[][][][][][][]
Die
Dreſſur des Reitpferdes
(Campagne- und Gebrauchs-Pferdes)

mit Rücksichtnahme
auf die
Ausbildung von Soldatenpferden
in
Abtheilungen.


[figure]

Münster.:
Verlag der Coppenrath’schen Buch- und Kunsthandlung.
1856.

[][[I]]

Seiner Königlichen Hoheit
dem
GROSSHERZOG
Nicolaus Friedrich Peter
von Oldenburg
in tiefster Ehrfurcht
allerunterthänigst
gewidmet.

[[II]][[III]]

Vorwort.


Der Revolutionssturm, welcher am Ende des vorigen
Jahrhunderts in Frankreich losbrach und ganz Europa
durchtobte, zerstörte in wenig Jahren manches Werk,
woran Jahrhunderte mühsam gearbeitet hatten. So riss
er auch die Schulreiterei hinweg und liess von ihr wenig
mehr als die Schriften der alten Meister zurück. Der
schwache Stamm von Künstlern, welcher den Sturm ab-
gewettert und sich in das neue Jahrhundert herüber-
gerettet hatte, war nicht mehr triebfähig genug, um im
Strahle der Friedenssonne zum kräftigen Baume aufzu-
treiben.


Die Schulreiterei an sich, wie viel sie auch zum
Pomp der Höfe, zum Glanz der Festzüge, zur Grandezza
der Erscheinung der Grossen beitrug, ragte zu wenig in
das praktische Leben hinein, als dass ihr Verlust ein sehr
fühlbarer geworden wäre, wenn nicht die Campagne-
Reiterei,
die bisher mit ihr eng verbunden war, dadurch
haltungslos zu Boden gefallen wäre. Es waren die nach
den Regeln der Schule gebildeten Stallmeister und Bereiter,
welche auch diese für das Leben unentbehrliche Kunst
ausübten und lehrten. Sie dressirten die Campagnepferde
und hielten Bahnen in jeder ansehnlichen Stadt; der Stall-
meister war im Gefolge jedes grossen Herrn, er dressirte
[IV]Vorwort.
bei der Cavallerie die Remonten und leitete den Unterricht.
Die Zeit der grossen Herren war vorüber, das Publikum
war aus einem reitenden, ein fahrendes geworden. Bei der
Cavallerie der meisten Armeen übernahmen die Offiziere
sein Amt und der Stallmeister verschwand fast ganz von
der Bühne des Lebens. Nur an den Höfen fand er ein
Asyl und ein Stallmeister, welcher ein Schulpferd dressiren
kann, gehört zu den Seltenheiten der Residenz.


Wenn ausser jenem Reste von Reitern von Fach auch
die Cavallerie nach jener Catastrophe so glücklich war,
einzelne Männer zu besitzen, welche gründliche und ratio-
nelle Kenntnisse der Reitkunst besassen (ich erinnere aus
dem preussischen Heere nur an die Generale v. Sohr,
v. d. Marwitz, v. Colomb, an Brée, Kaiser etc., derjenigen
nicht zu gedenken, welche ihr aus jener Zeit, jetzt in ho-
hen Stellungen, noch angehören) und wenn auch alle diese
in ihren Kreisen gewiss höchst wohlthätig wirkten: so kam
die Dressur und der Unterricht in der Campagne-Reiterei
doch zum grössten Theil in die Hände von Empirikern,
denen die Dressur mehr ein Balgen und Kämpfen mit dem
rohen Thiere, als eine systematische Durchbildung desselben
war; denen die kecke Renommage, der wagehalsige Sprung
höher stand, als die sichere und graziöse Leistung der
Kunst. Wenn die Verbindung der Campagne-Reiterei mit
jenen rohen Naturburschen, abgesehen von andern Uebeln,
ihr auch die feine, ruhige Grazie der alten Schule nahm,
so blieb ihr dennoch ein gewisser kecker, militärisch-
strammer Anstand. Es war der Anglomanie vorbehalten,
diesen in jene schlotterig-nachlässige Haltungslosigkeit zu
verkehren, worin sich selbst Reiteroffiziere gefielen. Wenn
unleugbar mit der Passion für Rennen und Jagd sich eine
bessere Pferde-Pflege und Zucht Bahn brach, auch der
wohlthätige Einfluss derselben der Ueberkünstelung und
Unnatur gegenüber nicht zu verkennen war, so zeigte sich
doch bald, dass nicht der schnellste und ausdauerndste Läu-
[V]Vorwort.
fer, der sicherste und ausgezeichnetste Springer zugleich
auch ein gutes und zuverlässiges Campagnepferd sei; dass
es einer anderen Zusammenstellung des Pferdes bedürfe,
um eine Steeple-chase zu gewinnen, eine andere, um ein
sicheres Tempo vor der Front zu gehen; dass es eines
anderen Sitzes und anderer Hülfen bedürfe, eine Jagd zu
reiten, als im Gefecht sein Pferd zu tummeln; abgesehen
davon, dass unsere festländischen Mittel zu der consumi-
renden Methode Alt-Englands nicht ausreichen. Die Idee,
dass eine regelmässige Bearbeitung des Pferdes, Biegen von
Hals, Rücken und Hanke nur eine unnütze Thierquälerei
sei, welche die Renn- und Sprungfähigkeit untergrabe, dass
ein schulgerechter Sitz steif und für einen Gentleman nicht
schicklich sei — trat in den Hintergrund und man suchte
mit Eifer den richtigen Weg wiederzugewinnen, von dem
man so weit verschlagen war. Männer, wie die Herren
Seidler und Seeger etc., nützten durch Wort und That,
auch Herr Baucher gab durch sein System zu vielen Be-
leuchtungen Veranlassung. In neuester Zeit scheint hier
und da der Rückschlag zu Gunsten der Solidität und der
systematischen Reiterei so mächtig geworden zu sein, dass
man vom lustigen Jagen über Berg und Thal nichts mehr
wissen will, dass man die Carrière hasst, wie die Barrière
und aus jener moussirenden Jugendlichkeit sich in ein
schales Greisenthum abschwächt, das sich immer mehr und
mehr in die stille Bahn verkriecht. Wie aber alle Neue-
rungen sich Anfangs darin gefallen, recht grell dem Alten
entgegenzutreten und erst mit der Zeit eine mildere, har-
monische Färbung annehmen, so wird sich mit der Zeit
auch jener Superfeinheit wieder die nöthige Frische zu-
gesellen.


Trotz aller Bestrebungen hat sich aber bisher noch
immer kein System irgend einer Allgemeinheit zu er-
freuen. Wenn die militärischen Instruktionen und Lehr-
anstalten auch eine Einigkeit in der Form aufrecht erhalten
[VI]Vorwort.
und die Höhe der Anforderung an die Dressur für die
Armee bestimmt haben, so ist doch die Art, wie sie er-
reicht wird, sehr verschieden.


Es scheint, als wenn die Uneinigkeit der Meister,
ihr öffentliches Turnieren vor dem Publikum mit spitzer
Feder und scharfer Zunge, als wenn ihr gegenseitiges Ver-
ketzern und Verkleinern den alten Glauben an ihre
Autorität
vernichtet habe. Wo sich zu Zeiten unserer
Grossväter der Schüler vertrauensvoll der Führung des
Meisters durch das ganze Gebiet der Kunst auf Jahre hin-
gab und seiner Schule bis zum Tode ein treuer Anhänger
blieb, so genügte uns die Erlangung der nothdürftigsten
mechanischen Fertigkeit, um ihn zu verlassen. Kaum
fühlten wir uns sicher im Sattel, so gingen wir, von dem
eigenen Talent und hinlänglicher Befähigung bestens über-
zeugt, wohlgemuth zum Dressiren über und betraten keck
den Weg der Empirie; einen Weg, der mit verlorener
Mühe gepflastert, mit verschwendeten Kräften beschüttet
und mit weggeworfenem Gelde besäet, gewöhnlich nicht
eher verlassen wurde, bis das Erstlingsopfer stetig geritten,
jeden Tritt vorwärts hartnäckigst verweigerte, oder körper-
lich unfähig geworden war, ihn fortzusetzen. Die heutige
Jugend, wenn auch nicht weniger selbstvertrauend, doch
praktischer, weniger romantisch und mehr vorsichtig,
emanzipirt sich eben so schnell vom Lehrmeister, nimmt
aber, um nicht irre zu gehen, gern ein Buch zur Hand,
das ihr den Weg weist. Die Auswahl von Büchern ist
gross, aber schwierig. Die grosse Verschiedenheit der ein-
zelnen Menschen wie Pferde giebt eine unendliche Menge
verschiedenartiger Zusammenstellungen. Es wird daher das
gegenseitige Verhalten von Mann und Pferd einen so un-
ausgesetzten Wechsel in den Erfolgen, so veränderte Er-
scheinungen hervorrufen, dass es unmöglich ist, alle da-
durch entstehenden Einzelfälle vorherzusehen, viel weniger
erschöpfend darzustellen. Der Versuch hierzu wird dahin
[VII]Vorwort.
führen, dass von allen gegebenen Varianten manche bei-
nahe, keine aber ganz für den vorliegenden Fall passt
und mithin alles, was darüber gesagt ist, stets nur halb
wahr sein wird. Dennoch aber sehen wir in vielen Büchern
hauptsächlich nur diese Erscheinungen durchgehen und
Rathschläge geben, wie man sich in diesem oder jenem
Falle zu benehmen habe, ohne dass der Verfasser sich je
zur Allgemeinheit, welche die Einzelfälle umfasst, erhebt und
so geht er in Unklarheit und einem endlosen Detail unter.
Soll ein Buch Nutzen gewähren, soll es den Unterricht des
Meisters ersetzen und statt seiner die Fragen: „Womit be-
ginnen?“ „Wie kommt das?“ „Wie nun weiter?“ beant-
worten, so muss das Buch eine so umfassende Darstellung
der einwirkenden Kräfte und deren Ursache und Wirkung
geben; es muss eine so klare Anschauung gewähren dessen,
was man erlangen will und wie man es erlangen kann;
es muss den Gesichtskreis des Lesers so erweitern, dass
er die Ursachen der Erscheinungen erkennen, den Erfolg
der Mittel vorhersehen und jene Fragen sich selbst beant-
worten kann.


Im vorliegenden Werke habe ich den Versuch zu einer
derartigen Klarlegung gemacht. Was manchjährige Er-
fahrung mich gelehrt, was mir theoretisch begründet und
praktisch bewährt schien, habe ich hier niedergelegt. Ohne
zu fragen, ob es dieser und jener Meister bereits gesagt
und wie er es gesagt, habe ich mich bemüht, der eigenen
Auffassung und Anschauung den klarsten und genauesten
Ausdruck zu geben. Weit entfernt, verdienstvolle Männer,
wie die vorgenannten, meistern zu wollen, habe ich meine
Ansicht mitgetheilt, auch wenn ich wusste, dass sie nicht
die ihrige war, denn es lag weder in meiner Absicht aus
tausend Büchern das eintausend und erste zusammenzu-
schreiben, noch wollte ich jeder mir entgegentretenden Mei-
nung die aufgeschlagene Seite eines berühmten Autoren
als einen Schild entgegenhalten können.


[VIII]Vorwort.

Das Buch hat seinen Zweck erreicht, wenn der Pfer-
debesitzer,
der sein Thier dem Bereiter zur Dressur
übergab, durch dasselbe sein Urtheil über die Leistungen
von Mann und Pferd berichtigt; wenn der Reiter, welcher
sein gerittenes Pferd bereits geschickt zu tummeln versteht
und nun dressiren möchte, dem es dazu aber an Unter-
weisung fehlt, aus demselben den Weg erkennen lernt, den
er einzuschlagen hat; wenn der Offizier, dem die Dressur
von Remonten in ganzen Abtheilungen anvertraut ist, in
demselben hier und da einen Fingerzeig findet, der ihn
näher zum Ziele bringt und wenn jeder meiner güti-
gen Leser
daraus ein erhöhtes Interesse für die edle
Reitkunst und ein Paar Gedanken zum eigenen Weiter-
spinnen heimträgt.


Münster, im December 1855.


Der Verfaſſer.

[[IX]]

Inhalts-Verzeichniss.


  • Erſter Theil.
  • Seite.
  • Einleitung3
  • Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes5
  • Vom Bau der Wirbelsäule 6
  • Vom Bau der Vordergliedmassen (Tafel A.) 9
  • Vom Bau der Hintergliedmassen (Tafel B.) 12
  • Vergleich des Baues der Gliedmassen zwischen Mensch und Pferd 14
  • Die Thätigkeit der Vorderbeine im Gange 16
  • Die Thätigkeit der Hinterbeine im Gange 17
  • Vom Gange des Pferdes (Tafel C.) 17
  • Eigenschaften der Gliedmassen, wodurch deren Conservirung bedingt wird 19
  • Ueber die Stellung der einzelnen Theile zu einander
    bei den Hintergliedmassen (Tafel 1—8) 21
  • bei den Vordergliedmassen (Tafel 9—11) 28
  • Vergleich der Stellung der Vorder- und Hintergliedmassen (Tafel 12—15) 30
  • Vom Bau des Pferdes in die Breite 35
  • Allgemeine Betrachtung über die Proportionen 38
  • Erster Abschnitt. Vom Verständniss zwischen Menschen und Thier 40
  • I. Kapitel.Einleitung. Wie die natürlichen Anlagen und die Er-
    ziehung das Verständniss verschieden entwickeln 41
  • Ueber Temperament 42
  • Bemerkung über Racekrüppel 44
  • II. Kapitel. Von den Zeichen im Allgemeinen 44
  • III. Kapitel. Von der Stimme 47
  • Bemerkung über das Alter der Anwendung des Zungenschlags 48
  • Von der Peitsche 49
  • Von der Gerte 49
  • Vom Kappzaum 50
  • IV. Kapitel. Vom Gebisse 52
  • Vorkehrung gegen das Ueberbringen der Zunge über das Gebiss (Taf. 16) 53
  • Kandare nach Construction des Freiherrn v. Schreckenstein (Tafel 17) 55
  • V. Kapitel. Vom Schenkel 58
  • Vom Sporn 60
  • Bemerkung über den Einfluss der Mode auf die Form des Sporns 62
  • Bemerkung über den hohen, schlaffen Reiterstiefel 63
  • Seite.
  • VI. Kapitel. Vom Körpergewicht des Reiters 63
  • Vom Schwerpunkt 63
  • Vergleich der Gewichtsverhältnisse zwischen Vor- und Hinterhand nach
    Baucher’s Versuchen 70
  • Bemerkung über die nachgeäffte Nonchalance 72
  • Wirkung des Reitergewichts auf den Schwerpunkt des Pferdes
    nach vorwärts und rückwärts 73
  • nach seitwärts 74
  • Zweiter Abschnitt. Vom Gehorsam 77
  • Bemerkung über den Fehler aus jeder Uebungsstunde eine Produktions-
    stunde zu machen 81
  • Bemerkung über die Art der Gaucho’s und der Flüsterer, die Pferde in
    den Gehorsam zu bringen 82
  • Dritter Abschnitt. Von der Bearbeitung des Pferdekörpers 84
  • I. Kapitel.Einleitung. Erklärung der Begriffe: Renn-, Jagd-, Cam-
    pagne- und Schulpferd 86
  • Vom Schulpferde 86
  • Levade (Tafel 18) 87
  • Terre à terre (Tafel 19) 88
  • Mezair (Tafel 20) 89
  • Courbette (Tafel 21) 90
  • Groupade (Tafel 22) 91
  • Lancade (Tafel 23) 92
  • Ballotade (Tafel 24) 93
  • Capriole (Tafel 25) 94
  • Vergleich zwischen den Pferden der verschiedenen Gebrauchszwecke 95
  • Bemerkung über die Einwirkung des Gebrauchs auf die Körperform
    der Nachzucht 95
  • II. Kapitel. Von der Halsarbeit 96
  • Ueber den Aufsatz des Halses (Tafel 26) 97
  • Einwirkung des Halses auf den Schwerpunkt des Pferdes 99
  • Einwirkung der Form des Halses auf die Fortpflanzung des Druckes
    des Gebisses 103
  • Stellung des Halses beim Schulpferde (Tafel 27) 105
  • Stellung des Halses beim Campagnepferde
    nach Seidler (Tafel 28) 106
  • nach der preuss. Reitinstruction (Tafel 29) 106
  • nach Baucher (Tafel 30 u. 31) 107
  • nach Vorschlag des Verfassers (Tafel 32) 107
  • Bemerkung über die Rücksichtsnahme auf das Gefühl, welches das
    Pferd dem Reiter giebt 108
  • Ueber Kopfstellung im Defect (Tafel 33) 110
  • Ueber Kopfstellung im Excess (Tafel 34) 110
  • Ueber das Knicken der Halswirbelsäule (Tafel 35) 111
  • Ob mit dem Aufrichten oder Beizäumen zu beginnen 113
  • Widerstreben der Kiefermuskeln 115
  • Ueber Ganaschenzwang und Arbeit (Tafel 36) 116
  • Seite.
  • Ueber Beizäumung 119
  • Bemerkung über die Nothwendigkeit, diese Arbeit bereits auf der
    Trense vorzunehmen 119
  • Bemerkung über die falsche Ansicht derer, welche alles Widerstreben
    im Genik suchen 120
  • Ueber Aufrichten 121
  • Bemerkung über die Nothwendigkeit, dass der remonte-dressirende Of-
    fizier dieselben von Zeit zu Zeit besteige 123
  • Bemerkung über den Fehler, jeden Hals in eine schöne Form zu biegen 125
  • Ueber Hülfszügel 126
  • III. Kapitel. Von der Bearbeitung des Rückens 130
  • Bemerkung über Sattellage 131
  • Bemerkung über Verhindern des Krippensetzens (Tafel 37) 132
  • Bemerkung über die verschiedenen Arten des Sattels (Tafel 38) 133
  • Einfluss der Stellung der Beine auf die Rückenwirbelsäule 136
  • Von den Paraden 138
  • Von der Rippenbiegung 140
  • Bemerkung über Missbrauch der Seitengänge 141
  • IV. Kapitel. Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen 143
  • Ueber die Hankenbiegung 143
  • Bemerkung über den zu geringen Werth, den man derselben einräumt 144
  • Entwickelung der fördernden Thätigkeit der Hinterhand 147
  • V. Kapitel. Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen 151
  • 1. Entbindung der Schulter nach vorwärts 152
  • 2. Uebung im Ausharren 153
  • Bemerkung über den starken Trab 155
  • Bemerkung über den Nutzen der Carrière 156
  • 3. Entbindung der Schulter seitwärts 157
  • Bemerkung über die Nothwendigkeit bei der Dressur der Remonten
    solche zu unterscheiden, welche sich zu einer höheren Ausbildung
    eignen und solche, welche ihrem Gebäude nach dazu nicht passen 157
  • Zweiter Theil.
    Vom Gange der Dressur.Einleitung161
  • Mit welchem Lebensalter man mit der Dressur beginnen soll 162
  • Bestimmung der Dauer der Dressur 163
  • I. Abschnitt.Erste Periode. Laufen an der Leine. Gewöhnen an
    den Sattel 165
  • Bemerkung über die Dauer der Lection 168
  • Bemerkung über die Einschläferungsmethode 169
  • Erstes Bekanntmachen mit der Wirkung des Gebisses 170
  • Zweite Periode. Reiten auf der Trense. Besteigen des Pferdes 171
  • Gewöhnen an die Last des Reiters 173
  • Uebungen das Pferd geduldig und zutraulich zu machen 174
  • Seite.
  • Dritte Periode. Substituirung des Schenkels für die Gerte 174
  • Bemerkung über die Furcht vieler Reiter, ihr Pferd ungünstig zu
    produziren 177
  • Vierte Periode. Gebrauch des Sporns 178
  • Ueber die Verfeinerung des Schenkelgefühls 178
  • Bemerkung in wie weit bei unregelmässigem Körperbau des Reiters
    vom regelmässigen Sitz abzusehen 180
  • Abweichungen, welche bei der Dressur in ganzen Abtheilungen noth-
    wendig werden 181
  • Bemerkung über Auswahl der Reiter 182
  • Bemerkung über das absolute Gewicht des Reiters 183
  • Bemerkung über Reitprämien etc. 185
  • Bemerkung über den Begriff „Tempo“ 187
  • Fünfte Periode. Weichen vor dem einseitigen Schenkel im Halten 189
  • Bemerkung über die Zeit, wann man neue Lectionen beginnen soll 190
  • Sechste Periode. Wendungen im Gange und Stillehalten 190
  • Entgegnung der Einwürfe, welche die Wendung durch das Körper-
    gewicht hervorrufen dürfte 196
  • Siebente Periode. Weichen vor dem einseitigen Schenkel in der
    Bewegung 197
  • II. Abschnitt.Erste Periode. Die Halsarbeit 200
  • Bemerkung über die Schonung der Remonten 202
  • Zweite Periode. Gewinnen der Tragfertigkeit der Hinterhand 205
  • Der abgekürzte Trab 205
  • Der abgekürzte Schritt 206
  • Bemerkung über das stumpf und schläfrig machen von Mann und
    Pferd bei der Cavallerie 207
  • Bemerkung, was unter feiner Reiterei zu verstehen 210
  • Von den Paraden 212
  • Bemerkung über den Nutzen einer guten Dressur in Bezug auf die
    Ausdauer 114
  • Bemerk. üb. d. Nothwendigk., das Schöne dem Nützlichen unterzuordnen 215
  • Vom Zurücktreten 215
  • Bemerkung über das „Rückwärts-Durchgehen“ 217
  • Bemerkung über das „Steigen“ 218
  • Bemerkung über den Handel mit bösen Pferden 219
  • Von den Seitengängen 219
  • Der allgemeine Nutzen derselben 220
  • Die Hauptfehler, welche diesen Nutzen aufheben 221
  • Bemerkung über die Schwierigkeit ihrer häufigen Anwendung bei
    der Cavallerie 223
  • Ueber die Verwendung der Seitengänge, um den Galopp vorzubereiten 223
  • Bei welchen Pferden mit dem Schulterherein, bei welchen mit dem
    Travers die Uebung der Seitengänge zu beginnen ist 225
  • Contreschulterherein und Renvers 225
  • Dritte Periode. Uebung im Abschieben und Abschwingen. Der
    stärkere Trab 226
  • Seite.
  • Die Volten 228
  • Halsarbeit auf der Stelle 228
  • Bemerkung über das Uebertreiben der Kopfstellung bei dem Sol-
    datenpferde 229
  • Vierte Periode. Reiten im Freien. Gewöhnen der Pferde an die
    verschiedenen Gegenstände 229
  • III. Abschnitt.Erste Periode. Ausbildung im Galopp. Ueber den
    Galopp im Allgemeinen 230
  • Bemerkung ob die inwendigen oder auswendigen Füsse im Galopp
    mehr angegriffen werden 233
  • Bemerkung über den Vorschlag, bei der schweren Cavallerie nur
    den Rechts-Galopp zu üben 234
  • Einwirkung des Sitzes auf den Galopp 235
  • Einwirkung der Zügelhülfe auf den Galopp 236
  • Ueber das Ansprengen 236
  • Wahl des Tempo’s zu den ersten Galoppübungen, je nach dem
    Gebäude etc. 238
  • Bemerkung über die Nothwendigkeit, die Cavalleriepferde auf das-
    selbe einfache Zeichen anzusprengen 242
  • Zweite Periode. Fernere Ausbildung im Galopp 243
  • Dritte Periode. Der stärkere und verkürzte Galopp 244
  • Bemerkung über die grosse Wichtigkeit des stärkeren Galopps für
    die Cavallerie 248
  • Vierte Periode. Volten im Galopp und Changement 250
  • Bemerkung über die Gefahr zu hoch gespannter Anforderungen 252
  • Fünfte Periode. Der Contre-Galopp 253
  • Sechste Periode. Changement aus der halben Volte, die Achten
    und Kurzkehrt-Wendungen 254
  • IV. Abschnitt.Erste Periode. Anreiten auf der Kandare 255
  • Zweite Periode. Ferneres Ausbilden auf der Kandare 256
  • Bemerkung über die Wichtigkeit, den Zügel so zu halten, dass er
    sich nicht unwillkührlich verlängere 256
  • Dritte und
    Vierte Periode. Fernere Ausbildung auf der Kandare 257
  • Fünfte Periode. Das Springen über die Barrière 257
  • Die verschiedenen Arten der Sprünge 258
  • Einspringen 262
  • Bemerkung, dass es wichtiger ist, dass das Cavalleriepferd sicher,
    als dass es sehr hoch springt 264
  • Bemerkung über Nachtheile der Anwendung der Peitsche 265
  • Bemerkung über das Steifwerden alter Cavalleristen 265
  • Bemerkung über die Nothwendigkeit Mann und Pferd in der Uebung
    des Springens zu erhalten 266
  • Bemerkung über den Einfluss der Schul- und Jagdreiterei auf die
    Campagne-Reiterei 267
  • Seite.
  • V. Abschnitt.Erste Periode. Springen über Barrièren im Freien 268
  • Das Reiten durch Gräben 269
  • Bemerkung über die Nothwendigkeit, die Campagnepferde an eine
    gewisse Selbstständigkeit zu gewöhnen 270
  • Springen über Gräben 270
  • Springen über Kegelgräben 271
  • Bemerkung über die Wichtigkeit der richtigen Vertheilung des Rei-
    tergewichtes hiebei 272
  • Zweite Periode. Von der Carrière 272
  • Von der Parade aus der Carrière 276
  • Vom Durchgehen 277
  • Bemerkung über das Verleiden durch Uebermass 278
  • Bemerkung über das Kreiseln bei stetigen Pferden 279
  • Bemerkung über das Pariren zwischen den Sporen 280
  • Dritte Periode. Gewöhnen an das Seitengewehr und den Schuss 282
  • Bemerkung über die Steigerung der Lebhaftigkeit durch die Dressur 284
  • Anhang. Einige Bemerkungen über Wartung und Pflege der Pferde, nament-
    lich vom cavalleristischen Standpunkte 286

[[1]]

Die
Dreſſur des Reitpferdes.
Erſter Theil.

[[2]][[3]]

Einleitung.


Soll ein Thier dem Menschen dienen, so muss es den
Willen desselben erkennen, es muss dem Willen gehorchen
lernen, und die körperliche Fähigkeit haben, ihn zu erfüllen.


Darnach würde die Dressur in drei Hauptabschnitte zerfallen:


  • I. Die Erweckung des Verständnisses zwischen Menschen
    und Thier.
  • II. Die Unterwerfung des Willens des Thieres unter den
    Willen des Menschen.
  • III. Die Ausbildung und Entwickelung des Körpers zu
    der verlangten Thätigkeit.

Vielfache Beobachtungen haben mich zu der Ansicht gebracht,
dass es namentlich die Unklarheit in diesen Begriffen und
die Verwechselung und Verwirrung derselben ist, welche
Veranlassung zu falschen Einwirkungen, unrichtigem
Dressurgange
und dem damit verbundenen Fest- und Ste-
tigreiten
giebt. Von der richtigen Erkenntniss, ob der Mangel
an Erfolg des geäusserten Willens im Nichterkennen, Nicht-
gehorchen
oder Nichtvermögen begründet ist, wird die Art
abhängen, jene Erfolglosigkeit in Folgeleistung zu verwandeln. —
Das Nichterkennen verlangt Belehrung; das Nichtge-
horchen
trotz Erkennen und Vermögen — Strafe; das Nicht-
vermögen — Uebung.


Jedes Verkennen der Ursache der Unfolgsamkeit wird auf
die Dressur die nachtheiligste Wirkung haben.


Für Nichtvermögen — strafen, wird eine Grausamkeit, bei
Ungehorsam — üben, eine Schwäche sein; jene wird Widersetzlich-
keit aus Verzweiflung, diese Stetigkeit aus Eigensinn zur noth-
wendigen endlichen Folge haben.


Nicht nur die allgemeine Kenntniss des thierischen
Körpers,
wie der geistigen Befähigungen des Thieres
(man verzeihe den Ausdruck, das Wort Instinkt finde ich nicht
1*
[4]Einleitung.
ganz genügend), nicht nur die Kenntniss der Hülfsmittel
und ihrer Einwirkung, welche man zur Erlangung des Erkennens,
Gehorchens und Vermögens anwendet, sind erforderlich, um hier
nicht fehl zu greifen; es gehört ein genaues Individualisiren
des Dressur-Objekts dazu, die Kenntniss der besonderen
Stärken
und Schwächen seines Gebäudes, die Kenntniss seiner
speziellen geistigen Befähigungen und der Mängel seines Tempera-
ments und Gemüths. Gute Kenntniss der Anatomie des Thieres,
so viel Mechanik, als für die Bewegungslehre nothwendig ist,
und endlich eine scharfe Beobachtungsgabe sind unentbehr-
liche Hülfsmittel für den Dressirenden. — Es würde die Dressur
weniger schwierig sein, wenn man im Stande wäre, erst das
Verständniss, dann den Gehorsam und endlich den Körper des
Thieres nacheinander auszubilden. Da aber in allen diesen drei
Beziehungen gleichzeitig vorgeschritten werden muss, und sie
in untrennbarer Wechselwirkung zu einander stehen, so wird es
einen ferneren Theil der Belehrung ausmachen, wie Verständniss,
Gehorsam und Körperausbildung in systematischer Reihen-
folge von Lectionen
neben einander ausgebildet werden.


Es wird demnach der erste Theil den Stoff sammelnd, zuerst
Einiges aus der Lehre vom Exterieur und dem Gange des
Pferdes, dann die Lehre vom Verständnisse, Gehorsam und
von der Körperausbildung enthalten, im zweiten Theile aber
ihre Anwendung in systematischer Stufenfolge gezeigt wer-
den. — Ueberall wird das Verständniss derjenigen Ausdrücke,
welche allgemein gebräuchlich sind, wie die Kenntniss der Hülfen
und Lectionen etc. vorausgesetzt.


Bei Ausdrücken, welche ungewöhnlich sind, oder einer beson-
dern Erklärung bedürfen, sind diese gegeben, eben so oft anato-
mische und mechanische Verhältnisse mit einer Weitläufigkeit
erklärt, die dem Wissenden ermüdend scheinen mag, dem
Nichteingeweihten aber unentbehrlich sein dürfte.


Eingeflochtene Bemerkungen soldatischer Natur, welche
weniger zur Sache gehören, bitte ich mit der Wahrheit des Spru-
ches: „Wessen das Herz voll ist, geht der Mund über!
zu entschuldigen.


[[5]]

Ueber
das Exterieur und den Gang des Pferdes.


Ich erlaube mir in Nachfolgendem eine kurze Abhandlung aus
der Lehre vom Exterieur des Pferdes und seiner Bewegung
vorauszuschicken.


Sie macht auf Vollständigkeit keinen Anspruch und soll
nur das enthalten, was zum Verständnisse des Weiteren nöthig
wird. Wo Combinationen vorkommen, sind dieselben absichtlich
nicht bis zur Erschöpfung verfolgt, sondern es ist deren Ausfüh-
rung nur so weit getrieben, dass durch Selbstdenken die fehlenden
Varianten leicht hinzugefügt werden können.


Das Pferd nützt uns durch seinen Gang. Rücken und
Gliedmassen bilden seinen Bewegungsapparat. Muskeln
und ihre strangartigen Verlängerungen, die Sehnen, welche an
den Knochen ihre Ansatz- und Wirkungspunkte haben, setzen ihn
in Thätigkeit. — Knochen geben dem Bewegungsapparat den
Halt, und die Gelenke denselben die Biegsamkeit.


Die Nerven, welche vom Gehirne und dem Rückenmark zu
den einzelnen Muskeln gehen, sind die Telegraphendrähte, die nach
Willen des Thiers die Muskelthätigkeit hervorrufen.


Das Wie ist uns eben so unbekannt als die Kraft, durch
welche die Muskeln zusammengezogen werden. Die Zahl der
Muskeln
ist erstaunlich gross und muss es sein, um jedem ein-
zelnen Gliede die Menge seiner Bewegungen für sich und im Verein
[6]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
mit andern zu gewähren, und jene unendliche Mannigfaltigkeit nach
Richtung und Kraft zu gestatten. Die Mächtigkeit jeder ein-
zelnen Muskel wird von der allgemeinen Kräftigkeit des Indivi-
duums abhängig sein, kann aber durch Uebung gehoben werden.
Es wird indess die Kraft ihrer Wirkung sehr von ihrer Länge und
von der Richtung, in welcher sie auf die Knochen wirkt, mithin
von der Lage ihrer Ansatzpunkte abhängen. Diese aber werden
bei den verschiedenen Individuen sowohl durch die abweichenden
Längenverhältnisse der Knochen gegen einander, wie auch
durch die verschiedene Winkelstellung, in welcher die Knochen
in den Gelenken sich zusammenfügen, bedeutend variiren. Diese
Verschiedenheit, welche die eine Verrichtung begünstigen, die
andere aber beeinträchtigen muss, wird einen bedeutenden Ein-
fluss auf den Gang äussern, und einen um so entschiedeneren, als
er nicht durch Uebung etc. verwischt werden kann. Es wird die
Aufgabe der Kunst sein, diese Unregelmässigkeit zu erkennen
und zu lehren, wie weit man die daraus hervorgehenden Vor-
theile benutzen
und die Nachtheile vermindern kann.


Hiezu aber ist ein Zurückgehen auf das Skelett nöthig.


Betrachten wir das Skelett, so finden wir als erste Grundlage
desselben die Wirbelsäule, an welche sich der Kopf und mit-
telbar alle Theile des Körpers anschliessen. Sie besteht aus einer
langen Reihe enger oder loser mit einander verbundener Wirbel,
die bis auf die Schweifwirbel, deren Zahl zwischen 17 und 19
variirt, hohl sind, und in einem langen, fortlaufenden Kanal das
Rückenmark enthalten. Die 7 Halswirbel haben die loseste
Verbindung, die Kreuzwirbel, deren es 5—7 giebt, eine so
dichte, dass sie beim ausgewachsenen Pferde gewöhnlich in eine
Knochenmasse sich vereinigen.


Von den 7 Halswirbeln zeichnet sich die Verbindung zwischen
dem ersten, der den Kopf trägt, und dem zweiten besonders durch
ihre Beweglichkeit aus.


Die 18 folgenden heissen Rückenwirbel. An sie schliesst
sich der Brustkorb an, indem jeder Wirbel einer Rippe zum
Ansatze dient. Die ersten 9 Paar Rippen sind durch das Brust-
bein eng verbunden und heissen die wahren Rippen, die zweiten
9 Paare nur durch Knorpel unter sich und heissen falsche Rippen.
[7]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Den Rückenwirbeln schliessen sich die Lendenwirbel und diesen
die Kreuz- und Schweifwirbel an.


Die Tragfähigkeit der Rücken-, Lenden- und Kreuzwirbel ist
durch Knochensäulchen, Stachelfortsätze genannt, bedeutend
verstärkt. Die vorderen 9 sind besonders erhaben, und bilden den
Widerriss.


Es läuft ferner ein sehr starkes elastisches Band (Nacken-
band
), das sich am Hinterhaupt ansetzt, straks zum ersten
Stachelfortsatz des Widerrisses hinüber, und von dort über sämmt-
liche Stachelfortsätze bis zum Schweife. Vom Nackenband laufen
ausserdem Nebenäste zu jedem einzelnen Halswirbel herab, so dass
Kopf und Hals beim Weiden einen genügenden Halt am Nacken-
band ohne weitere Muskelthätigkeit finden.


Der Rückgrat besteht immer aus einer gleichen Anzahl
von Wirbeln. Je enger diese zusammenstehen, um so grösser wird
die Tragfähigkeit desselben sein. Es ist also von der grössten
Wichtigkeit, dass die Linie zwischen den Stützpunkten, mithin
zwischen der Hüfte und dem Widerrisse möglichst kurz sei,
wie denn z. B. ein horizontaler, auf zwei Stützen ruhender Stab
eine um so grössere Tragfähigkeit besitzt, je näher diese Stützen
zusammenstehen.


Die Lage des Rückgrats zwischen den Stützen muss fer-
nerhin eine wagerechte sein, wenn die daran hangende Last
auf die Vorder- und Hinterstützen, das Gewicht des Rumpfes auf
Vorder- und Hinterbeine gleichmässig vertheilt sein soll. Es wird
das Pferd aber in diesem Falle vorn höher als hinten erscheinen
müssen, weil die Stachelfortsätze des Widerrisses die der übrigen
Rückenwirbel bedeutend überragen.


Eine Abweichung von dieser horizontalen Lage kann nun
entweder dadurch eintreten, dass 1. der Rückgrat hinten auf
höheren Stützen ruht, als vorn. Wir nennen Pferde dieses
Gebäudes überbaut. Bei ihnen fällt die Last vermehrt den
Vorderbeinen zu. Oder dass 2. umgekehrt die Vorderstützen
höher
, als die hinteren sind. Dann wird die wagerechte Lage
des Rückgrats zum Nachtheile der Hinterbeine verloren gehen.


Der Rückgrat wird in allen den Fällen, in denen das Thier
Hinter- und Vorderbeine unter den Leib stellt, nach oben ge-
[8]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
krümmt werden, und in den Fällen, in welchen es Hinter- und
Vorderbeine möglichst weit auseinander bringt, am stärksten nach
unten
gebogen erscheinen.


Das Pferd wird mithin beim vollen Laufe bald den Rücken
nach oben anspannen, bald nach unten abspannen müssen.
Es wird daher jede ursprünglich von der wagerechten abweichende
Stellung des Rückens bei gleichhohen Stützpunkten die Kraft des
Pferdes zum An- oder Abspannen schwächen.


Die An- und Abspannung des Rückens wird seine grösste
Thätigkeit
in den 6 Lendenwirbeln finden, indem diese die
grösste Beweglichkeit zulassen. Die Länge dieser Parthie wird die
Beweglichkeit auf Kosten der Kraft begünstigen. Ein zu weites
Zurücksatteln wird die Bewegung stören und ist aus diesem
Grunde, wie aus Gesundheitsrücksichten zu verwerfen. Eine hohe,
kurze Niere wird stets das Zeichen grosser Tragfähigkeit, indess,
wie überhaupt der kurze Rücken, wenn er nicht eine besondere
Elastizität besitzt, für die Conservirung der Beine kein Vortheil
sein. Der Stoss der Last des Reiters wird durch den festen Rücken
zu wenig gebrochen, und wirkt zu unmittelbar auf die Beine. Wir
sehen es namentlich bei bockenden Pferden, wo allerdings zur An-
spannung des Rückens das Festhalten aller Gelenke kommt.


Einen Rücken, der zwischen den gleichhohen Stützpunkten sich
von Natur nach oben wölbt, nennt man Karpfenrücken. Er
wird die Abspannung unter die Horizontale nicht erlauben,
und desshalb werden Pferde dieses Gebäudes keine Streckung
in stärkeren Gängen geben können. Man muss den Karpfen-
rücken
nicht mit dem angespannten Rücken verwechseln.
Pferde von kräftigem, kurzem Rücken und hoher, schwellender
Niere pflegen oft den Rücken, sowohl an der Hand, wie auch unter
dem Reiter nach oben zu wölben, und ihn erst nach längerer Zeit
willig herzugeben.


Der entgegengesetzte Fehler ist die Tiefrückigkeit. Pferde
dieses Gebäudes werden der Kraft des Anspannens des Rückens
ermangeln. Ist sie mit einem langen Rücken gepaart, so ist
sie ein unbedingtes Zeichen der Schwäche und macht das Thier
für schweres Gewicht ungeeignet.


[9]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 1. (Tafel A.)

I. Halswirbel.
II. Rückenwirbel.
II a. Stachelfortsätze des
Widerrisses.
III. Wahre Rippen.
IV. Brustbein.
1. Schulterblatt.
1 a. Gräthe desselben.
2. Armbein.
3. Vorarm.
3 a. Ellenbogenhöcker.
4. Knochen des Knie’s.
5. Schienbein.
5 a. Griffelbein.
5 b. Sesambein.
6. Fesselbein.
7. Kronbein.
8. Knochen des Hufs.
8 a. Hufbein.
8 b. Strahlbein.


Beleuchten wir nunmehr den Bau der Vordergliedmas-
sen
. — Die Schulterblätter schliessen die vorderen Seiten des
Brustkorbes, an dem sie nur durch Muskeln und die Deckhaut
befestigt sind, auf beiden Seiten tragend ein.


Sie haben eine auf- und abwärtsgehende Bewegung um einen
Drehpunkt, der etwa vier Finger breit von der oberen Spitze der-
selben abwärts liegt. Hiedurch wird sich der Theil der Schulter,
welcher oberhalb des Drehpunktes liegt, abwärts bewegen,
wenn sich der Theil, welcher unterhalb des Drehpunktes liegt,
aufwärts bewegt, und umgekehrt. Diese Bewegung des oberen
Randes der Schulter wird durch ein weites Vorrutschen von
Sattel und Vordergepäck gestört.


Ein hoher und scharfer Widerriss ist, weil er dies Vor-
rutschen verhindert, beim Reitpferde eine bemerkenswerthe Eigen-
schaft. Die Bewegung der Schulter ist Ursache, dass das Pferd
seine Vordergliedmassen bedeutend heben kann, ohne dass der
[10]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Rückgrat die wagerechte Stellung verlässt, mithin ohne dass der
Hinterhand das Gewicht der Vorhand zugeführt, und dadurch die
abstossende Kraft derselben vermindert wird. An den unteren
Theil der Schulter ist im Bug oder Schultergelenk das Arm-
bein
unter einem Winkel von 80 bis 100 Grad angesetzt.


Die Zusammenfügung unter einem Winkel von 90 Grad ist
desshalb die vorzüglichste, weil durch sie die Nachgiebigkeit der
Schulter bei der Rückdröhnung (von der weiter unten die Rede)
am grössten sein wird. Ueber die schräge Stellung der Schul-
ter sind alle Schriftsteller einig, es sind indessen mehrere, welche
das Armbein nicht kurz genug haben können, damit es ja nicht
mit seinem unteren Ende, woran das ganze Vorderbein gehängt
ist, zu tief unter den Leib des Pferdes zu stehen komme, wodurch
der grosse Fehler des Ueberhangens der Last über die Stütze
entstehen würde. Nun aber ist das Armbein derjenige Theil,
welcher durch seine Schwingungen das ganze an ihn angehängte
Vorderbein vorwärts und rückwärts bewegt. Je länger der Radius,
um so grösser der Kreisbogen, je länger mithin das Armbein, um
so weiter die Bewegung.


Nur bei einer zu bedeutenden Länge des Schulterblatts wird
ein verhältnissmässig langes Armbein die Vordergliedmassen zu
weit unter den Leib bringen. Es zeigt die Prüfung derjenigen
Pferde, welche sich durch grosse Schulterfreiheit auszeichnen,
(ein Ausdruck, unter dem man in der Reitersprache eine leichte
und weite Bewegung des Schulter- und Armbeins versteht), dass
sie sehr schrägliegende, keineswegs aber sehr lange Schultern, wohl
aber verhältnissmässig lange Armbeine haben. Die Bugspitze ist
bei ihnen in Folge dessen ziemlich hoch gestellt. Diesen Bau finden
wir ebenfalls bei allen denjenigen Thieren, die sich durch eine
besondere Lauffähigkeit auszeichnen, Windhunde, Hirsche etc.


Der obere Schulterrand giebt ferner auch die Basis für
den Hals ab, der sich um so höher stellt, je schräger die
Schultern sind, und um so mehr vorhangend erscheint, je
steiler sie stehen. Je weiter aber Kopf und Hals vorhangen,
um so weiter muss der Vorderfuss vortreten, um die Last aufzu-
fangen; er kann dies aber bei steiler Schulter um so weniger, wie-
wohl er dessen um so mehr bedürfte. Mit der Länge der Schulter
[11]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
wird die Basis des Halses breiter, welcher Vortheil in der wach-
senden Schwere seine Grenze hat.


Die schnellen und so sehr schulterfreien Racepferde sind die
schmalhalsigsten.


An das Armbein ist der Vorarm vermittelst des Ellen-
bogengelenks
angesetzt. Der Vorarm besteht aus dem Vor-
armbeine
und dem Ellenbogenbeine. Dieses ragt mit einer
Verlängerung, dem Ellenbogenhöcker, hinten weit über das
Gelenk hinaus. Einige Schriftsteller legen auf die Länge dieses
überragenden Theiles einen sehr bedeutenden Werth. Sie wollen
den ganzen Vorarm als einen ungleicharmigen Hebel, das Schien-
bein als die Last, den Vorarm als den langen, den Ellenbogen als
den kurzen Arm, das Gelenk aber als Stützpunkt betrachtet wissen,
und stellen die Behauptung auf, dass, da die Last um so leichter
gehoben wird, je weiter die Kraft vom Stützpunkt entfernt ist,
die Länge des Ellenbogenhöckers über die Leichtigkeit der Erhe-
bung des Beines entscheiden müsse. Diese Behauptung würde
richtig sein, wenn nicht die Heraufzieher des Vorarms (Beuger)
vorn, die Herabzieher (Strecker) hingegen hinten (den Ellenbogen
zu ihrem Hauptansatzpunkte) ihren Sitz hätten. Die Länge dieses
Höckers wird mithin wohl einen Einfluss auf das feste Niedersetzen
des Beines haben, die Stärke der Muskelbündel des Vorarms hin-
gegen mehr das Zeichen für die kräftige Hebung sein.


Die Länge des Vorarms im Verhältniss zum vorderen Schien-
beine
, mit dem es durch das Knie in fortlaufender Richtung
verbunden ist, gestaltet sich in demselben Verhältnisse, wie das
Schenkelbein zu dem hinteren Schienbeine. Die grössere Länge
wird vortheilhaft auf die Weite der Bewegung wirken. Der Vor-
arm wird aber mit der wachsenden Länge einer stärkeren Mus-
kulatur bedürfen, weil Länge und Stärke in umgekehrtem Ver-
hältnisse stehen.


Ueber das vordere Kniegelenk (Hufwurzelgelenk),
Schienbein
etc. gehen wir hinweg, weil diese Theile durch ihre
freie Lage und die Menge der daran vorkommenden Fehler u. s. w.
gewiss schon jedem hinreichenden Stoff zum Nachdenken und Ver-
anlassung gegeben haben, ihre Verhältnisse näher zu prüfen. Da-
gegen erlaube ich mir einige Worte über die Fessel hinzuzufügen.
Sie entscheidet bedeutend über Schnelligkeit, Räumigkeit und
[12]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Sicherheit des Ganges, wie über die Konservirung der Gliedmassen.
Wie eine lange Feder eine grössere Schnellkraft besitzt, als eine
kürzere, diese dagegen einen grösseren Druck erträgt, so hat auch
die lange Fessel die grosse Schnellkraft für sich, die kurze aber
trägt ein grösseres Gewicht, ohne darunter einzusinken. Je nach
der Anforderung, die man an die Schnelligkeit oder Tragkraft des
Pferdes stellt, muss die Fessel beschaffen sein, nur muss ihre Nach-
giebigkeit zu ihrer Länge in richtigem Verhältnisse stehen. Die
lange, elastische Fessel des Rennpferdes und die kurze harte Fessel
des Karrengauls sind beide gut zur richtigen Stelle. Die lange,
schlaffe, durchtretende Fessel ist schlecht an jedem Thiere; sie
erliegt unter der Last, ohne Schwung zu geben. Die kurze,
steife Fessel, der die Biegsamkeit ganz abgeht, ruinirt Bänder
und Sehnen.


Figure 2. (Tafel B.)

I. Lendenwirbel.
I a. Stachelfortsätze derselben.
II. Kreuzwirbel.
II a. Stachelfortsätze derselben.
III. Schweifwirbel.
1. Becken.
1 a. Hüftbein.
1 b. Darmbein.
1 c. Sitzbein.
2. Backbein.
2 a. Kniescheibe.
3. Schenkelbein.
3 a. Schenkelbeindorn.
4. Knochen des Sprunggelenks.
4 a. Hackenbein.
5. Schienbein.
5 a. Griffelbein.
5 b. Sesambein.
6. Fesselbein.
7. Kronbein.
8. Knochen des Hufs.
8 a. Hufbein.
8 b. Strahlbein.


Die Hintergliedmassen sind, wie folgt, zusammengesetzt.
Der Rückgrad ruht in fester unbeweglicher Verbindung auf dem
[13]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Becken, dessen vorderster Theil in den hervorstehenden Hüft-
beinen
sichtbar wird, und das in den Sitzbeinen, welche die
letzten Spitzen der Hinterbacken bilden, endet. Zwischen dem
Hüftbeine und dem Sitzbeine liegt das Darmbein. Dort hat
das Becken eine Pfanne, worein der Kopf des Backbeins
eingefugt ist. Dies Backbein ist es, welches das ganze Hinterbein,
das an demselben hängt, vorwärts und rückwärts bewegt. Je
weiter der Kreis ist, in welchem sich das Backbein um seinen
Drehpunkt schwingt, um so weiter wird der Huf vorwärts unter
und rückwärts hinter den Leib gebracht. Je horizontaler die
Lage des Beckens und je länger dasselbe ist, um so länger
wird das Backbein sein können. Die Grenze für die Ausdehnung
desselben nach vorn ist (bei einer Verbindung zwischen ihm und
dem Darmbein unter 80 bis 100 Grad) das Loth, welches vom
Stützpunkte des Rückgrats zur Erde fällt.


Die Länge des Beckens, welche die der Kruppe bestimmt,
kann nicht gross genug sein; denn mit ihr wächst nicht nur
gleichfalls die Länge des Backbeins, sondern es wächst mit ihr
auch die Entfernung vom Hüftgelenke zur Spitze des Sitzbeins
und zum Hüftbein, welche letztgenannten Punkte den vor- und
rückwärts ziehenden Muskeln des Backbeins zu Ansatzpunkten
dienen, welche um so kräftiger wirken, je weniger steil sie liegen.


Das Backbein ist im hinteren Knie unter einem Winkel
von 130 Grad mit dem Schenkelbeine eingelenkt. Kniegelenk
und Hüftgelenk werden in der Reitersprache gewöhnlich gemeinsam
mit Hanken bezeichnet, und die Biegsamkeit dieser beiden Ge-
lenke Hankenbiegung genannt. Das Becken sowohl, wie das
Backbein sind äusserlich von so vielen und starken Muskeln um-
kleidet, dass ihr Bau und ihre Zusammenfügung nur durch die
Länge der Kruppe, wie durch die Lage des Hüftbeins, des Sitz-
beins und des Knie’s beurtheilt werden kann. Anders ist es mit
den Theilen der Gliedmassen, welche unterhalb des Kniegelenkes
sich befinden. Diese, so leicht in ihrer Konstruktion zu verfolgen,
sind deshalb fast nur allein zur Beurteilung gezogen worden, wie
wichtig auch jene für die Bewegung sind.


Das Schenkelbein ist durch das Sprunggelenk mit dem
hinteren Schienbeine unter einem Winkel von 150 Grad ver-
bunden. Je länger das erstere gegen das letztere ist, um so gün-
[14]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
stiger ist es für die Räumigkeit des Ganges; nur muss die Mus-
kulatur der Hose, wie man das untere Schenkelbein mit seiner
Umgebung nennt, mit ihrer Länge im richtigen Verhältnisse stehen,
da, wie gesagt, die Länge der Muskeln mit ihrer Kraft ein umge-
kehrtes Verhältniss bilden.


Das Sprunggelenk ist aus mehreren Schichten Knochen zusam-
mengesetzt, welche, durch Bänder verbunden, ihm die Elastizität
geben, der es so sehr bedarf. Das Schienbein ist mit der Fessel
unter einem Winkel von 150 Grad verbunden. Das Kronbein
und Hufbein folgen in derselben Richtung, durch gleichnamige
Gelenke verbunden.


Die Gliedmassen des Pferdes haben mit denen der Men-
schen
einen viel ähnlicheren Bau, als man auf den ersten Blick
glauben sollte. Es ist dieselbe Zahl der Gelenke vorhanden, und
die Biegungen zeigen nach derselben Richtung. Nur sind allerdings
die obersten Theile der Gliedmassen, das Armbein vorn und das
Backbein hinten, mit in die Deckhaut des Leibes eingeschlagen.


Wir finden bei der Vorhand:


[15]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.

Das Pferd geht demnach, mit dem Menschen verglichen, auf
der äussersten Spitze der Finger und Zehen. Der Hund auf den
ganzen Fingern und Zehen. Der Mensch aber, mit dem Pferde
verglichen, ist so auf die Hinterhand aufgerichtet, dass noch das
Sprunggelenk auf der Erde ruht. Mithin würde die Hacke des
Pferdes bei ähnlichem Gange da zu stehen kommen, wo die Hacke
des Menschen steht.


Betrachten wir nun die Thätigkeit der einzelnen Beine
und zwar im Trabe, weil beim Schritt der Moment des Abschwin-
gens fehlt, und der Trab uns als diejenige Gangart erscheint,
welche der Beobachtung am günstigsten ist.


Wir beginnen mit dem Vorderbeine.


Erster Moment. Der gehobene Fuss geht beim stehenden Beine
vorbei, greift vor.


Zweiter Moment. Er fusst und nimmt die Last auf,
die ohne ihn zur Erde gefallen wäre.


Dritter Moment. Der Pferdekörper geht über ihn hinweg, der
Huf steht unbeweglich fest, aber das ganze Bein nimmt an der
Bewegung Theil, indem es natürlich dem Leibe folgt. Sobald der
Leib so weit vorgegangen ist, dass ein Loth aus dem Ellenbogen-
gelenk vor den Huf fällt, wird das Bein beginnen, schiebend zu
wirken, um so kräftiger in horizontaler Richtung, mithin för-
dernder, je weiter das Bein hinter jene Vertikale kommt.


Vierter Moment. Ist der Punkt der grössten Streckung des
Beines rückwärts erreicht, so wird das Bein sich kräftig von der
Erde abschwingen, und dieser Abstoss des Hufes vom Boden
ebenfalls wieder um so mehr fördernd in horizontaler Richtung
wirken, je mehr der Huf hinter der Senkrechten liegt; um so mehr
den Leib hebend, vertikal wirken, je näher der Senkrechten.


Als allgemeine Regel für den schönen Vortritt im
Trabe, der Gangart, worin man das Vermögen jedes einzelnen
Beines am leichtesten beurtheilen kann, gilt Folgendes:


  • 1) Leichtes, freies und hohes Heben des Beines aus der
    Schulter mit wohl gebogenem Knie; weites, leichtes und
    kräftiges Vorgreifen aus der Schulter; allmäliges
    [16]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
    Strecken der Theile unter dem Knie, so dass das Bein
    erst dann gerade erscheint, wenn der Huf den Boden berührt.
  • 2) Auffussen auf den vollen Huf bei elastischem Nachgeben
    der Fessel.
  • 3) Langes Ausharren des Beines hinter der Senkrechten.
  • 4) Langer, freier Abschub, ohne Umklappen der Fessel.

Alle diese Bewegungs-Momente müssen leicht in einander
laufen und kein Stocken gewahren lassen, federkräftig sein,
ohne die Idee von Anstrengung und krampfhafter Muskel-
anspannung
aufkommen zu lassen.


Betrachten wir nun die Verrichtungen der Hinter-
gliedmassen beim Gange
, so glaube ich ihre Thätigkeit am
besten verdeutlichen zu können, wenn ich sie Federn nenne,
worauf die Last des Rumpfes hinten ruht. Neigt diese Last sich
fortbewegend nach vorn, so wird im:


Ersten Moment der untere Theil der Feder, der Huf, unter
den Schwerpunkt der Last gebracht
; der Huf macht
einen Pendelschlag um das Hüftgelenk vorwärts.


Zweiter Moment. Die Feder fällt mit ihrem unteren Ende
auf den Boden und nimmt die Last auf.


Dritter Moment. Die Last bewegt sich über den auf dem
Boden ruhenden, sie tragenden Huf hinweg, der obere Theil des
Beines bewegt sich um den untern. Die Feder wirkt schiebend,
je mehr sie von der Last befreit ist; drängt um so kräftiger vor-
wärts, je weiter sie hinter der Last zu stehen kommt, und so hori-
zontal auf dieselbe wirkt.


Vierter Moment. Das untere Ende der Feder (der Huf) ver-
lässt den Boden und schwingt sich von diesem federnd ab, und
zwar wiederum je weiter hinterwärts, um so kräftiger nach vorn
schiebend; je weiter unter der Last, um so hebender wirkend.
Alsdann tritt wieder der erste Moment des Vortretens ein.


Die Bewegung der Hinterbeine soll im Trabe folgen-
dermassen erscheinen:


  • 1) Das Bein soll mit leicht und gleichmässig gekrümmten Ge-
    lenken, ohne zuckende Bewegung mässig gehoben und
    weit und schnell unter den Leib gebracht werden.
[17]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
  • 2) Beim Aufnehmen der Last darf die Fessel nur mässig
    einsinken.
  • 3) Die Fessel muss sich leicht und elastisch unter die über
    sie hinweggehende Last erheben, und das Bein hinter der
    Senkrechten lange ausharren.
  • 4) Der freie Abschwung muss leicht und doch kräftig,
    lang
    und doch federnd und weder krampfhaft noch zuckend
    sein, der Huf in der Luft lange schweben, das Eisen zeigen
    und nicht mit der Fessel umklappen.

Alle diese Bewegungen müssen leicht in einander übergehen,
ohne Muskelanspannung und Exaltation. Wir unter-
scheiden mithin bei Vor- wie Hinterhand die Momente des Vor-
tretens
, des Auftretens, des Abschiebens und des Ab-
schwingens
. Es geht hieraus klar hervor, dass die weiteste
Streckung des Beins hinter der Senkrechten den weitesten Ab-
schwung, wie das weiteste Vorgehen vor die Senkrechte — die
meiste Tragkraft geben muss. Je weiter also die Bewegung des
Hufes sowohl vorwärts als rückwärts, um so sicherer und räumiger,
mithin vollkommener ist der Gang.


Erforschen wir nun, wie die Vor- und Hinterhand in
Uebereinstimmung
tretend den Gang hervorbringen.
Wir nehmen dabei den Trab wiederum zum Gegenstande unserer
Betrachtung, und werden erst später im zweiten Theile in derselben
Absicht unser Augenmerk auf den Schritt und den Galopp lenken,
um dort nicht wiederholen zu müssen, was hier bereits gesagt
wurde. Beginnen wir unsere Beobachtung mit dem Moment, wo zwei
der diagonalen Füsse den Körper senkrecht stützen, und die beiden
andern auf ihrem Wege nach vorwärts an ihnen vorbeigehen. Die
Last des Körpers bewegt sich über die stützenden Beine hinweg.
Schulter und Hüfte drängen immer weiter und weiter über den
Huf vor. Die stehenden Beine erhalten eine immer schrägere
Stellung hinter den Vertikalen aus den Ansatzpunkten der Glied-
massen. Die Ballen der Hufe lüften sich mehr und mehr. In dem
Moment, wo die stehenden Beine die grösste Streckung nach rück-
wärts gefunden haben, schwingen sie sich federnd vom Boden ab.
Die schwebenden Beine sind indess dem Boden nahe gekommen,
das Vorderbein weit vor, das Hinterbein unter den Leib.


v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 2
[18]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 3. (Tafel C.)

Der freie Abschwung der bisher stehenden Beine führt den
ganzen Pferdekörper fliegend durch die Luft, und dies ist der Mo-
ment, welchen die Zeichner unserer Zeit so gern wählen, um den
Moment des Trabes zur Anschauung zu bringen, in welchem sich
alle 4 Beine in der Luft befinden. Die Kraft des Abschwungs
und der Ort, von wo er erfolgte, wird über die Weite entscheiden,
welche der Pferdekörper, die Luft durchfliegend, zurücklegt. Der
nächste Moment wird die bisher schwebenden Füsse zur Erde
kommen lassen, die nunmehr die stützenden werden, während die
andern vorgehen. So ist die Anfangsstellung wieder gewonnen, nur
haben die Funktionen der diagonalen Beinpaare gewechselt.


Die Uebereinstimmung der Action bei Vor- und Hinter-
hand, sowohl der Zeit wie der Kraft nach, wird über die Rich-
tigkeit des Ganges entscheiden. Fällt der Vorderhuf eher
zur Erde, wie der Hinterhuf, so wird er einen Moment die
ganze Last zu tragen haben, umgekehrt der Hinterhuf. Es wird
dadurch nicht nur eine fortwährende Verlegung des Schwerpunktes,
sondern auch eine vermehrte Anstrengung des verfrüht niederkom-
menden Fusses entstehen. Schwingt das eine Bein eher ab, als
das andere, so werden sie wie Ruderer arbeiten, welche keinen
Takt halten, und können den Körper nicht schwunghaft fort-
bewegen. Ist es der Vorderhuf, der zu lange an der Erde
[19]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
klebt, so wird der Hinterhuf durch ihn seinen Platz besetzt finden
und in die Eisen klappen. Ist der Abschwung nicht im rich-
tigen Verhältnisse der Kraft, stösst z. B. die Hinterhand
nicht kräftig genug ab
, so wird, wie beim Stehen, ein Mo-
ment des Stillstandes einzutreten scheinen, und das vorgescho-
bene Vorderbein, statt dahin zu treten, wohin es zeigte, zurück-
gezogen
werden müssen.


Wir haben bisher diejenigen Eigenschaften des Pferdegebäudes
aufgesucht, von denen namentlich die Räumigkeit und Sicher-
heit
der Bewegung abhängt. Wir gehen jetzt zu denjenigen
Eigenschaften über, welche die Erhaltung der Gliedmassen
bedingen. Die Gliedmassen sind den heftigsten Erschütterungen
unterworfen. Nicht nur die Wucht der Last des eigenen Ober-
körpers, sondern die des Reiters und Gepäcks fällt auf sie
bei jedem Tritte, und mit welcher vermehrten Kraft in scharfen
Gangarten und Sprüngen! Nicht minder verderblich ist die Er-
schütterung durch den dröhnenden Rückprall der Hufe vom
Boden. Es ist um so gefährlicher, als die harten Wege, welche
die Kultur geschaffen hat, den Hufbeschlag nothwendig gemacht,
der das gummiartige Polster, womit die Natur den Huf im
Strahl beschenkte, vom Boden entfernt hält. Die Kraft der Er-
schütterungen und Stösse wird durch die Winkel gebrochen,
unter denen die verschiedenen Theile der Gliedmassen zusammen-
gefügt sind.


Betrachten wir das Skelett, so finden wir, dass die Glied-
massen sich wie zwei Paar C-Federn, den Körper tragend,
gegenüberstehen. Wo die Knochen am längsten, wie in den
oberen Theilen, finden wir die Winkel am engsten und die
Gelenke am stärksten. Wo die Zusammenfügung am
steilsten, wie in den unteren Theilen, die obendrein der Rück-
prall am heftigsten drückt, finden wir drei Gelenke in der Ent-
fernung von einer Spanne. Es ist klar, dass die Kraft des
Stosses um so mehr gebrochen wird, je mehr die Winkel von der
geraden Linie abführen. Wir haben aber in unsern vorigen Be-
trachtungen gesehen, dass dem edlen Gebäude des Race-
pferdes
die lange Fessel, das schräge Backbein und Becken,
wie Armbein und Schulter, die es ihm möglich machen, so viel
Terrain zu nehmen, eigen sind, während das gemeine Pferd
2*
[20]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
mit seinem steilen Bau der Gliedmassen durch gebundene und
schwunglose Gänge charakterisirt wird. Jene schrägen Stellungen,
welche zu so grossen Kraftäusserungen befähigen, haben aber auch
andererseits wiederum das grösste Vermögen, die damit verbundene
Erschütterung zu ertragen, und erscheinen auch in dieser Beziehung
vor dem steilen Bau der gemeinen Race bedeutend bevorzugt. Die
Grenze dieser schrägen Stellung findet sich in der vermin-
derten Tragfähigkeit
. Die vermehrte Tragfähigkeit und
harte Unbiegsamkeit der steilen Stellungen halten Empiriker
in der Reitkunst häufig für Kraft, und wüthen auf die Gelenke
los, die sie dann baldigst ruiniren. Eben so oft halten sie die
Biegsamkeit der günstigen Stellungen, trotz der trefflichsten
Elastizität, für Schwäche und fürchten sich, das Thier anzufassen.


Finden wir eine fehlerhafte Abweichung von der Nor-
malen, ein Gelenk steiler, ein anderes dafür schräger gestellt,
so wird das schräger gestellte Gelenk den Stoss für das steilere
mitzutragen haben. Bei einem im Sprunggelenk steil gestellten
Pferde werden die Fesseln den von oben kommenden Stoss der
Last vermehrt erhalten, wie ein Pferd mit steilem Hankenbau,
das zu schräg im Sprunggelenk gestellt ist, den von oben kom-
menden Stoss gleichfalls doppelt empfinden wird. Die Vorhand
ist gegen die Hinterhand durch den Umstand, dass der Vorarm
gleichlaufend mit dem Schienbein gestellt ist, im wesentlichen
Nachtheile, bei welcher diese Zusammenstellung im Sprunggelenk
winklich gestaltet ist. Obschon der Rückprall durch die Be-
weglichkeit der Schulter gebrochen wird, welches im Becken nicht
stattfindet, so wirkt der Stoss von oben demnach weit verderblicher
auf die Vorhand, als auf die Hinterhand, und die Reitkunst ist
deshalb einzig bemüht, ihn von der Vorhand abzuwenden. Es ist
ein wichtiger Theil der Beobachtung, ob die Gliedmassen richtig in
sich verbunden sind, und ob bei Abweichungen von der normalen
Stellung diejenigen Gelenke, welche mehr beansprucht werden, hin-
reichend stark gebaut sind, die vermehrte Erschütterung oder die
grössere Last zu tragen.


Wie aber die eben genannten Unregelmässigkeiten eines
Gelenkes zerstörend auf das Nachbargelenk
wirken,
so findet dieselbe Wechselwirkung bei allen Unregelmässigkeiten
im Gebäude statt. Völlig regelmässig gebaute Thiere giebt es
[21]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
nicht. Es ist ein weites und interessantes Feld der Beobachtung,
wie Unregelmässigkeiten sich durch andere vermehren oder aus-
gleichen. Die Kombinationen in dieser Art sind unzählig. Wir
wollen einige derselben näher betrachten.


Obschon die Abweichungen in den Längeverhält-
nissen der Knochen
zu ähnlichen Resultaten führen, wie die
Abweichungen in den Gelenksstellungen, so ist im Nach-
stehenden auf dieselben doch weniger Rücksicht genommen, einmal
weil sie in der Natur weit stärker ins Auge fallen, wie die Winkel,
und jeder, welcher sich einigermassen mit der Beobachtung der
Proportionen beschäftigt hat, sie leicht herauserkennt; dann aber,
weil die Winkel von noch grösserer Erheblichkeit sind. Nicht nur
bestimmen sie die Lage der Muskeln zum Gliedmasse, und
damit den grösseren oder geringeren Kraftaufwand, den die Muskel
braucht, um das Glied zu heben, sondern auch die Nachgiebig-
keit der Gelenke
sowohl gegen den Druck der Last von oben
wie gegen den Rückprall von unten.


Bei der Hinterhand.


Figure 4. (Tafel 1.)

Bei normaler Stellung der Hinterhand soll ein Loth,
welches aus dem Punkte, wo Rücken und Becken verbunden sind,
[22]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
zur Erde fällt, die Kniescheibe und ein Loth vom hintersten Punkte
des Sitzbeins die Hacke treffen, und nur wenig mit der Richtung
des Schienbeins differiren. (Fig. 1.)*


Es kommen indess Abweichungen nach zweien Richtungen
vor. Es kann


A. das Hinterbein zu weit unter den Leib geschoben erscheinen:


  • a) weil das Backbein zu schräg steht, und dadurch na-
    mentlich bei steiler Kruppe das Kniegelenk zu weit vor-
    kommt; (Fig. 2.)
  • b) weil das Schenkelbein im Kniegelenk zu steil an das
    Bakbein angesetzt; (Fig. 3.)

Figure 5. (Tafel 2.)

  • c) weil das Schienbein im Sprunggelenk zu schräg an das
    Schenkelbein gesetzt ist (säbelbeinig); (Fig. 4.)
  • d) weil die Fessel zu lang und schräg steht. (Fig. 5.)

In allen diesen Fällen wird das Hinterbein weit unter die Last
gebracht. Das Pferd ist mithin leicht disponirt, die Last auf die
Hinterbeine aufzunehmen, und es werden ihm die versammelten
Gänge und die Paraden leicht werden, da die Natur die Beine
schon in die Richtung gebracht hat, wo sie hingehören, um zu
[23]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
tragen. Sie sind indess darum nicht mehr dazu geeignet, eine
erhöhte Last aufzunehmen, und soll der Ausdruck „Tragfertigkeit“
nicht sowohl auf ihr Vermögen eine grössere Last zu tragen,
als auf ihre Bereitschaft die Last aufzunehmen, hindeuten. Es
leidet indess das Ausharren hinter der Senkrechten — also
Abschub und Abschwung — die Räumigkeit zu Gunsten
der Tragfertigkeit. Das Pferd wird weder im langen Trabe
noch im Laufe glänzen und als Zugpferd geringen Druck ins Ge-
schirr bringen. Der zu schräge Stand ist, was den Bruch des
Stosses betrifft, im ersten Falle am wenigsten schädlich, weil das
Hüftgelenk nicht leicht verletzlich ist. Uebler ist der steile Stand
des Schenkelbeins, weil die Biegsamkeit des Kniegelenks dadurch
beeinträchtigt, und der Stoss vermehrt dem schwächeren Sprung-
gelenke zugeführt wird, dessen säbelbeiniger Stand ihm gleichfalls
leicht Verletzungen bringt.


Der zu schräge Stand der Fessel ist gewöhnlich mit zu grosser
Länge derselben gepaart und wird auf die Vermehrung der Trag-
fertigkeit nur wenig wirken.


B. Es kann andererseits das Hinterbein nach hinten
herausgeschoben
erscheinen:


Figure 6. (Tafel 3.)

  • a) weil das Backbein zu steil steht; (Fig. 1.)
  • b) weil das Schenkelbein mit ihm im Knie zu schräg ver-
    bunden ist (spanische Hose); (Fig. 2.)
[24]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 7. (Tafel 4.)

  • c) weil, was am häufigsten vorkommt, das Schienbein im
    Sprunggelenk zu steil zum Schenkelbein steht; (Fig. 3.)
  • d) weil die Fessel zu steil steht. (Fig. 4.)

Dieser letztere Fall hat allein Nachtheile. In den übrigen drei
Fällen
werden die Pferde hinter der Senkrechten lange aus-
harren, stark schieben
und abschwingen, mithin schnell
sein, und viel Druck ins Geschirr bringen. In allen vier Fällen
treten die Beine nicht genug unter die Last, und werden
in gesammelten Gängen und den Paraden nicht die nöthige
Stütze geben
.


Was den Bruch des Stosses betrifft, so giebt die spanische
Hose dem hintern Kniegelenke vermehrte Biegung; doch ist dies
dem kräftigen Gelenke wenig schädlich. Der gerade Stand im
Sprunggelenke gefährdet die Fesseln. Am unangenehmsten ist das
steile Backbein, weil dadurch beide Hankengelenke unbiegsam, und
die leicht verletzbaren unteren Gelenke erhöht in Anspruch genom-
men werden.


Kombinationen der angeführten Unregelmässig-
keiten
werden folgende Resultate geben:


[25]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 8. (Tafel 5.)

Ein zu steiler Stand des Backbeins mit einer spanischen
Hose
würde die Hankenbiegung ausgleichen, aber das
Unterbringen noch mehr erschweren. (Fig. 1.)


Kombinirt
mit einem steilen Stand im Sprunggelenke würde der
Fehler vermehrt; (Fig. 1 a.)
mit Säbelbeinigkeit derselbe vermindert werden; (Fig. 1 b.)


Figure 9. (Tafel 5

u. 6.)


Steiles Backbein und steiles Schenkelbein gleichen die
Fähigkeit zum Untersetzen und Abschieben aus, verlangen
[26]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
aber riesige Untergelenke und geben, wegen Mangel der
Hankenbiegung, difficile Reitpferde. (Fig. 2.)


Figure 10. (Tafel 6.)

Kombinirt
mit steilem
Stand im
Sprungge-
lenke
erzeugt
Unbiegsamkeit
bis zur Un-
brauchbar-
keit
zum Reit-
pferde und der
Ruin der Fes-
sel ist gewiss;
(Fig. 2 a.)
mit Säbelbei-
nigkeit
giebt es diejenigen Pferde, welche, vom Reiter irgend
angefasst, in den Sprunggelenken zusammensinken, und den
Schmerz, bei dem Uebermass der Biegung dieser Gelenke,
durch zuckende Bewegung zu erkennen geben. (Fig. 2 b.)


Figure 11. (Tafel 7.)

Schräg gestelltes Backbein mit spanischer Hose
gleicht die Fähigkeit zum Untersetzen und Abschieben aus,
und giebt eine höchst biegsame Hanke. (Fig. 3.)


[27]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.

Kombinirt
mit steilem Stand im Sprunggelenke kommt das
Bein zu weit hinten herauszustehen; (Fig. 3 a.)
mit Säbelbeinigkeit erhöht die Biegsamkeit aller Gelenke
bis zur Schwäche. (Fig. 3 b.)


Figure 12. (Tafel 8.)

Schräges Backbein mit steilem Schenkelbeine giebt
mangelhaften Abschub und unbiegsames Kniegelenk. (Fig. 4.)


Kombinirt
mit steilem Stand im Sprunggelenk wird der Abschub
verbessert, aber die Unbiegsamkeit des Knie- und Sprung-
gelenks der Fessel gefährlich; (Fig. 4 a)
mit Säbelbeinigkeit wird der Abschub am schwächsten
von allen bisher erwähnten Stellungen. (Fig. 4 b)


Man könnte nun diese Kombination noch weiter zur Fessel
hinausdehnen, doch stellt sich die Sache nach dem Gesagten so
deutlich heraus, dass Ferneres überflüssig erscheint.


[28]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.

Bei der Vorhand.


Figure 13. (Tafel 9.)

Gehen wir zur
Vorhand über, so
trifft beim normalen
Stand ein Perpendi-
kel, der von der Bug-
spitze zur Erde fällt,
beinahe die Zehe des
Vorderhufes. (F. 1.)


Das Vorderbein
steht zu weit
unter dem
Leibe
,
wenn bei kurzer
und steiler
Schulter
das
Armbein zu
lang ist; (F. 2.)

Figure 14. (Tafel 10.)


wenn bei langer
und steiler
Schulter das
Armbein zu
schräg
steht;
(Fig. 3.)
wenn das Pferd
mit den Knieen
vorgebogen

(bockbeinig), auch,
wenn es in der
Fessel zu steil
steht. (Fig. 4.)


In allen diesen
Fällen wird die Last
schon im Stillestehen überhangend erscheinen. Es wird im Allge-
meinen das Unvermögen daraus hervorgehen, hinreichend weit vor-
[29]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
zutreten, um die Last aufzufangen; dagegen wird Abschub und
Abschwung keineswegs vermindert werden. Die Pferde können
desshalb geschwind, sie werden aber unsicher sein.


Angeborne Bockbeinigkeit ist bei leichter, freier Schul-
ter wenig nachtheilig. Es giebt Racen, welche durch vorgebaute,
runde Knie bockbeinig erscheinen, wie z. B. die Ivenaker. Wenn
die Bänder dicht unter dem Knie sehr fest angezogen sind, so ist
die Sache schon bedenklich, weil dann die sichere Voraussicht da
ist, dass der geringste Gebrauch die natürliche Bockbeinigkeit bal-
digst vermehren wird. Stehen die Thiere bereits lose oder zitterig,
so ist die Erziehung mehr schuld, als die Geburt und möchte ich
nicht zum Ankauf rathen. Ich habe sehr selten Pferde, auch wenn
sie nicht durch Anstrengungen, sondern erweislich durch Mangel
an Bewegung als Fohlen krumm geworden waren, besser werden
sehen, so häufig vom „Wiedergeradereiten“ gesprochen wird.


Der zweite Fall bringt gewöhnlich den dritten und
vierten bald hervor, und sind Pferde dieses Baues nur als schwere
Arbeitspferde zu benutzen.


Figure 15. (Tafel 11.)

Das Vorderbein steht zu weit vor,
wenn die kurze schräge Schulter ein zu steiles Arm-
bein
hat; (Fig. 1.)
[30]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
wenn die lange schräge Schulter ein zu kurzes Arm-
bein
hat; (Fig. 2.)
wenn das Pferd im Hufwurzelgelenk rückbiegig steht,
auch, wenn die Fessel zu schräg gestellt ist. (Fig. 3.)


Letztere Eigenschaft gewährt keinen Vortheil, sondern hat nur
den Nachtheil der Schwäche. Die Rückbeinigkeit zeugt von
Schwäche des Kniegelenks und wird, wie die unter 1 und 2 ge-
nannten Eigenschaften, die Pferde weniger abschiebend machen,
ohne den Vortheil des weiten Vorschreitens zu geben, den jene
haben. Für den Reitgebrauch würden die ersteren Eigenschaften
sich weniger unangenehm geltend machen, an Zugpferden aber
würden es beträchtliche Fehler sein. Die Kombinationen der ver-
schiedenen Fehler gestalten sich hier so einfach, dass derselben
weiter keine Erwähnung geschehen soll.


Bei der Vor- und Hinterhand.


Um ein regelmässiges Fortschreiten in Vor- und Hinter-
hand und die richtige Wechselwirkung der Kräfte hervorzubringen,
ist es nothwendig, dass die Fähigkeit derselben zum Vorgreifen,
Abschieben
und Abschwingen gleich sei. Nur die Har-
monie
der Bewegung kann Ausdauer geben.


Es ist besser, dass Vor- und Hinterhand eine gleiche Räu-
migkeit der Bewegung haben, wenn sie auch noch so gering ist,
als wenn diese Uebereinstimmung fehlt. Nicht zu jedem
Zwecke braucht man schnelle Pferde oder solche, die zu einer
hohen Kraftentwickelung fähig sind. Es ist ein Erfahrungssatz,
dass der Bau der Vorhand des Vaters und der Hinterhand
[31]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
der Mutter sich vorzugsweise auf das Fohlen vererbt. Ein
hochedler Hengst mit einer Vorhand von ungemein räumigem
Gange und eine gemeine Stute mit langem Rücken, steiler,
kurzer Kruppe werden ein Fohlen erzeugen, das vorn hinrei-
chend viel vom Gange und der Form des Vaters hat, und
hinten genug von der Unvermögenheit der Mutter, um
ein Thier zu geben, das vorn spielt und hinten passt.
Vorn ein Löwe
und hinten ein Hundsfott, hat es keinen
Drang nach vorwärts, bringt keinen Druck ins Geschirr,
und wird als kaltbrüstig von den Bauern bezeichnet, der das
allein in der Haut sucht, was in seinem ganzen Bau begründet
liegt. Die Pferdekenner von einer Stufe höher hinauf schieben
Alles, was der Bauer im Felle findet, auf das Temperament. Durch
diese Produkte ist das Publikum ungerecht gegen die Landbeschäler
geworden. Ich wage nicht zu beurtheilen, ob man nicht im Allge-
meinen zu weit in Vermischung hochedlen und ganz gemeinen Bluts
gegangen ist und ob nicht die Liberalität der Regierung, indem sie
jede Stute ohne Auswahl von den königl. Beschälern decken liess,
eher nachtheilig, als vortheilhaft gewirkt hat. Jene Bastarde bilden
allerdings eine Spielart, die sich zu keiner Art der Dienstleistung
qualifizirt.


Umgekehrt hat man häufig in neuerer Zeit, um einer zu
kleinen und feinbeinig gewordenen Race mehr Volumen zu
geben, zu gemeine und schwere Hengste auf hochedle,
zu feine Stuten
gesetzt, und durch diesen entgegengesetzten
Fehler auch das entgegengesetzte Produkt, ein Fohlen erhalten,
dessen Hinterhand kräftige und räumige Bewegungen zeigt, zu
der die beladene Vorhand im schlimmsten Kontraste steht
und bald vernichtet wird.


Dass ein geringes Ueberwiegen der Räumigkeit des Ganges
der Hinterhand beim Wagenpferde, wo es auf den Drang nach
vorn ankommt, und das umgekehrte Verhältniss beim Reitpferde
weniger schadet, ist leicht einzusehen.


Es kombiniren sich die unrichtigen Stellungen
der Beine
, wie wir sie bereits bei Vor- und Hinterhand durch-
genommen haben, in ihrer Beziehung auf einander, wie folgt:


[32]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 16. (Tafel 12.)

  • 1) Sind Vorder- und Hinterbeine nach rückwärts
    gestellt, so wird das Thier sich fortwährend ausser Gleich-
    gewicht nach vorne befinden, zu viel Schub und keine Sicher-
    heit haben, sich nur zum Zugpferde eignen und die Vorder-
    beine ruiniren.
[33]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 17. (Tafel 13.)

  • 2) Sind Vorder- und Hinterbeine nach vorn gestellt, so
    ist zu wenig Schub in dem Thiere; es wird, stets nach
    rückwärts aus dem Gleichgewicht, sich verhalten, ein ganz
    schlechtes Wagenpferd und ein langsames Reitpferd abgeben.

v. Krane, Dress. d. Reitpferd. I. Th. 3
[34]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 18. (Tafel 14.)

  • 3) Ist die Vorhand zurück- und die Hinterhand nach
    vorn
    gestellt, stehen mithin die Beine unter dem Leibe
    zusammen, (wie es ausser den angeführten fehlerhaften Win-
    kelbildungen auch durch den Karpfenrücken hervorgebracht
    sein kann), so ist das Thier als Reitpferd unsicher, hat als
    Wagenpferd keinen Schub und klappt in die Eisen.
[35]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Figure 19. (Tafel 15.)

  • 4) Ist die Vorhand vor und die Hinterhand zurück
    (ausser durch fehlerhafte Winkelbildung der Beine, oft durch
    bedeutenden Senkrücken hervorgebracht), so ist ein solches
    Thier, dessen Vor- und Hinterhand allein zu gehen scheinen,
    zum Reitpferd ganz ungeeignet und ein sehr schlaffes Wa-
    genpferd.

Von dem Bau des Pferdes in der Breite.


Wählten wir bisher unsern Standpunkt auf der Seite, so neh-
men wir ihn jetzt vor oder hinter dem Pferde und fassen nunmehr
seine Breiten-Dimensionen ins Auge. Wie es im Allgemeinen
schwer ist, die Verhältnisse des Pferdes in Zahlen auszu-
drücken, so ist es auch schwer zu bestimmen, welche Breite
das Pferd, von vorn gesehen, von einer Bugspitze zur andern
3*
[36]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
und von einer Hüfte zur andern im Vergleich zu seiner Höhe
haben muss. Die Grenzen liegen für die grössere Breite in
der wachsenden Schwere des Rumpfes und in den Nachtheilen,
welche sie, wie wir weiter unten sehen werden, für den Gang hat.
Die Grenze für das Schmale liegt in der mit ihr verbundenen
Beengung des Brustkorbes und in der zu geringen Ausdehnung
von Hüfte zu Hüfte, welche der Muskulatur der Hinterhand nicht
den nöthigen Raum bietet, und gleichfalls wieder ihre besonderen
Nachtheile für den Gang zeigen wird.


Es ist unter allen Umständen nothwendig, dass die vor-
dere und hintere Breite des Pferdes übereinstimmt
,
und Vorder- und Hinterhufe in gleicher Entfernung von einander
stehen. Die Beine müssen im Fortschreiten einander decken, sie
müssen sich mit einer zwischen ihnen mitten hindurchgezogenen,
mit dem Rückgrat des Pferdes gleichlaufenden Linie parallel fort-
bewegen, wenn der Pferdekörper nicht im Gange fortwährend hin-
und herschwanken soll. Im Trabe schiebt das Pferd z. B. mit dem
rechten Hinterbeine die Last ab. Der Pferdekörper wird
dadurch so weit nach links geschoben, als der rechte Hinterfuss
von der Mittellinie abstand. Soll das linke Vorderbein nun
die Last richtig stützen, so muss es eben so weit links von der
Mittellinie fussen, als das Hinterbein rechts von derselben
die Last abschob. Je weiter aber die Hinterbeine auseinander stehen,
um so weiter werden sie die Last seitwärts schieben, so dass bei
grosser Breite des Gebäudes, und mithin grossem Abstande der
Beine von der Mittellinie die Bewegung des ganzen Thieres eine
bald rechts, bald links schwankende werden muss, wodurch sie an
Räumigkeit nach vorwärts verliert. Der breite Stand giebt
indess andererseits wieder eine sichere Basis, lässt den Körper
schwer rechts und links aus dem Gleichgewicht kommen
und giebt Sicherheit in Wendungen. Es wird den Thieren ferner
leicht werden, ihr Gewicht und das des Reiters in den Paraden
und im Galopp auf den weit auseinander stehenden Hinterfüssen
zu balanciren.


Beim schmalen Gebäude wird die Abweichung rechts
und links im Gange geringer, und die Räumigkeit ver-
mehrt
. Dadurch, dass sie leichter seitwärts aus dem
Gleichgewicht
gebracht werden können, werden die Pferde
[37]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
zwar geringere Sicherheit in den Wendungen haben, sich aber
leichter (durch die überhängende Last des Reiters) wenden
lassen
. Im Galopp und in den Paraden würden sie indess die
Last auf den enger stehenden Beinen schwer balanciren.


Abweichungen von dieser gleichmässigen Breite
würden folgende sein:


  • 1) Hinten breiter als vorn. Ist dies Verhältniss nicht
    übertrieben, so hat es den Vortheil, dass im Galopp und
    in den Paraden die Last auf breiter Basis gestützt wird,
    dass ferner in der Karrière die Hinterbeine leicht bei den
    Vorderbeinen vorbeigreifen; aber den Nachtheil, dass der
    Sattel leicht vorrutscht, und im Trabe der Körper von
    den Vorderbeinen nicht richtig aufgenommen wird, wodurch
    diese leiden.
  • 2) Vorn breiter als hinten. Dies verbindet die Nach-
    theile
    der schmalen Hinterhand mit der Unmöglichkeit des
    Vorbeigreifens und dem Fehler, dass die Vorderbeine die
    Last unrichtig stützen. Diese Pferde sind für den Reitge-
    brauch wenig geeignet.

Man bemerkt bisweilen, dass Pferde, welche in dieser Be-
ziehung richtig gebaute Verhältnisse haben, mit der Hinterhand
nicht dem Hufschlag der Vorhand folgen
, sondern mit
derselben nach gleicher Seite abweichen und gehen, wie der Hund
trabt. Dies ist ein Zeichen von grosser Schwäche oder von
Schmerz im Rückgrat. Man darf sich indess nicht täuschen las-
sen, indem viele Pferde aus Ganaschenzwang etc. in diese Eigen-
thümlichkeit verfallen. Es bedarf einer genauen Beobachtung an
der Hand. Abweichungen mit einem Hinterbein nach
auswärts zeigen gemeiniglich ein krankhaftes Schonen.


Betrachten wir nunmehr die Stellung der Beine von
vorn oder hinten gesehen
, so sollen sie in ihrem Normal-
stand senkrecht abwärts führen. Es finden indess eine grosse
Menge Abweichungen statt. Die häufigsten sind folgende:


  • 1) Die Hinterbeine sind mit den Hacken des Sprung-
    gelenks zusammen gebogen
    . Die Beine stehen in den
    Sprunggelenken enger zusammen als an den Hufen und sind
    nach auswärts gedreht. Diesen Stand der Beine nennt man
    kuhhessig. Er hat den Vortheil der hinten breitgestellten
    [38]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
    Beine und gilt für kräftig. Er hat den Nachtheil, dass der
    Bruch des Stosses nicht gleichmässig in allen Theilen des
    Beines erfolgt, ein Nachtheil, den alle Abweichungen dieser
    Kategorie haben.
  • 2) Pferde, deren Hinterhufe näher zusammen stehen
    als die Sprunggelenke
    . Dieser Stand gilt für schwach
    und man sieht nicht selten, wie die Sprunggelenke sich bei
    jedem Tritte unter der Last nach aussen biegen. Sie sind
    häufig überdem nach innen gedreht. Pferde dieser Stellung
    streichen sich fast immer.
  • 3) Sind die Vorderbeine in den Schultern oder in
    den Knieen enger als unten an den Hufen gestellt
    .
    Diesen Stand nennt man bodenweit. Er hat den Nach-
    theil des vorn weiten Ganges, ist im ersteren Falle mit
    schmaler Brust gepaart und ist der mangelhafteste, weil er
    sowohl der Räumigkeit und Sicherheit, als der Conserva-
    tion schadet.
  • 4) Sind die Vorderbeine unten eng und oben weit
    gestellt
    , so ist die Gefahr des Streichens da.

Endlich können senkrecht herablaufende Glied-
massen nach innen oder nach aussen gedreht erscheinen
.
Wir sahen bereits, wie mit dem kuhhessigen Stande gewöhnlich
die Drehung nach aussen, mit dem unten engen die Drehung nach
einwärts verbunden ist. Diese letzte Kategorie streicht sich fast
immer. Der eigentliche Sitz dieser Verdrehungen ist sehr ver-
schieden und kann sowohl in den obern als untern Gelenken liegen.
Bei den Vorderbeinen nennt man die nach aussen gekehrten fran-
zösisch gestellte
. Sie machen bei ihrem Vorschreiten häufig
einen Bogen nach innen und streichen sich. Pferde mit nach innen
gedrehten Vorderbeinen nennt man Zehentritter. Sie machen
häufig eine bügelnde Bewegung nach aussen, die den Gang er-
schwert.


Ich erlaube mir noch einige allgemeine Betrachtungen hinzu
zu fügen. Ein vollkommen proportionirt gebautes Pferd wird,
allein betrachtet, niemals auffallend gross noch klein erscheinen.
Es ist kein gutes Zeichen für die Verhältnisse, wenn sie in Bezug
auf die Grösse täuschen. Das Zugrosserscheinen ist gewöhnlich
durch Hochbeinigkeit und zu geringe Breite hervorgebracht, das
[39]Ueber das Exterieur und den Gang des Pferdes.
Zukleinerscheinen durch die entgegengesetzten Eigenschaften. Die
Tiefe des Rumpfes giebt das Mass der Ausdehnung des Brust-
korbes vom Rückgrat zum Brustbein. Wie diese Dimension der
Brust beim Menschen für die freie Bewegung der Lungen den
Ausschlag giebt, und nicht die von Schulter zu Schulter, so ist es
auch beim Pferde der Fall. Zugleich aber kann ohne diese Tiefe
nicht jene Lage der oberen Theile der Gliedmassen stattfinden,
welche wir für vortheilhaft erkannt haben. Dieser Gestaltungen
wegen, können ferner die Theile des Pferdes von der Bugspitze
bis zum hinteren Theile des Schulterblattes und von der Hüfte
bis zum Sitzbeine nicht lang genug sein, wogegen die dazwischen
liegenden Theile möglichst kurz sein müssen. Je länger das
Pferd von Huf zu Huf, um so besser ist es gebaut,
wenn Rücken und Lenden dabei kurz und gedrungen
sind
. Die Form und Grösse des Kopfes ist an und für sich
etwas sehr Gleichgültiges, und nur für die Beurtheilung des Cha-
rakters und der Race von Bedeutung. Der Ungeschmack, der den
kleinsten Kopf für den schönsten hielt, ist fast ganz ver-
schwunden, eben so die Idee, dass ein schwerer Kopf nothwendig
schwer auf die Hand fallen müsse. Wir werden später sehen, wie
es von der Stellung, Länge etc. des Halses mehr abhängt, wie
von der absoluten Schwere, und wir sehen es ja täglich bei den
Menschen, wie mancher Dickkopf hoch getragen wird und manches
kleine Köpfchen auf die Brust herabsinkt. Ueber den Hals be-
halte ich mir das Nähere bei der Halsarbeit zu sagen vor.


[[40]]

Erſter Abſchnitt.
Vom Verständniss zwischen Mensch und Pferd.


Erstes Kapitel.
Einleitung.


Verständniss ist die richtige Auffassung des durch
gewisse Zeichen kundgegebenen Gedankens oder Willens eines an-
dern. Die Fähigkeit, den Willen des Menschen zu verstehen, ist bei
den verschiedenen Thierklassen sehr ungleich, und eben so den
einzelnen Wesen derselben Klasse mehr oder minder eigenthümlich.


