizheim lie-
gen zu laſſen, wogegen ihm von Frankreich aus der
lothringiſchen Saline Dieuſe iaͤhrlich eine gewiſſe Quan-
titaͤt Salz unentgeldlich zugeſtanden wurde. Moſers
ausw. Staatsr. 4. B. 8. Kap. §. 3. S. 315. Unten
werden hiervon mehrere Beiſpiele vorkommen.
mehreres.
ff. Vattel L. II. c. 10. §. 237. ff. vergl. Moſers
Anfangsgruͤnde der Staatsverf. von Europa 1. Th.
S. 252.
p. 138.
Frcf. ad V. 1676. und in diſſ. Franc. Vol. II. n. 1.
Mich. Henr. Gribner diſſ. de dominio directo in terri-
torio alieno, Witteb. 1717.
Burc. Gotth. Struv. diſſ. de dominio directo in alieno
territorio, Ien. 1724. Beide letztere zuſammen
herausgegeben von Heinr. Gottl. Franke, Lipſ.
1743. 4.
Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. 6. Kap. S. 309. ff.
ten benachbarter Maͤchte S. 372. ff. und Beitraͤge in
Fr. Zeit. 5. Th. 7. Kap. S. 321. ff.
5. Th. S. 374.
Nachbarſchaft geriethen unter andern Rußland und Polen,
wegen des Herzogthums Curland in Streit. Polen aͤuſ-
ſerte:
[231]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
ſerte: Si c’eſt par droit de voiſinage, droit nouveau
que cet expoſé introduit, que S. M. Imp. preten-
droit diſpoſer de la Courlande ſur les motifs qu’il Lui
plairoit d’adopter, il n’y a pays ni cour qui n’ait
des droits ſur les voiſins. worauf die Kaiſerin von Ruß-
land entgegnete: S. M. Imp. eſt bien eloignée de vou-
loir deroger aux droits de ſes voiſins et par conſequent
de vouloir agir en aucune manière contre les droits
et privilèges de la Courlande province voiſin et limi-
trophe de ſon empire etc. Moſers Verſuch 5. Th.
S. 161. u. 164.
Fall, welchen Wolf, c. III. §. 322. erwaͤhnt, wo ein
Volk durch urſpruͤnglichen Erwerb gewiſſe Gerechtſame
in eines andern Territorium erlangen koͤnne, iſt nach
vorhin angefuͤhrten Grundſaͤtzen kaum denkbar.
lici falſo nomine ſic appellatis, Ien. 1764.
dergleichen blos auf gewiſſe Umſtaͤnde eingeſchraͤnkte Ser-
vitut fuͤhrt Moſer im nachbarl. Staatsrecht S. 23.
aus einem Vertrage zwiſchen Oeſterreich und dem Hoch-
ſtift Chur von 1665. an, nach welchem erſteres dem
Biſchoffe verwilligt, daß wenn er ſich ſelbſt auf ſeiner
Herſchaft Fuͤrſtenberg in Tyrol befaͤnde, er in dem See
auf der Malſerhaide fuͤr ſeine Tafel durch die oͤſterrei-
chiſchen Fiſcher fiſchen laſſen koͤnne ꝛc.
geben daher, auſſer was die Natur dieſer Vertraͤge mit
ſich bringet, keine weitern Anſpruͤche auf die Ausuͤbung
einiger Rechte in dem Territorium, wenn ſolche nicht
ausdruͤcklich mit bedungen worden, obgleich der Schutz-
herr ꝛc. nur zu oft ſeine Gerechtſame weiter als ihm ge-
buͤhrt zu erſtrecken pflegt. Ganz richtig bemerkt Frank-
reich in dem Kriegsmanifeſt gegen den Roͤmiſchen Kaiſer
1733. Ce n’eſt point en étouffant les droits d’une
nation qu’on merite le nom de ſon protecteur mais
en
[233]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
en la defendant contre ceux qui la voudroient oppri-
mer.Moſers Reichsfama 15. Th. S. 510.
iuribus in alieno territorio, Argent. 1701. 1737. 4.
Chr. Io. Conr. Engelbrecht de ſervitutibus iuris publici
Helmſt. 1715. und cum praef. C. G. Buderi, Lipſ.
1739. 4.
de Steck Eclairciſſemens de divers ſujets intereſſ. pour
l’homme d’Etat 1785. 8. n. 6.
vorkommen, ſo will ich Beiſpiele davon unten, wo von
den einzelnen Hoheitsrechten gehandelt werden ſoll,
anfuͤhren.
nung, die urſpruͤngliche Gemeinſchaft der Guͤter wieder
ein, die ieden zu gleichen Gebrauch berechtigte. Grotius
L. II. c. 2. §. 6. Ickſtatt L. III. c. I. §. 13. Schol.
Vattel L. II. c. 9. §. 117. u. 119. Herz nennt dies
Recht eine natuͤrliche Dienſtbarkeit m. ſ. Nic. Hertius
diſſ. de ſervitute naturaliter conſtituta cum inter di-
verſos populos, tum inter ejusdem reipubl. cives in
ej. Opuſc. Vol. II. Tom. 3. p. 103 — 154.
ein Territorium ſtreitig iſt, laͤßt ſich wegen deſſen Ver-
letzung nichts Entſcheidendes behaupten. Moſers Ver-
ſuch 5. Th. S. 379. u. Beitraͤge in Frz. 5. Th.
S. 334.
theils von den Beamten und Unterthanen entweder mit
deſſen Befehl, Zulaſſung und Genehmigung, oder ohne
dieſelben und ihm unwiſſend auf mancherley Art geſche-
hen, z. B. durch gewafueten Einfall in ein Land oder
Durchmarſch ohne Anfrage, gewaltſame und heimliche
Werbung, Verfolgung und Wegnahme oder hinterliſtige
Weg-
[235]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
Weglockung entflohener Verbrecher [denn wenn der ein-
geholte Uebelthaͤter der Landesobrigkeit zur Beſtrafung
uͤbergeben, oder die Auslieferung gegen Revers bey der-
ſelben gebuͤhrend geſucht wird, kann die Nacheile gar
wohl geſchehen] durch eigenmaͤchtige Genugthuungsver-
ſchaffung wegen Foderungen oder Beleidigungen des an-
dern Staats Unterthanen ꝛc. Moſer a. a. O. S. 379. ff.
gegen ſolche etwa zu beſorgende Verletzungen in voraus
die noͤthigen Vorkehrungen auf ſeinem Territorium an
den Grenzen zu treffen, ſind ſie auch berechtigt, dieieni-
gen Fremden, welche ſie bey unerlaubten Handlungen
in ihrem Gebiete antreffen, nach gebuͤhrender Unterſu-
chung, ſogleich ſelbſt zu beſtrafen. vergl. Moſers Beitr.
in Frz. 5. Th. S. 385. Auf alle Faͤlle aber, zumal
wenn der Souverain den Beleidiger ſeine Misbilligung
zu erkennen giebt, ſind ſie befugt, entweder deren Aus-
lieferung oder die Beſtrafung von dem eignen Souverain
zu verlangen, wenn dieſer nicht, auf davon erhaltene
Nachricht, freiwillig ſich zu dem einen oder andern ver-
ſteht. Jedoch gebuͤhrt letzterm allerdings die vorlaͤufige
Unterſuchung uͤber die Richtigkeit der angebrachten Be-
ſchwerden. Le Roi de Sardaigne, hieß es 1755,
a fait porter des plaintes à la Cour de France tou-
chant la manière dont on ſ’eſt ſaiſi de Mandrin ſur
le territoire de Savoye, et en y uſant de voyes de
fait, pour lesquelles S. M. Sarde Se croyoit en droit
de demander Satisfaction. Le Roi a donné ordre de
prendre d’exactes informations à ce ſujet, afin que
ſur le compte qui lui en ſera rendu, S. M. puiſſe or-
donner ce qui lui paroitra convenable à cet égard,
attendu que ſi l’on a commis dans cette occaſion
quelque violation territoriale c’eſt contre ſes inten-
tions, et que ceux qui etoient à la pourſuite de Man-
drin n’ont conſulté apparement que la neceſſité de
prendre
[236]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
prendre ce Chef des Contrebandiers partout où ils
le trouveroient.Moſers Verſuch 5. Th. S. 385.
vergl. Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th. S. 389.
thuung nicht erfolgt, Repreſſalien und die bey andern
Beleidigungen unter Voͤlkern uͤblichen Mittel gebrauchen.
Von Preuſſiſcher Seite ließ man 1777. in die Zeitungen
ſetzen: Il n’eſt pas moins ſingulier, que dans le
rapport des Commiſſaires Polonois, publié dans la
Gazette, on ait rapporté comme une procédure illé-
gale l’enlevement du Sr. Gotorowsky fait a Ripin
par un detachement de Huſſars Pruſſiens. Ce fait
n’a aucune connexion avec l’affaire de la demarca-
tion. On ſ’eſt vu obligé de faire enlever par répreſ-
ſailles le dit Polonois dont le véritable nom eſt Gota-
ſtowsky parce qu’il avoit enlevé peu auparavant du
territoire Pruſſien et a main armée, ſon Beau-père
établi ſur ſa terre, et que d’autres Gentils-hommes
Polonois ont exercé depuis quelque tems pluſieurs
violences dans les limites du Royaume de Pruſſe,
ſans qu’on ait pu en obtenir de redreſſement par les
plaintes qu’on en a portées a Varſovie. Cependant
le dit Gotaſtowsky a été relaché dès qu’il ſ’eſt re-
concilié avec ſes parens et a promis de ne plus vio-
ler le territoire Pruſſien.Moſers Beitr. in Fr. Zeit.
5. Th. S. 388.
die groͤſten Schwierigkeiten. Die Foderung haͤngt aller-
dings von dem beleidigten Theile ab, doch kann der an-
dere auch verlangen, daß ſie mit der Beleidigung in Ver-
haͤltnis ſtehe. Beide Nazionen muͤſſen ſich daruͤber ver-
gleichen. Moſers Verſuch 5. Th. S. 384. Wegen
vorerwaͤhnter Wegnahme des Mandrin auf Savoyiſchen
Territorium verlangte Sardinien von Frankreich: Que
l’Officier et ceux qui ont été employés ſous ſes
ordres,
[237]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
ordres, a exécuter l’enlèvement de Mandrin ſoient
punis d’une manière propre à ſervir d’exemple: que
le dommage cauſé par les circonſtances de cet enlève-
ment, ſoit reparé: et qu’un Seigneur, ou Miniſtre
de la Cour de France ſoit envoyé a Turin pour y
faire des excuſes au Roi de la part de S. M. Es
hieß auch nachher: Le Comte de Noailles — revela
du caractère d’Ambaſſadeur Extraordinaire de S. M.
T. C. ſ’eſt aquitté — de la Commiſſion qu’il a eue
de ſa Cour de venir temoigner a S. M. le deſaven que
le Roi ſon Maitre a fait de l’attentat commis en Sa-
voye le II. du Mois de Mai dernier etc. Ebendaſ.
S. 387. f.
oder mit deſſen Vorwiſſen und Genehmigung begangen
worden iſt, er aber die Beleidigung gar nicht einraͤumen
und ſich zu keiner Genugthuung verſtehen will. Ueber
die zu geſchwinde Ergreifung gewaltſamer Mittel, be-
ſonders des Krieges, beſchwerte ſich Rußland gegen
Schweden bey den letztern Streitigkeiten. Aber geſetzt
auch, aͤuſſerte man, es haͤtten Koſaken einige Ausſchwei-
fungen auf dem ſchwediſchen Territorium begangen, auf
gehoͤrig angebrachte Klagen wuͤrden die Schuldigen ge-
wis beſtraft worden ſeyn, wenigſtens folgt daraus kei-
nesweges das Recht, Rußland den Krieg zu erklaͤren.
Ruſſiſche Erklaͤrung vom 4/15. Aug. 1788. uͤber die erſte
Veranlaſſung zum Bruche, im NElb. Magaz. Septbr.
1788. S. 1077.
mantel genommen. Daruͤber ſtritten beſonders Preuſſen
und Oeſtreich beim Ausbruch des Krieges 1756. Erſte-
res aͤuſſerte unter andern in einem P. M.: Der fuͤnfte
Artikel des Berliner Friedens beſtimt allerdings die Gren-
zen des geteilten Schleſien, und es ſind dem Frieden
gemaͤs beſondere Grenzſaͤulen aufgerichtet worden. Den-
noch
[238]Algemeine wechſelſeitige Rechte der Voͤlker
noch ſind dieſe Grenzzeichen an einigen Orten ſo weit von
einander entfernt, daß die Ueberſchreitung der Grenzen
aus Verſehn ſehr moͤglich iſt. So wenig dieſe Moͤglich-
keit in der gegenſeitigen Schrift anitzo zugegeben werden
will, ſo iſt doch dieſelbe zur einzigen Entſchuldigung eines
von einem ganzen Commando von zehn Dragonern —
veruͤbten gewaltſamen Einfalls in das Koͤnigl. Preuſſiſche
Territorium — behauptet worden. Wenn alſo ein glei-
ches Recht gelten ſoll, ſo verdienen die dieſſeitige und
aus Verſehn geſchehene Ueberſchreitung der Grenze den
Namen violationis territorii nicht; vielmehr wird der
Unterſchied zwiſchen ſolchen und den gegenſeitigen Ein-
faͤllen zeigen, daß nicht iene, ſondern dieſe wahre vio-
lationes territorii geweſen ſind. Moſers Beitr. in
Fr. Zeit. 5. Th. S. 351.
ner: Zwiſchen aneinander grenzenden Staaten und darinn
eingvartierten Truppen iſt es nicht moͤglich, alle kleine
Verſehen zu verhuͤten. Die Kaiſerin Koͤnigin haben die-
ſes ſelbſt eingeſehen und ſind daruͤber mit des Koͤnigs von
Preuſſen Maj. einig geworden, daß alle dergleichen an
den Grenzen vorfallenden Militaͤrſtreitigkeiten durch die
von beiden Theilen dazu ernanten Generals kurz abge-
than werden moͤchten — ſo iſt um ſo mehr zu verwun-
dern, wie gegenſeitig nunmehro alle dieſe oben angefuͤhr-
te, wiewohl nichts weniger als violationes territorii be-
weiſende Vorfaͤlle, als eben ſo viel Friedensbruͤche ange-
fuͤhrt werden moͤgen. Moſers Beitraͤge a. a. O.
S. 356. Daͤnemark und Schweden verglichen ſich in
dem Grenzvertrage von 1751. Art. 6. Um fernerhin
allen dergleichen Schaden, Verdrus und Gewaltthaͤtig-
keiten vorzubeugen, ſo bisher beider Reiche Grenzunter-
thanen zugefuͤgt worden, dadurch daß ſie auſſerhalb
ihrer Grenzen Holz gefaͤlt und einander verſchiedenen an-
dern Eintrag gethan; ſo iſt man uͤbereingekommen, daß
der-
[239]in Anſehung des Eigenthums ihrer Lande.
ienige, welcher von beider Reiche Unterthanen ſich kuͤnf-
tig unterſtehet, auf einige Art die andere Seite auſſerhalb
dieſer nun feſtgeſetzten Grenze zu vervortheilen oder zu
beunruhigen, den Schaden erſetzen und eine gewiſſe Zeit
nach Beſchaffenheit der Sache in der naͤchſten Feſtung
arbeiten ſoll. Ebendaſ. S. 134.
wegen Aufhebung des Mandrin auf ſavoyiſchen Grund
und Boden ließ letzterer Hof ein Memoire aufſetzen von
welchem gemeldet wurde: Dans ce Memoire, qui a
de même été envoyé par la Cour de Turin à tous ſes
Miniſtres dans les Cours étrangères S. M. Sard.
declare, que le droit des Gens par rapport a Sa
Souverainété ayant été enfraint a cette occaſion,
Elle en a demandé une ſatisfaction proportionnée à
la nature du grief. Ebendaſ. S. 339.
5. Kap. Von Verletzung eines fremden Gebiets
S. 278. ff. ingl. deſſen Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th.
8. Kap. S. 337. ff.
S. 236. ff.
Preuſſen die Vereinigten Niederlande die Haltung eines
Wachtſchiffes an den Oſtfrieſiſchen Grenzen verlangten,
und ſich dieſerhalb auf ein altes Herkommen beriefen,
entgegnete Preuſſen unter andern: Quand même tous
ces princes auroient connivé ou conſenti à la dite
poſſeſſion, ils n’ont pas été en droit de le faire ni
d’établir ſoit formellement ſoit tacitement une ſervi-
tude ſur le territoire de l’Empire au prejudice de
l’Empire, particulièrement a celui des ſucceſſeurs
feodaux et de ceux qui ſuccedent par un droit ſingu-
lier, weil, wie in einer beſondern Ausfuͤhrung gezeigt
wurde, nach den Reichsgeſetzen kein Reichsfuͤrſt berech-
tigt ſey, das geringſte von den Reichslehen zu alieniren,
noch etwas zu geſtatten, ſo zum Schaden nicht nur des
Landes, ſondern auch der Souverainetaͤt, der Regalien,
Jurisdiction oder anderer Gerechtſame der Unterthanen
gereiche. Moſers Beitraͤge in Fr. Zeit. 5. Th. S. 317.
ff. Schnauberts Anfangsgr. des Staatsr. der geſam-
ten Reichslande S. 56. ff.
teutſches weltl. Staatsr. 3. Th. S. 34. v. Roͤmer
Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 221. ff. Die Durchreiſe
z. B. muͤſſen die teutſchen Landesherrn einander verſtat-
ten vermoͤge des Landfriedens von 1548. Pr. §. 1. und
im weſtphaͤl. Frieden Art. IX. §. 2. heißt es: ſit —
tranſitus vbique locorum terra marique tutus —
omnibusque eundi — redeundique poteſtas data ſit
etc. vergl. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 676.
Dahin gehoͤren ferner die vermoͤge der goldenen Bulle
dem kurfuͤrſtlichen Kollegium in der Wahlſtadt zuſtehenden
Gerechtſame, die Rechte des Erz- und Erbmarſchalls
auf Reichstaͤgen ꝛc. Moſer a. a. O. S. 242. f.
Privatguͤtern ließ unter andern Kur Mainz 1721. einen
Befehl ergehen: daß kein Unterthan, unter was Praͤtert
es auch ſey, ſich unterſtehen ſolle, fuͤhrohin von ſchaͤtz-
baren und in dem kurfuͤrſtlichen Territorio befindlichen
Guͤtern, wie die Namen haben moͤgen, an ausgeſeſſene
anderer benachbarten Herſchaften Unterthanen und ſonſt
freyen Perſonen zu verkaufen und zu veralieniren ꝛc.
Moſers nachbarl. Staatsr. S. 682.
de iure regali in alieno territorio etc.Moſers
nachbarl. Staatsr. S. 243. ff.
tien ſo haͤufig, daß man faſt den erſten beſten deshalb
nachſchlagen darf.
Koͤnige von Frankreich und Grosbritannien uͤber das Her-
zogthum Schleswig an Daͤnemark, iene vom 3. dieſe
vom 26. Jul. 1720. zum Beiſpiel ſ. Du Mont. C. D.
T. VIII. P. 2. p. 32. u. 33. So garantierte Frank-
reich der Republik Genua 1746. durch eine Art von
Manifeſt, das es an die auswaͤrtigen Hoͤfe mittheilen ließ,
den Beſitz der Inſel Corſica. Europ. Staats Sekr.
117. Th. S. 819.
einer dritten den Beſitz gewiſſer Lande zu garantiren,
wie z. B. der Koͤnig von Frankreich und Kaiſer Karl VI.
1735. eine Convention errichteten, worinn ſie einander
verſprachen, welchergeſtalt ſie niemals verſtatten wolten,
daß die Inſel Corfica der Genueſiſchen Bothmaͤſſigkeit
unter einigem Vorwand, wie derſelbe Namen haben
moͤge, entriſſen werde. — Und daferne ſogar die Re-
publik Genua dieſe Anerbietungen nicht anzunehmen ge-
daͤchte, wolten Sie dennoch nicht unterlaſſen, entweder
gemeinſchaftlich oder beſonders die erfoderlichen Mittel
und Wege anzuwenden, die Rebellion foͤrderſamſt zu
daͤmpfen, in der Abſicht, der Republik den Beſitz von
Corſica auf immer zu verſichern. Europ. St. S. a. a.
O. S. 820.
ſur les Garanties et en général ſur les diverſes me-
thodes des anciens et des nations modernes de l’Eu-
rope d’aſſurer les traités publics à Gotting. 1777. 8.
Moſers Verſuch 5. Th. 5. B. 10. Kap. Von Ga-
tantirung der Lande S. 455. ff.
boniſchen Hoͤfe, Spanien, Frankreich, Sicilien ꝛc. von
1761. Art. 2. 3. wird z. B. die Garantie ihrer Lande
feſtgeſetzt. Rußland, Preuſſen und Oeſterreich garan-
tiren in den wegen der Theilung von Polen 1773. er-
richteten Vertraͤgen die dabey erworbenen Lande einander
auf immer.
ſchluͤſſen, die den Worten nach gemeiniglich auf ewig
Q 3geſchloſſen
[246]Von Garantirung der Lande.
geſchloſſen werden, bedungen ſind, nicht anders als fuͤr
beſtaͤndige zu achten.
Grosbritannien wegen Schleswig vom 26. Jul. 1720.
heißt es z. B. Nachdem Ihro Maj. der Koͤnig von
Grosbritannien mit Ihro Maj. dem Koͤnige in Daͤne-
mark — einen Vergleich getroffen, in welchem ſelbige,
dem Koͤnige in Daͤnemark die Garantie des Herzogthums
Schleswig zugeſagt, ſo lange der Waffenſtillſtand
zwiſchen den beiden Kronen Daͤnemark und
Schweden beſtehen wuͤrde mit der ausdruͤcklichen Be-
dingung, daß wofern der Friede zwiſchen ermeldten bei-
den Kronen noch vor Ausgang des Stillſtandes der Waf-
fen koͤnte geſchloſſen werden, daß alsdann und auf
dieſen Fall die Garantie beſtaͤndig ſeyn und im-
merfort bleiben ſolle. Und — der Friede — endlich
zu einem gluͤcklichen Zweck gediehen — und Ihre Koͤnigl.
Maj. in Daͤnemark, um ſolche Verbindniſſe deſto vol-
komner zu machen annoch eine weitere Erklaͤrung verlan-
gen; als verſprechen und verbinden ſich Ihre Koͤnigl.
Maj. von Grosbritannien, fuͤr ſich, Ihre Erben ꝛc.
Ihrer Maj. dem Koͤnige in Daͤnemark ꝛc. ꝛc. denienigen
Theil des Herzogthums Schleswig, welchen J. K. M.
in Daͤnemark wuͤrklich in Haͤnden haben, zu garantiren
und ſie bey friedlichem und beſtaͤndigen Beſitz deſſelben
zu erhalten auch wider alle und iede ſo ſelbige darinn zu
ſtoͤren trachten wolten, es geſchehe ſolches directe oder
indirecte beſtens zu ſchuͤtzen.
und trift man ſolche faſt in allen Allianztractaten der
Hoͤfe an. Rußland und Preuſſen garantirten einander
z. B. in der Allianz vom 31. Maͤrz — 11. April 1764.
Art. 2. alle Beſitzungen in Europa, das ganze Buͤndnis
war aber nach Art. 13. nur auf acht Jahr errichtet.
dieſe aber ſolche nachher andern freiwillig abtritt, ſo faͤlt
natuͤrlich auch die Garantie weg, wie dies unter andern
der Fall in Anſehung Schleſiens mit Oeſterreich war.
Moſers Verſuch 5. Th. S. 460.
1761. Art. 2. garantiren Frankreich, Spanien ꝛc. ein-
ander tous les états, terres isles et places qu’ils
poſſedent dans quelque partie du monde que ce ſoit
ſans aucune reſerve ou exception. Frankreich und
die Vereinigten N. Lande machen ſich in dem Buͤndniſſe
vom 10. Nov. 1785. Art. 2. anheiſchig de ſe main-
tenir en la poſſeſſion actuelle de tous leurs états etc.
dans quelque partie du monde que ce puiſſe être.
ſchaften in Europa verſprechen einander England,
Schweden und die V. NLande im Buͤndniſſe vom 23.
Jan. 1700. Art. 4. In der Tripelallianz zwiſchen
Grosbritannien, Frankreich und den V. N. Landen vom
4. Jan. 1717. hatten dieſe Maͤchte Art. 5. eine wechſel-
ſeitige algemeine Garantie ihrer Beſitzungen bedungen,
in einem Separatartikel aber wurde beſtimt, que la
Q 4garantie
[248]Von Garantirung der Lande.
garantie ſtipulée dans l’Article V. du même traité
n’aura lieu à l’égard de S. M. T. Chretienne que
pour les états et poſſeſſions qu’ils ont reſpective-
ment dans l’Europe und in der Beitritts-Acte von
1727. zur Hannoͤverſchen Allianz zwiſchen Grosbritan-
nien, Frankreich und Preuſſen bedunge Schweden ſich
Art. 2. S. M. et la Couronne de Suede n’ayant point
preſentement de poſſeſſion hors de l’Europe ſe reſer-
vent que leur Garantie ne ſ’etendra point hors des
limites de l’Europe. Frankreich garantirte an Genua
in dem Vertrage von 1768. Art. 13. alle ſeine auf dem
feſten Lande beſitzenden Staaten.
ſen und Oeſterreich Art. 16. feſtgeſetzt: S. M. l’Impe-
ratrice Reine Apoſtolique de Hongrie et de Boheme
et S. M. le Roi de Pruſſe ſe garantiſſent mutuellement
de la manière la plus forte leurs états, ſavoir: Sa
M. l’Imperatrice Reine tous les états de S. M. Pruſ-
ſienne ſans exception et S. M. le Roi de Pruſſe tous
les états que S. M. l’Impératrice Reine de Hongrie
et de Bohème poſſede en Allemagne.
wiſſe Lande bedungen iſt, ſo entſteht zuweilen Streit:
ob dieſes oder ienes Land mit darunter begriffen ſey oder
nicht? Preuſſen hatte z. B. im Dresdner Frieden 1745.
Art. 8. dem Hauſe Oeſterreich ebenfals alle Staaten ꝛc.
in Teutſchland garantirt. Dieſe Garantie wolte letzteres
auch von den Niederlanden verſtanden wiſſen, Preuſſen
hingegen laͤugnete es. M. ſ. Moſer von der geogra-
phiſchen Staatsklugheit bey Schlieſſung der Tractaten;
in deſſen vermiſcht. Abhandl. aus dem Europ. V. R.
Frkf. 1756. 8. n. 9. beſ. S. 267.
gedachte Burboniſche Familienvertrag verlangt deutlich:
les poſſeſſions, objet de leur Garantie, ſeront con-
ſtituées ſuivant l’état actuel ou elles ſeront au pre-
mier moment où l’une et l’autre couronne ſe trou-
veront en paix avec toutes les autres puiſſances.
In der Hannoͤverſchen Allianz zwiſchen Grosbritannien
Frankreich und Preuſſen von 1725. Art. 2. heißt es:
Leurs Majeſtés ſusdites ſ’entrepromettent leur garan-
tie réciproque pour proteger et maintenir générale-
ment tous les états, pays etc. tant dedans que dehors
l’Europe dont chacun des Alliés ſera actuellement
en poſſeſſion au tems de la ſignature de cette alliance.
In dem Buͤndniſſe zwiſchen Grosbritannien und den Ver-
Q 5einigten
[250]Von Garantirung der Lande.
einigten N. Landen 1788. Art. 2. iſt bedungen: Dans
le cas ou une des deux Parties contractantes ſeroit
hoſtilement attaquée par quelque Puiſſance Européenne,
dans quelque partie du monde que ce puiſſe être,
l’autre partie Contractante ſ’engage de ſecourir ſon
allié tant par mer, que par terre pour ſe maintenir
et ſe garantir mutuellement dans la poſſeſſion de tous
les états etc. qui leur appartenoient reſpectivement
avant le commencement des hoſtilités.
Art. 5. verſprachen der Kaiſer und Koͤnig von Spanien
einander die Garantie omnium regnorum et provincia-
rum quae vel quas actu poſſident aut quorum poſſeſſio
ad illas vigore hujus tractatus pervenire debet. M.
vergl. den Wiener Frieden zwiſchen dieſen beiden Maͤch-
ten von 1725. Art. 8. Im Wormſer Vertrage von
1743. zwiſchen dem Koͤnige von Sardinien und der Koͤ-
nigin von Ungarn ꝛc. garantirten dieſe Maͤchte einander
tous les royaumes, états, pays etc. qu’ils poſſedent à
preſent ou qu’ils doivent poſſeder en vertu du traité
d’alliance faite a Turin en 1703. etc. In dem
Buͤndnis zwiſchen Frankreich und den Nordamerikaniſchen
Staaten vom 6. Febr. 1778. garantiren letztere unein-
geſchraͤnkt les poſſeſſions préſentes de la Couronne
de France en Amerique ainſi que celles qu’Elle y
pourra acqucrir par le futur traité de paix.
die Erbfolge ſeiner Lande nach der bekanten pragmati-
ſchen Sanction garantirt, unterſtuͤtzte aber gleichwohl,
als es nach Abſterben Kaiſer Karls VI. zum Kriege dar-
uͤber kam, die Anſpruͤche des Kurfuͤrſten von Bayern
darauf, unter der Entſchuldigung, daß bey allen der-
gleichen Vertraͤgen die iura tertii ausgenommen, ſo wie
auch bey dieſer Garantie die Rechte eines dritten unge-
ſchmaͤlert
[251]Von Garantirung der Lande.
ſchmaͤlert geblieben waͤren. Auf die oͤſterreichiſche Ein-
wendung, daß ſolchergeſtalt die Garantieen ohne Wuͤr-
kung ſeyn wuͤrden, entgegnete Frankreich: daß ſolche nur
gegen dieienigen Aggreſſores gerichtet waͤren, die ohne
Titel, Schein und Recht eine garantirte Sache mit Ge-
walt der Waffen anzufechten ſich unterſtuͤnden. Glafey
Voͤlkerrecht Kap. 8. §. 90. ff. welcher iedoch glaubt, daß
man in vielen Faͤllen contra iura cujusvis tertii garan-
tiren koͤnne, weil unter Voͤlkern oft kein ander Mittel
zur Ruhe zu gelangen und Frieden zu ſtiften uͤbrig ſey,
als wenn man, mit Hintanſetzung des Streits, wer
Recht oder Unrecht hat, entweder das vti poſſidetis
zum Fundament nehme, oder auch ſonſt einen bey dem
Beſitz einer Sache wider ieden ohne Unterſchied zu ſchuͤ-
tzen verſpreche, und weil die Frage: wer Recht zu etwas
habe unter Voͤlkern, ſowohl wegen eines ermangelnden
Richters, als auch wegen der gemeiniglich dabey obwal-
tenden Zweifel und angefuͤhrten Scheingruͤnde von beiden
Theilen, ſehr ſchwer zu entſcheiden ſey. Seiner Mei-
nung nach ſind daher auch in dergleichen Vertraͤgen die
Gerechtſame dritter Nazionen, wenn es nicht ausdruͤcklich
bedungen worden, keinesweges ſtilſchweigend fuͤr ausge-
nommen zu achten.
reich, Spanien und Sardinien die italiaͤniſchen Staaten
Kaiſer Karls VI. angriffen, und dieſer von Grosbritan-
nien und den Vereinigten NLanden die verſprochene Ga-
rantie verlangte, entſchuldigten ſie ſich damit, daß der
Tod
[253]Von Garantirung der Lande.
Tod Koͤnig Auguſts II. und die uͤber die neue Koͤnigs-
wahl entſtandenen Haͤndel Urſach an dieſem Krieg waͤren,
und ſolchergeſtalt, weil man dergleichen Faͤlle nicht vor-
ausſehen koͤnnen, ad caſum foederis nicht gehoͤrten.
Glafey V. R. 2. Kap. §. 196. S. 131.
hungen von andern Maͤchten ꝛc. ſ. Moſers Verſuch
5. Th. S. 459.
1790. Art. 2. wurde dieſes ausdruͤcklich bedungen:
Cette garantie des poſſeſſions actuelles n’empechera
cependant pas l’arrangement amiable de quelques
controverſes qui ont exiſté avant la concluſion de ce
traité relativement à des limites particulières et qui
n’ont pas encore été applanies.
ſpiel, worin Teutſchland und die Kronen Frankreich und
Schweden einander die Feſthaltung des Friedens uͤber-
haupt und alſo auch der darin abgetretenen Lande garan-
tiren. vergl. Moſers ausw. Staatsr. S. 98.
Allianz 1666. Art. 4. und im anderweitigen Buͤndnis
zu Coͤln an der Spree 1673. Eſthland und Liefland an
Schweden.
rantieen. Die Braunſchweig. Luͤneburgiſchen Lande in
Teutſchland werden von auswaͤrtigen Maͤchten garantirt
im Aachner Frieden 1748. Art. 20. und von Frank-
reich und Spanien insbeſondere im Pariſer Frieden 1763.
Art. 26.
britannien und Preuſſen 1725. hatten dieſe Maͤchte ein-
ander Art. 2. alle ihre Laͤnder, Gerechtſame ꝛc. garan-
tirt. Kaiſerlicher Seits wurde in einer Analyſe uͤber
dieſen Tractat hierbey bemerkt: Ce qu’il y a de certain,
eſt, que le ſens des Conſtitutions imperiales, les
ſeuls droits que les princes et autres états de l’Em-
pire, peuvent ſe garantir entr’eux par des alliances,
ſont ceux dont on jouit ou ſans conteſtation des par-
ties ou en vertu d’une ſentence juridiquement et de-
finitivement rendue, mais non pas ceux dont on
pourroit croire ou prétendre devoir jouir vel lite
pendente vel iudicio praetermiſſo. ſ. Zinkens Ruhe
von Europa 4. Abth. S. 505. Vergl. Moſers
Grundſ. des Europ. V. R. in Frz. S. 374. u. Verſuch
5. Th. S. 458.
cilio. Roſt. 1688.
1729.
Car. Ferd. Hommel diſſ. de vſu hodierno diviſionis ho-
minum in cives et peregrinos. Lipſ. 1750.
Io. Gotth. Tilsner diſſ. de peregrini et civis notione.
Lipſ. 1786.
in Betrachtung, ſondern man nimt mehr auf den Stand
der Eltern Ruͤckſicht und laͤßt den Kindern gleiche Rechte
genieſſen, indem man eine ſtilſchweigende Einwilligung
in die elterlichen Verbindungen ſo lange vorausſetzt, als
ſie denſelben in der Folge nicht entſagen. Gemeiniglich
werden daher auch dieienigen fuͤr Eingebohrne gehalten,
welche von Einheimiſchen in einem fremden Lande geboh-
ren ſind, wo die Eltern, ohne ihr Vaterland zu verlaſ-
ſen, ſich nur eine Zeitlang aufhielten z. B. bey den
Kriegsheeren auſſer Landes, in dem Hauſe des an einem
auswaͤrtigen Hofe ſtehenden Geſandten ꝛc. Nach den
grosbritanniſchen Parlementsacten werden die auſſer Lan-
des gebohrnen Kinder, wenn ihre Eltern natuͤrliche engli-
ſche Unterthanen ſind, fuͤr Eingebohrne erklaͤrt. Real
Science du Gouv. Tom. IV. c. 7. Sect. I. §. 3.
Das daͤniſche Indigenatrecht vom 15. Jan. 1776. §. 1.
erfodert zur Eigenſchaft der Eingebohrnen: daß die Per-
ſon in Unſern Staaten, oder von ſolchen daſelbſt gebuͤr-
tigen Unterthanen, die ſich auf Reiſen, oder um Unſers
Dienſtes willen auſſerhalb Landes aufhalten moͤchten,
gebohren ſey. In den franzoͤſiſchen Geſetzen werden ſo-
gar Kinder, welche von Franzoſen, die ſich auswaͤrts
niedergelaſſen haben, gebohren ſind, wenn ſie nach Frank-
reich ſich zuruͤckſetzen, nicht als Fremde, ſondern als
Eingebohrne angeſehn, ohne ſich duͤrfen naturaliſiren zu
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Rlaſſen,
[258]V. d. verſch. Gattungen d. Landesbewohner
laſſen. Real a. a. O. §. 16. Was die auf der offe-
nen See Gebohrnen anlanget [denn die in einem unter
der Bothmaͤſſigkeit ihrer Nazion ſtehenden Theile des
Meeres, obgleich auf fremden Schiffen Gebohrnen ſind
eben ſo zu betrachten als ob ſie im Lande gebohren waͤren]
ſo achtet man dieienigen, welche auf den eignen Schiffen
der Nazion zur Welt kommen, gewoͤnlich denen gleich,
die im Lande gebohren ſind, weil man die Schiffe ge-
wiſſermaaſſen als ihren Grund und Boden anſieht, die
auf fremden Schiffen Gebohrnen hingegen werden zu den
auswaͤrts Gebohrnen gerechnet. ſ. Vattel droit des g.
Liv. I. c. 19. §. 215. ff. In Grosbritannien ſollen
blos die auf der grosbritanniſchen See gebohrnen Kin-
der der Englaͤnder als Eingebohrne betrachtet werden,
die auf andern Meeren gebohrne hingegen nicht. ſ. Mo-
ſers Verſuch 6. Th. S. 8.
In Antwerpen ſoll eine beſondere Gewonheit gelten,
daß alle dieienigen fuͤr Eingebohrne geachtet werden,
welche durch Zufall daſelbſt zur Welt kommen, ob ihre
Eltern gleich nicht daſelbſt wohnen. ſ. Henr. Hahn diſſ.
de iure indigenatus ſingulari. Helmſt. 1663. §. 27.
Man vergl. uͤberhaupt Henr. Hildebrand diſſ. de iure
civium originariorum. Alt. 1724.
las etc. iuribus et praeferentiis. Alt. 1628.
Io. Rich. Malcomeſii diſſ. de incolis. Gieß. 1663.
Ioſ. Phil. Elvert diſſ. de iure incolarum. Argent. 1709.
Theod. Geo. Wilb. Emminghaus diſſ. de adquiſitione
et reſignatione iuris civitatis. Ien. 1753.
Io. Chr. Limbach diſſ. de forenſibus. Gieß. 1669.
Chr. Thomaſius diſſ. de Vagabundo ſive eo qui eſt ſine
domicilio. Lipſ. 1681. u. in Diſſ. ej. Hal. 1773.
edit. T. I. n. 3.
Iac. van Haeſten diſſ. de Vagabundis. Ultraj. 1773.
c. 19. §. 124. ff.
Henr. Linck diſſ. de iuribus exulum. Alt. 1675.
Henr. Cocceji diſſ. de fuga. Frcf. 1706. u. in Exerc.
curioſ. T. II. n. 39.
Walth. Vinc. Wieſe prg. de differentiis iuris fugam
inter et emigrationem tam voluntariam quam
coactam. Roſt. 1778.
§. 1. ff.
eines Souverains uͤber ſeine eignen Bedienten und Unter-
thanen in ſeinen eignen Landen; und 5. Kap. Von den
Rechten ꝛc. uͤber fremde Bedienten und Unterthanen in
ſeinen eignen Landen; im 6. Th. S. 23. u. 43. ff.
ten eines Souverains uͤber ſeine eignen Bediente und
Unterthanen in fremden Landen und 6. Kap. Von den
Rechten ꝛc. uͤber fremde Bediente und Unterthanen in
fremden Landen; im 6. Th. S. 34. u. 77. ff.
legum germanicarum erga peregrinos examinata,
Rintel. 1754.
J. U. Freiherr v. Cramer von Ein- und Auszuggeldern
der Fremden ins Land und der Unterthanen aus dem
Lande, wie auch dem Unterſchiede unter ganz und
halb Fremden; in Nebenſtunden Th. 100.
in hodierno imperii Romani ſtatu praeeminentia. Ien.
1659.
ſchen Grosbritannien und Spanien 1713. Art. 9.
Conventum inſuper et ſtatutam eſt pro regula gene-
rali, quod omnes et ſinguli vtriusque regni ſubditi
in omnibus terris et locis vtrinque circa omnia iura,
impoſitiones — perſonas, merces — et commercia
concernentia iisdem ad minimum privilegiis libertati-
bus et immunitatibus vtentur, fruentur parique favore
in omnibus gaudebunt, quibus Galliarum ſubditi aut
amiciſſima quaevis gens extera vtuntur, fruuntur gau-
dentque aut vllo dehinc tempore vti, frui aut gaudere
poſſint. Ein Gleiches wurde auch in dem Frieden zwi-
ſchen Spanien und den Vereinigten N. Landen 1714.
Art. 17. bedungen. In dem burboniſchen Familienver-
trage von 1761. ſind den Unterthanen der Koͤnigreiche
Frank-
[267]in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.
Frankreich, Spanien und Sicilien in den gegenſeitigen
Landen in Handelsſachen alle Rechte der Eingebohrnen
zugeſtanden, und es iſt dabey Art. 24. ausdruͤcklich feſt-
geſetzt: bien entendu que nulle autre puiſſance étran-
gère ne jouira en Espagne, non plus qu’en France,
d’aucun privilège plus avantageux, que celui des
deux nations; ia ſie ſollen nicht einmal gleiche Rechte
genieſſen, ſondern [Art. 25.] Si les hautes parties
contractantes font dans la ſuite quelque traité de
commerce avec d’autres puiſſances et leur accordent
ou leur ont, deja accordé — les traitemens de la
nation la plus favoriſée, on préviendra les dites
puiſſances, que le traitemens des Espagnols en
France et dans les deux Siciles et des Napolitains et
Siciliens en France et en Espagne ſur le même ſujet
eſt excepté à cet égard et ne doit point être cité ni
ſervir d’exemple. Zwiſchen Rußland und der Pforte
iſt im Handelsvertrage von 1783. Art. 17. feſtgeſetzt:
Comme la nation Ruſſe doit être regardée dans les
états de la Sublime Porte Ottomanne à l’égal de la
Francoiſe et Angloiſe, comme des nations qui en
ſont les plus favoriſées, la Porte ſ’engage auſſi
d’accorder aux ſujets Ruſſes tous les privilèges et
honneurs dont on le ſert vis ‒ à ‒ vis d’elles et d’autres
nations libres, tout comme dans l’Empire de Ruſſie
on accordera reciproquement aux ſujets de la Porte
les memes égards dont jouiſſent les nations les plus
favoriſées et amies de la Ruſſie. Dies geſchieht auch
in dem Handelsvertrage zwiſchen Rußland und Oeſter-
reich 1785. Art. 3. und in vielen andern Handelsvertraͤgen.
