[][][][][][][]
Ueber
die buͤrgerliche Verbeſſerung
der
Juden


Zweyter Theil.

Mit Koͤnigl. Preußiſcher Freyheit.
Berlin und Stettin,:
bey Friedrich Nicolai.
1783.

[]

Mit dem beſten Grunde und ohne in die
dem Plato vorgeworfene Suͤnde zu verfallen,
koͤnnen in einer politiſchen Abhandlung ſelbſt
die unvermeidlichſten Hinderniſſe unberuͤhrt
gelaſſen werden, um nur deſto genauer zu be-
ſtimmen, was ſeyn ſolte. Das iſt ſchon ein
Großes, das vollkommenſte Principium zu
wiſſen; Vorurtheil und Mißbrauch ſtehen
dann in ihrer Bloͤße da, und man naͤhert ſich,
ſo viel man kann, dem Wahren, wenigſtens
entfernt man ſich nicht mehr davon mit gu-
tem Willen.

Sind Worte des franzoͤſiſchen Staatsminiſters d’Ar-
genſon; ſ. deutſches Muſeum
1783, S. 102.

[[1]]

Inhalt.


  • Einleitung.
    uͤber Abſicht und Plan dieſer Fortſetzung S. 3
    • 1. Hrn. Michaelis Beurtheilung des erſten
      Theils
      S. 31
    • 2. Anmerkungen uͤber dieſelbe von Hrn.
      Moſes Mendelsſohn
      S. 72
    • 3. Hrn. Michaelis Beurtheilung von
      Manaſſeh Ben Iſrael
      S. 77
    • 4. Hrn. Schwagers GedankenS. 89
    • Auszuͤge aus BriefenS. 112
  • Hauptſchrift.
    Pruͤfung der Gruͤnde, welche der Gleichmachung
    der Juden mit andern Buͤrgern des Staats uͤber-
    haupt entgegengeſetzt ſind.
    • I. Das den Juden verliehene Buͤrgerrecht, die ihnen
      ertheilte Faͤhigkeit Land zu beſitzen und ſich zu naͤh-
      ren, wie ſie koͤnnen, iſt kein Unrecht fuͤr die Nach-
      kommen der aͤltern Buͤrger, iſt wahrer Vortheil
      fuͤr dieſe. S. 154
    • II. Die in dem itzigen juͤdiſchen Religionsbegriff noch
      wirklich befindliche Vorurtheile, die trennende
      Unterſcheidung von andern Menſchen, die Erwar-
      tung eines Meßias und ſeines irrdiſchen Reichs,
      das Temperament der Juden ſind keine unuͤber-
      windliche Hinderniſſe der buͤrgerlichen und ſittli-
      chen Umbildung derſelben. Alle religioͤſe Lehrbe-
      griffe veraͤndern ſich almaͤhlig nach den Beduͤrf-
      niſſen des Staats, ſobald ihre Bekenner zahlrei-
      cher und nur nicht gedruͤckt werden. Beyſpiel des
      chriſtlichen. S. 171
    • III. Fortgeſetzte Beantwortung des Einwurfs, daß
      die Juden nicht zu Kriegsdienſten faͤhig ſeyn wuͤr-
      den. Wichtigkeit aber verſchiedene Staͤrke deſſel-
      ben in verſchiedenen Laͤndern. S. 222
    • Unterſuchung der wichtigſten Hinderniſſe, welche
      die Ausfuͤhrung des Plans zwar nicht unmoͤglich
      machen, aber doch ſie ſehr erſchweren und be-
      ſchraͤnken koͤnnten.
    • I. Schwierigkeit wegen des Ackerbaues. Sie iſt
      nicht ſo groß als man ſie vorſtellt. An Land fehlt
      es nirgend, aber allenthalben mehr oder weniger
      an Haͤnden um es noch vollkommner, als bis itzt,
      zu benutzen. Die Concurrenz juͤdiſcher Land-
      bauer kann den chriſtlichen nie ſchaͤdlich, muß ih-
      nen vielmehr vortheilhaft ſeyn S. 246
    • II. Schwierigkeit wegen der Handwerke. Urtheil
      uͤber die Zuͤnfte. Ungereimtheit der Ausſchlieſ-
      ſung wegen ſogenannter unehrlicher Geburt. Mit-
      tel die Juden zu Handwerkern, entweder mit
      oder ohne Aufnahme in die Innungen, zu ma-
      chen. S. 266
    • III. Beweis, daß die Juden einen den Chriſten ab-
      gelegten Eyd nicht fuͤr unverbindlich halten.
      Widerlegung der Eiſenmengerſchen Gruͤnde fuͤr
      dieſe Anklage. S. 300
  • Nacherinnerungen.
    • Verſchiedene litterariſche zu der Einleitung S. 349
    • Ueber die Deiſten in Boͤhmen S. 363
Einlei-
[[3]]

Einleitung.


Ich bin ſo gluͤcklich geweſen, die Abſicht,
welche ich bey dieſer Schrift mir vor-
geſetzt, ſo vollkommen zu erreichen,
wie es vielleicht nicht oft der Fall eines
Schriftſtellers ſeyn mag. Dieſe Abſicht war
keine andere als das Publikum auf einen ſei-
ner Aufmerkſamkeit ſehr wuͤrdigen, aber der-
ſelben bisher entgangenen Gegenſtand zu lei-
ten und uͤber denſelben, wo nicht durch eige-
ne, doch durch veranlaßte Unterſuchungen
Anderer das Licht zu verbreiten, welches ich
fuͤr das Gluͤck einer ſeit ſo vielen Jahrhunder-
A 2ten
[4] ten ſittlich und politiſch herabgewuͤrdigten
Nation und fuͤr das Intereſſe der Menſch-
heit uͤberhaupt ſo wie aller einzelner Staa-
ten, nuͤtzlich hielt. Der gluͤckliche Zu-
fall, daß ein erhabener Monarch gerade in
eben dem Augenblick einen Verſuch machte,
den Juden einen Theil der Rechte des Men-
ſchen und Buͤrgers wiederzugeben, da ich zu
beweiſen ſuchte, wie dieſes eben ſo menſchlich
als politiſch nuͤtzlich ſey, — dieſer mir ſehr
angenehme Zufall mußte natuͤrlich meiner klei-
nen Schrift noch mehr Intereſſe geben, als
meine Ausfuͤhrung ihr mitzutheilen faͤhig ge-
weſen waͤre. Und ſo wurde mein Zweck uͤber
meine Erwartung erfuͤllt. Ich habe den er-
munterndſten Beyfall im hoͤherm Grade, als
ich nach meiner Empfindung ihn verdiente,
erhalten. Viele der erleuchtetſten und beß-
ten meiner Zeitgenoſſen, — unter ihnen auch
einige der erhabenſten und allgemein geliebte-
ſten
[5] ſten unſerer Fuͤrſten — haben mir ihre
Beyſtimmung zu meinen Grundſaͤtzen be-
zeugt. Ich habe neue Unterſuchungen ſcharf-
ſinniger Maͤnner veranlaßt, wie ich es wuͤnſch-
te; ich habe Widerſpruch erfahren, wie ich
ihn voraus ſah. Zum Theil iſt mir derſelbe
hoͤchſt willkommen und belehrend, zum Theil
wenigſtens nicht befremdend geweſen, da ich
von dem tiefgewurzelten Vorurtheil ihn gera-
de ſo erwartete.


Die Gewohnheit macht oft, daß gewiſſe
Dinge auf den geſunden Verſtand und das
Menſchengefuͤhl auch mancher denkender und
redlicher Maͤnner nicht ſolche Eindruͤcke ma-
chen, als ſie ihrer Natur nach ſollten, —
bloß weil dieſe Dinge ſchon lange, wie ſie itzt
ſind, waren. Mancher ehrliche und ver-
ſtaͤndige weſtindiſche Plantagenbeſitzer kann
ſich vielleicht gar keinen Begriff von einer
A 3Geſell-
[6] Geſellſchaft machen, in der nicht einige Men-
ſchen, aller ihrer Menſchheit ohnbeſchadet,
von den Uebrigen wie das Vieh erbeigen-
thuͤmlich beſeſſen und behandelt werden. Und
ſo ſind auch unter uns viele aufgeklaͤrte, recht-
ſchaffene Maͤnner der feſten Meynung, daß
das Wohl unſerer buͤrgerlichen Verfaſſungen
ſchlechterdings erfordere, die Juden nach
Grundſaͤtzen zu behandeln, die ſie gegen alle
uͤbrige Menſchen eben ſo unbillig als unpoli-
tiſch finden, die ihnen aber bey den
Juden ganz in einem andern Lichte erſchei-
nen, bloß weil ſie gegen dieſe ſchon ſeit Jahr-
hunderten ausgeuͤbt worden. Solche Ge-
wohnheitsideen muͤſſen indeß ſicher allmaͤhlich
verſchwinden, wenn man ſich nur uͤberwin-
den kann, eine genaue und ſtrenge Pruͤfung
derſelben anzuſtellen, ihre Gruͤnde aufzuſu-
ſuchen, und beſonders bis zu der erſten Ent-
ſtehung derſelben heraufzugehn. Das beſte
Mit-
[7] Mittel den Beſitzſtand eines Vorurtheils kraͤf-
tig zu unterbrechen, iſt, den Mitteln nach-
ſpuͤren wie er erworben worden. Die Grund-
ſaͤtze der geſunden Vernunft und des natuͤrli-
chen Billigkeitsgefuͤhls treten alsdann wieder
in ihre Rechte ein, und es giebt Wahrheiten,
die nur geſagt und verſtanden werden duͤrfen,
um eine allgemeine Beyſtimmung zu erhal-
ten. Manche derſelben koͤnnen ſogar denen,
die von ihnen uͤberzeugt ſind, ſo einleuchtend
und klar ſcheinen, daß ſie es uͤberfluͤßig und
unnuͤtz halten, daruͤber ſich oͤffentlich zu er-
klaͤren; aber dieſes hat denn gerade die Fol-
ge, daß alle die mannichfachen Vorurtheile,
Beſtimmungen und Reſervationen ſich un-
geſtoͤrt bey dem groͤßern Theil erhalten und
wenigſtens die wirkende Kraft der im Allge-
meinen anerkannten Wahrheit aufhalten.
So mochten vielleicht manche Gelehrte zu
Thomaſius Zeit es fuͤr eine ſehr uͤberfluͤßige
A 4Sache
[8] Sache halten, ernſthaft zu beweiſen, daß es
keine Hexen gebe; aber haͤtte jener ewig
ruhmwuͤrdige Mann dieſen Beweiß nicht ge-
fuͤhrt, ſo waͤre vielleicht noch itzt manche un-
ſchuldige Matrone nicht vor dem Scheiter-
haufen ſicher und manches Vorurtheil waͤre
vielleicht noch unerſchuͤttert, das erſt nach
dem Umſturz eines ſolchen Hauptpfeilers des
Aberglaubens fallen konnte. — Das Ver-
dienſt Unterſuchungen der Art zu veranlaſſen,
iſt alſo von Seiten der dazu gehoͤrigen Talen-
te meiſtens klein, aber es kann fuͤr die
menſchliche Geſellſchaft oft nuͤtzlicher und
wohlthaͤtiger werden, als die ſcharfſinnigſten
und muͤhſamſtin Arbeiten der Gelehrten.


Daß die Juden Menſchen, wie alle uͤbri-
gen, ſind; daß ſie alſo auch, wie dieſe, be-
handelt werden muͤſſen; daß nur eine durch
Barbarey und Religionsvorurtheile veranlaß-
te
[9] te Druͤckung ſie herabgewuͤrdiget und ver-
derbt habe; daß allein ein entgegengeſetztes,
der geſunden Vernunft und Menſchlichkeit
gemaͤßes Verfahren ſie zu beſſern Menſchen
und Buͤrgern machen koͤnne; daß das Wohl
der buͤrgerlichen Geſellſchaften erfodere, kei-
nen ihrer Glieder den Fleiß zu wehren und
die Wege des Erwerbs zu verſchließen; daß
endlich verſchiedene Grundſaͤtze uͤber die Gluͤck-
ſeligkeit des kuͤnftigen Lebens nicht in die-
ſem, buͤrgerliche Vorzuͤge und Laſten zu Fol-
gen haben muͤſſen: dieß ſind ſo natuͤrliche und
einfache Wahrheiten, daß ſie richtig verſte-
hen und ihnen beyſtimmen, beynahe eins iſt.
Indeß ſo geneigt man auch ſeyn mag, dieſe
Grundſaͤtze im Allgemeinen zuzugeben, ſo iſt
man doch einmal an die ihnen entgegengeſetz-
ten Meynungen ſchon ſo lange gewoͤhnt,
und die denſelben widerſprechende Einrichtun-
gen ſcheinen ſo innigſt in unſre ganze Ver-
A 5faſ-
[10] faſſung verflochten, daß man ſich nicht leicht
uͤberwinden kann, ſie ſo ganz fehlerhaft zu
glauben; wenigſtens duͤnkt es uns, daß
Dinge, die ſchon ſo lange auf eine gewiſſe
Art geweſen ſind, nicht ohne die nachtheilig-
ſten Folgen wuͤrden anders ſeyn koͤnnen.
Man nimmt alſo lieber in dieſen beſondern
Faͤllen Ausnahmen von den Grundſaͤtzen an,
deren Richtigkeit im Allgemeinen man nicht
verkennen kann.


Und allerdings hat es wohl fuͤr Jeden,
der die Welt nicht bloß aus Buͤchern, ſon-
dern ſo wie ſie wirklich iſt und ſeyn muß,
kennt, ſeine nicht zu bezweifelnde Richtigkeit,
daß alle oft auch noch ſo nuͤtzliche und nothwen-
dige Abaͤnderungen in manchem einzelnen Lan-
de und unter gewiſſen beſtimmten Umſtaͤnden
Schwierigkeiten finden, die mehr oder min-
der und oft gar nicht uͤberwunden werden
koͤn-
[11] koͤnnen. Die mannigfachen Verbindungen,
worinn die verſchiedenen Staatseinrichtun-
gen mit einander ſtehn, die gegenſeitigen Ein-
wirkungen derſelben, machen dieß nothwen-
dig. Wenige politiſche Reformen koͤnnen
daher gerade ſo in beſtimmten Laͤndern aus-
gefuͤhrt werden, wie ſie ein auch noch ſo gut
entworfener Plan im Allgemeinen ohne auf
Local-Hinderniſſe Ruͤckſicht zu nehmen, an-
gegeben, und die genaueſte Copie einer ſehr
vollkommnen politiſchen Verfaſſung in einem
Staat kann in einem andern ſehr fehlerhaft
ſeyn und gerade die entgegengeſetzten Folgen
hervorbringen. Wenn der Arzt Panaceen
die unter allen Umſtaͤnden gleiche Wirkun-
gen hervorbringen, verwirft, ſo hat der Po-
litiker gewiß gleichen Grund ſich gegen ſie zu
erklaͤren. Seine ganze Wiſſenſchaft beſteht
in der genaueſten Kenntniß der Umſtaͤnde,
unter denen er handeln ſoll, und der Erfor-
ſchung
[12] ſchung der Mittel, die nach ihnen die beſten
ſind. Einen großen Regenten oder ſeine
weiſen Rathgeber nachahmen, heißt nicht ge-
rade thun, was ſie thaten, ſondern den Ver-
ſtand beweiſen, den ſie in unſrer Lage be-
wieſen haben wuͤrden
.


Aber Niemand wird hieraus die Folge
ziehen, daß es nicht nuͤtzlich ſey, gute Ein-
richtungen in fremden Staaten zu kennen und
zu ſtudiren, oder allgemeine Plane zu poli-
tiſchen Verbeſſerungen zu entwerfen. Nur
muß man hier das Geſchaͤft eines Jeden un-
terſcheiden. Der Ausfuͤhrer in einem beſon-
dern Lande muß die Modificationen zu finden
wiſſen, die ſein beſtimmtes Local nothwendig
macht; aber der Entwerfer, der Schriftſtel-
ler, der nicht einen beſondern Staat im Au-
ge hat, kann dieſe Modificationen nicht in
ſeinen Plan bringen. Er darf es nicht weil
ſein
[13] ſein und des Leſers Blick durch dieſe mannich-
fache einzelnen Theile zu ſehr aufgehalten und
verwirrt wird. Jeder, weſſen Geſchaͤft iſt,
eine Sache im Großen zu uͤberſehn und zu
bearbeiten, muß fuͤr den doppelten Fehler ſich
huͤten, das Detail nicht genug zu kennen,
und daher unrichtige Abſtractionen zu ma-
chen, oder ſich zu lange bey ihm zu verwei-
len, und dem Theile die Aufmerkſamkeit zu
widmen, die nur dem Ganzen gehoͤrte.
Wer einen allgemeinen Plan entwirft, darf
nur die Schwierigkeiten, die in dieſen Ein-
fluß haben koͤnnen, berechnen, kleinere nur
von beſondern Umſtaͤnden abhaͤngige, muß er
uͤberſehn, wenn ſie auch ſeinem Nachdenken
entgegen kommen. Ihre Betrachtung zer-
ſtreuet ihn; ſie heben ſich von ſelbſt, wenn
das Ganze des Plans ausfuͤhrbar iſt. Dem
Schriftſteller, der einen politiſchen Plan ent-
wirft, muß es alſo genug ſeyn, die Vorthei-
le,
[14] le, welche derſelbe in allen Staaten hervor-
bringen muͤßte, und die allgemeine Moͤglich-
keit ſeiner Ausfuͤhrung zu zeichnen, und nur
Mittel anzugeben, wie die allgemeinſten und
wichtigſten Schwierigkeiten zu uͤberwinden
ſeyn duͤrften. Ich ſchmeichle mir dieſe Pflich-
ten in meiner Schrift erfuͤllt zu haben, in der,
nur in den Schranken des allgemeinen poli-
tiſchen Unterfuchers mich zu halten, mein
Zweck war. Ich wollte nach denſelben nur
uͤber die beſſere Bildung der Juden fuͤr die
buͤrgerliche Geſellſchaft uͤberhaupt mei-
ne Gedanken eroͤfnen, ohne auf dieſen oder
jenen Staat beſondere Ruͤckſicht zu nehmen.
Alle beſondere Local-Hinderniſſe lagen auſſer-
halb meines Plans. Aber ein weſentlicher
Nutzen, den ich mir von meiner Schrift ver-
ſprach, war dieſer, daß andere denkende
Maͤnner veranlaßt wuͤrden, dieſe beſondere
Hinderniſſe und Schwierigkeiten einzelner
Laͤn-
[15] Laͤnder oder auch allgemeinere, als ich geglaubt
hatte, genau darzuſtellen und die Mittel,
ihnen zu begegnen, entweder ſelbſt anzuzei-
gen oder hiezu wieder Andern Gelegenheit zu
geben.


Je genauer, ſtrenger, vielſeitiger eine
politiſche Materie in allen ihren Theilen, mit
allen Beziehungen, deren ſie faͤhig iſt, auf[-]
gehellt, je mehr ſie bis in ihre einfachſte Ele-
mente aufgeloͤßt wird; deſto beſſer fuͤr die
Wahrheit und das Wohl der Menſchheit,
und nur dieſe waren mein Ziel, unbekuͤm-
mert ob ich ſelbſt oder Andre, deren Lauf ich
veranlaßte, ihm naͤher geruͤckt ſeyn moͤchten.


Mehrere wuͤrdige Maͤnner haben gerade
auf dieſe Art, wie ich es wuͤnſchte, meine
Unterſuchungen weiter fortgefuͤhrt, ſie ge-
nauer beſtimmt, berichtigt und auch mir zum
neuen
[16] neuen Nachdenken Stoff gegeben. Wenn das
Reſultat deſſelben, welches ich hier mittheile, ei-
nigermaſſen erheblich gefunden werden ſollte;
ſo iſt dieß das Werk der einſichtsvollen und er-
leuchteten Maͤnner, welche theils auf meine
Bitte und aus perſoͤnlicher Freundſchaft,
theils aus reiner Wahrheitsliebe und ohne
daß ich Ihnen bekannt zu ſeyn, vorher das
Gluͤck hatte, mir Ihre Gedanken uͤber meine
Schrift mitzutheilen die Guͤte gehabt haben.
Es iſt dieſes zum Theil in Privatbriefen
geſchehen; aus verſchiedenen derſelben finde
ich es rathſam diejenigen Stellen, welche
Anmerkungen uͤber mein Buch enthalten,
hier mitzutheilen, da die eignen Worte ſo
verſchiedener, denkender Maͤnner ihre Ge-
ſichtspunkte und Ideen deutlicher und ge-
treuer darſtellen werden. Ich will dabey
noch bemerken, daß die meiſten Verfaſſer die-
ſer Briefe Maͤnner von Geſchaͤften ſind. Un-
ſere
[17] ſere zahlloſen Journale und gelehrten Blaͤtter
haben meiſtens nicht Raum zu ausfuͤhrlichen
Beurtheilungen neuer Buͤcher. Die mei-
ſten haben das meinige nur zu guͤtig angezeigt,
viele, auch einzelne Bemerkungen gemacht, die
ich mit Dank erkenne und von denen keine,
die mir zu Geſicht gekommen, bey mir unge-
nutzt geblieben iſt. Aber zwey meiner Be-
urtheiler ſind vorzuͤglich recht tief in das Ganze
meiner Ideen eingegangen; ſie haben mit mir
fortgedacht, die Moͤglichkeit der Ausfuͤhrung
meines Plans erforſcht, die Schwierigkeiten,
die ihm entgegen ſtehn, abgewogen, mich
und das Publikum belehrt und vorzuͤglich
Stoff zum weitern Nachdenken geliefert. Der
eine dieſer Maͤnner iſt der Herr Ritter Mi-
chaelis
welcher in dem 19ten Theile ſeiner
Orientaliſchen Bibliothek eine ausfuͤhr-
liche Beurtheilung meiner Schrift gegeben
hat; der andere, der Verfaſſer der Recenſion
Bin
[18] in der allgem. deut. Bibl.Lter B. I. St. S.
301. Letztern bezeichnen ſeine Bemerkungen
als einen Mann von vieler practiſchen Ge-
ſchaͤftskenntniß, die er mit einem hohen Gra-
de von Scharfſinn und Menſchlichkeit verbin-
det. Seine Beurtheilung iſt gerade eine ſol-
che, wie ich ſie mir wuͤnſchte. Die Art, wie
er Schwierigkeiten ſcharfſinnig bemerkt, be-
weiſet ſein Verlangen ſie gehoben zu ſehen,
und ſein Widerſpruch hat mir die groͤßte Ach-
tung fuͤr ihn eingefloͤßt. Ich werde auf den-
ſelben vorzuͤglich Ruͤckſicht nehmen, und ich
erſuche alle meine Leſer, dieſe Beurtheilung
mit Aufmerkſamkeit zu leſen, ehe ſie mit mir
weiter fortgehen.


Die Beurtheilung des Hrn. Ritter Mi-
chaelis
ruͤcke ich hier ganz ein, da ſie in ei-
nem nur fuͤr orientaliſche Gelehrte beſtimmten
Journal wahrſcheinlich den wenigſten Leſern
mei-
[19] meiner Schrift ſo bekannt werden duͤrfte, als
ſie verdient. Ich bin dieſem beruͤhmten Ge-
lehrten fuͤr die Aufmerkſamkeit, der er meine
Schrift wuͤrdigen wollen, und fuͤr die vielen
ſcharfſinnigen Bemerkungen den verbindlich-
ſten Dank ſchuldig, und meine Hochachtung
fuͤr ſeine gelehrten Verdienſte iſt dadurch noch
vermehrt worden. Ich fuͤge dieſen Beurthei-
lungen noch eine dritte bey, welche der ſchon
durch mehrere Schriften bekannte Hr. Predi-
ger Schwager in den Mindenſchen In-
telligenzblaͤttern
geliefert hat, und die mir
beſonders wegen der guten practiſchen Bemer-
kungen einer weitern Bekanntmachung ſehr
werth ſchien.


Auſſerdem hat meine Schrift auch noch
zwey andere ſehr wichtige und ſchaͤtzbare ver-
anlaßt, den Anhang welchen Hr. Moſes
Mendelsſohn
in ſeiner vortreflichen, wei-
B 2ſen
[20] ſen Vorrede zu Manaſſeh Rettung der
Juden
geliefert und die Anmerkungen von
J. C. U. (Hr. Prof. und D. Unzer) welche
zu Altona herausgekommen ſind. Ich em-
pfehle beyde Allen, denen ſie bisher unbekannt
geblieben ſeyn moͤchten, und denen dieſe Ma-
terie der genauern Unterſuchung werth ſcheint.


Alle die wuͤrdigen Maͤnner, die ich bis-
her genannt, ſtimmen mit mir in dem Grund-
ſatze uͤberein, daß die Juden, Menſchen,
wie wir uͤbrigen, auch ſind; ſie glauben mit
mir, daß ihre Verderbtheit und Herabwuͤrdi-
gung wenigſtens vorzuͤglich von den aͤuſſern
Umſtaͤnden, in denen ſie ſich bisher befunden,
herruͤhren, und daß es hoͤchſt wichtig ſey, ſie
zu beſſern und gluͤcklichern Menſchen, zu
brauchbarern Gliedern der Geſellſchaft zu ma-
chen. Nur uͤber die Moͤglichkeit dieſe ungluͤck-
liche Nation ſo umzubilden und uͤber die Mit-
tel
[21] tel der Ausfuͤhrung denken ſie mehr oder weni-
ger von mir verſchieden. Mit dieſen Maͤn-
nern kann ich alſo die Unterſuchung weiter fort-
fuͤhren, mich naͤher erklaͤren, das vorher Ge-
ſagte genauer entwickeln, beſtimmen, das Un-
richtige verbeſſern kurz entweder ihre Ideen zu
den meinen, oder meine zu den Ihren ma-
chen, — auch vielleicht die Wahrheit in der
Mitte von beyden finden.


Sonderbar genug habe ich aber auch Geg-
ner gefunden, welche jenen Grundſatz von
der allgemein gleichen Beſchaffenheit der
menſchlichen Natur nicht anerkennen, welche
die Juden — gewiß ein fuͤrchterlicher Gedan-
ke — fuͤr unverbeſſerlich, fuͤr Geſchoͤpfe
halten, die durch ihre unabaͤnderliche Natur
dazu beſtimmt ſind, immer und ewig dem
uͤbrigen menſchlichen Geſchlecht Schaden und
ſich ſelbſt ſittliches und politiſches Elend zu
B 3berei-
[22] bereiten, die nur gerechter Zwang und Druck
anhalten kann, das mindeſte Boͤſe zu thun.
Mit dieſen Gegnern kann ich nicht ſtreiten;
unſere Principia ſind einander ſo gerade ent-
gegen, daß unſere Reſultate ſich nie naͤhern
koͤnnen. Wenn dieſe Maͤnner Recht haben,
ſo muß man die Juden von der Erde vertil-
gen, damit ſie nicht laͤnger, ein redender Ein-
wurf, der weiſen Guͤte Deſſen widerſpre-
chen, der ſie gemacht und bisher geduldet hat.
Eine Verſperrung dieſer ungluͤcklichen Ab-
art
des Menſchengeſchlechts (einer unbegreifli-
chern als aller, die der Naturkuͤndiger bisher
aufgezaͤhlt hat) auf eine wuͤſte Inſel iſt viel-
leicht ſchon eine Verletzung der Selbſterhal-
tung, welche der groͤßere Theil des menſchli-
chen Geſchlechts ſich ſchuldig iſt.


Leider! muß ich unter dieſen Gegnern auch
einen ſonſt achtungswuͤrdigen Gelehrten be-
mer-
[23] merken, den Beurtheiler meiner Schrift in
den Goͤttingiſchen gelehrten Anzeigen
(Zug.
1781. St. 48.) Er beantwortet
meine Frage: „Ob es nach den allgemeinen
„Geſetzen der menſchlichen Natur moͤglich
„ſey, daß der Jude, wenn ihm gleiche La-
„ſten und Rechte mit ſeinen Mitbuͤrgern be-
„willigt wuͤrden, dieſe noch immer ſo wie itzt,
„unter ſo ganz verſchiedenen Umſtaͤnden, haſ-
„ſen werde?“ bejahend, weil der Jude,
Jude
ſey. — Alles alſo, was Erziehung,
Aufklaͤrung, aͤuſſere Lage ſonſt vermoͤgen,
iſt bey ihm umſonſt. Ich geſtehe, daß ich
mir von einer durchaus unverbeſſerlichen
Menſchen-Raçe (denn von Individuis iſt
natuͤrlich die Rede nicht, und ich habe ſelbſt
die Folgen der mildern Behandlung der Ju-
den erſt auf die kuͤnftigen Generationen be-
ſtimmt) keinen Begriff machen kann; ſie
ſcheint mir ein Widerſpruch wider alle Pſy-
B 4cholo-
[24] chologie, wider alle Geſchichte und Erfah-
rung. — Eben dieſer Gelehrte fuͤhrt die
Sehnſucht der alten Iſraeliten nach
den Fleiſchtoͤpfen Egyptens
als einen
Grund an, um ihre heutigen Nachkommen
der Rechte des Menſchen und Buͤrgers un-
wuͤrdig und ihrer Pflichten unfaͤhig zu hal-
ten. — Einem ſolchen Argument kann ich
freylich nichts entgegenſetzen, nur wuͤnſche
ich uns uͤbrigen Europaͤern Gluͤck, daß unſere
Geſchichte nicht ſo weit hinaufgeht, und man
wenigſtens nicht ſo alte Thorheiten unſerer
Vorfahren uns zum Verbrechen rechnen kann.
Aber wie groß muß noch die Macht des Vor-
urtheils ſeyn, da es in einem ſo hellen Kopfe
noch ſolche faſt unglaubliche Spuren zuruͤck-
gelaſſen hat.


Eine ausfuͤhrliche dieſer Materie gewid-
mete Schrift:
Unter-
[25]

  • Unterſuchung ob die buͤrgerliche
    Freyheit den Juden zu geſtatten
    ſey von F. S. Hartmann. Berlin

    1783. 8.


hat meine Erwartung getaͤuſcht. Da
ſie nach der meinigen erſchien und auch
derſelben vorzuͤglich entgegen geſetzt iſt, ſo
haͤtte ich gewuͤnſcht, daß der Hr. Verfaſſer
Gruͤnde und Gegengruͤnde unpartheyiſch und
ſtrenge gepruͤft, das Fehlerhafte meiner Vor-
ſchlaͤge entwickelt und beſſere an ihre Stelle
geſetzt haͤtte. Er hat dieß nicht gethan, und
nach meiner Einſicht, die Unterſuchung nicht
weiter gebracht, da die erheblichen Einwuͤrfe
ſchon von andern mit weit mehr Staͤrke und
Beſtimmtheit dargeſtellt ſind. Seine Ideen
duͤnken mich noch nicht entwickelt und hell ge-
nug zu ſeyn, und ich verzeihe es ihm daher gern,
daß er mich unaufhoͤrlich mißverſteht, den Geiſt
meiner Schrift ganz verfehlt und mir Be-
B 5haup-
[26] hauptungen Schuld giebt, an die ich nicht
gedacht habe und nach dem ganzen Zuſam-
menhang meiner Grundſaͤtze und nach dem
geſunden Menſchenverſtande unmoͤglich den-
ken konnte *). Ich verlaſſe mich hierinn ge-
troſt darauf, daß mein kleines Buch da iſt,
und daß billige Leſer mich nur nach dem, was
ich
[27] ich wirklich geſagt habe, nicht nach dem, was ein
Dritter ſagt, daß ich geſagt haͤtte, beurthei-
len werden. Beleidigender iſt es mir aufge-
fallen, daß Hr. H. in ſeiner ganzen Schrift
Abneigung und Haß gegen die ungluͤckliche
Nation zeigt, wovon doch ein unpartheyiſcher
Wahrheitsforſcher ſich vorzuͤglich rein halten
ſollte; daß er von ihren Vertheidigern (wie
er ſie nennt) die ihm doch nichts gethan ha-
ben, als daß ſie nicht der Meynung des Hrn.
H. ſind *), immer in einem beleidigenden
Tone ſpricht, und daß er uͤberall nicht mit
dem Ernſt und Wuͤrde redet, die eine Ma-
terie fodert, welche fuͤr die Menſchheit ſo
wichtig iſt. Zu dem Letztern rechne ich auch
das
[28] das Spoͤtteln uͤber gewiſſe Geſchichten der al-
ten juͤdiſchen Nation, die mit einer Unterſu-
chung uͤber die buͤrgerliche Beſſerung der itzi-
gen Juden gerade ſo viel Verbindung haben,
als die Begebenheiten unter Koͤnig Numa
mit Polizeyanſtalten fuͤr die heutigen Roͤmer.


Eine in Prag mit ausdruͤcklich auf dem
Titul bemerkter Bewilligung der K. K. Cen-
ſur gedruckte Schrift:


  • Ueber die Unnuͤtz- und Schaͤdlichkeit
    der Juden im Koͤnigreiche Boͤ-
    heim und Maͤhren.

verdient kaum eine Erwaͤhnung. Sie iſt
nichts als ein Gewebe poͤbelhafter Schimpf-
reden in dem niedrigſten Tone ausgeſchuͤttet.
Chronikenmaͤßig zaͤhlt der V. Brunnenver-
giftungen, Aufruhr und Verjagung *) der
Juden
[29] Juden her, giebt ihnen alles Ungluͤck ſeines
Vaterlandes Schuld und haͤuft die haͤrteſten
Vorwuͤrfe gegen die ungluͤcklichen Hebraͤer
ohne um die Urſachen derſelben, wenn ſie
auch in Manchem gegruͤndet ſeyn moͤgen, ſich
zu bekuͤmmern. Ich finde es indeß gar nicht
unrecht, daß es erlaubt worden, dieſe Schrift
zu drucken, nur wundert es mich ein wenig,
daß eine Cenſur, die noch ſo viele der vor-
treflichſten deutſchen Schriften von den oͤſter-
reichiſchen Graͤnzen abhaͤlt, die, aller ſo ſehr
geprieſenen Preßfreyheit ohngeachtet, nur all-
maͤhlig auf beſonderes Anſuchen, einzelnen
klaſſiſchen Werken den Eintritt und die Allge-
meine
*)
[30]meine deutſche Bibliothek nur continuan-
tibus
erlaubt, — daß eben dieſe Cenſur bey ei-
ner ſo elenden, auf die Unterhaltung menſchen-
feindlicher Geſinnungen abzweckenden Schrift
ihre Bewilligung ausdruͤcklich zu erklaͤren gut
gefunden hat. —


Ich liefere nun zuerſt die Anmerkungen
wuͤrdiger Maͤnner uͤber meine Schrift und
denn diejenigen, zu denen dieſe und andere
vorher angefuͤhrte Beurtheilungen mich ver-
anlaſſet haben.


1. Hr.
[[31]]

1.
Hr. Ritter Michaelis Beurtheilung.

Ueber die buͤrgerliche Verbeſſerung der Ju-
den von Chriſtian Wilhelm Dohm.


Ein wichtiges und ſehr wohlgeſchriebenes Buch
(dis ſagt einer, der in vielen Stuͤcken verſchie-
den denket) daß die Abſicht hat, den Juden voͤllig
gleiche Buͤrgerrechte mit uns in unſern Staaten zu
verſchaffen. Herr Kriegesrath Dohm glaubt, die
Moral des juͤdiſchen Volks koͤnnte, wenigſtens in
drey bis vier Menſchenaltern, wenn ſie nicht ſo un-
terdruͤckt, und dabey blos auf die Handlung einge-
ſchraͤnkt wuͤrden, ſondern ihnen alle Gewerbe offen
ſtaͤnden; gebeſſert und das Volk allgemeinnuͤtzlicher
werden. Dieſe moraliſche Beſſerung eines ganzen
Volks, das unter uns wohnt, wuͤrde Guͤte und
Menſchenliebe ſeyn, dabey aber auch wahre Politik,
denn auf Bevoͤlkerung und Reichthum des Staats
beruhe ſeine Macht, man ſuche, oft mit großen Ko-
ſten, die Volksmenge durch Coloniſten zu vermehren,
die
[32] die aber gemeiniglich wieder davon giengen: es ſey
ja beſſer, einem thaͤtigen und nahrhaften Volk, das
man ſchon im Lande hat, und ſich ſehr vermehret,
Acker einraͤumen, und ſeine Vermehrung auf keine
Weiſe einſchraͤnken oder hindern. Dabey gehet ſeine
Abſicht nicht eigentlich auf die reichen Juden, die
werden, wie er ſelbſt bemerkt, noch ſo ziemlich aufge-
nommen, den Armen hingegen ſelbſt der Sitz im
Lande verweigert; ſondern gerade auf dieſe Armen,
die doch brauchbare Haͤnde haben, und eben ſo gut,
als wir, Menſchen ſind. Dis unterſcheidet ſeine
Schrift ſehr von dem in England vorgeweſenen Na-
tionaliſations-Project, von dem ich freilich glaube,
es wuͤrde nun ſchon ſchaͤdliche Folgen haben, wenn
es nicht wiederrufen waͤre: auch faͤllt dadurch der
Verdacht weg, daß dis eine von reichen Juden be-
zahlte Schrift ſey, und wenn Herr D. der Advocat
des aͤrmern Theils der Juden mit Vorbeygehung der
reichen wird, ſo kann man wohl nicht anders den-
ken, als er ſchreibt aus Ueberzeugung.


Nach dieſer kurzen Ueberblickung des Ganzen
gehoͤrt, wie jeder ſieht, dis Buch nicht ſowohl in
eine orientaliſche, als politiſche Bibliothek, die auſſer
meinem Geſichtskraiß iſt: weil aber verlangt ward,
daß ich meine Meynung daruͤber ſagen ſollte, (et-
wan
[33] wan aus dem Zutrauen, daß ich die juͤdiſche Religion
genauer kennete, oder, weil ich uͤber das Moſaiſche
Recht geſchrieben habe) ſagen, ob in der Verfaſſung
und Religion des juͤdiſchen Volks etwas ſey, das
Herrn D. Vorſchlag unthunlich machte, oder beguͤn-
ſtigte, ſo thue ich es freymuͤthig, aber zugleich mit
der zweifelnden ſorgfaͤltigen Aufmerkſamkeit, die die
Wichtigkeit der Sache erfodert: denn es iſt moͤglich
daß Staͤrke oder Schwaͤche großer Reiche von dem
den Juden ertheilten vollem Buͤrgerrechte die Folge
ſind, aber langſam, und denn unhintertreiblich.
Nur recenſire ich das Buch nicht eigentlich, gebe
nicht einen vollſtaͤndigen Auszug, ſondern meine
Meynung, und wer die verſtehen will, muß es ſelbſt
leſen.


Zuvoͤrderſt einige Hauptſaͤtze, in denen wir ei-
nig ſind, und die in das folgende Einfluß haben.


Herr D. geſtehet aufrichtig, was bisweilen ei-
nige Vertheidiger der Juden nicht zugeben wollen,
daß das juͤdiſche Volk laſterhafter und verdorbener
ſey, als andere Europaͤer: allein er ſucht die Urſache
davon in den Umſtaͤnden, in denen es lebt, verach-
tet, gedruͤckt, und gezwungen faſt blos von der
Handlung zu leben. Herr D. kann ſchwerlich wiſ-
ſen, wie genau wir hier uͤbereinſtimmen, und daß
Cich
[34] ich eben dis vor 30 Jahren a[n] einer Stelle, die ich
ſelbſt nicht einmahl wieder auffinden kann, in den
Goͤttingiſchen gelehrten Anzeigen geſagt habe. Ich
will meine Meinung ſagen, wie ich ſie damals hatte,
und noch jetzt habe; ſie geht aber noch um einen
Schritt weiter, als Herrn D. ſeine, der von Be-
truͤgereyen der Juden redet.


Daß die Juden laſterhafter ſind als, wenigſtens
wir Deutſchen, zeiget ſich am ſtaͤrkſten aus den Die-
bes-Inquiſitions-Acten. Vielleicht die Haͤlfte der zu
den Diebesbanden gehoͤrigen, oder doch um ſie wiſ-
ſenden, ſind Juden, und ſchwerlich machen die Ju-
den den fuͤnfundzwanzigſten Theil der Einwohner
Deutſchlands aus: giebt nun dieſer 1/25 Theil eben
ſo viel Spitzbuben, als die ganze deutſche Nation
aufſtellen kann, oder gar noch mehr, ſo folget, daß
die Juden, wenigſtens in Abſicht auf dis Laſter, das
wir fuͤr das niedrigſte halten, 25 oder noch mehr
mal laſterhafter ſind, als andere Einwohner Deutſch-
lands. Aber die Sache laͤßt ſich auch gar wohl be-
greifen: ein Volk das, nicht blos von Handlung,
(das waͤre meiner Meynung nach nicht gefaͤhrlich,
denn der groſſe Handel macht ehrliche Leute, de-
ren Wort wie baar Geld iſt, und hierin bleibe ich
einen Schritt hinter Herr D. zuruͤck, der von Hand-
lung
[35] lung *) uͤberhaupt redet) ſondern von der kleinen Hand-
lung leben muß, noch dazu von der Troͤdelhandlung,
bey der taͤglich die Verſuchung eintritt, geſtohlne
Waare zu kaufen, wird laſterhafter werden als wir,
ſonderlich, wenn bey ihm dadurch, daß er ſich alle
Verachtung gefallen laſſen muß, die Ehre ganz aus-
geloͤſchet wird. Man nehme einem die Ehre, und
das noch dazu einem Armen, fuͤr den ſein Vermoͤ-
gen nicht Geiſſel ſtellt, ſo hat man den vollkommen-
ſten laſterhaften, den hominem perditum der Lateiner.
— — Auch noch dieſe Anmerkung ſey mir erlaubt:
die ſehr laſterhaften, die haͤufigen Genoſſen der
Spitzbubenbanden, findet man im juͤdiſchen Volk
meiſtens nur unter den Armen, wenigſtens armge-
bohrnen, wenn ſie ſich auch durch ihren Zuſammen-
hang mit groſſen Spitzbubenbanden ſo viel Reich-
thum erwerben, daß hernach fromme chriſtliche Fuͤr-
ſten ihnen fuͤr einige tauſend Thaler Schutz gegen
auswaͤrtige Inquiſitionen verleihen: aber wirklich
unter reichen, das iſt reichgebohrnen Juden, oder
auch nur unter mittelmaͤßigen, findet man ſelten die-
ſelbe Laſterhaftigkeit. Sie iſt alſo wohl bey jenen
deſto klaͤrer Folge der tiefen Armuth, die ſchon nach
C 2der
[36] der Bibel (Spruͤche Sal. 30, 8. 9.) und nach den
Erfahrungen der Vorſteher der Armenkaſſen, gar
nicht der Weg zur Tugend ſeyn ſoll.


Auch in dem bin ich mit ihm einig, was er
S. 91 und 92 von der vortheilhaften Seite des Na-
tionalcharacters der Juden ſagt, wiewohl einiges
vom Scharfſinn in Handlungsſachen auf das
curis acuens mortalia corda,
auf ihre jetzige Unterdruͤckung zu rechnen iſt, und
wegfallen wuͤrde, wenn ſie bequemer leben koͤnnten.
Ich ſetze nur noch eins hinzu: die Juden haben ſehr
viel Nationalſtolz, wozu ihr Begriff von ſich als
dem Volke Gottes wol nicht wenig beytraͤgt, ich will
aber auch nicht widerſprechen, wenn man einen Theil
davon auf das Temperament der Nation, das un-
veraͤndert bleibt, weil ſie ſich nicht mit andern ver-
miſcht, rechnete. Dis iſt nun wieder kein veraͤcht-
licher Character, eine Nation ſoll ſich ſelbſt ſchaͤtzen:
aber es hat auch eine widrige Seite, und der groͤßte
Theil der Juden wird unertraͤglich, ſobald er zu Eh-
ren kommt. Es giebt Ausnahmen, ich habe ſelbſt
ſehr beſcheidene Juden von groſſen Mitteln geſehn:
aber ſie ſind doch ſelten. In den Jahren, da die
Franzoſen zu Goͤttingen waren, und Generals,
auch der ſtrenge aber groſſe de Vaux, auch Mar-
ſchaͤlle
[37] ſchaͤlle von Frankreich, jedem mit Hoͤflichkeit zuvor
kamen, beſuchte uns einmal ein bey der Armee ge-
brauchter beruͤhmter Jude, (aus Schonung nenne
ich ihn nicht) und der dankte nicht, wenn ihn die
hieſigen Profeſſoren gruͤſſeten. Dieſer Theil des Na-
tionalcharacters hat nun in die voͤllige Naturaliſation
der Juden wenigſtens ſo fern einen Einfluß, daß
der Landesfuͤrſt gegen ſeine angebohrnen Buͤrger hart
handeln wuͤrde, den Juden vornehme Bedienungen
anvertrauete, oder ſie nur deren auf die Zukunft faͤ-
hig machte.


Durch und durch zeiget ſich, daß Herr D. gar
nicht, wie wol einige andere, ſolchen Juden meh-
rere Rechte zu verſchaffen ſucht, die blos dem Na-
men und Geburt nach Juden ſind, von der juͤdi-
ſchen Religion aber nichts glauben, wie man es nen-
net, Deiſten, aber auch vielleicht das nicht ſind.
Auch hierin ſtimme ich ſehr bey: wenn ich einen Ju-
den, wol eigentlich zum Affront ſeiner Religion,
Schweinefleiſch eſſen ſehe, ſo iſt es mir, der ich
nicht in ſein Herz blicken kann, unmoͤglich, mich
auf ſeinen Eid zu verlaſſen; beym Juden Eide iſt
ſchon ohnehin ſeit 1800 Jahren ſo viel zu erinnern
geweſen, wenn er aber nicht einmal die juͤdiſche Re-
ligion glaubt, und dis, wo es niemand zu wiſſen
C 3verlangt,
[38] verlangt, oͤffentlich ausruft, wie kann man wiſſen,
was er vom Eide denkt? ob er uͤberhaupt glaubt, daß
Gott den Eid annimmt, und irgend in einer Welt,
dieſer oder jener, den Meineid ſtraft? Iſt dis der
ſeltene Fall bey einem einzigen, ſo iſt das Ungluͤck
nicht ſo groß, und bey einem wichtigen Proceß wuͤr-
de allenfalls der Advocat gegen den Eid eines ſolchen
Juden Einwendungen machen und gehoͤrt werden:
gienge es aber in die Hunderte und Tauſende, ſo
wuͤrde es groſſe Haͤrte gegen unſere alten eidfuͤrchti-
gen Buͤrger ſeyn, ihnen Fremde, auf deren Eid man
ſich nicht verlaſſen kann, gleich zu machen, denn zu
dieſem Gleichmachen gehoͤrt doch vorzuͤglich die Gleich-
heit im Gericht, und daß des neuen Buͤrgers Eid ſo
viel gelte, als des alten ſeiner.


Auf die Weiſe hat Herr D. ſchon ſehr vielen Ein-
wendungen vorgebeuget, die man gegen ſeinen Vor-
ſchlag machen koͤnnte. Auch in dem gebe ich ihm
Recht, was er gegen Eiſenmengers entdecktes Ju-
denthum ſagt, darnach er die Juden nicht beurtheilt
haben will. Ich halte Eiſenmengers entdecktes Ju-
denthum fuͤr ein gelehrtes, aus vielem Fleiß und groſ-
ſer Beleſenheit entſtandenes Buch, und ich lerne
daraus ſehr oft, wenn ich nachſchlage: aber dabey iſt
es aͤuſſerſt feindſeelig und ungerecht, und wenn einer
gegen
[39] gegen eine der drey im roͤmiſchen Reich eingefuͤhrten
Religionen etwas dergleichen ſchriebe, ſo wuͤrde man
es eine Laͤſterſchrift nennen. Wie wenn einer ein
entdecktes Pabſtthum oder Lutherthum ſchreiben,
und mit Vorbeylaſſung des Guten, wohl der allge-
mein angenommenen Saͤtze, und der Widerſpruͤche
gegen Irrthuͤmer, alles auszeichnen wollte, was je-
mals irgend einem der ſchlechteſten Schriftſteller ent-
fahren, oder, was beym Diſputiren unter Gelehr-
ten auch nur muͤndlich einmal geſagt iſt? Was man
alsdenn den Catholiken ſchuld geben koͤnnte, daran
doch ihre Religion unſchuldig iſt, weiß ein jeder:
aber gewiß wir Lutheraner wuͤrden eben ſo ſchlecht
wegkommen, und ſo wenig im roͤmiſchen Reich Dul-
dung verdienen, als die Muͤnſteriſchen Widertaͤufer.
Was auch Herr D. wegen der Anfuͤhrungen aus
dem Talmud S. 22 ſagt, iſt richtig, und ich will es
lieber deutlicher und vollſtaͤndiger mit eigenen Wor-
ten ſagen. Im Talmud findet man die Meinungen
verſchiedener Rabbinen uͤber einerley Sache ange-
fuͤhrt, ſie widerſprechen und diſputiren oft mit ein-
ander, da iſt nun nicht gleich alles, was Eiſenmen-
ger aus dem Talmud buchſtaͤblich anfuͤhrt, Glaube
und Lehre des ganzen juͤdiſchen Volks, nicht einmal
des Theils, der an den Talmud glaubt, (denn die
C 4Karai-
[40] Karaiten nehmen ihn bekanntermaſſen nicht zur Er-
kenntnißquelle an) ſondern nur einiger Lehrer. Je-
der vernuͤnftige und mittelmaͤßig gelehrte Leſer der
Bergpredigt weiß das: ſie iſt der boͤſen Moral der
Phariſaͤer entgegengeſetzt, aber nicht aller, denn es
gab auch beſſer denkende Phariſaͤer, daher findet
man bey den Commentatoren, die das N. T. aus
dem Talmud und Rabbinen erlaͤutert haben, zwar
Stellen angefuͤhrt, in denen die gottloſen von Chri-
ſto beſtrittenen Saͤtze ſtehen, aber auch wieder an-
dere, die gerade Chriſti Moral, bisweilen faſt mit
eben den Worten enthalten.


Nach ſo mancher Beyſtimmung in Hauptſachen
werden meine Leſer vermuthen, daß ich von der Na-
turaliſation der Juden voͤllig ſo denken werde, als
Herr Dohm: das thue ich aber doch nicht, und nun
muß ich auch meine Zweifel ſagen.


Das Geſetz Moſis ſieht Herr D. (zugleich mit
Anfuͤhrung meines Moſaiſchen Rechts) als vortref-
lich an, und glaubt nicht, daß es etwas menſchen-
feindliches enthalte, oder den Juden Haß gegen an-
dre Voͤlker einpraͤgen koͤnne. Niemanden wird er
hier mehr auf ſeiner Seite haben, als mich; allein
dabey ſey mir erlaubt, eine andere Frage aufzuwer-
fen: enthalten die Geſetze Moſis etwas, das
die
[41]die voͤllige Naturaliſation und Zuſammen-
ſchmelzung der Juden mit andern Voͤlkern,
unmoͤglich macht, oder erſchweret?
Dis ſollte
ich faſt denken! Ihre Abſicht iſt es, ſie als ein von
andern Voͤlkern abgeſondertes Volk zu erhalten, und
die iſt ſo durch und durch in ſeine Geſetze ſelbſt bis
auf die von reinen und unreinen Speiſen, einge-
webt, daß ſich das Volk nun, wider alles was wir
bey andern Voͤlkern ſehen, in ſeiner Zerſtreuung 1700
Jahr lang als abgeſondertes Volk erhalten hat, und
ſo lange die Juden Moſis Geſetze halten, ſo lange
ſie z. E. nicht mit uns zuſammen ſpeiſen, und bey
Mahlzeiten oder der Niedrige im Bierkrug vertrau-
liche Freundſchaft machen koͤnnen, werden ſie (von
einzelnen rede ich nicht, ſondern von [...][m] groͤßten
Theil) nie mit uns ſo zuſammenſchmelzen, wie Ca-
tholike und Lutheraner, Deutſcher, Wende und Fran-
zoſe, die in Einem Staat leben. Ein ſolches Volk
kann uns vielleicht durch Ackerbau und Manufactu-
ren nuͤtzlich werden, wenn man es auf die rechte
Weiſe anfaͤngt, noch nuͤtzlicher wenn wir Zuckerin-
ſeln haͤtten, die bisweilen Entvoͤlkerung des europaͤi-
ſchen Vaterlandes werden, und bey dem Reichthum
den ſie bringen ein ungeſundes Clima haben: aber
unſern Buͤrgern wird es doch nicht gleich zu ſchaͤtzen
C 5ſeyn,
[42] ſeyn, alſo auch nicht voͤllig einerley Befreyungen mit
ihnen genieſſen ſollen, weil es nie die Liebe gegen
den Staat, das volle mit Stolz auf ihn, (da wo
Herr D. ſchreibt, mit Stolz darauf, ein Preuſſe
zu ſeyn) durchdrungene Buͤrgerherz bekommt, und
ihm nie in gefaͤhrlichen Zeiten ſo zuverlaͤßig wird.


Aber nun noch etwas aus der Bibel, an das
Herr D. nicht gedacht zu haben ſcheint, und das die
voͤllige feſte Zuneigung zum Staat, die gaͤnzliche
Zuſammenſchmelzung mit ihm, kaum hoffen laͤßt.
Die Juden werden ihn immer als Zeitwohnung an-
ſehen, die ſie einmal zu ihrem groſſen Gluͤck verlaſ-
ſen, und nach Palaͤſtina zuruͤckkehren ſollen, faſt ſo,
wie ihre Vorfahren den Egyptiern verdaͤchtig waren
(2 B. Mo [...], 10). Stellen der Propheten, ja Mo-
ſis ſelbſt, haben das Anſehen, als wenn ſie den
Iſraeliten eine kuͤnftige Ruͤckkehr nach Palaͤſtina ver-
hieſſen, und wenigſtens die Juden erwarten ſie da-
raus: das thut nicht blos der gemeine Haufe, ſon-
dern die groͤſſeſten nach ſo viel hundert Jahren in
allgemeinem Anſehen bleibenden Erklaͤrer der Bibel,
Raſchi, und die von Fabeln reinern, die ich ohne
Hochachtung nicht nennen kann, Abenesra und Da-
vid Kimchi. Unſere Lutheriſchen Ausleger in Deutſch-
land leugnen es zwar haͤufig (nicht alle, nicht der
deſſen
[43] deſſen Reſponſa bey den Juriſten beynahe Rechts-
kraft haben, der ſehr vernuͤnf[t]ige Philipp Jacob
Spener) auch wohl manche von andern Confeſſionen:
aber uͤberzeugen werden ſie die Juden ſchwerlich,
ſonderlich da Philoſophen vom erſten Range, nicht
etwan ein zu apocalyptiſcher Newton, ſondern Locke,
die Stellen eben gerade ſo verſtehen. Ein Volk,
das ſolche Hofnungen hat, wird nie voͤllig einhei-
miſch, hat wenigſtens nicht die patriotiſche Liebe zum
vaͤterlichen Acker, ja ſteht, wenn es beſonders woh-
nete (und juͤdiſchen Coloniſten, die Aecker urbar
machen ſollen, muͤßte man doch wohl eigene Doͤrfer
einraͤumen, und ſie nicht unter Chriſten ſtecken) gar
in Gefahr, einmal von einem Enthuſiaſten aufge-
wiegelt, oder vom Hamelſchen Rattenfaͤnger in die
Irre gefuͤhrt zu werden.


Aber nun folgt mein einer Hauptzweifel. Herrn
D. Vorſchlag, den Juden, noch dazu den armen
Juden, die nicht einmal Geld in das Land bringen,
voͤllig gleiche Buͤrgerrechte mit uns zu geben, und
ihnen alle Gewerbe, Ackerbau, Handwerker u. ſ. f.
zu oͤfnen, waͤre zwar fuͤr ſie Wohlthat, koͤnnte aber
den Staat aͤuſſerſt ohnmaͤchtig machen, ſelbſt in dem
eben nicht zu erwartenden Fall, wenn die Juden
Geld und Reichthuͤmer entweder unmittelbar hinein-
braͤch-
[44] braͤchten, oder doch in der Folge der Zeit hinein zoͤ-
gen. Die Macht des Staats beruhet nicht blos auf
Gold und Silber, ſondern zur weit groͤſſern Haͤlfte
auf Arm und Bein, auf Soldaten, und die kann
man aus dem juͤdiſchen Volk, ſo lange es nicht ſeine
jetzigen Religionsgedanken geaͤndert hat, nicht ha-
ben: dis aus mehrern Urſachen, die erſte, weil ſie
des Sabbaths nicht fechten, wenigſtens nicht unan-
gegriffen fechten duͤrfen. Die Juden vermehren ſich,
wenn es nicht gehindert wird, ausnehmend: einige
Urſachen davon ſind in die Augen fallend, ihre fruͤ-
hen Heyrathen, und die Pflicht von Eltern und
Brodherren fuͤr fruͤhe Heyrathen der Kinder und des
treuen Geſindes zu ſorgen, auch noch dieſe, (die
vielleicht bey voͤlliger Naturaliſation wegfallen wuͤr-
de) daß ſie ſich etwas mehr vor Hurerey huͤten muͤſ-
ſen, weil mit einer Chriſtin zu thun gehabt zu ha-
ben in einigen Laͤndern viel Geld koſten moͤchte, das
dem Juden uͤber alles lieb iſt, und hiedurch meiſtens
vor der Krankheit bewahrt werden, die auch nur
Einmal gehabt zu haben dem Kinderzeugen nicht vor-
theilhaft ſeyn ſoll. Beyde Urſachen ganz loͤblich,
und wenn die Vermehrung der Juden immer zuneh-
men koͤnnte, ohne daß der Chriſten weniger, oder
doch ihre Vermehrung gemindert wuͤrde, ſo waͤre
gar
[45] gar kein Bedenken dabey. Aber das wird wohl nicht
der Fall ſeyn. Eine Nation vermehrt ſich geſchwind,
wenn viel Gewerbe viele und fruͤhe Heyrathen ma-
chen, (z. E. im Koͤnigreich Preuſſen zwiſchen 1757
und 1762 erſtaunlich, weil der Krieg, und die Ruſſi-
ſche Armee, ohne Recruten zu heben, viel Gewerbe
machten) oder auch Auslaͤnder herbey ziehen, (bey-
des in den engliſchen Colonien in Amerika, bis auf
die Zeit der Rebellion,) wenn nun aber in eben
dem Staat Juden viel Gewerbe, Ackerbau und
Handwerker, an ſich ziehen, ſo wird wenigſtens die
Vermehrung des deutſchen, kriegeriſchen Volks ge-
mindert. Aber das ſchlimmere iſt, die deutſchen
Buͤrger moͤchten gar beym Zunehmen der neuen juͤdi-
ſchen abnehmen, und verdraͤngt werden, denn un-
ſere Handwerkspurſche und Bauren heyrathen nicht
ſo fruͤh als Juden, die bey angewoͤhnter Armuth
auch mit ſehr wenigem zufrieden ſind, bald wuͤrden
alſo die Juden immer mehr von den Handwerkern
in dem Lande der Nationaliſation an ſich bringen,
und die Soͤhne der deutſchen Handwerker entweder
noch laͤnger unverheyrathet bleiben, oder ſich in aus-
waͤrtigen Laͤndern ſetzen muͤſſen, es ſeyn nun, an-
dere deutſche Laͤnder, die den Juden nicht ſo guͤnſtig
waͤren, oder Holland, auch England, wo man
ſchon
[46] ſchon jetzt ſo viel deutſche Handwerker antrifft. Da-
zu kommt noch, daß bey ſchweren Kriegen, wie der
von 1756—1763 fuͤr die Preußiſchen Staaten war,
die Soͤhne des Bauren und Buͤrgers Soldaten wer-
den muͤſſen; in einem ſolchen Kriege wuͤrde der mit
Kriegesdienſten verſchonte Jude ſich ſehr ausbreiten,
und faſt lauter juͤdiſche Handwerker wuͤrde man am
Ende des Krieges ſehen. Staͤnde gar den Juden
frey, Aecker, oder adeliche Guͤter an ſich zu kaufen,
und reiche Juden, die in andern Laͤndern nicht der-
gleichen Rechte haͤtten, wuͤnſchten ihr Geld anzule-
gen, ſo wuͤrden ſie unſere Deutſchen auskaufen, und
denn haͤtten wir den wehrloſeſten veraͤchtlichſten Ju-
denſtaat.


Die volle Kraft dieſes Einwurfs wird Herr D.
beſſer fuͤhlen, als der groͤſſeſte Theil meiner Leſer,
ſonderlich in Abſicht auf den etwan 6 Millionen
Menſchen habenden Preußiſchen Staat, fuͤr ihn darf
ich ihn alſo gewiß nicht weiter erlaͤutern. Es ver-
ſteht ſich aber auch von ſelbſt, daß er ihn vor-
her geſehen hat. Er antwortet darauf unter an-
dern aus meinem Moſaiſchen Recht, wo ich gezeiget
habe, das Geſetz Moſis verbiete das Fechten am
Sabbath auf keine Weiſe, und daß ehedem die Ju-
den gefochten, und ſehr tapfer gefochten haben.
Wenn
[47] Wenn die Juden meine Auslegung des Moſaiſchen
Rechts fuͤr richtig annehmen, und zwar nicht blos
die Aufgeklaͤrteren unter ihnen, (unter denen ver-
ſpraͤche ich mir wol einigen Beyfall) ſondern auch der
gemeine Haufe der Rabbinen, und die Ungelehrten,
ſo waͤre der Sache ziemlich geholfen, (nicht voͤllig,
denn, daß Fechten am Sabbath erlaubt ſey, denke ich
bewieſen zu haben, aber uͤber das Exerciren wuͤrde
ich nicht gern aus dem Moſaiſchen Recht antworten
wollen; und unſere Regimenter wuͤrden ſich doch we-
gen der Exerciertage nicht nach untergeſteckten Juden
richten, auch nicht eigene Regimenter von bloßen
Juden errichtet werden ſollen:) aber wer wird ſie
davon uͤberzeugen? ſonderlich da bey einer Frage von
der Art mancher nicht gern uͤberzeugt ſeyn, und lie-
ber ſein Gewiſſ[e]n zum Befreyungsbriefe von Krie-
gesdienſten behalten will. Von dem aus der Geſchich-
te angefuͤhrten moͤchte auch wohl noch einiges weg-
fallen, und, wenigſtens bleibt das gewiß, daß ſich
ſchon zu des wirklich groſſen juͤdiſchen Helden, Jo-
hann Hyrkans, Zeit, die damals ſo tapfern Juden
ein Gewiſſen machten, am Sabbath anzugreifen,
und die Syrer den von ihm angefuͤhrten juͤdiſchen
Huͤlfsvoͤlkern zu Gefallen am Sabbath nicht mar-
ſchirten. Die S. 144 angefuͤhrte Stelle aus Mai-
moni-
[48] monides, die Herrn D., wie er ſagt, von einem
groſſen juͤdiſchen Gelehrten mitgetheilet ward, iſt ſei-
ner Hofnung gerade zuwider. Hier iſt ſie mit ſei-
nen eigenen Worten: nach Maymonides iſt es
die Pflicht eines jeden Juden, eine vom Feinde
belagerte Stadt, in ſo fern auch nur Eines
Menſchen Leben dabey in Gefahr iſt, am Sab-
bath zu vertheidigen, und nicht erlaubt, ſol-
ches aufzuſchieben, So iſt eines jeden Juden
Pflicht, am Sabbath alle Arten von Arbeit
ohne Unterſcheid zu verrichten, wenn eines
Menſchen Leben dadurch gerettet werden
kann.
Dis iſt weiter nichts, als was wir laͤngſtens
wiſſen, und im Moſaiſchen Recht geſagt iſt, daß
die Juden erlauben, ſich am Sabbath zu verthei-
digen, wenn man angegriffen wird, und ihr
Leben in Gefahr iſt:
alſo wo dieſer Fall nicht ein-
tritt, und der Feind ſo klug iſt, als Pompejus da er
Jeruſalem belagerte, am Sabbath gar nicht anzu-
greifen, darf der Jude nicht fechten, nicht ſelbſt den
Angriff, nicht einen Ausfall aus der belagerten
Stadt thun, die Approchen und Belagerungswerke
zu zerſtoͤren, nicht den fluͤchtigen Feind verfolgen,
nicht marſchiren, dis alles voͤllig der juͤdiſchen Ge-
ſchichte von Johann Hyrkans Zeit an gemaͤſſe Ca-
ſuiſtik.
[49] ſuiſtik. So gar, der ſonſt am vernuͤnftigſten den-
kende Joſephus, einer nicht von der aberglaͤubiſchen
neuphariſaͤiſchen, ſondern von der beſſern Secte der
alten Phariſaͤer, ſelbſt Anfuͤhrer der Juden im Krie-
ge, haͤlt es fuͤr eine Entheiligung des Sabbaths,
daß die Juden, da Ceſtius Gallus ſich mit der roͤmi-
ſchen Armee Jeruſalem naͤhert, einen Ausfall thun,
die Roͤmer ſchlagen, ſo daß 515 Roͤmer und nur 22
Juden bleiben, und dis noch dazu, da dieſer Aus-
fall ſo nahe dabey war, den Ausſchlag des ganzen
Krieges zu geben, denn er ſagt ſelbſt, wenn nicht die
roͤmiſche Reuterey eben zu rechter Zeit zu Huͤlfe ge-
kommen waͤre, ſo wuͤrde Ceſtius mit der ganzen Ar-
mee in Gefahr geweſen ſeyn. (de bello Jud. II, 19;
2.) Was koͤnnten wir mit ſolchen Soldaten, die
noch dazu durch National- und Religionsbande mit
einander verbunden waͤren, anfangen? Beſſer ha-
ben wir ſie gar nicht, wenn ſie auch nach dieſer uͤber
2000 Jahr alten wunderlichen Auslegung des beſſern
Moſaiſchen Geſetzes dienen wollten. Haͤtte der ge-
lehrte Jude, der Herrn Dohm Maymonides Stelle
mittheilte, auch voͤllig ſo gedacht, wie ich im Mo-
ſaiſchen Recht, ſo hat er doch meine Meynung mit
keiner ihr beyſtimmenden juͤdiſchen Authoritaͤt belegen
koͤnnen; ſie bleibt alſo blos meine, und iſt nicht der
Juden Meynung.