Das Pferd nimmt eine der höchsten Stufen ein. Doch ist
seine Intelligenz, je nach seiner Lebensweise, wiederum höchst un-
gleichmässig entwickelt.


Wir unterscheiden 1. wilde Pferde, solche die in gänz-
licher Unabhängigkeit von Menschen bleiben, wie das südamerika-
nische Pferd, der Pampa’s etc. 2. Halbwilde, denen der Mensch
wie gehegtem Wilde mit Futter und Wetterschuppen gegen Hunger
und Kälte zu Hülfe kommt, die jedoeh auch Jahr ein Jahr aus im
Freien bleiben, wie z. B. die Senner. Ihnen ist der Mensch fremd,
sie werden ihn fürchten aber nicht hassen. Ich möchte sie
gehegte Pferde, zum Unterschiede von Heerdenpferden
nennen, welche in grosser Zahl zu Heerden vereint und von Rei-
tern beaufsichtigt, von Weideplatz zu Weideplatz getrieben wer-
den. Sie finden sich in den süd-östlichen Ebenen Europas, den
ungarischen Pussten, den russischen und moldauischen Steppen etc.
Sie kennen den Menschen nur als Zuchtmeister mit der Peitsche
[41]Einleitung.
und dem Arkan, werden Scheu und Argwohn, oft auch Hass gegen
ihn hegen, und von den uns in die Hände kommenden am schwer-
sten zu behandeln sein. So interessant auch ihre Zähmungsdressur
ist, so werden wir von derselben Abstand nehmen. Das Werk
des k. k. Rittmeister Balassa: „Die Zähmung des Pferdes“ (Wien,
Carl Gerold, 1835) giebt darüber sehr gediegene Unterweisung.
3. Weidepferde, welche die grössere Hälfte des Jahres auf der
Weide zubringen. 4. Stallpferde, welche nur ausnahmsweise
aufs Gras kommen.


Je näher der Umgang der Thiere von Geburt an mit dem
Menschen war, um so mehr wird das Verständnissvermögen sich aus-
gebildet haben. Die Pferde der Nomadenstämme, bei welchen sie
als Familienglieder betrachtet werden, unterscheiden die einzelnen
Personen, hören auf ihren Namen, kennen die Bedeutung vieler
Wörter, lassen sich leicht handhaben und geben sich vertraulich
dem Menschen hin. Das wilde und halbwilde Pferd sieht in ihm
seinen Zwingherrn, der es seinem Stamme, der unbeschränkten
Freiheit entriss, es im dumpfen Stalle anfesselt und zum Dienste
zwingt. Voller Misstrauen und Scheu kann es trotz Hunger und
Durst sich kaum entschliessen, den Hafer, das Wasser zu berühren,
welches dessen Hand ihm reicht. Wie viel Zeit und Mühe kostet
es, mit diesen Thieren durch Dressur zu dem Grade von Ver-
ständniss zu kommen, in dem wir das Stallpferd finden.


Durch die Sinne nimmt das Thier die Zeichen wahr, wo-
durch der Mensch ihm seinen Willen kund thut. Das Auf-
merken, das Erstaunen
ist der erste Moment des Wahr-
nehmens. Die grössere oder geringere Empfänglichkeit der
Sinne für äussere Eindrücke wird für die Stärke der Zeichen
massgebend sein, die Schnelligkeit und Schärfe des Ver-
standes
aber die Schnelligkeit und Schärfe des Erkennens bestim-
men. Phlegma und Flatterhaftigkeit sind die Feinde des
Aufmerkens. Das Phlegma, das sich in dumpfer Trägheit, in
träumerischem Hinbrüten und in Gefühllosigkeit bemerkbar macht,
ist theils eine Eigenschaft der gemeineren Racen, theils
aber eine Krankheitserscheinung, die in der Leber, den
Verdauungs- und Hirnorganen ihren Sitz hat und im Dummkoller
ihre Spitze findet, endlich aber, wie bei rossigen Stuten etc.,
geschlechtlicher Natur. Wo Krankheit der Grund ist, muss der
[42]I. Abschnitt. Erstes Kapitel.
Arzt helfen, sonst bedarf es anfangs oft des lauten Anschreiens
und des Schlagens, um das Thier zu erwecken. Man verfalle dabei
nicht in den Fehler andauernden Gebrauchs unzurei-
chender Mittel
, welche die Theilnahmlosigkeit und Harthörigkeit
nur steigern, und lasse sich nicht zur Grausamkeit hinreissen,
die Misstrauen und Furcht erweckt, und wohl Aufmerksamkeit,
doch statt des Erkennens — Verkennen hervorbringt. Man
wähle bei ihnen stets kurze Reprisen, die ein nicht zu langes An-
spannen der Aufmerksamkeit verlangen. Die Flatterhaftigkeit,
das nicht Ausharren, sondern Abschweifen der Aufmerksamkeit auf
andere Gegenstände, ist theils eine Folge lebhafter Empfäng-
lichkeit
für fremde Eindrücke, welche im Allgemeinen Eigen-
thum der Jugend
und der höheren Racen ist, und sich bei
reizbaren Nerven bis zur fieberhaften Aufregung steigert, theils
Folge von Stallmuth, dem Gefühle der Kraft, und entspringt
endlich aus geschlechtlichen Ursachen. Entfernen aller
Gegenstände, welche die Aufmerksamkeit ablenken können, nament-
lich solcher, die dem Thiere, wie pressende oder verletzende Theile
des Ajustements, Schmerz oder Unbequemlichkeit verursachen,
längere Reprisen und Rücksichtsnahme auf geschlechtliches Begehr,
nebst ernster und ruhiger Behandlung sind die Mittel dagegen.


Es scheint mir hier der geeignete Ort, einige Worte über das
Temperament zu sagen. Man hat darunter die aus dem eigen-
thümlichen körperlichen Organismus hervorgehende geistige
Thätigkeit
in Bezug auf Gefühl, Leidenschaften etc. zu
verstehen. Bei den Pferden pflegt man von heftigem (reizba-
rem), lebhaftem und ruhigem Temperamente zu sprechen,
was mit dem cholerischen, sanguinischen und phlegmatischen über-
einkommt. Vom melancholischen ist dagegen weniger die
Rede. Im Allgemeinen pflegt man die grössere und geringere
Gehlust höchst willkürlich mit dem Ausdrucke Temperament zu
bezeichnen, und diese Naturanlage zum Deckmantel von Dressur-
mängeln zu benutzen. Da bei gerittenen Pferden der grössere
oder geringere Drang nach vorwärts mehr von der Zusam-
menstellung
, und die leichtere oder schwerere Folgsamkeit
auf die Hülfen mehr von der Abrichtung, als von der gei-
stigen Thätigkeit
abhängt, so wird, aus beiden Eigenschaften
die Temperamentsbestimmung herzuleiten, meist unrichtig
[43]Einleitung.
sein. Beim alten Pferde ist das natürliche Temperament
sehr schwer zu erkennen. Eine Beobachtung von längerer Zeit im
Stalle und wo das Thier sich selbst überlassen ist, kann am
ersten Aufschluss darüber geben. Wie es sich an der Hand und
unter dem Reiter gebehrdet, ist meist zu sehr Folge des Anerzo-
genen, der Dressur, um ein sicheres Urtheil zu geben. Namentlich
beim rohen Pferde bringen die Hülfen oft eine ganz andere Wir-
kung hervor, als der Reiter erwartet hat, und er schreibt dann
diese Abweisung von der ihm natürlich scheinenden Folge seiner
Hülfe der besonderen Temperamentsbeschaffenheit zu. Soll z. B.
ein rohes Pferd antraben, und es folgt dem Schenkel nicht, schlägt
wohl gar aus, wenn es den Sporn bekommt, so ist es dem Laien
ein träges Thier, das nicht laufen will. Umgekehrt stürzt das
Thier, weil es ausser Gleichgewicht ist, gegen das Gebiss unauf-
haltsam fort, so ist es eine heftige Canaille, die immer laufen will.
Und doch stellt sich nachher heraus, dass Nr. 1 das Thier ist, was
gern läuft, wozu Nr. 2 gar keine Neigung hat.


Aehnlich geht es mit der Frömmigkeit und der Bosheit.
Wo
nicht geschlechtliche Ursachen da sind, die meist aus Nicht-
befriedigung des Geschlechtstriebes hervorgehen, die der Mensch
ja wiederum selbst verschuldet, giebt es kaum ein böses
Pferd
. Durch schlechte Behandlung der Fohlen, wie der
wilden und halbwilden Pferde sind allerdings schon viele Thiere
unverbesserlich stallbös gemacht, und ebenso hat die unrich-
tige Behandlung unter dem Reiter
oft einen solchen Grad
von Widersetzlichkeit und Bosheit hervorgerufen, dass
manches Thier nur mit Lebensgefahr bestiegen werden kann. Es
ist indess nicht dem Temperamente zuzuschreiben, was die Dressur
verdarb. Im Allgemeinen werden die Racepferde, weil sie für
die äusseren Eindrücke empfänglicher sind wie der Landschlag,
mehr Temperament zeigen, wie sehr der stallmuthige Bauer
auch schnarcht, tritt und trägt; aber jene werden eben darum
reizbarer sein, und eher böse gemacht werden können. Der
Training bringt viel nervöse Reizbarkeit und damit Heftig-
keit und Bössein im Stalle hervor.


So angenehm auch Pferde von hoher Race für den Cavallerie-
dienst und namentlich für den Offizier sind, so kann ich doch nicht
genug vor den Racekrüppeln warnen, namentlich vor solchen,
[44]I. Abschnitt. Zweites Kapitel.
die seit ihrem zweiten Jahre trainirt, auf der Rennbahn nichts
leisteten und von dort nur ein verwöhntes Fell, aufgeregte
Nerven, verdorbenen Magen
und zu Grunde gerichtete
Beine
mitbringen. Es lohnt sich wahrlich nicht der grossen Mühe
und Geduld, welche erforderlich sind, bei so reizbaren Thieren eine
gänzliche Umgestaltung ihrer Haltung vorzunehmen. Beim Tumult
des Manövers werden sie, in fieberhafte Aufregung gerathend,
Ströme von Schweiss vergiessen, Stunden lang nachher im Stalle
in ihrem Nachschweisse zitternd, die Ohren nach neuen Schreck-
nissen spitzen, und das Futter verachtend und schlecht verdauend,
bald zum Skelett abmagern, und eher verenden, als durch Ermü-
dung sich beruhigen. — Nur keine reizbare Nerven, weder bei —
Frauen, noch Pferden.


Missverstehen ist die unrichtige Auffassung, —
das Verkennen des gegebenen Zeichens
. Dasselbe ist
theilweise in dem noch nicht genügend entwickelten Erkennungs-
vermögen, theilweise in Scheu und Misstrauen von Seiten des
Thieres; von Seiten des Menschen aber in dem unrichtigen An-
passen der Zeichen in Beziehung ihrer Wirkung an sich, oder auf
das Auffassungsvermögen des Pferdes begründet.


Zweites Kapitel.
Von den Zeichen im Allgemeinen.


Was die Zeichen selbst betrifft, durch welche der Mensch
dem Thiere seinen Willen mittheilt, so sind dieselben, ihrer Ver-
ständlichkeit nach, sehr verschiedener Natur.


Als die verständlichsten erscheinen die, welche auf jeden, selbst
leblosen Körper, unmittelbar die Wirkung dessen, was verlangt
wird, hervorbringen. Man würde sie mechanische nennen können.
Fasst man z. B. das Thier an den Kopf und zieht es fort, so wird
es nicht im Zweifel sein, was man fordert. Andere werden dem
Thiere durch den Instinkt verständlich, welcher es lehrt, das
Angenehme zu suchen und den Schmerz zu fliehen. Es läuft vor
[45]Von den Zeichen im Allgemeinen.
der Peitsche. Bei dem auf dem Stalle gezogenen Pferde kommen
dem Dressirenden eine Menge Zeichen zu Gute, deren Bedeutung
es von Jugend auf kennen lernte, und namentlich das angewöhnte
Verständniss sowohl des Lautes einzelner Wörter als des eigen-
thümlichen Ausdrucks derselben.


Aber diese Zeichen allein reichen nicht aus. Man ist genö-
thigt, eine Menge selbstgewählter Zeichen hinzuzufügen, die
zum Theil nicht in eine der drei vorigen Kategorien gehören, mithin
dem Pferde an sich ganz unverständlich sein müssen, deren
Verständniss man ihnen indess mit Hülfe der vorigen erschliesst,
und durch Wiederholung dem Gedächtnisse einprägt.
Diese Zeichen müssen, wenn sie gut gewählt sein sollen, in einer
oder der andern Weise jenen dreien nahe stehen, und den Ein-
druck dessen hervorbringen, was sie veranlassen
sollen
. Es würde ein Fehler sein, sich des Sporns bedienen zu
wollen, um das Pferd zum langsamen Gang zu bewegen. Obschon
hier nicht im eigentlichen Sinne vom Fliehen vor dem Schmerz-
bringenden die Rede sein kann, so liegt doch eine Analogie darin,
dass das Thier vor dem Sporn läuft.


Sie müssen aber ferner mit der grössten Consequenz ange-
wendet werden, damit sie sich durch die Wiederholung dem Ge-
dächtniss einprägen. Braucht man bald dieses, bald jenes Zeichen
für dieselbe Anforderung, oder eines für verschiedene, so wird
man das Pferd verwirren. Was die Consequenz vermag, sehen
wir aus der Erfahrung, dass die Pferde der Kunstreiter auf die
ihnen um die Ohren knallende, so gefürchtete Peitsche zulaufen.


Die Abrichtung zu den selbstgewählten Zeichen
beruht darauf, dass man sie den bekannten Zeichen anfangs hinzu-
fügt, nach und nach die bekannten fortlässt und die neuen allein
braucht, beim Nichterkennen aber die alten corrigirend mitge-
braucht, bis sie allein verstanden werden, und das Gedächtniss sie
bewahrt. Nur hüte man sich, ein Glied in der Kette fehlen
zu lassen.


Der Reiter z. B. kann keinen Menschen neben sich haben, der ihm
das Pferd mit der grossen Peitsche, vor der es zu laufen gewohnt
ist, treibt. Er braucht die Gerte zuerst mit der Peitsche zugleich,
dann allein, wenn das Thier stärker laufen soll, und später nur
[46]I. Abschnitt. Zweites Kapitel.
dann die Peitsche zur Nachhülfe, wenn das Pferd der Gerte nicht
achtete. Aber wenn der Reiter Soldat ist, so kann er nicht immer
eine Gerte führen, und muss statt dessen der Schenkel allein hin-
reichen. Die Peitsche giebt dem Thiere ein direkt auf die Natur
begründetes Zeichen zu fliehen; die Gerte macht ihm Schmerz, der
Begriff des Entfliehens fehlt indess. Der Schenkel aber macht dem
Thiere kaum eine Unbequemlichkeit, und bringt, jener substituirt,
doch denselben Erfolg. Der Uebergang von der Peitsche direkt
zum Schenkel würde aber fehlerhaft sein und länger aufhalten, wie
das Einlegen jener Uebergangsperiode. Noch deutlicher würde bei
der Abrichtung eines Wildfangs, dem ich, da er schon Heu aus
der Hand frisst, nun auch sofort Zucker aus der blossen Hand
reichen wollte, sich der Fehler, Zwischenglieder auszulassen, be-
merkbar machen. Er würde nach dem Abrichter hauen und beissen.
Heu, dann Zucker im Heu versteckt, später Zucker auf dem Heu
und endlich Zucker würde die richtige Reihenfolge sein.


Ich habe bisher gezögert, mich statt Zeichen des Wortes
Hülfen zu bedienen. Es sind sehr viele Reiter, welche einen sehr
wesentlichen Unterschied zwischen Hülfen und Strafen aufrecht
halten wollen. Zeichen passt für beide. Es dürfte äusserst schwer
sein, die Grenze festzustellen. Das Wort Strafe erinnert immer
an Schläge und Schmerz, was durchaus unrichtig ist. Allerdings
ist Strafe ein Zeichen der Unzufriedenheit, aber sie kann
eben so gut im ruhigen, allerdings unbequemen, aber nicht schmer-
zenden Abstehenlassen eines Zügels, als in einem Spornstiche be-
stehen. In Hülfe klingt das Helfen vor und wird meist so zart
aufgefasst, dass Sporn- und Gertenhülfen zu sagen verpönt
wird, und doch sind beide oft nöthig, wo von keinem Zeichen der
Unzufriedenheit die Rede ist, mithin der Ausdruck Strafe nicht an
seinem Ort wäre. Endlich aber ist die mehr oder minder grosse
Wirkung der Werkzeuge auf das Thier mehr von der grösseren
oder geringeren Kraft beim Gebrauche derselben und von der
Empfindlichkeit des Pferdes, als vom Instrumente selbst abhängig.


Nachdem ich nunmehr glaube, allen Missverständnissen zuvor-
gekommen zu sein, erlaube ich mir die einzelnen Arten der Zeichen,
respective Hülfen und Strafen, welche die Reiterei in Anwendung
bringt, nach den Werkzeugen durchzugehen.


[47]Von der Stimme, der Peitsche, Gerte und dem Kappzaum.

Diese sind:


  • 1. die menschliche Stimme,
  • 2. die Peitsche,
  • 3. die Gerte,
  • 4. der Kappzaum,
  • 5. das Gebiss,
  • 6. der Schenkel,
  • 7. der Sporn,
  • 8. das Körpergewicht des Reiters.

Die vier ersten finden für den Soldaten nur als Dressurmittel
Anwendung; zu seinen Dienstverrichtungen bleiben ihm nur die vier
letzteren.


Von ihnen wirken mechanisch am stärksten das Körperge-
wicht des Reiters, der Kappzaum, wenn er zum Vorziehen ge-
braucht wird und das Gebiss durch seine zurückwirkende Kraft,
die den Hals unter günstig gestellten Voraussetzungen in eine
solche Form zusammenbiegt, dass durch denselben und den Rück-
grat eine starke Wirkung auf die Gelenke der Hinterhand herbei-
geführt wird.


Deutlich durch den Instinkt die Peitsche, durch die
Erziehung
die menschliche Stimme, auch wohl die Gerte.


Selbstgewählte Hülfen und Strafen werden durch
Gerte, Sporn und Schenkel gegebene sein. — Die Paraden mit dem
Kappzaum, wie die wendende Wirkung des inwendigen Kandaren-
zügels etc werden gleichfalls dieser Kategorie fast ganz angehören,
und keine unmittelbare Erkennung finden.


Drittes Kapitel.
Von der Stimme, der Peitsche, der Gerte und dem
Kappzaum.


Die menschliche Stimme ist in ihren vielfachen Nüançen den
Pferden von Jugend auf bekannt, und sie werden leicht dahin ge-
bracht, darauf zu achten. Es kommt bei derselben im Allgemeinen
mehr auf den Ton, wie auf das Wort an. Obschon sie sich auch
dieses leicht merken, so hat es doch mit der naiven Bemerkung
Riedinger’s unter einem seiner berühmten Jagdstücke seine Rich-
tigkeit, in welcher er sagt: „Hat er seine Sache gut gemacht, so
[48]I. Abschnitt. Drittes Kapitel.
sage dem Hündlein: „ „bel, bellement, mon chien!“ “ oder: „ „schön,
sehr schön, mein Thierchen!“ “ das ist dem Vieh all’ eins!“


Das fortwährende Anschreien, wie man es auch leider
in Cavallerieställen bisweilen hört, erschrickt die sensiblen Pferde,
und stumpft die träumerischen noch mehr ab. Eine vernünf-
tige Behandlung im Stalle ist eine wesentliche Hülfe
zur Dressur
, und sollte das Augenmerk jedes Pferdefreundes
sein. Abgesehen davon, dass jene so oft gebrauchten Schimpf-
wörter den Begriff der Werthlosigkeit und Verächtlichkeit
so leicht auf den Geist der Leute übertragen, und dem: „ver-
fluchtes Aas und verdammte Schindmähre!“ viel eher ein Stoss
oder ein Ruck im Maule folgt, als besseren Wörtern, ist es man-
chen Menschen eigen, mit dem ersten Schimpfworte sich selbst in
Zorn zu bringen, der bekanntlich blind ist.


Der Zungenschlag als ein Anfeurungsmittel ist von we-
sentlichem Nutzen, doch darf er beim Reiten in Gesellschaft nur
bescheiden angewendet werden, weil er sonst Pferde aufmuntert,
denen es nicht gelten soll. Wie alt die Anwendung desselben ist,
geht aus dem Xenophon hervor, (man verzeihe mir dies gelehrte Citat,
indem ich versichere, dass ich diesen Schriftsteller nur in deutscher
Sprache zu lesen vermag, wodurch der etwaige Verdacht, mit Ge-
lehrsamkeit glänzen zu wollen, sich erledigt), der in seinem Buche
über die Reitkunst sagt: „Ferner muss man wissen, dass nach der
Regel mit dem Lippenton (der wie beim Küssen durch die Lip-
pen hervorgebracht wird), sie besänftigt werden, mit dem Zun-
genton
aber aufgemuntert. Wenn Jemand aber von Anfang an
bei dem Zungenton die beruhigenden, beim Lippenton die aufmun-
ternden Mittel anwendet, so wird das Pferd lernen, durch den Lip-
penton sich aufmuntern, durch den Zungenton sich besänftigen zu
lassen.“ Wir sind mit dem Zungenton bei der ältern Praxis ge-
blieben. Der alte Herr ermahnt uns auch schon zur Consequenz
in der Anwendung der Hülfen, und schärft den jungen Herren ein,
den Lippenton nicht lediglich zur Beunruhigung der Gatten und
Väter, sondern auch bisweilen zur Beruhigung ihrer Pferde zu ver-
wenden — was zu wünschen wäre.


Die Peitsche wird meist nur bei der Longendressur ange-
wendet. In zusammengestellten Abtheilungen muss ihr
geräuschvoller Gebrauch vermieden werden
. Das
[49]Von der Stimme, der Peitsche, Gerte und dem Kappzaum.
Knallen darf dem Peitschenführer kein bedeutungsloses,
fortlaufendes Spiel, sondern muss dem Pferde eine gefürch-
tete Drohung vor dem Schlage sein
, dessen Nichtbeachtung
sofort den Schlag nach sich zieht. Jenes unablässige Knallen wirkt
abstumpfend. Bei lebhaften Pferden wird eine richtige Anwendung
von Knall und Schlag bald nur noch ein Aufheben der Peitsche
nöthig machen. Der Peitschenführer muss nicht nur stets des
Fleckens sicher sein
, wo er treffen will, er muss die Gra-
dation
vom Heben der Peitsche, dem Knalle, dem leisen
Berühren, dem scharfen Schlage bis zum mächtigen Doppel-
streiche
nach dem Vergehen und der Empfindlichkeit
abzumessen verstehen, und stets im richtigen Moment einwir-
ken. Es gehört somit nicht nur gut knallen und hauen können zu
einem guten Peitschenführer, es gehört dazu ein Mann, der Auge,
Ohrenspiel, Haltung und Gang des Thieres, wie den Willen des
Longenführers genau und unablässig beachtet, die Gedanken
erräth, und im Augenblick, wo der Fehler beginnen soll, ihm
zuvorkommt.


Die Gerte braucht der Reiter zum Antreiben des Pferdes.
Sie wird durch die Peitsche unterstützt eingeführt, und derselben
später Sporn und Schenkel substituirt. Sie muss so gebraucht
werden, dass sie nicht zum Ausschlagen reizt, zum Antreiben
in kleinen, schnellen, in der Stärke wachsenden Streichen auf die
Schulter; zum Uebertreten der Hinterhand in derselben Art
auf die Hinterbacken; zur Strafe kräftig unter den Leib. Sollte
ein Schlagen oder Zusammenziehen danach erfolgen, so muss der
Streich mit gesteigerter Kraft wiederholt und darin fortgefahren
werden, bis ein Sprung vorwärts zeigt, dass man ihr Gehorsam
verschafft hat. Auf der Trense reitend sollte man niemals nur
eine Gerte brauchen. Ist man zur Anwendung derselben auf der
Seite genöthigt, wo sie sich den Augenblick nicht befindet, so
kommt man allemal zu spät, oder irritirt das Pferd im Maul. Es
haben bereits einige Reiter die beiden Gerten in Anwendung ge-
bracht, und es würde der Schein des Seltsamen, den es dem
ungewohnten Auge giebt, bald verwischt sein, wenn mehrere diesem
guten Beispiele folgten. Der zu lange Gebrauch der Gerte ist
nicht anzurathen, weil er viel Gewandtheit erfordert, wenn er bei
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 4
[50]I. Abschnitt. Drittes Kapitel.
der Trensenführung nicht unbeabsichtigte Einwirkungen auf das
Gebiss mit sich führen soll, auch den Cavalleristen, der sie doch
bald ablegen muss, verwöhnt, indem er bei der Dressur dadurch
oft zu spät zum Gebrauch des Sporns übergeht. Kitzliche
Stuten
und Pferde, die leicht nach dem Sporn schlagen, machen
hievon eine Ausnahme; doch muss die Gerte bei ihnen immer erst
in 3. Potenz (Schenkel, Sporn, Gerte) zur Anwendung kommen,
und nur zum Corrigiren dieser Untugend verwendet werden. Es
versteht sich von selbst, dass sofort, wenn auch sie keinen Respekt
mehr findet, zum Kappzaum und der Peitsche zurückgegangen
werden muss.


Der Kappzaum ist in früherer Zeit allgemein und jetzt noch
auf einigen Bahnen zum Anreiten roher Pferde, wie wir die
grosse Trense brauchen, verwendet worden. Man glaubte dadurch
das Pferdemaul vor den anfänglichen, oft unvermeidlichen starken
Einwirkungen zu bewahren und gleichsam frisch zu erhalten.
Beim Gebiss werde ich mir erlauben, meine Ansicht über jenes
Frischhalten des Mauls näher zu erläutern. Hier nur so viel, dass
ich die Trensenarbeit vorziehe, weil nicht allein der Hals bear-
beitet sein will, sondern auch die Kiefermuskeln, die der Wir-
kung des Gebisses oft einen bedeutenden Widerstand entgegen-
stellen. Dieser Widerstand wird bei der Kappzaumdressur erst
nach der Halsarbeit mit der Kandare überwunden, nach meiner
Meinung aber besser gleich anfangs vor der Halsarbeit durch die
Trense beseitigt. Die Duldung und Annahme des im Vergleich
zur Kandare weniger lästigen Trensengebisses giebt ferner eine
Vorbereitung zu dem unbequemeren und viel heftiger wirkenden
Stangengebiss.


Hochwichtig ist indess der Kappzaum als einziges Instru-
ment, welches eine mechanische, vorziehende Wirkung
zulässt, mithin unentbehrlich bei solchen Pferden ist, bei denen
Steigen, Rückwärtslaufen etc. diese Wirkung beansprucht.
Seine rückwärtswirkende Kraft, durch Rucke auf die Nase
des Pferdes, verursacht in starker Anwendung allerdings bedeu-
tenden Schmerz, ist aber dem Pferde erst durch Unterweisung
verständlich.


[51]Von der Stimme, der Peitsche, Gerte und dem Kappzaum.

Man bedient sich des Kappzaums gewöhnlich in Verbindung
mit dem spanischen Reiter, immer mit der Peitsche,
um böse Pferde, namentlich solche, welche dem Reiter durch
Steigen, Andrücken an die Wand etc. gefährlich werden,
und solche, die das Vorwärtsgehen verweigern, zum Ge-
horsam
zurückzuführen; ferner, um Pferde mit besonderer
Schwierigkeit im Halse vorzubereiten
, damit dieselben
vor dem Besteigen so weit zusammengestellt sind, dass bereits
einiger Einfluss auf das Gebäude erzielt, und dadurch einer zu
befürchtenden Opposition oder einem nachtheiligen Einfluss auf die
Conservirung des Pferdes vorgebeugt wird. Endlich bedient man
sich desselben, um junge Pferde, denen man der Schonung wegen
noch keinen Reiter geben will, durch Bearbeitung des Halses etc.
für die Reiterei vorzubereiten. Es wird aber auch der Kappzaum
mit Nutzen bei jedem rohen Pferde angewendet, um ihm die vor-
treibenden Hülfen zu lehren, und das erste Besteigen durch den
Reiter zu vermitteln und zu sichern. Hiebei würde von einem spe-
ziellen Einwirken auf den Hals nicht die Rede sein, und wird das
Verfahren dabei seines Orts näher erläutert werden.


Jene Halsarbeit an der Leine, wozu Seidler’s Leitfaden,
Th. I. S. 374 treffliche Anweisung giebt, ist kein so leichtes Ge-
schäft, wie manche sich einbilden, die es kopflos unternehmen,
aber statt schonend dem Reiter vorzuarbeiten, das Thier an Kör-
per und Geist verderben. Wir haben gesehen, dass schon der
Peitschenführer eine schwierigere Aufgabe hat, aber die des Lei-
nenführers
ist nicht minder schwierig. Er muss nicht nur die
Kraft seines Instruments abzumessen und sie dem Falle, wie der
Empfindlichkeit des Pferdes anzupassen; nicht nur die Gradation
der Aufrichtung, Beizäumung und Seitwärtsbiegung in wachsender
Potenz nach dem Gebäude und den Fortschritten anzuwenden ver-
stehen; er muss auch die Dauer der Lection und der Ruhe-
Momente richtig abmessen, damit die Muskeln sich üben, ohne zu
ermüden. Dies ist schwierig. Der Reiter wird am todten Ge-
wicht, das in seine Hand fällt, jene Ermüdung gewahr; der spa-
nische Reiter
ist stumm und gefühllos. — Es sind namentlich
die auswendigen Hinterfesseln, die ungeschicktes Corrigiren der
schleudernden Hinterhand wegen, ruinirt, besonders wenn die Leine
4*
[52]I. Abschnitt. Viertes Kapitel.
statt in den Kappzaum oder Laufhalfter (Halfter mit einem Ring
in der Mitte des Nasriemens) in den inwendigen Trensenring ge-
schnallt wird, wie mir selbst bei Züchtern schon vorgekommen ist.


Viertes Kapitel.
Vom Gebisse.


Es kann hier nicht Absicht sein, alles das über Zäumung
und Wirkung des Gebisses zu sagen, was allen Anfängern in der
Reitkunst bekannt ist, um so unnützerweise Bogen zu füllen. Ich
werde mich auf das beschränken, was entweder ein Gegenstand
der Meinungsverschiedenheit
oder Dinge sind, wogegen
vielfach gesündigt wird. Das Werk des Generals v. d. Marwitz
über die Zäumung, des Gen.-Lieut. v. Schreckenstein über Reiterei,
und Kaiser’s Zügelwirkung geben viel Stoff zum Nachdenken.


Es kommt hauptsächlich darauf an, dass das Gebiss weder
durch Form noch Lage das Maul
etc. verletzt, weil dann
die Aufmerksamkeit des Pferdes nur auf seinen Schmerz gerichtet
ist, noch zu Untugenden und Spielereien Veranlssung
giebt
. Auf die Zunge drückende Mundstücke veranlassen,
wenn sie obendarein zu tief liegen, ein Heraufziehen der Zunge
und Strecken derselben über das Gebiss, wodurch nicht
nur eine Störung der Wirkung des Gebisses eintritt, sondern auch
namentlich die Aufmerksamkeit gestört wird. Ich habe bisweilen
gefunden, dass ein Pferd in Folge dieses Heraufziehens der Zunge
ein Athmungsgeräusch ähnlich dem des Rohrens (Kehlkopfpfeifens)
hervorbrachte, und dies um so leichter dafür angesehen wurde, als
es bei engerer Versammlung, wenn auch aus ganz verschiedenen
Gründen, stärker hervortrat: beim Rohrer des zusammenge-
drückten Kehlkopfes, beim Zungenzieher der vermehrten
Wirkung des Gebisses auf die Zunge wegen, die das Herauf-
[53]Vom Gebisse.
ziehen derselben zur Folge hatte. Ein Laufenlassen am Kappzaum
ohne Mundstück wird bald zeigen, wen man vor sich hat. Bessere
Zäumung und Biegung, welche geringerer Einwirkung bedarf, wird
des Uebels mit der Zeit Herr werden. Viel liegt in dem Aus-
druck Zungenfreiheit, welche nur beim Durchfallen der Kan-
dare als solche erscheint, indem man glaubt, beim Auflegen einer
Kandare, die einen weitgeschweiften Bogen im Mundstücke (viel
Zungenfreiheit) hat, eine dicke Zunge zu schonen. Seit wir die
Pferde so zäumen, dass die Kandaren nicht mehr durchfallen und
im Anzuge nur wenig nachgeben, reicht die Zungenfreiheit nicht
mehr aus. Die grössere Wölbung des Mundstücks nach
vorn
ist bei dicken Zungen durchaus nöthig, auch beim Tren-
sengebisse
. Ein solches Gebiss nebst Höherlegen der kleinen
Trense hilft oft im Beginnen. Das Anbinden der Zunge,
wozu Herr Seidler räth, nützt allerdings, doch hat sich mir der
Uebelstand gezeigt, dass es leicht ein todtes Maul macht und das
Abkauen vermindert. Auch ist der richtige Grad der Festigkeit
nicht leicht zu treffen, und man ist stets in Furcht, dass die Zunge
entweder der Schlinge entschlüpft oder blau wird.


Figure 20. (Tafel 16.)

Die nebenstehende Vorkehrung
hat mir recht gute Dienste geleistet. A ist
eine Eisenplatte, welche in b an die Zungen-
freiheit beweglich befestigt ist. Sie wird
durch 2 Kettchen dd, die am Auge einge-
hakt sind, gehalten, so dass sie sich nur bis
zum Gaumen vorbewegen kann. c c sind
Walzen, die sehr beweglich, jede Verletzung
verhüten.


Ein anderes unangenehmes Spielwerk machen sich die Pferde,
meist durch zu enge Kandaren mit geraden Anzügen verleitet,
indem sie mit den Lefzen nach den Scheren greifen, auch
wohl gar bei beweglichem Mundstück sie zwischen die Zähne fas-
sen und die Wirkung beeinträchtigen oder ganz hemmen. Zweck-
mässig gebogene Scheren, Kreuzriemchen oder Kettchen, oder ein
[54]I. Abschnitt. Viertes Kapitel.
rückwärts führender Stachel an der geraden Schere machen diesem
Spielwerk ein Ende.


Häufig sieht man auch das dem Pferde schmerzliche An-
klappen des Gebisses an den obern Haken
nicht sorg-
fältig genug vermieden. Festgezogene Kehlriemen und
pressende Nasriemen sind eine unnütze Qual, wie zu kurze
Stirnriemen wund scheuern, an den Ohren das Klappern der Pan-
zerkette aber Kopfschütteln veranlasst. Alles dies lenkt die Auf-
merksamkeit mehr ab, als man glauben sollte, und muss in der
Dressur auf das Sorgfältigste vermieden werden.


Die aus der Jagdreiterei herübergenommenen Knebeltren-
sen
thut man wohl, bei der Cavallerie nicht einzuführen. Der
Knebel ist ein fauler Knecht, der das Durchziehen der Trense
durch das Maul verhindern soll, was Sache des auswendigen Zü-
gels ist, dessen anderweitige Funktionen der Knebel aber nicht
mit übernimmt. Er erschwert also nur die Controlle über den
Gebrauch der Zügel. Es scheint mir ferner nicht gut, dass man
von der Art, die Kinnkette in besondere Löcher unter-
halb des Auges
einzulegen, wie es unsere Vorfahren machten,
(ich glaube aus keinem andern Grunde, als wegen der Trägheit
der Spornmacher) abgewichen ist. Man giebt dadurch bei hohem
Balken der Kinnkette eine zu grosse Länge. Wenn die lange,
en feston herabhängende Kinnkette auch bei nicht angenommener
Kandare eine richtige Lage in der Kinnkettengrube hat, so wird
sie beim Annehmen der Kandare zuerst gar keine Wirkung haben,
sondern nur emporsteigen. Dann aber wird sie statt auf die breite
Grubenfläche zu wirken, die scharfen Kieferkanten fassen und einen
so heftigen Schmerz verursachen, dass durch ihn die Wirkung des
Gebisses auf die Laden vollständig übertäubt wird. Endlich wird
die Kinnkette, indem sie fast parallel mit dem Balken hängt, leicht
die Veranlassung werden, dass sich die Lefze zwischen Balken und
Langglied oder Haken einklemmt und scheuert. Die Kinnkette
wird nur dann richtig wirken, wenn sie durch ihr Gegenhalten
den Druck des Mundstückes verstärkt, indem alsdann nicht bloss
ein Schmerz gemacht wird, sondern der nach rückwärts geführte
Druck mechanisch und mithin verständlich wirkt, wäh-
rend jene vorherrschende Kinnkettenwirkung von hinten nach
vorn
gehend, jede mechanische Wirkung annullirt.


[55]Vom Gebisse.
Figure 21. (Tafel 17.)

Eine Kandare von der Construction
des Gen.-Lieut. Frhrn. v. Schreckenstein,
welche hier durch Zeichnung erläutert
ist, bietet diesen Vortheil, hat aber
durch das freie Einhängen der Balken
in einen eisernen Ring noch den Vor-
zug ungemeiner Elastizität, die durch
das Klemmen des Leders oftmals bei
den alten Constructionen gestört wird.
Da durch Einfachheit des Mittels zur
Erreichung des Zweckes der Kosten-
punkt und die Haltbarkeit nicht gefähr-
det ist, so wäre sie unsern Leuten zur
Verbesserung ihrer schweren Hände
höchst wünschenswerth.


Man hat so sehr viel gesagt und geschrieben über die Wir-
kung, welche die verschiedenen Arten von Gebissen auf das Pferde-
maul hervorbringen, dass darüber wohl nichts hinzuzufügen bleibt;
viel weniger indess über die Wirkung des Anzugs durch die Lade
auf den Körper. Durch den Druck auf die Lade soll ein Zurück-
nehmen des Kopfes
, und durch seinen Druck auf die
Halswirbel
die Zusammenbiegung des Halses erfolgen.


Durch Hintenüberfallen und Vornüberfallen (Zäumung im Ex-
cess und Defect), und durch Seitwärtsbiegen kann der Hals solche
Form annehmen, dass die mechanische Einwirkung sich nicht fort-
setzt, sondern schon im Hals ihre Endschaft findet, und nur der
richtig gebogene Hals kann die Wirkung des Anzugs fortführen,
und sie von Rückenwirbel zu Rückenwirbel fortpflanzend dem gan-
zen Rumpfe mittheilen, so dass eine Zurücknahme desselben über
die Stützen hinweg, nach rückwärts erfolgt. Aber damit ist noch
immer keine dauernde Rückführung des Schwerpunktes
erwirkt, welche Verminderung der Bewegung, Beendi-
gung derselben
oder Rückschreiten erzeugen soll.


Der Anzug muss die Hinterstützen so finden, dass
sie zur Aufnahme des zurückgeführten Gewichts dis-
ponirt sind, dass sie unter der Last stehen und nicht

[56]I. Abschnitt. Viertes Kapitel.
der Rückführung entgegenstrebend, dahinter ge-
stemmt sind
. Soll mithin der Anzug zum Zwecke führen und
eine mechanische Einwirkung auf das Thier haben, so muss die
Zusammenfügung des Halses und die Stellung der Hinterbeine ihm
günstig sein. Man muss mithin über beides disponiren können,
um der verlangten Wirkung sicher zu sein. Ehe man dieses kann,
wird der Zügel dem Pferde wohl ein Zeichen geben können, man
wird aber ausser Stande sein, seine mechanische Wirkung
zur Geltung zu bringen und durch denselben etwas zu erzwingen.
Rohes Reissen wird von keinem andern Einfluss sein, als das
Maul schmerzhaft zu verletzen und das Thier schreckhaft und miss-
trauisch zu machen.


Um die Wirkung des Gebisses auf eine Lade, wie
man sie zur Wendung anwendet, bei der Kandare zu erleichtern,
hat man viel geschrieben, und noch mehr um nachzuweisen, wie
das Thier so unvernünftig sein kann, auf den auswendigen
Zügel
eben so gern zu wenden, wie auf den inwendigen, und
man hat sehr künstliche Wendungen und Drehungen der Hand
erfunden, um beiden Laden ihr Recht angedeihen zu lassen. Ob-
schon sie jeder lehrt, braucht sie niemand
.


Die Kandarenzügel wie Gebiss geben dem Pferde nur ein
Zeichen zur Wendung, fast ohne alle mechanische
Einwirkung
. Die mechanisch wirksamste Hülfe giebt
das Gewicht des Reiters. Legt er dem Thiere sein Gewicht
im Gange auf die eine Seite, so wird er es nach dieser Seite
hin aus dem Gleichgewicht bringen, und da der Instinkt das
Thier lehrt, dasselbe herzustellen, so wird es seine Beine dahin
stellen, wo es die überhangende Last stützend, das Gleich-
gewicht herstellt
, seitwärts nämlich und so wenden. — Je
mehr die Zügelhülfe Theile des Thieres nach der Seite, wohin es
treten soll, hinbringt, um so mehr wird es dahin aus dem
Gleichgewicht gebracht, mechanisch zur Wendung disponirt
werden. Es ist aber das Uebergewicht von Kopf und Hals seit-
wärts, worauf sich die mechanische Wirkung des Zügels beschränkt,
viel zu unbedeutend, um den wohl gestützten Körper aus dem
Gleichgewicht zu bringen (wie wir so oft bei rohen Pferden sehen,
die den Kopf am Knie des Reiters, doch nicht wenden, sondern
nach der entgegengesetzten Seite hinsteuern), ist mithin auch mecha-
[57]Vom Gebisse.
nisch nicht gross genug, die Wirkung hervorzubringen. Der vom
Hals geführte inwendige Zügel ist der mechanisch wirksamste, und
der an den Hals gedrückte auswendige selbst noch grösser
in seiner Wirkung, als der den Kopf bloss in der Genasche bie-
gende an dem Hals gebrauchte inwendige. Eben so wenig, wie eine
blosse Drehung des Kopfes den dahinschreitenden Menschen zur
Wendung zwingt, eben so wenig ist es beim Pferde der Fall.


Der Anzug auf die inwendige Lade, mit an dem
Hals geführtem Zügel ist indess
, trotzdem dass er me-
chanisch am schwächsten wirkt und gänzlich unzureichend ist, die
Wendung hervorzubringen, derjenige, dessen wir uns bedie-
nen müssen, weil er der einzige ist, der nicht die Ver-
biegung des Halses an der Basis
, deren Gefahr wir in
Zukunft kennen lernen werden, zur Folge hat. Aber im näch-
sten Kapitel werden wir auch die mechanisch die Wendung her-
beiführende Hülfe zeigen und lernen, dass wir uns mit gedachtem
Zügelanzuge als Beihülfe völlig begnügen können.


Wie man sich von der Idee nicht losmachen konnte, dass
mit der Richtung, die man der Nase des Pferdes gäbe, auch dem
Körper der Weg gegeben sei, so hat man alle Empfindung von
Widerstand, den die Hand bei der rückführenden oder wendenden
Hülfe erhielt, ob diese nun von den Kiefermuskeln, den Hals-
muskeln
oder dem mangelnden Gleichgewicht ausging,
stets der weicheren oder härteren Beschaffenheit des
Mauls
zugeschrieben, und von jeher geglaubt, dass die Scho-
nung
des Mauls (wie die Arbeitslosigkeit die Hand einer Dame
weich erhält) das Wesentlichste zu seiner Empfindlichkeit
beitrage. Nicht nur zeigen dies die Gründe für die Kappzaum-
dressur. Der alte Meister Xenophon schreibt hierüber weniger
wahr, als über die Lippentöne: „dem Reitknecht muss man aber
Folgendes lehren: erstens das Pferd nie am Zügel zu führen, denn
dies macht auf einer Seite hartmäulig; dann aber den Zaum,
so weit es nöthig ist, von den Kinnladen entfernt zu halten, denn
wenn er ganz nahe an ihnen ist, so macht er das Maul dick und
hart, so dass es unempfindlich wird.“ Der alte Herr thut, als
wenn das Thier Schwielen im Maule bekäme. Andere suchen es
nicht in der Schwiele, sondern alles in der Form; fleischige, flache
[58]I. Abschnitt. Fünftes Kapitel.
Laden, dicke Zunge und Lefzen machen hart; hohe scharfe La-
den, feine Zunge und Lefzen weich.


Pferde mit den zuletzt beschriebenen Mäulern gehören fast
immer den besseren, jene den gemeineren Racen an, woraus für
ihre grössere Empfindlichkeit eben so viel, wie aus der Form her-
vorgeht. Sind die Widerstrebungen der Muskeln über-
wunden und die Thiere im Gleichgewicht, so sind alle
Pferde weichmäulich
, wie es die Schulpferde oft mit sehr
flachen Laden beweisen; widerstreben die Muskeln in
ganzer Stärke, schiebt die Hinterhand mehr, als die
Vorhand stützt
u. s. w., so wird das Pferd immer sein ver-
lorenes Gleichgewicht auf der Hand suchen und dann sind alle
hartmäulig
, wie die Rennpferde, welche bei schärfsten Laden,
trotz schärfstem Gebiss eine armtödtende Anlehnung nehmen.


So wird denn auch das hartmäulige Pferd mit der Kraft,
den Hals selbst zu tragen etc. weichmäulig, und das weich-
mäulige
unter dem schwachen Reiter hartmäulig. Unver-
ständige, falsch gewählte Ausdrücke geben falsche
Vorstellungen, und diese verleiten zu verkehrten
Handlungen
. So hat der Ausdruck „Hartmäuligkeit“ stets als
ein fauler Knecht gedient, wohinter sich Trägheit und Unwissen-
heit verbargen.


Wohl werde ich mit Rücksichtnahme auf den Bau des
Mauls
mich eines passend geformten Werkzeugs bedienen,
aber statt mich bei der Idee des harten Mauls zu beruhi-
gen, forschen, wo
der Widerstand liegt, der mir geleistet
wird, und am allerwenigsten von der Idee ausgehen, dass
es die natürliche Gefühllosigkeit des Maules sei
, die
den Druck auf die Hand verursacht.


Fünftes Kapitel.
Vom Schenkel und Sporn.


Der Schenkel ist eins der wichtigsten Werkzeuge. Ihm fällt
die Funktion zu, die treibende Kraft der Maschine mit Bei-
[59]Vom Schenkel und Sporn.
hülfe des Sporns abzugeben, mit der Nebenfunktion des Seit-
wärtstreibens
der Hinterhand. Selbst ohne mechanische
Einwirkung
muss er durch die Gerte zur Anerkennung gebracht
und ohne Strafgewalt die Achtung vor ihm vom Sporn unter-
halten werden. — Die beiden Oberschenkel bilden die Gabel,
welche den Sitz des Reiters sichert. Das Knie muss unverändert
seinen Platz behaupten und, wohl an den Sattel gedrückt, dennoch
jede Bewegung des Unterschenkels nach vor-, rückwärts und ein-
wärts zulassen.


Mit möglichst vielen Punkten an dem Pferdekörper lie-
gend
, befestigt der Unterschenkel den Sitz und ist zugleich im
Stande, schnell und weich auf das Pferd zu wirken. Abgesperrt
wird er immer erst Zeit verlieren und den Pferdekörper erst auf-
suchen müssen. Wenn dies eilig geschieht, wird er stossend wirken.
Liegt er todt und stets mit gleicher Kraft angepresst, so wird
er wie ein festgeschnürtes Band gar keinen Einfluss auf das Pferd
äussern. — Leicht angelegt muss er im Zustand der Ruhe den
Gurt berühren, in Wirkung tretend kurz hinter demselben ge-
braucht werden. Auf dem Gurt gebraucht wird er wenig
gefühlt, zu weit nach hinten gebraucht das Knie aus seiner
ruhigen Lage bringend, den Sitz stören. — Je mehr er befähigt
ist, die Skala der Kraft vom leisen Berühren bis zum mächtigen
Druck ohne Stocken und Stossen auf- und abwärts zu durchlaufen,
um so richtiger wird er wirken können. — Es liegt andererseits
aber ganz in der Willkür des Reiters, welchen Druck er als
Schluss aufwärts bezeichnen will, auf den er, wenn er ihn erreicht
hat, consequent den Zuchtmeister, den Sporn, als Strafer der Un-
aufmerksamkeit und Unfolgsamkeit folgen lässt. Die Modulation
der Hülfe wird mithin in den abwärtsbiegenden Stärkegraden lie-
gen müssen. Dass ein unempfindliches Pferd den Zuchtmeister,
den Sporn lange Zeit hindurch sehr häufig wird fühlen müssen,
während ein empfindliches seiner sehr selten bedarf, ist einleuchtend.
Es wird aber das unempfindliche, bei richtiger Wahl jeder Grenze,
endlich doch den Grad von Lebhaftigkeit erreichen, dass die ange-
nommene Skala auslangt. Wenn man mit Lothen ausreicht,
warum mit Centnern arbeiten
?


Das Herausdrücken eines jeden Trittes mit voller Muskel-
anstrengung der Beine ist eben so ermüdend, wie unnütz. Ande-
[60]I. Abschnitt. Fünftes Kapitel.
rerseits hat man sich zu hüten, dass man die Pferde nicht, wie es
beim stossenden Schenkel (eine Folge des Absperrens desselben,
des unbiegsamen Knies und des Bügelstehens) geschieht, schen-
kelscheu
und flüchtig macht. Vor jeder Berührung erschreckend,
ist die Empfindlichkeit übertrieben, und der Schreck lässt die
Hülfen nicht mehr verstehen. Es ist viel leichter, ein schenkel-
hart
gerittenes Pferd achtsam, als ein schenkelscheues
vertrauensvoll
zu machen.


Wir werden später sehen, wie das Gehorchen vor den trei-
benden Schenkeln und Weichen vor dem einseitigen Schenkel die
Basis der Dressur ist, und von keinem Fortschreiten die Rede sein
kann, so lange wir dieses nicht sicher haben.


Der Sporn ist die Verstärkung des Schenkels. Es ist eben so
thöricht, lieber das Pferd vor dem Schenkel träg zu lassen,
um nur nicht den Sporn zu brauchen, weil etwa das Pferd mit
dem Schweife schlagen lernt, als unrichtig, ihn ohne vorherge-
henden Schenkel in Anwendung zu bringen; ungeschickt, das
Pferd unwillkürlich damit zu belästigen; roh und falsch, ihn
mit schonungsloser Härte stärker zu gebrauchen, als es die Noth-
wendigkeit gebietet.


Man hat vielfach der preussischen Reitmethode zum
Vorwurf gemacht, dass sie der Feinheit ermangele, sich nament-
lich des Sporns mehr als nöthig bediene und hat im Ge-
brauch desselben eine Art Rohheit der Einwirkung finden
wollen. Man ist ferner der Ansicht, dass das gebogene Knie und
der stets am Gurt liegende Unterschenkel nothwendig einen
todten Schenkel geben müsse, dessen unausgesetzter Druck
das Schenkelgefühl untergrabe und so jene gewaltsame Einwirkung
nöthig mache. Man legt endlich einen grossen Werth auf die
ruhige Haltung der Schweife beim Anreiten, als einen Be-
weis, dass die Pferde nicht mit dem Sporn dressirt sind, und will
einen Vorzug der Reitmethode der einen Cavallerie vor der andern
aus dem Unterlassen des Schwanzschlagens herleiten. Wenn
von Kopfschlagen der Pferde die Rede wäre, so würde das
allerdings eine Sache von grösserem Belang sein.


Meiner Ansicht nach kann der leicht am Gurt liegende
Schenkel
eben so wenig das Schenkelgefühl vernichten,
wie die leichte Anlehnung aus Gebiss die Empfindlichkeit
[61]Vom Schenkel und Sporn.
des Maules stört. Man behält bei einigen Cavallerien die Gerte
sehr lange bei und schlägt, wenn der Schenkel nicht auslangt, wo
wir uns des Sporns bedienen. Bei einer dreijährigen Dienstzeit
kann man keine lange Zeit mit Hülfen verschwenden, die im Glied
keine Anwendung finden können, und es scheint mir das viel geta-
delte Schweifwedeln kein susreichender Grund, um das Schenkel-
gefühl statt durch den Sporn durch die Gerte zuzuspitzen.
Ob Stechen, ob Schlagen bleibt sich gleich, es wird auf den
richtigen Grad und Augenblick ankommen, und beides glaube ich
eben so wohl mit dem Sporn, wie mit der Gerte abmessen zu
können. Was thut aber nicht die Gewohnheit! Für das Soldaten-
pferd scheint es mir aber eben wegen der Gewohnheit wichtig, dass
es den Sporn als den Corrector anerkennt. Es ist sehr schwer,
den Sporn in angemessener Kraft zu gebrauchen, obschon er gewiss
schneller bereit ist, wie eine aufwärts geführte Gerte oder wenn
bei abwärts geführter Gerte der Schlag auf der entgegengesetzten
Seite Noth thut, und eben weil es schwer soll man den Soldaten
darin recht üben
, und nicht durch längeres Beibehalten der
Gerte, als es die Dressur durchaus verlangt, den Gebrauch des
Sporns unnöthig machen, sich auch der Gerte nie bei gerittenen
Pferden bedienen.


Es ist, wie gesagt, schwer den Sporn gut zu geben, zur
rechten Zeit, am rechten Ort
, kurz hinter dem Gurte, in
richtiger Kraft und ohne dass der Sitz des Reiters oder die
Faust dadurch beunruhigt würde. Viele brauchen ihn schabend,
er kitzelt dann und macht danach schlagen. So nothwendig es
namentlich bei der Cavallerie ist, darauf zu halten, dass die Fuss-
spitzen einwärts gekehrt werden, so hat man in ängstlicher Ueber-
treibung manchen Leuten eine Haltung des Fusses angewöhnt,
welche zu vielen Nachtheilen führt. Man hat ihnen beigebracht,
mit der kleinen Zehe fester auf den Bügel zu treten, als mit dem Ballen
des Fusses und dadurch bewirkt, dass sie das Knie vom Sattelblatt
entfernen und das Knöchelgelenk einwärts biegend sich mit dem
Fusse dem Pferdekörper nähern. Nicht nur ist dadurch der Sitz
bedroht, bei dem das feste, anliegende Knie unentbehrlich ist, son-
dern man hat ihnen jede Kraft des Unterschenkels genommen.
Man sieht diese Leute das Bein mit hängender Fussspitze erfolglos
bis an den Schlauch zurückziehen und jenes Spornschaben voll-
[62]I. Abschnitt. Fünftes Kapitel.
führen. Man opferte den festen Sitz und den wirksamen Schenkel
der einwärts gekehrten Fussspitze.


Der Sporn muss wie der Finger eines Klavierspielers, der
einen kurz abgebrochenen Ton anschlagen will, kurz und elas-
tisch
gebraucht werden. Es wird häufig bei der Cavallerie
darin gefehlt, dass man den Mannschaften den Ge-
brauch desselben nicht genügend lehrt
, weil es grausam
scheint, ein Thier ohne Grund sporniren zu lassen, aber man
erspart den rohen, mit Reissen im Zügel verknüpften Gebrauch
für die Zukunft, und wird ohne ihn nie einen guten Reiter aus-
bilden. Es kann ohne den Gebrauch desselben wohl kaum ein
Pferd von höchster Empfindlichkeit ausgebildet und sogar fast
keins den Tag über geritten werden, wo der Sporn nicht einmal
nöthig würde.


Aber man verzeihe mir hier noch einige allerdings abschwei-
fende Bemerkungen. Während man in der Neuzeit bestrebt ist,
alles was auf den Sport sich bezieht, in höchster praktischer Vol-
lendung zu führen, und gewiss jeder Modemann sich hüten würde,
irgend ein Jagdutensil zu zeigen, das an sich unpraktisch ihm
noch den Stempel persönlichen Ungeschicks ausdrückte: folgen
selbst Leute von Fach allen Experimenten, welche die Mode sich
ohne alle Rücksicht auf seinen Gebrauch, am Sporne, dem Zeichen
ihres Standes, erlaubt. Die tollsten, unzweckmässigsten Formen
von ellenlangen Pfundsporen bis zum dünnen Draht werden an
die Absätze geschraubt, genagelt und gesteckt. Aber so seltsam
wie jetzt, wurden sie nie getragen. Der Sporn, den der gute
Reiter möglichst nahe am Haare wünscht, um stets damit
zur Hand zu sein und möglichst entfernt vom Strassen-
pflaster
, welches das Rad abschleift, ist jetzt so gebogen, dass
er möglichst weit vom Pferde und möglichst nahe den Steinen ist.
Der Vortheil, dass man so dem Thiere nicht so leicht unwillkür-
lich ankomme und zu Pferde durch ihn den Anschein gewinne, den
Absatz gut herunter gedrückt zu halten, sollte nicht vor Leuten
von Fach dafür gelten.


Der dicht an der Ferse aufwärts gebogene Schwanenhals ist
der beste, so lange man den Sporn an den Absatz befestigt.
Ueber der Ferse ist sein rechter Ort und dann mag er gerade
sein. Der leichte, hohe, aber schlaffe Stiefel, wie man ihn
[63]Vom Körpergewicht des Reiters.
jetzt noch wohl auf der Entenjagd trägt, der mit ausgepressten
Knien bis oben auf die Lende reicht, wie ihn der 30-jährige Krieg
bewährt fand, ist der wahre Reiterstiefel. Unsere Reithosen
halten nicht, doch Gott behüte uns vor der steifen Kanone, die
mit ihrer Stulpe den Regen fängt und welche die weisse Leder-
hose prallen und springseligen Andenkens in ihrem Gefolge hat,
und gebe uns den Reiterstiefel, der hält, der sich leicht reinigt,
der vor dem Wetter schützt und einmal beschafft, billiger
ist, wie unsere hässliche, ewig an den Knien zerrissene Reithose,
die zuletzt ein wunderbares Conglomerat von Tuch und Leder
wird. Mit ihm würde eine dunkle, enge Lederhose das ewige
Durchreiten unserer Rekruten und Wehrreiter um ein Bedeu-
tendes verringern, der Sporn wieder an die rechte Stelle
gebracht werden
und derselbe ein Costüm vollenden, das
jetzt oben eben so schön, wie unten hässlich genannt werden muss.
So würden auch endlich der weisse Rock und der braune Sattel
der Wichse los, mit der sie schon so lange eng verbunden, sich
nie befreunden werden. Der Einwurf, dass alle Armeen dieses
Reitbeinkleid tragen und es mithin so unpraktisch nicht sein könne,
zerfällt von selbst, wenn wir uns das Costüm des 7-jährigen Kriegs
ins Gedächtniss zurückrufen und bedenken, wie lange sich dasselbe
trotz seiner unläugbaren Unzweckmässigkeit erhalten hat.


Sechstes Kapitel.
Vom Körpergewicht des Reiters.


So manche Erscheinungen im Leben lassen wir theils ihrer
Alltäglichkeit
, theils unserer Geistesträgheit wegen
vorübergehen, ohne uns über die Ursache, welche sie hervorrief
und modifizirte, Rechenschaft zu geben. Wir verlieren aber da-
durch nicht nur die Fähigkeit, die Gründe für ähnliche Erschei-
nungen sofort zu erfassen, sondern auch die Prinzipien für unsere
Handlungsweise, um sie in dieser oder jener Gestaltung hervorzu-
rufen. Solche alltägliche Erscheinungen wollen wir jetzt vornehmen
[64]I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.
und ihre Ursachen zu ergründen suchen, auf die Befürchtung hin,
manchen unserer Leser nur eine Repetition des schon Bekannten
zu geben. Sie dürften indess für andere zum ferneren Verständ-
nisse nothwendig werden.


Bei jedem Körper lässt sich ein Punkt auffinden, bei dessen
Unterstützung der ganze Körper unterstützt ist, und dieser Punkt
heisst der Schwerpunkt seines Gewichts. Eine Stütze von
hinreichender Stärke, aber der feinsten Spitze, wird, senkrecht unter
den Schwerpunkt gebracht, den Körper im Gleichgewicht
halten. Die geringste zufällige Einwirkung wird aber einen so
gestützten Körper aus dem Gleichgewicht — zum Fallen bringen.
Um dies zu verhindern, wird man den Körper auf mehreren
Punkten rund um den Schwerpunkt unterstützen. Je grösser die
Fläche innerhalb der Unterstützungspunkte ist, um so sicherer
wird der Körper gestützt sein. Je näher der Schwerpunkt der
Unterstützungsfläche, um so sicherer wiederum. Es wird ein
Körper so lange als sicher gestützt zu betrachten sein, als ein
Pendel aus dem Schwerpunkt fallend, die zwischen den Stützen
liegende Fläche trifft.


Je länger, breiter und niedriger ein Pferd, um so besser ist
es gestützt, aber auch um so unbeweglicher wird es sein. Die
kurzen, schmalen, hochbeinigen sind darum die beweglichsten.
Wenn das Pferd seinen Oberkörper so weit über die stehenden
Beine vorwärts bewegt, dass sein Schwerpunkt vor die Vorderbeine
fällt, so ist es nicht mehr gestützt und fällt. Eine Veränderung
des Schwerpunktes des Körpers
kann eintreten, wenn ein-
zelne Theile
desselben in eine andere Lage gebracht werden.
Der herunterhangende Hals wird einen mehr vorwärts, der aufge-
richtete einen mehr rückwärts fallenden Schwerpunkt bedingen.


Ferner eine veränderte Neigung des ganzen Körpers
wird eine Veränderung des Schwerpunktes zur Folge haben. Diese
kann sowohl durch die Veränderung in der Höhe der Stüz-
zen
, als in der Neigung der Fläche stattfinden, worauf die
Stützen ruhen. Das überbaute Pferd wird einen mehr vorgeneigten
Schwerpunkt, das hinten tiefe einen mehr zurückgeneigten, als das
auf gleichhohen Stützen ruhende Thier haben. Das Pferd, welches
auf einer aufsteigenden Fläche steht, wird die Verlegung seines
Schwerpunktes nach rückwärts unangenehm empfinden. Es wird
[65]Vom Körpergewicht des Reiters.
durch Strecken der Hinterbeine die Hinterhand sicherer stützen
können, dann aber noch mehr Last derselben zulegen und nicht
lange in dieser Stellung verharren können. Oder es wird durch
Zurückziehen der Vorderbeine den Schwerpunkt weiter nach vor-
wärts bringen. Dies ist die Stellung, welche die Pferde in ab-
schüssigen Ständen
anzunehmen pflegen. Sie wird die Beuge-
sehnen andauerd gebeugt, die Strecksehnen angestrammt erhalten
und so die Vorderbeine ruiniren. Nur bei senkrechter Beinstellung
wird keine Muskelthätigkeit nothwendig und dies der Stand sein,
der dem Thiere die meiste Ruhe gewährt.


Die veränderte Stellung eines der senkrecht stützen-
den Beine
bei unveränderter Stellung der andern drei wird eine Er-
niedrigung des Leibes nach dieser Seite hin zur Folge haben, und
damit eine Verlegung des Schwerpunktes in derselben Richtung.
Der Körper wird durch das Nachaussensetzen des Beines
sicherer, durch Nachinnensetzen weniger gestützt
sein. Umgekehrt wird die Bewegung des Leibes nach der
Richtung, wohin das Thier sich neigt, eine Veränderung seines
Schwerpunktes und somit eine veränderte Belastung in Bezug auf
die Stützen — die Beine — hervorbringen, und soll der Körper
gleich sicher gestützt bleiben, eine Versetzung derselben nach aus-
sen in derselben Richtung zur Folge haben müssen.


Das Vorsetzen beider Vorderbeine wird den Schwer-
punkt, erhöht gestützt, nach vorn neigen. Diese Stellung wird
zum Anreiten desshalb sehr ungeeignet sein.


Das Vorsetzen beider Hinterbeine den Schwerpunkt,
vermindert gestützt, nach hinten bringen; desshalb zum Zurück-
treten
geeignet sein.


Das Vorder- und Hinterbein einer Seite vorge-
setzt
, wird den Schwerpunkt lediglich seitwärts neigen; daher
der schwankende Gang der Passgänger.


Die diagonalen Beine vorwärts gesetzt, wird den
Schwerpunkt z. B. beim rechten Vorderfuss — rechts vorwärts,
beim linken Hinterfuss — links rückwärts bringen; mithin völlig
unverändert lassen
. — Bewegung im Trabe.


Das Heben eines Beines wird zur Dauer der Sicherung
der Stellung die Verlegung des Schwerpunktes bis senkrecht über
die Mitte des Dreiecks, welches zwischen den stehenden Beinen
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 5
[66]I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.
liegt, zur Folge haben müssen; das Heben zweiter die Verlegung
des Schwerpunktes bis senkrecht über die Mitte der beiden ste-
henden Beine.


Will ein Pferd im Gleichgewicht seine Stellung auf
die beiden Hinterbeine nehmen
, so muss es den Körper
so hoch heben, dass der Schwerpunkt desselben senkrecht über die
Mitte der Hinterbeine fällt. Sind diese bereits unter den Leib
gestellt, wird diese Erhebung gering, weit zurückgestellt sehr
bedeutend sein müssen. Das Ueberschreiten des bestimmten
Punktes
wird ein Ueberschlagen zur Folge haben, wenn
nicht Vorneigen von Kopf, Hals und Vorderbeine den Schwerpunkt
verändern, oder Zurücktreten der Hinterbeine jenen Punkt verle-
gen, oder eine Muskelschnellung — wie im Vorgehen vermittelst
Lançade — es verhindert. Diese Muskelschnellung ist bei auf-
rechtstehenden
Hinterbeinen unmöglich, aber um so leichter,
je mehr die Beine in den Gelenken gebogen waren.


Ist der Abschwung der Vorhand zu gering gewesen, um die nö-
thige Höhe zu erreichen, so wird das Pferd durch Zurückneigen von
Kopf und Hals, Schlagen der Vorderbeine denselben zu vermehren, und
durch Vortreten der Hinterbeine das Gleichgewicht zu erreichen su-
chen. Nur wenn dasselbe erlangt ist, kann ein ruhiges Stehen eintreten,
wie bei der Levade und Pesade mit unbeweglichen, herangezogenen
Vorderbeinen, wesshalb die Schule auf diese Haltung der Vorder-
beine, als Zeichen des völligen Gleichgewichts, besteht. Das Steigen,
wie es die Kunstreiter zu produziren pflegen, zählt nicht in die
Reihe der regelrechten Lectionen, und es ist ein trauriges Zeichen
von Unkenntniss, wenn Leute, die es besser verstehen sollten, in
den Beifalljubel der Menge einstimmen, wenn ein sogenanntes
Schulpferd zu halsbrechendem Steigen angestachelt und gerissen,
durch Kopf- und Beinschlagen den Beweis liefert, wie wenig es
gelernt hat, sein Gleichgewicht zu finden.


Die Gelenkverbindungen der Vorderbeine erlauben ein län-
geres Balanciren der Hinterhand auf denselben nicht. Beim Schla-
gen werden indess die weit vorgesetzten Vorderbeine den höchsten
Schwung gestatten.


Das Heben der diagonalen Beine wird den Pferdekörper
nicht aus dem Gleichgewicht bringen, wenn der Schwerpunkt
über dem Durchschnittspunkte der Diagonale seiner

[67]Vom Körpergewicht des Reiters.
Beine liegt, und mithin keine Veränderung der Körperhaltung
nöthig machen. Liegt der Schwerpunkt aber nicht da, sondern
weiter vor- oder rückwärts, so wird eine Neigung des Körpers, die
mit jener Differenz wächst, nach rechts und links den Schwerpunkt
in die Verbindungslinie der stehenden Beine bringen müssen.
Hieraus erklärt sich die schwankende Bewegung vieler Pferde im
Trabe, welche mit der bessern Haltung verschwindet.


Es ist aber das Fernere sehr wichtig, dass die gehobenen,
diagonalen Beine gleichzeitig zur Erde fallen. Geschieht dieses
nicht, so wird die ganze Last für einen Moment auf den zuerst
den Boden berührenden Fuss fallen und erst, wenn der andere zur
Erde kommt, der vorige Schwerpunkt wieder gewonnen werden. Man
fühlt diese, die Beine des Thieres bedrohende Unregelmässigkeit an
einem Brechen des Stosses beim Niederkommen in den Sattel. Ge-
schieht der Abschwung und das Fussen genau gleichzeitig, so hat der
Reiter die Empfindung des federnden, schwunghaften Ge-
worfenwerdens
, ohne welches dem Kenner kein Trab angenehm
sein wird. Dies ist das Werfen im Trabe, das Noth thut. Halb-
wissende freuen sich über das Stupsen ihres Thieres mit unelas-
tischen Gelenken und beehren es mit der Bezeichnung: „determi-
nirter Trab“. Dem gänzlichen Laien dünkt jeder Trab herrlich,
der seinen Sitz möglichst wenig stört.


Das Aufheben zweier Beine derselben Seite macht eine
gänzliche Verlegung des Schwerpunktes seitwärts bis über die ste-
henden Beine nöthig, wodurch das Schwanken des Passgängers im
Trabe noch vermehrt wird.


Aufheben beider Vorderbeine und eines Hinter-
beins
zeigt bei dem en Pirouette — Kehrt in der schwierigsten
Combination — die Balance des Pferdes auf einem Hinterfuss.


Es zeigen sich in einem Moment des Laufens die Hinter-
beine über die Vorderbeine hinweggreifend
und somit
gekreuzigt. Da aber die Vorderhufe bei dieser Gelegenheit bereits
hinter der Vertikalen und dem Schwerpunkte standen, ehe die
Hinterbeine vor demselben fussten, so muss ein Moment des Nicht-
gestütztseins dagewesen sein, dessen Unschädlichkeit sich nur
durch die Geschwindigkeit erklären lässt, mit der die Hinterbeine
zur Unterstützung herbeieilten, wie durch die feste Anlehnung des
5*
[68]I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.
Rennpferdes an das Gebiss, wodurch der Reiter ihm gleichsam in
seiner Hand ein fünftes Bein giebt.


Beim Seitengang wird ein Kreuzen der Beine gleichfalls
stattfinden. Es werden indess die stehenden Beine so lange aus-
harren können, bis der Schwerpunkt noch nicht über sie hinweg-
ging, und bis die nach vorwärts übertretenden Beine zur Erde
kommen. Ist dies nicht der Fall, so entsteht jene fallende Bewe-
gung, die falsch und den Beinen schädlich ist.


Der Rumpf des Pferdes, welcher zwischen den Stützen liegt,
ist es aber nicht allein, der den Schwerpunkt bestimmen wird.
Hals und Kopf, welche vor die Vorderbeine fallen, und Kruppe
und Schweif
, welche hinter den Punkt fallen, wo die Kruppe
auf dem Becken liegt, sind mit in Betracht zu ziehen. Was die
Belastung der Beine betrifft, so wird diese im Zustande der
Ruhe
ziemlich gleichmässig sein. Denn obschon das Vorderge-
wicht
— Kopf und Hals — vom Hintergewicht — Kruppe
und Schweif — viel überragt wird, so ist die grosse Schwere,
welche die fleischige Muskulatur der Hinterbacken be-
sitzt, den letztern hinzuzurechnen. Dies ändert sich im Gange,
indem dieses Mehrgewicht dann mit den Beinen mit jedem Tritte
verlegt wird und auf den Schwerpunkt des Rumpfes keinen Ein-
fluss hat. Anders ist es mit Kopf und Hals. Sie werden nicht
nur nach ihrer absoluten Schwere, der Proportion ihrer Theile,
der Art, wie der Hals mit dem Rumpfe verbunden, und wie sie
getragen werden, wesentlich auf die Belastung der Vorhand, son-
dern auch in doppelter Beziehung auf Verlegung des Schwerpunktes
einwirken; einmal durch die wechselnde Lage ihres Gewichts, und
dann als Leiter des Druckes des Gebisses.


Die Kruppe hat durch willkürliche Veränderung ihrer Lage
keinen Einfluss auf den Schwerpunkt, es wird indess bei wachsen-
der Länge derselben sich ihr absolutes Gewicht vermehren und so
ein Gegengewicht des vorragenden Halses bilden. Ein neuer Vor-
theil der langen Kruppe.


Die Bewegung des Schweifes wird auf die Veränderung
des Schwerpunktes nur höchstens in den kritischen Momenten von
schwierigen Balancen und kurzen Wendungen influiren. Ich möchte
aber doch glauben, dass dann, wo oft schon ein Atom den Ausschlag
giebt, seine Bewegung nicht ganz wirkungslos ist. Wissen wir doch,
[69]Vom Körpergewicht des Reiters.
dass Windhunde, deren Schwänze man verstümmelte, bei jeder
engen Wendung fallen, und das Kängaru sich desselben vollkom-
men als Balancirstange bedient.


Wir haben gesehen, welch’ mächtiges Mittel das Pferd durch
die Beweglichkeit seines Halses zur freiwilligen Verlegung des
Schwerpunktes hat. Den Hals in die Gewalt zu bekommen,
dem Pferde diese eigenmächtige Verlegung zu neh-
men, sie aber dem Reiter zu geben
, wird eine wichtige
Aufgabe der Reiterei sein. Andererseits wird uns aber auch die
Gefahr sichtbar, welche ein gewaltsames Einschnüren des
Halses, sei es durch feste Hülfszügel oder durch die unnach-
giebige Hand
des Reiters, in Augenblicken herbeiführen muss,
wo die Beweglichkeit desselben oft allein im Stande ist, das Thier
vor dem Fallen zu schützen, oder dem gestürzten Pferde wieder
auf die Beine zu helfen.


Das Pferd vermag durch die Veränderung der einzelnen
Theile seines Rumpfes
denselben nach jeder beliebigen Rich-
tung zu bewegen, ohne dass diese Bewegung durch die Beine un-
terstützt würde. Es wird diese Bewegung jedoch ihre Grenze in
dem verlorenen Gleichgewicht finden, und wird zu dessen Wieder-
herstellung eine Bewegung der Beine, eine Unterbringung der
Stützen nach der Seite nothwendig, wohin die Neigung des Rumpfes
stattfand. Eine Fortwirkung dieser Neigung wird auch
eine fortlaufende Bewegung der Stützen zur Folge haben
müssen und so den Gang herbeiführen. Dies ist indess ein fal-
lender
Gang, der des Schwunges entbehrt. Zum richtigen
Gange gehört nebst der nach dem Willen des Reiters regulirten
Neigung des Körpers die schiebende und abschwingende Thätigkeit
der Beine, worauf derselbe wiederum einwirkt. Das Verlegen des
Schwerpunktes aber in eine Lage, wo der Körper vollkommen ge-
stützt ist, wird den Zustand der Ruhe zurückführen.


Eine wesentliche Veränderung wird der Schwerpunkt durch
die Belastung des Rückens, durch Sattel und Reiter erleiden.
Nicht nur wird es von bedeutendem Einflusse sein, ob er seinen
Sitz mehr vor- oder rückwärts wählt; ob er seinen Körper
in fester Haltung trägt
oder durch schlotternde Glieder
das Thier belästigt; ob er ferner dauernd vor-, rück- oder seit-
wärts geneigt
, oder senkrecht im Sattel sitzt; ob er end-
[70]I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.
lich sein Gewicht dadurch auf die ganze Sattelfläche vertheilt, dass
er auf den Bügeln steht, oder seine Last auf einen Punkt con-
zentrirt: sondern er wird durch die Haltung seines Körpers mit-
gehend
, sowohl den Schwung der Bewegung des Thieres ver-
mehren, als widerstrebend ihn vermindern, und schliesslich durch
Seitwärtsneigung seiner Last das Gleichgewicht stören und
dadurch Bewegungen und Wendungen veranlassen können.


Es wird in den wenigsten Fällen von uns abhängen, uns eini-
germassen den Ort zu bestimmen, wo wir auf dem Pferde-
rücken sitzen wollen
. Das Gebäude des Thieres weist uns
denselben bestimmter an, wie die meisten Reitkünstler zugeben
möchten, und alle Versuche, die natürliche Sattellage
zu ändern, haben kein unangefochtenes Resultat geben
wollen
. Wie wünschenswerth es wäre, mit dem Gewichte mehr
zurück zu kommen, zeigen deutlich die höchstinteressanten Ver-
suche, welche die Herren Baucher und Morries in Paris angestellt
haben, und welche, meinen verehrten Lesern mitzutheilen, ich mich
nicht enthalten kann. Ich entnehme in veränderter Zusammenstel-
lung sie aus dem schätzenswerthen Baumeister’schen Werke: „An-
leitung zur Kenntniss des Aeussern des Pferdes“, Stuttgart 1852,
und habe die Kilogramme auf Pfunde reduzirt à 2 Pf. 6 Quentchen.


Sie stellten ein gutgebautes Pferd mit Vor- und Hinterhand
auf je eine Brückenwage, um zu prüfen, wie viel Gewicht auf
Vor- und Hinterhand kam. Die Bewegung der Gedärme, das
Athmen liessen eine Veränderung von 7—11 Pfund zu. (Sollte
nicht auch eine geringe dem Auge unbemerkbare veränderte Kör-
perhaltung jene Differenzen vermehrt haben?)


  • 1. Zuerst wurde das
    Pferd in gewöhn
    licher, eher nie-
    drige, als hohe
    Stellung
    gebracht
  • 2. Der Kopf wurde
    bis zur Bugspitze
    gesenkt; es ergab
    diese erniedrigte
    Stellung
    :
[71]Vom Körpergewicht des Reiters.
  • 3. Der Kopf so weit
    erhöht, dass die
    Nase in der Höhe
    des Widerrisses
    stand. Es ergab
    die aufgerichtete
    Haltung
    :

Wir erhalten eine Mehrbelastung für den Zustand der Ruhe
von 74, für die erniedrigte Stellung von 106, für die erhöhte von
34; mithin zwischen den Extremen die bedeutende Differenz von
72 Pfund, woraus die grosse Einwirkung der Halsstel-
lung auf die Verlegung des Schwerpunktes unläugbar
hervorgeht
.


Nun bestieg Herr Baucher das Pferd. Er nahm einen schul-
gerechten Sitz an, und es ergaben sich bei der gewöhnlichen,
mittleren Haltung
des Pferdes folgende Gewichtsverhältnisse:


Durch Zurücknahme seines Körpers brachte Herr
Baucher (der, wie gesagt, vorhin schon einen schulmässigen Sitz
angenommen hatte) 20 ½ Pfund und durch Beizäumen 16 ½
Pfund, mithin Summa 37 Pfund zurück. Es scheint hiernach, als
wenn Herr Baucher das Thier aus jener eher tiefen Haltung blos
beigezäumt, nicht aber aufgerichtet habe. Es würde das Resultat
der Mehrbelastung der Vorhand unter dem Reiter unter den gün-
stigsten Verhältnissen, die Herr Baucher gab, doch noch die be-
deutende Summe von 76, mithin über 1/11 des Gesammtgewichtes
betragen.


Das Selbsttragen des Körpers ist beim Reiter nicht blos
nothwendig, um das Thier nicht unnütz zu ermüden, sondern um
schnell in diejenige Haltung des Körpers übergehen zu können,
welche der Situation entspricht. Das Bummelnlassen des Lei-
bes war leider auch einmal Mode geworden. Zu der Zeit, als man
sein Zuhausesein in den Salon’s und den Boudoirs der Damen durch
Annahme nachlässiger, zum Theil ungeziemender Stellungen glaubte
[72]I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.
an den Tag legen zu müssen, wollte die Mode auch durch Bum-
meln auf dem Pferderücken dieses Sichheimischfühlen gezeigt ha-
ben. Eine gewisse Nachlässigkeit der Gewohnheit hält
man einem alten Manne gern zu gut, sie kleidet ihn, wenn er
sonst darnach ist, oft nicht einmal übel; aber wenn ein junger
Mann bummeln will, ehe er gerade sitzen lernte, so
ist dies Nachäffen der Nonchalance der Virtuosität
eben so lächerlich, als schädlich. Aefft
er aber nicht
nach, hat er seine Gliedmassen wirklich nicht in der Gewalt, so
lasse er sich nicht einfallen zu dressiren, und wenn er auch noch so
fest sitzt und es ihm sonst auch weder an Einsicht noch Ener-
gie
fehlt, so wird er es nie zu einem ruhigen und wohlgerit-
tenen Pferde bringen; das Thier muss unter ihm ewig auf der
Lauer liegen, seinen wackelnden Leib zu balanciren und kommt
nie zum ruhigen Gleichgewicht.


Ein guter Reiter muss dauernd je nach dem Pferde und
den Umständen eine mehr vor- oder zurückgeneigte Hal-
tung
annehmen, und in ihr, wie in der senkrechten völlig fest-
sitzen und Herr seiner Bewegungen bleiben. Das normale Pferd
verlangt den normalen — den senkrechten Sitz. Ab-
weichungen im Gebäude machen Abweichungen im
Sitze nöthig. Sind letztere nicht durch das Pferd
motivirt, so sind sie schlecht, ob vor- oder zurück-
lehnend
. Andauerndes Schiefsitzen ist ganz fehlerhaft, doch
im Vergleich zum unbestimmten Sitze noch immer vortreff-
lich. Das Thier gewöhnt sich daran, oft allerdings schwer und
auf Kosten des Ganges und der Beine, aber es kommt zu einer
bestimmten Haltung. Die grösste Erleichterung des Ge-
wichtes
giebt der Reiter, wenn er auf dem Bügel steht, ohne
den Pferdekörper mit dem Gesäss zu berühren. Dies ist der Sitz
des Jokey. Die Kürze des nur einige Minuten dauernden Laufs
erlaubt diese Anstrengung, die der Campagnereiter nicht ertragen
kann. Ein Bügelstehen, bei welchem das Zurückfallen in den
Sattel nicht vermieden wird, wird zur Erleichterung des Pferdes
nur wenig beitragen, aber das Knie des Reiters ansteifen und so
den Schenkel zum feinen Nüanciren der Hülfen unfähig machen,
auch meist mit schwankendem Oberleibe verbunden sein.


[73]Vom Körpergewicht des Reiters.

Die Vorderbeine des Thieres sind im Zustande der Ruhe zu
weit von den Hinterfüssen entfernt und die Unterstützungsfläche
zu gross, als dass des Reiters Gewicht durch veränderte Neigung
seines Körpers leicht im Stande wäre das Gleichgewicht des Thieres
zu stören. Wenn indess durch Unterbringung der Vorder- oder
Hinterbeine unter den Leib die Unterstützungsfläche sich verklei-
nert, so wird sich die Wirkung schon bedeutender äussern. Wenn
das Pferd im Gange seinen Schwerpunkt weiter vorlegt, und wird
das Gewicht des Reiters gleichfalls vorwärts geneigt, so wird er
den Drang nach vorwärts verstärken, rückwärts geneigt, vermin-
dern. Mithin wird der Reiter sich seines Gewichts als Regulator
für den Drang, für die Neigung des Rumpfes des Pferdes nach
vorwärts, des einen Faktors für den Gang, der namentlich die
Anlehnung bestimmt, bedienen können. Pferde, welche die Thä-
tigkeit der Beine durch zu starke Neigung nach vorwärts ihres
Rumpfes unterstützen, sind auf dem Zügel; Pferde, welche diese
Neigung gar nicht annehmen, hinter dem Zügel. Ein Ueberneigen
der Schwere des Rumpfes der Schnelligkeit des Ganges angemessen
und in dem Maasse, dass sie mit Leichtigkeit wieder zurückgelegt
werden kann, wird die richtige Anlehnung geben. Ein fortwäh-
render Wechsel in der Neigung des Rumpfes wird das Stossen
auf den Zügel und das Prallen hinter den Zügel veranlassen. Wie
genau die Gewichtsvertheilung des Reiters mit der Anlehnung
zusammenhängt, werden wir aus dem Erfahrungssatz sehen können,
dass die Pferde von Leuten, welche sich einen vorgeneigten Sitz
bleibend angewöhnt haben, meist fest auf die Hand gehen, von
Leuten, welche einen zurückgeneigten Sitz haben, oft zu wenig an
der Hand sind, von Leuten, die einen bummeligen Sitz haben,
aber eine ganz unbestimmte Anlehnung haben.


Vermehrt wird die Haltung des Reiters im Galopp, im Laufe
und Sprung wirksam werden, wo sich die Last bald auf die Vor-
derbeine, bald auf die Hinterbeine stützt. Namentlich fällt die
Gewichtseinwirkung des Reiters beim Barrièresprung deutlich ins
Auge. Hebt sich das Pferd zum Absprunge auf den Hanken, so
wird der Reiter diese Erhebung durch Einsitzen in den Sattel
unterstützen; sein Vorfallen wird es hemmen. Schwingt es sich
alsdann mit den Hinterbeinen ab, so wird die Neigung vorwärts
die Kraft des Schwunges unterstützen, sein Rücklehnen sie ersticken.
[74]I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.
Kommt das Pferd fussend vielleicht mit den Vorderbeinen zuerst
zur Erde, so wird sein Zurücklehnen die Vorhand erleichtern,
sein Vorfallen oft den Sturz des Pferdes herbeiführen. Es war
mithin ein dreifacher Wechsel des Körpergewichts nöthig.


In weit höherem Grade tritt die Einwirkung des Köper-
gewichts nach seitwärts
an den Tag. Diese darf nicht durch
stärkeres Austreten eines Bügels verursacht werden, weil ausser
der Gefahr des Sattelrutschens der Sitz des Reiters dadurch schwan-
kend und die Thätigkeit seines Unterschenkels gelähmt wird. Es
muss vielmehr durch eine grössere Belastung des einen Gesäss-
knochens ohne Veränderung der Neigung des Körpers in der Ver-
tikalrichtung des Reiters geschehen und mit unveränderter Haltung
seiner Oberschenkel. Der geringe Raum von Hinterfuss zu Hin-
terfuss und Vorderfuss zu Vorderfuss wird leicht eine Veränderung
des Schwerpunktes herbeiführen, mit andern Worten: die Unter-
stützungsfläche des Pferdekörpers ist lang, aber
sehr schmal und es wird das Gleichgewicht des Pfer-
des nach seitwärts leicht zu stören sein
, um so leichter,
je enger das Pferd geht und je höher Reiter und Pferd sind. Im
Trabe wird dies am meisten der Fall sein
, weil da das
Thier seine Balance lediglich auf die in der Diagonale stehenden
Füsse genommen hat. Eine geringe Neigung des Reiters seit-
wärts
wird das Thier dorthin aus dem Gleichgewichte bringen.
Es wird naturgemäss bemüht sein, sein Gleichgewicht herzu-
stellen und zu diesem Zwecke seine Stütze, sein Vorderbein
unter die überhangende Last bringend, dahin treten,
wohin der Körper neigt und so wenden. Die mechanische Kraft
dieser Hülfe zeigt sich besonders stark beim Eingehen in die
Lection-Schulter hinein, namentlich im Trabe. Der Reiter z. B.
auf der rechten Hand trabend, lehnt sein Gewicht nach der inwen-
digen Seite, so wird das Pferd den rechten Vorderfuss rechts
unter den neuen Schwerpunkt bringen. Im Moment des Nieder-
setzens wechselt aber der Reiter sein Gewicht von rechts nach
links. Das Pferd wird den bereits gehobenen linken Vorderfuss
kurz zur Erde bringen, und um sein Gleichgewicht herzustellen,
mit dem rechten Vorderfuss über den linken treten.


Natürlich bedarf es von Seiten des Reiters des genauesten
Maasses in Stärke und Dauer dieser Hülfe, und ist die Unterhal-
[75]Vom Körpergewicht des Reiters.
tung des Ganges nöthig. Mir scheint Neigung des Körper-
gewichts ein so überragendes Motiv für die Wendung,
dass mir die Anwendung des Druckes auf die inwen-
dige oder auswendige Lade oder des Zügels an dem
Halse zur Wendung nur als ein beihelfendes, willkür-
lich gewähltes, mechanisch machtloses Zeichen ganz
untergeordnet, und der Streit über horizontale oder
vertikale Zügelfaust unfruchtbar dünkt
.


Bin ich im Stande vermittelst des vortreibenden Schenkels die
Hinterbeine unter den Leib zu bringen, so bedarf es nur der ver-
mehrten Belastung der Hinterhand und einer sehr geringen Zügel-
hülfe, um das stehende Pferd zurücktreten zu lassen, das gehende
zu pariren. Wenn der Schenkel so weit respektirt wird, den Gang
zu unterhalten und das Ausfallen der Kruppe zu verhindern, so
sind die Wendungen im Gange durch die Anwendung des Körper-
gewichts gesichert. Das Ausfallen der Kruppe ist aber nichts, wie
das andere Mittel, welches dem Pferde bleibt, sein Gleichge-
wicht wieder zu gewinnen. Statt durch Unterbringung der Stütze
es zu bewirken, sucht es durch die Neigung seines Leibes
nach der entgegengesetzten Seite, die Neigung des
Reiters aufzuheben
. Der Zügel verhindert dies bei der Vor-
hand, der Schenkel muss es bei der Hinterhand unmöglich machen.
Am deutlichsten sieht man diese Wirkung bei ungeschickter und
zu plötzlicher Einwirkung des Gewichts zur Wendung, wenn Zügel
und Schenkel nicht ihre Unterstützung gewähren. In diesem Falle
wird ein schnelles, lebhaftes und bewegliches Pferd leicht statt der
gewünschten Wendung die entgegengesetzte machen und seine
Neigung so weit links nehmend, als sie der Reiter rechts nahm,
sein Gleichgewicht dennoch erhalten.


Es ist mir unbegreiflich, warum auf die Anwendung dieser
mechanisch so kräftig wirkenden Hülfe im Allgemeinen in der Rei-
terei so wenig Werth gelegt wird, dass von Seiten der besten
Lehrer und Autoren ihrer stets nur beiläufig Erwähnung ge-
schieht. Herr von Hochstetter, dessen Schrift allerdings wenig
Gründlichkeit zeigt, fällt förmlich über Herrn von Bailly her, weil
er die Hülfen mit dem Gesäss aufzuzählen wagt. Ich habe sie
noch bei allen guten Reitern in schnellen Wendungen und Paraden
anwenden sehen. Weil sie aber in so hohem Grade naturgemäss,
[76]I. Abschnitt. Sechstes Kapitel.
und fertige Reiter, welche von der Bewegung des Pferdes eman-
zipirt sind, sie ganz unwillkürlich anwenden, so achten sie ihrer
nicht. Vielleicht auch geht es damit ähnlich, wie mit vielen Hand-
werkskünsten, die der Meister sich reservirt. Er wartet, bis die
Erfahrung den Gesellen das Geheimniss lehrt, durch welches dieser
erst es ihm gleich zu thun vermag. Wie die sehr künstli-
chen Faustdrehungen zum Wenden jeder lehrt, und
doch keiner braucht, so braucht das Körpergewicht
jeder zum Wenden, und keiner lehrt’s
.


Viele, die es stets selbst — bald bewusst, bald unbewusst —
brauchen, fürchten sich, die Anwendung des Körpergewichts zu
lehren und in ihre Theorie aufzunehmen, weil es einen unruhigen
Sitz gebe und die Festigkeit des Sitzes bedrohe. Wenn ein Bügel-
stemmen von einer zur andern Seite darunter verstanden werden
soll, so stimme ich dieser Ansicht aus voller Seele bei. Wird aber
die Hülfe bloss dadurch gegeben, dass die Schwere des Oberleibes,
ohne die Lage der Schenkel zu ändern, sich erhöht auf einen oder
den andern Gesässknochen legt, so wird dadurch weder die Ruhe,
noch der Sitz gestört. Aber es ist zur richtigen Anwendung aller-
dings nothwendig, dass der Reiter, trotz der Bewegung des Pfer-
des, seinen Körper in der Gewalt habe — es bedarf mithin eines
ruhigen und sicheren Sitzes. Bügelsteher und Wackeler
können von dieser Hülfe keinen Gebrauch machen,
weil sie aus dem Missbrauche derselben nicht heraus-
zukommen vermögen
.


[[77]]

Zweiter Abſchnitt.
Vom Gehorſam.


Unter Gehorsam versteht man die Unterwerfung des
Willens eines
Wesens unter den eines andern und somit die
Erfüllung der Anforderung, welche dieser Wille erheischt. So lange,
in unserm Falle, das Verlangte dem Thiere angenehm ist,
wird es instinktgemäss ihn erfüllen, wo nicht, den Gehorsam ver-
weigern. Wir werden häufig gegen die instinktgemässe natürliche
Neigung des Thieres anzukämpfen haben, indem wir ihm zumuthen,
etwas zu dulden oder zu thun, was ihm unbequem, lästig, oft gar
schmerzlich ist. Je weniger die Zumuthung dem Thiere wider-
wärtig ist, um so leichter werden wir seinem Widerstreben entge-
gentreten können.