Verſuch 6. Th. S. 8.
Genfer und andere Nazionen, vermoͤge Vertraͤge, die
Rechte der Eingebohrnen Real Science du Gouvern.
Tom. IV. c. 7. Sect. 3. §. 28. ff. Dies iſt auch in
dem burboniſchen Familienvertrag von 1761. zwiſchen
Frankreich, Spanien ꝛc. bedungen. Preuſſen behauptet
kraft beſonderer Privilegien und Vertraͤge das Indige-
natrecht in Polen. ſ. Diſquiſit. de Indigenatu, eum-
que conferendi iure apud Pruſſos et Curonos ſ. l.
1748. 4.
die ſich in den Colonieen niederlaſſen wolten, naturali-
ſirt. Moſers Verſuch 6. Th. S. 10. Von Spa-
nien hingegen geſtand man allen Fremden catholiſcher
Religion die Naturaliſation zu, welche ſich in Anda-
luſien niederlaſſen wuͤrden. Moſers Beitr. in Fr. Zeit.
5. Th. S. 411.
1709. daß alle in ſeinen Staaten bereits anſaͤſſig ge-
wordene oder erſt darein ziehende Refugiés, ſie moͤchten
aus Frankreich oder aus andern Laͤndern, der Religion
halber, zu weichen genoͤthigt worden ſeyn, von dem
Augenblicke an, wenn ſie den Huldigungseid geleiſtet,
als natuͤrliche Unterthanen angeſehn werden ſolten. Ruß-
land verſprach in einer Ukaſe vom 22. Febr. 1783.
alle Fremde, welche ſich in den neuerworbenen Laͤndern
Taurien ꝛc. niederlieſſen, wenn ſie es wuͤnſchten, zu
naturaliſiren. Polit. Journal April 1784. S. 357.
Nach dem daͤniſchen Indigenatrechte vom 15. Jan.
1776. werden den Eingebohrnen gleich geachtet 1] alle
Auslaͤnder von Geburt, die Landguͤter oder andere Im-
mobilien, wenigſtens dreiſſigtauſend Reichsthaler werth,
oder Haͤuſer und Fabriken zehntauſend Reichsthaler werth
erwerben und an ſich bringen, 2] die Fremde, welche
ſich in den daͤniſchen Landen niederlaſſen und daſelbſt
verbleiben, auch beweiſen koͤnnen, daß ſie in den dorti-
gen Handlungs-Compagnieen oder ſonſt in der Hand-
lung der Koͤnigreiche zwanzigtauſend Reichsthaler zu Ei-
gen beſitzen und ſtehen haben; 3] die Lehrer, die von
fremden Orten nach der Univerſitaͤt Kiel, nach der St.
Peterskirche zu Koppenhagen, zu der Miſſion in Tran-
quebar, oder zu den reformirten Gemeinen in den Koͤ-
niglichen Staaten berufen werden; 4] die auswaͤrtigen
Fabrikanten, Kuͤnſtler und Meiſter, die zu einem neuen
Werke oder Einrichtung vonnoͤthen ſeyn moͤchten ꝛc.
Vergl.
[270]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
Vergl. Ueber das Koͤnigliche daͤniſche Indigenatrecht ꝛc.
Hamburg 1779. 4.
Prediger Scheidemantel zu Warſchau den Indigenat,
und die Kaiſerin Koͤnigin 1758. der Venezianiſchen Fa-
milie Rezzonico das Recht der Eingebohrnen in allen
ihren Landen. Moſers Verſuch 6. Th. S. 9.
die Einwohner derienigen Provinzen, welche ehemals der
Krone gehoͤrt hatten, aber durch Krieg ꝛc. unter andre
Bothmaͤſſigkeit gekommen waren, keiner beſondern Na-
turaliſationsbriefe, ſondern wurden den Eingebohrnen
gleich erklaͤrt. Real a. a. O. §. 26.
c. 19. §. 214.
Henr. Hahn diſſ. de iure Indigenatus ſingulari. Helmſt.
1663.
Car. Fr. Lav diſſ. de iure indigenatus. Regiomont.
1686.
und mehrere. ſ. Moſers auswaͤrt. Staatsrecht S. 52.
Reichsſtand bey der Reichsverſammlung zu Regensburg
ſeinen Bevolmaͤchtigten hat, unter dem Titel eines Her-
zogs von York und Grafen von Alkany zum koͤniglichen
Pair von Grosbritannien mit Sitz und Stimme im
Oberhauſe ernannt. Polit. Journal April 1787.
S. 434.
den 1735. Art. 1. auf Sitz und Stimme auf dem
Reichstage zu Regensburg Verzicht leiſtete, im Fall es,
nach Abgang Stanislaus Leſcinzki zum Beſitz des Her-
zogthums Lothringen gelangte.
wandte ꝛc. zulaſſen.
Germaniae cenſere in imperii proceribus exteros re-
ges? Hal. 1743. 4.
Schweden entfernte dieſe Krone den ruſſiſchen Geſandten
unter andern auch um deswillen von ſeinem Hofe, weil
er in einem uͤbergebenen Memoire ſich an den Koͤnig und
die Staͤnde zugleich gewandt hatte. Der ruſſiſche Ge-
ſandte ſagte naͤmlich bey den damaligen Irrungen: In
dieſen Umſtaͤnden traͤgt die Kaiſerin an ihrer Seite kein
Bedenken, dem Miniſterium Sr. Schwed. Maj. erklaͤ-
ren zu laſſen, ſo wie allen denen von der Nazion,
die einigen Theil an der Verwaltung haben: daß
Ihro Kaiſerl. Maj. ihnen keinen gruͤndlichern Beweis
von ihren friedfertigen Geſinnungen geben kann, als
durch die Verſicherung, daß alle entgegengeſetzten Ab-
ſichten, die man derſelben beimeſſen koͤnte, ohne allen
Grund ſind. Polit. Journ. Jul. 1788. S. 713.
Die Schwediſche Antwort lautete dahin: Unter dieſen
Umſtaͤnden — war es, daß der Graf von Raſumovsky,
indem er ſeine beleidigenden Schritte in einer Miniſterial-
note aufs hoͤchſte trieb, es gewagt hat, den Koͤnig von
der Nazion trennen zu wollen, daß er an ſie ap-
pellirt hat, und daß er unter dem ſcheinbaren Vorwand
der Freundſchaft der Kaiſerin fuͤr die Nazion, die hei-
ligen
[273]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
ligen Bande hat zerreiſſen wollen, welche den Koͤ-
nig mit ſeinen Unterthanen vereinigen. Ebendaſ.
S. 820. Rußland aber entgegnete in der Declaration
vom 30 Jun. / 11. Jul. 1788. Nur kann man ſich nicht der
Bemerkung enthalten, daß dies das erſte Beiſpiel iſt,
daß ſich ein Souverain daruͤber beleidigt findet, daß ein
anderer Souverain ihn in Verbindung mit ſeinen Unter-
thanen ſeine friedlichen und geneigten Geſinnungen ver-
ſichert. Polit. Journ. Aug. 1788. S. 824.
In dem Berliner Frieden zwiſchen Preuſſen und
Oeſterreich 1742. wurde Art. 11. u. 12. ausdruͤcklich
bedungen, daß die boͤhmiſchen Staͤnde, wegen der er-
laſſenen boͤhmiſchen Lehnſchaft ſowohl, als wegen der an
Preuſſen abgetretenen ſchleſiſchen Lande, foͤrmliche Re-
nunciationsacten an Preuſſen ausſtellen ſolten.
lich von dem Abtretenden die Aufrechthaltung aller Lan-
desfreiheiten, Rechte ꝛc. der Staͤnde und Unterthanen
Guͤnth. Voͤlk, R. 2. B. Saus-
[274]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
ausdruͤcklich bedungen. Wegen der von Daͤnemark an
Schweden abgetretenen Lande wurde z. B. im Roſchilder
Frieden 1658. Art. 9. feſtgeſetzt: quod omnes ſtatus,
ſive nobiles, ſive ignobiles — Provinciarum —
quae mediantibus his tractatibus fuerunt ceſſae, bona
ſua ac proprietates — retinere debeant — Similiter
retinebunt conſueta ſua iura, leges antiquas, privi-
legia et immunitates ſine omni impeditione et turba-
tione, in quantum tamen illa non contrariantur vel
pugnant cum legibus fundamentalibus regnorum Sue-
ciae, cum quibus ſcilicet ceſſae hae provinciae in per-
petuum poſthac adunientur et conſociabuntur. M.
vergl. den Coppenhager Frieden 1660. Art. 12. Im
Utrechter Frieden zwiſchen Frankreich und den Vereinig-
ten N. Landen 1713. Art. 24. iſt bedungen: que les
Communeautés — de toutes les places villes et pays
que S. M. T. Chretienne cède par le preſent traité
ſeront conſervées et maintenues dans la libre jouiſſance
de tous leurs priviliges, prérogatives, coutumes
etc. — Der Koͤnig von Preuſſen verſpricht im Hu-
bertsburger Frieden mit Oeſterreich, in den abgetreten
erhaltenen ſchleſiſchen Provinzen alle Freiheiten, Vor-
rechte ꝛc. der Staͤnde zu erhalten. M. vergl. Breßlauer
Praͤlim. und Berliner Def. Frieden von 1742. u. 1743.
Art. 6.
Wo dergleichen Zuſicherungen geſchehen ſind, ſtehet
dem andern Theile, wenn die ſtaͤndiſchen Privilegien
verletzt werden, allerdings das Recht zu, ſich der Staͤn-
de und Unterthanen anzunehmen. In dem Bromberger
Vertrage trat Polen an Preuſſen Buͤtow und Lauenburg
als Lehn mit allen vorigen Freiheiten ꝛc. ab. Den Ein-
wohnern wurden daher durch einen polniſchen Reichstags-
Schlus nochmals alle alte Rechte, Ehren, Vorzuͤge ꝛc.
zugeſichert, und ihnen, im Verletzungsfalle, freigege-
ben, ſich an den Koͤnig und die Republik zu wenden.
Moſers
[275]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde
Moſers Verſuch 5. Th. S. 169. Polen fuͤhrte in
dem Manifeſte 1700. gegen Schweden als eine Kriegs-
urſache mit an, daß letztere Krone den Lieflaͤndern, dem
oliviſchen Frieden, worinn die Abtretung dieſer Provinz
geſchehen, zuwider, ihre Freiheiten verletzt habe: Livo-
nia — in plenum dominium Sueciae tradita et re-
ſignata cum ea tamen iurium et privilegiorum reſer-
vatione vt ſupra expreſſum eſt. Hinc quam iniurium
in Rempublicam, quam pactis contrarium inductum
in illam provinciam despoticum regimen, dum triſtem
ſervitutem ſub gravi iugo gementes et querimoniis
ſidera pulſantes deplorant Livones! Lamberty Mem.
Tom. I. p. 73.
Der Koͤnig in Sardinien als Garant des Tractats,
durch welchen die Dauphine von dem letzten Beſitzer
Humbert an Frankreich gekommen iſt, nahm ſich dieſer
Provinz bey den Unruhen der Staͤnde mit dem Koͤnige
in Frankreich an, und erließ ein Schreiben deshalb an
Ludwig XVI. Polit. Journ. Jul. 1788. S. 739.
von Rußland gab dem Curlaͤndiſchen Adel, bey Gelegen-
heit der von ihm erhaltenen Gluͤckwuͤnſchungsdeputation
zur Throngelangung, in den damaligen Streitigkeiten
wegen des Herzogs, die Erklaͤrung: que S. M. Impe-
riale conſiderant les differentes oppreſſions, que la
nobleſſe de Courlande à ſouffertes depuis quelque
tems dans ſes privilèges libertés et immunités ſe
trouve dans la très-gracieuſe intention de proteger
à l’avenir efficacement les Duchés de Courlande et
de Semgalle dans tous leurs droits, prerogatives et
immunités etc.Moſers Verſuch 1. Th. S. 149.
videtur, ſollicitare populum ad defectionem. Gra-
vis haec ad ſeditionem commotis offenſa foret bello
vlciſcenda de Steck Obſerv. ſubſeciv. Spec. Hal.
1779. n. 14. p. 50. Glafey im V. R. 3. Kap.
§. 44. S. 159. billigt daher mit Recht die Antwort,
welche Kaiſer Karl V. ſeinen Miniſtern gab, die ihm zu
Unterſtuͤtzung der damaligen franzoͤſiſchen Unruhen riethen:
que Dieu lui avoit donné aſſez de bon ſens et de
conſcience pour ne pas ignorer, qu’vn prince Sou-
verain et ſurtout vn Empereur ne doit jamais embraſ-
ſer les occaſions de fomenter les ſeditions et les re-
voltes dans les états des autres princes, ni donner
du ſecours aux rebelles.
genwaͤrtigen franzoͤſiſchen Unruhen die groͤſte Aufmerk-
ſamkeit, und die zu Verbreitung derſelben vorhanden
ſeyn ſollende Propaganda, in Abſicht welcher die Aeuſ-
ſerung des Grafen von Montmorin in der Nationalver-
ſammlung merkwuͤrdig iſt. Die Verhaͤltniſſe der Nazio-
nen, ſagte er, ſetzen eine gegenſeitige Achtung fuͤr die
verſchiedenen Regierungsformen voraus, Will eine da-
von
[277]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
von ihre Conſtitution aͤndern, ſo muß ſie ſich auf ihr
Gebiet einſchraͤnken und nicht andere bewegen wollen,
die neuen Grundſaͤtze ihrer Conſtitution anzunehmen.
So ſahe man England und Holland groſſe Revolutionen
machen und ihrer neuen Conſtitution Achtung verſchaffen,
weil ſie ſelbſt die Conſtitutionen anderer Staaten reſpectir-
ten. Man beſchuldigt uns aber, daß wir unſere
Grundſaͤtze verbreiten und die Voͤlker gegen ihre Regie-
rungen zu empoͤren ſuchen. Ich weiß, daß dieſe Be-
ſchuldigungen ungegruͤndet ſind, wenn man ſie der Na-
zion und der Regierung macht; aber es iſt nur zu wahr,
daß einzelne Perſonen und ſelbſt Geſelſchaften in die-
ſer Abſicht einen Briefwechſel mit den an unſern Grenzen
benachbarten Laͤndern zu errichten und zu unterhalten ge-
ſucht haben: und es iſt auch nur zu wahr, daß faſt alle
Fuͤrſten und faſt alle Regierungen in Europa in aufruͤh-
reriſchen Blaͤttern inſultirt und beleidigt worden ſind.
Polit. Journ. December 1791. S. 1282. Spa-
nien erließ daher bey Gelegenheit dieſer Unruhen eine
Verordnung, daß auf alle Fremde und Profeſſioniſten,
welche das Land durchſtreichen und die franzoͤſiſchen auf-
ruͤhreriſchen Schriften oder Grundſaͤtze muͤndlich verbrei-
ten, Acht gegeben und ſie in Verhaft genommen werden
ſolten, weil S. Koͤnigl. Maj. mit dem groͤſten Unwillen
daruͤber erfuͤlt ſind, daß die Franzoſen, durch eine aus-
ſchweifende Freiheit trunken, ihre abſcheulichen Grund-
ſaͤtze durch Keſſelflicker, Scherenſchleifer und andere der-
gleichen Vagabonden, die im Lande herumſtreichen und
deren Anzahl, ohngeachtet der genommenen Maasregeln,
noch auſſerordentlich zugenommen hat, verbreiten und in
Umlauf bringen laſſen. Ebendaſ. Aug. 1791. S. 863.
Die bekanten Vorfaͤlle in Bern, Pays, de Vand und
Avignon ſind traurige Erfahrungen hiervon. Wegen des
letztern rief der Papſt alle Maͤchte in Europa um Bei-
ſtand an. Ebendaſ. December 1791. S. 1296. ff.
den Aufſtand erregen, wuͤrklich fuͤr Rebellen anzuſehen
ſind, die ſich dem ſchuldigen Gehorſam auf eine unrecht-
maͤſſige Weiſe zu entziehen ſuchen, oder ob vielmehr der
Fall
[279]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
Fall vorhanden iſt, daß ſie, im Namen des geſamten
Volks, deſſen unterdruͤckte Gerechtſame gegen die Tyran-
ney der Oberherſchaft zu vertheidigen ſich gedrungen ſehen.
So wenig die Aufruͤhrer gemeiniglich fuͤr Rebellen ange-
ſehn werden wollen, ſo entſteht auch zuweilen zwiſchen
ihren Souverain und andern Razionen Streit daruͤber.
Bey den Unruhen auf der Inſel Corſica gegen Genua
behaupteten die von den Corſen an verſchiedene europaͤi-
ſche Hoͤfe geſchickten Deputirten: — que cette infra-
ction les a mis à même de reprendre leur prémier
état; que ce ne ſont point quelques Particuliers qui
ſe ſont ſoulevées, mais que c’eſt toute la nation en
corps qui a jugé n’être plus tenue à la Convention,
qui leur a paru être anéautie par la republique elle-
même. Mercure hiſt. et polit. 1763. T. I. p. 370.
Auch ſind die Streitigkeiten merkwuͤrdig, welche durch
die nordamerikaniſchen Unruhen zwiſchen Grosbritannien
und Frankreich veranlaßt wurden. Auſſer dem, was
ich ſchon oben im 1. Th. 1. K. §. 4. bey der Anerken-
nung der Unabhaͤngigkeit angefuͤhrt habe, aͤuſſerte Gros-
britannien unter andern noch: Auſſitôt que les Colo-
nies revoltées eurent conſommé leurs attentats crimi-
nels par la declaration ouverte de leur independence
prétendue, elles ſongerent à former des liaiſons ſe-
cretes avec les puiſſances les moins favorables aux
intérèts de la mère-patrie — La Cour de Verſailles
ne rougit point d’avilir ſa dignité par les liaiſons ſe-
cretes qu’elle forma avec des ſujets rebelles, et après
avoir épuiſé toutes les reſſources honteuſes de la per-
fidie et de la diſſimulation, elle oſa avouer à la face
de l’Europe, indignée de ſa Conduite, le traité
ſolemnel que les Miniſtres du Roi Très-Chretien
avoient ſigné avec les Agens ténébreux des Colonies
Angloiſes, qui ne fondinent leur indépendence pré-
tendue, que ſur la hardieſſe de leur revolte — Le
S 41. Article
[280]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
1. Article du traité de 1763. confirme de la manière
la plus préciſe et la plus ſolemnelle les obligations
que le droit naturel impoſe à toutes les nations qui
ſe reconnoiſſent mutuellement pour amis. — Si la
France ſ’étoit propoſé de remplir ſes devoirs, il lui
étoit impoſſible de les meconnoitre, l’eſprit auſſi
bien, que la lettre du traité de Paris lui impoſent
l’obligation de fermer ſes ports aux vaiſſeaux des
Americains, d’intredire à ſes ſujets tout commerce
avec ce peuple rebelle et de ne point accorder ſon
ſecours ni ſa protection aux ennemis domeſtiques
d’vne couronne à la quelle elle avoit juré vne amitié
ſincère et inviolable. Il ſuffit ici de remarquer, que
la France ne peut ſe prevaloir de l’injuſtice qu’elle
reproche à la Cour de Londres [par rapport à la con-
duite de la reine Eliſabeth à l’égard des Pays-bas]
ſans introduire dans la jurisprudence de l’Europe
des maximes auſſi nouvelles qu’elles ſeroient ſauſſes
et dangereuſes; ſans ſuppoſer, que les diſputes qui
ſ’élèvent au ſein d’vn état indépendent et ſouverain,
ſont ſoumiſes à la jurisdiction d’vn prince étranger,
et que ce prince peut évoquer à ſon tribunal ſes alliés
et leurs ſujets revoltés pour juſtifier la conduite du
peuple qui ſ’eſt affranchi des devoirs de l’obeiſſance
legitime. Les Miniſtres du Roi Très-Chretien
ſ’appercevront peut-être vn jour, que l’ambition
les a fait oublier les intérêts et les droits de tous les
Souverains!!!
Die franzoͤſiſchen Gegenerinnerungen gingen dahin:
Sa Majeſté fit connoitre ſans detour au roi d’Angle-
terre, qu’elle n’étoit ni prétendoit être le juge de
la querelle avec ſes anciennes Colonies et que ce
n’étoit point à Elle â la venger; que par conſe-
quent rien ne lui impoſoit l’obligation de traiter les
Americains comme des Rebelles; de leur fermer les
ports
[281]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
ports de ſon royaume etc. — En donnant aſyle
aux Américains le Roi n’a fait que remplir vn des
prémiers devoirs de l’humanité, en même tems qu’il
a exercé vn droit inhérent à la ſouveraineté, droit
qui appartient à toutes les nations independentes,
qui ne peut être reſtreint, que par des conventions,
et dont l’exercice eſt plus étendu en Angleterre que
dans aucun autre état de l’Europe. Le roi n’a eu
aucune raiſon de renoncer à l’exercice de ce droit
au préjudice des Americains parce que cette nation
ne l’a jamais offenſé; et c’eut été de ſa part vne
tyrannie, une cruauté inoüie que de les expulſer de
ſes états, parce qu’ils étoient injuſtement opprimés
par la Grande Bretagne — Ainſi bien-loin que
S. M. ait renverſé tout principe en ſe liant avec les
Americains, on peut ſoutenir au contraire, qu’Elle
a pu les regarder et les traiter comme independans
après la proclamation de leur Manifeſte du 4. Juillet
1776. et qu’en le faiſant, Elle n’a violé ni le droit
des gens ni les traités, qu’Elle a encore moins fait
injure à l’Angleterre et ro [...]pu la paix avec cette
puiſſance. M. ſ. die beiderſeitigen Memoiren in Dohms
Materialien 3. Th.
dungenen Garantie der Grosbritanniſchen Erbfolge, bey
der ausgebrochenen Rebellion in Schottland, von den
Vereinigten N. Landen die verlangte Huͤlfe. Moſers
Verſuch 5. Th. S. 462. In Anſehung der von Frank-
reich nebſt den Republiken Zuͤrch und Bern, 1738.
uͤbernommenen Garantie der Verfaſſung der Republik
Genf, aͤuſſerte die Buͤrgerſchaft daſelbſt bey den 1767.
ausgebrochenen Unruhen: La Garantie a inconteſtable-
ment acquis en 1738. un droit ſur nous. Le Roi en
ſa qualité de Co-Mediateur a part à ce droit. Ce
S 5droit
[282]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
droit eſt, de protéger, dans une diſcorde civile le
partie, que, d’après nos loix, elle jugera être le
parti opprimé en forçant l’autre à main armée à ſe
ſoumettre etc.Moſers Verſuch 6. Th. S. 82.
Als Rußland bey den Unruhen in Polen auf dem Reichs-
tage 1767. einige Staͤnde in Verhaft nehmen und nach
Rußland fuͤhren ließ, erklaͤrte es: S. M. I. eſt l’amie,
la voiſine et l’Alliée de la republique. Elle eſt ori-
ginairement, par des traités ſolemnels, la garante
des droits d’une partie de la nation, et ces droits
lui ont été ravis. Le devoir et le ſentiment de l’hu-
manité reunis engagent S. M. I. à interceder en fa-
veur des Diſſidens. Le droit en eſt clairement de-
montré, mais l’Imperatrice eſt bien loin encore de
l’exercer comme un droit, Repreſentations amicales,
conſeils, inſinuations officieuſes, ſollicitations preſ-
ſantes, avertiſſemens ſur les conſequences dange-
reuſes de cette affaire, tout eſt employé par Elle.
Ebendaſ. S. 105.
hen, auf Anſuchen der Republik Genua bekant machen:
S. M. — voulant donner toute ſatisfaction juſte et
raiſonnable à ſa bonne amie et alliée la Republique
de Genes — le Roi enjoint par ces Préſentes et or-
donne expreſſément à tous ſes ſujets de ne donner ni
fournir aide aſſiſtance, apui, ni ſecours de quelque
manière que ce puiſſe être à aucun des habitans de
l’Isle de Corſe actuellement revoltés contre la dite
Sereniſſime Republique — Moſers Verſuch 5. Th.
S. 414.
ſchen Frankreich und Daͤnemark von 1663. Art. 5.
verglichen qu’aucun des deux rois ne recevra ni ne
ſouffrira
[283]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
ſouffrira dans ſes royaumes, provinces et principau-
tés au terres de ſon obeiſſance les rebelles ou les
criminels d’état de l’autre, ſ’il ſçait qu’il y en ait.
Zwiſchen England und den Vereinigten N. Lauden iſt im
Bredaer Frieden von 1667. Art. 13. feſtgeſetzt: quod
neque dictus Rex vel dicta respublica, neve vllus ex
ſubditis alterutrius incolis aliisve in eorum ditione
commorantibus, alterutrius rebelles quocunque ſub-
ſidio, conſilio, ſtudio fovebit et adjuvabit, ſed expreſſe
contradicet atque efficaciter obſtabit, ne quid auxilii
aut adjumenti ab vllo, qui aut ex ſubditis incolis aut
commorantibus in alterutrius dominiis fuerit vllis
iſtiusmodi rebellibus praedictis, ſeu ſint viri, naves,
arma, bellicus apparatus aliave bona interdicta, ne-
que etiam pecuniae etc. ſuppeditentur. M. vergl.
die ff. Artikel. Grosbritannien und Schweden verban-
den ſich in der Stockholmer Allianz 1720. Art. 2.
Uterque Confoederatorum — hoſtes ejus ſive rebel-
les et inimicos in Confoederati damnum nullatenus
fovebit, neque rebellium et proditorum quemcunque
in ditiones ſuas recipiet aut admittet, multo minus
conſilium, auxilium et favorem illis praeſtabit vel tale
quid per ſubditos populos aut incolas ſuos praeſtari
ſinet aut permittet. Im Wiener Frieden 1739. zwi-
ſchen dem Roͤm. Kaiſer und dem Koͤnige in Frankreich
wird Art. 1. verſprochen ni recevoir, protéger ou
aider, de quelque manière que ce ſoit, les ſujets
rébelles ou réfractaires.
Staatsverf. von Europa 1. Th. S. 260. Sardinien
nahm 1745. die Rebellen der Inſel Corſica gegen die
Republik Genua durch ein foͤrmliches Edict in Schutz,
und ſagte darinn unter andern: Das Volk der Inſel
Corſica hat uns — vorſtellen laſſen, wie es ſeit kurzem
genoͤthiget worden, die Waffen zu ergreifen um ſich der
Herſchaft
[284]Von d. Rechten der Nazionen gegen einander
Herſchaft der Republik Genua zu entziehn, welche, da
ſie die Geſetze der Menſchlichkeit und der Gerechtigkeit
mit Fuͤſſen tritt, nicht aufgehoͤrt hat, es auf eine tyran-
niſche Weiſe zu halten, und fortfaͤhrt, gegen ſelbiges
das haͤrteſte Bezeigen zu gebrauchen, das auf nichts an-
ders, als auf den gaͤnzlichen Untergang dieſer ungluͤck-
lichen Nazion abzielen kann. Dieſes Volk hat uns zu
gleicher Zeit erſuchen laſſen, ihm unſern koͤniglichen
Schutz zu gewaͤhren. — Da wir von einem wahren
Mitleiden uͤber den klaͤglichen Zuſtand, worinn ſich die
Inſel Corſica unter dem Regiment der Republik Genua
befindet, geruͤhrt, und durch ihre Ungerechtigkeit ge-
gen uns aufgemuntert worden, wegen ihrer Auf-
fuͤhrung, daß ſie ſich zu unſern Feinden geſchla-
gen, auf Rache zu denken; ſo haben wir uns ent-
ſchloſſen, beſagten Einwohnern der Inſel Corſica, un-
ſern koͤniglichen Schutz und Beiſtand zuzuſagen ꝛc.
Europ. Staatsſekretaͤr 114. Th. S. 548.
Doch haben auch zuweilen andere Nazionen ſich der
Oberherſchaft angenommen, gegen welche ſich Rebellio-
nen im Volke entſponnen hatten. Rußland und Daͤne-
mark nahmen ſich 1746. der Krone Grosbritannien ge-
gen die Schottiſchen Rebellen an, und erſteres erklaͤrte
deshalb gegen Frankreich: die Kaiſerinn ſaͤhe die in
Schottland ausgebrochene Rebellion mit aͤuſſerſtem Mis-
vergnuͤgen an. Ihro Kaiſerl. Maj. waͤre gemeldet wor-
den, daß gedachte Rebellen den Succurs aus Frankreich
erhielten, deſſen ſie, um ferner zu beſtehen, benoͤthigt
waͤren — Ihro Kaiſerl. Maj. Freundſchaft zu dem
Koͤnige von Grosbritannien erlaubten Ihro nicht, hoͤchſt-
beſagten Prinzen, wofern es noͤthig ſeyn ſolte, den Bei-
ſtand zu verſagen. Ebendaſ. S. 351. ff.
rung des Praͤtendenten von Grosbritannien gedacht habe,
ſo will ich hier noch die Interceſſion anfuͤhren, welche
der
[285]in Abſ. d. geſ. Volks u. der es darſtell. Staͤnde.
der Koͤnig von Frankreich, durch Vermittelung des hol-
laͤndiſchen Geſandten, bey dem grosbritanniſchen Mini-
ſterium fuͤr dieſe Rebellen, nach der Niederlage des Her-
zogs von Cumberland erließ. Darinn heißt es: daß
man hoffe, der Koͤnig von England werde nicht geſtat-
ten, daß man die aͤuſſerſte Schaͤrfe wider die Perſonen
von iedem Stande und Geſchlechte gebrauche, welche
bey dieſen Umſtaͤnden der Unruhe und Unordnung, den
Fahnen gefolgt, welche gegen die engliſchen Waffen un-
ter Commando des Herzogs von Cumberland untergele-
gen. Europ. Staatsſekr. 118. Th. S. 912. vergl.
S. 977. u. 980.
und abgeſtraft wurde, ertheilte der Canton den Miniſtern
von Grosbritannien und den V. N. Landen Nachricht.
Als 1791. die Studenten zu Turin einigen Tumult er-
regten, und ſolches in den franzoͤſiſchen Blaͤttern als
eine foͤrmliche Revolution vorgeſtelt wurde, ließ der
Hof durch ſeinen Staats-Sekretaͤr, den auswaͤrtigen
Geſandten eine beſondere Note mittheilen, worinn das
Unbedeutende des Vorfalls und dadurch die Unwahrheit
iener Darſtellung ins Licht geſetzt wurde. Polit.
Journ. Auguſt 1791. S. 859.
der Unterthanen wider ihre Regenten und Obern. Jena
1633. 4.
Iac. le Bleu diſſ. de rebellione. Gieß. 1660.
Io. Chr. Wilh. de Steck de iuribus et officiis populi
ac nationis intuitu deficientium et ſeditioſorum
alterius ſubditorum, in Ej. Obſervat. Subſeciv.
Hal. 1779. 8. c. 14.
c. 2. §. 13. ſeqq.
Alb. Gentilis diſſ. de poteſtate principis abſoluta et
de vi civium in regem ſemper iniuſta. Lond.
1605.
auch dem Volke wegen ſeiner Verbindlichkeit gegen die
Oberherſchaft kein Widerſpruchsrecht zugeſtehn koͤnte, ſo
hinderte dieſe doch andere Nazionen nicht, ſich ſeiner Be-
druͤckungen anzunehmen, ſo wie der Vormund den Muͤn-
del zu vertheidigen befugt ſey. Vergl. Grotius L. I.
c. 4.
eſt vt per modum ſollemnis iudicii, a populo forte
conſtituti de eadem cognoſcatur id quod recte fieri
non poteſt. Sed ſufficit publica per iuſtas-querelas
accuſatio, ſufficit illa, quae in ipſis rerum monumen-
tis latet facti aut agnitio aut probatio, ſufficit deni-
que ſententiae, quam iudicium mentis eorum, qui
oppreſſionem patiuntur, efformat ſolennis pronuncia-
tio, vt obſequium male imperanti renuncietur. Io.
Phil.
[289]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
Phil. Palthenii diſſ. polit. de dethroniſatione. Gry-
phisw. 1704. §. 14. Zu gehoͤriger Beurteilung ande-
rer iſt daher die Bekantmachung der etwa vorhandenen
Grundvertraͤge noͤthig.
mantel allg. Staatsrecht 5. Abth. 2. K. §. 262. ff.
M. vergl. indes Real Science du Gouv. T. IV. c. 2.
Sect. 12. §. 85. ſeq.
ſchung iſt gewis die Erhaltung der algemeinen Ruhe Eu-
ropens anzuſehn, wenn bey dergleichen Unruhen die Zuͤ-
gelloſigkeit und die Ausſchweifungen ſo weit gehn, daß
nicht nur alle Verbindungen gegen auswaͤrtige Nazionen
auſſer Augen geſetzt werden, ſondern auch die Sicherheit
der letztern ſelbſt dabey in Gefahr komt; zumal wenn
man abſichtlich den Geiſt des Aufruhrs in andere Staa-
ten zu verbreiten ſucht. Ein ausgezeichnetes Beiſpiel
hiervon giebt am Schluſſe unſers empoͤrungsvollen Jahr-
hunderts, die Revolution in Frankreich, welche ein
groſſer Theil der europaͤiſchen Nazionen wohl nicht ohne
Urſach als ein objet d’un intérêt commun à tous les
Souverains de l’Europe anſehn und ſich verbunden ha-
ben, noͤthigen Falls, die geheiligten Rechte des Koͤnigs
und der franzoͤſiſchen Monarchie zu beſchuͤtzen. Dahin
gehoͤren Portugal, Spanien, Sardinien, Neapel, die
Vereinigten N. Lande, Rußland, Preuſſen, Daͤnemark,
Schweden und Oeſterreich. ſ. Polit. Journal De-
cember 1791. S. 1295 u. 1324.
precis d. droit des gens L. III. c. 2. §. 61.
ceji Introd. ad Henr. Cocceji Grot. illuſtr. diſſ.
prooem. XII. §. 551,
rum ex delicto ſummae poteſtatis ad Hug. Grot.
L. 2. c. 21. Ien. 1698.
rial an den Reichsconvent ſich dieſes Ausdrucks oͤfters
bediente, aͤuſſerte der Kaiſer in dem Commiſſionsdecret
vom dict. 17. Maͤrz: daß daraus deutlich abzunehmen,
mit was weiterer Art und Liſt und aus welcher Veran-
laſſung man trachte das allerhoͤchſte Oberhaupt im roͤmi-
ſchen Reich von deſſen Gliedern zu trennen, ſolche unter
einem noch niemals gebrauchten unanſtaͤndigen methapho-
riſchen Namen und ungewoͤnlichen Stylo von Corps Ger-
manique in eine Spaltung a Caeſarea Majeſtate zu
bringen. ſ. Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 178.
Hingegen vertheidigt die Geſetzmaͤſſigkeit dieſes Aus-
drucks unter andern v. Selchow Elem. I. P. T. I. p. 50.
nen fuͤr Indigenae in Teutſchland gehalten. M. vergl.
Conr. Wilh. Strecker diſſ. de indigenis Germaniae eo-
rumque iuribus. Erf. 1731.
Io. Rud. Engau ſ. reſp. Io. Andr. Hoffmann diſſ. de
iuribus indigenarum Germaniae. Ien. 1747.
Io. Andr. Hoffmann comment, de indigenis eorumque
praerogativis itemque emolumentis tum in terris
cum in civitatibus et locis Germaniae conſtitutis
Marb. Catt. 1758. 4.
Landſtaͤnden ꝛc.
Staatsr. S. 294.
wegen der bekanten neunten Kurſache an verſchiedene
europaͤiſche Hoͤfe, beſonders an Frankreich und Schwe-
den und verlangten ihre Huͤlfe vermoͤge der bedungenen
Garantie des weſtphaͤliſchen Friedens. Die erſtere
Krone that auch deshalb 1700. 14. Sept. Vorſtellun-
gen auf dem Reichstage, worinn es heißt: Ils ont ef-
fectivement en recours à Sa Majeſté pour le maintien
des loix de l’Empire et des conditions des traités
également bleſſés par les nouveautés introduites en
faveur du Duc de Hannover; le Roi voulant marquer
en toutes occaſions, et principalement dans la con-
joncture préſenter ſon affection pour les princes de
l’Empire, l’attention qu’il donne à leurs intérêts,
le deſire qu’il a de faire exécuter ponctuellement
les traités dont il eſt Garant, Sa Majeſté portée par
ces conſiderations a ordonné a Son Plenipotentiaire
à la Diéte de l’Empire, de déclarer qu’après avoir
reçu l’Acte de Réquiſition de Sa Garantie ſigné au
nom des plus conſiderables Princes de l’Empire,
Elle ſe croit obligée, comme Garant du traité de
Weſtphalie, de protéger ces Princes ſuivant leur de-
mande, dans les droits qui leur ſont acquis par ce
même traité et de ſoutenir les reſolutions qu’ils ont
priſes, et les liaiſons formées pour maintenir leurs
prérogatives. Lamberty Memoires Tom. I. p. 143.
M. vergl. Fabers Staatscanzley Tom. V. S. 193.
u. 273. edit. nov. Monathl. Staatsſpiegel 1699.
April S. 94. May S. 25. ꝛc.
Neichsſtaͤnde Landen S. 1355. In dem Frieden zwi-
ſchen den Vereinigten N. Landen und dem Biſchof von
Muͤnſter von 1666. wird Art. 13. uͤberdies noch aus-
druͤcklich
[295]in Abſ. d. geſ. Volks u. d. es darſtell. Staͤnde.
druͤcklich bedungen: Der Biſchof ſolle ſich hinfuͤhro in
die Streitigkeiten der Generalſtaaten, ihre Incorporir-
ten und Unterthanen betreffend nicht miſchen — und im
Gegentheil auch die Generalſtaaten. Moſers auswaͤrt.
Staatsr. S. 325. Der Anhaͤngigkeit der Oſtfrieſiſchen
Landſtaͤnde an die Generalſtaaten erwaͤhnt Moſer a. a.
O. S. 333. ff.
Prooem. §. 1. ausdruͤcklich.
wegen der Religion bedraͤngten Unterthanen in Frank-
reich an und bekriegte dieſe Krone nebſt andern Reichs-
ſtaͤnden. Neumayr v. Namsla von Aufſtand ꝛc.
S. 294. Moſers auswaͤrt. Staatsr. S. 294.
Art. XV. §. 8. verordnen deutlich: Immaſſen denn
Kurfuͤrſten, Fuͤrſten und Staͤnden ꝛc. zugelaſſen und er-
laubt ſeyn ſoll, ſich nach der Verordnung der Reichscon-
ſtitutionen bey ihren hergebrachten und habenden landes-
fuͤrſtlichen und herrlichen Iuribus ſelbſt, und mit Aſſiſtenz
der benachbarten Staͤnde wider ihre Unterthanen zu ma-
nuteniren, und ſie zum Gehorſam zu bringen, iedoch
andern benachbarten oder ſonſt intereſſirten Staͤnden ohne
Schaden und Nachtheil.
§. 45. ff.
ſcheint es den Landesherrn erlaubt zu ſeyn, deshalb zu
ihrer Sicherheit auch mit Auswaͤrtigen Vertraͤge und
Buͤndniſſe zu ſchlieſſen. ſ. Moſer a. a. O. S. 161.
bey Stillung der brabantiſchen Unruhen zuſtehet v. G.
1787. 4.
Joh. Aug. Schlettwein die Ungerechtigkeit der Trennung
der N. Lande vom Hauſe Oeſterreich und die Fo-
T 4derungen
[296]Von den Gerechtſamen
derungen des Europ. Staats- und Voͤlkerrechts wider
dieſelbe 1790. 8.
Ebendeſſelben: Koͤnnen Europ. Maͤchte den N. Landen
wider das Haus Oeſterreich Beiſtand leiſten? An-
hang zu der Schrift: Die Ungerechtigkeit ꝛc. 1790. 8.
und den Aufenthalt in einem fremden Territorium, die
Abhaltung der Vagabonden, Bettler ꝛc. anlanget, ſind
ſchon im Vorhergehenden erwaͤhnt worden.
der europaͤiſchen Souverainen Colonieen, beſonders auſ-
ſer Europa S. 391. und Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th.
9. Kap. Von Colonieen in und auſſer Europa T. 398.
ff. Die Pforte wolte z. B. 1755. nicht zulaſſen, daß
Rußland die Colonie Neu-Servien anlegte, unter der
Behauptung, daß dieſe Gegend ungebaut liegen bleiben
muͤſte, und fuͤhrte dies auch 1769. als eine Urſache des
Krieges an, muſte aber in dem Frieden 1774. nachge-
ben. ſ. Moſers Beitr. a. a. O. S. 409.
der von ihrer Landesherſchaft abweichenden Religionsver-
wandten, unter gewiſſen Vorausſetzungen das Recht und
die Verbindlichkeit auszuwandern; gegen ihre Verſetzung
T 5in
[298]Von den Gerechtſamen
in ein anderes Land, wider ihren Willen, um es anzu-
bauen, wuͤrden aber die Garants dieſes Friedens, auf
die diesfalſigen Beſchwerden, ein gegruͤndetes Recht zum
Widerſpruch haben. M. vergl.
Io. Rud. Engau prog. an cives religionis cauſſa emi-
graturi queant transplantari. Ien. 1740.
Herm. Becker diſſ. de imperante ſubditum religionis
cauſſa emigratarum transplantandi iure gaudente,
iuxta pacif. relig. §. Wo aber unſere ꝛc. Roſtoch
1755.
Io. Cph. Rudolph obſervat. de iure emigrandi et trans-
plantandi ſubditorum eorumque expulſione et trans-
plantatione in genere. Erl. 1756.
iure coloniarum. Lugd. Bat. 1787.
Verbindung nicht ſoleicht aufheben koͤnnen, eine Aus-
nahme. Zuweilen werden aber auch fremde Unterthanen
uͤberhaupt nicht eher aufgenommen, als wenn ſie eine
foͤrmliche Entlaſſung von ihrer vorigen Obrigkeit vorzei-
gen; welches oͤfters in Vertraͤgen ausdruͤcklich bedungen
wird. In der Convention zwiſchen Daͤnemark und der
Stadt Hamburg von 1736. Art. 6. iſt z. B. vergli-
chen, daß Daͤnemark keinen, der durch wuͤrklichen Buͤr-
gereid ſich in Hamburg ſeßhaft gemacht hat, ohne Ent-
laſſungsatteſtat von Buͤrgemeiſter und Rath aufnehmen
ſoll. Eben ſo heißt es in der Convention zwiſchen Preuſ-
ſen und der Stadt Danzig von 1785. Art 6.: Die
Convention zwiſchen Preuſſen und Danzig vom 3. Jan.