DAber
[50]

Aber geſetzt, die Juden naͤhmen nun uͤber alle
Erwartung meine Erklaͤrung vom Sabbathsgeſetz
an, ſo waͤren ſie doch deswegen fuͤr uns zu Solda-
ten nicht brauchbar, ſo wenig ich ihnen auch, wenn
ſie nur nicht unterdruͤckt und zu Beſchimpfungen von
Jugend auf gewoͤhnt werden, perſoͤnliche Tapferkeit
abſpreche, von der ſie, ſonderlich in der Rebellion
gegen die Syrer, ſo erſtaunliche Proben gegeben ha-
ben. So lange ſie noch die Geſetze von reinen und
unreinen Speiſen haben, iſt es doch kaum moͤglich,
ſie unter unſere Regimenter zu miſchen: beſondere
Regimenter aber aus ihnen zu machen, wird wohl
niemand anrathen, ſonderlich da der Judeneid noch
immer die haͤcklichſte Sache von der Welt iſt, denn
daß man bey dem viel Zweifel haben kann, ob der
Jude das, was in unſern Augen Eid iſt, fuͤr Eid
haͤlt oder nicht, iſt keine von den ungerechten Klagen
Eiſenmengers. Dazu kommt aber noch, doch blos
hypothetiſch, ein phyſikaliſcher Umſtand, an den Herr
D. nicht gedacht zu haben ſcheint. Man behauptet,
unſer jetziges Kriegsweſen erfodere eine gewiſſe Sol-
datengroͤſſe, ob mit Recht, kann ich nicht ſagen:
aber in den beyden groſſen kriegeriſchen Staaten
Deutſchlands nimmt man es doch an. Iſt es rich-
tig, ſo wird man unter den Juden ungemein weni-
ge
[51] ge finden, die das Soldatenmaaß haben, und zu
Kriegesdienſten angenommen werden koͤnnen. Viel-
leicht iſt es die Folge der ſehr fruͤhen Ehen, vielleicht
der ungemiſchten Race eines ſuͤdlichern Volks: aber
es komme, woher es wolle, ſo iſt doch klar, daß un-
ter den Juden wenig wohlgewachſene Maͤnner ſind.


Dieſe Unbrauchbarkeit der Juden zu Krieges-
dienſten hat je nach der beſondern Beſchaffenheit des
Staats einen mindern oder mehreren Einfluß in die
Frage, ob es politiſch gut ſey, Juden in das Land
zu ziehen? mehr als Einem Sohn eines angeſeſſenen
Juden den Schutz zu verleihen? und ihre Vermeh-
rung zu beguͤnſtigen? Herr D. ſchreibt zunaͤchſt fuͤr
den Preußiſchen Staat *), er beruft ſich beym Be-
ſchluß auf das Geruͤcht von dem damals noch erwar-
teten Toleranzedict fuͤr die Juden im Oeſterreichi-
ſchen. Dis iſt zwar von ſeinen Vorſchlaͤgen ſehr und
weſentlich verſchieden, und ſcheint ganz andere End-
zwecke zu haben. Aber davon nichts zu ſagen, weil
ich Edicte nicht recenſire, ſo iſt gerade in Abſicht auf
Beguͤnſtigung der Juden zwiſchen beyden Staaten
D 2ein
[52] ein ſehr groſſer Unterſchied. Ich will annehmen,
was man gemeiniglich ſagt, es ſeyn jetzt fuͤnf Mil-
lionen Juden auf dem Erdboden, (ich daͤchte zwar,
noch etwas mehr) und was Herr Prof. Schloͤzer in
ſeinem Briefwechſel aus ziemlich ſichern Nachrichten
hat, in den ſaͤmmtlichen Oeſterreichiſchen Laͤndern
wohnen uͤber 26 Millionen Menſchen *): im Preußi-
ſchen waren, das Militaire nicht mitgerechnet, vor
1756 noch nicht volle fuͤnf Millionen, denn der Ge-
bohrnen waren nach einem Durchſchnitt jaͤhrlich et-
was uͤber 150000 (wovon ich die genauen Tabellen
habe) jetzt ſcheinen etwan, nachdem die Zahl der
Einwohner ſich vermehrt hat, und Weſtpreußen da-
zu gekommen iſt, ſechs Millionen darin zu wohnen,
wieder das Militare ungerechnet. Nun ſtelle man
ſich vor, eine ganze Million Juden zoͤge aus an-
dern Laͤndern in das Oeſterreichiſche, ſo waͤre dis
gegen 26 Millionen eine Kleinigkeit; in Ungarn,
auch im Banat Temeswar, von dem Herr D. er-
waͤhnt, daß man dort ſogar Zigeunern, (die jedoch
vorhin daſelbſt herumſchweifend gewohnt hatten)
Aecker gebe, koͤnnte man ihnen genug fruchtbare und
unbebauete Aecker unter einem milden Himmelsſtrich
anweiſen, braͤchten ſie gar Geld mit, deſto beſſer,
ſie
[53] ſie wuͤrden gewiß der Vermehrung der fechten koͤn-
nenden Oeſterreichiſchen Unterthanen nicht hinder-
lich werden. Vielleicht koͤnnte der Staat ohne ſei-
nen Schaden zwey, drey Millionen Juden aufneh-
men. Aber nun welche Proportion von einer Mil-
lion neuer Juden im Preußiſchen? wuͤrde die nicht
wenigſtens der Vermehrung deutſcher Buͤrger, die
die Waffen tragen koͤnnen, hinderlich ſeyn? Braͤch-
ten ſie viel Geld ins Land, deſto ſchlimmer, denn
ſo koͤnnten ſie Aecker und Gewerbe an ſich ziehen.
Gerade an Gelde hat der Preußiſche Staat zur Zeit
des Krieges nicht eben Mangel gelitten: aber nach
Verhaͤltniß ſeiner Unterthanen hat er eine ſehr groſſe
Armee, ſehr viele Haͤnde, unentbehrlich noͤthig. An-
geworbene Auslaͤnder ſind, wie Herr D. ſelbſt ge-
ſteht, doch angebohrnen Unterthanen nicht gleich zu
ſchaͤtzen, deſertiren auch mehr; aber es koͤnnen Zei-
ten kommen, ſonderlich wenn Deutſchland noch mehr
Buͤrger in andern Welttheilen verliert, da die aus-
waͤrtige Werbung ſchwer oder unmoͤglich wird. Alſo
ſcheinen es zwey ſehr verſchiedene Fragen zu ſeyn,
ſoll Oeſterreich? ſoll Preußen? und noch eine dritte
ſehr verſchiedene Frage wuͤrde es ſeyn, ſoll Groß-
britannien thun, was Herr D. raͤth?


D 3Aber
[54]

Aber nun noch ein Zweifel von anderer Art ge-
gen den fuͤr die Juden wirklich wohlthaͤtigen und
menſchenfreundlichen Vorſchlag. Auf dieſer wohl-
thaͤtigen Seite ſchaͤtze ich ihn hoch, aber moͤchte nicht
mit der Wohlthat Beleidigung und Unrecht gegen
die angebohrnen Buͤrger verbunden ſehn? Der ge-
meine Haufe der armen Juden iſt laſterhafter, als
wir, das geſteht Herr D. ſelbſt ein, die Haͤlfte der
Spitzbubenbanden beſteht aus ihm, das ſagen die
Criminalacten, im erſten und zweyten Menſchenal-
ter wird der moraliſche Character der Juden wohl
noch nicht gebeſſert werden, das geſteht Herr D.
freywillig ein, und hoffet die gewuͤnſchte Beſſerung
erſt im dritten oder vierten Menſchenalter, das heiß[t],
in hundert oder hundert und vierzig Jahren.
Ob ſie im dritten oder vierten Menſchenalter oder
noch viel ſpaͤter, erfolgt, waͤre ein Problem: aber
bis ins dritte Menſchenalter ſollen wir nach ihm ſelbſt
warten. Waͤre nun etwan von moraliſchen Krank-
heiten die Rede, die dem juͤdiſchen Volk ſelbſt ſchade-
ten, ſo koͤnnte man den Verſuch an ſie wagen, aber
die Krankheit iſt gerade, daß aus ihnen die Spitz-
bubenbanden beſtehen, oder ſie doch Hehler und Ver-
kaͤufer ſind. In den Gegenden Deutſchlandes, in
denen Fuͤrſten (oft aus Gewinnſucht und wegen des
ein-
[55] eintraͤglichen Schutzgeldes) viel Juden dulden, kla-
gen die Unterthanen, daß ſie vor Diebereyen und
naͤchtlichen Einbruͤchen nicht ſicher ſind: ſelbſt hier in
Goͤttingen hat doch zur Sicherheit der Einwohner vor
Diebſtaͤhlen den ſaͤmtlichen unſere Jahrmaͤrkte beſu-
chenden fremden Juden verboten werden muͤſſen,
ungerufen auch nur zum Anbieten ihrer Waare und
Handels in die Haͤuſer zu kommen. Soll nun ein
Landesherr ſeinen guten Unterthanen ein ſolch Volk
in der Hofnung, es im dritten oder vierten Ge-
ſchlecht zu beſſern, aufdringen? Wie? wenn ein
Vater einen liederlichen diebiſchen Betteljungen, der
ihn nicht angehet, um ihn zu beſſern, ſeinem Sohn
zum Schulkameraden ins Haus naͤhme? Der Va-
ter kann allenfalls, wenn er ſich um das Urtheil der
Welt nicht bekuͤmmert, ohne Verletzung der Rechte
ſeines Sohns thun, was er will: er iſt Herr, hat
dem Sohn das Daſeyn gegeben, und ſchaft ihm
Brodt. Aber der Fuͤrſt thut keins von beyden, hat
nach dem natuͤrlichen Recht ſeine Gewalt am Ende
vom Volk, iſt deſſen erſter Bedienter, wird von dem
reichlich dafuͤr beſoldet, und nicht der Fuͤrſt, ſondern
das Volk ſchuͤtzt den Staat und ihn ſelbſt, Er lenkt
blos den Schutz. Selbſt ſouveraine Koͤnige aͤuſſern
dieſen Gedanken frey in ihren Schriften. Hier ſchie-
D 4ne
[56] ne es nun nicht blos Haͤrte, ſondern eigentliches Un-
recht gegen das Volk zu ſeyn, wenn der Fuͤrſt ſeine
allgemeine Menſchenliebe ſo weit triebe, die Armen
eines ſolchen Volks, das ihn weiter nicht angeht,
und ein ſo unbequemer Nachbar iſt, ſeinen wehr-
haften Unterthanen, von denen er alle Macht nebſt
der Pflicht hat, fuͤr ihr Beſtes zu ſorgen, und von
denen er ſo reichliche Bezahlung annimmt, zum
Nachbar, noch dazu mit gleichen Buͤrgerrechten auf-
zudringen. Ein anderes iſt es, wenn von Colonien,
die man in wuͤſte Laͤnder fuͤhren will, die Rede waͤre,
wohin man auch wohl die Maleficanten oder lieder-
liche Leute, wie es in Wien hieß, den Schub, ſchickt,
(wiewohl doch zuletzt die Amerikaniſchen Colonien
auch daraus eine Beſchwerde machten, daß England
ſeine nicht am Leben geſtraften Miſſethaͤter ihnen
zuſchickte.)


Doch nun noch etwas von dem, was Herr D.
zur voͤlligen Gleichmachung der Juden mit andern
Buͤrgern rechnet. Die Nahrungszweige, die er ih-
nen geoͤfnet wiſſen will ſind, wie er ſelbſt ſagt, alle,
Ackerbau, Handwerke, und Studien, auch wohl
der Zugang zu Bedienungen, doch dieſer ihm ſelbſt
zweifelhaft.


Gegen
[57]

Gegen das Zulaſſen zu Handwerken habe ich vor-
hin ſchon meine Zweifel geſagt: einige treffen auch
ihre Zulaſſung zum Ackerbau, aber wenn ein Staat
wirklich wuͤſte Gegenden haͤtte, ſo trete ich in dem
Fall Herrn D. bey, daß man einen Verſuch machen
koͤnnte, Juden als Coloniſten zu gebrauchen: ſogar,
wenn auch ein reicher Jude eine voͤllig wuͤſte Gegend
urbar machen wollte, glaube ich, auch der Verſuch
waͤre zu machen, nur dergeſtalt, daß er entweder
lauter Haͤnde armer Juden, oder, wenn er Chri-
ſten noͤthig haͤtte, verheyrathete Chriſten gebrauchen
und ihnen zu leben geben ſollte, damit nicht durch
Dienſte bey ihm die Bevoͤlkerung des Landes mit fech-
ten koͤnnenden Buͤrgern vermindert wuͤrde. Dabey
kommt mir, da es doch erſt Verſuch iſt, von dem
man ohne Erfahrung nicht weiß, wie er ausſchlaͤgt,
das kayſerliche Toleranzedict weiſe vor, das den Ju-
den die Aecker auf eine Zeit von 20 Jahren giebt,
und denn erſt auf ewig, wenn ſie Chriſten werden.
Nur habe ich einen groſſen Zweifel, ob die des herum-
laufens bisher gewohnten, ſich vor Handarbeit ſo
ſehr ſcheuenden Juden, zum Ackerbau Luſt haben
werden. Auch werden chriſtliche zu Kriegesdienſten
brauchbare Coloniſten, ſelbſt aus andern Laͤndern,
wenn man ſie haben kann, dem Staate vortheilhaf-
ter ſeyn, als juͤdiſche.

D 5Wenn
[58]

Wenn Herr D. hingegen den Juden auch erlau-
ben will, Aecker zu kaufen, ſo denke ich anders, weil
dadurch die Anzahl deutſcher Bauren, aus denen wir
die beſten Soldaten haben, gemindert, und der Staat
geſchwaͤchet wuͤrde: ferner auch darin, wenn er ſie
mit unſern Bauren vermiſcht in einerley Doͤrfern
wohnen laſſen will. In den drey bis vier Genera-
tionen, in denen der arme Jude noch nicht gebeſſert
iſt, kommt mir dieſe Nachbarſchaft als Unrecht ge-
gen unſern Bauren, den natuͤrlichen Vertheidiger
und Macht des Staats, vor.


Wegen der Wiſſenſchaften, die insgeſammt den
Juden, wie allen freyen Menſchen, auch als Ge-
werbe offen ſeyn ſollen, verſtehe ich Herrn D. nicht
voͤllig. Mich duͤnkt, hier haben ſie ſchon alles, was
ſie nur wuͤnſchen koͤnnen, und ich weiß nicht was er
ſelbſt noch hinzuthun wollte. Medicin, Philoſophie,
Phyſic, Matheſis ſind ihnen ja auf keine Weiſe ver-
ſchloſſen, die erſte uͤben viele Juden, auch unter dem
academiſchen Titel Doctor, oder einem noch hoͤhern;
unſere Rechtsgelehrſamkeit iſt keine Wiſſenſchaft fuͤr
ſie, denn dem Buͤrger wird Herr D. nicht ein aus-
waͤrtiges Volk zum Richter geben wollen, da er ſelbſt
mit Recht darauf dringet, daß die Juden in ihren
Streitigkeiten unter einander, von Rabbinen nach
eige-
[59] eigenen Geſetzen gerichtet werden ſollen; unſere Theo-
logie werden ſie noch weniger ſtudiren wollen, oder
lehren ſollen. Dagegen lernen ſie aber ihre eigene
Theologie und Rechte, und dis iſt bey ihnen Nah-
rungszweig, die Rabbinen leben davon. Sie zum
Studiren zu ermuntern, wird doch wohl Herrn D.
Vorſchlag nicht ſeyn, da gerade die uͤbergroße Men-
ge der Studirenden dem Staat ſo nachtheilig wird,
daß ſchon Koͤnige daran gedacht haben, die Anzahl
zu mindern, wenn es nur ohne zu viel Einſchraͤn-
kung der menſchlichen Freyheit moͤglich waͤre. Dieſe
Menge der Studirenden iſt wirklich ein großes po-
litiſches Uebel, raubt andern Gewerben ſo viel Haͤn-
de, und unter dem pedantiſchen Vorwand, der habe
einen guten Kopf, er muͤſſe ſtudiren, die beſten Koͤ-
pfe, auch dem Soldatenſtand ſo viel Haͤnde; uͤber-
laͤſtigt den Staat mit Leuten, die ernaͤhrt werden
wollen, macht ſie ſelbſt ungluͤcklich, weil ſie bey ih-
rer Menge erſt ſpaͤt befoͤrdert werden koͤnnen, und
hindert eben wegen der aus der Menge entſtehenden
ſpaͤten Befoͤrderung auf eine fuͤrchterliche Weiſe die
Ehen. Dis Uebel ſoll doch nicht noch vermehrt wer-
den! Je mehr Studirende, je ſpaͤtere Befoͤrderung,
je weniger, oder endlich gar keine Ehen der Studi-
renden.


Den
[60]

Den Vorſchlag, die Juden auch zu oͤffentlichen
Aemtern zu laſſen, thut zwar Herr D. S. 118 ver-
wirft ihn aber wenigſtens vors erſte aus hinlaͤnglichen
Gruͤnden. Es ſey mir erlaubt, noch folgendes hin-
zu zu ſetzen. Zu vornehmen Bedienungen ohne
Noth
Auslaͤnder, oder auch Maͤnner von anderer
Religion als im Lande die allgemeine iſt zu nehmen,
kann dem Unterthan unmoͤglich angenehm ſeyn, und
iſt an einigen Orten gar wider die Grundgeſetze *).
Dis tritt hier deſto mehr ein, wo die Religionen ei-
nen ſo großen nie zu aͤndernden politiſchen ewigen
Unterſchied **) machen. Chriſten, die ſchuͤtzenden Buͤr-
ger, die das Vaterland und auch den Juden mit dem
Degen vertheidigen, Juden, Unterthanen die dem
Staat nichts geben koͤnnen, als Geld, auch nicht
einmahl bis ins zehnte und ſpaͤtere Geſchlecht, Kin-
der zu Vertheidigung des Vaterlandes zeugen, wenn
die Kinder nicht die vaͤterliche Religion verlaſſen ſol-
len.
[61] len. Auch hat Moſes durch ſeine Geſetze, ſonder-
lich von reinen und unreinen Speiſen, genug dafuͤr
geſorgt, daß ſie, ſo lange ſie dieſe halten, auch nach
mehreren Geſchlechten nie voͤllig mit uns als Ein
Volk
zuſammenflieſſen koͤnnen: die meiſten genauen
Freundſchaften entſtehen gemeiniglich beym Eſſen und
Trinken. Welches Volk nicht mit uns eſſen und
trinken kann, bleibt immer ein in ſeinen und unſern
Augen ſehr abgeſondertes Volk. Dazu kommt der
Nationalſtolz der Juden, der es, wenigſtens Deut-
ſchen und Englaͤndern unertraͤglich machen wuͤrde,
ſie zu Obern zu haben. Vielleicht hat, ungeachtet
alles Widerſpruchs der Gegenparthey, und aller ein-
zelnen nicht ganz zu leugnenden Fehler, kein Koͤnig
von Großbritannien, ein ſo kluges, alle Kraͤfte des
Reichs gegen viele Feinde aufbietendes Miniſterium
gehabt, als das jetzige iſt *); aber wenn in ihm ein oder
zwey nationaliſirte Juden waͤren, die redlichſten und
einſichtsvolleſten Maͤnner von der Weit, und ſie thaͤ-
then alles was das jetzige Miniſterium thut, oder
noch mehr: wuͤrde nicht bey dem Widerſpruch gegen
gewiſſe Maasregeln, oder auch bey gewiſſen Fehl-
trit-
[62] tritten, eine Rebellion entſtehen? Der muͤßte die
Engliſche Nation nicht kennen, der hier auf die Ant-
wort lange nachſoͤnne. Die Bedienung eines Hof-
juden, Cammerjuden u. ſ. f. die ſich auf Handlung
und Wechſel beziehet, bleibt dem Juden doch immer,
und iſt vortheilhaft.


Sogar gegen die niedrigen Bedienungen von
Zolleinnehmern, die man bisweilen den Juden an-
vertrauet, moͤchte noch wohl etwas zu erinnern ſeyn.
Es iſt nicht blos fuͤr das herrſchende ſchuͤtzende Volk
ein uͤbel Compliment, ſie Auslaͤndern, die ſich im-
mer als ein fremdes Volk unterſcheiden, und doch
durch ihre Bedienung viel Rechte bekommen, ſo zu
unterwerfen, (der alte verdiente Soldat von unſerm
eigenen Volk, der uns einmahl vertheidiget hat,
ſchickt ſich beſſer, und dem goͤnnen wir alle dankbar
dieſen Unterhalt) auch muß man, nach der Beſchrei-
bung die Herr D. ſelbſt von den Juden macht,
von ihnen Chicanen und Erpreſſungen erwar-
ten: ſondern es ſchwaͤcht auch in der Folge die
Anfangs zunehmenden Einkuͤnfte des Staats. Je
widriger man gegen Zoll- und Acciſe-Einnehmer ge-
ſinnet iſt, deſto hoͤher ſteigen die Defrauden, und
ihre unuͤberſehliche Kunſt, die jetzt die Schwaͤche ei-
niger deutſchen Staaten, und die Laſt fuͤr ehrliche,
die
[63] die Abgaben gewiſſenhaft entrichtende Buͤrger wird.
Das Gegenmittel gegen ſie anzugeben, gehoͤrt hier
nicht her, wohl aber dis, daß man das Uebel nicht
durch juͤdiſche Zoͤllner vermehren muß *).


Zu derjenigen Guͤte oder Billigkeit, die Herr D.
den Juden von unſern Fuͤrſten verſchaffen will, ge-
hoͤrt auch, daß ſie zwar alle Abgaben der Chriſten,
aber keine mehrere, kein Schutzgeld geben, wie er
ſich ausdruͤckt, nicht ihre Exiſtenz bezahlen ſol-
len
. Dis Schutzgeld koͤmmt mir doch billig vor, da
ſie dem Staat blos Geld, nicht ihr Blut, nicht ihre
Haͤnde, zur Vertheidigung geben koͤnnen, und wol-
len. Hier bin ich aber nicht im Widerſpruch gegen
Herrn D. denn er ſagt ſelbſt S. 147 bis ſie zu mi-
litaͤriſchen Dienſten eben ſo willig als faͤhig ſich
erprobt haben werden, iſt nichts gerechter,
als daß ſie fuͤr dieſe Nichtleiſtung ihrer Pflicht
beſondere Abgaben entichten
. Der Unterſchied
unſerer Gedanken beſteht nur darin, daß ich glaube,
die Juden werden nie, nicht im zehnten Geſchlecht,
zu Kriegesdienſten ſo willig und koͤrperlich-tuͤchtig
ſeyn als Deutſche, und die Auflage werde alſo ewig
ſeyn.
[64] ſeyn. Dabey glaube ich auch, das Schutzgeld, das
Juden zu geben pflegen, ſey gegen unſer, der ſchuͤ-
tzenden oder ſchuͤtzende Kinder zeugenden Nation,
Blut, der noch dazu das Land gehoͤret, und von der
der Landesherr ſeine Rechte hat, nicht unmaͤßig.
Soll Gleichheit zwiſchen Deutſchen und Juden in
den Auflagen ſeyn, ſo iſt es duͤnkt mich, nicht ge-
nug, das der Jude, der keine Kriegesdienſte thun
kan, einen Soldaten fuͤr ſich ſtellet; ein frem-
der Soldat, oft viel fremde, ſind nicht ſo gut wie
Ein Landeskind, und mancher Bauer giebt im Krie-
ge mehr als Einen Sohn her, aber denn tritt noch
der große Unterſchied ein, daß der Deutſche auch auf
die Zukunft Kinder und Kindeskinder zeuget, die
Haͤnde haben, und ſchuͤtzen koͤnnen, der Jude aber
nichts zum Schutz brauchbares zeuget, ſondern blos
geſchuͤtzt ſeyn will.


Was Herr D. von S. 125 an ſaget, daß Ju-
den, ich verſtehe es, in Streitigkeiten unter einan-
der nach ihrem eigenen Recht gerichtet werden ſollen,
halte ich fuͤr die groͤſſeſte Billigkeit: aber in vielen
Laͤndern iſt dis keine Bitte, ſondern ſchon erfuͤllet,
z. E. im Hanoͤveriſchen. Dis geht ſo weit, daß,
wenn auch der Proceß an ein hoͤheres Landesgericht
kaͤme, von demſelben nicht einmahl, wie ehedem ge-
braͤuch-
[65] braͤuchlich war, Profeſſoren der orientaliſchen Spra-
chen, ſondern im Lande beſtellete Rabbiner befraget
werden: und dieſe Billigkeit iſt allgemeiner Nachah-
mung werth. Rabbinen muͤſſen ohne Zweifel ihr
hergebrachtes Recht viel beſſer verſtehen, und leich-
ter beantworten koͤnnen, als der beſte und gelehrte-
ſte Profeſſor der orientaliſchen Sprachen, denn der
hat ſich mit ganz andern Dingen zu beſchaͤftigen,
und Rechtskunde, ſonderlich die etwas verworrene
juͤdiſche Rechtskunde, erfodert ihren eigenen Mann.
Wir Chriſten fragen ja auch den Profeſſor Eloquen-
tiaͤ nicht, wenn uͤber Acten nach roͤmiſchem Recht zu
urtheilen waͤre. — — — — Aber Einen Gedan-
ken, der mir mehrmahls aufgefallen iſt, und den
zu ſagen ich noch nie Gelegenheit gehabt habe, kann
ich hier nicht unterdruͤcken: wirklich er geht, das wird
Herr D. wohl kaum von mir erwarten, auf eine
Verhinderung der Juden in einem gewiſſen Stuͤck
nach ihrem Geſetz zu leben *); und doch glaube ich,
am
E
[66] am Ende wird er mir beyſtimmen. Sollte man nicht
aus Guͤte die Juden, die man duldet, abhalten,
Juden, in der Abſicht ihrer Seele Ruhe zu verſchaf-
fen, lebendig zu begraben. Das uͤbereilte Begraben
der Juden kann nicht anders, als verurſachen, daß
viele lebendig begraben werden, bey der kleinen Ju-
denſchaft zu Goͤttingen hat man ſchon zu meiner Zeit
Ein durch Dieberey ruchtbar gewordenes Beyſpiel ge-
habt, (die meiſten bleiben verborgen) neulich las man
auch eins in den politiſchen Zeitungen, mit der wohl-
gemeynten Anmerkung des uͤbel unterrichteten Zei-
tungsſchreibers, Moſes habe recht gethan, in einem
ſuͤdlichen Clima das fruͤhe Begraben zu befehlen, aber
in Deutſchland ſollte man es abſtellen. Moſes hat
kein Wort davon verordnet, zu ſeiner Zeit begrub
man noch viel ſpaͤter, als bey uns, es iſt rabbini-
ſche Verordnung, freylich ſchon eine zu Chriſti Zeit
eingefuͤhrte, wie man aus dem N. T. und Joſepho
ſiehet, und vermuthlich, ſo wie manche andere Ge-
braͤuche
*)
[67] braͤuche jener Zeit aus Annehmung des Aberglau-
bens der herrſchenden Nation entſtanden; denn ſo
wie Griechen und Roͤmer ſagten, der Unbegrabene
werde vom Charon nicht uͤbergeſetzt, ſo glauben die
Juden, die Seele koͤnne nicht zu Gott kommen, bis
der Leib zur Erde gekommen ſey. Waͤre es nicht fuͤr
Juden Wohlthat, ihr Leben zu ſichern? nicht, daß
man ihnen befoͤhle, wider ihr Gewiſſen zu handeln,
und ſpaͤter zu begraben, beyleibe nicht! ſo wenig als
man dem Quacker, der in die Koͤnigl. Zimmer zu
St. James geht, befiehlt den Huth abzunehmen,
ſondern daß man, wie dieſem die Wache den Huth
abnimmt, auch den Juden ihre Leiche abnaͤhme, und
bis auf den dritten Tag in einem dazu verordneten
Zimmer unter guter Aufſicht aufbewahrte?


Nun noch ein paar Anmerkungen zum hiſtori-
ſchen Theil des Buchs. S. 38. wo von dem Briefe
die Rede iſt, den die Juden zu Worms, Ulm und
Regensburg, 1348 vorwieſen, in dem ihnen die
Juden in Palaͤſtina von Jeſu Nachricht gegeben,
iſt vermuthlich ein Nicht durch einen Druckfehler
ausgelaſſen, und es ſoll (meo periculo legen-
dum cenſeo
) heiſſen: „von den diplomatiſchen
„Kenntniſſen dieſer Zeit laͤßt es ſich Nicht er-
„warten, daß man eine ſolche Urkunde fuͤr

E 2„aͤcht
[68]„aͤcht halten, und durch ſie bewogen werden
„koͤnnte, uͤber die Juden etwas guͤnſtiger zu
„denken
.“ Ich wuͤrde Gruͤnde anfuͤhren, wenn
ich nicht ganz klar zu ſehen glaubte, daß es ein
Druckfehler iſt *), deren ich noch einen den ganzen
Sinn veraͤndernden, auf eben dieſer Seite wahrge-
nommen habe **).


Daß die Griechiſch-Syriſchen und Aegyptiſchen
Koͤnige die Juden fuͤr ſehr gute Unterthanen anſa-
hen,
[69] hen, und ihnen auſſerordentliche Freyheiten verlie-
hen, iſt hiſtoriſch wahr: nur die Sache gewinnet
bey dieſer Anempfehlung der Juden zu vollem Buͤr-
gerrecht eine andere Geſtalt. Wir wiſſen erſt die
Facta eigentlich blos von einem Juden, Joſepho;
aber aus deſſen eigener Erzaͤhlung zeigt ſich, daß die-
ſe Koͤnige juͤdiſche Colonien, die ſie in feſte Staͤdte
fuͤhrten, als eine Art von Beſatzung gegen die alten
Einwohner gebrauchen wollten. Solche Juden-To-
leranz moͤchten wir nun wohl nicht gern haben, man-
chos europaͤiſche Volk wuͤrde die Haͤnde haben, daß
der Fuͤrſt, der ſeinen Unterthanen zu trauen keine
Urſache mehr faͤnde, bey einer ſolchen Juden-Guarde
nicht gut fuͤhre. Ueberhaupt, auswaͤrtige Beſatzun-
gen, die Unterthanen in Gehorſam zu halten, ſind
nicht das Gute: der gute Fuͤrſt iſt unter ſeinen Un-
terthanen, der Herzog Eberhard von Wuͤrtenberg
unter freyem Himmel oder im Walde ſchlafend, im
Schoos jedes Unterthaus, und ein Koͤnig von Eng-
land wenn ihm ein Higwayman begegnet, und ihn
erkennet, ganz ſicher *).


E 3Was
[70]

Was Herr D. von den gluͤcklichen Umſtaͤnden
der Juden unter den Roͤmern ſagt, iſt nicht blos rich-
tig, ſondern lieſſe ſich noch mit anſehnlichen Zuſaͤtzen,
die ihm angenehm ſeyn wuͤrden, vermehren: die Ge-
ſchichte, wie ihnen Rechte, die ſie einmahl hatten,
ſelbſt nach zwey Rebellionen behalten hatten, un-
ter chriſtlichen Kayſern genommen ſind, kann man
nicht wohl ohne Misbilligung leſen. Aber nun et-
was wichtiges mit Herrn D. eigenen Worten, S.
50. In dieſem Zuſtande befand ſich die juͤdiſche
Nation, als die verſchiedenen nordiſchen Voͤl-
ker in das Roͤmiſche Reich einfielen, und
in den Provinzen deſſelben eigene neue
Staaten errichteten. Da die freygebohrnen
Roͤmer von dieſen ihren neuen Beherrſchern
faſt als Sclaven behandelt wurden, ſo muß-
ten die Juden u. ſ. f.
Wenn ich dis leſe, faͤllt mir
der Gedanke als natuͤrlich auf: es war unrecht,
wenn die chriſtlichen Kayſer den Juden nahmen, was
ſie hatten, aber wenn die Sieger, und deren Nach-
kommen, den Juden Rechte nicht von neuen geben,
die
*)
[71] die ſie zur Zeit der Eroberung nicht hatten, ſo iſt es
nicht unrecht. Koͤnnen wir mit Vortheil, oder oh-
ne Schaden, den Juden mehr einraͤumen als ſie ha-
ben, ſo iſt es Menſchenliebe*), dis zu thun: aber
was eingeraͤumt werden ſoll, kommt auf die Frage an,
was kann ihnen mehreres, als ſie jetzt haben,
ohne Nachtheil des Staats, (ſollte der auch
noch ſo ſpaͤt erfolgen) und ohne Nachtheil des
Einheimiſchen, Recht an das Land habenden,
und es vertheidigenden, deutſchen Buͤrgers,
deſſen Vater, Vormund und hoͤchſter Bedien-
ter der Fuͤrſt iſt, eingeraͤumt werden
?


2. An-
[72]

2.
Anmerkungen uͤber dieſe Beurtheilung
von Hrn. Moſes Mendelsſohn
*).


Der Hr. Ritter Michaelis ſcheint keine andere
Laſter zu kennen, als Betrug und Spitzbuͤberey.
Wenn aber die Laſterhaftigkeit eines Volks geſchaͤtzt
werden ſoll, ſo kommen, wie ich glaube, Moͤrder, Straſ-
ſenraͤuber, Landverraͤther, Mordbrenner, Ehebrecher,
Hurerey, Kindermord ꝛc. mit in den Anſchlag.


Selbſt wenn die Laſterhaftigkeit blos nach der
Menge der Diebe und Diebeshehler geſchaͤtzt werden
ſoll, muͤſſen dieſe nicht mit der Volksmenge uͤber-
haupt in Vergleichung geſetzt, ſondern Kleinhaͤndler
und Troͤdler unter den Juden mit Leuten dieſes Ge-
werbs unter Andern verglichen werden. Ich wette,
daß nach dieſer Vergleichung die Proportion ganz
anders ausfallen ſoll. Ich berufe mich keck auf die
nem-
[73] nemlichen juriſtiſchen Acten, ob nicht nach dieſer
Rechnungsart 25 mal ſo viel deutſche Diebe und
Diebeshehler unter den Troͤdlern ſind, als juͤdiſche.
Nicht zu gedenken, daß der Jude dieſe Lebensart
aus Noth ergreift; die andern aber Feldmarſchaͤlle
und Miniſter werden koͤnnen, und aus freyer Wahl
Kleinhaͤndler, Troͤdler, Mausfalltraͤger, Schatten-
ſpiel- und Raritaͤtenkraͤmer ꝛc. geworden ſind.


Diebshehler finden ſich allerdings unter den juͤdi-
ſchen Troͤdlern nicht wenige; aber eigentliche Diebe
ſehr wenige, und dieſe ſind groͤßtentheils Leute ohne
Schutz, die nirgend auf dem Erdboden unterkommen
koͤnnen. Sobald ſie zu einigem Vermoͤgen gekom-
men ſind, kauffen ſie ſich von den Landesfuͤrſten ein
Schutzprivilegium, und verlaſſen ihr bisheriges Ge-
werbe. Dieſes iſt notoriſch, und mir ſelbſt ſind in
meinen juͤngern Jahren manche bekannt geweſen, die
in meiner vaͤterlichen Heimat ein ganz unbeſcholtenes
Leben gefuͤhrt haben, nachdem ſie einige Jahre mit-
gelauffen, und ſo viel zuſammengeſcharrt hatten,
als zu Erkauffung eines Schutzes erfordert wird.
Ein Unweſen, das man blos der feinen Politick zu
verdanken hat, den armen Juden allen Schutz und
Aufenthalt zu verweigern, und ſie mit offenen Ar-
men aufzunehmen, wenn ſie ſich reich geſtohlen ha-
E 5ben
[74]ben. So ſehr auch Hr. Ritter M. wider die Ar-
muth, nach Anleitung der Schrift, eingenommen
iſt; ſo habe ich bey meiner Nation wenigſtens unter
den Armen vergleichungsweiſe weit mehr Tugend ge-
funden, als bey den Reichen.


Die gehofte Ruͤkkehr nach Palaͤſtina, die Herr
M. ſo beſorgt macht, hat auf unſer buͤrgerliches Ver-
halten nicht den geringſten Einfluß. Dieſes hat die
Erfahrung von jeher gelehrt, an allen Orten, wo
Juden bisher Duldung genoſſen, und iſt eines Theils
der Natur des Menſchen gemaͤß, der, wenn er nicht
Enthuſiaſt iſt, den Boden liebt, auf welchem ihm
wohl iſt, und wenn ſeine religioͤſe Meynungen da-
wider ſind, dieſe fuͤr die Kirche und die Gebetsfor-
meln verſparet, und weiter nicht daran denkt; an-
dern Theils aber der Vorſorge unſrer Weiſen zuzu-
ſchreiben, die uns den Verbot im Talmud ſehr oft
eingeſchaͤrft, an keine gewaltſame Ruͤkkehr zu den-
ken
; ja ohne die in der Schrift verheißene große Wun-
der und außerordentliche Zeichen, nicht den gering-
ſten Schritt zu thun, der eine gewaltſame Ruͤkkehr
und Widerherſtellung der Nation zur Abſicht haͤtte.
Dieſen Verbot haben ſie auf eine etwas miſtiſche,
doch ſehr einnehmende Weiſe, durch den Vers im
Hohenliede ausgedruͤckt (Cap. 2, v. 7. und C. 3, v. 5.)


Ich
[75]
Ich beſchwoͤre euch,

Toͤchter Jeruſalems!

Bey den Hirſchen,

Bey den Hinden des Waldes,

Daß ihr nicht wecket

Und nicht rege machet

Die Liebe,

Bis es ihr gefaͤllt.

daher ſind auch alle Anſchlaͤge, die die Projectma-
cher, Langallerie u. a. ſeines Gelichters auf die
Beutel der reichen Juden gehabt haben, noch immer
ohne Wirkung, und wenn ſie ſelbſt auch anders aus-
geſagt haben, leerer Wind geweſen.


Was Herr M. von unſerer Untauglichkeit zum
Kriegesdienſte ſagt, laſſe ich dahin geſtellt ſeyn. Will
er, daß die Religion den Trutzkrieg gut heiße; ſo
nenne er mir die unſelige, die es thut. Die chriſt-
liche ſicherlich nicht. Und werden nicht Quacker und
Menoniſten geduldet, und mit weit andern Vorrech-
ten und Freyheiten geduldet, als wir?


Anſtatt Chriſten und Juden bedient ſich Herr M.
beſtaͤndig des Ausdrucks Deutſche und Juden. Er
entſiehet ſich wohl, den Unterſchied blos in Reli-
gionsmeynungen zu ſetzen, und will uns lieber als
Fremde betrachtet wiſſen, die ſich die Bedingungen
gefal-
[76] gefallen laſſen muͤſſen, welche ihnen von den Land-
eigen thuͤmern eingeraͤumt werden. Allein erſtlich iſt
dieſes ja die vorliegende Frage: ob den Landeigenthuͤ-
mern nicht beſſer gerathen iſt, wenn ſie dieſe Gedul-
deten als Buͤrger aufnehmen, als daß ſie mit ſchwe-
ren Koſten andere Fremden ins Land ziehen? —
Sodenn moͤchte ich auch eroͤrtert wiſſen: wie lange,
wie viel Jahrtauſende dieſes Verhaͤltniß, als Land-
eigenthuͤmer und Fremdling fortdauern ſoll? Ob
es nicht zum Beſten der Menſchheit und ihrer Cultur
gereiche, dieſen Unterſchied in Vergeſſenheit kommen
zu laſſen?


Mich duͤnkt ferner, die Geſetze ſollen uͤberhaupt
keine Ruͤckſicht auf beſondere Meynungen nehmen.
Sie ſollten ihren Weg unaufhaltſam fortgehen, und
das vorſchreiben, was dem allgemeinen Beſten zu-
traͤglich iſt, und wer zwiſchen ſeinen beſondern Mey-
nungen und den Geſetzen eine Colliſion findet, mag
zuſehen, wie er dieſe heben kann. Soll das Vater-
land vertheidiget werden; ſo muß jeder hinzueilen,
deſſen Beruf es iſt. Die Menſchen wiſſen in ſol-
chen Faͤllen ſchon ihre Meynungen zu modificiren,
und ſo zu wenden, daß ſie mit ihrem buͤrgerlichen
Berufe uͤbereinſtimmen. Man ſuche ihnen nur die-
ſen Widerſpruch nicht zu auffallend zu machen. In
eini-
[77] einigen Jahrhunderten hebt, oder vergißt er ſich von
ſelbſt. Auf dieſe Weiſe ſind die Chriſten, der Lehre
ihres Stifters ungeachtet, Weltbezwinger, Unter-
druͤcker und Sklavenhaͤndler geworden, und ſo koͤn-
nen auch Juden zum Dienſte tauglich gemacht wer-
den, — es verſteht ſich, daß ſie das Maas haben
muͤſſen, wie Hr. M. weislich erinnert, wo man ſie
nicht etwa blos gegen feindliche Pigmaͤen oder Ju-
den, brauchen will.


3.
Des Hrn. Michaelis Beurtheilung

des Anhangs
Menaſſeh Ben Iſrael Rettung der Juden,
aus dem Engliſchen uͤberſetzt. Nebſt einer
Vorrede von Moſes Mendelsſohn *).


Ich erwaͤhne dieſe Bogen blos deshalb, weil
ſie ein Anhang der Dohmiſchen Schrift iſt,
ohne ſie eigentlich zu recenſiren, denn nur ent-
fer-
[78] fernter Weiſe gehoͤrt ſie in dieſe Bibliothek. Die
uͤberſetzte Schrift des R. Manaſſe iſt in der Hiſtorie
merkwuͤrdig, weil ſie veranlaſſete, daß die vorhin
vertriebenen Juden unter Cromwel wieder in Eng-
land aufgenommen wurden; wiewol freylich, wie
die Geſchichte ſagt, nicht blos dieſe Schrift, ſondern
auch wichtigere Gruͤnde, den Protector gelenkt ha-
ben ſollen. „R. Manaſſe,“ ſagt Herr Mendels-
ſohn in der Vorrede, „war ein Mann von vieler
„Rabbiniſchen Gelehrſamkeit, und auch andern Wiſ-
„fenſchaften, und von einem ſehr brennenden Eifer
„fuͤr das Wohl ſeiner Mitbruͤder. Er erhielt zu Am-
„ſterdam, allwo er als Chacam der portugieſiſchen
„Judenſchaft lebte, die noͤthigen Reiſepaͤſſe, und
„ging in Begleitung einiger ſeiner Nation nach Lon-
„don, um die Sache ſeines Volks bey dem Protec-
„tor, bey dem er wohl gelitten war, und bey dem
„Parlament zu unterſtuͤtzen. Er fand aber mehr
„Schwierigkeit, als er ſich anfangs vorſtellete, und
„dieſen Aufſatz ſchrieb er zu einer Zeit, da er die
„Hofnung, in ſeinem Geſchaͤfte gluͤcklich zu ſeyn, faſt
„aufgegeben hatte. Endlich aber gelang es ihm den-
„noch, und die Juden wurden unter leidlichen Be-
„dinguugen wieder aufgenommen.“


In
[79]

In der Engliſchen Geſchichte iſt dis, wie ſchon
geſagt, immer ein ſehr wichtig Stuͤck: denn wenn
auch der Protector noch andere eintraͤgliche Urſa-
chen der Wiederaufnahme der Juden hatte, und an-
dere ſcheinbare vorgab, unter denen ſelbſt die Hof-
nung einer Judenbekehrung, und die Pflicht der
Chriſten an ihnen zu arbeiten, war, ſo iſt es
doch dem denkenden Leſer der Geſchichte gar nicht
gleichguͤltig, zu wiſſen, was dieſem ſehr klugen Kopf,
der ein vom Religions-Enthuſiasmus wuͤtendes Volk
zu beherrſchen und zu lenken hatte, fuͤr Mittel ge-
geben ſind, alte thoͤrichte Anklagen des Aberglaubens
und Religionseifers gegen die Juden zu beantwor-
ten. Herrn Dohms Project betrift Manaſſes Brief
eigentlich nicht; denn Manaſſe forderte fuͤr die Ju-
den nicht das, was Herr D. ihnen goͤnnete, und ſie
wuͤnſchten hauptſaͤchlich wegen der Handlung in Eng-
land zu ſeyn: auch verdienen die meiſten Anklagen
gegen die Juden, die Manaſſe beantwortet, jetzt
wenigſtens im noͤrdlichen Deutſchland keine Beant-
wortung mehr, weil ſie niemand mehr erhebt, ſon-
dern das Publikum ſie als bloße Pfaffen- und
Moͤnchs-Laͤſterungen verachtet.


Wichtiger und Herrn D. Zweck naͤher betref-
fend iſt hingegen Herrn Mendelsſohns Vorrede.
Weil
[80] Weil ſie aber nichts in die orientaliſche Litteratur
einſchlagendes
neues enthaͤlt, oder enthalten kann,
wird man hier keine eigentliche Recenſion erwarten,
ſondern ſie ſelbſt leſen. Doch einen die Hauptſache
betreffenden Mendelsſohniſchen Gedanken, der ſehr
von Herrn Dohm abgehet, kann ich nicht unbemerkt
laſſen. Herr Dohm rechnete zur Autonomie, die er
den Juden eingeraͤumt wiſſen wollte, auch die kirch-
liche, inſonderheit dieſes, daß ſie das Recht der
Ausſchlieſſung auf gewiſſe Zeiten, oder auf im-
mer haben, und im Fall der Widerſetzung das
Erkenntniß des Rabbinen durch obrigkeitliche
Beyhuͤlfe unterſtuͤtzt werden ſollte
. Dis ver-
langt nun Mendelsſohn nicht allein nicht fuͤr ſie, ſon-
dern glaubt, es gebe gar keine ſolche kirchlichen Rech-
te uͤberhaupt, (der Nahme klingt ihm ſchon unver-
ſtaͤndlich) jede Geſellſchaft habe das Recht der Aus-
ſchlieſſung, nur die kirchliche nicht, die ſolle nieman-
den verſagen, an der gemeinſchaftlichen Erbauung,
und Unterricht Theil zu nehmen, dis ſey ja Beſſe-
rungsmittel fuͤr ihn. Er ſetzt noch hinzu: auch einer,
der nicht alles glaubt, was die Kirche annimmt,
wolle doch nicht gern ohne alle aͤuſſerliche Religion
ſeyn, ja es koͤnne Schimpf kaum ſo ganz davon ge-
trennet werden. — — In die Frage, ob es uͤber-
haupt
[81] haupt kirchliche Rechte gebe, ſoll ich mich hier wohl
nicht einlaſſen, ſie gehoͤrt an einen ganz andern Ort:
ich glaube ſie, (und das werden die meiſten Leſer auch
thun) dabey wiſſen meine Zuhoͤrer in der Moral,
daß ich der Kirche uͤber Layen wenig Rechte verſtatte,
(uͤber ihren beſoldeten Diener, den Lehrer, muß ſie
mehr haben) daß ich gegen die frommen Wuͤnſche ei-
ner ſtrengen Kirchenzucht rede, und das gefaͤhrliche
der Kirchenzucht zeige, ſie mag nun ariſtocratiſch von
Geiſtlichen oder democratiſch geuͤbt werden, daß ich
ſogar dem Geiſtlichen kein Recht gebe, einen ſo be-
kannten Boͤſewicht, als Judas Iſcharloth war, vom
heiligen Abendmahl auszuſchlieſſen, weil Chriſtus es
nicht gethan hat, wenn er, nur nicht als Spoͤtter
und Entehrer der Handlung, hinzugehen will: daß
unſere Kirche von ihrem Gottesdienſt, ſofern er in
Geſang, Gebet, und Unterricht beſteht, keinen aus-
ſchließt, weiß jeder und ich billige es von ganzem Her-
zen. Und nun wird wohl niemand zu wiſſen verlan-
gen, was ich bey dem Widerſpruch zwiſchen D. und
M. denke, ſondern als gewiß zum vorausſetzen; ich
ſey auf der guͤtigern Seite Mendelsſohns. Das bin
ich doch nicht, ſondern gewiſſermaſſen in der Mitte.
Die Kirche des herrſchenden Volks handelte thoͤricht
und hart, wenn ſie einen Irrglaͤubigen, Unglaͤubi-
Fgen,
[82] gen, oder Laſterhaften, von ihrem Gottesdienſt aus-
ſchloͤſſe, es hieße ſo viel als, dem Kranken die Apo-
theke verbieten; ihn bloß woͤrtlich zur Beſchimpfung
auszuſchlieſſen, hat ſie kein Recht, es muͤßte denn
der Staat es ihr ausdruͤcklich verliehen haben, vom
bruͤderlichen Umgang ausſchlieſſen, iſt bey ihr ein
Nichts, denn die allgemeine Kirche des Volks iſt
Welt, und der Unterſchied des Umgangs mit Ne-
benmenſchen und Nebenchriſten wird unſichtbar.
Aber ein anderes iſt es mit einer kleinern bloß gedul-
deten, und vom herrſchenden Volk geſchuͤtzten Kirche.
Hier treten folgende Umſtaͤnde ein, die das Recht
der Ausſchlieſſung, bisweilen gar der bezeugten ge-
meinſchaftlichen Verabſchenung, zu ihrer Exiſtenz
nothwendig machen.


  • 1) Durch gewiſſe Verbrechen eines Mitgliedes
    kann die kleine Kirche in den Augen des Volks
    beſchimpft werden, welches glaubt, es ſey nach
    ihrer Moral, und Folge ihrer Religion. Wenn
    jetzt ein Chriſt ſeine Stiefmutter heyrathete,
    und ein ſchaͤndlicher Prediger verrichtete noch
    ſogar die Trauung: ſo waͤre das Chriſtenthum
    nicht in den Augen des Volks beſchimpft, denn
    wir alle ſind Chriſten, und wiſſen, dis iſt nicht
    nach unſerer Religion, hier iſt alſo die Strafe
    der
    [83] der Obrigkeit allein uͤberlaſſen: aber anders
    1 Cor. 5, 1 — 5. So lange die Corinthier den
    Blutſchaͤnder nicht ausſchloſſen, mußte ihre Re-
    ligion den Heiden aͤuſſerſt ſchwarz vorkommen.
  • 2) Gewiſſe Verbrechen eines Einzelnen koͤnnen die
    Rache des herrſchenden Volks gegen ſie reitzen,
    wenn dieſer Einzelne noch als Mitglied ihrer Ge-
    meine angeſehen wird. Geſetzt, ein juͤdiſcher
    Enthuſiaſte haͤtte um die Zeit, da Cromwel die
    Juden wider aufnahm, oͤffentlich Chriſtum ge-
    laͤſtert, (das er nach der beſten juͤdiſchen Moral
    nicht thun ſoll, ſelbſt den Capitoliniſchen Ju-
    piter nicht) haͤtten nicht die Juden ihn auf das
    oͤffentlichſte ausſtoſſen muͤſſen, wenn ſie, ich
    will nicht ſagen ihrer Duldung, ſondern ihres
    Lebens ſicher ſeyn wollten?
  • 3) Durch gewiſſe Verbrechen eines Einzelnen kann
    die kleine Kirche einen Theil oder das Ganze
    ihrer Gewiſſensrechte oder Duldung verlieren.
    Jeder weiß, was in England der Fall ſeyn
    wuͤrde, wenn ein Quaker im Gerichte eine Luͤge
    begienge, ſein Ja nicht Ja, und ſein Nein nicht
    Nein, nicht ſo heilig als der Eid waͤre: ihre
    ganze Befreyung vom Eide hoͤrte damit auf.
    Geſetzt der Fall truͤge ſich zu, koͤnnte man es
    F 2den
    [84] den Quakern verdenken, wenn ſie ihn aus ihrer
    Gemeine ſtieſſen? Doch dis wuͤrde die Sache
    noch nicht beſſern! koͤnnte man es ihnen verden-
    ken, wenn ſie alſo noch weiter gingen, und zu
    Verhuͤtung des Ungluͤcks einen auch auſſergericht-
    lichen Luͤgner von ihrer Gemeine ausſchloͤſſen?
  • 4) Das herrſchende Volk ſchuͤtzt und duldet die
    kleine Kirche, unter der Zumvorausſetzung,
    daß ſie gewiſſe Lehren habe, oder nicht habe.
    Z. E. die eben genannten Quaker, ſind vom
    Eide frey, weil ſie glauben und bekennen, ein
    bloſſes Ja und Nein ſey ſo heilig als ein Eid:
    geſetzt ſie glaubten dis nicht, ſondern hielten
    falſiloquia fuͤr erlaubt, kann ihre Befreyung
    fortdauren? In Deutſchland werden jetzt Wi-
    dertaͤufer geduldet, weil man weiß, ſie haben
    die rebelliſchen Lehren der Muͤnſteriſchen Wider-
    taͤufer nicht; wuͤrde aber dieſe Duldung immer
    fortdauren, wenn ſie jene Lehren haͤtten? Soll-
    te nun ein Mitglied der kleinen Kirche Irrthuͤ-
    mer von dieſer Art haben, ſo iſt doch wohl der
    Kirche das Recht unentbehrlich, es feyerlich aus-
    zuſchlieſſen, und von ſeinem Gottesdienſte nicht
    nur, ſondern auch von Freundſchaft und Um-
    gang zu entfernen.

Auf
[85]

Auf ſolchen Faͤllen muͤßten ja denn auch billig die,
neue Rechte erwerbenden Juden, das alte Recht der
Ausſchlieſſung aus ihrer Gemeine behalten, und im
Fall der Noth von der Obrigkeit unterſtuͤtzt werden;
ſo wenig ich es meiner Kirche anrathen wuͤrde, dis
Recht zu uͤben, ſo rathſam koͤnnte es doch fuͤr Juden
ſeyn: ja vielleicht hat der ihnen neue Rechte einge-
ſtehende Staat Urſache zu verlangen, daß ſie es uͤben.
Es erleichtert ihre Nationaliſation. Darf ich dis
mit ein paar Beyſpielen erlaͤutern. Betruͤglicher
Eid, und Diebſtahl, oder Zuſammenhang mit Die-
besbanden, iſt die Hauptſache, die eine Nationali-
ſation, ja oft die Duldung der Juden bedenklich
macht: man hat auch den Verdacht einer boͤſen Leh-
re vom Eide, und dem an Chriſten begangenen Dieb-
ſtahl, und ſo unſchuldig die Gelehrtern hier ſind,
ſo ſchleichen doch unter dem Poͤbel, ſonderlich unter
dem mit Spitzbubenbanden zuſammenhaͤngenden,
ſolche Irrthuͤmer herum.


Wie wenn nun ein Jude dergleichen Irrthuͤmer
aͤuſſerte, bey denen ſelbſt die Duldung der Juden be-
denklich wird, ſollten nicht die nationaliſirten Juden
das Recht haben und gebrauchen, ihm zu ſagen, du
biſt kein Jude, du haſt unſere Lehre nicht, und ihn von
ihren Synagogen auszuſchlieſſen? Sollten ſie nicht
F 3auch
[86] auch zu ihrer Ehre das Recht haben, eben ſo mit dem
von der weltlichen Obrigkeit uͤberfuͤhrten Meineidi-
gen oder Diebe zu verfahren? und koͤnnte der Staat
nicht wuͤnſchen, daß dis geſchehe? Wirklich ohne ſo
etwas wird dieſe Schwierigkeit, die ich gegen Buͤrger
rechte der Juden erwaͤhnt habe, immer groß bleiben:
aber wenn ſie, wie die Quaker in England wegen
der gerichtlichen Luͤge, alſo ſie wegen Meineides und
Dieberey alle fuͤr Einen ſtehen muͤßten, ſo waͤre der
Zweifel gehoben. Nur dieſe Bedingung moͤchte zu
hart ſeyn: aber die gelindere, die uns ehrliche Ju-
den ins Land bringen, und die Sitten des Volkes
wirklich beſſern wuͤrde, waͤre dieſe; diejenigen juͤdi-
ſchen Gemeinen, die Buͤrgerrechte erlangen, ſchlieſ-
ſen jeden aus ihrer buͤrgerlichen und kirchlichen Ge-
meinſchaft aus, der einen falſchen Eid gethan, oder
an einem Diebſtahl, mittelbar oder unmittelbar An-
theil genommen hat, halten ihn fuͤr keinen Juden,
und haben keine Gemeinſchaft mit ihm. Dis waͤre
das gerade entgegengeſetzte deſſen, was ſelbſt die
bloſſe Duldung der Juden in manchen kleinen Herr-
ſchaften Deutſchlands den Unterthanen ſo fuͤrchter-
lich macht: ſie beklagen ſich, dieſe Juden, (gemei-
niglich Arme, doch bisweilen ein Reichgeworde-
ner darunter) waͤren Mitglieder oder Abſetzer der
Spitz-
[87] Spitzbubenbanden, und wenn nun ſolche, auch ſelbſt
auf Einbruͤchen, oder wo ſonſt Carl des fuͤnften pein-
liche Halsgerichts-Ordnung den Strang ſetzt, er-
griffen wuͤrden, kaͤmen ſie doch los, denn die Ju-
den, die ſich es zur Pflicht machten, einem Juden
das Leben zu retten, ſonderlich aber zu hindern, daß
er nicht gehangen wuͤrde, legten Vorbitten ein, und
begleiteten ſie mit Geld, das bey einem armen Fuͤr-
ſten mehr wiegt, als das Wohl und die Sicherheit
der Unterthanen. Ob ihre Klagen wahr ſind, die
man mir erzaͤhlt hat, will ich nicht unterſuchen:
allein ſo lange nur der Verdacht dauret, waͤre eine
Juden-Nationaliſation ſchrecklich. Dis ſchreck-
liche kann bloß durch gute Uebung des Kir-
chenbannes wegfallen: der Jude, der geſtohlen,
der falſch geſchworen hat, ſey kein Jude mehr,
die juͤdiſche Gemeine verliere alle ihr verliehene
Rechte, wenn ſie Judenliebe gegen ihn beweiſet, und
ſich auch nur mittelbar verwendet, ihn vom Stran-
ge los zu machen. Juden, die ſich nicht ſo vom
Meineidigen oder Spitzbuben losſagen wollten, wo-
fuͤr ſollte man die halten? und wie koͤnnte man ih-
nen mehr Rechte geben? da die bloſſe bisherige Dul-
dung gerade durch die beſondere uͤber Menſchenliebe
F 4ſo
[88] ſo ſehr hinausgehende Judenliebe dem herrſchenden
und ſchuͤtzenden Volk ſo gefaͤhrlich wird?


Aber nun auf der andern Seite: ich glaube nicht,
daß M. gegen eine Ausſchlieſſung dieſer Art etwas
einwenden wuͤrde; die deren Recht er den Rabbinen
nicht goͤnnen will, iſt wohl von einer andern Art.
Es gehen da Misbraͤuche und Tyranneyen vor, von
denen Chriſten bisweilen hoͤren, er aber vielleicht
mehr wiſſen mag, und die wollte er u[n]terdruͤckt wiſ-
ſen. Damit bin ich ſehr einſtimmig. Das Recht
der Ausſchlieſſung, daͤchte ich alſo, bliebe, und die
Tyrannen wuͤrde abgeſondert: wie das geſchehen ſoll
iſt hier zu weitlaͤufig zu ſagen, es iſt aber auch leicht
zu errathen, ohne daß ich mehr Papier verſchwende.


