der Erde
in
den alleraͤlteſten Zeiten.
in der Luͤderwaldiſchen Buchhandlung.
1746.
[][]
Sr. Magnificenz,
dem
Wohlgebohrnen und Hochge-
lahrten Herrn,
HERRN
Andreas Elias
Buͤchnern,
Des H. R. Reichs Edlen/ Sr. Koͤnigl.
Majeſt. in Preuſſen Geheimden Rath, ordent-
lichen Lehrer der Arzeneykunſt und Naturlehre
auf der Friedrichsuniverſitaͤt, und derſelbigen
zeitigen Prorectori, wie auch Praͤſiden-
ten von der Kaͤyſerlichen Academie
der Naturforſcher,
Meinem Hochzuehrenden
Herrn und Goͤnner.
[][]
Wohlgebohrner und Hochgelahr-
ter Herr Geheimder Rath,
Jch brauche auf keine weitlaͤuftige
Entſchuldigungen zu ſinnen, war-
um ich mir die Freyheit genom-
men habe/ Jhnen die gegenwaͤrtige
Schrift zuzuſchreiben. Dieſes iſt nur
alsdenn noͤthig, wenn man nicht ver-
ſichert iſt, daß eine ſolche Zuſchrift
wohl werde aufgenommen werden, oder
wenn ſie gar nicht von der Art iſt, daß
ſie ſich vor denjenigen ſchicket, dem
man ſie gewidmet hat. Alles beydes
habe ich nicht zu befuͤrchten. Ew.
Magnificenz ſind viel zu guͤtig, als
daß Sie uͤber meine begangene Frey-
heit ungehalten ſeyn ſollten. Denn
die Leutſeligkeit, Guͤtigkeit und freund-
ſchaftliches Bezeugen ſind Eigenſchaf-
ten, welche Jhnen angebohren zu
)( 2ſeyn
[] ſeyn ſcheinen, und daß Sie ein Ken-
ner von Schriften dieſer Art ſind, iſt
eine der ganzen gelehrten Welt be-
kannte Sache, welche ich nicht zu er-
weiſen noͤthig habe. Mit einem Worte,
Ew. Magnificenz ziehen alle Her-
zen dererjenigen an ſich, welche Ver-
ſtand und Tugend hochſchaͤtzen. Wol-
len Sie ſich alſo verwundern, daß
ich Jhnen das meinige hiermit uͤber-
liefere, und Sie zugleich verſichere,
daß ich mit der lebhafteſten Empfin-
dung wahrer Hochachtung und Erge-
benheit erſterben werde,
Magnifice,
Wohlgebohrner und Hochge-
lahrter Herr Geheimde
Rath,
Ew. Magnificenz
Halle,
den 9ten April
1746.
gehorſamſt verbundenſter
Kruger.
[]
Vorrede.
Man wird ſich ſehr irren, wenn man
ſich einbildet, daß mein Vorſatz ſey,
meine Leſer mit ſehr alten Fabeln
und einer Menge ſeltſamen Ausle-
gungen der Gelehrten zu ergoͤtzen.
Da ich mir aber vorgeſetzt habe, die Geſchichte
der Erde zu beſchreiben, ſo werde ich dennoch wi-
der meinen Willen dieſes thun muͤſſen. Jndeſſen
habe ich es doch nicht mit der Geſchichte der Men-
ſchen; ſondern vielmehr mit der Geſchichte unſrer
Erde zu thun. Und dieſes uͤberhebet mich der Be-
muͤhung noch tauſend andre Thorheiten anzufuͤhren,
deren ich nothwendig haͤtte Erwaͤhnung thun muͤſſen,
wenn ich die Geſchichte der Menſchen in den aͤlteſten
Zeiten abzuhandeln willens geweſen waͤre. Jch bin
weder ſo ungerecht noch auch in den ſinnreichen Aus-
fluͤchten der Wahrheit und Gerechtigkeit zu entfliehen,
ſo geuͤbt, daß ich mir es unternehmen ſolte eine Ge-
ſchichte ohne Documente zu ſchreiben. Jch halte dieſe
A 2Gewohn-
[]Vorrede.
Gewohnheit vielmehr fuͤr deſto billiger, ie gewiſſer es
iſt, daß ohne dieſelbe ein ieder die Freyheit haben
wuͤrde die Welt mit Luͤgen und Fabeln zu uͤberhaͤuf-
fen. Sie iſt ſchon dergeſtalt damit erfuͤllt, daß der-
gleichen Unternehmen nichts anders waͤre, als Waſ-
ſer in den Brunnen tragen. So treuherzig bin ich,
daß ich mir ſelbſt ein Geſetz vorſchreibe, ohne welches
es mir viel leichter geworden ſeyn wuͤrde, dieſe Blaͤt-
ter zu verfertigen; und was noch mehr iſt, ſo wuͤrde
ich nicht der erſte geweſen ſeyn, der dieſes gethan haͤtte.
Denn man wird aus den folgenden ſehen, daß es zu
allen Zeiten und unter allen Nationen Leute gegeben,
welche das Herz gehabt haben, uns die Begebenhei-
ten, die mit dem Erdboden vorgegangen ſind, ehe
er von Menſchen bewohnt worden iſt, zu erzehlen,
ohne einen andern Grund darzu gehabt zu haben, als
den, daß es ihnen beliebt haͤtte, ſich die Sache ſo vor-
zuſtellen. Jch werde alſo nothwendig Beweisthuͤ-
mer anfuͤhren muͤſſen, aus welchen ich die Warheit
meiner Saͤtze behaupten kan. Jch muß nach der Art
aller glaubwuͤrdigen Hiſtorienſchreiber meine Docu-
mente beybringen. Aber was werden es vor welche
ſeyn? Die Beweisthuͤmer von den Geſchichten der
Menſchen in den aͤlteſten Zeiten treffen wir ſo wol in
der heiligen Schrift, als in den Ueberbleibſeln der
heidniſchen Geſchichtſchreiber und Poeten an. Allein
wie haben uns Menſchen die Geſchichte der Erde be-
ſchreiben koͤnnen, ehe Menſchen geworden ſind? Es
ſcheint bey ſogeſtalten Sachen ein gefaͤhrliches Unter-
ternehmen zu ſeyn, eine glaubwuͤrdige Geſchichte der
Erde
[]Vorrede.
Erde in den aͤlteſten Zeiten zu ſchreiben, ob ſchon
nichts leichter iſt als dieſes zu thun, wenn man zu der
Glaubwuͤrdigkeit weiter nichts als den Nahmen des
Verfaſſers erfordert. Jch weiß es gar zu wol, daß
es bey mir nicht angehe durch meinen Nahmen die
Leſer zu uͤberzeugen, und wenn es angienge, ſo wuͤr-
de ich zu beſcheiden ſeyn, als daß ich mich dieſer
Erlaubnis bedienen ſolte: ſondern ich fuͤhre dieſes blos
darum an, damit man ſiehet, wie ſchwer die Mate-
rie ſey, welche ich abzuhandeln gedenke. Denn kan
man kaum durch die groͤſte Muͤhe etwas von demie-
nigen errathen, was ſich ſeit dem die Erde von Men-
ſchen bewohnt iſt, zugetragen hat, wie viel ſchwerer
wird es nicht ſeyn, die Begebenheiten auszumachen,
welche noch vor den Urſprunge der Menſchen vorge-
gangen ſind. Wird man mir es alſo wol zutrauen,
daß ich Documente habe, dadurch ich die Warheit
derer Begebenheiten, die ich erzehlen werde, erhaͤr-
ten kan? Jndeſſen iſt es gewiß, daß es dergleichen
giebt, ob ſie ſchon von einer gantz andern Art ſind,
als dieienigen, deren man ſich zum Beweiſe der menſch-
lichen Geſchichte bedienet. Denn iene ſind auf Me-
tall, Stein, Holz, Blaͤtter und Papier mit Men-
ſchen Haͤnden gezeichnet, die meinigen aber hat die
Natur mit unausloͤſchlichen Buchſtaben in das in-
nerſte der Erde gegraben. Dieſes ſind Buchſtaben
welche leſerlich genung ſind, daraus aber keine Woͤr-
ter zuſammen geſetzt werden koͤnnen, auſſer von denen,
welche bey der Natur ſelbſt in die Schule gegangen
ſind und ihre Sprache erlernet haben. Jch bin ſehr
A 3lange
[]Vorrede.
lange ihr Schuͤler geweſen, und ich muͤſte in War-
heit ſehr einfaͤltig ſeyn, wenn ich in dieſer Zeit nicht
einige Buchſtaben haͤtte ſollen kennen lernen. Da-
her hat mich meine Lehrbegierde angetrieben, in die-
ſen Blaͤttern einen Verſuch zu thun, ob ich nun bald
buchſtabiren koͤnte. Jch kan mir freylich leicht vor-
ſtellen, daß ich nach Art der Kinder manche Sylbe
werde unrecht ausgeſprochen haben: ich habe aber zu
meinen Mitſchuͤlern das gute Vertrauen, daß dieie-
nigen, welche das Buch der Natur ohne Anſtoß le-
ſen, ſo guͤtig ſeyn und mir zu rechthelfen werden.
Man kan ia nicht wiſſen, wo man einander wieder
dienen kan. Sie werden vermuthlich mit der Zeit
alt, und verlernen endlich das Buchſtabiren, oder,
wenn dieſes nicht iſt; ſo werden ſie doch uͤber den vie-
len neuen Schriften der Natur dergeſtalt ermuͤdet wer-
den, daß es ihnen nothwendig angenehm ſeyn muß,
wenn man ihnen etwas davon erzehlet. Dieſes iſt
alſo meine ganze Entſchuldigung der Jrthuͤmer, ſo ich
in der gegenwaͤrtigen Schrift etwan begangen haben
moͤchte. Es iſt in dergleichen Materien nichts na-
tuͤrlicher, zugleich aber auch nichts gewoͤhnlicher als
zu fehlen. Wird man mir es alſo wol verdenken
koͤnnen, wenn ich es gethan habe?
[7]
§. 1.
Am Anfang ſchuf GOtt Himmel und Erden. Die-
ſes ſind die Worte Moſis, darinnen er uns den Ur-
ſprung des Weltgebaͤudes zeiget, und ich glaube nicht,
daß einer meiner Leſer etwas dawider werde einzuwenden
haben. Jndeſſen hat es doch Leute gegeben, die den Ur-
ſprung der Welt entweder ganz und gar oder doch die Er-
ſchaffung derſelben in der Zeit geleugnet haben, ich will das
noͤthigſte davon aus der algemeinen Welthiſtorie anfuͤhren,
welches unvergleichliche Buch uns der weltberuͤmte Gottes-
gelehrte, Herr D. Baumgarten in unſerer Mutterſprache
zu leſen verſchaft, und daſſelbe durch ſeine gelehrten An-
merkungen noch viel ſchaͤtzbarer gemacht hat. Jch hoffe, man
wird mir dieſes nicht verdenken, weil es unmoͤglich iſt,
hiſtoriſche Sachen nach Art der mathematiſchen Beweiſe
aus ſeinem eigenen Gehirne hervorzubringen.
§. 2.
Ocellus Lucanus, welcher die Lehren des Pytha-
goras vertheidigte, behauptete die Ewigkeit und Noth-
wendigkeit der Welt; und zwar aus der ſeltſamſten Urſache
die man nur haͤtte erdenken koͤnnen, weil nemlich die Welt
eine runde Figur und circulfoͤrmige Bewegung haͤtte. Eine
Sache, welche ſich nicht nur nicht beweiſen laͤßt, ſondern
die auch ſo beſchaffen iſt, daß man einen griechiſchen Kopf
haben muͤſte, wenn man daraus behaupten wolte, daß
die Welt ewig und nothwendig ſey. Plato nennt die
Welt einen ewigen Abdruck einer ewigen Vorſtellung in
dem Weſen GOttes. Kann er alſo wol geglaubt haben,
daß ſie erſchaffen worden ſey? Proclus, Strato von
Lampſacus und Origenes ſollen gleiche atheiſtiſche Mei-
nungen gehabt haben, wohin auch Almaricus gehoͤret, der
A 4das
[8]Geſchichte der Erde
das Ungluͤck gehabt, daß man ſeine Knochen im Anfange
des dreyzehnden Jahrhunderts auszugraben und zu ver-
brennen fuͤr noͤthig befunden. Xenophanes, der Stif-
ter der eleatiſchen Secte, ſoll gleichfals die Ewigkeit
und Nothwendigkeit der Welt behauptet haben. Was er
vor ein witziger Kopf geweſen ſeyn muͤſſe, erhellet daraus
daß er der Meinung war, die Erde beſtuͤnde aus Luft und
Feuer, und alle Dinge haͤtten aus der Erde, die Sonne
und Sterne aber aus den Wolken ihren Urſprung genom-
men. Er ſcheint alſo eben ſo ſubtil gedacht zu haben, als
diejenigen Chimiſten, welche behaupten, daß in allen Koͤr-
pern ein Qveckſilber ſey, aber ein Qveckſilber, welches
ganz anders als das Qveckſilber beſchaffen waͤre. Wie ge-
ſchickt ſind doch die Menſchen, ſolte man nicht denken, daß
ſie noch das Geheimniß finden wuͤrden, aus der Luft Staͤd-
te und Haͤuſer zu bauen, in Warheit, man darf nicht
mit ihnen ſcherzen. Sie haben ſchon mit dem Pater Kir-
cher aus der Aſche der Pflanzen, die Pflanzen ſelber her-
vorgebracht, itzo ſinnen ſie darauf, wie man aus der Aſche
eines Menſchen den Menſchen ſelber wieder darſtellen koͤn-
ne, und hernach wird es ihnen ganz leichte ſeyn, die Tod-
ten wieder aufzuwecken. So gruͤndlich ihre Beweisthuͤ-
mer ſind, ſo ſehr zweifle ich, daß ſich jemand entſchlieſſen
ſolte, an ſich dieſes Experiment machen zu laſſen. Es iſt
alſo ewig ſchade, daß dieſe witzigen Koͤpfe nicht vor hun-
dert Jahren gelebt haben, da es noch Mode war die He-
xen zu verbrennen. Jch weiß gewis, daß ſie Aſche ge-
nug gehabt haben wuͤrden die Palingeneſie auſſer Zwei-
fel zu ſetzen, vielleicht geht es aber mit den Hexen nicht
an, und denn wuͤſte ich freylich keinen beſſern Rath, als
daß es denen, welche dergleichen Phantaſien behaupten,
beliebte, die Probe an ſich ſelber zu machen. Man wird
mir es nicht uͤbel nehmen, daß ich dieſe Ausſchweiffung
gemacht habe, denn ich kann mich nicht genug wundern,
daß es in unſern aufgeklaͤrten Zeiten Leute geben kann,
die
[9]in den alleraͤlteſten Zeiten.
die dergleichen Thorheiten im Ernſte glauben, da doch
noch kein vernuͤnftiger Menſch dergleichen geſehen hat.
Aber wie kann ich dieſes wiſſen? ich weiß es daher, weil
es unmoͤglich iſt. Es koͤnnen die artigſten Figuren aus
Steinen und Metallen erzeigt werden, es kann die Ge-
ſtalt kleiner Baͤume und ganzer Waͤlder aus dem Queck-
ſilber und Silber entſtehen, wenn es in Scheidewaſſer vor-
her aufgeloͤßt worden iſt, aber was iſt dieſes beſonders?
Die ganze Sache beruhet auf ein verſchiedenes Zuſam-
menhaͤngen derer durch ihre Schwere niederſinckenden me-
talliſchen Koͤrpergen, woraus eine Figur erzeuget wird,
bey welcher unſer Auge eine Aehnlichkeit mit gewiſſen an-
derern Koͤrpern antrift, welche Aehnlichkeit deſto groͤſſer
zu ſeyn ſcheint, iemehr man ihr ſelber durch Erdichtung
zu Huͤlfe koͤmt, worinnen freylich einer immer gluͤcklicher
iſt als der andere, dergeſtalt daß einige ſo weit verfallen,
daß ſich der gemeine Mann unmoͤglich enthalten kann, zu
ſagen: der Herr muß ſich uͤberſtudirt haben. Jch erinnere
mich, z. E. ſelber gehoͤrt zu haben, daß iemand von einem
Steine, welcher aus andern zuſammen gewachſen war,
und ungefehr die Figur eines Gehirnes hatte, in rechten
Ernſte behauptete, es muͤſte dieſes ein verſteinertes Ge-
hirne von einem Menſchen ſeyn, der vor der Suͤndfluth
gelebt haͤtte, welches ihn bewogen, ſich daſſelbe aus der
Schweitz zu verſchreiben. Ohne Wunderwerk kann dieſes
Gehirne, ohne Zerquetſchung, oder Faͤulnis, wohl nicht
verſteinert worden ſeyn. Aber dieſes iſt noch lange nichts
gegen die Palingeneſie der Pflanzen und Thiere, denn
beides ſind Maſchinen deren Vollkommenheit ſo groß iſt,
daß bey ihnen kein Newton, kein Leibnitz, kein Wolf,
kein Ruyſch, kein Hales, kein Winslow, kein Reau-
mur, kein Muͤſchenbroͤck, kein Graveſande, kein
Lieberkuͤhn, oder einer von denen beruͤhmten Maͤnnern,
welche die Geheimniſſe der Natur mit ſolcher Geſchicklich-
keit unterſucht haben, ſich ruͤhmen koͤnte, nur die Helfte
A 5von
[10]Geſchichte der Erde
von dem zu wiſſen, was in den Koͤrpern der Thiere und
Pflanzen verborgen iſt. Nein, es bleibt vielmehr dabey,
daß dieſes Wirkungen einer unendlichen Macht und ſehr
weislich eingerichtete Hervorbringungen des nothwendigen
Weſens ſind. Nimmermehr wird alle Geſchicklichkeit der
Chimiſten dergleichen hervorbringen, und ich halte daher die
Erzeugung einer Pflanze, oder eines Menſchen aus der
verbrannten Aſche, fuͤr eben ſo ungereimt, als die Her-
vorbringung derer Jnſecten durch die Faͤulniß, ia ich hal-
te beides fuͤr noch viel unmoͤglicher, als daß ein ſchoͤner
Pallaſt durch einen Wirbelwind entſtanden ſeyn ſolte, wel-
cher Steine, Kalk, Pfeiler, Thuͤren, Fenſter und Dachzie-
gel in der ſchoͤnſten Ordnung zuſammen gebracht haͤtte.
Jch kann es daher nicht eher glauben, als bis ich es ſehe,
man wird mich ſehr verbinden, wenn man mir ſolches zei-
get, und dadurch zugleich das aufrichtige Bekaͤntnis von
mir erzwinget, daß dergleichen Experimente hoͤher ſind,
als alle meine Vernunft.
§. 3.
Ariſtoteles glaubte zwar die Ewigkeit, nicht aber
die Nothwendigkeit der Welt, ſondern er hielt ſie viel-
mehr vor eine Wirkung, welche GOtt von Ewigkeit ver-
richtet haͤtte, und die von ihm eben ſo wenig als der Schat-
ten von dem Coͤrper getrennt werden koͤnte, worinnen
er nebſt andern den Averroes und Avicenna zu Nach-
folgern bekommen, ja faſt alle Schulweiſen hielten dafuͤr,
daß es kein Widerſpruch ſey, wenn man ſagte: die Welt
ſey von Ewigkeit geweſen, und dennoch erſchaffen worden,
indem die Ewigkeit einen andern Grund als die Nothwen-
digkeit haͤtte. Denn ſo gewiß es iſt, daß alles ewig ſeyn
muͤſſe, was nothwendig iſt, ſo wenig folgt es, daß das
nothwendig ſey, was ewig iſt, wovon man in der teut-
ſchen Metaphyſic des Herrn Barons und Canzler Wolf-
fens
[11]in den alleraͤlteſten Zeiten.
fens weiter nachleſen kann. Jndeſſen ſieht doch ein ieder,
daß es darum nicht genug ſey, dieſe Meinung fuͤr wahr zu
halten, weil das Daſeyn Gottes dabey beſtehen kan, ſon-
dern daß man andere Gruͤnde anfuͤhren muͤſte, wenn es
mehr als eine bloße Hypotheſe heißen ſoll. Zugleich erhel-
let aber auch hieraus, daß man denen, welche mit dem
Ariſtoteles die Welt vor ewig halten, zu viel thue, wenn
man ſie vor Atheiſten erklaͤret: ein Name, mit welchen
man zu allen Zeiten und in allen Laͤndern deſto freygebi-
ger geweſen, ie mehr die Dumheit und Boßheit an den
Urtheilen der Menſchen Theil genommen hat. Dieieni-
gen koͤnnen allein dieſen ungluͤckſeligen Titul in der Welt
behaupten, welche mit dem berufenen Benedictus Spi-
noza die Welt fuͤr nothwendig halten, wovon die Ewig-
keit derſelben eine nothwendige Folge iſt. Denn dieſer
wolte, welches kaum zu vermuthen iſt, ſo gar geometriſch
demonſtriren, daß Gott und die Welt einerley ſey, und
daß die Ausdehnung eine Eigenſchaft Gottes genennet
werden muͤßte. Er iſt von vielen und auf ſo vie-
lerley Art widerlegt, geſchimpft, geſcholten und verdamt
worden, daß ich kein Buch, ſondern eine kleine Biblio-
thec verfertigen muͤßte, wenn ich dieſes alles wiederholen
wolte. Soll ich meine Meinung aufrichtig davon ſagen,
ſo halte ich es vor eine ſehr edle und ruͤmliche Bemuͤhung,
welche dem menſchlichen Geſchlechte Ehre bringet, daß
man geſucht hat ihn oder ſeine Anhaͤnger durch vernuͤnf-
tige Vorſtellungen auf andere Gedanken zu bringen, aber
ihn durch fluchen, ſchimpfen, und verdammen zu bekeh-
ren, iſt eben ſo klug, als das Verfahren derer Spanier
mit denen Americanern, welche glaubten vollkommen be-
rechtigt zu ſeyn, dieſe arme Leute auf das grauſamſte zu
martern, weil ſie keine Chriſten waͤren, da ſie doch nie-
mals gehoͤrt hatten, daß es ſolche kluge Leute in der Welt
gaͤbe, welche glaubten Gott einen Dienſt zu thun, wenn
ſie andere Menſchen auf dem Roſte brateten, die nicht
eben
[12]Geſchichte der Erde
eben ſo dachten, wie ſie. Jch verabſcheue dieſe Unge-
rechtigkeit, und ich muͤßte eine ſehr grauſame Seele beſi-
tzen, wenn ich mit einigen Gelehrten ſollte ſagen koͤnnen:
es haͤtte Gott an ſtat den Benedictus Spinotza ein
ruhiges Leben und einen ſanften Tod zu goͤnnen, ihn
ſchon hier in der Welt mit denen grauſamſten Martern
foltern und quaͤlen ſollen.
§. 4.
Moſes beſchreibt uns in den folgenden Worten ſei-
nes erſten Capitels die Hervorbringung der Erde und
der darauf befindlichen Sachen. Nun hat man denen
Naturkuͤndigern die Freiheit gelaßen, die Veraͤnderungen,
welche bey ihrer Hervorbringung vorgegangen ſind, zu
erklaͤren, weil man nicht abgeſehen hat, daß daraus et-
was folgte, welches der Religion, guten Sitten
und dem Staate zuwider waͤre. Jſt es alſo wunder,
daß ſich die Naturkuͤndiger dieſer Erlaubniß bedienet und
von der Hervorbringung der Erde und derer irdiſchen
Koͤrper geſagt haben, was einen ieden unter ihnen am wahr-
ſcheinlichſten vorgekommen iſt. Dadurch iſt es geſchehen,
daß eine Menge ſuͤßer Traͤume, ſeltſamer Phantaſien, und
wunderbare Erdichtungen in die Naturlehre gekommen
ſind, die zum wenigſten den Nutzen gehabt haben, daß ſich
ihre Erfinder an dieſen Geburten ihres Gehirns haben ergoͤ-
tzen koͤnnen. Carteſius iſt unter den Chriſten, nicht aber
unter den Weltweiſen der erſte geweſen, der dieſes gethan hat,
ſondern es haben ſich unter den Heiden ſchon viele bemuͤ-
het, eine Geſchichte von der Erzeugung der Welt zu ver-
fertigen. Die erſte Meinung iſt der Phoͤnicier, die uns
von einem ihrer eigenen Geſchichtſchreiber dem Sanchu-
niathon uͤberliefert, und ſeiner Verſicherung nach aus
der Cosmogenie des Tautus genommen worden, ſo
der Egyptier Thoyt oder Hermes geweſen. Seiner
Er-
[13]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Erzaͤlung nach war nun das erſte Principium der gan-
zen Welt eine gewiſſe finſtere und geiſtige oder windige
Luft, ein finſterer Luftgeiſt, und ein verworrenes dickes
und truͤbes Chaos, welche unendlich und ſehr geraume
Zeit lang ohne alle Grenzen geweſen: Nachdem aber die-
ſer Geiſt ſich in ſeine eigene Principia verliebet, ſo ent-
ſtund daraus eine Vermiſchung, und dieſe Verbindung
wurde die Begierde oder Liebe genennet. Und das war
der Anfang der Bildung aller Dinge. Der Geiſt aber
wußte und erkante ſeine Hervorbringung nicht. Aus die-
ſer Vermiſchung des Geiſtes entſtund nun der Môt, wor-
aus einige einen Leim machen, andere aber eine Faͤulniß
einer Miſchung. Und daraus kam der Same aller Ge-
ſchoͤpffe, und die Erzeugung der ganzen Welt. Es gab
gewiße Thiere, die keine Empfindung gehabt hatten, aus
welchen verſtaͤndige Thiere entſtanden, welche man Ze-
phoſamin, das iſt die Betrachter des Himmels genen-
net, und deren Geſtalt eyfoͤrmig geweſen. Unmittelbar
drauf nebſt dieſem Môt, fingen die Sonne, Mond und
Sterne an zu leuchten. Die Luft ward durch einen ho-
hen Grad der Hitze der Erden und des Meers erwaͤrmet,
woraus die Winde ſowohl als Wolken erzeugt werden, und
ſtarke Waßerguͤße und Regen erfolget. Nachdem aber
dieſe Gewaͤſſer wieder abgeſondert, und durch die Son-
nenhitze in die Hoͤhe gezogen worden, ſeyn ſie in der Luft
wieder zuſammen kommen, und an einander geſtoſſen,
woraus Donner und Blitz entſtanden. Durch welch Ge-
praſſele in der Luft die oben gemeldete verſtaͤndige Thiere
erwacht, und uͤber dem heftigen Schall in ſolch Schrecken
gerathen, daß ſie daruͤber ſich zu bewegen angefangen auf
der Erde und im Meer, maͤnnlichen und weiblichen Ge-
ſchlechts.
§. 5.
Die Egyptier hatten folgende Meinung: Beim
erſten Anfange der Welt hat Himmel und Erde einerley
Ge-
[14]Geſchichte der Erde
Geſtalt gehabt, indem beider Natur mit einander ver-
miſcht geweſen. Nachdem ſie aber mit der Zeit von ein-
ander abgeſondert worden, hat die Welt die geſamte Ein-
richtung erhalten, darinn wir ſie noch ietzo erblicken: da
denn die Luft eine beſtaͤndige Bewegung bekommen, wo-
durch die feurigen Theilgen derſelben in die obern Gegen-
den aufgeſtiegen, da ſie ihrer Leichtigkeit wegen ganz na-
tuͤrlich ſich erhoben; woraus denn die ſchnelle Wirbelbe-
wegung der Sonne und anderer Sterne entſtanden; die
leimichte und truͤbe Materie aber, nachdem ſie ſich mit der
feuchten vereiniget, fiel, vermoͤge ihrer natuͤrlichen Schwe-
re, auf einen Klumpen zuſammen. Bey beſtaͤndiger Be-
wegung deſſelben durch innere Erſchuͤtterungen entſtund
aus den verſamleten waͤſſerigen Theilchen das Meer, aus
den veſtern aber die Erde; welche zwar im Anfange ſehr
weich und feuchte geweſen, nachdem ſie aber vermittelſt
der Sonnenſtralen ausgetrocknet, ſo begunte die Ober-
flaͤche der Erde durch anhaltende Hitze in Gaͤrung zu ge-
rathen, wodurch einige feuchte Theile derſelben aufzu-
ſchwellen angefangen, und nach und nach zu faulen Beu-
len worden, die mit duͤnnen Haͤuten umgeben geweſen.
Dieſe feuchte Materie nun, nachdem ſie von der natuͤrli-
chen Waͤrme fruchtbar gemacht worden, ſey des Nachts
durch einen Reif, der aus der Luft herabgefallen, genaͤ-
ret, bey Tage aber durch die Sonnenſtralen immer haͤrter
und veſter gemacht worden, bis mit der Zeit die einge-
ſchloßene Frucht zur voͤlligen Reife gelanget, und endlich,
nachdem die gedachten Haͤute ausgetrocknet und geplatzt,
allerley Arten der Geſchoͤpfe hervorgekommen. Von wel-
chen dieienigen, ſo den groͤßten Grad der Hitze erhalten,
gefluͤgelt worden, und ſich aufwaͤrts geſchwungen. Die-
ienigen aber, die groͤßtenteils aus waͤßerichter Materie be-
ſtanden, ſich in das ihrer Natur gemaͤßeſte Element be-
geben, und Fiſche genennt worden. Dieienigen endlich,
in welchen die irdiſchen Theile uͤberwogen, kriechende und
ſonſt
[51[15]]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſonſt auf der Erde befindliche Thiere geworden. Nach
Verlauf geraumer Zeit aber ſey die Erde theils durch Son-
nenhitze, theils durch Winde immer mehr und mehr aus-
getrocknet worden, folglich nicht mehr im Stande gewe-
ſen, einige groſſe Thiere hervor zu bringen, die ihre ver-
ſchiedene Arten durch Zeugung fortzupflanzen angefangen.
Um aber dem Einwurf zu begegnen, der gegen die Moͤg-
lichkeit der Hervorbringung lebendiger Geſchoͤpfe von der
Erde gemacht werden koͤnte, beruft ſich unſer Schriftſtel-
ler auf die erſtaunliche Menge der Maͤuſe, welche in dem
obern Egypten aus dem verfaulten Schlamm entſtehen
ſollen, den der ausgetretene Nilſtrom zuruͤck laͤßt. So
ungereimt dieſes iſt, ſo hat doch Simplicius kein Be-
denken getragen zu behaupten, es ſey die moſaiſche Er-
zehlung von der Schoͤpfung der Welt nichts anders als
eine fabelhafte Ueberlieferung, die aus den Gedichten der
Egyptier genommen worden.
§. 6.
Beroſius giebt folgenden Bericht von der Cosmo-
genie der Chaldaͤer: Es iſt, ſchreibt er, eine Zeit ge-
weſen, in welcher alles aus Finſterniß und Waſſer be-
ſtanden, worinnen erſchreckliche Thiere von hoͤchſt ver-
ſchiedenen Geſtalten erzeuget worden. Daß es damals
Menſchen mit zwey Fluͤgeln; andere mit vier oder zwey
Geſichtern; andere mit einem Leibe und zwey Koͤpfen, ei-
nem Mannskopfe und einem Weibeskopfe, auch beyder-
ley Geburtsgliedern gegeben habe; andere Menſchen aber
Bocksfuͤſſe und Hoͤrner, noch andere Pferdefuͤſſe gehabt,
oder aus dem untern Theilen der Pferde, und dem obern
der Menſchen, in der Geſtalt der Hippocentauren be-
ſtanden. Die Ochſen ſeyn mit Menſchenkoͤpfen verſehen
geweſen, Hunde aber mit vier Leibern, deren Hinterthei-
le aus Fuchsſchwaͤnzen beſtanden. Es habe Pferde ge-
geben,
[16]Geſchichte der Erde
geben, die Hundskoͤpfe gehabt, und Menſchen ſowohl als
andere Thiere mit Koͤpfen oder Leibern von Pferden und
Schwaͤnzen von Fiſchen; ingleichen andere lebendige Ge-
ſchoͤpfe, ſo die Geſtalten meiſt aller Arten der Thiere zu-
gleich gehabt. Hiernaͤchſt habe es Fiſche, Gewuͤrm und
Schlangen, auch andere hoͤchſt ſeltſame Thiere gegeben,
die eine Miſchung fremder Geſtalten gehabt, deren Bil-
der in dem Tempel des Belus aufbehalten werden. Die
oberſte Regiererin aber ſey ein Weib, Namens Omoro-
ca, geweſen, welches Wort im chaldaͤiſchen Thalath
geheiſſen, griechiſch aber ſowol das Meer, als den Mond
bedeutet. Bey bewannter Beſchaffenheit der Welt ſey
Belus kommen, und habe dieſes Weib mitten von ein-
ander getheilet, und aus der einen Helfte die Erde, aus
der andern aber den Himmel gemacht; die in ihr befind-
lichen Thiere aber ſeyn umkommen. Er fuͤget aber hin-
zu, daß dieſe Nachrichten von der anfaͤnglichen Beſchaf-
fenheit der Welt auf allegoriſche Art abgefaſſet worden,
und damit ſo viel geſagt werde, daß, da die Welt noch
feuchte geweſen, und Thiere aus derſelben erzeugt wor-
den, der gedachte Gott Belus dem Weibe den Kopf ge-
nommen, die uͤbrigen Goͤtter aber ihren herabgefallenen
Leib mit der Erde vermiſcht, und Menſchen daraus ge-
bildet, die daher vernuͤnftig, und der goͤttlichen Weisheit
theilhaftig ſeyen. Dieſer Belus nun, welcher Jupiter
ſeyn ſoll, habe die Finſternis zertheilet, indem er Erde
und Himmel von einander geſchieden, und die Welt in
Ordnung gebracht, wovon die Ungeheuer ſo den Glanz
des Lichtes nicht ertragen koͤnnen, geſtorben. Darauf ha-
be Belus, da er gewar worden, daß die Erde, ihrer
Fruchtbarkeit ohnerachtet, leer und oͤde geweſen, einem
der Goͤtter Befehl ertheilet, ſich ſeinen eigenen Kopf ab-
zuſchneiden, das daraus flieſſende Blut mit der Erde zu
vermiſchen, und Menſchen, auch Thiere zu bilden, ſo
die Luft vertragen koͤnnen. Er ſelbſt aber habe die Ster-
ne,
[17]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ne, Sonne, Mond, und fuͤnf Planeten, voͤllig zu
Stande gebracht.
§. 7.
Orpheus dem von denen alten, und ſonderlich
denen zwey gottesdienſtlichen Parteyen der Weltweiſen,
der Pythagoraͤer und Platonicker ſehr groſſe Ehrer-
bietung angethan wird, hat nicht alle geiſtliche und verſtaͤn-
dige Weſen, als unbedachte und unausſprechliche Dinge,
gaͤnzlich uͤbergangen; ob er gleich zu einem ſeiner Grund-
weſen aller Dinge einen Drachen angenommen, der bey-
des einen Ochſen und Loͤwenkopf, zwiſchen beyden aber
das Geſicht eines Gottes, und an ſeinen Schultern guͤl-
dene Fluͤgel gehabt. So giebt er doch vor, daß anfaͤng-
lich der Aether oder Himmel von GOtt ſey erſchaffen
worden, der auf allen Seiten mit dem Chaos, oder ei-
ner finſtern Nacht umgeben geweſen, die alles, was ſich
unter dem Aether befunden, bedecket habe, womit er an-
zeigen wollen, daß vor der Schoͤpfung lauter Nacht und
Finſterniß geweſen. Er fuͤget hinzu, daß ein gewiſſes
unbegreifliches Weſen vorhanden geweſen, welches unter
allen Dingen das hoͤchſte und aͤlteſte, ſowol des Him-
mels als aller Dinge unter demſelben, ja der Schoͤpfer
der ganzen Welt ſey. Die Erde ſey der Dunkelheit we-
gen die ſie bedeckt, ganz unſichtbar geweſen. Das Licht
aber, ſo durch den Aether durchgebrochen, habe die ganze
Schoͤpfung erleuchtet. Und dieſes alſo hervorgebrochene
Licht ſey das oben gedachte hoͤchſte unter allen Weſen, des
Name, wie derſelbe vom Orakel geoffenbahret worden,
Rath, Licht und Quelle des Lebens heiſſe. Syrianus
will vorgeben, daß Orpheus zwey Grundweſen behau-
ptet habe, nemlich den Aether und das Chaos, wozu
Simplicius noch ein drittes beyfuͤget, welches der Ord-
nung nach vor den beyden andern noch vorhergehet, nem-
lich die Zeit, das Maas der fabelhaften Goͤtterzeugung
nach welcher erſt der Aether und das Chaos zur Wirk-
Blichkeit
[18]Geſchichte der Erde
lichkeit gebracht worden. Es iſt auch noch zu bemerken,
daß Orpheus, nebſt andern morgenlaͤndiſchen Lehrern, die
Meinung von einem Weltey zuerſt unter den Griechen
ſcheint eingefuͤhrt zu haben, die er vermuthlich unter den
Egyptiern gelernet, als welche unter dieſem Bilde die
Welt vorgeſtellet.
§. 8.
Heſiodus Theogenie, welche zugleich eine Cosmoge-
nie enthaͤlt, iſt etwas verworren; indem ſie zweymal vom
Chaos anfaͤngt, und alles mehr in poetiſcher als philo-
ſophiſcher Ordnung vortraͤgt. Die Hauptſache in derſel-
ben laͤuft darauf hinaus, daß im Anfange das Chaos
zuerſt da geweſen, darnach die Erde, und endlich die Lie-
be als die ſchoͤnſte unter den unſterblichen Goͤttern. Das
Chaos habe der Erebus und die Nacht erzeuget, aus
deren beyder Verbindung aber ſey der Aether und der
Tag entſtanden. Hierauf bemuͤhet er ſich die Scheidung
des Himmels und der Sterne von der Erde, die Bildung
der Berge, das Verſinken der Hoͤlen, und das Entſte-
hen des Meers aus dem Himmel und der Erden zu be-
ſchreiben. Doch wir haben eine ordentlichere und voll-
ſtaͤndigere Beſchreibung von dieſer alten Coſmogonie,
welche Ariſtophanes ertheilet hat, woher er ſie auch
mag genommen haben. Derſelbe meldet nun, daß an-
faͤnglich das Chaos, der finſtere Erebus, und der wuͤ-
ſte Tartarus da geweſen; aber weder Erde, noch Luft,
noch Himmel. Die mit ſchwarzen Fluͤgeln verſehene Nacht
habe das erſte Ey von Wind in den weiten Schoos des
Erebus geleget, aus welchen nach einiger Zeit die lie-
benswuͤrdige Liebe hervorgekommen, die mit guͤldenen
Fluͤgeln, ſtarken Wirbelwinden gleich, geglaͤnzet. Aus
der Vermiſchung der Liebe mit dem Chaos ſeyn Men-
ſchen und Thiere entſtanden. Vor der Zeit, ehe die Lie-
be alles vereiniget, ſeyen keine Goͤtter da geweſen; aus
dieſer
[19]in den alleraͤlteſten Zeiten.
dieſer Vermiſchung aber aller Dinge mit einander ſeyen
ſowol Himmel und Erde, als auch das ganze Geſchlecht
der unſterblichen Goͤtter entſtanden. Jn Wahrheit He-
ſiodus muß kein Feind des ſchoͤnen Geſchlechts geweſen
ſeyn, denn haͤtte er die Liebe nicht gekannt, warum ſollte
er uns ſo viel von derſelben erzaͤhlt, und ihr ſo gar die
Hervorbringung der Welt zugeſchrieben haben.
§. 9.
Anaximenes gab vor, daß eine unendliche Luft der
erſte Urſprung aller Dinge ſey, daß aber dieſe daraus
entſtandene Dinge insgeſammt endlich ſeyn, auch derein-
ſten wieder darein zuruͤck kehren werden. Seiner Mei-
nung nach ſind alle Dinge aus einer allmaͤhligen Verdi-
ckung und Verduͤnnnung dieſer Luft entſtanden; daß die
Erde, Waſſer und Feuer, zuerſt hervorgebracht worden,
hernach die uͤbrigen Theile der Welt. Wobey er vermei-
net, daß die Bewegung ewig ſey; daß die Hitze der Son-
ne von ihren ſchnellen Lauffe entſtehe; daß die Luft die Welt
zuſammen halte, wie die Seele, welche er auch fuͤr Luft
gehalten, den menſchlichen Leib erhalte.
§. 10.
Leucippus, Democritus und Epicurus ſetzten
alle Zahlen, Verhaͤltniſſe, Harmonien, Jdeen, Quali-
taͤten und elementariſche Geſtalten beyſeite. Es ergrif ſie
ein phyſicaliſcher Eifer, welcher verurſachte, daß ſie dieſes
alles als ein muͤhſam erſonnenes Nichts verwarfen, und
den ruͤhmlichen Entſchluß faßten, die Koͤrper ſelbſt zu
unterſuchen, von denenſelben phyſiſch und mechaniſch
zu philoſophiren, und alles aus der Figur, Groͤſſe und La-
ge der Theile herzuleiten. So ruͤhmlich, ſo vernuͤnftig
und lobenswuͤrdig dieſer Entſchluß war, ſo ſehr iſt es zu
beklagen, daß ſie ihr Vorhaben nicht mit beſſern Erfolge
bewerkſtelliget haben. Denn die Lehre des Leucippus
B 2und
[20]Geſchichte der Erde
und Democritus von dem Urſprunge der Welt war
folgende: ſie nahmen die Atomos zum erſten Grunde
aller Dinge an. Dadurch verſtunden ſie eine unbe-
ſchreibliche Menge untheilbarer Theilgen von verſchiede-
ner Groͤſſe und Geſtalt. Dieſe haͤtten ſich von ohnge-
faͤhr und ohne alle Beſtimmung einer Abſicht von Ewig-
keit her in einen unermeßlichen Raume bewegt, dadurch
es denn geſchehen, daß ſie endlich dergeſtalt zuſammenge-
kommen, und aneinander angeſtoſſen haͤtten, daß durch
ihre Verwickelung und Verknuͤpfung ein Chaos von al-
len Arten der Theilgen entſtanden waͤre, weil aber ihre
Bewegung beſtaͤndig fortgedauert haͤtte, ſo waͤren durch
die beſtaͤndige Bewegung, Druck und Gegendruck derſel-
ben ein oder mehrere Wirbel entſtanden, darinnen nach
verſchiedenen Verbindungen und Aufloͤſungen dieſelben
Theilgen endlich in die gegewaͤrtige Geſtalt und Verknuͤpf-
fung gerathen waͤren. Man ſieht gleich, daß die ganze
Sache einer Fabel aͤhnlicher als einer wahren Geſchichte
iſt, aber man muß doch geſtehen, daß es eine Fabel ſey,
dabey man ſich eine Vorſtellung machen kan, da hingegen
die Coſmogenien der meiſten alten Weltweiſeu Gedichte
ſind, welche aus lauter leeren Worten, und ſeltſamen
Abentheuren beſtehen, und mir deucht doch immer, daß
eine Erzehlung moͤglicher Begebenheiten beſſer als eine
Geſchichte von lauter ſich ſelbſt widerſprechenden Dingen
ſey, obgleich die eine ſo falſch iſt als wie die andere.
Gaſſendus und Carteſius haben beyde ihr phyſicali-
ſches Lehrgebaͤude nach den Gruͤnden der Atomiſten ab-
gefaſſet, wiewol ſie in einigen Stuͤcken unterſchieden ſind,
da z. E. Gaſſendus den leeren Raum behaͤlt, welchen
Carteſius verwirft, ich ſelbſt finde in denen Atomis
nichts ungereimtes, wenn man dadurch die allerkleinſten
Theilgen des Koͤrpers verſteht, welche eine unveraͤnderli-
che Figur und Groͤſſe beſitzen, und dieſes darum, weil
ſie vollkommen harte Koͤrper ſind, welche keine Kraft in
der
[21]in den alleraͤlteſten Zeiten.
der Natur weiter zu zertheilen vermag. Jch will mich
durch ein Exempel deutlich erklaͤren, wir koͤnnen keinen
einzigen Koͤrper in der Welt, welcher eine groͤſſere Kraft
zu wuͤrken beſitzen ſollte, als das Feuer. Ein ganzer
Centner Eiſen kan vermittelſt deſſelben in kurzer Zeit ge-
ſchmolzen, das heiſt, in eine fluͤßige Materie verwandelt
werden, nimmermehr waͤre dieſes moͤglich, wenn das
Feuer nicht die Kraft beſaͤſſe, das Zuſammenhaͤngen
der Eiſentheilgen aufzuheben, und ſie folglich von einan-
der zu trennen. Nun henge man an einen Wuͤrfel von
Eiſen, welcher einen Centner wiegt, ſo viel Gewichte an,
bis daß er in der Mitten voneinander reißt, ſo wird man
uͤber die Laſt erſtaunen muͤſſen, welche hierzu erfordert
wird, alles dieſes aber verrichtet das Feuer, wenn das
Eiſen zerſchmelzt, und noch ein weit mehreres. Denn
die Gewichte zerreiſſen das Eiſen nur in einer einzigen Flaͤ-
che, das Feuer thut ſolches aber in allen moͤglichen Flaͤ-
chen zugleich. Wenn wir nun eine ſolche phyſicaliſche
Flaͤche ſchon einer Linie hoch annehmen wollten, da ſie
doch ohnſtreitig viel kleiner geſetzt werden muͤßte, ſo wuͤr-
de ohnfehlbar die Gewalt des Feuers ſo vielmal groͤſſer
ſeyn, als die Schwere derer Gewichte die den eiſernen
Wuͤrfel von einander reiſſen, als die Hoͤhe eines Wuͤrfels,
welcher einen Centner wiegt groͤſſer waͤre, als eine Pari-
ſer Linie; wo finden wir nun einen ſolchen Koͤrper, wel-
cher eine ſo ganz erſchreckliche Gewalt beſitzen ſollte. Es
iſt wahr, daß ich in meiner Phyſic gezeigt habe, daß das
Feuer ein ungemein ſubtiler Koͤrper ſey, aber habe ich
nicht auch dargethan, daß es ſich mit einer ganz auſſeror-
dentlichen Geſchwindigkeit bewegt, und muß alſo nicht die
Geſchwindigkeit das erſetzen, was an der Maſſe fehlt, be-
ſonders, da ſich das Feuer wirklich bewegt, und alſo ei-
ne lebendige Kraft beſitzt, welche dem Quadrate ſeiner
Geſchwindigkeit proportional iſt. Man wird alſo verhof-
fentlich nicht zweifeln, daß das Feuer unter allen irdiſchen
B 3Koͤr-
[22]Geſchichte der Erde
Koͤrpern die groͤßte Gewalt beſitze. Aber was will ich
daraus ſchlieſſen? man ſoll es gleich erfahren, wir muͤſſen
aber vorher eine kleine Betrachtung mit dem Waſſer an-
ſtellen. Man mag dieſes mit den beſten Vergroͤſſerungs-
glaͤſern betrachten, ſo kan man die Theile deſſelben nicht
erblicken; hieraus folgt nichts weniger, als daß es nicht
aus Theilen zuſammengeſetzt ſeyn ſollte, denn dieſes waͤre
in der That etwas ohnmoͤgliches, dieſes aber kan man ſi-
cher daraus ſchlieſſen, daß die Waſſertheilgen ganz un-
gemein klein ſeyn muͤſſen. Nun mag man das Waſſer in
die groͤſte Gluth bringen, ſo wird es in nichts anders als in
lauter Duͤnſte verwandelt werden koͤnnen, welche, wenn
ſie geſammelt werden, alle Eigenſchaften des Waſſers be-
ſitzen. Man wiederhole dieſen Verſuch ſo oft es einen beliebt,
ſo wird dennoch dieſes Waſſer beſtaͤndig Waſſer bleiben.
Koͤnnte nun das Feuer das Waſſer in kleinere Theilgen
aufloͤſen, ſo muͤſte nothwendig durch die Hitze aus dem
Waſſer eine andere ſubtilere Materie hervorgebracht wer-
den koͤnnen, weil aber dieſes nicht geſchiehet, ſo wird man
einraͤumen muͤſſen, daß das Feuer die Waſſertheilgen nicht
weiter zu zertheilen vermag. Nun habe ich vorher gezeigt,
daß es unter allen irdiſchen Koͤrpern die groͤßte Gewalt
beſitze, wird alſo wohl ein anderer Koͤrper vermoͤgend ſeyn
das Waſſer aufzuloͤſen? oder behauptet man nicht mit
mehrern Grunde, daß keine Kraft in der Natur die Waſ-
ſertheilgen weiter zu zertheilen vermag? man muß ſie ſich
demnach wie lauter vollkommen harte Koͤrper, und noch
haͤrter, als die haͤrteſten Diamanten vorſtellen, ſie werden
alſo Atomi ſeyn, und in ſo ferne finde ich an den Lehr-
begriffe der Atomiſten nichts tadelhaftes. Aber
daß dieſe Atomi eine Bewegung haͤtten ohne
dieſelbe bekommen zu haben, und daß dadurch alle Koͤrper
in der Welt entſtanden waͤren, kan nur denen wahrſchein-
lich vorkommen, welche ſich einbilden koͤnnen, daß die
Buchſtaben meines Buchdruckers einmal des Nachts, da
alles
[23]in den alleraͤlteſten Zeiten.
alles ruhig geweſen waͤre, angefangen haͤtten aus den
Faͤchern heraus zu laufen und ſich in eine Forme ordentlich
neben einander zu ſtellen, welche ſich ſelbſt abgedruckt, und
dieſes Buch hervorgebracht haͤtte. Man darf nur die
Hervorbringung der Thiere und des menſchlichen Ge-
ſchlechts nach den Epicureiſchen Lehrbegriffe betrachten,
ſo wird man mir vollkommen Recht geben. Denn ſie
behaupten, die neugebildete Erde habe den Samen, und
die Anlage aller Dinge enthalten, da nun die Sonne mit
ihrer Hitze auf die feuchten Gegenden gewuͤrkt, waͤren Bla-
ſen entſtanden, worinnen als in Mutterleibern die anfaͤng-
lich unvollkommene Fruͤchte gebildet worden, hierauf waͤ-
ren ſie nach erlangter Reife hervorgebrochen, und die
Natur haͤtte fuͤr ihren Unterhalt geſorgt, indem viele mit
Milchſaft angefuͤllte Blaſen wie kleine Bruͤſte entſtanden
waͤren. Welche Fruchtbarkeit in der erſten Jugend der
Natur niemand befremden duͤrfe, der bedaͤchte, was vor
eine Menge kleiner Thiere und Ungeziefers noch taͤglich
auf dieſe Weiſe ausgebruͤtet wuͤrden. Mit der Zeit aber
ſey endlich der Saame der Erde erſchoͤpft worden, daher
dieſelbe, gleich einer Frauen, nach zuruͤckgelegten Gebaͤh-
rungsjahren, aufgehoͤret groͤſſere und vollkommenere Thiere
auf dieſe Art hervorzubringen, als welches nun durch die
Vermiſchung beyderley Geſchlechtes geſchehe, viel ſchoͤner
klingt es, wenn der beruͤhmte Haller ſchreibt:
Durch dich belebt ſich die Natur;
Der Sterne Lauf und Licht, der Sonne Glanz
und Staͤrke,
Sind deiner Hand Geſchoͤpf und Spur.
B 4Du
[24]Geſchichte der Erde
Du gibſt den Winden Fluͤgel zu!
Du leihſt der Nacht dem Thau, womit ſie uns
befeuchtet,
Du theilſt der Sterne Lauf und Ruh.
Du haſt der Berge Talg aus Thon und Staub
gedrehet,
Der Schachten Erzt aus Sand geſchmelzt;
Du haſt das Firmament an ſeinen Ort erhoͤhet,
Der Wolken Kleid darum gewelzt.
Dem Fiſch, der Stroͤme blaͤßt, und mit dem
Schwanze ſtuͤrmet,
Haſt du die Adern ausgehoͤlt,
Du haſt den Elephant aus Erden aufgethuͤr-
met,
Und ſeinen Knochenberg beſeelt.
§. 11.
Nachdem wir die Meinung des Democritus belacht
haben, ſo wollen wir die Gedanken des Heraclitus be-
weinen. Wir werden finden, daß ſie beyde Narren, ob-
gleich von verſchiedener Sorte geweſen ſind, und wenn
es moͤglich waͤre, daß ſie wieder in die Welt kaͤmen, und
vernuͤnftig wuͤrden, ſo wuͤrde vermuthlich der erſte weinen
daß er die Thorheit der Menſchen belacht, und der ande-
re wuͤrde lachen, daß er ſie beweint haͤtte. Zeno der Ur-
heber der Stoiſchen Secte ſoll folgende Meinung von
dem Heraclitus entlehnet haben: Die Welt werde nach
Verflieſſung gewiſſer Zeitlaͤufte wechſelsweiſe durchs Feuer
aufgeloͤſet, und hernach wieder aufs neue daraus hervor-
gebracht
[25]in den alleraͤlteſten Zeiten.
gebracht: GOtt ziehe alle Dinge in ſich, oder verſchlinge
dieſelben durch ſolche allgemeine Entzuͤndung, und brin.
ge ſie hernach wieder aus ſich ſelbſt hervor. Jn dieſen
aufeinander folgenden Entzuͤndungen ſollen nun, ihrer
Meinung nach, nicht allein die uͤbrigen Theile der Welt,
ſondern auch die geringern Goͤtter in die hoͤchſte Gottheit,
das iſt, in die verſtaͤndige feurige Seele, oder das Grund-
weſen der Welt zerſchmelzt werden; welches goͤttliche We-
ſen in ſolchen Zeitlauf in ſich ſelbſt ruhe, ſeine Vorſehung
betrachte, und ſich mit ihm anſtaͤndigen Gedanken be-
ſchaͤftige, bis es die Welt aufs neue hervorbringt. Wel-
che Erneurung Zeno alſo beſchreibt: Wenn GOtt noch
allein iſt, ſo veraͤndert er die ganze Subſtanz aus Feuer
erſtlich in Luft, und hernach in Waſſer. Wie nun in
einer Pflanze der Saame enthalten iſt, ſo laſſe GOtt, als
der Grundſame der ganzen Welt, in dieſer Feuchtigkeit
ſolchen Saamen, der vermoͤgend ſey bequeme Materie
zur Zergung alles deſſen, was entſtehen ſolle, hervorzu-
bringen; daß die groͤbern Theile dieſer waͤſſerichen Ma-
terie ſich ſetzen [und] die Erde machen, die feinern aber die
Luft, und die allerfeinſten das Feuer. Wenn nun auf
ſolche Weiſe die vier Elemente gezeuget worden, ſo ent-
ſtehen aus ihrer Vermiſchung Pflanzen, Thiere, und alle
anderꝛ Arten der Dinge.
§. 12.
Pythagoras ein Philoſoph und tiefſinniger Mathe-
maticus, welcher ſich in die Geheimniſſe der Zahlen ver-
liebt hatte, und deſſen angenehmſte Beſchaͤftigung war zu
unterſuchen, wie durch unendlicher verborgner Zahlen
Reih, ein krum geflochtner Zug gerecht zu meſſen ſey, hat
ſich eine recht mathematiſche Coſmogenie verfertiget. Denn
er ſieht die Zahlen als Gruͤnde aller Dinge an, und er-
klaͤret daher die Hervorbringung der Welt auf folgende
Weiſe: Die Monas und Dyas waͤren die zwey Quel-
B 5len
[26]Geſchichte der Erde
len aller Zahlen, woraus Puncte entſtuͤnden, aus Pun-
cten Linien, aus Linien Flaͤchen, und aus den Flaͤchen
die Koͤrper, deren Elemente Feuer, Erde, Waſer und
Luft waͤren, ſo ſich in beſtaͤndigen Veraͤnderungen befin-
den, und woraus die Welt gebildet worden waͤre, die be-
lebt, verſtaͤndig und kugelrund ſey, in der Mitte aber die
Erde enthalten, ſo ein runder und bewohnter Koͤrper
waͤre, dabey hat er gelehret, daß die Welt aus Feuer und
den fuͤnften Elemente entſtanden ſey, und gleich wie es
in der Geometrie nur fuͤnf Koͤrper gaͤbe, welche man re-
gelmaͤßig nennt, ſo ſey die Erde aus dem Cubo, das
Feuer aus dem Tetrahedro, die Luft aus dem Octahe-
dro, das Waſſer aus dem Jcoſahedro, und die Sphaͤre
der ganzen Welt aus dem Dodrecahedro hervorgebracht
worden.