1771. worinnen der Magiſtrat der Stadt Danzig ver-
ſprachen, keinen preuſſiſchen Unterthanen und Cantoniſten
in die Stadt Danzig aufzunehmen, wenn ſie nicht die
dazu habende Erlaubnis von dem Miniſterium oder der
Landesregierung S. Koͤnigl. Maj. vorzeigen, ſoll ſich
auch auf die nachher acquirirte Provinz Weſtpreuſſen,
von dato der Unterzeichnung dieſes Vertrages erſtrecken.
iſt wird weiter unten gelehrt werden. Verſchiedene Staa-
ten tragen kein Bedenken, ihnen Aufenthalt und Schutz
bey ſich zu geſtatten. ſ. Moſers Anfangsgruͤnde von
der Staatswiſſenſchaft ꝛc. 1. Th. S. 262. Doch wird
zuweilen in Vertraͤgen bedungen, daß ſie nicht aufge-
nommen werden ſollen. Im Buͤndniſſe zwiſchen Frank-
reich und der Schweitz von 1777. heißt es Art. 13.
Ein betruͤgeriſcher Banqveroutier, ſo ein franzoͤſiſcher
Unterthan iſt, ſoll keinen Zufluchtsort in der Schweitz
finden, um ſeine Schuldglaͤubiger zu hintergehn; es
kann im Gegentheil derſelbe verfolgt, handfeſt gemacht
und das in Bezug auf die Habſchaften uͤber ihn ausge-
ſprochene Urtel voͤlligermaaſſen an ihm volſtreckt werden;
und
[300]Von den Gerechtſamen
und auf gleiche Weiſe ſoll im aͤhnlichen Fall in Frank-
reich gegen einen Schweitzer verfahren werden. Auch
verpflichten ſich Art. 14. S. Maj. und die Eidgenoſſen-
ſchaft, dieienigen von ihren gegenſeitigen Unterthanen
nicht in ihren Schutz aufzunehmen, welche um offenba-
rer und erwieſener Miſſethaten willen fluͤchtig, oder um
Hauptverbrechen aus der ein- oder andern Botmaͤſſigkeit
verwieſen worden ſind; ſie verſprechen vielmehr, wie es
zwiſchen guten und getreuen Verbuͤndeten ſich geziemet,
alle ihre Sorgen dahin zu verwenden, daß dieſelben
weggeiagt werden.
tion, daß keine fremde Standesperſon, ohne vorherige
Erlaubnis, ſich in ihr Gebiet fluͤchten ſolle. ſ. Lettres
et Negociat. de Witt Tom. 5. p. 4. 5. So wurden
auch bey Anbauung eines Theils von Andaluſien von
Seiten Spaniens keine Franzoſen angenommen, ob ſie
ſich ſchon haͤufig meldeten. Die verdaͤchtigen Perſonen
muſten einen Taufſchein oder ſonſt ein glaubwuͤrdiges
Zeugnis aufweiſen. Moſers Beitr. in Fr. Zeit. 5. Th.
S. 412. Daß Grotius [L. II. c. 2. §. 16.] hierinn
zu weit gehe, und daß den fremden Ankoͤmlingen kein
volkomnes Recht auf die noch unbebauten Gegenden eines
Landes, obgleich unter deſſen Oberherſchaft, zuſtehe,
habe ich bereits zuvor [2. B. 5. K. §. 4.] gezeigt.
Vertriebene haben allerdings Anſpruch an irgend einen
Wohnplatz [Wolff I. G. c. 1. §. 147. ſeqq.] und die-
ſer iſt ihnen ohne triftige Urſachen nicht leicht zu verwei-
gern, er bleibt aber, in Ruͤckſicht einzelner Nazionen,
immer unvolkommen, weil dieſen die Unterſuchung uͤber-
laſſen iſt, ob die Aufnahme ihrem Staate zutraͤglich ſey
oder nicht, ob die Fruchtbarkeit des Landes ſie erlaube,
und ob ſie ohne Nachtheil der Sitten, Religion ꝛc. ge-
ſchehen koͤnne? Es ſtehet ihnen auch auf ieden Fall frey,
durch Vertheilung der Einwandernden in einzelne Hau-
fen
[301]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
fen oder auf andere Art ſolche Maasregeln zu ergreifen,
daß der Staat gegen Aufruhr und andere Gefahr geſi-
chert werde. Nur im aͤuſſerſten Nothfall, wenn die
Vertriebenen dadurch, daß ihnen die Aufnahme nirgends
zugeſtanden werden will, ihren Untergang vor ſich ſehen,
ſind ſie berechtigt ſolche mit Gewalt zu bewuͤrken. ſ.
Schrodt Syſt. I. G. P. II. c. 2. §. 4. ff. Puffen-
dorff I. N. et G. L. III. c. 3. §. 10. Vattel droit
d. g. L. I. c. 19. §. 229. ff. wegen des zu verſtatten-
den Durchzugs aber vergl. m. Io. Georg Simon diſſ.
iura emigrandi. Ien. 1679. c. 3. th. 3.
q. 7. An ſit contra amicitiam ſubditos alienos re-
cipere?
Ern. Aug. Bertling majeſtatem ſine tali peregrinos
recipiendi iure quo alii ab ejus vſu excluduntur
conſiſtere non poſſe. Gotting. 1744.
Beiſpiele anzufuͤhren, ſo ließ 1782. der Kaiſer zu
Vermehrung der Volksmenge in den oͤſterreichiſch polni-
ſchen
[302]Von den Gerechtſamen
ſchen Provinzen, ein Anſiedelungspatent ergehen, wor-
inn er alle fremde Bauern, Profeſſioniſten ꝛc. einladet,
und 1] Befreiung von Abgaben auf 10 Jahr; 1] ein
Grundſtuͤck von 1600 Quadratklaftern; 3] Holz aus
den kaiſerlichen Waldungen zum Anbau, wie auch die
Arbeitsleute zu Erbauung des Wohnhauſes unentgeltlich;
und 4] 200 polniſche Gulden oder 50 Rthlr. zu An-
ſchaffung des Gewerbzeuges verſpricht. Polit. Journ.
Febr. 1782. S. 182. In eben dieſem Jahre erſchien
ein franzoͤſiſches Arret zu Anlockung der Fremden,
worinn beſonders den Schweitzern, die ſich in Frankreich
niederlaſſen wuͤrden, groſſe Privilegien und Freiheiten
verſprochen wurden. Ebendaſ. S. 186. Einige Zeit
drauf 1786. erließ Frankreich ein anderweitiges Arret,
worinn unter andern Art. 3. den fremden ankommenden
Handwerksleuten und ihren mitgebrachten Arbeitern eine
dreiiaͤhrige Freiheit von allen perſoͤnlichen Auflagen, und
von den Militzabgaben, Frohndienſten und Einquartie-
rungen eine beſtaͤndige Befreiung; die Freiheit ihrer Ge-
braͤuche, in ſofern ſie den Geſetzen des Reichs nicht zu-
wider, alle Rechte der Succeſſion ꝛc. die Erlaubnis Guͤ-
ter, Haͤuſer ꝛc. zu kaufen, verſtattet wurde. Von
Preuſſen ſind mehrere dergleichen Patente z. B. in Ab-
ſicht Preuſſens unterm 10. April 1723. und 17 Febr.
1724; wegen Schleſien und Glatz unterm 31. Maͤrz
1749. [Fabers Staatscanzley 60. Th. S. 146.]
erlaſſen worden. Im Jahre 1764. wurde in Schleſien
bekant gemacht: daß wenn in Polen innerliche Uneinig-
keiten, Verwuͤſtungen oder Krieg entſtehen ſolten, und
die polniſchen Unterthanen ſich in Schleſien niederlaſſen
wolten, ſie alda wohl aufgenommen werden wuͤrden.
Moſers Verſuch 6. Th. S. 118. Schweden ließ
1752. denen, welche ſich zu Betreibung des Fiſchfanges
auf den ſchwediſchen Kuͤſten niederlaſſen wolten, man-
cherley Freiheiten zuſichern. Ebendaſ. S. 119. Ruß-
land
[303]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
land hat wiederholte dergleichen Declarationen und Ma-
nifeſte ausgehn laſſen. 1763. wurde zum Beſten dieſer
fremden Ankoͤmlinge eine beſondere Tutelkanzley daſelbſt
angelegt, ſo wie die Stiftung des groſſen Kinderhauſes
in Moſkau gleiche Abſicht hatte. Durch das im gedach-
ten Jahre ergangene Edict machte man Art. 3. ſogar
bekant, daß die ruſſiſchen Geſandten an den auswaͤrti-
gen Hoͤfen, denen die ſich zu ſolchem Zug entſchlieſſen
wuͤrden, alle benoͤthigten Reiſekoſten vorſchieſſen ſolten.
Ebendaſ. S. 119. vergl. Beitraͤge 5. Th. S. 405.
ſtelte Polen vor, daß man mit dergleichen Anerbietungen
nicht fortfahren, ſondern vielmehr die bereits erlaſſenen
wieder zuruͤcknehmen moͤchte, weil nicht nur gegenwaͤrtig
in Polen alles ſicher und ruhig waͤre, ſondern man der-
gleichen auch in Zukunft hoffen duͤrfte. Moſers Ver-
ſuch 6. Th. S. 119.
der Lebensbeſchreibung Koͤnig Friedrich II. von Preuſſen
erwaͤhnt, daß der General von Kalkſtein 1742. an
2500 Perſonen aus Boͤhmen nach Muͤnſterberg in
Schleſien zu gehn bewogen habe, indem er ihnen im
Namen des Koͤnigs die Erbauung einer Kirche, eines
Schul- und Pfarrhauſes verſprochen. Lebensbeſchr.
denkw. Perſonen 5. B. S. 153. Auch Rußland
ſchickte 1763. beſonders in Teutſchland uͤberall Werber
aus. Moſers Beitr. 5. Th. S. 405.
daß die ruſſiſchen Conſuls in der Moldau und Wallachey
Paͤſſe und eine uneingeſchraͤnkte Protection an alle Unter-
thanen des Grosherrn, die aus ſeinen Staaten gehn
wolten, ertheilten: durch dieſes Mittel beguͤnſtigten ſie
die Auswanderungen immer mehr, welches den letztern
mit Rußland geſchloſſenen Tractaten ſchnurſtracks entge-
gen ſey, und ſetzte auch nachher unter die Beſchwerden
in ihrem Kriegsmanifeſt vom 24. Aug. 1787. Daß die
Conſuls des letztern Hofes die tuͤrkiſchen Unterthanen zur
Auswanderung zu verleiten ſuchten. Polit. Journ. Aug.
und Sept. 1787. S. 749. und 916.
wanderungen, worinn es heißt: Qu’ayant été infor-
més qu’en divers endroits des terres et états de
notre domination il ſe trouvoient des Enroleurs, qui
par des promeſſes auſſi vaines que trompeuſes, cher-
chent à debaucher nos ſujets et à les obliger de
ſ’expatrier — Ordonnons de plus que tous les
ſusdits Enroleurs ou Emiſſaires qui ſeront convaincus
d’avoir debauché quelqu’un de nos ſujets et de les
avoir par de pareilles promeſſes ou autrement, portés
à
[305]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
à entreprendre un voyage auſſi préjudiciable à leurs
veritables interêts, devront ſans aucune connivence
être condamnes à travailler durant tout le reſte de
leur vie aux fortifications et même a une punition
plus exemplaire, ſuivant l’exigence des cas.Mo-
ſer 6. Th. S. 29. Wegen der haͤufigen Auswande-
rungen aus Teutſchland, nach dem ſiebeniaͤhrigen Kriege,
erging 1768 ein kaiſerl. Edict, darinn befohlen wurde:
Auf die ſich irgendwo aufhaltende oder herumziehende
Anwerber, Emiſſarien, Verfuͤhrer, Unterhaͤndler und
deren Helfer allenthalben die genaueſte Kundſchaft aus-
zuſtellen, bey entſtehendem Verdacht ſie gefaͤnglich anzu-
halten, ſolche dem Befinden nach mit Leibes oder allen-
falſiger Lebensſtrafe anzuſehn. Ebendaſ. S. 28.
Daſelbſt wird auch S. 26. erwehnt, daß 1766. ein
von Regensburg abgegangener Transport von 170. nach
Rußland beſtimter Coloniſten in dem Churbayeriſchen
angehalten und der Conducteur, ein entlaſſener regens-
burger Buͤrger, in die Schellen geſchlagen worden, ohne
daß die Vorſtellungen des ruſſiſchen Miniſters zu Re-
gensburg etwas dagegen gefruchtet.
Schweden von 1617 wird z. B. Art. 19. bedungen,
daß kein Theil des andern Unterthanen mit Liſt abwen-
dig machen ſolle.
bey den Generalſtaaten um den Durchzug angeſucht hatte,
in dem Dorfe Weſep in der Naͤhe von Amſterdam, wo
ſie eine Zeitlang ſich aufhielten, verleitet wurden, nicht
nach Rußland, ſondern lieber nach Indien zu gehn, ſo
daß die Coloniſten ſich auch wider ihre ruſſiſchen Fuͤhrer
empoͤrten, kam es deshalb bey den Generalſtaaten zur
Klage, welche den Entſchlus faßten, daß kuͤnftig alle
dergleichen Emigranten an keinem Orte der Republik
mehr ans Land ſteigen, ſondern bis zu ihrer weitern Ein-
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Uſchiffung
[306]Von den Gerechtſamen
ſchiffung in denienigen Fahrzeugen bleiben ſolten auf de-
nen ſie angekommen waͤren. Moſers Beitr. 5. Th.
S. 406. ff.
und der Pforte zuweilen Streitigkeiten entſtanden. In
der Declaration, welche Rußland zu Begruͤndung ſeiner
Anſpruͤche in Polen 1773. ausgehn ließ, beſchwerte es
ſich auch daruͤber, daß die Polen in gewiſſe an ſich ge-
riſſene Diſtricte, zum groͤſten Schaden Rußlands, ſogar
ruſſiſche Unterthanen aus Klein-Reuſſen gezogen haͤtten.
Dieſe Leute wurden, heißt es, von ihnen verfuͤhrt, und
wenn ſie nicht hinreichend waren, ſo that man Einfaͤlle
ins ruſſiſche Gebiet und nahm die Leute mit Gewalt weg.
Moſers Beitr. 5. Th. S. 72. Hingegen beſchwerte
auch Polen zu anderer Zeit ſich deshalb uͤber Rußland
und foderte die weggenommenen Unterthanen zuruͤck.
ſ. Moſers Verſuch 5. Th. S. 376. u. 390.
vergl.
Henr. Hildebrand diſſ. de intempeſtivo civium diſceſſu
cohibendo. Alt. 1716.
Fr. Hirſch comment. de iure emigrationem civium
prohibendi vel circumſcribendi. Gotting. 1787.
Io. Fr. Guil. Schlegel comm. de eo quod iuſtum eſt
circa emigrationem civium. Gotting. 1787.
ohne beſondere Verguͤnſtigung, entweder ganz verboten,
oder doch ſehr eingeſchraͤnkt. Wegen des ehemaligen
Frankreichs ſehe man Real Science d. g. T. IV. c. 7.
§. 9. In dem vorangefuͤhrten kaiſerlichen Edict von
1768. wurde alles Ausziehn teutſcher Reichsunterthanen
U 2in
[308]Von den Gerechtſamen
in fremde mit dem Reiche in keine Verbindung ſtehende
Laͤnder, und alle Gattungen des Fortwanderns verboten,
und daher allen befohlen 1] daß ſie niemanden, wer der
auch ſeyn moͤge, ohne die den Reichsſatzungen gemaͤſſen
Wege und Mittel auſſer des Reichs Grenzen den Auszug
verſtatten; 2] Gegen iene die ſich heimlich fortzumachen
unternehmen, genaue Obacht halten, und ſie, auf Be-
treten, mit gemeſſenen Strafen belegen; 3] keinem die
Veraͤuſſerung ſeiner Guͤter und Habſchaft, in ſtraͤflicher
Abſicht ſolches verbotenen Auszugs, mittelſt dagegen
vorkehrender gnugſamen Verfuͤgung zu geben ꝛc. In
dem oben erwaͤhnten daͤniſchen Verbote war die Confiſca-
tion aller beſitzenden und kuͤnftig zu hoffen habenden Guͤ-
ter zur Strafe geſetzt. Moſers Verſuch 6. Th.
S. 25. ff.
Frieden den Unterthanen in Teutſchland, welche einer
andern als der im Lande herſchenden Religion zugethan
ſind, bedungene Freiheit zu emigriren. Relig. Fr.
1555. §. Wo aber Inſt. P. O. Art. V. §. 12. wegen
der Salzburgiſchen Emigranten ſehe man z. B. Moſers
Reichs-Fama 9. Th. S. 424. 10. Th. S. 33. ꝛc.
Friedensſchluͤſſen ꝛc. geſchehenden Abtretungen von Lan-
den an. M. ſ. unter andern beſonders die Utrechter
Friedensſchluͤſſe von 1713. zwiſchen Grosbritannien,
Frankreich, Vereinigte N. Lande, Preuſſen ꝛc. Zu den
neuſten Beiſpielen gehoͤrt ferner der Friede zwiſchen Frank-
reich und Grosbritannien von 1783. Art. 7. worinn
die Inſeln St. Lucie und Tabago an Frankreich wieder
uͤberlaſſen worden, mit dem Beding: Les habitans Bri-
tanniques ou autres qui auroient été ſujets du roi
de la Grande Brétagne dans les ſusdites iles, conſer-
veront leurs propriétés — ou bien ils pourront ſe
retirer en toute ſureté et liberté ou bon leur ſem-
blera —
[309]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
blera — ſans être génés dans leur émigration ſous
quelque prétexte que ce puiſſe être hors celui de
dettes ou de procès criminels. Le terme limité pour
cette émigration eſt fixé à l’espace de dix-huit mois
à compter du jour de l’échange des ratifications du
préſent traité. M. vergl. Art. 18. wegen der fran-
zoͤſiſchen Abtretungen. Ein gleiches iſt auch zwiſchen
Grosbritannien und Spanien im Frieden von dieſem
Jahre Art 5. beliebt. Die Proviſionalconvention zwi-
ſchen Frankreich und Schweden von 1784. Art. 11.
in Abſicht auf die Inſel St. Barthelemi ſetzt feſt: Les
habitans françois etc. pourront en tout tems ſe retirer
en toute ſureté et liberté en tel endroit de la domi-
nation du roi qu’il leur plaira etc. M. vergl. Mo-
ſers Nordamerika 3. Th. S. 335. Auch in andern
Abtretungen wird dies Recht der Auswanderung oͤfters
bedungen, z. B. in dem Grenzvertrage zwiſchen Sar-
dinien und Genua von 1754. worinn wechſelſeitig einige
Lande abgetreten wurden: Les habitans des lieux reci-
proquement cédés auront pendant le terme de vingt-
cinq ans la liberté de ſe rétirer ſans obſtacle.Mo-
ſers Verſuch 5. Th. S. 359.
kann eine zeitlange Zuruͤckbehaltung gerechtfertigt werden.
de Martens précis du droit d. g. L. III. c. 3. §. 67.
1787. heißt es z. B. Art. 37. Les ſujets de l’une
et l’autre puiſſance contractante pourront librement
ſe retirer quand bon leur ſemblera des états reſpectifs
ſans éprouver le moindre obſtacle de la part du Gou-
vernement qui leur accordera avec les précautions
préſcrites dans chaque endroit, les paſſeports en uſage
pour pouvoir quitter le pays et emporter librement
les biens qu’ils y auront apportés ou acquis après
ſ’être aſſuré qu’ils ont ſatisfait à toutes leurs dettes
ainſi qu’aux droits finés par les loix ſtatuts et ordon-
nances du pays qu’ils voudront quitter.
ſaͤtze in Frz. 5. B. 1. K. S. 388.
ex territorio alieno. Lipſ. 1695. vergl. Moſers
Verſuch
[311]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Verſuch 6. Th. S. 38. Merkwuͤrdig iſt der Befehl,
welcher 1740. in Neapel, wo viele Auswaͤrtige Lehn-
guͤter beſitzen, erging, daß alle Lehnleute bey Verluſt
der Guͤter, ſich perſoͤnlich im Koͤnigreiche aufhalten ſol-
ten. Moſers Verſuch 6. Th. S. 75.
gleich. Ihrenthalben entſtand zwiſchen den Vereinigten
Niederlanden und Frankreich, nach Wiederrufung des
Edicts von Nautes, Streit, indem die erſtern verlang-
ten’, daß auch den Naturaliſirten die Erlaubnis auszu-
wandern verſtattet werden ſolte; aber der Koͤnig in Frank-
reich entgegnete: que S. M. ne prétendoit pas empê-
cher, que les ſujets des dits états ne puiſſent ſortir
de ſon royaume et y revenir ainſi qu’ils le jugeroient
à propos, pour le bien et l’avantage de leur com-
merce, qu’ell étoit bien aiſe de faciliter; mais qu’à
l’égard de ceux qui ſ’etoient fait naturaliſer, elle
me repetoit encore qu’ils étoient devenus par-là ſes
ſujets etc. Negociations de Mr. le Comte d’Avaux
en Hollande Tom. V. p. 172. M. vergl. de Mar-
tens précis L. III. c. 3. §. 67.
Erlaubnis des Staats wegzieht, vergeht ſich zwar gegen
dieſen, der andere Staat, wohin er ſich wendet, iſt
aber nicht verbunden, ihn zuruͤckzugeben, wohl aber iſt
erſterer berechtigt, bey dieſem ſeine Anſpruͤche gegen ſei-
nen vormaligen Unterthanen anzubringen, daß er das
gewoͤnliche Abzugsgeld und andere Schuldigkeiten leiſte.
Beyer l. c. §. 33. [Moſer in Grundſ. in Fr. Zeit.
5. B. 1. K. §. 27. glaubt iedoch, daß der andere
Staat, auf Verlangen, zur Auslieferung verbunden ſey,
es geſchaͤhe aber nicht]. Nur in Anſehung der Leibei-
genen wird behauptet, daß ſie zu allen Zeiten abgefodert
werden koͤnnen, wenn nicht beſondere Vertraͤge oder
Herkommen vorhanden ſind, vermoͤge welcher ſie, wenn
U 4die
[312]Von den Gerechtſamen
die Abfoderung binnen einen gewiſſen Zeitraum nicht ge-
ſchieht, ihre Freiheit erhalten. ſ. Io. Ernſt von der
Linde diſſ. de vindicatione hominum propriorum ejus-
que praeſcriptione. Ged. 1698.
zu ſeyn, beſonderer Vorfaͤlle wegen, durch die Flucht
Sicherheit in einem Staate ſuchen, behaupter Kahrel
in ſeinem Voͤlkerrechte S. 83. das nothwendige Recht
verlange die Auslieferung aller Fluͤchtigen, das Gewon-
heitsrecht mache aber viele Ausnahmen hierunter. Was
wegen Auslieferung der Verbrecher insbeſondere Rechtens
iſt wird weiter unten vorkommen.
Grenzen des ruſſiſchen Gebiets und der Republik Polen
ließ Rußland 1763. erklaͤren: Es ſey genoͤthigt, De-
taſchements nach Polen zu ſchicken, um die ſich dahin
gefluͤchteten Unterthanen mit Gewalt abzuholen; welches
Polen nicht uͤbel nehmen koͤnne. Moſers Beitraͤge in
Frzeit. 5. Th. S. 391. Als auch wegen Mangel
ſchlechter Erndten und Theuerung viele Bauern und Ein-
wohner des platten Landes aus den ruſſiſchen Provinzen,
nach Polen ſich begaben, ließ Rußland nicht nur eine
Reclamation an Polen ergehen, ſondern ſchickte auch
ſelbſt Truppen nach den Waͤldern, in denen ſich die
Emigranten zum Theil bewafnet aufhielten. Polit.
Journ. Jul. 1786. S. 695.
Kurfuͤrſt von Brandenburg wegen der Streitigkeiten mit
Polen gegen ſeine Staͤnde: Man wuͤrde ihm nicht ver-
denken koͤnnen, daß er ſich des iuris retorſionis hinwie-
derum gebrauche, geſtalt denn die Neumaͤrkiſche Regie-
rung und andere iudicia keinem polniſchen Gerichtsherrn
ſeine Unterthanen losgeben ſolle, ſo lange als ſich in ſei-
nem Lande etliche von Adel oder Magiſtrate in Staͤdten
befaͤn-
[313]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
befaͤnden, welchen ihre Unterthanen in Polen vorenthal-
ten wuͤrden. Moſers ausw. St. R. S. 341.
1743. Art. 20. heißt es z. B. Tous ceux qui étant
coupables de trahiſon etc. ou même ſans aucune de
ces raiſons auroient quitté la Ruſſie pour la Suede et
pareillement celleci pour la Ruſſie ſoit ſeuls ou avec
femme et enſans ſeront rendus à la première reclame
à la partie dont ils ſont fugitifs ſans aucun reſus ni
égard à la nation et cela dans le même état dans le-
quel ils ſe ſont refugiés avec ſemme et enfans etc.
Zwiſchen Rußland und der Pforte wurde im Handelsver-
trage 1783. Art. 10. verglichen: Si dans les états
de la Ruſſie il ſe trouvoit des ſujets de la Porte Otto-
manne, ils ſeront rendus à la Sublime Porte ſans la
moindre difficulté après qu’on en aura donné les
preuves neceſſaires. Doch werden dieienigen ausge-
nommen, welche der Religion halber ausgetreten. In
dem Kriegsmanifeſte der Pforte vom 24. Aug. 1787.
beſchwerte ſich dieſe daher, daß der ruſſiſche Hof durch
Huͤlfe ſeiner Conſuls den Woywoden der Moldau ent-
weichen laſſen, und auf die Zuruͤckfoderung der Pforte
der ruſſiſche Miniſter gerade zu, im Widerſpruche mit
den eingegangenen Vertraͤgen geantwortet habe: Sein
Hof liefere dieienigen, die ſich zu ihm fluͤchteten, nicht
aus. ſ. Polit. Journal Sept. 1787. S. 915.
Hieruͤber wurde auch eine weitlaͤuftige Uebereinkunft zwi-
ſchen Rußland und Curland in dem Handelsvertrage von
1783. Art. 1. getroffen.
te 1791. Art. 8. bedungen iſt, daß dieienigen Unter-
thanen, die ſich vor, oder waͤhrend des Krieges in dem
Gebiet der andern etablirt haben, der Herſchaft unter-
worfen bleiben und von ihrem urſpruͤnglichen Souverain
U 5nicht
[314]Von den Gerechtſamen
nicht reclamirt werden ſollen. Polit. Journ. Sept.
1791. S. 947.
ſtehn gegruͤndete Klagen daruͤber. Als man 1767. in
Neufchatel den franzoͤſiſchen Capitain Freyherrn von Tott
weggehn hieß, ſchrieb der franzoͤſiſche Staatsminiſter an
den dortigen Staatsrath: Monſieur le Baron de Tott
— m’a fait part de la ſignification que le Maire de
Neufchatel lui a faite — de ſe retirer de votre ville,
ſans rien alleguer ſur ſa conduite qui pût autoriſer
un pareil procédé: Le Roi, à qui j’en ai rendu
compte, m’a chargé de vous témoigner toute la ſur-
priſe que lui cauſe cette nouvelle: S. M. ne peut ſe
perſuader, qu’on veuille gèner chez vous la liberté
de ſes ſujets, tandis que tous les Neufchatelois
jouiſſent en France des avantages et privilèges des
regnicoles, et vous jugez, Meſſieurs, des conſe-
quences qui reſulteroient pour vos Compatriotes, ſi
M. le Baron de Tott, et même tout autre François,
éprouvoit des difficultes ſur le deſir qu’il auroit de
ſéjourner
[315]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
ſéjourner dans votre ville, ſans qu’il eut donné des
ſujets de plaintes ou de mécontentement. Je compte,
Meſſieurs, que vous voudrez bien me mettre au
plutôt à portée d’édifier S. M. ſur vos ſentimens, et,
dans l’aſſurance où je ſuis que vous deſavouerez la
demarche, qui a été faite vis-a-vis de M. le Baron
de Tott, je mande a cet Officier, dont la ſageſſe et
les bonnes moeurs me ſont bien connuës, de conti-
nuer ſon ſejour à Neufchatel, autant qu’il le jugera
à propos.Moſers Verſuch 6. Th. S. 61.
ſiſchen Unruhen einige eingewanderte democratiſche Fran-
zoſen, welche verſchiedene franzoͤſiſche Revolutionsſchrif-
ten ins Portugieſiſche uͤberſetzten und transportirte ſie zu
Schiffe wieder nach Frankreich zuruͤck. Polit. Journ.
November 1791. S. 1229.
ff. S. 368.
verain ſeinen Unterthanen den Titel, Wapen ꝛc. eines
fremden Hauſes beilegen wolte. Moſers Verſuch
7. Th. S. 272.
§. 564. ff.
zwey Nazionen zugleich auf das Recht Anſpruch machen,
einen gewiſſen Orden ꝛc. zu vergeben, ſo werden gemei-
niglich die Ritter der einen bey der andern nicht erkant.
Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. 5. B. 1. K. §. 4.
So auch wenn einer das Recht, gewiſſe Standeserhoͤ-
hungen uͤberhaupt zu ertheilen, ſtreitig gemacht wird.
Gouv. Tom. IV. c. 6. Sect. 7. §. 40.
in Frzeit. 5. B. 2. K. §. 5. 6. Hierzu iſt aber nicht
genug, wenn einer erweiſen kann, daß anderwaͤrts ſein
angeblicher Stand ꝛc. erkant worden ſey. de Martens
L. III. c. 3. §. 74. not. b.
langen, daß er in einem fremden Lande denen gleichge-
ſetzt werde, welche daſelbſt ebenfals Herzoge ꝛc. heiſſen.
So iſt z. B. ein groſſer Unterſchied unter einem teutſchen
Herzog, Marckgraf, Reichsgraf und den auswaͤrtigen
Ducs, Marquis, Marcheſe etc. ſ. Moſers Verſuch
6. Th. S. 5. Im teutſchen Reiche iſt den Reichspraͤ-
laten und Reichsgrafen, vermoͤge Reichsſchlus von 1714.
und der Wahlkapitulation Art. 3. §. 22. ausdruͤcklich
der Vorrang vor auswaͤrtigen zugeſtanden. ſ. Moſers
ausw. Staatsr. S. 255. und Verſuch a. a. O.
freilich kein Bedenken dabey. So erklaͤrte 1701. der
Koͤnig in Spanien, daß die Herzoge und Pairs von
Frankreich, welche an den ſpaniſchen Hof kommen wuͤr-
den, wie die Grands von der erſten Klaſſe gehalten wer-
den ſolten, wogegen der Koͤnig in Frankreich befahl, daß
die Grands von Spanien am franzoͤſiſchen Hofe eben
die
[318]Von den Gerechtſamen
die Ehre wie die Herzoge und Pairs genieſſen ſolten.
Real l. c. Aber deswegen iſt ein ſpaniſcher Grand nicht
uͤberall der erſte nach dem Souverain. Moſer fuͤhrt ein
Beiſpiel an, daß einer in Wien dem bayeriſchen Ge-
ſandten, den er beleidigt hatte, keine Abbitte thun
wollen, weil er ſo gut ein Grand der erſten Klaſſe in
Spanien, als der Kurfuͤrſt ein teutſcher Grand waͤre,
bis er durch Arreſt von dem Unterſchiede belehrt worden
ſey. Moſers Verſuch 6. Th. S. 4.
abgemeſſen ſind, hat der Rang ꝛc. der Fremden weniger
Schwierigkeiten.
9. wirft iedoth die Frage auf: ob ein Souverain,
wenn er ſich in einem fremden Lande aufhaͤlt, ſeinen ei-
genen Unterthanen dergleichen Wuͤrden ꝛc. ertheilen koͤnne?
und beiaht ſie, fuͤhrt iedoch Beiſpiele an, wo man
Schwierigkeiten dagegen gemacht habe, weil der Sou-
verain auswaͤrts dafuͤr nicht zu betrachten ſey. Allein
et bleibt gleichwol Souverain in Abſicht ſeiner Unter-
thanen.
vom 29. April 1785. ſollen als unverwerfliche Beweiſe
des Adels angenommen werden, Diplome, die von
vorigen
[320]Von den Gerechtſamen
vorigen ruſſiſchen Regenten oder von andern gekroͤnten
Haͤuptern auf die adeliche Wuͤrde verliehen worden ſind ꝛc.
von regierenden Herrn verliehene Wappen ꝛc. Polit.
Journ. Sept. 1785. S. 876. In Boͤhmen hingegen
muß ein Fremder, der erſt neuerlich von einem andern
als dem Koͤnige in Boͤhmen, eine Standeserhoͤhung er-
halten hat, wenn er ſich in Boͤhmen niederlaſſen und ſich
ſolchen Standes bedienen will, deſſen Approbation aus
der boͤhmiſchen Hofkanzley erhalten. Moſers teutſches
Staatsrecht 5. Th. S. 396.
und deſſen Verſuch 7. Th. S. 280.
uͤbel auf, daß Kaiſer Rudolph II, wider ihr Wiſſen,
den Thomas von Arundel, wegen ſeiner Verdienſte wider
die Tuͤrken 1596. zum Reichsgrafen machte; allein der
Kaiſer ſchrieb ihr deshalb, mit Beziehung auf verſchie-
dene Beiſpiele bey andern Nazionen: neque enim nobis
novum eſt, vt ad anteceſſorum noſtrorum imitatio-
nem etiam aliorum principum ſubditis decernamus,
qui facile ferimus, ſubditos itidem noſtros, a quovis
ſummo principe ornari. Joh. Wilh. von Goͤbel Ab-
handl. aus dem Staatsr. ꝛc. Helmſt. 1737. 8.
3. Stuͤck S. 182. M. vergl. Rich. Zouchaei ius
ſeciale P. II. Sect. 2. q. 10. Vtrum ſubditus, cui
ab extraneo principe honor delatus eſt, eodem apud
ſuos gaudere debeat? welcher zugleich anfuͤhrt, daß
eben dieſe Koͤnigin zwey Englaͤndern, welche von dem
Koͤnig in Frankreich den Orden des heiligen Michael er-
halten hatten, genoͤthigt habe, ihn aufzuſagen, zuruͤck-
zugeben und zu verlangen, daß man ſie in dem Verzeich-
niſſe ausſtreichen ſolle.
Wuͤrtemberg der ihm von Kur Koͤln ertheilte Geheime
Raths Character nicht beigelegt, weil er ihn ohne lan-
desherr-
[321]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
desherrliche Erlaubnis erlangt hatte. S. deſſen nach-
barl. Staatsr. 4. B. 8. K. §. 5.
Italien ꝛc. haben z. B. mit Einwilligung ihrer Souve-
rains, den Reichsfuͤrſtenſtand in Teutſchland erhalten,
der haͤufigen Misbraͤuche wegen aber verlangt die Wahl-
kapitulation Art. XXII. §. 1, daß dergleichen Wuͤrden
allein denen, die im Reiche angeſeſſen ſind, ertheilt
werden ſollen. ſ. Moſers Staatsrecht 6. Th. S. 37.
de Martens précis du droit d. g. L. III. c. 3. §. 75.
Der hollaͤndiſche Admiral Ruyter wurde kurz vor ſeinem
Ende vom Koͤnige in Spanien zum Herzog ernant. v.
Goͤbel a. a. O. S. 183. Die Republik Genua erklaͤrte
den Cardinal Mazarin und den Marquis Manchyn zu
Genueſiſchen Edelleuten. Theat, Europ. T. VII.
S. 733. In dem Falle wenn einer, der den Adel be-
reits beſitzt, unter den Adel eines andern Staats auf-
genommen wird, iſt meiſtens auch das Indigenatrecht
damit verbunden. v. Goͤbel a. a. O. So ertheilte
der Koͤnig von Preuſſen vor einiger Zeit dem Geheimen
Oberfinanzrath und erſten Director der Seehandlungs-
Societaͤt, Herrn von Struenſee die Erlaubnis, die ihm
von dem Koͤnige in Daͤnemark verliehenen Rechte und
Vorzuͤge eines daͤniſchen Edelmanns anzunehmen.
eine auswaͤrtige Wuͤrde annehmen. ſ. de Martens
L. III. c. 3. §. 75. not. b. So wird in Boͤhmen,
wenn eingebohrne Landesbewohner ſich, ohne Vorwiſſen
und Genehmigung, von iemand anders, als dem Koͤnig
in Boͤhmen eine Standeserhoͤhung oder ein Praͤdicat er-
theilen laſſen, ſolche nicht nur nicht anerkant, ſondern
der Unterthan auch, der ſie annimt, nach Befinden mit
Strafen belegt. Moſers Staatsr. 5. Th. S. 396.
Vermoͤge einer paͤpſtlichen Bulle ſoll kein Unterthan des
Kirchenſtaats einen hoͤhern Titel als Excellenz fuͤhren.
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. XMo-
[322]Von den Gerechtſamen
Monathl. Staatsſpiegel 1699. April S. 124.
Der Kaiſer verbot in den von Polen ihm abgetretenen
Provinzen Gallizien und Ludomerien, daß kein dortiger
Unterthan, bey Strafe von 500. Ducaten, die vorigen
polniſchen Titel als Woywod, Caſtellan ꝛc. fuͤhren ſolte,
weil er daſelbſt alles auf den Fuß, wie in den uͤbrigen
oͤſterreichiſchen Landen geſetzt wiſſen wolte. Da hier
keine Woywodſchaften, Caſtellaneyen und dergleichen
mehr Statt faͤnden, ſo waͤren auch die Titel unnoͤthig.
Neuſte Staatsbegebenh. 1775. S. 2024.
gel Conſil. R. 132. p. 253. Wenn ein ſolcher Unter-
than criminell behandelt werden muß, wird er gewoͤnlich
ſeiner Wuͤrden entſetzt, der Orden ihm abgenommen und
zuruͤckgeſchickt.
ſaͤtze in Fr. Zeit. S. 393. ff.
Chr. Thomaſii diſſ. de exiſtimatione fama et infamia
extra rempublicam. Hal. 1709.
bespflichten, ſondern eine Nothwendigkeit [ius innoxiae
vtilitatis paſſiv. perf.] an, einer Nazion, beſonders
einer ſolchen, die aus lauter Maͤnnern beſtuͤnde, und
irgend aus einem Lande vertrieben waͤre, das Heirathen
der Toͤchter des Landes bey andern Nazionen zu erlau-
ben; aber Barbeyrac in den Noten aͤuſſert mit Grunde
ſeine Bedenklichkeiten dagegen, weil unter andern die
Ehe eine freiwillige Handlung ſeyn ſoll.
c. XX. §. 603. Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 3.
§. 52. ſeq.
nerinnen zum Beiſpiel angefuͤhrt. ſ. Vattel droit d. g.
L. II. c. 9. §. 122.
Frauensperſon, die an einen Fremden auſſer Landes ver-
heirathet iſt, das Buͤrger- und Erbrecht; uͤberdies iſt die
Strafe der Galeeren auf die Maͤnner, und ewige Ver-
bannung
[325]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
bannung auf die Weiber geſetzt, welche Einwilligung
zu Verheirathung ihrer Kinder auſſer Landes geben.
Real Science d. g. Tom. IV. c. 7. §. 9. u. 21.
M. vergl. Declaration du roi portant defenſes aux
ſujets du roi de marier leurs enfans hors du royaume
et terres de ſon obéiſſance 12. Juillet 1685. in Ordon.
d’Alſace Tom. I. p. 150.
Fremde heurathen, wenn er nicht beweiſen kann, daß
ſie ihm eine in den Geſetzen beſtimte Summe zum Heu-
rathsgut mitbringe. Vattel L. II. c. 8. §. 115.
Syndicus gelaſſen werden, welcher im Auslande geboren
iſt, daher auch viele genueſiſche auswaͤrts ſich aufhaltende
Weiber, bey Annaͤherung ihrer Niederkunft, ſich nach
Genua begeben um daſelbſt zu gebaͤren. ſ. Hoffmann
diſſ. cit. de indigenis. §. 92. Unter andern wurde
auch in England 1695. eine Parlamentsacte errichtet,
daß die Kinder der Einwohner nicht auſſer Landes erzo-
gen werden ſolten. Theat. Europ. Tom. XIV.
S. 853 b.
an, ob die z. B. Legitimirten, Unehelichen ꝛc. in dieſen
und ienen Guͤtern erbfaͤhig ſind oder nicht.
laͤnger als eine gewiſſe Zeit aufhalten, wenn ſie nicht
Buͤrger
[327]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Buͤrger werden. ſ. Wilh. Leiſer diſſ. de iure civili-
tatis. Viteb. 1681. §. 32.
land 1721. Art. 12. iſt z. B. bedungen, daß die Un-
terthanen der an Rußland abgetretenen Provinzen dem
Czaar entweder huldigen, oder innerhalb gewiſſer Friſt
ihre Guͤter verkaufen ſolten; wobey zugleich feſtgeſetzt
wird: Solte auch inskuͤnftige, nach den Landesrechten
iemanden, der nicht gehuldigt hat, eine Erbſchaft zufal-
len, ſo ſoll derſelbe ebenfals gehalten ſeyn, bey Antre-
tung der ihm angeſtorbenen Erbſchaft Sr. Czaaril. Maj.
zu huldigen, und den Eid der Treue abzuſtatten, oder
auch alsdann Freiheit haben, innerhalb Jahr und Tag
ſolche Guͤter zu verkaufen.
Orten werden die Unterthanen wohl auch gezwungen,
der einen und andern Nazion zu huldigen. Als nach der
Teilung von Polen zwiſchen dieſer Republik und Preuſſen
wegen der Zubehoͤrungen der abgetretenen Lande Streit
entſtand, noͤthigte Preuſſen demungeachtet die Untertha-
nen gewiſſer Diſtricte zur Huldigung, die ſich zum Theil
auch dazu bequemten, ob es ihnen gleich von der Re-
publik war unterſagt worden. Preuſſen zwang ſie durch
Sequeſtration ihrer Guͤter, weshalb Polen ein gleiches
drohte. La Republique, hieß es in einer Note des
polniſchen Geſandten vom 19. April 1775. ſent — le
droit qu’elle auroit et qui ſouvent a été employé en
pareil cas entre nations libres et independentes de
ſéqueſtrer reciproquement, le reſtant des terres de
ceux qui ont manqué à leur devoir en prétant hom-
mage à un autre ſouverain lorsqu’ils en avoient la
defenſe du leur.Moſers Beitraͤge 5. Th. S. 260.
u. 262.
verſchiedene. ſ. Moſers erſte Grundlehren S. 138.