4. Des
[89]

4.
Des Hrn. Prediger Schwager Ge-
danken, bey Leſung dieſer Schrift.


Mit Ehrfurcht betracht’ ich jeden Verſuch eines
Menſchenfreundes, den Unterdruͤckten das
Wort zu reden, und dem Unterdruͤcker ein Wort an’s
Herz zu legen. Weit bin ich immer davon entfernt
geweſen, eine ungluͤckliche Nation zu haſſen, weil
ſie Gott auf eine andere Art verehrt, als ich, ande-
re Sitten und Gebraͤuche hat, als ich in meiner Re-
ligion vorfinde, und mir ihren Himmel verſchließt,
weil ich unbeſchnitten bin, und Schweinefleiſch eſſe.
Ich hab’ es immer beklagt, daß wir die Juden durch
ein druͤckendes, politiſches Joch zwingen, uns be-
truͤgen zu muͤſſen, denn wie ſollen ſie es anders ma-
chen, um leben zu koͤnnen? woher anders ihre ſchweren
Abgaben beſtreiten? und wie ſich anders an der Ver-
achtung raͤchen, womit wir die Menſchheit in ihnen
beleidigen? Ich gehoͤre nicht zu denjenigen, die ihre
F 5Be-
[90] Beſtaͤndigkeit, mit der ſie an dem Geſetz ihrer Vaͤ-
ter hangen, Halsſtarrigkeit nennen; denn es iſt ge-
rade der beſte Theil dieſer Voͤlkerſchaft, die ihre An-
haͤnglichkeit am Geſetze Moſis am unerſchuͤttertſten
beybehaͤlt, und wir duͤrfen ſelten auf die Proſelyten
ſtolz ſeyn, die von ihnen zu uns uͤbergegangen ſind.
Ihre Erziehung iſt religioͤſer, als die unſrige, weil
ſie unter dem Drucke ſind, ihre Erwartung wird
aufs hoͤchſte geſpannt, und die Lebhaftigkeit ihres
Genies verleitet ſie weit eher zum Fanaticismus, als
uns unſer groͤßeres Pflegma. Und was thun wir,
ihnen die Vorzuͤge der chriſtlichen Religion vor der
ihrigen einleuchtender zu machen? Leben wir gewiſ-
ſenhafter nach unſren religioͤſen Grundſaͤtzen, als ſie?
Sind wir weniger in Rotten und Secten getheilt,
als ſie? Verfolgen ſich chriſtliche Religionspartheyen
weniger, als die Thalmudiſten und Karaiten unter
einander? Eben deswegen, weil wir in unſerm Le-
ben ſo wenig Chriſten ſind, eben deswegen, weil ſo
wenig Bruderliebe unter uns herrſcht, eben deswe-
gen, weil wir mehr uͤber die Wahrheit der chriſtli-
chen Religion diſputiren, als nach dem Geiſte derſel-
ben leben, eben deswegen kann ein ehrlicher Jude
mit ſeinen Vorurtheilen nicht zu uns uͤbergehen, wir
erſchweren ihm ſelbſt dieſen Schritt. Und ſollte ſich
die
[91] die chriſtliche Religion wohl durch Druck und Ver-
achtung empfehlen? Die Religion der Chriſten in
ihrer urſpruͤnglichen Reinigkeit kennt freylich keinen
Verfolgungsgeiſt, ſie empfiehlt gegenſeitige Liebe und
Duldung, und ihrem Stifter war ein rechtſchaffe-
ner Samariter lieber, als ein rechtglaͤubiger Jude
der ein Schurke war. Aber woher ſoll der Jude dis
reine Urchriſtenthum kennen lernen, da wir’s ſelbſt
alle nicht mehr kennen? Kann er anders, als nach
unſerm eigenen Leben und Wandel auf unſere Reli-
gion zuruͤckſchließen? und kann ſie ſich da empfeh-
len? Geſetzt nun, ſein Irrthum iſt ihm da ver-
dammlich, von weſſen Haͤnden wird ſein Blut gefor-
dert werden? Von den Seinigen allein? oder auch
von den Unſrigen? von uns, die wir ihn durch un-
ſer ſchlechtes Leben zwangen, ſchlecht von unſerm
Glauben zu denken? die wir in ihm durch poͤbelhafte,
blinde Verachtung den Menſchen ſchaͤnden, und
Den entehren, der den Menſchen geſchaffen hat?
Kann der Jude Vertrauen zu demjenigen haben, der
ihn geringer haͤlt, als einen Hund? In meinem
Leben hab ich mir’s nicht erlaubt, einen Juden ſchlecht
zu behandeln, ich hab’ in ihm den Menſchen geehrt,
der Fleiſch iſt von meinem Fleiſch, und Bein von
meinem Bein. Mit ſeinem Irrthum hab’ ich Ge-
dult
[92] dult gehabt, weil ich vielleicht, bey ſeiner Erzie-
hung, in ſeiner Verfaſſung, eben ſowohl ein
Jude wuͤrde geweſen und geblieben ſeyn, als
er. Den rechtſchaffenen Juden, (und es giebt
gewiß welche) hab ich immer mehr geliebt, als den
ſogenannten Chriſten, der ſeinen Glauben durch ſein
Leben ſchaͤndet; denn ich weiß es von Petro, daß
Gott die Perſon nicht anſiehet, ſondern in al-
lerley Volk, wer ihn fuͤrchtet und recht thut,
der iſt ihm angenehm
. Apoſt. Geſch. 10, 34. 35.
Dadurch hab’ ich manchen Juden von einer beſſern
Seite kennen gelernt, als andere ihn kennen lernen
wollten, ich habe gefunden, daß ſie edler Empfin-
dung faͤhig ſind, und weiß gewiß, daß, wenn ich
unter Moͤrder fallen wuͤrde, und ein Jude, der mich
kennte, kaͤme des Weges, er nicht bey mir voruͤber
gehen wuͤrde.


Kein Religionsirrthum, der unverſchuldet iſt,
entbindet mich von der allgemeinen Pflicht, meinen
Naͤchſten zu lieben, und wie kann ich’s beurtheilen,
daß der Irrthum des Juden verſchuldet oder unver-
ſchuldet war? Ich kann mich nicht ganz in ſeine
Lage hinein denken, mich nicht ganz in ſeine Stelle
ſetzen. Es gehoͤrt ſchon ein genauer Beobachter dar-
zu, der ſeine eigene Seelengeſchichte kennen und recht
wiſſen
[93] wiſſen ſollte, wie und durch welche Veranlaſſung er
nach und nach zu ſeinen Ueberzeugungen gekommen
ſey? Und beynahe moͤgte ich ſagen, es giebt ſolche
genaue Beobachter gar nicht, wenn keine gewiſſe Re-
volution bey ihnen vorgegangen iſt, von der ſie ihre
Seelengeſchichte an datiren. Um wie viel weniger
bin ich alſo im Stande, die Selengeſchichte eines
andern zu beurtheilen und zu kennen. Wir wollen
das Wort Ueberzeugung nicht im ſtrengſten Ver-
ſtande nehmen, da es freylich eine unpartheyiſche
Pruͤfung vorausſetzt; denn in dieſem Falle wuͤrden
wir manche ſogenannte Ueberzeugung der Chriſten
gleichfalls ausrangiren muͤſſen, und wie wuͤrd’ es
dann unſern Fanatikern und Geiſterſehern gehen?
Sondern ich nehme das Wort Ueberzeugung nach
der Moͤglichkeit eines Subjects, ſeiner Meynung
gewiß zu ſeyn. Dieſe wird durch tauſenderley Zu-
faͤlligkeiten eingeſchraͤnkt oder ſubjectiviſch vernichtet.
Wie ſelten iſt die Faͤhigkeit, einer Sache ſo tief
nachzudenken, als ſolche Pruͤfungen, wenn ſie wei-
ter bringen ſollen, erfordern! wie ſehr fehlt es tau-
ſend Menſchen an den erforderlichen Datis, Zeit,
Unbefangenheit
und Luſt! Sorgen fuͤr Leibes-
nahrung und Nothdurft nehnen bey den meiſten
Menſchen alle Zeit weg, beſonders bey den Juden,
dem
[94] dem groͤßten Theile nach, und ein Geiſt, der ſo ſehr
niedergedruͤckt wird, als der ihrige, iſt wohl zum
Philoſophiren wenig aufgelegt, wenn er nicht aus der
hoͤhern Claſſe menſchlicher Seelen iſt. Alles, was
Seelen taͤglichen Schlages thun koͤnnen, iſt ſich von ih-
ren Meynungen zu uͤberzeugen, und da giebts leichte
Arbeit, die man noch auf den Feyerabend thun kann.
Ein aͤngſtiges Gewiſſen haͤlt eine unzaͤhlbare Menge
der Chriſten von weiterm Forſchen zuruͤck, ſollten
die Juden dieſen menſchlichen Schwachheiten und
Unvollkommenheiten weniger unterworfen ſeyn? Der
groͤßte Theil unſerer Religionslehrer hat ſich nicht
bis zu dieſer Pruͤfung verſtiegen, und wir dulden
ſie doch, ja ſie koͤnnen ein weit ruhigeres Leben fuͤh-
ren, als die Pruͤfer; warum ſollten wir denn die
Juden uͤber Unterlaſſuugsſuͤnden anfeinden, die wir
ſelbſt auf dem Gewiſſen haben? Zu dem leitet die
groͤßere Lebhaftigkeit der Juden eher zum Fanaticis-
mus, als zum kalten Nachdenken, und wer mit je-
nen bekannt iſt, wird ſich’s leicht erklaͤren koͤnnen,
warum der Jude unſere Gruͤnde nicht pruͤfen will,
die uns freylich nicht einleuchtend ſind, aber um kein
Haar einleuchtender, als ihm die Seinigen, die ihn
beſtimmen, unſere Gruͤnde nicht einmal anzuhoͤren
Philoſophiſche Ueberzeugung kann ich von wenig
Men-
[95] Menſchen erwarten, und manchmal von denen am
wenigſten, die ſie ſich zu verſchaffen am meiſten be-
muͤht ſind. Dies wundert mich gar nicht mehr,
(wenn ich es ſagen darf,) da ich den Menſchen an
mir ſelbſt habe ſuchen naͤher kennen zu lernen. Un-
ſere Ueberzeugung und Nichtuͤberzeugung haͤngt von
ſo vielen Zufaͤlligkeiten ab, daß ich, um doch ein
Beyſpiel zu geben, bey ſchlechter Verdauung oft noch
etwas bezweifele, wovon ich bey beſſerm Befinden
und groͤßerer Heiterkeit, vollig uͤberzeugt bin. Daß
die Juden ihre Kinder mit ungleich groͤßerm Fleiße
in ihrer Religion erziehen, als die Chriſten nach Maß-
gabe, bedarf, denk ich, nicht erſt erwieſen werden.
Meinetwegen moͤgen’s alles Vorurtheile ſeyn, wo-
rinn ſie dieſelben von Kindesbeinen an zu beſtaͤrken ſu-
chen; ſo viel iſt doch wohl ausgemacht, daß dergleichen
ſo tief eingedrungene Vorurtheile hoͤchſt ſchwer auszu-
rotten ſind, und bey einigen Subjecten iſt es, nach
ihrer Lage, ſchlechtweg unmoͤglich. Wir haben ſo
viele Chriſten, die ein beredter und gelehrter Jude
ſo ſehr in die Enge treiben koͤnnte, der Meſſias ſey
noch nicht gekommen, daß ſie ihn nicht widerlegen
koͤnnten; aber Juden wuͤrden ſie deswegen gewiß
nicht werden. Der Jude haͤtte eben ſo ſehr ein Recht,
den Chriſten deswegen halsſtarrig zu nennen, als
wir
[96] wir ihn ſo nennen; aber was wird damit ausge-
macht? Nichts, denn widerlegen und uͤberzeugen
iſt zweyerley.


Dieſe Wahrheiten ſind, denk ich, von der Art,
daß ſie ſich jeder ſagen koͤnnte; ich will und kann ſie
alſo nicht fuͤr neu ausgeben. Aber warum haſſen,
verfolgen und unterdruͤcken wir denn die Juden?
Weil ſie uns vervortheilen? Daran ſind wir ſelbſt
Schuld, wir zwingen ſie zum Wucher, um die Ab-
gaben beſtreiten zu koͤnnen, die uns ſonſt, bey blei-
benden Staatsbeduͤrfniſſen, ſelbſt mit treffen wuͤr-
den. Oder weil ſie Chriſtum gekreuzigt haben? Bat
doch Chriſtus ſelbſt fuͤr ſie, weil ſie nicht wuſten,
was ſie thaten
, und Petrus rechnete es den Moͤr-
dern ſelbſt nicht einmal an. Nun lieben Bruͤder,
ich weiß es; daß ihr’s durch Unwiſſenheit ge-
than habt, wie auch eure Oberſten
. Apoſt. Ge-
ſchichte 3, 17. Sollten wir es denn eine ungluͤckli-
che Nachkommenſchaft noch nach mehr als 1700 Jah-
ren entgelten laſſen, die vielleicht nicht einmal von
jenen Juden abſtammen, die Chriſtum ermordeten?
Ein Sohn ſoll nicht tragen die Miſſethat des
Vaters
, und wir ſolltens ungluͤckliche Enkel thun
laſſen, die ſchon durch 50 und mehr Generationen
von jenen entfernt ſind? Oder ſollen wir ſie etwa
des-
[97] wegen ausrotten, weil ſie keine Chriſten ſind? Wa-
rum laͤßt ſie aber Gott leben? Ja, ſagt ihr, aber
Gott druͤckt ſie auch um ihres Herzens Haͤrtigkeit wil-
len? Nein Freunde! das thut nicht Gott, ſondern
Menſchen thun es, und viele unter ihnen glauben,
daß ſie Gott einen Dienſt daran thun. Aber ſie
haſſen doch die Chriſten. Freylich, wenn wir’s
darnach machen, nicht aber, weil wir Chriſten
ſind. Und laßt ſie es auch aus Sectirerey thun
wer hebt den erſten Stein auf? Man giebt
ihnen Schuld, daß ſie Chriſten Kinder ermorden
und ihnen das Blut ausſaugen. Aber wer kann mir
ein einziges Beyſpiel davon zeigen? Pfui, ſolcher
Fabeln ſollten wir uns doch endlich einmal ſchaͤmen!
Sie nehmen den Chriſten die Nahrung weg. Meynt
ihr, daß ſie nicht eben ſo gut einen Magen haͤtten,
als ihr? Oder glaubt ihr etwa, daß Gott die Erde
blos fuͤr Chriſten erſchaffen haͤtte? In dem Falle
wuͤrde er ſchon ſelbſt dafuͤr ſorgen, daß ſie nicht da
waͤren. Die Erde iſt allenthalben des Herrn, die
Juden ſind ſowohl ſeine Geſchoͤpfe als wir; er hat,
daͤcht’ ich, alſo auch das Recht, da er ſie gemacht
hat, ſie zu erhalten — oder ſieheſt du darum ſo
ſcheel, daß er ſo guͤtig iſt
?


GWie
[98]

Wie kann aber ihr Zuſtand verbeſſert werden?
So herzlich ich ihnen auch ein beſſer Schickſal wuͤn-
ſche; ſo find ichs doch nicht ſo leicht, als der wuͤrdige
Herr Kriegesrath Dohm, der ſie allen uͤbrigen Buͤr-
gern des Staats gleich gemacht haben moͤgte. Nicht
als wenn ich ’s nicht billig faͤnde, nicht als wenn ich
nicht mit der Zeit den beſten Willen dazu von den
gerechten Geſinnungen unſerer Fuͤrſten erwartete —
ſondern ich finde die Hauptſchwierigkeit in den Ju-
den ſelbſt. Ich kann ſie in dieſen Blaͤttern nicht ſo
weitlaͤuftig auseinander ſetzen, als wenn ich ein
Buch daruͤber ſchriebe; aber auch einige Einwuͤrfe in
der Kuͤrze koͤnnen den Patrioten ſchon zum Nach-
denken bringen. Herr Dohm hat einige dieſer
Schwierigkeiten ſelbſt gefuͤhlt, und ich glaube nicht,
daß er ſie ſo gehoben hat, daß er ſelbſt vollkommen
damit zufrieden ſeyn koͤnnte, und eine der wichtig-
ſten iſt ihm ſogar entwiſcht. Die Juden erhalten
ſich unter uns noch immer als eine voͤllig fremde
Nation
, ihre Lebhaftigkeit iſt weit groͤßer, als
die unſrige, ihre Sitten und Gebraͤuche ſind ganz
andere, und laſſen ſich wirklich nicht ſo modificiren,
daß ſie mit uns fuͤglich ein ganzes ausmachen koͤnn-
ten. Sie ſind allerdings faͤhig, einen großen Theil
der Pflichten der Buͤrger unſerer Staaten auszu-
uͤben,
[99] uͤben, aber nicht alle; folglich koͤnnen ſie auch nicht
aller Vortheile faͤhig ſeyn.


Ich will einige nennen, nicht den Herrn Ver-
faſſer zu widerlegen, ſondern mich freundſchaftlich mit
ihm uͤber eine Angelegenheit zu beſprechen, die mir
gewiß eben ſo warm am Herzen liegt, als ihm. Er
iſt mein Freund, und wird mich ſo beurtheilen, wie
ich beurtheilt zu ſeyn wuͤnſche — und wer kann es
beſſer als er? Eben die uͤberwiegende Lebhaftigkeit,
die kein Druck, kein Sklavenjoch voͤllig daͤmpfen
konnte, macht ſie unfaͤhig, ſo gute und allgemein
nuͤtzliche Buͤrger unter unſerm noͤrdlichen Himmels-
ſtriche und mit uns gemeinſchaftlich zu werden, als
ſie es in Aſien, und als eine abgeſonderte Nation,
haͤtten ſeyn koͤnnen. In einem blos Handlungtrei-
benden Staate koͤnnen ſie weit eher noch einrangiert
werden, als in einem Staate, der vorzuͤglich Acker-
bau treibt. Fuͤr ihre Lebhaftigkeit koͤnnte kein Ge-
ſetz weiſer ſeyn, als dasjenige iſt, daß ſie bloß auf
die Handlung einſchraͤnkt. Ein ſtilleres, eingezoge-
neres Leben, eine ſitzende Lebensart, ſchickt ſich fuͤr
ihr Feuer nicht *). Ich kenne freylich Staaten, wo
G 2ſie
[100] ſie Handwerker ſeyn duͤrfen, aber ich hab’ es auch
gefunden, daß ſie, als Handwerker nicht in ihrer
rechten Sphaͤre waren, und was ihr Feuer noch
daͤmpfen konnte, war Gewinnſucht, der Staat ge-
wann nichts dabey, und die juͤdiſchen Handwerker
waren nichts weniger als gluͤcklich. Der Judenjun-
ge, der in Amſterdam mit ſeiner Schuhbuͤrſte her-
um laͤuft, oder ſein Sechsgroſchenmagazin feil bie-
thet, gewinnt vielleicht nicht ſo viel, als der Schu-
ſter; aber er zieht ſein Gewerbe vor, und iſt gluͤck-
licher. Der Jude zeigt durch ſeine Haare und Ge-
ſichtsbildung, wie weit er von uns abſtehe, (uͤber
uns oder unter uns? iſt hier die Frage nicht,) und
eben ſo verſchieden iſt auch ſein Geiſt von dem un-
ſrigen.


Er taugt alſo zum Ackerbau nicht. Der Bauer
iſt gewiſſermaßen an ſeinen Acker feſtgebunden; keine
Jahrszeit, oder ſie fordert ſeine Gegenwart und Auf-
ſicht, und will er ein ehrlicher Kerl bleiben; ſo darf
er
*)
[101] er ſich ſeinen Geſchaͤften nicht entziehen. Ich hab’
es aus der Erfahrung, daß die lebhaften Bauren
bald ausgehaushaltert hatten, ihr unruhiger Geiſt
riß ſie von ihrer Arbeit weg, und durch Verſaͤumen
wurden ſie immer eher arm, als durch Verſchwen-
dung. Der Jude kann durch nichts, als durch Ge-
winnſucht zur Induͤſtrie angehalten werden, die
Gewinnſucht pflanzten wir aber durch ſchwere Ab-
gaben in ihn, und wenn wir ihm die erlaſſen; ſo
duͤrfte die Induͤſtrie auch abnehmen. Der Jude als
Jude betrachtet, kann ſein Bauerngut nicht ſo hoch
nutzen, als der Chriſt; ich nehme die einzige Schwei-
nezucht, die ihm ſein Geſetz unterſagt, und die ei-
nem Chriſten ſchon ein ehrliches aufwirft. Und wo-
mit ſoll er ſeine Hausgenoſſen bey ſchwerer Arbeit
ernaͤhren? Nach unſerer Verfaſſung, (und er ſoll
doch mit uns vermiſcht leben,) wuͤrde er die Nah-
rungsmittel weit theurer kaufen muͤſſen, als der
Chriſt, dem ſeine Schweine die nahrhafteſten und
wohlfeilſten ſind, der die Kuh und das Kalb ganz
verzehren darf, und ſpeiſte er ſein Geſinde ſchlechter,
ſo wuͤrde er auch weniger Arbeit von ihm haben.
Der Bauer kann ohne gemeinſchaftliche Huͤlfe nicht
beſtehen, ſein Nachbar muß ihm aushelfen und er
dem Nachbaren. Der chriſtliche Bauer wird ſich
G 3ſei-
[102] ſeinem juͤdiſchen Nachbarn entziehen, er hat Vorur-
theile wider ihn, und wer iſt ſo beredt, ſie ihm neh-
men zu koͤnnen? Und nun fragt ſich’s nicht allein,
ob der Jude ein beſſerer Bauer ſeyn wuͤrde? ſon-
dern, ob wir ohne ihn nicht Haͤnde gnug haben,
den Ackerbau zu betreiben? Wenn der Jude in un-
ſerer Gegend nicht fruͤher das Recht haben ſollte,
ein Erbe an ſich zu bringen, bis es an eben ſo guten
chriſtlichen Subjecten fehlte; ſo wuͤrd’ er in Ewigkeit
keins erhalten. An andern Orten mag’s anders ſeyn.
Oder ſollen die Chriſten etwa zuruͤck ſtehen? Das
waͤre Ungerechtigkeit auf der andern Seite. So ſehr
uns die Juden von den erſten Beinkleidern an in der
Handlungsinduͤſtrie uͤbertreffen, ſo ſehr uͤbertreffen
unſre Baurenjungen wieder ſie in dem, was zum
Ackerbau erfordert wird. Jeder alſo in ſeinem Fa-
che. Wir muͤſſen die Menſchen nehmen, wie ſie
ſind, und nicht wie wir ſie uns wohl modeln moͤg-
ten, und da wuͤrd’ es kein chriſtlicher Bauer in ei-
nem chriſtlichen Staate, in dem er einheimiſch, und
der aͤlteſte Einwohner iſt, einem Juden vergeben,
wenn er das Erbe auch ſeines entfernteſten Verwand-
ten an ſich braͤchte. Wir haben die Feyertage ſo viel
abgeſchaft, als wir konnten, aber den Sonntag ha-
ben wir den Chriſten doch gelaſſen, und den Sab-
bath
[103] bath werden wir den Juden auch laſſen muͤſſen. So
lange unſer Staat noch ein chriſtlicher Staat*) blei-
ben wird und ſoll, wird man den Juden nicht erlauben,
unſern Sonntag durch Feldarbeit zu entheiligen; ſind
ſie aber erſt Bauren, ſo wird der Ausfall von zwey
Tagen unter ſieben zu ſtark fuͤr ſie ſeyn, und der
Ackerbau muß nothwendig darunter leiden. In Eng-
land iſt der Jude immer noch auf den Handel allein
eingeſchraͤnkt, und ſchon da leidet er durch dieſen Aus-
fall von 2 Tagen, worauf ſcharf gehalten wird, un-
endlich. Ich moͤgte aber nicht gern, daß man die
Juden von dieſem Geſetze diſpenſirte. Freylich ließ’
es ſich mit der Toleranz reimen, aber nicht mit den
Vorurtheilen unſerer Chriſten, wenn es welche ſeyn
ſollen; und dann giebt es Vorurtheile, die ſelbſt die
G 4Fuͤr-
[104] Fuͤrſten Urſache haben, zu reſpectiren. Fremde Co-
loniſten arten unter den Eingebohrnen nicht, wie
wenig werden es die Juden thun, die noch ſo vieles
in Abſicht der Religion wider ſich haben!


Soldaten koͤnnen und wollen die Juden auch
nicht ſeyn. Es koͤmmt hier nicht ſowohl darauf an,
was ſie vormals geweſen ſind, als was ſie jetzt noch
ſind; ob ihnen, nach des Herrn Ritter Michaelis
Erklaͤrung ihr Geſetz Kriegesdienſte und Entheiligung
des Sabbaths erlaube, oder ob’s ihnen ihre eigene
Erklaͤrung unterſage? Ich glaube, daß der Jude
ſich an ſeinen Rabbinen und an ſeinen Talmud hal-
ten, und ſich noch eben ſo unexegetiſch wuͤrde todt-
ſchlagen laſſen, als zur Zeit der Maccabaͤer. Viel-
leicht gewoͤhnte man ihn nach und nach dazu, (viel-
leicht auch nicht) ſein Gewiſſen uͤber die Entheili-
gung des Sabbaths zu beruhigen; aber ich moͤgte
nicht gern ein Volk gleichguͤltig gegen ſeine Religion
machen, wenn ich ihm keine beſſere ſubſtituiren koͤnn-
te; denn ich wuͤrd’ es zuverlaͤßig ſchlimmer machen,
als ich’s fand. Ich ſetze alſo voraus, daß der juͤdi-
ſche Soldat auch im Felde eben ſo religioͤs und ge-
wiſſenhaft ſeinen Sabbath wuͤrde feyren wollen, als
zu Hauſe, wie vielen Colliſionen wuͤrde ſich da nicht
ihr General ausſetzen! Ein Judeneorps wuͤrde ent-
weder
[105] weder am Sabbathe beſtaͤndigen Naͤckereyen ausge-
ſetzt ſeyn, oder es muͤßte ſein Geſetz uͤbertreten und
ſich vertheidigen. Beydes wuͤrde kein gutes Gebluͤte
ſetzen, und auf jeden Fall koͤnnte man dem juͤdiſchen
Soldaten auf die Dauer nicht mehr trauen. Ich
glaube aber nicht, daß man, um des juͤdiſchen Con-
tingents willen ein neues Krieges- oder Voͤlkerrecht
wuͤrde machen wollen. Haͤtte man nur einſeitig Ju-
den unter dem Heer, ſo ließe ſich vielleicht noch et-
was von ihnen erwarten: aber Juden werden gegen
Juden ſchlechte Soldaten ſeyn, und um unſerer
Chriſten Zwiſte willen kein Bruder Blut vergießen
wollen.


Und was darf man von ihrer Tapferkeit erwar-
ten? ſehr wenig. Die Juden ſind nach Maßgabe
feige Memmen, und wuͤrden ſich eher zu Banditen
ſchicken, als ihrem Feinde das Weiße im Auge zu
ſehen. Es kommt hier immer nicht drauf an, was
ſie waren, als ſie noch ein eigenes Volk ausmachten
und wußten, wofuͤr ſie Soldaten waren, ſondern
was ſie jetzt ſind. Damals waren ihre Kriege Krie-
ge des Herren, der Religionsenthuſiasmus machte
ſie tapfer, und ſie waren eine wirklich kriegeriſche
Nation, das ſind ſie aber jetzt nicht mehr. Sie
konnten es auch noch einige Zeit nach ihrem zerſtoͤhr-
G 5ten
[106] ten Staate bleiben, aber ſie ſind es nicht bis auf
unſere Zeit geblieben. Es fragt ſich alſo, ob es ſich
der Muͤhe verlohne, die Probe mit ihnen zu machen?
Freylich koͤnnte man ſie fuͤr Geld von Kriegsdienſten
diſpenſiren; aber Leben und Geld ſind ſich nicht gleich
am Werthe. Haben die Juden erſt alle buͤrgerliche
Rechte, ſo wird jeder ihrer Mitbuͤrger auch von ih-
nen erwarten, daß ſie alle buͤrgerliche Laſten in Na-
tura mit ihnen gemeinſchaftlich tragen, und ſauer
darzu ſehen, wenn die Juden ſich fuͤr Geld frey kau-
fen koͤnnen. Die Inſtanz von den Quaͤkern ent-
ſcheidet hier nichts, ſie ſind nach Proportion, was
die Juden mit der Zeit der Anzahl nach ſeyn koͤnnen,
nur eine Handvoll Leute, die im Ganzen nicht be-
merkt werden.


Freylich wuͤrde die Bevoͤlkerung zuſehends ge-
winnen, wenn den Juden das Heyrathen nicht er-
ſchwert wuͤrde, da der Jude aus Religion gern fruͤh
heyrathet, um vielleicht, wenn das Gluͤck gut geht,
der Vater des Meſſias zu werden. Aber es fragt
ſich, ob dem Staate mit einer ſolchen Bevoͤlkerung
gedient ſey? Ich ſetze voraus, daß der Ackerbau
und der Militaͤrſtand recht gut ohne Juden beſtehen
koͤnne, daß wir an Handwerkern eher Ueberfluß als
Mangel haben, und daß ſich die Chriſten, wenig-
ſtens
[107] ſtens auf dem Lande, ſchon immer dichter zuſammen
draͤngen, und taͤglich fleißiger werden muͤſſen, wenn
ſie bleiben und leben wollen. Dieſe Bemerkung kann
ich wenigſtens in den Preußiſchen Staaten voraus
ſetzen, und dafuͤr ſey die Weisheit Friedrichs heut
an ſeinem Geburtstage (den 24. Jan.) geſegnet!
Warum wollen wir uns denn mehr Gaͤſte aufladen,
als Wir beherbergen koͤnnen? mehr Maͤuler, als
Wir zu ernaͤhren im Stande ſind? warum unſere
Soͤhne, wenn ſie ihr Blut fuͤr’s Vaterland und der
ihnen gleichbeguͤnſtigte Jude nur Geld geben ſollen,
zwingen in alle Welt zu gehen, um dem Juden eine
Wohnung leer zu machen? Was haben uns unſere
bisherigen Buͤrger gethan, daß wir ihnen das Brodt
halb nehmen und Leuten geben wollen, die es unter
der Bedingung nicht verlangen? Warum ſollen die
Juden es wagen, ſich auf Aemter und Ehrenſtellen
zuzubereiten, ſo lange wir noch Candidaten in Men-
ge haben, die lange gnug auf Verſorgung warteten?
Warum wollen wir den Geiſt der Juden mit Ge-
walt umſchaffen, um ſie in Stellen einzuſchieben,
fuͤr die wir ſchon Leute gnug mit dem erforderlichen
Geiſte haben? Sollen wir ungerecht gegen tauſend
ſeyn, um zehnen Gerechtigkeit wiederfahren zu
laſſen?


Alſo
[108]

Alſo ſollte der arme Jude im Elende liegen blei-
ben? noch ferner uͤber Haͤrte und Unterdruͤckung
klagen? Mit meiner Schuld wenigſtens nicht.
Man lerne den Juden erſt kennen, wozu er gut iſt,
waͤge die Beduͤrfniſſe des Staats dagegen ab, und
behalte ihrer ſo viel bey, als ohne Praͤjudiz der al-
ten, erſten Einwohner, uͤber die wir nicht zu kla-
gen haben, beſtehen koͤnnen. Man nehme das ſchwe-
re Joch der Sklaverey von ihren Nacken, laſſe ſie
in Abſicht der Abgaben andern Buͤrgern gleich ſeyn
und dann erſt hat man Urſache, ihrem Wucher zu
ſteuren. An den meiſten Orten ſind ihrer jetzt ſchon
gnug, aber Staͤdte, die leere Haͤuſer und wuͤſte
Hausſtellen anzubiethen haben, koͤnnen noch mehrere
aufnehmen, wenn die Juden ſich auf neue Fabriken
legen wollen, die bis dahin noch nicht im Gange
waren, oder doch nicht aufkommen konnten. Hier
iſt der Jude in ſeinem Elemente, er handelt die ro-
hen Producte ein, laͤßt ſie durch Weiber und Kinder
verarbeiten, und ſetzt ſie auch ſelbſt wieder ab. In
dieſem Falle, und ich glaube in dieſem einzigen Falle
koͤnnen wir noch bis auf einen gewiſſen Grad mehr
Juden anſetzen, und ſie die Rechte der Menſchheit
genießen laſſen. In den Preußiſchen Staaten koͤn-
nen wir auch wenig mehr, oder gar nichts mehr fuͤr
ſie
[109] ſie thun, oder wir muͤſſen die alten Bewohner emi-
griren laſſen, um den Juden Platz zu machen.
Aber es giebt noch Laͤnder gnug, wo Raum, mehr
Raum als bey uns iſt, und unſere Segenswuͤnſche
ſollen ihnen folgen, wenn ſie dort eine beſſere Auf-
nahme finden werden. Ich glaube in der That von
unſerm Zeitalter, daß das Elend der Juden am
laͤngſten gewaͤhrt hat, und eine tolerantere Den-
kungsart, die immer mehr Land gewinnt, wird
auch ſie in Schutz nehmen. Es kommt nur ſehr auf
das gute Betragen der Juden ſelbſt an, ihr Gluͤck
feſt zu gruͤnden, wenn ihnen die Sonne aufgeht;
ſonſt trift ſie das alte Elend wieder, wenn erſt un-
ſern erleuchteten Fuͤrſten ſchwaͤchere folgen ſollten,
deren Ohr die neidiſche Bigotterie eher haben duͤrfte,
und dis muͤſſen ſie in katholiſchen Staaten beſon-
ders fuͤrchten.


Der Herr Kriegesrath Dohm hat ſeine Mey-
nung geſagt und zwar mit recht vieler Einſicht, und,
was noch beſſer iſt, mit einer edlen Abſicht. Ich
habe die meinige auch geſagt, und gewiß mit einem
warmen Mitleiden fuͤr eine ungluͤckliche Nation,
der ich von Herzen ein beſſeres Schickſal wuͤnſchen
moͤgte. Aber großen Troſt konnt’ ich ihr nicht geben,
wenigſtens nicht ſo große Erwartungen, als Herr
Dohm.
[110]Dohm. Mein iſt die Schuld nicht, ſie liegt in un-
ſern politiſchen Verhaͤltniſſen laͤngſt und feſt gegruͤn-
deter Staaten, die dieſer Nation einmal nicht guͤn-
ſtig ſind, und dieſe Verhaͤltniſſe laſſen ſich einmal
nicht ohne neue Ungerechtigkeiten heben, auch nicht
zum Nachtheile der Staaten ſelbſt. Will der Jude
ein Ackersmann werden; ſo glaub ich, daß noch
Steppen, Heiden und Wuͤſten gnug zu ſeinen
Dienſten ſtehen, er wird ſich aber fuͤr dis Geſchenk
bedanken. Will er ſeine Handlungsinduͤſtrie weiter
treiben; ſo duͤrft es ihm nicht an Gelegenheit fehlen,
wenn er auf Fabriken raffiniren will, die ihm und
dem Staat, ohne Praͤjudiz eines Dritten, nuͤtzlich
ſeyn koͤnnen, und das waͤre, wie geſagt, ſein Ele-
ment. Erlaͤßt ihm der Staat die druͤckende Abga-
ben, ſo wird er, bey ſeiner Frugalitaͤt, ohne den
bisherigen uͤbertriebenen Wucher wohlhabend wer-
den koͤnnen. Aber! aber! die Gewohnheit iſt die
andere Natur; ich fuͤrchte alſo, daß viele auch in
verbeſſerten Umſtaͤnden der Neigung zum Wucher
nicht werden widerſtehen koͤnnen; denn ich bin ſchon
unglaubiger in dieſem Stuͤcke, als Herr Dohm.
Und was kann dann natuͤrlicher folgen, als daß ihre
Verachtung bleibt? Alles, was mich auf den Fall
ihrer moraliſchen Verbeſſerung, ohne welche ſie einer
buͤr-
[111] buͤrgerlichen Verbeſſerung unfaͤhig *) ſind, hoffen laͤßt,
iſt ihre willige Unterwerfung gegen ihre Religions-
lehrer und Aufſeher, von denen ich Einſichten und
Patriotismus gnug erwarte, ihr Beßtes zu thun,
dieſer ungluͤcklichen Nation eine beſſere, moraliſche
Richtung zu geben, um ſich nicht ſelbſt in der Son-
ne zu ſtehen.


Aus-
[112]

Auszuͤge
aus Briefen
.


1.


Ich ſtimme alſo von ganzem Herzen Ihrem
ganzen Plan und Ihren Vorſchlaͤgen bey. Nur
einige Erinnerungen, die mir noch uͤbrig blei-
ben. Die Religionsgeſetze, ſowohl der caͤrimo-
nialiſche als der dogmatiſche Theil, ſind doch auch
wohl Miturſachen der Verachtung, welcher die Ju-
den ſo allgemein ſich ausgeſetzt haben, und mich
duͤnkt, die Obrigkeit waͤre wohl befugt, eine Ver-
aͤnderung derſelben, wenigſtens was das Verhaͤlt-
niß zum Staat betrift, zu veranlaſſen. Dieſe Re-
ligionsgrundſaͤtze ſind auch, wie Sie in Abſicht der
Sabbathsfeyer ſehr richtig bemerken, durch talmudi-
ſche und rabbiniſche Zuſaͤtze von der moſaiſchen Ori-
ginalitaͤt ſo abgekommen, daß ich glaube der groͤſ-
ſere Theil der Urſachen von der heutigen Gering-
ſchaͤtzung des Geſchlechts, die nun gleichſam natio-
nal in Europa iſt, ſey eben in dieſen Neuerungen zu
ſuchen. Auch durch die mancherley Schriften der
Proſelyten ſind die heutige durch die Rabhinen von
Zeit
[113] Zeit zu Zeit nach politiſchen Convenienzien mehr
und mehr uͤberladene, juͤdiſche Schulen dergeſtalt
mit Recht oder Unrecht, blamirt, daß es ſehr
ſchwer halten wird, ſie geradezu unſeren buͤrgerli-
chen Geſellſchaften anzupaſſen. Dahin gehoͤren be-
ſonders die ihnen Schuld gegebene Lehre von der
Unverbindlichkeit der vor chriſtlichen Obrigkeiten ge-
ſchwornen Eide, und was die Caͤrimonien betrift,
ihre Strenge in den Speiſen, die zwar auf eine an
ſich lobenswuͤrdige Nuͤchternheit und Maͤßigkeit hin-
auslaͤuft, aber auch den Juden in Stand ſetzt, den
weniger nuͤchternen Chriſten im Handel zu uͤber-
ſchauen und zu uͤberliſten, auch eine Luͤcke in der
Conſumtion des Staats macht, da der Jude ſich
den indirecten Auflagen durch ſeine groͤſſere Maͤſſig-
keit und Sparſamkeit entzieht, auf eine Art, die
zwar freilich nicht ſtraͤflich, aber doch auch dem
Staate nicht nuͤtzlich iſt.


Iſt Ihnen bekannt, daß zu Heidingsfeld bey
Wuͤrzburg eine eigene Juͤden-Commune iſt, die ſehr
gut fortkoͤmmt und uͤber deren Betragen weniger
Klagen als uͤber die unter den Chriſten vermiſcht woh-
nende Juden gehoͤrt werden? Auch Fuͤrth, wo be-
kunntlich und wie Sie auch angefuͤhrt, die Juden
zahlreich ſind, und viele Freyheiten haben, iſt einer
Hder
[114] der volkreichſten und nahrhafteſten Oerter der Ge-
gend, der hierinn manche der ehemals wegen In-
duͤſtrie und Reichthum beruͤhmten Reichsſtaͤdte uͤber-
trifft. Vielleicht werden Sie in kurzem auch bey
uns von einer eigenen Judenſtadt hoͤren, ich habe
wirklich ſchon den Auftrag erhalten, eine ſolche Idee
ins Werk zu ſetzen.



S.


2.


Es muß ſchlechterdings mit den Juden noch da-
hin kommen, daß ihnen erlaubt wird, das Juden-
thum ganz zu verlaßen, ohne das Chriſtenthum an-
zunehmen, das heißt bey der natuͤrlichen Religion,
oder uͤberhaupt bey einer Gottesverehrung, die den
Juden wahr ſcheint und dem Staate nicht ſchadet,
ſtehn zu bleiben.


S. 24. ſcheinen Sie zu ſagen, daß ohne Re-
ligion
ein Staat durchaus nicht beſtehen koͤnne. Ich
kann aber gar nicht einſehen, wie das Wohl des Staats
und Buͤrgers damit nothwendig zuſammenhaͤngt?
Einfluß haben Religion und Staat allerdings in
einander, aber dieſer kann ſehr wohl ohne jene be-
ſtehen,
[115] ſtehn, die zu ſeinem Weſen gar nicht gehoͤrt. Die
Staaten ſollten ſich um den Glauben nicht mehr be-
kuͤmmern, als inſofern Jemand dadurch die Ruhe
ſeiner Mitbuͤrger ſtoͤrt *).


Sie ſagen ſehr wahr, daß die itzige ſittliche Ver-
dorbenheit der Juden eine Folge des Druckes iſt,
worinn ſie leben. Aber zu Kolorirung des Gemaͤl-
des und zur Milderung der Vorwuͤrfe fuͤr die Ju-
den, wuͤrde auch eine Schilderung der ſittlichen
Verdorbenheit der Chriſten
ſehr nuͤtzlich geweſen
ſeyn. Dieſe iſt gewiß nicht geringer, als die
juͤdiſche, und vielmehr deren Urſache
.


S. 117 wollen Sie den Juden, der ein Be-
truͤger iſt, aufs haͤrteſte beſtraft und von allen Frey-
heiten ausgeſchloſſen wiſſen? Nach Ihren Vor-
ſchlaͤgen wird doch ein Jude, der ein Verbrechen be-
gangen, nicht haͤrter, als jeder andere beſtraft wer-
den koͤnnen? **).



D.


H 23.
[116]

3.


Il ſeroit fort à ſouhaiter, qu’on pourroit
engager un Sçavant entre les Juifs à nous donner
du moins l’extrait de Maimonides, qui fut leur
Luther, \& plus encore, \& qui eſt inſtructif auſſi
pour nous autres Incirconcis.


Je penſe, que le changement de l’eſprit
primitif de cette nation date de la fondation
d’Alexandrie; alors ils ſont devenus courtiers,
des lors ils ſe ſont repandus.


Chez nous (en Suiſſe) il n’y a des Juifs que
dans le baillage de Baden \& ſeulement en deux
Villages. Comme ce baillage n’eſt pas ſuperieu-
rement bien gouverné \& les Suiſſes, comme dit
Voltaire, ne ſont pas le plus delié des peuples,
ces Juifs ont fait de tous les habitans leurs debi-
teurs \& les ruinent de toutes les manieres.


  • P. 13. En 1344 les Chretiens à Lindau pre-
    noient 216 pour cent. Voy. Schinz
    Han-
    delsgeſchichte der Stadt Zuͤrich.
  • P. 52 Vous vous rencontrez içi avec Montes-
    quieu
    , qui a auſſi dit, que de toutes les loix

    bar-
    [117]barbares celle des Viſigoths etoit en general
    la plus barbare. Jl l’a dit avec une energie
    ſinguliere.
  • P. 59 Le Gouvernement de Lucern fit le mê-
    me dans les tenêbres de moyen age, que
    Vous racontez içi de Palatin en 1682. V.

    Balthaſar Gemaͤhlde auf der Bruͤcke, livre
    mal fait, mais curieux.
  • P. 63 Il paroit par Tſhudy, que les Juifs ne
    furent point attaqués de cette peſte, parce-
    qu’ils entendoient mieux que les autres, la
    medecine \& qu’ils ſçurent ſe preſerver;
    comme le même arrive aujourdhoui aux
    Francs dans la Turquie. Mais probablement
    cette circonſtance a augmenté les ſoupçons
    contre les Juifs.

J’aurois ſouhaité, que Vous auriez reçu les notes
dans le texte. Au moins en France nous ne
ſommes pas accoutumés a ces longues notes. On
a introduit de les mettre ſeparés a la fin de l’Ou-
vrage \& d’y renvoyer le Lecteur. Mais cela eſt
auſſi incommode, \& ou y risque, que beau-

H 3coup
[118]coup de perſonnes ne liſent point du tout les
notes. Vous pourrez toujours Vous juſtifier
avec l’exemple de Bayle.



M.


4.


Ich war immer gegen die Aufnahme der Ju-
den; weil man ſie nach der Art wie man ſie auf-
nimmt, ſchlechterdings noͤthiget, ſchlechte Mitglie-
der des Staats zu werden, und ich der Meinung
bin, lieber keine als ſchlechte Buͤrger zu haben; hin-
gegen hatte ich die Idee geaͤußert, den Juden voͤllige
Freyheit und Toleranz zu geſtatten und ſie andern
Buͤrgern gleich zu machen. Ihr Tractat hat
mich in meiner Idee beſtaͤrkt und ſolche rectificiret.


Nur in einem Stuͤck bin ich nicht mit Ihnen
einig, wenn Sie den Vorſchlag verwerfen „daß
„man den Juden ganz abgeſonderte Diſtricte und
„Orte anweiſen und von den andern Unterthanen
„getrennt erhalten ſoll.“ Sie meynen „hiedurch
„werde die religioͤſe Trennung noch merkbarer und
„dau-
[119] „daurender, die Juden in ihren Borurtheilen gegen
„die Chriſten und dieſe in den ihrigen, vielmehr ge-
„ſtaͤrkt werden.“


Ich muß geſtehen, ich glaube gerade das Ge-
gentheil und vielmehr daß die Geſelligkeit zwiſchen
Juden und Chriſten gemeiner wuͤrde und leichter zu
bewirken waͤre, wann den Juden eine eigene Stadt
anzulegen erlaubet wuͤrde. Nur muͤſten ihnen in
derſelben


  • 1. alle Municipal-Gerechtſame ertheilet, und ver-
    verſtattet werden den Magiſtrat aus ihren eige-
    nen Mitteln zu waͤhlen.
  • 2. Der Magiſtrat muͤſte wie in andern Staͤdten
    aus Buͤrgermeiſtern und Rathsherren beſtehen,
    die Namen Rabbi, Baͤnoßen u. d. g. wegfal-
    len; dieſe obrigkeitliche Perſonen Herren heißen,
    Degen tragen ꝛc.
  • 3. Der einzige herrſchaftliche Jurisdictions-Be-
    amte haͤtte zwar die Gerichtsbarkeit wie die
    Voͤigte in andern Staͤdten, nehmlich Criminal-
    Buß- und Frevel-Sachen, doch muͤſte, der auch
    in fuͤrſtlichen Pflichten ſtehende Actuarius ein
    Jude ſeyn.
  • 4. Civilſachen, Verbalinjurien u. d. g. gehoͤrten
    nur dem Magiſtrat allein, deren Stadtſchreiber
    H 4oder
    [120] oder Expeditor das buͤrgerliche Recht auf einer
    proteſtantiſchen Univerſitaͤt muͤſte gehoͤret haben.
  • 5. Wer eine Klage in Civilſachen oder Verbal-
    injurien gegen einen Juden anzubringen haͤtte,
    muͤſte es bey dem Magiſtrat thun, welcher ſich
    der nehmlichen Titulatur zu erfreuen haͤtte, als
    die obrigkeitlichen Perſonen in den andern
    Staͤdten. Die Appellation gienge an die Ober-
    aͤmter oder an die Regierung.
  • 6. Alle Protocolla und uͤberhaupt alle gerichtliche
    Verhandlungen waͤren in teutſcher Sprache ab-
    zufaſſen.
  • 7. Policeyſachen wuͤrden durch den Jurisdictions-
    Beamten und Buͤrgermeiſter und Rath unter
    des Oberamts Aufſicht angeordnet.
  • 8. Alle Einnehmer koͤnnten unzuͤnftig alle Hand-
    werker treiben, dazu
  • 9. Ihnen erlaubt waͤre, chriſtliche Diener, Ge-
    ſellen, Jungen, Knechte und Maͤgde zu
    halten.
  • 10. Zu Buͤrgern aber koͤnnten keine andere als Ju-
    den aufgenommen werden.
  • 11. Es waͤren zwey chriſtliche Schulmeiſter einer
    fuͤr die Jungens und einer fuͤr die Maͤdgens zu
    halten, welche bloß in der deutſchen Sprache
    Un-
    [121] Unterricht ertheilten; beyde wuͤrden von dem
    Magiſtrat geſetzt und unterhalten.
  • 12. Alle Wochen waͤre ein Markt zu halten an
    welchem die Landleute Lebensmittel und derglei-
    chen Feilſchaften zum Verkauf zu bringen haͤtten.
  • 13. Alle halbe Jahre aber wuͤrde ein Hauptmarkt
    8 Tage lang, wo in- und auslaͤndiſche Kauf-
    Handels- und Handwerksleute feil halten duͤrf-
    ten, ſo wie
  • 14. auch die Juden der Stadt alle Jahrmaͤrkte
    im Lande ungeſtoͤret beſuchen koͤnnten. Hinge-
    gen
  • 15. waͤre das ſo ſchaͤdliche Hauſiren ſo wohl der
    Fremden als Einheimiſchen in der Judenſtadt
    durchaus verbothen, wie denn auch den In-
    wohnern derſelben unterſagt waͤre in andern Or-
    ten des Landes zu hauſiren.
  • 16. Den Juden waͤre ſchlechterdings unterſagt,
    Guͤter, Felder, Wieſen u. d. gl. von den Unter-
    thanen zum Verkauf zu uͤbernehmen oder dabey
    als bloße Unterhaͤndler zu dienen, indem ſie
    nicht noͤthig haͤtten ſich mit einen ſo verhaßten
    und veraͤchtlichen Gewerbe abzugeben, da ihnen
    alle andere buͤrgerliche Handthierungen frey
    ſtuͤnden.

H 517. Um
[122]
  • 17. Um den Verkehr mit Auswaͤrtigen zu befoͤr-
    dern, muͤßte ein mit einem Chriſten beſetztes
    Wirthshaus in der Stadt ſeyn; der Wirth waͤre
    Buͤrger und ſtuͤnde als ſolcher unter dem Magi-
    ſtrat.

Meine Abſicht iſt hier keinesweges einen ganzen
Plan zur Errichtung und Einrichtung einer neuen
Judenſtadt, ſondern bloß einen kleinen Grundriß da-
zu zu entwerfen, denn ich glaube es komme hiebey
hauptſaͤchlich darauf an, einmal den Juden eine Ehr-
begierde einzufloͤßen und ſie ſich ſelbſt hochſchaͤtzen zu
lehren, und denn ſie vor der Verachtung der Chri-
ſten zu bewahren. Das Erſte wuͤrde der 1, 7, 8, 9,
11 und 17te Punkt, das Andere der 3, 4, 5, 8, 10,
15 und 16te ziemlich leiſten, das Band der Geſel-
ligkeit aber durch die Nro. 4, 5, 9, 11, 12, 13, 14,
17 bemerkte Verkehre auch nach und nach mehr ge-
knuͤpfet werden.


Die unumſchraͤnkte buͤrgerliche Freyheit und To-
leranz der Juden in den Staͤdten wo ſie unter Chri-
ſten wohnen, iſt ſo vielen beynahe unuͤberwindlichen
Schwierigkeiten unterworfen, daß ſolche zu heben,
mehr als ein menſchliches Alter erforderlich ſeyn moͤg-
te; was wuͤrde es erſt koſten ihnen Toleranz und
Freyheit da zu verſchaffen wo ſie noch gar keine Nie-
der-
[123] derlaßung gehabt haͤtten? Alle dieſe Hinderniſſe
wuͤrden ſich bey Anlegung einer neuen Stadt nicht
finden.



v. W.


5.


Sie haben vollkommen recht, daß eine Commune
die zugleich eine Seete iſt, etwas Widriges hat. Ich
behaupte aber, daß die Abſonderung der Juden von
den Chriſten beyde eher vereinigen wuͤrde, als wenn
ſie gleichſam unter einem Dache wohnten. Denn
wer weiß nicht, daß Verachtung, Verfolgung, Druck
(und dieſem allen ſind die Juden in den teutſchen
Staͤdten ausgeſetzt) die Halsſtarrigkeiten der Secten
mehr erhalten als die Ueberzeugung? Die Gleich-
heit und in der Folge die Theilnehmung an den buͤr-
gerlichen Ehrenſtellen, wuͤrden mehr Proſeliten ma-
chen, als alle Controverspredigten in der Welt.


Der große Abt Jeruſalem hat es abgeſchlagen
an der Vereinigung der drey Religionen zu arbeiten.
Er hatte recht! Aber der Kaiſer hat wuͤrkſamer da-
zu
[124] zu beygetragen: er haͤlt die drey Religionspartheyen
gleich, und nimmt den Pfaffen das Objectum litis
das Gold. Woruͤber ſollten ſie alſo mehr ſtreiten?


Mit einem Wort! der Unterſchied, den man im
buͤrgerlichen Leben zwiſchen den verſchiedenen Reli-
gionspartheyen macht, iſt ſeiner Folgen wegen der
groͤßte Grad der Intoleranz.


Man ſagt: der Jude iſt von Natur ganz Wu-
cher. Dieſes kommt mir vor als wenn man ſagte:
der Advocat iſt ganz Prozeß, der Kaufmann iſt ganz
Handel. Womit ſoll ſich denn der arme Iſraelit er-
naͤhren? Ich habe ſelten einen ſchelmiſchen
Judenhandel geſehen, hinter dem nicht ein
ſchurkiſcher Chriſt geſtecket
*).


Und dieſe iſt eine der Haupturſachen warum ſich
dieſe Haupteigenheit der Juden in chriſtlichen Staͤd-
ten erhaͤlt, in ihren Mauern aber groͤſtentheils weg-
fallen wuͤrde.


Es iſt richtig, daß das Halten der Geſellen, Jun-
gen und Dienſtboten aus der juͤdiſchen Nation ſelbſt,
ſie zu einer ruhigern Lebensart gewoͤhnen wuͤrde,
weil es ſie noch mehr noͤthigte ſich auf Handwerker
und
[125] und Kuͤnſte zu legen, allein wenn ſie Chriſten dazu
nehmen, ſo hat es den Nutzen, daß der Subordina-
tionsgeiſt der Erſten gegen die Letztern aufhoͤren,
beyde zu einer gewiſſen Gleichheit folglich zu weniger
Verachtung gegen einander gebracht wuͤrden. Es
wuͤrde nicht fehlen, daß Eltern und Verwandte ihre
bey den Juden dienende Angehoͤrigen beſuchen ſoll-
ten; es wuͤrde ſich eines an des andern Sitten ge-
woͤhnen, einer vor des andern Gebraͤuchen weniger
Abſcheu bekommen, und am Ende ſich unvermerkt
eine wechſelsweiſe Vertraulichkeit einſchleichen, die,
wenn ſie ſogar in Laſter ausſchlagen ſollte, nuͤtzlich
werden koͤnnte, denn auch dieſe muß der weiſe Ge-
ſetzgeber zu nutzen wiſſen.


v. W.


6.


Ueberhaupt wuͤnſche ich von ganzer Seele, daß
Ihre menſchenliebende Abſichten erfuͤllt, ja noch
weit mehr zum Beſten der Juden geſchehen koͤnnte,
doch unter hoͤchſtnothwendigen und hoͤchſtbilligen Be-
dingungen, die ſich die Juden gefallen laſſen muͤſten,
weil derjenige, der auf Toleranz Anſpruch machen will,
ſelbſt tolerant ſeyn muß oder der Toleranz unwuͤrdig
bleibt;
[126] bleibt; nur beſorge ich, daß die Juden, zumalen ihre
Rabbinen eben ſo wenig, wie Jeſuiten und Domini-
kaner faͤhig ſind tolerante Geſinnungen anzunehmen.
Da moͤchte man denn auch mit mehrerem Rechte und
in ſtrengerm Verſtande von den Juden ſagen: ſint
ut ſunt aut non ſint
. Die Toleranz, die meiner Mey-
nung nach als eine Conditio ſine qua non, abſeiten
der Juden zngeſtanden und ausgeuͤbt werden muͤſte,
beſtuͤnde in Folgendem:


1) daß auch uͤber den groͤbſten Suͤnder kein Bann
ausgeſprochen werden duͤrfe, der ſelbigem auſſerhalb
der Synagoge
im mindeſten nachtheilig ſeyn koͤnn-
te; verlangt der Suͤnder in dieſe eingelaſſen zu
werden, ſo mag der Rabbi ihn in einen Sack krie-
chen oder andere Narrenspoſſen mit ihm vornehmen
laſſen, nur daß ſelbige auſſerhalb der Synagoge kei-
ne weitere Folgen haben.


2) Wenn ſich die Rabbiner uͤber ihre Glaubens-
artikel nicht vereinigen koͤnnen, ſo ſey es Ihnen er-
laubt ſich in ſo viele Secten zu theilen als es ihnen
beliebt;


3) findet ſich ein Jude, der ſo vernuͤnftig iſt,
keinen Rabbi zur Beruhigung ſeines Gewiſſens noͤ-
thig zu haben, der keine Synagoge beſuchen mag,
Schweinfleiſch zu eſſen Luſt hat, am Sabbat Briefe
ſchreibt
[127] ſchreibt und dergleichen Todſuͤnden mehr begeht, je-
doch ſich nicht von ſeiner Nation abſondern mag, ſo
ſteht es ihm frey ſich zu ihr zu zaͤhlen, wenn Er nur
zum Unterhalt der Synagoge und des Rabbi der
Secte ſeinen Antheil erlegt, und die buͤrgerliche
Pflichten als ein redlicher Mann gegen Juden,
Chriſten und Heyden erfuͤllt.


4) Endlich, welches der wichtigſte und noth-
wendigſte Punkt iſt, der aber auch den meiſten Wi-
derſpruch finden wird; ſo muß kein Rabbi ſich mit
Erziehung der Jugend abgeben, ehe ſie daß 15te
Jahr erreicht, bis dahin muͤſſen die Kinder nur
nuͤtzliche Unterweiſungen erhalten, ohne daß Ihnen
Vorurtheile weder von der einen noch von der andern
Religion beygebracht werden duͤrfen. Dagegen dann
auch abſeiten der Chriſten redlich zu Werke gegan-
gen, und nicht die geringſte Hinderung der Ju-
gend in den Weg gelegt werden muͤßte, den Glau-
ben ihrer Eltern vorzuͤglich zu waͤhlen; im Fall ſie
aber ſelbigen nicht beypflichten, und doch auch nicht
getauft ſeyn wollten, ſo muͤſten Sie voͤllige Freyheit
haben als Separatiſten zu leben; die Beſchneidung
muͤſte bleiben, denn dieſe befriedigt juͤdiſche Eltern,
eben ſo wie die Taufe die chriſtlichen, ſchadet den
Kindern nichts, und iſt in der That ein der Geſund-
heit
[128] heit dienliches Vorbauungsmittel, durch welches die
von den chriſtlichen Heydenbekehrern aus der neuen
Welt glaubbar uͤberbrachte Luſtſeuche ſehr gemindert
werden kann.


Daß Sie in dieſen Stuͤcken mit mir einſtimmen
werden, darf ich mir ſchmeicheln; um aber die Bil-
ligkeit dieſer Forderungen darzuthun, will ich uͤber je-
den Artikel einige Anmerkungen beyfuͤgen.