Beym Licht der Zifferkunſt der Wahrheit
dunkle Spuren.
Jns innre der Natur dringt kein erſchafner
Geiſt;
Zu gluͤcklich, wenn ſie noch die aͤuſre Schale
weiſt.
§. 13.
Jch habe meinen Leſern genug thoͤrigte Einfaͤlle erzehlt,
und es fehlt an nichts, als daß ich ihre Anzahl noch durch
meine eigene vermehre, ehe ich aber dieſes thue, ſo muß
ich ihnen vorher noch etwas von denen Chineſern ſagen,
von Leuten, welche glauben, daß ſie in denen Wiſſen-
ſchaften zwey Augen haben, davon ſie uns Europaͤern
aus Gnaden nur eins erlauben, denen uͤbrigen Voͤlkern
aber dieſelben ohne Gnade und Barmherzigkeit abſprechen.
Dieſe klugen Leute behaupten, GOtt ſey die materialiſche
Seele
[27]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Seele der ganzen Welt, oder vielmehr nur des edelſten
Theils derſelben, des Himmels, deſſen Vorſehung und
Macht ihre Graͤnzen habe, ob ſie gleich der Menſchen
Macht und Klugheit weit uͤbertreffe. Es gebe verſchie-
dene Geiſter in den vier Theilen der Welt, in der Son-
ne, in den Sternen, in den Bergen, in den Fluͤſſen, in
den Pflanzen, in den Staͤdten, in den Haͤuſern, und
mit einem Wort in allen und jeden Dingen: unter wel-
chen Geiſtern ſie einige fuͤr Boͤſe ausgeben, und ſie als
die unmittelbare Urſache alles Ungluͤcks und Elendes an-
ſehen, dem das menſchliche Leben unterworfen iſt. Jn-
dem ſie nun dergleichen Seelen durch die ganze Natur
austheilen, ſo wird es ihnen leicht, die Verfaſſung der-
ſelben zu erklaͤren, und auf dieſe Weiſe den Mangel ei-
ner allmaͤchtigen Kraft und unendlichen Vorſehung zu er-
ſetzen, die ſie keinem Geiſt, ſelbſt der Seele des Him-
mels nicht zuſchreiben. Sie geben zwar zu, daß die
Seele des Himmels mit einer Klugheit und Macht, die
unendlich groͤſſer ſey, als der Menſchen ihre, auf die Na-
tur wuͤrke; dabey ſchreiben ſie aber doch zugleich einer je-
den Seele eine innerliche Kraft zu, welche von der Him-
mels Seele gar nicht abhaͤnge, und nicht ſelten den Ab-
ſichten der Himmelsſeele ganz entgegen wuͤrke. Daß alſo
nach ihrer Meinung der Himmel die ganze Natur regiere,
wie ein Koͤnig, und die andern Seelen ihm zu gehorchen
verpflichtet ſeyn, welche er auch mehrentheils ſolches zu
thun noͤthiget; da es indeſſen doch einige gebe, die zuwei-
len in dieſem Stuͤcke ihre Pflicht verſaͤumen, und ſich zu
gehorchen weigern. Die Meinung, welche dem gemei-
nem Manne in China niemals offenbaret wird, beſtehet
darinne: daß ein Vacuum oder leerer Raum der Anfang
und das Ende aller Dinge ſey; daß unſere erſten Eltern
daraus entſtanden, und nach ihrem Tode wiederum dar-
ein zuruͤcke gekehret, und daß alle andere Menſchen gleich-
falls durch den Tod darinn aufgeloͤſet werden; daß ferner
das
[28]Geſchichte der Erde
das ganze menſchliche Geſchlecht, die Elemente ſamt
allen Geſchoͤpffen, einen Theil deſſelben ausmachen, der-
geſtalt, daß nur eine Subſtanz in der ganzen Welt ſey,
die nur durch verſchiedene Geſtalten, Eigenſchaften, und
innere Zuſammenfuͤgung zu beſondern Dingen geworden,
wie das Waſſer allemal weſentlich Waſſer bleibe, od es
gleich die Geſtalt des Schnees, Hagels, Eiſes und Re-
gens bekomme. Sie beſchreiben dis urſpruͤngliche We-
ſen, als eine reine, helle, zarte und unendliche Sub-
ſtanz, die weder entſtehen noch aufhoͤren kan, nicht nur
an ſich ſelbſt vollkommen, ſondern auch die Vollkommen-
heit aller andern Dinge iſt, ſich in beſtaͤndiger Ruhe be-
findet, doch ohne Herz, Tugend, Verſtand oder Gewalt,
indem die Haupteigenſchaft ihres Weſens darinne beſteht,
weder jemals zu wuͤrken, noch das geringſte zu verſtehen,
oder zu wollen.
§. 14.
Alle dieſe angefuͤhrten Meinungen von dem Urſprun-
ge der Welt haben zu unſern Zeiten wenig oder gar keine
Anhaͤnger gefunden, deſto groͤſſer aber iſt der Beyfall ge-
weſen, welchen ſich drey neuere Weltweiſen mit der Er-
zehlung der Erzeugungsgeſchichte der Erde erworben ha-
ben. Dieſes iſt der beruͤhmte Des Cartes in Frankreich,
und in Engelland Burnet und Whiſton geweſen, ich
werde alſo das Vergnuͤgen haben meinen Leſern die Ein-
faͤlle dieſer groſſen Weltweiſen, nebſt meinen Anmerkun-
gen mitzutheilen. Carteſius ſuchte mehr ſelbſt eine wi-
tzige Vorſtellung von der Schoͤpfung zu erfinden, als
die von Moſe ertheilte Beſchreibung zu erklaͤren. Wir
muͤſſen uns mit ihm einen groſſen Klumpen von diaman-
tener Haͤrte einbilden, welchen GOtt durch ſeine Allmacht
zerſchmettert und in Stuͤcken geſchlagen, zugleich aber
auch eine Bewegung hineingebracht, wodurch es denn ge-
ſchehen, daß ſich die Theilgen dieſer Materie heftig an-
ein-
[29]in den alleraͤlteſten Zeiten.
einander zu reiben angefangen, durch welches reiben die
Ecken derſelben allenthalben abgeſtoſſen worden, bis das
endlich eine ganze Menge kleiner Kuͤgelgen daraus ent-
ſtanden, die abgeſtoſſenen Ecken waͤren ferner zum Theil
groß, zum Theil ader nur wie zarte Staͤubgen geweſen,
und dieſes ſind ſeine drey Elemente. Er behauptet ferner,
daß einige dieſer kleinen Stuͤcke ſo aus den Winkeln der
runden Theilgen entſtanden, nothwendig eine ſehr wink-
lichte Geſtalt haͤtten haben muͤſſen, und daher zur Be-
wegung nicht ſo bequem, hingegen ſehr geſchickt geweſen
waͤren aneinander haͤngen zu bleiben. Aus den erſten Ele-
mente, ſo die zarte Materie iſt, welche von den Winkeln
der groͤſſern Theilgen abgeſtoſſen worden, ſey die Sonne
und alle Fixſterne entſtanden. Das zweyte Element,
welches aus runden Theilgen beſtehet, haͤtte der Himmels-
luft ihren Urſprung gegeben, und die eckigten Theilgen,
die das dritte Element ausmachen, welche zur Bewegung
unbequemer waͤren, haͤtte der Erde, Planeten und Come-
ten den Urſprung gegeben. Das andere Element, oder
die Himmelsluft, bewegte ſich in einen ſehr ſchnellen Wir-
bel, davon die Sonne der Mittelpunct waͤre, die Plane-
ten ſchwoͤmmen insgeſamt in dieſem Wirbel der himmli-
ſchen Materie, und ſaͤhen ſich daher genoͤthiget um ſie
herumzulaufen. Dergleichen Wirbel befaͤnde ſich nicht
allein um die Sonne, ſondern auch um einen jeden Fix-
ſtern, und weil er es vor eine ausgemachte Wahrheit hielt,
daß es in der Welt keinen leeren Raum gaͤbe, ſo behaup-
tete er, daß ſich dieſe verſchiedene Wirbel aneinander druͤck-
ten, und dadurch an den Enden, wo ſie einander beruͤhr-
ten, platt wuͤrden, bewegte ſich nun an den Ende eines
nahe angraͤnzenden Wirbels ein Planet, ſo haͤtte dieſer
es ohnmoͤglich vorher ſehen koͤnnen, daß ſein Wirbel von
dem unſrigen platt gedruckt worden waͤre, daher geſchaͤhe
es denn, daß er das Ungluͤck haͤtte, in unſern Sonnen-
wirbel zu kommen, darinnen er ſich genoͤthiget ſaͤhe mit
den
[30]Geſchichte der Erde
den andern Planeten um die Sonne herumzulaufen, und
ein ſolcher neuer Gaſt aus einer andern Welt wuͤrde in der
unſrigen ein Comet genennet.
§. 15.
Dieſe Erzehlung des Carteſius iſt ſehr artig, ſie
wuͤrde aber noch weit artiger ſeyn, wenn ſie wahr waͤre.
So aber glaube ich, daß die Wirbel blos in des Carteſii
Kopffe nicht aber in der Welt anzutreffen ſind, und ich
will die Urſachen anzeigen, welche mich bewegen ſeine gan-
ze Erzehlung fuͤr eine phyſicaliſche Erdichtung zu halten.
Wer hat es doch dem Carteſius geſagt, daß die Welt
ehemals ein groſſer Cryſtallklumpen geweſen ſey, der durch
die Allmacht GOttes zerſchmettert worden, und daß dar-
aus die drey Elemente entſtanden ſind? Man wird ant-
worten, es lieſſe ſich dieſes freylich nicht beweiſen, man
gaͤbe es aber auch vor nichts anders, als eine bloſe philoſophi-
ſche Hypotheſe aus. Allein, wenn dieſes ſeyn ſollte, ſo
wuͤrde folgen, daß ſich hieraus der Urſprung der Koͤrper
muͤſte begreifen laſſen, es geht aber nichts weniger an, als
wie dieſes. Denn wie will man immermehr die unendli-
che Mannigfaltigkeit der Koͤrper blos aus dreyerley Arten
der Theilgen herleiten, wie will man zeigen, daß durch
die Vermiſchung dieſer Elemente, und durch ihre nach den
Bewegungsgeſetzen eingerichtete Wirkung, eine Pflanze
oder ein Thier habe hervorgebracht werden koͤnnen, ohne
dabey auf die Thorheiten des Epicurs zu verfallen. Ge-
ſetzt aber auch, daß man es in den mineraliſchen Reiche
blos wieder anbringen wollte, wie will man den Unter-
ſchied derer Metalle von denen Steinen und Salzen, oder
der Metalle unter ſich ſelbſt mit der geringſten Wahr-
ſcheinlichkeit daraus herleiten, oder wo treffen wir in der Chi-
mie ſolche Spuren an, die uns etwas von denen carteſiani-
ſchen Elementen vermuthen lieſſen? Betrachten wir die
carteſianiſchen Sonnenwirbel, ſo treffen wir bey ihnen
nicht
[31]in den alleraͤlteſten Zeiten.
nicht wenigere Schwierigkeiten an. Denn ſoll ſich die Him-
melsluft in krummen Linien um die Sonne herum bewe-
gen, ſo muß ſie nothwendig, vermoͤge deſſen, was ich in
meiner Naturlehre in den Capitel von der Bewegung er-
wieſen, beyde Centralkraͤfte beſitzen. Die Centrifugal-
kraft koͤnnte ihr zwar bey dem Urſprunge der Welt mit-
getheilet worden ſeyn, aber wie ſieht es mit der Ceutripe-
talkraft aus? Sie wuͤrde gegen die Sonne gerichtet ſeyn,
das heiſt, die Sonne wuͤrde die Himmelsluft an ſich zie-
hen muͤſſen, weil doch nothwendig der Grund von dieſer
Richtung in der Sonne ſelbſt zu ſuchen waͤre, und nun
moͤchte ich gerne wiſſen, warum man nicht lieber die Him-
melsluft gar weglieſſe, und der Sonne eine Kraft zueig-
nete die Planeten an ſich zu ziehen, wodurch in ihnen ei-
ne Centripetalkraft hervorgebracht wuͤrde? denn mit der
Centrifugalkraft hat es keine Schwierigkeit, wenn ſie ei-
nen Planeten nur erſt mitgetheilt iſt, ſo muß ſie in Cwig-
keit fortdauren, wenn gar keine Materie in dem Weltge-
baͤude zwiſchen denen Planeten anzutreffen iſt, oder ſie
waͤhret doch bis auf undenkliche Zeiten fort, wenn dieſe
Materie nur ſubtil genug iſt, das heiſt, wenn zwiſchen ih-
ren Theilgen viele leere Raͤume anzutreffen ſind. Aber
das war es eben, was dem Carteſius nicht in dem Kopf
wollte. Er war ein geſchworner Feind des leeren Raums,
und hielt denſelben fuͤr die ungereimteſte Sache von der
Welt. Wie konnte er auch anders denken, da er es ſich
einmal ſo feſte in den Kopf geſetzt hatte, daß das Weſen
der Koͤrper in der bloſen Ausdehnung beſtehe. Denn
wenn man dieſes einraͤumt, ſo folgt ganz natuͤrlich, daß
allenthalben ein Koͤrper ſeyn muͤſſe, wo eine Ausdehnung
anzutreffen iſt, da nun allenthalben eine Ausdehnung iſt,
wo ſich ein Raum befindet, ſo muß auch allenthalben, wo
ein Raum iſt, ein Koͤrper vorhanden ſeyn, es gibt alſo
keinen Raum ohne Koͤrper, oder welches gleichviel iſt, es
iſt kein leerer Raum moͤglich. Aber wer heiſt dem Car-
teſius
[32]Geſchichte der Erde
teſius den Koͤrper ſo zu erklaͤren? Wenn wir die Frey-
heit haben Erklaͤrungen nach unſern Belieben zu machen,
ſo erhalten wir dadurch zugleich die Geſchicklichkeit alles zu
demonſtriren was uns nur beliebt. Daher wuͤrde es
eben ſo tadelhaft ſeyn, wenn man zwar die falſche Erklaͤ-
rung, welche Carteſius von dem Koͤrper gegeben, ver-
beſſerte, an deren Statt aber eine ſolche Erklaͤrung des
Raums annehmen wollte, welche dieſem Worte eine an-
dere Bedeutung gaͤbe, als es in dem gemeinen Leben hat.
Denn wenn man dieſes thaͤte, ſo gehoͤrte kein groſſes
Kopfbrechen darzu ſie ſo einzurichten, daß man die Un-
moͤglichkeit des leeren Raumes daraus folgern koͤnnte,
bleiben wir aber bey dem Begriffe, welchen ein jeder ver-
nuͤnftiger Menſch mit dieſem Worte verknuͤpfet, ſo wer-
den wir ſehen, daß ſich ein leerer Raum nicht nur geden-
ken laſſe, ſondern daß er auch wuͤrklich in der Welt vor-
handen ſey, deßhalben ihn auch der beruͤhmte Newton
behauptet, dem man vermuthlich die Geſchicklichkeit zu-
trauen wird, daß er habe eine Erklaͤrung und einen
Schluß in der erſten Figur machen koͤnnen, wenn weiter
nichts erfordert wuͤrde um den leeren Raum zu widerle-
gen. Zwiſchen denen Waͤnden in meiner Stube iſt Luft,
es iſt moͤglich, daß ſie weggenommen wuͤrde, und was
wuͤrde alsdenn darinnen ſeyn? Jhr werdet ſagen: eine
andere ſubtilere Materie. Jch raͤume es ein, ich glaube
aber auch, daß ſich meine Leſer werden vorſtellen koͤnnen,
daß auch dieſe ſubtile Materie weggenommen wuͤrde, und
was wuͤrde alsdenn in der Stube ſeyn? vielleicht eine an-
dere noch ſubtilere; aber wie, wenn auch dieſe weggenom-
men wuͤrde, ſo iſt zwiſchen den Waͤnden entweder ein
Raum oder nicht; waͤre kein Raum zwiſchen den Waͤn-
den, ſo muͤßten ſie einander beruͤhren, wenn die dazwi-
ſchen befindliche Materie weggenommen wuͤrde, welches
ungereimt iſt. Derowegen iſt klar, daß ein leerer Raum
nichts widerſprechendes iſt, und ſich gar wohl gedenken
laſſe,
[33]in den alleraͤlteſten Zeiten.
daß es aber auch wuͤrklich einen leeren Raum in der Welt
gebe, erhellet nicht nur daraus, weil ſonſt keine Bewe-
gung der Coͤrper moͤglich waͤre, ſondern es laͤßt ſich auch
aus ihrer verſchiedenen Schwere und Traͤgheit ganz deut-
lich abnehmen, wie ich in meiner Naturlehre gezeiget
habe.
§. 16.
Die Carteſianiſchen Wirbel haben mich ſo weit von
meiner gegenwaͤrtigen Abſicht abgefuͤhrt, daß ich werde
ſuchen muͤſſen, wieder hinein zu kommen. Auſſer denen
ſchon angefuͤrten Urſachen ſtoſſen auch die Cometen dieſe
Wirbel uͤber den Hauffen, denn ſie gehen oͤfters quer
durch unſern Sonnenwirbel hindurch, und nun begreiffe
ich nicht, warum ſie der Wirbel nicht eben ſo, wie die
Planeten mit ſich fortreiſſen ſolte; daher gehet die Mei-
nung des Carteſius immer mehr und mehr zu Grunde
und kann man wol von einem Gebaͤude, das in der Luft
aufgefuͤhrt iſt, etwas anders vermuthen? Jndeſſen muß
dieſes die Hochachtung, gegen dieſen groſſen Mann, bey
niemanden vermindern, ſeine optiſchen Schriften enthal-
ten viel ſchoͤnes und ſein Lehrbegrif von Regenbogen wird
immer im Anſehen bleiben. Es iſt wahr, er hat oͤfters
geirret, aber das thun noch heut zu Tage die groͤſten Gei-
ſter, und man wuͤrde einen fuͤr Auslachens wuͤrdig hal-
ten, welcher vorgeben wolte, daß er niemals gefehlt haͤtte.
War es nicht genung, daß Carteſius das Herz hatte,
dem Ariſtoteles zu widerſprechen, vielleicht iſt ihm die-
ſer Muth noch von ſeinem Soldatenleben uͤbrig geblieben,
dann man darf gar nicht denken, daß es zu ſeiner Zeit e-
ben ſo leicht geweſen waͤre den Ariſtoteles auszulachen,
als heut zu Tage, da es mit dieſen ehrlichen Manne ſo
weit gekommen iſt, daß man keinen Jniurienproceß be-
ſorgt, wenn man ihn fuͤr einen Schulfuchs, oder wenn
es feiner gegeben werden ſolte, fuͤr einen blinden Heiden
Cſchilt,
[34]Geſchichte der Erde
ſchilt, ohnerachtet dieienigen, welche ihn ſo nennen,
nicht ſelten viel blinder ſind, als Ariſtoteles geweſen.
Vor den Zeiten des Carteſius haͤtte ich dieſes keinen ra-
then wollen, denn damals fehlte nicht viel, daß man die
Lehren des Ariſtoteles unter die Glaubensartickul geſetzt
haͤtte, und haͤtte er alsdenn nicht Hoffnung gehabt, mit
der Zeit wenigſtens ein halber Heiliger zu werden, die
Lehrer nahmen ſich ſeiner nachdruͤcklich an, und hiel-
ten den fuͤr einen Ketzer, welcher ſich unterſtund dieſem
Lichte des menſchlichen Geſchlechts zu widerſprechen; da-
her durfte auch auf hohen Schulen keine andere, als die
ariſtoteliſche Philoſophie gelehret werden, und die Beweis-
thuͤmer aller zu der Weltweisheit gehoͤrigen Schriften,
waren nichts anders, als eine Anfuͤhrung eines Satzes
aus der ariſtoteliſchen Philoſophie, ja es fehlete nicht viel,
daß man die Lehren dieſes Griechen nicht fuͤr goͤttlich erklaͤ-
rete, man fieng ſchon an dieſes zu thun, und es behau p-
teten einige Gelehrten in rechten Ernſte, es koͤnne der A-
riſtoteles eine ſo groſſe Weisheit unmoͤglich aus natuͤr-
lichen Kraͤften erlangt haben, ſondern er haͤtte ſie aus den
Schriften des Koͤnigs Salomons geſtohlen, und ſich her-
nach damit als mit ſeiner eigenen Erfindung breit gemacht.
Dieſen Abgott, dieſes Orackel der Gelehrten ſties Carte-
ſius von dem Thron, und wir haben Urſache ihn dafuͤr
verbunden zu ſeyn. Vielleicht ſaͤſſen wir, wenn dieſes
nicht geſchehen waͤre, in der Naturlehre noch itzo in der-
jenigen Finſternis, die man in den Schriften, welche vor den
Zeiten des Carteſius herausgekommen ſind nicht gnug-
ſam bewundern kann. Wir haben indeſſen hieran ein
deutliches Beyſpiel von der Nichtigkeit der Ehre eines Ge-
lehrten, welche doch ordentlicher weiſe die Triebfeder ih-
rer Handlungen zu ſeyn pflegt, denn Haller hat ganz
recht, wenn er von der Ehre ſchreibt:
Durch
[35]in den alleraͤlteſten Zeiten.
§. 17.
Carteſius behauptete ferner, die Erde ſey urſpruͤng-
lich ein Stern geweſen, deſſen Wirbel an den Wirbel der
Sonne geſtoſſen, nach und nach aber ſey dieſelbe uͤber zo-
gen, und mit Flecken bedeckt worden, die auf ihrer Flaͤche
eben ſo wie der Schaum auf einen ſiedenden Topfe ent-
ſtanden waͤren. Dieſe Flecken haͤtten von Zeit zu Zeit
zugenommen, und waͤren dicker geworden, dadurch denn
dieſer Stern ſein Licht, und zugleich ſeine Wirkſamkeit ver-
loren haͤtte, die Bewegung des Erdwirbels waͤre immer
ſchwaͤcher und endlich unvermoͤgend geworden, dem Stro-
me des benachbarten Sonnenwirbels zu widerſtehen, da-
her ihn die Sonne um ſich herum geriſſen, und ihn ge-
zwungen der Bewegung ihres Wirbels zu folgen. Wenn
wir die Wirbelgeſchichte von dieſer Erzehlung weglaſſen,
ſo bleibt verſchiedenes uͤbrig, das uns zu guten Gedanken
Gelegenheit geben kan. So halte ich es gar nicht vor un-
moͤglich, daß aus Fixſternen Planeten, und aus denen
Planeten wieder Fixſterne ſolten entſtehen koͤnnen, ich
finde vielmehr, daß dieſes den Maximen der Natur ge-
maͤß ſey, denn wir ſehen es an allen irdiſchen Koͤrpern,
C 2daß
[36]Geſchichte der Erde
daß ſie, nachdem ſie eine Zeitlang getauret haben, un-
tergehen, und andere an ihre Stelle kommen. Men-
ſchen und eine unbeſchreibliche Menge der Thiere ſterben,
aber es kommen immer eben ſo viel an ihre Stelle, und
man kan nicht beweiſen, daß ſich eine Art der Thiere von
der Erde voͤllig verliere, es muͤſte denn durch eine alge-
meine Verwuͤſtung der Erde geſchehen. Mit denen Pflan-
zen hat es eine gleiche Beſchaffenheit, ia die Metalle und
Steine ſelbſt ſind nicht einmal von dieſer Regel ausgenom-
men, die Zeit kann ſie verwuͤſten und zermalmen. Es leh-
ren uns aber auch die Naturkuͤndiger, daß alle in dem
Mieneralreich befindliche Sachen von neuen entſtehen,
warum ſolten nun die Planeten und Sonnen von dieſem
Geſetze ausgeſchloſſen ſeyn? Es iſt dieſes deſto weniger zu
vermuthen, je leichter es zu begreiffen iſt, wie ſie unter-
gehen, und von neuen hervor gebracht werden koͤnnen.
Denn es iſt aus der Naturlehre bekannt, daß ſich auf der
Oberflaͤche der Sonne Flecken befinden, dieſe werden von de-
nen Naturkuͤndigern entweder vor Rauch und Dampf ge-
halten, welcher von dem Sonnenfeuer in die Hoͤhe ſteigt,
oder ſie glauben, daß es feſte Theile der Sonne ſind, wel-
che ihr entweder zur Nahrung dienen, oder ſchon ausge-
brannt ſind, ich glaube, daß ſie alle miteinander Recht
haben, und halte dafuͤr, daß diejenigen Flecken von der
erſtern Art ſind, welche ſich laͤnger hinter als vor der Son-
ne befinden, und daß man hingegen diejenigen
Flecke fuͤr feſte Theile der Sonne anzuſehen hat, welche
eben ſo lange mit erſcheinen als verſchwinden zubringen.
Denn da die Sonnenwolken weiter von dem Mittelpuncte
der Sonne, als ihre Oberflaͤche entfernet ſind, ſo iſt aus
denen Gruͤnden der Optic leicht zu erweiſen, daß ſie eine
laͤngere Zeit mit Verſchwinden als mit Erſcheinen zubrin-
gen muͤſſen. Diejenigen Flecke aber, welche eben ſo lan-
ge hinter als vor der Sonne ſind, muͤſſen ſich ſelbſt auf
der Oberflaͤche der Sonne befinden, warum wolte man
alſo
[37]in den alleraͤlteſten Zeiten.
alſo nicht einraͤumen, daß ſie zu der Sonne gehoͤrten und
ein Theil ihrer Materie waͤren, welche ausgebrant haͤtte,
wenn aber dieſes iſt; koͤnte nicht endlich die ganze Sonne
einmal ausbrennen? und folglich voͤllig mit einer dunkeln
Rinde umzogen werden, was wuͤrde ſie aber alsdenn an-
ders als ein dunkler Weltkoͤrper ſeyn, und dieſen pflegt
man einen Planeten zu nennen. Vielleicht ſind die Fix-
ſterne, von welchen die Sternſeher bemerkt, daß ſie ver-
ſchwunden ſind, nichts anders, als dergleichen Sonnen
geweſen, die ihr Licht verloren haben. Es iſt wahr, es
gehoͤret Zeit darzu ehe dieſes geſchehen kan, aber das iſt
auch alles, was darzu erfordert wird, indeſſen haben wir
in denen naͤchſten zehen Jahren nichts davon zu befuͤrch-
ten, denn die Sonne iſt ein Koͤrper, welcher eine Million
mal groͤſſer iſt, als unſere Erde, und ein ſolches Licht ver-
loͤſcht nicht ſo bald; ja es iſt noch eine andere Urſache vor-
handen, die dergleichen Begebenheit langwieriger macht,
als bey einen andern Fall. Die Sonne hat vermuthlich
ihre Atmoſphaͤre die aber von der groſſen Hitze ſich ausdeh-
net, und daher von einer auſſerordentlichen Groͤſſe iſt,
dieſe Atmoſphaͤre iſt allem Anſehen nach die Urſache des
Zodiakaliſchen Scheins von welchen der Herr von Mairan
glaubt, daß er die Materie zu denen Cometenſchwaͤnzen
hergaͤbe, da nun die Naturkuͤndiger erwieſen haben, daß
ſo gar die Planeten eine Schwere gegen die Sonne beſitzen,
welche dem Quadrate ihrer Entfernung proportional iſt,
wie viel mehr wird man dieſes nicht von dem Dampfe und
Rauche behaupten muͤſſen, der in der Sonnenluft in die
Hoͤhe geſtiegen iſt, wenn man aber dieſes einraͤumet, ſo
muß man auch zugeben, daß er endlich vermoͤge ſeiner
Schwere gegen die Sonne eben ſo wie die Duͤnſte auf die
Erde zuruͤck fallen muͤſſe, nun beſteht der Rauch aus ſol-
chen Theilgen, welche ſich entzuͤnden laſſen, und denen zu
der Entzuͤndung weiter nichts, als ein groͤſſerer Grad der
Waͤrme fehlet, wie wir davon an einen ausgeloͤſchten
C 3Wachs-
[38]Geſchichte der Erde
Wachsſtocke eine deutliche Probe haben, derowegen iſt
klar, daß er, wenn er wieder in die Sonne zuruͤck faͤllt,
aufs neue entzuͤndet werden koͤnne, und ſolcher geſtalt das
Brennen der Sonne zu unterhalten geſchickt ſey, welches
von keinem Feuer auf dem Erdboden gild, als wo der
Rauch verflieget, und nicht in die Flamme zuruͤck gebracht
wird, waͤre dieſes bey dem irdiſchen Feuer moͤglich zu ma-
chen, ſo waͤre Hoffnung ein, wo nicht ewiges, doch ſehr
lange fortbrennendes Licht zu verfertigen, und wir wuͤrden
dem Alterthume zum Trotze underbrennliche Lampen in die
Graͤber derer Naturkuͤndiger ſetzen koͤnnen.
§. 18.
Gleichwie nun aus dem, was hier geſagt worden iſt,
erhellet, daß nach einer ſehr langen Zeit eine Sonne in ei-
nen Planeten verwandelt werden koͤnne; alſo laͤßt ſich noch
leichter erweiſen, daß aus Planeten Sonnen oder Fixſter-
ne ihren Urſprung nehmen koͤnnen, es wird weiter nichts
darzu als eine voͤllige Entzuͤndung eines Planetens erfor-
dert, und warum ſolte dieſe nicht moͤglich ſeyn? Unſere
Erde gehoͤret in die Zahl der Planeten, wir treffen auf
derſelben feuerſpeiende Berge und Erdbeben an, und in-
wendig in derſelben finden wir eine groſſe Menge verbrenn-
licher Materie, warum wolte man alſo zweifeln, daß ein-
mal ein algemeines Erdbeben und durch daſſelbe eine al-
gemeine Entzuͤndung der Erde entſtehen koͤnne. Auf ſol-
che Art zeiget alſo ſo gar die Vernunft die Moͤglichkeit des
Untergangs der Erde durch das Feuer, welchen die Got-
tesgelehrten behaupten, wuͤrde aber die Erde nicht auf dieſe
Art aus einen Planeten in einen Fixſtern verwandelt wer-
den, denn ſie wuͤrde alsdenn nichts anders, als ein brennen-
der Weltkoͤrper ſeyn. Einigen meiner Leſer wird es ſo gleich
auf das Herze ſchieſſen, daß die Erde durch eine algemei-
ne Entzuͤndung nicht in einen Fixſtern, ſondern in einen
Cometen verwandelt werden muͤſte, um ſie aber von ihrer
Angſt
[39]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Angſt zu befreyen, muß ich ihnen ſagen, daß ein Comet,
wenn man dadurch einen brennenden Weltkoͤrper verſteht,
nichts anders als ein Fixſtern, aber ein Fixſtern von ei-
ner beſondern Art ſey, indem er ſich von denen Fixſternen
nicht nur dadurch unterſcheidet, daß er einen Schwanz hat,
ſondern auch daß er ſich nach Art der Planeten dergeſtalt
bewegt, daß ſeine um die Sonne beſchriebenen Flaͤchen
denen Zeiten ſeiner Bewegungen proportional ſind. Ob
nun aber unſere Erde ein gleiches Schickſal erfahren habe,
und ehemals ein brennender Koͤrper geweſen ſey, ſoll un-
ten mit mehrern unterſucht werden.
§. 20.
Thomas Burnet, ein gelehrter Engellaͤnder hat uns
in ſeinem Buche, welches er unter den Titel Theoria telluris
ſacra herausgegeben, die Geſchichte der Erde bey ihrem Ur-
ſprunge erzehlt. Laßt uns ſehen, ob er dieſelbe mit einer un-
partheyiſchen Feder entworfen habe. Er hat ohne von den
Urſprung der ganzen Welt zu handeln, welche ſeiner Mei-
nung nach, lange vor der von Moſe erzaͤlten Schoͤpfung
gemacht worden, ſich blos auf die Bildung unſerer Erde
eingeſchraͤnkt. Er meinet, daß dieſelbe aus einen Chaos
oder verworrenen Hauffen von allerhand Koͤrpern auf fol-
gende Weiſe entſtanden ſey. Die erſte Veraͤnderung die
vorgegangen waͤre, haͤtte darin beſtanden, daß ſich die
ſchwerſten und groͤbſten Theile gegen den Mittelpunct der
Erde geſenkt, daſelbſt ſie mehr und mehr zuſammen ge-
druckt worden, und ſtufenweiſe verhaͤrtet waͤre. Der Ue-
berreſt der Maſſe, der oben geſchwommen, habe ſich gleich-
fals aus dem Grunde der Schwere in zwey beſondere Ar-
ten fluͤßiger Materien abgetheilet, indem die leichteſten
und wirkſamſten Theilgen ſich nach und nach von den uͤbri-
gen losgearbeitet, aufwaͤrts geſtiegen, und die Luft
hervorgebracht, dahingegen die andern groͤbern auf
der Erdflaͤche zuruͤcke geblieben, und das Waſſer ausge-
C 4macht
[40]Geſchichte der Erde
macht haͤtten. Jn dem Waſſer haͤtten ſich wieder oͤhligte
Theilgen befunden, auch dieſe haͤtten ſich uͤber das Waſſer
erhoben, und waͤren oben geſchwommen. Ferner giebt
er vor, die Luſt ſey noch dick, grob und finſter geweſen,
der vielen irdiſchen Theile wegen, die darinnen noch ge-
ſchwommen, nach dem die groͤbern niedergeſunken, die ih-
rer Schwere halber ſolches geſchwinder gethan. Da nun
dieſe kleinere und leichtere Theile, ſo anfangs zuruͤcke ge-
blieben, ſich auch ſenken muͤſſen, aber langſamer, und
in mehrerer Zeit; in ſolchen Herabſteigen aber an die oͤh-
ligte Feuchtigkeit gekommen, uͤber der Tiefe oder dem ge-
ſammleten Waſſer; ſo habe dieſelbe ſie verwickelt, und ihr
weiteres Herabfallen gehindert; worauf ſie daſelbſt mit die-
ſem fetten Weſen vermengt worden, und eine Art von
Schleim, oder fette, ſaftige und leichte Erde ausgemacht,
die uͤber der Flaͤche der Waſſer ausgebreitet geweſen. Daß
dieſe duͤnne und zarte Schale von Erde nach und nach zu-
genommen, nachdem die kleinen irdiſchen Theile, ſo in der
Luft geweſen, daſelbſt anlangen koͤnnen; indem einige ei-
nen langen Weg aus der obern Gegend gehabt, andere
aber ſehr leicht geweſen, folglich lange auf und nieder ge-
flogen, ehe ſie ſich losmachen und herab ſinken koͤnnen.
Nachdem ſie aber endlich alle daſelbſt ankommen, und
ſich mehr und mehr mit der oͤhlichten Feuchtigkeit vermen-
get; haben ſie dieſelbe ganz eingeſogen und ſich einverlei-
bet, wodurch ſie ſteifer und veſter geworden, daß ſie mit
derſelben einen Koͤrper ausgemacht. Welches denn die erſte
feſte und dauerhafte Subſtanz geweſen, ſo uͤber der Flaͤ-
che des Chaos entſtanden, und endlich eine bewohnbare
Erde geworden, dergleichen die Natur vorgehabt. Und
eine ſolche Erde meinet er muͤſſe allen Abſichten einer an-
gehenden Welt gemaͤs ſeyn. Denn was koͤnne wol ein
bequemerer Pflanzgarten fuͤr Gewaͤchſe und Thiere ſeyn,
als ein Feld von ſolcher Art und Bildung, ſo aus einer
zarten und leichten Erde beſtanden, die mit guten Saft
ange-
[41]in den alleraͤlteſten Zeiten.
angefuͤllet, auch ohne Widerſtand geweſen, gegen die
Wirkung der Sonne, oder was vor andere wirkende We-
ſen der Urheber der Natur, zur Hervorbringung der Din-
ge auf der neugemachten Erde verordnen moͤgen; die alſo
den alten Beſchreibungen des urſpruͤnglichen Schleimes
und Landes vollkommen gemaͤs iſt.
§. 20.
Die groͤſte Schwierigkeit bey dieſen Burnetiſchen
Lehrgebaͤude iſt wohl dieſe, wenn er zeigen will, wie die
aͤuſſere Rinde der Erde entſtanden ſey. Denn zu ge-
ſchweigen, daß die auf dem Waſſer ſchwimmende oͤhlichte
Feuchtigkeit eine bloſe Erdichtung iſt, ſo widerſpricht es
denen hydroſtatiſchen und von unſern Weltbeſchreiber ſelbſt
angenommenen Geſetzen der Schwere, daß ſich durch das
Herunterfallen der irdiſchen Theilgen auf die oͤhlichte Feuch-
tigkeit eine harte Rinde von Erde habe erzeugen koͤnnen;
denn natuͤrlicher Weiſe haͤtte die Erde, weil ſie ſchwerer
geweſen, zu boden ſincken und die fluͤßige Materie uͤber die-
ſelbige in die Hoͤhe treten muͤſſen, ſo viel aber iſt gewis,
daß dergleichen Rinde uͤber dem Waſſer haͤtte ſtehen blei-
ben koͤnnen und daſſelbe allenthalben einſchlieſſen, wenn
ſie ſchon ganz und gar fertig geweſen waͤre, denn es wuͤr-
de, wenn ſie allenthalben gleiche Dicke gehabt haͤtte, ihre
Bemuͤhung ſich dem Mittelpunct der Erde zu naͤhern von al-
len Seiten gleich ſtark geweſen ſeyn, und wegen der Jmpene-
trabilitaͤt deꝛ Materie haͤtte kein Theil dem andern ausweichen
koͤnnen, man koͤnte, wenn der Beweis nicht faͤßlich genug ſeyn
ſolte, dieſes durch folgendes Experiment begreiflich machen.
Man nehme ein Ey, mache an beyden Spitzen deſſelben
eine kleine Oefnung, blaſe durch das eine Loch ſtark hin-
ein, ſo wird durch die andere Oefnung alles Fluͤßige aus
dem Eye heraus getrieben werden, und man bekoͤmt eine
ledige Schale. Dieſe Eyerſchale ſtecke man in eine Blaſe,
die Blaſe fuͤlle man mit Waſſer ganz an, oben auf dieſelbe
C 5lege
[42]Geſchichte der Erde
lege man ſo viel Gewichte als man will, ſo wird, wenn
die Blaſe nicht zerplatzt, die Eyerſchale davon nicht zer-
druckt werden. Ob ich nun zwar nicht der Meinung bin,
daß die Schwere der irdiſchen Koͤrper von dem Drucke ei-
ner fluͤßigen Materie herruͤhre, ſondern dieſes vielmehr,
der anziehenden Kraft der Erde ſelbſt, und der in ihren
Mittelpuncte befindlichen Materie zuſchreibe, ſo ſieht man
doch leicht, daß es auf eins herraus lauffe, ob dergleichen
Rinde von allen Seiten gleich ſtark gegen den Mittelpunct
gedruckt oder gleich ſtark gegen denſelben gezogen werde.
Ferner, ſo iſt ſchwer zu glauben, daß vor der Suͤndfluth
keine Berge auf der Erde geweſen ſeyn ſolten, da doch
dieſelben, wie Derham in ſeiner Phiſico Theologie gezei-
get einen vielfaͤltigen Nutzen haben, worunter der Ur-
ſprung der Quellen einer der vornemſten iſt, ja es wuͤrde
nach ſeinem Begriffe gar kein Waſſer uͤber der Erde ha-
ben ſeyn koͤnnen, indem ſo gar der Regen weggefallen
waͤre, als welcher von den aufgeſtiegenen waͤſſerigten
Duͤnſten ſeinen Urſprung erhaͤlt, wie haͤtte aber wohl
der Erdboden ohne Waſſer, Pflantzen, Thiere und Men-
ſchen ernaͤhren koͤnnen? Und wenn man auch ſagen wolte,
daß durch ein Erdbeben an einigen Orten der Erde das
Waſſer herausgetrieben worden waͤre, zur Zeit der Suͤnd-
fluth aber ein allgemeines Erdbeben eine allgemeine Ueber-
ſchwemmung verurſacht haͤtte, wie ſolches Burnet be-
hauptet: ſo wuͤrde dieſes doch nicht hinreichend ſeyn die
Sache wahrſcheinlich zu machen. Denn es iſt gewiß daß
gegenwaͤrtig nicht zu viel Waſſer auf der Erde ſey, weil
wir ſonſt nicht Regen genug haben wuͤrden. Waͤre nun
vor der Suͤndfluth weniger vorhanden geweſen: ſo wuͤrde
es an einer genugſamen Menge Regen das Land zu
befeuchten gefehlet haben, und waͤre alſo die Erde
vor der Suͤndfluth merklich unvollkommener als ietzo
geweſen, welches doch weder zu vermuthen noch mit
der Erzehlung Moſis uͤbereinſtimmet. Ferner ſo iſt die-
ſes
[43]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſes zwar vollkommen richtig, daß faſt allemal, wenn ein
Land durch Erdbeben verſinkt, Waſſer in die Stelle des
verſunkenen Landes trete, aber wenn wir dieſes bey der
Suͤndfluth wieder anbringrn wollten, wie haͤtte denn die
Erdenrinde wieder gehoben werden koͤnnen, daß das
Waſſer wieder geſunken, und das Land empor gekommen
waͤre.
§. 21.
Dieſer Schwierigkeiten ohngeachtet muß man geſte-
hen, daß die Theorie des Herrn Burnets eine ſehr ſinn-
reiche Erfindung ſey, welche vielmehr Wahrſcheinlichkeit
als die carteſianiſche Meinung beſitzt. Drum laßt uns
der Lehre des Apoſtels folgen, welcher ſaget: pruͤfet alles,
und das Gute behaltet. Es iſt zwar wahr, daß die Bur-
nettiſche Theorie ihre Schwierigkeiten hat, worunter
auch dieſe eine nicht der geringſten iſt, daß die Schichten
der Erde immer deſto ſchwerer ſeyn muͤſten, je tiefer man
in ſie hineingraͤbet, welches doch den vielfaͤltigen Erfah-
rungen der Bergleute offenbar widerſpricht, als welche
durchgehends bezeugen, daß zwar einige Schichten nach-
einander in gehoͤriger Ordnung der Schwere nachfolgen,
daß aber hernach wieder eine leichte Materie koͤmmt, die
unter der ſchwerern liegt, wovon man Henkels Kießhi-
ſtorie nachleſen kan. Jndeſſen iſt doch nicht zu leugnen,
daß Burnet recht habe, wenn er behauptet, die Erde
ſey ehemals ein fluͤſſiges aus Erde und Waſſer vermiſch-
tes Chaos geweſen, er hat dieſes zwar als eine bloſe Hy-
potheſe angenommen, wir wollen aber in folgenden ſe-
hen, daß es ſich erweiſen laſſe.
§. 22.
Guilliem Whiſton, ein ſehr gelehrter und beruͤhm-
ter Engellaͤnder hat uns in ſeiner Theoria Telluris nova
alle Hauptveraͤnderungen der Erde aus der Cometen-
lehre
[44]Geſchichte der Erde
lehre begreiflich zu machen geſucht. Seine Meinung iſt
nicht nur in Engelland mit vielen Beyfall aufgenommen
worden, ſondern hat auch auſſer dem Herrn Dethlev
Cluver an den fleißigen und geſchickten Herrn Heynen
einen recht eifrigen Vertheidiger gefunden. Man glaubt
von dieſer Whiſtoniſchen Theorie, daß ſie unter allen uͤbri-
gen mit den Worten der Schrift auf das genaueſte uͤber-
einkomme, welches in der That zu verwundern iſt, da ihr
Verfaſſer das Ungluͤck hat, unter die Ketzer gezehlt zu
werden, ja dieſe vermeinte groſſe Uebereinſtimmung der
Schrift mit der Meinung unſeres Engellaͤnders macht,
daß ich beſorge, man werde ihr mehr Gewißheit beylegen,
und ſie weiter zu treiben ſuchen, als Whiſton ſelber ge-
than haben wuͤrde. Denn die Gedanken der Menſchen
ſind wie das Geld, welches nicht allemal vollwichtig iſt,
doch aber darum nicht weggeworfen, ſondern nur um ſo
viel geringer geſchaͤtzt wird, als ihm an der voͤlligen
Schwere fehlt. Die Vernunft muß alles dieſes beurthei-
len, und wenn ich ſie abmahlen ſollte, ſo wuͤrde ich ihr
eine Goldwage in die Hand geben, um den rechten Werth
derer Dinge zu erkennen, um das gewiſſe das mehr oder
weniger wahrſcheinliche, das ungewiſſe, zweifelhafte un-
wahrſcheinliche und falſche jederzeit von einander zu unter-
ſcheiden. Es iſt wahr, es hat unſer Whiſton ſeinen
ſinnreichen Einfall mit vieler Gelehrſamkeit vorgetragen,
aber es gehoͤrt ein ſtarker Glaube dazu, daß Moſes, in-
dem er uns die Schoͤpfung und Suͤndfluth beſchreibet,
an des Herrn Whiſtons Cometenlehre ſollte gedacht
haben, ich glaube, daß man eine gute Abſicht dabey ha-
be, wenn man, um uͤberfluͤſſige Wunderwerke zu ver-
meiden, darauf bedacht iſt, einige Stellen der Schrift
aus natuͤrlichen Urſachen begreiflich zu machen, aber man
erhaͤlt ſeinen Zweck nicht, wenn man ſeichte Gruͤnde und
leichte Gedankenſpiele darzu erwaͤhlet. Mein Zweck iſt
nichts weniger, als in dieſen Blaͤttern eine Auslegung
der
[45]in den alleraͤlteſten Zeiten.
der Schrift Moſis vorzunehmen, denn auſſer dem, daß
ich dazu viel zu ungeſchickt bin, glaube ich, daß dieſes
keine Sache ſey, welche man von mir fordern koͤnne, ich
werde mich daher blos begnuͤgen laſſen, dasjenige von der
Meinung des Herrn Whiſtons zu beurtheilen, was in die
Naturlehre gehoͤret. Ein mit ſo vielen Witze geſchriebe-
nes Buch als das ſeinige iſt, verdienet daſſelbige, und iſt
zu bedauren, daß es in der zu Frankfurt Anno 1713. her-
ausgekommenen deutſcheu Auflage ſo ſchlecht uͤberſetzt iſt.
Laßt uns ſehen, was ſich Whiſton vor eine Vorſtellung
von Hervorbringung der Welt macht.
§. 23.
Whiſton iſt mit Burneten darinnen einig, daß die
Hervorbringung der Erde eine bloſe Verſetzung derſelben
in gegenwaͤrtigen Zuſtand geweſen ſey. Sie haͤtte nem-
lich vorher ein wuͤſtes Chaos vorgeſtellet, und waͤre oh-
ne ſich um die Axe zu drehen, beynahe in einen Jahre
um die Sonne herum gelaufen. Sechs ſolcher Jahre waͤ-
ren noͤthig geweſen aus einen verwirrten Klumpen einen
ſolchen Planeten zu machen, wie wir ihn vor uns ſehen.
Jm erſten Jahre haͤtte die Erde einen ausgebrannten Co-
meten vorgeſtellt, und waͤre alſo wuͤſte und leer geweſen,
weil ſich aber die groͤbſten Theilgen ihrer Dunſtkugel nach
dem Kerne des Cometen herunter geſenkt haͤtten, ſo waͤre
er mit Waſſer umgeben, und folglich die Luft dergeſtalt
von Duͤnſten gereiniget worden, daß es die Sonne auf
der Erde helle machen koͤnnen, ob ſie ſchon noch wegen
der in der Atmoſphaͤre befindlichen Duͤnſte, wie es bey
truͤben Wetter zu geſchehen pfleget, ſelbſt nicht haͤtte koͤn-
nen geſehen werden. Jm andern Jahre waͤren noch im-
mer mehr Duͤnſte herunter gefallen, doch aber noch ſo viel
zuruͤcke geblieben, daß man die Sterne nicht haͤtte ſehen
koͤnnen. Jm dritten Jahre waͤre das auf die Erde ge-
fallene Waſſer gegen die niedrigſten Oerter herabgelaufen,
wor-
[46]Geſchichte der Erde
woraus denn Teiche entſtanden, denn die groſſen Welt-
meere ſollen erſt in der Suͤndfluth ihren Urſprung genom-
men haben. Weil ferner die Sonne durch die von Duͤn-
ſten gereinigte Luft aufs Land geſchienen, ſo waͤren Pflan-
zen und Kraͤuter aus der Erde hervorgewachſen. Jm
vierten Jahre ſoll die Luft ganz heiter und klar geworden
ſeyn. Jm fuͤnften und ſechſten Jahre aber waͤren Thie-
re und Menſchen hervorgebracht worden.
§. 24.
Mir koͤmmt es ſo vor, als wenn dieſer gelehrte Mann
zu wenig Vorurtheile gehabt haͤtte. Ein Ungluͤck, wel-
chem die Gelehrten nicht ſelten unterworfen ſind, denn ſie
alle beyzubehalten iſt unvernuͤnftig, ſie aber alle abzuſchaf-
fen, iſt gefaͤhrlich.
Jhn kuͤhn und dreiſte macht, wenn er ſichs unter-
nimmt,
Und auf der Welt Weisheit geſchwollnen Blaſen
ſchwimmt.
Um nun aber das Lehrgebaͤute des Herrn Whiſtons
vernuͤnftig zu beurtheilen, werde ich meinen Leſern vor-
her etwas von denen Cometen erzehlen muͤſſen, indem
unſer Weltweiſer nicht nur die Schoͤpfung, ſondern auch
die Suͤndfluth von einen Cometen herleitet. Was man
durch einen Cometen verſtehe, habe ich nicht noͤthig weit-
laͤuftig zu zeigen, da wir erſt vor kurzer Zeit das Ver-
gnuͤgen gehabt haben, einen ſehr groſſen Cometen zu
ſehen. Jch bediene mich dieſes Ausdrucks, weil es ſeit
dem Jahre 1680. bey allen vernuͤnftigen aus der Mode
gekommen iſt, vor Schrecken vor einen Cometen das
Fieber zu bekommen. Der ſorgfaͤltigen Obſervationen
und muͤhſamen Rechnungen, welche die Naturkuͤndiger
der
[47]in den alleraͤlteſten Zeiten.
der Cometen wegen gemacht haben ohngeachtet, muß
man doch geſtehen, daß ſie nicht allzuweit in der Erkaͤnnt-
niß derſelben gekommen ſind. Denn man muß die Come-
tenlehre dem Grade der Gewißheit nach nicht mit den
Sonnen- und Mondfinſterniſſen in eine Claſſe ſetzen, ſon-
dern ſie iſt nur etwas wahrſcheinlicher, als dasjenige, was
man uns von den Einwohnern der Planeten erzaͤhlt, da-
her koͤmmt es auch, daß die Gelehrten hierinnen nicht ei-
nerley Meinung ſind, denn einige haben ſie fuͤr Luſter-
ſcheinungen, andere fuͤr Himmelswolken, andere fuͤr
durchſichtige Koͤrper, und noch andere fuͤr brennen-
de Planeten gehalten. Die erſte Meinung iſt falſch, die
andere unwahrſcheinlich, die dritte ungewiß, und die vier-
te hat zwar einige Wahrſcheinlichkeit, abrr man kan doch
nicht behaupten, daß gar keine Schwierigkeiten uͤbrig
bleiben ſollten. Ariſtoteles machte ſich von denen Co-
meten keine andere Vorſtellung als wir von dem Blitze
und Nordlichte; denn er hielt ſie fuͤr feurige Lufter-
ſcheinungen, und ſetzte ſie alſo in unſere Atmoſphaͤ-
re, daß aber dieſes falſch ſey, erhellet daraus, weil ſie die
vier und zwanzigſtuͤndige Bewegung, welche von dem
taͤglichen Umdrehen der Erde herkoͤmmt, mit den himm-
liſchen Koͤrpern gemein und keine groſſe Parallaxin ha-
ben. Der groſſe Keppler hielt ſie fuͤr Himmels-
wolken, und glaubte, daß ſie aus den Ausduͤnſtungen
der Planeten entſtuͤnden; allein was ſollten dieſes fuͤr
Ausduͤnſtungen ſeyn? da die Schwere alle Materie auf
einen jeden Planeten zuſammen haͤlt, und es auch dem
allerkleinſten Staͤubgen nicht erlaubt ſich allzuweit zu ent-
fernen, ja woher ſollte der Schwanz des Cometens kom-
men. Die dritte Meinung, daß die Cometen durch-
ſichtige Koͤrper waͤren, laͤßt ſich nicht erweiſen. Es
koͤnnte zwar ſcheinen, als wenn man daraus den Urſprung
des Cometenſchwanzes ganz begreiflich machen koͤnnte,
weil die Sonnenſtrahlen, welche durch eine glaͤſerne Ku-
gel
[48]Geſchichte der Erde
gel hindurch gehen, dergeſtalt gebrochen werden, daß ſie,
nachdem ſie einander in der Entfernung des vierten Theils
von Diameter der Kugel durchſchnitten haben, aus ein-
anderfahren, und die Figur eines Cometenſchwanzes
vorſtellen, welcher denn auch nothwendig der Sonne ge-
gen uͤber ſeyn muͤſte, aber auch dieſer Schein verſchwin-
det, wenn wir bedenken, daß die Lichtſtrahlen nicht em-
pfunden werden, wenn nicht ein Koͤrper vorhanden iſt,
der ſie in unſer Auge reflectirt, was ſollte aber dieſes fuͤr
ein Koͤrper ſeyn, welcher machen koͤnnte, daß die Son-
nenſtrahlen blos hinter den Kopf des Cometens, und nicht
vielmehr von den Himmel allenthalben reflectirt wuͤrden.
Endlich hat Newton den Einfall gehabt, daß der Schwanz
des Cometens aus Rauche und Dampfe beſtehe, welcher
von den Cometen in die Hoͤhe ſtiege, und von der Son-
ne erleuchtet wuͤrde. Denn ein ſolcher dichter Koͤrper
iſt ſchon vermoͤgend die Sonnenſtrahlen lebhaft zuruͤcke
zu werfen. Die Urſache, warum der Schwanz des Co-
metens allemal der Sonne gegenuͤber ſey, ſetzet New-
ton darinnen, weil der Rauch als ein leichter Koͤrper ſich
allemal von dem Mittelpunct der Schwere zu entfernen
ſuchet. Weil nun die Sonne der Ort ſey gegen welchen
der Comet eine Schwere haͤtte, ſo muͤſte ſich ſein
Schwanz auf der von der Sonne abgekehrten Seite be-
finden, es iſt aber auch dieſes einer Schwierigkeit noch
unterworfen. Wir wiſſen, daß es keine ſchlechterdings
leichte Koͤrper gibt, und Newton hat ſolches ſelbſt nie-
mals behauptet. Wenn man aber dieſes annimmt, ſo
wuͤrde wieder eine fluͤſſige Materie noͤthig ſeyn, welche
von ſchwerer Art als der Dampf des Cometens waͤre,
und deren Schwere ihre Richtung nicht ſowol nach dem
Mittelpunct des Cometens, als vielmehr nach dem Mit-
telpuncte der Sonne haͤtte. Die Himmelsluft iſt hierzu
viel zu leichte, was ſollte es aber ſonſt wohl fuͤr eine Ma-
terie ſeyn koͤnnen. Whiſton iſt der Spur des New-
tons
[49]in den alleraͤlteſten Zeiten.
tons gefolgt, und iſt alſo ſeiner Meinung nach ein Co-
met nichts anders, als ein in Brand gerathener Planet.