Daruͤber beſchwerte ſich aber Grosbritannien, daß 1751.
der Kaiſer verlangte, daß die in ſeinen toſcaniſchen Staa-
ten erablirten grosbritanniſchen Kaufleute ihn in allen
Stuͤcken als ihren voͤlligen Souverain anſehn ſolten.
L’Empereur ayant exigé, que les Negociants An-
glois etablis à Livourne et ailleurs, dans ſon Grand
Duché de Toscane, reconnoitroient S. M. Imp. pour
leur Souverain dans tous les Actes, Memoires etc.
ils ont refuſé de ſe conformer à cette demande, et
en ont informé la Cour; ſurquoi on leur a envoyé
ordre de perſiſter dans ce refus, et au cas que l’on
faſſe quelques violences ſur ce ſujet, d’en faire par-
venir leurs plaintes à la Cour. Le Roi a fait auſſi
connoitre à l’Empereur combien cette demarche
étoit contraire à ce qui ſ’uſite à l’égard des Nego-
ciants d’un pays, établis dans un autre et particu-
lierement ceux de deux puiſſances amies et alliées.
Moſers Verſuch 6. Th. S. 52.
terthanen keine Beſitzungen ꝛc. eher verſtattet, als bis
er ſeine Verbindungen mit der vorigen Nazion aufgege-
ben hat. Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 395.
u. 401. Wenn dieſe Bedingung in voraus gemacht
wird, ſo haͤngt es von ihm ab, ob er ſie eingehn will;
aber haͤrter iſts, wenn ihm erſt nachher dieſe Wahl vor-
gelegt wird. In dem neuſten Definitiv Frieden zwiſchen
Oeſterreich und der Pforte von 1791. Art. 8. wurde
verglichen, daß die Unterthanen, welche in dem Gebiete
beider Maͤchte Beſitzungen haben, ohne Hindernis ihren
Aufenthalt ſollen waͤhlen koͤnnen, wo ſie wollen; doch
muͤſſen ſie alsdenn ihre Beſitzungen in dem Staate, den
ſie verlaſſen, verkaufen. Polit. Journ. Septbr.
1791. S. 947. Das Decret, welches vor einiger
Zeit
[329]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Zeit in Spanien erſchien, machte, weil es beſonders
wider die Tractaten mit verſchiedenen Nazionen lief,
groſſes Aufſehn, indem es verlangte, daß die Fremden,
welche ſich in Spanien etablirt haben, katholiſch ſeyn,
und der Religion nebſt dem Koͤnige den Eid der Treue
ſchwoͤren ſollen. Sie muͤſſen zugleich allen fremden Pri-
vilegien und allen Verhaͤltniſſen und Verbindungen mit
ihrem Vaterlande entſagen und verſprechen, nie von
deren Schutze, noch von dem der Geſandten und Con-
ſuls derſelben Gebrauch zu machen, alles bey Strafe
der Galeeren und Confiſcation des Vermoͤgens und der
Vertreibung aus Spanien. Die im Lande domiciliirten
Fremden erhielten nur 14 Tage Zeit um den Ort ihres
Aufenthalts, und 1. Monat um das Koͤnigreich zu ver-
laſſen, wenn ſie ſich dem Decrete nicht unterwerfen wol-
ten. Auch in Portugal muſten nach dieſem Beiſpiele
alle eingeſeſſene Auslaͤnder der Regierung den Eid der
Treue ſchwoͤren, doch ohne die Religion veraͤndern zu
duͤrfen. Polit. Journ. Octbr. 1791. S. 1092.
teutſchen Reichsſtaͤnden, in Ruͤckſicht ihrer haͤufigen Erb-
verbruͤderungen und andern Verbindungen des kuͤnftigen
Anfalls wegen ꝛc. vor. ſ. v. Roͤmer Voͤlkerrecht der
Teutſchen S. 232.
N. Landen von 1662. Art. 23. verglich man ſich z. B.
Pourront pareillement ſans les dites lettres de Natu-
ralité ſ’établir en toute liberté les ſujets des dits
Seigneurs Etats, en toutes les villes — pour y
faire leur commerce — ſans pourtant pouvoir y
acquerir aucuns droits de Bourgeoiſie, ſi ce n’eſt
qu’ils euſſent obtenu lettres de naturalité de S. M.
en bonne forme.
Moſers erſte Grundlehren S. 138.
ſitzen, wenn gleich die Oberlehnsherſchaft daruͤber einem
auswaͤrtigen Souverain zuſteht. Ordonnance du Roi
du 16. Mars 1681. in Ordonn. d’Alſace Tom. I.
p. 101.
von den Eingeſeſſenen der Republik bey fremden Fiſche-
reien Dienſte nehmen ſoll, bey Strafe an Leib und Gut.
Schweden 1721. Art. 12. iſt z. B. enthalten, daß
die Unterthanen in den von Schweden an Rußland ab-
getretenen Landen, wenn ſie gehuldigt haben aus dem
Lande
[331]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Lande reiſen und fremden mit dem ruſſiſchen Reiche in
Freundſchaft ſtehenden und neutralen Potentaten dienen
koͤnnen.
ſeyn; wie z. B. in dem wegen der Diſſidenten in Polen,
mit Beitritt auswaͤrtiger Maͤchte, 1768. errichteten
Vertrage Art. 19. feſtgeſetzt iſt: La religion Greque
non-unie, ou Diſſidente ne ſera point pour les
étrangers un empêchement d’obtenir l’Indigenat de
Pologne; et les Grecs non-unis et Diſſidens ſeront
admis à la nation Polonoiſe ſans obligation de chan-
ger de religion.Moſers Verſuch 6. Th. S. 275.
vergl. S. 166. ff.
Dieienigen, welche um des Religions- und Gewiſ-
ſenszwanges zu entgehn, in das Territorium einer an-
dern Nazion ſich fluͤchten, werden nicht leicht wieder
ausgeliefert, ſelbſt wenn es Leibeigene ſind. ſ. Moſers
Verſuch 6. Th. S. 176. Zuweilen werden dieſe von
den auszuliefernden Fluͤchtigen in Vertraͤgen ausdruͤcklich
ausgenommen, wie z. B. zwiſchen Rußland und der
Pforte in dem Caingardſchen Frieden 1774. Art. 2.
nach welchem die Verbrecher auf Requiſition ausgeliefert
werden ſollen, dieienigen ausgenommen ſind, welche um
die Religion anzunehmen, ſich in des andern Theils
Reich begeben.
Hieher
[333]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Hieher gehoͤrt auch die Dultung und der Schutz der
Juden, die mit unter wohl gar naturaliſirt werden, wie
1753. in Grosbritannien. ſ. Moſers Verſuch 6. Th.
S. 165. So hat auch unlaͤngſt der Koͤnig in Preuſſen
dem Hofbanqvier Daniel Itzig ein Naturaliſationspatent
fuͤr ihn und ſeine Deſcendenten maͤnnlichen und weiblichen
Geſchlechts ausfertigen laſſen, daß ſie alle Rechte chriſt-
licher Buͤrger in ſeinen Staaten genieſſen ſollen. Daß
aber die Schutziuden einer Nazion auch anderwaͤrts ge-
dultet werden, beruht auf Vertraͤge. So iſt z. B. in
der Convention zwiſchen Preuſſen und der Stadt Danzig
von 1784. Art. 8. bedungen, daß die preuſſiſchen
Schutziuden in der Stadt Danzig und derſelben Gebiet
wie andere teutſche Juden betrachtet und behandelt wer-
den, dieſe hingegen ſich, nach den Danziger Policeyge-
ſetzen, alles unerlaubten Handels enthalten ſollen.
M. vergl. Chr. Wildvogel diſſ. de iudaeorum re-
ceptione ac tolerantia. Ien. 1700.
Ge. Henr. Ayrer diſſ. de iure recipiendi iudaeos etc.
Gotting. 1741.
einem Edict: Quant aux marchands Non-Catholiques,
ils pourront auſſi acheter des Immeubles dans ceux
de nos pays hereditaires où les individus de leur re-
ligion ſont admis à poſſeſſion etc. In dem vorge-
dachten Vertrage wegen der Diſſidenten in Polen, iſt
dieſen von den auswaͤrtigen Maͤchten ausdruͤcklich die
Freiheit ausbedungen, daß ſie ſich mit Perſonen von
dem andern Religionstheile verheirathen duͤrfen, und,
wenn nichts beſonderes ausgemacht iſt, die Kinder maͤnn-
lichen Geſchlechts in der Religion des Vaters, die weib-
lichen aber nach der Religion der Mutter erzogen wer-
den ſollen. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 272.
u. 277.
anſehn, wenn man ſeinen Unterthanen, die anderer Re-
ligion ſind, keine Religionsuͤbung verſtattet- oder mehr
einſchraͤnkt ꝛc. ſ. Moſers Verſuch 6. Th. S. 178.
u. 180. ff. insbeſondere wegen Ausſchaffung der Juden
aus Prag und der grosbritanniſchen Interceſſion fuͤr die-
ſelben. Ebendaſ. S. 97.
gegen Polen, daß den Diſſidenten, bey Verluſt aller
Guͤter, ia bey Leib- und Lebensſtrafe, verboten worden
war, bey ihnen Huͤlfe zu ſuchen. Moſer a. a. O.
S. 211.
unter andern Schweden und Preuſſen in dem erſten Se-
paratartikel: Demnach bekantermaaſſen denen weſtphaͤ-
liſchen und oliviſchen Friedensſchluͤſſen zuwider, die pro-
teſtantiſche Religion an unterſchiedenen Oertern, in- und
auſſerhalb des roͤmiſchen Reichs ſehr hart gedrucket und
verfolget wird, dergeſtalt, daß ſelbige groſſe Gefahr
laͤuft, an gewiſſen Orten gaͤnzlich ausgerottet zu werden;
derowegen verbinden ſich hiemit aufs kraͤftigſte beiderſeits
Koͤnigl. Majeſtaͤten, alle nur erſinnliche Mittel nach-
druͤcklich anzuwenden, damit die evangeliſche, ſowohl
der Reformirten Religion, als der unveraͤnderten Augs-
burgiſchen Confeſſionsverwandte, bey Ihrem, vermoͤge
des weſtphaͤliſchen Friedensſchluſſes, anderen Pacten,
Vertraͤgen und Pacificationen rechtlich erworbenen Reli-
gions-Exercitio und Gewiſſensfreiheit, nicht allein in
dem roͤmiſchen Reich, ſondern auch in allen andern
Orten, wo dieſelbige eingefuͤhret und gebraͤuchlich gewe-
ſen oder ſeyn ſollen, beſtaͤndig erhalten und die unter-
druͤckte Reformirte und Evangeliſche Religionsverwandte
in den vorigen Beſitz und Genus ihrer Rechte, Privile-
gien,
[335]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
gien, Gewiſſens- und Religionsfreiheit volkommen ge-
ſetzt werden.
Vor andern aber koͤnnen hier die Streitigkeiten wegen
der Diſſidenten in Polen zum Beiſpiel dienen; deren ſich
Grosbritannien, Preuſſen, Schweden, Daͤnemark,
Rußland ꝛc. annahmen. Die deshalb an die Republik
Polen erlaſſenen zum Theil merkwuͤrdigen Staatsſchriften
ſ. m. in Moſers Verſuch 6. Th. S. 197. ff.
ten hieß es: Sa Majeſté Britannique toujcars excitée
par de raiſonnables deſirs à protéger de toute manière
les Chretiens proteſtans, et ſur tout ceux, qui en
vertu de Conventions particulières ont droit de pré-
tendre à ſon aſſiſtence, ſe voit obligée de réiterer
ſes preſſentes repréſentations en faveur de cette par-
tie opprimée de la nation polonoiſe connuë ſous le
nom des Diſſidens. En Conſequence le ſouſſigné —
à l’honneur de Vous repréſenter — que S. M. Bri-
tannique outre tant de ſolides motifs de juſtice et
d’humanité — ſe trouvant forcé par une étroite
alliance avec les Cours de Petersbourg, de Berlin et
de Coppenhague, à ſ’intéreſſer pour les Diſſidens
dans toutes les formes de droit et en ſa qualité de
Garante du traité de paix d’Oliva ſouhaite, qu’en
la préſente Dicte cette vertueuſe mais malheureuſe
partie des ſujets Polonois ſoit rétablie-dans la poſſeſ-
ſion de leurs droits et Privilèges.
Und in der ruſſiſcher Seits uͤbergebenen weitlaͤuftigen
Expoſition des droits etc. wird geſagt: On a vu par
ce que nous avons dit, les droits des Diſſidens, tels
que les établiſſent les loix fondamentales de la repub-
lique. La Garantie des Puiſſances voiſines leur a
donné une nouvelle Sanction et les a mis ſous la pro-
tection ſacrée du droit public. Moſer a. a. S. 218.
und 246.
genheit ging unter andern dahin: Les obligations
qu’impoſent à S. M. l’Impératrice de toutes les
Ruſſies — les traités qui ſubſiſtent entr’Elle et la
Republique de Pologne, ainſi que l’intérêt le plus
reſpectable qui l’unit aux habitans de cette repub-
lique de la religion de S. M. Impériale et à ceux qui
y ſont connus ſous le nom des Diſſidens, ne lui per-
mettent pas de regarder avec indifférence l’oppreſ-
ſion ſous laquelle gémit une partie conſiderable des
habitans de la même republique à cauſe de leur
attachement à des croyances publiquement adoptées
par tant de grands Etats et par tant de grandes na-
tions et puiſſances de l’Europe, lesquelles croyances
ſont d’ailleurs autoriſées par des loix fondamentales
de la ſusdite republique etc. und in der vorangefuͤhrten
Expoſition heißt es: L’Imperatrice ſans fermer
l’oreille au cri de la juſtice et étouffer tout ſentiment
d’humanité pouvoit-Elle voir d’un oeil indifferent
et tranquille le fort des malheureuſes victimes de leur
foibleſſe, dont une partie lui eſt réunie par le lien
d’une meme religion? S. M. connoit les droits des
Diſſidens. Elle en voit la juſtice, et ce ne lui eſt
pas une petite ſatisfaction d’être perſuadée en même
tems, tandis que la religion et la compaſſion ſi na-
turelle l’y portent, que le droit, qu’Elle a de les
proteger, n’eſt pas moins fondé. Outre l’intérêt
du voiſinage de ſon empire avec la Pologne, intérêt
que la Republique a en commun avec Elle — S. M.
ſe trouve encore engagée par la promeſſe qu’Elle a
faite à la nation polonoiſe lors de l’Interregne,
qu’Elle contribueroit à l’affermiſſement de ſon
benheur et de ſa tranquillité etc.Moſer a. a. O.
S. 214. u. 247.
erſt glimpfliche Vorſtellungen, dann Drohungen, Res
preſſalien ꝛc. und endlich Gewalt angewandt werden.
Moſer a. a. O. S. 187. ff.
dungen, daß die beiderſeitigen Unterthanen in des andern
Theils Landen, ohne Unterſchied der Religion, gedultet
werden, auch wohl das Recht der Religionsuͤbung ge-
nieſſen ſollen. Mit Bewilligung des Souverains, kann
einem auswaͤrtigen ſogar ein beſonderer Religionsſchutz
in des andern Landen zuſtehn, wie z. B. die lutheriſche
Kirche in Warſchau den daͤniſchen Schutz genieſſet. Bey
Abtretung von Laͤndern wird mehrenteils feſtgeſetzt, daß
die herſchende Religion darinn ungeſtoͤrt bleiben ſoll.
Moſer a. a. O.
lege naturali pro fidei ſociis propter religionem
afflictis iuſtum eſt. Viteb. 1723.
§. 38. ff.
legium befreit. ſ. Dumont Corps dipl. Tom. V.
P. II. p. 205. auch in dem Paſſarowitzer Frieden zwi-
ſchen Oeſterreich und der Pforte 1718. Art. 17. iſt
vergleichen: Si mercatorum ſubditorumve S. C. Re-
giaeque Maj. in nave pyratica quispiam inventus fue-
rit, capta nave abductisque in ſervitutem pyratis
neutiquam captivetur, ſed liber dimittatur. Zufolge
des zwiſchen Daͤnemark und der Pforte 1756. geſchloſ-
ſenen Freundſchafts- und Handelsvertrages, ſoll kein
in dem Gebiete des Koͤnigs von Daͤnemark gebohrner
Unterthan im ottomanniſchen Reiche gefaͤnglich eingezo-
gen, oder als Sklave behalten werden, ausgenommen
die, welche unter feindlichen Armeen oder auf feindlichen
Schiffen angetroffen und in der Schlacht zu Gefangenen
gemacht werden. Wer aus Irthum eingezogen iſt, und
zum feindlichen Schwarm nicht gehoͤrt, ſoll dem daͤni-
ſchen Geſandten ausgeliefert werden. Vergl. den Han-
delsvertrag zwiſchen Preuſſen und der Pforte von 1761.
Art. 6.
Lande habe ich ſchon oben [2. B. 5. K. §. 4.] gehan-
delt. Nach vormaligen franzoͤſiſchen Geſetzen war es
auch nicht erlaubt Geld auſſer Landes zu verleihen. Arret
du 20. Juin 1720. in Ordonn. d’Alſace T. I. p. 552.
z. B. der Kinder ungleicher Ehen, der Legitimirten ꝛc.
komt es blos auf die Verfaſſung des Landes an, wo ſie
ſuccediren wollen, ob ſolche erbfaͤhig ſind oder nicht; denn
wenn ſie es auch in ihrem Vaterlande ſind, ſo folgt
noch nicht, daß ſie es in dem Auslande ſeyn muͤſſen:
oder der Fall kann umgekehrt ſeyn. Moſers Verſuch
6. Th. S. 7.
der Nazionen gegen die Fremden her, die ſie gleichſam
als
[341]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
als Feinde anſahen. Sie widerſtreitet aber der Billig-
keit, hindert die Handlung und hat mehrere nachteilige
Folgen. Grotius L. II. c. 6. §. 14. Vattel L. II.
c. 8. §. 112.Schrodt Syſt. I. G. P. II. c. 2. §. 8.
not.
teutſchen Staatsr. 3. Th. S. 610. angefuͤhrten Schrif-
ten, vorzuͤglich:
Maria Carol. Monglas diſſ. de origine et natura iuris
albinagii in Gallia. Argent. 1785.
Mathurin Alexius Sermonin de St. Gerans diſſ. de vſu
hodierno iuris albinagii in Gallia, ib. eod.
Vergl. Moſers Verſuch 6. Th. S. 63. ff.
Gefolge in Anſehung der beweglichen Gaͤter; 2] Ge-
ſandte mit ihrem Gefolge, die uͤber ihre Mobilien teſti-
ren koͤnnen; 3] Doctoren, Magiſter und Studenten,
die Studirens halben ſich auf franzoͤſiſchen Univerſitaͤten
aufhalten; 4] die Arbeiter in der Gobelins-Manufactur
und einige andere Arbeiter, als bey dem Bergbau, bey
Urbarmachung des Landes, Austrocknung der Suͤmpfe ꝛc.
5] Soldaten die zehn Jahr gedient haben und Seeſol-
daten nach fuͤnfiaͤhrigem Dienſt ꝛc. ſ. St. Gerans diſſ.
cit. §. 6. Die Befreiung, welche einigen durch beſon-
dere Verguͤnſtigungen zugeſtanden wird, iſt eine weitere
oder engere ie nachdem ſie entweder blos die Erlaubnis,
teſtiren aber nicht ſuccediren zu koͤnnen [auſſer einem
verwandten Albino, aber nicht einem Buͤrger, ob ſie
gleich verwandt ſind], giebt oder beides enthaͤlt. Sie
erſtreckt ſich gewoͤhnlich auf bewegliche und unbewegliche
Guͤter, auſſer den Vertraͤgen mit England und Schwe-
den, welche nur auf die beweglichen gehn.
tugal, Spanien, Neapel und Sicilien, Sardinien, die
Schweitz, Venedig, Genua, Monaco, Raguſa, die
Y 3Ver-
[342]Von den Gerechtſamen
Vereinigten N. Lande, Daͤnemark, Schweden, Polen,
Genf, Toſcana, Parma, Placenz und Guaſtella, in-
gleichen faſt alle geiſt- und weltliche Reichsſtaͤnde, als
Kur Trier und Kur Koͤln, Bamberg, Wuͤrtzburg, Baſel,
Luͤttich, Speyer, Straßburg, Muͤnſter, Fulda, Teutſch-
orden ꝛc. Kurpfalz, Kurſachſen, Sachſen-Weimar und
Eiſenach ꝛc. Sachſen-Coburg, Hildburgshauſen, Sach-
ſen-Gotha und Altenburg, Oeſterreich, Wuͤrtenberg,
Zweibruͤcken, Mecklenburg-Schwerin und Strelitz,
Braunſchweig-Wolffenbuͤttel, Heſſen-Caſſel, Darm-
ſtadt und Heſſen-Homburg, Baden, die Fuͤrſten von
Fuͤrſtenberg, Schwarzburg, Naſſau-Saarbruͤcken,
Weilburg und Uſingen, Salm, Neuwied und die mei-
ſten Reichs- und Hanſeeſtaͤdte, Aachen, Frankfurt am
Mayn, Nuͤrnberg, Regensburg ꝛc. nicht weniger die
geſamte Reichsritterſchaft. ſ. St. Gerans diſſ. cit.
§. 8. u. 9.
gen eines Falls auf der Inſel St. Domingo, beſonders
aus dem Grunde, weil der Colonieen in den Vertraͤgen
gewoͤnlich nicht gedacht ſey, und ein Gleiches auch bey
andern Staaten nicht beobachtet werde. ſ. St. Gerans
§. 11.
den Vereinigten N. Landen von 1648. Art. 62. wer-
den beiderſeitige Unterthanen in des andern Landen, nach
ieden Orts, wo die Erbſchaft zufaͤlt, Gewonheit, fuͤr
erbfaͤhig erklaͤrt. Vergl. den Utrechter Frieden zwiſchen
eben dieſe beiden Maͤchte von 1714. Art. 25. Ein
Gleiches wird im Madriter Frieden zwiſchen Spanien
und England 1667. Art. 33. bedungen. In dem
Handelsvertrage zwiſchen Daͤnemark und Sicilien von
1748. Art. 14. iſt die ungehinderte Erbſchaftsabfolgung
an die beiderſeitigen Unterthanen ebenfals zugeſtanden;
wenn aber binnen 5 Jahren ſich niemand meldet, iſt ſie
dem
[343]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
dem Fiſcus verfallen. Vergl. Handelsvertrag zwiſchen
Daͤnemark und Genna 1756. Art. 13. Beſonders
geſchieht dies noch in den meiſten Vertraͤgen mit der
Pforte. Man ſehe z. B. den Carlowitzer Frieden zw.
Polen und der Pforte 1619. Art. 8. Den Schiff- und
Handelsvertrag mit Schweden 1737. Art. 9. Den
Frieden mit Sicilien 1740. Art. 4. Den Handels-
vertrag mit Spanien 1782. Art. 4. Den Handels-
vertrag mit Rußland 1783. Art. 8. In dem Handels-
vertrage zwiſchen Rußland und Portugal von 1787.
Art. 38. heißt es: Quoique le droit d’Aubaine
n’exiſte pas dans les états des deux hautes parties
Contractantes, cependant leurs Majeſtés voulant pre-
venir tout doute quelconque à cet égard conviennent
reciproquement entr’Elle, que les biens meubles et
immeubles delaiſſés par la mort d’un des ſujets re-
ſpectiß dans les Etats de l’autre Puiſſance con-
tractante ſeront librement devolus ſans le moindre
obſtacle à ſes heritiérs legitimes par teſtament ou ab
inteſtat etc.
Vergl. Henr. Cocceji diſſ. a) de cenſu emigrationis.
Heidelb. 1681. b) de iure detractus, ib. 1687. und
mehrere in Puͤtters Litteratur des teutſchen Staatsr.
3. Th. S. 611. angefuͤhrte Schriften von dieſer Ma-
terie.
der Repreſſalien fuͤr erlaubt angeſehn.
z. B. zwiſchen Frankreich und Schweden von 1784.
Art. 11. iſt feſtgeſetzt: Les habitans François ou autres
qui ont été ſujets du Roi Très-Chretien dans l’isle
de St. Barthelemi et leurs deſcendans pourront en
tout temps ſe retirer — et transporter leurs effects
Y 4— et
[344]Von den Gerechtſamen
— et il ne ſera jamais rien exigé d’eux à titre de
droit de detraction, ni autres quelconques.
haͤltniſſe. Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 398.
Deſſen
[345]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Deſſen erſte Grundlehren S. 144. Verſuch 6. Th.
S. 54. u. 175. In dem neuſten Deſinitivfrieden zwi-
ſchen Oeſterreich und der Pforte 1791. iſt Art. 11. aus-
druͤcklich bedungen: die Unterthanen der andern Macht,
die in ihrem Gebiete reiſen oder Geſchaͤfte halber ſich auf-
halten, gut und nach den Rechten und Stipulationen zu
behandeln. Polit. Journ. September 1791. S. 948.
Als bey den ietzigen franzoͤſiſchen Unruhen, ein Theil
der Nazion gegen die auswaͤrtigen Staaten, wo die Emi-
granten ſich aufhielten, ſehr aufgebracht war, und Krieg
gegen dieſelben verlangte, befahl der Koͤnig in einer Pro-
clamation vom 4. Jaͤnner 1792. allen Commandanten
unter andern: de veiller également à ce que tous les
étrangers qui peuvent ſe trouver en France de
quelque nation qu’ils ſoient, y jouiſſent de tous
les égards de l’hoſpitalité et de la protection des
loix en ſ’y conformant.
Nur im aͤuſſerſten Nothfall iſt es erlaubt zum Dienſt
des Staats, ſich z. B. der Schiffe und anderer Geraͤt-
ſchaften fremder Unterthanen ꝛc. zu bedienen. Moſers
erſte Grundlehren S. 144.
fals ſind auch die an dem Orte befindlichen auswaͤrtigen
Geſandten befugt, ſich der Unterthanen ihrer Nazion,
ſo weit es ſeine habenden Befehle oder die Gerechtigkeit
und Ehre uͤberhaupt erlauben, gegen die ihnen zugefuͤgten
Beleidigungen anzunehmen. Real Science d. g.
Tom. V. c. 1. Sect. 15.
tugall bey dem Erdbeben in Liſſabon ꝛc. von Grosbritan-
nien und Spanien alle Unterſtuͤtzung. Moſers Verſuch
6. Th. S. 77.
und Rußland von 1787. Art. 1. Les hautes parties
contractantes ſ’engagent tant pour Elles-mêmes,
Y 5que
[346]Von den Gerechtſamen
que pour — leurs ſujets ſans aucune exception, non
ſeulement à éviter tout ce qui pourroit tourner à
leur préjudice reſpectif, mais encore à ſe donner
mutuellement des temoignages d’affection et de
bienveillance — à ſ’entreaider par toutes ſortes de
ſecours et de bons offices en ce qui concerne le com-
merce etc. und in dem Vertrage zwiſchen Portugal und
Rußland von eben dieſem Jahre Art. 1. — de ſe trai-
ter reciproquement en bons amis dans toutes les
occaſions — et d’éviter non ſeulement tout ce qui
pourroit tourner au préjudice des vns ou des autres,
mais de ſ’entre ‒ aider mutuellement par toutes
ſortes de bons offices, ſurtout en ce qui concerne
la navigation et le commerce. Man vergl. 1. Th.
1. B. 6. Kap. §. 16.
ſen Verſuch 6. Th. S. 23.
6. Th. S. 45.
und der Pforte 1739. Art. 18. iſt z. B. feſtgeſetzt: —
omnes praedones, raptores, etiamſi alterius partis
ſubditi ſint, quos in ditione ſua deprehenderint, me-
rito ſupplicio afficere vtraque pars adſtricta ſit, qui
ſi deprehendi nequeant, Capitaneis aut praeſectis
eorum, ſicubi eos latitare compertum ſuerit, indi-
centur, iique illos puniendi mandatum habeant etc.
den niederlaͤndiſchen Unruhen beruͤchtigten Hendrick van
der Noot arretiren zu laſſen, ging das Reſultat der
Beratſchlagungen der Generalſtaaten dahin: daß dieſer
Menſch ihnen gar nicht bekannt ſey, daß er alſo keines
beſondern Schutzes von ihnen genoͤſſe; — daß aber die
conſtitutionsmaͤſſige Freiheit der Republik es erfodere,
daß derienige, der ſich in ſelbiger der buͤrgerlichen Geſel-
ſchaft nicht unwuͤrdig macht, den Schutz der Geſetze ſo
lange genieſſen muͤſſe, als er ſelbigen gehorcht; wie denn
auch Ihro Hochmoͤgenden niemals bey einer der benach-
barten Maͤchte ſich daruͤber beklagt haͤtten, daß ſie ver-
ſchiedenen Perſonen, die an den Unruhen der Republik
weſentlichen Antheil hatten, eine Freiſtatt und noch be-
ſondere Gnadenbezeigungen bewilligt haben.
Cocceji introd. ad Henr. de Cocceji Grot. illuſtr. diſſ.
prooem. XII. L. 5. c. 6. §. 551. n. 2. Vattel L. II.
c. 6. §. 71. ff. Schrodt Syſt. I. G. P. I. c. 2.
§. 27. ſeqq.
langt werden, wenn das andere Volk ſich nicht freiwillig
dazu verſieht, ſondern man muß ſich an der eignen Be-
ſtrafung ſeiner Nazion begnuͤgen. Schrodt l. c. §. 33.
Moſers Grundſaͤtze in Fr. Zeit. S. 403.
die Biſchoͤfe von Krakau und Kiow ꝛc. auf dem Reichs-
tage zu Warſchau in Verhaft nehmen und nach Rußland
abfuͤhren ließ. ſ. in Moſers Verſuch 6. Th. S. 98. ff.
Vereinigten N. Landen iſt Art. 23. verglichen: Quod
ſi acciderit vt — ab vllo ex ſubditis aut incolis alter-
utrius partis contra hoc foedus — quicquam fiat aut
tentetur, amicitia haec foedus et ſocietas inter has
nationes non idcirco interrumpentur aut infringentur,
verum integra nihilominus perſtabunt, vimque ſuam
plenariam obtinebunt, tantummodo illi ipſi, qui
contra foedus praedictum commiſerint ſinguli punien-
tur et nemo alius, iuſtitiaque reddetur et ſatisfactio
dabitur illis omnibus quorum id intereſt, ab iis om-
nibus qui — contra hoc foedus quidquam commi-
ſerint. — Quodſi vero foederis ruptores non com-
paruerint, neque ſe iudicandos ſubmiſerint, neque
ſatisfactionem dederint — praedicti illi vtriusque
partis hoſtes iudicabuntur, eorumque bona, faculta-
tes et quicunque reditus publicabuntur plenaeque ac
iuſtae ſatisfactioni impendenda erunt earum iniuria-
rum,
[350]Von den Gerechtſamen
rum, quae ab ipſis illatae ſunt, ipſique praeterea,
cum in alterutrius partis poteſtate fuerint, iis poenis
obnoxii erunt quas ſuo quisque crimine commeruerit;
und im Liſſaboner Frieden zw. Spanien und Portugal
1668. Art. 9. Quoties contra tenorem hujus tra-
ctatus incolae quidam, praeter iuſſum et mandatum
vtrorumque reſpective regum, alteri damnum infe-
rent illud reſarcietur et violatores, ſi deprehendi pot-
erunt poenis ſubjicientur: Neque fas eſto hanc ob
cauſam ad arma venire et pacem rumpere etc. M.
vergl. oben 2. K. §. 11. u. 5. K. §. 13.
und peinlichen Faͤllen, von den ihnen aufzulegenden
Steuern ꝛc. wird in der Folge gehandelt werden.
deſſen nachbatliches Staatsr. 3. B. 4. K. 4. B.
1. u. 8. Kap.
denen Verfolgung der Reformirten in Frankreich, ſich
verſchiedene Refugiés nach Teutſchland wandten, die-
ſelben durch oͤffentliche Edicte, worinn ihnen mancherley
Freiheiten verſprochen wurden, ein, und nahm ſie auf,
obgleich Frankreich Beſchwerden dagegen fuͤhrte. Mo-
ſers ausw. Staatsr. S. 295. 330. Verſchiedene
Reichsſtaͤnde haben aͤhnliche Edicte erlaſſen, worinn ſie
fremde Unterthanen, unter allerhand Verſprechungen,
uͤberhaupt einladen, ſich bey ihnen niederzulaſſen. Ein
dergleichen Kurbraunſchweigiſches Edict erſchien z. B.
unterm 17. Febr. 1750. Moſers nachbarl. St. R.
S.
[352]Von den Gerechtſamen
S. 680. Deſſen Landeshoheit in Policeyſachen
S. 31.
boten, daß kein Reichsſtand des andern Unterthanen
abziehn ſolle. Des 1768. gegen die liſtige Abwendig-
machung der Unterthanen durch Briefe, Emiſſarien ꝛc.
erlaſſenen kaiſerlichen Edicts habe ich ſchon oben Erwaͤh-
nung gethan [§. 4. not. c.]. Bayern erließ 1764.
den 28. Februar ein Patent, nach welchem dieienigen,
welche Unterthanen zum Auswandern verleiten oder den
Emiſſarien behuͤlflich ſeyn wuͤrden, mit Todesſtrafe be-
legt werden ſollen. Moſers ausw. St. R. S. 330.
Ein Kurtrieriſches Verbot von 1786. ſetzt auf die Ver-
fuͤhrung zum Auswandern nach Befinden ebenfals Leib-
und Lebensſtrafe. Polit. Journal Jun. 1786.
S. 605. Vergl. Kurſaͤchſiſches Mandat vom 21. Aug.
1764. im Cod. Aug. Fortſetz. 1. Th. S. 883.
dene Reichsſtaͤnde haben deshalb noch beſondere Vertraͤge
mit einander. Zwiſchen Kurpfalz und dem Hochſtift
Speier wurde z. B. in einem Tractat von 1709. feſtge-
ſetzt, daß kein Leibeigener ohne von beiderſeits Regierun-
gen ausgefertigte Manumiſſionsſcheine, angenommen,
ſondern bis dahin lediglich abgewieſen werden ſolten.
Moſers nachbarl. St. R. S. 404. Vergl. v. Roͤmer
Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 241.
kein Reichsſtand des andern Unterthanen zu Unterthanen
und Buͤrgern, beſonders zu ſogenanten Pfahlbuͤrgern
[welche mit Beibehaltung der Wohnung unter ihrem
vorigen Landesherrn, das Buͤrgerrecht in einer Reichs-
ſtadt nahmen, um ſich dem Gehorſam und der Mitlei-
denheit gegen ihre rechten Landesherrn zu entziehn] an-
nehmen, ehe ſie von dem erſtern ihrer Pflicht entlaſſen
worden ſind. ſ. Io. Iac. Wencker diſſ. de Pfahlbur-
geris
[353]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
geris. Argent. 1692. und in deſſen Collectan. Iur.
publ. Arg. 1702. 4. p. 1. ſeq. Olenſchlager Er-
laͤuter. der G. B. S. 316. Moſers nachbarl. Staatsr.
S. 512. u. 679. Als vor einiger Zeit die Auswande-
rungen aus der teutſchen Reichsſtaͤnde Landen nach Oe-
ſterreich zu haͤufig wurden, erklaͤrte der Kaiſer, auf die
Vorſtellungen mehrerer teutſchen Fuͤrſten, daß dergleichen
Emigranten kuͤnftig nur alsdann aufgenommen werden
ſolten, wenn ſie von ihrer Landesobrigkeit Paͤſſe und
Conceſſionen aufweiſen koͤnten. Polit. Journ. Jul.
1785. S. 692. vergl. S. 708.
geſetzen unterſagt iſt, wie unter andern der Reichsab-
ſchied von 1555. §. 45. ff. ſolche in Abſicht der Befeh-
der und die Policeyordnung von 1548. Tit. 22. §. 1.
u. 1577. Tit. 23. §. 1. ff. wegen der bankerutirten
Kaufleute verbieten. Auch die Auslieferung der Ver-
brecher pflegt, ohne beſondere Uebereinkunft nicht zu ge-
ſchehn, ſondern die Beſtrafung auf davon erfolgte An-
zeige, an dem Orte des Aufenthalts volzogen zu wer-
den, wovon weiter unten mehr zu handeln ſeyn wird.
Doch wollen einige auch die Verbindlichkeit zur Auslie-
ferung ſolcher Perſonen behaupten. M. vergl. Moſers
ausw. Staatsr. S. 331. und deſſen nachbarl. St. R.
S. 556. u. 687.
weiter als bis auf die Grenzen ſeines Gebiets erſtreckt,
und die Verbannung zwar fuͤr den Uebelthaͤter in Ruͤck-
ſicht des Staats, woraus er verbannt worden iſt, aber
nicht fuͤr andere Landesherrn eine verbindliche Kraft hat.
Moſers nachbarl. Staatsr. S. 544. Ein anders iſt
es, wenn iemand in die algemeine Reichsacht verfaͤlt.
Edict von 1768. haben auch verſchiedene einzelne Reichs-
kraiſe und Reichsſtaͤnde dergleichen Verbote erlaſſen,
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. Zweiche
[354]Von den Gerechtſamen
welche Moſer im auswaͤrt. St. R. S. 205. und im
nachbarl. St. R. S. 685. anfuͤhrt. Zu den neuſten
gehoͤren noch ein Herzoglich Wuͤrtenbergiſches Edict vom
25. April 1782. und ein Kurtrieriſches von 1786.
ſ. Polit. Journ. Jun. 1782. S. 636. u. Jun.
1786. S. 603. M. vergl.
Io. Ge. Fr. Heyd diſſ. de iure emigrandi in Germania.
Stuttg. 1775.
Io. Ant. Lud. Seidenſtieker comment. de iure emi-
grandi ex moribus Germanor. iure comm. ac L. L.
Imp. conſtituto. Gotting. 1788.
Ern. Henr. Oelrichs comm. de eo quod iuſtum eſt
circa emigrationem civium Germaniae. Hal.
1788. 8.
Religion wegen ausdruͤcklich erlaubt iſt.
Frieden 1763. Art. 6. feſt: qui auront changé ou
voudront encore changer de domicile et le transferer
de la domination de l’une ſous celle de l’autre des
hautes parties contractantes, on ne leur fera point
de difficulté a cet égard. Nach dem Grenzvertrage
zwiſchen Frankreich und Wuͤrtenberg vom 21. May
1786. Art. 21. ſollen die beiderſeitigen Unterthanen
in den ausgewechſelten Orten binnen Jahr und Tag von
der Beſitzergreifung und Volziehung des Tractats ihren
Wohnort veraͤndern, ſich unter eine oder die andere Ober-
herſchaft begeben, und ihre Guͤter ohne irgend einen Ab-
zug verkaufen koͤnnen.
welches beguͤterten leibeigenen Unterthanen mehrmalen
den Abzug in die kurpfaͤlziſchen Lande verweigerte.
Moſers nachbarl. Staatsr. S. 686. Auch Branden-
burg beſchwerte ſich 1730. uͤber die Stadt Nuͤrnberg,
daß dieſe ihren Buͤrgern das Emigriren ins Brandenburg-
Bay-
[355]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
Bayreuthiſche unter dem Vorwand verbiete, ſie habe ein
kaiſerlich Privilegium, daß keiner ihrer Buͤrger ſich aus-
waͤrts in einem unter fuͤnf Meilen von der Stadt gele-
genen Ort ſich niederlaſſen duͤrfe. Moſers Reichsfama
6. Th. S. 514. 13. Th. S. 612. 15. Th. S. 106.
nicht ohne Concurrenz des Landesherrn angeſchlagen,
oder die Unterthanen mit Gewalt daraus weggenommen
werden. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 118. u. 687.
z. B. bey ausbrechendem Kriege mit den feindlichen Un-
terthanen; oder auf Anſuchen des andern Staats. Als
bey den franzoͤſiſchen Unruhen die Emigranten im Kur-
trieriſchen eine Art von Sammelplatz zur Bewafnung
anlegten, erließ der Kurfuͤrſt, auf wiederholte Vorſtel-
lungen und Beſchwerden von Frankreich den Befehl,
daß alle Franzoſen, mit Ausſchlus der Frauenzimmer,
Geiſtlichen, Civilperſonen und Particuliers, die mit
ihren Familien in der Stille leben, und zu keinem Corps
gehoͤren, binnen 8 Tagen ſich wegbegeben ſolten. Auch
beurlaubte Soldaten, welche keine erweisliche Urſach
ihres Aufenthalts in fremden Landen anzugeben wiſſen,
und wohl gar der heimlichen Werbung und Verfuͤhrung
der Unterthanen verdaͤchtig ſind, werden zuweilen fort-
geſchickt. Moſers nachbarl. St. R. S. 341. vergl.
deſſen Landeshoheit in Anſehung der Unterthanen
S. 222.
v. Roͤmer im Voͤlkerrecht der Teutſchen S. 212.
erinnert, freilich nicht verlangen, daß auswaͤrtige Na-
zionen
[357]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
zionen die den Unterthanen von ihnen beigelegten Wuͤr-
den ꝛc. erkennen. Das Anerkenntnis beruht auf den
naͤmlichen Grund wie unter ſouverainen Staaten. Ein
ſtaͤrkeres Recht koͤnten die Mitſtaͤnde haben dies zu ver-
langen.
waͤrts der ihnen, dem Titel nach, gebuͤhrende Rang
zugeſtanden. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 572.
Ein Landesherr iſt iedoch gar wohl befugt, die ſeinen
Unterthanen von einem andern Landesherrn beigelegten
Wuͤrden, wenn ein Bedenken dabey obwaltet, nicht zu
erkennen. So erwaͤhnt Moſer im nachbarl. Staatsr.
S. 672. daß der Herzog von Wuͤrtenberg ihm den von
Kur Koͤln erhaltenen Geheimenraths-Titel deswegen
nicht beigelegt habe, weil er ihn, ohne vorhergegangene
landesherrliche Erlaubnis erlangt gehabt.
Tr. von den Kaiſerl. Regier. Rechten ꝛc. S. 419. ff.