Den 1ten betreffend, ſo haben Sie ſich ſchon
ſelbſt deshalb meiner Meynung gleichfoͤrmig erklaͤrt,
es wuͤrde auch zu denen Paradoxien des menſchli-
chen Geſchlechts gehoͤren, wenn zu einer Zeit da der
Kirchenbann bey den Chriſten, ja ſogar bey den eifrig-
ſten Catholiken, veraͤchtlich und laͤcherlich geworden,
derſelbe von Juden annoch auf eine im Privatleben
Einfluß habende Weiſe, ausgeuͤbt werden duͤrfte;
ſchlimm genug wenn es bisherv geſchehen, ohne daß
es denen Regierungen bekannt worden, wie Herr
Crantz noch ganz neuerlich ein Beyſpiel davon, ſo
ſich in Altona zugetragen, dem Daͤniſchen Hofe an-
gezeiget hat, welches auch gleich die gute Wuͤrkung
gehabt, daß itzt die noͤthige Verfuͤgungen gegen dieſe
hierarchiſche Tyranney getroffen werden. Boͤſe
Handlungen, die die menſchliche Geſellſchaft, den
Staat und die Mitbuͤrger beleidigen, ahndet die
welt-
[129] weltliche Obrigkeit, und kein Prieſter muß ſich da-
mit befaſſen; uͤbertritt aber jemand die Satzungen
der Kirche zu der er ſich bekennt, und verlangt des Prie-
ſters Beyſtand ſich desfalls zu beruhigen, ſo mag der
Prieſter ihm die Verſoͤhnung zu einem Preiße ſetzen
wie er will; wenn z. E. ein katholiſcher Chriſt an Faſttaͤ-
gen Fleiſch eſſen, des Sonntags nicht in die Meſſe
gehn will, dabey aber ſo ſchwach iſt, daß Er große Suͤn-
den begangen zu haben glaubt, fuͤr den Teufel bange
wird, alſo zu den Heiligen und ihren Reliquien ſei-
ne Zuflucht nehmen will, Weyhwaſſer, Abſolution ꝛc.
begehrt, dann geſchieht ihm freylich ganz recht
wenn der Pfaffe ihm ſeine Schaͤtze ſo lange vor-
enthaͤlt, bis der Suͤnder in der Einbildung, dem
geiſtlichen Stolze den gehoͤrigen Zoll bezahlt, und
ſich als ein gehorſamer Sohn der Kirche demuͤthiget,
da mag denn der Pfaffe in der Kirche ihn auf allen
Vieren kriechen laſſen oder was ihm beliebt vornehmen,
wenn es nur keine Folgen haben kann. Nur uͤber
die Schwelle des Tempels muß die Macht des
Prieſters und Rabbiners ſich nicht erſtrecken
.
Hat der Jude Schweinefleiſch gegeſſen, die Tphillin
nicht 4 Ellen von dem Ort abgelegt, wo er ſeine Noth-
durft verrichtet, oder dergleichen grobe Suͤnden mehr
begangen; ſo bleibe er aus der Synagoge, laͤßt ſein
JAber-
[130] Aberglaube dieſes nicht zu, ſo muß er ſich gefallen
laſſen, was fuͤr Comoͤdie der Rabbi mit ihm ſpielen
will; aber ſpielen muß der Rabbi nur, ſo wie der
Pabſt ganz weislich that, da er des großen Heinrichs
Abgeſandten mit Ruthen ſtrich; aufs Blut peitſchen
muß auch in der Synagoge nicht erlaubt ſeyn, oder
der Rabbi der es ſo weit treibet, muß mit haͤrtern
Ruthen oͤffentlich gezuͤchtiget werden. Wie ſehr aber
die Vorurtheile der Juden hier Hinderungen in den
Weg legen werden, laͤßt ſich aus der Stelle pag. 193
Ihrer Schrift muthmaßen, da der Verfaſſer des gut
geſchriebenen Mémoire ſagt: „il eſt des Eſprits in-
„dociles \& qu’un frein leger ne pêut contenir, les
„prepoſés generaux conjointement avec les Rabbins
„obligés alors d’uſer d’une ſeverité ſalutaire, ont
„recours a la peine d’Anatheme ou de Ban.
— —
haben Sie dieſe Stelle beherziget? finden Sie
nicht daß es hoͤchſtnoͤthig ſey, Juden, die wie die-
ſer Verfaſſer, ſchon ſo viel Einſicht und Beurthei-
lung aͤußern, zuvoͤrderſt richtigere Begriffe beyzu-
bringen, ehe man ihnen Vorzuͤge geſtattet, die ſelbſt
zu ihrem Nachtheil gereichen wuͤrden? Freylich wird
mit den Leviten und Phariſaͤern nichts auszurichten
ſeyn, die werden lieber ſehen daß die Juden in der
Unterdruͤckung bleiben in der ſie jetzo ſind, als daß der
Bann
[131] Bann und ihre darauf gegruͤndete hierarchiſche Ty-
ranney ein Ende nehme; und wer die Schwaͤche des
menſchlichen Herzens kennt, wuͤrde ſich nicht wun-
dern, ſelbſt unter chriſtlichen Theologen ſolche ortho-
doxe Maͤnner zu finden, denen es leyd thaͤte, wenn
nicht wenigſtens unter den Juden noch eine ſolche
geiſtliche Macht beybehalten wuͤrde.


ad 2) Waren Phariſaͤer, Sadducaͤer, Eſſenaͤr ꝛc.
alle Juden, ſind noch unſere Juden von den Portu-
gieſen und den Caraiten unterſchieden, warum ſolte
man nicht zulaſſen daß ſie ſich noch in viel mehrere
Secten theilten, wie es ſich vor etliche 30 Jah-
ren ſchon dazu anließ, da der Ober-Rabbiner in Al-
tona im Verdacht kam ein juͤdiſcher Ketzer zu ſeyn,
und großen Anhang hatte. Iſt es nicht laͤcherlich
daß man auch ſogar der Ortodoxie des juͤdiſchen Aber-
glaubens Beyſtand leiſtet, anſtatt den weiſen Julian
nachzuahmen, der es gerne ſahe wenn unter den Chri-
ſten viele Secten entſtanden, weil man alsdann unani-
mantem plebem
weniger zu fuͤrchten hat. Aus eben dieſer
Urſache wuͤnſche ich ſehr, daß uns Gott behuͤte fuͤr der
Vereinigung der proteſtantiſchen Kirchen mit der ka-
tholiſchen, da wuͤrde das arme Menſchengeſchlecht bald
wieder unter das Joch der Geiſtlichen gebracht wer-
den; bis hieher hat der ortodoxe Eigenſinn, die gute
J 2Folge
[132] Folge gehabt, daß ſich Lutheraner und Reformirte
nicht einmal vereinigen koͤnnen; wenn aber die ka-
tholiſche und proteſtantiſche Geiſtlichkeit ſehen wird,
daß, um ihr Anſehn zu erhalten und theils zu ver-
groͤßern, kein beſſeres Mittel ſey, als daß ſich die
drey chriſtlichen Secten vereinigen, ſo werden ſie es
in Anſehung der Glaubensartikel ſchon gut Kauf ge-
ben, wenn nur die reichen Pfruͤnden bleiben, und die
proteſtantiſchen G — und P — — biſchoͤfliches An-
ſehen und Gewalt erhalten, gegen Socinianer und
Deiſten aber alsdenn nach Herzensluſt wuͤten koͤnnen.
Denn bey dieſem theologiſchen Friedenscongreß wer-
den keine Spaldinge, Reſewitz, Jeruſalem und ih-
res gleichen admittirt werden; Teller, Steinbart
und ſolche Art Ketzer aber dabey zum Luſtfeuer fuͤr
die heilige Synode dienen, wenn es die großen Her-
ren nur zulaſſen wolten; was aber in Anfange ſich
nicht thun ließe, wuͤrde nach der Vereinigung ſich
ſchon finden, und die Koͤnige ſelbſt bald die boͤſen
Folgen derſelben empfinden. Weit beſſer und billi-
ger waͤre es, mit den Prieſtern es eben ſo wie mit den
Aerzten zu halten; wer nicht ſelbſt fuͤr ſeine Geſund-
heit ſorgen mag, keine Diaͤt haͤlt, ſich den Magen
und die Saͤfte verdirbt, alsdann glaubt daß der Arzt
helfen kann, und in vollen Vertrauen Saͤfte und
Pillen
[133] Pillen hinterſchluckt, nun der kann ja nach Belie-
ben einen Arzt waͤhlen den er will, er ſey aus Boer-
havens, Hoffmanns, Stahls oder einer andern
Schule, ja ſogar Marktſchreyer und Scharfrichter
gebrauchen. So laſſe man denn eben dieſe Freyheit in
Anſehung der Seelenaͤrzte, fuͤr den, der da glaubt
daß er ſie noͤthig hat; nur offenbahre Giftmiſcher
leide man nicht im Lande, alſo auch nicht Jeſuiten
(auch denn nicht, wenn ſie ſich Ex-Jeſuiten oder — oder
— nennen) und Rabbiner, oder ſehe ihnen ſcharf auf
die Finger. Statt der Prieſter muͤßten Sittenlehrer
beſtellt werden, und Hr. Schloſſers kleiner Kate-
chismus fuͤr das Landvolk
wuͤrde weit beſſere
Menſchen zuziehen als der große und kleine Lutheri,
der Heidelbergiſche und alle andere die je geſchrieben
worden.


ad 3) Der freydenkende Jude muͤßte beſonders in
Schutz genommen werden, damit er weder der Ver-
folgung der Rabbiner bloß geſtellt bliebe, noch auch
genoͤthiget wuͤrde, einen Aberglauben gegen den an-
dern zu vertauſchen; auch hier werden die chriſtlichen
Ortodoxen
nicht beyſtimmen. Juden, die doch ih-
ren Gott gekreutziget haben, die koͤnnen ſie wohl dul-
den; Socinianer und Deiſten aber ſind ihnen ein
Greuel und freylich wuͤrde der juͤdiſche Freydenker ein
J 3Deiſt
[134] Deiſt ſeyn, in der That ein aͤchter Juͤnger und
Nachfolger Jeſus
, den Gott beſtimmt hatte, die
groͤſten und einfachſten Wahrheiten bekannt zu ma-
chen, die aber bis dieſe Stunde von dem groͤßten
Theile verkannt werden, ob er gleich ſelbige mit ſo
deutlichen Worten in vielen Gelegenheiten angekuͤn-
diget hat, daß ſie gar keiner Auslegung beduͤrften,
wenn theologiſche Sophiſterey ſie nicht verdunkelt
haͤtte. Dieſe Wahrheiten ſind:


  • Daß Gott der Vater ſey, den die Welt und be-
    ſonders die Schriftgelehrten nicht kennen, den
    nur der Sohn, der ihn liebt, nicht aber der Knecht
    der fuͤr ihn zittert, kennen kann.
  • Daß der Glaube an dieſen Vater, das iſt kindli-
    ches Vertrauen zu ihm, allein ſeelig oder gluͤck-
    lich mache, weil ein ſolches Vertrauen, ohne
    den Vorſatz ganz und recht gut zu ſeyn, nicht be-
    ſtehen kann.
  • Daß derjenige, der dieſen Vorſatz faßt, und auf-
    richtig befolgt, gewiß ſeyn koͤnne, daß er keiner
    weiteren Verſoͤhnung noͤthig habe, um von dem
    himmliſchen Vater als ein Kind aufgenommen
    zu werden, mithin ihm ſeine Suͤnden vergeben
    ſind.

ad 4)
[135]

ad 4) Man ſpricht vieles von Freyheit, und doch
benimmt man den Menſchen die allerſchaͤtzbarſte
gleich in der zarteſten Jugend; da wird der Verſtand
zum Sklaven der verſchiedenen dogmatiſchen Thor-
heiten gebildet. Dem Juden wird uͤberdem der hoͤchſt
gefaͤhrliche Stolz eingepraͤgt, er gehoͤre zu einem
Volke, welches ſich Gott vor allen andern auser-
waͤhlt haͤtte; Stolz und Vorurtheile, wovon Jeſus
ſie abbringen wolte, die Chriſten aber beſtaͤrken helf-
fen. So lange das, was man Religion nennt, mit
der Erziehung verbunden bleibt, muß Herz und Ver-
ſtand verdorben werden. Nicht die erdichtete Erb-
ſuͤnde, ſondern die theologiſche Erziehung iſt an der
Boßheit oder vielmehr Thorheit der Menſchen ſchuld;
Der Theolog ſey Jude, Chriſt, Tuͤrke oder Heyde.
Der Verderb der Sitten iſt gaͤnzlich ein Werk dieſer
faſt durchgaͤngig aberglaͤubiſchen Erziehung. Wie viel
Macht dieſelbe uͤber den Verſtand habe, zeigt die un-
laͤugbarſte Erfahrung. Der Bramine, der Verehrer
des Lama, der Mahometaner und der Jude werden
nie von dieſen ihnen in der Kindheit angelegten Feſ-
ſeln erloͤßt; die kleine Anzahl getaufter Juden und
Tuͤrken beweißt nichts, und den Werth der Heyden-
bekehrungen kennt Jedermann. Ein Glas Brand-
wein, Glaskorallen oder fromme Betriegereyen be-
J 4wegen
[136] wegen ſie ſich taufen zu laſſen, und ſie bleiben im
Grunde was ſie waren. Die beſten neueren Schrif-
ten uͤber die Erziehung erkennen es, daß man mit
Kindern nicht von Glaubensartikeln ſprechen muͤſſe.
Der Verfaſſer des Mémoires fur l’Etat des Juifs en
Alſace
behauptet pag. 196 ſelbſt dieſe Wahrheit, wi-
derſpricht ſich aber gleich darauf „s’il eſt des cas, ſagt
er, ou la puiſſance patèrnelle doît etre ſans force contre
la volonté des enfants lors qu’il s’agit de ſalut, il faut
ſans doute que la violence ou la ruſe n’y ayent aucune
part, l’acte le plus eſſentiel ne doit etre que l’effet de
la reflexion“
und wenn er die ergangenen Verord-
nungen anfuͤhrt, hinzuſetzt: „toutes ces autorités ſe
„reuniſſent au voeu de la nature pour laiſſer aux pe-
„res \& meres l’autorité qu’ elle leur donne ſur leurs En-
„fans.“
Welche Violence und Ruſe kann wohl ſtaͤrker
wuͤrken, als diejenige, die ſich des ſchwachen Verſtan-
des der Kinder bemeiſtert; welche Reflexion kann
man von ſolchem Kinde erwarten, und das im 12ten
Jahre? Nicht vor dem 15ten ſollte den jungen Leu-
ten von Glaubensartikeln vorgeſprochen werden, und
wenigſtens nicht vor dem 18ten verlangt werden, daß
ſie eine Wahl treffen, unter den verſchiedenen Reli-
gionen
. Ich muß dieſes Wort brauchen, welches ich
ſehr ungerne thue, weil es wenige giebt die mehr
Zwey-
[137] Zweydeutigkeit in ſich faſſen, keines woruͤber ſo Vie-
les geſchrieben worden, und das doch bis dieſe Stun-
de nicht definirt iſt; wenigſtens iſt noch keine ein-
zige Definition dieſes Wortes mit dem vielfaͤltigen
Gebrauch uͤbereinſtimmend. Da es lateiniſchen Ur-
ſprunges iſt, ſo ſollte wohl Cicero derjenige ſeyn, der
es am beſten erklaͤren koͤnnte, und er derivirt es von
relegendo, und nennt religioſi diejenigen qui omnia
quae ad Cultum Deorum pertinerent diligenter pertra-
ctabant \& quari relegabant;
ſo ſollte alſo wohl in
dieſem Sinn ein Juͤnger Jeſus billig ein Mann
ohne Religion ſeyn.



Gr. v. S.


7.


Des Kaiſers Edict fuͤr die Juden, welches Sie
nun auch geſehen haben werden, wird wohl Ihre
Erwartung nicht ganz erfuͤllen. Es iſt wohl eigent-
lich ein politiſcher Verſuch zu religioͤſer Verbeſ-
J 5ſerung
[138]ſerung der Juden, und hat die natuͤrliche Tendenz
ſie in 20 oder hoͤchſtens zweymal 20 Jahren, alſo mit
Ablauf dieſes Menſchenalters, zu Chriſten zu machen.
Ich zweifle aber, ob es ſeinen Zweck erreicht, ein groͤſ-
ſer Theil der Juden koͤnnte wohl gar bey einem ſol-
chen Toleranz-Edict Luſt bekommen, aus dem Lande
zu gehn.



M.


8.


Ich habe nur dieſes noch bey Ihren Vorſchlaͤ-
gen, denen ich ſonſt vollkommen beytrete, zu erin-
nern: 1) Die Armenanſtalten der Chriſten und Ju-
den muͤſſen, wie auch Sie zu billigen ſcheinen,
voͤllig mit einander verbunden werden. Gleiche
Laſten erzeugen Freundſchaft und Liebe. 2) Den
Bann wuͤnſchte ich bey allen moͤglichen Re-
ligionspartheyen, alſo auch bey den Juden,
weg. 3) Die juͤdiſchen Civilgeſetze muͤßten in vielen
Dingen mit neuen auf ihren itzigen Zuſtand mehr
paſſenden vertauſcht werden, ſo wie man in manchen
Staa-
[139] Staaten das roͤmiſche Recht abſchaft. Am beſten ſie
wuͤrden den allgemeinen Landesgeſetzen, wie alle
uͤbrige Buͤrger unterworfen. Dieß waͤre gewiß dem
ganzen Geiſt Ihres Plans am gemaͤßeſten? Freylich
kann dieß nur allmaͤhlig geſchehen, aber einmal muß
doch der Anfang gemacht werden. Haben doch auch
die Juden das Opfern auſſer Palaͤſtina ſuſpendiren
muͤſſen? Manche ihrer Geſetze ſind in unſern noͤrdli-
chen Landen noch weniger paſſend, als dieſes Opfern Zu
S. 23 habe ich noch einen Einwurf. Sollte es da nicht
ſtatt Religion deutlicher Religions-Syſteme, Par-
theyen
heiſſen. Von dieſen allen ohne Ausnahme
kann man freylich mit vollkommenem Rechte ſagen,
„daß ſie ihren Anhaͤngern Abneigung in mehr oder
„mindern Grade, gegen die Andersdenkenden einfloͤſ-
„ſen,“ daß ſie „die natuͤrlichen Bande der Menſch-
„heit zerreiſſen.“ — Aber der natuͤrlichen Reli-
gion
(die unter dem Worte jede doch auch mit be-
griffen iſt) aber auch freilich nur dieſer, kann man
dieſes doch nicht Schuld geben? —



C.


9.
[140]

9.


Nur in dem einen Punct bin ich nicht uͤber-
zeugt worden, daß Sie den S. 134 angefuͤhrten
Zweifelsgrund durch die nachſtehende Gruͤnde geho-
ben haͤtten. Es ſcheint mir vielmehr, daß die Ju-
den bey dem Ackerbau und Handwerken zu Grunde
gehn muͤßten, wenn ſie zwey Arbeitstage in der Wo-
che verliehren ſollten, die andern Feſttage nicht ein-
mal gerechnet. Die herrſchende Religion und der
Wohlſtand koͤnnen doch nicht verlangen, daß ein An-
drer, der mit ihren Religionsbekennern gleiche Ge-
wiſſensfreyheit haben ſoll, zu Grunde gehe, und et-
was noch immer fuͤr eine Unbequemlichkeit ſeiner Re-
ligion anſehe, die er doch nicht heben kann, ſo lange
er ſeinem Glauben treu bleibt. Wie kann dieſes mit der
ihm gegebenen Gewiſſensfreyheit beſtehn? Ich wuͤrde
mich auch gar nicht aͤrgern, wenn ich einen Juden
an unſerm Sonntage arbeiten ſaͤhe; denn ich wuͤrde
denken, er hat keinen Feyertag, nur wuͤrde ich die
Policeyverfuͤgung machen, daß ein Jude, der ein
laͤrmendes Handwerk triebe, nicht gar zu nahe an
einer chriſtlichen Kirche wohnte. Dieſe kleine Unbe-
quemlichkeit koͤnnte der Jude leicht erdulden, und um
ganz unpartheyiſch zu ſeyn, wuͤrde ich der Synagoge
gern
[141] gern gleiche Beguͤnſtigung ertheilen, und uͤberhaupt
von den Verſammlungsorten des oͤffentlichen Gottes-
dienſtes, alle gar zu laͤrmende Beſchaͤftigungen ent-
fernen. —



C.


10.


Nicht allein in Anſehung der Juden, ſondern
auch der Chriſten, finde ich nichts intoleranter als
daß man Kindern von der zarteſten Jugend an die
Vorurtheile ihrer Eltern einpraͤgt; man ſieht ja deut-
lich, daß dieſer Eindruck von ſolcher Wuͤrkung ſey,
daß faſt keiner bey erwachſenen Jahren, davon zu-
ruͤckkommen kann. Ein Neligionsſyſtem, das vor
der geſunden Vernunft beſtehen kann, muß eine un-
eingenommene Unterſuchung in reifern Alter nicht
fuͤrchten. Es haben dahero unſere Philantropiſten
ſehr recht gehabt, (vornaͤmlich unſer redlicher Hr.
Baſedow,) zu behaupten, daß man Kindern von kei-
ner als der natuͤrlichen Religion vorſprechen ſolle.
Noch beſſer iſt der Gedanke den Mercier in ſeinem
2440 Jahre Cap. XXI aͤußert.


Sie
[142]

Sie ſcheinen noch immer etwas ungewiß, ob es
billig ſey, die Juden zu zwingen, die Freydenker zu
ihrer Synagoge zuzulaſſen, und glauben daß dieſes
ein Eingriff in die geſellſchaftliche Rechte ſey? Geht
der juͤdiſche Freydenker in die Synagoge, um zu beſpot-
ten, was darinnen vorgenommen wird, oder betraͤgt
er ſich darinnen nicht friedfertig und vernuͤnftig, ſo
thut man recht ihn hinaus zu weiſen, ſo wie den
chriſtlichen Freydenker, der die Predigt ſtoͤhren oder
uͤber dieſes oder jenes ſpotten wollte; geht aber ſeine
Freydenkerey nicht ſo weit daß er alles was in der
Synagoge vorgenommen wird, als unnuͤtz oder gar
ſchaͤdlich anſieht, ſondern es ihm noch von den ein-
gepraͤgten Vorurtheilen der Jugend anhaͤngt, daß
er glaube ſein Herz beſſer zu Gott zu erheben, wenn
er in der Gemeine ſich findet, alſo ein Vergnuͤgen
und Troſt darinnen findet, warum wollte man ihm
ſolches verſagen? In den chriſtlichen Gemeinen laͤßt es
ſich allenfals noch ehender rechtfertigen, den Ketzer und
Freydenker nicht in der Gemeine dulden zu wollen.
Denn die Chriſten haben ihre Sakramente, die ſie fuͤr
Perlen halten, die nicht anders als Rechtglaͤubigen
mitgetheilt werden ſollen, dem ungeachtet wird der Ein-
gang in die Kirche und das Beten und Singen Nie-
manden verwehrt, noch weniger das Anhoͤren der
Pre-
[143] Predigten; warum ſollten denn die Juden ihren
Freydenkern nicht ein gleiches verſtatten? ja die ka-
tholiſchen Prieſter lernen ſchon mit ihren Sakramen-
ten nicht mehr ſo ſproͤde thun, ſie haben es ſich
geſagt ſeyn laſſen was jener Franzos daruͤber ſchrieb:
Vous refuſés les Sacrements — — — Vous etes trop
heureux qu’on veuille bien les prendre.
Warum ſollte
denn der Rabbi nicht wenigſtens angehalten werden,
eben ſo tolerant in der Synagoge gegen ſeine juͤdiſche
Freydenker zu ſeyn, als es die chriſtlichen Prieſter
anjetzo ſeyn muͤſſen; recht und billig iſt es, daß wir
gegen die Juden ſo tolerant ſeyn wie moͤglich, allein
die Toleranz muß nicht ſo weit gehn ihnen eine In-
quiſition zu verſtatten, und was iſt es anders als
eine Inquiſition, wenn Kinder und Geſinde verpflich-
tet ſind, ihre Eltern und Herrn anzuklagen, wenn ſie et-
wa Schweinefleiſch aͤßen oder den Sabbath nicht ge-
nau hielten? Dieſe Abſcheulichkeit muß bey ſchwerer
Strafe denen Radbinen verboten werden, ſo daß es
ihnen nicht mehr vergoͤnnt ſey, aus ſolcher ſchaͤndli-
chen Verraͤtherey eine Glaubenspflicht zu machen.


In Anſehung der Kinderunterweiſung, waͤren
zwey Wege moͤglich, der eine daß man bey Erthei-
lung großer Vorrechte an die Juden, ihnen die Be-
dingung mache, daß ſie vor dem 15ten Jahre keines
von
[144] von ihren Kindern, zu einem Rabbiner gehen laſſe,
ſondern in beſonders fuͤr ſie errichtete Schulen, da
weder chriſtlicher noch juͤdiſcher Catechismus gelehrt
wuͤrde, die Kinder bloß zu rechtſchaffenen Maͤn-
nern erzogen wuͤrden. Nur ſolchen Juden, die
ſich dieſer Ordnung unterworfen, oder die nachdem
ſie auf die Weiſe erzogen worden, nach Verlauf des
15ten Jahres die Religion ihrer Eltern zu befolgen ſich
entſchloͤſſen, nur ſolchen ſollte es erlaubt ſeyn, Eigen-
thum im Staate zu beſitzen, und zu Bedienungen
zu gelangen *). Das andere Mittel waͤre, daß wo in
einer Provinz Juden auf dem Lande anſaͤßig werden,
nur in einer Stadt eine Synagoge erlaubt wuͤrde,
wo die Rabbiner blieben ohne Erlaubniß zu haben
die im Lande vertheilte Juden zu beſuchen, ſondern
dieſen bliebe es frey nach der Stadt alle Jahr ein-
mal zu wandern, ſo wie es in Palaͤſtina die alten
Juden nach Jeruſalem thaten **). Zum Richter aber
muͤßte ein chriſtlicher Gelehrter denen Rabinern zu-
gege-
[145] gegeben werden, und ſelbige keine Urtel exequiren, die
dieſer nicht gut faͤnde. Diejenigen Juden die ſich
dieſes nicht gefallen laſſen wollten, die moͤgten denn
bleiben, wie ſie ſind, muͤßten aber auf keine groͤßere
Vorzuͤge Anſpruch machen, noch auf Beſitz von Land-
ſtuͤcken. Denn haben ſie einmal dieſe Erlaubniß, Be-
ſitzer von Guͤtern zu werden, und behalten zugleich
ihre hierarchiſche Verfaſſung bey, ſo waͤre kein Zwei-
fel, daß in ein paar hundert Jahren die ganze Welt
zum Erſtaunen juͤdiſch ſeyn wuͤrde, und die ſchreck-
lichſten Greuel daraus entſtehen muͤßten.



G. v. S.


11.


Freylich kann man auf das, was die Proſelyten
von der Unverbindlichkeit der juͤdiſchen Eyde vorgeben,
und Manche ihnen und Eiſenmenger (dem Sie voll-
kommne Gerechtigkeit widerfahren laſſen) nachſchwa-
tzen, im Mindſten nicht rechnen. Auch kann man
das, was einzelne Juden in Criminal-Proceſſen an-
gegeben, und die Nachrichten die im juͤdiſchen
KBel-
[146]Baldober und aͤhnlichen Buͤchern hieruͤber ſtehen,
mit Billigkeit nicht anfuͤhren, wenn von den Grund-
ſaͤtzen und dem Glauben der ganzen Nation die Re-
de iſt. Wie denken nicht viele Chriſten uͤber den
durch den haͤufigen Gebrauch ſo ſehr profanirten
Eyd? Und was wuͤrden wir ſagen, wenn man un-
ſere Religion nach dem beurtheilen wollte, was ver-
worfene Verbrecher von ihren Religionsbegriffen
eingeſtehn? Nach dem Verhaͤltniß, daß die Juden
uͤberhaupt moraliſch verderbter ſind, wie die Chriſten
(ein Satz, den Sie indeß vielleicht noch zu freygebig zu-
geſtanden) mag unter ihnen auch eine groͤſſere Ge-
ringſchaͤtzung des Eydes herrſchen, welches bey ih-
rer ſchlechten Erziehung und ihrem faſt gaͤnzlichen
Mangel an Unterricht in Religion und Moral nicht
zu verwundern waͤre. Auſſer Criminalprozeſſen ſind
mir auch von Concurſen Faͤlle bekannt, wo die juͤ-
diſchen Weiber ihre illata beſchworen haben, von de-
nen nachher bewieſen worden, daß ſie ſie nicht ein-
gebracht hatten. — Aber was iſt hiebey zu thun?
— Nichts, als was Sie verlangen, die Juden zu
beſſern
. Gewiß giebt es auch ſchon itzt viele unter
ihnen, die ſolche Grundſaͤtze aufrichtig verabſcheuen,
ich ſelbſt habe deren gekannt, und von Juden ſolche
Proben uneigennuͤtziger Freundſchaft erfahren, die
ich
[147] ich von meinen beſten chriſtlichen Freunden kaum
erwarten koͤnnen.


Ob die Juden indeß durch die Unbequemlichkeit
ihrer Verfaſſung nach einigen Generationen ſich be-
wogen finden werden, ihre Religionsvorurtheile
ganz zu verlaſſen, ſo wie die heidniſche Religion ganz
vergangen iſt, daran moͤchte ich doch, mit Ihrer Er-
laubniß, noch ſehr zweiflen. Den Bart und manche
andere Caͤrimonien abzuſchaffen, — das thut dem
Ganzen noch nichts.


So lange die Juden ſich nicht zu Handwerken
anſchicken (ganz ſtimme ich Ihren Gedanken bey,
daß dieſe das beſte Mittel zu einer vortheilhaften
Umbildung des juͤdiſchen National-Characters ſind)
ſo lange werden ſie zur Handelſchaft ihre Gebraͤuche
und Caͤrimonien keinesweges undequem finden, viel-
mehr ſcheinen ſie dazu mir hoͤchſtbequem, um uͤber
die Chriſten das Aſcendant zu erhalten. Der gemeinſte
Jude bildet ſich ein, den ſchlaueſten Chriſten uͤber-
ſchauen zu koͤnnen, und nur fuͤr den hat er Reſpect,
dem er im beſondern Verſtande, Witz und Wach-
ſamkeit
zutrauet. Die Urſachen, warum die Ju-
den ihre Grundverfaſſung nie aus eigner Bewegung
aͤndern werden, kann man ſelbſt bey den Chriſten
per combinationem idearum finden. Ein Jeder der
K 2ſich
[148] ſich geſchickt zu ſeyn glaubt, die Kaufmannſchaft
oder bloße Kraͤmerey zu lernen, oder auch ohne
foͤrmliche Erlernung zu treiben, der wird gewiß kein
Handwerk lernen, ſondern bey dieſem Stande ſich
uͤber die anſehnlichſten Staͤnde der Menſchen hin-
ausdenken, und dieſer Stand der Kaufmannſchaft
iſt auch der Stand der Juden. Den uͤbrigen Druck
fuͤhlen ſie nicht, weil ſie ihn ſo ſehr gewohnt ſind,
ſehn ihn vielmehr, wie die Herrnhuter und Prote-
ſtanten in Frankreich als ein ehrenhaftes Maͤrtyr-
thum an. Sogar genießt der Jude in buͤrgerlichen
ſichtbarlichen Verhaͤltniſſen groſſe Vorzuͤge vor den
Chriſten. Er iſt bey allen chriſtlichen Religionsver-
wandten gelitten, hat Zutritt an Hoͤfen und in Ca-
binetten, den er verliert, ſobald er ſich taufen laͤßt.
Ich weiß ein Beyſpiel, daß im ſiebenjaͤhrigen Krie-
ge die Frau eines juͤdiſchen Admodiateurs ſogar an
die Tafel eines groſſen Prinzen gezogen wurde, wo-
ruͤber die adelichen Damen zwar ſcheel ſahen, aber
eine chriſtliche Kaufmannsfrau gewiß nicht gelitten
haͤtten. Es ſind ja auch Juden vom Kayſer nobili-
tirt worden, und unter K. Carl VII. hatte ſogar ein
Jude das Jus nobilitandi, indem er Adelsbriefe ver-
kaufte, wo der Nahme vom Kaͤufer ausgefuͤllt wur-
de. Ich glaube alſo nicht, daß die Vornehmen und
Reichen
[149] Reichen den Druck ſehr fuͤhlen, und der Poͤbel un-
ter den Juden iſt gegen ihn ſo abgeſtuͤmpft, wie un-
ſere Leibeigene Bauren gegen den Druck ihrer Herrn.
Sie werden freylich antworten: eben dieſes abge-
ſtumpfte Gefuͤhl iſt ein deſto groͤßerer Beweis von
Elend, und die Vorzuͤge der reichern Juden taugen
eben ſo wenig, als die Unterdruͤckung der andern *).
— Aber laſſen Sie mich noch etwas von den Vor-
zuͤgen anfuͤhren, den der Jude in der itzigen Ver-
faſſung wirklich vor den Chriſten voraus hat. Ueber-
all iſt er frey von allen Arten von Frohndienſten,
theils weil die Chriſten-Sklaven nicht mit den be-
ſchnittenen Sklaven in Geſellſchaft arbeiten wollen,
theils weil man ihn fuͤr zu ungeſchickt zu ſchwerer
Arbeit haͤlt, die er auch nicht gewohnt iſt. Einen
Umſtand muͤſſen wir auch nicht vergeſſen, der die
Juden ſtolz macht und uͤberredet uͤber die Chriſten
hinſchauen zu koͤnnen, das iſt nicht nur die Patro-
cinanz der reichen Juden, durch Geldleihen ſogar an
die erſten chriſtlichen Haͤuſer im Lande, auch an
Hoͤfe — ſondern vornehmlich auch die freywillige
Knechtſchaft der Chriſten, den Juden am Sabbath
zu dienen. Ich erinnere mich keines Landes, wo
hieruͤber ein Verboth exiſtirte, das doch allein hin-
K 3rei-
[150] reichend waͤre, die Juden zu zwingen, ihre aͤngſtli-
che, unnatuͤrliche Sabbathsfeyer abzuſchaffen.


Aus den angefuͤhrten Gruͤnden ſcheint es mir
ſehr wahrſcheinlich, daß wenn man den Juden heute
alle Zuͤnfte oͤfnete, doch nur wenige von dieſer Frey-
heit Gebrauch machen, ſondern lieber bey der Han-
delsſchaft bleiben wuͤrden, die ihnen Gewohnheit,
Erziehung und die damit verbundene oder doch ein-
gebildete Vorzuͤge nebſt der Hofnung eines großen
Gluͤcks und bequemen Lebens, weit angenehmer ma-
chen. Und da Sie ſelbſt dieſe ausſchlieſſende Be-
ſchaͤftigung mit dem Handel als die Hauptquelle der
ſittlichen Verderbtheit mit Recht angegeben; ſo ſehe
ich noch nicht, wie ſie ſobald duͤrfte verſtopft wer-
den, da nun noch die Hinderniſſe, welche in unſe-
rer Zunftverfaſſung liegen, dazu kommen.



S.



[[151]]
[figure]

Mißverſtanden und nach dem Mißverſtand un-
richtig beurtheilt zu werden, iſt ein Unfall, dem
Jeder, der ſeine Gedanken oͤffentlich ſagt, ſich ausſetzt
und den auch alte und neuere Schriftſteller immer erfah-
ren haben. Er iſt eine Folge der unendlich verſchie-
denen Begriffe, die jeder Leſer zu einer Schrift mit-
bringt, der verſchiedenen Grade von Aufmerkſam-
keit, der er ſie wuͤrdigt, ſeiner Faͤhigkeit in die Ideen
eines Andern einzudringen, ſo wie der Talente des
Schriftſtellers, ſeine Begriffe deutlich zu entwickeln.
Ueber ein allgemeines Schickſal muß man nicht kla-
gen, ſonſt haͤtte ich allerdings Urſache die gerechte
Beſchwerde zu fuͤhren, daß die Hauptabſicht meiner
Schrift von ſo Vielen verfehlet iſt. Dieſe war nicht
ſowohl die Sache der unterdruͤckten Hebraͤer, ſon-
dern der Menſchheit und der Staaten zu fuͤhren.
K 4Ich
[152] Ich wollte nicht Mitleiden fuͤr Jene erregen, nicht
von dieſen eine beſſere Behandlung derſelben erbit-
ten
, ſondern zeigen, daß geſunde Vernunft und all-
gemeine Menſchlichkeit, ſo wie das Intereſſe der buͤr-
gerlichen Geſellſchaft, dieſe beſſere Behandlung fo-
dern
. Dieſe Abſicht, duͤnkte mich, war ſo deutlich
angegeben, daß ich mir ſchmeichelte, man werde ſie
nicht verfehlen koͤnnen. Es mußte mich daher aller-
dings ſehr befremden, wenn man zuweilen meine
Schrift eine Rettung, Apologie der Juden nen-
nen, und mich bloß fuͤr ihren Vertheidiger neh-
men koͤnnen. Und doch ſagt ſchon der Titel meiner
Schrift, daß ich nicht die itzigen Juden vertheidi-
gen wollte, und ihr ganzer Inhalt, dieſem Titul
getreu, hat es nur damit zu thun:
Ob und durch welche Mittel die Juden ſitt-
lich und politiſch beſſer als ſie itzt ſind, wer-
den koͤnnen?

Dieſe Frage ſetzt die itzige fehlerhafte Beſchaffenheit
der Juden voraus, und nur in dem einzigen Punkte ha-
be ich dieſe vertheidigt, daß ſie Menſchen ſind;
faͤhig durch aͤuſſere Lage und Umſtaͤnde (wie die un-
ter denen ſie bis itzt lebten,) verderbt und herabgewuͤr-
digt, und durch eine beſſere Behandlung, wieder
veredelt und zu guten und brauchbaren Gliedern der
Geſellſchaft erhoben zu werden.


Dieſer
[153]

Dieſer Mißverſtand hat veranlaßt, daß man die
itzigen Fehler der Juden, die ich nicht laͤugne, gegen
mich gebraucht, um zu beweiſen, daß ſie auch, wenn
meine Vorſchlaͤge ausgefuͤhrt werden, keine beſſere
Menſchen und Buͤrger ſeyn wuͤrden. Man vergißt
hier, daß mit der Urſache auch die Wirkung aufhoͤ-
ren muͤſſe, und daß man von dem, was die Juden
itzt ſind, durchaus nicht auf das ſchlieſſen koͤnne,
was ſie kuͤnftig unter ganz andern Umſtaͤnden, allen
pſychologiſchen Geſetzen gemaͤß, ſeyn werden. Daß
bey den Juden keine Ausnahmen dieſer Geſetze ein-
trete, daß ſie keine unabaͤnderliche, unverbeſſerliche
Menſchen ſind, — dieſen Beweis werde ich, wie
ich ſchon erklaͤrt habe, nicht fuͤhren. Ich entferne
vielmehr die niederſchlagende Erfahrung, daß es noch
unter uns ſonſt hellſehende Maͤnner giebt, die ſo ei-
nes ſonderbaren Gedankens faͤhig waren. Aber auch
andere Unterſucher, die keinem ihrer Bruͤder die
menſchlichſte aller Faͤhigkeiten — Verbeſſerlichkeit
— abſprechen, glauben doch bey den Juden und in den
durch ihre Religion beſtimmten Verhaͤltniſſen ganz
beſondere Umſtaͤnde und Gruͤnde zu bemerken, welche
ſie auf immer unfaͤhig machen, mit den uͤbrigen
Buͤrgern unſerer Staaten voͤllig gleich, dieſen voll-
kommen einverleibt zu werden, gleiche Laſten der Ge-
K 5ſell-
[154] ſellſchaft zu tragen, und gleiche Pflichten zu erfuͤllen
die nur allein zu gleichen Vortheilen berechtigen koͤn-
nen. Andere finden zwar hiebey keine gaͤnzliche Un-
moͤglichkeit, aber doch große und wichtige Schwierig-
keiten, welche die Sache lange behindern und verzoͤgern,
wenigſtens die Ausfuͤhrung eines auch im Allgemeinem
politiſch richtigen und guten Plans in beſondern Laͤn-
dern nicht verſtatten wuͤrden. Wieder Andere ha-
ben nur fuͤr dieſe Ausfuͤhrung, die ſie als moͤglich und
nuͤtzlich anſehen, einzelne beſondere Modificationen
vorgeſchlagen. Dieſe drey Hauptclaſſen von Ein-
wuͤrfen
, welche von wahrheitsliebenden Forſchern
meinen Vorſchlaͤgen entgegengeſetzt ſind, bilden eine
natuͤrliche Abtheilung meiner Beantwortung, nach
der ich die verſchiedenen oft in einander lauffenden
Begriffe deſto richtiger abzuſondern und genauer zu
entwickeln hoffe.


Die Gruͤnde, welche man uͤberhaupt einer
allgemeinen Gleichmachung der Juden mit an-
dern Buͤrgern des Staats
entgegengeſetzt hat, ſind
ſoviel ich weiß, folgende:


I.


Jeder Staat, beſteht urſpruͤnglich, aus
den Landeigenthuͤmern, die nur allein auf die
Rechte und uneingeſchraͤnkte Wohlthaten der

buͤr-
[155]buͤrgerlichen Geſellſchaft Anſpruch machen
koͤnnen. Die Juden ſind nur aufgenommene
fremde Fluͤchtlinge, die Schutz, aber nicht
Rechte verlangen koͤnnen. Wolte man ſie den
aͤltern, einheimiſchen Gliedern der Geſellſchaft
gleich machen, ſo wuͤrden ſie ſich zu ſehr ver-
mehren und dieſe verdraͤngen. Unſere meiſten
gegenwaͤrtigen Staaten ſind von erobernden
Voͤlkern geſtiftet worden, die alten Einwoh-
ner derſelben, unter denen auch die Juden wa-
ren, koͤnnen alſo nicht mehr Rechte verlangen,
als ſie bey der Eroberung beſaßen.


Wenn ich nicht ſehr irre, beruhet dieſer Ein-
wurf auf nicht genug entwickelten Begriffen von der
Natur und dem Weſen einer buͤrgerlichen Geſell-
ſchaft, von ihrem Zweck und Intereſſe und dem
wahren Wohl ihrer Glieder. Auch ich halte es fuͤr
eine ausgemachte Wahrheit, daß der Staat nur aus
denen beſtehe, welche das Eigenthum des Landes,
in dem er errichtet iſt, beſitzen oder Rechte an daſſel-
be erworben haben. Land iſt das ſicherſte und dau-
erudſte Eigenthum, daher erſcheinen deſſen Beſitzer
vorzuͤglich als die wichtigſten, erſten und bleibendſten
Buͤrger. Sonſt muͤſſen freylich auch die, welche
uͤberhaupt Vermoͤgen im Staate beſitzen, ſeine Laſten
tragen
[156] tragen und einen bleibenden Aufenthalt in demſelben
haben, nicht ausgeſchloſſen werden. Alle dieſe ma-
chen eigentlich die buͤrgerliche Geſellſchaft aus, nur
ihnen gehoͤrt alſo die hoͤchſte Gewalt dieſer Geſellſchaft,
ſie moͤgen nun die Ausuͤbung derſelben unmittelbar
ſich ſelbſt vorbehalten oder ſie gewiſſen Verweſern
uͤbertragen haben. Ein Regent, der nicht fuͤr ſeine
hoͤchſte Wuͤrde und erhabenſten Titel es haͤlt, erſter
Bedienter des Staats zu ſeyn
, der nicht auch oh-
ne alle foͤrmliche Grundgeſetze ſich heiligſt verpflichtet
haͤlt, die ihm anvertrauete Gewalt nur zum groͤßt-
moͤglichſten Wohl des ihm vertrauenden Volks anzu-
wenden, der irgend ein anderes Intereſſe, als das
der Geſellſchaft kennt, der ſein Intereſſe von dieſem
zu trennen, es der Befriedigung ſeines Ehrgeitzes oder
irgend einer andern Leidenſchaft aufzuopfern faͤhig
iſt; — der verdient nicht den Nahmen eines Regen-
ten *). Alles Recht koͤmmt nur vom Volke und iſt
nur
[157] nur Mittel, um dieſes Gluͤck zu befoͤrdern, und wenn
gleich in monarchiſchen Staaten die erbliche Nach-
folge unſtreitig das beſte Mittel iſt, um innere Un-
ruhen zu verhuͤten, dem Staate von innen und auſ-
ſen Feſtigkeit und Conſiſtenz zu verſchaffen und das
Intereſſe des Verweſers deſto inniger mit dem des
Volks
*)
[158] Volks zu verweben; ſo laͤßt doch nie ein erbliches
Eigenthumsrecht, wie bey Privatbeſitzungen, ſich den-
ken; ein Staat kann ſeiner Natur und Weſen nach,
nie als ein Grundſtuͤck beſeſſen werden.


Dieſe Wahrheit ſetze ich voraus, knuͤpfe aber nun
an ſie eine andere eben ſo unumſtoͤßliche, dieſe, daß
das hoͤchſte Wohl der ganzen Geſellſchaft und aller
ihrer Glieder in der nach allen Verhaͤltniſſen eines
Landes groͤßtmoͤglichſten Zahl ſeiner Bewohner be-
ſtehe. Nur durch dieſe wird die vollkommenſte Cul-
tur des Bodens, ſo wie des Geiſtes bewirkt, und
die Geſellſchaft in Stand geſetzt alle ihre Zwecke
von auſſen und innen zu erfuͤllen, Sicherheit,
Wohlſtand und uͤberhaupt Gluͤckſeeligkeit in moͤg-
lichſt hoͤchſtem Grade zu erreichen. Je mehr Men-
ſchen,
*)
[159] ſchen, deſto mehr und vervielfaͤltigte Nahrungswege
deſto mehr Schaͤrfung der Induſtrie, mehr Auf-
klaͤrung, mehr Benutzung aller phyſiſchen und poli-
tiſchen Vortheile, die Boden und Lage darbieten,
deſto mehr Kraft um aͤuſſern Anfaͤllen zu widerſtehn,
deſto mehr Ruhe und Feſtigkeit der innern Einrichtun-
gen. Jeder Staat muß alſo immer bemuͤhet ſeyn
die Zahl ſeiner Buͤrger ſowohl durch die natuͤrliche
Vermehrung der Eingebohrnen, als durch willkom-
mene Aufnahme der Fremden, die ſich ihm anſchlieſ-
ſen, unaufhoͤrlich bis zu dem hoͤchſten Maaße, das
ſeine phyſiſche Beſchaffenheit und ſeine Lage erlauben,
zu vergroͤßern *). Dieſes aber kann er nur dann,
wenn
[160] wenn er allen Eingebornen und Fremden den voll-
kom-
*)
[161] kommenſten und freyeſten Genuß aller Rechte der
Buͤrger verſtattet. Ausſchließende Vorzuͤge und Rech-
te einer gewiſſen Claſſe ſind allemal mehr oder weniger
Hinderniß der Bevoͤlkerung und alſo des zu erreichen-
den moͤglichſt groͤßten Wohlſtandes. Die Erfah-
rung vereinigt ſich hier mit dem Raiſonnement
Immer waren die Staaten die gluͤcklichſten,
reichſten an Fleiß, Production und Gelde,
ſo wie die geliebteſten von ihren Buͤrgern, die mit
Ertheilung ihres Buͤrgerrechts am freygebigſten,
jedem Fremdling, der unter ihrem Schutze ſich nie-
derließ, nicht nur mit dieſem Schutz, ſondern auch
mit dem ſicherſten Genuß aller geſellſchaftlichen
Rechte entgegen kamen, ihm die freyeſte Aeuſſerung
ſeiner Kraͤfte und Talente geſtatteten. Dieſe Frey-
gebigkeit gegen Fremde iſt kein Unrecht fuͤr die alten
Einwohner, das heißt, fuͤr die Buͤrger des Staats,
deren Vorfahren ſchon ſeit einem gewiſſen Zeitraum
in dieſem Lande wohnten, — ſie iſt Wohlthat fuͤr
ſie, und fuͤr die Regierung iſt es Pflicht dieſe
Wohlthat zu erweiſen. In eben dem Verhaͤltniß
wie die Zahl ihrer Mitbuͤrger ſich vermehrt, erhal-
ten auch dieſe aͤltern Einwohner mehr Mittel ſich zu
naͤhren, ihren Wohlſtand zu erweitern, ihr Leben
ſich bequemer und angenehmer zu machen. Der
LWerth
[162] Werth ihrer Arbeit wird erhoͤhet, ihr Erfindungs-
geiſt geweckt, ihre Einſicht, ſo wie ihre Staͤrke ge-
mehret.


Freylich wo gewiſſe poſitive Grundgeſetze nur ei-
ner oder mehrern beſondern Claſſen von Buͤrgern
einen Antheil an Regierungsrechten geſtatten,
muß dieſer ihnen erhalten; wo beſondere Vorthei-
le und Benutzungen einmal durch Vertraͤge erwor-
ben ſind, muͤſſen dieſe unverletzt bleiben, wenigſtens
bis dahin, daß die richtigere Einſicht von dem
groͤßern Vortheile des allgemeinern Genuſſes dieſer
Rechte und Benutzungen fuͤr das Ganze ſowohl, als
in den meiſten Faͤllen, auch fuͤr die bisherigen aus-
ſchlieſſenden Beſitzer ſelbſt, bis, ſage ich, dieſe Ein-
ſicht mehr verbreitet iſt und die Aufhebung dieſer Ein-
ſchraͤnkungen abdringt. Sonſt iſt jede ploͤtzliche Ver-
aͤnderung meiſtens gefaͤhrlich, und einmal wohl er-
worbene Rechte und Beſitzungen, auch unter dem nicht
ungegruͤndeten Vorwande des gemeinen Beſten (drin-
gende Faͤlle ausgenommen,) irgend Jemand zu neh-
men, — wird kein Freund der Menſchen anrathen.
Aber ſeine Kraft und Thaͤtigkeit zu aͤußern, ſich zu
naͤhren wie man kann und will, — ſollte uͤberhaupt
nie ein ausſchließendes Recht Einzelner ſeyn. Der
Vortheil des Monopoliſten iſt dem der Geſellſchaft
wider
[163] widerſprechend und auf Koſten aller uͤbrigen erwor-
ben. Dieſe gewinnen dabey, je freyere Induͤſtrie
ihnen allen verſtattet iſt und je mehr ſie alle Beſchaͤf-
tigungen und Nahrungswege frey waͤhlen duͤrfen.


Zu dieſer vollkomnen Freyheit, duͤnkt mich, ge-
hoͤrt auch dieſes, daß Jeder, bey dem nicht beſondre
Umſtaͤnde eintreten, die ſeine Buͤrgerannahme wie-
derrathen, ein gleiches Recht habe, Landeigenthum
zu erwerben. Nur wo dieſes geſtattet iſt, darf der
Staat die vollkommenſte Cultur ſeines Bodens hof-
fen, weil er nur dann immer an Beſitzer koͤmmt,
die am meiſten Faͤhigkeit und Willen haben, alle
moͤgliche Fruͤchte dieſes Bodens hervorzulocken! Auch
fuͤr die Landeigenthuͤmer ſelbſt iſt dieſe verſtattete
Freyheit ſicherer Gewinn; denn je groͤſſer die Zahl
der Kaͤufer ihrer Grundſtuͤcke iſt, deſto mehr wird
der Werth derſelben erhoͤhet und deſto vollkomner
koͤnnen ſie dieſelben benutzen, ſie veraͤuſſern ſie nun
oder nicht. So gewiß es iſt, daß die Beſitzer
des Landeigenthums vornaͤmlich den Staat ausma-
chen, ſo iſt doch deſſelben vollkommenſte Veraͤuſſer-
lichkeit und die den Beſitzern geſtattete freyeſte Diſpo-
ſition uͤber dieſes Eigenthum, wahrer Vortheil des
Staats, weil dieſem nicht daran gelegen ſeyn kann,
daß ſein Boden unabaͤnderlich von den Nachkom-
L 2men
[164] men derer beſeſſen werde, die ihn vor einigen Jahr-
hunderten beſaßen, ſondern nur daran, daß er auf das
vollkommenſte bereitet und in ſeinem moͤglichſt hoͤch-
ſten Werth erhalten oder zu demſelben erhoben wer-
de moͤge. Den Fall, wo in einigen Laͤndern an ein ge-
wiſſes Landeigenthum Antheil an der Regierung ge-
bunden und dieſer auf eine Claſſe von Buͤrgern be-
ſchraͤnkt iſt, habe ich ſchon vorher ausgenommen.


Wenn dieſe Grundſaͤtze auf das Weſen und den
Zweck der buͤrgerlichen Geſellſchaft gegruͤndet ſind,
ſo muß vor ihnen der aus der Entſtehung unſrer itzi-
gen Staaten abgeleitete Unterſchied zwiſchen ehema-
ligen Siegern und Beſiegten, wenn er nicht ſchon
ohnedem ſich verlohren haͤtte, voͤllig verſchwinden.
Moͤgen die Nachkommen der erſtern immer die ur-
ſpruͤnglichen einheimiſchen Landeigenthuͤmer ſeyn, —
wenn ſie nur zu ihrem eigenen und des Staats Beß-
ten das Recht haben, ihre Beſitzungen zu veraͤuſſern.
Die Fremden, an die ſie ihre Rechte uͤbertragen,
treten alsdann in ihre Stelle. Je mehr derer ſich
finden, an welche dieſe Uebertragung geſchehen kann,
deſto beſſer fuͤr dieſe Landeigenthuͤmer; jener Anlockung
iſt kein Unrecht, iſt Vortheil fuͤr dieſe. Ueberhaupt,
duͤnkt mich, laͤßt eine Anwendung der Grundſaͤtze,
nach welchen vor zwoͤlf Jahrhunderten einige nordi-
ſche
[165] ſche Voͤlker die verſchiedenen Provinzen des roͤmiſchen
Reichs eroberten und neue Staaten in ihnen errichteten,
bey der Stufe unſerer itzigen europaͤiſchen Cultur und
unſerer erleuchtetern (wenigſtens andern) Politick ſich
nicht denken. Kein Staat unſers Welttheils macht itzt
Eroberungen, um die alten Einwohner in denſelben
auszurotten oder zu Sclaven zu machen, und deren
Eigenthum unter ſeine ſiegende Heere zu vertheilen.
Eine eroberte Provinz wird der Claſſe der bisherigen
zugeſellt, ihre Einwohner behalten ihre Beſitzungen
und Rechte und werden den alten Buͤrgern aſſociirt
und gleich gemacht. Im Elſaß, in Liefland, in
Schleſien ſind nicht Franzoſen, Ruſſen und Preuſ-
ſen herrſchende Nationen und die alten Einwohner
dieſen unterworfen geworden; jene Provinzen wur-
den nur den Staaten einverleibt, die durch Erobe-
rung und Abtretung ſie erworben hatten. Selbſt die
Pforte beobachtet dieſen Grundſatz, und macht die
Einwohner eroberter Laͤnder nur zu Unterthanen des
Staats, nicht zu Sclaven der ſiegenden Nation. Wie
viel weniger kann alſo noch in unſern itzigen Staa,
ten auf den alten laͤngſt abgeſchliffenen Unterſchied
zwiſchen Siegern und Beſiegten, urſpruͤnglichen
Beſitzern und Fremdlingen
Ruͤckſicht genommen
werden, deren Nachkommen ſich laͤngſt vermiſcht
L 3und
[166] und in der allgemeinen Maſſe der Voͤlker verlohren
haben. Der gemeinſchaftliche Vortheil Aller erfor-
dert, dergleichen Unterſchiede nie wieder aufleben zu
laſſen, vielmehr die Zahl aller Buͤrger moͤglichſt ver-
mehrt zu ſehn, und hierzu iſt die vollkommenſte
Freyheit in Abſicht der Beſitzungen, Beſchaͤftigun-
gen und Nahrungswege eine weſentliche Bedingung.


Dieſe Freyheit vorzuͤglich allen im Lande Ge-
bohrnen
zu bewilligen, erfordert ſowohl die natuͤr-
liche Billigkeit als auch der groͤßere Vortheil, der
von ihnen zu erwarten iſt. Sie kennen das Land,
ſind an Clima, Boden, Sitten, Lebensart gewoͤhnt
und paſſen alſo beſſer in die Geſellſchaft, von der ſie
Daſeyn und Erziehung erhalten haben. Will der
Staat zu Bebauung eines bisher noch unbenutzten
Bodens, oder zu neuen bisher noch fehlenden Arten
von Induͤſtrie durch Wohlthaten ermuntern; ſo
duͤnkt mich, haben alſo die im Lande Gebohrnen, aber
noch nicht mit Beſchaͤftigung Verſehenen, auf die-
ſe Wohlthaten den gerechteſten Anſpruch und ſind
auch die faͤhigſten ſeine Zwecke zu erfuͤllen. Fremde
indeß, die freywillig ſich den aͤltern Buͤrgern beyge-
ſellen, muͤſſen jedem Staat willkommen ſeyn, und
ſein, ſo wie Jener Intereſſe erfordert es, ihnen das
neu gewaͤhlte Vaterland durch verſchafte Leichtigkeit
der
[167] der Beſchaͤftigung und Nahrungswege, angenehm
zu machen; ſie dadurch, daß ſie ihr Gluͤck nach ei-
gener Einſicht ſich bilden koͤnnen, zu feſſeln und
bald moͤglichſt zu naturaliſiren. Fremde durch Wohl-
thaten anzulocken ſcheint mir indeß nur in zwey Faͤl-
len rathſam. Erſtlich, wenn dieſe Fremde ihr Va-
terland zu verlaſſen durch politiſche und religioͤſe
Druͤckung veranlaßt ſind; Hugenotten, Salzburger,
Pfaͤlzer waren allenthalben die beſten Coloniſten und
dankbarſten Unterthanen. Zweytens, wenn ein
Staat viel unurbares Land hat, oder durch ſeine La-
ge Vortheile von neu anzulegenden Manufacturen
oder Handlungsverhaͤltniſſen erwarten kann, wozu
es ihm an eigenen Haͤnden fehlt, die er durch die na-
tuͤrliche Vermehrung nicht ſobald erwarten kann.
Sonſt muß ich geſtehen, denke ich uͤber die gewoͤhn-
lichen nur durch die zu erwartende Wohlthaten ge-
lockten Coloniſten noch immer ſo, wie ich bereits in
dieſer Schrift mich uͤber ſie erklaͤrt habe, und der
Staat der ſie aufnimmt, muß, duͤnkt mich, immer
den groͤßten Vortheil erſt von ihren Kindern und
Enkeln erwarten.


Alle dieſe Grundſaͤtze koͤnnen nun meiner Ein-
ſicht nach auch auf die Juden angewandt werden,
da ich dieſelben fuͤr faͤhig halte, voͤllig brauchbare
L 4Glieder
[168] Glieder der Geſellſchaft zu werden, ſobald man ſich ent-
ſchlieſſen wird den gleichen Genuß ihrer Vortheile ihnen
zu bewilligen. Dieſe Bewilligung waͤre kein Unrecht
fuͤr die uͤbrigen Buͤrger, ſondern verſpraͤche ihnen alle
die nuͤtzlichen Folgen, die ſie von der vermehrten
Volkmenge uͤberhaupt erwarten duͤrfen. Die im
Lande gebohrnen Juden verdienten, aus dem
vorher angefuͤhrten Grunde, allemal noch vor
Fremden den Vorzug, ob ich gleich auch dieſe,
meinen Grundſaͤtzen gemaͤß, nicht nachgeſetzt und
eigentlich uͤberall keinen Vorzug *) wuͤnſche. Bey
den Juden koͤmmt noch der Grund hinzu, daß ſie,
wenigſtens ein groſſer Theil derſelben, ſich wahr-
ſcheinlich als vorzuͤglich gute und dankbare Buͤrger,
(der auch in ihnen gleich wuͤrkenden menſchlichen Na-
tur gemaͤß) des Staats, beweiſen wuͤrden, der ih-
nen zuerſt den Genuß der Menſchenrechte verſtattete
und ſie zu einem hoͤhern Werth dadurch erhoͤbe, daß
er ſie zu wirklichen Gliedern der politiſchen Geſell-
ſchaft machte. Fremde ſich ſelbſt anbietende Ju-
den
[169]den wuͤrden meiner Meynung nach, angenommen
und zu gleichen Freyheiten, wie die uͤbrigen zugelaſ-
ſen, aber auf keine Weiſe wuͤrden ſie geruffen und
angelockt werden muͤſſen. Da die Juden durch
die lange Herabwuͤrdigung, in der ſie Jahrhunderte
gelebt, nun einmal politiſch verderbter ſind und erſt
in einigen Generationen ganz brauchbare Glieder der
Geſellſchaft werden koͤnnen, ſo wuͤrde es unpolitiſch
ſeyn, gerade mit dieſen noch zu bildenden und erſt in
ihren Nachkommen die Muͤhe eigentlich belohnenden
Fremdlingen, die Zahl der alten Einwohner vermeh-
ren zu wollen, die allerdings uͤber eine ſolche Be-
guͤnſtigung noch nicht ſo tauglicher und durch ihre
Fehler ihnen nachtheiliger Menſchen (ſo wie anderer
Herumlaͤufer auch) ſich zu beſchweren gerechte Urſa-
che haͤtten. Ich hoffe man wird mich hier unpar-
theyiſch und von aller mir gewiß mit Unrecht beyge-
legten Vorliebe fuͤr die Juden, frey finden. So
ſehr ich die beſſere Behandlung derſelben wuͤnſche,
ſo glaube ich doch, daß, ſo lange ſie noch immer die
ſind, zu denen freylich wir ſie gemacht haben, ein
Staat der ſich veranlaßt findet, Fremde durch Vor-
theile und Wohlthaten anzuziehen, beſſer thue jede
andere Coloniſten
zu waͤhlen, als juͤdiſche. Ich
gehe noch einen Schritt weiter. Wenn nur ein Staat
L 5die
[170] die beſſere Behandlung der Hebraͤer anfienge, und
die Juden aus andern Laͤndern ihm zu haͤufig zu-
ſtroͤmten; ſo, glaube ich, wuͤrde er nicht Unrecht thun,
auch die freywillig ſich anbietenden abzuweiſen, we-
nigſtens ſo lange, bis noch verſchiedene Schwierig-
keiten ihrer vollkomnen buͤrgerlichen Brauchbarkeit
(beſonders die von den Kriegsdienſten und der Colli-
ſion des Sabbaths mit den buͤrgerlichen Verhaͤltniſ-
ſen) voͤllig durch die Erfahrung (denn dieſe nur ver-
mag es) gehoben ſeyn werden. Indeß ſchmeichle ich
mir noch immer mit der angenehmen Ausſicht, daß
die Wahrheit, der ich Eingang zu verſchaffen ſuche,
vielleicht in nicht zu entfernter Zeit, in mehrern Lan-
den ſich verbreiten und eine beſſere Behandlung der
einheimiſchen Juden eines jeden bewirken, alſo den
Fall einer zu groſſen Auswanderung nach einem be-
ſtimmten Lande verhindern werde. Auch koͤmmt hie-
bey, wie Hr. Michaelis ſehr richtig bemerkt, die
Verſchiedenheit der Laͤnder und ihre groͤßere oder ge-
ringere Bevoͤlkerung in Betrachtung. Eine halbe
oder ganze Million Juden wuͤrde freylich in Frank-
reich, das 26 Milllonen Einwohner hat, ganz andere
Folgen hervorbringen, als in Schweden bey 2 und
einer halben Million; auch andere in den noch mit
wuͤſten und unurbarem Lande verſehenen oͤſterreichi-
ſchen
[171] ſchen und ruſſiſchen Staaten, als in den ungleich
mehr cultivirten preußiſchen.


Mir iſt es genug, nur dieſes entwickelt zu haben,
daß die Sorge fuͤr die Rechte der ſogenannten aͤltern
Einwohner die Regierung nicht abhalten duͤrfe, den
im Lande gebornen Juden gleiche Rechte mit Je-
nen zu bewilligen, und wenn es mir gelungen iſt,
nach den Grundſaͤtzen einer wahren Politick zu zei-
gen, daß dieſe Gleichmachung kein Unrecht, viel-
mehr ein Vortheil fuͤr die uͤbrigen Buͤrger ſey. Na-
tuͤrlich ſetze ich hiebey voraus, daß man die Faͤhig-
keit der Juden, nuͤtzliche Glieder der Geſellſchaft zu
werden, zugeſtehe, und ich hoffe die Gruͤnde fuͤr
dieſe Behauptung werden durch die folgende noch ver-
ſtaͤrkt und einleuchtender erſcheinen.


II.


Die Juden koͤnnen nie unſern Staaten als
voͤllig gleiche Glieder derſelben einverleibt und
als dieſe behandelt werden, ſo lange ſie ein Ge-
ſetz beobachten, welches ſeiner ganzen Einrich-
tung nach, beſtimmt iſt, ſie als eine fuͤr ſich
beſtehende Nation, von allen uͤbrigen Voͤlkern
zu trennen, ſo lange ſie Vorurtheile und we-
nigſtens Erklaͤrungen ihres Geſetzes beybehal-

ten,
[172]ten, welche eine ſolche Trennung verewigen,
ſo lange ſie durch aͤußere Unterſcheidung in der
Lebensart ſich abſondern. Wer nicht mit an-
dern ißt und trinkt, kann ihnen nicht voͤllig
gleich werden. Auch ſelbſt ihr zu lebhaftes,
unruhiges Temperament paßt nicht fuͤr unſer
Clima, und fuͤr feſte, bindende Beſchaͤftigun-
gen. Ueberdem naͤhren die Juden noch immer
die Hofnung eines eigenen beſondern Reichs,
und erwarten einen Retter, der es auf den
Truͤmmern der uͤbrigen erreichten ſoll. Sie
koͤnnen alſo nie treue Buͤrger unſerer Staaten
werden, ſie ſind keiner wahren patriotiſchen
Theilnehmung und Buͤrgertugend faͤhig, ſon-
dern immer unſichere Unterthanen, die mit
fanatiſcher Sehnſucht den Augenblick erwar-
ten, da ſie als offenbare Rebellen ſich zeigen
duͤrfen. Jeder einzelne Jude naͤhrt den ſtol-
zen Gedanken in ſeiner Bruſt, vielleicht einſt
Vater des raͤchenden Heilands und Koͤnigs zu
werden. Wenigſtens kann dieſe Schwaͤrme-
rey von unruhigen Koͤpfen benutzt, und alle-
mal dem Staate gefaͤhrlich werden
.


Dieſer Einwurf hat eine ſehr ſcheinbare Staͤr-
ke, und er muß ſie behalten, ſo lange man nicht in
den
[173] den Geſichtspunkt zuruͤck tritt, aus dem allein dieſe
Sache richtig angeſehen werden kann. Allerdings
hat es ſeine Richtigkeit, daß die Juden, ſo wie ſie
jetzt ſind
, mit ihrem trennenden Geſetz, abſondern-
den Gebraͤuchen und mancherley Vorurtheilen nicht
vollkommen gute Buͤrger ſeyn koͤnnen. Aber dieſe
Hinderniſſe beſtehen nur deshalb, weil man durch
die druͤckende Lage, in der man die Juden gehalten,
ſie gezwungen hat, ſich immer als ein von allen uͤbri-
gen Erdebewohnern getrenntes Geſchlecht in ſich
zu vereinigen; Lehren und Gebraͤuche mit deſto waͤr-
merer Anhaͤnglichkeit zu umfaſſen, je mehr die uͤbri-
ge Welt ſie ihnen zu entreiſſen ſich verſchworen hatte-
Druͤckung und Verfolgung ſind der fruchtbarſte und
naͤhrendſte Boden des Aberglaubens und geheiligter
Vorurthelle. Ohne ſie wuͤrde von manchen Secten
kaum noch der Nahme uͤbrig ſeyn, und gewiß auch
der juͤdiſche Glaube ſich laͤngſt ſchon mit andern ver-
ſchmolzen oder wenigſtens, welches uns hier ſchon
genug iſt, ſeine ſchneidende Ecken abgeſchliffen und
ſich in die politiſche Verfaſſungen beſſer eingepaßt ha-
ben, wenn er nicht zu nahe verwandt mit dem chriſt-
lichen, von dieſem unaufhoͤrlich ſo abſchreckende Er-
innerungen der Verſchiedenheit (welche eben die nahe
Verwandſchaft noch beleidigender macht) erhalten
haͤtte.
[174] haͤtte. Wird dieſe Erinnerung endlich einmal unter-
brochen, werden die Juden menſchlich und wie an-
dere Glieder der Geſellſchaft behandelt; ſo darf man
nicht zweiflen, daß ihre religioͤſe Anhaͤnglichkeit in
eben dem Maaße abnehmen werde, in welchem ſie
durch buͤrgerliche ſich feſter an den Staat verbinden.
Man darf hier ſicher auf die immer ſich gleiche Na-
tur des Menſchen vertrauen. Die Juden werden
von ſelbſt das Laͤſtige, Unbequeme und Unangeneh-
me auffallender aͤuſſerer Unterſcheidungen, gehemm-
ter politiſcher Thaͤtigkeit fuͤhlen und ſie werden ſchon
ſehen, wie ſie dieſer Feſſeln ſich entledigen. Der
Staat kann es immer ruhig ihren Lehrern und Gruͤb-
lern uͤberlaſſen, die heiligen Meynungen ſo zu modi-
ficiren, daß ſie mit dem zeitlichen Wohl und buͤrger-
lichen Verhaͤltniſſen zuſammenſtimmen. Die Syna-
goge wird nach dem Staat ſich bequemen muͤſſen,
oder ſie koͤmmt in Gefahr von ihren Beſuchern ver-
laſſen zu werden.


„Aber dann werden die Juden aufhoͤren
„eigentliche Juden zu ſeyn?“
— Moͤgen ſie doch!
Was kuͤmmert dieſes den Staat, der nichts weiter
von ihnen verlangt, als daß ſie gute Buͤrger werden,
ſie moͤgen es uͤbrigens mit ihren Religionsmeynun-
gen halten, wie ſie wollen? In der That iſt es
ſonder-
[175] ſonderbar, daß man mich, der ich doch bloß mit der
Sache des Staats und gar nicht mit dem juͤdiſchen
Lehrbegriff es zu thun habe, hat ſo verſtehen koͤnnen,
als verlangte ich, daß die Juden immer gerade ſol-
che Juden
blieben, wie ſie itzt ſind, und daß man
dann, dieſe widernatuͤrliche Unveraͤnderlichkeit einmal
angenommen, ihre itzige Fehler mir als einen Be-
weis entgegenſetzt, daß ſie auch in jeder Zukunft fuͤr
den Staat nicht taugen wuͤrden. Dieſer Mißver-
ſtand iſt geſchehn, ob ich gleich ſo deutlich mich er-
klaͤrt hatte, daß ich von der Ausfuͤhrung meiner Vor-
ſchlaͤge gewiß erwarte, die Juden wuͤrden ihre buͤr-
gerlich nachtheiligen Vorurtheile ablegen und aufhoͤ-
ren, ſolche Juden zu ſeyn, wie ſie bisher waren.
Es iſt alſo noͤthig mich hieruͤber noch deutlicher und
genauer zu erklaͤren.


