des
Erd-Coͤrpers
aus ſeinen aͤuſſerlichen
und unterirdiſchen Beſchaffenheiten
hergeleitet und erwieſen.
Bey Chriſtian Friedrich Himburg.
[[II]][[III]]
Vorrede.
Eine Geſchichte iſt eine glaubwuͤrdi-
ge Erzehlung von dem Uhrſprunge
und Fortgange einer Sache, oder
von denen Veraͤnderungen, ſo
ſich mit derſelben zugetragen haben. Es giebt
demnach wenig Dinge, ſie moͤgen moraliſche, gei-
ſtige oder coͤrperliche Weſen ſeyn, von welchen
man nicht eine Geſchichte ſchreiben koͤnnte; ſo
bald man nur zuverlaͤßige Nachrichten von ih-
rem Uhrſprunge, Fortgange und denen ſich dabey
ereigneten Veraͤnderungen hat.
Jn der That iſt auch faſt kein Gegenſtand
uͤbrig, von dem man nicht bereits Geſchichts-
beſchreibungen geliefert haͤtte. Außer denen Ge-
ſchichten aller Voͤlker und Staaten, außer der
Kirchen- und Gelehrten-Geſchichte, die man auf
a 2alle
[IV]Vorrede.
alle einzelne Wiſſenſchaften erſtrecket hat; außer
der Geſchichte der Natur in allen ihren drey Rei-
chen, und in beſondern Theilen eines jeden Na-
turreiches hat man den Verſtand, den Witz und
das Herz des Menſchen zu Gegenſtaͤnden der Ge-
ſchichte erwaͤhlet. Man hat ſo gar von Din-
gen Geſchichten verfertiget, von deren Uhrſprun-
ge und erlittenen Veraͤnderungen uns wenig
oder gar nichts bekannt iſt. Man hat eine Ge-
ſchichte des Himmels, eine Geſchichte des Teu-
fels, und wer weis was ſonſt noch vor Geſchich-
ten geſchrieben.
Es iſt daher um ſo mehr zu verwundern, daß
noch niemand darauf gefallen iſt, eine Geſchich-
te unſers Erdcoͤrpers zu ſchreiben. Es iſt die-
ſes gleichwohl ein angelegentlicher Gegenſtand
vor die Wiſſensbegierde der Menſchen. Die-
ſer Erdcoͤrper iſt es, deſſen Oberflaͤche wir be-
wohnen, auf welchem wir herumwallen, und
auf welchem ſo viele große und wichtige Bege-
benheiten vorgehen. Dieſer Erdklumpen, die-
ſer Planet, auf welchen uns die Vorſehung ge-
ſetzet hat, damit ein jeder Menſch als auf ei-
nem großen Schauplatze ſeine Rolle auf demſel-
ben ſpielen ſolle, iſt aber allerdings ein Ge-
genſtand,
[V]Vorrede.
genſtand, welcher einer vollkommenen Geſchichts-
beſchreibung faͤhig iſt; er hat ohngezweifelt ſeinen
Uhrſprung und Anfang gehabt; es ſind mit dem-
ſelben, wenn man dieſen großen Coͤrper bloß an
ſich ſelbſt betrachtet, ohne die auf demſelben vor-
gegangenen Begebenheiten zum Vorwurf der Ge-
ſchichtserzehlung zu nehmen, als welche zur Ge-
ſchichte des Erdcoͤrpers eigentlich nicht gehoͤren,
erſtaunliche Veraͤnderungen, Verwuͤſtungen und
Umformungen vorgegangen. Von einem Theile
dieſer Veraͤnderungen haben wir zuverlaͤßige
Nachrichten in der allgemeinen Geſchichte; von
dem andern und groͤßern Theile dieſer Veraͤnde-
rungen aber finden wir in denen aͤußerlichen und
unterirdiſchen Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers
ſo viele deutliche Spuhren und Kennzeichen, die
eben ſo zuverlaͤßig ſind, als ohngezweifelte Uhr-
kunden und Denkmaͤhler. Es iſt wahr, dieſe
Spuhren und Merkzeichen von ſo vielen mit un-
ſerm Erdcoͤrper vorgegangenen Veraͤnderungen
ſind in vielen Schriften zerſtreuet. Allein, das
kann vor einen Geſchichtſchreiber keine Hinterniß
abgeben. Es iſt allemahl ſeine Pflicht, die zer-
ſtreueten Uhrkunden zu ſammeln, die er zu dem
Gegenſtande ſeiner Geſchichte noͤthig hat.
a 3Jch
[VI]Vorrede.
Jch habe mich der Arbeit, eine Geſchichte
unſers Erdcoͤrpers zu ſchreiben, unterzogen, in
welcher ich noch keinen Vorgaͤnger gehabt habe;
und ich lege hiermit der Welt dieſe Geſchichte
vor Augen, welche ſowohl in Anſehung ihres
Gegenſtandes, als in denen an ſich ſelbſt ſehr
richtigen Folgen und Schluͤſſen, die ich aus
denen Spuhren und Merkzeichen ſo vieler mit
dem Erdcoͤrper vorgegangenen Veraͤnderungen ge-
zogen habe, aller vernuͤnftigen Leſer beſondere
Aufmerkſamkeit zu erregen faͤhig iſt. Man
wird mit Verwunderung, und vielleicht nicht ohne
Vergnuͤgen, die erſtaunlichen Veraͤnderungen und
Verwuͤſtungen leſen, die unſer ſehr alter Erd-
klumpen bereits erlitten hat. Jch habe mich be-
muͤhet, alles was ich hier vortrage, außer
Zweifel zu ſetzen, und alle Einwuͤrfe zu wider-
legen, die man etwan gegen die Folgen und
Schluͤſſe machen koͤnnte, die ich aus meinen Uhr-
kunden, nehmlich aus denen Spuhren und Merk-
zeichen der Verwuͤſtungen des Erdcoͤrpers herge-
leitet habe.
Da eine vollſtaͤndige Geſchichte ohnſtreitig
erfordert, daß der Anfang und Uhrſprung des-
jenigen Gegenſtandes, deſſen Geſchichte man be-
ſchreiben
[VII]Vorrede.
ſchreiben will, ausfuͤhrlich vorgeſtellet und er-
zehlet werde; ſo habe ich meiner Geſchichte des
Erdcoͤrpers in der Einleitung ein neues Syſtem
von der Schoͤpfung vorausgeſetzet, das nicht
allein einen richtigen Zuſammenhang und große
Wahrſcheinlichkeit hat; ſondern auch mit der
Offenbahrung ſehr wohl uͤbereinſtimmet, wie ich
unten im zehenten Abſchnitte umſtaͤndlich gezei-
get habe. Jch kann dieſes Syſtem allerdings
neu nennen, obgleich einige Theile deſſelben be-
reits von beruͤhmten Gelehrten angenommen und
gelehret worden ſind.
Der Herr von Leibnitz und andere beruͤhm-
te Gelehrte haben bereits in ihren Schriften an-
genommen, daß alle Haupt- nnd Nebenplane-
ten unſers Sonnenſyſtems losgeriſſene Stuͤcke
von dem Sonnenklumpen ſind. Allein, ſie ha-
ben dieſes weder genugſam erlaͤutert und auf ei-
nige Art wahrſcheinlich gemacht, wie dieſe Los-
reißung durch natuͤrliche Erfolge ſich hat erei-
gnen koͤnnen; noch haben ſie behauptet, daß auch
die Cometen weiter nichts als losgeriſſene Stuͤ-
cke von dem Sonnenklumpen waͤren. Man
kannte damahls die Cometen noch ſehr wenig,
und wußte nicht, was man aus ihrem Schweife
a 4machen
[VIII]Vorrede.
machen ſollte. Eben ſo wenig getrauete man
ſich zu behaupten, daß die Cometen lediglich zu
unſerm Sonnenſyſtem gehoͤreten, und um keine
andere als unſere Sonne ihren Lauf bewerk-
ſtelligten.
Dasjenige, was ich von dem Weſen Gottes
in meinem Syſtem angenommen habe, ruͤhret
eigentlich von dem großen Newton her. Die-
ſer große Geiſt, und alle ſcharfſinnige engliſche
Weltweiſen mit ihm, ſind der Meynung gewe-
ſen, daß Gott und der Raum ganz einerley ſey,
und daß der Raum Gott, oder Gott der Raum
ſelbſt ſey; und dieſe Meynung haben ſie mit
ſtarken und zureichenden Gruͤnden unterſtuͤtzet.
Jndeſſen glaube ich doch in meinem Syſtem noch
ganz neue und ſtarke Gruͤnde vor dieſes Lehrge-
baͤude hinzugefuͤget zu haben, die weiter keinen
Zweifel uͤbrig laſſen, dieſer von vielen einſichts-
vollen Gelehrten bereits angenommenen und er-
kannten Wahrheit beyzupflichten.
Jch befuͤrchte ſo wenig von allzu eifrigen
Geiſtlichen dieſer Meynung halber verketzert zu
werden, daß ich vielmehr glaube, es verdiene kein
anderes Lehrgebaͤude von vernuͤnftigen Geiſtlichen
ſelbſt
[IX]Vorrede.
ſelbſt mehr angeprieſen und befoͤrdert zu werden,
als eben dieſes. Nichts iſt ſo faͤhig, das We-
ſen Gottes und ſeiner allervollkommenſten Eigen-
ſchaften, ſeine Allmachr, ſeine Allwiſſenheit, ſeine
Allgegenwart, und die Art und Weiſe, wie ſeine
unendliche Macht in die Materie wirken kann,
dem menſchlichen Verſtande begreiflich zu machen;
und nichts kann dem Menſchen erhabnere Begrif-
fe von dem unendlichen Weſen Gottes einfloͤßen,
als eben dieſes Syſtem. Kein anderes Lehrge-
baͤude iſt auch vermoͤgend, eine ſo wahrhaftige
und tiefe Verehrung gegen Gott in dem Men-
ſchen zu erregen, als wenn man einmahl uͤber-
zeuget iſt, daß Gott nicht etwan aus einer un-
erkannten Eigenſchaft deſſelben unſere Handlun-
gen nur von weitem betrachtet, ſondern daß er
ſelbſt weſentlich allezeit um uns gegenwaͤrtig iſt,
und daß alle unſere Handlungen und Schrit-
te in ihm ſelbſt und in ſeinem Weſen vor-
gehen.
Jch habe viele angeſehene Maͤnner von Ver-
dienſt und Einſicht geſprochen, welche auf ih-
ren Reiſen den beruͤhmten Newton und Clarke
haben perſoͤhnlich kennen lernen. Unter andern
kann ich hier den wuͤrdigen im vorigen Jahre
a 5ver-
[X]Vorrede.
verſtorbenen Roͤmiſch-Kaiſerlichen geheimden
Rath und Nieder-Oeſterreichiſchen Landmar-
ſchall, Herrn Baron von Moſer, benennen,
welcher bey ſeinem Aufenthalt in England in
ſeinen juͤngern Jahren mit dem beruͤhmten
Newton und Clarke eine perſoͤhnliche Bekannt-
ſchaft unterhalten hat. Dieſer Herr, ſo wie
verſchiedene andere, haben mich verſichert, daß
niemand eine ſo große und wahrhaftige Vereh-
rung gegen Gott bezeuget habe, als dieſe zween
beruͤhmten Englaͤnder. Niemahls haͤtten ſie
den Nahmen Gottes ausgeſprochen, ohne eine
ganz ausnehmende Ehrfurcht, und in ihrem gan-
zen Weſen eine Ruͤhrung ohne Grenzen dabey zu
Tage zu legen.
Man ſiehet nicht, daß dieſer Lehre von dem
Weſen Gottes gegruͤndete Einwuͤrfe entgegen-
geſetzet werden koͤnnten, oder daß daraus Fol-
gerungen zu ziehen waͤren, die denen erhaben-
ſten Begriffen von der Gottheit nicht vollkom-
men gemaͤß erachtet werden koͤnnten. Jch
weis zwar wohl, daß einige Bedenken getra-
gen haben, bloß deshalb dieſe Meynung anzu-
nehmen, weil alsdenn alles Boͤſe, alle Miſſe-
thaten und ſo viele Greuel der Bosheit, die in
der
[XI]Vorrede.
der Welt vorgehen, alsdenn in Gott ſelbſt und
in ſeinem Weſen geſchehen muͤßten. Jch ſelbſt
habe ehedem dieſen Einwurf vor ſtark gehal-
ten, und mich dadurch abhalten laſſen, dieſe
Meynung des großen Newtons ſchon laͤngſt
anzunehmen. Allein, wenn man die Sache
genau erwaͤget; ſo iſt dieſer Einwand keineswe-
ges ſo wichtig, als er auf den erſten Anblick zu
ſeyn ſcheinet.
Gott, als das allerweiſeſte Weſen, kann
dieſe Welt nicht zur Wirklichkeit gebracht haben,
ohne ſich vorher einen Plan oder Entwurf von
allen Reihen und Folgen von Begebenheiten in
ſeinem unendlichen Verſtande gemacht zu haben,
die in der Welt vorgehen ſollten. Alles Uebel,
alles Boͤſe, das in der Welt geſchiehet, iſt
demnach in dieſem ſeinem Entwurfe bereits uͤber-
dacht und uͤberleget worden. Man kann eben
ſo wenig leugnen, daß Gott, als das allerguͤ-
tigſte und gerechteſte Weſen, in ſeinem Plan ſo
wenig Boͤſes, als nur moͤglich war, zugelaſſen
hat, und zwar nur dasjenige, was bey dem
eingeſchraͤnkten Weſen der Creaturen unvermeid-
lich war. Eben ſo wenig kann man zweifeln,
daß Gott aus allem zugelaſſenen Boͤſen ſo viel
Gutes
[XII]Vorrede.
Gutes in dem Zuſammenhange der Welt hat fol-
gen laſſen, als ſeine Weisheit nur immer ein-
richten konnte. Wenn demnach alles Boͤſe
aus Gottes Zulaſſung und weiſer Abſicht ge-
ſchiehet; wenn dieſes Boͤſe bereits vor der Exiſtenz
der Welt in dem unendlichen Verſtande Gottes
uͤberdacht und uͤberleget worden; warum ſollte
es denen erhabenſten Eigenſchaften der Gottheit
vor nachtheilig erachtet werden koͤnnen, daß die-
ſes zugelaſſene Boͤſe in ihm ſelbſt und in ſeinem
Weſen vorgehet? So wenig die Zulaſſung des
Boͤſen denen Eigenſchaften Gottes nachtheilig iſt,
eben ſo wenig kann es denen Begriffen von de-
nen vollkommenſten Eigenſchaften Gottes zuwi-
der ſeyn, daß dieſes Boͤſe in ihm ſelbſt geſchie-
het. Der Verſtand erkennet hier nichts, was
mit denen Vollkommenheiten der Gottheit in ei-
nigem Widerſtreit ſtehen koͤnnte.
Was meine Geſchichte des Erdcoͤrpers ſelbſt
anbetrifft; ſo iſt dieſelbe allenthalben aus un-
leugbaren Spuhren und Kennzeichen von unzaͤhl-
baren Veraͤnderungen, die in einem unermeßli-
chen Zeitlaufe von Jahren mit unſern Planeten
vorgegangen ſind, hergeleitet; und ich habe mich
bemuͤhet, dieſelbe mit einer Menge von Zeug-
niſſen
[XIII]Vorrede.
niſſen und Beweiſen zu unterſtuͤtzen. Jch laͤug-
ne gar nicht, daß dieſe Beweiſe noch um die
Haͤlfte haͤtten vervielfaͤltiget werden koͤnnen,
wenn man alle zerſtreuete Nachrichten in denen
Schriften der Naturforſcher, in denen Abhand-
lungen gelehrter Geſellſchaften, und in denen
Journalen haͤtte ſammlen wollen. Allein, die
in dieſem Werke beygebrachten Nachrichten koͤn-
nen ſchon zureichend ſeyn, die darinnen vorge-
tragenen Wahrheiten zu unterſtuͤtzen und zu be-
kraͤftigen.
Viele von ſolchen Begebenheiten, welche
von denen mit unſerm Erdcoͤrper vorgegangenen
Veraͤnderungen die offenbareſten Zeugniſſe able-
gen, werden nicht einmahl denen Gelehrten ge-
nugſam bekannt; weil es oͤfters an einer Feder
fehlet, welche ſich die Muͤhe giebt, ſolche der Welt
mitzutheilen. Jch habe bereits nach Verferti-
gung dieſer Geſchichte einige Vorfaͤlle erfahren,
die ſich in hieſigen Gegenden ereignet haben, und
die zu merkwuͤrdig ſind, als daß ich ſie bey dieſer
Gelegenheit denen Liebhabern der Naturkunde
vorenthalten ſollte.
Als vor ſiebenzehn Jahren das Eiſenhuͤtten-
werk Vietze, zwiſchen Cuͤſtrin und Landsberg an
der
[XIV]Vorrede.
der Warthe, angeleget wurde; ſo war der erſte
Factor deſſelben, Nahmens Braun, aus dem
Braunſchweigiſchen gebuͤrtig, bemuͤhet, die Sand-
und Leimenberge zwiſchen Vietze und gedachtem
Landsberg unterſuchen zu laſſen, ob ſich nicht et-
wan darinnen Eiſenſtein, Fluß zum Eiſenſchmel-
zen, oder Sandſteine zu Geſtellen des hohen
Ofens vorfinden moͤchten. Jn allen andern
Bergen fand ſich nichts, was ſeinen Abſichten
gemaͤß war. Allein, in einem Berge bey dem
Dorfe Webpritz, eine kleine Meile von Lands-
berg an der Warthe abgelegen, wurde eine gelbe
Erde entdecket, die nicht allein etwas eiſenhaltig,
ſondern auch ſehr leichtfluͤßig war, und mithin
als ein Zuſatz zum Fluß gebrauchet werden konn-
te. Es wurde demnach in dieſen Berg weiter
eingegraben; und als man ohngefehr fuͤnf bis
ſechs Lachtern an dem Fuße deſſelben in den Berg
fortgegraben hatte; ſo fand man einen verſtei-
nerten Hirſch in allen Theilen ſeines Coͤrpers zu-
ſammenhaͤngend, mit ſeinen Geweyhen und gan-
zen Coͤrper alles verſteinert darinnen. Was
aber das Merkwuͤrdigſte war; ſo ſtand dieſer
Hirſch auf ſeinen Fuͤßen vollkommen aufrecht,
und allenthalben mit gelber Erde umgeben. Der
verdienſtvolle Prediger zu Vietze, Herr Hoff-
mann,
[XV]Vorrede.
mann, hat ſelbſt ein Stuͤck von dem verſteiner-
ten Geweyhe dieſes Hirſches beſeſſen, welches ihm
zur Zeit der Rußiſchen Einfaͤlle in die Neumark
von Haͤnden gekommen.
Daß dieſer Hirſch verſteinert auf ſeinen Fuͤſ-
ſen noch vollkommen aufrecht geſtanden hat, ver-
dienet einige Betrachtung. Es laͤßt ſich dieſer
Umſtand auf keine andere Art erklaͤhren, als daß
dieſer Hirſch von einer großen Ueberſchwemmung,
die viel Erde und Schlamm mit ſich gefuͤhret hat,
iſt uͤbereilet, und bald Anfangs mit Erde und
Schlamm bedecket worden. Da aber der Hirſch
noch gelebet hat; ſo hat er ſich bemuͤhet, ſich wieder
aufzuhelfen, und auf ſeine Fuͤße zu gelangen. Es
iſt ihm dieſes gelungen, da der Schlamm noch
weich geweſen, und ſich noch nicht feſt auf einan-
der geſetzet gehabt. Allein, aus einem Berge
von Schlamm ſich gaͤnzlich heraus zu arbeiten, iſt
ihm ohnmoͤglich geweſen; und da er ſich gaͤnzlich
entkraͤftet gehabt und geſtorben; ſo hat ſich indeſ-
ſen der Schlamm immer feſter zuſammengeſetzt, ſo,
daß er nicht mehr umfallen koͤnnen, ſondern in
der aufrechten Stellung, wo er gefunden worden,
verbleiben muͤſſen.
Noch
[XVI]Vorrede.
Noch ein anderes Beyſpiel, welches beweiſet,
was vor erſtaunliche Veraͤnderungen mit unſerm
Erdcoͤrper vorgegangen ſind, und wie oft deſſen
Oberflaͤche bewohnt geweſen, wieder verwuͤſtet,
und mit einer Menge von Erdlagen und Schich-
ten bedecket worden, iſt folgendes, welches ſich
gleichfalls in hieſigen Landen vorgefunden hat.
Als man vor ohngefehr vierzehn Jahren in dem
Dorfe Braunsberg, unter das Amt Alt-Ruppin
gehoͤrig, ſo in der Mittelmark, unweit der Meck-
lenburgiſchen Grenze liegt, einen neuen Brunnen
verfertigen wollte, und da dieſes Dorf eine etwas
hohe Lage hat, zu dem Ende uͤber zweyhundert
Fuß tief in die Erde eingraben mußte; ſo fand
man ohngefehr hundert und ſechzig Fuß tief un-
ter der jetzigen Oberflaͤche des Erdbodens, und un-
ter einer Menge von Erd- und Steinlagen, einen
großen Haufen eichene Kerbſpaͤhne, die ſaͤmmtlich
verſteinert waren. Kerbſpaͤhne heißet man die-
jenigen, welche entſtehen, wenn man einen Baum
nahe an der Wurzel abhauet. Dieſe verſteiner-
ten Kerbſpaͤhne hatten ſaͤmmtlich die Figur ſol-
cher Spaͤhne; und waren theils groß, theils mit-
telmaͤßig, theils klein, nach der Maaße, wie tief
die Axt in den Baum eingetrungen war, und
niemand konnte zweifeln, ſo bald man ſie nur
betrach-
[XVII]Vorrede.
betrachtete, daß ſie nicht von Eichenholz geweſen
waͤren. Was vor einen unermeßlichen Zeitraum
muß man nicht vorausſetzen, welcher ſeit der Zeit
verfloſſen iſt, da dieſe Spaͤhne auf der Oberflaͤche
des Erdbodens gelegen haben, ehe ſie hundert und
ſechzig Fuß hoch mit ſo vielen Erd- und Stein-
ſchichten bedecket werden koͤnnen. Jedoch, der-
gleichen Beyſpiele werden ſich in der gegenwaͤrti-
gen Geſchichte viel mehr finden.
Um in dieſer Geſchichte nichts vorbey zu ge-
hen, was einigermaßen zu ihrem Gegenſtande ge-
rechnet werden kann; ſo habe ich auch in dem letz-
tern Abſchnitte von der Dauer der Welt gehan-
delt, und ich glaube, daß die Betrachtungen, die
ich daſelbſt angeſtellet habe, meinen Leſern zu ei-
nigem Vergnuͤgen gereichen werden. Jnſonder-
heit habe ich mich bemuͤhet, zu unterſuchen, in
wie weit durch natuͤrliche Erfolge in einem Son-
nenſyſtem Unordnungen und Zerruͤttungen ent-
ſtehen koͤnnen, welche den Untergang deſſelben,
oder einzelner Weltcoͤrper zu veruhrſachen im
Stande ſeyn moͤchten, oder was ſonſt vor Vor-
faͤlle moͤglich ſeyn koͤnnten, welche den Untergang
eines Planeten zu bewirken vermoͤgend waͤren.
Hier habe ich inſonderheit die eitele und thoͤrichte
bFurcht
[XVIII]Vorrede.
Furcht vor denen Cometen zu verbannen geſucht.
Man wird finden, daß es ſehr wahrſcheinlich iſt,
daß endlich jedes Sonnenſyſtem durch natuͤrliche
Erfolge ſeinen Untergang finden werde, und daß
alsdenn ein zweytes Chaos und eine zweyte Schoͤ-
pfung oder gaͤnzliche Umformung eines jeden
Sonnenſyſtems in einer viel ſchoͤnern und herrli-
chern Geſtalt erfolgen duͤrfte, ſo, wie ich gezei-
get habe, daß alles dieſes mit der Offenbahrung
vollkommen uͤbereinſtimmet. Geſchrieben zu
Cuͤſtrin in der Neumark den 25ſten Maͤrz 1771.
[]
Jnnhalt.
Einleitung.
Von der Natur und Weſen des ganzen
Weltgebaͤudes und der einzelnen Weltcoͤr-
per Seite 1
Erſter Abſchnitt.
Von dem Unterſchiede und der Beſchaffenheit
der Gebtrge auf dem Erdcoͤrper, und wie dar-
aus ein ſehr hohes Alterthum geſchloſſen wer-
den muͤſſe 41lb/\>Zweyter Abſchnitt.
Von denen verſchiedenen Erdlagen oder Schich-
ten des Erdcoͤrpers bis zu einer großen Tiefe,
und was daraus in Anſehung des Alterthums
des Erdcoͤrpers zu folgern ſey 77lb/\>Dritter Abſchnitt.
Von denen Spuhren und Kennzeichen, daß un-
ſer Erdcoͤrper ehedem im Brande geſtanden,
b 2und
[]Jnnhalt.
und ob man daraus ſchließen muͤſſe, daß
er einmahl eine Sonne oder ein brennender
Comet geweſen S. 100
Vierter Abſchnitt.
Erweis, daß in dem Mittelpunct der Erde ein
unterirrdiſches Feuer iſt, und daß von demſel-
ben die meiſten Felſengebirge uͤber die Ober-
flaͤche der Erde empor getrieben werden 122lb/\>Fuͤnfter Abſchnitt.
Von der ehemahligen Veraͤnderung der Pole und
Himmelsgegenden auf dem Erdcoͤrper, und
daß Teutſchland meiſtens ein Land ohnweit
der Linie geweſen ſeyn muͤſſe 157lb/\>Sechſter Abſchnitt.
Erweis, daß das Meer zu verſchiedenen Mahlen
ſeine Stelle veraͤndert, und daß dasjenige
Meer geweſen iſt, was jetzo das feſte Land
ausmacht 193lb/\>Siebender Abſchnitt.
Erweis, daß die Oberflaͤche der Erde zu verſchie-
denen Mahlen bewohnt geweſen, und durch
allgemeine Umformungen und Verwuͤſtungen
wiederum
[]Jnnhalt.
wiederum gaͤnzlich entvoͤlkert worden, ehe noch
unſere jetzige Zeitrechnung ihren Anfang ge-
nommen hat S. 228
Achter Abſchnitt.
Von denen Verſteinerungen, ſo unter der Erde
gefunden werden, und wie man daraus ein
hohes Alterthum des Erdeoͤrpers urtheilen
muͤſſe 258lb/\>Neunter Abſchnitt.
Widerlegung derjenigen Einwuͤrfe, welche der-
gleichen Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers von
der Suͤndfluth herleiten wollen 276lb/\>Zehnter Abſchnitt.
Wie die in der Bibel beſchriebene Schoͤpfung und
Zeitrechnung mit dieſem großen Alterthume des
Erdcoͤrpers zu vereinigen ſey 296lb/\>Eilfter Abſchnitt.
Von der Dauer der Welt, und ob dem ganzen
Weltgebaͤude, oder beſondern Weltcoͤrpern der-
einſt der Untergang, oder eine gaͤnzliche Ver-
nichtung bevorſtehe 323lb/\>b 3Erſtes
[]Jnnhalt.
Erſtes Hauptſtuͤck. Jn wie weit in einem Son-
nenſyſtem Unordnungen, Zerruͤttungen oder
natuͤrliche Erfolge entſtehen koͤnnen, welche den
Untergang des Sonnenſyſtems oder einzelner
Weltcoͤrper zu bewirken vermoͤgend ſind S. 326
Zweytes Hauptſtuͤck. Von der vermuthlichen
Abſicht Gottes in Anſehung der Dauer des
Weltgebaͤudes, und in wie weit die Unordnun-
gen und Zerruͤttungen in andern Sonnenſy-
ſtemen auf den Untergang der andern einen
Einfluß haben koͤnnen 352lb/\>Drittes Hauptſtuͤck. Von dem Untergange der
Welt nach der Offenbahrung, und in wie weit
ſolcher mit denen vorhin vorgetragenen Saͤtzen
uͤbereinſtimmet 373
Geſchichte
[]
Geſchichte
des
Erd-Coͤrpers.
[][[1]]
Einleitung.
Von der Natur und Weſen des ganzen
Weltgebaͤudes und der einzelnen Welt-
koͤrper.
Der Menſch denket und empfindet.
Folglich iſt er dadurch klar uͤberzeu-
get, daß er iſt, oder exiſtiret. Eben
die ſinnlichen Werkzeuge verſchaf-
fen ihm auch die Ueberzeugung, daß er ſich in einer
Welt befindet. Sein Auge erkennet den herrlichen
Glanz der Sonne, und bewundert des Nachts den
Schimmer des Monden und unzaͤhliger Sterne, die
ſich in einem unermeßlichen Raume befinden, aber
ſo weit von ihm entfernet ſind, daß ſie ſeinen ſchwa-
chen Geſichtspunct unendlich uͤbertreffen.
Hieraus wird er alſo uͤberzeuget, daß er ſich in
einem unermeßlich großen Weltgebaͤude befinde. So-
Awohl
[2]Einleitung.
wohl ſein Auge, als uͤbrige ſinnlichen Werkzeuge, er-
kennen, daß ſein Fuß auf einem feſten Koͤrper wan-
dele. Sie empfinden die zuweilen angenehmen, zu-
weilen aber unangenehmen Wirkungen der Luft, des
Regens, der Waͤrme und Kaͤlte. Hieraus wird der-
ſelbe gar bald auf den Schluß gelenket, daß das-
jenige, wo er ſich aufhaͤlt, ein beſonderer Weltkoͤrper
und ein Theil des unermeßlichen Ganzen ſey, in
deſſen Betrachtung ſich ſein unzureichendes Auge ver-
liehret.
So eingeſchraͤnkt auch der menſchliche Verſtand
iſt, ſo iſt er doch geſchickt, immer von einer Erkennt-
niß zur andern fortzuſchreiten. Wenn er ſich in den
Zeiten ſeiner Einfalt und Kindheit ſehr uͤble, und zu-
weilen laͤcherliche Begriffe von denen unzaͤhligen Lich-
tern des Himmels machte, die ihm klare Naͤchte in
aller ihrer Pracht zeigten, ſo entdeckte er doch, nach
und nach, daß unter dieſem unzaͤhligen Heere der Ster-
ne ſich einige befaͤnden, welche ihre Stellen veraͤnder-
ten, und einen gewiſſen Lauf beobachteten; dahinge-
gen die meiſten unbeweglich ihren vorigen Ort des
Himmels beſtaͤndig beybehielten. Der Menſch er-
kannte bald, daß einige von dieſen beweglichen Ster-
nen einen richtigen, ordentlichen, und durch gewiſſe
Saͤtze beſtimmten Lauf beobachteten; andre aber in ih-
rer Laufbahn nicht eben die Ordnung und das uͤber-
einſtimmende Verhaͤltniß an ſich wahrnehmen ließen.
Man nennte dieſe Cometen; und den erſtern legte
man den Namen der Planeten bey; und man wurde
mit der Zeit gewahr, daß ſie ſich nach genauen Ge-
ſetzen um eben die Sonne bewegten, der unſer eige-
ner
[3]Einleitung.
ner Weltkoͤrper ſein Licht und Waͤrme zu danken hat.
Der Menſch lernete endlich ſein Auge mit Glaͤſern be-
waffnen, und durch dieſe Beyhuͤlfe mit ſeinem Ge-
ſicht in eine unermeßlich groͤßere Ferne einzudringen;
und er erkannte, daß ſich ſechs Hauptplaneten, und
zehen Nebenplaneten, die man Monden nennet, um
eine und eben dieſelbe Sonne mit einer großen Ord-
nung und Uebereinſtimmung bewegten; und daß hin-
gegen die Cometen, in Verhaͤltniß der Planeten, und
eben dieſe Sonne, einen ganz widrigen und unordent-
lichen Lauf beobachteten. Aus richtigen Schluͤſſen
von uͤbereinſtimmenden Verhaͤltniſſen lernte er endlich
einſehen, daß das ganze uͤbrige unermeßliche Heer der
Sterne, die man Fixſterne nennet, eben dergleichen
Sonnen waͤren, als die unſrige, und daß eine jede
ſolche Sonne in ihrem Weltſyſtem eben ſolche Plane-
ten um ſich haben wuͤrde, als ſich um unſre Sonne be-
wegen, die aber nur wegen der unbeſchreiblichen Ent-
fernung auch unſern bewaffneten Augen verborgen blie-
ben. Man zaͤhlet zwiſchen 20 bis 30000 ſolcher Son-
nen oder Fixſterne, und uͤberdies wird ein wohlgeruͤ-
ſtetes Auge in der ſogenannten Milchſtraße noch eine
unendliche Anzahl ſolcher Sonnen, jedoch wegen der
unermeßlichen Entfernung, nur mit geringer Klarheit
und Deutlichkeit gewahr.
Der menſchliche Verſtand, ſo ſehr er auch durch
Kenntniſſe verbeſſert iſt, ſtehet bey einer ſo unnennba-
ren Groͤße des ganzen Weltgebaͤudes gleichſam wie ent-
zuͤckt und betaͤubt vor Verwunderung ſtille.
Dieſe Groͤße uͤberſteiget | alles dasjenige unendlich,
was er ſich vor Grade und Verhaͤltniſſe an Groͤße,
A 2Weite,
[4]Einleitung.
Weite, Entfernung und Anzahl auszumeſſen er-
dacht hat; indeſſen erholet ſich der menſchliche Ver-
ſtand wieder. Die halb betaͤubte Verwunderung wird
von ſeiner unerſaͤttlichen Begierde zur Kenntniß und
zum Wiſſen vertrieben, und macht ſeiner Forſchbe-
gierde Raum, die Natur und das Weſen eines ſo
unermeßlichen Weltgebaͤudes naͤher kennen zu lernen.
Zwar ſein Verſtand iſt ſo eingeſchraͤnkt, daß er hier
wenig mit vollkommener Gewißheit und Ueberzeugung
beſtimmen kann. Alles, was er ſich hieruͤber ausden-
ken kann, ſind weiter nichts als Wahrſcheinlichkeiten
und Hypotheſen. Jndeſſen hat eine dergleichen Hy-
potheſe vor der andern immer einen groͤßern Grad der
Wahrſcheinlichkeit, und es kann vor die Erweiterung
der menſchlichen Einſicht und Kenntniſſe gar nicht gleich-
guͤltig ſeyn, wie dieſe Hypotheſen beſchaffen ſind; die-
jenige, welche die groͤßte Wahrſcheinlichkeit vor ſich
hat, welche mit der Natur und Weſen des Weltge-
baͤudes am beſten uͤbereinſtimmet, welche die menſch-
liche Vernunft am beſten befriediget, und derſelben
keine Widerſpruͤche und Ohnmoͤglichkeiten zu glauben
aufbuͤrdet, wird allemal vor denen uͤbrigen den Vor-
zug verdienen, und zur Erweiterung der menſchlichen
Erkenntniß das Jhrige beytragen. Man darf ſich
nicht abhalten laſſen, dergleichen Hypotheſen vorzutra-
gen, wenn ſie auch nicht mit der Offenbarung vollkom-
men uͤbereinſtimmen ſollten. Die Theologie und die
Weltweisheit arbeiten in ganz verſchiedenen Feldern.
Die erſte ſuchet die Seele, und die andre den Verſtand
der Menſchen zu verbeſſern; und wenn die erſte Be-
arbeitung auf Wahrheit und guten Gruͤnden beruhet,
ſo
[5]Einleitung.
ſo kann ſie durch die letztere Bearbeitung nicht gehin-
tert werden. Heut zu Tage ſind auch einſichtige Geiſt-
liche von allen drey Hauptreligionen nicht mehr wie zu
den Zeiten unſrer Vaͤter mit ſo weniger Vernunft ei-
frig, daß ſie deshalb jemanden verketzern ſollten. Noch
einmal, es ſind weiter nichts als Hypotheſen, die ein
vernuͤnftiger Weltweiſe, welcher die Graͤnzen des
menſchlichen Verſtandes mehr als andre Menſchen ken-
nen ſoll, nicht vor untruͤgliche Wahrheiten und Ge-
wißheiten angeben wird; ob gleich zuweilen Newton,
Leibnitz, Wolf, und andre Weltweiſen, in ihren Hy-
potheſen von der Natur und Weſen des Weltgebaͤudes
oͤfters in ſolchen Ausdruͤcken reden, als wenn ſie von
der Wahrheit und Gewißheit ihrer Saͤtze auf das voll-
kommenſte uͤberzeuget waͤren. Sie ſetzen dabey alle-
mal voraus, daß es eine Hypotheſe iſt, welche ſie vor-
tragen, und nach dieſer Vorausſetzung koͤnnen ſie frey-
lich von ihren beſondern Saͤtzen als wahr und richtig
reden, weil ſie ſolche aus den Reguln der Vernunft und
der Erkenntniß annehmen und beweiſen muͤſſen. Jch
werde demnach mich gleichfalls nicht abhalten laſſen,
in dieſer Einleitung zu der Geſchichte des Weltkoͤrpers
eine Hypotheſe von der Natur und Weſen des Welt-
gebaͤudes vorauszuſetzen, die mit meiner vorhabenden
Geſchichte in ſo naher Verwantſchaft ſtehet; indeſſen
wird man ſehen, daß meine Hypotheſe mehr mit der
Offenbarung uͤbereinſtimmet, als vielleicht viele andre
Lehrgebaͤude von der Natur und Weſen des Weltgebaͤu-
des und der Schoͤpfung.
So ſehr anfangs der menſchliche Verſtand uͤber
die Unermeßlichkeit des Weltgebaͤudes erſtaunet; ſo
A 3darf
[6]Einleitung.
darf derſelbe doch nur aufmerkſame Betrachtungen auf
dieſen Gegenſtand richten, um gar bald zu entdecken, daß
nicht allein die Unermeßlichkeit, ſondern ſogar die Un-
endlichkeit, zu den weſentlichen Eigenſchaften des Welt-
gebaͤudes gehoͤret; weil ſich ein endliches und durch ge-
wiſſe Schranken eingeſchloſſenes Weltgebaͤude gar nicht
gedenken laͤßt. So bald man ſich dergleichen Schran-
ken vorſtellen will; ſo bald erkennet man auch ihre Ohn-
moͤglichkeit. Ein endlicher und eingeſchraͤnkter Geiſt
iſt weder durch ſich ſelbſt, noch durch ſeine Macht, im
geringſten faͤhig, das Weltgebaͤude einzuſchraͤnken;
es muͤßte alſo der ſelbſtſtaͤndige, unendliche und ewige
Geiſt ſelbſt ſeyn, welcher das Weltgebaͤude auf irgend
oinige Art einſchraͤnke. Allein, durch ſich ſelbſt und
durch ſein Weſen kann dieſe Einſchraͤnkung nicht ſtatt
finden. Er iſt ſelbſt unendlich; er muͤßte alſo Mate-
rien erſchaffen, welche das Weltgebaͤude einſchraͤnkten;
allein zu dieſen Materien muͤßte ein Raum vorhanden
ſeyn. Materien ohne Raum und Orth laſſen ſich gar
nicht gedenken. Folglich wuͤrde bey einer ſolchen Ein-
ſchraͤnkung der Raum dennoch immer fortgehen; und
womit ſollte die Materie begraͤnzet werden, womit der
unendliche Geiſt die Endlichkeit des Weltgebaͤudes be-
ſtimmet haͤtte? Man wuͤrde neue Materien zu den
Graͤnzen der erſten, und hierzu abermals Raum an-
nehmen muͤſſen; und das wuͤrde ſo ohne Ende fortge-
hen, ſo, daß der unendliche Geiſt durch Beſtimmung
der Graͤnzen des Weltgebaͤudes nichts gethan haben
wuͤrde, als immer neue unendliche Weltgebaͤude zu
den erſten hinzuzufuͤgen. Hieraus folget alſo unwider-
ſprechlich, daß wenigſtens der Raum des Weltgebaͤudes
unendlich ſeyn muͤſſe.
Die
[7]Einleitung.
Die tiefſinnigſten Philoſophen in England haben
allemal die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes behauptet.
Der Herr von Leibnitz in ſeinen bekannten Streitſchrif-
ten mit dem Doctor Clarke, einem der vornehmſten
Freunde und Anhaͤnger des großen Newtons, beſtrite
dieſes Lehrgebaͤude; und man haͤtte alſo von dem Herrn
von Wolff, als eifrigen Nachfolger und Erklaͤrer der
Leibnitziſchen Lehrſaͤtze, vermuthen koͤnnen, daß er eben
dieſer Meynung zugethan ſey. Allein, es hat derſel-
be in ſeiner teutſchen Metaphyſik gnugſam zu erken-
nen gegeben, daß er der Meynung von der Unendlich-
keit des Weltgebaͤudes nicht abgeneigt ſey. Er ſaget
ausdruͤcklich, daß ſich die Endlichkeit des Weltgebaͤu-
des nicht denken laſſe, und erlaͤutert ſolches dadurch,
daß, wenn man vorausſetzte, daß jemand an den aͤuſ-
ſerſten Graͤnzen des Weltgebaͤudes ſtuͤnde; ſo wuͤrde
er entweder ſeinen Arm ausſtrecken koͤnnen, oder nicht.
Jn dem erſtern Fall muͤßte uͤber den Graͤnzen des Welt-
gebaͤudes noch Raum, und alſo keine Graͤnzen oder
Schranken vorhanden ſeyn. Jn dem andern Fall
hingegen muͤßte das Ausſtrecken des Arms durch ir-
gend eine Materie gehintert werden, und alsdenn
koͤnnte daſelbſt das Ende der Welt nicht ſtatt finden.
Dieſes ſind ohngefehr die Gedanken des Herrn von
Wolff, die er bey dieſem Gegenſtande anfuͤhret; wie-
wohl ich das Buch nicht bey der Hand habe, und ſie
wollen im Grunde eben dasjenige behaupten, was ich
vorhin, meines Erachtens, etwas deutlicher und faßlicher
angefuͤhret habe.
Wenn man die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes,
wenigſtens was den Raum anbetrifft, annehmen muß;
A 4ſo
[8]Einleitung.
ſo muß man eben dieſes in Anſehung deſſen Ewigkeit
behaupten; jedoch bloß und lediglich in Ruͤckſicht auf
deſſen Raum. Dieſes ganze Weltgebaͤude, wie es
anitzo und in allen vorigen Zeitlaͤuften beſchaffen gewe-
ſen iſt, kann nicht an und vor ſich ſelbſt ewig ſeyn.
Es muͤßte alsdenn ein ſelbſtſtaͤndiges, urſpruͤngliches,
und vollkommenſtes Weſen ſeyn; kurz, es muͤßte ſelbſt
Gott ſeyn. Allein ſeine Eigenſchaften und Beſchaf-
fenheiten ſind weit von demjenigen entfernet, was man
ſich von dem einzigen, ewigen und ſelbſtſtaͤndigen We-
ſen vorſtellen muß. Es iſt alſo außer dem ſichtbaren
Weltgebaͤude ein ſolches urſpruͤngliches und ſelbſtſtaͤndi-
ges Weſen vorhanden, welches von allen Ewigkeiten
her exiſtiret hat. Dieſes ewige Weſen hat dem Welt-
gebaͤude ſein Daſeyn, ſeine Einrichtung und Geſtalt
gegeben.
Die Welt hat alſo ihren Anfang genommen, und
hat ihren Urſprung einem unendlich vollkommenen We-
ſen zu danken.
Es exiſtirte demnach von allen Ewigkeiten her ein
ſelbſtſtaͤndiges und unendliches Weſen. Dieſes We-
ſen mußte aber nothwendig irgendwo, oder wenn man
ſo ſagen kann, an einem gewiſſen Orte exiſtiren. Eine
Exiſtenz laͤßt ſich ſonſt gar nicht gedenken; exiſtiren
oder vorhanden ſeyn, und doch nirgends exiſtiren, oder
nirgendswo vorhanden ſeyn, iſt ein unlaͤugbarer und
offenbarer Widerſpruch; eben ſo gewiß, als wenn
man behauptet, daß eine Sache ſey, und auch nicht
ſey. Dieſe Begriffe werden nicht vermindert, wenn
gleich von der Exiſtenz eines geiſtigen oder einfachen
Weſens
[9]Einleitung.
Weſens die Rede iſt. Ein ſolches Weſen muß gleich-
falls irgendswo, oder uneigentlich zu reden, an einem
gewiſſen Orte exiſtiren, und ſelbſt das allervollkom-
menſte einfache Weſen muß demnach einen Ort ſeiner
Exiſtenz haben. Auf andre Art laͤßt ſich gar keine
Exiſtenz gedenken. Der Unterſchied zwiſchen einem
endlichen und unendlichen einfachen Weſen kommt le-
diglich darauf an, daß das erſte an einem gewiſſen be-
ſtimmten Orte exiſtiret, oder gegenwaͤrtig iſt; das andre
aber allenthalben exiſtiret oder gegenwaͤrtig iſt. Allein,
weder bey dem einen noch bey dem andern kann man
ſich eine Exiſtenz vorſtellen, ohne daß ſie irgendwo
ſtatt finden muͤſſe, und wenn demnach gar kein Ort
und Raum vorhanden war; ſo kann auch keine Exi-
ſtenz ſtatt finden.
Das unendliche, ewige und ſelbſtſtaͤndige Weſen
konnte demnach ohne Raum nicht exiſtiren. Dieſer
Raum aber mußte eben ſo ewig ſeyn, als das ſelbſt-
ſtaͤndige Weſen ſelbſt. Denn ſo bald man annehmen
wollte, daß das ewige Weſen den Raum in einem ge-
wiſſen Zeitpuncte erſchaffen habe, ſo wuͤrden eben die
vorigen Widerſpruͤche und Ohnmoͤglichkeiten entſtehen,
das ſelbſtſtaͤndige Weſen muͤſſe vor Erſchaffung des
Raums nirgendswo exiſtiret haben; das iſt in der That
eben das, als wenn man ſagte, daß es vor Erſchaf-
fung des Raums gar nicht exiſtiret haͤtte.
Hieraus folget alſo mit vollkommener Ueberzeu-
gung, daß der Raum ewig iſt. Da ich nun vorhin
erwieſen habe, daß man einen endlichen und einge-
ſchraͤnkten Raum des Weltgebaͤudes gar nicht geden-
A 5ken
[10]Einleitung.
ken kann, und daß derſelbe ſeinem Weſen nach ohne
Ende und Schranken ſeyn muß; ſo ergiebt ſich daraus
deutlich, daß der Raum des Weltgebaͤudes nicht allein
ewig, ſondern auch unendlich ſey.
Zwey ewige, unendliche, urſpruͤngliche und ſelbſt-
ſtaͤndige Weſen koͤnnen nicht zugleich und neben einan-
der exiſtiren. Wenn eines das andre hervorgebracht
hat; ſo ſind ſie beyde nicht zugleich ewig und ſelbſt-
ſtaͤndig, und eben ſo kann ein ewiges Weſen nicht von
dem andern abhaͤngen. Dieſe Abhaͤngigkeit koͤnnte
auf keine andre Art entſtehen, als daß das eine das
andre hervorgebracht, oder demſelben an Macht un-
endlich uͤberlegen waͤre. Alsdenn aber wuͤrden dieſe
beyde Weſen abermals nicht zugleich ewig und ſelbſt-
ſtaͤndig ſeyn. Die Einſchraͤnkung der Macht wider-
ſtreitet offenbar der Selbſtſtaͤndigkeit eines Weſens.
Ueberhaupt aber, wenn man weder eine Einſchraͤnkung
an Macht, noch der Ewigkeit vorausſetzte; ſo wuͤrden
zwey zugleich ewige und ſelbſtſtaͤndige Weſen einander
entgegenwirken, und aus dieſer Entgegenwirkung wuͤr-
de eine gaͤnzliche Unthaͤtigkeit beyder Weſen entſtehen,
und es wuͤrde eben das ſeyn, als wenn ſie gar nicht
vorhanden waͤren. Kurz, die beſten Weltweiſen al-
ler nur etwas aufgeklaͤrten Voͤlker haben es als einen
der richtigſten und ungezweifelteſten Saͤtze der Ver-
nunft angenommen, daß nicht zwey ewige, unendli-
che und ſelbſtſtaͤndige Weſen neben einander exiſtiren
koͤnnen.
Jndeſſen haben die vorhergehenden ungezweifelten
Gruͤnde dargethan und erwieſen, daß der Raum des
Welt-
[11]Einleitung.
Weltgebaͤudes ewig und unendlich ſey. Eben ſo ge-
wiß iſt es, daß ein Gott, ein ewiges, unendli-
ches und ſelbſtſtaͤndiges Weſen vorhanden iſt, wel-
ches dem ganzen Weltgebaͤude ſeine Geſtalt und Ein-
richtung gegeben, und daſſelbe hervorgebracht hat,
weil das Weſen des Weltgebaͤudes ſelbſt nicht die ge-
ringſten Beſchaffenheiten hat, die man ſich von einem
ewigen und ſelbſtſtaͤndigen Weſen vorſtellen muß. Wie
ſoll man alſo bey der vorhin klar erwieſenen Exiſtenz
zweyer ewigen und unendlichen Weſen weiter ſchließen;
die Vernunft hat hier nur einen einzigen Ausweg
uͤbrig. Sie muß naͤmlich dieſe beyden ewigen und
unendlichen Weſen mit einander vereinigen. Sie
muß ſchließen, daß Gott und der Raum ganz einer-
ley ſey, daß Gott der Raum, oder der Raum
Gott ſey.
Dieſes iſt die Hypotheſe der groͤßten und tiefſin-
nigſten engliſchen Weltweiſen geweſen, und ſie iſt ge-
wiß die vernuͤnftigſte und wahrſcheinlichſte, welche der
menſchliche Verſtand erfinden kann. Es werden da-
durch zugleich alle die unendlichen Schwierigkeiten aus
dem Wege geraͤumet, welche in der Weltweisheit ent-
ſtehen, wenn man ſich den Raum als ein beſonderes
Weſen vorſtellet, man mag annehmen, daß er von
Gott erſchaffen ſey, oder nicht.
Man weis, daß Carteſius und alle ſeine Nach-
folger, wie auch der Herr von Wolff, den Raum
vor gar nichts Wirkliches, ſondern nur vor etwas Zu-
faͤlliges angeſehen haben. Sie erklaͤrten den Raum
als eine Folge oder Ordnung der Dinge auf und neben
einander,
[12]Einleitung.
einander, und daß nur in ſo fern und zufaͤlliger Weiſe
Raum vorhanden waͤre, als die Koͤrper und Mate-
rien des Weltgebaͤudes ſolches erfoderten. Allein,
wenn ſie ſich hierdurch aus einigen Schwierigkeiten
wegen des Raums heraushalfen; ſo ſtuͤrzten ſie ſich da-
gegen in andre ganz unuͤberwindliche Schwierigkeiten
und Zweifel. Eine nothwendige und unvermeidliche
Folge ihrer Hypotheſe war, daß ſie gar keinen leeren
Raum zugeben durften, ſondern annehmen mußten,
daß das ganze Weltgebaͤude allenthalben mit Mate-
rien erfuͤllet ſey, und daraus beſtehe. Dieſes ſtimm-
te mit der Unendlichkeit des Weltgebaͤudes vielweniger
uͤberein, und verurſachte große Schwierigkeiten in An-
ſehung richtiger und ungezweifelter Grundſaͤtze bey der
Bewegung der Koͤrper. Sie verantworteten ſich
ſchlecht, wenn man ihnen entgegenſetzte, daß man
leere Raͤume durch die Luftpumpe darſtellen koͤnnte.
Sie ſagten, daß dieſes keine leeren Raͤume, ſondern
noch immer mit Aether erfuͤllet waͤren. Sie ſetzten
alſo dasjenige voraus, was ſie beweiſen ſollten, denn
dieſen Aether laͤugnete man ihnen, und das iſt gewiß
die ſchlechteſte Art zu erweiſen, weil man eben dasje-
nige ſchon vorausſetzet, was doch erſt zu erweiſen iſt.
Jch wuͤrde mich hier allzuweit von meinem Gegenſtan-
de entfernen, wenn ich alle die unuͤberwindlichen
Schwierigkeiten in der Weltweisheit in Anſehung des
Raums vortragen wollte, die dadurch auf einmal ge-
hoben werden, wenn man annimmt, daß Gott und
der Raum ganz einerley ſey.
Zugleich werden auch durch dieſes Lehrgebaͤude die
hauptſaͤchlichſten Eigenſchaften, die eine geſunde Ver-
nunft
[13]Einleitung.
nunft dem ewigen und ſelbſtſtaͤndigen Weſen beylegen
muß, viel begreiflicher. Man ſiehet leicht, wie Gott
allmaͤchtig, allwiſſend, allgegenwaͤrtig ſeyn kann, weil
alle Weltſyſteme, alle Weltkoͤrper, alle Arten von
Creaturen, und kurz, das ganze Weltgebaͤude in ihm
ſelbſt und in ſeinem Weſen ſind, und exiſtiren. Und
alles, was geſchiehet, in ihm ſelbſt und durch ihn vor-
gehet.
Es werden auch dadurch viele andre unuͤberwind-
liche Schwierigkeiten in der Weltweisheit aus dem
Wege geraͤumet und aufgeklaͤret. Z. E. Die Welt-
weisheit hat es zeither ohnmoͤglich auf einige Art be-
greiflich machen koͤnnen, wie ein Geiſt, er ſey endlich
oder unendlich, in die Materie wirken koͤnne. Car-
teſius erfand, um ſich aus dieſen Schwierigkeiten her-
auszuwickeln, den Lehrſatz von denen gelegentlichen
Urſachen; eine Erfindung, aus welcher viele unge-
reimte Folgen abfloſſen, und der Herr von Wolff
bruͤtete zu dem Ende das in vielem Betracht laͤcherliche
Lehrgebaͤude von der Harmonia praeſtabilita, oder
der vorher beſtimmten Uebereinſtimmung aus. Allein,
wenn das ganze Weltgebaͤude ſich in dem unendlichen
Geiſte ſelbſt, und gleichſam in ſeinem Weſen befindet;
ſo bleibet gar keine Schwierigkeit uͤbrig, ſich begreif-
lich zu machen, wie derſelbe in die Materie wir-
ken kann.
Dieſes Lehrgebaͤude ſtimmet auch mehr mit der
Offenbarung uͤberein, als vielleicht alle andre. Es
ſind unzaͤhlige Stellen in der Bibel, in welchen auf
das deutlichſte enthalten, und auf das nachdruͤcklichſte
vorge-
[14]Einleitung.
vorgeſtellet wird, daß alles in Gott ſey; daß alles in
ihm und durch ihn geſchehe; daß alles aus ihm fließe,
daß wir in Gott leben, weben und ſind, und wie der-
gleichen andere eben dieſen Sinn und Meynung deutlich
in ſich enthaltende, Ausdruͤcke mehr lauten. Alles die-
ſes kann nur ſehr uneigentlich verſtanden werden, wenn
man andre Lehrgebaͤude annimmt. Allein, dieſe Aus-
druͤcke und Ausſpruͤche der Bibel ſind in ihrer eigentli-
chen Bedeutung richtig, wenn Gott und der Raum
einerley ſind.
Faſt alle gruͤndliche Weltweiſen unter denen geſit-
teten und erleuchteten Voͤlkern des Alterthums haben
es als eine der erſten Grundſaͤtze der menſchlichen Ver-
nunft und Erkenntniß angeſehen, daß aus nichts auch
nichts werden koͤnne. Ex nihilo nihil fit. Jn der
That ſcheinet es der Vernunft widerſtreitend, daß aus
nichts etwas werden koͤnne. Nichts und etwas, nicht
ſeyn, und ſeyn, nicht exiſtiren, und exiſtiren, ſind offen-
bar widerſtreitende Begriffe, die einen unlaͤugbaren
Widerſpruch in ſich enthalten. Ob nun gleich die al-
ten Weltweiſen glaubten, daß eine Gottheit, oder ihr
hoͤchſter und oberſter Gott, das ſichtbare Weltgebaͤude
erſchaffen und hervorgebracht haͤtte; ſo konnten ſie ſich
doch nicht uͤberreden, einer Gottheit die Macht bey-
zumeſſen, daß ſie widerſprechende, und mithin ohn-
moͤgliche Dinge ausrichten koͤnnte. Sie nahmen dan-
nenhero an, daß von allen Ewigkeiten her in dem un-
endlichen Raume des Weltgebaͤudes gewiſſe Atomen,
oder die erſten uranfaͤnglichen Theile der Materie, die
ſo fein waren, daß ſie an ſich ſelbſt ganz untheilbar wa-
ren, vorhanden geweſen waͤren. Aus dieſem ewigen
Urſtoffe
[15]Einleitung.
Urſtoffe der Materie hatte demnach die Gottheit, wie
ſie glaubten, das ſichtbare Weltgebaͤude gebildet und
zu Stande gebracht.
Selbſt unter denen chriſtlichen Weltweiſen hat es
viele gegeben, welche dieſe Atomen als den erſten Ur-
ſtoff der Materie und des Weltgebaͤudes angenommen
haben; und die Herren von Leibnitz und Wolff ſa-
hen einen erſten Urſtoff der Materie vor oder bey Er-
ſchaffung der Welt ſo nothwendig an, daß ſie deshalb
die Monaden erfanden; eine Erfindung, welche die
Atomen der Alten nicht allein wenig verbeſſerte, ſon-
dern auch viele ungereimte Folgen und offenbare Wi-
derſpruͤche in ſich enthielte; weil man annahm, daß
dieſe Monaden, die doch den Urſtoff der Materie aus-
machen ſollten, ſelbſt nichts weniger als Materie, ſon-
dern bloß einfache Dinge, oder kurz zu ſagen, geiſti-
ge Weſen waͤren. Es iſt aber ſo ungereimt, als wi-
derſprechend und ohnmoͤglich, daß geiſtige oder einfache
Weſen den erſten Grundſtoff zu dem Daſeyn der Koͤr-
per ausmachen ſollen.
Diejenigen Weltweiſen, welche dem unendlichen
und ſelbſtſtaͤndigen Weſen eine Macht beygeleget ha-
ben, alles, und ſo gar auch ohnmoͤgliche Dinge zu
Stande zu bringen, haben geglaubt, deſſen Allmacht
und unendliche Vollkommenheiten dadurch zu vergroͤſ-
ſern. Allein ſie irren ſich. Keine Macht, ſo ſelbſt-
ſtaͤndig und uneingeſchraͤnkt ſie auch iſt, kann das We-
ſen der Dinge veraͤndern, kann das Ohnmoͤgliche moͤg-
lich und wirklich machen, und verurſachen, daß ein
Ding zugleich iſt, und auch nicht iſt. Jch will mich
nicht
[16]Einleitung.
nicht einlaſſen zu unterſuchen, ob es eben dieſe Be-
ſchaffenheit habe, wenn aus nichts etwas werden ſoll,
wie die alten Weltweiſen geglaubet haben. So viel
iſt aber gewiß, daß es der Vernunft allemal ſchwehr,
und faſt ohnmoͤglich zu begreifen ſeyn wird, daß aus
nichts etwas werden koͤnne.
Wenn die alten Weltweiſen in der Annehmung
ihrer Atomen geſehlet haben, ſo geſchah es darinn,
daß ſie denen Atomen eine beſondere Ewigkeit beymaſ-
ſen, die von dem Weſen der Gottheit unterſchieden
war. Kurz, daß ſie das ſelbſtſtaͤndige Weſen, wel-
ches die Welt aus denen Atomen bildete, und die Ato-
men ſelbſt, als zweyerley verſchiedene, jedoch ewige
Weſen betrachteten. Jch habe aber oben genugſam
dargethan, daß die geſunde Vernunft dergleichen kei-
nesweges zugeben kann.
Es wuͤrde einer vernuͤnftigen Hypotheſe vielmehr
gemaͤß ſeyn, wenn man annehme, daß die Atomen
zu dem Weſen der Gottheit, oder welches einerley iſt,
des Raumes gehoͤreten, und mit demſelben nothwen-
dig weſentlich und von Ewigkeit her vereinigt geweſen
waͤren. Auf dieſe Art wuͤrden ſowohl zweyerley be-
ſondere und verſchiedene ewige Weſen, als die Schwie-
rigkeit der Vernunft wegfallen, die ſich kaum uͤber-
reden laſſen kann, daß aus nichts etwas werden koͤnne.
Dieſe Atomen wuͤrden den unendlichen und ewigen
Raum erfuͤllen, vermoͤge ſeiner ewigen Natur wuͤrde
ein jedes Atomen vor ſich ſeine Thaͤtigkeit haben, und
ſich um ſeine Axe bewegen, dadurch aber deſto geſchick-
ter werden, den Grundſtoff der Materie und aller Welt-
koͤrper abzugeben.
Diejeni-
[17]Einleitung.
Diejenigen Weltweiſen, welche die Ewigkeit der
Atomen, oder des materiellen Weltgebaͤudes uͤberhaupt
verworfen haben, ſind hierzu hauptſaͤchlich aus der Uhr-
ſache bewogen worden, weil ſie an einem materiellen
Weſen allzu viel Veraͤnderlichkeit und Umformungen
gewahr zu werden geglaubt, als daß ſolches mit dem
Weſen ewiger Dinge beſtehen koͤnnte. Allein eine
ganz andere Beſchaffenheit hat es hierinnen mit dem
erſten uhranfaͤnglichen Grundſtoff der Materie, deſſen
allerfeinſte Theilchen gleichſam ganz einfach, und wei-
ter nicht theilbar ſind, in Vergleichung der groͤbern
Materie, die allerley Veraͤnderungen und Umformun-
gen unterworfen iſt. Die Vernunft entſiehet ſich mit
Recht, der letztern etwas von einer Ewigkeit beyzumeſ-
ſen. Sie findet aber keine Schwierigkeit, ſolches dem
erſten Grundſtoff der Materie, und denen ganz un-
theilbaren, mithin der Veraͤnderung nicht unterworfe-
nen Atomen zuzugeſtehen.
Jndeſſen wuͤrde es bey dem gegenwaͤrtigen Lehr-
gebaͤude faſt gleichguͤltig ſeyn, wenn man auch anneh-
men wollte, daß das ewige, unendliche und ſelbſtſtaͤn-
dige Weſen die Atomen zu einer gewiſſen Zeit, vor der
Bildung der Welt erſchaffen, und den unendlichen
Raum oder ſein eignes Weſen damit angefuͤllet habe.
Nur muͤſſe man dabey vorausſetzen, daß Gott dieſen
Atomen einen weſentlichen Grund der Thaͤtigkeit bey-
geleget, und ihnen inſonderheit die Bewegung um ih-
re Axe, als ihre weſentliche Eigenſchaft, mitgetheilet
habe. Dieſe kleine Veraͤnderung in der gegenwaͤrti-
gen Hypotheſe wuͤrde vornaͤmlich denenjenigen zu ſtat-
ten kommen, die es mit einem leichten Verſtande ohne
BMuͤhe
[18]Einleitung.
Muͤhe begreifen koͤnnen, daß ein ſelbſtſtaͤndiges We-
ſen auch aus nichts etwas machen koͤnne, ohne einmahl
den Uhrſtoff ſeiner Werke aus ſich ſelbſt zu nehmen,
welches doch der Vernunft die Sache einigermaßen be-
greiflicher machen koͤnnte. Auch denenjenigen wuͤrde
dieſe Veraͤnderung vielleicht gefallen, die ſich daran ſtoſ-
ſen moͤchten, daß die Atomen ewig ſeyn ſollten, ob
man ſie gleich mit dem Weſen der Gottheit auf das
genaueſte und nothwendig verbunden annimmt.
Wir ſind nunmehro in unſerm Lehrgebaͤude auf
den Zeitpunct gekommen, daß das ſichtbare Weltgebaͤu-
de ſeinen Anfang nehmen kann. Es exiſtiret ein ewi-
ges, unendliches und ſelbſtſtaͤndiges Weſen, welches die
Macht, und wie man aus der Wirkung ſchließen muß,
auch den Willen gehabt hat, eine Welt hervorzubrin-
gen. Jn dem Weſen dieſer Gottheit iſt der unendli-
che Raum zu dem Weltgebaͤude gleichfalls vorhanden,
und dieſer Raum iſt mit Atomen erfuͤllet, die einen
ewigen oder weſentlichen Grund der Thaͤtigkeit in ſich
haben, und ſich um ihre eigne Axe bewegen. Laſſet
uns nunmehro ſehen, was vorgehen wird, wenn das
ſichtbare Weltgebaͤude zum Vorſchein kommen ſoll.
Der Entſchluß, der Wille und der Wink dieſes
ſelbſtſtaͤndigen Weſens, oder mit der Bibel nach
menſchlichen Begriffen von ihm zu reden, ein Hauch
ſeines Mundes, wird alle diejenigen Atomen aus ei-
nem ſolchen Raume, der ein kuͤnftiges Sonnenſyſtem
ausmachen ſoll, in die Enge zuſammen treiben, und
zwar dergeſtalt, daß nunmehro ein jedes Atomen, wie
vorhero, die Bewegung um ſeine eigne Axe nicht fort-
ſetzen
[19]Einleitung.
ſetzen kann, ohne die um und neben ſich befindlichen
andern Atomen zu beruͤhren; ſondern ſie werden ſo
dicht aneinander getrieben, daß, da ſie gleichwohl
den ewigen oder weſentlichen Grund ihrer Thaͤtigkeit
fortſetzen, und ſich um ihre eigne Axe bewegen wol-
len, ſie ſich aneinander anhaͤngen, in einen Klum-
pen zuſammenfuͤgen, und dennoch alſobald in einer
Maſſe vereiniget, die ihnen alle weſentliche Thaͤ-
tigkeit, die Bewegung um ihre eigne Axe, nicht unter-
laſſen koͤnnen. Das, was ich hier ſage, iſt eine na-
tuͤrliche Folge aus der vorausgeſetzten weſentlichen Ei-
genſchaft der Atomen. Alle Dinge und Materien,
wenn ſie nur gleichartig, oder homogen ſind, haͤn-
gen ſich durch einerley fortgeſetzte Bewegung aneinan-
der an, ſo bald ſie nur dicht genug beyſammen ſind.
Man ſiehet dieſes an der Vergroͤßerung eines um ſeine
Axe fortrollenden Schneeballes und allen andern ho-
mogenen Materien, die durch eine ſchnelle Bewegung
um ihre Axe immer mehr von denen gleichartigen Ma-
terien, die ſie beruͤhren, an ſich anhaͤufen, und ihre
Maſſe vergroͤßern. Daß aber dieſer ungeheure Klum-
pen von aneinander angehaͤngten Atomen dennoch im-
mer die Bewegung um ſeine Axe fortſetzen mußte, das
kann wohl nicht leicht beſtritten werden. Eine Bewe-
gung, welche einem jeden zarteſten Theilchen von Ewig-
keit, oder doch weſentlich eigen iſt, kann durch die Zu-
ſammenhaͤufung nicht gehintert werden. Die Zuſam-
menhaͤufung muß vielmehr wirken, daß dieſer weſent-
liche Grund der Thaͤtigkeit vermehret wird.
Ein ſolcher zuſammengehaͤufter Klumpen von al-
len Atomen, die in dem Raume eines Sonnenſyſtems
B 2vorhero
[20]Einleitung.
vorhero vorhanden geweſen waren, wurde hernach
hauptſaͤchlich zu demjenigen Coͤrper, den man die Son-
ne in einem jeden beſondern Weltſyſtem nennet. Je-
doch, ehe die Sonne alle ihre nachherigen Eigenſchaf-
ten erlangen konnte; ſo mußten vorhero verſchiedene
Wirkungen und Erzeugungen in ihr vorgehen. So
bald naͤmlich die Atomen in einen Klumpen zuſam-
mengehaͤuft und vereiniget waren; ſo mußte durch die
Bewegung dieſes Klumpens um ſeine Axe gar bald
eine Waͤrme in denſelben entſtehen. Dieſes iſt die
natuͤrliche Folge einer jeden Materie, die in einer
ſchnellen und heftigen Bewegung unaufhoͤrlich begrif-
fen iſt; wie die Erfahrung bey allen und jeden Vor-
faͤllen genugſam beweiſet. Durch die unaufhoͤrlich
fortgeſetzte Bewegung des Sonnenklumpens um ſeine
Axe wurde auch ſeine innerliche Waͤrme immer mehr
vergroͤßert, dadurch gieng dieſer ungeheure Klumpen
in eine Art von Gaͤhrung, und es wurden in demſel-
ben aus denen zuſammengehaͤuften Atomen hauptſaͤch-
lich viererley Dinge erzeuget, die kuͤnftig zu denen
Grundmaterien und zu denen Triebfedern der Thaͤtigkeit
aller Coͤrper dienen ſollten. Dieſe vier Dinge waren
Erde, Queckſilber, oder der Grundſtoff der Metalle,
Oehl, oder brennliches Weſen, und Waſſer.
Wenn die vorhin einzelnen Atomen durch die Be-
wegung um ihre Axe keinen merklichen Grad der Waͤr-
me, keine Gaͤhrung, und keine neuen Erzeugungen
hervorbringen konnten; ſo muß man die Uhrſache hier-
von lediglich in ihrer unausſprechlichen Feinheit und
Untheilbarkeit ſuchen. Die Bewegung, die daraus
entſtehende Gaͤhrung und fernere Erzeugungen koͤn-
nen
[21]Einleitung.
nen nur in den allerkleinſten Theilchen der Materie
vorgehen. Ein einzelnes Atomen hatte aber keine
Theile, und war folglich hierzu gar nicht geſchickt.
Allein, durch die Zuſammenhaͤufung einer unendli-
chen Menge von Atomen entſtand Materie, die ihrer
Natur nach aus einer unbeſchreiblichen Menge von
Theilen beſtand. Folglich konnte in dieſem materiel-
len Klumpen alles dasjenige vorgehen, was wir noch
jetzo als eine unvermeidliche Folge einer ſchnellen und
heſtigen Bewegung an der Materie wahrnehmen.
Als die Erzeugung der vorhin erwaͤhnten vierer-
ley Materien in dem Sonnenklumpen geſchehen war,
und dennoch die ſchnelle Bewegung deſſelben um ſeine
eigne Axe noch immer fortdauerte, ſo erfolgte endlich
dasjenige, was bey einer immer fortgeſetzten Bewe-
gung der Materie in ihren kleinſten Theilen allemahl
gewiß und unausbleiblich geſchehen wird. Dieſer un-
geheure Klumpen gerieth naͤmlich in Brand, und das
vorhin erzeugte Oehl, oder brennliche Weſen, gab zu
Unterhaltung dieſes Brandes genugſame Nahrung.
Hieraus mußten natuͤrlicher Weiſe große und erſtaun-
liche Wirkungen in dem Sonnenklumpen entſtehen.
Da der Brand ſich in ſeinem Mittelpuncte angefan-
gen, und nach und nach immer mehr um ſich gegrif-
fen hatte; ſo wurden nicht allein die Waſſer nach ſei-
ner Oberflaͤche getrieben, wie das Feuer allemahl zu
thun pfleget, ſondern es entſtanden auch große Riſſe
und Spalten in dem Sonnencoͤrper. ‒ Hierdurch wur-
de veruhrſacht, daß verſchiedene kleinere Theile des
Sonnenklumpens bey der Bewegung um ſeine Axe ſich
B 3von
[22]Einleitung.
von dieſem ungeheuren Coͤrper losriſſen, und in den
unermeßlichen Raum ſeines Sonnenſyſtems ſtuͤrzten.
Dieſes ſind die Planeten und Cometen, die ſich in ei-
nem jeden Sonnenſyſtem um die Sonne bewegen.
Denn ob ſich gleich dieſe Stuͤcke von dem unermeßli-
chen Sonnencoͤrper losgeriſſen hatten; ſo veruhrſachte
doch die anziehende Kraft der Sonne, daß dieſe Stuͤ-
cke in dieſem Sonnenſyſtem bleiben mußten, und ſich
nicht weiter in den unendlichen Raum ſtuͤrzen konnten.
Diejenigen losgeriſſenen Stuͤcke, welche nur einen
maͤßigen und proportionirlichen Antheil von Waſſer
bey ſich und auf ihrer Oberflaͤche hatten, wurden zu
Planeten, die vermittelſt der anziehenden Kraft der
Sonnen und der bey jedem abgeriſſenen Klumpen noch
immer fortdaurenden Bewegung um ſeine eigne Axe
einen regulmaͤßigen Lauf um die Sonne beobachteten;
weil das in ihrem Klumpen allenthalben hervorragen-
de Erdreich ſie deſto geſchickter machte, daß die anzie-
hende Kraft der Sonnen auf ſie wirken konnte. Dieje-
nigen losgeriſſenen Stuͤcke aber, die allzu viel Waſſer
bey ſich hatten, und damit ganz bedeckt waren, wur-
den zu Cometen. Worauf die anziehende Kraft der
Sonnen ungleich weniger wirken konnte, und die ſich
mithin in dem Raume des Sonnenſyſtems hin und
wieder bewegten, ohne einen vollkommenen regulmaͤſ-
ſigen Lauf nach der Richtung der vorigen losgeriſſenen
Stuͤcke zu beobachten.
Ob gleich alles dieſes aus natuͤrlichen Uhrſachen
und Wirkungen erfolgte; ſo muß man doch hierbey
die Weisheit der Gottheit bewundern und verehren,
die hauptſaͤchlich darauf ankommt, daß ſie durch na-
tuͤrliche
[23]Einleitung.
tuͤrliche Wirkungen und Erfolge, ohne Wunder zu
thun, ihre weiſen Abſichten erreichet. Als die Pla-
neten und Cometen ſich von der Sonne losriſſen, ſo
geſchah dieſes zu einer Zeit, als die innerliche Entzuͤn-
dung des Sonnenklumpens ſchon einen hohen Grad er-
reichet, und die vorhin durch die Waͤrme erzeugten
und abgeſchiedenen Waſſer, theils durch Duͤnſte, theils
durch den natuͤrlichen Erfolg, daß ſich das Waſſer von
dem Feuer entfernet, auf die Oberflaͤche getrieben hat-
te. Die losgeriſſenen Stuͤcke, die hernach zu Plane-
ten und Cometen wurden, nahmen alſo das Waſſer
faſt gaͤnzlich mit ſich. Haͤtte ſich die Losreißung die-
ſer Stuͤcke eher ereignet, ehe das Waſſer des Sonnen-
klumpens auf die Oberflaͤche getrieben war; ſo wuͤr-
den dieſe Coͤrper zu ihren weiſen Endzwecken nicht ſo
geſchickt geworden ſeyn. Der von Waſſer nicht be-
freyte Sonnenklumpen haͤtte an demſelben eine große
Hinterniß gefunden, ohne Aufhoͤren und mit ſolchem
Glanze zu brennen, als es noͤthig war, um denen
kuͤnftigen Bewohnern der Planeten und denen darauf
wachſenden Pflanzengewaͤchſen Waͤrme, Nahrung und
Gedeihen zu geben. Haͤtten die Planeten und Come-
ten nicht ſo viel Waſſer bey ſich gehabt; ſo wuͤrde ſich
die bereits angefangene Entzuͤndung des Sonnenklum-
pens auf dieſe losgeriſſene Stuͤcke erſtrecket haben, die
ſich durch die Bewegung um ihre eigne Axe vermeh-
ret haben wuͤrde. Sie wuͤrden gleichfalls Sonnen
geworden ſeyn, aber das ihnen dennoch zum Theil
beygemiſchte Waſſer wuͤrde ihrem Sonnenzuſtande kei-
ne lange Dauer geſtattet haben; und ſie wuͤrden da-
durch vermuthlich zu ihren nachherigen Endzwecken
B 4deſto
[24]Einleitung.
deſto weniger geſchickt geworden ſeyn. Allein, der
reichliche Antheil von Waſſer, und ein weit geringe-
rer Theil von Queckſilber oder Uhrſtoff der Metalle, und
von Oehl und brennlichem Weſen, den ſie bey ihrer
Losreißung von dem Sonnenklumpen noch bey ſich hat-
ten, machte die Planeten zu ihren Endzwecken deſto
faͤhiger. Queckſilber, Oehl und Waſſer ſind die drey
unveraͤnderlichen Hauptfluͤßigkeiten, welche durch ihre
Thaͤtigkeit, Bewegung und Creislauf aus der Er-
de, die ſich nur leidend verhaͤlt, alles erzeugen, bil-
den, umformen und hervorbringen. Ehe ich aber
dieſes zeige, ſo muͤſſen wir vorher die von dem Son-
nenklumpen losgeriſſene Stuͤcke, oder die Planeten,
noch naͤher betrachten, und ſie in ihrer Geſchichte bis
zu demjenigen Zuſtande begleiten, in welchem ſie ſich
anitzo befinden.
Als ſich die geſpaltenen Stuͤcke von der Sonne
losgeriſſen; ſo geſchah ſolches bey jedem Planeten bis
zu einer ſolchen Entfernung von der Sonne, als es
der Groͤße ihrer Coͤrper und ihrer Beſchaffenheit an
Waſſer gemaͤß war. Die kleinſten dieſer Weltcoͤrper
blieben am naͤchſten bey der Sonne, ſowohl, weil ſie
wegen ihrer geringeren Schwehre nicht weit ſtuͤrzen
konnten, als weil die anziehende Kraft der Sonne
deſto leichter vermoͤgend war, ſie an ſich zu halten.
Wir ſehen dannenhero den Mercurium und die Venus
am naͤchſten bey der Sonne; die groͤßten Weltcoͤrper
aber, als der Saturn und der Jupiter, ſtuͤrzten am
weiteſten, ſo wie hingegen die mittlern, als der Mars
und unſere Erde, auch in einer mittlern Entfernung
verblieben. Wenn die Entfernung der Planeten von
der
[25]Einleitung.
der Sonne ſich nicht genau nach dem Verhaͤltniß der
Groͤße ihrer Coͤrper richtet; wie denn in der That bey
einigen eine Ausnahme zu machen noͤthig ſeyn wuͤrde,
wenn anders die Beſtimmungen ihrer Groͤße von den
neuern beſten Mathematikern richtig ſind; ſo wuͤrde
ſolches auf die Beſchaffenheit des Waſſers auf derglei-
chen Weltcoͤrpern ankommen. Ein Planet, der ſich
naͤher bey der Sonne befindet, als es nach dem Ver-
haͤltniß ſeiner Groͤße mit andern Weltcoͤrpern ſtatt fin-
den ſollte, wird wahrſcheinlich weit weniger Waſſer
auf ſeiner Oberflaͤche haben, als ein etwas kleinerer
Planet, der ſich weiter, als er, von der Sonne ent-
fernet befindet.
So bald als die Planeten und Cometen in Stuͤ-
cken von den Sonnenklumpen abgeriſſen waren, und
das Sonnenfeuer dadurch mittelſt Verliehrung dieſer
Rinde genugſame Luft bekommen hatte, in volle Flam-
men auszubrechen; ſo waren die Planeten durch ihren
Sturz und durch die Gegenwirkung der anziehenden
Kraft der Sonne, nicht ſo bald in die Laufbahnen
ihrer jetzigen Bewegung um die Sonne gekommen, als
ſich ein Dunſtcreis um jeden Planetencoͤrper zu formi-
ren anfieng. Dieſes war abermahls eine ganz natuͤrliche
Folge und Wirkung von der neu hervorgebrochenen
Sonne. Jhre waͤrmenden Strahlen beſchienen dieſe
Planetencoͤrper, und da dieſelben groͤßtentheils mit
Waſſer bedecket waren; ſo zertheilte ſich ein Theil die-
ſes Waſſers in Duͤnſte und Luft, und bildete dadurch
einen Dunſtcreis um jeden Planeten. Die Luft iſt
nichts anders, als ein achthundertmahl verduͤnntes Waſ-
ſer; und das Waſer iſt bloß eine achthundertmahl ver-
B 5dickte
[26]Einleitung.
dickte Luft. Die Luft entſtehet lediglich aus dem Waſ-
ſer, und durch ihre Verdickung veraͤndert ſie ſich in
Duͤnſte, die in dem Regen herunter fallen, und wie-
der Waſſer werden. Jch habe dieſes in meinen phi-
loſophiſchen Schriften in einer beſondern Abhandlung
gezeiget. Keine Wirkung war alſo natuͤrlicher, als
daß die zu ſcheinen angefangene Sonne durch die Wir-
kung ihrer Strahlen um die mit Waſſer bedeckten neuen
Planetencoͤrper einen Dunſtcreis hervorbringen mußte.
Alle dieſe natuͤrlichen Erfolge, die ich bis hieher
beſchrieben habe, und noch kuͤnftig vorſtellen werde,
ſtimmen auf eine ganz ausnehmende und deutliche Art
mit denen in der Bibel beſchriebenen Schoͤpfungsta-
gen uͤberein, wenn man nur annimmt, daß dieſe ſo-
genannten Tage Jahre geweſen ſind. Es wuͤrde dieſe
Einleitung gar zu ſehr verlaͤngern, wenn ich dieſe Ue-
bereinſtimmung umſtaͤndlich und ausfuͤhrlich vor Au-
gen legen wollte. Jch werde dieſes aber in dem letz-
ten Abſchnitte leiſten, welcher eigentlich dazu beſtim-
met iſt, die Einwuͤrfe zu widerlegen, die meinem Lehr-
gebaͤude und meiner gegenwaͤrtigen Geſchichte aus der
Bibel entgegen geſetzet werden koͤnnten.
Als die aͤußern Stuͤcke von denen auf vielerley Art
geſpaltenen Sonnenklumpen ſich losriſſen, und zu Pla-
neten wurden, die ſich um die Sonne bewegten; ſo
hieng zwar ein jedes ſolches abgeriſſenes Stuͤck noch
zuſammen, ob gleich verſchiedene darunter noch ſo
große Riſſe und Spalten hatten, daß dadurch aber-
mahls ein Abſturz von großen Stuͤcken dieſer neuen Pla-
neten voraus zu ſehen war. Dieſer Abſturz erfolgte
auch
[27]Einleitung.
auch wirklich; wahrſcheinlich, nachdem die neuen Pla-
neten kaum zwey- oder dreymahl ihren Creislauf um
die Sonne vollendet hatten. Es ſtuͤrzte von unſerm
Erdcoͤrper ein großes Stuͤck ab, welches mehr als die
Haͤlfte von ſeiner jetzigen Groͤße ausmachte. Von dem
Jupiter ſtuͤrzten vier dergleichen Stuͤcke, von dem
Saturnus aber fuͤnfe ab, die bey jedem dieſer Plane-
ten von ſehr verſchiedener Groͤße waren.
Die anziehende Kraft der Sonne verhinterte, daß
ſich dieſe abgeriſſene Stuͤcke nicht in den unendlichen
Raum ſtuͤrzen konnten; und die bereits vollkommen
formirten Dunſtcreiſe der Planeten veruhrſachten noch
mehr, daß ſich dieſe abgeriſſenen Stuͤcke nicht weit von
ihren Planeten entſernen konnten. Ein jeder ſolcher
Luftcreis machte einen Wirbel um ihn herum, riß das
abgebrochene Stuͤck mit ſich fort, und noͤthigte daſſel-
be, einen beſtaͤndigen Umlauf um den Hauptplaneten
zu halten, von welchem es ehedem ein Theil geweſen
war. Auf dieſe Art entſtanden die Monden, oder
Nebenplaneten, die man auch die Trabanten des
Hauptplaneten nennet, und davon unſer Erdcoͤrper ei-
nen, Jupiter viere, und Saturn fuͤnfe, beſtaͤndig
um ſich herumlaufen haben.
Jch bin weit entfernet, die Carteſianiſchen Wir-
bel in Anſehung der Sonnenſyſteme anzunehmen; und
das Newtonianiſche Lehrgebaͤude, in Anſehung der
anziehenden Kraft der Sonne, ſcheinet mir hierin-
nen der Natur der Sache und der Bewegung der
Planeten viel gemaͤßer zu ſeyn. Allein, was die Ne-
benplaneten, oder die Monden betrifft, die einen
Haupt-
[28]Einleitung.
Hauptplaneten beſtaͤndig begleiten; ſo bin ich ſehr
uͤberzeugt, daß ſie ſich in ſeinem Wirbel, oder in deſ-
ſen Luftcreiſe befinden, und eben dadurch genoͤthiget
werden, einen unaufhoͤrlichen Umlauf um denſelben
fortzuſetzen. Die geſchickteſten Phyſickundigen haben
zwar angenommen, daß ſich unſer Luftcreis nur vier
Meilen hoch rund um unſere Oberflaͤche erſtrecke; da-
hingegen es gewiß iſt, daß ſich unſer Mond wenig-
ſtens 48000 Meilen weit von uns entfernet befindet.
Allein, dieſe vier Meilen koͤnnen ſich ohne Zweifel nur
von etwas groͤberer Luft verſtehen. Die allerzarteſte
und feinſte Luft muß ſich bis an den Luftcreis des Mon-
den erſtrecken. Dieſe beyden Luftcreiſe muͤſſen ſich auf
ihren Oberflaͤchen dergeſtalt mit einander vereinigen,
daß unſer Luftcreis den von dem Monde beruͤhret,
denſelben mit ſich fortreißt, und ihn dadurch noͤthiget,
einen unaufhoͤrlichen Creislauf um uns zu verrichten.
Dieſes beweiſen die ungezweifelten Wirkungen des
Monden auf die Oberflaͤche des Erdcoͤrpers. Dieſe
Wirkungen ſind nicht allein dadurch klar, daß der
Mond eine offenbahre Wirkung auf die Ebbe und Fluth
in denen Meeren hat, und dadurch einen gewiſſen
Druck auf unſern Luftcreis veroffenbahret; ſondern auch
durch den Einfluß, den der Mond auf die Witterung
unſers Erdcoͤrpers ungezweifelt zu Tage leget. Der
Herr Profeſſor Kratzenſtein, einer der artigſten und
geſittetſten gelehrten Maͤnner unſers Zeitalters, der
mir ehemahls auf einer Reiſe nach Coppenhagen viele
Hoͤflichkeit erzeiget, hat in verwichener Leipziger Oſter-
meſſe eine Schrift von dem Einfluſſe des Monden auf
die Witterung mitgetheilet. Ob ich nun zwar dieſe
Schrift,
[29]Einleitung.
Schrift, aus Mangel eines Buchladens, an dem Or-
the meines jetzigen Aufenthalts nicht habe durchgehen
koͤnnen; ſo bin ich doch durch meine eigene zweyjaͤhri-
ge Beobachtungen von eben dieſem Einfluſſe auf das
vollkommenſte uͤberzeuget. Seit zwey Jahren habe
ich bemerket, daß allemahl mit dem Eintritt des neuen
Monden ſich eine helle und klare Witterung, und in
denen Wintermonathen unausbleiblich Froſt ereignet.
Dieſe Witterung dauret bis zu dem Eintritt des erſten
Viertels; alsdenn faͤllt allemahl truͤbe, regneriſche oder
gelinde Witterung ein. Bey dem Eintritt des vollen
Monden ſiehet man abermahls eine helle, klare, und
im Winter mit Froſt begleitete Witterung, die ſich
bis auf den Eintritt des letzten Viertheils, oder bis
den Tag vorher erſtrecket; da denn mit dem Eintritt
des neuen Monden wieder Froſt einfaͤllt. So hat ſich
die Witterung ſeit zwey Jahren uͤberaus gleichfoͤrmig
bezeiget, und ſeit dem 1ſten Nov. des 1770ſten Jahres
hat ſie eben alſo wieder angefangen. Jch werde dieſe
ausfuͤhrliche Beobachtungen der koͤniglichen Academie
der Wiſſenſchaften zu Frankfurth an der Oder mit-
theilen.
Jch habe oben angenommen, daß denen Atomen,
als dem Uhrſtoff der Himmelscoͤrper, die Bewegung
um ihre Axe ewig oder weſentlich eigen war, und daß dan-
nenhero ſowohl die Sonne als die Planeten eine glei-
che Bewegung um ihre Axe erhalten haben. Jndeſ-
ſen ſind wir von unſerm Nebenplaneten, dem Monde,
genugſam verſichert, daß derſelbe keine Bewegung um
ſeine
[30]Einleitung.
ſeine Axe habe; und von einigen Nebenplaneten, des
Jupiters und Saturns, iſt es wenigſtens zweifelhaf-
tig, ob man ihnen eine dergleichen Bewegung bey-
meſſen kann. Doch dieſes laͤßt ſich aus dem gegen-
waͤrtigen Lehrgebaͤude ſehr wohl erlaͤutern. Die Stuͤ-
cke, welche ſich, vermoͤge der in dem Sonnenklumpen
ſchon vorhin entſtandenen Spalten, hernach von ihrem
Hauptplaneten, mit welchem ſie noch etwas zuſammen-
gehangen hatten, losriſſen, waren nicht alle ſo beſchaf-
fen, daß ſich ein runder oder an den Polen etwas platt
eingedruckter Coͤrper daraus bilden konnte. Es wa-
ren ſtarke Scheiben, deren Durchmeſſer vielleicht noch
mehr als einmahl ſo groß als ihre Dicke war. Ein
ſolcher Coͤrper war zur Bewegung um ſeine Axe ohne-
dem nicht ſehr geſchickt, und uͤberdies ſetzten ſich ſei-
nem ihm weſentlich eignen Bemuͤhen, ſich um ſei-
ne Axe zu bewegen, zwey große Hinterniſſe ent-
gegen. Das eine war die anziehende Kraft der Son-
ne; und das andere war die Gewalt, mit welcher
ihm der Wirbel unſers Hauptplaneten, in welchem er
ſich befindet, mit ſich fortreißet; und folglich konn-
te keine Bewegung um ſeine Axe bey ihm ſtatt
finden.
Auf eben die Art laͤßt ſich auch erklaͤhren, was der
Ring des Saturnus iſt, welcher denen Sternſehern zu
viel zu ſchaffen gemacht hat. Vermuthlich iſt es ein
Stuͤck von einer ſchmahlen Rinde, welches ſich, ver-
moͤge der ſchon in dem Sonnenklumpen entſtandenen
Spalten hernach von | dem Hauptplaneten Saturn
losge-
[31]Einleitung.
losgeriſſen hat. Und da es ſich noch in dem Wirbel
des Saturns befindet, eine Art der Bewegung um ihn
zu verrichten genoͤthiget wird.
Wenn man einmahl in einem Falle von denen End-
zwecken Gottes und der Natur ſichtbar uͤberzeuget iſt;
ſo kann man mehr als wahrſcheinlich ſchließen, daß ſie
in allen andern aͤhnlichen Faͤllen eben dieſe Endzwecke
gehabt haben. Wir ſehen, daß der Planet, den wir
bewohnen, zu dem Aufenthalt einer unzaͤhligen Men-
ge von Creaturen beſtimmt, und von der weiſen Hand
der Natur zu dieſen Endzwecken eingerichtet worden
iſt. Wir koͤnnen demnach auf eine gegruͤndete Art
ſchließen, daß auch die uͤbrigen Planeten eben ſo von
einer Menge Creaturen bewohnet und hierzu geſchickt
gemacht ſind. Jndeſſen befinden ſich Mercurius und
Venus allzu nahe bey der Sonne, und Jupiter und
Saturn in einer ſo weiten Entfernung von derſelben,
daß die erſteren wegen allzu großer Hitze, und die letz-
teren wegen einer allzu uͤbermaͤßigen Kaͤlte zur Be-
wohnung gar nicht faͤhig zu ſeyn ſcheinen. Wenn
man naͤmlich die Hitze und Kaͤlte in dieſem Planeten,
nach dem Verhaͤltniß auf unſern Erdcoͤrper, und nach
ſeinem Abſtande von der Sonne zum voraus ſetzet,
und die Hitze und Kaͤlte in jenen Planeten nach ihrer
Naͤhe und Entfernung von der Sonne berechnet. Ei-
nige Naturkuͤndiger haben nach dieſer Berechnung fin-
den wollen, daß die Hitze in dem Mercurio, und zum
Theil auch in der Venus, ſo erſtaunlich groß ſeyn
muͤſſe, daß auch alle Metalle in beſtaͤndigem Fluſſe da-
ſelbſt
[32]Einleitung.
ſelbſt ſtehen wuͤrden. Jn dem Jupiter und Saturn
hingegen, inſonderheit in dem letztern, muͤßte die
Kaͤlte ſo groß ſeyn, daß unter ſeiner Linie mitten im
Sommer ein ewiges und niemahls ſchmelzendes Eis
ſeyn wuͤrde. Dieſe Beſchaffenheiten wuͤrden alle dieſe
Planeten zur Bewohnung gaͤnzlich unfaͤhig machen.
Man muͤßte denn annehmen, daß ſie von Creaturen
ganz anderer Art, welche eben ſo wenig zarte Empfin-
dungen haben, als Metall und Stein, bewohnet wuͤr-
den. Zwar dieſe Art zu ſchließen, und die Hitze und
Kaͤlte zu berechnen, trifft nicht allemahl ein. Die Al-
ten ſchloſſen und berechneten auf eben die Art, wenn
ſie behaupteten, daß der heiße Erdguͤrtel oder die Laͤn-
der unter der Linie auf unſerm Weltcoͤrper wegen der
großen Hitze gaͤnzlich unbewohnet waͤren. Dieſes iſt
aber in neuern Zeiten offenbahr falſch befunden worden,
weil in denen Laͤndern unter der Linie gewiſſe Umſtaͤn-
de, inſonderheit in Anſehung der Winde, vorwalten,
welche die Hitze ſehr maͤßigen. Dieſe Umſtaͤnde aber
waren denen Alten unbekannt. Eben dergleichen, und
andere Umſtaͤnde, koͤnnten auch in gedachten Plane-
ten ſtatt finden, die wir einzuſehen ohnmoͤglich im Stan-
de ſind.
Jndeſſen koͤnnte es noch auf eine andere Art moͤg-
lich ſeyn, daß dieſe erwaͤhnten Planeten, ohngeachtet
ihrer großen Naͤhe oder Entfernung bey der Sonne,
dennoch einen gemaͤßigten Grad der Hitze oder Kaͤlte
haͤtten. Wie waͤre es, wenn der Dunſtcreis oder die
Atmoſphaͤre eines jeden Planeten eine Art von Brenn-
ſpiegel
[33]Einleitung.
ſpiegel ausmachte. Je kleiner alsdenn der Planet
waͤre, je kleiner wuͤrde auch alsdenn ſein Brennpunct,
und folglich die Hitze, ohngeachtet ſeiner Naͤhe bey
der Sonne ganz gemaͤßiget ſeyn. Je groͤßer aber der
Planet iſt, einen deſto groͤßeren Brennpunct muͤſſe
auch ſeine Atmoſphaͤre werfen, und ohngeachtet ſeiner
großen Entfernung von der Sonne muͤßte dennoch
ein zureichender Grad der Waͤrme entſtehen. Auf
dieſe Art wuͤrden Mercurius und Venus, da ſie die
kleinſten Planeten ſind, ohngeachtet ihrer Naͤhe bey
der Sonne, dennoch einen ertraͤglichen Grad der Hi-
tze haben, und zu Bewohnung eben ſolcher Creatu-
ren, als auf unſern Planeten ſind, geſchickt ſeyn. Da-
hingegen Jupiter und Saturn ungeheuer große Welt-
coͤrper ſind, und alſo auch eine ſehr große Athmoſphaͤre
haben; ſo wuͤrde dennoch, ohngeachtet ihrer großen Ent-
fernung von der Sonne, eine zureichende Waͤrme da-
ſelbſt ſtatt finden koͤnnen, um von eben ſolchen Crea-
turen bewohnet zu werden. Da ein gefrohrnes Waſſer
zu Brennſpiegeln geſchickt iſt, die Luft aber v[o]r wei-
ter nichts, als vor ein ſehr verduͤnntes Waſſer ange-
ſehen werden kann; ſo ſcheinen dieſer Hypotheſe keine
unuͤberwindlichen Schwierigkeiten entgegen zu ſtehen.
Jndeſſen werde ich mich allemahl eines Beſſern beleh-
ren laſſen, wenn mir jemand gruͤndlich zeigen ſollte,
daß dieſe Hypotheſe nicht ſtatt finden koͤnne.
Wir wollen nunmehro die uͤbrigen Planeten un-
ſers Sonnenſyſtems verlaſſen, und unſere Betrachtun-
gen allein auf die uͤbrige Bildung unſers Erdcoͤrpers
Cbey
[34]Einleitung.
bey ſeiner Entſtehung oder Schoͤpfung richten. Nach-
dem in ſeinem zweyten oder dritten Umlauf um die Sonne
dasjenige Stuͤck von demſelben losgebrochen war, was
itzo unſern Mond ausmachet; ſo fieng derſelbe an, ſich
als eine ziemlich runde, an den Polen etwas einge-
druckte Kugel zu bilden. Hierzu war weiter nichts
noͤthig, als ſeine taͤgliche Bewegung um ſeine Axe.
Unſer Erdcoͤrper beſtand damahls noch nicht aus einer
ſehr feſten Materie; denn die Steinwerdung iſt erſt
eine Wirkung viel ſpaͤterer Zeiten. Er beſtand da-
mahls aus weiter nichts als weicher Erde und Waſſer,
benebſt einem viel geringerem Antheil von oͤhlichten
und mercurialiſchen Weſen, denn das meiſte von de-
nen letztern war in dem Sonnenklumpen zuruͤckge-
blieben.
Es iſt aber bekannt, daß ein Stuͤck Thon oder
Leimen, der noch nicht ganz verhaͤrtet iſt, ſich durch
eine ſchnelle Bewegung um ſeine Axe von ſelbſt zu ei-
ner Kugel, wiewohl vielleicht mit einigen kleinen Un-
ebenen bildet, die an den Polen etwas platt einge-
druͤcket iſt.
So wie ſich unſere Erdkugel formiret, ſo breitete
ſich auch das Waſſer faſt allenthalben auf dem Erdbo-
den aus, ſo, daß nichts als einige Unebenen oder
Ungleichheiten ſeiner Oberflaͤche, die wahrſcheinlich
kaum den ſiebenten oder achten Theil ihres Umfan-
ges ausmachten, aus dem Waſſer hervorragten. Das
Waſſer, als eine ungleich leichtere Materie als die Er-
de,
[35]Einleitung.
de, mußten natuͤrlicher Weiſe die Oberflaͤche einneh-
men, außer demjenigen Waſſer, was in die klei-
nen Riſſe und Spalten des Erdcoͤrpers eingetrun-
gen war, deren dieſer Coͤrper noch von dem Sonnen-
klumpen her wahrſcheinlich ſehr viel hatte, und die
zum Theil ſehr tief in ſein Jnneres giengen, ob ſie
gleich nicht ſtark genug waren, eine abermahlige Ab-
ſonderung eines Stuͤckes von demſelben zu veranlaſ-
ſen. Zu gleicher Zeit dauerte die Formirung ſeines
Dunſtcreiſes oder ſeiner Atmoſphaͤre durch die Wir-
kung der Sonne noch immer fort, wodurch ſich
das Waſſer auf dem Erdboden noch etwas vermin-
derte, und da die Erhebung der Duͤnſte aus dem
Waſſer, und ihre Umformung in Luft, nur nach
und nach geſchehen konnte, weil es Zeit erfoderte,
daß die feinſten Duͤnſte ſich hoch genug erheben, und
zu der feinſten und zarteſten Luft werden konnten;
ſo war es noch beſtaͤndig truͤbe auf dem Erdbo-
den, und der Schein der Sonne konnte noch nicht ge-
ſehen werden.
Jn denen ewigen Begriffen der unendlich wei-
ſen Gottheit waren die Jdeen aller Creaturen und
Geſchoͤpfe, kurz, alle moͤgliche Dinge enthalten.
Da nun die Materie aus ſeinem Weſen hervorge-
kommen war; ſo mußte dieſe Materie noch die Kraft
haben, alle moͤglichen Dinge hervorzubringen. Jch
bin ſehr uͤberzeuget, daß alle moͤglichen Dinge auch
wirklich ſind. Denn wenn etwas in der Wirklich-
keit fehlete, und dasjenige, was moͤglich waͤre, nicht
C 2in
[36]Einleitung.
in irgend einem Sonnenſyſtem oder auf irgend ei-
nem Weltcoͤrper wirklich vorhanden waͤre; ſo wuͤr-
de der Welt etwas an ihrer Vollkommenheit feh-
len. Jn der That kann man faſt keine Art eines
Thieres oder eines Pflanzengewaͤchſes ſich vorſtel-
len; wenn nur dieſe Frucht der Einbildungskraft
nicht widerſprechend und ungeheuer iſt, daß ſich ſol-
ches Ding nicht ſchon auf unſern Weltcoͤrper, wo
nicht in dem einen Welttheile, doch in dem andern
wirklich vorhanden ſeyn ſollte. Jch habe mir zuwei-
len zum Vergnuͤgen dergleichen Vorſtellungen von
annoch moͤglichen Thieren und Pflanzen gemacht, und
faſt allemahl habe ich mit der Zeit in Reiſebeſchrei-
bungen gefunden, daß dergleichen Thiere und
Pflanzengewaͤchſe in andern Welttheilen wirklich
exiſtiren.
Da das Waſſer faſt den ganzen Erdboden bedeck-
te; ſo mußten natuͤrlicher Weiſe die Fiſche die erſten
Thiere ſeyn, welche hervorgebracht wurden. Die
Vermiſchung des Waſſers mit dem oͤhlichten Weſen,
das noch faſt allenthalben, wiewohl in geringerer
Maaße, auf der Oberflaͤche befindlich war, muß als
die wirkende und erzeugende Uhrſache dieſer Geſchoͤpfe
angeſehen werden, deren Natur auch hiermit uͤber-
einſtimmet; indem man bey der Diſtillation der Fiſche,
nach Verduͤnſtung der Waͤßrigkeiten, allemahl einen
betraͤchtlichen Antheil von oͤhlichtem Weſen erlan-
get. Zu gleicher Zeit kamen auf dem wenigen trock-
nen Lande allerley Grasarten und Kraͤuter hervor.
Dieſes
[37]Einleitung.
Dieſes feſte Land hatte einen weit geringeren Antheil
von oͤhlichtem Weſen auf ſeiner Oberflaͤche behalten,
indem das meiſte davon von dem Waſſer mit in die
wenigen Vertiefungen geſpuͤhlet war, welche damahls
das Meer ausmachten; weshalb auch die Kraͤuter,
Grasarten und Pflanzengewaͤchſe, einen zehenmahl
geringern Antheil von oͤhlichtem Weſen haben, als
die Fiſche.
Nachdem unſer Erdcoͤrper dreymahl ſeinen Creis-
lauf um die Sonne vollendet hatte, ſo war ſeine At-
moſphaͤre vollkommen gebildet. Die Duͤnſte waren
hoch genug aufgeſtiegen, und hatten ſich genugſam
erheitert, daß nunmehro die Sonne ihre vollkomme-
ne Wirkung auf der Oberflaͤche der Erde leiſten, und
dieſelbe ſowohl, als der Mond, wie auch die Fix-
ſterne oder die Sonne, der uͤbrigen unzaͤhligen Welt-
ſyſtemen in dem unendlichen Raume auf Erden haͤt-
ten geſehen werden koͤnnen. Es waren auf dem tro-
ckenen Lande des Erdbodens eine große Menge Stel-
len uͤbrig geblieben, in welchen ein viel groͤßerer An-
theil von oͤhlichtem Weſen vorhanden war, als auf
der uͤbrigen Oberflaͤche, die Kraͤuter und Pflanzen-
gewaͤchſe hervorgebracht hatte. Dieſe Stellen, durch
die Wirkung der Sonne mehr belebt, erzeugten Voͤ-
gel, Thiere und Gewuͤrme von allerley Arten, die groͤß-
tentheils eine feſtere Conſiſtenz hatten, als die Fiſche,
weil die erſteren aus Erde und Oehl, die letzteren aber
aus Oehl und Waſſer hervorgekommen waren; wie
denn die Thiere in der Diſtillation faſt eben einen ſo be-
traͤchtlichen Antheil von oͤhlichtem Weſen von ſich ge-
ben, als die Fiſche.
C 3Hiermit
[38]Einleitung.
Hiermit endigten ſich die erſten Erzeugungen der
Jungen, und vermoͤge ihres Stoffs und Uhrſprungs
annoch thaͤtigen Erde; und einer jeden Art von ihren
Geburthen wurde, vermoͤge ihrer weſentlichen Beſchaf-
fenheit und Einrichtung, die Kraft beygeleget, ſich
durch ihren Saamen ſelbſt fortzupflanzen, und gleich-
ſam ihr Daſeyn unaufhoͤrlich zu erneuren. Jndeſſen
hatten die Hervorbringungen des Erdcoͤrpers nur in
Anſehung der Thiere und Pflanzen ihre Endſchaft er-
reichet. Jn allen uͤbrigen Erzeugungen giengen ſie
noch beſtaͤndig fort. Waſſer, Oehl und Queckſilber,
als die erſten uhrſpruͤnglichen Fluͤßigkeiten, die aus
denen Atomen erzeuget waren, blieben immer thaͤtige
Weſen, wirkten auf die leidende Erde, und bildeten,
erzeugten und formten aus derſelben unaufhoͤrlich neue
Dinge. Jedoch, dieſe Hervorbringungen geſchahen
nur langſam, und es wurden Jahrtauſende dazu er-
fodert. Das Waſſer durch Zuruͤcklaſſung ſeiner fein-
ſten Theilchen machte aus der erſten uhrſpruͤnglichen
Erdart vielerley Sorten von Erden, und nach und nach
formirte daſſelbe aus dieſen Erdarten Steine. Aus
Erden und Steinen wurden von dem Waſſer die Sal-
ze erzeuget, und wenn ſich dieſe verſchiedenen Arten
von Salzen mit dem brennlichen Weſen vereinigten;
ſo wurden dadurch allerley Arten von Foßilien hervor-
gebracht. Aus dem oͤhlichten Weſen und dem Queck-
ſilber, oder dem Grundſtoff der Metalle, wurden die
Metalle und Halbmetalle erzeuget. Kurz! dieſe drey
uhrſpruͤnglichen Fluͤßigkeiten, welche in ihren Grund-
theilen hoͤchſt homogen, einfach und unveraͤnderlich
ſind, in Duͤnſte aufſteigen, Luft aus ſich erzeugen,
ſich
[39]Einleitung.
ſich wieder verdicken, und in ihrer erſten Geſtalt in
Tropfen wieder herabfallen, ſich mithin in einem be-
ſtaͤndigen Creislaufe befinden, ſind die wirkenden
Uhrſachen von allen Veraͤnderungen und Umformun-
gen, die ſich hernach in und auf dem Erdcoͤrper er-
eignet haben, und werden dieſe ihre Wirkungen noch
beſtaͤndig fortſetzen. Sie ſind die drey Hauptprinci-
pia oder wirkende Uhrſachen in jedem von denen
drey Naturreichen, naͤmlich das Waſſer in dem Pflan-
zenreiche, Oehl oder Fettigkeit, mit| Beyhuͤlfe des
Waſſers, in dem Thierreiche, und Queckſilber, mit
Beyhuͤlfe des Oehls oder brennlichen Weſens, in dem
Mineralreiche. Jch habe dieſes alles in einer beſon-
dern Abhandlung ausgefuͤhret, die ich bey der koͤnig-
lichen Großbritanniſchen Geſellſchaft der Wiſſenſchaf-
ten zu Goͤttingen vorgeleſen habe, und wovon auch
in meinen chymiſchen Schriften ein Auszug zu fin-
den iſt. Hier iſt aber nicht der Orth, wo ich mich
in eine ausfuͤhrliche Vorſtellung dieſer Sache einlaſſen
kann, ſondern ich werde dieſes vielleicht in einem be-
ſondern Syſtem leiſten.
Durch die unaufhoͤrlich fortgeſetzte Bewegung des
Erdcoͤrpers um ſeine eigene Axe mußte endlich natuͤr-
licher Weiſe ein Feuer in dem Mittelpuncte des Erd-
coͤrpers entſtehen.