Wir fordern vom Thiere, entweder Handlungen, die wir
mit ihm vornehmen, zu dulden, oder Handlungen zu voll-
bringen
. Im erstern Falle setzen wir dem Nichtduldenwollen,
welches sich in activer Widersetzlichkeit ausdrückt, pas-
sives Verharren
, so weit es irgend angeht, entgegen. Es will
z. B. das Pferd den Sattel nicht dulden, dessen Bewegung ihn im
Trabe an der Leine belästigt. Es springt, schlägt und tobt. Der
Dressirende duldet alles, nur nicht dass es stehen bleibe oder Schritt
gehe. Das Toben wird dem Thiere mit der Zeit lästiger als der
Sattel. Es findet keine Mittel, sich zu entziehen und duldet ihn.
Es hat durch jenes Toben sich selbst bestraft. Diese
passive Art, das Thier zur Duldung zu bringen, nennt man: es
gewöhnen
. Natürlich muss man vom Leichteren zum Schwereren
übergehen und genau beachten, dass möglichst wenig Activität an-
zuwenden ist.


[78]II. Abschnitt.

Eine zweite Art der Anforderung besteht in dem Begehren,
dass das Thier eine Handlung vollbringe. Beim Verweigern des
Gehorsams kann es der Anforderung entweder einen thätigen,
oder einen passiven Widerstand entgegensetzen. Die active
Widersetzlichkeit verlangt fürs erste das Zurück-
führen in die ursprüngliche Situation und aus der-
selben das Wiederholen der Anforderung
. Man will
z. B. das Pferd bewegen, dem Drucke des Gebisses auf die Lade
nachzugeben. Statt dessen aber dehnt es mit den Muskeln des
Kiefers gegen das Gebiss. Dieser activen Widersetzlichkeit stellt
der Dressirende einen Druck auf die Lade entgegen, der sich um
so viel steigert, als der Grad der Muskeldehnung nöthig macht,
die Hand in ihrer ursprünglichen Stellung zu lassen. Mit dem
Nachlassen von Seiten des Pferdes lässt auch die Hand nach, bis
die Muskeldehnung überwunden, und die ursprüngliche Situation
wieder erreicht ist. Nun beginnt der auffordernde Anzug von
Neuem, welcher wahrscheinlieh ein neues Dehnen nach anderer
Richtung zur Folge haben wird, das in gleicher Art zu überwinden
ist. Vielleicht erst wenn das Thier alle Richtungen durchprobirt
hat und in keiner ein Entkommen gefunden, wird es sich geneigt
zeigen, der Anforderung zu genügen und muss dann Ruhe und
Lob, Belohnung für seinen Gehorsam finden, und so die Erfahrung
machen, dass Gehorsam ihm weniger Unbequemlichkeit und Schmerz
bringt, als Widerstreben.


Schlimmer ist es, wenn das Thier einen passiven
Widerstand der Aufforderng zur Thätigkeit entge-
gensetzt
. Dies macht eine Activität von Seiten des Dres-
sirenden nöthig, wobei derselbe sich zuerst die Frage zu stellen
hat, ob das Thier die Aufforderung versteht und zu leisten vermag.
Ist beides der Fall, so ist eine Opposition vorhanden, welche
besiegt werden muss. Diese zu überwinden, stellt der Mensch
dem Thiere die Wahl, entweder seinem Willen zu gehor-
chen oder etwas zu erdulden, welches ihm grössere
Unbequemlichkeit bringt, als die, welche mit der Aus-
führung des Willens verbunden ist
. Dieser ihm angedrohte
Gegenschmerz ist die Strafe. Je allmäliger in der Dressur
die Steigerung der Anforderungen gestellt wird, um so geringer
werden dem Thiere die Unbequemlichkeiten erscheinen, welche ihre
[79]Vom Gehorsam.
Erfüllung mit sich bringt, und um so geringer können die Strafen
sein. Sind die Strafen zu niedrig gestellt, so wird das
Thier es vorziehen, sie zu ertragen, weil dies ihm leichter ist, als
die Folgen des Gehorsams. Sind sie zu hart gestellt, so
werden die Folgen der Strafen eine höhere, als die abverlangte
Thätigkeit hervorbringen. Soll das rohe Thier gehen und folgt
selbst dann nicht, wenn es der Führer am Kopfe fortzieht, so wird
die Peitsche wirken müssen; aber ein plötzliches Drauflosschlagen
wird kein Antreten, sondern einen Sprung zur Folge haben. Ich
werde mithin meinen Zweck nicht in der erwünschten Art erreichen
und das Thier schreckhaft machen. Habe ich aber versucht, das
Thier mit einem Knall der Peitsche anzutreiben, und das Pferd
folgte ihm nicht, und fahre ich gleichwohl fort zu knallen, statt
meine Strafe zu steigern, so würde ich für immer die Achtung vor
dem Knall untergraben.


Wir sehen hieraus, dass ein richtiges Verhältniss des
Grades der Strafe zum Widerstande und eine allmä-
lige Steigerung darin stattfinden muss. Jedenfalls
aber will der Gehorsam erkämpft sein. Das Vermeiden
und Umgehen des Entgegentretens, was so viele Dres-
sirende als den höchsten Triumph der Kunst darstellen
wollen, kann ich als solchen nicht anerkennen. Es ist
vielmehr die Aufgabe der Kunst, durch allmälige
Steigerung der Anforderungen diese Kämpfe fort-
dauernd im Kleinen zu halten
. Der Kampf darf nie eine
solche Höhe erreichen, der nöthige Gegenschmerz, die Strafe, nie
so scharf werden, dass sie Handlungen nach sich ziehen, deren
Heftigkeit den Sitz des Reiters bedrohen und fürchten lassen müs-
sen, dass derselbe einmal unterliege, und so das Thier die
Grenzmarke der Kraft und Ausdauer seines Herrn
kennen lerne
. Dann wird es allerdings diesen Kampf immer
von Neuem aufnehmen, hoffend, abermals obzusiegen. Darum ist
es auch so gefährlich, sich vorzeitig in Situationen zu begeben, wo
man den Kampf nicht auszukämpfen vermag, z. B. mit rohen Pfer-
den ins Freie zu reiten. Sie merken sich Orte und Situationen,
wo der Reiter nicht im Siege blieb und wissen mit überraschender
Klugheit ähnliche Gelegenheiten zu benutzen. Andererseits aber
würde man durch derartige Kämpfe die Kraft des Thieres un-
[80]II. Abschnitt.
nütz in Anspruch nehmen und die Gesundheit seiner Gliedmassen
bedrohen. Die Menge von leichten Siegen muss das
Thier zur Gewohnheit des Gehorchens bringen
, die
sich zur vertrauensvollen, unbedingten Unterwerfung steigert.


Die Strafe muss nie als eine nachträgliche Rache-
ausübung erscheinen
. Hat das Pferd gescheut, so kommt
die Strafe hinterher, weil es dem Reiter unbequem geworden, zu
spät. Es hat vielleicht sogar Lob verdient, indem es trotz seiner
Angst aus Gehorsam, statt Kehrt zu machen, dennoch am Gegen-
stand seiner Furcht vorüberging, wenn auch etwas eiliger. Wir
können das Thier nicht wie einen Menschen lange Zeit nach dem
begangenen Fehler züchtigen, weil bei der Unmöglichkeit, ihm den
Grund der Strafe mitzutheilen, deren Anwendung ihren Zweck
verfehlen wird.


Es ist ferner eben so unrichtig, ein Thier muthwillig
zum Ungehorsam zu reizen
, um es dann zu unterwerfen, als
da, wo der Ungehorsam entgegentritt, denselben zu
umgehen
, und durch andere Mittel unsern Zweck zu erreichen
suchen, wenn die ersteren eine Opposition hervorriefen. Es hat
z. B. ein Mann vielleicht unrichtigerweise sich des auswendigen
Sporns zum Ansprengen bedient, das Pferd schlägt nach dem
Sporn, man erlaubt, dass der Mann, diese Unart unberücksichtigt
lassend, in besserer Art in den Galopp eingehe, so wird das Thier
gewiss beim nächsten Gebrauch des Sporns wiederum darnach
schlagen. Es würde nothwendig sein, dass der Mann sofort parirte,
den Schenkel weichen liesse, beim nicht sofort geleisteten Gehor-
sam sich wiederum des Sporns bediente, dessen Wirkung beim
abermaligen Schlagen verstärkte, bis ein Aufgeben des Widersez-
zens den Gehorsam bewiese. Dringt er nicht durch, muss zur
Gerte, dann aber zur Peitsche und zum Kappzaum zurückgegangen
werden. Gegen dieses consequente Nichtaufkommen-
lassen der sich zeigenden Unarten, und dieses Zurück-
gehen zu den Vorlectionen sieht man häufig einzelne
Reiter, noch mehr aber bei der Dressur in grösseren
Abtheilungen fehlen
. Man vermeidet den Kampf gegen die
hervortretende Unart, sucht durch Wahl anderer Mittel die Ein-
wirkungen zu vermeiden, bei denen sie sich zeigt, und lavirt sich
so ewig ausweichend durch. Als Entschuldigung dient der Mangel
[81]Vom Gehorsam.
an Zeit, sich bei so vielen Pferden lange mit einem zu beschäftigen;
und man bringt es so dahin, dass, indem heute die Unart des
einen, morgen die des andern unbeachtet bleibt, sie ihnen zur
später schwer zu bekämpfenden Gewohnheit werden, und so mehr
oder weniger alle nichts lernen, und die Zeit an allen ver-
schwendet ist
. Daher der grosse Einfluss, den der Tausch
der Reiter
auf das Gehen der Pferde hat, daher die Noth-
wendigkeit des wochenlangen Einreitens, damit der Reiter lerne,
welche Hülfe das Thier duldet, und welche er zu vermeiden hat,
damit die Unart nicht hervortrete. Obschon jedes Thier seinem
Gebäude und Temperamente nach einer anderen Zusammenstellung
und es auch einiger Zeit bedarf, um die Stärke der Zeichen kennen
zu lernen, an die das Pferd gewöhnt worden, so wird es bei eini-
ger Reitfertigkeit doch nur einer Viertelstunde bedürfen, um den
Reiter hierüber ins Klare zu bringen.


Es giebt aber eine Menge Reitlehrer, denen jede Uebungs-
stunde
eine Productionsstunde ist, eine Stunde, in der sie
zeigen, was die Pferde können, und nicht eine Stunde, ihnen etwas
zu lehren; Lehrer, die sich selbst bei zu dressirenden Pferden
freuen, wenn nichts den gewöhnlichen Verlauf Störendes vorfiel,
und das Zutagekommen jeder Unart und jedes Ungehorsams
sorgfältigst vermieden wurde, statt sich zu freuen, wenn diese sich
entdeckten und so Gelegenheit gaben, rechtzeitig und mit
den geeigneten Mitteln ihnen entgegenzutreten. Andere
begnügen sich mit dem Scheine, ihren Willen erreicht
zu haben
. Will z. B. ein Pferd nicht zurücktreten, weigert es,
obschon durch die Dressur bereits dahin belehrt, die Verlegung
des Schwerpunktes, stemmt es die gestreckten Hinterfüsse der
Verlegung des Schwerpunktes entgegen, so scheint es zu weitläufig,
Untertreten, Zusammenstellung des Halses etc. zu prüfen und
nöthigenfalls zu erzielen. Man begnügt sich durch einen Schlag
auf Beine oder Nase, das Thier zurückzubringen. Ob aber das Thier
dennoch seinen Willen durchgesetzt, ob auch weder Hals noch Hanke
gebogen, ist ihnen gleichgültig; sie glauben als Sieger davon zu
gehen, obschon dem Thiere der Sieg geblieben, und der Unge-
horsam bestens angebahnt ist.


Ein anderer Fehler ist dem Zuhochspannen der Anfor-
derung
nahe verwandt. Es ist das zulange Andauern von
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 6
[82]II. Abschnitt.
Reprisen, wo Muskelanspannung, scharfe Stellung etc. entweder
gänzliche Ermüdung der Muskeln oder Schmerz herbeiführten, und
dem erschöpften oder gequälten Thiere der Gehorsam unmöglich
gemacht, es dann aber durch harte Strafen zur Verzweiflung ge-
trieben wird, die oft Mann und Pferd in Gefahr bringt. Es müssen
dem Thiere durchaus die nöthigen Ruhemomente gegönnt wer-
den. Sie müssen indess stets dann eintreten, wenn man Ursache
hat, mit demselben zufrieden zu sein; nie aber einen Kampf
unterbrechen
. Viel weniger darf man in solchen Augenblicken
des Zerwürfnisses die Lection beenden und das Pferd zu Hause
führen lassen. Der Reiter, welcher das Thier mit der Idee: „Wart’,
ich werde dich!“ besteigt
und mit dem Gedanken: „Geh’
zum Teufel, du eigensinnige Canaille!“ fortführen

sieht, wird es in der Dressur nicht weit bringen. Reiter und
Pferd müssen sich mit Freude sehen, als Freunde
scheiden
. Der freundliche Gruss, die klopfende Hand beim Auf-
und Absteigen sollten nie fehlen.


Wir sind in unserer Campagnedressur im Allge-
meinen viel zu sehr geneigt, alles durch Strafe, zu
wenig bedacht, manches durch Belohnung zu erringen
.
Mit welchem guten Beispiele gehen uns die Kunstreiter voran, und
wie manches erreichen sie nicht durch ein Stückchen Brod, Zucker
oder ein Mohrrübenscheibchen, was uns und unseren Thieren viele
Schweisstropfen kostet. Wir sollten uns nie zu Pferd setzen, um
zu dressiren, ohne solche kleine Näschereien, die dem Pferde unsere
Zufriedenheit nach Erfüllung unserer Forderung zeigen, mit uns zu
führen. Bei einem Thiere von solcher Klugheit und solchem Gedächt-
nisse, wie das Pferd, wird die Freundlichkeit nicht verschwendet sein.


Eine eigenthümliche Art, den Gehorsam zu erzwingen, haben
die Gaucho’s. Nachdem sie ein ihnen zusagendes Exemplar aus
der wilden Heerde, welche in ungetrübter Freiheit die Pampa’s
durchstreift, mit dem nie fehlenden Lasso zu Boden geworfen ha-
ben, zwängen sie ihm den Sattel auf und eine gewaltige Kandare
ins Maul, und springen im Moment seiner Erhebung in den Sattel.
Das rasende Thier sucht sich durch alle denkbaren Sätze des Rei-
ters zu entledigen, der es mit riesigem Sporne und mit der Peitsche
so lange bearbeitet, bis es wie ein Pfeil in die endlose Steppe dahin-
fliegt. Nach einigen Stunden erscheint der Reiter wieder, das
[83]Vom Gehorsam.
blutende, schweisstriefende Pferd folgt zitternd, wohin er es führt.
Er steigt ab, giebt ihm sein Zeichen, reiht es in seine Heerde ein,
aus der er es zu seinem Gebrauche wieder einfängt, ohne dass
es je wieder ein Zeichen des Ungehorsams gäbe. Dies ist die Be-
schreibung der Schriftsteller und Augenzeugen in solcher Ueberein-
stimmung, dass an der Wahrheit nicht zu zweifeln ist. Nur bei
der Werthlosigkeit der Thiere und der Unendlichkeit der baum-
losen Steppe kann ein solches Verfahren Anwendung finden; merk-
würdig aber bleibt es, dass dieser eine Ritt den Willen eines so
unbändigen Thieres für immer gebrochen, und es dem Menschen
unterthänig gemacht hat.


Eine andere Art des Unterwerfens ist die seltsame Procedur
der „Flüsterer“, die ihr geheimnissvolles Wesen in Schottland und
Irland treiben sollen. Ein dem Pferde in das Ohr geflüstertes
Wort soll es an allen Gliedern zittern machen; das böseste Thier
soll zum Lamme umgewandelt und dem Willen des Flüsterers un-
terworfen sein. Reisebeschreibungen erzählen Wunderdinge von dieser
Kunst, die indess zu mysteriös klingt, um Glauben zu verdienen.


Eine genaue Kenntniss des Pferdes, um beurtheilen zu können,
was ihm leicht und schwer wird, eine grosse Aufmerksamkeit auf
die Quelle des mangelnden Erfolgs, ein ruhiges Temperament des
Reiters und ein wohlwollendes Herz, richtige Anwendung von Lohn
und Strafe, Muth, der den Kampf nicht scheut, Vermeidung von
Uebermuth, der ihn sucht, nebst Kenntniss und Anwendung der
geeigneten Hülfen und Lectionen werden uns auch ohne die ge-
heimnissvolle Kunst der Flüsterer die Mittel geben, uns Gehorsam
zu verschaffen.


6*
[[84]]

Dritter Abſchnitt.
Von der Bearbeitung des Pferdekörpers.


Erstes Kapitel.
Einleitung.


Wir haben in neuerer Zeit eine so grosse Verwirrung in den
verschiedenen Gebrauchszwecken des Pferdes, dass es nicht
als unnütz erscheint zu erklären, was wir unter Renn-, Jagd-,
Campagne- und Schulpferd zu verstehen haben. Es machen oft
Leute von Fach an Campagnepferde die Anforderung, dass der
Galoppsprung in der Art bei ihnen entwickelt sei, wie es beim
Rennpferde der Fall ist, oder andere, dass jedes derselben ohne
Unterschied des Gebäudes eine Aufrichtung habe, wie ein Schul-
pferd. Jener verlangt von seinem Jagdpferde dagegen eine leichte
Anlehnung im vollen Laufe und beansprucht die Wendbarkeit des
Soldatenpferdes. Nur die Renn- und Schulpferde sind fast stets
in Händen von Männern, die von ihnen nur das verlangen, was sie
leisten sollen.


I. Rennpferde sind solche, welche zur Entwickelung der
möglichst grössten Geschwindigkeit auf ebener und freier Bahn in
dauerndem Laufe durch Uebung und künstliche, diätische Vorbe-
reitung erzogen werden. Der Anspruch auf Wendbarkeit und Ver-
sammlung ist auf das Minimum beschränkt, ebenso die Gewöhnung
an starke Belastung und Körperabhärtung. Der Schwerpunkt ist
bei ihnen im Laufe so weit vorgelegt, wie es sich irgend mit der
Sicherheit vereinen lässt. Der auf den Bügeln schwebende Jokey
[85]Einleitung.
giebt, weit vorgebeugt, dem vorgestreckten Kopf und Hals eine
eiserne Stütze auf die Faust. Der befreite Rücken spannt unge-
hindert an und ab. Die Beine arbeiten bald weitgestreckt hinter
der Vertikalen, bald streben sie so mächtig vorwärts, dass die Hin-
terbeine bei den Vorderbeinen vorbeigreifen. Bei dicht über den
Boden gestrecktem Leibe sind die Sprünge mehr lang, als schnell
auf einander folgend. Der Trainer stählt durch Uebung Muskeln
und Athmungsorgane, sorgt durch reichlichstes Futter und pünkt-
lichste Pflege für die Ernährung; arbeitet aber durch Abschwitzen
und Purgiren der Fettbildung entgegen, unbekümmert, ob seine
Erziehungsmethode die Haut verweichlicht und durch Isolirung
in dunklen Räumen die Nerven reizbar und das Thier unverträg-
lich macht.


II. Das Jagdpferd. An dasselbe wird nicht der Anspruch
so bedeutender Geschwindigkeit, wohl aber der einer grossen Dauer
im Laufe, mithin gestählter Muskeln und trefflich geübter Lungen,
und des sicheren und unverzagten Nehmens vorkommender Hinder-
nisse jeder Art gemacht. Hiezu bedarf es schon der schnelleren
Verlegung seines Schwerpunktes. Der Reiter muss es auch so
weit in der Hand haben, als es die Fähigkeit, unnehmbare Hinder-
nisse zu umgehen oder weislich vor ihnen zu stopfen, nöthig macht,
obschon die Räumigkeit des Sprunges keine engere Zusammenstel-
lung des Halses gestattet. Auch bei ihm wird eine so künstliche
Stallpflege meist mit Abschwitzen und Purgiren angewendet, dass
die Haut für Campagnegebrauch zu reizbar wird. Es erhält be-
reits ein vermehrtes Gewicht.


III. Das Campagnepferd (Soldatenpferd). Von ihm ver-
langt man die Fähigkeit unter bedeutendem Gewichte, bei jedem
Wetter, bei mässigem Futter und mässiger Pflege andauernd in
einer Haltung zu gehen, welche ihm jede Gangart, Wendung und
Parade gestattet. Es soll sicher und furchtlos mässige Hindernisse
nehmen und vertrauensvoll dahin gehen, wohin der Reiter es immer
führen mag; dann aber auch fromm und verträglich gegen Men-
schen und Pferde sein. Gewandtheit ist ihm eben so nöthig, wie
Schnelligkeit und Dauer.


IV. Das Schulpferd. Es ist bestimmt zu zeigen, bis zu
welchem Grade die Dressur Verständniss, Gehorsam und Körper-
ausbildung in Rücksicht auf Gewandtheit, Leichtigkeit und Grazie
[86]III. Abschnitt. Erstes Kapitel.
zu bringen vermag. Der Hals möglichst aufgerichtet, die Hanke
bis zur vollendeten Elastizität gebogen, ist der Schwerpunkt fast
immer der Hinterhand zugeneigt. Nicht nur vollendet in den Gang-
arten auf einem und zwei Hufschlägen, ist es häufig zu künstlichen
Sprüngen dressirt. Von den Diensten des gemeinen Lebens befreit,
ist Dauer, Schnelligkeit und Tragen grossen Gewichtes nicht seine
Aufgabe. Es soll hauptsächlich dem Reiter das Gefühl vollkom-
mener Haltung und richtig einwirkender Hülfen geben.


Nach dem Aufhören von Turnieren, Carroussels und Festzügen
hatte der praktische Gebrauch des Schulpferdes seine Endschaft
gefunden. Die grosse Vollkommenheit des Gebäudes und die lange
Dauer der Dressur macht sie so kostspielig, dass nur auf wenigen
grossen Bahnen deren gehalten werden, und die Mittel reichen nicht
hin, um den ganzen Cyklus der höheren Schule auf einer Bahn
vertreten zu sehen, indem nicht jedem Schulpferde alle Sprünge
beizubringen sind, sondern das Thier nur in denen, zu welchen es
Neigung zeigt, fest gemacht werden kann. Es ist für jeden Reiter
gewiss eine grosse Freude, die schulgerechten Leistungen zu sehen,
wie die Hannöversche Manège sie aufzuweisen hat. Eben so wird
der Stallmeister Seidler, welcher nur aus den Pferden der Reit-
schule zu Schwedt sich das Material zu seinen Schulpferden aus-
suchen konnte, jedem Hochachtung und Bewunderung einflössen.
Die Bemühungen der Kunstreiter, wie Loisset, Renz, Wollschläger
etc., um die Dressur von Schulpferden, so anerkennenswerth sie
auch sind, zeigen indess zu sehr die Absicht, dem grossen Pu-
blikum durch halsbrechendes Steigen und kecke Sprünge eine Au-
genweide zu geben, als dass nicht jener ruhigen Haltung, die aus
dem nie aufgegebenen Gleichgewichte entspringt, und welche die
vornehme und edele Eleganz der alten Schule bildet, Abbruch
geschähe. Im Allgemeinen findet der Liebhaber so wenig Ge-
legenheit, jene Lectionen ausführen zu sehen, und die Werke, in
denen sie beschrieben werden, sind so selten geworden, dass ich
meinem Leser glaube angenehm zu sein, wenn ich sie in der Kürze
durchgehe und durch Zeichnungen zu erläutern suche. Ich gebe
dieselben meist nach der grossen Ausgabe des Marquis v. Newcastle,
Anvers 1663.


  • 1) Der Schultritt oder spanische Tritt zeigt wie der
    Schritt vier Tempos, mit Beibehaltung der Fusssetzung des
    [87]Einleitung.
    Schrittes. Das Tempo ist gehalten, die Action erhaben und
    marquirt scharf das Heben, Vorschreiten und Niedersetzen.
  • 2) Der Schultrab zeigt zwei Tempo’s mit der Fusssetzung
    des gewöhnlichen Trabes, doch ist er im höchsten Grade ver-
    sammelt, gehalten und erhaben, mit der genauesten Ueber-
    einstimmung in den Functionen der Vor- und Hinterhand.
  • 3) Der Piaff ist eine Fussübung bei engster Zusammenstellung
    des Pferdes auf der Stelle, bei der es die Beinhebungen des
    Schrittes oder Trabes zeigt, ohne vorzuschreiten.
  • 4) Der Schulgalopp ist ein Galopp, der vier Hufschläge
    hören lässt.

Figure 22. (Tafel 18.)

  • 5) Die Levade und Pesade sind Erhebungen der Vorhand,
    wobei das Pferd sich im vollen Gleichgewichte auf den Hin-
    terbeinen balancirt und die Vorderbeine angezogen hält.
[88]III. Abschnitt. Erstes Kapitel.
Figure 23. (Tafel 19.)

  • 6) Terre à terre ist ein Galoppsprung, bei dem die Vor-
    derbeine, zugleich zur Erde kommend, das erste, und die
    gleichzeitig darauf niederkommenden Hinterbeine das zweite
    Tempo geben.
[89]Einleitung.
Figure 24. (Tafel 20.)

  • 7) Demi-air, Mezair oder die halbe Courbette ist ein
    Sprung, wobei das Pferd die Vorhand mit untergezogenen
    Beinen erhebt und mit der Hinterhand folgt.
[90]III. Abschnitt. Erstes Kapitel.
Figure 25. (Tafel 21.)

  • 8) Die Courbette ist ein Sprung, bei dem sich die Vorhand
    mit ausgestreckten Beinen erhebt, diese dann unterzieht und
    darauf mit der Hinterhand abschnellt, so dass letztere zuerst
    wieder den Boden erreicht und eher als die Vorhand nie-
    dersinkt.
[91]Einleitung.
Figure 26. (Tafel 22.)

  • 9) Die Groupade ist ein Sprung, in dem das Pferd sich mit
    allen vier Beinen gleichzeitig vom Boden abschnellt, wobei
    die Hinterfüsse so unter den Leib gezogen werden, dass die
    Sohlen der Hinterhufe zur Erde zeigen, und alle vier Beine
    gleichzeitig wiederum fussen.
[92]III. Abschnitt. Erstes Kapitel.
Figure 27. (Tafel 23.)

  • 10) Die Lançade ist ein Sprung mit stärkerer Hebung der
    Vorhand, bei dem das Pferd mit der Hinterhand zuerst den
    Boden wiedergewinnt.
[93]Einleitung.
Figure 28. (Tafel 24.)

  • 11) Die Ballotade unterscheidet sich von der Groupade nur
    dadurch, dass die Sohlen der Hinterhufe nicht zur Erde,
    sondern nach hinten zeigen, wobei indess die Hinterbeine
    ebenfalls unter den Leib gezogen sind.
[94]III. Abschnitt. Erstes Kapitel.
Figure 29. (Tafel 25.)

  • 12) Die Capriole ist ein Sprung, bei dem das Pferd sich vorn
    mit untergezogenen Beinen hebt, und darauf mit den Hinter-
    beinen sich nach vorn schwingt. Mit allen vier Beinen in der
    Luft schwebend, streicht es dann mit den Hinterbeinen aus
    und kommt mit der Vorhand zuerst zu Boden.

Es stehen sich Renn- und Schulpferd vollkommen gegenüber.
Dem einen ist die höchste Entwickelung der fördernden Kraft,
Schnelligkeit, dem andern die höchste Gewandtheit mit Entwicke-
lung der Balance gegeben worden.


Jagd- und Campagnepferd stehen mitten inne, jenes dem Renn-
pferde, dieses dem Schulpferde näher verwandt. Beide bedürfen des
kühnen Herzens, des unbedingten Vertrauens auf die Führung des
[95]Einleitung.
Reiters, soll dieses den Satz in die Bajonnette, jenes den über die
Stachelzäune wagen.


Es ist die ganze Körperhaltung des Pferdes, welche über die
Lage seines Schwerpunktes und über die grössere oder geringere
Fähigkeit derselben, schnell vorwärts, rückwärts oder seitwärts zu
verlegen, bestimmt. Die angeübte, zur Gewohnheit gewordene
Zusammenhaltung des Halses, die Haltung der Rückenwirbelsäule
und erworbene Biegsamkeit der Gelenke, namentlich der Hinter-
hand, wird wesentlich auf die Räumigkeit des Ganges, wie auf jene
Fähigkeit der Verlegung des Schwerpunktes, mithin auf Schnellig-
keit und Gewandtheit, influiren, indem sie über die grössere oder
geringere Fähigkeit der Hinterhand zum Aufnehmen und Balan-
ciren der Last einerseits, der Fähigkeit derselben zum Abschieben
und Abschwingen andererseits, entscheidet. Die grösste Schnellig-
keit verlangt eine Körperhaltung, bei welcher der Schwerpunkt des
Thieres möglichst weit vorfällt — die grösste Gewandtheit eine
Haltung, bei welcher derselbe möglichst weit und schnell zurück-
gelegt werden kann. Mit der vorwärtsstrebenden, gestreckten, un-
gebogenen Haltung des Rennpferdes werde ich keinen spanischen
Tritt und keine Pirouette erzielen — mit der hohen Aufrichtung,
gebogenem Rücken und Hanken des Rennpferdes keinen Preis im
Derbi-Rennen erringen. Es lassen sich Schnelligkeit und
Gewandtheit in ihren höchsten Spitzen nicht vereinigen
.
Um zu guten Resultaten zu kommen, darf bei möglichster Ver-
einigung jener extremen Eigenschaften nur das Mittelmässige ver-
langt werden, dasselbe Thier kann unmöglich nach beiden Rich-
tungen vollkommen sein. Das Campagnepferd wird deshalb, weder
der Sieger der Rennbahn, noch der Stolz der Manège sein können.
Nach richtiger Auswahl der Gebäude zum bestimmten Zweck wird
es mithin nöthig, dass der Dressirende das Thier in der diesem
Zweck entsprechenden Haltung so fest zu machen sucht, dass sie
ihm endlich zur Gewohnheit, zur andern Natur werde. Aus Allem
— Alles machen wollen, ist ein Bestreben, das eben so viel An-
massung, wie Unwissenheit verräth.


Es wird mithin jede dieser Pferdeklassen in der Dressur eine
besondere Haltung bekommen müssen, und diese Haltung
wird mit der Zeit dem Pferde so zur Gewohnheit werden, dass
es in einem ganz sich selbst überlassenen Zustande doch derselben
[96]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
treu bleibt. Ein altes Rennpferd auf der Weide wird sich von
einem alten Campagnepferde gewiss so wesentlich unterscheiden,
wie ein Gelehrter von einem alten Soldaten. Es dürfte sogar frag-
lich sein, ob nicht die durch Ausbildung gewisser Körperfertig-
keiten hervorgebrachte Umgestaltung einzelner Körpertheile einen
erblichen Einfluss auszuüben vermocht, und ob nicht die conse-
quente Ausbildung der englischen Vollblutpferde für das Rennen
endlich einen Einfluss auf die Nachzucht erhalten und dem Thiere
schon von Geburt eine vorzugsweise kräftige Ausbildung derjenigen
Muskeln verliehen habe, die durch das Rennen viele Generationen
hindurch sich vorzüglich ausgebildet hatten? Ob nicht diejenige
Haltung des Körpers, welche das Rennen Generationen hindurch
den Pferden gegeben hatte, endlich durch Erbschaft stereotyp
geworden ist? Ob mithin die jetzigen Formen der Vollblut-
pferde nicht nur ein Resultat der Paarung von Orientalen und
englischen Landpferden, durch klimatische und diätische Einwir-
kungen bedingt, sondern auch namentlich in Vererbung angeübter
Haltung und Ausbildung begründet sind.


Zweites Kapitel.
Von der Halsarbeit.


Der Kopf ist am Halse in einer nach allen Richtungen beweg-
lichen Art befestigt. Dem Halse geben sieben eben so bewegliche
Wirbel eine feste Grundlage. Diese bilden mit der Rückenwirbel-
säule eine fortlaufende Kette. Es wird deshalb die Stellung der
Halswirbel nicht ohne Einfluss auf die Haltung der Rückenwirbel-
säule sein, welche Wirkung durch das An- und Abspannen des
Nackenbandes, des sehnigen Bandes, welches die ganze Wirbelsäule
begleitet, vermehrt wird. Die höchste Aufwölbung des Rückens,
[97]Von der Halsarbeit.
wie das bockende Pferd sie zeigt, ist nur bei heruntergedrücktem
Kopf und Hals möglich. Aufrichtung spannt das Nackenband
ab, Beizäumung spannt es an. Tiefrückige Pferde gehen mit
hohem Halse und hoher Nase; hochrückige widersetzen sich gern
der Erhebung des Halses am Widerriss. Ausserdem findet der
Hals auf der geneigten Fläche, die der Rumpf an der Schulter
bildet, seine Stütze. Je grösser und horizontaler sie ist, um
so sicherer wird sie den Hals tragen. Man pflegt in der Reiter-
sprache diese Fläche die Aufsatzfläche zu nennen, während man
die Verbindung zwischen Kopf und Hals den Ansatz nennt.


Mit der Grösse der Aufsatzfläche werden Breite und
Dicke des Halses und mithin auch das Gewicht desselben
wachsen. Ein sich nach oben verdünnender Hals wird
leichter zu tragen sein, als ein eben so schwerer, der in gleichen
Dimensionen bis oben fortläuft. Ferner wird ein kürzerer Hals
leichter zu tragen sein, wie ein längerer, und namentlich wird der
Kopf einen längeren Hals mehr belasten, wie einen kürzeren.


Es ist wichtig, dass der Hals sich selbst trage. Wie ein
ohnmächtiger Mensch, dessen bummelnde Glieder den Schwerpunkt
des Körpers fortwährend ändern, eine viel grössere Last sein wird,
als ein Mensch von fester und gleichmässiger Haltung, so wird
ein Hals, der durch seine schlaffe Muskulatur bei jeder Körperbe-
wegung ein Verändern seiner Stellung erleidet, sich viel schwerer
tragen lassen, als ein Hals, der in den einzelnen Theilen sich unver-
ändert selbst trägt. Jeder Wechsel in der Stellung des Halses
wird ein Wechseln des Schwerpunktes desselben zur Folge haben,
der wiederum die Veränderung des Schwerpunktes des ganzen
Pferdekörpers nach sich ziehen muss. Wenn dieser aber trotz der
veränderten Haltung des Halses keine Veränderung erleiden soll,
so wird von Seiten des Pferdekörpers eine Gegenwirkung noth-
wendig, welche neue Muskelthätigkeit verlangt.


Vor allem aber kommt es auf die Stellung des Halses
zur Aufsatzfläche
an. Von deren grösserer oder geringerer
Tragfähigkeit wir nur dann ein richtiges Bild bekommen, wenn
wir sie auf die Horizontalfläche reduziren, indem wir
senkrechte Linien von jedem Punkt der Ansatzfläche zur Erde
fallen lassen.


v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 7
[98]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Figure 30. (Tafel 26.)

So ist die Länge der Aufsatzflächen der Pferde, welche uns
vorstehende Figur zeigt, A B und C D, und zwar C D fast um ¼
grösser als A B. Beide auf die Horizontale reduzirt, giebt a b und
c d, und wir finden, dass c d nun kleiner ist als a b. Es wird mithin
die kleinere Aufsatzfläche, der günstigeren Lage wegen, hier den
Hals sicherer stützen, wie die grössere.


Fällt die Senkrechte vom Schwerpunkte des Halses noch
in diese Fläche, so ist er als gestützt anzusehen, vor dieselbe, so
wird der Kopf zu Boden sinken. Trägt die Faust des Rei-
ters
einen Theil des Gewichts von Kopf und Hals, so wird dieser
Theil des Gewichts dem Gewichte des Reiters zuwachsen, mithin
auf den Rücken des Pferdes in der Unterstützungsfläche des Reiter-
körpers fallen. Durch das Tragen von Kopf und Hals des Pferdes
auf seiner Hand wird der Reiter mithin im Stande sein, einen
bedeutenden Theil der Last der Vorhand der Hinterhand zu über-
weisen. Der Jokey braucht beim Rennen diese Gewichtsverlegung
mit grosser Umsicht. Nicht nur dass er Kopf und Hals während
[99]Von der Halsarbeit.
des Laufes festhaltend und tragend, unaufgerichtet lassen kann und
so die Aufwölbung des Rückens begünstigt, und dennoch nicht zu
viel Vordergewicht giebt, bringt er durch das Drehen beim End-
kampf, welches in einem Annehmen und Nachgeben der Zügel bei
jedem einzelnen Sprunge, in einem Tragen und Loslassen des Vor-
gewichts, mithin in einem wechselnden Beschweren von Vor- und
Hinterhand besteht, durch den Wechsel der Belastung eine über-
raschende Steigerung der Geschwindigkeit hervor. Er scheint mit
seiner Hand das Thier fortzuwerfen. Es gehört indess eine grosse
Uebung hiezu. Unterstützt das Vorlegen des Gewichts nicht den
Sprung vorwärts — die Abschnellung der Hinterhand — und das
Zurücklegen nicht die Erhebung der Vorhand auf das Genaueste,
so stört das Drehen, statt zu nutzen. Aehnlich ist es mit dem
Peitschenschlag, bei dem der Moment ebenfalls wichtig ist.


Je weiter rückwärts die Senkrechte aus dem Schwerpunkte
des Halses die Unterstützungsfläche trifft, um so weiter wird er
den ganzen Schwerpunkt des Thieres zurückbringen und umgekehrt.
Aus dem Gesagten geht hervor, dass ein grosser Kopf an einem
langen schweren Halse von wenig sich nach oben verjüngender Di-
mension, der bei schlaffer Muskulatur sich nicht selbst trägt und
an steiler Schulter herabhängt — der schwerst zu tragende ist.
Dagegen wird ein kurzer, möglichst pyramidal und senkrecht auf-
steigender Hals, der ruhig auf breiter, möglichst horizontaler Basis
gestellt ist und einen kleinen Kopf trägt, der leichteste sein und
das Gewicht weit zurückbringen.


Wir haben gesehen, dass der Hals ohne besondere Muskel-
thätigkeit nur dann sich selbst trägt, wenn die Senkrechte aus dem
Schwerpunkte seines Gewichts die Unterstützungsfläche trifft. Von
einem gänzlichen Herabfallen des Halses wird indess nicht die
Rede sein. Das lebendige Thier wird den Kopf immer so tragen,
dass er nicht auf die Erde fällt. Es wird aber mit dem Grade
der Abweichung auch der Grad der Muskelanstrengung, ihn zu
tragen, wachsen, und in demselben Masse die Verlegung des Schwer-
punktes des ganzen Pferdekörpers nach vorwärts bewirkt werden.
Der Reiter könnte von dem Thiere einen Theil der
Last von Hals und Kopf übernehmen
, indem er sie auf
dem Zügel trüge und so dem Rücken zuführte. Abgesehen aber
von der Unbequemlichkeit würde ein derartiges Tragen der vor-
7*
[100]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
hangenden Last auf lange Zeit wegen Unzulänglichkeit der eigenen
Kräfte und Verletzung des Pferdemauls eine Unmöglichkeit werden.
Oder der Reiter könnte es dem Willen des Thieres überlassen,
Kopf und Hals nach Belieben zu tragen und den Zügel
je nach Bedarf verlängern, wie es denn so manche Anglomanen
thun, die es für unanständig halten, auf die Erhebung des Halses
zu arbeiten und bemüht sind, ihrem Thiere, was vielleicht keinen
Tropfen englisch Blut hat, wenigstens im vorhängenden Kopfe
etwas an das Rennpferd Erinnerndes zu geben. Nur wenige
Pferde werden durch Gebäude und Erziehung ohne
die Reitkunst eine solche Stellung des Halses haben,
dass der Schwerpunkt des Pferdes nicht durch sein
vorhangendes Gewicht zu weit vorwärts läge, und
selbst wenn dieses nicht der Fall wäre, müsste der
Hals von so grosser natürlicher Nachgiebigkeit und
glücklicher Stellung sein, dass der Anzug nicht allein
kein Gegenspiel der Muskeln fände, sondern sich in
jene besondere Form böge, welche die Fortpflanzung
des Druckes des Gebisses auf die Lade allein begün-
stigt
. Wenn man Zeit genug hat zum Einfangen und Wenden,
dann braucht man die Kunst nicht. Eben so wenig bedarf man
ihrer, wenn man Geld genug hat, das struppirte Thier stets mit
einem frischen zu vertauschen und Leichtsinn oder Elastizität
der Knochen genug
, um häufig mit dem Thiere über Kopf
zu gehen. Die Nachahmung der Jokey-Reiterei ist wie gemacht
für einen grossen Theil der jungen Herren. Es reicht die pure
Natur, wie bei der jetzigen Art des Tanzes, vollkommen aus. Reit-
und Tanzlehrer werden überflüssig, das angeborne Talent genügt
vollkommen, allerdings auch dazu, Pferde zu Schande zu reiten und
die eignen Beine zu brechen.


Beim Campagnepferd müssen wir die Verlegung des
Schwerpunktes ungesäumt bewirken können, und wenn auch das
weite Vorliegen des Schwerpunktes für die Sicherheit des Gan-
ges bei guten Vorderbeinen oft kein Zurücknehmen des Halses
nöthig machte, so würde es der Zeitverlust verlangen, den die
weite Verlegung des Schwerpunktes bei Paraden und Wendungen
herbeiführen muss. Wenn so die Grenze für das Vorstrecken
des Kopfes und Halses
sich durch die Sicherheit des
[101]Von der Halsarbeit.
Ganges, durch die Conservirung der Vorderbeine, endlich aber
durch die Zeit sich bestimmt, in welcher die Zurücklegung des
Schwerpunktes
bewirkt werden kann, so bestimmt sich die
Grenze für das Zurücknehmen von Hals und Kopf

durch die Möglichkeit des Verharrens darin bei langer
Dauer und durch die Verminderung der fördernden Kraft der
Hinterhand, welche die vermehrte Belastung derselben mit sich
bringt — mithin durch die verminderte Geschwindigkeit.
Es würde sich leicht eine normale Haltung bezeichnen lassen,
wenn nicht so unendlich viele Eventualitäten auf dieselbe einwirkten.


Wir haben beim Kapitel vom Schwerpunkte gesehen, dass
mancherlei Aenderungen in Gestaltung des Halses und
Halsansatzes
auf die Belastung der Vorhand gar verschieden
wirken. Sie sind es aber nicht allein, die auf sie wirken. Es ist
die mehr oder minder grosse Befähigung des ganzen
Thieres, seinen Schwerpunkt zu verlegen, und die
Rücksichtnahme auf Wechselwirkung der abschie-
benden und tragenden Kraft
, welche demnächst hinzutreten.
Ebenso wird der Grad der natürlichen Biegsamkeit der
Gelenke der Hinterhand sehr berücksichtigt werden müssen.
Wie sehr die Gestaltung des Rückens unsere Aufmerksamkeit
in Anspruch nimmt, sahen wir schon früher. Ein hohes, kurzes,
schmales Pferd mit nachgiebigem Rücken und Beinen, welche, weit
unter den Leib gerückt, mehr tragen als schieben, wird im Stande
sein, schnell seinen Schwerpunkt so weit nach rückwärts zu ver-
legen, dass die Hinterbeine senkrecht unter denselben fallen, und
so die Last stützen und aufnehmen, mithin wird es kein bedeuten-
des Zurücknehmen des Halses nöthig machen. Jede zu bedeutende
Erhebung desselben würde die Räumigkeit des Ganges unter das
Niveau herabbringen. Umgekehrt ein niederbeiniges, breites, langes
Pferd mit straffem Rücken, dessen Beine so gestellt sind, dass sie
lieber fördern als stützen, wird einer hohen Stellung bedürfen, bei
welcher das Loth aus dem Schwerpunkte des Halses die Unter-
stützungsfläche möglichst weit nach rückwärts trifft, damit die Ver-
legung des Schwerpunktes nicht weit zu sein braucht, und die
schwer untertretenden Gliedmassen den weiter zurückliegenden
Schwerpunkt leichter erreichen können, und so nicht eines zu
weiten Weges bedürfen.


[102]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.

Beim Rennpferde und Schulpferde wird die Hal-
tung fast stets sichgleich bleiben können
. Es ist eine zu
bestimmte, gleichartige Anforderung, und die Zeit der Kraftanstren-
gung ist zu kurz, als dass ein häufiger oder weiter Wechsel des
Schwerpunktes, entweder der Arbeit selbst, oder der Dauer der
Arbeit wegen, nöthig würde. Beim Campagnepferd ist es
anders. Obschon viele Reitkünstler dem widersprechen, so erleidet
es doch wohl keinen Zweifel, dass die versammelten Gänge, die
Zusammenstellung, um zu engen Wendungen und Paraden bereit
zu sein, eine andere Lage des Schwerpunktes und mithin
eine andere Halsstellung nöthig machen, wie der Sprung, die
Carrière, das Reiten auf sehr geneigten Flächen etc. Es wird
die Haltung des Pferdes in den Mittelgängen sich im
Laufe der Zeit so befestigen, dass sie dem Thiere zur Gewohn-
heit
wird, und aus dieser Haltung wird der Reiter je nach Be-
dürfniss für Momente in die der grösseren Freiheit oder
engeren Versammlung eingehen. Es ist eine der schwierigsten
Aufgaben der Reiterei, dieses Haltung für die Mittelgänge,
die gewöhnliche Gebrauchshaltung, je dem Gebäude
nach, zweckmässig zu wählen und das Thier durch die
Consequenz der Gewohnheit darin zu befestigen
.


Das Thier muss in jeder Haltung gehorsam sein
und sich willig und schnell aus der einen in die andere
hinüberführen lassen
. Dazu gehört aber, dass der Reiter
den hals durch eine Reihe von Stellungen hindurch-
führen könne
, welche jenen Haltungen angemessen sind, und
mit ihnen übereinstimmen, dass er nirgend innerhalb seines Cyklus
von weiterer und engerer Stellung auf einen Muskelwiderstand
oder auf ein Ausweichen stosse, welche erst zu verbessern oder
zu überwinden wäre, und somit Zeit kostet.


Je regelmässiger das Gebäude ist, je mehr fördernde
und stützende Kraft im richtigen Verhältniss zu einander stehen,
um so weiter wird die Grenze nach beiden Richtungen
gesteckt werden können
, vom freiesten Auseinandergehen bis
zur höchsten Versammlung. Je mehr das Gebäude nach
einer Richtung inclinirt, um so mehr muss die Hal-
tung der andern Seite zufallen
. Ein Thier, das von Natur
ganz vorn überfällt, muss stets in einigem Zwang gehalten werden,
[103]Von der Halsarbeit.
und wird stets einer hohen Aufrichtung bedürfen; dagegen wird
ein Pferd, welches seinem Gebäude nach stets zum Zurückneigen
seines Schwerpunktes inclinirt, auseinander geritten und in der Auf-
richtung höchst vorsichtig vorgegangen werden müssen.


Nun aber soll der Hals nicht nur durch seine Stellung ver-
mittelst seines Gewichts eine Verlegung des Schwerpunktes beim
ganzen Pferdekörper bewirken, ich will ferner mich seiner als
eines Leiters bedienen, der den Anzug auf die Lade
und die dadurch erfolgte Zurücknahme des Pferde-
kopfes auf das ganze Pferd fortpflanzt
, indem er eine
solche Form annimmt, dass der Druck des Kopfes auf den
ersten Halswirbel den zweiten trifft, dieser den dritten und so durch
alle Hals-, Rücken- und Lendenwirbel durch, bis in
den letzten Schweifwirbel rückwärts wirkend sich
fortpflanzt. Dann wird durch diesen Druck eine Nei-
gung des ganzen Pferderumpfes über die Beine hinweg
nach rückwärts hervorgebracht
. Es hängt dann von der
Stellung der Hintergliedmassen ab, ob diese Rücknei-
gung eine mehr dauernde Verlegung des Schwerpunktes bewirkt,
oder den Körper rückwärts so sicher gestützt findet, dass keine
Aenderung desselben Statt finden kann. Der Leib ist rückwärts
um so sicherer gestützt, je weiter die Beine hinten herausstehen,
um so weniger, je weiter sie unter den Leib gebracht wurden.
Findet mithin der Anzug die Hinterbeine hinter dem Leibe,
so wird er trotz der kräftigsten Wirkung keine dauernde Ver-
legung des Schwerpunktes
hervorbringen können. Es wird
die Rückwärtsbewegung des Rumpfes an den hinterwärts entgegen-
gestemmten Hinterbeinen scheitern und eine gegenwogende
Bewegung
gleichfalls wieder durch alle Wirbel hindurch bis zum
Maul und zur Hand des Reiters zur Folge haben. Findet aber
der Anzug die Hinterbeine bereits unter dem Leibe, so
wird der sich zurückneigende Körper auf ihnen seine Stütze neh-
men können, der zurückgeschobene Leib ins Gleichgewicht und dann
zur Ruhe kommen, und die Verlegung des Schwerpunktes
eine
mehr dauernde werden können. Wenn der ursprüngliche
Druck auf eine solche Zusammenfügung der einzelnen Glieder der
beweglichen Kette der Hals- und Rückenwirbel trifft, dass jede
einzelne Berührungsfläche in allen ihren Theilen vollständig auf die
[104]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
nächstfolgende wirkt, Fläche auf Fläche liegt, so wird die grösste
Mittheilung und Fortpflanzung des Druckes stattfinden, und die
Wirkung sich wie bei einem Stabe von fortlaufend gleicher Dich-
tigkeit gestalten. Stehen indess zwei Glieder dieser Kette so
gegen einander, dass ihre Längenachsen einen Winkel gegen
einander bilden
, mithin ihre Reibungsflächen sich nur zum
Theil berühren, so wird die Mittheilung der Wirkung um so mehr
geschwächt, je kleiner dieser Winkel, respective die Berührungs-
fläche wird, und mit dem Fallen unter einen rechten Winkel ganz
aufhören, indem der Druck dann nur tangirt. Bei einer ganzen
Reihe von Gliedern, welche so zu einander gestellt sind, dass ihre
Längenachsen einen Winkel nach derselben Richtung bilden, wird
ein Druck, der das erste Glied trifft, bei jedem folgenden Gliede
stets durch einen geringeren Abschnitt führen, bis er zuletzt kein
Glied mehr berührt, und so seine Wirkung ganz aufhört. Hierauf
gründet sich das sogenannte „Steckenbleiben des Anzugs“
im Halse des Pferdes bei allen Halsstellungen, bei denen zu viel Hals-
wirbel, in derselben Richtung gestellt, einen Bogen bilden, mag sich
nun dieser Bogen vorwärts-abwärts oder rückwärts-aufwärts öffnen.


Aehnlich ist die Wirkung nach der Art, wie der Druck von
Haus aus auf die Halswirbelsäule geführt wird. Trifft der
Druck
nicht die volle Fläche des ersten Gliedes, sondern nur die
obere hintere Kante (wie es bei einer Erhebung des Halses durch den
Pferdekopf statt haben wird, bei welcher die Stirn in eine hori-
zontale Lage gebracht war), so wird er, den Hals rückwärts
überbiegend
, sich nicht weit fortsetzen können, selbst wenn
Wirbelfläche an Wirbelfläche für die Fortpflanzung am güns-
tigsten steht. Trifft der Druck die untere Kante, wie es
bei einer Stellung des Kopfes der Fall sein wird, bei der die Ge-
sichtslinie unten hinter der Senkrechten steht, so wird eine Ab-
wärtsbiegung
statt haben, der Druck aber gleichfalls nur
partiell fortgepflanzt werden.


Auf unsern Fall angewendet, haben wir gesehen, dass wir den
Hals, des Schwerpunktes wegen, nicht mit dem Rückgrad in fort-
laufende Richtung stellen können, obschon dann die ganzen Reibe-
flächen der Wirbel gegen einander liegen und so den Druck am
unmittelbarsten fortpflanzen würden. Wir müssen den Hals
erheben
, und zwar nach Massgabe der vorbeschriebenen Verhält-
[105]Von der Halsarbeit.
nisse. Es ist aber die Form, in welcher es geschieht so zu wählen,
dass die Stellung der Halswirbel zu einander den Druck fortpflanzen
können. Dazu ist mithin nöthig, dass der Kopf, durch den man
auf den Hals wirkt, zu diesem richtig gestellt sei, dass keine Achse
der Wirbel einen zu kleinen Winkel zu der nächstfolgenden bilde
und bei hinreichend grossem Winkel nicht zu viel Glieder in der-
selben Richtung sich zu einem gleichlaufenden Bogen vereinen.


Figure 31. (Tafel 27.)

Die vollkommenste Form
für die Fortsetzung des
Druckes
ist erfahrungsgemäss
die, bei welcher die 3 untersten
Halswirbel einen solchen Bogen
rückwärts-aufwärts bilden, dass
der 4. senkrecht steht und die 3
obersten einen solchen Bogen vor-
wärts-abwärts bilden, dass die Ge-
sichtslinie des Kopfes fast senk-
recht zur Erde steht. Bei dieser
Hals- und Kopfstellung wird der
Anzug der Faust, wenn sie ihre bequemste Stellung eine Hand
breit über dem Sattelknopf einnimmt, senkrecht auf die Lade wir-
ken, und es wird die Halswirbelsäule eine solche Stellung haben,
dass die einzelnen Wirbel hinreichend auf einander und auf die
Rückenwirbelsäule wirken. Hiebei ist zu bemerken, dass die Bie-
gung in den drei obern Wirbeln keine gleichmässige sein kann.
Die Construktion des zweiten Wirbels macht die Biegung zwischen
dem ersten und zweiten Wirbel so viel leichter, als zwischen den
andern, dass dorthin immer die stärkste Biegung fallen wird. Ist
sie übertrieben und nehmen die anderen Wirbel daran keinen Theil,
so entsteht eine Knickung, welche die Fortpflanzung des Anzugs
verhindert. Obige Halsstellung ist die des Ideal-Schulpferdes,
bei ihr wird der Schwerpunkt des Halses sehr weit rückwärts die Un-
terstützungsfläche treffen, mithin der Hals nicht nur sich völlig selbst
tragen, sondern derselbe auch die Vorhand am geringsten belästigen.


Der sich nach rückwärts öffnende Bogen, welchen die untern
Halswirbel machen, wird nicht zur Anschauung kommen, weil die
[106]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Muskellage und der Fettkamm denselben so ausfüllen, dass der
Hals in der gedachten Stellung sich vom Widerrisse senkrecht zu
erheben scheint. Wir wissen bereits, dass wir dem Campagne-
pferde nicht dauernd eine solche Haltung geben dürfen.


Figure 32. (Tafel 28.)

Zur bleibenden Hal-
tung giebt der Stall-
meister Seidler
für das
Campagnepferd als Normal
diejenige Halsstellung an,
welche die Nase bei senkrech-
ter Kopfstellung in die Höhe
der Hüfte bringt; bei Abwärts-
biegung in den 3 obern Hals-
wirbeln. Hiebei wird kein
Halswirbel senkrecht zu stehn
kommen, die obere Biegung
aber stärker als die untere sein.


Figure 33. (Tafel 29.)

Die preussische
Reitinstruktion

stimmt, in Rücksicht
auf die Erhebung des
Halses, damit ziemlich
überein, und giebt als
Normalstellung, bei ei-
ner Neigung des Kopfes
von 45° zur Horizonta-
len, die Höhe der Nase
in der Linie des Wi-
derrisses an. Bei dieser
Stellung wird ebenfalls
kein Halswirbel senk-
recht stehen können,
jedoch die Vorwärts-
Abwärts-Neigung im oberen Theile des Halses geringer sein, wie
die untere rückwärtsleitende Biegung der Halswirbelsäule.


[107]Von der Halsarbeit.
Figure 34. (Tafel 30.)

Figure 35. (Tafel 31.)

Herr Baucher theilt den Weg, der nach seiner Methode
den Pferdekopf je nach grösserer oder geringerer Versammlung
zu durchlaufen hat, in 10 Theile. Hier zeigt sich nach seinem
Werke: „Methode d’equitation“ Paris 1843, die höchste und
tiefste Stellung. Letztere weicht im Prinzip bedeutend von den
anderen Systemen ab, indem in derselben fast alle Halswirbel an
der Beizäumung Theil nehmen und die Stirnlinie fast 25° hinter
die Vertikale reicht.


Figure 36. (Tafel 32.)

Wenn überhaupt die Auf-
stellung einer Norm Nutzen
schaffen könnte, so würde
ich mich zwischen der Nor-
malstellung des Hrn. Seidler
und jener der Reitinstruktion
mitten inne stellen und eine
gleichmässige Biegung der
Wirbel in beiden Richtungen
für das Beste halten, ohne
senkrechte Stellung der Ge-
sichtslinie. Da hier das Ab-
norme
die Regel, das Nor-
[108]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
male aber so sehr die Ausnahme ist, dass sie fast nie gefunden
wird, so ist mit deren Aufstellung wenig genutzt, mehr mit der
Angabe dessen, was durchaus zu vermeiden ist.


Prüfung und Beurtheilung des ganzen Gebäudes
nebst Beobachtung derjenigen Haltung, in welcher
sich das Pferd leicht und schwunghaft bewegt und die
Anzüge gut wirken, wird die beste Führerin sein
. Mit
aller Theorie und dem genauesten Studium und Vergleiche der ein-
wirkenden Kräfte werden wir nicht ausreichen. Es wirken zu viele
Dinge mit, welehe den Grad der Aufrichtung und Bezäumung be-
stimmen, als dass die genaueste Abwägung zu einem sicheren Re-
sultate führen könnte. Die Einsicht in das Gebäude wird den
Beobachter warnen, nicht in Stellungen dauernd einzugehen, die —
das Resultat eines glücklichen, aufgeregten Moments — das Thier
ruiniren würden.


Bei keiner Gelegenheit schäme man sich, dem Ge-
fühle, welches das Pferd dem Reiter giebt, sein Recht
zu gewähren, und glaube nicht dadurch zu glänzen,
dass man aus dem lebenden Wesen ein Rechenexempel
macht
. Man kann sicher sein, dann recht oft sich zu verrechnen.
Die Energie, der Nerv, jene Eigenschaften der Dienstfreudigkeit,
der Gehlust, der Furchtlosigkeit und des zähen Ausharrens bis
zum letzten Athemzuge, die wir so häufig bei edlen Racen finden,
lassen sich nicht anatomisch nachweisen und finden sich oft bei
Pferden, deren Körperbau ihre Leistungsfähigkeit sehr
niedrig schätzen lässt.


Umgekehrt geben oft sehr normal gebaute Pferde
uns recht deutlich die Lehre, dass wir bei aller Kenntniss der
einzelnen Theile der Maschine und der Art, wie sie sich zu
einander verhalten sollen, noch immer mit sehr geringer Sicher-
heit auf die Leistung schliessen können. Sei es die Beschaf-
fenheit der inneren Organe, des Verdauungs-, Athmungs-Apparats,
seien es jene mehr geistige Eigenschaften; es wirken Kräfte mit,
die unserm Auge entgehen, über die dem erfahrnen Reiter aber
meist schon ein kurzer Ritt Aufschluss giebt, bei dem einen
Pferde vielleicht trotz mangelhaften Baues, das Gefühl von Zuver-
[109]Von der Halsarbeit.
sicht und Freudigkeit; bei dem andern, oft von normalem Gebäude,
das Gefühl von Unsicherheit und Unlust.


Wenn ich auch meist dem Gefühle nach die Pferde so gefun-
den habe, wie ich sie mir nach längerer Beobachtung gedacht
hatte, so bin ich doch oft freudig überrascht, oft bitter getäuscht
worden und muss als Erfahrungssatz hinstellen: Nur wenn Ge-
fühl und Auge zu demselben Resultate kommen, so
glaube man sich sicher
.


Eine Kopfhaltung über 45° wird die Wirkung des Gebisses
auf die Lade vermindern, indem die Faust in keine Stellung ge-
bracht werden kann, aus welcher eine senkrechte Wirkung auf
die Laden ermöglicht ist; man nennt diese Stellung die im Ex-
zess
. Eine Kopfhaltung, bei der die Stirnlinie unten nach
rückwärts von der Senkrechten abweicht, würde eine Stellung im
Defect
genannt werden und dieselben Folgen haben.


Bei beiden Stellungen würde es in Bezug auf die Fortpflan-
zung des Druckes noch darauf ankommen, wie viel Wirbel Theil
nehmen, um sie hervorzurufen. Nehmen wenig Wirbel Theil,
um so schärfer wird der Druck nur eine Kante treffen, mit-
hin um so schärfer auf diesen Wirbel rückwärts oder abwärts
wirken und um so weniger weit sich fortpflanzen.


Seitwärtsabweichungen in der Halswirbelsäule werden
eine Fortführung des Druckes auf die Lade gleichfalls annul-
liren und um so mehr, je näher sie der Schulter liegen. Es
wird mithin keine Hülfe auf eine Biegung des
Halses nach seitwärts abgezielt sein dürfen
, und
sich das Beweglichmachen des Halses nach seitwärts durch die
erhöhte Fähigkeit, dem rückwärtswirkenden Anzug auszuweichen,
bestrafen. Nur der Kopf wird sich seitwärts wenden dürfen
(die Stellung der Ohren zeigt, ob der Hals Theil daran nimmt).
Wir wollen diese fehlerhafte Stellung Verwerfen nennen.


Es wird aber ferner die Halswirbelsäule den Druck nicht
weiter fördern, wenn zu viele Halswirbel in einer und dersel-
ben Richtung vorwärts oder rückwärts gebogen sind.


[110]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Figure 37. (Tafel 33.)

Nehmen zu viele
Halswirbel an der Vor-
wärts-Abwärts-
Biegung
Theil, wobei
der Kopf im Defect
steht, so wird der Druck
über den ersten Rük-
kenwirbel hinweggehen,
und der Anzug den
Hals gleichsam zusam-
menrollend, in demsel-
ben stecken bleiben. Es
würde die vermehrte
Wirkung des Gebisses
das Kinn des Pferdes bis an seine Brust ziehen, ohne dass der
Anzug auf die Rückenwirbelsäule sich fortpflanzte.


Figure 38. (Tafel 34.)

Nehmen andererseits zu viele
Halswirbel an der Rückwärts-
Aufwärts-Biegung
Theil, bil-
det fast die ganze Halswirbelsäule
einen sich nach hinten öffnenden
Bogen, wobei der Kopf im Exzess
steht, so wird der Anzug zwar den
Kopf und Hals in seinen oberen
Theilen mehr zurückbringen, aber
keinen Druck bis auf die Rücken-
wirbel fortpflanzen und würde der
Kopf des Thieres bis an die Brust
des Reiters zurückgenommen.


[111]Von der Halsarbeit.
Figure 39. (Tafel 35.)

Ein fernerer Fehler würde
die übermässig verän-
derte Stellung der
Achse eines Wirbels
gegen die des folgenden
hervorbringen
. Es würde
zur Unterscheidung vom vo-
rigen Ueberbiegen, dies
ein Ueberknicken genannt
werden können und würde
im Gegensatz zum vorigen
Fehler auch dann die Wir-
kung aufheben, wenn er nach
vorwärts-abwärts in den drei oberen und rückwärts aufwärts in
den drei unteren sich vorfände. Er würde die Wirkung unter-
brechen, mindestens schwächen und Defect- oder Exzessstellung
herbeiführen. Zu schnelles und gewaltsames Biegen, wie es bei der
Beizäumung häufig vorkommt, namentlich mit Hülfszügeln, bringen
das Knicken zu Wege. Ein Fehler, der kaum wieder zu heben ist.
Rückwärts geknickte Hälse kommen selten vor. Hälse mit falscher
Rückwärtsbiegung werden Hirschhälse genannt.


Es giebt Pferde mit schwerem Kopfe und langem Halse von
ungünstigem Halsansatz mit kurzem Genick, welche durch diese
Rückwärtsbiegung die vorhangende Last des Halses, wie der Hirsch
in stärkeren Gängen, zurückzubringen suchen. Sind sie dazu lang,
überbaut und steil in der Hinterhand gestellt, so werden sie stol-
perig und im höchsten Grade unsicher werden, wenn man sie in
dieser Haltung stört und durch Beizäumen dieselben verbessern
wollte. Es werden allerdings immer sehr wenig gewandte Pferde
bleiben und man ihrer, weder zu den kurzen Paraden, noch Wen-
dungen je ganz Herr werden; man wird es aber in den Gängen
zu einer bestimmten und sicheren Haltung bringen können, wenn
man ihnen diese Stellung gönnt. Hülfszügel, durch welche man
solche Thiere herabzwingt, werden die Vorderbeine ruiniren und
zur Sicherheit nichts beitragen. Stolperten sie vorher, weil sie
nicht sahen, wohin sie traten, so fallen sie jetzt, wo sie stets nach
[112]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
vorwärts aus dem Gleichgewicht, sich des Halses zum Zurück-
bringen ihres Schwerpunktes nicht mehr bedienen können.


Namentlich sind es russische Pferde, welche mir diese Erfah-
rung aufgedrungen haben, die ich später bei einigen ungünstigen
preussischen Gebäuden wiederholt fand.


Oft kommen Pferde vor, welche sehr rasch ihre Halsbiegung
vom vollkommen zurückgebogenen Hirschhalse in die überzäumte
tiefe Stellung zu verändern wissen, aber nie in die regelmässige zu
bringen sind. Man pflegt sie Wendehälse zu nennen. Meist
Opfer unrichtiger Dressur, sind sie schwer zu heilen. Sie sind
es namentlich, welche mit der Trense unendlich hoch aufgerichtet
wurden, und bei denen die Kandare das Geschäft der Beizäumung
allein hat besorgen müssen. Ein Eingreifen in die Trense bringt
sie in den Exzess, das Anstehen der Kandare in den Defect.


Pferde, welche sich so tief abwärts beigeben, dass
der Anzug im Halse stecken bleibt, sind bei steilem Halsansatze
und schwerem Hals und Kopf, schlaffer Muskulatur, langem, wei-
chem Rücken und steiler Hinterhand ebenfalls sehr schwer zu bes-
sern, doch muss die Erhebung durchaus erfolgen, weil nicht nur
die Verlegung des Schwerpunktes bei ihnen unmöglich wird, und
keine mechanische Fortpflanzung des Druckes erzielt werden kann,
sondern, weil im Gegensatz zu den vorigen, kein Selbsttragen des
Halses, und somit in den Gängen keine richtige Gewichtsverthei-
lung zu erzielen ist. Bei ihnen ist ein Aufsatzzügel oft das
einzige Hülfsmittel, indem er den Hals trägt, was des Reiters Hand
auf die Dauer nicht zu leisten vermöchte. Für den Dienstgebrauch
ist es allerdings nicht rathsam, sich dauernd dieses Hülfszügels zu
bedienen, indem die Sicherheit des Thieres in schwierigem Terrain
wesentlich durch seine Anwendung leidet. Longiren und Dressur
unter dem spanischen Reiter sind in diesem Falle oft von grossem
Nutzen. Beim spanischen Reiter geht der Stetigkeit des Zügels ein
Anspannen der Feder voran. Das Nachgeben der Feder zeigt
dem Longirenden, dass das Thier sich selbst trägt, was er beim
Longiren beim blossen Gebrauch des Aufsatzzügels sehr schwer
gewahr wird.


Wir finden beim rohen Pferde den Hals in einer be-
stimmten, ihm zur Gewohnheit gewordenen Form
, die
sich theils aus körperlichen Verhältnissen, theils durch Erziehung
[113]Von der Halsarbeit.
herausgebildet hat. Das grasende Weidepferd wird den Hals
viel abwärts getragen haben. Hat es in Heerden in der Wild-
niss gelebt, so werden körperliche Uebung, Lauf und Sprung es
indess dahin gebracht haben, den Hals so zu tragen, dass es sich
dessen zur Gewichtsvertheilung bedienen kann. Das Grasen hat
die Halswirbelsäule an eine Haltung gewöhnt, dass der Hals, wenn
er sich hebt, einen nach hinten geöffneten Bogen bildet. Das Thier
wird den Hals, wenn es gilt sich zu tummeln, so tragen, dass es
mit dessen Schwere den Schwerpunkt seines Körpers mehr nach
rückwärts verlegt, indess zu diesem Zwecke ihn nicht aus der
gewohnten Form bringen, und es wird sich so mit der Erhebung
der Hirschhals bilden, der jenen Thieren so vielfach eigen ist.


Eine ähnliche Halsstellung wird das zahme Weidepferd anneh-
men, doch in geringerem Masse. Es wird der Winter durch die
Fütterung an Krippe und Raufe das wieder gut machen, was der
Sommer durch den Weidegang verdirbt, und jene Anlage zum
Hirschhalse weniger ausbilden, da der enge Weideraum nicht die
Gelegenheit zum Tummeln giebt.


Das Stallpferd wird durch Fressen aus Raufe und Krippe
etc. eine ganz andere, mehr aufgerichtete und beigezäumte Haltung
des Halses gewinnen.


Bekommen wir nun das rohe Pferd in die Hände, so werden
wir seinem Halse nach und nach diejenige Gestaltung geben müs-
sen, welche einmal die Gewichtsvertheilung uns vorschreibt, welche
andererseits aber die Wirkung des Anzugs sichert. Gleichzeitig
den drei oberen Wirbeln die Richtung vorwärts-
abwärts und den drei unteren die Richtung rückwärts-
aufwärts zu geben ist unmöglich
. Ich werde die Halswir-
belsäule, indem ich mit dem Kopf entweder mehr auf die untere
oder obere Kante des Wirbels wirke, entweder erst abwärts oder
aufwärts richten, entweder — um in der Kunstsprache zu reden —
zuerst beizäumen oder aufrichten müssen.


Es stehen sich in der Frage: Womit beginnen? die Mei-
nungen ziemlich schroff entgegen. Während die alten Lehrer
der Reitkunst
fast ohne Ausnahme zuerst die Aufrichtung
anempfehlen, wollen viele neuere, namentlich der treffliche Seidler,
in den meisten Fällen mit der Beizäumung beginnen. Es
kommt hauptsächlich darauf an, bei diesem Geschäfte die falschen
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 8
[114]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Biegungen zu vermeiden. Stellt sich beim Aufrichten die Befürch-
tung heraus, dass mir nur eine theilweise Erhebung des
Halses gelingen, dass ich, statt die ganze Säule zu erheben, nur
die oberen Wirbel aufwärts stellen und nicht zu den unteren ge-
langen werde, ohne die obere zu überbiegen (ohne einen Hirsch-
hals herauszureiten), so beginne ich mit der Beizäumung und
biege den beigezäumten Hals zurück, was man aus der Tiefe
aufrichten
nennen könnte. Zeigt das Thier umgekehrt Nei-
gung zur Ueberzäumung
, so werde ich mit der Aufrich-
tung
zu beginnen haben. Es liegt sicher im Unterschiede des
Materials, das jetzt dem Bereiter in die Hände kommt, gegen
jenes, welches unsere Vorfahren dressirten, dass diese unbedingt
mit dem Aufrichten begannen, während wir oft mit der Beizäu-
mung anfangen müssen. Jene langen, schweren Thiere mit breiten,
festen Hälsen, wie sie die Abbildungen im Werke des Marquis v.
Newcastle, de la Guernière etc., die Bilder Wouvermann’s und Rie-
dinger’s zeigen, und heute noch die niederdeutsche Race aufzu-
weisen hat, incliniren nicht zu jenem Hintenüberfallen des Halses
und vertragen ein festes Anfassen. Andererseits aber macht die Länge
dieser Thiere eine bedeutende Hankenbiegung nöthig, welche wiederum
nicht ohne Aufrichtung zu erzielen ist. Anders ist es mit den
veredelten Pferden der Neuzeit, die lange, dünne, unstete Hälse
haben und meist feste Rücken bei biegsamen untern Gelenken der
Hinterhand. Deren Hälse werden leicht eine falsche Biegung be-
kommen, und die Conservirung der Hinterbeine macht die grösste
Vorsicht nöthig. Sie hat Herr Seidler gewiss in grosser Menge
in Dressur gehabt, und durch sie hat sich seine Ansicht gebildet,
die sich rechtfertigt.


Wesshalb die preussische Reitinstruction die Aufrichtung in
den Vordergrund stellt, lässt sich aus dem Material nicht wohl
ersehen. Die leichte Cavallerie remontirte sich damals, als jenes
Buch erschien, noch vielfach mit Moldauern etc., die zu Hirsch-
hälsen inclinirten, und nur die schwere Cavallerie war zum Theil
mit deutschen Pferden beritten, welche einer vorangehenden Auf-
richtung eher bedurften. Es mag wohl sein, dass man theils aus
den ältern Reitschulen diese Maxime mit herüber gebracht hatte;
andererseits glaubte man vielleicht, dem Bocken der Wildfänger
hiedurch zu begegnen.


[115]Von der Halsarbeit.

So viel steht fest, dass früher vor 20—30 Jahren eben so viel
durch übermässiges und unzeitiges Aufrichten gescha-
det wurde
, indem dadurch viele Thiere um allen Gang gebracht
wurden, als später durch übermässiges und unzeitiges Bei-
zäumen
, wozu Herr Baucher allerdings das Seinige beigetragen
haben mag. Wie damals gegen jede Untugend und jede
Schwierigkeit eine vermehrte Aufrichtung dienen sollte, wurde
später das Beizäumen als Universal-Recept verschrieben.
Erst in neuester Zeit richtet man auf, zäumt man bei und
biegt ab, bearbeitet den Hals in allen Richtungen, aber es scheint
mir, man zieht aus seiner Bearbeitung nicht den gehörigen Nuz-
zen für die Biegung der Hinterhand, und ist somit noch nicht
am Ziele.


Ehe wir uns mit dem Halse beschäftigen können,
werden wir das Widerstreben der Kiefermuskeln,
welches gegen den Druck des Gebisses auf den Laden
ankämpft, beseitigt und es dahin gebracht haben
müssen, dass der Druck des Gebisses eine Zurück-
nahme des Kopfes zur Folge hat
, und man durch diese auf
die Halswirbelsäule wirken kann. Gegendehnen mit beiden Laden
oder mit einer Lade bei Vorschieben des Unterkiefers werden sehr
häufig fälschlich als Widerstrebungen der Halsmuskeln angesehen,
sind jedoch von diesen sehr wohl zu unterscheiden. Die Baucher’sche
Methode, diese Widerstrebungen an der Hand zu überwinden,
ist höcht zweckmässig. Wir werden im 2. Theile das Fernere
darüber sagen.


Gehen wir nun näher auf die Beizäumung über. Wir ver-
stehen unter Beizäumung die allmälige Abwärtsbiegung des Halses
in den drei oberen Halswirbeln. Es wird vermöge der eigenthüm-
lichen Construction die stärkste Biegung zwischen dem 1. und 2.
Halswirbel stattfinden, es müssen indess, wenn keine Knickung vor-
kommen soll, die beiden anderen an der Biegung Theil nehmen.


Die Hindernisse liegen theils in einer engen Verbindung
dieser Wirbel und einem straff gezogenen Nackenbande,
theils in der geringen Dehnbarkeit der Ohrendrüsen.
Um das Wesen der letzteren genauer beurtheilen zu können, müssen
wir die anatomischen Verhältnisse näher ins Auge fassen.


8*
[116]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Figure 40. (Tafel 36.)

Man pflegt den hinteren oberen Rand des Unterkiefers die
Ganasche zu nennen. Die Ausdehnung des obersten Hals-
wirbels
(3) nach der Ganasche (6) zu ist durch einen Flügel-
ansatz
vergrössert. Wenn nun Ganasche oder Flügelansatz, oder
beide gross sind, so bleibt zwischen beiden ein nur geringer Raum,
der sich um so mehr verengt, je mehr das Thier sich beizäumt,
am meisten aber, wenn das beigezäumte Thier eine Drehung des
Kopfes nach der einen oder der anderen Seite hin vornimmt. Es
liegen aber zwischen beiden die Ohrenmuskeln (1), und die
Ohrenspeicheldrüsen (2). Letztere sind strangartige Gebilde,
die an den Ohren beginnen und an dem Ganaschenrande sich bis
zur Kehle hinziehen. Je mehr Ganasche und Flügelansatz von
Natur einander durch ihre Ausdehnung näher gebracht sind, und
je mehr Ausdehnung ferner die dazwischenliegenden Gebilde haben,
um so mehr werden die letzteren durch Beizäumung und Drehung
des Kopfes in das Gedränge kommen und gequetscht werden,
wozu nach der Behauptung einiger auch noch ein stachelartiges
Gebilde des 2. Halswirbels (4) in einzelnen Fällen mitwirken soll.
So lange eine derartige schmerzliche Quetschung stattfindet,
wird das Pferd ungern in Stellungen eingehen, welche sie herbei-
führen. Es werden mithin diese Gebilde in eine Lage
gebracht werden müssen, welche sie dieser Quetschung

[117]Von der Halsarbeit.
entziehen. Hiezu giebt es zwei Wege. Entweder sind die beiden
Ganaschen so nahe an einander gestellt, — der gewöhnliche Fall —
dass die Ohrendrüsen sich bei etwas vermehrter Dehnung über
sie hinwegschieben, oder sie stehen so weit von einander, dass die
Ohrendrüsen sich unter dieselben legen — der bei weitem seltnere
Fall. — Je massiger die Gebilde sind, um so eher werden sie
gequetscht, je fester, kleiner und straffer, um so weniger werden
sie gequetscht, um so empfindlicher aber häufig und um so schwerer
dehnbar sein. Die Operation, diese Ohrendrüsen in eine Lage zu
bringen, dass sie nicht gequetscht werden: für den ersteren Fall
ihre allmälige Dehnung herbeizuführen, damit sie sich bei der Bei-
zäumung und Drehung des Kopfes über den Ganaschenrand legen,
für den zweiten, sie zu gewöhnen, dass sie sich stets unterschieben,
nennen wir Ganaschenbiegen, Abbiegen, Abbrechen;
das Unvermögen, ohne Schmerz die vorhin bezeichneten Stellungen
des Kopfes anzunehmen, Ganaschenzwang. Es wird die Schwie-
rigkeit, den Ganaschenzwang zu beseitigen, mithin einerseits in der
Construction der betreffenden Theile, andererseits aber in der grös-
seren oder geringeren Empfindlichkeit begründet sein. Da Pferde
von höheren Racen bei festerer Textur aller Gebilde eine grössere
Empfindlichkeit zeigen, so wird die kleine, straffe Ohren-
drüse des Racepferdes um ein Weniges zu dehnen,
oft schwieriger sein, als eine bei weitem grössere
Erweiterung, welche die massigen Ohrendrüsen von
Thieren gemeiner Race zu erleiden haben
. Es ist leicht
ersichtlich, dass diese Dehnung nur das Produkt sehr allmä-
liger Uebung
sein kann, und das Thier erst dann, wenn keine
Stellung mehr diesen Schmerz ihm verursacht, willig in jede vom
Reiter begehrte Stellung eingehen wird. Da man aber nicht wohl
im Stande ist, an der Hand diesen Zweck durch alle Stellungen
zu verfolgen, so wird man mit dem Biegen an der Hand
nicht ausreichen. Es ist ferner schwierig, im Stillehalten zu
beobachten, wie weit man dem Thiere durch dies Biegen Schmerzen
macht. Im Gange wird dies dem Reiter durch Verhalten, Aus-
weichen etc. viel eher bemerkbar. Er hat im Gange den Vortheil,
bei passivem Ausharren im Anzuge und durch Nachtreiben mit
dem Schenkel das Pferd zum Selbstcorrigiren einer falschen
Stellung zu nöthigen und es so gleichsam in die Stellung, in die
[118]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Biegung zu treiben, wogegen er es im Stillehalten mehr mit dem
Zügel ziehen, und so activ gegen einen activen Ungehorsam auf-
treten muss. Es scheint mir ferner im Gange das Pferd mehr
selbstthätig und so im Stande, sich in die gewünschte Biegung in
einer mehr selbstgewählten und schmerzloseren Art hineinzuarbeiten.


Mit der Art vieler Reiter, anfangs sehr viele Hals-
biegungen zu gestatten
und den stark nach einer Seitc gebo-
genen Hals allmälig mit dem auswendigen Zügel gerade zu spannen,
um so auf dem anderen Wege die absolute Biegung in die Ga-
nasche zu erreichen, kann ich mich nicht einverstanden erklären.
Nur bei Pferden von kurzen, dicken Hälsen, bei denen die
Gefahr eines Verwerfens am wenigsten zu befürchten
ist
, mag es ausnahmsweise von Nutzen sein. Sonst scheint mir
dies nur ein auf Selbsttäuschung beruhender Vortheil zu sein.
Es ist ein dem Verlangten Aehnliches erreicht, das
den Anschein eines Fortschrittes hat, aber in der Wirklichkeit nur
zu dem später so höchst schwierig zu beseitigenden Fehler des
Seitwärtsausweichens an einer oder der anderen Stelle des
Halses zu führen scheint. Will man dem Thiere anfangs nur lehren,
eine Drehung des Kopfes nach einer Seite in Folge des Druckes
des Gebisses auf eine Lade vorzunehmen, so braucht man es ihm
nur in der von Herrn Baucher empfohlenen Art an der Hand zu
lehren, und würde damit weiter kommen, als ihm unter dem Reiter
den Hals herumzuziehen. Die einzelnen Fälle von Gestal-
tungen dieser Schwierigkeit durchzugehen, wage ich
nicht, nach der trefflichen Belehrung des Hrn. Seidler
über diesen Gegenstand
. Ich müsste ihm wörtlich nach-
schreiben, denn ich weiss nichts hinzuzufügen, geschweige etwas
Besseres, und verweise meine verehrten Leser auf ihn.


Wir sehen aus dem Gesagten, dass der Ganaschenzwang
sehr häufig ein grosses Hemmniss für die richtige Bei-
zäumung ist
, und diese erst nach einiger Beseitigung desselben
vorschreiten kann, obschon erst die absolute Kopfstellung in der
beigenommenen Stellung deren gänzliche Beseitigung verlangt. Ein
übereiltes und gewaltsames Verfahren in der Beizäumung sowohl
bei diesem Hemmnisse, wie bei kurzem, festem Genicke wird das
Pferd veranlassen, die Biegung entweder zwischen weiter abwärts
gelegenen Wirbeln zu geben, oder durch eine zu gewaltsame Bie-
[119]Von der Halsarbeit.
gung zwischen zwei Wirbeln, den Hals zu knicken. Beides ist auf
das sorgfältigste zu vermeiden. Hat man dem Thiere einmal
den falschen Weg gezeigt, dann ist es schwer, ihn
wieder vergessen zu machen
. Hat man ihn auf der Trense
mühselig beseitigt, auf der Kandare wird er sicher wieder zum
Vorschein kommen, und sei es auch erst, wenn die Reiterei im
Freien nicht mehr das Eingreifen in die Trense zum momentanen
Corrigiren erlaubt, und beim Exerziren mancher harte Anzug vor-
kommt. Namentlich sind es die Hülfszügel, welche in Händen
nicht ganz Geübter diesen Uebelstand so leicht herbeiführen. Sie
geben so leicht den Anstrich eines Fortschrittes
und
sind desshalb bei den Leuten, denen es nicht um das Sein, son-
dern um den Schein zu thun ist, so beliebt.


Der Fehler des Herabklatschens des Halses, wie ich die
zu weit unten beginnende Biegung des Halses nennen möchte, war
es namentlich, welcher jenen Herren die Früchte aller ihrer Arbeit
nahm, die auf der Trense gar nicht beizäumten, die
nur aufrichteten
und immer höher aufrichteten, weil die
Kandare nachher doch beizäume
, und zwar immer mehr,
als ihnen lieb sei. Das war eine Angst, wenn die Thiere auf
Kandare gesetzt wurden. Trotz der vortrefflichen Aufrich-
tung hatten sich so und so viele verworfen und wollten ungeachtet
alles Zerrens mit der kleinen Trense sich nicht richtig zäumen,
entweder ging’s, wie sie es auf Trensen gelernt, himmelhoch,
oder wie die Kandare es ihnen gestattete, unendlich tief. Man
hatte ihnen nicht gelehrt, sich richtig beizuzäumen und die in den
Weg tretenden Hemmnisse nicht beseitigt.


Es ist mit der Zeit, welche der Offizier jetzt zur Dressur zu
verwenden pflegt, gegen die, welche man sich früher nahm, eine
bedeutende Veränderung vorgegangen. Früher ritt fast Niemand
ein Thier im Dienst, dass nicht 2 Jahre dressirt worden war, trotz-
dem es erst volljährig unter den Sattel kam. Aber damals war
die Zeit der vielen Rationen und des billigen Futters
.
Jetzt wird der Offizier nur selten ein Thier ohne Unterbrechung
so weit dressiren können, dass es diejenige Stellung erlangt hat,
die seinem Gebäude erlaubt, und der Dienst wünschenswerth macht.
Es wird das im Herbst angerittene Pferd, bereits im Sommer auf
Kandare gezäumt, einigen Dienst thun, und seine Zusammenstel-
[120]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
lung schon so weit vorgeschritten sein müssen, dass es in einiger
Haltung mitgehen kann
. Der nächste Winter muss Zeit zur
weiteren Ausbildung geben und zur Vervollkommnung seiner Hals-
stellung. Es ist vielleicht dadurch mehr, als durch alle theore-
tische Gründe ein möglichst gleichzeitiges Streben nach Aufrichtung,
Beizäumung und Abbiegung durch die verschiedenen Grade der
Zusammenstellung in Aufnahme gekommen. Ich glaube, dass diese
Nothwendigkeit vielfach zum Vortheil gereicht. Ich habe von ein-
seitigem Vorgehen stets nur Nachtheile erlebt, und habe von der
Manie zum Aufrichten nicht schlechtere Resultate gesehen, wie von
der Manie zum Beizäumen. Es hatte Baucher und das Missver-
stehen
Seidler’s viel dazu beigetragen, dass im Gegensatz zu
jenen Aufrichtern eine Menge von Reitern die senkrechte Kopf-
stellung als einziges Criterium für die Dressur eines Pferdes
angesehen haben wollten, dass sie bei Gebäuden und Hülfen,
denen das Beizäumen nicht eben sehr Noth that, jeden Fehler
in mangelnder Beizäumung suchten, das Genick immer wieder in
Angriff nahmen, und doch nur Krummbeinigkeit und Durchgehen
erzielten. Bei ihnen bildete sich namentlich die Ungezogenheit des
auf die Zügel Stossens im höchsten Grade aus.


Die nicht aufgerichteten Thiere mit ungebogener Hanke, welche
nicht gelernt haben, auf den Schenkeln vorwärts zu gehen, und
statt mit den Hinterbeinen unterzutreten, mit hoher Hinterhand
nach hinten herausarbeiten, werden es endlich müde, sich durch
die ewigen Anzüge quälen zu lassen. Diese Anzüge finden ihre
Beine stets hinter dem Leib, also ganz in der Stellung, dem An-
zuge einen vollen Widerstand zu leisten. Sie benutzen dies endlich
bestens. Im Moment, da der durch die Zügelhülfe zurückgebrachte
Rumpf an den Hinterbeinen scheitert und wieder vorwärts schiesst,
dehnen sie mit voller Gewalt die Halsmuskeln gegen die Hand und
schwingen sich hinten ab, und so vorn tief — hinten hoch,
in der Stellung in den Boden zu beissen, ziehen und werfen sie
gleichzeitig den Reiter nach vorn, der mit seinem Sitze kämpfend
nichts dagegen zu thun vermag.


Gutes Aufrichten- und Unterschiebenlehren wird das Uebel
in der Wurzel erfassen. Um aber dieser zur Gewohnheit
gewordenen Unart zu begegnen
, die jedes Anstehenlassen
des Zügels zu ergreifen weiss, um jenen Grasbiss zur Ausführung
[121]Von der Halsarbeit.
zu bringen, lasse man den Zügel, sobald man das Gegendehnen
bemerkt, völlig nach und treibe das Thier durch Sporn oder Gerte
kräftig vorwärts. Vollkommen nach vorn aus dem Gleichgewicht
gekommen (da es die gewohnte, stützende Hand nicht findet),
wird es sich beeilen, die Hinterhand unter zu bringen. Diesen
Moment benutze man, den Hals anzufassen und zur Strafe das
Thier ein Paar Tritt zurückthun zu lassen. Es wird bei gehöriger
Aufmerksamkeit dies Manöver leicht gelingen und so das Pferd
bald zu corrigiren sein.


Auch ohne jenes Stossen sieht man viele Pferde in Folge
einer verfrühten, oder im Verhältnisse zur Aufrichtung zu
weit getriebenen Beizäumung
durch eine plötzliche Dehnung
der Halsmuskeln, Anstuhrung des Rückens und Steifung der Hin-
terhand wie in Verzweiflung auf das Gebiss gehen und mit riesiger
Anlehnung auf die Faust den Reiter vorziehen, während sie hal-
tungslos daherstürmen. Auch sie bedienen sich dieses Manövers
als Gegenmittel, jedes Anfassen zu vereiteln. Ihre Correctur wird
in ganz ähnlicher Art zu bewirken, doch besseres Aufrichten und
Hankenbiegen das wahre Mittel sein, dem Thiere beizukommen.


Wir haben vor 25 Jahren nur aufgerichtet und abgebogen;
vor 10 Jahren nur beigezäumt und abgebogen; nun zäumen wir
bei, richten auf und biegen ab, bearbeiten den Hals nach allen
Richtungen. Wenn wir den haben, so sind wir froh, und da das
Thier dessenungeachtet noch immer nicht recht geht, so liegt es
in Rückenanspannung und in der Rippenbiegung und
dann wieder im Halse. Von der Hanke, die unsere Vorfahren
so fleissig bearbeiteten, spricht man kaum noch, und doch ist der
Hals nur das Werkzeug, um diese Feder in Thätigkeit zu setzen,
und ohne der Hanke Herr zu sein, ist keine Dressur vollendet.


Wenn es beim Abbiegen auf die allmälige Dehnung
der Ohrendrüsen
und bei Beizäumung auf die der Muskeln
und des Nackenbandes ankam, so verlangt das Aufrichten
neben der richtigen Erhebung der Halswirbelsäule
eine Stärkung der heraufziehenden Muskeln
, um den
Kopf und Hals bleibend in dieser Form zu tragen. Diese Stärke
muss durch die Uebung ausgebildet werden. Es kommt darauf
an, dass das Pferd den Kopf und Hals zuerst auf kurze
Zeit, dann immer länger und länger in einer Haltung

[122]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
selbst tragen lernt, welche zu der erwünschten all-
mälig hinleitet. Es wird indess keine Uebung statt-
finden, wenn der Reiter den Kopf und Hals auf der
eigenen Faust trägt
, weil dann dem Thiere die übende Mus-
kelthätigkeit fehlt. Es kommt nicht nur darauf an, dass das Pferd
den Kopf und Hals erhebt, es kommt vor allem darauf an, dass
diese Erhebung die Folge der eigenen Muskelthä-
tigkeit ist
.


Behutsames Vorgeben der Hände, ohne den Sitz noch die
Wirkung des Schenkels zu verändern, giebt Gelegenheit die Arbeit,
oder besser gesagt, die Haltung zu erproben. Geht der Kopf vor,
fällt das Pferd sofort auseinander etc., so lag das Pferd nothwendig
auf der Hand. Dessenungeachtet ist es für den Reitlehrer, der
eine Abtheilung reiten lässt, häufig sehr schwer, zu sehen, ob der
Dressirende den Hals des Thieres durch Heraufziehen und Tragen
des Kopfes auf der Faust aufrichtet, oder das Pferd durch leb-
haftes Vortreiben mit dem Schenkel und leichte Einwirkung des
Zügels bewegt, durch die eigene Kraft den Hals zu erheben, und
so dessen Muskeln stärkt, bis es endlich die dauernde Kraft, den
Hals zu tragen, gewinnt.