Allerdings haben die Juden in ihrer Religion
Vorurtheile, die ſie in gewiſſem Grade unfaͤhig ma-
chen, alle Pflichten zu erfuͤllen, die der Staat von
ſeinen Buͤrgern verlangt, und bey denen ſie dieſen
nicht voͤllig gleich werden koͤnnen. Dieſe Vorurthei-
le entſtehen zum Theil daher, weil die Juden noch
immer ſtreng ein Geſetz beobachten, welches freylich
die Abſicht hatte, ſie von allen andern Nationen zu
trennen, ſie in einen eigenen fuͤr ſich beſtehenden
Staat
[176] Staat und in ein ungemiſchtes Geſchlecht zu verel-
nen, und welches itzt, nachdem dieſer Staat laͤngſt
zerſtoͤrt iſt und die Juden in alle uͤbrige Staaten zer-
ſtreuet ſind, nicht mehr paßt, unſern buͤrgerlichen
Geſellſchaften, dem europaͤiſchen Clima nicht mehr
angemeſſen iſt. Andre Vorurtheile ſind aus den
Spitzfindigkeiten und Grillen entſtanden, mit denen
die Rabbinen in ſpaͤtern Zeiten das urſpruͤnglich
freyere Geſetz uͤberladen haben. Der Scharfſinn des
denkenden Theils der Nation wurde ganz auf dieſe
Seite gezogen, weil es ihm an beſſerm Stoffe fehlte;
und der Hebraͤer, einmal dem buͤrgerlichem Verhaͤlt-
niſſe gewaltſam entruͤckt, wurde dieſem allmaͤhlig ſo
fremde, daß ſeine Speculationen auf daſſelbe durch-
aus nicht mehr Ruͤckſicht nehmen, vielmehr immer
dahin zielten ſich noch enger in ſeine religioͤſe Verbin-
dung einzuſchlieſſen und von der politiſchen, die ihn
zuerſt ausgeſtoßen, immer feindſeeliger zu trennen.


Freylich waͤre es fuͤr unſre Staten zu wuͤn-
ſchen, daß die Juden, ſo wie ſie itzt ſind, gar
nicht da ſeyn moͤchten
, das heißt mit andern
Worten, daß die Regierungen ſchon vor vielen Jahr-
hunderten gethan haͤtten, was ich wuͤnſche, daß ſie
wenigſtens itzt, ihrem Intereſſe gemaͤß, thun moͤch-
ten. Sicher wuͤrden die Juden ihren ehemaligen
Staat
[177] Staat und die nur auf ihn ſich beziehende Geſetze
laͤngſt vergeſſen haben, wenn man ſie den buͤrgerli-
chen Geſellſchaften, in denen ſie lebten, voͤllig ein-
verleibt und gluͤcklich in denſelben gemacht haͤtte;
die Vorurtheile, die dieſe Druͤckung hervorgebracht
hat, waͤren dann nie entſtanden. Die Ge-
ſchichte aller Zeiten beweißt, daß polltiſche
oder religioͤſe Schwaͤrmerey und Anhaͤnglichkeit
nur durch die Verfolgung verewiget werden, und
daß Gleichguͤltigkeit, Duldung und Unaufmerkſam-
keit ihr ſicherſter Tod ſind. Den Einwurf, daß die
Juden hierinn eine ganz beſondere Ausnahme ma-
chen wuͤrden, kann ich wenigſtens ſo lange nicht zu-
geben, bis eine noch nie gemachte Erfahrung
ihn beſtaͤtiget, oder bis man mir bis itzt un-
moͤglich ſcheinende Beweiſe gegeben hat, daß die
menſchliche Natur in den Juden anders, als auf ihre
ſonſt bekannte Art, wirke. Bis dahin wird man mir
erlauben, an die allgemeine Regel zu glauben.


Dem Staate muß es genug ſeyn, wenn die Ju-
den durch die beſſere Behandlung dahin gebracht wer-
den, ihre Vorurtheile abzulegen, ſie moͤgen es nun
uͤbrigens mit ihren religioͤſen Meynungen halten wie
ſie wollen. Dieß war der Hauptgrundſatz meines
bisher entwickelten Plans; aber da man nun uͤber
Mdieſes
[178] dieſes Ablegen und dieſes Wie naͤhere Erklaͤrungen
verlangt, ſo will ich auch hieruͤber meine Meynung
freymuͤthig und offen ſagen. Die Umbildung des
religioͤſen Syſtems der Juden koͤnnte, duͤnkt mich,
auf drey verſchiedene Arten geſchehen, und vermuth-
lich wird jede derſelben wirklich bey den einzelnen
Perſonen eintreten. Entweder die Juden bleiben
wirkliche Juden, dem Weſen ihres Geſetzes getreu,
fuͤgen aber demſelben alle die naͤhern Beſtimmungen
hinzu, welche ihre itzige Lage und neue buͤrgerliche
Verhaͤltniſſe nothwendig machen und werfen alles
weg, was dieſen hinderlich ſeyn kann. Wahrſchein-
lich wird dieſe Modification nicht allenthalben auf
gleiche Art geſchehen; es werden alſo verſchiedene reli-
gioͤſe Partheyen entſtehen, die aber dem Staat gleich
lieb und vielmehr angenehm ſeyn muͤſſen, weil ge-
rade die Verſchiedenheit der Meynungen, der Unter-
ſuchung Luſt machen, die Wahrheit, Aufklaͤrung
und gegenſeitige Duldung beguͤnſtigen wird: oder
ſie werden Bekenner der reinen Religion der Ver-
nunft: oder ſie gehen zu einer der chriſtlichen Partheyen
uͤber, bilden auch vielleicht eine neue. In jedem
dieſer Faͤlle kann der Zweck ſie zu beſſern Buͤrgern
zu machen, erreicht werden, und dem Staat muß es
alſo ganz gleichguͤltig ſeyn, was ſie hierinn fuͤr eine
Wahl
[179] Wahl treffen moͤgen? Die beyden erſtern Wege
duͤrften vermuthlich von dem groͤßern Theile der Ju-
den vorgezogen werden, und der dritte kann, wenn
man ſich unpartheyiſch in ihre Stelle denkt, nur das
Anlockende haben, ſich dem groͤßten Haufen ihrer
Mitbuͤrger gleich zu machen. Ich geſtehe aber, daß
ich einen nicht allmaͤhlig durch laͤngere Vermiſchung
und Umbildung vorbereiteten Uebergang der Juden
zu einein der chriſtlichen Religionsſyſteme ſelten fuͤr
aufrichtig und daher die, welche ſich zu ihm entſchlieſ-
ſen koͤnnen, nicht fuͤr die Beſſern der Nation halte.
Welt natuͤrlicher und leichter wird es dem Juden
ſeyn, ſeinen bisherigen Glauben zu reformiren, ihn
zu ſeiner urſpruͤnglichen Simplicitaͤt zuruͤckzufuͤhren,
und die ihm in ſeinen itzigen Verhaͤltniſſen laͤſtigen
Verbindlichkeiten wegzuerklaͤren, oder ganz bis zu der
in ſeinem vaͤterlichen Glauben ſchon begriffenen Ver-
nunftreligion zuruͤckzukehren. Er darf in dieſen bey-
den Faͤllen nur einen Theil ſeiner bisherigen Mey-
nungen ablegen, ohne an ihre Stelle gerade wieder
andere dieſen widerſprechende zu ſetzen, gegen die von
fruͤher Jugend an ſein Herz eingenommen worden.
Auch denn, wenn die Juden mit voͤlliger Verlaſſung
ihres bisherigen Glaubens, nur bey der natuͤrlichen
Religion ſtehn blieben, duͤrfen ſie doch von keiner
M 2neuen
[180] neuen (noch weniger von einer bisher fuͤr durchaus
falſch gehaltenen) Lehre ſich uͤberzeugen. Die Reli-
gion der Vernunft iſt auch die des Juden. Sie rein
und nur aus ihrer eignen Quelle erkennen, und die
Zuſaͤtze, womit ſie bisher fuͤr ihn beladen war, von
ihr abſondern, iſt alſo kein neuer Glaube, kein
ſchwerer Uebergang fuͤr ihn. Er hoͤrt dann nur auf
Alles zu glauben, was er bisher glaubte, aber ohne
anzufangen etwas Neues zu glauben. Und hoffent-
lich wird man ihm doch dieſes nicht uͤbel deuten und
nicht verlangen, daß er, wenn er ſeinen bisherigen
Irrthum verlaͤſſet, nun auch gerade ſo denke wie
wir, durchaus das und nicht mehr noch weniger, fuͤr
Wahrheit halte, als was uns nun einmal (ſey es bloß
durch Autoritaͤt der Erziehung und Lehrer oder nach
eigener Pruͤfung) Wahrheit iſt. Gewiß laͤßt ſich
der Fall denken und er ſcheint nach allen pſychologi-
ſchen Geſetzen der wahrſcheinlichſte, daß die Juden
zwar ihre bisherige Meynung, aber darum nicht we-
niger auch noch ferner eine andere, fuͤr Irrthum hal-
ten koͤnnen. Und ſehr unbillig wuͤrde es dann doch
ſeyn, ſie gewaltſam anzuhalten, wenigſtens aͤuſſer-
lich ſo lange ſich zu einer von ihnen fuͤr falſch gehal-
tenen Lehre zu bekennen, bis ſie von der Wahrheit
einer gewiſſen beſtimmten andern Lehre uͤberzeugt
ſeyn koͤnnen.


Son-
[181]

Sonderbar genug hat man zwar bisher allenthalben,
England ausgenommen, nur allein den Verehrern der
doch von allen Partheyen anerkannten und als das
Wichtigſte und Weſentlichſte ihrer beſondern Lehrbegrif-
fe behaupteten natuͤrlichen Religion, die Freyheit ver-
ſagt, fuͤr ſich eine kirchliche Geſellſchaft auszumachen und
ſich ohne Einmiſchung von ihnen fuͤr irrig gehaltener
Grundſaͤtze zu erbauen; eine Freyheit, die man ſo oft den
Bekennern auch der ungereimteſten Lehren (freylich
mit Recht) verſtattet hat. Aber vieleicht liegt die
Urſache darinn, daß die Bekenner der Vernunftre-
ligion ſich bisher nicht ſo zahlreich an einzelnen Or-
ten gefunden haben, um an eine Vereinigung zu
denken, und ich habe das Vertrauen zu der Erleuch-
tung unſerer Zeiten, daß man auch bloß auf reine
Wahrheiten der natuͤrlichen Religion und Sittenleh-
re gerichteten Unterricht und Erbauung (verſteht ſich
ohne alles Beleidigende der andern Partheyen) wil-
lig verſtatten werde. Wenigſtens wuͤrde die Nicht-
verſtattung dieſer Freyheit aͤußerſt inconſequent
und ein Beweis ſeyn, daß die Begriffe von
Toleranz in ihrer ganzen Klarheit bisher nur noch in
einigen Schriften, aber noch nicht in den Koͤpfen
Derer aufgehellt ſind, denen die Menſchen die Be-
ſorgung ihrer Angelegenheiten anvertrauet ha-
M 3ben.
[182] ben *). Ich geſtehe daß ich es auch noch fuͤr
eine neue gluͤckliche Folge der beſſern Behandlung
der Juden halten wuͤrde, wenn dadurch die Zahl der
oͤffentlichen freyen Bekenner der natuͤrlichen Reli-
gion
[183] gion gemehrt und hiedurch die Veranlaſſung ihrer
religioͤſen Vereinigung gegeben waͤre, welches, wie
mich duͤnkt, kein geringer Fortſchritt zu der Verbeſ-
ſerung und Aufklaͤrung des menſchlichen Geſchlechts
M 4uͤber-
*)
[184] uͤberhaupt ſeyn duͤrfte. Die Lehrer der auf eine
unmittelbare Mittheilung der Gottheit gegruͤndeten
Syſteme koͤnnten hiebey immer fortfahren, die Un-
zulaͤuglichkeit der Vernunftwahrheiten und die Noth-
wendigkeit einer hoͤhern Beſtaͤtigung oder Vermeh-
rung derſelben mit der Vernunft unerreichbaren
Wahr-
*)
[185] Wahrheiten, zu behaupten; nur duͤrften ſie die nicht
ſtoͤren, welchen nun einmal das erſte Geſchenk der
Gottheit — die Vernunft — gen[u]g iſt, und welche
ſich außer ihr von keiner weitern Erkenntnißquelle
uͤeberzeugen koͤnnen. Waͤren nur beyde Partheyen
von dem natuͤrlichſten aller Gefuͤhle, dem der Einge-
M 5ſchraͤnkt-
*)
[186] ſchraͤnktheit menſchlicher Kraͤfte und Einſichten, von
reinem Wahrheitseifer durchdrungen; ſo wuͤrde ein
ſolcher nie zu hindernder, nuͤtzlicher Streit ohne alle
Bitterkeit, vielmehr mit innigſter gegenſeitiger Bru-
derliebe, gefuͤhrt werden muͤſſen. Der, welcher ſeine
Wahrheit aus einer noch hoͤhern Quelle zu ſchoͤpſen
glaubt, wuͤrde den nicht haſſen, der nun einmal nach
ſeiner Lage und Faͤhigkeiten ſich von der Aechtheit
einer ſolchen Quelle nicht verſichern kann, und dieſer
wuͤrde jenen nicht anfeinden, weil er fuͤr die ihm
auch ſo theure Wahrheit, noch neue und ſtaͤrkere Be-
weiſe zu ſehen glaubt. Die Wichtigkeit dieſer Wahr-
heit fuͤr jeden denkenden Menſchen, und die Kennt-
niß der fuͤr viele unuͤberwindlichen Schwuͤrigkeiten,
ſich von den Eindruͤcken der Erziehung ganz zu be-
freyen, muͤſſen nothwendig einen treuen Verehrer
der reinen Vernunftreligion duldend und nachſichts-
voll gegen den, wie es ihm ſcheint, irrenden Bru-
der machen. Intoleranz und natuͤrliche Religion
ſind ihrem Weſen nach unvereinbare Begriffe. Zu
dieſer Intoleranz muß aber auch ſchon beleidigender
Tadel und kraͤnkende Verhoͤhnung der Meynungen
eines Andern allerdings gerechnet werden. Wenn
ſich Naturaliſten deſſelben zuweilen ſchuldig ge-
macht, ſo beweißt dieſes, daß auch ſie, wie andere
Men-
[187] Menſchen, inconſequent und wider ihre Grundſaͤtze
handelten. Leichtſinniger Spott deſſen, was An-
dern ehrwuͤrdig iſt und mit ihrer Tugend und
Gluͤckſeeligkeit zuſammenhaͤngt, iſt wider die Wuͤrde
jedes edeln und rechtſchaffenen Mannes. Oft wur-
de derſelbe bisher auch wohl durch die unedle Begeg-
nung mancher ohne Verſtand eifernder Gegner ge-
reitzt. Aber wahrſcheinlich wuͤrde die Vernunftreli-
gion, wenn einmal ihre Bekenner die zahlreichere
(herrſchende wird ſie nie heiſſen und ſeyn wollen)
Parthey ausmachen ſollten, ſich von aller Verfolgung
und Druͤckung rein erhalten, die wenigſtens bis itzt
noch immer an dem Glauben einer unmittelbaren
Mittheilung der Gottheit, einer ausſchlieſſend
beſeeligenden Wahrheit
, ihre vornehmſte Stuͤtze
hatten, und nur bey dieſen Lehren conſequent ſeyn
koͤnnen.


Daß die Religion der Juden, wenn ſie auch nicht
bis zur natuͤrlichen ſich reinigen ſollte, doch wenig-
ſtens nach und nach ſich ſo weit modificiren wuͤrde,
um alle nachtheilige Einfluͤſſe auf buͤrgerliche Ver-
haͤltniſſe zu verliehren, beweißt die Geſchichte aller
Religionen, welche durch die aͤußere Lage, in denen ſich
ihre Bekenner befanden und die Fortſchritte der uͤbri-
gen Cultur derſelben, ſolche Umwandlungen erfah-
ren
[188] ren haben. Die nicht mehr paſſenden Lehren bleiben
oft in Buͤchern zuruͤck, aber ſie haben keinen Ein-
fluß mehr auf die Handlungen, und verliehren ſich
allmaͤhlig ſo ſehr aus dem Verſtande und ſelbſt dem
Gedaͤchtniß der Bekenner, daß man am Ende zwei-
felt, ob ſie auch wirklich je zu dem heiligen Glauben
gehoͤrt haben moͤchten? Auch die chriſtliche Religion
liefert hievon ein auffallendes Beyſpiel. Ehe ſie von
den Beherrſchern und dem groͤßten Theil im roͤmi-
ſchen Reiche angenommen wurde, und nur der Glau-
be einer kleinen verachteten Secte war, wurden auch
von ihren groͤßten Lehrern ſittliche Grundſaͤtze be-
hauptet, die mit dem Wohl der buͤrgerlichen Geſell-
ſchaft ganz unvertraͤglich waren, und die eine Ver-
muthung, daß die Chriſten nie ganz brauchbare Glie-
der derſelben werden koͤnnten, rechtfertigten. Aber
dieſe Grundſaͤtze verlohren ſich almaͤhlig, als der
groͤßere Theil der Buͤrger ſich taufen ließ. Der
Staat haͤtte nicht beſtehen koͤnnen, wenn Grundſaͤtze
(wie ich deren einige anfuͤhren werde) waͤren befolgt
worden. Die Religion mußte alſo dem Vortheil des
Staats gemaͤß umgebildet werden, und dieß wird
allemal der Fall ſeyn, wenn nur der natuͤrliche Lauf
der Dinge nicht gehemmt wird.


Merk-
[189]

Merkwuͤrdig iſt es, daß gerade eben die Vor-
wuͤrfe, welche man itzt den Juden macht, auch von
den Gegnern der Chriſten, ſo lange dieſe noch nicht
die groͤßere Zahl ausmachten, gebraucht wurden,
um zu beweiſen, daß das Chriſtenthum mit dem
Zwecke und Wohl des Staats unvertraͤglich ſey. So
wenig auch noch dieſe Schriften der Gegner unver-
faͤlſcht erhalten ſind, ſo finden wir doch ſelbſt bey den
aͤlteſten und angeſehenſten Lehrern der erſten Chriſten
und in den Vertheidigungsſchriften gegen jene Geg-
ner Beweiſe genug, daß dieſe Vorwuͤrfe nicht unge-
gruͤndet waren. Man erlaube mir hievon nur ei-
nige Beyſpiele anzufuͤhren, welche fuͤr die meiſten
Leſer immer die ſtaͤrkſte Beweiskraft haben, und
am faͤhigſten ſind, ihnen allgemeine Wahrheiten
deutlicher aufzuhellen.


Iſt irgend ein religioͤſer Grundſatz ſowohl dem
Intereſſe der Menſchheit uͤberhaupt, als beſonders der
buͤrgerlichen Geſellſchaft gerade zuwider, ſo iſt es un-
ſtreitig der, wenn irgend eine Parthey von der Wahr-
heit ihrer Meynungen ſich ſo feſt uͤberzeugt haͤlt, daß
ſie nicht nur deshalb alle Andersdenkende mit Ver-
achtung und Abneigung betrachtet, ſondern dieſelben
ſogar verdammt, und die Gluͤckſeeligkeit des kuͤnfti-
gen Lebens, das Wohlgefallen der Gottheit ausſchließ-
lich
[190] lich nur an ihre Ueberzeugungen geknuͤpft glaubt.
Verachtung und Abneigung gegen Andere, das Gefuͤhl
eigner hoher Vorzuͤge und ausgezeichneter Wohlthaten
der Gottheit ſind ohne Zweifel wichtige auch von mir
anerkannte Fehler der Juden; aber das Verdam-
men aller anders denkenden und die damit verbunde-
ne aufdringende Bekehrungsſucht haben ſie ſich nie
zu Schulden kommen laſſen, vielmehr iſt dieſem ſchon
der ausſchließende Geiſt ihrer nur fuͤr ſie beſtimmten
Nationalreligion entgegen *). Die chriſtliche Reli-
gion aber hat faſt zu allen Zeiten dieſen fuͤrchterli-
chen Lehrſatz behauptet und aus ihm die gewaltſame
Ausbreitung des allein ſeeligmachenden Glau-
bens und die abſcheulichſte Intoleranz und
Inquiſition
, allerdings logiſch richtig gefolgert.
Blutig iſt die Bahn, die dieſer den Religio-
nen des Alterthums unbekannte Lehrſatz durch die
neuere Geſchichte bezeichnet hat und zur Schande
der menſchlichen Vernunft werden die Scheiterhau-
ſen, die ihm gelodert, und die Mordgeruͤſte, die
ihm errichtet ſind, ewig unvergeßlich bleiben. Ich
weiß ſehr wohl, daß dieſe ſchreckliche Verirrung
nicht in dem Geiſte des Stifters der chriſtlichen Re-
ligion
[191] ligion war, aber es iſt doch unleugbar, daß ſchon
von den aͤlteſten Zeiten her die Verdammung der
Andersdenkenden
, Lehrſatz wenigſtens eines ſehr
großen Theils der Kirche geweſen. Es iſt bekannt,
wie die beruͤhmteſten Kirchenvaͤter die Begriffe von
der Gottheit ſo entſtellt und herabgewuͤrdigt haben,
daß ſie es wagten, uͤber alle die Millionen Men-
ſchen, welchen es doch unmoͤglich geweſen, von dem
zum Theil erſt nach ihnen entſtandenen chriſtlichen
Glauben Kenntniß zu haben, doch bloß wegen die-
ſer ihnen abgehenden, obgleich fuͤr ſie unmoͤglichen,
Kenntniß, ein Verdammungsurtheil zu ſprechen,
dem auch ein Socrates ſelbſt nicht entgehn konnte. *).
Man denke, was dieſe in ſo faſt unglaublichem Gra-
de
[192] de unvernuͤnftige und ungereimte Behauptung auf
edle und verſtaͤndige Roͤmer fuͤr Eindruck machen
mußte und was dieſe fuͤr den Staat von Leuten ſich
verſprechen konnten, die eines ſolchen bis dahin in
der Welt noch unerhoͤrten Unſinns faͤhig waren?
Und wie mußte der große Haufen gegen die Chriſten
geſinnt werden, die ſchon zum Voraus uͤber die Qualen
frohlockten, die ihren Mitbuͤrgern in einem kuͤnfti-
gen Zuſtande bevorſtehen ſollten, und deren Lehrer
oͤffentlich ſagten „daß ſie ſich freuten bald ihre Augen
„an dem Schauſpiel weiden zu koͤnnen, da ſo viele
„Koͤnige, von denen man faͤlſchlich geruͤhmt, daß ſie
„ſich im Himmel befaͤuden, ſelbſt in Geſellſchaft des
„Jupiters in der Hoͤlle ſeufzen; da die Obrigkeiten,
„in noch ſchrecklichern Flammen brennen wuͤrden,
„als die, denen ſie die Chriſten uͤberliefert; da die
„Weltweiſen, welche die Fortdauer der Seele gelaͤug-
„net, ſich in gleichem Feuer mit ihren betrogenen
„Schuͤlern ihres Irrthums ſchaͤmen, und ſogar die
„armen Dichter, welche Minos und Rhadamantus
„beſungen, nicht vor dieſer ſondern Chriſti Richter-
„ſtuhl zittern wuͤrden *).“


Gewiß
[193]

Gewiß nur die Dunkelheit einer nicht zahlreichen
Secte konnte ſie, bey ſolchen die Menſchlichkeit empoͤ-
renden und alle Bande der Geſellſchaft trennenden
Geſinnungen, einer gerechten Ahndung des Staats
entziehen, die freylich nicht, wie es im roͤmiſchen
Reich geſchah, in allemal ungerechten und unzweck-
maͤßi-
*)
N
[194] maͤßigen Verfolgungen, aber in Ausſchließung oder
wenigſtens ſehr großen Einſchraͤnkungen ſich haͤtte
aͤuſſern muͤſſen.


Dieſe verfolgenden Grundſaͤtze haben, nachdem
die chriſtliche Religion die herrſchende geworden, ſich
nur zu thaͤtig bewieſen, haben allen Staaten von Euro-
pa
*)
[195] pa und durch ſie auch andern Welttheilen zu empfind-
liche Wunden verſetzt, als daß es noch eines Bewei-
ſes ihrer Fortdauer beduͤrfte. Noch itzt befinden ſie
ſich in dem Lehrbegriffe der zahlreichſten chriſtlichen
Religionsparthey, und auch bey faſt allen andern ha-
ben ſie mehr oder weniger Spuren hinterlaſſen. So
ſehr ſie auch immer dem wahren Geiſte des urſpruͤng-
lichen Chriſtenthums und des Proteſtantismus wi-
derſprechen moͤgen, iſt es doch noch gar nicht lange
her, daß auch in den proteſtantiſchen Kirchen *) die
N 2Grund-
[196] Grundſaͤtze der Verfolgung feyerlich behauptet und
leyder! auch nur zu ſehr geuͤbt wurden. Und noch
bis itzt ſind nicht wenige beruͤhmte Lehrer derſelben,
entſchiedene und, wo ſie koͤnnen, thaͤtige Vertheidi-
ger dieſer Grundſaͤtze. Kaum ſeit einigen Jahrze-
henden wagen es einzelne Gottesgeiehrte die wah-
ren Begriffe der Duldung geradezu einzugeſtehn,
und ohne Umſchweife und aͤngſtliche Beſtimmungen
auch die Heyden und Nichtglaͤubigen der Gluͤckſeelig-
keit des kuͤnftigen Lebens faͤhig zu erklaͤren, oder viel-
mehr
*)
[197] mehr zu geſtehen, daß das Urtheil uͤber den mit Ge-
wißheit zu beſtimmenden Werth und das kuͤnftige
Schickſal unſerer Bruͤder — nicht uns gebuͤhre.


Ich weiß, daß man nun freylich die Begriffe eben
dieſer Duldung aus dem richtiger verſtandenen Chri-
ſtenthum abgeleitet hat, und ich erkenne es, daß
nichts unbegreiflicher ſey, als der Uebergang von der
liebevollen, duldenden, friedſamen Lehre ſeines Stif-
ters, zu den Scheiterhaufen, die man ihm zu Ehren
angezuͤndet, und zu dem Verdammungsurtheil, das
N 3man
*)
[198] man uͤber alle ausgeſprochen hat, die tauſend Jahre
vor ihm und tauſend Jahre nach ihm, ſeinen Nah-
men nicht hoͤrten, ſeine auf dieſe oder jene Art er-
klaͤrte und vorgeſtellte Lehre nicht glauben konnten.
Aber ich hoffe nicht, man werde hieraus es ableug-
nen wollen, daß die verfolgenden Grundſaͤtze doch
wirklich in den chriſtlichen Religionsſyſtemen, ſo wie
ſie bisher in der Welt waren
, ſich befunden haben.
Mit Recht hat man geſagt: es koͤmmt nicht darauf
an, was in dem moſaiſchen Geſetz der Juden wirk-
lich enthalten iſt, ſondern was die Juden und ihre
Lehrer
*)
[199] Lehrer darinn enthalten oder daraus abzuleiten
ſich berechtiget glauben. Gleiche Unpartheylich-
keit muß man auch hier beweiſen. Moͤge die Ver-
folgung dem Geiſte des Chriſtenthums noch ſo ſehr zu-
wider ſeyn, moͤgen einzelne Lehrer dieß noch ſo deut-
lich anerkannt haben; genug wenn der große Haufe
ſeiner Verehrer, wenn die oͤffentlichen Lehrbegriffe
der Kirchen, und die angeſehenſten Lehrer ſie darinn
fanden, und, wo ſie konnten, darnach handelten.
Die roͤmiſche Obrigkeit konnte nicht unterſuchen, ob
die Schluͤſſe, welche die Chriſten ihrer Zeit aus der
Lehre ihres Stifters ableiteten, richtig gefolgert waͤ-
ren oder nicht; ſie konnte dieſe Lehre nur nach den
Aeuſſerungen ihrer Anhaͤnger beurtheilen. Und wenn
ſie dieſes that, duͤrfen wir ſie tadeln, wenn ſie die-
jenigen, nie eines voͤlligen Genuſſes buͤrgerlicher Rech-
te faͤhig erklaͤret haͤtte, welche alle ihre andersdenken-
de Mitbuͤrger verdammten, uͤber deren kuͤnftiges
Elend frohlockten und ſobald ſie die Oberhand bekom-
men wuͤrden, ſich durch ihr Gewiſſen verbunden hiel-
ten, auf das ſchmerzhafteſte den Leib zu toͤdten,
um die Seele zu retten
? — Ich geſtehe es, daß
ich keinen Grundſatz kenne, der eine religioͤſe Geſell-
ſchaft einer unbeſchraͤnkten Duldung mehr unfaͤhig
machte — als die geglaubte Pflicht der Unduldſam-
N 4keit.
[200] keit. Die Sicherheit aller Buͤrger des Staats macht
es nothwendig, diejenigen, welche ſobald ſie die
Uebermacht errungen haben, ſich verbunden halten,
alle uͤbrige zu unterdruͤcken, — zwar nicht wieder zu
unterdruͤcken, aber ſie doch in den Schranken einzu-
ſchließen, daß ſie jene Uebermacht nie erhalten moͤgen.
Vermuthlich waͤre es ein Gluͤck fuͤr die Menſchheit,
wenn die roͤmiſchen Kaiſer dieſe weiſe Politick nicht
verſaͤumt haͤrten und wenn die chriſtliche Religion nie
eine ſogenannte herrſchende (eine eben ſo politiſch
unnatuͤrliche, als dem aͤchten Geiſt des Chriſten-
thums widerſprechende Benennung) und nicht eher
der Glaube des groͤßten Haufens geworden waͤre,
bis ihre Begriffe von der Duldung gereiniget und den
Grundſaͤtzen ihres Stifters wider waͤren naͤher ge-
bracht worden. Wirklich wurde der Mangel der
Aufmerkſamkeit auf dieſe neue religioͤſe Geſellſchaft,
in der Folge den roͤmiſchen Monarchen ſehr nachthei-
lig. Sie vermehrte ſich in der ihr vortheilhaften
Dunkelheit, der ſo oft von den kirchlichen Geſchicht-
ſchreibern uͤbertriebenen und gewiß nicht immer un-
verdienten Verfolgungen ungeachtet, ſo ſehr, daß ſie
bald ſelbſt der Regierung fuͤrchterlich wurde, allmaͤh-
lig eine politiſche Parthey bildete, und daß der Ueber-
gang zu ihr ſchon nach kaum verfloßenen drey Jahrhun-
derten
[201] derten der Weg zum Throne war. Edelmuͤthi-
ge und gelehrte Forſcher der Kirchengeſchichte, de-
nen die Wahrheit lieber als irgend ein Syſtem iſt
(und wen koͤnnte ich hier ſchicklicher nennen als den
ſo ruhmvoll unpartheyiſchen Hrn. D. Semler?) ha-
ben es ſchon lange eingeſtanden, daß ein anſehnli-
cher Theil der erſten Chriſten ſich dieſes groͤßten ge-
ſellſchaftlichen Vergehens, — der Auflehnung und
Verbindung gegen die einmal eingefuͤhrte Verfaſſung
des Staats, ſchuldig gemacht, und daß ſie dieſes als
Chriſten
, gethan haben, da ſie von den Grund-
ſaͤtzen ihrer erſten Lehrer ſo weit abwichen, daß ſie die
Herrſchaft einer Regierung, die nicht ihres Glaubens
war, fuͤr unrechtmaͤßig hielten, und durchaus die oͤffent-
lich buͤrgerlich herrſchende Parthey werden wollten.


Noch fruͤher und allgemeiner wurde ihnen der Vor-
wurf gemacht, daß ſie ſich weigerten, dem gemeinen
Weſen zu dienen, und daß alſo ein aus lauter Chri-
ſten beſtehender Staat ſich nicht erhalten koͤnne. Die
Apologeten geſtehen auch dieſes als eine chriſtliche
Lehre, gerade ein. Nach ihnen, „muͤſſen Chriſten
„nur die Wuͤrden der Kirche bekleiden und auch ſo-
„gar zu dieſen, wegen ihrer beſcheidenen Demuth, nur
„ſich zwingen laſſen; ſie werden durch buͤrgerliche
„Geſetze befleckt, und wer nach einer buͤrgerlichen
N 5„Ehre
[202] „Ehre trachtet ſoll aus der Gemeine ausgeſtoßen
„werden *).“


Eben ſo nachdruͤcklich haben die beruͤhmteſten
Kirchenvaͤter es eingeſtanden, daß ſie die Kriegsdien-
ſte
[203] ſte ihren Glaubensgenoſſen unerlaubt halten, und
verſprechen nur allenfalls mit ihrem Gebet fuͤr das
Wohl ihrer Mitbuͤrger zu kaͤmpfen *). Die Gruͤn-
de die ſie fuͤr dieſe Meynung anfuͤhren, ſind theils
die bey dem roͤmiſchen Kriegsdienſte eingefuͤhrte, den
chriſtlichen Religionsmeynungen widerſprechende Ge-
braͤuche, theils aber aus den eigenthuͤmlichen Lehren
des Chriſtenthums entlehnt, z. B. „daß wer das
„Schwerdt gebrauche, dadurch umkommen werde,
„daß der Chriſt nicht einmal ſtretten, noch weniger
„alſo ſich ins Treffen begeben duͤrfe.“ Es wird da-
her ausdruͤcklich die Nothwendigkeit, lieber den Maͤr-
tyrertod zu ſterben, als ſich zum Kriege zwingen zu
laſſen hergeleitet, ja ſogar den Soldaten, der nach
ſeinem abgelegten Kriegeseide, Chriſt geworden, die
Deſertion angerathen
. Der fromme Mann der es
angiebt ſetzt hinzu, daß dieſes auch ſchon von vielen
ge-
[204] geſchehen ſey *). Nach einem andern Kirchenlehrer
iſt
[205] iſt es einem Chriſten ſchlechterdings unter allen Um-
ſtaͤnden
*)
[206] ſtaͤnden ſo ſehr unerlaubt, das Leben eines Menſchen
anzugreifen, daß er nicht nur nicht kriegen, ſondern
auch nicht einmal einen Verbrecher, der die To-
desſtrafe verwirkt hat, angeben darf
, *) woraus
alſo auch die Unrechtmaͤßigkeit der Todesſtrafen fuͤr
chriſtliche Obrigkeiten folgen wuͤrde, welche Mey-
nung auch noch mehrere Stellen der Kirchenvaͤter be-
guͤnſtigen.


Dieſe Lehren der angeſehenſten Maͤnner, deren
von einem Kenner der patriſtiſchen Theologie und Mo-
ral gewiß noch weit mehr wuͤrden gefunden werden **),
waren
*)
[207] waren unſtreitig dem erſten Zweck der buͤrgerlichen
Geſellſchaft entgegen, deren Ordnung ihre Befol-
gung ganz aufheben und deren Bande ſie zerreißen
muͤßte.
**)
[208] muͤßte. Es laͤßt ſich alſo wohl ohne alle Uebertrei-
bung behaupten, daß wenigſtens ein anſehnlicher Theil
der Chriſten in den erſten Jahrhunderten die Pflich-
ten guter Buͤrger zu erfuͤllen unfaͤhig und alſo der
Staat berechtigt war, gegen Menſchen, die ſich durch
ihre goͤttliche Lehren ſo gewaltſam von ihm loßriſſen,
immer ein gewiſſes Mißtrauen zu naͤhren und ihre
Vermehrung zu hindern. Dieſes mißkennen oder be-
ſtreiten wollen, und doch noch immer den Juden ihre
lange nicht ſo weit gehende, ungeſellige trennende
Grundſaͤtze vorwerfen, wuͤrde eine Partheylichkeit an-
zeigen, die eines philoſophiſchen Unterſuchers unwuͤr-
dig iſt.


Aber bey allen dieſen mit dem Wohl der Geſell-
ſchaft durchaus unvertraͤglichen aͤltern chriſtlichen Leh-
ren, haben doch nun ſchon ſeit Jahrhunderten die Chri-
ſten ſich in Staaten vereinigt, ohne in ihren buͤrger-
lichen Pflichten durch die Befolgung jener Lehren ge-
hindert zu werden, die nur noch in der Dunkelheit
einiger kleinen Secten *) ſich erhalten haben, welche
auch
[209] auch gerade wegen dieſer Grundſaͤtze in unſern Staa-
ten nur geduldet aber zu einem vollkommenen Genuß
buͤrgerlicher Rechte nicht zugelaſſen werden koͤnnen.


Dieſe im Ganzen kaum bemerkbare kleinen Reli-
gionspartheyen der Chriſten ausgenommen, wo fin-
der man itzt in den groͤßern, jene ehemals mit ſo vie-
lem Ernſt und Nachdruck gelehrte Grundſaͤtze? Wo
iſt itzt die chriſtliche Abneigung vor buͤrgerlichen Dien-
ſten und Wuͤrden geblieben? wo die Demuth die nur
zu kirchlichen Aemtern ſich allenfalls zwingen laͤßt?
wo
*)
O
[210] wo die Pflicht keine Kriegsdienſte zu thun? wo die
abſcheuliche Lehre einer geheiligten Deſertion? wo
ein goͤttliches Verbot der Todesſtrafen? — wie ſind
alle dieſe Lehren ſo ganz verſchwunden? — Ich habe
ſie mit Muͤhe aus den Werken einiger dem großen
Haufen unſerer itzigen Chriſten ganz unbekannten
Kirchenvaͤter, aufſuchen muͤſſen, und manche mei-
ner Leſer werden vielleicht dergleichen Behauptungen
mit verwunderndem Zweifel itzt zum erſtenmal er-
fahren. So ſehr haben ſich dieſe religioͤſen Grund-
ſaͤtze nach und nach verlohren, daß auch ſelbſt ihre
Spur verloͤſcht und ihr ehemaliges Daſeyn beynahe
unwahrſcheinlich geworden iſt. Schon unter der Re-
gierung der heidniſchen Kaiſer, haben die zahlreicher
gewordenen Chriſten ſich nicht mehr geweigert dem
Staate buͤrgerliche und Kriegsdienſte zu leiſten. Vor-
urtheile, die der Erhaltung der Geſellſchaft ſo gerade
zu widerſprechen, mußten ſchlechterdings verſchwin-
den, ſobald die chriſtliche Religion ausgebreiteter
wurde. Die Lehre einer kleinen Secte muß ſich noth-
wendig umbilden, wenn der Haufe ihrer Anhaͤnger
groͤßer wird. Ihr Glaube muß es ſich gefallen laſ-
ſen, alsdann vom Himmel auf die Erde herabzuſtei-
gen, und er mag noch ſoviel Anweiſungen auf jenen
geben, ſo wird er ſich doch nie dem Gluͤck, der Ruhe
der
[211] der Geſellſchaft, und der zu ihrer Erhaltung noth-
wendigen buͤrgerlichen Tugend mit Erfolg widerſetzen
koͤnnen. Einzelne Menſchen koͤnnen durch Religions-
lehren ungeſellige Schwaͤrmer und Feinde ihrer Bruͤ-
der werden, aber eine ſehr ausgebreitete Religion
kann in dieſem und vielleicht in keinem andern Sinn
nicht ſchwaͤrmeriſch bleiben. Selbſt der Glaube der
Quacker hat hievon noch ein ganz neues Beyſpiel ge-
liefert. So entſchieden es nach demſelben auch im-
mer ſeyn mochte, daß alle Vertheidigung ſeines Le-
bens oder ſeiner Rechte gegen Gewalt und aller Ge-
brauch der Waffen, unter allen Umſtaͤnden unerlaubt
ſey; ſo konnte dieſer Lehrſatz doch nicht laͤnger beſtehen,
als nur ſo lange er blos von einzelnen kleinen Geſell-
ſchaften angenommen und auch noch nicht durch die
buͤrgerlichen Verhaͤltniſſe ins Gedraͤnge gebracht war.
Sobald aber die Quacker ſich in Penſylvanien ver-
mehrten, und die große nunmehr vollendete Revolu-
tion alle Bewohner von Nordamerika zwang, ſich
nur als Buͤrger zu vereinen und mit Vergeſſen jeder
uͤbrigen Trennung nur fuͤr die gemeinſchaftliche Frey-
heit und Rechte zu kaͤmpfen; ſo mußte auch jener re-
ligioͤſe Grundſatz erſchuͤttert werden. Eine heftige
Trennung unter den Quaͤckern iſt davon die Folge gewe-
ſen, deren groͤßerer Theil indeß ſich fuͤr die Rechtmaͤßig-
O 2keit
[212] keit des Krieges erklaͤrt und daher den Nahmen In-
dependant Quackers
erhalten hat.


Leider kann ich nicht ſagen, daß auch die Grund-
ſaͤtze der Verfolgung ſich ſo bald aus dem chriſtlichen
Religionsſyſtem verlohren haͤtten. Sie wurden viel-
mehr durch die Verflechtung des Intereſſe dieſes Sy-
ſtems mit einer politiſchen Parthey, und beſonders
dadurch nur zu ſehr befeſtigt, daß man auf den wi-
dernatuͤrlichen Gedanken kam, den Religionslehrern
ein anderes Anſehen, als das ihrer eigenen ſittli-
chen Wuͤrde zu geben, ihnen buͤrgerliche Rechte und
Gewalt zu verleihen, auch endlich gar zu einer eige-
nen mitregierenden Claſſe im Staate ſie zu erheben.
Die Prieſter fanden nun die Intoloranz nothwendig,
um ihre erworbene aͤußere Gewalt und Herrſchaft
immer feſter zu gruͤnden.


Alle unſere Staaten haben durch dieſe religioͤſe
Druͤckung einen unermeßlichen Schaden gelitten;
tauſende ihrer Buͤrger ſind ihr aufgeopfert, die blu-
tigſten Kriege von ihr angefacht, die unnatuͤrlichſte
Zwietracht im Innern iſt durch ſie genaͤhret, und
alle dieſe Staaten ſind durch ſie mehr oder weniger
in der Benutzung ihrer Kraͤfte gehemmt worden.
So ungluͤcklich dieſe Folgen fuͤr das menſchliche Ge-
ſchlecht ſind, ſo halte ich doch fuͤr eine der wichtig-
ſten
[213] ſten und noch immer in gewiſſem Maaße fortdauren-
de, dieſe, daß der Grundſatz von einem allein ſeelig-
machenden Glauben
und einer goͤttlich befohl-
nen Verfolgung der Andersdenkenden
, alle wah-
ren und natuͤrlichen Begriffe von den Verhaͤltniſſen
der buͤrgerlichen zu der religioͤſen Geſellſchaft und von
den Rechten der Menſchen in Abſicht ihrer Meynun-
gen, ganz verdraͤngt und verwirrt und uns dahin ge-
bracht hat, daß wir mit befremdenden Erſtaunen es
anſehn, wenn endlich wider die Staaten zu dem Ge-
fuͤhl ihrer Rechte erwachen und ſie gegen die grau ge-
wordenen Uſurpationen geltend machen wollen. Und
noch wirken dieſe Vorurtheile zu ſtark, als daß wir
Itztlebende hoffen duͤrften, noch den allgemein ver-
breiteten Glanz des Tages zu ſehen, da nur zu oft
auch in unſerer neueſten Periode, eine taͤuſchende
Morgenroͤthe bald wieder in traurige Abenddaͤmme-
rung ſich verlohren hat. Indeß am Ende muß doch
das Licht durchdringen, und je mehr das wahre po-
litiſche Intereſſe verſtanden und beherzigt wird, deſto
mehr muß auch das religioͤſe Syſtem ihm unterge-
ordnet und nach ihm modificirt werden, welches dann
gewiß auch der groͤßte Vortheil fuͤr die wahre und
aͤchte Religion ſeyn wird.


O 3Und
[214]

Und eben dieſes muß dann auch ſicher der Fall
mit dem Glauben der Juden ſeyn. So wie die an-
gefuͤhrten ungeſelligen Vorurtheile der Chriſten ſich
verlohren haben; ſo werden auch die ihren ſich ver-
liehren, wenn man nur einmal ſie zu Gliedern der
Geſellſchaft erhoben hat, und nicht mehr ſie zwingt,
die hartnaͤckige Anhaͤnglichkeit an ihre ererbten Leh-
ren als das einzige Intereſſe anzuſehen, das ſie in
der Welt haben. Aber freylich muß die buͤrgerliche
Verbeſſerung der ſittlichen
und religioͤſen vor-
gehen
. Man muß nicht zu den Juden ſagen: wir
wollen euch gleiche Vortheile der Geſellſchaft bewilli-
gen, wenn ihr zufoͤrderſt Euch faͤhig machet, dem
Staate voͤllig ſo, wie andre, zu dienen, ſondern
man muß mit Jenem anfangen, um Dieſes zu er-
halten, gerade wie es mit den Chriſten eben der Gang
war. Freylich waͤre es, wie ich ſchon bemerkt, beſ-
ſer, wenn die Juden mit ihren Vorurtheilen gar nicht
mehr da waͤren, — aber da ſie nun einmal da ſind,
koͤnnen wir wohl zwiſchen dem: ſie (wenn ſich ſo et-
was in unſern Zeiten noch denken laͤßt,) gerade-
zu oder durch dahin zielende Einrichtungen
allmaͤhlich, von der Erde zu vertilgen
; oder
ſie unaufhoͤrlich ſolche ſchaͤdliche Glieder der
Geſellſchaft bleiben zu laſſen, als ſie bisher wa-

ren,
[215]ren; oder ſie zu beſſern Buͤrgern der Welt zu
machen
, — noch waͤhlen wollen? Kann der Fehler
der ehemaligen Regierungen ein Grund fuͤr die itzi-
gen ſeyn, dieſen Fehler fortzuſetzen?


Der Gedanke, daß die Juden noch immer einen
Retter erwarten, der ſie aus ihrem bisherigen Elend
erloͤſen, ein eignes Reich fuͤr ſie errichten, und an-
dere Nationen ihnen unterwerfen ſoll, darf uns auch
gewiß nicht fuͤr die Ruhe unſerer Staaten beſorgt
machen. Ich beziehe mich deshalb auf dasjenige,
was Hr. Moſes Mendelsſohn ſchon S. 74 hier-
uͤber ſehr richtig bemerkt hat, dem ich nur noch ei-
nige Anmerkungen beyfuͤgen will. Die Chriſten ha-
ben von den aͤlteſten Zeiten an gleichfalls eine glaͤn-
zendere Wiederkunft des Meſſias erwartet, der alle
uͤbrige Staaten zerſtoͤren und ein irrdiſches tauſend-
jaͤhriges Reich fuͤr ſeine treueſten Anhaͤnger errichten
wuͤrde. Die erſten Kirchenvaͤter, welche noch
an den Unterricht der Stifter des Chriſten-
thums reichten, behaupteten dieſen Lehrſatz *),
und er hat durch alle Jahrhunderte in der
O 4Kirche
[216] Kirche ſich erhalten, obgleich nachdem die chriſtliche Re-
ligion allgemein verbreitet worden, und ihre Anhaͤnger
und beſonders ihre Lehrer keines andern Reichs und
Herrſchaft zu beduͤrfen glaubten, als die ſie ſchon wirklich
beſaſſen eine ſolche Meynung ſich natuͤrlich aus dem Sy-
ſtem der zahlreichen Kirchen verliehren mußte und nur
von kleinern Partheyen, die ſich durch jene unterdruͤckt
hielten, und einzelnen ſpekulativiſchen Koͤpfen un-
terhalten werden konnte. Noch neuerlich hat ein
beruͤhmter Gottesgelehrter, dieſen Lehrſatz in den hei-
ligen Buͤchern des Chriſtenthums zu finden geglaubt
*). Ein Theil der Chriſten ſtimmt alſo hierinn mit
den
*)
[217] den Juden zuſammen, daß beyde noch ein irrdiſches
Reich erwarten, an dem auch letztere, ſelbſt nach
dem Glauben der erſtern, verſteht ſich wenn ſie vor-
her bekehrt worden, Antheil nehmen ſollen. Der
Unterſchied beſteht bloß darinn, daß die Juden die
bevorſtehende Ankunft des neuen Koͤnigs fuͤr die
erſte, die Chriſten aber ſchon fuͤr die zweyte halten;
der Zweck dieſer Ankunft aber iſt nach beyden derſelbe.


O 5So

[218]

So alt dieſe Meynung indeß iſt, und ſo ſchwaͤr,
meriſch oft, beſonders unter den Chriſten, die Koͤpfe
waren, in denen ſie ſich feſtgeſetzt hatte; ſo hat ſie
doch ſelten die Ruhe der Staaten unterbrochen und
nie iſt dieſes auf eine erhebliche Weiſe geſchehn. Die
verſchiedene Verſuche der angeblichen Meſſiaſſe ſind
meiſtens nur unter einem nicht zahlreichen Haufen
des Poͤbels verborgen geblieben, wie dieſes auch noch
mit den allerneueſten unſerer Gegend, in der Berli-
niſchen Monathſchrift
(Januar und Maͤrz
1783) beſchriebenen, der Fall iſt. David Alroi oder
Eldavid in Perſien und Zabathai Tzevi im tuͤr-
kiſchen Reich haben noch die groͤßte Bewegung un-
ter den Juden erregt, indeß koſtete es der Regierung
nur geringe Muͤhe, ſie zu unterdruͤcken. (S. Basnage
Hiſt. des Juifs T. V. p.
1639 und 1934.) Die Ge-
ſchichte des erſtern, welcher im zwoͤlften Jahrhundert
lebte, iſt mit Fabeln bedeckt, die uns ihre wahre Be-
ſchaffenheit nicht erkennen laſſen. So groß die Gaͤh-
rung auch war, welche der Letztere unter einem Theile
der Juden hervorbrachte, ſo wurde er doch nur mit
verachtender Gelindigkeit behandelt.


Mich duͤnkt, die Regierungen haben immer das ſicher-
ſte Mittel in Haͤnden, allen aus dieſer religioͤſen
Chimaͤre zu beſorgenden Revolutionen zuverlaͤßig zu-
vor-
[219] vorzukommen. Die Idee eines Heylandes und
Retters ſetzt einen Zuſtand des Elends und der Un-
terdruͤckung voraus, aus dem die Juden gerettet und
erloͤſet werden ſollen. Man verwandle alſo nur die-
ſen Zuſtand in Gluͤck und Wohlſtand, man mache
die gegenwaͤrtige Lage angenehm; man knuͤpfe da-
durch die Herzen der Unterthanen an den Staat;
ſo werden ſie nicht mehr verlangen gerettet zu mer-
den, und den verheiſſenen Heyland nach und nach
ganz vergeſſen. Der ſicherſte Weg den Aufruhr ganz
zu verhindern, iſt — gut zu regieren. Freylich wird
es keiner Regierung gelingen, alle ihre Unterthanen
zufrieden zu machen; Beſchwerden, auch gerechte,
bleiben immer uͤbrig, Ehrſucht und Eigennutz wer-
den dieſe immer zu ihren Abſichten zu benutzen ſtre-
ben. Es iſt alſo auch allerdings moͤglich, daß ein-
mal ein Schwaͤrmer oder taͤuſchender Volksverfuͤhrer
ſich der Meynung des verſprochenen Heylandes be-
diene, und dadurch Unruhen errege. Aber die An-
ſtalten unſerer itzigen Staaten ſind einer ſolchen Un-
ternehmung zu ſehr zuwider, als das man einige
ernſtliche Folgen beſorgen duͤrfte. Das ſicherſte Mit-
tel allenfalls ſie niederzuſchlagen, wuͤrde ohne Zweifel
ſeyn, Jeden, der ſich als Heiland angaͤbe, ſo lan-
ge einzuſperren, bis er ſich zu dem Rechte ſeiner er-
ſten
[220] ſten oder zweyten Ankunft vor der Obrigkeit zu legi-
timiren im Stande waͤre. Auch ſelbſt der unmilitaͤ-
riſche Geiſt der Juden wuͤrde es einem Betruͤger
ſchwer machen, ſie zu einem Aufſtand zu reitzen.
Und werden einſt die Juden kriegeriſcher geworden
ſeyn, ſo kann man ſicher ſich darauf verlaſſen, daß
gegen dieſe Zeit der Meſſias ganz vergeſſen ſeyn wer-
de, der auch ſchon itzt nicht ſo ſehr Glaubensartikel
bey ihnen iſt, daß nicht ſchon viele Rabbinen (wie
z. B. der beruͤhmte Lehrer Albo) dieſe Erwartung
des großen Haufens fuͤr ungegruͤndet halten ſollten.


Das aſiatiſche Temperament wird gleichfalls nicht,
wie mich duͤnkt, die Juden abhalten gute Glieder
der Geſellſchaft zu werden, und wenn Hr. Schwa-
ger
daſſelbe fuͤr ein bleibendes Hinderniß des Acker-
baues haͤlt, ſo, duͤnkt mich, hat dieſer Gelehrte ſich
nicht erinnert, daß die Juden ehemals in ihrem aſia-
tiſchen Vaterlande faſt ganz vom Ackerbau lebten und
ihren ganzen Staat auf denſelben gegruͤndet hatten.
Unſere heutigen Juden haben ihr itziges Tempera-
ment, ihre Liebe zum Herumſchweifen und Muͤſſig-
gang ſicher nicht aus Aſien mitgebracht, ſondern durch
die politiſche Lage in der ſie ſich ſeit Jahrhunderten in
Europa befinden, unter uns und durch uns erhalten. Iſt
dieſe veraͤndert, ſo kann man ſicher erwarten, daß das
Clima
[221]Clima, in dem unſere Hebraͤer wirklich ſich befin-
den
, und nicht das, in dem ihre Vorfahren vor zwey-
tauſend Jahren lebten, ihren Character beſtimmen
werde. Sie ſind laͤngſt Europaͤer geworden, und nur
ihre beſtaͤndige Verheyrathungen unter ſich und die
gleichfoͤrmige Beſchaͤftigung haben ihnen noch ge-
wiſſe charakteriſtiſche Eigenheiten und eine National-
phyſionomie erhalten, die ſich, wenn ſie erſt unter
die uͤbrigen Menſchen ſich zerſtreuen und allmaͤhlig
das Unterſcheidende ihrer Meynungen und Gebraͤu-
che ablegen, auch verlieren werden. Auch die Unge-
ſelligkeit, welche manche dieſer Gebraͤuche hervorge-
bracht haben, wird wie ich gewiß hoffe, nicht von
ewiger Dauer ſeyn. Und dieſes muß allerdings ge-
ſchehen, wenn die Juden ganz gleiche Glieder der
Geſellſchaft werden ſollen. Denn, wie Hr. Michae-
lis
richtig bemerkt, wer nicht mit uns ißt und
trinkt, kann auch nicht ganz mit uns in eine Geſell-
ſchaft ſich vereinigen. Aber immer komme ich darauf
zuruͤck: Man muß anfangen die Juden, wie andere
Menſchen und Glieder des Staats zu behandeln,
wenn man dieſe aus ihnen machen will.


III.
[222]

III.


Die Juden bleiben, ſo lange ſie ihr Geſetz
beobachten, immer unfaͤhig zu Kriegsdienſten.
Auch wenn ſie die Erklaͤrung einzelner Gelehr-
ten annaͤhmen, nach welchen die Vertheidigung
aber nicht der Angriff, am Sabbath erlaubt
iſt, wuͤrden ſie doch ſehr ſchlechte Soldaten
ſeyn. Hiezu koͤmmt noch ihre Abſonderung
im geſellſchaftlichen Leben von andern Glau-
bensgenoſſen; ihre Lehre von unreinen Spei-
ſen; ihr Verbot weiter Maͤrſche und anderer
Arbeit am Sabbath, alſo auch des Exercirens;
ihre Ungewohnheit zu koͤrperlichen Beſchwer-
den und Arbeiten; auch ſelbſt die fehlende koͤr-
perliche Groͤße. Alle dieſe Umſtaͤnde ma-
chen daß die Juden entweder gar nicht, oder
doch nicht ſo gute Soldaten, wie andere ſeyn
koͤnnen. Sie wuͤrden alſo in Kriegszeiten ſich
zu ſehr vermehren, allmaͤhlig zum Beſitz des
Landes kommen, deſſen vormalige Eigenthuͤ-
mer fuͤrs Vaterland geſtorben waͤren und end-
lich den Staat, der zu nachſichtig ſie aufge-
nommen, veraͤchtlich und wehrlos gegen ſeine
Nachbarn machen. Durch bloße hoͤhere Ab-
gaben laͤßt ſich dieſes nicht heben. Denn es

giebt
[223]giebt Faͤlle, wo Geld nicht Menſchen aufwiegt,
und man kaͤme dadurch wieder in den vorigen
Cirkul, und muͤßte eingeſtehn, daß Buͤrger,
welche nicht die Geſellſchaft zu der ſie gehoͤren,
vertheidigen, keine Buͤrger wie andere ſeyn,
nicht gleiche Rechte verlangen koͤnnen und druͤ-
ckende Unterſchiede ſich gefallen laßen muͤſſen.


Ich habe es ſelbſt geſagt, daß dieſer Einwurf der
wichtigſte von allen ſey, und ich bin noch itzt der
Meynung, daß die Juden, ſo lange ſie nicht zu
Kriegsdienſten ſich eben ſo willig als faͤhig bewieſen
haben, nicht auf gleiche Rechte mit den uͤbrigen Glie-
dern der Geſellſchaft Anſpruch machen koͤnnen. Ein
Staat, deſſen Buͤrger einem Angriff ihrer Ruhe und
Beſitzungen, mit Gewalt zu wehren, ſich durch Ge-
bote des Himmels unterſagt halten, laͤßt ſich nicht
denken und kann nicht beſtehen; die Erhaltung der
gemeinen Sicherheit gegen fremde Gewalt iſt der
erſte und Hauptzweck jeder politiſchen Vereinigung,
wer von jenem ſich loßſagt, kann zu dieſer nicht ge-
hoͤren; wenigſtens wer nicht gleiche Laſten tragen
will, kann nicht gleiche Vortheile verlangen; der bloß
Beſchuͤtzte darf nie mit dem Beſchuͤtzer in ganz glei-
cher Reihe gehen. Dieß ſind Wahrheiten, die dem ge-
ſunden Menſchenverſtande einleuchten, die er zu allen
Zeiten
[224] Zeiten anerkennen muß, und die keine Schwaͤrme-
rey jemals auf eine merkliche Art unterdruͤcken kann.
Die Anhaͤnger religioͤſer Secten, die den Krieg fuͤr
unerlaubt halten, muͤſſen ſich bloß denen uͤberlaſſen,
die ihre Vertheidigung uͤbernehmen und dafuͤr Be-
dingungen, wie ſie es gut finden, feſtſetzen. Eine
buͤrgerliche Geſellſchaft koͤnnen dieſe Glaubensgenoſſen
allein nie ausmachen und ſobald ſie ſich ausbreiten, muͤſ-
ſen ſie nothwendig ihre Grundſaͤtze ablegen, weil eine
große Zahl Menſchen, welche erklaͤren, daß ſie ſich
nie vertheidigen wollen, unſtreitig bald unterdruͤckt
werden muͤßte.


Bey der itzigen politiſchen Lage von Europa
iſt es fuͤr jeden Staat, der nicht bloß in der
Convenienz und Eiferſucht anderer ſeine Sicherheit
hoffen darf, noch mehr wie ehemals nothwendig,
durch die moͤglichſt vollkommenſte Kriegsverfaſſung ſei-
nen fortſchreitenden Wohlſtand zu ſichern. Zwar iſt
es mir wahrſcheinlich, daß der Kriege in der Zukunft
weniger wie bisher ſeyn werden, und daß vielleicht
eine Zeit kommen duͤrfte, wo Traͤume von einem zwar
nicht ewigen, aber doch ſeltner unterbrochnem Frie-
den nicht ganz mehr Traͤume ſeyn werden. Ich hoffe
dieſes nicht von groͤßerer Cultur, groͤßerer Menſch-
lichkeit oder auch Erſchlaffung der Sitten; denn die
Men-
[225] Menſchen bleiben in allen Jahrhunderten dieſelben.
So lange ihr Intereſſe verſchieden iſt, ihre Leiden-
ſchaften an einander ſtoßen, werden deren thaͤtliche Aus-
bruͤche unvermeidlich ſeyn. Die weichlichen Aſiater
haben Kriege gefuͤhrt wie die ſtaͤrkern Nordlaͤnder.
So lange es Schwaͤchere giebt, wird keine Cultur
bey den Staͤrkern die Begierde jene zu unterdruͤcken,
ganz abſchleifen. Auch keine Heiligkeit der Vertraͤge
wird je ein Gleichgewicht der Staaten gruͤnden koͤn-
nen, das laͤnger beſtuͤnde, bis einer unter ihnen ſich
die Kraͤfte fuͤhlt, es umzuſtuͤrzen. Der Friede iſt
meiſtens nur Waffenſtillſtand, Ausnahme von der
Regel, die nicht laͤnger dauert, bis die Erſchoͤpfung
erſetzt iſt, die ſie hervorbrachte. Aber laͤßt ſich nicht
ein Zuſtand denken, in welchem alle Staaten ihre
Kraͤfte ſo erhoͤhten, ſo klug benutzten, daß Jeder im
Stande waͤre, mit Huͤlfe anderer, die mit ihm
gleiches Intereſſe haben, ſich zu vertheidigen, aber
nicht hoffen duͤrfte, einen Nachbar der gleich ihm ge-
waffnet waͤre zu unterdruͤcken? Mich duͤnkt, dieſer
Zuſtand laſſe ſich denken, und wir naͤhern uns
ihm merklich. Jeder europaͤiſche Staat wuͤnſcht
zwar auf Koſten anderer ſich zu vergroͤßern,
aber noch mehr als dieſes, die Vergroͤßerung
jedes andern zu verhindern. Natuͤrliche Alliirte
Paus-
[226] ausgenommen *), kommen alle darinn uͤberein,
daß nicht einer zu maͤchtig werde, und wenn
ſie ſelbſt, nicht gewinnen koͤnnen, wuͤnſchen
alle die itzige Lage der Dinge fortdauernd zu
ſehen. Die Erhaltung des Gleichgewichts von Eu-
ropa iſt in einem gewiſſen Sinn nicht die Chimaͤre,
fuͤr die man ſie auszugeben ſich ſchon dadurch haͤtte
abhalten laſſen ſollen, weil ſie die Idee eines ſo groſ-
ſen Kopfes, WilhelmsIII. von England, war,
und Kriege fuͤr dieſe Erhaltung unternommen, koͤn-
nen ſehr gerecht und vernuͤnftig ſeyn, weil es erlaubt
und klug iſt, mit kleinerer Gefahr eine ſonſt unver-
meidlich groͤßere abzuwehren. Aber dieſes Gleichge-
wicht kann nur denn erhalten werden, wenn alle
Staaten ihre Kraͤfte auf das vollkommenſte be-
nutzen, und ſich in einem Vertheidigungsſtande be-
finden, der den gluͤcklichen Ausgang jedes Angrifs
hoͤchſt unwahrſcheinlich macht. Von Alliirten allein
iſt kein bedeutender Beyſtand zu erwarten, wenn man
ihn
[227] ihn nicht wieder zu leiſten und durch eigene Kraͤfte
ſich Achtung zu erwerben auch wenigſtens den erſten
Angriff ſelbſt abzuhalten, faͤhig iſt, wie wir dieſes
noch in einem ganz neuen Beyſpiel geſehen haben.