Dergleichen Recht behauptet z. B. Oeſterreich in Abſicht
ſeiner oͤſterreichiſchen Unterthanen vermoͤge Privilegiums
Kaiſer Friedrich III. von 1453. und ſollen die von ihm
Geadelte, wie Schroͤter im Oeſterr. Staatsr. 4. Stuͤck
S. 150. ff. anfuͤhrt, durch das ganze teutſche Reich an-
erkannt werden. Auch Bayern maaßt ſich dergleichen
an, aber nach Moſers Verſicherung in der Abh. von
der Landeshoheit in Gnadenſachen S. 18. ſoll der hier
ertheilte Adel weder vom Kaiſer noch Reiche anerkannt
werden. Es wird zwar auch den ſogenanten kaiſerlichen
Pfalzgrafen in der groͤſſern Comitive, die Macht zu
adeln ertheilt, ihre Edelleute werden aber faſt nirgends
dafuͤr erkant. In Boͤhmen z. B. erging 1707. und
oͤfter der ausdruͤckliche Befehl, daß die Nobilitationes
und andere Privilegia welche von den Comitibus Pala-
tinis ertheilet und ausgefertigt werden, fuͤr null und
nichtig gehalten werden ſollen. Moſers Staatsr. 5. Th.
Z 3S. 397.
[358]Von den Gerechtſamen
S. 397. Vergl. Reuß teutſche Staatskanzley 20. Th.
S. 449. Auch die uͤbrigen Rechte der Pfalzgrafen.
als die Ehrlichmachung, Legitimation Unehelichgebohr-
ner ꝛc. haben dermalen eine ſehr eingeſchraͤnkte Wuͤrkung.
ſ. Ioſ. Lud. Ern. Püttmann prog. de poteſtate comi-
tum palatinorum hodie valde reſtricta. Lipſ. 1784.
welche von der kaiſerlichen Reichskanzley einigen Stand
oder Praͤdicat erworben, ſich deſſen zwar in fremden
Landen gebrauchen moͤgen, in dem Erbkoͤnigreiche Boͤh-
men und deſſen incorporirten Landen aber nicht eher, als
wenn ſie zuvor hieruͤber auch die Intimationes durch die
Koͤniglich Boͤhmiſche Hofkanzley erlangt haben. Mo-
ſer a. a. O. wo er auch aͤhnliche Verfuͤgungen von Kur-
ſachſen, Brandenburg ꝛc. anfuͤhrt S. 401. ff. Der
Kaiſer und Reichshofrath maſſen ſich uͤbrigens auch die
alleinige Entſcheidung der uͤber den Adelſtand entſtehen-
den Streitigkeiten im teutſchen Reiche an. Reuß a. a.
O. 3. Th. S. 216. ff. Die weitere Ausfuͤhrung die-
ſer Materie gehoͤrt mehr in die Lehre des teutſchen Staats-
rechts. Man ſehe auch die hiehergehoͤrigen Schriften in
Puͤtters Litteratur des teutſchen Staatsr. 3. Th.
S. 326. ff.
Standes, einer Wuͤrde ꝛc. vorzubeugen. Es ſind des-
halb 1674. 82. und oͤfter verſchiedene kaiſerliche Edicte
in die Reichskraiſe erlaſſen worden; weil zu vernehmen
ſey, daß in unterſchiedenen Orten die mittelbaren Reichs-
glieder ꝛc. ſich — ganz eigenmaͤchtig unterſtanden haͤt-
ten, einander neue ihnen nicht zukommende Titel und
Praͤdicate beizulegen, ohne daß ſie, oder ihre Vor-
eltern die vorwendenden und fuͤhrenden Standeserhoͤhun-
gen von den Roͤmiſchen Kaiſern durch ordentliche Con-
ceſſionen erlangt haͤtten — hinfuͤhro niemanden, wer
der auch ſey, auf deſſen oder eines andern Anbringen
oder
[359]in Anſ. der einzeln. Buͤrger u. Unterthanen.
oder Vorgeben einige Titel oder Praͤdicate von neuem
nicht, er koͤnne es denn mit dem hierzu erfoderlichen
Originalurkunden und Documenten in probanti forma
belegen, attribuiret und zugeſchrieben werde. Moſer
a. a. O. S. 403.
ſum der Juriſtenfacultaͤt zu Jena von 1699. an, wor-
inn gezeigt wird, daß die Graͤfliche Regierung zu F *.
nicht verbunden ſey, das von Koͤnigl. Maj. in P *.
einem gewiſſen Doctor der Rechte und Advocaten ertheilte
Praͤdicat eines Commiſſionsraths in den Regierungsver-
ordnungen beizulegen, weil er ſich deſſen zum Praͤiuditz
der graͤflichen Diener zu gebrauchen gemeinet.
Henr. Griebner diſſ. qua ius reſtituendi famam prin-
cipibus imperii aſſeritur et vindicatur. Viteb. 1710.
cipibus imperii aſſeritur ac vindicatur. Lipſ. 1705.
deshoheit in Anſehung der Unterthanen S. 29. 45. ff.
Vergl. Dav. Georg Struben Abh. Ein Unterthan
kann in der Regel, ohne der Landesobrigkeit Genehmi-
gung und Vorbewuſt, ſich in ein anderes Land begeben,
und auch unter zweien Landesherrn Wohnung haben;
in deſſen rechtl. Bedenken 5. Th. n. 76.
Iuſt. Ge. Chladenius diſſ. de iuramento ſubjectionis
ſpeciatimque in eventum praeſtari ſolito occaſione
Art. XI. §. 7. Inſt. P. O. Witeb. 1727. 4.
auswaͤrt. Staatsr. S. 125. u. 301.
feudali et ſuperiorit. territ. in ſubfeudis imp. Pragae
1716. und in Ienichen Theſaur. Iur. feud. Tom. III.
p. 547.
a. a. O. S. 241.
brand diſſ. de iure Wildfangiatus Elect. Palat. pro-
prio. Alt. 1717.
Du Mont Corps Dipl. Tom. VII. P. I. p. 10.
wegen Verleitung der Blechſchmiede und Arbeiter von
den ſaͤchſiſchen Hammerwerken, ſondern 1677. auch
einen wegen den Meſſingwerke, worinn es heißt: Dem-
nach verlauten will, ob wolten nicht allein in denen be-
nachbarten Landen, und nahe angrenzenden Orten neue
Meſſingwerke aufgerichtet werden, ſondern auch dieieni-
gen Perſonen, welche auf dem in Unſerm Kurfuͤrſten-
thum und Landen befindlichen Meſſingwerke zu Nieder-
auerbach zeithero in Arbeit geſtanden, ſich von dar und
auſſer Landes auf ſelbige Meſſingwerke begeben, welches
ſowohl uns und unſern Landen, als bemeldetem Nieder-
auerbaͤchiſchen ꝛc. — zu nicht geringem Schaden und
Nachtheil gereichen wuͤrde, und wir daher uͤber dem
Vorhaben beruͤhrter Arbeiter ein ungnaͤdiges Misfallen
tragen — Als befehlen wir — auf dieſe Leute ein
wachſames Auge zu haben und ihnen anzudeuten, daß
bey Vermeidung hoher Leibesſtrafe oder des Veſtungs-
baues, auf fremden auslaͤndiſchen Meſſingwerken ſie ſich
zu dergleichen Arbeit nicht gebrauchen laſſen ſollen, we-
niger gar auſſer Landes ſich zu begeben, ſ. Caſp. Henr.
Horn
[364]Von den Gerechtſamen
Horn diſſ. de deſertoribus civitatum eorumque
poena. Witeb. 1708.
daß beſonders auch die Maͤgde, wegen daraus zu beſor-
gendem Nachtheil fuͤr die Religion nicht auſſer Landes
und vornaͤmlich nicht bey uncatholiſchen Herſchaften die-
nen ſolten. Es heißt darinn unter andern: So viel aber
in ſpecie die ledige Dienſtmaͤgd, oder andere Maͤgdlen
und dergleichen Weibsperſonen anlanget; nachdem die
taͤgliche Erfahrung giebt, daß von ihnen das Auslauffen
an fremde uncatholiſche Orte eine Zeithero, aus Conni-
venz ihrer Eltern, Vormuͤnder und Befreundten, wie
auch der Obrigkeiten und Beamten allzugemein gemacht
werden wollen, und zwar mehrenteils ohne Noth, aus
lauter Muthwillen und um uͤppiger Kleider-Hoffarts
willen, oder damit ſie nur deſto freiers und ungezaͤum-
ters Leben fuͤhren moͤgen; durch welches, wie auch
ſonſten durch allerhand Schenk- und Verſprechungen und
anderen ſchmeichleriſchen Einblaſen, ſchon manche Per-
ſon — zu dem leidigen Abfall von dem Catholiſch- allein
ſeeligmachenden Glauben und Annehmung anderer Reli-
gionen gebracht und verfuͤhret worden, oder noch in
Gefahr ſtehen ꝛc. Moſers nachbarl. Staatsr. S. 533.
S. 224. 40. Th. S. 438. ꝛc.
geliſchen Reichstheile oͤfters ſtreitig machen wollen.
ſ. Moſers Reichsfama 6. Th. S. 383. und 766.
7. Th. S. 524. ꝛc. M. vergl. die Schriften in Puͤt-
ters Litteratur des teutſchen Staatsr. 3. Th. S. 189.
beſonders:
Ge. Chr. Gebauer diſſ. de iure corporis evangelici va-
lide intercedendi mutationibus ſtatus anni decreto-
rii. Gotting. 1752.
Io.
[366]Von den Gerechtſamen
Io. Iac. Ioſ. Sündermahler diſſ. de iure intercedendi
in cauſſis religionis non cuivis permiſſo. Herbip.
1759. und in Opuſc. n. 7.
circa iudaeos maxime in Germania. Lipſ. 1722.
und mehrere Schriftſteller beim Puͤtter a. a. O.
S. 605. ff.
ckelnburg 1779. Art. 3. wurde unter andern verglichen,
daß die franzoͤſiſchen Unterthanen, welche mit Erlaubnis
aus dem Lande in das Meckelnburgiſche gezogen, ohne
Abzugsgeld, oder andere Abgaben, wieder dahin zuruͤck-
kehren koͤnnen, und ſo auch die meckelnburgiſchen Un-
terthanen.
Iac. Aug. Franckenſtein diſſ. de vſu albinagii in Ger-
mania. Francf. 1719.
Iuſt. Chr. Dithmar diſſ. de iure albinagii in Germ.
Frcf. 1721.
Vergl. Puͤtters Litteratur 3. Th. S. 610. ff.
Staatsr. S. 514. Vergl. Io. Henr. Bocris diſſ. de
eo quod circa protectionem ſubditorum alterius do-
mini territorialis inter ſtatus imperii iuſtum eſt.
Bamb. 1751.
land, Grosbritannien, Polen ꝛc. gerechnet. Ob aber
gleich in verſchiedenen dieſer Staaten das Volk und deſ-
ſen Repraͤſentanten die Staͤnde, an der Regierung groſ-
ſen Antheil haben, ſo werden ſie doch billig zu den Mo-
narchieen gerechnet, weil die eigentliche Majeſtaͤt auf
einer phyſiſchen Perſon beruhet; dahingegen Venedig,
Genua, und die einzelnen Provinzen der Vereinigten
N. Lande dennoch zu den Republiken gehoͤren, obgleich
die erſten beiden durch eine Perſon, den Doge vorgeſtelt
werden, und die letztern einen Statthalter haben, weil
dieſe nur als Glieder des hoͤchſten Magiſtrats anzuſehen
ſind, und die Rechte der hoͤchſten Gewalt weder in ihrem
ganzen Umfange noch die weſentlichſten derſelben, auch
nicht die perſoͤnliche Majeſtaͤt beſitzen, ſondern nur im
Namen iener Gewalt gewiſſe Hoheitsrechte ausuͤben.
Vergl. de Martens precis du droit d. g. L. I. c. 3.
§. 20.
Regierungsformen der europaͤiſchen Staaten ſehe man in
den Schriften von der Statiſtik. Vergl. Verſuch uͤber
den Urſprung und die Bildung der europaͤiſchen Regie-
rungsformen; in den philoſ. und hiſtor. Abhandlungen
der Koͤnigl. Geſelſchaft der Wiſſenſchaften in Edinburgh,
aus dem Engl. Goͤtting 1789. S. 1 — 122.
Gerſau ꝛc. kommen hier kaum in Betrachtung, ſo wie
die Staaten, deren Unabhaͤngigkeit ſtreitig iſt; zumal
die letztern groſſenteils von andern Souverains mit be-
ſeſſen werden.
dem die ruſſiſchen und preuſſiſchen Miniſter beiwohnten,
und auf welchem die Diſſidenten in alle ihre Rechte wie-
der eingeſetzt und die Grundgeſetze des Koͤnigreichs
unterſchrieben wurden, durch welche man die Gewalt
der erſten Beamten der Republik einſchraͤnkte, aͤuſſert der
Koͤnig von Preuſſen in ſeinen hinterlaſſenen Werken
[5. Band] ſelbſt, daß ſo viele Anmaaſſungen einer Art
von Souverainetaͤt, die ſich fremde Maͤchte in dieſer
Republik erlaubten, endlich alle Gemuͤther empoͤren
muͤſſen.
trage zwiſchen dem Hauſe Oeſterreich und den Koͤnigen
von Preuſſen und Grosbritannien ingleichen den Ver-
einigten N. Landen vom 10. December 1790. wegen
der Niederlaͤndiſchen Unruhen iſt z. B. ausdruͤcklich feſt-
geſetzt: Comme il eſt impoſſible de déterminer tou-
jours un ſens tellement clair à la lettre des ſtipu-
lations conſtitutionelles, que, par la ſuite des tems
et
[373]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
et des circonſtances, il ne ſe préſente jamais des cas
douteux, ſujets à des interpretations difficiles et
que jusqu’ici il n’a pas été aſſéz prévu ni réglé,
quelle devroit être en pareil cas la voye [décisive] à
l’amiable pour prevenir toute aigreur entre le Prince
et ſes peuples, S. M. promet, que dans tous les cas
où il y auroit des doutes ou des difficultés ſur l’eſprit
ou le ſens de quelque Article de Conſtitution de
l’une ou de l’autre province, il ſera nommé des
Commiſſaires par S. M. et que les états de la Pro-
vince que la difficulté concernera, en nommeront
de leur côté, pour ſ’expliquer et ſ’entendre en-
ſemble ſ’il eſt poſſible etc.
geht daher unter andern dahin: L’Empereur a entre-
pris de prononcer ſans autorité ſur ce qui ſ’étoit
paſſé dans l’interieur de la republique de Pologne;
il a decidé en legislateur ſouverain des loix qui
doivent ſubſiſter en Pologne et des fondemens de la
liberté qu’il a voulu renverſer.Moſers Reichsfama
15. Th. S. 508.
l. c. §. 30.
moire an die Generalſtaaten vom 5. Jul. 1788. in Be-
tref der damaligen Unruhen in den N. Landen wegen des
Erbſtatthalters: Er habe ſich alles deſſen ſorgfaͤltig ent-
halten, was auf die innern Beratſchlagungen des Staats
haͤtte Einflus haben koͤnnen — Da aber ſeit kurzem
zwey reſpectable freundſchaftliche und benachbarte Maͤchte
[Preuſſen und Frankreich] Ihro Hochmoͤgenden ihre
auf die gegenwaͤrtige Lage ſich beziehenden Geſinnungen
erklaͤrt haben, ſo wuͤrde Sr. Maj. glauben, ihren be-
ſtaͤndigen Geſinnungen entgegen zu handeln, wenn ſie
noch laͤnger verzoͤgerten, ihre aufrichtigen Wuͤnſche fuͤr
die innere und aͤuſſere Ruhe der Republik und fuͤr die
Aufrechthaltung der gegenwaͤrtigen Conſtitution zu erken-
nen zu geben. Der Koͤnig glaubt zugleich erklaͤren zu
muͤſſen, daß nichts ſeinen Abſichten ſo ſehr zuwider ſey,
als ein fuͤr die Ruhe und Unabhaͤngigkeit der Republik
ſo gefaͤhrliches Beiſpiel, wie eine fremde Intervention
in die innern Angelegenheiten der Republik ſeyn wuͤrde,
zu
[375]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
zu geben, deren freie Direction beſtaͤndig in den Haͤnden
derer beibehalten werden muß, denen ſie durch die Con-
ſtitution anvertraut worden ꝛc. Polit. Journal Julius
1788. S. 709. Zuweilen verſprechen die Nazionen
einander noch ausdruͤcklich, ſich in dieſe Angelegenheiten
nicht zu miſchen, wovon ich ſchon oben am a. O. Bei-
ſpiele angefuͤhrt habe, oder ſie verbinden ſich auch mit
andern gegen die Einmiſchung dritter Nazionen. In
dem Buͤndniſſe zwiſchen Polen und Preuſſen von 1790.
Art. 6. heißt es z. B. Si quelque puiſſance étran-
gère que ce ſoit vouloit à titre d’actes et ſtipulations
précedentes quelconques ou de leur interpretation
ſ’attribuer le droit de ſe mêler des affaires internes
de la republique de Pologne ou de ſes Dependences
en tel tems ou de quelque matière que ce ſoit, S.
M. le Roi de Pruſſe ſ’employera dabord par ſes bons
offices les plus efficaces pour prevenir les hoſtilités
par rapport à une pareille prétention: Mais ſi ces
bons offices n’avoient pas leur effet, et que des ho-
ſtilités reſulteroient à cette occaſion contre la Pologne,
S. M. le Roi de Pruſſe en reconnoiſſant ce cas comme
celui de l’Alliance, aſſiſtera alors la republique.
gab in einem Memoire vom 14. Aug. 1787. den Ge-
neralſtaaten zu erkennen, daß der Koͤnig von Grosbri-
tannien, da er erfahren habe, daß die Staaten von
Seeland und Frießland ihre Geneigtheit zu erkennen ge-
geben, die Mediation einiger benachbarten Maͤchte zu
fodern, und da er die Herſtellung der Ruhe in der Re-
publik und die Erhaltung der wahren Conſtitution ſehr
zu Herzen nehme, ſo ſey er geneigt, alles was von ihm
abhange, anzuwenden, daß die Unterhandlungen einen
gluͤcklichen feſten und dauerhaften Ausgang haben moͤ-
gen. Polit. Journal 1787. S. 774. Auch der
Koͤnig von Preuſſen ließ unterm 5. Sept. 1787. den
A a 4Geueral-
[376]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
neralſtaaten erklaͤren, daß Sr. Maj. mit Vergnuͤgen
das Verlangen der Staaten von Geldern und Utrecht,
Dero Mediation zu Stillung der innern Unruhen zu der
der Hoͤfe von Verſailles und London beizufuͤgen vernom-
men haͤtten, und daß ſie die Einladung, die Ihnen zu
dem Ende gethan werden moͤchte, mit Bereitwilligkeit
annehmen wuͤrden. Sr. Maj. verſicherten, daß Die-
ſelben an der Ruhe und dem Wohlſtand der Republik
Theil naͤhmen und eifrig wuͤnſchten, daß die alte Con-
ſtitution, welche ſo ungluͤcklicherweiſe zum Wanken ge-
bracht worden, durch eine freundſchaftliche Uebereinkunft
aufrecht erhalten werde ꝛc. Ebendaſ. Sept. 1787.
S. 877.
men haͤufig vor. Dies geſchah unter andern nach wei-
ter anzufuͤhrenden Beiſpielen von den beiden Seemaͤchten
Grosbritannien und den Vereinigten N. Landen bey den
Belgiſchen Unruhen zu Gunſten des Hauſes Oeſterreich.
Vergl. Hiſt. polit. Magazin Sept. 1790. S. 273. ff.
allerdings von ſolchem Umfange, daß, wie Martens
précis du droit d. g. L. III. c. 2. §. 52. S. 77. be-
merkt, nicht leicht ein Fall eintreten wird, bey welchem
andere Nazionen, nach Gutbefinden, daher nicht einen
Vorwand ſolten hernehmen koͤnnen, ſich darein zu miſchen.
Was die benachbarten Maͤchte Rußland, Preuſſen und
Oeſterreich vor und bey der Theilung von Polen hier-
unter mehrmalen geaͤuſſert haben, verdient bemerkt zu
werden. In der ruſſiſchen Expoſition des droits des
Diſſidens etc. heißt es z. B. Les engagemens qui
tirent leur origine du voiſinage, ont rapport à la
convenance reciproque des differentes formes de
Gouvernement, et l’avantage de ſe pouvoir prêter
un ſecours mutuel. Ces engagemens ſont ſouvent
ſi étroits qu’une attention non interrompue a tout ce
qui
[377]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
qui concerne une puiſſance voiſine, ſoit à l’égard
de ſa ſureté au dehors ou de ſa Conſtitution inte-
rieure eſt néceſſairement compriſe dans un plan
d’état et occupe la prémière place après les ſoins
qu’on doit à ſa propre conſervation. — Par cette
raiſon la Pologne peut être aſſurée qu’elle trouvera
en tout tems dans la Ruſſie une fidele Alliée qui
prend a Coeur le maintien de ſa Conſtitution, puis-
que les atteintes qu’on y pourroit porter, concer-
nent à pluſieurs égards le bonheur et le repos de la
Ruſſie.Moſers Verſuch 6. Th. S. 224. Unter
Vermittelung dieſer Maͤchte wurde bekantlich auch da-
mals die Conſtitution in Polen abgeaͤndert und garantirt.
Ebendaſ. 5. Th. S. 94 — 101.
Bey den Unruhen in den Vereinigten N. Landen we-
gen des Erbſtatthalters ſchrieb der Koͤnig von Preuſſen
1785. an die Generalſtaaten: S. Maj. waͤren zwar
nicht gemeint, ſich in die innern Angelegenheiten des
dortigen Freyſtaats zu miſchen, da ſie aber von der Bil-
ligkeit und Gerechtigkeit der Staaten uͤberzeugt waͤren;
ſo wuͤrden dieſe Ihnen nicht verdenken, wenn ſie bey
dem Schickſale eines Ihnen ſo nahe verwandten Fuͤrſten
und deſſen Hauſes nicht gleichguͤltig ſeyn koͤnten. Po-
lit. Journ. Oct. 1785. S. 1036. Dies wurde
mehrmalen wiederholt und unter andern auch im May
1786. erklaͤrt: Sr. Maj. nehme blos als Freund und
naͤchſter Nachbar an der Wohlfahrt der Vereinigten Pro-
vinzen Antheil, und werde daher ſeine guten Dienſte,
ſeinen Rath und ſeine Zwiſchenkunft bereitwillig anwen-
den. Nach der Meinung des Biſchof von Landaff, die
er in einer Parlamentsſitzung aͤuſſerte, ſind alle Nazio-
nen in Europa als eine Kette zu betrachten, wovon iedes
Glied zur Erhaltung des Ganzen weſentlich nothwendig
ſey, daher Preuſſen und Grosbritannien, nach den
Grundſaͤtzen der Selbſtvertheidigung, dem Natur- und
A a 5Voͤl-
[378]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
Voͤlkerrechte ganz gemaͤs, ſich in die innern hollaͤndiſchen
Angelegenheiten gemiſcht haͤtten. Polit. Journ. De-
cember 1787. S. 1159.
lungen haben ſich mehrere europaͤiſche Nazionen erboten.
Durch die franzoͤſiſche wurde z. B. 1738. die Conſtitu-
tion der Republik Genf regulirt. Im Eingange der dar-
uͤber errichteten Urkunde heißt es: S. M. Tres-Chre-
tienne étant informée de l’extréme danger où ſe trou-
voit cette Republique qu’Elle a toujours honoré de
ſa bienveillance; et faiſant d’ailleurs attention à
l’Alliance qu’Elle a avec elle, a bien voulu lui ac-
corder ſa mediation conjointement avec celle des
louables Cantons de Zurich et de Berne — La quelle
médiation fut acceptée par tous les differens ordres
de la Republique.
In Anſehung der Dankbarkeit beſchloſſen die General-
ſtaaten 1787. dem Koͤnige von Preuſſen ſolche feierlichſt
deswegen durch ihren am Hofe zu Berlin befindlichen
Geſandten, den ſie mit dem Botſchafscharacter beklei-
deten, fuͤr die wuͤrkſame Vermittelung darzubringen, in-
dem die preuſſiſchen Waffen die gluͤcklichſte Revolution
in der Republik volbracht haben, wodurch die wahre Con-
ſtitution des Landes gegruͤndet und die erblichen Rechte
des Erbſtatthalters geſichert worden. Dies geſchahe auch
am 2. Januar 1788. Man bemerkte hierbey in Ber-
lin, daß dieſe Geſandſchaft in ihrer Veranlaſſung und
Art das einzige Beiſpiel in der Geſchichte ſey, indem die
Geſandſchaft der Republik Genua, zu welcher Ludewig
XIV. dieſen gegen ihn ſo kleinen Staat noͤthigte, damit
nicht verglichen werden koͤnne. Aehnliche Dankſagung
ſolte auch dem Londner Hofe, wegen deſſen ſtandhafter
Mitwuͤrkung geſchehen. Polit. Journ. December
1787. S. 1187. Januar 1788. S. 74.
Unruhen wegen des Erbſtatthalters erklaͤren, daß er die
Einmiſchung fremder Maͤchte in die innere Angelegen-
heiten der Republik auf keine Art zulaſſen wuͤrde. Po-
lit. Journ. April 1786. S. 407. Vergl. May
S. 496. Nach der durch Grosbritannien und Preuſſen
wieder hergeſtelten Ruhe verlangten dieſe beiden Maͤchte
daher auch von Frankreich eine beſtimte Erklaͤrung, daß
es die wiederhergeſtelte alte Conſtitution von Holland ge-
nehmige und die wiedererlangten Vorrechte des Erbſtatt-
halters billige. Polit. Journ. Octb. 1787. S. 976.
u. 1014.
gegen die Vereinigten N. Lande allen groſſen und inter-
eſſirten Hoͤfen in Europa, auch denen zu Petersburg
und Madrid notificiren. Polit. Journ. Sept. 1787.
S. 867. Vergl. de Martens précis L. III. c. 2.
§. 60.
andern die bey der Theilung von Polen intereſſirten
Maͤchte, beſonders Rußland, in Anſehung der 1775.
verbeſſerten polniſchen Conſtitution, und Grosbritannien
und Preuſſen bey den Vereinigten N. Landen wegen Auf-
rechthaltung der Erbſtatthalterwuͤrde uͤbernommen. In
dem Vertrage von 1773. worinn Polen an Preuſſen
gewiſſe Lande abtrat, verſprach letzteres zugleich Art. 6.
in voraus: S. M. le Roi de Pruſſe ayant déclaré vou-
loir contribuer par ſes bons offices à rétablir le calme
et le bon ordre en Pologne ſur un pied ſolide et
permanent, garantira toutes et telles conſtitutions
qui ſeront faites d’un parfait concert avec les Mi-
niſtres des trois cours contractantes en la Diete
actuellement aſſemblée a Varſovie, ſous le noed de
la Conſéderation tant ſur la forme du gouvernement
libre republicain et independent, que ſur la pacifica-
tion et l’état des Diſſidens — et pour cet effet, il
ſera dreſſé un Acte, ſeparé contenant les dites Con-
ſtitutions, lequel ſera ſigné par les Miniſtres et Com-
miſſaires reſpectifs comme faiſant partie du préſent
traité. Eben dahin lautete auch der Ceſſionsvertrag
mit Rußland.
Die Garantie der Erbſtatthalterſchaft in den Vereinig-
ten N. Landen wurde vorerſt in zwey beſondern Vertraͤ-
gen, welche dieſe Republik mit Grosbritannien und
Preuſſen unterm 15. April 1788. ſchlos, bedungen.
Es
[381]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
Es heißt daſelbſt im erſtern Art. 3. und im letztern
Art. 9. S. M. garantit de la manière la plus efficace
le Stadhonderat héréditaire ainſi que la charge du
Gouverneur héréditaire de chaque province dans la
Séréniſſime maiſon d’Orange avec toutes ſes charges
et prérogatives, comme faiſant partie eſſentielle des
Provinces Unies — en ſ’engageant à maintenir cette
forme de Gouvernement contre toute attaque et en-
trepriſe directe et indirecte de quelque nature qu’elle
puiſſe être. Dann ſtelten auch die ſieben Provinzen
der Vereinigten N. Lande eine beſondere Garantie-Acte
unterm 3. Julius 1788. aus, worinn ſie ſich zu Auf-
rechthaltung dieſer Conſtitution verbanden: und endlich
kamen Grosbritannien und Preuſſen in dem Buͤndniſſe
vom 13. Aug. 1788. Art. 5. uͤberein: Les hautes
parties contractantes — ſ’engagent de nouveau et
promettent d’agir en tout tems de concert et en con-
fiance mutuelle, pour maintenir la ſureté, l’indépen-
dence et le Gouvernement de la Republique des Pro-
vinces-Unies conformement aux engagemens qu’Elles
viennent de contracter avec la dite Republique etc.
1720. in Schweden eingefuͤhrte Reichsverfaſſung auf-
recht zu erhalten.
erklaͤrte der Koͤnig in Frankreich, daß er ſich der im
Jahre 1738. zu Garantirung der Genfer Staatsverfaſ-
ſung eingegangenen Verbindung fuͤr erledigt halte und den
Cantons Zuͤrch und Bern dieſe Sache allein uͤberlaſſe.
Dieſe nahmen aber in der Folge ebenfals ihre verſpro-
chene Garantie zuruͤck und hoben ihre Friedensmediation
auf. Polit. Journ. Octob. 1781. S. 341. und
Februar 1782. S. 209.
Syſt. I. G. P. I. c. 2. §. 20. de Martens précis
du droit d. g. L. III. c. 2. §. 60.
Bedingung abgetreten hat, daß die vorige Regierungs-
verfaſſung und alle Rechte und Freiheiten daſelbſt beibe-
halten werden ſollen; wovon ich ſchon oben Beiſpiele
angefuͤhrt habe.
Statthalterwuͤrde der Vereinigten N. Lande hat, nicht
geſchehen laſſen, daß dieſe Waͤrde vernichtet werde.
Polit. Journ. Sept. 1787. S. 887. Bey der
Note der ottomanniſchen Pforte an die auswaͤrtigen Mi-
niſter in den polniſchen Angelegenheiten, vom 23. No-
vember 1788., worinn es heißt: Es iſt unerhoͤrt unter
Nazionen, daß eine die andere, ihre Nachbarin verhin-
dern koͤnne, dieienigen Beratſchlagungen anzuſtellen,
welche ſie fuͤr dienlich erachtet, ihr innerliches Syſtem
in ihrer Regierungsart zu verbeſſern oder zu aͤndern,
wird im Hiſtoriſch-polit. Magazin Februar 1789.
S. 206. die Anmerkung gemacht: Wenn dieſe Ver-
aͤnderungen einer benachbarten Nazion, die noch dazu
die gegenwaͤrtige Verfaſſung garantirt hat, ſchaͤdlich ſind,
wenn ſie das Gleichgewicht aͤndern und andern ge-
faͤhrlich wird, ſo hat die garantirende Macht allerdings
ein Recht, dieſen Neuerungen vorzubeugen, und es
waͤre gar nicht unerhoͤrt, wenn ſie dieſelben mit Gewalt
zu verhindern ſuchte.
und Preuſſen Streit bey der neuen Veraͤnderung der pol-
niſchen Conſtitution, welche erſteres aus dem Grunde
einer uͤber die vorige aufhabenden Garantie verhindern
wolte. Aus den deshalb gewechſelten Staatsſchriften
will ich nur einige der vorzuͤglichſten Stellen anfuͤhren.
Der ruſſiſche Miniſter erklaͤrte unterm 5. November
1788. gegen Polen: Er habe ſich bisher ein gaͤnzliches
Stillſchweigen auferlegt und keine Vorſtellungen in Ab-
ſicht der Beſchluͤſſe der Erlauchten Staͤnde gemacht,
welche
[384]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
welche zwar ſchon die im Jahre 1776. mit den drey
Hoͤfen verabredete Conſtitution uͤbertreten, aber doch
nicht geradezu die Garantie-Acte von 1775. verletzten.
Die Befehle der Kaiſerin, ſetzte er hinzu, haben immer
ſo deutliche Beweiſe von den geneigten Geſinnnungen
Ihro Maj. gegen die polniſche Nazion gegeben, daß der
Unterzeichnete gewuͤnſcht haͤtte, ſich nie in die unange-
nehme Nothwendigkeit verſetzt zu ſehn, gegen eine Ver-
letzung der durch die Garantie-Acte von 1775. feierlichſt
beſtaͤtigten Regierungsform zu proteſtiren. Indeſſen
bewegt doch die in verſchiedenen Projecten enthaltene Ab-
ſicht, einen immerwaͤhrenden Reichstag zu errichten, und
folglich die ganze Regierungsform umzuſtuͤrzen, den Un-
terzeichneten, im Namen Ihro Maj. der Kaiſerin zu er-
klaͤren, daß, ſo ungern ſie auch der Freundſchaft ent-
ſagt, welche ſie Sr. Maj. dem Koͤnig und der Erlauch-
ten Republik gewidmet hat, Sie doch die mindeſte Ver-
aͤnderung in der Conſtitution von 1775. fuͤr nichts an-
ders, als einen Bruch des Tractats wuͤrde anſehn muͤſ-
ſen. Polit. Journ. November 1788. S. 1213.
Die Preuſſiſchen Aeuſſerungen aber gingen unterm
19. Nov. 1788. dahin: Sr. Maj. glaube von der
Klugheit und der erprobten Standhaftigkeit der Staͤnde
des Reichstags erwarten zu koͤnnen, daß ſie ſich von
einer ihrer weiſen Vorſicht ſo viel Ehre machenden Ein-
richtung durch die Anfuͤhrung oder Vorſtellung irgend
einer beſondern Garantie der vorigen Conſtitutionen nicht
werden abwendig machen laſſen, als welche die Repu-
blik nicht hindern kann, daß ſie nie mehr die Form ihres
Gouvernements verbeſſern ſolte, beſonders nach den ganz
neuerlich erfahrnen Misbraͤuchen, in welche nicht ein-
mal den urſpruͤnglichen Stipulationen der Tractate von
1773. gemaͤs iſt, auf welche die Garantieen gegruͤndet
ſind, indem ſie auf dem Reichstage 1775. blos durch
dieienige Macht unterzeichnet worden, welche ſie itzt
reclamirt.
[385]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
reclamirt. Der Koͤnig iſt richt weniger willig und bereit,
gegen die Durchl. Republik ſeine Allianz- und algemeine
Garantieverbindungen zu erfuͤllen, beſonders um ihr ihre
Unabhaͤngigkeit zu ſichern, ohne ſich uͤbrigens in
ihre innere Angelegenheiten zu miſchen, auch die
Freiheit ihrer Deliberationen und Reſolutionen einſchraͤn-
ken zu wollen, als welche er vielmehr aufs beſte garan-
tiren wird.
Polen entgegnete darauf in einer Note an den preuſ-
ſiſchen Geſandten vom 8. December 1788. Die Na-
zion, unwillig uͤber die ungewoͤhnliche und uneinge-
ſchraͤnkte Auslegung der Garantie ihrer Regierungsform,
treibt ihre Beſorgniſſe nicht ſo weit, daß ſie ſich uͤber
eine ihrer Unabhaͤngigkeit gemaͤſſe Garantie beunruhigen
ſolte. Eine ſolche iſt dieienige, welche Sr. Koͤnigl.
Preußil. Maj. in ihrer Declaration bezeichnen, als eine
algemeine Garantie der Unabhaͤngigkeit der Republik,
ohne ſich in ihre innere Angelegenheiten zu miſchen, nach
der Freiheit ihrer Beratſchlagungen und Entſcheidungen
einigen Zwang anzuthun; eine Garantie, welche von
dem Garant nie wider die Republik gebraucht werden
kann, und welche ſelbſt zu ſeinen Gunſten wider den Be-
leidiger ihrer Souverainetaͤt, ihrer Freiheit und Integri-
taͤt ihrer Beſitzungen nicht anders als auf das Verlan-
gen der auf dem Reichstage verſamleten Staͤnde ge-
braucht werden kann.
Bekantlich kam auch dieſe Aenderung dennoch zu
Stande.
Auch wegen der Schwediſchen Regierungsform aͤuſſerte
Rußland bey den Streitigkeiten dieſer beiden Maͤchte
in dem Jahre 1788. in dem Manifeſt gegen Schweden
vom 30. Jun. / 11. Jul. Als der Koͤnig von Schweden auf eine
gewaltſame Weiſe in Schweden die Regierungsform,
worauf die Macht des Senats und die Freiheit des Volks
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. B bſich
[386]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
ſich gruͤndeten, uͤber den Haufen warf, und ſo die Allein-
macht errang, haben wir bis ietzt Unſer Recht, Uns
dieſem zu widerſetzen nicht geltend gemacht, obgleich
die Stipulation des Nyſtaͤdter Friedens, die in dem letz-
ten Aboiſchen Frieden in ihrem ganzen Umfange beſtaͤttigt
worden ſind, ſich dadurch offenbar verletzt finden. —
Ein ſolches Benehmen von Unſerer Seite gruͤndet ſich
auf die Vermuthung, daß iene Ereigniſſe das Wohl
Schwedens nicht erſchuͤttern, noch eine nachteilige Folge
auf die Ruhe der Nachbarn haben konten. Polit.
Journ. Aug. 1788. S. 826.
machte dem kaiſerlichen Hofe die am 3. May 1789. zu
Warſchau erfolgte Revolution in der Conſtitution in
einem eignen Memoire bekant, und erhielt deshalb die
Gluͤckwuͤnſche von dem Corps diplomatique und andern
hohem Adel ꝛc.
land 1649. das ſogenannte Rumpparlement dieſes Reich
in die Form einer Republik umgieſſen wolte, fanden deſ-
ſen
[387]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
ſen Geſandte an den auswaͤrtigen Hoͤfen ſchlechte Auf-
nahme, und wurden in Holland und Spanien gar er-
mordet.
macht der Kaiſer dem Koͤnige von Grosbritannien als
Kurfuͤrſten von Braunſchweig daher den Vorwurf, daß
er ſich bemuͤhe, das innerliche Reichsſyſtem, mit Hint-
anſetzung derer Ihro und dem Reich von Ihnen als Kur-
fuͤrſten abgeſchwornen Eid und Pflichten umzukehren und
in der That uͤber den Haufen zu werfen, durch den
Herrnhaͤuſer Tractat andere Mitſtaͤnde und auswaͤrtige
Potenzien, wider die Reichsverfaſſung und deutlichen
Innhalt des weſtphaͤliſchen Friedens in hoͤchſtverderbliche
Verbindungen zu verleiten. ſ. Moſers Reichsfama
1. Th. S. 384.
denen Reichsſtaͤnden errichteten ſo berufenen Fuͤrſtenbun-
des ließ der Kaiſer an mehrern europaͤiſchen Hoͤfen er-
klaͤren, daß das Mistrauen, als wenn Sr. Kaiſerl.
Maj. Willens waͤren, die teutſche Conſtitution zu ver-
aͤndern, ungegruͤndet ſey, daß Allerhoͤchſt dieſelben viel-
mehr bereit waͤren, ſich an die Spitze einer Confoͤdera-
tion zu ſtellen, deren Abſicht ſeyn ſolte, die Conſtitution
des teutſchen Reichs aufrecht zu erhalten, und ihre
Rechte und Privilegien zu ſchuͤtzen; und um die Staͤnde
des Reichs auf die werkthaͤtigſte Art zu uͤberzeugen, wie
feſt Sr. Kaiſerl. Maj. entſchloſſen ſey, die geſetzmaͤſſige
Reichsverfaſſung im Ganzen und Einzeln genommen,
unverruͤckt aufrecht zu erhalten, wolten ſie gedachten
Staͤnden eine foͤrmliche und feierliche Verbindung unmit-
telbar mit dem Reichsoberhaupte ſelbſt anbieten ꝛc.
ſ. Krais-
[389]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
ſ. Kraisſchreiben des Kaiſers an alle ſeine Miniſter im
teutſchen Reiche wegen des baieriſchen Laͤndertauſches im
Polit. Journ. Jul. 1785. S. 745. und die ſchon
oben angefuͤhrten Schriften uͤber den Fuͤrſtenbund ꝛc.
Maͤchte in die innere Reichsverfaſſung miſchen zu laſſen,
habe ich ſchon erinnert.
ſen von 1791. hauptſaͤchlich die Aufrechthaltung und
Garantie der Conſtitution und Rechte des teutſchen Reichs
zur Grundlage habe, wurde von beiden Hoͤfen ausdruͤck-
lich erklaͤrt. Polit. Journ. Januar 1792. S. 14.
ff. In dem Buͤndniſſe zwiſchen dem Kaiſer und Kur-
ſachſen von 1733. verſprach erſterer Art. 7. Die Ver-
faſſung des Kurhauſes Sachſen, wie ſie in einem lang-
wierigen ruhigen Beſitz gegruͤndet, gegen iedermaͤnniglich
zu handhaben oder zu gewaͤhren.
des Reichs von 1785. verſprechen die Theilhaber Art. 1.
ſich die Aufrechthaltung und Befeſtigung des teutſchen
Reichsſyſtems nach dem weſtphaͤliſchen und andern ver-
bindlichen Reichsfriedensſchluͤſſen, der Kaiſerl. Wahl-
kapitulation, und den uͤbrigen Reichsgeſetzen zum un-
veraͤnderlichen, ſorgfaͤltigen Augenmerk zu nehmen; und
Art. 6. Wo auch uͤbrigens in irgend einem Stuͤcke der
algemeinen Reichsverfaſſung Schaden, Gefaͤhrde, Ein-
griffe, Neuerungen, Kraͤnkungen, Bedruͤckungen und
Stoͤhrungen zu beſorgen ſeyn koͤnnen, ſolches alles wol-
len dieſelben mit gemeinſchaftlichen nachdruͤcklichen geſetz-
maͤſſigen Maasregeln abzuwenden, zu hemmen und uͤber-
haupt den Ruheſtand des ganzen Reichs auf alle Weiſe
zu handhaben bedacht ſeyn.
Reichsſtaͤnde, beſonders vor dem weſtphaͤliſchen Frieden,
mit Frankreich, Schweden und andern auswaͤrtigen Na-
B b 3zionen
[390]Von d. Feſtſ. einer gewiſſen Regierungsform.
zionen geſchloſſen haben. Auch gehoͤrt dahin das Buͤnd-
nis zwiſchen Daͤnemark und Brandenburg von 1676.
wo, nach Art. 13., der Kaiſer, als des Reichs Ober-
haupt bey ſeiner Autoritaͤt, die Kurfuͤrſten und Staͤnde
bey ihren Freiheiten wider alle auswaͤrtige Turbatores
geſchuͤtzt, und die Reichsconſtitutionen bey ihrer Kraft
erhalten werden ſollen.