Das Feuer iſt nichts anders, als eine ſehr hefti-
ge Bewegung der Materie in ihren kleinſten Theilen,
und da die Schwehre aller Coͤrper nach dem Mittel-
puncte zudruͤckte, ſo mußte daſelbſt das Reiben und
die Bewegung in den kleinſten Theilen der Materie
C 4am
[40]Einleitung.
am heftigſten ſeyn. Dieſes Feuer fand durch das noch
von der Schoͤpfung herruͤhrende brennliche Weſen
Nahrung, und nach Beſchaffenheit dieſer Nahrung
naͤherte es ſich immer mehr der Oberflaͤche. Anfangs
fand es Luft durch die noch in dem Sonnenklumpen
entſtandenen kleinen Spalten. So wie dieſe Spal-
ten groͤßtentheils nach und nach verſchlemmet, oder
mit Erz angefuͤllet waren; ſo ſuchte es ſich mit Ge-
walt Ausbruch zu verſchaffen. Es trieb nach und
nach, und in Jahr tauſenden Berge in die Hoͤhe, und
machte ſich durch viele derſelben Vulcane, oder Feuer-
ſchluͤnde, bis zur obern Luft. Jedoch, dieſes iſt es, was
ich in der gegenwaͤrtigen Geſchichte ſelbſt vorzutragen
habe, ſo, daß ich dieſe Einleitung hiermit beſchließen
kann.
Erſter
[41]
Erſter Abſchnitt.
Von dem Unterſchiede und der Beſchaf-
fenheit der Gebirge auf dem Erdcoͤrper, und wie
daraus ein ſehr hohes Alterthum geſchloſſen
werden muͤſſe.
Der Erdcoͤrper, deſſen Geſchichte wir hier aus
ſeinen aͤußerlichen und unterirrdiſchen Be-
ſchaffenheiten herzuleiten und vorzutragen ent-
ſchloſſen ſind, iſt einer von denen ſechs Hauptplane-
ten, die ſich um unſere Sonne bewegen, alle vier und
zwanzig Stunden beweget ſich derſelbe um ſeine eigene
Axe, welchen Zeitpunct wir Tag und Nacht nennen.
Zugleich verrichtet derſelbe einen elliptiſchen Creislauf
um die Sonne, den er in dreyhundert und fuͤnf und
ſechzig Tagen, ſechs Stunden, und etlichen Minuten
und Secunden vollendet. Dieſe ſeine Bewegung um
die Sonne iſt ſo ſchnell und heftig, daß derſelbe nach
denen Ausrechnungen der neuern Mathematiker in ei-
ner Minute zweyhundert und funfzig Meilen fort-
ſchießet.
Dieſer Erdklumpen, ob er gleich in Vergleichung
anderer Planeten nur eine ſehr mittelmaͤßige Groͤße
hat, enthaͤlt dennoch auf ſeiner Oberflaͤche im Um-
creiſe, nach denen gemeinen Meynungen, fuͤnftau-
ſend vierhundert Meilen; und ſein Durchmeſſer, nach
eben dieſer Richtung, betraͤgt achtzehnhundert Mei-
C 5len.
[42]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
len. Da aber unſere Erdkugel an beyden Polen et-
was platt eingedruckt iſt; ſo kann man ſowohl ſeinen
Umfang als ſeinen Durchmeſſer von einem Pole zum
andern nicht eben ſo hoch annehmen; ſondern ſein Um-
fang nach dieſer Richtung wird ohngefaͤhr viertauſend
achthundert Meilen, und ſein Durchmeſſer ſechzehn-
hundert Meilen betragen. Der Herr Profeſſor Berg-
manna) hat nach denen vorhandenen Berechnungen
angezeiget, wie viel Quadratmeilen die ganze Ober-
flaͤche der Erdkugel in ſich enthalten wuͤrde, wenn man
annehmen wollte, daß ſie eine vollkommene ebene Ku-
gel ohne alle Gebirge ſey. Allein, da dieſe Voraus-
ſetzung ſo ſehr fehlet, und da dieſe Ausrechnung ohne-
dem wegen der platt eingedruckten Figur ſeiner Pole
keine vollkommene Richtigkeit haben kann; ſo wollen
wir uns dabey nicht aufhalten, ſondern uns vielmehr
zu weſentlichern Umſtaͤnden wenden.
Das erſte und hauptſaͤchlichſte, was uns auf un-
ſerer Erdkugel in das Geſichte faͤllt, ſind eine unend-
liche Menge von Gebirgen, die uͤber die ebene Ober-
flaͤche der Erdkugel hervorragen, und davon verſchie-
dene zu einer großen Hoͤhe anſteigen. Es iſt gewiß,
daß durch dieſe Gebirge die Oberflaͤche der Erdkugel
uͤberaus vermehret wird. Eben diejenige Oberflaͤche,
welche in einer Ebene nur zwey Quadratmeilen betra-
gen wuͤrde, wenn ſich darauf ein Gebirge befindet,
das anderthalb Meilen hoch iſt, und einen dohnlegig-
ten Abfall hat, wird dadurch zu einer Oberflaͤche von
ſechs
[43]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
ſechs Meilen vergroͤßert. Dieſe vermehrte Oberflaͤche
hat zwar ihren Nutzen in Anſehung der Bergwerke,
und daß dieſelbe wenigſtens mit Waldungen bewach-
ſen ſeyn kann. Allein, ſie leiſtet zum Unterhalte und
Aufenthalte der Menſchen viel weniger Vortheil und
Bequehmlichkeit. Der daraus erwachſene Nutzen oder
Nachtheil wuͤrde ſich demnach in einem ziemlichen
Gleichgewichte erhalten, wenn man beyde gegen ein-
ander berechnen ſollte; und es iſt folglich wenig
Grund vorhanden, daraus zu ſchließen, daß es der
Weisheit des Schoͤpfers gemaͤß geweſen ſey, des groͤſ-
ſern Vortheils halber die Gebirge zugleich bey der
Schoͤpfung mit zu erſchaffen. Die beſondere Be-
ſchaffenheit der Gebirge, da ihr Jnnerſtes faſt ledig-
lich aus ungeheuren Felſen beſtehet, laͤſſet auch gar
nicht vermuthen, daß ſie vom Anfange an in eben die-
ſem Zuſtande mit erſchaffen worden ſind. Vernuͤnfti-
ger Weiſe muß man annehmen, daß in der Schoͤ-
pfung nur homogene und gleichartige Materien ent-
ſtanden ſind, und daß die Steinwerdung und die Ent-
ſtehung ungeheurer Felſen nur Wirkungen und Folgen
viel ſpaͤterer Zeiten ſind. Dasjenige, was ich in der
Einleitung von der Schoͤpfung und Entſtehung unſe-
rer Erdkugel und der uͤbrigen Planeten vorgetragen
habe, hat ſo viel Wahrſcheinlichkeit vor ſich, und ſe-
tzet uͤberzeugend voraus, daß bey Entſtehung des Erd-
coͤrpers noch keine Gebirge auf demſelben ſtatt gefun-
den haben, daß ſich vernuͤnftige Leſer dabey beruhigen
koͤnnen, bis jemand mit Ueberzeugung darthun wird,
daß es der Weisheit des Schoͤpfers und der nothwen-
digen Beſchaffenheit des Erdcoͤrpers gemaͤß geweſen
ſey,
[44]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
ſey, gleich vom Anfange an die Gebirge mit zu er-
ſchaffen. Es wuͤrde zur Sache wenig dienen, wenn
wir hier die Vergleichung verſchiedener Schriftſteller
annehmen wollten, welche die Gebirge als Kennzei-
chen des Alterthums unſers Erdcoͤrpers anſehen, und
uns dieſelben als Knochen und Geribbe vorſtellen woll-
ten, die an einem veralteten Coͤrper allenthalben her-
vorragen.
Die Gebirge ſind allenthalben auf dem Erdboden
vorhanden, dergeſtalt, daß man mit Zuverlaͤßigkeit
behaupten kann, daß zweymahl mehr Gebirge als
ebene Oberflaͤchen auf dem Erdboden befindlich ſind.
Man darf nur Teutſchland etwas genauer betrachten;
ſo wird man finden, daß außer der Mark Branden-
burg, die doch ſehr mit Sand und Floͤtzgebirgen er-
fuͤllet iſt, außer denen Ebenen bey Leipzig und Mag-
deburg, außer einigen Ebenen in dem Churfuͤrſten-
thum Hannover, Mecklenburg und Hollſtein, außer
dem Churfuͤrſtenthum Bayern, und einigen andern
wenigen Ebenen, das ganze uͤbrige Teutſchland voller
Gebirge iſt, zwiſchen welchen nur Thaͤler von weni-
gen Meilen breit vorhanden ſind. Eben dergleichen
Beſchaffenheiten haben faſt alle andere Laͤnder von Eu-
ropa; und in andern Welttheilen finden wir eben die-
ſen Zuſtand, ſo, daß es faſt noch zu wenig zu ſeyn
ſcheinet, wenn man zwey Drittheile an Gebirgen,
und nur einen Drittheil an ebenem Lande annimmt.
Jn dem Grunde des Meeres befindet ſich eben dieſes
Verhaͤltniß. Die meiſten Meere auf dem Erdboden
ſind voller Jnſuln. Man weis aber, daß die Jn-
ſuln nichts anders als Gebirge ſind, die aus dem
Grunde
[45]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Grunde des Meeres hervorragen. Nur einige Meere,
z. E. das Atlantiſche, haben wenige, oder gar keine
Jnſuln. Allein, deshalb iſt noch nicht ausgemacht,
daß dieſe Meere einen ebenen Grund des Meeres ha-
ben. Die in dieſem Grunde vorhandenen Berge koͤn-
nen nur wegen der erſtaunlichen Tiefe nicht ſo hoch
ſeyn, daß ſie als Felſenſpitzen, Sandbaͤnke, oder Jn-
ſuln uͤber die Oberflaͤche des Meeres hervorragen, oder
bey der Schifffahrt bemerket werden koͤnnen; zumahl
da dieſe Meere eine außerordentliche Tiefe haben, und
man inſonderheit in dem Atlantiſchen Meere durch ein
Senkbley von vierhundert Klaftern an den meiſten
Orthen noch keinen Grund entdecket.
Es hat Schriftſteller gegeben, welche ſich bemuͤ-
het haben, unter denen Gebirgen auf dem Erdcoͤrper
allenthalben einen Zuſammenhang zu entdecken. Der
Herr Profeſſor Bergmannb) nimmt nur ſehr wenig
Hauptgebirge auf dem Erdboden an, und ſiehet alle
andere Gebirge als Aeſte und Zweige von dieſen Haupt-
gebirgen an. Die Schwediſchen und Norwegiſchen
Gebirge laͤßt er durch Rußland bis nach Siberien fort-
laufen. Jn Aſien nimmt er faſt nur ein einziges
großes Gebirge an, und ſtellet ſich alle andere große
Gebirge dieſes Welttheiles nur als Aeſte und Zweige
von demſelben vor. Was aber noch mehr iſt, er laͤßt
dergleichen Gebirge durch die Meere fortlaufen, ob-
gleich einige hundert Meilen Meer zwiſchen der Endi-
gung des Gebirges und dem darauf folgenden feſten
Lande
[46]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
Lande ſich befindet. Man ſiehet nicht, daß derglei-
chen weit ausgedehnte Vorſtellung einigen Nutzen ha-
be, noch weniger aber, daß ſie mit der Natur der
Sache uͤbereinſtimmet; die Gebirge ſind ſo haͤufig auf
dem Erdboden befindlich, daß man dieſe Vorſtellung
nur noch etwas erweitern duͤrfte, um nur ein einziges
großes Gebirge auf dem Erdboden anzunehmen. Denn
was wollen die Ebenen auf der Oberflaͤche der Erdku-
gel von etwa zwanzig bis dreyßig Meilen alsdenn wei-
ter ſagen, wenn man einmahl annimmt, daß ein Ge-
birge auch im Grunde des Meeres einige hundert
Meilen weit noch immer fortlaufen und eben denſel-
ben Nahmen behalten kann.
Wenn man mit denen Gebirgen auf dem Erdcoͤr-
per eine genugſame Bekanntſchaft hat; ſo muß man
ſie ihrer Natur und Beſchaffenheit nach in zwey
Hauptarten von einander abtheilen, naͤmlich in Fel-
ſengebirge und in Floͤtzgebirge. Man kann auch die
Felſengebirge alte Gebirge, hingegen aber die Floͤtz-
gebirge neue Gebirge benennen. Dieſer Nahme gruͤn-
det ſich gleichfalls auf die Natur und Beſchaffenheit
der Sache, und auf die Entſtehungsart der Gebir-
ge; wie ich bald mit mehrerm zu zeigen bemuͤhet ſeyn
werde.
Felſen- oder alte Gebirge ſind diejenigen, die aus
ungeheuren Felſenſtuͤcken von allerley Steinarten, in-
ſonderheit aber von Hornſtein, feinem Sandſtein,
Gneiß, Jaſpisarten, und zuweilen auch aus feinen
Kalkſteinen beſtehen; dieſe Felſenſtuͤcken laufen oͤfters
viele hundert Fuß hoch und breit in einem einzigen
Stuͤcke
[47]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Stuͤcke fort, ohne daß man die geringſte Zuſammen-
fuͤgung, Lage oder Schicht, oder ſonſt den geringſten
Unterſchied daran wahrnehmen kann; und deshalb un-
terſcheiden ſie ſich eben von denen Floͤtzgebirgen, wel-
che allemahl in Steinarten beſtehen, die ſchichtweiſe
oder in Lagen von wenigen Fuß dicke auf einander lie-
gen. Die Felſengebirge ſind uͤberdies allemahl die
hoͤchſten auf dem Erdboden, die meiſten ſind wenig-
ſtens auf dieſer oder jener Seite von aller Dammerde
entbloͤßet, ſind oͤfters ſenkrecht abgeſchnitten, und ma-
chen jaͤhe oder tiefe Abgruͤnde, die ſich nicht ſelten
auf eine Tiefe von vielen hundert Klaftern erſtrecken.
Wenigſtens raget der Gipfel ſolcher Felſengebirge ge-
meiniglich in ungeheuren Felſenſtuͤcken aus der Damm-
erde hervor; und auf dieſer oder jener Seite erblicket
man gleichfalls dergleichen hervorragende Felſenſtuͤ-
cken, die von aller Dammerde befreyet ſind. Eine
große Menge von Gebirgen haben dieſe Beſchaffen-
heit. So ſehen die Alpengebirge, die Pyrenaͤiſchen
Gebirge, die Schweizergebirge, die Gebirge in Nie-
deroͤſterreich, Steyermark, Kaͤrnthen, Crain, ein
Theil des Rieſengebirges, zum Theil die Gebirge zwi-
ſchen Boͤhmen und Franken, wie auch zwiſchen Boͤh-
men und Sachſen, die meiſten Gebirge in Norwegen
und Schweden, und faſt alle andere hohe Gebirge auf
unſerm Erdboden aus.
Die Floͤtz- oder neuen Gebirge ſind von denen vor-
hergehenden, ſowohl in ihrer aͤußerlichen Geſtalt, als
in ihrer innern Zuſammenfuͤgung gaͤnzlich unterſchie-
den. Sie ſind bey weitem nicht ſo hoch, als die Fel-
ſengebirge, allenthalben mit Dammerde bedecket, und
ſteigen
[48]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
ſteigen von allen Seiten ſanft auf. Jn ihrer innern
Zuſammenfuͤgung beſtehen ſie allemahl aus einer Men-
ge von verſchiedenen Steinlagen oder Schichten, da-
von eine jede Lage von zwey bis vier Fuß mehr oder
weniger leicht von einander zu unterſcheiden, und an
den Orth ihrer Zuſammenfuͤgung ohne Muͤhe von ein-
ander abzuſondern iſt. Nicht ſelten beſtehen auch der-
gleichen Berge aus nichts, als Sand und Leim, wie
zum Exempel in der Neumark und in Pommern, wie
auch im Mecklenburgiſchen und im Hollſteiniſchen.
Die Steinarten, welche allemahl in ſolchen Floͤtzge-
birgen angetroffen werden, ſind groͤbere Sandſteine,
Kalkſteine, ſchlechte Marmorarten, Spatharten, und
inſonderheit allerley Arten von Schiefern. Daß die-
ſe Gebirge neu ſind, und ihren Uhrſprung von Ueber-
ſchwemmungen haben, die lange nach der Exiſtenz
des Erdcoͤrpers vorgefallen ſind, beweiſen nicht allein
ihre verſchiedenen Lagen oder Schichten von Stein-
arten, ſondern auch die Verſteinerungen aus dem
Thier- oder Pflanzenreiche, die ſo haͤufig in dieſen
Floͤtzgebirgen gefunden werden, und wodurch mithin
klar vor Augen liegt, daß ſie erſt in ſolchen Zeiten
entſtanden ſind, als die Erde ſchon lange vorher Thie-
re und Pflanzengewaͤchſe hervorgebracht hatte.
Es iſt in der verwichenen Leipziger Michaelis-
meſſe des 1770ſten Jahres eine kleine Schrift zum
Vorſchein gekommen c), worinnen der Verfaſſer den
Uhrſprung und den Unterſchied der Gebirge in einem
ſeiner
[49]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
ſeiner Meynung nach ganz neuen Syſtem hat mitthei-
len wollen. Dieſer Verfaſſer theilet die Gebirge auf
dem Erdcoͤrper in das hohe oder Felſengebirge, und
in das Mittel- und Vorgebirge ein. Was das hohe
oder Felſengebirge anbetrifft; ſo glaubet der Verfaſ-
ſer, daß ſolches bey der Schoͤpfung der Welt von Gott
alſo mit erſchaffen worden; die Mittel- und Vorge-
birge aber waͤren durch nachfolgende Ueberſchwemmun-
gen entſtanden; indem ſich die Fluthen an dem hohen
oder Felſengebirge gebrochen haͤtten, die ſonſt außer
dem Daſeyn ſolcher erſchaffenen hohen Gebirge ſanft
fortgerollet ſeyn, und ihren mit ſich fuͤhrenden Stein-
ſchlamm und Erden allenthalben gleich auf der ebenen
Oberflaͤche abgeſetzet haben wuͤrden.
Allein, da ſie ſich eben an dieſen hohen oder Fel-
ſengebirgen gebrochen haͤtten; ſo waͤren dadurch die
Mittel- und Vorgebirge entſtanden, woran die Flu-
then ihre mit ſich gefuͤhrten Steine und Erden nach
Verhaͤltniß ihrer Schwehre abgeſetzet haͤtten.
Die Eintheilung eines Gebirges in das hohe, Mit-
tel- und Vorgebirge, iſt allen Bergverſtaͤndigen gar
ſehr bekannt. Dieſe Eintheilung macht man nur in
Abſicht auf das Schuͤrſen und auf die Ausfindung der
Erzgaͤnge und Kluͤfte; und es iſt allemahl bey ſolcher
Eintheilung nur von dieſem oder jenem einzelnen Ge-
birge die Rede. Allein, daraus eine allgemeine Ein-
theilung aller Gebirge auf dem Erdboden zu machen,
das hat ſich wohl noch niemand einfallen laſſen, der
Verſtand und Einſicht gehabt hat. Der Verfaſſer
prahlet ſehr mit ſeiner Erfahrung in Bergwerksſachen.
DMan
[50]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
Man will ihm dieſes nicht beſtreiten. Allein, er giebt
ſelbſt durch ſeine Schrift genugſam zu erkennen, daß
er weiter nichts als ein handwerksmaͤßiger Bergver-
ſtaͤndiger iſt; und er haͤtte ſich wohl nicht einfallen laſ-
ſen ſollen, ſich an die Schmiedung oder Erfindung
neuer Lehrgebaͤude in der Naturkunde zu wagen, wel-
ches ſeine Kraͤfte ganz augenſcheinlich weit uͤberſtei-
get; dieſe Schrift eines Ungenannten iſt zwar nicht
von der Betraͤchtlichkeit, daß dieſes vermeynte neue
Lehrgebaͤude eine ausfuͤhrliche Widerlegung verdiente.
Allein, da ich dadurch Gelegenheit erlange, die Na-
tur und Beſchaffenheit unſers Erdcoͤrpers deſto mehr
aufzuklaͤren; ſo will ich mich dieſer Arbeit unterziehen,
und uͤberzeugend vor Augen legen, wie ſchwach alles
dasjenige iſt, was der Verfaſſer zu Behauptung ſei-
nes angeblichen Lehrgebaͤudes anfuͤhret.
Der Verfaſſer glaubet, daß das hohe oder Fel-
ſengebirge allemahl aus einem feinen Kalkſteine be-
ſtehe. Es kann ſeyn, daß dieſes von dem Theil des
Carpathiſchen Gebirges, woran die Schweizer Berg-
werke liegen, und von denen Gebirgen in dem Ban-
nat und Siebenbuͤrgen, woſelbſt der Verfaſſer gut be-
kannt zu ſeyn ſcheinet, ganz richtig iſt. Allein, daß
alle hohe Gebirge auf dem Erdcoͤrper aus dergleichen
feinen Kalkſteinen beſtehen ſollten, das iſt ſo offen-
bahr falſch und unrichtig, daß eben der Verfaſſer da-
durch zu erkennen giebt, daß er weiter nichts als die
Gebirge in jetztgedachter Gegend kennet, und ſich we-
der durch Buͤcher, noch durch Correſpondenz eine er-
weiterte Kenntniß von der Beſchaffenheit der hohen
und
[51]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
und Felſengebirge auf dem Erdboden zu erwerben ge-
ſuchet habe d). Die allermeiſten hohen und Felſen-
D 2gebirge
[52]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
gebirge auf dem Erdboden beſtehen, aus Horn- Stein-
und Jaſpisarten, aus Gneiß, aus einem ſehr feinen
Sandſtein, und zuweilen wohl gar aus Porphyr und
Granit. Man darf nur die vornehmſten Bergwerke
in Europa befahren, oder ſich aus Buͤchern oder
Schriften eine Kenntniß davon erworben haben, um
davon auf das vollkommenſte uͤberzeuget zu ſeyn. Das
beruͤhmte Gebirge zu Koͤnigsberg in Norwegen, in
welchem ſo viel gediegenes Silber gegraben wird, be-
ſtehet bis in ſeinen Gipfel und in den hervorragen-
den Felſen aus dem allerfeinſten Hornſtein in der
Welt, an welchem der Bergbohrer Stunden lang ar-
beitet, ohne daß man einmahl die Stelle ſiehet, wo
er gearbeitet hat, ſo, daß man dieſen Hornſtein mit
Feuer brennen und muͤrbe machen muß, damit der
Bergbohrer nur einigermaaßen darauf haften und ein-
tringen koͤnne. Die Gebirge auf dem Harz, worin-
nen ſich die daſigen Bergwerke befinden, haben faſt
allenthalben keine andere Steinart, als einen ſchwaͤrz-
lichen Hornſtein, der aber viel weicher iſt, als der zu
Koͤnigsberg. Die Meißniſchen anſehnlichen Berg-
werke arbeiten faſt allenthalben in einem ſogenannten
Gneiß; und ſo darf man nur die hohen und Felſen-
gebirge
d)
[53]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
gebirge theils aus denen Bergwerksnachrichten, theils
durch die Reiſebeſchreiber kennen; ſo kann man gewiß
nicht zweifeln, daß die allerwenigſten hohen und Fel-
ſengebirge keinesweges aus einem feinen Kalkſteine,
ſondern groͤßtentheils und faſt allenthalben aus viel fe-
ſtern Steinarten beſtehen; dahero auch das Lehrge-
baͤude des Verfaſſers von Erzeugung der Erzadern in
denen Gebirgen, das ſich lediglich auf die Vorausſe-
tzung von Kalkſteingebirgen e) gruͤndet, von ſelbſt
wegfaͤllt.
Eben ſo giebt dieſer Verfaſſer genugſam zu erken-
nen, daß derſelbe nur von dem geringen Theil der Ge-
birge in ſeiner Gegend einige Kenntniß habe; wenn
er bey allen Gebirgen einen Ruͤcken oder Kern an-
nimmt, welches eben das hohe oder Felſengebirge ſeyn
ſoll, und an welches die Mittel- und Vorgebirge nach dem
ebenen Lande zu durch die Fluthen nur angeſchwemmet
ſeyn ſollen. Es iſt weit gefehlet, daß alle Gebirge
auf dem Erdcoͤrper eine ſolche Beſchaffenheit haben
ſollten. Wenn der Verfaſſer nur eine Reiſe nach Ma-
D 3rienzell
[54]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
rienzell in Steyermark gethan haͤtte; ſo wuͤrde er von
der Unrichtigkeit ſeines Lehrgebaͤudes auf das ſinn-
lichſte uͤberzeuget worden ſeyn. Wenn man von Wien
aus nach dieſem beruͤhmten Waͤllfarthsorthe reiſet; ſo
findet man auf dem Wege nichts als ſteile von aller
Dammerde entbloͤßte und wie Mauern in die Wolken
ſteigende Felſen, die allenthalben faſt ſenkrecht abge-
ſchnitten ſind. Die Thaͤler, in welchen die Landſtraße
hingehet, ſind ſo enge, daß ſie an den meiſten Orthen
kaum hundert bis dreyhundert Schritte breit ſind; und
die erſtaunlich jaͤhen und hohen Felſen ſcheinen denen
Reiſenden uͤber dem Kopfe einſtuͤrzen zu wollen; wie
denn bereits heruntergeſtuͤrzte Felſenſtuͤcke zuweilen von
vielen hundert Centnern in dieſen engen Thaͤlern lie-
gen. Wenn dieſes der Ruͤcken oder der Kern dieſer
Gebirge iſt; wo ſind die Mittel- und Vorgebirge?
Dieſe ſteilen und hohen Felſen gehen in einer Weite
von ſechs bis ſieben Meilen allenthalben alſo fort, und
man hat mir ſagen wollen, daß der groͤßte Theil der
Gebirge in Steyermark, Caͤrnthen und Crain keine
andere Beſchaffenheit habe. Nichts als ſteile und
ſehr hohe kahle Felſen, die allenthalben mit ſehr en-
gen Thaͤlern durchſchnitten ſind. Wollte man ſagen,
daß dieſe jaͤhen und hohen Felſen in einer großen Laͤn-
ge den Ruͤcken oder Kern des Gebirges ausmachten,
und daß dieſer Ruͤcken oder Kern nur ſo große und
weite Spalten habe, wodurch die vorhingedachten en-
gen Thaͤler gebildet wuͤrden; ſo hat dieſe Vorſtellung
gleichfalls keinen Grund. Auf beyden Seiten der
Straße nach Marienzell haben die Gebirge auf einige
Meilen weit gleichfalls keine andere Beſchaffenheit.
Nichts
[55]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Nichts als ſteile bis in die Wolken reichende Felſen
mit engen Thaͤlern durchſchnitten findet man von der
Donau an bis fuͤnf und ſechs Meilen weit in Nieder-
oͤſterreich hinein. Jch habe bey Klein-Marienzell,
wohl drey bis vier Meilen von der Landſtraße nach
Groß-Marienzell, auf der Seite liegend, gleichfalls
Bergwerke gehabt; aber auch hier waren nichts als
enge Thaͤler, jaͤhe Felſen und Abgruͤnde; kurz, man
findet oͤfters einen Bezirk von zwanzig Meilen, wo
die Gebirge eben dieſe Beſchaffenheit haben. Wo
ſind alsdenn die angeſchwemmten Mittel- und Vorge-
birge; und was ſollte der weiſe Uhrheber der Natur
wohl vor Abſichten gehabt haben koͤnnen, wenn er
gleich bey der Schoͤpfung ſo viele Felſenmauern, mit
engen Thaͤlern durchſchnitten, haͤtte hervorbringen
wollen? Hat er ſich etwan dadurch ein Spielwerk und
einen Zeitvertreib machen wollen? Gewiß iſt es viel
vernuͤnftiger, wenn man glaubet, daß ſolche Felſen-
mauern in einem ſo großen Bezirke nicht Werke der
Schoͤpfung, ſondern erſt durch die nachfolgenden Be-
gebenheiten und Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers
gleichſam zufaͤlliger Weiſe entſtanden ſind.
Jch will bey dieſer Gelegenheit erinnern, daß ich
in dieſem weiten Umfange von hohen und rauhen
Felſen an drey verſchiedenen weit von einander entfern-
ten Orthen Bergwerke angeleget, und an ſechs an-
dern Orthen geſchuͤrfet habe. Folglich muß mir die
Steinart dieſer Gebirge gar wohl bekannt ſeyn; den-
noch habe ich nur in einem einzigen Gebirge, naͤmlich
in dem reichen St. Annaberger Bergwerke den fei-
D 4nen
[56]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
nen Kalkſtein gefunden, aus welchem, nach des Ver-
faſſers Lehrgebaͤude, der Felſen, der Ruͤcken oder der
Kern der Gebirge beſtehen ſoll f). Wenn aber die-
ſes keine hohe Felſen oder Kern vom Gebirge ſind; ſo
giebt es dergleichen gewiß nirgends. Man ſiehet dem-
nach hieraus offenbahr, daß die geruͤhmte Kenntniß
des Verfaſſers auch von uͤbrigen Gebirgen in andern
Oeſterreichiſchen Landen, außer dem Bannat und Sie-
benbuͤrgen, auf dem Probierſteine nicht ſonderlichen
Strich haͤlt; und wenn man daraus auf ſeine große
Erfahrungen in denen Siebenbuͤrgiſchen und Banna-
tiſchen Gebirgen, weshalb er alle Gelehrte, die in
ihren
[57]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
ihren Studierſtuben Lehrgebaͤude machen, ſo ſehr ver-
achtet, den Schluß machen ſoll; ſo wird ſie vielleicht
mit einem ſehr verjuͤngten Maaßſtabe auszumeſſen
ſeyn.
Wie unrichtig und ungegruͤndet aber das ganze
Lehrgebaͤude des Verfaſſers iſt, das veroffenbahret ſich
auch daraus, daß ſeiner Meynung nach durch die Flu-
then gar keine Gebirge entſtehen koͤnnen, wenn nicht
bereits hohe Felſengebirge von der Schoͤpfung her vor-
handen ſind, an welche ſich die Fluthen ſtoßen koͤnnen.
Denn ſonſt, ſaget er g), wuͤrden die Fluthen ſanft
fortrollen, da ſie keine Hinterniß faͤnden, und den
mit ſich fuͤhrenden Schlamm und Geſtein allenthalben
gleich abſetzen, ſo, daß keine Gebirge entſtehen koͤnn-
ten. Daß der Verfaſſer alle ſeine geruͤhmte Kennt-
niſſe und ſein ganzes kleines Lehrgebaͤude bloß aus ei-
nem ſehr unbetraͤchtlichen Bezirk in Vergleichung des
ganzen Erdbodens geſchoͤpfet habe, und dennoch alle
Gebirge auf dem ganzen großen Erdcoͤrper darnach
beurtheilen und gleichſam umformen will, das le-
get ſich auch hier klar zu Tage. Jn der ganzen
Mark Brandenburg, die Neumark mit einbegriffen,
in dem groͤßten Theile von Groß-Pohlen, in ganz
Pommern, in dem Herzogthum Mecklenburg, in Holl-
ſtein, Schleßwig und Juͤtland, wie auch auf der gan-
zen Daͤniſchen Jnſul Seeland, folglich in einem Strich
Landes, der mehr als hundert Meilen in der Laͤn-
ge, und faſt eben ſo viel in die Breite hat, wenn man
D 5den
[58]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
den groͤßten Theil der Luͤneburgiſchen Lande und das
Herzogthum Bremen mit dazu rechnet, mit welchen
es eine gleiche Beſchaffenheit hat, befindet ſich kein
einziges hohes oder nur mittelmaͤßiges Felſengebirge,
daran ſich die Fluthen haͤtten ſtoßen koͤnnen. Den-
noch wird man allenthalben in dieſen Landen eine große
Menge von Floͤtzgebirgen, Sand- und Leimenbergen
gewahr, davon einige, wie zum Exempel bey Lands-
berg an der Warthe, die bey Ruͤdersdorf in der Chur-
mark, die zwiſchen Cuͤſtrin und Frankfurth an der
Oder, die bey Freyenwalde und Koͤnigswalde, und
viele andere in dem Mecklenburgiſchen und Luͤneburgi-
ſchen eine anſehnliche Hoͤhe haben, ſo, daß man uͤber
eine halbe Stunde bis auf ihren Gipfel zu ſteigen
hat. Nichts iſt aber ſo gewiß, als daß dieſes alles
weiter nichts als Floͤtzgebirge, oder Leimen- und Sand-
berge ſind, wie durch Anlegung von Alaun- und Ei-
ſenwerken, wie auch Steinbruͤche, Kalk- Sand- und
Leimengruben genugſam unterſuchet und gefunden wor-
den, ohne daß ſich das geringſte Felſengebirge oder
ein Ruͤcken und Kern von Felſen daran wahrneh-
men und finden laſſen. Alles dieſes leget genugſam
zu Tage, wie wenig das vermeynte Lehrgebaͤude des
Verfaſſers nur auf den erſten Anblick und bey weni-
gen Unterſuchungen die Probe aushaͤlt.
Jn der That wuͤrden Schriften von der Beſchaf-
fenheit der Gebirge in gewiſſen Laͤndern und Gegen-
den ihren großen Nutzen haben, und Naturforſchern
von genugſamer Einſicht ſehr zu ſtatten kommen;
wenn nur nicht die Verfaſſer ſolcher Schriften ſo ſehr
geneigt
[59]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
geneigt waͤren, die beſondern Beſchaffenheiten ihrer
Laͤnder als allgemeine Saͤtze anzuſehen. Der gelehrte
Herr Profeſſor Bergmann, deſſen Schriften ich ſehr
hoch ſchaͤtze, faͤllt hier gleichfalls in einen kleinen Feh-
ler. Er behauptet h), daß die hohen Gebirge unfaͤ-
hig waͤren, Baͤume und Pflanzen zu tragen, ſo, daß
folglich die Gipfel aller hohen Berge entweder ganz
kahl waͤren, oder aus denen hervorragenden Felſen
beſtuͤnden. Jch glaube ſehr gern, daß die hohen Ge-
birge in Schweden und Norwegen eine ſolche Beſchaf-
fenheit haben. Allein, in Teutſchland und andern
etwas warmen Himmelsgegenden trifft dieſes keines-
weges ein. Alle diejenigen, welche zu Befriedigung
ihrer Neubegier auf dem hohen Brockenberge geweſen
ſind, wiſſen, daß deſſen Gipfel mit Baͤumen und
Waldungen bewachſen iſt. Eine gleiche Beſchaffen-
heit hat es mit dem bekannten Kiphaͤuſer Berge in
Thuͤringen, zwiſchen Frankenhauſen und Sangerhau-
ſen, und in denen hohen Gebirgen in Niederoͤſterreich
giebt es verſchiedene, die auf ihrem hoͤchſten Gipfel
nicht allein Baͤume und Waldungen, ſondern auch
Bauerwohnungen haben. Von dieſer Beſchaffenheit
war der Berg bey Klein-Marienzell, wo ich eine
Berggrube auf ſchwarzen Kobald, der gold- und ſil-
berhaltig war, angeleget hatte. Jch hatte mit drey-
mahl abgewechſelten Ochſen, ein Zugvieh, deſſen ſich
daſelbſt gewoͤhnlicher maßen jedermann vor ſeine Kut-
ſche bedienet, um auf und uͤber die hohen Gebirge
zu
[60]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
zu gelangen, und die gewoͤhnet ſind, einen ſtarken
Schritt zu gehen, vier Stunden zu fahren, ehe ich
auf den hoͤchſten Gipfel des Berges gelangete, auf
deſſen Gegenſeite meine Kobaldgrube befindlich war,
von welcher Seite aber man wegen der ſehr hohen und
ſteilen Felſen nicht dahin gelangen konnte. Dennoch
befand ſich auf dem hoͤchſten Gipfel dieſes Berges ein
wohleingerichteter Bauerhof mit genugſamen Staͤllen
vor eine große Menge Vieh. Dieſer Bauer hatte
auf eben dem hoͤchſten Gipfel des Berges etliche hun-
dert wilde Obſtbaͤume, woraus er einen Birn- und
Aepfelwein machte, welcher das gewoͤhnliche Getraͤnke
vor ſeine Haushaltung war.
Der beruͤhmte Englaͤnder Burnet hat eine ganz
beſondere Meynung von dem Uhrſprunge der Gebirge
auf dem Erdboden. Er ſtellet ſich vor, daß der Erd-
coͤrper bey ſeiner Entſtehung oder Schoͤpfung eine Ku-
gel geweſen, die aus drey Hauptmaterien beſtanden,
naͤmlich aus Erde, aus Waſſer und Oehl. Nach
dem natuͤrlichen Verhaͤltniß dieſer dreyerley Materien
haͤtte ſich die Erde zu unterſt und nach dem Mittel-
puncte der Erde niedergeſchlagen und zuſammengeſetzt;
darauf haͤtte das Waſſer ſeinen Stand bekommen,
und oben auf haͤtte das Oehl geſchwommen, ſo, wie
ſich dieſe dreyerley Materien allezeit verhalten, wenn
man ſie unter einander miſchet, und ihnen Zeit genug
zur Ruhe geſtattet; da denn unten die Erde, in der
Mitte das Waſſer, und oben auf das Oehl ſeinen
Stand behaupten wird. Er ſetzet voraus, daß der
Erdcoͤrper damahls eine vollkommen runde Kugel ge-
weſen.
[61]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
weſen. Nach und nach haͤtte die Sonne das oben
auf ſchwimmende Oehl erhaͤrtet, daß dadurch eine fe-
ſte Rinde und Oberflaͤche auf dem Erdcoͤrper entſtan-
den waͤre. Allein, mit der Zeit waͤre dieſe Rinde
von keiner Dauer geweſen; ſondern ſie waͤre an vie-
len Stellen eingebrochen, dadurch dann veruhrſachet
worden, daß die unter dieſer Rinde befindlichen Waſ-
ſer hervorgebrochen, und uͤber die Oberflaͤche getreten
waͤren, wodurch dann die Meere entſtanden waͤren.
Die oberſten Spitzen dieſer eingebrochenen Rinde haͤt-
ten aber immer noch uͤber das Waſſer hervorgeraget;
und dieſe waͤren es alſo, die anjetzo die Berge auf
dem Erdcoͤrper ausmachten.
Es iſt kaum noͤthig, dieſe Meynung oder Lehrge-
baͤude eines ſonſt beruͤhmten Schriftſtellers zu widerle-
gen. Jn der vorausgeſetzten Scheidung der Erde, des
Waſſers, des Oehls, die ohnedem ohne allen zureichen-
den Grund angenommen wird, laͤßt ſich am wenig-
ſten begreifen, wie ohne Beytritt von Erde, oder an-
dern fremden Materien, eine harte und feſte Rinde
auf der Oberflaͤche der Erde haͤtte entſtehen koͤnnen.
Die Wirkung der Sonne auf dieſe Oberflaͤche haͤtte
hoͤchſtens weiter nichts als eine Verdickung oder Kleb-
rigkeit dieſes obenauf geſchwommenen Oehles veruhr-
ſachen koͤnnen; zumahl da die Sonnenſtrahlen keine
fremden Materien zur Verhaͤrtung dieſes Oehles ein-
fuͤhren konnten. Ueberdies, wenn dieſes Lehrgebaͤude
nur im geringſten einigen Grund haͤtte; ſo muͤßten
wir nichts als Gebirge und Meere auf der Oberflaͤche
des Erdcoͤrpers wahrnehmen; und es waͤre gar nicht
moͤglich,
[62]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
moͤglich, daß ebene Gegenden von einer betraͤchtli-
chen Groͤße auf derſelben ſtatt finden koͤnnten. Denn
alle Zwiſchenraͤume und Vertiefungen, die durch die-
ſen Bruch der obern feſten Rinde des Erdcoͤrpers ent-
ſtanden waren, mußten mit Waſſer oder Meeren an-
gefuͤllet ſeyn, und es konnten gar keine Ebenen ſtatt
ſinden; was aber noch mehr iſt, dieſe ehemahlige oͤh-
lichte Beſchaffenheit der obern feſten Erdrinde muͤſſen
wir annoch in denen Gebirgen ganz ungezweifelt wahr-
nehmen. Es iſt aber dieſes ſo weit gefehlet, daß wir
nichts als Stein und Waſſer in denen Gebirgen
ſinden.
Nachdem ich bis hieher die verſchiedenen Meynun-
gen von dem Uhrſprunge und der Beſchaffenheit der
Gebirge auf dem Erdcoͤrper angefuͤhret und widerleget
habe; ſo will ich nunmehro dasjenige vortragen, wo-
von ich glaube, daß die Gebirge auf dem Erdboden
auf verſchiedene Art und Weiſe entſtanden ſind. Man
wuͤrde zu weit gehen, wenn man behaupten wollte,
daß die Gebirge auf einem Coͤrper, der ſo mancherley
Zufaͤlle, Veraͤnderungen und Umformungen gehabt
hat, ganz auf einerley Art entſtanden waͤren. Jch
will alſo viererley verſchiedene Arten annehmen, durch
welche die Gebirge auf dem Erdboden ihren Uhrſprung
gehabt haben.
- 1) Sind viele Ungleichheiten und Erhoͤhungen der
Oberflaͤche auf dem Erdcoͤrper noch von ſeiner Schoͤ-
pfung oder erſten Entſtehung uͤbrig, da er ſich als
ein geſpaltenes Stuͤck von dem Sonnencoͤrper losgeriſ-
ſen hatte.
2) Sind
[63]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
- 2) Sind viele, und zwar die hoͤchſten Felſenge-
birge, von dem unterirrdiſchen Feuer in dem Mittel-
puncte des Erdcoͤrpers in die Hoͤhe und in die Ober-
flaͤche empor getrieben worden. - 3) Sind viele Gebirge oder Berge von denen
Stroͤhmen in dem Meere gebildet und formiret worden,
zur Zeit, da die jetzige bewohnte Oberflaͤche noch den
Grund des Meeres ausmachte. Und - 4) ſind inſonderheit viele Floͤtz- und Sandge-
birge durch Ueberſchwemmungen auf der Oberflaͤche der
Erde entſtanden. Es wird zur Ueberzeugung meiner
Leſer noͤthig ſeyn, daß wir eine jede von dieſen Ent-
ſtehungsarten der Gebirge einzeln betrachten.
Was die erſte Entſtehungsart der Gebirge anbe-
trifft; ſo haben wir in der Einleitung angenommen,
daß unſer Planet ſich als ein geſpaltenes Stuͤck von dem
Sonnenklumpen losgeriſſen hat. Ein ſolches losgeriſſe-
nes Stuͤck, das gar nicht dazu gebildet war, einen run-
den Coͤrper abzugeben, mußte natuͤrlicher Weiſe ver-
ſchiedene Ecken und Ungleichheiten an ſich haben. Da
die erſten Grundſtoffe der Materien, welche durch die
innerliche Waͤrme aus der Zuſammenhaͤufung der Ato-
men erzeuget waren, ſich noch in keinem ganz verhaͤr-
teten Zuſtande befanden; ſo mußte die Bewegung die-
ſes abgeriſſenen Stuͤckes des Sonnenklumpens um fei-
ne eigene Axe allerdings natuͤrlicher Weiſe die Wir-
kung und Folge nach ſich ziehen, wie ich oben gezei-
get und in der Einleitung dargethan habe, daß ſich
dieſes abgeriſſene Stuͤck als eine ziemlich runde Ku-
gel, die an den Polen etwas platt eingedruͤckt war,
bildete.
[64]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
bildete. Allein, dieſe runde Figur konnte dennoch
wegen der bereits geſchehenen ziemlichen Erhaͤrtung der
Erde nicht ſo vollkommen ſtatt finden, daß nicht eini-
ge Ecken und Erhoͤhungen der Oberflaͤche uͤbrig blie-
ben. Einige von dieſen Ecken koͤnnen die Uhrſache
und Entſtehungsart einiger großen Gebirge auf dem
Erdboden ſeyn. Andere Erhoͤhungen koͤnnen die Uhr-
ſache abgeben, warum einige Laͤnder des Erdbodens,
z. E. die große Tatarey und eine große Gegend von
Chili in America, ohnweit der Linie, einige tauſend
geometriſche Schritte hoͤher liegen, als andere Laͤn-
der, und die Oberflaͤche des Meeres, davon wir in
dem vierten Abſchnitte mit mehreren zu reden Gele-
genheit haben werden. Einige andere geringere Un-
gleichheiten auf der Oberflaͤche der Erde koͤnnen den
Grund von verſchiedenen Floͤtz- und Sandgebirgen
an der Oberflaͤche ausmachen, an welche ſich die her-
nachfolgenden Fluthen und Ueberſchwemmungen eini-
germaßen geſtoßen, und immer mehr Erde, Sand
und Leimen darauf angeſchwemmet haben.
Jn Anſehung der zweyten Entſtehungsart der Ge-
birge, naͤmlich durch das unterirdiſche Feuer, habe
ich oben in der Einleitung erwieſen, daß dieſes Feuer
in dem Mittelpuncte der Erde, vermoͤge der Bewe-
gung um ſeine eigene Axe, und der dadurch hervor-
gebrachten ſehr heftigen Bewegung der Materie in ih-
ren kleinſten Theilen als die natuͤrlichſte Folge entſte-
hen mußte, die wir noch jetzo bey jeder ſchnellen Be-
wegung der Materie in ihren kleinſten Theilen allezeit
ungezweifelt wahrnehmen. Es fehlet auch dieſem
Feuer,
[65]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Feuer, wie oben gezeiget worden iſt, nicht an Nah-
rung und Luft; mit der Zeit mußte dieſes Feuer Hoh-
lungen in dem Jnnern des Erdcoͤrpers veruhrſachen,
und ſich durch gewaltſame Durchbruͤche Gemeinſchaft
mit der obern Luft zu verſchaffen ſuchen. Dieſe ge-
waltſamen Verſuche zu Durchbruͤchen erhoben alſo die
oberſte Rinde des Erdcoͤrpers an vielen Orthen uͤber
ſeine Oberflaͤche heraus, die ſchon vorher durch die
Waſſer zu Steinen und Felſen umgeformet war. Auf
dieſe Art entſtanden demnach die hohen Felſengebirge
auf dem Erdboden; ob ich gleich gar nicht laͤugnen
will, daß die nachfolgenden Ueberſchwemmungen die
Mittel- und Vorgebirge an vielen dieſer aus der Erde
herausgetriebenen Felſen haben veruhrſachen koͤnnen.
Jnſonderheit kann man das Daſeyn einer großen
Menge gleichſam abgeſchnittener, und wie Mauern
daſtehender Felſen keiner andern Uhrſache, als dem
unterirrdiſchen Feuer beymeſſen. Es wuͤrde in der
Guͤte und Weisheit Gottes gar kein zureichender
Grund vorhanden ſeyn, warum er dieſes unnuͤtze
Spielwerk von einer Menge bey einander gehaͤuften
Felſenmauern in der Schoͤpfung haͤtte hervorbringen
ſollen.
Jndeſſen kann man nur in denen Mittel- und Vor-
gebirgen dasjenige als Wirkungen der Ueberſchwem-
mungen anſehen, was verſchiedene Erdlagen und
Schichten von Steinarten ausmacht, die ſonſt eigent-
lich zu der Natur der Floͤtzgebirge gehoͤren. So bald
man in dieſen Mittel- und Vorgebirgen auf ein feſtes
einfoͤrmiges, und durch verſchiedene Schichten von
Steinarten nicht unterbrochenes Geſtein kommt, wie
Eſich
[66]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
ſich wenigſtens in allen Mittelgebirgen in einer gewiſ-
ſen Tenfe allemahl vorfinden wird. Z. E. Wenn
man auf Hornſtein, Gneiß, Jaſpis und Porphir-
arten und andere dergleichen einfoͤrmige Steine kommt;
ſo kann man gewiß verſichert ſeyn, daß man alsdann
ſchon zu denen Wirkungen des unterirrdiſchen Feuers
gelanget. Dieſe gewaltſamen Emportreibungen der
in der Erde gebildeten Steinarten konnten nicht derge-
ſtalt geſchehen, daß ſich nur die Felſen, die jetzo den
Ruͤcken oder den Kern der Felſengebirge ausmachen,
uͤber die Oberflaͤche ſich empor erhoben; ſondern dieſe
unterirrdiſche Gewalt mußte in denen Vorgebirgen
ſanft, und in denen Mittelgebirgen dohnlegigt oder
aufſteigend die Oderflaͤche und die darunter gebildeten
feſten und einfoͤrmigen Steinarten auf beyden Seiten
der herausgetriebenen Felſen zugleich mit erheben.
Dieſes beweiſet auch die Erfahrung bey allem Berg-
bau. Man koͤmmt, ohngeachtet der Erhebung des
Mittelgebirges, immer in einerley Teufe auf das fe-
ſte einfoͤrmige Geſtein, z. E. auf Hornſtein. Dieſes
koͤnnte aber nicht geſchehen, wenn die Mittel- und
Vorgebirge lediglich durch Ueberſchwemmungen ent-
ſtanden, und durch die Fluthen an das Felſengebirge
angeſchwemmet worden waͤren. Nach der Maaße,
wie ſich das Gebirge mehr erhuͤbe, und welches man
durch Ausrechnungen genau beſtimmen koͤnnte, muͤßte
man auch um ſo viel leichter die Schaͤchte tiefer ab-
teufen, um auf das feſte Geſtein zu kommen. Die-
ſes iſt ein ſehr großer und uͤberzeugender Beweis,
daß die Felſengebirge durch eine unterirrdiſche Gewalt
uͤber die Oberflaͤche der Erde empor getrieben ſind.
Und
[67]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Und dergleichen Beweiſe werden wir unten im vier-
ten Abſchnitte mehrere anfuͤhren, die gewiß unendlich
buͤndiger ſind, als die eitlen und ſchwachen Muth-
maßungen, welche der Verfaſſer der obgedachten klei-
nen Schrift von dem Uhrſprunge der Gebirge auf ei-
ne ſeichte Art und mit vielen Widerſpruͤchen vorgetra-
gen hat.
Was die dritte Entſtehungsart der Gebirge anbe-
langet, nach welcher ſie, naͤmlich zu der Zeit, als das
feſte Land noch Meeresgrund war, von den Stroͤhmen
und andern Bewegungen des Meeres gebildet wor-
den; ſo iſt leicht einzuſehen, wie dieſes hat geſchehen
koͤnnen. Heut zu Tage ſind alle Schifffahrende ge-
nugſam uͤberzeuget, daß es in denen Meeren eben ſo
anſehnliche Stroͤhme giebt, als auf dem feſten Lande,
die der Schifffahrt zuweilen, wenn ihr die Stroͤhme
entgegen ſind, viele Unbequehmlichkeiten veruhrſa-
chen. Jch habe bereits verſchiedene mahl der Stroͤh-
me im Meere in meinen Schriften erwaͤhnet, und
Betrachtungen daruͤber angeſtellet. Jch geſtehe gern,
daß ich die Uhrſachen und Entſtehungsarten dieſer
Stroͤhme damahls nicht habe ergruͤnden koͤnnen; die
Stroͤhme, ſo von dem feſten Lande ſich in das Meer
ergießen, ſind keinesweges diejenigen, ſo man in de-
nen Meeren bemerket. Hiervon iſt man bereits
genugſam uͤberzeuget, da man in einigen Meilen,
von des Ausſchluß des Strohmes an zu rechnen, weiter
keine Spuhr davon in dem Meere bemerket. Die
Quellen, welche in dem Grunde des Meeres entſprin-
gen, koͤnnen gleichfalls ohne vorhergehende Uhrſachen
nicht in beſondere Baͤche, Fluͤſſe und Stroͤhme zu-
E 2ſammen-
[68]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
ſammenfließen. Ein ſo weniges Waſſer, als eine
Quelle giebt, wird ſich alſobald mit dem Meereswaſ-
ſer vermiſchen, und kann nicht die Gewalt haben, vor
ſich fortzufließen, und ſich mit andern Quellen zu ver-
einigen, und Fluͤſſe und Stroͤhme auszumachen.
Allein, wenn man einmahl auf die Spitzen gewiſſer
vorhin unerkannten Wahrheiten gekommen iſt; ſo
wird vieles andere begreiflich, deſſen Uhrſachen vor-
her nicht zu ergruͤnden waren. Dasjenige, was ich
in dieſer Geſchichte ſo klar erweiſen werde, naͤmlich,
daß der Grund des Meeres in denen aͤlteſten Zeiten
mehr als einmahl feſtes Land geweſen iſt, das giebt
uns nunmehro auch die Erklaͤhrung und Erlaͤuterung
an die Hand, aus was Uhrſachen ſich in den Meeren
Stroͤhme befinden. Als der jetzige Grund des Mee-
res noch feſtes Land war; ſo hatte es ſeine Baͤche,
Stroͤhme und Fluͤſſe, und dieſe alle hatten ihre Bet-
ten und Ufer, worinnen ſie floſſen. Dieſe Betten
und Ufer blieben bey dem Eintringen des Meeres in
ihrem Zuſtande, und die Fluͤſſe und Stroͤhme konn-
ten demnach, ohngeachtet des Waſſers, das ſie be-
deckte, immer fortfließen. Der gewaltſame Lauf, den
ein großer Strohm hat, kann durch das daruͤber ſte-
hende ſtille Meerwaſſer, geſetzt, daß auch ſeine Ober-
flaͤche ſtuͤrmiſch waͤre, nicht gehintert werden, zu-
mahl da dieſe Stroͤhme ihre beſondern Betten und
Ufer haben. Die reißende Gewalt des Strohmes
muß vielmehr das uͤber demſelben ſtehende ſtille Meer-
waſſer wegen der Anhaͤnglichkeit, ſo die homogenen
Waſſertheile an einander haben, mit ſich, nach eben
der Richtung, nach und nach, und bey vorhandenen
Meeres-
[69]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Meeresſtillen fortziehen, und dadurch veruhrſachen,
daß der Strohm auch auf der Oberflaͤche des Meeres
bemerklich und wirkſam iſt, wie wir bey denen Schiff-
fahrten genugſam erfahren.
Daß aber dieſe Stroͤhme im Meere Berge, je-
doch nur von maͤßiger Erhoͤhung, bilden koͤnnen, das
kann wohl keinem Zweifel unterworfen werden. Wir
ſehen in allen unſern großen Stroͤhmen Jnſuln von
verſchiedener Groͤße, welche der Strohm durch den
mit ſich gefuͤhrten Sand und Schlamm nach und nach
hervorgebracht hat; und ſo gar wiſſen wir, daß neue
Jnſuln von dergleichen Art bey Menſchen Gedenken
entſtehen, und zwar an ſolchen Orthen in dem Stroh-
me, wo vorhin dergleichen nicht waren. Die Uhr-
ſache hiervon iſt wohl ohne Zweifel, daß der Strohm
an ſolchen Orthen gar keinen, oder nur wenigen Fall
hat, und dahero den mit ſich gefuͤhrten Sand und
Schlamm fallen laͤßt und abſetzet; aber auch durch die
Meereswellen und die Gewalt der Winde koͤnnen Ber-
ge und Erhoͤhungen in dem Grunde des Meeres ent-
ſtehen. Jn vielen Meeren treiben gewiſſe Winde ei-
ne große Menge Sand nach denen Ufern, daß da-
durch die Meerhaͤfen und die Ausfluͤſſe der großen
Stroͤhme Nachtheil leiden; und es iſt denen Seefah-
rern genugſam bekannt, daß in denen Meeren Sand-
baͤnke entſtehen, wo vorhin dergleichen nicht waren.
Dieſe Sandbaͤnke, wie auch die Verſchlemmungen
der Haͤfen und Ausfluͤſſe der Stroͤhme ſind nichts an-
ders, als Berge und Erhoͤhungen in dem Grunde des
Meeres.
E 3Wir
[70]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
Wir kommen endlich auf die vierte Entſtehungs-
art der Gebirge, naͤmlich, daß viele Floͤtz- Sand-
und Leimengebirge auch durch Ueberſchwemmungen
auf der Oberflaͤche des feſten Landes entſtanden ſeyn
koͤnnen, und wahrſcheinlich entſtanden ſind. Gewalt-
ſame Fluthen reißen Sand und Schlamm von ver-
ſchiedenen Erdarten mit ſich fort, und ſetzen ſie ab, ſo
bald ſie in einen geruhigen Zuſtand kommen. Zwar,
wenn die Oberflaͤche eine ganz vollkommene Ebene iſt,
und die Fluthen keine Hinterniß antreffen; ſo geſtehe
ich ganz gerne, daß ſich allerdings dasjenige ereignen
wird, was der Verfaſſer der obgedachten kleinen
Schrift von dem Uhrſprunge der Gebirge behauptet
hat, naͤmlich, daß die Fluthen ſanft fortrollen, und ih-
ren mit ſich fuͤhrenden Sand und Schlamm allenthal-
ben gleich abſetzen werden. Allein, es ſind doch ver-
ſchiedene Uhrſachen vorhanden, welche wirken koͤnnen,
daß die Fluthen in einer großen Gegend von hundert
und mehr Meilen ihren Sand und Schlamm nicht
gleichmaͤßig abſetzen, ſondern an vielen Orthen klei-
ne Erhoͤhungen, oder Floͤtz- Sand- und Leimenberge
bilden.
Jch habe ſchon mehrmahlen erwaͤhnet, daß unſer
Planet, als er ſich nach ſeiner Abreißung von dem
Sonnencoͤrper zu einer ziemlich runden Kugel bildete,
ſolches dennoch nicht ſo vollkommen geſchehen konnte,
daß er uͤberall eine vollkommen glatte und ebene
Oberflaͤche hatte. Dieſe kleine Ungleichheiten waren
ſchon eine Uhrſache, daß ſich die Fluthen einigermaſ-
fen daran ſtoßen, daſelbſt mehr Sand und Schlamm
abſetzen, und mithin kleine Berge bilden konnten.
Nach-
[71]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
Nachfolgende Ueberſchwemmungen fanden hier mehr
Hinterniſſe, und dieſe Erhoͤhungen und kleinen Berge
wurden immer groͤßer.
Noch eine andere Uhrſache vieler Floͤtz- und
Sandberge in großen Ebenen iſt in der Materie, ſo
die Fluthen mit ſich fuͤhrten, ſelbſt zu ſuchen. Es iſt
gewiß, daß die Fluthen Kieſelſteine und andere
ſchwehre Materien nicht ſo weit mit ſich fortreißen
koͤnnen, als Sand und Schlamm. Sie muͤſſen alſo
dieſe Steine und ſchwehren Materien viel zeitiger ab-
ſetzen, als ſie ſelbſt auf der Ebene ſanft fortwallen.
Wenn einmahl große Kieſelſteine in einer gewiſſen
Gegend abgeſetzet ſind; ſo finden alle andere derglei-
chen Steine und ſchwehrere Materien, welche die nach-
folgenden Fluthen mit ſich bringen, hier ihr Ziel, wo
ſie nicht weiter fortgeriſſen werden koͤnnen, ſondern
abgeſetzet werden muͤſſen, wodurch ſich das Hauf-
werk der Steine und ſchwehren Materien an dieſer
Stelle vermehret, und nachfolgende Ueberſchwemmun-
gen in ſpaͤtern Zeiten ſtoßen ſich daran, ſetzen im-
mer mehr Sand oder Schlamm ab; und auf dieſe
Art entſtehen endlich Floͤtz- Sand- und Leimengebirge.
Daß ſich dieſes alſo auf der Oberflaͤche unſers Erd-
coͤrpers wirklich ereignet habe, das liegt daraus klar
zu Tage, weil die unterſten Lagen oder Schichten vie-
ler Floͤtz- und anderer ſolcher Berge aus ſehr großen
Kieſelſteinen beſtehen. Es iſt dieſes an ſehr vielen
Orthen bemerket worden, und die Sache kann auf
keinerley Art in Zweifel gezogen werden i).
E 4Vielleicht
[72]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
Vielleicht duͤrfte man ſagen, daß die dritte Ent-
ſtehungsart der Berge in dem Grunde des Meeres
genugſam zureichend ſey, um die Bildung aller Floͤtz-
gebirge in großen Ebenen zu erklaͤhren, und daß es
gar nicht noͤthig geweſen ſey, noch eine vierte Ent-
ſtehungsart, naͤmlich Ueberſchwemmungen auf dem
feſten Lande anzunehmen. Allein, daß ſich wirklich
zu der Zeit, da das feſte Land keinen Meeresgrund
ausgemacht hat, beſondere Ueberſchwemmungen auf
dem bewohnten feſten Lande ereignet haben muͤſſen,
darzu ſind verſchiedene wahrſcheinliche Gruͤnde vor-
handen, die uns dieſes anzunehmen und vorauszu-
ſetzen noͤthigen. Jch will nur einen davon anfuͤhren.
Bey Minden im Hannoͤveriſchen befindet ſich ein
Berg, woraus man Steinkohlen graͤbet. Dieſe
Steinkohlen ſind ehedem ganz offenbahr und unge-
zweifelt nichts als Stuͤcken Holz, oder ſogenanntes
Scheitholz geweſen. Die Steinkohlen liegen noch in
eben der Figur und Geſtalt ſehr hoch in dieſem Ber-
ge, die ſie als Scheitholz gehabt hatten. Man er-
kennet dieſe Scheite ſowohl an den Orthen, wo ſie
ehemals von ihrem Stamm abgehauen, als wo ſie
durchgeſaͤget worden; wie man denn auch ihre gewe-
ſene
i)
[73]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
ſene Rinde noch gar wohl erkennen und unterſcheiden
kann. Es iſt unglaublich, was in dieſem Berge vor
eine Menge Scheitholz, ſowohl in Anſehung der Hoͤhe
des Berges, als ſeines weiten Umfangs, zuſammen-
getrieben ſeyn muß. Man kann wohl keine andere
Erklaͤhrung dieſes erſtaunlichen Haufen von Holze an-
nehmen, als daß ſolches von Ueberſchwemmungen an
dieſen Orth zuſammengeſchwemmet ſeyn muß, wo
vielleicht vorhin eine kleine Erhoͤhung geweſen, woran
ſich die Fluthen geſtoßen haben. Denn der Berg iſt
noch jetzo bey aller darinnen befindlichen großen Men-
ge von ehemahligen Holz und nunmehrigen Steinkoh-
len, gegen großen Gebirgen zu rechnen, nur von einer
ſehr maͤßigen Hoͤhe. Was koͤnnte man wohl dieſer
durch die Fluthen zuſammengetriebenen erſtaunlichen
Menge von Scheitholz vor eine andere Erklaͤhrung ge-
ben, als daß die Oberflaͤche in der daſigen Gegend
damahls bey dem Einbruch der Fluthen bewohnet ge-
weſen iſt, und daß die Menſchen zu ihrer kuͤnftigen
Beduͤrfniß eine große Menge Scheitholz geſchlagen
gehabt haben.
Dieſes ſind demnach die viererley Entſtehungs-
arten, wodurch alle Gebirge auf der Oberflaͤche un-
ſers Erdcoͤrpers gebildet und hervorgebracht worden
ſind. Jndeſſen kann man faſt niemahls ſagen, daß
eine Uhrſache allein dieſes oder jenes Gebirge formiret
haͤtte. Gemeiniglich haben mehrere Uhrſachen zuſam-
men gewirket, um denen Gebirgen ihre jetzige Ge-
ſtalt zu geben. Die Erhoͤhungen und Ungleichheiten,
ſo bey der erſten Bildung unſers Planeten nach ſeiner
Losreißung von der Sonne auf ſeiner Oberflaͤche uͤbrig
E 5blieben,
[74]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit
blieben, ſind durch nachherige Ueberſchwemmungen
vergroͤßert worden, ſo, daß die anſehnlichſten Floͤtz-
gebirge daraus entſtanden ſind. Diejenigen Felſenge-
birge, ſo durch das unterirrdiſche Feuer uͤber ſeine
Oberflaͤche getrieben worden, ſind durch nachherige
Ueberſchwemmungen, wenigſtens in Anſehung ihrer
Mittel- und Vorgebirge, vergroͤßert worden. Wenn
durch die Stroͤhme und Wellen des Meeres Berge
und Erhoͤhungen in demſelben entſtanden ſind; ſo ha-
ben die Fluthen, womit ſie uͤberſchwemmet wurden,
als ſie bereits trockenes Land waren, dieſe Berge und
Erhoͤhungen vermehret; und ſo kann ſich die Sa-
che auch umgekehrt verhalten haben. Da aber von
dieſen beyden letztern Uhrſachen nur Floͤtzgebirge ent-
ſtanden ſeyn koͤnnen; ſo wuͤrde es dadurch begreiflich,
warum gemeiniglich faſt alle Floͤtzgebirge ſo verſchiede-
ne Lagen und Schichten von Steinarten haben.
Wenn man nun dieſe viererley Entſtehungsarten
der Gebirge in genauere Betrachtung ziehet; ſo wird
man eine zeither von den meiſten Gelehrten annoch un-
erkannte Wahrheit gewahr. Denn die Folge daraus
faͤllt von ſelbſt in die Augen, naͤmlich, daß man un-
ſerm Erdcoͤrper ein uͤberaus hohes Alterthum zuſchrei-
ben muͤſſe; und das iſt es, was wir noch in dieſem
Abſchnitte mit wenigem zu zeigen haben.
Ehe die erſtaunlich hohen Felſen von dem unter-
irrdiſchen Feuer uͤber die Oberflaͤche der Erde heraus-
getrieben werden konnten; ſo mußte in dem Jn-
nern des Erdcoͤrpers die Steinwerdung vorgehen.
Dieſe mußte von dem Waſſer gewirket werden, wie
heut
[75]der Gebirge auf dem Erdcoͤrper.
heut zu Tage ſo leicht niemand zweifeln wird. Dieſe
Steinwerdung erfodert aber einen ſehr langen Zeit-
raum, wie wir gleichfalls in dieſer Geſchichte aus uͤber-
zeugenden Beyſpielen erkennen werden. Es iſt noch
ſehr wenig, wenn man hundert tauſend Jahre
annimmt, ehe dieſe Steinwerdung vollbracht wor-
den. Denn ſo tief man auch durch die Bergwerke
in den Erdcoͤrper eintringet; ſo findet man immer
nichts als Geſteine; und je tiefer man kommt, deſto
feſter wird es. Selbſt ehe das unterirrdiſche Feuer
ſo weit zur Oberflaͤche gelangen und eine ſolche Gewalt
ausuͤben konnte, muß man einen eben ſo großen, oder
noch viel groͤßern Zeitraum annehmen, denn einen
Coͤrper von zwoͤlfhundert Meilen dicke auszuhohlen,
zum Theil zu verzehren, und bis zu ſeiner Oberflaͤche
ſeine fuͤrchterliche Gewalt zu erſtrecken, dazu wird ein
faſt unermeßlicher Zeitpunct erfodert.
Auch die beyden ander Entſtehungsarten der Ge-
birge ſetzen ein uͤberaus hohes Alterthum des Erdcoͤr-
pers voraus. Wenn ſich Berge in dem Grunde des
Meeres entweder durch die Stroͤhme, oder durch die
Meereswellen formiren ſollten; ſo iſt dazu gewiß eine
lange Reihe von Jahrtauſenden noͤthig. Sandbaͤnke,
die vor einigen Jahrhunderten zufaͤlliger Weiſe von
denen Schifffahrenden bemerket worden, daß ſie noch
ſo und ſo viel Fuß unter der Oberflaͤche des Meeres
waͤren, befinden ſich noch heutiges Tages in eben die-
ſem, oder doch nur wenig erhoͤheten Zuſtande.
Was ſoll man aber zu der Wahrheit ſagen, da-
von hier nur die erſten Spuhren gezeiget werden, die
aber
[76]I. Abſchn. Von der Beſchaffenheit ꝛc.
aber in denen folgenden Abſchnitten genugſam erwie-
ſen werden ſoll, naͤmlich, daß das Meer oͤfters ſeine
Stelle veraͤndert, und dasjenige zu dem Grunde des
Meeres gemacht, was vorhin feſtes und trockenes Land
war; dahingegen dasjenige ganz oder zum Theil zum
trockenen Lande geworden, was vorhin den Grund des
Meeres abgab, und daß dieſe Veraͤnderungen ſich zu
wiederholten mahlen ereignet haben. Gewiß muß
man dabey einen uͤberaus langen Zeitpunct vorausſe-
tzen. Unſere zuverlaͤßige Geſchichte bey denen mei-
ſten Voͤlkern erſtrecket ſich entweder durch Geſchicht-
ſchreiber, die wir noch jetzo in Haͤnden haben, oder
die von dieſen Geſchichtſchreibern angefuͤhret worden
ſind, bis faſt auf dreytauſend Jahr; dennoch hat ſich
binnen dieſem Zeitraume keine ſolche Veraͤnderung zu-
getragen, noch ſind ganze Laͤnder mit allgemeinen Ue-
berſchwemmungen zu Grunde gerichtet worden, die ſich
dennoch vermoͤge der Entſtehung der Floͤtzgebirge ge-
wiß ereignet haben, und deren wir in den folgenden
Abſchnitten ſehr viel erweiſen werden. Was kann
man demnach durch die richtigſten Folgen aus dem al-
len ſchließen? Nichts anders, als daß unſer Erdcoͤr-
per ein ſehr hohes Alterthum haben muͤſſe.
Zweyter
[77]
Zweyter Abſchnitt.
Von denen verſchiedenen Erdlagen oder
Schichten des Erdcoͤrpers bis zu einer großen
Tiefe, und was daraus in Anſehung des
Alterthums des Erdcoͤrpers zu fol-
gern ſey.
Nachdem ich in dem vorhergehenden Abſchnitte die
hauptſaͤchlichſte aͤußerliche Beſchaffenheit des
Erdcoͤrpers, naͤmlich die auf demſelben befind-
lichen Gebirge, meinen Leſern zur Betrachtung vorge-
leget habe; ſo wollen wir nunmehro anfangen, deſſen
innere Beſchaffenheiten zu unterſuchen. Hier eroͤffnet
ſich ein weites Feld vor einen Naturforſcher; und bey
allen dieſen Unterſuchungen werden wir von der Wahr-
heit, die wir in dem vorhergehenden Abſchnitte zu
gruͤnden angefangen haben, naͤmlich, daß unſer Erd-
coͤrper von einem ſehr hohen Alterthume ſey, auf das
vollkommenſte uͤberzeuget werden.
Es geſchiehet nur allemahl zufaͤlliger Weiſe, daß
wir in den Erdcoͤrper eingraben, und deſſen innerli-
che Beſchaffenheiten dadurch zu unterſuchen Gelegen-
heit erlangen. Die zu einer guten Wirthſchaft am
wenigſten geneigten Monarchen bezeigen doch ſelten
Luſt, zu Unterſuchung der innern Beſchaffenheit des
Erdcoͤrpers große Koſten anzuwenden. Der beruͤhm-
te Herr von Maupertuis hat in ſeinen Schriften den
Vor-
[78]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
Vorſchlag gethan, daß man bis in den Mittelpunct
der Erde eingraben moͤchte, und man wuͤrde dadurch
von ſeiner Beſchaffenheit ganz ausnehmend ſchoͤne Sa-
chen entdecken. Allein, niemahls iſt wohl ein Vor-
ſchlag in allem Betracht ſo ohnmoͤglich geweſen, als
dieſer. Zu geſchweigen, daß er den reichſten und
freygebigſten Monarchen des Erdbodens mit aller ſei-
ner Beredſamkeit und ſchoͤnen Schreibart niemahls
wuͤrde haben bewegen koͤnnen, die Koſten dazu her-
zugeben; ſo waͤre auch das ganze Werk an ſich ſelbſt
ganz ohnmoͤglich geweſen. Wir koͤnnen, durch die
Ausbeute reicher Erzgruben angelocket, mit allen Er-
findungen und Kuͤnſten, die Waſſer zu heben, kaum
zwey bis dreyhundert Lachtern in den Erdboden ein-
tringen. Wie ſollte es alſo moͤglich ſeyn, acht bis
neunhundert Meilen in denſelben einzugraben. Wenn
aber auch dieſes moͤglich waͤre, ſo wuͤrden die Halten,
auf welche man die herausgegrabenen Steine und Er-
de ſtuͤrzen muͤßte, wenigſtens einen Raum erfordern,
ſo groß als das Churfuͤrſtenthum Sachſen, oder ir-
gend ein anderes Land von dergleichen Groͤße. Viel-
leicht iſt alſo niemahls ein ſo ohnmoͤglicher Vorſchlag
gethan worden, als dieſer des Herrn von Mau-
pertuis.
Wenn wir in den Erdboden eingraben, ſo geſchie-
het ſolches entweder wegen Nothwendigkeit des Le-
bens, um Brunnen zu graben, oder den Grund von
wichtigen Gebaͤuden zu legen, oder unſern Geiz nach
den unterirrdiſchen Schaͤtzen des Erdcoͤrpers zu be-
friedigen. Bey dieſen Gelegenheiten der Eingra-
bung in den Schooß der Erde, es geſchehe nun ſol-
ches
[79]Schichten des Erdcoͤrpers.
ches in ganz ebenen Gegenden, oder bey dem Anfan-
ge und Abhange der Floͤtzgebirge, finden wir allemahl,
daß die Erde, ſo tief wir auch eingraben, aus einer
großen Menge von verſchiedenen Erdlagen und Schich-
ten beſtehet, die unaufhoͤrlich mit einander abwech-
ſeln, und von ſehr verſchiedener Staͤrke oder Dicke
ſind. Einige ſind nur eines halben Fußes ſtark, andere
ſind einen, zwey bis drey Fuß dicke, und wieder an-
dere, jedoch die wenigſten, haben eine Staͤrke von
einer, zwey bis drey Lachtern. Sand, Leimen, Let-
ten, ſchwarze Erde, Erde und Sand von allerley
Farben, wechſeln in einer geringen Teufe beſtaͤndig
mit einander ab; und wenn wir etwas tiefer, ohn-
gefaͤhr dreyßig bis vierzig Lachtern eingraben, ſo fin-
det eine eben ſolche Abwechſelung von verſchiedenen
Steinarten, die ſonſt Geburthen der Floͤtzgebirge ſind,
ſtatt. Kalkſteinlagen, ſchlechte Marmorarten, Schie-
ſer von allerley Sorten und Farben, grobe und feine
Sandſteinſchichten liegen in einer unaufhoͤrlichen Ab-
wechſelung uͤber einander; und ſo gehet es beſtaͤndig
ſort, ſo tief wir naͤmlich in ebenen oder niederen Ge-
genden in die Oberflaͤche wegen der Waſſer haben
eintringen koͤnnen, welches aber vielleicht an kei-
nem Orthe tiefer, als bis auf ſechzig, oder hoͤchſtens
ſiebenzig Lachtern geſchehen iſt.
Es wird nicht undienlich ſeyn, daß ich hier aus
einigen Schriftſtellern die Erdlagen oder Schichten
ausfuͤhrlich mittheile, die bey zufaͤlligen Eingrabun-
gen gefunden worden ſind. Der Herr von Buͤffon
in ſeiner Naturgeſchichte k) hat die Erdarten be-
kannt
[80]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
kannt gemacht, die in Frankreich zu Marly la Ville,
bey Eingrabung eines Brunnens, in einer Tiefe von
hundert und eilf Fuß und acht Zoll bemerket worden
ſind; wobey man jedoch beobachten muß, daß Marly
la Ville in etwas auf einer Anhoͤhe liegt. Dieſe
Erdlagen beſtanden in folgenden roͤthlichen Erden mit
Schlamm vermiſcht, und ſowohl kalk- als glasarti-
ger Sand vierzehn Fuß drey Zoll; ſtaͤrkere Beymi-
ſchung von Sandarten zwey Fuß acht Zoll; ſtarke
Beymiſchung von glasartigen Sande drey Fuß drey
Zoll; harter Mergel zwey Fuß zwey Zoll; Steinmer-
gel vier Fuß vier Zoll; Staubmergel mit glasartigen
Sande fuͤnf Fuß fuͤnf Zoll; feinglasartiger Sand ein
Fuß ſieben Zoll; Mergelerde mit glasartigen Sande
drey Fuß neun Zoll; harter Mergel mit Feuerſteinen
drey Fuß neun Zoll; Staubmergel ein Fuß ein Zoll;
Steinart wie Marmor und klingend ein Fuß ſieben
Zoll; Sandmergel ein Fuß ſieben Zoll; Steinmer-
gel, fein, ein Fuß ſieben Zoll; groͤber, ein Fuß ſieben
Zoll; noch groͤberer, zwey Fuß acht Zoll; glasartiger
Sand mit ganzen und glaͤnzenden Meeresſchnecken
ein Fuß ſieben Zoll; Mergel in Pulver zwey Fuß
zwey Zoll; in harten Stein drey Fuß neun Zoll; in
groben Pulver ein Fuß ſieben Zoll; harter Kalkſtein
ein Fuß ein Zoll; Sand mit unveraͤnderten Schne-
cken vermiſcht drey Fuß drey Zoll; weißer Sand
zwey Fuß zwey Zoll; ſtreifiger Sand ein Fuß ein
Zoll; grober, ein Fuß ein Zoll; grauer und feiner
neun Fuß vier Zoll; fettigter Sand ohne Schne-
cken drey Fuß drey Zoll; Sand geſtreift vier Fuß
vier Zoll; weißer Sand drey Fuß neun Zoll; rother
Sand
[81]Schichten des Erdcoͤrpers.
Sand ſechzehn Fuß fuͤnf Zoll, zuſammen hundert und
eilf Fuß acht Zoll.
Wir wollen dieſe verſchiedenen Erdſchichten un-
ſern Leſern zu eigener Betrachtung uͤberlaſſen, bis wir
ſie in den folgenden Abſchnitten mehr gebrauchen wer-
den, und indeſſen nur zu bemerken bitten, daß in die-
ſen ſo mannichfaltigen abwechſelnden Erdlagen zwey-
mahl ein Meeresgrund angetroffen wird, naͤmlich
derjenige Sand, wobey bemerket wird, daß er mit
Schnecken und Muſcheln untermiſchet geweſen. Was
aber inſonderheit dabey einige Aufmerkſamkeit verdie-
net, das iſt, daß in dem oberſten Meeresgrunde die
Schnecken verſteinert, in dem unterſten Meeresgrun-
de aber dergleichen Meeresſchnecken ganz unveraͤndert
befunden worden. Es iſt zwar wohl zu vermuthen,
daß alle dieſe verſchiedenen Erdſchichten von Waſſer
befreyet geweſen ſind, weil man ſonſt nicht immer tie-
fer nach dem Waſſer des Brunnens gegraben haben
wuͤrde. Allein, es muß doch eine Uhrſache vorhan-
den geweſen ſeyn, warum die Schnecken in dem un-
terſten Meeresgrunde unveraͤndert geblieben, in dem
oberſten aber verſteinert geworden ſind. Meines Er-
achtens iſt die Uhrſache darinnen zu ſuchen, daß zwi-
ſchen dieſen beyden Meeresgruͤnden eine feſte Stein-
art ſich befunden hat; das Waſſer aus dem unterſten
Meeresgrunde hat ſich alſo in den darunter liegenden
tiefen Sand ziehen koͤnnen, und dadurch die Meer-
muſcheln in einem trockenen Zuſtande gelaſſen, wel-
cher der Verſteinerung gar nicht befoͤrderlich iſt.
Allein, uͤber dieſen erſten Meeresgrund hat ſich in
der Folge der Zeit eine Lage von Letten durch Ueber-
Fſchwem-
[82]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
ſchwemmung angeleget, die endlich zu Stein gewor-
den iſt. Beydes, ſowohl der Letten, als die nach-
herige Steinart, haben das Waſſer von dem zwey-
ten Meeresgrunde nicht durchſeigen laſſen, und dahero
iſt alſo die Verſteinerung der Schnecken in dem zwey-
ten Meeresgrunde entſtanden.
Jedoch es wird nicht undienlich ſeyn, mehrere
Beyſpiele anzufuͤhren. Da man in Amſterdam bey Er-
bauung großer und wichtiger Gebaͤude, wegen der
Naͤhe des Meeres und der ſchlechten Beſchaffenheit
des Bodens einen ſehr tiefen Grund, und gemeinig-
lich noch auf einen Roſt oder Pfaͤhle legen muß; ſo
hat man bey ſolchen Gelegenheiten einigemahl bis
zweyhundert und fuͤnf und dreyßig Fuß tief in den
Erdboden eingegraben. Man hat alsdenn eben ſo
verſchiedene und abwechſelnde Erdlagen und Schich-
ten gefunden, unter welchen zweymahl ein geweſener
Meeresgrund mit Schnecken und Muſcheln ſich gezei-
get hat; und eben ſo oft iſt ein ſchwarzes Erdreich be-
merket worden, welches ehedem wahrſcheinlich die be-
wohnte Oberflaͤche des Erdcoͤrpers geweſen iſt.
Die Mansfeldiſchen Bergwerksgruben, aus wel-
chen man kupferhaltige Schiefern foͤrdert, werden alle
in Floͤtzgebirge abgeteufet, als aus welchen die ganze
daſige Gegend beſtehet. Bey Gelegenheit, die daſi-
gen Schaͤchte einzuſchlagen, findet man gleichfalls ei-
ne Menge von ſehr verſchiedenen Lagen und Schich-
ten; jedoch ſind dieſelben groͤßtentheils von Steinar-
ten, wie es der Natur aller Floͤtzgebirge gemaͤß iſt.
Jch will aus denen Nachrichten von der Beſchaffen-
heit
[83]Schichten des Erdcoͤrpers.
heit der daſigen Bergwerke l) die verſchiedenen La-
gen und Schichten hieher ſetzen, wie ſie bey der Ab-
teufung der daſigen Schaͤchte, die gemeiniglich vier-
zig bis hoͤchſtens ſechzig Lachtern tief ſind, gefunden
worden.
- 1) Raſen,
- 2) Erde,
- 3) Leimen,
- 4) Feldwacken,
- 5) Grober Triebſand,
- 6) Rother Triebſand,
- 7) Gelber Triebſand,
- 8) Weißer Triebſand,
- 9) Schwarz Gebirge,
- 10) Braunholzgebirge,
man meiſtens auf den
Rießdorfer Stollen.- 11) Roth Gebirge,
- 12) Rother Klee,
- 13) Roth ruͤßlich Ge-
birge, - 14) Grob Kalkge-
birge, - 15) Kalkſtein,
faſt in allen dieſen Schaͤch-
ten, beydes zu Mansfeld und
Eisleben.- 16) Spiegelkalkſtein, iſt in dem Heinzſchen Kunſt-
ſchachte zu Hergisdorf im Sinken angetroffen
worden. - 17) Schwarz ſchwimmigt
Gebirge, - 18) Braun ſchwimmigt
Gebirge, - 19) Weiß ſchwimmigt
Gebirge, - 20) Thonwalken,
meiſt in dem ſogenann-
ten neuen Felde beym
Pfarrholze, und auf
dem Hirtenberge.- 17) Schwarz ſchwimmigt
- 21) Rother Thon,
- 22) Weißer Thon,
- 23) Blauer Thon,
allen tiefen Schaͤchten zu Eis-
leben und Mansfeld.- 24) Seifengebirge, findet man hinterm Kloſter
Mansfeld mit unter. - 25) Geroͤlle, oder Geraͤlle,
- 26) Schluͤtterig Gebirge,
gar feſte, - 27) Grau feſt ruͤßlich Ge-
birge, - 28) Aſche bis auf den
Stein. - 29) Der Gneiß,
iſt, liegen dieſe beyden
Gebirge bis auf den
Stein, ſonderlich um
Benndorf, ſowohl auch
auf der Mittelzeche.- 30) Der Schwell, oder
Schwiel, - 31) Oberrauchſtein,
- 32) Zechſtein,
- 33) Unterrauchſtein,
- 34) Schlitterſtein,
- 35) Die Oberfaͤule,
- 36) Der Mittelſtein,
- 37) Die Unterfaͤule,
- 38) Der Mittelſtein,
- 39) Noberg,
folget ſtetig auf allen Zechen
auf einander, und veraͤn-
dert ſich nicht, bis an theils
Orten auf das Noberg.- 30) Der Schwell, oder
- 40) Der Oberkamm,
- 41) Der Lahnberg,
- 42) Der Unterkamm,
- 43) Der Streifkam̃,
- 44) Die Lochziefer,
- 45) Die Oberletten,
- 46) Die Unterletten,
ba bleibet der Kamm auſ-
ſen, und wo es Kamm giebt,
da bleibet der Lahnberg auſ-
ſen.- 47) Das Lochwerk, wor-
auf mit geſchraͤmmet
wird, - 48) Das weiße liegende,
- 49) Das rothe oder todte
liegende.
nicht, ſind alſo auf allen
Zechen.- 47) Das Lochwerk, wor-
Der Verfaſſer dieſer Nachrichten von den Erd- und
Steinſchichten, die ſich bey dem Bergbau in der Graf-
ſchaft Mansfeld vorfinden, hat in der That einen Feh-
ler begangen, daß er die Nahmen dieſer Erd- und
Steinarten bloß nach denen bergmaͤnniſchen Benen-
nungen in dieſer Grafſchaft anfuͤhret, die noch uͤber-
dies nicht allgemeine bergmaͤnniſche Kunſtwoͤrter ſind,
ſondern bloß unter denen Bergleuten dieſer Gegend
ſtatt finden. Er haͤtte zugleich neben dieſen gemeinen
Ausdruͤcken auch die Natur und Beſchaffenheit dieſer
verſchiedenen Erd- und Steinſchichten anzeigen ſollen.
Jndeſſen ſiehet man doch daraus, was vor eine Men-
ge von abwechſelnden Erd- und Steinlagen auch in
dieſer Gegend in der Erde gefunden werden. Der
weiße Triebſand, welcher Num. 8. bemerket wird, hat,
wie ich von verſchiedenen Mansfeldiſchen Bergbedien-
ten gehoͤret habe, gemeiniglich viele Verſteinerungen
F 3von
[86]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
von Meermuſcheln und Schnecken in ſich, und giebt
alſo die wahrſcheinliche Vermuthung an die Hand,
daß er ehemahls den Grund des Meeres ausgemacht
habe. Wir wollen auch noch die Aſche bemerken,
welche der Verfaſſer Num. 28. anfuͤhret, indem wir
uns in dem folgenden Abſchnitte darauf beziehen
werden.
Ueberhaupt muß man als eine ganz ungezweifelte
Wahrheit behaupten, daß die Erde in ebenen Gegen-
den und an dem Fuße aller Floͤtzgebirge allenthalben
eine ſolche Beſchaffenheit von beſtaͤndig abwechſelnden
Erd- und Steinſchichten habe; ſo tief man auch bey
den obgedachten Gelegenheiten der Bergwerke, des
Brunnengrabens und der Grundlegung der Gebaͤude
noch in den Erdboden eingetrungen iſt. Man koͤnnte
hier eine lange Reihe von Verzeichniſſen ſolcher Erd-
und Steinlagen anfuͤhren, wenn man es fuͤr gut be-
faͤnde, dieſes Buch dadurch zu vergroͤßern. Jndeſ-
ſen kann man bey dem Herrn Profeſſor Bergmannm)
aus mancherley Gegenden dergleichen verſchiedene Erd-
und Steinſchichten nachſehen, die derſelbe in ſeinem
Werke aus vielen Schriften uͤber die Naturgeſchichte
geſammlet hat.
Was ſoll man von dieſer allgemeinen Beſchaffen-
heit des Erdcoͤrpers in Anſehung dieſer ſo unaufhoͤr-
lich abwechſelnden verſchiedenen Erdlagen und. Stein-
ſchichten wohl urtheilen? Es wuͤrde mich hier zu weit
fuͤhren,
[87]Schichten des Erdcoͤrpers.
fuͤhren, wenn ich alle Meynungen der Schriftſteller,
womit man das Daſeyn dieſer Lagen und Schichten
hat erlaͤutern wollen, anfuͤhren und beurtheilen wollte.
Jndeſſen kann man ſie faſt alle auf zwey Hauptmey-
nungen bringen. Die Einen haben geglaubt, daß
dieſelben von der Schoͤpfung herruͤhreten, und von
Gott alſo erſchaffen worden; eine Meynung, die ſehr
kurz aus der Sache heraushilft, aber nicht ſehr gruͤnd-
lich und philoſophiſch iſt. Die andern haben davor
gehalten, daß man ſie denen Wirkungen der Suͤnd-
fluth zuſchreiben muͤſſe; eine Erklaͤhrung, die nicht
viel beſſer beſchaffen iſt. Es iſt hier unſere Sache,
beyde Meynungen zu pruͤfen und zu beurtheilen.
Man denket allemahl ſehr klein von der unendli-
chen Weisheit und Vollkommenheit Gottes, wenn
man ſich einbildet, daß ſich ſeine Allmacht mit Erſchaf-
fung der groben Materien von Erde, Sand und
Steinen werde beſchaͤfftiget haben, die wir in dieſen
verſchiedenen Lagen und Schichten wahrnehmen. Noch
mehr aber, man denket unvernuͤnftig, wenn man ſei-
ner Allmacht dergleichen Werke beymiſſet, wobey ſei-
ne Weisheit nicht diejenigen Endzwecke gehabt haben
kann, welche derſelben gemaͤß ſind. Worzu koͤnnen
wohl dieſe Lagen und Schichten denen Creaturen nu-
tzen, welche die Oberflaͤche der Erde bewohnen, da-
von die meiſten ſo tief unter der Oberflaͤche verborgen
ſind, und die wir nicht einmahl wahrnehmen, außer
bey ſehr zufaͤlligen und ſeltenen Gelegenheiten? Viel-
mehr, da eben dergleichen grobe und unnuͤtzliche Mate-
rien ſich bis auf die Oberflaͤche der Erde erſtrecken,
F 4welche
[88]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
welche der Fruchtbarkeit und Bewohnung der Erde
nachtheilig ſind, muͤßte man von der unendlichen
Weisheit und Guͤtigkeit des Schoͤpfers gedenken, daß
er die ganze Oberflaͤche der Erde bis in eine zureichen-
de Tieſe mit dem fruchtbareſten Erdreich erſchaffen
haben wuͤrde, wenn dergleichen groͤbere Erdarten un-
mittelbare Werke ſeiner Hand waͤren. Allein, eine
nur wenig nachdenkende Vernunft erkennet alſobald,
daß dergleichen verſchiedene Erdarten und Steine bloß
zufaͤllige Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers ſind, wel-
che durch eine Menge mit denſelben vorgegangenen
Veraͤnderungen gewirket worden.
Ueberdies, wenn dieſe Erdlagen und Steinſchich-
ten alſo von Gott erſchaffen waͤren, ſo muͤßten auch
die Verſteinerungen aus dem Thier- und Pflanzenrei-
che, die wir darinnen finden, alſo von Gott mit er-
ſchaffen worden ſeyn. Sie muͤßten nie dasjenige na-
tuͤrlich geweſen ſeyn, wovon wir doch alle moͤgliche
Kennzeichen an ihnen wahrnehmen. Kurz, ſie muͤß-
ten Spielwerke der Natur, oder welches einerley iſt,
Spielwerke Gottes ſeyn. Wer kann aber dieſes von
einem unendlich weiſen Weſen gedenken. Dieſe ehe-
mahlige Erklaͤhrung der Verſteinerungen, davon ich
unten in einem Abſchnitte mehr reden werde, iſt heut
zu Tage bey vernuͤnftigen Leuten ſo laͤcherlich und ab-
geſchmackt, daß man ſich ſolche gar nicht einfallen
laſſen kann.
Die Meynung, daß man dieſe verſchiedenen Erd- und
Steinlagen der Suͤndfluth zuſchreiben muͤſſe, iſt nicht beſ-
ſer beſchaffen. Diejenigen, welche dieſe Erklaͤhrung der
Sache
[89]Schichten des Erdcoͤrpers.
Sache annehmen, ſehen ſich genoͤthiget, ſich von der
Suͤndfluth Vorſtellungen zu machen, die ſehr wider-
ſinniſch und ungereimt ſind. Sie glauben, daß die
Waſſer der Suͤndfluth allen Sand und Erde auf dem
Erdcoͤrper losgeweicht, aufgeruͤhret, und in ſich ge-
nommen haben. Dieſe Wirkung der Suͤndfluth iſt
ſowohl demjenigen gerade entgegen, was wir in allen
andern aͤhnlichen Faͤllen von der Wirkung der hoͤchſten
Waſſer wahrnehmen, als an ſich ſelbſt ohnmoͤglich.
Das Waſſer eines ziemlich tiefen Fluſſes oder Stroh-
mes weichet den Sand und Erdreich nicht einen Fuß
tief unten in ſeinem Bette auf; und ſo gar die Feuch-
tigkeit von dem Waſſer des Fluſſes, wenn der Boden
aus feſter Erde, und nicht aus Sande beſtehet, trin-
get nicht uͤber zwey Fuß tief in den Boden ſeines Bet-
tes ein.
Wir wiſſen dieſes aus der Erfahrung, indem es
ſchon Faͤlle gegeben hat, daß man Bergſtollen unter
dem Bette eines ziemlich anſehnlichen Fluſſes hinweg
zu fuͤhren genoͤthiget worden iſt, ohne daß deshalb das
Waſſer des Fluſſes in den Stollen gefloſſen waͤre, oder
nur hineingetroͤpfelt haͤtte. Wenn die Waſſer der
Suͤndfluth die Wirkung haͤtten haben koͤnnen, das
unter ihnen ſtehende Erdreich ſehr tief loszuweichen
und aufzuruͤhren; ſo muͤßte ſich ja dieſes noch jetzo in
dem Grunde des Meeres, wenigſtens verhaͤltnißmaͤſ-
ſig, ereignen, zumahl da die Meere von denen Stuͤr-
men zu ſehr beweget werden. Allein, unſere Tau-
cher, welche Corallen, Perlenmuſcheln, oder verun-
gluͤckte Guͤter aus dem Grunde des Meeres heraus-
holen, finden faſt allenthalben einen feſten Grund;
F 5und
[90]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
und wo wollten ſo viele Schiffe, welche alle Meere be-
fahren, einen tuͤchtigen Ankergrund finden, wenn der
Grund des Meeres allenthalben von dem Waſſer auf-
geweichet waͤre. Es iſt aber bekannt, daß ein guter
Ankergrund gar nicht ſelten iſt, und daß es vielmehr
ſich nicht gar oft ereignet, einen ſchlammigten und
moraſtigen Boden in den Meeren anzutreffen.
Wenn es aber auch auf irgend einige Art moͤglich
geweſen waͤre, daß ſich alle Erdarten auf unſerm Pla-
neten durch die Waſſer der Suͤndfluth haͤtten loswei-
chen und aufruͤhren koͤnnen; ſo wuͤrden deshalb nichts-
weniger als die verſchiedenen Erd- und Steinſchichten
dadurch haben entſtehen koͤnnen, die wir bey der Ein-
grabung in den Erdboden finden. Diejenigen, wel-
che dieſe verſchiedenen Erdlagen durch die Suͤndfluth
entſtehen laſſen, ſehen ſich genoͤthiget, zu einer an-
dern Ungereimtheit und ganz ohnmoͤglichen Sache ihre
Zuflucht zu nehmen. Sie muͤſſen ſich naͤmlich vorſtel-
len, daß, als die Waſſer der Suͤndfluth zur Ruhe
gekommen, und ſich die aufgeruͤhrten Erdarten wie-
der niedergeſchlagen haͤtten, nur allemahl gleichartige
oder homogene Theile von einerley Erdart zu gleicher
Zeit und auf einmahl zu Boden geſunken waͤren.
Denn eine jede von dieſen Erd- und Steinſchichten be-
ſtehet gemeiniglich aus einerley und eben derſelben
gleichfoͤrmigen Erd- oder Steinart. Allein, wie kann
man ſich ſolches nur einigermaßen als moͤglich vorſtel-
len. Natuͤrlicher Weiſe haͤtten ſich die groͤbern und
ſchwehrern Theile zuerſt niederſchlagen muͤſſen. Die-
ſe muͤßten alſo zu unterſt liegen. Alsdenn haͤtten die
Erdarten
[91]Schichten des Erdcoͤrpers.
Erdarten von einer mittlern Beſchaffenheit ſich ſetzen
muͤſſen, und die allerfeinſten muͤßten oben aufliegen.
Dieſes iſt der natuͤrliche und ungezweifelte Erfolg,
wenn das Waſſer durch eine gewaltſame Bewegung
Erdarten aufgeloͤſet, oder vielmehr nur in ſich genom-
men hat, und ſolches dieſelben bey dem Stande der
Ruhe wieder fallen laͤßt. Die Erdſchichten aber, die
wir in der Erde wahrnehmen, haben eine ganz an-
dere und gemeiniglich eine ganz entgegengeſetzte Be-
ſchaffenheit. Jch will mich hier bey dieſer Widerle-
gung nicht aufhalten, weil ich unten den Neunten Ab-
ſchnitt zu Widerlegung dergleichen allgemeinen Ein-
wuͤrfe beſtimmt habe. Jndeſſen ſiehet man ſchon hier-
aus, daß die Meynung, als habe die Suͤndfluth dieſe
verſchiedenen Erd- und Steinſchichten gewirket, aller
tuͤchtigen und zureichenden Gruͤnde beraubet iſt.
Meines Erachtens giebt es die Natur der Sache
von ſelbſt an die Hand, woher dieſe verſchiedenen Erd-
und Steinſchichten unter der Oberflaͤche der Erde ent-
ſtanden ſind. Wenn große Stroͤhme durch einen hef-
tigen Anlauf des Waſſers aus ihren Ufern treten, oder
ſonſt durch Einreißung der Daͤmme, entweder des Mee-
res, oder großer Stroͤhme, Ueberſchwemmungen in ei-
ner Gegend vorgehen, und die Stroͤhme wieder in
ihre Ufer zuruͤcktreten. oder der Ueberſchwemmung
durch Beſſerung der Daͤmme abgeholfen iſt; ſo blei-
bet ein Schlamm oder Sand auf der Oberflaͤche, wel-
che die Waſſer uͤberſchwemmet hatten, zuruͤck; dieſer
Schlamm oder Sand iſt mehr oder weniger ſtark,
nachdem die Ueberſchwemmung groß geweſen iſt, oder
die
[92]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
die Waſſer hoch geſtanden haben, oder nicht. War-
um ſollten wir nicht die verſchiedenen Erd- und Stein-
ſchichten unter der Erde eben ſolchen Ueberſchwem-
mungen zuſchreiben. Man kann bey einerley Wir-
kungen auch allemahl einerley Uhrſachen vorausſetzen.
Die obern Erdſchichten beſtehen allemahl aus ſolchen
Erdarten, welche die Waſſer mit ſich zu fuͤhren pfle-
gen. Leimen, Thon und Sand von verſchiedenen
Arten und Farben, wechſeln in dieſen Schichten be-
ſtaͤndig mit einander ab; und eben dieſes ſind die
Erdarten, welche das Waſſer bey großen Ueberſchwem-
mungen abſetzet und zuruͤcklaͤßt. Wenn die Schich-
ten, die in einer groͤßeren Tiefe des Erdbodens zum
Vorſchein kommen, aus Steinen beſtehen; ſo kann
man deshalb nicht zweifeln, daß ſie nicht vorher eben
ein ſolcher Schlamm geweſen ſind, und daß ſie bloß
durch die Wirkung der Waſſer in einem ſo langen Zeit-
raume zu Steinen umgeformet worden ſind. Aus
Sand ſind Sandſteine, aus Thon Kalkſteine, aus
einem fettigten Schlamm Schieferſteine von allen moͤg-
lichen Arten groͤber oder feiner geworden, nachdem
der Schlamm beſchaffen war, aus welchem ſie verſtei-
nert worden ſind.
Es giebt große Stroͤhme, die an verſchiedenen
Orthen hohe und wie abgeſchnittene Ufer, jedoch nur
von Erde haben. An dem obern Theile dieſer Ufer
findet man eben ſolche verſchiedene Erdſchichten, und
man kann jede Erdart in dieſen Schichten gar wohl
von einander unterſcheiden. Nur ſind ſie gemeinig-
lich nicht ſehr ſtark. Zwey, vier bis hoͤchſtens acht
Zoll
[93]Schichten dem Erdcoͤrper.
Zoll iſt es, was eine ſolche Erdſchicht in der Dicke be-
traͤgt. Es iſt wohl nicht zu zweifeln, daß dieſe ver-
ſchiedenen Erdlagen durch die Austretung und Ueber-
ſchwemmung eben dieſer Stroͤhme entſtanden ſind.
Hier haben wir dasjenige im Kleinen, was die ver-
ſchiedenen Erdſchichten auf dem Erdcoͤrper im Großen
ſind. Wenn die letzteren ungleich ſtaͤrker ſind, ſo
muß man es der Groͤße der Waſſerfluthen beymeſ-
ſen. Denn vermuthlich iſt es das Meer geweſen,
welches dieſe verſchiedenen Erdlagen auf unſerm Pla-
neten veruhrſachet hat, weil wir uns keine Ueber-
ſchwemmungen von Stroͤhmen, Wolkenbruͤchen und
andern dergleichen Uhrſachen vorſtellen koͤnnen, die
ſich allenthalben auf den Erdcoͤrper erſtrecket haͤtten.
Es iſt demnach keine andere Uhrſache vorhanden,
welcher man dieſe verſchiedenen Erd- und Steinlagen
zuſchreiben koͤnnte, als großen und gewaltigen Ueber-
ſchwemmungen der Meere, die ſich gar haͤufig auf un-
ſerm Planeten ereignet haben muͤſſen. Eine jede Erd-
ſchicht, eine jede Steinlage, iſt der redende Zeuge
von einer ehedem auf dem Erdcoͤrper vorgegangenen
großen Ueberſchwemmung. Man muß nur den Fall
ausnehmen, wenn zwey Schichten aus einerley Erd-
art, oder aus einer und eben derſelben Steinart beſte-
hen, ſo, daß ſie nur durch die Grobheit oder Fein-
heit ihrer Theile, oder durch ihre Farben von einan-
der unterſchieden ſind, dergeſtalt, daß die Erdſchicht
von groͤberen Theilen unten, die feinere aber oben
liegt. Alsdenn koͤnnen dieſe beyden Schichten zu ei-
ner und eben derſelben Ueberſchwemmung gehoͤren.
Eben
[94]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
Eben dieſes muß man auch annehmen, wenn ſich ſehr
ſtarke Schichten von einigen Lachtern hoch, die man
Stockwerke zu nennen pfleget, dergeſtalt uͤber einan-
der befinden, daß zwey Lagen von einerley Erdarten
nur den Unterſchied haben, daß die unterſte an Grob-
heit der Theile und an Farbe von der oberſten verſchie-
den iſt. Beyde gehoͤren alsdenn zu einerley Ueber-
ſchwemmung. Die Fluthen haben ſich wahrſcheinlich
an eine Anhoͤhe oder Gebirge geſtoßen, und deshalb
an dieſer Stelle mehr von dem mit ſich gefuͤhrten
Schlamm abgeſetzet; wie ſich denn dieſes auch bey ſol-
chen Stockwerken durch den Augenſchein ergiebet, in-
dem ſie allemahl an dem Fuße eines Gebirges, oder an
einer andern Anhoͤhe gefunden werden.
Bey denen verſchiedenen Erd- und Steinſchich-
ten, die wir durch die Eingrabung in den Schooß der
Erde entdecken, verdienen inſonderheit diejenigen ei-
ne beſondere Aufmerkſamkeit, wenn in einem Trieb-
oder andern Sande eine große Menge Meermuſcheln
und Schnecken gefunden werden. Man kann als-
denn verſichert ſeyn, daß dieſes ehemahls der Grund
des Meeres geweſen iſt. Eben dieſe Bewohner des
Meergrundes, die ſich ſonſt nirgends aufzuhalten pfle-
gen, beweiſen alsdenn ohngezweifelt die Richtigkeit
dieſer Behauptung. Man muß alsdenn annehmen,
daß dieſer Sand eine lange Zeit den Grund des Mee-
res abgegeben hat; dahingegen die andern Erd- und
Steinſchichten nur von kurzen bald voruͤbergehenden
Ueberſchwemmungen des Meeres ihren Uhrſprung ge-
habt haben; obgleich hin und wieder einzeln Meermu-
ſcheln
[95]Schichten des Erdcoͤrpers.
ſcheln und Schnecken darinnen gefunden werden, wel-
che dennoch bey bald voruͤbergehenden Ueberſchwem-
mungen ihre Grabſtaͤtte darinnen erlanget haben koͤn-
nen. Man muß hierbey bemerken, daß ſich bey allen
Eingrabungen, die ſich auf funfzig und mehrere Lach-
tern erſtrecket haben, wenigſtens zweymahl ein ſolcher
Grund des Meeres entdecket hat, wie ſelbſt aus eini-
gen der oben angefuͤhrten Beyſpiele zu erſehen iſt n).
Es verdienet bey dieſen Eingrabungen noch eine
andere Bemerkung inſonderheit in Betracht gezogen
zu werden. Gemeiniglich findet ſich in dieſen verſchie-
denen haͤufigen Erd- und Steinſchichten mehr als ein-
mahl ein ſchwarzes fruchtbares Erdreich; und man
kann faſt allemahl verſichert ſeyn, daß dieſes in den
aͤlteſten Zeitpuncten unſers Erdcoͤrpers die bewohnte
Ober-
[96]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
Oberflaͤche deſſelben geweſen iſt o). Denn nachdem
das jetzige feſte und trockene Erdreich den Grund des
Meeres abgegeben, auch ſonſt viele große Ueberſchwem-
mungen erlitten hatte; ſo wurde daſſelbe wiederum
von Menſchen cultiviret und bewohnet, als wodurch
und durch die Erde von verfaulten Pflanzengewaͤchſen
allein ein ſchwarzes fruchtbares Erdreich entſtehen
kann. Nachherige große Ueberſchwemmungen ha-
ben alsdenn die bewohnte Oberflaͤche verwuͤſtet, das
feſte und trockene Land noch einmahl zu dem Grun-
de des Meeres gemacht, und endlich nach einem
großen Zeitraume einer abermahligen Bewohnung
und Bevoͤlkerung des jetzigen feſten Landes Platz ge-
laſſen. Jch fuͤhre dieſes alles hier nur vorlaͤufig
an. Jn denen folgenden Abſchnitten aber werden
ſich
[97]Schichten des Erdcoͤrpers.
ſich dieſe Wahrheiten klar und ungezweifelt zu Tage
legen.
Es hat Gelehrte gegeben, welche eingeſehen ha-
ben, daß eine jede Erd- oder Steinſchicht unſers Erd-
coͤrpers von einer großen Ueberſchwemmung herruͤh-
ren muͤſſe, daß eine jede Schicht von Sande, worin-
nen ſich ſehr haͤufig Meermuſcheln und Schnecken zei-
gen, einen geweſenen Meeresgrund veroffenbahre,
und daß ein jedes ſchwarzes Erdreich, das ſich in die-
ſen Erdſchichten vorfindet, eine ehemahls bewohnt ge-
weſene Oberflaͤche zu Tage lege p). Dennoch ge-
trauen ſie ſich nicht, hieraus den Schluß zu machen,
der aus allen dieſen Wahrnehmungen und Entdeckun-
gen natuͤrlicher und nothwendiger Weiſe folget; we-
nigſtens uͤbergehen ſie dieſen Schluß mit Stillſchwei-
gen. Was ſollte uns aber wohl zuruͤckhalten koͤnnen,
die unvermeidlichen Folgen von unerkannten Wahr-
heiten frey zu geſtehen; dieſer Schluß iſt kein ande-
rer, als daß unſer Weltcoͤrper von einem uͤberaus ho-
hen Alterthum ſeyn muͤſſe.