Ehe noch die ſtehenden Armeen allgemein einge-
fuͤhrt, die Kriegswiſſenſchaft ihre itzige Ausbildung
erhalten hatte, war es ſehr moͤglich, daß der krie-
geriſche Staat ſeinen Nachbar gaͤnzlich zu uͤberwaͤlti-
gen hoffen konnte, der in ſeiner militaͤriſchen Ver-
faſſung noch nicht ſoweit gekommen war. Stehen-
de Heere
waren immer die Ueberwinder bloßer Land-
militzen,
und die geuͤbtere ſtaͤrkere Militz eines ro-
hen Volkes uͤberwand gewoͤhnlich die weniger geuͤb-
te und ſchwaͤchere eines civiliſirten, beſonders eines
Manufactur- und Handelsſtaats. Bey einigermaſ-
ſen gleich gut diſciplinirten ſtehenden Truppen muß
der Ausgang ihrer Kriege nothwendig weniger gewiß
ſeyn. Auch die ungleich geringere Koſten eines Krie-
ges mit Soldaten, die nachher wieder zum Pfluge
zuruͤckkehrten; die geſchwindere Einſcheidung, und
die geringere Einſicht von den gegenſeitigen Kraͤften
konnten ehemals den Regenten es beynahe eben ſo
leicht machen, ſich zum Kriege zu entſchlieſſen, als
ihre Vaſallen ſich untereinander befehdeten. Itzt
P 2ſind
[228] ſind unſere Kriege unendlich koſtbarer an Gelde und
Menſchen; eine in vielen Friedensjahren vollgehaͤufte
Schatzkammer kann in einer oder zwey Campagnen
ausgeleeret werden, unſere Waffen und ganze Art zu
ſtreiten machen die Kriege langwieriger *), man kann
viele Bataillen gewinnen und doch verliehren; auch
kennen unſere itzige Staaten ihre eigene und fremde
Kraͤfte ſo gut, daß es nicht leicht iſt, durch vorgege-
bene Staͤrke zu taͤuſchen, oder durch eingebildete
Schwaͤche den Angreifer zu locken. Alle dieſe Um-
ſtaͤnde machen, daß die Kriege in unſern Zeiten nicht
ſowohl Ausbruͤche von Leidenſchaft als Sache des
Calcuͤls ſind. Wir haben in dem ſo eben geendigtem
Kriege groͤßere Flotten, als bisher das Meer getragen
hatte, nebeneinander vorbeyſeegeln und ſorgfaͤltig eine
Schlacht vermeiden ſehen, und aͤuf jeder geſtand
man
[229] man, daß dieſes bloß daher geſchehe, weil man wiſſe,
daß die Staͤrke des Feindes der eigenen gleich oder
uͤberlegen ſey. Nur noch einen Schritt weiter, ſo
koͤnnte man auch die Koſten der Ausruͤſtung ſparen.
Man duͤrfte nur wohlbeglaubte Etats von dem Da-
ſeyn dieſer Flotten und des erforderlichen Geldes, um ſie
einige Jahre zu gebrauchen, ſich zuſchicken — und die
Ruhe wuͤrde erhalten. Ihre Unterbrechung wird wahr-
ſcheinlich kuͤnftig ſeltener ſeyn, wenn jeder Staat von
einem Verſuche derſelben mehr Schaden als Vortheil
vorausſehen kann, und ich wage es einen dauerhaf-
tern Frieden fuͤr Europa um ſo eher zu hoffen, da
ich nicht von groͤßerer Tugend und Aufklaͤrung, ſon-
dern bloß von den veraͤnderten Verhaͤltniſſen der Din-
ge und ihrer genauern Kenntniß ihn erwarte. Aber
eine nothwendige Bedingung iſt, daß die Kriegswiſ-
ſenſchaft immer zu groͤßerer Vollkommenheit ausge-
bildet, ihre Ausuͤbung immer verwickelter und ſchwe-
rer werde. Je mehr und mannigfachere Talente zu
dem Kriege erfordert werden; je mehr Aufwand von
Geld und Menſchen er nothwendig macht; je mehr
die Zeit der Entſcheidung hinausgeſetzt und der Aus-
gang ungewiß gemacht werden kann; je mehr die
wirkſamſten Mittel, ſich den groͤßimoͤglichſten Scha-
P 3den
[230] den zu thun vervielfaͤltigt werden *): deſto ſeltener
werden die Fuͤrſten ſich zum Kriege entſchlieſſen und
deſto feſter wird der Friede der Voͤlker geſichert
ſeyn.
[231] ſeyn. Man darf dieſes hoffen, wenn alle und
beſonders die groͤßern Staaten, ſich unaufhoͤrlich in
dem beſten Vertheidigungsſtande, den ihre natuͤrliche
Kraͤfte erlauben, befinden, und wenn die durch ge-
P 4mein-
*)
[232] meinſchaftliches Intereſſe nothwendig gemachte Ver-
bindung Mehrerer allemal einen Widerſtand bereit
hat, der den Gedanken, ein Eroberer ſeyn zu wol-
len,
zu einem Fehler wider die Rechenkunſtmacht.
Die bisherige Erfahrung wird die Nothwendigkeit
eines guten Vertheidigungsſtandes immer einleuch-
tender machen, und die Einſicht, wie der Vortheil
Aller die Erhaltung des gegenwaͤrtigen Verhaͤltniſ-
ſes der Staaten fodere, wird vieleicht allmaͤhlig eine
Verbindung gegen jeden Angriff bilden, zu der die
Aſſociation verſchiedener Staaten zu gemeinſchaftli-
cher Vertheidigung ihrer Rechte und natuͤrlichen Frey-
heit waͤhrend des itzt geendigten Seekriegs, von der
Nachwelt als eine gluͤckliche Vorbereitung betrach-
tet werden duͤrfte.


Aber wenn dieſe ſchoͤne Hofnung nur auf eine
gute Militaͤrverfaſſung gegruͤndet werden kann;
wenn immer zum Kriege geruͤſtet ſeyn, das
einzige Mittel iſt, Frieden zu erhalten;
wenn
nur der Staat, die ununterbrochenſte Ruhe hoffen
darf: deſſen Truppen die geuͤbteſten, und in der kuͤr-
zeſten Zeit zum Ausmarſch die bereiteſten ſind, und
deſſen Finanzen die laͤngſte Unterhaltung des Heers
waͤhrend des Kriegs erlauben: ſo iſt eine natuͤrliche
Folge, daß Glieder der Geſellſchaft, welche zu die-
ſem
[233] ſem weſentlichſten Wohl derſelben, der Sicherheit
nicht beytragen wollen, auch nicht auf alle Vortheile
derſelben Anſpruch machen duͤrfen. Ich halte indeß
auch noch aus andern Gruͤnden, als dem angefuͤhrten
wichtigſten, es fuͤr einen Vortheil der Staaten,
wenn ſie in einem gewiſſen Verſtande des Ausdrucks,
militaͤriſch, nicht erobernd, ſind, ihre Untertha-
nen naͤmlich beſtaͤndig in den Waffen uͤben und ne-
ben einer guten Landmilitz, ein mit ihren Kraͤften
und Bevoͤlkerung in richtigem Verhaͤltniß ſtehendes
Heer unterhalten. Man hat ſehr viel gegen die ſte-
henden Armeen geredet, und es iſt unſtreitig, daß
ſie aͤußerſt nachtheilig und das groͤßte Ungluͤck der
Menſchheit ſind, wenn das Verhaͤltniß derſelben zu
der Bevoͤlkerung des Staats, der ſie unterhaͤlt, uͤber-
ſchritten und der Cultur des Bodens und uͤbrigen
Induͤſtrie dadurch zu viele Haͤnde entriſſen werden *).
Aber man hatte bisher uͤberſehen, (was praktiſche
Erfahrung ſeit Koͤnig Friedrich Wilhelms von
Preuſſen
Zeit ſchon lange gelehrt, unter den Schrift-
ſtellern aber einer unſerer erſten Politicker, Hr. Prof.
P 5Buͤſch
[234]Buͤſch neuerlich vieleicht zuerſt bemerkt hat*), daß naͤm-
lich wo dieſe Fehler vermieden werden, die Unterhal-
tung eines verhaͤltnißmaͤßigen ſtehenden Heers die Cir-
culation des Geldes auf eine ungemein vortheilhafte
Art vermehre, eine Menge Beſchaͤftigungen veranlaſſe,
und eine neue Quelle von Induͤſtrie und Nahrung
werde. Auſſerdem entwickelt nicht nur der Krieg
ſelbſt Tugenden, die freylich mit ſeinem Elend zu
theuer erkauft werden; ſondern der kriegriſche Stand
giebt auch im Frieden zu Uebung von Kraͤften, zu
Entwickelung von Faͤhigkeiten Anlaß, die ohne ihn
nicht ſeyn wuͤrden und doch fuͤr die Menſchheit wich-
tig und wohlthaͤtig ſind. Ich rechne hieher nicht nur
das feinere Gefuͤhl von Ehre, den geuͤbtern Ver-
ſtand, den richtigern Blick, wodurch der hoͤhere
Kriegsbediente von Andern ſeines Standes ſich vor-
theithaft auszeichnet **); auch der gemeine Mann
wird
[235] wird durch den Kriegsſtand ſo wie zu koͤrperlichen
Uebungen und Arbeiten geſtaͤrkter und abgehaͤrteter,
ſo auch mehr zur Ordnung, Praͤciſion, Thaͤtigkeit
und Subordination gewoͤhnt, und mit einem erwei-
terten Kreiſe von Ideen verſehen. Der Bauer, der
nur einige Jahre in den Waffen geuͤbt iſt, wird ge-
woͤhnlich ein beſſerer Bauer, als der welcher nie ſei-
nen Pflug verließ, und der Gedanke eines großen
Mannes, des Freyherrn von Fuͤrſtenberg, war
vortreflich, alle junge Leute des Hochſtifts Muͤnſter,
ſowohl auf dem Lande als in den Staͤdten, an den
Sonn- und Feyertagen in den Waffen uͤben zu laſſen
und alſo eine gute und zahlreiche Landmilitz zu bil-
den.
**)
[236] den. Gewiß wuͤrde eine ſolche Einrichtung auch auſ-
ſer der dadurch bewirkten Sicherheit noch andere
wohlthaͤtige Folgen haben, zu denen ich auch dieſe
rechne, daß junge Buͤrger und Bauern dadurch mehr
zu koͤrperlichen Spielen (die bey den Alten und auch
noch im mittlern Zeitalter ſo gewoͤhnlich und ſo nuͤtz-
lich waren, itzt aber faſt ganz abgekommen ſind) ge-
reitzt und von den fuͤr ihre Geſundheit und Vermoͤ-
gen ſchaͤdlichen Wirthshaus-Gelagen wuͤrden ent-
fernt werden.


Es bleibe alſo Grundſatz, daß die Juden nicht
voͤlliger Buͤrger-Rechte faͤhig ſind, wenn ſie nicht
voͤllige Buͤrger-Pflichten erfuͤllen und den Staat, ſo
gut wie andere, vertheidigen wollen. Und aller-
dings muͤſſen ſie auch der in ihrem urſpruͤnglichen
Geſetz nicht gegruͤndeten Ungereimtheit entſagen,
am Sabbath nicht angreifen, ſondern nur gegen den
feindlichen Angrif ſich wehren zu wollen. Und ſo
richtig Hr. Moſes (S. 75) bemerkt, daß eine ver-
nuͤnftige Religion den Trutzkrieg nicht gut heißen
koͤnne, den auch Vernunft und Naturrecht mißbilli-
gen; ſo wuͤrde es doch ein Mißbrauch dieſer Wahr-
heit ſeyn, wenn ein Buͤrger nur in einem Kriege, den
er ſelbſt fuͤr einen Defenſiven erkenne,
ſich ge-
brauchen laſſen wollte. Das Urtheil hieruͤber gehoͤrt
nicht
[237] nicht fuͤr den Unterthan und Soldaten, ſondern fuͤr
die, denen die Regierung des Staats anvertrauet
worden. Faſt bey jedem Kriege ſucht jede Parthey
die Welt zu uͤberreden, daß ſie der angegriffene Theil
ſey. Es laͤßt ſich auch der Fall denken, daß beyde
Recht haben; aber gewoͤhnlich iſt die Frage zu ver-
wickelt, als daß ſie von dem großen Haufen der Un-
terthanen entſchieden werden koͤnnte. Die Geſchich-
te enthaͤlt Beyſpiele, daß ein Krieg, dem erſten An-
blick nach das Anſehn eines offenſiven haben und
doch ein ſehr abgedrungener und im ſtrengſten Sinn
defenſiv ſeyn koͤnne. Man hat alſo Recht, auch von
den Inden ganz unbeſchraͤnkte Kriegsdienſte zu fo-
dern. Itzt koͤnnen ſie dieſelben freylich nicht leiſten,
weil die Unterdruͤckung, in der ſie ſo lange gelebt,
den kriegeriſchen Geiſt und perſoͤnlichen Muth bey
ihnen erſtickt und ihre religioͤſen Spekulationen auf
ſo ungeſellige Paradoxen geleitet hat. Sie hatten
ſeit anderthalb Jahrtauſenden kein Vaterland, wie
konnten ſie alſo fuͤr daſſelbe fechten und ſterben? Aber
ich bin uͤberzeugt, daß ſie dieſes mit gleicher Faͤhig-
keit und Treue, wie alle andere, thun werden, ſobald
man ihnen ein Vaterland gegeben hat. Die Bey-
ſpiele, die ich aus der aͤltern Geſchichte angefuͤhrt,
ſind deutlich und ich ſehe nicht warum die Juden
nicht
[238] nicht in unſern Armeen ſich eben ſo gut betragen wuͤr-
den, als ehemals in griechiſchen und roͤmiſchen?
Auch die neuere Geſchichte liefert aͤhnliche Beyſpiele,
von denen BasnageHiſt. des Juifs L. 9. c. 34 \& 35
manche geſamlet hat. So vertheidigten die Juden
1648 Prag wider die Schweden, 1686 Ofen wider
die Oeſterreicher. In Litthauen waren ſie wenigſtens
ehemals dem allgemeinen Aufgebot ſo gut wie andere
unterworfen *). Wie die Juden den Kriegsdienſt mit
ihren religioͤſen Meynungen vereinigen werden iſt ihre
Sache, um die der Staat ſich nicht bekuͤmmern darf.
„Wenn das Vaterland vertheidigt werden ſoll, ſagt Hr.
Moſes (S. 76) vortreflich, ſo muß jeder hinzu eilen,
deſſen Beruf es iſt.“ Keiner darf dieſen Beruf nach ſei-
nen Meynungen modificiren wollen, ſondern er muß
dieſe nach jenem umbilden. Das neuerliche Beyſpiel
der penſylvaniſchen Quacker, die noch weit entſchie-
dener, als die Juden wider den Krieg waren, habe ich
ſchon angefuͤhrt, und ich kann demſelben noch ein
paar Beyſpiele von dieſer Nation ſelbſt beyfuͤgen. In
Suri-
[239] Surinam haben die Juden, ſo gut wie andere das
Recht Plantagen zu beſitzen, und auch wirklich ver-
ſchiedene angelegt. Außer denſelben befindet ſich da-
ſelbſt ein Dorf, Sav[a]ane, welches bloß von Juden
bewohnt wird. Alle freye Einwohner von Surinam
ſind in 12 Compagnien Landmilitz eingetheilt, wo-
von eine bloß aus Juden beſteht. Ein hollaͤndiſcher
Schriftſteller *) meldet dieſes Factum, dem ich noch
eins aus der neueſten Geſchichte an die Seite ſetzen
will. In der merkwuͤrdigen Schlacht vom 5ten
Auguſt 1781 zwiſchen den Englaͤndern und Hollaͤn-
dern befand ſich auf der Flotte der Letzteren ein por-
tugieſiſcher Jude, der mit ausnehmender Tapferkeit
focht. Dieß Beyſpiel reitzte noch mehrere ſeiner
Glaubensgenoſſen, welche dem Staate, der ihnen
vor allen andern buͤrgerliche Rechte bewilligt hatte,
ihre Theilnehmung an ſeinem Wohl beweiſen woll-
ten. Eine betraͤchtliche Anzahl derſelben entſchloß
ſich freywillig auf der Flotte zu dienen, und erhielt
von dem Ober Nabbi zu Amſterdam eine ausdruͤckli-
che Billigung dieſes Vorhabens. Er ertheilte ihnen
ſeinen Seegen und nur dieſe Vorſchrift, daß ſie den
Sabbat und alle andere Geſetze und Religionsge-
braͤuche
[240] braͤuche beobachten ſollten, inſofern es die Umſtaͤn-
de und der Dienſt erlauben wuͤrden
. Hier iſt
alſo eine vollkommne Erfuͤllung der Hofnung, die
ich geaͤußert habe, eine feyerliche Billigung der Wahr-
heit, daß die Buͤrgerpflichten auch bey noch unvoll-
kommnen Buͤrgerrechten den geheiligten Pflichten
vorgehn muͤſſen. Verdient dieß Beyſpiel nicht Be-
wunderung und Achtung, und wuͤrde es nicht gro-
bes Vorurtheil ſeyn, wenn man noch immer von der
Unfaͤhigkeit einer Nation zum Kriegsdienſte reden
wollte, deren Glieder ſich ganz aus eigenem Gefuͤhl
zum Tode fuͤr das Vaterland erboten haben, — eine
doch gewiß auch unter Chriſten nicht gemeine Erſchei-
nung? Wenigſtens waͤre es aͤußerſt unbillig, immer
nur dieſe Unfaͤhigkeit zu demonſtriren, ohne ſie je auf die
Probe zu ſetzen. Man uͤberlaſſe es doch den Juden, ſich
von ihren Sabbathsgeſetzen, ihren unreinen Speiſen u.
ſ. w. zu diſpenſiren, — andere Juden, als bisher, Dei-
ſten, Abrahamiten oder was ſie wollen in Abſicht der Re-
ligion zu ſeyn, genug wenn ſie nur gute, auch den Staat
mit Leib und Leben vertheidigende Buͤrger werden.


„Aber, ſagt man, um dieſes zu werden,
„wird Zeit erfordert, und bis dahin koͤnnen
„ſte doch nicht als voͤllig gleiche Glieder der Ge-
„ſellſchaft angeſehen werden, da ſie die wichtigſte
„Pflicht
[241] „Pflicht zu leiſten weigern.“ Dieſe Zeit wird nicht
ſo lange waͤhren, als man ſich vorſtellt, und die
Vermehrung der Juden wird nicht ſo geſchwind fort-
gehen, daß ſie ihrer Faͤhigkeit zum Kriegsdienſte zu-
vorkommen und den Staat in Gefahr bringen ſollte,
ſo viele wehrloſe Buͤrger zu bekommen. Man fange
nur erſt damit an, dem Juden die buͤrgerliche Ge-
ſellſchaft lieb zu machen, ihm Intereſſe fuͤr ſie bey-
zubringen, ihn ſein Verhaͤltniß zu derſelben und die
Pflichten, die er ihr ſchuldig iſt, zu lehren. Man
gewoͤhne ihn dabey vorzuͤglich zu Handwerken und
Ackerbau, um ſeine koͤrperliche Staͤrke zu vermehren,
man leite ihn von dem herumſchweifenden Kleinhan-
del ab; und man ſehe, was die Folge ſeyn wird.
Noch ein Vorſchlag waͤre dieſer, daß alle junge Ju-
den, welche ihre Beſitzungen zu Kriegsdienſten ver-
pflichten, zu gewiſſen Zeiten in den Waffen geuͤbt
wuͤrden. Wenigſtens muͤßte man jedem Juden, der
Grundſtuͤcke ankaufte, von denen Kriegsdienſte gelei-
ſtet werden muͤſſen, dieſe Verbindlichkeit erklaͤren.
Waͤre er ſelbſt, wie dieſes anfangs der Fall ſeyn duͤrf-
te, unfaͤhig ſie zu erfuͤllen, ſo muͤßte er entweder eine
verhaͤltnißmaͤßige Abgabe erlegen, oder, wenn dem
Staate das Geld nicht den Werth eines Menſchen
haͤtte, ſeinen Mann ſtellen, und dieſer, koͤnnte man
Qwohl
[242] wohl mit Recht verlangen, duͤrfte kein Landskind
ſeyn. Immer indeß muͤßte es noch dahin kommen,
daß der Jude ſelbſt diente, weil dem Staate die fuͤr
das Geld ſeiner Unterthanen geworbenen Fremden
nicht iu allen Faͤllen und wenn ihre Zahl zu groß
wird, jene erſetzen; und es wird dahin kommen,
wenn man nur den Plan zu Veredelung der Nation
im Ganzen, nicht bloß in einzelnen Theilen, aus-
fuͤhrt, — eine freylich nothwendige Bedingung.
Wo Localhinderniſſe dieſes nicht erlauben, da darf
man natuͤrlich auch nicht die ganze Wirkung erwar-
ten. Truͤgt mich meine Hofnung und ſollten die In-
den wider alle moͤgliche Wahrſcheinlichkeit, auch bey
dem vollkommenſten Genuß buͤrgerlicher Rechte,
noch immer, wenn es auf die Vertheidigung der Ge-
ſellſchaft ankoͤmmt, ein Verbot des Himmels vor-
ſchuͤtzen, — nun ſo habe ich nichts dagegen, daß man
ſie wieder aus dem Lande weiſet, oder wenigſtens ſie
wie Quaͤcker und Mennoniſten nur in geringer An-
zahl und unter gewiſſen Einſchraͤnkungen duldet.


Auf die Bedenklichkeit, daß der Jude nicht gegen
ſeine Glaubensbruͤder um des Zwiſtes der Chriſten
willen, werde fechten wollen, antworte ich, was ich
ſchon oft geſagt habe: man mache den Juden zum
Buͤrger, und bringe es dahin, daß ſein Buͤrger-
Bruder
[243] Bruder ihm lieber werde, als der, mit dem er nichts,
als einige ſpekulative Meynungen gemein hat. Und
wir haben ja der Beyſpiele genug, daß zwiſchen den
durch dieſe Gemeinſchaft der Meynungen vereinten
Voͤlkern, doch recht ernſtliche Kriege gefuͤhrt ſind,
ſo wie zwiſchen denen, die zu einer Hauptnation ge-
hoͤren, eine Sprache, gleiche Sitten haben. Wie
oft haben nicht Katholiken gegen Katholiken, Deut-
ſche gegen Deutſche gefochten. Man muß in Unter-
ſuchungen dieſer Art ſich nie die Wirkung einer Ur-
ſache abgeſondert und einzeln, ſondern immer, wie ſie
in der Natur ſind, mehrerer vereint und eine die an-
dere beſtimmend denken.


Hrn. Michaelis Einwurf wegen des den Ju-
den abgehenden Soldatenmaaſes duͤrfte ſich dann
auch wohl heben laſſen. Ich habe nicht genug Ju-
den geſehen, oder beobachtet, um zu wiſſen, ob die
Bemerkung richtig ſey; waͤre ſie es, ſo habe ich zu
der beſſern Behandlung und voͤlligen Umbildung der
Nation auch das Vertrauen, daß ſie, wie in allen
buͤrgerlichen Vollkommenheiten, ſo auch in der Lei-
beslaͤnge
zunehmen werde. Bis dahin darf der He-
braͤer freylich auf die Stelle eines Fluͤgelmanns kei-
nen Anſpruch machen, aber die Ehre fuͤrs Vater-
land zu ſterben, kann ihm darum doch werden. Sie
Q 2iſt
[244] iſt auch itzt nicht nothwendig an gewiſſe Zolle gebun-
den, und es giebt Arten von Truppen, die auch klei-
ne Leute gebrauchen koͤnnen.


Wichtiger iſt die Bemerkung, auf die mich eben
dieſer Gelehrte geleitet hat, daß die Schwierigkeit,
von der hier die Rede iſt, auch anfangs nicht
fuͤr alle Staaten gleich ſeyn werde, nachdem naͤmlich
es ihnen mehr oder weniger leicht faͤllt, die ſtehenden
Truppen, welche ihre politiſche Verhaͤltniſſe erfodern,
aus ihren Eingebornen zu unterhalten. In einigen
unſrer groͤßern Reiche iſt gar keine Zwangwerbung
nothwendig, die Armee beſteht bloß aus Freywilll-
gen. Frankreich koͤnnte ohne Druͤckung und vielmehr
zum Vortheil des Landes, wenigſtens noch 40000
Mann Landtruppen mehr halten, als es itzt hat:
hier koͤnnte alſo eine ſehr große Menge Juden, auch
wenn ſie in funfzig Jahren noch nicht zu Kriegsdien-
ſten faͤhig waͤren, nicht den mindeſten Nachtheil brin-
gen, und in den oͤſterreichiſchen und ruſſiſchen Staaten
wuͤrde dieſes ohngefehr derſelbe Fall ſeyn. Aus dem
entgegengeſetzten Grunde tritt er auch in den kleinern
Staaten, z. B. faſt allen deutſchen, ein, welche nicht
durch ihre eigne Macht, ſondern bloß durch Verbin-
dungen und die gegenſeitige Eiferſucht ſich vor der
Unterdruͤckung der Maͤchtigern ſchuͤtzen koͤnnen, und
bey
[245] bey denen es eine fuͤr manche dieſer Laͤnder nur zu trau-
rige Thorheit iſt, mehr Truppen zu haben, als ſie
aus ihren eignen Einkuͤnften und ohne ſie von Zeit
zu Zeit zu verkaufen, unterhalten koͤnnen Ihrem
wahren Vortheil gemaͤß ſollten alle dieſe Staaten ſich
nur zum Zweck machen, eine vorzuͤglich gute Landmi-
litz zu haben, und, nach dem ſchon angefuͤhrten Muͤnſte-
riſchen Beyſpiel, ihre junge Mannſchaft fleißig in den
Waffen uͤben, um immer zur Vertheidigung bereit zu
ſeyn; von regulirten Truppen aber ſollten ſie nicht mehr
halten, als die innere Sicherheit und der von denſelben
durch vermehrte Induͤſtrie nach vernuͤnftigem Calcul zu
erwartende Wohlſtand erforderten, aber dabey eine
durch keine eingeſchraͤnkte Eiferſucht unterbrochene, feſte
Aſſociation unter ſich bilden und mit derſelben ſich
an diejenigen großen Maͤchte anſchließen, deren eig-
nes natuͤrliches Intereſſe ihre Vertheidigung erfor-
dert und von denen ſie nur Schutz, nicht Unterdruͤckung
erwarten duͤrfen. Sollten unſere deutſche Regenten
dieſen in der Natur der Sache gegruͤndeten Plan
noch mehr als bisher befolgen, und mich duͤnkt man
darf es von der immer mehr verbreiteten Erleuchtung
und der durch Erfahrung begruͤndeten genauern Kennt-
niß ihres wahren Intereſſe erwarten; ſo duͤrfen ſie,
wenn auch die Juden in betraͤchtlicher Zahl ſich bey
Q 3ihnen
[246] ihnen einfinden ſollten, durch ſie keinen Abgang an
Vertheidigern beſorgen. Wenn ſie nur gleich andern
in den Waffen geuͤbt werden; ſo kann ein kleiner
Staat es ruhig abwarten, daß ſie anfangs zur Land-
militz und allmaͤlig zu den ordentlichen Truppen faͤ-
hig werden. Aber freylich einem Regenten, der den
Werth ſeiner Unterthanen nur darnach berechnet,
wie er ſie in baares Geld umſetzen kann, duͤrften die
Hebraͤer vors erſte noch keine gangbare Waare ſeyn.


Die bisher angezeigten Gruͤnde ſind, ſoviel ich
weiß, diejenigen, welche man der Moͤglichkeit die
Juden zu voͤllig gleichen und nuͤtzlichen Gliedern der
Geſellſchaft zu erheben, uͤberhaupt entgegen geſetzt
hat. Ich gehe nun zu denen uͤber, durch welche man
zwar nicht dieſe Moͤglichkeit hat beſtreiten, aber die
mit der Sache verbundne große und die Ausfuͤhrung
meines Plans mehr oder weniger beſchraͤnkende
Schwierigkeiten hat beweiſen wollen.


I.


Die Juden ſind zum Ackerbau nicht wohl
faͤhig. Erſtlich haben wir in den meiſten eu-
ropaͤiſchen Staaten nicht genug unbebauetes
Land mehr, welches man ihnen dazu anwei-

ſen
[247]ſen koͤnnte, und haͤtten wir es, ſo wuͤrde die-
ſes mit großen Vorſchuͤſſen fuͤr den Staat ver-
bunden, und dieſe an die nachgebohrnen Soͤh-
ne der itzigen Bauern oder auch an fremde
Chriſten beſſer verwandt ſeyn. Dann ſind die
Juden auch an den unausgeſetzten Fleiß und
die ſtarke Arbeit nicht gewoͤhnt, welche der
Ackerbau fodert. Ihr Geiſt iſt dazu zu unru-
hig, und es fehlt ihnen an Leibesſtaͤrke. Das
Geſetz, welches ihnen nicht erlaubt, mit Chri-
ſten zu eſſen, wuͤrde einen juͤdiſchen Landwirth
noͤthigen, entweder bloß chriſtliches oder bloß
juͤdiſches Geſinde zu waͤhlen, und den armen
Juden hindern, ſich als Knecht bey einem
chriſtlichen zu vermiethen, und dieß waͤre doch
ſehr nuͤtzlich, um die Nation nach und nach
zu wirklicher eigener Feldarbeit, nicht bloß zu
deren Direction, womit dem Staat nicht ſo-
viel gedient iſt, zu gewoͤhnen. Auch laͤßt ſich
keine Landwirthſchaft ohne die vortheilhafte
Schweinzucht denken; womit ſoll der Jude
ſein Geſinde ſpeiſen, wenn er kein Schweine-
fleiſch ihnen geben darf? was ſoll er mit dem
Fleiſch anderer Thiere machen, bey deren
Schlachtung nicht der geſetzlich beſtimmte

Q 4Schnitt
[248]Schnitt beobachtet iſt? Alle dieſe Dinge muͤß-
ten wenigſtens die Landwirthſchaft fuͤr einen
Juden ungleich koſtbarer und ſchwieriger ma-
chen, als ſie es fuͤr den Chriſten iſt, ihn alſo
noͤthigen, entweder ſeine Producte theurer im
Preiße zu halten, oder nicht ſo gut, wie dieſer,
zu beſtehen
.


Wenn ich den Wunſch aͤußerte, daß man den
Juden auch den Ackerbau erlauben moͤchte, ſo war
ich weit entfernt zu verlangen, daß man ſie in die-
ſer, ſo wie in irgend andrer Abſicht, vorzuͤglich und
vor andern beguͤnſtigen moͤchte. Nur die Freyheit,
Grundſtuͤcke zu kaufen oder zu pachten [u]nd zu bear-
beiten, war alles, was ich glaubte, daß der Staat
ihnen bewilligen muͤßte, wenn er von ihnen gleiche
Vortheile, wie von andern Buͤrgern, erwarten
wollte. Sicher darf man bey einer ſolchen freyen
Concurrenz nicht beſorgen, daß die Juden, welche
des Landbaues ungewohnt ſind und ſeine ſtaͤtige, bin-
dende Beſchaͤftigung nicht lieben, den Bauer von dem
Boden, auf dem er geboren iſt und an dem ſeine
ganze Neigung haͤngt, verdraͤngen werden. Um
allen Nachtheilen zuvorzukommen hatte ich ſchon ſelbſt
bemerkt, daß große juͤdiſche Guͤterbeſitzer nicht die
vortheilhafteſten fuͤr den Staat ſeyn wuͤrden, und
um
[249] um zu verhindern, daß nicht zu vieles Land an ein-
zelne reiche Hebraͤer kaͤme, ehe noch die Nation zu
allen buͤrgerlichen Pflichten gereift waͤre, den Vor-
ſchlag gethan, daß man jedem juͤdiſchen Landbauer
zur Pflicht machen ſolle, eine gwiſſe Anzahl juͤdiſcher
Knechte zu halten. Auch die Einſchraͤnkung, welche
ſo lange die Nation nicht zu Kriegsdienſten ſich durch-
aus faͤhig erprobt habe, beſonders dem Erwerb des
Bodens geſetzt werden muͤſſe, habe ich mehr als ein-
mal in Erinnerung gebracht. Den Juden auf Ko-
ſten des Staats zum Ackerbau vor andern zu ermun-
tern, habe ich nicht verlangt, nur, verſteht ſich nach
meinen Grundſaͤtzen von ſelbſt, alsdann Gleichheit
fuͤr ihn ausbedungen, wenn der Staat zur Cultur
bisher noch unbebaueten Landes, zum Bau gewiſſer
bisher noch nicht gewoͤhnlicher Producte, oder uͤber-
haupt zu jeder Erweiterung der Cultur, durch Be-
lohnungen die Buͤrger zu reitzen gut finde. Nur
fuͤr dem gewoͤhnlichen fremden Coloniſten, glaube ich,
muͤßte hier der einheimiſche Jude, der uͤbrigens
feſtgeſetzte Bedingungen erfuͤllt, den Vorzug haben;
auswaͤrtige Juden aber durch Vortheile zum Acker-
bau oder irgend einer andern Beſchaͤftigung ins Land
zu locken, wuͤrde ich, wie ich ſchon erklaͤrt habe, nie
anrathen. Daß auch bey Unternehmungen, wo der
Q 5Staat
[250] Staat, um nicht zu verlieren, vorzuͤgliche Kenntniſſe
und Erfahrung im Landbau bey dem Ausfuͤhrer fo-
dern muß, der den Vorzug verdiene, welcher ſie be-
ſitzt und der Jude, der guten Willen nicht mit noͤ-
thiger Kenntniß vereint, wenn er zu ſolchen Verſuchen
ſich draͤngen wollte, abgewieſen werden muͤßte, ver-
ſteht ſich von ſelbſt.


Mich duͤnkt, bey dieſen genauen, nicht in Will-
kuͤhr ſondern in der Natur der Sache liegenden Be-
ſtimmungen, duͤrfen die bisherigen Beſitzer des Lan-
des im mindſten nicht beſorgen, durch die den Ju-
den auch ertheilte bloße Faͤhigkeit, Land zu bauen,
verdraͤngt oder auf einige Weiſe gefaͤhrdet zu werden.
Heißt das dem Ackerbau ſchaden, wenn man die Zahl
derer, die ihn treiben koͤnnen, vergroͤßert? wird den
itzigen Beſitzern der Grundſtuͤcke dadurch leyd gethan,
wenn ſich Mehrere finden, die ſie ihnen abkaufen oder
pachten koͤnnen? Muß nicht die vermehrte Concurrenz
die wohlthaͤtige Folge haben, den Werth liegender
Gruͤnde zu erhoͤhen? wird nicht die groͤßere Zahl Haͤn-
de, die mit der Cultur zu beſchaͤftigen ſich draͤngen, ſie
zu hoͤherer Vollkommenheit leiten? Iſt hier nicht
bloß der Vortheil fuͤr Staat und einzelne zu erwar-
ten, den zunehmende Bevoͤlkerung uͤberall gewaͤhrt?
Dieſe Folgen fließen ſo natuͤrlich ab, die Richtigkeit
dieſer
[251] dieſer Saͤtze, ſobald man ſie nur deutlich denkt, iſt
ſo unverkennbar, daß ich mich unmoͤglich laͤnger bey
ihnen verweilen kann, auch ſchon das Geſagte fuͤr
uͤberfluͤßig gehalten haben wuͤrde, wenn nicht die ge-
machten Einwuͤrfe das Gegentheil bewieſen. Ich darf
indeß itzt wohl vorausſetzen, daß ein den Juden er-
theiltes Recht, die Erde zu bauen, kein Unrecht,
vielmehr eine Wohlthat fuͤr ihre Mitbuͤrger ſey.
Nun noch etwas uͤber die Frage: ob die Juden faͤhig
ſeyn werden, dieſes Recht, wenn man es ihnen be-
willigte, wirklich zu benutzen?


„In unſern meiſten Staaten, ſagt man, iſt Gott-
„lob! der Ackerbau ſchon ſo bluͤhend, daß wenig oder
„gar kein unurbares Land mehr uͤbrig iſt, das man
„den Juden uͤberlaßen koͤnnte?“ Gut, wo dieſes
der Fall iſt, koͤnnen freylich die Juden keine Grund-
ſtuͤcke erwerben. Die ihnen dazu ertheilte Freyheit
wird alſo keine weitre Folge habe, als daß in einzelnen
Faͤllen des Verkaufs und Verpachtung der Guͤter
auch Juden die Concurrenz vermehren, oder daß ſie
als Knechte und Tagloͤhner ſich vermiethen. Iſt
hiezu gar keine Gelegenheit, ſo werden die Juden
ſich zu andern Nahrungswegen wenden. Der Staat
kann hiebey ruhig zuſehen, die natuͤrliche Verhaͤlt-
niſſe der Dinge thun hier alles. Dieſe allein, keine
Verfuͤ-
[252] Verfuͤgung der Regierung, muͤſſen, einzelne Faͤlle
ausgenommen, die Zahl der Arbeiter jeder Art ver-
theilen, einſchraͤnken, vergroͤßern. Man gebe nur
jedem die Freyheit das und ſoviel zu arbeiten, als La-
ge und Umſtaͤnde erlauben; ſo wird alles am beſten
gehn. Aber ſollte es auch wohl mit der Voraus-
ſetzung, daß in den meiſten europaͤiſchen Staaten
kein Land mehr zum Ackerbau uͤbrig und er ſchon ſo
weit getrieben ſey, um keine Haͤnde mehr zu beduͤr-
fen, ſeine Richtigkeit haben? Ich geſtehe, daß ich
mich hievon nicht uͤberzeugen kann. Ich will nicht
von Rußland und Schweden reden, wo in gewiſſen
Provinzen die Natur vieleicht der hoͤchſten Cultur des
Bodens immer entgegen ſeyn wird; nicht von den
großen Provinzen der oͤſterreichiſchen Monarchie, wo
ein beſſerer Boden nur Haͤnde erwartet, welche die
Weisheit der Regierung ihm itzt durch alle Mittel zu
verſchaffen ſucht; nicht von Spanien, Portugall,
manchem Theile Italiens, Pohlen, wo Aberglaube
Unwiſſenheit der Regierung, genaͤhrte Traͤgheit der
Einwohner und gekraͤnktes Menſchenrecht, den ſchoͤn-
ſten Theil der Erde zur Wuͤſte machen. Aber auch
ſelbſt in den fruchtbarſten, bebauteſten Laͤndern von
Europa, deren Bevoͤlkerung die verhaͤltnißmaͤßigſt
groͤßte, deren Regierung ſchon ſeit Jahrhunderten
thaͤtig
[253] thaͤtig und a[u]fgeklaͤrt, auf die beſtaͤndige Erhoͤhung
ihres Wohlſtandes gerichtet iſt, ſollte auch in dieſen
Laͤndern der Ackerbau ſchon zu der Vollkommenheit
gebracht ſeyn, deren er faͤhig waͤre? Werden in dieſen
Landen ſchon alle Producte erzeugt, die der verſtaͤndi-
ge Bearbeiter dem Boden ablocken koͤnnte? werden
dieſe Producte in der moͤglichſten Menge und Voll-
kommenheit hervorgebracht? traͤgt jeder Boden das,
was nach allen Verhaͤltniſſen ihm zu entziehn der
groͤßte Vortheil waͤre? iſt jedes von Natur nicht
fruchtbare Grundſtuͤck durch Kunſt ſo verbeſſert, als
es zu werden empfaͤnglich iſt? — wo iſt das Land, wel-
ches dieſes ſtolzeſten Ruhms ſich ruͤhmen koͤnnte?
und wo iſt alſo das, welches Haͤnde, die ſeinen
Landbau erweitern und erhoͤhen wollen, abweiſen,
welches ſie nicht dankbar einladen duͤrfte? So lan-
ge noch nicht alles Land, in der Vollkommenheit be-
arbeitet iſt, wie es beym Gartenbau geſchieht, we-
nigſtens ſo lange es nicht alle Producte hervorbringt,
welche die groͤßtmoͤglichſte Bevoͤlkerung, deren er faͤ-
hig iſt, und alle erreichbare Handelsverhaͤltniſſe kon-
ſumiren koͤnnen; ſo lange hat ein Staat auch noch
nicht ſeinen Landbau zu einer unuͤberſchreitbaren Stu-
fe von Vollkommenheit erhoͤhet. Und mit Sicher-
heit kann ich behaupten, daß noch kein Staat in
Europa
[254] Europa dieſe Stufe erſtiegen habe; ſogar iſt keiner,
der nicht noch mehr oder weniger ganz unbebauetes
Land in ſeinem Umfange einſchloͤße. England hat
unſtreitig den bluͤhendſten Ackerbau, den die gluͤckliche
buͤrgerliche Freyheit, weiſe Geſetze, durch Erfahrung
gereifte und durch Reichthum unterſtuͤtzte Einſichten
hervorbringen mußten. Und doch klagen ſeine Pa-
trioten uͤber die Menge wuͤſten oder wenigſtens noch
nicht genug bebaueten Landes; Klagen, in denen,
wenn man auch abrechnet, was zuweilen der Geiſt
der Parthey uͤbertreiben mag, doch immer noch
viel wahres bleibt. In Frankreich, dieſem
durch Clima, Boden und Lage ſchoͤnſten Reiche
von Europa, liegt nach der Schilderung eines
neuern einheimiſchen Schriftſtellers *), ein Viertel
des Landes voͤllig ungebauet; zwey Viertel brin-
gen den vierten Theil von dem hervor, was ſie her-
vorbringen koͤnnten, wenn ſie beſſer angebauet waͤ-
ren; und das letzte Viertel welches den beſten Bo-
den und die beſte Cultur hat, koͤnnte doch noch ein-
mal ſo gut bebauet werden, alſo noch einmal ſo
viel
hervorbringen, als itzt. Freylich iſt der Mann,
von dem dieſe Beſtimmung ſich herſchreibt, ein eifri-
ger Anhaͤnger des phyſiokratiſchen Syſtems, und es
ließe
[255] ließe ſich denken, daß er aus wohlwollender Abſicht,
die Vermehrung des reinen Ertrags zu empfehlen,
den itzigen Zuſtand der Dinge ſchlimmer, als er
wirklich iſt, vorgeſtellt habe; indeß laͤugnet doch
auch ſelbſt die Gegenparthey nicht, daß es noch viel
unbebauetes Land in Frankreich gebe, wenn ſie gleich
die Vorſtellungen der Oekonomiſten fuͤr uͤbertrieben
haͤlt *), die aber doch Jedem, der die neuere Geſchichte
und bisherige innere Regierung von Frankreich kennt,
nicht ſo ſehr unwahrſcheinlich duͤnken koͤnnen. Und
in unſerm Deutſchland duͤrfen wir es laͤugnen, daß
wir noch eine Menge ganz unbebauetes Land haben?
Machen nicht die weitlaͤuftigen Diſtrikte, welche die
wohlthaͤtige Weisheit des letztern und noch mehr des
itzigen Preußiſchen Monarchen urbar gemacht hat,
eine wichtige Provinz aus, durch die der Staat ver-
groͤßert worden? wird nicht noch in dem Augenblick,
da ich dieſes ſchreibe, in dieſem Staat mit dieſer edel-
ſten aller Vergroͤßerungen fortgefahren? und haben
die meiſten uͤbrigen deutſchen Laͤnder der Wuͤſten we-
niger, wenn ſie gleich nicht durch deren Wegſchaf-
fung uns an ihr Daſeyn auf eine ſo ruͤhmliche Art
erinnern? Und dann in welchem Theile unſers ge-
meinſchaftlichen Vaterlandes wird der Landbau, ich
ſage
[256] ſage nicht mit der Vollkommenheit, deren er faͤhig
waͤre, ſondern nur wie in England (verſteht ſich in
einiger Allgemeinheit) getrieben? In welchem wer-
den nur alle die Verbeſſerungen wirklich benutzt, die
ſchon die Erfahrung bewaͤhrt geſunden hat? Welche
ganz neue Aufnahme duͤrfte ſich nicht der deutſche
Landbau verſprechen, wenn nur erſt die leyder!
noch immer fortdauernde Leibeigenſchaft des Bauern
in allen ihren Gattungen und Stuffen, und die
Frohndienſte, nach dem vortreflichen Muſter der Chur-
Hannoͤveriſchen und Oeſterreichiſchen Lande, allgemein
verbannt waͤren; wenn in manchen deutſchen Staa-
ten nicht ein unverhaͤltnißmaͤßiger Militaͤretat den
Landmann niederdruͤckte und entkraͤftete! Und welch
eine Menge von Menſchen wuͤrde der Ackerbau noch
beſchaͤftigen, welch eine erweiterte Production ließe
ſich erwarten, wenn man einmal anerkennte, daß
die Landesherrlichen Domainen nicht vortheilhafter,
(auch bloß im cameraliſtiſchen engern Sinn nicht
vortheilhafter) benutzt werden koͤnnen, als wenn man
ſie in Bauerguͤter vertheilt und dieſe in Erbpacht
uͤberlaͤßt. Nicht nur die Theorie hat dieſe Vortheile
bewieſen, das große Muſter in Boͤhmeit*) hat ſie
faſt
[257] faſt uͤber alle Zweifel erhoben. Noch weit fruͤher
zwar, naͤmlich bereits im Anfange dieſes Jahrhun-
derts, und vielleicht unter allen deutſchen Landen zu-
erſt, hatte man dieſe vortrefliche Einrichtung in den
Preußiſchen Staaten eingefuͤhrt*), und vermuth-
lich
*)
R
[258] lich iſt der Mann, der dieſes veranlaßte, ein Herr
von Luben
, der erſte Erfinder dieſer nach meiner
Einſicht fuͤr das Wohl unſerer Staaten und die
Gluͤckſeeligkeit der Menſchen aͤußerſt wichtigen Idee.
Ihre Ausfuͤhrung wurde unter K. FriedrichI. bald
wieder unterbrochen, und ein noch in neuern Zeiten
gemachter aͤhnlicher Verſuch iſt gleichfalls nicht von
Dauer geweſen und nicht allgemein geworden *).


Iſt alſo der Ackerbau noch einer ſolchen hohen
Vollkommenheit und Erweiterung faͤhig, darf er die-
ſelbe gewiß erwarten, wenn nur die beruͤhrten und
andere Hinderniſſe gehoben ſind; ſo duͤrfen wir auch
nicht beſorgen, daß wir der Haͤnde fuͤr ihn ſobald zu
viel bekommen moͤchten. Gerade die Vermehrung
der Haͤnde iſt nothwendige Bedingung, wenn jene
Vollkommenheit je erreicht werden ſoll. Die immer
fortſchreitende Vertheilung des Bodens in kleinere
Guͤter, befoͤrdert deſſen beſſern und ſorgfaͤltigern An-
bau, und ſo wie ſie zunehmende Bevoͤlkerung her-
vorbringt, kann ſie ohne deren verhaͤltnißmaͤßige
Groͤße nicht angefangen werden. Die zuletzt er-
waͤhnte
[259] waͤhnte Umſchaffung der Domainen iſt nicht moͤg-
lich, wenn nicht Menſchen da ſind, welche die
neuen Bauerguͤter erwerben und anbauen wollen,
und je mehr Menſchen, deſto hoͤherer Werth derſel-
ben und alſo deſto mehr Antrieb zur beſtmoͤglichſten
Cultur. In keinem Lande werden der Menſchen hie-
rinn zu viel ſeyn, aber in manchen koͤnnen ſie ſeh-
len, ſo wie itzt in Ungarn und Temeswar dieß wirk-
lich der Fall iſt, da man in Deutſchland zum Anbau
der dort zertheilten Domainen Haͤnde ſucht. Sicher
wird es alſo in unſern meiſten Staaten den Juden
nicht an Gelegenheit fehlen, den Landbau ſey es als
eigene Guͤterbeſitzer, Paͤchter, Tageloͤhner und Knech-
te, zu treiben, wenn nur erſt das Recht dazu ihnen ver-
liehen iſt und dieſes almaͤhlich die bisher unterdruͤckte
Faͤhigkeit und Neigung bey ihnen weiter angefacht
hat. Die erforderliche Leibesſtaͤrke und der ſtaͤtige Fleiß
werden ſich in ein paar Generationen zuverlaͤßig ein-
finden. Man kann dieß wenigſtens nicht ableugnen,
ſo lange nicht die Probe der Erfahrung gemacht iſt.


Den Hinderniſſen, die man aus den juͤdi-
ſchen Religionsmeynungen auch beſonders fuͤr den
Ackerbau erwartet, ſetze ich wieder meine allgemeine
Antwert entgegen: dieß iſt nicht Sache des Staats,
ſondern bloß der Juden. Mag ihnen immer ihr Un-
R 2terſchied
[260] terſchied der Speiſen, die Koſtbarkeit derſelben und
beſonders des Unterhalts des Geſindes, ihre Sab-
bathsfeyer, den Landbau ſchwieriger als Andern ma-
chen; dieß darf die Regierung nicht kuͤmmern, die
deshalb gleiche Pflichten, wie von jedem andern Land-
bauer, auch von dem juͤdiſchen, fodern muß. Zwey
Wege ſind immer ſeiner Wahl frey. Entweder der
Jude leidet dieſe Unbequemlichkeiten, iſt mit einem
durch groͤßern Aufwand verminderten Gewinn ſeines
Fleißes zufrieden, ſchraͤnkt ſich in ſeiner Lebensart
und ſeinem Genuß mehr ein, und iſt dabey durch
den Gedanken getroͤſtet, das heilige Geſetz ſeiner
Vaͤter tren befolgt zu haben; oder er modificirt das
Geſetz nach ſeiner aͤußern Lage und hoͤrt auf ein Jude,
oder wenigſtens ein ſolcher, als er bisher war, zu
ſeyn. Auch im erſtern Falle werden indeß die Schwie-
rigkeiten zwar immer laͤſtig, aber doch nicht in dem
Grade ſeyn, wie man es ſich gemeiniglich vorſtellt.
Darf der Jude gleich kein Schweinfleiſch eſſen, ſo
iſt ihm doch die Schweinezucht ganz unverboten. Es
iſt ein ſehr unrichtiger und durch ein gemeines aber
falſches Sprichwort unterhaltener Begriff, daß eine
Sau ſchon das Haus eines Juden verunreinige, wie
dieſes Hr. Michaelis bemerkt hat*) und auch das
Neue
[261] Neue Teſtament es beweiſet, nach welchem in Palaͤ-
ſtina zahlreiche Heerden Schweine, ohne Zweifel
zum Handel mit Fremden oder nicht iſraelitiſchen
Landeseinwohnern, ſich fanden. Der Schweine-
handel wird auch itzt unter uns von Juden getrieben,
und dieſer ihre Landwirthſchaft wuͤrde alſo der
Schweinezucht gar nicht entbehren duͤrfen. Sie
koͤnnten vielmehr das Schweinefleiſch ſo wie die ihnen
verbotenen Theile anderer Thiere zur Speiſung ihres
nicht juͤdiſchen Geſindes gebrauchen, und ſie wuͤrden
hiebey ſogar den Vortheil haben letztere, die eine
bloß juͤdiſche Haushaltung nicht gebrauchen kann,
nutzen zu koͤnnen. Die Schwierigkeit, ein gemiſch-
tes juͤdiſches und chriſtliches Geſinde auf verſchiedene
R 3Art
*)
[262] Art ſpeiſen zu muͤſſen, duͤrfte auch wahrſcheinlich
nicht viel groͤßer ſeyn, als ſie es in vermiſchten pro-
teſtantiſch katholiſchen Landen iſt, wo der proteſtan-
tiſche Landwirth ſeinem katholiſchen Geſinde, an den
woͤchentlichen und uͤbrigen vielen Faſttaͤgen, auch be-
ſondere Speiſen bereiten laſſen muß. Das gemein-
ſchaftliche Eſſen der Chriſten und Juden iſt uͤbrigens
nicht verboten, wenn nur letztere ihre reine Speiſen
haben, an denen die erſtern Theil nehmen oder neben
ihnen an derſelben Tafel andere genießen koͤnnen.
Bey den juͤdiſchen Knechten, die bey chriſtlichen
Landwirthen ſich vermiethen, duͤrfte die Schwierig-
keit groͤßer ſeyn, als umgekehrt, weil die Herrſchaf-
ten ſich nicht gern ſo ſehr durch das Geſinde wuͤr-
den einſchraͤnken laßen. Es koͤmmt aber hiebey
auf das Beduͤrfniß der Knechte oder Tagloͤhner an,
welche die Landwirthſchaft erfodert, da entweder
chriſtliche Herrn auch dieſe koſtbaren Arbeiter gebrau-
chen oder letztere ſich einen geringern Lohn wuͤrden
gefallen laſſen muͤſſen, um ihre Mahlzeit nach dem
moſatſchen Geſetz zubereitet zu erhalten.


Ich bin in dieſes Detail nur eingegangen, um
zu zeigen, daß die Schwierigkeiten uͤberwindlicher
ſind, als man geglaubt hat. Immer aber muß man
es dem Juden allein uͤberlaſſen, es mit ihnen zu hal-
ten
[263] ten wie er will. Es gehoͤrt mit zu der Freyheit, die
Jeder in der buͤrgerlichen Geſellſchaft mit Recht fo-
dern kann, Laſten und Unbequemlichkeiten, die er
ſich ſelbſt ans irgend einem Grunde aufzulegen fuͤr
gut findet — tragen zu duͤrfen, wenn er nur dabey
ein brauchbares Glied der Geſellſchaft bleibt. Dieß
kann der Jude, er mag es mit ſeinen Speiſen und
Gebraͤuchen halten wie er will; ſein Acker wird gleich
gut beſtellt werden, wenn es auch mit etwas mehr
Beſchwerden und groͤßern Koſten fuͤr ihn geſchieht.
Daß der Jude ſeine Producte im hoͤhern Preiße hal-
ten werde, duͤrfte die Folge dieſer groͤßern Koſten,
meiner Einſicht nach, nicht ſeyn. Die Concurrenz
der uͤbrigen Landbauer wird dieſes nicht erlauben,
und der Jude wird den groͤßern Aufwand, den ſein
Geſetz nothwendig macht, nur ſich ſelbſt anrechnen,
deſto ſparſamer leben und ſich mit einem geringern
Gewinn begnuͤgen muͤſſen. Der Jude iſt auch zu
einer ſehr weit gehenden Sparſamkeit ſchon gewoͤhnt,
und es iſt eine Bemerkung, die man nicht uͤberſehen
muß, daß dieſe oͤkonomiſche Tugend des Hebraͤers
ihn in Stand ſetze, manche Schwierigkeiten und
Aufwand, welche die Beobachtung ſeines Geſetzes
hervorbringt, leichter zu ertragen. Es iſt dieſes
ſchon itzt wirklich der Fall. Ein juͤdiſcher Haushalt
R 4koſtet
[264] koſtet unter ganz gleichen Umſtaͤnden in unſern Laͤn-
dern allemal ein betraͤchtliches mehr als ein andrer,
ſowohl wegen der hoͤhern Abgaben und mannigfachen
druͤckenden Einſchraͤnkungen als auch wegen der Koſt-
barkeit der nur erlaubten oder an Feſttagen vorge-
ſchriebnen Speiſen. Und doch beſtehn verhaͤltniß-
maͤßig und gewoͤhnlich die Juden beſſer in ihrer Oeko-
nomie als die Chriſten. Ihre außerordentliche, erfin-
deriſche oft uͤbertriebene, Sparſamkeit, ihre ungleich
einfachere Lebensart, ihre g[r]oͤßere Entfernung vom
Luxus auch bey den Wohlhabendern, ſind hievon nebſt
ihrer klugen Benutzung aller, auch der kleinſten Vor-
theile, der Grund. Wenn man ihre politiſche Un-
tugenden herzaͤhlt, ſollte man nicht vergeſſen, auch
dieſe wichtige politiſche Tugend dagegen wieder in
Anſchlag zu bringen, die zuverlaͤßig ſowohl bey dem
Ackerbau als jedem andern Nahrungswege manche
Schwierigkeit, die wir in der Spekulation voraus-
zuſehen glauben, wieder ausgleichen wird. Ueber
die Hinderniſſe, welche die juͤdiſche Sabbathsfeyer
dem Ackerbau entgegenſetzen moͤchte, werde ich mich,
weil ſie uͤberhaupt bey allen Arten von Arbeit eintrit,
unten noch in einem beſondern Artikel erklaͤren.


Der wuͤrdige Mann, welcher meine Schrift in
der allgem. deutſchen Bibliothek beurtheilt hat,
bemerkt,
[265] bemerkt, „daß die Juden im Preußiſchen immer
„Molkenwirthſchaft getrieben und Hollaͤndereyen ge-
„pachtet haͤtten, welches ihnen aber nachher ſey ver-
„boten worden, und wuͤnſcht zu wiſſen, ob dieß Ver-
„bot aus Beſorgniß der Unterſchleife, oder wegen ih-
„rer Ungeſchicklichkeit zur Sache gegeben ſey?“ Ich
habe deßhalb Nachricht eingezogen und gefunden,
daß weder das eine noch das andere, die Urſache die-
ſes Verbots, ſondern daſſelbe allein in der allgemei-
nen Judenverfaſſung dieſer Lande gegruͤndet geweſen.
Nach dieſer ſind die Juden bloß auf gewiſſe beſtimm-
te Gewerbe eingeſchraͤnkt und beſonders ihnen alle
landwirthſchaftliche Arbeiten unterſagt. Sie haben
alſo auch nie Molkenwirthſchaft treiben duͤrfen, aber
es heimlich oft gethan, weil die Beſitzer und Paͤch-
ter der Guͤter, gerade wegen der angefuͤhrten groͤßern
Oekonomie den Juden, es vortheilhafter fanden ſie
hierzu und eben ſo auch zum Brantweinbrennen
(welches ihnen daher auch wirklich, im Dienſt Andrer
erlaubt geblieben) zu gebrauchen. Dieſe Schleich-
Boſchaͤftigung beweiſet alſo nur ein vorzuͤgliches Ver-
trauen zu der Induͤſtrie der Juden, welche aber
freilich, dem einmal beſtehenden Geſetz gemaͤß,
nicht geduldet werden konnte.


R 5II.
[266]

II.


Die Juden ſind nicht wohl faͤhig Hand-
werke zu erlernen und auszuuͤben, und die
Schwierigkeiten, die ſich hiebey finden, ſchei-
nen kaum uͤberwindlich.


Ich kann dieſen Einwurf nicht unpartheyiſcher in
ſeiner ganzen Staͤrke, nicht in einem lichtvollen Detail
darſtellen als es in der eben angefuͤhrten Beurtheilung
geſchehen iſt, daher ich die ganze dieſen Gegenſtand be-
treffende Stelle hier einruͤcke: „Die uralten Gerechtſa-
„me“ ſagt ſener Recenſent, „laſſen ſich nun freylich den
„chriſtlichen Zuͤnften ſogleich nicht nehmen! Geſetzt
„aber man wollte zum Beſten des ganzen Staats
„uͤber dieſe Gerechtſame der alten Buͤrger hinaus-
„gehen; wie wuͤrde es nun anzufangen ſeyn, daß die
„jungen Juden Handwerke lernten? Sie mußten
„doch bey Chriſten in die Lehre, denn wo ſind ſchon
„juͤdiſche Handwerker? oder wie wenig ſind deren?
„und von wie wenig Handwerken? Es wuͤrde in
„der That ſchwer ſeyn, uͤber die Vorurtheile des chriſt-
„lichen Handwerkers wegzukommen; zumal wenn er
„merkt, daß ihm und ſeinen Kindern die alten Ge-
„rechtſame genommen werden ſollten! Jedoch auch
„zugegeben, man braͤchte es durch Ueberredung und
„Belohnungen dahin, daß ein chriſtlicher Meiſter,
„ſeinen
[267] „ſeinen eignen Vorurtheilen entſagte, den ihn ſicher
„erwartenden Haß und Verachtung aller ſeiner Gil-
„degenoſſen — groͤßtentheils ſeiner Verwandten —
„nichts achtete; wie ſoll das Lernen des jungen Ju-
„den eingerichtet werden? Soll er ordentliche Lehr-
„jahre unter der erforderlichen ſtrengen Zucht und
„Subordination unter chriſtlichen Meiſter und Geſel-
„len aushalten? Dazu wuͤrde ein Jude ſeinen Kna-
„ben nicht hergeben. Soll er aber gelinder und be-
„quemer gehalten werden, als der chriſtliche Lehr-
„jung? Der Vorzug wuͤrde den jungen Juden ſelbſt
„gewis zu einem ſchlechten Handwerker machen.
„Soll er bey dem Meiſter wohnen, ſchlaffen und
„eſſen? Die Einrichtung der meiſten Handwerke
„macht dieſes unumgaͤnglich erfoderlich, die Verfaſ-
„ſung des juͤdiſchen Ceremonialgeſetzes aber unmoͤg-
„lich. An ſeinen vielen Feyer- und Faſttagen darf
„er ohnehin nicht, und an unſern Sonn- und Feſt-
„tagen kann er, wenigſtens im Hauſe des Meiſters,
„gleichfalls nicht arbeiten. Soll er mit chriſtlichen
„Jungen zugleich lernen, oder nur mit ſeinen Glau-
„bensgenoſſen? Welches Unheil, und welche unauf-
„hoͤrliche Zaͤnkereyen wuͤrden im erſten Fall entſte-
„hen, und der andere wird ſchwer moͤglich zu ma-
„chen ſeyn. Und welche Handwerke ſoll der junge
„Jude
[268] „Jude lernen? Zu allen denen die viel Leibeskraͤfte
„erfordern, fehlt es ihm gewoͤhnlich, wie der Verf.
„ſelbſt geſteht, an dieſen. — Aber, die Nation ſoll
„durch die Uebung und ſtaͤrkere Nahrung, allmaͤhlig
„ſtaͤrker werden. — Wo aber iſt dann anzufangen?
„und wie vertragen ſich die vielen Faſten, auch an
„Tagen wo die Juden arbeiten duͤrfen, mit den Ge-
„ſchaͤften des Schneiders, des Zimmermanns, des
„Tiſchlers? — Inzwiſchen wenn der junge Jude
„aus einem Lehrlinge ein Geſelle wird? — Daß die
„chriſtlichen Geſellen ihn nie an ihren Arbeiten und
„Einrichtungen werden Theil nehmen laſſen, wird
„jeder zugeſtehen, der Handwerksgeſellen kennet,
„und weiß, daß Vorurtheile durch keine Verordnun-
„gen koͤnnen abgeſtellt werden. — Alſo bleiben die
„juͤdiſchen Geſellen wieder iſolirt; und da ſie theuer
„zu bekoͤſtigen ſind, wird es Muͤhe koſten, daß er
„bey chriſtlichen Meiſtern Arbeit erlangt. Wandern,
„welches doch bey vielen Handwerken ſo nuͤtzlich iſt,
„kann der juͤdiſche Geſell auch nicht wohl, wenn kei-
„ne Gildenverfaſſung fuͤr ihn da iſt; und alſo wird
„er ſchwerlich viel Geſchicklichkeit und Kenntniß ge-
„winnen. Aber dem allen ungeachtet werde nun der
„junge Jude Meiſter. Daß er in die Gilden nicht
„aufgenommen werden kann, giebt der Verfaſſer
„ſelbſt
[269] „ſelbſt zu; aber er ſoll voͤllig frey arbeiten, und noch
„Freyjahre von Abgaben und Unterſtuͤtzungen ge-
„nießen. Aber ſcheint es nicht, als wenn man hier
„mit der beſten Abſicht eine Ungerechtigkeit begehe,
„wenn man dieſe neue Ankoͤmmlinge beſſer ſetzen woll-
„te, als die alten Buͤrger? Was oben wegen der
„doppelten Feſttage und theurer Bekoͤſtigung geſagt
„iſt, tritt nun bey dem juͤdiſchen Meiſter in vollem
„Maaße ein. Ein großer Meiſter, der viele Arbeiten
„uͤbernimmt, kann er ohnehin nicht werden. Dazu
„gehoͤrt bey den meiſten Handwerken, die Einrich-
„tung des Wanderns der Geſellen, wodurch er deren
„mehr oder weniger nach Maaßgabe der Arbeit erhal-
„ten kann. Chriſtliche Geſellen werden nicht leicht
„bey ihm arbeiten. Alſo wird Jude unter Juden
„bleiben, ihre Nationalabſonderung wird bleiben.
„Und die Schwierigkeit wegen der Gerechtſamen der
„Zuͤnfte, wird in manchen Laͤndern immer groß blei-
„ben, wo der Landesherr, nach der Verfaſſung ſie
„nicht aufheben kann, wenn er auch wollte. In
„den Preußiſchen Landen, wo man zum Beſten der
„Manufakturen ſchon außer den zuͤnftigen Wollen-
„und Seidenwebern auch unzuͤnftige Arbeiter dieſer
„Art zulaͤßt*), wird die Sache ſchon leichter ſeyn,
„und
[270] „und man koͤnnte da eher dem Juden ſolche unzuͤnf-
„tige Manufakturarbeiten verſtatten, ſo wie daſelbſt
„einige von ihnen freye und Mechaniſche Kuͤnſte
„ausuͤben.“


Dieſer Einwurf iſt meiner Einſicht nach, unter
allen von dieſer Claſſe, der wichtigſte; er iſt es um ſo
mehr, je feſter und tiefer die Hauptſchwierigkeit, auf
die es hier ankoͤmmt, in der Verfaſſung der meiſten
unſerer Staaten gegruͤndet iſt und je gewiſſer doch die
Beſchaͤftigung der Handwerke, nach meiner Mey-
nung, auf die gewuͤnſchte Umbildung der Juden den
gluͤcklichſten und baldigſten Einfluß haben wuͤrde.
Ich will es verſuchen, meine Gedanken uͤber die
Mittel, die man den beſchriebenen Schwierigkeiten
entgegenſetzen koͤnnte, zu entwickeln, zweifle aber
nicht, daß die Erfahrung bald noch ungleich beſſere
darbieten und die Sache mehr erleichtern werde, als
man es der Spekulation nach vorausſehen kann,
wie dieß ſchon oft der Erfolg politiſcher Unterneh-
mungen der Art geweſen iſt.