Holland und Daͤnemark von 1625. heißt es z. B.
Comme ainſi ſoit, que d’un commun conſentement
et en conſidération des mauvaiſes et très-dangereuſes
menées, outrages, violences et oppreſſions lesquelles
depuis quelques années jusqu’à préſent, non ſeule-
ment ſe ſont menacées, mais auſſi par guerre ouverte
et de fait executées contre la pacification éſtablie et
confirmée de temps en temps ſucceſſivement par les
Empereurs mesmes et contre les autres conſtitutions
fondamentales de l’Empire, et les Capitulations ju-
rées: tout ce qui concerne non ſeulement les
Electeurs, Princes, Villes et Etats d’Allemagne
mais auſſi par une inévitable conſéquence les pays
Princes et Eſtats voiſins, Amis et Alliés à cauſe de
l’intereſt qu’ils ont en la conſervation des dites
paix; conſtitutions, capitulations et confirmations,
on a été pouſſé et contraint pour en temps obvier —
de ſ’oppoſer à une ſi évidemment approchante
ruine.
Cph. Beſold diſſertat. nomico-politic. libri III. vbi
de ſucceſſione quae regni fit iure et electione regis
diſſeritur. Tubing. 1616. 4.
B. G. Struv diſſ. de variis modis decernendi ſucceſſo-
rem in regnis. Ien. 1703.
de Martens precis du droit d. g. L. I. c. 3. §. 21.
Gotfr. Achenwall diſſ. de regnis mixtae ſucceſſionis.
Gotting. 1762.
Car. Gottl. Weidlich diſſ. de iure principis in regno
electivo circa proſpiciendum reipubl. ſucceſſorem.
Lipſ. 1729.
diſſ. de iure et modo ſuccedendi in regna Europae,
ſpeciatim
[393]Von der Regierungsfolge.
ſpeciatim in regnum Bohemiae. Frcf. ad Viadr.
1739. und in deſſen Select. Iur. Publ. etc. n. 9. p. 351.
2. Kap. §. 13. ff. Ein ſolcher Auftrag geſchahe z. B.
von den Schwediſchen Staͤnden an Herzog Adolph Fried-
rich von Holſtein 1743. in Wenck Cod. Iur. Gent.
Tom. II. p. 83.
zugethan, der Koͤnig von Daͤnemark Evangeliſch-luthe-
riſch ꝛc. ſeyn muß, ſ. Moſers erſte Grundlehren
B b 5S.
[394]Von der Regierungsfolge.
S. 35. und deſſen Beitraͤge in Friedenszeiten 1. Th.
S. 82.
in familiis illuſtribus. Gieſsae 1740.
gen der ſpaniſchen Erbfolge von 1701. heißt es hiervon:
Attendu la neceſſité de l’introduction de la vie civile
comme d’une forme ſelon laquelle elle devoit être
gouvernée par un ſeul, il a été dans une très-libre
volonté de chaque nation, là où la Principeauté ou
la Roiauté a été agrée, de la déférer à un ſeul
homme, ou enſemble à toute la famille qui en deſcen-
droit. En ce cas la ſucceſſion de la famille roiale
étant perpetuellement établie ſelon l’âge, les degréz
ou les lignes, ſoit avec l’excluſion totale des femmes,
après l’extinction de tous les mâles, ou du moins
de ceux qui auroient été dans la même ligne et le
même degré, ſoit par leur admiſſion; ou avec l’ad-
dition d’autres conditions relatives aux perſonnes
regnantes, à leur naiſſance leur état ou leur mariage,
et la manière de regner, ſelon qu’il auroit été trouvé
le plus àpropos. Il n’eſt pas moins évident que la
forme de la ſucceſſion étant une fois agrée, les
peuples et la famille roiale ne ſont pas bornés en
ſorte qu’elle ne puiſſe, par le conſentement mutuel
de ceux, qui ſurvivroient dans un tems, être ou
totalement abrogée, ou en partie altérée, de ſorte
qu’on n’y puiſſe ſubſtituer ou une nouvelle forme de
republique ou une autre manière de ſucceder, à la
quelle toute la poſterité eſt ſucceſſivement obligée
jusques à ce que de commun conſentement on en
ait de nouveau établi une autre. Lamberty Me-
moires T. I. p. 551.
oͤfters vorgekommen. M. ſ. z. B. Peter I. Verord-
nung
[395]Von der Regierungsfolge.
nung wegen der Erbfolge in ſeinem Reiche vom 5. Febr.
1722. und daruͤber: Das Recht der Monarchen
in wilkuͤhrlicher Beſtellung der Reichsfolge, durch Unſers
Grosmaͤchtigſten Landesherrn Petri des Erſten ꝛc. den
11. Febr. 1722. publicirte Verordnung feſtgeſetzt und
von der ganzen Nazion eidlich approbiret ꝛc. Berlin
1724. 4.
Io. Fr. Buddeus diſſ. de teſtamentis ſummorum im-
perantium ſpeciatim Caroli II. Hispaniae regis.
Hal. 1701.
Von der Erbfolge in den europaͤiſchen Staaten, beſonders
ſeit 1740. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. 2. B.
1. Kap. S. 75. ff.
Grundlehren S. 33. Die Erkennung einer neuen Erb-
folge kann entweder ausdruͤcklich, in beſondern Erklaͤ-
rungen, durch Geſandſchaften, und in Vertraͤgen [wie
z. B. die Grosbritanniſche des gegenwaͤrtig regierenden
Hauſes im Utrechter Frieden mit Frankreich Art. 4. u. 5.
und mit Spanien Art. 5. u. 6.] oder ſtilſchweigend ge-
ſchehen, wenn andere Nazionen, auf die davon erhal-
tene Notification, keine Widerſpruͤche dagegen machen,
ſondern vielmehr in der Antwort ihre Zufriedenheit dar-
uͤber bezeigen. Wenn ſie Bedenklichkeiten dabey finden
wird mehrenteils Anſtand mit der Antwort genommen.
ſ. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 254.
wider das Teſtament Koͤnig Karls II. in Spanien und
erklaͤrte es fuͤr null und nichtig, weil es wider alle vor-
hergegangene Ehepacten, Verzichte, Ceſſionen, Frie-
densſchluͤſſe und Eidſchwuͤre liefe, und erklaͤrte Frank-
reich, zu deſſen Gunſten es errichtet war, den Krieg.
ſ. Fabers Staatskauzley 5. Th. S. 718. und 7. Th.
S. 629. ff. ed. nov.
Schweden 1721. Art. 7. Daß Ihro Czaaril. Maj.
in die domeſtiken Sachen des Koͤnigreichs Schweden,
als in die von den Staͤnden des Reichs einhellig beliebte
und beſchworene Regierungsform und Succeſſionsart
ſich nicht miſchen und keinem, wer es auch ſeyn mag,
darinn weder directe noch indirecte auf einigerley Weiſe
beiſtehn wolle. Daher erklaͤrte Schweden 1741. Ruß-
land den Krieg wegen Uebertretung dieſes Verſprechens.
ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 115.
der ſpaniſchen Erbfolge errichteten Partage-Tractaten,
Allianzen und Friedensſchluͤſſe, wovon ich bereits bey
der Materie von dem Gleichgewichte und den abgeleite-
ten Erwerbsarten gehandelt habe. Auch die bekante
pragmatiſche Sanction im Hauſe Oeſterreich erhielt,
nach Abſterben Kaiſer Karls VI. durch andere Maͤchte
manche Abaͤnderung. Frankreich und Oeſterreich mach-
ten ſich in der Allianz vom 30. December 1758.
Art. 16. verbindlich, gemeinſchaftlich mit dem Herzog
von Parma bey dem Koͤnig beider Sicilien es dahin zu
bringen, die Thronfolge im Koͤnigreiche beider Sicilien
feſtzuſetzen.
Thronfolge iſt in den meiſten europaͤiſchen Reichen uͤblich,
entweder ganz, wie in Frankreich und Schweden, oder
erſt nach Erloͤſchung des ganzen Mannsſtammes, wie
in Daͤnemark, Spanien, Sicilien und Preuſſen, oder
daß wenigſtens in ieder Linie die Maͤnner den Weibern
vorgezogen werden, als in Grosbritannien und Portu-
gal. ſ. de Martens precis du droit d. g. L. I. c. 3.
§. 21. not. a. Zum Ueberflus muͤſſen daher die Prin-
zeſſinnen bey ihren Vermaͤhlungen mehrenteils noch be-
ſondere Verzichte ausſtellen.
als die Reichsgrundgeſetze erfodern, oder der Regent ein
anderes fremdes Reich bereits beſitzt oder erwirbt, wie
nach dem von der Kaiſerin Eliſabeth errichteten Staats-
geſetz in Rußland alle von der Erbfolge ausgeſchloſſen
ſeyn ſollen, welche eine andere Monarchie beſitzen.
Vattel L. I. c. 5. §. 62.
Peter Ulrich von Holſtein Gottorf zu ihren Thronfolger
erklaͤrt hatte, leiſtete er daher Verzicht auf Schweden,
zu deſſen Regenten er anfangs beſtimt war. ſ. Moſers
Beitr. in Frz. 1. Th. S. 265.
Frankreich heißt es: Or nul roi ni autre membre de
la famille roiale ni ne peuple ne doit ou peut ôter à
un membre ſurvivant de la famille roiale le droit qui
lui eſt actuellement devolu par la Convention faite
avec le peuple ni le frauder, malgré lui, de l’espé-
rance qu’il acquiſe par ſa naiſſance. Lamberty l. c.
Daß eine ſolche Ausſchlieſſung in den ſogenannten Patri-
monial-
[399]Von der Regierungsfolge
monial- und vermiſchten Reichen, wo die Beſtimmung
des Erbfolgers in oder auſſer der Familie blos von der
Wahl des letzten Regenten abhaͤngt, wie in Rußland,
leidet keinen Zweifel. Man ſehe z. B. das Czaariſche
Manifeſt wegen der Enterbung und Ausſchlieffung von
der ruſſiſchen Thronfolge des Czaarowitzens Alexis ꝛc.
d. d. Moſcau 3/14 Febr. 1710. Eben ſo wenig hat es
ein Bedenken, wenn der eigentliche Nachfolger, wegen
Gemuͤthskrankheit und Schwachheit unfaͤhig iſt. So
koͤnnen auch zuweilen andere erhebliche Urſachen vorhan-
den ſeyn, daß gewiſſe Perſonen von der regierenden Fa-
milie ausgeſchloſſen werden, wie Koͤnig Karl in Sici-
lien, als er 1759. Koͤnig in Spanien wurde, die Ber-
ordnung machte, daß Spanien und die italiaͤniſchen
Staaten, des Gleichgewichts in Europa wegen, nicht
ſolten in einer Perſon vereinigt werden. In der Ur-
kunde heißt es: L’Eſprit des traités de ce ſiecle dé-
montre, que, lorsqu’il ſe peut, ſans bleſſer la ju-
ſtice, l’Europe deſire, que la Puiſſance eſpagnole
ſoit ſeparée d’avec la Puiſſance italienne. — Bien
entendu que ſuivant l’ordre de ſucceſſion préſcrit
par nous, la Monarchie d’Eſpagne ne pourra jamais
être unie avec la Souveraineté des Etats de Domaines
d’Italie, de manière que les mâles ou les femmes
de notre deſcendence appellés ci-devant ne pourront
jamais être admis à la Souveraineté des Etats d’Italie
au cas qu’il ſoient ou qu’ils duſſent être declarés
Roi d’Eſpagne ou Prince d’Aſturies ſ’il ſe trouve
un autre mâle, qui en vigueur de la préſente diſpo-
ſition, puiſſe ſucceder aux Etats et biens d’Italie etc.
Moſers Verſuch 1. Th. S. 122. und deſſen Beitr.
in Frz. 1. Th. S. 168. ff. Aus dem hier angefuͤhr-
ten Grunde, duͤrften andere europaͤiſche Nazionen denn,
wenn dieſem zuwidergehandelt wuͤrde, dabey allerdings
einiges Recht haben.
errichteten Vertraͤge und erfolgte Verzichten zum Beweiſe
dienen. Daß die Paͤpſte ſich ehedem ein Ausſchlieſſungs-
recht herausgenommen iſt bekannt, und lehret ſolches
unter andern das Beiſpiel Heinrichs von Navarra, der
nebſt dem Prinzen von Conde von Papſt Sixt V. 1584.
in den Bann gethan und der Thronfolge in Frankreich
unfaͤhig erklaͤrt wurde.
Veraͤnderungen in der ruſſiſchen Thronfolge vor, ohne
daß andere europaͤiſche Maͤchte ſich oͤffentlich darein
miſchten. ſ. Moſers Verſuch. 1. Th. S. 112.
lehren.
zu miſchen, oder Beiſtand zu leiſten. Auch Grosbri-
tannien, Frankreich und die Vereinigten N. Lande ver-
glichen ſich in der Tripelallianz 1717. Art. 7. que ſi
les Roiaumes etc. ſont troublés par des diſſenſions
inteſtines ou par des rebellions au ſujet des dites
ſucceſſions — celui des Alliés qui ſe trouvera dans
ces troubles ſera en droit de demander, que ſes Al-
liés lui fourniſſent les ſecours ci-deſſus exprimés etc.
Hauſe Oeſterreich in dem Wiener Frieden 1725. Art. 12.
garantirt, indem S. M. Caeſarea adpromittit ordinem
ſuccedendi in regno Hiſpaniae receptum atque per
tractatum Trajectenſem et per renunciationes, item
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. C cvi
[402]Von der Regierungsfolge.
vi Quadruplicis foederis ſubſecutas nec non per prae-
ſens pacis inſtrumentum confirmatum, tueri ſe, Gua-
rantiamque deſuper praeſtare et quoties opus manu-
tenere velle; viciſſim rex Hiſpaniae tueri et guaran-
tigiare quoque ſpondet eum ſuccedendi ordinem
quem S. M. Caeſarea — in Sereniſſima ſua domo —
declaravit et ſtabilivit etc.
Wegen der franzoͤſiſchen Erbfolge wurden in dem
Utrechter Frieden zwiſchen Frankreich und Grosbritan-
nien 1713. Verabredungen genommen und dann verban-
den ſich Grosbritannien, Frankreich und die Vereinigten
N. Lande in der Tripelallianz 1717. Art. 5. On eſt
convenu et demeure d’accord, que tous et chacun
des Articles des dits traités de paix entant qu’ils re-
gardent — les ſucceſſions à la Couronne de la G.
B. dans la ligne proteſtante et a la Couronne de
France ſuivant les ſusdits traités demeureront dans
toute leur force et vigueur et que les dits Sereniſ-
ſimes Rois et les dits Seigneurs Etats Généraux pro-
mettent leur Garantie reciproque pour l’execution
de toutes les conventions — entant — qu’ils re-
gardent les ſucceſſions etc. welche Garantieen 1718.
1725. und 1748. wiederholt wurden.
Die grosbritanniſche Erbfolge in dem proteſtan-
tiſchen Hauſe Hannover iſt faſt von allen europaͤiſchen
Maͤchten garantirt worden. Die Vereinigten N. Lande
machten ſich zuerſt mit in dem Barrieretractat mit Eng-
land 1709. Art. 2. anheiſchig: La Succeſſion à la
Couronne d’Angleterre ayant été reglée par un acte
du Parlement — et aucune Puiſſance n’ayant droit
de ſ’oppoſer aux loix faites ſur ce ſujet par la Cou-
ronne et le Parlement de la Grande Bretagne ſ’il
arrivoit neanmoins ſous quelque prétexte ou pour
quelque cauſe que püt être que quelque perſonne ou
quelque puiſſance ou Etat pretendoit revoquer en
doute
[403]Von der Regierungsfolge.
doute l’établiſſement que le Parlement a fait de la
dite ſucceſſion dans la Sereniſſime maiſon de Hano-
ver de ſ’oppoſer à la dite ſucceſſion d’aider ou de
favoriſer ceux qui ſ’y oppoſeroient, ſoit directe-
ment ou indirectement — les Etats Generaux des
Provinces Unies ſ’engagent et promettent d’aſſiſter
et de maintenir dans la dite ſucceſſion celle ou celui
à qui elle appartiendra etc. Dahin lautete auch der
anderweite Barrieretractat von 1713. Art. 2. und
nachdem dieſe Erbfolge im Utrechter Frieden mit Frank-
reich 1713. Art. 4. und 5. und mit Spanien Art. 5.
und 6. anerkant worden war, erfolgte die anderweite
Garantie in der ſogenannten Tripelallianz 1717. Art. 5.
und dann in der Quadrupelallianz 1718. Art. 5. da-
hin: S. M. Caeſarea Regio Catholica nec non Regia
Majeſtas Chriſtianiſſima Statusque Generales ſoederati
Belgii obligant ſe — ad manutenendam et guaran-
tigiandam ſucceſſionem in regno Magnae Britanniae
quemadmodum ea per leges regni ſtabilita eſt in
domo Suae Maj. Brit. modo regnantis, welche in dem
Aachner Frieden 1748. Art. 19. und in dem Frieden
mit Frankreich 1763. Art. 2. ausdruͤcklich beſtaͤtigt
wurden. M. vergl. Kurze und actenmaͤſſige Nachricht
von der grosbritanniſchen Kronfolge und deren Praͤten-
deuten in Moſers Nachleſe ungedruckter Staatsbeden-
ken. Frankf. 1743. 2. Th. n. 3. S. 16 — 45.
und deſſen Verſuch 1. Th. S. 86. ff.
Die Garantie der ſchwediſchen Erbfolge uͤber-
nahm Rußland in den Aboer Friedenspraͤliminarten
1743. Art. 3. und Preuſſen verſprach in dem Buͤnd-
niſſe mit Schweden 1747. in einem Separatartikel:
La Succeſſion à la Couronne de Suede étant reglée
du conſentement unanime des Etats en ſaveur de S.
A. R. le Prince Adolphe Frederic — S. M. le Roi
de Pruſſe — ſ’engage expreſſement par le préſent
C c 2article
[404]Von der Regierungsfolge.
article de ne pas ſouffrir qu’il ſoit donné la moindro
atteinte au ſusdit ordre de Succeſſion, mais de le
maintenir de toutes ſes forces, le cas exiſtant, contre
tous ceux qui voudroient la troubler de la part de
qui et ſous quelque prétexte que cela puiſſe arriver
etc.Moſers Verſuch 1. Th. S. 120.
Die Erbfolge des Hauſes Oeſterreich, nach der
pragmatiſchen Sanction Kaiſer Karls VI. wurde eben-
fals faſt von ganz Europa, Spanien, Frankreich, Gros-
britannien, den Vereinigten N. Landen, Daͤnemark,
Preuſſen, Rußland, dem teutſchen Reiche im ganzen
und von mehrern Staͤnden insbeſondere garantirt; gleich-
wol kam es 1740, nach Abſterben deſſelben zum
Kriege, bis endlich im Aachner Frieden 1748. Art. 21.
von den contrahirenden Theilen die nochmalige Garantie,
doch mit Ausnahme der bereits geſchehenen Abtretungen
erfolgte. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 101. ff.
M. vergl. Meditatio ad Auguſt. Imp. Rom. Caroli
VI. Sanctionem Pragmaticam de ordine ſuccedendi
in Regna, Provincias et Ditiones ad Sereniß-Domum
Auſtriacam iure haereditario ſpectantes ejusque Gua-
rantiam generalem ab Imperio Decreto Comitiali ma-
joribus numero ſuffragiis confecto ſuſceptam et con-
tra quoscunque praeſtandam S. l. 1732. 4. In Ge-
maͤsheit des Aachner Friedens haben dieſe Garantie auch
nachher Spanien und Sardinien in der Allianz mit
Oeſterreich von 1752. Art. 5. u. 6., dem auch Parma
beitrat, ingleichen Frankreich in dem Allianztractat mit
Oeſterreich 1756. Art. 4. uͤbernommen.
imperatores. Argent. 1624.
len, gehoͤrt bekantlich den Kurfuͤrſten des teutſchen Reichs.
Bey Ferdinand I. Wahl wolte der Papſt den Kurfuͤrſten
von Sachſen, als einen Ketzer, von der Wahl aus-
ſchlieſſen. Als bey der Wahl Kaiſer Karls VII. der
ſpaniſche Geſandte wegen der Stimmfuͤhrung der Gros-
herzogin von Toſcana allerhand Einwendungen machte,
und ſich dabey auf die Goldene Bulle bezog, entgegnete
C c 3ein
[406]Von der Regierungsfolge.
ein kurfuͤrſtl. Geſandter: die G. B. ſey in dieſem Stuͤck
gar unrecht verſtanden und es haͤtten um deren Ausle-
gung und geſetzmaͤſſige Erfuͤllung nicht auswaͤrtige
Maͤchte, ſondern das Reich und vornaͤmlich das kur-
fuͤrſtliche Kollegium zu ſorgen. Moſers Verſuch
1. Th. S. 197. Hingegen ließ die Kaiſerin Koͤnigin
1763. wegen der polniſchen Koͤnigswahl erklaͤren: S.
M. Imperiale et Roiale déclare de la manière la plus
forte et la plus ſolemnelle, qu’Elle conſidère la Re-
publique de Pologne comme un Etat Souverain et
indépendant, dont le droit, que lui aſſûrent les loix
et les Conſtitutions du Pays de ſe choiſir un Roi par
liberté des ſuffrages, ne peut être en aucune manière
reſtraint; que par conſéquent l’excluſion d’aucun
Candidat ne ſauroit avoir lieu, ſans porter atteinte à
ſon independance et a ſon entière liberté, qui n’ad-
mettent ni exception ni limitation, et que les voyes
de fait ou les menaces que l’on pourroit employer
pour lui empécher l’exercice, ſont également in-
compatibles avec ces prérogatives. Ebendaſ. S. 220.
einer Familie, in voraus bereits eine andere beſtimt iſt,
wie nach dem Utrechter Frieden zwiſchen Frankreich und
Savoyen Art. 6. und zwiſchen Spanien und Savoyen
Art. 3., nach Abgang des regierenden Hauſes in Spa-
nien, Sardinien oder Savoyen folgen ſollen.
haben wir ſchon Beiſpiele, daß Kurfuͤrſten ihre Stimme
im voraus entweder einer gewiſſen Perſon, oder auch gar
einem ganzen Hauſe zugeſichert haben. So verſprach
Kurbrandenburg im Hubertsburger Frieden 1763.
1. Separatartikel dem Erzherzoge Joſeph ſeine Stimme
zum Roͤmiſchen Koͤnig; und das Haus Braunſchweig
machte ſich bey ſeiner Gelangung zur Kurwuͤrde, in dem
Unionsvertrage mit dem Hauſe Oeſterreich 1692. Art. 9.
an-
[407]Von der Regierungsfolge.
anheiſchig, daß die kuͤnftigen Kurfuͤrſten, ſo oft es zu
der Wahl eines Roͤmiſchen Kaiſers und Koͤnigs kommen
wird, ihr Suffragium keinem andern als dem Primo-
genito der Erzherzoglichen Linie geben wollen. ſ. Luͤ-
nigs Reichsarchiv Part. Spec. S. 171.
Wegen der Wahlen in dem nunmehro zum Erbreich er-
klaͤrten Koͤnigreich Polen wurde 1775. feſtgeſetzt: 1] daß
kuͤnftig niemand zum Koͤnig von Polen erwaͤhlt werden
koͤnne, wenn er nicht ein Piaſt von Urſprung, von Adel
und in den Staaten der Republik anſaͤſſig iſt; 2] daß
die Soͤhne und Enkel des letzten Koͤnigs nicht unmittel-
bar nach ihrem Vater oder Grosvater, zum Koͤnig er-
waͤhlt werden, ſondern erſt nach einer Zwiſchenzeit von
wenigſtens zwey Regierungen wahlfaͤhig ſeyn ſollen.
ſ. Neuſte Staatsbegebenheiten auf das Jahr 1775.
S. 616. f. Neyron principes du droit d. g. p. 79.
hauptſaͤchlich Rußland; daher es auch der neuern Ver-
aͤnderung bisher entgegen geweſen iſt.
legenheit der Koͤnigswahl in Polen aͤuſſerte Frankreich
1764. in einer Erklaͤrung an die Republik: Il appar-
tient a la Nation de régler ſon Election ſur les con-
ſiderations de ſa propre convenance, ſans avoir atten-
tion aux influences d’Etrangers. Ebendaſ. S. 223.
waͤhrend der Wahl eines Roͤmiſchen Koͤnigs kein Frem-
der in der Stadt Frankfurt gedultet werden. Doch fin-
den ſich mehrenteils auch verſchiedene auswaͤrtige Ge-
ſandte, theils der Wahl, theils um anderer Anbringen
willen bey dem kurfuͤrſtlichen Kollegium daſelbſt ein, die
aber wenigſtens den Tag der Wahl hinaus muͤſſen, wenn
ſie nicht Diſpenſation von dem kurfuͤrſtlichen Wahlcon-
vent erhalten, welches aber nur in Krankheitsfaͤllen zu
geſchehen pflegt. Moſers Staatsrecht 2. Th. S. 359.
376. ff. Auch der Kaiſer ſchikt nach dem Tode des
Papſts einen Geſandten nach Rom, und laͤßt als Schutz-
herr der roͤmiſchen Kirche, den Kardinaͤlen ſeinen Schutz
anbieten.
[409]Von der Regierungsfolge.
aubieten. Ebendaſ. 3. Th. S. 361. ff. M. vergl.
Chr. Gottl. Buder obſ. de legationibus regum et prin-
cipum exterorum ad Comitia Electionis Regum ac
Imperatorum Romanorum; in Ej. Obſervat. Iur. Publ.
n. 1. p. 1.
Koͤnigswahlen. Es iſt bekant, wie es ſich beſonders
bey den Kaiſerwahlen 1741. und 45. benommen hat.
ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 206. Als die Alliir-
ten Grosbritannien, die Vereinigten N. Lande und die
Koͤnigin von Ungarn ihre Armee anruͤcken lieſſen, um die
franzoͤſiſchen Truppen aus der Naͤhe von Frankfurt zu
vertreiben, und die Wahlfreiheit zu ſichern, erklaͤrte
Frankreich, daß es, als Garant des weſtphaͤliſchen Frie-
dens nur verlange, die Wahlfreiheit gegen die vorha-
bende oͤſterreichiſche Forcirung derſelben zum Vortheil des
Grosherzogs von Toſcana zu ſchuͤtzen, und wolle er-
meldter Wahlfreiheit nicht den geringſten Einhalt thun.
Ebendaſ. S. 207. Die ehemaligen Anmaaſſungen der
Paͤpſte bey den Wahlen eines teutſchen Reichsoberhaupts
gingen noch weiter, indem ſich derſelbe ſogar das Recht
der Beſtaͤttigung ꝛc. zuſchrieb, ſie haben aber heutzutage
ihre Kraft verloren. M. ſ. Ioh. Meißner diſſ. de iure
pontificis circa electionem Imperatoris Romani.
Witteb. 1657. Imm. Weber Papa quid facis? ſive
de vanis et iniquis Pontificum circa Electiones Impe-
ratorum moliminibus. Gieß. et Frcf. 1720. 4.
Io. Chr. Pesler diſſ. II. de poſtulato pontificis Rom.
confirmandi electionem regis Rom. Frcf. ad Viadr.
1742. u. 1748.
auf die Beſtimmung des Regenten in Wahlreichen, und
vorzuͤglich von den Maasregeln Frankreichs, des Kai-
ſers, Rußlands bey den Wahlen Koͤnig Auguſt III. in
Polen 1733. und Kaiſer Karl VII. in Teutſchland 1741.
C c 5und
[410]Von der Regierungsfolge.
und den daruͤber entſtandenen Mishelligkeiten lieſſe ſich
ſehr viel ſagen. M. ſ. Moſers Verſuch 1. Th.
S. 187. u. 212. ff.
Polen und Kurfuͤrſten zu Sachſen die Kaiſerwuͤrde an-
tragen und erklaͤren: qu’en cas, que S. M. Polonoiſe
vouloit bien accepter la dignité imperiale, le Roi
T. C. et ſes Alliés contribueroient de tout leur pou-
voir à faire monter S. M. Polonoiſe ſur le trône im-
perial, ſans que perſonne ſ’y oppoſat. Aber der
Koͤnig in Polen gab zur Antwort: Que S. M. ne bri-
guoit en aucune façon la Couronne Impériale; mais
qu’en cas que tous les Electeurs jugeaſſent vnanime-
ment, qu’étant revêtue de la dignité ſuprême, Elle
ſeroit capable de travailler avec ſuccès au retabliſſe-
ment du repos en Allemagne, c’étoit au Collège
Electoral ſeul qu’il appartenoit de reunir les ſuffrages
pour l’Election d’un Empereur; qu’ainſi il ſeroit
non ſeulement ſuperflu, mais même contraire aux
Conſtitutions de l’Empire et de le Bulle d’Or, qu’au-
cune Puiſſance étrangêre vint à ſe mêler de l’Election
d’un Chèf du Corps Germanique.Moſers Beitr.
in Frzeit. 1. Th. S. 276.
Oeſterreich und Sachſen errichteten 1733. ein Buͤnd-
nis, worinn der Kaiſer Art. 8. verſprach, bey der vor-
ſeyenden polniſchen Koͤnigswahl, Ihro Kurfl. Durchl.
vorzuͤglich vor andern Kandidaten zur Beſteigung des pol-
niſchen Throns allen Vorſchub zu geben, welchen der
Republik freie Wahlgerechtſame, und Ihre mit Ruß-
land und Preuſſen desfals obhabende Verbindlichkeiten
nur immer zulaſſen. Es wurden auch die zu ergreifen-
den Maasregeln umſtaͤndlich angegeben. In dem Buͤnd-
nis zwiſchen Frankreich und Oeſterreich 1758. Art. 19.
verſpricht erſteres durch ſeine Dienſte mit beizutragen,
daß
[411]Von der Regierungsfolge.
daß der Erzherzog Joſeph auf eine der Reichsverfaſſung
gemaͤſſe Art zum roͤmiſchen Koͤnig erwaͤhlt werde.
Rußland und Sachſen durch ihre Truppen die polniſche
Wahl zu bewuͤrken geſucht, ſehe man in dem Kriegsma-
nifeſt des Koͤnigs in Frankreich gegen den Kaiſer 1733.
in Moſers Reichsfama 15. Th. S. 501. ff. Im
Jahre 1764. ruͤckten wegen der Wahl in Polen ruſſiſche
und preuſſiſche Truppen an die Grenzen, die Pforte er-
klaͤrte daher 1768. Rußland um deswillen mit den Krieg,
daß es, nach dem Tode Auguſt III. mit Gewalt einen
polniſchen Officier auf den Thron geſetzt habe. Mo-
ſers Verſuch 1. Th. S. 229.
einigten ſich in einem Allianztractat 1758. Art. 20.
in Ruͤckſicht einer kuͤnftigen polniſchen Koͤnigswahl nur
gemeinſchaftliche Maasregeln zu nehmen, und da ihre
Abſicht keine andere iſt, als blos die Freiheit der polni-
ſchen Nazion aufrecht zu erhalten, ſo erklaͤren ſie von itzt
an, daß, wenn die freie Wahl der Republik auf einen
Prinzen des ſaͤchſiſchen Hauſes fallen ſolte, ſie dieſe
Wahl nach ihren beſten Kraͤften unterſtuͤtzen werden.
vornehmer Glieder der Republik Polen 1733. daſelbſt
kaiſerliche, ruſſiſche und preuſſiſche Truppen ein, um
die Freiheit der Wahlſtimmen zu handhaben. ſ. Mo-
ſers Reichsfama 16. Th. S. 218. 743. ff.
erinnern, die Kaiſerwahl zu beſchleinigen, weil er, als
Garant des weſtphaͤliſchen Friedens, dieſes allerdings zur
Mitſorge zu ziehen haͤtte; es wurde ihm aber geantwor-
tet: Man wiſſen den Articulum pacis Weſtphalicae
nicht, kraft deſſen die Garants deſſelben Theil an dieſen
innern Reichsgeſchaͤften nehmen koͤnnen. Moſers Ver-
ſuch 1. Th. S. 194.
k] Als
gang der regierenden Familie in Schweden, der Erb-
prinz in Daͤnemark gewaͤhlt und beide Reiche vereinigt
werden moͤchten, aͤuſſerte Schweden: Qu’on devroit
être aſſuré, que les Puiſſances intereſſées au main-
tien de l’équilibre dans le Nord, n’auroient jamais
un pareille choſe avec indifference.Moſers Verſuch
1. Th. S. 157.
von mehrern Seiten verſchiedene Aeuſſerungen deshalb
gethan. Der Kaiſer ſchrieb an den Primas von Polen,
daß mit freien und einhelligen Stimmen der polniſchen
Nazion ein ſolcher Koͤnig, er moͤge auch ſeyn wer er
wolle, erwaͤhlt werden moͤchte, von welchem die Freiheit
der Republik in keine Gefahr geſetzt, noch den Nach-
barn wegen zu erregender Unruhen eine Furcht eingeiagt
werde. ſ. Moſers Reichsfama 16. Th. S. 249.
Aehnlichen Innhalts war das Schreiben des kaiſerlichen
Hofkriegsraths-Praͤſidenten, Herzog Eugen von Wuͤr-
tenberg, an den Grosvezier zu Conſtantinopel: Poloniae
regnum conterminum eſſe regionibus partim Roma-
norum Imperatoris partim Portae partim Avtocratoris
atque adeo horum principum quam maxime intereſſe,
ne Polona libertas ac praecipue liberrimae electionis
ius — detrimenti quicquam capiant. — Praeter
iuris et aequitatis rationem, quae id ipſum efflagitat,
proprii quoque commodi prudens contemplatio vici-
nos principes impellit, ne vel latum vnguem ab ea
quam diximus cynoſura diſcedant. Ebendaſ. S. 750.
und Frankreich erklaͤrte: S. M. ne peut diſſimuler,
qu’autre l’interêt, commun, que tous les princes
ont, de maintenir la liberté de la Pologne, ſa digni-
té et le rang qu’Elle tient parmi les Puiſſances de
l’Europe, le mettent en droit et l’obligent même,
à prendre part aux affaires que peuvent troubler la
tran-
[413]Von der Regierungsfolge.
tranquillité générale. C’eſt dans cette vue que le
Roi a deja fait aſſurer les Polonois, qu’il maintien-
droit, autant qu’il ſeroit en lui, la liberté entière
des Suffrages etc. Ebendaſ. 15. Th. S. 512. M.
vergl. Franc. Druſi [Sam. Fr. Gruͤttner] biga Com-
mentariorum Iur. Publ. Prutenici, prima de iure Bo-
ruſſorum circa electionem coronationem et pacta
conventa novi regis Poloniae etc. Dant. 1746. 4.
Kriegsmanifeſt von 1733. wegen der Koͤnigswahl in
Polen heißt es: Employer ſes bons offices pour faire
tomber la préférence ſur l’un Candidat plutôt, que
ſur l’autre, n’eſt pas préjudicier à un attribut ſi
eminent de la liberté. Mais marquer le ſeul Candi-
dat, qu’on vent porter ſur le thrône, à l’excluſion
de tant autre, en uſant des menaces et des violences
contre quiconque voudroit ſ’y oppoſer, c’eſt ren-
verſer la liberté qu’on ſe vente de proteger, ſ. Mo-
ſers Reichsfama 16. Th. S. 490.
b] Auf
nach Abſterben Kaiſer Joſeph I. den Koͤnig von Spanien
allen Kurfuͤrſten zur Wahl. Moſers auswaͤrt. Staatsr.
S. 4. Bey der Koͤnigswahl 1763. in Polen erklaͤrte
Rußland: Neanmoins nous ne pouvons nous empê-
cher de faire ſavoir, qu’en vertu des relations de la
vraie amitié et du bon voiſinage qui ſubſiſtent entre
nous et la Sereniſſime Republique, nous ſouhaite-
rions, que dans la future election — Elle élevat
ſur le trône un Piaſte, qui du côté du père et de la
mère fût iſſu du ſang de la nobleſſe nationale et né
dans le royaume. Durch ruſſiſche und preuſſiſche Em-
pfehlung und Unterſtuͤtzung kam auch hauptſaͤchlich
Stanislaus Auguſtus auf den Thron. ſ. Moſers Ver-
ſuch 1. Th. S. 214. 227. Die Kaiſer ſchlagen oͤfters
Kardinaͤle zu Paͤpſten vor, es wird aber auf dieſe Em-
pfehlung weniger geſehn, als auf ihre Excluſive. ſ.
Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 519.
Von vorgeſchlagenen Wahlen nach Abſterben einer
ganzen Familie in Erbreichen giebt vorzuͤglich die Wahl
Adolph Friedrichs von Holſtein Gottorf zum Koͤnig in
Schweden, durch ruſſiſche Empfehlung und Vermitte-
lung 1743. ein Beiſpiel. Als 1728. Rußland Schwe-
den erklaͤren ließ, daß ein bequemes Mittel die Freund-
ſchaft zwiſchen beiden Staaten zu erhalten, ſeyn wuͤrde,
wenn den Reichsſtaͤnden, bey naͤchſtem Reichstag, die
Erbfolge des Herzogs zu Holſtein recommandirt wuͤrde.
Man antwortete aber, daß ſolche Erbfolge auf der freien
Wahl der Staͤnde beruhe und man daher keine Entſchlieſ-
ſung daruͤber zu erteilen im Stande ſey, und moͤchte der
ruſſiſche Geſandte den Koͤnig und Reichsrath mit derglei-
chen verſchonen. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th.
S. 145. Bey dem nachher eingetretenen Kriege ließ
Rußland 1743. abermals erklaͤren: Das natuͤrliche
Intereſſe von Rußland erfodere, daß nach Abſterben
des
[415]Von der Regierungsfolge.
des ietzigen Koͤnigs ein ſolcher Prinz den Thron beſteige,
welcher par principe mit Rußland gute Freund-
ſchaft unterhielte. Da man ſich nun ſolches von dem
Biſchof zu Luͤbeck verſpreche; ſo wuͤrde Rußland, wenn
die Schweden ihn erwaͤhlten, dieſer Krone einen deſto
vortheilhaftern Frieden zugeſiehn. Dies geſchah auch,
und wurde in den Aboer Friedenspraͤliminarien 1743.
Art. 2. feſtgeſetzt: In Betrachtung der Recom-
mendation Ihro Maj. der Kaiſerin und Sr. Kaiſerl.
Hoheit des Grosfuͤrſten von Rußland, werden die
Staͤnde des Koͤnigreichs Schweden bewilligen, Sr. Durchl.
den Prinzen Adolph Friedrich, Adminiſtratorn des Her-
zogthums Holſtein und Biſchof zu Luͤbeck zum Succeſſor
der Kron Schweden zu erwaͤhlen und zu erklaͤren, ſobald
gegenwaͤrtige Acte zu Stockholm wird augekommen ſeyn.
der Kaiſer, Frankreich und Spanien es hergebracht ha-
ben, bey der Papſtwahl einen vorgeſchlagenen Kardinal
auszuſchlieſſen, oder ihm, wie man zu ſagen pflegt, die
Excluſive zu geben. ſ. de Martens précis du droit
d. g. L. III. c. 2. §. 56. Moſers Beitr. in Frz.
1. Th. S. 307. Man vergl.
Ev. Otto diſſ. de iure imperatoris circa electionem Pon-
tificis Romani ed. 2. Traj. ad Rh. 1722. und in
Ej. Diſſert. Iur. Publ. Ultraj. 1723.
Io. Georg Eſtor comment. de iure excluſivae vt appel-
lant, quo Caeſar Auguſtus vti poteſt quum patres
purpurati in creando pontifice ſunt occupati. Ien.
1740. und in Ej. Comment. et Opuſc. Vol. I.
P. 1. p. 154.
Eobald Tatze von dem Rechte des Roͤmiſchen Kaiſers und
der Koͤnige von Frankreich und Spanien einen oder
mehrere Kardinaͤle bey einer Papſtwahl von der paͤpſt-
lichen Wuͤrde auszuſchlieſſen; in deſſen kleinen Schrif-
ten hiſt. und ſtatiſt. Inhalts von Voigt. Leipzig
1791. 8. n. 18. S. 412 — 63.
Joh. Heinr. v. Juſti Eroͤrterung der Frage: ob die Pro-
teſtationes derer auswaͤrtigen Monarchen wider eine
auf die Wahl gebrachte Perſon zum Beherſcher eines
Wahlreichs in dem Natur- und Voͤlkerrecht einigen
Grund haben; in deſſen hiſtor. juriſt. Schriften
1. Band S. 185. ff. Dieſer ſagt es koͤnne geſche-
hen, wenn man einen Prinzen waͤhlen wolte, der
die mit andern Voͤlkern eingegangenen Friedensſchluͤſſe
nie gehalten, und der bereits ſeine Nachbarn, ohne
Urſach, mit Krieg uͤberzogen hat; aber nicht aus
bloſſer Feindſchaft, oder wenn er den Staatsabſich-
ten anderer Nazionen entgegen iſt.
a] Z.
Lesczinsky in Polen, und Frankreich gegen die Wahl
Kaiſer Franz I. In der Ausfuͤhrung der Urſachen,
warum der Kaiſer, Rußland und Preuſſen 1733. ihre
Truppen in Polen haben einruͤcken laſſen heißt es: C’eſt
pourquoi les Puiſſances alliées eſpèrent, que le Pri-
mat ne prendra pas en mauvaiſe part qu’elles ſuivent
l’Exemple de cette Couronne [de France] et ſes
maximes en donnant l’excluſion à Stanislas, d’autant
plus que cette couronne n’a d’autre raiſon d’en agir
ainſi qu’une ſimple amitié et ſon alliance avec Stanis-
las, au lieu que les Alliez ſont obligés par les Pacta
Conventa, Alliances et Garanties non ſeulement avec
le Roi de Pologne, mais même avec toute la Repu-
blique, de la deſendre en tous tems contre ſes Enne-
mis et de maintenir ſes Conſtitutions. M. vergl.
Unvorgreifliche Gedanken von der polniſchen Wahl,
und ob ſich der Kaiſer darein meliren und ſonderlich der
Wahl Stanislaus widerſetzen koͤnne? entworfen von J.