Es haben sehr viele Remontereiter der Cavallerie eine unge-
meine Fertigkeit zu täuschen
, und geben selbst dem erfah-
renen Beobachter durch ihre und des Pferdes Haltung, wie durch
die genaue Ausführung der Lectionen lange Zeit die Ueberzeugung,
dass der Mann seine Sache gut mache, und das Pferd bestens aus-
gebildet werde. Plötzlich tritt bei einer neuen Lection, welche sich
bei richtiger Aneignung des Vorhergegangenen ohne Weiteres erge-
ben müsste, eine überraschende Opposition oder eine völlige Hal-
tungslosigkeit hervor. Man thut dies und das erfolglos. Endlich
besteigt der erstaunte Lehrer das Thier und wird nun plötzlich
gewahr, dass jenes leicht und biegsam scheinende Pferd
ein völlig gefühlloser Stock ist
, den der Reiter auf der
Faust herumträgt, dem Aufrichten — ein Emporziehen,
Kopfstellung
— ein Herumziehen war.


Die Lectionen ging das Thier durch die Macht der Ge-
wohnheit
. Es trabt eher auf das Commando: Trab! als auf
den Schenkel an. Hätte der Offizier das Thier eher be-
stiegen, so wäre nicht so viel Zeit unbenutzt vorüber

[123]Von der Halsarbeit.
gegangen. Ich habe häufig von Offizieren, welche die Nothwen-
digkeit anerkannten, sich durch Selbstbesteigen von der Aus-
bildung etc. zu überzeugen, als Grund, dass sie es nicht thaten,
aussprechen hören, wie sie sich der Mannschaft gegenüber ein De-
menti zu geben glaubten, wenn unter ihnen das Thier weniger
gut gehe, als unter dem gemeinen Reiter. Der Offizier braucht
dem Mann nicht zu sagen, er wolle ihm dies oder jenes vorrei-
ten
, wenn er seiner Sache nicht gewiss ist. Es kann Niemand
erwarten, dass der Offizier eine Unart in 5 Minuten corrigirt, zu
deren Beseitigung vielleicht eine ganz andere Zusammenstellung
nöthig wird, die möglicherweise monatlanger Arbeit bedarf. Er
will die Ursache erforschen, in welcher die Unart, die Wei-
gerung etc. begründet liegt; aber er besteigt das Thier nicht, um
mit ihm einen Kampf zu kämpfen. Besser ist es allerdings, dass
der Offizier jene kritischen Momente des Ungehorsams nicht zu
seinen Versuchen wählt, wenn er kein Vertrauen in die Festigkeit
seines Sitzes und seine Reitfertigkeit hat. Aber ich glaube
nicht, dass Jemand im Stande ist, ein genaues Urtheil
über das Kraftverhältniss des Pferdes
, namentlich des
rohen, das noch nicht zur freien Anwendung seiner Gliedmassen
kam, und dessen natürlicher Gang durch vielfachen Zwang verän-
dert wird, abzugeben, zumal bei unregelmässigem und schwie-
rigem Gebäude, ohne es je bestiegen zu haben. Er wird
aber ohne dies Urtheil ausser Stande sein, die Grundzüge der
Dressur, z. B. Höhe der Aufrichtung etc. dem Manne anzugeben
und sich eine Menge von Erscheinungen klar zu machen, zu deren
Benutzung oder Vermeidung er dem Manne die Mittel anzuzeigen
hat. Wie sehr hat sich bei mir oft das ganze Bild meines Pferdes,
das ich bereits Monate kannte, nachdem ich es bestiegen hatte,
geändert, und wie oft habe ich mich geärgert, die Schuld von
schlechten Resultaten dem Unrechten zugeschoben zu haben — dem
Reiter, wo das Pferd die Schuld trug — dem Pferde, wo sie ledig-
lich den Reiter treffen musste!


Ein noch junges Pferd von einem Baue, der auf eine besondere
Schwäche der Hinterhand schliessen liess, und welches elend im
Futter war, galt, als ich die Escadron übernahm, als ein Straf-
pferd, da niemand es im Fanfaro-Galopp zu halten vermochte.
Mir schien der Grund in der Unmöglichkeit zu liegen, dass das
[124]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Thier sich halten könne, und war überzeugt, dass eine höhere Auf-
richtung das Uebel vergrössern würde. Der Zufall wollte, dass
ich es ritt, und ich fand eine so kräftige Hinterhand, als ein Ca-
vallerist sie sich nur wünschen kann; jedoch war dieselbe völlig
ungebogen und die Aufrichtung zu gering, um auf sie wirken zu
können. Das Pferd wurde aufs Neue in Dressur genommen und
dient noch heute als Zugführerpferd. Ebenso habe ich Pferde für
Riesen ihrem Baue nach halten müssen, die ich durch Selbstbestei-
gen als Schwächlinge kennen lernte.


Wenn es die Aufgabe des remonte-dressirenden Offiziers wäre,
dafür zu sorgen, dass ein bestimmter Mann auf dem be-
stimmten
Pferde bei der Frühjahrsbesichtigung einen bestimmten
Cyklus von Lectionen producire, so würde es dem Manne über-
lassen bleiben können, zu sehen, wie er sich mit dem Thiere einigte.
So aber, wo die Pferde für jeden Reiter brauchbar sein sollen,
nutzt eine derartige Pudeldressur, die auf gegenseitigem, durch die
Trägheit geschlossenem Kartell beruht, nicht, und es ist schlimm
für den Dienst, wenn erst dann die Glorie der guten Dressur fällt,
wenn die Thiere in das Glied eingestellt sind, und dann eins nach
dem anderen nicht mehr geht, oder zu weit geht.


Nicht Mangel an Fleiss und Lust ist es, was derartige Resul-
tate zum Vorschein bringt. Es liegt eine Täuschung zum Grunde,
die hervorgebracht wird durch die Trägheit der Reiter und die
Klugheit der Pferde, und unaufgeklärt bleibt durch die Furcht
des Offiziers, sich ein Dementi zu geben, wenn er das Pferd
selbst besteigt.


Man steige vorsichtig von einem Grade der Zusammenstel-
lung des Halses zum anderen empor und mache das Pferd erst in
verschiedenen Gängen in dem geringeren sicher, ehe man zum
höheren aufsteigt; prüfe immer zuvor, ob nicht eine falsche Bie-
gung droht, die nunmehr das Beginnen mit der Beizäumung resp.
mit der Aufrichtung oder die Steigerung derselben nöthig macht.
Kommt man dann zu dem Punkte, bei welchem man stehen zu
bleiben gedenkt, hat auch durch Aufwärts-, Abwärts- und Seit-
wärtsbiegen den ganzen Hals nach Wunsch geformt und in die
für das Thier gewünschte Gebrauchshaltung gebracht, mit welcher
man, dem Gebäude nach, ausreicht, um dem Schwerpunkte die
angemessene Lage zu geben, und durch welche man den Anzug
[125]Von der Halsarbeit.
sicher fortpflanzt, so hüte man sich vor zwei Dingen. Man hüte
sich aus Trägheit zu versäumen, die Aufrichtung und
Beizäumung und Abbiegung so lange zu vervoll-
kommnen, bis man zu der Haltung und Stellung kommt,
welche der Hals in der engsten Versammlung und
Wendung erreicht
, und räume auf, was man auf dem Wege
dorthin an Schwierigkeit findet. Man hüte sich aber zweitens
aus Eitelkeit, aus dieser Ausnahmestellung die Ge-
brauchsstellung machen zu wollen
, und nicht aufzuhören
mit Verengung der Stellung, bis Lust am Gange und die Räumig-
keit sich so verloren habe, dass das Thier einem Automaten gleicht,
der ohne selbstständige, freiwillige Thätigkeit nur so lange arbeitet,
als eine fremde Kraft auf ihn wirkt, und bis jede Muskel den Federn
eines derartigen Kunstwerkes gleicht, die nur dann wirken, wenn
der Stift der Walze sie trifft. Es muss nicht jeder Tritt
aus dem Pferde herausgequetscht zu werden brauchen.
Es muss in das Tempo gebracht, freudig darin fort-
gehen
. Wie ein junger Soldat, der exerziren lernte, unter Sack
und Pack etwas Gezwungenes, Steifes haben wird, doch mit der
Zeit, trotz seiner Last und der strengen Anforderung an die Regel-
mässigkeit seiner Bewegung, wieder zur Freiheit kommt in Haltung
und Bewegung, so muss auch ein vollkommen durchgerittenes
Pferd die Freiheit der Haltung und Bewegung wieder erlangen,
die das vollkommen gebaute Pferd ohne den Reiter besitzt. Diese
ist aber nur durch Festmachen und Gewohntwerden einer Haltung
zu erreichen, welche mit den Körperverhältnissen und Leistungs-
ansprüchen gleich sehr übereinstimmt. Man wolle vor allem
nicht aus jedem Halse den hohen, schön geneigten
Schwanenhals eines idealen Schulpferdes biegen wol-
len
. Die Hälse, welche lang und schmal am leichtesten diese Form
für Augenblicke gewinnen, sind es besonders, die, eben der Leich-
tigkeit wegen, mit der sie auszubiegen vermögen, eben so viel Ge-
schicklichkeit als Aufmerksamkeit verlangen, wenn sonst der Anzug
seine mechanische Wirkung nicht verfehlen soll. Es ist aber jene
Feinheit der Hülfen und jene Aufmerksamkeit oft im Drange des
Augenblicks dem Soldaten unmöglich, und dann werden jene Hälse
unbequem. Ein mässig langer, muskelstarker Hals an breiter,
schräger Basis, hat sich, selbst wenn das Genick nicht eben fein
[126]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
erschien, und die Ganasche nicht ohne Schwierigkeit, nach meiner
Erfahrung für das Soldatenpferd immer besser gestaltet, wie jene
für das Auge so reizenden hohen, schlanken, schön gebogenen
Schwanenhälse der englischen Nachzucht, welche mit so grossem
Geschicke sich nach jeder Richtung biegen, aber auch verbiegen.
Zäumt man unvorsichtig bei, biegt er in der Mitte, richtet man
auf, klappt er um. Ist er tief angesetzt an einem Thiere von
Temperament und übermässig biegsamen Gelenken der Hinterglied-
massen, so wird nur durch vorsichtige Arbeit unter dem spanischen
Reiter eine leidliche Halsstellung sich herstellen lassen. Den schwe-
ren, unbiegsamen Hals eines phlegmatischen Thieres zu bearbeiten,
kostet viel Ausdauer und Anstrengung, es ist aber gegen das Fest-
stellen eines wackeligen und answeichenden Halses ein leichtes Ge-
schäft. Wie es überhaupt leichter und angenehmer ist, gleichsam
aus dem Vollen greifend die Kraft zu mässigen und sich
unterthan zu machen, als die Schwächen zu schonen
und zu stärken
, so ist Biegen leichter als Feststellen.


Es scheint mir hier der geeignete Ort, einiges über Hülfszügel
zu sagen. Wir zählen deren zehn.


1. Der Aufsatzzügel. Sehr allmälig gebraucht, wird er die
Aufrichtung nicht schneller bewirken, wie die blosse Hand. Er
wird aber nicht nachgeben, wenn die ermüdeten Muskeln des Aus-
ruhens bedürfen. Das Gewicht des nicht mehr getragenen Kopfes
und Halses wird schlaff herunter sinken; durch dies Herabfallen
des Kopfes auf das Trensengebiss aber die Maulspalte in die Höhe
gezerrt werden bis zur Verwundung, und das Thier alsdann mit
seinem Schmerz beschäftigt, wenig auf die Hülfen achten und
schlechte Fortschritte in der Dressur machen. Von Anfang an zu
straff angezogen, wird er den Gang beeinträchtigen und das Thier
durch den Schmerz zu Widersetzlichkeiten reizen. In höchst ver-
einzelten Fällen mag bei einem Halse von schlaffer Muskulatur und
bei schlechter Hinterhand derselbe beim Dienstgebrauche Anwen-
dung finden, doch scheint es mir stets gefährlich, weil er die Be-
weglichkeit des Halses, deren das Thier in manchen Fällen, z. B.
beim Klettern, zum Aufkommen nach dem Sturz etc. bedarf, zu
sehr beengt. Dem Pferde, bei welchem man dieses Instrument in
bezeichneter Art braucht, scheint man das Zeichen seiner eigent-
lichen Bestimmung für den Wagen zugleich mit anzulegen.


[127]Von der Halsarbeit.

2. Die Bocktrense, ein Flaschenzug, dessen man sich be-
dient, um durch Heraufziehen der Maulspalte dem Thiere das
Herunterbohren des Kopfes zu wehren, und denselben in die Höhe
zu ziehen, um dadurch, auf den Rücken einwirkend, das Bocken zu
verhindern. Da dieser Zügel in die Hand zurückführt, also beliebig
angenommen werden kann, so ist sein Gebrauch zu modifiziren.
Die Bocktrense hat jedenfalls den Nutzen, in jener argen Wider-
setzlichkeit dem Reiter zu Hülfe zu kommen, obschon dieselbe
gänzlich zu beseitigen, erst die vertreibenden Hülfen zur Anerken-
nung gebracht werden müssen.


3. Der einfache Sprungzügel im Gurt und Nasrie-
men
befestigt, gewährt den Nutzen, dass er die Nase des Reiters
vor dem Zurückschnellen des Pferdekopfes sicherstellt, und ist, lang
geschnallt, zu diesem Zweck ein treffliches Instrument. Wer es in
der Dressur zum Beizäumen braucht, wird das Thier dahin bringen,
sich todt hineinzulegen, und seinen Hals da zu biegen, wo es ihm
bequem ist. Die Pferde, welche die Beizäumung verweigern, haben
aber fast immer ein kurzes Genick und werden sich ungern oben
biegen, sie thun es, durch den Sprungzügel eingezwängt, desshalb
unten. Es ist durch diese Art der Beizäumung in keiner Art etwas
gewonnen, nur hat das Thier den Anschein sich beizuzäu-
men, und damit ist schon manches Herz beruhigt
. Bei
den Mannschaften der Cavallerie war es eine Zeit lang zur Manie
geworden, sich dieses Hülfszügels zu bedienen. Viele krumme
Vorderbeine waren nebst manchem Sturz das einzige Resultat dieser
schlechten Verzierung.


4. Der einfache Sprungzügel in Gurt und Kinnstück
des Trensengebisses
. Das Pferd wird sich zwar nicht so
leicht mit todtem Maul hineinlegen, wie in den vorigen, aber sonst
übertrifft er denselben an schlechter Wirkung, indem die Rucke,
welche das Thier erhält, es hinter die Zügel bringen.


5. Der einfache Seidler’sche Sprungzügel ist im Gurt
eingeschnallt, wird zwischen den Vorderbeinen durch zum Kinnstück
der Trense geführt und geht von dort zur Hand. Er nimmt bei
und seine Wirkung kann durch die Hand modifizirt werden. Er
hat indess den Nachtheil, dass er in die rechte Hand genommen,
vermehrt auf die rechte, und in die linke genommen, vermehrt auf
die linke Lade wirkt. Er bringt dadurch leicht ein Verbiegen im
[128]III. Abschnitt. Zweites Kapitel.
Genick hervor, wobei ein Ohr tiefer wie das andere steht. Bei
halbrohen Pferden als Hülfsmittel zum Pariren und Wenden ist
er vortrefflich. Man schlauft ihn zu diesem Zwecke lang in die
Sattelkrampe ein, und greift hinein, wenn man seiner bedarf. Beim
Dressiren ist die Hand besser.


6. Der verbesserte Seidler’sche Sprungzügel. Er
geht vom Gurt zum Kinnstück der kleinen Trense, dann abwärts
zurück durch einen Walzring und demnächst zur Hand. Er ver-
meidet die Seitwärtswirkung des vorigen, und flaschenzugartig wir-
kend, zäumt er direkt abwärts. Aber darin, dass er mit doppelter
Kraft auf das Pferd wirkt, und der Reiter nicht in gleichem Masse
das Gefühl des Widerstandes, den er überwindet, in der Faust hat,
liegt das Gefährliche in seiner Anwendung bei der Dressur. Da-
durch wird der Reiter verführt, nicht in gleichem Masse mit dem
Schenkel zu wirken, wie es die Verdoppelung der Zügelhülfe ver-
langte, und leicht durch den scheinbar günstigen und mühelosen
Erfolg veranlasst, seine Anforderung zu übertreiben und bis zu
einer Höhe zu schrauben, wo die Empörung des gequälten Thieres
unvermeidlich wird. In der Hand des Geübten und Feinfühlenden
ist er gewiss eine schätzbare Erleichterung, in schlechter Hand
aber wird jenes „Festziehen“ nur zu leicht hervortreten. Zum
Gebrauch als Hemmschuh bei halbrohen Pferden ist er vortrefflich.


7. Die Martignal. Die Anglomanie hat für das Pferd des
Civilisten die Martignal so in allgemeine Anwendung gebracht,
dass sie ein Uniformstück aller fashionablen Pferde, wie die Man-
schette eins der Herren geworden ist. Der steif vorgestreckte
englische Hals mit ungebogenem Genick macht einen derartigen
Hemmschuh nöthig, der für schlechte Fäuste, vom gut instruirten
Stallknecht einmal richtig geschnallt, noch den Vortheil hat, beim
Nachgeben des Pferdes auch selbst nachzugeben. Er kann durch
Nachlassen der Trense ganz ausser Wirkung gesetzt werden und
hindert mithin beim Sprunge u. s. w. nicht die Ausdehnung des
Halses. Für die Dressur halte ich ihn nicht rathsam, weil die
Hand seine Wirkung nur bis zu einem gewissen Punkte modifiziren
kann. Bei halbrohen Pferden ziehe ich ihn für schlechte Fäuste
dem Seidler’schen vor, für gute würde ich unbedingt den letzteren
wählen. Er ist eigens für schlechte Reiter gemacht. Einmal richtig
eingeschnallt, ist der Reiter ausser Stande, von ihm einen übertrie-
[129]Von der Halsarbeit
benen Gebrauch zu machen. Das Hängenbleiben im Anzuge schadet
bei ihm nicht, weil die Stellung des Pferdekopfes, nicht aber die
Reiterfaust die Wirkung dieses Instrumentes bestimmt.


8. Der Sprungzügel mit einem Ringe, durch welchen
beide Trensenzügel gezogen sind, wirkt ähnlich wie die Martignal,
und soll nebenbei den wackeligen Hals festeinschliessend, das Ver-
werfen desselben vermeiden. Ich habe von ihm keinen Nutzen
gesehen. Dicht zusammengestellte Fäuste sind mir für diesen Fall
zur Dressur lieber.


9. Der einfache Schlaufzügel ist an Gurt, Sattelkrämpe
etc., je nachdem man seiner Wirkung für eine höhere oder niedere
Stellung bedarf, festgeschnallt, geht demnächst durch den Trensen-
ring und führt in die Hand des Reiters zurück. Er zwingt, flaschen-
zugartig wirkend, den Kopf in eine solche Stellung, dass das Ge-
biss in die Höhe zwischen der Faust und dem Befestigungspunkte
zu stehen kommt und wirkt, des Ferneren angenommen, auf die
Seitwärts-Hergabe des Kopfes. Man bedient sich desselben bei
der Dressur als Unterstützung der Faust, und zwar je nach den
Umständen zur Aufrichtung, zum Beizäumen und Abbiegen. Er
hat das Gefährliche des doppelten Seidler’schen Sprungzügels, was
das Festziehen betrifft und das Nichtgewahrwerden des Widerstan-
des, wodurch übermässige Anforderungen, zu geringes Vortreiben
mit dem Schenkel und wiederum Widersetzlichkeit, unterdrückter
Gang etc. hervorgerufen werden. Hier wirkt der Anzug der einen
Hand, welcher den Schlaufzügel führt, mit noch einmal so grosser
Kraft, als der Anzug der anderen Hand. Es dürfte selbst sehr
geübten und aufmerksamen Reitern schwer werden, nicht dann und
wann unharmonisch einzuwirken.


10. Der doppelte Schlaufzügel ist eine Wiederholung
desselben Instrumentes auf beiden Seiten, ist weniger gefährlich
wie der einfache, weil bei jenem die Kraft blos auf der einen Seite
verdoppelt wurde, und den Reiter so fortwährend verführte, dem-
selben zu viel Kraft, dem entgegenstehenden einfachen Zügel aber
zu wenig zu geben. Hier würde wenigstens die Zügelwirkung sich
egalisiren, und nur der Reiter fortwährend bemüht sein müssen,
die Schenkelhülfe der verdoppelten Kraft der Faustwirkung anzu-
passen. Es ist indess so leicht, die grosse Kraft, die mit demselben
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 9
[130]III. Abschnitt. Drittes Kapitel.
zu erlangen ist, zu missbrauchen, dass auch ihr Gebrauch nicht
angerathen werden kann.


Das Résumé über die Anwendung der Sprungzügel wäre mithin
folgendes: Der Meister wird diese Instrumente bei der Dressur
nur dann anwenden, wenn die Schonung der eigenen Kräfte sie
wünschenswerth machen, und sie dann gewiss mit Vorsicht ge-
brauchen. Der Anfänger hüte sich, sie sofort bei der Dressur
in Gebrauch zu nehmen und erprobe ihre Wirkung erst an gut
gerittenen Pferden, um seine Hülfen mit der veränderten Einwir-
kung in Uebereinstimmung zu bringen. Es gefielen sich eine Zeit
lang die Dressirenden in einer wahren Anhäufung von Zügeln aller
Art, so dass ihr Reiten einem Orgelspiel glich, bei dem bald dies
bald jenes Register gezogen wurde. Gewöhnlich waren so viele
Ungezogenheiten als Zügel am Pferde die vortreffliche Folge ihrer
Kunst! In der Escadron würde ich, selbst zum Dressiren, nur
ausnahmsweise einen Hülfszügel gestatten; Hülfszügel sind
dort meist faule Knechte, die den Schein geben helfen

und andere faule Knechte im Nichtsthun unterstützen. Ein Paar
Sprungzügel im Nasriemen, nicht des Beizäumens, sondern des
Kopfschleuderns wegen, würde alles sein, was bei Dressur wie
Dienstgebrauch bei den Pferden der Escadron an Hülfszügeln zu
verwenden wäre.


Bei halbrohen Pferden, die man bisweilen zum Dienst
reiten muss, ist für den schwachen Reiter eine richtig
eingeschnallte Martignal
oft ein nützliches Instrument. Für
bessere Reiter
zum Einfangen aus der Carrière etc. ist der
einfache Seidler’sche recht zweckmässig
.


Drittes Kapitel.
Von der Bearbeitung des Rückens.


Der Rücken nimmt die Last des Reiters als der unmittelbare
Träger desselben auf, ist aber auch durch seine Auf-, Ab- und
Seitwärtsbiegung beim Gange unmittelbar betheiligt. Man hat in
[131]Von der Bearbeitung des Rückens.
neuerer Zeit viel darüber gestritten, wo der Reiter sitzen, mithin
wo der Sattel liegen müsse. Einige hatten eine wahre Manie, ihn
auf die Niere zu bringen, mit dem Motto: „Sattle rückwärts lieber
Bruder, dort sitzt du am Steuerruder!“ Andere konnten ihn, jenen
zum Trotz, nicht weit genug vorlegen. Wir wissen, dass das
Schulterblatt sich um einen Punkt, der etwa eine Hand breit von
seinem oberen Rande liegt, bewegt, dass mithin der Theil des
Schulterblattes, welcher über dem Drehpunkt liegt, nach rückwärts-
abwärts, während der unterhalb gelegene Theil vorwärts-aufwärts
sich bewegt. Es wird desshalb der Sattel, wenn er beim
stehenden Pferde nicht eine Hand breit von der hin-
teren Schulterkante fernbleibt, die Bewegung des
Schulterblattes im Gange hemmen
. Es ist uns ferner be-
reits bekannt, dass ein zu weites Zurücksatteln die Beweglichkeit
des Rückens hemmt, und die Belastung der Nierengegend der Ge-
sundheit des Thieres nachtheilig ist. Wie sehr auch die Vorhand
des Pferdes bereits im Gewichtsverhältnisse benachtheiligt ist, so
werden wir aus diesen Gründen dennoch genöthigt sein, den Sattel
so zu legen, dass er nur eine Hand breit von der Schulter absteht.
Aber auch dort wird bei vielen Pferden der Sattel schwer festzu-
halten sein. Pferde, deren Brustkorb hinten breit, vorn schmal ist;
Pferde, welche hinten hoch, vorn niedrig sind, bei denen jeder Tritt
den Sattel nach vorn bringt; Pferde mit gering aufsteigendem Wi-
derrisse — werden stets eine schlechte Sattellage haben und es
wird der Sattel vorrutschen. Es ist in keiner Zeit die Wich-
tigkeit der Sache übersehen worden, aber die Mittel sind noch
immer unzulänglich. Dass das Hinterzeug nichts nutzt,
davon ist jetzt, Gottlob! alle Welt überzeugt. Der Vorgurt, ab-
gesehen von der Gefahr, mit demselben zu drücken, kann bei guter
Construktion wohl den Sattel in richtiger Lage erhalten, dann
wird er aber selbst dem Blatte so nahe kommen, dass er hindert.
Festes Gurten hilft auch nicht, am wenigsten das anfäng-
liche weite Zurücksatteln
. Der Sattel geht mit der Zeit vor,
und dann schlottern die Gurte, die weiter rückwärts vielleicht
bereits übermässig fest waren.


Es wird sich bei vielen Pferden, deren Leib durch voluminöses
Futter aufgetrieben war, oder deren Rücken sich anfangs zu straff
anspannte, das Sattelrutschen von selbst geben. Bei denjenigen
9*
[132]III. Abschnitt. Drittes Kapitel.
Thieren aber, deren Knochenbau die Ursache ist, wird nur der
Bauchgurt, wie ihn Herr Seidler vorschlägt, helfen können,
gegen dessen Benutzung, ich weiss nicht in wiefern mit Recht, man
indess aus Gesundheitsrücksichten warnet. Das Auflegen und
allmälige Festschnüren eines breiten Bauchgurtes im Stalle,
um den Grasbauch eher fortzuschaffen, scheint mir aus gleichen
Rücksichten nicht rathsam. Kann man die Gier des Thieres nach
der Streu nicht mässigen, so gebe man ihm einen Maulkorb. Es
würde derselbe, vernünftig verwendet, bei manchem Thiere das
Aufsetzenlernen verhüten, das häufig eine Folge des Hochbindens
ist, wodurch man das Streufressen wehren will.


Figure 41. (Tafel 37.)

Ich erlaube mir in nebenstehender Zeich-
nung beiläufig ein Instrument für Thiere,
welche mit dieser Untugend behaftet sind,
vorzuschlagen. Diese Art Maulkorb hat den
Vortheil, dass das Thier Rauhfutter fressen
kann, ohne aufsetzen zu können, und ist dem
Würgeapparat, durch den so leicht chronische
Kehlkopfentzündungen und demnächst Rohren
entsteht, vorzuziehen. Die mit a bezeichneten
Theile sind von starkem Eisen, die mit b von
Leder. Die mit b′ bezeichneten Backenstücke
werden über die Stallhalfter geschnallt und
durch eine Schlaufe am Stirnriemen gezogen,
so dass das Kopfstück des Maulkorbes auf das Kopfstück des
Halfters liegt. Nur zum Haferfuttern braucht derselbe abgenommen
zu werden. Für dieses Futter bediene ich mich bei solchen Pfer-
den, die beim Haferfressen aufsetzen und Futter streuen, eines
Blechgeschirrs, das, dem Kopfe angepasst, mit Löchern versehen
ist, und wie der Fressbeutel vorgeschnallt wird. Ich habe, was
den Futter- und Gesundheitszustand betrifft, günstige Resultate,
und glaube namentlich der Verbreitung des Aufsetzens, in so fern
es durch Nachahmung geschieht, dadurch Schranken zu setzen.


Dem Zurückrutschen des Sattels kann man durch ein
Vorderzeug, wie es die Engländer zur Jagd reiten, vollkommen
beikommen.


[133]Von der Bearbeitung des Rückens.

Mit dem Geschenk, das uns Soldaten diese Herren durch die
Pritsche gemacht haben, kann ich nicht so einverstanden sein.
Der Sattel soll, bei möglichst geringer Belastung und Gefahr der
Verletzung des Pferdes, den Sitz des Reiters sichern und dem
Transport der Dinge, welche er mit sich führen muss, behülflich
sein. Den Sitz sichert die Pritsche am wenigsten von allen be-
kannten Sätteln, und zum Transport von Sachen ist sie der aller-
ungeeignetste. Der Ruhm, auf einem Sattel sitzen zu bleiben, der
den Sitz, diese erste aller Reitbedingungen, möglichst erschwert,
scheint nicht fein. Die Reiternationen, die im Sattel wohnen,
haben sich diese Stätte von je her möglichst behaglich eingerichtet.
Während die Griechen und anfangs auch die Römer, welches
beide eben keine Reiternationen waren, auf der Decke ritten, sass
der Parther und Numidier bereits im Sattel.


Figure 42. (Tafel 38.)

Erst als die Rennen
in den Vordergrund
traten, ist dieser Sattel
in Aufnahme gekom-
men. Der Herzog von
Newcastle setzt unter
den nebenstehend ab-
gebildeten deutschen
Sattel in seinem Werke
d’A. 1663 noch: „Voicy
la plus excellente selle,
qui puisse être.“ Wenn
nun auch die Pritsche
zum Spazierenreiten
ihre Verdienste haben
mag, zum Kriegssattel
ist sie gewiss nichts
nütze, und namentlich
scheint es seltsam, dass der Cürassier-Offizier damit bedacht
ist, da doch dessen beladener Oberleib eines festen Sitzes beson-
ders bedarf, und bei ihm die Geschwindigkeit nicht gerade die
hervorleuchtende Seite zu sein braucht. So unangenehm mir nach
[134]III. Abschnitt. Drittes Kapitel.
vieljähriger Gewohnheit auch ein anderer Sattel sein würde, so ist
die gänzliche Entblössung von allem, was nicht die Rocktaschen
aufnehmen, für einen Feldzug doch immerhin schlimm.


Der deutsche Sattel hat auch seine grossen Mängel. Er
ist schwer, theuer und sehr schwierig aufzuprobiren, drückt des-
halb leicht, ist von der verletzten Stelle schwer abzuhalten und
verpackt sich schlecht zum Transport. Es ist nicht allein die Leder-
bekleidung des Sattels, welche dem Auge nicht erlaubt, das Auf-
liegen des Baumes, wie beim Bock, zu untersuchen. Ausser dem
richtigen Aufliegen der Trachten sind es die Vorder- und Hinter-
bäume des Sattels, welche ihrer Weite und Form nach so viele
Nüançen zulassen, die doch wiederum zu den tausend Verschieden-
heiten im Bau des Pferdes passen müssen, dass, wollte man genau
zu Werke gehen, fast für jedes Pferd ein eigener Baum gefertigt
werden müsste. Es ist ferner das ungleichmässige Zusammendrück-
ken des Kissens durch den Gebrauch, das leicht eine veränderte
Lage des Sattels herbeiführt. Er wird dadurch namentlich an
seinem hinteren Theile niedriger und bäumt sich dann vorn empor,
wodurch nicht allein das Vorrutschen begünstigt wird, sondern
auch der Reiter mit dem Gesäss zu weit zurück und mit den
Beinen vorkommt. Ein Fehler beim deutschen und englischen
Sattel, vor dem man nicht genug warnen kann, der aber, wie der
zu weite Vorderbaum, immer noch nicht genug beachtet wird.


Ferner bietet der gepackte deutsche Sattel dem Aufsitzenden für
die rechte Hand keinen sicheren Halt. Auch sind seiner Grösse und
seines Gewichtes wegen nicht so leicht Reservesättel mitzunehmen,
obschon man deren mehr bedarf, als bei Truppen, bei denen der
Bock eine so leichte Aenderung der Tragfläche durch Strohmatten
zulässt. Er hat gegen den ungarischen Bock nur den Vortheil
des dichteren Aufliegens auf dem Pferderücken, wodurch der Reiter,
näher am Pferde, dieses nicht so leicht durch sein überhängendes
Gewicht belästigt, dagegen selbst die Bewegungen des Pferdes
besser fühlt. Wenn man bedenkt, dass alle Reitkunst
und taktische Uebung vergebens ist, dass der König
unnütz Mann und Ross so lange Jahre des Friedens
hielt, wenn ein Satteldruck den Reiter vom Pferde
wirft, ehe er den Feind erreichte, so möchte man
nichts thun, wie sinnen, um jenes ärgste der Uebel

[135]Von der Bearbeitung des Rückens.
von seinen Leuten fern zu halten und jeden Sattel,
der gegen dieses Uebel eine grössere Garantie ge-
währte, freudig begrüssen
.


Da das rohe Thier nicht an die Belastung des Rückens ge-
wöhnt ist, so muss es mit demselben so lange ohne Reiter bewegt
werden, bis es die Unbequemlichkeit nicht mehr achtet und sich
mit demselben im Schritt und Trabe ruhig fortbewegt, ohne durch
Nachziehen der Hinterhand, Schweifklemmen etc. Unbehaglichkeit
zu zeigen. In vielen Ställen giebt ein übermässig festes oder ruck-
weises Gurten die erste Veranlassung zum Sattelzwang.


Es ist demnächst durch möglichst passives Verfahren das Pferd an
Duldung der Last des Reiters zu gewöhnen. Es soll diese Last
ohne Anspannung der Rückenmuskeln tragen und der
natürlichen Elastizität des Rückgrats in keiner Art
entgegenarbeiten
. Das Anspannen und Sträuben kann ver-
schiedene Ursachen haben. Geschieht es aus Kitzel, so wird das
Thier bei aufgewölbtem Rücken mit dem Schweife bald schlagen,
bald klemmen, sich krümmen oder gar ausschlagen. Man sei auf
seiner Hut, kehre lieber zur Uebung mit dem blossen Sattel zurück
und nehme nöthigenfalls den spanischen Reiter zu Hülfe, ehe man
sich abwerfen lässt und so den Gehorsam von Haus aus untergräbt.


Geschieht dies Sträuben ohne jene Symptome des Kitzels von
einem schwachrückigen Pferde, oder einem Thiere von sehr
weichen Gelenkverbindungen, so lasse man sich dies ein Zeichen
sein, dass es, seine Schwäche fühlend, die Last aufzunehmen fürchtet.
Man erleichtere sein Gewicht durch Stehen auf den Bügeln mög-
lichst, unterhalte aber den Gang, weil das Stehenbleiben und Ver-
halten der Anfang aller Widersetzlichkeit ist, und lasse sich nicht
zur Unachtsamkeit verleiten. Schwache, aber widersetzliche Pferde
sind für den Reiter die gefährlichsten wie die schwierigsten. Im
Uebrigen gebe man ihnen einen möglichst leichten Reiter, hüte sich
vor gestreckten Stellungen und gedehnten Gängen.


Sind es Pferde von kurzem, straffem Rücken und gerade
gestellten, harten Gelenken der Hinterhand, die den Rücken an-
spannen, so suche man durch ruhiges und festes Einsitzen in den
Sattel bei anhaltenden Reprisen und langen Gängen die Hergabe
zu erzielen. Zügelwirkungen, zu denen sich unerfahrene Reiter so
leicht von Haus aus hinreissen lassen, können beim Anreiten nur
[136]III. Abschnitt. Drittes Kapitel.
das Uebel vermehren. Häufig wird man erst durch die späteren
Lectionen, namentlich durch den freien Galopp, dieses Uebels ganz
Herr, und Thiere, welche in Folge des Rückenanspannens im Trabe
sich fortwährend verhielten, während sie im Schritt frei fortgingen
und den Rücken gaben (was sie auch häufig dadurch markiren,
dass sie im Schritt den Schweif tragen, während sie im Trabe
klemmen), kommen erst nach jenen Uebungen zum reinen und
feinen Trabe.


Es ist viel seltener, dass Pferde ihre Unbehaglichkeit oder
einen gewissen Rückenkitzel durch ein übermässiges Durch-
biegen des Rückens
beim ersten Anreiten zeigen, das dann
und wann von einigen breiten Tritten der Hinterhand begleitet ist
und dem Reiter ein sehr unbehagliches Gefühl des Kraftlosen und
Schwankenden giebt. Nach einigen Tritten ist diese Erscheinung
vorüber und repetirt selten, selbst wenn man längere Zeit abge-
sessen war. Merkwürdigerweise erinnere ich mich keines Thieres
dieser Art, das wirklich einen schwachen Rücken gehabt hätte und
eben so wenig, dies Manövre bei ganz rohen Pferden beobachtet
zu haben.


Die Bewegungen eines Beines oder der diagonalen
Beine äussern auf den Rücken keinen Einfluss
; dess-
halb wird sich die Lage desselben in den schreitenden Gängen
nicht ändern.


Das Vorsetzen der beiden Vorderbeine hat eine
Senkung des Rückens nach vorwärts zur nothwendigen Folge.
Geschieht dies mit aufgerichtetem Halse, so wird eine Biegung
gleich hinter dem Widerrisse sichtbar.


Das Zurücksetzen der beiden Vorderbeine führt eine
Senkung der Vorhand und Aufwärtskrümmung des Rückens mit sich.


Das Erheben der Vorhand beim Steigen wird bei vorge-
streckten Beinen
meist ein Durchbiegen des Rückens, mit zurück-
gehaltenen Beinen
meist eine Aufwärtswölbung zur Folge haben.


Das Untersetzen beider Hinterbeine unter den Leib
wird eine Aufwölbung des Rückens veranlassen, woran die Lenden-
wirbel namentlich Theil nehmen; das Hintenherausstrecken
aber ein Abspannen.


Das Erheben der Hinterhand mit ausgestreck-
ten Beinen
, wie beim Schlagen, hat eine Abspannung, mit
[137]Von der Bearbeitung des Rückens.
untergezogenen Beinen wiederum eine Anspannung
zur Folge.


Vorder- und Hinterbeine unter den Leib gebracht
werden die grösste Anspannung, ausgestreckt die grösste Ab-
spannung geben.


Seitwärtsstellen der Vorder- oder Hinterbeine
hat eine Seitwärtskrümmung des Rückgrats zur Folge, welche wir
Rippenbiegung zu nennen pflegen. Es dürfte indess von einer Bie-
gung in den Rückenwirbeln wenig die Rede sein, weil diese eine
Annäherung der einzelnen Rippen an einander mit sich führen
würde, die aber durch das Brustbein, welches die wahren Rippen,
und durch die Knorpelverbindung, welche die falschen unter ein-
ander verbindet, unmöglich scheint. Es bleibt mithin die Rippen-
biegung nur eine Seitwärtskrümmung der Lendenwirbel und sollte
Lendenbiegung heissen. Pferde mit kurz und festverbundenen
Lendenwirbeln werden ungern Rippenbiegung geben; Pferde mit
loser verbundenen Lendenwirbeln werden es leichter vermögen.


Das regelmässig gebaute Pferd wird Anspannung und
Abspannung mit gleicher Leichtigkeit geben. Dagegen wird den
tiefrückigen Pferden die Anspannung, den hochrückigen die
Abspannung, und denen mit geraden aber sehr festen, kurzen Rük-
ken sowohl die eine wie die andere Bewegung schwer.


In den springenden Gängen wird diese Beweglichkeit des
Rückens nothwendig. Um sie vorzubereiten, übt man behufs der
Aufwärtswölbung des Rückens das vermehrte Untersetzen
der Hinterbeine
durch die abgekürzten Tempo’s des Schrittes
und des Trabes und durch die Paraden. Pferde mit angespanntem,
von Natur hohem Rücken bedürfen dieser Uebung nicht zum Auf-
wärtswölben des Rückens, woran es ihnen nicht fehlt, wohl aber
zur Biegung der Gelenke der Hinterhand, worüber später das Fer-
nere. Es ist bei schwachrückigen Pferden mit aller Vorsicht und
Schonung des Rückens durch den Sitz des Reiters zu Werke zu
gehen. Namentlich ist bei diesen Uebungen eine zu hohe Aufrich-
tung zu vermeiden, um so mehr, als die grössere Zahl der tiefrük-
kigen Pferde von Natur einen hohen Hals hat. Viele Reiter lassen
sich durch die Eitelkeit verleiten, diese Naturgabe noch immer
mehr in ein glänzendes Licht zu stellen. Einige Reiter glauben
aber schon dadurch im abgekürzten Tempo zu genügen, dass sie
[138]III. Abschnitt. Drittes Kapitel.
das Pferd kurz treten lassen, und achten nicht darauf, dass ein
Kurztreten sowohl durch verminderten Abschub, als durch das ver-
mehrte Unterbringen der Hinterhand herbeigeführt werden kann,
und nur bei letzterem das an Erhabenheit des Ganges gewonnen
wird, was an Räumigkeit verloren geht und so allein die beabsich-
tigte Wirkung hervorgerufen wird.


Will man pariren, soll ein Pferd aus dem Gange halten, oder
von einer stärkeren Gangart in eine kürzere übergehen, oder den
Gang mässigen, so wird nebst dem Aufhören oder Vermindern
des Abschubs eine Verlegung des Schwerpunktes nöthig, um dem
Schwunge, den der Körper durch den Gang nach vorwärts erhalten
hat, Einhalt zu thun. Es muss des Dranges nach vorwärts
Herr werden
. Kann es das nicht, so geht es durch — aus
Schwäche. Das Ueberwinden des Schwunges geschieht
nun entweder dadurch, dass das Thier
(vergleichbar dem
Knaben, der einen Handschlitten, mit dem er vom Berge kam,
aufhällt, indem er die Füsse vorstemmt) seine Vorderbeine
weit vorwärts der Last entgegensetzt
und so die Kraft
des Stosses an denselben brechen lässt (Parade auf der Vorhand),
oder es geschieht durch Verlegung des Schwerpunktes
und Aufnahme der ganzen Last auf die Hinterhand
,
indem das Pferd die Hintergliedmassen bis unter den Schwerpunkt
vorschiebt. Wenn die erste Parade nicht ohne eine gefährliche
Erschütterung der Vordergliedmassen geschehen kann, die auch
zugleich den Sitz des Reiters bedroht, so ist die letztere Art für
Reiter und Pferd gleich angenehm und sie zu erzielen, wird unsere
Aufgabe sein, zumal sie sofort die fernere Verfügung über das
Pferd gestattet, während jene das Thier ganz ausser Gleichgewicht
bringt und dessen Regelung Zeit bedarf.


Des Verstehens und Gehorchens des Zügelanzuges zum Halten
bedarf es immer als eines Zeichens, dass das Thier im Abschieben
nachlasse. Es gehört zur Parade auf der Hinterhand indess ein
künstliches Auffangen des Gewichts und zwar bedarf es:


  • 1) des Unterschiebens der Hinterbeine unter den Leib,
  • 2) des Verlegens des Schwerpunktes durch Zurückneigen des
    Leibes über die Beine hinweg nach rückwärts,
  • 3) des Biegens der Hinterbeine, wodurch die Erniedrigung
    der Hinterbeine vermehrt und so eine starke Senkung
    [139]Von der Bearbeitung des Rückens.
    des Rückens herbeigeführt, und die Last den Beinen zuge-
    führt wird.

Es ist häufig das Gefühl des Hintentieferwerdens für eine
Abwärtswölbung des Rückens angesehen, dagegen die Anstreifung
der Gelenke des Beins für ein Festhalten des Rückens, und des-
halb die Meinung fast allgemein geworden, dass bei der richtigen
Parade eine Hergabe-Abspannung des Rückens stattfinden müsste.
Die Hinterbeine können indess unmöglich weit unter den Leib ge-
schoben werden, ohne dass eine Aufwärtswölbung eintritt, und die-
jenigen Reiter, welche günstig einzuwirken glauben, wenn sie sich
rücküber werfen, ehe ihre Schenkel die Hinterbeine untergebracht
haben, täuschen sich sehr. Sie werden die Aufwärtswölbung und
damit das Unterbringen erschweren. Erst nach dem Schenkel muss
das Gewicht des Reiters wirken zur Verlegung des Schwerpunktes
mit dem Zügel gemeinschaftlich. Wenn das Pferd wie bei der
Pesade sich vorn frei vom Boden erhebt und seinen ganzen Leib
auf der Hinterhand balancirt, dann wird ein Durchbiegen des
Rückens eintreten, weil dann Vorder- und Hinterhand weit genug
auseinander sind.


Es wird aber das Thier bei der Parade und starken Gängen
des Schwunges nicht auf einmal Herr werden; es werden mehrere
Tritte oder Sprünge nöthig sein, denselben zu überwinden. Es
darf indess niemals ein völliges Zurückwogen der Last auf die
Vorhand stattfinden, wie das stets Folge der hinten herausste-
henden Hinterbeine ist, sondern bei jedem neuen Tritte oder Sprunge
muss etwas gewonnen werden. Geschieht dies nicht, so entsteht
eine zweite Art der unrichtigen Parade, und zwar meist dadurch,
dass die Hinterbeine freilich untergeschoben sind, sich aber nicht
biegen, um die Last aufzunehmen, sondern statt sich elastisch unter
dieselben zu senken, sie zurück auf die Vorhand werfen. Das Thier
stösst dann auf die Zügel und bringt den Reiter in Verlegenheit,
bis es, die Last bald vor- bald rückwärts wiegend, endlich zum
Stehen kommt.


Der Unterschied zwischen der halben und ganzen Parade
liegt darin, dass bei der halben Parade zwar das Gewicht auch
momentan auf die Hinterbeine geführt wird, diese aber zur Fort-
setzung des Ganges gleich wieder die nöthige Freiheit — das
Herauslassen aus der Biegung — erhalten müssen, welche nicht
[140]III. Abschnitt. Drittes Kapitel.
nur durch Nachlassen der Zügel, sondern hauptsächlich durch Vor-
gehen des Gewichts des Reiters zu bewirken ist. Wenn mithin
der Reiter bei der halben Parade gleichsam das Schwanken des
Gewichts zum Wiederanreiten benutzt, muss bei der ganzen Parade
Zügel und Reitergewicht so lange fortwirken, bis das Schwanken
aufgehört hat und Ruhe eingetreten ist.


Bei einem gut gerittenen Pferde kann man die Einwirkung
der drei Hauptfaktoren
sehr gut prüfen, indem man das
Thier im Stillestehen an die Zügel drückt. Bleibt die Hand in
ihrer Stellung, während der Schenkel in seiner Funktion fortfährt,
so wird der Hals sich enger zusammenstellen und die Hinterhand
untertreten. Die blosse Neigung des Reiters nach rückwärts bei
momentanem Nachlassen des Schenkeldruckes wird das Pferd zurück-
treten lassen. Das Anlegen des Schenkels wird alsdann ein Stehen,
das Andrücken des Schenkels und Vorneigung des Oberleibes
aber bei geringem Zügelnachlassen das Vortreten bewirken.


Wir werden im zweiten Theile auf die Art, die Aufwärts-
biegung
des Rückens im Galopp zu erzielen, näher eingehen.


Die Uebung im Abwärtsbiegen des Rückens ist bei Pfer-
den von kurzem und hohem Rücken nothwendig, aber doppelt
schwierig, wenn sie mit weichen Gelenkverbindungen der Hinter-
hand gepaart erscheint. Es ist namentlich eine hässliche Kombi-
nation, wenn der hohe Rücken mit unbiegsamen Hanken und Säbel-
beinigkeit auftritt. Pferde dieser Art werden sich in den Sprung-
gelenken fast immer ruiniren. Wie die kurzen versammelten Gänge
als Lectionen für die Aufwärtswölbung benutzt werden, so sind es
die weiten, welche zum Abwärtswölben, Abspannen des Rückens
dienen. Die [Hauptübung] wird indess der Galopp sein. Wenn es
die Stellung der Hinterbeine erlaubt, so wird bei diesen Pferden
im Stillehalten die häufige Annahme einer gestreckten Stellung
von Nutzen sein.


Wir haben bereits gesehen, wie der Begriff Rippenbiegung
mit dem Wortklange in geringer Uebereinstimmung steht. Es ist
die Ausbildung dieser Seitwärtskrümmung des Rückgrats höchst
wesentlich. Soll das Pferd in seinem Gange einen Kreisbogen
beschreiben, so ist zu einer geläufigen Ausführung nothwendig,
dass der Körper in der Art gebogen sei, dass er sich der Form
[141]Von der Bearbeitung des Rückens.
des Kreisbogens anschliesst. Je kleiner der Bogen sein soll, um
so stärker muss die Rippenbiegung sein.


Ein Abweichen der Hinterhand vom Hufschlagen der Vorhand
in der Volte, welche ohne die Rippenbiegung erfolgen muss, nennt
man Ausfallen der Kruppe, und hat ein Stocken des Ganges
zur Folge. Schlecht geschlossene Pferde werden zwar leichter
die Rippenbiegung hergeben können, sie werden aber ihrer Länge
wegen auf jedem Zirkel auch einer stärkeren Biegung bedürfen.
Gut geschlossene Pferde werden sich ungern biegen, und ist
namentlich bei ihnen die Uebung von Seitengängen von grösstem
Nutzen.


Während man in früherer Zeit sich allgemein der Lection
„Kopf herein und Kruppe heraus“ als Vorübung zu den Seiten-
gängen bediente, um die Thiere durch dieselben zum Schenkel-
weichen zu bringen, hat man in neuerer Zeit statt derselben häufig
nach Baucher’s Methode das Herumtreten der Hinterhand um die
Vorhand auf der Stelle in Anwendung gebracht, und dadurch den
Vortheil gewonnen, bei mittelmässigen Reitern die verderblichen
Zügeleinwirkungen zu vermeiden, und dem Pferde auf eine direkte
Art seinen Willen klar zu machen.


Wenn das Schenkelweichen auch dem Abbiegen vorangeht, so
müssen die eigentlichen Uebungen in den Rippenbiegungen durch
Seitengänge erst dann erfolgen, wenn der Hals und die Ganasche
so weit gebogen sind, dass die Zügeleinwirkungen sich der Hinter-
hand mittheilen, und ein gewaltsames Luftmachen gegen die Hand
unmöglich wird. Wir üben mithin zuerst die Seitengänge,
um ein Ausweichen der Kruppe bei der Halsarbeit
unmöglich zu machen, und werden in dieser Periode
von der Rippenbiegung Abstand nehmen und keine
Kopfbiegung geben können. Später aber üben wir die
Seitengänge, um die Rippenbiegung
etc. zu erzielen.


Die grosse Nützlichkeit der Seitengänge ist zu beiden
Zwecken unverkennbar, ihre falsche Verwendung indess
richtet in neuerer Zeit bei der Cavallerie vielen Scha-
den an
. Man sieht Mann und Pferd Viertelstunden lang in den
verkehrtesten Haltungen auf dem Zirkel im Trabe rechts und links
die Quere sich bewegen, ohne dass eine andere Hülfe, als das
Hangen im stellenden Zügel angewendet würde. Von Weichen
[142]III. Abschnitt. Drittes Kapitel.
des Schenkels, von richtiger Kopfstellung und Regulirung des
Schwerpunktes, wie Rippenbiegung ist nicht die Rede; ein Thier
läuft nachahmend hinter dem andern her, und Mann und Ross
suchen sich diese unnatürliche Stellung möglichst bequem einzu-
richten. Mit Ausnahme von „Schulter herein“ im Trabe, wird man
sich bei den meisten Pferden mit den Seitengängen im Schritt
begnügen können, und würde wohl thun, diese recht häufig durch
wieder Geradeausnehmen oder Uebergehen in einen anderen Seiten-
gang zu unterbrechen. Man wird dadurch Gefühl und Auf-
merksamkeit
der Pferde und Reiter auf die Hülfen steigern,
anstatt sie durch übermässiges Andauern der Lectionen abzustumpfen
und zu vernichten, und wird den Gehorsam der Pferde vor Schen-
kel und Zügel prüfen und befestigen.


Uebungen von Volten, mit dem Zirkel und der grossen Volte
beginnend, Uebung von kurzen Wendungen, Schlangenlinien und
Achten in allen Tempo’s des Trabes, dazu Seitengänge im Schritt,
aber mit Haltung und Präcision geritten, werden die nöthige Rip-
penbiegung hervorbringen, ohne die Thiere an falsche Kopfstellung
zu gewöhnen, und ohne ihre Beine durch die fallende Bewegung
beim Trabe im schlechtgerittenen Seitengange zu ruiniren.


Ein renommirter Reitkünstler, dessen Pferde den Winter über
sich fast nur in Seitengängen bewegten, dafür aber im Sommer
vor der Front auch nicht geradeaus und Tempo gehen wollten,
und der einem bekannten, höchst flott reitenden General seine
Noth klagte, erhielt zur Antwort: „Wie können Sie von dem
Thiere, das immer die Quere gehen muss, nun auf ein-
mal verlangen, dass es geradeaus gehe?


So geht es mit manchen Remonten, welche in der Bahn durch
die Macht der Gewohnheit gehend, ihre Besichtigung bestens be-
stehen. Draussen beim Exerciren in der Escadron, wo die rich-
tige Zusammenstellung, der frisch entwickelte Gang und der Ge-
horsam ihre Rolle spielen, zeigen sie, wie sehr gefehlt wurde.


Seitengänge reiten, zur Vervollkommnung des
Schenkelgefühls, zur Biegung der Rippen und Be-
freiung der Schulter ist nothwendig und nützlich, es
muss aber eine oder die andere Absicht, je nach der
Entwickelungsperiode, vorliegen
, und sie müssen so ge-
ritten werden, dass dieser Zweck erreicht wird. Aber Seitengänge
[143]Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.
reiten, damit das Thier die Quere geht, kann nur auf ganz kurze
Strecken zum Schliessen in Anwendung gebracht werden. Sie
dürfen nur Mittel zum Zwecke, nicht aber selbst
Zweck sein.


Viertes Kapitel.
Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.


Wir haben die Construktion und Thätigkeit der Hinterglied-
massen kennen gelernt, wie ihre abschiebenden und tragenden Funk-
tionen, und wissen wie an den letzteren alle Gelenke, indem sie
sich biegen, gleichmässig Theil nehmen müssen; ferner wie die An-
steifung eines Gelenkes eine Unregelmässigkeit im Bruche des
Stosses der Last hervorbringt, welche die Nachbargelenke be-
droht. Dessenungeachtet sind es doch besonders das Hüft- und
Kniegelenk, welche sich durch ihre starke Muskulatur und ihre
feste Construktion am meisten zur Aufnahme der Last eignen, die
aber eben desshalb am schwersten dafür zu gewinnen sind.


Die meisten Pferde, welche uns jetzt zu Händen kommen,
biegen sich leichter in den unteren, wie in den oberen Gelenken,
und es sind namentlich die Pferde von guter Race, welche bei kur-
zem, festen Rücken die oberen Gelenke ungern hergeben und da-
durch, in den unteren sich übermässig biegend, diese ruiniren.


Die Arbeit, diese tragend zu machen, sie zu biegen, nennt
man in der Reitersprache: die Hanke biegen. Es wird jedem,
der die älteren Autoren gelesen hat, aufgefallen sein, welchen hohen
Werth dieselben dieser Arbeit zuerkennen, welche Menge von Lec-
tionen sie vornahmen, die Hankenbiegung zu vervollkommnen und
wiederum, sie zu produciren. Dies mag theils daran liegen, dass
unsere Vorfahren, wie uns die Abbildungen in den Werken de la
Guernières, des Herzogs von Newcastle, wie die Bilder Wouver-
mann’s und Riedinger’s etc. zeigen, Pferde mit schwerer Vorhand
und langem Rücken ritten, welche einer höchst biegsamen Hanke
bedurften, wenn sie in Haltung kommen sollten, während unsere
[144]III. Abschnitt. Viertes Kapitel.
mehr veredelten Pferde durch biegsamere untere Gelenke und leichte
Vorhand von Haus aus mehr Haltung haben. Theils aber war bei
den Soldatenpferden der älteren Zeit die Anforderung an Schnel-
ligkeit
geringer, da bei der unvollkommenen Feuerwaffe es der-
selben weniger bedurfte. Der Anspruch auf Gewandtheit war
aber trotz der schweren Gebäude höher gestellt; weil der Reiter
häufig zum einzelnen Gefechte kam, und die Cavaliere ja selbst
oft ihre Duelle zu Pferde ausfochten. So war es z. B. nicht unge-
wöhnlich, dass beim Pistolenduell zu Pferde die von vorn kom-
mende Kugel durch eine Levade parirt wurde und man so den
Pferdekörper zum Schilde machte. So hatte man, abgesehen von
den vielen Carroussels, den Nachfolgern der Tourniere, bei denen
wohl meist wie bei den Festzügen Schulpferde benutzt wurden,
doch damals vielfache Ursache, von Gebrauchspferden eine bedeu-
tende Hankenbiegung zu verlangen, die bei uns in weniger hohem
Grade beansprucht wird. Der so geringe Werth, den man
heute dieser Arbeit zulegt, ist indess keineswegs ge-
rechtfertigt
, indem es der Vernachlässigung derselben haupt-
sächlich zuzuschreiben ist, dass man selbst Pferde, welche gut im
Halse gearbeitet sind, Hülfen verstehen und ihnen gehorchen, doch
so oft die Haltung in kurzen Paraden und Wendungen ver-
lieren sieht.


Die Halsarbeit und der Gehorsam vor dem einseitigen und
vortreibenden Schenkel sind nur die Hülfsmittel, um auf die Bie-
gung der Hinterhand einzuwirken; und ohne die Hankenbie-
gung erlangt zu haben, wird man ausser Stande sein,
sein Pferd zu tummeln
, und alle Augenblicke auf Momente des
Widerstrebens und aus dem Gleichgewichtkommens stossen, die
sich durch Vorwerfen im Halse, Stossen auf dem Gebiss etc. äus-
sern, aber nicht dort ihren Sitz haben, sondern lediglich Folgen
der mangelnden Biegung der Hinterhand und Anstrengungen sind,
durch welche das Thier sein verlorenes Gleichgewicht wieder her-
zustellen bemüht ist. Statt nun aber das Uebel an seiner Wurzel
zu erfassen, sehen wir die Wirkung für die Ursache an
und biegen und richten auf, quälen uns in Seitengängen etc. bis
wir die Thiere dumm oder stumpf machen, ohne zum Resultat zu
kommen. Wir gleichen einem Bauherrn, der, obgleich seine Bau-
stätte voll zugerichteten Materials liegt, und er bemüht ist, noch
[145]Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.
immer mehr herbeizuschaffen, gleichwohl nicht zum Bauen kommen
kann, und so noch immer das interimistische elende Haus bewohnt,
während er lange schon im Palast hausen könnte.


Wie oft sehen wir Pferde, die im Halse durchaus nicht kunst-
gerecht bearbeitet sind, die kürzesten und engsten [Wendungen] und
Paraden ausführen, blos weil ihnen die Natur eine biegsame
Hanke gab; und wiederum Pferde, die im Halse auf das sorgfäl-
tigste zusammengestellt und im guten Gehorsam gehalten waren,
dennoch bei jeder kurzen Wendung und Parade aus der Haltung
kommen, weil der Reiter diesen Theil der Ausarbeitung vernach-
lässigte! Ich möchte hier wieder die Schuld in die zu ausgedehnte
Uebung der Seitengänge setzen und in die Idee, dass sie es na-
mentlich seien, welche den Galopp vorbereiten, eine Idee, die man
festhält, obwohl bei den zum Seitengange gebogenen Pferden die
unmittelbare Wirkung des Anzuges auf die Hanke leicht verloren
geht, und es wenige unter unseren Soldaten giebt, welche im Stande
wären, diese Seitengänge mit genügend untergescho-
bener Hinterhand und einiger Hankenbiegung
zu
exekutiren.


Ferner scheint mir der Nutzen, den das abgekürzte Trabtempo
geben soll, vernachlässigt. Statt dahin zu wirken, dass die Ver-
kürzung des Tempos dadurch hervorgebracht wird, dass die weit
unter den Leib geschobenen Hinterbeine, wenn auch kräftigst
abstossend
und schwingend, eben weil sie nicht weit hinter
die Vertikale kommen können, ihre Kraft mehr vertikal als horizontal
äussern: begnügt man sich mit einem abgekürzten Tempo, das
durch geringere Kraftanstrengung des Thieres im För-
derungsgeschäft
entsteht, mit jenem ledernen, schleichenden,
todten Gange, der jeden Kenner zur Verzweiflung bringen muss
und das schönste Thier zu einem steilen ungebogenen Bock ver-
unstaltet, in dem Reiter aber durch seine ermüdende Langeweile
die brausende Lust, die ihn charakterisiren soll, tödtet.


Je länger ein Pferd ist, um so mehr muss es geübt werden
die Beine untersetzen und biegen zu lernen, weil eben seine Länge
der weiter untergeschobenen Stütze bedarf. Ohne dass das Pferd
auf den Schenkeldruck des Reiters lebhaft vortritt, ist das Unter-
bringen der Hinterbeine unmöglich. Das gleichzeitige engere Zusam-
menstellen des Halses und die dadurch bewirkte Rückführung der
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. I. Th. 10
[146]III. Abschnitt. Viertes Kapitel.
Last des Pferdes auf die Hinterhand und das Einwirken der Last
des Reiters sind hier allein im Stande, eine derartige Biegung her-
vorzubringen, wobei allerdings die Schenkel ein Ausweichen der
Kruppe verhindern müssen. Durch das Unterschieben der Hinter-
hand werden die Winkel des Hüft- und Kniegelenks namentlich
bedeutend verengt und so geneigt gemacht, die Last aufnehmend,
sich noch mehr zu biegen.


Die richtige Vollführung des kurzen Trabes, namentlich auf
der geraden Linie ohne Kopfstellung ist die wichtigste Lection für
die Hankenbiegung. Sie muss jedoch häufig mit frischem Mittel-
trabe wechseln.


Hier schliessen sich die halben und ganzen Paraden an, und
endlich wird die Uebung im Zurücktreten vorzunehmen sein.
Ein richtiger kurzer Galopp wird diese Ausbildung vollenden. Man
unterscheide davon wohl den eingeschläferten Galopp, den
man so viele Pferde als Folge langgewohnter Einübung auf dem
Zirkel vollführen sieht. Dieser Galopp ist der Bruder des oben
beschriebenen Trabes im abgekürzten Tempo. Das Thier ist so
lange auf dem Zirkel herumgeritten, bis es sich eine Stellung auf-
gefunden hat, in der es bei schlaffem Abschub mit todtem
Maule, ohne Biegung, von der Faust des Reiters getragen, mit der
gewünschten Langsamkeit herumhüpft. Jedes Tempo ausser dem
so gelernten bringt es völlig aus dem Gleichgewicht und der Fas-
sung, der Exerzirgalopp auf der Haide zum Durchgehen.


Es ist nicht zu läugnen, dass es hin und wieder Pferde giebt,
deren Gebäude so durch und durch mangelhaft und schwach ist,
dass eine derartige Vereinbarung der einzige Weg ist, sie für den
Dienst nur einigermassen brauchbar zu machen. Es sind indessen
nur sehr wenige Ausnahmsfälle. Die bei weitem grössere Mehr-
zahl der Pferde, die ihre ganze Dienstzeit über todt und ledern
bleiben, hätten bei richtiger Dressur und namentlich bei erlangter
Hankenbiegung leicht und gefügig werden können.


Die grösste Schwierigkeit macht die Hankenbiegung bei den
Pferden, welche durch ungünstigen Bau der oberen Gelenke, steile
Winkel in Zusammenfügung von Becken, Backbein und Schenkel-
bein, bei weicher Stellung im Sprunggelenk, sich stets nur in die-
sem so leicht verletzbaren Gelenke biegen, während sie die oberen
festhalten. Es ist bei ihnen selten, dass das Sprunggelenk und
[147]Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.
die Fessel nicht ruinirt wird. Bei ihnen ist namentlich durch ein
sehr weites Untertreiben der Hinterhand bei möglichst geringer
Belastung derselben die grössere Zusammenfügung zu erzielen.


Pferde, welche mit angespanntem Rücken gehen, sind ebenfalls
mehr geneigt, sich im Sprunggelenke, als in die Hanken zu biegen.
Man hüte sich wohl, diese Biegung anzunehmen; sorge erst für
die Abspannung des Rückens, ehe man durch Paraden etc. sich
mit Biegsammachen der Hinterhand speziell beschäftigt.


Kombiniren sich die 2 letztgenannten Fälle, tritt vielleicht,
wie bei manchem Racekrüppel, noch ein langer, dünner Wackelhals
hinzu, so hat häufig das grösste Geschick und die musterhafteste
Geduld zu keinem günstigen Resultate führen wollen.


Schliesslich erlaube ich mir die Bemerkung, dass es sehr nütz-
lich ist, das Biegen der Hinterhand auf der Stelle zu üben. Man
beginnt damit, die Hinterbeine untertreten zu lassen, wie zum Zurück-
treten, dann aber statt durch Ueberwiegen der Zügelhülfe ein
Zurücktreten zu veranlassen, mit gleichstarken Zügel- und Schenkel-
hülfen fortzufahren, die Versammlung zu erhöhen, wobei das Kör-
pergewicht die vermehrte Hankenbiegung fordert, bis eine Nei-
gung zum Heben der Vorhand und ein Suchen des Gleichgewichts
auf die Hinterfüsse erfolgt. Dies Heben der Vorhand kann nur
sehr mässig sein, weil die weit untergeschobenen Hinterbeine, wie
wir bereits sahen, nur eine sehr geringe Erhebung beanspruchen.


Entwickelung der fördernden Thätigkeit der Hinterhand.

Wir haben gesehen, dass die tragende und fördernde Thätig-
keit der Hinterhand in so fern mit einander in Widerspruch stehen,
als die höchste Entwickelung der einen mit der höchsten Entwik-
kelung der andern sich nicht vollkommen vereinen lässt, indem die
ganze Körperhaltung, welche durch die Uebung dem Thiere zur
andern Natur wird, stets die eine zum Nachtheile der andern be-
günstigen muss. Beim Schulpferde, bei dem es niemals darauf
ankommt, einen bestimmten Raum in einer gewissen Zeit zurück-
zulegen, wird von der horizontalen Förderung der Last nicht viel
die Rede sein; eben so wenig wird man vom Rennpferde eine
Haltung auf der Hinterhand verlangen. Der Abschwung bei den
Sprüngen des Schulpferdes soll nicht minder kräftig sein, wie beim
Rennpferde; aber er wirkt aufwärts, indem er von Füssen gegeben
10*
[148]III. Abschnitt. Viertes Kapitel.
wird, die von der Vertikalen nur wenig abweichen, wogegen der
Abschwung des Rennpferdes bei weit hinter der Vertikalen stehen-
den Füssen in sehr horizontaler Richtung wirkt. Die hohe Auf-
richtung des ersten wird der grossen Streckung hinderlich sein,
wie der vorhangende Hals des Rennpferdes der engen Versammlung.


Beim Campagnepferde, bei dem ich neben der Gewandt-
heit
, welche ohne Haltung auf der Hinterhand nicht zu erzielen
ist, dagegen auch der Räumigkeit bedarf, wird es ein grober
Fehler sein, lediglich die Tragfertigkeit der Hinterhand und nicht
die fördernde Kraft derselben auszubilden.


Wenn wir wiederum Abschub und Abschwung unterscheiden,
so würde die erstere Eigenschaft nur im Schritt ohne die zweite
vorgefunden werden. Im Schritt würde sie mithin geübt werden
müssen. Das Zackeln der Pferde und demnächst der übereilte
Schritt sind diejenigen Gänge, welche durch das Nichtausharren
der Hinterbeine hinter der Vertikalen entstehen. Es liegt ihnen
allemal ein Verhalten zu Grunde, eine nicht genügende Neigung
des Rumpfes in den Gang, durch welche der Körper nicht weit
genug über die stützenden Beine hinweggeht, und so die kurzen,
raschen Tritte der Hinterhand zur Folge haben muss. Der umge-
kehrte Fehler — die zu grosse Neigung des Rumpfes in den Gang —
zeigt sich durch zu weites Nachtreten der Hinterhand und Auf-
lümmeln auf die Hand, um auf derselben eine Stütze zu finden,
ohne die das Thier fortstürzen würde. Eine zu gewaltsame Ein-
wirkung durch das Gebiss, eine verfrühte und zu enge Zusammen-
stellung des Halses tragen oft beim ersten Anreiten die Schuld
jenes Verhaltens, das sich durch mangelnde Anlehnung an die Hand
fühlbar macht. Oft ist aber auch eine zu biegsame, weiche Hinter-
hand Schuld, die der Reiter Anfangs durch zu starke Belastung
der abschiebenden Kraft beraubte. Endlich liegt dies Verhalten oft
in dem Anspannen des Rückens. Vorwärtsreiten in starken Gän-
gen wird den Rücken abspannen, das Pferd an den Zügel treten
lassen und zum Schrittgehn bringen. Alle halben Paraden und
versammelnden Hülfen sind beim Zackeln, woraus es auch immer
entspringen mag, fehlerhaft.


Bei Uebung des Trabes haben wir nicht nur den Abschub,
sondern auch den Abschwung ins Auge zu fassen. Der Abschwung
kann und muss kräftig sein, sowohl im kurzen, wie im gedehnten
[149]Von der Bearbeitung der Hintergliedmassen.
Trabe. Das schlaffe Tempo im abgekürzten Trabe, das man so
häufig auf dem Zirkel reiten sieht, untergräbt die Energie des
Abschubs. Hält man durch Anfeuern des Pferdes darauf, dass es
in jeder Art des Trabes kräftig abschwingt, und gönnt man durch
den Schritt in angemessenen Reprisen dem Thiere wieder Ruhe,
so wird man die Muskeln kräftigen und den Abschwung immer
mehr und mehr vervollkommnen.


Das lange Ausharren der Hinterbeine hinter der Vertikalen
wird auch im Trabe eine Sache der Uebung sein müssen. Wie
im Schritt ist eine vorzeitige zu enge Zusammenstellung des Halses
zu vermeiden, auf die ruhige Hergabe des Rückens zu achten und
dem Pferde eine stärkere Anlehnung auf das Gebiss zu gestatten.


Es ist hier oft schwierig, die richtige Vertheilung der Last
für den Reiter zu finden, indem bei Pferden, welche zur Rücken-
anspannung vermöge eines kurzen festen Rückens geneigt sind, die
Belastung des Rückens zwar die Hergabe desselben befördert, und
so das Ausharren hinter der Vertikalen begünstigt, indess den Ab-
schwung beeinträchtigt. Im Beginne der Dressur scheint mir die
Hergabe des Rückens das zuerst Nothwendige und erst dann, wenn
diese gesichert, die Befreiung der Hinterhand durch eine grössere
Vorneigung des Reiters an ihrer Stelle. Bei Pferden von schwachem
und langem Rücken würde diese Vorneigung beim stärkeren Trabe
und den Uebungen im gedehnten Schritt stets an ihrem Orte sein.


Im Galopp hüte man sich, bei verhaltenen Pferden den kurzen
Galopp zu frühzeitig anzunehmen, und übe ihn dann erst, wenn
das Thier den Rücken und einen längeren Sprung mit guter An-
lehnung hergiebt und so zeigt, dass es lange genug hinter der
Vertikalen ausharrt. Wenn diese Pferde sich beim Eingehen aus
dem kürzeren in den stärkeren Trab vom Zügel losmachen und
mit angespanntem Rücken in einen kurzen Galopp setzen, und da-
durch ihre Abneigung zum Ausharren zu erkennen geben, so setze
man sie niemals in den Schritt, sondern verstärke den Galopp bis
zum Herantreten an die Hand, und führe sie alsdann erst in den
Trab zurück. Pferde von ganz schwachem Rücken zeigen gleich-
falls häufig eine Abneigung zur vermehrten Dehnung desselben,
welche mit dem stärkeren Galopp verbunden ist, indem sie die
Einwirkung der Last fürchten. Bei ihnen muss der Reiter seine
[150]III. Abschnitt. Viertes Kapitel.
Last durch Vorneigen vermindern (während er im vorigen Fall
in einer ruhigen Belastung verharrt) und höchst vorsichtig zu
Werke gehen.


Man hüte sich ferner, die verhaltenen Pferde, die keinen
Schritt und geräumigen Trab haben, als gebessert anzusehen, wenn
sie mit der Mehrzahl der Pferde im Schritt und Trabe mitkom-
men. Es fragt sich hauptsächlich, wodurch sie an Geschwindigkeit
in diesen Gängen gewonnen haben. Ist es ein Resultat der ver-
mehrten Geschwindigkeit
, und nicht der grösseren Weite
des Trittes, so ist nichts gewonnen. Sind aber gar die Gänge,
was meist der Fall ist, unrein, so begnüge man sich ja nicht mit
dem Resultate. Es wird bald das Thier zu Schanden machen.
Ohne Gleichzeitigkeit in den Funktionen der Vor- und Hinterhand
ist jeder Trabtritt falsch, ohne Innehaltung der 4 Zeiten — jeder
Schritt.


Die Karrière wird sehr viel zur Ausbildung der fördernden
Kraft beitragen. Da bei den stärkeren Gängen der Schwerpunkt
des Pferdes mehr nach vorn geneigt ist; oder mit anderen Worten,
da sie eine vermehrte Neigung des Rumpfes in den Gang nöthig
machen, damit das Körpergewicht die Geschwindigkeit vermehren
hilft und damit die Hinterbeine, von der Last befreit, um so stär-
ker schieben und schwingen können, so muss das Pferd in denselben
stärker an die Hand des Reiters gehen.


Die Karrière verlangt mithin die stärkere Anlehnung, nächst
ihr der starke Galopp und der gestreckte Trab. Ein Nachgeben
der Hand des Reiters in diesen Gängen darf nur so weit erfolgen,
als es die weniger enge Zusammenstellung des Halses bedingt.


Dies Nachgeben wird mithin nur beim Eingehen in den Gang
erfolgen dürfen. Es würde indess vollkommen verkehrt sein, dem
Thiere eine volkommene Zügelfreiheit zu geben. Die Hand darf
nicht mehr nachgeben, als die allmälige Dehnung des Halses ver-
langt, und die bestimmte Anlehnung in keinem Moment unter-
brochen werden. Das plötzliche Nachgeben der Zügel, verbunden
mit einem Vorfallen des Reiters, wird oft einen plötzlichen Still-
stand des Thieres, statt der erwarteten Schnelligkeit hervorrufen,
indem das Thier plötzlich nach vorwärts aus dem Gleichgewicht
gebracht, nur dadurch vor dem Sturz sich zu retten weiss, dass es
die Vorderbeine vor die Last bringend, auf die Blätter parirt. Die
[151]Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.
Faust des Reiters muss in den starken Gängen dem Pferde eine
Stütze gewähren, ohne welche ein dreistes Fortgehen in denselben
unmöglich wird. Endlich muss der Reiter durch sein Körper-
gewicht die fördernde Thätigkeit der Hinterhand begünstigen.


Fünftes Kapitel.
Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.


Wenn die Vorderbeine auch mehr zum Stützen als zum Schie-
ben und Schwingen bestimmt scheinen, und sie gegen die Hinter-
hand, namentlich in Bezug auf die letztere Funktion sehr im Nach-
theil stehen, indem sie die Last nie los werden, und diese
den freien Abschwung nur in geringem Masse aufkommen lässt,
so müssen wir, ausser auf die Entwickelung der Schulter
nach vorwärts zur stützenden Thätigkeit, doch auch
darauf bedacht sein, ihre fördernde zu cultiviren
.
Endlich aber wird es nöthig, das Thier zu lehren, durch leichtes
und schnelles Seitwärtstreten sein nach der Seite hin verlo-
renes Gleichgewicht wieder herzustellen.


Alle Uebungen in diesen Bewegungen nennen wir in der Reiter-
sprache: die Schulter entbinden, und ein Pferd, welches durch
dieselben die nöthige Leichtigkeit darin erlangt hat, schulterfrei.


Da indess die freie Bewegung der Schulter nicht nur von der
Belastung der Vorhand durch den Hals abhängt, und selbst die
Muskelstellung beim aufgerichteten Pferde vortheilhafter auf die
Bewegung der Schulter einwirkt; da die Lage des Rückens wie-
derum auf die Belastung der Vorhand influirt; ferner alle Funk-
tionen der Hinterhand, namentlich die Hankenbiegung, die Action
der Schulter begünstigen oder beeinträchtigen; endlich aber die
Seitenlectionen zur Cultivirung der Schulterfreiheit die Hauptmittel
abgeben: so wird erst dann von einer eigentlichen und spe-
ziellen Bearbeitung der Schulter die Rede sein können,
wenn ich mit Bearbeitung des übrigen Körpers fertig
bin
, obschon durch die ganze Dressur eine fortwährende Berück-
[152]III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.
sichtigung derselben hindurchgehen und alles vermieden werden
muss, was ihre natürliche Freiheit beeinträchtigen könnte. Es ist
mir desshalb unerklärlich, dass so viele Reiter mit
dieser Arbeit fast beginnen wollen
.


1. Entbindung der Schulter nach vorwärts. Die
Sicherheit des Pferdes hängt hauptsächlich von dem Vermögen
ab, das Vorderbein so weit vorzusetzen, dass es die sich vorwärts
bewegende Last stützt, und von dem genügenden Heben des
Beines auf seinem Wege von hinten nach vorn. Dem Pferde das
weite und erhabene Vortreten zu lehren, die heraufziehenden Mus-
keln der Schulter und des Oberarms zu üben, hat man hauptsäch-
lich die Seitengänge in Anwendung gebracht. Der Marquis von
Newcastle, von dem schon vielfach die Rede war, ist auch der-
jenige, welcher die Lection „Schulter herein“ zuerst in Anwen-
dung brachte.


Es ist ausser allem Zweifel, dass die richtige Anwendung
der Seitengänge
die Thätigkeit der Vorderbeine ausserordent-
lich vermehrt. Beim Schulterherein ist das Pferd genöthigt, mit
dem inwendigen Vorderfusse weit und erhaben über den auswen-
digen hinweg zu schreiten, und übt sich dadurch in der freien und
weiten Erhebung, wogegen der auswendige genöthigt ist, dauernd
die Last zu stützen. Hiebei kommt es wiederum darauf an, dass
der Reiter mit seiner Last den inwendigen Vorderfuss schont und
den auswendigen beladet, vor allem aber nicht duldet, dass das
Thier mit den Vorderbeinen weit unter den Leib ar-
beitet
. Steht der auswendige Vorderfuss weit unter dem Leibe,
so bedarf der inwendige keiner hohen und weit nach vorwärts
führenden Bewegung, um über ihn hinweg zu schreiten, und von
einer Entbindung der Schulter wie von einer Ausbildung der
heraufziehenden Muskeln der Schultern und des Oberarms ist
nicht die Rede.


Es wird dies Untersichtreten aber auch ein Zeichen von
schlechter Gewichtsvertheilung von Reiter und Pferd sein, und
der Seitengang im Trabe, in dieser Art geritten, ist ein
sicherer Ruin der Beine.


Ist bei Schulter herein im Trabe der Reiter geschickt genug,
den Abschwung zu entwickeln, so wird diese Lection von der
grössten Wirkung sein. Es ist nur zu bedauern, dass die Mittel
[153]Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.
so weniger Reiter zu deren guter Ausübung ausreichen, und die-
selbe in ein schonungsloses Seitwärtsfallen der Pferde mit unter
dem Leibe arbeitenden Vorderbeinen und verdrehtem Halse aus-
artet, welches, statt die Schulter zu erleichtern, bei der Schwierig-
keit die Hinterhand gehörig untergebogen zu erhalten, die Schulter
belastet. Bei der Cavallerie scheint mir die Entbindung der
Schulter durch diese Lection mehr Schaden als Nutzen zu bringen,
und zur Entbindung der Schulter scheinen mir die Trabübungen
um so ausreichender, als die Mehrzahl der Remonten schon
von Haus aus einen genügenden Gang zeigt, und nur selten ein
Thier mit beladenen und gebundenen Schultern geliefert wird, bei
dem jene Arbeit unerlässlich ist. Zu diesen Wenigen wird man
gewiss hinreichend gewandte Reiter haben, und bei ihnen Schulter-
herein im Trabe — ausnahmsweise — in Anwendung brin-
gen können.


2. Die Uebung des Ausharrens hinter der Vertikalen ist be-
sonders bei solchen Pferden zu berücksichtigen, welche sich im
Gange übereilen, im Schritt zu zackeln und im Trabe zu haspeln
pflegen. Es ist hievon schon bei der Ausbildung der Hinterhand
die Rede gewesen. Es muss vor allem darauf gesehen werden,
dass diese Thiere an die Zügel kommen, und müssen alle diejenigen
Gangarten, welche den noch unbeseitigten Zwang in zu erhöhtem
Grade fühlbar machen, so lange gänzlich vermieden werden, bis
dieser Zwang durch vorsichtige Arbeit beseitigt ist.


Der Nichtkenner wird stets geneigt sein, die Räu-
migkeit des Ganges nach der Action der Vorderbeine
zu beurtheilen
, und es sind auch Kenner geneigt, dieses Ur-
theils wegen mehr Rücksicht auf einen hohen und schwebenden
Vortritt zu nehmen, als er verdient. Sie bemühen sich von Anfang
an, ihn hervorzurufen, selbst wenn er mit einer unrichtigen Anleh-
nung und einer krampfhaften Muskelanspannung erfolgt. Dieses
sogenannte Trittherausreiten ist ganz gut für den
Pferdehandel, indess schlecht für die Dressur
. Nament-
lich ist es der sogenannte stehende Tritt, welcher auf eine
schädliche Art befördert zu werden pflegt. Es ist derjenige Tritt,
welcher mit steifen Knien ausgeführt wird, und bei dem das Bein
einen Moment der Ruhe in der Luft zu haben scheint. Dieser
Moment der Ruhe, des Schwebens in der Luft entsteht aber dadurch,
[154]III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.
dass das Bein weiter zeigt, als der Nachschub den Pferdekörper
bringt, und mithin das Bein, statt vorwärts zur Erde zu treten,
zurückgezogen werden muss. Daher die Erscheinung, dass dieser
Tritt, bei dem das Pferd zu fliegen scheint, so wenig räumt.
Wenn nun der Reiter, statt durch weiteres Vorlegen des Schwer-
punktes und durch Erleichterung der abschwingenden Hinterhand
den Schwung zu vermehren, denselben durch eine höhere Ver-
sammlung noch vermindert und erstickt, so wird die Action immer
noch erhabener und schwebender, aber auch noch weniger räumend
werden, und die Hinterhand endlich erliegen. Man suche ja
keinen Ruhm in dem, was Nichtkenner schön nennen
,
und suche diesen falschen Tritt zu unterdrücken, indem man den
Abschub befördert.


Andere Reiter sieht man lange Thiere, welche wegen grosser
Belastung der Vorhand das Bein unter dem Leibe nicht vorbringen
können, weil die Last den Abschwung der Vorderbeine tödtet,
fortwährende Uebungen im langen Trabe vornehmen, um diesen so
durch Uebung zu erlangen. Einige leidliche, schwunghafte Tritte,
welche in dem Moment möglich werden, wenn der Reiter den
Kopf und Hals auf seiner Faust trägt und so die Vorhand für
den Augenblick erleichtert hat, lassen ihn glauben, dass er auf
dem rechten Wege sei, und er fährt fort so lange im starken
Trabe das Pferd auf den Kopf zu reiten, bis die krummen und
zitternden Vorderbeine ihm die Resultate seines Verfahrens klar
machen. Ist der Körper so zusammengestellt, dass der überhan-
gende Hals sich selbst tragen gelernt hat und nicht mehr vorn
übersinkend, die freie Schulterbewegung hemmt, so wird das Thier
traben und die Vorderbeine heben lernen, wenn auch mit etwas
schnelleren Tritten, und das Eisengreifen, welches durch das Un-
vermögen, das Bein schnell genug unter so grosser Last zu erhe-
ben, entsteht, wird von selbst aufhören.


Eben so ist, wie wir gesehen, dem angespannten Rücken der
Widerwille gegen Dehnung der Beine sowohl vorwärts, wie rück-
wärts eigen. Bei ihm ist freies Auseinanderreiten und eine Uebung
des starken Tempos in langen Reprisen an seiner Stelle, und wird
alsdann mit der Hergabe des Rückens, wenn er erst durch alon-
girten Galopp gewonnen, der lange Trab sich von selbst ent-
wickeln.


[155]Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.

Es scheint hier am Orte zu sein, ein Wort über den starken
Trab
einzuflechten. Es wird von vielen Reitern die Ausbildung
eines sehr starken Trabes als ein Gegenstand der Renom-
mage
angesehen, und sie suchen diese Eigenschaft ihres Pferdes
bei jeder Gelegenheit geltend zu machen. So angenehm es auch
ist, im ruhigen Trabe bleiben zu können, wenn alles umher galop-
pirt, so muss man sich doch klar sein, dass dieser starke Trab
das Pferd bedeutend angreift. Das Pferd muss im Trabe den
Körper mit einem Hinterbeine abschwingen, während es denselben
im Galopp mit beiden weiter fördert. Denn die Zuhülfnahme
des correspondirenden Vorderbeins hat, wie vorhin gesagt, wenig
zu bedeuten. Im Galopp wird von den Vorderbeinen Aehnliches
geleistet. Es ist aber ferner der Stoss beim Niederfall des Reiters, der
den Athemzug des Pferdes unterbricht, während derselbe im Galopp
nach dem Sprunge sich regelt. Beim Englischtraben ist dies
allerdings weniger der Fall, doch hat dieses Heben und Senken des
Körpers auf die Dauer den Nachtheil, dass das Pferd ungleich-
mässig tritt, und dadurch dauernd ein Bein mehr als das andere
gebraucht und verbraucht. Es wird mithin der starke Trab sowohl
Muskeln als Athem mehr angreifen, als ein gleichräumiger Galopp,
wie man sich leicht durch Abreiten von bestimmten Distanzen
überzeugen kann; wobei allerdings zu berücksichtigen ist, dass das
Thier im Galopp eine ruhige Haltung haben muss, nicht mehr
stürmt etc. Eine andere Manie, welche den Bahnreitern namentlich
anklebt, ist die Erzielung eines überaus kurzen Galopps. Das
derselbe zur Regelung des Ganges, zur Erlangung einer sicheren
Haltung in kurzen Wendungen etc. nothwendig ist, bedarf keiner
Auseinandersetzung; aber man betrachte ihn nur als ein Mittel
zum Zweck
, nicht aber als den Zweck selbst; namentlich als ein
Mittel, um einen geräumigen Galopp in guter Haltung zu erlangen,
und glaube nicht die Ausbildung im Galopp eher voll-
endet, als bis diese schöne Gangart erzielt ist
. Die Bahn
ist allerdings nicht der Ort dafür. Man übe ihn mit den Pferden,
ehe sie in die Escadron eingestellt werden auf freiem Felde, und
halte fest an die 500 Schritt in der Minute, die das Reglement
vorschreibt. Wenn die Pferde sich in diesem Tempo mit
guter, leichter Anlehnung halten, ohne dass ein Trei-
ben, oder alle Augenblick ein Sammeln nöthig wird,

[156]III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.
so hat man besser dressirt, als wenn man auf der Stelle
zu galoppiren vermag.


Eben so fehlerhaft ist es, dass man die Carrière nicht zu
einem Gegenstand besonderer Uebung macht. Sie kommt
beim Cavalleristen ja alle Tage vor. Es heisst immer: „Laufen
werden sie schon.
“ Aber wie laufen sie, und wie ist es mit
dem Halten, von dem wir ja noch immer aus der Carrière bei
den Exerzir-Uebungen nicht ablassen können! Ganz abgesehen
davon, dass der Lauf für viele Pferde eine treffende Lection in
Hergabe des Rückens und Beförderung des Abschubs, und es nicht
leicht ist, in einer richtigen Art das Thier zur Hergabe seiner
vollen Geschwindigkeit zu veranlassen; wie häufig kommen nicht
beim Laufenlassen neue Mängel der Dressur zum Vorschein, die
zu bessern in der Exerzirzeit nicht mehr wohl angeht. Der Re-
monten dressirende Offizier habe stets den Dienst des
Thieres im Gliede vor Augen, und hüte sich vor allem,
es durch andauernde Lectionen träumerisch einzu-
lullen.
Der Lärm des Exerzirens, Attaquen und Schiessen weckt
sie doch endlich auf, und dort ist keine Zeit mit dem Pferde zu
kämpfen. Der Kampf muss vorüber sein, und das Thier trotz
des Temperaments gehorchen gelernt haben.


Nachdem wir nun die Bearbeitung der einzelnen Theile vor-
genommen, so sei hiebei schliesslich noch einmal erwähnt, dass
man bei allen Uebungen darauf zu halten hat, dass man den
Gang des Pferdes nie stört
und ihn stets als einen Regulator
für die Arbeiten ansehen muss. Sobald man durch Einwirken auf
einen oder den andern Theil des Pferdes ein Durcheinander-
gehen,
eine Taktlosigkeit des Ganges hervorbringt, ist man mit
der Anwendung einer Art der Hülfen zu weit vorgegangen und
muss eine Ausgleichung hervorbringen. Achtet man nicht hierauf,
so wird man den Gang leicht für immer verderben, indem jede
Regellosigkeit in der naturgemässen Bewegung eine
vermehrte tragende oder fördernde Thätigkeit eines
Theiles bedingt, diesen aber auch stärker angreift
und mit der Zeit verdirbt.
Es ist nicht blos die Macht der
Gewohnheit, die den Antritt oder den übereilten Gang her-
vorbringt, es ist mit der Zeit die Schwächung von Muskeln
und Sehnen,
die ihn unverbesserlich macht. Das Zusammen-
[157]Von der Bearbeitung der Vordergliedmassen.
fallen der Funktionen der correspondirenden Vorder- und Hinter-
beine im Trabe, die taktmässigen 4 Tempos im Schritte dürfen
nie gestört werden, ohne dass der Reiter den Grund dieser
Störung aufsucht
und bessert.


3. Die Entbindung der Schulter seitwärts wird
durch die Seitengänge erreicht und ist namentlich das häufige
Wechseln derselben zu empfehlen. Demnächst aber sind die raschen
Wendungen im Trabe und Galopp sorgfältig zu üben, wozu gleich-
falls die Uebungen im Contregalopp gezählt werden müssen, indem
das blosse Eckennehmen im Contregalopp schon eine schwierige
Uebung ausmacht, da hier nicht das vorgreifende, sondern das
zurückstehende Bein, das ja namentlich die Vorhand trägt, die
Wendung ausführen muss. Wie sehr bei diesen Uebungen das
Körpergewicht des Reiters mitwirkt, wird Jeder erfahren haben,
wer sie je benutzte. Wie sie Herr von Hochstetter zu Wege
gebracht hat, ist mir unerklärlich.


Nicht alle Pferde der Cavallerie werden sich zu einer weiteren
Ausbildung — zum Tummeln — eignen. Man wähle sie aus
und mache aus den besseren solche Pferde, worauf angehende
Remontereiter ein richtiges Gefühl für die Zusam-
menstellung bekommen können, die anderen aber zu
brauchbaren Gliederpferden.
Wenn man bei den ersteren
die Anforderung an Biegsamkeit und Nachgiebigkeit wohl kaum
hoch genug spannen kann, weil sie die Lehrmeister der Mann-
schaften werden sollen, so kann man meines Erachtens mit unre-
gelmässigen Gebäuden nicht schonend genug verfahren. Sind sie
so zusammengestellt, dass sie, ihre Gliedmassen conservirend, den
Anforderungen der taktischen Bewegungen genügen, so befriedige
man sich damit, störe nicht durch engere Zusammenstellung, als
ihr Bau erträgt, ihren Gang, bringe sie nicht des Bahngalopps
wegen hinter die Hand und habe stets die Tempos von 300 Schritt
im Trabe und 500 im Galopp vor Augen, den Marsch und das
Exerziren, nicht aber die Bahn und die Frühjahrsbesichtigung.
Es wird gewiss jeder Vorgesetzte lieber sehen, dass der Galopp
einer Abtheilung der ersten Klasse weniger kurz und versammelt
ist, ein oder zwei Pferde der vorletzten Remonte sich weniger
vollkommen produziren, als dass die schlecht gebauten Pferde der
Escadron vom Exerziren zurückbleiben, weil sie die Tempos nicht
[158]III. Abschnitt. Fünftes Kapitel.
halten können, und wohl hinterm Zügel einen kurzen Galopp machen
lernten, aber nicht die Beine brauchen. Die Zahl derjenigen Pferde,
die den Anforderungen, welche die Bahnreiterei und die Evolou-
tionen stellen, nicht gleichzeitig genügen können, wird, Dank un-
serm Remontirungswesen! allerdings nur gering sein, aber auch an
diesen unangenehmen Geschöpfen sollte man sich nicht versündigen
und sie nicht einem falschen Ehrgeize, der Alles möglich
machen will,
opfern.