Jn der That, wenn man alle dieſe Veraͤnderun-
gen, die mit unſerm Erdcoͤrper vorgegangen ſind, und
Gdie
[98]II. Abſchn. Von denen verſchiedenen
die ſich durch dieſe haͤufigen verſchiedenen Erd- und Stein-
ſchichten ſo uͤberzeugend unſerer Einſicht darſtellen, ge-
nauer erweget; ſo muß man uͤber das Alterthum unſers
Erdcoͤrpers, das daraus ganz unvermeidlich folget, in
Verwunderung gerathen. Es iſt gar nicht wahrſchein-
lich, daß die großen Ueberſchwemmungen, welche
durch dieſe Schichten und Lagen bewieſen werden, in
kurzer Zeit auf einander gefolget ſind. Wir ſind ver-
ſichert, daß ſich in dreytauſend Jahren dergleichen
nicht ereignet haben; und da die Uhrſachen ſolcher Ue-
berſchwemmungen ſehr groß und wichtig ſeyn muͤſſen;
ſo kann man vernuͤnftiger Weiſe ohnedem nicht ver-
muthen, daß ſie in kurzer Zeit auf einander gefolget
ſeyn koͤnnen. Wir ſind bey zufaͤlligen Eingrabun-
gen in ebenen und zu Anfange der Floͤtzgebirge hoͤch-
ſtens nur ſechzig bis ſiebenzig Lachter in den Schooß
der Erde eingetrungen; und wir haben nichts weni-
ger als ein Ende dieſer verſchiedenen Schichten durch
irgend ein Felſengeſtein vorgefunden. Noch immer
haben ſich nichts als ſolche abwechſelnde Schichten
gezeiget, und wer weis, bis in was vor Tiefe ſich
ſolche erſtrecken. Demnach, wenn wir auch oͤfters
nach denen oben angefuͤhrten Gruͤnden zwey ſol-
cher Lagen und Schichten vor eine einzige Ueber-
ſchwemmung annehmen; ſo iſt doch leicht zu er-
weiſen, daß ſich wenigſtens vierzig große Ueber-
ſchwemmungen auf unſerm Erdcoͤrper zugetragen
haben muͤſſen. Was vor einen unermeßli-
chen Zeitraum muͤſſen wir nicht dabey voraus-
ſetzen!
Wenn
[99]Schichten des Erdcoͤrpers.
Wenn man aber vollends erweget, daß auf dem
jetzigen feſten Lande zu wiederholten Mahlen ein Mee-
resgrund ſtatt gefunden, daß nach demſelben ſich
viele Ueberſchwemmungen ereignet haben muͤſſen, daß
hierauf die Erde abermahls bewohnet und bevoͤlkert
worden, und nach oͤfteren Ueberſchwemmungen und
noch einmahl geweſenen Meeresgrunde abermahls be-
wohnet, und nachhero dennoch verſchiedentlich wieder
uͤberſchwemmet worden; ſo weis wan kaum, was vor
ein Alterthum man dem Erdcoͤrper beymeſſen ſoll.
Millionen Jahre ſcheinen kaum zureichend zu ſeyn,
und vier bis fuͤnfmahl hundert tauſend Jahre, die ich
in dem erſten Abſchnitte angenommen habe, ſcheinen
bey dieſen Umſtaͤnden einen ſehr unzureichenden Zeit-
punct auszumachen.
G 2Dritter
[100]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Dritter Abſchnitt.
Von denen Spuhren und Kennzeichen,
daß unſer Erdcoͤrper ehedem im Bra[nd]e geſtanden,
und ob man daraus ſchließen muͤſſe, daß er ein-
mahl eine Sonne oder ein brennender
Comet geweſen.
Es iſt kaum ein halbes Jahrhundert, daß wir zu
etwas richtigern Begriffen von denen Come-
ten gelanget ſind. Außer der aberglaͤubiſchen
Meynung des Poͤbels, welcher dieſe Jrrſterne als Bo-
then und Propheten vieler Ungluͤcksfaͤlle auf dem Erd-
boden anſah, wußten die Gelehrten ſelbſt nicht, was
ſie aus denen fuͤrchterlichen Schweifen dieſer Himmels-
coͤrper machen ſollten. Einige glaubten, daß dieſe
Schweife aus Waſſer oder Duͤnſten beſtuͤnden, und
legten dahero denen Cometen einen ſehr großen Dunſt-
creis bey; andere waren der Meynung, die Cometen
ſtuͤnden im Brande, und ihr Schweif waͤre der Rauch
und die aufſteigenden Feuerfunken davon. Es iſt
bekannt, daß Herr Kindermann noch in dieſem Jahr-
hunderte traͤumte, die Cometen waͤren Welten, die
ihren juͤngſten Tag gefunden haͤtten, und von dem all-
maͤchtigen Schoͤpfer mit Feuer angezuͤndet, aus ihrem
Sonnenſyſtem heraus in den unendlichen Raum geſtoſ-
ſen worden, wo ſie dann bis zu ihrer gaͤnzlichen
Verzehrung herumirrten, und denen Einwohnern
anderer
[101]eine Sonne oder Comet geweſen.
anderer Welten, denen ſie nahe kaͤmen, Furcht und
Schrecken einjagten.
Selbſt anſehnliche Gelehrte glaubten, daß die Co-
meten durch mehr als ein Sonnenſyſtem ihren Lauf
verrichteten, und dahero eine ſo lange Zeit brauchten,
ehe ſie wieder zu uns gelangeten. Sie waren der
Meynung, daß, wenn ein ſolcher Comet unſerer Son-
ne zu nahe kaͤme, ſo koͤnnte er von ihrer anziehenden
Kraft gezwungen werden, ſeinen Jrrlauf aufzugeben,
und einen ordentlichen ellyptiſchen Creislauf, wie die an-
dern Planeten, um dieſelbe zu verrichten. Eben dieſe
Folgen befuͤrchteten ſie, wenn ein Comet einem Pla-
neten zu nahe und in ſeinen Wirbel kaͤme. Waͤre
der Comet kleiner, als der Weltcoͤrper, dem er ſich zu
ſehr naͤherte; ſo wuͤrde er von ſeinem Wirbel mit fort-
geriſſen, und genoͤthiget, denſelben als ein Mond
oder Trabante beſtaͤndig zu begleiten. Waͤre aber
der Comet von ungleich groͤßerem Coͤrper, als der
Planet, dem er zu nahe kaͤme; ſo koͤnnte ſich dieſes
umgekehrt zutragen, und der Planet koͤnnte genoͤthi-
get werden, daß er den Cometen als einen Mond be-
gleiten muͤßte, indem ihn der Comet mit ſich fort-
riſſe.
Aus dergleichen Lehrgebaͤuden machte man wei-
tere Folgen. Man war geneigt zu glauben, daß die
Planeten in unſerm Sonnenſyſtem nichts als Erobe-
rungen waͤren, welche unſere Sonne an herumirren-
den Cometen gemacht haͤtte. Dieſe Planeten haͤtten
ſich in der Folge gleichfalls von dem Eroberungsgeiſte
einnehmen laſſen, und Saturn haͤtte fuͤnf, Jupiter
G 3aber
[102]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
aber vier ſolche Eroberungen an herumirrenden Co-
meten gluͤcklich zu Stande gebracht, welche die Ver-
wegenheit gehabt haͤtten, ſich ihren Wirbeln zu naͤ-
hern. Wir ſelbſt hatten die Ehre, daß wir unter
die Claſſe dieſer Cometenbezwinger gehoͤrten, indem
wir an unſerm Mond eine ſolche Eroberung gemacht,
und ihn genoͤthiget haͤtten, uns beſtaͤndig als ein Tra-
bant zu begleiten.
Es gab andere Gelehrte, welche geneigt waren
zu glauben, daß die Weltcoͤrper durch eine Art von
Verwandelung nach und nach in einen unermeßlichen
Zeitraum zu allen Arten von Himmelscoͤrpern wer-
den koͤnnten. Sie koͤnnten erſt Sonnen ſeyn, und
nachdem ſie ausgebrannt haͤtten, koͤnnten ſie zu| her-
umirrenden Cometen werden, bis ſie in irgend ei-
nem Sonnenſyſtem der anziehenden Kraft der Sonne
ſich gehorſamlich unterwerfen und zu einem ordentli-
chen Planeten ſich anſchicken muͤßten. Vermuthlich
iſt es nach den Folgen dieſes Syſtems geſchehen, daß
ich mich erinnere, ſelbſt bey beruͤhmten Gelehrten ge-
leſen zu haben, daß unſer Erdcoͤrper ehedem eine Son-
ne oder brennender Comet geweſen.
Jch glaube nicht, daß man zu dieſer Meynung
durch gute und tuͤchtige Gruͤnde, oder aus Wahrneh-
mungen und Kennzeichen in der innern Beſchaffenheit
der Erde, welche einen ehedem in dem Erdcoͤrper vor-
handen geweſenen Brand deutlich anzeigen, iſt bewo-
gen worden; indeſſen giebt es in der That dergleichen
Spuhren und Merkzeichen, aus welchen man durch
richtige Folgen ungezweifelt ſchließen muß, daß unſer
Erdcoͤrper
[103]eine Sonne oder Comet geweſen.
Erdeoͤrper ehedem, wo nicht gaͤnzlich, doch zum Theil,
im Brande geſtanden hat; und dieſes iſt es, was ich in
dem gegenwaͤrtigen Abſchnitte vortragen und zugleich
unterſuchen will, ob man daraus richtig ſchließen koͤn-
ne, daß unſer Planet ehedem eine Sonne oder bren-
nender Comet geweſen.
Es giebt unter denen Steinarten, aus welchen
die hohen Felſengebirge, oder die alten Gebirge be-
ſtehen, einige, welche nach aller Wahrſcheinlichkeit
nicht durch die Waſſer gebildet, ſondern durch das
Schmelzen im Feuer hervorgebracht zu ſeyn ſcheinen.
Jhre Anbruͤche ſind auf friſch gebrochenen Seiten allzu
glatt und glasachtig, als daß ſie eine Geburth von
Waſſer- und Erdarten ſeyn koͤnnten. Hierunter ge-
hoͤren die allerfeſteſten Arten von Hornſteinen, einige
Jaſpis- und Porphyrarten, und inſonderheit eine Art
von ſchwarzem Achat, welche man vor einiger Zeit
ſehr ſtark zu Rockknoͤpfen gebrauchet hat.
Dieſer ſchwarze Achat unterſcheidet ſich von dem-
jenigen, welcher durch die Waſſer hervorgebracht und
von einem weit feſteren Beſtandweſen iſt, hauptſaͤch-
lich durch ſeine große Glasachtigkeit. Es iſt ganz ei-
nerley Anſehen, wenn man große Stuͤcken Glas zer-
ſchlaͤget, oder einen ſolchen Achat. Eben die unge-
mein platte und glaͤnzende Oberflaͤche, eben die Schaͤr-
fe an ſeinen Ecken und Spitzen, woran man ſich bey
einiger Unbehutfamkeit verwunden kann, zeigen ſich
an denen zerbrochenen Achatſtuͤcken; und ſehr duͤnne
Stuͤcken laſſen ſo gar einige Durchſichtigkeit an ſich
wahrnehmen. Dieſe Art von ſchwarzen Achat wird
G 4gemeinig-
[104]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
gemeiniglich ſehr tief unter der Erde gefunden; und
man hat inſonderheit eine große Menge deſſelben an
dem Fuße des Berges Hecla in Jßland entdecket.
Wenn man glauben wollte, daß ſich an dieſem Orthe
das Daſeyn des ſchwarzen Achats dadurch am beſten
erklaͤhren laſſe, wenn man annehme, daß dieſer
ſchwarze Achat ehedem eine Cava oder Feuerſtrohm
aus dieſem feuerſpeyenden Berge geweſen; ſo ſtehet
dieſer Erklaͤhrung entgegen, daß ſich dieſe Feuerſtroͤh-
me und Schlacken, welche dee Berg Hecla ſonſt aus-
geworfen hat, an dieſem Berge außerdem genug fin-
den laſſen, und daß dieſe Auswuͤrfe des Berges von
dem ſchwarzen Achat ſowohl in ihrem Gefuͤge und
Glasachigkeit, als an der Farbe ſehr von einander un-
terſchieden ſind. Jch bin von einem Freunde in Cop-
penhagen ſowohl mit Stufen von dieſem Achat, als
von verſchiedenen Arten der Cava und Schlacken, die
ſich um den Berg Hecla finden, reichlich verſehen wor-
den, und demnach im Stande geweſen, alle dieſe Stu-
fen wohl gegen einander zu pruͤfen und zu beur-
theilen.
Der ungemein feſte Hornſtein, welcher das Ge-
birge zu Koͤnigsberg in Norwegen ausmacht, ſcheinet
gleichfalls bloß durch das Feuer ſeine ungemeine Fe-
ſtigkeit, davon ich bereits im vorigen Abſchnitte ge-
redet habe, erlanget zu haben. Seine Haͤrte uͤber-
trifft die Haͤrte aller andern Hornſteinarten ſo weit,
als der Diamant die Haͤrte aller andern Arten von
Edelgeſteinen ungemein uͤberſteiget. Es iſt alſo
ſchwehr einzuſehen, wie dieſe Steinart in dieſem Ge-
birge
[105]eine Sonne oder Comet geweſen.
birge eine ſo vorzuͤgliche Haͤrte erlanget haben koͤnnte,
wenn das Feuer nicht mitgewirket haͤtte.
Ueberdies entdecket man in dieſem Gebirge noch
andere Umſtaͤnde, welche es wahrſcheinlich machen,
daß daſſelbe einſtmahls im Brande geweſen iſt. Man
bricht daſelbſt nichts als gediegenes Silber, und zu-
weilen in ſolchen erſtaunlichen Klumpen, daß einer
davon drey, vier bis fuͤnf Centner wieget. Man
kann ſchwehrlich zugeben, daß die unterirrdiſchen Duͤn-
ſte, oder die Waſſer, ſolche ungeheure Stuͤcken von ge-
diegenem Silber ohne alle Beymiſchung von andern
Metallen, Halbmetallen, Vererzungsmitteln und un-
tergemiſchten Quarz haͤtten bilden koͤnnen, wie man
ſie in der koͤniglichen Kunſtkammer zu Coppenhagen
findet, ſondern die Beſchaffenheit der Sache noͤthiget
uns zu glauben, daß dieſelben vom Schmelzen durch
das Feuer alſo in die Kluͤfte und Riſſe des Berges
zuſammengefloſſen ſind. Jhre Figur iſt auch in der
That alſo beſchaffen, als wenn ſie in denen Ritzen und
Spalten, als in Formen gegoſſen worden waͤren.
Auf allen Seiten dieſer Klumpen Silber entdecket
man die Abdruͤcke von denen Ungleichheiten, von denen
Vertiefungen und Hohlungen, von denen hervorra-
genden Spitzen und Ecken, ſo die Spalte des Felſens,
in welche das geſchmolzene Silber gefloſſen iſt, ge-
habt hat. Kurz, man darf dieſe ungeheure Klum-
pen von Silber nur ſehen, um ſogleich ein Werk des
Feuers, und nicht der ſanft und langſam bildenden
Natur zu errathen. Jndeſſen hat es mit denen klei-
nern Stuͤcken von dem gediegenen Silber, die aus
G 5dieſen
[106]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
dieſen Berggruben gebrochen werden, eben dieſe Be-
ſchaffenheit. Alle diejenigen, ſo ich in Mineralien-
cabinetten geſehen, oder ſelbſt daher erhalten habe,
zeigen dennoch, ſo duͤrre ſie auch ſind, die Abdruͤcke
von den Ungleichheiten der Felſenſpalte, in welche ſie
gefloſſen ſind; und der Unterſchied beſtehet bloß dar-
innen, daß der Ritz, oder die Spalte, in welche das
Silber gefloſſen iſt, ſehr klein geweſen ſeyn muß.
Es iſt wahrſcheinlich, daß dieſes ganze Gebirge
mit einer großen Menge von dem beſten Silberglas-
erz erfuͤllet geweſen iſt; und da es bekannt iſt, daß
die beſte Art dieſes Erzes ſich nicht allein haͤmmern
und ſchneiden laͤßt, ſondern auch ſehr leicht im Feuer
ſchmelzet; ſo hat demnach das Glaserz gar wohl ſchmel-
zen, und in die Ritzen und Spalten des Felſens, die
entweder vorhin durch die Erdbeben, oder durch eben
dieſes Feuer entſtanden waren, hineinfließen koͤnnen;
was aber dieſe Vermuthung gar ſehr beſtaͤtiget, und
zu einer großen Wahrſcheinlichkeit bringet, iſt, daß
an einer Seite dieſes Gebirges, welche eine Art von
Vorgebirge ausmacht, und wohin alſo nicht alle Hef-
tigkeit des Feuers gelanget ſeyn mag, noch wirkliches
Silberglaserz im Anbruch ſtehet, und in vorigen Zei-
ten noch viel haͤufiger gebrochen hat.
Einer der merkwuͤrdigſten Umſtaͤnde in der unter-
irrdiſchen Beſchaffenheit des Erdcoͤrpers iſt derjenige,
den man in den Berggruben der Grafſchaft Mans-
feld entdecket. Jn allen Bergrevieren dieſer Graf-
ſchaft, die ſich auf fuͤnf bis ſechs Meilen erſtrecken,
und wo man kupferhaltige Schiefer bricht, befinden
ſich
[107]eine Sonne oder Comet geweſen.
ſich in denen Oberſchieferſchichten, ehe man auf die
bau- und ſchmelzwuͤrdigen Schiefer kommt, allent-
halben eine große Menge von Fiſchabdruͤcken in Schie-
fern. Dieſe Abdruͤcke beſtehen aus einem geringhal-
tigen Kupferkies, und die Schupen der Fiſche, ihre
Floßfedern, Schwanz, Kopf, und alle weſentlichen
Kennzeichen der Fiſche ſind ſo deutlich abgedruckt,
und die Schupen zuweilen gar etwas erhoͤhet, daß
man ohnmoͤglich zweifeln kann, daß dieſe Abdruͤcke
von natuͤrlichen ehedem lebenden Fiſchen herruͤhren.
Man kann ſo gar die Art oder das Geſchlecht der Fi-
ſche deutlich unterſcheiden, und dieſe Fiſchabdruͤcke
werden gemeiniglich vierzig Lachtern tief unter der Er-
de gefunden.
Was bey dieſen Fiſchabdruͤcken vor unſere gegen-
waͤrtige Betrachtung am merkwuͤrdigſten iſt; ſo wer-
den dieſelben faſt alle in einer krummen Geſtalt gefun-
den, eben ſo, wie ſich ein Fiſch kruͤmmet, wenn er
lebendig in ſiedendheißes Waſſer gethan wird, um
denſelben zu kochen. Es iſt ein uͤberaus ſeltener Vor-
fall, wenn man einen Fiſchabdruck von einer geraden
un[d] gekruͤmmten Geſtalt erlangen kann. Dieſe uͤber-
einſtimmende gekruͤmmte Geſtalt der Fiſche ſcheinet
alſo eben diejenige Uhrſache gehabt zu haben, aus wel-
cher ſich die lebenden Fiſche, wenn ſie geſotten wer-
den, im heißen Waſſer kruͤmmen; naͤmlich die Fiſche
ſcheinen in dem Waſſer durch eine heftige Hitze geſtor-
ben zu ſeyn.
Jch habe in dem vorhergehenden Abſchnitte, da
ich aus Kieslings Nachrichten von den Mansfeldi-
ſchen
[108]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
ſchen Bergwerken die verſchiedenen Erd- und Stein-
ſchichten angefuͤhret habe, die bey Abſinkung der
Schaͤchte in dieſen Bergwerken gefunden werden, die
Num. 28. aufgefuͤhrte Aſche meine Leſer zu bemerken
gebeten, indem ich mich darauf in der Folge bezie-
hen wuͤrde. Ob zwar dieſes anjetzo im eigentli-
chen Verſtande kaum Aſche genennet werden kann,
weil ſie mehr einer lockern ſchwaͤrzlichen Erde aͤhnlich
iſt; ſo iſt doch wohl kein Zweifel, daß dieſe Erde ehe-
mahls wirklich Aſche geweſen iſt; ſo wie aus aller
Aſche mit der Zeit Erde wird, wenn ſie der Luft und
Witterung eine lange Zeit ausgeſetzet iſt. Daß aber
dieſe jetzige Erde ehedem wirklich Aſche geweſen, das
veroffenbahret ſich aus der Beymiſchung von verſchie-
denen kleinen Schlacken, einer Art von Bimsſteinen
und andern Beymiſchungen, welche den Brand eines
Gebirges zu erkennen geben.
Die Gegend, in welcher dergleichen Schieferfiſche
aus der Erde gegraben werden, erſtrecket ſich wenig-
ſtens auf fuͤnf bis ſechs Meilen. Da ſich in dieſen
Abbildungen der Fiſche niemahls Abdruͤckungen von
großen Fiſchen, ſondern nur ſolche finden laſſen, die
etwan ein Viertel- bis ein halb Pfund gewogen ha-
ben; ſo iſt es nicht wahrſcheinlich, daß dieſe Gegend
damahls Meer geweſen iſt; wie man denn auch ſich
nicht vorſtellen kann, wie dieſe Gegend in Brand haͤt-
te gerathen koͤnnen, wenn ſie damahls des Meeres
Grund geweſen waͤre. Man muß demnach anneh-
men, daß in denen aͤlteſten Zeiten in dieſer Gegend
eine große Landſee geweſen iſt; und da dieſe Gegend
in
[109]eine Sonne oder Comet geweſen.
in Brand gerathen iſt, die Fiſche in dieſer See von
der großen Hitze ihren Tod gefunden, und dadurch
die krumme Geſtalt erlanget haben, in welcher ſie ſich
in ihren jetzigen Abdruͤcken allemahl zeigen. So vie-
lerley Umſtaͤnde zuſammen genommen, naͤmlich die
Abdruͤcke der Fiſche in einer großen Gegend, ihre kruͤm-
mende Geſtalt, die nur denen Fiſchen eigen iſt, die
durch eine große Hitze ihren Tod gefunden haben, die
Aſche, welche uͤber denen Steinarten liegt, in wel-
chen dieſe Abdruͤcke der Fiſche enthalten ſind; alles
dieſes macht es meines Erachtens mehr als wahrſchein-
lich, und giebt gleichſam einen zureichenden Beweis
ab, daß die Gegend bey und unter dieſer Landſee ehe-
dem im Brande geſtanden hat.
Es wuͤrde nichts weniger als ein Einwand von ei-
niger Erheblichkeit ſeyn, wenn man ſich vorſtellen woll-
te, daß die Gegend um dieſe ehemahlige Landſee her-
um mit großen Gebirgen umgeben ſey, die in denen
aͤlteſten Zeiten Vulcane oder feuerſpeyende Berge ge-
weſen waͤren, und dadurch ſowohl der Tod der Fiſche,
als die darauf liegende Aſche veruhrſachet haben koͤnn-
ten. Es befindet ſich in dieſer Gegend kein einziges
hohes Felſengebirge, und der Brocken- und der Kipf-
haͤuſerberg, als die naͤchſten hohen Gebirge, ſind we-
nigſtens der erſtere ſieben bis acht Meilen, und der
letztere vier bis fuͤnf Meilen davon entfernet. Es fol-
get alſo daraus, daß dieſe ganze Gegend ſowohl unter
dieſer See, als auf allen Seiten um dieſelbe ſich im
Brande befunden haben muͤſſe.
Jch
[110]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Jch will mich nicht aufhalten, alle andere Merk-
zeichen und Spuhren aus denen Natur- und Reiſebe-
ſchreibern muͤhſam aufzuſuchen, die etwan einige An-
zeige und Vermuthung von einem ehedem in dem Erd-
coͤrper geweſenen Brande an die Hand geben moͤch-
ten. Dieſe Bemerkungen ſind ſelten, und es hat
gar keinen Anſchein, daß daraus eine wirkliche Ueber-
zeugung zuſammengebracht werden koͤnnte, daß unſer
Erdcoͤrper ehedem eine Sonne, oder ein brennender
Comet geweſen; dergleichen Entzuͤndungen oder Brand
in dieſer oder jener beſondern Gegend des Erdcoͤrpers
ſind keinesweges zureichend zu beweiſen, daß derſelbe
einſtmahls allgemein im Brande geſtanden habe. Um
dieſes zu erlaͤutern, will ich eine Begebenheit aus
der Geſchichte anfuͤhren, die ganz ohngezweifelt zu
der Geſchichte unſerer jetzigen Zeitrechnung ge-
hoͤret.
Die aͤlteſten Geſchichtſchreiber verſichern allgemein,
daß, nachdem Spanien, oder das damahls ſo genannte
Jberien, eine Zeitlang genugſam bewohnet geweſen,
eine große und dreyßigjaͤhrige Duͤrre eingefallen, bin-
nen welcher Zeit es in Spanien niemahls geregnet
habe. Dieſe langwierige Duͤrre habe endlich die
Wirkung nach ſich gezogen, daß alle Staͤdte und Doͤr-
fer von ſelbſt zu brennen angefangen haͤtten; die Waͤl-
der waͤren gleichfalls in Brand gerathen, und dieſe
Entzuͤndung habe ſich endlich auf alle Gebirge und auf
das ganze Land erſtrecket. Da alle Einwohner wegen
dieſer langen Duͤrre und der darauf erfolgten Entzuͤn-
dung die Flucht genommen, und das Land verlaſſen
haͤtten, ſo ſey Spanien ganzer achthundert Jahr un-
bewohnet
[111]eine Sonne oder Comet geweſen.
bewohnet geblieben. Nach der Zeit aber haͤtten ſich
Leute aus denen benachbarten Laͤndern wieder nach
Spanien gewaget, und da ſie das Land zur Bewoh-
nung bequehm gefunden, ſolches nach und nach wie-
der bevoͤlkert. Zufolge dieſer Nachrichten iſt ehedem
Spanien das Peru der alten Welt geweſen. Man
hat unermeßliche Reichthuͤmer an Gold und Silber
darinnen gefunden. Man hat nur an dem Fuße der
Gebirge den Raſen oder die Dammerde aufgraben
duͤrfen, um ganze Baͤche von Gold und Silber zu
entdecken, die bey dem ehemahligen Brande des Lan-
des aus denen Gebirgen gefloſſen und hernach erhaͤr-
tet ſind. Dieſe Nachrichten findet man bey den mei-
ſten alten Geſchicht- und Erdbeſchreibern. Juſti-
nus, Strabo, Ptolomeus und Pomponius Mela
ſind hierinnen ziemlich uͤbereinſtimmend.
So viel iſt wohl ohnſtreitig gewiß, daß Spanien
einige hundert Jahre vor Chriſti Geburth die Gold-
grube von Europa geweſen iſt. Die Carthaginenſer,
welche ſich dieſes Landes groͤßtentheils bemaͤchtiget hat-
ten, zogen daraus durch die Bergwerke unermeßliche
Reichthuͤmer; und eben dieſes erregte den Neid und
die Eiferſucht der Roͤmer, daß deshalb der erſte Pu-
niſche Krieg entſtand. Allein, wenn alle dieſe Nach-
richten der Geſchichtſchreiber richtig ſind; ſo muͤſſen
wir hier einen Fehler in unſerer jetzigen Zeitrechnung
bemerken. Es hat ſehr wenig Wahrſcheinlichkeit,
daß Spanien vor der großen Duͤrre und Entzuͤndung
nach der Suͤndfluth ſo allgemein und ſtark bevoͤlkert
werden koͤnnen, daß die Duͤrre und Entzuͤndung, und
die
[112]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
die nachherige gaͤnzliche Entvoͤlkerung von Spanien,
achthundert und dreyßig Jahr gedauret habe, und
daß dennoch Spanien viele Jahrhunderte vor Chriſti
Geburth ſchon wiederum ſtark bewohnet, und ein ſehr
wohl bevoͤlkertes Land geweſen ſeyn koͤnne. Denn
wir finden ohngezweifelte Nachrichten in denen Ge-
ſchichten, daß zur Zeit, als die Carthagienenſer ſich
in Spanien feſtgeſetzet haben, dieſes Land bereits
von zahlreichen und bluͤhenden Voͤlkern bewohnet ge-
weſen ſey. Die ſchleunige Vermehrung der Men-
ſchen nach der Suͤndfluth laͤßt ſich zwar leicht durch
willkuͤhrlich angenommene Saͤtze auf dem Papier ent-
werfen; allein, ein gewiſſer franzoͤſiſcher Schriftſteller
hat die Anmerkung gemacht, daß die Menſchen nicht
ſo leicht zu machen ſind, als ſich ihre Vermehrung
auf dem Papiere vorſtellen laͤßt; und mich deucht, er
hat ganz recht. Wenn man uͤber dieſe Nachrichten
der Geſchichte Betrachtungen anſtellet; ſo lernet man
dieſe Begebenheit ſolchergeſtalt einſehen, als ſie ſich
ereignet haben muß, wenn anders die Hauptumſtaͤn-
de ſo beſchaffen ſind, als ſie in der Geſchichte gemel-
det werden. Daß Spanien wegen einer großen Duͤr-
re und Brandes von allen Einwohnern verlaſſen wor-
den, das iſt wohl der Umſtand in der Geſchichte, an
welchem nicht gezweifelt werden kann, und wenn ſich
die Duͤrre allein ohne Brand ereignet haͤtte; ſo wuͤr-
den gewiß nicht alle Menſchen ihr Vaterland verlaſſen
haben: denn die tiefſten Brunnen konnten von der
Sonnenhitze gewiß nicht ausgetrocknet werden. Al-
lein, man darf nur einige Ueberlegung anwenden,
um einzuſehen, daß der Brand des ganzen Landes
nicht
[113]eine Sonne oder Comet geweſen.
nicht von der langwierigen Duͤrre und Sonnenhitze
entſtanden ſeyn kann. Man muͤßte ſehr unglaubliche
und faſt ohnmoͤgliche Dinge vorausſetzen, wenn man
annehmen wollte, daß alle Staͤdte und Doͤrfer von
der Sonnenhitze allgemein haͤtten angezuͤndet werden
koͤnnen. Man ſiehet nicht, wie dieſes bey ſteinernen
Haͤuſern oder leimen Huͤtten nur im geringſten moͤg-
lich war; und wenn auch alle Staͤdte, Doͤrfer und
Waͤlder von der Sonne haͤtten angezuͤndet werden koͤn-
nen; ſo war es deshalb doch keinesweges moͤglich,
daß der Boden und das Land ſelbſt brennen konnte;
wie man doch in dieſer Geſchichte wegen des bey der
Wiederbewohnung in Spanien gefundenen großen
Reichthums anzunehmen ſich nicht entbrechen kann.
Alle dieſe Betrachtungen leiten uns auf den ei-
gentlichen Grund dieſer Begebenheit. Spanien hat
vermuthlich damahls von dem unterirrdiſchen Feuer
gelitten, und daraus iſt alles dasjenige entſtanden,
was wir in der Geſchichte von der Sache vor Um-
ſtaͤnde finden; ſo wie ſich das unterirrdiſche Feuer der
Oberflaͤche dieſes Landes mehr genaͤhert, und mit-
hin den Boden erwaͤrmet hat; ſo ſind aus dem Bo-
den alle Feuchtigkeiten in Duͤnſten aufgeſtiegen, der
Boden iſt endlich gaͤnzlich vertrocknet, es haben kei-
ne Duͤnſte mehr aufſteigen koͤnnen, und folglich iſt
die dreyßigjaͤhrige Duͤrre entſtanden, welche alle Nach-
richten uͤbereinſtimmend bemerken. Endlich hat ſich
das unterirrdiſche Feuer der Oberflaͤche ſo ſehr genaͤ-
hert, daß alle Gebirge, welche etwas von Schwefel
oder brennlichen Weſen in ſich hatten, gaͤnzlich in
HBrand
[114]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Brand geriethen, und in Anſehung der Metalle die-
jenigen Wirkungen hervorbrachten, die ſich bey der
Wiederbewohnung des Landes zeigten.
Es iſt unlaͤugbar, daß ſich dieſe außerordentliche
Begebenheit mit Spanien waͤhrend unſerer jetzigen
Zeitrechnung zugetragen hat. Jndeſſen wiſſen wir
zuverlaͤßig, daß ſich dieſer Vorfall nur allein mit
Spanien, und nicht zugleich auch mit andern Laͤn-
dern begeben hat: denn wenn dieſes geſchehen waͤre;
ſo wuͤrde ſolches theils durch die muͤndlichen Ueberlie-
ferungen, theils durch die Nachrichten der Geſchicht-
ſchreiber eben ſo gut bemerket worden ſeyn, als ſol-
ches in Anfehung Spaniens geſchehen iſt.
Hieraus laſſen ſich nunmehro auch die unterirrdi-
ſchen Spuhren und Kennzeichen von einem in den al-
leraͤlteſten Zeiten in der Grafſchaft Mansfeld geweſe-
nen Brande beurtheilen. Vermuthlich hat nicht al-
lein diejenige Gegend, wo ſich jetzo die Grafſchaft
Mansfeld befindet, ſondern auch die benachbarten Ge-
genden, wo jetzo Meißen, Thuͤringen und der Harz
iſt, in einem unterirrdiſchen Brande geſtanden. Hier-
durch ſind die Fiſche in der großen Landſee gleichſam
geſotten, und der See ausgetrocknet worden, derge-
ſtalt, daß die vorhin gleichſam gekochten und dadurch
krumm gewordenen Fiſche in dem Schlamme des Sees,
aus welchem die nunmehrigen Schiefer geworden, ſte-
cken geblieben ſind. Zu gleicher Zeit haben die Ber-
ge in denen benachbarten Gegenden des nunmehrigen
Harzes, Thuͤringen und Meißen, im hellen Brande
ſich befunden, und die Aſche davon iſt auf dieſen aus-
getrockne-
[115]eine Sonne oder Comet geweſen.
getrockneten See von dem Winde gefuͤhret wor-
den. Daß dieſes ſich wirklich alſo habe ereignen koͤn-
nen, ſiehet man aus dem großen Brande des Veſuvs,
zu der Zeit, als die Stadt Heraclea ihren Untergang
gefunden, und den uns der juͤngere Plinius ſo ſchoͤn,
ſo umſtaͤndlich, aber auch hoͤchſtruͤhrend beſchreibet.
Er meldet, daß bey Heraclea, und in einer noch groͤſ-
ſern Entfernung von dem Veſuv, aus demſelben ge-
flogene Aſche zwey bis drey Fuß tief gelegen, daß da-
von der Tag zu der finſterſten Nacht geworden, daß
zu Rom, welches doch funfzig Meilen davon entfer-
net war, die Aſche gleichfalls ſich ſehr ſtark auf alles
angeleget, ja daß es daſelbſt gleichfalls den Tag in
eine ſtarke Daͤmmerung verwandelt habe, und daß
die Aſche ſogar bis nach Egypten geflogen ſey. Man
darf ſich demnach gar nicht wundern, wenn laut des
obigen Verzeichniſſes unter der Erde in der Grafſchaft
Mansfeld eine ſtarke Schicht Aſche bis auf den Stein
bemerket iſt.
Wenn man allen Quellen der Geſchichte in denen
aͤlteſten Zeiten muͤhſam nachſuchen wollte; ſo wuͤr-
den ſich gewiß Spuhren und Merkzeichen vorfin-
den, daß dieſes oder jenes Land in einer Art von
Brande geweſen. Z. E. Jch erinnere mich in ei-
nigen roͤmiſchen Geſchichtſchreibern geleſen zu haben,
daß die Gebirge in dem jetzigen Herzogthum Mode-
na, ohngefaͤhr zu den Zeiten, da Rom noch Koͤnige
hatte, im Brande geweſen ſind. Da man nicht eines
einzigen feuerſpeyenden Berges gedenket, ſondern von
vielen im Brande geſtandenen Gebirgen redet; ſo iſt
es ſehr wahrſcheinlich, daß dieſes gleichfalls von [d]er
H 2Annaͤ-
[116]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Annaͤherung des unterirrdiſchen Feuers nach der Ober-
flaͤche veruhrſachet worden iſt.
Man muß in gewiſſer Maaße auch die großen
und erſchrecklichen Erdbeben, welche ganze weite Laͤn-
der verwuͤſten und zu Grunde richten, hieher rechnen.
Außer denen ohnzuverlaͤßigen Nachrichten in denen aͤl-
teſten Zeiten weis man, daß Klein-Aſien in dem er-
ſten und zweyten Jahrhunderte nach Chriſti Geburth
dreymahl von dergleichen erſchrecklichen Erdbeben
gaͤnzlich verwuͤſtet, und gleichſam in einen Steinhau-
fen verwandelt worden. Alle Staͤdte in einem ſo
weiten Bezirke von Laͤndern, welche ehedem die alten
Koͤnigreiche, Bithynien, Phrygien, Paphlagonien
und verſchiedene andere anſehnliche Koͤnigreiche aus-
machten, wurden gaͤnzlich uͤber den Haufen geſtuͤrzet
und zu bloßen Steinhaufen gemacht. Hier iſt es um
gar keine Muthmaßungen und ungewiſſe Begebenhei-
ten zu thun. Von dieſem Zeitraume haben wir die
allerzuverlaͤßigſten und umſtaͤndlichſten Nachrichten
von damahls lebenden Geſchichtſchreibern. Tacitus
giebt uns ſowohl von dieſem erſchrecklichen Erdbeben,
das ſich unter der Regierung des Auguſts zugetragen
hat, als von demjenigen, das ſich noch nicht funfzig
Jahre hernach unter der Regierung des Tiberius er-
eignete, die ausfuͤhrlichſten Nachrichten, die ſelbſt
aus denen Berichten an beyde Kaiſer und an den
Senat gezogen ſind; und man erkennet daraus die
weite Erſtreckung der großen Verwuͤſtung dieſer er-
ſtaunlichen Erdbeben. Er berichtet, was ſowohl Au-
guſt als Tiberius zu Unterſtuͤtzung der dadurch elend
gemach-
[117]eine Sonne oder Comet geweſen.
gemachten Einwohner dieſer Laͤnder gethan haben, und
beurtheilet beyder Kaiſer Betragen gegen einander.
Von der dritten Verwuͤſtung dieſer Laͤnder aber,
durch ein eben ſo erſchreckliches Erdbeben, reden
andere Geſchichtſchreiber eben ſo umſtaͤndlich und aus-
fuͤhrlich.
Obgleich die Gelehrten noch in unſern Zeiten uͤber
die wirkenden Uhrſachen der Erdbeben nicht einig ſind;
ſo verdienen doch diejenigen offenbar wenig Beyfall,
welche die Uhrſachen davon in der Luft ſuchen. Eine
Uhrſache in der Luft, wenn ſie auch noch ſo maͤchtig
waͤre, koͤnnte zwar die Gebaͤude bewegen und umſtuͤr-
zen; ſie koͤnnte aber niemahls den Erdboden unter un-
ſern Fuͤßen ſelbſt erſchuͤttern; dieſes aber geſchiehet
bey denen Erdbeben ganz ungezweifelt. Jch bin in
einem Erdbeben zu Marienzell in Steyermark im
Jahr 1757 ſelbſt gegenwaͤrtig geweſen; und der Erd-
boden wurde dabey ſo gewaltig erſchuͤttert, daß alle
Leute, die auf einem großen Platze ſtille ſtanden, da-
von zu Boden fielen. Ueberdies hat man bey recht
großen Erdbeben allemahl bemerket, daß ſich die Er-
de in ziemlich großen Spalten geoͤffnet hat, und Feuer
aus denenſelben hervorgebrochen iſt. Dieſes iſt nicht
allein bey denen großen Erdbeben in Klein-Aſien im
erſten und zweyten Jahrhunderte nach Chriſti Geburth
von denen Geſchichtſchreibern ausdruͤcklich bemerket
worden; ſondern man hat auch eben dieſes bey
dem letztern großen Erdbeben in Liſſabon wahrge-
nommen.
H 3Dieſes
[118]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Dieſes beweiſet alſo uͤberzeugend, daß die Uhrſa-
che der Erdbeben unter der Erde, und zwar im
Feuer zu ſuchen ſey. Allein, alsdenn bleiben nur
zweyerley Arten vom Feuer uͤbrig, durch welche die
Erdbeben entſtehen koͤnnen. Entweder die brennli-
chen Materien von Schwefel, Kies, Steinkohlen
und dergleichen muͤſſen durch ihre Entzuͤndung die
Erdbeben veruhrſachen, oder das große unterirrdiſche
Feuer, das in dem Mittelpuncte der Erde befindlich
iſt, muß dieſelben wirken. Jch gebe gerne zu, daß
viele kleine Erdbeben, die ſich auf zehen, funfzehn bis
zwanzig Meilen in geringen Erſchuͤtterungen ohne auſ-
ſerordentliche Gewaltſamkeit verſpuͤhren laſſen, von
ſolchen brennlichen Materien unter der Erde, die ſich
entzuͤndet haben, herruͤhren. Allein, von ſolchen
erſtaunlichen Erderſchuͤtterungen, welche vorhin ge-
dachtermaßen dreymahl ganz Klein-Aſien verwuͤſtet,
und alle Staͤdte umgeſtuͤrzet haben, kann man ver-
nuͤnftiger Weiſe nicht eben dieſes annehmen, ſo we-
nig als von dem letztern großen Erdbeben zu Liſſa-
bon, deſſen Wirkung ſich uͤber ganz Portugall, ei-
nen Theil von Spanien und der Barbarey, mit de-
nen gewaltſamſten und verwuͤſtenden Erſchuͤtterun-
gen erſtreckte. Man muͤßte annehmen, daß in ei-
ner ſo weiten Gegend von einigen hundert Meilen,
tief unter der Erde, nichts als brennliche Materien
vorhanden waͤren, daß dieſe brennliche Materien ei-
ne ununterbrochene Gemeinſchaft mit einander haͤt-
ten, und daß dieſelben zu gleicher Zeit und auf ein-
mahl insgeſammt im Brande ſtuͤnden; Vorausſetzun-
gen,
[119]eine Sonne oder Comet geweſen.
gen, die wir an dem brennlichen Weſen, das alle-
mahl nur in maͤßigen und ſich gar nicht weit erſtre-
ckenden Floͤtzen und Gaͤngen gefunden wird, unter
der Erde gar nicht wahrnehmen, und die noch uͤber-
dies an ſich ſelbſt ohnmoͤglich ſind. Denn es wuͤr-
den Jahrhunderte erforderlich ſeyn, ehe das brenn-
liche Weſen auf zwey- bis dreyhundert Meilen weit
ſich entzuͤnden und fortbrennen koͤnnte; und indeſ-
ſen wuͤrde dasjenige, was zuerſt zu brennen ange-
fangen haͤtte, bereits ausgebrannt ſeyn, und dieje-
nige Kraft und Wirkung ohnmoͤglich beweiſen koͤnnen,
die zu ſo gewaltſamen Erſchuͤtterungen ſo großer Laͤn-
der erforderlich ſind.
Es kann demnach keine andere Uhrſache als das
unterirrdiſche Feuer diejenigen erſtaunlichen Wirkun-
gen hervorbringen, die wir bey denen großen Erd-
beben wahrnehmen. Wir werden in dem folgen-
den Abſchnitte die Exiſtenz dieſes unterirrdiſchen
Feuers mit ſo uͤberzeugenden Gruͤnden erweiſen, daß
man vernuͤnftiger Weiſe nicht weiter daran zweifeln
kann. Jndeſſen dienet dasjenige, was wir in die-
ſem Abſchnitte beygebracht haben, ſchon einiger-
maßen zu dergleichen Beweiſen. Denn wenn ſich
gewiſſe unterirrdiſche Beſchaffenheiten und Begeben-
heiten in der Geſchichte unſers Erdcoͤrpers auf keine
andere Art erklaͤhren und aufloͤſen laſſen, als durch
die Gegenwart eines ſolchen unterirrdiſchen Feuers in
dem Mittelpunct der Erde; ſo folget von ſelbſt, daß
ein ſolches Feuer vorhanden ſeyn muͤſſe.
H 4Aus
[120]III. Abſchn. Ob der Erdcoͤrper
Aus allem demjenigen, was wir in dieſem Ab-
ſchnitte von denen Kennzeichen und Spuhren eines
in dem Erdcoͤrper ehedem geweſenen Brandes vor-
getragen haben, kann man indeſſen gar nicht ſchlieſ-
ſen, daß unſer Planet ehedem eine Sonne oder
brennender Comet geweſen iſt. Um einen ſolchen
Schluß zu machen, findet man allzu wenig Spuh-
ren und Merkzeichen davon. Dieſe Kennzeichen
muͤſſen viel allgemeiner ſeyn, ſie muͤſſen weit haͤufi-
ger, und wenigſtens in den meiſten alten oder Fel-
ſengebirgen angetroffen werden. Denn das wenig-
ſte, was man von einer Sonne oder brennenden
Cometen annehmen kann, muͤßte doch ſeyn, daß
der groͤßte Theil ſeiner Gebirge im Brande ſtuͤnde.
Diejenigen, welche glauben, daß die Sonne gar
wohl bewohnet ſeyn koͤnne, geben doch zu, daß
alle ihre Gebirge brennen, ob ſie gleich dabey anneh-
men, daß dieſe Gebirge ſehr hoch ſind, und daß die
Bewohnung nur etwan in denen tiefen Thaͤlern ſtatt
finden koͤnne.
Dasjenige, was man vernuͤnftiger Weiſe aus
denen vorhin angefuͤhrten Kennzeichen und Spuh-
ren von einem in dem Erdcoͤrper ehedem geweſenen
Brande vernuͤnftiger und wahrſcheinlicher Weiſe
ſchließen muß, iſt, daß ein unterirrdiſches Feuer
in dem Mittelpuncte der Erde vorhanden ſey, daß
dieſes Feuer ſich zu Zeiten ſo ſehr der Oberflaͤche ge-
naͤhert habe, und noch naͤhern koͤnne, daß daraus
große und erſchreckliche Wirkungen aus dem Erd-
boden
[121]eine Sonne oder Comet geweſen.
boden entſtanden ſind, und daß hieraus gleichfalls
erhelle, was vor ein großes Alterthum man dieſem
Weltcoͤrper beylegen muͤſſe. Denn was vor einen un-
ermeßlichen Zeitraum muß man ſich nicht vorſtellen,
ehe der ehemahlige See in der Grafſchaft Mansfeld
von dem unterirrdiſchen Feuer hat vernichtet und
wahrſcheinlich durch mehr als zwanzig nachfolgende
Ueberſchwemmungen ſo tief in der Erde hat verbor-
gen werden koͤnnen.
H 5Vierter
[122]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
Vierter Abſchnitt.
Erweis, daß in dem Mittelpunct der
Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt, und daß von
demſelben die meiſten Felſengebirge uͤber die Ober-
flaͤche der Erde empor getrieben
worden.
Jch habe in denen vorhergehenden Abſchnitten,
durch die Beſchaffenheiten unſers Erdcoͤrpers
dahin geleitet, von einer Eigenſchaft, oder von
einem der merkwuͤrdigſten Umſtaͤnde dieſes Weltcoͤr-
pers geredet, der wohl verdienet, naͤher unterſuchet
und gruͤndlich erwieſen zu werden. Jch meyne, daß
in dem Mittelpunct der Erde ein unterirrdiſches Feuer
ſey, welches bereits erſtaunliche Wirkungen und Ver-
aͤnderungen, ſowohl auf der Oberflaͤche unſers Plane-
tens hervorgebracht hat, als auch ſolche noch inskuͤnf-
tige zu bewirken vermoͤgend iſt. Es iſt dieſes ein ſo
wichtiger Umſtand in der Geſchichte des Erdcoͤrpers,
daß wir denſelben nicht im Vorbeygehen betrach-
ten duͤrfen; ſondern wir muͤſſen einen beſondern Ab-
ſchnitt anwenden, um dieſe Wahrheit gruͤndlich zu er-
weiſen.
Dasjenige, was wir in der Einleitung von der
Natur und Weſen des ganzen Weltgebaͤudes und der
einzelnen Weltcoͤrper vorgetragen haben, leget den
erſten Grund zu unſerm vorhabenden Beweiſe. Ein
jeder
[123]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
jeder Coͤrper, der aus ſolchen Materien beſtehet, die
einer Entzuͤndung faͤhig ſind, wird allemahl durch ei-
ne heftige Bewegung um ſeine eigene Axe dieſe Ent-
zuͤndung wirklich hervorbringen. Wir muͤſſen hier
wiederholen, daß das Feuer nichts weniger als ein
vor ſich beſtehendes Weſen, Materie oder Coͤrper ſey;
ſondern es iſt weiter nichts als die heftigſte Bewegung
der Materie in ihren kleinſten Theilen. Ein jeder Coͤr-
per alſo, der aus Materien beſtehet, welche der Ent-
zuͤndung faͤhig ſind, muß durch eine ſehr ſchnelle Be-
wegung um ſeine eigene Axe, oder durch eine Gaͤh-
rung in ſeinem Mittelpuncte, welche eine eben ſo hef-
tige Bewegung der Materie in ihren kleinſten Theilen
hervorbringt, endlich in ein wirkliches Feuer gerathen.
Die Erfahrung hat uns hiervon durch Millionen Bey-
ſpiele uͤberzeuget. Getraide, Heu, und ſogar Miſt,
wenn das erſte etwas feucht eingebracht wird, und
der letztere lange Zeit in großen Haufen uͤbereinander
liegt, gerathen in Gaͤhrung, dadurch entſtehet eine
heftige Bewegung der Materie in ihren kleinſten Thei-
len, und endlich erfolgt ein wirklicher Brand. Selbſt
mit denen Erdarten hat es keine andere Beſchaffen-
heit. Es iſt bekannt, daß man verſchiedene Arten
von Allaunerde nicht eher mit Vortheil zu Allaune
verſieden kann, als bis ſie eine lange Zeit, und we-
nigſtens ein Jahr lang, uͤber einem Haufen gelegen,
ſich dadurch erhitzet haben, und in Gaͤhrung gegan-
gen ſind. Wenn man die rechte Zeit verabſaͤumet,
und dieſe Haufen zu lange unverarbeitet liegen laͤßt;
ſo haben ſich ſchon ſehr viele Beyſpiele ereignet, daß
dieſe Gaͤhrung oder die heftige Bewegung der Mate-
rie
[124]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
rie in ihren kleinſten Theilen einen wirklichen Brand
ſolcher Haufen von Allaunerde hervorgebracht, und
ſie dadurch zu dem Endzweck des Verſiedens groͤßten-
theils unbrauchbar gemacht hat. Eben dieſe Eigen-
ſchaft oder Folge von einer ſehr ſchnellen Bewegung
wird man an dem Holze und an den meiſten andern
Materien gewahr. Wenn zwey Hoͤlzer ſich in und
gegeneinander heftig bewegen; ſo entſtehet dadurch
endlich ein Brand. Dieſe Erfahrung kann man
allezeit nach Belieben hervorbringen: und man ſie-
het ſie oͤfters zu ſeinem Schaden an neuen Wagenraͤ-
dern, die noch nicht genugſam eingetheeret ſind; und
die Wallfiſchjaͤger, wenn die Harpune den Wallfiſch
getroffen hat, und derſelbe mit der groͤßten Geſchwin-
digkeit in den Abgrund des Meeres hinunterfaͤhret,
ſehen ſich genoͤthiget, auf die beyden Axen der Wel-
le, worauf das Seil aufgewickelt iſt, beſtaͤndig Waſ-
ſer zu gießen, weil ſonſt dieſelben ganz ohnfehlbar in
Brand gerathen wuͤrden.
Es iſt gar kein Zweifel, daß nicht unſer Erdcoͤr-
per aus ſolchen Materien beſtehen ſollte, welche nicht
einer ſehr heftigen Bewegung in ihren kleinſten Thei-
len faͤhig waͤren. Außer denen mancherley Materien
des brennlichen Weſens, die wir noch immer in einer
großen Teufe in dem Erdcoͤrper entdecken, und wel-
che man bloß durch eine willkuͤhrliche und ohne allen
Grund angenommene Vorausſetzung in dem Jnnern
der Erde laͤugnen wuͤrde, giebt es noch verſchiedene
andere Erdarten, z. E. die Allaunerden, und alle die-
jenigen, welche mit ſauren Sachen angeſchwaͤngert
ſind, die der Entzuͤndung, oder einer heftigen Bewe-
gung
[125]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
gung der Materie in ihren kleinſten Theilen faͤhig ſind.
Dasjenige aber, was wir in dem in der Einleitung
vorgetragenen Lehrgebaͤude angenommen haben, naͤm-
lich, daß das Oehl, oder das brennliche Weſen, eine
von denen Grundmaterien ſey, welche aus der Zuſam-
menhaͤufung der Atomen zuerſt entſtanden ſind, hat
ſehr viel Wahrſcheinlichkeit vor ſich, und ich ſchmeichle
mir, daß es allen Leſern von Einſicht und guter Be-
urtheilungskraft eine Genuͤge leiſten wird. Folglich
hat es in dem Jnnern des Erdcoͤrpers nicht an Ma-
terie fehlen koͤnnen, die einer heftigen Bewegung in
ihren kleinſten Theilen oder der Entzuͤndung faͤhig
war.
Es giebt zweyerley Wirkungen und Folgen, die
aus einer ſehr ſchnellen Bewegung einer Kugel um
ihre eigene Axe entſtehen. Die erſte iſt ihre innere
Entzuͤndung, wenn naͤmlich alle ihre Theile nicht voll-
kommen homogen und zuſammenhaͤngend ſind, und
eine ſolche Beſchaffenheit hat gewiß unſere Weltku-
gel; die andere Wirkung aber, welche durch eine
ſchnelle Bewegung um ihre eigene Axe entſtehet, iſt
die Erzeugung einer gewiſſen Materie auf ihrer Ober-
flaͤche, welche wir nunmehro ſeit vierzig Jahren et-
was beſſer kennen gelernet, und welcher wir den Nah-
men der electriſchen Materie beygelegt haben. Daß
dieſe Materie bloß durch eine ſchnelle Bewegung ei-
ner Kugel um ihre eigene Axe entweder entſtehe, oder
zuſammengehaͤufet werde, das ſehen wir alle Tage
an denen electriſchen Maſchinen. So bald die Ku-
gel, die zu dieſer Maſchine gehoͤret, nur eine Mi-
nute lang heftig um ihre Axe beweget worden; ſo zei-
get
[126]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
get ſich alſobald an dem ihr nahe liegenden Eiſen das
electriſche Feuer, welches ſich in dieſem Eiſen allen de-
nenjenigen mittheilet, welche mit dieſem Eiſen einen
Zuſammenhang und Verbindung haben. Als die
Electricitaͤt noch gleichſam in ihrer Geburth war; ſo
glaubte man, daß die zu dieſer Maſchine erforderliche
Kugel mit Siegellack, Pech und dergleichen Mate-
rien nothwendig erfuͤllet ſeyn muͤßte, welche nach dem
Begriff der Alten, jedoch auf eine ganz andere Art,
der Electricitaͤt faͤhig waren, naͤmlich mit ſolchen Ma-
terien, welche durch das Reiben die Eigenſchaft er-
langten, kleine Strohhaͤlmer, wollene Faſern und an-
dere dergleichen Sachen an ſich zu ziehen. Allein, es
daurete nicht lange, ſo lernte man dieſen Jrrthum
einſehen, und befand, daß eine ganz leere und von
allen ſolchen Materien befreyete glaͤſerne Kugel in An-
ſehung der Electricitaͤt vollkommen eben die Wir-
kung hervorbraͤchte, die man vorhin lediglich in der
Eigenſchaft des Siegellacks, des Pechs, und anderer
ſolcher Materien geſuchet hatte. Man begriff alſo,
daß bloß die heftige Bewegung der Kugel um ihre ei-
gene Axe die electriſchen Wirkungen erzeugte.
Es iſt heutiges Tages keinem Zweifel mehr unter-
worfen, daß nicht die Gewitter, welche ſich durch ih-
ren Donner und Blitz denen meiſten Menſchen ſo
furchtbar und erſchrecklich machen, ihren hauptſaͤchli-
chen Uhrſprung von der electriſchen Materie haben
ſollten, welche unſere Erdkugel umgiebt. Vielfaͤltige
Verſuche und Erfahrungen haben uns hiervon auf das
vollkommenſte uͤberzeuget. Wir muͤſſen unſere Au-
gen
[127]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
gen mit Fleiß vor natuͤrlichen und richtigen Folgen
verſchließen, und uns gefliſſentlich vorſetzen, einerley
Uhrſachen und Wirkungen ganz zu verkennen, wenn
wir nicht einſehen wollten, daß eben dieſe electriſche
Materien, dieſer erſte Stoff der Gewitter, haupt-
ſaͤchlich aus der ſchnellen Bewegung der Erdkugel um
ihre eigene Axe entſtehet. Unſere Erdkugel befindet
ſich in eben den Umſtaͤnden, die bey einer zur electri-
ſchen Maſchine gehoͤrigen Kugel ſtatt finden. Wir
ſehen hier offenbahr die Wirkungen einer ſchnellen Be-
wegung einer Kugel um ihre Axe. Die Naͤhe
der Gewitter in der Luft bey der Erdkugel hat eben
das Verhaͤltniß, als das Eiſen, welches ſich einige Li-
nien breit von der Bewegung der electriſchen Kugel
befindet; wenn man naͤmlich die Groͤße der Erdkugel
dabey in Erwegung ziehet. Warum ſollte man alſo
nicht auch hier einerley Wirkungen auch einerley Uhr-
ſachen zuſchreiben.
Solchemnach finden wir aus der Erfahrung auf
eine einleuchtende Art, daß die eine natuͤrliche Wir-
kung, welche aus der ſchnellen Bewegung einer Ku-
gel um ihre eigene Axe entſtehen muß, in Anſehung
unſerer Weltkugel wirklich vorhanden iſt. Warum
ſollten wir alſo nicht auch uͤberzeugt ſeyn koͤnnen, daß
die andere Wirkung und Folge einer ſchnellen Bewe-
gung um ihre Axe, naͤmlich die Entzuͤndung in ih-
rem Mittelpuncte, durch eine heftige Bewegung der
Materie in ihren kleinſten Theilen wirklich erfolget
ſey. Vielleicht wird man noch dahin kommen, daß
man dieſen Erfolg durch die uͤberzeugendſten Verſuche
und Erfahrungen nachmachen kann. Wenn man eine
zuſammen-
[128]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
zuſammenhaͤngende Kugel zu Stande bringen koͤnnte,
die aus verſchiedenen, nicht homogenen, und zum
Theil entzuͤndlichen Materien beſtuͤnde, die in ihren
Mittelpuncten eines Reibens gegen einander faͤhig waͤ-
ren; ſo wuͤrde man gewiß die Wirkung wahrnehmen,
daß durch eine ſchnelle Bewegung dieſer Kugel um
ihre eigene Axe endlich eine Entzuͤndung und wirkli-
ches Feuer in ihrem Mittelpuncte entſtehen wuͤrde.
Jedoch das unterirrdiſche Feuer beruhet nicht al-
lein auf dergleichen theoretiſchen Gruͤnden; ſondern
es ſind ſo gar Beweiſe vorhanden, welche eine Art
von Erfahrung ausmachen. Es ſind naͤmlich ſehr
wichtige Gruͤnde vorhanden, welche uns bewegen,
mehr als wahrſcheinlich verſichert zu ſeyn, daß die
Waͤrme auf dem Erdboden nicht allein von der Wir-
kung der Sonne herruͤhret, ſondern daß noch eine an-
dere Uhrſache vorhanden ſey, welche zu der Waͤrme
auf dem Erdboden mitwirket, und ihren Theil dazu
auf eine merkliche Art beytraͤgt.
Da die hohen Gebirge, in Verhaͤltniß gegen die
Ebenen der Sonne, wirklich naͤher ſind; da die Be-
ſchaffenheit der Gebirge der Wirkung der Sonne eine
viel groͤßere Oberflaͤche entgegenſetzet; da die meiſten
Gebirge nicht von einer außerordentlichen Dicke oder
Breite ſind, und mithin viel eher die Faͤhigkeit ha-
ben, von der Sonnenhitze durchwaͤrmet zu werden;
ſo muͤſſe man aus allen dieſen Gruͤnden vernuͤnftiger
Weiſe ſchließen, daß auf denen hohen Gebirgen eine
viel groͤßere Waͤrme und Sonnenhitze ſtatt finden
muͤſſe, als in dem ebenen Lande. Jndeſſen beweiſen
uns
[129]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
uns alle Erfahrungen auf dem ganzen Erdcoͤrper gera-
de das Gegentheil. Hohe Gebirge, auch in ſolchen
Himmelsgegenden, die ein ſehr gemaͤßigtes oder ſo
gar heißes Clima in denen dabey angraͤnzenden Ebe-
nen haben, laſſen allemahl eine empfindliche Kaͤlte
auf ſich wahrnehmen. Dieſe Erfahrung iſt zu be-
kannt und zu allgemein, als daß ich noͤthig haͤtte,
Beyſpiele beſonderer Laͤnder hierbey anzufuͤhren. Als
ich im Jahr 1751 eine Reiſe von Wien aus nach Marien-
zell that, hauptſaͤchlich, um auf dieſer Reiſe die ho-
hen Niederoͤſterreichiſchen Felſengebirge, davon ich
oben im erſten Abſchnitte geredet habe, in Abſicht auf
Harzgaͤnge zu unterſuchen; ſo reiſete ich in einer recht
brennenden Hitze des Julii von Wien aus. Kaum
aber befand ich mich in der Mitte dieſer Gebirge, als
ich von einer ſehr empfindlichen Kaͤlte, und ſo gar von
einem anhaltenden Schnee uͤberfallen wurde, und bey
einem leichten, der Wiener Hitze gemaͤßen, Anzuge nach-
theilige Folgen auf meine Geſundheit davon empfand.
Man weis in denen an den Harz angraͤnzenden Ge-
genden von Thuͤringen genugſam, daß in denen
Harzgebirgen oͤfters bereits ein Schnee etliche Fuß tief
liegt, wenn in dem platten Lande von Thuͤringen
noch eine ſehr angenehme und warme Herbſtwitterung
ſtatt findet. Kurz, dieſe Beſchaffenheit, in Anſe-
hung der Waͤrme und Witterung, veroffenbahren
alle hohe Gebirge auf dem ganzen Erdboden; ſie moͤ-
gen ſich auch in einer noch ſo warmen Himmelsgegend
befinden. So gar unweit der Linie hat es mit denen
Gebirgen oder ſehr hoch liegenden Ebenen keine an-
dere Beſchaffenheit. Als der Herr de la Condamine
Jwegen
[130]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
wegen der beruͤhmten Ausmeſſung der Erdgrade nach
America geſendet wurde, um daſelbſt ohnweit der Li-
nie einen Erdgrad auszumeſſen, wozu die Landſchaft
Chili in dem ſuͤdlichen America am geſchickteſten be-
funden wurde; ſo erwaͤhlte er zu dieſer Ausmeſſung ei-
ne Ebene in Chili, welche aber zweytauſend geometri-
ſche Schritte hoͤher lag, als die Oberflaͤche des Mee-
res, und auf welche man bey ihrem Anfange als auf
ein Gebirge hinaufſteigen mußte, die aber oben ſich
weit genug erſtreckte, um denen Augen und denen
zur Ausmeſſung aufzuſteckenden Zeichen keine Hinter-
niß zu veruhrſachen. Dieſe Ausmeſſung nahm im
Junio, und mithin in der waͤrmſten Jahreszeit ihren
Anfang. Dennoch wurde Herr de la Condamine
durch eine empfindliche Kaͤlte und durch ein oͤfteres
einfallendes und lange anhaltendes Schneegeſtoͤber in
ſeiner Ausmeſſung ſehr verhintert q).
Wir wollen noch ein Beyſpiel anfuͤhren. Der-
jenige Theil der großen Tartarey, welcher jetzo zu dem
Kaiſerthum China gehoͤret, liegt in eben den Erd-
graden nordlicher Breite, als das Koͤnigreich Frank-
reich, und ein Theil von Jtalien. Folglich ſollte die-
ſer Theil der Tartarey eine eben ſo gemaͤßigte und ſo
gar etwas warme Himmelsgegend und Witterung ha-
ben. Allein, das Clima in dieſen Gegenden der Tar-
tarey iſt ſchon ſehr rauh und kalt, und kommt mit dem
von Frankreich in gar keine Vergleichung. Die Je-
ſuiten
[131]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
ſuiten, welche die Chineſiſchen Kaiſer auf ſeiner Reiſe
nach der Tartarey allemahl zu begleiten pflegten, ha-
ben uns die Uhrſache und Erlaͤuterung davon an die
Hand gegeben r). Sie haben durch ihre mit aller
Genauigkeit angeſtellten Beobachtung gefunden, daß
das ganze ebene Land der Chineſiſchen Tartarey, die
Gebirge ungerechnet, uͤber zweytauſend geometriſche
Schritte hoͤher liegt, als die Oberflaͤche des Meeres,
wo es zunaͤchſt an die Tartarey anſpuͤhlet. Hierdurch
veroffenbahret ſich naͤmlich, daß das mit Frankreich,
ohngeachtet der vollkommen gleichen Lage in einerley
Erdgraden ſo ſehr verſchiedene und ungleich kaͤltere
Clima der großen Tartarey lediglich von der ſehr ho-
hen Lage des platten und ebenen Landes dieſer Chine-
ſiſchen Tartarey herruͤhret.
Was vor einer Uhrſache ſoll man wohl dieſe groͤſ-
ſere Kaͤlte in allen Gebirgen und hochliegenden Laͤndern
zuſchreiben. Wollte man eine Uhrſache in der Beſchaf-
fenheit der Gebirge ſelbſt ſuchen, vielleicht in Anſehung
ihrer reinen Luft, oder der Abwechſelung von hohen Ge-
birgen und tiefen Thaͤlern; ſo faͤllt dieſe Erklaͤhrung
dadurch gaͤnzlich hinweg, daß in Chili und der großen
Tartarey weit erſtreckende Ebenen eben dieſe Beſchaf-
fenheit in Anſehung einer groͤßeren Kaͤlte ganz ungezwei-
felt zu Tage legen; wie es denn ſchwehrlich moͤglich ſeyn
wird, auf andere Art eine gruͤndliche Erlaͤuterung
zu finden, welche der Sache eine zureichende Genuͤge
thaͤte.
J 2Die
[132]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
Die richtigſte und natuͤrlichſte Folge hieraus iſt,
daß es die Sonne nicht ganz allein iſt, welche unſerm
Erdcoͤrper die Waͤrme verſchaffet; ſondern daß derſel-
be noch eine andere Quelle der Waͤrme haben muß,
welche von der Sonnenwaͤrme gaͤnzlich unterſchieden
iſt. Dieſe zweyte Quelle der Waͤrme muß ſich in dem
Jnnern des Erdbodens ſelbſt befinden. Dieſes iſt
abermahls eine ungezweifelte und natuͤrliche Folge aus
denen allgemeinen und uͤbereinſtimmenden Erfahrun-
gen, die wir jetzt angefuͤhret haben, naͤmlich, daß
alle Laͤnder, die ungleich hoͤher liegen, als die Ebe-
nen der meiſten andern Laͤnder, ungleich kaͤlter ſind;
ſie moͤgen aus Gebirgen oder aus großen Ebenen be-
ſtehen, die aber ſehr hoch liegen. Die Gebirge und
hoch liegenden Laͤnder ſind von der zweyten Quelle,
naͤmlich der innern Waͤrme des Erdbodens weiter ent-
fernet, als die Ebenen der niedrig liegenden Laͤnder.
Die innere Waͤrme kann alſo ungleich weniger bis zu
der Oberflaͤche tringen; und das veruhrſachet ihre
groͤßere Kaͤlte, ohngeachtet aller dererjenigen Gruͤnde, die,
wie wir oben angefuͤhret haben, ſehr ſcheinbarer Weiſe ei-
ne groͤßere Sonnenhitze auf denen Gebirgen wirken ſoll-
ten. Da aber dieſes keinesweges geſchiehet, ſondern
vielmehr gerade das Gegentheil erfolget; ſo faͤllt hier-
durch deſto mehr in die Augen, wie ſtark die innere
Waͤrme des Erdcoͤrpers zu der darauf ſtatt findenden
Waͤrme mitwirken muß.
Daß unſer Erdcoͤrper außer der Sonnenwaͤrme
noch eine andere Quelle der Waͤrme haben muß, die-
ſes beruhet noch auf verſchiedenen andern Gruͤnden;
ich
[133]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
ich kann mich aber allhier dabey nicht aufhalten. Man
findet dieſelben in denen beſten und neueſten Lehrbuͤ-
chern uͤber die Naturlehre ausfuͤhrlich vorgeſtellet.
Was koͤnnte dieſe innere Waͤrme der Erdkugel
wohl anders ſeyn, als das unterirrdiſche Feuer. Woll-
te man ſagen, daß dieſe Waͤrme in dem Jnnern des
Erdcoͤrpers aus der heftigen Bewegung deſſelben um
ſeine eigene Axe und der dadurch veruhrſachten Bewe-
gung der innern Materien der Erdkugel entſtuͤnde; ſo
iſt das eben ſo viel, als das unterirrdiſche Feuer ſelbſt
eingeſtanden. Denn wenn die innern Materien des
Erdcoͤrpers durch ſeine heftige Bewegung um ſeine ei-
gene Axe einer Erwaͤrmung faͤhig ſind; ſo hat die
Fortſetzung dieſer ſchnellen Bewegung waͤhrend ſehr
vielen Jahrtauſenden ſchon laͤngſt eine wirkliche Ent-
zuͤndung und Brand hervorbringen muͤſſen. Noch
mehr aber mußte dieſer Erfolg ganz ohnfehlbar geſche-
hen, da es gar keinen Zweifel leidet, daß unſer Erd-
coͤrper genugſame Materien in ſich hat, welche der Ent-
zuͤndung faͤhig ſind.
Zu allen dieſen theoretiſchen Gruͤnden muß man
dasjenige hinzuſetzen, was wir in dem erſten und drit-
ten Abſchnitte als wirkliche Erfahrungen von der Exi-
ſtenz eines Feuers in dem Mittelpunct der Erde be-
reits angefuͤhret haben. Die augenſcheinliche Erhe-
bung des feſten Geſteins in den Mittelgebirgen an ho-
hen Felſengebirgen, die Spuhren und Merkzeichen ei-
nes ehedem in dem Erdcoͤrper ſtatt gefundenen Bran-
des, und inſonderheit die großen auf viele Laͤnder ſich
erſtreckende Erdbeben, ſind ſo viele Erfahrungsgruͤnde
J 3von
[134]IV. Abſchn. Erweis daß in dem Mittelpunct
von dem wirklichen Daſeyn dieſes unterirrdiſchen Feuers
in dem Jnnern der Erde.
Daß aber von dieſem unterirrdiſchen Feuer die ho-
hen Felſengebirge uͤber die Oberflaͤche der Erde empor
getrieben worden, das hat ſchon vor ſich ſelbſt alle
Wahrſcheinlichkeit vor ſich. Jch habe oben gezeiget,
daß nichts weniger als gute Gruͤnde vorhanden find,
zu glauben, daß dieſe hohen, rauhen, und nicht al-
lein zur Bewohnung unnuͤtzen, ſondern auch hinterli-
chen Felſen von dem weiſen Schoͤpfer mit erſchaffen
ſeyn koͤnnen. Daß ſie aber nicht von denen Fluthen oder
Ueberſchwemmungen entſtanden ſind, das zeiget ihr
großer Unterſchied von denen auf dieſe Art hervorge-
brachten Floͤtzgebirgen. Sie muͤſſen demnach durch
eine unterirrdiſche Gewalt uͤber die Oberflaͤche der Er-
de herausgetrieben ſeyn, und man kann keine andere
ſolche Gewalt in der Erde annehmen, als das unter-
irrdiſche Feuer.
Es fehlet auch gar nicht an Nachrichten in der Ge-
ſchichte, daß wirklich waͤhrend unſerer jetzigen Zeit-
rechnung neue Berge auf dem Erdboden auf dieſe Art
entſtanden ſind. Es finden ſich hiervon ſehr deutliche
Spuhren, ſowohl bey denen alten Geſchichtſchreibern,
als bey denen Chronickenſchreibern des mittlern Zeit-
alters. Da aber dieſe Nachrichten ſehr kurz ſind,
und keine naͤhere Umſtaͤnde von dergleichen Begeben-
heiten in ſich enthalten, aus welchen man einen uͤber-
zeugenden Beweis fuͤhren koͤnnte; ſo will ich mich be-
gnuͤgen, eine Begebenheit unſers eigenen Jahrhun-
derts umſtaͤndlich anzufuͤhren, die damahls in allen
Zeitungen
[135]der Erde ein unterrirrdiſches Feuer iſt.
Zeitungen und Tagebuͤchern gemeldet worden iſt, und
welche ſeitdem verſchiedene beruͤhmte und anſehnliche
Jtaliaͤniſche Schriftſteller in ihren Werken der Ver-
geſſenheit zu entreißen bemuͤhet geweſen ſind.
Es iſt bekannt, daß ohnweit Venedig in dem
Adriatiſchen Meere eine große Menge kleiner Jnſuln
liegen, die ſich bis auf zwanzig und mehr Meilen von
Venedig erſtrecken, und deren Anzahl ſich auf viele
hundert belaufen ſoll. Es war im Jahr 1713, als
ſich bey einigen dieſer Jnſuln mitten im Meere ein groſ-
ſes Aufwallen ereignete. Das Meer ſtrudelte gewalt-
ſamer Weiſe in die Hoͤhe. Es wurden erſchreckliche
Schlaͤge gehoͤret, welche dem Donnern vieler hundert
Canonen aͤhnlich waren, davon alle benachbarte Jn-
ſuln auf viele Meilen weit, wie von dem gewaltſamſten
Erdbeben, heftig erſchuͤttert wurden. Endlich ſah man
Flammen und Rauch aus dem Meere hervorſteigen;
zu gleicher Zeit aber verdoppelten ſich dieſe erſchreckli-
chen Schlaͤge. Mit dieſen Flammen und Rauch wur-
den viele Steine und anſehnliche Felſenſtuͤcken mit in
die Luft geworfen, und zwar mit ſolcher Gewalt, daß
ſie einige Meilen weit bis in die benachbarten Jnſuln
flogen, und es daſelbſt gleichſam Steine, Felfenſtuͤ-
cken und Schlacken mit untermiſchter haͤufiger Aſche
regnete. Die Einwohner aller benachbarten Jnſuln
ſahen ſich demnach genoͤthiget, die Flucht auf andere
weit entfernte Jnſuln zu nehmen, um ihr Leben in Si
cherheit zu ſetzen.
Jndeſſen dauerte dieſes Wuͤthen eines neu entſtan-
denen Vulcans immer fort, und laͤnger als einen Monath.
J 4Wenn
[136]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
Wenn es ja zuweilen einige Tage auszuruhen ſchien;
ſo fiengen ſich doch dieſe erſchrecklichen Schlaͤge, dieſes
Feuerſpeyen und Stein- und Aſcheauswerfen bald wie-
der, gleichſam mit verdoppelter Kraft, von neuem an.
Endlich wurde alles ruhig; die Einwohner der benach-
barten Jnſuln getraueten ſich aber dennoch nicht, ſo
bald wieder zu ihren Wohnungen zuruͤck zu kehren;
ſondern erſt vier Wochen hernach, nachdem alles ru-
hig geweſen war, faßten ſie hierzu genugſamen Muth.
Als ſie wieder auf ihre Jnſuln gekommen waren, und
nach der fuͤrchterlichen Gegend hinſahen, wo ſich ein
ſo erſchrecklicher Auftritt einer außerordentlichen Na-
turbegebenheit ereignet hatte; ſo ſahen ſie in dieſer Ge-
gend etwas Schwarzes von einem weiten Umfange
uͤber das Meer hervorragen. Es verſtrichen aber-
mahls verſchiedene Wochen, ehe jemand den Muth
faßte, ſich auf einem Both oder Kahne naͤher an die-
ſe Erſcheinung zu wagen, und zu unterſuchen, was es
eigentlich ſey. Endlich wagte man es, man fand,
daß allenthalben Felſen uͤber das Waſſer hervorragten,
die zum Theil ziemlich hoch waren. Dieſe Felſen
machten einen Bezirk faſt von einer halben Meile aus;
ſo wie ſie an vielen Jnſuln als die aͤußerſte Einfaſſung
zu ſehen ſind. Man wagte es endlich, an dieſen
Felſen auszuſteigen, und das Jnnere derſelben zu be-
trachten; man fand in der Mitte eine große Ebene,
mit ſchwarzem einer Aſche aͤhnlichen Erdreiche, wel-
ches allem Anfehen nach der Schlund oder das Aſchen-
loch des Vulcans geweſen war. Dieſe Aſche fieng
ſchon im folgenden Fruͤhjahre an mit Gras zu be-
wachſen; und es war alſo durch dieſe erſchreckliche Na-
tur-
[137]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
turbegebenheit eine neue Jnſul entſtanden, die ſchon
einige Jahre hernach von denen Menſchen eben ſo gut
bewohnet wurde, als alle andere Jnſuln des Adriati-
ſchen Meeres.
Es waren noch nicht zwey Jahre verfloſſen; ſo
geſchah eine wiederholte Vorſtellung eben dieſes er-
ſtaunlichen, aber in verſchiedenem Betracht praͤchtigen
Schauſpiels der Natur. Jn einer Gegend des Mee-
res, die nur wenige Meilen von der vorigen entfer-
net war, ereigneten ſich eben die gewaltſamen Bewe-
gungen des Meeres, eben die fuͤrchterlichen Schlaͤge,
wovor die Natur zu erzittern ſchien, eben das Her-
vorbrechen des Feuers aus dem Meere, eben dieſes
fuͤrchterliche Stein- Schlacken- und Aſcheauswerfen,
das ſich viele Meilen rundumher erſtreckte, und die
Dauer dieſes Schauſpiels war gleichfalls laͤnger als
von einem Monathe. Kurz, die Natur ſchien wei-
ter nichts zu thun, als eben das vorige Schauſpiel
noch einmahl aufzufuͤhren, wenn etwa die Menſchen
auf die erſte Vorſtellung nicht aufmerkſam genug ge-
weſen waͤren. Es entſtund hieraus eine neue Jnſul;
und es verfloſſen nicht zwey Jahre, ſo wurde ſie wie
die vorige von denen Menſchen bewohnet.
Die Jnſuln ſind nichts anders, als Berge in dem
Grunde des Meeres. Hier iſt alſo unſer Jahrhun-
dert Augenzeuge von der Geburth zweyer Berge ge-
weſen. Niemand kann wohl den geringſten Zweifel
aufwerfen, daß nicht das Feuer die unterirrdiſche Ge-
walt geweſen ſey, welche dieſe Berge empor getrieben
hat. Man muͤßte die Augen vorſetzlich vor der Wahr-
J 5heit
[138]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
heit verſchließen wollen, wenn man darauf verfallen
wollte, daß irgend eine Materie vom brennlichen We-
ſen, die ſich in der Erde unter dem Grunde des Mee-
res entzuͤndet habe, die Uhrſache von einer ſo erſtaun-
lichen Wirkung geweſen ſey; ſo, wie wir oben im vor-
hergehenden Abſchnitte zugegeben haben, daß derglei-
chen brennliche Materie die wirkende Uhrſache von klei-
nen Erdbeben ſeyn kann. Man mag ſich ein Floͤtz,
ein Stockwerk von dergleichen brennlicher Materie ſo
maͤchtig und ſo weit erſtreckend vorſtellen, als man will,
kann man ſich wohl einbilden, daß das Feuer deſſel-
ben maͤchtig und wirkſam genug geweſen ſeyn wuͤrde,
alles Waſſer des Meeres zu uͤberwaͤltigen, und, ohn-
geachtet der Gegenwirkung des Waſſers, dennoch die-
ſen Berg in dem Meere bis auf die Oberflaͤche empor
zu treiben? wuͤrde nicht vielmehr das Meerwaſſer, ſo
groß und maͤchtig auch das brennende Floͤtz oder Stock-
werk geweſen waͤre, ſo bald ſich das Feuer durch Ri-
tzen und Spalten bis zu dem Meerwaſſer Luft gemacht
haͤtte, alles Feuer gar bald verloͤſchet und vertilget
haben?
Nichts, als die unausſprechliche Gewalt des in dem
Mittelpunct der Erde befindlichen großen Feuers war
vermoͤgend, alle Gegenwirkung des ganzen Meerwaſ-
ſers zu beſiegen, und ſich auch durch das Waſſer bis
uͤber die Oberflaͤche deſſelben Luft zu verſchaffen.
Wir werden demnach aus dieſen Begebenheiten
uͤberzeuget, daß das unterirrdiſche Feuer noch heutiges
Tages ſeine erſtaunlichen Wirkungen aͤußern und neue
Gebirge auf der Oberflaͤche der Erde hervorbringen
kann.
[139]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
kann. Ohne Zweifel ſind auch die Felſengebirge nicht
auf einmahl von dem unterirrdiſchen Feuer uͤber die
Oberflaͤche der Erde empor gehoben worden; ſondern
es ſind vermuthlich viele Reihen von hundert tauſend
Jahren noͤthig geweſen, um unſerm Erdcoͤrper dieſe
ſo ſehr hoͤckerigte Geſtalt zu geben, die wir jetzo an ſei-
ner Oberflaͤche wahrnehmen. Bald hat ſich dieſe un-
terirrdiſche Gewalt nach dieſem, bald nach einem an-
dern Welttheile gewendet; bald hat ſie in dieſem Lan-
de, bald in einem andern ihre erſchrecklichen Wirkun-
gen wahrnehmen laſſen; und wahrſcheinlich hat ſie nach
Verlauf vieler Jahrtauſende mehr als einmahl dieſes
oder jenes Land wieder heimgeſuchet.
Jndeſſen kann man aus der Beſchaffenheit der Fel-
ſengebirge ſelbſt mit großer Wahrſcheinlichkeit urthei-
len, ob ſie eine Wirkung des unterirrdiſchen Feuers
in denen alleraͤlteſten Zeiten, oder in dem mittlern
oder neuern Zeitalter unſers Erdcoͤrpers geweſen ſind.
Jch nehme dieſe dreyerley verſchiedenen Zeitbeſtim-
mungen nicht nach unſerer Zeitrechnung, ſondern nach
dem Alter unſers Weltcoͤrpers, ſo, daß die aͤlteſten
Zeiten deſſelben wenigſtens eine halbe Million Jahre
von uns entfernet ſind.
Wenn ein Gebirge in einem weiten Umfange aus
ſteilen gleichſam abgeſchnittenen hohen Felſenmauern
beſtehet, wie z. E. die hohen Felſengebirge in Nieder-
oͤſterreich, und zum Theil die Alpen- oder Pyrenaͤi-
ſchen Gebirge; ſo kann man ein dergleichen Gebirge
allemahl als die erſten und aͤlteſten anſehen, die von
dem unterirrdiſchen Feuer auf die Oberflaͤche der Erde
erhoben
[140]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
erhoben worden ſind. Dieſe Felſenmauern, dieſe dar-
zwiſchen liegende enge Thaͤler ſind nichts als große
Spalten und Riſſe, welche die Felſen durch die Ge-
walt des unterirrdiſchen Feuers bey ihrer Emporhe-
bung bekommen haben, und die hoͤchſt wahrſcheinlich
unten in der Erde in einen ſpitzen Winkel zuſammen-
laufen. Die nachfolgenden haͤufigen Ueberſchwem-
mungen haben dieſe Spalten bis uͤber die Haͤlfte mit
Stein- und Erdarten angefuͤllet, wodurch alſo die en-
gen Thaͤler entſtanden ſind, welche wir jetzo zwiſchen
dieſen Felſenmauern wahrnehmen.
Wenn ein Gebirge zwar in ſeinen Mittel- und
Vorgebirgen viele Dammerde und Steinſchichten von
Floͤtzgebirgen hat, dennoch aber oben viel rauhe Felſen
zeiget, oder gar auf dieſer oder jener Seite jaͤhe Ab-
gruͤnde von Felſen an ſich wahrnehmen laͤßt; ſo kann
man ein ſolches Gebirge zu dem mittlern Zeitalter des
Erdcoͤrpers rechnen. Man wird dadurch genugſam
uͤberzeuget, daß die Oberflaͤche der Erde ſeit des Da-
ſeyns dieſes Gebirges viele Ueberſchwemmungen aus-
geſtanden hat; allein, ſie haben ſich dennoch nicht ſo
haͤufig ereignet, daß alle Abgruͤnde dieſer Felſengebir-
ge haͤtten ausgefuͤllet, und mit Mittel- und Vorgebir-
gen durch die Ueberſchwemmungen allenthalben haͤtten
vergroͤßert werden koͤnnen.
Diejenigen Gebirge, welche bloß aus Erd- und
Steinſchichten, wie die Floͤtzgebirge beſtehen, auf al-
len Seiten ſanft aufſteigen, und nur etwan oben in ih-
rem Gipfel einige Felſenſpitzen zeigen, ſind die neuern
Wirkungen des unterirrdiſchen Feuers in ſeinem letz-
tern
[141]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
tern Zeitalter. Es leget ſich dadurch zu Tage, daß
ſchon alle Erd- und Steinſchichten von denen Ueber-
ſchwemmungen ſind gebildet geweſen, als dieſer Berg
aus einer Ebene durch die Gewalt des unterirrdiſchen
Feuers uͤber die Oberflaͤche empor gehoben worden. Es
giebt Berge von dieſer Art, die faſt vollkommen wie
eine Halbkugel gebildet ſind; und dieſes ſind die neue-
ſten, ob ſie gleich noch immer zwanzig bis dreyßigtau-
ſend Jahr alt ſeyn koͤnnen.
Wenn ſeit der Entſtehung ſolcher Gebirge ver-
ſchiedene große Waſſerfluthen ſich ereignet haͤtten; ſo
wuͤrden ſie nicht dieſe runde Geſtalt behalten haben, ſon-
dern durch Anſchwemmungen unfoͤrmliche Mittel- und
Vorgebirge erlanget haben.
Jn dieſer letztern Art von Gebirgen, die zu dem
neuern Zeitalter des Erdcoͤrpers gehoͤren, findet ſich
ein neuer Beweis, daß die Gebirge durch eine unter-
irrdiſche Gewalt uͤber die Oberflaͤche der Erde empor
gehoben ſind. Wenn ſich Erze in denenſelben befin-
den, ſo brechen ſie gemeiniglich in dohnlegigten Gaͤn-
gen, wie ſie nach der Sprache der Bergleute genen-
net werden. Wenn man einmahl mit einem ſolchen
Gebirge bekannt iſt, und die verſchiedenen Erd- und
Steinſchichten, aus welchen daſſelbe beſtehet, wohl
bemerket hat; ſo iſt man allemahl im Stande, eben
dieſen dohnlegigten Gang auf der andern oder Gegen-
ſeite des Gebirges wieder zu finden. Ja man kann
ziemlich genau berechnen, wie viel Lachtern tief der
Schacht abzuteufen ſeyn wird, um auf den Gang zu
kommen. Was aber noch mehr iſt, wenn ſich zwi-
ſchen
[142]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
ſchen dieſem und einem gegenuͤber ſtehenden Gebirge
nur ein enges Thal von drey- bis fuͤnfhundert Schrit-
ten oder etwas mehr befindet; ſo iſt man verſichert,
in dem gegenuͤber ſtehenden Gebirge den Gegendrum
von dem dohnlegigten Gange zu finden. Ein ſolcher
Gang ſinket naͤmlich dohnlegigt in das Thal herab, und
erhebet ſich auf dem gegenuͤber ſtehenden Gebirge wieder.
Dieſes alles ſind bekannte Wahrheiten vor Bergver-
ſtaͤndige, welche von dergleichen Gebirgen genugſame
Kenntniß haben.
Es kann faſt kein deutlicherer Beweis ſtatt finden,
daß dergleichen Berge durch eine unterirrdiſche Gewalt
uͤber die Oberflaͤche empor getrieben ſind, als dieſe
Beſchaffenheit der dohnlegigten Gaͤnge, und das, was
ich von ihrem Gegendrum geſagt habe. Wie koͤnn-
ten dieſe Gaͤnge außer einer unterirrdiſchen Gewalt
in das Thal herabfallen, auf das andere Gebirge ſich
wieder erheben, und gleichſam ein lateiniſches S. bil-
den. Die Wirkung der Fluthen hat dieſes ohnmoͤg-
lich ausrichten koͤnnen. Jndem ſie ſich an die Gebir-
ge ſtoßen; ſo ſetzen ſie in denen Mittel- und Vorge-
birgen ſtarke Schichten und Stockwerke ab. Allein,
niemahls koͤnnen ſie einen dohnlegigten Gang von die-
ſer Beſchaffenheit wirken.
Alles dieſes, was ich in dem jetzigen und vorher-
gehenden erſten und dritten Abſchnitte von der Exi-
ſtenz eines unterirrdiſchen Feuers in dem Mittelpuncte
der Erde vorgetragen habe, ſind ſo ſtarke und uͤber-
zeugende Gruͤnde, daß ſie einem jeden Leſer, wel-
cher nicht von Vorurtheilen eingenommen iſt, und
die
[143]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
die Augen vor der Wahrheit vorſetzlich verſchlieſ-
ſen will, eine Genuͤge leiſten muͤſſen. Gruͤnde, die
ſowohl von der Theorie, als von der Erfahrung alle
Unterſtuͤtzung haben, die man bey Dingen, die keine
mathematiſche Demonſtration zulaſſen, nur immer
verlangen kann. Jndeſſen wuͤrde man vielleicht glau-
ben, daß dieſen Beweiſen noch etwas mangele, wenn
ich unterließe, die Einwuͤrfe zu beantworten, die man
meinen Gruͤnden etwan entgegenſetzen moͤchte.
Der Verfaſſer der oben in dem erſten Abſchnitte
verſchiedentlich angefuͤhrten Schrifts) hat ſich einfal-
len laſſen, in ſeinem vermeynten Syſtem die Meynung
zu verwerfen, daß in dem Mittelpunct der Erde ein
unterirrdiſches Feuer ſey. Ob nun zwar dieſe Schrift
von gar keiner Erheblichkeit iſt; ſo will ich mir doch
die Muͤhe geben, ſeine vermeyntlich vorgebrachten
Gruͤnde naͤher zu pruͤfen und zu widerlegen. Da mir
ſonſt kein anderer Schriftſteller bekannt iſt, welcher
dem Uhrſprung der Gebirge durch das unterirrdiſche
Feuer mit einigen Gruͤnden widerſprochen haͤttet).
Einer
[144]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
Einer der Gruͤnde dieſes Verfaſſers, die einigen
Schein haben, kommt darauf an, daß er glaubet, es
koͤnne ohne Luft kein Feuer ſtatt finden. Daß aber
das unterirrdiſche Feuer zu ſeinem Brennen in dem
Mittelpuncte der Erde die noͤthige Luft haben koͤnne,
das kann er ſich ganz und gar nicht vorſtellen. Er
verwirft ſo ſchlechthin vor der Fauſt weg, daß die
feuerſpeyenden Berge, oder die Vulcane, deren eine
große Menge auf dem Erdboden befindlich ſind, wo
nicht in unſerm Welttheile, dennoch in denen drey
uͤbrigen dergleichen Luftloͤcher abgeben koͤnnten. Es
gefaͤllt ihm anzunehmen, daß dieſe feuerſpeyenden Ber-
ge lediglich von brennlichen Materien in dem Grunde
derſelben ihren Uhrſprung haͤtten; und nach der pro-
phetiſchen Gabe, die ihm von oben her reichlich mit-
getheilet zu ſeyn ſcheinet, prophezeihet er allen dieſen
Vulcanen und ihren erſchrecklichen Wirkungen ein bal-
diges ganz nahe bevorſtehendes Ende.
Jch will eine ganz außerordentliche Gefaͤlligkeit
gegen den Verfaſſer bezeigen. Jch will ihm alles
dasjenige zugeben, was er ohne allen Beweis und zu-
reichende
t)
[145]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
reichende Gruͤnde annimmt, und will ihn doch, wenn
er ſonſt die Staͤrke eines Beweiſes einzuſehen faͤhig iſt,
auf das vollkommenſte uͤberfuͤhren, daß das unter-
irrdiſche Feuer Luft genug haben koͤnne, die nur im-
mer zu ſeiner Exiſtenz und Fortbrennen erforderlich
ſeyn mag.
Jch weis nicht, ob der Verfaſſer meine Abhand-
lung in meinen philoſophiſchen Schriften geleſen hat,
daß die Luft aus dem Waſſer erzeuget werde, und daß
Luft und Waſſer ganz einerley Weſen ſey, nur mit
dem Unterſchiede, daß das Waſſer achthundertmahl
dicker iſt, als die Luft. Allein, wenn auch meine
Schriften das Ungluͤck haben ſollten, des Verfaſſers
Beyfall nicht zu finden, in welchem Ungluͤck ich mich
denn mit chriſtlicher Geduld faſſen muͤßte; ſo findet
derſelbe eben dieſe Meynung, was das Hauptwerk
und den Grund der Sache anbetrifft, in allen Schrif-
ten der Gelehrten und groͤßten Naturkuͤndiger, die
uͤber die Gelehrſamkeit des Herrn Verfaſſers, wenn
ich ſo frey ſeyn darf, dieſes zu ſagen, weit erhaben
ſind. Der Verfaſſer behauptet ſelbſt, daß man bey
dem Eingraben in die Erde, ſo weit man auch damit
gelangen moͤge, weiter nichts als Felſen und Waſſer
findet. Folglich wird er wohl nach ſeinen eigenen Lehr-
ſaͤtzen die Guͤtigkeit haben, zuzugeſtehen, daß es in
dem Mittelpunct der Erde nicht an Waſſer fehlen koͤn-
ne; und gleichwie er dieſes einzuraͤumen ſich nicht ent-
drechen kann, ſo werde ich ihm eben dadurch klar be-
weiſen, daß es dem unterirrdiſchen Feuer nicht an Luft
gebrechen koͤnne.
KWenn
[146]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
Wenn das unterirrdiſche Feuer in dem Mittel-
puncte der Erde immer weiter um ſich greifet, denſel-
ben immer mehr aushoͤhlet, und die feſten Materien
verbrennet und muͤrbe macht; ſo muß daſſelbe wohl
ohne Zweifel auch auf Stellen und Oerther kommen,
wo ſich viel Waſſer befindet. Dieſes Waſſer wird
ſich demnach in das Feuer ergießen. Allein, es iſt
viel zu unvermoͤgend, einen ſo großen Brand auszu-
loͤſchen. Was wird demnach hieraus erfolgen? Wei-
ter nichts, als daß dieſes Waſſer in Duͤnſte und Luft
verwandelt wird. Dieſe Luft wird ſich inſonderheit
nach denenjenigen Hohlungen in dem Jnnern des Erd-
coͤrpers ziehen, die ſchon ausgebrannt ſind; und die-
ſer Erfolg iſt deſto natuͤrlicher, da es keinen Zweifel
leidet, daß das Feuer ſeiner Natur nach die Duͤnſte
zerſtreuet, und von ſich entfernet. Sollte man aber
wohl zweifeln koͤnnen, daß ſowohl das unterirrdiſche
Feuer, als ein proportionirliches Verhaͤltniß von Luft,
in dem Jnnern des Erdcoͤrpers genugſamen Raum ha-
ben. Wenn wir annehmen, daß die obere Rinde des
Erdbodens an den meiſten Orthen zweyhundert Mei-
len dicke iſt; und dieſe Dicke iſt wahrhaftig zureichend,
daß wir ſo bald noch nicht befuͤrchten duͤrfen, wie
vielleicht dem Verfaſſer um ſein edles Leben bange iſt,
daß dieſe Rinde einbrechen und wir in das unterirrdi-
ſche Feuer uͤber Hals und Kopf hineinſtuͤrzen werden;
ſo bleibet immer noch in dem Jnnern des Erdcoͤrpers
ein Raum von dreyzehnhundert Meilen im Durch-
ſchnitt uͤbrig, der wahrhaftig groß genug iſt, daß ſo-
wohl das Feuer als die Luft darinnen genugſam wir-
ken koͤnnen.
Wollte
[147]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
Wollte man ſagen, daß doch gleichwohl dieſer
große Raum von dreyzehnhundert Meilen im Durch-
ſchnitt noch immer verſchloſſen waͤre, und alſo keine
Luft darinnen ſtatt finden koͤnnte, wenn man nicht an-
nehme, daß die feuerſpeyenden Gebirge die großen
Schorſteine, und zugleich die Luftloͤcher des unterirr-
diſchen Feuers waͤren; ſo iſt dieſes weiter nichts, als
ein ſehr kleiner nichts bedeutender Einwurf, den ge-
wiß niemand machen wird, als der nur ſehr mittel-
maͤßige Kenntniſſe hat, und mit denen Verſuchen der
Luftpumpe gar nicht bekannt iſt. Auch in einem luft-
leeren und verſchloſſenen Raume kann man wieder ei-
ne neue Luft hervorbringen. Wenn man warmes
Waſſer unter die Luftpumpe ſetzt; ſo wird ſich daſſelbe,
ſo bald alle Luft herausgepumpet iſt, mit großer Ge-
walt erheben, und uͤber das Gefaͤß herausſteigen,
und bald darauf wird man eine neue Luft in dem vor-
hin von Luft befreyeten Raume mit der vollkommen-
ſten Ueberzeugung bey allen Verſuchen wahrnehmen.
Was noch mehr iſt, man kann in dem luſtleeren Rau-
me, der durch das Auspumpen entſtanden iſt, eine
ganz neue Luft von Queckſilber oder Oehl hervorbrin-
gen; wie davon ſowohl bey der koͤniglichen Academie
der Wiſſenſchaften zu Paris, als von andern großen
Naturforſchern genugſame Verſuche gemacht ſind.
Vielleicht wird man mir entgegenſetzen, daß, wenn
das unterirrdiſche Feuer vermittelſt ſeiner eigenen un-
terirrdiſchen Luft beſtehen koͤnnte, daß ſelbige nicht noͤ-
thig habe, mit Gewolt Durchbruͤche nach unſerer
obern Luft zu ſuchen, wodurch alſo die hauptſaͤchliche
K 2Uhrſache
[148]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
Uhrſache von der Entſtehungsart der Gebirge wegfalle,
die man hauptſaͤchlich darinnen ſuchen muͤſſe, daß das
unterirrdiſche Feuer durch die allergewaltſamſten Be-
wegungen ſich Luft zu verſchaffen ſuchet, und eben da-
durch die Gebirge uͤber die Oberflaͤche des Erdcoͤrpers
hervortreibet. Jch geſtehe gern, daß dieſer Ein-
wand einigen Schein hat; und da ich mich ſelbſt oben
zu verſchiedenen Mahlen des Ausdrucks bedienet habe,
daß ſich das unterirrdiſche Feuer bey denen gewaltſa-
men Emporhebungen der Gebirge Luft zu verſchaffen
ſuche; ſo iſt es um ſo mehr noͤthig, daß ich die Sa-
che erlaͤutere, und dadurch den Mißverſtand und den
Vorwurf eines Widerſpruchs, der aus dieſem Aus-
druck gefolgert werden moͤchte, aus dem Wege
raͤume.
Wenn ſich das unterirrdiſche Feuer an einem ge-
wiſſen Orthe, vermuthlich, weil es daſelbſt mehr
brennliche Materien, und mithin haͤufigen Stoff zu
ſeiner Nahrung antrifft, der Oberflaͤche der Erde ſehr,
und vermuthlich bis auf wenige Meilen naͤhert; ſo
kann man wohl nicht zweifeln, daß es daſelbſt auch
haͤufig Waſſer antreffen wird. Dieſes iſt ungezwei-
felt, und wird von niemand gelaͤugnet, wie wir denn
aus der gegenwaͤrtigen Geſchichte, und inſonderheit
aus denen folgenden Abſchnitten genugſam erſehen wer-
den, daß ſich ganze große Stroͤhme und Seen unter
der Erde befinden. Die Waͤrme des Feuers entfernet
das Waſſer, ſo viel moͤglich, von ſich. Endlich aber
werden die Scheidewaͤnde ſolcher großen Waſſerbehaͤl-
ter von dem Feuer dennoch durchgefreſſen, und eine
große Menge Waſſer ſtuͤrzet ſich in das Feuer hinein.
Hier-
[149]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
Hierdurch entſtehet der bekannte Widerſtreit zwiſchen
Waſſer und Feuer. Das Waſſer wird von dem Feuer
auf die gewaltſamſte und ſchnelleſte Art in Duͤnſte ver-
wandelt. Dieſe Duͤnſte ſteigen nach der erſten ge-
waltſamen Bewegung, die ihnen von Natur eigen
iſt, gerade in die Hoͤhe, und die durch den Zufluß
des Waſſers heftig in Bewegung gebrachten Feuer-
theilchen thun eben dieſes. Sie koͤnnen ſich Anfangs
nicht ſo gleich in die leeren, und vom Feuer befreyeten
Hohlungen, in dem Mittelpunct der Erde zerſtreuen,
welche das Feuer in aͤlteren Zeiten gemacht hat; weil
das Feuer hinter ihnen brennet, und ihnen dieſen Weg
anfangs abſchneidet. Sie erheben ſich alſo mit der
groͤßten Gewalt uͤber ſich, und bringen dadurch die er-
ſtaunende Wirkung hervor, wodurch die Gebirge uͤber
die Oberflaͤche der Erde empor getrieben werden. Daß
dieſes ſich alſo wirklich ereignen koͤnne und muͤſſe, dar-
an koͤnnen wohl diejenigen im geringſten nicht zwei-
feln, welche die erſchrecklichen Wirkungen kennen, die
ein ſehr geringer Theil von dergleichen eingeſchloſſenen
und auf gewaltſame Art auf einmahl in Bewegung
geſetzten Duͤnſte auszurichten vermoͤgend ſind. Man
weis die erſtaunlichen Wirkungen von dergleichen nur
wenigen Duͤnſten, die ſich zu Anfange dieſes Jahr-
hunderts in einer Apotheke zu Berlinu) ereigneten.
K 3Wenn
[150]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
Wenn ich demnach mich des Ausdruckes bedienet, daß
ſich das unterirrdiſche Feuer Luft zu verſchaffen ſuchet;
ſo verſteht ſich dieſes von denen auf gewaltſame Art in
Bewegung geſetzten Duͤnſten und Feuertheilchen.
Alle andere Einwuͤrfe des mehrerwaͤhnten Verfaſ-
ſersw) laſſen ſich dahin zuſammenfaſſen, daß derſel-
be meynet, wenn wir auch zwey bis dreyhundert Klaf-
tern tief mit unſerm Bergbau in den Erdboden ein-
traͤngen; ſo faͤnden wir nichts als Felſen und Waſſer,
und nichts weniger, als diejenigen brennlichen Ma-
terien, welche dem unterirrdiſchen Feuer zur Nahrung
dienen koͤnntenx). Wir empfaͤnden in einer ſolchen
Teufe
[151]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
Teufe keinesweges eine groͤßere Waͤrme, ſondern es
wuͤrde vielmehr immer kaͤlter, je tiefer wir mit unſern
Schaͤchten in den Erdboden hineinkaͤmen. Dieſes iſt
ohngefaͤhr alles, worauf ſich der Verfaſſer bey ſeiner
gaͤnzlichen Verwerfung des unterirrdiſchen Feuers
gruͤndet, und worauf er ſich ſehr viel zu gute zu thun
ſcheinet.
Man kann demſelben hierauf antworten, daß zwey
bis dreyhundert Lachtern eine gar nichts bedeutende Teu-
fe gegen die Dicke des halben Erddurchmeſſers ſind.
Wie kann aber der Verfaſſer ſo dreiſt ſagen, daß wir
in einer ſolchen Teufe, oder uͤberhaupt, nichts von
brennlichen Materien in dem Erdcoͤrper finden. Wir
finden noch in einer betraͤchtlichen Teufe Schwefel-
kieße, Allaunerden, Steinkohlen, und inſonderheit
Materien, welche offenbahr mit Bergoͤhl oder Berg-
theer durchtrungen ſind. Was vor zureichende Gruͤn-
K 4de
x)
[152]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
de koͤnnten wohl vorhanden ſeyn, die es uns unglaub-
lich machten, daß dieſe Materien nicht tiefer in den
Erdcoͤrper ſetzen ſollten. Gewiß iſt hierzu kein einzi-
ger vernuͤnftiger, auf richtige Theorie oder Erfahrung
gegruͤndeter Beweis vorhanden. Selbſt der Verfaſ-
ſer nimmt an, daß unter denen feuerſpeyenden Ber-
gen, oder wenigſtens in dem Grunde derſelben, viele
brennliche Materien vorhanden ſind. Dieſe feuer-
ſpeyenden Berge, bis zu ihrem Grunde, haben ge-
wiß faſt allemahl eine doppelte bis dreyfache Hoͤhe von
dreyhundert Klaftern. Der Verfaſſer widerſpricht
ſich alſo ſelbſt, und das iſt ihm ſehr gewoͤhnlich; denn
ich will demſelben in ſeiner kleinen Schrift mehr als
zwanzig offenbare Widerſpruͤche zeigen. Man muß
hierbey bemerken, daß die Eingrabungen, wodurch
wir zwey bis dreyhundert Lachtern in den Erdboden
eintringen, allemahl auf Gebirgen geſchehen, wenig-
ſtens in denen Mittelgebirgen. Und was iſt es da-
ſelbſt zu verwundern, daß wir hier nichts als Felſen
und Waſſer antreffen, und wie kann daraus auf die
[innere] Beſchaffenheit des Erdcoͤrpers geſchloſſen wer-
den. So bald wir in Ebenen oder in Vorgebirgen
eingraben; ſo finden wir eine ganz andere innere Be-
ſchaffenheit des Erdcoͤrpers. Nichts als abwechſelnde
Schichten von Stein- und Erdarten zeigen ſich da-
ſelbſt; und in der großen Teufe, wohin wir noch ge-
langen koͤnnen, haben ſich unter denen Steinlagen
noch immer wieder Schichten von Erde gefunden, und
noch niemahls ſind wir daſelbſt auf ein feſtes Felſen-
geſtein gekommen. Wuͤrde derjenige, welcher dar-
aus ſchließen wollte, daß der ganze Erdcoͤrper bis in
feinen
[153]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
ſeinen Mittelpunct aus nichts, als aus abwechſelnden
Erd- und Steinlagen beſtuͤnde, nicht eben ſo viel
Grund vor ſich haben, als wenn der Verfaſſer aus
einer zwey bis dreyhundert Lachtern tiefen Eingrabung
in Gebirgen dreiſt behaupten will, der ganze Erdcoͤr-
per bis in ſeinen Mittelpunct beſtuͤnde aus nichts, als
aus Felſen und Waſſer. Man ſiehet alſo klar, daß
es alles nur ganz ſchwache Sachen ſind, was der Ver-
faſſer mit einer zuverſichtlichen Miene vortraͤgt.
Was die groͤßere Kaͤlte anbetrifft, die wir em-
pfinden ſollen, wenn wir immer tiefer mit dem Berg-
bau in die Erde eintringen; ſo kann man zur Zeit
noch nicht wiſſen, worauf der Verfaſſer dieſes Vor-
geben von einer groͤßern Kaͤlte gruͤndet, oder wo-
durch derſelbe ſolches zu beweiſen vermeynet. Ver-
muthlich verlaͤßt er ſich hierinnen bloß auf ſeine eignen
Empfindungen. Allein, dieſe ſind ſehr betruͤglich,
ſo, wie ſie es hierinnen bey allen andern Menſchen
ſind. Jm Sommer kommen uns die tiefen Keller
kalt vor, und im Winter ſcheinen ſie uns warm.
Die Uhrſache hiervon iſt, weil wir allemahl aus ent-
gegengeſetzten Empfindungen der obern Luft in den
Keller kommen; und im Verhaͤltniß dieſer ganz ge-
genſeitigen Empfindungen ſcheinen uns die tiefen Kel-
ler im Sommer kalt, und im Winter warm. Da-
hero haͤtte der Verfaſſer auf dieſe ſo betruͤglichen Em-
pfindungen nicht bauen und ſein wichtiges Lehrgebaͤu-
de darauf gruͤnden ſollen; ſondern wenn er gruͤndlich
haͤtte urtheilen wollen, ſo haͤtte er bey ſeinen geruͤhm-
ten ſo vielfachen Erfahrungen der Gruben ein richti-
K 5ges
[154]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelpunct
ges Waͤrmemaaß oder Thermometer zu ſich nehmen
muͤſſen; und nachdem er vorhero in freyer Luft den
Grad der Waͤrme oder Kaͤlte genau unterſuchet haͤtte,
hernach eben dieſe Verſuche mit gleicher Genauigkeit
unten in den Gruben anſtellen ſollen y).