Nun wollen zwar die Sternverſtaͤndigen wahrgenommen
haben, daß die Cometen ſolche Flaͤchen um die Sonne
beſchreiben, die den Zeiten ihrer Bewegung proportional
ſind, und da ſie darinne mit den Planeten uͤbereinkom-
men, ſo hat man daraus geſchloſſen, daß ſie beſtaͤndige
Weltkoͤrper ſind, welche ſich um unſere Sonne bewe-
gen, oder eine Schwere gegen dieſelbe haben. Wie viel
uns aber noch von ihren Laufe unbekant ſeyn muͤſſe, er-
hellet daraus, daß die Sternverſtaͤndigen in Vorherſa-
gung der Wiederkunft eines Cometens ſo ungluͤcklich ge-
weſen ſind. Der unvergleichliche Mathematiker Ber-
noulli hatte dergleichen Prophezeyhung gemacht. Kein
Aſtronomus in Europa ſchlief die Nacht da der Comet
erſcheinen ſollte, keiner aber konnte ihn erblicken. Auf
dieſe Art kan man alle Europaͤiſche Mathematicker um
den Schlaf bringen, aber man muß ein Bernoulli ſeyn,
wenn man dieſes thun will, hingegen wenn man die Er-
ſcheinung des Cometens blos aus einer dunkeln Stelle
einer ſehr alten hiſtoriſchen Schrift durch ungewoͤhnliche
Erklaͤrung der Woͤrter vorher ſaget, ſo werden in der
Nacht, da der Comet erſcheinen ſoll, alle Naturlehrer
und Mathematicker ganz ſanfte ſchlafen, dahingegen der
Poͤbel Maul und Naſe aufſperren wird, und nur die kluͤg-
ſten unter ihnen werden die Geſchicklichkeit haben keinen
Cometen zu ſehen. Was die Hypotheſe anbetrift, daß
der Comet ein brennender Planete ſey, ſo iſt ſie zwar
wahrſcheinlicher als die vorher angefuͤhrten, aber es iſt
doch eine Hypotheſe, dabey die Laͤnge des Schwanzes
eine nicht geringe Schwierigkeit macht, der Abwendung
deſſelben von der Sonne nicht zu gedenken. Man ſtelle
ſich nur vor, was erfolgen wuͤrde, wenn unſere Erde das
Ungluͤck haͤtte, uͤber und uͤber in den Brand zugerathen.
Es wuͤrde von dieſer groſſen Hitze die Luft in einen unge-
Dmein
[50]Geſchichte der Erde
mein groſſen Raum ausgedehnt werden, ihre Atmoſphaͤre
wuͤrde ohnfehlbar viel groͤſſer werden, als ſie jetzo iſt; kan
man ſich aber wohl einbilden, daß ſie unendliche mahl
groͤſſer als der Erddiameter werden ſollte, wie es mit
dem Schwanze des Cometens iſt, wenn man ihn mit
dem Kerne vergleichet? Ferner, ſo wuͤrde dieſe weitlaͤuf-
tige Atmoſphaͤre mit einer ungeheuren Menge waͤſſe-
richter Duͤnſte, die von der Erde in die Hoͤhe geſtiegen
waͤren, angefuͤllet werden, dadurch wuͤrde nun die gedach-
te Atmoſphaͤre viel dichter gemacht werden, waͤre ſie
nun durchſichtig, ſo wuͤrden die Sonnenſtrahlen A. B. und
C. D. bey ihren Eingange gegen den Perpendicul gebro-
chen, in E. wuͤrden ſie einander durchſchneiden, und her-
nach gegen F. und G. auseinander fahren, das heiſt, es
wuͤrde ein Cometenſchwanz entſtehen; wuͤrde aber wohl
eine ſolche mit Duͤnſten erfuͤllte Atmoſphaͤre durch ſich-
tig ſeyn koͤnnen? Jn Wahrheit, die Erfahrung lehret
bey truͤben Wetter das Gegentheil, und es iſt auch den
Gruͤnden der Naturlehre ganz gemaͤß, daß ein Koͤrper
undurchſichtig ſeyn muͤſſe, welcher aus Materie von ver-
ſchiedener Dichtigkeit zuſammengeſetzt iſt, waͤre aber
die Atmoſphaͤre des Cometens undurchſichtig, ſo kaͤme
er um ſeinen Schwanz, und wuͤrde ſich, wenn ſeine At-
moſphaͤre von den Sonnenſtrahlen erleuchtet wuͤrde,
blos als ein groſſer runder Koͤrper darſtellen, welcher ein
blaſſes Licht und einen ſehr hellen Mittelpunct haͤtte.
§. 25.
Geſetzt aber auch, die Erde waͤre vor der Schoͤpfung
ein Comete geweſen, ſie haͤtte ſich in einer langen und
ſchmalen Ellipſi, in deren Brennpuncte die Sonne gewe-
ſen, bewegt, und waͤre bey ihrer Annaͤherung an die Son-
ne entzuͤndet worden, wodurch haͤtte wohl dieſe lange und
ſchmale elliptiſche Bahn in eine kuͤrzere und breitere ver-
wandelt werden koͤnnen? Durch ein Wunderwerk? So
haben
[]
[][]
[][]
[][51]in den allerraͤlteſten Zeiten.
haben wir nur noͤthig die Erde gleich an den Ort zu ſetzen,
wo ſie gegenwaͤrtig iſt, und brauchen ſie nicht erſt zum
Cometen zu machen. Wir ſehen alſo wohl, daß das
Lehrgebaͤude unſers Whiſtons auf ſo feſten Saͤulen nicht
ruhet, als man ſich wohl einzubilden pflegt, weil man das
gar zu gerne glaubt, was man wuͤnſcht, und es vor noͤ-
thig haͤlt von denen Worten Moſis eine phyſicaliſche Er-
klaͤrung zu geben.
§. 26.
Eben das iſt von der Erklaͤrung zu ſagen, welche un-
ſer gelehrter Engellaͤnder von der Suͤndfluth gegeben hat.
Denn da ſie ſich gleichfalls auf die noch ſehr ungewiſſe
Cometenlehre gruͤndet, ſo wird man ſie vermuthlich
vor kein Evangelium halten. Laßt uns ſehen, wie er uns
dieſelbige beſchreibt.
§. 27.
So wohl Moſes, als die alten Geſchichtſchreiber und
Poeten erzaͤhlen uns, daß ehemals eine groſſe Ueber-
ſchwemmung der Erde vorgegangen ſey, die wir die Suͤnd-
fluth zu nennen pflegen. Man glaubt, daß der ganze Erd-
boden mit Waſſer uͤber und uͤber bedeckt worden ſey, und
es iſt kein groſſes Kopfbrechen dabey, wenn man ſich
blos auf die Allmacht GOttes beruffet, wenn man aber
die Allgemeinheit der Suͤndfluth aus natuͤrlichen Urſachen
begreiflich machen will, ſo finden ſich nicht geringe Schwie-
rigkeiten, und man ſiehet ſich wie in andern Faͤllen ge-
noͤthiget zu geſtehen, daß Glaube und Vernunft nicht zu
vermengen ſey. Denn durch einen bloſſen Regen kan ohn-
moͤglich ſo viel Waſſer herabgefallen ſeyn, welches die ganze
Erde um und um umgeben, und uͤber die hoͤchſten Berge
gegangen ſeyn ſoll, denn geſetzt auch, daß unſere ganze
Atmoſphaͤre in Waſſer verwandelt worden waͤre, ſo
wuͤrde dennoch dieſes ſo viel nicht ausgemacht haben, ich
D 2geſchwei-
[52]Geſchichte der Erde
geſchweige, daß es nicht moͤglich iſt die Luft in Waſſer zu
verwandeln: denn geſetzt auch, daß ſie 800. bis 1000.
mahl dichter gemacht wuͤrde, als ſie jetzo iſt, ſo wuͤrde ſie
zwar mit dem Waſſer einerley Schwere haben, Holz und
andere Dinge wuͤrden anfangen in derſelben zu ſchwim-
men, und wir wuͤrden das Vergnuͤgen haben koͤnnen auf
der Luft ſpatziren zu fahren, wenn wir nicht das Ungluͤck
haͤtten darinnen zu erſaufen, welches alles keine bloſſe
ſuͤſſe Traͤume, ſondern ausgemachte Wahrheiten ſind,
welche denen Grundlehren des unſterblichen Archimedes
gemaͤß ſind; aber wuͤrde man wohl ſagen koͤnnen, daß
die Luft zu Waſſer geworden waͤre? Gewiß, wer ſich mit
mit der Natur bekant gemacht hat, wird dieſes niemals
behaupten, ſondern vielmehr finden, daß Luft und Waſ-
ſer allemal Koͤrper von ganz verſchiedener Beſchaffenheit
ſind. Denn nur eines anzufuͤhren, warum laͤßt ſich das
Waſſer nicht wie die Luft zuſammendruͤcken? man wird
mit der Antwort gleich fertig ſeyn, und ſagen, weil es
viel dichter ſey, als die Luft, aber man muß bedenken,
daß es noch zwanzig mahl leichter ſey als das Gold, und
es alſo nicht ſchlechterdings unmoͤglich ſeyn koͤnne, ſeine
Materie in einen kleinern Raum zuſammen zu bringen,
wie wir ſehen, daß ſolches durch die Kaͤlte wirklich ge-
ſchiehet, ohnerachtet es aber durch die Kaͤlte in einen fe-
ſten Koͤrper verwandelt wird, ſo wird es doch zu keinen
Metall, ſondern behaͤlt beſtaͤndig von jenen verſchiedene
Eigenſchaften, was koͤnnen wir aber wohl daraus fuͤr ei-
nen andern Schluß machen, als daß die kleinen Theilgen
eines Koͤrpers von gewiſſer Art von denen Theilgen eines
andern Koͤrpers von einer andern Art allemal weſentlich
verſchieden ſeyn muͤſſen, und daß die Verwandlungen der
Elemente in einander fuͤr einen bloſſen Traum und Aus-
geburt der Einfalt unſerer alten Weltweiſen zu halten ſey.
Geſetzt aber auch, daß man einraͤumen wollte, es koͤnne
die Luft durch Verdickung in Waſſer verwandelt werden,
durch
[53]in den alleraͤlteſten Zeiten.
durch welche Kraft haͤtte wohl dergleichrn Verdickung her-
vorgebracht werden koͤnnen? Jhr ſagt: durch eine goͤttli-
che, ich finde nichts dabey zu erinnern, als daß es GOtt
eben ſo leichte geweſen ſey ſo viel Waſſer zu erſchaffen, und
hernach wieder zu vernichten, als die Luft durch zuſam-
mendruͤcken in Waſſer zu verwandeln.
§. 29.
Burnet ſtehet in den Gedanken, das Waſſer ſey
vormals alles in der Rinde unſerer Eede eingeſchloſſen ge-
weſen, und weil die Ecliptic nicht wie jetzo mit dem Ae-
quator einen Winkel von 23 Graden und 29 Minuten
gemacht, ſo waͤre in einen gewiſſen Striche der Erde die
Rinde derſelben einige Jahrhunderte hindurch dergeſtalt
erhitzt worden, daß das unter ihr befindliche Waſſer in
Duͤnſte verwandelt worden waͤre, welche durch ihre Ela-
ſtieitaͤt die Erdenrinde zerriſſen, und dem unterirdiſchen
Waſſer einen Ausgang gemacht haͤtten. Allein, auſſer
den oben bereits hiervon angefuͤhrten Schwierigkeiten iſt
zu bedenken, daß es gar nicht wahrſcheinlich ſey, daß die
Ecliptic ehemals mit dem Aequator einen andern
Winkel als jetzo gemacht haben ſollte, indem keine geſchick-
tere Bewegung der Erde, welche vor ihre Einwohner ſo
vortheilhaft ſeyn ſollte als die jetzige iſt, erdacht werden
kan, und man nicht begreift, wodurch der Lauf des Erd-
bodens veraͤndert worden waͤre. Ueberdem wiederlegen
dieſe Veraͤnderung der Erdbewegung die egyptiſchen
Pyramiden. Denn die Reiſenden habenangemerkt, daß
dieſe Pyramiden, dieſe erſtaunlichen Proben der menſchli-
chen Eitelkeit mit ihren Seiten gerade gegen die Weltge-
genden gerichtet ſind. Daher iſt es ſehr vermuthlich, daß
ſie ſo mit Fleiß erbauet worden, da ſie ſich aber gleichwol
von denen Zeiten der Pharaonen herſchreiben, ſo muͤſte
doch wohl in einer ſo langen Zeit eine merkliche Veraͤnde-
rung in Anſehung ihrer Lage gegen die Sonne vorgegan-
D 3gen
[54]Geſchichte der Erde
gen ſeyn. Es iſt wahr, eingeſchloſſene Duͤnſte haben eine
unbeſchreibliche Gewalt, und es laͤßt ſich durch Experi-
mente beweiſen, daß ein einziger Tropfen Waſſer, wenn
er auf einmal durch die Hitze in Duͤnſte verwandelt wird,
zehnmal mehr Gewalt als ſo viel Schießpulver beſitzt. Es
hat aber auch unſer groſſer Gottesgelehrter, der Herr D.
Baumgarten, ſehr wohl angemerkt, daß auf dieſe Art ſo
bald die Rinde der Erde zerriſſen waͤre, die Erde in eine
Dampfkugel, (Aeolipilam,) verwandelt worden; durch
deren Oefnung die Duͤnſte herausgefahren, nimmermehr
aber das Waſſer herausgetrieben haben wuͤrden. Und was
iſt viel davon zu ſagen, man ſieht aus der ganzen Erzeh-
lung, Burnet habe uns nur zeigen wollen, daß er ge-
ſchickt ſey was artiges zu erdenken, das allemal eben nicht
wahr ſeyn muß.
§. 30.
Daß man noch was artigers erdenken koͤnne, wel-
ches vielleicht eben ſo falſch iſt, hat Whiſton gewieſen.
Er ſchreibt die Suͤndfluth dem Cometen zu, welcher im
Jahr 1680. erſchienen iſt, er weiß dieſes ſo ſinnreich und
geſchickt herauszubringen, daß man es bey nahe fuͤr wahr
halten ſollte, welches mich bewogen in meiner Naturlehre
einen kurzen Auszug davon zu geben, wiewol ich auch
nicht unterlaſſen habe zugleich dabey meine Leſer zu erin-
nern, daß dieſes kein Glaubensartikel ſey, und es folglich
ein jeder damit halten koͤnnte, wie es ihm beliebte. Denn
man muß den Werth der Dinge zu ſchaͤtzen wiſſen, und
da ich mich jederzeit/ bemuͤhet habe ſolches zu thun, ſo ha-
be ich weiter nichts finden koͤnnen, als daß die Whiſto-
niſche Vorſtellung der Suͤndfluth vielleicht unter allen
die artigſte iſt, welche erdacht werden koͤnnen, mir deucht
aber doch, daß ich zwiſchen ihr und einen mathematiſchen
Beweiſe noch einen ſo groſſen Unterſchied antreffe, daß
ich mich niemals habe entſchlieſſen koͤnnen, ſie in dasjenige
kleine
[55]in den alleraͤlteſten Zeiten.
kleine Behaͤltnis meines Kopfes zu ſetzen, darinnen die
Sachen ſtehen, die ich vor ausgemacht halte.
§. 31.
Newton hat ſich die Muͤhe genommen uns die Bahn
des Cometens zu beſchreiben, welcher im Jahr 1680. er-
ſchienen iſt, er hat gefunden, daß er ſich in einer langen
und ſchmalen elliptiſchen Linie um die Sonne bewegt,
welche ſich in dem einen Brennpuncte ſeiner elliptiſchen
Bahn befindet. Hieraus hat er geſchloſſen, daß er zum
wenigſten 2000 mal heiſſer als ein gluͤendes Eiſen gewor-
den ſeyn muͤſſe, da er ſich der Sonne genaͤhert. Denn
er gieng ſo nahe bey der Sonne vorbey, daß ſich ſeine Ent-
fernung von derſelben zu der Entfernung der Erde von der
Sonne verhielt, wie 6 zu 1000. Da nun die Waͤrme
der Sonnenſtrahlen mit ihrer Dichtigkeit und dieſe mit dem
Quadrate der Entfernung von der Sonne abnimmt: ſo
hat ſich die Hitze des Cometens zu der Sonnen Waͤrme
auf dem Erdboden verhalten muͤſſen wie 1000000 zu 36.
das iſt, wenn man beyderſeits mit 36 dividirt, wie 28000
zu 1. Aus der Erfahrung war ihm bekannt, daß ſieden-
des Waſſer dreymal heiſſer ſey, als die Erde wenn ſie des
Sommers von der Sonne erwaͤrmet worden iſt, er hatte
ferner gefunden, daß ein gluͤendes Eiſen viermal heiſſer
als das Waſſer, und alſo zwoͤlfmal heiſſer ſey, als die Er-
de in Sommer zu werden pflegt, man darf alſo nur mit
12 in 28000 dividiren, ſo wird man finden, daß der Co-
mete damals zum wenigſtens 2000 mal heiſſer, als ein
gluͤendes Eiſen geworden ſey. Man kan dieſe Schluͤſſe
noch weiter treiben, und daraus finden, wie lange ein ſol-
cher Comet Zeit brauchet, um voͤllig wieder kalt zu wer-
den. Denn die Zeiten der Erkaͤltungen verhalten ſich wie
die Diameter; und eine gluͤende eiſerne Kugel, die im Dia-
meter 1 Zoll hat, wird nicht voͤllig in einer Stunde kalt,
derowegen wuͤrde eine gluͤende eiſerne Kugel, welche ſo
D 4groß
[56]Geſchichte der Erde
groß waͤre wie dieſer Comet, und daher im Diameter
4000000 Schuhe, das iſt 4000000000 Zoll haͤtte, ihre
Waͤrme erſt nach 4000000000 Stunden, das iſt, wenn
man mit 24 dividiret, ihre Waͤrme erſt nach 166666666
Tagen, und wenn man ſie durch dividiren mit 365. in Jah-
re verwandelt, nach 456621. Jahren verlieren wuͤrde, wenn
man aber bedenkt daß der Comet 2000 mal heiſſer als ein gluͤ-
endes Eiſen geworden ſey, ſo muͤſte dieſe Zahl noch mit 2000
multiplicirt werden, wenn man die Anzahl der Jahre be-
ſtimmen wolte, die dieſer Comete zu ſeiner voͤlligen Er-
kaͤltung gebraucht, und ſo wuͤrde man finden, daß
1826484000 Jahre dazu noͤthig waͤren. Freylich weiß man
nicht, aus was vor einer Materie man den Cometen
machen ſoll, daß er dergleichen Hitze aushalten koͤnne;
unſere Erde wuͤrde einem geſchmolzenen Glaſe aͤhnlich wer-
den, wenn ſie ſich in dergleichen Umſtaͤnden befinden ſol-
te, indem das Glas das letzte iſt, welches die Hitze aus
den Koͤrpern hervor bringet, wenn ſie nicht unter der Ge-
ſtalt der Ausduͤnſtungen davon fliegen. Dieſes hat ſelbſt
einige auf die Gedanken gebracht, daß unſere Erde bey
der algemeinen Verbrennung in ein Glas verwandelt wer-
den wuͤrde, ja ſie beſtimmen uns ſo gar die Art des Gla-
ſes, und verſichern, daß es ein Vitrum ♁nii ſeyn werde.
Sie haben darzu die wichtigſte Urſache von der Welt: denn
man ſchreibt in den Recepten das Antimonium mit eben
dem Zeichen, womit die Calendermacher den Erdboden
andeuten. Man ſtellt ſich ſchon im Geiſte das Vergnuͤgen
vor, auf einen glaͤſernen Erdboden zu wohnen; ich aber
bilde mir ein, daß er um ein merkliches ſchlechter, als un-
ſere gegenwaͤrtige mit Pflanzen und Thieren beſetzte Erde
ſeyn moͤchte. Mir kan es indeſſen gleichviel gelten, ob der
Comete ein ſolcher Glasklumpe iſt, oder ob er aus einer
uns ganz unbekannten Materie beſtehet. Man mag ſetzen,
was man will, ſo muß man doch zugeben, daß er ſeine
von der Sonne empfangene Hitze ſehr lange behalten muͤſſe,
und
[57]in den alleraͤlteſten Zeiten.
und der angefuͤhrten Rechnung zufolge kann der Comete,
welcher 1680. erſchienen iſt, ſeine Hitze waͤhrender Zeit
ſeines Umlaufs unmoͤglich verlieren, denn man hat aus
ſeiner Bewegung geſchloſſen, daß er ſeinen Lauf um die
Sonne erſt nach 575 und ½ Jahr zu Ende bringet.
§. 32.
Man will ſo gar in der Hiſtorie Beweisthuͤmer von
dieſen periodiſchen Umlauffe gedachten Cometens antref-
fen. Denn wenn wir 575. Jahre von dem 1681ſten Jahre
abziehen, ſo koͤmmt das Jahr 1106 heraus, in welchen
bey dem Todte des Kayſers Heinrichs des IV. von allen
Geſchichtſchreibern von eines entſetzlichen Cometen Er-
ſcheinung gemeldet wird. Weiter zuruͤcke findet man im
Jahr 531. oder 532. zu Kayſers Juſtiniani Zeiten, und
noch 575½ Jahre zuruͤck, gleich nach Julius Caͤſars Todte
eben das aufgezeichnet. Jn der Sache ſelbſt liegt keine
Unmoͤglichkeit, ob man gleich daraus nicht den Schluß zu
machen hat, daß deswegen alle Cometen einen periodi-
ſchen Umgang um die Sonne und eine elliptiſche Laufbahn
haben muͤſten: denn eine alzuſehr geſchobene elliptiſche Li-
nie wird in einen andern Kegelſchnitt, das iſt entweder
in eine Hyperbel oder Parabel verwandelt, und man
ſieht wohl, daß alsdenn die Sonne nicht die Kraft habe,
die Bahn eines ſo ſehr weit von ihr entfernten Koͤrpers
wieder dergeſtalt zu beugen, daß er gegen ſie zuruͤcke keh-
ren, und eine in ſich ſelbſt zuruͤcklauffende Linie beſchrei-
ben koͤnne. Die Rechnungen der groͤſten Mathematicker
ſtimmen damit uͤberein, und man ſieht daraus, daß uns
nicht alle Cometen ſo treu ſind, wie der, der uns im Jahr
1680 erſchienen iſt, ſondern daß es unter ihnen einige
giebt, welche ſich weigern denen Befehlen der Sonne fer-
ner zu gehorchen und aus unſern Sonnengebaͤude davon
lauffen, von dieſen muͤſſen wir alſo auf ewig Abſchied neh-
men und bekommen ſie nimmermehr wieder zu ſehen, ſie
D 5ſelbſt
[58]Geſchichte der Erde
ſelbſt aber begeben ſich nur aus einer Sclaverey in die an-
dere: denn ſo bald ſie ſich einen andern Fixſterne naͤhern,
ſo bemaͤchtigt er ſich derſelbigen durch ſeine anziehende
Kraft, und noͤthigt ſie aufs neue um ihn herum zu lauffen,
da es denn gar leichte geſchehen kann, daß ſie ſich wieder
in einer elliptiſchen Bahn bewegen muͤſſen. Dieſes hat
mich auf einen wunderlichen Einfall gebracht, welcher ſich
dergeſtalt in mein Gemuͤthe eingeſchlichen hat, daß ich ihn
nicht los werden kann, ob ich ſchon ſehe, daß er ſich nicht
erweiſen laͤßt. Jch wolte denen Sonnen oder Fixſternen ſo
gerne eine Nahrung verſchaffen, weil ich es nicht gerne
ſehe, wenn ſie einmal verbrennen ſolten; wie waͤre es nun,
wenn wir ihnen die Cometen zu ihrer Speiſe verordne-
ten? die armen Fixſterne muͤſſen doch etwas zu leben ha-
ben, und warum ſolten ihnen die Cometen nicht zur
Nahrung dienen koͤnnen? Sie kommen ihnen ſehr nahe,
und es iſt eben nicht unmoͤglich, daß ſie gar in ſie hinein
fallen koͤnnen. Jch finde dieſe Gewohnheit allenthalben in
der Welt ſo ſehr eingefuͤhrt, daß es mich wundern ſolte,
wenn die Fixſterne die Mode nicht mitmachten. Die groͤſ-
ſern Thiere freſſen die kleinern, ein groſſer Baum raubt
den kleinen Pflanzen ihre Nahrung, und die maͤchtigern
Menſchen unterdruͤcken die ſchwaͤchern, ob uns gleich
die Sittenlehrer mit einer ernſthaften Mine ſagen, daß
die Menſchen in dieſem Stuͤcke den Fixſternen nicht aͤhn-
lich ſeyn ſolten, welche die Cometen ihres ungeheuren
Schwantzes ohngeachtet blos darum verſchlucken, weil ihr
alzukleiner Koͤrper der alzuſtarken anziehenden Kraft nicht
zu widerſtehen vermoͤgend iſt.
§. 33.
Wenn man es nun vor gewis annehmen will, daß der
Comete des Jahres 1680. binnen 575. Jahren ſeinen Umlauf
verrichtet, und ſieben ſolche Perioden deſſelben zuruͤcke zeh-
let, ſo wird man finden, daß ſie 4028. Jahre ausmachen,
und
[59]in den alleraͤlteſten Zeiten.
und daß alſo die Erſcheinung gerade auf die Zeit der Suͤnd-
fluth einfaͤllt. Daher hat eben Whiſton den Einfall be-
kommen, daß dieſer Comete die Suͤndfluth verur-
ſacht habe. Er bemuͤhet ſich zu zeigen, daß der Co-
mete damals der Erde naͤher als jemals gekommen ſey,
daher es denn geſchehen, daß die Erde durch ſeinen Schwanz
hindurch gehen muͤſſen, und da dieſer aus einer groſſen Men-
ge waͤſſeriger Ausduͤnſtungeu beſtehe, ſo waͤre die Atmo-
ſphaͤre unſerer Erde mit dieſen waͤſſerigen Duͤnſten derge-
ſtalt erfuͤllt worden, daß ein 40 taͤgiger Regen entſtanden,
da aber zu gleicher Zeit viele ſchaͤdliche Ausduͤnſtungen in
unſere Luft gekommen waͤren, ſo waͤre dieſe viel ungeſun-
der und ſchaͤdlicher gemacht worden, daher waͤre es geſche-
hen, daß die Menſchen nicht ſo lange nach der Suͤndfluth
als vor derſelben gelebt haͤtten, welches dem gemaͤß iſt,
was uns Moſes davon berichtet. Denn er erzaͤhlt uns,
daß das Leben der Menſchen vor der Suͤndfiuth uͤber 900.
Jahre gegangen waͤre, und daß keiner unter 600 Jahr
gelebt haͤtte auſſer Enoch, welcher lebendig gen Himmel
gefahren waͤre. Nach der Suͤndfluth aber ſetzt er das
menſchliche Alter nicht viel uͤber 400. und bey dem Joſeph
nur auf 110 Jahr. Eine ſolche algemeine Verkuͤrzung
des menſchlichen Lebens ſcheint freylich wohl eine allgemeine
Urſache zu erfordern, und unſer Whiſton glaubt ſie nir-
gends beſſer als in der Luft antreffen zu koͤnnen, da ſich
alle Menſchen derſelben bedienen muͤſſen. Jch weiß aber
nicht, ob er damit auskommen wird, und ob nicht viele
davor halten werden, daß er beſſer gethan haͤtte, wenn er
das lange Leben der Altvaͤter vor der Suͤndfluth blos dem
Willen und der Allmacht GOttes zugeſchrieben haͤtte; denn
menſchlich davon zu reden, ſo ſind die Koͤrper derer Men-
ſchen, welche itzo in der Welt leben, andere aber haben wir nie-
mals geſehen, von der Beſchaffenheit, daß wohl jetzt ſchwer-
lich jemand ohne ein Wunderwerk 900 Jahre alt werden
kan. Jch leugne nicht, daß es Urſachen gebe, warum die
Men-
[60]Geſchichte der Erde
Menſchen itzo nicht ſo alt werden, als ſie noch vor 200 Jah-
ren geworden ſind, wenn man nach der groͤſten Menge ur-
theilen ſoll. Denn dieſes hat vielerley Urſachen, welche
ſich darinnen kurz zuſammen faſſen laſſen, daß ſie groͤſten-
theils kluͤger und dennoch noch nicht recht klug geworden
ſind. Denn dieſe uͤbertriebene Klugheit hat gemacht, daß
ſie neue Mittel erſonnen haben, ihre Leidenſchaften aufs
hoͤchſte zu treiben, das heißt, daß ſie neue Dolche verfer-
tiget haben, damit ſie ſich ſelbſt um das Leben bringen.
Laßtuns nur einige derſelben betrachten. Jſt es nicht wahr,
daß ein Candidate, aus welchem man einmal weiter nichts
als einen Dorfprediger machen will, zweymal mehr wiſſen
muß, als zehn Generalſuperindententen vor 200 Jahren
gewußt haben? Denn man fordert von ihm daß er die
chriſtlichen Glaubenslehren nicht nur herbeten koͤnne, wo-
mit man wol ehemals zufrieden war, ſondern er ſoll die-
ſelbe erweiſen, und die Einwuͤrfe beantworten koͤnnen,
welches ihn noͤthiget, ſich auf alle Theile der Weltweisheit
und Mathematick zu legen. Die orientaliſchen Sprachen
ſind ihm zum Verſtande der Bibel unentbehrlich, und nach
der gegenwaͤrtigen Einrichtung kann er auch kaum auſſer
einer guten deutſchen Redekunſt die franzoͤſiſche, engliſche
und italiaͤniſche Sprache entbehren. Ein Rechtsgelehrter
lernt heut zu Tage nicht blos die Geſetze ſeiner Vaterſtadt,
und glaubet wie vormals daß eine alte deutſche Redlichkeit
ſeine Haupteigenſchaft ſeyn muͤſſe; nein, dieſes iſt laͤngſt
aus der Mode gekommen, und man fordert an deſſen
ſtatt von ihm eine Erkaͤntniß, nicht nur der einheimi-
ſchen, ſondern auch der roͤmiſchen Rechte, er muß ein
Philoſoph und Mathematicus ſeyn, er muß auſſer der
lateiniſchen, zum wenigſten die franzoͤſiſche Sprache ver-
ſtehen, und wenn er denn eine nach dem Geſchmacke der
Welt eingerichtete Lebensart beſitzt, ſo darf er nur einen
ſchweren Grundſtein legen um darauf das Gebaͤude ſei-
ner zeitlichen Gluͤckſeligkeit aufzufuͤhren. Jn der Arze-
neyge-
[61]in den alleraͤlteſten Zeiten.
neygelahrtheit gibt es endlich keine mediciniſchen Glau-
bensartikel mehr, ſondern es iſt leider dahin gekommen,
daß man dieſen Leuten den Hippocrates und Galenus
aus den Haͤnden geriſſen hat, ſie befinden ſich alſo in
eben ſo mißlichen Umſtaͤnden als ein Theologus, welchen
man die Bibel, und ein Rechtsgelehrter, welchen man
das Corpus Juris nehmen wollte. Sie ſehen ſich daher
genoͤthiget blos ihrer eigenen Vernunft zu folgen, und ſie
finden nur zu ofte, daß dieſe eine alzugefaͤhrliche Fuͤhre-
rin ſey. Jndeſſen laͤßt es ſich nicht aͤndern, ſie muͤſſen
ſich zum wenigſten um die theoretiſche Weltweisheit be-
kuͤmmern, ſie muͤſſen ſich die Erfindungen der neuern Ana-
tomiſten und Obſervationen der Arzneygelehrten bekant
machen, ſie muͤſſen die Mathematick ſtudiren, um nicht
nur richtig denken zu lernen, ſondern auch um die Natur-
lehre gruͤndlich ſiudiren zu koͤnnen, anderer Nebenſachen
zu geſchweigen, die ihnen gleichfalls unentbehrlich ſind.
Dis alles war vormals nicht noͤthig, ſondern man durfte
nur einen grauen Bart haben, und ſich mit einer ehr-
wuͤrdigen ernſthaftigen und klugen Mine neben das Bet-
te des Patienten ſtellen, und ihn bey ſeiner Treue verſi-
chern, daß man ihm ſo etwas verordnet haͤtte, welches
nothwendig helfen muͤſte, weil es mit klaren Worten in
dem griechiſchen Texte des Hippocratis ſtuͤnde. Jch
will jetzo gar nicht unterſuchen, ob wir bey unſerer
jetzigen Weisheit gluͤcklicher als unſere Vorfahren ſind, ſo
viel aber wird man vermuthlich einraͤumen, daß jetzt viel-
mehr Kopfbrechens erfordert werde um ein Gelehrter zu
heiſſen, als damals, da ſich zwey Moͤnche druͤber zankten
ob es mehr als eine Welt gaͤbe, und der eine ſeinen Satz
daher behauptete, daß in der Bibel ſtuͤnde: Nonne decem
mundi facti ſunt; der andere aber antwortete: Sed ubi
ſunt novem. Aber wie raͤumt ſich dieſes zu dem langen
Leben der Menſchen? Jch ſage ſehr wohl. Denn wir
ſehen daraus, daß die Gelehrten heute zu Tage vielmehr
ſtudiren
[62]Geſchichte der Erde
ſtudiren muͤſſen, als vormals, was heiſt dieſes aber an-
ders, als daß ſie ſich eher um ihr Leben und Geſundheit
bringen, als es ſonſten geſchehen iſt? Denn die Kraͤfte,
welche zum denken angewendet werden, werden nothwen-
dig dem Leibe entzogen, welches ſich nicht nur aus der
Erfahrung, ſondern auch aus Gruͤnden der Arzeneyge-
lahrheit darthun laͤßt; daher bin ich immer der Meinung
jenes Griechens geweſens, welcher uns ſagt: Die Men-
ſchen ſind nicht gemacht die Erde zu beſchreiben, ſondern
zu bauen. Jſt es alſo nicht artig, daß man ſelbſt alsdenn,
wenn man den Selbſtmord mit vielen Gruͤnden zu beſtrei-
ten ſucht, ein Selbſtmoͤrder werden kan. Die Weltwei-
ſen ſind viel zu grosmuͤthig, als daß ſie ſich aus einen
langen Leben etwas machen ſollten. Denn ſie haben ge-
funden, daß ein kurzes Leben, darinnen man vieles denkt,
einen laͤngern, darinnen man wenig gedacht hat,
weit vorzuziehen ſey. Sie beneiden daher das Gluͤck ei-
nes reichen Buͤrgers nicht, welcher 80. Jahr in der Welt
bey ruhigen Gemuͤthe, mittelmaͤßigen Verſtande, und ei-
nen Ueberfluſſe an allen was zur Bequemlichkeit und Noth-
durft erfordert wird, geſund zubringet. Jch habe mir
aber ſagen laſſen, daß ein ſolcher Buͤrger ſie gleichfalls
nicht beneide. Dieſes was ich hier angefuͤhrt habe, be-
trift nur die Gelehrten, aber woher koͤmmt es, daß auch
andere Menſchen eiu kuͤrzeres Leben haben? Es iſt wider
die noch nicht hoch genug getriebene Klugheit derſelben
Schuld daran, denn man iſt weder tumm noch geſcheut
genug um lange leben zu koͤnnen, das letztere wird man
niemals werden, und das erſtere iſt man nicht mehr.
Denn die Lebensart der Alten war einfaͤltig und natuͤrlich,
die unſrige aber iſt gekuͤnſtelt und ſeltſam. Ja man
hat die Wolluſt und Schwelgerey zu unſern Zeiten viel-
leicht noch hoͤher als zu denen Zeiten des Petronius ge-
trieben, ob man ſie ſchon nicht ſo oͤffentlich und mit ſo
naͤrriſchen Ceremonien als damals mehr ausuͤbt. Man
ver-
[63]in den alleraͤlteſten Zeiten.
verſchwendet/ die beſten Kraͤfte der Natur in der Jugend.
Das ganze Leben derer meiſten Menſchen iſt faſt nichts
anders als eine beſtaͤndige Abwechſelung wuͤtender Afecten.
Einer wird des andern Teufel, dadurch wird der Koͤrper
geſchwaͤcht, und was iſt natuͤrlicher, als daß von ſchwa-
chen Eltern ſchwache Kinder geboren werden. Mit ei-
nem Worte, der Tod iſt der Suͤnden Sold. Wenn aber
auch alles dieſes nicht waͤre, ſo wuͤrde doch ein Menſch
ſein Leben ſchwerlich uͤber 150. Jahr bringen koͤnnen, zum
wenigſten haben wir in den neuern Zeiten auſſer dem En-
gellaͤnder Parry kein Exempel, daß einer ſo lange gelebt haͤtte,
man muͤſte denn den Artephius anfuͤhren, welcher
durch die Staͤrke ſeiner Arzeney uͤber 1000. Jahre gelebt
hat, und ſich, nachdem er des Lebens uͤberdruͤßig war,
(denn man wird alles in der Welt muͤde,) in ein Grab
legte, worein er ein kleines Flaͤſchgen von ſeinem Spiritu
mit ſich nahm, an den er bisweilen riecht, und vermoͤge
deſſelben noch bis dieſe Stunde leben kan. Eine Ge-
ſchichte, welche in rechten Ernſte geglaubt worden iſt, die
man aber vermuthlich ins kuͤnftige nur bey den Spinro-
cken erzaͤhlen wird. Es iſt auch gar kein Wunder, daß
die Menſchen bey der ſtrengſten und ordentlichſten Lebens-
art ihr Leben ſollten uͤber 100. Jahre bringen. Denn die
Beſchaffenheit des Koͤrpers ſelbſt bringt es ſo mit ſich, daß
ſeine Faͤſergen immer haͤrter und feſter gemacht werden
muͤſſen, bis ſie endlich ganz und gar ſteif und unbeugſam
werden, da denn die Bewegung nothwendig nach und
nach aufhoͤren muͤſſen, wovon man die Beweißthuͤmer in
den Schriften des Hoffmanns Boerhavens und
anderer vernuͤnftigen Arzeneygelahrten antrift.
§. 34.
Denen Bewegungsgeſetzen der Planeten, welche
Kepler erfunden und Newton hoͤher getrieben hat zu fol-
ge, ſetzt Whiſton, daß der gedachte Comete bey ſeiner An-
naͤherung den Erdboden an ſich gezogen habe, wodurch
zwey-
[64]Geſchichte der Erde
zweyerley Veraͤnderungen bey der Erde hervorgebracht wor-
den waͤren, deren eine darinne beſtanden, daß die ellipti-
ſche Linie, in welcher ſich die Erde um die Sonne bewe-
get, dergeſtalt erweitert worden, daß ſie eine laͤngere Zeit
ihren Umlauf zu verrichten, als vormals noͤthig gehabt
haͤtte. Er ſucht dieſes aus den aͤlteſten Schriftſtellern zu
beweiſen, die alle darinn mit einander uͤbereinkommen, daß
die Egyptier, Babylonier, Perſer, Griechen und
Roͤmer in dem erſten Jahrhunderten nach der Suͤnd-
fluth, ehe ſie ſich auf die Aſtronomie gelegt, einen Mo-
nath zu 30. Tagen, und das Jahr zu 360. Tagen gerech-
net haͤtten. Ja Noa ſelbſt ſoll eben ſo gerechnet haben,
wie aus der Moſaiſchen Hiſtorie der Suͤndfluth zu ſchlieſ-
ſen waͤre, und bey den Mexicanern in America habe
man es eben ſo befunden. Jch will dieſe hiſtoriſche Wahr-
heiten nicht in Zweifel ziehen; aber wer will uns verſi-
chern, daß das Jahr vor der Suͤndfluth darum nicht meh-
rere Tage gehabt habe, weil man damals davorgehalten
hat, daß es nicht mehrere habe? Oder iſt es nicht viel-
mehr zu vermuthen, daß unſere lieben Altvaͤter bey ihrer
ſonſt bekannten Redlichkeit ſo einfaͤltig geweſen ſind, daß
ſie dieſes nicht eingeſehen haben, und weil es ihnen auf
eine Hand voll Tage nicht angekommen, an ſtatt der un-
geraden eine gerade Zahl erwaͤhlet haben. Die Mexi-
caner ſind eben auch nicht die witzigſten Koͤpfe, daß man
ihnen in Anſehung der Zeitrechnung eine ſo groſſe Rich-
tigkeit beylegen ſollte; ſondern es iſt vielmehr die Vermu-
thung ſehr ſtark, daß die Zeitrechnung der Alten denen
es an richtigen Jnſtrumenten und genugſamer Ein ſicht
in die Aſtronomie gefehlt hat, ſehr fehlerhaft ſeyn muͤſſe,
und wenn ihre Jrrthuͤmer uns darinn genugſam bekannt
waͤren: ſo wuͤrde vermuthlich die Geſchichte der aͤlteſten
Zeit nach einen andern chronologiſchen Maaßſtabe abge-
meſſen werden muͤſſen. Jn Wahrheit, es iſt kaum zu
glauben, wie viel eine Begebenheit durch das Alter von
ihrer
[65]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ihrer wahren Geſtalt verliehren kan, und man muß es
wahrgenommen haben, weil ich ofters gehoͤret habe, daß
man auf die Erzehlung einer ſehr unglaublichen Sache in
Scherze zu antworten pflege: es muͤſſe ſehr lange ſeyn da
ſich dieſes zugetragen haͤtte. Sollte einen dieſes aber
nicht ſo furchtſam machen, daß man der Erzehlung einer
ſehr alten Geſchichte jederzeit wenn die uͤbrigen Umſtaͤnde
einerley ſind, einen etwas geringern Grad der Wahr-
ſcheinlichkeit als einer nicht ſo alten zueignete?
§. 35.
Die andere Wuͤrkung der anziehenden Kraft des Suͤnd-
fluthcometens ſoll darinn beſtanden haben, daß er die
Erdenrinde zerriſſen, und den unterirdiſchen Waſſern ei-
nen Durchgang verſtattet haͤtte. Wenn wir die Newto-
niſche Theorie der Ebbe und Fluth betrachten: ſo ſcheinet
nichts leichter zu begreifen zu ſeyn. Denn dieſer zu folge
muß der Comet allenthalben, wo er gerade uͤber dem Waſſer
geſtanden, ein Aufſchwellen deſſelben, das iſt, eine Fluth
verurſacht haben, dergleichen auch zu gleicher Zeit in den
entgegengeſetzten Theile des Erdbodens erfolget ſeyn muͤſte,
gleichwie wir ſehen, daß dieſes von den Monde zu geſche-
hen pflegt. Allein, daß der obgedachte Comete die Erde
zerreiſſen und ſolchergeſtalt denen unterirdiſchen Waſſern
einen Ausbruch verſtatten koͤnnen, iſt wieder ſehr ſchwer zu
glauben. Denn wenn wir auch einraͤumen wollen, daß
er zur Zeit der Suͤndfluth auſſerordentlich nahe an die
Erde gekommen waͤre: ſo bliebe doch die Schwierigkeit
noch uͤbrig, wie er ſich wieder von der Erde habe entfer-
nen koͤnnen. Denn es iſt einmal unter den Planeten die
Mode von Anfang her eingefuͤhret, daß der ſtaͤrkere den
ſchwaͤchern zwingt um ihn herum zu laufen, wenn er ihn
in ſeiner Bewegung zu nahe kommt. Der Mond muß
blos aus dieſer Urſache der Erde beſtaͤndig folgen, und
warum ſollte man denen Cometen ein beſſeres Schickſal
Epro-
[66]Geſchichte der Erde
prophezeyhen, welcher nach Whiſtons Gedanken zur Zeit
der Suͤndfluth der Erde viel naͤher als der Mond gekom-
men ſeyn ſoll. Es iſt alſo viel glaublicher, daß unſere
Erde eine Eroberung gemacht haben wuͤrde: weil die
Sternverſtaͤndige verſichern, daß dieſer Comete kleiner
als unſere Erde geweſen waͤre. Man muß dieſen Ein-
wurf fuͤr keine Kleinigkeit anſehen, denn wenn ſich die
anziehende Kraft der Weltcoͤrper nicht allzuweit erſtreckte;
und um wichtiger Urſachen willen ſehr weit erſtrecken muͤ-
ſte: ſo wuͤrden nimmermehr die Planeten in ſo groſſen
Entfernungen von einander geſetzt worden ſeyn. Zwi-
ſchen den Saturn und Jupiter iſt eine groſſe Kluft be-
veſtigt, und gleichwol ziehn ſie einander an ſich wenn
ſie in conjunction gerathen, was wuͤrde nun nicht geſche-
hen, wenn ſie noch naͤher beyſammen ſtehen ſollten? wuͤr-
de nicht der ehrliche Saturn das Ungluͤck haben, zu einen
Jupiters Trabanten zu werden, und ſeine eigene Mon-
den wuͤrden ſich genoͤthiget ſehen ihm hierinne zu folgen.
Jch bin daher der Meinung, daß der ungeheuren Ent-
fernung der Weltkoͤrper von einander ohngeachtet kein
Raum in den Weltgebaͤude verſchwendet worden ſey.
Wenn man dieſes wuͤſte oder bedaͤchte: ſo wuͤrde man
niemals die Abweſenheit eines leeren Raums auf eine ſo
ſeltſame Art aus den Begriffe der Vollkommenheit herzu-
leiten ſuchen. Wenn man ſagt: Die Vollkommenheit
beſtehe in der Uebereinſtimmung des mannigfaltigen.
Hieraus flieſſet, daß ſie deſto groͤſſer ſeyn muͤſte; je meh-
rere Dinge vorhanden ſind, unter welchen dergleichen
Uebereinſtimmung anzutreffen iſt. Nun ſind mehrere Din-
ge in der Welt vorhanden, wenn alles mit Koͤrpern er-
fuͤllt; als wenn ein leerer Raum darinn anzutreffen iſt.
Und da man aus andern Gruͤndeu weiß, daß dieſe Welt
vollkommen ſey: ſo ſchlieſt man, daß es keinen leeren
Raum darinnen gebe. Aber das iſt ſchlimm, daß man
nicht vorher ausgemacht hat; ob nicht eine groͤſſere Un-
voll-
[67]in den alleraͤlteſten Zeiten.
vollkommenheit dadurch entſtuͤnde, wenn aller Raum mit
Materie erfuͤllet, als wenn einiger davon leer waͤre.
Nimmermehr wuͤrde eine Bewegung in der Welt vorge-
hen koͤnnen, wenn ſich die Koͤrper ſo zu ſagen draͤngeten,
daß keiner den andern ausweichen koͤnnte, und mir deucht
immer, daß eine vollgeſtopfte Welt ohne Bewegung um
ein merkliches ſchlechter ſey, als eine, darinnen viel weniger
Koͤrper, die ſich aber frey bewegen, und die dadurch die
angenehmſten und zu ihrer Erhaltung noͤthigen Veraͤnde-
rungen hervorbringen koͤnnen, anzutreffen ſind. Man ruͤcke
nur die Planeten in unſern Weltgebaͤude naͤher zu ſammen:
ſo werden ſie durch ihre anziehende Kraft die groͤſte Unord-
nung unter einander verurſachen, welche doch jetzo, da ſie wei-
ter von einander entfernet ſind, die Triebfeder ihrer ſo or-
dentlichen Bewegung iſt. Jch muß daher entweder zu
einfaͤltig ſeyn, oder zu wenig Vorurtheile beſitzen, daß
ich es nicht begreifen kan, wie eine Bewegung in der Welt
geſchehen koͤnnte, wenn alles mit Materie dergeſtalt er-
fuͤllet waͤre, daß auch nicht das geringſte Raͤumgen leer
gelaſſen waͤre.
§. 36.
Zu denen angefuͤhrten Schwierigkeiten welche bey dem
Whiſtoniſchen Lehrgebaͤude vorkommen, gehoͤret auch
noch dieſe, deren wir ſchon bey Gelegenheit der Burne-
tiſchen Theorie gedacht haben, welche darinnen beſtehet:
daß vor der Suͤndfluth nicht Waſſer genug auf der Erden
geweſen ſeyn wuͤrde, um die Materie zu einer gnugſamen
Menge von Ausduͤnſtungen darzureichen, die durch Re-
gen, Thau, Schnee und Hagel haͤtten herabfallen koͤnnen,
welches doch zu Unterhaltung der Pflanzen und Thiere
unumgaͤnglich noͤthig iſt. Und dieſes gilt, man mag
annehmen daß damals das Waſſer blos aus den Duͤn-
ſten des Cometens entſtanden, und durch Regen herab-
gefallen ſey, oder daß es aus dem innerſten der Erde her-
E 2vor-
[68]Geſchichte der Erde
vorgequollen waͤre. Jch halte alſo davor, daß ein
Schriftſteller, welcher behauptet: daß die Welt vor der
Suͤndfluth eben ſo vollkommen als jetzo geweſen, ſich ge-
zwungen ſehe eine ſolche Erklaͤrung zu ergreifen, nach
welcher ſchon eben ſo viel Waſſer vorher auf der Erde gewe-
ſen, als zu der Suͤndfluth noͤthig iſt.
§. 37.
Es ſcheinet ferner auch Whiſton darinuen mit dem
Begriffe des Newtons nicht uͤbereinzukommen, daß er den
Schwanz des Cometens aus waͤſſerichten Duͤnſten ver-
fertiget. Denn nach Newtons Begriffe muͤſte er aus
Rauche und Dampfe beſtehen, welcher von einen ſolchen
entzuͤndeten Weltkoͤrper aufgeſtiegen waͤre. Wenn man
aber dieſes annehmen wollte: ſo wuͤrde die Erde bey ih-
ren Durchgange durch den Cometenſchwanz vielmehr eine
Entzuͤndung als Ueberſchwemmung zu gewarten gehabt
haben.
§. 38.
Wenn wir mit Whiſtonen annehmen wollten, daß
durch Annaͤherung des Cometens mehr Waſſer auf die
Erde gekommen waͤre, als ſich darauf befunden haͤtte:
ſo wuͤrde ſich eine viel natuͤrlichere Urſache von der ver-
groͤſſerten Laufbahn der Erde angeben laſſen, als Whi-
ſton davon angefuͤhrt hat. Denn er leitet es von der
anziehenden Kraft des Cometens her, welches doch, wie
ich oben gezeigt habe, darum nicht wohl angehet: weil
nach den Geſetzen der Bewegung ein ſo kleiner Koͤrper wie
der Comet geweſen, und der der Erde naͤher als der
Mond gekommen, nothwendig zum Erdtrabanten haͤtte
werden muͤſſen. Setzen wir aber die durch das Waſſer
vermehrte Schwere zum voraus: ſo muß ſie ſich blos aus
dieſer Urſache weiter von dem Mittelpuncte der Sonne
entfernet, und folglich einen groͤſſern Kreiß um dieſelbe
beſchrieben haben. Denn weil ihre Maſſe dadurch ver-
mehrt
[69]in den alleraͤlteſten Zeiten.
mehrt worden waͤre: ſo wuͤrde ihre Centrifugalkraft groͤſ-
ſer geworden ſeyn, welches verurſacht haben wuͤrde, daß
ſie tiefer in die Weltordnung hinuntergeſunken, und ſich
alſo weiter von der Sonne entfernt haͤtte. Denn daß in
der That dieſe Ordnung in der Natur beobachtet werde,
erhellet ganz deutlich daraus, daß die kleinen Planeten der
Sonne am naͤchſten, und die groͤſſern weiter von der-
ſelben entfernt ſind. Mercur iſt kleiner als Venus,
dieſe kleiner als die Erde, die Erde iſt kleiner als der Ju-
piter, und dieſer mit ſeinen Trabanten vermuthlich auch
kleiner als der Saturn, wenn man nebſt ſeinen 5 Tra-
banten den Ring, wie billig, mit dazu rechnen wollte.
Der einzige Mars macht eine Ausnahme: indem er klei-
ner iſt als die Erde, und doch weiter als dieſe von der
Sonne abſtehet. Aber eben dieſes hat mich auf die Ge-
danken gebracht, daß er vormals als ein Mond mit zu
der Erde gehoͤrt habe, und ſich durch einen beſondern Zu-
fall ſo weit von ihr entfernet, daß er auſſer ihren Gebie-
the gekommen, und ſich daher genoͤthiget geſehen um die
Sonne, als die allgemeine Beherrſcherin aller Planeten,
herum zu laufen. Jndeſſen geſtehe ich, daß ich es nicht
weiß, was dieſes fuͤr ein Zufall geweſen.
§. 39.
Aller der bisher angefuͤhrten Erheblichkeiten ohnge-
achtet, muß man doch geſtehen, daß die Whiſtoniſche
Theorie von der Suͤndfluth eine der artigſten und ſinnrei-
cheſten Erfindungen ſey, welche man in dieſer Materie
antrift. Man hat daher die von mir darwider angefuͤhr-
ten Schwierigkeiten keinesweges als Waffen anzuſehen,
mit welchen ich mir vorgeſetzt haͤtte die Meinung dieſes
gelehrten Engellaͤnders zu beſtreiten. Nein, ſie ſollen
blos Erinnerungen abgeben, daß man ſich nicht einbilde,
es gehoͤre das Whiſtoniſche Lehrgebaͤude in die Zahl der
mathematiſchen Wahrheiten, oder wohl gar unter die
E 3Glau-
[70]Geſchichte der Erde
Glaubenslehren. Denn ich weiß gewiß, daß Whiſton
viel zu beſcheiden iſt, als daß er eine ſolche allzuhoch ge-
triebene Ehrerbietung gegen ſeine philoſophiſchen Saͤtze
ohne roth zu werden, ſollte mit anſehen koͤnnen. So
viel muß ich indeſſen geſtehen, daß ich bey denen uͤbrigen
Erklaͤrungen der Suͤndfluth noch weit groͤſſere Schwie-
rigkeiten finde, welche ſich bey ihrer Betrachtung deut-
lich zeigen. Dem allen aber ohngeachtet folgt dar-
aus gar nicht: daß die Suͤndfluth eine unmoͤgliche Bege-
benheit ſey. Denn wer wollte wohl ſo verwegen ſeyn und
behaupten, daß ihm alle Mittel bekannt waͤren, dadurch
eine allgemeine Ueberſchwemmung der Erde hervorge-
bracht werden koͤnnte, und daß er beweiſen koͤnnte, es
ſey keines von ihnen zu Erhaltung dieſer Abſicht hinrei-
chend geweſen? Allenfalls koͤnnte man nur ſo viel behau-
pten, daß alle bisher vorgeſchlagene Urſachen unzureichend
geweſen waͤren. Denn geſetzt auch, daß wir es gar
nicht begriffen, wie es damit zugegangen waͤre: ſo iſt es
doch genung, wenn man nur beweiſen kan, daß die ober-
ſte Rinde der Erde ehemals ein fluͤßiger Koͤrper geweſen
ſey. Dieſes aber laͤßt ſich nicht nur aus Gruͤnden, wie wir
bald ſehen wollen, darthun; ſondern es geben auch ſo
wol die Erzehlungen der heydniſchen Schriftſteller, als
dasjenige, was uns Moſes davon berichtet, einen hiſto-
riſchen Beweiß an die Hand. Die Worte Moſis ſind
klar wenn er ſagt: das Gewaͤſſer habe dergeſtalt uͤberhand
genommen, daß alle hohe Berge unter dem ganzen Him-
mel bedecket worden, und daß es 15. Ellen hoch uͤber die-
ſelben gegangen. Daß denen Egyptiern dieſe Begeben-
helt bekant geweſen ſey: erhellet unter andern aus Pla-
tons Zeugniſſe, welcher berichtet: daß ein gewiſſer egy-
ptiſcher Prieſter aus ihren heiligen Buͤchern dem Solon
die Geſchichte von der allgemeinen Ueberſchwemmung er-
zehlt habe, die lange vor den beſondern Ueberſchwem-
mungen vorhergegangen, ſo den Griechen bekant gewe-
ſen.