Es hat sich schon vieles in dieser Beziehung gebessert. Die
Zeiten, wo der Galopp in der Front kürzer war wie der Trab, sind
vorüber und mit dem festen Beharren auf den Galopp zu 500 Schritt
seiten der Vorgesetzten, ist bereits eine bessere Dressur eingetreten.
Man hat doch mehr Achtung für das Gehvermögen der Thiere be-
kommen, während man früher sich mit dem begnügte, was man
Haltung“ nannte; eine Zusammenstellung, welche aber sofort
zur Haltungslosigkeit wurde, wenn man zu den starken Gängen
kam. Doch es giebt ja noch immer Reitlehrer, deren System sich
mit der Carrière durchaus nicht verträgt, und die dennoch in den
Augen vieler Cavalleristen nicht weniger hoch stehen.


[[159]]

Die
Dreſſur des Reitpferdes.
Zweiter Theil.


[[160]][[161]]

Vom Gange der Dressur.


Einleitung.


Nachdem wir im ersten Theil das Gebäude des Pferdes
betrachtet haben und die Funktionen der Gliedmassen im Gange;
erkannt, wie Verständniss, Gehorsam und Körperausbil-
dung
die Dressur bedingen; gesehen, welche Dressurmittel
wir zur Verwendung haben und wie sie einwirken; erforscht, welche
Umgestaltungen oder Befähigungen die einzelnen Theile des
Pferdes
erlangen müssen, theils unsere Hülfen zur Geltung zu
bringen, theils um das Pferd geschickt zu machen unseren Willen
zu vollziehen, und so das Material gesammelt haben: wird es die
Aufgabe des zweiten Theils sein, zu zeigen, wie wir in einer
systematischen Reihenfolge von Lectionen Verständniss,
Gehorsam und Körperausbildung gleichzeitig, neben einander zu
entwickeln haben, um ein Thier zu gewinnen, das bei möglichster
Conservirung seines Körpers unseren Willen auf das gegebene
Zeichen schnell und sicher auszuführen vermag.


Die grosse Verschiedenheit in der Befähigung der verschiedenen
Reiter zum Lehren, der verschiedenen Pferde zum Lernen,
wird die Bestimmung des Zeitmasses für einzelne Lec-
tionen
natürlicher Weise unmöglich machen. Arbeiten, hier viel-
leicht in wenig Zeilen berührt, werden lange Zeit und andere, hier
in grosser Ausführlichkeit behandelt, nur wenig Stunden in An-
spruch nehmen.


Wir haben zur besseren Uebersicht des Ganzen eine Einthei-
lung in Abschnitte und Perioden gewählt, und ist beispielsweise
hier und da gezeigt worden, wie man die Lectionen mit einander
zu verbinden und die Ruhemomente für den Unterricht auszu-
beuten hat. Besprechungen über Gegenstände der Dressur sind
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 11
[162]Vom Gange der Dressur.
in die Lectionen eingemischt, wo sie mir hauptsächlich hinzuge-
hören schienen, anderseits sind wichtige einzelne Regeln, auf welche
es namentlich anzukommen scheint, oder gegen welche vielfach
gesündigt wird, mit gutem Bedacht wiederholentlich angeführt.
Sollten dann und wann auch hier militärische Seitenwege uns
etwas weit fortgeführt haben, so bitte ich meinen vielleicht nicht
militärischen Leser nochmals um Geduld.


Wenn endlich meist auch nur von der Dressur eines
Pferdes
die Rede ist, so ist, wo die Dressur in der Abthei-
lung
eine Aenderung nöthig macht, deren besonders Erwähnung
gethan und in zerstreuten Bemerkungen die Rücksichtsnahme dar-
auf festgehalten worden.


Wir sind dem Grundsatze treu geblieben, in unserem Leser
einen Mann vorauszusetzen, der sein gerittenes Pferd mit den
üblichen Hülfen und in den üblichen Lectionen zu tummeln ver-
steht, und haben uns deshalb auf Auseinandersetzungen von der
Art, wie die Hülfen zu geben und die Lectionen zu reiten sind,
nur da eingelassen, wo besondere Rücksichten oder differirende
Ansichten es zu verlangen schienen.


Als Anhang erlaube ich mir eine Besprechung über die ver-
schiedenen Ansichten in Rücksicht auf die Pflege und Condition
der Cavalleriepferde zu geben, worin vielleicht auch mancher Pferde-
liebhaber, der nicht Soldat ist, einiges ihn näher berührende fin-
den wird.


Es wird häufig die Frage aufgeworfen: „Mit welchem
Lebensjahre des Pferdes man am zweckmässigsten mit
der Dressur beginne?
“ Es ist fast allgemein das vollendete
5. Lebensjahr als solches bezeichnet worden und es wird als Grund
dafür angegeben, dass unter naturgemässen Verhältnissen alsdann
die Körperausbildung des Thieres vollendet sei, wie die Natur
durch den vollendeten Zahnwechsel dieses schon anzeige. Es sind
aber leider die naturgemässen Verhältnisse nicht immer eingehalten.
Das nach englischer Manier aufgezogene, von Jugend auf mit
Futter getriebene Pferd wird z. B. seine Körperausbildung bei
weitem früher erreichen, als das in seiner Jugend knapp und küm-
merlich gehaltene litthauische Pferd. Das Beispiel der Englän-
der, ihre Pferde schon 2- und 3-jährig die Rennbahn betreten zu
[163]Einleitung.
lassen, hat manchen Anglomanen veranlasst, auch sein Pferd gar
früh unter den Sattel zu bringen. Er hat nicht bedacht, dass
sein Thier weder jene treibhausartige Frühreife hatte, noch
einen so leichten Reiter wie den abgeschwitzten Jokey, noch
endlich die sorgfältige Pflege nach jedem Ritt, welche der
englische Stall gewährt, und hat es eher zu Schanden geritten, als
es von Rechtswegen den Sattel hätte tragen sollen. Das lit-
thauische
und manches andere knapp gefütterte Pferd von
guter Race ist mit fünf Jahren noch nicht ausgebildet
und bedarf, wenn es, vor Fehler bewahrt, eine lange Dienstzeit
erreichen soll, einer langen Schonung.


Die vollendete Körperausbildung wird mithin und
nicht das Alter den Zeitpunkt der zu beginnenden Dres-
sur bestimmen.
Das vorherige Gewöhnen an den Rei-
ter,
das sogenannte „spielende Anreiten“ möchte ich nicht
anrathen. Junge Dinger von Race und Temperament bringen den
erfahrensten, geschicktesten und geduldigsten Reiter in verlegene
Situationen, wo er sie anfassen muss, wenn er nicht befürchten
soll, dass sich diese oder jene Unart zur bösen Angewöhnung aus-
bilde. Eben so wenig ist das frühe Longiren anzurathen, wenn
es nicht von dazu völlig Befähigten geschieht, indem dadurch nicht
nur später schwer zu beseitigende Verbiegungen des Halses ange-
wöhnt werden, sondern auch leicht die Beine, namentlich die Hin-
terfesseln leiden. Jeder Bereiter wird gewiss lieber das ganz
rohe,
als ein ungeschickt longirtes, oder schlecht ange-
rittenes
Pferd in Dressur nehmen. Das Gehenlassen im
Bewegungsraume
(Fohlengarten) viele Stunden des Tages und
eine recht gute Behandlung von Seiten der Wärter sind die besten
Vorbereitungen zur Dressur. Es wird dadurch die Muskulatur
gestärkt und das Thier dem Menschen gegenüber vertrauensvoll
und handhabig.


Noch schwieriger ist es, die Dauer der Dressur
auch nur annäherungsweise zu bestimmen.
Es sind die
Gebrauchszwecke so unendlich verschieden, dazu kommen
noch die individuellen Anforderungen, die jeder Reiter
verschieden stellt, dass hierin allein schon ein grosser Unterschied
liegt. Der Gutsbesitzer, der sich auf seinem Terrain umsehn
will, bedarf eines Pferdes, das unermüdlich und ruhig durch
11*
[164]Vom Gange der Dressur.
Hecken, Sumpf und Graben kriegt; der reiche Handelsherr
will auf stattlich paradirendem Rosse eine Stunde bequem die
ebenen Parkwege durchreiten; dem Infanterieoffizier ist die
Ruhe seines Pferdes bei Trommel und Schuss ein Haupterforder-
niss; der Cavallerieoffizier verlangt über Gangart und Tempo
auf das zuverlässigste verfügen zu können etc. Und doch ist der
Kaufmann, der am meisten mit seinem Pferde zu glänzen
wünscht, vielleicht ein eben so furchtsamer als schlechter Rei-
ter;
der Infanterieoffizier, welcher die meiste Abrichtung
verlangt, untergräbt den Gehorsam durch Ungeduld und Incon-
sequenz
der Hülfen; der Tempo verlangende Cavallerist hat
einen unruhigen Sitz und der Gutsbesitzer ist roh in sei-
nen Hülfen.


Eben so verschieden sind nun auch noch die Dressurob-
jekte
ihrem Gebäude, Temperament und ihrer Vorbil-
dung
nach und oft gerade dem Gebrauchszweck wenig angemessen.
Jener Gutsbesitzer übergibt dem Bereiter ein schwaches,
selbstgezogenes
Thier von Race und Temperament, das er
selbst angeritten und bereits halb stetig gemacht hat und
glaubt dasselbe bei den geringen Dressuranforderungen, die er
stellt, baldigst wieder bekommen zu können. Der Banquier hat
ein mächtiges englisches Thier vom Prinzen X. gekauft, das zur
Jagd vorbereitet ward, und glaubt es binnen 3 Monat völlig für
seinen Gebrauch umgeschaffen, obschon er besonders einen recht
weichen, kurzen Paradegalopp verlangt. Der Herr Major
bringt vielleicht ein völlig rohes Thier von der Weide, das vor-
läufig auf Auge und Ohr gleich furchtsam ist. Der Caval-
lerist
einen Hitzteufel mit wackeligem Halse. Wenn nun der
Bereiter in solchen schlagenden Fällen auch von Hause aus wenig
Aussicht auf Realisirung der sanguinischen Hoffnungen seiner
Klienten hat, so wird auch bei weniger in’s Auge springenden
Uebelständen die Körperbeschaffenheit in vielen Fällen die Dressur
oft höchst unerwartet schwer und zeitraubend machen. Alle Ab-
weichungen von der Regelmässigkeit
werden Verände-
rungen in der natürlichen Haltung
nöthig machen; diese
aber Anspannungen und Abspannung von Muskeln, die mit solcher
Consequenz der Zeit nach durchgesetzt werden müssen, dass sie
eine neue künstliche Haltung zur Gewohnheit machen. Dem Pferde
[165]I. Abschnitt. 1. Periode.
lehren, diese künstliche Haltung für Momente anzunehmen, ge-
nügt dem Händler — nicht aber dem Besitzer. Schnell
sind von geschickten Abrichtern „Verständniss“ und „Ge-
horsam
“ erweckt, aber die „Körperausbildung“ erfordert
Uebung, die Uebung — Zeit. Es dürfte schwer sein ein
Pferd von guten Anlagen für den Militairgebrauch unter 6 Monat,
von mittelmässigen Anlagen unter 1 Jahr völlig geschickt zu
machen. Sehr unregelmässige Gebäude bedürfen oft während
ihrer ganzen Dienstzeit häufigen Nacharbeitens und werden
deshalb für schwache Reiter niemals dauerd brauchbar.
Eben solche immer wiederkehrende Arbeit bedürfen Pferde von
sehr heftigem Temperament, weil deren Gehorsam immer in
Uebung erhalten sein will.


Erster Abschnitt.


Erste Periode.

Wir nehmen an, dass uns das Pferd roh in die Hände komme,
dass es allerdings gewohnt sei an Halfter oder Trense geführt zu
werden, aber noch keinen Sattel getragen hat. Dieser Fall ist
vortheilhafter, als wenn wir das Thier vom Händler bekommen,
wo es bereits die jüdische Musterungsdressur erhalten hat.
Die Angst vor der Peitsche hat es dort nur gelehrt, wenn es
herausgeführt wird, in höchster Aufregung loszugehen und hat es
wohl aufmerksam, aber auch misstrauisch gemacht. Es
wird Tage der freundlichsten Behandlung bedürfen, um diese Ein-
drücke zu verwischen und es wieder zu der Gemüthlichkeit zu
bringen, welche der Dressur so förderlich ist.


Das erste Auflegen des Sattels muss im Stalle ge-
schehen, wenn der Verdauungsprozess des Pferdes beendigt ist und
hat man streng darauf zu halten, dass das Pferd so gegurtet
werde, dass anfänglich sämmtliche Gurte nur ganz lose anstehen,
dann aber vom vordersten Gurt an, dieselben Loch um Loch fester
angezogen werden, und namentlich bei Grasbäuchen die hintersten
[166]Vom Gange der Dressur.
Gurte nicht zu fest angespannt sind. Das ruckweise Satteln,
wobei die Leute die ruckende Faust noch mit den Zähnen, welche
in die Sattelstrippen einbeissen, zu unterstützen suchen, muss na-
mentlich bei jungen Pferden gänzlich vermieden werden, weil da-
durch ein Aufblasen des Leibes, Krippenbeissen etc. dem Pferde
angewöhnt wird. Zu festes Anziehen der Gurte verleitet
die Thiere zum Rückenanspannen, Sichzusammenziehen und Bocken.
Man thut besser, wenn das Thier bereits gegangen, nachzu-
gurten. Selbst von denkenden Reitern wird auf die
Behandlung der Pferde im Stall noch immer zu wenig
Rücksicht genommen,
und man hält sich zu wenig im Stalle
auf, als dass man des vernunftgemässen Verfahrens der Diener-
schaft sicher wäre. Man sollte mindestens die ersten 4
Wochen nie ein rohes Pferd satteln und zur Bahn füh-
ren lassen, ohne selbst zugegen zu sein.
Was hilft uns
die rationellste Behandlung in der einen Dressurstunde, das sanf-
teste, schonenste Verfahren, wenn der Bursch im Stalle den Grund
zu Misstrauen, Aengstlichkeit und vielen schlimmen Gewöhnungen
legt, oder beim Führen vielleicht durch ein Paar Rucke mit dem
Zügel es für die ganze Dressurstunde im Voraus verdirbt.


Beim Dressiren eines einzelnen Pferdes wird man sich, um
dasselbe an das Satteltragen zu gewöhnen, mit Nutzen des
Laufenlassens an der Longe bedienen. Man bedarf dazu
eines Mannes, der die in den Kappzaum eingeschnallte Leine
führt, eines zweiten, der die Peitsche handhabt und zum Beginne
eines dritten, der das Thier führt. Die Trensenzügel wer-
den zum Beginne so lose in die Sattelkrampen eingeschlauft, dass
keine wesentliche Zusammenstellung des Halses erfolgt. Der aus-
wendige Zügel
muss indess so viel mehr anstehen, dass die
Neigung des Pferdekopfes nach innen, durch das Gewicht der
Leine auf der inwendigen Seite hervorgerufen, aufgehoben wird
und der Kopf völlig gerade aussteht. Die Kopfstellung nach ein-
wärts wird beim rohen Pferde ein Ausfallen der Kruppe hervor-
rufen, wodurch die Hinterfesseln leiden.


Es gibt viele Anfänger, welche ihr rohes Pferd in ein mög-
lichst günstiges Licht stellen möchten und es von Beginn so hoch
und fest aufsetzen, dass es einen schönen Zaum macht. Das arme
Thier wird den lebhaftesten Schmerz in den zusammengepressten
[167]I. Abschnitt. 1. Periode.
Muskeln fühlen und nicht vorwärts gehen wollen. Nun kommt die
Peitsche und treibt es zum Laufe an. Statt willig an das Gebiss
zu gehen und in weiten, gleichmässigen Tritten seine Bahn zu
durchlaufen, wird es hinter dem Zügel bleiben und sein kurzer
übereilter Gang wird zeigen, wie wenig es den Leib in den Gang
zu legen wagt; sein Stutzen und Prallen, Schnaufen und Schwitzen,
wie viel Schmerz es leidet. „Es hat sich sehr schön gemacht und
sieht brillant aus,“ meint jener Unverständige und hat durch ein
Paar derartige Lectionen den Grund zu einer Menge von Unarten
und Schwierigkeiten gelegt, zu deren Correctur es der vierfachen
Zeit bedarf.


Der Führer leite das Pferd auf der auswendigen Seite im
Schritt so lange herum, bis das Pferd die Bahn, welche es durch-
laufen soll, kennen gelernt hat. Er muss beim Eilen dasselbe
mit leichten Anzügen und beruhigendem Zureden zurückhalten,
beim Verhalten des Pferdes, dreist vorwärts gehn und durch die
Stimme aufmuntern. Man muss sich bemühen für dieselbe An-
forderung
stets dasselbe Wort und dieselbe Nüançe der
Stimme
festzuhalten, damit das Thier es sich merke. Man wird
bald gewahren, wie ausserordentlich gross das Gedächtniss des
Pferdes und seine Gelehrigkeit ist. Es ist ein durchaus
thörichter Hochmuth vieler Dressirenden
von diesen
Eigenschaften so wenig Gebrauch zu machen. Wenn beide auch
nicht in so vorherrschendem Masse Anwendung finden dürfen, wie
sie von den Kunstreitern ausgebeutet werden und die Körper-
haltung
des Reitpferdes stets von der richtigen Bearbeitung des-
selben durch mechanische Einwirkungen abhängen wird, so
beruht doch die Erlernung aller nicht mechanischen und instink-
tischen Hülfen lediglich auf diesen Eigenschaften und durch ihre
richtige Anwendung bei der Dressur wird dem Thiere eine Willens-
thätigkeit bleiben, welche mit der des Reiters in Uebereinstimmung
gebracht, die Freudigkeit der Leistung gibt.


Wenn das Zurgeltungbringen von mechanischen Hülfen und
die Bearbeitung der einzelnen Körpertheile des Pferdes durch die-
selben, den wahren Reiter nach und nach zum Herrn des Gebäu-
des macht und er nur so viel Angelerntes, Abgerichtetes hinzu-
fügt, als die leichtere Handhabung wünschenswerth macht, so wird
dem handwerksmässigen Reiter die Abrichtung mehr durch Ge-
[168]Vom Gange der Dressur.
wohnheit vorschweben; wo jener mehr auf den Körper einwirkt,
wird dieser mehr auf das Gedächtniss einwirken: jener wird immer
wieder zurückgehen auf die mechanische Einwirkung der Hülfen
und ihnen trotz Temperament und Schwierigkeit Gehorsam schaffen,
dieser auf das Gedächtniss und wird ewig repetiren.


Es wird stets schwierig bleiben, das rechte Mass in der Dauer
der Lectionen zu finden. Nicht blos die Körperkräfte von Mann
und Pferd ziehen die Grenze. Sobald sie so lange dauern, dass
das Interesse und die Aufmerksamkeit des Reiters stumpf wird
und das Thier sie mechanisch fortgeht, ohne der Einwirkungen
des Reiters zu bedürfen, schaden sie der Dressur. Es gibt indess
viele Reiter und Reitlehrer, welche alle Lectionen bis zu diesem
träumerischen Dahingehn treiben und erst zufrieden sind, wenn
dies erreicht ist, ganz abgesehen wie es erreicht wurde, ob die
Lection mit Lebhaftigkeit, Versammlung und den kleinen Ab-
weichungen, welche die Individualität der einzelnen Thiere verlangt,
vollführt worden, und so den Nutzen für die fernere Dressur
sichert — oder ob sie nur der Leistung, wie sie den Kenner be-
friedigt, ähnelt; ob sie Folge richtiger Einwirkungen des
Reiters, Folge von Verständniss und Gehorsam vor diesen Hülfen
ist, oder ob sie Folge der Gewohnheit sind. Es wird z. B. diesen
Herren möglich sein in den ersten 6 Wochen der Dressur die
Pferde dahin zu bringen, dass sie die 2 Pferdelängen Distance von
einander im Trabe inne halten. Sie sind anhaltend im Trabe geübt
worden, die Thiere von starkem Gang haben so lange Rucke in
das Maul bekommen, die von kurzem Gange so lange Gerten-
streiche, bis sie sich gemerkt haben, dass nur beim Abstand von
2 Pferdelängen von ihrem Vorderpferde sie von diesen Schmerzen
bewahrt bleiben und sie sind klug genug diese Distance einzuhalten.
Der wahre Reiter wird erst mit der gewonnenen Einwirkung auf
das Gebäude das Tempo reguliren wollen und duldet bis dahin
die Ungleichheit der Distance. Dass durch jenes Verfahren aber
der Gang verdorben, der Hals verzerrt und für die Dressur nicht
nur nichts gewonnen, sondern viel verloren ist, lassen jene Herren
sich nicht träumen. Die Pferde traben mit 2 Pferdelänge Distance
und damit sind sie beruhigt, das Wie? liegt ausser ihrer Sphäre.
Das Traben mit einer Pferdelänge oder auf Gliederdistance wird
natürlich ähnliche weitschichtige Uebungen nöthig machen. Kömmt
[169]I. Abschnitt. 1. Periode.
nun die Lection, welche sich bei richtiger Dressur unmittel-
bar auf die vorige basirt, so fehlt diese Basis und sie geht so
lange nicht, bis durch fortgesetzte Uebung wiederum das Thier
erkannt hat, was man nunmehr von ihm verlangt und es sich darin
gefunden hat. So besteht denn diese Art der Dressur aus einer
Menge neben einander stehenden den Thieren eingewöhnten Lec-
tionen, die allerdings durch fortwährende Wiederholung den Pfer-
den im Gedächtniss erhalten sein wollen. Die Pferde werden unter
gleichbleibenden Umständen, unter dem gewohnten Reiter, in der
stillen Bahn ihre Lectionen ganz gut aufsagen, aber ein unruhiger
Platz, ein anderer Reiter oder gar ein Paar Carrièren werfen das
ganze Gebäude systematischer Pudeldressur über den Haufen, jede
Abweichung vom Gewohnten ist die Wurst, welche auf das Hunde-
theater fliegt.


Den Herren, welche auf diese Art dressiren, ist natürlich
Alles zuwider, was das Temperament des Thieres weckt; sie nen-
nen Alles Juxen, was den süssen Schlummer, worin sie die Pferde
durch Langeweile einlullen, stört; die Carrière ist ihr Todfeind.
Diese Altmeister der Träumerzunft haben Langeweile und Gewohn-
heit zu ihren besten Gehülfen; leises Flüstern ist ihre Rede; Hülfs-
zügel jeder Art ihr geliebtes Werkzeug; der Zirkel in stiller Bahn
ihre Werkstatt; matter Trab und endloser Seitengang ihr täglich
endloses Werk; der schwunglose, humpelige kurze Galopp ihr Mei-
sterstück. Der Tag der Besichtigung nach tausendmal durchgerit-
tenem Küchenzettel ist ihr Triumph, das Einstellen der Remonten
in die Schwadron, die grüne Heide, ihr Verdruss, weil nun die wah-
ren Resultate ihrer Bemühung an den Tag treten. Es mögen sich
recht gute Thiere für ältere Herren, welche sich in der Bahn eine
harmlose Verdauungsmotion machen wollen, auf diese Art dressiren
lassen — Soldatenpferde nicht. Noch weniger aber werden diese
Herren in den Mannschaften den kecken Reitermuth und die brau-
sende Lust erwecken, die dem Cavalleristen innewohnen muss.
Man sehe wie sie selbst reiten und wird dann ein Urtheil gewinnen,
was aus ihren Schülern wird.


Geht das Thier ruhig seinen Weg, so muss der Führer dem-
nächst versuchsweise das Thier loslassen, doch vorläufig neben her
gehen, bis es das Eingreifen in die Zügel nicht mehr bedarf, und
es ungestört seinen Weg fortsetzt. Der Longenführer wird sich
[170]Vom Gange der Dressur.
alsdann derselben Zeichen durch die Stimme bedienen, welche jener
anwendete. Es ist sehr nützlich, wenn Peitsche- und Longenführer
schon in der Zeit, wo das Pferd noch an der Hand geht, ihre zurück-
haltenden resp. vortreibenden Hülfen, mit denen des Führers vereinen
und es so mit den Wirkungen ihrer Instrumente in einer angemesse-
nen Art bekannt machen. Alles Erschrecken und Quälen des Thieres
muss auf das Sorgfältigste vermieden werden, und wird hauptsächlich
dahin zu wirken sein, die Aufmerksamkeit des Thieres zu fesseln
und sich mit ihm zu verständigen. In den Zwischenpausen lasse
man das Pferd in den Zirkel treten, und mache es spielend mit
der Wirkung des Gebisses bekannt. Man drücke das Gebiss
mit leichter Hand gegen die Laden, um dadurch das Pferd zur
Zurücknahme des Kopfes zu bewegen. Hiebei gebe man wohl acht,
ob das Pferd, wenn es dem Drucke des Gebisses diese Folge nicht
gibt, activ oder passiv verfährt. Kommt es passiv widerstre-
bend
dem Drucke des Gebisses nicht nach, so steigere man all-
mählig selbst activ verfahrend den Druck, beim leisesten Nach-
geben denselben wiederum vermindernd, bis es gehorcht. Man
setze die Wirkung nicht bis zur Einwirkung auf den Hals fort,
sondern begnüge sich Anfangs mit der geringsten Zurücknahme
des Kopfes und zeige durch Klopfen und Schmeicheln, dass man
zufrieden ist.


Ein ruckweises Zurücknehmen des Kopfes, ein Zurückschnap-
pen des Kiefers, ein Fliehen der Lade vor dem Gebiss, lasse man
sich ein Zeichen zu starker Einwirkung sein, und halte es für eben
so fehlerhaft, als das active Widerstreben.


Bei diesem lässt das Pferd der Hand ein mehr oder weniger
gewaltsames Gegendehnen gewahren. Dieses überwinde man durch
Passivität, indem man die Hand anstehen lässt, aber nie mehr
Kraft entgegensetzt, als dass die Hand ihre Stellung trotz des
Gegendrucks des Kiefers unverändert einnimmt. Lässt das Pferd
mit jenem Gegendehnen nach und ist es in die ursprüngliche An-
lehnung zurückgebracht, so gehe man activ vor. Diese activen
Anforderungen werden kürzer und in schneller wachsender Stärke
zu geben sein, während jenes passive Gegenhalten langsam wach-
send und dauernd ist.


Manche Pferde dehnen, den Kiefer vorschiebend, nur mit
einer Lade
gegen die Hand, dann wird auch der Gegendruck
[171]I. Abschnitt. 2. Periode.
einseitig sein und auch die ursprüngliche Anlehnung dann erst wie-
der gewonnen werden müssen, ehe man activ anfordernd verfährt.
Ein Moment des Innehaltens und Nachgebens, wenn der active
Widerstand überwunden, ehe man zur neuen Anforderung übergeht,
wird zweckmässig sein.


Bei den ersten Uebungen im Trabe lasse man den
Führer mitlaufen, wobei derselbe bestrebt sein muss, mit dem
Pferde Tritt zu halten. Beim Widerstreben gegen den Sattel
durch Rückenanspannung oder Schlagen sorge man dafür, den
Gang des Pferdes zu unterhalten, und fürchte sich nicht, wenn es
ein paarmal die Bahn im Galopp durchmisst. Einem wilden Ren-
nen muss indess der Longenführer entgegen treten, doch dürfen
seine Hülfen mit dem Kappzaum um so weniger in rüdes Reissen
ausarten, als die geringe Zusammenstellung des Pferdes und die
jugendliche Unbeholfenheit leicht zu einer Beschädigung der Glied-
massen führen. Es würde durchaus fehlerhaft sein, das Pferd,
wenn es aus Sattelzwang beim Antraben schlägt oder mit der
Hinterhand aufwippt, durch Anzüge mit der Leine strafen zu
wollen. Bei allen diesen Unarten ist nur ein Mittel: „Vorwärts-
treiben“, denn alle haben im Verhalten ihren Grund. Aber ein
warnendes: „Pfui!“ „Will er!“ leistet oft ganz gute Dienste und
man versäume den warnenden Zuruf eben so wenig, wie den an-
feuernden.


Die Art der Peitschenführung ist schon früher angedeutet
worden. Es wird beim richtigen Gebrauch der angeführten Hülfs-
mittel sehr bald das Thier ein Verständniss zeigen, und wenn es
auf diese Art den Sattel willig tragen gelernt, so wird man zur


zweiten Periode

der Dressur, zu der unter dem Reiter, übergehen können. Es
ist vortheilhaft, während der ersten Lectionen das Thier an der
Longe zu lassen.


Beim Besteigen stellt sich der Longenführer einen Schritt
vor das Pferd und sucht dessen Aufmerksamkeit durch Anrufen zu
fesseln. Der Reiter darf die Zügel ja nicht in solcher Art nehmen,
dass dieselben irgend eine belästigende Wirkung auf den Hals
äussern, muss ferner seine Tempos zum Aufsitzen zwar ruhig, doch
nicht so langsam vornehmen, dass seine Last nicht zu lange auf
[172]Vom Gange der Dressur.
einem Bügel ruht und muss er sich sanft in den Sattel nieder-
lassen. Langes Zögern beim Aufsitzen reizt die Unge-
duld
des Thieres und gefährdet die Sicherheit des Besteigenden
unnütz. Eben so fehlerhaft ist das übermässig schnelle Auf-
sitzen,
selbst wenn es mit Leichtigkeit geschieht und der Reiter
nicht plump in den Sattel niederfällt. Es liegt in der Schnellig-
keit der Bewegung selbst etwas das Thier Beängstigendes und
gleichsam ein Zeichen des mangelnden Vertrauens Seiten des Rei-
ters. Das Bügelhalten und Festhalten des Pferdes durch einen
Dritten ist ängstlichen Pferden zuwider. Sollte ein sehr dicker
Grasbauch das Herumrutschen des Sattels befürchten lassen, so
mag ein Dritter den auswendigen Bügel gegenhalten, fasse indess
das Hauptgestell nicht an. Dass der Reiter das Thier nicht mit
der Fussspitze anstossen darf, versteht sich von selbst. Ich bin
bei diesen Vorbereitungen etwas weitläufig gewesen, weil ich ihnen
eine grosse Wichtigkeit beilegen muss und namentlich so häufig
gesehen habe, dass das erste Besteigen mit einer leichtsinnigen
Dreistigkeit betrieben wurde, welches auf lange Zeit verderbliche
Folgen hatte. Ist beim ersten Aufsitzen das Thier erschreckt
worden, ist es mit dem noch bügellosen und zügellosen Reiter im
Moment als dieser mit dem rechten Fuss die Kruppe überschritt,
davon gerannt und dann auch mit schlimmen Hülfen endlich wie-
der glücklich zum Stehen gebracht, so ist nicht nur für das Auf-
sitzen viel verloren gegangen, sondern das Thier wird die Angst
vor jenen Einwirkungen gewiss noch lange zeigen.


Hat der Reiter seinen Sitz gewonnen, so nehme er die Zügel
so, dass er eine Wirkung von ihnen haben kann, brauche sie aber
nur im Nothfalle. Ohne lange stille zu halten, lasse man das Thier
anführen und gebe statt des Führers die sprachlichen Zeichen,
welche er durch den Gebrauch der Gerte unterstützt. Der Peitschen-
führer muss genau auf deren Wirkung achten und rechtzeitig ein-
greifen. Von den Zügelhülfen, welche dem Pferde nicht mehr
ganz unbekannt sind, mache man nur im dringendsten Fall Ge-
brauch, hüte sich namentlich vor allen Versuchen, den Hals zusam-
menstellen zu wollen. Der Longenführer unterstützt die zurück-
haltenden und wendenden Hülfen. Man hüte sich vor Allem, die
Anlehnung des Pferdes auf das Mundstück zu stören, und lasse
das Thier sich getrost auf die Zügel legen. Dehnt ein Pferd gegen
[173]I. Abschnitt. 2. Periode.
die Hand, oder stösst es gar in die Zügel, wobei man stets vorher
ein Verhalten im Gange gewahr wird, so halte man nicht mit den
Zügeln gegen, sondern gebe dieselben nach, suche aber durch An-
treiben jenem Verhalten und damit dem Dehnen zuvorzukommen.
Meist will das Pferd einer unbequemen Einengung der Halsmuskeln
dadurch engegenarbeiten, oder sich von der schmerzhaften Wirkung
einer todten Faust auf die Laden befreien. Man beachte diesen
Fingerzeig, bemühe sich leichter zu sein, oder gebe die vorzeitige
Zusammenstellung des Halses auf.


Die Vertheilung des Körpergewichts des Reiters
muss dem Gange des Pferdes schon jetzt um so mehr als Regu-
lator dienen, als sein grosser Einfluss auf das Gleichgewicht und
den Gang sich unmittelbar, ohne ein vorheriges Verständniss nöthig
zu machen, geltend macht, weil ihre Wirkung, wie wir bereits
sahen, rein mechanischer Natur ist. Der Schenkel wirkt vor der
Hand noch gar nicht ein, sondern ruht leicht und unverändert am
Pferde. Alle Widerstrebungen des Rückens suche man
passiv zu überwinden. Je weniger der Reiter thut, je mehr er nur
als Last wirkt, um so besser ist es. Er sitze ruhig im Sattel,
was auch geschehen möge, damit sich dem Thiere die Ueberzeu-
gung aufdringt, dass es die Last nicht los zu werden vermag und
sich am wohlsten befindet, wenn es dieselbe ruhig erträgt. Schlägt
das Thier, so denke man stets daran, dass Schlagen ein Ver-
halten ist,
und dass das so gewöhnliche Indiehöhereissen mit
dem Zügel dieses Verhalten ja vermehren muss. Antreiben ist die
Hülfe, welche hiebei Noth thut. Aehnlich ist es beim Bocken,
nur dass der Reiter hiebei zu beachten hat, dass er den Kopf nicht
zu tief herunter lässt, weil er sonst dem Thiere einen solchen Grad
von Rückenanspannung gewährt, dass sein Sitz bedroht wird. —
Vortreiben zum lebhaften Gang ist auch dagegen das Hauptmittel.
Gehen und immer wieder Gehen ist die Hauptsache. Der Reiter
und Gehülfe denke bei jeder Unart: „Vorwärts!“ und hierin
hat er den Schlüssel sie zu besiegen.


Man sei in dieser Periode vor Allem recht geduldig und lasse
es sich nicht verdriessen, geraume Zeit mit derselben zuzubringen.
In den Zwischenpausen sitze man ab, wobei man wiederum rasch
und ruhig zu verfahren hat, und beschäftige sich mit der Wirkung
des Gebisses auf die Lade. Nächstdem aber mache der Reiter das
[174]Vom Gange der Dressur.
Pferd möglichst mit seiner Person bekannt und sich geneigt. Es
ist von sehr grossem Einfluss auf den ganzen Verlauf der Dressur,
dass das Thier in ihm nicht bloss seine Last, seinen Quäler und
Aengstiger erkennt, sondern seinen Freund und wohlwollenden
Lehrer. Berühren der verschiedenen Theile des Leibes, Aufheben
der Hufe, Versetzen der Beine u. s. w. würden in der ersten Zeit
vorzunehmen sein. Diesen Uebungen würde das Herumtreten
der Hinterhand, das Hinterhergehen, Herumgeben des Kopfes
folgen; erst das Dulden, dann das Thun. Endlich muss die Vol-
tigirübung vorgenommen werden. Es ist mir in ganzen Abthei-
lungen bei vernünftiger Reihenfolge und der sanftesten Behandlung
der Pferde sehr leicht gelungen, dass die Mannschaft die Remonten
schliesslich ganz frei (allerdings in der Bahn) stehen liess, um das
Aufspringen von hinten zu üben, wobei alle Pferde den Sprung
duldeten. Es wurde allerdings absichtlich, um die verderbliche
Erschütterung zu vermeiden, nicht bis in den Sattel gesprungen.
Eine kitzliche Stute quietschte bei jedem Sprunge, ohne je zu schla-
gen. Es scheint mir für Soldatenpferde nicht unwichtig, dass das
Pferd den Reiter dulde, er mag sich auf die Kruppe oder auf den
Hals setzen. Bei Unglücksfällen kann dies für das Leben des Rei-
ters entscheidend werden. Wenn z. B. bei Verwundungen etc. der
Reiter auf den Hals herabsinkt, so wird das nicht daran gewöhnte
Thier sich von der ungewohnten Belastung zu befreien suchen, das
geduldige seinen Reiter ruhig aus dem Gefechte tragen.


Necken der Pferde, sie zu Unarten reizen, ist eine Sache, die
man auf das Strengste vermeiden muss. So wie ein Necken und
Hänseln Erwachsener mit lebhaften Kindern von Seiten der letztern
immer seine Endschaft in Unart, dann aber in gegenseitiger Unzu-
friedenheit findet, bringt sie bei Mann und Pferd dieselben Früchte.
Es gewöhnen sich Pferde Schlagen und Beissen oft auf diesem
Wege an, und es ist ihnen um so schwerer abzugewöhnen, als man
den Leuten kein Züchtigungsrecht des Missbrauchs wegen einräu-
men darf, und nachträgliche Strafen beim Thier nicht angewendet
werden können.


Die dritte Periode

wird begonnen werden können, wenn das Thier so weit den Reiter
duldet und der Gerte gehorcht, dass der Peitschenführer unnöthig
[175]I. Abschnitt. 3. Periode.
wird. Es beginnt alsdann die Substituirung des Schenkels
in Stelle der Gerte. Die Stimme kann noch fortwährend zu
Hülfe genommen werden, muss indessen hier schon in den Hinter-
grund treten. Um das Pferd zum Gang zu animiren, brauchen
wir jetzt gleichzeitig mit den erwähnten kleinen Ruthenstreichen
auf das Blatt, den Schenkel wiederholt klopfend. Man wechselt
recht häufig von Trab zu Schritt und braucht, wenn man glaubt
einige Aufmerksamkeit des Thieres bereits auf die Schenkelhülfen
gelenkt zu haben, diese allein, sie nur im Fall des Nichtgehorchens
durch die Ruthenhülfen unterstützend, und fahre so fort bis man
verstanden ist. Auch hier vergesse man nicht die Einwirkung des
Gewichts des Reiters zu berücksichtigen. Es ist namentlich beim
Anreiten genau die Grenze zwischen Zurücklehnen und Vor-
fallenlassen des Reitergewichts
im Auge zu behalten.
Mitgehenlassen des Körpers ist von beiden gleich weit entfernt.
Vorfallen bringt das Thier nach vorwärts aus dem Gleichgewicht
und wird ein Fortstürzen zur Folge haben, oder ein Pariren auf
die Blätter, um das verlorene Gleichgewicht wieder herzustellen.
Zurücklehnen wird dem Gange widerstreben und grobe vor-
treibende Hülfen nöthig machen, damit das Thier trotzdem vor-
wärts gehe. Geht nun das Pferd auf den Schenkel allein vorwärts,
so gebe man ihm seine Zufriedenheit zu erkennen. Beim Stille-
halten lasse man das Thier jede beliebige Haltung annehmen und
sorge nur dafür, dass es stehe, hüte sich Zügelhülfen anzuwenden,
welche einen anderen Zweck hätten, als es stehen zu machen.
Dieses Stehenlehren ist sehr wichtig. Ich habe viele Reiter
gekannt, welche es niemals übten, wohl aber im Stillehalten nicht
aufhörten das Thier mit Geradestellen, Aufrichten, Abbiegen etc.
zu quälen. Die Folge davon war, dass ihre Thiere von einer
solchen ungemüthlichen Ruhelosigkeit wurden, dass sie nie stille
standen und ihrem Reiter später, wenn er einst ein absolutes
Stillestehn verlangte, viele Unannehmlichkeiten bereiteten. Man
ist noch nicht so weit in der Dressur, auf ein oder das andere Bein
durch Schenkel und Zügelhülfen einwirken zu können und muss
sich bis zu diesem Punkte ein Ruhen auf ein oder dem anderen
Beine gefallen lassen; der Hals ist noch nicht bearbeitet und sein
Heruntersinken im Stillehalten ist ganz naturgemäss. Es würde
sehr fehlerhaft sein, wollte man jetzt schon eine schulgemässe
[176]Vom Gange der Dressur.
Stellung unter dem Reiter anstreben. An der Hand ist es etwas
anders, da kann ich das Thier durch Hin- und Herziehen in die
begehrte Stellung bringen und diese belobend, es gewöhnen, sie
anzunehmen. Vorläufig muss man zufrieden sein, wenn das Thier
unter dem Reiter steht, gleichgültig — wie! und wenn es lernt,
auf die Schenkelhülfe ruhig antreten.


Für das Pariren ist es wichtig, dass dasselbe vorläufig mit
möglichst geringer Zusammenschiebung des Halses geschehe. Das
Pferd werde durch Stimme und weiche Einwirkung des Kappzaums
wie des Reitergewichts zur Verkürzung des Ganges resp. zum Still-
halten gebracht und diesen Hülfen der Zügelanzug hinzugefügt,
damit es dessen Bedeutung lerne und gehorche, auch ohne dass
der Anzug von mechanisch hinreichendem Einfluss ist, das Thier
zur Zurückneigung seines Leibes zu zwingen, welche Wirkung des
Anzugs, wie wir wissen, erst nach Bearbeitung des Halses erreicht
werden kann. Man wolle niemals eine regelrechte Parade erstreben,
sondern begnüge sich die Uebergänge so allmählig wie möglich
eintreten zu lassen, ohne dass ein Fallen auf die Blätter vorkömmt.


Aehnlich ist es mit den Wendungen, obschon bei ihnen
einmal die hereinziehende Wirkung des Kappzaums, dann das Rei-
tergewicht starke, mechanische Hülfsmittel sind, mit deren Hülfe
das Thier den Druck auf die inwendige Lade leicht verstehen und
folgern lernt. Man begnügt sich natürlich Anfangs mit den weit-
läufigsten Wendungen, wird indess bei hinreichender Aufmerksam-
keit niemals nöthig haben, jene kutschirenden, weitläufigen Zügel-
hülfen vom Halse in Anwendung zu bringen, mit denen man viele
Reiter den Pferdekopf vergeblich bis an ihr Knie zerren sieht.
Man vermeide die Wendungen so viel wie möglich und mache es
sich überhaupt zur dringensten Regel, nichts eher machen zu wollen,
als man zu dessen Durchführung die ausreichenden Mittel gewon-
nen hat. Es wird gewiss Manchem sehr schwer werden, vor dem
zuschauenden Publikum sein Pferd oft ungünstig zu produziren,
langsam in der Ausbildung vorzugehen und so für sich und sein
Ross wenig Beifall zu gewinnen, weil der Gang der Dressur ihm
eine Art des Animirens und Vorschreitens verbietet, welche ihm
und seinem Schüler den Beifall aller Nichtkenner sichern würde.
Wer aber nicht über diesen Beifall hinweg kann, wird wohl ein
Pferd auf den Judenspiess reiten, nie aber durcharbeiten können.
[177]I. Abschnitt. 4. Periode.
Es wird aber der Ruhm des einen von kurzer Dauer, der des an-
dern nachhaltig sein; wenn diesen die Kenner schätzen, werden
jenen nur die Laien bewundern; wenn jener beim Vorreiten brillirt,
wird dieser im Dienste glänzen; dieser stets angenehme, jener oft
widersetzliche Pferde haben. Und doch ist es nicht immer Eitel-
keit, welches zu stetem Produziren treibt, bei Manchem steckt die
Produktionsmanie im Geldbeutel und wenn man bedenkt, wie we-
nige Kenner es gibt, wie viele nach dem Schein urtheilen, wie
kitzlich endlich das Renommée eines Pferdes ist, so möchte jeder,
der ein rohes Pferd in Dressur nimmt, sich so lange von dem
zuschauenden Publikum fern halten, bis jene Periode der Unbehol-
fenheit und des „Sichnichtproduzirens“ vorüber ist. Ganz eitele
Reiter mögen sich ebenfalls so lange unsichtbar machen, auch wenn
sie das Thier zu ihrem eigenen Gebrauch dressiren.


Jetzt nehme man statt des Zirkels auch bisweilen die ganze
Bahn
, runde aber die Ecken weit ab. Wenn man so weit ge-
diehen ist, dass man ohne Beihülfe des Longenführers verhalten
und wenden kann, das Pferd ferner der Gertenhülfe nur noch
wenig bedarf, so geht man zur


vierten Periode

der Dressur über, bei welcher der Longenführer fortbleibt. Beim
Aufsitzen stelle sich der Pferdehalter, mit beiden Händen das
Backenstück ergreifend, aber vor Allem nicht gegenstemmend, vor
das Pferd. Späterhin darf er die Backenstücke nicht mehr berüh-
ren und nur vor das Pferd treten. Wenn man auch in der ersten
Zeit noch die Ecken weit abrundet, so nehme man doch die ganze
Bahn zu seiner Uebung. Diese Periode ist bestimmt, das Schenkel-
gefühl des Pferdes für die vortreibenden Hülfen auszubilden und
den Schenkel vollkommen für die Gerte eintreten zu lassen.


Auch jetzt noch begebe man sich jeder Zusammenstellung des
Halses, indem mit derselben leicht ein Ausweichen der Hinterhand
eintreten könnte, der zu begegnen uns noch die Mittel fehlen. Man
sei sehr geduldig, wenn das Pferd jetzt noch viel Zeit gebraucht
zum Verhalten und Pariren, sich schwer auf die Hand legt, unter-
stütze die verhaltenden Hülfen mit der Stimme, versuche keine Pa-
raden auf der Hinterhand, vermeide alle enge Wendungen und gehe
durch die ganze Bahn auf die andere Hand, suche jedoch die Auf-
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 12
[178]Vom Gange der Dressur.
merksamkeit auf die vortreibenden Hülfen zu erhöhen und das Pferd
für den Schenkeldruck empfänglich zu machen. Häufiges Anreiten
aus dem Halten und Antraben aus dem Schritt sind die Hauptlec-
tionen. Man trabe aber nie anhaltend. Endlich muss das Pferd
jetzt mit dem Sporn bekannt gemacht werden, wobei jedoch alle
Vorsicht anzuwenden und hervortretende Ungezogenheiten nach-
drücklich zu corrigiren sind. Wir erwähnten schon der Schwierig-
keit des richtigen Sporngebrauchs. Weder Hand noch Körperhal-
tung des Reiters müssen an dem Gebrauch des Sporns irgend einen
Antheil haben. Er muss dicht hinter dem Gurt gebraucht werden
und weder ein weites Schenkelausholen vor dem Gebrauch, noch ein
Zurückprallen des Schenkels nach demselben Statt finden. Eben so
muss der Grad der Kraft des Stosses sich nach dem Gefühl des
Pferdes und nach der beabsichtigten Wirkung richten. Er muss
kurz und bestimmt applizirt werden, ähnlich wie der Finger des
Klavierspielers, der einen kurzen Ton anschlagen will, auf die Taste
fällt. Schaben und Kitzeln reizen das Thier zum Ausschlagen.


Wir haben bereits im ersten Theil gesagt, dass man die Auf-
merksamkeit des Pferdes auf die Schenkelhülfe kultiviren müsse.
Sie wird nach der allgemeinen Empfänglichkeit des Thieres für
äussere Einwirkungen von Beginn sehr verschieden sein. Das
Schenkelgefühl muss aber bei allen Pferden zu einem
Punkte gebracht werden, der dem Dienstzwecke
entspricht
. Der Eskadronschef, der häufig die Gänge wech-
seln muss, bedarf eines Pferdes mit leichterem Schenkelgefühl als
der Mann im Gliede. Der Grad von Empfindlichkeit vor dem
Schenkel, welcher das Pferd vor der Front angenehm macht, und
seine Brauchbarkeit steigert, wird das Pferd in der Front, das vor
zufälligen Berührungen nicht zu schützen ist, in einer fortwähren-
den Aufregung erhalten und höchst störend für die Ordnung
machen. Dieselben Nüançen der Steigerung müssen indess bei
beiden möglich sein, es sind Skalen von derselben Menge der Töne.
Das eine Instrument spricht schwer, das andere leicht an.


Es wird aber endlich der Grad der Anlehnung mit jener Höhe
des Schenkelgefühls in Uebereinstimmung stehen müssen. Sie soll
aber nicht in einer anderen Zusammenstellung des Halses, Ver-
schiedenheit der Beweglichkeit des Rückens und Biegsamkeit der
Hinterhand — mithin nicht in einer anderen Haltung begründet
[179]I. Abschnitt. 4. Periode.
liegen, deren es beim Campagnepferde von demselben Gebäude nur
eine richtige geben kann, sondern blos in einem erhöhten Aufmer-
ken auf die Bewegungen der Hand — wie dort in einem erhöhten
Aufmerken auf die Bewegungen des Schenkels. Wenn z. B. eine
Berührung in der Kraft von 1 Loth von dem einen Pferde noch
als eine zufällige betrachtet wird, die es unbeachtet lässt, und erst
auf die von 5 Loth etwas gibt, die dann eine Steigerung bis 10
Loth für die verschiedenen Nüançen erfährt, wird für das andere
bereits die Berührung in der Kraft eines Lothes nicht mehr als
eine zufällige Einwirkung angesehen werden, sondern eine Hülfe
sein, und die Skala bereits bei 5 Loth schliessen. Aehnlich ist
es mit der zu kultivirenden Aufmerksamkeit des Thieres auf die
Hülfen mit dem Reitergewicht.


Es wird aber ein denkender Reiter nicht nur mit der Ver-
feinerung
der Aufmerksamkeit zu thun haben, er wird sie häufig
in einer oder der anderen Beziehung abstumpfen müssen. Ein
Thier, das einen stossenden Schenkel fliehen lernte, wird Anfangs
die unbedeutendste Veränderung marquiren; das im Maule verris-
sene Pferd, die geringste Zügelannahme; das Thier, welches unend-
lich schnell treten musste, weil das schwankende Gewicht des Rei-
ters ihm kein Gleichgewicht gestattete, wird auf die geringste
Schwankung achten; alle diese müssen in dieser gleichsam lauern-
den, ängstlichen Aufmerksamkeit herabgestimmt werden. Die Har-
monie im Aufmerken und damit das Uebereinstimmen im Gefühl
für die Hülfen muss angestrebt werden, und diese eben nach dem
Gebrauch des Thieres ihre besondere Tonart haben. Dann wird
jeder geübte Reiter, wenn er eben über die Tasten fuhr, die Ton-
art kennen, worauf es gestimmt ist und keines langen Einreitens
bedürfen.


Die Ausbildung des Schenkelgefühls geschieht dadurch, dass
man auf den Druck, den man als den stärksten betrachtet haben
will, die Sporen braucht. Natürlich wird man diesen Grad des
stärksten Druckes nur allmälig im Laufe der Dressur können
sinken lassen. Geschieht diese Verfeinerung nicht allmälig, so wird
man die Thiere verstossen, schenkelscheu, schenkelflüchtig machen.
Geschieht sie in zu geringem Grade ohne den Sporn am Ende ihrer
Skala, so wird das Thier schenkelträge bleiben und nicht ohne eine
bedeutende Kraftäusserung Seiten des Reiters, und endlich gar
12*
[180]Vom Gange der Dressur.
nicht folgen. Der richtige Grad des Schenkelgefühls ist mehr das
Resultat der Dressur, als das des Temperaments, wie häufig es
dem letzteren auch lediglich zugeschrieben werden mag. Um aber
den Schenkel richtig brauchen zu können, ist die Anlehnung
desselben an den Pferdekörper durchaus nöthig. Man bedenke
aber wohl, dass nur ein ganz regelmässig gebauter Mann bei
regelrechtem Sitz die völlige Freiheit seiner Glieder behalten
kann. Abweichungen von der Regelmässigkeit des Körperbaues
wird Opfer kosten, entweder nach Seiten der Form, oder nach
Seiten der Einwirkung. Man pflegt beim Dressiren deshalb zu
Gunsten der Einwirkung von der Form abzusehen und das mit
allem Recht, aber man geht häufig darin zu weit. Alle Ab-
weichungen, welche unrichtige Gewichtsvertheilungen
zur Folge haben
, wie das leider so häufige Herabsinken des
Kopfes bei rundem Rücken und heraufgezogenen Schultern, solche,
die nachtheilig auf die Führung oder auf die Schen-
kelthätigkeit wirken, sind keines Falls zu duldende
Vernachlässigungen
, die später zu unverbesserlichen Gewohn-
heiten werden. Man sollte schon bei der Rekrutendressur
sich in dieser Beziehung freier bewegen und da, wo eine unregel-
mässige Reiterfigur Abweichungen nöthig macht, diese doch nicht
so unbedingt zum Nachtheil des festen Sitzes und des Gebrauchs
seiner Gliedmassen und zum Vortheil der äusseren Form eintreten
lassen, sondern erst Sitz, dann Bewegungsfreiheit berücksichtigen.
Bei einem Mann, der zu schmal in den Hüften gebaut ist, oder
zu knieeng steht, um Knie und Unterschenkel gleichzeitig an das
Pferd zu bringen — nimmt man die Unterschenkel heran, bei ab-
stehendem Knie, statt die Knie heranzunehmen und die Unter-
schenkel absperren zu lassen, weil seine Figur so der Normalfigur
mehr ähnelt, obschon der Mann dann niemals eine gesicherte Hal-
tung auf dem Pferde bekommen kann und obschon er erst, wenn
diese ihn von der Bewegung des Pferdes freigemacht, richtig ab-
gemessene Hülfen geben kann. Mit dem Knie am Sattel kann er
ein sehr guter Campagnereiter werden trotz abgesperrten Schen-
kels, wiewohl die Nachtheile desselben nicht zu verkennen sind;
ohne Knie am Sattel wird er nie fest sitzen, mithin nie determinirt
reiten lernen. Noch auffallender wird dies bei sehr dick- und rund-
schenkeligen Menschen, die auswärts reiten müssen, wenn sie das
[181]I. Abschnitt. 4. Periode.
Bein an das Pferd halten wollen. Wiewohl im Gliede das Ver-
drehen der Fussspitzen störend wird und immer schlecht aussieht,
so dürfte die Wahl doch unzweifelhaft sein.


Die Sucht aus Allem — Alles zu machen, scheinbar
allen Ansprüchen zu genügen
, keine Spur von menschlicher
Schwäche und Unvollkommenheit sichtbar werden zu lassen, diese
heillose Sucht, welche jeden Uebelstand vertuschen möchte und
einen gleissenden Schleier der Lüge über Alles breitet, damit es
aus einiger Entfernung nur scheint und glänzt; jene Sucht, welche
an die Lüge gewöhnt und die Wahrheit als plump, ungeschickt
und bäuerisch verspottet: sie ist es, welche jene Uebelstände
zu wesentlichen Fehlern macht, wo sie oft nur Unschönheiten sein
könnten, und das Auge so verwöhnt hat, dass es über die Ab-
weichungen von der Schablone, so sehr sie auch durch die Nütz-
lichkeit motivirt sein mögen, nicht mehr hinweg kann.


Allerdings ist die Grenze schwer festzustellen und manche
Trägheit und Nachlässigkeit würde darin eine leere Ausrede für
die Abweichung finden. Es wird indess gewiss dem Auge des
prüfenden Vorgesetzten nicht entgehen, ob das kleinere von
zweien Uebeln gewählt, oder ob eine Vernachlässigung vorliegt und
dann der eine Fall der verdienten Billigung, wie der andere dem
verdienten Tadel nicht entgehen. Wer aber nur Paradiese sehen
will, muss sich nicht wundern, gemalte Bäume zu finden.


In den Zwischenzeiten übe man das Pferd im ruhigen Stehen
und im Auf- und Absitzen. Wenn man abgesessen ist, so lasse
man das Thier mit beiden Händen im Backenstück halten und es
wiederholt, indem man sich an das Blatt stellt und dem Thiere
„herum!“ zuruft (ein Zeichen, worauf die Pferde im Stalle schon
gewöhnt sind, herum zu treten), mit der Hinterhand übertreten,
wobei man sich leichter Gertenstreiche auf die Hinterhand, im Fall
das Pferd auf die Stimme nicht hören sollte, bedienen kann.


Beim Dressiren roher Pferde in ganzen Abtheilungen
lässt sich natürlicherweise von der Longe keinen Gebrauch machen.
Die Remonten kommen meist, nachdem sie einen weiten Marsch
zurückgelegt haben, auf dem sie bereits lernten, ruhig an der Hand
zu gehen und Respekt vor der Gerte bekamen, in einem Zustande
der Ermüdung bei den Regimentern an. Aus diesem ziehe man
[182]Vom Gange der Dressur.
in so fern Nutzen, als man während der Dauer desselben die Pferde
an den Sattel zu gewöhnen sucht. Nachdem dieser in der bereits
erwähnten, vorsichtigen Art aufgelegt worden, binde man die Pferde
mit der auswendigen Trense aus und gebe sie verständigen, ruhigen
Reitern, welche auf älteren, leicht zu regierenden Pferden beritten
gemacht sind und Gerten führen, an die Hand. So bewege man
die Thiere in einem geschlossenen, stillen Raume, wo man Leute
zur Hand hat, die bei etwaigen Vorkommnissen behülflich sind.
Man unterweise die Mannschaften dahin, dass sie nur dafür zu
sorgen haben, die Thiere im Gang zu halten und sich zu diesem
Zwecke nöthigenfalls der Gerte bedienen dürfen. Von einem Ab-
strafen des Pferdes, weil es den Rücken anspannt oder schlägt,
darf nicht die Rede sein, am allerwenigsten aber ist ein ruckender
Gebrauch des Trensengebisses zu dulden Es wird nicht zu viel
sein, wenn man die Pferde ein paar Stunden lang in dieser Weise
bewegt. Die Thiere sind an Thätigkeit und langen Aufenthalt in
der freien Luft gewöhnt und ein plötzlicher Uebergang zu ganz
veränderter Lebensweise würde ihnen schädlich sein. Es ist mithin
fehlerhaft, dieselben nur durch geringe Thätigkeit kräftigen resp.
mästen zu wollen, nur muss die Art der Arbeit ihren Kräften an-
gemessen sein. Sind die Pferde im Schritt ruhig geworden, so
trabe man in einem kurzen Tempo an und sehe wiederum haupt-
sächlich darauf, dass der Gang gut unterhalten werde.


Es ist von grosser Wichtigkeit, für die Remonten geeignete
Reiter
auszuwählen. Es findet dabei eine doppelte Berücksich-
tigung statt. Einmal, dass man den noch unausgebildeten Thieren
für das Anreiten nicht zu viel Gewicht zu tragen gebe, dann
aber, dass der Reiter sich fürs erste aller falscher Einwir-
kungen
enthalte. Aus dem letzteren Grunde sind sehr häufig
sonst gut reitende Unteroffiziere die allerschlechtesten, weil sie sich
nicht entschliessen können, das Thier ruhig gehen zu lassen, son-
dern sich wo möglich gleich das Gefühl des Gleichgewichts
verschaffen möchten
und unsinnig darauf losarbeiten, um zu
demselben zu gelangen. Endlich dürfte es auch vortheilhaft sein,
die ersten Anfänge der Dressur von den Leuten, welche das Pferd
im Stalle verpflegen, vornehmen zu lassen, weil für diese Dressur-
periode die gegenseitige Bekanntschaft und Freundschaft in den
Vorgrund tritt und wie wir sahen, die Behandlung im Stall gleich-
[183]I. Abschnitt. 4. Periode.
sam einen Theil der Dressur ausmacht. Die einzige Bedingung
für diese Reiter ist, nebst der Leichtigkeit, Furchtlosigkeit und ein
fester Sitz, indem ein Pferd, das bei einem Satz aus jugendlicher
Munterkeit sich seines Reiters entledigte, jede Gelegenheit, bei der
ihm der Reiter unbequem ist, benutzen wird, um ihn abermals auf
diese Art los zu werden. Man hat sich mithin vor derartigen,
anfänglichen Unglücksfällen zu hüten. Auf das Wiegen der
Mannschaft, um deren absolute Schwere kennen zu lernen, möchte
ich keinen zu hohen Werth legen, indem das absolute Gewicht
weniger wie die Art des Sitzes etc. über Leicht- und Schwerreiten
entscheidet. Es hat die Rennbahn uns gewöhnt, eine grössere Rück-
sicht auf das absolute Gewicht zu legen, als dasselbe bedarf. Dass
der Gewichtsunterschied für die Rennbahn ausserordentlich ein-
flussreich ist, steht durch die schlagendsten Beweise fest und ist
leicht erklärlich. Der Lauf macht die grösste Rückenthätigkeit
nöthig. Er wölbt sich bei jedem Sprung auf und ab. Er hat beim
Aufwölben das Gewicht zu überwinden, beim abgespannten Rücken
wird dasselbe um so stärker wirken, je mehr er sich durchbiegt.
Dies Steigen und Fallen der Last wird um so mehr Muskelan-
strengung kosten, je länger der Sprung ist; mit ihm wächst die
Aufwölbung, wie die Abspannung. Das Campagnepferd wird
sich meist in den schreitenden Gängen bewegen, wo diese Rücken-
thätigkeit ganz fortfällt, oder nur auf kürzere Zeit im Galopp und
dann nie in so gedehntem Sprunge, dass Aufwölbung und Abspan-
nung derartig einwirkten. Obschon gewiss jeder Reiter von eini-
gem Gefühl bemerkt haben wird, wie verschieden der Galopp des
ungepackten Pferdes von dem des schwerbelasteten ist, wo der
Trab noch keinen Unterschied gewahren lässt, so scheint mir die
Differenz einiger Pfund für die Leistungen zu unwesentlich, um
ein Motiv für die Pferdevertheilung bei der Cavallerie abzugeben,
wo mir die Reitfertigkeit etc. wichtiger scheint.


Bei den Offizieren und vielen Spazierreitern ist eine wahre
Gewichts-Hypochondrie ausgebrochen. Leute von 200 Pf. glauben
nur Kolosse reiten zu können und meinen, dass nur Thiere vom
edelsten Blute ein solch’ schweres Gewicht zu schleppen vermöchten
und doch sehen sie täglich die Husarenpferdchen, oft von nicht
gar vielem Blut, mit vollem Gepäck und somit unter weit grös-
serem Gewicht, gar munter und lustig den ganzen Tag laufen und
[184]Vom Gange der Dressur.
Anstrengungen ertragen, welche jene Herren weder sich noch ihren
Pferden zumuthen.


Es scheint mir aber andererseits natürlich, dass den Cavallerie-
pferden im Laufe des Feldzugs der Galopp unter dem grossen
Gepäck schwer wird und die Behauptung alter Offiziere, dass ein
Zurücklegen grösserer Strecken im Galopp zu 500 Schritt in der
Minute für die Masse im Felde unausführbar sei, wahrscheinlich.


Sind die ersten Perioden, die des Gewöhnens an Sattel und
Reiter, welche ein mehr passives Verfahren seiten des Reiters ver-
langen, vorüber und soll nun weiter vorgegangen werden, so würde
man seine besten Reiter zur Fortsetzung der Dressur benutzen
müssen, namentlich von dem Momente an, wo man zur Halsarbeit
übergehen will, indem diese schon eine Uebereinstimmung der
Hülfen bedingt, zu der eine grössere Fertigkeit und Beurtheilung
gehört. Es ist für den Cavalleriedienst kein Zweig so wichtig,
wie die Remonte-Dressur. Nicht nur, dass von ihr die Conservi-
rung der Pferde bis zu dem Moment, wo sie in die Eskadron ein-
gestellt werden, abhängt, sondern ihre längere oder kürzere Dienst-
leistung ist meist das Resultat ihrer besseren oder schlechteren
Zusammenstellung. Es werden mithin das Alt- oder Jungberitten-
sein der Truppe, die Conservirung der Beine und der Kräfte, mit-
hin auch Leistungsfähigkeit, wie Futterzustand der Eskadron zum
grossen Theil von der Dressur abhängig. Nicht nur, dass ihre
Unthätigkeit auf die taktischen Bewegungen nachtheilig einwirken
muss; es wird auf ihnen kein Mann zu einem guten Reiter, der
das Gefühl richtiger Anlehnung und richtig-wirkender Hülfen hätte.
Es wird mithin eine Reihe schlecht dressirter Jahrgänge die Rei-
terei in einer Eskadron auf lange Zeit untergraben können.


Bei der grossen Wichtigkeit der Sache scheint es wünschens-
werth, durch kleine Belohnungen und Auszeichnungen zu
grösserem Wetteifer und regerem Leben anzuspornen. Wenn man
bei der Cavallerie Prämien für die besten Schützen gibt,
so würde man Orden für die besten Reiter geben müssen,
wenn sonst ein richtiges Verhältniss, sowohl was Mühewaltung als
Nutzen betrifft, stattfinden soll. Der Remontereiter hat den an-
deren Leuten gegenüber gar keinen materiellen Vortheil, wohl aber
für den Winter eine grössere Anstrengung und für Frühjahr und
Sommer, wenn die Kameraden nach dem Exerziren ausruhen,
[185]I. Abschnitt. 4. Periode.
den Vorzug, die Remonten dressiren zu müssen und für Alles die-
ses keinen Lohn, als das Bewusstsein, es vielen seiner Kameraden
zuvorzuthun. Bei der Schwierigkeit der Sache trifft ihn zu häufi-
ger Tadel, als dass er immer einer besonderen Zufriedenheit seines
Lehrers gewiss sein könnte und es fehlt von dieser Seite oft die
nöthige Geduld und aufmunternde Berücksichtigung. In Braun-
schweig tragen die Vorfechter der Cavallerie zwei gekreuzte Säbel
auf den Arm gestickt. Ich würde für diejenigen Leute, welche
es in der Reiterei zu solcher Fertigkeit gebracht haben, dass sie
zur Ausbildung der Remonten benutzt werden können und so der
Eskadron einen wesentlichen Nutzen bringen, ein „Bereiter-
Abzeichen
“, sei es nur eine schwarz-weisse starke Schnur, wie
sie die einjährigen Freiwilligen an der Achselklappe tragen, um den
Aufschlag gesetzt, für eine hübsche und wohlverdiente Auszeich-
nung erachten. Es würden ferner die Schiessprämien nicht
übel in Reitprämien verwandelt und würde dann am Geburts-
tage unseres Kriegsherrn der beste Reiter aus der Zahl der drei
Jahr Dienenden, der zwei und ein Jahr Dienenden, eine Reit-
prämie bekommen.


Endlich wäre in den Reservepässen die Reitfertigkeit
des Mannes
zu bezeichnen, „Guter Remontereiter“, „Mittelmäs-
siger Reiter 2. Klasse“, „Guter Reiter 1. Klasse“, statt wie es
jetzt, auch bei der Cavallerie, über seine Schiessfertigkeit geschieht,
die so sehr vom Zufall abhängt und von so untergeordneter Wich-
tigkeit ist, dass sie füglich fortbleiben könnte und mir dem caval-
leristischen Geiste, dem Pferd und Schwert die Waffe sein soll,
geradezu zu widerstreben scheint. Jeder Mann, welcher bei der
Cavallerie gedient hat, renommirt in seinem Dorfe von seiner unge-
meinen Reitfertigkeit, ein jeder will Remontereiter gewesen
sein, und es würde ihm ein Gegenstand des Ehrgeizes, ein gutes
Reitprädikat in seinem Reservepass zu erhalten, wie ein Ar-
muthsattest in dieser, auch seinerseits hochgehaltenen Kunst, ihm
nicht geringen Aerger machen würde.


Andererseits wird der Landwehr-Eskadronführer bei
Zutheilung von schwierigen Gebäuden, einen festen Anhaltspunkt
haben, der jetzt fehlt. Es stellen sich immer nach den ersten Ta-
gen bei der Landwehr Uebelstände in der Pferdeverthei-
lung
heraus, die um so schwerer zu ordnen sind, als der Eska-
[186]Vom Gange der Dressur.
dronführer die Leute nicht kennt und deren Reitfertigkeit auf den
rohen Pferden auch schwer kennen lernt. Er ist jetzt genöthigt bei
den Unteroffizieren nach besseren Reitern Nachfrage anzustellen, die
er richtiger und passender durch jene Prädikate beantwortet erhält.


Könnte man aus den Mitteln der Regimenter kleine „Be-
reiter-Zulagen
“ geben, so würde diese Zulage die trefflichste
Rückwirkung auf den Pferdebestand haben und eine
ächt cavalleristische Zulage sein.


Es ist das Besteigen des Pferdes in der Abtheilung ganz in
ähnlicher Art zu üben, wie bei den einzelnen Pferden. Der Pferde-
halter stellt sich vor dasselbe mit beiden Händen in den Backen-
stücken, jedoch ohne das Pferd in seiner natürlichen Kopfstellung
zu stören. Zur Gewöhnung des Pferdes an das Gewicht des Rei-
ters gibt man entweder das Remontepferd, wie beim Gewöhnen an
den Sattel, wieder einem Mann an die Hand, der auf einem alten
ruhigen Pferde sitzt, oder man lässt es durch einen Mann, der zu
Fuss nebenher geht, führen. Diese letztere Methode scheint bei
den sehr frommen Pferden, die von der vernünftigen Behandlung
der Züchter den besten Beweis liefern, wie sie jetzt meistentheils
die Regimenter erhalten, ausreichend, namentlich dadurch, dass die
Remonten bereits auf dem Marsche gelernt haben, auf die Gerte
vorwärts zu gehen. Bei Pferden, welche sich einigermassen lebhaft
und unbändig zeigen, thut man indess doch wohl, sie einem Reiter
an die Hand zu geben, so wie wirklich schwierige einzeln am
Kappzaum und der Longe vorzunehmen, indem häufig durch
fehlerhaftes erstes Anreiten — Pferde für ihre ganze
Dienstzeit schwierig bleiben
. Im Uebrigen verfahre man
ganz in derselben Art, wie es für die Einzeldressur näher erörtert
worden ist.


Es macht die Dressur der Remonten in ganzen Abtheilungen
unangenehm, dass der eine Theil der Pferde von Natur starke,
der andere Theil kurze Gangarten hat, indem dadurch die Di-
stancen verloren gehen und leicht eine gänzliche Auflösung der militä-
rischen Ordnung entsteht. Durch Vorbeireiten werden noch grös-
sere Unannehmlichkeiten herbeigeführt. Heftige Pferde von wenig
Gang werden, wenn andere vorbeigehen, unangenehm und setzen
sich in Galopp, unverträgliche schlagen nach den Vorbeigehenden
und es entsteht endlich ein Durcheinander, dass bei der Unlenk-
[187]I. Abschnitt. 4. Periode.
samkeit und Unaufhaltsamkeit der herumspringenden Dinger Nie-
mand seines Lebens sicher ist. Es ist deshalb nöthig, nur eine
geringe Zahl von Pferden auf einmal reiten zu lassen, damit
eine grössere Distance den hinreichenden Spielraum gewährt.
Bei den anfänglichen Trabübungen der Remonten wird selten so an-
haltend Trab geritten werden, dass auch dann ein Ueberholen statt-
finden würde. Am fehlerhaftesten würde es sein, wenn der Reiter jetzt
schon daran denken wollte, einen gleichmässigen Abstand zu halten.
Ehe nicht die Einwirkung des Gebisses durch richtige Zusammenfü-
gung des Halses gesichert ist, kann von einer Regulirung des Tempo’s
nicht die Rede sein. Es scheint mir hier der Ort, einige Worte
über „Tempo“ einzuschieben. Unter Tempo verstehen wir die
Gleichmässigkeit in der Geschwindigkeit einer Gangart. Die
Geschwindigkeit ist ein Produkt der Länge der Tritte und
der Schnelligkeit derselben. Gleichviel wie die Faktoren sich
gegen einander verhalten, wenn sonst jeder Tritt gleich lang und
dieselben in gleicher Zeit einander folgen, ob das eine Thier Tritte
von 3 Fuss macht und sie zweimal in der Sekunde wiederholt,
oder das andere Tritte von 2 Fuss macht und sie dreimal in der
Sekunde wiederholt, beide gehen Tempo und da beide gleichmässig
6 Fuss in der Sekunde zurücklegen, so gehen sie ein gleiches
Tempo
. Das Reglement bestimmt z. B. für den Trab 300 Schritt in
einer Minute. Jedes Pferd, welches bei gleichmässig schnellen Tritten
in einer Minute diese Distance zurücklegt, wird ein richtiges Tempo
gehen. Je nach dem Gebäude wird aber die Länge des Trittes
und die Geschwindigkeit der Action bei den Pferden verschieden
sein. Diese Verschiedenheit wird sich dahin ausgleichen müssen,
dass diejenigen Thiere, welche von Natur einen langsamen geräu-
migen Gang haben, schneller, und diejenigen, welche einen kurzen,
schnellen Gang haben, länger treten lernen müssen. Diejenigen, denen
die Natur einen langen Gang und schnelle Action verlieh, werden
beides mässigen; diejenigen, welche von Natur kurz und langsam
treten, an Zeit und Länge zugeben müssen, bis das bestimmte
Längenmass von allen in der bestimmten Zeit bei gleichmässiger
Action durchlaufen wird, gleichgültig wie jedes einzelne Thier die
Faktoren seiner Geschwindigkeit — Mass und Zeit — eintheilt.
Aber die Tritte jedes einzelnen Pferdes müssen unter sich gleich
lang sein und sich in gleichem Zeitmasse einander folgen.


[188]Vom Gange der Dressur.

Wollte man, bevor eine richtige Einwirkung durch das Gebiss
erzielt werden kann, auf das Innehalten der Distancen einen Werth
legen, so würde man die Reiter veranlassen, durch Hülfen diesen
Zweck zu erreichen, welche der Dressur in hohem Grade nach-
theilig werden müssen. Pferde, welche von Natur weite und mäch-
tige Gänge haben, würden durch Festhalten in falsche Halsbie-
gungen gebracht, unstät in der Hand werden, oder gar hinter die
Zügel gerissen, von Haus aus zu unregelmässigem Gange und An-
tritt verleitet werden; Pferde von kurzen Gängen aber, zu einer
Uebereilung kommen, welche später schwer zu bessern ist. Es
wird desshalb nothwendig sein, dass sich der Reitlehrer, wenn er
zu anhaltenden Trabübungen übergeht, Anfangs zwei Abthei-
lungen
bildet, eine von solchen Pferden, welche vermöge der
Räumigkeit oder Schnelligkeit ihrer Tritte von Haus aus zu einem
starken Tempo hinneigen und eine zweite aus solchen, welche aus
der einen oder anderen Ursaehe nur wenig fortkommen. Er kann
sich leicht, wenn die Zeit es nicht erlaubt, sie nach einander in zwei
für sich bestehenden Abtheilungen zu dressiren, dadurch helfen,
dass er beim Trabe mit der einen Abtheilung die eine halbe
Bahn benutzt und dort auf den Zirkel trabt, während die andere
auf der anderen halben Bahn Schritt reitet. Für den Galopp
wird eine derartige Eintheilung besonders nöthig sein, indem, wie
wir späterhin sehen werden, die eine Art Pferde von Haus aus zu
einem langen, die andere zu einem versammelten Sprunge
angehalten werden muss.


So sehr es jeder Idee von Dressur in das Gesicht schlägt,
so sehen wir doch hin und wieder Reitlehrer, im missverstandenen
Sinne für militärische Ordnung, Remonte - Abtheilungen nach
der Grösse rangiren
und hören sie schon in den ersten Stun-
den nach Distance rufen, wohl gar mit dem Zusatz, dass man die
Thiere von Haus aus daran gewöhnen müsse. Wir haben vor-
stehend uns schon des Weiteren über diese Art der Dressur aus-
gelassen. Hierbei möchte ich gegen die Gewohnheit vieler
Offiziere durch Zählen: „eins-zwei! eins-zwei!“ das
Tempo reguliren zu wollen
, die Bemerkung machen, dass,
obschon sie nichts beabsichtigen, wie im Allgemeinen zu animiren
oder zu beruhigen, dadurch die Mannschaft verleitet wird, das
Tempo in einem Gleichmass der Zeit nach, zu suchen, während
[189]I. Abschnitt. 5. Periode.
jedes Pferd, wenn es Tempo gehen soll, die Geschwindigkeit nach
der Weite des Trittes reguliren und seinen Takt für sich haben
muss. Endlich erlaube ich mir noch zu erwähnen, wie der Reit-
lehrer den Remontereiter auf die speziellen Eigen-
schaften seines Pferdes im Genauesten aufmerksam
machen und ihm die Gründe für die besondere Be-
handlungsweise, welche das Gebäude verlangt, klar
machen muss
, indem der Lehrer ausser Stande ist, sämmtliche
Eventualitäten in dem Grade zu überwachen, dass nicht die mei-
sten speziellen Belehrungen zu spät kämen. Eine Erweiterung des
theoretischen Unterrichtes über Reiterei, der sich über das Geben
vorschriftsmässiger Hülfen etc. hinaus auf die Grundursachen
erstreckte, dürfte von nicht geringem Nutzen und namentlich den
Kapitulanten zu ertheilen sein. Man muss allerdings erst sitzen
lernen, um zu lernen, wie man Hülfen gibt. Kann der Mann aber
die Hülfen richtig und in Uebereinstimmung geben, so scheint es
mir nöthig, ihn zu unterrichten, wodurch ihre Wirkung hervorge-
bracht und bedingt wird. Es wird dies allerdings einen ähnlichen
Vortrag hervorrufen, wie ihn sich dies Werk zur Aufgabe ge-
stellt hat, doch dürfte er, mit einiger Beschränkung, nicht ohne
Nutzen sein.


Fünfte Periode.

Geht das Pferd auf die Schenkelhülfe willig vorwärts und
ist im Stillestehen sicher geworden, so gehe man zur Uebung
des Weichens vor einem Schenkel
über. Man stelle das
Pferd mitten in die Bahn, lasse die Zügel, welche in eine Hand
zu nehmen sind, leicht anstehen, ohne den Hals im Geringsten
zusammen zu pressen, und klopfe das Thier unter dem Zuruf
Herum!“ mit der Gerte in kleinen wiederholten Streichen auf
die Hinterbacken, bis es mit der Hinterhand übertritt, wozu es
durch die Uebung an der Hand bereits vorbereitet worden ist.
Sollte das Pferd vorwärts gehen wollen, so hält es der Zügel leicht
zurück. Das Schlagen nach der Gerte muss hier, wie an der
Hand durch einen nachdrücklichen Hieb in die Flankenge-
gend bestraft werden. Es ist von Wichtigkeit, dass der Reiter
seine Ruthenhülfen so abmisst, dass das Thier langsam herum-
tritt und nicht ängstlich vor der Gerte flieht. Hat der Reiter auf
[190]Vom Gange der Dressur.
seine Aufforderung den Erfolg, so belohne er das Thier, indem er
ihm schmeichelt und Ruhe gönnt und gehe dann zu den Uebungen
im Gange über. Es müssen im Allgemeinen die Lectionen,
welche etwas Neues enthalten, dann begonnen werden,
wenn das Thier bereits durch Bewegung den Stall-
muth verloren
, dasselbe aber noch keineswegs ermüdet, seine
Aufmerksamkeit frisch ist und man Ursache hatte, bei Wiederholung
des Bekannten mit ihm zufrieden zu sein. Es gibt indess eine
Menge von Reitern und Reitlehrern, welche glauben, nothwendig
täglich alle ihre Lectionen durcharbeiten zu müssen,
wodurch sie ihre Pferde warm gemacht und ermüdet haben, ehe
sie etwas Neues beginnen, dann aber ist nicht nur die Aufmerk-
samkeit der Thiere bereits abgenutzt, sondern auch eine Hast
und Unruhe
, der drängenden Zeit wegen, in das neu zu
Erlernende gebracht, die der Sache schadet. Endlich aber wird
dann häufig die Lection im Kampfe zwischen Reiter und Pferd,
im Moment des Ungehorsams abgebrochen, welches
gegen die Grundregel der Dressur verstösst, wonach Reiter und
Pferd als Freunde scheiden sollen.


Nachdem man durch die Bahn gegangen, begebe man sich
wiederum in die Mitte derselben und übe die Lection des Weichens
auf die andere Hand
. Hat man das Weichen vor der Gerte
sicher auch ohne Beihülfe der Stimme, so substituire man ihr, in
der bekannten Art, den Schenkel und Sporn. Ist man darin sicher
und hat auch den einseitigen Sporn mit Erfolg in Anwendung
gebracht, so unterrichte man das Pferd in der Gegenwirkung
der auswendigen Hülfen
. Man lasse das Pferd vor dem
inwendigen Schenkel weichen und beende die Bewegung durch das
Gegenlegen des auswendigen.


Dies macht wenig Schwierigkeit, wenn man vorher bereits die
Uebung des Weichens vor dem inwendigen und auswendigen Schen-
kel schnell hat aufeinander folgen lassen. Gehorcht das Pferd in
dieser Art leicht auf beide, sie mögen übertreibend oder
stopfend gebraucht werden, so gehe man über zur


sechsten Periode.

In dieser soll man dem Pferde das Wenden sowohl im
Gange, wie im Stillehalten lehren und durch Vermittelung
[191]I. Abschnitt. 6. Periode.
des mechanisch stark einwirkenden Reitergewichts, die mecha-
nisch gering einwirkende Aufforderung zur Wendung durch den
Druck des Gebisses auf die inwendige Lade, zur Er-
kenntniss
des Thieres und durch gemeinschaftliche Anwendung
beider (je nach Bedürfniss bald diese, bald jene Hülfe vorherr-
schend brauchend) die Wendungen zur Ausführung bringen.


Um das dahinschreitende Pferd zu veranlassen von der Linie,
auf welcher es sich fortbewegt, abzuweichen, seine ursprüngliche
Direktion zu verlassen, eine neue Richtung einzuschlagen — mit
einem Wort zu wenden, braucht man dasselbe nur nach dieser
Seite hin aus dem Gleichgewicht zu bringen und es wird bestrebt
sein, um sein Gleichgewicht herzustellen, die seitwärts überhängende
Last zu stützen, indem es mit den Vorderbeinen dorthin tritt und,
im Gang gehalten, mit den Hinterbeinen folgt. Je unsicherer
das Pferd nach seitwärts gestützt ist, um so geringer
braucht die Einwirkung zu sein,
um es dahin aus dem
Gleichgewicht zu bringen. Ihrem Baue nach sind die hohen eng-
gestellten Thiere am schlechtesten, die niedrigen breitgestellten am
besten seitwärts gestützt, diese werden schwer, jene leicht zu wen-
den sein. Aber auch die verschiedene Fusssetzung der verschiede-
nen Gangarten bringt einen wesentlichen Unterschied auf das mehr
oder weniger sicher Gestütztsein nach seitwärts hervor. Im Schritt
ist das Pferd (mit 3 Hufen am Boden) am besten; im Galopp
(mit 2 Hinter- oder Vorderhufen, zeitweise mit 3 am Boden) noch
ziemlich gut; im Trabe aber (nur mit den beiden diagonalen
Hufen am Boden) sehr schlecht gesichert. Sein Schwer-
punkt liegt im Trabe, wie wir bereits sahen, in der Diagonale der
stützenden Hufe und jede Schwankung rechts oder links muss ihn
sofort aus dieser Linie und somit das Thier aus dem Gleichgewicht
bringen. Was könnte aber wohl mehr im Stande sein, jenes Ver-
legen des Schwerpunktes mechanisch kräftig hervorzubringen, als
das Körpergewicht des Reiters? — Nicht nur die grös-
sere Schwere,
sondern auch die über den Pferdekörper hin-
wegragende Höhe seines Oberleibes
wird dem Reiterge-
wicht eine bei weitem mächtigere Einwirkung auf die Verlegung
des Schwerpunktes geben, als der noch so scharf gewendete Kopf
und herumgezogene Hals des Pferdes. Mechanisch wird
mithin das Reitergewicht die Wendung viel mehr hervorbringen,
[192]Vom Gange der Dressur.
als die Wirkung des Gebisses auf der Lade. Wir können
indess dieser mehr convenzionellen Hülfe nicht ent-
behren,
indem das Körpergewicht nur dann das Thier aus dem
Gleichgewicht bringen, mithin wenden wird, wenn es nach seit-
wärts schlecht gestützt ist, das ist im Allgemeinen im Gange, be-
sonders aber im Trabe der Fall. Im Stillehalten wird indess
weder das Reitergewicht, noch aber die Kopf- und Halsstellung
das Thier aus dem Gleichgewicht zu bringen vermögen. Wir ha-
ben mithin keine mechanische Hülfe, das Thier aus dem Stillehalten
zu wenden und müssen dies auf dem Wege der Abrichtung
erreichen. Auch in dieser Beziehung ist der Trab für die Dressur
ein so wichtiger Gang, er gibt uns Gelegenheit durch die mecha-
nische Hülfe, durch das Reitergewicht das Pferd zu wenden und
durch Mitgebrauch des Zügels die weniger mechanische Zügel-
hülfe zu substituiren, zum Verständniss zu bringen und so die
Wendung auch aus dem Stillehalten durch den Zügel zu gewinnen.
Auf diese Art die Wendung erzielend, wird man auch Anfangs nie-
mals einer schmerzlichen Wirkung des Zügels auf die
Laden bedürfen,
wodurch das Thier das Vertrauen zur Hand ver-
liert, und eben so wenig eines Herumziehens des Halses,
wodurch derselbe an falsche Bewegungen gewöhnt wird. Man wird
die Wendungen aber erst dann in das Bereich der Uebungen ziehen
können, wenn man sicher ist, den Gang unterhalten und das Aus-
fallen der Kruppe vermeiden zu können. Man muss, wie bemerkt,
beim Trabe beginnen, durch weiches Mehrbelasten einer
Seite vermittelst des Reitergewichts
das Pferd seitwärts
aus dem Gleichgewicht bringen und den Gang lebhaft unterhalten.
Es darf dabei ein schärferes Austreten eines Bügels nicht statt-
finden, die Gabel des Reiters keine Veränderung erleiden und
jene allmälige Neigung des Oberkörpers nur eine stärkere Be-
lastung des betreffenden Gesässknochens veranlassen. Mit dieser
Neigung verbinde man demnächst einen Druck vermittelst des Zü-
gels auf die inwendige Lade, wobei der auswendige Zügel so viel
anstehen muss, dass weder ein Herumgeben des Kopfes noch
Halses nach dieser Seite erfolgt. Der Schmerz, welchen ein
derartiges Herumziehen des Kopfes auf die ungebogenen Ganaschen
machen muss, würde häufig eine Opposition zur Folge haben. Man
wird gewahr werden, dass man der Zügelhülfe zur Wendung im
[193]I. Abschnitt. 6. Periode.
Trabe nicht bedarf und das Pferd lediglich dem überhängenden
Reitergewicht folgt. Man hüte sich aber Anfangs dieses zu
plötzlich und gewaltsam eintreten zu lassen, weil das Thier
sonst veranlasst werden kann, dadurch sein Gleichgewicht herzu-
stellen, dass es sich mit Gewalt auf die entgegenge-
setzte Seite wirft.
Das Ausfallen der Kruppe in der Wen-
dung hängt genau damit zusammen und muss durch die Wirkung
des auswendigen Schenkels vermieden werden.


Nachdem man im Trabe zuerst weite Viertelwendungen,
dann eine halbe, endlich eine ganze Volte von bedeutendem
Umfange geritten hat, gehe man zu den weiten Wendungen und
Volten im Schritt über, dann zu engeren Wendungen im
Trabe, endlich im Schritt. Das Combiniren von geraden Linien
mit halben Volten, von halben Volten auf der rechten und linken
Hand, wodurch Schlangenlinien entstehen, das Uebergehen
von ganzen Volten in einander zu Achten u. s. w., ist sehr wichtig.
Je mehr man in derlei Dingen erfinderisch ist, um so mehr wird
man das Thier achtsam auf Hülfen und gewandt machen.
Den Beschluss der Wendeübungen machen die aus dem Stille-
halten.
Man thut dabei gut, Anfangs das Thier aus dem Stil-
lehalten anzureiten und dann, wenn es die Bewegung vorwärts
eben begonnen hat, die Wendung zuerst mit Beihülfe des Reiter-
gewichts durch den Zügel zu begehren. Ist sie ausgeführt, so
parirt man das Pferd sofort wieder. Nach und nach lässt man
die Wirkung des Reitergewichts fort und beginnt die Anforderung
beim Antreten des Pferdes mit dem Zügel allein. Findet man
auch dann Gehorsam, so beginnt man die Wendung auf der Stelle.
Natürlich darf auch dann, sobald das Pferd die Wendung beginnt,
das Reitergewicht nicht widerstreben, sondern muss die Wen-
dung in angemessener Art unterstützen. Man hüte sich An-
fangs aus dem Stillehalten genaue Wendungen auf der Hinterhand
zu verlangen und begnüge sich, wenn das Pferd dem Zügelanzuge
Folge leistet, mit einer unreinen Wendung. Ist man demnächst
aber sicher, verstanden zu sein, so übe man zuerst das Schenkel-
weichen
auf der Stelle, lasse dann aber die Wendung auf der
Stelle folgen und bestrafe das Thier beim etwaigen Ausfallen mit
der Kruppe durch erneutes Weichenlassen und wird so bald die
reine Wendung resp. Pirouette auf der Hinterhand, wie auf
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 13
[194]Vom Gange der Dressur.
der Vorhand erzielen. Eben so leicht wird man, beide combi-
nirend, die Wendung auf dem Gurt (der Mittelhand) gewinnen.
Diese 3 Lectionen sind für das Soldatenpferd von der grössten
Wichtigkeit und man wird bald gewahr, wie es mit dessen Dressur
beschaffen ist, wenn man sie ausführen lässt.


Im Allgemeinen wird man wohl thun, sich bei allen Wendun-
gen der Zügelhülfen möglichst wenig zu bedienen und
das Reitergewicht vorherrschen zu lassen,
obschon ein
Pferd, auf die angeführte Art dressirt, auch dem Druck auf die
Lade gehorchen wird. Man hat bei der Wendung durch das Rei-
tergewicht stets den Vortheil, dass man seinen Willen dem Thiere
unmittelbar wissen lässt, ihm mechanisch zur Ausführung behüflich
ist und nicht wie beim Druck auf die Lade demselben leicht
Schmerz, sei es im Maule selbst, in der Ganasche oder dem Halse,
macht. Es wird auf diese Hülfe ein in Ganasche und Hals noch
wenig bearbeitetes Pferd sich leichter tummeln lassen. Es ist durch
vorstehende Betrachtung aber auch leicht erklärlich, warum das
Pferd auf den auswendigen Zügel, auf den Druck des Zü-
gels an den Hals
ebenfalls wendet. Es ist die Zügelwendung
eben im Allgemeinen keine mechanische Hülfe und hat man das
Thier gewöhnt, die Wendung auf die eine Art des Zügelgebrauchs
zu vollziehen, so wird es, wenn der Reiter nur sonst consequent
war, gewiss eben so leicht wenden, wie auf die andere Art. Wenn
ich nun jene Wendung durch den Zügel an den Hals, durch Schie-
ben der Faust nach der Seite, wohin man will, nicht als einen Un-
sinn verurtheilen kann, sondern gestehen muss, dass sie
sogar den Vortheil der Bequemlichkeit beim Reiten mit
einer Hand für sich hat und mechanisch mindestens eben so
kräftig wirkt, wie der Druck auf die inwendige Lade; wenn ich
ferner den Einwurf, dass dadurch die Nase des Pferdes nach
aussen geworfen und somit der Blick des Pferdes von dem Wege
abgelenkt wird, den es betreten soll, nicht gelten lassen kann,
weil bei der Augenstellung des Pferdes und bei der geringen Wen-
dung des Kopfes dieser Uebelstand zu Null herabsinkt, wie denn
auch die Contrevolten Wendungen sind, die den Kopf dauernd aus der
Volte stellen: so muss ich, auf die Gefahr hin, inconsequent zu
erscheinen, doch gestehen, dass ich diese Art der Wendung
niemals gut heissen würde, und zwar aus folgenden Grün-
[195]I. Abschnitt. 6. Periode.
den. Beim Reiten mit zwei Händen, sowohl auf der Trense
als beim Reiten auf der Kandare mit angefasster Trense, wendet
Jedermann, weil es dann die Bequemlichkeit für sich hat, auf dem
inwendigen Zügel und gewöhnt sein Pferd so an diese Hülfe,
und wird dem Pferde etwas Neues, Anfangs Unverständliches
geben, wenn er später beim Reiten mit einer Hand diese Hülfe
ändert; andererseits artet diese Manier zu wenden sehr leicht zu
einer Weitläufigkeit der Führung und einem rohen Reissen
aus, welche das Pferdemaul bedroht, und lässt sich endlich mit den
eingeführten Lectionen schlecht vereinen.