G. F. R. C. M. 1734. 4.
wahl 1733. den Stanislaus Lesczynsky von der Wahl
ausgeſchloſſen wiſſen wolte, erklaͤrte Frankreich den
Krieg, und ſahe den Kaiſer deshalb fuͤr den angreifenden
Theil an. In der Kriegserklaͤrung heißt es: Les trai-
tés par lesquels l’Empereur a voulu diſpoſer en
maitre abſolu de la Couronne de Pologne; l’exclu-
ſion, qu’il ſ’eſt efforcé de donner ſans autorité et
ſans pouvoir, à un prince que ſes vertus rendent digne
du trône etc.Moſers Reichsfama 15. Th. S. 505.
1. Th. S. 364.
Papſt ſich die Entſcheidung der daruͤber entſtandenen
Streitigkeiten anmaaſſen, ſtund aber, auf die ſeinem
Geſandten zu Frankfurt desfals gethane Vorſtellungen
wieder davon ab. Moſers Verſuch 1. Th. S. 219.
nig in Preuſſen: Er wuͤnſche, daß die Republik bey
Erwaͤhlung eines Koͤnigs einerley Geſinnungen haben
moͤge, damit nicht, wenn innerliche Uneinigkeiten und
Factionen entſtuͤnden, ſolches veranlaſſe, daß fremde
Truppen in Polen einruͤcken und er dadurch genoͤthigt
werde, mit einem Theil der ſeinigen ein gleiches zu
thun.
et coronatione potentiſſ. Poloniarum regis Auguſti III.
Lipſ. 1734.
Henr. Gotfr. Scheidemantel diſſ. de iudicio in cauſſis
litigioſae ſucceſſionis in regna. Ien. 1768. 4.
Kriegserklaͤrung: L’Empereur — bien loin de per-
mettre qu’on donne la moindre atteinte à la liberté
de la république et a ſa Conſtitution telle qu’elle ſe
trouve établie par les loix, en ſera toujours le plus
ferme appui: Garant de cette liberté en vertu des
Pacta Conventa, que depuis deux ſiecles ſubſiſtent
entre l’Auguſte maiſon d’Autriche et les Séréniſſimes
Rois de Pologne et la Republique de ce nom, le
ſoin de la maintenir contre les entrepriſes de qui que
ee ſoit le touche principalement.Moſers Reichs-
fama 15. Th. S. 513.
dem Kaiſer und Frankreich 1735., welchen Polen und
Rußland ꝛc. nachher beitraten, Art. 1. verglichen: On
D d 2ſtipu-
[420]Von der Regierungsfolge.
ſtipulera — comme auſſi la Garantie pour toujours,
des libertés — et particulièrement de la libre election
de leurs Rois, und ſolches im Definitivfrieden 1738.
Art. 6. beſtaͤtigt.
1719. Art. 8. Hoc foedus complectetur et aſſecu-
rabit etiam tam regni Polonici tuitionem atque con-
ſervationem, quam ipſius Poloniae regis [aſſertionem]
et manutentionem in throno ſuo contra quoscunque
qui aut clam aut palam, directe vel indirecte illum
turbare et moleſtare praeſument, in quieta poſſeſſione
regni ſui etc. Rußland erklaͤrte 1743. in Abſicht des
zum kuͤnftigen Erbfolger in Schweden beſtimten Herzogs
Adolph Friedrich von Holſtein: Que comme S. M.
Imp. ſ’étoit engagée par le traité de paix qu’elle
venoit de conclure avec cette Couronne de la ſecourir
puiſſamment au cas qu’elle fut attaquée à l’occaſion
du choix que les Etats de Suede ont fait du prince
Evéque de Lubec pour ſucceſſeur au trône, elle étoit
reſolue de remplir cet engagement avec la dernière
exactitude: Qu’Elle ſ’y trouvoit d’autant plus
obligée que cette élection avoit été faite à ſa recom-
mendation particulière.Moſers Beitr. in Frz.
1. Th. S. 157.
die Wahl Erzherzog Joſephs zum roͤmiſchen Koͤnig zu
garantiren. Moſers Beitr. a. a. O. S. 278. Vergl.
deſſen Grundſaͤtze in Frzeit. S. 101.
Gegenpaͤpſte, ingleichen falſche Regenten, als den fal-
ſchen Eduard und Richard in England, die falſchen De-
metrii und Sebaſtiane, einen Pugatſchef ꝛc. in Rußland,
in der Geſchichte; von welchen letztern iedoch hier eigent-
lich nicht die Rede iſt. M. ſ. Gotfr. Achenwall diſſ.
de iure in aemulum regni vulgo Praetendentem.
Marb. 1747.
ejecto. Frcf. 1702.
Anna zum Thronfolger beſtimten Ivan entledigt habe,
ſehe man das Manifeſt in Moſers Verſuch 5. Th.
S. 188.
Stanislaus Lesczynsky im Wiener Frieden gegen Au-
guſt III. auf die Krone Polen Verzicht leiſten. ſ. Ur-
kunde vom 27. Jan. 1736. in Wenck Cod. I. G.
T. I. p. 8.
dent von Grosbritannien nicht nur 1712. wider den da-
mals zwiſchen Frankreich und Grosbritannien vorhaben-
den Frieden, ſondern auch 1748. bey dem Aachner
Frieden, wider alles, was ihm zum Nachtheil geſchloſ-
ſen werden koͤnte alſo: Comme nous voyons, que les
Puiſſances intereſſées dans cette dernière guerre ſont
ſur le point de conclure un traité de paix ſans avoir
aucun
[423]Von der Regierungsfolge.
aucun égard à nos juſtes droits; afin que notre ſilence
ne ſoit pas interpreté et regardé comme un conſente-
ment tacite à ce qui pourra être ſtipulé à notre pré-
judice ou au préjudice de nos heritiers legitimes,
Nous proteſtons ſolemnellement et de la manière la
plus ſorte que nous pouvons contre tout ce qui ſera
traité reglé ou conclu-comme étant nul par defaut
d’autorité legitime.Moſers Verſuch 5. Th. S. 206.
deſſen Grundlehren S. 40. ff. beſonders Verſuch 1. Th.
S. 185. ff.
ſchen Thron, der Sohn Koͤnig Jakob II. aus dem Hauſe
Stuart und ſeine Nachfolger merkwuͤrdig. Dieſer
wurde, nach Jakob II. Tode, unter dem Namen Ja-
kob III. von Frankreich, Spanien und dem Papſt, als
Koͤnig in England, Schottland und Irrland erkant und
erhielt koͤnigliche Ehrenbezeigungen: Er wurde auch in
verſchiedenen Unternehmungen ſich auf den Thron zu
ſchwingen heimlich und oͤffentlich unterſtuͤtzt, vorzuͤglich
von Spanien, welches ihn 1719. mit gewafneter Hand
dazu verhelfen wolte. Vergl. Moſers Verſuch 1. Th.
S. 193. u. S. 209.
Grosbritannien 1713. Art. 4. u. 5. quod cum e regno
Galliae ſponte nuper alibi commoraturus exierit ille
qui vivente nupero rege Iacobo ſecundo, Principis
Walliae, eodem vero defuncto, Regis Magnae Bri-
tanniae titulum aſſumpſit, curam omnem per prae-
dictum regem Chriſt. — datum iri ne in regnum
Galliae aut aliquas ejusdem ditiones vllo dehinc tem.
pore vllove ſub praetextu in poſterum revertatur. —
neque vllum vllo tempore auxilium, ſuppetias, fa-
vorem aut conſilium praeſtabit Rex Chriſt. — directe
D d 4vel
[424]Von der Regierungsfolge.
vel indirecte, terra, marive, pecunia, armis, mu-
nitionibus, apparatu bellico, navibus milite, nautis
aliove quovis modo cuicunque perſonae aut perſonis,
ſi quae fuerint, quae quacunque de cauſſa aut prae-
textu dictae ſucceſſioni ſeſe in poſterum opponere
molientur etc. Das letztere verſprach auch Spanien
im Utrechter Frieden 1713. Art. 6. und dieſes Verſpre-
chen wurde von Frankreich in der Tripelallianz mit Gros-
britannien und den Vereinigten N. Landen 1717. Art. 2.
beſonders um ihn aus Avignon zu ſchaffen, wiederholt,
und in der Quadrupelallianz 1718. Art. 5. erneuert,
auch im Aachner Frieden 1748. Art. 19. beſtaͤtigt;
welchem zu Folge der Praͤtendent, da er in Guͤte nicht
wolte, mit Gewalt aus Frankreich fortgeſchaft werden
muſte, und ſich nach Rom begab. Vergl. die ſchon
oben angefuͤhrte Schrift in Moſers ungedruckten Staats-
bedenken: Kurze actenmaͤſſige Nachricht von der Gros-
britanniſchen Cronfolge ꝛc. nebſt deſſen Verſuch 1. Th.
S. 86. ff. und Franz. Dom. Haͤberlin Betrachtungen
uͤber das Betragen der Krone Frankreich gegen die Krone
Grosbritannien in Anſehung des Praͤtendenten. Goͤtting
1745. 8. Durch den am 31. Jan. 1788. erfolgten
Tod des letzten von dieſem Stamme Karl Eduards ſind
dieſe Praͤtenſionen erloſchen, und ſollen, nach einiger
Meinung, nun auf den Koͤnig von Sardinien oder den
Herzog von Orleans gefallen ſeyn. ſ. Polit. Journ.
Maͤrz 1788. S. 242. ff. 290. u. 333.
men 1740. ihren Gemal, den Grosherzog Franz von
Toſcana zu ihren Mitregenten ernante, proteſtirte Sach-
ſen dagegen, weil dies zum Nachtheil Kaiſer Karls VI.
pragmatiſcher Sanction gereiche. Dieſe Mitregentſchaft
hatte iedoch, wegen anderer dabey eintretender Wider-
ſpruͤche keine Wuͤrkung. ſ. Moſers Beitr. in Frzeit.
1. Th. S. 262. Im Jahre 1741. ſoll zwiſchen
Oeſterreich und Kurſachſen eine Convention, daß letzteres
der Mitregentſchaft des Grosherzogs nicht entgegen ſeyn
wolle, gemacht, aber nicht notificirt worden ſeyn.
Io. Steph. Puͤtter diſſ. de normis decidendi ſucceſſio-
nem illuſtrium controverſam. Gotting. 1757. 4.
und in Ejusdem Syllog. Comment. Ius Priv. Princ.
illuſtr. n. 3.
dem Corpore Evangelicor. uͤbernommene Garantie des
Hohenloiſchen Erbfolgsvertrages geahndet. ſ. in Fabers
Staatskanzley 44. Th. S. 237. ff. 47. Th. S. 28. ff.
Parma, Placenz ꝛc. im Wiener und Aachner Frieden ver-
handelt worden, die Regulirung der baieriſchen Erbfolge
im Teſchner Frieden ꝛc. ſ. Moſer a. a. O. S. 181. ff.
geben beſonders die wegen der Erbfolge und des Rechts
der Staͤnde, einen neuen Herzog zu waͤhlen, im Her-
zogthum Curland entſtandenen Streitigkeiten, und die
ruſſiſche und preuſſiſche Einmiſchung dabey ein Beiſpiel.
ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 142. ff. Vergl.
Ius eligendi Ducem ſtatibus Curlandiae et Semigalliae
ex principiis iuris naturalis vindicatum ſ. l. 1736.
Solida atque in actis publicis et hiſtoriarum monumen-
tis fundata demonſtratio, quod ſtatibus Curlandiae
tanquam vaſallis feudi inlyto Poloniae regno aper-
ti, nullum de eo diſponendi arbitrium vel ius
liberae
[427]Von der Regierungsfolge.
liberae quam vocant electionis competat ſ. l.
1742.
waͤhlt werden muͤſte oder einem die Ercluſive geben.
Moſers Staatsr. 3. Th. S. 300.
S. 2. Quedlinburg hatte mit Sachſen einen ausdruͤck-
lichen Vertrag errichtet, daß die Wahl zwar frey ſeyn,
aber nicht anders als mit des Schutzherrn Vorwiſſen und
demſelben nicht zuwidet geſchehen ſolte.
ten der Vereinigten N. Lande bey den Biſchofswahlen
zu Luͤttich und Muͤnſter. ſ. Moſers Staatsr. 3. Th.
S. 306. und deſſen auswaͤrt. Staatsr. S. 293. Auch
Frankreich hat hier oft ſeine Kuͤnſte angewandt. Im
Jahre 1689. wurde unter den Kriegsurſachen des Reichs
gegen Frankreich dieſe mit angegeben, daß letzteres den
Cardinal von Fuͤrſtenberg mit Gewalt dem Domkapitel
zu Koͤln habe aufdringen wollen, obgleich im Gegentheil
auch Frankreich ſich uͤber den Kaiſer beſchwerte, daß er
widerrechtlich dieſem die Ercluſive gegeben habe. ſ.
Moſers Staatsr. 3. Th. S. 304. und deſſen ausw.
Staatsr. S. 213. Vergl. Joh. Chr. Wilh. von Steck
von Einmiſchung fremder Maͤchte und anderer Reichs-
ſtaͤnde in die Wahlen der teutſchen Praͤlaten; in deſſen
Verſuch uͤber verſch. Materien polit. und rechtlicher Kent-
niſſe. Berl. und Stralſ. 1783. 8.
und wegen des Naſſauiſchen Praͤtendenten am Fuͤrſten-
thum Siegen und die Haͤlfte des Fuͤrſtenthums Hademar
den beim Reichshofrath angeſtelten Proceß in Reuß
teutſcher Staatskanzley 14. Th. S. 50. ff.
den Doge zu Venedig und Genua, obgleich erſterer we-
gen des anſprechenden Koͤnigreichs Cypern, und letzterer
wegen des ehemals beſeſſenen Koͤnigreichs Corſica eine
Art
[429]Von Antritt und Endigung der Regierung.
Art von Kroͤnung zu erhalten pflegt. Moſers Beitr. in
Frzeit. 1. Th. S. 14.
ſind, an der Kroͤnung des roͤmiſchen Kaiſers Theil neh-
men, geſchieht bekantlich blos in der letztern Eigenſchaft.
zu den Kaiſertitel berechtigen, und die teutſche Kroͤnung
ihm blos den roͤmiſchen Koͤnigstitel verſchaffen. Doch
bedienen ſie ſich, ſeitdem die roͤmiſche Kroͤnung nicht
mehr zu geſchehen pflegt, wenigſtens des Titels: er-
waͤhlter Roͤmiſcher Kaiſer, wie auch andere Koͤnige
vor der Kroͤnung ſich zuweilen blos: erwaͤhlter ſchrei-
ben z. B. Koͤnig Auguſt II. in Polen. ſ. Luͤnig Litt.
Proces. Tom. II. p. 562. Vergl. Rich. Zouchaeus
vtrum dignitas imperatoria pendeat a Coronatione
pontificia; in iure fecial. P. II. Sect. 2. g. 2. Io.
Iac. Maſcov diſſ. de regali imperialique Auguſtorum
Germaniae Auguſtarumque Coronatione. Lipſ. 1723.
Reichskleinodien ꝛc. zu entfernen ſucht. Im Altranſtaͤdter
Frieden zwiſchen Schweden und Sachſen 1706. Art. 7.
wurde daher die Auslieferung der nach Sachſen gebrach-
ten polniſchen Krone ꝛc. bedungen: Wider die Kroͤnung
der Koͤnigin Maria Thereſia in Ungarn und Boͤhmen
proteſtirten Spanien und Kurbaiern. ſ. Europ. Staats-
Sekret. 67. Th. S. 573. 577.
tionibus regiis in Ej. Synt. dignit P. I. n. 5. et 6.
Dan. Nettelbladt diſſ. de coronatione ejusque effectu
inter gentes. Hal. 1747.
Io. Iac. Chifletius de vnctione regum contra Alex.
Tennevriam, cum ej. Ampulla Remenfi. Antw.
1651. f.
Io. Ioach. Zentgrav de vnctione regum. Argent.
1688. 4.
ob es gleich mit ihm in Krieg verwickelt war, dennoch
ihre
[431]Von Antritt und Endigung der Regierung.
ihre Gelangung auf den Thron, und dieſes legte ſeinen
Gluͤckwunſch dagegen ab.
cis du droit d. g. L. III. c. 2. §. 58. Wie Frank-
reich die Beantwortung des Notificationsſchreibens der
Koͤnigin in Ungarn Maria Thereſia unter allerhand Vor-
wand verzoͤgert hat. ſ. Moſers Beitr. in Frzeit. 1. Th.
S. 257.
Staatsr. 2. Th. S. 325. 476. ff. Legnich Ius
Publ. Pal. LII. c. 5. §. 23. Chr. Gottl. Buder
de legationibus obedientiae Romam miſſis. Ien. et
Lipſ. 1737. 4. und in Ej. Opuſculis quibus ſelectiora
Iur. Publ. argumenta exhibentur. Ien. 1745. n. 5.
p. 333.
den 1617. Art. 29. wurde z. B. verglichen, daß bey
vorfallenden Succeſſionsaͤnderunger der neue Regent dem
andern durch Geſandſchaft ſeine Freundſchaft erbieten,
und dieſer darauf ihn wieder durch Geſandſchaft beſuchen
laſſen ſoll. Auch im Def. Frieden zwiſchen Oeſterreich
und der Pforte 1791. Art. 13. wurde die Notification
der Thronbeſteigung des neuen Regenten durch Miniſter
vom zweiten Range mit beſtimtem gewoͤnlichem Ceremo-
niell bedungen.
von Sardinien und der Republik Venedig, weil erſterer
verlangte, daß dieſe nicht einen, ſondern zwey Ambaſ-
ſadeurs zu Abſtattung ihres Gluͤckwunſches ſchicken ſolte,
da, wie einige Nachrichten wollen, ſonſt zwey waͤren ge-
ſchickt worden, oder die Republik wenigſtens an andere
gekroͤnte Haͤupter deren zwey ſchickte; und man berief
deshalb die beiderſeitigen Geſandſchaften von den Hoͤfen
zuruͤck.
[432]Von Antritt und Endigung der Regierung.
zuruͤck. ſ. Moſers Verſuch 3. Th. S. 71. und deſſen
Beitr. zum Geſandſchaftsr. S. 37. Neuſte Staatsbe-
gebenheiten 1775. §. 469.
britannien 1762. erlaubte der Koͤnig in Portugall denen
auf dem Tagus liegenden engliſchen Schiffen, daß iedes
derſelben durch 77. Schuͤſſe [als ſo viele Jahr der ver-
ſtorbene Koͤnig Georg II. erlebt hatte] minutenweis ſeine
Trauer und endlich alle mit einander durch eine General-
ſalve ihre Freude wegen des Regierungsantritts des neuen
Koͤnigs bezeigen durften.
Meinung, iedoch ohne Bedenken den Regenten, welcher
ſich im Beſitz befindet, ohne zu unterſuchen, wie er auf
den Thron gekommen. Neyron principes du droit
d. g. C. III. Art. 6. §. 94.
in Frz. 1. Th. S. 256. u. 329. erſte Grundlehren
S. 37. Dies iſt unter andern bey den teutſchen Kai-
ſer- und Koͤnigswahlen oͤfters vorgekommen. Den roͤmi-
ſchen Koͤnig Ferdinand III. wolte Frankreich nicht erken-
nen, weil der gefangene Kurfuͤrſt von Trier und der ge-
aͤchtete Kurfuͤrſt von der Pfalz bey der Wahl ausgeſchloſ-
ſen geweſen. Eben ſo wolte es Kaiſer Karl VI. nicht
erkennen, weil die in der Acht befindlichen Kurfuͤrſten
von Koͤln und Baiern an der Wahl keinen Theil genom-
men hatten. Auch Franz I. wolte von dieſer Krone
nicht erkant werden, weil ſie mit deſſen Gemalin im
Krieg war. Spanien- und Sicilien wolten ihn gleich-
fals nicht erkennen ꝛc. Moſers ausw. Staatsr. S. 8.
u. 40. Deſſen Beitraͤge in Frz. 1. Th. S. 330.
341. ff.
Frieden mit Savoyen 1713. Art. 5. die ſpaniſche Ab-
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. E etretung
[434]Von Antritt und Endigung der Regierung.
tretung von Sicilien an den Herzog von Savoyen recon-
noiſſant dès à préſent, en vertu de ce traité, S. A.
Royale de Savoye pour ſeul et legitime roi de Sicile.
Koͤnig Philip V. von Spanien wurde von dem Kaiſer im
Wiener Frieden 1725. Art. 4. erkant. Auguſt III.
von Polen im Wiener Frieden 1735. Praͤlim. Art. 1.
Def. Fr. Art. 6. und beſondere franzoͤſiſche Acte vom
23. Nov. 1736. So auch der Koͤnig von Neapel in
dieſem Frieden Art. 3. Die Anerkennung Franz I.
geſchahe von Pfalz und Brandenburg im Dreßdner Frieden
1745. Art. 7. und 12. und von Frankreich ꝛc. erſt in
den Aachner Friedenspraͤlim. 1748. Art. 14. wo es
heißt: Le Prince élû à la dignité de l’Empereur ſera
reconnu par toutes les Puiſſances qui ne l’ont pas
encore reconnu dans la dite qualité.
Merwuͤrdig iſt es, daß Kaiſer Karl VII. von der
Koͤnigin in Ungarn ꝛc. erſt nach ſeinem Tode im Fuͤeße-
ner Frieden Art. 1. erkant worden iſt. Moſers Ver-
ſuch 1. Th. S. 205.
keiner europaͤiſchen Nazion, auſſer Schweden erkant,
nach dem Altranſtaͤdter Frieden aber ſuchte dieſe Krone
die Anerkennung uͤberall zu bewuͤrken.
an die fremden Miniſter, nach Kaiſer Karls VI. Tode,
daß ſie die Koͤnigin von Ungarn und Boͤhmen ꝛc. Maria
Thereſia nicht erkennen moͤchten. ſ. Fabers Staats-
kanzley 79. Th. S. 532.
imperantem agnoſcendum eſt iuris Gentium; occa-
ſione denegatae agnitionis Aug. Imp. Franciſci legi-
time electi a rege Galliae ejusque foederatis. Gießae
1748. 4.
verſchiedene Beiſpiele in der Geſchichte: als Koͤnig Phi-
lips V. in Spanien, der Koͤnigin Chriſtine in Schwe-
den, Johann Caſimirs in Polen, Victor Amadens in
Sardinien, Kaiſer Karls VI. ꝛc. Doch haben auch
ſchon andere Nazionen ſolche als unguͤltig anſehn wollen.
Die letztere wolte beſonders der Papſt nicht erkennen,
und erklaͤrte ſie fuͤr null, weil die Reſignation nicht in
ſeine Haͤnde geſchehen ſey. Als die Koͤnigin Chriſtine
in Schweden abdankte und ihrem Vetter dem Pfalzgra-
fen Karl Guſtav die koͤnigliche Wuͤrde uͤbertrug, ſchickte
Koͤnig Johann Caſimit in Polen eine eigne Geſandſchaft
nach Schweden, eine ſolenne Proteſtation dagegen in-
zulegen, aber die Koͤnigin gab die nachdruͤckliche Ant-
wort: Mein Vetter wird euch mit dreiſſigtauſend Zeu-
gen beweiſen, daß er der rechtmaͤſſige Koͤnig in Schwe-
den ſey. Puffendorff de rebus geſtis Caroli Guſtavi
L. I. §. 43.
diſſ. de veneratione erga principem poſt abdicatum
imperium. Gedan 1723.
Ahaſ. Fritſchii tract. de reſignationibus imperatorum,
regum, principum etc. Gedan. 1669. 4.
Iuſt. Cph. Dithmar diſſ. de abdicatione regnorum alia-
rumque dignitatum illuſtrium. Frcf. 1724.
Mart. Haſſen diſſ. de conditione principis qui imperio
ſe abdicavit. Witeb. 1734.
Gewalt die Dethroniſation geſetzt iſt. ſ. Neyron prin-
cipes etc. c. III. art. 4. §. 81. Vergl. Imm. Weber
diſſ. de regnis ſub lege commiſſoria delatis. Gießae
1715.
in Raͤckſicht des durch ruſſiſche Macht vermeintlich ein-
gedrungenen Koͤnigs Stanislaus Auguſtus, den polni-
ſchen Thron fuͤr vacant, wurde aber von Rußland zum
Gehorſam gebracht. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th.
S. 365.
ſich dieſes Rechts, Koͤnige ab- und einzuſetzen, ehedem
angemaßt haben iſt bekant, und es entſtanden daruͤber
viele Streitigkeiten, als der Kardinal du Perron ihm
ſolches in verſchiedenen oͤffentlichen Reden in Frankreich
beilegte. ſ. Moſers Grundſaͤtze in Frzeit. S. 156. ff.
Nieder Elb. Magazin November 1788. S. 1290.
Auch der Koͤnig von Schweden Karl XII. verlangte die
Abſetzung Koͤnig Auguſts II. in Polen von den Staͤn-
den. Er ſchrieb an den Primas nach Anfuͤhrung vieler
ihr und das Koͤnigreich Polen angehender Beſchwerden
gegen ihn: Huic igitur malo mature preſcindendo
medium accommodatius vix adhiberi poteſt vllum,
quam ſi rex iſte throno quam primum dejiciatur
quippe qui ſe infracta toties legum et iuratae Capitu-
lationis fide reddit indignum. In quo cum non mi-
nus Reipublicae Veſtrae quam noſtra poſita ſit ſecu-
ritas, non poſſumus non huic rei perficiendae ſum-
mopere inſiſtere etc. Lamberty Memoires etc.
Tom. I. p. 639. Er erreichte auch bekantlich ſeine
Abſicht auf kurze Zeit im Altranſtaͤdter Frieden.
Entſetzung Koͤnig Auguſt II. in Polen von Koͤnig
E e 3Karl
[438]Von Antritt und Endigung der Regierung.
Karl XII. in Schweden allerdings fuͤr unrechtmaͤſſig
erklaͤrt.
Grundlehren S. 41. Koͤnig Ludewig XIV. bekriegte
die Vereinigten N. Lande und Grosbritannien wegen der
Abſetzung Koͤnig Jakob II. ſeines Bundesgenoſſen.
rum abdicatione. Vlm 1682.
Io. Phil. Palthenius diſſ. de dethroniſatione. Gry-
phisw. 1704. und Gundlings Anmerkungen daruͤber in
deſſen Otiis P. II. c. 6. S. 222. ff.
nicht bey den Streitigkeiten wegen der pragmatiſchen
Sanction. Moſers Verſuch 1. Th. S. 107.
Bey dem vor einigen Jahren mit dem Kardinal Rohan
ſich ereigneten Falle kam eine Schrift heraus: Frage:
ob ein teutſcher Fuͤrſtbiſchof von dem Papſte, ohne Zu-
ziehung des Kaiſers und Reichs auch nur als Biſchof ab-
geſetzt werden koͤnne? [Regensburg 1787. 4.]
I. G. c. II. §. 244. ſeqq. Vattel L. II. c. 3.
§. 41. ff. Real Science du Gouv. T. V. c. 5.
Sect. 6.
Viadr. 1676.
woͤhnlich den roͤmiſchen Kaiſer anzeigt. ſ. Moſers
Beitr. in Frzeit. 1. Th. S. 377.
Moſers Staatsrecht 3. Th. S. 22.
ausw. Staatsr. S. 9. f.
Monarchen-Titel eines Autocratoris; in deſſen Neben-
ſtunden Anh. zum 2ten Th. S. 285.
Ev. Otto tract. de titulo imperatoris Ruſſorum. Vltraj.
1722. Hal. 1724.
Mart. Schmeizel orat. de imperatoris titulo, quem
Czaarus Ruſſorum ſibi dari praetendit. Ien.
1722. 4.
Politiſches Bedenken uͤber die Frage: ob der kaiſerliche
Titel und Namen, unbeſchadet Kaiſerlicher Majeſtaͤt
und des roͤmiſchen Reichs allerhoͤchſter Wuͤrde, nicht
weniger der chriſtlichen Koͤnige und freien Staaten
Vorrecht und Intereſſe, dem Czaar communiciret wer-
den koͤnne? verfaſſet von F. L. N. D. d. B. [Frid.
Lud. Nob. Dom. de Berger] 1722. 4.
E e 5Burch.
[442]Von den Titeln, Wapen
[Burch. Gotth. Struvens] Grundmaͤſſige Unterſuchung
von dem Kaiſerl. Titel und Wuͤrde, wobey von der
Czaariſchen Titulatur und was maaſſen von Ihro
Czaariſchen Majeſtaͤt der Kaiſerliche Titel gefuͤhret
und praͤtendiret werde, gehandelt wird. Coͤln 1723. 4.
Jac. Paul von Gundlings Beſtand des roͤmiſchen Kaiſer-
titels. Riga 1724. 4.
L. IV. c. 2. §. 103. not. b. Der Urſprung des fran-
zoͤſiſchen Kaiſertitels ſoll, nach dem Vorgeben einiger
franzoͤſiſchen Schriftſteller, daher ruͤhren, daß Andreas
Palaͤologus, des letzten conſtantinopolitaniſchen Kaiſers
Conſtantins XI. Bruders Sohn und naͤchſter Erbe, ſeine
Rechte auf das morgenlaͤndiſche Kaiſerthum dem Koͤnige
Karl VIII. und ſeinen Nachfolgern abgetreten und dieſer
ſich darauf zu Rom zum morgenlaͤndiſchen Kaiſer erklaͤren
und von Papſt Alexander VI. habe kroͤnen laſſen. Die
tuͤrkiſchen Kaiſer geben Frankreich dieſen Titel ſchon vor
1618. und durch den ewigen Frieden 1673. iſt er aus-
druͤcklich bedungen. ſ. Eobald Toze Abhandl. von dem
kaiſerlichen Titel der Koͤnige von Frankreich; in deſſen
kleinen Schriften hiſt. und ſtatiſt. Inhalts, herausgege-
ben von Voigt. Leipz. 1791. 8. n. 7. S. 109 — 124.
lecta capita. Gieß. 1728. 4.
Io. Petr. de Ludewig differentiae Iuris Rom. et Germ.
in titulo Imperiali in Opuſc. p. 985.
Mehrere Schriftſteller ſ. m. in Puͤtters Literatur des teut-
ſchen Staatsrechts 2. Th. S. 107. ff.
Throns auf irgend eine Weiſe verluſtig worden ſind,
doch koͤnigliche Titel und Ehre gelaſſen, wie ſolche z. B.
dem Koͤnig Stanislaus Lesczynsky in Polen in den
Wiener Friedenspraͤlim. 1735. Art. 1. durch beſondere
Acten von Rußland und dem Koͤnige Auguſt in Polen,
und endlich im Def. Frieden 1738. Art. 6. bewilligt
wurden.
von Savoyen, die ihn vorher eigenmaͤchtig angenommen
hatten, 1633. wegen ihrer Anſpruͤche auf das Koͤnig-
reich Cypern, 1690. die Herzoge von Lothringen wegen
Jeruſalem vom Kaiſer das Praͤdicat: Koͤnigliche Ho-
heit erhalten. Dem Herzoge Karl Friedrich zu Holſtein
Gottorf wurde es von Schweden und nachher 1726.
auch vom Kaiſer beigelegt. Moſers Staatsr. 4. Th.
S. 193. ff. Deſſen Verſuch 1. Th. S. 242.
Savoye et les traitemens royaux que ſes Ambaſſa-
deurs recoivent de l’Empereur et de tous les rois
de la Chretienté. à Cologne 1701. 8.
Fr.
[444]Von den Titeln, Wapen
Fr. Carl v. Moſer von dem Titel: Hoheit, Alteſſe,
Alteſſe Seréniſſime etc. in deſſen kl. Schriften 7. Th.
S. 167. ff.
de Martens precis L. IV. c. 2. §. 104.
nigreich, Alexander III. ertheilte Alphons I. von Por-
tugal, gegen einen Zins, 1179. den Koͤnigstitel
[SchmausCorpus I. G. Tom. I. p. 3.]. In Sici-
lien wurde Roger II. vom Gegenpapſt Anaclet II. zum
Koͤnig erklaͤrt. Heinrich VIII. in Irrland, der ohne
den Papſt dieſen Titel annahm, erhielt auch noch von
dieſem ſolche Wuͤrde. Kaiſer Karl der Kahle erhob
Burgund zum Koͤnigreich. Ungarn gelangte durch Kaiſer
Heinrich II. 906. und durch den Papſt zu verſchiedenen
Zeiten dazu, Sardinien verdankte dieſe Wuͤrde Kaiſer
Friedrich I. ſ. Vattel droit des gens L. II. c. 3.
§. 45. Real Science du Gouvern. Tom. V. c. 4.
Sect. 6. Moſers Staatsrecht 4. Th. S. 108. ff.
6. Th. S. 35. ff. de Martens précis L. IV. c. 2.
§. 103. not. c. et d.
beſchwerte ſich uͤber den Kaiſer, daß er zur preuſſiſchen
Koͤnigswuͤrde die Haͤnde geboten ſans conſiderer qu’il
n’appartenoit qu’au St. Siège de faire des rois.
Lamberty Memoires Tom. I. p. 353.
ſ. Io.
[446]Von den Titeln, Wapen
ſ. Io. Petr. Ludwig diſſ. de auſpicio regum. Hal.
1701. und nachher unter dem Titel: de iure reges
appellandi. Hal. 1704. und in Opuſc. Miſcell.
Tom. I. p. 1 — 120.
Ejusdem Naeniae Pontificis de iure reges appellandi.
Hal. 1702. und in Opuſc. cit. Tom. I. p. 129.
auch teutſch: Paͤpſtlicher Unfug wider die Krone
Preuſſen, welche Clemens XI. in einem den 16.
April 1701. ausgeſtreuten irrigen Brevi zu Verklei-
nerung aller gekroͤnten Haͤupter begangen. Coͤln
1702. Dagegen erſchienen Joh. Heinr. Imhof
Anmerkungen contra ſcriptum Paͤpſtlicher Unfug
titulirt. Nuͤrnberg 1702. 8.
Dietr. Herm. Kemmerich diſſ. de Corona Boruſſiae.
Lipſ. 1704.
durch Vermittelung des damaligen Staats- und Kabi-
netsminiſter von Herzberg. ſ. von Herzberg hiſtoriſche
Nachrichten von dem ehemals von den Paͤpſten beſtrit-
tenen nunmehro aber anerkanten Preuſſiſchen Koͤnigstitel
in der Berliner Monatsſchrift Auguſt 1786. S. 101. ff.
Vergl. May 1787. S. 501.
Koͤhler in ſeiner Reichshiſtorie, daß der Kaiſer bey der
preuſſiſchen Koͤnigswuͤrde ſein Recht einigermaaſſen aus-
geuͤbt habe, indem die Erhebung mit Erlaubnis und
vorherigem Einverſtaͤndnis deſſelben geſchehen ſey.
ihr Fuͤrſtenthum Siebenbuͤrgen zu einem Grosfuͤrſtenthum,
und ſetzte es ohne Widerrede in die Titulatur. Moſers
Beitr. in Frz. 5. Th. S. 306.
erklaͤrte der Ruſſiſche Senat in einer Rede den Czaar
Peter zum Kaiſer, welchen Titel dieſer auch annahm.
kantlich 1701. in welchem Jahre Kurfuͤrſt Friedrich von
Brandenburg ſich ſelbſt zum Koͤnig erklaͤrte und den
18. Jan. zu Koͤnigsberg kroͤnen ließ.
§. 45. Ickſtatt L. II. c. 6. §. 20. Schrodt P. I.
c. 3. §. 25. Moſers Verſuch 1. Th. S. 279.
de Martens L. IV. c. 2. §. 102.
genten den Koͤnigstitel geben wolte, ſo daß andere Koͤnige
ſich ſeiner als Bruder ſchaͤmen muͤſten. Moſers Grund-
ſaͤtze in Frz. S. 109. Wegen der Anſpruͤche auf Preuſ-
ſen fand Polen die Errichtung der preuſſiſchen Koͤnigs-
wuͤrde anfangs bedenklich, und ſie wird deshalb von dem
teutſchen Orten noch bis itzt nicht anerkant.
derſelben bedient wieder zuruͤckgeben. Moſers Grund-
ſaͤtze in Frz. S. 111. Verſuch 1. Th. S. 281.
ligung des Kaiſertitels an Rußland heißt es: Les titres
ne ſont rien par eux-mêmes, ils n’ont de réalité
qu’antant qu’ils ſont reconnus, et leur valeur depend
de l’idée qu’on y attache et de l’étendue que leur
donnent ceux qui ont le droit de les admettre, de
les rejetter ou de les limiter. Les Souverains eux-
mêmes ne peuvent pas ſ’attribuer des titres à leur
choix, l’aveu de leurs ſujets ne ſuffit pas; celui des
autres puiſſances eſt neceſſaire, et chaque couronne
libre de reconnoitre ou de recuſer un titre nouveau,
peut auſſi l’adopter avec les modifications et les con-
ditions qui lui conviennent.Moſers Verſuch 1. Th.
S. 263. Bey Annahme der preuſſiſchen Krone gab
der neue Koͤnig daher auch der Republik Polen einen
Revers dahin: Cum titulum et dignitatem regalem —
reaſſumendam cenſeamus nihil ex hac Majeſtatica
praerogativa Pruſſiae noſtrae, quae nunc ducalis ap.
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. F fpellatur,
[450]Von den Titeln, Wapen
pellatur, praejudicii inferendum nec inferri poſſe iuri
ac poſſeſſioni regalis Pruſſiae qua Sereniſſ. Rex et
Respublica Poloniae gaudent neque vllam in eandem
Pruſſiam regalem praetentionem à nobis et ſucceſſo-
ribus noſtris inde vindicandam. Lamberty Mem.
Tom. I. p. 95. So behielt ſich auch Polen bey An-
erkennung des ruſſiſchen Titels: Kaiſerin aller Reuſſen
vor, daß man Rußland dadurch kein Recht auf das pol-
niſche Reuſſen eingeraͤumt haben wolle. Moſers Ver-
ſuch 1. Th. S. 267. 5. Th. S. 164. In Anſehung
der ruſſiſchen Kaiſerwuͤrde haben verſchiedene europaͤiſche
Nazionen ſich bedungen, daß dadurch keine weitere Vor-
zuͤge im Range ꝛc. bewilligt wuͤrden. Die Kaiſerin Ka-
tharina II. welche die ehedem deshalb ausgeſtelten beſon-
dern Reverſe nicht erneuern wolte, gab daher die aus-
druͤckliche Verſicherung: daß die Kaiſerwuͤrde keine Aen-
derung im Ceremoniel bewuͤrken ſolte. Der franzoͤſiſche
Geſandte erklaͤrte 1763. bey der foͤrmlichen Zugeſtehung
dieſes Titels: que ſi par la ſuite quelqu’un des ſuc-
ceſſeurs de l’Impératrice, oubliant cet engagement
ſolemnel et reciproque, venoit à former quelque pré-
tention contraire à l’uſage conſtamment ſuivie entre
les deux cours ſur le rang et la préſeance, dès ce
moment la Couronne de France par une juſte reci-
procité reprendroit ſon ancien ſtile et ceſſeroit de
donner le titre d’Impériale de Ruſſie. Eben dahin
ging auch die ſpaniſche Erklaͤrung. ſ. Moſers Verſuch
1. Th. S. 262. ff. Vergl. oben 1. Buch 3. K.
§. 32.
den Vicecanzler allen fremden Geſandten Nachricht da-
von geben, und ihnen Abdruͤcke von dem Schreiben Kai-
ſer Maximilian I. worinn er ihn Kaiſer genannt haben
ſolte, mittheilen, ſie entſchuldigten ſich aber damals
mit Mangel der Inſtruction. Moſer a. a. O. S. 259.
Von
[451]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
Von den Koͤnigl. Preuſſiſchen Notificationen. ſ. z. B.
Luͤnigs Reichs-Canzley Tom. V. p. 310.
den Erklaͤrungen von Frankreich und Spanien vom
18. Jan. und 5. Febr. 1763. beim Moſer a. a. O.
S. 263. ff. Desgleichen erkante Frankreich fuͤr ſich
und Namens Koͤnig Philip V. in Spanien den preuſ-
ſiſchen Koͤnigstitel im Utrechter Frieden 1713. Art. ſep.
Mit der Pforte wurde wegen des ruſſiſchen Kaiſertitels
im Belgrader Frieden 1739. Art. 12. feſtgeſetzt, ſich
kuͤnftig deshalb zu vergleichen. Die Anerkennung erfolg-
te auch in einem Vertrage 1741. und wurde in dem
Frieden zu Cainardgi 1774. Art. 13. wiederholt.
Kaiſertitel ſowohl von dem Kurfuͤrſtl. Kollegium zu
Frankfurt als von dem Reichstage, in den Recreden-
tialien fuͤr den ruſſiſchen Geſandten gebraucht wurden,
und auch Spanien 1759. der Kaiſerin ſolchen bereits
in einem Schreiben beigelegt haben ſoll. Moſers Beitr.
in Frz. 1. Th. S. 384. Auf Befehl ſeines Hofes
wuͤnſchte der preuſſiſche Geſandte dem Czaar Peter I. ſo-
gleich Gluͤck zur angenommenen Kaiſerwuͤrde.
von 1700. mit dem Kaiſer ſich daruͤber verglich.
widriges Benehmen an, wenn etwa nur ein oder zwey
Nazionen damit zuruͤckbleiben. Moſers Verſuch 1. Th.
S. 282. und deſſen Beitr. in Frz. 1. Th. S. 388.
Anerkennung geſchieht, ſo kann man es allerdings als
Beleidigung anſehn, ſolches erinnern, und, wenn kein
bloſſer Canzleyfehler ꝛc. dabey obwaltet, ſondern ſolche
wohl gar eine offenbare Beſchimpfung zum Grunde hat,
wohl noch zu ernſtlichern Maasregeln, als z. B. die
F f 2Auf-
[452]Von den Titeln, Wapen
Aufhebung aller wechſelſeitigen Gemeinſchaft und Cor-
reſpondenz ſchreiten. Die ruſſiſche Kaiſerin Katharina II.
erklaͤrte 1762. bey ihrer Thronbeſteigung: Que le titre
d’Imperial par ſa nature même etant une fois attaché
à la Couronne et à la Monarchie de Ruſſie et per-
petué depuis longues années et ſucceſſions ni Elle
ni ſes Succeſſeurs a perpetuité ni pourront plus —
entretenir quelque correſpondence avec des Puiſſances
qui refuſeront de reconnoitre le titre d’Imperial dans
les perſonnes des Souverains de toutes les Ruſſies,
ainſi que dans leur Couronne et leur Monarchie.