[71]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſen. Die Einwohner von Heliopolis in Syrien zeigten
in dem Tempel der Juno eine Spalte oder Kluft in der
Erde, welche, wie ſie ſagten, die Waſſer der Suͤndfluth
in ſich geſchlungen. Der Schriftſteller, ſo diß meldet,
ſaget zugleich: die Griechen gaͤben von der allgemeinen
Suͤndfluth, die ſie ſowohl als andere mit der Suͤndfluth
Deucalions verwechſelt, eine zu ſonderbare Nachricht,
als daß man ſie uͤbergehen ſollte. Die Rede gehet, faͤhrt
er fort, das jetzige Geſchlecht der Menſchen ſey nicht das
urſpruͤngliche erſte, als welches gaͤnzlich untergegangen;
ſondern es ſey von einer zweyten Abkunft, die vom Deu-
calion herſtammen, und zu einer groſſen Menge ange-
wachſen. Von den anfaͤnglichen Menſchen aber erzaͤhle
man folgende Geſchichte: Sie ſeyn ſehr uͤbermuͤthig, und
der Ungerechtigkeit ergeben geweſen, indem ſie ihre Eyd-
ſchwuͤre niemals gehalten, gegen Fremde keine Gaſtfrey-
heit ausgeuͤbt, auch keinen Flehen Gehoͤr gegeben; wel-
cher Urſachen halber ſie folgender groſſe Unfall betroffen.
Die Erde habe ploͤtzlich eine ungeheure Menge Waſſer
ausgeſchuͤttet, es ſeyn groſſe Platzregen gefallen, die
Stroͤme uͤbergefloſſen, und die See zu einer erſtaunlichen
Groͤſſe geſtiegen, ſo daß alles Waſſer geworden, und
alle Menſchen untergegangen. Nur Deucalion ſey ſei-
ner Klugheit und Froͤmmigkeit wegen zu einer zweyten
Abkunft von Menſchen uͤbrig geblieben. Die Art ſeiner
Erhaltung ſey folgende geweſen: Er ging mit ſeinen Soͤh-
nen und derſelben Weibern in ein weites Behaͤltniß oder
Kaſten, λά ϱνακα, den er hatte; und nach ihm giengen
Schweine, Pferde, Loͤwen, Schlangen, und alle uͤbrige
Geſchoͤpfe, die auf Erden leben, Paarweiſe in den Kaſten,
welche er aufnahm; die ihm auch nichts zu leide thaten,
indem die Goͤtter eine groſſe Freundſchaft unter ihnen ver-
ſchaften. Und ſo ſchiften ſie alle mit einander in einen
und eben denſelben Kaſten umher, ſo lange das Waſſer
die Oberhand hatte. Das erzaͤhlen die Griechen vom
E 4Deu-
[72]Geſchichte der Erde
Deucalion. Was aber die darauf erfolgten Begenhei-
ten beteift, ſo gibts unter den Einwohnern von Hiero-
polis eine alte bewunderungswuͤrdige Ueberlieferung die-
ſes Jnhalts: Es habe ſich in ihrer Gegend eine groſſe Erd-
ſpalte geoͤſnet, und alles Gewaͤſſer in ſich gezogen; wor-
auf Deucalion daſelbſt Altaͤre errichtet, und uͤber der
Kluft den Tempel der Juno erbauet. Eben dieſe Spal-
te, ſagt unſer Schriftſteller, habe ich geſehen: ſie liegt
unter dem Tempel, und iſt ſehr enge; ob ſie vor dem
weiter geweſen und mit der Zeit kleiner geworden, kan
ich nicht ſagen, die ich aber geſehen habe iſt klein. Zum
Gedaͤchtniß dieſer Begebenheit hat man folgenden Ge-
brauch: Zweymal alle Jahr wird Waſſer aus der See in
den Tempel gebracht, nicht nur von den Prieſtern, ſon-
dern von dem geſamten Syrien und Arabien, ja man-
che kommen aus den Gegenden jenſeit des Euphrats
zur See, und alles traͤgt Waſſer; welches ſie zuerſt in
den Tempel ausgieſſen, von da es ſich nachgehends in
die Oefnung ziehet, die, ſo eng ſie auch iſt, eine Menge
Waſſer einnimmt. Bey welcher Verrichtung ſie ſagen,
Deucalion habe zum Andenken des Ungluͤcks, und ſei-
ner Errettung aus demſelben dieſen gottesdienſtlichen Ge-
brauch in demſelben angeordnet. Nicht nur Deucalions
Waſſerfluth in Theſſalien, ſondern auch Ogygis in At-
tica und Promethei in Egypten, ſind mit des Noaͤ
Suͤndfluth vor einerley gehalten worden. Diejenige, von
welcher die Americaner ſprechen, ſcheint nur ein beſon-
ders Volk getroffen zu haben, gleichwie die in klein Aſien,
deren Diodorus aus des ſomothraciſchen Ueberliefe-
rung gedenkt, die gleichwol, ihren Vorgeben nach, die
aͤlteſte unter allen geweſen ſeyn ſoll; verſchiedener andern
zu geſchweigen die der Herr W. Raleigh anfuͤhret, deren
einige er doch aus dem unaͤchten Xenophon des Anni-
nus genommen. Ein Araber der um den Anfang des
neunten Jahrhunderts in China gereiſet, meldet bey er-
theilter
[73]in den alleraͤlteſten Zeiten.
theilter Nachricht von einer mit dem Kaͤyſer gehabten Un-
terredung: daß, da er gegen dieſen Prinzen, bey Gele-
genheit eines Gemaͤhldes von Noah, ſo er demſelben ge-
zeiget, der Suͤndfluth gedacht, und dabey erzaͤhlet habe,
daß von dieſem Propheten, und denen, die mit demſel-
ben in den Kaſten geweſen, die geſammte Erde ſey bevoͤlkert
worden; ſo habe der Kaͤyſer lachend geantwortet: Jm
Nahmen des Noah irreſt du nicht; was aber die
allgemeine Ueberſchwemmung betrift, ſo wiſſen
wir von derſelben gar nichts. Es iſt wahr, daß
die Suͤndfluth einen Theil der Erde uͤberſchwem-
met hat, ſie reichte aber nicht bis an unſere Ge-
gend, ja nicht einmal bis nach Jndien. Ebn
Schocknah rechnet die Chieneſer unter diejenigen, ſo
die Suͤndfluth leugnen.
§. 40.
Aller dieſer Zeugniſſe ohngeachtet, welche die Allge-
meinheit der Suͤndfluth behaupten, hat es doch ſehr viele
gegeben, welche dabey ſo viele Schwierigkeiten anzutref-
fen gemeint haben, daß ſie auf die Gedanken gerathen: es
habe ſich dieſe Ueberſchwemmung nur uͤber einen ſehr klei-
nen Theil der Erde, und ſonderlich nur uͤber Palaͤſtina
erſtreckt. Wenn man dieſes annehmen wollte, ſo waͤre
kein groſſes Kopf brechen noͤthig, um den Urſprung der
Suͤndfluth begreiflich zu machen. Denn zu der Hervor-
bringung einzelner Ueberſchwemmungen ſind gnugſame
Mittel in der Natur vorhanden, und ihre Moͤglichkeit kan
durch die Wirklichkeit ſo vieler ſolcher Begebenheiten voͤl-
lig auſſer Zweifel geſetzt werden. Es bleibet auch aller-
dings bey den Erzehlungen der heydniſchen Geſchicht-
ſchreiber immer der Zweifel uͤbrig; ob ſie nicht eine kleine
redneriſche Figur darinnen gemacht, und an ſtatt der
Ueberſchwemmung ihres Landes den ganzen Erdboden ge-
nennet haben: weil ihnen vielleicht die uͤbrigen Laͤnder der
E 5Erde
[74]Geſchichte der Erde
Erde eben ſo unbekant als uns America, ehe es von Co-
lumbo entdeckt worden geweſen. Denn man ſtelle ſich vor,
daß damals durch einen auſſerordentlichen Zufall alle drey
Theile der Welt auſſer America von Waſſer uͤberſchwemmt,
und nur ſehr wenig Europaͤer erhalten worden waͤren: ſo iſt
gar kein Zweifel, daß ſie nicht die vollkommenſte Verſi-
cherung gegeben haben wuͤrden; es ſey der ganze Erd-
kreiß unter Waſſer geſetzt worden. Ja es wuͤrde nicht
einmal dieſes noͤthig geweſen ſeyn; ſondern man wuͤr-
de dieſen Satz eben ſo allgemein behauptet haben, wenn
ſchon noch viele Voͤlker erhalten worden waͤren, mit de-
nen man keine Handlung oder Gemeinſchaft gehabt haͤtte.
Es iſt aber dieſe Meinung, daß die Suͤndfluth nicht all-
gemein geweſen ſey, darum verworfen worden: weil ſie
der Erzaͤhlung Moſis entgegen zu ſeyn ſcheinet. Auſſer
dem pflegt man zu ihren Beweiſe die Muſcheln, Schnecken
und Fiſche anzufuͤhren, welche man faſt allenthalben, wenn
man nur tief genug in die Erde graͤbet, antrifft. Selbſt
die hoͤchſten Berge ſind davon nicht ausgenommen, und
Herr Swedenborg hat dergleichen ſo gar in Schweden
auf den hoͤchſten Bergen angetroffen. Eben dieſes gilt
auch von der Schweiz, welches ebenfalls ein Land iſt,
worinnen ſich eine ungeheure Menge groſſer Berge befindet.
Herr Scheuchzer, der dieſes mit vieler Muͤhe und ruͤhm-
lichen Sorgfallt unterſucht hat, glaubt ſteif und feſte, daß
dieſes lauter unleugbare Ueberbleibſel der Suͤndfluth waͤ-
ren. Setzet man dieſes zum voraus; ſo wuͤrde freylich
folgen, daß die Suͤndfluth allgemein geweſen ſey: weil
man uͤberall, wenn man tief genung in die Erde graͤbt,
und genau nachſiehet, verſteinerte Pflanzen Muſcheln und
Schnecken in den haͤrteſten Felſen antrift. Dieſe Sache
verdient von uns genauer unterſucht zu werden.
§. 41.
Die Naturkuͤndiger muͤſſen ſich, vermoͤge ihres Amts,
mit
[75]in den alleraͤlteſten Zeiten.
mit der Betrachtung der Steine beſchaͤftigen. Man
ſieht daher, daß ſie dieſelben ſammeln, aufheben, und
bey ihrer Erblickung eine herzliche Freude empfinden, wel-
che ſie anreitzet immer noch mehr Steine zu ſammeln;
dadurch es denn geſchiehet, daß ſie in kurzer Zeit ſtein-
reich werden; ob es ihnen ſchon meiſtentheils an einer an-
dern mineraliſchen Kleinigkeit, die man das Gold nennet,
zu fehlen pflegt. Dieſe Leute kan man fuͤglich in Stein-
atheiſten und Steinquacker eintheilen. Welches aber
eben ſo boͤſe nicht gemeint iſt, daß man daher Gelegen-
heit nehmen koͤnnte, die guten Naturkuͤndiger ins Elend
zu jagen, oder ſie lebendig zu verbrennen. Nein, dieſes
waͤre zu grauſam; ſondern ich will damit nur ſo viel ſagen:
daß die Naturkuͤndiger meiſtentheils in Anſehung der
Steine entweder zu wenig, oder zu viel zu glauben pflegen.
Denn einige unter ihnen halten alle gebildete Steine fuͤr
ein bloſes Spiel der Natur, andere aber bilden ſich ein,
in einer jeden Kleinigkeit etwas groſſes, erhabenes und
wunderbahres anzutreffen. Beyde betruͤgen ſich, ob ſie
ſchon beyde ſehr ſcheinbare Gruͤnde anzufuͤhren wiſſen.
Denn die erſtern, welche alles von einen ohngefehren Zu-
falle, oder in der Erfahrung gegruͤndeten ewigen Geſe-
tzen herleiten wollen, gruͤnden ſich eben ſo als die letztern,
welche ſich auf den Augenſchein beruffen, auf die Erfah-
rung. Jene ſagen uns, und die Erfahrung beſtaͤtiget es,
daß die Salze blos durch die Anziehungskraͤfte der Materie
in Cryſtallen von den ordentlichſten Figuren verwandelt
werden koͤnnen. Und wenn man damals, da die Steinathe-
iſterey noch Mode war, und ſonderlich in Engelland mit
groſſer Heftigkeit getrieben wurde, die Schneefiguren ge-
kannt haͤtte, wie man ſie jetzo kennen gelernt hat: ſo wuͤr-
de ohnfehlbar die Steinatheiſterey zu herzlicher Betruͤbniß
aller rechtglaͤubigen Naturlehrer noch mehr uͤberhand ge-
nommen haben. Denn haͤtten ſie gewuſt, daß eine
Schneefigur allemal die Geſtalt eines regulairen geome-
tri-
[76]Geſchichte der Erde
triſchen Sechseckes haͤtte, und daß daſſelbige mit ſo vielen
veraͤnderten Verzierungen verſehen waͤre, die der geſchick-
teſte Mahler kaum beſſer erfinden kan; ſo wuͤrden dieſe
Unglaͤubigen ohnfehlbar viel ſchwerer zu bekehren gewe-
ſen ſeyn. Aber ſo beruften ſie ſich nur auf andere Exem-
pel, da eine gewiſſe Figur blos von ohngefehr zu entſte-
hen pflegt. Bey uns gibt die Baumannshoͤle einen deut-
lichen Beweiß: denn darinne erzeigen ſich von dem be-
ſtaͤndig heruntertroͤpfelnden Waſſer tauſend artige Figuren,
bey denen ſich ein eifriger Steinglaͤubiger allerhand an-
genehme Vorſtellungen von ſolchen Sachen machen kan;
die vor der Suͤndfluth geweſen, und durch die Laͤnge der
Zeit in Stein verwandelt worden. Und man wuͤrde glau-
ben muͤſſen, daß vor der Suͤndfluth 3. Moͤnche in der
Baumannshoͤle um einen Taufſtein Gevatter geſtan-
den haͤtten; dabey der dritte, welcher nicht haͤtte Ja ſagen
wollen, um ſeinen Kopf gekommen waͤre. Ja ſollte man
in Engelland den blankenburgiſchen Marmor gekennt
haben: ſo wuͤrde er nur dazu haben dienen muͤſſen, um dieſe
Naturlehrer in ihrer Steinſpoͤtterey zu verſtaͤrken. Denn
dieſer Marmor ſieht, wenn er geſchliffen worden iſt, na-
tuͤrlich ſo aus wie eine Blutwurſt; und wer weiß, ob ſie
nicht ſo leichtfertig geweſen waͤren dieſen Schluß zu ma-
chen, daß wenn alle verſteinerte Sachen das wirklich
geweſen ſeyn ſollten, was ſie vorſtellten, ſo wuͤrde der
Blankenburgiſche Marmor vor der Suͤndfluth eine Men-
ge von lauter Blutwuͤrſten geweſen ſeyn muͤſſen. Aber
man muß einen jeden ſein Recht wiederfahren laſſen. Und
daher iſt es billig, daß wir dieſe Sache etwas genauer
unterſuchen. Es kan aber dieſes nicht beſſer geſchehen, als
wenn wir vorher ausmachen, wie Steine erzeugt, und wie
eine Sache in Stein verwandelt werden koͤnne.
§. 42.
Ein Stein, wenn dieſes Wort in engern Verſtande
genom-
[77]in den alleraͤlteſten Zeiten.
genommen wird, muß weder merkliche ſalzige, noch oͤhlig-
te oder ſchweflichte Theilgen beſitzen; ob ich ſchon nicht
leugne, daß es Steine geben kan und wuͤrklich giebt, dar-
innen dergleichen anzutreffen ſind. Denn wenn ein merk-
liches Salz in den Steinen waͤre, ſo muͤſten ſie ſich zum
wenigſten zum Theil in den Waſſer aufloͤſen laſſen, und
wenn ſie Schwefel und Oehl bey ſich haͤtten, ſo lieſſen ſie
ſich entweder entzuͤnden; oder man koͤnnte aus ihnen eine
verbrennliche Materie herausbringen; oder ſie muͤſten ei-
nen Geruch von ſich geben. Alles dieſes laͤßt ſich ordent-
licher Weiſe von den Steinen nicht behaupten. Dieſes
aber iſt gewiß, daß ſie aus einer Materie beſtehen, die ſich
weder in Waſſer aufloͤſet, noch in Feuer zerſchmelzen laͤßt,
auſſer wenn ſie in Glaß verwandelt wird. Eine ſolche
Materie nennt man die Erde. Wer wollte alſo wohl
zweifeln, daß die Steine Koͤrper waͤren, die entweder
ganz und gar, oder doch groͤſtentheils aus irdiſchen Theil-
gen zuſammengeſetzt ſind. Ich habe mit Fleiß geſagt:
daß die Steine kein merkliches Saltz bey ſich haͤtten, in-
dem man nicht findet, daß ſich etwas von ihnen im Waſ-
ſer aufloͤſet. Indeſſen koͤnnte es doch ſeyn, daß ſich der-
gleichen bey einigen Steinen befaͤnde. Der Weinſtein
iſt ohnſtreitig ein Salz: aber wie ſchwer haͤlt es nicht
wenn er ſich im Waſſer aufloͤſen ſoll? und ſo koͤnnte es
gar wohl noch andere Salze geben die ſich noch ſchwerer
in Waſſer aufloͤſen. Denn ſo gewiß es iſt, daß ein Koͤr-
per ein Salz in ſich enthalte, welcher ſich in Waſſer ent-
weder ganz oder zum Theil aufloͤſet, und das Waſſer
ſchmackhaft macht; ſo wenig folgt es, daß ein Koͤrper
gar kein Salz habe, der dieſes nicht ſogleich thut. Es
iſt aber nicht nur moͤglich, daß ſich zum wenigſten bis-
weilen bey den Steinen ein Salz befinden koͤnne; ſondern
es wird auch wahrſcheinlich, wenn wir bedenken, daß die
meiſten Steine, wenn ſie an der Luft liegen, in einen
Staub zerfallen und muͤrbe werden, wiewol dieſes bey ei-
ner
[78]Geſchichte der Erde
ner Art mehr, als wie bey einer andern eintrift. Nehmen
wir nun an daß ſich zwiſchen den irdiſchen Theilgen der-
ſelben auch Salztheile befinden: ſo iſt nichts leichter, als
dieſe Begebenheiten begreiflich zu machen. Denn die in
der Luft befindliche Feuchtigkeit loͤſet dieſe Salze auf, und
durch die beſtaͤndige Abwechſelung der Sonnenwaͤrme und
des Windes werden ſie endlich aus den Steinen vertrie-
ben. Daher beruͤhren die irdiſchen Theilgen einander in
wenigern Puncten als vorher; ſie haͤngen alſo nicht mehr
ſo ſtark unter einander zuſammen; die Zwiſchenraͤumgen
werden groͤſſer gemacht, das heiſt, der Stein wird muͤr-
ber und leichter als er vorher geweſen iſt. Nicht aber nur
dieſes, ſondern auch die oͤfters ſehr artigen Geſtalten der
Bergdruſen helfen die Wahrſcheinlichkeit dieſer Vermu-
thung bekraͤftigen. Denn wir erblicken an ihnen eben
diejenigen ordentlichen Figuren, welche wir bey den Sal-
zen, wenn ſie in Cryſtallen verwandelt werden, wahr-
nehmen. Und auch darinne haben die Steine mit den
Salzen eine Aehnlichkeit, daß ſie beyderſeits aus ausgedufte-
ten Waſſer erzeuget werden. Denn davon gibt uns ſo-
wol die Baumannshoͤle, als alle diejenigen Waſſer, ſo
die Sachen, ſo darein gelegt werden, mit Stein uͤberziehn,
eine deutliche Probe.
§. 43.
Sand und Thon moͤgen wohl die Erden ſeyn,
aus welchen die Steine ihren Urſprung genom-
men haben, und noch nehmen. Denn daß in der That
noch jetzo Steine von neuen entſtehen, beweißt theils die
Baumannshoͤle, theils auch ſo deutliche auf einigen
Steinen befindliche Merkmahle, daß die Riſſe und Spal-
ten darinnen zuſammen gewachſen ſind. Ich beſitze ſelbſt
ein ſolches Stuͤcke Schiefer, woran man offenbahr ſie-
het, daß er ehemals wie von einer groſſen Gewalt zer-
ſchlagen worden ſeyn muͤſſe. Zum Theil ſind dieſe Riſſe
noch
[79]in den alleraͤlteſten Zeiten.
noch offen, die engern aber ſind wieder zugewachſen, und
man kan den Stein, der ſich darzwiſchen erzeugt hat, we-
gen ſeiner weiſſen Farbe, die er vor den Schiefer hat,
ganz deutlich unterſcheiden. Wiewol ich gerne geſtehe,
daß ein einziger Anblick von dergleichen Steinen eine groͤſ-
ſere Ueberzeugung als die laͤngſte Beſchreibung hervor-
bringen koͤnne. Es iſt hier noch nicht der Ort von dieſer
Zerruͤttung und Zerſpaltung der Steine zu handeln; ſon-
dern ich habe es blos, als einen Beweißgrund, daß die
Steine wachſen, aufuͤhren wollen. Doch laͤßt ſich nicht
behaupten, daß ihr Wachsthum, wie bey den Pflanzen
und Thieren von einen innerlichen Triebe und einer or-
dentlichen Bewegung der innerlichen Saͤfte herruͤhre, ſon-
dern er muß vielmehr durch einen Anſatz irdiſcher Theil-
gen entſtehen. Daß aber Sand und Thon der Urſprung
der Steine ſey, iſt ebenfalls gar nicht ſchwer zu beweiſen.
Denn wir ſehen, daß der Marmor aus den Thone ſeinen
Urſprung nimmt: weil man in den Gegenden, wo Mar-
mor iſt, nicht nur den Thon antrift; ſondern auch wirk-
lich wahrgenommen hat, daß ſich da ein Stein gefunden,
wo vorher nur Thon geweſen, womit auch die Adern des
Marmors ganz genau uͤbereinkommen. Wiewohl nicht
zu leugnen iſt, daß auch der Sand das ſeinige bey dem
Marmor beytragen koͤnne. Nicht nur der Sandſtein,
ſondern auch die Wetzſteine haben dem Sande ihren
Urſprung zu danken. Denn wenn die Theilgen, wor-
aus ſie beſtehen, genau nnterſucht werden, ſo zeiget ſich
die eigentliche Art des Sandes, welcher nahe herum dar-
unter liegt. Und dieſes gilt auch von den Feldſteinen,
welche mehrentheils der Grund der Berge und Klippen
ſind. Fragt man aber, was der Sand ſey? So iſt zwar
die Antwort vollkommen richtig, wenn man ſagt: Er ſey
eine Menge ſehr kleiner Kieſelſteine. Aber das iſt ſchlimm,
daß man nicht ſagen kan, was ein Kieſelſtein iſt. Die Kunſt
hat es noch nicht dahin gebracht, den Urſprung des Quar-
zes
[80]Geſchichte der Erde
zes zu entdecken, und die Naturlehrer ſehen ſich gezwun-
gen mit den beruͤhmten Mienerverſtaͤndigen Herrn Hen-
keln, auszuruffen: O Kieſel, Kieſel! wer hat dich erzeugt!
Daß aber ſeine erſte Erzeugung in einer waͤſſerichten
Feuchtigkeit geſchehen ſey: lehren die Gewaͤchſe, welche
vielfaͤltig darinnen eingeſchloſſen, angetroffen werden.
§. 44.
Es iſt bekant, daß man in den haͤrteſten Felſen Mu-
ſcheln und Schnecken, und in den Schiefern inſonder-
heit Pflanzen und Fiſche antrift, wohin auch die in Stein
verwandelte Knochen und Holz gehoͤren. Man muß ent-
weder dergleichen noch nicht geſehen haben; oder ſehr un-
billig ſeyn, wenn man behaupten will: daß es damit ein
bloſſes Spiel der Natur ſey; und daß dieſe Dinge niemals
dasjenige geweſen ſeyn ſollten, was ſie vorſtellen. Denn
man hat ganze Baͤume daran Stamm, Aeſte und Wur-
zeln befindlich geweſen, die aber zu Stein geworden, in
der Erde angetroffen. Es zeigen ſich darinnen die Holz-
faͤſergen, die Rinde und Aeſte ſo deutlich und natuͤrlich,
daß man noch aͤrger als Thomas ſeyn muͤſte, wenn man
es in Zweifel ziehen wollte. Betrachtet man die Mu-
ſcheln und Schnecken, welche verſteinert ſind, und ver-
gleicht ſie mit denen natuͤrlichen Muſchelſchalen: ſo kom-
men ſie, nicht nur in Anſehung der Groͤſſe; ſon-
dern auch in Abſicht derer andern Dinge mit ihnen voll-
kommen uͤberein. Denn wenn zum Exempel ein verſtei-
nerter Nautilus abgeſchliffen, und mit einen natuͤrli-
chen verglichen wird: ſo haben die Abſciſſen gegen die
Semiordinaten der krummen Linien, welche dieſe Schne-
cke mit ihren Gaͤngen macht, in beyden Faͤllen einerley
Verhaͤltniß, wie ich es ſelber ſo befunden habe. In An-
ſehung der Fiſche, welche ſich in den Kupferſchiefern
befinden, hat ſich mein Freund, der ſo wol in der Chimie
als Naturlehre und natuͤrlichen Hiſtorie auſſerordentlich
geſchickte
[81]in den alleraͤlteſten Zeiten.
geſchickte und erfahrne Herr Schichtmeiſter Hoffmann
ſehr groſſe Muͤhe gegeben, und es wird meinen Leſern
nothwendig angenehm ſeyn muͤſſen, wenn ich ihnen etwas
davon erzehle. Er verſichert, daß er allemal das Aus-
mas derer Fiſche nach den Kopflangen den Flußfiſchen
gleich befunden, und beſitzet unter ſeiner Sammlung ei-
nen ganzen Hecht, welcher 19. Zoll lang iſt, und ſeine
untruͤglichen Kennzeichen hat. Ja er hat auſſerdem ei-
nen in Schiefer befindlichen Kopf von einen Seehunde,
daran der Chagrin ſo unvergleichlich zu ſehen, als der
feineſte und natuͤrlichſte nur ſeyn mag. Mit denen
Schiefern hat er folgendes Experiment gemacht; welches
ich mit ſeinen eigenen Worten, deren er ſich in einen
Briefe an mich bedienet, hieher ſetzen will: Ich nahm
einen Schiefer, worinne ein Fiſch befindlich, loͤſete das
Fleiſch heraus, nahm davon, wie auch von dem Schiefer
uͤber den Fiſche, ſo Kammſchale, und von dem untern,
ſo Lochſchiefer genennet wird, jedes 1. Quentgen, und
that es in beſondere Koͤlbgen mit Scheidewaſſer. Ob
nun wohl dieſe dreyerley einen unwiſſenden wohl einerley
zu ſeyn ſcheinen moͤchten, ſo findet man ſie doch von ganz
verſchiedenen Eigenſchaften. Denn die Schiefer uͤber
den Fiſche giſchte ſehr heftig, und die Blaſen blieben noch
den folgenden Tag, darneben entſtund davon ein viel
garſtiger Geruch, als der Stinkſtein durch reiben von
ſich gibet. Der untere Schiefer wurde ohne beſondern
Geruch bald ruhig, und der Fiſch noch eher. Alle drey
Waſſer hatten unterſchiedene gruͤne Farbe. Von der
obern Schiefer ſchlug ſich das Kupfer an das Eiſen ganz
blaß an, bey der untern Schiefer ſchoͤner, und bey den
Fiſch recht hoch roth. Wenn man das Kupfer von den
Eiſen in der Fiſchſolution abſchuͤttelte, ſo wurde das
Waſſer ganz dick und dunkelbraun, wurde aber ſogleich
wieder helle und bekam ſeine vorige Farbe wieder, das
Kupfer aber verlohr ſeine ſchoͤne rothe-Farbe, und blieb
Fein
[82]Geſchichte der Erde
ein ſchneeweiſſer Koͤrper liegen, und dieſes allemal, bis
das Eiſen voͤllig verſchwand. Was nun dieſes weiſſe Ue-
berbleibſel ſey, kan nicht ſagen, indem es noch nicht pro-
biret. Mit Laugenſalz ſchlug ſich von der obern Schiefer
eine dunkelgelbe, von der untern Schiefer eine hellere,
und von den Fiſch eine ganz weiſſe Erde nieder. Auch
durch das Schmelzen unterſcheiden ſich dieſe drey Stuͤck,
und der Fiſch gibt wie andere Thiere ein weiſſes Glas.
Dieſes beſtaͤrkt mich nicht allein in meiner Meinung, daß
dieſe Fiſche lebendige Geſchoͤpfe, ſondern auch daß das
ganze Floͤtz ein bloſes Waſſer geweſen, welches, da es
durch die Gaͤhr und Faͤulung unterſchiedene Salze erzeu-
get, ſich, nachdem das Salz geartet geweſen, nach und
nach in zarte Lagen geſetzet, und das leichte und fluͤchtige,
wie aus dem Geruch der Kammſchale zu urtheilen,
oben aufgeblieben.
§. 45.
Gleichwie nun hieraus erhellet, daß dieſe verſteiner-
ten Fiſche, in Anſehung ihres Urſprungs, in das Thier-
reich gehoͤren, ſo iſt ſolches noch inſonderheit daraus
klar, daß man an ihnen noch die Cryſtalliniſche Feuch-
tigkeit (lentem cryſtallinam) welche bey den Fiſchen ku-
gelrund iſt, unter eben der Geſtalt, an eben dem Orte,
wo das Auge iſt, antrift. Ferner, ſo befinden ſich ſowol
an der Ruͤcken Flosfeder, als gegen den Schwanz, ge-
wiſſe pyramidaliſche und myrtenfaͤrbige Muſceln, welche
ſich zeigen, wenn man das Fleiſch von dergleichen
verſteinerten Fiſchen abkratzt. Und gleichwie dar-
aus erhellt, daß man die verſteinerten Fiſche anato-
miren koͤnne, ſo iſt dieſes zugleich ein klarer und deutlicher
Beweiß, daß es ehemals wahrhaftige Fiſche geweſen.
Ich ſage mit Fleiß, wenn man das Fleiſch wegkratzet:
weil ich davor halte, daß ſich die Naturkuͤndiger gar ſehr
betruͤ-
[83]in den alleraͤlteſten Zeiten.
betruͤgen, wenn ſie dieſes ſchuppenaͤhnliche bey den ver-
ſteinerten Fiſchen fuͤr wuͤrkliche Schuppen halten. Der
Beweiß, daß dieſes keine Schuppen, ſondern Fleiſch ſey,
iſt ſo leicht und natuͤrlich, daß es mich Wunder nimmt,
daß man dieſes nicht ſchon laͤngſtens eingeſehen hat.
Denn wenn man einen ſolchen Schiefer von einander
ſpaltet, ſo findet man ihn auf beyden Seiten abgedruckt,
und nun moͤchte ich gerne wiſſen, wie es moͤglich waͤre,
daß man auf beyden Stuͤcken des Schiefers die Schuppen
erblickte. Denn natuͤrlicher weiſe bekoͤmmt man zwey
Stuͤcken Fleiſch zu ſehen, wenn man einen Fiſch in der
Mitten von einander ſchneidet. Warum aber dieſes Fleiſch
die Geſtalt der Schuppen habe, und lauter geſchobene
Vierecke vorſtelle, iſt ein Raͤtzel, welches wir unten auf-
loͤſen wollen.
§. 46.
Der Schiefer hat ſeinen Urſprung aus einer ſumpfig-
ten Erde, und da in einen bloſen Sumpfe kein Fiſch le-
ben kan: So muß ehemals uͤber dieſen Schiefer Waſſer
geweſen ſeyn, welches aber allen Anſehen nach verrauchet
iſt. Man kan dieſes auch aus der Horizontallage der
Fiſche in den Floͤtze abnehmen, und die gekruͤmmte Ge-
ſtalt der meiſten iſt ein deutlicher Beweiß, daß ſie nicht
verſchlemmt und in die Erde oder Moraſt begraben wor-
den ſind, indem ſie ſich darinnen ohnmoͤglich ſo frey haͤt-
ten kruͤmmen koͤnnen, ſondern es koͤmmt ihre Lage mit
derjenigen vollkommen uͤberein, die ſie anzunehmen pfle-
gen, wenn ſie in Waſſer geſotten werden. Da nun auch
ihr Fleiſch eben ſo als das Fleiſch eines in Waſſer geſotte-
nen Fiſches beſchaffen iſt; ſollte man nicht auf die Ver-
muthung gebracht werden, daß dieſe Fiſche nicht ſowol
durch die Suͤndfluth, als vielmehr durch eine allzugroſſe
Hitze ihr Leben haͤtten endigen muͤſſen. Wenn man aber
dieſes annehmen wollte, ſo wuͤrde ſchon ein groſſer Theil
F 2derer
[84]Geſchichte der Erde
derer unterirdiſchen Sachen, die man fuͤr Beweißthuͤmer
der Suͤndfluth annimmt, hinwegfallen.
§. 47.
Wenn wir ferner bedencken, daß die Schichten der
verſchiedenen Materien in der Erde nicht beſtaͤndig nach
der Schwere abwechſeln: ſo folgt auch daraus, daß mehr
als eine Ueberſchwemmung vorgegangen ſeyn muͤſſe.
Wenn eine jede nach der Schwere zunehmende Reihe von
Schichten fuͤr die Wirkung einer Ueberſchwemmung an-
geſehen werden ſoll. Indeſſen leugne ich nicht, daß durch
die Suͤndfluth Gelegenheit zu der Verſteinerung allerhand
Thiere und Pflanzen habe gegeben werden koͤnnen, und
daß dieſes auch wuͤrklich geſchehen ſey. Ich behaupte
nur, daß nicht alles, ja nur das allerwenigſte darvon her-
ruͤhre. Wie wollte auch binnen einen Jahre, denn laͤn-
ger hat die Suͤndfluth nicht gedauert, der Erdboden der-
geſtalt umgewuͤhlt worden ſeyn, daß dergleichen Sachen
auf hundert und mehrere Klafftern tief in die Erde gekom-
men. Was inſonderheit die Fiſche anbetrifft deren ich ge-
dacht habe, ſo liegen ſie an einigen Orten uͤber anderthalb-
hundert Ellen tief in der Erde, und an andern noch tie-
fer. Wer wollte aber wohl glauben, daß eine Ueber-
ſchwemmung von Waſſer dergleichen die Suͤndfluth ge-
weſen, die Erde uͤber anderthalbhundert Ellen umge-
wuͤhlt haͤtte.
§. 48.
Aus dieſen allen, was ich hier angefuͤhrt habe, erhel-
let ſoviel, daß die verſteinerten Pflanzen und Thiere kei-
nen uͤberzeugenden Beweiß vor die Allgemeinheit der
Suͤndfluth abgeben koͤnnen, und ſcheinet alſo, daß ſich
die Naturkuͤndiger und Gottesgelehrten mehr darauf zu
gute gethan, als ſie Urſache gehabt. Aber woher kommt
es? wieder aus der in der Erfahrung ſo gegruͤndeten Re-
gel:
[85]in den alleraͤlteſten Zeiten.
gel: daß die Schwachheit der Menſchen ſie nur gar zu
ofte verleitet, dasjenige allzu leichte zu glauben,
was ſie wuͤnſchen. Moſes erzehlt uns von einer allge-
meinen Ueberſchwemmung der Erden. Man achtet ſich
verbunden dieſes zu glauben, und ſucht alles nur moͤgli-
che hervor um ſeine Meinung zu beſtaͤtigen. Ja man
bildet ſich ein, daß man eben nicht berechtiget ſey, dabey
alles gar zu genau zu nehmen. Aber dieſes iſt in Wahrheit
nicht wohl gethan, und man betriegt ſich gar ſehr, wenn
man der Religion mit ſeichten Gruͤnden zu Huͤlfe kommen
will. Denn diejenigen, welche eine ſolche Wahrheit vor-
her geglaubt haben, wuͤrden dieſelbe auch ohne unſere
neuen Gruͤnde zu glauben fortgefahren haben; diejenigen
aber, welche daran zweifeln, werden bey Erblickung der
Schwaͤche der Beweißthuͤmer in ihren Zweifel nur immer
mehr und mehr geſtaͤrkt. Ich will nicht hoffen, daß je-
manden ein Seufzer daruͤber entfahren ſollte, daß ich ge-
leugnet habe, es koͤnnten die gebildeten Steine keinen Be-
weiß von der Allgemeinheit der Suͤndfluth abgeben.
Denn einen Beweiß als unzulaͤnglich zu verwerfen, heiſt
darum die Sache ſelbſt nicht leugnen. Man kan dieſes
nicht einmal ſagen, wenn man ſchon auſſer der Zulaͤng-
lichkeit, ich will nicht ſagen eines, ſondern aller Beweiſe
noch Schwierigkeiten antreffen ſollte, die man ſich zu he-
beben nicht in Stande iſt. Aber wie wenig begreifen die-
ſes! das macht, der menſchliche Verſtand iſt wie eine
Goldwage; das kleinſte Uebergewichte gibt einen Aus-
ſchlag, und nur ſehr wenige Menſchen beſitzen die Ge-
ſchicklichkeit dieſe Wage bey gleich ſchweren Gewichten zur
Ruhe zu bringen, ob ſie ſchon bey den allermeiſten ſo un-
gangbar iſt, daß auch die groͤſten Gewichte keinen Aus-
ſchlag verurſachen, daher es denn wohl gekommen ſeyn
mag, daß man diejenigen fuͤr die witzigſten Koͤpfe gehal-
ten hat, bey denen ſie ſich in beſtaͤndiger Bewegung be-
funden.
[86]
§. 49.
Nachdem wir nun des beruͤhmten Whiſtons Lehr-
gebaͤude von der Suͤndfluth betrachtet haben, und ich die
Schwierigkeiten angezeiget, welche ſich noch dabey befin-
den, und deren Anzahl bey genanerer Unterſuchung viel-
leicht noch groͤſſer werden koͤnnen, ſo werden wohl die mei-
ſten meiner Leſer auf die Gedanken gerathen, daß ich kein
Freund von dieſer Theorie ſey. Aber ſie werden ſich
ſehr betruͤgen. Denn ſie muͤſſen mich nach meiner vor-
her beygebrachten Regel beurtheilen, daß ich keine Sache
blos darum verwerfe, weil ſich Schwierigkeiten dabey
befinden. Nein, man muß es geſtehen, daß unter allen
bekannten Erklaͤrungen der Suͤndfluth die Whiſtoni-
ſche die ſinnreichſte und wahrſcheinlichſte ſey. Wenn
nun ſowohl die Erzehlungen Moſis als anderer Geſchichts-
ſchreiber von einer allgemeinen Ueberſchwemmung der
Erde melden, ſo muͤſſen doch nothwendig gewiſſe Mittel
geweſen ſeyn, dadurch dieſelbige bewerkſtelliget worden.
Die Naturkuͤndiger bemuͤhen ſich dieſe Mittel zu entde-
cken, ſie erklaͤren dieſelbe zum wenigſten auf dreyſigerley
Art, und vielleicht iſt die ein und dreyſigſte die wahre.
Und dieſes iſt zu allen Ungluͤcke gerade die, auf die ſie nicht
gefallen ſind. Sollten aber deßwegen alle uͤbrige verwor-
fen werden? Keinesweges. Man behaͤlt die dreyſigſte,
wenn ſie wahrſcheinlicher als die uͤbrigen 29. iſt, ſo lange
bis die 31ſigſte bekannt wird. Man gibt ſie aber fuͤr kein
Evangelium, ſondern fuͤr einen menſchlichen Gedanken
aus, der weder in die Geometrie gehoͤrt, noch unter die
Glaubensartikel zu rechnen iſt. Daß wir aber in der
That keine wahrſcheinlichere Erklaͤrung der Suͤndfluth
haben, als die Whiſtoniſche iſt, kan man aus den uͤb-
rigen abnehmen. Denn auſſer denen bereits angefuͤhrten
koͤnnen mehrere Muthmaſſungen und Verſuche die innere
Erweißlichkeit der Suͤndfluth darzu thun durch vorgeſtell-
te Begreiflichkeit und Moͤglichkeit derſelben nachgeſehen
werden
[87]in den alleraͤlteſten Zeiten.
werden in Jac. Saurinsdiſcours hiſtoriques ſur les
evenemens du vieux et du nouveau teſt. tom. I. diſc. 8.
und Patr. Delany Unterſ. der Offenb. Abhandl. 10.
bis 12. Letzterer ſieht die Suͤndfluth als ein Mittel an
den Fluch GOttes vom Erdboden zu nehmen: erſterer
aber als eine Wirkung und voͤllige Bewerkſtelligung des
nach dem Suͤndenfall uͤber den Erdboden ausgeſprochenen
Fluchs. Eine der ſcheinbarſten Muthmaſſungen, auſſer
den hier angefuͤhrten, iſt die ſcheuchzeriſche, ſo darinn
beſtehet, daß bey einem ſchnellen Stillſtande der Erden in
ihrer Drehung, die mit, auf und in derſelben bewegten
Waſſer ſich nothwendig nicht nur noch eine geraume Zeit
lang fortbewegen, ſondern auch uͤbertreten, und aus ih-
ren ſtillſtehenden Behaͤltniſſen austreten muͤſſen. Allein
es hat dieſelbe mit den uͤbrigen den doppelten Fehler ge-
mein, daß dabey theils ein Wunderwerk ſcharfſinnigen und
der Naturlehre, auch der Bewegungsgeſetzkundigen For-
ſchern begreiflich zu machen, ein anderes, wo nicht noch
mehr, doch wenigſtens eben ſo unbegreifliches Wunder-
werk, mit Aufhebung der Bewegungsgeſetze, angenom-
men wird: theils, dem ohngeachtet, der moſaiſchen Erzaͤh-
lung dadurch kein Gnuͤgen geſchiehet.
§. 50.
Auch dieſes ſtimmt weder mit der Theorie des Herrn
Scheuchzers noch anderer Naturkuͤndiger uͤberein, daß
man die entſetzlichſten Stuͤcken Steine, welche Pflanzen
in ſich enthalten, auf den hoͤchſten Bergen antrift. Denn
wie haͤtten ſie immermehr durch die Suͤndfluth dahinauf
gewaͤlzt werden koͤnnen? Dieſe Steine halten bisweilen
viele Gewaͤchſe in ſich, deren etliche inwendig auch hol
ſind, und daher koͤmmt es, daß man unter denen Stei-
nen einige findet, welche ganz voller Loͤcher ſind, darein
Reiſende und andere viele Naͤgel und Stuͤcken Eiſen ge-
ſchlagen haben. Daher es denn ſehr ſeltſam iſt, daß nicht
F 4nur
[88]Geſchichte der Erde
nur der gemeine Mann, ſondern auch einige Steinver-
ſtaͤndige in den Gedanken ſtehen, es muͤſten dieſelben vor
dem weich geweſen ſeyn. Bey den Welbesholze in
der Grafſchaft Mannsfeld befindet ſich ein Stein von
dieſer Art, darinnen in der mitten ein groſſes Loch anzu-
treffen iſt. Will man wiſſen, wie es hineingekommen;
ſo dienet zur Antwort: es habe Graf Hoyer von Manns-
feld vor der Schlacht beym Welbesholze mit der Hand
hineingegriffen als in einen Waͤitzenteig. Koͤnnte man
wohl einen uͤberzeugernden Beweiß, als dieſer iſt, anfuͤhren,
um darzuthun, daß die Steine ehemals fluͤßig geweſen?
§. 51.
Noch vielmehr ſcheinen ſich diejenigen zu betruͤgen,
welche in den Gedanken ſtehen, daß alle, auch die hoͤch-
ſten Berge, durch die Suͤndfluth hervorgebracht worden
waͤren. Selbſt das Gebuͤrge Ararat worauf ſich der
Kaſten Noaͤh niedergelaſſen, ſoll davon nicht aus-
genommen ſeyn. Tournefort hat dieſen Berg beſtie-
gen, und vielleicht wird es meinen Leſern nicht unange-
nehm ſeyn hier die Beſchreibung einer ſo ſeltſamen Reiſe
anzutreffen, beſonders da ſich in ſeiner Erzaͤhlung einige
Umſtaͤnde befinden, die zur Beſtaͤtigung deſſen, was wir
noch abzuhandeln geſonnen ſind, dienlich ſeyn koͤnnen.
Wir machten, ſchreibet dieſer Schriftſteller, des nachmit-
tages um zwey Uhr den Anfang, den Berg Ararat zu
beſteigen, doch nicht ohne Schwierigkeit. Wir muſten
in loſen Saͤnde klettern, wo wir nichts fanden als Wach-
olderſtauden und Bockskraut. Dieſer Berg hat einen
der traurigſten und unangenehmſten Anblicke, die auf der
Welt zu finden ſeyn moͤgen. Es giebt auf demſelben we-
der Baͤume noch Gebuͤſche, noch einige Moͤnchskloͤſter.
Struyß wuͤrde uns einen groſſen Gefallen gethan haben,
wenn er uns gemeldet haͤtte, wo die Einſiedler, deren er
gedenket, ſich aufgehalten. Denn das Volk dieſes Landes
er-
[89]in den alleraͤlteſten Zeiten.
erinnert ſich nicht gehoͤrt zu haben, daß es jemals Arme-
niſche Moͤnche oder Carmeliter auf dieſen Berge gege-
ben: indem alle Kloͤſter unten in der Ebene liegen. Ich
glaube auch nicht, daß dieſe Gegend an irgend einen an-
dern Orte zur Bewohnung bequem ſey, weil der ganze
Boden des Ararats loſe oder mit Schnee bedeckt iſt; ja
es ſcheinet ſo gar, als ob ſich dieſer Berg beſtaͤndig zer-
ſtoͤhre. Von dem Gipfel einer groſſen Tiefe, dem Dorf
Arkulu, auf der Straſſe von Erivan gegen uͤber, wo
wir herkamen, fallen unaufhoͤrlich groſſe Stuͤcke von ei-
nem ſchwaͤrzlichten harten Steine herab, die einen entſetz-
lichen Schall verurſachen. Man findet auf denſelben kei-
ne lebendigen Geſchoͤpfe, als unten am Fuße und gegen die
Mitte des Berges. In der erſtern Gegend halten ſich
arme Hirten mit reudigem Vieh auf, und findet man da-
ſelbſt ein und anderes Rebhun. Die andere Gegend wird
von Kraͤhen und Tiegern bewohnt, welche bey uns vor-
beygegangen nicht ohne verurſachte Furcht. Der ganze
uͤbrige Berg, das iſt die andere Haͤlfte deſſelben, iſt ſeit
der Zeit, da ſich die Arche daſelbſt niedergelaſſen, mit
Schnee bedeckt geweſen, und dieſer Schnee iſt meiſt das
halbe Jahr hindurch mit Wolken bedecket. Das aller-
beſchwerlichſte und hinderlichſte bey dieſem Berge iſt, daß
der geſchmoltzene Schnee durch haͤufige Wellen in die
Tiefe laͤuft, denen man nicht beykommen kan, und deren
Waſſer ſo truͤbe iſt, als irgend das Waſſer einer Landfluth
bey dem heftigſten Sturm. Alle dieſe Quellen machen
den Strom aus, der bey Akurlu ſchieſſet, und niemals
helle wird. Sie trinken das Waſſer truͤbe das ganze Jahr
hindurch. Wir fanden daſſelbe aber angenehmer als den
beſten Wein. Es iſt allezeit eiskalt, und hat gar keinen
modrigen Geſchmack. Der Beſtuͤrzung ohngeachtet,
worin uns dieſe ſchreckliche Einoͤde ſetzte, bemuͤheten wir
uns doch das vorgegebene Kloſter zu finden, und ſpuͤreten
nach, ob nicht in den Hoͤlen einige Einſiedler moͤchten
F 5ange-
[90]Geſchichte der Erde
angetroffen werden. Die Vorſtellung, ſo man im gan-
zen Lande hat, daß ſich die Arche niedergelaſſen, nebſt der
groſſen Verehrung, welche alle Armenier dieſem Berg
erzeigen; indem ſie die Erde kuͤſſen, ſo bald ſie denſelben
erblicken, und gewiſſe Gebethe wiederholen, nachdem ſie
das Zeichen des Creuzes gemacht, hat vielen die Einbil-
dung beygebracht, daß derſelbe mit Einſiedlern angefuͤllt
ſeyn muͤſſe; und Struyß iſt nicht der einige, der die Le-
ſer ſo berichtet. Indeſſen verſicherte man uns, daß es
unten bey der Tiefe ein verlaſſenes Kloſter gebe; daß auf
dem ganzen Berge keine eigentliche Quelle anzutreffen ſey,
den zuſammengefloſſenen Strom der Tiefe ausgenommen,
dem wir nicht eher beykommen koͤnnten zum trinken, als
nahe bey gedachtem Kloſter; und daß wir in einem ganzen
Tage nicht bis an den Schnee und wieder zuruͤck an den
Grund der Tiefe kommen koͤnnten; daß ſich die Hirten
mit ihren Heerden ſehr oft verirreten; daß wir endlich ur-
theilen koͤnnten, was es vor ein elender Ort ſeyn muͤſſe,
da dieſelben genoͤthiget ſeyn, von Zeit zu Zeit in die Er-
de zu graben, um eine Quelle fuͤr ſich und ihre Heerden
zu finden; ja daß es vergeblich ſeyn werde, der Pflanzen
und Kraͤuter halber hoͤher zu ſteigen, weil wir nichts als
ſteile Felſen uͤbereinander gehaͤuft und uͤber unſern Kopf
haͤngend antreffen wuͤrden. Wir fiengen hierauf an auf
die erſte Reihe von Felſen loszugehen mit einer Flaſche
Waſſer. Ohnerachtet wir uns nun ſelbſt dick getrunken,
ſo war nach zwey Stunden alles ausgetrocknet; geſchuͤt-
telt Waſſer aus einer Flaſche aber iſt ein unangenehmer
Trank. Unſere einige Hofnung war daher bald zum
Schnee zu kommen, und davon etwas zu eſſen zur Stil-
lung unſer Durſtes. Wir muͤſſen aber hier bekennen,
daß das Augenmaas gar ſehr truͤge, wenn man am Fuß
eines Berges ſtehet, und die Hoͤhe deſſelben errathen will,
ſonderlich wenn er durch ſo beſchwerlichen Sand erſtiegen
werden muß, als in denen africaniſchen Wuͤſten ſeyn
mag.
[91]in den alleraͤlteſten Zeiten.
mag. Auf dieſem Sande des Berges Ararat iſts un-
moͤglich einen feſten Tritt zu thun; ja an manchen Orten
muſten wir an ſtatt aufzuſteigen wieder bis an den halben
Berg zuruͤck gehen, uud um nur einigermaſſen fortzu-
kommen, uns bald zur rechten bald zur linken wenden.
Trafen wir ja dann und wann einiges Graß an, welches
zu kurz war von Vieh abgefreſſen zu werden; ſo ward es
unter unſern Stiefeln ſo glatt und ſchluͤpfrig als Glas,
daß wir nicht fortkonnten, ſondern ſtille ſtehen muſten.
Den Sand nun zu vermeiden, der uns unertraͤglich er-
muͤdete, nahmen wir unſern Weg gerade auf die uͤberein-
ander gethuͤrmte Felſen zu. Wir giengen unter denſel-
ben als durch Hoͤlen hinweg, und waren vor allen Unbe-
quemlichkeiten der Witterung bedeckt, die Kaͤlte ausge-
nommen, welche wir ſehr empfindlich fuͤhlten, und uns
zur Milderung des Durſtes dienete. Wir wurden aber
genoͤthiget dieſen Ort bald zu verlaſſen, innere Erkaͤltung
zu verhuͤten, und kamen auf einen ſehr beſchwerlichen
Weg voller Steine, da wir von einen Stein auf den an-
dern ſpringen muſten. Gegen den Mittag kamen wir zu
einer angenehmern Gegend; da es ſchien, als ob wir den
Schnee ſogleich mit den Zaͤhnen erreichen wuͤrden. Aber
unſere Freude daurete nicht lange: denn was wir fuͤr
Schnee angeſehen, war nichts anders als ein Kalkfelß,
der unſern Augen einen Strich Landes verborgen hatte
auf ein paar Stunden Weges, bis zum Schnee, und wo
das Erdreich eine neue Art von Pflaſter zu haben ſchien,
nicht eigentlicher Kieſelſteine, ſondern kleiner Stuͤcken von
Froſt zerbrochener Steine, deren Schaͤrfe aber als der
Kieſelſteine ſchnitt. Wir ſetzten unſern Weg in guter Ord-
nung fort, und verſicherten unſere Wegweiſer, daß wir
nicht weiter als bis zum naͤchſt gelegenen Schneehaufen
gehen wollten, der uns nicht dicker als ein Kuchen zu ſeyn
vorkam; als wir aber hinzukamen, fanden wir, daß er
mehr als dreyßig Schritt im Durchſchnitt hatte. Ein
jegli-
[92]Geſchichte der Erde
jeglicher unter uns aß mehr oder weniger davon, nachdem
er Luſt hatte, und es ward einmuͤthiglich beſchloſſen, nicht
weiter zu gehen. Dieſer Schnee war uͤber vier Schuh
dick, und hart gefroren, daher wir ein groß Stuͤck deſſel-
ben mitnahmen, unſere Flaſche zu fuͤllen. Man kan ſich
nicht vorſtellen, wie ſehr das Eſſen des Schnees auflebet
und ſtaͤrket. Wir ſtiegen demnach von dem Schnee her-
ab mit auſſerordentlicher Munterkeit, welche aber nicht
lange daurete. Denn wir kamen in einen Sand, welcher
hinter der Tiefe lag, und eben ſo beſchwerlich war, als
der vorige. Wenn wir herunter zu glitſchen ſuchten, ſo
waren wir bis an den halben Leib begraben; uͤberdiß kon-
ten wir nicht auf dem geraden Wege bleiben, ſondern mu-
ſten uns linker Hand wenden, um an das Ufer der Tiefe
zu kommen, die wir gern in naͤhern Augenſchein nehmen
wollten. Es war ſolches aber ein hoͤchſt fuͤrchterlicher An-
blick, der geringſte Augenſchein der entſetzlichen Tiefen
drehet einen den Kopf herum. Das Geſchrey der unzaͤh-
ligen Kraͤhen, die unaufhoͤrlich von einer Seite zur andern
fliegen, hat auch etwas ſehr fuͤrchterliches. Um ſich ein
Bild von dieſem Ort zu machen, muß man ſich einen der
hoͤchſten Berge in der Welt vorſtellen, der ſich eroͤfnet,
den entſetzlichſten Anblick, der erdacht werden kan, zu ver-
urſachen. Alle Kluͤfte ſind ſenkrecht, und die Oefnungen
rauch und ſchwaͤrzlich, als wenn ein Rauch aufgeſtiegen,
und ſie gefaͤrbt haͤtte. Gegen ſechs Uhr nachmittags be-
fanden wir uns ganz erſchoͤpft und abgemattet: indeſſen,
als wir eine Gegend erblickten die mit einer Art von Gras,
Mauſeohr genannt, bewachſen war, deren abhaͤngige
Lage uns zum Hinabſteigen bequem, oder der Weg Noaͤ
zum Fuß des Berges geweſen zu ſeyn ſchien: ſo liefen
wir aufs geſchwindeſte dahin, und ſetzten uns nieder in et-
was auszuruhen, fanden auch daſelbſt mehr Kraͤuter, als
auf dieſer ganzen Reiſe. Das erfreulichſte aber war, daß
uns unſere Wegweiſer das Kloſter, wiewol in gar weiter
Ent-
[93]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Entfernung, zeigeten, allwo wir unſern Durſt ſtillen ſoll-
ten. Wir legten uns daher auf den Ruͤcken, und rutſch-
ten eine Stunde lang auf dieſer gruͤnen Bahn, kamen alſo
ganz vergnuͤgt und weit geſchwinder fort, als auf den Fuͤſ-
ſen wuͤrde moͤglich geweſen ſeyn. Die Nacht und der
Durſt waren unſere Sporen, und noͤthigten uns den
Weg zu beſchleinigen. Wir glitſchten auf dieſe Art ſo
lange fort als es der Weg verſtattete; und wenn wir Stei-
ne antrafen, ſo den Schultern wehe thaten, kehrten wir
uns um, und glitſchen auf dem Bauch, oder krochen auf
allen vieren ruͤckwaͤrts; und ſo erreichten wir nach und
nach das Kloſter, aber ſo zerſtoͤret und ermuͤdet, der un-
gewoͤhnlichen Art zu reiſen wegen, daß wir weder Arm
noch Bein fuͤhleten. Zu unſerm groſſen Ungluͤck fanden
wir daſelbſt weder Wein noch Waſſer, und muſten daher
zum Strom ſchicken, ſo faſt eine Viertelmeile davon ent-
fernet war, uͤber einen ſehr rauhen Weg.