Schliesslich kann ich der Einwendungen nicht unerwähnt
lassen, welche gegen die Wendung durch das Reitergewicht ge-
macht werden dürften, selbst von Leuten, welche sie fortwährend
selbst anwenden und nur um ihre Theorie aufrecht zu erhalten,
sich gegen dieselbe sträuben.


1. Es soll die Anwendung des Reitergewichts zum Wenden
den Sitz unruhig machen und der Festigkeit desselben
Abbruch thun.
Wenn die Hülfe durch Herabsinkenlassen der
ganzen Reiterfigur nach einer Seite, wenn ein Stemmen in einen
Bügel nothwendig damit verbunden wäre, so würde ich derselben
Ansicht sein, eben so wenn ein plötzliches Hin- und Herwerfen
erforderlich wäre; beides aber ist, wie wir sahen, auch hier fehler-
haft. Jene allmälige Hinneigung des Oberkörpers in die Wen-
dung, bei welcher der Schenkelhang völlig unverändert bleibt, ist
ja schon immer gelehrt worden, nur nicht als Hülfe, um das
Pferd zur Wendung zu disponiren, sondern als Hülfsmittel,
um der Wirkung des schwereren Auffallens der inwendigen Füsse
des Pferdes bei der Wendung und der damit verbundenen Rück-
dröhnung, welche den Reiter nach auswärts wirft, zu begegnen.
Man hat die Neigung des Körpers nach rechts und links stets
gelehrt und ihre gute Ausführung, ohne den Sitz des Reiters zu
bedrohen, immer als ein Zeichen eines guten Schlusses und erlangter
Reitfertigkeit gepriesen. Das Aufheben eines Tuches von der Erde,
ein scharfer Hieb mit dem Degen durch den Boden, sind immer
Aufgaben gewesen, um die Gewandtheit zu prüfen, und beide
machen eine so scharfe Neigung nöthig, mit welcher jene gar nicht
zu vergleichen ist.


13*
[196]Vom Gange der Dressur.

2. Soll die Anwendung des Reitergewichts zum Wenden des-
halb nicht anzuwenden sein, weil es bei den eben ange-
führten zufälligen Neigungen des Körpers seitwärts,

z. B. bei dem Hieb zur Erde, das Pferd unfehlbar zur
Wendung veranlassen würde.


Einmal haben wir gesehen, dass in den Gangarten, wo das
Pferd am leichtesten seitwärts aus dem Gleichgewicht gebracht
werden kann, die mechanische Einwirkung des Reitergewichts nach
seitwärts die grösste sein wird. Im Galopp und in der Carrière, in
welcher diese Uebungen meist ausgeführt werden, ist das Thier noch
ziemlich gut seitwärts gestützt und deshalb zur Wendung, wie
gezeigt, die Zügelhülfe mit in Anspruch zu nehmen. Das Unter-
lassen dieser Beihülfe
wird indess vielleicht noch nicht aus-
reichen, das Thier geradeaus zu halten; es muss dann die entge-
gengesetzte Wendung des Zügels zu diesem Zwecke gebraucht
werden. Es werden sich dann die Einwirkungen aufheben. Die
Praxis zeigt uns für diese Fälle, dass die Thiere bei dem Hieb
zur Erde in der Carrière weniger geneigt sind rechts — als
links auszubrechen, wodurch scheinbar der Wirkung des Reiter-
gewichts auf die Wendung widersprochen wird. Ich finde diese
Erscheinung indess völlig erklärlich. Geschieht die Neigung des
Reiters rechts herunter zu plötzlich, so wird das Thier, in der Furcht
von dem überhängenden Gewicht, wenn es demselben folgt, umge-
worfen zu werden, demselben widerstreben und den Schwerpunkt
seines Leibes so stark nach der entgegengesetzten Seite neigen,
dass es in dieser Direktion, mithin nach links, abweicht.


Es ist keineswegs meine Meinung, dass die vorstehend bezeich-
neten Lectionen in dieser Periode hintereinander fort durchgeübt
und bis zu einer gewissen Vollkommenheit getrieben werden sollen.
Diese Lectionen gehören zu denen, welche, sich auf Verständniss
gründend, zu den ersten Elementen der Dressur gehören, dann zu
einiger Vollkommenheit gebracht, zur Körperausbildung des Thieres
höchst wichtig sind, endlich aber auch beim späteren Dienstge-
brauch jeden Augenblick vorkommen. Sie müssen sich mithin
durch alle Abschnitte und Perioden der Dressur hin-
durchziehen und müssen stets in derjenigen Haltung
und Zusammenstellung geübt werden, welche derje-
nigen Stufe der Dressur, in welcher man sich befindet,

[197]I. Abschnitt. 7. Periode.
eigenthümlich ist. Anfangs wird bei gänzlich unbearbeitetem
Hals und ohne Rippenbiegung von keinen engen und präzisen
Wendungen die Rede sein, man begnügt sich, verstanden zu
sein und Gehorsam zu finden, und erst nachdem man durch
Halsarbeit und Rippenbiegung so weit gekommen, dass der Pferde-
körper sich leicht in die Form biegt, welche mit der Figur des
zu beschreibenden Hufschlags übereinstimmt, wird man zur Ge-
nauigkeit und Eleganz kommen. Es ist indess festzuhalten, dass
man diese erlangt haben muss, ehe man den Galopp beginnt.


Man verzeihe, wenn bei dieser Gelegenheit manches wieder-
holt worden, was bereits im ersten Theil bei der Lehre „vom
Körpergewicht des Reiters“
gesagt worden war. Es schien
mir indess wichtig und nothwendig, meine Ansicht darüber weit-
läufiger zu entwickeln, da sie von der allgemeinen hie und da
abzuweichen scheint.


Siebente Periode.

In dieser soll das Pferd in der Bewegung dem einsei-
tigen Schenkel weichen lernen.
Es gestalten sich hieraus
die Lectionen „Kopf herein und Kruppe heraus“ und
„Kruppe herein und Kopf heraus“, bei denen festzuhalten,
dass der Hufschlag der Hinterhand von dem der Vorhand nicht
weiter als 1½ Schritt abweicht und weder von Kopfstellung noch
Rippenbiegung die Rede ist. Die Hinterhand wird, wenn sie den
weiteren Bogen hat, in dieser Lection leicht vor dem inwendigen
Schenkel schleudern. Man hüte sich, durch zu frühzeitige Ge-
genwirkung des auswendigen Schenkels diesem Uebelstand abzu-
helfen, indem man das Pferd dadurch leicht verwirren würde.
Man beginne die Stunde mit Schritt und Trab auf der geraden
Linie, übe dann das Schenkelweichen auf der Stelle und, wenn
dieses gut vor sich ging, reite man im Schritt auf dem grossen
Zirkel. Hier beginne man, ohne das Pferd mit dem Zügel zu be-
lästigen, namentlich aber ohne es mit dem inwendigen stellen zu
wollen, durch den inwendigen Schenkel, nöthigenfalls mit Beihülfe
der Gerte, die Hinterhand herauszudrücken, gleichzeitig aber unter-
halte man den Gang durch Zungenschlag und bringe durch Nei-
gung des Körpergewichts nach der auswendigen Seite das Thier
zum Uebertreten der Vorhand. Die Uebereinstimmung der
[198]Vom Gange der Dressur.
Hülfen, namentlich die Einwirkung des Körpergewichts im Mo-
ment, wenn die Hinterhand durch den Schenkel herausgetrieben
wird, sichert den Erfolg. Der auswendige Zügel kann, nöthigen-
falls in gelinden Anzügen seitwärts führend, mitwirken, muss jedoch
mit grösster Vorsicht gebraucht werden. Geht es ohne denselben,
so ist es um so besser. Das rechtzeitige Einwirken des Gewichts
ist hierbei für ungeübte Reiter das Schwierigste, aber dennoch
das Wesentlichste.


Man begnügt sich natürlich Anfangs mit ein Paar Tritten
und bediene sich des auswendigen Schenkels, um die gerade Linie
wieder zu erreichen. Dann folgen wieder Uebungen mit beiden
vortreibenden Schenkeln im Schritt und Trab, Changiren durch die
ganze Bahn, Aufstellen in der Mitte und Schenkelweichen auf der
Stelle vor dem anderen Schenkel; Anreiten im Schritt auf die
andere Hand; Uebung im Weichen vor dem anderen Schenkel im
Gange auf dem Zirkel, wie vorher. Beendigung der Uebungsstunde.


Hat man so einige Tritte sicher, so verlängere man die Uebung
von Kruppe heraus, und ist das Pferd sicher darin, so gehe man
zur Lection Kruppe herein in derselben Art über. Man setze diese
Lection auf 2 Hufschlägen fort und suche demnächst die Einwir-
kung des nicht übertreibenden Schenkels zur Geltung
zu bringen,
indem man aus den Seitenlectionen parirt, oder aus
denselben geradeaus vorreitet. Diese beiden letzteren Uebungen
sind höchst wesentlich und dient namentlich das Geradeaus-Vor-
gehen aus dem Seitengange am besten als Beweis, dass das Thier
den Unterschied zwischen den seitwärtstreibenden einsei-
tigen
und den beiden vorwärtstreibenden Schenkeln
erkannt hat. Das Eingehen in die Lectionen durch Abwenden
mit dem Zügel vom Hufschlag würde, so richtig es für das Schul-
terherein ist, hier ganz falsch sein und ist streng darauf zu halten,
dass die Hinterhand von Anfang an, der vom Hufschlag weichende
Theil sei. Man kann jenes Vorgehen aus Kruppe heraus zweck-
mässig benutzen, um auf die andere Hand zu gehen. Es wird
immer sehr leicht gelingen, das Uebertreten der Vor- und Hinter-
hand, das Weichen vor dem Schenkel zu erzielen, sowohl bei Kruppe
herein wie Kruppe heraus, wenn sich die Reiter nur entschliessen
können, von den seitwärts stellenden Zügelhülfen, von der Kopf-
stellung abzulassen. Diese Stellung zu geben, ist aber den Meisten
[199]I. Abschnitt. 7. Periode.
so zur anderen Natur geworden, dass sie nicht davon ablassen
können. Die Beengung des Halses, der Schmerz der zusammen-
gepressten Ohrdrüsen und Muskeln aber, welche das rohe Pferd
dadurch erhält, leitet die Aufmerksamkeit des Thieres von den
Schenkeleinwirkungen ab und macht es widersetzlich. Der gera-
deausgestellte Kopf ist deshalb ein Haupterforder-
niss für das Gelingen dieser Uebung,
nebst der richtigen
Gewichtsvertheilung des Reiters. Man beachte vor Allem,
dass „Kopf herein und Kruppe heraus“,
wie „Kopf
heraus und Kruppe herein“ niemals zur Bearbeitung
des Pferdekörpers dienen sollen,
sondern lediglich dem
Thiere das Erkennen und Gehorchen der Hülfe des Weichens vor
dem einseitigen Schenkel lehren soll. Sie zählen daher auch nur
zu den Vorbereitungslectionen und sind keine Produktions-
stücke der Bahnreiterei, indem die anderen Seitengänge den Beweis
liefern, dass diese Lectionen verstanden sind. Es ist stets festzu-
halten, dass die Uebungen auf der geraden Linie zwischendurch
lebhaft fortgesetzt werden und vor Allem darauf zu sehen, dass
bei jenen Uebungen die Pferde nicht hinter die Hand kommen.


Hat man das Gehorchen auf beide und auf den einseitigen
Schenkel sicher, hat man die Wendungen angebahnt, so ist der
erste Abschnitt der Dressur, bei dem auf Verständniss und Ge-
horsam vorherrschend zu sehen, beendet. Man hat das nöthige
Material für den zweiten Abschnitt, der sich hauptsächlich mit
der Körperausbildung beschäftigt, gesammelt und geht nunmehr
zu diesem über. Es ist zu wiederholen, dass bei allem Widerstre-
ben und Nichtgelingen auf die vorhergehende Uebung zurückge-
gangen und Mangel an Verständniss und Ungehorsam genau unter-
schieden werden muss. Es würde für den ganzen Cyklus der
bisherigen Uebungen fehlerhaft sein, jetzt schon das angenehme
Gefühl einer Bewegung des Pferdes im Gleichgewicht erstreben
zu wollen und durch Gegenwirkung des Zügels eine verfrühte
Zusammenstellung zu erzielen. Wohl aber gönne man dem Thiere
die Anlehnung auf die Hand, welche es sich selbst sucht, selbst
wenn sie sehr fest wäre und unterscheide stets die Verlegung des
Gewichts durch Anlehnung von der durch Zurücknahme des Halses.
Es würde indess eben so falsch sein, verkehrte Biegungen des
Halses, wenn solche nicht im Bau des Halses liegen, sondern Folge
[200]Vom Gange der Dressur.
eines unrichtigen Zügelgebrauchs sind, zu übersehen. Man erforsche,
wodurch man sie hervorgerufen hat und vermeide diese Fehler.
Jene verfrühten Einwirkungen auf das Gebäude werden unrichtige
Halsstellungen, Rücken- und Gelenksanspannungen, Schleudern der
Kruppen und Verhalten zur Folge haben und schliesslich zu Wi-
dersetzlichkeit führen. Ihnen verdankt man den grössten Theil
der verrittenen Pferde und wird die Prüfung derselben zeigen, dass
ihre Widersetzlichkeit im mangelnden Respekt vor dem Schenkel
ihre erste Begründung findet.


Zweiter Abschnitt.


Erste Periode.

Ehe man zur Bearbeitung des Halses schreitet, muss das Pferd
Vertrauen zur Hand des Reiters gewonnen haben. Es
muss willig an das Gebiss herangehen. Obschon der Grad des
Herantretens, die Anlehnung, oft ungleichmässig und namentlich
häufig bis zum Auflegen fest sein wird, so muss sich doch niemals
eine Scheu vor dem Mundstück zeigen. Das Pferd muss auf
den Schenkeldruck vorwärts gehen
und das Gewicht seines
Körpers in den Gang legen; es muss das Hinweggehen des Leibes
über die Beine mit dem Fortbewegen derselben bereits in so weit
in Uebereinstimmung stehen, als der Drang vorwärts vielleicht
noch zu stark, niemals aber zu gering sein darf. Es muss ferner
die Wirkung des einseitigen Schenkels gesichert sein
und durch dieselbe das Ausfallen der Kruppe vermieden werden
können. Endlich aber muss das Widerstreben der Kiefer-
muskeln
gegen die Wirkung des Gebisses beseitigt sein; auf den
Druck des Gebisses die Zurücknahme des Kopfes erfolgen und
kein Gegendehnen oder Vorschieben der Lade vorkommen. Wenn
diesen Anforderungen noch nicht genügt ist, wird
die Bearbeitung des Halses verfrüht sein.


Man wird von nun an die Gerte weglassen. Es ist mir die
Zäumung auf Doppeltrense deshalb wünschenswerth erschienen,
[201]II. Abschnitt. 1. Periode.
weil die höherliegende kleine Trense das Ueberstrecken der Zunge
einigermassen verhindert; auch ist eine Kopfhalfter bei den
meisten Pferden nützlich, indem durch das Zuziehen des Nasen-
riemens dem Maulaufsperren entgegengearbeitet wird.


Man hat durch die bisherige Dressur hinreichend Gelegenheit
gehabt zu beurtheilen, mit welcher Art der Halsarbeit man zu
beginnen hat, wozu der erste Theil die näheren Motive giebt.
Je geringer die ersten Anforderungen sind, je weniger die neue
Stellung
Anfangs von der natürlichen Haltung abweicht,
um so richtiger wird man verfahren. Man mache das Pferd dann
aber nach und nach in dieser neuen Stellung fest, bis es sich darin
in den verschiedenen Gängen, im Schritt und Trab, dauernd und
zwanglos bewegt und sie endlich auch im Stillehalten leicht und
willig annimmt.


Es ist das Verfahren für das Aufrichten, Beizäumen, wie Ab-
biegen im Gange ein völlig ähnliches. Der Schenkel repräsen-
tirt die Activität. Er fordert vordrückend und immer wieder vor-
drückend das Pferd auf, an das Gebiss zu treten, während die
Stellung der Fäuste die Haltung bestimmt, die der Kopf einnehmen
soll, der seinerseits den Druck auf die Halswirbelsäule ausübt und
sie in die gewünschte Form biegt. Der Zügel bleibt mithin mehr
passiv. Der Schenkel drückt durch das Widerstreben durch und
duldet, unausgesetzt thätig, weder Verhalten noch Ausweichen.
Die Fäuste sind die Form, die Schenkel die treibende
Kraft, welche den Hals in die Form schiebt und mo-
delt.
Nur beim todten Aufderhandliegen darf die Faust mehr
activ wirken und durch leichte kurze Anzüge die Schenkelthätig-
keit unterstützen.


Anfangs werden die meisten Pferde, namentlich aber Pferde
von Temperament und Race, um sich dem Ungewohnten, Unbe-
quemen, vielleicht gar Schmerzlichen der geforderten Stellung zu
entziehen, gar vielerlei Biegungen und Wendungen machen. Wenn
sie aber allenthalben wieder auf den ruhigen Druck des Gebisses
stossen, welcher ihrem Drängen in eine falsche Richtung ein Ziel
setzt; wenn sie immer wieder den ruhig vortreibenden Schenkel
fühlen, der ihrem Verhalten begegnet, sie beim Weichen mit der
Kruppe corrigirt; dann aber mit Annahme der verlangten Stellung
der Druck des Schenkels nachlässt, der Druck auf der Lade auf-
[202]Vom Gange der Dressur.
hört und der Reiter es durch Wort und Hand belobt; wenn das
Pferd so mit der Annahme der Stellung Erleichterung und Beloh-
nung, allenthalben ausser ihr aber Unruhe und Unbehagen empfin-
det: so wird es sich bald willig in jenes Verlangen fügen und bald
der ersten Aufforderung dazu willig Gehör geben. Die Stärke
der Hülfen, die Dauer des Festhaltens in der Stel-
lung, wie die allmälige Steigerung der Dauer muss
der Individualität genau angepasst werden.
Wenn das
Pferd anfänglich nur ein Paar Tritte in der gewünschten Haltung
macht, so muss es, alles Zwanges entledigt, seine natürliche Hal-
tung wieder annehmen und seine zur ungewohnten Anstrengung
gebrachten Muskeln ausruhen dürfen.


Ist man fest in dieser ersten Arbeit, so nehme man eine
geringe Kopfstellung hinzu und übe in der gewonnenen
Haltung endlich auch die Lectionen auf 2 Hufschägen. Man be-
festigt dadurch den Gehorsam und gewinnt so nach und nach die
Seitengänge in derjenigen Haltung, in welcher sie zur Körperaus-
bildung des Pferdes so nützlich sind. Man glaube aber nicht, dass
die jetzt erlangten, noch so unvollkommenen Seitengänge bereits
die Hanke bögen, die Schulter befreiten etc., man mit einem Worte
durch sie bereits vortheilhaft auf die Ausbildung des Pferdes ein-
wirke, und reite sie deshalb nicht zu andauernd, sondern mache
kurze Reprisen, häufig von Schulterherein in Travers, von Travers
zum Contre-Schulterherein (wenn man die Gänge jetzt schon so
nennen darf) wechselnd, und wird dann die Gefahr vermeiden,
durch schlechtgerittene Seitengänge den Körper zu verderben, statt
durch gutgerittene denselben zu stählen.


Vorzüglich geduldig sei man mit Thieren, welche noch in der
Körperausbildung begriffen sind. In diesem Alter ist die Mehr-
zahl der Remonten der preussischen Cavallerie, wenn dieselben
aus den Remontedepots den Regimentern überwiesen werden. Ob-
schon die Bestimmungen die eigentliche Dressur dieser Pferde noch
auf ein Jahr hinausschieben und dieselben im ersten Jahr ihrer
Ueberweisung nur angeritten werden sollen, so glaubt man viel-
fach recht vortheilhaft für das nächste Jahr vorzuarbeiten und die
Thiere bestens zu conserviren, wenn man sie bald möglichst ins
Gleichgewicht bringt,
und so beeilt man sich denn, recht zeitig
zur Halsarbeit zu kommen. Ich bin der Meinung, dass man mit
[203]II. Abschnitt. 1. Periode.
den Arbeiten, welche unser erster Abschnitt umfasst, recht füglich
die Zeit vom October bis Mai hinbringen kann und dann noch
früh genug mit den ersten Graden der Halsarbeit beginnt. Richtig
geleitet, werden die Lectionen jenes ersten Abschnitts, ganz ohne
die Pferde anzugreifen, durchgeritten werden können. Dieses ist
aber, sobald es sich um Bearbeitung und Umgestaltung des Halses
handelt, nicht mit solcher Gewissheit vorherzusagen, zumal die
Cavallerie nicht lauter vollkommen durchgebildete Reiter
zu diesem Dienst verwenden kann. Es dürfte schwerlich das junge
Pferd mehr durch das mangelnde Gleichgewicht leiden,
wenn es täglich ein Stündchen jene Lectionen im Schritt und Trab
in der Bahn geht, als durch zu frühe Zusammenstellung,
wenn sie nicht von ganz geschickter Hand geschieht.


Ist das Pferd, bei dem ich mit der Beizäumung
begonnen habe,
fest in der neuen Haltung geworden, so gehe
man je nach Gestaltung des Halses zu einem zweiten Grade ver-
mehrter Beizäumung über,
oder arbeite den Hals aufwärts-
rückwärts,
richte ihn in der Beizäumung auf. Das erstere würde
bei solchen Thieren angemessen sein, deren untere Halswirbel schon
von Hause aus die gewünschte, annähernd senkrechte Richtung
hätten; das zweite bei solchen, welche jene natürliche Erhebung
des Halses vom Widerriss nicht haben, aber bei denen ohne vor-
herige Beizäumung ein falscher Bug der oberen Wirbel nach auf-
wärts-rückwärts, mithin ein Hirschhals zu befürchten wäre. Unser
erster Theil zeigt uns, was wir zu wünschen haben und was ver-
mieden werden muss. Bei der grossen Verschiedenheit der Hälse
wird es ohne die Kenntniss jener allgemeinen Grundsätze schwer
zu bestimmen sein, wann diese Zurücknahme in der beigezäumten
Stellung begonnen werden muss. Es kommt lediglich darauf an,
dass durch die Beizäumung die falsche Biegung rückwärts ver-
mieden werde. Bei je geringerer Beizäumung man das Geschäft
des Aufrichtens beginnen kann, um so vortheilhafter wird es sein,
weil die Aufrichtung um so mehr den Hals beengen muss, je stär-
ker die Beizäumung ist. Eine Aufrichtung mit hoher Nase wird
die Ohrendrüsen nur wenig ins Gedränge bringen, das Zurück-
führen des Halses mit beigenommener Nase aber bedeutend auf
sie einwirken und einen grossen Fortschritt in der Bearbeitung der
Ganasche voraussetzen. — Es ist schon erwähnt worden, wie eine
[204]Vom Gange der Dressur.
Zeit hindurch man geneigt war, die Beizäumung als das Universal-
mittel zu betrachten und sich nur bemühte, die Nase in senkrechte
Stellung zu bringen. Man hatte bald erkannt, dass nur Meister
in der Kunst ein günstiges Resultat durch die Hülfszügel erlangten,
hatte diese über Bord geworfen und bemühte sich nun durch die
Einwirkung der Hand das Genick beizubringen, indem man zu
einer tiefen Führung seine Zuflucht nahm und die
Fäuste tief abwärts neben den Hals stellte.
Nicht allein
nahm man dadurch dem vorgestreckten Arm die Anlehnung an den
Leib, sondern man veranlasste den Mann zum Vorlehnen seines
ganzen Oberleibes, brachte ihn mit dem Gesäss aus dem Sattel,
wodurch seine Beine vorgingen und deren Thätigkeit beeinträchtigt
wurde. Sehr bald stellte sich das Resultat heraus, dass die Leute
nur mit der Faust bemüht waren, die Pferdenase nach abwärts zu
ziehen, und bei mangelnder Schenkelthätigkeit die Thiere dahin
brachten, mit todtem Maule dieser Anforderung zu widerstreben —
für die Mannschaft aber wurde bald der nachtheiligste Einfluss
auf den Sitz sichtbar.


Wenn Meister der Kunst bei hinten weichen Thieren aus-
nahmsweise einen derartigen Sitz annahmen, so blieben sie, eben
durch ihre Meisterschaft, in freier Thätigkeit ihrer Glieder. Es
war aber gewiss nicht ihre Absicht, die Ausnahmen von ihren
Nachbetern zur Regel erhoben und auf Leute in Anwendung ge-
bracht zu sehen, deren Einwirkungen durch diesen Sitz zu Null
herabsinken mussten. Auch dieser Abweg ist ziemlich verlassen
und wird nur noch von Wenigen, deren Jugend in diese Zeit fällt,
aus alter Gewohnheit oder Gedankenlosigkeit betreten.


Ist man mit denjenigen Pferden, bei denen man
mit der Aufrichtung begonnen hat,
so weit gekommen,
dass eine Abwärtsbiegung in der Mitte des Halses nicht mehr zu
befürchten steht, so beginne man die Beizäumung, wo nicht,
so gehe man zu einem erhöhten Grade der Aufrichtung
über. In dieser zweiten verbesserten Stellung fahre man
fleissig mit der Ganaschenbiegung fort, und suche das Pferd in
derselben wiederum in allen Gangarten auf einem und zwei Huf-
schlägen zu befestigen, wobei sich in den Seitengängen die Anfor-
derung an Kopfstellung und Rippenbiegung vermehrt.


[205]II. Abschnitt. 2. Periode.

So suche man von Stufe zu Stufe vorzuschreiten, bis man
fühlt, dass durch die Zusammenfügung des Halses be-
reits auf die Hinterhand eingewirkt werden kann
und
durch sie im Stande sein wird, die Last der Vorhand der Hinter-
hand zuzuführen. Dann gehe man zur


zweiten Periode

über. In dieser sucht man die Tragfertigkeit der Hinter-
hand
zu gewinnen. Es ist natürlich, dass schon die Zusammen-
fügung des Halses in der ersten Periode, nach ihrem verschiedenen
Grade, einen gewissen Einfluss auf den Rücken und die Hinter-
hand zeigen musste. Es lag indess nicht in der Absicht, für jene
Periode diesen Einfluss zu erweitern und mehr als zufällig geltend
zu machen. Die Tragfertigkeit beruht nebst Unterschieben
der Hinterhand unter die Last, auf der Biegung der
Hinterbeine.
Durch jenes Untersetzen der Hinterbeine sowohl,
wie durch die Biegung der Gelenke werden die Hinterstützen der
Rückenwirbelsäule niedriger, diese erniedrigt sich somit selbst
nach hinten und der Schwerpunkt des ganzen Pferdekör-
pers wird nach rückwärts gebracht.
Endlich aber ist
auch die Rippenbiegung für die Tragfertigkeit der Hinterhand
von Wichtigkeit, weil ich durch dieselbe im Stande bin, ein Hin-
terbein weiter wie das andere unter den Pferdekörper zu bringen,
und indem ich demselben ein erhöhtes Gewicht zuführe (einmal
durch mein eigenes Körpergewicht, dann aber durch die Einwirkung
des Gebisses) im Stande bin, es zu biegen und so wiederum ver-
mag, den Schwerpunkt des Pferdekörpers nach rückwärts-seit-
wärts
zu verlegen.


Diejenigen Lectionen, welche die Verlegung des Schwerpunktes
nach rückwärts und nach rückwärts-seitwärts begünstigen, mithin
die abgekürzten Gänge im Schritt und Trab, die halben
und ganzen Paraden, das Zurücktreten und die Seiten-
lection
mit Kopfstellung und Rippenbiegung, gehören in das Be-
reich dieser Periode.


Bei den Lectionen im abgekürzten Tempo
ist die Hauptschwierigkeit, die Hinterhand dauernd unter dem
Leibe zu erhalten, so dass der Abschwung möglichst nahe hinter
[206]Vom Gange der Dressur.
der Vertikalen erfolgt und dass er, obschon mit voller Federkraft
wirkend, doch den Pferdekörper nicht weit vorwärts, sondern
aufwärts wirft. Nur eine genaue Uebereinstimmung von Schenkel-
und Zügelhülfe und Belastung durch das Reitergewicht, sowohl
der Kraft wie der Zeit nach, wird diese Lectionen in einer nutzen-
bringenden Art erzielen. Erst wenn die Hinterhand durch den
Schenkel beim Beginn der Lection (ähnlich wie bei der Parade)
weit unter den Leib gebracht worden ist, dürfen die vermehrten
Einwirkungen des Zügels und die Belastung durch den Reiter
erfolgen. Eine Belastung der Hinterhand durch das Reitergewicht,
ehe sie untergebracht wäre, würde diese Anforderung erschweren,
indem das Unterschieben der Hinterhand ein Aufwärtswölben der
Rückenwirbelsäule erfordert und die Belastung auf die entgegen-
gesetzte Biegung des Rückens hinarbeiten würde. Es wird einer
höchst lebhaften, sich fast auf jedem Tritt wiederholenden Schen-
keleinwirkung bedürfen, um die Hinterbeine unter dem Leibe, trotz
der Belastung, die zu ihrer Biegung nothwendig ist, festzuhalten.
Eben so gehört eine immer wieder nachgebende und auf’s Neue
anspannende, mit dem Schenkel übereinstimmende Hand dazu, um
den richtigen Gang zu unterhalten. Anfänglich können es nur
wenige Tritte sein, die man dem Pferde abgewinnt.


Bei Pferden von schwachem Rücken muss man mit dessen
Belastung doppelt vorsichtig sein, und ist dieser Fehler mit sehr
biegsamen Gelenken der Hinterhand gepaart, so wird auch jedes
Einwirken mit dem Gesäss fehlerhaft.


Umgekehrt ist es bei Pferden, welche bei starkem, hohem
Rücken
sich in dieser Lection leicht hinter den Zügel machen.
Wenn bei den vorigen die Biegung der Hinterbeine hauptsächlich
durch die auf Zügeleinwirkung beruhende engere Zusammenstellung
hervorgebracht wurde, so muss es bei diesen durch die Belastung
geschehen. Man gehe bei ihnen indess stets mit der grössten Vor-
sicht zu Werke. Sobald man fühlt, dass sie zu lose am Zügel
werden, gehe man sofort in flotte Gänge über, bis sie wieder an
das Gebiss treten und den Rücken geben, und sehe jedes Vonder-
handkommen als ein Zeichen an, dass man zu weit ging.


Der abgekürzte Schritt ist eine weit wichtigere Lection
als man im Allgemeinen anzunehmen scheint. Man sieht ihn bei
unserer Cavallerie fast gar nicht in Anwendung gebracht, und es
[207]II. Abschnitt. 2. Periode.
giebt, so viel ich weiss, nicht einmal ein Commando dafür. Es
scheint mir naturgemäss, dass es ausser dem Landschritt und dem
versammelten Bahnschritt, noch einen abgekürzten Schritt bei ge-
steigerter Versammlung geben müsste, wie dies ja auch beim Trabe
der Fall ist. Es scheint mir die Furcht vor einer zu grossen Ver-
kürzung und einem schleichenden, träumerischen Schritt obzuwalten,
obschon gerade durch das Commando: „abgekürzter Schritt!“ und
„frei weg!“ die Differenz um so mehr zur Anschauung käme und
die Leute um so eher zu dem Begriff gelangten, dass man keine
verminderte Thätigkeit, sondern nur eine andere Art derselben
begehrt. Die Schwierigkeit eines völlig richtigen, abgekürzten
Schrittes, der ungestört seine 4 Tempo’s zeigt, ist mir keineswegs
unbekannt. Ich glaube nicht, dass ihn viele Reiter der Cavallerie
ein Paar mal um die Bahn fliessend und gleichmässig vollführen
würden, geschweige denn Rekruten. Es scheint mir für diesen
Fall indess darauf weniger anzukommen, da die unvollkommene
Ausführung dieser Lection dem Material keinen Schaden bringen
wird, namentlich wenn der abgekürzte Schritt mehr als Lehrmittel
für den Mann
, wie als Dressurmittel für das Pferd ange-
wendet wird. Für den letzteren Zweck wird es allerdings eines
sehr guten und gefühlvollen Reiters bedürfen, um nicht leicht zu
Nachtheilen zu führen. Will man aber darin gar zu ängstlich
sein, so begreife ich nicht, wie man sich an eine so schwierige
Lection wie „Schulterherein“ hat wagen können.


Es ist die Passivität junger Reiter, die Abneigung
derselben, auf das Pferd einzuwirken, so vorherrschend,
dass
, meines Dafürhaltens, keine Gelegenheit versäumt
werden darf, derselben entgegen zu arbeiten
. Der ver-
sammelte Trab macht schon auf eine grössere Reitfertigkeit An-
spruch, indem Rekruten etc. oft noch zu sehr von der Bewegung
des Pferdes abhängen, um trotz derselben übereinstimmende und
richtig-nüançirte Hülfen geben zu können, und diesen jungen Rei-
tern würde Mass und Uebereinstimmung zwischen Zügel-, Schenkel-
und Gewichtshülfe beim abgekürzten Tempo im Schritt zweck-
mässig zuerst beigebracht. Man hört zwar die Lehrer bei diesen
Leuten fortwährend von halben Paraden und versammelnden Hülfen
sprechen, aber meist erst dann, wenn deren Thier im Trabe oder
Galopp bereits haltungslos dahin rollt und sie schon in jenes krampf-
[208]Vom Gange der Dressur.
hafte Festhalten verfallen sind, welches dieses Davonlaufen bestens
unterstützt; von Versammlung sprechen, ohne dass sie den Leuten
klar zu machen versuchen, worin das Wesen der Versammlung und
der Parade besteht. Es ist nicht streng genug darauf zu halten,
dass der Rekrut, sobald er einigermassen zum freien Gebrauch
seiner Gliedmassen trotz der Bewegung des Pferdes gelangt ist,
auf alle mögliche Art in Situationen gebracht werde, welche ihn
zwingen, auf das Pferd einzuwirken. Es ist namentlich das
Einzelnreiten der Leute, während die Abtheilung auf Glieder-
distance im Schritt auf dem Hufschlag bleibt, nützlich. Die Pferde
werden stets die Neigung zeigen, von der Abtheilung nur zögernd
abzugehen und zu eilen, sobald sie dieselbe beinahe erreicht haben;
sie werden nur ungern an der Abtheilung vorbeigehen, Miene
machen zu kleben etc. Alles dieses bietet Gelegenheit zu
Einwirkungen
, die das gut geschulte Rekrutenpferd in der Ab-
theilung sonst niemals braucht. Aber auch damit begnüge man
sich nicht. Wenn man bei den Leuten Sitz erlangt und ihnen die
Hülfen auf ruhigen Pferden beigebracht hat, so sorge man für
Lectionen, die das Temperament der Thiere erwecken
und lasse die Sporen nicht schonen, damit der Mann das erregte
Temperament besiegen lernt. Die ewige Wiederholung derselben
Lectionen, welche die Thiere träumend auf Commando ablaufen,
machen sie stumpf und ledern, so dass man sich entsetzt über das
Gefühl, wenn man sie besteigt. Hat man sie kurze Zeit geritten
und aufgeweckt, so findet man sie meist viel besser gearbeitet, als
es anfangs den Anschein hatte, und es tauchen die Resultate einer
guten Dressur nach und nach, wie langvergessene Klänge, unter
der Spornarbeit auf.


Es sind nicht die Thiere gemeiner Race und trägen Tem-
peraments allein, selbst Pferde edler Abkunft geben dem Reiter
dies lederne Gefühl, was mir nicht lediglich eine Folge des
im Gliedegehens zu sein scheint, da sonst die Pferde der besseren
Reiter auch diesen Zustand theilen müssten, was keineswegs der
Fall ist, indem eine Menge Unteroffizierspferde sich vollkommen
weich und aufmerksam auf leise Hülfen zeigen. Es ist vielmehr
ein Resultat des trägen Sichtragenlassens, des todten Schenkels,
schwerer Faust, fortgesetzten Mangels an Versammlung und der
steten Wiederholung derselben Lectionen, wodurch das Thier ein-
[209]II. Abschnitt. 2. Periode.
geschläfert wird; oft durch eine missverstandene Idee des Reiters von
feiner Reiterei, oft durch die Angst, das Temperament des Thieres
zu erwecken, hervorgebracht. Man sieht gar häufig den Gebrauch
des Sporns vermeiden; man begnügt sich lieber fortwährend mit un-
zureichenden Hülfen, als dass man sich eines so rohen Mittels be-
dienen möchte. Es ist auch vielen Reitlehrern das Erwecken
des Temperaments
des Thieres ein Hauptfehler; sie arbeiten
in jeder Art darauf hin, dasselbe einzuschläfern und so Ruhe
in die Abtheilung zu bringen. Aber sie bedenken nicht, dass dies
die Ruhe der Trägheit ist und nicht die Ruhe des Gehor-
sams
, dass jedes Hinarbeiten auf Gehen durch Gewohnheit das
Geben der Hülfen von Seiten des Reiters und das Aufmerken auf
Hülfen seitens des Pferdes unnütz macht, dass mit der Zeit die Thiere
auf das Commando ihre Lection ablaufen und Ross wie Reiter
endlich sich im Halbschlaf bewegen, wie lustig sie auch auf dem
gewohnten Viereck sich bald im Trabe, bald im Galopp zu drehen
scheinen. Erwacht aber des Thieres Temperament einmal, so
fällt der Reiter, der es nicht zügeln lernte, in den Haltkrampf
und dahin geht es; oder zwingen die Umstände den Reiter
zu einer nicht eingedrillten Forderung, so weiss er weder
dem Thiere seinen Willen mitzutheilen, noch sich Gehorsam
zu verschaffen. Vom Rekruten in die 2. Reitklasse gebracht,
lernt er oft abermals wieder hauptsächlich sein Pferd beruhigen
und bestens einschläfern; reitet Seitengänge ¼ Stunde rechts,
¼ Stunde links auf dem Zirkel im schleichenden kurzen Trabe,
galoppirt ¼ Stunde rechts, ¼ Stunde links auf dem Zirkel, bis
er sich eingaloppirt hat, d. h. bis das kluge Thier nun weiss, dass
es durch verminderten Abschub hinter den Zügeln langsam herum-
humpelnd seinen Abstand halten soll. Der Sitz des Mannes ist
bei alledem untadelhaft und normal und er macht seine Sachen
bei der Inspection für’s Auge ausgezeichnet; keine Hülfe ist roh
oder stossend und er erscheint mit dem Pferde völlig einig, das
die vorgeschriebene Chablone der Lectionen durch tägliche Wieder-
holung auf das Genaueste kennt, keiner Hülfe bedarf und nur beim
letzten Aufmarsch im Galopp das Commando nicht erwarten kann.
Im Frühjahr geht Anfangs das einzelne Abreiten auf der Heide
schlecht, durch vieles Ueben findet sich das kluge Thier darin,
wie es das Exerzitium in der Masse kennt und bestens ausführt.
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 14
[210]Vom Gange der Dressur.
Im Herbst bekömmt er eine Remonte. Er thut ihr nichts, sie thut
ihm nichts. Sie richten sich gemüthlichst mit einander ein und es
geht, bis die Halsarbeit beginnt, recht gut. Dann aber, wenn er
das Thier anfassen und einwirken soll, hört die Sache auf und
jedes Pferd läuft ihm davon. Nun erst wird man gewahr, dass
der Mann in den 2 Jahren wohl nach der Vorschrift hat auf dem
Pferde sitzen lernen, aber gar nicht reiten kann und es muss ein
Unteroffizier auf das Thier gesetzt werden, das sich als ein voll-
ständig roher Klotz erweist. Könnte man einmal sich in seine
Haut stecken, so würde man erfahren, dass er nie das Gefühl der
Versammlung bei einem Pferde gehabt und nie zur Einsicht von
übereinstimmenden Hülfen kam.


Es werden aber diese Reiter und Pferde der Träumerkaste in
den Schwadronen bleiben, so lange jene Pseudo-Feinheit in der
Reiterei nicht verschwindet, die nur auf den Schein, nicht aber auf
das Sein hinarbeitet. So trefflich das Reiten in der geschlossenen
Bahn auch ist, so wird das Gehen aus Gewohnheit und das Ver-
nachlässigen der Hülfen in derselben doch sehr befördert. Wir
sehen z. B. wie wenig die Leute dort die Ecken richtig nehmen
lernen an der Art, wie sie draussen die Vierecke reiten. Gewöhnt,
die Thiere nur nach aussen zu treiben, da die Wand das Zuweit-
nachaussengehen verhindert, wendet Keiner aus der Ecke heraus,
sondern überlässt dies der Klugheit des Thieres. Reitet er nun
im Freien ein Viereck, so wird daraus eine präzelartige Figur,
indem der Hufschlag von der Mitte jeder Seite nach aussen führt
und die Ecke in weitem Bogen bildend, erst wieder auf der Mitte
der nächsten Seite das Viereck trifft. Gleich nach den ersten
Uebungen der Rekruten in den Hülfen, verlasse man deshalb die Bahn.
Es ist ferner fast Erfahrungssatz, dass Pferde mit
vorherrschend starker Hinterhand und starkem Rücken
bei der Cavallerie kürzere Zeit aushalten und eher
als struppirt ausrangirt werden müssen, als Thiere
mit langem Rücken und weicher Hinterhand
, und es
gerade diese sind, welche sich am längsten halten. Daraus würde
deutlich genug hervorgehen, worin wir am meisten sündigen. Aus
lauter Furcht, roh einzuwirken, wird gar nicht ein-
gewirkt
und die Schonung der Pferde, welche man beabsich-
tigt, wird zur Schonungslosigkeit. Das genaue Ermessen
[211]II. Abschnitt. 2. Periode.
des Grades der Hülfen je nach der Empfindlichkeit
des Pferdes
zur Erlangung des vorgesetzten Zweckes, somit das
scharfe Unterscheiden von zu viel und zu wenig und die Ge-
schicklichkeit des Körpers, die Hülfen so zu nüançi-
ren, wie Verstand und Gefühl sie für nöthig erachten,
macht die Feinheit aus, nicht aber das geringe Mass
der Hülfen
, das vom Pferde resp. dessen Dressur abhängt. Es
wird den Leuten so viel von leichter Faust vorgesprochen, ohne
ihnen den Sinn klar zu machen, dass sie eine Zügelhülfe bis
zum Erfolg
häufig gar nicht zu geben wagen, sondern nur zwei
Zustände kennen, entweder den Pferdekopf auf der Faust
zu tragen
, oder die Zügel ganz wegzuwerfen. Fordert
man sie auf, das Pferd anzunehmen, so machen sie eine un-
wirksame Drehung
der Faust und, um ja nicht im Zügel
hängen zu bleiben
und hart zu werden, wird er schleunigst
wieder so weit weggeworfen, dass er gar nicht mehr ansteht.
So entsteht bei den Leuten das zupfende Annehmen des Zügels
beim Pariren und wirkungslose Drehung der Faust bei der Wen-
dung. In ähnlicher Art wird einer jener Reitkünstler dem schen-
kelfaulsten Thiere gewiss keinen Sporn geben lassen. Ich habe
gesehen, wie ein Mitglied dieser Zunft einem Reiter, der sich ver-
geblich bemühte, einen dänischen, temperamentlosen Koloss in den
Galopp zu bringen, der haltungslos im langen Trabe fortstürzte,
befahl, den einen Bügel etwas schärfer auszutreten, den Galopp zu
entwickeln. Der Mann hing sich bis zum Umschlagen mit dem
Sattel auf die eine Seite, ohne irgend einen Effect hervorzubringen.
Jener Herr stand aber während seiner ganzen Dienstzeit im Geruch
eines sehr feinen Reiters.


Mir kommt ein Pferd, welches aus der Hand eines aufge-
weckten, es in Versammlung und Aufmerksamkeit haltenden Rei-
ters in die eines Mannes der Träumerkaste übergeht, der es schlen-
dern und auseinanderfallen lässt, stets vor, wie ein alter Soldat,
der, so lange er den Rock des Königs trug, drall und rüstig daher
schritt, seitdem er aber das dunkle Kleid anlegte, plötzlich zum
alten Manne wurde, körperlich und geistig.


Mit den Uebungen im abgekürzten Schritt und Trabe, bei
denen ich auch die Contrestellungen dringend empfehle, nachdem
zuerst in der Geradeausstellung und Stellung gründlich geübt
14*
[212]Vom Gange der Dressur.
worden ist, verbinde man die Uebung der halben Paraden und
hat man die Uebergänge so gewonnen, dass das Unterschieben
der Hinterhand
leicht erfolgt; das Zurückführen des
Schwerpunktes auf die Hinterbeine
und die zur Aufnahme
der Last nöthige Biegung derselben keine Schwierigkeit
mehr findet; auch das Thier gelernt hat, den noch nicht völlig
überwundenen Schwung
der stärkeren Gangart nach vor-
wärts zur Annahme der kürzeren zu benutzen und kein Stutzen
und Stocken fühlbar wird: so geht man zu den ganzen Paraden
über. Bei ihr kommt es wesentlich darauf an, dass das Thier
durch die Zurücklegung seines Schwerpunktes und Aufnahme der
Last auf die gebogenen Hinterfüsse den Schwung, den der Gang
dem Körper nach vorwärts gab, möglichst schnell überwindet
und zum Zustand der Ruhe, in welchem der Körper ohne Muskel-
thätigkeit senkrecht auf den Stützen ruht, zurückkehrt. Natürlich
wird es je nach der Grösse des Schwunges, welcher ein Produkt
der Geschwindigkeit und des in den Gang gelegten Gewichtes ist,
mehrere Tritte bedürfen, ehe derselbe überwunden ist. Es hängt
indess von der Fähigkeit des Thieres, seine Hinterbeine weit unter-
zusetzen und sie stark zu biegen, ab, wie weit die Senkung der
Rückenwirbelsäule und somit die Verlegung des Schwerpunktes
nach rückwärts erfolgt und in dieser ist die Ueberwindung des
Schwunges, somit die Parade gegeben. Es unterscheidet sich die
ganze Parade von der halben nur lediglich dadurch, dass in der
einen jener Schwung nur theilweise überwunden, und seine Fort-
wirkung zum ermässigten Weiterschreiten benutzt wird, in der an-
deren aber jener Schwung völlig, wenn auch nur nach und nach
überwältigt werden muss. Es wird mithin eine Reihe von halben
Paraden Anfangs die ganze erzeugen, und die Uebung deren Zahl
immer mehr einschränken, bis das Thier endlich lernt, seinen Schwer-
punkt so weit zurückzulegen und seine Hinterbeine so zu stellen
und zu biegen, dass die Rückwogung nach vorwärts möglichst
plötzlich überwunden wird.


Als vorbereitende Lection lehre man das Pferd auf der Stelle
auf vortreibende Schenkelhülfen die Hinterbeine unter die Last
bringen, belaste dann diese durch das Reitergewicht mittelst Ein-
sitzen in den Sattel und führe durch leichtes Annehmen der Zügel
den Schwerpunkt des Thieres auf sie zurück, bis man fühlt, dass
[213]II. Abschnitt. 2. Periode.
die Zurückneigung der Last, welche sich durch Erleichterung der
Anlehnung marquirt, die Biegung der Hinterbeine, ein Tiefwerden
unter dem Gesäss des Reiters hervorbringt. Man wird bei fort-
gesetztem Gebrauch von Zügel und Schenkel die Neigung des Pfer-
des fühlen, sich mit der Vorhand zu heben; bei überwiegender
Zügelwirkung, welche schon bei Verminderung des Schenkeldruckes
eintreten wird, aber die Neigung des Pferdes zum Zurücktreten.
Man nehme weder das eine, noch das andere an, sondern lasse das
Pferd durch leichtes Vorneigen des Körpers und Nachlassen des
Zügels in seine natürliche Haltung zurückkehren. Bei der Uebung
der ganzen Paraden hüte man sich Anfangs vor zu plötzlichen
Einwirkungen
. Ein Zusammenreissen des Pferdes, ein rüdes
und plötzliches Hintenherunterzwingen, wie es ein kräftiger und
geübter Reiter auch wohl beim rohen Pferde vermag, wird gewiss
nicht zum Zweck führen. Man wird dem Thiere Schmerzen ver-
ursachen und ihm Furcht vor der Parade beibringen. Es wird
entweder ein zaghaftes Vorwärtsgehen in Erwartung jener harten
Einwirkung die Folge sein, oder das Thier wird bei der ersten
Andeutung zur Parade davongehen, mindestens aber durch Verwerfen
des Halses, Ausfallen der Kruppe etc. sich zu entziehen suchen.
Je mehr man dem Thiere das Finden seines Gleichgewichts auf
der Hinterhand allmälig beibringt, je schmerzloser die enge Zu-
sammenstellung des Halses, das Biegen der Hinterbeine ihm durch
Uebung gemacht wird, um so williger wird das Thier gehorchen
und um so eher wird man es zu einiger Vollkommenheit bringen.
Auch würde es unzweckmässig sein, diese Uebungen mit Kopf-
stellungen
vorzunehmen, ehe man ihrer bei geradeausgestellten
Pferden nicht ganz sicher ist; durch die Kopfstellung wird die
Zurücknahme des Kopfes anders auf den ersten Halswirbel wirken
und somit auf den Hals, als bei dem geradeausgestellten Pferde
und leicht zum Ausfallen der Kruppe veranlassen, weil die Last
einem Hinterfuss vermehrt zugeführt wird. Man wird bald gewahr
werden, wie bei gut untergeschobener Hinterhand die Zügelein-
wirkung
nur eine ganz unbedeutende sein darf und bei einem
Pferde, welches gelernt hat, hinreichend unter seinen Schwerpunkt zu
treten, es endlich nur der leichtesten Hülfen bedarf, um es zu pari-
ren. Es dient aber sowohl zur Schonung von Mann wie Pferd, wenn
die Hülfen nur eines geringen Kraftaufwandes bedürfen. Wie ist
[214]Vom Gange der Dressur.
es anders möglich, als dass ein Pferd, welches den ganzen Tag im
Maul herumgerissen worden ist, um es wenden und halten zu kön-
nen, dessen Flanken durch Sporenstiche zerfleischt sind, um es zu
treiben, auf das der Reiter fortwährend mit allen seinen Kräften
einwirken musste, nicht im höchsten Grade fatiguirt sein wird. Es
wird Schmerzen in den Kiefermuskeln und Laden empfinden, welche
ihm die Fresslust benehmen. Wie frisch und munter wird dagegen
ein Thier nach denselben Leistungen in den Stall heimkehren, bei
dem ein Anstehen des Zügels, ein Kniedruck genügte, es zu tum-
meln. Gehen wir die Schwadronen durch, so sind die schlechtge-
rittenen Pferde fast immer die schlechten Fresser. Auch der Reiter
ist nicht weniger angestrengt, wenn er aller Muskelkraft der Arme,
der Beine bedurfte, um das Thier zu bewegen. Warum mit
Zentnern arbeiten, wo man mit Lothen ausreicht
. Der
gute Reiter wird sein Pferd dahin bringen, dass es auf leichte
Zeichen aufmerkt und zur Verlegung seines Schwerpunktes nur
geringerer Unterstützung bedarf. Aber der Geschickteste wird
ausser Stande sein, ein Pferd, was nur auf schwere Hülfen zu
achten gewohnt ist und nur mühsam seinen Schwerpunkt ändert,
sofort mit leichten Hülfen zu reiten, selbst wenn er es versteht
die richtigen Momente, welche diese oder jene Anforderungen be-
günstigen, in denen die Stellung des Halses, der Beine etc. für die
mechanische Einwirkung seiner Hülfen für den Augenblick sich am
vortheilhaftesten zeigen, zu benutzen. Dieses Erkennen jener Au-
genblicke und ungesäumte Benutzen verlangt aber neben der Kennt-
niss eine ausserordentliche Uebung; eine Uebung, welche das Er-
greifen des Moments hat völlig mechanisch werden lassen.


Man wird durch die vorher beschriebenen Uebungen hinläng-
lich Gelegenheit gehabt haben zu erkennen, ob das Pferd im
Halse bereits genug zusammengestellt ist
, oder ob
durch Beinehmen oder Aufrichten eine erhöhte Zusammenstellung
erzielt werden muss. Glaubt man auf die Verlegung des Schwer-
punktes durch sie sicher und genügend einwirken zu können, so
vermehre man sie aus Schönheitsrücksichten nie. Die Zu-
sammenstellung des Halses muss stets nur als Mittel
zum Zweck angesehen werden. Reicht eine geringere
Zusammenstellung des Halses zur schnellen und be-
stimmten Verlegung des Schwerpunktes hin, um so

[215]II. Abschnitt. 2. Periode.
besser. Darin eben sollte sich die Dressur des Gebrauchspferdes
von der des Schulpferdes stets unterscheiden, dass man bei
jenem lediglich für die Schönheit nie etwas thue,
wenn dadurch der Schnelligkeit der geringste Abbruch
geschieht. Für den Gebrauch ist das Nützlichste
stets das Schönste
. Ist das Thier aber noch geneigt, abwärts
zu dehnen und fühlt man noch einen Widerstand gegen die Zurück-
nahme des Halses am Widerriss, so ist dies ein Zeichen, dass eine
vermehrte Aufrichtung nöthig ist; drückt das Pferd mit der Nase
aufwärts bei festgehaltenem Genick, oder kommen leicht Rückbie-
gungen in der Mitte des Halses vor, so vermehre man die Bei-
zäumung. Ist beides nicht der Fall, so habe man Geduld und
fahre fort, die Hanken biegsam zu machen und man wird nach und
nach, bei der erlangten scheinbar geringen Zusammenfügung des
Halses, die hinreichende Einwirkung auf die Hinterhand erlangen.


Das Zurücktreten als eine Lection, die Vorhand zu er-
leichtern und die Hanke zu biegen, finden wir allenthalben empfoh-
len, aber wunderbarer Weise in manchen Instruktionen in einen
Zeitraum der Dressur versetzt, wo alle Vorbedingungen, sie richtig
auszuführen, noch vollkommen fehlen. Ehe man nicht mit dem
Schenkel die Hinterhand unterzutreiben vermag; ehe nicht der
richtig gebogene Hals den Anzug fortpflanzt und der Respekt vor
dem einseitigen Schenkel ein Ausfallen der Kruppe unmöglich
macht: kann meines Dafürhaltens niemals von einer Uebung dieser
Lection die Rede sein. Sie ist sehr wichtig, um die Hanke zu
biegen und das Thier zu lehren, nicht nur die Last seines Leibes
rückwärts über die Beine weggehen zu lassen, sondern auch die
zurückgeneigte Last wiederum zu stützen. Sie ist gleichsam die
fortgesetzte ganze Parade. Als Gang ist der praktische Nutzen
ganz unwesentlich, als Lection dann hochwichtig, wenn sie richtig
vollführt wird. Geschieht das Zurücktreten ohne ein jedesmaliges
weites rückwärts über die Beine Hinweggehen des Oberleibes, ohne
hinreichende Verlegung des Schwerpunktes lediglich durch das Zurück-
schieben vermittelst der Hufe, so wird sie als Lection höchstens den
Gehorsam zeigen, aber für die Körperausbildung ohne Nutzen sein.


Man beginnt mit der Versammlung auf der Stelle, schiebt die
Hinterbeine in bekannter Art unter und neigt bei fortgesetzter
Schenkelthätigkeit sein Körpergewicht der Hinterhand zu, bis man
[216]Vom Gange der Dressur.
die Erniedrigung der Hinterhand, ein Loserwerden am Gebiss, und
die Neigung des Pferdekörpers über die Beine hinweg nach rück-
wärts fühlt. Dann lasse man durch Verminderung der Schenkel-
thätigkeit die Zügelwirkung vorwalten und das Pferd, dessen Hin-
terbeine durch den Schenkeldruck nicht mehr unter dem Leibe
gehalten werden, wird, die Last rückwärtsstützend, einen Schritt
rückwärts machen. Ein leichtes Nachlassen des Zügels, ein geringes
Vorneigen des Reitergewichts wird das Thier zum Stehen bringen;
das Wiederholen der vorigen Hülfen aber dasselbe Resultat geben.
Ein stärkeres Vorneigen des Leibes und etwas vermehrte Zügel-
freiheit, vom Schenkel unterstützt, wird eine noch grössere Ver-
legung des Schwerpunktes nach vorwärts und aus dem Zurück-
treten — Vorwärtsgehen zur Folge haben.


Wenn irgendwie der grosse Einfluss des Reitergewichts auf
die Verlegung des Schwerpunktes des Pferdes klar wird, so ist es
bei dieser Gelegenheit, wo beim gut versammelten Thiere ein ge-
ringes Neigen nach rückwärts — ein Zurücktreten; Senkrechtsitzen
— ein Stillestehen; ein geringes Vorneigen — ein Vorschreiten
zur Folge hat. Ich habe häufig mit Verwunderung selbst älteren
und geübteren Reitern zugesehen, wie sie sich mit voller Wucht
in die Zügel hingen und zogen, um ein Thier zurücktreten zu las-
sen, das mit hinten herausgestreckten Hinterbeinen die beste Stel-
lung gewählt hatte, um der gestellten Forderung zu widerstreben
und das Zurückgehen des Leibes über die Beine unmöglich zu
machen. Es kommt darauf an, die Hinterbeine so zu stellen, dass
die Last gleichsam hinter sie fällt, dass der nach rückwärts aus
dem Gleichgewicht gebrachte Pferdekörper genöthigt ist, das Bein
zurückzusetzen, um sein Gleichgewicht wieder herzustellen. Es ist
mir ferner nicht ganz einleuchtend, wie ein Gertenschlag auf die
Vorderbeine eine geeignete Hülfe sein soll, ein Zurücktreten be-
hufs Hankenbiegung hervorzubringen. Das Thier wird zwar das
geschlagene Bein heben, auch wohl endlich zurückhufen mit steifen
Gelenken, aber darum ist es nicht zu thun, ich will haben, dass
es mit gebogener Hanke zurücktritt, wozu wohl das Untertreten
und die Halsbiegungen vorbereiten können, nicht aber die Schläge
auf das Schienbein. Aus jenem Zurückhufen werde ich aber
schwerlich ein gebogenes Zurücktreten entwickeln können. Es ist
eben wieder das Begnügen mit dem Schein.


[217]II. Abschnitt. 2. Periode.

Findet beim Zurücktreten eine zu schnelle Bewegung des
Leibes über die Beine nach rückwärts hinweg statt, so dass diese
nicht folgen können, ist der Schwerpunkt zu weit nach rückwärts
verlegt, so entsteht ein Zurückstürzen, Zurücktaumeln.
Manche Pferde bedienen sich dieses Manövers, um sich jeder Hülfe
zu entziehen und gehen bei jeder Gelegenheit, wo ihnen eine lästige
Anforderung gestellt wird, auf diese Art gleichsam „rückwärts
durch
“. Dass nur das Wiederzurgeltungbringen der
vortreibenden Hülfen
diesem Fehler beikömmt, ist einleuch-
tend. Man beginne bei diesen Thieren ganz von vorn mit Kapp-
zaum und Peitsche und verlasse erst dann die Bahn, wenn der
Schenkel unter allen Umständen wieder respektirt wird. Ist die
Unart eine alte, eingewurzelte; hat das Thier gelernt, aus Ter-
rainschwierigkeiten
, die den Reiter für den eigenen Körper
oder den des Thieres besorgt machen, Nutzen zu ziehen; weiss
es dort, in der Bahn und im offenen Terrain ganz gehorsam,
seine Unarten loszulassen; so wird man allerdings endlich genöthigt
sein, dort den Kampf anzunehmen. Die Schwierigkeit kann sich
indess so steigern, dass der Kampf für den Reiter lebensgefährlich
würde. Dieser Fall (wie Hinwerfen und Ueberschlagen aus Bosheit)
scheinen mir eine derbe Züchtigung durch den abgesessenen
Reiter vollkommen zu rechtfertigen und habe ich von ihr schon gute
Erfolge erlebt. Ich habe andererseits von einem durch seinen festen
Sitz und unglaubliche Körpergewandtheit renommirten Cavallerie-
Offizier gesehen, wie er auf einem 30 Fuss hohen Wall ein derar-
tiges Thier, das rückwärts den Abhängen zulief, dadurch kurirte,
dass er äusserst scharfe Sporen in die Flanken des Thieres, sobald
es rückwärts zu laufen begann, begrub und sie nicht eher aus der
blutenden Weiche entfernte, bis es vorwärts ging. Allerdings war
er sich der Geschicklichkeit gewiss, dass im Fall des Herabstürzens
er die Reise abwärts nicht mitmachte. Er riskirte somit das Thier,
das ungeheilt, ohnehin ohne Nutzen war, und nicht sein Leben.
So nothwendig Muth und Verachtung der Gefahr auch dem Reiter
ist, obschon der Muth sonst nicht rechnen darf, ob Risiko und
Gewinn sich die Balance halten, so giebt es doch auch gewisse
Grenzen, wo die Vermessenheit anfängt und die ohne ein höheres
Motiv zu überschreiten, ein Unrecht ist. — Wird das Zurückneigen
des Leibes über die Beine hinweg von Seiten des Thieres verwei
[218]Vom Gange der Dressur.
gert, obschon Reitergewicht und Zügelwirkung den Schwerpunkt
nach rückwärts brachten, so wird das Pferd durch Steigen im
Stande sein, die zurückgeneigte Last auf seinen Hinterbeinen zu
balanciren und so sein Gleichgewicht herzustellen.


Für den Fall des Zurücktaumelns wird man durch das
Reitergewicht und durch verringerte Zügelhülfe den Schwerpunkt
mehr nach vorwärts legen müssen. Das Steigen statt des Zurück-
tretens kann mehrere Ursachen haben. Eine zu plötzliche und
harte Einwirkung wird einmal das Thier fürchten lassen durch
Zurücktreten den zu schnell nach rückwärts verlegten Schwerpunkt
nicht mehr stützen zu können und wird dies Auskunftsmittel suchen,
sein Gleichgewicht herzustellen. Die zu hohe Schenkelthätig-
keit
kann die Hinterbeine unter dem Leibe festhalten und das
Steigern Folge des Verkennens des Willens des Reiters sein. End-
lich kann der Schmerz, den der zusammengestellte Hals oder
die gebogenen Gelenke dem Thiere machen, das Steigen hervor-
bringen, wogegen natürlich Uebung dieser Dressurmängel die ein-
zige Hülfe ist. Steigen, als Mittel sich den Anforde-
rungen des Reiters zu entziehen
, ist, sobald es zur Gewohn-
heit geworden ist, eine schlimme Art der Widersetzlichkeit und
wird bei Pferden, die schwer ihr Gleichgewicht auf der Hinterhand
halten können (was keineswegs immer Schwäche, wie Herumlaufen
auf den Hinterbeinen keineswegs eine besondere Stärke der Hinter-
hand beweist) des Umschlagens wegen gefährlich. Wenn das
Gehorchenmachen auf die vortreibenden Hülfen auch hier die wah-
ren und einzigen Mittel sind, so kann, wie bereits angedeutet, bei
den in der Bosheit verhärteten Individuen
, welche an
der Longe gehorsam, ohne diese sich bei jeder ihnen unbequemen
Anforderung absichtlich rückwärts überwerfen, das Festhalten
an den Boden und ein derbes Abstrafen
, als letzter Ver-
such sie zu heilen, nicht verworfen werden. Es gehört eine
ganze Reihe falscher Einwirkungen und eine fortgesetzte unrichtige
Behandlung dazu, um jene anfänglich zufälligen Ausweichungen in
Waffen zu verwandeln, welche das Thier gegen den Reiter braucht,
und diese bis zu jener Gefährlichkeit zu schärfen.


Es ist im Ganzen ein unbelohnendes und schlimmes
Geschäft, sich derartig verdorbene Thiere, wenn auch
wohlfeil, zu kaufen
. Abgesehen von der Gefahr und dem
[219]II. Abschnitt. 2. Periode.
Consum, welche sie den Knochen des Reiters bringen, wird man
selten ohne gewaltsame Mittel reüssiren und diese verfehlen auf
die Knochen des Thieres nicht ihren Einfluss, so dass der völlig
gebesserte, für Jeden brauchbare Gaul auch meist schon hier und
da ein verbrauchter ist. Aus diesem Grunde, wie des schlimmen
Renommées wegen, wird man selten einen verhältnissmässig lohnen-
den Preis erzielen. Der Ruhm des Reiters wird auch nicht sehr
gewahrt. Man kann die Erfolge nicht wegläugnen. Die Neider
aber werfen rohe Einwirkungen vor, wenn es auch nur starke,
ganz angemessene waren und zeigen mit gelehrtem Gesicht auf die
Galle, die der Kampf hervorgerufen hat. Kommen die Thiere in
die Hände ganz schwacher Reiter, so kann das alte Uebel wieder
aus der Erinnerung auftauchen und der Handel wird eine Quelle
von Unannehmlichkeiten. Hat man oft dergleichen Subjecte, so
ist bald eine gewisse Scheu da und man sieht in der frömmsten
Kuh den gebesserten Bösewicht. Nur einen Nutzen geben sie —
den der Belehrung und die Freude, den Sitz des Uebels erkannt
und es geheilt zu haben.


Es wird nun der Zeitpunkt eintreten, wo die Seitengänge
zu einer solchen Höhe der Vervollkommnung gebracht sind, dass
man sich ihrer zur Körperausbildung bedienen kann. Wenn man
früher sie nur in kurzen Reprisen ritt und nach einigen Tritten
in der erwünschten Haltung zu einer anderen Lection überging,
so werden sie jetzt anhaltender geritten. Wie die Volten und
Wendungen werden auch sie nach Bedürfniss in den folgenden
Perioden fortgeübt, um diese oder jene Fähigkeit zu erhöhen.
Wir wollen aber hier dasjenige, was uns darüber zu sagen nöthig
scheint, zusammenfassen, weil ein Zerreissen viele Wiederholungen
nöthig machen würde. Ich setze die Art, wie die Seitenlectionen
geritten werden müssen, als bekannt voraus und erlaube mir nur
Punkte, gegen die namentlich gefehlt wird, hervorzuheben. Eben
so nehme ich die Einwirkungen durch Zügel, Schenkel etc. als
bekannt an.


Wir wissen bereits, dass „Kopf herein“, so wie „Kruppe
herein
“ nur Vorbereitungen zu den Seitenlectionen
sind und nicht in dieses Bereich fallen. Eben so wenig ist das
Schliessen“, welches der Cavallerist braucht, um sich auf kurze
Strecken direkt seitwärts zu schieben, ohne nach vorwärts Terrain
[220]Vom Gange der Dressur.
zu verlieren, eine Lection, um die Körperausbildung des Thieres
zu begünstigen. Das Schliessen ist als eine leidige Nothwendigkeit
zu betrachten, die leicht gefährliche Krontritte bringt und bleibt
ausser Betracht.


Es giebt zwei Kopfstellungen, die nach einwärts und die
nach auswärts (Stellung und Contrestellung) und zweierlei schräge
Stellungen des Pferdekörpers
zum Hufschlag, mit der
Kruppe nach einwärts und nach auswärts — mithin naturgemäss
vier Varianten, von denen Schulterherein und Travers, die
älteren — Renvers und Contre-Schulterherein die neueren
sind. Namentlich ist Contre-Schulterherein eine erst kürzlich
üblich gewordene Lection, gegen die sich manche Reiter sträubten.
Da sie aber ihre wesentlichen Vortheile hat, welche wir später be-
zeichnen werden, so sehe ich nicht ein, warum sie nicht als ein
Mittel mehr zur Ausbildung
uns willkommen sein soll. Will
man die Lection anders, wie als Mittel zum Zweck betrachten,
will man sie als ein Ding mehr, welches das Thier lernen, der
Reiter lehren muss, als eine gesteigerte Anforderung an
beide ansehen — so muss man mit seinen Ansichten noch tief in
den Anfängen und in bedeutender Verfinsterung liegen.


Der allgemeine Nutzen der Seitengänge ist folgender:


  • 1) Die Thiere zu lehren ihren Schwerpunkt nach seit-
    wärts zu verlegen und ihr Gleichgewicht durch
    Seitwärtssetzen der Beine unter die dahin verlgte
    Last zu behaupten
    .
  • 2) Die Pferde zu üben, das eine oder das andere seiner
    Beine andauernd weiter unter die Last zu bringen
    und es so mehr tragend zu machen als das andere
    ,
    wodurch dem Galopp, in dem ähnliche Fusssetzungen vor-
    kommen, vorgearbeitet wird.
  • 3) Werden sowohl Vorder- wie Hinterbeine in der Bewegung
    vorwärts-seitwärts geübt, namentlich bei erhöhter Versamm-
    lung die Vorhand so erleichtert, dass die Tritte des über-
    schreitenden Vorderbeins weit und erhaben werden müssen.
    Hierdurch werden die Heraufzieher der Vorderbeine
    geübt
    , durch Uebung gestärkt und Leichtigkeit der
    Schulterbewegung vermehrt
    .
[221]II. Abschnitt. 2. Periode.
  • 4) Werden durch das Festhalten in Kopfstellung und Rippen-
    biegung die Pferde für die Annahme der gebogenen
    Stellungen
    , mithin für die Bewegung auf kleineren Bögen
    und Volten geschickt gemacht.
  • 5) Sind zur Annahme der complizirten Stellungen, complizirte
    und fein-nüançirte Hülfen nothwendig, deren Verstehen und
    Befolgen eine bedeutende Entwickelung des Verständ-
    nisses und des Gehorsams
    bedingt.

Ich bin nicht der Ansicht, dass man geradezu behaupten
kann, die eine Lection ist das Rezept für die Schulter-
freiheit, die andere für den Galopp
etc. Sie werden auf
die verschiedenen Gebäude verschieden wirken und es muss
die Beobachtung dem Reiter resp. Reitlehrer zeigen, ob er aus der
Art, wie das Thier die eine oder andere Lection zu gehen im
Stande ist, für dasselbe Nutzen und welchen Nutzen erwar-
ten darf.


Die Schulreiterei übt die Lectionen im Schritt, Trab und
Galopp. Die Campagne-Reiter begnügen sich mit Schritt,
Trab und nehmen nur etwa den Traversgalopp hinzu. Es ist das
Schlimme bei den Seitenlectionen im Allgemeinen, dass diejeni-
gen Fehler, welche den Nutzen gänzlich annulliren,
gerade die am häufigsten vorkommenden sind
.


Die gröbsten Fehler aber sind:


I. Wenn das Gleichgewicht


  • A. nach vorwärts verloren gegangen ist,
  • 1) weil der Hals nicht genug zurückgearbeitet wird.
    Es kann alsdann von einer leichten und erhabenen Action
    des übertretenden Vorderfusses nicht die Rede sein, weil die
    Last ihn erdrückt. Steile Schultern sind die gebundensten,
    sie bedürfen der meisten Befreiung; sie aber geben für den
    Hals den schlechtesten Ansatz und dieser wird vorhängend
    wieder diese Befreiung hindern.
  • 2) weil die Hinterhand nicht genügend untergehalten
    wird
    , um das Gewicht der Vorhand aufzunehmen. Es ar-
    beitet alsdann die Hinterhand hinten heraus, die Vorhand
    weit unter dem Leibe. Es ist keine weite und kräftige Er-
    hebung des überschreitenden Fusses nöthig, welche durch die
    Belastung auch nebenbei unmöglich wäre, mithin auch keine
    [222]Vom Gange der Dressur.
    Uebung der heraufziehenden Muskeln. Im Schulterherein,
    welches namentlich auf die Action der Vorhand wirken soll,
    ist aber dieses Untergeschobenhalten der Hinterbeine
    deshalb am schwersten, weil diese den grösseren Weg zu
    beschreiben haben und dazu zeitweise grösserer Befreiung
    bedürfen. Wird im Travers dieser Fehler gemacht, so ist
    die Belastung und Biegung des inwendigen Hinterfusses so
    vermindert, dass der Nutzen, den man sich von seiner Be-
    lastung und Biegung für den Galopp verspricht, verschwindet.
  • 3) weil der Reiter vorfällt. Dann treten jene Nachtheile
    gemeinschaftlich auf.
  • B. Wird das Gleichgewicht nach rückwärts verloren,
    so geht das Thier hinter dem Zügel, es ist keine Frische und
    Schwung im Gange und damit fällt der Nutzen, der immer nur
    in einer Uebung der Muskeln besteht, von selbst fort.
  • C. Wird das Gleichgewicht nach seitwärts verloren,
  • 1) nach der Seite, wohin das Pferd geht, so entsteht
    eine fallende Bewegung. Sie macht das Thier haltungslos
    und strupirt sehr bald.
  • 2) Wird das Gleichgewicht nach der entgegenge-
    setzten Seite verloren
    , so entsteht im Allgemeinen ein
    zu langsames Hinweggehen des Körpers über die Stützen,
    mithin ein Verhalten; im Schulterherein wird die zu
    übende Schulter belastet und im Travers fällt die Last
    auf den auswendigen Hinterfuss, statt den inwendigen zu be-
    lasten und zu biegen.

Unter 5 mittelmässigen Reitern sieht man im Schulterherein
2 nach der inwendigen Seite hängen und bei 2 die Hinterbeine
hinten heraus arbeiten, also alles thun, um die inwendige Schulter
zu beladen. Von ihnen hängen deren 2 im Travers sicher nach
aussen und 2 haben in diesem Gange ihre Pferde nicht am Zügel.


II. Der verworfene Hals und das verdrehte Genick.


Das Hängenbleiben und Sichfestziehen in dem
stellenden Zügel
und die mangelnde Gegenwirkung des entge-
gengesetzten bringen diese Fehler zuwege; Fehler, welche nicht nur
im Seitengang das Zurückwirken des Druckes auf die Laden stö-
ren, sondern dem Pferde für immer einen Ausweg bereiten, sich
der Gebisswirkung zu entziehen.


[223]II. Abschnitt. 2. Periode.

Wenn es schon an und für sich schwer ist, einen Seitengang
im Schritt so zu reiten, dass er für die Körperausbildung Nutzen
schafft; wenn es, wie wir schon früher sahen, ebenfalls nicht leicht
ist, einen abgekürzten Trab zu reiten, der dadurch abgekürzt
ist, dass der kräftige Abschwung der Hinterbeine aufwärts wirkt,
statt vorwärts: so muss die Combination beider Lectionen,
die Ausführung der Seitengänge im Trabe ihre be-
sondere Schwierigkeit haben
, und doch sehen wir von den-
selben in neuester Zeit selbst bei der Cavallerie, die zur Dressur
nicht lauter Stallmeister haben kann, den ausgedehntesten
Gebrauch machen. Ich glaube mit Bestimmtheit sagen zu können
— gewiss nicht zum Nutzen der Pferde.


Es ist vielfach die Frage aufgeworfen, welcher Seitengang
den Galopp am meisten vorbereite
. Die Einen haben
den Travers, die Anderen das Sulterherein dafür am
geeignetsten gefunden. Ich möchte im Allgemeinen indess nicht
annehmen, dass sie als Vorübung in so hohem Grade nützlich sind,
wie Einige zu glauben scheinen. Wenn die Funktionen der Beine
in den Seitengängen auch denen, welche der Galopp nöthig macht,
nahe kommen, so bleibt doch der wesentliche Unterschied,
dass im Galopp stets ein Moment da ist, wo die Last von den
Hinterbeinen zu den Vorderbeinen wechselt
, also die
Last bald von diesen, bald von jenen zu tragen ist, während im
Seitengange stets die Last nur von einer Seite zur anderen
wechselt
, mithin Vor- und Hinterhand immer gemeinschaft-
lich
sowohl das Geschäft des Tragens wie des Förderns der Last
übernehmen. Der Punkt für die Hinterbeine, wo sie die Last
stützen müssen, ist für den Galopp und den Seitengang schon aus
diesem Grunde ein anderer, abgesehen, dass die Seitwärtsbewegung
die Thätigkeit anderer Muskeln bedingt. Das wesentlichste Ele-
ment für den Galopp aber ist ferner die an- und abspannende
Thätigkeit der Rückenwirbelsäule
, das leichte Aufwölben
des Rückens beim Untersetzen, das geschmeidige Abspannen beim
Abschieben der Hinterbeine, jene wiegenförmige, federnde, kräftig-
weiche Bewegung, welche das gutgerittene Pferd vom schlecht-
gerittenen oder rohen sofort unterscheidet, und für diese Thä-
tigkeit geben die schreitenden Gänge keine Uebung. Im spe-
ciellen weicht auch sowohl bei dem einen, wie bei dem anderen
[224]Vom Gange der Dressur.
Seitengange die Funktion der Beine wesentlich von der des Ga-
lopps ab.


Im Schulterherein arbeitet der inwendige Vorderfuss am
freiesten, der auswendige am schwersten, eben so ist der inwendige
Hinterfuss am weitesten unter der Last und der auswendige weiter
zurück. Aber im Schulterherein fällt das Gewicht auf die aus-
wendige Seite, während es im Galopp auf die inwendige fällt. Bei
der Erhebung der Vorhand im Galopp ruht die Last auf den Hin-
terbeinen; das auswendige Bein steht mehr senkrecht, das inwen-
dige ist gebogen und weiter unter den Leib gebracht, deshalb fällt
der Schwerpunkt nach inwendig. Im Moment des Galopps, wo
die Vorhand die Last von der Hinterhand übernimmt, ist die Stel-
lung der Vorderbeine wiederum dieselbe, mithin ist auch dann der
Schwerpunkt der inwendigen Seite zugeneigt. Beim Schulterherein
machen die auswendigen Beine gleichsam das Pivot der Bewegung,
die nach auswendig fallende Last geht über diese Beine hinweg
und wird von dem inwendigen übertretenden Beine aufgenommen.


Im Travers arbeiten die auswendigen Füsse am weitesten
vor, der Galoppbewegung entgegengesetzt, aber die inwendigen sind
die am meisten tragenden, der Galoppbewegung analog.


Ich bin deshalb der Meinung, dass diejenigen Pferde, welche
ungern, oder ihres Baues wegen schwer untertreten, durch
Schulterherein darin geübt und so wesentlich für den Galopp vor-
bereitet werden. Pferde hingegen, welche gern oder vermöge ihres
Baues leicht untertreten, denen es aber sauer wird, das unterge-
brachte Bein zu biegen
und die Last aufzunehmen, hiezu
leichter durch den Travers gebracht werden. Bei Gebäuden, denen
Unterbringen und Biegen gleich sauer wird, wie lange
Thiere mit steiler Stellung der Hinterbeine werde ich mithin sowohl
des einen, wie des anderen gleich benöthigt sein. Im Allgemeinen
ist wieder festzuhalten, dass die Seitengänge nur in so fern
zum Galopp vorbereiten, als sie die Muskelthätigkeit
und Balance üben
, welche der Galopp besonders in Anspruch
nimmt. Wird der Seitengang so geritten, dass diese Muskelthä-
tigkeit oder Balance durch ihn nicht in Anspruch genommen wird,
so ist in ihm, und wenn jahrelang geübt würde, keine Vorberei-
tung zum Galopp.


[225]II. Abschnitt. 2. Periode.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass kurze Pferde mit un-
biegsamem Rücken und unbiegsamer Hinterhand lieber Schulter-
herein als Travers gingen, und umgekehrt — lange Pferde mit
biegsamer Hinterhand leichter Travers wie Schulterherein. Ich
glaube nicht, dass der Umstand, dass im Travers die Hinterhand
den kleineren, die Vorhand den grösseren Weg beschreibt, die
einzige Ursache der vermehrten Biegung der Hinterhand im
Travers sein kann, weil auf der geraden Linie ja die Weite des
Weges dieselbe bleibt, und dennoch auch auf derselben sich die
Abneigung zeigt. Ich bin vielmehr der Ansicht, dass durch die
Belastung der auswendigen Seite im Schulterherein, mithin gegen
die Rippenbiegung, die Belastung schwächer auf die Hinterhand
wirkt, als beim Travers, wo sie in die Rippenbiegung fällt. Auch
mag dadurch, dass beim Travers Kopfstellung und Reitergewicht der-
selben Seite zufallen, eine grössere Belastung herbeigeführt werden,
als da, wo sie auseinandergehen. Ich möchte hieraus den Schluss
ziehen, dass man bei langen biegsamen Pferden mit dem Travers
als der leichteren Lection beginne, und bei den kurzen und un-
biegsamen mit dem Schulterherein. Contreschulterherein
und Renvers sind als Varianten zu betrachten, welche in der
Wesentlichkeit nichts ändern, indess je nachdem den Vortheil der
Bande resp. der freien Bahn gewähren. Will man nämlich ein
Pferd, welches im Schulterherein vorwärts drängt, ohne stärkere
Zügeleinwirkung corrigiren, so nehme man es in Contreschul-
terherein
, und es wird bei gleicher Stellung die Bande ein na-
türliches Hinderniss bilden und den Vortheil gewähren, dass das
Thier die Verlegung seines Schwerpunktes von selbst mehr nach
rückwärts nimmt, wozu ich mich sonst anderer Mittel bedienen
musste und mithin den vortreibenden Schenkel kräftig brauchen
kann, ohne eine verhältnissmässig starke Gegenwirkung des Zügels
nöthig zu haben. Bei Pferden, die man das Untersetzen der Hin-
terhand lehren will, bei denen aber z. B. ein übermässig biegsames
Sprunggelenk die Zügeleinwirkung nachtheilig macht, ist dieser
Vortheil nicht von der Hand zu weisen. Verhält sich andererseits
ein Pferd im Travers und man möchte es auf den inwendigen
Schenkel vortreten lassen, so nehme man es in Renvers und man
gewinnt dadurch bei gleicher Stellung die freie Bahn zu dieser
Bewegung. Letzteres Motiv wird mehr in meine Art und Weise
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 15
[226]Vom Gange der Dressur.
passen, als das erstere, welches indess gewiss mit Passion von den
Einschläferern gewählt werden dürfte, auch ohne den vorher er-
wähnten speziellen Fall.


Contre-Schulterherein hat als Uebung für den Unterricht bei
jüngeren Reitern auch noch den Vortheil, die Faulheit des aus-
wendigen Schenkels, die den Nutzen von Schulterherein vernichtet,
an den Tag zu bringen, da beim Schulterherein die Bande oft der
alleinige Grund ist, dass die älteren Thiere nicht bei jedem Tritt
zurückkriechen, und sie sollte desshalb fleissig geübt werden. Man
kann, nach meinem Dafürhalten, sobald Sitz gewonnen und nun
die Einwirkung auf das Pferd gelehrt werden soll, gar nicht Ver-
änderungen genug erfinden, um einen Wechsel in den Hülfen nöthig
zu machen, damit die Einwirkungen endlich dem Reiter so mecha-
nisch werden, dass der Gedanke „Thun“ den Zwischengedanken
„wie thun?“ nicht mehr nöthig macht. Nur durch Uebung kann
eine solche Fertigkeit erlangt werden, dass Hand, Schenkel und
Gewicht sich richtig unterstützen und niemals einander weder der
Zeit, noch der Kraft nach widerstreben. Wenn nun Contre-Schul-
terherein und Renvers selbst auch nur solche Varianten wären,
welche zu neuen Uebergängen führten, so würden sie immer vor-
theilhaft sein.


Bei der Dressur von Pferden durch solche Reiter, von
denen man sich aus der Uebung von Seitengängen keine genü-
gende Resultate versprechen darf, um dem Galopp vorzuarbeiten,
ist die Uebung von Volten von doppelter Wichtigkeit. Na-
mentlich wird die Uebung derselben im abgekürzten Trabtempo
mit guter Kopfstellung die Unterbiegung des inwendigen Hinter-
beines bedeutend befördern, und sind bei dieser Uebung die Be-
lastung durch das Reitergewicht, Kopfstellung und Rippenbiegung,
alle auf derselben inwendigen Seite, vor allem im Stande, die Bie-
gung des inwendigen Hinterbeines in hohem Grade hervorzubringen.


Dritte Periode.

In ihr wird namentlich der stärkere Trab in die Reihe der
Uebungen treten. Der stärkere Trab, bei dem die Anleh-
nung an die Zügel geringer wird, ist immer falsch
.
Man hat hauptsächlich darauf zu achten, dass die Tritte geräu-
miger
werden. Dies hängt, wie wir bereits wissen, vom Aus-
[227]II. Abschnitt. 3. Periode.
harren der Beine hinter der Vertikalen, mithin davon ab,
dass der Abschwung möglichst horizontal wirkt. Es wird nach
dem Gebäude äusserst verschieden sein, in welcher Art ich dieses
längere Verharren vermittele, und es namentlich von der Haltung
des Rückens und somit von der Belastung durch das Reitergewicht
abhängen. Wenn das Thier aus dem Mitteltrabe zum stärkeren
animirt, in den Galopp fiel, so wird der Grad der Anlehnung leh-
ren, ob das Pferd nicht ausharren wollte, weil es seinen Schwer-
punkt nicht genug vorlegte, oder weil es seinen Schwerpunkt zu
weit nach vorwärts brachte und gleichsam fortrollte. Für den
ersten Fall muss der Galopp angenommen und so weit fortgeführt
werden, bis das Thier an die Hand tritt und dadurch die grössere
Neigung des Körpers in den Gang, die erhöhte Verlegung des
Schwerpunktes nach vorwärts zeigt. Für den zweiten Fall hat
man bereits gefehlt, indem man die Haltung nicht eher berichtigte,
und man muss sie durch ruhige und sanfte Einwirkungen bessern.
Man hat geduldet, dass der Schwerpunkt zu viel nach vorn fiel,
dass das Hinweggehen des Leibes über die Beine schneller war,
wie die Action derselben und dadurch herbeigeführt, dass das Thier,
um gleichsam dem fortschiessenden Oberkörper mit den Beinen
nachzukommen, galoppiren musste. Ein rohes Pariren und dann
von neuem Fortstürzenlassen wird ohne Nutzen sein, ein ruhiges
Versammeln und allmäliges Vorneigenlassen des Schwerpunktes bei
der erneuten Uebung wird allein zum Resultate führen. Mancher
sieht diese Art des in den Galoppfallens für eine Aeusserung des
heftigen Temperamentes an, und reisst das Thier zur Strafe nach
einer heftigen Parade rückwärts. Ein langsames, weiches Zurück-
tretenlassen würde unter Umständen zu rechtfertigen sein, jenes
Zurückreissen gehört zu den nutzlosen Rohheiten der gedankenlosen
Reiter. Die wesentlichste Aufmerksamkeit hat man auf die Regel-
mässigkeit des Ganges zu legen. Geht sie verloren, ist alles ver-
loren und eine unnütze Consumtion der Kräfte unvermeidlich. —
Kann das Pferd stark traben, sobald man eine unrichtige Hals-
oder Kopfstellung duldet, giebt sich aber nicht heraus, sobald man
derselben entgegen wirkt, so nehme man den starken Trab vor
allem nicht an, sondern corrigire den hervortretenden Fehler. Es
ist so schlimm, dass theils Eitelkeit, theils unrichtiges Streben zum
Fertigwerden uns so leicht disponirt, jene Auswüchse gleichsam
15*
[228]Vom Gange der Dressur.
mit in den Kauf zu nehmen und fortzuführen, trotzdem wir sie
sehen. Die Strafe wird indess sicher nicht ausbleiben, unsere Eitel-
keit hart bestraft und der Dressurgang viel länger unterbrochen
werden.


Man übe ferner in dieser Periode die Volten, gehe von den-
selben zu den Schlangenlinien über, erst ohne, dann mit wech-
selnden Kopfstellungen; übe die Seitengänge mit den Ueber-
gängen
von Schulterherein zur Volte, von Schulterherein zu
Renvers, von Schulterherein zu Travers; ferner von Travers zu
Renvers durch die Passade aus der Ecke; ferner das Changiren
mittelst des Travers durch die Bahn, Uebergang zum Renvers,
vom Renvers in Contre-Schulterherein etc. Dann gehe man zu den
Achten über, ohne und mit Wechselung der Stellung und endlich
zu den Achten im Schulterherein und Contre-Schulterherein im
Travers und Renvers. Es ist zu erwähnen, dass sich die Seiten-
gänge und Wendungen vor allem nicht so anhäufen müssen, dass
der frische Gang im Schritt und Trab darunter leidet, und müssen
die Lectionen auf der geraden Linie ohne Kopfstellung immer
wieder zwischen durchgelegt werden. Es ist endlich in dieser Pe-
riode das Aufrichten, Beizäumen und Abbiegen auf der
Stelle
zu üben. Es ist schon im ersten Theile erwähnt worden,
wie es uns nicht zweckmässig erscheint, zu früh mit dem Abbiegen
auf der Stelle zu beginnen, dass wir vielmehr das Abbiegen im
Gange bei weitem für die ersten Uebungen vorziehen. Es ist hier
von dieser Arbeit nicht ausführlich mehr die Rede gewesen, einmal
weil der erste Theil das Wesentlichste darüber bereits enthält,
und dann weil gerade von einer Versäumniss dieser Arbeit mir
wenige Beispiele bekannt sind. Im Gegentheil aber habe ich wohl
Thiere schon mit Abbrechen quälen sehen, ehe sie vorwärts gingen
oder einem Schenkel wichen und dadurch Ausfallen mit der Kruppe,
Rückwärtslaufen und Steigen bestens anbahnen, oder ich habe die
Arbeit so lange mit Herumnahme des ganzen Halses beginnen
sehen, bis dieser an der Basis so wackelig geworden, oder in der
Mitte verbogen war, dass der lose und verdrehte Hals mehr Scha-
den that, wie die ungebogene Ganasche. Ich muss ehrlich gestehen,
dass ich kein Freund von zu vielen Kopfstellungen bin. Das Cam-
pagnepferd muss die Nase geradeaus haben. Es ist gewiss nöthig,
die Ganasche so viel zu biegen, als zum Beigeben der Nase erfor-
[229]II. Abschnitt. 4. Periode.
derlich ist, und nöthig, um das Verwerfen zu verhüten. Ich habe
aber sonst bei unserer Soldatenreiterei vom Kopfstellen so viel
Missbrauch machen sehen, so viel Hängen in dem stellenden Zügel
ohne alle Gegenwirkung des auswendigen, so viel verdrehte Ge-
nicke, dass mir das ewige Schreien nach Abbiegen und nach Kopf-
stellung oft zu viel geworden ist und ich mich von den humpeligen
Seitengängen im abgekürzten, schlaffen Trabe mit schiefen Köpfen
oft nach einem frischen, langen Galopp gesehnt habe, wie der
Wanderer der Wüste nach der Oase.


Vierte Periode.

Das Pferd wird ins Freie gebracht, und namentlich im freien
Schritt und starken Trabe auf der geraden Linie geübt. Es wird
an die verschiedenen Gegenstände gewöhnt
und durch
längeres Reiten beruhigt und gekräftigt.


Ich halte es für unzweckmässig, Pferde, welche noch nicht in
den Gehorsam vor Zügel und Schenkel gebracht sind, vorzeitig
heraus zu reiten. Durch Scheuwerden, Nachhausedrängen etc. etc.
wird der Reiter oft zu Kämpfen veranlasst, ohne die Waffen zu
haben, siegreich daraus hervor zu gehen. Es scheint mir indess,
wenn man diese Periode der Ausbildung erreicht hat, nützlich,
gleichsam einen Ruhepunkt in der Dressur eintreten zu lassen, in
welchem durch anhaltendes Reiten im Freien der Reiter sich über-
zeugen kann, ob die Haltung des Pferdes so dauernd
befestigt ist
, dass es in derselben ausharrt, andererseits, ob die
Zusammenstellung genügt, um etwaigen Unarten entgegen-
treten zu können. Zwischendurch ist eine Lection in der Bahn
nützlich, um die erhöhten Biegungen wieder zu üben und gegen
etwaige Mängel einzuschreiten. Man habe beim Scheuen hin-
reichende Geduld und gehe stets darauf aus, das Thier zu über-
zeugen, dass der Gegenstand seiner Furcht ihm kein Leides thut.
Strafe seiner Furcht wegen ist falsch, weil sonst der
Angst vor dem Gegenstande die vor der Strafe hinzutritt. Dem
Stallmuth begegne man durch Arbeit, Unarten aber
strafe man
. — Zockeln, übereilter Trab und Galopp hinter dem
Zügel, sehe man stets als ein Verhalten an, und bessere sie durch
Vortreiben an den Zügel. Die leichtaufdiehand- und auseinander-
fallenden Pferde reite man vorherrschend im geschlossenen, die
[230]Vom Gange der Dressur.
sich verhaltenden, in räumigen und anhaltenden Gängen. Auf
dem Rückwege hüte man sich vor anregenden Lectio-
nen und kehre nie auf demselben Punkte nach Hause
um, auch wechsele man oft mit dem Heimwege
, um das
Drängen nach dem Stalle zu vermeiden. Man übe das Thier auch
draussen im Stillestehen beim Auf- und Absitzen und
ruhigem Stehen unter dem Reiter. Seitengänge reite man nur,
um Fehler zu corrigiren, aber Volten und Schlangenlinien an geeig-
neten Orten, wo keine Störungen zu befürchten sind.