Die Beſchraͤnkung des Rechts zu arbeiten, wel-
che
*)
[271] che durch die Zunftverfaſſung in verſchiedenen Ge-
werben und Handwerken hervorgebracht worden, iſt,
duͤnkt mich, nach allgemeinen Grundſaͤtzen betrach-
tet, ſowohl den natuͤrlichen Rechten der Glieder des
Staats als deſſen wahrem Wohl in gleichem Grade
zuwider, und ſchwerlich duͤrfte ein erleuchteter Staas-
verſtaͤndiger in irgend einem Lande, das die Zuͤnfte
noch nicht kennt, oder in Gewerben, die von ihnen
frey geblieben, ihre Einfuͤhrung anrathen. Mit
Recht glaube ich, kann man behaupten, daß die
Zunfteinrichtung kein Gewerbe vollkommner gemacht,
vielmehr oft gerade das Gegentheil hervorgebracht
habe, und daß kein Grund dieſe Einſchraͤnkung bey
gewiſſen Gewerben nothwendig erfodere, da andere
nicht weniger ſchwere und verwickelte Kuͤnſte ohne
ſie, gleiche, wo nicht hoͤhere Vollkommenheit er-
reicht haben. Die Beſorgniß, daß bey verſtatteter
Freyheit, einige Beſchaͤftigungen zu viele, andere
zu wenige Haͤnde finden moͤchten, ſcheint mir kein
großes Gewicht zu haben, da die natuͤrliche Conkur-
renz hier die Graͤnzen meiſtens beſſer reiſt, als es
der Klugheit auch der aufmerkſamſten Regierung
moͤglich iſt. Die Unordnung, daß ein Menſch zu
viele und verſchiedene Gewerbe anfangen, alſo in
keinem etwas leiſten, durch keines ſich naͤhren wuͤr-
de;
[272] de; daß Andre zu den verſchiedenſten Beſchaͤftigun-
gen abwechſelnd uͤberſpringen; daß der Schmidt die
Nadel des Schneiders wuͤrde fuͤhren wollen, ſcheint
mir zu wenig in der Natur des Menſchen gegruͤndet,
um ſie mit Recht beſorgen zu duͤrfen. Daß dieſes
von einer ploͤtzlichen mit Geraͤuſch angekuͤndigten Ab-
ſchaffung der Zuͤnfte, die erſte Folge ſeyn koͤnne, laͤug-
ne ich nicht, aber hievon gilt kein Schluß auf den
natuͤrlichen Zuſtand der Dinge, wenn man ihn nicht
geſtoͤrt haͤtte; und was in Frankreich bey Tuͤrgots
Reformation, die nur fuͤnf Monate waͤhrte *), ge-
ſchah, giebt keinen Beweis von dem, was geſche-
hen ſeyn wuͤrde, wenn die erſte Gaͤhrung ſich geſetzt
haͤtte oder noch mehr, wenn die Reformation gar
nicht noͤthig geweſen waͤre. Die Menſchen beſorgen
die Angelegenheiten, die ihr eignes Wohl angehen,
meiſtens dann am beſten, wenn man ſie nur machen
laͤßt. Der wichtige Vortheil von Vertheilung der
Arbeit
[273] Arbeit; die Feſtſetzung einer gewiſſen Lehrzeit (die
freilich nach Verſchiedenheit der Faͤhigkeiten des Lehr-
lings und nach der Muͤhe und den Koſten des Mei-
ſters, ehe er ihn recht gebrauchen kann, durch einen
Privatvergleich, immer verſchieden beſtimmt werden
muͤßte); der Nutzen des Wanderns der Geſellen, die
Pflege derſelben in Krankheiten; endlich die Verhin-
derung ſchlechter Arbeit und Erhaltung des Credits
beſonders in den Handwerken, welche fuͤr auswaͤr-
tigen Markt arbeiten: — dieſe, wie es mich duͤnkt,
vortheilhafte Folgen der Zunfteinrichtung lieſſen ſich
auch ohne dieſelbe erreichen. Denn es verſteht ſich
von ſelbſt, daß wenn auch keine Zuͤnfte waͤren, doch
dem Staat ſeine Oberaufſicht und Leitung der Ge-
werbe und Nahrungswege bleiben muͤſſe, wie er die-
ſe auch itzt wirklich bey unzuͤnftigen, wie bey zuͤnfti-
gen ausuͤbt und auch immer (nur, wie ich glaube,
nicht zu haͤufig, und eigentlich nur in auſſerordent-
lichen Faͤllen) ausuͤben muß.


Ohngeachtet dieſer Ueberzeugung indeß halte ich doch
in unſern meiſten, beſonders aber den deutſchen Staa-
ten, eine voͤllige Abſchaffung der Zuͤnfte fuͤr ſehr bedenk-
lich. Die Erfahrung, da man nur einzelne Mißbraͤuche
verbannen wollen, hat ſchon gezeigt, wie ſchwer es ſey,
in dieſem Fache zu reformiren. Unſere buͤrgerliche ſtaͤd-
Stiſche
[274] tiſche Verfaſſung iſt zum Theil (vorzuͤglich in den
Reichsſtaͤdten) mit der zuͤnftigen genau verflochten;
unſer Volk iſt einmal an ſie gewoͤhnt, hat ſogar ge-
wiſſe Begriffe von Ehre an ſie geheftet; jeder Staat
haͤngt hierin ſo ſehr von ſeinen Nachbarn ab, daß
eine ploͤtzliche Abſchaffung wahrſcheinlich ſehr nach-
theilige Folgen, vieleicht auf lange Zeit, vieleicht wich-
tigere, als man vermuthen ſollte, hervorbringen
duͤrfte. Mir ſcheint alſo in dieſer, wie in den mei-
ſten politiſchen Unternehmungen, eine almaͤhlige,
planmaͤßige Verbeſſerung, ſucceſſive Abſchaffung ein-
zelner Mißbraͤuche, und eine gleichſam ſich ſelbſt bil-
dende Umwandlung, das Rathſamſte. Die Ideen
des Volks koͤnnen denn mit den Reformen der Re-
gierung gleichen Schritt halten; man wird nicht ta-
deln, was man kaum, da es geſchah, gewahr ward,
und die Zuͤnfte werden nicht mehr ſeyn, ohne daß
man ſie vermißt. Hier iſt nicht der Ort einen ſol-
chen Plan genauer zu entwickeln; verſchiedene Ver-
fuͤgungen, die zu ihm gehoͤren, ſind ſchon in meh-
rern Staaten, auch durch die bekannten Reichsſchluͤſſe
von 1731 und 1772, und in einzelnen de[u]tſchen Landen,
beſonders im Preußiſchen durch noch beſtimmtere Ver-
ordnungen gemacht; aber ich glaube, man muͤßte noch
einige Schritte mehr thun *).


Wenn
[275]

Wenn indeß die Zuͤnfte in den meiſten Laͤndern
noch beſtehen, auch, wie ich glaube, vors erſte und
unter gewiſſen Beſtimmungen noch beſtehen muͤſſen;
ſo iſt nur die Frage, ob und wie bey dieſer Ein-
richtung die Juden zu Handwerken zugelaſſen
werden koͤnnen
?


S 2Einer

*)


[276]

Einer der wichtigſten, wenn gleich noch nicht
uͤberall in der Ausuͤbung, doch in den meiſten Laͤn-
dern durch Geſetze laͤngſt abgeſchaften Handwerks-
Mißbraͤuche iſt unſtreitig, die bey den Zuͤnften her-
gebrachte Ausſchlieſſung gewiſſer durch ihre eigene
oder ihrer Eltern Lebensart fuͤr unehrlich gehalte-
ner
Menſchen. Ich weiß es, daß Maͤnner von
Einſicht, unter denen ich keinen groͤßern, als Hrn.
Moͤſer*), nennen kann, dieſer Einrichtung aus
dem Grunde das Wort geredt haben, weil ſie die
Reinigkeit der Sitten und ein gewiſſes Gefuͤhl von
Ehre bey den Handwerkern erhalte, welche durch
die Gleichmachung aller Art Menſchen und die Her-
abſetzung der bisherigen Wuͤrde verlieren muͤßten.
Gewiß ein Grund, der ſo wie jede ſittliche Folge ei-
ner politiſchen Verfuͤgung, die aͤußerſte Aufmerkſam-
keit der Regierung verdient. Eine etwas vermehrte
Induͤſtrie kann ſicher den Schaden nicht erſetzen,
den die Verminderung der auf Sitten und Recht-
ſchaffenheit gegruͤndeten Ehrliebe des Volks ohnfehl-
bar hervorbringen muß; und dieſe Ehrliebe fodert
um deſtomehr Achtung, je ſchwerer ſie, einmal erſtickt,
von dem Geſetzgeber wieder belebt werden kann. Ich
glaube
[277] glaube alſo allerdings, daß man die Handwerker
nicht zwingen ſollte, Verbrecher oder auch uͤberhaupt
unſittliche Perſonen gewiſſer Art, in ihre Verbin-
dung aufzunehmen; ich ſchaͤtze ſogar ihre Delicateſſe,
wenn ihnen auch ſchon ein ſehr ſtarker, obgleich nicht
rechtlich erwieſener, Verdacht grober Verbrechen (wo
indeß doch Mißbraͤuche durch die obrigkeitliche Auf-
ſicht zu verhuͤten waͤren) hinlaͤnglicher Grund zur
Ausſchlieſſung iſt; ich moͤchte ſogar die Nichtaufnah-
me der unehlichen Kinder kaum tadeln, weil die Be-
foͤrderung und Ehre des Eheſtandes und der Nach-
theil der Ausſchweifung beſonders unter den gemei-
nen Staͤnden ein zu wichtiger Gegenſtand fuͤr den
Staat iſt, daß ihm nicht das Intereſſe einiger, ob-
gleich ſchuldloſen Perſonen aufgeopfert werden ſollte *).
S 3Mit
[278] Mit dem Laſter und auch mit der Frucht des Laſters,
Schande oder wenigſtens Unehre und Unbequemlich-
keit in mehrern Abſtuffungen verbinden, — iſt fuͤr
das Gluͤck und die Sittlichkeit der Menſchen noth-
wendig. Aber hier duͤnkt mich, muß auch feſte,
nicht zu uͤberſchreitende Graͤnze ſeyn. Laſter, Ver-
gehen, Unmoralitaͤt muß ſchaͤnden, trennen, dem,
der damit befleckt iſt, laͤſtig fallen. Niemand ruͤh-
re dieſe Schutzwehr der Tugend an! Sogar durch
ungebuͤhrliche Verbindung geboren ſeyn — bleibe eine
Art von Ungluͤck fuͤr den, den es trift, wie phyſi-
ſche Mißgeſtalt, weil das ſittliche und politiſche Gluͤck
der Meiſten durch dieſes Vorurtheil — wenn es eins
iſt — gewinnt. Aber keine Art der Arbeit, keine
Beſchaͤftigung, kein Dienſt dem gemeinen Weſen
und Mitmenſchem geleiſtet, keine Abſtammung aus
dieſem oder jenen Land und Volk muß ſchaͤnden, muß
entehren, muß von dem erſten aller Rechte — dem,
Kopf und Haͤnde nach eigner Wahl zu gebrau-
chen
, ausſchlieſſen koͤnnen. Ungereimt und keiner Ent-
ſchuldigung faͤhig ſcheint es mir, wenn die Zuͤnfte
noch itzt nicht, die Kinder der Leineweber, Muͤller,
Schaͤfer, Trompeter, Pfeiffer
und Zoͤllner zu-
laſſen wollen, weil dieſe Beſchaͤftigungen zu des deut-
ſchen Koͤnig HeinrichI. Zeiten, aus denen ſich un-
ſere
[279] ſere ſtaͤdtiſche Zunftverfaſſung herſchreibt, von Leib-
eigenen getrieben wurden; wenn ſie Bader, Wund-
aͤrzte
und andere Beſchaͤftigungen theils aus gleichem
Grunde, theils auch, weil ſie im zehnten Jahrhun-
dert noch nicht in Deutſchland waren, ausſchließen;
wenn ſie endlich mit gewiſſen Verrichtungen, die auf
Befehl der Obrigkeit und zum gemeinen Nutzen ge-
ſchehn, Schande verbinden, obgleich der Staat,
fals ſich Niemand dazu faͤnde mit Geld und Ehre,
die Gerichtsknechte, Bettelvoͤgte, Todtengraͤber,
Nachtwaͤchter und Nachrichter wuͤrde bezahlen muſ-
ſen. Mag immerhin, ehemals das Wort Unehre
einen ganz andern Begriff, als itzt, gehabt und nur
die Ausſchlieſſung vom Heerbann angedeutet; mag
immer jeder Stand ſeine nur ihm gehoͤrige Ehre ge-
habt haben, von der er freylich alle, welche auſſer
ihm waren, ausſchloß, ohne ihnen deshalb Unrecht
zu thun: es koͤmmt hier nicht auf den ehmaligen
Sinn jener Worte, ſondern auf die Bedeutung an,
welche unſer itziger Sprachgebrauch ihnen untergelegt
hat; nicht auf die Verfaſſung, in denen jene Aus-
ſchlieſſungen paſſend und nothwendig ſeyn mochten,
ſondern auf die unſrigen, iu denen ſie ſchaͤdlich ſind.
Ich kann daher nicht, wie Hr. Moͤſer, die Verfaſſer
des Reichsſchluſſes von 1731, beſchuldigen, daß ſie
S 4den
[280] den Sinn des Worts: Unehrlichkeit verfehlt haͤt-
ten, die ſie ſo vielen damit bisher bloß ihrer Lebens-
art wegen Befleckten abnahmen. Sie mochten die
altdeutſche Bedeutung dieſes Worts aus der Geſchich-
te noch ſo gut wiſſen, ſo mußten ſie als Geſetzgeber
auf dieſelbe durchaus keine Ruͤckſicht nehmen, und
ſie nicht ſich abhalten laſſen, den fuͤr unſere Zeiten
nothwendigen und wichtigen Grundſatz feſt zu ſetzen,
daß kein Geſchaͤft oder Arbeit irgend Jemand
ſchaͤnden und in dem heutigen Sinn des Worts
unehrlich machen koͤnne
. Sie konnten auch hie-
rinn um ſo weniger Bedenken finden, da in Abſicht
der meiſten ſogenannten Unehrlichen ihnen ſchon
aͤltere Reichsgeſetze *) vorgegangen waren, deren
Verfuͤgung die Reichsſchluͤſſe von 1731 und 1772
nur beſtaͤtigt und erweitert haben. Nicht eher als
in dem letztern hat man es gewagt, auch den Kin-
dern der Nachrichter die Erlernung der Handwerke
zu geſtatten, doch mit der Clauſul, daß ſie die Lebens-
art ihrer Eltern nicht getrieben haben muͤſſen, —
eine Nachgiebigkeit, die vieleicht ein zu allgemeines
Vorurtheil noch erforderte, da der Reichsſchluß von
1731
[281] 1731 nur erſt die zweyte Generation dieſer Claſſe
von Menſchen zunftfaͤhig *) zu erklaͤren wagte.


Ohne zu unterſuchen, ob vieleicht dieſe Nachgie-
bigkeit nicht noch zu weit gehe **) glaube ich doch ge-
S 5wiß
[282] wiß behaupten zu koͤnnen, daß es dem Vorurtheil zu
viel eingeraͤumt waͤre wenn man den Zuͤnften noch
ferner geſtatten wollte, ſich durch die Annahme der
Juden befleckt zu halten, denen doch Wiſſenſchaften,
ſchoͤne und freye Kuͤnſte nebſt der Handlung in ihrem
weite-
**)
[283] weiteſten Umfange offen ſtehen und die ſo oft eines
beſondern Vertrauens der Fuͤrſten in Muͤnz- und an-
dern Geſchaͤften, nicht immer zum Vortheil der Un-
terthanen, gewuͤrdigt ſind. Wenn die Geſetze es bis-
her den Zuͤnften nicht zur Pflicht gemacht haben,
auch juͤdiſche Knaben anzunehmen, ſo liegt der Grund
davon ohne Zweifel darinn, daß von der einen Seite
die Juden bis itzt eben ſo wenig Luſt als Faͤhigkeit zu
den Handwerken bezeugten, und von der andern
Seite, dieſe ihnen in den meiſten Laͤndern ausdruͤcklich
unterſagt waren. Denn ſo gut ich auch die Staͤrke des
Vorurtheils kenne, kann ich mich doch nicht uͤber-
zeugen, daß eben die Geſetzgeber, welche die Unge-
reimtheit anerkannten, die Soͤhne der Leinweber,
Muͤller, Schaͤfer, Nachrichter, fuͤr unehrlich und
zur Arbeit unfaͤhig zu halten, doch noch immer in
Abſicht der Juden hierinn, wie der Poͤbel, gedacht
und ſie gefliſſentlich uͤbergangen haben ſollten. Die
Geſetzgebung hat auch in manchen Laͤndern in der
That
**)
[284] That bewieſen, daß ſie dieſen Verdacht auf keine
Weiſe verdiene, da ſie ſogar die Zigeuner, eine in
dem Gedauken unſers Volks noch weit mehr verach-
tete und allerdings auch verwildertere Menſchenart,
der Handwerkszuͤnfte faͤhig erklaͤrt hat, wie dieſes
ſchon durch ein Chur-Braunſchweigiſches Edict vom
Jahr 1712 *) geſchehen iſt.


Ich ſehe alſo keinen Grund, warum man nicht
die Zuͤnfte anhalten wollte, auch juͤdiſche Knaben in
die Lehre zu nehmen. Anfangs muͤßte man freylich
einigen Widerſtand erwarten, aber er wuͤrde ſich
verliehren, wie er in Abſicht der durch die aͤlteren Ge-
ſetze erſt zuͤnftig erklaͤrten Perſonen ſich allmaͤlig ver-
lohren hat. In Deutſchland wuͤrde hiezu freylich
ein allgemeiner Reichsſchluß erfodert werden, und
wenn derſelbe, wegen des Antheils, den in den Reichs-
ſtaͤdten die Zuͤnfte an Regierungsrechten haben, nicht
zu bewirken waͤre, muͤßte zunaͤchſt eine Aſſociation
mehrerer Staͤnde ſeine Stelle vertreten. Die großen
Staaten, (vorzuͤglich die weitlaͤuftige und wohl ar-
rondirte oͤſterreichiſche wie auch die preußiſche Mo-
narchie koͤnnten hierinn ſchon mit groͤßerer Freyheit
fuͤr ſich handeln, da ſie der Verbindung ihrer Hand-
werker
[285] werker mit fremden weniger beduͤrfen *). Sollte man
indeß hiebey noch anfangs Bedenken finden, ſo wuͤr-
de zunaͤchſt noch der gelindere Weg offen bleiben, den
ich
[286] ich ſchon im erſten Theile bemerkt habe, daß man
juͤdiſchen Handwerkern das Arbeiten erlaubte, auch
ohne in eine Innung aufgenommen zu ſeyn, gegen
die Bedingung, verſteht ſich, daß gleiche Laſten, wie
von den Zunftgenoſſen, auch von ihnen getragen
wuͤrden. Ich habe ſogar, weil ich es fuͤr ſo ſehr
wichtig halte, die Juden bald zu dieſer Beſchaͤfti-
gung zu leiten, einige Ermunterungen fuͤr die juͤdi-
ſchen Handwerker vorgeſchlagen. Man hat dieſes
fuͤr die zuͤnftigen unbillig finden wollen; ich kann
aber nach folgenden Gruͤnden nicht ſo urtheilen.
Die Anſtellung neuer unzuͤnftiger Meiſter kann den
aͤltern keinen groͤßern Nachtheil bringen, als die
ſie auch von neuen zuͤnftigen im gleichen Grade er-
warten muͤſſen. Dieſer Anzahl kann bey allen ſoge-
nannten ungeſchloſſenen und auch bey den geſchloſ-
ſenen Handwerken
nach dem Gutfinden des Lan-
desherrn vermehrt werden, ohne daß die Innungen
es wehren duͤrfen. Es iſt eine ſehr gewoͤhnliche Sa-
che, daß bey allen Handwerken ſogenannte Frey-
meiſter
, welches gewoͤhnlich ſolche Leute ſind, denen
an den Erforderniſſen der Zunft etwas abgeht, an-
geſtellt werden, und in vielen Landen haben die
Soldaten das Recht alle Arten von Gewerben und
Handwerken zu treiben, ohne daß ſie einmal die Ab-
gaben
[287] gaben der uͤbrigen Buͤrger und Handwerker entrich-
ten. Um ſo weniger koͤnnen dieſe alſo ſich beſchwe-
ren, wenn der Staat auch juͤdiſche Arbeiter zu Frey-
meiſtern
erklaͤrte, und ihnen dabey eine Gewerb-
und Nahrungsſteuer auflegte, die den Abgaben der
zunftmaͤßigen Handwerker gleich kaͤme. Dieſes Mit-
tel gehoͤrt uͤberhaupt vorzuͤglich zu denen, durch wel-
che die Zunftverfaſſung almaͤhlig abgeaͤndert und vors
erſte weniger nachtheilig gemacht werden koͤnnte.
Wer zur Innung gehoͤrt, genieße ihre Vortheile in
Abſicht des gegenſeitigen Beyſtandes, des beſſern
Fortkommens in allen Laͤndern, wo noch Zuͤnfte ſind,
der Unterſtuͤtzung bey der Wanderſchaft, des groͤßern
Vertrauens des Publikums, wenn anders die Zunft-
verfaſſung es einfloͤßen kann. Nur das Recht zu
arbeiten werde, wenn es noch nicht allgemein freu
gegeben werden kann, doch wenigſtens ohne Schwie-
rigkeiten Allen verliehen, die auch ohne ihre Geſchick-
lichkeit zunftmaͤßig erprobt zu haben, auf ihre Ge-
fahr ſich von derſelben naͤhren wollen. Geſchickte
und fleißige zuͤnftige Arbeiter werden durch dieſe ver-
mehrte Concurrenz nicht leiden, und wuͤrde auch ihr
Vortheil etwas gemindert, ſo muß er dem des ge-
meinen Beßten nachſtehen. Eine zu große Vermeh-
rung in einzelnen Handwerken darf man nicht be-
ſorgen.
[288] ſorgen. Wo Freyheit und eine weiſe, gemaͤßigte
Aufſicht der Obrigkeit iſt, entſteht bald das richtige
Verhaͤltniß jeder Art Arbeiter von ſelbſt, wie es La-
ge und Umſtaͤnde jedes Orts erlauben.


So nuͤtzlich mir die haͤufige Anſtellung der Frey-
meiſter zu Belebung der durch die Zuͤnfte beſchraͤnkten
Induͤſtrie ſcheint; ſo billig und noͤthig halte ich es
von der andern Seite, dieſen unzuͤnftigen Arbeitern
(wie es doch in manchen Laͤndern geſchieht) durch-
aus keine Vorzuͤge und Erleichterungen vor den zuͤnf-
tigen zuzugeſtehen, ſondern ſie nicht groͤßern und ge-
ringern, ſondern gerade denſelben Abgaben und La-
ſten zu unterwerfen. In einzelnen Faͤllen koͤnnen
indeß beſondere Gruͤnde Ausnahmen von dieſer Re-
gel anrathen, und es ſcheint mir, daß der Zweck,
die Juden zu der Arbeit des Handwerkers zu gewoͤh-
nen und dadurch ſie zu beſſern Gliedern der Geſell-
ſchaft umzubilden, eine ſolche Ausnahme rechtfer-
tige. Ich habe deshalb nicht bloß die Erlaubniß
auch außer der Zunft zu arbeiten, ſondern auch Frey-
jahre von Abgaben und andere Ermunterungen fuͤr
den anfangenden juͤdiſchen Handwerker gewuͤnſcht.
Die aͤltern Buͤrger haben in ihrem zuͤnftigen Ge-
werbe ſo Vieles durch groͤßere Geſchicklichkeit, Kund-
ſchaft, meiſtens groͤßern Wohiſtand voraus, und die
Juden
[289] Juden, welche zuerſt einen Verſuch mit Handwer-
ken machen, werden dagegen mit ſo vielen Schwie-
rigkeiten, Hinderniſſen, die ſie ſelbſt und andere
ihnen bereiten, zu kaͤmpfen haben, daß nur dadurch
einige Gleichheit zwiſchen beyden Theilen entſtehen
kann, wem der Staat zutritt und letztere bey ihren
groͤßern Laſten unterſtuͤtzt. Ohne dieſe Unterſtuͤtzung
wuͤrden ſie ſchwerlich beſtehen koͤnnen und auch mit
derſelben werden ſie gewiß noch lange den zuͤnftigen
Handwerkern nicht merklichen Abbruch thun. Wenn
die buͤrgerliche Verbeſſerung einer Claſſe von Men-
ſchen, die im Lande geboren ſind, fuͤr daſſelbe noch
wichtiger iſt, als die Vermehrung der Einwohner
durch fremde Coloniſten, welche bloß durch Wohl-
thaten und Vorzuͤge vor den alten Einwohnern, ge-
lockt werden; ſo iſt der Staat gewiß noch eher berech-
tigt, jenen als dieſen ſie zu billigen, und die uͤbrigen Un-
terthanen koͤnnen dieſes nicht als ein Unrecht fuͤr ſie
anſehen, da ohne dieſes Mittel der Zweck des allge-
meinen Wohls nicht erreicht werden koͤnnte. Daß
indeß dieſe Ermunterungen nur zu Ueberwindung der
Schwierigkeiten des Anfangs und nur wenn ſie nicht
entbehrt werden koͤnnen, bewilligt werden, daß ſie
mit dieſen alſo aufhoͤren und die juͤdiſchen Handwer-
ker bald moͤglichſt den uͤbrigen, auch in Abſicht der
TAbga-
[290] Abgaben, voͤllig gleich geſetzt werden muͤſſen, ver-
ſteht ſich von ſelbſt.


Es bleibt noch der Einwurf, „daß die Juden,
„man moͤchte ſie nun in die Zuͤnfte einfuͤhren, oder
„neben denſelben ihnen die Handwerke verſtatten wol-
„len, doch durch die Beobachtung ihres Ceremonial-
„geſetzes ſich unfaͤhig machten, von dieſen Vorthei-
„len Gebrauch zu machen. Der Junge kann nicht
„vom Tiſche ſeines Meiſters eſſen, nicht alle Tage
„arbeiten; der Geſelle nicht wandern; der Meiſter
„nicht Lehrlinge halten u. ſ. w.“ Ich antworte hie-
rauf wieder zuerſt, daß es des Staats Sache nicht
iſt, ob und wie die Juden die Rechte, die er ihnen
anbietet, gebrauchen werden, und daß er dieſes allein
ihnen uͤberlaſſen muͤſſe. Itzt kann ein Jude kein
Handwerker werden, wenn er nicht zuvor den heilt-
gen Glauben ſeiner Vorfahren feyerlich abſchwoͤrt,
ſeinen Eltern und Bruͤdern feindſeelig entſagt. Ganz
anders wird der Fall ſeyn, wenn man ihn in die
Werkſtaͤtte aufnimmt, ohne ſich zu bekuͤmmern, wie
er mit ſeinem Glauben es halte? Er wird dann,
wie ich ſchon oft geſagt habe, aufhoͤren ein ſolcher
Jude
, wie er bisher war, zu ſeyn, aber almaͤhlig
und unbemerkt. Mag es mit dieſer Metamorphoſe
gehn, wie es wolle, genug, wenn er nur ein guter
Hand-
[291] Handwerker und Buͤrger wird. Freylich wird hie-
bey anfangs die Schwierigkeit etwas groͤßer ſeyn,
als beym Ackerbau, weil die Beſtimmung zum Hand-
werk in fruͤhen Jahren geſchehen muß, auch mit
groͤßerer Abhaͤngigkeit verbunden iſt, und ein juͤdi-
ſcher Vater nicht leicht ſeinen Sohn bey einem chriſt-
lichen Meiſter in eine Lage ſetzen wird, wo er ſein
Geſetz nicht beobachten koͤnnte. Indeß moͤchte es
doch auch der juͤdiſchen Vaͤter geben, denen es eine
angenehme Ausſicht ſeyn duͤrfte, daß ihre Nachkom-
men von den Laſten, die ſie gedruͤckt, befreyet, in
einem beſſern Zuſtande, als der ihre war, ſich befinden
werden. Andere koͤnnten mit dem Meiſter, dem ſie
ihren Sohn anvertrauen, wegen dieſer Dinge einen
beſondern Vergleich ſchließen, und ſo wie man gan-
ze Lehrjahre abkaufen kann, muͤßte auch das Necht-
arbeiten am Sabbath durch Geld, oder laͤngere Lehr-
zeit, oder auch durch Arbeiten und haͤusliche Dien-
ſte am Sonntage, erkauft werden. Weit wirkſamer
indeß wuͤrde dieſen Schwierigkeiten dadurch begegnet
werden, wenn man bald anfangs aus den Laͤndern,
wo die Juden ſchon itzt Handwerke treiben, einige
Meiſter verſchriebe und durch ſie mehrere anziehen
ließe. Der Vortheil, den der Staat ſich verſprechen
duͤrfte, wenn er ſeine Juden von dem Kleinhandel
T 2zu
[292] zu Handwerken leiten koͤnnte, ſcheint mir ſo groß,
daß ich glaube, ſolche fremde juͤdiſche Handwerker
verdienten alle die Ermunterungen, welche man ſonſt
fremden Arbeitern, die man noch gar nicht oder nicht
in gehoͤriger Menge hat, zu bewilligen pflegt. Frei-
lich muͤßte man ſuchen, dieſe Handwerker ſo geſchickt
als moͤglich zu erhalten, indeß im Nothfall, um nur
den Hauptzweck zu erreichen, auch mit weniger ge-
ſchleckten vorlieb nehmen, wie die meiſten juͤdiſchen
Handwerker in Polen ſeyn ſollen. Ihre Zoͤglinge
wuͤrden dann ſchon in einem Lande, wo Gewerbe
und mechaniſche Arbeiten uͤberhaupt zu einer gewiſſen
Vollkommenheit gebracht waͤren, bald ihre Meiſter
uͤbertreffen und dann waͤren die Schwierigkeiten des
Anfangs gehoben.


Die einheimiſchen Lehrlinge zu fremden juͤdiſchen
Meiſtern zu ſchicken waͤre gleichfalls ein, obgleich we-
niger vortheilhaftes Mittel, daß alſo der Staat dem
freyen Willen der Eltern uͤberlaſſen aber nicht befoͤr-
dern muͤßte.


Die meiſten Schwierigkeiten wuͤrden von ſelbſt
aufhoͤren, wenn nur erſt viele Juden den Ackerbau
oder auch mechaniſche freye Kuͤnſte und unzuͤnftige
Arbeiten bey Manufarturen oder einzeln getrieben
haͤtten. Dieſe wuͤrden denn ſchon von manchen buͤr-
gerlich
[293] nachtheiligen Vorurtheilen frey werden, und weni-
ger Bedenken haben, auch ohne aͤngſtliche Reſtrictio-
nen ihre Kinder einem chriſtlichen Handwerker in
die Lehre zu geben. Ich halte es daher ſowohl um
dieſer Folge als an ſich ſelbſt fuͤr vorzuͤglich wichtig,
die Juden ſoviel moͤglich zu allen nicht zuͤnftigen Be-
ſchaͤftigungen durch Ermunterungen und einige Er-
ſchwerung in Abſicht des Handels, hinzuleiten. In
manchen ſchoͤnen Kuͤnſten haben es einzelne Juden
ſchon weit gebracht *). Indeß koͤnnen dieſe nicht
viele Menſchen beſchaͤftigen, und die mechaniſchen
Kuͤnſte ſind in politiſcher Abſicht wichtiger. Beſon-
ders ſollten die Juden bey den unzuͤnftigen Arbeiten
der Fabriken gebraucht werden. Es geſchieht dieſes
noch bis itzt ſehr wenig, und ſelbſt juͤdiſche Entre-
preneurs großer Manufacturen, haben wenige Ar-
beiter ihrer Nation, welches theils eine Folge des
T 3einmal
[294] einmal zur Gewohnheit gewordenen Hanges der Ju-
den zum herumſchweifenden Troͤdel-Handel theils des
Vorurtheils des gemeinen Volks unter den Chriſten,
welches nicht gern mit Juden arbeitet, iſt. Die
Regierung wuͤrde bey dieſen Umſtaͤnden wohl nicht
uͤbel thun, wenn ſie, ſo wie dem juͤdiſchen Caltiva-
teur einige juͤdiſche Knechte, ſo auch dem juͤdiſchen
Fabrikanten, eine verhaͤltnißmaͤßige Zahl juͤdiſcher
Arbeiter zur Bedingung machte. Hielte er ſie nicht
ſo wuͤrde er (fals er nicht die Unmoͤglichkeit beweiſen
koͤnnte) eine gewiſſe Abgabe bezahlen, dagegen aber
fuͤr eine die geſetzmaͤßige Norm uͤberſchreitende Zahl
eine Belohnung erhalten muͤſſen. Vielleicht koͤnnte
man auch ſo weit geben, jeden neuen Fabrikanten,
der irgend Vortheile vom Staate genoͤße (denn ohne
dieſe waͤre die Einſchraͤnkung unbillig) zu verpflichten,
einige juͤdiſche Arbeiter zu halten, ſo wie auch jedem
Freymeiſter fuͤr das Recht außer den Zuͤnften zu ar-
beiten, die Verbindlichkeit aufzulegen, einen juͤdi-
ſchen Lehrjungen anzuziehen oder einen Geſellen die-
ſer Nation zu ha ten.


Man hat es mir als etwas meinen allgemeinen
Aeuſſe ungen Widerſprechendes vorgeworfen, wenn
ich zuweilen einſchraͤnkende Zwangsmittel vorſchlage.
Freilich halte ich uͤberhaupt es fuͤr das Beßte, die
Men-
[295] Nenſchen in ihren Beſchaͤftigungen und in der Be-
ſergung ihres Gluͤcks meiſtens ſich ſelbſt zu uͤberlaſ-
ſen und die natuͤrlichen Rechte ſo frey und unbeſchraͤnkt,
als nur irgend moͤglich iſt, zu erhalten. Auch zu große
Freyheit kann ſelten ſchaden, zu wenige ſchadet ge-
wiß. Aber einige Einſchraͤnkung dieſer Freyheit iſt
in unſern buͤrgerlichen Geſellſchaften nun einmal
nothwendig, und um ein Uebel wieder gut zu ma-
chen, das ſeit ſo vielen Jahrhunderten ſich gebildet
hat, ſind auch zuweilen gewaltſamere Mittel nicht
ganz entbehrlich. Was unſere Kunſt nun einmal
verwirrt hat, kann nicht bloß durch Natur wieder
zurechte gebracht werden. Beſonders iſt dieſes bey
lange eingewurzelten Gewohnheiten und Vorurthei-
len der Fall, wie die, von denen hier die Rede iſt.
Ich bin uͤberzeugt, daß dieſe in Abſicht der Juden
bey uns und ihnen ſelbſt in der Folge gewiß ver-
ſchwinden werden, und daß ſie, wenn man ihnen
nur buͤrgerliche Rechte ertheilt, in wenigen Genera-
tionen ſich auch derſelben vollkommen wuͤrdig machen
und zu Handwerken und allen Arten der Gewerbe ſo
tuͤchtig wie andere ſeyn werden. Nur zuerſt wird
der unnatuͤrliche Zuſtand, in welchem die Nation
ſich itzt befindet, durch einige nicht ganz natuͤrliche
Mittel unterbrochen werden muͤſſen. Iſt dieſes ein-
T 4mal
[296] mal geſchehen, ſo verſteht ſich, daß alsdann jene nur
fuͤr eine Zeit und aus Noth gemachte Verfuͤgungen
wieder aufhoͤren, und Alles wider ſich ſelbſt uͤberlaſ-
ſen werden muͤſſe. Wer gegen alle kuͤnſtliche und zuwei-
len ſogar gewaltſame Mittel ſich erklaͤrt, bedenkt nicht,
daß wir uns nicht mehr im natuͤrlichen Zuſtande be-
finden, daß vielmehr unſere ſo mannichfach verwik-
kelte Verfaſſungen uns laͤngſt an kuͤnſtliche Mittel ge-
woͤhnt haben und dieſe uns wirklich natuͤrlich ge-
worden ſind.


Die Umbildung einer ſo betraͤchtlichen Menge
bisher der Geſellſchaft nicht nur laͤſtiger, ſondern wirk-
lich ſchaͤdlicher und fuͤr ſich ungluͤcklicher Menſchen
zu brauchbaren und begluͤckten Buͤrgern, iſt ein ſo
wichtiger Vortheil, daß er, duͤnkt mich, auch durch
noch groͤßere Einſchraͤnkungen und beſchwerlichere
Zwanggeſetze, als ich vorgeſchlagen habe, nicht zu
theuer erkauft wuͤrde. Ich vertheidige deshalb dieſe
Einſchraͤnkungen, nicht an ſich, alſo auch nicht
in andern Umſtaͤnden
, auch nicht fuͤr immer,
ſondern nur als Mittel zu dieſem beſondern Zweck,
nur, wenn man will, als kleineres Uebel, um
ein groͤßeres abzuwenden. Aus dieſem Geſichts-
punkte halte ich es alle dings fuͤr billig, die Juden
durch Befreyungen und Belohnungen zu Handwer-
kern
[297] kern zu bilden, wenn es auch auf Koſten und mit ei-
nigem Nachtheil der aͤltern Buͤrger geſchehen ſollte;
und ſo auch dieſe hiebey zur Mitwirkung anzuhalten.
Eben ſo wuͤrde ich, weil ich die Handwerke fuͤr ein
ſo weſentliches Mittel zur Beſſerung der Juden an-
ſehe, anfangs nicht wider einigen Zwang bey ihnen
ſelbſt ſeyn. Ein Vater, der mehrere Soͤhne haͤtte,
muͤßte wenigſtens einen einer mechaniſchen Kunſt oder
einem Handwerk widmen, und beſonders muͤßte der
uͤbertriebenen Neigung zum Handel wirkſam entge-
gen gearbeitet werden. Vieleicht waͤre es noch nicht
genug, wie ich ſchon vorgeſchlagen, die Zahl der
handelnden Juden zu beſchraͤnken oder wenigſtens
durch Abgaben zu erſchweren; ich wuͤrde vielmehr
rathen, auf dem Lande (wenn er bisher erlaubt war)
und in allen kleinern Staͤdten, den Juden den Kleim
handel almaͤlig ganz zu verbieten, ſobald naͤmlich erſt
diejenigen ausgeſtorben ſeyn werden, welche nun
einnal mit nichts anderm ſich naͤhren koͤnnen. Sollte
es einer Regierung gelingen, die Juden von einer
Beſchaͤftigung ganz abzuleiten, durch die ſie vornem-
lich verderbt geworden ſind, und die ſie faſt nicht an-
ders als zum Nachtheil ihrer Mitbuͤrger treiben koͤn-
nen, und waͤre es moͤglich in etwa funfzig Jahren
den groͤßern Theil der Juden zu Landbauern, Hand-
T 5werkern
[298] werkern und Kuͤnſtlern umzuſchaffen; ſo, glaube ich,
wuͤrde das Problem ihrer ſittlichen und buͤrgerlichen
Verbeſſerung ganz aufgeloͤßt ſeyn.


Ich geſtehe, daß dieſe Umſchaffung ſchwer ſey,
Zeit und Nachdenken fodere, aber unmoͤglich halte
ich ſie nicht, wenn man die Reforme der bisherigen
Jadenverfaſſung im Ganzen vorzunehmen, ſich ein-
mal entſchließen wollte. Durch die angegebenen
Mittel wuͤrde ſicher der Zweck erreicht werden koͤn-
nen. Die Bahn, die zu ihm fuͤhrt, wird immer
mehr ſich ebnen, wenn man nur einmal die Schwie-
rigkeiten ſie zu finden, uͤberwunden und ſie zu gehn
ſich entſchloſſen hat. Nur noch ein Wort von ein
paar oben angefuͤhrten ſpeciellen Einwuͤrfen will ich
hinzuſetzen.


Der juͤdiſche Lehrling muß unſtreitig unter glei-
cher Stronge und Subordination, wie der chriſtliche,
gehalten werden. Ich ſehe keinen Grund, warum
hier ein Unterſchied ſtatt finden ſollte. Der arme
Judenjunge iſt zu einer knechtiſchen Behandlung ge-
wiß nicht weniger geuͤbt, als der chriſtliche, da er ſie
ſo oft noch als Mann erdulden muß. Der wohlha-
bendere Jude koͤnnte, wie es auch bey dem Chriſten
nicht ungewoͤhnlich iſt, unbedenklich wegen beſſerer Be-
handlung ſich mit dem Meiſter vergleichen. In dieſe
Details
[299] Details darf die Regierung ſich nicht einlaſſen, ob
ſie gleich freilich in den meiſten Laͤndern an der Ein-
richtung der Lehrjahre und an der Behandlung der
Lehrlinge noch zu beſſern haͤtte. Wandern, duͤnkt mich,
koͤnnte der juͤdiſche Geſelle allerdings und muͤßte es,
um die noͤthige Geſchicklichkeit zu erwerben. Waͤre
er erſt zuͤnftig, haͤtte es kein Bedenken, aber auch
unzuͤnftig, duͤrfte er in der Fremde nur bey juͤdiſchen
oder andern Freymeiſtern arbeiten. Iſt nur erſt die
Hauptſchwierigkeit wegen des Lernens bey einem
chriſtlichen Meiſter uͤberwunden und werden zugleich
die angezeigten und andere Mittel von der Regie-
rung angewandt, ſo wird es bald an juͤdiſchen Ge-
ſellen und Lehrlingen nicht fehlen, die denn zunaͤchſt
und ehe die Unterſcheidungen ſich ganz abgeſchliffen
haben, einen Meiſter ihrer Nation vorziehen werden.
— Doch gerade dieſes iſt eine Materie, wo die Aus-
uͤbung einiger Jahre und die richtige Beobachtung
und Benutzung der Local-Berhaͤltniſſe uns gewiß
weiter bringen wird, als alles Theoretiſiren, wel-
ches denn doch auch, wenn es gluͤcklich genug waͤre
fruͤh oder ſpaͤt jene practiſche Verſuche hervorzubrin-
gen und zu leiten, ſeinen guten Werth behalten
wird.


III.
[300]

III.


Es iſt ſohr wahrſcheinlich, daß unter den
Juden die Lehre von der Nichtverbindlichkeit
eines Eydes vor chriſtlichen Richtern oder
uͤberhaupt einem Chriſten abgelegt, wenn auch
nicht allgemein, doch ſehr herrſchend ſey. Was
Eiſenmenger hieruͤber ſagt, gehoͤrt nicht zu
ſeinen ungerechten Klagen. Hieraus allein folgt
ſchon das Unrecht, welches ein Staat ſeinen
uͤbrigen Buͤrgern durch Gleichmachung der
Juden mit ihnen, zufuͤgen wuͤrde. Denn wer
ſich berechtigt glaubt, die feyerlichſten Anrn-
fungen des hoͤchſten Weſens gebrauchen und
durch dieſelben Jeden, der nicht mit ihm zu
einer kirchlichen Geſellſchaft gehoͤrt, hinterge-
hen zu duͤrfen, iſt fuͤr alle ſeine Nebenmenſchen
gefaͤhrlich; ſchon der Verdacht einer ſolchen
alle oͤffentliche Treue zerſtoͤrenden Lehre muß
immer mißtrauiſch gegen die Juden machen
und wird nie erlauben ihnen gleiche Rechte
mit denen zu bewilligen, die keine Verhaͤltniſſe
kennen, in denen ihre Luͤge von dem Himmel
ſelbſt gebilligt und geheiligt waͤre.


So wichtig dieſer Einwurf allerdings, wenn er
einigermaßen bewieſen waͤre, ſeyn wuͤrde, ſo unbe-
deu-
[301] deutend, muß ich geſtehen, ſchien er mir doch bey
meinen vorigen Unterſuchungen, dadurch zu werden,
weil er ſegar keinen Beweis fuͤr ſich hatte, der zur
Widerlegung nur reitzen koͤnnte, der nicht ſchon in
ſich ſelbſt jedem denkenden und nicht ganz partheyt-
ſchen Mann ſich widerlegen muͤßte. Ich glaubte alſo
dieſen Vorwurf mit denen von Vergiftung der Brun-
nen und vom Schlachten der Chriſtenkinder auf gleiche
Weiſe behandeln, das heißt, ſeine Ungereimtheit
nicht zeigen zu duͤrfen. Dieſe, hoffte ich, wuͤrde
ſchon dadurch Jedem, der auch nicht tiefer in die
Sache eingehn wollte, einleuchtend werden, daß die
Obrigkeiten aller Staaten, in denen itzt Juden le-
ben, ſie zum Eide zulaſſen und nach demſelben er-
kennen, welches ſie doch, ohne die Rechte der uͤbri-
gen Buͤrger auf eine unverantwortliche Art zu ver-
letzen, nicht thun koͤnnten, waͤren ſie nicht von der
Falſchheit jenes Vorgebens uͤberzeugt.


Eiſenmenger iſt es, der dieſe ſchwarze Anſchuldigung
vorzuͤglich geltend gemacht und in den Umlauf gebracht
hat, in dem ſie ſich noch immer, gleich ſo mancher unge-
pruͤften Verlaͤumdung des einzelnen Menſchen oder
einer ganzen Nation, erhalten hat, und nun noch
mehr erhalten duͤrfte, da ſelbſt ein Michaelis, ſo
ſehr er auch ſonſt Eiſenmongern Gerechtigkeit wie-
derfah-
[302] derfahren laͤßt, doch dieſer Anklage deſſelben beyzu-
ſtimmen ſcheint. Eine ſo wichtige Autoritaͤt legt mit
die Verbindlichkeit auf, zu zeigen, daß Eiſenmen-
ger
auch gerade in dieſem Puncte ſich ganz als Ei-
ſenmenger
zeige. Ich hatte gehoft, daß Jeder, der
ſein hieher gehoͤriges Capitel mit einiger Aufmerk-
ſamkeit leſen wuͤrde, dieſes von ſelbſt fuͤhlen muͤßte
und nie haͤtte ich geglaubt, daß einem Michaelis
die Schwaͤche der angefuͤhrten Beweiſe entgehen
koͤnnte. Es iſt mir dieſes um ſo mehr befremdend,
da dieſe Schwaͤche ſchon von mehrern wuͤrdigen
Maͤnnern, ſowohl Rechtsgelehrten, als der neuern
juͤdiſchen Religionslehren vorzuͤglich kundigen Orien-
taliſten mit ganz uͤberzeugender Gruͤndlichkeit darge-
ſtellt worden, von denen ich unter den erſten nur ei-
nen Stryck*), Wolfart**) und Heisler***),
anfuͤh-
[303] anfuͤhren will, daher ich um ſo mehr eine ſchon
gethane Arbeit noch einmal zu thun uͤberfluͤßig halten
mußte.


Ich geſtehe, daß ich auch noch einen gewiſſer-
maßen ſittlichen Grund hatte, der mich geneigter
machte, dieſen Vorwurf lieber mit Verachtung vor-
beyzugehen, als durch eine umſtaͤndliche Widerlegung
ihm eine Aufmerkſamkeit zu beweiſen, die theils un-
verdient war, theils auch, wie es mir ſchien, nach-
theilige Folgen hervorbringen konnte. Oeffentliche
Treue, Heiligkeit des feyerlich gegebnen Worts und
Zeugniſſes, — ſind fuͤr die buͤrgerliche Geſellſchaft
ſo wie fuͤr den ganzen ſittlichen Werth des Menſchen
ſo
***)
[304] ſo wichtig, daß ich immer ungern das gerade Gefuͤhl
des ehrlichen Mannes durch ſpitzfindige Eroͤrterun-
gen einer caſniſtiſchen Moral unterbrochen, und die-
ſe Angelegenhelt des Gewiſſens und Herzens zu dem
Gegenſtande einer ſophiſtiſchen Gruͤbeley herabgewuͤr-
diget ſehe. Eben dadurch hofte ich die Juden gegen
eine ſo ſchaͤndliche Anklage am beſten zu retten, und
bey denen unter ihnen, die etwa meine Schrift leſen
moͤchten, das ſittliche Gefuͤhl und den Werth, den
ſie auf ſich ſelbſt ſetzen muͤßten, zu beleben, — wenn
ich ſie hier, nicht vertheidigte.


Alle dieſe Betrachtungen werden indeß durch die
itzige Ernenerung eines ſo wichtigen Vorwurfs uͤber-
wogen. Denn allerdings koͤnnen die Juden nie beſ-
ſere Menſchen und Buͤrger werden, wenn ſie die
Heiligkeit des in unſerer Geſellſchaft nun einmal
unentbehrlich geglaubten Eides nicht anerkennen und
uns doch durch deſſen Schein betruͤgen, wenn es ih-
nen religioͤſe Vorſchrift iſt, den Staat, der ſie ſchuͤtzt,
den Mitbuͤrger, deſſen Leben, Ehre und Eigenthum
von ihrem beſchwornen Worte abhangen kann, durch
die feyerlichſten Anrufungen der Gottheit zu hinter-
gehn. Weg denn mit dieſen Unmenſchen, und wenn
ſie noch ſo gute Soldaten werden, noch ſo viel Geld
in die Caſſen unſerer Fuͤrſten liefern koͤnnten! Sie
ſpotten
[305] ſpotten der allgemeinen Gefuͤhle der Menſchheit,
zerreißen ihre feſteſten Bande, bereiten ſich einen
ſchaͤndlichen Gewinn aus der verhoͤhnten Tugend ih-
rer Bruͤder! Weg mit ihnen auf irgend eine wuͤſte In-
ſel, damit ſie ſelbſt in ihrem Verbrechen ſich aufreiben
oder durch die bitterſte Erfahrung um gebildet werden.


So gewiß ich dieſem Verbannungen theil beyſtim-
men wuͤrde, wenn jenes Vorgeben gerechrfertigt wer-
den koͤnnte, ſo natuͤrlich wird man auch hier die
Waͤrme finden, mit der ich gegen dieſe Anklage eine
ungluͤckliche Nation vertheydigen werde. Sicher
aber ſoll dieſe Waͤrme der Ruhe der Unterſuchung
nicht nachtheilig werden. Hat der bisherige Gang
derſelben einigen Eindruck bey dem Leſer hinterlaſſen,
ſo muß er ihn von meinem Streben nach Unparthey-
lichkeit fuͤr jede Gattung von Menſchen, ſobald es
auf Wahrheit ankoͤmmt, uͤberzeugt haben, und ſo
muß er mir es zutrauen, daß ich in einer ſo intereſ-
ſanten Sache nicht als Apologet mich zeigen wuͤrde,
wenn ich nicht nach einer reifen Pruͤfung mich dazu
verpflichter glaubte.


Ehe ich die Beweiſt dieſer Beſchuldigung ſelbſt
naͤher auseinander lege, koͤmmt es zuvoͤrderſt auf ihre
genauere Beſtimmung an. Nicht davon naͤmlich iſt
die Frage, daß es unter den Juden viele unmorali-
Uſche
[306] ſche Menſchen gebe, die ſehr leichtſinnig uͤber den
Eyd denken, und die wirklich ſich des Meyneyds oft
ſchuldig machen. Es giebt deren gewiß nicht wenige
unter den Juden, ſo wie unter den Chriſten, und
iſt, ſo wie die ganze Verderbtheit der erſten, bey
beyden eine Folge theils der politiſchen Verfaſſung,
theils der mangelhaften ſittlichen Erziehung, deren
der groͤßere Theil der Beſchnittenen und Unbeſchnit-
tenen genießt. Eine Haupturſache dieſes gewiß groſ-
ſen politiſchen Uebels iſt unſtreitig die ungluͤckliche
Vervielfaͤltigung der Eyde; die unſchickliche Fode-
rung derſelben in Faͤllen, wo ein Zeugniß nicht ab-
gelegt, eine Pflicht nicht geleiſtet werden kann, und
doch beſchworen werden muß; endlich die der Feyer-
lichkeit dieſer Handlung ſo wenig angemeſſene Art
der Abnahme *). Ob dieſe Gruͤnde bey den Juden
eine
[307] eine groͤßere Geringſchaͤtzung der Eyde als bey den
Chriſten hervorbringen? kann ich nicht beurtheilen,
und ohne genaue ſchwer zu machende Erfahrungen
(ohne die man indeß in mehrern Dingen der Art nicht
urtheilen ſollte) laͤßt ſich hierinn wohl kein Verhaͤlt-
niß beſtimmen. Von einer Seite koͤnnten die un-
zaͤhligen, in hundert Faͤllen nicht genau zu beobach-
tenden, Dienſteyde bey den Chriſten, von der andern
die verhaͤltnißmaͤßig noch mangelhaftere moraliſche
und religioͤſe Bildung der Juden, ſtaͤrker wirken.
Auch ſchon der Umſtand, daß man in gewiſſe Faͤl-
len die letztern zum Eyde in einigen Laͤndern nicht
U 2zu-
*)
[308] zulaͤßt *), koͤnnte ſie in Abſicht derer, welche die Ge-
richte ihnen verſtatten, weniger gewiſſenhaft machen.
Zu wiſſen, daß man in manchen Faͤllen fuͤr einen
ſchlechten Menſchen gehalten werde, hat oft die Fol-
ge, einen ohnedem Schwankenden wirklich ſchlecht zu
machen; die Tugend, die man uns oft nicht zutrauet,
ver-
[309] verliehrt ſich am erſten, weil noch mehr Staͤrke da-
zu gehoͤrt, rechtſchaffen zu ſeyn, wenn alle Welt, die
uns umgiebt, uns fuͤr Nichtswuͤrdige haͤlt und
als ſolche behandelt. Ich will alſo zugeben,
daß unter den Juden der Eyd verhaͤltnißmaͤßig noch
mehr als unter den Chriſten gering geſchaͤtzet werde;
ich will ſogar einen Schritt weiter gehen und es auch
als eine bewieſene Wahrheit einmal annehmen, daß
es unter dem Poͤbel der Juden manche gebe, die
zwar den Meyneyd an ſich fuͤr ein großes Verbre-
chen, aber nicht ſo in Abſicht der Chriſten halten.
Gewiß giebt es auch unter dem Poͤbel der letztern da-
gegen wider eben ſo viele, die einen zum Schaden
U 3eines
*)
[310] eines Hebraͤers abgelegten falſchen Eyd, ſo wie eine
an dieſem veruͤbte Betruͤgerey, wenn auch nicht ge-
radezu erlaubt, doch eben auch kein grobes Verbre-
chen glauben. Was iſt bey dieſer ungluͤcklichen Fol-
ge der gegenſeitigen Verbitterung zu thun, die Men-
ſchen von Menſchen losreißt, Treue und Redlichkeit
aufhebt? — Nichts anders, als beyde Claſſen von
Menſchen durch Unterricht zu beſſern, durch gerech-
tere Behandlung der bisher gedruͤckten ſie einander
zu naͤhern, mit der Strenge der Geſetze jeden Betrug,
er ſey begangen an wem er wolle, zu ahnden, und
es der Zeit und guten Anſtalten zu uͤberlaſſen, daß
ſo ſchaͤdliche Vorurtheile nach und nach ſich ab-
ſchleifen.


Dieſe noch itzt unter den Juden ſich fortſchleichen-
de ſchlechte Grundſaͤtze in Abſicht der Eyde beweiſen
nichts, als was nur ſchon zu ſehr bewieſen iſt, daß
dieſe Nation durch die druͤckende Lage in der ſie ſich ſo
lange befunden, ſittlich herabgewuͤrdigt und verderbt
ſey. Aber da on iſt itzt die Rede nicht, es koͤmmt
hier allein auf Unterſuchung der Anklage an,
daß es bey den Juden ein durch ihre neuere
Religionslehre gebilligter Grundſatz ſey, vor
chriſtlichen Gerichten oder einem Chriſten
einen falſchen Eyd ſchwoͤren zu duͤrfen.

Man
[311] Man kann noch itzt keine andere Beweiſe dieſer Be-
ſchuldigung vorbringen, als die, welche Eiſenmen-
ger
umſtaͤndlich und mit Anfuͤhrung aller hieher ge-
hoͤriger Stellen ſowohl aus rabbiniſchen als den feind-
ſeeligen Schriften juͤdiſcher Ueberlaͤufer, ausgefuͤhrt
hat *). So viel ich weiß, hat kein neuerer Schrift-
ſeller dieſen Gruͤnden noch andere bengefuͤgt und ge-
noͤhulich hat man ſich, wie auch Hr. Michaelis
thut, begnuͤgt, nur in allgemeinen Ausdruͤcken die
durch das Vorurtheil gerechtfertigte Bedenklichkeiten
und das Haͤckliche bey den Juden-Eyden, mit Be-
ziehung auf Eiſenmengern, zu bemerken **). Ich
werde alſo dieß Vorurtheil in ſeiner Quelle angegrif-
fen, und wenigſtens, bis beſſere Beweiſe beygebracht
werden, es entkraͤftet haben, wenn ich Eiſenmen-
gers
Gruͤnde in ihrer ganzen Staͤrke darſtelle und
zeige, daß ſie eine unpartheyiſche Pruͤfung nicht aus-
halten.


U 4Dieſer
[312]

Dieſer Schriftſteller fuͤhrt zuerſt zwey Gruͤnde
an, die von abgefallenen Juden als ſehr wichtig vor
geſtellt worden, die er aber ſelbſt mit einer bey ſeiner
durchaus polemiſchen Abſicht wirklich ſeltenen Unpar-
theylichkeit, als offenbar grimdlos darſtellt.


1) Die Juden haben ein gewiſſes Gebet,
von ſeinen Anfangsworten: Cobniddre, genannt,
das ſie am großen Verſoͤhnungstage in der Sy-
nagoge abſingen, und durch welches alle fal-
ſche Geluͤbde und Schwuͤre
(die, nach einiger
M [...]ynung, von ihnen im abgelaufenen Jahre ge-
ſchworen ſind, oder gar, wie Andre behaupten, die
ſie im bevorſtehenden Jahre noch ſchwoͤren wollen)
ihnen erlaſſe und gaͤnzlich aufgehoben werden.
Es ſind bloß abgefallene Juden, welche ihren verlaſ-
ſenen Bruͤdern dieſen ſchaͤndlichen Vorwurf machen,
und entſcheidend behaupten, daß die Juden im Ver-
trau [...]n auf dieſe Loͤſung ihrer Eyde, ſich kein Beden-
ken machen die feyerlichſten, die man verlangt ab-
zuſchwoͤren. „Und wenn,“ druͤck der von Eiſen-
m [...]nger
citirte Verfaſſer des feurigen Drachen-
gifts und wuͤtigen Otterngalls
ſich aus, „der
„Teufel ſelbſt mit dem ganzen hoͤlliſchen Heere leib-
„haftig dabey ſtuͤnde, ſo fuͤrchten ſie ſich doch im Ver-
„trauen auf Col niddre nicht dafuͤr.“ Vorzuͤglich
aber
[313] aber ſoll dieſes Gebet die Kraft haben, ſie von allen
Eyden loszuſprechen, die ſie den Chriſten ein ganzes
Jahr durch gethan haben, obgleich in demſelben der
Chriſten gar nicht beſonders erwaͤhnt wird.


2) Auch außer dieſem allgemeinen Entbin-
dungstage kann auch Jeder, den eines getha-
nen Geluͤbdes oder Eydes gereuet, von einem
Rabbinen oder wenn dieſer nicht zu haben iſt,
von drey gemeinen Maͤnnern, deſſen entbun-
den werden, welches denn auch vorzuͤglich in
Abſicht der fuͤr Chriſten und deren Gerichten
abgelegten Eyde genutzt wird
.


Beyde Einwuͤrfe werden durch einen Grund ent-
kraͤftet, den Eiſenmenger redlich beybringt und mit
den ausdruͤcklichſten Stellen der bewaͤhrteſten Rab-
binen belegt. Allerdings hat es ſeine Richtigkeit,
daß der Jude am großen Verſoͤhnungstage oder auch
ſonſt durch einen Rabbinen oder drey redliche Maͤn-
ner unter gewiſſen Umſtaͤnden und bey bezeugter
Reue entbunden und befreyet werden koͤnne — von
Geluͤbden und allen Arten von Schwuͤren,
durch welche er bloß ſich ſelbſt zu irgend etwas
verbundenhat
, (nach 4 B. Moſe XXX, 3. ein Ge-
luͤbde oder ein Eyd, durch welchen einer ſeine
eigne Seele verbindet) aber durchaus nicht

U 5von
[314]von denen, welche ihn gegen irgend einen
dritten verpflichten, nicht von Eyden, bey de-
nen irgend fremde Rechte und Vortheil inte-
reßirt ſind, ſie moͤgen nun vor Gerichte oder
außer demſelben abgelegt ſeyn
.


Dieſe natuͤrliche auf dem Wortverſtande und dem
Anſehn der groͤßten juͤdiſchen Lehrer beruhende Erklaͤ-
rung iſt der geſunden Vernunft, und dem natuͤrli-
chem Gefuͤhl von Recht und Billigkeit gemaͤß. Da
Moſes die Geluͤbde nicht eingefuͤhrt hatte, ſondern
nur, weil er ſie ſchon im Herkommen fand, duldete,
wie Hr. Michaelis richtig bemerkt *), ſo ſorgte er
vorzuͤglich daͤfuͤr, daß unvorſichtig eingegangene, dem
Gelobenden unmoͤgliche, wenigſtens im hohem Grade
beſchwerliche **), oder gar ihm und Andern nachtheilige
Geluͤbde wieder aufgehoben und der, welcher dadurch
gefehlt hatte, gegen Gemiſſensunruhen geſichert wer-
den konnte. Die folgenden juͤdiſchen Lehrer ſind auf
dieſem Wege fortgegangen, und haben es auf eine
angeblich muͤndliche Tradition gegruͤndet, daß ſtatt
der
[315] der Prieſter, welche ehemals von Geluͤbden befreyen
konnten, dieſes itzt, da ſie nicht mehr exiſtiren, durch
Rabbinen oder auch drey rechtſchaffene Maͤnner ge-
ſchehen moͤge oder daß an dem allgemeinen Verſoͤh-
nungstage, auch die, durch uͤbereilte Geluͤbde,
durch leichtſinnige Erwaͤhnung des goͤttlichen Nah-
mens und im gemeinen Leben geſchehene Betheurun-
gen begangene Suͤnden, vergeben werden koͤnnten.
Dieß war bey einem Volcke, das einmal an Geluͤbde
gewoͤhnt iſt, eine ſehr nothwendige ſittliche und poli-
tiſche Vorſorge, und Hr. Michaelis ſcheint mir ſehr
buͤndig und ſcharfſinnig zu folgern, daß wo Geluͤbde
ſind, auch eine ſie unter gewiſſen Umſtaͤnden loͤſende
Macht ſeyn muͤſſe, und daß gerade, weil die natuͤr-
liche und proteſtantiſche Religion eine ſolche Macht *)
nicht kennt, auch nach ihnen uͤberall keine Verbind-
lichkeit der Geluͤbde ſtatt finde, weil ohne jene Be-
dingung der Mißbrauch und Nachtheil zu groß und
unvermeidlich ſeyn wuͤrde.