Jn der That iſt die Meynung des Verfaſſers, daß
die Kaͤlte immer groͤßer werde, je tiefer wir durch die
Berggruben in die Erde eintringen, allen Erſahrun-
gen anderer Bergverſtaͤndigen gerade entgegengeſetzt.
Freylich muß es im Sommer bey einer warmen Luft
uns immer kaͤlter vorkommen, je tiefer wir in die
Berggruben einfahren. Außerdem, daß die obere
warme Luft hieher nicht wirken kann; ſo weis man
auch, daß dieſe Berggruben allenthalben voll Feuch-
tigkeit ſind, und daß ſie das Waſſer gemeiniglich un-
ten und auf denen Seiten haben. Dieſes ſind aber
Umſtaͤnde, welche allemahl ſehr kuͤhle Empfindungen
auf die menſchlichen Coͤrper veruhrſachen. Man
hat zu dem Ende in denen Luſtgaͤrten die Grotten er-
funden, um darinnen im Sommer einer großen Kuͤh-
lung
[155]der Erde ein unterirrdiſches Feuer iſt.
lung zu genießen. Ganz anders aber verhaͤlt es ſich
im Winter, und alle Anmerkungen erfahrner Berg-
verſtaͤndigen ſind dahin gegangen, daß es in dem Win-
ter, inſonderheit bey ſtarkem Froſt, in den tiefſten
Berggruben allemahl um ſechs bis acht Grad, nach
dem Reaumuͤriſchen Thermometer, waͤrmer ſeyz),
als oben in der freyen Luft.
Ueberhaupt muß man die Waͤrme und Kaͤlte nicht
nach Empfindungen, ſondern nach richtigen Beobach-
tungen, und nach der Erfahrung beurtheilen. Die
Winter in ſehr gemaͤßigten Laͤndern kommen uns in
Anſehung der Kaͤlte eben ſo ſtark vor, als in Laͤndern,
die mehr nordlich liegen. Dennoch beweiſet die Er-
fahrung, daß dieſes nicht alſo ſeyn muͤſſe. Jn Wien
und andern mehr nach Jtalien zu gelegenen Oeſterrei-
chiſchen Staaten dauren die ſuͤßen Mandelbaͤume, die
Feigenbaͤume und andere dergleichen etwas zaͤrtliche
Gewaͤchſe im Winter im bloßen Garten. Jn dem
nordli-
[156]IV. Abſchn. Erweis, daß in dem Mittelp. ꝛc.
nordlichen Theil von Teutſchland, in Pohlen und Daͤ-
nemark, muß man ſie im Winter in die Gewaͤchshaͤu-
ſer bringen, wenn man ſie anders erhalten will. Die
Erfahrung beweiſet alſo, ohngeachtet aller aͤußerlichen
Empfindung, daß die Winter in ſolchen gemaͤßigten
Laͤndern dennoch nicht ſo ſtark ſeyn muͤſſen.
Wir haben eben eine ſolche unlaͤugbare Erfahrung
von der zweyten Quelle der Waͤrme, ſo auf dem Erd-
boden wirkſam iſt, naͤmlich von dem unterirrdiſchen
Feuer. Die Laͤnder, ſo niedrig liegen, genießen alle-
mahl mehr Waͤrme, als die Gebirge, und die Laͤnder,
ſo hoch liegen, z. E. ein Theil von Chili und der
großen Tartarey. Dieſe und alle andere Gruͤnde, wel-
che wir bisher vorgetragen haben, beweiſen uͤberzeu-
gend, daß ein unterirrdiſches Feuer ſey, und daß
von demſelben die hohen und Felſengebirge uͤber die
Oberflaͤche der Erde empor getrieben ſind.
Fuͤnfter
[157]
Fuͤnfter Abſchnitt.
Von der ehemahligen Veraͤnderung der
Pole und Himmelsgegenden | auf dem Erdcoͤrper,
und daß Teutſchland meiſtens ein Land ohn-
weit der Linie geweſen ſeyn
muͤſſe.
Der Erdcoͤrper, den wir bewohnen, zeiget nicht
allein durch die Beſchaffenheit ſeiner Gebirge,
durch die vermuthliche und hoͤchſt wahrſchein-
liche Weiſe, wie dieſe Gebirge entſtanden ſind, und
durch die verſchiedenen Crdlagen oder Erdſchichten,
die ſich bis in eine ſehr große Tiefe erſtrecken, daß
ſein Alter unermeßlich weiter, als unſere jetzige Zeit-
rechnung hinausgehe; ſondern es ſind auch ſehr ſtarke
Anzeigen und Gruͤnde vorhanden, wodurch man uͤber-
zeuget wird, daß ſich ehedem die Pole und Himmels-
gegenden auf unſerm Erdcoͤrper veraͤndert haben, und
daß Teutſchland und die benachbarten Theile von Eu-
ropa ehedem Laͤnder geweſen ſeyn muͤſſen, welche ohn-
weit der Linie gelegen haben. Dieſes iſt demnach der
hauptſaͤchlichſte Gegenſtand, den ich im gegenwaͤrti-
gen Abſchnitte verhoffentlich mit Ueberzeugung meiner
Leſer eroͤrtern und vortragen werde.
Es kann denenjenigen, welche ſich um die Natur-
geſchichte nur einigermaßen bekuͤmmert haben, gar
nicht unbekannt ſeyn, was vor eine große Menge von
Elephan-
[158]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
Elephantengeribben hin und wieder in Teutſchland a),
und faſt in allen Gegenden deſſelben gefunden worden
ſind. Wenn man diejenigen, welche in oͤffentlich ge-
druckten Schriften bemerket und beſchrieben worden
ſind, nur einigermaßen uͤberrechnet; ſo erſtrecket ſich
ihre Anzahl wenigſtens auf dreyßig. Wie viel alſo
koͤnnen nicht gefunden worden ſeyn, die ſolchen Leuten
unter
[159]der Pole und Himmelsgegenden.
unter die Haͤnde gekommen ſind, welche von der Sa-
che gar keine Kenntniß gehabt haben, wodurch alſo
die Findung mehrerer ſolcher Elephantengeribbe de-
nen Gelehrten und Naturforſchern unbemerkt entgan-
gen iſt.
Alle dergleichen Elephantengeribbe ſind in einer ziem-
lichen Tiefe von drey bis ſechs Lachtern unter der Erde
gefunden worden. Die meiſten haben ſich entweder
in einer vollkommenen Verſteinerung, oder in dem er-
ſten Grade der Steinwerdung, oder auch noch in ih-
rem Knochenzuſtande befunden. Jhre Lage iſt derge-
ſtalt beſchaffen geweſen, daß man deutlich hat bemer-
ken koͤnnen, daß ſie zu einem und eben demſelben Ele-
phantengeribbe gehoͤret haben. Verſchiedene aber
ſind wirklich faſt ganz und unzerbrochen aus der Erde
herausgegraben worden. Faſt allemahl ſind dieſe Ge-
ribbe oder Knochen von Kennern des Naturreiches un-
terſuchet worden; und es iſt kein Zweifel vorhanden
geweſen, daß dieſe Geribbe nicht von wahren und wirk-
lichen Elephanten und von keiner andern Art von Thie-
ren geweſen ſeyn ſollten.
Alle diejenigen, welche mit der Naturgeſchichte
nicht unbekannt ſind, koͤnnen wohl nicht laͤugnen, daß
die Elephanten in ihrem wilden Zuſtande ſich nirgends
anders, als in ſehr heißen Laͤndern aufhalten, die
nicht gar weit von der Linie abliegen. Man weis,
daß die Elephanten ſich nur| in denen heißeſten Gegen-
den von Africa, und nicht einmahl in denenjenigen
Theilen deſſelben aufhalten und vermehren, welche
nach der Seite von Europa zu liegen. Eben ſo ge-
het
[160]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
het es in Oſtindien, und in andern Gegenden des ſuͤd-
lichen Aſiens. Allemahl befinden ſich die Elephanten
nur in ſolchen Himmelsgegenden, die ſehr heiß ſind;
und man wird ſelten oder niemahls in einem Lande
wilde Elephanten vorfinden, das uͤber zwoͤlf Grad
von der Linie liegt.
Da nun in Teutſchland ſo viel Elephantenge-
ribbe unter der Erde gefunden werden; ſo erwaͤchſt
daraus eine ſehr ſtarke Vermuthung und Wahr-
ſcheinlichkeit, daß derjenige Theil von Europa, der
jetzo Teutſchland heißet, und die benachbarten Laͤn-
der von England und Frankreich, wo gleichfalls
oͤfters Elephantengeribbe gefunden worden ſind, ehe-
dem Laͤnder in ſehr heißen Himmelsgegenden und
ohnweit der Linie gelegen geweſen ſeyn muͤſſen. Es
ſind keine vernuͤnftigen Gruͤnde vorhanden, aus wel-
chen ſich auf irgend eine andere Art an die Hand ge-
ben ließe, wie dieſe Elephantengeribbe unter die Er-
de in dieſen Laͤndern gekommen ſeyn koͤnnten, wenn
ſich nicht dieſe Thiere in ihrem wilden Zuſtande ehe-
dem in dieſen Gegenden aufgehalten, erzeuget und ver-
mehret haͤtten. Alles, was man hierwider einwen-
den und vorgeben kann, wie etwan dergleichen Thiere
nach Teutſchland gekommen ſeyn koͤnnten, beruhet auf
ſo ſchwachen Gruͤnden, daß es faſt weiter nichts be-
darf, als ſie nur anzufuͤhren, um uͤberzeugend ein-
leuchtend zu machen, daß ſie nicht von der geringſten
Erheblichkeit ſind.
Viele Gelehrte haben ſich uͤberreden wollen, daß
dieſe Elephantengeribbe von den Kriegen der Roͤmer
in Teutſchland herruͤhreten. Sie ſagen, es ſey be-
kannt,
[161]der Pole und Himmelsgegenden.
kannt, daß die Roͤmer in ihren Kriegen ſich der Ele-
phanten bedienet haͤtten. Dieſes wuͤrden ſie alſo auch
in ihren Kriegen in Teutſchland gethan haben; und
da alſo oͤfters dergleichen Thiere entweder von den
Feinden getoͤdtet, oder ſonſt natuͤrlichen Todes geſtor-
ben waͤren; ſo waͤre das Daſeyn dieſer Elephanten-
geribbe hiervon herzuleiten. Vermuthlich haͤtten die
Roͤmer dieſe Thiere nach ihrem Tode aus Hochachtung
vor dieſelben in die Erde verſcharret, oder durch die
Laͤnge ſo vieler Jahrhunderte waͤren die Geribbe mit
Erde bedecket worden.
Allein, nichts iſt ſo offenbar falſch und ungegruͤn-
det, als daß ſich die Roͤmer in ihren Kriegen gegen
die Teutſchen, Gallier und Britten jemahls der Elephan-
ten bedienet haben.
Die Roͤmer gebrauchten ſich zwar in ihren Feld-
zuͤgen dieſer ungeheuren und ſtreitbaren Thiere; aber
nur gegen ſolche Feinde, die gleichfalls mit Elephan-
ten verſehen waren. Jn der Menge der roͤmiſchen
Geſchichtſchreiber wird es allemahl ſorgfaͤltig beruͤhret,
wenn und wie viel Elephanten man gegen den Feind
zu Felde gefuͤhret hat; und faſt niemahls wird dieſer
Umſtand außer Acht gelaſſen. Julius Caͤſar in ſei-
nen Commentarien beſchreibet auf das allergenaueſte
und ſorgfaͤltigſte ſo gar alle Kleinigkeiten von ſeinen
Anſtalten in ſeinen Feldzuͤgen gegen die Gallier, Teut-
ſchen und Britten. Wie koͤnnte derſelbe außer Acht
gelaſſen haben, daß er niemahls in ſeiner Geſchichte
der Elephanten erwaͤhnet haͤtte, wenn man dieſe Thie-
re wirklich gegen dieſe abendlaͤndiſche Voͤlker von Eu-
Lropa
[162]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
ropa jemahls gebrauchet haͤtte. Eben ſo umſtaͤndlich
und ſorgfaͤltig beſchreibet auch Tacitus die Feldzuͤge
und Schlachten des Druſus, des Germanicus, des
Tiberius, des Varus und anderer roͤmiſchen Feld-
herren gegen die Teutſchen. Niemahls aber wird
man der Elephanten dabey erwaͤhnet finden; und wie
haͤtte wohl ein ſolcher Umſtand in Beſchreibung der
Schlachten uͤbergangen werden koͤnnen, da der gluͤck-
liche oder ungluͤckliche Ausgang derſelben gar ſehr dar-
auf ankam, wie ſich dieſe Thiere gegen den Feind ver-
hielten, welche, wenn ſie wuͤthend gemacht waren,
große Unordnungen und Niederlagen unter denen Fein-
den anrichteten, oder dergleichen unter ihren eigenen
Voͤlkern ausuͤbeten, wenn der Feind die Geſchicklich-
keit hatte, ihre Wuth von ſich ab, und auf die Be-
ſitzer der Elephanten zuruͤck zu kehren. Ein ſo allge-
meines Stillſchweigen der roͤmiſchen Geſchichtſchreiber
von dem Gebrauch der Elephanten in Teutſchland,
eine Sache, die ihrer Natur nach bey Beſchreibung
der Schlachten nicht ausgelaſſen werden konnte, be-
weiſet mehr als zu uͤberzeugend, daß die Roͤmer ge-
gen ihre Feinde in dem abendlaͤndiſchen Theile von
Europa ſich niemahls der Elephanten bedienet haben.
Damit aber auch dieſer Einwurf, ſo ſchwach er
auch an ſich ſelbſt iſt, alle ſeine Kraft und Anwen-
dung verliehren moͤge; ſo | darf man nur bey verſchie-
denen Vorfaͤllen die Umſtaͤnde erwegen, unter welchen
Elephantengeribbe gefunden worden ſind, um alſo-
bald auf das allervollkommenſte uͤberzeuget zu werden,
daß dergleichen Elephantengeribbe nicht von denen
Zeiten
[163]der Pole und Himmelsgegenden.
Zeiten der Roͤmer herruͤhren koͤnnen. Einige von
dergleichen Elephantengeribben ſind unter verſchiede-
nen abwechſelnden Erdlagen von Sand, Thon, Lei-
men, Mergel, und dergleichen gefunden worden b).
Man muͤßte ſehr wenig Kenntniß von dergleichen ver-
ſchiedenen Erdlagen beſitzen, wenn man nicht daraus
verſichert werden wollte, daß ſeit der Zeit, da der
Elephantencoͤrper an dieſem Orthe ſeine Lagerſtatt ge-
funden, verſchiedene große Ueberſchwemmungen in
dieſer Gegend ſtatt gefunden haben muͤſſen. Allein,
dergleichen große Ueberſchwemmungen haben ſich in
ſolchen Gegenden ſeit der Roͤmer Zeiten nicht ereignet;
dieſe koͤnnten uns aus der Geſchichte nicht unbekannt
ſeyn, indem es bis zum vierten Jahrhunderte nicht
an roͤmiſchen, und einige Jahrhunderte hernach nicht
an franzoͤſiſchen und andern Geſchichtſchreibern gefeh-
let hat, die vielleicht in keinem Umſtande der Geſchich-
te ſorgfaͤltiger geweſen ſind, als dergleichen Ueber-
ſchwemmungen und andere Ungluͤcksfaͤlle der Laͤnder
anzuzeigen.
L 2Was
[164]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
Was aber noch mehr beweiſet, daß die Elephan-
tengeribbe in Teutſchland nicht von den Kriegern der
Roͤmer in unſerm Vaterlande herzuleiten ſind; ſo hat
man in der Grafſchaft Jſenburg ein Elephantenge-
ribbe unter einem Stuͤcke Felſen gefunden, der mehr
als einige hundert Zentner ausgemacht hat. Gewiß,
man muͤßte große Luſt haben, ſich Chimaͤren einzubil-
den, wenn man glaubte, daß die Roͤmer ſich die Muͤ-
he gegeben haͤtten, dieſen Felſen mit großer Arbeit zu
untergraben, um einen Elephantencoͤrper darunter zu
verbergen, oder daß ſie das Grab des Elephanten her-
nach mit einem ſo ungeheuren Felſen bedecket haͤtten,
eine Arbeit, die, ſo laͤcherlich und unnuͤtze ſie auch
war, nicht einmahl haͤtte bewerkſtelliget werden
koͤnnen.
Diejenigen Gelehrten, welche das Ungereimte
von der Meynung eingeſehen haben, wenn man die
vorgefundenen Elephantengeribbe auf die Rechnung der
roͤmiſchen Feldzuͤge in Teutſchland ſchreiben will, ha-
ben gemeiniglich ihre Zuflucht zu der Suͤndfluth ge-
nommen, um das Daſeyn dieſer Geribbe in Teutſch-
land zu erklaͤhren. Sie haben geglaubt, daß die in
den heißen Laͤndern ohnweit der Linie durch die Suͤnd-
fluth erſaͤuften Elephantencoͤrper durch die Gewalt der
Waſſer und der Wellen bey der Suͤndfluth aus ihrem
natuͤrlichen Vaterlande bis nach Teutſchland gefuͤhret
und getrieben, durch den Schlamm der Suͤndfluth
aber bedecket worden waͤren. Dieſe Meynung hat
aber in der That keinen ſtaͤrkern Grund, als die vori-
ge; ſo bald man nur die Umſtaͤnde der Sache und die
große Entlegenheit der Laͤnder, aus welchen die Ele-
phanten-
[165]der Pole und Himmelsgegenden.
phantencoͤrper bis nach Teutſchland durch die Waſſer
der Suͤndfluth getrieben ſeyn ſollen, etwas reiflicher
erweget. Jch werde zwar unten in einem beſondern
Abſchnitte dieſen allgemeinen Behelf, die Suͤndfluth,
womit man ſo viele aͤußerliche und unterirrdiſche Be-
ſchaffenheiten des Erdcoͤrpers, welche in der That
nichts anders, als deſſen ſehr hohes und unſere Zeit-
rechnung unermeßlich weit uͤberſteigendes Altertl um
anzeigen, erlaͤutern will, und wodurch man ſich ſelbſt
die Augen verblendet, um die Wahrheit nicht zu er-
kennen, allgemein unterſuchen und eroͤrtern. Jndeſ-
ſen iſt es dennoch noͤthig, bey beſondern Umſtaͤnden
und Gelegenheiten dieſen Einwand in dem vorhaben-
den Falle beſonders abzulehnen. Man darf ſeiner
Ueberlegung nur vorſtellen, daß diejenigen Laͤnder,
worinnen die Elephanten ihrer Natur nach ihren Auf-
enthalt nehmen, wenigſtens uͤber zweytauſend Meilen
von Teutſchland entfernet, und dieſes wuͤrden noch die
naͤchſten ſeyn. Die Laͤnder in Jndien, wo ſich die
Elephanten aufzuhalten pflegen, ſind wenigſtens in
einer Entfernung von viertauſend Meilen von Teutſch-
land entlegen. Einen ſolchen erſtaunlichen Weg zu-
ruͤckzulegen, hat ein jedes Schiff wenigſtens ein halb
Jahr Zeit noͤthig. Man bemerke einmahl, daß ein
ſolches Schiff vermittelſt ſeiner Bauart, ſeiner See-
gel, und aller ſeiner uͤbrigen Beſchaffenheiten nach, der-
geſtalt und bloß zu dem Endzweck eingerichtet iſt, daß
es die Wellen und Fluthen mit der groͤßten Geſchwin-
digkeit durchſtreichen kann. Man fuͤge hinzu, daß
ein ſolches Schiff ſich bemuͤhet, ſich aller und jeder
ſeiner Laufbahn nur etwas gemaͤßen Winde zu Nutze
L 3zu
[166]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
zu machen, und alle Geſchicklichkeit und Kuͤnſte an-
zuwenden, um ſeinen Weg auf das baldigſte zu
vollenden.
Nun ſtelle man einmahl einen Vergleich an, wenn
der Coͤrper eines Elephanten einen eben ſo entfernten
Weg zuruͤcklegen ſoll. Ein ſolcher Coͤrper hat nichts
weniger als die Beſchaffenheit, mit eben der Leichtig-
keit auf dem Waſſer zu ſchwimmen, als ein wohl be-
ſeegeltes Schiff. Er wird alſo auf einer Reiſe von
zwey bis viertauſend Mellen unzaͤhlbare | Hinterniſſe
vorfinden. Die Wellen werden ihn nicht anders als
nach dem Antriebe und Befehl der Winde forttrei-
ben. Kann man ſich wohl vorſtellen, daß der Wind
ein ganzes halbes Jahr hindurch immer aus einerley
Himmelsſtrich wehen wird? Natuͤrlicher Weiſe wird
ſich der Wind binnen einem halben Jahre vielleicht
hundertmahl veraͤndern, und ein jeder veraͤnderter
Wind wird den auf dem Waſſer ſchwimmenden Coͤr-
per des Elephanten nach einer andern Himmelsgegend
forttreiben. Wie wird es alſo moͤglich ſeyn koͤnnen,
daß der Coͤrper eines Elephanten binnen einem halben
Jahre aus den ſuͤdlichen Theilen von Africa, oder gar
aus Jndien bis nach Teutſchland wird gelangen
koͤnnen.
Wenn man vernuͤnftige Erwaͤgungen Platz grei-
fen laͤßt; ſo muß man zugeben, daß die Coͤrper der
Elephanten nur ein halbes Jahr Zeit gehabt haben,
aus ihren natuͤrlichen Wohnplaͤtzen durch die Waſſer
der Suͤndfluth bis nach Teutſchland fortgetrieben zu
werden. Die ganze Dauer der Suͤndfluth hat ſich
nur
[167]der Pole und Himmelsgegenden.
nur bis auf ein Jahr erſtrecket, naͤmlich von der Zeit
an, da die Wolken des Himmels und die Brunnen
der Tiefe ſich zu ergießen angefangen haben, bis zur
gaͤnzlichen Austrocknung des Erdbodens. Wenn man
billig ſeyn will; ſo muß man zugeſtehen, daß die Waſ-
ſer der Suͤndfluth ein Vierteljahr Zeit noͤthig ge-
habt haben, bis zu ihrer aͤußerſten Hoͤhe zu ſteigen;
und eben eine ſo lange Zeit muß man einraͤumen,
wenn ſie wieder haben abnehmen, ſich verlaufen, und
den Erdboden wieder in einen trockenen Zuſtand ſetzen
koͤnnen. Es bleibt alſo nur ein halbes Jahr Zeit
uͤbrig, in welcher die Coͤrper der Elephanten ohne Hin-
terniß der Gebirge, an welche ſie angetrieben ſeyn wuͤr-
den, bis nach Teutſchland, durch die Waſſer der Suͤnd-
fluth haͤtten fortgetrieben werden koͤnnen. Allein,
dieſer Zeitraum, in welchem das am beſten beſeegelte
Schiff kaum einen ſolchen entfernten Weg zuruͤcklegen
konnte, iſt viel zu kurz, als daß ein Elephantencoͤr-
per bey ſo oft veraͤnderten Winden, und zwar der
nichts weniger als zu einem ſchnellen Forttriebe auf
dem Waſſer geſchickt iſt, bis dahin haͤtte gelangen
koͤnnen. Es iſt alſo offenbar wider alle Wahrſchein-
lichkeit, daß die in Teutſchland ſich ſo haͤufig vorfin-
dende Elephantengeribbe daher ihren Uhrſprung ha-
ben ſollten, daß ſie durch die Waſſer der Suͤndfluth
aus ihrem ſo entfernten natuͤrlichen Aufenthalte bis
nach Teutſchland fortgetrieben und daſelbſt unter dem
Schlamme begraben ſeyn ſollten. Vielmehr muß
ein jeder nachdenkender und vernuͤnftiger Menſch zu-
geben, daß Teutſchland und die benachbarten Laͤnder
ehedem ſolche Himmelsgegenden geweſen ſind, wo
L 4die
[168]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
die Elephanten ihren natuͤrlichen Aufenthalt gefun-
den haben c).
Jedoch die Elephantengeribbe ſind nicht die einzi-
gen Merkzeichen, daß Teutſchland ehedem ein Land ge-
weſen iſt, das unter einem ſehr heißen Himmelsſtri-
che und ohnweit der Linie gelegen hat. Man findet
in denen Schriften der Naturforſcher ſehr haͤufige Ver-
ſteinerungen und Abdruͤcke von ſolchen Pflanzenge-
waͤchſen bemerket d), die in Teutſchland aus der Erde
gegraben worden, und die ſonſt ihrer Natur nach nir-
gends
[169]der Pole und Himmelsgegenden.
gends anders als in heißen Himmelsgegenden zu wach-
ſen pflegen. Es wuͤrde zu weitlaͤuftig ſeyn, alle und
jede dergleichen fremde verſteinerte Pflanzengewaͤchſe,
die von Liebhabern der Naturkunde in ihren Cabinet-
tern geſammlet, und in oͤffentlichen Schriften bemer-
ket worden ſind, hier ausfuͤhrlich anzuzeigen. Jch
will mich nur begnuͤgen, von einer Gegend zu reden,
wo dergleichen fremde nur in warmen Himmelsgegen-
den natuͤrliche Pflanzengewaͤchſe am haͤufigſten anzu-
treffen ſind.
Es ſind dieſes die Herzoglich Sachſen-Coburg-
und Saalfeldiſchen Lande. Da man daſelbſt haͤufige
und ergiebige Bergwerke angeleget hat; ſo hat man
daſelbſt in einer Tiefe des Erdbodens von mehr als
dreyßig bis vierzig Lachtern allenthalben ſehr haͤufige
Verſteinerungen von Limonien- Pomeranzen- und an-
dern dergleichen Baͤumen und ihren Blaͤttern und
Zweigen gefunden, die nur in warmen Himmelsge-
genden natuͤrlich und wild zu wachſen pflegen. Die-
ſe Verſteinerungen, die in einem Bezirke von vielen
Meilen allenthalben ſehr haͤufig gefunden werden, be-
ſtehen theils in verſteinerten Abdruͤcken von Citronen-
Pomeranzen- und andern dergleichen Blaͤttern; und
alle diejenigen, welche dergleichen Blaͤtter kennen, duͤr-
fen ohnmoͤglich einigen Zweifel hegen, daß dieſes nicht
die wahren und natuͤrlichen Abdruͤcke von dergleichen
Blaͤttern ſind. Alle Zaͤſerchen, alle Zaͤckchen und
Raͤnder ſolcher Blaͤtter ſind in der Verſteinerung ſo
natuͤrlich und vollkommen eingedruckt und abgebildet,
daß, ſo bald man dergleichen gruͤne Blaͤtter dagegen
haͤlt, ohnmoͤglich ein Zweifel uͤbrig bleiben kann, daß
L 5nicht
[170]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
nicht dieſe verſteinerten Abdruͤcke von natuͤrlichen der-
gleichen Citronen- Pomeranzen- und andern ſolchen
Blaͤttern herruͤhren ſollten. Andern Theils findet
man in dieſer Gegend allenthalben eine Menge verſtei-
nertes Holz, welches in den ſchoͤnſten Achat verſtei-
nert worden, und von allen moͤglichen verſchiedenen
Farben, inſonderheit aber von roth, blau und gruͤn
angetroffen wird; wiewohl das von der gruͤnen Farbe
am ſeltenſten iſt. Man darf dieſe verſteinerten Hoͤlzer,
die in Anſehung ihrer Rinde, ihrer Zacken und aller
andern Beſchaffenheiten die ungezweifelten Kennzei-
chen des Holzes an ſich tragen, nur gegen friſches und
noch unverſteinertes Holz von Citronen- Pomeranzen-
und andern dergleichen auslaͤndiſchen Baͤumen halten,
um ſogleich uͤberzeuget zu werden, daß dieſe Verſtei-
nerung wirklich ehedem dergleichen auslaͤndiſche Baͤu-
me geweſen ſind.
Als ich mich in Wien befand; ſo hatten des Herrn
Herzogs Franz Joſias von Coburg-Saalfeld
Durchl. die Gnade, mir eine Kiſte von allen Mineralien
in Dero Landen gnaͤdigſt zu uͤberſenden. Zu gleicher
Zeit uͤbermachten Dieſelben an Se. Roͤmiſch-Kaiſer-
liche Majeſtaͤt Franz denIſten zwey Kiſten von denen
allerſeltenſten Verſteinerungen ſolcher Hoͤlzer und Blaͤt-
ter, die in denen Bergwerken von Dero Landen haͤu-
fig gefunden werden. Es wurden ſogleich von dem
vortrefflichen Herrn Doctor des kaiſerlichen Natura-
liencabinets, Paillou, und andern daſigen geſchickten
Naturforſchern, die ſorgfaͤltigſten Unterſuchungen und
Vergleichungen dieſer verſteinerten Hoͤlzer mit eben
dergleichen natuͤrlichen unverſteinerten und friſchen
Hoͤlzern
[171]der Pole und Himmelsgegenden.
Hoͤlzern angeſtellet, und befunden, daß in Anſehung
der Zaͤſerchen, der Jahrwuchſe und aller andern Be-
ſchaffenheiten eine vollkommene Gleichheit und Aehn-
lichkeit vorhanden war.
Man wuͤrde eine ſehr unnoͤthige Arbeit uͤberneh-
men, wenn man hieraus darzuthun bemuͤhet ſeyn
wollte, daß Teutſchland damahls ein Land geweſen
ſeyn muͤſſe, in welchem Citronen- Pomeranzen- und
andere dergleichen Baͤume natuͤrlich von ſelbſt gewach-
ſen ſind, und die Waldungen des Landes ausgemacht
haben. Dieſes folget ſchon von ſelbſt, wenn man voraus-
ſetzet, wie es in der Wahrheit gegruͤndet iſt, daß die-
ſe Verſteinerungen und Abdruͤcke von Blaͤttern in ei-
nem Bezirk von vielen Meilen allenthalben unter der
Erde gefunden werden. Es wuͤrde ſchwehr ſeyn, ir-
gend eine andere Art ihres Daſeyns an die Hand zu
geben, und es wuͤrde kaum einer Widerlegung verdie-
nen, wenn man ſich einbilden wollte, daß ehedem an
dieſem Orthe ein Luſtgarten geweſen waͤre, in welchem
dergleichen auslaͤndiſche Baͤume zur Luſt und Zierde
gehalten worden waͤren. Unſere alten Vorfahren vor
einigen tauſend Jahren, die denen heutigen Wilden
in America nicht ſehr unaͤhnlich waren, haben ſich
wohl nicht einfallen laſſen, dergleichen Koſten an praͤch-
tige Gaͤrten und auslaͤndiſche Gewaͤchſe zu verwenden.
Ueberdies iſt eine Gegend von vielen Meilen viel zu
weitlaͤuftig, als daß man einem ſolchen Einfall nur
mit einigem Schatten von Wahrſcheinlichkeit Platz ge-
ben koͤnnte.
Wenn
[172]V. Abſchn Von der ehemahligen Veraͤnderung
Wenn gewiſſe Wahrheiten noch unerkannt ſind; ſo
iſt nichts ſo leicht, als daß denen Menſchen auch die
Merkzeichen und Spuhren davon entwiſchen, weil ſie
ſich gar nicht einfallen laſſen, eine gemachte Entde-
ckung auf derjenigen Seite zu betrachten, wodurch ſie
uns zu der unerkannten Wahrheit fuͤhren koͤnnten.
Jn der That moͤgen ſich in vielen Laͤndern bereits eine
Menge von unterirrdiſchen Merkzeichen entdecket ha-
ben, daß ein ſolches Land ſich ehedem unter einer ganz
andern Himmelsgegend befunden habe; und vielleicht
wuͤrden ſich bey muͤhſamen Durchſuchungen der Schrif-
ten der Naturforſcher noch viele dergleichen Merkzei-
chen ausfindig machen laſſen; ich will mich aber be-
gnuͤgen, nur noch ein einziges dergleichen Merkzei-
chen anzufuͤhren.
Als der vortreffliche Maupertuis zu Erforſchung
der Figur unſers Erdcoͤrpers mit einigen andern Mit-
gliedern der koͤnigl. franzoͤſiſchen Academie auf Koſten
des Koͤniges in Frankreich einen Erdgrad unter dem
Nordpole außmaaß; ſo entdeckte derſelbe in dieſer der
Natur durch die erſtaunliche Kaͤlte faſt abgeſtorbenen
Gegend ein ſehr außerordentliches merkwuͤrdiges ſtei-
nernes Monument, das ſowohl ſeiner aͤußerlichen Ge-
ſtalt nach, als wegen der darauf eingehauenen Schriſt-
zuͤge genugſam zu erkennen gab, daß es nicht von der
Natur, ſondern von Menſchenhaͤnden, und vermuth-
lich zum Andenken einer gewiſſen Begebenheit an die-
ſer Stelle errichtet worden ſey. Der Herr von Mau-
pertuis hat ſich die Muͤhe gegeben, die Schriftzuͤge
dieſer Jnnſchrift mit aller moͤglichen Sorgfalt und
Fleiß nachzuzeichnen, und ſolche in denen Nachrichten
von
[173]der Pole und Himmelsgegenden.
von dieſer ſeiner Reiſe und der Ausmeſſung des Nord-
pols der Welt mitzutheilen. Allein, die allererfah-
renſten Sprachenkenner, ſowohl der alten bereits ab-
geſtorbenen, als der noch lebenden Sprachen, haben
in dieſer Jnnſchrift nicht die geringſte Spuhr finden
und entdecken koͤnnen, daß die Sprache dieſer Jnn-
ſchrift und die darzu gebrauchten Schriftzuͤge oder Cha-
ractere mit irgend einer Sprache, die unſern Nachrich-
ten nach jemahls in der Welt ſtatt gefunden, die ge-
ringſte Aehnlichkeit habe.
Man darf ſich nur richtigen Betrachtungen uͤber-
laſſen, ſo wird man bald wahrnehmen, daß dieſes
Monument einen Beweis vor diejenigen Wahrheiten
abgiebt, welche wir im gegenwaͤrtigen Buche der Welt
mittheilen. Niemand wird ſich ſo leicht einfallen laſ-
ſen, daß dieſes Monument von denen Bewohnern des
Nordens, die waͤhrend unſerer jetzigen Zeitrechnung
in dieſem kalten Himmelsſtrich gewohnet haben, oder
ſich in der Naͤhe des Nordpoles aufgehalten, ſey zu
Stande gebracht und errichtet worden. Die armſeli-
gen und unwiſſenden Lappen, als die Bewohner oder
naͤchſten Nachbarn des Nordpols, ſind wohl zu allen
Zeiten ſehr entfernt geweſen, ſich von Errichtung ei-
nes ſolchen Monuments etwas einfallen zu laſſen: und
wenn auch dieſes geſchehen waͤre; ſo muͤßten die
Schriftzuͤge auf dieſem Monument von ſolcher Be-
ſchaffenheit ſeyn, daß ſie unſern beſten Sprachkundi-
gen kein unerforſchliches Geheimniß waͤren. Sie muͤß-
ten unſtreitig einige Aehnlichkeit mit denen Runiſchen,
Gothiſchen, und andern alten Characteren des Nor-
dens, oder auch mit einer von denen heutigen nordi-
ſchen
[174]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
ſchen Sprachen haben; geſetzt, daß man auch mit ei-
ner Nachſicht, die man nicht einmahl erwarten kann,
zugeben wollte, daß ſich die alten oder neuern Bewoh-
ner des Nordens ein ſolches Denkmahl zu errichten
haͤtten einfallen laſſen.
Allein, die Sache redet gleichſam von ſich ſelbſt.
Dieſes Denkmahl kann weder von irgend einem nor-
diſchen Volke, das in dem Laufe unſerer dermahligen
Zeitrechnung um den Nordpol gewohnet hat, noch
in der jetzigen ganz unwohnbaren Beſchaffenheit des
Nordpols errichtet worden ſeyn. Man muß bis auf
eine Zeit zuruͤckgehen, da die jetzige Gegend des Nord-
pols noch nicht dieſen Pol ausgemacht, ſondern in ei-
nem ganz andern viel waͤrmern und angenehmern
Himmelsſtriche ſich befunden hat; kurz, auf eine Zeit,
die weit uͤber unſere jetzige Zeitrechnung hinausgehet,
und wo die Bewohner des Erdcoͤrpers zu der Ausdruͤ-
ckung, und zu den ſichtbaren Zeichen ihrer Gedanken,
die allemahl willkuͤhrlich ſind, ganz andere Thoͤne und
Charactere hatten, als die Bewohner des Erdcoͤr-
pers waͤhrend unſerer ganzen jetzigen Zeitrechnung ge-
braucht haben.
Wenn die Laͤnder auf dem Erdcoͤrper ihre Lage und
Beſchaffenheit in Anſehung der Himmelsgegend der-
geſtalt veraͤndern ſollen, daß ſie aus warmen Him-
melsgegenden zu kalten Laͤndern werden; ſo kann ſol-
ches ohnſtreitig auf keine andere Art geſchehen, als
daß ſich die Pole, oder die Axen des Erdcoͤrpers ver-
aͤndern. Da heutiges Tages alle vernuͤnftige Gelehr-
te die Unrichtigkeit des Ptolemaͤiſchen Weltſyſtems ein-
ſehen,
[175]der Pole und Himmelsgegenden.
ſehen, in welcher man der Sonne die erſtaunliche und
ganz ohnmoͤgliche Beſchaͤfftigung auflegte, um den tau-
ſendmahl kleineren Erdcoͤrper ihren Umlauf zu verrich-
ten; ſo wuͤrde es ganz unnoͤthig ſeyn, wenn man ſich
zu erweiſen bemuͤhen wollte, daß die Veraͤnderungen
der Himmelsgegenden auf dem Erdcoͤrper nicht von
dem veraͤnderten Lauf der Sonne herruͤhren kann.
Man muß alſo dieſe Veraͤnderung lediglich in der Ver-
aͤnderung der Pole ſuchen; und dieſes iſt ein ſo wich-
tiger Gegenſtand, daß er wohl verdienet, einige ernſt-
liche Betrachtungen darauf zu richten.
Vielleicht haben die Alten ſchon etwas von einer
ſolchen Veraͤnderung gemuthmaßet, ob ſie gleich ihre
Gedanken hierinnen nicht deutlich genug aus einander
wickeln und ausdruͤcken konnten. Sie glaubten naͤm-
lich, daß der ganze Himmel mit allen ſeinen Sternen
noch einen beſondern, ob gleich ſehr unmerklichen Lauf
hielte, welcher erſt in acht und vierzig tauſend Jah-
ren ſeinen Umlauf endigte. Die Zeit dieſes beſon-
dern Umlaufs des Himmels nenneten ſie ein Platoni-
ſches e) Jahr; und ob gleich dieſe Meynung an ſich
ſelbſt weder Wahrſcheinlichkeit noch Richtigkeit hat,
und durch ein beſſeres Weltſyſtem ganz und gar weg-
faͤllt; ſo iſt doch nicht zu vermuthen, daß ſie eine ſol-
che Meynung ganz ohne allen Grund und ohne alle
vorher-
[176]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
vorhergegangene Vorfaͤlle, die hierzu Gelegenheit ge-
geben haben, aber nur unrecht angewendet und aus-
gedeutet ſeyn mochten, angenommen haben ſollten.
Vermuthlich hatten ſie von Vorfaͤllen gehoͤret, wo-
durch ihres Erachtens noch in dem Laufe der Sonne
und in dem Stande der Firſterne Veraͤnderungen vor-
gegangen waren, die ſie denn auf keine andere Art,
als durch einen beſondern Umlauf des Himmels zu er-
klaͤhren wußten.
Man findet eine Nachricht bey dem Herodot, die
in unſerer gegenwaͤrtigen Betrachtung viele Aufmerk-
ſamkeit verdienet. Als Herodot ſich in Egypten zu
Theben befand; ſo wurde er von denen Prieſtern des
daſigen beruͤhmten Tempels mit der egyptiſchen Ge-
ſchichte unterhalten. Die Prieſter theilten die egypti-
ſche Geſchichte in zwey große Zeitraͤume ein, naͤmlich
in die ungewiſſe oder fabelhafte Geſchichte, und in
die zuverlaͤßige und gewiſſe, die auf ſichern, unge-
zweifelten und in dem Tempel befindlichen Uhrkun-
den und Denkmaͤhlern beruhete, welche ſie dem Hero-
dot alle vorzeigten. Die ungewiſſe Geſchichte von
Egypten war diejenige, da die Goͤtter und Halbgoͤtter
in Egypten regieret haben ſollten, und welche nach der
Meynung der Prieſter einen Zeitraum von etlichen
hunderttauſend Jahren ausmachte. Die gewiſſe Ge-
ſchichte von Egypten erſtreckte ſich in einem Zeitlauf
von etwas mehr als eilftauſend Jahren. Sie verſi-
cherten den Herodot, daß binnen dieſer Zeit Egy-
pten allezeit von Koͤnigen aus menſchlicher Abkunft,
die keinesweges von denen Goͤttern herſtammeten, re-
gieret worden ſey. Sie zeigeten ihm alle Bildniſſe
und
[177]der Pole und Himmelsgegenden.
und Statuen dieſer Koͤnige, die alle in einem großen
Saale des Tempels aufbewahret waren. Sie uͤber-
fuͤhrten den Herodot aus Uhrkunden ihres Tempels,
daß eine jede von dieſen Statuen zu Lebzeiten des Koͤ-
niges, die ſie vorſtellte, verfertiget, und in den Tem-
pel geſetzet ſey. Endlich fuͤgten ſie hinzu, und bewie-
ſen aus Uhrkunden, daß waͤhrend dieſen eilftauſend
Jahren die Sonne dreymahl ihren Lauf veraͤndert, und
zum Exempel in Weſten oder Suͤden ihren Aufgang
genommen haͤtte; naͤmlich, wenn man dieſe Weltge-
genden im Verhaͤltniß des vorigen Sonnenaufgangs
betrachtete. Man kann alle dieſe Nachrichten in dem
erſten Buche des Herodots umſtaͤndlicher nachleſen.
Jndeſſen iſt es nur der letztere Umſtand von der drey-
mahligen Veraͤnderung des Aufgangs der Sonnen, der
hier hauptſaͤchlich unſere Erwegung verdienet.
Wenn die Sonne dergeſtalt ihren Aufgang ver-
aͤndert, daß ſie nunmehro da aufgehet, wo vorhin
nach der vorigen Richtung des Erdcoͤrpers und ſeiner
Pole Weſten oder Suͤden war; ſo iſt es klar, und be-
darf keines weitlaͤuftigen Beweiſes, daß ſolches auf
keine andere Art hat geſchehen koͤnnen, als daß ſich
die Pole des Erdcoͤrpers veraͤndert haben. Der Auf-
gang der Sonne iſt nur eine ſcheinbare Vorſtellung,
welche durch die Bewegung der Erde um ihre eigene
Axe alle vier und zwanzig Stunden entſtehet. Dieſe
ſcheinbare Vorſtellung verhaͤlt ſich alſo ſehr genau nach
der Richtung des Erdcoͤrpers in ſeinem taͤglichen Um-
waͤlzen und nach feinen Polen und Axen. So bald
dieſe Pole ſich veraͤndern, ſo bald da der Nordpol
wird, wo vorher Oſten oder der Aufgang der Sonne
war; ſo muß auch ein anderer ſcheinbarer Aufgang der
MSonne
[178]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
Sonne entſtehen, und die Sonne wird alsdenn ſchein-
barer Weiſe da aufgehen, wo vorhin Norden oder
Mitternacht war. Und eben alſo wird ein anderer
ſcheinbarer Aufgang der Sonne zum Vorſchein kom-
men, wenn die Veraͤnderung der Pole auf eine an-
dere Art, zum Exempel, wenn der Nordpol da ent-
ſtehet, wo vorhin Weſten war, vor ſich gehen.
Vor den Zeiten des großen Newtons war es ei-
ne allgemein angenommene Meynung der Gelehrten,
daß der Erdcoͤrper eine eyfoͤrmige Figur haͤtte, naͤm-
lich an beyden Polen etwas zugeſpitzet waͤre. Dieſer
große Geiſt fand aus einer Menge von Betrachtungen,
daß die Figur der Erde eine vollkommen gegenſeitige
Geſtalt haben und vielmehr an beyden Polen etwas
platt und eingedruͤckt ſeyn muͤſſe. Die Englaͤnder
folgten der Meynung ihres großen Newtons, und
die Franzoſen beharreten bey der alten eyfoͤrmigen Fi-
gur der Erde. Es entſtand hieraus ein heftiger ge-
lehrter Streit, der gleichſam ein Nationalſtreit zu ſeyn
ſchien, bis die franzoͤſiſche Academie ihren Koͤnig be-
wog, die beruͤhmte Ausmeſſung der Grade auch in
Frankreich unter dem Nordpol, und in America in
dem Reiche Chili unweit der Linie vorzunehmen. Es
wird allemahl der franzoͤſiſchen Nation zur Ehre ge-
reichen, daß ſie, ohngeachtet des vorhin gehabten
Vorurtheils, welches ſie gar leicht zu unvorſetzlichen
Fehlern in ihren Ausmeſſungen haͤtte verleiten koͤnnen,
dennoch der Wahrheit die Ehre gaben, und durch ihre
Ausmeſſungen befanden, daß der große Newton voll-
kommen Recht haͤtte, und daß der Erdcoͤrper, anſtatt
eine eyfoͤrmige Figur zu haben, vielmehr an beyden
Polen platt und eingedruͤckt waͤre.
Wenn
[179]der Pole und Himmelsgegenden.
Wenn der Erdcoͤrper wirklich nach der ehemaligen
allgemeinen Meynung eine eyfoͤrmige Figur gehabt
haͤtte; ſo wuͤrde es faſt nicht moͤglich geweſen ſeyn,
daß ſich jemahls die Pole haͤtten veraͤndern koͤnnen.
Eben dieſe Figur des Erdcoͤrpers wuͤrde allemahl ein
unuͤberwindliches Hinterniß, die Pole zu veraͤndern,
geweſen ſeyn. Seine Figur ſelbſt haͤtte ihn gleichſam
natuͤrlicher Weiſe immer und auf beſtaͤndig beſtimmt,
unveraͤnderlich in dieſem Zuſtande zu verbleiben. Al-
lein, eben dieſe Figur der Erde war gar nicht diejeni-
ge, welche zu ſeinem Lauf um die Sonne, und zu ſei-
ner Bewegung um ſeine eigene Axe die geſchickteſte
war. Der beruͤhmte Euler, der Vater, hat in de-
nen Commentarien der koͤniglichen Academie zu Ber-
lin in einer beſondern Abhandlung erwieſen, daß der
Erdcoͤrper bey ſeiner Bewegung um ſeine eigene Axe,
und bey ſeinem Lauf um die Sonne, ohngeachtet der
Aether, durch welchen dieſe Laufbahn geſchehen muß,
vielleicht die allerſubtileſte Materie in der Natur iſt,
dennoch einigen Widerſtand erleide, wodurch nothwen-
dig veruhrſachet werden muͤſſe, daß ſich unſer Erd-
coͤrper in ſeinem Laufe beſtaͤndig ſchwaͤche, und wo-
durch folglich natuͤrlicher Weiſe entſtehen muͤßte, daß
ſich ſeine Laufbahn verkuͤrze, und endlich unſer Erdcoͤr-
per nach vielen Millionen von Jahren in die Sonne
geſtuͤrzet werden wuͤrde.
Jn dem Falle, wenn der Erdcoͤrper wirklich eine
eyfoͤrmige Figur haͤtte; ſo wuͤrde derſelbe ſowohl zur
Bewegung um ſeine eigene Axe, als zu ſeiner Lauf-
bahn um die Sonne vielweniger geſchickt ſeyn; er wuͤr-
de durch den Aether vielmehr Hinterniſſe finden, und
M 2in
[180]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
in ſeiner Laufbahn unendlich mehr verkuͤrzet werden.
Es iſt dieſes ohne große Schwuͤrigkeit gar leicht einzu-
ſehen, indem ein eyfoͤrmiger Coͤrper zu geſchwindem
Fortlauf und Fortrollen um ſeine eigene Axe vielweni-
ger geſchickt iſt, als ein runder Coͤrper, oder als ein
Coͤrper, der auf beyden Seiten etwas platt eingedruͤckt
iſt. Dieſes ſah auch der große Newton ohnfehlbar
ein, als er durch ſeine Betrachtungen herausbrachte,
daß der Erdcoͤrper keine eyfoͤrmige Figur haben koͤn-
ne, ſondern an beyden Polen etwas platt und einge-
druͤckt ſeyn muͤſſe.
Jn der That glaube ich, daß der Erdcoͤrper ſeiner na-
tuͤrlichen Beſchaffenheit nach gar bald eben die Figur an-
nehmen muͤſſe, die zu ſeiner Bewegung um ſeine eigene
Axe und zu ſeinem Laufe um die Sonne am geſchickteſten
iſt. Dieſer Coͤrper beſtehet keinesweges aus einer feſten
auf das allergenaueſte in allen ſeinen Theilen vereinig-
ten Maſſe.
Er iſt bis in ſeinen Mittelpunct mit einer unge-
heuren Menge von Waͤſſern, ſehr verſchiedenen Ma-
terien, Hohlungen und dergleichen vermiſchet; dieſes
zeiget die Erfahrung, ſo bald wir durch die Arbeiten der
Bergleute nur etwas tief in den Erdcoͤrper eintringen;
ganze Stroͤhme von Waͤſſern, ganze Seen und große
Zwiſchenraͤume von einer nicht ſehr feſten und harten
Materie befinden ſich in ſeinem Jnnern. Dieſe Stroͤh-
me von Waͤſſern ſcheinen in einer ſehr weiten Entfer-
nung einen Zuſammenhang und Gemeinſchaft mit ein-
ander zu haben. Die merkwuͤrdige Naturbegebenheit
des großen Erdbebens zu Liſſabon hat uns hierinnen
ſehr uͤberzeugende Beweiſe an die Hand gegeben. Zu
eben der Zeit, als ſich dieſes große Erdbeben zu Liſſa-
bon
[181]der Pole und Himmelsgegenden.
bon ereignete, hat ſich das Waſſer in einer See ohn-
weit Goͤttingen mit einem großen Geraͤuſche uͤber zwoͤlf
Fuß hoch in die Hoͤhe erhoben, einen bey der See
vorbeygehenden Fahrweg uͤberſchwemmet, und dieſes
erſtaunliche Aufwallen des Waſſers zu drey verſchiede-
nen Mahlen wiederholet. Dieſes wurde bey meinem
Aufenthalt in Goͤttingen an die daſige Academie der
Wiſſenſchaften mit allen Umſtaͤnden ausfuͤhrlich einbe-
richtet; und eben dieſes iſt in der großen See bey
Soldin in der Neumark und an verſchiedenen andern
Orthen geſchehen, wie damahls in denen Zeitungen ge-
meldet wurde. Es faͤllt von ſelbſt in die Augen, daß der-
gleichen Begebenheiten ſich nicht haͤtten ereignen koͤn-
nen, wenn nicht die Waſſer auf und unter der Erde
eine Gemeinſchaft und Zuſammenhang mit einander
haͤtten; denn ſonſt haͤtten die Stoͤße von dem Erdbe-
ben, das zu Liſſabon vorfiel, in eben dem Zeitpuncte
in einer ſolchen Entfernung von faſt vierhundert Mei-
len ſich nicht ſo augenſcheinlich und außerordentlich zu
Tage legen koͤnnen.
Ein Coͤrper, der eine ſolche Beſchaffenheit hat,
daß er nicht in allen ſeinen Theilen feſt zuſammen-
haͤngt, ſondern mit Waſſer und andern fremden Ma-
terien untermiſcht iſt, muß natuͤrlicher Weiſe durch
ſeine Bewegung um ſeine Axe und durch ſeinen be-
ſtaͤndigen Fortlauf eine ſolche Figur annehmen, daß
er nicht vollkommen rund ſeyn kann, ſondern an ſei-
nen Polen etwas eingedruͤckt iſt. Dieſes iſt die na-
tuͤrliche Folge, die aus dem Mangel ſeiner nicht voll-
kommen zuſammenhaͤngenden Theile, und aus der
natuͤrlichen Schwehre ſeiner feſten Theile entſtehet.
M 3Man
[182]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
Man nehme einen vollkommen runden Coͤrper von
Thon oder Leimen, der noch nicht vollkommen ausge-
trocknet iſt, und mithin in allen ſeinen Theilen nicht
feſt zuſammenhaͤngt, und drehe denſelben durch eine
ſchnelle Bewegung um ſeine Axe; ſo wird derſelbe gar
bald die vollkommen runde Figur verlaſſen, und eine
Geſtalt annehmen, die an beyden Polen etwas einge-
druͤckt iſt, eben dieſes wird ſich alſo mit dem Erdcoͤr-
per ereignen, der in allen ſeinen Theilen nichts weni-
ger als eine feſte Verbindung und Zuſammenfuͤgung
mit einander hat; und da, wo ſich die Pole befinden,
wird derſelbe allemahl eine platte Figur erlangen. Die
Unordnungen, welche durch das Umwaͤlzen und den
Fortlauf des Erdcoͤrpers entſtehen, muͤſſen ſich in viel
groͤßerer Maaße ereignen, wenn nicht die feſten und
ſchwehren Theile dieſes Coͤrpers vermoͤge der natuͤrli-
chen Eigenſchaft ihrer Schwehre beſtaͤndig nach dem
Mittelpunct der Erde zu druͤckten, und mithin eine
groͤßere Zerruͤttung und Verwuͤſtung ſeiner Theile ver-
hinterten.
Hieraus kann man demnach beurtheilen, wie es
moͤglich iſt, daß der Erdcoͤrper ſeine Pole veraͤndern
kann, und daß dennoch ſeine Pole in einer kurzen Zeit
nach einer ſolchen Veraͤnderung bald wiederum eben die
etwas platte und eingedruͤckte Figur annehmen, wel-
che die vorigen Pole gehabt haben. Freylich werden
bey einer ſolchen außerordentlichen und erſtaunlichen
Veraͤnderung ungeheure Verwuͤſtungen auf dem Erd-
coͤrper entſtehen; er wird in allen ſeinen Theilen bewe-
get werden, die Lage und Zuſammenfuͤgung ſeiner fe-
ſten und fluͤßigen Materien werden ſich veraͤndern, das
Meer
[183]der Pole und Himmelsgegenden.
Meer wird aus ſeinen Ufern treten, und ſolche Gegen-
den uͤberſchwemmen, und zum Grunde des Meeres
machen, die vorhero feſtes und trockenes Land gewe-
ſen ſind, und der groͤßte Theil der auf dem Erdboden
lebenden Ereaturen wird dadurch ſeinen Untergang fin-
den. Jndeſſen iſt es hoͤchſtwahrſcheinlich, aus dem-
jenigen, was ich vorhin beygebracht und dargethan
habe, daß dieſes mehr als einmahl mit unſerm Erd-
coͤrper vorgegangen iſt.
Die Uhrſachen, wodurch dergleichen Veraͤnderun-
gen der Pole erfolgen koͤnnen, ſind nicht ſchwehr ein-
zuſehen. Sie koͤnnen auf zweyerley Art entſtehen,
naͤmlich entweder durch einen aͤußerlichen außerordent-
lichen Stoß, oder durch die innerliche veraͤnderte Be-
ſchaffenheit ſeiner Theile. Wenn ein Comet oder ein
anderer fremder Weltcoͤrper in ſeiner Laufbahn unſern
Erdcoͤrper beruͤhret, demſelben einen Stoß verſetzet,
und dadurch ſeine vorige Richtung veraͤndert; ſo koͤn-
nen ſeine Pole allerdings eine Abaͤnderung leiden, und
in einer ganz andern Gegend entſtehen, als ſie vorhin
geweſen ſind. Eben dieſes aber kann ſich auch durch
ſeine veraͤnderte innere Beſchaffenheit von ſelbſt er-
eignen.
Jch habe in denen vorhergehenden Abſchnitten ge-
zeiget, es ſey hoͤchſt wahrſcheinlich, daß in dem Mit-
telpuncte der Erde ein unterirrdiſches Feuer vorhanden
ſey, welches ſo gar durch ſeine ſchnelle Bewegung um
ſeine eigene Axe natuͤrlicher Weiſe entſtehen muͤſſe,
weil das Feuer nichts anders iſt, als eine ſehr heftige
Bewegung der Materie in ihren kleinſten Theilen, wel-
M 4che
[184]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
che durch die Bewegung des Erdcoͤrpers um ſeine eige-
ne Axe ganz unvermeidlich erfolgen muß. Dieſes
unterirrdiſche Feuer kann dieſen oder jenen innern Theil
des Erdcoͤrpers mehr ausbrennen, als ſolches in an-
dern Theilen geſchiehet. Die Waſſer und andere fluͤſ-
ſige Materien, die allemahl ungleich weniger Schweh-
re haben, als die Metalle, die Felſen und andere fe-
ſte Coͤrper, koͤnnen ſich in einem Theile des Erdcoͤrpers
mehr anhaͤufen, als in dem andern. Hierdurch er-
haͤlt alſo der Erdcoͤrper in einem Theile vielweniger
Schwehre, als er in einem andern Theile hat. Die
Folge hiervon wird allemahl ſeyn, daß er ſich am mei-
ſten nach derjenigen Seite neiget und druͤcket, wo er
die meiſte Schwehre hat. Wenn nun dieſes Ueber-
maaß von Schwehre in dem einen Theile des Erdcoͤr-
pers einen hohen Grad erlanget hat; ſo muß ſich na-
tuͤrlicher Weiſe die Richtung des Erdcoͤrpers und die
Beſchaffenheit der Pole veraͤndern. Es faͤllt dieſes
von ſelbſt ſehr deutlich in die Augen. Man darf nur in
einem runden, eyfoͤrmigen oder viereckigten Coͤrper in
einem Theile deſſelben eine groͤßere Schwehre, z. E.
eine proportionirliche Quantitaͤt von Queckſilber darin-
nen verſchließen; ſo wird ſich die Bewegung und die
Richtung dieſes Coͤrpers allemahl nach der Seite nei-
gen, wo ſich die groͤßte Schwehre befindet. Es iſt
dieſes eine gemeine Betruͤgerey der Spieler, die ſich
falſcher Wuͤrfel bedienen, indem ſie auf derjenigen
Seite, wo ſich die Eins befindet, eine Quantitaͤt Queck-
ſilber einſchließen. Der Wuͤrfel wird alsdenn allemahl
auf der Seite der Eins zu ſtehen kommen, und die
Sechſe,
[185]der Pole und Himmelsgegenden.
Sechſe, als den hoͤchſten Wurf zum Gewinnſt, auf-
recht haben.
Es iſt demnach aus dem allen mit vollkommener
Ueberzeugung dargethan, daß ſich die Pole um unſern
Erdcoͤrper in vorigen Zeiten haben veraͤndern, und da-
durch veruhrſachen koͤnnen, daß die Laͤnder auf dem
Erdboden ihre vorige Lage und Himmelsgegend ver-
lohren haben, und in einen ganz andern Erdgrad und
Zuſtand der Waͤrme oder Kaͤlte verſetzet worden ſind.
Ob ſich aber dieſes waͤhrend unſerer jetzigen Be-
wohnung und Bevoͤlkerung des Erdbodens zuge-
tragen habe, wie aus der angefuͤhrten Nachricht des
Herodots hervorſcheinen will, das iſt eine ganz an-
dere Frage, die wir noch im kurzen etwas eroͤrtern
muͤſſen.
Die meiſten Gelehrten haben zwar kein großes Zu-
trauen zu der Glaubwuͤrdigkeit des Herodots, als ei-
nes Geſchichtſchreibers, und man kann nicht laͤugnen,
daß derſelbe in der That viele offenbare Maͤhrchen,
Fabeln und durchaus unwahrſcheinliche Dinge erzaͤh-
let. Allein, wenn man genau auf dergleichen Erzaͤh-
lungen Acht hat; ſo findet man allemahl, daß er Fa-
beln und unwahrſcheinliche Erzaͤhlungen nur vom Hoͤ-
renſagen beybringet, niemahls aber verſichert, daß
er dergleichen ſelbſt geſehen und erfahren habe. So
bald derſelbe ſeine Erzaͤhlungen aus eigener Erfahrung
und Einſicht vortraͤgt; ſo hat derſelbe alle Kennzeichen
eines glaubwuͤrdigen und aufrichtigen Geſchichtſchrei-
bers an ſich, dem es gar nicht an Einſicht mangelt.
Bey demjenigen aber, was er von der egyptiſchen Ge-
M 5ſchichte
[186]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
ſchichte und dem veraͤnderten Aufgange der Sonne er-
zaͤhlet, redet er nicht bloß vom Hoͤrenſagen, ſondern
er verſichert, daß er die Statuͤen der egyptiſchen Koͤ-
nige waͤhrend eilftauſend Jahren ſelbſt geſehen, und
die Uhrkunden in dem Tempel nachgeſehen habe. Er
verſichert uͤberdies, daß er in der Stadt Sais in Egy-
pten ungezweifelte Denkmaͤhler mit ihren Jnnſchriften
vorgefunden und unterſuchet habe, welche uͤberzeugend
bewieſen haͤtten, daß dieſe Denkmaͤhler ſich damahls
bis auf ein Alterthum von mehr als achttauſend Jah-
rrn erſtrecket haͤtten. Herodot hatte ſich in denen
Wiſſenſchaften der Egyptier und in ihren hieroglyphi-
ſchen Characteren unterrichten laſſen; und es iſt alſo
nicht leicht zu vermuthen, daß ein Mann von Ein-
ſicht, welches man dem Herodot nicht abſprechen kann,
ſich ſo leicht mit Fabeln und eitlen Vorſpiegelungen
habe hintergehen laſſen.
Es iſt ſonſt allemahl ein Kennzeichen von der Wahr-
heit und Zuverlaͤßigkeit eines Geſchichtſchreibers, wenn
andere Geſchichtſchreiber und Nachrichten in eben dem
Zeitalter mit eben demſelben uͤbereinſtimmen, ohne
daß ſie ihre Nachrichten von demſelben geborget zu ha-
ben ſcheinen. Man muß ohne alles Bedenken ein-
raͤumen, daß die Geſchichtſchreiber faſt aller Voͤlker
des Erdbodens unſerer jetzigen Bewohnung und Be-
voͤlkerung des Erdcoͤrpers eine unermeßlich laͤngere
Zeitrechnung beylegen, als die Juden, und hierinn
mit dem Herodot vollkommen uͤbereinſtimmen. Die
Aſſyrer hatten noch vor Endigung ihres großen Rei-
ches eine Zeitrechnung, die ſich uͤber zweymahl hun-
dert-
[187]der Pole und Himmelsgegenden.
derttauſend Jahr erſtreckte. Die Griechen rechneten
von der Bewohnung und Bevoͤlkerung ihres Vater-
landes einen ſehr langen Zeitraum. Platof) ver-
ſichert, daß der Zug der Amazonen nach Griechenland
und ihre Niederlage bey Athen ſich achttauſend Jahr
vor ſeiner Zeit zugetragen habe, und daß er deshalb
in denen Archiven zu Athen die ungezweifeltſten Uhr-
kunden gefunden, und mit eigenen Augen unterſuchet
habe. Die Bewohner von Jndien, ſowohl dieſſeits
als jenſeits des Ganges, haben gleichfalls eine Zeit-
rechnung, die ſich ebenergeſtalt auf einen Zeitraum
von zweymahl hunderttauſend Jahren erſtrecket, wie
man aus denen neueren Nachrichten von denen Sia-
meſern und andern Voͤlkern in Jndien g), inſonderheit
aber von denen Brachmanen erſehen hat. Dieſe in-
dianiſche Geſchichte verdienet aber um ſo mehr alle
Aufmerkſamkeit, da Jndien ſeit einigen tauſend Jah-
ren bereits von geſitteten, vernuͤnftigen und in gewiſ-
ſem Betracht durch die Wiſſenſchaften erleuchteten Voͤl-
kern
[188]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
kern bewohnet worden. Jndien hatte zu den Zeiten
Alexanders des Großen eben den geſitteten Zuſtand,
die vorzuͤgliche Geſchicklichkeit in allen Arten von Ma-
nufacturen und Fabriken, und ſeine Brachmanen ſtan-
den ſchon damahls in dem Rufe einer großen Weis-
heit. Kurz, wenn man den Curtius von den Tha-
ten Alexanders des Großen und ſeine von Jndien
und deſſen Einwohnern gemachte Beſchreibung lieſet;
ſo iſt der damahlige Zuſtand von Jndien mit dem
heutigen ganz einerley geweſen. Eben ſo haben die
Chineſer eine ungleich laͤngere Zeitrechnung, als die
Juden und die Chriſten, die ſie von den erſtern ent-
lehnet haben. Die Regierung ihrer Kaiſer erſtrecket
ſich bis uͤber die Zeiten der Suͤndfluth hinaus, und
vor der Entſtehung der Kaiſer hat China erſtlich in
einem rohen und ungeſitteten Zuſtande, hernach aber
unter der Regierung vieler kleinen Koͤnigreiche ſich ei-
ne lange Zeit befunden h). Wenn man die vortreff-
liche Einrichtung von China kennet, wenn man weis,
daß zur Verfertigung der Geſchichte ihres Reichs ſchon
faſt ſeit viertauſend Jahren ein eigenes Collegium nie-
dergeſetzet worden, welches bey Lebzeiten eines jeden
Kaiſers die Materialien zu ſeiner Geſchichte ſamm-
let und aufbewahret, ſogleich aber nach deſſen Tode
die Geſchichte ſeiner Regierung abfaſſet; ſo muß man
in der That einen von Vorurtheil herruͤhrenden Vor-
ſatz haben, alles dasjenige nicht zu glauben, worin-
nen ſonſt die groͤßte Glaubwuͤrdigkeit der Geſchichte
beſtehet,
[189]der Pole und Himmelsgegenden.
beſtehet, wenn man an der Richtigkeit der chineſiſchen
Geſchichte zweifeln will.
Man muß hierbey bemerken, daß die Egyptier,
die Aſſyrer, die Jndianer und Chineſer vernuͤnſtige
und geſittete Voͤlker waren, die nicht allein in allen
Arten der Bequehmlichkeiten des Lebens große Ge-
ſchicklichkeit erlanget hatten, ſondern auch nach ih-
rer Art in denen Wiſſenſchaften und der Gelehrſam-
keit vor vielen andern Voͤlkern des Erdbodens einen
großen Vorzug beſaßen. Laſſet uns einmahl die Ju-
den, die eine ſo kurze Zeitrechnung angenommen ha-
ben, mit dieſen geſitteten und beruͤhmten Voͤlkern
des Erdbodens einigermaßen in Vergleichung ſetzen!
Laſſet uns ihren geruͤhmten Vorzug, daß ſie das aus-
erwaͤhlte Volk Gottes geweſen, ein Vorgeben, wor-
innen ihnen andere Voͤlker nicht auf ihr Wort glau-
ben duͤrfen, ſondern zureichenden Beweis zu fordern
berechtiget ſind; laſſet uns, ſage ich, dieſen Vorzug
auf einen Augenblick vergeſſen! Wer ſind alsdenn
die Juden? eines der kleineſten, elendeſten, unwiſ-
ſendſten und veraͤchtlichſten Voͤlker des Erdbodens i),
die
[190]V. Abſchn. Von der ehemahligen Veraͤnderung
die ſich weder durch ihre Kuͤnſte und Wiſſenſchaften,
noch durch irgend andere Vorzuͤge beruͤhmt gemacht
haben. Was wuͤrden alle gelehrte und geſitteten Na-
tionen von Europa ſagen, wenn die Crimmiſchen Tar-
tarn, die Einwohner der Ukraine, die Samojeden,
oder ein anderes kleines und offenbar unwiſſendes und
ungeſittetes Volk, das ſich durch ſeine Wiſſenſchaften
und Kuͤnſte niemahls einigen Ruhm und Anſehen er-
worben haͤtte, wenn, ſage ich, ein ſolches Volk be-
haupten wollte, es ſey von dem Uhrſprunge und Stif-
tung
i)
[191]der Pole und Himmelsgegenden.
tung der roͤmiſchen Monarchie unter Auguſto erſt fuͤnf-
hundert Jahr verfloſſen? Gewiß, alle vernuͤnftige
Menſchen wuͤrden uͤber ein ſolches Vorgeben mitleidig
laͤcheln, und daſſelbe nicht einmahl einer Widerlegung
vor wuͤrdig halten.
Jch will gar nicht behaupten, daß die Zeitrech-
nung der Juden eben dergleichen Begegnung verdiene;
und vielleicht werde ich mich unten in etwas mehreres
einlaſſen, und dasjenige beybringen, was man ihrer
Zeitrechnung entgegenſetzen kann. So viel kann ich
hier nicht unbemerkt laſſen, daß diejenigen Schrift-
ſteller, aus welchen ihre canoniſchen Buͤcher beſtehen,
niemahls den Vorſatz und Abſicht gehabt haben, eine
Zeitrechnung von dem Umfange der Welt, oder ihrer
jetzigen Bewohnung zu entwerfen. Die Zeitrechnung,
die man aus dieſen Schriften gezogen hat, iſt bloß ein
Werk der Ausleger, wider welche ſehr viele gegruͤndete
Zweifel und Einwuͤrfe gemacht werden koͤnnen. Das
einzige, worauf dieſe Zeitrechnung ſich mit ſcheinba-
ren Grunde ſteifen kann, ſind die verſchiedenen Ge-
ſchlechtsregiſter von Chriſto bis auf Adam. Allein,
zu geſchweigen, daß ſo gar dieſe nicht vollkommen mit
einander uͤbereinſtimmen; ſo weis man auch, was man
vernuͤnftiger Weiſe dergleichen Geſchlechtsregiſtern, die
erſt einige tauſend Jahr hernach verfertiget worden, vor
Zuverlaͤßigkeit beylegen kann, zumahl, wenn ein Volk
ohne gruͤndliche Wiſſenſchaften bloß die Eitelkeit hat,
ſich einen ehrwuͤrdigen Uhrſprung beyzulegen. Eben
dieſe Eitelkeit erzeugte bey denen Griechen die Begier-
de, daß ſich ein jedes anſehnliches griechiſches Ge-
ſchlecht von den Goͤttern ableitete. Und dieſe Begierde
und
[192]V. Abſchn. Von der ehemahl. Veraͤnderung ꝛc.
und Eitelkeit einmahl vorausgeſetzt; ſo macht die Ver-
fertigung des Geſchlechtsregiſters ſelbſt keine große
Muͤhe.
Dem ſey aber wie ihm wolle, die Veraͤnderung
der Pole und die dadurch veruhrſachte Veraͤnderung
der Himmelsgegenden auf unſerm Erdcoͤrper mag ſich
waͤhrend unſerer jetzigen Zeitrechnung oder der je-
tzigen Bewohnung der Welt zugetragen haben oder
nicht; ſo iſt aus gegenwaͤrtigem Abſchnitte wenig-
ſtens ſo viel zu erſehen, daß ſehr viel uͤberzeu-
gende Gruͤnde und Merkzeichen vorhanden ſind, die
es hoͤchſt wahrſcheinlich machen, daß ſich die Pole
und Himmelsgegenden auf unſerm Erdcoͤrper ehedem
veraͤndert, und die Laͤnder aus heißen Erdſtrichen in
kaͤltere, und vermuthlich alſo auch umgekehrt verſetzet
haben. Eben ſo leget dieſer Abſchnitt die wahrſchein-
lichſten Gruͤnde vor, daß die Figur und die Beſchaf-
fenheit unſers Erdcoͤrpers wirklich alſo eingerichtet iſt,
daß ſich dergleichen Veraͤnderung der Pole nicht allein
ereignen koͤnne, ſondern auch vermoͤge ſeiner innern
Beſchaffenheit ſich wirklich ereignet habe. Die wei-
teren großen Folgen von einer ſolchen Veraͤnderung
der Pole wollen wir nunmehro in dem folgenden Ab-
ſchnitte vortragen.
Sechſter
[193]
Sechſter Abſchnitt.
Erweis, daß das Meer zu verſchiedenen
Mahlen ſeine Stelle veraͤndert und daß dasjenige
Meer geweſen iſt, was jetzo das feſte Land
ausmacht.
Wenn diejenige große und erſtaunliche Veraͤnde-
rung an dem Erdcoͤrper ſich ereignet, davon
wir in dem vorigen Abſchnitte gehandelt ha-
ben, naͤmlich, daß entweder durch den Stoß eines
Cometen oder andern fremden Weltcoͤrpers, oder durch
die veraͤnderte unterirrdiſche Beſchaffenheit des Welt-
coͤrpers in Anſehung der Schwehre ſeiner Theile ſich
die Pole veraͤndern, und der Erdcoͤrper in Anſehung
ſeiner Bewegung um ſeine eigene Axe eine andere
Richtung bekommt; ſo koͤnnen nichts anders als die
erſchrecklichſten Folgen und die groͤßten Verwuͤſtungen
auf dem Erdboden daraus entſtehen. Das ganze
Weltmeer in allen ſeinen verſchiedenen Theilen, das
ſich nur vermoͤge der vormahligen Richtung der Pole
und in ſeiner vormahligen Lage in denenjenigen Graͤn-
zen erhalten hat, die ihnen die Natur geſetzet zu ha-
ben ſchien, wird aus ſeinen Ufern herausbrechen, und
nach der neuen Richtung, welche der Erdcoͤrper ver-
mittelſt ſeiner abgeaͤnderten Pole genommen hat, das
feſte Land uͤberſchwemmen, und alle lebende Creatu-
ren, welche dieſem einbrechenden Strohme des Mee-
Nres
[194]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
res durch die Flucht auf hohe Gebirge nicht entrinnen
koͤnnen, zu Grunde richten und in ſeinen Fluthen er-
ſaͤufen. Dasjenige, was vorhero feſtes Land geweſen
iſt, wird zu dem Grunde des Meeres werden; und
die hervorragenden Gebirge werden weiter nichts als
Jnſuln in dieſen neuen Theilen des Weltmeeres abge-
ben. Dahingegen werden viele Theile von der Ober-
flaͤche des Erdcoͤrpers, die vorhero den Grund des
Meeres ausgemacht haben, zu trockenem Lande, und
mit der Zeit zur Bewohnung der Menſchen und der
vierfuͤßigen Thiere geſchickt werden. Kurz, derglei-
chen Hauptveraͤnderungen unſers Erdcoͤrpers ſind gleich-
ſam große Umformungen und neue Schoͤpfungen deſ-
ſelben, wodurch die bewohnte Oberflaͤche des Erdbo-
dens groͤßtentheils, wo nicht gaͤnzlich, verwuͤſtet wer-
den kann.
Daß ſich dergleichen Umformungen und Veraͤnde-
rungen des Erdcoͤrpers in ſeinen Polen wirklich mehr
als einmahl zugetragen haben, davon finden wir in
der innern Beſchaffenheit des Erdcoͤrpers die allerdeut-
lichſten Merkzeichen und die uͤberzeugendſten Spuhren.
Wenn man nur vierzig bis ſechzig Lachtern vermittelſt
Schaͤchte oder Lichtloͤcher in ſolchen Gegenden, wo kei-
ne Felſengebirge ſind, in den Erdboden eingraͤbet und
abteuft; ſo findet man wenigſtens zwey, wo nicht drey-
mahl eine Lage oder Schicht von Meerſande, welche
die allervollkommenſten Merkzeichen und Beweiſe an
die Hand giebt, daß ſie ehemahls den Grund des Mee-
res abgegeben hat. Man findet in dergleichen San-
de eine Menge von verſteinerten Muſcheln und Schne-
cken, die nirgends anders als in dem Grunde des Mee-
res
[195]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
res ihren Aufenthalt zu haben pflegen. Nicht ſelten,
aber doch nicht ſo haͤufig, findet man in einem ſolchen
ehedem geweſenen Meeresgrunde verſteinerte Corallen
und andere Seegewaͤchſe, die nirgend anders, als dem
Grunde des Meeres ihr Daſeyn zu danken haben koͤn-
nen. So gar dieſer Sand ſelbſt, welcher ehedem der
Grund des Meeres geweſen iſt, wenn man ihn aus-
lauchet, und das Waſſer wieder verdunſten laͤßt, be-
weiſet durch den merklichen Antheil von Meerſalz, das
alsdenn zuruͤckbleibt, auf eine ſehr uͤberzeugende Art,
daß dieſes keine bloße Muthmaßung ſey, ſondern daß
die offenbare und unlaͤugbare Wahrheit hier alle moͤg-
liche Beweisgruͤnde und Ueberzeugungen an die Hand
gaͤbe. Jch habe dergleichen Erdſchichten und Erdla-
gen, welche die offenbarenſten Merkzeichen eines ge-
weſenen Meergrundes an ſich wahrnehmen laſſen, be-
reits in dem zweyten Abſchnitte mit mehrern an-
gefuͤhret.
Was aber noch mehr iſt, es giebt in dem Grun-
de des Meeres gewiſſe Arten von Schnecken und Mu-
ſcheln, die ſich in großer Menge zuſammenhalten, und
gleichſam immer eine auf der andern erzeugen. Von
dieſer Art ſind die Auſtern, die Schraubenſchnecken,
die Buffoniten und viele andere Arten von Schnecken.
Eine ſolche Zuſammenhaͤufung von Auſtern und an-
dern Muſcheln und Schnecken wird in dem Meere eine
Auſterbank, oder andere dergleichen Bank genennet.
Eben dergleichen Zuſammenhaͤufungen von einerley Art
Muſcheln oder Meerſchnecken, oder ſogenannte Baͤnke
findet man auch unter der Erde, wenn man einen ſol-
chen geweſenen Meeresgrund antrifft. Eine unend-
N 2liche
[196]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
liche Menge von ſolchen verſteinerten Muſcheln und
Schnecken findet man alsdenn eben ſo ſehr unter der
Erde zuſammengehaͤufet, als ſie in dem Meere lebend
beyſammen angetroffen werden. Die Sache iſt zu
bekannt, und bey allen Naturkuͤndigern ſo weit außer
Zweifel geſetzt, als daß es noͤthig waͤre, hier beſon-
dere Gegenden und Oerther k) anzufuͤhren, wo der-
gleichen Meerthiere in großer Menge zuſammen gefun-
den werden. Es iſt faſt kein Land in Teutſchland, das
nicht dergleichen genugſam aufzuweiſen haͤtte.
Vielleicht hat noch nie ein Gelehrter einen ſo uͤbel-
gegruͤndeten, und man kann ſich kaum enthalten zu
ſagen, einen ſo veraͤchtlichen Einwurf gegen derglei-
chen Verſteinerungen, als die offenbareſten Merkzei-
chen eines ehemahls geweſenen Meeresgrundes, vorge-
bracht, als vor ohngefehr zwanzig Jahren ein gewiſ-
ſer Herr Bertrand in der Schweiz ſich hat einfallen
laſſen. Dieſer begnuͤgte ſich nicht einmahl, derglei-
chen
[197]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
chen verſteinerte Meerthiere vor Ueberbleibſel der Suͤnd-
fluth auszugeben; ſondern er wollte ſich auf eine viel
leichtere Art aus der Sache herauswickeln, und ſah
alle dergleichen Verſteinerungen ſowohl aus dem Thier-
als Pflanzenreiche vor bloße Spielwerke der Natur an.
Jn der That iſt dieſe Erklaͤhrung allzu einfaͤltig,
und aller guten Gruͤnde ſo ſehr beraubt, als daß ſie
eine ernſtliche Widerlegung verdiente. Wahrhaftig!
er beehrte den weiſen Uhrheber der Natur mit keiner
allzu wuͤrdigen Beſchaͤfftigung, wenn er demſelben an-
tichtete, daß er bloß, um die Menſchen zu aͤffen, ei-
ne ſo große Menge Abbildungen in eben der allerge-
naueſten Vorſtellung und unter eben den Umſtaͤnden,
wie ſie ſich in der Natur befinden, als ein Spiel-
werk unter der Erde hervorgebracht haͤtte. Ja der
Schoͤpfer, oder die Natur, muͤßte ſich nicht allein mit
der allergenaueſten Vorſtellung von dergleichen Abbil-
dungen von Thieren und Gewaͤchſen begnuͤget haben.
Er muͤßte auch ihre innern Beſchaffenheiten zu einem
ſehr ſonderbaren Zeitvertreibe vollkommen dem Weſen
der Sache gemaͤß abgebildet haben. Denn wenn man
dergleichen verſteinerte Meermuſcheln oder Schnecken
durch Steinſchneider aus einander ſchneiden und poli-
ren laͤßt; ſo erkennet man inwendig alle Kruͤmmungen,
Wendungen und Hohlungen ſehr deutlich, welche eben
dieſe Thiere in ihrem natuͤrlichen Zuſtande an ſich
wahrnehmen laſſen l).
N 3Jndeſſen
[198]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
Jndeſſen ſind dieſe offenbare Merkzeichen von
mehr als einmahl in denen jetzo bewohnten Laͤndern
vormahls geweſenen Meeresgrunde, die ſich unter der
Erde ſo uͤberzeugend wahrnehmen laſſen, nicht die
einzigen Beweisgruͤnde, wodurch ſich klar ergiebet,
daß das Meer ehedem mehr als einmahl ſeine Stelle
veraͤndert, und daß dasjenige ſonſt zu verſchiedenen
Mahlen den Grund des Meeres ausgemacht hat, was
jetzo feſtes, trockenes und bewohntes Land iſt. Jch
will einige Beweiſe hiervon anfuͤhren, die unter denen
gelehrten Naturforſchern bereits allzu bekannt ſind, als
daß ſie auf irgend einige Art in Zweifel gezogen wer-
den koͤnnten.
Man hat bey Gelegenheit des Bergbaues in dem
Schwediſchen Bergwerke Fahlun auf dieſem ſehr hohen
Gebirge einen ordentlichen Meerhafen gefunden, der
alles dasjenige an ſich gezeiget hat, was man ſonſt
bey dem Bau eines Meerhafens anzuwenden pfleget.
Drey Seiten dieſes Meerhafens ſind von gehauenen
Quaterſteinen erbauet geweſen. Jn dieſen Quater-
ſteinen ſind noch die eiſernen Ringe befindlich geweſen,
woran man die Schiffe mit ihren Tauen anzubinden
pfleget. Jn dem innern Raum des Hafens, der von
dieſen drey gemauerten Seiten eingeſchloſſen geweſen
iſt,
l)
[199]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
iſt, hat man nicht allein vieles verſteinertes Holz ge-
funden, wie es ſonſt zu dem Schiffsbau ausgezimmert
und gebrauchet zu werden pfleget; ſondern anch vieles
Eiſenwerk, welches man bey dem Schiffsbau, und
zur Befeſtigung der Schiffe, damit ſie in ihrer Zu-
ſammenfuͤgung feſte zuſammenhalten, noͤthig hat.
Man muß hierbey bemerken, daß dieſer Meerhafen
in einer Hoͤhe des Gebirges gefunden worden, welche
uͤber eine Meile hoch ſich uͤber die jetzige Oberflaͤche
des Meeres erſtrecket hat.
Man darf nur einige Betrachtungen uͤber dieſe
ſonderbare Entdeckung anſtellen; ſo kann man gar
nicht zweifeln, daß dieſer Meerhafen aus einem ſol-
chen Zeitalter unſers Erdcoͤrpers herruͤhret, da dieje-
nige Gegend, welche jetzo das feſte Land von Schwe-
den ausmacht, von dem Meere bedecket worden. Ver-
muthlich iſt dieſes Gebirge eine aus dem Meere her-
vorragende Jnſul geweſen, indem die Jnſuln in dem
Meere nichts anders als Gebirge in dem Grunde des
Meeres ſind. Dieſe Jnſul hat vermuthlich anſehnli-
che Commercien getrieben, und deshalb einen ſo gu-
ten Meerhafen gehabt. Jn der That laͤßt ſich nicht
die geringſte andere wahrſcheinliche Muthmaßung aus-
findig machen, wie ſonſt dieſer Meerhafen in einer
ſolchen Hoͤhe uͤber die jetzige Oberflaͤche des Meeres auf
dieſem Gebirge haͤtte gefunden werden koͤnnen. Die
Sache ſelbſt iſt außer Zweifel, und von ſo verſtaͤndi-
gen Leuten an Orth und Stelle unterſuchet, auch von
gruͤndlichen Naturforſchern in Schweden in gedruck-
ten Schriften genugſame Nachricht davon gegeben wer-
N 4den,
[200]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
den, daß ſich dagegen mit keinem Schein nur die ge-
ringſten Einwendungen machen laſſen.
Eine andere eben ſo außerordentliche Entdeckung
hat man in der Schweiz gemacht, die faſt von allen
Geſchichtſchreibern und Naturforſchern in der Schweiz,
ſowohl zu der Zeit, als dieſe Entdeckung geſchehen,
als nachher in ihren Schriften iſt bemerket worden.
Es ſind ohngefehr dreyhundert Jahre, als man in
der Schweiz in einem Gebirge ein verſteinertes Schiff
entdeckte, welches in ſeiner Zuſammenfuͤgung noch
groͤßtentheils ganz war, und mithin an demjenigen
um ſo weniger zweifeln ließ, was es ehedem geweſen
war. Man fand in dieſem Schiffe gleichfalls fuͤnf
und zwanzig verſteinerte Menſchencoͤrper, viele andere
bey der Schifffahrt gewoͤhnliche eiſerne und hoͤlzerne
Geraͤthſchaften, davon die letztern ſaͤmmtlich gleich-
falls verſteinert waren, und inſonderheit ſieben und
zwanzig eiſerne Sturmhauben, und ſieben und zwan-
zig Hellebarden.
Auch hier redet die Sache von ſich ſelbſt. Es
laͤßt ſich nicht die geringſte Wahrſcheinlichkeit erfinden,
wie dieſes Schiff mit allen ſeinen Geraͤthſchaften und
Beſatzung an Menſchen in dieſes Gebirge haͤtte kom-
men koͤnnen, wenn nicht ehedem die Gegend des
Schweizerlandes von dem Meere bedecket geweſen waͤ-
re. Die Umſtaͤnde der Sache geben genugſam an die
Hand, daß dieſes Schiff, als es von dem Orthe ſei-
ner Abfahrt die Seereiſe angetreten, mit ſieben und
zwanzig Menſchen beſetzet geweſen, und daß zwey da-
von bereits vorher ihren Tod gefunden haben, ehe
das
[201]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
das Schiff in dieſer Gegend verungluͤcket iſt. Ver-
muthlich iſt dieſes auf die Art geſchehen, daß dieſes
Schiff auf einem Felſen oder Sandbank ſitzen geblie-
ben iſt, und die Menſchen darinn ohne Rettung vor
Hunger umgekommen ſind. Nachherige Ueberſchwem-
mungen oder Entſtehung neuer Gebirge an dieſer
Stelle, die von dem unterirrdiſchen Feuer in die Hoͤhe
getrieben worden ſind, haben veruhrſachet, daß die-
ſes Schiff unter einem Gebirge begraben worden. Al-
lein, was vor einen unermeßlichen Zeitraum und was
vor ein ſehr hohes Alterthum des Erdcoͤrpers muß man
nicht bey dieſer Begebenheit vorausſetzen. Einige
hunderttauſend Jahre reichen kaum zu, ehe dieſes al-
les hat geſchehen koͤnnen. Dennoch ſiehet man, daß
die Menſchen auch bey denen alleraͤlteſten Bewohnun-
gen dieſes Erdcoͤrpers ſich derjenigen Kuͤnſte befliſſen
haben, die ihnen Bequehmlichkeiten und Sicherheit
verſchaffen konnten. Sie haben nicht allein die Schiff-
fahrt getrieben, ſondern ſind auch mit Waffen zu ih-
rer Vertheidigung verſehen geweſen.
Eine der groͤßten und merkwuͤrdigſten Begeben-
heiten in dem Alterthum iſt der Untergang der großen
Jnſul Atlantis, welche nach der Beſchreibung der Al-
ten in der Gegend gelegen hat, wo ſich jetzo das At-
lantiſche Meer befindet. Wenigſtens gehen alle Nach-
richten uͤbereinſtimmend dahin, daß die Jnſul Atlan-
tis uͤber die Saͤulen des Hercules hinaus gelegen habe,
das iſt, man hat durch die Meerenge von Gibraltar
nach dieſer großen Jnſul ſchiffen muͤſſen. Man weis,
daß die Alten derſelben eine ungeheure Groͤße beyle-
N 5gen,
[202]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
gen, indem man vorgiebt, daß ſie ſo groß geweſen
ſey, als Europa und Africa zuſammengenommen.
Man redet von ſehr maͤchtigen und bluͤhenden Reichen,
die ſich auf dieſer Jnſul befunden haben, und die ſo
gar ihre Herrſchaft und Colonien in andere Welttheile
erſtrecket haben m).
Man wuͤrde zu weit gehen, wenn man dieſe Nach-
richten von der Jnſul Atlantis unter die Fabeln des
Alterthums rechnen wollte. Es war dieſes eine all-
gemeine Sage in den Zeiten vor Chriſti Geburth, und
ſie wurde ſo allgemein vor wahr und richtig angenom-
men, daß ſie niemahls ein Philoſoph und Gelehrter
des Alterthums, die doch eben ſowohl, als unſere
heutigen Gelehrten zum Critiſiren und zum Zweifeln
geneigt waren, hat einfallen laſſen, einige Bedenk-
lichkeit zu haben, ob auch jemahls eine Jnſul Atlantis
geweſen waͤre. Plato und Ariſtoteles reden ſelbſt
von dieſer Jnſul und ihrem Untergange in ihren
Schriften,
[203]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
Schriften, als von einer Sache, die ganz ohngezwei-
felt gewiß ſey, und woran niemand zu| zweifeln ſich
einfallen laſſen koͤnne; ob gleich der Untergang dieſer
Jnſul in Zeiten geſchehen ſey, die ſehr weit uͤber die
ihrigen hinausreichten.
Wenn die Alten ſagen, daß die große Jnſul At-
lantis durch ein Erdbeben, oder ſonſt durch einen ganz
außerordentlichen Vorfall in dem Zuſammenhange un-
ſers Weltcoͤrpers in das Meer geſunken ſey; ſo haben
dieſelben nach ihren damahligen Begriffen freylich von
der Sache nicht anders reden koͤnnen. Jn der That
aber iſt es wohl auf keinerley Art moͤglich, daß eine
Jnſul, die einen ganzen Welttheil ausmacht, und
die doch wenigſtens ſo groß als Europa geweſen ſeyn
muß, wenn man auch vorausſetzet, daß die Alten ih-
re Groͤße etwas uͤbertrieben haben, in das Meer ver-
ſinken koͤnnen. Ein Erdbeben, ſo groß es auch im-
mer ſeyn moͤge, kann eine ſolche Wirkung ohnmoͤglich
nach ſich ziehen; mit einer Stadt, oder einem kleinen
Strich Landes koͤnnte vielleicht ſo etwas geſchehen, aber
ohnmoͤglich mit einem ganzen Welttheile. Wenn
man auch annehmen wollte, daß die innere Hohlung
der Erde, in welcher ſich ein unterirrdiſches Feuer be-
faͤnde, ſehr groß ſey; daß dieſes unterirrdiſche Feuer
die Erdkruſte unter dieſer Jnſul dergeſtalt ausgebrannt
haͤtte, daß dieſelbe in die Hohlung der Erde hinein-
geſunken waͤre; ſo wuͤrde es doch kaum moͤglich ſeyn,
ſich eine ſolche innere Hohlung der Erde vorzuſtellen,
in welcher ein ganzer Welttheil haͤtte verſinken koͤn-
nen.
Dieſe
[204]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
Dieſe große Begebenheit in der Geſchichte unſers
Erdcoͤrpers laͤßt ſich aber ohne alle Schwuͤrigkeit er-
klaͤhren, wenn man annimmt, wie ich vorhin genug-
ſam gezeiget habe, daß die Pole des Erdcoͤrpers ſich
veraͤndern koͤnnen, und daß dadurch die allererſchreck-
lichſten Verwuͤſtungen und Umformungen auf unſerm
Erdcoͤrper entſtehen muͤſſen, weil die allerunvermeid-
lichſte Folge dabey iſt, daß die Meere ihre vorherige
Stelle verlaſſen, und dasjenige uͤberſchwemmen und
zum Grunde des Meeres machen, was vorhero feſtes
Land geweſen iſt. Der Untergang der Jnſul Atlantis
iſt alſo hoͤchſtwahrſcheinlicher Weiſe auf eben dieſe Art
geſchehen. Die Pole haben eben damahls eine große
Veraͤnderung erlitten; die Meere auf dem Erdboden
haben demnach groͤßtentheils ihre vorige Lage und
Stelle veraͤndert, und das ganze feſte Land der Jnſul
Atlantis iſt dadurch von denen neu entſtandenen Mee-
ren bedecket worden.
Es ſind ſehr wahrſcheinliche Gruͤnde vorhanden,
daß eben die Meere, welche die große Jnſul Atlantis
uͤberſchwemmet, bedecket, und zu dem Grunde des
großen arlantiſchen Meeres zwiſchen Europa, Africa
und America gemacht haben, und welches ſowohl bey
denen Alten, als zu unſern Zeiten den Nahmen die-
ſes ehemahligen Welttheiles beybehalten hat, zu ei-
nem uͤberzeugenden Merkzeichen, daß dieſe große Be-
gebenheit nicht ganz ohne Grund iſt, daß, ſage ich,
dieſe Meere vorhero daſelbſt ihre Stelle gehabt haben,
was jetzo den groͤßten Theil von dem feſten Lande in
America ausmacht. Folglich muß man ſchließen, daß
der groͤßte Theil von der neuen Welt bey der letzten
großen
[205]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
großen Veraͤnderung der Pole erſt gleichſam entſtan-
den, und durch die Veraͤnderung der Meere hervor-
gekommen, und zu feſtem Lande geworden iſt. Jn
der That iſt es ſonſt kaum glaublich, daß denen Al-
ten in ſo vielen tauſend Jahren ein ſo großer Welttheil
gaͤnzlich haͤtte unbekannt bleiben koͤnnen, da ſie doch
gleichwohl Schifffahrt trieben, die zu allen Zeiten auf
dem Erdcoͤrper ſtatt gefunden hat, wie man in gegen-
waͤrtiger Geſchichte die unlaͤugbareſten Spuhren und
Merkzeichen davon findet. Alles war auch gleichſam
in America noch neu; und man fand nichts, was
ein ſehr hohes Alterthum dieſes Welttheiles anzei-
gete. Das Peruaniſche Reich, eines der groͤßten und
bluͤhendſten in America, war erſt nur etwan fuͤnfhun-
dert Jahr alt, als die Spanier dieſes Reich erober-
ten; und der erſte Yncka, der Stifter dieſes großen
Reichs, hatte ſich ſeine Unterthanen aus den allerein-
faͤltigſten und unwiſſendſten Menſchen, die ohne alle
Bequehmlichkeit des Lebens, ohne Sitten und ohne
Regierung waren, zubereitet und zu Stande gebracht.
Das große Reich von Mexico war nicht aͤlter, und nir-
gends wußten die Americaner einen Staat oder Re-
gierungsverfaſſung anzuzeigen, die ein betraͤchtliches
Alterthum von ſich ruͤhmen koͤnnte. Jn dem nordli-
chen Theile von America ſchien aber alles noch viel
neuer. Die Einwohner waren noch in einer Art von
Wildheit, und gaͤnzlich ungeſitteten Zuſtande, und hat-
ten ſich noch nichts von einer Regierungsverfaſſung ein-
fallen laſſen n).
Jch
[206]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
Jch bin gar nicht vor die gemeinen Meynungen,
daß America von Norden aus, oder von Japan ſey
bevoͤlkert worden. Wenn dieſes waͤre; ſo koͤnnten die
erſten und natuͤrlichen Einwohner von America, die
man bey der Entdeckung dieſes Welttheiles darinn
fand, von denen Bewohnern der drey alten Welt-
theile gar nicht unterſchieden geweſen ſeyn. Allein,
der Unterſchied zwiſchen denen Menſchen in America
und denen uͤbrigen Menſchen, welche die alte Welt
bewohnen, war ſehr groß und unlaͤugbar. Die Na-
tur hatte die Americaner mit keinen Baͤrten verſehen,
und ihr Haupthaar war von denen Bewohnern der
uͤbrigen Welt merklich unterſchieden. Dieſer Unter-
ſchied konnte nicht von der beſondern Beſchaffenheit
des Clima, des Erdſtriches, oder der daſelbſt gewoͤhn-
lichen Speiſen herruͤhren. Die Spanier und andere
Europaͤer, wenn ſie auch in vielen Zeugungen ſich in
America aufgehalten | haben, ſind deshalb nicht der
beſondern natuͤrlichen Eigenſchaften und unterſcheiden-
den Kennzeichen der Americaner theilhaftig geworden,
und haben niemahls ihre Baͤrte verlohren o).
Es
[207]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
Es iſt ſehr wahrſcheinlich, daß die Americaner
von einem ganz beſondern Geſchlecht der Menſchen ab-
ſtammen. Vermuthlich haben ſie ihren Uhrſprung
denen Suͤdlaͤndern zu danken; und wenn wir in kuͤnf-
tigen Zeiten mit denen Einwohnern des Suͤdpols beſ-
ſer bekannt werden ſollten; ſo wird ſich finden, daß,
wo nicht alle Suͤdlaͤnder ohne Baͤrte ſind, dennoch ge-
wiß es Nationen unter ihnen geben wird, welche dieſe
Beſchaffenheit haben p). Es koͤnnen ſich mancherley
Zufaͤlle
o)
[208]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
Zufaͤlle ereignet haben, wodurch Einwohner der Suͤd-
laͤnder in das feſte Land von America verſchlagen wor-
den ſind, welches vielleicht nur einige Jahrhunderte
vorher durch die Verlaſſung des Meeres, nachdem es
den atlantiſchen Welttheil uͤberſchwemmet und bedecket
hatte, erſt entſtanden, und gleichſam aus dem Meere
hervorgekommen war. Die Aehnlichkeit der Sprache
der Suͤdlaͤnder mit denenjenigen, die in America ge-
redet wurden, als die Europaͤer die neue Welt ent-
deckten, wuͤrde in dieſer Wahrſcheinlichkeit einen groſ-
ſen Beweis an die Hand geben. Allein, [wir] ſind
mit denen Sprachen der Suͤdlaͤnder noch ganz und gar
nicht bekannt, als daß man ſich einen ſolchen Beweis
zu nutze machen koͤnnte.
Die Suͤndfluth des Deukalions iſt gleichfalls eine
der merkwuͤrdigſten Begebenheiten in der alten Ge-
ſchichte, die hier zu unſerm Endzwecke gehoͤret. Jn-
deſſen glaube ich, daß man ſie in viel aͤltere Zeiten
ſetzen muͤſſe, als den Untergang der großen Jnſul At-
lantis. Dieſe letztere Begebenheit hat ſich ohnſtreitig
zu der Zeit ereignet, da Griechenland ſchon wieder
bevoͤlkert war, weil man in Griechenland von der Be-
ſchaffenheit und denen Umſtaͤnden der Jnſul Atlantis
durch die gemeine Sage und fortgepflanzten muͤndli-
chen Nachrichten ſo viel Kenntniſſe hatte. Allein, die
Suͤndfluth des Deukalions hatte alle Bewohner
Griechen-
p)
[209]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
Griechenlandes ausgerottet, und Deukalion war der
erſte, welcher dieſe Gegenden wieder bevoͤlkerte. Die
Fabel ſagt, Jupiter habe auf ſein Anrufen die Steine
in Menſchen verwandelt. Allein, die Fabel will nichts
mehr ſagen, als daß Deukalion, er ſey ein Egyptier
oder Phoͤnicier geweſen, auf ſeiner Schifffahrt nach
Griechenland gekommen; und als er daſſelbe ganz un-
bewohnt gefunden, mehrere Menſchen an ſich gezo-
gen und ſeinen Wohnplatz in dieſem Lande genom-
men. Von dieſem Deukalion und ſeinen mitgebrach-
ten Coloniſten ſtammten vermuthlich diejenigen her,
die ſich Hellen oder Hellenen nannten, und ſich vor
die erſten und uhrſpruͤnglichen Einwohner von Grie-
chenland ausgaben. Sie waren von denen Pelaſgiern
unterſchieden, welche erſt lange Zeit hernach nach Grie-
chenland, und vermuthlich aus Jtalien gekommen
waren. Jndeſſen war dieſe Ankunft der Pelaſgier q)
in Griechenland ſchon zu Herodots Zeiten ſo alt, daß
man keinen Zeitpunct davon anzugeben wußte. Ue-
berhaupt aber hatten die vornehmſten Staͤdte in Grie-
chenland insgeſammt eine ſo alte Zeitrechnung, die ſich
auf viele tauſend Jahre hinaus erſtreckte. Die Koͤ-
nige zu Theben, Meſſena, zu Sparta, und ſo viel
andere, zaͤhleten einige hundert Koͤnige zu ihren Vor-
fahren, die alle in gerader Linie von Vater auf Sohn
abſtammten und regieret hatten, ſeitdem der erſte Ahn-
herr,
O
[210]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
herr, eines jeden ſolchen koͤniglichen Geſchlechts von
den Goͤttern herſtammte. Es iſt wahr, eine ſolche
Genealogie ſchmeckte gar ſehr nach Fabeln. Allein,
wenn man die gewoͤhnliche Eitelkeit und Thorheit der
Griechen, ſich einen goͤttlichen Uhrſprung zuzueignen,
davon wegnimmt; ſo folget deshalb nicht, daß die
ganze Genealogie dieſer koͤniglichen Geſchlechter auf Fa-
beln und Erdichtungen beruhete. Dieſes wuͤrde ge-
wiß von ſo vielen vernuͤnftigen und einſichtsvollen
Weltweiſen nicht unbemerket vorbeygegangen worden
ſeyn, wenn ein vernuͤnftiger Grund vorhanden gewe-
ſen waͤre, uͤber die Richtigkeit dieſer Genealogien Cri-
tiken zu machen. Kurz, alle vernuͤnftige und ge-
ſittete Voͤlker des Alterthums haben ungleich laͤngere
Zeitrechnungen gehabt, als die Juden; und es kommt
demnach auf die Frage an, ob das einſtimmige Zeug-
niß ſo vieler vernuͤnftiger und geſitteter Voͤlker gegen
das Vorgeben der unwiſſenden Juden in gar keinen
Betracht kommen koͤnne. Dieſes aber moͤgen meine
Leſer entſcheiden, indem ich mein Urtheil hierinn
zuruͤckhalte.
Es iſt ungewiß, und laͤßt ſich auf keinerley Art
beſtimmen, ob es zu eben der Zeit der Suͤndfluth des
Deukalions geſchehen ſey, daß die Jnſul Sicilien, die
erſt mit dem feſten Lande von Jtalien zuſammengehaͤn-
get hat, davon abgeriſſen worden, wie man gleich-
falls in der alten Geſchichte davon Nachricht findet,
und es auch gleichſam der Augenſchein ſelbſt zeiget:
Jndeſſen ſcheinet es allemahl wahrſcheinlicher, daß die-
ſe Abreißung der Jnſul Sicilien von Jtalien in viel
neuern Zeiten geſchehen ſey, als die Suͤndfluth des
Deuka-
[211]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
Deukalions. Man kann allemahl vorausſetzen, daß
ſolche große Ueberſchwemmungen ganzer Laͤnder, die
man in denen Geſchichten mit den Nahmen der Suͤnd-
fluthen beleget, auf keine andere Art, als durch die
Veraͤnderung der Pole entſtehen, welche allemahl die
Wirkung nach ſich ziehen muͤſſen, daß die vorigen
Meere aus ihren Ufern treten, das vorhin geweſene
feſte Land zum Theil uͤberſchwemmen, und dagegen
einen Theil des vorhin geweſenen Meeresgrundes als
feſtes und zum Bewohnen geſchicktes Land zuruͤcklaſſen.
Es iſt ganz umſonſt, wenn man ſich eine andere Uhr-
ſache von ſolchen großen Naturbegebenheiten einbilden
wollte. Ein viele Monate anhaltender Platzregen
wuͤrde niemahls im Stande ſeyn, dergleichen Ueber-
ſchwemmungen und große Veraͤnderungen hervorzu-
bringen. Die Sache iſt heutiges Tages von großen
Naturforſchern ſo gruͤndlich unterſuchet und eroͤrtert
worden, daß man zu dergleichen Uhrſachen mit eini-
gem Grunde weiter keine Zuflucht nehmen kann.
Wir haben oben aus den Nachrichten des Hero-
dots erſehen, daß die egyptiſchen Prieſter zu Theben
denſelben verſichert haben, daß die Sonne waͤhrend
eilftauſend Jahren dreymahl ihren Aufgang veraͤndert
habe; das iſt, wie wir nunmehro wiſſen, die Pole
unſers Erdcoͤrpers haben ſich in dieſen eilftauſend Jah-
ren dreymahl veraͤndert. Aus denen kurz vorher an-
gefuͤhrten großen Begebenheiten, die in der Geſchich-
te anderer Voͤlker durch allgemeine Ueberlieferun-
gen genugſam beſtaͤtiget ſind, werden ſich nunmehro
dieſe dreymahlige Veraͤnderungen der Pole etwas ei-
O 2gentli-
[212]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
gentlicher beſtimmen laſſen. Die erſte iſt wahrſchein-
lich zu der Zeit geſchehen, da ſich die Suͤndfluth des
Deukalions ereignet hat. Die andere iſt vermuthlich
eben diejenige geweſen, wodurch die große Jnſul At-
lantis ihren Untergang gefunden hat; und die dritte
muß man vor diejenige annehmen, da die Jnſul Si-
cilien von Jtalien abgeriſſen worden. Wenn ſich auf
dieſe Art eine kurze und abgebrochene Nachricht der Al-
ten durch die Ueberlieferungen und allgemeinen Sagen
anderer Voͤlker erklaͤhren und erlaͤutern laſſen; ſo er-
halten beyde dadurch einen groͤßern Grad der Wahr-
ſcheinlichkeit und Glaubwuͤrdigkeit.
Jndeſſen ſind dieſes nicht allein die großen Veraͤn-
derungen in Anſehung der Meere auf unſerm Erdcoͤr-
per, von welchen wir durch die alten Ueberlieferun-
gen einige Nachrichten haben. Es iſt eine allgemeine
Sage des Alterthums, daß die Jnſuln in Norden,
welche jetzo das Koͤnigreich Daͤnemark ausmachen, aus
dem Meere hervorgekommen ſind; und die Jslaͤndi-
ſchen Geſchichtſchreiber ſowohl, als andere Schrift-
ſteller, reden davon als von einer Sache, an welcher
man nicht zweifeln duͤrfe. Ob aber dieſe Entſtehung
der daͤniſchen Jnſuln auf einmahl durch einige ſchleu-
nige Veraͤnderung der Pole, oder nur nach und nach
geſchehen, das iſt eine Frage, die ſich mit Zuverlaͤſ-
ſigkeit nicht beantworten laͤßt. Jndeſſen iſt es wahr-
ſcheinlicher, daß dieſe Entſtehung der daͤniſchen Jn-
ſuln, oder ihr Hervorſteigen aus dem Meere, nur
nach und nach erfolget ſey; weil die Abnahme oder die
Verminderung des Meeres in dieſer Gegend noch im-
mer
[213]zu verſchiedenen Mahlen ſelne Stelle.
mer fortdauret, und von Jahren zu Jahren merkli-
cher wird.