§. 52.
Wer nach dem allen was von denen verſteinerten Pflan-
zen und Thieren geſagt worden, noch ferner zweifeln woll-
te, daß es ehemahls wirkliche Pflanzen und Thiere gewe-
ſen, der muͤſte in Wahrheit ſehr unglaͤubig ſeyn. Doch
findet man auſſer denen von mir angefuͤhrten Beweißthuͤ-
mern noch mehrere bey dem gelehrten Engellaͤnder Rajo,
welcher die Beweißthuͤmer von beyden Seiten anfuͤhret,
deren ſich die beyden beruͤhmten Naturkuͤndiger Wood-
wart und Plot bey ihren Streitigkeiten uͤber die gebilde-
ten Steine bedienet haben. Denn D. Plot hielt derglei-
chen Steine fuͤr ein Spiel der Natur, und ſchrieb ihren
Urſprung einer bildenden Kraft zu. D. Woodwart hin-
gegen behauptete, daß es wirklich verſteinerte Pflanzen
und Thiere waͤren, welcher Meynung auch gedachter Ra-
jus beypflichtet. Er fuͤhret unter andern die Zungenſtei-
ne (gloſſopetras) zum Exempel an, welche auf der Inſel
Malta
[94]Geſchichte der Erde
Malta in ſehr groſſer Menge gefunden werden, und zei-
get aus ihrer Groͤſſe, Figur, Lage und innern Beſchaf-
fenheit, daß ſie nichts anders als die Zaͤhne des Hayfi-
ſches geweſen ſeyn koͤnnten. Haͤtte man aber ja noch et-
was darwider einzuwenden; was will man denn dazu ſa-
gen, daß wirkliche und noch nicht verſteinte Muſcheln in
der Erde gefunden worden ſind? Ich will zwey ſolche
Obſervationen aus der Schrift des Herrn Raji anfuͤhren.
Er meldet, daß Herr Peter Burrell ein Kaufmann
aus Londen folgendes davon an ihn geſchrieben: Ich
habe eine Grube, worinnen ein Beet oder eine Ader mit
Auſterſchalen iſt. Ohngefehr zwey Fuß unter der Er-
den, nehmen ſie ihren Anfang, und liegen bey nahe eine
Elle bis anderthalb Elle tief. Alsdenn folget ein rauher
Sand darauf, der zwey bis drey Ellen tief, und tiefer
gehet. In einen Baͤchlein, ſo durch meinen Garten flieſ-
ſet, einen halben Feldwegs von beſagter Grube, findet
man eben dergleichen Schalen, groß und klein, die nicht
einzeln, ſondern Klumpenweiſe, groß und klein beyſam-
men liegen, daran die obern und untern Schalen noch
ganz ſind. Wenn man ſie oͤfnet, ſo haben diejenigen,
die der Luft nicht ausgeſetzt geweſen, oder von den Waſ-
ſer beſchaͤdiget worden, inwendig eine hole Concavitaͤt,
und an der inwendigen Seite einer jeden Schale einen
harten Mooß, der ſich feſt angeſetzet. Die in der
Grube liegen Haufenweiſe ſo feſt als ein Haufen auf ein-
ander. Und wo nicht kleine Sandadern damit vermiſchet
ſind, da zerbrechen ſie in Stuͤcken, ſo groß als eine Me-
tze, womit man das Korn miſſet. Wenn ſie aber dem
Wetter ausgeſetzt werden, ſo zerkruͤmeln ſie ſich wie
Maͤrgel, und ſind uͤberaus bequem das Land zu duͤngen,
inſonderheit diejenigen, welche mit Sand vermenget ſind.
Sie dienen fuͤrtrefflich zu verbindung der Mauren, nur
daß ſie zur Winterszeit, wenn es ſtark gethauet, ein we-
nig nachgeben. Ich befinde an unterſchiedenen Orten,
wenn
[95]in den alleraͤlteſten Zeiten.
wenn man graͤbet, daß es ein Lager oder Beet von dieſen
Schalen giebet, welches von Nordweſten nach Suͤdoſten
gehet, und in meinem und meines Nachbars Grund zwey
bis drey Feldwegs lang fortlaͤuft. Wir liegen 60. Mei-
len von dem Meer entfernet, jedoch nur 5. Meilen von
der Thems, an der Ecke von Surrey, und ziemlich hoch
in gleicher Flaͤche mit Croyden. So weit Herr Burrell.
Ein ander Exempel von einem ſolchen Beet Auſterſcha-
len, die aus der Erde gegraben werden, finde ich in den
Philoſophical Transactions n. 261. p. 485. von Herr Ja-
cob Brewer communiciret. Dieſe Auſterſchalen
wurden bey Reading in Berkshire gefunden und aus-
gegraben. Der Umfang des Orts, wo ſie ausgegraben
worden, hat 5. bis 6. Acker Land in ſich. Der Grund
dieſer Schalen iſt eine harte felſigte Kreide. Die Scha-
len liegen in einem Beet gruͤnen Sandes, auf einer glei-
chen Flaͤche durch den ganzen Umgang, ſo genau als
man urtheilen kan. Dieſes ſtratum oder Beet gruͤnen
Sandes und Auſterſchalen iſt, (wie man es gemeſſen,) bey
nahe einen Fuß tief. Nun unmittelbar uͤber dieſem ſtra-
to oder Lager des gruͤnen Sandes und der Schalen iſt
ein Beet von einer blaulichen Art Leimen, der ſehr hart
zerbrechlich und rauch iſt. Sie nennen es einen Stachel-
leimen, und hat keinen Nutzen. Dieſes Beet oder Lager-
leimen befand man bey nahe einer Ellen tief und unmittel-
bahr daruͤber iſt ein ſtratum Walkmuͤller Erde, ſo bey nahe
drittehalben Fuß tief iſt. Dieſe Erde wird oft von un-
ſern Tuchmachern gebraucht. Und uͤber dieſer Erde iſt
ein Beet oder Lager klaren feinen weiſſen Sandes, ohne
die geringſte Vermiſchung mit Erden, Leinen oder derglei-
chen, welches bey nahe 7. Fuß tief iſt. Als denn koͤmmt
unmittelbar uͤber dieſem ein ſteifer rother Leimen, (welches
das oberſte ſtratum iſt) woraus wir Ziegeln machen. Die
Tiefe dieſes Leimens kan man ſo genau nicht nehmen, weil
es ein ziemlich hoher Berg iſt, auf deſſen Spitze ein we-
nig
[96]Geſchichte der Erde
nig gemeines Erdreich ahngefehr zwey Schuh tief, gegra-
ben worden. Und unmittelbar darunter erſcheinet dieſer
rothe Leimen, woraus ſie Ziegel brennen. Ich grub un-
terſchiedene ganze Auſtern aus, daran beyde Schaalen
auf einander lagen, wie bey Auſtern, ſo vorher geoͤfnet
worden. In ihre inwendige hole Rundung war ein we-
nig von dem vorgedachten gruͤnen Sande hineingekom-
men. Die Schalen ſind ſo ſehr zerbrechlich, daß bey dem
ausgraben gemeiniglich die eine Schale von der andern
herabfaͤllet. Es iſt aber gar deutlich zu ſehen, daß ſie mit
einander vereinigt geweſen, wenn man die Schale ſo ab-
gefallen, auf die andere leget, die genau damit uͤberein-
trift. Allein ich grube unterſchiedene aus die ganz waren,
ja einige Doppelauſtern an denen alle ihre Schalen ver-
einigt waren. So weit Herr Brewer.
§. 53.
Unter allen verſteinerten Sachen, wird wohl hier zu
Lande nichts haͤufiger angetroffen, als die Ammonshoͤr-
ner. Sie ſind den Nautiliten ſehr aͤhnlich, aber dar-
innen von ihnen verſchieden, daß die Querunterſchiede
nicht wie in den Nautiliten ordentliche Bogen, ſondern
flammichte Bogen vorſtellen. Das merkwuͤrdigſte dabey
iſt dieſes, daß man aller angewendeten Muͤhe ohngeach-
tet keine wirkliche Schnecke von dieſer Art hat antreffen
koͤnnen, wiewohl ich ſie verſteinert geſehen, daß noch et-
was wirkliche Schale daran geweſen. Sollte ſich denn
dieſe Art Thiere aus der Welt verlohren haben? Denn
daß es wirkliche Schnecken geweſen, ſiehet man mehr
als zu deutlich, wenn man ſie abſchleift, da ſich denn al-
lenthalben inwendig die ordentliche Structur befindet.
§. 54.
Ich koͤnnte noch viele Anmerkungen uͤber die verſtei-
nerten Muſcheln machen, es wuͤrde mich aber ſolches zu
weit
[97]in den alleraͤlteſten Zeiten.
weit von meinem Zwecke ableiten. Es iſt genug, daß
man zugeben muß: es ſeyen dieſes ehemals wuͤrkliche Thie-
re geweſen; und daß ehemahls, wo ſie gefunden werden,
Waſſer geſtanden haben muͤſſe. Es mag nun dieſes von
einer allgemeinen oder beſondern Ueberſchwemmung ver-
ſtanden werden. Daß es aber wuͤrklich in denen alten
Zeiten dergleichen beſondere Ueberſchwemmungen gegeben
habe, davon will ich einiges aus dem Rajus anfuͤhren.
Plato erzehlet in ſeinem Timaͤo, daß die egyptiſchen
Prieſter, Soloni, dem athenienſiſchen Geſetzgeber, der
ohngefehr 600. Jahr vor Chriſti Geburt gelebet, berichtet;
welchergeſtalt vor uralten Zeiten auſſerhalb der Straſſe
von Gibraltar, ein groſſes Eyland, noch groͤſſer als
Africa und Aſien zuſammen geweſen, ſo Atlantis geheiſ-
ſen, welches nach der Zeit durch ein gewaltiges Erdbeben
und grauſame Waſſerfluth, in einem Tage und Nacht
voͤllig uͤberſchwemmet, und von dem Meer unter Waſſer
geſetzt worden. Woraus man muthmaſſen mag, daß die
alte und neue Welt zuerſt aneinander gelegen, oder doch
wenigſtens vermittelſt dieſer darzwiſchen kommenden In-
ſeln nicht eben gar weit von einander entfernt geweſen.
Daß die Inſel Sicilien vor alten Zeiten durch Austre-
tung oder Einbrechung des Meers von Italien abgeriſſen
worden, wird insgemein geglaubet; und es iſt noch ein
Denkmahl ſelbſt an dem Nahmen der Stadt Rhegio davon
beybehalten, die auf dem Freto oder der Meerenge lieget,
ſo Italien und Sicilien von einander abſondert, wel-
ches ſo viel als abreiſſen bedeutet.
‘Ovid. Metam. lib. 15. ‒ ‒ Zancle quoque juncta fuiſſe
Dicitur Italiæ, donec confinia pontus
Abſtulit, et media rellurem reppulit
unda.’ ()
GDesglei-
[98]Geſchichte der Erde
Deßgleichen iſt auch die Inſel Euboͤa jetzt Negropont
genannt, vor dieſem mit Griechenland vereinigt geweſen,
und durch das gewaltſame Arbeiten des Meers davon ab-
geſondert worden. Es erzehlen ferner die Einwohner von
Ceylon, daß ihre Inſel vor Alters mit dem feſten Land
von Indien verknuͤpft geweſen, und durch den ungeſtuͤm-
men Einbruch des Meers davon abgeriſſen worden. Es
wird auch, und zwar nicht ohne Grund, davor gehalten,
daß die Inſel Summatra vormals an Malacca geſtoſſen,
und das guͤldene Cherſoneſus genennet worden. Denn
wenn man ſie von ferne betrachtet, ſo ſcheinet ſie mit Ma-
lacca vereinigt zu ſeyn. Und unſerer Heimat naͤher zu
kommen, ſo verſichert Verſtegan, nicht ſonder guten
Grund, daß unſere Inſel Groß Brittanien vor Zeiten
ein feſtes Land mit Frankreich, und alſo kein Eyland,
ſondern eine Halb-Inſel geweſen; bis ſie hernach, auf
was Art aber, iſt nach ſeinem Urtheil ungewiß, von dem
feſten Lande abgetrennet worden. Ob es durch ein ſtar-
kes Erdbeben, worbey das Meer zuerſt hindurch gebro-
chen, und nach und nach ſeinem Weg erweitert hat, ge-
ſchehen; oder ob es durch Arbeit der Menſchen zur Be-
quemlichkeit eines freyen Durchganges abgeſchnitten wor-
den; oder ob die Einwohner von der einen oder andern
Seite, bey Gelegenheit eines Krieges, ſich dadurch ihrer
Feinde zu entladen, daſſelbe abgegraben haben, bleibet
unentſchieden. Seine Beweißgruͤnde aber, daß ſie vor-
mals mit Frankreich vereinigt geweſen, ſind folgende:
1.) Weil die Klippen auf beyden Seiten des Meers ein-
ander gerade gegen uͤber liegen. Das iſt, weil die zu
Dover, und diejenigen, ſo zwiſchen Calais und Boulo-
gne liegen (denn von Dover nach Calais iſt nicht das
nechſte Land) von einerley Subſtanz, nemlich von Kreite
und Kieſelſteinen ſind. 2.) Siehet man gar eigentlich,
daß die Seiten von beyden gegen das Meer zu von noch
mehr andern von eben derſelben Materie abgeriſſen wor-
den,
[99]in den alleraͤlteſten Zeiten.
den, vermoͤge deren ſie ehemals durch die Natur befeſti-
get geweſen. 3.) Koͤmmt die Laͤnge der beſagten Klippen
an dem Meerufer hin, an einer Seite wirklich mit der Laͤn-
ge eben dergleichen Klippen an der andern Seiten, das
iſt, in die 6. Meilen uͤberein. Und 4.) Weil das Land
zwiſchen Engelland und Frankreich an demſelben Ort
ſo nahe an einander lieget; indem die Weite nach erfahr-
ner Seeleute Bericht nicht uͤber 24. engliſche Meilen aus-
traͤgt. Dem man noch 5.) beyfuͤgen mag, die Seichte
des Canals laͤngſt der ganzen Meerenge oder Straſſe
hin, in Vergleichung des Meers an beyden Seiten der-
ſelben, welches viel tiefer iſt.
§. 55.
Man wird nicht uͤbel nehmen, daß ich hier eine kleine
Ausſchweifung mache. Ich weiß wohl, daß dieſes or-
dentlicher weiſe nicht erlaubt iſt. Aber warum muß man
denn eben immer ordentlich ſeyn? Bisweilen machen die
kleinen Unordnungen die groͤſte Annehmlichkeit aus. Kei-
ne Muſic kan ordentlicher ſeyn, als welche aus lauter
Conſonantien beſtehet; und gleichwohl klingt nichts elen-
der, als lauter Octaven hinter einander, ohnerachtet die-
ſes die vollkommenſten Conſonantien ſind. Hingegen
ein Laͤufer und eine Diſſonanz, welche wohl angebracht
ſind, geben einer Muſic erſt die rechte Lebhaftigkeit und
den groͤſten Nachdruck. Es kan mir in Wahrheit gleich-
viel gelten, ob man die kleine Ausſchweifung, welche ich
machen will, fuͤr einen gelehrten Laͤufer oder Uebelklang
halten will, das heiſt, man mag glauben: daß es ein
allzufluͤchtiger Gedanke, oder ein Satz ſey, welcher vielen
mit Vorurtheilen erfuͤllten Menſchen gar ſehr zuwider iſt.
Ich bin zufrieden, daß die Folge davon von der Beſchaf-
fenheit iſt, daß ſie dienen kan eine gewiſſe Art von Aber-
glauben in der Naturlehre zu unterdruͤcken; welches noth-
wendig allen Vernuͤnftigen ſehr angenehm ſeyn muß.
G 2Mit
[100]Geſchichte der Erde
Mit einem Worte, ich will von der Wuͤnſchelruthe reden.
Bey Erblickung dieſes Worts werden alle diejenigen, welche
wiſſen, was eine Wuͤnſchelruthe iſt, das, was ich ſa-
gen will, ſchon vorher beurtheilen. Einige werden ſich
einbilden hier eine tiefſinnige Erklaͤrung von den Wirkun-
gen dieſes Geheimnißvollen Inſtrumentes anzutreffen;
andere aber werden glauben, daß ich mich blos daruͤber
luſtig machen, der Einfalt und des Aberglaubens ſpotten,
und das Schlagen der Wuͤnſchelruthe vor eine bloſe Fa-
bel halten werde. Doch ſie werden ſich beyde betruͤgen.
Denn habe ich oben nicht ſelber geſagt: man muͤſſe in Anſe-
hung der gebildeten Steine weder ein phyſicaliſcher Atheiſt
noch Quacker ſeyn. Und ſo iſt es gerade auch mit der
Wuͤnſchelruthe beſchaffen. Unter einen gewiſſen Zeichen
gebohren ſeyn; am Johannestage zwiſchen 11. und 12.
Uhren des Mittags ein Stuͤck von einer Haſelſtaude ab-
ſchneiden, drey Worte darzu ſprechen, und denn glauben,
daß man eine Maſchiene habe, dadurch man verborgene
Metalle entdecken koͤnne, iſt ein Experiment von der Art,
welches ich niemals angeſtellt habe, und auch niemals ma-
chen werde. Es muß freylich meine angebohrne Einfallt
ſchuld daran ſeyn, welche macht, daß mir viele Sachen
ganz unbegreiflich vorkommen, welche von andern Men-
ſchen vor Sonnenklar gehalten werden. Ich wuͤrde mich
ohnfehlbar ſehr daruͤber betruͤbt haben: wenn mir meine
Eigenliebe nicht eingegeben haͤtte, daß ich auch einige wenige
Sachen wuͤſte, welche vielen andern Menſchen ebenfalls
unbegreiflich zu ſeyn ſcheinen. Doch muß ich geſtehen,
daß die Anzahl derſelben der in dem menſchlichen Leben ge-
woͤhnlichen bey weiten nicht beykomme. Da ich aber nie-
mals eine Sache blos darum laͤugne, weil ich nicht weiß,
wie es damit zugehe; ſondern es nur alsdenn thue, wenn
ſie andern ſchon ausgemachten Wahrheit widerſpricht, ſo
habe ich mir aller aberglaͤubiſchen Ceremonien ohngeachtet:
die Muͤhe genommen, mit der Wuͤnſchelruthe eine Probe
an-
[101]in den alleraͤlteſten Zeiten.
anzuſtellen. Sie war zwar von keiner Haſelſtaude, ſon-
dern nur von Drathe, welcher mit Faden umwunden war
verfertiget worden: ſie hatte aber einen Kuͤnſtler zum
Urheber, welcher ſich auf die Geheimniß volle Wiſſenſchaft
Wuͤnſchelruthen zu machen verſtund, und war ihm von je-
manden mit 6. Thaler bezahlt worden. Denn ob ſie ſchon den
aͤuſſern Werth nach kaum 6. gl. werth war: ſo war doch
dieſes in Anſehung ihrer innern Kraft, und darinnen ver-
borgenen Geheimniſſe fuͤr gar nichts zu rechnen. Ich haͤt-
te die Freyheit gehabt, Schaͤtze damit zu ſuchen; aber ich
achtete alle Reichthuͤmer fuͤr nichts, um blos meine Leſer
gluͤcklich zu machen. Daher will ich ihnen das ganze In-
ſtrument aufrichtig beſchreiben, daß ſie ſich es nachmachen
laſſen koͤnnen. Sollte aber die gewuͤnſchte Wirkung wi-
der verhoffen nicht erfolgen: ſo muͤſſen ſie ſich damit troͤ-
ſten, daß ſie entweder nicht in den rechten Zeichen geboh-
ren worden ſind; oder die Worte nicht wiſſen, welche man
ſehr ernſthaft ausſprechen muß, wenn ſie in das innerſte
der Wuͤnſchelruthe dringen, und ihr eine ſonderbahre
Kraft mittheilen ſollen. A C und C B waren zwey
Stuͤck eiſerner Drath, welche in C dergeſtalt zuſammenge-
fuͤgt ſind, daß ſie ſich biegen laſſen, und uͤber und uͤber mit
Leder uͤberzogen, und mit Zwirnfaden bewunden ſind.
So ungewiſſenhaft bin ich geweſen, daß ich mir unter-
nommen, dieſes geheiligte Inſtrument zu anatomiren;
und ich kan verſichern, daß ich mit meinen leiblichen Augen
nichts auſſer Drath, Leder, und Faden habe entdecken koͤn-
nen. Ich faßte es alſo an, freylich nicht wie man andere
unedele Sachen angreift, ſondern ſo, wie man eine Wuͤn-
ſchelruthe anfaſſen muß. Ich druckte beyde Armen feſte an
die Bruſt, hielt die Haͤnde von dem Leibe ab und faßte ſie
in beyden Enden A und B. mit den Fingern dergeſtalt,
daß die Daumen an beyde Enden A und B ſo an-
ſtieſſen, als wenn man einen Drath zwiſchen denen Fin-
gern faſſen will. Als ich ſie nun ein wenig zuſammen
G 3druͤck-
[102]Geſchichte der Erde
druͤckte: ſo fieng die Spitze C an ſich herunter zu bewe-
gen, bis auf ein auf den Tiſche gelegtes Stuͤcke Geld.
Sie ſchien ſich mit ſolcher Gewalt in meiner Hand herum
zu drehen, daß ich nicht vermoͤgend war ihre Bewegung
zu verhindern. Ich war aber damit nicht zufrieden, ſon-
dern ich hielt dieſes Inſtrument uͤber andere Sachen, wel-
che nichts metalliſches bey ſich hatten, und es ſchlug eben
ſo heftig wie vorher. Ich ſahe alſo wohl, daß die Urſa-
che des Schlagens nicht ſowohl in der Wuͤnſchelruthe als
vielmehr in den Muskeln meiner Haͤnde und Arme zu ſu-
chen waͤre, welche nicht vermoͤgend waͤren ein ſo ſtarkes
Druͤcken, ohne in ihrer Wirkung nach zulaſſen, auszuhalten.
Dieſes nachlaſſen geſchiehet ſo allmaͤhlich, daß man keine
Bewegung in den Haͤnden oder Armen wahrnimmt; ſon-
dern man bildet ſich ein, einmal ſo ſtark wie das andere zu
druͤcken; und daher koͤmmt es einem ganz fremde vor,
wenn die Wuͤnſchelruthe demohngeachtet vermoͤge ihrer
Schwere niederſinkt. Als ich dieſes merkte, verleitete
mich mein Unglaube weiter, dieſes mit einem ſchwanken
Holze zu verſuchen: ja endlich machte ich mir ſelbſt eine
Wuͤnſchelruthe aus Drath, die aber meines Wiſſens nie-
mals wie ſonſten darzu erfordert wird, unter dem Tauf-
ſteine gelegen hat, und ich fand in allen Faͤllen einerley
Wuͤrkungen. Es ſind alſo die Experimente mit der Wuͤn-
ſchelruthe Wuͤrkungen, welche von ihrer Schwere und
Elaſticitaͤt nebſt der ſeltſamen Arth, die Wuͤnſchelruthe zu
halten, herruͤhren. Koͤmmt nun ein bisgen Aberglaube
und Betruͤgerey darzu: ſo iſt die Kunſt vollkommen.
Man ſieht alſo, was man von den Experimenten, die
unterirdiſchen Metalle vermoͤge der Wuͤnſchelruthe zu
entdecken, zu halten habe.
§. 56.
Nichts iſt meines Erachtens wohl gewiſſer, als daß
unſere Erde ehemals ein fluͤßiger Koͤrper geweſen iſt.
Weil
[103]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Weil ich aber beſorge, daß man mir dieſes auf mein Wort
nicht glauben moͤchte: ſo ſehe ich mich genoͤthiget ſolches zu
beweiſen. Ich ſetze alſo zum voraus, daß ſich die Erde
innerhalb 24. Stunden um ihre Achſe von Abend gegen
Morgen herumdrehet. Ein Satz, welchen wir einen
Canonicus in Preuſſen, dem Nicolaus Copernicus,
zu danken haben. Er iſt ſo vernuͤnftig, ſo gegruͤndet und
natuͤrlich, daß man ſich nicht verwundern darf, wenn man
in der Hiſtorie Spuren findet, daß ſchon ehemals ein grie-
chiſcher Weltweiſer dieſen Einfall gehabt hat. Er ward
aber aus der wichtigſten Urſache von der Welt verworfen:
denn die Erde hatte eine Goͤttin, und dieſer war in Grie-
chenland ein Tempel erbauet. Sollte ſich nun die Erde
herumdrehen: ſo haͤtte ſich nothwendig auch dieſer Tempel
mit herum drehen muͤſſen; dieſes aber lief wider die Hoch-
achtung, welche man ihr ſchuldig war, und ſolglich muſte
die Erde unbeweglich ſeyn. Nach der Zeit hat unter den
Chriſten Galilaͤus Galilaͤi Hofmathematicus des Groß-
Herzogs zu Florenz, dieſer groſſe Mann, welchen wir
unter andern ſchoͤnen Crfindungen in der Naturlehre die
mathemathiſche Erkenntniß der Schwere und fallenden
Koͤrper zu danken haben, eben daſſelbe behauptet. Er
hatte aber beynahe mit ſeinem Vorgaͤnger einerley Schick-
ſal. Denn man behauptete, daß dieſe Lehre der heiligen
Schrift widerſpraͤche; und dieſer heilige Eifer gieng ſo
weit, daß man den Galilaͤus ins Gefaͤngniß ſetzte, aus
welchen er nicht eher wieder losgelaſſen wurde, bis er einen
foͤrmlichen Eyd abgelegt hatte, daß er nimmermehr wie-
der glauben wollte, daß ſich die Erde bewegete, und um
deſto mehr davon verſichert zu ſeyn, muſte er alle Tage
einen gewiſſen Bußpſalm herbethen. Endlich faßte Ni-
colaus Copernicus das Herz dieſes zum drittenmal zu
thun, und wer weiß, was man mit ihn gemacht haͤtte,
wenn er ſeine Sachen nicht kluͤger angefangen haͤtte. Die-
ſe Klugheit beſtand hierinne: daß er ſtarb als man ihm
G 4das
[104]Geſchichte der Erde
das erſte Exemplar von ſeinem Buche uͤberbrachte. Nach
der Zeit hat man die Richtigkeit dieſes Satzes eingeſehen,
daß er bey denen Naturkuͤndigern und Mathematikern faſt
durchgehends angenommen iſt: ja es ſtehet zu beſorgen,
er moͤchte wohl eine gar allzugemeine Aufnahme finden.
Welche darinnen beſtehen wird, daß wenn man ihn auf eben
die Art, wie den Satz, daß die Erde rund ſey, durchgehends
fuͤr wahr halten wird; ſo moͤchte man ihn glauben ohne zu
wiſſen, warum. Ich moͤchte nicht gerne der erſte ſeyn, der
dieſes thaͤt, und daher will ich kuͤrzlich die Gruͤnde anfuͤh-
ren, welche das Umdrehen der Erde um ihre Achſe bewei-
ſen. Die Planeten und Fixſterne ſcheinen binnen vier
und zwanzig Stunden um die Erde ſolche Flaͤchen zu be-
ſchreiben, die den Zeiten der Bewegung proportional ſind;
Bewegten ſie ſich nun wirklich ſo um die Erde: ſo wuͤrden
ſie eine Centripetalkraft beſitzen muͤſſen, welche gegen die
Erde gerichtet waͤre; und da der Grund davon ſelbſt in
der Erde angetroffen werden muͤſte, ſo ſaͤhe man ſich ge-
noͤthiget einzuraͤumen, daß die Erde alle himmliſche Koͤr-
per an ſich zoͤge. Weil nun die Gegenwuͤrkung der Wuͤr-
kung allemal gleich ſeyn muß: ſo muͤſten alle himmliſche Koͤr-
per die Erde gleichfalls an ſich ziehen. Waͤre nun die Wuͤr-
kung von allen Seiten gleich groß: ſo muͤſte ſich die Erde
eben ſo wie der Himmel binnen vier und zwanzig Stunden
einmal um ihre Achſe herum drehen. Woraus denn noth-
wendig folgen wuͤrde; daß wir die Sterne immer an denſelbi-
gen Orten erblickten, und immer einerley Lage gegen dieſelbe
behielten, daher auch kein Auf- und Untergehen derſelben
moͤglich waͤre. Dieſes aber iſt wider die Erfahrung.
Waͤre aber die anziehende Kraft der himmliſchen Koͤrper
nicht von allen Seiten gleich groß: ſo wuͤrde die Erde
der Direction der ſtaͤrkern Kraft folgen, und durch die hef-
tigſten Bewegungen auf eine wunderliche Art herumge-
riſſen werden, woraus ſich aber kein ordentliches Auf- und
Untergehen der Sterne begreiflich machen laͤßt. Dero-
wegen
[105]in den alleraͤlteſten Zeiten.
wegen geht es nicht an, daß ſich die Fixſterne nnd Plane-
ten innerhalb vier und zwanzig Stunden um die Erde her-
um bewegten. Da wir aber gleichwol ſehen, daß ſie im-
mer an einen andern Ort kommen: ſo wird es ſich nicht
aͤndern laſſen; die Erde wird ſich ſelbſt binnen dieſer Zeit
um ihre Achſe herumdrehen muͤſſen. Ja wer kan ſich auch
einbilden, daß ſich alle himmliſche Koͤrper in einer ſo kurzen
Zeit um die Erde herumdrehen, da dieſe in Anſehung ihrer
viel weniger als ein Sandkorn iſt, wenn man es mit der Erde
in Vergleichung ſetzet. In Wahrheit, es kaͤme eben ſo her-
aus, als wenn man es fuͤr ſehr vernuͤnftig hielte, ein gan-
zes Hauß mit ſamt der Kuͤche und dem auf den Heerde
befindlichen Feuer um eine Lerche herum zu drehen; da-
mit dieſelbige gebraten werden koͤnnte. Anderer Gruͤnde
anjetzo zu geſchweigen. Man hat auch immer geglaubt, daß
dieſe Meinung ſehr vernuͤnftig ſey, aber man hat in den Ge-
danken geſtanden, daß ſie denen Worten der Schrift wider-
ſpreche; und unter allen Einwuͤrfen, welche ſich daraus
machen lieſſen, hat man denjenigen fuͤr den wichtigſten
angeſehen, welcher von den Stillſtehen der Sonne zu den
Zeiten Joſua hergenommen iſt. Ich will einige Antwor-
ten hieher ſetzen, welche man wider dieſen Zweifel gemacht
hat, wiewohl es ohnmoͤglich iſt, daß ſie insgeſamt richtig
ſeyn ſollten. Einige halten dafuͤr: Joſua habe es nicht
anders gewuſt: denn die Maͤnner GOttes waͤren zwar
in Glaubensſachen; aber nicht in der Naturlehre ohnfehl-
bar. Andere ſprechen: Joſua habe die eigene Bewe-
gung der Sonne um ihre Achſe verſtanden, welche mit dem
Umdrehen der Erde dergeſtalt verbunden waͤre, daß eins
ohne das andere ohnmoͤglich geſchehen koͤnnte, und folglich
haͤtte auch die Erde ſtille ſtehen muͤſſen, ſo balde die Sonne
geſtanden. Wieder andere nennen das Stillſtehen der
Sonne einen bloſen Schein, und leiden daſſelbe von der
Refraction ihrer Strahlen, welche ſich damals haͤufig in
der Luft befunden haͤtten, her. Noch andere halten mit
G 5einem
[106]Geſchichte der Erde
einem gewiſſen Engellaͤnder die Worte des Joſua: Sonne
ſtehe ſtille! fuͤr den Anfang eines ſehr erhabenen Triumph-
liedes, welches er mit den Iſraeliten nach der Schlacht
angeſtimmt haͤtte. Sie verſichern, daß dergleichen Tri-
umphlied nach gehaltener Schlacht ſehr gewoͤhnlich gewe-
ſen waͤre, und die metaphoriſchen und hyperboliſchen
Ausdruͤcke waͤren denen orientaliſchen Voͤlkern zu allen
Zeiten ſo zu ſagen natuͤrlich geweſen, und waͤren es noch bis
auf dieſe Stunde. Endlich ſind noch andere der Meinung:
daß durch das Stillſtehen der Sonne nichts anders verſtan-
den werden koͤnne, als ihre Lage gegen die Erde nicht zu ver-
aͤndern; welches eben ſo wohl haͤtte erfolgen koͤnnen, wenn die
Erde ſowohl als die Sonne ſtille geſtanden waͤre. Vermuth-
lich giebt es noch viel mehrere Erklaͤrungen dieſer Stelle,
und man kan alſo davon diejenige erwaͤhlen, die einem am
wahrſcheinlichſten vorkoͤmmt. Genug, man muß einraͤu-
men, daß ſich die Erde in vier und zwanzig Stunden um
ihre Achſe von Abend gegen Morgen einmal herum drehe,
und mehrers iſt nicht noͤthig um darzuthun, daß ſie ehe-
mals ein fluͤßiger Koͤrper zum wenigſten auf ihrer Ober-
flaͤche muͤſſe geweſen ſeyn. Laßt uns ſehen, wie dieſes
folget.
§. 57.
Die Schwere treibt alle Materie gegen den Mittel-
punct der Erde. Nimmermehr kan unter dieſen gegen-
ſeitigen Druck ein Gleichgewicht entſtehen, wenn nicht
alle Materie von den Mittelpuncte gleich weit entfernt iſt.
Dieſem zu folge muͤſte die Erde bey ihrem erſten Urſprung
die Form einer vollkommenen Kugel erhalten haben. Wir
wollen annehmen, ſie haͤtte gegenwaͤrtig dergleichen Fi-
gur, und fienge an ſich um ihre Achſe herum zu drehen:
ſo wuͤrden alle Puncte ihrer Oberflaͤche, die beyden Pole
ausgenommen, innerhalb vier und zwanzig Stunden ei-
nen Cirkel beſchreiben. Dieſer Cirkel aber wuͤrde deſto
groͤſſer
[107]in den alleraͤlteſten Zeiten.
groͤſſer werden; je naͤher ſie zu den Aequator kaͤmen,
und die Puncte unter dem Aequator muͤſten den aller-
groͤſten beſchreiben. Nun verhalten ſich die Geſchwin-
digkeiten, wie die Raume, wenn die Zeiten gleich ſind.
Derowegen wuͤrde die Geſchwindigkeit unter dem Aequa-
tor am groͤſten und nahe bey den Polen an kleinſten ſeyn.
Es wuͤrde alſo alle Materie der Erden eine Centrifugal-
kraft, das iſt eine Bemuͤhung bekommen ſich von dem
Mittelpuncte der Erde zu entfernen. Da aber dieſe cen-
trifugalkraft wie eine jede andere daſelbſt am groͤſten wo
die groͤſte; und am kleinſten ſeyn muͤſte, wo die kleinſte
Geſchwindigkeit waͤre: ſo muͤſte ſie nothwendig um die
Gegend des Aequators am groͤſten werden. Nun be-
findet ſich daſelbſt das groſſe Weltmeer, welches als ein
fluͤßiger Koͤrper nothwendig durch dieſe Centrifugalkraft
in die Hoͤhe gehoben werden muͤſte; woraus nichts an-
ders erfolgen koͤnnte, als daß das feſte Land in den hitzi-
gen Strich der Erde uͤberſchwemmet wuͤrde. Die Er-
fahrung lehret das Gegentheil. Was kan aber hieraus
anders geſchloſſen werden, als daß es eben ſo als das Waſ-
ſer erhaben ſeyn muͤſſe. Und nun moͤchte ich gerne wiſ-
ſen, wie es ſich durch das Umdrehen der Erde, mit dem
Waſſer zu einer Hoͤhe haͤtte erheben koͤnnen, wenn es
nicht ehemals eben ſo wie dieſes ein fluͤßiger Koͤrper ge-
weſen waͤre. Wem dieſe ſonſt klare Sache nicht begreif-
lich genug vorkommen ſollte, der koͤnnte ſie ſich durch fol-
gendes Experiment ſinnlicher und leichter machen. Man
laſſe ſich von nicht allzuſtarken Drathe eine Kugel verfer-
tigen, dergeſtalt, daß der Drath lauter Mittagscirkel da-
von vorſtellt. Durch dieſe Kugel mache man eine Achſe,
um die ſie ſich herumdrehen laͤßt; und mitten an die Ku-
gel gegen den Aequator befeſtige man bleyerne Gewich-
te. Wenn alsdenn die dratherne Kugel ſchnell herumge-
drehet wird; ſo wird man ſehen, daß durch die centrifu-
galkraft der Gewichte die Figur der drathernen Kugel
in
[108]Geſchichte der Erde
in eine ſphaͤroidiſche Figur veraͤndert werde, dergeſtalt,
daß der Diameter des Aequators groͤſſer iſt, als die Ent-
fernung der beyden Pole von einander.
§. 58.
Der Ritter Iſaac Newton hat ſich ſchon blos da-
durch unſterblich gemacht, daß er die Figur der Erde zu
erſt erwieſen, ja nicht nur erwieſen; ſondern auch ſo gar
die Verhaͤltniß zwiſchen den Diameter der Pole und des
Aequators mathematiſch beſtimmt, ja durch bloſſe Vernunft-
ſchluͤſſe herausgebracht. Wie man ſolches in ſeinen prin-
cipiis philoſophiæ naturalis mathematicis antrift. Er
ſtellt ſich zwey mit Waſſer erfuͤllte Canaͤle in der Erde
vor, nicht, als wenn dergleichen wuͤrklich vorhanden waͤ-
ren; ſondern nur um die Sache deſto begreiflicher zu ma-
chen. Den einen Canal bildete er ſich von den Nordpol
gegen den Mittelpunct der Erde, den andern aber zwi-
ſchen den Mittelpuncte und dem Aequator ein. Wenn
man nun ſetzet, daß ſich die Erde innerhalb vier und zwan-
zig Stunden um ihre Achſe herumdrehet, ſo wuͤrde das in
dem erſten Canal befindliche Waſſer, weil er in die Achſe
ſelbſt zu ſtehen kaͤme, gar keine; dasjenige aber, welches
den andern erfuͤllte, eine ſehr groſſe Centrifugalkraft
bekommen. Dieſe Centrifugalkraft wuͤrde in einer
Bemuͤhung beſtehen, ſich von den Mittelpuncte der Erde
zu entfernen, und wuͤrde folglich der Schwere gerade ent-
gegen geſetzt ſeyn. Ohnerachtet nun zwar nichts weni-
ger daraus folgt, als daß es gaͤnzlich von der Erde hin-
weggeſchleutert werden muͤſte; denn dieſes erlaubt die
Schwere nicht, welche viel groͤſſer als dieſe Centrifugal-
kraft iſt: ſo iſt doch ſo viel gewiß, daß die Schwere dadurch
vermindert werden muͤſſe. Denn entgegen geſetzte Kraͤf-
te verhindern einander allemal; obſchon die Bewegung,
wenn die Kraͤfte ungleich ſind, nach der Direction der
ſtaͤrkern Kraft erfolgt. Wenn man nun einraͤumen muß,
daß
[109]in den alleraͤlteſten Zeiten.
daß das Waſſer, welches die zwiſchen den Aequator und
den Mittelpuncte der Erde befindliche Roͤhre erfuͤllte leich-
ter ſeyn muͤſſe als welches ſich in der zwiſchen den Nord-
pole und den Mittelpuncte der Erde befindlichen Roͤhre
aufhaͤlt, ſo kan es ohnmoͤglich unter einander das Gleich-
gewichte halten, ſondern es muß auch hier die Bewegung
nach der Direction der ſtaͤrkern Kraft geſchehen. Das
heiſt: das Waſſer muß nnter dem Nordpole niederſinken
und unter dem Aequator in die Hoͤhe ſteigen. Auf dieſe
Art ſucht Newton ferner die Verhaͤltniß beyder halben
Erddiameter zu beſtimmen, und zeigt, daß ſich der Dia-
meter der Pole zum Diameter des Aequators verhalte:
wie 229. zu 230. Nehmen wir nun an, daß die New-
toniſche Verhaͤltniß ihre Richtigkeit habe: ſo kan man
dadurch beſtimmen, wie viel Meilen der Unterſcheid zwi-
ſchen beyden halben Erddiametern betraͤgt, wenn man zum
voraus ſetzt, daß der halbe kleine Diameter 860. teutſche
Meilen ausmache. Man findet durch die Regel detri fol-
gende Proportion: 229 : 230=860 : 863\frac{173}frac{229}. Es macht
alſo der Unterſcheid zwiſchen beyden halben Erddiametern
3\frac{173}frac{229} teuſche Meilen aus; und iſt folglich die Erde unter
der Linie etwas uͤber 3½ Meilen hoͤher als unter den Po-
len. Man ſieht alſo, daß dieſer Unterſchied keine Klei-
nigkeit ſey, und daß nothwendig auch die Erde 3½ Meile
unter dem Aequator erhaben ſeyn muͤſſe, wenn ſie nicht
von dem Waſſer uͤberſchwemmt werden ſoll. Kein Berg
iſt im Perpendicul 3½ Meile hoch: derowegen macht
der Unterſchied der beyden halben Erddiameter mehr aus,
als die Hoͤhe der allergroͤſten Berge.
§. 59.
Wenn ich die Wahrheit nicht mehr als die Erfindung
neuer und ſinnreicher Hypotheſen liebte: ſo haͤtte ich hier
die ſchoͤnſte Gelegenheit von der Welt eine Erklaͤrung der
Suͤndfluth zu geben, auf welche noch keiner gefallen, und
die
[110]Geſchichte der Erde
die doch wohl eben ſo viel Wahrſcheinlichkeit haͤtte, als die
uͤbrigen. Ich ſehe hier ein ſicheres Mittel vor Augen mei-
ne Eitelkeit zu befriedigen; aber ich bin doch noch nicht
eitel genug um dieſes thun zu koͤnnen. Man wuͤrde dieſe
Meinung vielleicht nach meinen Nahmen nennen, und
ich habe mir ſagen laſſen, daß dieſes eine ſehr groſſe Gluͤck-
ſeligkeit fuͤr einen Gelehrten ſey; und daß ſie um derſel-
ben theilhaftig zu werden die groͤſten Unbequemlichkeiten
des Nachſinnens und der Arbeit fuͤr lauter Kleinigkeiten
hielten, ja oͤfters lieber ungluͤcklich ſeyn, als das Vergnuͤ-
gen entbehren wollten, daß ihr Nahme bisweilen ausge-
ſprochen wird. So klein auch mein Anſehen in der Welt
iſt; ſo glaube ich doch, daß ſich einige finden wuͤrden,
welche meiner Meinung beypflichteten, und wenn ſie auch
keinen andern Grund dazu haben ſollten: als weil es was
neues waͤre. Sie wuͤrden nicht unterlaſſen mich wider
die gemachten Einwuͤrfe zu vertheidigen. Daraus wuͤrde
nun ein gelehrter Krieg entſtehen, welcher nothwendig fuͤr
mich vortheilhaft ſeyn muͤſte. Denn er wuͤrde ſich ver-
muthlich wie die meiſten Kriege von dieſer Art, das iſt,
ſo endigen, daß beyde Theile Victoria ſchrien. Aber
ich verlange dieſe Ehre nicht. Denn ich wuͤrde mich nicht
entſchlieſſen koͤnnen, meine Armee ſelbſt zu commandiren;
und ein General wird nicht gelobt, wenn er der Schlacht
nur von weiten zuſiehet. Ich geſtehe alſo offenherzig, daß
ich ſelbſt nicht weiß, ob das, was ich ſagen werde, ſeine
Richtigkeit habe, oder nicht. Denn ich beſorge, die
Vorſtellung, daß ich dieſe Erklaͤrung ſelber erſonnen haͤtte,
moͤchte machen, daß ich ihr mehr Wahrſcheinlichkeit bey-
legen moͤchte, als ſie vielleicht in der That hat. Nein,
ich weiß, daß die Eigenliebe eine Delila iſt, der es nie-
mals an Geſchicklichkeit fehlet die Menſchen in Irrthuͤmer
zu verleiten. Meine einzige Abſicht iſt alſo blos dieſe,
daß ich zeigen will, es koͤnne eine vielleicht eben ſo ſinn-
reiche Erklaͤrung der Suͤndfluth als die Whiſtoniſche
iſt,
[111]in den alleraͤlteſten Zeiten.
iſt, gegeben werden, die doch dabey weniger Schwierig-
keiten als jene unterworfen waͤre, und mit den Worten
Moſis genauer uͤbereinſtimmete.
§. 60.
Man ſtelle ſich alſo vor: es habe ſich die Erde vor
der Suͤndfluth nicht um ihre Achſe gedrehet; ob ſie ſchon
binnen einen Jahre um die Sonne herum gegangen ſeyn
kan. Weil nun die Schwere alle ihre Theile gleich ſtark ge-
gegen den Mittelpunct getrieben hat: ſo hat ſie die Geſtalt
einer Kugel bekommen. Eben ſo wie wir ſehen, daß ein
Waſſertropfen darum dergleichen Figur annimmt, weil
alle ſeine Theile einander an ſich ziehen. Setzet ferner:
es ſey ſowol auf der Oberflaͤche als in den innerſten Hoͤlen
der Erde Waſſer geweſen, was wird nun wohl erfolget
ſeyn, wenn die Erde auf einmal angefangen hat, ſich in-
nerhalb vier und zwanzig Stunden um ihre Achſe herum
zu drehen? Das unter dem Aequator befindliche Waſſer
hat nach der Newtoniſchen Theorie 3½ Meile in die Hoͤhe
ſteigen und folglich nicht nur das Land uͤberſchwemmen,
ſondern auch uͤber die hoͤchſten Berge gehen muͤſſen; es
hat ſich ſowol gegen Norden als Suͤden uͤber die Erde
ausgebreitet, wodurch die Ueberſchwemmung allgemein,
und ſeine Hoͤhe zugleich in ſo weit vermindert worden, daß
es nur noch 15. Ellen hoch uͤber die hoͤchſten Berge gegan-
gen. Nun richtet ſich die Menge der Ausduͤnſtungen
nach der Oberflaͤche des Waſſers. Es muß alſo von dem
ganz und gar mit Waſſer bedeckten Erdboden eine ſehr
groſſe Menge von Duͤnſten in die Hoͤhe geſtiegen ſeyn,
welche durch die Luft wieder heruntergefallen, und einen
lange anhaltenden Regeu verurſacht haben. Zu gleicher
Zeit iſt die Centrifugalkraft des in die Hoͤlen der Erde ein-
geſchloſſenen Waſſers dergeſtalt vermehrt worden, daß es
die oberſte Rinde der Erde in die Hoͤhe gehoben, und ſol-
chergeſtalt zum Theil Berge hervorgebracht, zum Theil
aber
[112]Geſchichte der Erde
aber die Erde dergeſtalt mit den Waſſer vermenget, daß
man in Anſehung des groͤſten Theils der Erde ſagen koͤn-
nen, es ſey ihre oberſte Rinde damals ein aus Waſſer und
Erde vermiſchter fluͤßiger Koͤrper geweſen. Welcher da-
her nothwendig die von den Newton angegebene Figur
einer platt gedruckten Kugel oder Pommeranzen anneh-
men muͤſſen. Weil aber eben dadurch der halbe Erddia-
meter unter dem Aequator um 3½ Meile groͤſſer geworden:
ſo ſey innerhalb der Erde ein Raum entſtanden, in wel-
chen das uͤberfluͤßige Waſſer wieder hineinflieſſen, und ſich
alſo von der Erde verliehren koͤnnen. Ja dieſer Naum
waͤre, wie aus der gegeben Theorie gar leicht erweißlich iſt,
gerade ſo groß geweſen, daß nicht mehr und nicht weni-
ger Waſſer auf der Erde zuruͤcke geblieben, als vor der
Suͤndfluth darauf vorhanden geweſen. Worauf die aͤuſ-
ſere Rinde der Erde wieder ausgetrocknet, und alſo in
den gegenwaͤrtigen Zuſtand verſetzt worden waͤre. Man
darf demnach hier nicht wie in der Whiſtoniſchen Theorie
vor der Suͤndfluth zu wenig Waſſer auf der Erde anneh-
men, und ſiehet doch den Urſprung einer groſſen Menge
verſteinerter Thiere und Pflanzen. Es iſt wahr, daß man
ſagen kan: das Umdrehen der Erde um ihre Achſe hat oh-
ne Wunderwerk nicht geſchehen koͤnnen. Aber hat es
wohl bey der Erſchaffung der Erde ihr auf eine andere
Art mitgetheilt werden koͤnnen? Und wenn es einmal ein
Wunderwerk ſeyn muß, ſo kan der bloſe Umſtand der
Zeit, da es geſchehen, daſſelbe nicht ohnmoͤglich machen.
Das Aufthun er Brunnen und der vierzigtaͤgige Regen,
davon Moſes gedenkt, koͤnnen ſchwerlich bequemer erklaͤrt
werden. Nur muß man ſich nicht vorſtellen, daß der
Diameter der Pole kuͤrzer, ſondern daß der Diameter des
Aequators laͤnger geworden, welches auch in der That aus
den Begriffe von den Umdrehen der Erde ſo folget. Ich
habe alſo die Anzahl der Schwierigkeiten der Whiſtoni-
ſchen Theorie vermintert. Denn diejenigen, welche
noch
[113]in den alleraͤlteſten Zeiten.
noch uͤbrig bleiben, wohin der Mangel des taͤglichen Um-
drehens der Erde vor der Suͤndfluth gehoͤret, hat mein
Begrif mit dem Whiſtoniſchen gemein.
§. 61.
Ich habe ſchon geſagt, daß es mir gleichviel gelten
kan, ob man die gegebene Erklaͤrung der Suͤndfluth fuͤr
wahr annehmen will oder nicht. Ich bin zufrieden, daß
man die Sache ſelbſt zugeben muß, ohnerachtet es nicht
ausgemacht iſt, ob ſich dieſe Begebenheit zur Zeit der
Suͤndfluth zugetragen habe. Geſchehen aber muß ſie
ſeyn, denn es iſt mehr als zu gewiß, daß die Erde eine
ſphaͤroidiſche Figur habe, und ohne ehemals fluͤßig ge-
weſen zu ſeyn, haͤtte ſie dieſelbe ohnmoͤglich bekommen
koͤnnen. Es hat zwar nicht an Einwuͤrfen gefehlt, wel-
che die groͤßten Mathematicker wider dieſe Newtoniſche
Figur der Erde gemacht haben. Denn es theilte ſich da-
mals die ganze mathematiſche Welt in Abſicht auf dieſen
Satz in zwey Theile, welche zwar alle darinne einig wa-
ren, daß die Erde keine vollkommene Kugel waͤre, aber
darinnen waren ſie verſchieden, was die Erde vor eine ei-
gentliche Geſtalt haͤtte. Die Franzoſen gaben ihr die
Figur eines Eyes. Vielleicht weil gallus ein Hahn hieſſe,
von dem die Eyer fruchtbar gemacht wuͤrden? Nein, weil
die Pariſiſche Academie der Wiſſenſchafften auf Befehl des
Koͤniges Ludewig des XIV. eine Mittags Linie durch ganz
Frankreich gezogen hatte und gefunden zu haben vermein-
te, daß die Grade derſelben groͤſſer waͤren, als die Gra-
de des Aequators. Woraus denn nothwendig folgte, daß
der Mittags Cirkel ſelbſt groͤſſer als der Aequator ſeyn
muͤſte. Nun hat ein groͤſſerer Cirkel einen groͤſſern Dia-
meter als ein kleiner, und der Diameter des Mittagscir-
kel iſt der Diameter der Pole. Folgte alſo nicht hieraus,
daß der Diameter der Pole groͤſſer, als der Diameter des
Aequators waͤre? Die ganze Engliſche Nation hingegen
Hhielt
[114]Geſchichte der Erde
hielt mit ihren Newton, den ſie bey nahe vergoͤttert ha-
ben davor: daß der Diameter des Aequators nothwendig
groͤſſer, als der Diameter der Pole ſeyn muͤſſe. Schie-
ne hier alſo nicht die Vernunft der Erfahrung zu wider-
ſprechen? Und wenn dieſes angehen ſollte, wer wuͤrde es
wohl ins kuͤnftige wagen ein Weltweiſer zu werden? Viel-
leicht haͤtte man ſich noch lange daruͤber geſtritten, wenn
nicht die Academie der Wiſſenſchaften zu Paris im Jahre
1736. den ruͤhmlichen Schluß gefaſt haͤtte um die Sache
zu entſcheiden, ſo wohl die Grade des Mittagscirkels un-
ter dem Aequator, als unter den Polarcirkel meſſen zu laſ-
ſen. Es wurden alſo die geſchickteſten Mathematici, ſo-
wohl unter die Linie, als nach den Nordpole geſchickt. Die
letztern befanden ſich unter der Direction eines der groͤß-
ten Gelehrten. Denn ihr Fuͤhrer war
Der Suͤd, Weſt, Nord und Oſt in Grenzen
eingeſchraͤnket;
Und keinen ſtrengen Froſt des kalten Laplands
ſcheut,
Der unſern Erdenball aufs richtigſte beſchrieben
Der Friedrichs Gnade hat den alle Muſen lieben.
Dieſer groſſe Mann hatte nach erſtaunlichen Beſchwer-
lichkeiten, welche in einen ſo rauhen Lande zu uͤberſtehen,
waren endlich gefunden: daß nach der alleracurateſten
Ausmeſſung ein Grad des Mittagscirkels unter den Po-
larcirkel groͤſſer ſey, als ein Grad des Mittagscirkels zwi-
ſchen Paris und Amiens. Woraus der ohnfehlbare
Schluß gemacht werden kan: daß die Erde unter den
Polen niedergedruͤckt, und gegen den Aequator erhaben
ſeyn muͤſſe. Nach der Zeit haben die Mathematicker, wel-
che
[115]in den alleraͤlteſten Zeiten.
che unter die Linie geſchickt waren, dieſes eben ſo befun-
den. Daher glaube ich, daß man ſehr wenig Liebe zur
Wahrheit haben muͤſſe, und eine Hartnaͤckigkeit, bey de-
nen einmal angenommenen irrigen Saͤtzen beſtaͤndig
zu verharren, nicht mehr verrathen koͤnne, als wenn
man noch ferner behaupten wollte: daß die Erde die
Geſtalt eines Eyes habe, da das Gegentheil davon nun-
mehro, ſowohl durch die Vernunftſchluͤſſe, als durch die
Erfahrung voͤllig ausgemacht iſt.