Dritter Abschnitt.


Erste Periode.

Im dritten Abschnitt wird man mit dem Galopp beginnen.
Es ist der Galopp nicht nur ein Gang, den das Thier seines prak-
tischen Nutzens wegen lernen muss, sondern er gewährt auch als
Lection zur Ausbildung der Thätigkeit des Rückens und der Hin-
terhand grossen Nutzen. Er ist bei manchen Pferden von festen
Rücken, welche zum Verhalten geneigt sind, oft das einzige
Mittel, sie zur Hergabe desselben und dadurch zum Ausharren der
Beine hinter der Vertikalen zu bringen. Es wird daher oft erst
durch den Galopp der freie und räumige Trab und
Schritt gewonnen
.


Ein wesentlicher Unterschied zwischen den springenden und
schreitenden Gängen besteht darin, dass in den schreitenden
die Rückenwirbelsäule in unveränderter Haltung bleibt.
Es wird zwar ein versammelter Gang eine andere Biegung derselben
hervorbringen, wie ein gedehnter; aber die Haltung während des
Ganges wird unverändert bleiben. Nur die Parade wird durch das
Heranbringen beider Hinterbeine unter den Schwerpunkt einige
Analogie mit den springenden Gängen bieten. In diesen wechselt
der Schwerpunkt von der Vorhand zur Hinterhand. Es wird bald
die Vorhand, bald die Hinterhand die ganze Last zu stützen haben,
und demgemäss sich bald beide Hinterbeine, bald beide Vorder-
[231]III. Abschnitt. 1. Periode.
beine gleichzeitig unter dem Leibe befinden. In dem Moment, wo
die Hinterbeine die Vorderbeine ablösen, sind aber alle 4 Beine
unter dem Leibe, und eben so wird ein Moment eintreten, wo die
Vorderbeine im Begriff zu fussen sind und die Hinterbeine eben
abgeschoben haben, in welchem mithin jene mehr oder weniger
ausgestreckt vor und diese hinter dem Leibe sich in der Luft
befinden
. Je geräumiger der springende Gang ist, um so stärker
und reiner wird dies Verhältniss hervortreten, je mehr gehalten,
um so geringer und um so mehr wird er sich wieder den schrei-
tenden nähern. Der räumigste dieser Gänge ist die Carrière.
Bei ihr zählen wir nur 2 Tempo’s des Niederfallens der Hufe auf
den Boden: das Niederfallen der Vorhand bezeichnet das
eine, das Niederfallen der Hinterhand das andere;
einmal stützen die Vorderbeine allein die ganze Last, dann die
Hinterbeine. Bei den kürzeren Gängen, welche im Bereich der
Campagne-Reiterei liegen, zählen wir 3 Tempo’s. Wir unterscheiden
„den stärkeren Galopp“ („train de chasse“ — Jagd-Galopp)
und den „kurzen Galopp“ (Bahn-Galopp). Es wird bei beiden
schon eine Beihülfe vom auswendigen Vorderbeine bei der Erhe-
bung auf der Hinterhand geleistet und der tragenden Vorhand
schnell der inwendige Hinterfuss zur Unterstützung eilen. Beim
Schulgalopp, der 4 Tempo’s hören lässt, ist dies in noch höherem
Grade der Fall.


Je höher die Befähigung der Vor- und Hinterhand zum Ba-
lanciren entwickelt ist, je sicherer und je weiter vorwärts die Vor-
hand die Last aufzufangen, resp. je mehr die Hinterhand sich
gebogen unter die Last zu schieben weiss, je schneller das dritte
Bein zu Hülfe eilt, resp. je länger es stützend ausharrt: um so
weniger schnell wird der Wechsel nöthig werden, um so ruhiger
und cadenzirter werden die einzelnen Sprünge auf einander folgen.
Wenn nun auch die Hinterhand die Fähigkeit hat, die ganze Ma-
schine auf längere Zeit zu balanciren, so ist dies bei der Vorhand
doch keineswegs der Fall. Es wird mithin der Wechsel der Last
von Vorhand zur Hinterhand schneller sein müssen, wie umgekehrt.
Mit dem längeren Balanciren der Last auf der Hinterhand wird
aber die Geschwindigkeit des Ganges nicht nur dadurch beein-
trächtigt, dass die Sprünge weniger schnell aufeinander folgen,
sondern es wird auch die Streckung der Hinterbeine und dadurch
[232]Vom Gange der Dressur.
die Räumigkeit des Sprunges vermindert. Mit der Geschwindig-
keit aber leidet der praktische Nutzen und es wird mithin der
Campagne-Reiter nicht nur bemüht sein müssen, dem Thiere im
Galopp die Haltung auf der Hinterhand zu geben, sondern auch
zu sorgen haben, dass es im längeren Sprunge mit den Hinterbei-
nen hinreichend hinter der Vertikalen ausharre und mit den Vor-
derbeinen weit genug vorgreife, welche Streckung nicht ohne jene
vorherbezeichnete Abspannung des Rückgrads ermöglicht wird, die
aber wie die Fähigkeit zum Aufwölben geübt sein will.


Das Stützen der Last sowohl durch die Vorderbeine, wie
durch die Hinterbeine wird dadurch erleichtert, dass die Beine
nicht neben einander zur Erde fallen, sondern das
eine mehr vor-, das andere mehr zurückgestellt wird
,
und zwar geschieht dies bei Vor- wie Hinterhand mit dem Beine
derselben Seite. Nach dem am weitesten vorgreifenden Beine
wird der Galopp bekanntlich genannt. Da dies Bein aber mehr
von der Senkrechten abweicht wie das andere, so ist der Schwer-
punkt des Pferdes immer dieser Seite zugeneigt. Das Pferd wird
sich mithin im Galopp nur nach dieser Seite mit Leichtigkeit wen-
den lassen, weil die Wendung nach der anderen nur durch eine
weite Verlegung des Schwerpunktes, oder durch ein überwiegendes
Abstossen der inwendigen Beine erfolgen kann. Man macht diese
Seite in der Bahn deshalb in der Regel zur inwendigen und stellt
auch den Kopf des Pferdes dahin. Macht man die vorgreifende
Seite zur auswendigen, so nennt man den Galopp „Contre-Galopp“,
und die Wendungen und Volten „Contre-Wendungen“, „Contre-
Volten“. Da man beim Angaloppiren nicht vorhersehen kann, ob
man nicht gegen die Hand wird wenden müssen und es die Zeit
beim Tummeln nicht immer erlaubt, sein Pferd zu changiren, so
wird man zur vollkommenen Ausbildung eines Campagnepferdes
der Contre-Wendungen und Contre-Volten bedürfen und sie um so
fleissiger üben müssen, als diese Wendungen das darin ungeübte
Pferd leicht bis zum Stürzen aus dem Gleichgewicht bringen.


Wenn das Thier aber nicht mit dem Vorderbein und Hinter-
bein derselben Seite vorgreift, sondern wenn es über das Kreuz
galoppirend
, z. B. vorn mit dem rechten, hinten mit dem linken
Bein vorgreift, so wird der Wechsel der Last von Vorhand zu
Hinterhand auch einen Wechsel des Schwerpunktes von einer zur
[233]III. Abschnitt. 1. Periode.
anderen Seite zur Folge haben; hier wird er beim Niederkommen
der Vorhand — rechts, beim Niederkommen der Hinterhand —
links fallen, was die Schnelligkeit bedeutend vermindert, die Beine
ruinirt und die unangenehme stossende Bewegung erzeugt, die der
Reiter im Rücken empfindet. Einen Galopp, bei dem das Pferd
nicht nach der Seite hin die Kopfstellung hat, auf welcher die
Beine vorgreifen, nennen wir „falsch“.


Es ist vielfach die Frage gestellt worden, welche Füsse
durch den Galopp am meisten angegriffen würden
,
die inwendigen oder auswendigen? Eine Frage, welche bei Krank-
heitserscheinungen an einem oder dem anderen Fusse, da uns die
Wahl ihn zum inwendigen oder auswendigen zu machen freisteht,
von Wichtigkeit wird. Für die Vorderfüsse sehen wir es deutlich
an der Menge krummer linker Vorderfüsse, welche viel rechts
galoppirende Pferde zeigen, dass der auswendige Fuss am stärksten
angegriffen wird. Es ist das Hinweggehen der Last über diesen
Fuss und der Umstand, dass er zuerst zur Erde fällt, wodurch er
vorzugsweise leidet. Es wird deshalb ein ledirter Vorderfuss immer
zum inwendigen zu machen sein, mit Ausnahme, wenn er an Schul-
terlahmheit leidet, ein Uebel, welches namentlich die Erhebung
beeinträchtigt. Ob durch den Galopp der inwendige oder aus-
wendige Hinterfuss mehr angegriffen wird, dürfte einestheils davon
abhängen, ob das Bein günstiger zum Schieben oder Tragen ge-
baut ist, resp. ob seine Verletzung die eine oder die andere Funk-
tion, das Biegen oder Abschnellen, mehr stört (Spat würde das
Biegen schlecht vertragen); anderentheils aber ob das Tempo des
Galopp’s mehr die tragende oder schiebende Funktion beansprucht.
Hünersdorf und Seidler geben mit Bestimmtheit den auswendigen
als den meist leidenden an.


Es ist seltsam, dass von so vielen Nichtkennern ein beson-
derer Werth auf den Rechts-Galopp gelegt wird
und
ihnen ein Ansprengen im Links-Galopp als ein Verstoss erscheint.
Ob jenes ihnen als ein Resultat besserer Dressur vorschweben mag,
weil die meisten Pferde wirklich lieber links als rechts galoppiren?
Manche wollen die leichtere Hergabe der meisten Pferde nach links
dem Umstande zuschieben, dass das Fohlen im Mutterleibe so ge-
bogen liege; ich möchte den Grund mehr darin suchen, dass die
Thiere auf dieser Seite geführt und von dieser Seite mehr gehand-
[234]Vom Gange der Dressur.
habt werden. Da der Galopp auf der einen oder der anderen
Hand die Beine ungleichmässig angreift, auch die Thiere, wenn
man sie anhaltend auf einem Fuss galoppirt, dies dadurch mar-
quiren, dass sie gern von selbst changiren, so scheint ein Abwech-
seln zweckmässig und muss deshalb die Ausbildung auf beide
Hände gleichmässig betrieben werden. Es haben viele sehr tüch-
tige Cavallerie-Offiziere vorgeschlagen, die Pferde namentlich
der schweren Cavallerie im Galopp nur auf einen Fuss
auszubilden
. Es ist nicht zu läugnen, dass das Geschlossen-
reiten für diese Waffe das Haupterforderniss ist und selten der
Galopp so genau auf einem Hufschlag ausgeführt wird, dass nicht
beim Rechts-Galopp eine geringe Neigung der Kruppe nach rechts,
beim Links-Galopp nach links entstände und es werden somit zwei
Pferde, welche nebeneinander im Gliede gehen und nicht auf der-
selben Hand galoppiren, dadurch mit der Kruppe gegen einander
lehnen, wodurch leicht ein Drängen und somit ein Auseinander-
kommen entsteht. Ferner wird der schwere Reiter selten zum
Einzelgefecht des Tummelns bedürfen und nicht so häufig galop-
piren, dass man den erhöhten Verbrauch eines Beines befürchten
müsste. Es würde endlich der Nutzen, welchen die Uebung der
springenden Gänge für die schreitenden giebt — der Galopp als
Dressurmittel — nur wenig verlieren. Der einzige Nachtheil würde
die geringe Reiterausbildung des Mannes sein. Ich wage nicht zu
beurtheilen, auf welche Seite diese den Ausschlag giebt.


Nachdem wir nun die Thätigkeit der Beine ins Auge gefasst
haben, so wollen wir näher auf die Thätigkeit des Rückens
eingehen. Bei jedem Sprunge in der Carrière wird in dem Mo-
ment, wo die Hinterbeine an die Vorderbeine herangezogen werden,
um die stützende Funktion zu übernehmen, mithin alle 4 Beine am
nächsten zusammenkommen — die Aufwölbung am grössten
sein. In dem Moment aber, wo die Hinterbeine eben abgeschnellt
haben, die Vorderbeine aber im Begriff sind zur Erde zu fallen,
wo die Beine also alle 4 in der Luft und die Streckung am wei-
testen — wird die Abspannung am grössten sein. Je kürzer
die Sprünge, um so geringer wird diese wechselnde Rückenthätig-
keit in Anspruch genommen. Ohne dass An- und Abspannen mit
Leichtigkeit erfolgt, wird man nie einen angenehmen, weichen und
die Beine des Pferdes conservirenden Sprung erlangen. Es wird
[235]III. Abschnitt. 1. Periode.
allerdings viel sowohl von der richtigen Funktion der Beine, wie
von der Vertheilung des Reitergewichtes abhängen, ob man dem
Rücken diese gewünschte Elastizität zu geben ver-
mag, die vom harten Widerstreben eben so weit ent-
fernt, wie vom schlaffen Durchfallen weich und feder-
kräftig reagirt. Es wird aber nur die Uebung im Ga-
lopp selbst im Stande sein, die Rückenmuskeln zu
stärken
und die richtige Andauer der Lectionen, die richtige
Wahl des Tempo’s, wie die Zusammenstellung wird über deren
Nutzen entscheiden. Es bedarf aus diesem Grunde wirklich eines
„Eingaloppirens“, weil die schreitenden Gänge keine Uebung
für diese Thätigkeit haben. Wer aber glaubt, durch „Eingalop-
piren“ dem Thiere in diesem Gange eine Haltung zu geben, zu
der die Vorarbeit fehlt, irrt sich gewaltig. Man wird es dann
wohl dahin bringen, dass die Thiere lernen ein bestimmtes Tempo
zu halten, indem sie ihren Abschwung darnach abmessen und so
die Distance haltend, vom Reiter getragen, mit Haltung zu galop-
piren scheinen, aber jede Veränderung im Tempo wird ihre Hal-
tungslosigkeit zeigen.


Es geht aus der Lehre „vom Reitergewicht“ hinreichend her-
vor, wie dessen Vertheilung auf den Pferdekörper wirkt. Vielfach
verschiedene Unterweisungen über diesen Gegenstand für den Ga-
lopp geben mir Veranlassung, meine Meinung darüber näher zu
entwickeln. Es wird meines Erachtens keine bestimmte Regel mög-
lich sein und das Körpergewicht nach Umständen senkrecht wirken,
nach Umständen der inwendigen oder auswendigen Seite vermehrt
zugeneigt werden müssen. Eben so wird es bald erhöht der Vor-
hand, bald erhöht der Hinterhand zufallen, endlich aber bald durch
Vertheilung der Last auf die Bügel möglichst gering, dann durch
Conzentrirung auf die Gesässknochen bei lose herunterhängendem
Schenkel möglichst stark wirken müssen.


  • 1) Durch Vertheilen der Last auf die Bügel begünstige
    ich im Allgemeinen die Rückenthätigkeit und vermindere die
    Biegung der Hinterbeine, befördere die Geschwindigkeit, ver-
    mindere die Haltung.
  • 2) Conzentriren des Gewichtes befördert die Haltung,
    hemmt aber die Beweglichkeit des Rückens, schadet mithin
    der Geschwindigkeit.
[236]Vom Gange der Dressur.
  • 3) Die Neigung des Gewichtes nach vorwärts erschwert
    die schnelle Erhebung der Vorhand und bringt ein längeres
    Verweilen der Last auf diesen Theil hervor, welches nicht
    ohne eine stärkere Anlehnung auf den Zügel ermöglicht wird,
    befreit aber die Hinterhand und erhöht somit die fördernde
    Thätigkeit.
  • 4) Nach rückwärts wird sie die Erhebung der Vorhand und
    die Haltung auf der Hinterhand begünstigen, indess der
    Schnelligkeit Abbruch thun.
  • 5) Die Neigung nach einwärts-vorwärts wird die Erhe-
    bung der Vorhand noch erleichtern und der Schnelligkeit
    günstiger, als die
  • 6) nach auswärts-vorwärts sein, weil letztere die Belastung
    des auswendigen Vorderfusses zur Folge hat, der weiter unter
    dem Leib die Last horizontal abschnellt.
  • 7) Nach rückwärts-einwärts wird die Haltung auf der
    Hinterhand durch verstärkte Biegung des inwendigen Hinter-
    fusses vermehrt;
  • 8) nach rückwärts-auswärts eine Belastung des abschie-
    benden auswendigen Hinterfusses herbeigeführt und dadurch
    der Abschwung geschwächt.

Aehnlich wie die letzteren Neigungen wirkt die Zurück-
führung des Pferdekörpers durch die Zügel
, sobald der
Anzug die Erhebung der Vorhand überdauert. Dient sie nur zur
momentanen Erleichterung der Vorhand, wie sie vom Jokey beim
Entscheidungsmoment durch das Drehen gebraucht wird, so wird
der Zügelanzug unter Umständen die Schnelligkeit erhöhen können.
Der vermehrte Gebrauch des inwendigen Zügels wirkt diagonal auf
den auswendigen Hinterfuss und erstickend auf den Abschub; der
vermehrte Gebrauch des auswendigen vermehrt die Haltung auf
dem inwendigen Hinterfusse. Es wird also durch beide Mittel
eine Verkürzung des Ganges, aber in ganz verschiedener Art her-
vorgerufen.


Zum Ansprengen halte ich die Neigung des Reiters nach
einwärts-rückwärts für die vortheilhafteste, weil ich dadurch das
Thier disponire, die Vertheilung seines Körpergewichtes, welche der
Galopp verlangt, anzunehmen. Es scheint mir dies auch aus der
Erfahrung hervorzugehen, weil das ungeübte Pferd auf der Volte
[237]III. Abschnitt. 1. Periode.
am meisten richtig anspringt. Vielfach habe ich entgegengesetzt
instruiren und dafür den Grund anführen hören, dass die Neigung
nach auswärts-rückwärts den inwendigen Vorderfuss befreie. Ich
bin indess der Meinung, dass die Disposition zum Rechts- oder
Links-Galopp weniger von der Vorhand und mehr von der Bereit-
schaft der Hinterbeine, die Vorhand auf die eine oder die andere
Art aufzunehmen, abhänge, da die Vorhand noch im Moment der
Erhebung über das Vorgreifen mit einem oder dem anderen Beine
zu bestimmen vermag. Ist die Last aber einmal unrichtig gestützt,
so aufgenommen, dass dieser oder jener Hinterfuss vorsteht, dann
bedarf es erst eines förmlichen Wechsels des Schwerpunktes.


Es ist von vielen Reitern eine Traversstellung als be-
sonders günstig zum Eingehen in den Galopp
bezeichnet
worden. In ihr ist allerdings die Belastung des inwendigen Hin-
terfusses schon gegeben, durch das Uebertreten aber ist das Vor-
streben der auswendigen Füsse bereits vorhanden. Andere Reiter
hingegen ziehen die Schulterhereinstellung vor, weil in ihr
die inwendigen Beine bereits vorgreifend seien. In Schulterherein
aber liegt das Gewicht auf der auswendigen Seite und die Schwie-
rigkeit des Wechsels desselben scheint mir jenen Vortheil mehr
wie aufzuwiegen. Eben so wollen Einige gleich Anfangs aus dem
Schritt ansprengen
, Andere den Trab so lange verstär-
ken, bis sich der Galopp daraus ergiebt
und diesen dann
durch allmäliges Versammeln regeln. Die Ersteren werden sich
übermässig starker Hülfen bedienen müssen, die Letzteren aber
bei vielen Pferden in ein Fortstürzen gerathen, aus dem sie nie
eine Haltung entwickeln werden. Mir scheint der schwung-
hafte, kurze Trab und zwar auf ziemlich grossem
Zirkel
, der das Gewicht schon nach einwärts disponirt, zum
anfänglichen Anspringen am geeignetsten
.


Folgende Methode halte ich zum anfänglichen Ein-
gehen in den Galopp für zweckmässig
: Man muss das
Pferd im abgekürzten Trabe auf dem Zirkel in enge Versammlung
nehmen, bei stellendem inwendigen Zügel den auswendigen rück-
wärts wirken lassen, und dadurch wie durch die Einwirkung des
auswendigen Schenkels die Hinterhand zu einer geringen Bewe-
gung nach einwärts disponiren. Sobald dadurch der inwendige
Hinterfuss vermehrt untergebracht ist, wird durch Neigung des
[238]Vom Gange der Dressur.
Reitergewichtes nach einwärts - rückwärts, leichtes Verhalten der
Zügel und durch kräftige Gegenwirkung des inneren Schenkels die
Last auf den inwendigen Hinterfuss und die Vorhand zur Erhe-
bung gebracht. Leichtes Nachlassen des Zügels und Neigung des
Reitergewichtes in den Sprung vermitteln den Wechsel zur Vor-
hand, während dessen die Hand leicht stützt und dann das vorige
Spiel von Neuem beginnt. Es gehört indess dazu, dass der Reiter
seines Gewichtes Herr und fähig ist, den Moment, wo das Pferd
die traversartige Bewegung beginnen will, herauszufühlen, um dann,
ehe das Pferd zum Uebertreten kömmt, mit dem inwendigen Schen-
kel den ansprengenden Druck zu geben. Da bei dieser Hülfe die
Thätigkeit beider Zügel und Schenkel in verschiedener Art und
zu verschiedenen Zeiten in Anspruch genommen wird, und genau
nach der Wirkung modifizirt werden muss, so ist sie gewisser-
massen ein Prüfstein für die Reitfertigkeit. Ueberwiegende
Zügelhülfe
wird einen Stillestand herbeiführen, verfrühte
Zügeleinwirkung
die Beine hinter dem Leibe finden und keine
Erhebung bewirken, zu geringe einen verstärkten Trab bringen.
Zu starke Einwirkung des stellenden Zügels wird das Ein-
gehen in die traversartige Bewegung hindern, zu starke des
auswendigen
diese übertreiben und das Gewicht des herüberge-
neigten Kopfes und Halses auf den auswendigen Vorderfuss brin-
gen, der den Körper vorzüglich erheben muss. Zu starke Ein-
wirkung des auswendigen Schenkels
wird, die Traversstellung
übertreibend, die Erhebung hemmen, zu geringe den inwendigen
Hinterfuss nicht unter die Last bringen. Zu starke Einwir-
kung des inwendigen Schenkels
wird das inwendige Hinter-
bein nach aussen werfen, zu schwache zu viel Travers zulassen,
verfrühte das inwendige Bein wiederum nach aussen werfen.
Vorfallen des Körpers wird die Erhebung hemmen, Nach-
aussenfallen
die falsche Seite tragend machen, verfrühtes
Belasten der Hinterhand
das Untertreten hindern; zu plötz-
liche Neigung nach einwärts
das Gleichgewicht zu gewaltsam
stören, um ruhigen Gehorsam hervorrufen zu können.


Es scheint mir ferner nöthig, dass man genau unterscheide,
ob das Pferd zum Auseinanderfallen, wie die langen, schwach-
rückigen und hinten herausgebauten Thiere etc., oder zum Ver-
halten
, wie bei festrückigen und Pferden mit unter den Leib
[239]III. Abschnitt. 1. Periode.
gestellten Hinterbeinen etc., hinneige. Bei Pferden, die lang
und schwachrückig sind
, wird man genöthigt sein, sobald
man sie in den Galopp gebracht hat, auf eine fortwährende Zu-
rückführung in engere Versammlung zu wirken und dessen unge-
achtet bemüht sein müssen, nicht durch scharfes Hintenherunter-
sitzen die Aufwärtswölbung des Rückens zu unterdrücken. Es wird
diesen Pferden Anfangs schwer werden, sich in einiger Versamm-
lung zu erhalten und sie stets geneigt sein, in den Trab zurück-
zufallen. Nur eine gute Uebereinstimmung der unterscheidenden
Schenkelhülfen und zurückführenden Zügelhülfen wird ihnen hin-
reichende Haltung geben. Zu einem Tragen der Vorhand lasse
man sich nie bestimmen, sondern lasse sie lieber in den Trab zu-
rückkehren, versammele den Trab auf’s Neue und galoppire sie
aus der erlangten engeren Stellung wiederum an. Auf diese Art
werden sie nach und nach sich im Galopp tragen lernen. Ist man
nicht im Stande, so auf die Hinterhand einzuwirken, dass man
durch Verengung der Versammlung aus dem abgekürzten Trabe
den Galopp erreicht, so ist das Pferd noch nicht hinreichend vor-
bereitet, und man ist genöthigt, die Vorarbeiten zu verbessern.
Wenn man diesen Thieren das Auseinanderfallen lässt und durch
Vorwärtstreiben den Galopp unterhält, so wird es schwerlich ge-
lingen, sie im Galopp wieder zu versammeln, es wird ein Gehetze
auf dem Zirkel, das die Kräfte des Thieres erschöpft und für die
Dressur ohne allen Nutzen ist. Es muss natürlich die Freiheit
des Thieres von Haus aus nach dem Eingehen in den Galopp
nicht so beschränkt werden, dass es ihn fortzusetzen verhindert
wird, es muss ihm so viel Freiheit gestattet werden, als es ohne
jenes Auseinanderfallen geschehen kann. Aber bei der Wahl, dieses
zu dulden, in der Hoffnung, im Galopp die Versammlung wieder
zu gewinnen, oder in den Trab zurückzugehen, wähle man unbe-
dingt das Letztere. Vor Allem muss man bei diesen Pferden kurze
Reprisen machen und ihnen Zeit zur Erholung gönnen. Bei diesen
Thieren verfällt man so leicht in ein krampfhaftes Festhalten und
Tragen der Vorhand. Es gelingt allerdings mit grossem Kraftauf-
wande einem starken Manne, es eine Zeitlang auszuhalten, und
dem Pferde einen Anschein von Versammlung zu geben. Man achte
indess bei der Dressur in Abtheilungen genau darauf, dass dies
nicht vorkomme, indem dadurch in keiner Art für die Ausbildung
[240]Vom Gange der Dressur.
des Thieres ein Nutzen geschafft wird. Es soll durch Unterschie-
ben der Hinterbeine sich balanciren lernen, und lernt so nur Sich-
tragenlassen und durch verringerten Abschub seinen Abstand
halten. Es ist nothwendig, dass man die Trensen bisweilen in eine
Hand nehmen lässt, oder auch wohl auf ein Paar Sprünge nach-
zulassen befiehlt, um Gewissheit zu erlangen, dass kein Tragen mit
der Faust stattfindet.


Umgekehrt ist es bei den Pferden, die wegen ihres hohen
und kurzen Rückens
geneigt sind sich zu verhalten, bei denen
die Abwärtskrümmung des Rückens beim Unterschieben vollkom-
men vorhanden ist, die aber die Streckung desselben, das Sich-
auseinandergeben scheuen. Bei ihnen wird sich ein kurzer Galopp
mit steifem Rücken und kurzen Sprüngen hinter der Hand leicht
ausbilden, wenn man nicht gleich nach dem Eingehen in den Ga-
lopp sie zum Vorwärtsgehen und zur grösseren Streckung animirt.
Man nehme sie auf einen grösseren Zirkel, führe sie leicht, ohne
beengende Stellung und lasse das Gewicht kräftig einwirken. Bei
ihnen wird schon beim starken Trabe ein häufiges und anhaltendes
Galoppiren vorgekommen sein, und man scheue nicht längere Re-
prisen, bis sie den Rücken hergegeben haben. Nimmt man bei
ihnen übereilt den kurzen Galopp an, so wird man sie niemals
richtig ausbilden; denn bei ihnen ist der lange Galopp diejenige
Lection, durch welche man allein ein Ausharren der abschiebenden
Beine hinter der Vertikalen erzielen und dadurch lange Gänge
erreichen wird. Wie bei jenen Pferden aus dem gehaltenen Galopp
der gedehnte entwickelt werden muss, wird umgekehrt bei diesen
aus dem gedehnten der kurze zu entwickeln sein.


Pferde von regelmässigem Gebäude halte man nach
dem ersten Ansprengen in einem munteren Mittelgalopp in mässiger
Stellung bei mässiger Einwirkung der Körperschwere und mache
sie in diesem Tempo fest. Ihnen wird Anspannung und Abspan-
nung des Rückens, Tragen und Abschieben gleich leicht. Aus die-
sem Mittelgalopp übe man später die engere Versammlung und
den gestreckten Galopp.


Es ist aus der Lehre vom Exterieur bekannt, dass sowohl die
Winkelstellungen der Gliedmassen, wie deren Län-
genverhältnisse
auf Tragfertigkeit, wie auf Abschub und Ab-
schwung den wesentlichsten Einfluss haben. Es wird mithin das
[241]III. Abschnitt. 1. Periode.
Verhalten und Auseinanderfallen sich nicht blos nach dem Bau und
der Beschaffenheit des Rückens richten, sondern auch diese Ver-
hältnisse werden wesentlich influiren, ihre Combination diese oder
jene Eigenschaft vermehren oder vermindern. Eben so haben das
Temperament wie der Zwang und endlich die Knochen-
fehler
wiederum ihre Einwirkung, und es werden sich der Com-
binationen so viele ergeben, dass von einer erschöpfenden Abhand-
lung derselben nicht die Rede sein kann. Es wird fast jede
einzelne Combination eine Modifizirung der Hülfen
zur Folge haben müssen, und es wird vom richtigen
Erkennen des vorliegenden Falles die Schnelligkeit
des Fortschrittes abhängen
. Es werden z. B. Pferde mit
kurzem Rücken und weit herausgebauter Hinterhand
,
solche, welche in den Gelenken derselben besonders steil
gestellt sind
, ferner kurze Pferde mit sehr beladener Vor-
hand und steilen Schultern
ebenfalls zum Auseinander-
fallen
geneigt sein. Bei ihnen würde auf eine starke enge Ver-
sammlung zu wirken sein, jedoch hiebei das Körpergewicht des
Reiters die Hinterhand belasten. Ferner würden Pferde mit
langem Rücken, aber Hinterbeinen, welche vorzugs-
weise zum Tragen
, aber nicht zum Abschieben geneigt sind,
im freien Galopp und ohne enge Zusammenstellung galoppirt wer-
den müssen, wobei jedoch keine Beschwerung des Rückens durch
den Reiter zu gestatten wäre etc. Es werden uns auch diejenigen
Pferde, welche besonders eng gehen, namentlich aber solche,
bei denen dieser Fehler die Hinterhand trifft, im Galopp viel Last
bereiten und gar leicht, trotz der sorgfältigsten Vorarbeit, hal-
tungslos dahin rollen, weil die zu eng, oft vor einander gestellten,
oder gar sich kreuzenden Vorder- oder Hinterbeine natürlich um
die ganze Maschine zu balanciren zu ungünstig placirt sind. Es
wird vermehrte Vorarbeit in diesem Falle nichts helfen, das Thier
wird zwischen Zügel und Schenkel Anfangs getragen werden müs-
sen, bis es durch viele Uebung das equilibristische Kunststück
lösen lernt. Ist das Pferd noch dazu hochbeinig und soll es einen
langen Reiter tragen, wie sich der Fall so häufig combinirt, so
wird das geringe Ueberhängen des Gewichtes seinen Gang stören, es
zu fortwährendem Changiren veranlassen und das Thier für höchst
heftig und aufgeregt gelten, obschon es nur höchst haltungslos ist.


v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 16
[242]Vom Gange der Dressur.

Da es sehr weitläufig wäre, jedesmal den ganzen
Cyklus mechanisch einwirkender Hülfen anzuwenden
,
um das Pferd in den Galopp zu setzen, Hülfen die nur ein fertiger
Reiter in der nöthigen Uebereinstimmung zu geben vermag, so
substituirt man im Laufe der Dressur nach und nach
ein einfaches Zeichen für den Galopp
, je nach der Be-
quemlichkeit des Reiters. Die jetzt meist eingeführte Hülfe ist
das kurze, scharfe Anlegen des auswendigen Schenkels bei leicht
verhaltendem Zügel. Ehemals pflegte man mit der Fussspitze noch
dazu das inwendige Schulterblatt zu berühren; die Damenpferde
sprengt man durch einen kleinen Gertenstreich auf der inwendi-
gen Schulter an etc. Dass diese Hülfe eine selbstgewählte und
von keiner mechanischen Wirkung zur Erzeugung des
Galopps ist
und somit ein nicht darauf abgerichtetes Pferd auf
diese Hülfe nicht galoppiren wird, bedarf wohl keiner Erwähnung.
Nachdem man durch mechanisch einwirkende Hülfen das Thier ga-
loppiren lehrte, hat man den combinirten Hülfen den Schenkeldruck
substituirt und straft endlich das unaufmerksame Thier durch den
Spornstich, wenn es auf den Schenkeldruck nicht anspringt. Nun
will aber der Nichtdenkende das rohe Thier auch durch einen
Druck des Schenkels galoppiren und stösst mit dem Sporn, wenn
derselbe erfolglos blieb. Auf diese Art hat sich der Ge-
brauch des auswendigen Sporns in den Köpfen der
rohen Empiriker als ein Universalrezept zur Erzeu-
gung des Galopps festgesetzt
, von dem sie selbst beim
rohen Pferde in den stärksten Dosen, mit Beimischung kräftiger
Rucke der Zügelfaust und einer galoppirenden Bewegung ihres
eigenen Leibes, Gebrauch machen. Bei der Cavallerie ist es
wichtig, dass man bei einem bestimmten Zeichen für
den Galopp bleibt
, und ich sehe keinen Fortschritt darin, für
die altherkömmlichen auswendigen die inwendigen Schenkel
setzen zu wollen. Wenn auch das Stossen mit der Fussspitze an
das inwendige Blatt sich mit unserem jetzigen Sitze nicht verträgt,
so glaube ich doch, dass es, als Zeichen betrachtet, eben so gut ist,
wie der inwendige oder auswendige Schenkel, es kömmt nur auf
den consequenten Gebrauch an. Jedenfalls finde ich es für den
Dienst nothwendig, sämmtliche Thiere an ein und dasselbe Zeichen
zu gewöhnen, damit jedes Pferd jeden Mann verstehe.


[243]III. Abschnitt. 2. Periode.

In dieser Periode übe man neben dem Galopp vorherrschend
solche Lectionen, welche das, was man vom Pferde namentlich
erzielen will, verbessern; bei denen, welche geübt werden sollen,
die Hinterhand vorherrschend tragend zu brauchen, den abge-
kürzten Trab und verbessere die Zusammenstellung; bei denen,
welche man im freien Galopp reitet, übe man den stärkeren Trab
und hüte sich bei ihnen vor Seitengängen in enger Versammlung.
Vor Allem bilde man die Pferde auf beiden Händen gleich-
mässig aus
und werde nicht müde, Fehler in der Biegsamkeit
der einen Seite zu beseitigen, und so lange zu üben, bis die Aus-
bildung derselben auch auf dieser Hand zu derselben Höhe ge-
kommen ist, ehe man mit den Lectionen auf der anderen Seite
vorgeht. Hat man das Pferd so weit, dass es sich in der einen,
seinem Gebäude angemessenen Cadenz gleichmässig und ruhig trägt,
so geht man zur


zweiten Periode

über. In dieser übt man den Galopp auf der geraden Linie,
wobei man vorzüglich darauf zu achten hat, dass kein Ausweichen
der Kruppe nach einwärts stattfindet, welches durch kräftiges Ge-
genwirken des inwendigen Schenkels bei dem nach rückwärts ge-
führten auswendigen Zügel erfolgen muss. Ferner achte man auf
ein andauerndes Belasten der inwendigen Seite.


Man beginnt die Uebung auf der geraden Linie, indem man
das Pferd, wenn es auf dem Zirkel im ruhigen Galopp ist, auf die
lange Wand hinüber führt. Behält es auch auf dieser die Hal-
tung, was oft nicht so leicht ist, als man denken sollte, und den
sicheren Beweis für den Nutzen des Beginnes der Lection auf dem
Zirkel giebt, so benutze man die Ecken zum Ansprengen aus dem
Trabe; und wenn das Eingehen in den Galopp auch dann mit Ruhe
und Sicherheit erfolgt, sprenge man erst auf der langen Wand
an. Ist man auch darin seines Erfolges gewiss, so setze man das
Pferd aus dem Schritt in den Trab, und gebe gleich darauf die
Hülfen zum Galopp, verkürze die Trabreprise immer mehr und
mehr, bis man endlich zum Ansprengen aus dem Schritt
übergeht. Bei alledem halte man nur immer das Tempo fest.
Umgekehrt gehe man aus dem Galopp zum Trabe, aus diesem in
immer kürzeren Reprisen zum Schritt über, bis das Pferd endlich
16*
[244]Vom Gange der Dressur.
aus dem Galopp, ohne die Haltung zu verlieren, in den Schritt
gesetzt werden kann. Stürmt ein Pferd im Galopp auf der gera-
den Linie, so kehren wir auf den Zirkel zurück, verbessern seine
Haltung und führen es dann abermals auf die gerade Linie.


Wenn das Pferd im Galopp wechselt, so versuche man
Anfangs nie diesen Fehler im Galopp zu corrigiren, sondern führe
es in den Trab zurück, lasse es vor dem Schenkel im Schulter-
herein und Travers weichen und sprenge es, wenn es willig ge-
horcht, von Neuem an. Eben so habe man die grösste Geduld
und Nachsicht, wenn das Pferd falsch angaloppirt und sei
überzeugt, dass meist immer die mangelnde Uebereinstimmung der
Hülfen die Schuld trägt. Geschieht es mehrmals hintereinander,
so prüfe man in den Seitenlectionen die Biegsamkeit und den Ge-
horsam und übereile sich nicht durch Strafen, die man meist mehr
selbst, wie das Pferd verdient. Des Ferneren suche man jetzt schon
das Pferd daran zu gewöhnen, dass es in guter Versammlung auf
die einfache Hülfe durch leichtes Annehmen des Zügels und Anle-
gen des auswendigen Schenkels ansprengt. Man mache dies An-
sprengen eigens zur Sache der Uebung und lasse nicht ab, bis sich
das Thier die Hülfe gemerkt hat. Das Versäumniss des Substi-
tuirens jener einfachen Hülfen für die complizirten, mechanisch
wirkenden, bestraft sich bei manchem sonst guten Reiter, indem
derselbe beim Exerziren oder sonst, wenn Eile Noth thut, niemals
des Ansprengens sicher ist. Endlich prüfe man die Haltung des
Pferdes, indem man im Galopp die Zügel in eine Hand nimmt
und beobachtet, ob es ohne die bisherige Einwirkung sich ruhig
und sicher trägt, ohne in eine andere Cadenz überzugehen. Als-
dann gehe man zur


dritten Periode

über. In dieser lehre man das Pferd die Uebergänge von dem
bisherigen Tempo in den stärkeren resp. den kürzeren
Galopp
. Diejenigen Pferde, welche man von Beginn durch ein
kürzeres Mitteltempo in den Galopp einführte, übe man im kur-
zen
, diejenigen, bei denen man mit längerem Sprung begann,
im stärkeren Galopp. Selbst bei regelmässig gebauten Pfer-
den, die Anfangs weder zum Verhalten noch Auseinanderfallen
inclinirten, werden bei der Galoppübung sich mehr zu der einen
[245]III. Abschnitt. 3. Periode.
oder der anderen Seite neigen. Man nehme bei ihnen dieselbe
Massregel an. Hiebei ist wiederum darauf aufmerksam zu machen,
dass in den stärkeren Tempos eine stärkere Anlehnung
an das Gebiss erfolgen muss, in den kürzeren Tempos
aber eine feinere Anlehnung
, wie dies dem mehr der Vor-
hand zugeneigten Schwerpunkt im ersteren Falle, dem mehr der
Hinterhand zugeneigten im zweiten Falle entspricht. Wird bei
Verstärkung des Galopps der Zügel loser
, so muss der
Gang fehlerhaft sein. Das richtige Verhältniss zwischen Thätig-
keit der Beine und Neigung des Schwerpunktes nach vorwärts,
Hinweggehen des Leibes über die Beine, ist gestört. Es werden
dann wohl die Sprünge schneller auf einander folgen, aber es wird
keine Streckung da sein, durch welche allein der stärkere Galopp
bei diesen Thieren eine nützliche Uebung wird, und durch welche
dieser Gang trotz seiner vermehrten Räumigkeit keinen grösseren
Kraftaufwand erfordert.


Wird zur Verkürzung des Galopps der Zügel straf-
fer
, so wird dieses die Folge einer unrichtigen Versammlung sein.
Es wird der Reiter das Thier tragen und die Verkürzung wird
nicht dadurch entstehen, dass das Thier seine Balance auf den
stützenden Beinen findet und auf denselben sich länger schwebend
halten kann, dass ferner der Abschub mehr aufwärts wie vorwärts
wirkt — sondern der kürzere Sprung wird durch den schlafferen
Abschwung entstehen, indem die Kraft desselben durch die Zügel-
wirkung, welche die Beine trifft, wenn sie hinter der Vertikalen
stehen, erstickt wird. Der Nutzen des kurzen Galopps, die Han-
kenbiegung zu vermehren und das Thier durch die leichte Anleh-
nung, durch den weit zurückliegenden Schwerpunkt für jede kurze
Wendung und Wechselung zur Hand zu haben, geht dann gänz-
lich verloren.


1. Bei der Uebung des stärkeren Galopps muss
sich die Behandlungsart, je nach dem Umstand, welcher
das Thier zum Verhalten brachte, modifiziren
.


a) Bei denjenigen Pferden, welchen bei regelmässig
gestellten Beinen der kurze oder hohe Rücken die
Abwärtswölbung desselben beim weiteren Sprunge
beschwerlich macht
, suchen wir die Streckung dadurch
zu erzielen, dass wir dieselben durch kräftige Einwirkung des
[246]Vom Gange der Dressur.
inwendigen Schenkels an die Zügel drücken, ihnen durch grös-
sere Dehnung des Halses eine vermehrte Freiheit gestatten,
dann aber durch ruhiges und festes Einsitzen im Sattel die
Abwärtswölbung des Rückens zu gewinnen suchen. Mit einem
wilden Losjagen ist nichts gewonnen, ein Wegwerfen des Zü-
gels ganz fehlerhaft. Man suche dem Thiere mit der grössten
Ruhe Zoll um Zoll abzugewinnen. Es wird eines fortwähren-
den ruhigen Herantreibens an die leichte und stete Faust und
längerer Reprisen bedürfen, um diese Pferde zur gewünschten
Dehnung des Sprunges zu veranlassen. Man hüte sich, schnell
aufeinander folgende Sprünge anzunehmen und suche an der
kurzen Wand, die sehr abzurunden ist, dieselbe Streckung
zu erhalten, als an der langen. Wenn es irgend die Umstände
zulassen, so reite man zu dieser Uebung auf einem freien
ruhigen Platz und man wird viel schneller den Sprung ge-
winnen, wie in der Bahn. Doch denke man beim Beginn der
Uebung an den Athem und spare das Futter nicht.


b) Bei Pferden, welche bei schwachem Rücken des-
halb sich verhalten, weil ihre Hinterbeine von
Natur zu weit unter den Leib gestellt sind
, sind
im Allgemeinen dieselben Regeln zu beobachten, jedoch muss
bei ihnen noch mehr jede Zurückführung der Last durch
Zusammenschieben des Halses vermieden werden, und das
Gewicht des Reiters sich vollkommen nach vorn neigen, selbst
ein Stehen auf den Bügeln nicht gescheut werden, die Last
zu verringern. Bei ihnen bedarf es vor Allem der Erleichte-
rung durch den Sitz des Reiters und der ruhigen Hand, die
ihnen eine Anlehnung in tiefer Stellung gestattet, um ihnen
einen ruhigen langen Galopp beizubringen. Es giebt eine
Art Pferde, welche die Paarung hochedler Väter und gemei-
ner Mütter oft hervorbringt, die jene Fehler des Rückens
und der Hinterhand von der Mutter, aber Trieb zum Gehen
und Reizbarkeit vom Vater erbten. Wie oft sieht man durch
hohe Aufrichtung und schweres Heruntersitzen diese Thiere
zur Verzweiflung bringen, und hört dann über das tolle Tem-
perament klagen.


c) Solche Pferde, welche bei starkem Rücken weit
unter den Leib gestellte Hinterbeine haben
, nament-
[247]III. Abschnitt. 3. Periode.
lich solche, deren schwache Sprunggelenke übermässig bieg
sam erscheinen, sind offenbar die schlimmsten, in deren Ge-
bäude das Verhalten am meisten begründet ist. Man wird
sie in der Bahn, der ewig störenden kurzen Seite und der
dadurch bedingten Wendungen wegen, sehr schwer zu einiger
Streckung bringen. Man thut wohl, wenn man bei ihnen die
Uebung im Freien vornimmt, wo anhaltendes Galoppiren auf
der geraden Linie bei sehr leichter Hand und mässiger Ein-
wirkung des Reitergewichtes zum erwünschten Resultate führt.


2. Bei denjenigen Pferden, welche zum Auseinander-
fallen incliniren und schon in der Anfangsübung zum
versammelten Galopp angehalten wurden und welcher
jetzt noch mehr versammelt werden soll
, unterscheide
man wiederum:


a) solche, welche dazu bei regelmässig gestellten
Beinen durch langen, weichen Rücken und schwere
Vorhand veranlasst werden
. Dies ist meist die Figur
des gemeinen niederdeutschen Pferdes. Man übe mit ihnen
den abgekürzten Galopp auf dem Zirkel, hüte sich aber durch,
schweres Einsitzen in den Sattel die Aufwärtswölbung des
Rückens zu hemmen, indem das möglichst weite Unterschieben
des inwendigen Hinterbeins allein im Stande ist, dem Thiere
Haltung zu geben, und begnüge sich Anfangs mit wenigen
Sprüngen in dieser engen Versammlung, die man nach und
nach zu vermehren trachtet.


b) Solche Pferde, welche sich vermöge ihrer hinten
herausgestellten Hinterhand schwer im versam-
melten Galopp halten, aber einen guten Rücken
haben
. Bei ihnen nehme man auch die Uebung des abgekürz-
ten Galopps auf dem Zirkel vor, und suche in längeren Repri-
sen, bei wechselndem abgekürzten Mittelgalopp seinen Zweck
zu erreichen. Bei ihnen ist ein Annehmen und Nachgeben des
Zügels auf jeden Sprung, wie ein ähnlicher Wechsel der Ge-
wichtsvertheilung des Reiters wohl angebracht. Es gehört
jedoch viel Reitfertigkeit dazu, richtig einzuwirken, Annahme
der Zügel beim Erheben der Vorhand, Nachgeben beim Sin-
ken derselben, leichtes Vorneigen der Last beim Untersetzen
der Hinterbeine, leichtes Zurückneigen, wenn dieselben unter-
[248]Vom Gange der Dressur.
gesetzt sind. Von Ungeschickten artet es in ein Reissen der
Faust aus und giebt dem Reiter die Bewegung eines Ham-
pelmanns, ohne dass eine bessere Haltung erfolgen könnte.


c) Solche Pferde, welche bei langem Rücken, schwe-
rer Vorhand und hintenherausgebauter Hinter-
hand sich am wenigsten für die enge Versammlung
eignen
. Bei ihnen unterlasse man lieber alle Versuche für
den abgekürzten Galopp, ehe man sie durch denselben hinter
den Zügel bringt und ihnen das Wenige vom Gange, was
ihnen die Natur verliehen hat, ganz nimmt.


Hat man nun mit den verhaltenen Pferden den stärkeren und
mit den auseinandergehenden den verkürzten Galopp geübt, so er-
folgt die letzte Galopplection.


Diejenigen Pferde, welche von Haus aus zum Ver-
halten geneigt sind, mit denen man jetzt den kurzen
Galopp nach dem stärkeren übt
, suche man sehr behutsam
in denselben einzuführen. Man übe zwischendurch immer wieder
diejenigen Gänge, die zur Streckung und zum Herangehen an das
Mundstück führen. Bei ihnen wird sich immer wieder die Neigung
zum Verhalten hinter der Hand, zu den kurzen Sprüngen mit
festem Rücken und steifen Gelenken zeigen. Man bedenke vor
Allem, dass man beim Gliederpferde des abgekürzten Galopps nicht
dringend bedarf und stehe lieber ganz davon ab, wenn zu befürch-
ten ist, dass sich Thiere, die z. B. bei festem Rücken ihre ein-
zige Biegsamkeit im Sprunggelenk haben, nothwendig durch diese
Uebung die Gelenke ruiniren werden, oder dass durch diesen ab-
gekürzten Galopp das Pferd hinter die Hand kommt.


Anders ist es mit dem starken Galopp. Er ist dem
Soldatenpferde unentbehrlich
. Er ist die Kritik für die
ganze Dressur. Geht das Thier den Galopp von 500 Schritt in
der Minute nicht ruhig in gleichmässigem, seinem Gebäude ange-
messenem Sprunge, mit dauernd guter Anlehnung, so ist seine
Dressur nicht vollendet. Ist seine Zusammenstellung so gewählt,
dass diese einen derartigen Galopp nicht zulässt, so ist die Dressur
verfehlt. Einen Training, wie ihn die Anglomanen träumten, eine
Leistung nach Meilen gezählt, und wären es nur englische, im lan-
gen Galopp lässt meines Erachtens unser Futter nicht zu. Ein
gut gerittenes Soldatenpferd muss indess so zusammengestellt sein,
[249]III. Abschnitt. 3. Periode.
dass es denselben würde gehen können, ohne die Haltung zu ver-
lieren. Nach anhaltendem, langem Galopp in Zügen muss auf Halt
die Parade sichtbar leicht sein und ein unmittelbar darauf statt-
findendes „Rückwärtsrichten“ keine Schwierigkeit finden. Die
Uebung des gestreckten Galopps mit den zum Auseinanderfallen
geneigten Pferden muss gleichfalls mit grosser Vorsicht betrieben
werden. Man übe den stärkeren Galopp anfänglich nur an der
langen Wand, veranlasse das Pferd mehr zu geschwind aufeinander
folgenden, als gedehnten Sprüngen und versammle es an der kur-
zen Wand stets aufs Neue, bis man es dahin gebracht hat, dass es
sich auch an der kurzen Wand, ohne auseinander zu fallen, halten
lernt. Bei ihnen kehre man immer wieder zu den gehaltenen Gän-
gen zurück und suche namentlich die Kathegorie c) durch fortge-
setzte Uebungen im abgekürzten Trabe, versammelten Galopp und
den Paraden zum Balanciren des Körpers auf den Hinterbeinen
heranzubilden. Das Wichtigste hiebei ist, dem Reiter die Ueber-
zeugung beizubringen, dass ein Tragen von Kopf und Hals des
Pferdes, wie es durch ununterbrochenes Festhalten geschieht, dem
Thiere nur ein weiteres Vorlegen des Schwerpunktes, ein weiteres
Auseinanderfallen gestattet, dass nur das weite Unterbringen der
Hinterbeine unter den Leib dies zu vermeiden im Stande ist, dies
aber der Schenkel bewirken muss.


Es ist in dieser Periode des Ferneren die ganze Parade
aus den verschiedenen Galopp-Tempos zu üben
; häu-
figer mit dem zu versammelnden, als dem sich verhaltenden. Eben
so das Ansprengen aus dem Stillehalten. Hiebei ist die Nothwen-
digkeit, dass Pferde erst in den Gang zu setzen sind und dann
die Galopphülfe eintreten zu lassen ist, nicht genug einzuschärfen.
Die Reitergewichtsvertheilung spielt hiebei wieder eine Hauptrolle.
Wenn auch ein sanftes Mitgehen des Körpers nützlich und noth-
wendig ist, so sieht man häufig, dass Pferde durch ein haltungs-
loses Vorfallen des Reiters beim ersten Antreten so aus dem Gleich-
gewicht gebracht werden, dass sie, um dasselbe herzustellen, die
Vorderbeine vorstemmend, auf die Blätter pariren, statt lebhafter
vorzugehen. Andere verfallen in den entgegengesetzten Fehler, sie
werfen sich beim Anreiten hinten über. Sie sind es, welche ihre
Pferde leicht zum Kleben bringen, indem dem Thiere das Angehen
dadurch verleidet wird.


[250]Vom Gange der Dressur.
Vierte Periode.

Sie umfasst die Uebungen der Volten im Galopp, wie das
Wechseln durch die Bahn. Bei den Uebungen der Volten
im Galopp
ist zu erwähnen, wie dieselben nach und nach von
einem Durchmesser von etwa 12 Schritt zu den von 6 reduzirt
werden müssen. Es ist die Hauptschwierigkeit, den weniger erfah-
renen Reitern begreiflich zu machen, wie die Neigung des Reiter-
gewichts nach der inwendigen Seite bei hinreichend treibendem
Schenkel die Haupthülfe für die Wendung sein dürfte; wie die
Wirkung des inwendigen Zügels die Gegenwirkung des auswendi-
gen Schenkels und die verhaltende Kraft des auswendigen Zügels
die Gegenwirkung des inneren Schenkels erheischt; wie ferner Pferde,
welche zum Ausfallen der Kruppe neigen, bei ruhig anstehendem
inwendigen Zügel durch die Wirkung des auswendigen Zügels und
Schenkels bei einwärtsgeneigtem Reitergewichte gewendet werden
können. Mehr bekannnt ist ihnen, dass der auswendige Zügel,
führend gebraucht, unter Mitwirkung des inneren Schenkels die
Volte erweitert, der auswendige Zügel, verhaltend gebraucht, von
dem auswendigen Schenkel unterstützt, aber die Volte verengt.
Es wird bei den eng gehenden Pferden sehr schwer sein, ein Wech-
seln bei engen Volten zu vermeiden. Dieses ist stets ein Zeichen
des verlorenen Gleichgewichtes, welches das Thier durch die schnelle
Verlegung des Schwerpunktes nach aussen wieder herzustellen be-
müht ist. Mässige Neigung in die Volte und richtiger Gebrauch
des auswendigen Zügels müssen das Thier unterstützen.


Das Wechseln des Pferdes im Galopp ist darum nöthig,
weil scharfe Wendungen gegen die Hand bei einigermassen ungün-
stigem Terrain sehr leicht ein Gleiten und Fallen des Pferdes zur
Folge haben, man mithin bei Pferden, welche man tummeln will,
der Gewandtheit bedarf, leicht vor der Wendung im Galopp zu
wechseln, damit man nie gegen die Hand zu wenden braucht. Ein
vorheriges Ueberführen in den Trab würde zu viel Zeit kosten.
Man übe indess nur zum Tummeln geeignete Pferde in dieser Lec-
tion. Bei den schweren und unregelmässigen Gebäuden wird man
sich begnügen, sie aus dem Galopp auf der einen Hand in den
Trab über zu führen, in diesem Gange die Stellung zu wechseln
und auf der anderen Hand anzusprengen. Hiemit wird man auch
[251]III. Abschnitt. 4. Periode.
bei den Pferden, welche a tempo changiren lernen sollen, beginnen
und die Zwischenmomente des Trabens immer mehr und mehr ver-
kürzen, bis man endlich blos noch der halben Parade zum Wech-
seln von Zügel, Schenkel und Gewicht bedarf. Das Letztere giebt
für das gewandte Changiren, bei dem es schliesslich keiner halben
Parade mehr bedarf, den Ausschlag. Je mehr das Pferd gewöhnt
wird, auf den Gewichtswechsel zu gehorchen, je weniger es starker
Schenkelhülfen bedarf und je williger es dabei auf eine leise Ver-
änderung der Fauststellung die Kopfstellung wechselt, um so ele-
ganter und leichter werden die Changements ausgeführt. Die besten
Vorbereitungen sind die Schlangenlinien im Trabe, bei denen es
schliesslich auch schon auf ein weiteres Untertreten des belasteten
Hinterfusses ankommt. Die Schwierigkeit liegt in der genauen
Uebereinstimmung des Wechsels der Last mit der Zügelhülfe bei
gutem Unterhalten des Ganges. Es scheint mir für die Gewandt-
heit des Pferdes zu kurzen Wendungen im Allgemeinen vielmehr
auf die Lebhaftigkeit und Aufmerksamkeit desselben anzukommen,
als auf grosse Kraft, und namentlich scheint es durchaus keines
sehr mächtigen Rückens und starker Hinterhand zu bedürfen, um
ein Pferd für dieselben auszubilden. Diejenigen Pferde werden am
gewandtesten sein, bei denen von Natur die Tragfertigkeit der Hin-
terhand und die abschiebende Kraft in Uebereinstimmung steht,
bei denen eine engere Stellung der Beine und eine verhältniss-
mässig grössere Höhe der Beine zum Oberkörper das „seitwärts
aus dem Gleichgewicht bringen“ erleichtert und mithin die mecha-
nische Wirkung des Körpergewichtes des Reiters erhöht. Pferde
von ausserordentlicher Muskelkraft, welche eine Länge haben, wie
der Kenner sie lobt, die kurzbeinig und breit gestellt sind, werden
von Haus aus bei weitem nicht so beweglich und leicht zu tum-
meln sein, wie jene, aber einmal durch die Dressur gewöhnt, auf
leichte Hülfen zu achten, werden sie es in den Wendungen und
Wechselung zu einer Ruhe und Sicherheit bringen, welche jenen
stets abgehen wird. Während diese der mittelmässigste Reiter
stets gehorsam finden wird, bedarf es bei jenen eines steten genauen
Abmessens der Einwirkungen, wenn sie nicht widersetzlich werden
sollen. Man wird sehr leicht ein hochbeiniges, eng gehendes Pferd
durch die Gewichtsvertheilung so plötzlich aus dem Gleichgewichte
bringen können, dass es taumelnd der überhangenden Last folgt,
[252]Vom Gange der Dressur.
durch die verschränkte Wendung aber solche Schmerzen der zu
scharf gedehnten Muskeln empfindet, dass es für das nächste Mal
die abverlangte Wendung aus Furcht vor dem Schmerz refüsirt.
Eben so muss man sich hüten, die von Natur unter den Leib ge-
bogene Hinterhand zu missbrauchen, weil der Schmerz zur Wider-
setzlichkeit und die Ueberlastung zu Knochenfehlern Veranlassung
giebt. Vor Allem hüte man sich, solche Pferde, welche sich ihres
unregelmässigen Baues wegen nur schwierig im Galopp auf der
geraden Linie halten, in diese Lection einzuführen, weil man vor-
aussichtlich sie niemals zu einer solchen Gewandtheit bringen wird,
dass dem Reiter daraus ein Nutzen erwächst, sondern sie nur ver-
letzen, verwirren und die Haltung, die man ihnen mühsam gab,
zerstören wird. Nur unter ausgezeichnet vorsichtigen Reitern übe
man mit unregelmässig gebauten Pferden diese Lectionen, beschränke
sie im Allgemeinen aber auf die regelmässigen Gebäude, und sei
überzeugt, dass man mit jenen weiter kommt, wenn man die
Wendungen im Trabe ausführt. Aus allen Pferden Alles
machen wollen, ist ein Zeichen von mangelhafter Beur-
theilung
. Es ist ein Verkennen des Materials, ein Unrecht gegen
das königliche Eigenthum, ein Nachtheil für Lehrende und Ler-
nende, bei der Cavallerie in dieser Beziehung Anforderungen zu
stellen, die mit allem Fleiss nicht zu leisten sind. Es ist ein be-
trübender Anblick für einen passionirten Cavalleristen, brave Pferde
stossen und reissen zu sehen, weil ihr Reiter, ein Rekrut, Dinge
ausführen soll, welche, der Natur nach, über dessen Ausbildungs-
grad liegen, oder sehen zu müssen, dass schwache, verbaute Pferde,
die er mit aller Mühe auf das schonendste dressirte, von besseren
Reitern in Stellungen genommen werden, die sie ruiniren müssen,
um jenen Anforderungen, die ein müssiger Kopf erfand, von denen
aber keine Instruktion etwas weiss, zu genügen. Man besteige die
meisten der Pferde, welche 5 Fuss 6 Zoll überragen, und fühle
selbst heraus, wie sie sich zu dergleichen Künsteleien eignen und
welchen Grad der Einwirkung sie bei Paraden aus dem Galopp
und kurzen Wendungen auf der Hinterhand verlangen. Es sind
gegenwärtig in den Schwadronen der regelmässigen Gebäude genug
vorhanden, um das nöthige Material für die Reiter zu gewinnen,
welche zur Remontedressur verwendet werden sollen, und auf diese
würde die Ausbildung in den kleinen Volten im Galopp und den
[253]III. Abschnitt. 5. Periode.
Changements zu beschränken sein. Die anderen übe man, aus dem
Galopp auf der geraden Linie in den Trab einzugehen, die Volten
im Trabe auszuführen und sie, auf die gerade Linie zurückgekom-
men, von Neuem anzusprengen.


Fünfte Periode.

In dieser übe man die Pferde von regelmässigem
Gebäude im Contre-Galopp
. Hiebei sollen sie lernen, Hal-
tung in den Wendungen gegen die Hand gewinnen. Wenn diese
Lectionen für den praktischen Nutzen auch geringer sind, so
haben sie für die Ausbildung viele Vortheile. Diese Gangart ist
darum so schwierig, weil sie in den Wendungen, trotz der grös-
seren Belastung, eine grössere abschiebende Thätigkeit der inwen-
digen Beine verlangt und die Wendung des Pferdes hier nur sehr
vorsichtig durch das Reitergewicht bei sehr stark gegenwirkendem
Schenkel veranlasst werden darf, da sonst die Verlegung des Schwer-
punktes des Thieres und damit das Changement erfolgen würde.
Es müssen mithin die Beine der auswendigen Seite gleichsam den
Schwerpunkt überwinden. Die Wendungen in der Contrestellung
scheinen mir recht deutlich zu zeigen, dass der mechanische Ein-
fluss des inwendigen Zügels, insofern er die Wendung des Kopfes
und mit ihm des Leibes veranlassen soll, ein recht geringer ist.
Als ein angelerntes Zeichen ist er hiebei unentbehrlich, obschon er
den Kopf keineswegs nach der Seite ziehen darf, wohin das Thier
sich wenden soll.


Es gehört zu dieser Lection eine sehr feine Nüançirung der
Hülfen, und werden wenige Reiter im Stande sein, dieselbe bis zur
Ausführung von Volten im Contre-Galopp zu steigern, wenn sie
nicht durch ein regelmässiges Gebäude und sehr genaue Zusam-
menstellung unterstützt werden. An der langen Wand sind keine
Schwierigkeiten vorhanden. Ein haltungsloses Passiren der Ecken,
bei denen die Wendung nur deshalb gelingt, weil das Thier sich
scheut, die Wand zu berühren, vom inwendigen Schenkel wohl ge-
trieben, aber nicht wechseln kann, wird nicht als eine nutzenbrin-
gende Lection gelten können. Es bedarf mithin beim Passiren
der Ecken der vollen Aufmerksamkeit, und wird zum Beginn eine
weite Abrundung derselben nöthig sein, und es ist besser, zu ge-
statten, dass das Thier dieselben Anfangs mit Haltung im kurzen
[254]Vom Gange der Dressur.
Trabe nimmt, als dass es dieselben in der vorbeschriebenen Art
im Galopp ohne Haltung passirt.


Sechste Periode.

Sie umfasst das Changiren aus der halben Volte,
die Achten im Galopp und die Kurzkehrt-Wendung
.
Die erstere Uebung wird gewöhnlich aus der Ecke von der kurzen
zur langen Wand gemacht und ist eine nützliche Uebung, indem
einmal durch Wechselung von Kopfstellung, Körpergewicht und
Schenkel das Changement herbeigeführt, das andere Mal bei Unter-
lassung derselben im Contre-Galopp weiter gegangen werden wird.


Eben so thut man wohl, das Pferd bei den Achten nicht alle-
mal zu changiren. Pferden, welchen die Contrevolte zu schwer
wird, lasse man dieselbe statt im Galopp anfänglich im Trabe aus-
führen und sprenge sie nach Vollendung derselben von Neuem an.


Die Kurzkehrt-Wendung besteht in einer ganzen Parade
aus dem Galopp, einer Wendung auf der Hinterhand im Schritt-
tempo und nach Vollendung derselben in einem Ansprengen auf der
anderen Hand. Soll diese Wendung aber en pirouette geschehen,
so setzt dies einen sehr gewandten Reiter und ein kräftiges, gut
zusammengestelltes und in den Hanken wohl gebogenes Pferd vor-
aus, wenn namentlich das Changement unmittelbar darauf erfol-
gen soll.


Die Wechselung aus der Volte, bei welcher das Pferd
die Volte im Travers-Galopp auszuführen hätte, würde für diese
Uebung die vorbereitende Lection sein. Man versäume in dieser
Periode, welche nur mit sehr wenigen Pferden durchzumachen ist,
vor Allem nicht, durch freien Trab und gedehnten Galopp das
Ausharren und Abschwingen hinter der Senkrechten immer von
Neuem zu üben, damit das Pferd gut an der Hand bleibe. Macht
das Thier diese Lectionen durch vielfache Uebung
endlich auch zur Freude der Zuschauer, ist aber in
seinen Gängen, was Räumigkeit und Schwung anbe-
trifft, zurückgekommen, so hat man keinen Fort-
schritt, sondern einen beklagenswerthen Rückschritt
gemacht
. Fühlt man sich ausser Stande, diese Sachen mit guter
Anlehnung und Ruhe zu leisten, liege die Schuld am Menschen oder
Pferde, so lasse man sie lieber fort.


[255]IV. Abschnitt. 1. Periode.

Es sei stets das Bestreben, die Trensendressur bei einer guten
Anlehnung zu enden, und lege man nicht die Kandare auf, ohne
dieselbe erzielt zu haben.


In den letzten Tagen reite man viel mit dem Trensenzügel in
einer Hand und lege dem Pferde im Stalle die Kandare auf einige
Zeit auf, damit so das Pferd dieselbe kennen lernt. Eine Zeit der
Bewegung im Freien wird wiederum von Nutzen sein.


Vierter Abschnitt.
Dreſſur mit der Kandare.


Ueber das Aufpassen der Kandare ist schon früher das Nöthi-
gere erwähnt worden. Im Allgemeinen halte der Reiter
fest, dass dies Instrument die Wirkung der Hand ver-
mehrt
, gleichzeitig auch eine verstärkte beizäumende Wirkung
hat; dass ferner die Wirkung der kleinen Trense, vermöge ihres
dünnen Gebisses eine verschärfte ist und mithin die Kraft des
Schenkels zu der der Faust in ein anderes Verhält-
niss tritt
.


Erste Periode.

In dieser sorge man durch ein freies und lebhaftes Vortreiben
im Schritt und Trab auf der geraden Linie, am besten im Freien,
bei einiger Zuhülfenahme der kleinen Trense, dass das Pferd an
das Gebiss trete. Man denke stets daran, durch Activität des
Schenkels die Fehler zu verbessern und lasse die Faust nur passiv
wirken. Am meisten hat man darauf zu achten, ob die beizäu-
mende Kraft der Kandare nicht eine falsche Biegung des Halses
abwärts in den unteren Halswirbeln herbeiführt. Diese dulde man,
wenn sie Anfangs auch sehr unbedeutend scheint und selbst dem
Halse eine gefällige Form zu geben verspricht, unter keinen Um-
ständen, weil mit diesem Buge die Wirkung des Anzuges auf die
Hinterhand verloren gehen muss, selbst wenn es beim Beginne noch
nicht wahrnehmbar ist. Hat das Pferd eine sichere Anlehnung an
[256]Vom Gange der Dressur.
die Hand genommen, was bei richtiger Trensenarbeit und angemes-
sener Zäumung ohne Schwierigkeit ist, so kehrt man in die Bahn
zurück und übt in der


zweiten Periode

die Volten und Wendungen im Schritt und Trabe, die Seitengänge
und den Galopp auf der geraden Linie mit angefasster Trense, und
Schritt und Trab auf der geraden Linie ohne dieselbe.


Was die Wendungen anbetrifft, so wird es bei denselben nur
geringer Zügelhülfen bedürfen. Man unterstütze anfänglich mit
der Trense und suche, diese nach und nach weglassend, das Pferd
an die blosse Kandarenwirkung zu gewöhnen. Ich habe schon frü-
her die Ansicht ausgesprochen, dass der mechanische Einfluss des
Druckes des Gebisses auf eine Lade zur Wendung mir nur sehr
gering erscheint, nicht aber ist derselbe als Zeichen zur Wendung
unwichtig und deshalb die grösste Consequenz, in der einmal ge-
brauchten Art dieses Zeichen zur Wendung mittelst der Hand zu
geben, unbedingt nothwendig. Wenn die Anlehnung des Armes
gesichert und das Faustgelenk so gestellt ist, dass es zu den ver-
schiedenen Bewegungen befähigt ist, so scheint es mir unwe-
sentlich, ob die Faust vertikal oder horizontal steht,
aufrecht oder verdeckt
. Die Vertikalstellung der Faust er-
leichtert die Bewegungen aus dem Handgelenk nach vorwärts und
rückwärts, mithin das Annehmen und Nachgeben; die Horizontal-
stellung die Bewegungen nach seitwärts, mithin das Wenden. Da
mir die Verrichtungen der Faust zu den Paraden etc. wichtiger
scheinen, wie zu den Wendungen, so würde ich unbedingt bei der
Vertikalstellung bleiben. Viel wichtiger ist es, dass der Daumen
fest auf die Zügel gedrückt wird, dass die Hand ge-
schlossen ist und auch der etwas festere Schieber
das Durchrutschen des Zügels verhindern helfe
. Für
den Soldaten, der im Gefecht seine rechte Hand zur Führung
der Waffen braucht, ist es ein grosser Uebelstand, wenn er nicht
gewohnt, die Zügel in der einmal genommenen Länge zu erhalten
und genöthigt ist, hinzugreifen, wenn er ihrer bedarf. Es giebt eine
Art der Zügelfassung
, durch die, ohne jenes feste Schliessen
der Finger (welches leicht das Faustgelenk mit gespannt macht),
diesem Uebelstand begegnet wird. Sie würde in der Beschreibung
[257]IV. Abschnitt. 5. Periode.
complizirt und doch nicht deutlich erscheinen, weshalb ich nicht
näher darauf eingehen will. Es ist schwierig, sie in den alten Ta-
gen sich anzugewöhnen, aber im übrigen sehr praktisch, und jungen
Reitern zu empfehlen. Die Mode, den Schieber ganz wegzulassen,
ist nicht von einem praktischen Campagne-Reiter ausgegangen, und
ist es unrecht, dass sie von der Jagdreiterei, welche einen Knoten
in die Kandare schlägt und deshalb den Schieber als unnütz weg-
lässt, in die Bahn übergegangen ist. Eine Zeit lang suchte man
etwas darin, allem Lederzeug an Mann und Pferd eine unendlich
plumpe Breite und Dicke zu geben. Bei den Zügeln, auch der
Mannschaft, sollte man eine vernünftige Mittelstrasse zwischen
dieser Lederverschwendung, welche die Hand übermässig voll und
deshalb hart macht, und jenen Bindfäden innehalten, die sich als
Rückschlag der Mode zeigten, nie festzuhalten und ewig im Durch-
rutschen waren.


Dritte Periode.

Seitengänge und den Galopp auf gerader Linie ohne Trense,
mit Verkürzung des stellenden Zügels, Volten im Galopp und
Changements mit der angefassten Trense, Paraden und Wendungen
ohne Trense.


Vierte Periode.

Beendigung der Dressur mit nicht angefasster Trense.


Fünfte Periode.

Das Springen über die Barrière. Der Sprung sowohl in
die Höhe, wie in die Breite beruht auf dem freien Ab-
schwung mit allen vier Beinen
. Je weiter die Hinterbeine
beim Abschwung hinter der Vertikalen stehen, um so mehr wird
er in die Weite, je mehr an der Vertikalen, um so mehr in die
Höhe gerichtet sein. Es ist mithin hiebei vor Allem darauf Rück-
sicht zu nehmen, wie im Moment des Abschwunges der Huf zu
dem Hüftgelenk steht, indem Pferde wohl mit weit untergebrachten
Hinterbeinen an das Hinderniss kommen, dann aber vor dem Ab-
schwung bei schon gehobener Vorhand erst mit dem Leibe über
die untergesetzten Beine hinweggehen, ehe der Abschwung erfolgt;
andere dagegen die Vorhand hoch auf die zurückstehenden Beine,
wie steigend, erheben und so, der Vertikalen nahe kommend, ab-
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 17
[258]Vom Gange der Dressur.
schwingen, wodurch bei ersteren es oft den Anschein hat, dass der
Absprung bei unterstehenden Hinterbeinen, bei letzteren als ob er
bei hintenaus stehenden Hinterbeinen gegeben würde, trotzdem dass
dieser Sprung hoch, jener breit war.


Es liegt aber ferner in der Art des Barrièresprunges
eine wesentliche Verschiedenheit. Einige Pferde vollführen den
Sprung, indem sie mit allen 4 Beinen sich gleichzeitig vom Boden
abschnellen und bei einer gleichmässig hohen Erhebung von Vor-
und Hinterhand, ebenfalls auf allen 4 Beinen gleichzeitig fussen.
Diesen Sprung pflegt man gewöhnlich den Campagne-Sprung
zu nennen.


Eine andere Art des Sprunges zeigt eine bedeutende Versamm-
lung auf die Hinterhand und dann vor dem Hinderniss eine Erhe-
bung der Vorhand auf die stark gebogene Hanke. Aus dieser
Zusammenziehung geschieht ein kräftiger Abschwung der Hinter-
hand, welcher indess die Höhe der Vorhand nicht erreicht, so dass
hinter der Barrière die Hinterbeine die Erde wiederum am ersten
berühren. Dieser Sprung wird Schulsprung genannt.


Eine dritte Art des Sprunges ist dem Campagne-Sprunge
ähnlich. Das Abschnellen der Beine erfolgt gleichfalls fast gleich-
zeitig, jedoch werden nach dem Abschwunge die Hinterbeine kurz
und scharf nachgezogen, wodurch eine Erhöhung der Hinterhand,
ein Aufwippen stattfindet, welches wiederum ein früheres Auffussen
der Vorderbeine als der Hinterbeine zur Folge hat. Diesen Sprung
pflegt man den Jagdsprung zu nennen. Der Jagd- und Cam-
pagne-Sprung machen einen Anlauf vor der Barrière nöthig, aus
dem aber der Sprung ohne bedeutende Verkürzung erfolgen kann.
Der Schulsprung bedarf indess einer bedeutenden vorherigen Ver-
sammlung auf der Hinterhand, die indess selbst aus dem Stille-
halten ermöglicht werden kann.


Eine vierte Art zeigt wiederum eine Verkürzung des Ganges
vor dem Hinderniss, welche sich bis zu dem plötzlichen Pariren
auf die Blätter steigert, dann ein Erheben der Vorhand mit ange-
spanntem Rücken, dem das Aufschnellen der Hinterhand folgt. Es
standen bei jener Parade auf der Vorhand oder bei jenem prallen-
den Verkürzen der Sprünge die Hinterbeine niemals unter dem
Leibe, sondern stets hinten heraus. Das Erheben der Vorhand
[259]IV. Abschnitt. 5. Periode.
wird, um eine sichere Stütze auf den Hinterhufen zu finden, um
so bedeutender sein, je weiter dieselben hinten heraus standen,
damit aber um so gefahrvoller werden. Da bei jener Parade oder
bei jenen Sprüngen keine hinreichende Biegung der Gelenke statt-
fand, so kann das Lançiren des Körpers aus den Gelenken, ich
meine das Aufwärtsschnellen durch die vorher zusammengepressten
Muskeln, keine Verstärkung des Abschwunges des Hufes vom Bo-
den hervorbringen. Wo im Schulsprunge es den Anschein hat,
als wenn der ganze Körper wie ein Pfeil vom Bogen flöge, bringt
hier der Abschwung nur die Hinterbeine empor. Das Pferd bäumt
mehr auf und zieht sich dann, indem es auszuschlagen scheint,
mehr über das Hinderniss, als dass es springt. Bei diesem Sprunge
kömmt die Vorhand bei weitem eher nieder als die Hinterhand.
Der letztere Sprung ist in jeder Art fehlerhaft.
Er ist weder geeignet ein hohes, noch breites Hinderniss zu neh-
men. Er bringt den Reiter durch jene Mouvements bereits vor
der Barrière leicht zum Vorüberfallen, wodurch die Erhebung der
Vorhand erschwert werden muss; wird selten mit den Hinterbei-
nen die nöthige Höhe, gewiss aber bei einiger Breite des Hinder-
nisses nicht die erforderliche Weite erlangen. Er gefährdet im
Herunterkommen die Sicherheit, bringt leicht Verletzung der Vor-
derbeine hervor und stört beim Fussen das Gleichgewicht der gan-
zen Maschine, so dass eine augenblickliche Fortsetzung des Ganges
unmöglich wird. Ich habe diesen Sprung wohl mit der hochtra-
benden Benennung „Hirschsprung“ bezeichnen hören, welche
indess dieser unbeholfenen Kraftäusserung nicht wohl zukommen
kann. Er ist indess ein wahrer Prüfstein für die Körpergewandt-
heit des Reiters. Auf die Vorhand prallen, Steigen und auf den
Kopf herunterkommen folgen oft unmittelbar und mit grosser
Heftigkeit und machen Zurücksitzen, Vorlehnen und weites Zurück-
lehnen im leichten und richtigen Wechsel nöthig, wenn nicht Ueber-
kopfgehen, Unmöglichkeit der Erhebung, Sitzenbleiben auf der
Barrière oder Zusammenbrechen beim Fussen erfolgen soll.


Der Jagdsprung lässt allerdings beim Fussen einige Gefahr
für die Sicherheit des Reiters und Conservirung der Vorderbeine
zu, hat aber den Vorzug, dass Vor- und Hinterhand gleichzeitig
den Körper abschnellen, die Hinterhand sicher über die Barrière
nachbringt und die Geschwindigkeit nicht beeinträchtigt.


17*
[260]Vom Gange der Dressur.

Der Schulsprung hat den Vortheil der Eleganz, der grösseren
Sicherheit des Sprunges bei geringeren Hindernissen und der Sicher-
heit beim Auffussen für Reiter und Pferd, ist indessen zeitraubend
und lässt ein Hängenbleiben der Hinterbeine bei hohen Barrièren
befürchten. Er wird ferner für den Sprung, welcher zugleich einige
Weite verlangt, ebenfalls nicht zweckmässig sein.


Der Campagne-Sprung hat, der Gleichzeitigkeit des Abschwin-
gens und Fussens von Hinterhand und Vorhand wegen, den Vor-
theil der fortgesetzten Bewegung und der Sicherheit beim Auf-
fussen. Er wird indessen für bedeutende Höhe dem Jagdsprunge
nachstehen.


Das rohe Pferd und das ganz auf die Hand gerittene Renn-
pferd wird seines vorliegenden Schwerpunktes wegen zu dem unter
4 bezeichneten fehlerhaften Sprunge incliniren.


Das Schulpferd wird vermöge des weiter rückwärts gelegenen
Schwerpunktes, der Kunst, seine Balance auf den Hinterbeinen
zu finden und seiner Hankenbiegung wegen, zur Ausführung des
Schulsprunges geneigt sein. Das Jagdpferd wird, vermöge seiner
mehr frei gegebenen Hinterhand, dieselbe erhaben nachziehen kön-
nen; das Campagnepferd aber, im Gleichgewichte auf allen vier
Beinen, mit denselben gleichzeitig abschwingen und auffussen.


Es ist klar, dass diese verschiedenen Arten der
Sprünge nicht unbedingt den verschiedenen Kathego-
rien der Pferde nothwendig eigen sein müssen, dass
die augenblickliche Art der Haltung vor dem Hinder-
nisse, wie die grössere oder geringere Biegsamkeit
oder Schubfähigkeit der Hinterhand den Sprung stets
motiviren wird
. Der Reiter kann durch die Art, wie er sein
Pferd an das Hinderniss bringt, so wie durch die Einwirkungen
unmittelbar vor dem Sprunge, wohl einigermassen auf die Art des
Sprunges influiren und gewiss das Pferd unterstützen, es wird
ihm indess selten gelingen, eine andere Art des Sprunges zu erzie-
len, als die, welche dem Körperbau resp. der gewohnten Haltung
des Pferdes entspricht. Es wird aber ein gewandter Reiter stets
bemüht sein, die Stärke seines Pferdes zu benutzen und der Schwäche
zu Hülfe zu kommen.


So wird ein guter Jagdreiter, der ein Pferd mit biegsamer
Hinterhand reitet, das vorn bereits gelitten hat, bemüht sein, die
[261]IV. Abschnitt. 5. Periode.
Versammlung seines Pferdes vor dem Hindernisse zu erhöhen und
das zu starke Erheben der Hinterhand zu modifiziren, so dass der
Jagdsprung seines Pferdes sich dem Campagne-Sprunge nähert.
Für nicht ganz fertige Reiter sind indess alle künsteln-
den Einwirkungen auf das Pferd gefährlich
, indem die-
selben, nicht ganz im richtigen Moment gegeben, stören und ver-
wirren müssen. Dreistes Heranreiten, gleichmässige
Anlehnung und Festsitzen — dann aber das Thier ge-
währen lassen, ist für mittelmässige Reiter das Beste
,
ist besser als sie instruiren, wann sie hebende Zügelhülfen geben
sollen, wann sie nachgeben und wieder auffangen sollen.


Es kann bei der Dressur des Campagnepferdes nicht von Er-
zielung des Schulsprunges die Rede sein, weil bei demselben der
Reiter den Moment des Absprunges bestimmt, jedoch hiezu ein
feineres Gefühl und eine genauere Zusammenwirkung der Hülfen
gehört, als von den meisten Reitern dieser Klasse verlangt werden
kann, auch Hindernisse bisweilen unter Umständen zu nehmen sind,
bei denen von vielen Hülfen und zeitraubendem Verhalten nicht
die Rede sein kann. Andererseits ist aber dafür zu sorgen, dass
jener fehlerhafte Sprung vermieden wird. Ob das Campagnepferd
im Jagdsprunge oder Campagne-Sprunge das Hinderniss nimmt,
überlasse man der Eigenthümlichkeit des Pferdes und seiner augen-
blicklichen Disposition. Bei beiden Arten des Sprunges kömmt es
darauf an, dass das Pferd die Zeit seines Absprunges freiwillig
wählt, und der Reiter nichts zu thun hat, als das Pferd senkrecht
und entschlossen gegen das Hinderniss zu führen, mit seinem Ge-
wicht und seiner Hand aber Absprung und Auffussen zu begün-
stigen. Es wird mithin die Hauptaufgabe der Dressur
sein, dem Pferde Lust und Muth zum Sprunge zu geben
und es zu lehren, das Hinderniss zu beurtheilen, die
Entfernung des Absprunges und die Kraft des Ab-
schwunges aber zu messen
. Dieses kann allein durch die
Uebung geschehen, die mit dem Leichten beginnt und seine Kraft
und erlangte Fähigkeit nicht übersteigt. Je fliessender der Gang
vor und nach dem Hinderniss bleibt, je genauer die Kraftanstren-
gung, mithin Weite und Höhe des Sprunges mit dem Hinderniss
übereinstimmt, um so schöner wird der Sprung sein. Es ist eine
unzeitige und lächerliche Eitelkeit, die den Reiter

[262]Vom Gange der Dressur.
treibt, sein Pferd zu einem himmelhohen Luftsatze
über einen Rinnstein zu forciren
. Eine Eitelkeit, welche
der Strafe nicht entgeht. Sie ist es, welche den Pferden von sonst
guten Reitern Furcht für das Springen beibringt und sie schliess-
lich refüsiren macht.


Zum Einspringen beginne man damit, zu Ende der Lection
eine feste und schwere Stange auf der Mitte der langen Wand der
Bahn auf die Erde zu legen und im Schritt überschreiten zu lassen.
Man setzt die Uebung fort, bis das Pferd ruhig und ohne zu
stutzen darüber weggeht, und demnächst im Trabe und Galopp
ohne vorheriges Stutzen oder Verkürzen des Ganges darüber hin-
schreitet. Dann lasse man dieselbe etwas erheben, doch so, dass
noch kein Sprung nöthig wird. Wenn sie auch dann in allen
Gängen ohne Verhalten überschritten wird, so geht man zum
Sprunge über. Ich habe es nützlich gefunden, Anfangs an jedem
folgenden Tage wieder mit dem Ueberschreiten zu beginnen und
dann wiederum einen ganz kleinen Sprung folgen zu lassen, ehe
man die Stange höher legt. Es ist nothwendig, dass die Stange
stark und glatt ist, auch dass der Mann, der dieselbe hält, seiner
Sicherheit wegen, die offene Hand vom Anreitenden abgewendet
hält. Ein Umwickeln der Stange mit Stroh und ein zu loses Halten
lehrt indessen das träge Pferd, dass es dieses Hinderniss bequemer
fortstösst als überspringt. Man umwickele desshalb nicht und lasse
nicht lose halten, damit das Pferd Schmerz am Bein beim Gegen-
stossen empfinde und so, für seine Trägheit sich selbst strafend,
sich in Acht nehmen lernt. Eine Scheu des Pferdes beim Ueber-
schreiten strafe man nicht, sondern überwinde sie mit Geduld.
Ein Loseilen auf dasselbe mässige man durch Paraden und
Zurücktreten, weil dasselbe später beim Sprunge den Absprung
nicht richtig taxiren lässt.


Nun lege man die Stange so hoch, dass ein geringerer Sprung
nothwendig wird. Man reite im abgekürzten Trabe darauf los,
gestatte dem Pferde einige Schritte vorher ein Eingehen in den
Galopp, sorge für ein gleichmässiges Anstehen an das Gebiss und
vermeide jede Zügelhülfe. Es werden fast alle Pferde den Sprung
vollführen. In diesem Falle belobe man sie, hüte sich, sie gleich
nach dem Hindernisse fortstürmen zu lassen, leide eben so wenig
ein Pariren und begnüge sich mit höchstens zwei Sprüngen. Sollte
[263]IV. Abschnitt. 5. Periode.
das Pferd indess die Neigung zeigen, vor dem Hindernisse zu stutzen,
so forcire man den Sprung nicht durch harte Hülfen, sondern pa-
rire, lasse das Pferd ruhig und ohne Uebereilung zurücktreten und
reite von Neuem in abgekürztem Trabe an. Stutzt das Pferd aber-
mals, so wiederhole man das Zurücktreten, lasse die Stange etwas
niedriger legen und kehre zur Lection des Ueberschreitens im
Trabe und Galopp zurück. Es ist mir in allen diesen Fällen ge-
lungen, ohne Beihülfe von Peitsche und ohne Forciren des Sprun-
ges aus dem Stillehalten, die Pferde, selbst die schwächsten von
schwierigem Gebäude, endlich aus dem Gange zum Springen
zu bringen.


Ein Ausweichen corrigire man in derselben Art, indem
man parirt und zurücktreten lässt, auch wohl bei grosser Hart-
näckigkeit das Pferd auf der Volte vor der Barrière in Seitengänge
nimmt, um es geschmeidig zu machen und sich des Gehorsams vor
den Hülfen aufs Neue zu versichern. Man darf auch in diesen
Fällen die Lection nicht eher abbrechen, bis das Pferd das Hin-
derniss genommen hat, dann aber hüte man sich, gleich von Neuem
nochmals den Sprung zu verlangen, sondern beende, es belobend,
die Lection.


Man steige nun allmälig mit der Anforderung, vergesse indess
nicht, dass bei höheren Sprüngen, wiewohl dem Pferde die
Wahl des Absprunges überlassen bleibt
, der Reiter durch
sein Körpergewicht das Thier nicht belästigen, sondern die Kraft-
anstrengung desselben begünstigen und zur Wiedererlangung seines
Gleichgewichtes behülflich sein muss. Man verhüte das Stutzen
und das Fortstürmen vor wie nach dem Sprunge, doch sei man
fein im Abmessen der Hülfen, bringe das Thier nicht in Verwir-
rung an das Hinderniss und lohne seine Kraftanstrengung und
seinen Gehorsam nach dem Sprunge nicht mit Schmerzen, wie sie
die gewaltsamen Einwirkungen hervorrufen. Zwei bis drei Sprünge
hinter einander müssen für eine Lection genügen.


Das Ermüden wird oft eine schwer zu besiegende
Opposition herbeiführen. Eben so ist eine zu grosse,
die Kraft des Pferdes übersteigende Anforderung zu
vermeiden
, weil der Fehlsprung, der dadurch herbeigeführt
wird, stets ein schmerzliches Gegenschlagen der Beine an das Hin-
derniss mit sich bringt, ganz abgesehen von der Gefahr des Sturzes
[264]Vom Gange der Dressur.
und den harten Zügeleinwirkungen, welche das Thier, die Stange
zwischen den Füssen, wenn es halb stürzend zur Erde kömmt, oft
vom geschicktesten Reiter erhalten muss, um es vor dem Fall zu
bewahren. Das Thier wird somit im nächsten Moment sich vor
der Wiederholung fürchten und man wird wohl thun, den Sprung
nicht sogleich zu wiederholen, oder doch durch einen geringeren
das Selbstvertrauen wieder zu heben. Es ist roh und thöricht,
vom Fehlsprunge geärgert, oder erschreckt, oder beschämt, weil
man aus dem Sitz kam, oder wohl selbst schlecht einwirkte, mit
Sporn oder Peitsche auf das Thier loszuarbeiten, und es so von
Neuem auf das Hinderniss loszujagen. Es wird so selten gelingen,
das Misslungene zu bessern und wenn man sich auch selbst durch
einen besseren Sprung dem Publikum gegenüber herausbeisst, sei-
nem Schüler, dem Pferde, gegenüber hat man sich eine Blösse
gegeben, die es nicht leicht vergessen wird. Ungerechtigkeit ist
der grösste Fehler, den der Vorgesetzte seinem Untergebenen, der
Lehrer seinem Schüler, somit der Reiter seinem Pferde gegenüber
begehen kann.


Ist man so unglücklich gewesen, durch zu grosse Anforderung
oder durch eine ungeschickte Hülfe, die dem Pferde Schmerz und
Scheu vor dem Sprunge machte, auf hartnäckige Weigerung zu
stossen, so breche man für den Augenblick die Lection ab, lasse
die Barrière entfernen und reite andere Touren, welche den Ge-
horsam des Thieres prüfen, ohne dasselbe aufzuregen. Ist das
Thier wieder ruhig, zutrauensvoll, weich und aufmerksam vor den
Hülfen (und dies muss erreicht werden und sollte es Stunden kosten),
so lasse man die Stange an die Erde legen, überschreite dieselbe
in den verschiedenen Gangarten, lasse sie um ein Geringes erheben
und begnüge sich für diesen Tag mit der geringsten Leistung,
lasse einige Tage ohne diese Uebung hingehen und beginne wie-
derum mit dem Leichtesten.


In der Bahn ist es nicht zweckmässig, anders wie
aus gehaltenen Gängen zu springen
, weil der beschränkte
Raum in den stärkeren Gängen störend wirkt.


Da der Offizier meist denselben Weg zu nehmen hat, den die
ganze Truppe passirt, diese aber schwer bepackt, zum Theil auf
mittelmässigen Pferden, niemals sehr bedeutende Hindernisse zu
nehmen im Stande sein wird, so kann es beim Soldatenpferde nicht
[265]IV. Abschnitt. 5. Periode.
wohl darauf ankommen, dass es ein ungewöhnliches Hinderniss
überspringen lernt, wohl aber bedarf es eines sicheren Springens.
Es liegt allerdings viel daran, ob ein Pferd Herz hat, und es hat
wohl Jeder, der viel Pferde geritten hat, die Erfahrung gemacht,
dass manche Pferde wirklich von Natur feig sind, und bei gutem
Gehorsam, Vertrauen zum Reiter und guter Folgsamkeit vor jedem
ihnen fremden Gegenstand sich dermassen entsetzen, dass es stets
eines Kampfes bedarf, das zitternde Thier an den Gegenstand seiner
Angst heran oder gar hinüber zu bringen; wogegen andere sich von
Haus aus vor nichts scheuen, dreist an Alles heran und herüber
gehen. Dennoch ist diese Zahl der Feigen gering; die meisten, die
nicht sicher springen, sind beim Einspringen verdorben. Wie leicht
dies geschieht, zeigt uns der Umstand, dass so viele Reiter
zum Einspringen die grosse Peitsche nicht glauben
entbehren zu können
und etwas gewonnen zu haben meinen,
wenn sie mit Hülfe derselben das Thier nach vielem Spreitzen
hinüber geprügelt haben. Wir wissen alle noch aus unserer Kna-
benzeit, wie die Uebung allein das richtige Augenmass zum
Absprunge und dies erst das Vertrauen zum Sprunge giebt.
Wenn wir uns damals, was gewiss ziemlich oft vorkam, verliefen
und den richtigen Absprung verfehlten, so kehrten wir um und
versuchten es noch einmal. Hätte man uns, wenn wir so refü-
sirten, mit der Peitsche regalirt, würden wir dadurch den Absprung
besser erfasst haben? Würde es uns ein Vergnügen geworden sein,
zu springen und wir es zu jenen mächtigen Sätzen gebracht haben,
die wir bedauern, jetzt nicht mehr machen zu können?