Als ich im Jahre 1751 eine Reiſe nach Daͤnemark
that; ſo haben mir einige daſige Gelehrte einige uͤber-
zeugende Beweiſe und Merkzeichen davon angefuͤhret,
daß man hieran ganz und gar nicht zweifeln kann. Es
waͤre zu wuͤnſchen, daß man durch eine fortgeſetzte
vieljaͤhrige genaue Unterſuchung und Beobachtung da-
hin kommen koͤnnte, eigentlich und genau zu beſtim-
men, wie viel dieſe Abnahme und Verminderung des
Meeres in einer Zeit von zehen Jahren etwan aus-
machte. Man wuͤrde leicht dazu gelangen koͤnnen,
wenn man die erforderlichen Merkzeichen an denenje-
gen Felſen, an welche das Meer anſpuͤhlet, einhauen
ließe r), oder auch ſtarke Pfaͤhle oder Staͤmme in
das Ufer des Meeres aufrecht eingruͤbe, und an die-
O 3ſelben
[214]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
ſelben ein Maaß von Fuß und Zolle mit Oehlfarbe
verzeichnete. Freylich muͤſſen bey dieſen Beobachtun-
gen verſchiedene Umſtaͤnde in genauen Betracht gezo-
gen werden. Man muͤßte nicht allein die Hoͤhe und
den Stand des Meeres bey der Ebbe und Fluth be-
merken; ſondern man muͤßte auch zugleich dieſe Beob-
achtungen nach dem Lauf des Monden, ſowohl uͤber-
haupt, als zur Zeit der Sonnenwende in genaue Ob-
acht nehmen; weil man nunmehro nicht zweifeln kann,
daß dieſe Umſtaͤnde bey der Ebbe und Fluth des Mee-
res einen großen Einfluß haben.
Eine ſolche Abnahme und Verminderung des Mee-
res iſt auch in Europa in mehrern Laͤndern beobachtet
worden, und durch die augenſcheinlichſten Beweiſe
ganz außer Zweifel geſetzt. Es ereignet ſich dieſes in-
ſonderheit in Jtalien. Viele Staͤdte, von welchen
wir aus denen roͤmiſchen Geſchichtſchreibern wiſſen, daß
ſie damahls an dem Meere gelegen geweſen ſind, und
gute Seehaͤfen gehabt haben, befinden ſich jetzo eine
halbe Meile und weiter davon entfernet. Wollte man
ſagen, daß die jetzigen Staͤdte nicht eben auf denjeni-
gen Platz bey ſo vielen Zerſtoͤhrungen und Verwuͤſtun-
gen, die in Jtalien durch die haͤufigen Kriege vorge-
gangen ſind, wieder erbauet worden waͤren, wo eben
dieſe Staͤdte gleiches Nahmens bey denen Roͤmern ge-
ſtanden haben; ſo iſt ein ſolcher Einwurf zwar leicht
vorzubringen, aber ſchwehr zu erweiſen. Bey allen
Zerſtoͤhrungen und Verwuͤſtungen der Staͤdte blei-
bet dennoch immer vor die Einwohner viel uͤbrig,
das ihnen bey ihrer Wiederaufbauung bequehm und
nutzbar
[215]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
nutzbar iſt; und es werden gewiß ſehr große und wich-
tige Uhrſachen erfordert, wenn die Einwohner einer
verwuͤſteten Stadt ihre alte Stelle gaͤnzlich verlaſſen,
und ihre Stadt wieder an einem ganz andern und
neuen Orth aufbauen ſollten. Eine ſolche Begeben-
heit wird in der Geſchichte faſt niemahls unbemerkt
gelaſſen. Ueberdies muͤßten ſich die Rudera von der
alten ehemahligen Stadt, oder wenigſtens die Spuh-
ren oder Merkzeichen davon noch in der Naͤhe fin-
den laſſen.
Noch heutiges Tages iſt dieſe Abnahme und Ver-
minderung des Meeres bey Jtalien, inſonderheit in
und um Venedig herum, ſehr merklich und ganz auſ-
ſer allem Zweifel, ſo große Muͤhe und Koſten auch
die Regierung von Venedig anwendet, und zu dem
Ende viele Maſchinen hat erbauen laſſen, ſowohl die
Canaͤle in der Stadt, als das Meer um ſich herum
zu reinigen, und zum Gebrauch ihrer Gondeln und
Schiffe in genugſamer Tiefe zu erhalten; ſo wollen
doch alle ſolche ſehr vervielfaͤltigten Maſchinen ihre
Wirkung und Nutzen verſagen, und die Stadt hat ſchon
verſchiedene ehemahlige Bequehmlichkeiten zur Schiff-
fahrt verlohren. Wenn wir dem Herrn Blainville
in ſeiner Reiſebeſchreibung durch die Niederlande, die
Schweiz und Jtalien Glauben beymeſſen duͤrfen, der
ſonſt ein glaubwuͤrdiger und aufrichtiger Schriftſteller
iſt, und wenn wir andern neuern Reiſebeſchreibern
Glauben beymeſſen koͤnnen; ſo ſtehet Venedig wirklich
in Gefahr, ſeine geruͤhmte Unuͤberwindlichkeit durch
das Meer zu verliehren. Und man kann den Zeit-
punct, der ſich auf keine hundert Jahre mehr erſtre-
O 4cken
[216]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
cken kann, vorausſehen, in welchem Venedig mit dem
feſten Lande von Jtalien vollkommen zuſammenhaͤngen
wird, ſo, daß man trockenen Fußes von Jtalien aus
dieſe Stadt wird betreten koͤnnen.
Auch in Teutſchland zeiget ſich eine ſolche Ver-
minderung und Abnahme des Meeres, inſonderheit in
dem Sr. Koͤnigl. Majeſtaͤt von Preußen zugehoͤrigen
Fuͤrſtenthum Oſtfriesland. Das Meer hat ſich da-
ſelbſt ſeit nur etwan hundert Jahren ſo weit von ſei-
nen ehemahligen Ufern entfernet, daß es an vielen Or-
then faſt eine Meile weit betraͤget. Man hat ſich die-
ſe Verlaſſung des Meeres und das gewonnene anſehn-
liche Land gar wohl zu nutze gemacht, und nicht allein
neun Domainen und Coloniſtendoͤrfer daſelbſt ange-
bauet, ſondern auch anſehnliche Striche von dieſem
ehemahligen Meeresgrunde an Entrepreneurs gegen
gewiſſe Bedingungen uͤberlaſſen, die daſelbſt Baronien
und anſehnliche Herrſchaften angeleget und zu Stande
gebracht haben. Alles dieſes iſt genugſam bekannt,
und ſowohl zuweilen in denen Zeitungen, als in pe-
riodiſchen Schriften davon gemeldet worden.
Wenn das Meer in einigen Laͤndern ſich vermin-
dert und zuruͤckweichet; ſo tringet es hingegen in an-
dern Laͤndern in das feſte und bewohnte Land immer
mehr ein, und macht dasjenige zu dem Grunde des
Meeres, wo vorhin fruchtbare Aecker und ſchoͤne be-
wohnte Doͤrfer waren. Jnſonderheit iſt die Kuͤſte von
der Normandie in Frankreich dieſem Eintringen des
Meeres unterworfen. Dieſes iſt ſchon ſeit zweyhun-
dert Jahren und laͤnger in oͤffentlichen Schriften be-
merket
[217]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
merket worden. Schon der Herr von Montagne in
ſeinem beliebten Werke, die Verſuche genannt, er-
zaͤhlet, daß eine, ſeinem juͤngern Bruder zugehoͤrige,
und an dem Meere gelegene Baronie in der Norman-
die, von vier Doͤrfern nach und nach von dem Meere
ſey gaͤnzlich verſchlungen und bedecket worden. Er
fuͤget hinzu, daß von ſeines Bruders letzterem Dorfe
noch die Kirchthurmſpitze aus dem Meere hervorrage.
Es ſind nunmehr faſt zweyhundert Jahr, daß dieſes
der Herr von Montagne geſchrieben hat; und ich
erinnere mich, in verſchiedenen andern juͤngern Schrif-
ten gleichfalls von dieſem noch immer fortdaurenden
Eintringen des Meeres auf der Kuͤſte von der Nor-
man die geleſen zu haben.
Eben dieſes Eintringen des Meeres in das feſte
Land wuͤrde auf der Kuͤſte von Holland und Seeland,
wie auch in andern Gegenden der Niederlande geſche-
hen, wenn man ſich nicht durch koſtbare Daͤmme mit
unermeßlichen Koſten dagegen verwahrete. Man weis
von allen ſolchen Gegenden, daß das Meer hinter den
Daͤmmen oͤfters dreyßig bis vierzig Fuß hoͤher ſtehet,
als das platte und ebene Land, welches von denen
Einwohnern bewohnet wird. Man wuͤrde auch eben
dergleichen Eintringen des Meeres in andern Laͤndern
anfuͤhren koͤnnen, wenn dergleichen Beobachtungen die
erforderliche Aufmerkſamkeit erlangten, und ſolches in
oͤffentlichen Schriften angezeiget wuͤrde.
Wenn man dieſes Zuruͤckweichen des Meeres in
einigen Laͤndern gegen das Eintringen des Meeres in
andere Laͤnder haͤlt, und daruͤber die erforderlichen Be-
O 5trachtun-
[218]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
trachtungen anſtellet; ſo ſcheinet es faſt, daß man
daraus den Schluß machen muͤſſe, daß die Veraͤnde-
rung der Pole noch heutiges Tages geſchehe; jedoch
nur nach und nach, und faſt auf eine unmerkliche Art,
dennoch aber unausgeſetzt immer fortdaure, ſo, daß
dieſe Veraͤnderung der Pole eine beſondere Bewegung
des Erdcoͤrpers auszumachen ſcheinet, die uns zeithero
noch unbekannt geweſen iſt. Dieſe immer fortdauren-
de, jedoch unmerkliche Veraͤnderung der Pole ſchei-
net noch durch andere Umſtaͤnde und Verhaͤltniſſe un-
ſers Erdcoͤrpers beſtaͤtiget zu werden, und die Sache
iſt ſo wichtig, daß ſie wohl verdienet, in genaue Be-
trachtung gezogen und in gegenwaͤrtiger Geſchichte an-
gefuͤhret zu werden; geſetzt, daß es auch nur bloße
Muthmaßungen waͤren, die noch zur Zeit nicht genug-
ſam aufgeklaͤhret werden koͤnnten.
Es wollen ſehr viele vernuͤnftige Leute bemerken,
daß Teutſchland ſeit vierzig und funfzig Jahren, naͤm-
lich gegen die Zeit ihrer Jugend zu rechnen, eine
merklich kaͤltere Himmelsgegend erlanget habe. Jn
der That weis ich mich noch ſelbſt zu erinnern, daß
vor fuͤnf und dreyßig und mehrern Jahren die Zeit des
Fruͤhjahres und die angenehme Witterung viel fruͤher,
und ſchon im Martio, ja wohl gar im Februario ein-
brach, und wir bereits im April und May die ange-
nehmſte Jahreszeit, und gemeiniglich ſchon ſehr war-
me Tage hatten. Jetzo muß man den Maͤrz und
April noch vollkommen zu Wintermonathen rechnen;
und die erſte Haͤlfte des May iſt gemeiniglich noch von
ſo unangenehmer und kalter Witterung begleitet, daß
faſt
[219]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
faſt alle Leute, die nicht aus Mangel des Vermoͤgens
ihrer Bequehmlichkeit Abbruch thun muͤſſen, noch das
Einheizen nicht entrathen koͤnnen. Dergleichen Be-
obachtungen werden von allen Leuten beſtaͤtiget, die ihr
Alter uͤber funfzig Jahr erſtrecket haben; und es laͤßt
ſich ſchwehrlich behaupten, daß dergleichen Anmerkun-
gen auf bloßer Einbildung beruhen. Wollte man ſa-
gen, daß der menſchliche Coͤrper in ſeiner Jugend viel
feuriger ſey, und alſo nicht ſo ſehr Empfindungen von
kalter Witterung haͤtte; ſo iſt dieſes ein ſehr ſeichter
Einwand. Unſere Kinder, die noch alles Feuer der
Jugend beſitzen, muͤſſen demnach von der Witterung
im Maͤrz und April eben die Empfindungen haben,
daß ſie ihnen zu jetzigen Zeiten angenehm und warm
vorkaͤme. Allein, das iſt weit gefehlet; ſie empfin-
den das Unangenehme und Kalte der Witterung bis
uͤber die Mitte des May eben ſowohl, als die Alten,
und beklagen ſich oͤfters genugſam daruͤber.
Jndeſſen beruhet es nicht allein auf denen unge-
wiſſen, zweifelhaftigen coͤrperlichen Empfindungen von
Waͤrme und Kaͤlte. Alles, was in der Natur iſt,
alle Erd- und Gartenfruͤchte, beſtaͤtigen eben dieſes.
Die Baͤume bluͤhen wirklich ſpaͤther, alles verſpaͤthet
ſich in ſeinem Wachsthum; und ſelbſt die Erndte faͤllt
faſt alle Jahre um ein Betraͤchtliches ſpaͤther ein. Es
iſt genugſam bekannt, daß in denen nordlichen Ge-
genden von Teutſchland ehedem der Margarethentag
im Julio, als der gewoͤhnliche Anfang der Erndte,
allgemein angenommen war; und es ſind ſo gar noch
viele Geſetze, Privilegien und Gewohnheiten vorhan-
den,
[220]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
den, die ſich darauf gruͤnden. Eben ſo ſind viele alte
Haushaltungsreguln bekannt, die ſich offenbar auf ei-
ne fruͤhere ſchoͤne Witterung beziehen. Jn dem nord-
lichen Theile von Teutfchland war ſonſt eine alte Haus-
haltungsregul, die man in ſchlechte Reime gebracht
hatte, daß auf Mariaͤ Verkuͤndigung vor Oſtern das
Rindvieh zur Weide ausgetrieben werden muͤſſe; und
man rechnete in Anſehung der Winterfuͤtterung bloß
bis auf dieſen Zeitpunct. Allein, weder in Anſehung
der Erndte, noch in Anſehung des hervorwachſenden
Graſes zur Viehweide, kann man auf dieſe alten Zeit-
puncte mehr rechnen. Das Vieh kann erſt nach
Walpurgis, und zwar nicht einmahl alle Jahre, bald
nach dieſem Tage in die Weide getrieben werden;
und die Erndte kann erſt den 21ſten bis 23ſten Ju-
lii, mithin zehen bis zwoͤlf Tage ſpaͤther, auch in
mittelmaͤßigen und leidlichen Jahren, ihren Anfang
nehmen.
Wenn einige Laͤnder eine merklich kaͤltere Himmels-
gegend bekommen; ſo findet man hingegen in andern,
daß ihnen eine offenbar angenehmere und waͤrmere
Witterung zu Theil wird. Man weis, daß ſonſt
Rußland, und inſonderheit Siberien, von ganz Eu-
ropa vor die allerkaͤlteſten Laͤnder gehalten wurden, in
welchen eine ſo erſchreckliche Kaͤlte herrſche, daß ſie
der menſchlichen Natur kaum ertraͤglich ſey. Man
weis, was die gefangenen Schweden, die doch auch
einen kalten Himmelsſtrich zu ihrem Vaterlande hat-
ten, von der erſtaunlichen Kaͤlte in Rußland und Si-
berien, und von ihrem dadurch unausſprechlich ver-
groͤßerten Elende, zu Anfange dieſes Jahrhunderts
vor
[221]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
vor eine erſchreckliche Vorſtellung gemacht haben. Jetzo
haben mich viele angeſehene und vernuͤnftige Perſoh-
nen, die ſich viele Jahre hinter einander in Rußland
aufgehalten haben, verſichert, daß das daſige Clima
ſehr ertraͤglich, und faſt eben alſo beſchaffen ſey, wie
die Himmelsgegend in dem nordlichen Theile von
Teutſchland. Was aber Siberien insbeſondere anbe-
trifft; ſo ſoll ſich die Witterung daſelbſt noch auf eine
weit merklichere und ſehr in die Sinne fallende Art
verbeſſern, als in Rußland ſelbſt. Jch habe einen
ſehr vernuͤnftigen Mann geſprochen, der ſich wegen
Anlegung gewiſſer Fabriken zehen Jahr in Siberien
aufgehalten hat, und erſt vor drey Jahren nach Teutſch-
land zuruͤckgekommen iſt. Dieſer hat mich auf das theuer-
ſte verſichert, daß das jetzige Clima und Witterung
von Siberien eben alſo beſchaffen ſey, als in Teutſchland,
und daß man nichts weniger als eine groͤßere Kaͤlte im
Winter daſelbſt verſpuͤhre; ja er wollte zweifeln, ob nicht
die Kaͤlte in Siberien noch um ein merkliches erleidlicher
ſey, als in dem nordlichen Theile von Teutſchland.
Ehedem wurde Schweden keinesweges vor ei-
nes der kaͤlteſten Laͤnder in Europa gehalten.
Schweden hatte einen ſehr guten Kornbau in ſei-
nen meiſten Provinzen; nur diejenigen ausgenom-
men, die zunaͤchſt an den Nordpol graͤnzten; und
allemahl konnte es ſo viel Getraide erzeugen, als
zum Unterhalt ſeiner Einwohner erforderlich war. Es
fehlet jetzo bey weitem, daß man dieſe Beſchaffenheit
von Schweden annoch behaupten koͤnnte. Wenn man
Schonen, Bleckingen, Halland und einige andere
wenige Provinzen ausnimmt, ſo kann daſelbſt der
Korn-
[222]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
Kornbau wegen der erſtaunlichen Kaͤlte gar nicht mehr
mit einigem Vortheil getrieben werden; und die Ge-
winnung der zum Unterhalt der Menſchen ſo unent-
behrlichen Getraidearten iſt ſo weit heruntergekommen,
daß Schweden nicht einmahl ſo viel Getraide erzeuget,
als der Unterhalt der Haͤlfte von ſeinen Einwohnern
erfordert. Kurz, Schweden iſt das kaͤlteſte Land von
Europa geworden; und ſcheinet eben diejenige Him-
melsgegend erlangt zu haben, die man ſonſt Rußland
und Siberien zueignete.
Wenn man uͤber alles dasjenige, was ich bis hie-
her angefuͤhret habe, reifliche Betrachtung anſtellet;
ſo ſcheinet die Zuruͤckweichung und Verminderung des
Meeres in einigen Laͤndern, und das Eintringen und
Ueberſchwemmen des Meeres in andern Laͤndern an ei-
nem Theile; und das Zunehmen und die Vermehrung
der Kaͤlte in dem nordlichen Theile von Teutſchland
und in Schweden, gegen die Verminderung der Kaͤl-
te und Verbeſſerung der Himmelsgegend in Rußland
und Siberien am andern Theile, ein genaues Ver-
haͤltniß und Zuſammenhang mit einander zu haben.
Beyde ſcheinen aus einerley Uhrſache und Quelle zu
entſtehen, naͤmlich, daß ſich die Pole nach und nach
beſtaͤndig und in einer fortdaurenden Bewegung ver-
aͤndern.
Wenn alle dieſe Beobachtungen vor ungezweifelt
richtig anzunehmen waͤren; wie ſie in der That eine
große Wahrſcheinlichkeit vor ſich haben, und groͤßten-
theils in der unlaͤugbaren Erfahrung gegruͤndet ſind;
ſo wuͤrde man bey genauen Beobachtungen, und einer
ſorg-
[223]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
ſorgfaͤltigen Bemerkung aller dieſer Verhaͤltniſſe gegen
einander, den Himmelsſtrich und die Richtung leicht
ausfindig machen koͤnnen, nach welcher ſich die Pole
veraͤnderten, und ihre unaufhoͤrliche, jedoch langſame
Bewegung beſtaͤndig fortſetzen. Jch ſelbſt bin nicht
im Stande, alle dieſe Bemerkungen mit der erforder-
lichen Genauigkeit vorzunehmen; es wuͤrde ein guter
Globus und andere perſoͤhnliche Eigenſchaften hierzu noͤ-
thig ſeyn, die mir anjetzo mangeln. Es waͤre aber wohl
zu wuͤnſchen, daß ſich beruͤhmte Gelehrte, denen es
weder an denen dazu erforderlichen Kenntniſſen, noch
an denen dazu noͤthigen Werkzeugen mangelt, dieſer
wichtigen Unterſuchung unterziehen moͤchten.
Wenn die Alten ihr ſogenanntes Platoniſches Jahr
von acht und vierzig tauſend Jahren nicht ohne allen
Grund angenommen haben; wenn ſie den beſondern
Umlauf des Himmels in dieſem großen Zeitpuncte auf
beſondere vorhergegangene Erfahrungen und Nachrich-
ten gegruͤndet haben; ſo ſcheinen ſie dadurch nichts an-
ders angezeiget zu haben, als daß der Erdcoͤrper eine
unaufhoͤrliche langſame Bewegung in Anſehung der
Veraͤnderung ſeiner Pole haͤtte; weil ihnen dieſe Be-
wegung nicht anders, als ein ſcheinbarer Umlauf des
Himmels und aller Fixſterne vorkommen koͤnnte; und
dieſe Nachrichten der Alten wuͤrden denen jetzigen Be-
merkungen allerdings zur Unterſtuͤtzung dienen.
Jch geſtehe gern, daß hierinnen noch viele Un-
terſuchungen und Beobachtungen noͤthig ſeyn werden,
ehe man in dieſer Sache zu einer richtigen, gruͤndli-
chen und ungezweifelten Beſtimmung gelangen kann.
Eine
[224]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
Eine nothwendige Folge von dieſer langſamen und un-
aufhoͤrlichen Veraͤnderung der Pole wuͤrde ſeyn, daß
ſich auch die Erdgrade veraͤnderten; und mithin wuͤr-
de ſich auch die Lage der Oerther, und inſonderheit der
beruͤhmten Staͤdte veraͤndern. Zwar hierinnen ſchei-
nen die Anmerkungen der Alten der Veraͤnderung der
Pole zu ſtatten zu kommen. Ptolemaͤus, Strabo
und andere Erdbeſchreiber des Alterthums haben die
Lage vieler großen Staͤdte, in Anſehung ihres Erd-
grades, in ihren Schriften beſtimmet, und zwar ſol-
cher Staͤdte, die noch heutiges Tages vorhanden ſind.
Allein, ihre Beſtimmung trifft mit heutigen richtigen
Beobachtungen keinesweges uͤberein. Jndeſſen kann
man hierauf antworten, daß vielleicht die Alten in ih-
ren Beobachtungen nicht genau genug geweſen ſind,
und daß es ihnen an guten Werkzeugen hierzu geman-
gelt hat. Folglich laͤßt ſich hieraus auf die gegenwaͤr-
tige Unterſuchung nichts Entſcheidendes folgern.
Es ſcheinet, daß es in dem Alterthum mehr Mon-
archen gegeben hat, die geneigt geweſen ſind, auf
Unterſuchungen und Beobachtungen, welche die Na-
turgeſchichte und die Beſchaffenheit des Weltcoͤrpers
ſeinen Stand und Richtung betreffen, anſehnliche Ko-
ſten aufzuwenden. Es iſt bekannt, daß man in dem
Alterthum verſchiedene praͤchtige und zu einer langen
Dauer eingerichtete Gebaͤude und Monumente gehabt
hat, welche hauptſaͤchlich den Endzweck hatten, daß
man dadurch nach der Einrichtung ihrer Bauart und
Beſchaffenheit eine beſtaͤndige richtige Mittagslinie,
und die etwan darinn vorgehenden Veraͤnderungen
wahr-
[225]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
wahrnehmen koͤnne, wenn es von Zeit zu Zeit Mon-
archen gegeben haͤtte, welche auf eine ſo edle Art geneigt
geweſen waͤren, anſehnliche Koſten aufzuwenden; ſo
wuͤrde es in der gegenwaͤrtigen Frage gar nicht ſchwehr
ſeyn, zu einer richtigen und ungezweifelten Entſchei-
dung zu gelangen. So bald die Pole ſich durch eine
fortdaurende langſame Bewegung nach und nach ver-
aͤndern; ſo kann auch ein Gebaͤude, das vor einigen
hundert Jahren durch ſeine dabey angebrachten Kenn-
zeichen eine richtige Mittagslinie angezeiget hat, nicht
mehr eben dieſe Dienſte leiſten; und man muß die
Groͤße der Abweichung und die Art und Weiſe derſel-
ben daran ſofort erkennen. Es iſt in der That ein be-
daurenswuͤrdiger Verluſt, daß die zu dieſem Endzweck
in dem Alterthum erbaueten Gebaͤude ihren Untergang
gefunden haben.
Es hat zwar ehedem von verſchiedenen Gelehrten
behauptet werden wollen, daß ein ſolches Gebaͤude
noch heutiges Tages in Egypten vorhanden ſey. Al-
lein, ich erinnere mich in einem engliſchen Schrift-
ſteller geleſen zu haben, daß ein reicher und forſchbe-
gieriger Englaͤnder bloß dieſerhalb eine Reiſe nach Egy-
pten gethan habe, um die Wahrheit hiervon ſelbſt zu
unterſuchen, und wahrzunehmen, ob eben dieſe Mit-
tagslinie ohne Abweichung noch vorhanden ſey. Sei-
ne Reiſe aber iſt fruchtlos geweſen, und er hat weder
an denen noch vorhandenen Piramyden, noch ſonſt an
einem andern Monument etwas finden koͤnnen, wor-
an zu erkennen geweſen waͤre, daß es zu Beſtimmung
und Wahrnehmung einer Mittagslinie erbauet wor-
den ſey.
PJch
[226]VI. Abſchn. Das Meer veraͤndert
Jch habe vor ohngefehr zehen Jahren mit dem be-
ruͤhmten Euler, dem Vater, eine Unterredung uͤber
dieſen Gegenſtand gehabt, indem ich ihm alle diejeni-
gen Gruͤnde, die eine langſame und nach und nach er-
folgende Veraͤnderung der Pole wahrſcheinlich mach-
ten, mittheilete, und zugleich die Frage aufwarf: Ob
es moͤglich ſey, daß eine ſolche Veraͤnderung der Pole
vorgehen koͤnne, ohne daß ſie vortreffliche Mathematik-
verſtaͤndige nicht ſogleich entdecken und wahrnehmen
koͤnnten.
Herr Euler war der Meynung, daß dieſes aller-
dings nicht geſchehen koͤnne, oder man muͤſſe ſolches
ſofort durch genaue und richtige Beobachtungen entde-
cken. Er eroͤffnete mir zugleich die Gruͤnde, warum
eine ſolche Veraͤnderung bey genauen Beobachtungen
nicht verborgen bleiben koͤnnte; da ich aber die Ma-
thematik niemahls als einen Gegenſtand meines Stu-
direns angeſehen habe; ſo habe ich dieſe Gruͤnde weder
genugſam im Gedaͤchtniß behalten, noch bin ich im
Stande, ſolche anjetzo wieder vorzutragen. Jch ha-
be eine ausnehmende Hochachtung vor den Ausſpruch
eines der groͤßten Mathematiker unſerer Zeiten; und
er wuͤrde mich voͤllig uͤberzeugen, wenn ich nicht bey
faſt allen Faͤllen wahrgenommen haͤtte, daß die groͤß-
ten Mathematiker in ihren Beobachtungen und Aus-
rechnungen uͤber einerley Sache gar verſchiedener Mey-
nungen waͤren. Die gegenwaͤrtige Frage verdienet
aber allerdings, daß dieſelbe von Sachverſtaͤndigen
mit der groͤßten Genauigkeit und Aufmerkſamkeit un-
terſuchet werde.
Wenn
[227]zu verſchiedenen Mahlen ſeine Stelle.
Wenn aber auch die vorhin beygebrachten ſehr
wahrſcheinlichen Gruͤnde nicht zureichend waͤren, eine
beſtaͤndige unmerklich fortgehende Veraͤnderung der
Pole daraus zu ſchließen, und man mithin andere Uhr-
ſachen ſuchen muͤßte, warum das Meer in einigen Laͤn-
dern zuruͤckweicht, und ſich vermindert, an andern Or-
then aber in die Laͤnder eintringt, und das vorhin fe-
ſte Land zum Grunde des Meeres macht; ſo liegt doch
aus gegenwaͤrtigem Abſchnitte ſo viel klar und uͤber-
zeugend zu Tage, daß dasjenige, was jetzo feſtes Land
iſt, mehr als einmahl der Grund des Meeres gewe-
ſen ſey, und daß dieſes ſich ohnmoͤglich auf eine andere
Art habe ereignen koͤnnen, als daß ſich die Pole des
Erdcoͤrpers entweder durch einen Stoß von außen, oder
durch die innerliche in einen andern Zuſtand gekomme-
ne Lage und Beſchaffenheit des Erdcoͤrpers, in Anſe-
hung der Schwehre ſeiner Theile, ploͤtzlich veraͤndert,
und dadurch veranlaſſet haben, daß die Meere aus ih-
rer vorigen Stelle getreten, und das vorhin feſte Land
zum Grunde des Meeres gemacht haben. Auch hier-
aus faͤllt das hohe und ſich wenigſtens uͤber einige hun-
dert tauſend Jahre erſtreckende Alter unſers Erdcoͤrpers
genugſam in die Augen. Denn was vor lange Zwi-
ſchenzeiten muß man nicht vorausſetzen, wenn die
Meere wenigſtens vier bis fuͤnfmahl ihren Stand ver-
aͤndert haben.
P 2Siebender
[228]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
Siebender Abſchnitt.
Erweis, daß die Oberflaͤche der Erde zu
verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen, und durch
allgemeine Umformungen und Verwuͤſtungen wie-
derum gaͤnzlich entvoͤlkert worden, ehe noch un-
ſere jetzige Zeitrechnung ihren Anfang
genommen hat.
Dasjenige, was ich in dieſem ſiebenden Ab-
ſchnitte vorzutragen habe, iſt weiter nichts,
als eine Folge aus denen beyden vorhergehen-
den Abſchnitten. Wenn ſich die Pole unſers Erdcoͤr-
pers in dem unermeßlichen Zeitraume ſeines Alter-
thums zu verſchiedenen Mahlen veraͤndert, und da-
durch auch eine Veraͤnderung in dem Meere veruhrſa-
chet haben; wenn es auf dieſe Art geſchehen iſt, daß
dasjenige, was jetzo das feſte Land ausmacht, mehr
als einmahl der Grund des Meeres geweſen iſt; wenn
durch ſolche erſchreckliche Ueberſchwemmungen und Ver-
wuͤſtungen die auf dem feſten Lande lebenden Menſchen
und Creaturen in gewiſſen Gegenden und Welttheilen
gaͤnzlich vertilget worden ſind; ſo folget daraus ganz
natuͤrlich, daß dasjenige, was jetzo feſtes Land iſt,
mehr als einmahl von denen Menſchen und Creaturen
bewohnet geweſen iſt. Jch will mich deutlicher erklaͤh-
ren: Nachdem das jetzige feſte Land ehedem zum Grun-
de des Meeres gedienet hat, und durch eine gegen-
ſeitige
[229]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
ſeitige Veraͤnderung der Pole wiederum zum feſten Lan-
de geworden iſt; ſo iſt nach einer ſehr langen Zwiſchen-
zeit dieſes feſte Land abermahls von denen Menſchen
bevoͤlkert und bewohnet worden. Alsdenn iſt durch
eine anderweitige Veraͤnderung der Pole dieſes feſte
Land noch einmahl zu dem Grunde des Meeres gewor-
den, wobey alle menſchliche und andere Creaturen ih-
ren Untergang gefunden haben. Eine eben ſolche Ver-
aͤnderung hat alsdenn dieſen Grund des Meeres noch
einmahl zu dem feſten Lande gemacht, und einer aber-
mahligen Bewohnung von Menſchen Platz gegeben.
Dieſe Veraͤnderungen haben ſich mit unſerm feſten Lan-
de, ſo viel wenigſtens Europa betrifft, dreymahl er-
eignet; und dieſes iſt es, was ich im gegenwaͤrtigen Ab-
ſchnitte zu erweiſen mir vorgenommen habe.
Alle Entdeckungen, die wir von der unterirrdi-
ſchen Beſchaffenheit des Erdcoͤrpers machen, geſchehen
nur zufaͤlliger Weiſe. Eine gewiſſe beſondere Be-
ſchaffenheit des Herzogthums Modena in Jtalien hat
Gelegenheit gegeben, daß wir von einer dreymahligen ver-
ſchiedenen Bewohnung der Oberflaͤche der Erde die zu-
verlaͤßigſten und uͤberzeugendſten Beweiſe und Kenn-
zeichen gefunden haben. Dieſes Herzogthum beſtehet
eigentlich in einer großen, ſich auf viele Meilen erſtre-
ckenden Ebene, welche von allen Seiten mit Gebirgen
eingeſchloſſen iſt. Jn dieſer ganzen Ebene oder plat-
ten Lande muß man ſehr tief, und wenigſtens hundert
und zwanzig Fuß eingraben, um ſich Brunnen zu ma-
chen, und darinnen Waſſer zu erlangen. Es iſt merk-
wuͤrdig, daß unter dieſem ganzen Herzogthume hun-
P 3dert
[230]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
dert und zwanzig Fuß tief unter der Erde ſich eine
große See befindet, welche allen Brunnen, die man
graͤbt, ihr Waſſer giebt. Dieſes iſt daraus klar und
offenbar, weil, wenn man hundert und zwanzig Fuß
tief in die Erde eingegraben hat, ſich alsdenn allent-
halben ein allgemeiner verſchiedene Fuß dicker Felſen
oder ſo genannter Zechſtein befindet. Dieſer muß
durchgearbeitet werden, weil unter demſelben das Waſ-
ſer ſtehet. Die Erfahrung hat denen Brunnengraͤ-
bern gelehret, daß ſie Vorſichten gebrauchen muͤſſen,
wenn dieſer Stein bis auf einige Zoll durchgearbei-
tet iſt. Denn wenn die endliche Oeffnung des Stei-
nes geſchiehet; ſo tringet das Waſſer mit ſolcher Ge-
walt und Heftigkeit in den neugegrabenen Brunnen,
daß ſich der Arbeiter, welcher den letzten Schlag thut,
um den Stein zu durchbrechen, kaum zeitig genug
retten kann. Gemeiniglich ſetzet ſich derſelbe auf ei-
nen Knebel oder Queerholz, welches unten an dem
Seile befeſtiget iſt, das man gebraucht hat, die Er-
de und Steine aus dem Brunnen heraus zu winden,
und welches oben durch eine Winde regieret wird. Der
Arbeiter oͤffnet alsdenn durch einen ſtarken Schlag mit
dem Hammer den bis auf wenige Zoll durchgearbeite-
ten Zechſtein, und giebt alsdenn durch Zucken mit dem
Seile das Zeichen, daß er ſchleunig heraufgewunden
werde, weil alsdenn nach gemachter Oeffnung das
Waſſer einige Mann hoch mit der groͤßten Gewalt in
den Brunnen eintringt. Daß aber hundert und
zwanzig Fuß tief unter dieſem ganzen Herzogthum ſich
nur eine einzige See befinde, welche allen Brunnen
Waſſer giebt, veroffenbahret ſich daraus ohngezwei-
felt,
[231]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
felt, weil man in dem ganzen Herzogthum ſogleich
wiſſen kann, wenn das Waſſer in einen neugegrabe-
nen Brunnen eingelaſſen wird. Jn allen uͤbrigen
Brunnen des Herzogthums faͤllt in eben dem Zeit-
puncte das Waſſer merklich nieder, bis es mit dem
neugegrabenen Brunnen wieder einen waagerechten
Stand erlanget.
Dieſes beweiſet genugſam, daß alle dieſe Brun-
nen unter der Erde den genaueſten Zuſammenhang mit
einander haben, und daß es eine einzige große unter-
irrdiſche See ſey, welche allen dieſen Brunnen Waſ-
ſer giebt. Bey Gelegenheit, dieſe Brunnen zu gra-
ben, hat man nun die allerungezweifeltſten Beweiſe und
Kennzeichen gefunden, daß unſer Erdcoͤrper vor der
jetzigen Bewohnung bereits zu drey verſchiedenen
Mahlen bewohnet geweſen ſey, und dieſes iſt es, was
in unſerer gegenwaͤrtigen Geſchichte des Erdcoͤrpers
allzu wichtig iſt, als daß ich es nicht meinen Leſern
umſtaͤndlich mittheilen ſollte.
Wenn man in dem Herzogthum Modena zwanzig
bis dreyßig Fuß tief zu dem Endzweck der Brunnen
in den Erdboden eingraͤbt; ſo findet man ſehr haͤufig
allerley Rudera und Grundmauern von Gebaͤuden,
wie auch allerley Geraͤthſchaften, die ſowohl zum Bau
der Haͤuſer, als zu andern Bequehmlichkeiten der Men-
ſchen gebrauchet werden. Einige Schriftſteller, die
uns dieſe Nachrichten von der Befchaffenheit des Her-
zogthums Modena mitgetheilet, und daruͤber Betrach-
tungen angeſtellet haben, ſind der Meynung geweſen,
daß man dieſe erſte Spuhren eines bewohnten Erd-
P 4coͤrpers
[232]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
coͤrpers noch zu unſerer jetzigen Zeitrechnung und Be-
voͤlkerung der Erde rechnen muͤſſe. Sie ſagen, es
faͤnden ſich in alten Geſchichtſchreibern einige Nachrich-
ten, daß die Gebirge um das Herzogthum Modena
herum in alten Zeiten, und ohngefehr zu der Zeit, da
Rom noch Koͤnige hatte, einige feuerſpeyende Berge
gehabt haͤtten. Es koͤnnte alſo gar wohl ſeyn, daß da-
durch dieſe Gegend verwuͤſtet, und mit der Aſche und
der Lava, oder Feuerſtroͤhmen aus dieſen feuerſpeyen-
den Bergen auf funfzehn bis zwanzig Fuß hoch bede-
cket worden ſey. Allein, zu geſchweigen, daß nicht
die geringſte Nachricht vorhanden iſt, wenn man auch
einiges Feuerſpeyen dieſer Gebirge zugiebt, daß da-
durch große Verwuͤſtungen veruhrſachet worden waͤ-
ren; ſo muͤßte ſich auch bey der Eingrabung die Lava,
oder die geweſenen Feuerſtroͤhme vorfinden und entde-
cken. Eine ſolche Lava iſt von allen andern Steinor-
ten genugſam zu unterſcheiden, ſowohl durch ihre
Farbe, als durch ihre glasachtige oder ſchlackenartige
Beſchaffenheit; und man hat ſie gar nicht verkennet,
als man zu unſern Zeiten die ehemahlige Stadt Hera-
clea wieder aufgegraben hat. Man findet aber nicht
die geringſte Nachricht, daß ſich in der funfzehn bis
zwanzig Fuß tiefen Erde, womit dieſe Ruinen von
Gebaͤuden bedecket ſind, etwas von einer dergleichen
Lava gefunden haͤtte. Es iſt auch in der Geſchichte
nichts bekannt, daß ſich ſeit den Zeiten der roͤmiſchen
Koͤnige in dieſer Gegend eine Ueberſchwemmung er-
eignet haͤtte, von dem bloßen Staube aber, oder von
der Verfaulung der Pflanzengewaͤchſe, kann in einer
Zeit von zweytauſend und etlichen hundert Jahren
kein
[233]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
kein Erdreich uͤber dieſen Ruinen entſtanden ſeyn, wel-
ches funzehn bis zwanzig Fuß tief ausmachte, zumahl,
wenn man erweget, daß das Herzogthum Modena ſeit
laͤnger als zweytauſend Jahren bewohnt geweſen, und
immer in dem gegenwaͤrtigen Zuſtande, was ſeine
Bewohnung und Bevoͤlkerung anbetrifft, geblieben iſt.
Doch, dem ſey wie ihm wolle, wenn auch dieſe er-
ſte Ruinen oder Merkzeichen einer bewohnten Oberflaͤ-
che der Erde zu unſerer jetzigen Zeitrechnung auf ir-
gend eine Art gerechnet werden koͤnnten; ſo iſt doch
ſolches in Anſehung der beyden folgenden Kennzeichen
einer bewohnten Oberflaͤche ganz ohnmoͤglich. Wenn
man naͤmlich vierzig Fuß tiefer bey dem Brunnenma-
chen eingraͤbt; ſo findet man allgemein abermahls alle
Kennzeichen einer ehedem bewohnt geweſenen Ober-
flaͤche der Erde. Es zeiget ſich ein durch die Bearbei-
tung und Miſtung ſchwarz gewordenes Erdreich von
mehr als einem Fuß tief. Jn dieſem ſchwarzen frucht-
baren Erdreich erkennet man ſehr deutlich die verſtei-
nerten Wurzeln von Gras und allen Arten von Pflan-
zengewaͤchſen ſowohl, als die Wurzeln von niedern
Holzungen und Gebuͤſchen, die ehedem in dieſer Ober-
flaͤche des Erdcoͤrpers ihre Nahrung gefunden haben.
Selbſt allerley Arten von Gebuͤſchen und Pflanzenge-
waͤchſen hat man hier verſteinert angetroffen. Ja
was noch mehr iſt, man hat einen vollkommenen Fei-
genbaum mit vielen noch daran ſitzenden Feigen vor-
ſteinert gefunden, der noch jetzo in dem Naturalien-
cabinette des Herzogs von Modena aufbewahret wer-
den ſoll. Es iſt offenbar, daß dieſe zweyte Bewoh-
P 5nung
[234]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
nung der Erde nicht zu unſerer Zeitrechnung gehoͤren
kann. Denn was vor einen unermeßlichen Zeitraum
muß man vorausſetzen, ehe dieſe zweyte Bewohnung
mit vierzig Fuß Erde iſt bedecket worden, um der
dritten Bewohnung Platz zu geben, die noch jetzo funf-
zehn bis zwanzig Fuß tief unter der Oberflaͤche der Er-
de verborgen iſt? Allein, dieſes iſt nicht genug.
Wenn man fuͤnf und zwanzig bis dreyßig Fuß tiefer
in den Erdboden eingraͤbt; ſo finden ſich alle Spuh-
ren und Kennzeichen einer dritten bewohnten Oberflaͤ-
che des Erdcoͤrpers; ein abermahliges ſchwarzes frucht-
bares Erdreich, in welchem ſich die Wurzeln der Pflan-
zengewaͤchſe, die dieſe Oberflaͤche ehedem hervorge-
bracht hat, verſteinert beſinden. Man findet uͤber-
dies auf und in dieſer ehemahligen Oberflaͤche viele
eiſerne Geraͤthſchaften, die zum Ackerbau und Wirth-
ſchaft dienen. Was aber inſonderheit bemerket zu
werden verdienet: Man hat eine verſteinerte Korn-
garbe auf dieſer dritten Bewohnung der Erde gefun-
den, die nicht allein noch zuſammen gebunden gewe-
ſen, ſondern an welcher auch alle Haͤlmer und Aehren
ſowohl, als die verſteinerten Roggenkoͤrner in denen
Aehren noch deutlich zu erkennen, und durch ge-
ſchickte Bemuͤhung von einander abzuſondern gewe-
ſen ſind.
Es iſt hieraus ganz klar und offenbar, daß vor
unſerer jetzigen Zeitrechnung Jtalien wenigſtens zwey-
mahl vorher bewohnet geweſen iſt, und daß dieſe Be-
wohnungen und Bevoͤlkerungen durch die Veraͤnderun-
gen der Pole und durch die dadurch veruhrſachte Aus-
tretung der Meere in das vorhin feſte Land wiederum
verwuͤ-
[235]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
verwuͤſtet und vernichtet worden iſt. Es waͤre zu wuͤn-
ſchen, daß man bey dieſer Grabung der Brunnen zu-
gleich auf die verſchiedenen Erdlagen und Erdſchich-
ten eine genaue Aufmerkſamkeit gerichtet und angezei-
get haͤtte, wie ſie in der Tiefe von hundert und zwan-
zig Fuß beſchaffen geweſen waͤren. Man wuͤrde dar-
aus haben beurtheilen koͤnnen, wie viel Ueberſchwem-
mungen zwiſchen einer jeden Bewohnung der Oberflaͤ-
che erfolget waͤren, und daraus auf den Zwiſchenzeit-
raum einigen Schluß haben machen koͤnnen. So viel
erinnere ich mich, daß in denen Nachrichten von die-
ſer unterirrdiſchen Beſchaffenheit des Herzogthums
Modena wirklich bemerket worden, daß zwiſchen de-
nen Kennzeichen einer jeden Bewohnung allemahl die
deutlichſten Spuhren von einem geweſenen Meeres-
grunde ſind bemerket worden. Es waͤre aber zu wuͤn-
ſchen, daß dieſes viel eigentlicher von der Dicke und
Staͤrke einer jeden darzwiſchen kommenden Erdlage
waͤre angezeiget worden.
Es iſt zweifelhaftig, ob man die unterirrdiſche
See, die ſich hundert und zwanzig Fuß tief unter der
Oberflaͤche des jetzigen Herzogthums Modena befindet,
als eine vierte ehemahlige Oberflaͤche der Erde betrach-
ten ſoll, oder nicht. Daß dieſe See wirklich vorhan-
den iſt, kann aus denen vorhergehenden Umſtaͤnden
nicht gelaͤugnet werden. Es iſt aber ſchwehr zu be-
greifen, wie eine ehedem auf der Oberflaͤche der Er-
de befindlich geweſene See bey allen durch die Austre-
tung der Meere, oder durch das unterirrdiſche Feuer
auf dem Erdboden geſchehenen Verwuͤſtungen und Ver-
aͤnderungen dergeſtalt in ihrem Zuſammenhange und
Zuſtande
[236]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
Zuſtande hat verbleiben koͤnnen, daß ſie nicht von
Schlamm und Felſenſtuͤcken unterbrochen, und außer
dem Zuſtande eines Zuſammenhanges geſetzet worden
waͤre. Man muß demnach viel eher annehmen, daß
dergleichen unterirrdiſche große Seen, Stroͤhme und
Gewaͤſſer von einer ehemahligen Beſchaffenheit unſers
Erdcoͤrpers herruͤhren, davon wir jetzo die Uhrſache
ohnmoͤglich einſehen koͤnnen.
Es iſt bekannt, daß es in dem oͤſterreichiſchen
Herzogthum Kaͤrnthen gleichfalls eine unterirrdiſche
See giebt, welche in einem genau zu beſtimmenden
Zeitpuncte uͤber die jetzige Oberflaͤche der Erde hervor-
ſtrudelt, eine große Oberflaͤche bedecket, und ſich auf
einem gewiſſen Tage wieder unter die Erde zuruͤckzie-
het, ſo, daß man in einer und eben derſelben Ober-
flaͤche der Erde in einem Jahre zugleich fiſchen, jagen
und erndten kann. Jch habe bey meinem Aufenthalte
zu Wien Gelegenheit, und ſogar Zuhoͤrer gehabt, die
aus dieſer Gegend gebuͤrtig geweſen ſind, um mich
nach der Wahrheit dieſer Sache genau zu erkundigen.
Ob nun zwar dasjenige, was Herr Huͤbner in ſeiner
Erdbeſchreibung, und der ſogenannte Antiquarius von
dieſer Sache melden, nicht auf das genaueſte mit de-
nen eigentlichſten Umſtaͤnden uͤbereintrifft; ſo iſt doch
die Sache an ſich ſelbſt ungezweifelt; und es iſt auf
keinerley Art zu laͤugnen, daß ſich in dieſer Gegend
eine unterirrdiſche See befinden muß, welche dieſe auſ-
ſerordentliche Naturbegebenheit veranlaſſet. Jndeſ-
ſen kann man deshalb nicht behaupten, daß dieſe un-
terirrdiſche See ehedem auf einer bewohnten Ober-
flaͤche
[237]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
flaͤche der Erde ſtatt gefunden habe. Die Waſſer un-
ter der Erde haben ihre beſondern Stroͤhme, Lauf und
Zuſammenhang; und ſie koͤnnen ſich durch einen uner-
meßlichen Zeitlauf gar wohl Hohlungen unter der Er-
de gemacht haben, die alle Beſchaffenheiten einer groſ-
ſen See haben. Jn denen Berggruben zu Schem-
nitz in Ungarn, welche gewiß die allergroͤßte Teufe er-
langet haben, die jemahls Bergwerke auf der Erde
erreichet haben koͤnnen, indem ſie bis vierhundert Lach-
tern tief ſind, woran man nunmehro ſeit vierzehnhun-
dert Jahren ununterbrochen arbeitet, hoͤret man in ei-
nem Stollen, der weit in den Felſen getrieben iſt, ſehr
deutlich das Vorbeyrauſchen eines ſtarken Waſſer-
ſtrohms, der von der Seite des Stollens kaum einen
Fuß dicke entfernet zu ſeyn ſcheinet, ſo daß, wenn
man dieſe duͤnne Scheidewand aus Verſehen durchge-
arbeitet haͤtte, alle Gruben des Schemnitzer Berg-
werkes ohne Rettung unter Waſſer geſetzet worden
waͤren.
Jedoch, das Herzogthum Modena iſt es nicht al-
lein, wo man die allerdeutlichſten Spuhren und Merk-
zeichen von einer mehr als einmahl bewohnten Ober-
flaͤche der Erde findet s). Als die großen Waſſer-
kuͤnſte
[238]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
kuͤnſte in dem praͤchtigen Garten zu Herrnhauſen bey
Hannover zu Stande gebracht wurden, die zwar nicht
wegen der Vielheit der Fontainen oder Springbrun-
nen, jedoch wegen der außerordentlichen Staͤrke des
Waſſerſtrohms, der aus der mittlern Fontaine in die
Hoͤhe ſteiget, und ſich uͤber dreyßig Fuß hoch in der
Dicke eines Mannscoͤrpers in die Luft erhebet, vor al-
len andern Waſſerkuͤnſten in Europa den Vorzug
verdienen; ſo ſah man ſich genoͤthiget, um nach
Verhaͤltniß des Steigens des Waſſers einen eben ſo
großen vorherigen Waſſerfall zu erlangen, die Waſſer
von weitem und einigen Meilen weit herbeygraben und
fuͤhren zu laſſen. Man durchgrub zu dem Ende ver-
ſchiedene Gebirge, die jedoch nicht ſehr betraͤchtlich wa-
ren. Bey dieſer Durchgrabung fand man dreyßig
bis vierzig Fuß unter der Oberflaͤche der Erde allent-
halben einen ehedem daſelbſt geweſenen Wald, davon
alle Staͤmme mit ihren Aeſten und Zweigen in eine
Art
s)
[239]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
Art der Verkohlung gegangen waren; jedoch noch al-
les Weſen und Natur des Holzes an ſich hatten, ſo,
daß die herausgegrabenen Staͤmme noch von denen
Einwohnern der benachbarten Gegend groͤßtentheils
zur Feuerung angewendet werden konnten. Es war
augenſcheinlich, daß dieſer Wald durch einen Sturm
und Ueberſchwemmung aus Suͤdweſten zu Boden ge-
faͤllet war; denn alle Spitzen der Baͤume und ihre
Zweige lagen nach Nordoſten zu. Es kann ſich wohl
niemand eine andere Erklaͤhrung dieſer Entdeckung
einfallen laſſen, als daß dieſer Wald ehedem die be-
wohnte Oberflaͤche des Erdcoͤrpers geweſen, und daß
dieſelbe bey Gelegenheit der Veraͤnderung der Pole und
dem dabey ſich ereignenden Sturme verwuͤſtet, zu
Grunde gerichtet, und mit einem ſtarken Schlamm
von Erde bedecket worden.
Als man aber dieſes Gebirge weiter durchgrub,
und funfzehn bis zwanzig Fuß tiefer kam; ſo fand
man abermahls die Baͤume von einem Walde, die
aber in einer ganz andern Richtung lagen, mit ihren
Spitzen und Zweigen, wo ich mich recht erinnere,
nach Suͤdweſt zugekehret, und alſo durch einen Sturm
und Ueberſchwemmung aus Nordoſt umgeſtuͤrzet und
niedergefaͤllet waren. Dieſer zweyte Wald befand ſich
in einer Art der Verſteinerung; jedoch hatte er noch
nicht den vollkommenen Grad der Steinwerdung errei-
chet. Jndeſſen war ſowohl aus den Staͤmmen ſelbſt,
als aus ihren Aeſten und Zweigen die vollkommenſte
Ueberzeugung vorhanden, daß dieſes ehedem wirklich
die Staͤmme und Baͤume eines Waldes geweſen wa-
ren;
[240]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
ren; folglich finden wir auch hier die deutlichſten Merk-
zeichen und Spuhren, daß die Oberflaͤche der Erde,
außer der jetzigen Bewohnung, ſchon zweymahl vorher
bewohnet und bevoͤlkert geweſen iſt.
Da die Waſſerleitungen nach Herrnhauſen zu
Stande gebracht waren, und alle dergleichen Entde-
ckungen nur zufaͤlliger Weiſe gemacht werden, ohne
daß jemand geneigt iſt, zu dergleichen Unterſuchun-
gen beſondere Koſten aufzuwenden; ſo wurde weiter
nicht in dieſer Gegend eingegraben, welches in der That
zu bedauren iſt; denn man wuͤrde wahrſcheinlich unter
denen beyden erſten Waͤldern noch einen dritten Wald
oder andere Kennzeichen einer dritten Bewohnung der
Erde gefunden haben. Man ſiehet aus dem vorher-
gehenden, daß dieſe Kennzeichen einer wiederholten
Oberflaͤche oder Bewohnung der Erde in Teutſchland
ziemlich mit eben dem Verhaͤltniſſe fortgehe, als ſich
nach unſerer obigen Ausfuͤhrung ſolches in dem Her-
zogthum Modena in Jtalien gezeiget hat. Wenn bey
Hannover die Erdlagen von einer Bewohnung des
Erdcoͤrpers zur andern nicht ſo ſtark waren, als in
Jtalien; ſo muß man dabey in Betrachtung ziehen,
daß obige Entdeckungen in Jtalien in einer ebenen
Oberflaͤche gemacht worden, die bey Hannover aber ſich
in einer Anhoͤhe, oder in einer Art von Gebirge vor-
gefunden haben, wo der Schlamm von Ueberſchwem-
mungen ſich nicht ſo ſtark anhaͤufen kann, als auf ei-
nem ebenen Boden.
Man wuͤrde dergleichen unterirrdiſche Entdeckun-
gen von einer zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſe-
nen
[241]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
nen Oberflaͤche der Erde in vielen andern Laͤndern gleich-
falls bey zufaͤlligen Eingrabungen in die Erde gefun-
den haben, wenn man genugſame Aufmerkſamkeit auf
dieſe ſeither unerkannte Wahrheit gerichtet haͤtte t).
Und wenn nicht alle Gelehrte bis hieher mit dem Vor-
urtheil eingenommen geweſen waͤren, daß alle Rui-
nen und Merkzeichen einer vormahligen Bewohnung
der Erde von denen Zeiten der Roͤmer herzuleiten ſey.
Man hat in Portugall, in Spanien, in Jtalien, in
Frankreich und Engelland ſeit zweyhundert Jahren gar
oͤfters Ruinen von Gebaͤuden, Grabmaͤhler, Bild-
ſaͤulen, Amphitheatra und andere Spuhren einer vor-
mahligen Bewohnung der Erde bey zufaͤlligen Eingra-
bungen in dieſelbe entdecket; allein, jedermann iſt ſo-
fort geneigt geweſen, alle dergleichen unterirrdiſche
Entdeckungen auf die Rechnung der ehemahligen roͤ-
miſchen Oberherrſchaft und Colonien in dieſen Laͤndern
Qzu
[242]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
zu ſetzen. Die Gelehrten, welche ſich keine andere
Bevoͤlkerung der Erde einfallen ließen, wußten keine
andere Erklaͤhrung davon zu machen; und der unge-
lehrte Haufe betete alles dasjenige nach, was er von
den Gelehrten gehoͤret hatte. Wenn gleich auf ſol-
chen unter der Erde gefundenen Grabmaͤhlern, Bild-
ſaͤulen, Amphitheatris und dergleichen keine Jnnſchrif-
ten zu finden waren; ſo war man doch ſehr ſinnreich,
alles auf die roͤmiſche Bauart und Gewohnheiten aus-
zudeuten, die aber bey einer gruͤndlichen Unterſuchung
einen richtigen Probierſtein wenig ausgehalten haben
wuͤrden. Und was ſollten vor zureichende Bewegungs-
gruͤnde vorhanden ſeyn, alles, was einige Aehnlich-
keit mit der roͤmiſchen Bauart und Gewohnheit haͤtte,
denen Roͤmern beyzumeſſen? Gerade, als wenn die
vernuͤnftigen Bewohner des Erdcoͤrpers vor einigen
hundert tauſend Jahren nicht eben den Erfindungsgeiſt
und den Verſtand beſeſſen haben koͤnnten, den die Roͤ-
mer gehabt haben. Wir haben aus denen vorigen
Abſchnitten uͤberzeugend wahrgenommen, daß die Men-
ſchen, welche vermuthlich vor einem unermeßlichen
Zeitraume unſerer jetzigen Zeitrechnung die Erde be-
wohnet haben, alle Einrichtungen und Bequehmlichkei-
ten eines Meerhafens ſo gut verſtanden haben, als
wir, wie ſich aus dem in Schweden auf einem hohen
Gebirge entdeckten Meerhafen genugſam gezeiget hat.
Die Bewohner der Erde in einem ſo unermeßlichen
Zeitalter verſtanden eben ſo gut, als wir, die Schiffs-
baukunſt, und wußten ſich Waffen zu ſchmieden, die
ihnen zu ihrer Vertheidigung dienlich waren; wie ſich
aus dem in der Schweiz in einem Gebirge vor-
gefun-
[243]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
gefundenen verſteinerten Schiffe klar zu Tage gele-
get hat.
Man kann vor gewiß annehmen, daß alle Rui-
nen und Kennzeichen, die ſich mehr als zehn bis zwoͤlf
Fuß tief unter der Erde entdecken, nicht zu unſerer je-
tzigen Zeitrechnung und Bevoͤlkerung gehoͤren. Ein
ſtaͤrkeres Erdreich, welches dergleichen Ruinen u) be-
decket, ſetzet eine oft wiederholte Ueberſchwemmung
voraus, davon wir gleichwohl in unſerer jetzigen Zeitrech-
nung nichts wiſſen. Eine andere Uhrſache, wie der-
gleichen Ruinen ſo tief unter die Erde gekommen ſeyn
ſollten, laͤßt ſich ſchwehrlich vorſtellen. Die Men-
ſchen ſind wenig geneigt, eine ſo unbeſchreibliche Ar-
beit zu uͤbernehmen, und die Ruinen der Staͤdte und
anderer ehedem auf der Oberflaͤche erbauet geweſenen
Gebaͤude und Denkmaͤhler ſo ſtark mit Erde zu bede-
cken, es ſey denn, daß ſie andere Gebaͤude darauf
auffuͤhren, oder den Grund zum Ackerbau gebrauchen
wollten. Dasjenige wenige Erdreich aber, womit
der Staub oder die verfaulte Erde von Pflanzenge-
waͤchſen die Oberflaͤche der Erde bedecken kann, iſt von
gar keiner Erheblichkeit, und kann in zweytauſend
Q 2Jahren
[244]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
Jahren kaum einige Zoll hoch betragen. Jch werde
dieſes bald in unlaͤugbaren Beyſpielen beweiſen.
Wenn man nach dieſen einmahl erkannten und un-
gezweifelten Grundſaͤtzen diejenigen Ruinen und andere
Kennzeichen einer vormahligen Bewohnung der Erde,
die ſich ſeit zweyhundert Jahren in obgedachten Laͤn-
dern entdecket haben, haͤtte unterſuchen ſollen; ſo wuͤr,
de ſich bald gezeiget haben, daß die meiſten davon kei-
nesweges von denen Zeiten der Roͤmer herruͤhren koͤn-
nen. Sie ſind gemeiniglich zehen, zwoͤlf, funfzehn
und mehrere Fuß unter der Erde gefunden worden,
und haben außer denen vorgefaßten Meynungen der
Gelehrten nichts an ſich gehabt, was einen ungezwei-
felten roͤmiſchen Uhrſprung haͤtte anzeigen koͤnnen.
Jch kann bey dieſer Gelegenheit nicht unterlaſſen, ei-
nes Denkmahls des Alterthums zu erwaͤhnen, welches
die unbegreifliche Frau Gamaſche in Liſſabon, die un-
ſern Zeiten noch immer ein Raͤthſel bleiben wird, auf
einer Reiſe durch Portugall uͤber dreyßig Fuß unter der
Erde entdecket hat.
Wenn man verſchiedenen Reiſebeſchreibern und
andern Nachrichten glauben beymeſſen darf; ſo hat die-
ſe Frau die Gabe beſeſſen, tief in den Schooß der Er-
de hinein zu ſehen. Dieſe Eigenſchaft entdeckte ſich
an derſelben, als ſie noch ein Kind von drey bis vier
Jahren war, und wo man alſo am wenigſten einen
Betrug vermuthen konnte. Sie ſagte in dieſem Al-
ter, als ihre Magd den Tiſch deckte, daß dieſelbe ein
Kind im Leibe haͤtte, ehe man die geringſte Vermu-
thung einer Schwangerſchaft von der Magd hatte.
Sie
[245]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
Sie beſchrieb die Groͤße, Lage und Stellung des Kin-
des in der Magd Leibe ſo genau, daß ſie dadurch alle
moͤgliche Aufmerkſamkeit erregen mußte; und als die
Sache durch den Erfolg beſtaͤtiget wurde, ſo uͤbten alle
vornehme Damen in Liſſabon die verwundernswuͤrdige
Gabe dieſes Kindes dadurch, daß ſie ihre traͤchtigen
Schooßhuͤndinnen zu derſelben brachten, und ſich von
derſelben vorher ſagen ließen, mit wie viel Jungen
ihr Schooßhuͤndchen traͤchtig ſey, und von was vor
Farbe die Jungen waͤren. Dasjenige, was das Kind
hieruͤber ausſagte, wurde hernach allemahl richtig be-
funden. Bey heranwachſenden reiferen Jahren ge-
brauchte dieſes Frauenzimmer, welches gar nicht von
armen und unangeſehenen Aeltern abſtammte, ihre
verwundernswuͤrdige Eigenſchaft, durch alle dichte Coͤr-
per hindurch zu ſehen, daß ſie ſowohl Diebſtaͤhle in
denen verborgenſten Winkeln der Haͤuſer entdeckte, als
daß ſie auch denenjenigen, die Brunnen graben, oder
Metalle oder dergleichen unter der Erde ſuchen woll-
ten, die Quellen, oder was ſonſt dem Endzweck ihres
Suchens gemaͤß war, anzeigete. Es iſt in der That
zu bedauren, daß das Vorhaben der Academie zu Pa-
ris dieſes erſtaunenswuͤrdige Frauenzimmer, welches
uͤberdem eine große Schoͤnheit beſeſſen hat, nicht in
Erfuͤllung gekommen iſt, daſſelbe perſoͤnlich nach Pa-
ris kommen zu laſſen, um zu unterſuchen, ob dieſe
erſtaunliche Eigenſchaft in der natuͤrlichen Beſchaffen-
heit ihrer Augen, oder ſonſt in einer natuͤrlichen Ei-
genſchaft ihres Coͤrpers einen begreiflichen Grund ge-
habt habe; ein Vorhaben, welches theils durch die
Eiferſucht ihres Ehemannes, des Herrn Gamaſche,
Q 3welcher
[246]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
welcher dieſem Fehler, ohngeachtet er ein Franzoſe von
Geburth war, ſehr ergeben zu ſeyn ſchien, theils durch
die Spahrſamkeit des franzoͤſiſchen Hofes, nach dem
Bericht einiger Schriftſteller, vereitelt worden iſt.
Die unbegreifliche Frau Gamaſche that einſt-
mahls in Geſellſchaft einiger Freunde eine Reiſe durch
einen Theil von Portugall, und paßirte auf ihrem
Wege ein mittelmaͤßiges Gebirge. Von ohngefehr
ſah ſie aus dem Wagen heraus, befahl ſtille zu hal-
ten, und ſagte: daß etliche dreyßig Fuß tief in die-
ſem Gebirge ein bewundernswuͤrdiges Denkmahl des
Alterthums befindlich ſey. Es ſey ein Becken oder
Baßin von betraͤchtlicher Groͤße, das mit denen vor-
trefflichſten Arbeiten gezieret ſey. Die Stelle wurde
von der Frau Gamaſchinn und ihren mitreiſenden
Freunden genau bemerket, und nach ihrer Zuruͤckkunſt
nach Liſſabon dem Hofe angezeiget, welcher nach der
Anweiſung der Frau Gamaſche eingraben, und
dieſes ſchaͤtzbare Ueberbleibſel einer ehemahligen Be-
wohnung der Erde, vielleicht in einem unermeßlichen
Zeitraume vor unſerer gegenwaͤrtigen Bevoͤlkerung des
Erdcoͤrpers, herausgraben ließ.
Es iſt gar keine Wahrſcheinlichkeit vorhanden,
daß dieſes Denkmahl einer ehemahligen Bewohnung
der Erde von den Zeiten der Roͤmer oder der Cartha-
ginienſer herzuleiten ſey. Wir kennen alte beruͤhmte
Staͤdte in dem damahligen Luſitanien, welche zu die-
ſen Zeiten bluͤhend waren, und durch das nachfolgen-
de Ungluͤck der Kriege und Zerſtoͤhrungen ihren Unter-
gang gefunden haben; und wir wiſſen ziemlich genau
die
[247]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen
die Stellen, wo dergleichen beruͤhmte Staͤdte gewe-
ſen ſind. Allein, in dieſer Gegend iſt nicht das ge-
ringſte von einer anſehnlichen Stadt oder Luſtſchloſſe
eines Fuͤrſten bekannt, welches man doch bey die-
ſer außerordentlichen Entdeckung nothwendig voraus-
ſetzen muͤßte.
Ueberhaupt laͤßt ſich mit einer Art von Gewißheit
behaupten, daß außer ganz außerordentlichen Ueber-
ſchwemmungen, davon man doch aber in denen Ge-
ſchichten Nachricht haben muͤßte, dergleichen Ueber-
bleibſel von der roͤmiſchen Bauart und Colonien nicht
ſo tief unter der Erde vergraben worden ſeyn koͤnnten.
Jch habe ſchon oben geſagt, daß der Staub, welcher
von dem Winde auf eine Oberflaͤche getrieben werden
kann, und etwan von denen verfaulten Pflanzenge-
waͤchſen entſtehet, von geringer Erheblichkeit iſt, und
in einigen tauſend Jahren kaum einige Zoll tief Erde
ausmachen kann. Es wird meinen Leſern nicht unan-
genehm ſeyn, wenn ich dieſes durch einige offenbare
und ſehr uͤberzeugende Beyſpiele beweiſe.
Etwan eine kleine Meile von Wien liegt die Herr-
ſchaft Rodaun, die in den Jahren 1749 bis 1753 dem
Herrn Baron von Sauberskirchen, einem ſehr wuͤr-
digen Manne, und meinem guten Freunde und Be-
kannten zugehoͤrete. Es iſt eine allgemeine Sage,
daß ehedem ohnweit Rodaun ein roͤmiſches Winterla-
ger geweſen iſt. Man weis, daß bey den Roͤmern
faſt alle Legionen auf denen Graͤnzen des roͤmiſchen
Reichs gegen die Barbaren ihre beſondere Winterlaͤ-
ger hatten. Dieſe Winterlaͤger beſtanden aus ziem-
Q 4lich
[248]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
lich dauerhaftigen Huͤtten von Holz und Leimen, oder
Erde, hatten ihre Einrichtungen oder Abtheilungen ih-
ren Markt- und Gerichtsplatz, waren mit beſondern
Thoren verſehen, und hatten ihren Wall oder Befe-
ſtigung gegen einen Angriff der Feinde; und eine roͤ-
miſche Legion bezog gemeiniglich zehen, zwanzig und
mehrere Jahre hinter einander eben daſſelbe Winter-
lager, wenn es die Veraͤnderung und Erweiterung der
Graͤnzen nicht nothwendig machte, einen andern Platz
zum Winterlager zu erwaͤhlen. Daß dieſe alte Sage
von einem zu den Zeiten der Roͤmer bey Rodaun ge-
weſenen Winterlager einer roͤmiſchen Legion wirklich
gegruͤndet ſey, das zeigen noch heutiges Tages die roͤ-
miſchen Muͤnzen, die man auf denen Feldern, wo die-
ſes Winterlager geweſen iſt, gar nicht ſpahrſam
findet.
Wenn naͤmlich dieſes Feld umgepfluͤget wurde,
ſo waren die Knaben zu Rodaun und in denen benach-
barten Doͤrfern eifrig bemuͤhet, dergleichen roͤmiſche
Muͤnzen aufzuſuchen; es waren die meiſten ſilberne
Nummi von der Groͤße eines Groſchens, die aber
wohl drey bis viermahl dicker waren, und wovon die
meiſten die Bildniſſe des Nero, des Galba, des Ve-
ſpaſians, des Titus, und anderer nachfolgenden roͤ-
miſchen Kaiſer auf ihrem Gepraͤge hatten. Der Herr
Baron von Sauberskirchen hatte dieſe Knaben be-
reits an ſich gewoͤhnet, daß ſie einen gewiſſen Abſatz
bey ihm verſichert waren; und er bezahlte einem jeden
vor dergleichen Stuͤck roͤmiſche Silbermuͤnze einige
Kaiſergroſchen. Auf dieſe Art hatte er bereits einige
hundert Stuͤck von dergleichen ſilbernen roͤmiſchen
Nummis
[249]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
Nummis an ſich gebracht, die roͤmiſchen Kupfermuͤn-
zen ungerechnet.
Es ſind wenigſtens ſiebenzehnhundert Jahre ver-
floſſen, da ein roͤmiſches Winterlager auf dieſer Stelle
geweſen ſeyn kann; dennoch werden dergleichen roͤmi-
ſche Muͤnzen noch immer mit dem Pfluge aus der Er-
de herausgepfluͤget. Dieſes beweiſet unlaͤugbar, daß
binnen einer ſolchen langen Reihe von Jahrhunderten
dieſe Gegend mit keiner Erde von einiger Betraͤcht-
lichkeit bedecket ſeyn kann. Man muß hierbey in Be-
trachtung ziehen, daß die Donau, einer der groͤßten
Fluͤſſe in Teutſchland, welche denen Ueberſchwem-
mungen ſehr unterworfen iſt, ſich von dieſer Gegend
kaum eine kleine Meile entfernet befindet, und daß es
mithin eher als in andern Gegenden zu vermuthen
waͤre, daß ſich ihre Ueberſchwemmungen in einem ſo
langen Zeitraume bis dahin erſtrecket haͤtten.
Jch will noch ein anderes Beyſpiel anfuͤhren, da-
von ich ſelbſt gleichſam Augenzeuge geweſen bin, und
welches klar beweiſet, von was geringer Erheblichkeit
das Erdreich iſt, welches ſich binnen tauſend und mehr
Jahren auf der Oberflaͤche des Erdcoͤrpers anhaͤufen
kann. Hinter dem Schloſſe des Herrn Grafen Erd-
mann von Werthern zu Beuchlingen befand ſich ein
geraumes Ackerfeld, welches einen Wald an der Seite
hatte.
Als einſtmahls im Herbſt ein Ackerknecht des
Pachtamtmanns des gedachten Herrn Grafen das be-
ſaͤete Feld mit der Egge uͤberfahren ſollte; ſo merkte
er, daß das Pferd, auf welchem er ritt, etwas hinkte.
Q 5Er
[250]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
Er ſah nach deſſelben Fuß, und fand, daß dieſes Hin-
ken daher entſtanden, weil das Pferd einen großen gel-
ben Rinken von dem ſchoͤnſten Anſehen des Goldes um
ſeinen Fuß hatte, oder vielmehr in denſelben eingetre-
ten war, und denſelben mit fortſchleppte, welches dem-
ſelben im Fortſchreiten eine merkliche Hinterniß ver-
uhrſachte.
Der Knecht ſtieg ab, um das Pferd von dieſem
Rinken zu entledigen. Als derſelbe in dieſer Arbeit
begriffen war, ſo erſchallte aus dem nahen Walde ein
ungeheures Bruͤllen in ſeinen Ohren. Er wendete
ſeine Augen dahin; und wenn man ſeinem Berichte
Glauben beymeſſen darf, ſo ſah er eine ungeheure
menſchliche Maſchine in der Groͤße von drey Manns-
hoͤhen vor dem Walde ſtehen, von welcher dieſes Bruͤl-
len herruͤhrete, und welche uͤberdies ein erſchreckliches
Anſehen hatte. Der Knecht, welcher vor dieſer Er-
ſcheinung mit allen Folgen des Schreckens und der
Furcht eingenommen wurde, machte ſogleich den Fuß
des Pferdes von dieſem Rinken los, ſchwang ſich mit
demſelben in der Hand wieder auf ſein Pferd, eggete
ſeinen Strich fort bis an das Schloß, kehrete daſelbſt
ein, ohne ſeine Arbeit fortzuſetzen, erzaͤhlte dem
Pachtamtmann ſeinen gehabten Vorfall, uͤbergab ihm
den Rinken, legte ſich zitternd von ſeinem Schrecken
zu Bette, und ſtarb noch deſſelben Nachmittags.
Dieſer Rinken wurde ſogleich als ein Gegenſtand ei-
ner großen Aufmerkſamkeit betrachtet. Man urtheil-
te, wo dieſer Rinken geweſen waͤre, wuͤrden vielleicht
noch andere von eben dieſer Art anzutreffen ſeyn.
Nach vielem vergeblichen Suchen, weil die Fußtapfen,
die
[251]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
die der Knecht bey dem Abſteigen vom Pferde, um
den Fuß deſſelben von dem Rinken zu befreyen, ge-
macht hatte, durch die nachfolgende Egge wieder zu-
geſtrichen worden war, fand man endlich noch zwey
und zwanzig Rinken von eben dergleichen Metall und
Schoͤnheit des Anſehens, welches in der That dem
Golde vollkommen aͤhnlich zu ſeyn ſchien, jedoch von
ſehr verſchiedener Groͤße, ſo, daß man ſie in drey
Claſſen, als in große, mittlere und kleinere fuͤglich
eintheilen konnte. Dieſe Rinken waren ohngefehr
zwey Zoll breit, auf der aͤußern Seite mit ſchoͤnem
Laubwerke und Blumen gezieret, zum Beweiſe, daß
man in dem Alterthum an kuͤnſtlichen Arbeiten nicht
ſo großen Mangel gehabt hat, als wir aus Einbil-
dung auf die Geſchicklichkeit unſerer Zeiten uns zu
uͤberreden geneigt ſind. Auf der aͤußern Oberflaͤche
eines jeden Rinken waren vier, fuͤnf bis ſechs kleinere
Ringe, etwan in der Groͤße eines Guldens befeſtiget,
die daran beweglich herunter hiengen. Sowohl der
Herr Graf, als verſchiedene andere vernuͤnftige Leute,
welche dieſe Rinken in Augenſchein zu nehmen Gele-
genheit hatten, waren der Meynung, daß dieſe Rin-
ken ehedem zu Zeiten des Heydenthums zur Einfaſſung
irrdener oder hoͤlzerner Urnen gedienet haͤtten, und
daß man an den kleinen Rinken die Urnen in der Feyer-
lichkeit des Leichenbegaͤngniſſes getragen haͤtte, wie es
auch der Natur der Sache nach nicht anders ſeyn
konnte.
Die Sache machte in daſiger Gegend viel Auffe-
hens. Des Herzogs Adolphs von Sachſen-Weißen-
fels Durchlauchten erfuchten den Herrn Grafen von
Beuch-
[252]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
Beuchlingen, ihn dieſe Ueberbleibſel des Alterthums
ſehen zu laſſen; und der graͤfliche Amtmann wurde
mit dieſen Rinken nach Weißenfels abgeſchicket. So-
wohl des Herrn Herzogs von Weißenfels Durchlauch-
ten, als ſein ganzer Hof, waren eben der Meynung,
daß es Rinken von alten heydniſchen Urnen waͤren.
Jndeſſen wollte ſich doch der Herr Graf von Beuch-
lingen dabey nicht beruhigen. Er ſendete ſeinen Amt-
mann mit allen dieſen Rinken an den damahls noch le-
benden Canzler der Univerſitaͤt Halle, Peter von
Ludewig, ab. Dieſer ſonſt ſehr gelehrte Mann hat-
te von dieſem Ueberbleibſel des Alterthums eine ganz
außerordentliche Meynung, die aber ſehr wenig Bey-
fall fand. Er glaubte, daß dieſe Rinken Zierrathen
an roͤmiſchem Pferdezeuge geweſen waͤren. Was das
Metall anbetrifft, ſo befand ſich bey dem Probiren,
daß es zwar kein Gold war; aber doch in dem Cent-
ner uͤber zwey Pfund Gold und Silber in ſeiner Grund-
miſchung hatte. Es war alſo eine Art von Corinthi-
ſchem Erz, oder eine Compoſition von Tomback, die
aber uͤberaus ſchoͤn war, und unſerm heutigen Tom-
back gewiß weit vorzuziehen iſt: denn ich glaube nicht,
daß unfer heutiger Tomback tauſend Jahr in der Erde
liegen koͤnnte, ohne groͤßtentheils zu Gruͤnſpahn zu
werden, oder wenigſtens doch allen ſeinen aͤußerlichen
Glanz und Schoͤnheit zu verliehren.
Man mag die Zeit noch ſo kurz annehmen, daß
auf dieſem Acker ein Begraͤbnißorth einer vornehmen
heydniſchen Familie geweſen iſt; ſo ſind doch allemahl
wenigſtens tauſend Jahre verfloſſen; allein, dieſe Ur-
nen
[253]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
nen koͤnnen eine viel laͤngere Zeit daſelbſt gelegen ha-
ben. Jn dem Koͤnigreich Thuͤringen, wozu dieſe Ge-
gend gehoͤret hat, gab es ſchon im vierten und fuͤnf-
ten Jahrhunderte viele Chriſten; und im ſechſten und
ſiebenden Jahrhunderte waren bereits alle Thuͤringer
zum chriſtlichen Glauben bekehret. Ueberdies hat das
Heydenthum vorher einige tauſend Jahr in dieſer Ge-
gend geherrſchet; und man hat eben keinen Grund an-
zunehmen, daß dieſe Urnen von den letztern Zeiten des
Heydenthums herruͤhren.
Dennoch ſind dieſe Urnen und die daran geweſe-
nen Rinken in einem ſo langen Zeitraume ſo wenig mit
Erde bedecket worden, daß ſie noch zu unſern Zeiten
mit dem Pfluge herausgepfluͤget werden konnten.
Noch einmahl alſo, die Erde, welche ſich durch den
Staub und die verfaulten Pflanzengewaͤchſe auf der
Oberflaͤche anhaͤufet, kann nur von geringer Erheb-
lichkeit ſeyn, und in anderthalb bis zweytauſend Jah-
ren kaum einige Zoll hoch betragen. Man muß hier-
von um ſo mehr verſichert ſeyn, da der Acker, auf
welchem dieſe Entdeckung gemacht wurde, nahe bey
einem großen Walde war, und eine Viertelſtunde lang
an demſelben hinaufgieng, ſo, daß dieſer Acker im
Herbſt und Winter mit Blaͤttern, die der Wind aus
dem Walde dahin wehete, bedecket wurde.
Vergeblich ſuchet man alſo durch die in nachfol-
genden Zeiten entſtandene Erde die Sache zu erklaͤh-
ren, wenn Ueberbleibſel ſolcher Zeiten, die gar nicht
zu unſerer jetzigen Zeitrechnung gehoͤren, unter der
Erde gefunden werden. Dinge, die nur zehen,
zwoͤlf
[254]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
zwoͤlf und mehrere Fuß tief aus der Erde herausgegra-
ben werden, haben daſelbſt gewiß laͤnger als einige
tauſend Jahre gelegen; es ſey denn, daß man Nach-
richten von Ueberſchwemmungen in daſiger Gegend
haͤtte, oder ſonſt beſondere Umſtaͤnde ein anderes Ur-
theil veranlaßten. Nachdem ich alſo den Einwand
genugſam aus dem Wege geraͤumet habe, daß die
nach und nach vom Staube und verfaulten Pflanzen-
gewaͤchſen entſtandene Erde Ueberbleibſel des Alter-
thums viele Fuß tief bedecken koͤnne; ſo will ich noch
einige uͤberzeugende Beyſpiele anfuͤhren, daß Teutſch-
land und andere Laͤnder von Europa vor unſerer jetzi-
gen Bewohnung mehr als einmahl ſchon vorhero be-
wohnet geweſen ſind, nachhero aber wiederum zum
Grunde des Meeres gedienet haben.
Man hat bey Bruͤgge in Flandern funfzig Lach-
tern tief unter der Erde einen ganzen Wald entde-
cket. Starke Baͤume ſind daſelbſt allenthalben ver-
ſteinert gefunden worden. Dieſe Baͤume haben ihre
Zweige, und ſo gar oͤfters ihre Blaͤtter verſteinert an
ſich gehabt x). Was vor einen unermeßlichen Zeit-
raum muß man nicht vorausſetzen, ehe dieſer einſtmahls
daſelbſt geweſene Wald funfzig Lachtern oder dreyhun-
dert Fuß tief mit Erde und ſo vielen darauf liegenden
ſehr verſchiedenen und beſondern Erdlagen hat bede-
cket werden koͤnnen?
Eben ein ſolcher ehemahls geweſener Wald iſt
auch in Boͤhmen bey Orbiſſau durch Gelegenheit der
Eiſen-
[255]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
Eiſengruben funfzehn bis zwanzig Fuß tief unter der
Erde entdecket worden. Allein, an ſtatt der Verſtei-
nerung ſind die Baͤume in Eiſenerz verwandelt wor-
den. Jndeſſen haben dieſe Staͤmme noch alle Aeſte
und Zweige gehabt; und niemand hat den geringſten
Zweifel tragen koͤnnen, daß dieſes nicht ehedem Baͤu-
me eines Waldes geweſen ſind. Man hat auch dieſe
zu Eiſenſtein gewordenen Staͤmme wirklich zum Ei-
ſenſchmelzen angewendet, und hat ſie noch ergiebi-
ger gefunden, als die uͤbrigen Eiſenſteine, mit wel-
chen ſie umgeben geweſen ſind. Auch hier kann man
ſich keine andere Vorſtellung als von einem unermeß-
lich langen Zeitraume machen, in welchem eine ſolche
Veraͤnderung ſich hat ereignen koͤnnen.
Faſt allen Liebhabern des Mineralreichs, welche
Erzſtufen und Voßilien zu ſammlen pflegen, ſind
die Frankenbergiſchen ſilbernen Kornaͤhren genugſam
bekannt, welche zu Frankenberg in Heſſen in denen
daſigen Bergwerken viele Lachtern tief unter der Er-
de gefunden werden. Man nennet ſie ſilbern, ob-
gleich ihr Gehalt von dieſem edlen Metall, ohngeach-
tet ihres weißgrauen Anſehens, nur ſehr geringe iſt,
ſondern der groͤßte Theil ihrer Grundmiſchung aus
Schwefel, Spießglas und andern Halbmetallen be-
ſtehet. Jch habe, als ich mich in Goͤttingen befand,
von der Guͤtigkeit des Herrn von Waitz, einem wuͤr-
digen Sohne des bekannten vortrefflichen Herrn Mi-
niſters dieſes Nahmens, der damahls in Goͤttingen
ſtudirte, zwoͤlf Stuͤck dieſer ſilbernen Kornaͤhren er-
halten. Es iſt wahr, bey einigen muß man eine
gute Einbildungskraft zu Huͤlfe nehmen, wenn man
die
[256]VII. Abſchn. Erweis, daß die Erde
die Geſtalt der Kornaͤhren daran erkennen will.
Allein, bey vielen andern kann man ohnmoͤglich zwei-
feln, daß ſie nicht ihren erſten Uhrſprung wirkli-
chen Kornaͤhren zu danken haͤtten, indem man ſo
gar die Stellen deutlich wahrnehmen kann, wo ehe-
dem die Rockenkoͤrner geſeſſen haben, deren Figur
noch ziemlich deutlich in der Vererzung zu ſehen
iſt. Dieſe Deutlichkeit der einen ſolcher Kornaͤh-
ren redet auch vor die Undeutlichkeit der andern,
die vermuthlich unter beſondern Umſtaͤnden und un-
ter dem Drucke fremder Coͤrper, oder durch die ſchon
zu weit gegangene Faͤulung die Deutlichkeit ihrer
vorigen Geſtalt verlohren gehabt haben, ehe die
Vererzung ihren Anfang genommen hat. Man
muͤßte ſehr geneigt ſeyn, ſich ſelbſt zu betruͤgen, wenn
man glauben wollte, daß dieſe ehemaligen Kornaͤh-
ren von der jetzigen Bewohnung des Erdcoͤrpers
waͤhrend unſerer Zeitrechnung herruͤhreten. Wir
wiſſen aus dem Tacitus, daß die wenigſten teut-
ſchen Voͤlker nicht einmahl zu ſeiner Zeit Korn-
bau getrieben haben; ſondern ſie haben ſich ledig-
lich von der Jagd und der Viehzucht ernaͤhret.
Wenn aber auch ſchon zu Tacitus Zeiten und viele
Jahrhunderte vorher in dieſer Gegend Kornbau
waͤre getrieben worden; wie haͤtten dieſe Kornaͤh-
ren ſo tief, und wohl dreyßig bis vierzig Lachtern
unter die Erde kommen und mit Metall und Halbme-
talle vererzet werden koͤnnen?
Aus demjenigen, was ich nunmehro in dieſem
und denen beyden vorhergehenden Abſchnitten vorge-
tragen habe, ſchmeichele ich mir, alle Leſer von Ein-
ſicht
[257]zu verſchiedenen Mahlen bewohnt geweſen.
ſicht und guter Beurtheilung vollkommen uͤberzeu-
get zu haben, daß ſich in Zeiten, die unermeßlich
lange vor unſerer jetzigen Zeitrechnung vorhergegan-
gen ſind, zu vielen Mahlen die Pole veraͤndert ha-
ben, daß dadurch erſtaunliche Verwuͤſtungen und
Unordnungen auf unſerm Erdcoͤrper erfolget ſind,
daß die Meere ihre vorigen Ufer verlaſſen und das-
jenige zu dem Grunde des Meeres gemacht haben,
was vorhin feſtes und bewohntes Land geweſen iſt,
daß durch abermahlige ſolche Veraͤnderung die Mee-
re wiederum andere Stellen genommen, und das-
jenige noch einmahl zum feſten und trockenen Lan-
de gemacht haben, was ſchon dergleichen in unermeß-
lich aͤltern Zeiten geweſen war, daß dieſes wiederher-
geſtellte feſte Land abermahls bewohnet und bevoͤlkert
worden, und nach langen Zwiſchenzeiten dennoch wieder
zum Grunde des Meeres geworden iſt. Wenn man alle
dieſe Veraͤnderungen und die ſehr langen Zwiſchenzei-
ten, die man zu denen abermahligen wiederholten Be-
wohnungen vernuͤnftiger Weiſe nothwendig annehmen
muß, nur einigermaaßen berechnet; wenn man die ſehr
vielen verſchiedenen Erdlagen oder Erdſchichten, aus
welchen die Erde in denen Ebenen beſtehet, und bey
welcher man obangezeigter Maaßen allemahl eine Ue-
berſchwemmung der Meere, oder einen geweſenen Mee-
resgrund vorausſetzen muß, nur einigermaßen erweget;
ſo muß man uͤber das Alterthum unſers Erdcoͤrpers er-
ſtaunen, und vier bis fuͤnfmahl hunderttauſend Jahre
koͤnnen zu ſo vielen Veraͤnderungen kaum zureichend ſeyn.
RAchter
[258]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
Achter Abſchnitt.
Von denen Verſteinerungen, ſo unter
der Erde gefunden werden, und wie man daraus
ein hohes Alterthum des Erdcoͤrpers urthei-
len muͤſſe.
Die verſchiedenen Beſchaffenheiten der Gebirge
auf dem Erdcoͤrper, der Zuſtand der unauf-
hoͤrlich abwechſelnden Erd- und Steinlagen
unter ſeiner Oberflaͤche in ebenen Gegenden, die Spuh-
ren und Merkzeichen eines ehedem in dem Erdcoͤrper
ſtatt gefundenen Brandes, die uͤberzeugenden Merk-
mahle, daß das jetzt bewohnte Land mehr als einmahl
der Grund des Meeres geweſen, und hernach wieder
vom neuen von Menſchen bewohnet worden; das ſind
gleichſam die alten Uhrkunden, aus welchen wir die
Geſchichte unſers Erdcoͤrpers zuſammen ſuchen, und
aus ihrem halb vermoderten Staube beſchreiben muͤſ-
ſen. Es iſt von allen dieſen Uhrkunden weiter nichts
uͤbrig, als die Verſteinerungen, die unter der Erde
gefunden werden. Aber auch dieſe ſind ſo wichtig,
und haben alle Glaubwuͤrdigkeit der zuverlaͤßigſten und
aͤlteſten Geſchichtſchreiber und Uhrkunden vor ſich, daß
wir dieſelben nicht mit Stillſchweigen vorbeygehen koͤn-
nen; und dieſer Abſchnitt iſt beſtimmt, dieſelben un-
ſern Leſern vor Augen zu legen.
Da
[259]unter der Erde.
Da das Mineralreich ſelbſt das unterirrdiſche Ge-
biete der Natur ausmacht; ſo ſind es nur Ueberbleib-
ſel aus denen zwey andern Reichen der Natur, naͤm-
lich aus dem Thier- und Pflanzenreiche, die wir in
der Erde finden koͤnnen. Was das Thierreich anbe-
langet; ſo giebt es wohl keine Geſchlechter und Arten
deſſelben, von den Menſchen an bis auf das veraͤcht-
lichſte Gewuͤrme, davon man nicht Verſteinerungen
unter der Erde faͤnde. Die Naturforſcher, welche
die Verſteinerungen unter der Erde beſchrieben haben,
ſind unermuͤdet geweſen, uns aus allen Claſſen des
Thierreiches die Verſteinerungen aufzubehalten und der
Vergeſſenheit zu entreißen, die jemahls hiervon unter
der Erde entdecket worden y).
Es befinden ſich darunter ſowohl, als unter de-
nen Nachrichten anderer Naturforſcher, viele merk-
wuͤrdige Beyſpiele, die ein großes Alterthum des Erd-
coͤrpers anzeigen. Jch will nur einige davon anfuͤh-
ren. Es hat der Herr Biſchof Pontoppidanz) be-
merket, daß in Norwegen auf dem feſten Lande vier-
zig Klaftern tief unter der Erde ein vollkommenes
R 2Wallfiſch-
[260]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
Wallfiſchgeribbe gefunden worden. Was vor einen
langen Zeitraum muß man nicht vorausſetzen, da die-
ſes Wallfiſchgeribbe vermuthlich an denen Meerufern
ſeine Grabſtaͤtte gefunden, weil dieſe gewaltigen Be-
wohner des Meeres niemahls auf das feſte Land zu
kommen pflegen, ehe dieſes Geribbe vierzig Klaftern
tief mit Erde hat bedecket werden koͤnnen. Gewiß,
einige hunderttauſend Jahre reichen kaum zu, zumahl,
wenn die verſchiedenen Erdlagen, als Kennzeichen und
Beweiſe einer jeden beſondern Ueberſchwemmung,
worinnen dieſe vierzig Klaftern tiefe Erde beſtanden
haben, umſtaͤndlich waͤren bemerket worden.
Die koͤnigliche Academie der Wiſſenſchaften in Lon-
don hat in ihren Schriften a) eine beſondere Bege-
benheit bekannt gemacht. Man hat naͤmlich zu El-
ſtom in England in einer Thongrube viele Geribbe von
Crocodillen gefunden, die nach denen genaueſten Unter-
ſuchungen alle uͤberzeugendſte Merkzeichen an ſich ge-
habt haben, daß ſie wirklich von dieſen Amphithea-
tris herruͤhren. Man muß in Anſehung des Alter-
thums unſers Erdcoͤrpers hier vornaͤmlich zweyerley be-
merken: Erſtlich, was vor eine lange Zeit darzu er-
fordert worden ſey, welche ſeit der Zeit verfloſſen ſeyn
muß, da Crocodille hier ihre Grabſtaͤtte gefunden;
vornaͤmlich aber muß man in Betracht ziehen, daß
die Crocodille ſich nur in warmen und heißen Him-
mels-
z)
[261]unter der Erde.
melsgegenden in denen Meeren und großen Stroͤhmen
aufzuhalten pflegen. Dieſes beweiſet demnach unwi-
derſprechlich, daß die jetzige Oberflaͤche von England
ehedem in einer warmen und heißen Himmelsgegend
gelegen haben muͤſſe, und ſeit der Zeit in verſchiede-
nen Abwechſelungen, bald zum Grunde des Meeres,
bald zum feſten Lande gedienet habe.
Die franzoͤſiſchen Tuͤrkiſſe, die, ob man ſie gleich
von der neuen Grube nennet, dennoch ſehr ſchoͤn ſind,
verdienen hier einige Betrachtung. Sie werden in
Frankreich funfzig Fuß tief unter der Erde im Sande
gefunden, und ihre ſchoͤne blaue Tuͤrkißfarbe ſowohl,
als ihre ungemeine Haͤrte, entſtehet erſt durch eine Art
von Calcination im Feuer. Vorhero ſcheinen ſie
nichts als eine Art von verſteinerten Knochen zu ſeyn.
Der Herr von Reaumuͤr hat durch die genaueſten
Verſuche und Beobachtungen gefunden, daß ſie wirk-
lich ehedem dergleichen Knochen oder große Zaͤhne ei-
nes Thieres geweſen ſind; obgleich das Geſchlecht die-
ſer Thiere nicht hat ausgeforſchet werden koͤnnen, ſo,
daß ſie vermuthlich eine Art von Thieren geweſen ſind,
die heutiges Tages gar nicht mehr exiſtiren b). Auch
hier muß man einen ſehr langen Zeitraum annehmen,
da dieſe unbekannte Art von Thieren hier ihren Unter-
gang und Grabſtaͤtte gefunden hat, ehe ſie funfzig
Fuß hoch mit Erde bedecket worden.
R 3Es
[262]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
Es ereignet ſich indeſſen uͤberaus ſelten, daß ganze
menſchliche Coͤrper verſteinert gefunden werden; da-
hero man ſo ſeltene Beyſpiele deſto weniger mit Still-
ſchweigen uͤbergehen kann. Man hat jedoch bey Aix
in Provence im Jahr 1583 in einem Felſen einen gan-
zen verſteinerten Menſchencoͤrper entdecket, der in die-
ſen Felſen, als in eine Form eingepackt geweſen. Der
Herr Bergrath Henckelc), der dieſen Vorfall er-
waͤhnet, vermuthet, da das Geſtein des Felſens in
denen aͤltern Nachrichten nicht ausdruͤcklich benennet
worden, daß es ein Sandſteinfelſen geweſen ſeyn koͤn-
ne. So viel iſt gewiß, daß dieſe Felſenart entweder
ein Sandſtein, oder ein Kalkſtein geweſen ſeyn muͤſſe.
Denn dieſer menſchliche Coͤrper iſt entweder durch die
Fluthen mit Sande bedecket worden, der hernach in
einem ſehr langen Zeitraume zu Sandſtein geworden
iſt; oder er iſt in Thon oder Letten verſteinert worden,
welcher hernach durch die Laͤnge der Zeit zu Kalkſtein
geworden iſt. Es waͤre auch ſehr zu wuͤnſchen gewe-
ſen, daß man in dieſer Nachricht der Nachwelt deut-
lich bemerket haͤtte, ob der Stein, worinnen dieſer
menſchliche Coͤrper gefunden worden, ein wirklicher
einfoͤrmiger zuſammenhaͤngender Felſen geweſen, oder
nur in Schichten oder Steinlagen beſtanden hat, ſo,
wie man ſie in denen Floͤtzgebirgen findet. Waͤre das
erſtere; ſo muͤßte man viele hunderttauſend Jahre an-
nehmen, ſeitdem dieſer menſchliche Coͤrper hier ſeine
Grabſtaͤtte gefunden hat. Jn einem Floͤtzgebirge aber
koͤnnte alsdenn dieſer Zeitraum um die Haͤlfte kuͤrzer
ſeyn.
Die
[263]unter der Erde.
Die haͤufigſten Verſteinerungen aus dem Thier-
reiche, ſo man unter der Erde findet, ſind ohne Zwei-
fel diejenigen, die aus denen ſchaaligten Meerthieren
beſtehen, und inſonderheit aus Schnecken und Mu-
ſcheln. Es iſt faſt kein Land auf der ganzen Ober-
flaͤche der Erde, wo nicht dieſe Bewohner des Mee-
res in unglaublicher Menge unter der Erde verſteinert
gefunden werden. Die Uhrſache hiervon liegt aus de-
nen vorigen Abſchnitten genugſam zu Tage. Unter
denen jetzigen feſten und bewohnten Laͤndern iſt gewiß
kaum ein einziges vorhanden, das nicht ehedem in de-
nen aͤlteſten Zeiten unſers Erdcoͤrpers mehr als ein-
mahl zum Grunde des Meeres gedienet haͤtte, da die
Stellung des Meeres auf den Erdcoͤrper durch Veraͤn-
derung der Pole eine oͤftere Abwechſelung erlitten hat.
Nachdem alſo ein ſolcher geweſener Meeresgrund durch
abermahlige wiederholte Ueberſchwemmung mit Erd-
und Steinlagen bedecket worden; ſo iſt es gar nicht zu
verwundern, daß wir bey allen nur etwas tiefen Ein-
grabungen in die Erde in einem ehedem geweſenen
Meeresgrunde ſo haͤufig verſteinerte Muſcheln und
Schnecken antreffen; indem wir wiſſen, daß dieſe
Thiere faſt allenthalben den Grund des Meeres bede-
cken. Jch will mich nicht aufhalten, allhier noch ein-
mahl zu zeigen, was vor ein hohes Alterthum des
Erdcoͤrpers aus dieſer Menge von verſteinerten Mu-
ſcheln und Schnecken unter der Erde nothwendig gefol-
gert werden muͤſſe. Es iſt dieſes bereits in denen
vorigen Abſchnitten genugſam gezeiget worden, und
es wuͤrde uͤberfluͤßig ſeyn, ſolches anhero zu wiederho-
R 4len,
[264]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
len, um dadurch gleichſam das ſchon genug Vorgetra-
gene wieder aufzuwaͤrmen.
Aus dem Pflanzenreiche finden ſich gleichfalls eine
große Menge Verſteinerungen unter der Erde. Die
Kraͤuter zeigen ſich wegen ihres weichern Beſtandwe-
ſens gemeiniglich nur in Abdruͤcken; allein, alle hol-
zigte Gewaͤchſe ſind ihrer natuͤrlichen Beſchaffenheit
gemaͤß in ihren Staͤmmen, und oͤfters auch in ihren
Zweigen, zuweilen aber, jedoch ſelten, auch in ihren
Blaͤttern verſteinert. Es iſt faſt keine Steinart, wor-
innen man nicht dieſe Ueberbleibſel aus dem Pflanzen-
reiche abgedruckt oder verſteinert findet. Die ſchoͤn-
ſten aber, die auch zugleich ſehr haͤufig wahrgenom-
men werden, ſind diejenigen, wo das ehemahlige
Holz in Achat verſteinert worden. Dergleichen ver-
ſteinerte Hoͤlzer nehmen die ſchoͤnſte Politur an, und
geben an Glanz und Schoͤnheit dem wirklichen Achat
nichts nach; ſie uͤbertreffen ihn aber oͤfters an Haͤrte,
dahero dieſe Art von verſteinerten Hoͤlzern vor einen
Liebhaber der Natur nicht allein die ſchoͤnſten, ſondern
auch in verſchiedenem Betracht die merkwuͤrdigſten
ſind.
Eine ſolche Verſteinerung des Holzes in Achat
verbirget naͤmlich denen Augen des Naturforſchers nicht
das geringſte weſentliche Kennzeichen, das vorhin die
Natur des Holzes ausgemacht hat. Die Rinde deſ-
ſelben, alle Feinheit oder Staͤrke ſeiner Zaͤſerchen
und Jahrwuͤchſe ſind bey einem ſolchen zu Achat ver-
ſteinerten Holze auf das genaueſte zu erkennen. Jn-
ſonderheit laͤßt dieſes das zu Achat verſteinerte Tan-
nen-
[265]unter der Erde.
nen- oder Fichtenholz auf eine bewundernswuͤrdige Art
an ſich wahrnehmen. Da in dieſer Art von Holze die
Jahrwuͤchſe auf das deutlichſte in die Augen fallen;
ſo zeigen ſie ſich eben ſo ſchoͤn in der Verſteinerung.
Wenn z. E. Fichtenholz in gelben Achat verſteinert iſt;
ſo erblicket man jeden Jahrwuchs in einer beſondern
Art von Streife, deren Mitte ein etwas dunkleres
Gelb ausmacht, welche mit einem blaſſeren Gelb bis
zu einem neuen Jahrwuchs abgewechſelt wird. Jch
habe dergleichen Stuͤcke beſeſſen, die jedermann, auch
ſolchen, die keine Kenner geweſen ſind, ausnehmend
gefallen haben, und wovon niemand den geringſten
Zweifel unterhalten koͤnnen, daß nicht dieſes ehemals
Fichtenholz geweſen ſey. Denn die Natur redete hier
gleichſam von ſelbſt.
Man findet gar nicht ſelten große und ſtarke Baͤu-
me unter der Erde verſteinert, die in ihrem ganzen
Beſtandweſen und in allen ihren Theilen dieſe Be-
ſchaffenheit erlanget haben. Jch habe in dem kaiſer-
lichen Naturaliencabinette zu Wien große Kloͤtze, wel-
che in der Dicke und Breite eben ſo groß waren, als
die ſtaͤrkſten und dickſten Hackekloͤtzer, deren ſich die
Fleiſchhauer bedienen, und davon verſchiedene uͤber
drey Fuß im Durchmeſſer halten, in den ſchoͤnſten
Achat verſteinert angetroffen. Zuweilen war die Rin-
de von dem ehemals geweſen Stamme in einen Achat
von einer andern Farbe verſteinert. Z. E. in weißen
Achat, wenn das uͤbrige des Stammes zu einem
ſchwarzbraunen Achat geworden war; und da die Rin-
de faſt bey allen Arten von Baͤumen eine ganz andere
R 5Beſchaf-
[266]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
Beſchaffenheit in ihrem Beſtandweſen und Zuſammen-
fuͤgung ihrer Theile an ſich wahrnehmen laͤßt, als das
uͤbrige Holz des Stammes; ſo zeigte ſich auch dieſes
ungemein deutlich bey dergleichen Verſteinerungen.
Es iſt ſchon von ſelbſt leicht zu erachten, daß ein
ſehr langer Zeitraum darzu erfordert werde, um ſo
ſtarke Staͤmme Holz durchaus zu verſteinern. Jndeſ-
ſen habe ich in dem kaiſerlichen Naturaliencabinette
ſolche in Achat verſteinerte ſtarke Staͤmme von mehr
als drey Fuß im Durchſchnitt geſehen, die noch an-
dere merklichere Merkzeichen eines ſehr hohen Alter-
thums an ſich hatten. Jch habe unter andern einen
bemerket, der in der Mitte eine große Spalte hatte,
die mit einem Achat von einer ganz andern Farbe aus-
gefuͤllet war, und welche Spalte nichts von der Na-
tur eines vorhin geweſenen Holzes an ſich wahrneh-
men ließ, ſondern die nichts als wirklicher Achat war.
Vermuthlich iſt dieſe Spalte durch ein Erdbeben in
dem Stamme entſtanden, als derſelbe ſchon verſtei-
nert war. Denn wenn dieſe Spalte ſchon vorher in
dem Stamme ſtatt gefunden, oder zu der Zeit ſich er-
eignet haͤtte, da eine und eben dieſelbe verſteinernde
Materie auf den Stamm wirkte; ſo ſiehet man nicht,
wie in dieſem Spalte ein Achat von einer ganz andern
Farbe entſtehen konnte. Folglich mußte der Stamm
ſchon vorher in Achat von einer ſchwarzbraunen Farbe
verſteinert worden ſeyn, ehe ſich dieſe Spalte mit ei-
nem Achat von weißer Farbe anfuͤllen konnte. Was
aber noch mehr iſt: Es befand ſich in eben dieſem
Stamme eine andere Spalte, die nach einer ganz an-
dern
[267]unter der Erde.
dern Richtung gieng, und die vorige uͤber das Kreuz
durchſchnitt, welche wieder mit einem ganz andern
Achat, naͤmlich von einer roͤthlichen Farbe erfuͤllet war.
Was ſoll man dazu ſagen? Man muß bey einer jeden
andern Farbe ungezweifelt einen andern Zufluß von
Materie annehmen. Es ſcheinet alſo, daß dieſer
Stamm, nachdem er bereits verſteinert war, und
durch ein Erdbeben einen Riß bekommen hatte, durch
ein anderes Erdbeben, welches in ſeinem Stoß eine
ganz andere Richtung hatte, noch einmahl zerbrochen
war, und dieſe zweyte Spalte bekommen hatte, die
hernach mit einer roͤthlichen Achatmaterie erfuͤllet wor-
den war. Was vor ein Alterthum des Erdcoͤrpers
muß man aber nicht bey dieſen beſondern und ſo ſehr
von einander unterſchiedenen Umſtaͤnden voraus-
ſetzen?
Jn der That iſt es vor einen aufmerkſamen For-
ſcher der Natur eine ſehr angelegentliche Frage, wie
lange Zeit ohngefehr erfordert werden moͤchte, ehe ein
ſo ſtarker Stamm verſteinert wird. Der hoͤchſtſeligſte
Kaiſer, Franz der Iſte, welcher ein ſehr großes und
beruͤhmtes Naturaliencabinet, nicht zum Staate, ſon-
dern als ein wahrer Liebhaber und Kenner der Natur
geſammlet hatte, waren uͤber dieſe Frage ſehr auf-
merkſam, und wuͤnſchten uͤberzeugende Beweiſe zu ha-
ben, daß ein Stuͤck Holz eine gewiſſe und beſtimmte
Zeit, davon man zuverlaͤßige Nachricht haͤtte, in der
Erde geweſen waͤre, um daraus zu beurtheilen, in
wie weit die Verſteinerung uͤber daſſelbe gewirket haͤt-
te. Die Naturforſcher in Wien beſannen ſich endlich,
daß der Kaiſer Trajan in Servien unterhalb der Stadt
Belgrad
[268]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
Belgrad eine Bruͤcke uͤber die Donau bauen laſſen,
und daß einige Erdbeſchreiber gemeldet haͤtten, daß
von dieſer Bruͤcke noch einige Pfaͤhle uͤber das Waſſer
hervorragten. Da ſowohl in dem mittlern Zeitalter
als in neuern Zeiten dieſer hervorragenden Pfaͤhle in
Schriften Erwaͤhnung geſchehen war; ſo konnte man
nicht zweifeln, daß dieſes nicht wirklich noch die Pfaͤh-
le von des Trajans Bruͤcke, und von keiner andern
waͤren.
Se. roͤmiſch-kaiſerliche Majeſtaͤt beehrten dieſen
Vorſchlag mit Dero Beyfall, und urtheileten, daß,
da man wuͤßte, daß dieſe Pfaͤhle damahls beynahe ſie-
benzehnhundert Jahr in der Erde, und zwar in ei-
nem feuchten Grunde geweſen waͤren; ſo koͤnnte man
aus der Maße, wie dieſe Pfaͤhle einen Fortgang in
der Verſteinerung gehabt haͤtten, mit ziemlicher Zu-
verlaͤßigkeit urtheilen, wie lange Zeit die Natur zur
Verſteinerung großer und ſtarker Staͤmme noͤthig haͤt-
te. Sie beſchloſſen demnach, einen von dieſen Pfaͤh-
len aus der Donau herausziehen, und nach Wien brin-
gen zu laſſen, damit derſelbe von denen Naturforſchern
gruͤndlich unterſuchet werden koͤnnte.