§. 62.
In dem Beweiſe, daß die Erde einer plattgedruckten
Kugel aͤhnlich ſey, wird angenommen: daß die Koͤrper
unter den Polen ſchwerer und unter der Linie leichter waͤ-
ren; indem die letztern eine viel groͤſſere Centrifugal-
kraft, als die erſtern beſaͤſſen. Auch dieſes hat die Er-
fahruug vollkommen beſtaͤtiget und auſſer Zweifel geſetzt.
Um aber den Beweiß davon denen in der Naturlehre nicht
genug geuͤbten Leſern begreiflich zu machen; werde ich
ihnen etwas vorher von den Perpendicul erzehlen muͤſſen.
Ein Perpendicul iſt ein jeder Faden, wenn unten ein Ge-
wichte dran gebunden wird. Wenn man nun an das Ge-
wichte anſtoͤſt, ſo faͤngt es an ſich hin und her zu bewegen,
und dieſes iſt eine Wuͤrkung ſeiner Schwere vermoͤge wel-
cher es gegen den niedrigſten Ort zu Boden faͤllt, zugleich
aber auch durch den Fall ſo viel Kraft erhaͤllt, eben ſo
hoch wieder in die Hoͤhe zu ſteigen. Ein ſolcher Perpen-
dicul legt ſeine Bewegung immer in gleicher Zeit zuruͤck,
er mag groſſe oder kleine Bogen beſchreiben. Will man
man nun haben, daß er geſchwinder gehen ſoll, ſo ſind
nur zwey Mittel, dadurch dieſes zu erhalten ſtehet. Ent-
weder der Faden muß kuͤrzer, oder das Gewichte muß
ſchwerer gemacht werden. Wenn er hingegen langſamer
gehen ſoll, ſo muß entweder das Gewichte leichter, oder
der Faden verlaͤngert werden. Es iſt nicht noͤthig hier die
H 2Urſa-
[116]Geſchichte der Erde
Urſache davon zu unterſuchen, da ich dieſelbige bereits in
meiner Naturlehre angezeigt habe, ſondern wir duͤrfen
es nur blos als eine in der Erfahrung gegruͤndete Sache
annehmen. Nun hat Herr Richer wahrgenommen, daß
eiu Perpendicul, welcher zu Paris eine Secunde ſchlug,
auf der Inſel Cayenne in America um 1¼ Linie kuͤrzer
gemacht werden muͤſſen, wenn er eine Secunde ſchlagen
ſollen; und der Herr von Maupertuis hat befunden:
daß der Perpendicul in Lapland hat laͤnger gemacht
werden muͤſſen als zu Paris wenn er eine Secunde hat
ſchlagen ſollen. Daraus folget demnach, daß entweder
unter der Linie der Faden laͤnger oder das Gewichte leichter,
und daß in Lappland entweder der Faden kuͤrzer, oder
das Gewichte ſchwerer geworden ſeyn muͤſſe, als es zu
Paris geweſen. Das erſtre laͤßt ſich nicht behaupten.
Denn wenn man gleich ſagen wollte, daß die Hitze unter
der Linie den Perpendicul verlaͤngert, und die Kaͤlte in
Lapland denſelben verkuͤrzt haͤtte, ſo geht dieſes doch nicht
nur darum nicht an, weil die Experimente unter der Linie
nicht in der Sonnenhitze, ſondern in Schatten angeſtellt
worden ſind, ſondern weil auch die Gruͤnde der Naturlehre zei-
gen, daß der Perpendicul von einen ſolchen Grade der Waͤrme
wie unter der Linie zu ſeyn pflegt, ohnmoͤglich ſo ſtark ha-
be ausgedehnet werden koͤnnen. Es bleibet alſo weiter
nichts uͤbrig, als daß man zugiebet, es ſey das Gewichte
unter der Linie leichter, und gegen den Nordpol ſchwerer
geworden. Wie man ſolches vernuͤnftig erklaͤren wolle
ohne die vier und zwanzig ſtuͤndige Bewegung der Erde
um ihre Achſe anzunehmen, daran iſt gar nicht zu ge-
denken.
§. 63.
Unſer Newton hat ſeine Schluͤſſe weiter getrieben,
und dadurch auſſer der Figur der Erde auch die Geſtalt des
Jupiters beſtimmt. Vermoͤge derſelben hat er gefunden,
daß
[117]in den alleraͤlteſten Zeiten.
daß ſich in den Jupiter der Diameter der Pole zum Dia-
meter des Aequators verhalte, wie 8 zu 9. Welches mit
der Erfahrung die Caſſini vermittelſt der Fernglaͤſer und
des Micrometers angeſtellt, vollkommen uͤbereinſtimmt.
Solchergeſtalt iſt auch die Figur des Jupiters durch die
vollkommenſte Harmonie der Vernunft und Erfahrung
auſſer Zweifel geſetzt worden. Hier haͤtte nun Newton
die ſchoͤnſte Gelegenheit gehabt ſeinen Erfindungen eine
Lobrede zu halten. Er that es aber nicht, ſondern be-
ſchloß ſeine Demonſtration nur mit den kurzen Worten:
Id quod dudum obſervavit Caſſinus. Das machte: New-
ton wuſte wohl, daß die groͤſten Lobreden die Leichenreden
zu ſeyn pflegen; und das Schickſal hatte ſeinen Erfindun-
gen eine unaufhoͤrliche Dauer verſprochen. Ueberhaupt
iſt leicht zu erachten, daß alle Hauptplaneten in unſern
Weltgebaͤude die Geſtalt einer plattgedruckten Kugel ha-
ben muͤſſen; aber man kan ſie deswegen nicht bey allen
mit den Fernglaͤſern wahrnehmen. Das macht, der
Mercur und die Venus ſind allzu klein, und die letzte-
re, denn von den erſtern hat man keine Obſervation, dre-
het ſich allzulangſam um ihre Achſe, welches verurſacht, daß
man eine ſolche Kleinigkeit in einer ſolchen Weite nicht
wahrnehmen kan. Eben dieſes gilt von dem Mars, wel-
cher fuͤnfmahl kleiner iſt als unſere Erde, und doch eine
noch laͤngere Zeit als dieſe braucht ſich um ſeine Achſe her-
um zu drehen. Der Saturn iſt allzuweit von uns ent-
fernt, als daß man verlangen koͤnne ſeine wahre Geſtalt
durch ein Fernglaß ſo gar genau zu erblicken, indem man
ſo gar nicht einmahl die Zeit weiß, in welcher er ſich um
ſeine Achſe bewegt, ob es gleich wahrſcheinlich iſt, daß er
eine ſolche Bewegung habe. Aber bey dem Jupiter fal-
len alle dieſe Beſchwerlichkeiten weg. Man weiß, daß er
ſich in 9. Stunden und 56. Minuten einmahl herumdre-
het, und daß er im Diameter zehnmahl groͤſſer ſey, als un-
ſere Erde. Da ſich nun die Periepherien der Cirkel wie
H 3ihre
[118]Geſchichte der Erde
ihre Diameter verhalten: ſo wuͤrde ſich ein Punct unter
dem Aequator des Jupiters zehenmahl geſchwinder als
ein Punct unter dem Aequator der Erde bewegen muͤſſen,
wenn ſich beyde Planeten in gleicher Zeit um ihre Achſe
herumdreheten. Da aber der Jupiter zu dieſer Bewe-
gung beynahe nur den dritten Theil der Zeit braucht
welchen die Erde darzu noͤthig hat, ſo muͤſte die Geſchwin-
digkeit in dem Jupiter, und alſo auch die Centrifugal-
kraft ſeiner Materie bey nahe dreyſigmahl groͤſſer, als die
Geſchwindigkeit und Centrifugalkraft des Erdbodens ſeyn.
Kan aber hieraus wohl etwas anders, als eine ſehr groſſe
Abweichung von der kugelrunden Geſtalt in den Jupiter
geſchloſſen werden?
§. 64.
Die Nebenplaneten drehen ſich ſehr langſam um ihre
Achſe: denn ſie verrichten dieſes, wie wir an dem Mon-
de ganz deutlich ſehen, gerade in der Zeit, da ſie ihren el-
liptiſchen Lauf um den Hauptplaneten zu Ende bringen,
nur ein einziges mahl. Vermuthlich iſt dieſes die Urſa-
che warum ſich die Flecken des Monds in einer ſehr langen
Zeit nicht merklich veraͤndern, da doch dergleichen Veraͤn-
derung in den Hauptplaneten von den Sternkundigen viel-
faͤltig angemerkt wird. Denn dieſe Flecken ſind, wenn wir
den Naturkuͤndigern glauben wollen, nichts anders, als
Waſſer, und es iſt ganz begreiflich, wie daſſelbige durch
eine allzuſtarke Centrifugalkraft aus ſeinen Ufern getrieben
werden koͤnne.
§. 65.
In Anſehung des Satnrns habe ich einen Einfall,
von welchen ich nicht gewiß ſagen kan, ob er ſich vor dem
Richterſtuhle der Weltweiſen werde rechtfertigen laſſen.
Ich ſetze zum voraus: daß es ſehr wahrſcheinlich ſey, daß
ſich der Saturn um ſeine Achſe herum drehe. Denn ohn-
erach-
[119]in den alleraͤlteſten Zeiten.
erachtet man dieſes noch nicht wahrgenommen hat, ſo iſt
doch eine deutliche Urſache, nemlich ſeine allzugroſſe Ent-
fernung davon vorhanden. Und da man dieſe Bewegung
bey der Venus, der Erde, den Mars und Jupiter an-
getroffen hat, warum ſollte der Saturn davon eine Aus-
nahme machen? Ich nehme es ferner als wahrſcheinlich
an, daß alle Planeten zum wenigſten auf ihrer Oberflaͤche
ehemahls fluͤßig geweſen ſind. Denn da dieſes von der
Erde ausgemacht iſt und aus ihrer ſphaͤroidiſchen Figur
folget. Weil ferner der Jupiter eben dergleichen Ge-
ſtalt hat: ſo ſehe ich nicht ab, warum man zweifeln wollte,
daß auch dieſer ehemahls zum wenigſten von auſſen
fluͤßig geweſen ſeyn ſollte. In Anſehung der uͤbrigen Pla-
neten hat man zwar keine Obſervation von ihrer ſphaͤroi-
diſchen Figur vor ſich, ich habe aber auch die Urſache an-
gezeigt, warum man dieſelbe nicht wohl haben kan. Laßt
uns alſo einmahl ſetzen: die Planeten waͤren vor alten
Zeiten alle insgeſamt fluͤßig geweſen. Der Saturn,
welcher iu ihre Zahl gehoͤret, habe gleiches Schickſal ge-
habt, und ſey eben damahls ſo groß wie jetzo der Ju-
piter geweſen, welches man deſto eher einraͤumen kan, da
die Sternverſtaͤndigen ſeine Groͤſſe bey nahe eben ſo groß
als des Jupiters ſeine angeben; und da es die Bewe-
gungsgeſetze erfordern, daß der entfernteſte Planete in ei-
ner Weltordnung der groͤſte und ſchwereſte ſeyn muͤſſe.
Laſt uns endlich ſetzen, daß er ſich noch geſchwinder als
der Jupiter um ſeine Achſe herum bewegt habe, ſo kan
dadurch die Centrifugalkraft ſeiner Materie noch groͤſſer
als ihre Schwere geworden ſeyn. Woraus nichts anders
erfolgen koͤnnen, als daß ſich ein Stuͤck von ſeiner Mate-
rie unter dem Aequator wo die Centrifugalkraft am groͤ-
ſten geweſen, losgeriſſen haben, und endlich eben ſo, wie
der Saturn ſelbſt in einen feſten Koͤrper verwandelt wor-
den ſeyn muß. Man ſaͤhe alſo, wie ein breiter und duͤnner
Ring um den Saturn entſtanden ſey, der ſich vermoͤge
H 4der
[120]Geſchichte der Erde
der aſtronomiſchen Betrachtungen in der Gegend ſeines
Aequators befindet. Zum wenigſten iſt dieſes wahrſchein-
licher, als wenn man mit dem Caſſini annimmt: daß die-
ſer Ring nichts anders als eine Menge kleiner Monden
ſey, die den Saturn umgeben. Denn dieſes laͤßt ſich
weder aus der Erfahrung noch aus Gruͤnden auf eine
wahrſcheinliche Art herleiten.
§. 66.
Die Betrachtung der Centrifugalkraft hat uns bis
an die aͤuſſerſten Grenzen unſer Weltordnung gefuͤhrt.
Laſt uns zuruͤckkehren, und unſere Betrachtungen
wieder auf den Erdboden einſchraͤnken. Ich habe erwie-
ſen, daß die Erde zum wenigſten auf ihrer Oberflaͤche fluͤſ-
ſig und uͤber und uͤber mit Waſſer uͤberſchwemmt geweſen
ſeyn muͤſſe. Ich will eben nicht behaupten, daß dieſe
allgemeine Ueberſchwemmung, von welcher ich hier rede,
gerade zu der Zeit der Suͤndfluth geſchehen ſey; ob ich
ſchon ſolches oben zu weiterer Ueberlegung vorgeſchlagen
habe. Vielleicht hat ſie ſich lange vorher zugetragen, und
es iſt ein Umſtand, welcher dieſes wahrſcheinlich zu machen
ſcheint. Die verſteinerten Muſcheln und Fiſche befinden
ſich allzutief in der Erde, da ſie doch durch die Suͤndfluth
nur in die aͤuſſerſte Rinde derſelben gekommen ſeyn koͤn-
nen. Aber dieſes iſt das wenigſte. Die Hauptſchwie-
rigkeit ſtecket darinne, daß die verſteinerten Sachen groͤ-
ſtentheils lauter ſolche Thiere vorſtellen, welche in Waſ-
ſer zu leben gewohnt ſind. Nun muß es aber vor der
Suͤndfluth nicht nur eine ſehr groſſe Anzahl anderer Thiere,
ſondern auch, wenn die Rechnung der Geſchichtsſchrei-
ber richtig iſt, eine ſolche Menge Menſchen gegeben ha-
ben, die viel groͤſſer geweſen, als die Anzahl derer, die
noch jetzo auf den Erdboden leben.
[121]
§. 67.
Nun fragt es ſich, wo alle dieſe Menſchen und Thie-
re geblieben ſind? Und warum ſie nicht eben ſo wie die
Muſcheln und Schnecken verſteinert worden? Denn daß
die Knochen der Thiere in Stein verwandelt werden koͤn-
nen: ſiehet man aus den verſteinerten Knochen, die man
bisweilen in den haͤrteſten Felſen antrift. Hieraus ſehen
meine Leſer, wie wenig ich vor meine Meinungen einge-
nommen bin. Ich gebe ihnen ſelbſt die Waffen in die
Hand, mit welchen ſie mich beſtreiten koͤnnen, und da-
mit ſie deſto weniger dran zweifeln, ſo will ich noch ſtaͤr-
kere Gruͤnde anfuͤhren. Wir leſen in Miſſons Reiſe
nach Italien von einem Seekrebs ſo bey Tivoli leben-
dig mitten in einen Marmor gefunden worden, und Brand
meldet, daß in Engelland ein gewiſſer Herr Muſcheln ge-
geſſen, welche vermittelſt eines Pfluges aus der Erde ge-
ackert worden. Ja man will daſelbſt bey der Stadt Mold
in Flintshire unterſchiedene Muſcheln ohngefehr drey
Schuh tief im Kieß angetroffen haben, worinnen lebendi-
ge Fiſche geweſen. Wenn dieſes wahr iſt, ſo weiß ich
nicht, was ich dazu ſagen ſoll. Dieſes aber weiß ich, daß
es keiner wiſſen wird, man muͤſte es denn von einer bil-
denden Kraft herleiten. Wenn man aber nur wuͤſte, was
dieſes vor ein Ding waͤre. Denn wenn ein ſolches Wort
hinreichend ſeyn ſollte, ſo waͤre nichts leichter, als ein Na-
turkuͤndiger zu werden. Man duͤrfte denen Pferden eine
Pferdemachende Kraft zuſchreiben, wenn man gefragt wuͤr-
de wie es mit ihrer Erzeugung zugienge. Die Alten nenn-
ten dieſe Zeugungskraft vim plaſticam; und nun wiſſen
wir, was es iſt. In Wahrheit, wenn man dergleichen
Woͤrter, welche Urſachen natuͤrlicher Begebenheiten ſeyn
ſollen, und doch hoͤchſtens nichts als die Begebenheit ſelber
andeuten, einen Eingang in die Wiſſenſchaften verſtat-
ten wollte; ſo ſtuͤnde zu befuͤrchten, daß die Gelehrſam-
keit in ein barbariſches Woͤrterbuch verwandelt werden
H 5wuͤrde,
[122]Geſchichte der Erde
wuͤrde, dadurch die ſcholaſtiſche Weltweißheit Gelegenheit
bekaͤme ſich wieder auf den Thron zu ſetzen, und die Men-
ſchen unter das Joch einer ſclaviſchen Einfalt zu bringen.
Denn da dieſe Worte auf deutſch ohne dem nichts anders,
als ich weiß es nicht, bedeuten; warum wollte man nicht
lieber einen deutſchen Ausdruck an ſtatt eines griechiſchen
oder eines ſolchen, der in gar keine Sprache gehoͤrt, ge-
brauchen? Nur muß man allemahl recht wohl verſichert
ſeyn, daß es mit den Begebenheiten, deren Urſachen
man ſucht, ſeine voͤllige Richtigkeit habe: denn es iſt
mehr als einmahl geſchehen, daß die Gelehrten die Urſa-
chen von ſolchen Begebenheiten entdeckt haben, welche
niemahls in der Welt vorgefallen ſind. Wovon die durch
den Teufel umgedrehten Haͤlſe der Jenaiſchen Geiſterbe-
ſchwerer, welches ich in den erſten Theile meiner Natur-
lehre, und der goldene Zahn des Schleſiſchen Knabens,
deſſen Geſchichte ich in den andern Theile angefuͤhrt habe,
eine deutliche Probe geben. Und damit ihrer dreye ſind,
ſo will ich hier noch eine anfuͤhren. Man hat hier in
Halle eine alte Erzehlung: daß ſich ehemahls eine Salz-
quelle verſtopft haͤtte. Man ließ einige Leute herunter,
um ſich nach der wahren Beſchaffenheit zu erkundigen, ſie
wurden aber todt wieder heraufgezogen. Daraus fanden
die witzigen Koͤpfe der damahligen Zeit ſehr gluͤcklich die
Urſache der Verſtopfung der Quelle. Denn ſie behaupte-
ten, es muͤſte ſich ein Baſiliske davor gelegt haben, wel-
cher durch ſein Anhauchen dieſe armen Leute ums Leben
gebracht haͤtte. Dieſe gelehrte Erfindung brachte ſie auf
einen ſehr liſtigen Anſchlag. Denn ſie machten einen
Mann von Strohe, und behengten ihn mit lauter Spie-
geln, in der Abſicht, daß ſich der Baſiliske, wenn er
ſich darinnen erblicken wuͤrde, an ſeinen eigenen Bildniſſe
zu todte hauchen moͤchte. Sie hatten aber nicht bedacht,
daß es unten in den Brunnen finſter ſey, und der Baſiliske
ohne Licht ſich nicht beſpiegeln koͤnnte. Indeſſen war
das
[123]in den alleraͤlteſten Zeiten.
das Unternehmen von einem erwuͤnſchten Erfolg: denn
die Quelle fieng nach kurzer Zeit wieder an zu flieſſen.
Und da dieſes geſchehen war, ſo haͤtte ich es keinen
Menſchen rathen wollen, daß er ihnen wegen des
Baſiliskens widerſprochen haͤtte. Ich weiß gewiß,
ſie wuͤrden ihm damahls ſehr haͤlliſch drauf geantwor-
tet haben. Weil aber dieſe Zeiten vorbey ſeyn ſollen,
ſo wird es mir erlaubt ſeyn nur einige Kleinigkeiten
dagegen anzufuͤhren. Die erſte iſt, daß keine Baſi-
lisken in der Welt ſind, ſie muͤſten ſich denn in den
Koͤpfen derer damaligen Einwohner befunden haben.
Zum andern iſt es nichts unerhoͤrtes, daß ſich eine Quelle
verſtopft, und wenn der Zufluß des Waſſers zunimmt,
wieder zu flieſſen anfaͤngt. Zum dritten hat man ſehr
viele Exempel, daß Menſchen durch ſchweflichte Ausduͤn-
ſtungen in unterirdiſchen Hoͤlen, welches die Bergleute
boͤſe Wetter zu nennen pflegen, ploͤtzlich um ihr Leben ge-
kommen ſind. Warum ſollten nun dergleichen zum we-
nigſten damahls nicht in der Gegend der Salzquelle ge-
weſen ſeyn koͤnnen? Indeſſen ſieht man daraus, wie ein-
faͤltig und unwiſſend die damahligen Zeiten geweſen ſind,
und wie viel man kluͤger geworden, ſeit dem die Baſilis-
ken aus der Mode gekommen. Es iſt aber dieſes eben
ſo lange nicht. Denn der ſonſt gelehrte Jeſuite Caſpar
Schott hat ſie noch auf das ſauberſte in Kupfer ſtechen
laſſen. Es ſcheint alſo, als wenn die Welt anfienge von
Tage zn Tage kluͤger zu werden. Der Himmel gebe nur,
daß ſie auch beſtaͤndig gluͤcklicher wird. Denn man hat
mich verſichern wollen, daß Verſtand und Gluͤckſeligkeit
zwey Sachen waͤren, die eben nicht allemahl nothwendig
mit einander verbunden ſeyn muͤſten. Wir, die wir un-
ter der weiſen Regierung des groſſen Friederichs leben,
haben Urſache zu hoffen, daß Verſtand und Gluͤckſeligkeit
in den Landen dieſes groſſen Monarchens bald allgemein
werden duͤrften. Der 25. December des 1745. Jahres war
der
[124]Geſchichte der Erde
der gluͤckſelige Tag, da der Anfang dazu gemacht ward,
und an welchen man haͤtte ſagen koͤnnen:
zogen;
nen ſcheint:
Scheide lenkt.
ſtuͤtzt:
§. 67.
Die Erde drehet ſich von Abend gegen Morgen um
ihre Achſe. Iſt ſie nun jemahls fluͤßig geweſen, ſo muͤ-
ſten die unterirdiſchen Schichten eben dergleichen Lage ha-
ben, und es iſt kein geringer Beweiß fuͤr meine Meinung,
daß man wahrgenommen hat, daß ordentlicher weiſe die
Metalle von Oſten gegen Weſten hinlaufen, oder Berg-
maͤnniſch davon zu reden: daß der Floͤtz von Oſten nach
Weſten ſtreicht. Hieraus wuͤrde nun ferner folgen, daß,
wo nicht alle, doch diejenigen Metalle, von welchen man
gewiß
[125]in den alleraͤlteſten Zeiten.
gewiß weiß, daß ſie von Oſten nach Weſten ſtreichen,
ſchon vor der Suͤndfluth geweſen ſeyn muͤſſen. Die
Steinkohlen in Engelland haben eine gleiche Lage. Denn
Thomas Willoughby ſchreibt an dem Rajus folgen-
dergeſtalt: Ich habe mit einigen von meinen Kohlengraͤ-
bern wegen des Lagers der Kohlen geredet, und befinde,
daß gemeiniglich das unterſte Ende, (wie ſie es nennen)
nach Weſten liege, und tiefer nach Oſten hinlaufe, daß
es ohngefehr in der Laͤnge von zwanzig Ellen, eine Elle
der Tiefe gewinne. Bisweilen aber weichen ſie ein wenig
von dieſer Lage ab: denn meine liegen meiſten nach
Suͤdweſten und Nordoſten. Sie ſenken ſich allewege
mehr oder weniger nach Oſten.
§. 68.
Wie wenig ich vor meine Meinungen eingenommen
ſey, erhellet aus dem, was ich vorher angefuͤhret habe.
Und damit man deſto weniger dran zweifele, ſo will ich
die Schwierigkeiten, welche noch gegen den Urſprung der
verſteinerten Fiſche, wenn man ſolche von der Suͤndfluth
herleiten will, gemacht werden koͤnnen, nicht mit Still-
ſchweigen uͤbergehen. Mein Freund, der Herr Schicht-
meiſter Hoffmann, deſſen ich ſchon obengedacht habe, hat
ſich auf mein Erſuchen die Muͤhe genommen, die Beſchaf-
fenheit der Fiſche etwas genauer zu unterſuchen. Man
kan ſich deſto ſicherer darauf verlaſſen, da dieſer Mann,
welcher vermoͤge ſeines Amts mit dergleichen Sachen zu
thun hat, die beſte Gelegenheit beſitzt, durch Gegenein-
anderhaltung vieler Exemplarien dergleichen Unterſuchun-
gen anzuſtellen, und dadurch dieſe Sache zu einer groͤſ-
ſern Gewißheit zu bringen. Weil aber die allermeiſten
ſowohl von denen Lagen der Fiſche, als auch von denen
Redensarthen, welche bey dem Bergverſtaͤndigen Mode
ſind, keine Erkaͤnntniß haben, ohne welche doch ihre Er-
zehlungen und Schriften nicht verſtanden werden koͤnnen:
ſo
[126]Geſchichte der Erde
ſo iſt zugleich eine Erklaͤrung derſelben, wie aus dem fol-
genden §. erhellen wird, beygefuͤget.
§. 69.
Bey der Hiſtorie derer Schieferfiſche iſt noͤthig, ſich
eine Vorſtellung von den Floͤtz zu machen. Solches nun
kan, ſo viel hier zu dienlich, folgendergeſtalt geſchehen.
Man nehme einen duͤnnen Folianten, lege ſolchen vor
ſich auf den Tiſch, und hebe ihn auf einer Seite etwas
auf; er mag nun hierdurch auf einer ganzen Seite oder
nur auf einer Ecke ruhen, er mag auch hierdurch eine De-
clination von 1. 5. 10- ja bis 90. Grad erhalten, ſo wird
er allezeit das Streichen und Fallen eines Floͤtzes vorbil-
den. Nimmt man den Tiſch als die Horizontallinie an,
und man ziehet auf den Folianten eine Linie, ſo mit den
Tiſche-parallel, ſo heiſſet ſolches das Streichen des Floͤtzes,
ziehet man durch dieſe eine andere nach rechten Winkel,
quer durch, ſo wird ſolches das Fallen des Floͤtzes genannt.
Der untere Deckel ſtellet das liegende, der obere das han-
gende oder Dach, die Blaͤtter die Schiefern, und die Kupf-
ferſtiche die Fiſche vor. Das Floͤtz declinire nun wie es
wolle, ja es ſtehe gar nach 90. Graden auf den Kopfe,
wie man denn dergleichen Floͤtze hat, ſo iſt doch alles,
Schiefern, hangendes, liegendes und Fiſche gegen einan-
der betrachtet, wie an dieſen Foliantenparallel.
Das Streichen derer Floͤtze wird durch etwas wiedriges
ſelten aufgehalten; dahingegen das Fallen durch Ruͤcken
und Wechſel gar ſehr verdruckt, zerriſſen und verſchoben
wird, ſolchergeſtalt, daß, wenn man meinet nach den Fal-
len auf denſelben gerade fortzufahren, ſo machet das Floͤtz
einen Sprung, daß man es manchmahl in einer Tiefe oder
Tab. II.
Fig. I.Hoͤhe von 3. 4. Lachtern, wieder ſuchen muß. Dieſe Ruͤ-
cken fangen ſich ganz ſchmal an bis ſie immer hoͤher wer-
den, und alſo nehmen ſie auch wieder ab. Dieſes ſind nichts
anders als Bruͤche und Riſſe des Erdbodens, welche meh-
rentheils
[127]in den alleraͤlteſten Zeiten.
rentheils mit einen weiſſen Salz oder Quarz wie ein Bruch
an einen Knochen wieder zugewachſen, ſie gehen auch
durch hangendes und liegendes hindurch, und in Heßi-
ſchen zu Riegelsdorf ſind durch dieſe Verwachſung ordent-
lich ſtreichende, mit ihren Saalbaͤndern verſehene, theils
maͤchtige Kobaldsgaͤnge geworden.
Ich habe auch daſelbſt der Natur zugeſehen, wie ſie es ma-
chet, denn da ich einmahl auf Befehl des Landgrafens die al-
ten Schiefer und Kobaldsgebaͤude in Riß bringen muſte, ſo
fand ich Gegenden, wo das Liegende durch das daruͤber hin-
laufende Waſſer mit einer weiſſen Rinde uͤberzogen war,
und die alten Schieferwaͤnde waren alle feſte angewachſen.
In einer andern Farth traf ich die ſchoͤnſten weiſſen Berg-
druͤſen in annoch flieſſenden Waſſer wie Zuckerwerk an,
welche in zerſtuffen inwendig aus alten Schiefer und Zech-
ſteinwaͤnden beſtunden; ja in einem alten Schacht, wel-
cher vor funfzehen Jahren [noch] gangbar geweſen, hatte
an einer Seite des Zechſteins das Waſſer auf ½ Elle dicke
dergleichen weiſſen Spath, als die Kobaldsgaͤnge fuͤhren,
zuruͤck gelaſſen. Auch an unſeren Ort findet man in den
alten Manne vor alten Zeiten verſetzte Schieferwaͤn-
de, ſo mit einer weiſen Rinde uͤberzogen, als wenn ſie
ein Conditor mit Zucker uͤbergoſſen.
Gleichwie nun die Floͤtze ſamt hangenden und liegen-
den durch die Ruͤcken zerriſſen, ſo ſind auch die Schiefer
durchgehends zertruͤmmert, und theils mit Spath, Kieß
oder Kobald zugewachſen, theils aber haben noch offene
Luͤcken, und dieſes iſt die Urſache, warum man ſo wenig
ganze Fiſche, beſonders aber ſehr ſelten einige groſſe, dar-
innen findet.
Es iſt auch zu bemerken, daß das Floͤtz aus beſondern
Schieferlagen eben wie das an Farbe und Materie ſo ſehr
unterſchiedene hangende und liegende beſtehet, welche nach
ihren eigenen Nahmen benennet worden. Da ſich nun die
Schiefer nach dieſen Lagen am liebſten ſpalten laſſen, ſo
fin-
[128]Geſchichte der Erde
findet man auch in dieſen Grenzen die mehreſten Fiſche,
ob gleich auch in denen Gegenden, wo ſie ſich nicht gerne
trennen laſſen, dergleichen verhanden.
Nun ſollen ſie naͤher betrachtet werden. Wenn man ei-
ne Schiefer ſpaltet, worinne ein Fiſch befindlich, ſo bekommt
man zwey Figuren, welche alle beyde die Lage des Fiſches, ent-
weder auf den Ruͤcken, von der Seite oder auf den Bauche
vorſtellen.
Da man die Lagen derer Schiefern nach ihren Nah-
men und wie ſie auf einander folgen, kennet, ſo weiß man
auch, wenn man einen Fiſch in die Haͤnde bekommt, wie
er in Floͤtz gelegen. Es weiſet uns aber der obere Theil
der Schiefer die eigentliche Lage des Fiſches, und dieſer
faſſet gemeiniglich den uͤberbliebenen Koͤrper des Fiſches in
ſich, dahingegen der untere Theil wenig davon behaͤlt, die-
ſer iſt folglich vertieft und jener erhoͤhet. Der untere Theil
ſtellet ein Petſchaft und der obere das abgedruckte Siegel
vor.
Hieraus erhellet, daß man die Fiſche von unten auf
als eine Gipsdecke betrachten muß. Denn wenn man ei-
nen Schieferfiſch auf einen Tiſch liegend betrachtet, wel-
cher auf den Bauche zu liegen ſcheinet, indem er den Ruͤ-
cken zeiget, ſo iſt es gerade das Gegentheil, indem er wuͤrk-
lich in den Floͤtz auf den Ruͤcken gelegen, und alſo verhaͤlt
ſichs auch mit denjenigen, ſo den Bauch weiſen.
Man findet die Fiſche in allen denen Stellungen, wie
ſolche der Structur derer lebendigen Fiſche gemaͤß ſind,
doch ſo, daß man gar eigentlich ſehen kan, daß ſie eines
ſchmerzhaften und gewaltſamen Todes geſtorben. Denn
die mehreſten liegen auf den Ruͤcken und ſind uͤberaus ſehr
gebogen, ſo gar daß ſich eine Falte zeiget wo der Bug an
ſtaͤrkſten iſt, andere liegen ausgeſtreckt auf der Seite wie
ein Hering, dieſe ſind rarer; die allerwenigſten aber liegen
auf den Bauche. Dieſe ſollten nun noch einen lebenden
Fiſch vorſtellen, ſie ſehen aber doch allezeit aus als ein
Fiſch
[129]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Fiſch der bald abſtehen will, indem ſie etwas auf der
Seite mit liegen, ſolchergeſtalt, daß von denen gedoppel-
ten Floßfedern unter den Bauche, eine auf dem Leibe lie-
get, und die andere auf den bloſſen Schiefer hinausreichet,
im uͤbrigen ſind dieſe die rareſten. Ich habe noch nie-
mahls einen denen Lebenden gleich ordentlich auf den Bau-
che liegend, finden koͤnnen.
Das Ausmaaß kommt juſt mit denen Lebenden uͤberein,
beyde ſind etwas mehr als fuͤnf Koͤpfe lang. Die cryſtal-
liniſche Feuchtigkeit (lens cryſtallina) iſt an denen mehre-
ſten, wenn ſie angeſchlagen werden, wie an denen geſot-
tenen weis.
Derjenige Strich, welcher vom Kopfe an auf der fla-
chen Seite des Fiſches bis mitten an den Schwanz gehet, wo
ſich das Fiſchfleiſch leichtlich ſcheidet, und bey denen ge-
ſottenen mehrentheils braͤunlich ſiehet, iſt faſt an allen
Schieferfiſchen deutlich zu ſehen, und wird noch artiger,
wenn man den Fiſch in etwas abſchleifet, es ſiehet ſodann
als wenn es mit weiſen Zwirne geſteppt waͤre.
Von Graͤten bekommt man wenig zu ſehen, doch fin-
det man bey denen groſſen einige Anzeige vom Ruͤckgrad.
Schleift man aber dieſelben etwas ab, ſo laſſen ſich auch
Druͤmmer von Graͤten entdecken, welche der Materie und
weiſſen Farbe derer Augen gleichen.
Die Schuppen laſſen ſich weder mit bloſſen Augen noch
mit einem Microſcopio wahrnehmen, ſondern die ſchraͤgen
Vierungen ſo bisher davor angeſehen worden, ſind Fie-
bern ihres Fleiſches, dieſes ergiebt ſich bey den Abſchlei-
fen, denn da bleiben ſie durch und durch. Da die aus-
wendige Flaͤche derer Schuppen beym Anfuͤhlen nur einer
harten glatten Haut gleich iſt, ſo hat davon kein Abdruck
koͤnnen uͤbrig bleiben. Indem auch das wenige, ſo von
dem Fiſche uͤbrig geblieben, nicht den zwanzigſten Theil
von ſeinem ehemahligen Koͤrper ausmacht, ſo wuͤrden auch
die Schuppen nach dieſer Proportion nicht kaͤnntlich ſeyn.
JDie
[130]Geſchichte der Erde
Die Schieferfiſche ſind mit einen weiſſen Strichelgen oder
Haͤutgen umgeben, welches man ſehen kan, wenn man
einen Schiefer, worinne einer befindlich, in die Quere
von einander bricht. Solches veroffenbaret ſich aber noch
deutlicher beym abſchleifen, und dieſes halte ich vor den
Reſt derer Schuppen. Die Koͤpfe ſind mehrentheils un-
foͤrmlich, weil aber ein Fiſchkopf aus etliche vierzig Kno-
chen zuſammen geſetzt iſt; ſo aber nach der Faulung und
erfolgter Quetſchung ſo viele Knochen unmoͤglich foͤrmliche
Rudera zuruͤck laſſen koͤnnen, zumahl da bey der Spaltung
des Schiefers, dieſelben wiederum unordentlich zerbrochen
und verriſſen worden. Dem ohngeachtet kan man etliche
bekannte Knochen entdecken, als die beyden Hufeiſenfoͤr-
migen des Ober- und Untermauls, zwey kleine an denen
Naſenloͤchern, die ſichelfoͤrmigen und darneben die brei-
ten an denen Ohren, ingleichen die Mundfoͤrmigen an den
Leibe unter den Ohren, woran das erſte Paar Floßfedern
befeſtiget, wie auch die Wirbel dieſer Floßfeder.
Ich habe bisher die Hauptgeſchlechte bey denen Schiefer-
fiſchen entdecket. Das erſte hat auf den Ruͤcken, nicht
recht mitten, ſondern etwas mehr nach den Schwanz zu
eine Floßfeder, vor welcher drey ſchildfoͤrmige Muſceln
liegen. Ich nenne dieſes Muſceln weil die geſchobenen
Vierungen, keine Schuppen, ſondern Fibern des Flei-
ſches, die erſtern aber weit groͤſſer als die letztern ſind.
Unterm Bauche haben dieſe zwey Paar Floßfedern, und
eine einfache Floßfeder, wo man auch Spuren von den
natuͤrlichen Ausgang derer Fiſche findet, ſind ein auch zwey
myrthenfoͤrmige Muſceln und auf den Obertheil des
Schwanzes ſieben dergleichen Schildfoͤrmige, welche zu-
letzt als Sparren zulaufen. Die Bauchfloßfedern ſtehen
eine Kopflaͤnge voneinander, und der Zwiſchenraum in
die Quere iſt bey den obern Paare weiter als bey den un-
tern. Dieſe Sorte kommt mit unſern heutigen Doͤbbeln,
Weißfiſchen, Heringen, Gruͤndlingen und vielen andern
mehr
[131]in den alleraͤlteſten Zeiten.
mehr uͤberein. Man kan alſo den Ungrund leicht ſehen,
wenn ſich einige ruͤhmen, ſie beſaͤßen von Mannsfeidi-
ſchen Schiefer einen Hering, Karpen ꝛc.
Das andere Hauptgeſchlechte hat zwar ebenfalls derglei-
chen Floßfledern untern Bauche wie das erſtere, aber
die Ruͤckenfloßfeder ſitzt nicht mitten auf den Ruͤcken, ſon-
dern gerade uͤber der einzeln Bauchfloßfeder, ſie haben
aber niemahls ſolche Muſceln als die erſtern, ſind in uͤbri-
gen weit groͤſſer als jene. Ich beſitze dergleichen zu ſie-
ben und zwanzig Zoll lang, und habe noch keinen unter
achtzehen Zoll geſehen. Sie kommen accurat mit denen
Hechten uͤberein, ſind aber ſeltener als die erſten.
Die dritte Art habe niemals ganz bekommen koͤnnen.
Einige haben eine Haut wie Chagrin, womit man Holz
glatt macht, darvon habe einen Kopf welcher nach Pro-
portion einen Leib von 1½ Elle gehabt haben muß, ein an-
der Stuͤck ſo auch dergleichen harte Haut gehabt, laͤßt ſich
durch Worte ſchwerlich ausdruͤcken. Ueber dieſes koͤnnte
man noch das vierte Geſchlechte finden, ſo eine ganz glatte
Haut haben, es iſt aber nur ein Stuͤck verhanden, ſo ein
Aal geweſen zu ſeyn ſcheinet.
So ordentlich und mechaniſch nun auch dieſe Ueber-
bleibſel ſind, und ſo nette ſie mit unſern heutigen Fiſchen
uͤbereinzukommen ſcheinen, ſo gar daß man auch durch das
Abſchleifen, die von den Fleiſch des Ruͤckens bedeckten
Bauchfloßfedern bey einen und andern Fiſche hervorbrin-
gen kan; auch wenn zwey Fiſche uͤber einander liegen,
das Fleiſch des einen gar genau von den andern abgeloͤſet
werden kan: ſo finde ich doch bey denen beſchriebenen drey
Hauptgeſchlechtern etwas ſo ſich mit keiner Sorte unſerer
lebenden Fiſche vergleichen laͤſt. Es iſt nemlich der obere
Theil des Schwanzes weit laͤnger, ſtaͤrker, ganz ander ge-
ſtaltet und fleiſchigter als der untere, ja es ſcheinet dieſer
nur eine Floßfeder von jenen zu ſeyn, welches bey den ab-
ſchleifen noch deutlicher wird. Wollte man ſagen: Es
J 2koͤnn-
[132]Geſchichte der Erde
koͤnnten uns in unſern Lande unbekannte Geſchlechter
ſeyn, ſo will es nicht beſtreiten, ich habe aber noch nie-
mals einen dergleichen nach den Leben gebildeten Fiſch in
Kupfer gefunden, und doch glaube ich faſt aller heutigen
Fiſche ihr Bildniß geſehen zu haben. Weil der obere
Theil des Schwanzes laͤnger, als der untere, ſo kan er
auch eher Schaden nehmen, und alſo findet man welche,
ſo geknickt, als wenn man ein Ohr in ein Buch macht,
andere ſind gedrehet wie ein Grasblatt, und noch andere
ſind am Ende in die Hoͤhe gebogen, welches ich niemals
an den untern Theil wahrgenommen.
§. 70.
Wie leichte koͤnnte man auf die Gedanken gerathen,
daß dieſe Fiſche nicht ſowohl von der Suͤndfluth, als viel-
mehr von der lange vorhergeſchehenen allgemeinen Ueber-
ſchwemmung der Erden, dadurch ſie aus einer kugelrun-
den in eine ſphaͤroidiſchen Figur gebracht worden, geſche-
hen ſey. Waͤre dieſes, ſo muͤſten damals ganz andere
Waſſerthiere als jetzo in dem Meere geweſen ſeyn. Und
ſo lieſſe es ſich auch leichte begreifen, warum man vielmehr
Muſcheln und Fiſche, als Knochen der Thiere verſteinert
antrift. Denn was haͤtten die Thiere auf der Erde ma-
chen ſollen, da dieſe mehr ein fluͤßiger als feſter Koͤrper
zum wenigſten auf ihrer Oberflaͤche geweſen. Die Kno-
chen der Thiere aber, welche man noch in der Erde an-
trift, muͤſſen mit den Muſcheln und Fiſchen eben nicht
zu einer Zeit dahin gebracht worden ſeyn, ſondern es kan
ſolches ſowohl die Suͤndfluth, als andere Ueberſchwem-
mungen verurſacht haben. Dergleichen beſondere Ueber-
ſchwemmungen ſcheinen in einen Planeten, welcher ſich
um ſeine Achſe herum drehet, dergleichen die Erde iſt, faſt
unvermeidlich zu ſeyn. Denn die Sternverſtaͤndigen ha-
ben durch ihre Seheroͤhre eine Veraͤnderung der Flecken
in der Venus den Mars und Jupiter angemerkt.
Wenn
[133]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Wenn wir ihnen nun glauben ſollen, daß dieſe Flecken
nichts anders als Waſſer ſind, ſo kan es nicht fehlen, es
muß dieſes Waſſer ſeine Grenzen veraͤndert haben. Was
heiſt dieſes aber anders, als daß beſondere Ueberſchwem-
mungen in ihnen vorgegangen ſind? In dem Jupiter,
in welchen ſowohl wegen ſeiner Groͤſſe, als des ſchnellen
Umdrehens um ſeine Achſe, worzu er nicht mehr als neun
Stunden und ſechs und funfzig Minuten gebraucht, die
Bewegung am allergeſchwindeſten, und alſo auch die Cen-
trifugalkraft des Waſſers in Anſehung aller uͤbrigen Pla-
neten am allergroͤſten iſt, in dieſen Planeten, ſage ich,
muͤſte dem, was hier angefuͤhrt iſt, zu folge, nichts ge-
woͤhnlicher ſeyn, als eine Ueberſchwemmung. Sind aber
nicht auch die Binden des Jupiters die deutlichſten Be-
weißthuͤmer davon? Denn es iſt aus den Gruͤnden der
Phoronomie leicht zu beweiſen, daß in einen Planeten,
welcher ſich ſchnell um ſeine Achſe herumdrehet, das Waſ-
ſer dergeſtalt austreten muͤſſe, daß ſein Lauf mit dem Ae-
quator parallel ſey. Vermuthlich ſind alſo die Einwoh-
ner des Jupiters wie die Froͤſche, welche ſowohl in Waſ-
ſer als in der Luft leben koͤnnen. Ein neuer Beweiß, daß
die Menſchen die erhabenſten Geſchoͤpffe ſind, und daß al-
les um ihrentwillen gemacht iſt. Zum wenigſten behau-
pten ſie es mit eben dem Rechte, mit welchen eine gelehr-
te Kaͤſemilbe ſagen koͤnnte, daß nicht nur der Kaͤſe, ſon-
dern auch die Stube, darinne er ſtuͤnde, zu ihrer Bequem-
lichkeit und Vergnuͤgen gemacht worden waͤre. Aber giebt
es in den Mercur und Saturn keine Ueberſchwemmun-
gen? Man kan dieſes nicht wiſſen. Denn der erſtere iſt
der Sonne zu nahe, und verbirgt ſich faſt beſtaͤndig in ih-
re Strahlen, der letztere aber iſt allzuweit von ihr und
uns entfernt, als daß man Flecken darinne haͤtte wahrneh-
men koͤnnen. Was den Mond anbetrifft, ſo nimmt man
freylich darinnen keine ſonderlichen Veraͤnderungen der
Flecken wahr. Aber die Urſache davon iſt auch leicht zu
J 3be-
[134]Geſchichte der Erde
begreifen. Denn er drehet ſich nur gerade in der Zeit, da
er ſeinen Umlauf um die Erde verrichtet ein einzigesmahl
um ſeine Achſe herum. Dieſe Bewegung dauert 27½.
Tag. Wer ſieht alſo nicht, daß die Centrifugalkraft des
Mondenwaſſers, wenn es erlaubt iſt ſo zu ſagen, viel
zu geringe ſeyn muͤſſe, als daß es vermoͤgend waͤre, in ei-
ner nicht allzulangen Zeit merklich aus ſeinen Ufern zn
treten. Vermuthlich hat es mit den uͤbrigen Nebenpla-
neten eine gleiche Beſchaffenheit, wie ſich ſolches aus ei-
nigen mit den Jupiters Trabanten gemachten Obſerva-
tionen ſchlieſſen laͤſt. Der Mond wird alſo die Wohnung
ſehr ruhiger Seelen ſeyn muͤſſen, dahingegen der Jupi-
ter ein Wohnhauß unruhiger und veraͤnderlicher Koͤpfe
ſeyn wird. Ich kan es nicht wiſſen, wer aber genauere
Nachricht davon haben will, der wird den Pater Kircher
darum befragen muͤſſen. Denn dieſer iſt wuͤrklich in alle
Planeten gereiſet, wer es nicht glauben will, der darf
nur ſein iter ecſtaticum leſen, und wenn er damit nicht
zufrieden iſt, ſo wird ihm Arioſt, ein Italiaͤniſcher Poete,
noch naͤhern Unterricht ertheilen. Der Herr von Fonte-
nelle hat davon einen Auszug gemacht, welcher von ſol-
cher Wichtigkeit iſt, daß es ſich wohl der Muͤhe verlohnt
ihn hier anzufuͤhren: Roland, der Schweſter Sohn,
Carls des groſſen, war zum Narren geworden, weil ihm
die ſchoͤne Angelica den Medor vorgezogen hatte.
Aſtolph ein wackerer Ritter, befand ſich eines Tages in
dem irdiſchen Paradieſe, welches auf dem Gipfel eines
Berges lag, wohin ihn ſein gefluͤgelter Loͤwe getragen hat-
te. Daſelbſt traf er den heil. Johannes an, welcher
ihm ſagte, daß ſie den Roland von ſeiner Narrheit zu
befreyen, zuſammen eine Reiſe nach den Monden thun
muͤſten. Aſtolph, der nichts mehr wuͤnſchte als frem-
de Laͤnder zu ſehen, ließ ſich nicht lange bitten. Und als-
bald ſteht ein feuriger Wagen da, der den Apoſtel und den
Ritter durch die Luft fuͤhret. Weil Aſtolph kein ſon-
der-
[135]in den alleraͤlteſten Zeiten.
derlicher Philoſoph war, alſo nahm es ihn ſehr Wunder,
als er ſahe, daß der Mond weit groͤſſer waͤre, als er ihn
von der Erde geſehen haͤtte. Noch mehr erſtaunete er,
als er neue Stroͤme, neue Seen, neue Berge, neue Staͤd-
te, neue Waͤlder ſahe, und was mich ſelbſt wuͤrde Wun-
der genommen haben, als er auch Nymphen gewahr wur-
de, die in den Waͤldern jagten. Das ſeltſamſte, ſo er im
Monden ſahe, war ein Thal, wo man alles das antraf,
was auf der Erde verlohren ward, es mochte ſeyn was es
wollte, Kronen, Reichthuͤmer, guter Nahme, unzehlig
viel Hoffnung, die Zeit ſo im Spiel verbracht war,
die Almoſen, die man nach ſeinen Tode geben
laͤſt, die Gedichte ſo man Koͤnigen uͤberreicht, und die
Seufzer der Verliebten. Der Herr von Fontenell ſetzt
noch hinzu. Rathet aber, was vor ein Ding man im
Monden nicht findet? Das iſt die Thorheit. Alles was
davon jemals auf der Erden geweſen iſt, hat ſich daſelbſt
ſehr wohl erhalten. An ſtatt deſſen, ſo iſt es nicht zu glau-
ben, wie viel verlohrner Verſtand in Monden anzutreffen
iſt. Da ſtehen lauter Glaͤſer, die mit einem ſubtilen Waͤſ-
ſerchen erfuͤllet ſind, und auf einem jeden ſtehet der Nah-
me desjenigen geſchrieben, dem der Verſtand zugehoͤret
hat.
§. 70.
Wir haben uns bis hierher mit nichts als lauter Waſ-
ſerfluthen und Ueberſchwemmungen unterhalten. Lauter
Vorſtellungen welche etwas kaltes und froſtiges bey ſich
fuͤhren. Der Vortrag wird vermuthlich von eben der
Art geweſen ſeyn, denn dergleichen Schreibart gehoͤrt fuͤr
einen Weltweiſen; einem Poeten aber iſt es erlaubt, ſich
feurig und lebhaft auszudruͤcken. Ich weiß alſo nicht,
wie der andere Theil meiner Abhandlung gerathen wird,
indem ich darinnen beſtaͤndig von Hitze, Feuer, Gluth,
Flammen, Dampf, Rauch, Erdbeben, Donner,
J 4Kra-
[136]Geſchichte der Erde
Krachen, und Zerſpalten der Felſen werde reden muͤſſen.
Ich habe dieſes zum andern Theile meiner Betrachtung
gemacht, vielleicht haͤtte es aber der erſte ſeyn ſollen.
Denn ich bilde mir ein, daß zwey Hauptveraͤnderungen
mit der Erde vor ſehr langen Zeiten vorgegangen ſind.
Die eine hat das Waſſer, und die andere das Feuer ver-
urſacht. Es iſt ſehr ſchwer mit voͤlliger Gewißheit zu
beſtimmen, welches die erſte geweſen, und es hat hier ein
jeder die Freyheit in Anſehung der Zeit einer vor der an-
dern den Vorzug zu geben. Indeſſen machen es doch ei-
nige Umſtaͤnde wahrſcheinlich, daß ſich die allgemeine Ue-
berſchwemmung vor den allgemeinen Erdbeben zugetra-
gen habe, und eben darum haben wir jene zuerſt und dieſe
zuletzt abgehandelt.
§. 71.
Die Naturkuͤndiger verſichern uns, daß es eine unbe-
ſchreiblich ſubtile Materie in der Welt gebe, durch deren
Bewegung Licht und Waͤrme hervorgebracht werde, und
dieſe Materie nennen ſie das Feuer. Beyde Wuͤrkun-
gen ſind ſo viel wir mit unſern Sinnen wahrnehmen koͤn-
nen, nicht allemal mit einander verbunden. Die von dem
Monde reflectirten Sonnenſtrahlen geben Licht, aber keine
Waͤrme, und ein heiſſes Waſſer hat Waͤrme, aber kein
Licht. Ich ſage mit Fleis nach unſerer Empfindung.
Denn es koͤnnte vielleicht ſeyn, daß der Grad der Waͤrme
oder des Lichts ſo klein waͤre, als daß er durch unſere Sin-
ne nicht wahrgenommen werden koͤnnte. Einige Koͤrper
geben ein Licht von ſich wenn ſie beynahe den hoͤchſten
Grad der Waͤrme erlangt haben, deſſen ſie faͤhig ſind,
und wenn dieſes geſchiehet, ſo ſagt man, daß ſie gluͤend
geworden ſind. Ein gluͤendes Staͤubgen, das iſt ein ſol-
cher kleiner Theil der Materie der den Augen nur als ein
Punct vorkoͤmmt, iſt ein Funke, und ſehr viele Fun-
ken, wenn ſie einander ſehr nahe ſind, bringen eine
Flam-
[137]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Flamme hervor. Nicht alle Materien ſind geſchickt ſich
zu entzuͤnden, ſondern die Erfahrung lehrt, daß es in-
ſonderheit diejenigen ſind, die entweder vor ſich oder bey
einem gewiſſen Grade der Waͤrme einen Geruch von ſich
geben. Dieſe genaue Verbindung beyder Sachen hat
vermuthlich gemacht, daß die Chymiſten derjenigen Art
der Materie, welche ſich entzuͤnden kan, und einen Ge-
ruch von ſich giebt, einen eigenen Nahmen gegeben, und
ſie den Schwefel genennt haben. Jedermann ſiehet,
daß ſie das Wort Schwefel in einen weitlaͤuftigern Ver-
ſtande nehmen, da man ſonſt nur eine gewiſſe Art ver-
brennlicher Koͤrper darunter verſteht. Indeſſen haben ſie
Urſache gehabt dieſen Nahmen hierzu zu erwaͤhlen, indem
bey dem gewoͤhnlichen Schwefel die meiſten Beſtandtheile
von derjenigen Materie ſind, welche ſich entzuͤnden laͤſt,
und einen Geruch von ſich giebt. Wir wollen die Koͤr-
per, welche einen chymiſchen Schwefel bey ſich haben, das
iſt, welche ſich entzuͤnden laſſen, verbrennliche Koͤrper
nennen.
§. 72.