Man verzeihe mir, wenn ich in dieser Erinnerung an meine
jüngeren Herren Kammeraden die Warnung vor dem Entwöhnen
anhaltender Bewegung zu Fuss ergehen lasse. Der Cavallerie-
Offizier, namentlich in den kleinen Garnisonen, wo er auch um
seinem Vergnügen in der Nachbarschaft nachzuleben, reitet und
nicht wie in den grossen Städten viel Pflaster tritt, findet oft we-
nig Veranlassung zum Gehen, braucht die Herauf- und Herunter-
zieher seiner Beine zu wenig, dagegen die Seitwärtszieher zu viel.
Es entsteht dadurch eine Steifigkeit seines Pedals, die anfänglich
unbeachtet bleibt, bis sie ihm endlich lästig wird. Hat er früher
aus Mangel an Zeit, oder aus Trägheit den Spaziergang gescheut,
so geht er jetzt möglichst wenig, weil es ihm schwer wird und
[266]Vom Gange der Dressur.
leidet bald an allen den Uebeln, die aus zu geringer Bewegung
entstehen. Bringen ihn diese in den endlichen Pensionsstand und
von den vier Beinen auf die steifen eigenen, so ist der Hypochonder
fertig. Der Cavallerist, welcher von der Anstrengung des Reitens,
wenn er absitzt, eine Ermüdung seiner Beine fühlt, hüte sich, sofort
sitzend oder liegend auszuruhen. Er mache stets vorher einen
kleinen Gang, bis er fühlt, dass die Gespanntheit der Muskeln
nachlässt und pflege erst dann der Ruhe. Er wird so dem Steif-
werden und dem Rheumatismus, den Hauptfeinden seiner Gesund-
heit, entgegenarbeiten.


Es giebt wohl kaum eine Situation, in der sich so deutlich die
Uebertragung des Willens des Reiters auf den des Pferdes zeigt,
wie im Sprunge. Die Zuversicht hebt das Thier hinüber,
der Zweifel fesselt es an den Boden
. Heute in guter Rei-
terstimmung refüsirte das Pferd nie, morgen ist der Reiter ohne
Impuls und nicht in Laune, und das Thier stutzt jedesmal. Es
will mir immer scheinen, als wenn nur eine dauernde Gewohnheit
dem Manne und dem Pferde die nöthige Zuversicht geben könnte.
Seien wir offen! Wird nicht den Meisten von uns, wenn sie die
winterliche Reitbahn verlassen und der erwachende Frühling sie
ins Freie ruft, ein lumpiger Graben als ein hässliches Hinderniss
erscheinen, obschon wir ihn im Herbste kaum beachteten und mit
der gleichgültigsten Zuversicht auf ihn losritten? Wird nicht dies
minder zuversichtliche Anreiten sich dem Pferde mittheilen, obschon
wir den Willen zum Sprunge haben und bemüht sind, ihn durch
unsere Hülfen auszudrücken? Darum über und wieder üben,
nicht nur des Pferdes wegen, sondern auch des Reiters wegen;
aber mit Vernunft üben, kein Juchsen und renommirendes Forciren.
Wenn man bedenkt, wie die Ehre des Offiziers oft an
einem Sprunge seines Pferdes hängt
, so wird man zuge-
ben, dass dieser Gegenstand die vollkommenste Aufmerksamkeit
verdient. Zur Zeit des siebenjährigen Krieges war es den mit
schwarzen spanischen Hengsten berittenen Bückeburgischen Cara-
biniers bei Strafe untersagt, sich ein Heck *) öffnen zu lassen. Sie
[267]IV. Abschnitt. 5. Periode.
waren verpflichtet, es zu überspringen. Ein ähnliches erzählt man
von den Seydlitz’schen Kürassieren. Wenn unsere kurze Dienst-
zeit eine derartige Ausbildung des gemeinen Mannes auch keines-
wegs gestatten würde, so sollten die Offiziere doch sich diese Reit-
fertigkeit und Sicherheit aneignen und erhalten.


Man hat allerdings in neuerer Zeit wiederum einen höheren
Werth auf ein determinirtes Reiten vor der Front gelegt und mit
vollem Recht, nicht der Kunst wegen, die ist gering und oft bei
langsamen Gängen grösser, und nicht des hübschen Aussehens vor
dem Publikum wegen, das kömmt zuletzt, aber des Geistes
wegen, der in allem Aeusserlichen sich ausdrückt und abspiegelt,
von diesem aber wieder nach Innen wirkt. Sieht der Mann in
der Front, wie der Offizier mit Freudigkeit und Reiterlust daher
sprengt, so wird er einen anderen Begriff vom Geiste seiner Waffe
bekommen, als wenn er in seinen Vorgesetzten keine Spur von
Jugendlichkeit und Keckheit gewahrt.


Wohl hat auch die Rennbahn und die Jagd ausserordentlich
viel beigetragen, ein rasches, dreistes Reiten in Aufschwung zu
bringen. Es ist indess leider nur ein sehr kleiner Theil von Offi-
zieren, die, der Kostspieligkeit wegen, sich so weit daran betheiligen
könnten, dass ihnen ein wesentlicher Nutzen daraus erwüchse. Noch
mehr aber ist zu beklagen, wenn manche von ihnen diesen Zweig
der Reiterei mit solchem Eifer ergreifen, dass sie die ihres Standes
darüber vernachlässigen und einige diese Vorliebe bis zur Abge-
schmacktheit treiben. Ihnen ist jedes Thier, dass sich nicht für
die Rennbahn oder die Jagd eignet, ein Greuel, Dressur ein zeit-
raubendes Verderben der Renn- und Sprungfähigkeit des Thieres
und das Pferd, dessen sie sich vor der Front bedienen, der Tempo-
ochse, eine verachtete und vernachlässigte Kreatur. Die Unge-
rechtigkeit ist diesem Thiere gegenüber meist um so grösser, je
schwerer sie es ihm durch ihren Sitz und Führung machen, seinen
Berufspflichten vor der Front nachzukommen und sie vor dienst-
lichen Unannehmlichkeiten zu bewahren. Nur wenige finden in dieser
Jagdreiterei eine Erweiterung des Gebietes ihrer standesgemässen
Reitkunst in Richtung der Geschwindigkeit, wie sie die Erlernung
der Schulreiterei in Richtung der Gewandtheit ist, und sind nicht
geneigt, die Vortheile der Frische, Dreistigkeit und Gegenwart des
Geistes, welche sie giebt, der Campagne-Reiterei zuzuführen, son-
[268]Vom Gange der Dressur.
dern sind geneigt, diese als etwas Gemeineres, Untergeordneteres
zu verachten. Dass Schulreiterei und Jagdreiterei der
Campagne-Reiterei von grossem Nutzen sind, ist wohl
zu allen Zeiten anerkannt worden
. Deshalb hat man in
unserem
Reitinstitut in Schwedt begonnen, durch Aufstellung
einiger Schulpferde die Ausbildung der Schüler in der Richtung
der Gewandtheit zu erweitern, und hält das französische, mit grosser
Munificenz ausgezeichnete Institut zu Saumur nicht nur Schul-
pferde, sondern auch nach allen Regeln der Kunst trainirte Jagd-
pferde. Es ist so im Stande, nicht nur seinen Schülern die Grenze
dieser verschiedenen Zweige der Kunst zu zeigen, sondern führt
von diesen Frische und Dreistigkeit, von jenen erhöhtes Gefühl
und feine Nüançirung der Hülfen in die Campagne-Reiterei hinüber.
Ein Cursus in der Thierarzenei, dem ein anatomisches Museum
Vorschub leistet, und in der Pferdezucht, die durch ein englisches
und arabisches Gestüt anschaulich gemacht wird, kommen der Aus-
bildung in diesem Institute wesentlich zu Hülfe, dessen Einfluss
auf die französische Armee bereits von Leuten vom Fach als ein
höchst bedeutender bezeichnet wird. Jenes Institut dürfte in die-
sem Augenblicke das vollkommenste der Art in der Welt sein.
Die Militär-Reitinstitute Süd-Deutschlands sollen dem Vernehmen
nach noch keine Ueberragung unserer vaterländischen Anstalt be-
fürchten lassen, obschon z. B. die Wiener mit der grössten kaiser-
lichen Freigebigkeit dotirt ist.


Fünfter Abschnitt.


Erste Periode.

Reiten auf der Kandare im Freien. Springen von Bar-
rièren und Gräben. Klettern durch Gräben und Neh-
men von Kegelgräben (Wallhecken)
. Es ist schon über
das Reiten im Freien bei Gelegenheit der Trensendressur das We-
sentlichste gesagt worden. Zum Springen von Barrièren suche man
sich draussen Anfangs ein für die Fähigkeit des Thieres geringes,
[269]V. Abschnitt. 1. Periode.
festes Hinderniss mit gutem Boden für Absprung und Fussen und
von möglichster Breite, am besten einen starken Baumklotz.
Dieser gewährt den Vortheil, dass man sein Gipfelende Anfangs
zum Ueberschreiten benutzen kann und an ihm eine gute Grada-
tion der Höhe hat, welche bei der ganzen Uebung inne zu halten
nothwendig ist. Es wird ganz wie in der Bahn verfahren. Zuletzt
übt man den Sprung aus dem langen Galopp, wobei zu bemerken,
dass man bei trägen Pferden ein Vermindern der Geschwindigkeit,
bei heftigen ein Vermehren derselben meist als Vorboten — bei
diesen des Ausbrechens, bei jenen des Stehenbleibens vor den Bar-
rièren betrachten muss, und das Einwirken auf Beibehalten des
Tempo’s für den Erfolg wesentlich ist. Hat man den Baum sicher,
so wähle man einen mässigen, festen Plankenzaum oder der-
gleichen, sehe aber bei der Wahl namentlich darauf, dass das Hin-
derniss breit genug sei, damit ein Ausbrechen dem Thiere nicht
gar zu nahe liege, dass es fest sei und ungefährlich. Man habe
für das Campagnepferd stets im Auge, dass es wichtiger ist sicher,
als sehr hoch zu springen.


Das Durchschreiten von Gräben ist für Pferde von
Temperament und für solche, die etwas ängstlicher Natur sind, oft
eine schwierige Lection. Man beginnt natürlich mit recht seichten
und trockenen Gräben die Uebung im Schritt, und gewöhne sie
an recht grosse Zügelfreiheit. Man ist beim Durchkriechen viel
sicherer, bei bereit gehaltenem Schenkel und Zügel, wenn dem
Pferde gestattet ist, den Hals dehnend, zu sehen, wohin es tritt,
als wenn es in Versammlung gehalten, nicht weiss, wo sein Fuss
niederkommt, auch wohl durch den Reiter im Abmessen des Trittes
gestört wird. Oft macht auch ein plötzliches Sinken des Thieres
auf der durchfälligen Grabensohle einen Satz nöthig, den der Rei-
ter unmöglich vorhersehen konnte, zu dessen Ausführung aber das
Thier der Zügelfreiheit bedarf. Am meisten aber macht sich die
Nothwendigkeit des Selbstüberlassens bei derartigen Hindernissen
des Nachts geltend. Da heisst es mit Zügel und Schenkel bei der
Hand sein, aber nur nicht stören. Dass beim Niedersteigen der
Reiter sich zurück-, beim Heraufsteigen vorlegt, ist bekannt genug;
aber das Mähnennehmen beim Klettern sieht man häufig versäu-
men, indem Manche fürchten, dadurch eine Aengstlichkeit an den
Tag zu legen, und doch wird das Pferd dadurch wesentlich erleich-
[270]Vom Gange der Dressur.
tert und vor falschen Zügelhülfen bewahrt, die unvermeidlich werden
und das Thier hinten-über reissen, wenn beim plötzlichen Rucken
der Reiter hinter den Sattel gleitet. Es ist durch Unterlassen
dieser Vorsichtsmassregel schon manches Unheil entstanden. Für
ein Campagnepferd ist ein sicheres Durchkriechen von Gräben eine
sehr wünschenswerthe Eigenschaft. Des Nachts ist ein Darauflos-
springen ein gefährlich Ding, und mit schwerem Gepäck und bei
ermüdeten Knochen ein breiter Graben, wenn es Zeit und Um-
stände irgend erlauben, vortheilhafter zu durchkriechen als zu über-
springen. Es scheint mir ein wesentlicher Unterschied zwischen
dem Schul- und Campagnepferde darin begründet, dass die Um-
stände dem Schulreiter gestatten, seinem Thiere jeden Tritt vorzu-
schreiben, der Campagne-Reiter aber bei tausend Gelegenheiten
genöthigt ist, sich einer so genauen Leitung zu begeben und oft
sogar sich dem guten Willen seines Pferdes völlig anzuvertrauen.
Es muss deshalb dem letzteren eine gewisse Selbst-
ständigkeit gelassen und es bei Zeiten daran gewöhnt
werden, von seinem scharfen Sinne und seinen Kräften
Gebrauch zum Vortheil des Reiters zu machen
. Ein
stets in enger Versammlung gehaltenes Pferd, dem der Reiter Jahre
lang jeden Schritt abverlangte, wird bei dunkler Nacht im schwie-
rigen Terrain ein unsicherer Geselle sein.


Zur Uebung des Springens über Gräben sei man
vorsichtig in der Wahl des Hindernisses in Rücksicht auf die Halt-
barkeit seiner Uferränder und der Beschaffenheit des vorliegenden,
wie jenseitigen Terrains. Manches Pferd ist durch Einbrechen des
Ufers oder durch Einfallen in einen tiefen Boden bei seinen ersten
Versuchen auf lange Zeit, oft auf immer, ein unzuverlässiger Sprin-
ger geworden. Man wird dem Pferde leicht marquiren, ob man
springen, oder ob man kriechen will, nur muss man sowohl in den
aufmunternden Hülfen, wenn man auf den Graben losreitet, um zu
springen, wie in denen, womit man das Thier zum Durchschreiten
auffordert, consequent sein. Ein tiefeingeschnittener Graben ist zu
den Anfangsübungen vortheilhaft. Auch beim Grabenspringen habe
ich es für höchst zweckmässig gefunden, dem Thier den Absprung
selbst zu überlassen und durch zweckmässig gesteigerte Uebung
das Augenmass und die Dreistigkeit des Thieres zu vervollkomm-
nen. Erst wenn man sieht, wie geübte Pferde sich freuen, wenn
[271]V. Abschnitt. 1. Periode.
sie gegen ein Hinderniss geführt werden, und man fühlt, mit
welcher Leichtigkeit selbst schwächere, gut eingesprungene Pferde
Gräben nehmen, vor denen weit stärkere erschreckt pariren, erst
dann wird der Vortheil einer systematischen Uebung und die Noth-
wendigkeit, sie unausgesetzt durchzuführen, klar. Welchen Raum
deckt nicht jedes mittelmässige Pferd bei seiner grössten Streckung
im Carrièresprung und wie gering ist dagegen die Breite des Grabens,
den der Reiter mit ihm zu überspringen wagt, und doch liegt es
nur am richtigen Absprunge und dem Muth dazu, mithin an der
Uebung, dass jenes Thier nicht einen Graben nimmt, welcher dem
Carrièresprung angemessen, mithin doppelt so breit ist.


In Gegenden, wo es viele Wallhecken und Kegelgräben
giebt, bedarf es einer besonderen Uebung, den Pferden das Neh-
men derselben beizubringen. Zu diesem Zwecke übe man das Pferd,
im Schritt einen Graben zu nehmen und gleich hinter demselben
zu pariren, auch aus dem Stillehalten kleine Gräben zu nehmen.
Ist man darin sicher, so wähle man einen Graben, dessen jensei-
tiges Ufer viel höher ist, wie das diesseitige, nehme ihn springend
aus dem Schritt und parire auf dem jenseitigen Ufer. Den Sprung
wiederum abwärts übe man ebenfalls aus dem Stillehalten, doch
mache man nie kehrt, unmittelbar nach dem Sprunge aufwärts. Hat
man diese Sprünge sicher, so suche man einen mässigen Kegel-
graben auf. Ist einer vorhanden, der sich von der einen Seite
durch Klettern nehmen lässt, so wähle man Anfangs einen solchen,
reite durch, erklettere den Rand und springe, nachdem das Thier
oben ruhig einige Zeit gestanden, abwärts. Das ruhige Stehen auf
dem Walle, oft in beengter Stellung, ist lebhaften Pferden sehr
widerwärtig, und sie pflegen den Reiter, wenn er sie nicht zuerst
auf Wälle bringt, die oben breit sind, oft dadurch in Verlegenheit
zu setzen, dass sie auf demselben entlang gehen und so den Sprung
verweigern, der sich dann nur unter schlimmen Umständen er-
zwingen lässt.


Bei den Kegelgräben wird die Gewichtsvertheilung des Reiters
wieder recht mitsprechen. Schliesst sich das Reitergewicht der
Bewegung des Thieres nicht richtig an, dient es nicht als Regu-
lator der ganzen Last, wozu so viele Reiter lediglich den Zügel
machen möchten, so wird es stets die besten Leistungen hemmen.
Der Reiter wird zur Erreichung des höheren Walles, aufwärts-
[272]Vom Gange der Dressur.
springend, ganz vorliegen müssen. Das Fussen und gleichzeitige
Pariren wird ein Zurücksitzen nöthig machen; der Absprung bei
oft, des Raumes wegen, ganz unterstehenden Hinterbeinen ein mo-
mentanes Vorneigen, und das Fussen bei so spät und hoch nach-
kommender Hinterhand ein vollkommenes Hintenüberlehnen nöthig
machen. Wie Herr v. Hochstetter bei dieser Gelegenheit verfahren
würde, ist mir unklar, da er die Hülfen mit dem Gesäss in der
Reitkunst nicht duldet. Bei einer Häufung von Schwierigkeiten,
wie man sie beim Passiren derartiger Hindernisse trifft, die durch
Anpflanzungen von dornigen Gestrüppen dem Pferde oft noch wi-
derwärtiger werden, wird selbst der geschickteste Reiter genug zu
thun haben, wenn er das willig springende Thier nicht durch Zügel
und Gewicht behindern will, und ausser Stande sein, die Menge
hebender und auffordernder Hülfen, wie sie manche Lehrbücher
vorschreiben, um Hindernisse zu nehmen, rechtzeitig hinzuzufügen.
Diese Hindernisse werden den Unterschied zeigen zwischen Thieren,
welche durch eine falsche Reitkunst zu Automaten verdummt wur-
den, und solchen, denen trotz Gehorsam und Körperausbildung
eine gewisse Selbstständigkeit geblieben ist, die gelernt haben, vor
sich zu sehen und Absprung etc. zu taxiren. Ferner sind sie sehr
lehrreich in Bezug auf Zügelfreiheit und Beobachtung der Art und
Weise, in welcher das Thier sich seines Halses sehr wohl zur Be-
hauptung seines Gleichgewichtes zu bedienen weiss. Es ist natür-
lich unter Zügelfreiheit niemals ein Wegwerfen des Zügels zu ver-
stehen, sondern nur eine Nachgiebigkeit der Hand, welche dem
Pferde die Dehnung des Halses gestattet, ohne der Anlehnung,
welche das Thier selbst sucht, Abbruch zu thun.


Zweite Periode.

Die Karrière ist die schnellste Gangart des Pferdes. Es
gehört von Seiten des Reiters eine nicht geringere Kunst dazu, sie
dem Pferde zu lehren, als bei den übrigen Gangarten, und es ist
ein grosser Irrthum, wenn man meint, dass unbedingte Zügelfrei
heit und ein gutes Nachtreiben das Pferd zu einem Laufe bringen
könnte, der bei möglichster Geschwindigkeit Sicherheit und die
Fähigkeit schneller Versammlung zur Wendung und Parade ge
währte. Es kömmt beim Campagnepferde namentlich diese letzte
Eigenschaft mit in Betracht, indem der Reiterdienst nicht viele
[273]V. Abschnitt. 2. Periode.
hundert Schritt zum mühsamen Einfangen gestattet, daher die
Haltung des Pferdes noch immer eine solche Versammlung bewah-
ren muss, dass die Wirkung des Gebisses auf die Hinterhand bald
hergestellt ist. Dadurch aber wird ein wesentlicher Unterschied
im Laufe eines Rennpferdes und eines Campagnepferdes begründet.


Betrachten wir die Thätigkeit des Pferdes im Laufe und wäh-
len dazu das Rennpferd, weil bei ihm diese Thätigkeit am vollkom-
mensten ausgebildet ist und sie sich bei diesem am leichtesten der
langen Sprünge wegen verfolgen lässt. Wir beginnen bei dem
Momente, in welchem er mit vorn und hinten weit herausgereckten
Beinen in der Luft schwebt, und sehen, dass beim Herunterkom-
men zur Erde die Vorderbeine zuerst fussen. Sie fallen nicht neben
einander zur Erde, sondern ein Bein ist vorgreifend. Hiedurch ist
die stützende Fähigkeit erhöht, das Körpergewicht des Thieres
aber der vorgreifenden Seite zugeneigt, wodurch allein das gleich-
zeitige Niederfallen möglich wird. Es werden die Vorderbeine und
der ganze Pferdekörper sich nun über die Hufe hinwegbewegen.
In dem Moment, wo die Vorderbeine senkrecht zu stehen kommen
und somit die Vorhand ihre grösste Erhebung über den Boden
erreicht, gehen die Hinterbeine bei ihnen vorbei und fussen vor
ihnen. Bis sie die Erde berührt haben und nun dem Pferdekörper
zur Stütze dienen, ist derselbe so weit vorgedrungen, dass die Vor-
derbeine weit hinter der Senkrechten stehen. Diese verlassen nun
abschwingend den Boden, der Pferdekörper bewegt sich über die
Hinterbeine hinweg, welche dann endlich wiederum weit hinter der
Vertikalen abschwingen und das Thier in die Stellung bringen,
mit welcher wir begannen. Auch die Hinterbeine fielen nicht neben
einander zur Erde, sondern das eine vorgreifend. Das Ohr hört
in Folge dieser Action zwei Schläge, das Zubodenfallen der Vor-
derbeine und demnächst der Hinterbeine. Es ist ferner klar, dass
das lange Ausharren hinter der Vertikalen und das Niederfallen
der Vorderbeine bei so weiter Streckung nach vorwärts eine grosse
Weite des Sprunges und eine Stellung geben wird, bei der das
Pferd mit dem Leibe sehr dicht über den Boden geht. Es wird
ferner die grosse Geschwindigkeit noch bedeutend auf den Körper
nachwirken, wenn auch die abschwingende Thätigkeit der Beine
aufhört. Es wird ferner der Hals zur möglichsten Verlegung des
Schwerpunktes nach vorwärts ausgestreckt sein müssen, auch die
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 18
[274]Vom Gange der Dressur.
grosse Aufwölbung des Rückens keine andere Halsstellung erlauben.
Das Pferd ist mithin in dieser Thätigkeit und Körperhaltung am
wenigsten geeignet, schnell zu pariren, indem der Schwerpunkt der
weitesten Verlegung bedarf, der Hals sich in ungeeigneter Hal-
tung befindet und der grosse Schwung vorwärts ebenfalls zu über-
winden ist.


Die Weite des Sprunges und die Schnelligkeit in Wiederho-
lung der Action sind die Factoren für Geschwindigkeit des Laufes.
Je weiter der Sprung, je weniger oft wird er in demselben Zeit-
masse mit demselben Kraftaufwande wiederholt werden können.
Die Weite des Sprunges wird aber durch die Streckung, die Weite
des Uebergreifens und das damit verbundene Ausharren und Ab-
schwingen hinter der Vertikalen begründet, in ihm aber zugleich
die Schwierigkeit zur Wiederversammlung beruhen. Diese Wie-
derversammlung aus dem vollen Laufe muss aber dem
Campagnepferde leicht werden
. Wir müssen mithin die
Länge des Sprunges mässigen und dafür die Geschwindigkeit der
Action vermehren. Wir bekommen dadurch eine Carrière mit hö-
herer Action
und schnellerem Tempo, die eben so angreifend,
aber weniger fördernd ist, da die Kraft, welche hiebei aufwärts wirkt,
der Räumigkeit verloren geht. Die schnell auf einander folgenden
Sprünge werden ausserdem ein rascheres Athmen nöthig machen,
welches die Lunge mehr angreift, wie der lange Athemzug, der
dem langen Sprunge sich anschliesst. Wenn nun der Sitz des
Jokey weit vorliegend, in den Bügeln schwebend und der gänzliche
Mangel an Zusammenstellung des Halses den Schwerpunkt beim
Renner möglichst weit vorlegt, so muss der Campagne Reiter durch
seinen Sitz und die Zusammenstellung des Halses den Schwerpunkt
nicht weiter vorwärts bringen, als die Fähigkeit zum leichten Zurück-
legen desselben je nach dem Gebäude des Pferdes es gestattet.
Wenn der weiter vorgelegte Schwerpunkt auch die Anlehnung des
Campagnepferdes an das Gebiss erhöht, so darf sie doch nie den
Grad des Auflegens erreichen, den der Jokey seinem Pferde giebt.
Je mehr das Pferd zum Auseinanderfallen geneigt ist, um so mehr
hat der Campagnereiter Veranlassung bei der Ausbildung seines
Pferdes zur Carrière auf die Beschleunigung der Action zu achten;
je mehr das Pferd geneigt ist, sich zu verhalten, um so mehr auf
eine Verlängerung des Sprunges.


[275]V. Abschnitt. 2. Periode.

Die hochmüthige Verachtung der Anglomanen über die ver-
minderte Schnelligkeit und Dauer der Campagne-Carrière mit ihren
kurzen Sprüngen zeigt von mangelnder Erkenntniss des Wesens
der Campagne-Reiterei. Es würde andererseits eben so thöricht
sein, bei Pferden, deren günstiges Gebäude die schnelle Versamm-
lung aus dem langen Sprunge gestattet, auf eine rollende Carrière
mit kurzen Sprüngen hinzuarbeiten und so die wahre Geschwin-
digkeit der scheinbaren zu opfern.


Es ist zu verwundern, dass die Uebung der Carrière
so wenig getrieben wird
, trotz dem der Soldat ihrer so sehr
bedarf, das Pferd in derselben so wesentlich vervollkommnet werden
kann und die Art des Laufes, wie wir bereits sahen, bei jedem
einzelnen Pferde, je nach seiner Individualität, geregelt werden muss.
Noch mehr aber ist zu verwundern, dass man vergisst, wie sie eine
wichtige Lection für die Schulterfreiheit, aber die wichtigste für
die abspannende Bewegung des Rückens und das Ausharren hinter
der Vertikalen ist. Manche Pferde kommen erst, nachdem sie
laufen lernten, zur vollen Hergabe und Elastizität des Rückens,
gehen erst dann gut an die Hand und lernen stark traben.


Was in Rücksicht der Hülfen für die Verstärkung des Ga-
lopps galt, gilt auch hier, nur wird man gut thun, sich bei
trägen Pferden zum Nachtreiben der Gerte zu bedienen
.
Es ist unzweckmässig, den Sporn hart stossend zu gebrauchen,
indem man damit nachtheilig auf den Athem wirkt. Es scheint
mir ferner, als läge im Gebrauch des Sporns etwas, wodurch das
Pferd veranlasst wird, sich zusammen zu ziehen, während ein Ger-
tenstreich das Pferd treibt, ohne auf diese beiden Arten nachtheilig
einzuwirken. Bei alledem ist der Soldat schliesslich auf den Sporn
angewiesen und er muss ihm mit der Zeit auch zu diesem Zweck
ausreichen.


Die meisten Pferde, bei denen der lange Galopp vorher nicht
richtig entwickelt ist, die nicht gelernt haben, eine grössere Strek-
kung herzugeben, und bei demselben nicht vermehrt an die Zügel
gehen, werden in der Carrière ungern geradeaus laufen; man sei
deshalb bedacht, diesem Uebelstande von Haus aus zu begegnen,
indem man einen richtigen langen Galopp hereinbringt und erst
dann zur Carrière übergeht. Bei allen Pferden, welche sich gern
verhalten, hüte man sich, zu frühzeitig in die Carrière aus kurzen
18*
[276]Vom Gange der Dressur.
Gängen oder aus dem Stillehalten einzugehen, man lasse sie erst
dann laufen, wenn sie im langen Galopp gut an die Hand herangehen.


Wir haben gesehen, worauf es bei der Campagne-Carrière an-
kommt, haben gesagt, bei welchen Individuen wir die längeren lang-
sameren, und bei welchen die kürzeren schnelleren Sprünge zu erstre-
ben haben; wir haben die Hülfen beim stärkeren Galopp kennen ge-
lernt, den Sprung zu beschleunigen, resp. zu verlängern, und brauchen
nur noch über die Oekonomie des Athems einiges hinzuzufügen.
Wir wissen bereits, dass der Athemzug sich dem Sprunge an-
schliesst, dass der lange Sprung langen Athemzug, der kurze, schnelle
Sprung auch schnell auf einander folgende, aber kürzere Athem-
züge bedingt, mithin der letztere mehr die Lungenthätigkeit in
Anspruch nimmt, als der erstere. Wir müssen hierauf in der Länge
der Reprisen besonders Rücksicht nehmen, und obschon ich sehr
für die Wiederholung der Carrière an einem Tage bin, so gehe
man jedoch nur in dieselbe bei vollem Athem ein und treibe sie
nie bis zur Athemlosigkeit. Es wird sich die Lunge nach und
nach bei gesteigerter Länge der Uebung stärken.


Das Pariren aus der Carrière ist eine Uebung, bei der
man um so vorsichtiger zu Werke gehen muss, als das aufgeregte
Blut vom Reiter und Pferd oft zu harten Hülfen einerseits, zur
verminderten Aufmerksamkeit aber andererseits Veranlassung giebt,
und dennoch ungeschickt ausgeführt, ein solches Pariren dem Pferde,
eben so nachtheilich für die Gesundheit seiner Gliedmassen, wie
für die Dressur ist.


Dass an ein sofortiges Stillhalten nicht zu denken ist, selbst
wenn das Pferd auf das Zeichen des Reiters gewillt ist, zu pariren
und mit dem Abschub innehält, wird um so begreiflicher, als wir
wissen, dass das Thier den durch die Bewegung erzeugten Schwung
nach vorwärts
noch überwinden muss. Wir haben die Gefahr
für Mann und Pferd bereits kennen gelernt, wenn dies durch Vor-
stemmen der Vorderbeine geschieht, und die Art wie es durch
Verlegung des Schwerpunktes nach rückwärts überwunden werden
muss, und wissen, dass ein Reissen an die Zügel wohl dem Pferde
den Willen zum Pariren energischer kund geben kann, aber keines-
wegs eine mechanisch einwirkende Hülfe ist, mithin keine Unter-
stützung zur Verlegung des Schwerpunktes sein kann. Eben so
wenig wird eine schärfere Zäumung an und für sich durch den
[277]V. Abschnitt. 2. Periode.
erhöhten Schmerz die Parade herbeiführen können. Wohl aber
wird eine Kandare, welche vermöge ihrer Construction dahin wirkt,
den Hals in die für die Rückwirkung günstige Stellung zu bringen,
die Parade erleichtern; hingegen eine solche, welche eine fehlerhafte
Halsstellung vermehrt, die Parade erschweren, resp. unmöglich
machen. Es bedarf der richtigen Zusammenfügung des Halses,
ehe das Gebiss eine mechanische Einwirkung auf Belastung der
Hinterbeine haben kann, es muss mithin jedes etwaige Ausbiegen
desselben nach aufwärts, abwärts, seitwärts, wozu die gestattete
Dehnung des Halses die Freiheit gab, erst überwunden, der Hals
richtig zusammengestellt sein, ehe man die eigentliche Parade be-
ginnt, bei der es dann allerdings noch einiger, sich immer mehr
und mehr verkürzender Sprünge bedarf, ehe das Thier des Dranges
nach vorwärts Herr wird. Es braucht hier wohl kaum wiederholt
zu werden, dass die Anzüge die Hinterbeine unter dem Leibe finden
müssen, und in welcher Art Schenkel, Gewicht und Gebiss zu wir-
ken haben.


Ein Nichtgehorchen auf die den Hals in Stellung bringenden
Hülfen, ein Ausweichen, Gegendrücken, Seitwärtsverwerfen dessel-
ben etc. und Anulliren der versammelnden Hülfen bei unterhalte-
nem vollem Abschub möchte ich ein rapides Durchgehen
nennen, zum Unterschiede von der Unfähigkeit des Thieres, des
Dranges seines Körpers nach vorwärts durch Verlegung seines
Schwerpunktes nach rückwärts Herr zu werden, welches ich nach
dem Gefühle, das es dem Reiter macht, ein ledernes Durch-
gehen
nennen möchte. Das Letztere ist das Gefährlichste, weil
nicht nur der Reiter bei demselben nicht Herr des Thieres,
sondern das Thier nicht Herr seiner selbst ist und sich in
dem Zustande eines Menschen befindet, der, einen Berg herablau-
fend, sich nicht wieder zu halten vermag, mit dem gleichsam die
eigenen Beine durchgehen. Das so durchgehende Pferd wird vor
keinem Hinderniss zu halten vermögen, und Sturz und gefährliche
Beschädigungen sind die häufigsten Folgen desselben. Das rapide
durchgehende Pferd will nicht gehorchen, weil es entweder Freude
am Laufen hat, vor einem Gegenstand der Furcht entflieht, oder
die Parade scheut, die ihm Schmerzen macht. Es wird die Fähig-
keit haben, sich vor einem gefährlichen Gegenstande zu halten
oder auszuweichen, zu stehen, wenn seine Furcht besiegt, seine Lust
[278]Vom Gange der Dressur.
gebüsst ist oder die Geschicklichkeit des Reiters die Zusammen-
stellung erzwungen hat. Das lederne Durchgehen entsteht durch
eine für das Gebäude unverhältnissmässige Dehnung des Sprunges
und zu weites Vorlegen des Schwerpunktes, bei dem das Gleichge-
wicht nach vorn so verloren ging, dass nur die Wiederholung des
schnellen Vorschiebens der Vorderbeine den Sturz vermeiden lässt,
ohne dass diese fähig wären, so weit vorzukommen, um sich der
Last vorwärts, zur Parade auf die Vorhand, entgegenzustemmen,
und die Hinterbeine so weit unter den Leib gebracht würden,
dass sie der Last als Stütze dienten, zur Parade auf der Hinter-
hand. Es ist klar, dass nur eine sehr allmälige Regelung des
Schwerpunktes durch vorsichtiges Erheben der Vorhand und Be-
lastung der Hinterhand das verlorene Gleichgewicht herstellen kann,
wozu die Beschreibung eines weiten sich nach und nach verengen-
den Bogens, wenn es das Terrain erlaubt, oft mit Nutzen verwendet
wird, was auch aus Sicherheitsgründen anzurathen ist. Rohe Ein-
wirkungen
, Reissen am Gebiss etc., die dem Thiere Schmerzen
verursachen, wohl gar seinen Körper verletzen, können zu nichts
helfen. Sie sind in diesem Falle namentlich eine ganz nutzlose
Grausamkeit, indem das Thier, wenn es nach seinem Willen ging,
gewiss sein Gleichgewicht herstellen und halten würde. Das gänz-
liche und plötzliche Nachlassen des Gebisses
wird das
Thier seiner letzten Stütze berauben und es stürzen machen, dies
ist mithin nicht zu rathen; eben so wenig aber darf die Hand des
Reiters todt gegenstehen, eine riegelnde Bewegung, welche auf eine
allmälige Erhebung des weitvorgestreckten oder herabgedrückten
Halses hinarbeitet, dürfte in diesem Falle erlaubt sein. Es zeugt
von einem gänzlichen Misskennen des Falles und von sehr geringer
Einsicht in das Wesen der Reitkunst, das Thier, wenn es endlich
mühsam sein verlorenes Gleichgewicht wieder fand, zu neuem Laufe
durch Spornstiche und Ruthenstreiche und somit zu neuem Durch-
gehen zu bringen, unter banaler Floskel: „Hast du zu deinem
Spass gelaufen, so laufe jetzt zu meinem!“
Dies liesse
sich mit Recht auf ein Thier anwenden, das aus Lust zum Laufen
davon geht, das die Eile zum Stalle, das Drängen nach anderen
Pferden zu dieser Unart treibt; und selbst bei diesem ist es ge-
wagt und nicht verständig, indem ja das Thier durch sein
Davongehen den Beweis geführt hat, dass es Stel-

[279]V. Abschnitt. 2. Periode.
lungen anzunehmen und in denselben zu verharren im
Stande ist, in denen es sich dem mechanischen Ein-
fluss der Hülfen zu entziehen vermag
. Viel verständiger
ist es, den Feind erst aus dieser Stellung zu vertreiben und so das
Uebel an der Wurzel anzufassen.


Ich kann mich überhaupt nicht mit der Maxime „durch
Uebermass zu verleiden“
bei der Dressur befreunden. Einmal
scheint mir eine gewisse Unehrlichkeit und Tücke dem Thiere ge-
genüber darin zu liegen, die sich nur durch die Hoffnungslosigkeit,
auf andere Art zum Ziele zu kommen, entschuldigen liesse. Dann
ist das Uebermass fast in allen Fällen nicht ohne Risiko aus ge-
sundheitlichen Rücksichten. Endlich aber habe ich von diesem
System des Verleidens
nur bei stetigen Pferden Nutzen ge-
sehen; bei der Dressur unverdorbener angewendet, sind mir nur
schlechte Folgen bekannt geworden.


Bei stetigen Pferden, welche nicht aus Furcht vor einem
fremden Gegenstande, sondern um das Weitergehen zu refüsiren,
auf der Stelle Kehrt machen, ist die schnelle Wiederholung dieser
Wendung nach derselben Seite herum, ein längeres, rasches
Kreiseln auf der Stelle
eine derartige Strafe. Es gehört ein
fester Sitz dazu. Dann aber vermag die hinter das Knie festge-
stellte Hand und die fleissige Arbeit des Sporns derselben Seite
eine so anhaltend schnelle Kreisbewegung hervorzubringen, dass
das Thier sich freut, aus derselben erlös’t zu werden und gerne
die Richtung einschlagen wird, welche es vorher verweigerte. Mit
Consequenz fortgesetzt, sind mir recht gute Erfolge bei vorher
hoffnungslos stetigen Pferden, welche sonst richtig zusammenge-
stellt und gebogen, aber durch schwache Reiter verdorben und
eigensinnig gemacht waren, bekannt. Dass sie nur ein äusserstes
Hülfsmittel ist, indem die Beine, namentlich die Fesseln sehr lei-
den, braucht kaum hinzugefügt zu werden. Es ist aber ein grosser
Vortheil, dass diese Correctur wenig Raum erfordert und die
Sicherheit des Reiters gegen Andrücken, Gegenlaufen etc. bei Ver-
hindern des Steigens bewahrt wird, während Züchtigungen durch
Peitsche und Prügel Sprünge in jeder Richtung herbeiführen und
auf Strassen etc. der öffentlichen Sicherheit wegen, nicht anzuwen-
den sind, diese Sorte Pferde aber hinreichend gewitzigt ist, diese
[280]Vom Gange der Dressur.
besonders zum Tummelplatz bei Ausübung ihrer Ungezogenheiten
zu machen.


Bei allem rapiden Durchgehen wird das Pferd eine solche Hal-
tung annehmen, respective der Faust des Reiters einen solchen
Muskelwiderstand entgegensetzen, dass die mechanische Wirkung
des Gebisses auf den Körper aufhört. Die Widerstrebungen aber
können unendliche sein, so dass von einem Durchnehmen derselben
nicht die Rede sein kann. Die Anstrengung der sich der Zusam-
menfügung des Halses widersetzenden Muskeln muss erkannt und
überwunden werden. Dies kann nicht durch ein todtes Gegen-
halten des Gebisses
geschehen, welches vermöge seiner stüz-
zenden Kraft den Lauf befördernd wirkt. Gedehnte, ziehende
Zügelhülfen
verfehlen fast immer ihre Wirkung. Rucke wer-
den gleichfalls nur selten Gehör finden, und sind ihrer verletzenden
Wirkung wegen gefährlich. Am meisten wirken die hin und her
biegenden, vom Schenkel resp. Sporn unterstützten, lebhaften, aber
nicht ruckenden Zügelannahmen. Hat man die Anstuhrung über-
wunden, so suche man vorsichtig die richtige Halsstellung zu ge-
winnen und parire nach den bekannten Regeln.


Ist das Widerstreben nicht im Halse, sondern z. B. bei langen
Pferden mit unbiegsamer Hinterhand im mangelnden Unter-
schieben
begründet, so verdoppele man die Schenkelhülfen, um
das Thier zum Untersetzen zu bewegen und steigere die Hülfen
nöthigenfalls bis zum Gebrauch der Sporen. Es wird alsdann ein
leichter Anzug im richtigen Moment die Parade herbeiführen. Oft
bedarf es dessen nicht einmal. Das blosse Herantreiben an die
fest hingestellte Faust reicht bei empfindlichen Pferden bereits aus.
Dies „zwischen den Sporen pariren“ hat allerdings manchen
Durchgänger zum Stehen gebracht, aber ohne Noth und zum
Uebermass angewendet, um ganz kurz aus der Carrière zu pariren,
hat es manchen Pferden mit schwacher oder sehr biegsamer Hin-
terhand einen solchen Schmerz verursacht, dass sie theils aus
Furcht vor der Parade nicht mehr in die Carrière einzugehen wag-
ten und den Lauf durch Kehrtmachen und Pariren verweigerten,
theils zu solchen Durchgängern sich ausbildeten, die aus Angst
vor der Parade davongehen. Es ist deshalb namentlich mit
Pferden von weichen Gelenksverbindungen alle Sorgfalt zu empfeh-
len, ihre Hinterhand nicht schmerzlich zu überbürden.


[281]V. Abschnitt. 2. Periode.

Ein Durchgehen aus Furcht vor der Parade zeigt
sich dadurch, dass das Thier erst dann sich anstuhrt, wenn die
Einwirkung auf die Hinterhand beginnt, und sich dann meist in Bo-
gensätzen Luft macht. Höchst sanfte Behandlung, es ruhig auf
den Zirkel nehmen, wird das Thier bald beruhigen und bei vorge-
legtem Gewicht pariren lassen. Da der Cavallerie-Offizier leicht in
die Lage kömmt, noch nicht ganz durchgerittene Pferde vor die
Front zu bringen, denen er Hülfszügel anlegen muss, um die noch
nicht beseitigten Schwierigkeiten, namentlich bei den so oft vor-
kommenden kurzen Paraden zu überwinden, so erlaube ich mir
noch folgendes über deren Gebrauch zu bemerken. Ein anderer
Hülfszügel, wie dessen Verkürzung oder Verlängerung in die Hand
des Reiters gegeben ist, wird stets unzweckmässig und gefährlich
sein. Je weniger aber der bewegliche für gewöhnlich dem Thiere
fühlbar wird, je weniger er die noch ungebogenen Muskeln belä-
stigt, um so sicherer wird dann seine Wirkung im Moment der
Unzulänglichkeit der anderen Mittel, im Moment der Noth sein.
Man wird aber bei den meisten halbrohen Pferden für das Pariren
den sichersten Erfolg durch vermehrte Activität der Schenkel und
blosses Anstehenlassen der Zügel erzielen, namentlich ist vor der
vorherrschenden und verfrühten Wirkung des Hülfszügels zu warnen.
Natürlich darf jenes Heranbringen der Hinterhand nicht mit
dem „Heranprallen“, dem steten „zwischen den Sporen
pariren“
verwechselt werden, worin junge Reiter, die eben Herren
des richtigen Moments zur Einwirkung geworden sind und sich
nun in ihrer Herrschaft gefallen, so gern verfallen.


Da man jedes Weitergehen des Pferdes nach dem Zeichen
zum Pariren, als zum Ueberwinden seines Dranges nach vorwärts
durchaus nöthig ist, ein Durchgehen nennen muss, so kommt es
vor, dass Pferde in allen Gangarten, den Schritt nicht
ausgenommen, durchgehen
und werden die Arten desselben
von den angeführten in der Carrière nicht abweichen, mit Aus-
nahme des Durchgehens im Schritt, wo der durch die Schnelligkeit
des Ganges hervorgebrachte Drang nach vorwärts als null anzu-
nehmen, mithin eine Böswilligkeit des Pferdes, ein Ungehorsam der
Aufforderung zur Parade nachzukommen, vorliegen muss. Dies
würde auch der einzige Fall sein, wo ich es angemessen finden
würde, das Thier direkt gegen die Mauer gehen zu lassen, bei
[282]Vom Gange der Dressur.
allem übrigen Durchgehen aber dies deshalb nicht rathsam finden,
weil Risiko und Vortheil nicht in gleichem Verhältniss stehen, und
ein wirkliches Gegenrennen, was bei nicht oder zu spät Ueberwin-
den des Dranges nach vorwärts erfolgen muss, einen das Leben
von Ross und Reiter bedrohenden Stoss geben kann.


Ueber das „rückwärts Durchgehen“ haben wir bereits
anderwärts abgehandelt.


Dritte Periode.

Gewöhnen an das Seitengewehr und an den Schuss. Das
Gewöhnen an das Seitengewehr
ist im Allgemeinen eine
viel geringere Aufgabe, als man glauben sollte. Die Erfahrung
lehrt, dass ein bereits gerittenes Pferd sehr wenig durch die Schläge
desselben in den stärkeren Gangarten gestört wird, welches wie-
derum nur ein Beweis zu sein scheint, wie sehr die Wirkung des
Schenkels durch die Dressur gegeben und wie wenig sie mecha-
nisch wirkt. Nur wenige kitzliche Stuten bedürfen einer längeren
Uebung, das Seitengewehr zu ertragen. Das Aufnehmen desselben
übe man mit Vorsicht und ebenso das Hiebehauen. Bei dem Letz-
teren bedarf es einer besonderen Uebung, das Pferd daran zu ge-
wöhnen, dass der Reiter sich in die Bügel stellt, ohne dass das
Pferd sein Tempo verändert. Am schwierigsten ist, das Pferd
dahin zu dressiren, dass es beim Herabneigen des Reiters zum
Hieb zur Erde weder sein Tempo verändert noch die gerade Linie
verliert, wozu die Gewichtsvertheilung nach vorwärts und rechts
es aufzufordern scheint. Diese Neigung muss Anfangs mit sehr
grosser Ruhe und Vorsicht ausgeführt, die Zügelfaust nicht beun-
ruhigt werden, dagegen der inwendige Schenkel fest am Pferde
bleiben. Dieser wird mit Hülfe des linksführenden Zügels das
Pferd geradeaus halten. Die Erhebung des Reiters muss dem-
nächst mit derselben Leichtigkeit geschehen. Erst wenn das Pferd
die verschiedenen Sitzveränderungen duldet, werden dieselben
mit dem Hiebe combinirt werden dürfen, der erst leicht und spie-
lend ausgeführt, dann scharf und pfeifend wird, wenn das Pferd
jenen duldet. Je nach dem Temperament des Pferdes beginnt man
im Stillehalten oder im Schritt und geht alsdann zu den lebhaf-
teren Gängen über. Bei sehr scheuen Pferden beginne man die
Uebung bei verdeckter Sonne, weil die plötzlichen Lichtstrahlen,
[283]V. Abschnitt. 3. Periode.
welche der Stahl in das Auge wirft, sie erschreckt. Diese Dressur
pflegt ebenfalls keine grosse Schwierigkeiten zu machen.


Anders ist es, sie an solche Vorgänge zu gewöhnen, bei denen
ein heftiges Geräusch vorkommt. Wie es Pferde giebt, die
vor stark ins Auge fallenden Gegenständen scheu sind und selbst
bei guter Dressur es bleiben, wenn diese Gegenstände ihnen uner-
wartet entgegentreten, so giebt es auch Pferde, welche vor starkem
Geräusch besonders schreckhaft sind und trotz vielfacher Gewöh-
nung diesen Fehler nicht ablegen. Ich halte es nicht für rathsam,
Versuche, sie an dergleichen, ihnen schrecklich scheinende Gegen-
stände zu gewöhnen, eher anzustellen, bis man sie völlig durch die
Dressur in die Hand bekommen hat. Die Art und Weise, wie
diese Gewöhnung geschieht, liegt zu sehr in allem Vorhergesagten,
als dass demselben noch etwas hinzuzufügen wäre.


Allmäliges Steigern der Anforderung, genaues Bekanntmachen
mit dem Gegenstande der Furcht und eine nicht zu ermüdende
Geduld und Ruhe bilden die Grundzüge. Bei alledem wird es oft
nicht gelingen, Pferden, welche vor dem Schuss scheuen, das Er-
schrecken zu nehmen, aber dahin werden sie gebracht werden kön-
nen, dass sie trotz des Erschreckens, folgsam und gehorsam bleiben
und bei fortgesetztem Schiessen, wie es bei den Manövern der Fall
ist, wie sehr sie auch täglich von neuem bei beginnendem Schiessen
erschrecken, sich doch endlich daran gewöhnen und wieder ruhig
werden. Es ist eine auffallende Erscheinung bei der Cavallerie,
dass die meisten Pferde, wenn sie auch in vernünftiger Art nach und
nach daran gewöhnt werden, zu dulden, dass von ihnen geschossen
wird, doch bei fortgesetzter Uebung statt ruhiger zu werden, end-
lich Ungeduld zeigen und nicht mehr stehen wollen, so dass beim
Beginne der Schiessübung viele Pferde sehr gut stehen, die sich
später schreckhaft und unbändig zeigen. Ich glaube dieses ledig-
lich dem zu eiligen Fortreiten nach dem abgegebenen Schusse
und dem unwillkührlichen Rucken in den Zügel der ungeübten
Reiter zuschreiben zu müssen. Im Allgemeinen bin ich nicht der
Ansicht, einen hohen Werth auf diese Uebung zu legen und der
Ueberzeugung, dass die Gewohnheit und der Grad von Müdigkeit,
den der Feldzug den Pferden geben wird, wie die vermehrte Uebung
des Reiters, diesen Uebelstand von selbst beseitigen werden, an dem
der Stallmuth gewiss einen grossen Theil der Schuld trägt.


[284]Vom Gange der Dressur.

Ein Pferd, wenn es durch die Dressur auch gelernt hat,
gehorsam zu sein und seinem Reiter zu vertrauen, wird dennoch
stets marquiren, wenn seine Sinne durch irgend etwas mächtig
oder gar überraschend getroffen werden. Lebhafte Pferde werden
schneller von äussern Eindrücken ergriffen und dies eher im Gange
zeigen, als phlegmatische. Eben so ist es ausser allem Zweifel,
dass Thiere, welche vor ihrer Dressur träumerisch daher gingen,
ohne auf irgend etwas zu reflectiren, oder doch in ihrem schwer-
fälligen Gange durch kein Vorkommniss gestört wurden, nach der
Dressur, die sie aufmerksam sein und sich mit Leichtigkeit bewegen
lehrte, nicht mehr für die Aussenwelt so gleichgültig erscheinen
als vorher, dass sie wohl stutzen, eilen oder einen Sprung seit-
wärts machen. Aber diese Theilnahme für das, was rund umher
vorgeht, scheint mir keineswegs unangenehm oder fehlerhaft, wenn
das Thier nur trotzdem sofort wieder meinem Willen folgt. Sie
erscheint mir als eine nothwendige Folge der erhöhten Intelligenz
und vermehrter Beweglichkeit. Die Erfahrung wird täglich den
Eindrücken mehr das überraschende nehmen und das Alter wird
von selbst jene angenehme Lebhaftigkeit entwickeln, die Alles
sieht und beachtet, aber auch kennt und verachtet. Leute, welche
einen kleinen Luftsprung nicht vertragen können, müssen keine
jungen Pferde reiten und sich mit Thieren begnügen, denen die
erste Frische der Jugend entfloh.


Anders aber ist die Sache, wenn die Dressur nur aufregte,
und die Lebhaftigkeit zur Reizbarkeit steigerte, ohne den Ge-
horsam und das Vertrauen als Gegenmittel dem Reiter in die
Hände zu geben. Es ist ein schlimmes Zeichen, wenn die Dres-
sur das Pferd im Stalle böse und draussen scheu und reizbar
machte, wenn ein vorher frommes Thier nunmehr die Gelegenheit
mit Freuden wahrzunehmen scheint, um auf Veranlassung einer
äusseren Erscheinung eine Ungezogenheit zu begehen und dann
dem Reiter trotzend darin verharrt. Es ist die gezähmte Bestie,
welche an der Kette zerrt und wehe dem Herrn, wenn sie bricht,
der mürrische Gehorsam wird sich in racheschnaubende Empörung
verwandeln.


Aber die Reitkunst soll keinen Sklaven erziehen, es sollen
die Dressurmittel nicht zur Kette werden, die zu sprengen das
Thier seine besten Kräfte verschwendet. Eben so wenig soll die
[285]V. Abschnitt. 3. Periode.
Dressur einschläfernd wirken und das Thier zur Maschine machen.
Was kann der Reiter denn von einem solchen Leierkasten mehr
verlangen, als dass er die Weisen spielt, welche auf der Walze
stehen. Er darf sich nicht wundern, dass die Orgel schweigt,
wenn er zu drehen aufhört und dass die ganze Harmonie sich in
Misstöne verwandelt, wenn ein Stiftchen fehlt.


Noch einmal: der Reiter habe bei der Dressur stets vor Au-
gen, sich einen Gefährten zu bilden und soll das edelste Thier
der Schöpfung weder zum Sklaven, noch zur Maschine
herabwürdigen.


[[286]]

Anhang.
Einige Bemerkungen über Wartung und Pflege der Pferde,
namentlich vom cavalleristischen Standpunkte.


Es scheinen für die Pferdepflege bei der Cavallerie
zwei
ganz verschiedene, weit von einander abweichende Gesichts-
punkte
vorzuherrschen. Der Eine ist mehr den Herren der
älteren Schule eigen, deren Ideal in der Reiterei dem Schul-
reiter
sehr nahe tritt; der Andere findet sich vorzugsweise bei
den Herren, welche durch Rennbahn und Jagdreiterei einen
mehr praktischen Standpunkt errungen zu haben glauben.


Das Bestreben der Ersteren geht dahin, den Pferden ein
möglichst günstiges und gleichmässiges Aeussere zu ge-
ben, ein Aeusseres, das Zeugniss ablegt von der Schonung, Sorg-
falt und Liebe, womit das Pferd behandelt wird, deren Resultat
ein glänzendes Haar ist, gerundete Form, künstlich verdünnte, gleich-
mässige Mähnen und Stirnschopf, verschorene Beine und Mäuler;
das Ganze gewahre den Eindruck wohlbehäbiger Gesundheit, der
Gleichmässigkeit und Eleganz. Sie wünschen die Einrichtung
der Ställe
dieser Verfassung angemessen, marstallartig, für
mindestens eine Eskadron gemeinschaftlich, mit jeder Bequemlich-
keit und so viel Luxus, als die Umstände zulassen, ausgestattet;
die Pferde in sorgfältig von einander getrennten Ständen
unter Decken
gehalten; die Fütterung lediglich auf Hervor-
bringen jener runden Form abzielend (Fettbildung

giebt ihnen keinen Anstoss), und sollte diese Form gewonnen wer-
den durch langes Stehen im Stalle und bis zum Aeussersten zu
verringernde Arbeit. Die Herren, welche diesen Gesichtspunkt
festhalten, sind der Meinung, dass es nöthig sei, den Thieren für
die grösseren Anstrengungen gleichsam ein Kapital von Kräften
zu geben, damit sie, wie ein reicher Mann, im Falle der Noth
etwas zuzusetzen haben. Durch jenen Luxus wollen sie den ge-
meinen Mann dahin bringen, sein Pferd als ein Kleinod zu betrach-
ten, das seiner regsten Aufmerksamkeit, Sorgfalt und Liebe würdig
[287]Anhang.
sei, und glauben, dass ein Thier, welches in dieser Art gepflegt
und geschont zum Marsche komme, durch den Marsch selbst,
bei richtiger und sorgfältiger Behandlung hinreichend für die
Strapatzen des Krieges vorbereitet würde
.


Die Herren vom anderen Standpunkte sagen dagegen,
wir wollen das Thier so erziehen, dass es für seine Bestim-
mung tüchtig wird
. Wir wollen es im Stalle so gewöhnen,
dass es sich mit seinen Nachbarn im Bivouak verträgt,
darum fort mit den Latirbäumen und es trete ein fortwährender
Wechsel der nebeneinanderstehenden Pferde ein. Wir wollen jeden
einzelnen Mann gewöhnen, sein Pferd selbstständig zu ver-
pflegen
, ohne dass jene Verrichtung, wie sie in den grossen
Ställen zu geschehen pflegt, der Zeit und Reihenfolge nach kom-
mandirt wird. Es stumpft die Mannschaft ab und macht
sie träge, stundenlang putzen zu müssen, wenn sie bei
reger Thätigkeit die Thiere in der Hälfte der Zeit zu
reinigen vermögen
. Man sehe lediglich darauf, dass sie rein
putzen, nicht aber wie lange sie putzen. Darum fort mit den
grossen Ställen. Die Pferde stehen gesunder und ruhiger in klei-
nen Bürgerställen, wo jeder Mann das Pferd füttert und pflegt,
welches er reitet, dasselbe mit der nöthigen Selbstständigkeit nach
seiner Eigenthümlichkeit behandeln lernt, und so ein gewisses
Eigenthumsgefühl und persönliche Anhänglichkeit an
dasselbe gewinnt, welche der Mann im grossen Stalle nie gewinnen
wird, der es mehr als ein Object für die Thätigkeit seines Strie-
gels und seiner Kartätsche ansieht. Auf dem Marsche wird jener
Cavallerist sich leicht zurecht finden, der an ewige Bevormun-
dung Gewöhnte aber tausend Verkehrtheiten, aller
theoretischen Unterweisung zum Trotz, sich zu Schul-
den kommen lassen
.


Es ist unvernünftig, dem Soldatenpferde im Stalle
Decken aufzulegen
, im Stalle, wo meist 10 bis 12 Grad
Wärme herrschen, und es dann vielleicht bei 12 Grad Kälte ohne
Decke und mit der verweichlichtsten Haut herauszubringen. Es ist
ferner aus Gesundheitsrücksichten unvernünftig, das Pferd
des schützenden Haarwuchses an Füssen, Maul und
Ohren zu berauben, unnütz, ihnen Mähne und Stirn-
schopf zu verdünnen
und zu verkürzen. Am fehlerhaftesten
aber ist es, durch Arbeitsentziehung den Futterzustand
heben zu wollen
und Fettbildung zu begünstigen, wodurch die
Pferde leistungsunfähig, zu Krankheiten disponirt werden und in
[288]Anhang.
solche verfallen, deren Heilung erschwert wird. Kraft und Athem
sind die wahren Kriterien für die Condition des Ge-
brauchspferdes, ob rund ob eckig, ob kurz- ob lang-
haarig, es gilt uns gleich, wir verlangen Leistungen
.
Tägliche anhaltende Bewegungen, im Frühjahr so weit gesteigert,
dass die ausgebildete Eskadron im Galopp, zu 500 Schritt
in der Minute, eine englische Meile zurücklegen kann,
und dann noch Athem zu einem kräftigen Choc hat, ist das vor-
gesteckte Ziel der Ausbildung
.


Die Pferde müssen ferner so gewöhnt werden, dass sie sich
mit einem Morgen- und Abendfutter begnügen, indem
weder der Marsch noch die Campagne zum Mittagsfutter Zeit lässt.


Das Füttern von Häcksel ist nicht zu dulden. Wer
kann in der Campagne die Häcksellade mit sich führen? Ohne
einen natürlichen Training, der durch Uebungs-
märsche vorbereitet, durch anhaltend starke Gänge
gegeben wird
, der die Muskeln stählt, dem Thiere den unnützen
Ballast von Fett nimmt, die Lungen übt und stärkt, ist das Ca-
valleriepferd weder zu Märschen noch zu den Fati-
guen des Feldzuges vorbereitet und ausser Stande,
dieselben zu ertragen
.


Beide, sich so scharf entgegenstehende Ansichten haben ihre
schönen Seiten, doch, wie wenig auch sonst Freund von Halb-
heiten
, muss ich mich zwischen beide Parteien stellen und glaube,
dass weder die Einen, noch die Anderen den Umstän-
den in vollem Masse Rechnung getragen haben
. Ich
erlaube mir über diejenigen Punkte, welche mir zweifelhaft
scheinen, eine nähere Betrachtung anzustellen.


Anstrengungen, bis zu einem gewissen Grade getrieben,
stählen und kräftigen den Körper. Dieser ist ferner bis zu einem
gewissen Grade gegen die Witterungseinflüsse abzuhärten;
über diesen Grad hinaus consumirt die Anstrengung den
Körper, und ruinirt ihn der Witterungseinfluss. Dieser
Grad ist aber nicht nur bei jedem einzelnen Thiere ein an-
derer
, sondern hängt ausserdem auch bei jedem einzelnen Indivi-
duum von der augenblicklichen Disposition ab. Es ist
darum äusserst schwer zu beurtheilen, wie weit man bei
beiden gehen kann, und es gehört ein sorgfältigeres Indi-
vidualisiren und demgemässes Modifiziren dazu, als
es die gemeinschaftlichen Uebungen einer Menge von
140 Pferden
, wie sie unter ein einheitliches Commando gestellt
[289]Anhang.
sind, zulassen. Deshalb ist das System der Abhärtung und
des natürlichen Trainings bei einer Eskadron schwer bis
zu der erwünschten Höhe durchzuführen, ohne dass
durch Consumtion und Krankheit ein grösserer Ab-
gang an Pferden hervorgerufen würde
. Es ist aber der
Zuwachs ein ganz bestimmter und wie wir wissen, nicht überreicher,
so dass derselbe eine vermehrte Consumtion nicht erträgt. Abge-
sehen hievon würden sich durch zweckmässige Uebungen die ver-
langten Leistungen wohl erzielen lassen und ganz vortrefflich sein,
(obschon die für den Campagne-Gebrauch eingestellten Augmenta-
tions Pferde denn doch noch immer an jenem Rennen sich schwer-
lich betheiligen könnten) wenn nicht mit den gesteigerten
Leistungen die Menge des Futters ebenfalls gesteigert
werden müsste
. Bei 9 Pf. Hafer, 5 Pf. Heu und 8 Pf. Stroh
wird man nicht wohl im Stande sein, die Pferde zu einem Galopp
von 500 Schritt in der Minute, bei einem Gewicht von circa 305
bis 350 Pf., auf eine englische Meile vorzubereiten, ohne mit dem
Fett auch das Fleisch von manchem der Thiere zu bringen, weil
der Kräfteverlust nicht durch die Futtermasse ersetzt würde, und
wir würden so, statt durch Arbeit gestählte, abgearbeitete,
heruntergerittene Pferde erhalten. Von ganzem Herzen stimme ich
für die Arbeit, aber für eine Arbeit, welche dem Futter
angemessen ist
.


Die Menge des Futters, deren ein Pferd bedarf, hängt
einmal von der Individualität des Thieres ab
. Es wird
theils die Grösse des Thieres, theils das Verhältniss der verschie-
denen Körpergebilde, z. B. der Knochenmasse zum Fleisch, theils
die Festigkeit der Textur der einzelnen Gebilde, mithin das Ge-
wicht
massgebend sein, wie viel zur Bestreitung der Ausgaben,
welche die Lebensfunktionen mit sich bringen, nothwendig wird.
Diese nöthige Netto-Einnahme ist aber nicht die Futtermasse, son-
dern sind die bereits aus dem Futter gewonnenen Säfte. Ob aus
derselben Futterquantität, aus derselben Brutto-Einnahme viel oder
wenig Säfte zur Ernährung gewonnen werden, hängt von der
Güte des Verdauungsapparats
ab, die bei den Individuen
sehr verschieden ist. Ausser dieser laufenden Ausgabe ist für die
zufällige, welche die Arbeit bringt, Ersatz nöthig. Es hängt
die Menge des Futters von der Arbeit ab
. Es bringt jede
Muskelthätigkeit eine Consumtion von Säften hervor, welche durch
Nahrungsstoff ergänzt werden muss. Dasselbe Quantum Ar-
beit
wird oft bei zwei verschiedenen Thieren, je nach Fähig-
v. Krane, Dressur d. Reitpferdes. II. Th. 19
[290]Anhang.
keit und Gewöhnung einen verschiedenen Grad von Anstrengung,
mithin eine verschiedene Consumtion der Kräfte hervor-
rufen, die wiederum ein verschiedenes Mass der Ergänzung,
mithin ungleiche Quantitäten Nahrungsstoff bedingen.


Es wird aber auch ferner das Futter ein bestimmtes
Volumen haben müssen, um den Verdauungsapparat
angemessen zu füllen und zu beschäftigen
. Man würde
sehr viel gewinnen, wenn es blos darauf ankäme, dem Pferde ein
bestimmtes Quantum von Nahrungsstoff zuzuführen und das Volu-
men desselben gleichgültig wäre, indem man dann die Belastung
des Thieres, das sein Futter selbst tragen muss, verringern könnte.
Sehr interessante grössere Versuche, welche man gemacht hat,
Cavalleriepferde mit Broden zu ernähren, die in kleinster Form den
benöthigten Nahrungsstoff enthielten, haben die Ueberzeugung gege-
ben, dass auch das Volumen von der grössten Wichtigkeit ist. Das
Resultat war ein sehr ungünstiges. Es trat eine solche Schwächung
der Verdauungswerkzeuge und in Folge deren solche Kraftlosigkeit
und Abmagerung ein, dass man von Fortführung des Experimentes
abstehen musste. Im Allgemeinen scheint der Grundsatz: „Masse
giebt Masse
“, ein richtiger. Je substanziöser das Futter, um
so fester, enger erscheinen die Texturen, und dem Raume nach um
so gedrängter die Gebilde des thierischen Körpers; je voluminöser
das Futter, um so schlaffer, weicher, dem Raume nach massiger
treten sie auf. Das zarte, feinknochige Skelett des mit Gerste ge-
nährten Arabers wiegt eben so viel, als das Riesengerippe des breit-
knochigen Niederungspferdes, das der üppige Graswuchs nährte.
Thiere, von denen wir schnelle, schwunghafte und
energische Dienste verlangen
, zu denen die Massenhaftigkeit
des Leibes ihnen hinderlich würde, werden wir deshalb vor-
herrschend mit Körnern füttern müssen
. Haben wir
aber deren nicht genug, um das nöthige Volumen zu erreichen,
so werden wir so viel an Heu und Stroh zusetzen müssen, um dies
Volumen zu erreichen. Ich würde gewiss keinen Häcksel füt-
tern
, wenn mir das Haferquantum sammt den 5 Pf. Heu für ein
Cürassierpferd, oft gemeiner Race, dem Volumen nach ausreichend,
und Langstroh in der Raufe Ersatz dafür zu gewähren schien.
Es macht aber auch der Nebenzweck, durch den Häcksel den
Hafer besser auszunützen
, jenen wünschenswerth. Gierige
Fresser, und man komme in Cavallerieställe, um sich von deren
Vorhandensein zu überzeugen, käuen den Hafer mit Häcksel länger
und schärfer. Durch das Kauen aber werden die Speichel-
[291]Anhang.
drüsen gedrückt und zur Absonderung des Speichels ge-
reizt, der zur Verdauung höchst wichtig ist. Hafer wird mithin
mit Häcksel besser verdaut. Das Pferd aber frisst den Hafer lieber
ohne — als mit demselben. Die Gewöhnung an blossen
Hafer
auf dem Marsche wird mithin für das Fressen des
Thieres
, wenn es den Häcksel entbehren muss, kein Hinder-
niss sein
. Ich ernähre dadurch das Thier besser, so lange ich
es kann. Hab’ ich keinen, geb’ ich keinen. Es kommen im Felde
Tage, wo ich keinen Hafer habe, soll ich deshalb mein Thier auch
im Frieden bisweilen hungern lassen?


Wichtig ist indess, dass man das Thier bei Arbeit
im Futterstand zu heben sucht
, wegen der verschiedenen
Art der Säfteverwandelung, welche durch Arbeit oder Ruhe hervor-
gerufen wird. Arbeit setzt die Muskeln in Thätigkeit. Der Nah-
rungsstoff, in Säfte verwandelt, wird den dort hervorgerufenen Sub-
stanzverlust nicht nur decken, sondern die Dichtigkeit und Massen-
haftigkeit der Muskeln vermehren, sie hart und schwellend machen.
Dagegen wird die Säftemasse bei Ruhe und Unthätigkeit der Mus-
keln nicht dorthin geleitet werden, sondern sich zu Fettbildungen
gestalten, welche nicht nur die Muskeln durchziehen und umlagern,
sondern auch die Lungen und die inneren Organe überwuchern und
ihre freie Bewegung hemmen. Die Fettbildung steht der Mus-
kelausbildung
wiederum wie „Sein“ und „Schein“ entgegen.
Sie wird auch wohl die Masse mehren, doch ist diese Masse nicht
ein Zeichen der Kraft, sondern nur eine neue Last für die schlaffe
Muskel, welche unfähiger zur Arbeit macht und dem athemlosen,
schweisstriefenden Pferde bald Ermüdung und Krankheit bringt.
Jene Herren, die runde Formen fordern, woher sie auch immer
kommen mögen und meinen, ein Kapital von Kraft zu haben, wäh-
rend sie ein Kapital von Fett haben, werden das Fett mit sammt
manchen Pferden unterwegs lassen, ehe sie an den Feind kommen.
Bei jungen Pferden ist nicht genug dahin zu streben, dass sie
durch Bewegung ihre Muskeln stärken. Es muss indess reich-
liches Futter nicht nur den Verlust der Säfte
in den
beiden gedachten Richtungen decken, sondern es muss genug
übrig bleiben, um zur weiteren Ausbildung des wach-
senden Körpers verwendet zu werden
. Eben so ist beim
Anreiten und Dressiren in Anschlag zu bringen, dass dem ungeübten
Thiere jeder Tritt etwas Neues, Ungewohntes und Schweres ist,
und deshalb eine ganz besondere Consumtion der Kräfte mit sich
bringt. Meines Dafürhaltens sollte man einem 4—5jährigen, mit-
19*
[292]Anhang.
telgrossen, in die Dressur genommenen Pferde nicht unter 12 Pf.
Hafer und 8 Pf. Heu reichen. Erhält man ein Thier von der
Weide
mit einem dicken Grasbauch, so entziehe man ihm die
grosse Futterquantität
, woran seine Eingeweide gewöhnt
sind, nicht plötzlich, und lege ihm erst allmälig an Körner-
futter zu, was man ihm an Rauhfutter nimmt. Bei den Remonten
wird bei ihrem Transport zu den Regimentern von dem üblichen
Rationssatz abgewichen und ihnen ein grösseres Heuquantum gege-
ben. Aehnlich würde man vielleicht zweckmässig bei Land-
wehr-Cavalleriepferden
, und bei den vom Lande gestellten
Mobilmachungspferden verfahren. Diese an grosse, bäuerische
Futtermassen gewöhnten Thiere kommen bei dem geringen Volumen
sichtbar herunter und Anfangs zu einem Schwächezustand, der sie,
bei der gänzlich veränderten Lebensweise, gewiss zur Druse etc.
besonders empfänglich macht. So lange indess das Rauhfutter vor-
herrscht, vermeide man anhaltend-schnelle Bewegungen.


Will man das bereits gerittene Pferd zu andauernd
raschen Bewegungen vorbereiten, es in Athem setzen
,
so würde ich niemals für das Campagnepferd zur Anwendung künst-
licher Hülfsmittel, wie Abschwitzen unter einer Menge von Decken,
Purgiren durch Aloëpillen etc. anrathen. Diese Mittel bringen theils
eine Verweichlichung der Haut hervor, welche mehr zur Erkältung
disponirt, wie es der Gebrauch des Soldatenpferdes erlaubt, theils
möchte ich ihnen die nervöse Reizbarkeit zuschreiben, welche jene
Pferde so häufig zeigen. Anhaltende Bewegung bei reichlichem Futter
bringt einen natürlichen Training hervor, welcher für militärische
Zwecke völlig ausreicht. Die Geduld, womit der Engländer stun-
denlang sein Pferd erst im Schritt, dann im Schritt und kurzem
Trab übt, ehe er zum Galopp übergeht und diesen sofort wieder
abbricht, sobald die sorgfältige Beobachtung im Stall zeigt, dass
sich die Fresslust verringert, und zur niedern Periode zurückkehrt;
die Vorsicht, mit der er die Galoppübung steigert; die Sorgfalt in
Wahl des Weges und der Stunde: sie müssen zum nachahmungs-
würdigen Beispiele dienen, und weichen so unendlich von der un-
klugen Art vieler jüngerer Herren ab, die glauben, ihr Pferd in
Athem zu bringen, während sie es von Kräften bringen, glauben es
an die Hand zu reiten, während sie es auf den Kopf reiten und es
für Leistungen vorzubereiten, während sie ihm die Kraft und Hal-
tung dazu mit Gewalt nehmen. Wenn diese Herren sich nach ihren
Ritten in den Stall begeben und ihre Pferde beobachten möchten,
so würden sie sich eher überzeugen, dass ihr Verfahren ein unrich-
[293]Anhang.
tiges ist. Wir holen uns fast alle zu wenig Schlüsse für
unsere Dressur aus dem Stalle
.


Bei den Eskadronen wird ebenfalls eine gewisse Steigerung in
Dauer und Schnelligkeit der Evolutionen bei ihrer Ausbildung
nothwendig, und die richtige Steigerung bis zu dem Herbst-
manöver hin wird meist den Grund für das bessere oder schlechtere
Ertragen der Fatiguen des Sommerhalbjahrs und für das „in den
Winter kommen
“ abgeben. Mehr wie gegen diese Steigerung
wird meines Ermessens gegen das allmälige Fallen der Thätigkeit
zum Winter hin gefehlt. Man will die mager gewordenen gar zu
bald wieder heraufbringen und ist zu eilig damit. Man beschränkt
die Bewegung der Thiere, die beim Manöver wohl 8 Stunden täg-
lich unter dem gepackten Sattel waren, plötzlich auf eine Stunde
Spaziergang an der Hand und legt dadurch gewiss den Keim zu
manchen Krankheiten. Die Natur erträgt keine Sprünge, weder
aufwärts noch abwärts.


Es ist für die Fütterung noch endlich die Zeitbestim-
mung
wichtig. Vor Allem hat man sich zu hüten, sie so zu legen,
dass der Verdauungsprozess durch Arbeit unterbrochen wird. Man
war in früheren Zeiten der Meinung, dass eine mässige Bewegung
diesen Prozess befördere, und glaubte der alten sprüchwörtlichen
Tradition mehr wie der Natur, wie sehr sie auch nach dem Mahle
zur Ruhe mahnt, und wie deutlich das Verdauungsfrösteln auch zeigt,
dass die Natur das Blut aus der Oberfläche in die Tiefe führt, wo-
gegen die Bewegung es nach der entgegengesetzten Richtung zwingt.
Man hat indess in neuerer Zeit, um den klassischen Stehern und
Gehern ihren Irrthum klar zu machen, bei Thieren, welche man
nach dem Futtern theils ruhen liess, theils in eine gelinde, theils in
eine heftige Bewegung setzte und dann tödtete, die Verdauung in
ihren verschiedenen Stadien beobachtet, und ist dadurch zu dem
sicheren Resultate gekommen, dass die gänzliche Ruhe die
Verdauung am meisten befördere
, heftige Bewegung sie
aber wesentlich störe. Vor 1½—2 Stunden nach der ein-
genommenen Mahlzeit soll man das Pferd nicht reiten,
am wenigsten aber heftig anstrengen oder dressiren
.
Hieraus ergiebt sich auch der Nachtheil des zu frühen Aus-
rückens der Cavallerie
aus den Nachtquartieren. Es ist all-
gemein anerkannt, wie nachtheilig es ist, die nächtliche Ruhe der
Pferde zu stören, die einzige Zeit, wo sie nicht vom Ungeziefer
zu leiden haben, weshalb auch erfahrungsgemäss die drückendste
Hitze für den Marsch am Tage den Nachtmärschen vorzuziehen ist.
[294]Anhang.
Beginnt man Morgens 4 Uhr zu füttern, so würde man nicht vor
6 ½—7 Uhr ausrücken dürfen.


Ob 2mal oder 3mal den Tag füttern, ist eine Frage,
worüber gleichfalls viel debattirt worden ist
. Menschen
und Thiere sind in Befriedigung ihrer Bedürfnisse äusserst von der
Gewohnheit abhängig. Naht die gewohnte Zeit, so stellt sich
Bedürfniss nach Speise, Trank, Schlaf etc. völlig unwillkührlich ein.
Wie sehr dies auch bei den Pferden der Fall ist, zeigt uns die
Beobachtung derselben namentlich in grossen Ställen sehr deutlich.
Eine Viertelstunde vor dem Abfüttern, ehe seitens eines Menschen
die geringsten Vorbereitungen dazu getroffen werden, wird es im
Stalle lebendig, die Ketten klirren, die Hufe scharren, die Pferde
wenden sich mit aufgeregt leuchtendem Auge nach der Seite hin,
von welcher der Futtermeister einzutreten pflegt, und die Ungeduld
steigert sich von Moment zu Moment, bis die gefüllte Schwinge
erscheint. Es ist mithin gewiss, dass die Thiere hungern, wenn die
gewohnte Stunde schlägt. Weder beim Manöver aber, noch im
Felde wird man die Mittagsfutterstunde einhalten können, und man
legt den Thieren nicht nur eine ungewohnte Entbehrung auf, son-
dern ist dann gezwungen, das Mittags- und Abendfutter so bald
auf einander folgen zu lassen, dass Magen und Eingeweide, unge-
wohnt so grosse Massen aufzunehmen, unnatürlich überfüllt sein
werden. Es würde deshalb zweckmässig sein, das Mit-
tagsfutter schon im Frieden wegfallen zu lassen und
die Thiere an nur 2 Mahlzeiten zu gewöhnen
; zu Mittag
aber nur etwa Heu und im Sommer Wasser zu geben. Man hat
eine schlechtere Verdauung gegen dies Verfahren angeführt. Ein
hochgestellter Offizier hat, um sich mit Bestimmtheit von der Un-
schädlichkeit des Verfahrens zu überzeugen, seine eigenen Pferde
jahrelang nach dieser Methode füttern und ihnen nur die leichte
Ration ohne allen Zuschuss verabreichen lassen. Das Resultat war
vortrefflich und zeigten sich durchaus keine Nachtheile.


Das Tränken hat in so fern einen Gegenstand der Uneinig-
keit abgegeben, als die Einen tränken wollen mit frischem, har-
tem Wasser
, wie es aus der Pumpe kommt, die Andern dasselbe
aber verschlagen verabreichen wollen. Ich bin für die letztere
Art. Gehen wir auf den Naturzustand zurück, so sehen wir die
Thiere in der Wildniss das Wasser der Bäche und See’s saufen,
welchem das Verschlagene gewiss näher kommt. Es scheint eine
so grosse Masse von Wasser, wie sie das Thier einnimmt, bei der
Kälte frischen Brunnenwassers zu lange einer Erwärmung zu wider-
[295]Anhang.
stehen, als dass sie auf die Verdauung nicht nachtheilig einwirken
sollte. Ein zu oftmaliges Tränken würde ein schädliches Ver-
wöhnen und das Thier gewiss von Durst geplagt sein, wenn die
gewohnte Zeit übergangen werden müsste. Stehen die Gefässe zur
Aufbewahrung des Wassers im Stalle selbst, so würden sie sorg-
fältig zu bedecken sein, indem die Ausdünstungen im Stalle, na-
mentlich der Amoniak, sonst auf der freien Wasserfläche nieder-
schlagen und den Thieren schädlich werden. Eben so ist die grösste
Reinlichkeit und häufiges Ablassen des Wassers bis auf den Grund,
um dorthin gelangen zu können, dringend anzuempfehlen.


Dauernd Sauerstoffe etc. im Getränke zu geben, ist nicht
rathsam. Es sind Reizmittel, welche zwar Anfangs wohlthätig wir-
ken, dann aber zur Gewohnheit werden. Es folgt, wie bei jedem
dauernden Gebrauch von Reizmitteln eine Schlaffheit, welche immer
stärkerer Reizmittel bedarf und allmälig den Ruin der Organe
herbeiführt.


Man ist fast allgemein darüber einig geworden, dass es gut ist,
die Thiere auch den Tag über möglichst auf Streu
stehen zu lassen
. In Privatställen, wo man es mit der Stroh-
consumtion nicht so genau nimmt, wird man für die nöthige Trok-
kenhaltung derselben leicht dadurch sorgen können, dass man eine
doppelte Garnitur hat, wovon die eine unter den Pferden liegt,
während die andere trocknet. Dennoch aber sieht man noch oft
Pferde auf glattem Bohlenbeschusse, worauf die Pferde leicht aus-
gleiten und lahm werden, oder auf kalten Steinen stehen. Lächer-
lich scheint das Verfahren mancher, die mit Strenge darauf halten,
dass ihren Pferden nach dem Reiten die Beine auf das Sorgfältigste
frottirt und dann mit Flanellbinden umwickelt werden, um sie, wie
recht, vor Erkältung zu schützen, welche sie aber nichtsdestowe-
niger auf den kalten Steinen stehen lassen, die vielmehr durch Mit-
theilung der Kälte die Stockung der Säfte, welche durch den Gang
in den Extremen mit erhöhter Thätigkeit cirkuliren, bewirken, wie
die äussere Luft. In den Cavallerieställen reichen die Strohrationen
nicht zu einer doppelten Streu hin, und ist das Verfahren, um den
Thieren ein angemessenes Lager zu sichern, sehr verschieden. In
einigen Ställen wird die Streu des Morgens früh fortgeräumt, auf
geeigneten Plätzen resp. in Streuschuppen ausgebreitet und getrock-
net, und dient nur des Nachts zum Lager. Den Pferden wird dies
für die Zeit des guten Wetters allerdings trocken und weich her-
gestellt, sie entbehren aber im Laufe des Tages des Lagers, ferner
des schlechten Wärmeleiters, der ihnen die Hufe und Beine, nament-
[296]Anhang.
lich nach starken Bewegungen, vor dem erkältenden Fussboden wie
ein Teppich schützt, und es fehlt ihnen der Zeitvertreib, den sie im
Aufsuchen und Beknabbern der süssen Strohknoten finden. Es ist,
meines Erachtens, auch kein kleiner Vortheil der Streu, dass sie
die schräge Fläche, worauf die Thiere meist zu stehen verdammt
sind und auf der sie keine Ruhe finden können bei naturgemässer
Stellung ihrer Beine, in eine horizontale verwandelt. Ob die klu-
gen Thiere vielleicht auch deshalb die Streu so gern nach hinten
kratzen? Viel schlimmer aber gestaltet es sich mit der Streu in
der Regenzeit, oder gar im Winter bei Frost. In jener Zeit trocknet
sie nicht, wandert massenweise zur Düngergrube, und selbst das
nächtliche Lager wird dürftig, hart und nass. Der Frost trocknet
gar nicht, die Feuchtigkeit friert an das Stroh an. Beine und Un-
terleib werden durch die gefrorene, kalte Streu erkältet und es er-
zeugen sich alle Arten der Erkältungskrankheiten, Druse, Rheu-
matismus, Kolik, Mauke etc. und die Hufe werden brockelig und
spröde. Hat endlich die animalische Wärme die an den Halm ge-
frorene Feuchtigkeit aufgethaut, so ist das Lager wiederum nass,
die Luft aber wird mit der Ausdünstung verpestet. Andere werfen
die Streu nur bei gutem Wetter heraus, bei schlechtem thürmen
sie dieselbe den Tag über in einzelne Haufen in der Stallgasse auf.
Hiedurch geht ein Verdünstungsprozess des Harns vor sich, der die
Luft mit Amoniakdünsten schwängert und Jedem, der von aussen
hereintritt, schmerzlich auf Augen und Lunge fällt, und die Wahr-
heit des Sprüchwortes anschaulich macht: „Wenn man im D ....
rührt“ u. s. w. Mir scheint die bäuerische Behandlung der Streu
am zweckmässigsten. Man vermeide jedes Rühren sorgfältigst, lasse
sie Tag und Nacht liegen, sorge dafür, dass die Stallwachten den
Mist wegnehmen, ehe ihn die Thiere in das Stroh treten und streue
seine 5 Pf. täglich oben auf. Es wird sich so eine Schicht bilden,
dick genug, um ein weiches, elastisches Lager zu geben; der Harn
wird in die Unterschicht dringen, ohne dass die Nässe bis oben
durchschlägt; der Amoniak und die Dünste bleiben dort gebunden
und gebannt; die Thiere stehen horizontal, gleiten nicht und die
Kälte des Fussbodens ist von den Beinen abgehalten. Man mache
den Versuch und man wird finden, dass die Luft reiner bleibt, wie
bei anderem Verfahren. Um die Ueberhäufung zu vermeiden, lasse
ich in einem Stalle von 140 Pferden alle Tage 10 Stände misten.
Wenn die Thiere so im Stalle stehen, wie sie in den Abtheilungen
gehen, so kann auch im Winter die Störung nur gering sein, wenn
während der Zeit, in welcher die Pferde in der Bahn sind, dies
[297]Anhang.
Geschäft bei geöffneten Fenstern vorgenommen wird Der hiedurch
entstehende üble Geruch ist sehr bald beseitigt und erscheint mir
als eine geringe Belästigung im Verhältniss zu den Vortheilen.


Das Auflegen von Decken im Stall, mit Ausnahme
des Zudeckens nach dem Reiten, ist für Cavalleriepferde eine Ver-
weichlichung und würde streng zu wehren sein.


Eben so sollte das Verscheeren der Mäuler und
Beine
nicht gelitten werden. Die Haare am Maul sind die Fühl-
hörner des Pferdes bei Nacht; der Behang der Beine der natürliche
Schutz der Thiere vor Erkältung. Diese Beeinträchtigungen sind,
wie die allerdings gleichgültigeren Verdünnungen und Verkürzungen
von Schopf und Mähnen, und wie die Erzielung eines kurzen Deck-
haars, die nur zur Krankheit führen kann, unnütze Vorspiegelungen
des Racetypus, den das Thier nicht hat und welchen zu erheucheln
beim Gebrauchspferde, wo die Rücksichten auf Handel wegfallen,
am unrechten Orte sind. Ich finde aber auch, dass weder das Ge-
fühl für sorgfältige Pflege, noch für das Schöne darunter leidet.
Trägt das Thier den Stempel der Gesundheit beim langen, doch
glänzenden Haar, ist die lange, dicke Mähne rein und geordnet,
der Beinbehang trocken und sauber, so scheint mir, dass keine Idee
der Vernachlässigung durch sie hervorgerufen wird, wenn sie nicht
in der Mode-Idee liegt, die ja auch zur Zeit den vollen Bart des
Mannes eine honette Schweinerei nannte. Vom malerischen Stand-
punkte scheint mir ein Thier, das durch Form, Gang und Bewe-
gung die gemeine Abkunft verräth, mit jener üppigen Haarfülle
seiner Race viel harmonischer in seiner Erscheinung, als wenn es
verschoren und verputzt ist, und dennoch wieder das dicke Haar
der Mähne aufbäumend und vorstachelnd, mit zierlich verschnitte-
nem Schwanz daher tölpelt, wie ein Bauer, der mit Manschetten
und Glaçéehandschuhen im Frack den Gentlemen spielt. Aber unser
verbildetes Bestreben nach Gleichmachen in der Form, wo kein
Gleichsein im Wesen ist (welches nebst Nachtheilen höherer Art,
die Harmonie und Originalität des Einzelwesens stört und unbe-
friedigende Eintönigkeit statt Harmonie erzeugt, und so das Male-
rische so gewaltig untergräbt), hat unser Auge so verwöhnt, dass
wir nicht davon abzulassen vermögen, und dem Bauer unmöglich
erlauben können, in seinem Kittel zu erscheinen.


Dann aber ist endlich die übertriebene Vorstellung von den
Vorzügen, die wir den hochedlen Racen einzuräumen uns gewöhnt
haben, viel Schuld daran, dass wir uns gleichsam schämen, nicht
lauter Vollblutpferde in unseren Gliedern zu haben. Schnelligkeit
[298]Anhang.
und Energie sind höchst anerkennenswerthe Eigenschaften, aber
Genügsamkeit, ein dickes Fell, gute Nerven
und ein
gesunder Magen sind gleichfalls Dinge, die zwar nicht
Mode, aber wohl zu beachten sind
. Unsere deutschen Halb-
schläge haben sich in den Feldzügen wohl bewährt. Den vielge-
priesenen englischen Pferden soll häufig die zähe Ausdauer geman-
gelt haben, was zum Theil vielleicht in ihrer Erziehung liegt. Die
Gleichmässigkeit des Pferdeschlags scheint indess
für eine Truppe von grosser Wichtigkeit
.


Was die Einrichtung der Ställe anbetrifft, so sind wohl
alle Pferdefreunde darüber einig, dass dem Thiere das freie Herum-
gehen im Box am gesundesten und besten ist, und beklagt man gewiss
mit mir, dass diese so wesentlich zur Conservirung der Thiere beitra-
gende Methode nur so wenigen bevorzugten Individuen werden kann,
und ihre Brüder noch immer wie Sklaven angefesselt stehen müssen.


Die Frage, ob grosse, ob kleine Ställe für die Caval-
lerie
, würde ich unbedingt zu Gunsten der kleinen beantworten,
wiewohl die Aufsicht durch die grossen sehr erleichtert wird, und
in solchen Armeen, wo die Ausbildung rasch betrieben werden muss,
für dieselbe grosse Vortheile hat. Das Gewöhnen der Thiere an
fremde Nachbarn durch Entfernung von Lattirbäumen und Um-
ziehen, scheint mir unnütz. Die in Folge guter Behandlung from-
men Pferde werden sich, namentlich nach Anstrengungen, ohne dies
vertragen, wie es die Friedensbivouaks zeigen, obschon die Lange-
weile und der Stallmuth in der Garnison, trotz den Lattirbäumen
und Stallwachen, doch bisweilen Unfrieden unter den Nachbarn und
Verletzungen hervorbringt. Vieles Umziehen scheint aber nicht
rathsam, indem ansteckende Krankheiten, die im Körper liegen und
bereits ansteckungsfähig sein können, ehe irgend ein Symptom sie
dem aufmerksamsten Beobachter verräth, dadurch eine unheilbrin-
gende Verbreitung finden dürften. Es wäre auch wirklich hart, das
meist so gemüthliche, kammeradschaftliche Verhältniss, das die Nach-
barn im Stalle mit einander verbindet und sich durch kleine Liebes-
dienste zeigt, ohne Noth zu stören und sie immer wieder auseinan-
der zu reissen, ehe sie sich einmal ordentlich kennen gelernt haben.

Appendix A

Münster, Coppenrath’sche Buchdruckerei.


[][][]
Notes
*
Die in den Text eingedruckten Zeichnungen sollen die fehlerhaften Stellungen
veranschaulichen, ohne auf mathematische Genauigkeit Anspruch zu machen. Die
fehlerhaften Winkel sind mit der Zahl der Grade, welche sie in der Zeichnung
haben sollen, verschen.
*)
Bezeichnung der hölzernen, etwa 3 Fuss hohen Thore, wodurch die Wege
in Westfalen und Niedersachsen, wo sie durch die mit Wallhecken umschlossenen
Felder (Kämpe) führen, versperrt sind.

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CC-BY-4.0
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TextGrid Repository (2025). Krane, Friedrich von. Die Dressur des Reitpferdes (Campagne- und Gebrauchs-Pferdes). Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bpxv.0