Es fand ſich bey der Sache die Schwuͤrigkeit, daß
dieſe Gegend, wo dieſe alten Ueberbleibſel von des
Trajans Bruͤcke ſeit dem Belgrader Frieden nicht
mehr zu denen oͤſterreichiſchen Staaten, ſondern zu
dem tuͤrkiſchen Gebiethe gehoͤrete. Se. kaiſerliche
Majeſtaͤt ließen ſich aber hierdurch nicht abhalten, der
Naturkunde dieſe Kenntniß zu verſchaffen. Sie lieſ-
ſen an Dero Geſandten nach Conſtantinopel ſchreiben,
daß
[269]unter der Erde.
daß er bey dem tuͤrkiſchen Hofe um die Erlaubniß an-
halten moͤchte, einen ſolchen Pfahl herausholen zu duͤr-
fen. Der tuͤrkiſche Hof war nicht allein ſo gefaͤllig,
dieſe Erlaubniß zu ertheilen; ſondern er ſtellete auch
Befehle, daß der Baſſa zu Belgrad dabey alle erfor-
derliche Huͤlfsleiſtung verſchaffen ſollte. Kurz, der
Pfahl wurde aus der Donau herausgeholet, und nach
Wien gebracht.
Es war ein anſehnlicher Stamm, wo mich mein
Gedaͤchtniß nicht betruͤgt, von ein und zwanzig Fuß
lang, und einen Fuß dicke; und die neugierigen Na-
turforſcher bemuͤheten ſich, denſelben auf alle Art
zu unterſuchen. Er wurde ſowohl an demjenigen En-
de, wo er in der Erde geſtecket, als da, wo er ſich in
dem Waſſer befunden hatte, durchgeſchnitten und
poliret; und man fand, daß derſelbe von außen
ohngefehr eines halben Zolles breit in einen ziemlich
guten Achat verſteinert war. Das uͤbrige von dem
Stamme war in die Calcination, oder in den erſten
Grad der Steinwerdung gegangen, und zwar an de-
nen aͤußern Theilen ſtaͤrker, nach dem Mittelpuncte
zu aber ungleich ſchwaͤcher, ſo, daß das Jnnere von
anderem Holze nicht ſehr unterſchieden war. Man
muß naͤmlich wiſſen, daß die Steinwerdung bey al-
lem Holze ſich allemahl von dem Aeußern anfaͤngt, und
nach und nach in das Jnnere bis in den Mittelpunct
fortgehet. Dieſes hatte man nicht allein bey vielen
andern Stuͤcken, ſo in der Erde gefunden worden,
ſchon vorhero uͤberzeugend bemerket; ſondern es wur-
de auch hier durch dieſes Beyſpiel genugſam beſtaͤtiget.
Hieraus
[270]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
Hieraus erhellet, wie unbegreiflich zart und fein die
Theile ſeyn muͤſſen, wodurch die Verſteinerung bewir-
ket und zu Stande gebracht wird. Denn wenn die-
ſes nicht waͤre; ſo wuͤrde ſich die Natur durch die in
den aͤußern Theilen des Holzes zuerſt anfangende Ver-
ſteinerung ſelbſt den Weg verſperren, damit bis in
das Jnnere des Holzes fortzugehen, und ihr Werk
durchaus zu Stande zu bringen.
Man darf nur uͤber dieſe Begebenheit einige Be-
trachtungen anſtellen; ſo wird man nicht zweifeln koͤn-
nen, daß die Natur eine ſehr lange Zeit noͤthig habe,
um die Verſteinerung ſehr ſtarker Staͤmme zu Stande
zu bringen. Nach einer ohngefaͤhren Berechnung
wuͤrde dieſer nur ſehr maͤßige Pfahl noch uͤber zehntau-
ſend Jahr in der Donau haben ſtehen muͤſſen, ehe der-
ſelbe zu einem vollkommen ſchoͤnen Achat verſteinert
worden waͤre. Wie lange Zeit alſo muß nicht erfor-
dert werden, ehe ein ſo ſtarker Stamm, der uͤber drey
Fuß im Durchmeſſer hat, von der Verſteinerung
gaͤnzlich durchdrungen und in den ſchoͤnſten Achat ver-
wandelt wird? Gewiß koͤnnen hunderttauſend Jahre
dazu kaum zureichend ſeyn.
Man kann freylich die Einwendung machen, daß
ein Waſſer vor dem andern immer geſchickter ſey, zu
verſteinern, und die Verſteinerung zu beſchleunigen.
Allein, wenn die allerzarteſten irrdiſchen Theilchen, ſo
das Waſſer bey ſich fuͤhret, lediglich die wirkende Uhr-
ſache von der Verſteinerung ſind, wie man davon
durch viele ungezweifelte Gruͤnde und Beyſpiele ſich
verſichert halten kann; ſo ſollte man vernuͤnftiger
Weiſe
[271]unter der Erde.
Weiſe ſchließen koͤnnen, daß, je reichlicher ſich der Zu-
fluß von Waſſer an einem Orthe befaͤnde, deſto ſchleu-
niger auch die Verſteinerung zu Stande gebracht wer-
den muͤſſe. Dieſe Folge iſt ganz natuͤrlich.
Man hat naͤmlich bemerket, daß das unter der
Erde befindliche Holz ſich folgendergeſtalt verhaͤlt:
Wenn dieſes Holz ſich in einem Grunde befindet, der
ſehr trocken und von aller Feuchtigkeit und Waͤßrig-
keit befreyet iſt; ſo gehet daſſelbe in die Faͤulung, es
mag uͤbrigens der Boden aus Sand, Leimen, oder
irgend einer andern Erdart beſtehen. Hat aber der
Boden, in welchem das Holz liegt, genugſame Feuch-
tigkeit oder Waͤßrigkeit; ſo gehet daſſelbe zuerſt in die
Calcination, oder in den erſten Grad der Steinwer-
dung, und nach einem ſehr langen Zeitraume wird es
endlich ganz und gar verſteinert. Dahingegen, wenn
das Holz ſich in einem Boden befindet, der mit oͤh-
lichten oder fettigten Weſen, oder mit ſauren Salzen
angeſchwaͤngert iſt; ſo gehet das Holz in eine Art der
Verkohlung, oder es werden Steinkohlen daraus.
Von dieſer Art der Verkohlung, die mit der Verſtei-
nerung ſo viel Aehnlichkeit hat, muͤſſen wir noch etwas
mehreres reden.
Man kann naͤmlich die Steinkohlen in zwey Haupt-
claſſen eintheilen. Die erſte Claſſe ſind diejenigen,
welche die Natur unter der Erde aus Steinen und Er-
de, mit Beyhuͤlfe des oͤhlichten oder brennlichen We-
ſens erzeuget hat. Dieſe erſte Claſſe leidet wieder
viele Unterabtheilungen, nach der Maaße, ob ſie viel
oder wenig Stein- und Erdarten in ihrer Grundmi-
ſchung
[272]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
ſchung haben, und ob ſie viel oder wenig brennliches
Weſen bey ſich fuͤhren. Die zweyte Hauptclaſſe der
Steinkohlen ſind diejenigen, welche aus uhrſpruͤnglich
geweſenen Holze, das durch einen Zufall unter die Er-
de gekommen iſt, entſtanden ſind. Dieſe zweyte Art
von Steinkohlen ſind allemahl die beſten; und ſie wer-
den in der That haͤufiger gefunden, als man glauben
ſollte, weil man ſich anfangs einbildete, daß ſich
die Zufaͤlle nur ſelten ereignet haben koͤnnten, wodurch
Holz unter die Erde gekommen waͤre. Allein, nun-
mehro zu folge dieſer Geſchichte des Erdcoͤrpers klaͤh-
ret ſich die Sache immer mehr auf. Bey denen wie-
derholten Bewohnungen des feſten Landes und denen
nachherigen gaͤnzlichen Verwuͤſtungen deſſelben, da es
zum Grunde des Meeres geworden iſt, haben ſich oh-
ne Zweifel eben ſo viele Waldungen auf der Ober-
flaͤche der Erde befunden, als heutiges Tages; und
wenn wir annehmen, daß die vormahligen Bevoͤlke-
rungen nicht ſo ſtark geweſen ſind, als jetzo; ſo muͤſ-
ſen noch weit mehr Waldungen ſtatt gefunden haben.
Ohne Zweifel haben die Menſchen allezeit zu ihren
kuͤnftigen Beduͤrfniſſen gefaͤlltes und geſpaltenes Holz
im Vorrath gehabt. Alle dieſe Waldungen, alles
dieſes Holz, iſt durch dergleichen allgemeine Verwuͤ-
ſtungen und nachherige Ueberſchwemmungen unter
die Erde gekommen: und da der geringſte Theil des
Bodens ſehr trocken iſt; ſo iſt der groͤßte Theil des
Holzes wahrſcheinlich in ſolchen Boden gekommen,
wo er entweder verſteinert oder verkohlet wor-
den iſt.
Die
[273]unter der Erde.
Die Verkohlung des Holzes unter der Erde be-
darf gewiß einen eben ſo langen Zeitraum, als die
Verſteinerung. Jch habe in dem vorhergehenden Ab-
ſchnitte von denen zwey verſchiedenen Waldungen un-
ter der Erde uͤbereinander geredet, die man bey Gra-
bung der Waſſerleitungen nach Herrnhauſen unweit
Hannover angetroffen hat. Vieles von dem Holze
der obern Waldung war in eine Art der Verkohlung
gegangen; jedoch nur noch ſehr ſchwach und maͤßig,
indem es zwar mit brennlichem Weſen etwas durch-
trungen ſich befand, ſolches durch den Geruch im Feuer
zu erkennen gab, auch etwas ſchwaͤrzlich ausſah, aber
ſonſt von anderm Holze wenig unterſchieden war. Da
die Ueberſchwemmung, welche dieſen obern Wald zu
Grunde gerichtet hat, gewiß nicht in unſerer jetzigen
Zeitrechnung geſchehen iſt; ſo kann man daraus ur-
theilen, was vor eine lange Zeit auch die Verkohlung
des Holzes unter der Erde bedarf.
Diejenigen Steinkohlen, ſo man aus einem Ber-
ge unweit Minden im Hannoͤveriſchen herausgraͤbt,
ſind gleichfalls ehedem unſtreitig Holz geweſen. Jch
habe hiervon bereits in dem erſten Abſchnitte, jedoch
in einer ganz andern Abſicht, naͤmlich wegen der Ent-
ſtehungsarten der Gebirge geredet. Jndeſſen will ich
hier die untruͤglichen Merkzeichen nicht wiederholen,
woran man ungezweifelt erkennet, daß dieſe jetzigen
Steinkohlen ehedem nichts anders als Scheitholz ge-
weſen ſind d).
SWenn
[274]VIII. Abſchn. Von den Verſteinerungen
Wenn man die Beſchaffenheit dieſes Berges, der
noch verſchiedene kleine Anhoͤhen vor ſich haben ſoll,
die alle erſt nach der Zeit durch Ueberſchwemmungen
entſtanden ſeyn muͤſſen, da dieſes große Haufwerk
von Holze bereits in dem Berge verſchlemmet geweſen,
erweget; ſo muß man abermahl einen ſehr langen
Zeitraum vorausſetzen, ſeit welchem dieſes Holz hier
unter die Erde gekommen, und zu einer der beſten Ar-
ten von Steinkohlen geworden iſt.
Aus allem dem, was ich in dieſem Abſchnitte mei-
nen Leſern mitgetheilet habe, leget ſich meines Erach-
tens gleichfalls zu Tage, daß auch die Verſteinerun-
gen unter die bewaͤhrten glaubwuͤrdigen Uhrkunden ge-
hoͤren, aus welchen man in der Geſchichte unſers Erd-
coͤrpers allemahl beweiſen kann, daß derſelbe ein ho-
hes Alterthum habe, welches unſere jetzige Zeitrech-
nung ſehr vielmahl uͤberſteiget. Die Umſtaͤnde, un-
ter welchen die meiſten von ſolchen Verſteinerungen ge-
funden werden; die vielen abwechſelnden Erd- und
Steinlagen, unter welchen ſie ſich befinden, und wel-
che unſtreitig ſehr oft wiederholte Ueberſchwemmungen
beweiſen, die ſich nach der Zeit auf der Oberflaͤche des
Erdcoͤrpers ereignet haben, nachdem dieſe Ueberbleib-
ſel aus dem Thier- und Pflanzenreiche zuerſt daſelbſt
verſchlem-
d)
[275]unter der Erde.
verſchlemmet worden. Alles dieſes ſind gleichſam ſo
viele redende Zeugen, die eben ſo glaubwuͤrdig ſind,
als wenn uns dieſe Nachrichten von guten Geſchicht-
ſchreibern hinterlaſſen worden waͤren.
Ueberhaupt kann ich mir ſchmeicheln, in einem je-
den Abſchnitte dergleichen Uhrkunden von dem erſtaun-
lichen Alterthume unſers Erdcoͤrpers vor Augen gele-
get zu haben. Alle dieſe Uhrkunden bezeugen einmuͤ-
thig, was vor oft wiederholte Verwuͤſtungen und er-
ſchreckliche Veraͤnderungen auf und mit unſerm Erd-
coͤrper vor ſich gegangen ſind; und aus dem allem kann
man keinen andern als denjenigen Schluß, der unver-
meidlich und nothwendig daraus folget, machen: naͤm-
lich, daß unſer Erdcoͤrper ein Alterthum hat, das un-
ſere Zeitrechnung unermeßlich weit uͤberſteiget. Jch
koͤnnte hier dieſe Geſchichte endigen, wenn ich nicht
noch vor noͤthig faͤnde, einige allgemeine Einwuͤrfe zu
beantworten, welche dem Hauptinnhalte und dem End-
zwecke dieſer Geſchichte entgegengeſetzet werden moͤch-
ten; und dieſes ſoll in den folgenden beyden Abſchnit-
ten geſchehen.
S 2Neunter
[276]IX. Abſchn. Widerlegung
Neunter Abſchnitt.
Widerlegung dererjenigen Einwuͤrfe,
welche dergleichen Beſchaffenheiten des Erdcoͤr-
pers von der Suͤndfluth herleiten
wollen.
Die aͤußerlichen und innerlichen Beſchaffenheiten
des Erdcoͤrpers, die ich in gegenwaͤrtiger Ge-
ſchichte vorgetragen habe, ſind zwar an und
vor ſich ſelbſt groͤßtentheils denen Gelehrten bekannt
geweſen. Allein, die natuͤrlichen und richtigen Schluͤſ-
ſe, die man daraus ziehen muͤſſe, gehoͤren faſt ſaͤmmt-
lich zu denen zeither unerkannten Wahrheiten. We-
nigſtens, wenn ſie auch von dieſem oder jenem gruͤnd-
lichen Gelehrten erkannt worden ſind; ſo haben dieſel-
ben nicht eben vor noͤthig gefunden, die Welt davon
zu unterrichten, ſondern nur zuweilen etwas davon
von weitem zu verſtehen gegeben. Jndeſſen haben
doch die Naturforſcher diejenigen aͤußerlichen und un-
terirrdiſchen Beſchaffenheiten des Erdcoͤrpers, die uns
hier gleichſam zu Uhrkunden gedienet haben, erklaͤh-
ren, und die Uhrſache davon an die Hand geben wol-
len. Es iſt demnach noͤthig, daß ich hier noch aus-
fuͤhrlich zeige, daß dieſe Erklaͤhrungen und Uhrſachen
von denen hier vorgetragenen Beſchaffenheiten des
Erdcoͤrpers nichts weniger als wahr und richtig ſind,
und daß ſie keinesweges zureichen, den wahren Uhr-
ſprung
[277]einiger Einwuͤrfe.
ſprung und Entſtehungsart dieſer Beſchaffenheiten zu
erklaͤhren und zu erlaͤutern.
Die Suͤndfluth iſt hauptſaͤchlich dasjenige, auf
deren Rechnung man alle dieſe Beſchaffenheiten des
Erdcoͤrpers zu ſetzen pfleget. Die Suͤndfluth ſoll die
Uhrſache von denen Gebirgen, wenigſtens von allen
Floͤtzgebirgen auf dem Erdboden ſeyn.
Die Suͤndfluth iſt es, durch welche alle die ver-
ſchiedenen abwechſelnden Erd- und Steinlagen, die
wir bey der Eingrabung in ebenen Gegenden in dem
Erdboden finden, entſtanden ſeyn ſollen. Der Suͤnd-
fluth wird es beygemeſſen, wenn wir einen geweſe-
nen Meeresgrund, oder eine ehemahls bewohnt gewe-
ſene Oberflaͤche unter der Erde wahrnehmen; und von
der Suͤndfluth ſoll es herruͤhren, daß wir ſo viele Ver-
ſteinerungen aus dem Thier- und Pflanzenreiche unter
der Erde entdecken. Kurz, die Suͤndfluth, die naſſe
Suͤndfluth, ſoll alles gethan haben. Wir koͤnnen
uns demnach nicht entbrechen, dieſen vermeynten Ge-
genſtand und Wirkung ſo vieler merkwuͤrdigen Be-
ſchaffenheiten des Erdcoͤrpers naͤher zu betrachten, und
zu unterſuchen, ob er wirklich vermoͤgend geweſen iſt,
alles das in der That zu bewirken, was man ihm zu-
ſchreibt.
Jch zweifle ſehr, daß man durch uͤberzeugende
Gruͤnde jemahls wird behaupten koͤnnen, daß die Bi-
bel unumſchraͤnkter Richter in der Erkenntniß der Na-
tur und der dazu erforderlichen Wiſſenſchaften ſey.
Wenn dieſes waͤre; ſo muͤßten wir noch immer dem
Ptolomaͤiſchen Weltſyſtem anhaͤngen, und es vor eine
S 3Glau-
[278]IX. Abſchn. Widerlegung
Glaubenslehre halten, daß der kleine Erdcoͤrper ſtille
ſtehe, und die mehr als tauſendmahl groͤßere Sonne
um ihn herumlaufe. Denn die Worte in der Bibel:
Sonne, ſtehe ſtille zu Gibeon, und Mond im Thal
Ajalon, und andere Ausdruͤcke der Schrift von dem
Laufe der Sonne ſind allzu klar und deutlich, als daß
die Bruͤhe der Erklaͤhrung, welche die Naturforſcher,
und ſelbſt einige philoſophiſche Geiſtliche daruͤber ha-
ben gießen wollen, dieſelben verdunkeln konnte. Al-
lein, die Bibel hat nichts weniger, als die Abſicht
gehabt, denen Menſchen die Naturkunde und andere
Wiſſenſchaften zu lehren. Sie hat lediglich den End-
zweck, denen Menſchen den Weg zur Seligkeit zu zei-
gen; und wenn ſie von ohngefehr von Dingen aus der
Naturkunde und andern Wiſſenſchaften redet; ſo ge-
ſchiehet es allemahl nur zufaͤlliger Weiſe, und alsdenn
richtet ſie ſich nach denen Begriffen, welche die Men-
ſchen damahls von der Naturkunde und andern Wiſ-
ſenſchaften gehabt haben. Sie konnte auch auf keine
andere Art verfahren, da es ihr Endzweck keineswe-
ges war, Offenbahrungen vor die Gelehrſamkeit mit-
zutheilen. Dieſen Gegenſtand hat Gott lediglich dem
menſchlichen Nachſinnen und Erkenntniß uͤberlaſſen;
und wenn er hierinnen die Schriftſteller der Bibel haͤt-
te erleuchten wollen; ſo wuͤrden ſie weder ſich ſelbſt,
noch andere ſie verſtanden haben.
Jndeſſen hat es dennoch durch einen uͤbertriebenen
Eifer zum Bloͤdſinn verfuͤhrte Geiſtliche gegeben; und
es giebt vielleicht noch heutiges Tages, jedoch nur we-
nige, dergleichen, welche die Bibel allein zum unum-
ſchraͤnkten
[279]einiger Einwuͤrfe.
ſchraͤnkten Geſetzgeber und Richter in dem von ihr ſehr
weit abgeſonderten Reiche der Wiſſenſchaften machen
wollen. Dieſe Geiſtliche ſcheinen auf gut mohameta-
niſch eben ſo wie der Calif Abubecker zu denken, wel-
cher dem Statthalter des neueroberten Koͤnigreichs Egy-
pten auf ſeine Anfrage: was er mit der großen Ale-
xandriniſchen Bibliothek machen ſollte, zur Antwort
gab: daß er alle dieſe Buͤcher verbrennen laſſen ſollte.
Denn, ſagte er mit großer Andacht, aber vielleicht mit
deſto weniger Klugheit: Wenn dieſe Buͤcher eben das-
jenige in ſich enthalten, was im Alcoran ſtehet; ſo
ſind ſie unnoͤthig und uͤberfluͤßig. Haben ſie aber et-
was in ſich, was in dem Alcoran nicht befindlich iſt,
und demſelben entgegen laͤuft; ſo ſind ſie gottlos, und
muͤſſen von dem Erdboden vertilget werden. Wahr-
haftig, eben alſo denken diejenigen Geiſtlichen, wel-
che alles verwerfen und verketzern, was in dem Rei-
che der Wiſſenſchaften gelehret und erfunden wird, das
nicht mit der Bibel uͤbereinſtimmet. Sie duͤrfen in
ihren Schluͤſſen nur einen Grad weiter fortgehen; ſo
entſtehet eben der Ausſpruch des Abubeckers daraus,
daß wir auch vor die menſchliche Erkenntniß und vor
das Reich der Wiſſenſchaften kein anderes Buch beduͤr-
fen, als die Bibel.
Jndeſſen, wenn diejenigen Naturforſcher, welche
die Entſtehung der Gebirge, die Verſteinerungen un-
ter der Erde, und alle andere Kennzeichen von ſo vie-
len mit dem Erdcoͤrper vorgegangenen erſtaunlichen
Veraͤnderungen der Wirkung der Suͤndfluth zuſchrei-
ben; ſo muͤſſen ſie dabey vorausſetzen, daß alle lockere
S 4Erde
[280]IX. Abſchn. Widerlegung
Erde auf unſerm Weltcoͤrper von denen Waſſern der
Suͤndfluth erweicht, aufgeruͤhret, und in ſich genom-
men worden. Allein, dieſe Meynung haͤtten ſie nicht
haben koͤnnen, wenn ſie fleißige Bibelleſer geweſen
waͤren, und den ernſtlichen Vorſatz gehabt haͤtten, in
der Naturkunde niemahls von denen zufaͤlligen Nach-
richten der Bibel in Anſehung der gelehrten Erkennt-
niß abzugehen. Daß die Waſſer der Suͤndfluth alle
lockere Erdarten auf unſerm Erdcoͤrper bis auf das fe-
ſte Geſtein nichts weniger als losgeweicht und in ſich
genommen haben, das ſiehet man ſehr deutlich aus ei-
nem gewiſſen Umſtande bey der Abnahme und End-
ſchaft der Suͤndfluth. Als Noah die zweyte Taube
aus ſeinem Kaſten ausfliegen ließ, und dieſelbe nicht
fand, wo ihr Fuß ruhen konnte; ſo kehrte ſie in den
Kaſten zuruͤck, brachte aber ein Oehlblatt in ihrem
Schnabel mit ſich. Dieſe Begebenheit ſetzet noth-
wendig voraus, daß der Erdboden noch uͤberall mit
denen Waſſern der Suͤndfluth, wenigſtens ſechs bis
acht Fuß hoch, bedecket geweſen, und daß nur die ober-
ſten Spitzen einiger Baͤume aus dem Waſſer hervor
geraget haben. Wenn aber alles lockere Erdreich von
denen Waſſern der Suͤndfluth losgeweichet, aufgeruͤh-
ret, und in ſich genommen worden waͤre, dergeſtalt,
daß alle Erd- und Steinlagen, die wir auf ſechzig bis
achtzig Lachtern tief unter der Erde finden, nichts als
Wirkungen von der Suͤndfluth waͤren, wie haͤtten
denn die Baͤume, oder nur ein einziger Oehlbaum auf
der Oberflaͤche der Erde noch aufrecht ſtehen, und mit
ihren Wurzeln in der Erde noch feſten Grund halten
koͤnnen? Alle ausgekuͤnſtelte Ertichtungen, z. E. daß
dieſer
[281]einiger Einwuͤrfe.
dieſer Oehlbaum mit ſeinen Wurzeln in Felſenritzen
eingetrungen geweſen waͤre, halten gegen dieſe unlaͤug-
bare Folge den Probierſtein nicht aus. Ohngeachtet
dieſer Vorausſetzung, wenn er einmahl aller lockern
Erde beraubet geweſen waͤre; ſo wuͤrde er gegen die
Gewalt der Waſſer der Suͤndfluth, welche große Kie-
ſel- und andere Steine von vielen Centnern, die wir
als die unterſte Lage vieler Berge wahrnehmen, fort-
gerollet haben muͤſſen, ſich nicht haben aufrecht erhal-
ten koͤnnen.
Wenn demnach nach Verlauf der Suͤndfluth die
Baͤume auf der Oberflaͤche der Erde annoch aufrecht
geſtanden haben; ſo liegt daraus klar zu Tage, daß
die Suͤndfluth keinesweges die lockere Erde auf un-
ſerm Weltcoͤrper losgeweichet und in ſich genommen
haben kann. Hieraus folget demnach ungezweifelt
und unwiderſprechlich, daß, ſo wenig die Floͤtzgebirge
und verſchiedene Erdſchichten von der Suͤndfluth ent-
ſtanden, als die Verſteinerungen aus dem Thier- und
Pflanzenreiche damahls ſo tief unter die Erde gekommen
ſind. Man ſiehet alſo, daß die ganze Aufloͤſung und
Erklaͤhrung von dieſen Dingen ganz und gar nichts
taugt, und daß man zu andern Uhrſachen ſeine Zu-
flucht nehmen muß, um die Spuhren und Merkzei-
chen ſo vieler auf dem Erdcoͤrper vorgegangenen groſ-
ſen Veraͤnderungen zu erlaͤutern.
Zwar kann man nicht laͤugnen, daß bey dieſem
aus denen bereits faſt verlaufenen Waſſern der Suͤnd-
fluth hervorgeragten Oehlbaume noch immer einige
kleine Zweifel und Bedenklichkeiten uͤbrig bleiben.
S 5Wir
[282]IX. Abſchn. Widerlegung
Wir wollen uns zwar ſehr in Acht nehmen, daß
wir ihn in ſeinen Wurzeln nicht angreifen, und von
denen Waſſern der Suͤndfluth umſtuͤrzen und ver-
ſchlemmen laſſen. Allein, das muß doch jedermann
bedenklich vorkommen, wie ſich dieſer Baum noch im-
mer friſch und gruͤn erhalten koͤnnen; ohngeachtet er
ſich ein ganz Jahr lang in denen Waſſern der Suͤnd-
fluth befunden, und davon ſo hoch bedecket geweſen.
Es iſt gar nicht die Natur der Oehlbaͤume, daß ſie im
Waſſer wachſen, oder ſich darinnen eine lange Zeit er-
halten. Sie kommen vielmehr nicht einmahl in ei-
nem moraſtigen Grunde gut fort, und wenn man den
Verſuch noch heutiges Tages machen, und einen Oehl-
baum in einem großen Kaſten nur zwey Monathe lang
dergeſtalt in das Waſſer ſetzen wollte, daß daſſelbe bis
an ſeine Spitze reichte; ſo wuͤrde derſelbe ganz unver-
meidlich verlohren ſeyn.
Es giebt freylich Mittel, ſich aus dieſer Schwuͤ-
rigkeit heraus zu helfen; und ſie ſind in dergleichen
Art von Zweifeln ſehr oft gebrauchet worden. Man
kann nur Gott ein Wunder thun und dieſen Oehlbaum
wider die Natur und das Weſen der Sache ein Jahr
lang mitten in denen erſchrecklichen Fluthen friſch und
gruͤn erhalten laſſen. Aber alsdenn wuͤrde die große
Frage uͤbrig bleiben, ob es der Weisheit Gottes ge-
maͤß ſey, zu Befriedigung der Neugier des Noah, und
wegen des kleinen nichts bedeutenden Umſtandes, daß
die zweyte ausgeſchickte Taube ein Oehlblatt mit zu-
ruͤckbringen ſollte, ein Wunder vorzunehmen.
Dem
[283]einiger Einwuͤrfe.
Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo wollen wir die
Begebenheit der Suͤndfluth gruͤndlich betrachten, um
daraus zu erkennen, ob ſie wirklich vermoͤgend gewe-
ſen ſey, alle die Veraͤnderungen und Umformungen
zu wirken, davon wir die Spuhren und Kennzeichen
auf und in dem Erdcoͤrper wahrnehmen. Zu dem
Ende muͤſſen wir zufoͤrderſt unterſuchen, ob die Suͤnd-
fluth wirklich ſo groß und allgemein auf dem Erdcoͤr-
per geweſen, daß ihre Fluthen funfzehn Ellen hoch
uͤber den hoͤchſten Berg gegangen ſind, und daß ihre
Waſſer unſern ganzen Weltcoͤrper ſo hoch bedecket ha-
ben, wie es auf den erſten Anblick aus denen Nachrich-
ten der Bibel hervorſcheinen will.
Seitdem die Gelehrten in denen Naturbegeben-
heiten richtig zu denken, zu urtheilen, und ſogar alles
zu berechnen gelernet haben, hat man gar ſehr an der
Allgemeinheit der Suͤndfluth, und daß dieſelbe ſo hoch
den ganzen Erdcoͤrper bedecket habe, gezweifelt. Ei-
nige anſehnliche franzoͤſiſche Schriftſteller haben ſich die
Muͤhe genommen, dieſerhalb die genaueſte Berechnung
anzuſtellen. Sie haben angenommen, daß vierzig
Tage lang unaufhoͤrlich der ſtaͤrkſte Platzregen gefallen
iſt, und darnach haben ſie berechnet, wie hoch das
Waſſer dieſe vierzig Tage uͤber auf dem Erdboden hat
anſteigen koͤnnen. Hierbey haben ſie die Verſuche und
Erfahrungen zum Grunde geleget, welche die franzoͤ-
ſiſche Academie der Wiſſenſchaften zu Paris dar-
uͤber angeſtellet hat, wie viel Zoll Waſſer der ſtaͤrk-
ſte Platzregen in einer Stunde unter freyem Himmel
geben kann.
Da
[284]IX. Abſchn. Widerlegung
Da aber auch in der Bibel von denen Brunnen
der Tiefe geredet wird, welche ſich eroͤffnet haben,
und deren Waſſer auf die Oberflaͤche geſtiegen ſind;
ſo haben ſie angenommen, daß unſer ganzer Erdcoͤrper
nur eine Rinde von einer Meile dicke habe, daß das
ganze uͤbrige Jnnere der Erde hohl und mit Waſſer
erfuͤllet ſey, und alles dieſes Waſſer haben ſie auf die
Oberflaͤche heraufſteigen laſſen, und daſſelbe nach Qua-
dratfuͤßen berechnet. Ob nun zwar alle dieſe Voraus-
ſetzungen hoͤchſt unwahrſcheinlich und in verſchiedenem
Betracht ohnmoͤglich ſind; indem der Erdcoͤrper in ſei-
nem Jnnern gewiß nicht ſo ſtark mit Waſſer angefuͤl-
let iſt, auch man nicht einſehen kann, wo zu einem
vierzigtaͤgigen ſtarken Platzregen alle groben Duͤnſte
herkommen ſollten; ſo haben ſie dennoch durch richtige
Berechnung gefunden, daß weder ein vierzigtaͤgiger
Platzregen, noch die ganze innere Hoͤhlung der Erde,
wenn ſie auch mit Waſſer erfuͤllet waͤre, ſo viel Waſ-
ſer auf die Oberflaͤche der Erde haͤtten verſchaffen koͤn-
nen, daß daſſelbe funfzehn Ellen hoch uͤber die hoͤch-
ſten Berge gegangen waͤre e). Die hoͤchſten Berge
auf
[285]einiger Einwuͤrfe.
auf dem Erdboden, wie z. E. der Pico auf der Jn-
ſul Teneriffa, ſind bekanntlich drey Meilen hoch, und
bey allen vorigen hoͤchſt unwahrſcheinlichen Vorausſe-
tzungen wuͤrde dennoch das Waſſer der Suͤndfluth nach
ihren Ausrechnungen kaum halb ſo hoch den ganzen
Erdboden haben bedecken koͤnnen.
Die bekannten gelehrten Englaͤnder, Whigſton
und Worton, haben ſich aus dieſer Schwuͤrigkeit her-
aushelfen,
e)
[286]IX. Abſchn. Widerlegung
aushelfen, und der Allgemeinheit der Suͤndfluth mit
ſinnreichen Erfindungen zu Huͤlfe kommen wollen.
Sie laſſen juſt zu der Zeit der Suͤndfluth einen Come-
ten erſcheinen, und denſelben mit ſeinem Schweife vol-
ler waͤßriger Duͤnſte die Erde beruͤhren, und unſern
Planeten vierzig Tage lang in dieſem Schweife ver-
weilen, damit es nicht an genugſamen Waſſer zu der
Suͤndfluth fehlen moͤchte. Allein, dieſe witzige Er-
findung ſtuͤrzet unſern lieben Erdcoͤrper in eine andere
große Unbequehmlichkeit, oder ſie verraͤth nur allzu
ſehr das Leere dieſer Erfindung, was ſollte der Erd-
coͤrper mit dieſer Menge von Waſſer anfangen; und wie
ſollte er wieder davon befreyet werden, denn das muͤß-
te doch geſchehen, weil er ſonſt noch immer eben ſo
hoch mit Waſſer bedecket ſeyn wuͤrde. Jn dem Jn-
nern des Erdcoͤrpers koͤnnte dieſe Menge Waſſer nicht
Raum haben; denn alles, was dieſer Raum in ſich
ſaſſen konnte, hatte man ſchon, um die Suͤndfluth
allgemein zu machen, auf der Oberflaͤche hervorkom-
men laſſen, und mehr Waſſer, als er vorhin in ſich
geſchloſſen hatte, konnte dieſer Raum nicht faſſen.
Jn die Luft, als Duͤnſte, konnte man dieſe ungeheure
Menge Waſſer auch nicht ſchicken; die Welt wuͤrde
ſonſt einen unaufhoͤrlichen Platzregen und beſtaͤndig
neue Suͤndfluthen gehabt haben.
Was war alſo zu thun, um dieſes nach der Suͤnd-
fluth ſo beſchwehrliche Waſſer wieder los zu werden?
Ja! das iſt wahrhaftig ſchwehr zu ſagen. Allein,
was erfindet der menſchliche Witz nicht? Herr Wor-
ton laͤßt den Cometen, der uns vorhin ſo freygebig
mit Waſſer beſchenket hatte, wieder zuruͤckkommen,
nach-
[287]einiger Einwuͤrfe.
nachdem er der Sonne nahe genug geweſen war, um
recht ausgetrocknet und laͤchzend zu werden, um eines
guten Trunks noͤthig zu haben. Er laͤßt denſelben
noch einmahl die Erde beruͤhren, und nimmt aus
unſerm Dunſtcreiſe das Waſſer wieder zuruͤck, das er
uns vorhero zu unſern tringenden Beduͤrfniſſen gelie-
hen, oder auch allenfalls nur in Verwahrung gege-
ben hatte. Jn der That verdienen dergleichen Erfin-
dungen keine ernſtliche Widerlegung, und es iſt genug,
wenn man in dem Thone davon redet, wie ich hier ge-
than habe.
Allein, wird man ſagen, die Bibel giebt doch
einmahl von dieſer Allgemeinheit der Suͤndfluth, und
daß ihr Waſſer funfzehn Ellen hoch uͤber die hoͤchſten
Berge gegangen iſt, zuverlaͤßige Nachricht, und ſie
verſichert ausdruͤcklich, daß ſie uͤber den ganzen Erd-
boden gegangen, und dadurch alles Fleiſch vertilget
worden ſey. Um hierauf gruͤndlich zu antworten,
muͤßte man die Grundſprache verſtehen. Jch habe
aber mein Hebraͤiſch, davon ich bereits in meinem
neunten Jahre gute Kenntniß hatte, wieder vergeſſen.
Eben die franzoͤſiſchen Schriftſteller aber, deren ich
vorhin gedacht habe, verſichern, daß hier im Grund-
texte ein Ausdruck gebrauchet ſey, der noch gar oͤfters
in der Bibel vorkomme, wobey man aber aus der Be-
ſchaffenheit der Sache klar erkenne, daß dadurch nichts
weniger, als die ganze Welt, oder der ganze Erd-
boden gemeynet ſey. Sie zeigen, daß dadurch gar
oͤfters offenbahr nur diejenigen Laͤnder gemeynet wuͤr-
den, mit welchen die Juden am meiſten bekannt wa-
ren, und Umgang und Commercien hatten; naͤmlich
Arabien,
[288]IX. Abſchn. Widerlegung
Arabien, Palaͤſtina, Syrien, Aſſyrien, Perſien und
andere angraͤnzende Laͤnder.
Daß in der Bibel dergleichen Ausdruͤcke gar nicht
ungewoͤhnlich ſind, daß man von der ganzen Welt re-
det, und doch nur ein maͤßiger Theil derſelben gemey-
net wird, das ſiehet man aus vielen Stellen, inſon-
derheit auch in dem neuen Teſtamente. Z. E. bey
der Geburth Chriſti wird geſaget: Es ſey ein Befehl
von dem Kaiſer Auguſto ausgegangen, daß alle Welt
geſchaͤtzet wuͤrde. Es war aber ſehr weit gefehlet,
daß ſich damahls die roͤmiſche Oberherrſchaft uͤber die
ganze Welt erſtrecket haͤtte. Ohngeachtet das roͤmi-
ſche Reich zu den Zeiten Auguſts in dem Zeitpuncte
ſeiner hoͤchſten Bluͤthe und Groͤße ſtand; ſo beſaßen
doch die Roͤmer damahls nicht den zehnten Theil von
Africa, nicht den fuͤnften Theil von Aſien, nicht die
Haͤlfte von Europa, und von dem damahls unbekann-
ten America gar nichts. Dieſe roͤmiſche Welt be-
trug alſo nur einen ſehr maͤßigen Theil von der gan-
zen Welt.
Vermuthlich iſt die Suͤndfluth, deren in der Bi-
bel gedacht wird, nur eine große Ueberſchwemmung
geweſen, die ſich von Egypten an uͤber Arabien, Sy-
rien, Aſſyrien bis nach Perſien erſtrecket hat; und
wahrſcheinlich iſt es eben diejenige geweſen, wodurch
Sicilien von Jtalien losgeriſſen worden. Jndeſſen
koͤnnte ſie auch diejenige ſeyn, welche andere Voͤlker
des Erdbodens die Suͤndfluth Deukalions genennet ha-
ben. Alsdenn aber muͤßte man in der Zeitrechnung
der Juden verſchiedene Fehler annehmen, und von
ihrem
[289]einiger Einwuͤrfe.
ihrem Ausgange aus Egypten, bis zu dieſer Suͤndfluth
hinauf, wuͤrden gewiß einige tauſend Jahre mehr ver-
floſſen ſeyn.
Wenn es demnach ſehr unwahrſcheinlich und in ge-
wiſſem Betracht ohnmoͤglich iſt, daß ſich die Suͤnd-
fluth allgemein uͤber den ganzen Erdboden hat erſtre-
cken koͤnnen; ſo wuͤrde es ſo gar unnoͤthig ſeyn, eigent-
lich zu unterſuchen, ob von derſelben die Spuhren und
Kennzeichen herruͤhren, die wir in dem Erdboden fin-
den. Die oben erwaͤhnten abwechſelnden Erd- und
Steinlagen in der Erde ſowohl, als die Verſteinerun-
gen aus dem Thier- und Pflanzenreiche, finden ſich
allenthalben auf dem ganzen Erdboden, und man hat
noch nie in einem Lande tief in den Erdboden eingegra-
ben, daß man nicht dieſelben entdecket haͤtte. Jndeſ-
ſen wollen wir auf einen Augenblick zugeben, und an-
nehmen, daß die Suͤndfluth ſich auf den ganzen Erd-
coͤrper erſtrecket hat; und dennoch wird man daraus
nichts weniger folgern und erklaͤhren koͤnnen, daß mehr-
gedachte Erdſchichten und Verſteinerungen durch die-
ſelbe gewirket worden.
Jch habe ſchon oben im zweyten Abſchnitte gezei-
get, daß, wenn auch wirklich die Suͤndfluth allge-
mein geweſen waͤre, und ihre Waſſer ſich funfzehn El-
len hoch uͤber die hoͤchſten Berge erſtrecket haͤtten, es
dennoch eine unrichtige und ganz unwahrſcheinliche Vor-
ausſetzung ſeyn wuͤrde, daß dieſe Waſſer im Stande
geweſen waͤren, alle Erdarten auf dem Erdcoͤrper bis
auf das feſte Geſtein loszuweichen, aufzuruͤhren, und
in ſich zu nehmen. Eben ein ſolcher Erfolg muͤßte ſich
Twenig-
[290]IX. Abſchn. Widerlegung
wenigſtens verhaͤltnißmaͤßig in dem Grunde des Mee-
res zeigen. Es geſchiehet aber nichts weniger, als
dieſes, wie ich oben dargethan habe. Jndeſſen will
ich auch dieſes auf einen Augenblick zugeben. Allein,
auch hieraus hat auf keinerley Art die Beſchafſenheit
der Erdſchichten und der Verſteinerungen entſtehen koͤn-
nen, die wir in der Erde wahrnehmen.
Geſetzt, daß alle Erdarten ſich in denen Waſſern
der Suͤndfluth aufgeruͤhret und gleichſam aufgeloͤſet be-
faͤnden; wuͤrde wohl daraus die Wirkung entſtehen,
wenn ſich dieſe Erdarten bey erfolgter Ruhe des Waſ-
ſers wieder niederſchluͤgen, daß eine jede Erdart ſich
von der andern abſonderte, und in einer Schicht oder
Lage zuſammen niederſchluͤgen? wuͤrde wohl daraus ei-
ne Erdſchicht von Thon, auf dieſelbe eine Erdſchicht
von Leimen, und wieder auf die letztere eine Erdlage
von Sande, oder einer andern Erdart entſtehen koͤn-
nen? Nichts weniger als dieſes! Was vor zureichen-
de Uhrſachen oder Verhaͤltniſſe koͤnnte man wohl ange-
ben, warum ſich eine und eben dieſelbe Erdart zugleich
und auf einmahl niederſchlagen ſollte? Man muͤßte
nicht allein annehmen, daß alle Theilchen von einer je-
den beſondern Erdart Verſtand und Willen haͤtten, um
ſich mit einander zu vereinigen, daß ſie alle zugleich
und auf einmahl niederfallen wollten, ſondern ſie muͤß-
ten auch zugleich uͤber alle andere Erdarten gebieten koͤn-
nen, daß ſie ſich ſo lange in den Waſſern ſchwim-
mend erhalten ſollten, bis ſie ihren Niederfall ver-
richtet, und ſich in eine Schicht zuſammen niedergeſe-
tzet haͤtten.
Allein,
[291]einiger Einwuͤrfe.
Allein, auch dieſe ohnmoͤglichen Vorausſetzungen
wuͤrden nicht einmahl zureichen. Man findet, daß
unter der Erde Sand, Leimen, Thon, und viele an-
dere Stein- und Erdarten wiederholet, und mehr als
einmahl mit einander abwechſeln, dergeſtalt, daß in
einer Teufe von etwan vierzig bis ſechzig Lachtern wohl
achtmahl Schichten von Sand, von allerley Farben,
ſechs und mehrere Schichten von Leimen, und drey
bis vier Lagen von Thon, nebſt vielen Lagen von aller-
ley Steinarten vorkommen, wie haͤtte es moͤglich ſeyn
koͤnnen, daß Theile von einerley Erdart nicht zugleich
und auf einmahl niedergefallen waͤren? Was vor Uhr-
ſachen koͤnnten wohl vorhanden ſeyn, daß der eine
Theil von eben derſelben Erdart ſich zwanzig bis dreyſ-
ſig Lachtern tiefer, oder eher niedergeſchlagen haͤtte,
als eben die Theile dieſer Erdart, die in denen obern
Schichten befindlich ſind; und warum haͤtten ſo viele
Schichten von einerley Erdart nach abwechſelnden vie-
len andern Schichten entſtehen koͤnnen.
Die einzige Uhrſache, wodurch man dieſes einiger-
maßen begreiflich machen koͤnnte, waͤre die Schwehre,
wenn naͤmlich die Erdarten ſich nach einem genauen Ver-
haͤltniß der Schwehre niedergeſchlagen haͤtten. Als-
denn koͤnnte zum Exempel ganz unten eine Schicht von
groben Sande liegen; hierauf koͤnnten ſich die groͤbern
Theilchen von Leimen niedergeſetzet haben; und hier-
auf koͤnnten die groͤbern Theilchen von Thon oder Let-
ten zu Boden geſunken ſeyn. Eben dieſe verſchiede-
nen Schichten koͤnnten hierauf in Anſehung der Theil-
chen des Sandes, Leimens und Thons, von einer mitt-
lern Schwehre erfolget ſeyn, und oben auf koͤnnten die
T 2leichte-
[292]IX. Abſchn. Widerlegung
leichteſten Theilchen von Sand, Leimen und Letten,
oder einer andern Erdart alſo mit einander abwechſeln.
Allein, es iſt ſehr weit gefehlet, daß die verſchie-
denen abwechſelnden Lagen von Erd- und Steinarten
unter der Erde eine ſolche Beſchaffenheit haben ſollten.
Oefters liegt vierzig bis funfzig Lachtern tief eine Schicht
von ſehr feinem oder Triebſande, und oben darauf nach
verſchiedenen abwechſelnden darzwiſchen kommenden
vielen andern Schichten folgen dergleichen von ſehr
groben oder mittelmaͤßigen Sande, und zwar gemei-
niglich die groͤbſten Sandarten in denen obern Schich-
ten. Eben ſo verhaͤlt es ſich mit allen andern Stein-
und Erdarten. Die feinſten liegen oͤfters am tiefſten,
und die groͤbern in denen obern Lagen. Die feinſten
Sandſteine liegen oͤfters am tiefſten, und die groͤberen
Sandſteinſchichten nach verſchiedenen andern abwech-
ſelnden Lagen oben daruͤber. Kurz, man entdecket in
dieſen verſchiedenen abwechſelnden Lagen von Erd- und
Steinarten nichts weniger als ein Verhaͤltniß der
Schwehre, welches doch nothwendig haͤtte geſchehen
muͤſſen, wenn ſich alle dieſe Erdarten in einem und
eben demſelben Waſſer aufgeloͤſet befunden haͤtten.
Es iſt demnach ganz ohnmoͤglich, daß alle dieſe
verſchiedenen und vielen Schichten von Erd- und Stein-
arten durch die Waſſer der Suͤndfluth entſtanden ſeyn
koͤnnen. Gott ſelbſt muͤßte durch eine wunderthaͤtige
Hand gleichſam ein jedes Theilchen und Staͤubchen von
einer jeden Erdart geleitet und gefuͤhret haben, daß es
ſich an dieſem und an keinem andern Orthe niederſchla-
gen und zu Boden ſetzen ſollte; und welcher vernuͤnf-
tige
[293]einiger Einwuͤrfe.
tige Menſch getrauet ſich wohl die unendliche Weisheit
mit einer ſo unnuͤtzen Beſchaͤfftigung zu beladen? Alles
redet demnach von ſelbſt, und rufet uns gleichſam mit
lauter Stimme zu, daß eine jede von dieſen vielen
unterſchiedenen und abwechſelnden Erd- und Steinla-
gen durch eine beſondere Ueberſchwemmung auf der
Oberflaͤche der Erde entſtanden ſey.
Eben ſo ohnmoͤglich wuͤrde es ſeyn, daß die Spuh-
ren und Kennzeichen von einem ehemahls geweſenen
Meeresgrunde, naͤmlich die verſteinerten Muſcheln und
Schnecken, ſich in denjenigen Umſtaͤnden und Verhaͤltniſ-
ſen unter der Erde zeigen koͤnnten, worinnen wir dieſelben
wahrnehmen, wenn die große Menge von verſchiedenen
Erd- und Steinlagen unter der Erde ſaͤmmtlich von
der Suͤndfluth herruͤhreten. Da dieſe Muſcheln und
Schnecken von einer ſehr verſchiedenen Groͤße und
Schwehre ſind, von der allergroͤßten in jeder Art bis
zu der allerkleinſten; ſo wuͤrde es ganz ohnmoͤglich ge-
weſen ſeyn, daß ſie ſich alle von ſo verſchiedener Groͤße
und Schwehre zugleich und neben einander in einerley
Erdſchicht haͤtten niederſchlagen oder zu Boden ſinken
koͤnnen. Die groͤßten und ſchwehrſten muͤßten zu un-
terſt liegen, die von einer mittleren Schwehre und Groͤße
in denen mittleren Gegenden dieſer Erdſchichten, und
die kleineren in denen obern Lagen; oder ſie haͤtten viel-
mehr nach Verhaͤltniß ihrer Groͤße und Schwehre in
dieſer großen Menge von Erdſchichten zerſtreuet und
vertheilet ſeyn muͤſſen. Und es iſt nicht der geringſte
zureichende oder wahrſcheinliche Grund vorhanden, war-
um wir alle dieſe Schnecken und Muſcheln von allerley
Groͤße allemahl in einer Sandſchicht bey und neben
T 3einan-
[294]IX. Abſchn. Widerlegung
einander antreffen. Jndeſſen geſchiehet dieſes alle-
mahl; und es ſind nur wenige Beyſpiele vorhanden,
daß ſich dergleichen Muſcheln und Schnecken in einer
Steinart, zum Exempel in Kalkſtein zerſtreuet befin-
den. Alsdenn aber kann man auch verſichert ſeyn,
daß hier niemahls ein Meeresgrund geweſen, ſondern
daß dieſe Meerthiere durch Ueberſchwemmungen ein-
zeln dahin gefuͤhret und daſelbſt verſchlemmet worden.
Was aber noch mehr iſt, wie koͤnnte ſich in denen obern
Erdſchichten nach vielen andern Erd- und Steinlagen
durch die Menge der Muſcheln und Schnecken noch ein-
mahl ein Meeresgrund veroffenbahren, wenn dieſe
Meerthiere lediglich von der Suͤndfluth herruͤhreten,
und bloß als Ueberbleibſel derſelben anzuſehen waͤren?
Durch was vor einen Zuſammenhang der Dinge haͤtten
hier abermahls ſo viele Muſcheln und Schnecken in ei-
ner Erdſchicht bey einander zuſammengehaͤufet werden
koͤnnen? Wuͤrden ſie nicht eben ſo, wie wir vorhin
geſagt haben, nach dem Verhaͤltniß ihrer Schwehre,
durch alle dieſe verſchiedenen Erdſchichten zerſtreuet ſeyn
muͤſſen?
Solchemnach veroffenbahret ſich auch hier auf eine
ſehr uͤberzeugende Art, daß dieſe Menge von Muſcheln
und Meerſchnecken, die wir in denen abwechſelnden Erd-
lagen oͤfters mehr als einmahl in einer Schicht von
Meerſande antreffen, keinesweges von der Suͤndfluth
herruͤhren. Sie beweiſen vielmehr ungezweifelt, daß
hier ehedem des Meeres Grund geweſen, welcher durch
nachfolgende Ueberſchwemmungen mit ſo vielen andern
Erd- und Steinlagen bedecket worden.
Da
[295]einiger Einwuͤrfe.
Da die Floͤtzgebirge, deren Uhrſprung und Entſtehung
man gleichfalls gemeiniglich der Suͤndfluth zuſchreibet,
eben die verſchiedenen Erd- und Steinlagen haben; ſo hat
es mit denenſelben eben die Bewandtniß, als mit denen
abwechſelnden Schichten, die man bey der Eingrabung in
ebenen Gegenden entdecket. Einerley Wirkungen muß
man auch allemahl einerley Uhrſachen zuſchreiben, folg-
lich ſind dieſe Floͤtzgebirge eben ſo durch viele und oft wie
derholte Ueberſchwemmungen, oder durch die Stroͤhme
und Bewegungen des Meeres entſtanden, wie ich in
dem erſten Abſchnitte genugſam gezeiget habe.
Jch ſchmeichle mir, daß ich wenig Leſer von Ge-
ſchmack und Einſicht haben werde, die nicht durch ſo
viele ſtarke Gruͤnde uͤberzeuget ſeyn ſollten, daß die
Suͤndfluth keinesweges dasjenige iſt, worinnen man
die Erklaͤhrung und Erlaͤuterung von ſo vielen Spuh-
ren und Merkzeichen großer Veraͤnderungen und Um-
formungen, die auf dem Erdcoͤrper vorgegangen ſind,
ſuchen muͤſſe, und daß folglich aus der Suͤndfluth keine
zureichenden und gruͤndlichen Einwuͤrfe gegen die Fol-
gen, die ich aus dieſen Spuhren und Kennzeichen ge-
zogen habe, gemacht werden koͤnnen. Man wird viel-
mehr uͤberzeugend erkennen, daß dieſe Spuhren und
Merkzeichen wirklich dasjenige ſind, wozu ich ſie in die-
ſer Geſchichte gebrauchet habe, naͤmlich als glaubwuͤr-
dige Uhrkunden und Nachrichten von denen großen Be-
gebenheiten und erſtaunlichen Veraͤnderungen, die in
dem ganzen langen Zeitalter deſſelben vorgefallen und
eines beſtaͤndigen Andenkens wuͤrdig ſind.
T 4Zehender
[296]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
Zehender Abſchnitt.
Wie die in der Bibel beſchriebene Schoͤ-
pfung und Zeitrechnung mit dieſem großen Alter-
thume des Erdcoͤrpers zu vereini-
gen ſey.
Jn dem vorhergehenden Abſchnitte iſt der haupt-
ſaͤchlichſte Jnnhalt dieſer Geſchichte und das ho-
he Alterthum des Erdcoͤrpers gegen die Suͤnd-
fluth gerettet worden; und ich habe gezeiget, daß die
Suͤndfluth, man mag ſie allgemein annehmen, oder
nicht, diejenigen aͤußerlichen Spuhren und Kennzei-
chen nicht habe wirken koͤnnen, die hier zum Beweiſe
von dem hohen Alter unſers Erdcoͤrpers gedienet ha-
ben. Es iſt noch uͤbrig, daß wir in dem gegenwaͤrti-
gen Abſchnitt unſern Leſern vor Augen legen, daß nicht
allein die nach Maßgebung des in der Einleitung an-
genommenen Lehrgebaͤudes allhier vorgetragene Schoͤ-
pfung und Entſtehung unſers Erdcoͤrpers in der That
ſehr wohl mit der in der Bibel beſchriebenen Schoͤpfung
uͤbereinſtimme; ſondern daß auch diejenige Zeitrech-
nung, welche die Chronologiſten vermeyntlich nach
Maßgebung der Schrift angenommen haben, uns nicht
hintern koͤnne, die hier ausgefuͤhrten Wahrheiten als
wahr und richtig anzunehmen.
Damit dieſe Uebereinſtimmung der hier angenom-
menen Schoͤpfung mit derjenigen, ſo in der Bibel be-
ſchrieben wird, deſto beſſer in die Augen fallen moͤge;
ſo
[297]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
ſo wollen wir einen jeden Schoͤpfungstag aus der Bi-
bel hieher ſetzen, und alsdenn erlaͤutern, daß unſer
angenommenes Syſtem derſelben vollkommen gemaͤß
ſey. Von dem erſten Schoͤpfungstage heißt es in der
Bibel folgendergeſtalt:
„Am Anfang ſchuf Gott Himmel und Erde. Und
\&q;die Erde war wuͤſte und leer, und es war finſter auf
\&q;der Tiefe, und der Geiſt Gottes ſchwebete auf dem
\&q;Waſſer. Und Gott ſprach: Es werde Licht, und es
\&q;ward Licht. Und Gott ſahe, daß das Licht gut war,
\&q;da ſcheidete Gott das Licht von der Finſterniß, und
\&q;nennete das Licht Tag, und die Finſterniß Nacht. Da
\&q;ward aus Abend und Morgen der erſte Tag.
Als das ewige, uhrſpruͤngliche und ſelbſtſtaͤndige We-
ſen alle Atomen, die in einem Sonnenſyſtem befindlich
waren, durch den Hauch ſeines Mundes in einen Klum-
pen zuſammentrieb; ſo entſtand im eigentlichen Ver-
ſtande Himmel und Erde. Der Himmel iſt in der That
eigentlich nichts anders, als der unendliche Raum, in
welchem ſich unſer Auge verliehret. Dieſer Raum ent-
ſtand aber eben damahls, als aus dem unendlichen
Raume die Atomen in einen Klumpen zuſammengetrie-
ben wurden. Da dieſe zuſammengehaͤuften Atomen
den erſten Stoff von unſerm Erdcoͤrper und allen an-
dern Himmelscoͤrpern ausmachten; ſo entſtand auch zu-
gleich dadurch die Erde, und die Uebereinſtimmung
faͤllt alſo von ſelbſt in die Augen.
Die Bibel ſaget weiter: „Daß die Erde wuͤſte
\&q;und leer, und es finſter auf der Tiefe geweſen ſey.‟
Dieſes iſt von demjenigen Zeitpuncte zu verſtehen, da
die zuſammengehaͤuften Atomen in dem nachherigen
T 5Sonnen-
[298]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
Sonnencoͤrper ſich durch die Bewegung deſſelben um
ſeine Axe erwaͤrmten, in Gaͤhrung geriethen, und die
vier Uhrſtoffe aller Materien, naͤmlich Erde, Oehl,
Queckſilber und Waſſer erzeugten; da denn nach dem
Verhaͤltniß, wie die Erhitzung des Sonnenklumpens
immer mehr zunahm, und der Brand endlich in ſei-
nem Jnnerſten erfolgte, dadurch das Waſſer nach der
Oberflaͤche dieſes ungeheuren Klumpens getrieben wur-
de. Jn der That war an dieſem Klumpen aͤußerlich
noch nicht das geringſte von einem Feuer zu ſehen. Da-
her denn in der Bibel geſagt wird: Es ſey finſter auf
der Tiefe geweſen, und der Geiſt Gottes habe auf dem
Waſſer geſchwebet; das iſt: Die Kraft und All-
macht Gottes habe bey dieſem noch finſtern und unfoͤrm-
lichen Klumpen allezeit ihre Hand und Wirkung be-
halten.
Die Bibel ſaget weiter, daß Gott hierauf ſein All-
machtswort ausgeſprochen habe: Es werde Licht! Und
es ſey Licht geworden. Dieſes iſt der Zeitpunct, da
die Stuͤcken des Sonnenklumpens, welcher durch das
immer weiter um ſich gefreſſene innere Feuer ſo viele Riſſe
und Spalten bekommen hatte, von demſelben losbra-
chen, und zu Planeten und Cometen wurden. Da
das innere Feuer hierdurch einigermaßen Luft bekom-
men hatte; ſo brach es an verſchiedenen Orthen aus
demſelben hervor, und es wurde hierdurch etwas Licht
gewirket. Jndeſſen war dieſes Licht in Vergleichung
der nachherigen Sonnenwirkung nur ſchwach; und man
konnte dieſen Klumpen noch keine Sonne nennen, weil
er nur an einigen Orthen das Feuer hervorbrechen ließ,
und noch nicht durchaus brannte.
Es
[299]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
Es haben ſowohl die Weltweiſen und Naturkuͤndi-
ger, als die Gottesgelehrten unuͤberwindliche Schwuͤ-
rigkeiten angetroffen, wenn ſie haben erklaͤhren und be-
greiflich machen wollen, wie es zugegangen und moͤglich
geweſen ſey, daß gleich am erſten Tage der Schoͤpfung
ein Licht entſtehen, und in denen erſten drey Tagen es
Tag und Nacht, oder Abend und Morgen werden koͤn-
nen; da doch Sonne und Mond erſt am vierten Tage
erſchaffen worden. Alle Erklaͤhrungen, die man hier-
uͤber zu erfinden bemuͤhet geweſen iſt, haben der Sache
keine Genuͤge gethan. Einige haben ſo gar deshalb noch
ein beſonderes, von der Sonne ganz unterſchiedenes Licht
angenommen, welches am erſten Tage erſchaffen wor-
den. Allein, da wir von einem ſolchen beſondern Lichte
nicht die geringſten Spuhren wahrnehmen; ſondern al-
ler Schimmer, oder naͤchtliche Schein, bey der Abwe-
ſenheit der Sonne von unſerer Halbkugel dennoch alle-
mahl ganz ohnſtreitig entweder von der Sonne, oder
von denen Sternen herruͤhret, die gleichfalls erſt am
vierten Tage erſchaffen worden; ſo kommt es der ge-
ſunden Vernunft ſehr ſauer an, ſich die Exiſtenz eines
ſolchen beſondern von der Sonne verſchiedenen Lichtes
als glaublich vorzuſtellen. Durch mein gegenwaͤrti-
ges Syſtem aber wird dieſer Zweifel auf einmahl geho-
ben. Das aus denen Riſſen und Spalten des Son-
nencoͤrpers in etwas hervorbrechende Feuer, das aber
noch keine Sonne genennet werden konnte, war das Licht,
das bereits am erſten Schoͤpfungstage exiſtirte und zum
Vorſchein kam. Laſſet uns nunmehro den zweyten
Schoͤpfungstag betrachten!
„Und
[300]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
„Und Gott ſprach: Es werde eine Veſte zwiſchen
\&q;den Waſſern, und die ſey ein Unterſchied zwiſchen den
\&q;Waſſern. Da machte Gott die Veſte, und ſcheidete
\&q;das Waſſer unter der Veſten von dem Waſſer uͤber der
\&q;Veſten. Und es geſchah alſo. Und Gott nennete
\&q;die veſte Himmel. Da ward aus Abend und Mor-
\&q;gen der andere Tag.‟
Dieſer zweyte Schoͤpfungstag hat allen Auslegern
der Bibel ſehr viele Muͤhe gemacht. Man hat auf kei-
nerley Art durch vernuͤnftige und wahrſcheinliche Be-
griffe erlaͤutern koͤnnen, was das vor eine Veſte ſey, die
Gott am zweyten Tage erſchaffen, und die er, wie aus-
druͤcklich dabey ſtehet, Himmel genennet habe. Dasje-
nige, was man nach den gemeinen Begriffen Himmel
nennet, iſt weiter nichts, als die reine Luft, und der
unendliche Raum, in welchem ſich unſer Geſichtspunct
bey heiterem Wetter verliehret; und man ſiehet nicht, wie
dieſes eine Veſte genennet werden kann. Noch mehr
aber iſt es unbegreiflich, wie Gott die Waſſer von ein-
ander ſcheiden, und einen Theil derſelben uͤber dieſer
Veſte, naͤmlich uͤber dem Himmel, den andern Theil
aber unter der Veſte, das iſt, unſtreitig auf dem Erd-
boden ihre Stellen anweiſen koͤnnen. Dieſes ſcheinet
voraus zu ſetzen, daß uͤber dem Himmel noch Waſſer
befindlich ſeyn muͤſſe, welches doch, wenn man richtige
Begriffe von der Bedeutung des Wortes Himmel hat,
ohnmoͤglich ſeyn kann.
Man muß faſt glauben, daß der Verfaſſer der
Buͤcher Moſis, wenn er gleich durch eine goͤttliche
Kraft Eingebungen und Begriffe mitgetheilet bekom-
men,
[301]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
men, dennoch dieſe Begriffe wegen der damahligen
Unwiſſenheit der Zeiten in ſeinem Verſtande nicht
genug aus einander wickeln koͤnnen, und ſich viel-
leicht gar, wie noch einige Voͤlker in America heuti-
ges Tages thun, den Himmel als ein veſtes Beſtand-
weſen vorgeſtellet habe, an welchem Sonne und
Mond als große Lichter, und die Sterne als kleine
Lichter angeheftet waͤren, oder daß die Sterne nach
der Meynung einiger Wilden in America goldene Naͤ-
gel waͤren, womit man den Himmel beſchlagen haͤt-
te. Vermuthlich hat er eben ſo ſchlechte Begriffe
von den Duͤnſten und Wolken gehabt, und er hat
ſich eingebildet, daß der Regen keinen andern Uhr-
ſprung habe, als daß derſelbe von dem Waſſer, ſo
uͤber der Veſte des Himmels befindlich ſey, von Zeit
zu Zeit durchtroͤpfle; weil etwan dieſe Veſte von ei-
ner ſolchen Beſchaffenheit ſey, daß ſie viele Poros,
oder ſehr feine Zwiſchenraͤumchen habe, durch welche
das uͤber der Veſte des Himmels befindliche Waſſer
durchſeigern koͤnne.
Allein, durch mein angenommenes Lehrgebaͤude
werden alle dieſe Begriffe mehr aufgeklaͤhret und aus
einander geſetzet. Jch habe angenommen, daß die
losgeriſſenen Stuͤcke von dem Sonnenklumpen den
groͤßten Theil des Waſſers, der auf die Oberflaͤche
dieſes Klumpens durch den innerlichen Brand getrie-
ben war, mit ſich genommen haben. Jndeſſen blieb
dennoch ein geringerer Theil von dieſen Waſſern auf
dem Sonnenklumpen zuruͤck; und das iſt eigentlich
die Scheidung der Waſſer uͤber und unter der Veſte;
und
[302]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
und es hat dadurch im Grunde weiter nichts, als die
Losreißung der geſpaltenen Stuͤcke von dem Sonnen-
klumpen angezeiget werden wollen. Der Raum zwi-
ſchen uns und der Sonne, in welchem ſich das Auge
verliehret, iſt eigentlich dasjenige, was man nach
dem gemeinen Ausdruck Himmel nennet, und das
man in der Bibel mit dem Nahmen einer Veſte be-
leget. Das auf dem Sonnencoͤrper zuruͤckgebliebene
Waſſer befindet ſich alſo uͤber dieſer Veſte, und das
Waſſer, ſo der Erdcoͤrper bey ſeiner losreißung von
dem Sonnenklumpen mit ſich genommen hat, befin-
det ſich unter derſelben. Wir wollen nunmehro zu
dem dritten Tagewerke der Schoͤpfung fortgehen.
„Und Gott ſprach: Es ſammle ſich das Waſſer
\&q;unter dem Himmel an beſondere Oerther, daß man
\&q;das Trockene ſehe. Und es geſchah alſo. Und
\&q;Gott nennete das Trockene Erde, und die Samm-
\&q;lung der Waſſer nennete er Meer. Und Gott ſah,
\&q;daß es gut war. Und Gott ſprach: Es laſſe die
\&q;Erde aufgehen Gras und Kraut, das ſich beſaame,
\&q;und fruchtbare Baͤume, da ein jeglicher nach ſeiner
\&q;Art Frucht trage, und habe ſeinen eigenen Saa-
\&q;men bey ihm ſelbſt auf Erden. Und es geſchah
\&q;alſo. Und die Erde ließ aufgehen Gras und Kraut,
\&q;daß ſich beſaamete ein jegliches nach ſeiner Art, und
\&q;Baͤume, die da Frucht trugen, und ihren eige-
\&q;nen Saamen bey ſich ſelbſt hatten, ein jeglicher
\&q;nach ſeiner Art. Und Gott ſah, daß es gut war.
\&q;Da ward aus Abend und Morgen der dritte
\&q;Tag.‟
Auch
[303]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
Auch mit dieſem dritten Schoͤpfungstage ſtimmet
mein Lehrgebaͤude vollkommen uͤberein. Nachdem die
Planeten ſich in großen Stuͤcken von dem Sonnen-
klumpen losgeriſſen hatten, und vermoͤge der weſent-
lichen Natur ihrer uhrſpruͤnglichen Atomen die Bewe-
gung um ihre eigene Axe fortſetzten, auch von der an-
ziehenden Kraft der Sonne, die indeſſen immer ſtaͤr-
ker zu brennen angefangen hatte, in einem beſtaͤndi-
gen Creislaufe um dieſelbe erhalten wurden; ſo hat-
te unſer Erdcoͤrper ſeinen ellyptiſchen Creislauf um die
Sonne kaum zweymahl vollendet, als ſich derſelbe
vermittelſt eben dieſer Bewegung um die Sonne, und
um ſeine eigene Axe, zu einer Kugel merklich zu bil-
den anfieng, die an den Polen etwas eingedruͤckt war.
Hierdurch geſchah es, daß ſich die Waſſer auf dem
Erdcoͤrper in denen Vertiefungen ſammleten, die Er-
hoͤhungen aber als trockenes Land zum Vorſchein ka-
men. Zu gleicher Zeit aber fieng ſich an durch dieſe
Bewegung und durch die Wirkung der Sonne ſeine
Atmoſphaͤre oder Luftcreis aus denen Duͤnſten des
Waſſers zu formiren, wodurch alſo das Waſſer auf
dem Erdcoͤrper gleichfalls vermindert wurde, und noch
mehr trockenes und feſtes Land entſtand. Dieſes tro-
ckene Land erzeugte durch die noch neue und friſche
Kraft ſeiner jungen Erde und vermittelſt eines gerin-
gen Antheils an Oehl, welches auf deſſen Oberflaͤche
kleben geblieben war, die Kraͤuter, Pflanzen und
Baͤume, die alſo bey dem dritten Umlauf des Erdcoͤr-
pers um die Sonne zu wachſen anfiengen. Jedoch, wir
wollen nunmehro ſehen, was an dem vierten Schoͤpfungs-
tage nach Maaßgebung der Bibel vorgieng.
„Und
[304]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
„Und Gott ſprach: Es werden Lichter an der Ve-
\&q;ſte des Himmels, die da ſcheiden Tag und Nacht,
\&q;und geben Zeichen, Zeiten, Tage und Jahre. Und
\&q;ſeyen Lichter an der Veſte des Himmels, daß ſie ſchei-
\&q;nen auf Erden. Und es geſchah alſo. Und Gott
\&q;machte zwey große Lichter, ein groß Licht, das den
\&q;Tag regiere, und ein klein Licht, das die Nacht re-
\&q;giere, dazu auch Sterne. Und Gott ſetzte ſie an
\&q;die Veſte des Himmels, daß ſie ſchienen auf die Er-
\&q;de. Und den Tag und die Nacht regierten, und
\&q;ſcheideten Licht und Finſterniß. Und Gott ſah, daß
\&q;es gut war. Da ward aus Abend und Morgen der
\&q;vierte Tag.
Wenn man dasjenige, was ich in der Einleitung
von der Entſtehung des Weltgebaͤudes und der Bil-
dung unſers Erdcoͤrpers angenommen habe, hiermit
in Vergleichung ziehet; ſo wird man auch bald hier-
innen eine genugſame Uebereinſtimmung finden. Jn
denen erſten drey Jahren, da unſer Weltcoͤrper ſei-
nen Umlauf um die Sonne verrichtete, hatte ſich deſ-
ſen Dunſtcreis oder Atmoſphaͤre formiret. Jn die-
ſen erſten drey Jahren war es wegen der dicken aus
dem Waſſer aufſteigenden Duͤnſte, ehe ſich die At-
moſphaͤre voͤllig gebildet hatte, nicht moͤglich gewe-
ſen, die Sonne mit allem ihrem Glanze auf unſerm
Erdcoͤrper zu erblicken. Allein, in deſſen vierten Um-
lauf um die Sonne war nunmehro die Atmoſphaͤre
vollkommen formiret; die Duͤnſte und die Luft hat-
ten ſich genugſam erheitert, und man konnte nun-
mehro von unſerm Erdcoͤrper, wenn er bereits von
menſch-
[305]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
menſchlichen Creaturen bewohnet geweſen waͤre, ſo-
wohl die Sonne, als das von derſelben abgeriſſene
Stuͤck, den nunmehrigen Mond in aller ihrer Pracht
auf unſerm Weltcoͤrper wahrnehmen. Eben dieſes
fand in Anſehung der Sterne ſtatt. Man muß aber
allerdings zugeben, daß die Bibel nach den menſch-
lichen Begriffen und denen damahligen Einſichten von
der Schoͤpfung redet, und dieſelbe ſolchergeſtalt be-
ſchreibet, wie ſie damahls menſchlichen Creaturen,
wenn ſie ſich auf unſerm Erdcoͤrper befunden haͤt-
ten, vorgekommen waͤre; denn wie haͤtte ſonſt von
dem Monde, als von einem Lichte geredet werden koͤn-
nen. Man iſt heut zu Tage nur allzu gewiß verſi-
chert, daß der Mond keinesweges ein eignes Licht
habe; ſondern daß aller ſein Schein bloß daraus ent-
ſtehet, weil die auf ihn fallenden Sonnenſtrahlen auf
unſern Erdcoͤrper zuruͤckprallen. Laſſet uns nunmehro
die Beſchreibung des fuͤnften Schoͤpfungstages be-
trachten. Sie lautet alſo:
„Und Gott ſprach: Es errege ſich das Waſſer
\&q;mit webenden und lebendigen Thieren und mit Gevoͤ-
\&q;gel, das auf der Erde unter der Veſte des Himmels
\&q;fliege. Und Gott ſchuf große Wallfiſche, und aller-
\&q;ley Thier, das da lebet und webet, und vom Waſ-
\&q;ſer erreget ward, ein jegliches nach ſeiner Art,
\&q;und allerley gefiedertes Gevoͤgel, ein jegliches nach
\&q;ſeiner Art. Und Gott ſah, daß es gut war.
\&q;Und Gott ſegnete ſie, und ſprach: Seyd fruchtbar,
\&q;und mehret euch, und erfuͤllet das Waſſer im
\&q;Meer, und das Gevoͤgel mehre ſich auf Erden.
U\&q;Da
[306]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
\&q;Da ward aus Abend und Morgen der fuͤnfte
\&q;Tag.‟
Wenn ſich in meinem von der Schoͤpfung ange-
nommenen Syſtem mit denen in der Bibel beſchrie-
benen Schoͤpfungstagen eine Verſchiedenheit zeiget;
ſo iſt es in Anſehung der Fiſche und Voͤgel, die am
fuͤnften Schoͤpfungstage hervorgebracht worden ſind.
Jch habe angenommen, daß, da ſich die Meere und
das Trockene zugleich auf dem Erdboden bildeten,
auch die Fiſche mit denen Pflanzengewaͤchſen zu glei-
cher Zeit entſtanden waͤren. Jndeſſen kann es gar
wohl ſeyn, daß die Fiſche die Sonnenwaͤrme zu ih-
rer Erzeugung nothwendig gehabt, die erſt in dem
vierten Umlauf des Erdcoͤrpers um die Sonne genug
wirkſam wurde; dahingegen die Pflanzengewaͤchſe ſol-
che zu ihrer Entſtehung vielleicht nicht ſo ſehr bedurf-
ten. Folglich kann es gar wohl ſeyn, daß die Fi-
ſche erſt am fuͤnften Schoͤpfungstage, oder in dem
fuͤnften Umlauf des Erdcoͤrpers um die Sonne erzeu-
get worden. Nach deutlichem Jnnhalt der Bibel
ſind die Voͤgel gleichfalls aus dem Waſſer des Mee-
res hervorgebracht worden. Man ſiehet leicht ein,
daß ſolches bey allen Waſſervoͤgeln gar wohl hat ge-
ſchehen koͤnnen, und die uͤbrigen, die nicht in dem
Waſſer leben, ſind vermuthlich an denen Ufern erzeu-
get worden. Jedoch, wir kommen nunmehro zu dem
ſechſten und letzten Schoͤpfungstage, von welchem es
in der Bibel folgendergeſtalt heißet:
„Und Gott ſprach: Die Erde bringe hervor le-
\&q;bendige Thiere, ein jegliches nach ſeiner Art, Vieh,
\&q;Gewuͤrme
[307]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
\&q;Gewuͤrme und Thiere auf Erden, ein jegliches nach
\&q;ſeiner Art. Und es geſchah alſo. Und Gott mach-
\&q;te die Thiere auf Erden, ein jegliches nach ſeiner
\&q;Art, und das Vieh nach ſeiner Art, und allerley
\&q;Gewuͤrm auf Erden nach ſeiner Art, und Gott ſah,
\&q;daß es gut war. Und Gott ſprach: Laſſet uns Men-
\&q;ſchen machen, ein Bild, das uns gleich ſey, die
\&q;da herrſchen uͤber die Fiſche im Meer, und uͤber die
\&q;Voͤgel unter dem Himmel, und uͤber das Vieh, und
\&q;uͤber die ganze Erde, und uͤber alles Gewuͤrme, das
\&q;auf Erden kreucht. Und Gott ſchuf den Menſchen
\&q;ihm zum Bilde, zum Bilde Gottes ſchuf er ihn,
\&q;und er ſchuf ſie ein Maͤnnlein und Fraͤulein. Und
\&q;Gott ſegnete ſie, und ſprach zu ihnen: Seyd frucht-
\&q;bar und mehret euch, und fuͤllet die Erde, und ma-
\&q;chet ſie euch unterthan, und herrſchet uͤber Fiſche
\&q;im Meer, und uͤber Voͤgel unter dem Himmel, und
\&q;uͤber alles Thier, das auf Erden kreucht. Und
\&q;Gott ſprach: Sehet da, ich habe euch gegeben aller-
\&q;ley Kraut, das ſich beſaamet auf der ganzen Erden,
\&q;und allerley fruchtbare Baͤume, und Baͤume, die
\&q;ſich beſaamen zu eurer Speiſe. Und allem Thier
\&q;auf Erden, und allen Voͤgeln unter dem Himmel,
\&q;und allem Gewuͤrm, das da lebet auf Erden, daß
\&q;ſie allerley gruͤn Kraut eſſen. Und es geſchah alſo.
\&q;Und Gott ſah an alles, was er gemacht hatte, und
\&q;ſiehe da, es war ſehr gut. Da ward aus Abend
\&q;und Morgen der ſechſte Tag.‟
Was den ſechſten Tag der Schoͤpfung anbelanget;
ſo ſtimmet derſelbe abermahls mit meinem in der Ein-
U 2leitung
[308]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
leitung angenommenen Syſtem vollkommen uͤberein.
Nach demſelben ſind die Thiere und Gewuͤrme zuletzt
hervorgebracht worden, und zwar aus denenjenigen
Stellen des trockenen Landes, in welchen wegen ihrer
kleinen Vertiefung mehr oͤhlichtes Weſen zuruͤckgeblie-
ben war; und nachdem die Sonne durch ihre erwaͤr-
mende Strahlen bereits genugſam wirken konnte.
Man muß hierbey bemerken, daß die Bibel ſelbſt
ſagt, die Erde ſolle die Thiere und Gewuͤrme hervor-
bringen. Dieſes zeiget alſo genugſam an, daß ſie
nicht unmittelbar von Gott erſchaffen, ſondern von
der Erde vermoͤge der ihr beygelegten thaͤtigen Kraft
hervorgebracht ſind, welches alſo gleichfalls mit mei-
nem Syſtem vollkommen uͤbereinſtimmt.
Die Bibel ſaget zwar nicht, daß die Menſchen
gleichfalls durch die in der Erde annoch befindliche
thaͤtige Kraft entſtanden; ſondern daß ſie von Gott
beſonders gemacht und erſchaffen worden ſind; indeſ-
ſen wiſſen wir aus vielen andern Stellen der Schrift,
daß die Menſchen gleichfalls aus Erde erſchaffen wor-
den; und der Nahme Adam, oder Adamah, bedeu-
tet im Hebraͤiſchen eigentlich rothe Erde, welches
dann voraus zu ſetzen ſcheinet, daß die Menſchen aus
rother Erde entſtanden ſind. Jndeſſen kann man gar
wohl annehmen, daß Gott bey Hervorbringung der
Menſchen, ob ſie gleich aus denen damahligen thaͤti-
gen Kraͤften der Erde gleichfalls erzeuget ſind, unmit-
telbar dabey mehr gewirket habe, als bey andern Ar-
ten von Thieren.
Man
[309]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
Man muß ſowohl nach der Bibel, als nach mei-
nem Syſtem annehmen, daß von jeder Art der leben-
digen Geſchoͤpfe an Fiſchen, Voͤgeln, Thieren und
Gewuͤrmen nicht etwan nur ein Paar von beyderley
Geſchlechte erzeuget worden; ſondern daß eine jede
Art in Menge hervorgebracht iſt. Dieſes bewei-
ſen verſchiedene Ausdruͤcke in der Bibel, z. E. daß
ſich das Meer mit allerley Arten von Fiſchen und Ge-
voͤgel regen ſolle. Denn wenn in allen Meeren des
Erdbodens von jeder Art der darinnen lebenden Crea-
turen nur ein einziges Paar erzeuget worden waͤre;
ſo wuͤrde ſich gewiß dadurch das Meer nicht haben re-
gen koͤnnen. Eben alſo muß man nach meinem Sy-
ſtem urtheilen. Es gab ohne Zweifel eine Men-
ge von Stellen auf dem Erdboden, welche zu Erzeu-
gung der Thiere geſchickt waren; und man fiehet
nicht, warum in ſo vielen Stellen von einer jeden Art
der Thiere nur ein einziges Paar haͤtte hervorgebracht
werden ſollen.
Jndeſſen ſaget die Bibel ausdruͤcklich, daß in
Anſehung der Menſchen ein ganz anderes geſchehen,
und daß nur ein einziges Paar davon erſchaffen wor-
den. Jch weis gar wohl, daß hieruͤber gar vieler-
ley Betrachtungen angeſtellet worden ſind, und daß
man hiervon inſonderheit zur Uhrſache angegeben
hat, daß die Weisheit Gottes hierdurch habe ver-
hintern wollen, daß ſich kein Geſchlecht der Men-
ſchen uͤber das andere einen Vorzug anmaßen ſolle,
weil ſie doch alle von einerley Stammaͤltern erzeu-
get worden waͤren. Dieſes wuͤrde aber nicht ge-
U 3ſchehen
[310]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
ſchehen ſeyn, wenn Gott viele Menſchen beyderley
Geſchlechts zugleich und auf einmahl erſchaffen haͤtte.
Die Abkoͤmmlinge von einem jeden Geſchlecht wuͤr-
den nach der allen Menſchen angebohrnen Eigenliebe
ſinnreich genug geweſen ſeyn, in ihren erſten Stamm-
aͤltern Vorzuͤge zu erfinden, weshalb ſie ſich uͤber die
andern Geſchlechter der Menſchen erheben koͤnnten.
Dem ſey aber wie ihm wolle, ſo ſind ſtarke Gruͤn-
de vorhanden, die uns zu glauben bewegen, daß ſich
noch heutiges Tages dreyerley ganz verſchiedene Ge-
ſchlechter von Menſchen auf dem Erdboden befinden.
Das erſte Geſchlecht ſind die weißen Menſchen, die
in ſehr heißen Laͤndern von der Sonne ſchwarzgelb
werden. Das zweyte Geſchlecht ſind die wirklichen
Mohren, die eine recht dunkelſchwarze Farbe haben,
und in vielerley Voͤlkern die mittaͤgliche Kuͤſte von
Africa bewohnen. Das dritte Geſchlecht aber beſte-
het aus den alten und natuͤrlichen Einwohnern von
America, die in Anſehung ihrer Haare, und inſon-
derheit durch den Mangel des Barts ſich von dem er-
ſten Geſchlecht der weißen Menſchen genugſam unter-
ſcheiden. Jch habe ſchon oben Gelegenheit gehabt,
zu zeigen, daß die Americaner ein beſonderes Ge-
ſchlecht von Menſchen ausmachen. Jch will alſo hier
nur noch erweiſen, daß man dieſes auch von denen
Mohren behaupten muͤſſe.
Man irret ſich, wenn man glaubt, daß die pech-
ſchwarze Farbe der obgedachten Mohren von der Hitze
der Himmelsgegend herruͤhret, die ſie bewohnen.
Die
[311]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
Die meiſten Voͤlker in Oſtindien leben in eben ſo heiſ-
ſen, und in der That noch heißern Himmelsgegenden,
als vorhin gedachte Mohren. Dennoch haben die-
ſelben in einer Menge von Zeugungen keinesweges
die ſo ſehr ſchwarze Farbe der Mohren erlangt. Sie
ſind nur ſchwarzgelb, ja die meiſten nur braungelb;
und ihr Frauenzimmer, welches ſich der Hitze der
Sonne niemahls ausſetzet, giebt unſern Europaͤiſchen
Schoͤnen an weißer Farbe nichts nach. Ganz an-
ders aber verhaͤlt es ſich mit dem ganzen Geſchlecht
der Mohren. Die ſchwarze Farbe iſt ihnen weſent-
lich und von Natur eigen; und wenn ſie auch in Eu-
ropa oder andern gemaͤßigten Laͤndern eine lange Zeit
und viele Zeugungen hindurch ihren Aufenthalt ha-
ben; ſo veraͤndert ſich deshalb nichts an ihrer ſchwar-
zen Farbe, ſie werden deshalb nicht ſchwarzgelb, oder
endlich gar weiß. Wir ſind hiervon nunmehro auf
das vollkommenſte uͤberzeuget, da die engliſchen Co-
lonien in dem nordlichen Theil von America, und
folglich in einer gemaͤßigten Himmelsgegend ſich nun-
mehro ſeit hundert Jahren der Mohren aus Africa,
oder der ſogenannten Regern, in ihren Pflanzungen
als Sclaven bedienen. So lange dieſe Negern ſich
nur unter einander ſelbſt verheyrathen, und ſich nicht
mit weißen Menſchen vermiſchen; ſo bleibet die Far-
be ihrer Nachkommen, ohngeachtet ihres veraͤnderten
Aufenthalts, in allen folgenden Zeugungen eben
ſo pechſchwarz, als ſie auf der Kuͤſte von Africa
waren.
U 4Das
[312]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
Das ganze Geſchlecht dieſer ſchwarzen Mohren
hat noch uͤberdies ſehr weſentliche Unterſcheidungszei-
chen, welche nicht geſtatten, daß man ſie mit dem
Geſchlechte der weißen Menſchen vor einerley Uhr-
ſprung halten kann. Jhr Haupthaar iſt mehr eine
Wolle, als ein Haar; und ſie haben alle ſehr dicke,
aufgeworfene und etwas herunter haͤngende Lippen.
Was aber ihren weſentlichen Unterſchied von denen
weißen Menſchen ganz ungezweifelt beweiſet; ſo ha-
ben ſie eine Haut mehr, als die beyden uͤbrigen
Hauptgeſchlechter von weißen Menſchen. Dieſe Haut
iſt ganz undurchſichtig, und veruhrſachet eben ihre
große Schwaͤrze. So bald dieſe Haut durch eine
Verwundung durchſchnitten wird; ſo wird die Nerve
davon weiß, und verbleibet alſo ihre ganze uͤbrige Le-
benszeit, ſie moͤgen ſich in Africa, oder in gemaͤßig-
ten Himmelsgegenden aufhalten. Dieſes beweiſet
ſehr uͤberzeugend, daß ihre ſchwarze Farbe nicht von
der Sonnenhitze, ſondern von dieſer Haut herruͤh-
ret, die einen weſentlichen Unterſchied zwiſchen ihnen
und denen weißen Menſchen ausmacht. Dieſe und
verſchiedene andere weſentliche Unterſcheidungszeichen
ſind von einem gelehrten engliſchen Arzt, der ſich lan-
ge Zeit in denen engliſchen Colonien in America auf-
gehalten hat, in einer kleinen leſenswuͤrdigen Schrift
bekannt gemacht worden, die vor ohngefehr zwanzig
Jahren, in das Teutſche uͤberſetzet, in das Hambur-
giſche Magazin eingeruͤcket wurde.
Man muß ſo gar annehmen, daß es noch mehr
ganz verſchiedene Geſchlechter von Menſchen auf dem
Erdboden
[313]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
Erdboden gegeben hat. Die Schrift ſelbſt redet von
ganzen Rieſenvoͤlkern, mit welchen die Kinder Jſrael
zu ſtreiten gehabt haben. Wo ſollten dieſe hergekom-
men ſeyn, wenn ſie nicht ein ganz beſonderes Ge-
ſchlecht von Menſchen ausgemacht haͤtten? Man kann
zwar nicht laͤugnen, daß zuweilen von ordinairen
Menſchen rieſenartige Geburthen erfolgen. Allein,
niemahls uͤberſchreiten dieſelben doch die Groͤße von
ſieben Rheiniſchen Fuß, und das ſind noch keine Rie-
ſen, wie ſie in der Schrift beſchrieben werden. Ue-
berdies muͤßte man gar viel vorausſetzen, wenn man
annehmen wollte, daß von dergleichen langen Leuten,
die von ordentlichen Menſchen gebohren ſind, ein
ganzes Rieſenvolk entſtehen koͤnnte. Es muͤßte ſich
zu einem ſehr großen Menſchen eine eben ſo lange Frau
finden, und die Kinder muͤßten ihren Aeltern voll-
kommen aͤhnlich werden, ja dieſelben noch uͤbertref-
fen. Allein, dieſes letztere fehlet gemeiniglich am
allermeiſten. Jch habe verſchiedene Paar ſehr groſ-
ſer Aeltern gekannt, deren Kinder aber nur eine ſehr
mittelmaͤßige Groͤße gehabt haben. Dasjenige alſo,
was die Bibel von ganzen Rieſenvoͤlkern ſaget, be-
ſtaͤtiget dasjenige gar ſehr, was wir bey denen aͤlte-
ſten Geſchichtſchreibern und Dichtern von eben der-
gleichen Rieſen finden.
Man weis, was Herodot in ſeiner Geſchichte vor
wunderbare Voͤlker beſchrieben hat, die allzu weſent-
lich und ſo gar in ihren Gliedmaaßen ſo ſehr von an-
dern Menſchen unterſchieden geweſen ſind, als daß
ſie mit ihnen von einerley Stammaͤltern entſproſſen
U 5ſeyn
[314]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
ſeyn koͤnnten. Jch geſtehe gern, daß Herodot in
dieſen Nachrichten wenig Glauben verdienet. Er ſa-
get auch keinesweges, daß er dieſe Voͤlker ſelbſt geſe-
hen habe; ſondern er bringet dieſe Nachrichten nur
vom Hoͤrenſagen bey.
Jndeſſen verdienet inſonderheit dasjenige von ihm
beſchriebene Volk, das nur ein einziges großes Auge
vor der Stirne gehabt hat, etwas mehr Glauben.
Sowohl Homer in ſeiner Odiſſée, als andere alte
Schriftſteller, erwaͤhnen dieſer Art von Menſchen mit
einem Auge, davon ſich einige ſo gar in denen Jn-
ſuln des mittellaͤndiſchen Meeres aufgehalten zu ha-
ben ſcheinen.
Warum ſollte auch die Natur nur eine einzige
Art von Menſchen hervorgebracht haben. Wir ſe-
hen, daß ſie in allen andern ihren Werken eine ſehr
große Mannichfaltigkeit liebet, und in einer jeden Art
und Hauptgeſchlecht von Thieren eine große Veraͤnde-
rung und Abwechſelung vieler beſonderer Nebenarten
oder Specierum erzeuget hat, die zwar alle die we-
ſentlichen Kennzeichen ihres Hauptgeſchlechts an ſich
haben, aber doch in verſchiedenen andern Eigenſchaf-
ten und Beſchaffenheiten von einander unterſchieden
ſind. Dieſer allgemeinen Einrichtung und Haushal-
tung der Natur wird nur ein ſehr ſchwacher Grund
entgegengeſetzet, wenn man ſaget, daß ſie deshalb
nur zwey Menſchen, als die Stammaͤltern aller Be-
wohner des Erdcoͤrpers, hervorgebracht habe. Da-
mit ſich die verſchiedenen Hauptgeſchlechter der Men-
ſchen nicht uͤber einander erheben und einander ver-
achten
[315]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
achten ſollen. Leider geſchiehet dieſe Erhebung uͤber
einander, dieſe Verachtung gegen einander, dennoch,
ob gleich alle Menſchen nur einerley Stammaͤltern
haben.
Die Natur haͤtte alſo ihre Abſicht keinesweges er-
reichet, weshalb ſie von allen Geſetzen und Reguln
ihrer großen Haushaltung abgegangen waͤre; und kann
man ſich wohl vorſtellen, daß ſie ſo viel Gefaͤlligkeit
vor den Eigenſinn und Eigenliebe der Menſchen haͤt-
te haben koͤnnen? Wahrhaftig! Gott und die Natur
haͤtten eine ſchwehre und ganz ohnmoͤgliche Beſchaͤffti-
gung auf ſich geladen, wenn ſie ſich in der Weisheit,
Schoͤnheit und Mannichfaltigkeit ihrer Werke, nach de-
nen eitlen, eigenſinnigen und thoͤrichten Wuͤnſchen der
Menſchen haͤtten richten wollen.
Die meiſten Voͤlker des Erdbodens, nur die Ju-
den, und andere benachbarte Voͤlker, die in Anſehung
der Sprache mit denenſelben eine große Aehnlichkeit
gehabt, oder von ihren Buͤchern Kenntniß erlanget
haben, ausgenommen, haben ihren Uhrſprung und
Entſtehung von dem Lande ihres Aufenthaltes herge-
leitet. Unſere alten teutſchen Vorfahren ſelbſt glaub-
ten, daß ihre Stammaͤltern von der Erde ihres Lan-
des erzeuget worden waͤren, und nenneten ſie deshalb
Soͤhne oder Kinder der Erden, wie uns Tacitus
davon Nachricht giebt. Jch bin weit entfernet, die-
ſer Nachricht eine große Glaubwuͤrdigkeit beyzulegen,
und auf dieſelbe, als auf einen ſtarken Grund, wich-
tige Schluͤſſe zu bauen. Allein, die ſich ſelbſt gelaſ-
ſene Vernunft ohne Offenbahrung muß es allemahl
vor
[316]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
vor weit wahrſcheinlicher halten, daß bey der Schoͤ-
pfung, Entſtehung und Bildung unſers Erdcoͤrpers
mehr als einerley Geſchlecht von Menſchen, und auf
verſchiedenen Stellen des Erdbodens zugleich entſtan-
den ſind. Jndeſſen lehret uns die Offenbahrung ein
anderes; und hierbey muͤſſen wir uns beruhigen.
Bis hieher hat unſer Lehrgebaͤude von der Schoͤ-
pfung, und unſere Geſchlechtsbeſchreibung des Erdcoͤr-
pers mit der Bibel ganz gut uͤbereingeſtimmet. Allein,
ich komme nunmehr auf einen großen Einwurf, den
man meiner Geſchichte entgegenſetzen wird. Dieſes
iſt die Zeitrechnung, welche man aus denen in der Bi-
bel angefuͤhrten Begebenheiten herausgezogen haben
will, und die, wie ich gern geſtehe, ſich mit denen
Uhrkunden, woraus ich meine Geſchichte genommen
habe, naͤmlich mit denen Spuhren und Kennzeichen
des hohen Alterthums des Erdcoͤrpers gar nicht verei-
nigen laͤßt.
Jch kann zwar dieſe aus der Bibel genommene
Zeitrechnung und mir daraus zu machenden Einwuͤrfe
auf einmahl damit abfertigen, daß ich behaupte, wie
es denn auch in der That gegruͤndet iſt, daß dieſe Zeit-
rechnung kein Werk der Offenbahrung ſelbſt iſt; ſon-
dern daß ſie die Menſchen, die entweder Ausleger und
Erklaͤhrer der Bibel ſeyn wollten, oder inſonderheit die
Chronologie zu ihrer Hauptwiſſenſchaft machten, aus
denen Begebenheiten der Bibel nach ihren eigenen Ein-
ſichten herausgezogen und angenommen haben. Allein,
dieſe Ausleger und Chronologiſten waren nichts weni-
ger, als von Gott erleuchtete Menſchen, und mithin de-
nen
[317]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
nen Fehlern und Jrrthuͤmern gar ſehr unterworfen.
Es gehoͤrete auch in der That nicht zu den Abſichten
Gottes, wenn er denen Menſchen eine Offenbahrung
mittheilen wollte, daß er darinnen die Menſchen in der
Zeitrechnung unterrichtete, und ſie durch unmittelbare
Erleuchtungen zu guten Chronologiſten machte. Die-
ſes iſt eine menſchliche und weltliche Erkenntniß und
Wiſſenſchaft, welche denen Menſchen zu ihrer Selig-
keit keinesweges noͤthig iſt, und warum ſich alſo die
Gottheit bey Mittheilung einer Offenbahrung wenig
zu bekuͤmmern hatte.
Unſere jetzige Zeitrechnung iſt demnach nichts we-
niger, als durch das geheiligte Siegel der Offenbah-
rung verehrungswuͤrdig gemacht. Sie iſt weiter nichts,
als die Zeitrechnung der Juden, eines kleinen, unwiſ-
ſenden, und allezeit veraͤchtlich geweſenen Volkes auf
dem Erdboden. Man kann demnach dieſe Zeitrech-
nung angreifen, tadeln, und ihre Unrichtigkeit zei-
gen, ohne daß man deshalb die Offenbahrung ſelbſt
beleidiget. Jch darf demnach kein Bedenken tragen,
dasjenige freymuͤthig zu ſagen, was wider dieſe Zeit-
rechnung zu erinnern iſt.
Es iſt ſchon von vielen anſehnlichen Gelehrten mit
ſtarken Gruͤnden dargethan worden, daß entweder die
Suͤndfluth keinesweges allgemein geweſen ſeyn kann,
oder daß in der juͤdiſchen Zeitrechnung von der Suͤnd-
fluth an, bis zu Zeiten Abrahams, ein großer Fehler
ſtatt finden muß. Es waren hoͤchſtens nur dreyhun-
dert und ſiebenzig Jahre ſeit der Suͤndfluth verfloſſen,
als Abraham mit ſeinem Vater Nahor in das Land
Canaan
[318]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
Canaan kam. Dennoch war nicht allein dieſes Land
vollkommen bevoͤlkert, ſondern es befanden ſich auch in
denen benachbarten Laͤndern bluͤhende Koͤnigreiche; und
ſo gar das große Land Egypten war in eben ſolchem
Zuſtande. Man ſiehet auch aus eben dieſen Nachrich-
ten der Bibel, daß damahls ſchon weit entferntere Lan-
de, z. E. die Jnſuln der Heyden bevoͤlkert geweſen ſind.
Kann man wohl annehmen, ohne alle Begriffe und
Grundſaͤtze der Wahrſcheinlichkeit zu verletzen, daß eine
ſolche Bevoͤlkerung des Erdbodens binnen dreyhundert
und ſiebenzig Jahren entſtehen koͤnnen? Wahrhaftig
nicht! Jch weis zwar wohl, daß ſich andere Gelehrte
die Muͤhe gegeben haben, um eine ſolche Bevoͤlkerung
in ſo kurzer Zeit zu rechtfertigen, Berechnungen zu ent-
werfen, nach welchen ſie wahrſcheinlich machen wollen,
daß von ſechs Perſohnen binnen dreyhundert und ſie-
benzig Jahren etliche Millionen Menſchen gebohren
werden koͤnnen. Allein, zu geſchweigen, daß derglei-
chen Vorausſetzungen, da man die Kinder von funfzehn
bis ſechzehn Jahren heyrathen, und ſie wieder alle Jahr
Kinder zeugen laͤßt, ſich zwar auf dem Papier entwer-
fen laſſen, die aber niemahls durch die Erfahrung und
Wirklichkeit beſtaͤtiget werden; ſo ſiehet man auch aus
denen in der Bibel befindlichen Geſchlechtsregiſtern der
erſten Abkoͤmmlinge des Noah gar nicht, daß ſie ſo
fruͤhzeitig geheyrathet, und daß jeder Vater eine große
Menge Kinder erzeuget habe. Ueberdies wird ſolchen Be-
rechnungen offenbahr durch die Erfahrung widerſprochen.
Die Unterthanen moͤgen in einem Lande noch ſo gluͤcklich
leben; ſo findet die Bevoͤlkerung niemahls in ſo wenig
Jahrhunderten einen ſo erſtaunlichen Wachsthum.
Ein
[319]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
Ein anderer großer und ſehr ſichtbarer Fehler in der
juͤdiſchen Zeitrechnung zeiget ſich klar in dem Zeitpuncte,
da das Volk der Juden noch ohne Koͤnige in dem gelobten
Lande lebte, und nur zuweilen von Richtern regieret
wurde. Man rechnet dieſen Zeitpunct gemeiniglich nur
auf vierhundert Jahr; und faſt eben dieſe Zeit kommt
heraus, wenn man die Jahre zuſammen rechnet, ſo lan-
ge jeder Richter ſein Richteramt gefuͤhret hat, und jede
Zeit der juͤdiſchen Dienſtbarkeit dazu nimmt. Al-
lein, es iſt ja aus denen Nachrichten der Bibel in dem
Buche der Richter ſelbſt ganz unlaͤugbar, daß dieſe
Richter nicht einander unmittelbar in der Regierung ge-
folget haben; ſondern zwiſchen einem jeden Richter war
eine Zeit der Anarchie, in welcher gar kein Richter oder
Regent in Jſrael war; ſondern ein jeder that, was
ihm recht deuchte. Nach dem Tode eines jeden Rich-
ters fielen allemahl die zur Unart ſo ſehr geneigten Ju-
den wieder in Abgoͤtterey; ſie thaten ferner Uebels vor
dem Herrn, wie es in der Schrift heißt, und der Herr
gab ſie in die Hand eines benachbarten heydniſchen Koͤ-
niges. Warum ſollte man annehmen, daß dieſe Zeit
ihres Abfalls von dem Herrn, und ehe ſie in ihrer Bos-
heit und Gottloſigkeit bis auf einen ſo hohen Grad ſtie-
gen, daß Gott ſie mit einer abermahligen Dienſtbar-
keit zu beſtrafen vor noͤthig befand, nur einen ſehr kur-
zen Zeitpunct, und nur etwa ein oder zwey Jahr aus-
gemacht haͤtte? Jn der That iſt hierzu nicht der geringſte
zureichende oder nur wahrſcheinliche Grund vorhanden.
Kein Volk faͤllt auf einmahl wieder in einen großen
Grad der Bosheit; ſondern es nimmt allemahl nur
ſtufenweiſe darinnen zu. Die folgende Zeugung uͤber-
trifft
[320]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung
trifft die vorhergehende an Gottloſigkeit, und wird wie-
der von ihren Kindern uͤbertroffen, bis ſie endlich auf
den hoͤchſten Grad ſteiget. Man kann aber von der
Langmuth Gottes allerdings erwarten, daß ſie mit ih-
rer Strafgerechtigkeit nicht eher verfahren haben wer-
de, als bis die Bosheit und Abgoͤtterey der Juden zu
einer hohen Stufe gelanget war. Solchemnach muß
man viel eher nach den Grundſaͤtzen der geſunden Ver-
nunft und Wahrſcheinlichkeit annehmen, daß nach dem
Tode eines Richters wenigſtens funfzig Jahre, wo nicht
ein laͤngerer Zeitraum, verfloſſen iſt, ehe die Kinder
Jſrael wieder in die Dienſtbarkeit eines benachbarten
heydniſchen Koͤniges zur Beſtrafung ihrer Bosheit und
Abgoͤtterey gefallen ſind. Und wenn man den Zeit-
raum, den die juͤdiſche Zeitrechnung von der Regie-
rung der Richter in Jſrael nimmt, dreyfach verdop-
pelt; ſo wird man dadurch kaum der wahren und rich-
tigen Zeitrechnung von dem Ausgange der Kinder
Jſrael bis zu Anfange der Regierung Sauls ein Ge-
nuͤge leiſten.
Dergleichen Fehler in der juͤdiſchen Zeitrechnung
koͤnnte man noch mehrere anfuͤhren, wenn es noͤthig
waͤre, ſich bey der Sache aufzuhalten. Jch weis zwar
wohl, daß man die in der Bibel enthaltenen verſchiedenen
Geſchlechtsregiſter, inſonderheit die von Chriſto, zur Un-
terſtuͤtzung der juͤdiſchen Zeitrechnung zu gebrauchen
pflegt. Allein, wie leicht iſt es nicht, daß bey ſolchen
Geſchlechtsregiſtern, die durch die Haͤnde ſo vieler Ab-
ſchreiber gegangen ſind, große Auslaſſungen geſchehen
koͤnnen. Die Nachricht in der Bibel iſt genugſam be-
kannt,
[321]mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers.
kannt, daß das ganze Geſetz Moſis eine lange Zeit
unter den Juden ganz vergeſſen war, und daß es nur
alsdann gleichſam aus dem Staube und halb vermo-
dert wieder hervorgeſucht wurde, als die Prieſter die
Koͤniginn Athalia vom Throne ſtoßen wollten. Wie
leicht alſo haben nicht bey dem Abſchreiben einer unle-
ſerlich gewordenen Schrift viele Fehler vorgehen koͤn-
nen. Ueberdies koͤnnen dergleichen Geſchlechtsregiſter
ausgedehnet und in eine Form gezogen werden, wie
man will, wenn nicht bey einem jeden Gliede in dem-
ſelben ausdruͤckliche Nachricht vorhanden iſt, was vor
ein Alter daſſelbe erreichet hatte, als es das nachfol-
gende Glied in dem Geſchlechtsregiſter erzeugte, und
das iſt bey den allerwenigſten Geſchlechtsregiſtern in
der Bibel zu finden. Es kommt demnach auf den
Zeitrechner an, ob er ein jedes Glied in ſolchen Ge-
ſchlechtsregiſtern ausdehnen oder verkuͤrzen will, und
das thut er gemeiniglich ſeinen Abſichten gemaͤß.
Zwar wenn man der juͤdiſchen Zeitrechnung noch
ſo viele Fehler beweiſen, und dieſelbe auf eine vier-
fach laͤngere Zeit ausdehnen koͤnnte; ſo wuͤrde ſie doch
mit dem Alterthum des Erdcoͤrpers auf keinerley Art
in einiges Verhaͤltniß kommen. Das iſt aber auch
gar nicht meine Abſicht. Jch habe durch dieſe Aus-
fuͤhrungen nur darthun wollen, daß die juͤdiſche Zeit-
rechnung von augenſcheinlichen F[e]hlern nicht befreyet,
daß ſie kein Glaubensarticul und keine Wirkung der
unmittelbaren goͤttlichen Eingebung iſt, und daß wir
uns dannenhero nicht abhalten laſſen duͤrfen, unſerm
Erdcoͤrper dasjenige Alterthum beyzumeſſen, was aus
Xſo
[322]X. Abſchn. Vereinigung der Schoͤpfung ꝛc.
ſo vielen aͤußerlichen und innerlichen Beſchaffenheiten
deſſelben und aus denen davon vorhandenen deutlichen
Spuhren und Kennzeichen nothwendig geſchloſſen wer-
den muß. Unſer Erdcoͤrper hat viele Veraͤnderun-
gen, Verwuͤſtungen und Umformungen erlitten. Nie-
mahls aber kann man ſie als allgemein annehmen.
Allemahl ſind Menſchen uͤbrig geblieben, die nach und
nach, und nach einem langen Zeitraume das ganze tro-
ckene und feſte Land wieder bevoͤlkert haben; und ſo iſt
es zu v[i]elen Mahlen auf dem Erdboden ergangen, und
wir koͤnnen noch nicht verſichert ſeyn, ob die jetzige Be-
voͤlkerung und Bewohnung des Erdcoͤrpers die letzte
ſeyn wi[r]d, oder ob nicht dereinſt die ſpaͤteſten Zeiten
gle[i]ch[f]alls die Spuhren und Kennzeichen von der jetzi-
gen Bewohnung tief unter der Erde entdecken wer-
den.
Eilfter
[323]
Eilfter Abſchnitt.
Von der Dauer der Welt, und ob dem
ganzen Weltgebaͤude, oder beſondern Weltcoͤrpern
dereinſt der Untergang, oder eine gaͤnzliche
Vernichtung bevorſtehe.