Daß ſowol auf, als unter der Erde eine Menge ver-
brennlicher Materie anzutreffen ſey, iſt wohl auſſer allen
Zweifel. Es beweiſet dieſes nicht nur das Holz, der Torf und
die Steinkohlen, ſondern auch die Erdharze dergleichen
das Judenpech iſt, welches den Reiſebeſchreibungen zu
folge an den Ufern des Todtenmeeres haͤufig angetrof-
fen wird, wo vormals, wie man ſagt, Sodom und Go-
morra geſtanden haben ſoll. Welch eine entſetzliche
Menge wuͤrklicher Schwefel wird nicht aus der Erde her-
ausgebracht? Aller der, deſſen wir uns gewoͤhnlich bedie-
nen, hat keinen andern Urſprung gehabt. Die Feuer-
ſpeyenden Berge, welche nun ſchon ſeit ſo langer Zeit ge-
brannt haben, ſind ja endlich der vollkommenſte Beweiß,
daß es unter der Erde an verbrennlicher Materie nicht
J 5fehlen
[138]Geſchichte der Erde
fehlen muͤſſe. Man glaubt, daß dieſes ein eigentlich ſo ge-
nannter Schwefel ſey. Denn es ſoll der Herr von
Tſchirnhauſen ſelbſt in den Veſuvius hinunter geſtie-
gen ſeyn, und vielen ſublimirten Schwefel darinnen an-
getroffen haben, ja ich habe ſelbſt ſolche Schwefelblumen
geſehen, welche aus dieſem Berge heraus geholt ſeyn ſol-
len. Aber ich waͤre bey nahe zweifelhaft darinnen gewor-
den, nachdem mir jemand, der ſich lange Zeit in Italien
aufgehalten hat, die wahre Beſchaffenheit des Veſuvius
erzehlt. Er meldete, daß dieſer Berg niemals voͤllig ru-
hig ſey, ſondern daß beſtaͤndig Flammen und Dampf aus
ihm in die Hoͤhe ſtiegen, wie er ſolches nicht nur ſelbſt
einige Jahr lang ſo befunden, ſondern auch deſſen von de-
nen in der Naͤhe wohnenden Leuten verſichert worden waͤ-
re, obgleich das Feuerſpeyen dieſes Berges einmal hefti-
ger als zur andern Zeit befunden wuͤrde. Nicht nur aber
dieſes machte es unmoͤglich in den Veſuvius hinunter zu
ſteigen, ſondern es befaͤnde ſich auch in der Entfernung
einer Viertelmeile rund herum eine ſolche Menge Aſche,
die er ausgeworfen haͤtte, daß man, ohne darinnen zu
verſinken, ſich dieſem Berge nicht naͤhern koͤnnte. Die-
ſer Mann hat mir zugleich ein Wunderwerk erzaͤhlet, wel-
ches ich meinen Leſern mitzutheilen deſto weniger Beden-
ken trage, da er ein Proteſtante, und gar nicht aberglaͤu-
big iſt. Dieſes iſt folgendes: Innerhalb den Grenzen
die der Veſuvius beſtaͤndig mit ſeiner Aſche zu bedecken
pflegt, wohnt ein Einſiedler, ein Mann, welcher mit
niemanden redet, ſondern beſtaͤndig bethet, und nichts be-
ſitzt, als ſeine Huͤtte und einen Eſel, welcher aber ſo klug
iſt, daß er nach Neapel gehet, um ſeinem Herrn die
Nothdurft des Lebens zu verſchaffen, und von dannen je-
derzeit mit Lebensmitteln reichlich beladen wieder zuruͤck
koͤmmt, weßwegen er von dem gemeinen Volke vor einen
Engel gehalten wird. Der Freund, der mir dieſes erzehlt,
hat nicht nur den Eſel ſondern auch den Einſiedler ge-
ſehen,
[139]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſehen, und verſichert, daß weder in ſeiner Huͤtte, noch
in ſeinen Garten etwas von der Aſche des Veſuvius zu fin-
den ſey, ohngeachtet alle umliegende Gegenden damit be-
deckt waͤren. Man kan nicht behaupten, daß dieſer Ein-
ſiedler ſo viel Wind mache, daß dadurch die Aſche vertrie-
ben werde, und wer wollte ſagen, daß er ſich die Muͤhe
gaͤbe, ſie alle Tage von ſeinem Dache und Garten wegzu-
kehren. Ihn ſelbſt wird man vergebens darum befragen,
weil er, wie ich ſchon geſagt habe, vor groſſer Andacht kein
Wort redet. Hier haben die witzigen Koͤpfe der neuern
Zeiten, denen es immer an Materie fehlt noch nicht aus-
gemachte Wahrheiten zu entdecken, die ſchoͤnſte Gelegen-
heit ihre Einſicht zu zeigen, und ich wuͤrde mich ſelber
freuen, wenn ich eine Schrift ſehen ſollte, die den Titel
fuͤhrte: Der Einſiedler des Veſuvius. Sie koͤnnte
nach der mathematiſchen Methode abgefaſt, und der Ein-
ſiedler mit ſeinem Eſel davor in Kupfer geſtochen werden.
So viel iſt gewiß, daß die Geſchichte die ich erzehlt ha-
be, alle Glaubwuͤrdigkeit beſitzt. Der mir dieſelbe erzehlt,
hat zugleich die Hoͤle bey Pozzuolo in Augenſchein ge-
nommen, und angemerkt, daß ſich nahe bey der Erde
ein ſtarker ſchweflichter Geruch befaͤnde, von welchen
Menſchen und Thiere erſticken muͤſten, wenn ſie nahe
mit der Naſe an die Erde kaͤmen. Nicht weit davon befin-
det ſich eine See, in welche man dergleichen erſtickte Thie-
re wirft, da ſie ſich denn wieder erholen, und zu leben
anfangen. Man haͤlt dieſes bey dieſem Waſſer fuͤr etwas
beſonders. Meines Erachtens aber wuͤrde es auch ein
ander Waſſer gethan haben, indem ich davor halte, daß blos
die Kaͤlte des Waſſers ſchuld daran ſey. Denn ich habe
in meiner Phyſiologie gezeigt, daß der Hauptendzweck
des Athemholens dieſer ſey, damit das durch den beſtaͤn-
digen Umlauf erhitzte und ausgedehnte Blut in der Lunge
wieder abgekuͤhlt und dichter gemacht werden koͤnne, wel-
ches durch die Erkaͤltung im Waſſer gleichfalls geſchehen
kan,
[140]Geſchichte der Erde
kan, und deſto noͤthiger iſt, da durch die ſchweflichten Aus-
duͤnſtungen das Athemholen verhindert worden iſt. Das
Waſſer in dieſer See iſt, wie ich geſagt habe, kalt, ohnge-
achtet der Boden derſelben, welcher aus ſchwarzen San-
de beſtehet, dergeſtalt heiß iſt, daß man die Haͤnde dar-
innen verbrennt, und ein Ey binnen einer Minute darin-
nen hart ſieden kan. Dieſer ſchweflichte Geruch in der
Hoͤle zu Pozzuolo; die Hitze des ſchwarzen Sandes in
der See, und der beſtaͤndig brennende Veſuvius machen
es wahrſcheinlich, daß in dieſen Gegenden vieler Schwe-
fel und vermuthlich auch andere verbrennliche Materie
ſey, die ſich an einigen Orten wuͤrklich entzuͤndet, an an-
dern aber ſehr erhitzt ſeyn muß.
§. 73.
So gewiß es iſt, daß ſich unter der Erde ſehr viele
verbrennliche Materie befindet: ſo iſt doch nicht gleich klar,
wie ſie ſich daſelbſt entzuͤnden koͤnne. Wir werden alſo
nicht uͤbel thun, wenn wir dieſe Sache etwas genauer be-
trachten, weil ſie den Koͤrper nur alsdenn erſt zu entzuͤn-
den geſchickt iſt, wenn er beynahe den hoͤchſten Grad der
Waͤrme erreichet hat, deſſen er faͤhig iſt: ſo muͤſſen wir un-
terſuchen, wie ſich die verbrennliche Materie unter der
Erde von ſelbſt erhitzen koͤnne. Die Natur hat viele We-
ge dieſes zu bewerkſtelligen, und die phyſicaliſchen Expe-
rimente haben uns einige derſelben kennen gelernt. Das
aus Vitrioloͤl und Salpeter durch die Deſtillation verfer-
tigte Scheidewaſſer verurſacht eine Hitze, wenn es unter
Oele gegoſſen wird, und bey einigen wird ſie ſo groß, daß
ſie anfangen ſich zu entzuͤnden, welches man bey den ſchwe-
rern deſtilirten Oelen, und inſonderheit bey den Nelken-
oͤle vorlaͤngſt wahrgenommen hat. Es gehet aber auch
mit den ungemein leichten und fluͤchtigen ſuͤſſen Vitriol-
oͤle an, daß man bekommt, wenn man Vitrioloͤl und Spi-
ritum vini mit einander vermengt, welches ſich zuſam-
men
[141]in den alleraͤlteſten Zeiten.
men erhitzt, worauf man es aus der Retorte deſtiliret,
und nachdem der Spiritus heruͤber gegangen, einen andern
Recipienten vorlegt. Dieſes Oel beſitzt unter andern
wunderbahren Eigenſchaften noch dieſe, daß es den Phos-
phorus aufloͤſet, und daß ſich ſeine Duͤnſte auch, wenn
es auf das Waſſer gegoſſen worden iſt, bey der geringſten
Annaͤherung einer Flamme entzuͤnden, und macht, daß
das Oel auf den Waſſer verbrennet, ohne die geringſte
Spur zuruͤcke zu laſſen.
§. 74.
Allemahl wenn ſich ein Metall in Scheidewaſſer ſehr
ſchnell aufloͤſet: ſo erhitzt ſich das Scheidewaſſer und faͤngt
an zu rauchen. Die Probe laͤſt ſich am beſten mit Eiſen-
feilſpaͤnen anſtellen, wenn man ſie in das Scheidewaſſer
wirft. Denn wegen der vielen Beruͤhrungspuncte, wel-
che die Feilſpaͤne dem Scheidewaſſer geben, geſchieht die
Aufloͤſung, welche eine Wuͤrkung der anziehenden Kraft
iſt, ſehr geſchwind, welches ohne heftiges Reiben des in
den Scheidewaſſer befindlichen Salzes an den Eiſentheil-
gen ohnmoͤglich geſchehen kan. Dadurch gerathen die in
den Eiſen befindliche Feuertheile in eine heftige Bewe-
gung, ſie bekommen eine groͤſſere Gewalt, das heiſt, es
entſteht eine Waͤrme, und dieſe Waͤrme verurſacht zu-
gleich das Aufſteigen ſehr vieler Schwefeltheilgen.
§. 75.
Wenn man in einem Glaſe mit Waſſer, Eiſenfeil-
ſpaͤne und Vitrioloͤl mit einander vermengt: ſo faͤngt das
Vitrioloͤl an das Eiſen aufzuloͤſen, das Glaß wird heiß,
es erzeugen ſich ſchwefelichte Daͤmpfe, welche, wenn ſie
eingeſchloſſen ſind, eine groſſe Elaſticitaͤt haben und ſich, ſo
bald ſie an eine Flamme kommen, augenblicklich entzuͤn-
den.
[142]
§. 76.
Man nehme Eiſenfeilſpaͤne, kleingeſtoſſenen Schwe-
fel und mache mit Waſſer einen Teig daraus, ſo entſteht
gleichfalls eine Hitze, es er zeugen ſich ſchwefelichte ſehr ela-
ſtiſche Daͤmpfe, die das Glaß zerſprengen, wenn es feſte
verſtopft iſt; und wenn man einige Pfund von dergleichen
Materie in einem Topfe unter die Erde ſetzt: ſo heben die
Duͤnſte, vermoͤge ihrer Elaſticitaͤt, die Erde in die Hoͤhe,
und oͤfters entzuͤnden ſie ſich, wenn ſie heraus in die freye
Luft fahren.
§. 77.
Die Chymie kan uns mehrere Koͤrper aufweiſen, die
ſich von ſelbſt entzuͤnden, wovon der Phosphorus und Py-
rophorus, die deutlichſten Proben geben und bekannt ge-
nung ſind. Hieraus iſt alſo klar, daß dergleichen Erhi-
tzungen und Entzuͤndungen unter der Erde erfolgen koͤn-
nen, wenn ſich daſelbſt dergleichen Materien mit einan-
der vermengen. Daß ſich aber dergleichen wuͤrklich zu-
trage, davon giebt die Entzuͤndung der Steinkohlen in den
Wettiniſchen Bergwerken einen uͤberzeugenden Beweiß,
welche nun ſchon einige Jahre gedauret hat. Seine Koͤ-
nigliche Majeſtaͤt in Preuſſen verlangten den Urſprung
davon zu wiſſen, und es wurde mir aufgetragen denſelben
zu unterſuchen. Ich glaubte ſie gefunden zu haben, und
habe dieſerhalb nicht nur damals einen allerunterthaͤnig-
ſten Bericht davon abgeſtattet, ſondern auch die Urſache
dieſer Entzuͤndung in einer Schrift von den Steinkohlen
begreiflich zu machen geſucht. Weil aber dieſe Blaͤtter
ſchon vor einiger Zeit nicht mehr zu haben geweſen ſind,
und ich nicht weiß, ob ich bald Zeit haben moͤchte, ſie wie-
der mit Bedacht durchzuſehen und auflegen zu laſſen; ſo will
ich hier kuͤrzlich anzeigen, was es mit der Entzuͤndung die-
ſes Steinkohlenbergwerkes fuͤr eine Beſchaffenheit habe.
Die Steinkohlen enthalten einen Schwefel, zum wenig-
ſten
[143]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſten wenn wir dieſes Wort in weitlaͤuftigſten Verſtande
nehmen. Denn wo wollten ſie ſonſt brennen koͤnnen
und einen Geruch von ich geben? ja ſie ſind oͤfters mit
einem Schwefelkieſe bedeckt. Das Waſſer welches zwi-
ſchen denen Felſen, darinnen ſie ſich befinden, herunter
laͤuft, hat eine Eiſenerde bey ſich, die ſich wie ein rother
Staub an die Steinkohlen anlegt. Alſo koͤmmt hier
Waſſer, Schwefel und Eiſen zuſammen. Wenn dieſe
drey Koͤrper vermiſcht werden, entſteht eine Hitze, und ein
ſehr groſſer Grad derſelben verurſacht eine wuͤrkliche Ent-
zuͤndung. Geſetzt alſo, daß dieſe drey Materien in der ge-
hoͤrigen Proportion zuſammen kaͤmen: ſo werden ſich die
Steinkohlen erhitzen, eine groſſe Hitze wird ſie verzehren
und in Aſche verwandeln; und wenn die Luft darzu kom-
men kan: ſo werden ſie zu gluͤen anfangen, welches ihr
Verbrennen beſchleunigen wird. Man hat daher die ver-
ungluͤckten Schaͤchte zugeworfen um den Zugang der Luft
zu verhindern, und man hat ſehr wohl daran gethan.
Denn ohnerachtet dadurch die Verzehrung der Steinkoh-
len nicht gehoben werden kan: ſo wird ſie doch vermin-
dert. Es zeiget dieſes ein Experiment deutlich welches
uns Herr Swedenborg erzehlet, welcher berichtet:
daß ſie, wenn ſie in Schweden das Eiſen ſchmelzen wol-
len, die Kohlen in den Ofen zwar anzuͤnden, hernach
aber alle Luftloͤcher verſtopfen. Wenn ſie nun nach zwoͤlf
Tagen den Ofen eroͤfnen: ſo iſt das Eiſen geſchmolzen und
die Kohlen haben ſich durch die Hitze auch uͤber ⅔ verzeh-
ret. In den uͤbrigen befindet ſich kein Funken Feuer ob
ſie ſchon ſehr heiß ſind. Allein durch den freyen Zugang
der Luft entzuͤnden ſie ſich und werden in kurzer Zeit in Aſche
verwandelt. Daß es endlich mit dieſer angegebenen Ur-
ſache von der Entzuͤndung der Steinkohlen in dem Berg-
werke ſeine Richtigkeit habe, erhellet auch daraus: daß
dieſe Kohlen, wenn ſie an der freyen Luft haufenweiſe
auf einander liegen, und es darauf regnet, oͤfters anfangen
ſich
[144]Geſchichte der Erde
ſich ſelbſt zu entzuͤnden. Denn den Schwefel haben ſie
in ſich, die Eiſenerde haͤnget daran, und wenn das Waſ-
ſer durch den Regen dazu koͤmmt: ſo erhitzen ſie ſich, da
denn der freye Zug der Luft ganz leicht eine wuͤrkliche
Gluth zuwege bringen kan.
§. 78.
Gleichwie ſich die ſchweflichten Daͤmpfe welche durch
Vermiſchung des Eiſens, Schwefels und Waſſers erzeu-
get werden, bey der geringſten Beruͤhrung einer Flamme
zu entzuͤnden pflegen: ſo iſt auch dieſes in den Steinkoh-
len Bergwerken nichts unerhoͤrtes. Man hat es ſowohl
in Deutſchland als Engeland wahrgenommen und gefun-
den, daß bisweilen ein uͤbelriechender Dampf in den Schach-
ten entſtanden ſey, welcher ſich, wenn die Bergleute mit
ihren Lichtern hineingekommen, entzuͤndet, wodurch die
Luft dergeſtalt erhitzt worden, und an ihrer Elaſticitaͤt zu-
genommen, daß ſie mit einen ſtarken Knalle zum Schach-
te herausgefahren, denen Leuten die Kleider vom Leibe
geriſſen, ſie verbrannt, den Haſpel, Seil und Eymer
ſehr weit hinweg geworfen, und andere gewaltſame Wuͤr-
kungen mehr verrichtet. Daß ſich aber dergleichen Ent-
zuͤndungen unterirdiſcher Daͤmpfe in den Steinkohlen-
bergwerken bisweilen auch ohne eine Beruͤhrung eines
Lichtes von ſelbſt zutrage: wird dadurch ſehr wahrſchein-
lich gemacht, daß man bisweilen, da wo in Engeland
die Kohlenbergwerke ſind, ein Bruͤllen und Geraſſel hoͤrt,
als wenn eine Menge Wagen unter der Erde weg-
fuͤhre. Es wird nicht unangenehm ſeyn, hier eine Er-
zehlung ſolcher Begebenheiten zu leſen. Ich will dieſel-
be aus dem Rajus anfuͤhren. Er ſchreibt: Es giebet
eine gewiſſe Art Dampfes oder Schwadens, welchen eini-
ge einen Feuer- oder Blitzdampf nennen, wovon mir mein
geehrter Freund Franciſcus Jeſſop, Ritter 1668. Nach-
richt ertheilet, und wovon wir eine Erzehlung, die er ſeit
dem
[145]in den alleraͤlteſten Zeiten.
dem den D. Liſter in einem Briefe mitgetheilet, in den
Philoſophicaltransactions. n. 117. antreffen. Ingleichen
eine erweiterte Nachricht von ihm, in Antwort auf einige
Fragen, ſo ihm von dem beruͤhmten Herrn Boyle vor-
gelegt worden, in dem Philoſophicaltransactions n. 119.
antreffen, worinnen er ſchreibt: daß dieſe Art des Dampfes
bey der geringſten Beruͤhrung eines brennenden Lichtes,
oder andern flammichten Materie, alsbald Feuer faͤnget,
und zum Luftloch der Grube oder Schachts mit einem
Knall, wie bey einem geloͤſeten Stuͤcke hinausfaͤhret. Er
fuͤhret drey Perſonen zum Exempel an, die dadurch be-
ſchaͤdigt worden. Dem einen wurde in den Steinkohl-
gruben zu Haſſelberg Arme und Beine dadurch zerbro-
chen, und ſein Leib auf eine ſeltſame Art verdrehet. Ein
anderer, als er in dem Bergwerke zu Wingresworth
in die Grube faͤhret, wo dergleichen Dampf war, einiges
von ſeinem Geraͤthe mit einem Lichte in der Hand herauf
zu holen, fande ſich ploͤtzlich mit Flammen umgeben, ſo
daß ſein Angeſicht, Haͤnde, Haare und Kleider gar ſehr
verbrannt worden. Er ſelbſt hoͤrte ſehr wenig Getoͤſe,
aber ein anderer, der zu gleicher Zeit in einer benachtbar-
ten Grube arbeitete, und diejenigen ſo uͤber der Erde wa-
ren, hoͤreten einen ſehr ſtarken Knall wie einen Donner-
ſchlag, wovon die Erde erſchuͤtterte, daher ſie mit groſſen
Schrecken dahin liefen, zu ſehen, was es waͤre, und zwar
mit ihren Lichtern in Haͤnden, die zweymal ausgeloͤſcht
wurden, das drittemahl aber, nachdem man ſie wieder an-
gezuͤndet hatte, brennen blieben. Sie ſahen nichts, ver-
ſpuͤrten aber einen unertraͤglichen Schwefelgeſtank und
Hitze, als von einem ziemlich warmen Ofen, dannenhero ſie
ſich gerne wieder von dieſem Orte wegmachten. Dieſes
iſt auch einem dritten Manne an eben demſelben Orte
auf gleiche Weiſe begegnet; da es ſich begeben, da der
vorbeſagte oben am Loch der feurigen Grube geſtanden,
und zwey bis drey Ellen fortgeſchmiſſen worden, ſo daß er
Kauf
[146]Geſchichte der Erde
auf der Seite gegen uͤber den Kopf zerſchmettert, und den
Leib ſehr heftig beſchaͤdigt, welchem auch zum drittenmahle
dergleichen Unſtern begegnet, Es habe den Haſpel vor
dem Loche der Grube ſehr weit in die Hoͤhe geſchmiſſen,
vor dem Feuer habe man keinen Geruch, hernach aber
einen ſehr ſtarken Schwefelſtank wahrgenommen. Der
Dampf habe oben uͤber der Grube geſchwebet, dahero ſie
genoͤthiget worden, ihre Lichter ganz niedrig zu tragen,
ſonſt wuͤrde er Feuer gefangen haben. Nach dem Knall
habe die Flamme in der Grube zwey bis drey Minuten,
bisweilen auch wohl laͤnger gedauret. Er meldet, daß
er niemals von einigen Daͤmpfen gehoͤret, die ſich ſelbſt
entzuͤndet haͤtten, und daß von dem Ausbruch dieſes
ſchmetternden Blitzdampfes ein ſchwarzer Rauch entſtanden,
ſo an Geruch und Farbe dem Dampfe des Buͤchſenpul-
vers gleich geweſen. Dergleichen Feuerdampf giebt es
auch, wie Herr Beaumont berichtet in einigen Kohlen-
gruben auf den Mendipperbergen.vid. philoſophical.
Collect. I. Herr George Sinclair verſichert gleichfalls,
daß man dergleichen im Lande Werdy, in Weſten von
Leith verſpuͤret, da auch bey Tage bisweilen in Kohlen-
bergwerken, dergleichen Dampf in kleinen Loͤchern, wie
ein angezuͤndeter Schwefel ſchimmere und geſehen werde.
Der allerſeltſamſte Feuerdampf aber iſt derjenige geweſen,
der ſich eben zu der Zeit, da ſich derjenige zu Wingers-
worth 1675. ereignet, zu Moſtyn in Flintshire zu-
getragen; welcher ſobald, als die Kohlengraͤber Mangel
an Luft verſpuͤrten, in den Spalten oder Ritzen der Gru-
be, worinnen vorhin Waſſer geſtanden, in einer kleinen
blaulichten Flamme geſehen worden, und geflinkert und ge-
blitzet wie Degenklingen, indem er von einer Seite der
Grube zur andern hingefahren. Und nachdem er entzuͤn-
det worden, eben dergleichen und noch heftigere Wuͤrkun-
gen, als diejenigen zu Haſſelberg oder Wingersworth
hervorgebracht, und einen garſtig ſtinkenden Rauch hin-
ter
[147]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ter ſich gelaſſen. In der letztern Entzuͤndung deſſelben,
deren in denen Philoſophicaltransact. n. 136. Meldung
geſchiehet, ſo durch einen, der mit ſeinem Lichte unvor-
ſichtiger Weiſe uͤber das Loch der Dampfgrube hinlief, ent-
zuͤndet wurde, flohe der Dampf uͤber alle Hoͤhlen des
Bergwerks mit einem ſtarken Wind und gewaltigen Brau-
ſen hin und wieder, riſſe denen Leuten die Kleider vom
Leibe, verſengete und verbrennete ſie an Haut und Haa-
ren, fuͤhrete einige funfzehen bis ſechzehen Ellen von ihren
erſten Ort hinweg, und ſchmiſſe ſie wieder die Decke und
Pfoſten der Grube. Als er nach dem Luftloche zuzog,
nahm er einen der daneben ſtund, mit ſich fort, und fuhr
mit einem entſetzlichen Krachen zum Schachtloche hinaus,
welches dem Schall eines Stuͤckes nicht gar ungleich, aber
viel ſchaͤrfer war, ſo daß es funfzehen Meilen davon ge-
hoͤret wurde. Des Mannes Koͤrper, nebſt andern Din-
gen aus der Grube, fande man auf den Gipfeln der
hoͤchſten Baͤume die achtzehen Ellen uͤber der Grube
auf der Spitze des Berges wuchſen, uͤber hundert Ellen
hoch. Der Wandelbaum eines Werkzeuges, ſo durch
Pferde umgetrieben wurde, ein Seil uͤber tauſend Pfund
ſchwer aufzuwinden, ohngeachtet er mit eiſernen Schloͤſ-
ſern und Riegeln an das Geſtelle feſt angemachet war,
wurde nebſt dem Eymer und Seile in die Hoͤhe geſchmiſ-
ſen, und einen guten Weg von der Grube weggefuͤhret,
daß die Stuͤcken und Truͤmmer uͤberall um die Buͤſche
herum zerſtreuet lagen, ja die ganze Form des Werkzeu-
ges wurde von ſeinem Ort verruͤcket. Es gedenket auch
Herr Jeſſop einer gleichen Bewegung bey dem Dampf
von Wingersworth: Denn, wenn ſie, ſpricht er, in
der Grube, wo er war, ihre Lichter ein klein bisgen zu
hoch hielten, ſo konnten ſie den Dampf, der oben an der De-
cke ſchwebte, als einen ſchwarzen Nebel herab ſteigen, die
Flamme fangen, und ſolche bis zwey oder drey Haͤnde
breit verlaͤngert ſehen.
[148]
§. 79.
Dieſes leitet uns zu der Betrachtung des Erdbebens.
Jedermann weiß, daß dadurch eine Erſchuͤtterung des
Erdbodens verſtanden werde, die aber in Anſehung des
verſchiedenen Grades der Heftigkeit ganz verſchiedene Wuͤr-
kungen herfuͤrbringen kan. Denn bisweilen nimmt man
weiter nichts wahr, als daß die Erde zu wanken anfaͤngt,
bisweilen aber wird dieſe Bewegung ſo heftig, daß die
Gebaͤude davon uͤber einen Haufen fallen; ja es ſpaltet
die Erde von einander, und thut ſich auch wieder zuſam-
men, wodurch die Menſchen nicht ſelten auf eine erbaͤrm-
liche Weiſe lebendig begraben worden ſind. Dabey zeigt
ſich ferner bisweilen ein ſchweflichter Geruch damit die Luft
angefuͤllt wird, und es fahren Flammen aus der Erde her-
aus; in die Stelle derer verſunkenen Gegenden tritt her-
nach meiſtentheils Waſſer. Mann ſoll ſagen, wie dieſes
zugeht.
§. 80.
Der rechte Sitz des Erdbebens, einer Begebenheit
die ſo erſchrecklich iſt, daß das fuͤrchterlichſte Donnerwet-
ter kaum ein Schatten davon zu ſeyn ſcheint, iſt in Nea-
pel und Sicilien, und alſo gerade an denen Orten, wo
wir die beyden merkwuͤrdigſten Feuerſpeyenden Berge den
Veſuvius und Aetna antreffen. Sollte man dadurch
nicht auf die Gedanken gerathen, daß das unterirdiſche
Feuer die wuͤrkende Urſache dieſer Begebenheit ſey? In
Wahrheit, man kan nicht daran zweifeln. Denn alle
oben beſchriebene Umſtaͤnde des Erdbebens laſſen ſich dar-
aus begreiflich machen. Wenn wir aber dieſes thun wol-
len, ſo muͤſſen wir uns vorher von der inwendigen Be-
ſchaffenheit der Erde einen richtigen Begrif machen. Man
betruͤgt ſich ſehr, wenn man glaubt, die Erde ſey ein Koͤr-
per, welcher durch und durch mit Materie erfuͤllt ſey.
Nein
[149]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Nein, es giebt nicht nur ſehr groſſe Behaͤltniſſe in derſel-
ben die mit Waſſer erfuͤllt ſind, ſondern man findet auch
ungeheure Gewoͤlber und Hoͤhlen darinnen, welche voller
Luft ſind, und deren Ende man oͤfters nicht ausmachen
kan, wovon auch nur die einzige Baumannshoͤle zum
Beweiſe dienen kan. Sollten ſich nun nicht auch der-
gleichen Hoͤlen weiter unter der Erde befinden? Man hat
nicht Urſache daran zu zweifeln. Nun habe ich oben aus-
gemacht, daß die Erde eine groſſe Menge ſchweflichter
und verbrennlicher Materie in ſich enthalte, die ſich von
ſelbſt entzuͤnden kan, und dieſe zwey Sachen haben
wir nur noͤthig das Erdbeben zu erklaͤren. Denn
ſetzet, daß ſich in einer unterirdiſchen Gruft ver-
ſchiedene Materien mit einander vermengen, und an-
fangen ſich zu entzuͤnden, ſo wird die Luft in dieſer
Hoͤle gewaltig erhitzt werden; durch die Hitze wird ihre
Elaſticitaͤt vermehrt, und ſo ſtark gemacht, daß ſie mit
der groͤſten Gewalt einen Ausgang ſucht. Iſt nun die
uͤber der Hoͤle befindliche Decke dicke und ſtark genug, ſo
kan daraus weiter nichts als eine bloſſe Erſchuͤtterung der-
ſelben erfolgen. Iſt ſie aber duͤnner und vermag dieſer
Gewalt nicht zu widerſtehen, ſo wird ſie davon zerriſſen,
die unterirdiſchen Flammen nehmen einen Ausgang, und
die Erde wird in die Gruft hinunter geſtuͤrzt, der ledige
Raum aber mit den unterirdiſchen Waſſern erfuͤllt. Denn
daß in der That eine erhitzte Luft eine ſehr groſſe Gewalt
habe, davon habe ich in meiner Naturlehre zwey merk-
wuͤrdige Exempel angefuͤhret. Die erſte Begebenheit
hat ſich zu Breßlau bey einem Becker zugetragen, da
die Flamme aus einen zu ſehr erhitzten Ofen herausgefah-
ren, und die andere iſt in der Apothecke zu Zellerfelde
auf den Hartze geſchehen, als eine Retorte mit Balſamo
Sulphuris auf den Feuer zerſprungen, und der Balſam
ſich entzuͤndet hat. In beyden Faͤllen ſind Thuͤren und
K 3Fen-
[150]Geſchichte der Erde
Fenſter zerſchlagen, und uͤberhaupt alle Wuͤrkungen des
Donners verrichtet worden.
§. 81.
Auſſer der bloſſen Erhitzung der Luft in den unterir-
diſchen Hoͤlen zeigt ſich noch eine andere Urſache ihrer ver-
mehrten Elaſticitaͤt ganz deutlich. Dieſes ſind die waͤſſe-
richten Duͤnſte. Denn wenn unter der Erde eine ſehr
groſſe Hitze entſteht, welche, wie man an den Veſuvius
ſieht, ſo heftig ſeyn kan, daß davon gar die Metalle zer-
ſchmelzen, und es vermiſcht ſich das Waſſer mit derglei-
chen erhitzten Materie, ſo verwandelt ſich auf einmal eine
ſehr groſſe Menge deſſelben in Duͤnſte, welche eine ſo
groſſe Gewalt haben, daß es eben ſo viel iſt, als wenn
man eine Mine geſprengt haͤtte. Ja es iſt noch aͤrger,
denn man hat gefunden, daß ein Tropfen Waſſer, wenn
er auf einmal in Duͤnſte verwandelt wird, ein zehenmal
ſchwerer Gewichte aufheben koͤnne, als eben ſo viel Schieß-
pulver. Man kan daher mit den Duͤnſten ſchießen, wenn
man ſich eine Dampfkugel verfertigen laͤſt, daran ein
Lauft iſt, welcher mit einem Hahne oder Ventile verſchloſſen
werden kan. Denn man darf nur ein wenig Waſſer in
die Dampfkugel thun, ſie auf gluͤende Kohlen legen, und
den Hahn verſchlieſſen, wenn man nun eine bleyerne Ku-
gel in den Lauft ſteckt, und den Hahn herumdrehet, oder
das Ventil eroͤfnet, ſo wird von den herausfahrenden
Duͤnſten die Kugel mit groſſer Gewalt fortgetrieben wer-
den, und man hat dabey den Vortheil, daß man mehr
als einmal hintereinander ſchieſſen kan, nachdem die Dampf-
kugel erſt recht erhitzt worden, indem ſich das Ventil
ſogleich wieder vorleget, und macht, daß ſich die Duͤnſte
wieder ſammlen koͤnnen. Ich glaube, daß dieſe Erfin-
dung nuͤtzlich werden kan, wenn man ſich die Muͤhe ge-
ben will, ihr weiter nachzudenken. Wuſte man doch das
Buͤch-
[151]in den alleraͤlteſten Zeiten.
Buͤchſenpulver nicht gleich zu gebrauchen, ehe man ge-
ſchicktes Gewehr hatte, und eben dieſes, iſt es was bey dem
Schieſſen mit den Duͤnſten noch zur Zeit fehlt.
§. 82.
Man hat angemerkt, daß die feuerſpeyenden Berge
entweder weniger oder mehrere Flammen von ſich geben,
wenn ein Erdbeben erfolgen will. Beydes laͤſt ſich gar
wohl begreifen. Denn wenn ſie weniger Feuer ausſpeyen,
ſo iſt zu vermuthen, daß ſich die Entzuͤndung unter der
Erde einen andern Weg gebahnet habe, und wenn der
Auswurf des Feuers allzuheftig iſt, ſo kan man daraus
auf die Entzuͤndung einer groͤſſern Menge unterirdiſcher
verbrennlicher Materien einen Schluß machen. Ueber-
haupt aber hat man die feuerſpeyenden Berge als eine
groſſe Wohlthat fuͤr diejenigen Laͤnder anzuſehen, darin-
nen ſie ſich befinden. Denn ſie ſind Luftloͤcher dadurch
das unterirdiſche Feuer ſeinen Ausgang nehmen kan, wel-
ches, wenn es verſchloſſen waͤre, die entſetzlichſten Erd-
beben und erbaͤrmlichſten Verwuͤſtungen verurſachen wuͤr-
de, und man kan daher mit Recht von ihnen ſagen, daß
ſie unter die unerkannten Wohlthaten gehoͤren.
§. 83.
Wer da bedenckt, daß zu den Erdbeben weiter nichts
erfordert werde, als unterirdiſche Gewoͤlber, darinnen ſich
verbrennliche Materien befinden, welche durch ihre Ver-
miſchung entzuͤndet werden koͤnnen, der kan dadurch leicht
auf die Gedanken gerathen, daß das Erdbeben mit der
Zeit einmal ganz allgemein werden koͤnnte. Man wird
in dieſer Vermuthung noch mehr beſtaͤrkt, wenn man er-
weget, daß dergleichen Erſchuͤtterung einſtmals in Teutſch-
land, Frankreich, Engelland und Schweden wahr-
genommen worden ſey. Es hat damals der Erde zwiſchen
Fell und Fleiſch geſteckt, und wer weiß, ob ſie nicht ein-
K 4mal
[152]Geſchichte der Erde
mal ein ſtarkes Fieber bekommen moͤchte. Ich will nicht
gut davor ſeyn, aber ich will es ihr doch nicht prophezey-
hen. Denn es iſt mit dem Vorherſagen kuͤnftiger Dinge
eine gefaͤhrliche Sache; wenn wir nicht die Gegenwart
aller wuͤrkenden Urſachen, die zu ihrer Hervorbringung
erfordert werden, beweiſen koͤnnen. Indeſſen wollte ich
doch blos darum die Moͤglichkeit kuͤnftige Begebenheiten
voraus zu ſagen, nicht allgemein in Zweifel ziehen. Wir
haben eine durch vielfaͤltige Erfahrung beſtaͤtigte Probe
davon an denen Leuten, welche an der Schwindſucht ſter-
ben. Denn dergleichen Perſonen pflegen faſt allemal die
Stunde ihres Todes ganz genau zum voraus zu ſagen.
Wenn man die Aerzte um die Urſache befraget, ſo ſchrei-
ben ſie ſolche entweder einem bloßen blinden Zufalle zu;
aber dieſe haben gar zu viele Exempel wider ſich, oder ſie
ſind ſo offenherzig, daß ſie geſtehen, es ſey dieſes ein Ge-
heimniß, welches die Grenzen ihrer Vernunft uͤberſchrei-
tet, oder ſie halten denen in der Seele verborgenen Kraͤf-
ten mit einer entzuͤckten und geheimnißvollen Miene die
Lobrede. Alles dreyes kan die Sache nicht begreiflich ma-
chen. Ich habe daher darauf gedacht, und bilde mir ein
die Urſache gefunden zu haben. Es kan ſeyn, daß ich ge-
irrt habe; waͤre es aber wohl zu verwundern, wenn man
bey der groͤſten Finſterniß einen Fehltritt gethan haͤtte?
Indeſſen will ich doch meine Gedanken bey dieſer Gele-
genheit anfuͤhren, und ſie denen, welche gnugſame Ein-
ſicht beſitzen, zu mehrerer Pruͤfung und Unterſuchung
vorlegen. Vor allen Dingen muß man ſich nicht einbil-
den, daß die menſchliche Seele nichts thun koͤnne, deſſen
ſie ſich nicht bewuſt iſt, wovon ich den Ungrund in mei-
nem Grundriſſe eines neuen Lehrgebaͤudes der Arzeneyge-
lahrheit mit mehrern gezeiget habe. Nein, die Seele mißt,
rechnet und vergleicht, ohne daß wir das geringſte davon
wiſſen. Ich habe nur noͤthig mich auf das Gehoͤr zu be-
ruffen, um dieſes erweißlich zu machen. Nimmermehr
koͤnnen
[153]in den alleraͤlteſten Zeiten.
koͤnnen die Tone von einander anders als durch die An-
zahl der zitternden Bewegungen unterſchieden werden,
welches der groſſe Leibnitz wohl eingeſehen hat, denn
ſonſt wuͤrde er die Muſic nicht eine unvermerkte Ausuͤbung
der Rechenkunſt genennet haben, dabey die Seele ſelbſt
nicht wuͤſte daß ſie zaͤhlte. Bey dem Geſichte beweiſen
die Regeln der Symmetrie ein gleiches. Warum wollte
man nun von dem Gefuͤhle nicht eben daſſelbige einraͤu-
men. Mehr aber brauche ich nicht, um zu zeigen, daß
es moͤglich ſey, daß ein ſterbender Schwindſuͤchtiger die
Stunde ſeines Todtes vorherſagen koͤnne. Denn gegen
das Ende dieſer Krankheit nehmen die Kraͤfte ganz lang-
ſam ab, und der voͤllige Mangel derſelben iſt der Todt.
Das allmaͤhlige Abnehmen der Kraͤfte geſchiehet ohnfehl-
bar nach einer gewiſſen Progreſſion. Die Seele bekoͤmmt
durch das Gefuͤhl von der Art dieſer Progreſſion einen Be-
grif, und kan durch eben die Faͤhigkeit, mit welcher ſie
die Tone in der Muſic beurtheilet, das Ende dieſer Pro-
greſſion eben ſo genau finden, als ein Rechenmeiſter die
letzte Zahl einer niederſteigenden Progreſſion beſtimmen
kan, wenn ihm die erſten Glieder derſelben gegeben ſind.
Weiß ſie aber, wenn alle zum Leben noͤthige Kraͤfte auf-
hoͤren werden, ſo weiß ſie auch das Ende des Lebens, und
da die Vorſtellung davon wegen der Furcht vor dem Tod-
te ſehr lebhaft wird, ſo erlangt ſie einen ſo groſſen Grad
der Deutlichkeit, daß ſie die Patienten andeuten koͤnnen.
Daß aber dieſes in vielen andern Krankheiten nicht ange-
he, koͤmmt daher, daß entweder eine Raſerey dabey iſt,
oder weil die zum Untergange des Koͤrpers abzielenden
Veraͤnderungen, ſo unordentlich auf einander folgen, daß
entweder gar keine ordentliche Progreßion dabey ſtatt hat,
oder doch nur eine ſolche, die ſo verworren iſt, daß die
Regel, nach welcher ſie beurtheilet werden muß, ſehr
ſchwer zu entdecken iſt. Die beyden letztern Faͤlle haben
bey der Beurtheilung eines kuͤnftigen allgemeinen Erdbe-
K 5bens
[154]Geſchichte der Erde
bens ſtatt, und eben daher wird es ſchwer halten, wenn
ein Naturlehrer in dieſer Materie ein wahrer Prophete
werden will. Denn die Veraͤnderungen in dem Innerſten
der Erde geſchehen entweder nach gar keiner ordentlichen
Progreſſion, oder wenn man auch dieſes um der bekann-
ten Ordnung der Natur willen behaupten wollte, ſo wuͤr-
de man doch geſtehen muͤſſen, daß es eine Progreßion waͤ-
re, deren Regeln nicht ohne groſſe Muͤhe entdeckt wer-
den koͤnnten, und davon uns noch nicht genug bekannt
waͤre, um die Folge daraus zu beurtheilen. Wer ſich
darein nicht finden koͤnnte, was dieſes heiſſen ſollte, daß
in einigen Faͤllen die Regel einer Progreßion ſo verſteckt
ſey, daß ſie nicht ohne groſſe Muͤhe gefunden werde, den
will ich auf die Unzen der Dignitaͤten weiſen, welche in
einer ganz verworrenen Ordnung zu ſtehen ſcheinen.
Denn wer ſollte wohl vermuthen, daß folgende Zahlen
ſo beſchaffen waͤren, daß man aus den vorhergehenden
die darauf folgenden beſtimmen koͤnnte? Ich will einige
zum Exempel herſetzen.
Gleichwol lehret uns die newtonianiſche Regel von
Erhebung der Dignitaͤten dieſe Zahlen bis ins unendliche
zu beſtimmen. Warum ſollten nun nicht auch derglei-
chen,
[155]in den alleraͤlteſten Zeiten.
chen, oder noch ganz andere Progreßionen in der Natur
vorkommen, da wir wiſſen, daß die arithmetiſchen geo-
metriſchen und harmoniſchen in ſo vielen Faͤllen ihre Ap-
plication haben. Man hat ſchon einige davon entdeckt,
wohin die von dem beruͤhmten Keppler erfundene Regel
gehoͤrt, daß ſich die Quadrate der periodiſchen Zeiten bey
dem Umlaufe der Planeten wie die Cubi ihrer Entfer-
nungen verhalten. Wird man, wie es zu vermuthen
ſtehet, ins kuͤnftige fortfahren die Mathematick mit der
Naturlehre zu verbinden, ſo wird man mit der Zeit noch
mehrere entdecken, und dadurch endlich in den Stand ge-
ſetzt werden viele Raͤtzel in der Arzeneygelahrheit aufzuloͤ-
ſen, die uns noch zur Zeit bewundernswuͤrdige Geheim-
niſſe ſind, ein Gluͤck, welches unſern Nachkommen auf-
gehoben iſt, dazu aber die jetzt lebenden Mathematiker
und Naturlehrer den Grund legen muͤſſen.
§. 84.
Ich habe mich ſchon erklaͤrt, daß ich der Welt nichts
boͤſes prophezeyhen will, und ich hoffe, es werden mir auch
ſo gar ſolches diejenigen vergeben muͤſſen, die, ich weiß
nicht aus was fuͤr einer Urſache, dem Erdboden alles Un-
gluͤcke wuͤnſchen. Denn ich habe mir nicht vorgeſetzt in
der gegenwaͤrtigen Schrift zukuͤnftige, ſondern vergange-
ne Dinge abzuhandeln. Wenn nun ſchon ein allgemei-
nes Erdbeben nicht zu befuͤrchten waͤre, ſo koͤnnte es ſich
doch wohl ehemals zugetragen haben. Ich weiß ſelbſt
nicht warum ich mir dieſes ſo feſte in den Kopf geſetzt ha-
be, dieſes aber weiß ich, daß man ſehr viel Muͤhe haben
wird, wenn man mir es ausreden will. Denn ich kan
mir gar nicht einbilden, daß die Erde, ſo wie ſie gegen-
waͤrtig iſt, erſchaffen ſeyn ſollte. Man weiß von keiner
andern Hauptveraͤnderung, als einer allgemeinen Ueber-
ſchwemmung, und dadurch kan ſie nicht in den gegenwaͤr-
tigen
[156]Geſchichte der Erde
tigen Zuſtand verſetzt worden ſeyn, aber aus einem allge-
meinen Erdbeben laͤſt ſich es vollkommen begreifen.
§. 85.
Jederman ſiehet, daß der ganze Beweiß eines allge-
meinen Erdbebens auf drey Stuͤcke hinaus laufe, davon
das erſte iſt: daß die Erde vom Anfange nicht ſo habe er-
ſchaffen ſeyn koͤnnen. Um dieſes zu beweiſen, haben wir
nur noͤthig die Erde ſelbſt ohne Partheylichkeit zu betrach-
ten. Wenn wir dieſes thun, ſo werden wir ungeheure
Felſen antreffen, welche allenthalben zerriſſen und zerſpal-
ten ſind, und dieſes wird ſich nicht nur uͤber der Erde,
ſondern auch unter derſelben, ſo weit man kommen iſt, ſo
befinden. Auf den hoͤchſten Bergen werden wir Steine
antreffen, welche etliche hundert Centner ſchwer ſind, und
wenn man ſie von einander ſchlaͤgt, ebenfalls voller Riſſe
und Spalten ſind; mit einem Wort, es ſcheint die Erde
mehr einem eingeworfenen Gebaͤude als praͤchtigen Pala-
ſte aͤhnlich zu ſeyn, wenn man die Pflanzen und Thiere
davon ausnimmt. GOtt iſt ein GOtt der Ordnung, wie
wir an den Pflanzen und Thieren ſehen koͤnnen: woher
kommen denn nun die groſſen Unordnungen in den inner-
ſten der Erden? Man iſt mit der Antwort gleich fertig, und
ſagt: es ſind Wuͤrkungen der Suͤndfluth. Aber wie hat
die Suͤndfluth Felſen zerſpalten, Steine zermalmen, und
Laſten von ungeheurer Groͤſſe auf die hoͤchſten Berge waͤl-
zen koͤnnen? Ein geſchickter Bergverſtaͤndiger welchen ich
meine Zweifel entdeckt, hat ſie in der Erfahrung gegruͤn-
det befunden, und ich trage kein Bedenken ſeine Anmer-
kungen meinen Leſern mitzutheilen. Sein Bericht iſt
folgender: Die groſſe Anzahl derer unbekannten verſtein-
ten Muſcheln, Schnecken, Fiſche, ungeheure, aller le-
benden Thiere an Groͤſſe uͤbertreffende Knochen und Zaͤhne,
von welchen letztern ich einige Mondfoͤrmige, ſo drey El-
len lang waren, und wo mir recht iſt, in Studtgart, ge-
ſehen
[157]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſehen habe, ſo mit keinen Elephantenzaͤhnen zu verglei-
chen waren; leiten mich immer mehr und mehr zu der
Meynung, daß ſie nicht zu der Moſaiſchen Schoͤpfung
gehoͤren, ſondern daß ſchon eine vorhergegangen und die
Erde mit allen Einwohnern zernichtet worden ſey. Man
betrachte nur die Erde in allen vier Theilen, an denjeni-
gen Orte, wo man ſeinem Fuß zuerſt hiuſetzt, ſo wird
man nichts anders, als einen zerriebenen Stein finden.
Iſt ſolches nicht ſichtlich genug, ſo nehme man nur die
Erde zwiſchen die Zaͤhne, ſo wird mans ſchon fuͤhlen.
Ich habe es an der Lemniſchen, Arabiſchen auch andern
Siegelerden und Tone, alſo gefunden. Man betrachte
nur den zarten Schleim ſo von denen haͤrteſten Edelge-
ſteinen und Schmirgel durch das ſchleifen auch von den
Diamant ſelbſt erzeuget wird: ſo iſt man gleich uͤberzeu-
get, daß weit leichter die Steine zur Erden, als dieſe zu
Stein werden koͤnne. Daß nun auf dieſe Weiſe eins-
mals die haͤrteſten Felſen zerknirſcht und zerrieben wor-
den ſind, ſiehet man nicht allein aus der ſteinigten Erd-
flaͤche, ſondern man findet es auch viele hundert Ellen un-
ter derſelben. Die groſſen, manchmal etliche hundert Cent-
ner ſchweren Feld- und alle Kieſelſteine koͤnnen auch nichts
anders als zerbrochene Felſen ſeyn. Wollte man ſagen,
ſie waͤren alſo geſchaffen: ſo muͤſte man mir auch zugeben,
daß die Topfſcherben, ſo man hinter derer Toͤpfer Woh-
nungen findet, waͤren von den Meiſter mit Fleiß alſo ge-
macht worden. Denenjenigen, ſo alles der Suͤndfluth
zuſchreiben, lege ich vors erſte dieſe Frage vor: Wie kan
Waſſer ſolche groſſe Dinge thun? Vors andere findet
man in der Erde mehr als eine Veraͤnderung, worzu auſ-
ſer den Waſſer eine weit groͤſſere Gewalt erfodert worden.
In der Grafſchaft Mannsfeld in Heßiſchen, und wo
ſonſten Schieferfloͤtze ſind, muß man bey Sinkung derer
Schaͤchte die auf einander folgende Geſtein und Erdlagen
in die Quere durchbrechen, und hierbey kan man drey nach
ein-
[158]Geſchichte der Erde
einander gefolgte entſetzliche Veraͤnderungen erweiſen.
Ohngefehr ſechs Lachter unter denen Schiefern befinden
ſich etliche ſtarke Steinbaͤnke uͤbereinander, ſo aus weiſ-
ſen, ſchwarzen, rothen, gelben, braunen ꝛc. durch ſichtigen
und dunkeln, mit vielfarbigen Adern durchzogenen, auch
nach Proportion ihrer Haͤrte viel oder wenig beſtoſſenen
Steinen, von Sandkorn bis zu Huͤnereyer Groͤſſe, zuſam-
men gewachſen ſind. An allen dieſen einzeln Stuͤcken ſie-
het man, daß ſie von ganzen abgebrochen. Die Materie
ſo dieſe Stuͤcken zuſammen haͤlt, wird an der Luft durch die
Laͤnge der Zeit wiederum aufgeloͤſet, und laͤſſet die an-
einander gewachſenen Stuͤcken alſo herausfallen, wie ſie
zuvor geweſen, bleiben auch wegen ihrer Haͤrte unveraͤn-
derlich, da die oft erwehnten Steinbaͤnke auf eine ſtarke
Meile lang, bald hier bald da, von Mannsfeld bis
Wiederſtedt, auch wo ſonſt dergleichen Bergwerke ſind,
zu Tage ausſtehen, ſo wird man durch den Augenſchein
uͤberfuͤhret, daß groſſe Fluthen, das ihrige darzu beyge-
tragen; die Striche folgen auch ganz natuͤrlich auf einan-
der und werden immer zarter bis unter das Floͤtz. Der
letztere iſt weißlicht und wird das weiſſe liegende genennet,
da hingegen die untern ins rothe fallen. Nun will ich
noch zum Ueberfluß wider die Wahrſcheinlichkeit zugeben
daß durch Beyhuͤlfe einer einzigen Fluth, mehr erwehnte
Sandſteinbaͤnke mit den darauf liegenden Schieferfloͤtz,
der daruͤber befindliche und von den liegenden, ſeiner gan-
zen Natur nach unterſchiedene Zechſtein, die darauf be-
findliche Aſche und uͤbrigen Stein, Sand, Letten und Erd-
ſtriche, etliche hundert Ellen hoch auf einander gethuͤrmet
worden: ſo muß ſolches doch wohl vor einem Umſturz
und Veraͤnderung gelten, und ich will es den erſten
nennen.
Alle Erd und dergleichen Baͤnke ſo durch Fluthen ge-
worden, koͤnnen nicht viel von Horizont abweichen. Wir
ſehen aber ſowol uͤber Tage, als in denen Gruben, daß
ſich
[159]in den alleraͤlteſten Zeiten.
ſich nicht allein die beſchriebenen Baͤnke, Schiefern und
Striche oͤfters gar bis zum Perpendikel neigen: ſondern
daß ſelbige auch gar ſehr zerriſſen und zerbrochen ſind; ſol-
chergeſtalt, daß man ſparſam einem Schiefer von einem
□ Schuh ohne Schrick und Riß finden wird. Es ſind
aber die meiſten Bruͤche und Luͤcken wieder zugeheilet, in
den Liegenden mit Spaat, einer Eiſenſchuͤßigen Materie,
auch Sand und dergleichen. In denen Schiefern iſt die-
ſer weiſſe Spaat oͤfters mit Kupferkieß, Kobald und an-
dern Bergarthen vermenget. Dieſes Sinken derer Floͤtze
hat ſich bis an die oberſte Erdflaͤche erſtrecket und neue
Berge gemacht, welches daraus klar wird, daß das Strei-
chen und Fallen auch andere Veraͤnderungen derer Schie-
ferfloͤtze, mit den Streichen und Fallen und denen Ver-
aͤnderung derer Gebuͤrge uͤbereinkommt. Ermeldetes
Sinken und Brechen hat aber nicht eher geſchehen koͤn-
nen, bis nach den erſten Umſturz alles wieder zuſammen
gewachſen und ein ganzes geworden. Der Beweiß iſt
leicht. Wenn die ſteinigte Materie ſo einen Riß in oft
erwehnter groben Bank zuſammen geheilet, durch die
Luft muͤrbe geworden, daß man ſie bequem herauskratzen
kan, ſo paſſen die bunten Steine, wie ſie nach der Dire-
ction des Riſſes getroffen worden, ſo nett auf einander,
als die Flocken an einer zerſchnittenen Rothwurſt; dieſes
aber haͤtte unmoͤglich geſchehen koͤnnen, wenn nicht durch
den beſtaͤndigen Zugang des Waſſers, ſo allezeit dieſe
Steinmaterie mit ſich fuͤhret, der zuſammen getriebenen
Steingrauß, wie eine Wurſt durch das Blut und Ko-
chen, zu einem feſten Stuͤck gewachſen waͤre. Und hier-
durch waͤre der zweyte Umſturz auch erwieſen.
Der dritte iſt eben ſo klar. Denn da kein Stein ohne
Waſſer oder an freyer Luft wachſen und ſich anlegen kan:
jedoch aber die zuſammengeheileten und mit einer dritten
Materie, ſo man einem Steinknorpel nennen koͤnnte, wie-
der zugefuͤlleten Riſſe, oͤffentlich an freyer Luft, hin- und
wieder,
[160]Geſchichte der Erde
wieder, bey ſogenannten Ausgehenden, an Liegenden,
Schiefern und Hangenden, vielfaͤltig zu ſehen ſind; ſo
muß ein dritter Umſturz dieſe Felſen wieder zerriſſen, neue
Thaͤler gemacht, und die verheilten Wunden wieder auf-
gedeckt haben.
Gleichwie nun die ganze Oberflaͤche des Erdbodens, kei-
ne Hand breit ausgenommen, von einer allgemeinen, das
inwendige aber von weit mehren Zerruͤttungen, zuverlaͤſ-
ſige Zeugen darſtellet: doch aber von nichts als der Suͤnd-
fluth, Nachricht verhanden; ſo werde ich zu glauben be-
wogen, daß entweder zu ſolcher Zeit keine vernuͤnftige
Creaturen, ſo ſolches aufzeichnen koͤnnen, verhanden ge-
weſen, oder mit Hinterlaſſung ihrer Knochen, ausgerot-
tet worden.
§. 86.