Moſers Verſuch 1. Th. S. 263. Beitr. in Frz.
1. Th. S. 385.
1723. von Preuſſen, den Vereinigten N. Landen und
Schweden, 1732. von Daͤnemark, 1739. von der
Pforte, 1742. von der Koͤnigin in Ungarn, 1745 und
1746. vom Kaiſer und Reich, 1745. von Frankreich,
1759. von Spanien, 1764. von Polen ꝛc. anerkant
worden. ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 258. de
Martens L. IV. c. 2. §. 103. not. f.
Der Preuſſiſche Koͤnigstitel wurde erkant 1700. vom
Kaiſer in voraus, 1701. von England, den Vereinig-
ten N. Landen, der Schweitz, Daͤnemark, Polen und
Portugal, 1713. von Frankreich und Spanien, 1723.
von Schweden ꝛc. ſ. Moſer a. a. O. S. 247. ff.
de Martens l. c.
Frz. S. 120. Deſſen Verſuch 1. Th. S. 234.
Auswaͤrt. Staatsrecht S. 11. ff.
ligion zugethanen Souverains den Titel: Paͤpſtliche
Heiligkeit bekomt. Aber auch die tuͤrkiſchen Kaiſer be-
kommen nicht durchgaͤngig die Majeſtaͤt. ſ. Moſers
Verſuch 1. Th. S. 238. f. de Martens L. IV. c. 2.
§. 104.
legenheit gegeben, daß der Roͤm. Kaiſer keinen andern
Monarchen Majeſtaͤt heiſſen wollen? in deſſen Gelehrt.
Anzeigen 3. Th. S. 274.
connoit et tient pour Roi, Sa Maj. Pruſſienne —
le dit Seigneur Roi tres pour une plus ample preuve
de Sa grande affection — declare par cet article par-
ticulier et promet tant de Son Chef propre que pour
ſes Succeſſeurs et au nom du — Philippe V. Roi
d’Eſpagne que S. M. T. C. et le Roi Catholique don-
neront dès à préſent et a perpetuité le titre de Ma-
jeſté au Roi de Pruſſe et à ſes heritiers Rois de la
même Monarchie, ſans le changer ni diminuer jamais,
ſous aucun prétexte et dans aucune occaſion.
ſchichten, dem Ceremoniel und dem Voͤlkerrecht erleitert;
in deſſen kl. Schriften 6. Th. S. 20.
das Praͤdicat der Koͤnige von Portugal heißt es von dem
Papſte: a qui en qualité de Vicaires ſur la terre de
Jeſus Chriſt, Roi des Rois et Seigneur des Seigneurs,
il appartient principalement d’orner et d’honorer
par des éloges particulières et des titres charactériſes
d’honneur ceux qui ont rendu des ſervices éclatants
à la foi catholique et a ce Saint Siège Apoſtolique.
in Ej. Synt. dignit. P. I. n. 2. u. 3.
D. I. Moller diſſ. de titulo Chriſtianiſſimi. Alt. 1694.
1. Th. S. 270.
geuͤbten Majeſtaͤtsrechten, beſonders aber in Ertheilung
der Titel denen gekroͤnten Haͤuptern und neuerdings erſt
beigelegten Apoſtoliſchen Namens der Koͤnigin von Un-
garn Maria Thereſia Maj. verborgene Abſichten 1759. 4.
paͤiſchen Regenten uͤblichen Titel z. B. eines Bruders,
des Unuͤberwindlichſten ꝛc. ſo wie mehrere aͤhnliche
Gegenſtaͤnde uͤbergehe ich hier, weil ſie mehr in die Ma-
terie vom Ceremoniel gehoͤren.
nien 1725. wird Art. 10. ausdruͤcklich bedungen: vt
Sacra Caeſarea Catholica Majeſtas Carolus VI. Roma-
norum Imperator et Sacra Regia Catholica Maj. Hiſ-
paniarum et Indiarum Rex Philippus V. titulis vtrin-
que aſſumtis in poſterum vtantur; haeredes vero et
eorum ſucceſſores titulos duntaxat eorum regnorum
et provinciarum in quorum poſſeſſione ſunt, aſſu-
mant aliis vero abſtineant.
latur mit einverleibt. So nahm Preuſſen, nach dem
mit Oeſterreich 1741. geſchloſſenen Frieden den Titel
von dem darin erhaltenen Niederſchleſien an. Auch
Oeſterreich ſetzte die 1773. von Polen erhaltenen Lande,
unter den Namen: Galizien und Lodomerieu, nach
Slavonien mit in die Titulatur. Moſers Beitr. in
Frz. 1. Th. S. 381. 391.
ſuch 1. Th. S. 280. Den von Kurfuͤrſt Karl Albrecht
in Bayern 1741. angenommenen Titel eines Koͤnigs in
Boͤhmen erkanten daher blos ſeine Bundsgenoſſen, andere
europaͤiſche Nazionen aber nicht. Moſers Beitr. in
Frz. 1. Th. S. 389.
wartſchaft auf Oſtfriesland 1733. Titel und Wapen
davon an. ſ. Moſers Reichsfama 14. Th. S. 1.
Eduard III. in England wegen ſeiner Anſpruͤche, die er
auf Frankreich machte, den Titel und das Wapen von
Frankreich an, und Spanien den Titel eines Koͤnigs
von Jeruſalem. ſ. Stiev Europ. Hofceremoniel S. 82.
an dem Fuͤrſtenthum Oranien an Frankreich ab, dieſes
verſtattete ihm iedoch die Freiheit, demienigen Theil von
Obergeldern, ſo an ihn abgetreten worden, den Namen
des Fuͤrſtenthums Oranien [beizulegen]et de retenir le
titre et les armoiries de cette même Prineipeauté.
der als Herzog von Lothringen ſich des Titels: Koͤnig
von Jeruſalem in einem Creditiv bedient hatte, ſolches
wieder zuruͤck, und er muſte ein anderes herbeyſchaffen.
Moſers Verſuch 1. Th. S. 246.
Verwahrungen finden ſich in den meiſten und beſonders
neuern Friedensſchluͤſſen, Vertraͤgen ꝛc. ꝛc. In dem
Aachner Frieden 1748. heißt es z. B. im erſten Sepa-
ratartikel: Quelques uns des titres employés par les
Puiſſances contractantes, ſoit dans les pleinpouvoirs
et autres actes, pendant le Cours de la negociation,
ſoit dans le préambule du préſent traité, n’étant pas
géneralement reconnus, il a été convenu qu’il ne
pourroit jamais en reſulter aucun prejudice pour au-
cune des dites Parties contractantes; et que les
titres pris ou omis de part et d’autre à l’occaſion de
la dite négociation et du préſent traité ne pourront
être cités ni tirés à conſequence. Vergl. Wiener Frie-
denspraͤlim. 1735. und Def. Fr. 1738. Art. ſep.
Pariſer Frieden zwiſchen Frankreich und Grosbritannien
1763.
[461]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
1763. Art. ſep. I. Huberlsburger Frieden zwiſchen
Sachſen und Preuſſen Art. ſep. 3. Def. Fr. zwiſchen
Frankreich und Grosbritannien; ingl. Grosbritannien
und Spanien 1783. Art. ſep. 1. ſ. Moſers Verſuch
1. Th. S. 245.
Frieden zwiſchen Rußland und Schweden 1743. ver-
ſprachen die Bevolmaͤchtigten des letztern Hofes, in
einer beſondern Acte: Que Sa Majeſté — et ſes Suc-
ceſſeurs ne porteront jamais dans leurs titres royaux,
ceux des Provinces et Pays qui ont été cédés par la
paix de Nyſtadt et par le préſent traité d’Abo à
l’Empire de Ruſſie, mais qu’ils ſeront portés par
Sa M. Imperiale de toutes les Ruſſies et ſes ſucceſſeurs
et deſcendens leur cedant entierement de ſ’en pou-
voir ſervir ſuivant leur bon plaiſir et S. M. Suedoiſe
ne refuſera pas de les reconnoitre dans toutes les
occaſions en S. M. Imperiale. Im Berliner Frieden
zwiſchen der Koͤnigin in Ungarn und dem Koͤnige von
Preuſſen 1742. wurde wegen des an letztere Krone ab-
getretenen Schleſiens ꝛc. Art. 13. bedungen: S. M. la
Reine de Hongrie et de Boheme etc. donneront dès-à
préſent, et pour toujours à S. M. le Roi de Pruſſe —
à perpetuité le titre de Duc Souverain de Sileſie et
de Comte Souverain de Glatz, bien entendu, que le
même titre de Duc Souverain de Sileſie ſera pareille-
ment donné à Sa M. la Reine de Hongrie et de Bo-
hême et a ſes heritiers et ſucceſſeurs à perpetuité.
oben die Beiſpiele wegen Preuſſen und Reuſſen ange-
fuͤhrt habe. Auch in dem Frieden zu Sioͤrnd zwiſchen
Daͤnemark und Schweden 1613. wurde feſtgeſetzt, daß
wenn der Koͤnig in Schweden den Titel wegen der Lappen
fuͤhren wolte, ſo ſollen darunter keinesweges die in der
See
[462]Von den Titeln, Wapen
See gelegenen, ſondern nur die der Krone Schweden
allein unterworfene Lappenmark zu verſtehen ſeyn.
in Frankreich und die Koͤnigin Maria von Schottland
Verzicht auf Titel und Wapen von England und Irrland.
Vermoͤge des Friedens zu Stolbova zwiſchen Rußland
und Schweden 1617. Art. 13. verſpricht Rußland,
ſich des Titels von Liefland nicht zu bedienen.
Art. 5. zu Folge: Titulis et Inſignibus Livoniae tam
Sacra Regia Majeſtas Poloniae ejusque ſucceſſores
Reges Poloniae Magnique Duces Lithuaniae natione
Auſtralis Livoniae, quam Sacra Regia Maj. Sueciae
ejusque ſucceſſores Reges Sueciae, rectione ſepten-
trionalis Livoniae ſub titulo ducatus promiſcue vtentur.
gegen den Herzog von Anjou, der ſich in Beſitz des Koͤ-
nigreichs Spanien geſetzt hatte, unter andern: Philippi
Andegavenſis effigies typis Pariſienſibus excuſſae per
Europam ſparſae cum inſcriptione Regnorum, quae
iure ſucceſſionis Hiſpanicae adierat, et inter ea Lu-
ſitania eſt addita. Quod cum Luſitanus orator Pari-
ſiis apud Croiſſium quereretur, is factum excuſavit,
alicujus de plebe temeritati inconſultae aſſignare co-
natus; pollicitusque eſt curaturum, vt ejusmodi ef-
figies ſupprimerentur: Verum nihilominus illis per
Europam volitantibus, non multo poſt potuit non
privato, ſed publico conſilio ei inſcriptioni interpo-
ſitum Luſitaniae regnum; ſi quidem ſagis militaribus,
et vexillis, quae cura Pariſienſis aulae in Gallia ſunt
elaborata ad ornandam turmam Philippi Andegavenſis
cuſtodiae attributam, inſignia ſunt aſſuta phrygio
opere, in quibus Regni Luſitani ſtemma aliis immix-
tum videre eſt. Quod etſi riſum potius quam ſtoma-
chum movere poſſit, haud dubium eſt quin id con-
ſulto
[463]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
ſulto fuerit factum vt miſeram plebem Hiſpanorum,
et ſi qui ſunt nobilium, judicio et rerum ignorantia
plebi haud abſimiles, hac vana et falſa ſpe allectent
Luſitaniae recuperandae; ſcilicet vt cum ipſi liberta-
tis indigeant, liberis populis imperitent. Quo qui-
dem nihil poteſt eſſe inconſideratius aut dementius.
Lamberty Memoires Tom. III. p. 285.
Frz. S. 114. ff. erſte Grundlehren S. 44. ff. und
deſſen Verſuch 1. Th. S. 278.
Rußland ließ, als er den Thron beſtieg, allen auswaͤr-
tigen
[464]Von den Titeln, Wapen
tigen Hoͤfen anzeigen, was fuͤr einer Titulatur man ſich
kuͤnftig in den Schreiben an den Kaiſer in Rußland be-
dienen ſolle. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 393.
Auch 1748. ließ Rußland ſeine veraͤnderte kaiſerliche
Titulatur dem Reichstage und dem Schwaͤbiſchen Kraiſe ꝛc.
mittheilen. ſ. Reuß teutſche Staatskanzley 6. Th.
S. 439. 16. Th. S. 56.
den 1660. wurde Art. 3. dem Koͤnig Caſimir von Po-
len auf ſeine Lebenszeit erlaubt, ſich des Titels und
Wapens von Schweden gegen alle Fuͤrſten und privatos,
Schweden ausgenommen, zu bedienen. Wie im Wiener
Frieden 1725. zwiſchen Kaiſer Karl VI. und Spanien
bedungen worden, die angenommenen Titulaturen blos
auf Lebenszeit zu gebrauchen, habe ich ſchon angefuͤhrt.
Polen 1672. Art. 17. wurde feſtgeſetzt, daß die auf
den Grenzen wohnenden Privati von beiden Theilen nicht
gehalten ſeyn ſolten, den ganzen Titel beider Potentaten
auszuſchreiben, ſondern nur die Worte: Sr. Koͤnig-
liche Majeſtaͤt und Sr. Czaariſche Majeſtaͤt.
Fuͤhrung des Schwediſchen Wapens der drey Kronen
von Daͤnemark lange Streit, bis beide Theile im
Sioͤrader Frieden 1613. ſich verglichen: vt omnis de
Coronis hisce tribus diſputatio deinceps cenſeatur
abolita nec vnquam a ſucceſſoribus regibus Daniae
Sueciaeve repetenda ſit, ſed liberum tam Daniae
quam Sueciae regibus erit, praeſato inſigni trium co-
ronarum absque impedimento in perpetuum vti frui-
que, cauto tamen, ne Nos vel ſucceſſores noſtri,
Reges Daniae, vſu harum trium Coronarum quidquam
iuris nobis in Sueciae regnum attribuamus, ſed re-
nunciationi hac in re ſtandum, quae Stettinenſibus
pactis comprehenſa eſt. Vergl. Dan. Guil. Moller
diſſ. de tribus Regni Sueciae Coronis. Altorf. 1696.
Polen uͤber einige Lande an Oeſterreich 1773. heißt es
Art. 2. auch: ils renoncent auſſi aux titres et aux
Armes de Ruſſie et des autres pays dont les Rois de
Pologne ne feront plus aucun vſage.
I. C. Becmann diſſ. de inſigniis regiis; in Syntag.
dignit. P. I. n. 7.
Fr. Aug. Guil. Wenck progr. de acquiſitione inſignium
alienorum. Lipſ. 1781.
ſuch 1. Th. S. 333. de Martens L. V. §. 143.
Nach Moſers Meinung kann ein Souverain, welcher
mehrere Orden erhaͤlt, die nach den Statuten ſich mit
einander nicht vertragen, den geringern wieder zuruͤck-
ſchicken. ſ. deſſen Beitr. in Frz. 2. Th. S. 549.
ley Namen koͤnnen Orden von verſchiedenen Nazionen
errichtet werden; nicht leicht geſchieht es aber, daß ein
und derſelbe Orden von mehrern vergeben wird, wie der
Orden vom goldenen Vließ. ſ. de Martens L. V.
§. cit. Die Ritter derienigen Orden, die man nicht
auerkennt, werden gewoͤnlich nicht bey Hofe zugelaſſen.
Moſers Grundſaͤtze in Frz. S. 154.
ein Kaiſerlich Koͤniglich Ungariſches Circular-Reſcript,
worinn allen hohen Generalsperſonen bey allerhoͤchſter
Ungnade verboten wurde, kuͤnftig mehr einen fremden
Orden, Gnaden- und Ehrenzeichen von auswaͤrtigen Po-
tenzen anzunehmen, noch weniger dergleichen zu ſuchen.
Herzogen von Burgund her, und das Recht, ihn zu
vergeben, war in der Folge blos bey den Koͤnigen von
Spanien. Nach Abſterben Karls II. wurde, neben den
uͤbrigen Erbfolgsangelegenheiten, auch das Grosmeiſter-
thum dieſes Ordens, und das Recht, ihn zu vergeben,
zwiſchen den nachherigen Koͤnigen in Spanien aus dem
Hauſe Burbon und dem Hauſe Oeſterreich ſtreitig. Beide
verlangten ſolche ausſchließlich. Der Streit iſt oͤfters
rege geworden, und es haben auch auswaͤrtige Maͤchte,
beſonders bey dem Aachner Frieden, ihre Vermittelung
dabey angeboten. In den Praͤliminarien wurde Art. 13.
beliebt: S. M. Britannique, S. M. Très-Chretienne
et les Seigneurs Etats Généraux des Provinces unies
ſ’engagent à interpoſer leurs bons offices et leurs
ſoins amiables pour faire regler et decider par le
Congrès général le differend concernant la Grande-
Maitriſe de l’ordre de la toiſon d’or. In dem Defi-
nitivfrieden kam aber nichts davon vor. Spanien er-
klaͤrte dagegen: Sa Mejeſté ne connoit aucune Puiſſance
G g 2ſur
[468]Von den Titeln, Wapen
ſur la terre a qui il appartienne de les lui conteſter et
encore moins d’en juger, ni par conſequent de qui
la reconnoiſſance ou non reconnoiſſance ſoient ca-
pables de les valider ou de les invalider. Proteſtant
ſeulement contre toutes inductions, que quiconque
peu inſtruits des droits et attributs des Couronnes
pourroient tirer tant de l’Article XIII. des Prélimi-
naires que du ſilence du traité definitif, au prejudice
d’un droit et d’une poſſeſſion attachés inſeparable-
ment à la Couronne d’Eſpagne. Auch von Seiten
der Koͤnigin in Ungarn wurde erklaͤrt: Pour qu’il ne
reſte aucun doute à la poſterité et pour que le ſilence
de S. M. ne puiſſe à jamais être interpreté comme
prejudiciable ou une renonciation aux droits incon-
teſtables de la Grande-Maitriſe de l’ordre de la toi-
ſon d’or attachés à ſon ſang et à la Souveraineté des
Pays-bas S. M. proteſte de la manière la plus ſolem-
nelle — contre tout ce qui pourroit être directe-
ment ou indirectement quelque prejudice à cet égard.
Indes wird dieſer Orden, dem Vorgeben nach vermoͤge
beſonderer Convention, von beiden Hoͤfen vergeben.
Moſers Verſuch 2. Th. S. 501. ff.
Caeſarini Charitini [J. J. Moſers] Nichtigkeit der
ſpaniſchen Praͤtenſionen auf den Ritterorden des gold-
nen Vlieſſes. Eßlingen 1723.
Io. Dan. Gruber vindiciae Auſtriacae pro aurei velleris
ordine. Hal. 1724.
Io. Petr. de Birckenſtock diſſ. de legitimo et ſupremo
capite aurei velleris ad illuſtrandum Art 13. Prae-
lim. Pacis Aquisgran. Erf. 1748.
Ge. Henr. Ayrer diſſ. magnum magiſterium equeſtris
ordinis aurei velleris Burgundico-Auſtriacum foe-
mino-Maſculinum. Gotting. 1748. und de col-
liſione proteſtationum illuſtrium etiam noviſſimam
circa
[469]und andern Ehrenzeichen der Regenten.
circa quaeſtionem: quis ſit caput legitimum Ordi-
nis aurei velleris. Gotting. 1749. M. ſ. Puͤt-
ters Litteratur des teutſch. Staatsr. 3. Th. S. 214. ff.
mark 1658. Art. ſecret. 2. wurde verglichen: Vt
omnia quae errores quosdam poſt ſe trahere vel ani-
mos ab hac vel illa parte exulcerare et diſtrahere poſ-
ſint, penitus eradicentur et e medio tollantur, in
majorem pacis confirmationem et augmentum, con-
ventum invicem eſt, vt periſtromata illa ſeu Tapetia
quae in ignominiam et dedecus Regni Suecici con-
texta heic in Dania aſſervantur et cuſtodiuntur aliis
coloribus ſuperilliniantur.
Ad. Balth. Werner diſſ. de iure S. R. Imp. principum
proprios titulos augendi. Altorf. 1702.
1760. das Hochſtift Waͤrzburg die Fuͤrſten von Hohen-
lohe Waldenburg, weil ſie ſich vom Kaiſer das Wuͤrz-
burgiſche Wappen hatten beilegen laſſen. Ebendaſelbſt
S. 16.
1. Th. S. 243. Die Preuſſiſche Koͤnigswuͤrde wolten
Kur Koͤln und Kur-Baiern, auf Anregen des teutſchen
Ordens, nicht anerkennen. Ebendaſelbſt S. 248.
Im Inſtrum. P. O. Art. X. §. 4. wurde bedungen:
titulis et infigniis Pomeraniae tam regia domus quam
Brandenburgica promiſcue vtantur more inter priores
Pomeraniae Duces vſitato, Regia quidem perpetuo;
Brandenburgica vero quamdiu vllus e maſculina linea
ſuperſuerit.
Die Hannoͤveriſche Kurwuͤrde erkante Frankreich im
Raſtadter Frieden mit dem Kaiſer 1714. Art. 14. wo
es heißt: La maiſon de Brunſuic-Hanovre ayant été
élevé par l’Empereur, du conſentement de l’Empire,
G g 4à
[472]Von den Titeln, Wapen
à la dignité Electorale S. M. Très-Chretienne recon-
noitra, en vertu de ce traité, cette dignité Electo-
rale dans la dite maiſon.
Hingegen muſte Bayern in dem Frieden zu Fuͤeſſen
1745. ſich des angenommenen Titels eines Erzherzogs
von Oeſterreich begeben. Moſers Verſuch 1. Th.
S. 110.
und das Wapen von Meckelnburg ꝛc. wegen der ihm er-
theilten Anwartſchaft, und zwar mit Genehmigung des
Herzogs von Meckelnburg Schwerin an, aber Meckeln-
burg Strelitz proteſtirte dagegen ſowohl bey Brandenburg
als bey Meckelnburg Schwerin. ſ. Fabers Staatskanz-
ley 14. Th. S. 33. ff. ed. nov.
ner Frieden 1779. Art. ſep. verglichen: que les titres
employés ou omis de part et d’autre, à l’occaſion
de la preſente negociation dans les Pleinpouvoirs ou
autres Actes ou par tout ailleurs ne pourront être
cités ni tirer à conſequence, et qu’il ne pourra jamais
en reſulter aucun prejudice pour aucune des parties
intereſſées.
nachbarl. Staatsr. S. 14. ff.
de honoribus regiis principum electorum. Lipſ. 1771.
nicht, und in andern Faͤllen, wo die Eigenſchaft der
Reichsſtandſchaft in Betrachtung komt, wird geſetzt:
Euer Majeſtaͤt, als Kurfuͤrſten ꝛc. zu .... Liebden. Was
Kurbrandenburg und Braunſchweig auf dem letztern Kai-
ſerwahltage wegen der Majeſtaͤt in der Wahlcapitula-
tion erinnert aber nicht erhalten haben, iſt aus den in
Druck erſchienenen Protocollen zu erſehen. ſ. Moſers
Verſuch 1. Th. S. 236.
S. 336. 2. Th. S 565.
a. a. O.
Aug. Hellfeld VII. Tomes. Ien. 1743. ſeqq. 4.
Io. Fr. Wilh. de Neumann inſtitutiones iuris princi-
pum privati. Frcſ. et Lipſ. 1747. und Meditatio-
G g 5nes
[474]Von den perſoͤnlichen Verhaͤltniſſen
nes iuris principum privati IX. Tom. Lipſ. 1747.
ſeqq. 4.
droit d. g. C. IV. art. 2. §. 112. Bey der 1771.
dem Koͤnige in Polen gedachten Lebensgefahr ſchrieb der
Koͤnig in Preuſſen an den erſtern: C’eſt une affaire
qui intereſſe tous les ſouverains, et ce trait, auſſi
noir qu’inhumain de la part des Confêdéres mérite-
roit que toutes les Puiſſances de l’Europe ſe reuniſ-
ſent et tiraſſent une vengeance éclatante de cet enorme
forfait dont ils ſe ſont rendu coupables. Moſers
Verſuch 1. Th. S. 285. ff.
her den Koͤnig von Preuſſen durch den Grafen Kaunitz
benachrichtigen, daß eine Verſchwoͤrung wider ihn im
Werke ſey. Der Koͤnig antwortete ihr, daß er der Kai-
ſerin fuͤr die Nachricht, die ſie ihm zu erteilen die Guͤte
gehabt haͤtte, verbunden ſey; daß es aber zwey Arten
des Meichelmords gebe, die eine durch den Dolch, die
andere durch entehrende Schandſchriften, und daß er,
wie er die Kaiſerin verſichern koͤnte, die erſte Art wenig
achte,
[475]der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.
achte, gegen die andere aber empfindlicher ſey. Oeuvres
poſth. du Roi de Pruſſe Tom. III.
violabili. Ien. 1703.
vom 17. Maͤrz 1727. beſchwert ſich z. B. der Kaiſer
uͤber Grosbritannien: Wie Allerhoͤchſt Kaiſerliche Maje-
ſtaͤt durch die letzte koͤnigliche Anrede an das grosbritan-
niſche Parlament in Ihro allerhoͤchſten Perſon, Ehre
und Wuͤrden angegriffen, als ein Stoͤhrer des algemei-
nen Friedens und Mißhaͤndler der errichteten Tractaten
auf eine unter gekroͤnten und in wuͤrklicher Feindſeelig-
keit nicht begriffenen Haͤuptern ohnerhoͤrte Art vorgeſtellet,
auch weiters der mit Spanien in puris terminis foederis
defenſivi geſchloſſene — Allianztractat wider deſſelben
klaren Buchſtaben, Natur und Eigenſchaft ſo gehaͤſſig
und ungegruͤndet angegeben worden, als ob Ihro Kaiſerl.
Maj. mit der Kron Spanien einen Offeuſivtractat in
Favor des Praͤtendenten, um denſelben auf den engli-
ſchen Thron zu bringen, wuͤrklich errichtet haͤtten ꝛc.
ſ. Moſers Reichsfama 1. Th. S. 381.
gleichen Gelegenheiten gegen die Paͤpſte erniedrigen muͤſ-
ſen, iſt aus der Geſchichte bekant, und weiter unten
wird noch etwas von Abbitten landesherrlicher Staaten
gegen Souverains vorkommen. Von Duellen regierender
Herrn und ihrer Zulaͤſſigkeit wird wohl heutzutage nicht
leicht die Frage ſeyn. ſ. Io. Georg Scherz diſſ. de
duellis principum. Arg. 1707.
ſandſchaftlichen Note uͤber Grosbritannien wegen einer
den Czaar betreffenden Schrift, die von dem Hofbuch-
drucker gedruckt worden, welche durchgehends ehrenruͤh-
rig, mit ſo ungewoͤnlichen Expreſſionen angefuͤllt, auch
voller Schmaͤhungen und von einem uͤbelgeſinten Men-
ſchen verfertigt und in der That, wie Ihro Czaaril. Maj.
davor halten, eine wahrhafte Schmaͤhſchrift ſey, —
Ihro Maj. hieß es, halten dieſe Schmaͤhſchrift einer
Antwort
[477]der Regenten gegen einander n. d. Voͤlkerrecht.
Antwort unwuͤrdig, auch fuͤr unnoͤthig, die in ſelber ent-
haltenen Schmaͤhungen und Unwahrheiten zu widerlegen,
ſondern Sie ſchicken dieſelbe wieder dahin zuruͤck, wohin
dergleichen Arten von Schriften gehoͤren, wodurch die
Ehre und Wuͤrde groſſer Souverainen angegriffen wer-
den. Ihro Czaarl. Maj. haben mir blos befohlen, Ew.
Maj. zu bitten, daß ſie befehlen moͤchten, daß Ew.
Maj. Miniſterium inskuͤnftige ſich gegen Ihro Czaarl.
Maj. diesfals alſo auffuͤhren und dieienige Manier ge-
brauchen ſolle, die bey dergleichen Gelegenheiten unter
civiliſirten Nazionen gegen groſſe Fuͤrſten zu beobachten
Herkommens iſt ꝛc. Schmaus Einleitung zur Staats-
wiſſenſchaft 2. Th. S. 491.
gekommen. 1748. befahl der Koͤnig in Schweden ſei-
nem Miniſter zu Regensburg: Comme il nous a été
repreſenté que le Gazetier de Cologne de tems à
autre a inſéré dans ſes papiers des expreſſions Mo-
quantes contre nous et contre notre royaume et que
par conſequent nous devions faire attention aux
moiens les plus propres pour reprimer une temerité
ſi effrenée. Nous avons donc jugé à propos de vous
ordonner de répréſenter aux Miniſtres Allemands qui
ſe trouvent à Ratisbonne, que, quoique l’inſolence
de ce Gazetier ne merite que du mepris, les dits
Miniſtres ſavent pourtant bien eux mêmes qu’il n’eſt
pas poſſible de paſſer ſous ſilence une entrepriſe ſi
digne de chatiment, et qu’ils ne peuvent ſe dispen-
ſer de ſ’intereſſer dans cette affaire particulièrement
par les égards que les têtes Couronnées et les Princes
ſe doivent les uns aux autres, vu ce qui ſe fait au-
jourd’hui à une Puiſſance peut demain ſe faire à une
autre. Moſers Verſuch 1. Th. S. 247.
pem committatur crimen laeſae majeſtatis. Lipſ.
1675. 4.
ſiſche Kaiſerin 1787. der Pforte ſogar Nachricht von
ihrer vorhabenden Reiſe an die Grenzen des tuͤrkiſchen
Reichs erteilen. Polit. Journ. Maͤrz 1787. S. 257.
Grundlehren S. 47.
habe.
der Grosherzog von Toſcana 1738. im Venetianiſchen
Quarantaine halten.
peregrinantis odioſis. Martisb. 1730.
Grundſaͤtze in Frz. S. 128. de Martens L. V.
§. 144. 45.
land, daß ihm zu Riga auf ſeiner Reiſe incognito im
Gefolge ſeiner Geſandſchaft nicht Ehre genug erzeigt
worden. ſ. de Martens l. c.
rium locorum concurrente poteſtate. Frcf. 1684.
Tit. II. §. 12. wiewohl verſchiedene andere Rechtsleh-
rer das Gegentheil behaupten, als Puffendorff I. Nat.
et G. L. VIII. c. 4. n. 21. vergl. de Martens L. V.
§. 146. Einige machen den allerdings nicht unwichti-
gen Unterſchied, ob der fremde Souverain mit oder ohne
Erlaubnis in des andern Territorium gekommen, und
glauben, daß im erſtern Falle ihm die Befreiung zugleich
mit bewilligt ſey.
Regierung bereits niedergelegt hatte, ihren Oberſtallmei-
ſter Monaldeſchki im franzoͤſiſchen Gebiete hinrichten lies,
bezeigte der Koͤnig in Frankreich groſſes Misfallen daruͤber.
cipem in proprio vel alterius territorio delinquentem.
Erſ. 1717.
Daͤnemark und der Grosmeiſter zu Malta dem Koͤnig in
Frankreich jaͤhrlich einige Falken ꝛc. de Martens L. V.
§. 142. not. b. u. c,
ienigen Hoͤflichkeiten der groſſen Welt, welche ihren Ur-
ſprung nicht in dem auf Vertraͤgen oder dem Herkommen
begruͤndeten Ceremoniel haben; in deſſen kleinen Schrif-
ten 1. Th. S. 1.
d’Amſt. 1732.
einigten N. Lande den Koͤnig von Preuſſen, wegen der
oraniſchen Verlaſſenſchaft vor ihren Gerichtshof, und
dieſer hatte kein Bedenken zu erſcheinen.
1. Th. S. 306.
Fr. Chr. Wilh. von Steck Abhandl. vom dem Gemal einer
Koͤnigin. Berlin 1777. 8.
Joh.
[485]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
Joh. Jul. Surland Abhandl. vom Gemal einer Koͤnigin.
Halle 1777. 8.
nen Tochter Karls, des letzten Herzogs von Burgund,
Maria, mit Ludewig XII. Koͤnigs in Frankreich Bruder,
den Herzog von Guyenne zu verhindern.
in Frankreich und der Herzogin Anna von Bretagne
1491. wurde auf den Fall, wenn der Koͤnig ohne Er-
ben verſtuͤrbe bedungen: pour éviter les dites incom-
modités de guerre, — que la dite dame ne convo-
lera à autres nopces fors avec le Roi ſutur, ſ’il lui
plaiſt et faire ſe peut, ou a autre prochain et pré-
ſomptif futur Succeſſeur de la Couronne etc. Recueil
des Traités Tom. I. p. 753 a.
Spanien 1493. verſpricht letzteres Art. 4. Nos dicti
Ferdinandus et Eliſabeth Rex et Regina Hispaniae
non copulabimus ſeu iungemus aliquo modo matri-
monio liberos noſtros cum regibus Romanorum et
Angliae, neque cum liberis eorundem neque cum
inimicis declaratis dicti Chriſtianiſſimi Regis Franco-
rum absque ejusdem regis voluntate et conſenſu etc.
Bey der Wahl des Hauſes Oranien zu der Erbſtatthal-
terſchaft der Vereinigten N. Lande 1747. wurde bedun-
gen, daß ſolche, nach Abgang des Mannsſtammes auf
die Prinzeſſin Tochter und derſelben Nachkommen fallen
ſolte, doch daß deren Gemal weder ein Koͤnig noch Kur-
fuͤrſt ſey. Moſers Beitr. in Frz. 1. Th. S. 372.
den mit Heinrich VIII. in England ſeine Vermaͤhlung
mit deſſen Schweſter Maria; und Koͤnig Philipp IV.
H h 3in
[486]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
in Spanien muſte im Pyrenaͤiſchen Frieden 1659. die
Vermaͤhlung ſeiner aͤlteſten Infantin Maria Thereſia mit
Ludewig XIV. in Frankreich bewilligen. Um die Ver-
maͤhlung Koͤnig Eduard IV. in England mit der Koͤnigin
Maria von Schottland zu bewuͤrken, bekriegte der Pro-
tector 1547. dieſes Koͤnigreich.
in Spanien gegen die Koͤnigin Eliſabeth in England,
welche die Vermaͤhlung mit ihm ausſchlug. ſ. Glafeys
V. R. S. 92.
garethe, die Tochter des Roͤm. Koͤnigs, Maximilian,
ihrem Vater wieder zuruͤck ſchickte, ſo kam es daruͤber
zum Krieg.
S. 316.
Herrn; in deſſen kl. Schriften 1. Th. S. 291.
Grundlehr. S. 50. u. 52.
principum. Hal. 1700. vergl. Moſers Grundſ. in
Frz. S. 173. Deſſen Verſuch 1. Th. S. 181.
die ſpaniſche Erbfolge, dem Kurprinzen von Bayern zu
Regierung ſeines ihm zugedachten Theils, waͤhrend der
Minderiaͤhrigkeit, ſein Vater zum Vormund und Cura-
tor beſtimt. So ſetzte man auch in der Quadrupelallianz
1718, wo wegen der Erbfolge in Parma und Placenz
die Verordnung gemacht wurde, daß ſie von keinem Koͤ-
nige in Spanien beſeſſen werden ſolten, zugleich feſt,
daß auch kein Koͤnig von Spanien die Vormundſchaft
uͤber einen unmuͤndigen Regenten derſelben fuͤhren duͤrfte.
ſ. Moſers Verſuch 1. Th. S. 135.
ſuch 1. Th. S. 317. Als die Koͤnigin Mathilde von
Daͤnemark, bey der bekanten groſſen Revolution ins Ge-
faͤngnis gerieth, erklaͤrte der grosbritanniſche Geſandte
warnend dem Grafen Oſten: daß man ſich an der hoͤch-
ſten Perſon der Koͤnigin nicht vergreifen ſolte, und drohte
mit der ſtrengſten Rache ſeines Hofes, wenn man ſich
beigehn lieſſe, die mindeſte Gewaltthaͤtigkeit wider ſie zu
veruͤben. Der Grosbritanniſche Hof billigte dies Be-
nehmen des Geſandten, uͤberlies iedoch dem Koͤnig von
Daͤuemark die Entſcheidung des Schickſals ſeiner Gema-
lin, und begehrte nur, daß man in Behandlung dieſer
Fuͤrſtin die ihrer Geburt und ihrer Wuͤrde gebuͤhrende
Aufmerkſamkeit in nichts verletzen ſolte. ſ. Avthen-
tiſche Aufklaͤrung uͤber die Geſchichte der Grafen Struen-
ſee und Brand. German. 1788. 8. S. 188.
Bey Gelegenheit der Gefangenſchaft des Kronprinzen
von Preuſſen, erlieſſen verſchiedene Hoͤfe Interceſſions-
ſchreiben an den Koͤnig Friedrich Wilhelm. Auch gehoͤrt
hierher das Beiſpiel des Prinzen Alexis in Rußland.
Grundlehren S. 52.
dachter Revolution in Daͤnemark ließ der Graf von Oſten,
Miniſter des auswaͤrtigen Departements, die fremden
Geſandten zu ſich einladen, eroͤfnete ihnen die bey Hofe
vorgegangenen Veraͤnderungen, und that ihnen im Na-
Guͤnth. Voͤlk. R. 2. B. J imen
[490]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
men des Koͤnigs die Erklaͤrung: Daß dieſe Vorgaͤnge
die koͤnigliche Familie und das Innere des Reichs allein
betraͤfen, und keinen Einflus auf die Geſinnungen ſeines
Herrn gegen die andern Hoͤfe haben wuͤrden. Avthen-
tiſche Aufklaͤrung ꝛc. S. 187.
Beiſpiele Koͤnig Ludewig XIV. in Frankreich bey dem
Tode der Kaiſer Leopold I. und Joſeph I. bezeugen. de
Martens l. c. §. 140. not. b.
S. 145. ff.
ten Niederlande erklaͤrte der Koͤniglich Preuſſiſche Ge-
ſandte im Haag, Herr von Thulemeyer, den Deputirten
der vornehmſten Staͤdte, Namens Sr. Preuſſil. Maj-
daß Hoͤchſtdieſelben bey ſo groben Laͤſterungen gegen den
Erbſtatthalter und deſſen Gemalin und der verweigerten
Gerechtigkeit nicht laͤnger anſtehn koͤnten, ſich auf kraͤf-
tige Art Ihrer hohen Blutsverwandten anzuneh-
men. Polit. Journ. December 1782. S. 582. Und
in Ruͤckſicht der Beleidigung, welche der Gemalin des
Erbſtatthalters auf der Reiſe in die Provinz Holland
zugefuͤgt wurde, indem man ſie zu Schonhooven anhielt,
alle Zugaͤnge ihres Hauſes mit Wache beſetzte und ſogar
einen mit entbloͤßtem Degen bewafneten Officier in ihr
Zimmer ſtelte, erklaͤrte der preuſſiſche Geſandte: Ein ſo
beleidigendes Verfahren hat einen tiefen Eindruck auf das
Gemuͤth des Koͤnigs meines Herrn gemacht. Sr. Maj.
betrachten dieſe Beleidigung, als wenn ſie Ihnen ſelbſt
wiederfahren waͤre. Dem ausdruͤcklichen Befehle dieſes
Monarchen zufolge fodert der Unterzeichnete nochmals ab-
J i 2ſeiten
[492]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
ſeiten Ew. Edlen Grosmoͤgenden eine ſchleunige und der
Beleidigung angemeſſene Genugthuung. Sr. Maj.
haben mir uͤberdies befohlen, Ihnen nicht unbekant ſeyn
zu laſſen, daß ſie auf dieſe Genugthuung unveraͤnderlich
beſtehen und ſich nicht mit der Eroͤrterung einzelner That-
ſachen und unbeſtimten Entſchuldigungen oder weiten Aus-
fluͤchten begnuͤgen. — Die Bedingungen, welche der
Koͤnig von Preuſſen zur angemeſſenen Satisfaction wegen
der Sr. Durchl. Schweſter zugefuͤgten Beleidigung auf
ihrer Reiſe nach dem Haag fodert, ſind, daß die Staa-
ten von Holland ein Schreiben an Ihro Koͤnigl. Hoheit
ergehen laſſen, worinnen ſie den Fehltritt bekennen, den
ſie begangen, daß ſie dieſer Prinzeſſin bey ihrer Reiſe
nach dem Haag haben Abſichten zutrauen koͤnnen, wel-
che dem Wohl der Republik entgegen ſeyn koͤnten; daß
ſie ſich bey Ihro Koͤnigl. Hoheit wegen des ihrer Reiſe
in Weg gelegten Hinderniſſes und des Mangels der Ach-
tung entſchuldigen, und ſich anheiſchig machen, auf Re-
quiſition der Prinzeſſin dieienigen zu beſtrafen, die ſich
der Beleidigung Ihrer Durchl. Perſon ſchuldig gemacht
haben ꝛc. Polit. Journal Auguſt 1787. S. 769.
und Sept. S. 875.
perſonis imprimisque feminis illuſtribus de iniuriis
acceptis praeſtandis. Viteb. 1788.
Kaiſer 1767. dem Marggrafen zu Brandenburg-Onolz-
bach: Er werde erinnert, ſeinen Raͤthen die gegen den
Magiſtrat der Reichsſtadt Nuͤrnberg gebrauchte harte
und mit deſſen Immedietaͤt und Reichsſtandſchaft ganz
nicht zu vereinbarende Schreibart pro futuro gemeſſenſt
zu unterſagen, und ſie, zu Vermeidung weiterer diesfal-
ſigen gerechten Beſchwerden, zu kuͤnftiger mehrern Maͤſ-
J i 3ſigung
[494]Von den Familienangelegenheiten d. Regenten.
ſigung und Glimpf anzuweiſen. Moſers nachbarl.
Staatsr. S. 19.
Frankreich, wegen der bey der polniſchen Koͤnigswahl
gegen den Prinz Conti ſich erlaubten Mishandlungen,
auſſer einer Geldbuſſe, durch Deputirte der drey Staͤnde
einen demuͤthigenden Fußfall thun und um Verzeihung
bitten. Monathl. Staatsſpiegel Januar 1701.
S. 82.
Deſſen nachbarl. Staatsrecht S. 24. ff.
J. J. Moſers perſoͤnliches Staatsrecht der teutſchen
Reichsſtaͤnde. Frankfurt und Leipzig 1775. 2. Theile
4. und
Ebendeſſelben Familien-Staatsrecht der teutſchen Reichs-
ſtaͤnde. Ebendaſ. 1775. 2. Theile 4.
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bq04.0