Wenn die Wiſſensbegierde der Menſchen erreget
wird, zu ergruͤnden, woher, wie und auf
was Art, und aus was vor Macht dieſes
unermeßliche Weltgebaͤude entſtanden iſt, und was vor
Begebenheiten und Veraͤnderungen ſich in denen ver-
floſſenen Zeiten mit dem Erdcoͤrper, auf welchem wir
herumwallen, zugetragen haben; ſo iſt ſie gewiß eben
ſo ſtark bemuͤhet, zu erforſchen, was dieſes Weltge-
baͤude und unſer beſonderer Weltcoͤrper inskuͤnftige vor
Schickſale zu gewarten haben duͤrfte. Der Menſch iſt
vor ſein kleines Daſeyn ſehr beſorgt. Er ſiehet leicht
ein, daß, wenn dem ganzen Weltgebaͤude, oder un-
ſerm Erdcoͤrper der Untergang, oder eine gaͤnzliche
Vernichtung bevorſtehe, ſein eigener Untergang noth-
wendig damit verwickelt ſeyn werde.
Vielleicht ſind alle Menſchen mehr zum Aberglau-
ben geneigt, als ſie es ſich ſelbſt einbilden. Man
weis nicht, ſoll man es dieſem Aberglauben, oder ei-
ner unerſaͤttlichen Neubegierde beymeſſen, daß alle Men-
ſchen ſo gern in die Zukunft eintringen moͤchten. Jch
habe Gelehrte gekennet, die ſich uͤber allen Aberglau-
X 2ben
[324]XI. Abſchn. Von der Dauer der Welt.
ben weit erhaben zu ſeyn glaubten, und in dieſem
Stolze ſo weit| gegangen waren, daß ſie Religion und
Geiſter vor laͤcherliche Ausgeburten des Aberglaubens
hielten, und dennoch glaubten, daß die Chiromantie
und das Cryſtallenſehn ihren Grund haben koͤnnten;
indem es moͤglich waͤre, daß ſie auf Kraͤften der Na-
tur beruheten, die uns unbekannt waͤren. So ſehr iſt
die menſchliche Vernunft bemuͤhet, ihrer unerſaͤttlichen
Begierde, das Zukuͤnftige zu wiſſen, eine Farbe an-
zuſtreichen.
Man darf ſich alſo gar nicht wundern, wenn es
zu allen Zeiten, und in allen Religionen Leute gege-
ben hat, welche das zukuͤnftige Schickſal der Welt ha-
ben vorher beſtimmen wollen. Es ſcheinet ſo gar ein
weſentlicher Articul aller Religionen geworden zu ſeyn,
daß ſie zugleich den Untergang der Welt, und die Ver-
wandlungen oder Verherlichungen der alsdenn entſte-
henden neuen Welt, oder des Aufenthaltes ihrer See-
ligen ihren Anhaͤngern lehren und bekannt machen.
Gemeiniglich haben ſie dieſes auf ſehr entfernte und un-
beſtimmte Zeiten hinausgeſetzt. Allein es hat in kei-
ner Religion an Leuten gemangelt, welche die Unge-
wißheit, in welcher die Stifter der Religionen hierin-
nen ihre Anhaͤnger gelaſſen haben, verbeſſern zu koͤn-
nen geglaubt haben; und ſie haben den eigentlichen
Zeitpunct genau beſtimmt, in welchem der Untergang
der Welt gewiß erfolgen ſollte. Man koͤnnte ein lan-
ges Regiſter von denenjenigen herſetzen, die nur ſeit
500 Jahren Europa mit ihren Phantaſien in Schre-
cken zu ſetzen verſucht haben. Gluͤcklich ſind noch die-
jenigen geweſen, welche ein fruͤhzeitiger Tod dem all-
gemeinen
[325]XI. Abſchn. Von der Dauer der Welt.
gemeinen Auslachen entriſſen hat, wie der letztere ge-
lehrte Prophet unſeres Landes, der Herr Rector Heyn,
in der That ſo gluͤcklich war, ſeinen ſo nahe prophezey-
ten Untergang der Welt nicht zu erleben.
Jch bin weit entfernet, mich allhier mit derglei-
chen Ausgeburthen einer kranken Einbildungskraft ab-
zugeben. Dasjenige, was ich in dieſem Abſchnitt
meinen Leſern vortragen werde, ſoll lediglich darinnen
beſtehen, was die geſunde Vernunft von der Dauer
der Welt erkennet, in wie weit aus denen weſentlichen
Beſchaffenheiten des Weltgebaͤudes Unordnungen und
Zerruͤttungen darinnen entſtehen koͤnnen, und in wie
fern dieſe Unordnungen oder die Schwaͤchung der Trieb-
federn des Weltgebaͤudes Folgen und Wirkungen auf
den Untergang der Welt, oder einzelner Weltcoͤrper
hervorzubringen im Stande ſind. Hierbey iſt es noth-
wendig auf die nach der Vernunft vermuthlichen End-
zwecke Gottes in Anſehung der Dauer oder der Ver-
nichtung des Weltgebaͤudes zuruͤck zu ſehen, und end-
lich zu betrachten, in wie weit ſich dasjenige, was die
Offenbahrung von dem Untergange der Welt ſaget,
hiermit vereinigen laͤßt. Da alſo dieſer Abſchnitt weit-
laͤuftiger als einer der vorigen ausfallen wird; ſo wird
es, um die Materien beſſer aus einander zu ſetzen,
noͤthig ſeyn, denſelben in drey Hauptſtuͤcken vorzu-
tragen.
X 3Erſtes
[326]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
Erſtes Hauptſtuͤck.
Jn wie weit in einem Sonnenſyſtem Unord-
nungen, Zerruͤttungen oder natuͤrliche Erfolge ent-
ſtehen koͤnnen, welche den Untergang dieſes Sy-
ſtems oder einzelner Weltcoͤrper zu bewirken
vermoͤgend ſind.
Ein Sonnenſyſtem iſt ein Zuſammenhang von Welt-
coͤrpern, welche ſaͤmtlich ein Verhaͤltniß mit ein-
ander haben, auf und gegen einander wirken, und ſich
nach feſtgeſetzten Geſetzen um eine und eben dieſelbe
Sonne bewegen. Es befinden ſich in einem derglei-
chen Sonnenſyſtem viererley Arten von Weltcoͤrpern,
nehmlich die Sonne ſelbſt, die Hauptplaneten, die
Cometen, und die Trabanten oder Nebenplaneten,
welche einige Hauptplaneten begleiten. Alle dieſe
viererley Arten von Weltcoͤrpern haben eine Wirkung
gegen einander, oder es koͤnnen ſich doch Vorfaͤlle und
Umſtaͤnde ereignen, aus welchen maͤchtige Wirkungen
gegen einander entſtehen koͤnnen. Sie haben ihre
Triebfedern oder thaͤtigen Kraͤfte, auf welchen die Ge-
ſetze ihrer Bewegung und ihrer Wirkung gegen einan-
der beruhen. Dieſe Kraͤfte, dieſe Triebfedern, ob ſie
gleich noch ſo ſtark geſpannet ſind, koͤnnen doch nach
Verlauf vieler Jahrtauſende ſich abnutzen, ſtumpf und
ſchlaff werden, und endlich ihre Dienſte nicht mehr
leiſten. Es iſt ſo gar der Vernunft gemaͤß, daß man
dieſen Erfolg vermuthen muß, weil wir in dem gan-
zen Bezirk der Weſen kein einziges Ding, keine ein-
zige
[327]Vom Sonnenſyſtem.
zige Maſchine wahrnehmen, die ſich nicht durch ihre
Thaͤtigkeit abnutzte, ſich durch ſich ſelbſt verzehrte, und
endlich dadurch ihren Untergang faͤnde, dieſes iſt eine
natuͤrliche Folge aller Thaͤtigkeit und Bewegung in der
Materie, welche dieſelbe durch Wirkungen, die außer
ihr ſind, empfaͤngt. Die Weltcoͤrper eines Sonnen-
ſyſtems ſind materiell. Warum ſollte die Vernunft in
ihren Kraͤften und Triebfedern nicht gleichen Erfolg
vermuthen? Dieſe Erfolge muͤßten alsdenn allerdings
den Untergang eines Sonnenſyſtems nach ſich ziehen;
wie ſich denn auch allerdings Vorfaͤlle und Umſtaͤnde
ereignen koͤnnen, daß weit von einander entfernte Welt-
coͤrper, die ſonſt keine Wirkung auf einander haben,
ſich einander naͤhern, und dadurch erſtaunliche Wir-
kungen gegen einander hervorzubringen im Stande ſind.
Es iſt hier unſer Endzweck, zu erwegen, in wie weit die
Vernunft einſehen kann, daß ſich dergleichen Umſtaͤn-
de und Erfolge in der Zukunft ereignen duͤrften, und
ob daraus der Untergang eines Sonnenſyſtems oder
eines beſondern Weltcoͤrpers entſtehen kann.
Die Sonne iſt ohne Zweifel ein materielles Feuer;
weil wir an dem Sonnenfeuer, wenn wir es durch
Brennglaͤſer und Brennſpiegel in die Enge bringen,
alle diejenigen Wirkungen wahrnehmen, welche das
gemeine Feuer auf unſerm Erdcoͤrper hervorbringet.
Jndeſſen muß man zugeben, daß es vielleicht von ei-
ner viel feinern und reinern Art iſt, als dasjenige Feuer,
welches wir mit groben brennbaren Materien unter-
halten. Jn der Sonne brennet das erſte uhrſpruͤng-
liche und reine brennliche Weſen der Natur, welches
X 4zuerſt
[328]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
zuerſt aus denen Atomen erzeuget worden. Alle Feuer
auf unſerm Erdcoͤrper werden mit brennbaren Mate-
rien unterhalten, welche nur einen geringen Theil die-
ſes uhrſpruͤnglichen und reinen brennlichen Weſens in
ſich enthalten, und nach vielen Umformungen und Bey-
miſchungen groͤberer Materien daraus entſtanden ſind.
Das Sonnenfeuer kann alſo von unſerm groben irrdi-
ſchen Feuer eben alſo unterſchieden ſeyn, als das Feuer
vom Spiritu rectificatiſſimo unter einem ſilbern
Theekeſſel von dem Feuer grober Holzkohlen iſt.
Alle beruͤhmte Gelehrte ſind auch wirklich der Mey-
nung geweſen, daß das Sonnenfeuer weiter nichts als
ein reines materielles Feuer ſey. Dieſes beweiſet auch
die Beſchaffenheit des Sonnencoͤrpers, wie wir ihn
durch die beſten Fernroͤhre erkennen. Er beſtehet aus
nichts als aus unermeßlich hohen Gebirgen, zwiſchen
welchen man die erſchrecklichſten Schluͤnde und Ab-
gruͤnde entdecket. Man hat urtheilen wollen, daß es
eigentlich nur dieſe Gebirge waͤren, welche brenneten;
und einige Gelehrte haben geglaubt, daß die Sonne
gar wohl in ihren ſehr tiefen Thaͤlern von lebendigen
Creaturen bewohnt ſeyn koͤnne, ohne daß die Groͤße
der Sonnenhitze dieſen Geſchoͤpfen ſehr nachtheilig fiele.
Vielleicht muß man dieſe erſtaunliche Schluͤnde und
Abgruͤnde denen haͤufigen und großen Spalten und Riſ-
ſen beymeſſen, die in dem Sonnenklumpen bey der
Schoͤpfung entſtanden ſind, als ſich die Planeten und
Cometen davon losriſſen, wie ich in der Einleitung ge-
zeiget habe. Alles dieſes laͤſſet keinen Zweifel uͤbrig,
daß das Sonnenfeuer nicht materiell ſey.
Allein,
[329]Vom Sonnenſyſtem.
Allein, ein materielles Feuer, ſeine brennbare
Materie ſey auch noch ſo fein, und ſeine Menge noch
ſo groß, verzehret ſich doch nach und nach, und ſeine
brennliche Materie muß doch beſtaͤndig etwas abneh-
men, ſo, daß endlich ein ſolches Feuer nach einer faſt
unzaͤhlbaren Reihe von Jahrtauſenden endlich auf-
hoͤren muͤßte. Das iſt eine Folge, welche die ge-
ſunde Vernunſt allerdings machen muß, und die man
derſelben nicht beſtreiten kann. Laſſet uns nunmehro
ſehen, was ſich ereignen wuͤrde, wenn das Sonnen-
feuer ſich wirklich in einem ſehr hohen Grad verminder-
te, und endlich ganz und gar aufhoͤrte.
Jn der That wuͤrden die traurigſten und erſchreck-
lichſten Wirkungen davon auf allen Planeten entſtehen.
Die Sonne iſt es, welche allen lebendigen und leblo-
ſen Geſchoͤpfen auf allen Planeten Wachsthum und
Gedeyen giebt. Eine große Verminderung ihrer Waͤr-
me wuͤrde demnach alles in einen großen Grad der Er-
ſtarrung und Lebloſigkeit ſetzen, der endlich bey denen
entfernteſten Planeten ſo weit gehen wuͤrde, daß ſie
von lebendigen Creaturen nicht weiter bewohnet wer-
den koͤnnten.
Dieſe betruͤbten Erfolge wuͤrden mit verdoppelten
Schritten fortgehen, und noch andere den Untergang
eines Sonnenſyſtems weit mehr befoͤrdernde Wirkun-
gen haben, weil mit Verminderung der Sonnenhitze
auch die anziehende Kraft der Sonne vermindert wer-
den wuͤrde. Jch habe bereits in meinen erſten phi-
loſophiſchen Schriften behauptet, daß die anziehende
Kraft der Sonne gegen die Planeten, dieſes vortreff-
X 5liche
[330]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
liche und vernuͤnftige Syſtem des großen Newtons,
wodurch ſich die Bewegung der Planeten um die Son-
ne ſo ſchoͤn erklaͤhren laͤßt, in nichts anders, als in den
Sonnenſtrahlen beruhen koͤnnen, und daß es lediglich
dieſe ſind, wodurch ſie die Planeten an ſich zieht. Man
ſiehet nicht, daß die Sonne auf irgend eine andere Art
auf die Planeten wirket, als durch die Sonnenſtrah-
len; und es iſt nicht einmahl eine andere Uhrſache zu
erfinden und auszudenken nur einigermaßen moͤglich.
Dieſe Uhrſache klaͤhret ſich auch durch verſchiedene Er-
ſcheinungen, die wir an unſern irrdiſchen groben
Feuern und deren brennbaren Materien wahrnehmen,
ſehr wohl auf. Es iſt ungezweifelt, daß ſich brennli-
che Materien einander anziehen. Die Flamme eines
Lichts faͤhret in dem Dampfe von einem ausgeloͤſchten
Wachsſtocke herunter; und der Dampf von einem aus-
geloͤſchten Licht, wenn es nahe bey einem brennenden
ſteht, ziehet ſich nach der Flamme deſſelben zu; wie
denn das electriſche Weſen, von Siegellack, Pech und
dergleichen, wenn es durch das Reiben und die Waͤr-
me in Bewegung geſetzet wird, auch in der Entfer-
nung leichtere Coͤrper an ſich zieht.
Wenn demnach das Feuer und die Hitze der Son-
ne ſich auf einen großen Grad vermindern ſollte; ſo
wuͤrde auch die anziehende Kraft der Sonne gegen die
Planeten um eben einen ſolchen Grad geringer und
ſchwaͤcher werden. Die Planeten wuͤrden ſich alſo im-
mer weiter von der Sonne in ihrer Laufbahn entfer-
nen; und die betruͤbten Erfolge ihrer Erkaͤltung, und
wenn man ſo ſagen kann, ihrer Abſterbung wuͤrden ſich
ver-
[331]Vom Sonnenſyſtem.
verdoppeln. Endlich, wenn alles Feuer der Sonne
aufhoͤrete, und weiter gar keine anziehende Kraft der
Sonne vorhanden waͤre; ſo wuͤrde das ganze Sonnen-
ſyſtem in gaͤnzliche Unordnung gerathen. Die Plane-
ten und ihre Monden oder Trabanten wuͤrden in dem
Raum des Sonnenſyſtems ohne alle Ordnung und Ge-
ſetze herumirren; und die endliche Folge davon wuͤrde
ſeyn, nachdem ſie ſchon laͤngſt unbewohnet waͤren, daß
ſie an einander anſtießen, und ihren Untergang befoͤr-
derten, ihre Bewegung um ihre eigene Axe, der Druck
ihrer Theile nach dem Mittelpuncte zu, oder die Ge-
ſetze der Schwehre, welches alles feine Beziehung auf
die anziehende Kraft der Sonne hat, wuͤrden nicht
mehr ſtatt finden; und die Theile der Planetencoͤrper
wuͤrden endlich in dem unendlichen Raume zerſtreuet
werden.
So gewiß alle dieſe Erfolge ſeyn wuͤrden; ſo iſt
doch der Untergang des ganzen Weltgebaͤudes, oder
unſers Sonnenſyſtems, auf dieſe Art am allerwenig-
ſten zu befuͤrchten. Es iſt wahr und unlaͤugbar, daß
das brennliche Weſen der Sonne ſich nach und nach
allezeit etwas verzehren muß. Allein, die unaus-
ſprechliche Groͤße des Sonnenklumpens wird veruhrſa-
chen, daß eine Verminderung des Sonnenfeuers nicht
eher als nach unnennbaren Millionen von Jahren
merklich werden wird. Diejenigen Mathematiker,
welche noch die allermaͤßigſte Ausrechnung von der
Groͤße der Sonne gemacht haben, ſind doch einmuͤthig
der Meynung, daß ſie wenigſtens tauſendmahl groͤßer
ſey, als unſer Erdcoͤrper. Es haben bey der Acade-
mie der Wiſſenſchaften zu Paris ſich einige Mitglieder
die
[332]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
die Muͤhe genommen, auszurechnen, wie viel grobe
brennbare Materie erfordert wird, um ein Feuer zu
unterhalten. Nach dieſer Ausrechnung haben ſie be-
funden, daß vermoͤge der Groͤße des Sonnencoͤrpers in
hundert Jahren an dieſer Groͤße durch beſtaͤndige Un-
terhaltung des Sonnenfeuers kaum ein Fuß tief ver-
mindert werden kann, und daß viele Millionen Jahre
verfließen werden, ehe die Abnahme des Sonnenfeuers
nur im geringſten merklich werden wird.
Man muß noch zweyerley Umſtaͤnde bemerken, wel-
che uns ganz außer Gefahr ſetzen, daß ſich der Unter-
gang des Weltgebaͤudes auf dieſe Art ereignen werde.
Das brennliche Weſen der Sonne iſt nehmlich unermeß-
lich feiner und reiner, als unſere groben brennbaren
Materien, nach welchen wir dergleichen Berechnun-
gen anſtellen, und verzehret ſich mithin ungleich ſpahr-
ſamer. Sodann aber dienet die bereits verbrannte
Materie abermahls zu Unterhaltung des Sonnen-
feuers. Man weis, daß es von Zeit zu Zeit Flecken
in der Sonne giebt. Als zu den Zeiten des witzigen
Voiture eben ein ſolcher Flecken in der Sonne war,
und ihn eine Dame fragte, ob er nichts Neues wuͤßte;
ſo antwortete er: Madame! Man ſpricht nicht zum
Beſten vor der Sonne. Dieſe Flecken in dem guten
Rufe der Sonne entſtehen ohne Zweifel daher, daß die
Duͤnſte von dem Feuer der Sonne in die Luft aufſtei-
gen, und ſich daſelbſt zuſammenſetzen und erhaͤrten,
weil ſie zuweilen ein Jahr und laͤnger einen ſolchen
Fleck ausgemacht haben, der oͤfters ſo groß als Frank-
reich und Teutſchland geweſen iſt. Da aber derglei-
chen
[333]des Sonnenſyſtems.
chen Flecken in der Sonne nicht beſtaͤndig bleiben, ſon-
dern wieder verſchwinden; ſo muß dieſer zuſammenge-
haͤrtete Sonnenruß wieder zerbrechen, und auf den
Sonnencoͤrper zuruͤckfallen. Die Duͤnſte von brennli-
chen Materien ſind aber niemahls ſo ſehr ausgebrannt,
daß ſie nicht dem Feuer abermahls zur Nahrung die-
nen koͤnnten. Wir ſehen dieſes leider an unfern Schorn-
ſteinen, die einige mahl des Jahres an zu brennen fan-
gen wuͤrden, wenn wir ſie nicht fleißig kehrten.
Wenn der Sonnenklumpen ſich in ſeinen brennli-
chen Materien merklich verzehrte und verminderte; ſo
muͤßte dieſes nunmehro laͤngſt bemerket worden ſeyn.
Es hat ſchon ſeit zweytauſend Jahren Gelehrte und
vernuͤnftige Nationen in Europa gegeben, welche die
Veraͤnderungen an denen Himmelscoͤrpern und in der
Waͤrme oder Kaͤlte der Himmelsgegenden zu beobach-
ten geſchickt geweſen ſind; und wir haben eben ſo lange
glaubwuͤrdige Geſchichtſchreiber, daß wir gar wohl da-
von Nachricht haben koͤnnten. Man ſollte eher glau-
ben, daß ſich die Hitze auf dem Erdboden ſeit zweytau-
ſend Jahren vermehret haͤtte. Tacitus und andere
roͤmiſche Geſchichtſchreiber machen eine ſehr unangeneh-
me Vorſtellung von der Kaͤlte und der Rauhigkeit un-
ſers teutſchen Vaterlandes. Man muß aber bemer-
ken, daß die Roͤmer ſelten oder niemahls, außer in ohn-
gefehr zwey Feldzuͤgen, tiefer in Teutſchland hinein ge-
kommen ſind, als in die Laͤnder um den Rheinſtrohm,
uͤber deren Rauhigkeit heute zu Tage gewiß kein Roͤ-
mer klagen wird. Ovidius erhebt die traurigſten
Klagen uͤber die große Kaͤlte, das unaufhoͤrliche Schnee-
geſtoͤbe
[334]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
geſtoͤber und den rauhen Zuſtand der Gegenden, wo-
hin er verbannet war. Dieſe waren ohngefehr die Ge-
genden der Wallachey und Siebenbuͤrgen, oder der
Crimm, wo es heutiges Tages keinesweges ſo ſehr kalt
iſt. Jndeſſen bin ich deshalb gar nicht geneigt zu glau-
ben, daß die Sonnenhitze ſeit zweytauſend Jahren ſich
vermehret habe. Es kann eine Himmelsgegend durch
die Ausrottung der Waͤlder gar ſehr verbeſſert werden;
und wenigſtens waltet in Anſehung unſeres Teutſchlan-
des dieſe Uhrſache vor.
Die zweyte Art der Himmelscoͤrper in einem Son-
nenſyſtem ſind die Planeten; und wir wollen nunmehro
ſehen, was ſich an denenſelben vor Umſtaͤnde und Er-
folge ereignen koͤnnen, welche den Untergang eines
Sonnenſyſtems oder einzelner Weltcoͤrper zu veruhrſa-
chen im Stande ſind. Dieſe Planeten bewegen ſich
mit einer ſolchen Geſchwindigkeit um die Sonne, die
man ſich kaum vorzuſtellen vermoͤgend iſt. Unſer Erd-
coͤrper, wenn man die eccliptiſche Laufbahn berechnet,
die er in einem Jahre um die Sonne vollendet, muß
in einer einzigen Minute zweyhundert und funfzig teut-
ſche Meilen fortſchießen. Das iſt gewiß eine hundert-
mahl groͤßere Geſchwindigkeit, als eine Canonenkugel
die Luft durchſtreichet; und man ſiehet kaum, wie ſie
moͤglich iſt. Die andern Hauptplaneten, die ſich um
unſere Sonne bewegen, muͤſſen eben eine ſolche, und
einige eine noch groͤßere Geſchwindigkeit anwenden,
wenn man ihre Laufbahnen berechnet. Wie ſtark,
wie ſehr geſpannt muͤſſen nicht diejenigen Trieb-
federn und Kraͤfte ſeyn, auf welchen eine Ge-
ſchwindig-
[335]des Sonnenſyſtems.
ſchwindigkeit beruhet, die alle Vorſtellung uͤber-
ſteiget?
Allein, ſollten ſo ſehr geſpannte Triebfedern durch
den Gebrauch in vielen Jahrtauſenden nicht abgenu-
tzet, und nach und nach etwas ſtumpf und matt wer-
den? Das ſollte die Vernunft allerdings vermuthen,
wie ich oben gezeiget habe. Jndeſſen geſchiehet es
nicht. Wir ſind hiervon auf das vollkommenſte uͤber-
zeuget. Wenn z. E. die Triebfeder unſers Erdcoͤr-
pers in ſeiner Laufbahn um die Sonne matt und ſchlaff
wuͤrde, ohne daß ſich die anziehende Kraft der Sonne
verminderte; ſo muͤßte nothwendig die Folge daraus
entſtehen, daß er, um ſeine Laufbahn um die Sonne
zu vollenden, eine laͤngere Zeit zubraͤchte. Die Jah-
re wuͤrden alſo von Zeit zu Zeit immer laͤnger werden;
und wenn ſich ſeine Kraͤfte in der Geſchwindigkeit ſei-
nes Laufes nur jaͤhrlich um etwas ſehr Geringes ver-
minderten; ſo muͤßte doch dieſes ſchon in hundert Jah-
ren ſehr merklich werden. Allein, wir haben nun-
mehro ſchon ſeit faſt zweytauſend Jahren umſtaͤndliche
Nachrichten von dem Calenderweſen der Roͤmer; und
es zeiget ſich nicht die geringſte Spuhr, daß ſich die
Jahre verlaͤngert haͤtten. Noch mehr, wir haben
nunmehro von denen Beobachtungen des Himmels, ſo
die Chineſer ſeit faſt viertauſend Jahren angeſtellet ha-
ben, genugſame Nachrichten erhalten. Die Zeit der
großen Sonnenfinſterniſſen, welche die Chineſer faſt
vor viertauſend Jahren bemerket haben, trifft mit un-
ſerer heutigen Berechnung von eben der Zeit, in wel-
cher ſich dieſe Finſterniſſen haben ereignen muͤſſen, voll-
kommen uͤberein. Dieſes koͤnnte unmoͤglich ſtatt fin-
den,
[336]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
den, wenn in der Geſchwindigkeit des Laufes unſers
Planeten um die Sonne, und in Verlaͤngerung
der Jahre die geringſte Veraͤnderung vorgegangen
waͤre.
Weder die anziehende Kraft der Sonne, noch die
natuͤrlichen Triebfedern zur Geſchwindigkeit des Laufes
der Planeten, wenn ſie auch noch ſo ſtark geſpannet
waͤren, koͤnnten die Heftigkeit eines ſolchen Laufes, der
alle Vergleichung und Borſtellung uͤberſteiget, ſchon ſo
viele Jahrtauſende ausgehalten haben, ohne ſich im
geringſten zu vermindern, welches doch der natuͤrliche
Erfolg der Bewegung aller coͤrperlichen Dinge iſt, wenn
man nicht die Uhrſache davon in der Natur des gan-
zen Weltſyſtems faͤnde, das ich in der Einleitung an-
genommen habe. Gott ſelbſt wuͤrde der Bewegung
der Coͤrper keine ſo unverminderte Kraft beylegen koͤn-
nen, welche ſie, ſich ſelbſt uͤberlaſſen, alſo fortſetzen
koͤnnten, wenn er ſie nicht unmittelbar, und gleichſam
durch ein immer fortgeſetztes Wunderwerk unvermin-
dert in ihrer erſten Spannung erhielte. Das iſt aber
gar nicht das gewoͤhnliche Verfahren ſeiner Weisheit.
Allein, nach meinem Syſtem werden dieſe unvermin-
derten Kraͤfte coͤrperlicher Dinge deſto begreiflicher.
Alle Sonnenſyſteme ſind in Gott ſelbſt; und alle Be-
wegung der Himmelscoͤrper geſchiehet in ihm und durch
ihn. Es ſind nicht die von Gott beygelegten Kraͤfte
coͤrperlicher Dinge, ſondern es iſt die weſentliche und
thaͤtige Kraft Gottes ſelbſt, durch welche alle Bewe-
gung der Himmelscoͤrper geſchiehet; und wer kann ſich
alsdenn wundern, daß ſie wider die natuͤrlichen Erfolge
coͤrperlicher Dinge unvermindert bleibt.
Es
[337]Vom Sonnenſyſtem.
Es koͤnnte ſich jedoch eine Verminderung in denen
Kraͤften der Triebfedern zu dem Laufe der Planeten er-
eignen, ohne daß ſie durch die Verlaͤngerung der Jah-
re merklich wuͤrde. Die Planeten koͤnnten zwar ihre
Laufbahn um die Sonne in eben ſo viel Tagen, Stun-
den und Minuten vollenden; ſie koͤnnten aber immer
eine etwas kuͤrzere Laufbahn beſchreiben, obgleich dieſe
Verkuͤrzung in der Laufbahn jedesmahl ſo wenig aus-
machte, daß ſie faſt unmerklich waͤre. Jn der That
war dieſes die Meynung des beruͤhmten Eulers, des
Vaters, welche derſelbe vor ohngefehr zwanzig Jah-
ren in denen Memoires der koͤniglichen Academie der
Wiſſenſchaften zu Berlin bekannt machte. Es ſetzte
derſelbe voraus, daß unſer Erdcoͤrper in ſeiner Lauf-
bahn um die Sonne, vermittelſt des Aeters, der den-
noch ein materielles Weſen waͤre, ſo fein er auch ſeyn
moͤchte, beſtaͤndig einen Widerſtand faͤnde. Dieſer
Widerſtand, ſo geringe er auch ſeyn koͤnnte, muͤßte doch
natuͤrlicher und nothwendiger Weiſe veruhrſachen, daß
ſich die Laufbahnen unſers Planeten in einem jedesmah-
ligen Umlauf etwas verkuͤrzten. Herr Euler berechnete
dieſe Verkuͤrzung in einem jeden Umlaufe auf zwey Se-
cunden. So klein auch dieſe Zeit war; ſo ſetzt er doch
dieſe Berechnung fort, und zeigt, daß ſich unſer Erd-
coͤrper, vermittelſt dieſer Verkuͤrzung ſeiner Laufbahn,
endlich in ſo viel Millionen Jahren in den Sonnen-
klumpen ſtuͤrzen wuͤrde. Ein gleiches Schickſal wuͤr-
den alle andere Planeten nach Verhaͤltniß ihrer Naͤhe
oder Entfernung von der Sonne in fruͤhern oder ſpaͤ-
tern Zeiten haben; und ſo wuͤrde der Untergang eines
jeden Sonnenſyſtems erfolgen, wenn es natuͤrlicher
YWeiſe
[338]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
Weiſe, und nicht durch die beſondere Allmacht Gottes
geſchehen ſollte.
Jch glaube zwar nicht, daß der Aeter ſtatt findet.
Die Bewegung der Himmelscoͤrper in einem leeren
Raume ſcheinet mir denen natuͤrlichen Geſetzen und der
Weisheit Gottes viel gemaͤßer zu ſeyn. Man ſiehet
auch keine zureichenden Uhrſachen, warum Gott den
Aeter erſchaffen, und damit den leeren Raum angefuͤl-
let haben ſollte, der in der Bewegung der Himmels-
coͤrper allerdings Hinterniß, ſonſt aber keinen Nutzen
veruhrſachen konnte. Carteſius mußte dieſen Aeter
annehmen, oder vielmehr in ſeiner Einbildungskraft
erſchaffen, weil ſein Syſtem ſolches nothwendig erfor-
derte. Er wollte einmahl keinen leeren Raum zuge-
ben; alles ſollte mit Materie erfuͤllet ſeyn; was ſollte
er alſo mit dem leeren Raume zwiſchen denen Him-
melscoͤrpern anfangen? Er mußte ihn nothwendig mit
einer ſehr feinen Materie anfuͤllen; und darzu mußte
alſo der Aeter hervorgebracht werden. Allein, was
gehet andern Weltweiſen dieſes nunmehro laͤngſt ver-
worfene Carteſianiſche Lehrgebaͤude an? Der vortreff-
liche Euler ſelbſt iſt ſonſt ſehr entfernet, denen Carte-
ſianiſchen und Wolfiſchen Lehrſaͤtzen beyzupflichten. Jn
der That, wenn auch wirklich ein Aeter vorhanden waͤ-
re; ſo wuͤrden die Planeten in ihrem Laufe um die Son-
ne einen viel groͤßern Widerſtand finden, der laͤngſt
merklich geworden waͤre.
Jndeſſen bin ich doch mit dem beruͤhmten Euler
voͤllig der Meynung, daß ſich die Planeten in ihrer
Laufbahn um die Sonne beſtaͤndig etwas verkuͤrzen,
und
[339]Vom Sonnenſyſtem.
und daß endlich nach vielen unnennbaren Jahrtauſen-
den wirklich die Folge daraus entſtehen werde, daß ſich
alle Planeten wieder in den Sonnenklumpen ſtuͤrzen.
Allein, nicht der Widerſtand des Aeters, ſondern die
anziehende Kraft der Sonne iſt die Uhrſache dieſer Ver-
kuͤrzung in der Laufbahn der Planeten. Wenn man
einmahl dieſe anziehende Kraft der Sonne annimmt,
welches gewiß das vernuͤnftigſte und wahrſcheinlichſte
Syſtem iſt, wodurch ſich alle Bewegungen eines Son-
nenſyſtems ſo vortrefflich erklaͤhren laſſen; ſo muß doch
eben dieſe anziehende Kraft der Sonne ihre Wirkung
haben. Zu gleicher Zeit, da ſie die Planeten in ihrer
ecliptiſchen Laufbahn erhaͤlt, und verhintert, daß ſie
ſich nicht weiter von derſelben entfernen koͤnnen, muß
ſie doch die Planeten immer etwas naͤher an ſich ziehen,
weil es ſonſt keine anziehende Kraft ſeyn wuͤrde. Die
Triebfedern, wodurch die Planeten mit einer ſo erſtaun-
lichen Geſchwindigkeit in ihrer ecliptiſchen Laufbahn
fortgetrieben werden, moͤgen auch noch ſo ſehr geſpan-
net ſeyn; ſo koͤnnen ſie weiter nichts verhintern, als
daß die Anziehung der Planeten nach der Sonne nicht
auf einmahl ſehr merklich wird. Sie koͤnnen aber nicht
durchaus alle Wirkung der anziehenden Kraft abwen-
den und vernichten.
Zwar die unendliche Kraft Gottes, aus welcher
dieſe Triebfedern eigentlich entſtehen, und durch welche
ſie ſo ſtark geſpannet ſind, wuͤrde dieſe Wirkung der
anziehenden Kraft der Sonne verhintern, und derſel-
ben genugſam Widerſtand leiſten koͤnnen. Allein, auch
die anziehende Kraft der Sonne iſt die Kraft ſeines
Y 2eigenen
[340]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
eigenen Weſens, und alles geſchiehet nach ſeinen wei-
ſen Abſichten und Einrichtungen.
Jn der That iſt es hoͤchſt wahrſcheinlich, daß es
der weiſe Wille des unendlichen Schoͤpfers alſo vorherge-
ſehen hat, daß alle Planeten und Cometen, ſo ſich von
dem Sonnenklumpen bey dem Anfange der Schoͤpfung
losgeriſſen hatten, endlich nach einem unermeßlichen
Zeitlauf von Jahren wieder mit demſelben vereinigen
ſollten, und dadurch ihren zeitigen Untergang finden.
Allein, dieſes Weltgebaͤude iſt allzuſchoͤn und herrlich;
es iſt ſo weſentlich und nothwendig mit der Natur Got-
tes vereiniget, als daß die Himmelscoͤrper in dieſem Un-
tergange, und in dem Zuſtande ihres erſten Chaos, wo-
hin ſie wieder zuruͤckgekehret ſind, ewig verbleiben ſoll-
ten. Wahrſcheinlich wird alsdenn nur eine neue Um-
formung und Verwandelung vorgehen. Als die erſten
vier Materien, Erde, Waſſer, Oehl und Queckfilber,
aus denen Atomen in dem erſten Chaos erzeuget wor-
den, und Gott es der Thaͤtigkeit und wirkenden Kraft
der drey letztern uͤberließ, die leidende Erde zu bearbei-
ten, zu bilden, und tauſenderley Umformungen und
Erzeugungen aus derſelben hervorzubringen. Unter
dieſen Umformungen war auch die Steinwerdung be-
griffen, die aus der Thaͤtigkeit und Wirkung des Waſ-
ſers auf die nach und nach gebildeten vielerley Erdarten
entſtand. Die Natur konnte dieſer Steinwerdung kei-
ne Grenzen ſetzen, ohne die ganze Kraft und Thaͤtig-
keit des Waſſers zu hintern, die doch in dem Zuſam-
menhange der Dinge ſo nothwendig war. Die Stein-
werdung gehet alſo auf jeden Planeten noch immer fort,
wie
[341]Vom Sonnenſyſtem.
wie tauſend Erfahrungen noch beſtaͤndig beweiſen. Die
Sache wird alſo nach vielen Millionen Jahren ſo weit
kommen, daß die ganze Maſſe eines Planeten faſt aus
nichts als aus Steinen und Sande beſtehen wird.
Denn der Sand iſt nichts anders, als Steine von ei-
ner unermeßlichen Feinheit; und ſeine Erzeugung dauert
noch beftaͤndig durch Regen und Feuchtigkeit auch in de-
nen fruchtbarſten Erdarten. Wenn aber die Planeten faſt
aus nichts als aus Steinen und Sande beſtehen werden; ſo
koͤnnen ſie zur Bewohnung nicht mehr geſchickt ſeyn.
Dieſes iſt alsdenn der Zeitpunct, wo es der Weis-
heit Gottes gemaͤß iſt, daß ſich die Planeten und Co-
meten wieder in den Sonnenklumpen ſtuͤrzen, von wel-
chem ſie ſich losgeriſſen hatten. Jhre ſteinigte Maſſe
wird daſelbſt durch das Feuer zermalmet, und in an-
dere Geſtalt und Zuſtand gebracht werden. Vermuth-
lich werden alsdenn in dieſem zweyten Chaos neue Gaͤh-
rungen und Erzeugungen entſtehen, die zwar von denen
Geburthen des erſten Chaos unterſchieden, aber nichts
deſto weniger vertrefflich, und in ihren nachfolgenden
Wirkungen und Thaͤtigkeiten herrlich ſeyn werden.
Ohne Zweifel wird das der neue Himmel und die
neue Erde ſeyn, davon die Offenbahrung in verſchiede-
nen Stellen redet, ohne ſich jedoch daruͤber deutlich her-
auszulaſſen. Dieſes war aber auch zu denen Glau-
benslehren gar nicht noͤthig. Es war genug, wenn
die Frommen zu ihrer Ermunterung und Troſt einige
Nachricht davon hatten. Die Schriftſteller der Offen-
bahrung haben hernach vermuthlich aus ihrer menſchli-
chen Einſicht vielerley Umſtaͤnde hinzuſetzen wollen, die
Y 3ſich
[342]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
ſich bey dem Untergange der Welt oder bey dem juͤng-
ſten Tage ereignen wuͤrden, davon wir unten im drit-
ten Hauptſtuͤcke reden und zeigen werden, daß ſie nach
der Natur der Sache und dem Weſen des Weltgebaͤu-
des ohnmoͤglich ſind.
Wir kommen nunmehro zu der dritten Art von Him-
melscoͤrpern in einem Sonnenſyſtem, nehmlich zu de-
nen Cometen, um zu unterſuchen, ob ſich etwa bey und
durch dieſelben Umſtaͤnde und Vorfaͤlle ereignen koͤnnen,
die den Untergang eines Sonnenſyſtems oder einzelner
Weltcoͤrper zu veruhrſachen im Stande ſeyn moͤchten.
Dieſe Unterſuchung wird vielen Leſern um deſto noth-
wendiger ſcheinen, da die Cometen ohnedem ſehr fuͤrchter-
liche Himmelscoͤrper ſind, die ſich ſchon in einem ſehr
lange verjaͤhrten Beſitz befinden, die Einwohner der
Planeten in Furcht und Schrecken zu ſetzen.
Man hat die Cometen in teutſcher Sprache mit dem
Nahmen der Jrrſterne belegt, vermuthlich, weil man
geglaubt hat, daß ſie keine ordentliche Laufbahn halten,
ſondern nur in dem unermeßlichen Raume des Weltge-
baͤudes herumirren. Selbſt große Sternkundige, ob
ſie gleich denen Cometen eine ordentliche Laufbahn nicht
abſprachen, waren doch der Meynung, daß die Cometen ihre
Laufbahn um mehr als eine Sonne vollbraͤchten, weil
die Vollendung ihres Laufes eine ſo lange Zeit erfor-
derte. Jch erinnere mich, dieſes in der Naturlehre des
Herrn von Wolf und bey einigen andern beruͤhmten
Naturkundigen geleſen zu haben, welche ſaͤmmtlich der
Meynung waren, daß die Cometen mehr als ein Sonnen-
ſyſtem durchwanderten.
Jch
[343]Vom Sonnenſyſtem.
Jch kann wohl ſagen, daß mir dieſe Meynung nie
gruͤndlich geſchienen hat. Es kam mir vor, als wenn
der Herr von Wolf und die gedachten andern Stern-
kundigen ſich eine allzu kleine Vorſtellung von der Groͤße
eines Sonnenſyſtems gemacht haͤtten; und es ſchienen
mir zureichende Gruͤnde vorhanden zu ſeyn, warum der
große Uhrheber der Natur gewiſſe nicht zu uͤberſchreiten-
de Grenzen zwiſchen denen Sonnenſyſtemen gemacht ha-
ben muͤßte, die von keinem Himmelscoͤrper durchtrun-
gen oder uͤberſchritten werden koͤnnten. Um aber hier-
innen deſto gewiſſer zu ſeyn; ſo nahm ich vor zwoͤlf
Jahren bey einem nachmittaͤglichen Beſuch bey dem be-
ruͤhmten Euler, dem Vater, Gelegenheit, die Frage
aufzuwerfen, ob die Cometen mehr als ein Sonnen-
ſyſtem durchwanderten, und ihre Laufbahn um mehr als
eine Sonne bewerkſtelligen koͤnnten. Dieſer große Ma-
thematiker und Sternkundiger, welcher gewiß den Him-
mel zehnmahl beſſer kannte, als der Herr von Wolf,
war gleichfalls der Meynung, daß dieſes nicht ſeyn koͤnn-
te, und daß die Cometen in keinem andern Sonnen-
ſyſtem, als nur in dem unſrigen, ihre Laufbahn um die
Sonne verrichteten. Faſt der ganze Nachmittag wur-
de zugebracht, dieſes mit genugſamen Gruͤnden zu un-
terſtuͤtzen, und dieſe Gruͤnde mit denen gegenſeitigen zu-
ſammen zu halten und zu pruͤfen.
Jn der That, wenn es auch Cometen giebt, die
hundert und mehr Jahre noͤthig haben, um ihren Lauf
um unſere Sonne zu vollenden; ſo hat man deshalb gar
nicht noͤthig, anzunehmen, daß die Cometen mehr als
ein Sonnenſyſtem durchwandern, wenn man ſich nicht
Y 4von
[344]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
von der Groͤße eines Sonnenſyſtems eine gar zu kleine
Vorſtellung macht. Diejenigen Fixſterne, welche uns
am naͤchſten ſind, oder die Sonnen der naͤchſten an das
unſrige angrenzenden Sonnenſyſteme, z. E. das Sonnen-
ſyſtem des Syrius oder des Hundsſterns, welches eines
der naͤchſten Sonnenſyſteme iſt, bleibet dennoch allemahl
unermeßlich weit von dem unſrigen entfernet. Der Sy-
rius, ob er uns zwar etwas groͤßer und heller vorkommt,
als die uͤbrigen Fixſterne, ſcheinet doch den Augen ge-
wiß allemahl einige hundertmahl kleiner als unſere Son-
ne. Folglich muͤſſen ſich die Grenzen unſers Sonnen-
ſyſtems uͤber hundertmahl weiter von uns erſtrecken, als
ſich die Sonne von uns entfernet befindet. Wer koͤnnte
demnach zweifeln, daß nicht die Cometen in unſerm ei-
genen Sonnenſyſtem Raum genug haͤtten, eine Lauf-
bahn um die Sonne zu verrichten, deren Vollendung
mehr als hundert Jahr Zeit erforderte.
Die Cometen ſind demnach nichts anders, als Him-
melscoͤrper, die zu unſerm Sonnenſyſtem gehoͤren, und
um keine andere als unſere eigene Sonne ihre Laufbahn
bewerkſtelligen. Wenn die Wiſſenſchaften noch einige
Jahrhunderte in dem heutigen Flohr bleiben; ſo wird
man gewiß dahin kommen, daß man ihre Anzahl genau
beſtimmen, jedem ſeinen beſondern Nahmen ertheilen,
und eines jeden Laufbahn vollkommen berechnen kann.
Es iſt noch nicht einmahl zweyhundert Jahr, daß wir
die Cometen genau beobachten, und dennoch ſind wir in
der Kenntniß derſelben ſchon weit gekommen. Um aber
dieſe Kenntniß zur Vollkommenheit zu bringen, wird
nothwendig erfordert, daß die Sternkunde ſehr beliebt
und
[345]Vom Sonnenſyſtem.
und haͤuſig ausgeuͤbt wird. Denn wenn es nur etwa
zwey bis drey große Sternkundige in Europa giebt;
ſo entwiſchet dieſer oder jener Comet leicht ihrer Auf-
merkſamkeit, zumahl, da die truͤben Naͤchte zu ihren
Beobachtungen nicht geſchickt ſind. Bey einer ſolchen
genauen Kenntniß der Cometen, die ein gluͤcklicher
Zuſtand der Wiſſenſchaften binnen einigen Jahrhun-
derten der Welt gewiß verſchaffen wird, muß auch
alsdenn alle Furcht vor dieſen Himmelscoͤrpern ver-
ſchwinden. Man wird alsdenn befinden, daß ſie
gleichfalls nichts anders als Planeten unſers Sonnen-
ſyſtems ſind, die aber in ihrem Lauf um die Sonne
eine ganz entgegengeſetzte Richtung haben, als die
uͤbrigen anjetzo bekannten Planeten; indem ſie gleich-
ſam den Lauf in die Queere durchcreuzen. Aus dieſer
entgegengeſetzten Richtung entſtehet vermuthlich auch
die fuͤrchterliche Erſcheinung ihres Schweifes. Die-
ſer Schweif iſt vermuthlich nichts anders, als ihre At-
moſphaͤre, die uns deshalb in die Augen faͤllt, weil
die Cometen unſern Lauf und Richtung gegen die Son-
ne durchcreuzen, und folglich die Sonnenſtrahlen zwi-
ſchen unſerm Geſichtspuncte auf ihre Atmoſphaͤre fal-
len, welches bey allen denenjenigen Planeten, die mit
uns in einerley Richtung ihren Lauf um die Sonne be-
werkſtelligen, nicht ſtatt finden kann, weil alsdenn der
dicke Kern des Planeten verhintert, daß wir deſſen
von der Sonne erleuchtete Atmoſphaͤre nicht wahrneh-
men koͤnnen.
Vernuͤnftige Menſchen von einiger Einſicht verla-
chen zwar bereits die Furcht, daß die Cometen Un-
Y 5gluͤcks-
[346]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
gluͤckspropheten ſind, und unſerm Erdcoͤrper allerley
nachtheilige Vorfaͤlle und Veraͤnderungen vorher ver-
kuͤndigen. Allein, ſo bald wir die Cometen genug-
ſam kennen werden; ſo wird auch die in gewiſſem Be-
tracht eben ſo laͤcherliche Furcht verſchwinden, mit wel-
cher ſich noch viele Gelehrte ſelbſt angeſtecket befinden,
daß ſich ein Comet unſerm Erdcoͤrper allzuſehr naͤhere,
denſelben in ſeiner Laufbahn beruͤhren, und dadurch
deſſen allgemeine Verwuͤſtung oder gaͤnzlichen Unter-
gang veruhrſachen koͤnnte. Es laͤßt ſich nicht ſo bald
ein Comet ſehen, als alle Sternkundige deſſen noch be-
vorſtehende Laufbahn zu berechnen ſuchen, inſonderheit,
wie nahe er etwa unſerm Erdcoͤrper kommen moͤchte;
und faſt bey jeder Erſcheinung eines Cometen giebt es
kleine Geiſter unter denen Sternkundigen, welche die
Welt ſeiner Annaͤherung halber in Beſtuͤrzung ſetzen,
oder durch Prophezeyhungen von dem Untergange un-
ſers Planeten durch die Beruͤhrung eines fuͤrchterlichen
Cometen zitternd machen wollen. Seit einem Jahr-
hunderte hat man die Welt mehr als viermahl mit die-
ſen laͤcherlichen Einbildungen erſchrecket, und ihren Un-
tergang durch Cometen vorher verkuͤndiget. Einige
Englaͤnder, inſonderheit Whiſton und Burton, ha-
ben durch ihre Chimaͤren, daß die Suͤndfluth auf un-
ſerm Erdboden durch Beruͤhrung eines Cometen ent-
ſtanden ſey, zu dieſem eitlen und thoͤrichten Schre-
cken viel beygetragen. Allein, ſo bald man eine
vollkommene Kenntniß von denen Cometen erlan-
get haben wird; ſo wird man uͤber dieſe chimaͤ-
riſchen Schreckensbilder eben ſo ſehr lachen, als
jetzo vernuͤnftige Leute die Einbildungen des Poͤ-
bels
[347]Vom Sonnenſyſtem.
bels verſpotten, daß die Cometen Ungluͤckspropheten
ſeyn ſollen.
Es iſt wahr, wenn ein Comet unſern Erdcoͤrper,
oder einen andern Planeten in ſeiner Laufbahn beruͤh-
ren, oder nur durch den Dunſtcreis deſſelben gehen
ſollte; ſo wuͤrden ganz erſtaunliche Verwuͤſtungen auf
der Oberflaͤche des Planeten entſtehen, die, wo nicht
den gaͤnzlichen Untergang und Zertruͤmmerung des Pla-
neten, dennoch das Verderben aller lebendigen Ge-
ſchoͤpfe auf demſelben, der Fiſche ausgenommen, nach
ſich ziehen wuͤrden. Allein, wenn die Cometen Him-
melscoͤrper ſind, die zu unſerm und keinem andern
Sonnenſyſtem gehoͤren, die ihre regulmaͤßige Laufbahn
um unſere Sonne haben, eine Laufbahn, die eben auf
ſo ſichern und unveraͤnderlichen Geſetzen beruhet, als
die Laufbahn der Planeten; wie man denn von dieſem
allen im voraus vernuͤnftiger Weiſe die wahrſcheinlich-
ſte Vermuthung haben muß; ſo kann man auch von
der unendlichen Weisheit des allmaͤchtigen Uhrhebers
der Natur gewiß verſichert ſeyn, daß er die zweyerley
verſchiedenen ganz entgegengeſetzten Richtungen, in
welchen die Planeten und Cometen ihren Lauf um die
Sonne bewerkſtelligen, dergeſtalt eingerichtet haben
wird, daß dieſe zweyerley Himmelscoͤrper in ihrer Lauf-
bahn einander niemahls nahe begegnen, oder gar be-
ruͤhren. Eine ſolche nahe Begegnung oder Beruͤh-
rung waͤre unleugbar ein großes Gebrechen, ein offen-
barer Fehler, und eine ſichtbare Unordnung in der
Einrichtung eines Sonnenſyſtems; und wie kann man
dieſe einem unendlich weiſen Schoͤpfer zutrauen? Ver-
geblich wuͤrde man ſagen, daß es der weiſen Abſicht
der
[348]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
der Vorſehung gemaͤß geweſen ſey, daß dieſer oder je-
ner Planet auf dieſe Art ſeinen Untergang finden ſollte.
Weiſe Abſichten koͤnnen ſich niemahls auf Maͤngel, Feh-
ler und Unordnungen gruͤnden. So viel ich auch von
denen berechneten und bekannt gemachten Laufbahnen
der Cometen habe einſehen koͤnnen; ſo ſind ihre Lauf-
bahnen ſo weit von dem elliptiſchen Creislaufe der Pla-
neten entfernet, daß dieſe letztern niemahls in Gefahr
ſtehen, von denen Cometen beruͤhret zu werden.
Jch muß bey dieſer Gelegenheit eines Umſtandes
erwehnen, der mir in der Geſchichte der Cometen ſehr
merkwuͤrdig zu ſeyn ſcheinet. Da ich von meinem
fuͤnften Jahre an eine ganz unerſaͤttliche Begierde zum
Leſen hatte, und mithin meines ſehr fruͤh verſtorbenen
Vaters hinterlaſſener Buͤchervorrath durchgeleſen war,
ehe ich das Alter von ſieben Jahren erreichet hatte; ſo
ſuchte ich bey denen benachbarten Dorfpredigern, und
faſt in allen Haͤuſern meines kleinen Geburthsſtaͤdtchens
Buͤcher zum Durchleſen auf. Auf dieſe Art fielen mir
einige alte gedruckte Chronicken von Thuͤringen und ei-
nigen anſehnlichen Thuͤringiſchen Staͤdten in die Haͤn-
de, davon zum Theil das Titulblatt weggeriſſen, zum
Theil aber der Verfaſſer nicht genennet war. Allein,
mehr als drey dieſer Chronicken hatten einſtimmig die
Nachricht aufgezeichnet, daß im Jahr 1350 ein großer
leuchtender Coͤrper an dem Himmel erſchienen waͤre,
der denen Augen ſo groß als ein Wagenrad, und viel-
mahl groͤßer als der Mond geſchienen haͤtte, jedoch,
ohne daß man einen Schweif an ihm bemerket. Die-
ſer ſcheinende Coͤrper habe viele Naͤchte lang ſeinen
ordent-
[349]Vom Sonnenſyſtem.
ordentlichen Lauf gehalten, und daß er unſerm Welt-
coͤrper viel naͤher als der Mond geweſen, oder deutli-
cher zu ſagen, in unſerm Dunſtcreiſe zwiſchen uns und
dem Monde durchgegangen ſey; das ſey daraus klar
geweſen, weil dieſer leuchtende Coͤrper den Schein
des Monden zu verſchiedenen Mahlen bedecket und ver-
finſtert habe.
Dieſe Nachricht verdienet in der Geſchichte der Co-
meten ſehr viel Aufmerkſamkeit, und waͤre wohl werth,
von denen Sternkundigen ſowohl in Anſehung der
Wahrheit, als ihrer eigentlichen Beſchaffenheit genau
unterſuchet zu werden, welches ich ſelbſt wegen Man-
gel aller Bibliotheken an hieſigem Orthe nicht leiſten
kann. Wenn viele andere glaubwuͤrdige Geſchicht-
ſchreiber eben dieſe Nachricht beſtaͤtigten, wenn aus
denen Umſtaͤnden deutlich zu erſehen waͤre, daß dieſe
keine bloße Lufterſcheinung, ſondern ein wirklicher
Himmelscoͤrper geweſen, der ſeinen ordentlichen Lauf
gehalten; ſo wuͤrde man dieſen Coͤrper dennoch unter
die Cometen ſetzen muͤſſen, ob er gleich keinen Schweif
gehabt haͤtte; indem der Schweif lediglich auf die be-
ſondere Richtung eines Himmelscoͤrpers in Anſehung
der Sonne ankommt. Allein, es wuͤrde daraus noch
eine andere Wahrheit folgen, die uns alles Schrecken
und Furcht vor denen Cometen in Anſehung des Un-
terganges unſers Weltcoͤrpers benehmen koͤnnte. Die-
ſer Comet waͤre ganz unleugbar ſo zu ſagen mitten
durch unſern Dunſtcreis gegangen. Dennoch hat er
unſerer Erde ſo wenig den Untergang veruhrſachet,
daß man nicht einmahl große Ueberſchwemmungen zur
Zeit
[350]XI. Abſchn. I. Hauptſt.
Zeit dieſes Cometen im Jahr 1350 bemerket findet.
Was vor ein großer Troſt wuͤrde das nicht vor alle
ſchwache Seelen ſeyn, die vor ihr kleines Daſeyn oͤf-
ters ſo aͤngſtlich beſorgt und bekuͤmmert ſind.
Jch will mich nicht aufhalten, die vierte Claſſe
der Himmelscoͤrper, nehmlich die Nebenplaneten, oder
die Monden der Hauptplaneten zu der gegenwaͤrtigen
Abſicht weitlaͤuftig zu betrachten. Die Eintheilung
aller Himmelscoͤrper, ſo ſich in einem Sonnenſyſtem
befinden, erforderte, die Monden nicht mit Still-
ſchweigen zu uͤbergehen, wenn es darauf ankam, zu
unterſuchen, in wie weit der Zuſammenhang und die
Verhaͤltniſſe der verſchiedenen Arten von Himmels-
coͤrpern zuweilen Umſtaͤnde und Vorfaͤlle hervorbrin-
gen koͤnnen, wodurch der Untergang des einen oder
des andern Weltcoͤrpers veruhrſachet werden kann.
Man kann auch nicht behaupten, daß ſich nicht Um-
ſtaͤnde ereignen koͤnnten, in welchen die Monden
nicht große und ſchaͤdliche Wirkungen auf ihren
Hauptplaneten auszurichten vermoͤgend waͤren. Es
iſt nicht zu leugnen, daß unſer Mond inſonderheit auf
die Ebbe und Fluth in unſern Meeren eine augen-
ſcheinliche Wirkung hat; indem inſonderheit zur Zeit
des vollen Monden die Fluth in unſern Meeren alle-
mahl groͤßer iſt, als ſie ſonſt zu andern Zeiten zu ſeyn
pfleget. Die Uhrſache hiervon iſt wohl ohne Zwei-
fel, daß der Druck des Monden auf unſere Atmos-
phaͤre alsdenn viel groͤßer iſt, als zu andern Zei-
ten. Wenn dieſer Druck in einem hohen Grade
vergroͤßert wuͤrde; inſonderheit, wenn eine fremde
Gewalt
[351]Vom Sonnenſyſtem.
Gewalt auf den Mond wirkte, und ihn noͤthigte,
mehr auf unſern Hauptplaneten zu druͤcken; ſo koͤnn-
ten daraus allerdings große Ueberſchwemmungen der
Meere und große Verwuͤſtungen auf unſerm Erdcoͤr-
per entſtehen. Allein, bey der weiſen Einrichtung
des unendlichen Schoͤpfers iſt ſo leicht nicht zu befuͤrch-
ten, daß die Himmelscoͤrper in ihrer Laufbahn einan-
der jemahls ſo nahe kommen werden, daß ſie in ih-
rer Wirkung gegen einander große Verwuͤſtungen an-
richten, oder gar den Untergang des einen oder des
andern Weltcoͤrpers zu veruhrſachen im Stande ſeyn
koͤnnten.
Zweytes
[352]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
Zweytes Hauptſtuͤck.
Von der vermuthlichen Abſicht Gottes in
Anſehung der Dauer des Weltgebaͤudes, und in
wie weit die Unordnungen und Zerruͤttungen in
andern Sonnenſyſtemen auf den Untergang
der andern einen Einfluß haben
koͤnnen.
Wenn die Vernunft erkennet, wie ich in dem vor-
hergehenden Hauptſtuͤcke gezeiget habe, daß es
denen weiſen Abſichten Gottes nicht ungemaͤß iſt, nach
vielen Millionen Jahren, und nachdem die Triebfe-
dern der Planeten entweder ſtumpf geworden ſind, oder
von der anziehenden Kraft der Sonne uͤberwaͤltiget
werden, alle Planeten und Cometen wieder in den
Sonnenklumpen ſtuͤrzen zu laſſen, aus welchem ſie ent-
ſtanden waren, um die zur Bewohnung ungeſchickt ge-
wordenen Himmelscoͤrper in dem Sonnenfeuer um-
ſchmelzen, umformen, und durch neue Gaͤhrungen
und Erzeugungen zu einer viel herrlichern und glaͤnzen-
dern Bewohnung geſchickt werden zu laſſen; ſo fragt
es ſich zufoͤrderſt, ob dieſe Veraͤnderung mit dem gan-
zen Weltgebaͤude, oder mit allen Sonnenſyſtemen zu
gleicher Zeit vorgehen wird. Nach demjenigen, was
die ſich ſelbſt uͤberlaſſene geſunde Vernunft davon er-
kennet, muß man behaupten, daß dieſes nicht mit
dem ganzen Weltgebaͤude auf einmahl geſchehen wird.
Dieſes Weltgebaͤude iſt allzu ſchoͤn, herrlich und praͤchtig,
als
[353]in Anſehung der Dauer der Welt.
als daß es Gott auf einmahl wieder in Stand der Dun-
kelheit und eines duͤſtern Chaos verſetzen ſollte. Ob
es gleich in der Abſicht geſchaͤhe, daſſelbe deſto ſchoͤner
und praͤchtiger wieder hervorzubringen; ſo wuͤrden doch
die Engel und die ſeligen Geiſter eines ſo herrlichen An-
blicks wenigſtens auf eine Zeitlang beraubet werden.
Vermuthlich ſind auch alle Sonnenſyſteme, alle Son-
nen und alle zu einem Sonnenſyſtem gehoͤrigen Plane-
ten und Himmelscoͤrper nicht von einerley Groͤße, Be-
ſchaffenheit und Anzahl. Da es nun der unendlichen
Weisheit eines allmaͤchtigen Schoͤpfers viel gemaͤßer
iſt, alle ſeine weiſen Abſichten nicht durch Wunder-
werke und durch unmittelbare Ausuͤbung ſeiner All-
macht, ſondern durch natuͤrliche Erfolge geſchehen zu
laſſen; ſo folget ſchon von ſelbſt, daß der Untergang
aller Sonnenſyſteme nicht zu gleicher Zeit und auf ein-
mahl vor ſich gehen kann; ſondern der Untergang ei-
nes jeden Sonnenſyſtems muß ſich nach der Maaße
fruͤher oder ſpaͤter ereignen, nachdem das Syſtem und
ſeine Sonne, wie auch die Planeten und andere Him-
melscoͤrper groß ſind, und ſich von der Sonne nahe
oder weit entfernet befinden; wie denn auch die Ver-
nunft ſich nicht einmahl zu behaupten getrauen kann,
daß alle Sonnenſyſteme zugleich und auf einmahl er-
ſchaffen worden; ſondern es kann auch hierinn in dem
unendlichen und ewigen Raume eine gewiſſe in ſei-
nem Weſen gegruͤndete Ordnung vorgegangen ſeyn,
ſo, daß einige Sonnenſyſteme viel fruͤher, andere aber
viel ſpaͤter erſchaffen worden; dahero auch um ſo mehr
ein Sonnenſyſtem vor dem andern viel eher ſeinen Unter-
Zgang
[354]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
gang, oder vielmehr den Zeitpunct ſeiner neuen Ver-
wandlung und Verherrlichung erreichen kann.
Wenn man ſich auf die Genauigkeit der alten
Sternkundigen in ihren Beobachtungen ſicher und un-
gezweifelt verlaſſen koͤnnte; ſo waͤren auch bereits Zeug-
niſſe und Beweiſe vorhanden, daß der Untergang vie-
ler Sonnen ſchon erfolget waͤre. Es iſt mehr als ein-
mahl in den Buͤchern der Sternkundigen bemerket wor-
den, daß dieſer oder jener Fixſtern, den die Alten in
vorigen Zeiten unter die Anzahl der Sterne in einem
gewiſſen Geftirn gezaͤhlet haben, nicht mehr vorhan-
den iſt; und eben ſo haben die neuern Sternſeher ver-
ſchiedene neue Sterne beobachten wollen, welche in de-
nen alten Zaͤhlungen der Sterne nicht bemerket und
begriffen geweſen ſind. Wenn alles dieſes zuverlaͤßig
waͤre; ſo koͤnnte ſolches keinen andern Grund und Uhr-
ſache haben, als daß einige vorherige Fixſterne oder
Sonnen die Zeit ihres Untergangs oder ihrer kuͤnftigen
Verwandelung erreichet gehabt haͤtten; andere aber aus
dieſem Zeitpunct ihrer Verwandelung wieder hervor-
getreten waͤren, und mit neuem Glanz wieder zu ſchei-
nen angefangen haͤtten.
Allein, ich glaube nicht, daß man ſich auf der-
gleichen Beobachtungen ſo ſicher verlaſſen kann. Es
iſt kaum einige Jahrhunderte, daß wir die Fernglaͤſer
erfunden haben. Vorhero zaͤhlten die Sternſeher die
Sterne in dieſem oder jenem Hauptgeſtirn lediglich mit
bloßen unbewaffneten Augen; und wie leicht konnte
man ſich hierinn nicht truͤgen, znmahl da die Schaͤrfe
oder Schwaͤche des Geſichts bey denen meiſten Men-
ſchen
[355]in Anſehung der Dauer der Welt.
ſchen ſo ſehr verſchieden iſt. Jndeſſen iſt es vor die
menſchliche Erkenntniß ſehr wichtig. Zuverlaͤßig zu
wiſſen, ob Fixſterne oder Sonnen an dem Himmel
gaͤnzlich verſchwinden, und ob auch wieder neue, die
vorhin nicht geweſen ſind, zum Vorſchein kommen.
Dasjenige, was die geſunde Vernunft von dem ein-
zelnen Untergange dieſes oder jenes beſondern Sonnen-
ſyſtems erkennet, und vor ſehr wahrſcheinlich erachten
muß, wird alsdenn um deſtomehr beſtaͤtiget werden.
Die kuͤnftigen Zeiten in vielen Jahrhunderten koͤnnen
hiervon weit zuverlaͤßiger unterrichtet ſeyn, da wir
durch ſo viel vortreffliche Fernglaͤſer mit der Beſchaf-
fenheit des ganzen Himmels auf das genaueſte bekannt
werden, und im Stande ſind, eben ſo gute und rich-
tige Charten von dem Himmel zu entwerfen und zu
verfertigen, als wir kaum von allen Weltgegenden un-
ſers Erdcoͤrpers haben. Nur iſt zu wuͤnſchen, daß
der Flohr der Wiſſenſchaften fortdauret, und die Bar-
barey nicht wieder einreißet, welches aber nach der Be-
ſchaffenheit der meiſten Regierungen ſich gar wohl er-
eignen koͤnnte. Die Deſpoterey und eine allzu hoch
getriebene willkuͤhrliche Gewalt der Fuͤrſten ſind, wie
die Geſchichte genugſam an die Hand giebt, allemahl
die Vorlaͤufer der Barbarey geweſen.
Jch muß noch einmahl von denen Cometen reden.
Noch zu Anfange dieſes Jahrhunderts wußten die ge-
lehrten Sternkundigen ſelbſt nicht, was ſie aus dieſen
Himmelscoͤrpern machen ſollten. Einige glaubten,
daß ihr ganzer Coͤrper in Feuer und Brand ſtuͤnde,
und daß ihr großer Schweif eben der Rauch und
Z 2Dampf
[356]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
Dampf waͤre, welcher von dieſem Brande aufſtiege.
Andere glaubten zwar, daß ihr Schweif aus waͤßerich-
ten Duͤnſten beftuͤnde, die von denen Sonnenſtrahlen
erleuchtet wuͤrden. Allein, ſie getraueten ſich doch nicht,
dieſes von allen Cometenſchweifen zu behaupten, zu-
mahl, wenn der Schweif ſehr roth und feurig war;
und ſie gaben dahero zu, daß es gar wohl Cometen
geben koͤnnte, die im Brande ſtuͤnden. Wenn es
wirklich Cometen gegeben haͤtte, deren Schweif aus
der Uhrſache des Feuers herzuleiten geweſen waͤre; ſo
muͤßte man allerdings zugeben, daß dieſe Himmels-
coͤrper ihren juͤngſten Tag gefunden haͤtten, und nun
im Begriff waͤren, von dem Feuer verzehret zu
werden.
Man kann alſo eben nicht ſagen, daß die Mey-
nung eines gewiſſen Sternkundigen, wo ich nicht irre,
zu Gotha, mit welchem ſich die Herren gelehrten Zei-
tungsſchreiber vor ungefehr vierzig Jahren ſo luſtig
machten, ſo ſehr laͤcherlich war. Vielleicht hatte er
ihnen durch einen ſchlechten Witz allzuviel Bloͤße gege-
ben, da er auf eine vermeynte ſinnreiche Art auf dem
Titulblatte ſeinen Nahmen verſchweigen, und doch auch
zugleich ſich deutlich genug nennen wollte; indem er
auf den Titul ſetzte: Kinder! Man nennet ſich zu
Vermeidung eiteler Ehre nicht gern. Sein Nahme
war wirklich Kindermann. Und ſeine Meynung von
denen Cometen war folgende.
Er glaubte, die jetzigen Cometen mit ihrem fuͤrch-
terlichen Schweife waͤren in andern Sonnenſyſtemen
ordentliche Planeten geweſen, die ſich ihrer Ordnung
nach
[357]in Anſehung der Dauer der Welt.
nach um ihre Sonne beweget haͤtten. Weil aber nach
dem Willen und denen weiſen Abſichten Gottes ihr
juͤngſter Tag gekommen waͤre; ſo haͤtte ſie Gott mit
Feuer angezuͤndet, aus ihrer Laufbahn und Sonnen-
ſyſtem herausgeriſſen, in den unendlichen Raum geſtuͤr-
zet, wo ſie nun von Sonnenſyſtem zu Sonnenſyſtem
mit unendlicher Geſchwindigkeit herumirreten, bis ſie
von dem Feuer gaͤnzlich verzehret, und ihre Aſche in
den unendlichen Raum zerſtreuet wuͤrde. Er konnte,
ſeines Erachtens nach, hierbey alle dasjenige ganz gut
erklaͤhren, was in der Bibel hin und wieder von der
Beſchaffenheit und denen erſchrecklichen Umſtaͤnden des
juͤngſten Tages geſaget wird. Er glaubte, da Gott
dieſe Planeten in den unendlichen Raum geſtuͤrzet, und
derſelbe mit ſolcher Geſchwindigkeit ſich bald dieſer bald
jener Sonne, bald ſo vielen Planeten genaͤhert haͤtte,
daß es denen Einwohnern des nunmehrigen in Feuer
gerathenen Cometen nicht anders haͤtte vorkommen und
in die Augen fallen koͤnnen, als wenn Sonne, Mond
und Sterne vom Himmel fielen, wie der juͤngſte Tag
in der Bibel alſo beſchrieben wird.
Freylich war in dieſem Syſtem vieles, welches
Vernunft und gruͤndliche Einſicht nicht annehmen konn-
ten. Ein Planet, der aus ſeiner Laufbahn geſtuͤrzet
wuͤrde, koͤnnte deshalb nicht mit groͤßerer Geſchwindigkeit
in dem unendlichen Raume umhergetrieben werden.
Da er die Triebfedern ſeines ſchnellen Laufes um ſeine
Sonne verlohren haͤtte; ſo wird er vielmehr deſto lang-
ſamer in dem unendlichen Raume umherirren, und
die Vorſtellung, daß Sonne, Mond und Sterne vom
Z 3Himmel
[358]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
Himmel herabzufallen ſcheinen ſollten, ſtimmte damit
ſchlecht uͤberein. Ueberdies, wenn die Cometen Him-
melscoͤrper waͤren, die im Brande ſtuͤnde; ſo waͤren
ſie im Grunde nichts anders als Sonnen. Sie wuͤr-
den aufhoͤren, von einer Sonne angezogen zu werden,
mithin gar keinen Lauf mehr haben, ſondern ſich bloß
wie andere Sonnen um ihre eigene Axe bewegen. Jn-
deſſen da die Meynung, daß die Cometen im Brande
ſtuͤnden, damahls ſelbſt von einſichtigen Gelehrten an-
genommen wurde; ſo fand ſich eben kein ſonderbarer
Grund, den ehrlichen Mann ſo laͤcherlich zu machen.
Dieſer Kindermann hatte noch einige andere be-
ſondere Meynungen. Er glaubte unter andern, daß
die ſo genannte Milchſtraße die Werkſtatt Gottes ſey,
worinnen er die neuen und jungen Sonnen fabricirte,
und vielleicht ſo lange daran kuͤnſtelte und arbeitete, bis
ſie zu ihrer Vollkommenheit gelanget waͤren; da er ſie
denn an diejenigen Stellen des unermeßlichen Weltge-
baͤudes verſchickte, wo es an Sonnen fehlete. Auf
dieſe Art duͤrften ſich die Sternſeher deſto weniger wun-
dern, wenn von Zeit zu Zeit neue Fixſterne oder Son-
nen zum Vorſchein kaͤmen. Vielleicht waren es aber
auch eben dergleichen Meynungen, warum man ihn ſo
ſehr zum Gegenſtande des Gelaͤchters machte.
Es haben ſo gar einige beruͤhmte Gelehrte geglau-
bet, daß unſer Weltcoͤrper ſelbſt ehedem im Brande
geſtanden habe. Dieſes haͤtte ſich auf keine andere Art er-
eignen koͤnnen, als daß er in Anſehung feiner vorher-
gehenden Beſchaffenheit eine Art des Unterganges oder
juͤngſten Tages erlittet haͤtte. Dieſe Gelehrten muͤſſen
alſo
[359]in Anſehung der Dauer der Welt.
alſo geglaubt haben, daß unſer Erdcoͤrper in dem Zu-
ſtande ſeines Brandes entweder ein brennender Comet
oder eine Sonne geweſen ſey. Zu einer Sonne war
unſer Weltcoͤrper viel zu klein, und die Meynung von
dem Brennen der Cometen muß alſo ehedem gar nicht
vor ungereimt angeſehen worden ſeyn. Allein, ich
habe oben im dritten Abſchnitte dieſe Meynung genug-
ſam gepruͤſet, und gezeiget, daß die Spuhren und
Merkzeichen eines geweſenen Brandes gar nicht ſo haͤu-
fig anzutreffen ſind, daß man daraus ſchließen koͤnnte,
unſer Erdcoͤrper habe ehedem allgemein im Brande ge-
ſtanden; ſondern dieſe wenigen Spuhren des Bran-
des koͤnnen gar wohl dem unterirrdiſchen Feuer bey-
gemeſſen werden.
Allein, ſollten wir nicht in Zukunft den Untergang
unſers Erdcoͤrpers, oder ſeinen juͤngſten Tag von dem
unterirrdiſchen Feuer zu befuͤrchten haben; und ſollten
nicht die meiſten andern Planeten gleichfalls ihren Un-
tergang auf dieſe Art finden? Jch habe ſelbſt das Da-
ſeyn dieſes unterirrdiſchen Feuers mit zureichenden und
ſtarken Gruͤnden oben im vierten Abſchnitte erwieſen.
Auf eben die Art, wie in unſerm Erdcoͤrper ein unter-
irrdiſches Feuer entſtanden iſt, hat ſolches auch in an-
dern Planeten hervorgebracht werden muͤſſen. Sie
haben eben eine ſolche Bewegung, wie wir um ihre ei-
gene Axe. Die Geſetze der Schwehre, daß alle Coͤr-
per nach dem Mittelpuncte zu druͤcken, muͤſſen daſelbſt
eben ſowohl, als bey uns ſtatt finden. Das durch die
Bewegung um ihre Axe entſtehende heftige Reiben der
Materie in dem Mittelpuncte, oder die Bewegung
Z 4der
[360]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
der Materie in ihren kleinſten Theilen, hat demnach in
andern Planeten gleichfalls ein unterirrdiſches Feuer
erzeugen muͤſſen; weil das Feuer nichts anders iſt,
als eine unaufhoͤrlich fortgeſetzte Bewegung der Mate-
rie in ihren kleinſten Theilchen. Sowohl wir, als
alle andere Planeten ſcheinen demnach den Keimen un-
ſers bevorſtehenden Unterganges und unſers juͤngſten
Tages bereits in dem Schooße unſers Erdcoͤrpers bey
uns zu fuͤhren, der, ehe wir uns es verſehen, hervor-
brechen, und unſere Vernichtung veruhrſachen kann.
Dieſes iſt alſo allerdings eine wichtige Frage, die wir
nach dem Gegenſtande unſerer gegenwaͤrtigen Abhand-
lung nicht uneroͤrtert laſſen koͤnnen.
Jn der That laͤßt ſich nicht ſchlechterdings vernei-
nen, daß etwas nicht geſchehen wird, wovon ſo wahr-
ſcheinliche Gruͤnde vorhanden ſind. Wir kennen die
innere Beſchaffenheit unſers Erdcoͤrpers ſo wenig, als
daß wir mit Zuverlaͤßigkeit behaupten koͤnnten, dieſer
Coͤrper ſey nach der Beſchaffenheit ſeiner Materien
nicht geſchickt, durchaus in Brand zu gerathen. Ob
wir gleich in der wenigen Rinde, in die wir durch den
Bergbau in die Erde eintringen koͤnnen, ehe uns die
Waſſer gar bald dieſe Arbeit verwehren, nichts als
Stein und Felſen antreffen; ſo wuͤrden wir doch allzu
leichtſinnig urtheilen, wenn wir daraus ſchließen woll-
ten, das ganze Jnnere des Erdcoͤrpers beſtehe aus
nichts, als aus einem harten Felſen. Ob wir gleich
die Materien des brennlichen Weſens nur hin und wie-
der zerſtreuet, und niemahls ſo haͤufig in dem Erdbo-
den antreffen, daß dieſelben vor zureichend erachtet
werden
[361]in Anſehung der Dauer der Welt.
werden koͤnnten, einen allgemeinen Brand des Erdbo-
dens zu unterhalten; ſo wuͤrden wir doch auch hier
verwegen urtheilen, wenn wir behaupten wollten, es
ſey unmoͤglich, daß der Erdcoͤrper allgemein in Brand
gerathen, und durch das Feuer ſeinen Untergang fin-
den koͤnnte. Kurz, in ſolchen Faͤllen, wo ſich ſo viel
von der menſchlichen Unwiſſenheit mit einmiſchet, und
wo es uns ſo ſehr an genugſamer Kenntniß und Ein-
ſicht ermangelt, iſt es allemahl thoͤricht, wenn man
mit Zuverlaͤßigkeit behaupten will, daß etwas geſche-
hen oder nicht geſchehen werde. Es koͤnnen noch gan-
ze Meere von Oehl und brennkichem Weſen in dem
Jnnern der Erde befindlich ſeyn, zu welchen das un-
terirrdiſche Feuer noch nicht gelanget iſt. Der große
Oehlquell in Perſien, woraus taͤglich eine ſo große
Menge Tonnen Oehl geſchoͤpfet werden, ohne daß ſich
der Quell im mindeſten verringert, ſcheinet dieſes ſo-
gar wahrſcheinlich zu machen. Alles, was man dem-
nach in der Eroͤrterung ſolcher Fragen thun kann, iſt,
daß man die Wahrſcheinlichkeiten auf beyden Sei-
ten pruͤfet, und ſich vor die groͤßere Wahrſcheinlich-
keit erklaͤhret.
Aus eben dieſer Uhrſache glaube ich indeſſen nicht,
daß unſer Erdcoͤrper ſeinen Untergang durch das unter-
irrdiſche Feuer zu befuͤrchten habe. Wenn dieſer Er-
folg ſich haͤtte ereignen koͤnnen; ſo wuͤrde ſich derſelbe
gewiß einige hundert tauſend Jahre fruͤher zugetragen
haben. Damahls, als das unterirrdiſche Feuer mit
ſo unausſprechlicher Gewalt wuͤthete, daß es viele tau-
ſend hohe Gebirge uͤber die Oberflaͤche der Erde empor
Z 5trieb;
[362]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
trieb; damahls, als ſo viele Vulcane oder feuerſpeyen-
de Berge auf dem Erdboden ſtatt fanden; denn man
findet allenthalben Spuhren, daß dieſe feuerſpeyende
Berge ehedem in großer Menge vorhanden geweſen
ſind; damahls, ſage ich, wuͤrde gewiß der Erdcoͤrper
durchaus und allgemein in Brand gerathen ſeyn, wenn
darzu genugſam brennliche Materien vorhanden gewe-
ſen waͤren. Da ſich aber ein ſolcher allgemeiner
Brand zu ſolchen Zeiten nicht ereignet hat; ſo iſt er
meines Erachtens in folgenden Zeiten weit weniger zu
befuͤrchten; indem nunmehro bereits ſo viele brennliche
Materien von dem unterirrdiſchen Feuer verzehret wor-
den ſind. Geſetzt, daß es auch unter der Erde noch
ganze Seen und Meere von Oehl und brennlichem We-
ſen gaͤbe, wohin das unterirrdiſche Feuer noch nicht
durchgetrungen waͤre; ſo wuͤrden doch ſolche bey der er-
ſtaunlichen Groͤße und Dicke des Erdcoͤrpers nicht zu-
reichen, denſelben allgemein in Brand zu ſetzen.
Wenn das unterirrdiſche Feuer dereinſt bis dahin ge-
langen ſollte; ſo wuͤrde es freylich die Oberflaͤche des
Erdbodens, unter welcher ſich dergleichen Seen von
Oehl befaͤnden, einige hundert Meilen groß in Brand
ſetzen. Allein, ein allgemeiner Brand des ganzen
Erdcoͤrpers koͤnnte daraus ſchwehrlich entſtehen, weil
es in andern Theilen des Erdcoͤrpers an genugſamen
brennbaren Materien ermangeln wuͤrde, einen allge-
meinen Brand zu unterhalten.
Ein ganz anderer Umſtand wuͤrde es ſeyn, wenn
der Brand des Erdcoͤrpers oder eines andern Planeten
noch durch eine fremde Uhrſache außer demſelben unter-
halten
[363]in Anſehung der Dauer der Welt.
halten werden koͤnnte. Alsdenn koͤnnte der Brand
allerdings allgemein werden. Dieſer Umſtand wuͤrde
ſich ereignen, wenn ſich dereinſt der Erdcoͤrper und alle
andere Planeten und Cometen wieder in den Sonnen-
klumpen ſtuͤrzen ſollten, aus welchem ſie entſtanden
ſind. Die in dem Coͤrper eines jeden Planeten annoch
befindlichen brennlichen Materien wuͤrden alsdenn nebſt
der Wirkung des Sonnenfeuers gleichfaͤlls das Jhrige
beytragen, daß der Brand eines Planetencoͤrpers all-
gemein werden koͤnnte, um durch das Feuer in ſo zar-
te Theile aufgeloͤſet und zermalmet zu werden, als
nothwendig erfordert wird, wenn nur Gaͤhrungen und
Erzeugungen in dem Sonnenklumpen entſtehen ſollen,
damit alsdenn ein neuer Himmel und eine neue Erde,
nach dem Ausdruck der Bibel, mit viel herrlicherm
Glanz und Schoͤnheit, als die jetzigen ſind, zum Vor-
ſchein kommen koͤnnen.
Jn der That haben bis hieher alle unſere Betrach-
tungen ergeben, daß dieſes der einzige Weg iſt, den
die Vernunft mit genugſamer Wahrſcheinlichkeit ein-
ſehen kann, daß auf ſolchen der Untergang eines jeden
Sonnenſyſtems zu ſeiner Zeit erfolgen werde; ein
Weg, der gleichſam in dem Weſen und der Natur ei-
nes jeden Sonnenſyſtems ſelbſt gegruͤndet iſt, und
gleichſam aus ſeinem eigenen Zuſammenhange entſte-
het, der auch eben ſowohl denen weiſen Abſichten Got-
tes gemaͤß iſt, um die endlich zur Bewohnung unfaͤ-
hig gewordenen Planeten durch neue Umformungen
und Erzeugungen wiederum viel ſchoͤner hervorzubrin-
gen. Von allen andern Verhaͤltniſſen, welche die
Himmels-
[364]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
Himmelscoͤrper gegen einander haben, oder von allen
Umſtaͤnden und Vorfaͤllen, in welchen ſie ſich etwa be-
finden koͤnnten, iſt ihr Untergang wenig oder gar nicht
zu befuͤrchten, wie wir zeithero in allen unſern Unter-
ſuchungen gefunden haben. Selbſt das unterirrdiſche
Feuer, dieſes ſo gefaͤhrlich ſcheinende Element, wel-
ches in dem Schooße der Erden uns das Schrecken des
Unterganges zu drohen ſcheinet, iſt in dieſer Abſicht
wenig zu fuͤrchten. Dieſes ſind aber auch alle diejeni-
gen Wege, welche die Vernunft einigermaßen zur Be-
trachtung vor ſich nehmen kann, um zu unterſuchen,
in wie weit daraus der Untergang des ganzen Welt-
gebaͤudes oder einzelner Himmelscoͤrper entſtehen
moͤchte.
Wenn man zwar dieſe Betrachtungen ohne Noth
verlaͤngern wollte; ſo koͤnnte noch unterſuchet werden,
ob und in wie weit ein jeder Planeten- oder Cometen-
coͤrper ſich durch eine Art von Gaͤhrung oder Aufloͤ-
ſung ſelbſt aus einander ſetzen, dadurch zertheilen, und
in vielen nicht mehr zuſammenhaͤngenden Theilen zu
ſeinem Untergange uͤbergehen koͤnnte. Man kann
nicht ſchlechterdings behaupten, daß ein ſolcher Vor-
fall unmoͤglich ſey. Alle Coͤrper ſind einer Art von
Aufloͤſung und Vernichtung faͤhig. Ja! das iſt ſo
gar ihr natuͤrlicher Erfolg. Allein, wenn ſich auch
dieſes ereignen ſollte; wenn ſich auch alle Felſen un-
ſers Erdklumpens in eine ſehr zarte Erde aufſchließen
oder aufloͤſen ſollten; denn weiter kann eine ſolche Auf-
loͤſung oder Vernichtung eines Coͤrpers ſich nicht erſtre-
cken; ſo wuͤrde deshalb dennoch nichts weniger als die
gaͤnzliche
[365]in Anſehung der Dauer der Welt.
gaͤnzliche Zertheilung eines Planeten- oder Cometencoͤr-
pers erfolgen. Die Geſetze der Schwehre, vermoͤge
welcher alle Theile eines Erdcoͤrpers, ſie moͤgen auch
aus denen allerfeinſten Erden beſtehen, nach dem Mit-
telpuncte zu druͤcken, wuͤrden allemahl verhintern, daß
der Erdklumpen ſich nicht aus einander begeben, und
in kleine Theile zerfallen koͤnnte.
Zwar kann man der unendlichen Allmacht Gottes
nicht das Vermoͤgen abſprechen, nicht allein einzelne
Weltcoͤrper, ſondern auch das ganze unermeßliche
Weltgebaͤude wiederum zu zerſtoͤhren und zu zernich-
ten; und dieſer einzige Punct iſt noch uͤbrig, um den-
ſelben zum Vorwurf unſerer Betrachtungen zu neh-
men. Jndeſſen kann auch hierbey die Vernunft wei-
ter nichts thun, als daß ſie erweget, in wie weit eine
ſolche gaͤnzliche Zerſtoͤhrung und Zernichtung des Welt-
gebaͤudes der Weisheit Gottes und ſeinen vermuthli-
chen Abſichten gemaͤß ſeyn moͤchte.
Gemeiniglich verſtehet man unter der Vernichtung
des Weltgebaͤudes, daß daſſelbe ſowohl nach ſeinem
jetzigen Weſen und Beſchaffenheit, als auch nach ſei-
nen kleinſten Beſtandtheilen gaͤnzlich aufhoͤret zu ſeyn,
oder kuͤrzer zu ſagen, daß ſie aus dem Reiche der wirk-
lichen Dinge in den Stand der bloßen Moͤglichkeit ver-
ſetzet wird. Man kann der Allmacht Gottes das Ver-
moͤgen einer ſolchen gaͤnzlichen Vernichtung nicht ab-
ſprechen, inſonderheit wenn dieſelbe das ganze Welt-
gebaͤude aus nichts hervorgebracht hat. Denn derje-
nige, welcher aus nichts etwas machen kann, kann
auch dieſes Etwas wieder in nichts verwandeln. Die-
ſes
[466[366]]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
ſes erkennet die Vernunft ohne alle Schwierigkeit als
eine der richtigſten Folgen. Allein, wenn die Ato-
men von allen Ewigkeiten her zu dem Weſen der Gott-
heit gehoͤret haͤtten, oder mit der Natur Gottes und
des Raums ewig und weſentlich vereinigt geweſen waͤ-
ren, davon wir in der Einleitung geredet haben; ſo
koͤnnte auch die gaͤnzliche Vernichtung des Weltgebaͤu-
des nicht weiter gehen, als daß Gott alles wieder in
die erſten uhranfaͤnglichen Atomen aufloͤſete, aus wel-
chen alles entſtanden iſt. Kein Weſen kann dasjenige
gaͤnzlich vernichten, und zu nichts machen, was zu ſei-
nem eigenen Weſen gehoͤret; und noch weniger kann
dieſes ſtatt finden, wenn dieſes Weſen ewig iſt.
Jndeſſen, ob gleich die allmaͤchtige Gottheit das
ganze Weltgebaͤude wieder zerſtoͤhren und vernichten
kann; ſo folget doch daraus nichts weniger, als daß
Gott dieſes jemahls wirklich unternehmen werde. Von
der Macht, von dem Vermoͤgen, etwas zu thun, oder
von der Moͤglichkeit, daß etwas geſchehen kann, kann
man niemahls auf die Erfuͤllung oder auf die Wirk-
lichkeit ſchließen. Wenn man alſo die Frage unter-
ſuchen will, ob Gott dieſes unermeßliche Weltgebaͤu-
de jemahls wieder vernichten werde; ſo kommt es
lediglich darauf an, daß man betrachtet, ob ſich
Gott nach ſeiner Weisheit, und vermoͤge ſeiner uͤbri-
gen hoͤchſten Vollkommenheiten jemahls dazu entſchlieſ-
ſen werde, oder ob in ſeinem ewigen Verſtande zurei-
chende Uhrfachen zu einer ſolchen Vernichtung vorhan-
den ſeyn koͤnnen.
Gott
[367]in Anſehung der Dauer der Welt.
Gott hat ohne Zweifel das Weltgebaͤude mit ſo
vieler Schoͤnheit, Pracht und Ordnung hervorge-
bracht, um ſeine Weisheit, Allmacht, Guͤte, und
alle ſeine uͤbrigen hoͤchſten Eigenſchaften zu verherrli-
chen, und dieſes Werk ſeiner Haͤnde ſo vielen vernuͤnf-
tigen, oder mit der Kraft zu denken begabten Ge-
ſchoͤpfen zur Bewunderung darzuſtellen. Dieſen End-
zweck Gottes erkennet die Vernunft ſo ungezweifelt,
daß gar keine Gruͤnde vorhanden ſind, womit dieſer
Endzweck beſtritten werden koͤnnte; es ſey denn, daß
man annehmen wollte, das ganze Weltgebaͤude ſey
ſchon an und vor ſich ſelbſt nothwendig, und exiſtire
nothwendiger Weiſe, oder es ſey weſentlich und noth-
wendig mit der Exiſtenz der Gottheit verbunden. Al-
lein, alsdenn wuͤrde auch die Frage von der Vernich-
tung des Weltgebaͤudes gaͤnzlich wegfallen, und Gott
wuͤrde daſſelbe eben ſo wenig vernichten koͤnnen, als ſein
eigenes Weſen und Daſeyn.
Wenn demnach Gott dieſes Weltgebaͤude zu dem
Endzwecke hervorgebracht hat, um ſeine allervollkom-
menſten Eigenſchaften dadurch zu veroffenbaren und zu
verherrlichen; ſo erkennet auch die Vernunft ganz ohn-
gezweifelt, daß dieſes kein Endzweck iſt, der nur kur-
ze Zeit dauret, oder welchem durch ein kurzes Daſeyn
des Weltgebaͤudes ein Genuͤge geleiſtet wird. Viel-
mehr begreifet die Vernunft, daß, je laͤnger dieſe
Welt dauret, deſto beſſer wird auch dieſer Endzweck
erreichet, weil durch die lange Fortdauer der Welt im-
mer mehr denkende Weſen entſtehen, die Gott in die-
ſem herrlichen Werke ſeiner Weisheit und Allmacht be-
wundern
[368]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
wundern und verehren. Es wird aber denen allervoll-
kommenſten Eigenſchaften Gottes, inſonderheit ſeiner
Guͤte, nicht gemaͤß ſeyn, wenn er denen moͤglichen
denkenden Weſen, die noch erſt kuͤnftig zur Wirklich-
keit kommen ſollen, durch Vernichtung des Weltge-
baͤudes die Gelegenheit zu ihrer Exiſtenz, und das
Vergnuͤgen, ſo ſie in dem Anblick des Weltgebaͤudes
und in ſeiner Verehrung und Verherrlichung finden
werden, benehmen wollte.
Wenn ein allmaͤchtiges Weſen, welches zugleich
das allerweiſeſte iſt, ſich zur Vernichtung eines von
ihm hervorgebrachten Werkes entſchließen ſoll; ſo muͤſ-
ſen hierzu zureichende Uhrſachen und Bewegungsgruͤn-
de vorhanden ſeyn. Die Vernunft erkennet nur
zweyerley Bewegungsgruͤnde, welche Gott zu dem
Entſchluß vermoͤgen koͤnnten, das Weltgebaͤude wie-
der zu vernichten. Entweder muͤßte derſelbe an dem
ganzen Weltgebaͤude ſo viel Unvollkommenheiten wahr-
nehmen, daß ſie die Schoͤnheiten und Vollkommen-
heiten deſſelben weit uͤbertraͤfen; oder die Geſchoͤpſe in
dem Weltgebaͤude muͤßten ihm zu ſo viel Mißvergnuͤ-
gen Anlaß geben, daß ſeine hoͤchſte Guͤte weiter keine
Geduld mit ihnen tragen koͤnnte. Beyde Uhrſachen
aber koͤnnen in dem Zuſammenhange des Weltgebaͤu-
des nicht ſtatt finden.
Da Gott nicht allein ein allmaͤchtiges, ſondern
auch das allerweiſeſte Weſen iſt; ſo kann derſelbe un-
ter allen moͤglichen Welten nur die allerbeſte und voll-
kommenſte hervorgebracht haben. So wie ein jedes
verſtaͤndiges Weſen ein vorhabendes Werk zuvoͤrderſt
uͤber-
[369]in Anſehung der Dauer der Welt.
uͤberleget, ehe daſſelbe ſolches zur Wirklichkeit bringt;
ſo muß auch Gott in ſeinem unendlichen Verſtande die
Plane aller moͤglichen Welten vorhero uͤberdacht ha-
ben, ehe er das jetzige Weltgebaͤude zur Wirklichkeit
gebracht hat. Seine allerhoͤchſte Weisheit konnte nur
den beſten Plan erwaͤhlen, um denſelben zur Wirklich-
keit zu bringen. Es iſt demnach ſo weit gefehlet, daß
dieſe Welt ſo viele Maͤngel, Fehler und Unvollkom-
menheiten an ſich haben koͤnnte, die ihre Schoͤnheiten
und Vollkommenheiten ſo weit uͤbertraͤfen, daß Gott
zur Vernichtung des Weltgebaͤudes dadurch bewogen
wuͤrde, daß daſſelbe vielmehr mit allen moͤglichen Voll-
kommenheiten aus ſeinen Haͤnden hervorgekommen ſeyn
muß. Eben ſo wenig koͤnnen ſich auch in der Folge
der Zeit ſo viel Maͤngel und Unvollkommenheiten in
dem Zuſammenhange des Weltgebaͤudes und in ſeiner
Beſchaffenheit ereignet haben, daß Gott deshalb zu
dem Entſchluß der Vernichtung bewogen wuͤrde. Die-
ſes koͤnnte ohnmoͤglich ſtatt finden, ohne die einge-
ſchraͤnkte Macht und Weisheit des Werkmeiſters zu
verrathen. Allein, wie kann man ſolches von der
Allmacht und allerhoͤchſten Weisheit des Schoͤpfers ſich
nur in die Gedanken fallen laſſen.
Eben ſo wenig koͤnnen die Geſchoͤpfe in dem Welt-
gebaͤude Gott zu ſo großem Mißvergnuͤgen Anlaß ge-
ben, daß er ſich deshalb zu Vernichtung der Welt
entſchließen koͤnnte. Die Welt beſtehet nicht allein aus
denen Himmelscoͤrpern und denen Materien, die das
Beſtandweſen eines jeden Himmelscoͤrpers ausmachen;
ſondern es gehoͤret auch vornehmlich zu derſelben alles,
A awas
[370]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes
was darinnen vorgeht. Die Reihen und Folgen von
Begebenheiten ſowohl, als die Handlungen der ver-
nuͤnftigen und denkenden Weſen, muͤſſen demnach in
dem Plane der beſten Welt, den Gott vorher uͤberdacht
und zur Wirklichkeit zu bringen beſchloſſen hat, gleich-
falls vorhanden geweſen ſeyn. Gott kann alſo in die-
ſem zur Wirklichkeit gebrachten Plane keine Geſchoͤpfe
zugelaſſen haben, die ſo ſehr ſein Mißvergnuͤgen er-
regen koͤnnten, daß er deshalb zu dem Entſchluß der
Vernichtung des Weltgebaͤudes bewogen wuͤrde. Die
Unvollkommenheiten an denen Geſchoͤpfen, die er in
ſeinem Plane der beſten Welt zugelaſſen hat, koͤnnen
nichts anders geweſen ſeyn, als unvermeidliche Folgen
aus der Einſchraͤnkung ihres Weſens; und dennoch iſt
es ſeiner Weisheit allemahl gemaͤß geweſen, das aus
dieſer Einſchraͤnkung entſtehende moraliſche Boͤſe in dem
Zuſammenhange der Begebenheiten dergeſtalt zu leiten
und zu ordnen, daß daraus ſo viel moͤglich Gutes ent-
ſtehet. Da nun Gott alles moraliſche Boͤſe in der
Welt ſchon vorher geſehen und gewußt hat, ehe er die-
ſelbe zur Wirklichkeit brachte; ſo muß ſich die Vernunft
billig entſehen zu glauben, daß Gott durch die Bos-
heit der Geſchoͤpfe jemahls zu einem ſo großen Mißver-
gnuͤgen bewogen werden koͤnnte, um deshalb den Ent-
ſchluß zur Vernichtung der Welt zu faſſen.
Jn der That muͤſſen dieſe Gruͤnde, welche nicht
zulaſſen, daß Gott den Entſchluß zur Vernichtung des
Weltgebaͤudes faſſen kann, allezeit ſtatt finden; mit-
hin folget daraus, daß dieſes Weltgebaͤude niemahls
vernichtet werden wird, ſondern ewig dauern werde.
Dieſes
[371]in Anſehung der Dauer der Welt.
Dieſes iſt aber auch eine Wahrheit, die man aller-
dings annehmen muß. Jndeſſen entſtehet daraus kei-
ne weſentliche oder abſolute Ewigkeit der Welt. Es
iſt dieſes nur eine Ewigkeit a poſteriori, oder die
Ewigkeit eines Dinges, das zwar ſeinen Anfang ge-
habt hat, das aber in der Folge ohne Ende fortdauern
wird. Eben dergleichen Ewigkeit muß man auch de-
nen Engeln und denen Seelen vernuͤnftiger Geſchoͤpfe
beylegen. Sie ſind zwar erſchaffen, und Gott kann
ſie allerdings wieder vernichten; aber ſeine Guͤte und
Weisheit wird niemahls zureichende Uhrſachen finden,
dieſe Vernichtung wirklich zu unternehmen.
Wenn wir oben als ſehr wahrſcheinlich angenom-
men haben, daß ein jedes Sonnenſyſtem nach vielen
Millionen Jahren einen zeitigen Untergang, oder viel-
mehr eine Art von Verwandlung und neuer Schoͤpfung
erfahren wird; ſo kann man dieſes als keine Unterbre-
chung der kuͤnftigen Ewigkeit der Welt anſehen. Es
gehet hierdurch nichts weniger als eine Vernichtung ei-
nes Sonnenſyſtems vor; ſondern es iſt dieſes nur eine
Umformung oder Verwandelung eines einzelnen Son-
nenſyſtems in eine herrlichere Geſtalt. Wahrſcheinli-
cher Weiſe wird dieſe Umformung, wie ich oben gezei-
get habe, nicht zu gleicher Zeit in allen Sonnenſyſte-
men auf einmahl vorgehen. Folglich iſt die Zeit die-
ſer Umformung nur eine kleine Luͤcke in der Herrlichkeit
des ganzen Weltgebaͤudes, die uͤberdies gegen die Ewig-
keit der Welt nur eine kurze Zeit dauert.
Man kann auch gar nicht ſagen, daß ein ſolches
Sonnenſyſtem vorhero unvollkommen geweſen iſt; weil
A a 2der
[372]XI. Abſchn. II. Hauptſt. Abſicht Gottes ꝛc.
der Schoͤpfer in ſeinem weiſen Plane oder Entwurfe von
der wirklichen Welt eine ſolche Umformung vor noͤthig
gefunden hat, um ein jedes Sonnenſyſtem mit groͤßerer
Schoͤnheit und Glanz wieder hervorzubringen. Es
giebt Vollkommenheiten und Schoͤnheiten von mehr als
einer Art, die dennoch gleiche Vorzuͤge und gleichen
Werth mit einander haben. Als ein jedes Sonnenſy-
ſtem aus den Atomen hervorgebracht und erzeuget wur-
de; ſo gab ihm der Schoͤpfer alle Schoͤnheiten und Voll-
kommenheiten, die vermoͤge dieſer Erzeugung moͤglich
waren. Wenn die allzu ſehr verſteinerten Himmelscoͤr-
per ſich wieder in ihren Sonnenklumpen ſtuͤrzen werden,
damit dieſes ſteinigte Weſen durch das Feuer aufge-
ſchloſſen, und in Atomen von einer andern Art zuruͤckge-
bracht wird; ſo wird alsdenn in dem Sonnenklumpen
eine neue Erzeugung vorgehen, aus welcher Himmels-
coͤrper entſtehen werden, die Schoͤnheiten und Vollkom-
menheiten von einer andern Art an ſich haben, und wel-
che denen vernuͤnftigen Geſchoͤpſen wegen ihrer Neuigkeit
glaͤnzender und praͤchtiger ſcheinen werden, ohne daß
deshalb die Beſchaffenheit des vorigen Sonnenſyſtems
unvollkommen genennet werden koͤnnte. Jede Schoͤ-
pfung wird nehmlich Vollkommenheiten und Schoͤnhei-
ten vor verſchiedener Art an ſich haben, die nach der
Beſchaffenheit ſeiner Atomen moͤglich waren. Eben
die Vollkommenheit des Ganzen erforderte aber, daß die-
ſe Schoͤnheiten verſchiedener Arten, da ſie zugleich und
auf einmahl nicht moͤglich waren, ſucceſſive, oder in
der Folge auf einander ſtatt fanden.
Drittes
[373]
Drittes Hauptſtuͤck.
Von dem Untergange der Welt nach der
Offenbahrung, und in wie weit ſolcher mit de-
nen vorhin vorgetragenen Saͤtzen
uͤbereinſtimmet.
Dasjenige, was die Vernunft aus wahrſcheinlichen
Gruͤnden von dem zeitigen Untergange der Son-
nenſyſteme, oder von ihrer kuͤnftigen Umformung und
neuen Schoͤpfung erkennet, beſtehet nach denen vorher-
gehenden beyden Hauptſtuͤcken darinnen, daß die an-
ziehende Kraft der Sonne die Wirkungen hervorbrin-
gen wird, daß ſich alle Himmelscoͤrper beſtaͤndig in
ihrem Laufe um die Sonne etwas verkuͤrzen, und end-
lich nach vielen Millionen Jahren ſich wieder in den
Sonnenklumpen ſtuͤrzen werden, aus welchem ſie ent-
ſtanden waren. Der zeitige Untergang, oder die Um-
formung und Wiedererzeugung eines jeden Sonnen-
ſyſtems wird alſo durch das Feuer geſchehen.
Es verdienet in der That eine beſondere Aufmerk-
ſamkeit, daß Vernunft und Offenbahrung hierinnen
auf das vollkommenſte mit einander uͤbereinſtimmen.
Die Bibel redet in einer Menge von Stellen von dem
Untergange der jetzigen Welt, oder von dem juͤngſten
Tage; und alle dieſe Stellen ſtimmen einmuͤthig dar-
innen uͤberein, daß der Untergang dieſes Weltgebaͤu-
des durch das Feuer vor ſich gehen werde. Sowohl
A a 3die
[374]XI. Abſchn. III. Hauptſt. Vom Untergange
die Buͤcher des alten Teſtaments, als die Schriftſtel-
ler des neuen Teſtaments fuͤhren hierinn eine ganz einer-
ley uͤbereinſtimmende und einmuͤthige Sprache. Ei-
nige davon bedienen ſich ſolcher eigentlichen und abge-
meſſenen Ausdruͤcke, daß ſie in der That dieſe Bege-
benheit ſolchergeſtalt vorſtellen, als ſie ſich wirklich er-
eignen wird. Es wird ſich dieſes unten deutlich zeigen
laſſen. Andere, jedoch die wenigſten, verſtellen dieſe
Begebenheit mit einigen Umſtaͤnden, die ſich der Na-
tur der Sache nach ohnmoͤglich ereignen koͤnnen. Die-
ſe Schriftſteller haben dergleichen Umſtaͤnde vermuth-
lich aus ihrer eigenen menſchlichen Einſicht hinzugeſe-
tzet, um dadurch dasjenige mehr zu erlaͤutern und
nachdruͤcklicher vorzuſtellen, was ihnen eine unmittel-
bare Offenbahrung an die Hand gegeben hatte. Wir
wollen von dieſen Schriftſtellern zuerſt reden, und die
von ihnen beygebrachten Nebenumſtaͤnde in Betrach-
tung ziehen.
Der erſte von dieſen heiligen Schriftſtellern, wel-
cher die Vorſtellungen von dem Untergange der Welt
mit verſchiedenen ungegruͤndeten Nebenumſtaͤnden be-
gleitet, iſt der Evangeliſt Matthaͤus. Er druͤcket ſich
hiervon im 24ſten Capit. v. 29. folgendergeſtalt aus:
„Bald aber nach der Truͤbſal derſelben Zeit werden
\&q;Sonne und Mond ihren Schein verliehren, und die
\&q;Sterne werden vom Himmel fallen, und die Kraͤfte
\&q;des Himmels werden ſich bewegen.‟ So wie der
Evangeliſt Marcus in einer Menge von Stellen wei-
ter nichts als der Abſchreiber des Evangeliſten Mat-
thaͤus iſt; ſo hat er auch in ſeinem 13ten Capit. v. 24.
dieſe
[375]der Welt nach der Offenbahrung.
dieſe Vorſtellung von dem juͤngſten Tage getreulich
nachgeſchrieben, und zwar faſt in den nehmlichen Wor-
ten, die Matthaͤus gebrauchet hat, ſo, daß es unnoͤ-
thig iſt, dieſelben anhero zu wiederholen. Die Offen-
bahrung St. Johannis macht uns von dem juͤngſten
Tage eine gleiche Vorſtellung. Es heißet in dieſer Of-
fenbahrung im 6ten Capit. v. 12. und 13. alſo: „Und
\&q;ich ſahe, daß es das ſechſte Siegel aufthaͤt, und ſiehe,
\&q;da ward ein großes Erdbeben, und die Sonne ward
\&q;ſchwarz wie ein haͤren Sack, und der Mond ward
\&q;wie Bluth. Und die Sterne des Himmels fielen
\&q;auf die Erde, gleichwie ein Feigenbaum ſeine Fei-
\&q;gen abwirft, wenn er von großem Winde beweget
\&q;wird.‟ Jn verſchiedenen andern Stellen der Of-
fenbahrung wird dieſe Vorſtellung von dem juͤngſten
Tage bekraͤftiget und wiederholet, z. E. im 8. Capit.
v. 12. wird geſagt, daß ſich der dritte Theil der Son-
ne verfinſtert habe, und der dritte Theil der Sterne
vom Himmel gefallen ſey.