Damit ich nicht zu tadeln ſcheine ohne es beſſer zu
machen, ſo will ich nun zeigen, wie bequem derjenige Zu-
ſtand der Erde aus einem allgemeinen Erdbeben hergelei-
tet werden koͤnne. Jederman weiß, daß Felſen durch
Erdbeben zerſpalten werden koͤnnen, und daß der Veſuvius
oͤfters dergeſtalt gewuͤthet, daß ganze Centnerſchwere Stei-
ne ſehr weit hinweggeworfen worden ſind. Kan es alſo
wohl ſchwer zu begreifen ſeyn, wie ungeheure Steine auf
die hoͤchſten Berge haben kommen koͤnnen? Weil ferner
ein allgemeines Erdbeben eine allgemeine Entzuͤndung der
Erde zum voraus ſetzt, ſo haben die Felſen und Steine
ſehr erhitzt werden muͤſſen, dadurch es denn geſchehen, daß
ſie zerſprungen und viele Riſſe bekommen die wir gegen-
waͤrtig in ihnen antreffen. Ja wenn wir ſetzen, daß
Waſſer auf dieſe bey nahe gluͤende Steine gefloſſen, ſo
laͤſt ſich der Urſprung der in ihnen befindlichen Riſſe, und ihre
Zermalmung in kleinere Feldſteine, ingleichen der Urſprung
des Sandes noch beſſer daraus herleiten. Daß aber, als
dieſe allgemeine Entzuͤndung geſchehen, bereits Waſſer
auf
[161]in den alleraͤlteſten Zeiten.
auf der Erden geweſen ſey, wird durch die verſteinten Fi-
ſche in denen Schiefern wahrſcheinlich gemacht. Denn
dieſe Fiſche koͤnnen nicht in den Steinen gelebt haben,
ſondern es muß der ganze Schieferfloͤtz Waſſer geweſen
ſeyn, welches alles aber ausgetrocknet, und die Fiſche in
der ſumpfigten Erde, woraus der Schiefer entſtanden, zu-
ruͤcke gelaſſen worden. Dieſe armen Thiere ſind alſo le-
bendig geſotten worden, daher ſind ſie ordentlicher Weiſe
gekruͤmmt, und haben eine ſolche Lage wie ein Fiſch in
dergleichen Zuſtande anzunehmen pflegt, ja eben darum
iſt ihr Fleiſch ſo viereckigt durchſchnitten, wie man es bey
einem geſottenen Fiſche befindet. Die ſchwarze Farbe
vieler Felſen an denen man deutlich ſiehet, daß ſie von ein-
ander geriſſen worden ſind, weil alle entgegengeſetzte Stuͤ-
cke ſo genau zuſammenpaſſen, kan wohl ſchwerlich anders
woher, als von ſtarken Rauche und Dampfe, welcher
aus der Erde herfuͤrgebrochen, hergeleitet werden, wohin
dasjenige gehoͤret, was ich oben aus dem Tournefort
von dem Berge Ararat angefuͤhret habe. Iſt es alſo
wohl ſo gar unwahrſcheinlich mit dem Carteſius zu be-
haupten, daß die Erde ehemals ein brennender Weltkoͤr-
per geweſen ſey?
§. 87.
Wenn wir es annehmen wollen, daß die Erde ehe-
mals ein brennender Koͤrper geweſen ſey, ſo bekoͤmmt da-
durch die Meinung dererjenigen eine Wahrſcheinlichkeit,
welche behaupten, daß es in dem Mittelpuncte der Erde
ein Feuer, oder zum wenigſten eine groſſe Hitze gebe.
Daß eine wuͤrckliche Flamme daſelbſt ſeyn ſollte koͤmmt mir
nicht allzuwahrſcheinlich vor, indem eine Flamme ohne be-
ſtaͤndigen Zufluß der Luft nicht lange dauren kan. Aber
warum wollte man nicht ſagen, daß daſelbſt ein groſſer
Grad der Waͤrme anzutreffen waͤre, da wir geſehen ha-
ben, daß es dergleichen Hitze unter der Erde bey den
LStein-
[162]Geſchichte der Erde
Steinkohlen geben koͤnne, ohngeachtet kein Zufluß der
Luft vorhanden iſt. Der ehrwuͤrdige Pater Caſtel ſucht
dieſes in ſeiner Schrift von der Schwere aus den Geſe-
tzen der Bewegung zu beweiſen. Denn er ſagt: man
ſolle ſich eine kleine Klugel einbilden, welche den Mittel-
punct der Erde umgaͤbe. Dieſe Kugel wuͤrde von der
uͤber ihr ſtehenden dicken Rinde gedruckt, und weil die
Gegenwuͤrkung der Wuͤrkung allemal gleich waͤre, ſo muͤ-
ſte ſie gegen die Erdenrinde zuruͤck druͤcken, welches ohne
eine Bemuͤhung ſich auszudehnen nicht geſchehen koͤnnte.
Weil ferner nur alsdenn bey dem Drucke die einander ent-
gegengeſetzten Kraͤfte gleich waͤren; wenn ſich die Maſſen
umgekehrt wie die Geſchwindigkeiten verhielten: ſo muͤſte
ſich die Geſchwindigkeit, mit welcher ſich dieſe Centralku-
gel auszudehnen ſuchte, zu der Geſchwindigkeit, mit wel-
cher die Erde auf dieſelbe druͤckte, verhalten: wie die
Maſſe der Erde zu der Maſſe der Centralkugel. Da
nun die Maſſe der Erden unendliche mal groͤſſer waͤre als
die Kugel in den Mittelpuncte derſelben, ſo muͤſte die Ge-
ſchwindigkeit, mit welcher ſich die Materie in der Erde
auszudehnen ſuchte, unendliche mal groͤſſer ſeyn, als die
Geſchwindigkeit aller irdiſchen Koͤrper, welche gegen die-
ſelbe drucken. Eine Bemuͤhung aber ſich mit einer un-
endlichen Geſchwindigkeit auszudehnen, muͤſte nothwendig
eine Entzuͤndung hervorbringen. Aber dieſer letzte Satz
iſt eben derjenige, welchen man nicht einraͤumen kan.
Denn ohnerachtet die Waͤrme die Koͤrper ausdehnet, ſo
folgt doch gar nicht, daß ein Koͤrper, welcher ſich aus-
dehnet, deswegen warm ſeyn muͤſſe, weil ſonſten die
Waͤrme die einzige Urſache der Elaſticitaͤt wuͤrde genennt
werden muͤſſen, welches doch mit der Erfahrung nicht uͤber-
einſtimmet, welche uns lehret, daß die Elaſticitaͤt der
Luft nicht allein durch die Waͤrme, ſondern auch durch das
Zuſammendruͤcken vermehret werden koͤnne. Ich ge-
ſchweige, daß die Materie in dem Mittelpuncte der Erde,
wenn
[163]in den alleraͤlteſten Zeiten.
wenn man auch alles einraͤumen wollte, ſich dennoch nicht
wuͤrklich ausdehnen koͤnnte, ſondern nur eine bloſſe Be-
muͤhung haben wuͤrde, dieſes zu thun.
§. 88.
Ohnerachtet ſich das Centralfeuer nicht nach der Art
geometriſcher Wahrheiten, oder wie die Weltweiſen re-
den, von vorne her (a priori) erweiſen laͤſt: ſo laͤſt es ſich
doch durch die Erfahrung ſehr wahrſcheinlich machen.
Man begebe ſich bey der groͤſten Kaͤlte in den Schacht ei-
nes Bergwerks: ſo wird man unten niemals frieren, man
wird auch nicht ſehen, daß das unterirdiſche Waſſer da-
ſelbſt jemals in Eiß verwandelt werden ſollte, und dieſe
unterirdiſche Waͤrme iſt deſto groͤſſer, je tiefer man unter
der Erde iſt. Nimmermehr kan man dieſe Waͤrme von
den Sonnenſtrahlen herleiten, denn die dringen nicht ſo
tief in die Erde hinein, und wenn es auch waͤre, ſo muͤſte
ja nothwendig die oberſte Rinde der Erde am waͤrmeſten
ſeyn. Werden wir ihren Urſprung alſo nicht in der Erde
ſelbſt ſuchen muͤſſen? Und warum wollten wir nun nicht
ſagen: daß die Erde in der Mitte einen heiſſen Kern
habe.
§. 89.
Ein Koͤrper, welcher ſo groß iſt wie die Erde, braucht
eine ſehr lange Zeit um voͤllig wieder kalt zu werden, wenn
er einmal durch und durch erhitzt geweſen iſt, aber man
mag dieſe Zeit ſo lang annehmen als man immer will: ſo
iſt ſie doch endlich, und die Waͤrme muß nothwendig nach
und nach abnehmen. Ich bin daher auf die Gedanken
gerathen, daß die ſich nach und nach vermindernte Waͤr-
me der Erde die Urſache ſeyn koͤnnte, warum die Som-
mer anfangen kaͤlter zu werden, als ſie vormals geweſen
ſind, und die Winter viel laͤnger dauren. Denn daß die-
ſes keine leere Einbildung ſey, und die Sommer zum we-
L 2nig-
[164]Geſchichte der Erde
nigſten in hieſigen Gegenden in der That anfangen kaͤlter
zu werden, lehret uns nicht nur die eigene Empfindung,
ſondern es verſichern auch die Haußhaͤlter, daß das Ge-
draͤite ſpaͤter als ſonſten reif werde. Der gemeine Mann
bildet ſich deswegen wohl gar ein die Erde habe ſich ver-
dreht, aber ſowol die Bewegung als der ſcheinbare Dia-
meter der Sonne, welches beydes noch eben ſo, wie vor-
mals befunden wird, beweiſen das Gegentheil. Iſt aber
die Urſache dieſer Veraͤnderung nicht in der Sonne anzu-
treffen, ſo wird man ſie ohnfehlbar in der Erde ſuchen muͤſ-
ſen. Es thut mir ſehr leid, daß ich mich genoͤthiget ſehe
einen Ungluͤckspropheten abzugeben, und gleichwol kan
ich es nicht aͤndern. Denn wenn die Erde fortfaͤhret ihre
Waͤrme zu verlieren, ſo kan es wohl nicht fehlen, es muͤſ-
ſen die kalten und temperirten Gegenden derſelben nach
Verlauf mehrerer Jahre eine viel kaͤltere Witterung, zu-
gleich aber auch eine groͤſſere Unfruchtbarkeit als jetzo er-
leiden, welches Elend dadurch noch groͤſſer werden muß,
daß in einen ſehr groſſen Theile von Deutſchland vielmehr
Holz jaͤhrlich verbrannt wird, als wieder zuwachſen kan.
Wir wollen uns bey einer ſo betruͤbten Vorſtellung nicht
aufhalten, welche macht, daß man ganz eiskalt wird, ſon-
dern wir wollen zu unſern Erdbeben zuruͤck kehren, um
uns wieder zu erwaͤrmen.
§. 90.
Ich glaube ein ehemaliges allgemeines Erdbeben wo
nicht voͤllig erwieſen, doch ſehr wahrſcheinlich gemacht zu
haben. So vieles ſich auch daraus begreifen laͤſt, ſo iſt es
doch nicht hinreichend die gegenwaͤrtige Beſchaffenheit der
Erde voͤllig daraus herzuleiten, ſondern es muß auſſer
der Ueberſchwemmung und dem Erdbeben noch eine dritte
Hauptveraͤnderung mit der Erde vorgegangen ſeyn, wel-
che auf dieſe beyden erſten gefolget iſt. Dieſes lehret
uns das Steigen und Fallen des Schieferfloͤtzes, welches
oͤfters
[165]in den alleraͤlteſten Zeiten.
oͤffters nach der Perpendikularlienie geſchiehet, und da in
ihnen die Fiſche jederzeit ſo liegen, daß ſie nicht mit dem
Horitzonte ſondern mit den Schieferplatten parallel ſind.
Weder ein einziges Erdbeben noch eine allgemeine Ueber-
ſchwemmung koͤnnen dieſes verurſacht haben, ſondern es
muͤſſen die Schiefer, nachdem ſie ſchon fertig geweſen, durch
eine groſſe Gewalt aufs neue zerriſſen worden ſeyn, wie
auch aus denen oben angefuͤhrten Gruͤnden mit mehrerern
erhellet. Aber was iſt dieſes fuͤr eine Gewalt geweſen,
die aufs neue dergleichen entſetzliche Zerruͤttungen verur-
ſacht hat? Ich finde wieder nichts das ſich beſſer dazu
ſchickt, als ein Erdbeben. Vielleicht ſind deren mehrere
vorgegangen, vielleicht iſt es nicht allgemein geweſen, ſon-
dern hat ſich nur zu verſchiedenen Zeiten in verſchiedenen
Laͤndern zugetragen. Alles dieſes iſt ungewiß, und kan
nicht entſchieden werden.
§. 91.
Wenn wir alles das, was hier geſagt worden
iſt, zuſammen nehmen: ſo erhellet daraus ſo viel,
daß drey Hauptveraͤnderungen mit der Erde vor-
gegangen ſeyn muͤſſen, davon keine Nachrichten
vorhanden ſind, nemlich zwey Erdbeben und ei-
ne Ueberſchwemmung. Denn man kan mit keine[r]
voͤlligen Gewißheit ſagen, ob diejenige Ueber-
ſchwemmung, deren Wuͤrklichkeit ich erwieſen
habe, mit der Suͤndfluth einerley ſey; oder ob
ſie ſich nicht lange vorher zugetragen. Erſtlich
iſt die Erde uͤber und uͤber fluͤßig geweſen, und
hat durch das taͤgliche Umdrehen um ihre Achſe
eine ſphaͤroidiſche Geſtalt bekommen, und in den
damahligen Waſſern haben ſich vermuthlich Fi-
ſche befunden. Darauf iſt ein Erdbeben, oder
vielmehr eine Entzuͤndung des ganzen Erdbodens
gefolgt, wodurch das Waſſer verraucht, die Fi-
L 3ſche
[166]Geſchichte der Erde
ſche geſotten, und in den Sumpf begraben worden
ſind, woraus hernach der Schiefer entſtanden.
Auf dieſes Erdbeben iſt noch ein anderes gefol-
get, welches nicht nur die Schiefern zerriſſen,
ſondern zugleich ganze Felſen zerſpaltet und der-
geſtalt zertruͤmmert hat, daß ein groſſer Theil da-
von in Sandkoͤrner zermalmet worden. So we-
nig wie ich zweifele, daß jemand, welcher das vor-
hergehende mit Bedacht geleſen hat, dieſe drey
Hauptveraͤnderungen leugnen wird; ſo ſehr iſt es
zu beklagen, daß man die Zeit nicht beſtimmen
kan, da ſie ſich zugetragen haben. Ich bin nicht
geſchickt dergleichen chronologiſche Unterſuchun-
gen anzuſtellen, ich zweifele auch, daß ſie von je-
manden mit einigen Grunde der Wahrſcheinlich-
keit werden zu Stande gebracht werden koͤnnen.
§. 92.
Dieſes ſind alſo meine Gedanken von denen Veraͤnde-
rungen, welche ſich mit der Erde zugetragen haben. Ich
hoffe, man wird ſo beſcheiden ſeyn, und mich in den ge-
ruhigen Beſitze derſelbigen laſſen, da ich meine Meinun-
gen niemanden aufdringe, ſondern zufrieden bin, man mag
davon halten, was einem beliebt. Sollte ſich aber ja je-
mand vorſtellen, daß er nothwendig gegen mich zu Fel-
de ziehen muͤſte; ſo wuͤrde dadurch weiter nichts erhalten,
als daß ich alle Schuld auf den Buchdrucker ſchieben, und
behaupten wuͤrde, daß von der erſten Seite an bis an das
Ende alles ausgeſtrichen werden muͤßte. Die kurze Zeit,
welche wir in der Welt leben, iſt viel zu edel, als daß man
ſie mit unnoͤthigen Streitigkeiten uͤber Dinge zubringen
ſollte, welche mit keiner voͤlligen Gewißheit ausgemacht
werden koͤnnen, und deren Erkaͤnntniß zu der Befoͤrde-
rung der menſchlichen Gluͤckſeligkeit ſo wenig beytraͤgt.
Ja jedermann weiß aus der Erfahrung: daß das allge-
meine
[167]in den alleraͤlteſten Zeiten.
meine Schickſal der Streitſchriften dieſes ſey, daß ſie zum
Einwickeln gebraucht werden, und dazu iſt das weiſſe Pa-
pier eben ſo geſchickt, wie das gedruckte. Jn Wahrheit
die Kramer machen taͤglich Paſquille auf die Gelehrten,
indem ſie ihre muͤhſamen Schriften einen ſo ſchlechten Ge-
brauche widmen, und die Gelehrten ſind ſo einfaͤltig, daß
ſie es nicht einmal merken, warum fangen ſie nicht
mit denen Kramern einen Jnjurienproceß an? Jch
weiß gewiß, daß er nach vielen Beweißen und Gegen-
beweißen darauf hinauslaufen wuͤrde; die Kramer ſoll-
ten nur ſolche Schriften zum Einbacken brauchen, darin-
nen weder Witz noch Verſtand waͤre, und dieſer Rechts-
ſpruch wuͤrde ſo vortheilhaft vor ſie ſeyn, daß es ihnen
niemals an Maculatur fehlen wuͤrde. Die Gelehrten
ſelbſt wuͤrden nichts darwider einzuwenden haben, denn
ein jeder Schriftſteller bildet ſich ein, daß nur ſeine Ge-
danken unverbeſſerlich ſeyn. Jch an meinem Theile habe
keine ſolche vornehme Gedanken, ſondern bin allemal be-
reit meine Meinungen zu aͤndern, wenn ich uͤberfuͤhrt bin,
daß ſie ungegruͤndet ſind. Dieſes ſchaft mir die Bequem-
lichkeit niemals in Streitſchriften verwickelt zu werden.
Denn finde ich die Gedanken anderer gegruͤndeter als die
meinigen, ſo aͤndere ich ſie, finde ich aber das Gegentheil,
ſo bleibe ich bey dem, was ich einmal geſagt habe. Mir
koͤmmt dieſe Gewohnheit ſo vernuͤnftig vor, daß ich herz-
lich wuͤnſchen wollte, es moͤchten alle Gelehrten ſich der-
ſelben bedienen. Es ſcheint auch, als wenn dieſes an-
fienge zur Mode zu werden, und ich kan mich uͤber den
poͤbelhaften Gebrauch nicht genungſam verwundern, den
die Gelehrten vor dieſen hatten, welcher darinnen beſtand:
daß ſie alle diejenigen mit Schimpf- und Scheltworten
belegten, die ſich weigerten ihren Meinungen beyzupflich-
ten, und es iſt gewiß ein ſehr ſchlechtes Amt bey dem
Baue der Gelehrſamkeit den Schutt wegzu ſchaffen, da die
vornehmſte Arbeit darinne beſtehet: ihn aufzufuͤhren,
L 4praͤch-
[168]Geſchichte der Erde
praͤchtiger und vollkommener zu machen. Jch weiß nicht,
ob ich dieſes in den gegenwaͤrtigen Blaͤttern gethan habe,
doch kan ich verſichern, daß es mein Vorſatz geweſen,
und daß ich drey Hauptveraͤnderungen der Erde erwieſen,
welche bisher von den Naturkuͤndigern mit Stillſchwei-
gen uͤbergangen worden ſind. Jch zweifele nicht, es wer-
den geſchickte Koͤpfe, welche mehr Zeit und Gelegenheit
als ich haben, dergleichen Sachen nachzudenken, verſchie-
denes darinnen antreffen, welches ihnen zu weitern Aus-
fuͤhrungen und Betrachtungen Gelegenheit geben kan.
Sollte ich mir bey dem Baue der Gelehrſamkeit ein Amt
ausbitten, ſo wuͤrde es ohnfehlbar dieſes ſeyn: die Grund-
riſſe zu verfertigen, die Ausfuͤhrungen aber wuͤrde ich an-
dern uͤberlaſſen.
§. 93.
Jch koͤnnte die gegenwaͤrtige Abhandlung beſchlieſ-
ſen, ehe ich aber ſolches thue, will ich noch etwas von
dem taͤglichen Umdrehen der Erde um ihre Achſe anfuͤh-
ren, weil ich ſolches oben als die allgemeine Urſache einer
Ueberſchwemmung angenommen habe. Die meiſten
Naturkuͤndiger uͤbergehen die Urſache des taͤglichen Um-
drehens der Erde mit Stillſchweigen. Nach dem Car-
teſianiſchen Lehrgebaͤude iſt die Erde mit einem Wirbel
ſubtiler Materie umgeben. Es ſcheinet aber Carteſius
dieſen Wirbel mehr von dem Umdrehen der Erde, als
das Umdrehen der Erde von den Wirbel herzuleiten.
Doch geſetzt, daß man die taͤgliche Bewegung der Erde
um ihre Achſe aus einen um ihr befindlichen Wirbel der
Himmelsluft begreiflich machen wollte: ſo wuͤrde
doch auſſer den Zweifel, ob dieſer Wirbel die Erde herum-
zudrehen geſchickt ſey, die Frage entſtehen: woher die
Himmelsluft dergleichen Bewegung bekommen haͤtte?
und wie ſie darinne erhalten werden koͤnnte? Jngleichen
war-
[169]in den alleraͤlteſten Zeiten.
warum ſie in einer krummen, und nicht in einer geraden
Linie geſchaͤhe?
§. 94.
Ein ſonſt geſchickter Mann iſt auf den Einfall gekom-
men; es ſey das taͤgliche Undrehen der Erde eine Wuͤr-
kung die von der Fluth und Ebbe abſtammete. So
ſeltſam dieſes im Anfange ſcheinen koͤnnte; ſo artig iſt
doch dieſer Gedanke, und es iſt in der That ſchade, daß
er nicht wahr iſt. Der Herr Verfaſſer leitet mit den En-
gellaͤndern die Ebbe und Fluth von der anziehenden
Kraft der Sonne und des Monds her. Weil aber be-
kant iſt, daß der Mond dabey das meiſte thut, ſo wollen
wir jetzo die Sonne ganz fahren laſſen, und blos bey dem
Monde ſtehen bleiben. Dieſer verurſacht durch ſeine an-
ziehende Kraft, daß das Waſſer, welches gerade unter
ihm iſt, anfaͤngt aufzuſchwellen, daher wird ſeiner Mei-
nung nach die Erde auf der einen Seite ſchwerer als auf
der andern, und wer weiß nicht, daß ſich eine Kugel her-
umdrehet, wenn man auf der einen Seite ein Gewichte
dran gehaͤnget hat. Gleichwol iſt nichts gewiſſer, als
daß dieſes bey der Erde nicht wieder angebracht werden
koͤnne. Denn erſtlich iſt bekannt, daß die Gegenfuͤſſer
allemal die Fluth mit uns zugleich haben. Dieſes lehret
nicht nur die Erfahrung, fondern es folgt auch ganz na-
tuͤrlich aus dem Newtonianiſchen Begriffe von der
Ebbe und Fluth. Wenn man aber dieſes zum vor-
ausſetzet, ſo wuͤrde die Erde auf einer Seite gerade um
ſoviel ſchwerer werden als auf der andern, und ſie waͤre
einer Kugel zu vergleichen, an welche man auf beyden
Seiten gleich ſchwere Gewichte angehengt haͤtte, welche
ſich nicht herumdrehet, ſondern wegen Gleichheit der ein-
ander entgegengeſetzten Kraͤfte in Ruhe verbleibt. Ge-
ſetzt aber auch, daß man dieſen Zweifel nicht erwehnen
L 5wollte,
[170]Geſchichte der Erde
wollte, ſo iſt doch noch ein anderer vorhanden, welcher
nimmermehr gehoben werden kan, und die ganze Sache
ohnmoͤglich macht. Die Schwere iſt nicht eine Kraft de-
ren Directionslinie mit dem Radio der Erden einen rech-
ten Winkel macht, durchaus nicht, ſondern es iſt eine
Kraft, die gegen den Mittelpunct der Erde gerichtet iſt,
deren Directionslinie alſo mit dem Radio der Erde uͤber-
einkoͤmmt. Wenn man aber dieſes als gewiß zum vor-
ausſetzet, wie es denn mehr als zu gewiß iſt, ſo kan das
Umdrehen der Erde nimmermehr von dem Aufſchwellen
des Waſſers unter dem Monde hergeleitet werden.
Denn wuͤrde ſich wohl eine Kugel herumdrehen, wenn ſie
von einer Kraft dergeſtalt gedruckt wuͤrde, daß die Dire-
ctionslinie dieſer Kraft durch den Mittelpunct der Kugel
gienge? Wenn man ein Gewichte an die Kugel haͤnget,
ſo iſts ganz was anders, denn die Directionslinie des
Gewichts faͤllt niemals durch den Mittelpunct der Kugel,
als wenn es oben darauf in den Zenith lieget, in diefen
Falle aber wird ſich auch die Kugel niemals bewegen.
Zum dritten iſt die anziehende Kraft des Mondens eine
Kraft die der Schwere der irdiſchen Koͤrper gerade entge-
gen geſetzt iſt. Dieſem aber zu folge wird das Waſſer
unter dem Monde leichter gemacht, und zwar gerade um
ſo viel leichter, als es durch ſeine groͤſſere Menge die
Schwere der Erde auf der einen Seite haͤtte vermehren
koͤnnen. Eine neue Probe, daß nicht alle artige Erfin-
dungen wahr ſind, und daß man ſich in der Naturlehre
ſehr in acht nehmen muͤſſe, von einem aͤhnlichen Falle auf
einen andern einen Schluß zu machen, wenn man vor-
her nicht recht gewiß verſichert iſt, daß alle noͤthigen Um-
ſtaͤnde die ſich bey dem einen befinden, auch bey dem an-
dern anzutreffen ſind.
[171]
§. 95.
Meines Erachtens wird zu dem taͤglichen Umdrehen
der Erde um ihre Achſe weiter nichts erfordert, als daß
ſie nur einmal einen Stoß bekommen hat, dadurch ihr
dieſe Bewegung mitgetheilt worden iſt. Keiner, welcher
die Hervorbringung der Welt einem allmaͤchtigen Weſen
zuſchreibt, wird die Moͤglichkeit dieſer erſten Bewegung
in Zweifel ziehen. Ein Atheiſt aber behauptet, daß dieſe
Bewegung nothwendig und ewig ſey. Laſt uns alſo ſe-
tzen: die Erde habe einmal bey dem Urſprunge der Din-
ge oder auch nach der Zeit einen Stoß an ihre Oberflaͤche
bekommen: ſo ſage ich, wenn ſie einmal dergleichen er-
halten hat, ſo muß ſie ihre Bewegung entweder in
Ewigkeit, oder doch auf undenkliche Zeiten behalten koͤn-
nen. Jhr Umdrehen wuͤrde ohne Ende fortdauren, wenn
gar keine Materie vorhanden waͤre, welche ihrer Bewe-
gung widerſtuͤnde, und daran ſie ſich reiben koͤnnte. Denn
dieſes erfordert das erſte Geſetze der Bewegung, vermoͤge
welches ein jeder Koͤrper in der einmal angefangenen Be-
wegung verharret, wenn nicht eine Kraft vorhanden iſt,
die dieſe Bewegung zu vermindern oder voͤllig aufzuhe-
ben vermag, auf undenkliche Zeiten aber muß die Be-
wegung fortdauren, wenn der Widerſtand in Anſehung
der Kraft des bewegten Koͤrpers unendlich klein iſt. Nun
koͤnnen wir zwar nicht ſagen, daß ſich die Erde an gar
keinen Koͤrper reiben ſollte, wenn ſie ſich um die Achſe
herumdrehet. Nein, ihre Atmoſphaͤre reibt ſich an
der Himmelsluft und denen Sonnenſtrahlen. Wer ſieht
aber nicht, daß dieſes Reiben an einer ſehr ſubtilen Ma-
terie bey nahe ſo viel als nichts ſey. Ja man moͤchte
faſt ſagen, es waͤre vollkommen nichts, wenn man die
Gewalt bedenkt, mit welcher ſich ein Koͤryer wie die Erde,
ein Koͤrper deſſen Jnhalt 2662560000. Cubickmeilen ſind
bewegt, wenn er ſich in vier und zwanzig Stunden um
ſeine Achſe herumdrehet. Jn Wahrheit, hier verſchwin-
det
[172]Geſchichte der Erde
det der Widerſtand ganz und gar, und kan faſt von kei-
ner Folge ſeyn. Wenn man es aber ja fuͤr noͤthig faͤnde,
etwas daraus zu ſchlieſſen, um die Begierde zu befriedi-
gen, welche man hat kuͤnftige Begebenheiten voraus zu
wiſſen: ſo wuͤrde es dieſes ſeyn, daß das Umdrehen der
Erde nach vielen tauſend Jahren langſamer, als jetzo ge-
ſchehen wuͤrde, und daß folglich alsdenn Tag und Nacht
laͤnger als jetzo dauren wuͤrden, ohnerachtet der aſtro-
nomiſche Tag immer vier und zwanzig Stunden behielt.
Das einzige Mittel, woran dergleichen Veraͤnderung zu
erkennen waͤre, beſtuͤnde darinne, daß das Jahr weni-
ger Tage haben wuͤrde. Wenn man ſich aber einbilden
wollte, daß ſich die Erde zu gleicher Zeit weiter von der
Sonne entfernete und tiefer in den Sonnenwirbel hinein-
ſaͤnke, ſo wuͤrde auch dieſes Merkmal von der geſchehe-
nen Veraͤnderung hinwegfallen, und die Menſchen wuͤr-
den weniger Jahre leben, ohngeachtet ſie eben ſo lange
lebten wie vormals. Aber alsdenn muͤſte der ſcheinbare
Diameter der Sonne kleiner als gegenwaͤrtig befunden
werden. Wer dieſe Weiſſagung machen wollte, der
wuͤrde dabey den Vortheil haben, daß er nicht ausgelacht
wuͤrde, weil er ihre Erfuͤllung ohnmoͤglich erleben koͤnnte.
Der Umſtand der Zeit thut bey philoſophiſchen Prophe-
zeyhungen und hiſtoriſchen Erzehlungen ſehr viel. Jene
muͤſſen erſt nach einer ſehr langen Zeit zu erwarten ſeyn,
und dieſe muͤſſen ſich in den aͤlteſten Zeiten zugetragen ha-
ben, wenn ſie nicht wahrſcheinlich ſind.
§. 96.
Wie vortheilhaft iſt es alſo vor mich, daß ich meinen
Leſern lauter ſolche Sachen erzehlt habe, welche entweder
noch ſehr lange zukuͤnftig ſeyn werden, oder ſich vor ſo
vielen Jahrhunderten zugetragen haben, daß mir es auch
der groͤſte Chronologus vergeben wuͤrde, wenn ich in
der Zeitrechnung einen Fehler von tauſend Jahren began-
gen
[173]in den alleraͤlteſten Zeten.
gen haͤtte. Ja ich habe dieſes nicht einmal zu beſorgen,
weil meine Geſchichte von der Art ſind, daß ſie ſich zuge-
tragen haben, ehe Zeitrechner und Geſchichtsſchreiber ge-
weſen ſind. Die Naturkuͤndiger allein ſind im Stande
meinen Geſchichten die Glaubwuͤrdigkeit ſtreitig zu machen.
Sie ſind die Ausleger der alleraͤlteſten Schrift, welche man
das Buch der Natur nennet; und wie ſehr werde ich mich
freuen, wenn ſie mir aus ihren Archiven Nachrichten von
Begebenheiten mittheilen werden, welche noch aͤlter ſind,
als diejenigen, ſo ich erzehlt habe. Dergleichen Nach-
richten haben ſich allemal ihren Beyfall zu verſprechen.
Denn die meiſten Menſchen haben eine ſolche Ehrerbie-
tung gegen das Alterthum, welche die Grenzen der Ver-
nunft uͤberſchreitet, und ihnen angebohren zu ſeyn ſchei-
net. Habe ich mir nicht ſagen laſſen, daß die Chineſer
ein ſonſt kluges Volk ein Buch haben, das ſie blos darum
als goͤttlich verehren, weil es ſehr alt iſt, ohngeachtet
nichts, als Striche darinnen befindlich ſind, von denen der
Herr von Leibnitz gezeigt hat, daß ſie die Zahlen bedeu-
ten. Warum trotzen viele auf das Alterthum ihres Her-
kommens, welche ſonſt keine Verdienſte haben, geſchieht
es nicht darum, weil ſie als ausgemacht zum vorausſetzen,
daß alles vortrefflich ſey, was da ſehr alt iſt. Warum
bewundern die Sprachverſtaͤndigen den Ausdruck eines al-
ten Scribenden, welchen ſie bey einen neuern verlachen
wuͤrden? Warum erblicken wir in den Gedichten der Poe-
ten ſo viele heydniſche Goͤtter, und Ausdruͤcke von Aben-
theuren, um welcher willen man den Don Quixotte
verſpottet. Warum glaubt man, daß die Moral nicht
praͤchtig genug ſey, wenn man ſie nicht mit den Ausſpruͤ-
chen des Socrates und Seneca gewuͤrzt hat. War-
um haͤlt man oͤfters ein von Motten zerfreſſenes Kleid ſo
hoch, daß man es keinen gegen zehn neue vertauſchen
wuͤrde? Geſchiehet dieſes nicht alles blos darum, weil es
Sachen ſind, die ſich aus dem Alterthume herſchreiben.
Aber
[174]Geſchichte der Erde
Aber alle dieſe Dinge ſind neu gegen die drey Begebenhei-
ten, welche ich in der gegenwaͤrtigen Schrift abgehandelt
habe. Darf ich alſo wohl zweifeln, daß man durch ein
mir vortheilhaftes Vorurtheil ihnen einen groͤſſern Werth
beylegen werde, als ſie in der That haben. Jch glaube
es nicht, denn es iſt eine ganz andere Sache mit dem Al-
ter der Menſchen und Buͤcher, als mit dem Alter der phy-
ſicaliſchen Begebenheiten des Erdbodens, und es bleibt
doch allemal ein Vorurtheil, wenn man weiter keinen
Grund hat eine Sache hoͤher als andere zu ſchaͤ-
tzen, als dieſen daß ſie ſehr alt iſt.
Appendix A Anhang
von der Electricitaͤt.
Appendix A.1 §. 1.
Jch habe eine eigene Schrift von der Electrici-
taͤt herausgegeben, und beziehe mich auf die-
ſelbe. Hier aber will ich nur noch einige An-
merkungen machen, die mir nach der Zeit vor-
gefallen ſind.
Erſtlich bitte ich die Naturkuͤndiger darauf Achtung
zu geben, ob nicht ein Glas durch den oͤftern Gebrauch
die Electricitaͤt verliere, oder zum wenigſten in ſeiner
Wuͤrkung geſchwaͤcht werde. Findet ſich dieſes ſo, wie
ich es wahrgenommen zu haben glaube: ſo werde ich in
der Vermuthung beſtaͤrkt, daß die Electricitaͤt von
ſchwefelichten Ausduͤnſtungen herruͤhre, die nothwendig
mit der Zeit erſchoͤpft werden muͤſſen.
Zum andern ſcheint ſich die Electricitaͤt nicht ſo
wohl nach der Laͤnge des electriſirten Koͤrpers, als viel-
mehr nach ſeiner Maſſe zu verſtaͤrken, und muͤſte daher
einerley Wuͤrkung erfolgen, wenn man einen eiſernen
Drath, welcher ſehr lang iſt, und wenn man dicke eiſerne
Staͤbe, die uͤbereinandergelegt ſind, electriſirte.
Zum dritten kan die Wuͤrkung der Electricitaͤt
auſſerordentlich ſtark ſeyn, und es koͤnnen auch dieienigen
Perſonen electriſirt werden, welche keinen electri-
ſirten Koͤrper beruͤhren, wenn unter den Dielen der
Stube an ſtatt des Schuttes Schlacken aus den Schmelz-
huͤtten befindlich ſind. Denn dieſe Schlacken ſind in der
That nichts anders als Glas, und iſt folglich eben ſo viel,
als wenn alle Perſonen, die in der Stube ſind, auf einer
vor ſich electriſchen Materie ſtuͤnden.
Zum
[176]Anhang von der Electricitaͤt.
Zum vierten iſt nicht nur der Schwefelgeruch an den
Glaſe zu ſpuͤren, ſondern es laͤſt ſich die Gegenwart die-
ſes Schwefels auch aus der Veraͤnderung der Farben der
Blumen abnehmen. Bey einer Klatſchroſe gehet es am
geſchwindeſten von ſtatten. An die rothen Farben ſchlaͤgt
das Feuer ſehr ſtark an. Jn gelben etwas ſchwaͤcher, und
ihre Farbe bleibt unveraͤndert. Mit den Blauen ſpielt
es nur, und nimmt die Farbe nicht weg. Wenn man
aber eine blaue Kornblume worauf electriſche Funken ge-
ſchlagen haben, neben einer andern ein paar Naͤchte lie-
gen laͤſt, ſo wird die letztere bey ihrer ſchoͤnen blauen Far-
be bleiben, da die erſtere faſt weis geworden, an etlichen
Blaͤttern auch eine angenehme roͤthliche Farbe zu ſehen
ſeyn wird. Man kan dieſe Experimente am beſten ma-
chen, wenn man die Blumen mit weiſen Wachſe auf einen
zinnern Teller klebt, und ich halte davor, daß dieſes zu der
Entdeckung der Urſache der Electricitaͤt nicht wenig bey
tragen werde.
Unter denen Briefen, welche auswaͤrtige Gelehrte von
der Electricitaͤt an mich geſchrieben haben, befinden ſich
zwey, welche verdienen bekant gemacht zu werden, weil
ſie neue Verſuche in ſich enthalten. Jch habe zwar von
ihren vornehmen Verfaſſer dem Herrn Dom Dechant von
Kleiſt keine Erlaubniß ſie drucken zu laſſen, ich kan
aber doch nicht glauben, daß es Denenſelben entgegen
ſeyn werde, da ſie die Erkaͤntniß in der Naturlehre wei-
ter zu treiben ſo geſchickt ſind.
Das
[177]
Appendix A.2 Das erſte Schreiben.
Ew. Hochedelgebl. gelehrte Schriften ver-
gnuͤgen mich und alle diejenigen, welche die
Geſetze der Natur nach ihren innern Weſen kennen
zu lernen begierig ſind, auf eine ausnemende Art.
Dero geſchickter Vortrag iſt ſo lebhaft, ſo reitzend,
daß auch ſelbſt denjenigen eine Liebe zur Naturwiſſen-
ſchaft eingefloͤſſet wird, deren dicker Verſtand ſonſten
nicht erlaubet, auf etwas mehr, als was klingenden
Nutzen bringet acht zu haben. Ewr. Hochedel-
gebl. von einigen (wenigſtens in Anſehung mei-
ner) neuen electriſchen Verſuchen etwas zu ſchreiben,
ſolte ich dahero billiges Bedenken tragen, weil Jh-
nen ſolche vermuthlich nicht unbekandt ſeyn werden.
Doch nehme ich den Bewegungsgrund mit daher,
weil ich in andern bisherigen, auch ſelbſt den Winck-
lerſchen an Verſuchen ſo fruchtbaren Schriften, da-
von nichts gefunden habe. Verſuche welche nur zum
electriſchen Spielwerk gehoͤren, koͤnnen auf mannig-
faltige Art veraͤndert werden. Aus ſelbigen iſt ſich
anitzo nicht viel mehr zu machen. Sind ſelbige aber
zu weiterer Erkaͤntniß der electriſchen Eigenſchaften
geſchickt, ſo verdienen ſie mehr Aufmerkſamkeit. Jch
uͤberlaſſe es Dero ſcharfen Einſicht, ob folgende zum
Theil mit dazu gerechnet werden koͤnnen.
Experim. 1. Bis anhero iſt, ſo viel ich weiß,
nicht wahrgenommen worden, daß aus electriſirten
Holze von ſelbſt Blitze und Stralen hervordringen,
ſondern wenn ſich an ſelbigen einiges Licht zeigen ſollen,
Mhat
[178] hat ſich etwas unelectriſirtes naͤhern muͤſſen. Allein
man darf nur eine Rolle, worauf dratene Saiten
geweſen, auf eiu glaͤſernes Roͤhrchen ſtecken, die
Rolle electriſiren, ſo zeigen ſich die von ſelbſt heraus-
farende Blitze gar bald. Holtz und Roͤhre miſſen
recht trocken, und allenfals etwas erwaͤrmet ſeyn.
2. Auf dieſe Rolle wird ein eiſerner Nagel,
ſchreg geſtecket, ſo ſtroͤmen die Flammen bald aus
dem Holze, bald aus dem Metall hervor.
3. Wenn ein Nagel, ſtarker Drath ꝛc. in ein eng-
haͤlſiges Medecinglaͤschen geſtecket und electriſiret
wird, ſo erfolgen beſonders ſtarke Wirkungen; das
Glaͤschen muß recht trocken und auch warm ſeyn.
Thut man etwas Mercur. oder Spir. Vin. hinein,
ſo gehet alles deſto beſſer von ſtatten. Sobald das
Glaͤschen von der electriſchen Machine weggenom-
men wird, ſo aͤuſert ſich an demſelben der flammende
penicillus, und habe ich mit dieſer kleinen brennen-
nenden Machine uͤber 60. Schritt in dem Gemach
hell gehen koͤnnen.
4. Electriſire ich den Nagel ſtark, welches ſich
an dem im Glaͤschen findenden Licht, und heraus-
farenden Funken ſpuͤren laͤſſet, ſo kan ich damit in ei-
ne andere Cammer gehen und Spiritum Vini oder
Therebintini anzuͤnden.
5. Wird waͤhrenden Electriſiren der Finger oder
ein Metall an den Nagel gehalten, ſo iſt der Schlag
ſo ſtark, daß Arm und Achſeln davon erſchuͤttert
werden.
6. Eine auf blauſeidenen Schnuͤren oder Glas lie-
gende blecherne Roͤhre, laͤſſet ſich durch dieſes Jnſtru-
ment
[179] ment viel ſtaͤrker electriſiren, als wenn es immediate
durch die electriſ. Kugel geſchiehet. Auch Spiritus
laͤſſet ſich damit zuͤnden. Ein gleiches erfolget, bei einen
auf dem electriſchen Vierecke ſtehenden Menſchen. Jm
letztern Fall iſt die Electricitaͤt ſtaͤrker, wenn die electr.
Machine an die bloſe Haut, als an die Kleider ge-
halten wird.
7. Wird die blecherne Roͤhre (bei mir ein Tu-
bus von 12. Fuß) auf gewoͤnliche Art electriſirt, und ich
halte ſodann den im Glaͤschen befindlichen Nagel
daran, und fahre mit electiſiren fort, ſo ſolte man nicht
glauben, zu welcher Staͤrke die Electricitaͤt gebracht
wuͤrde, wenn nicht die Erfarung den beſten Beweiß
darboͤte.
8. Noch habe ich eine 4 Zoll im diam haltende
mit etwas Feuchtigkeit gefuͤllte glaͤſerne Kugel ge-
nommen, und das drein gefaßte metallene Jnſtrument,
welches wie eine kleine Cammer war, auf vorbeſchrie-
bene Art electriſirt und dadurch eine ſolche ſtarke Ele-
ctricitaͤt zu wege gebracht, daß man den herausfa-
renden Schlag nicht mehr als einmal auszuhalten
verlanget, die Kugel muß etwas warm, und der
Umfang recht trocken ſeyn. Spiritus laͤſſet ſich da-
mit nicht gut anzuͤnden. Die Erſchuͤttrung iſt zu hef-
tig, der Loͤffel oder ander Gefaͤß wird entweder aus
der Hand geſchlagen, oder doch der Spiritus ver-
ſchuͤttet. Wird das Jnſtrum. an der Stange electriſirt,
ſo aͤuſert ſich dieſelbe Kraft auch an der Stange, it.
an einen Menſchen auf dem Vierecke ꝛc. Die Ele-
ctricitaͤt hat ſich nach Verlauf von 24. Stunden
noch ſehr merklich ſpuͤren laſſen. Jch bin verſichert,
M 2daß
[180] daß bei dergleichen heftigen Funken der Hr. N. N.
das wiederholte Kuͤſſen mit ſeiner veneranda Venere
wol haͤtte ſollen bleiben laſſen.
Was mir bei dieſem allen am merkwuͤrdigſten
zu ſeyn ſcheinet, iſt: daß ſich dieſe ſtarke Wuͤrkung
nicht anders als in der Hand zeigen wolle. Kein
Spiritus wird ſich, wenn er auf dem Tiſche ſtehet, zuͤn-
den laſſen. Electriſire ich das gemeldete Jnſtrument
noch ſo ſtark, ſetze es auf den Tiſch und halte den
Finger daran, ſo erfolget kein Funken, ſondern nur
ein feuriges Ziſchen. Nehme ich die Kugel ohne ſolche
von neuen zu electriſiren wieder in die Hand, ſo aͤuſert
ſich die vorige Staͤrke. Jch weiß nicht, ob die Herren
Phyſici hierauf bereits haben acht gehabt.
Endlich gehoͤret noch zum electriſchen Zeitvertreib:
Wenn ich eiſerne Naͤgel in eine fortpflanzende Mate-
rie ſetze, daß ſolche mit den Koͤpfen dicht aneinander
reichen und Buchſtaben formiren. Electriſire ich den
einen aͤuſerſten Nagel, und halte an dem andern aͤuſer-
ſten den Finger, ſo ziehet ſich das Electr. Feuer durch
alle Nagelkoͤpfe und ſtellet auf einen Augenblick lau-
fende Namen vor ꝛc.
P. S. Waͤhrenden Schreiben gedenke ich an eine
kleine Kugel von einen Thermometro, um es damit gleich-
fals zu verſuchen. An ſolcher laſſe ich die Roͤhre 4 Zoll
lang, fuͤlle die Kugel halb mit Waſſer, ſetze einen Drath,
woran oben eine kleine bleierne Kugel befeſtiget, daran, et-
wa in dieſer Form, Tab. III. Fig. 3. fange an zu electriſiren,
und erhalte mehr Staͤrcke als mit einen Medecin Glaͤs-
chen. Der Schlag iſt heftig, zuͤndet Spiritum ohne
Schwierigkeit an, wenn ich auch 100. Schritt zuvorhero
damit
[181] damit weggehe. Das Gefaͤß worinne der Spiritus muß et-
was breit ſeyn, denn ſonſten der Funken in das Metall
hinein ſchlaͤget, das Jnſtrument muß ſolange electriſiret
werden, bis es nicht mehr ziſchet. Das iſt eine Anzeige
daß keine electr. Materie mehr darinnen beſindlich, ſon-
dern nach den Waitzſchen principiis alle ausgeſogen iſt.
Appendix A.3 Das andere Schreiben.
Ew. Hochedelgebl. entſchuldigen ſich wegen
der ſpaͤten Antwort, auf eine ſo verbindli-
liche Art, daß ich Dero geehrte Zuſchrift anitzo hoͤ-
her ſchaͤtzen muß, als wenn ſelbige ſogleich erfolget
waͤre. Es gereichet mir zu einen beſondern Ver-
gnuͤgen, daß meine geringe electriſche Expe-
rimenta,Denenſelben nicht unangenem geweſen
ſeyn. Wenn nur nach meiner Vorſchirft verfahren
wird, ſo muͤſſen ſelbige ohne die geringſte Schwierig-
keit von ſtatten gehen. Die Danziger phyſicaliſche
Geſellſchaft ſchreibet mir, daß es ihnen gleichfals
damit nicht nach Wunſch gluͤcken wolle, ſchlieſſen da-
hero, daß meine electr. Kugeln von beſonderer Kraft
ſeyn muͤſſen. Vor mein Theil weiß ich nicht, wie
weit ſolches gegruͤndet ſey, indem ich niemalen eine an-
dere electriſche Machine, als die meinige geſehen habe,
mithin von Staͤrke und Schwaͤche zu urteilen nicht
voͤllig im Stande bin. Sonſten deucht mir, daß zu
den Erfahrungen dieſer ſehr merkwuͤrdigen Natur-
begebenheit, gar geringe Werkzeuge erfordert wer-
den. Jch habe kleine Reiſe-Machinen verfertigen
laſſen, welche mit allen Zubehoͤr nur 1 Louisd’or zu
M 3ſtehen
[182] ſtehen kommen. Ein paar 8. Zoll hohe mit Spitzen
und Schrauben verſehene eiſerne Stangen nebſt einen
ſtaͤlernen Rappier zu einen Drehbogen, Glaß und klei-
ne Stative, iſt alles was man hiezu gebrauchet.
Dieſe kleine Saͤulen werden auf Holzſchrauben an
eine Bank, feſt ſtehenden Tiſch u. d. gl. befeſtiget.
Das Viereck worauf man tritt, iſt mit keinen blauſei-
denen Schnuͤren bezogen, ſondern ruhet auf 4. einge-
kuͤteten Stirnglaͤſern ꝛc. Ew. Hochedelgeb. durch
Nachdenken herausgebrachte Betrachtung, warum
zu Eißleben in einen Zimmer alle darinnen befindli-
che Perſonen electriſirt worden, iſt ſehr ſinnreich.
Bei meinen Gemaͤchern findet ſich dieſes, aber auch
die Wirkung nicht, daß die Electrification dergeſtalt
erfolgen ſolte. Jedoch werde ich hiedurch zu meinem
Vergnuͤgen auf einen etwas aͤhnlichen Fall und deſ-
ſen Aufloͤſung gebracht, da ich zu gewiſſen Zeiten ver-
merkte, daß ſich die electriſche Kraft weiter als ſonſten
gewoͤnlich erſtrekte. Mein Nachſinnen darbei iſt bis-
anhero ohne Nutzen geweſen: anitzo aber merke, daß
dieſe Wirkung ſich aͤuſſere, wenn die dicken aus
Pferd- und Ziegenhaaren gewuͤrkten Fußtapeten in
dem Gemache befindlich ſeyn. Bei den Schlacken
faͤlt mir nur noch der Zweifel ein, daß die Ring-
mauern und Scheidewaͤnde, womit doch der Fußbo-
den notwendig verbunden iſt, dergleichen Schlacken
zu ihrem Grunde nicht haben koͤnnen.
Letzthin habe ich eines kleinen electr. Jnſtruments,
beſtehend aus einer Thermometer-Roͤhre ꝛc. Erwe-
nung gethan. Hiemit laͤſſet ſich Spiritus Vini derge-
ſtalt
[183] ſtalt electriſiren, daß man ſelbigen durch die Finger
anzuzuͤnden vermoͤgend iſt. Der mit warmen Spi-
ritu gefuͤllete Loͤffel wird uͤber ein trockenes Glaß ge-
ſetzet, das ſtarke electriſirte kleine Jnſtrument an den
Loͤffel, und den trockenen Finger uͤber den Spiritum
gehalten, ſo zeiget ſich die Flamme den Augenblick.
Mehr als ein-hoͤchſtens zweymal, laͤſſet ſich damit
nicht zuͤnden, es muß allemal von friſchen electriſiret
werden. Der Spiritus kan in einen andern Gema-
che befindlich ſeyn, indem die in der kleinen Kugel,
befindliche electriſche Kraft noch nach einigen Minu-
ten zu zuͤnden faͤhig iſt. Jnzwiſchen bleibet die vor-
hin gemeldete Erfarung allezeit einerlei, daß der
Schlag ſchwach ſey, und kein Spiritus ſich wolle zuͤn-
den laſſen, wenn das Gefaͤſſe nicht in der Hand ge-
halten, oder damit nicht beruͤhret wird. Haͤlt man
dieſes Electr. Thermometer ein auf bloſer Decke
ſtehenden Menſchen an die Hand, nachdem man ihm
vorhero den Finger auf die Stirne geleget, ſo wird er
nach der Staͤrke des Schlages, auch die Erſchuͤtterung
im Kopfe empfinden.
Electriſire ich ein breites ſtaͤlernes Lineal auf ge-
woͤnliche Art und ſetze das blecherne Gefaͤß mit Spi-
ritu darauf, ſo will ſich ſelbige nicht eher durch den
Finger entzuͤnden laſſen, ehe und bevor ich durch An-
halten des Electr. Therm. die Electricitaͤt verſtaͤrket
habe.
Vielleicht findet ſich jemand in Halle, der weniger
als Ew. Hochedelgeb. zu thun hat, und die gemel-
M 4dete
[184]Erklaͤrung der Kupfertafeln.
dete Experimente nachzumachen ſich die Muͤhe neh-
nehmen will: kan ich davon einige Nachricht haben,
ſo gereichet es mir zu einen groſen Vergnuͤgen, und ich
verſichere dagegen mit ergebenſter Hochachtung alle-
mal zu ſeyn ꝛc.
Appendix B Etklaͤrung der Kupfertafeln.
Appendix B.1 Die erſte Tafel.
Appendix B.1.1 Die erſte Figur.
Dieſe Figur ſtellet einen Planeten fuͤr, welcher
ſich entzuͤndet hat, und alſo nach Whiſtons
Meinung in einen Cometen verwandelt worden
iſt. Seine Atmoſphaͤre iſt ſehr groß und mit Duͤn-
ſten erfuͤllt, daher die beyden Sonnenſtrahlen A B und
C D gegen den aus den Mittelpunct des Planetens ge-
zogenen Perpendicul gebrochen werden, in E durch
ſchneiden ſie einander, und wenn ſie gegen F und G aus-
einander fahren, ſo erleuchten ſie die in dieſem Raume
befindlichen Duͤnſte und bringen ſolchergeſtalt den Schwanz
des Cometens hcrvor.
Appendix B.1.2 Die andere Figur.
Zeigt wie eine Wuͤnſchelruthe muß gehalten werden.
Appendix B.2 Die andere Tafel.
Appendix B.2.1 Die erſte Figur.
Dieſe Figur bildet das Ruͤcken oder die Zerruͤttung
des Schieferfloͤtzes in den Mansfeldiſchen Berg-
werken
[185]Erklaͤrung der Kupfertafeln.
werken ab. Der Floͤtz wird durch das ſchwarz ſchattirte
angedeutet.
Appendix B.2.2 Die andere Figur.
Jn dieſer Figur iſt ein auſſerordentlich ſchoͤner Kopf ei-
nes Fiſches, welcher ſich auf einen Pappenheimiſchen
weislichten Schiefer befindet. Welchen Schiefer mein
wertheſter Freund und College der Herr Prof. Lange
in ſeiner ſchoͤnen Sammlunge zu derer in Mineral- und
Steinreich gehoͤrigen Sachen beſitzt.
Appendix B.2.3 Die dritte Figur.
Zeigt die Graͤten eines Fiſches auf einen Pappenhei-
miſchen Schiefer, welcher ſich ebenfalls in den Cabinet-
te des Herrn Prof. Langens befindet. Es iſt dabey merk-
wuͤrdig, daß man in dieſen weiſſen Schiefern immer nur
die Graͤten alleine antrifft. Jch ſchreibe ſolches der Kalk-
artigen Erde dieſer Schiefer zu, welche das Fleiſch ver-
zehrt hat.
Appendix B.3 Die dritte Tafel.
Appendix B.3.1 Die erſte Figur.
Hier ſehen wir einen ganzen und vollkommenen Fiſch,
welcher ſich in einen Eißlebiſchen Kupferſchiefer befin-
det.
A Jſt die cryſtalliniſche Feuchtigkeit, welche erhaben iſt,
und wenn man daran ſchlaͤget weis ausſieht, wie bey ge-
kochten Fiſchen.
B Zeiget das Fleiſch dieſes Fiſches, welches ebenfalls wie
bey den gekochten lauter geſchobene Vierecke vorſtellt.
C Zeigt einige Muſceln.
Die
[186]Erklaͤrung der Kupfertafeln.
Appendix B.3.2 Die andere Figur.
Hier erblicken wir die am Schwanze der verſteinerten
Fiſche befindliche Muſceln, wie ſie nach dem Original
abgezeichnet ſind.
Appendix B.3.3 Die dritte Figur.
Beziehet ſich auf die beygefuͤgten Brieffe von der Electri-
taͤt.
Appendix C Druckfehler, wie ſie zu aͤndern.
- Pag. 29. lin. 5. vor aber aber
- - - lin. 18. haͤtte haͤtten.
- p. 41. lin. 26. faͤßlich faßlich.
- p. 48. lin. 30. ſchwerer ſchwererer.
- p. 64. lin. 9. dem den
- p. 65. lin. ult. denen dem
- p. 82. lin. 25. myrtenfaͤrbige myrtenfoͤrmige
- p. 95. lin. 30. Leinen Leimen
- p. 100. lin. 31. Wahrheit Wahrheiten.
- p. 105. lin. 34. Strahlen, Strahlen in Hagelkoͤr-
- p. 142. lin. 22. ſie ihn
- (nern
- Rechtsinhaber*in
- Kolimo+
- Zitationsvorschlag für dieses Objekt
- TextGrid Repository (2025). Collection 3. Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Geschichte der Erde in den allerältesten Zeiten. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpw4.0