Eine ſolche Vorſtellung von dem Untergange der
Welt, oder von dem juͤngſten Tage, daß die Ster-
ne vom Himmel herab, und wie die Offenbahrung
ausdruͤcklich ſagt, auf die Erde fallen werden, eben ſo
wie ein vom Winde bewegter Feigenbaum ſeine Feigen
fallen laͤßt, kann der Natur der Sache nach auf kei-
nerley Art ſtatt finden. Die Sache iſt in ihrem ei-
gentlichen Verſtande ganz ohnmoͤglich. Denn wie koͤnn-
ten Sterne, ſie moͤgen Fixſterne, oder Sonnen, oder
andere Himmelscoͤrper ſeyn, auf unſern kleinen Erd-
coͤrper herabfallen, davon die Fixſterne oder Sonnen
A a 4wenig-
[376]XI. Abſchn. III. Hauptſt. Vom Untergange
wenigſtens etliche hundertmahl, wo nicht tauſendmahl
groͤßer ſind, als unſer kleiner Planet. Selbſt die mei-
ſten andern Planeten uͤbertreffen uns vielmahl an Groͤße.
Nicht ein einziger ſolcher Fixſterne oder Planeten wuͤr-
de auf unſerm Erdcoͤrper Raum finden, geſchweige denn
das unzaͤhlbare Heer aller Sterne.
Wollte man den Verſtand ſolcher Vorſtellung von
dem juͤngſten Tage ſolchergeſtalt erklaͤhren, daß es de-
nen damals lebenden Menſchen nur alſo ſcheinen und
vorkommen wuͤrde, als fielen die Sterne vom Himmel
nach dem Erdboden zu herab; ſo kann auch eine ſolche
bloße Vorſtellung und Erſcheinung ohnmoͤglich ſtatt fin-
den. Geſetzt, daß auch das ganze Weltgebaͤude in
einer gaͤnzlichen Unordnung waͤre, geſetzt, daß alle Pla-
neten aus ihrer Laufbahn herausgeriſſen wuͤrden, und
unordentlich herumirreten; geſetzt, daß die Fixſterne
oder Sonnen wider ihre Natur und Weſen ſich nicht
mehr bloß auf ihre Stelle um ihre eigene Axe beweg-
ten, ſondern gleichfalls in dem unendlichen Raume
des Weltgebaͤudes unordentlich herumſchweiften; ſo ſie-
het man doch nicht, wie es nur einigermaßen moͤglich
feyn koͤnnte, daß dadurch eine Erſcheinung oder Vor-
ſtellung entſtehen wuͤrde, als fielen alle dieſe Himmels-
coͤrper vom Himmel herab nach unſerm Erdboden zu.
Es iſt nicht die geringſte zureichende oder nur wahr-
ſcheinliche Uhrſache einzuſehen, warum alle dieſe Him-
melscoͤrper in ihrem unordentlichen Herumſchweifen ſich
mehr nach der Seite unſers Erdcoͤrpers zu, als nach
einer andern Himmelsgegend zu wenden ſollten.
Jndeſſen
[377]der Welt nach der Offenbahrung.
Jndeſſen koͤnnte auch aus einem ſolchen unordent-
lichen Herumſchweifen aller Sonnen und Planeten kein
Schein oder Vorſtellung von einem Herabfallen entſte-
hen. Wenn die Planeten ſich in ihrer ordentlichen
Laufbahn mit aller Staͤrke ihrer Triebfedern um ihre
Sonnen bewegen; ſo geſchiehet ſolches mit einer ſol-
chen erſtaunlichen Geſchwindigkeit, die alle Vorſtel-
lung uͤberſteiget, und von welcher die Vernunft nicht
einſehen kann, daß dieſe Geſchwindigkeit auf irgend
einige Art vergroͤßert werden koͤnnte. Dennoch ent-
ſtehet dadurch niemahls der Schein eines Herabfallens,
wenn auch der Lauf eines Planeten oder Cometen wirk-
lich nach der Gegend unſers Erdcoͤrpers zu gerichtet
iſt. Himmelscoͤrper, die unordentlich herumſchweif-
ten, und mithin aller Triebfedern ihrer vorigen groſ-
ſen Geſchwindigkeit beraubet waͤren, koͤnnten bey wei-
tem nicht ſo geſchwind fortlaufen, als ſie vorhin ver-
mittelſt der Staͤrke aller ihrer Triebfedern gethan haͤt-
ten. Eben dieſe Beſchaffenheit wuͤrde es alſo auch
haben, wenn unſer Erdcoͤrper ſelbſt durch die All-
machtshand Gottes aus ſeiner Laufbahn geriſſen waͤre,
und in dem unendlichen Raume herumſchweifte. An-
ſtatt, daß ſich die Schnelligkeit ſeines Fortſchießens in
dem unendlichen Raume vermehren ſollte; ſo wuͤrde
ſich ſeine Geſchwindigkeit vielmehr vermindern, weil
er nunmehro aller Triebfedern zu ſeinem Fortlaufe be-
raubet waͤre. Wahrſcheinlich wuͤrde er weiter nichts
thun, als daß er ſich auf einer Stelle um ſeine Axe
bewegte; ſo, wie wir ſolches an denen Sonnen wahr-
nehmen, die mit keinen Triebfedern zum Fortlaufen
A a 5ver-
[378]XI. Abſchn. III. Hauptſt. Vom Untergange
verſehen ſind. Man mag ſich alſo die Sache vorſtel-
len wie man will, ſo iſt es ganz ohnmoͤglich, daß auch
bey der groͤßten Unordnung des Weltgebaͤudes eine Er-
ſcheinung entſtehen kann, als wenn die Sterne auf
uns herabfielen.
Man darf uͤber alle dieſe Umſtaͤnde nur einige rich-
tige Betrachtungen anſtellen; ſo wird man bald ge-
wahr, daß ſich die allgemeine Unwiſſenheit der Zei-
ten und die beſondere Unwiſſenheit der Schriftſteller
in dieſe Vorſtellung von dem juͤngſten Tage mit ein-
gemiſchet hat. Damahls war man weit entfernet, zu
glauben, daß die Fixſterne Sonnen, und die Plane-
ten große Himmelscoͤrper waͤren, die eben ſo groß
als unſer Weltcoͤrper, die meiſten aber noch viel groͤſ-
ſer waͤren. Man ſah ſie bloß als Lichter des Him-
mels an, die keinen andern Endzweck haͤtten, als un-
ſere Welt zu erleuchten, und zur Nachtzeit das Auge
ihrer Bewohner zu ergoͤtzen. Vermuthlich glaubte
man, daß dieſe Lichter an die Veſte des Himmels an-
geheftet waͤren, wie aus verſchiedenen andern Stel-
len der Bibel erhellet, wo die Schriftſteller aus ih-
rer eigenen Einſicht, und nicht aus Offenbahrung ge-
redet haben. Diejenigen, welche ſich dieſe Lichter
des Himmels ſchon ſehr groß vorſtelleten, mochten
ſie dennoch nicht groͤßer, als ohngefehr ein Wagen-
rad groß anſehen. Freylich konnten alsdenn alle
Sterne des Himmels auf unſern Erdcoͤrper herabfal-
len, und Platz genug darauf finden. Daß aber die
vorhin angefuͤhrten Schriftſteller der Bibel wirklich
eine
[379]der Welt nach der Offenbahrung.
eine ſolche Vorſtellung von denen Sternen gehabt ha-
ben, das ſiehet man deutlich aus dem Gleichniß von
den Feigen und dem Feigenbaume, welches die Offen-
bahrung St. Johannis hierbey gebrauchet, indem
geſagt wird, daß die Sterne eben ſo von dem Him-
mel herabfallen wuͤrden, als die Feigen von einem Fei-
genbaume, welcher von dem Winde ſtark beweget
wird. Dahero haben auch eben dieſe Schriftſteller
gemeiniglich hinzugeſetzet, daß die Himmel am juͤng-
ſten Tage krachen und ſich ſtark bewegen wuͤrden.
Dieſes beweiſet alſo um ſo mehr, was ſie nach ihrer
damahligen menſchlichen Unwiſſenheit vor Vorſtellun-
gen von dem Himmel und den Sternen gehabt
haben.
Diejenigen heiligen Schriftſteller, welche bloß
nach dem Geiſte der Offenbahrung von dem juͤngſten
Tage, oder von dem Untergange der Welt geſchrie-
ben, und von ihrer eigenen menſchlichen Einſicht nichts
hinzugeſetzet oder untergemiſchet haben, ſind auch weit
entfernet, eine ſolche Vorſtellung von dem juͤngſten
Tage zu machen, daß die Sterne vom Himmel auf
den Erdboden herabfallen wuͤrden. Sie reden viel-
mehr ſo eigentlich und deutlich bloß von einer Ver-
wandlung der Welt durch das Feuer, daß man wohl
ſiehet, ſie haben ſolches aus keiner andern Erkenntniß,
als aus einer unmittelbaren Offenbahrung ſchoͤpfen
koͤnnen. Denn eine philoſophiſche Einſicht von der
Beſchaffenheit eines Sonnenſyſtems, und wie die
Himmelscoͤrper ſich durch Verkuͤrzung ihrer Laufbahn
wieder
[380]XI. Abſchn. III. Hauptſt. Vom Untergange
wieder in die Sonne ſtuͤrzen, und daſelbſt umgefor-
met werden koͤnnten, war denen damahligen Zeiten
gaͤnzlich verborgen. Wir wollen doch einige dieſer
Stellen der Bibel naͤher betrachten.
Die erſte Stelle, welche ſo eigentlich, ſo deut-
lich und ſo nachdruͤcklich eine Vorſtellung von dem juͤng-
ſten Tage ertheilet, und zwar, daß der Untergang der
Welt bloß in einer Verwandlung oder Umformung be-
ſtehen werde, befindet ſich im 102 Pſalm v. 26. und 27.
Es heißet daſelbſt folgendergeſtalt: „Du haſt vorhin
\&q;die Erde gegruͤndet, und die Himmel ſind deiner
\&q;Haͤnde Werk. Sie werden vergehen, aber du blei-
\&q;beſt; ſie werden alle veralten wie ein Gewand, ſie
\&q;werden verwandelt wie ein Kleid, wenn du ſie ver-
\&q;wandeln wirſt.‟
Der Begriff von einer Veraltung des Himmels
und der Erde iſt hier inſonderheit wohl zu bemerken.
Es wird hierdurch ſehr deutlich vorausgeſetzet, daß die
Umformung der Himmelscoͤrper erſt nach einem uner-
meßlichen Zeitlaufe geſchehen werde, und daß die Pla-
neten durch die Laͤnge der Zeit oder durch das Alter zu
ihren Endzwecken nicht mehr geſchickt genug ſeyn werden,
ihre Endzwecke zu erfuͤllen. Zugleich wird dadurch zu ver-
ſtehen gegeben, daß die Veraltung nur nach und nach
durch eine Art von Abnutzung ihrer Kraͤfte und Trieb-
federn vor ſich gehen werde. Denn alles dieſes wird
durch das Gleichniß von Veraltung eines Gewandes
ſehr wohl ausgedruͤcket. Die Verwandlung oder Um-
formung der Himmelscoͤrper wird durch eben dieſes fort-
geſetzte
[381]der Welt nach der Offenbahrung.
geſetzte Gleichniß von Verwandlung eines Kleides ſehr
wohl angezeiget. Wenn man ein auf einer Seite ab-
genutztes Kleid umwendet, und die noch ungebrauchte
Seite herauskehret; ſo bekommt ſolches ein ganz neues
Anſehen. Eben dieſes wird aber in gewiſſer Maaße
bey der Umformung der Himmelscoͤrper geſchehen.
Sie ſind durch die Steinwerdung veraltet worden.
Allein, eben dieſe Steine in ihren zarteſten Theilchen
ſind zum Unterhalt der Creaturen noch genugſam faͤ-
hig. Sie duͤrfen nur durch das Feuer zubereitet und
umgeformet werden. Dahero ſich das Gleichniß von
der Verwandlung oder Umkehrung eines Gewands zur
Sache ſehr wohl ſchicket.
Daß aber die Verwandlung und Umformung der
veralteten Himmelscoͤrper durch das Feuer vor ſich ge-
hen werde, das wird in einer andern Stelle der Bibel
ſehr ſchoͤn und deutlich vorgeſtellet, ohne daß dabey im
geringſten von dem ungegruͤndeten und gewiſſermaßen
ohnmoͤglichen Herabfallen der Sterne etwas erwehnet
wird. Dieſe Stelle befindet ſich 2 Petri Cap. 3. v. 10.
und lautet alſo: „Es wird aber des Herrn Tag kom-
\&q;men als ein Dieb in der Nacht, in welchem die Him-
\&q;mel zergehen werden mit großem Krachen, die Ele-
\&q;mente aber werden vor Hitze zerſchmelzen, und die
\&q;Erde und die Werke, die darinnen ſind, werden ver-
\&q;brennen.‟
Nichts kann ſo deutlich ſeyn, als dieſe Stelle;
und nichts kann eine ſo nachdruͤckliche und eigentliche
Vorſtellung von demjenigen an die Hand geben, was
bey der Verwandlung oder Umformung der Himmels-
coͤrper
[382]XI. Abſchn. III. Hauptſt. Vom Untergange
coͤrper durch das Feuer vorgehen wird, als dieſe Wor-
te des Apoſtels Petrus. Wenn darinnen geſagt wird,
daß die Himmel mit großem Krachen zergehen wer-
den; ſo iſt dieſes eine Vorſtellung von denen großen
Unordnungen, die ſich in unſrer Atmoſphaͤre ereignen
werden, wenn unſer Erdcoͤrper ſich nunmehro dem
Sonnenklumpen ſo weit genaͤhert hat, daß er bald im
Begriff iſt, ſich in denſelben hinein zu ſtuͤrzen. Die
große Hitze der Sonne wird in unſerm Dunſtcreiſe ganz
erſtaunliche Wirkungen hervorbringen. Die Luft wird
auf der Seite nach der Sonne zu außerordentlich ver-
duͤnnet werden. Sie wird mit der groͤbern Luft ſtrei-
ten; und es werden dadurch erſchreckliche Schlaͤge und
Krachen entſtehen, die bey einer im hoͤchſten Grade
verduͤnneten Luft allemahl natuͤrlicher Weiſe erfolgen.
Man kann leicht erachten, daß die allzu ſtarke Annaͤ-
herung unſers Erdcoͤrpers nach der Sonne ſchon vor-
hin erſtaunliche Veraͤnderungen auf demſelben hervor-
gebracht haben wird, und daß daruͤber deſſen Ein-
wohner in Angſt und Schrecken geſetzet ſeyn werden.
Dieſes iſt es vermuthlich, was die Bibel in verſchie-
denen Stellen, inſonderheit Roͤm. im 8 Cap. v. 19.
20. 21. durch das aͤngſtliche Harren und Warten der
Creaturen anzeigen will, das vor dem juͤngſten Tage
vorher gehen ſoll.
Wenn in dieſer Stelle des Apoſtels Petrus ferner
geſaget wird, daß die Elemente vor Hitze ſchmelzen
werden; ſo iſt dieſes gleichfalls eine deutliche und
nachdruͤckliche Vorſtellung von denen erſchrecklichen Un-
ordnungen, welche durch die Annaͤherung unſers Erd-
coͤrpers
[383]der Welt nach der Offenbahrung.
coͤrpers an die Sonne auf demſelben entſtehen wer-
den. Die Hitze des Feuers wird unſere Atmoſphaͤre
oder die Luft vernichten und vertreiben; die Waſſer
in denen Meeren und Fluͤſſen werden durch die erſtaun-
liche Hitze der Sonne in Bewegung geſetzet werden,
aus ihren Uſern treten, und ſich von dem Feuer zu
entfernen ſuchen. Dieſes wird um deſtomehr geſche-
hen, da alsdenn der Druck der Atmoſphaͤre auf das
Waſſer aufhoͤren wird. Wenn man laulichtes Waſ-
ſer in einem Gefaͤße unter die Luftpumpe bringt; ſo
hat man nicht ſo bald alle Luft herausgepumpet, als
das Waſſer mit großem Aufwallen und Geraͤuſche in
die Hoͤhe ſteiget, und aus dem Gefaͤße herauslauft.
Eben dieſes muß in Anſehung der Meere durch die
große Sonnenhitze vor ſich gehen, da die Atmoſphaͤre
nicht mehr auf dieſelben druͤcket.
Endlich wird der Sturz unſers Erdcoͤrpers in dem
Sonnenklumpen wirklich geſchehen; und dieſes wird
von dem Apoſtel Petrus gleichfalls ſehr eigentlich und
deutlich beſchrieben, wenn er ſaget, daß die Erde und
die Werke, die darinnen ſind, verbrennen werden.
Unter denen Werken, die in der Erde ſind, werden
vermuthlich die Staͤdte, Pallaͤſte und andere Woh-
nungen der Menſchen eben ſo, wie alle andere Werke,
die ſie zu ihrem Nutzen und Gebrauch erbauet haben,
verſtanden; wie denn hierunter auch ohne Zweifel alle
Waldungen und andere Baͤume, die auf dem Erd-
boden befindlich ſind, begriffen werden muͤſſen; und
natuͤrlicher Weiſe muß alles dieſes zuerſt verbrennen.
Alsdenn aber wird die Erde ſelbſt zu verbrennen an-
fangen.
[384]XI. Abſchn. III. Hauptſt. Vom Untergange
fangen. Das Sonnenfeuer von außen, und die haͤu-
figen brennlichen Materien, die noch in dem Erdcoͤr-
per vorhanden ſind, werden hier gemeinſchaftlich wir-
ken, den Erdcoͤrper zum Schmelzen bringen, und end-
lich durch das Feuer diejenige zweyte Art von Atomen
zubereiten, welche der Stoff und die uhranfaͤnglichen
Theilchen der neuen Himmelscoͤrper ausmachen wer-
den, welche durch eine Art von Gaͤhrung und Wieder-
erzeugung den Grundſtoff zu den neuen, ſchoͤnern und
glaͤnzendern Himmelscoͤrpern abgeben werden. Wie
lange Zeit aber zu dieſer Verwandlung und Umfor-
mung der Himmelscoͤrper noͤthig ſeyn wird; das
kann die Vernunft nicht beſtimmen. Wahrſcheinlich
werden wenigſtens etliche taufend Jahre dazu erfor-
dert werden.
Man ſiehet aus dem allen, wie vollkommen die
Offenbahrung mit demjenigen uͤbereinſtimmet, was die
Vernunft und die Philoſophie von dem Untergange ei-
nes Sonnenſyſtems, oder vielmehr von deſſen Umfor-
mung oder Verwandlung deſſelben, vermoͤge ſeiner Be-
ſchaffenheit, Einrichtung und Zuſammenhangs erken-
nen, und aus ſehr wahrſcheinlichen Schluͤſſen anneh-
men kann. Wenn man alſo die ungegruͤndete Vor-
ſtellung von dem Herabfallen der Sterne am juͤngſten
Tage ausnimmt, welche die heiligen Schriftſteller wahr-
ſcheinlich aus ihrer menſchlichen Einſicht hinzugeſetzet
haben, die aber nach der damahligen Einfalt und Un-
wiſſenheit der Zeiten ſehr mangelhaftig geweſen ſind;
ſo ſtimmen Vernunft und Offenbahrung hierinnen voll-
kommen mit einander uͤberein.
Jch
[385]der Welt nach der Offenbahrung.
Jch habe oben aus Gruͤnden der Vernunft gezei-
get, daß die Welt, wenn man ſolches von dem gan-
zen Weltgebaͤude uͤberhaupt verſtehet, ewig dauren
werde, oder daß man dem Weltgebaͤude eine Ewig-
keit a poſteriori beylegen muͤſſe. Auch dieſes wird
von der Offenbahrung auf das allerdeutlichſte und voll-
kommenſte beſtaͤtiget. Man leſe den 104 Pſalm v. 5.
desgleichen den Prediger Salom. im 1 Cap. v. 4; und
man wird daſelbſt mit den allerdeutlichſten Worten aus-
gedruckt finden, daß Himmel und Erde ewiglich blei-
ben werden. Dieſe Worte ſind ſo deutlich und nach-
druͤcklich, daß man denenſelben, ohne ſie offenbar zu
verdrehen, keinen andern Sinn und Bedeutung geben
kann. Da nun in der Bibel nicht allein die Schoͤpfung
ſelbſt beſchrieben iſt, ſondern auch ſo deutlich und wie-
derholt gemeldet wird, daß die Welt einen Anfang ge-
habt habe; ſo liegt es klar vor Augen, daß die Bibel
dem Weltgebaͤude gleichfalls eine Ewigkeit a poſte-
riori beylege; das iſt, ſie behauptet, ſie habe zwar ei-
nen Anfang gehabt, ſie werde aber in der Folge in alle
Ewigkeiten dauren; und eben dieſes iſt es, was die ge-
ſunde Vernunft aus denen allervollkommenſten Eigen-
ſchaften Gottes von der Dauer der Welt erkennet. Ein
allmaͤchtiger und allerweiſeſter Werkmeiſter konnte kei-
ne Welt erſchaffen, die in der Folge ſo viel Fehler
und Maͤngel an ſich wahrnehmen ließe, daß ſie den
Werkmeiſter zu dem Entſchluß der Zerſtoͤhrung und
Wiedervernichtung haͤtten bewegen koͤnnen. Jn ei-
ner Welt, die das Werk eines allerweiſeſten Schoͤ-
pfers war, konnte auch nicht ſo viel moraliſches Boͤſe
B bſtatt
[386]XI. Abſchn. III. Hauptſt. Vom Untergange ꝛc.
ſtatt finden, daß Gott aus Mißvergnuͤgen uͤber ſeine
Geſchoͤpfe den Entſchluß zur Vernichtung der Welt zu
faſſen jemals bewogen werden koͤnnte. Außer dieſen
zwey Uhrſachen aber kann nie ein zureichender Grund
vorhanden ſeyn, das herrlichſte Werk ſeiner Allmacht
und Weisheit zu vernichten. Das Weltgebaͤude im
Ganzen betrachtet, wird alſo ewig
dauren.
ENDE.
Regiſter[[387]]
Appendix A Regiſter
von den hauptſaͤchlichſten Sachen und
Materien in der Geſchichte des Erd-
coͤrpers.
Appendix A.1 A.
- Aberglauben ſind alle Menſchen in gewiſſer Maaße erge-
ben Seite 323 - Abhandlung vom Uhrſprunge der Gebirge, deren Verfaſ-
ſers Meynung von der Entſtehungsart derſelben 49 - Abubecker, deſſen Urtheil von allen weltlichen Buͤchern
279 - Achat, ſchwarzer, ſcheinet durch das Schmelzen entſtanden
zu ſeyn 103 - — — deſſen glasartige Beſchaffenheit 103
- — — wird bey dem Berge Hecla gefunden 104
- —— von verſteinerten Holze 264
- —— von verſteinerten Fichtenholze 265
- Aeter, deſſen vermeynter Widerſtand in der Bewegung der
Himmelscoͤrper 337 - Aix in Provence, daſelbſt wird ein verſteinerter Menſchen-
coͤrper gefunden 262 - Allaunerden, gerathen oͤfters in Brand 124
- Alterthum des Erdcoͤrpers, wie ſolches aus Beſchaffenheit
der Steinwerdung zu ſchließen 75 - — — — — wie daſſelbe aus anderer Be-
ſchaffenheit zu ſchließen 76 - — — — — woraus daſſelbe ferner zu ſchlieſ-
ſen 77
B b 2Alter-
[[388]]Regiſter
- Alterthum des Erdcoͤrpers, wie es aus deſſen vielen Erd-
ſchichten und aus denen wiederholten Spuhren verſchiede-
ner Bewohnungen zu ſchließen ſey S. 97 - — — — — wie daſſelbe aus den Kennzei-
chen des Brandes zu ſchließen ſey 121 - — — — — wie es aus denen wiederholten
Bewohnungen von ſeiner Oberflaͤche zu ſchließen iſt 256 - — — — — aus denen Verſteinerungen 274
- America, ſcheinet ein neues von dem Meer verlaſſenes Welt-
theil zu ſeyn 204 - Americaner, ſind von den Einwohnern der alten Welt we-
ſentlich unterſchieden 206 - — — woher ſie vermuthlich abſtammen 207
- Amſterdam, Beſchaffenheit der untern Erdſchichten bey die-
ſer Stadt 82 - Anhaͤnglichkeit homogener Materien an einander 19
- Antichtonen, ſo nennten die Alten die Einwohner der
Suͤdlaͤnder 207 - Aſche in denen Mansfeldiſchen Berggruben 85
- — in Mansfeldiſchen Berggruben, wie ſie zu erklaͤhren
108 - — des Veſuvs iſt bis nach Egypten geflogen 115
- Atlantis-Jnſul, Nachricht von derſelben 201
- — — Untergang dieſer Jnſul 203
- Atlantiſches Meer, warum es keine Jnſul hat 45
- Atmoſphaͤre um die Planeten, ob ſie eine Art von Brenn-
ſpiegeln ausmachen koͤnne 33 - — — der Cometen, iſt vermuthlich dasjenige, was
uns als ihr Schweif erſcheinet 345 - Atomen, die alten Weltweiſen glaubten deren Ewigkeit 15
- — — ſind auch von den chriſtlichen Weltweiſen angenom-
men worden 15 - — — ob ſie vor ſich ſelbſt ewig ſeyn koͤnnen 16
- — — gehoͤren zu dem Weſen des Raums oder der Gott-
heit ebend.
Atomen,
[[389]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Atomen, deren Ewigkeit widerſtreitet der Vernunft nicht
S. 17 - — — koͤnnen auch erſchaffen ſeyn ebend.
- — — werden zuſammengetrieben, damit das Weltgebaͤu-
de daraus entſtehen koͤnne 19 - — — aus denenſelben werden vier uhrſpruͤngliche Ma-
terien erzeuget 20 - Auguſt, deſſen Betragen bey dem großen Erdbeben in Klein-
Aſten 116
Appendix A.2 B.
- Baͤnke von Muſcheln werden unter der Erde gefunden 195
- Beichlingen, Rinken von Urnen, ſo daſelbſt gefunden wor-
den 249 - Berge, wie ſie durch das Meer entſtanden 67
- Bergmann, Prof. ſuchet die Quadratmeilen von der Oberflaͤ-
che des Erdcoͤrpers zu berechnen 42 - — — Prof. deſſen Meynungen uͤber den Zuſammenhang
der Gebirge 46 - — — deſſen Nachrichten von Beſchaffenheiten der Erd-
ſchichten in vielen Gegenden 86 - — — was derſelbe von denen vielen Erdſchichten und
andern ſich darinnen zeigenden Spuhren urtheilet 97 - Bertrand, deſſen Meynung von denen Verſteinerungen, die
er hernach wiederrufen 197 - Bewegung, in den kleinſten Theilen der Materie, dadurch
entſtehet das Feuer 40 - — — heftige der Materie in ihren kleinſten Theilen iſt
das Feuer 123 - — — wird durch Beyſpiele erlaͤutert 124
- — — Triebfedern derſelben in dem Laufe der Planeten
um die Sonne muͤſſen ſehr ſtark ſeyn 334 - Bibel, lehret die Naturkunde nicht 277
- — — Stellen derſelben, die vom juͤngſten Tage reden
373
B b 3Bibel,
[[390]]Regiſter
- Bibel, einige Stellen derſelben vom juͤngſten Tage ſtimmen
mit der Erkenntniß der Vernunft vollkommen uͤberein
S. 379 - — — Wie ſie den Untergang der Welt durch das Feuer
vorher ſaget 381 - Blainville, deſſen Nachricht von der Abnahme des Meeres
zu Venedig 215 - Boͤſes, moraliſches, ob Gott wegen deſſelben zur Vernich-
tung der Welt bewogen werden kann 385 - Bruͤgge, ein daſelbſt unter der Erde gefundener verſteiner-
ter Wald 253 - Buffon, deſſen Nachrichten von den Erdſchichten bey Marly
la Ville 49 - Burnet, deſſen Meynung vom Uhrſprunge der Gebirge 60
- Burton, deſſen Chimaͤre, daß die Suͤndfluth durch einen
Cometen entſtanden ſey 346
Appendix A.3 C.
- Calenderweſen, davon haben wir ſeit 2000 Jahren Nach-
richt 335 - Carteſius, deſſen Meynungen vom Raume 11
- — — warum er in ſeinem Syſtem den Aeter angenom-
men hat? 338 - Chaos, auf was Art ein zweytes in jedem Sonnenſyſtem
entſtehen wird 340 - Charleroy, deſſen Nachrichten von America 206
- Chily, deſſen hoͤhere Lage gegen andere Laͤnder 64
- — — eine hohe Gegend darinnen iſt ſehr kalt 130
- Chineſer, Gewißheit ihrer Zeitrechnung 187
- — — haben die Sonnenfinſterniſſe ſeit 4000 Jahren
bemerket 335 - Citronenholz und Blaͤtter werden verſteinert im Coburgiſchen
gefunden 170
Coburg,
[[391]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Coburg, daſelbſt werden verſteinerte Citronen- und Pome-
ranzenhoͤlzer und Blaͤtter gefunden S. 169 - Comet, ob einer das Waſſer der Suͤndfluth veruhrſachet
habe 286 - — — vom Jahr 1350 ſcheinet durch unſern Dunſtcreis ge-
gangen zu ſeyn 348 - Cometen, ſind losgeriſſene Stuͤcke von den Sonnenklumpen
22 - — — unrichtige Begriffe von denenſelben noch zu An-
fang dieſes Jahrhunderts 100 - — — ob ſie mehr als ein Sonnenſyſtem durchlaufen
101 - — — ſind denen Einwohnern der Planeten fuͤrchterlich
342 - — — warum man ſie Jrrſterne [genennet hat]342
- — — ob ſie um mehr als eine Sonne laufen ebend.
- — — dieſes wird verneinet 343
- — — gehoͤren, ohngeachtet ihres langen Laufes, dennoch
nur zu unſerm Sonnenſyſtem 344 - — — deren Kenntniß wird bald vollkommen werden
ebend. - — — deren Schweif iſt vermuthlich ihre Atmoſphaͤre
345 - — — ob die Planeten ihre Annaͤherung zu befuͤrchten
haben 346 - Condamine, von denen in America gefundenen Muſcheln
205 - Crocodillengeribbe werden in America gefunden 260
Appendix A.4 D.
- Daͤnemark iſt aus dem Meer hervorgekommen 213
- Dauer der Welt, ſolche zu wiſſen iſt der Menſch begierig 323
- Denkmaͤhler, ausgegrabene, ob ſie alle den Roͤmern zuzu-
eignen 241
B b 4Deucalions
[[392]]Regiſter
- Deucalions Suͤndfluth, in welche Zeiten ſie zu ſetzen S. 208
- Dinge, moͤgliche, ſind auch wirklich 35
- Dunſtcreis um jeden Planeten, wie er entſtanden 25
- Dunſtcreis der Planeten, ob durch denſelben Cometen ohne
ihren Nachtheil gehen koͤnnen 347
Appendix A.5 E.
- Egypten, bis dahin iſt die Aſche des Veſuvs geflogen 115
- — — Nachricht von deſſen alter Geſchichte 176
- Eigenſchaften Gottes, werden durch dieſes Lehrgebaͤude be-
greiflicher 12 - Electricitaͤt, entſtehet aus der Bewegung des Erdcoͤrpers um
ſeine Axe 126 - Elemente, wie ſie am juͤngſten Tage in Unordnung gerathen,
und vor Hitze ſchmelzen werden 381 - Elephanten, wo ſie ſich natuͤrlich aufhalten 161
- Elephanten-Geribbe, werden haͤufig in Teutſchland gefun-
den 158 - — — Geribbe, auf was Art ſie unter der Erde gefun-
den worden 159 - — — Geribbe, ob ſie von den roͤmiſchen Kriegen in
Teutſchland herruͤhren 161 - — — Geribbe, werden unter verſchiedenen Erdſchich-
ten gefunden 163 - — — Geribbe, wird unter einem großen Felſen gefun-
den 164 - — — Geribbe, ſind nicht durch die Suͤndfluth nach Teutſch-
land gekommen 165 - Elſton in England, daſelbſt werden Crocodillgeribbe gefun-
den 260 - Endlichkeit des Weltgebaͤudes laͤßt ſich gar nicht gedenken 6
- Erdbeben, deren Entſtehungsuhrſachen 117
- — — ob ſie durch brennliche Materien unter der Erde
entſtehen koͤnnen 118
Erdbeben
[[393]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Erdbeben, große, entſtehen vom unterirrdiſchen Feuer S. 119
- Erdcoͤrper, wie er ſich in eine Kugel gebildet 33
- — — wie ſich Waſſer und Land von demſelben abſon-
derte 34 - — — wie weit er in ſeinem Laufe um die Sonne in ei-
ner Minute fortſchießet 41 - — — wie viel Meilen er im Umcreiſe und im Durch-
meſſer habe 42 - — — hat von ſeiner erſten Bildung her Erhoͤhungen ge-
habt, die zu Gebirgen Anlaß gegeben haben koͤnnen 63 - — — deſſen Alterthum aus der Beſchaffenheit der Ge-
birge 74 - — — wie aus deſſen vielen erlittenen Ueberſchwem-
mungen ſein hohes Alterthum zu ſchließen ſey 98 - — — ſoll eine Sonne geweſen ſeyn 102
- — — hat Merkzeichen des Brandes in ſich ebend.
- — — hat niemahls allgemein im Brande geſtanden 110
- — — hat nicht allgemein im Brande geſtanden 120
- — — iſt an beyden Polen platt eingedruckt 178
- — — was er durch ſeine Bewegung vor eine Figur an-
nimmt 181 - — — wie geſchwind ſeine Bewegung um die Sonne iſt
334 - — — die Triebfedern ſeines Laufes um die Sonne ha-
bey ſich nie geſchwaͤchet 335 - — — ob er ehedem ein brennender Comet oder eine
Sonne geweſen 359 - — — ob er ſeinen Untergang durch das unterirrdiſche
Feuer finden werde ebend. - — — ob es moͤglich ſey, daß er durchaus in Brand
gerathen koͤnne? 360 - — — warum deſſen allgemeiner Brand nicht zu be-
fuͤrchten 361 - — — auf was Art derſelbe dereinſt in dem Sonnen-
klumpen verbrennen wird 363
B b 5Erdcoͤrper,
[[394]]Regiſter
- Erdcoͤrper, wie und auf was Art er in dem Sonnenklum-
pen verbrennen wird S. 364 - Erde, wird aus denen Atomen erzeuget 20
- — ob ſie bis in Mittelpunct durchgegraben werden koͤnne?
78 - — neue, dadurch verſtehet die Bibel die zweyte Schoͤpfung
341 - Erdgrade, ob die Alten in Beobachtung derſelben geirret ha-
ben 223 - Erdſchichten, wie ſie in der Erde mit einander abwechſeln 79
- — — verſchiedene Meynung von deren Entſtehung 87
- — — ob ſie von Gott alſo erſchaffen worden 88
- — — ob ſie von der Suͤndfluth entſtanden ſind 89
- — — woher ſie eigentlich entſtanden 91
- — — ruͤhren von Ueberſchwemmungen her 93
- Eſquimaux, Americaniſches Volk, woher es abzuſtammen
ſcheinet 207 - Euler, deſſen Meynung von dem endlichen Untergange eines
Sonnenſyſtems, indem ſich die Planeten in die Sonne
ſtuͤrzen 337 - — — behauptet ganz richtig, daß die Cometen nur um
unſere Sonne laufen 338 - Ewigkeit der Welt, in wie weit man ſie annehmen muͤſſe
385
Appendix A.6 F.
- Felſen, ſehr ſteile, koͤnnen nicht alſo von Gott erſchaffen ſeyn
55 - Felſengebirge, deren Beſchaffenheit, und woraus ſie beſtehen
47 - — — darinnen finden allerdings Erzgaͤnge ſtatt 57
- Fernglaͤſer, machen die Beobachtungen des Himmels viel
richtiger, als in alten Zeiten 355 - Feuer, unterirrdiſches, wie es entſtanden 39
- — — hat die Felſengebirge empor getrieben 64
Feuer,
[[395]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Feuer, unterirrdiſches, was es eigentlich ſey S. 123
- — — hat in dem Mittelpuncte der Erde genugſame
Materien gefunden 125 - — — wuͤrde durch Verſuche zu erweiſen ſeyn 127
- — — wodurch es erwieſen wird 133
- — — kann noch heut zu Tage auf der Oberflaͤche wir-
ken 139 - — — ob es ohne Luft brennen kann 144
- — — auf was Art ſich daſſelbe Luft zu verſchaffen ſu-
chet 148 - — — Wirkungen deſſelben, wenn ſich Waſſer darein
ergießet 149 - — — Einwuͤrfe dagegen 150
- — — Einwuͤrfe dagegen werden gepruͤfet und widerle-
get 151 - — — ob daſſelbe den Untergang unſers Erdcoͤrpers
veruhrſachen werde 359 - — — ob brennbare Materie genugſam vorhanden, den
ganzen Erdcoͤrper in Brand zu ſetzen 360 - Feuer, durch daſſelbe wird jedes Sonnenſyſtem untergehen
337 - Figur der Erde, welche zu ihrer Bewegung am geſchickteſten
iſt 179 - Fiſche, wie und woraus ſie in der Schoͤpfung entſtanden 36
- Fiſchabdruͤcke in Mansfeldiſchen Bergwerken, deren Beſchaf-
fenheit 107 - Fiſchabdruͤcke, Mansfeldiſche, warum ſie gekruͤmmet ſind 107
- Fixſterne, ob dergleichen untergegangen, und neue entſtanden
ſind 354 - Flecken der Sonne, was ſie ſind, und wie ſie ſich wieder in
die Sonne ſtuͤrzen 332 - Floͤtzgebirge, deren Beſchaffenheit, und woraus ſie beſtehen
47 - — — koͤnnen allenthalben auf ebener Oberflaͤche entſte-
hen, ohne daß Felſengebirge vorhanden ſind 58
Floͤtzge-
[[396]]Regiſter
- Floͤtzgebirge, auf was Art ſie entſtanden ſind S. 70
- — — fernere Arten ihrer Entſtehung ebend.
- — — wie ſie in ebenem Lande entſtehen koͤnnen 71
- — — koͤnnen nicht durch die Suͤndfluth entſtanden ſeyn
295 - Frankenberg, daſelbſt werden ſilberne Kornaͤhren unter der
Erde gefunden 255
Appendix A.7 G.
- Gamaſche, Frau, ihre bewundernswuͤrdige Eigenſchaft, durch
dichte Coͤrper hindurch zu ſehen 244 - — — ein von ihr entdecktes Denkmahl des Alterthums
246 - Gebirge, deren Nutzen und Nachtheil verhaͤlt ſich im Gleich-
gewichte 44 - — — ſind zweymahl mehr als ebenes Land auf dem Erd-
boden ebend. - — — deren Eintheilung 46
- — — deren Eintheilung, Hohe- Mittel- und Vorgebirge,
iſt bloß bergmaͤnniſch 49 - — — dieſe Eintheilung kann keinesweges allenthalben
angewendet werden 54 - — — ſehr hohe, ob ſie mit Baͤumen bewachſen ſeyn koͤn-
nen 59 - — — ſind auf viererley Art entſtanden 62
- — — Mittel- und Vorgebirge, wie ſie durch das unter-
irrdiſche Feuer entſtanden ſind 66 - — — bey deren Entſtehung haben mehrere Uhrſachen zu-
ſammen gewirket 73 - — — hohe, ſind auch in heißen Laͤndern allemahl kalt
129 - — — wie ſie von dem unterirrdiſchen Feuer empor ge-
trieben worden 134 - — — Kennzeichen derſelben in Anſehung ihres Alter-
thums 139
Gegendrum,
[[397]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Gegendrum, eines Erztganges, wie er wieder zu finden S. 141
- Geiſt, muß irgendwo, oder an einem gewiſſen Orthe exiſti-
ren 9 - —— Unterſchied zwiſchen einem endlichen und unendlichen,
in Anſehung des Raums oder Orthes, wo ſie exiſtiren
ebend. - Geſchlechtsregiſter, beweiſen in der Zeitrechnung wenig
191 - Gewitter, entſtehen aus der electriſchen Materie 126
- Gewuͤrme, wie und woraus ſie in der Schoͤpfung entſtanden
37 - Gmelin, deſſen Nachricht von Siberiſchen Elephantengerib-
ben 158 - Gott, kann weder durch ſich ſelbſt, noch durch erſchaffene
Materien, das Weltgebaͤude einſchraͤnken 6 - —— deſſen Exiſtenz wird erwieſen 8
- —— mußte von allen Ewigkeiten irgendwo exiſtiren 9
- —— mußte vor Erſchaffung des Weltgebaͤudes in einem
unendlichen Raume exiſtiren ebend. - —— und der Raum iſt einerley 11
- —— iſt die Kraft, durch welche die verminderte Bewegung
der Himmelscoͤrper geſchiehet 337 - —— warum er die anziehende Kraft der Sonne und die
Folgen davon auf das Sonnenſyſtem nicht verh[i]ntert
339 - —— warum der Untergang eines Sonnenſyſtems ſeinen
weiſen Abſichten gemaͤß iſt 340 - —— ob derſelbe die Welt wieder vernichten kann 365
- —— wie er ſich entſchließen koͤnnte, das Weltgebaͤude zu
vernichten 466 - —— warum er die Welt hervorgebracht hat 367
- —— aus was vor Uhrſachen ſich derſelbe zu Vernichtung
des Weltgebaͤudes entſchließen koͤnnte 368 - —— hat die allervollkommenſte Welt erſchaffen ebend.
Gottheit,
[[398]]Regiſter
- Gottheit, ob ſie aus nichts etwas erſchaffen koͤnne S. 16
- Griechen, ihre Eitelkeit, ſich von den Goͤttern abzuleiten
191
Appendix A.8 H.
- Harmonia praeſtabilita, iſt eine ſchlechte Erfindung
13 - Hecla, in Jßland, deſſen Lava und Schlacken 104
- Hellen oder Hellenen, uhrſpruͤngliche Einwohner von Grie-
chenland 209 - Henne, wird zu Salz geworden gefunden 241
- Heraclea, deren Untergang durch das Feuer des Veſuvs
115 - Herrnhauſen, daſelbſt gefundene unterirrdiſche Waͤlder
137 - Herodot, deſſen Nachricht von der alten Egyptiſchen Ge-
ſchichte 177 - — — deſſen Glaubwuͤrdigkeit, als eines Geſchichtſchrei-
bers 186 - — — deſſen Nachricht von wunderbaren Voͤlkern 314
- Herzberg, daſelbſt werden Rhinocerosgeribbe gefunden
168 - Himmel, neuer, dadurch wird die zweyte Schoͤpfung ver-
ſtanden 341 - Himmelscoͤrper, ob er ſich von ſelbſt in kleine Theile aufloͤ-
ſen und zertheilen kann 373 - — — warum ſie außer ihren Laufbahnen nicht ge-
ſchwind fortſchießen werden 377 - — — in wie weit der Begriff der Veraltung ſich auf ſie
ſchicket 380 - — — wie ihre zweyte Schoͤpfung oder Umformung vor
ſich gehen wird 381 - Hipotheſen, von dem Weltgebaͤude, auf was Art man ſie
betrachten muß 4. u. f.
Hipotheſen,
[[399]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Hipotheſen, von dem Weltgebaͤude, ſind nicht zu verdam-
men, wenn ſie auch nicht mit der Offenbahrung uͤber-
einſtimmen S. 5 - Hirnſchaͤdel, werden bey Langenſalze verſteinert gefunden
95 - Hitze der Sonne, ob ſie zu- oder abnimmt 330
- Holland, iſt dem Eintringen des Meeres ausgeſetzt 217
- Holz, wie es ſich in der Verſteinerung verhaͤlt 270
- Hornſtein, die feſteſten Arten ſcheinen durch das Schmelzen
entſtanden zu ſeyn 103 - Hundsſtern, iſt eine der naͤchſten Sonnen, und wie weit der-
ſelbe von uns entfernet 344
Appendix A.9 J.
- Jahr, Platoniſches, wie die Alten darauf gefallen ſeyn koͤn-
nen 175 - Jahre, wuͤrden laͤnger werden, wenn die Triebfedern der
Bewegung unſers Planeten ſtumpf wuͤrden 335 - Jaſpis, wie er entſtanden 103
- Jnſuln, neue, auf was Art ſie in dieſem Jahrhundert im
Adriatiſchen Meere entſtanden ſind 136 - Jrrſterne oder Cometen, glaubte man, im Brande zu ſte-
hen 355 - — — ſollen Planeten ſeyn, deren juͤngſter Tag gekom-
men iſt 357 - — — wenn ſie im Brande ſtuͤnden, wie ſie ſich als-
denn in Anſehung ihres Laufes verhalten wuͤrden
358 - Jtalien, daſelbſt nimmt das Meer ab 214
- Juden, ob ſie das in der Egyptiſchen Geſchichte bekannte
Hirtenvolk ſind 189 - Juͤttland, eine daſelbſt gefundene ehemahls bewohnte Ober-
flaͤche 96
Juſſieu,
[[400]]Regiſter
- Juſſieu, Nachricht von Jndianiſchen Kraͤuterabdruͤcken, ſo
in Frankreich gefunden worden S. 168
Appendix A.10 K.
- Kaͤlte, ob ſie in tiefen Berggruben groͤßer iſt, als auf der
Oberflaͤche der Erden 158 - —— iſt im Winter in tiefen Berggruben weit geringer, als
auf der Oberflaͤche 154 - —— kann man nicht nach Empfindungen beurtheilen
155 - Kaͤrnthen, unterirrdiſche See daſelbſt 236
- Kalkſtein, ob daraus die hohen oder Felſengebirge beſte-
hen 52 - Kießlings Nachricht von Beſchaffenheit der Steinſchichten
in den Mansfeldiſchen Berggruben 83 - Kindermanns Meynung von denen Cometen 356
- Klein-Aſten, die erſtaunlichen Erdbeben daſelbſt 116
- Kongsberg, der daſige ſehr feſte Hornſtein 104
- — — Beſchaffenheit des daſigen gediegenen Silbers
105 - — — deſſen gediegenes Silber iſt in Gebirgen geſchmol-
zen 106 - Kraft, anziehende der Sonnen, wird erwieſen und erlaͤu-
tert 329 - —— anziehende der Sonnen, verkuͤrzet die Laufbahn der
Planeten 330 - Kraͤuter und Pflanzen, wie ſie in der Schoͤpfung entſtan-
den 37 - — — Jndianiſche, werden verſteinert in Frankreich und
Teutſchland gefunden 168 - Kratzenſtein, Profeſſor, deſſen Schrift vom Einfluß des Mon-
den in die Witterung 28
L. Langen-
[[401]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
Appendix A.11 L.
- Langenſalze, was die Erdſchichten daſelbſt Merkwuͤrdiges
veroffenbahren S. 94 - — — daſelbſt gefundene unterirrdiſche Spuhren ehe-
mahliger Bewohnungen des Erdcoͤrpers 237 - Lehrgebaͤude des Verfaſſers ſtimmet mit der Offenbahrung
uͤberein 13 - Leibnitz, von, beſtreitet die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes
gegen die Engliſchen Weltweiſen 7 - Licht, wie es am erſten Schoͤpfungstage ſtatt finden koͤn-
nen 299 - Linie, die Laͤnder unter derſelben, glaubten die Alten unbe-
wohnet 32 - Liſſabon, zur Zeit des Erdbebens daſelbſt haben ſich | die
Waſſerwogen in Teutſchland beweget 180 - Ludewig, von, deſſen Urtheil von denen zu Beichlingen gefun-
denen Rinken von Urnen 252 - Luft, wird aus dem Waſſer erzeuget 25
- —— daran fehlet es dem unterirrdiſchen Feuer nicht
145 - —— wie ſie in dem Mittelpunct der Erden entſtehen und wir-
ken kann 146 - —— kann auch in einem luftleeren Raume wieder hervor-
gebracht werden 147 - Luftcreis, unſers Erdcoͤrpers, wie hoch er ſich erſtre-
cket 28 - — — iſt ſchwehrer als der Erdcoͤrper ſelbſt 284
Appendix A.12 M.
- Mansfeld, Beſchaffenheit der Erd- und Steinlagen in den
daſigen Berggruben 83 - — — Beſchaffenheit der daſigen Fiſchabdruͤcke 107
C cMansfeld,
[[402]]Regiſter
- Mansfeld, die daſige Berggegend ſcheinet ehedem eine Land-
ſee geweſen zu ſeyn, um welche der Erdboden gebrannt
hat S. 109 - — — deſſen ehemahliger Erdbrand wird erlaͤutert
114 - Marly la ville, Beſchaffenheit der Erdſchichten in der Erde
bey dieſer Stadt 80 - Materie, wie ein Geiſt in dieſelbe wirken kann, hat bis-
her Schwierigkeiten in der Weltweisheit veruhrſachet
13 - — — homogene, haͤnget ſich an einander an 19
- Materien, brennliche, unter der Erde, koͤnnen keine Jnſuln
im Meer empor treiben 138 - Maupertuis, deſſen Vorſchlag, die Erde zu durchgraben
77 - — — deſſen unter dem Nordpol gefundenes Monu-
ment 173 - Meer, auf was Art ſich Berge darinnen bilden koͤnnen
69 - —— Adriatiſches, darinnen ſind neue Jnſuln durch das
unterirrdiſche Feuer entſtanden 135 - —— deſſen Abnahme wird in Schweden beobachtet
213 - Meeresgrund, iſt oͤfters auf dem jetzigen feſten Lande ge-
weſen 76 - — — geweſener, wird bey Marly la ville unter der
Erde zweymahl angetroffen 81 - — — geweſener, wird bey Amſterdam gleichfalls zwey-
mahl angetroffen 82 - — — geweſener, wird durch die haͤufigen Meermu-
ſcheln veroffenbahret 94 - — — geweſener, wie daraus auf ein ſehr hohes Alter-
thum der Welt geſchloſſen werden muͤſſe 99 - — — geweſener, findet ſich unter der Erde zu verſchie-
denen mahlen 194
Meerhafen,
[[403]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Meerhafen, iſt in Schweden in einem hohen Gebirge ge-
funden worden S. 198 - Menſch, wie er ſein eigenes und des Weltgebaͤudes Daſeyn
erkennet 1 - —— auf was Art er den Erdcoͤrper eekennet, worauf er
ſich befindet 2 - —— wie er durch Beſchaffenheit der Sterne auf eine rich-
tige Kenntniß des Weltgebaͤudes geleitet wird 3 - Menſchen und deren Knochen werden verſteinert gefunden
259 - — — warum nur zwey erſchaffen worden 309
- — — davon giebt es dreyerley Hauptgeſchlechte 310
- — — Coͤrper, wird verſteinert gefunden 262
- Milchſtraße, was ſie nach Kindermanns Meynung iſt
358 - Mineralien, wie ſie von der Natur erzeuget worden
39 - Mittagslinie, ob ſie ſich veraͤndert 224
- Modena, deſſen Gebirge haben ehedem gebrennet 115
- — — daſelbſt befindet ſich eine unterirrdiſche See
230 - — — daſelbſt findet man unter der Erde die Bewei-
ſe einer dreymahligen Bewohnung des Erdbodens
231 - — — Betrachtung uͤber die daſige unterirrdiſche See
235 - Mohren, deſſen Farbe entſtehet nicht von der Sonnenhitze
310 - Monaden, ob ſie den Uhrſtoff der Materie ausmachen koͤn-
nen 15 - Mond, befindet ſich in unſerm Luftcreiſe 28
- —— deſſen Einfluß in die Witterung 29
- —— warum er keine Bewegung um ſeine Axe habe? 30
- —— was deſſen außerordentlicher Druck auf den Hauptpla-
neten vor Wirkung haben kann? 350
C c 2Monden
[[404]]Regiſter
- Monden um die Planeten, wie ſie entſtanden S. 26
- Montagne, deſſen Nachricht von ſeines Bruders Baronie,
die das Meer bedecket hat 216 - Muͤnden, ein dabey befindlicher Berg von Steinkohlen aus
Holz 72
Appendix A.13 N.
- Natur, wie ſie in ihren Erzeugungen auch nach der Schoͤ-
pfung immer fortgefahren 38 - Neubegierde, treibet den Menſchen zur Erkenntniß des Welt-
gebaͤudes an 4 - Newton, deſſen Meynung von der Figur der Erde 178
- Nichts, ob daraus etwas erſchaffen werden koͤnne?
14 - Nieder-Oeſterreich, deſſen hohe Gebirge ſind auch im Som-
mer kalt 129 - Nordpol, ein daſelbſt gefundenes Monument 173
- Nermandie, daſelbſt tringet das Meer ein 216
Appendix A.14 O.
- Oberflaͤche der Erde, wird durch die Gebirge vergroͤßert,
43 - — — — wie ſie zu verſchiedenen Zeiten bewohnt
geweſen, und wie man ſolches in denen Erdſchichten er-
kennet 96 - Oehl, wird aus denen Atomen erzeuget 20
- Oehlbaum, ſo bey der Suͤndfluth erwehnet wird, was dar-
aus folget 280 - Oeſterreich, Nieder- die Beſchaffenheit ſeiner Felſengebirge
56 - Offenbahrung, ſtimmt mit des Verfaſſers Lehrgebaͤude
uͤberein 13
Offenbah-
[[405]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Offenbahrung, beſtimmet den Untergang der Welt durch
das Feuer S. 373 - — — wie ſchoͤn dieſe Beſtimmung 2 Petr. 3 Cap.
mit der Vernunft uͤbereinſtimmet 381 - — — deren Uebereinſtimmung mit der Vernunft
wird ferner gezeiget 384 - — — wie ſie in Anſehung der Ewigkeit der Welt
mit der Vernunft vollkommen uͤbereinſtimmet 385 - Orbiſſau in Boͤhmen, daſelbſt wird ein unterirrdiſcher zu
Eiſen gewordener Wald entdecket 254 - Oſtfrießland, Abnahme des Meeres daſelbſt 216
- Ovidius, deſſen Klage uͤber die rauhe Himmelsgegend, wo-
hin er verbannet worden 333
Appendix A.15 P.
- Pelaſgier, neue Ankoͤmmlinge in Griechenland 209
- Planeten, ſind losgeriſſene Stuͤcke von den Sonnenklum-
pen 22 - — — waren bey ihrer Losreißung von den Sonnen-
klumpen zu ihrem Endzweck geſchickt 23 - — — wie ſich ihr Lauf um die Sonne anfieng 24
- — — ob ſie ſaͤmmtlich bewohnet ſind 31
- — — was vor Hinterniſſe ihrer Bewohnung entgegen
zu ſtehen ſcheinen 32 - — — ob ſie ehedem Cometen geweſen 101
- — — was ſich mit ihnen ereignen wuͤrde, wenn das
Feuer der Sonne aufhoͤrete 334 - — — wie erſtaunlich geſchwind ihre Bewegung um die
Sonne iſt ebend. - — — ob die Triebfedern ihrer Bewegung um die Son-
ne ſtumpf werden koͤnnen 335 - — — warum ihre Triebfedern noch nicht ſtumpf ge-
worden ſind ebend.
C c 3Planeten,
[[406]]Regiſter
- Planeten, auf was Art ſie ſich endlich in den Sonnenklum-
pen ſtuͤrzen werden S. 340 - — — durch was vor Kraft dieſes geſchehen wird
341 - — — auf was Art ſie endlich zur Bewohnung unfaͤhig
werden 380 - — — wenn ſie von Cometen beruͤhret wuͤrden, was
vor Folgen daraus entſtehen koͤnnten 347 - — — haben die Beruͤhrung von Cometen nicht zu be-
fuͤrchten ebend. - Plato, deſſen Jahr von acht und vierzig tauſend Jahren
175 - —— deſſen Nachricht von der Jnſul Atlantis 202
- Pole, mit Veraͤnderung derſelben veraͤndert ſich auch der
ſcheinbare Aufgang der Sonne 177 - —— Folgen, ſo aus Veraͤnderung derſelben entſtehen
182 - —— Veraͤnderung derſelben, woher ſie entſtehen kann
183 u. f. - —— Veraͤnderung derſelben, ob ſie ſich bey der jetzigen
Bewohnung der Welt zugetragen 185 - —— was fuͤr große Verwuͤſtungen auf dem Erdboden aus
ihrer Veraͤnderung entſtehet 193 - —— ob die Veraͤnderung derſelben beſtaͤndig und langſam
geſchiehet 222 - —— ob deren Veraͤnderung durch Beobachtungen wahr-
zunehmen 226 - Pontoppidan, deſſen Nachricht von einem verſteinerten Wall-
fiſchgeribbe 259 - Porphyr, wie er entſtanden 103
Appendix A.16 Q.
- Queckſilber, wird aus denen Atomen erzeuget 30
R. Raum,
[[407]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
Appendix A.17 R.
- Raum des Weltgebaͤudes muß unendlich ſeyn S. 8
- —— muß auch ewig ſeyn 10
- —— der unendliche, iſt Gott ſelbſt 11
- —— zu deſſen Weſen gehoͤren die Atomen 16
- Reaumur, deſſen Nachricht von einem geweſenen Meeres-
grunde in Douraine 196 - — — deſſen Nachricht von franzoͤſiſchen Tuͤrkiſſen
261 - Rhinocerosge[r]ibbe, werden bey Herzberg gefunden 168
- Rieſen, ſind ein beſonderes Geſchlecht von Menſchen gewe-
ſen 313 - Rodaun bey Wien, Roͤmiſches Winterlager daſelbſt 247
- — — Roͤmiſche Nummi daſelbſt in der Erde gefunden
248 - Roͤmer, ob ſie in ihren Kriegen in Teutſchland Elephanten
gebrauchet 161 - — — haben ſich daſelbſt nie der Elephanten bedienet
162 - Ruinen, von Staͤdten, Beurtheilung ihres Alterthums
243 - Rußland, daſelbſt verbeſſert ſich das Clima 220
Appendix A.18 S.
- Salze, wie ſie von der Natur erzeuget worden 38
- Saturn, was der Ring um denſelben iſt ebend.
- Schiff, verſteinertes, wird in der Schweiz in einem Berge ge-
funden 200 - Schoͤpfung, wie ſie der Verfaſſer annimmt, ſtimmet mit der
Bibel uͤberein 26 - Schoͤpfungstage der Bibel, wie ſie mit des Verfaſſers Sy-
ſtem uͤbereinſtimmen 297
C c 4Schweden
[[408]]Regiſter
- Schweden ſcheinet ein kaͤlteres Clima zu erlangen S. 221
- Schweiz, in einem Berge daſelbſt wird ein verſteinertes Schiff
entdecket 200 - Siberien, daſelbſt verbeſſert ſich das Clima 221
- Sicilien, ſcheinet von Jtalien abgeriſſen zu ſeyn 210
- Sonne, ihre anziehende Kraft gegen die Planeten 24
- — — zu welcher Zeit ſie zuerſt auf dem Erdcoͤrper geſehen
werden koͤnnen 37 - — — ob dieſelbe bewohnt ſeyn koͤnne? 120
- — — ihr Feuer iſt materiell 327
- — — ihr materielles Feuer iſt ſehr fein und rein 328
- — — wie der Coͤrper derſelben beſchaffen iſt ebend.
- — — in wie weit ihre brennbaren Materien ſich endlich
verzehren muͤſſen 329 - — — wenn ihr Feuer abnimmt, was vor Folgen daraus
entſtehen wuͤrden ebend. - — — auf derſelben beruhet das Wachsthum und Gedeyen
aller Geſchoͤpfe ebend. - — — worauf ihre anziehende Kraft ankommt ebend.
- — — die Verminderung ihres Feuers iſt wegen ihrer un-
geheuren Groͤße nicht zu befuͤrchten 331 - — — ihre Flecken, was ſie ſind, und woher ſie entſte-
hen? 332 - — — in dieſelbe ſtuͤrzen ſich endlich alle Planeten 340
- Sonnenklumpen, wie derſelbe aus den zuſammengehaͤuften
Atomen entſtanden 20 - — — — wie er in Brand gerathen 21
- — — — wie die Planeten und Cometen ſich davon
losgeriſſen 22 - — — — wie er von dem Waſſer befreyet worden
23 - Sonnenſyſtem, in demſelben giebt es viererley Arten von
Weltcoͤrpern 326
Sonnen-
[[409]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Sonnenſyſteme, ſind vermuthlich nicht von einerley Groͤße
und Beſchaffenheit, und koͤnnen daher auch nicht zu glei-
cher Zeit ihren Untergang finden S. 353 - Spanien, deſſen dreyßigjaͤhrige Duͤrre und darauf erfolgter
Brand 111 - — — eigentliche Beſchaffenheit von deſſen Duͤrre und
Brande 112 u. f. - — — deſſen Brand ruͤhrete vom unterirdiſchen Feuer
her 113 - — — deſſen Erdbrand hat ſich nicht auf andere Laͤnder
erſtrecket 114 - Sterne, wie man aus ihrer verſchiedenen Beſchaffenheit
zur richtigen Kenntniß des Weltgebaͤudes geleitet
wird 3 - — — ſollen nach der Bibel beym juͤngſten Tage vom
Himmel fallen 374 - — — koͤnnen am juͤngſten Tage nicht auf unſere Erde
fallen 375 - — — davon hatten die Zeiten der Unwiſſenheit eine ſehr
unrichtige Vorſtellung 376 - Steinarten, die in den Floͤtzgebirgen gefunden werden
48 - — — einige ſcheinen durch das Feuer und Schmelzen
entſtanden zu ſeyn 103 - Steinkohlen, verſchiedene Arten derſelben aus Holz
273 - Steinlagen, wie ſie in der Erde mit einander abwechſeln
79 - Steinwerdung erfodert eine ſehr lange Zeit 75
- Stroͤhme im Meer, auf was Art ſie emſtanden 68
- Suͤndfluth, ob durch dieſelbe die verſchiedenen Erdſchichten
entſtanden ſind 89 - — — ob ſie alle Erde auf dem Erdcoͤrper aufweichen
koͤnnen ebend.
C c 5Suͤnd-
[[410]]Regiſter
- Suͤndfluth, warum ſie die Erdſchichten nicht gewirket haben
kann S. 90 - — — ob durch dieſelbe die Elephantengeribbe nach
Teutſchland gekommen 165 - — — was vor Wirkungen man derſelben beymißt
276 - — — Berechnung der darzu erforderlichen Waſſer
283 - — — wie die Allgemeinheit derſelben zu verſtehen 287
- — — hat die verſchiedenen Erdſchichten nicht wirken
koͤnnen 290 - — — hat die Merkzeichen eines geweſenen Meeres-
grundes nicht wirken koͤnnen 293
Appendix A.19 T.
- Tacitus, beſchreibet Teutſchland als ein rauhes Land 333
- Tag, juͤngſter, an demſelben kann es nicht ſcheinen, als fie-
len die Sterne herab 375 - — — wie er im 102 Pſalm beſchrieben wird 380
- Tartarey, deren hoͤhere Lage gegen andere Laͤnder 64
- — — große, deren hohe Lage gegen andere Laͤnder
130 - Tenzel, deſſen Nachrichten von Elephantengeribben 163
- Teutſche, alte, ob ſie Luſtgaͤrten mit fremden Gewaͤchſen ge-
habt haben koͤnnen 171 - Teutſchland, darinnen muͤſſen ſich ehedem natuͤrlicher Weiſe
Elephanten aufgehalten haben 160 - — — ob die Kaͤlte daſelbſt nach und nach zunimmt 218
- — — darinnen verſpaͤtet ſich die Zeit der Erndte 219
- — — wird von den Roͤmern als ein rauhes Land be-
ſchrieben 333 - Thiere, wie und woraus ſie in der Schoͤpfung entſtanden
37 - Trabanten der Planeten, wie ſie entſtanden 27
Trajans-
[[411]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Trajansbruͤcke, ein Pfahl davon wird nach Wien gebracht
S. 268 - Tuͤrkiſſe, franzoͤſiſche, ſind Zaͤhne von Thieren geweſen 261
Appendix A.20 U.
- Ueberſchwemmungen, wie dadurch Floͤtzgebirge entſtehen 70
- — — — warum ſie die vierte Claſſe in Entſte-
hung der Gebirge ausmachen 72 - — — — dadurch ſind die verſchiedenen Erdſchich-
ten entſtanden 92 - — — — wie die Erdſchichten daraus entſtanden
93 - — — — große, entſtehen von Veraͤnderung der
Pole 210 - Unendlichkeit des Weltgebaͤudes, wie ſie zu erweiſen iſt 6
- — — — — wird von den engliſchen
Weltweiſen behauptet 7 - Untergang der Welt, iſt ein Lehrpunct aller Religionen 324
- — — eines Sonnenſyſtems hindert die Ewigkeit der
Welt nicht 371 - — — der Welt wird durch das Feuer geſchehen 379
- — — der Welt wird auch in der Bibel durch das Feuer
beſtimmet 381
Appendix A.21 V.
- Venedig, Abnahme des Meeres daſelbſt 215
- Vernunft, was ſie von dem Untergange des Weltgebaͤudes
oder einzelner Himmelscoͤrper erkennet 373 - Verſteinerungen, ob ſie Spielwerke der Natur ſind 196
- — — — ganzer Baͤume und Staͤmme 265
- — — — wie ſie anfangen und fortgehen 269
- Voiture, deſſen Scherz von den Sonnenflecken 332
- Vollkommenheit der Welt durch die Umformung der Son-
nenſyſteme nicht aufgehoben 371
Vorſtellung
[[412]]Regiſter
- Vorſtellung von Herabfallung der Sterne am juͤngſten Tage
kann nicht ſtatt finden S. 375
Appendix A.22 W.
- Waͤrme auf dem Erdboden entſpringet nicht allein von der
Sonnenhitze 128 - — — der Laͤnder auf dem Erdboden entſtehet auch aus dem
Jnnern des Erdcoͤrpers 132 - — — der Laͤnder entſtehet auch von dem unterirrdiſchen
Feuer 133 - Wallfiſchgeribbe wird verſteinert gefunden 259
- Waſſer, wird aus denen Atomen erzeugt 20
- — — iſt eine achthundertmahl verdickte Luft 25
- — — unter der Erde, haben Zuſammenhang mit einander
181 - Weltcoͤrper, in wie weit die Triebfedern ihrer Bewegung
ſtumpf werden koͤnnen 326 - Weltgebaͤude, wie der Menſch zur richtigen Kenntniß deſſel-
ben gelanget 2 und 3 - — — iſt in Anſehung des Raums unendlich 8
- — — iſt in Anſehung des Raums auch ewig ebend.
- — — ob alle Sonnenſyſteme darinnen zugleich und auf
einmahl untergehen werden 352 - — — was die Vernunft von deſſen Vernichtung erken-
net 365 - — — in wie weit deſſen Vernichtung ſtatt finden koͤnnte
366 - — — worauf es in der Frage von deſſen Vernichtung
ankommt 368 - — — warum es Gott nicht wieder vernichten wird?
ebend. - — — in demſelben koͤnnen keine Fehler und Unordnun-
gen entſtehen, die Gott zu deſſen Vernichtung bewegen
koͤnnten 369
Weltweiſen,
[[413]]der hauptſaͤchlichſten Sachen und Materien.
- Weltweiſen, welche geglaubt haben, daß aus nichts etwas
werden koͤnnte S. 16 - Weſen, zwey unendlich ewige und ſelbſtſtaͤndige koͤnnen nicht
neben einander exiſtiren 10 - Whiſton, deſſen laͤcherliche Chimaͤre, daß ein Comet die Suͤnd-
fluth veruhrſachet habe 346 - Winterlager, Roͤmiſches, wie es beſchaffen geweſen 248
- Wolf, von, iſt vor die Unendlichkeit des Weltgebaͤudes ge-
neigt 7 - — — Meynungen vom Raume 11
- — — deſſen Meynung, daß die Cometen um mehr als
eine Sonne laufen 342
Appendix A.23 Y.
- Yuca, der erſte Stifter des Peroaniſchen Reichs 205
Appendix A.24 Z.
- Zeitrechnung aller alten Voͤlker gehet viel weiter hinaus, als
der Juden ihre 187 - — — Juͤdiſche, ob ſie den Vorzug vor allen andern ver-
diene 189 - — — iſt kein Werk der Offenbahrung 317
- — — Fehler der Juͤdiſchen 318 u. f.
- Zukunft, dieſelbe zu wiſſen ſind alle Menſchen begierig 323
[[414]]
Appendix B Druckfehler.
- p. 2. lin. 25. man leſe Geſetze anſtatt Saͤtze.
- p. 3. lin. 9. ‒ ‒ um ‒ ‒ und
- p. 30. lin. 25. ‒ ‒ ſoviel ‒ ‒ zuviel
- p. 35. lin. 1. ‒ ‒ mußte ‒ ‒ mußten
- p. 50. lin. 20. ‒ ‒ Schemnitzer ‒ Schweitzer.
- p. 62. lin. 8. ‒ ‒ muͤßten ‒ ‒ muͤſſen.
- p. 63. lin. 2. ‒ ‒ uͤber ‒ ‒ in.
- p. 66. lin. 27. ‒ ‒ Lachter ‒ ‒ leichter.
- p. 67. lin. 27. ‒ ‒ Ausfluß ‒ ‒ Ausſchluß.
- p. 68. lin. 6. ‒ ‒ Spuhren ‒ ‒ Spitzen.
- p. 75. lin. 19. ‒ ‒ Sechzehnhundert ‒ Zwoͤlfhundert.
- p. 85. lin. 5. ‒ ‒ Lochſchiefer ‒ ‒ Lochziefer.
- p. 104. lin. 7. u. 17 ‒ ‒ Lava ‒ ‒ Cava.
- p. 104. lin. 23. ‒ ‒ Kongsberg ‒ ‒ Koͤnigsberg.
- p. 106. lin. 4. ‒ ‒ duͤnne ‒ ‒ duͤrre.
- p. 107. lin, 22. ‒ ‒ umgekruͤmmten ‒ und gekruͤmmten.
- p. 117. lin. 17. ‒ ‒ 1751 ‒ ‒ 1757.
- p. 120. lin. 29. ‒ ‒ auf ‒ ‒ aus.
- p. 129. lin. 13. ‒ ‒ Erzgaͤnge ‒ ‒ Harzgaͤnge.
- p. 153. lin. 30. ‒ ‒ Befahrungen ‒ ‒ Erfahrungen.
- p. 157. lin. 4. ‒ ‒ ehedem ‒ ‒ meiſtens.
- p. 163. lin. 16. ‒ ‒ Fraͤnkiſchen ‒ ‒ Franzoͤſiſchen.
- p. 168. lin. 16. ‒ ‒ Mergelhuͤgel ‒ ‒ Meerhuͤgel.
- p. 168. lin. 31. ‒ ‒ werden ‒ ‒ worden.
- p. 170. lin. 27. ‒ ‒ Director ‒ ‒ Doctor.
- p. 191. lin. 14. ‒ ‒ Anfange ‒ ‒ Umfange
- p. 207. lin. 13. ‒ ‒ aͤußerften ‒ ‒ aͤußerlichen.
- p. 213. lin. 3. ‒ ‒ 1757 ‒ ‒ 1751.
- p. 213. lin. 13. ‒ ‒ denenjenigen ‒ ‒ denenjegen.
- p. 216. lin. 14. ‒ ‒ neue ‒ ‒ neun.
- p. 260. lin. 19. ‒ ‒ Amphibiis ‒ ‒ Amphitheatris.
- p. 268. lin. 15. ‒ ‒ Maaße ‒ ‒ Maße.
- p. 316. lin. 8. ‒ ‒ Geſchichtsbeſchreibung ‒ ‒ Geſchlechtsbe-
ſchreibung.
[[415]][[416]][[417]][[418]][[419]][[420]][[421]]
bung der Erdkugel, 1ſte Abtheilung.
in der 2ten Abtheilung.
darinnen befindlichen Erzadern.
handen, welcher die angeſehenſten Gelehrten mit ſolcher
Kuͤhnheit tadelt, ihnen den Mangel der Erfahrung vor-
wirft, und ihre Begierde, ohne dieſe Erfahrung in ih-
ren Studierſtuben Lehrgebaͤude zu machen, ungereimt
vorzuſtellen ſucht, als hier in dieſer kleinen Schrift ge-
ſchiehet, ohne daß der Verfaſſer diejenigen Gelehrten
einmahl recht zu kennen ſcheinet, die er angreift. Der
ſel. Bergrath Lehmann, nachheriger rußiſch-kaiſer-
licher Etaatsrath, war gewiß ein eben ſo erfahrner und
practiſcher Bergmann, als der Verfaſſer; allein, er
hatte gewiß zehenmahl mehr Beleſenheit und Einſicht,
als dieſer letztere, deſſen bergmaͤnniſche Erfahrung, wie
auf allen Blaͤttern ſeiner kleinen Schrift hervorleuchtet,
weiter auf nichts, als auf die im Verhaͤltniſſe der
Groͤße |des Weltcoͤrpers ſehr kleine Gegend von Sie-
benbuͤrgen, den Bannat und einen Theil des Carpathi-
ſchen Gebirges ſich erſtrecket. Mit dieſer ſehr geringen
Kenntniß unterſtehet ſich der Verfaſſer Lehrgebaͤude zu
machen, darauf zu trotzen und zu pochen, und andere
anſehnliche Gelehrte neben ſich zu verachten, die doch,
wenn ſie auch nicht alle Erfahrung in Bergwerksſachen
haͤtten, doch wegen ihrer großen Beleſenheit und Ein-
ſichten viel geſchickter ſeyn wuͤrden, allgemeine Lehrge-
baͤude zu machen, als ein Mann, der weiter nichts als
die Gebirge in einem ſehr kleinen Bezirke der Welt ken-
net. Wenn ein Knabe, der in einer mittelmaͤßigen
Ebene gebohren iſt, und noch keine Reiſe als etwa in
die benachbarten Doͤrfer gethan hat, die Sonne auf de-
nen kaum einige Meilen um ihn herumliegenden Gebir-
gen auf- und niedergehen ſiehet, und ſich einbildet, daß
die kleine Ebene, in welcher er gebohren iſt, die ganze
Welt ausmachet, und daß der Weltcreis auf denen Ge-
birgen, die ſein ſchwaches Auge in einer Entfernung
von wenigen Meilen erblicket, und wo er die Sonne ſo
augenſcheinlich auf- untergehen ſiehet, ſeine Endſchaft
habe; ſo kann man dieſe Einbildung und vermeyntes
Lehr-
ihm ſo gar ein kleines Lob ertheilen, daß er doch den
Anfang machet, zu denken. Allein, wenn eben dieſer
Knabe auf ſein kleines Lehrgebaͤude trotzet und pochet,
angeſehene und erfahrene Perſohnen, welche ihm ſagen,
daß die Welt auf denen Gebirgen, die er ſiehet, keines-
weges ihre Endſchaft erreichet habe, verachtet und
ſchimpfet; ſo verdienet er die Ruthe und Zuͤchtigung
ſeines Lehrmeiſters.
und Kluͤfte kommt darauf an, daß dieſe Gebirge an-
fangs weich geweſen, und bey der Austrocknung Riſſe
und Spalten bekommen, welche dann hernach durch die
Durchſeigerung des Waſſers mit Erz angefuͤllet worden.
Dieſes Lehrgebaͤude hat ſo viel Widerſinniges und of-
fenbahr Widerſprechendes an ſich, daß man ſich billig
wundern muß, wie der Verfaſſer ſolches ſelbſt nicht
habe einſehen koͤnnen. Es wuͤrde mich hier allzuweit
von meinem Endzwecke entfernen, wenn ich dieſes hier
ausfuͤhrlich zeigen wollte. Jch werde aber ſolches bey
einem herauszugebenden andern Werke leiſten.
und der Erzgaͤnge Iſte Abtheilung S. 30. behauptet
eben dieſer Verfaſſer, daß die hohen Felſengebirge, oder
der Ruͤcken und Kern der Gebirge, die nach ſeinem Sy-
ſtem allemahl von feinem Kalkſtein ſind, niemahls Spal-
ten und Kluͤfte haͤtten, die mit Erz erfuͤllet waͤren, ſon-
dern daß vielmehr dieſe Felſen ganz gleichartig ohne alle
Ritzen und Fugen waͤren, und daß man Erzgaͤnge allezeit
darinnen vergeblich ſuchen wuͤrde. Wie wenig dieſes
mit der Erfahrung uͤbereinſtimmet, werden wahre und
große Bergverſtaͤndige von ſelbſt leicht urtheilen; das-
jenige aber, was ich oben im Texte von denen in den
ſehr hohen und ſteilen Felſengebirgen in Niederoͤſterreich
angelegten Bergwerken und entdeckten Erzgaͤngen ange-
fuͤhret habe, beweiſet offenbahr die Unrichtigkeit ſeines
vermeynten Lehrgebaͤudes. Jch habe in dieſen erſtaun-
lich hohen Felſen an mehr als neun Orthen die ergiebig-
ſten Erzgaͤnge, theils von denen edelſten Metallen entde-
cket, die noch unbekannt ſind, und dem Oeſterreichi-
ſchen Staate eben ſo großen und noch groͤßern Nutzen
verſchaffen koͤnnten, als das reiche Annaberger Berg-
werk. Dennoch habe ich nur noch einen geringen und
gewiß kaum den zwanzigſten Theil von dem weiten Um-
fange dieſer hohen Felſen unterſuchet.
Cap. IV. §. 30. S. 93.
nen
ſchiedene Berge zwiſchen Schweden und Norwegen zu
ihren unterſten Lagen oder Schichten große Kieſel- und
Feldſteine haben, die auf eine beſondere Art auf einan-
der geſchichtet ſind. Da die Menſchen niemahls ſo un-
noͤthige Arbeit verrichtet haben werden, große Kieſel-
und Feldſteine von weitem zuſammen zu bringen, und
auf einander zu haͤufen; ſo kann man wohl nicht zwei-
feln, daß dieſes eine Wirkung der Fluthen iſt.
Grafſchaft Mansfeld. S. 7. u. f.
Cap. V. §. 39. S. 114. u. f.
S. 441. bis 445. wird eine Nachricht von denen in
Langenſalze in Thuͤringen bey gelegentlicher Eingrabung
vorgefundenen Erdſchichten mitgetheilet, die hier viel
Aufmerkſamkeit verdienet, weil ſich darinnen ſowohl
die deutlichſten Beweiſe von einem wiederholt geweſenen
Meeresgrunde, als von einer wiederholten Bewohnung
der Oberflaͤche klar zu Tage legen. Bald nach der
Dammerde hat ſich ein Meeresgrund mit Schnecken
und Muſcheln gezeiget, und ſehr tief unter vielen Stein-
ſchichten hat ſich abermahls ein ſolcher Meeresgrund
veroffenbahret. Nach fuͤnf bis ſechs Erd- und Stein-
ſchichten findet ſich ein Torf, welchem viele Baumblaͤt-
ter, Rinden und Wurzeln von Pflanzengewaͤchſen of-
fenbahr beygemiſchet ſind. Jn andern Steinſchichten
findet man verſteinerte Kornaͤhren, Pflaumenkerne,
Hirnſchaͤdel und andere dergleichen Dinge, die nur
allein von einer Bewohnung der Oberflaͤche herruͤhren
koͤnnen.
jeſtaͤt in Daͤnemark die Moͤglichkeit des Anbaues der
Juͤtlaͤndiſchen Heiden unterſuchte, und zehn bis zwoͤlf
Fuß tief in den Erdboden eingraben ließ, um Mergel
und andere Erdarten zu Verbeſſerung der Oberflaͤche
zu finden; ſo zeigete ſich allenthalben an einigen Or-
then zwey Fuß tief, an andern Orthen drey bis vier
Fuß tief unter der jetzigen Oberflaͤche eine ſchwarze
fruchtbare Erde, welche alle Kennzeichen einer ehemahls
bewohnten Oberflaͤche in ſich wahrnehmen ließ. Es
waren noch alle Wurzeln von denen Grasarten, kleinen
Geſtraͤuchen und andern Pflanzgewaͤchſen darinnen, und
zwar noch unverſteinert, und ſo haͤufig, daß dieſe
ſchwarze Erde dadurch ganz zuſammenhaͤngend wurde.
Es iſt in der Geſchichte nicht bekannt, daß Juͤtland
und die angraͤnzenden Provinzen ſeit zweytauſend Jah-
ren eine große Ueberſchwemmung erlitten haͤtten. Folg-
lich muß dieſes ſchwarze ehedem bewohnte Erdreich zu
viel aͤltern Zeiten gehoͤren.
phyſicaliſchen Beſchreibung der Erdkugel II. Abtheilung
5tes Cap. §. 40. erkennet und geſtehet alle die Folgen,
die ich hier anfuͤhre, naͤmlich, daß eine jede Schicht
eine Ueberſchwemmung, ein Sand mit Muſcheln einen
geweſenen Meeresgrund, und eine ſchwarze Erde eine
bewohnt geweſene Oberflaͤche vorausſetze. Allein, er
uͤbergehet mit Stillſchweigen, was man nothwendig wei-
ter daraus ſchließen muß.
dem ſuͤdlichen America, und auf dem Amazonenfluſſe,
wegen Ausmeſſung der Erdgrade.
Tartarey IIter Theil.
Erzgaͤnge.
dadurch einen Machtſpruch gethan, weil ich mich in
meinen Schriften des Ausdrucks bedienet haͤtte, daß
heut zu Tage kein vernuͤnftiger Gelehrter an der Exi-
ſtenz eines unterirrdiſchen Feuers in dem Jnnern der
Erde mehr zweifelte. Wenn ein dergleichen Ausdruck
einen Machtſpruch thun heißet; ſo hat der Verfaſſer in
ſeiner kleinen Schrift durch eben dergleichen, oder gleich
viel bedeutenden Ausdruck mehr als zehnmahl einen ſol-
chen
die Blattſeiten und die Zeilen anzuzeigen, in wel-
chen dieſes geſchehen iſt. Der Verfaſſer bekennet frey-
muͤthig, daß er ſolchemnach unter die vernuͤnftigen Ge-
lehrten nicht gehoͤre. Das thut mir wahrhaftig um ſei-
nethalben herzlich leid; und wenn eine ſolche Demuͤthi-
gung und aufrichtiges Geſtaͤndniß, das man von ihm
weder verlanget, noch erwartet hat, einiges Lob ver-
dienet; ſo kann man ihm daſſelbe ohne Unbilligkeit nicht
verſagen.
wodurch verſchiedene Thuͤren gewaltſam aufgeſprenget
wurden, und ſonſt in dem Hauſe großer Schade ge-
ſchah, kann man in den Schriften der damahligen koͤ-
niglichen Academie der Wiſſenſchaften zu Berlin, und
bey verſchiedenen andern Schriftſtellern ausfuͤhrliche
Nachricht finden.
der Gebirge Iſte Abtheil. S. 13.
bis dreyhundert Lachtern die groͤßte Teufe, wohin wir
noch jemahls mit unſerm Bergbau gelanget ſind. Al-
lein, als er dieſes ſchrieb; ſo hat er wohl nicht bedacht,
was dieſe Tiefe vor ein unmerklicher und faſt gar nichts
zu rechnender Theil von der Dicke unſers Erdcoͤrpers iſt.
Dieſe zwey bis dreyhundert Lachtern machen noch nicht
den dreyßigſten Theil von einer Meile aus, und da man
den halben Erddurchmeſſer bis in den Mittelpunct der
Erde ohngefaͤhr achthundert und funfzig Meilen rech-
nen muß; ſo betraͤgt die Teufe, welche wir in den Erd-
boden eintringen koͤnnen, und woraus der Verfaſſer ſo
wichtige Schluͤſſe machen will, kaum den fuͤnf und zwan-
zigtauſendſten Theil von der Dicke des halben Erd-
durchmeſſers, das iſt, dieſe Teufe verhaͤlt ſich wie Eins
gegen fuͤnf und zwanzig tauſend, und das iſt ſo viel,
wie gar nichts. Aus einer ſo nichtsbedeutenden Ein-
grabung ſo dreuſt zu ſchließen, und alles zu verwer-
fen, das koͤmmt mir eben ſo vor, als wenn ein ſoge-
nannter Holzbock, oder ein ander dergleichen kleines Un-
geziefer,
ſich auf den Kopf eines Menſchen in deſſen Haut hin-
einwuͤhlete, und hernach mit einer ſtolzen und richterli-
chen Miene ausrufen wollte: Jn dem Kopfe dieſes
Mannes befindet ſich kein Gehirn. Denn ſehet! wie
tief ich in die Oberflaͤche ſeines Kopfes mich eingegra-
ben habe, und ich habe noch nicht das geringſte davon,
ſondern nichts als Haut angetroffen. Dieſes Ungeziefer
wuͤrde ſo gar weit mehr zu entſchuldigen ſeyn, denn von
der Haut bis zu dem Gehirne iſt verhaͤltnißmaͤßig,
wenn man annimmt, daß ſich das Ungeziefer nur eine
Linie tief in die Haut eingefreſſen hat, bey weitem nicht
ein ſo großer Abſtand, als wenn wir mit dem Bergbau
zwey bis dreyhundert Lachtern tief in den Erdboden ein-
tringen, und hernach die noch uͤbrige Dicke des halben
Erddurchmeſſers berechnen.
die zugleich bey ihrer practiſchen Erfahrung in Berg-
werksſachen die Faͤhigkeit gehabt haben, gruͤndliche Na-
turforſcher abzugeben; eine Eigenſchaft, woran es dem
Verfaſſer ſehr zu mangeln ſcheinet; allein, ſie haben
nichts weniger als dasjenige gefunden, was der Ver-
faſſer vorgiebt. Bey einem ſehr ſtarken Grad der Kaͤl-
te auf der Oberflaͤche der Erde haben ſie in den tief-
ſten Berggruben niemahls die Kaͤlte auf dem Gefrier-
puncte gefunden; ſondern allemahl noch ein bis zwey
Grad daruͤber.
gruben niemahls frieret, obgleich ein ſtarker Froſt auf
der Oberflaͤche der Erde herrſchet. Auch dieſes ſind all-
gemeine Erfahrungen, an welchen alle diejenigen, ſo
von Bergwerksangelegenheiten Kenntniſſe haben, ohn-
moͤglich zweifeln koͤnnen. Selbſt in dem hohen Grad
der Kaͤlte im Jahr 1740 hat es in denen Mansfeldi-
ſchen und andern Berggruben nicht gefrohren, ſo, daß
alle Bergleute ihre Arbeit ungehintert fortſetzen koͤn-
nen. Wenn einige Berggruben damahls in ihrer Ar-
beit einige Hinterniß gefunden haben; ſo iſt es le-
diglich darauf angekommen, daß ſie ihre Kunſtma-
ſchinen vor dem Einfrieren nicht zu erhalten gewußt
haben.
nicht allein auf Teutſchland und die benachbarten Staa-
ten, ſondern faſt auf alle andere Laͤnder, die jetzo kalte
Himmelsgegenden haben. Der Herr Profeſſor Gmelin
in ſeinen Reiſen, und zwar im zten Theile, erzaͤhlet,
daß in denen Ufern der großen Siberiſchen Fluͤſſe Obi
Jeniſey und Lena ſehr oͤfters Elephantengeribbe gefun-
den werden. Die Ufer dieſer Stroͤhme ſind oͤfters mit
dem dickſten Eiſe bedecket, welches uͤberdies noch durch
das Eis aus dem Meere vermehret wird, welches ein
gewiſſer Wind dahin treibet. Dieſes Eis beſchwehret
die ſteilen und oͤfters unterhoͤhlten Ufer dieſer Stroͤhme
dergeſtalt, daß, wenn das Eis anfaͤngt zu ſchmelzen,
nicht ſelten große Stuͤcken Erde von den Ufern mit los-
brechen. Hierdurch nun werden die noch an denen Ufern
in der Erde verborgenen Elephantengeribbe entdecket.
Kaiſer Peter der Iſte hat die ſchoͤnſten und laͤngſten Zaͤh-
ne von acht bis neun Fuß lang, die bey ſolchen Gele-
genheiten gefunden worden, aufſammlen und in ſein Na-
turaliencabinet nach Petersburg bringen laſſen. Herr
Profeſſor Gmelin hat ſie nicht allein daſelbſt geſehen,
und bey der genaueſten Unterſuchung befunden, daß es
keine andere, als Elephantenzaͤhue geweſen; ſondern ſie
haben ſich auch faſt noch gaͤnzlich in ihrem natuͤrlichen
Zuſtande befunden, ohne merkliche Kennzeichen einer Ver-
weſung oder Verſteinerung an ſich zu haben; da ſie doch
wenigſtens verſchiedene tauſend Jahre unter der Erde
gelegen haben, welches vermuthlich dem nachherigen
großen und faſt beſtaͤndig anhaltenden Froſt in dieſer
Gegend zuzuſchreiben iſt.
ten zu Anfange dieſes Jahrhunderts, hat in einer klei-
nen Schrift ein Elephantengeribbe beſchrieben, das bey
Donna, ohnweit Langenſalze, im Jahr 1695 gefunden
worden, und zwey lange noch unverſehrte Zaͤhne im
Kopfe gehabt. Dieſes Geribbe hat unter verſchiedenen
Erdſchichten gelegen. Drey Jahr hernach aber, naͤm-
lich 1698, wurde bey Erfurth in Thuͤringen abermahls
ein Elephantengeribbe mit Zaͤhnen entdecket; dieſes letz-
tere lag vier und zwanzig Fuß tief unter der Erde, und
hatte viele abwechſelnde Erdſchichten von Sand, Leim
und Thon uͤber ſich.
von ſolcher Art Thieren, die nur in heißen Laͤudern ih-
ren natuͤrlichen Aufenthalt haben, und die dennoch in
Teutſchland gefunden worden ſind. Als man im Jahr
1757 bey der Stadt und Amte Hertzberg im Hannoͤve-
riſchen zufaͤlliger Weiſe in einen Meerhuͤgel eingrub; ſo
fand man daſelbſt eine Menge von Knochen und Gerib-
ben, und als man dieſelben von geſchickten Naturkuͤndi-
gern unterſuchen ließ; ſo wurde einmuͤthig davor gehal-
ten, daß ſie von derjenigen Art von Thieren waͤren, die
man Rhinoceros, oder Naſenhorn nennet. Es iſt aber
bekannt, daß ſich dieſe Art von Thieren nur in denen
heißeſten Laͤndern und ohnweit der Linie aufhalten.
née 1719 liefert der gelehrte Kraͤuterkundige, der Herr
Jüſſieu, eine Abhandlung, worinnen er beſchreibet, daß
zu Chaumont, in Lionnols, in einem Schiefergebirge
viele Abdruͤcke von Kraͤutern gefunden worden, die aber
nach genauer Unterſuchung keinesweges vor ſolche Kraͤu-
ter gehalten werden koͤnnen, die ſonſt natuͤrlicher Weiſe
in dem franzoͤſiſchen Himmelsſtriche erzeuget worden,
ſondern man habe befunden, daß ſie groͤßtentheils ſolche
Kraͤuter- und Pflanzengewaͤchſe waren, die nur in den
heißeſten Laͤndern, z. E. in Jndien und ohnweit der Li-
nie zu wachſen pflegen.
Bemerkungen der aͤltern Weltweiſen dieſen beſondern Um-
lauf des Himmels zu beſtimmen, in Regeln zu bringen,
und auf acht und vierzig tauſend Jahre feſt zu ſetzen bemuͤ-
het geweſen iſt.
die alten Uhrkunden hiervon ſelbſt in Haͤnden gehabt,
und in denen Athenienſiſchen Archiven unterſuchet
habe.
Chauren, die ihre Religion von dem Zoroaſter herleiten,
wozu auch in gewiſſer Maaße die Philoſophen gehoͤren,
die man Brachmannen nennet, als die Prieſter in Siam,
haben eine ſehr alte Zeitrechnung, die ſich uͤber hundert-
tauſend Jahr erſtrecket. Man findet hiervon bey denen
franzoͤſtſchen Mißionarien, die ſich eine Zeitlang in Jn-
dien, und inſonderheit in Siam aufgehalten haben, um-
ſtaͤndliche Nachrichten.
China im Iſten und IIten Theile.
Hirtenvolke in Egypten lieſet, welches ſich empoͤret,
die alten Koͤnige von Egypten vom Throne geſtoßen,
aus ihrem eigenen Volke Monarchen uͤber Egypten ge-
ſetzet, endlich aber durch die alten Einwohner von Egy-
pten wieder uͤberwunden, aus dem Lande gejaget, und
bis nach Palaͤſtina vertrieben worden, woſelbſt ſich die-
ſes Hirtenvolk feſtgeſetzet, und die ſo genannte heilige
Stadt erbauet hat; wenn man, ſage ich, dieſe Nach-
richten des Herodots und andere Geſchichtſchreiber mit
denen
in Egypten, und was ihnen daſelbſt begegnet iſt, nur
einigermaßen in Vergleichung ſtellet, und erweget, daß
ſich Jacob und ſeine Soͤhne ſeloſt vor Hirten ausgaben,
daß die Macht des Joſephs ſo groß als eines Koͤniges
war, daß ſie ihre gewaltſame Austrelbung aus Egy-
pten, und ihre Einnehmung und Feſtſetzung in Palaͤ-
ſtina, wie auch die Erbauung der heiligen Stadt Jeru-
ſalem ſelbſt geſtehen; ſo finden ſich ſehr deutliche Zuͤge
der Uebereinſtimmung in der Geſchichtserzaͤhlung bey-
der Voͤlker, und ein vernuͤnftiger Beurtheiler, welcher
die geruͤhmten Vorzuͤge und die Theologie des einen oder
des andern Volkes auf einen Augenblick bey Seite ſetzet,
kann mit gutem Grunde ſchließen, daß an der Haupt-
geſchichte und ihrer Wahrheit nicht zu zweifeln ſey; ob
gleich von jedem Volke verſchiedene Zuͤge und Nebenum-
ſtaͤnde hinzugeſetzet ſeyn moͤgen, wie ein jeder von dieſen
beyden Voͤlkern ſeiner Ehre und Nachruhme gemaͤß zu
ſeyn erachtet hat. Allein, alsdenn wird die Glaubwuͤr-
digkeit der juͤdiſchen Zeitrechnung deſto zweifelhafter;
die Hirtenkoͤnige in Egypten, und die Auswanderung
der Juden aus dieſem Lande, treffen gar nicht in einer-
ley Zeitpunct zuſammen, und die egyptiſche Geſchichte
ſaget, daß das Hirtenvolk nicht aus Chaldaͤa oder Sy-
rien, ſondern aus Colchis nach Egypten gekommen
ſey.
de l’Academie des Sciences à Paris, de l’Année 1720.
fuͤhret eine Gegend in Touraine an, die funfzehn Mei-
len vom Meere entfernet iſt, wo man neun Fuß unter
der Erde, in einem erſtaunlich weiten Umcreiſe, der
uͤber hundert und ſiebenzig Millionen Cubicfaden, und
mithin viele Meilen ausmacht, allenthalben ein Bette
von verſteinerten Meermuſcheln und Schnecken antrifft,
die in dieſem Bette gleichſam unzaͤhlig und neben einan-
der liegen. Hier iſt wohl keine andere Erklaͤhrung nur
einigermaßen moͤglich, als daß dieſes ehedem der Grund
des Meeres geweſen ſeyn muͤſſe, und dergleichen Bey-
ſpiele koͤnnten aus denen Naturforſchern ſehr haͤufig an-
gefuͤhret werden, wenn es noͤthig waͤre, dieſe Geſchichte
dadurch zu verlaͤngern.
ſeine Meynung abgeaͤndert, und in ſeinem bekannten
Dictionnaire dasjenige wiederrufen hat, was er vorhin
uͤber
werke der Natur, geſchrieben hatte. Er hat vielmehr
bekennet, daß er vollkommen uͤberzeuget ſey, die Verſtei-
nerungen waͤren dasjenige ehedem wirklich in der Natur
geweſen, was ſie noch jetzo vorſtelleten. Dieſes habe ich
zur Ehre des Herrn Bertrands hier anzufuͤhren nicht
unterlaſſen koͤnnen.
Schriftſtellern hauptſaͤchlich derjenige, welcher von der
Jnſul Atlantis Nachricht giebt; er ſaget ſelbſt, daß
er dieſe Nachrichten aus einer Handſchrift des Solons,
des Athenienſiſchen Geſetzgebers, genommen habe, wel-
cher dieſelben auf ſeinen Reiſen inſonderheit von denen
Egyptiſchen Prieſtern zu Theben erhalten habe. Es iſt
bekannt, daß Oberegypten, worinnen Theben lag, im
Verhaͤltniß gegen Niederegypten, eine hohe Lage hat,
und es kann mithin ſeyn, daß Oberegypten bey verſchie-
denen Veraͤnderungen der Pole von Ueberſchwemmun-
gen und Austretungen der Meere befreyet geblieben iſt,
dahero dann dieſe Prieſter, welche die Gelehrten des
Landes waren, von denen aͤlteſten Veraͤnderungen an
dem Weltcoͤrper gar wohl Nachricht haben konnten.
Veraͤnde-
die
grunde zu feſten und trockenen Lande geworden iſt, das
beweiſen ſo gar die Meeresmuſcheln, die daſelbſt auf
denen Bergen gefunden werden. Auf denen Bergen von
Chili hat man ſie faſt noch ganz unverſteinert in großer
Menge beyſammen entdecket, und noch allen den Glanz
an ihnen wahrgenommen, den friſche unverſteinerte Mu-
ſcheln nach ihrer Reinigung und Abputzen beſitzen. Man
ſehe des Herrn de la Condamine Reiſe in das ſuͤdliche
America, und auf dem Amazonenfluſſe, wegen Ausmeſ-
ſung der Erdgrade.
Erdkugel von ganz andern Menſchen, als wir, bewoh-
net wuͤrde, die nicht von Adam abſtammten, und alſo
auch von unſerer Natur und Beſchaffenheit verſchieden
waͤren. Sie nenneten dieſe Bewohner der ſuͤdlichen Halb-
kugel Antichtonen; und Cicero und Macrobius reden
von der Sache, als von einer gemeinen Meynung. Die
Uhrſache, warum ſie glaubten, daß die Antichtonen nicht
von Adam abſtammten, kam darauf an, weil die Nach-
kommen Adams nicht in dieſe ſuͤdliche Halbkugel haͤtten
gelangen koͤnnen; und in der That, da den Alten der
Gebrauch der Magnetnadel bey der Schifffahrt unbe-
kannt war, und ſie mithin ihre Schifffahrt nur an den
Ufern
hoͤchſt wahrſcheinlich ihren Uhrſprung denen Einwohnern
der alten Welt zu danken haben, und vermuthlich aus
dem aͤußerlichen nordlichen Europa dahin gekommen ſind;
indem wir nunmehro wiſſen, daß Europa und America
in ihren aͤußerſten nordlichen Theilen gar nicht weit von
einander entfernet ſind. Jn des Charleroix nouv. France
wird bemerket, daß die Eſquimaux ein Volk iſt, das in
dem nordlichen America von zwey und funfzig bis ſechzig
Grad Breite wohnet, an Farbe, Bart und Haaren
von allen natuͤrlichen Einwohnern der neuen Welt gaͤnz-
lich unterſchieden, und hierinnen denen Bewohnern der
alten Welt vollkommen gleich ſind. Man ſehe Samm-
lungen neuer Reiſen Iſter Theil S. 146.
und es waͤre denen Nachkommen Adams, wenn anders
unſere Zeitrechnung richtig waͤre, gaͤnzlich ohnmoͤglich
geweſen, uͤber ſo weite Meere zu ſchiffen.
Griechenland, und von ihrem Unterſchiede mit denen uhr-
ſpruͤnglichen Einwohnern ausfuͤhrliche Nachricht gege-
ben.
ſchreibung der Erdkugel V. Abtheil. Cap. III. § 153.
verſichert, daß dieſe Beobachtungen in Schweden auf
die Art, wie ich hier vorſchlage, an vielen Orthen ge-
ſchehen ſind. Er fuͤhret den Erfolg von dieſen Beob-
achtungen, und wie viel die Abnahme des Meeres an
jedem Bemerkungsorthe binnen gewiſſen Jahren betra-
gen hat, umſtaͤndlich an. So viel ich aus allen dieſen
einzelnen Beobachtungen habe ſchließen koͤnnen, ſo be-
traͤgt die Abnahme des Meeres bey Schweden in funf-
zehn bis zwanzig Jahren fuͤnf bis ſechs Zoll. Dieſes
iſt eine ſehr betraͤchtliche Abnahme. Jn hundert Jah-
ren gehrt ſie ſchon bis auf drey Fuß, folglich in tau-
ſend Jahren bis auf dreyßig Fuß, ſo, daß es ſehr be-
greiflich wird, wie die daͤniſchen Jnſuln, die ohnedem
keine Felſengebirge haben, binnen etwas mehr als tau-
ſend Jahren aus dem Meere haben hervorſteigen koͤn-
nen.
ich oben im zweyten Abſchnitte von denen verſchiede-
nen Erd- und Steinlagen, und denen dabey ſich deut-
lich veroffenbahrenden Spuhren und Kennzeichen einer
ehemahligen wiederholten Bewohnung der Oberflaͤche
beygebracht habe. Jnſonderheit iſt dasjenige merkwuͤr-
dig, was daſelbſt von denen Erd- und Steinſchichten
bey Langenſalze in Thuͤringen mitgetheilet worden. Es
zeiget
ſtarke Lage Torf, mit vielen Baumblaͤttern und Wur-
zeln vermiſchet, und wer kann wohl zweifeln, daß ein
ſolcher mit Wurzeln vermiſchter Torf nicht einſtmahls
die bewohnte Oberflaͤche geweſen. Ein ſolcher Torf
kann nirgends anders, als auf der Oberflaͤche wachſen
und entſtehen. Sodann findet ſich daſelbſt der deutlich-
ſte Beweis von einer zweyten Bewohnung der Erde in
denen haͤufigen Hirnſchaͤdeln, Pflaumenkernen, Kornaͤh-
ren und dergleichen, die in einer Steinlage verſteinert
gefunden worden. Denn alle dieſe Dinge ſetzen natuͤr-
lich und nothwendig eine vorhergegangene Bewohnung
der Erde voraus, ehe ſie durch eine Ueberſchwemmung
hier in dem Schlamme zuruͤckgelaſſen werden koͤnnen,
der hernach zu Stein geworden iſt.
Bewohnung in allen Laͤndern gefunden worden. Buccius
de Thermis erzaͤhlet, daß in einer Siebenouͤrgiſchen Salz-
grube unter dem Salz und deſſen Steinen eine Henne
in ihrem Reſte auf Eyern gefunden worden, die ganz
von Salze durchdrungen geweſen, ſowohl als ihre Eyer;
naͤmlich ſtatt der Verſteinerung, die ſonſt bey andern
Dingen unter der Erde ſtatt findet, iſt dieſe Henne mit
ihren Eyern zu Salz geworden. Jndeſſen iſt es ſchwehr
zu begreifen, daß die Henne bey der damahligen Ver-
wuͤſtung der Oberflaͤche ſich dennoch nicht von ihren
Eyern verſcheuchen laſſen. So treu und unablaͤßig dieſe
Thiere bey ihrer Bruth ſind, ſo geſchiehet es doch ſehr
ſelten, oder gar nicht, daß ſie die Lebensgefahr nicht
davon vertreiben ſollte.
terthums, die ſeit funfzehnhundert bis zweytauſend Jah-
ren durch allgemeine Zerſtoͤhrnngen ihren Untergang ge-
funden haben. Z. E. Ninive, Suſa, Perſepolls, Se-
leucia, und andern mehr, zeigen noch immer ihre Rui-
nen, und den Orth, wo ſie geſtanden haben, auf der
Oberflaͤche der Erde, ohne daß ſie nur einige Fuß, ge-
ſchweige denn zwoͤlf und mehre Fuß, in einem ſo langen
Zeitraume mit Erde bedecket worden waͤren.
Beſchreibung der Erdkugel II. Abtheil. V. Cap.
Predigers in Nordhauſen, Lyto-Theologie, und des
Herrn Bernardts bekanntes Dictionnaire nachleſen, wo
man von allen Arten der Verſteinerungen aus dem Thier-
reiche von ganzen menſchlichen Coͤrpern und allen Arten
von dazu gehoͤrigen Knochen von allen vierfuͤßigen Thie-
ren, Fiſchen und Gewuͤrmen, in verſchiedenen Abthei-
lungen und Articuln ausfuͤhrliche Beyſpiele anfuͤhren
wird.
det: daß zu Tiſtedahlen bey Friedrichshall in Norwe-
gen
Meeres erhaben, dieſes Wallfiſchgeribbe ſey gefunden
worden.
Reaumuͤr bey der Academie der Wiſſenſchaften zu Pa-
ris vorgeleſen hat, iſt in dem alten Hamburger Maga-
zin, in das Teutſche uͤberſetzet, eingedruckt worden.
heit der Steinkohlen wurden mir im Jahr 1756 mitge-
theilet;
ſolches von dem damahligen |Herrn Oberhauptmann des
Amtes Minden in einem Schreiben; und da derſelbe
dieſes Stelnkohlenwerk ſelbſt| bearbeiten ließ; ſo konnte
er von deſſen Beſchaffenheit allerdings die beſte Nach-
richt haben.
ner Oberflaͤche wird, deſto mehr Materie wird dazu er-
fodert, um denſelben ſo hoch zu bedecken. Jch will
hiervon ein anderes Beyſpiel geben, dadurch es begreif-
lich wird, wie der Raum von der ganzen innern Hoͤh-
lung der Erde mit Waſſer angefuͤllet nicht ſo viel Waſ-
ſer verſchaffen kann, um die Oberflaͤche der Erde nur
zwey Meilen hoch damit zu bedecken, da doch der ganze
Erddurchmeſſer wenigſtens ſechzehnhundert Meilen aus-
macht. Denenjenigen Gelehrten, welche annehmen,
daß die Planeten ſich in einem leeren Raume bewegen,
und
den, daß dieſe Weltcoͤrper durch nichts in ihrer Rich-
tung und Gleichgewicht erhalten wuͤrden, und daß alſo
keine Uhrſache vorhanden waͤre, warum ſie nicht aus
ihrer Laufbahn herausweichen und ſich in den unendli-
chen leeren Raum ſtuͤrzten. Mau hat hierauf geant-
wortet, daß es der Dunſt- und Luftcreis eines jeden
Planeten ſey, welcher denſelben in ſeiner Richtung und
Laufbahn erhielte. Und da die Luft, als ein ſehr leich-
tes Weſen, nicht zureichend zu ſeyn ſcheine, einem ſo
ſchwohren Erdcoͤrper das Gleichgewicht zu halten; ſo
hat man durch Berechnungen dargethan, daß die Luft,
ſo unſern Erdcoͤrper umgiebt, noch ſchwehrer ſey, als der
ganze große Erdklumpen. Man hat angenommen, daß
die Luft nur auf vier Meilen hoch unſern Erdcoͤrper
umgiebt, und daß ein Cudiefuß Luft ein halb Loth wie-
ge, als ſo ſchwehr ſolche unter der Luftpumpe befun-
den worden. Man hat gleichfalls angenommen, daß
der Erdcoͤrper ohne alle innere Hoͤhlungen, aus Erde,
Stein, Metall und Waſſer beſtehet, und von jedem Cu-
bicfuß von dieſer vermiſchten Materie ein groͤßeres Ge-
wichte feſtgeſetzet, als dieſelben in der That wiegen. Den-
noch hat die Ausrechnung gezeiget, daß die vier Meilen
Luft, ſo unſern Planeten umgiebt, ſchwehrer ſey, als
der ganze Erdcoͤrper. Die Luft iſt achthundertmahl
leichter, als das Waſſer. Hieraus kann man alſo leicht
einſehen, daß, wenn auch der ganze Erdcoͤrper inwen-
dig mit Waſſer erfuͤllet waͤre, ſolches dennoch ſeine Ober-
flaͤche bey weitem keine Meile hoch bedecken wuͤrde.
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CC-BY-4.0
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- Zitationsvorschlag für diese Edition
- TextGrid Repository (2025). Justi, Johann Heinrich Gottlob von. Geschichte des Erd-Cörpers aus seinen äusserlichen und unterirdischen Beschaffenheiten hergeleitet und erwiesen. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bptr.0