Aber wirkliche vor oder außer Gericht zum Vor-
theil oder Schaden Anderer abgelegte Eyde, jaͤhr-
lich
[316] lich an einem Tage oder auch außerdem nach dem
Gutfinden einzelner Menſchen unverbindlich er-
klaͤren
— dieß waͤre eine Ungereimtheit, bey der
keine menſchliche Geſellſchaft beſtehn koͤnnte, die ſelbſt
das menſchliche Gefuͤhl derer, denen ſie eine ſo ge-
meinſchaͤdliche Freyheit ertheilte, empoͤren muͤßte, —
eine Ungereimtheit alſo, die man ohne die unumſtoͤß-
lichſten Beweiſe denen nicht zutrauen muß, welche
ſonſt Menſchenverſtand und Gefuͤhl fuͤr Recht und
Billigkeit beweiſen. Offenbar haͤtten die Rabbinen
durch ihr Col niddre und ihre Diſpenſations-Faͤhig-
keit dieſe verletzt, wenn bey demſelben von einer Auf-
hebung der Eydſchwuͤre die Rede waͤre. Denn da
weder in dem Gebet des Verſoͤhnungstages, noch in
der Verordnung wegen der rabbiniſchen Geluͤbden-
befreyung, irgend eines Unterſchiedes zwiſchen Ju-
den und Nicht-Juden erwaͤhnt wird, ſo folgt, daß
jeder Hebraͤer von jedem Eyde, auch ſeinem Glau-
bensgenoſſen abgelegt, von einem Rabbinen oder an
deſſen ſtatt von drey Maͤnnern ſeiner Nation be-
freyet werden koͤnne, — ja es folgt, daß die ſaͤmt-
lichen im verwichnen Jahre abgelegten oder gar im
kuͤnftigen noch abzulegenden Eyde aller Juden, ſo
viel ihrer am Verſoͤhnungstage in der Synagoge das
Col niddre abſingen, ohne ihr Verlangen fuͤr null
und
[317] und nichtig erklaͤrt werden. — Darf es mehr, als
dieſe Ungereimtheit zu hoͤren, um ſie fuͤr das, was
ſie iſt, zu erkennen? Und habe ich Unrecht gehabt,
Anklagen wie dieſe, in unſern Zeiten und fuͤr Regie-
rungen, welche die Juden taͤglich Eyde ſchwoͤren,
und doch ihren Verſoͤhnungstag feyern laßen, nicht
widerlegen zu wollen?


Zum Gluͤck kann ich indeß fuͤr die, welche auch
Sachen, die ſich von ſelbſt verſtehen, doch gern mit
Autoritaͤten belegt ſehn, noch mit den ausdruͤcklich-
ſten Stellen der Rabbinen beweiſen, daß ihnen Un-
ſinn wie dieſer, nie in den Sinn gekommen iſt.
Der groͤßte Lehrer der Juden, Moſes Maimoni-
des
, ein Mann der gewiß unter die ſcharfſinnigſten
und erſten Menſchen nicht nur ſeiner, ſondern
aller Zeiten
gehoͤrt, theilt alle Eyde in vier Claſſen *)


  • 1) Juramentum futile ſeu temerarium.
  • 2) Juramentum vanum.
  • 3) Juramentum Depoſiti.
  • 4) Juramentum Teſtimonii.

Die beyden letztern erlaͤren ſich durch ihren Nahmen.
Unter der erſten Gattung werden alle Arten von un-
nuͤtzen Betheurungen, Mißbrauch des goͤttlichen Nah-
mens
[318] mens und was auch wir im uneigentlichen Sinn
Schwur nennen, verſtanden; unter der zweyten,
eydliche Verſicherungen von Sachen, deren Seyn
oder Nichtſeyn Jedermann weiß und die keiner Ver-
ſicherung beduͤrfen, z. E. daß zwey zwey ſey, — oder
auch beſchworne Vorſaͤtze von Verbrechen und ver-
botenen Handlungen. Nur dieſe beyden letztern Gat-
tungen uneigentlicher und ſchon an ſich unerlaubter
Eyde koͤnnen, wie Maimonides ausdruͤcklich lehret,
wider aufgehoben oder vielmehr ihre Suͤnde kann
vergeben werden; nicht aber die beyden erſten, non
adeo,
ſind ſeine Worte, \& judiciale aut quod jura-
mentum depoſiti vel teſtimonii nuncupant, quorum nulla
datur reiaxatia.
Ich will dieſer ſchon allein entſchei-
denden Stelle, noch einige von Eiſenmengern aus
den beruͤhmteſten juͤdiſchen Geſetzlehre[r]n angefuͤhrte,
fuͤr die, welchen ſein Werk nicht zur Hand iſt, unter
den Text ſetzen *). Nach ihnen kann nun uͤber dieſe
Sache
[319] Sache kein weiterer Zweifel mehr ſeyn, und faſt un-
nuͤtz
*)
[320] nuͤtz iſt es noch anzufuͤhren, daß auch ſchon im vori-
gen
*)
[321] gen Jahrhundert die gelehrteſten Kenner der neuern
juͤdiſchen Lehre unter den Chriſten, als Mieg*),
Buxtorff**), Wuͤlffer***) und andere dieſelbe
immer aus dem richtigen Geſichtspunkte angeſehen
haben.


Auch Eiſenmenger kann dieſer zu hellen Wahr-
heit nicht widerſtehen, er erkennt, daß jene Beſchul-
digung
*)
X
[322] digung abgefallener Juden, (von denen allein ſie ſich
herſchreibt) durchaus grundlos ſey, und daß die von
ihm angefuͤhrte ſie widerlegende Rabbinen, nach ſei-
nem Ausdruck, die lautere Wahrheit ſchreiben, —
aber kein Wort entfaͤllt ihm, wie ſolche Nichtswuͤr-
dige es verdienten, die bloß in der Abſicht, ihre ehe-
malige Glaubensgenoſſen verhaßt zu machen, ſolche
grobe Unwahrheit, wider ihr beſſeres Wiſſen erdich-
ten konnten; kein Wort, das ſeinen Unwillen ge-
gen dieſe Verlaͤumder, ſein hierauf gegruͤndetes billi-
ges Mißtrauen auch in andern Faͤllen andentete.
Dieſe unedle Partheylichkeit iſt es, die mir die-
ſen Schriftſteller auch dann, wenn er Recht hat,
ſo widerlich macht *).


Er
[323]

Er glaubt indeß noch andre Gruͤnde zu ſehen,
welche die Unverbindlichkeit juͤdiſcher Eyde in Abſicht
der Chriſten, beſſer wie die widerlegten, erhaͤrten
ſollen. Es ſind folgende:


1) „Die eigne Klage der Rabbinen uͤber den
„Leichtſinn ihrer Nation bey Eyden und die
„Menge derer, welche ſich des Meyneydes
„ſchuldig machen
„ eine Klage, die gerade das
richtige moraliſche Gefuͤhl und den redlichen Ernſt
dieſer Rabbinen und derer, welche nach dem Geſetze
leben, beweiſet, die von chriſtlichen Theologen und
Moraliſten gewiß mit eben ſo gutem Grunde gefuͤhrt
wird, alſo wenn ſie beweiſen ſollte, was Eiſen-
menger
hier bewieſen haben will, auch dem Chri-
ſtenthum den Vorwurf, daß es den Meyneyd erlau-
be, mit gleichem Rechte zuziehen muͤßte; man
fuͤhlt die Ungereimtheit einer Anklage am beßten,
wenn ſie auch gegen uns ſelbſt gerichtet iſt. Ich wer-
de alſo wohl nach dem, was ich oben zu genauer Be-
ſtimmung der Streitfrage geſagt habe, hieruͤber
nichts weiter hinzuſetzen duͤrfen.


X 22) Es

[324]

2) „Es giebt ein Buch, Sepher Cheſidim, worinn
„ſteht: daß vier Suͤnden nicht ungeſtraft blei-
„ben, wenn man aber Buße thue, werde man
„doch in dieſer Weit fuͤr dieſelbe geſtraft, dage-
„gen aber von der Strafe der Hoͤlle befreyet
.“ Ich
kenne das Buch Sepher Cheſidim nicht, weiß auch
nicht, in welchem Anſehnes bey den itzigen Juden ſtehe,
welchen practiſchen Einfluß es auf ſie haben koͤnne?
Eiſennienger ſelbſt ſagt, daß ſich viel gute Dinge
darinn finden, und wenn das Angefuͤhrte eine Pro-
be des Boͤſen drinn ſeyn ſoll, ſo duͤnkt mich, duͤrfte
es eben nicht ſo verwerflich ſeyn, wenigſtens werden
wir von ihm keine Befoͤrderung unmoraliſcher Grund-
ſaͤtze zu beſorgen haben. Der Glaube, daß der
Meyneyd auch im Fall der Buße, doch zeitlich
beſtraft
werde, (ein allerdings auch im moſaiſchen
Geſetz gegruͤndeter Glaube) wird auch den roheſten
Menſchen nicht leichtſinniger machen, als er ohne-
dem iſt, vielmehr ein gerade fuͤr ihn am meiſten paſ-
ſender Abhaltungsgrund ſeyn, und ſo viel wirken,
als es nach dem ganzen uͤbrigen Umfange ſeiner Er-
kenntniß moͤglich iſt. Wehe dem Menſchen, den nichts
als ewige Hoͤllenſtrafe von einem ſo ſchaͤndlichen
Verbrechen abhalten kann! Schwerlich wird auch
dieſe den Elenden ſchrecken, wenn die, auch im Fall
der
[325] der Buße, doch gewiſſe, zeitliche goͤttliche Strafe
es nicht kann. Gerade dieſe Lehre hat bey den aͤltern
Voͤlkern *) und beſonders auch bey den Juden (bey wel-
chen nach dem moſaiſchen Geſetze der Meyneydige gar
keine buͤrgerliche, aber die ohufehlbare goͤttliche Ahn-
dung zu befuͤrchten hatte **) die Heiligkeit des Eydes
befoͤrdert. Auch unter dem chriſtlichen gemeinen
Mann herrſcht der Glaube, daß der Meynend auch
noch in dieſem Leben, vorzuͤglich vor andern Laſtern,
von der Gottheit ſichtbar beſtraft werde. Und ſollte
dieſer Glaube nicht auf eine wohlthaͤtige Art zu dem
Abſcheu mitwirken, der wenigſtens unter dem Land-
volk und in kleinen Staͤdten ſich Gottlob! noch er-
halten hat. Gewiß wird er wenigſtens dieſen Ab-
ſcheu nicht mindern und die Hofnung der Erlaſſung
dieſes Verbrechens in einem kuͤnftigen Leben, die der
Chriſt mit dem Juden gemein hat — kann bey eini-
gem vernuͤnftigen Unterricht dieſe Folge unmoͤglich
haben, wie ich ſogleich noch naͤher zu zeigen hoffe.


3) „Am Verſoͤhnungtage werden den Ju-
„den, nach ihrer Lehre, alle, auch die ſchwer-
„ſten Suͤnden erlaſſen und ſie wieder ganz en-
„gelrein gemacht; alſo wird hier auch
, ſchließt
Eiſenmenger, „der falſche Eyd, alſo auch beſon-
X 3„ders
[326]„ders der einem Chriſten geſchworne, erlaſſen.“
Dieſer Grund ſcheint noch weit mehr zu beweiſen,
als hier bewieſen werden ſoll. Wenn am Verſoͤh-
nungstage alle Suͤnden ohne Ausnahme vergeben
worden; wenn die Juden im Vertrauen auf dieſe
Vergebung, ſie zu begehen wagen: ſo iſt dieß uͤber-
haupt ein Grund, der ihre ſittliche Beſſerung zuruͤck-
halten muß, ſo iſt man berechtigt, jedes Laſter von
ihnen zu erwarten.


So ganz unrecht iſt nun freylich wohl dieſe Folge
in dem eben angegebenem allgemeinern Sinn nicht
abgezogen. Allerdings iſt die Lehre von der Ver-
gebung der Suͤnden
und der durch gewiſſe Heil-
mittel urploͤtzlich zu bewirkenden Seelen-Reinigkeit
und Gewisheit der ewigen Seeligkeit, in der juͤdi-
ſchen und wohl noch mehr in der chriſtlichen Theolo-
gie oft ſo vorgeſtellt worden, daß ſie den geſunden
Menſchenverſtand und das gerade Gefuͤhl von Recht
und Unrecht irre fuͤhren, auf die Moralitaͤt des ge-
meinen Mannes einen ſchaͤdlichen Einfluß beweiſen
und ſeine ohnedem wenig entwickelte Begriffe von
dem, was eigentlich in dieſem und einem andern
Leben ihn gluͤcklich machen koͤnne, noch mehr
verwirren muͤſſen. Die leyder nur noch immer zu
ſehr herrſchende Lehre von der alleinſeeligmachenden
Kraft
[327] Kraft eines gewiſſen Glaubens, eines fremden
uns angerechneten Verdienſts
, von der Entbehr-
lichkeit, Schaͤdlichkeit
ſogar der guten Werke;
die vermeynte Leichtigkeit auch fuͤr den verworfenſten
Menſchen durch Beobachtung gewiſſer religioͤſen Cere-
monien und die an Gottes ſtatt erhaltene Suͤnden-
vergebung, der ewigen Seeligkeit und des Wohlge-
fallens der Gottheit unendlich verſicherter zu werden,
als den tugendhafteſten Heyden es moͤglich war, de-
nen dieſe ſogenannte Gnadenmittel abgiengen; die
noch groͤßere Leichtigkeit in der zahlreichſten chriſtli-
chen Kirche, durch erkauften Ablaß allen Folgen
des Laſters, auch ſelbſt noch des kuͤnftig zu begehen-
den, ſicher auszuweichen: — dieſe Lehren haben
allerdings die ſonſt ſo natuͤrlichen Begriffe von Mo-
ralitaͤt und Gluͤckſeeligkeit ſehr verwirret; haben oft
Menſchen bis zu einem unglaublichen Grade von
Verderbtheit geleitet, ſie zu Laſtern gereitzt, weil
ſie die Mittel ſich von ihnen zu reinigen noch, ehe
ſie begangen waren, darboten; haben, ſo undenkbar
es ſcheinen moͤchte, ſogar in proteſtantiſche Erbau-
ungsbuͤcher den Gedanken gebracht, „daß man um
„ein wahres Kind Gottes zu ſeyn, zuvor recht
„gottlos ſeyn muͤſſe;
“ ja ſie haben die moͤrderiſche
Hand der Verbrecher geleitet, die ſich ſelbſt der Ge-
X 4rechtig-
[328] rechtigkeit uͤberlieferten und ihr bekannten, daß ſie
nur allein dem Wunſch, recht gruͤndlich bekehrt zu
werden und ganz gewiß ſeelig zu ſterben, das Leben
eines unſchuldigen Mitmenſchen geopfert haͤtten.


So wie die Regierung (wenigſtens die Preußi-
ſche) um dieſe letztre Abſcheulichkeit zu hemmen, zu-
getreten und die ſo auffallend unſchickliche, prahleri-
ſche Bekehrung der Verbrecher
unterſagt hat;
ſo duͤnkt mich, iſt hier uͤberhaupt der Fall, wo der
Staat ſich um Religionslehren bekuͤmmern muß, die
ſo ſchaͤdliche moraliſche Folgen aͤußern. Freilich ver-
bieten kann er ſo tief eingewurzelte, ſo heilig geach-
tete Vorurtheile nicht, aber wohl durch den Unter-
richt der Jugend, richtigere Kenntniſſe von dem
Werth und den Folgen menſchlicher Handlungen
verbreiten, und dadurch wenigſtens die werdende
Generation vor dem Fortdauern ſo unnatuͤrlicher
Verwirrungen ſichern. Auch waͤre der Staat aller-
dings berechtiget, den Religionslehrern aller Par-
theyen eine weiſere und vorſichtigre Behandlung dieſer
Materien aufzugeben, und wenigſtens muß er die Wuͤr-
digen unter ihnen beguͤnſtigen, welche in proteſtanti-
ſchen und itzt auch in katholiſchen Laͤndern, jene Vor-
urtheile ſchon mit ſo gluͤcklichem Erfolg beſtritten und
die Menſchen wider zu der ſo einfachen, aber ſo wich-
tigen
[329] tigen Wahrheit: „daß ohne Tugend in dieſer und
„einer andern Welt keine Gluͤckſeeligkeit moͤglich ſey,“
zuruͤckzuleiten geſucht haben. Vorzuͤglich ſcheint es,
koͤnnte ohne die ganze theologiſche Lehre von Suͤn-
denvergebung zunaͤchſt angreiffen zu duͤrfen, dieſelbe
dadurch gereinigt werden, wenn nur immer die
wirkliche Beſſerung und der feſte Vorſatz nicht wie-
der die itzt erlaſſenen Suͤnden zu begehn, zu einer
nothwendigen und weſentlichen Bedingung dieſer Er-
laſſung gemacht wuͤrde.


In dem juͤdiſchen ſo wie in dem chriſtlichen Re-
ligionsſyſteme findet ſich dieſe Bedingung, aber ſie
iſt in dem erſtern vielleicht nicht ſo oft uͤberſehn und
ganz verkannt worden, als im letzterm, welches uͤber-
haupt die Lehre von der Suͤndenvergebung auf
eine fuͤr die Moralitaͤt ungleich ſchaͤdlichere Art aus-
gebildet hat, als es von den Lehrern der Juden je-
geſchehen iſt. Alle die vorhin bemerkte das gerade
Menſchengefuͤhl entweder empoͤrende oder verderbende
Saͤtze werden nur in den Schriften chriſtlicher Theo-
logen, nicht der Rabbinen gefunden. Dieſe kennen
keinen zu erkaufenden, eine wirkliche Beſſerung ent-
behrlich machenden Ablaß; keine durch Geld zu be-
wirkende, alſo nur den Reichen moͤgliche, Abkuͤr-
zung der reinigenden Strafen jenes Lebens; ihnen ſind
X 5die
[330] die guten Werke der Seeligkeit nie ſchaͤdlich gewe-
ſen; ſie haben nie einen Glauben gekannt, der die
Tugend entbehrlich machen koͤnnte; ſie ſind nicht
durch die Zurechnung des Verdienſtes eines Frem-
den
auf den Wahn gebracht, ſelbſt des Verdienſts
nicht zu beduͤrfen.


Nie iſt der juͤdiſche Lehrbegrif bis zu dieſem Gra-
de verderbt worden, zu dem der Eigennutz der Hie-
rarchie und die Hitze theologiſcher Streitigkeiten den
chriſtlichen herabgewuͤrdigt haben. Da die Juden
itzt keine Opfer mehr haben, und kein Bock mehr am
Verſoͤhnungstage ihre Suͤnden in die Wuͤſte weg-
traͤgt; ſo iſt, wie ihre Lehrer ausdruͤcklich ſagen, itzt
kein Mittel mehr fuͤr ſie, dieſer Suͤnden Vergebung
zu erhalten, als Buße. Die ganze erlaſſende Kraft
des Verſoͤhnungstages iſt nothwendig an dieſe Be-
dingung geknuͤpft, und auch die Erinnerung iſt nicht
vergeſſen, daß wer in der Hofnung einer kuͤnftigen
Vergebung ſuͤndige, eben dadurch ihrer verluſtig
werde. Bey dieſen Beſtimmungen ſcheint es mir
nicht, daß die juͤdiſche Lehre von der Suͤndenverge-
bung
einen nachtheiligen Einfluß in die Moralitaͤt
beweiſen duͤrfte, wenigſtens immer in geringerm
Maaße als die chriſtliche, wie ſie noch von ſo vielen
Lehrern dargeſtellt wird, beſorgen laßen muß. Ge-
wiß
[331] wiß aber hat man dabey nichts in Abſicht der Eyde
und beſonders der den Chriſten abgelegten, deren
mit keinem Unterſchiede erwaͤhnt wird, zu beſorgen,
da wie ſchon bemerkt iſt, auch ſogar die Buße den
Meyneydigen nicht von der goͤttlichen Strafe
in dieſem Leben, nach der Lehre des Juden,
befreyet
.


4) „Die Rabbinen lehren, daß ein Eyd, zu
„dem man gezwungen werde, nicht verbind-
„lich ſey, wenn man nur bey deſſen Ablegung
„den Worten einen andern Sinn gebe, als ſie
„ihrer gewoͤhnlichen Bedeutung nach haben.
„Hieraus folgt, daß die Juden alle Eyde, die
„ſie vor der chriſtlichen Obrigkeit ablegen, als
„Zwangeyde anſehn, und ſie alſo nicht erfuͤllen
„zu duͤrfen glauben
.“


Der Vorderſatz dieſes Grundes hat allerdings
ſeine Richtigkeit, aber durchaus nicht die Folgerung,
die Eiſenmenger aus ihm abgeleitet hat. Ich will,
damit man das Folgende beſſer verſtehen koͤnne, die
rabbiniſchen Stellen unter den Text ſetzen *), auf wel-
che es hier ankoͤmmt.


Nach
[332]

Nach denſelben wird es allerdings fuͤr erlaubt ge-
halten, einen durch Zwang abgedrungenen Eyd,
durch reſervationes mentales unverbindlich zu machen.
Es iſt bekannt, daß weder Moraliſten noch Rechts-
lehrer hieruͤber in allen Faͤllen einſtimmig entſcheiden,
und daß der gewoͤhnliche Volksglaube, der auch in
eine ſpruͤchwoͤrtliche Redensart uͤbergegangen, ſich
gegen die Verbindlichkeit des Zwangeydes erklaͤrt.
Der Talmud und die Rabbinen treten dieſer Erklaͤ-
rung bey, und es koͤmmt alſo nur darauf an, was
unter einem gezwungenen Eyde von ihnen verſtan-
den werde?


Nach

[333]

Nach dem Talmud, dem Majemonides, und
allen andern Rabbinen heißt auch ihnen gezwunge-
ner Eyd
nichts anders, als was er Jedem, der
dieſe Worte hoͤrt und nicht auf caſuiſtiſche Sophiſte-
reyen ausgeht, heißen muß, ein Eyd, den Jemand
uns durch Drohung oder wirklich angethane
Gewalt abdringt, ohne daß er irgend ein Recht

ihn
*)
[334]ihn uns abzufodern haͤtte; aber ein von der
Obrigkeit oder jedem andern dazu Berechtig-
ten, uns abgenommener Eyd
, kann nie als ein
gezwungener angeſehen werden. Auch die in der
Stelle des Schulchen Aruch, auf welche Eiſen-
menger
ſich bezieht, angefuͤhrte Beyſpiele, bewei-
ſen dieſes. Es iſt in derſelben von einem Moͤrder
oder einem Zoͤllner, der mit Unrecht einen Zoll
verlangt
, die Rede. Vorzuͤglich koͤmmt es auf das
Wort Anaſſ an, gegen den allein naͤmlich die Rab-
binen reſervationes mentales erlauben. Eiſenmenger
uͤberſetzt dieß einen Gewaltthaͤtigen, einen Zwang-
gebrauchenden. Es heißt aber Anaſſ
, wie mich
Hr. Moſes Mendelsſohn belehrt hat, ein Uſurpa-
tor,
ein Rechtsraͤuber, ein Menſch der ſich uͤber
mich gewaltſamer Weiſe ein Recht anmaßt, das ihm
nicht zukoͤmmt, ein Rebelle oder Straßenraͤuber,
Moͤrder, unbefugter Zoͤllner, Freybeuter u. d. gl.
wie dieſes alle Stellen, in denen dieſes Wort vor-
koͤmmt, erweiſen. Aber von einem befugten Rich-
ter oder irgend einer obrigkeitlichen Perſon wird es
nie gebraucht, und von einem Rechtshandel iſt nie
die Rede, wenn die Zwangfaͤlle beſtimmt werden,
unter denen reſervationes mentales geſtattet ſind.


Der ſo eben von mir genannte edle Mann glaubt, daß
nach
[335] nach genauer Vergleichung aller hieruͤber in den Rabbi-
nen vorkommenden conereten Faͤlle, in welchen ſie
ihren Unterricht vorgetragen, die allgemeinen Saͤtze,
auf die ſie reducirt werden muͤſſen, folgende ſind
die ich mit ſeinen Worten hieher ſetze:


1. „Eine Auſſage, die der innern Ueberzeugung
„widerſpricht, aber keines Andern Recht kraͤnket,
„heißt eine Unwahrheit.“


2. „Wird aber eines Andern Recht dadurch ge-
„kraͤnkt, ſo iſt es eine Luͤge.“


3. „Es iſt erlaubt, ſich einer Unwahrheit zu
„ſeinem Vortheil zu bedienen, aber nicht einer Luͤge;
„auch iſt nicht erlaubt, eine Unwahrheit zu be-
„ſchwoͤren
. Denn dieſes waͤre ein Misbrauch
„des goͤttlichen Nahmens
.“


4. „Wenn Jemand ſich gewaltſamer Weiſe das
„Recht anmaßt, mir ein Geſtaͤndniß abzufodern,
„das er zu meinem oder eines Andern Schaden mis-
„brauchen will; ſo bin ich verbunden die Wahrheit
„zu verſchweigen oder auch die Unwahrheit zu
„ſagen, und dieſe allenfalls durch ein Geluͤbde
„oder durch einen Eyd zu bekraͤftigen, dem ich im
„Herzen einen andern Sinn gebe. Es iſt zwarſonſt
„die allgemeine Regel der Rabbinen, daß Worte,
„die man bloß im Sinne hat, nicht als Worte

„anzu-
[336]„anzuſehen ſind; allein ein ſolcher Nothfall macht
„eine Ausnahme.“


5. „Zwingt man mich zu ſolchen Ausbruͤcken,
„denen ich keinen andern Sinn geben kann, ſo bin
„ich verbunden, die Wahrheit zu geſtehen und den
„Schaden, der daraus entſtehen, zu ertragen oder
„zu erſetzen.


6. „Iſt der Schade unerſetzlich, ſo kann ich den
„Rechtsraͤuber allenfalls durch einen falſchen Eyd
„hintergehen.


7. „Hat aber Jemand ein Recht, von mit ein
„Geſtaͤndniß zu verlangen, ſo wird jede Unwahr-
„heit
, deren ich mich bediene, zur Luͤge, jeder Eyd,
„bey dem ich die Worte in einem andern, als ge-
„woͤhnlichen Sinn nehme, zum Meyneyde.“


Nach dieſen Grundſaͤtzen kann alſo ein auch von
einem Chriſten mit Recht geforderter Eyd, fuͤr einen
Juden nie zu den Faͤllen *) gehoͤren, wo die Rab-
binen
[337] binen reſervationes mentales erlauben. Der Einwurf,
auf den es hier ankoͤmmt, wuͤrde alſo gleichfals ge-
hoben ſeyn und die Obrigkeit koͤnnte auf den End ei-
nes Juden ſich ſicher verlaſſen, der den Grundſaͤtzen
ſeines Geſetzes getren bliebe.


Indeß geſtehe ich gern, daß mir obige rab-
biniſche Beſtimmungen nicht ganz gefallen, und
daß ich ſie allerdings ſchaͤdlicher Folgen faͤhig
halte. Das reine Gefuͤhl fuͤr Aufrichtigkeit
und ſtrenge Wahrheit iſt zu wichtig, als daß es
nicht bedenklich ſeyn ſollte, es auf irgend eine Art zu
ſthwaͤchen, und dieſes ſcheint mir leicht moͤglich,
wenn man einmal die Menſchen an zu feine Diſtin-
ctionen und caſuiſtiſche Abtheilung der Faͤlle gewoͤhnt,
und es ihrem eignen Gewiſſen erlaubt, ſich zuwei-
len
*)
Y
[338] len von der Pflicht zu diſpenſiren — ganz redlich und
wahr zu ſeyn. Beſonders ſcheint mir die Befugniß, die
Worte in einem andern Sinn, als der, welcher ih-
nen trauet, ſie nimmt, nehmen, ſie bey ſich ſelbſt
durch heimlich zugedachte Worte vernichten
zu duͤrfen
, — immer fuͤr die moraliſche Wuͤrde zu
gefaͤhrlich, als daß ſie durch irgend einen Vorwand
gerechtfertigt werden koͤnnte. Ich vermuthe daß
die juͤdiſchen Lehrer dieſe Unterſcheidungen nicht ſo-
wohl erfunden, als da ſie einmal durch die ſchon herr-
ſchende Sittenverderbniß eingefuͤhrt waren, nur nach-
gegeben und um die Heiligkeit des Eydes deſto mehr
zu ſichern, ſo genau wie moͤglich beſtimmt haben.
Sie dachten vielleicht nicht daran, wie eben dieſe
Beſtimmungen dem Betrug und Eigennutz zu noch
mehrern Anleitung werden muͤßten und wie kein
Schade ſo groß ſey als der, die Menſchen zu Ver-
letzung der Wahrheit zu gewoͤhnen. Die Diſtinction
zwiſchen Luͤge und Unwahrheit iſt oft im wirk-
lichem Leben zu ſein, als daß nicht zuweilen im Ge-
draͤnge der Leidenſchaft dieſe Begriffe verwechſelt wer-
den ſollten; auch ein erſetzlicher Schade kann zu-
weilen als ein unerſetzlicher betrachtet werden;
und es koͤnnen ſich Faͤlle ergeben, wo wir auch eine
rechtmaͤßige Gewalt uns einen Eyd abzufodern,
der
[339] der fuͤr unſer Intereſſe wichtig iſt, nicht dafuͤr er-
kennen, und auch itzt mit Reſervationen, die eine
zu leichte Moral uns in einigen Faͤllen nachſieht,
unſer Gewiſſen zu beruhigen ſuchen. So pflegen
Menſchen zu handeln und ich zweifle nicht, daß dieſe
uͤble Folgen bey den Juden wirklich eingetreten ſind,
und daß dieſe, einmal an eigenmaͤchtige heimliche
Selbſtvernichtigung des gegebenen Worts gewoͤhnt,
dieſe auch da, wo ſie nicht ſolten, ſich geſtattet ha-
ben, dadurch uͤberhaupt zum Leichtſinn in Abſicht der
Eyde verleitet ſind *). Sehr natuͤrlich daß auch
Y 2Manche
[340] Manche die chriſtliche Obrigkeit fuͤr eine unrechtmaͤßi-
ge Gewalt angeſehen und auch gegen ſie die Reſer-
vationen ſich moͤgen erlaubt gehalten haben. Der na-
tuͤrliche Gang der menſchlichen Ideen und Empfin-
dungen, die ſchlechte ſittliche Bildung des groͤßern
Haufens der Juden; thre Erbitterung wider die ſie
druͤckende Chriſten, macht die Folgerung ſehr wahr-
ſcheinlich, und es kann Faͤlle gegeben haben, wo ſie
verzeihlich ſeyn mochte, weil es vielleicht nicht leicht
war, die chriſtliche peinigende Obrigkeit von einem
gewaltſamen Rechtsraͤuber zu unterſcheiden. Gewiß
haben die juͤdiſchen Lehrer dieſe Folgerung nicht vor-
aus geſehen, noch weniger ſie genehmiget; ihre Er-
klaͤrungen von der Heiligkeit des Eidſchwurs und von
dem jeder Obrigkeit ſchuldigen Gehorſam ſind hier-
uͤber zu deutlich. Aber da ſie doch natuͤrlich und faſt
unvermeidlich iſt, ſo duͤnkt mich, fodert die Wichtigkeit
der Sache, ſie ganz unmoͤglich zu machen.


Reſer-

[341]

Reſervationes mentales ſollten mit den Jeſititenalls
allen menſchlichen Geſellſchaften verbannt und durch-
aus in keinem Falle mehr geduldet ſeyn. Hier, ſcheint
es mir, muͤßte die Regierung zutreten und den juͤdi-
ſchen Lehrern begreiflich machen, wie nachtheilige
Folgen es haben koͤnne, wenn man den Menſchen
erlaube, ihre Worte zuweilen in einem andern Sinn
zu nehmen, als ſie von dem, welcher ſie von uns
verlangt, genommen werden koͤnnen, und wie ſie,
um die moraliſche Berderbtheit ihrer Nation zu ver-
huͤten, und ihre Treue nicht verdaͤchtig zu machen,
durchaus bey dem Satze, daß im Sinne behaltne
Worte nichts gelten
, in allen Faͤllen bleiben und
davon ſchlechterdings keine Ausnahme geſtatten und
lehren muͤſſen. Dieſe Ausnahme iſt auch in der That
ganz unnoͤthig; fuͤr die wenigen und in unſern Staa-
ten ſo ſeltenen Faͤlle, um derentwillen ſie erdacht wor-
den, iſt ſchon ſonſt durch die juͤdiſche Religion ge-
ſorgt worden, indem nach derſelben ein gezwun-
gener Eyd erlaßen werden kann. Dieſes iſt ohne
Zweifel ein weit unbedenklicheres Mittel weil
es hiernach nicht dem eignen Urtheil eines Jeden
uͤberlaſſen wird, einen ihm abgeforderten Eyd fuͤr
gezwungen zu halten, ſondern ein gewiſſenhafter
Lehrer entſcheidet. Noch beſſer aber wuͤrde der Aus-
Y 3weg
[342] weg ſeyn, wenn die Geſetzgebung, (wie dieſes auch
ſchon durch das roͤmiſche ſowohl als canoniſche Recht
wirklich geſchehen iſt) uͤberhaupt alle Eyde, zu denen
auch Juden von einer unrechtmaͤßigen Gewalt ge-
zwungen worden, fuͤr unverbindlich erklaͤrte, die Er-
kenntniß aber, ob in einzelnen Faͤllen wirklich
Zwang vorhanden geweſen oder nicht
? allein
der ordentlichen Obrinkeit, allenfalls mit Zuziehung
eines juͤdiſchen Religionslehrers, gehoͤrte, wenigſtens
dieſer niemals ohne vorhergegangenes obrigkeitliches
Urtheil einen Eyd aufheben duͤrfte. Hiedurch wuͤr-
den auf einmal alle reſervationes mentales ſchlechter-
dings unnoͤthig gemacht, die oͤffentliche Treue und
Heiligkeit des feyerlich gegebenen Worts blieben un-
geſchwaͤcht. Die Juden koͤnnten auch gegen eine
ſolche Verfuͤgung der Regierung nichts einwenden,
da ihre aus Noth nachgelaßene Befugniß ſich ſelbſt zu
diſpenſiren, hiedurch unnuͤtz gemacht und der Zweck,
einen Zwangeyd unverbindlich zu machen, weit ſiche-
rer und ohne Nachtheil fuͤr die Geſellſchaft und Mo-
ralitaͤt erreicht waͤre. Die Regierung wuͤrde alſo
mit Recht verlangen und auch darauf halten muͤſſen,
daß in den juͤdiſchen Schulen ohne Ausnahme alle
falſch Eyde fuͤr Meyneyde, alle Luͤgen und Reſer-
vationen fuͤr unerlaubt erklaͤrt wuͤrden und kein an-
der
[343] der Mittel von einem Zwangeyde befreyet zu werden,
uͤbrig bliebe, als eine von der Obrigkeit genehmigte
Diſpenſation des Religionslehrers.


Nur um nachtheilige Folgerungen zu verhindern,
wuͤrde dieſe Modiſication der juͤdiſchen Lehre vom
Eyde
noͤthig ſeyn, aber ich wiederhole es nochmals,
dieſe einhaͤlt auch itzt nichts, was einen dem Chriſten
abgelegten Eyd des Juden auf einige Weiſe unver-
bindlicher als einen andern machte. Haben einzelne
Juden ihn ſo angeſehn, ſo iſt es bloß Mißbrauch und
unrichtig abgeleitete Folgerung dieſer Lehre. Ich
glaube dieſes deutlich dargethan, und alle von
Eiſenmengern angefuͤhrte Gruͤnde auf eine je-
dem unpartheyiſchen Unterſucher vollkommen befrie-
digende Art widerlegt zu haben. Ich kann die-
ſem negativen Beweiſe, zu dem ich eigentlich
hier nur verbunden war, nun noch dieſes hinzu-
ſetzen, daß auch bey den bewaͤhrteſten Lehrern der Ju-
den ſich die ausdruͤcklichſten Stellen finden, worinn
ſie jeden falſchen Eyd, auch wenn er einem Goi oder
Nichtjuden abgelegt worden, fuͤr eine der haͤrteſten
Suͤnden halten, deren Beſtrafung, nach dem moſai-
ſchen Rechte, ſich die Gottheit ſelbſt, vorbehalten
und auch im Fall der Buße nicht erlaßen hat. Sie
pflegen ſich in Abſicht der bey den Goi gleich eintre-
Y 4tenden
[344] tenden Verbindlichkeit auf das Beyſpiel des Koͤnigs
Zedekia zu beruffen, der auf Anrathen des juͤdiſchen
großen Raths ſeinen dem heidniſchen Koͤnig Nebud-
cadnetzar geſchwornen Eyd brach und deshalb nach
der juͤdiſchen Geſchichte mit dem Untergange beſtraft
wurde. Ein allerdings paſſendes Nationalbeyſpiel!
Ich will einige von Eiſenmenger ſelbſt angefuͤhrte
rabbiniſche Stellen noch unter den Text ſetzen *): dieſe
in
[345] in Verbindung mit allen vorher angefuͤhrten Gruͤn-
den werden, wie ich hoffe, alle nur moͤgliche Zweifel-
ſo lange keine neue und ganz uͤberzeugende Gruͤnde
vorgebracht ſind, jedem vorurtheils-freyen Leſer ganz
befriedigend beantworten. Meinem Gefuͤhl nach
wenigſtens ſind die Begriffe uͤber dieſe Materie nu[r]
Y 5ſo
*)
[346] ſo deutlich einwickelt, als es ihre Natur erlaubt, und
ohne bisher voͤllig unbekannte Beweiſe vorzubringen,
wird kuͤnftig Niemand mehr in den Indeneyden
etwas Haͤckliches finden, oder Eiſenmengers An-
klagen in Abſicht dieſes Puncts von ſeinen uͤbrigen
vortheilhaft auszeichnen duͤrfen.



Hier
[347]

Hier breche ich dieſe Unterſuchungen ab, da die
wenige Muße abgerißener Stunden, welche ich den-
ſelben widmen koͤnnen, und der Wunſch meines
ſchaͤtzbaren Freundes, der dieſe Schrift verlegt, die-
ſen bereits angekuͤndigten Theil nicht zu ſpaͤt zu lie-
fern, mir nicht erlauben noch die letzte Hauptabthei-
lung, welche von verſchiednen Modificationen der
buͤrgerlichen und ſittlichen Umbildung der Juden
handeln wird, beyzufuͤgen. Nie haͤtte ich geglaubt
noch einmal einen zweyten Theil zu liefern als ich
den erſten herausgab, und itzt ſehe ich mich ſogar
zu einem dritten nicht ganz willig hingeleitet, der
indeß gewiß, ſo bald es mir moͤglich iſt, erſcheinen
ſoll, wenn ich anders einen fortdauernden Beyfall
des Publikums hoffen darf. Man wird die Mate-
rien, welche dieſem Theile vorbehalten ſind, ziemlich
nach dem vorausſehen koͤnnen, was ich von mir ge-
machten Einwuͤrfen noch unbeantwortet gelaßen ha-
be, und ich will nur anfuͤhren, daß die Unterſu-
chung der Feyertage, des Kirchenrechts und der
Autonomie der Juden vorzuͤglich unter denſelben
ihren Platz finden werden.


Nichts
[348]

Nichts wuͤrde mir angenehmer ſeyn, als durch
baldige mit Feſtigkeit fortgefuͤhrte practiſche Verſu-
che, die theoretiſchen Entwuͤrfe berichtiget, beſtaͤtigt
und entbehrlich gemacht zu ſehen.


Nach-
[349]

Nacherinnerungen
zu der Einleitung.


Waͤhrend des Abdrucks dieſer Schrift ſind zu den
in der Einleitung genannten Schriften einige andere
hinzugekommen, die ich hier noch kurz bemerken will.
Herr Canzleydirektor Diez (ein Mann, den ſchon
andere Schriften als freymuͤthigen Philoſophen und
denkenden Rechtsgelehrten auf eine ſehr vortheil-
hafte Art auszeichnen,) hat in einer leſenswuͤr-
digen kleinen Schrift (die zuerſt in den Berichten
der Buchhandlung der Gelehrten
3tes St.
1783, S. 320 f. und hernach auch beſonders *) ge-
druckt iſt) meinen Grundſaͤtzen auf eine mir ſehr
ſchaͤtzbare Art Beyfall gegeben, und auch noch mit
neuen Gruͤnden ſie zu verſtaͤrken geſucht. Er hat
beſonders die aus der Religion beſorgte Schwierig-
keiten heben wollen, „weil, wie er hinzuſetzt, ich
„dieſen Punkt mit gewiſſer Zuruͤckhaltung behan-
„delt habe, welche mir verboten, Alles zu ſagen,
„was ich gewußt haͤtte.“ Ich geſtehe, daß dieſe
Zuruͤckhaltung bey mir allerdings Grundſatz iſt,
nach
Z
[350] nach welchem ich glaube, daß ein Schriftſteller frey-
lich nicht Alles, was er weiß, ſondern jedesmal
nur das ſagen muß, was er zu einem beſtimm-
ten Zweck nuͤtzlich und wichtig haͤlt
. Hier-
nach habe ich uͤber dieſen und andere Punkte mit
gutem Bedacht gerade nicht mehr, noch weni-
ger
geſagt, als geſchehen iſt, und ich fuͤr denkende
Leſer, die Mittel-Ideen zuzuſetzen, klare Folge-
rungen abzuziehn wiſſen, (und nur fuͤr dieſe darf
der Schriftſteller ſorgen) noͤthig hielt. Eine andere
Zuruͤckhaltung als dieſe durch meinen Zweck be-
ſtimmte, habe ich nicht beobachtet, auch bekanntlich
in dem Staat, der meinen Freund und mich ein-
ſchließt, uͤber Materien der Art nicht beobachten
duͤrfen. Indeß hat Hr. Diez doch Recht gehabt,
daß ich zuweilen manchen Leſern zu Vieles ſelbſt zu
denken uͤberlaſſen, und mich nicht uͤberall vollſtaͤndig
und lichtvoll genug erklaͤrt habe. Da ich dieſes auch
aus andern Urtheilen gelernet, ſo habe ich nun die-
ſem Mangel abzuhelfen geſucht. Hrn. D. Gedan-
ken, in Abſicht des wichtigen Punkts, „daß man
„durchaus den Juden keinen Uebergang zu irgend
„einer andern religioͤſen Parthey auf einige Art vor-
„ſchreiben, oder auch nur ihn beguͤnſtigen, vielmehr
„von der eignen Verbeſſerung ihres Religionsſyſtems
„und deſſen Erhebung bis zu der reinen Vernunft-
„religion
[351] „religion das Meiſte erwarten muͤſſe,” ſtimmen
voͤllig mit den itzt von mir S. 172 ꝛc. geaͤuſſerten
uͤberein. Ich ſchmeichle mir, daß mein wuͤrdiger
Freund darinn eine unpartheyiſche Freymuͤthigkeit
nicht vermiſſen werde. Sie in einem Lande, wo
man darf, und bey einem Anlaß, wo es noͤthig iſt,
nicht bewieſen zu haben, wuͤrde mir, wenn er ver-
dient waͤre, der empfindlichſte aller Vorwuͤrfe ſeyn.
Aber ſchwer iſt es hier den Mittelweg zu finden und
nie von ihm auf die eine oder andere Seite abzu-
gleiten, die Grundſaͤtze auch der wuͤrdigſten und
aufgeklaͤrteſten Maͤnner ſind hierinn nicht gleich.
Ich ſtrebe darnach ihn zu treffen, und nach meiner
itzigen Einſicht glaube ich gerade ſo freymuͤthig ge-
weſen zu ſeyn, als es hier mein Zweck und die Ma-
terie foderten. — Ganz ſtimm ich Hrn. D. in
dem Wunſche bey, daß die Juden auch bald durch
ſich ſelbſt ſich beſſern und dadurch die gerechtere Be-
handlung, mit der freylich der Staat ihnen zuvor-
kommen ſollte, dieſem noch dringender abfodern
moͤgen; *) mit Ihm wuͤnſche ich, daß ſo viele den-
Z 2kende
[352] kende Maͤnner, die ſich itzt unter ihnen in einem
Verhaͤltniß, das man nicht vermuthen ſollte, wirk-
lich befinden, Spinoza, wohl verſtanden (wie
auch Hr. D. erinnert) nicht in ſeinem philoſo-
phiſchem Syſtem, ſondern in ſeiner Freyheit
zu denken
, zum Muſter nehmen moͤchten *).
Der bloß leidende Zuſtand, welchen dieſe Nation
ſeit ſo vielen Jahrhunderten ihren Unterdruͤckern ent-
gegengeſetzt hat, das ganz abgeſtumpfte Gefuͤhl fuͤr
eignes Elend, der Mangel aller Aufklaͤrung bey dem
großen
*)
[353] großen Haufen, ſind freylich, wie Hr. D. bemerkt,
ſonderbare, aber doch gewiß ſehr erklaͤrliche Erſchei-
nungen, wie ich oft erinnert habe, und Jedem die
Geſchichte dieſes Volks beweiſen muß.


Die Vorrede zu Manaſſe Ben Iſrael hat
Hrn. Moſes Mendelsſohn eine neue Aufforde-
rung *) zugezogen, die zwar, nach meinem Gefuͤhle,
ſowohl buͤndiger als anſtaͤndiger und ſchicklicher, wie
ehemals die Lavateriſche abgefaßt iſt und zu der
wenigſtens eine ungleich natuͤrlichere Veranlaſſung
gegeben war, die indeß Niemand ganz billigen wird,
der es fuͤr unrecht haͤlt, durch Folgerungen, die man
aus geaͤuſſerten Grundſaͤtzen zieht, einen Schrift-
ſteller in Verlegenheit zu ſetzen und ihm Erklaͤrun-
gen, ſogar Beſtreitungen abzudringen, denen er ohne
Zweifel aus guten Gruͤnden auszuweichen ſuchte.
Kaum wird indeß der Freund wichtiger Wahrheit
eine auch allenfalls zudringliche Aufforderung tadeln
koͤnnen, die uns ein ſo herrliches Meiſterſtuͤck **) be-
wirkt hat, das ich gewiß keinem meiner Leſer mehr
Z 3bekannt
[354] bekannt machen darf. Immer wird es mir ein an-
genehmer Gedanke ſeyn, die erſte Veranlaſſung zu
einer Schrift gegeben zu haben, in der ſo viele vor-
trefliche Ideen, ſo reicher Stoff zum Denken und
weitern Unterſuchungen, ſo viele lichtvolle Auf-
klaͤrung und ſo viel edle Geſinnung, mit ſo viel Geiſt
und Verſtande geordnet da liegen. Moͤchte nur das
Licht dieſer Wahrheit bald auch auſſer den Kreiſen
ſpeculirender Gelehrten, die recht erleuchten, —
welche handeln koͤnnen; moͤchte beſonders die truͤ-
geriſche Duldung
, die nur auf Religionsver-
einigung
gegruͤndet iſt, mit der wir itzt bedrohet
werden, kuͤnftig keinen Menſchenfreund mehr taͤu-
ſchen, der den herrlichen Schluß dieſer Schrift ge-
leſen hat: — dann, edler Weiſe, den ich meinen
Freund
nennen zu duͤrfen, ſtolz bin, dann, haͤtten Sie
auch nichts weiter fuͤr die Aufklaͤrung Ihres Zeit-
alters gethan, wuͤrden Sie doch immer als einer der
wichtigſten Wohlthaͤter dieſes Zeitalters genannt wer-
den, das zwar Ihr ihm ungewohntes Verdienſt an-
ſtaunt, aber ſo kalt, — daß ſelbſt ſeine Bewunde-
rung, Beleidigung iſt, das — Doch kein Wort
mehr weder von Ihrem Zeitalter noch von Ihrem
Werke, theurer Mann. Jenes gehoͤrt nicht in eine
Schrift, die noch auf weit groͤßeres und wich-
tigeres Unrecht, das Ihr Volk und die es ihm
anthun,
[355] anthun, dulden, aufmerkſam zu machen beſtimmt
iſt; ein Unrecht gegen das die Mißkennung auch
des hoͤchſten perſoͤnlichen Verdienſts, — auch des
Ihrigen — Kleinigkeit iſt! Und Ihr Werk, wem
duͤrft ich ſeinen Werth noch anpreiſen? Meine
Gedanken, da, wo ſie ſehr merklich und weſentlich
von den Ihrigen abweichen, weiter zu entwickeln,
ſie Ihrer und des Publikums Pruͤfung vorzule-
gen; dies behalte ich dem kuͤnftigen Abſchnitt
vom Kirchenbann und vielleicht noch einem an-
dern vor.


Eine ſehr gute Idee iſt ohnlaͤngſt in einer zu
Tuͤbingen unter dem Vorſitz des beruͤhmten und
philoſophiſchen Publiciſten Hrn. Pr. Maiers her-
ausgekommenen Diſſertation: Stark de Judaeorum
tolerantia Legum Series temporum ordine di-
geſta.
1782. ausgefuͤhrt. Man findet in derſelben
alle roͤmiſche, fraͤnkiſche, paͤbſtliche, und allgemeine
deutſche die Juden betreffende Geſetze in chronolo-
giſcher Ordnung zuſammengeſtellt. Eine ſehr nuͤtz-
liche und ſicher jedem denkenden Leſer angenehme
Sammlung, die ich mir uͤber jede wichtige Materie
der Geſetzgebung und Politik wuͤnſchte. Wer ſie
durchlaͤuft, wird gewiß nicht ſelten Beſtaͤtigung und
Veranlaſſung meiner Urtheile finden und ihnen noch
Z 4mit
[356] mit innigerm Gefuͤhl beyſtimmen. Denn man
darf nur recht wiſſen, was mit den Juden bisher
vorgegangen
, um zu begreifen, wie ſie werden
muͤſſen
, was ſie ſind, und um auf das geleitet zu
werden, was geſchehen muß, wenn es anders mit
ihnen werden ſoll. So viel ich dieſe Sammlung
mit der, welche ich mir zu meinem Privatgebrauch
gemacht habe, vergleichen koͤnnen, iſt ſie ſehr genau
und vollſtaͤndig gemacht.


Noch will ich hier eines Wunſches erwaͤhnen,
den ein andrer beruͤhmter Gelehrter, Hr. Prof.
Beckmann in Goͤttingen, (ſ. phyſik. oͤkonom.
Bibl.
XII, S. 125) bey Gelegenheit meiner Schrift
geaͤuſſert hat, daß naͤmlich der Schaden und Vor-
theil, den die verſchiedenen Staaten von der itzigen
Verfaſſung der Juden bisher gehabt, genauer ge-
kannt und unpartheyiſch beſchrieben werden moͤchte;
daß, ſo wie Howard eine Reiſe um der Gefaͤngniſſe
willen machte, ein andrer eben ſo guter Beobach-
ter Europa blos in der Abſicht durchreiſete, um die
politiſchen Folgen der verſchiedenen Judenverfaſſun-
gen zu ſtudiren. Ich wuͤnſche mit Hrn. Beckmann,
daß dieſe Idee ausgefuͤhrt wuͤrde und ich habe
ohnlaͤngſt einige Reiſende ermuntert, auch dies
zum Gegenſtande ihrer Aufmerkſamkeit zu machen,
von
[357] von deren Beobachtungsgeiſt und fuͤr Alles, was
Menſchen angeht, fuͤhlendem Herzen ich mir ſehr
viel verſprechen darf. Ich ſelbſt habe nicht Zeit
mich in das hiſtoriſche Detail der ehemaligen und
itzigen Judenverfaſſung verſchiedener Laͤnder weiter
einzulaſſen, obgleich der Materialien dazu ſchon nicht
wenig vorhanden ſind. Aber doch duͤrfte in der
Fortſetzung noch wohl ein ſchicklicher Ort ſich finden,
um den ſittlichen und politiſchen Schaden, den die
uͤbrige Menſchheit und die Staaten bisher durch die
Unterdruͤckung der Juden gelitten, noch anſchau-
licher zu machen. —


Ein intereſſanter Aufſatz uͤber Gallizien und
Lodomerien
in Hrn. Zoͤllners Leſebuch fuͤr alle
Staͤnde
, Th. IV. S. 135 enthaͤlt auch merkwuͤr-
dige Nachrichten uͤber die dort ſo zahlreichen Juden,
unter andern dieſe, „daß die Karaiten ſich ganz
„polniſch wie der Landmann tragen, gerade wie die-
„ſer das Feld bauen und auch ihm in den Abgaben
„voͤllig gleich geſetzt und von allen Laſten der uͤbri-
„gen Judenſchaft befreyet ſind.” Hr. Prediger
Zoͤllner merkt hiebey an, „dieſes Factum rede ſo
„ſehr fuͤr meine Theorie, daß es ſich der Muͤhe ver-
„lohnen wuͤrde zu unterſuchen, ob die Grundſaͤtze
„der Karaiten die buͤrgerliche Verbeſſerung der Ju-
„den beſonders beguͤnſtigen, oder ob nur Eigenſinn
Z 5„der
[358] „der Regierung oder Zufall gerade dieſen Vorzuͤge
„einraͤume.” So ſehr man auch allenfalls berech-
tigt ſeyn moͤchte, von der ehemaligen polniſchen Re-
gierung dieſer Lande das letztere zu vermuthen; ſo
iſt es doch wohl nicht zweifelhaft, daß allerdings die
religioͤſen Grundſaͤtze der Karaiten ſchon weniger
Hinderniſſe ihrer buͤrgerlichen Verbeſſerung ent-
gegenſetzen als die der uͤbrigen Juden. Es
iſt naͤmlich bekannt, wie jene ſich weſentlich da-
durch unterſcheiden, daß ſie keinen Talmud, keine
muͤndliche Ueberlieferungen, ſondern lediglich das
ſchriftliche Geſetz Moſis und von demſelben keine
allegoriſchen Deutungen, ſondern blos deſſen Wort-
verſtand nach vernuͤnftigen Auslegungsregeln an-
nehmen. *) Alle aus dem Talmud und ſeinen Aus-
legern
[359] legern entſtandene Gruͤbeleyen, alle caſuiſtiſche So-
phiſtereyen und die ganze Reihe von aͤngſtlich peini-
genden, micrologiſchen Vorſchriften, fallen alſo bey
ihnen weg; jener Wall, den die Rabbinen um das
Geſetz aufgefuͤhrt haben, und der weit trennender,
wie dieſes die Juden von ihren Mitmenſchen ſon-
dert, iſt hier nicht vorhanden. Allerdings waͤre
alſo wohl zu wuͤnſchen, daß unſere Juden vors erſte
wenigſtens Karaiten werden moͤchten, weil die
meiſten Unbequemlichkeiten ihres Religionsbegriffs
aus deſſen ſpaͤtern Zuſaͤtzen entſtanden ſind, und im-
mer in dem Maaße verſchwinden muͤſſen, je mehr
ſie der urſpruͤnglichen Reinigkeit des moſaiſchen Ge-
ſetzes ſich wieder naͤhern und endlich bis zu der Ein-
ſicht
*)
[360] ſicht kommen werden, daß dieſes Geſetz, ſo wohl an-
gemeſſen es auch dem Staat und dem Klima, fuͤr die
es gemacht war, ſeyn mochte, nun dieſen relativen
Werth und ſeine Guͤltigkeit laͤngſt verlohren habe,
ſeit jener Staat aufgeloͤßt iſt und die Nachkommen
ſeiner Buͤrger unter ganz andern Himmelsſtrichen,
die Glieder ganz anderer politiſcher Geſellſchaften
geworden ſind, in denen nun von jenem Geſetz nichts
mehr, als die auch in demſelben beſtaͤtigte, in allen
Zeiten und Climaten immer gleich wohlthaͤtige Re-
ligion und Sittenlehre der Vernunft noch brauch-
bar geblieben ſind. Dieſe Einſicht, ich hoffe es ge-
wiß, wird ſich allmaͤhlig unter den Juden immer
weiter verbreiten, ſobald ſie nur nicht mehr, wie
bisher, gewaltſam zuruͤckgehalten wird. Wenn nur
der Jude erſt ganz Buͤrger ſeyn darf, und weiter
nichts, als daß er dieſes ſey, von ihm gefodert
wird; ſo kann nichts jene Einſicht mehr aufhalten,
ſelbſt die Stimme Mendelsſohns nicht, *) der nur
hier ſeine Bruͤder nicht gehorchen muͤſſen, und, wird
nur jene Bedingung erfuͤllt, auch nicht gehorchen
werden. —


Jene polniſche Karaiten, um noch ein Wort von
ihnen zu ſagen, ſind ohne Zweifel durch ihr freyeres
Geſetz ſchon faͤhiger gemacht, den uͤbrigen Buͤrgern
gleich
[361] gleich zu werden, Ackerbau zu treiben u. ſ. w. Wahr-
ſcheinlich haben ſie auch dieſes zum Beweggrunde
gemacht, bey ihrer Ankunft aus Aſien, von da ſie
vermuthlich abgeſondert von den uͤbrigen Hebraͤern
nach Polen gekommen, die Befreyung von den ſonſt
uͤblichen Juden-Laſten ſich auszubedingen.


Wenn uͤbrigens der Hr. Verf. jenes Aufſatzes
S. 155 auch die Erthellung des Buͤrgerrechts an
Juden, fuͤr eine der Urſachen der ſchlechten Verfaſ-
ſung der polniſchen Staͤdte angiebt, ſo bemerkt Hr.
Prediger Zoͤllner ſehr treffend, „daß nicht dieſes
„Buͤrgerrecht an ſich ſelbſt, ſondern der Juden Lage
„uͤberhaupt und der Mißbrauch, den ſie von jenem
„Buͤrgerrecht machen muͤſſen, dem Vortheil der
„ſtaͤdtiſchen Einwohner in den Weg trete.“ Aller-
dings iſt es immer Unrecht eine Claſſe von Men-
ſchen, ſie ſey, welche es wolle vor den uͤbrigen
zu beguͤnſtigen, — aber dieſes Unrecht iſt als-
dann nicht dieſen Beguͤnſtigten, ſondern den un-
politiſchen und ungerechten Beguͤnſtigern beyzu-
meſſen. Sicher ſind es in Polen nicht die Juden,
als Juden, welche den Buͤrgerſtand druͤcken, ſon-
dern, wie es auch aus dieſer ganzen Beſchreibung
deutlich genug erhellet, bloß die Edelleute, — die
den Juden nur deshalb, zum Nachtheil der ſtaͤd-
tiſchen Bewohner, groͤßern Gewinn verſtatten, weil
ſie
[362] ſie ihn hier mit mehrerer Leichtigkeit wieder ab-
preſſen koͤnnen. Dieſes beweiſet ſchon allein der
auch von dem geſchickten Verfaſſer bemerkte elende
Zuſtand, in welchem ſich die Juden in Polen, ſehr
wenige ausgenommen, befinden. Man druͤcke nur
den unnatuͤrlichen Deſpotiſmus des Adels nieder;
man fuͤhre Juſtitz *) und Sicherheit des Eigenthums
ein; man mache es den Buͤrgern moͤglich, ſich zu
naͤhren
, und hebe die ihnen nachtheiligen Vorrechte
der Edelleute und ihrer Juden auf, laſſe aber uͤbri-
gens letzteren alle gleiche Rechte mit den chriſtlichen
Buͤrgern: ſo werden beyde gewiß neben einander
beſtehn koͤnnen und der Zuſtand dieſes Landes wird
bald verbeſſert erſcheinen.


Nach-
[363]

Nachſchrift
zu der Anmerkung S. 182
.


Dieſe Anmerkung wurde ſchon im Maͤrz d. J. ge-
ſchrieben, die darinn beruͤhrte merkwuͤrdige Bege-
benheit intereßirte mich ſo ſehr, daß ich mir Muͤhe
gab, uͤber dieſelbe einige zuverlaͤßigere Auskunft zu
erhalten. Ich bin ſo gluͤcklich geweſen, ſie noch vor
dem vollendeten Abdruck dieſer Schrift zu bekom-
men, und ich habe das Vergnuͤgen gehabt, meine
Vermuthung, daß die Sache anders, als ſie
in den Zeitungen vorgeſtellt war, zuſammenhangen
muͤſſe, vollkommen beſtaͤtigt zu ſehn. Hier iſt das
gewiß auch meinen Leſern intereſſante Schreiben ei-
nes ſehr unterrichteten Mannes, der in der Nach-
barſchaft von Boͤhmen wohnt, und ſich JoſephsII,
mit der edlen und ungeſchmeichelten Waͤrme an-
nimmt, welche dieſer bewundernswuͤrdige Mo-
narch
waͤhrend ſeiner kurzen Regierung auch denen,
die nicht ſeine Unterthanen ſind, einzufloͤßen gewußt
hat:


***
[364]

— „Sie haben ſehr Recht, wenn Sie die Ge-
„ſchichte mit den boͤhmiſchen Deiſten
, ſo wie
„ſie in den Zeitungen geſtanden, ganz unglaublich
„finden, und Sie zeigen ſich als einen wahren Ver-
„ehrer des großen Kaiſers, wenn Sie die Welt auf-
„merkſam darauf machen, wie unwuͤrdig dieſe Er-
„zaͤhlung JoſephsII. ſey, welches vielleicht oder
„vielmehr gewiß, eine Menge Zeitungsleſer nicht
„einmal gefuͤhlt haben. Aber ganz erdichtet iſt die
„Sache doch auch nicht. Man hat wirklich in
„Boͤhmen eine ganz betraͤchtliche Menge Bauer-
„familien gefunden, welche wegen deiſtiſchen Glau-
„bens auf Befehl des Kaiſers nach einigen entfern-
„tern Provinzen abgefuͤhrt ſind. Daß dieſes aus
„bloßem Religionseifer, aus Verfolgungsſucht und
„Bigotterie geſchehn ſeyn ſollte, war freylich bey
„einem Monarchen, der ſich ſchon gezeigt hat, wie
dieſer, ganz undenkbar. Die eigentlichen Be-
„weggruͤnde, den ganzen Zuſammenhang kann ich
„Ihnen zwar noch nicht mittheilen, allein doch et-
„was Licht Ihnen geben und Sie koͤnnen ſich auf
„die Zuverlaͤßigkeit deſſen, was ich Ihnen ſagen
„werde, verlaſſen. Die Sonderbarkeit des Fac-
„tums hat meine Wißbegierde, wie die Ihre, ge-
„reitzt und ich habe mir alle Muͤhe gegeben, ſie
„aus unverdaͤchtigen Quellen zu befriedigen.”


„Viel-
[365]

„Vielleicht iſt Ihnen nicht unbekannt, daß vor
„einigen Jahren noch waͤhrend der vorigen oͤſter-
„reichiſchen Regierung in einigen Gegenden von
„Boͤhmen unter den Bauern Unruhen entſtan-
„den, die zwar bald gedaͤmpft wurden, aber
„vielleicht doch noch einiges Mißtrauen der Regie-
„rung rechtfertigten. Gerade in eben dieſen Ge-
„genden ſtanden itzt wieder unwiſſende Bauern auf,
„erklaͤrten ſich gegen allen bisherigen Glauben auf
„eine nicht ſehr verſtaͤndliche Art, wurden anfangs
„durch nicht leicht zu verſtaͤndigende Prieſter und
„Beamte verhoͤrt, die die Sache nicht deutlicher
„machen konnten — oder wollten. Sie verdiente
„indeß Aufmerkſamkeit, es war zu vermuthen, daß
„die ungewoͤhnlichen religioͤſen Grundſaͤtze dieſer
„Menſchen mit ihrem ehemaligen Aufſtande zuſam-
„menhaͤngen koͤnnten. Hiezu kam, daß der Mo-
„narch nicht gleich anfangs in jeder ſeiner Provin-
„zen mit gleicher Energie ſeine Wuͤnſche, allge-
„meine Duldung zu verbreiten, realiſiren konnte.
„Ungarn und Siebenbuͤrgen ſind dazu durch die
„Menge der diſſentirenden Partheyen, durch die
„in letztrem Lande ſelbſt Socinlanern ſchon laͤngſt
„ertheilte buͤrgerliche Rechte weit mehr vorbereitet,
„als Boͤhmen, in dem eine gar zu ploͤtzliche, zu all-
„gemeine Duldung — vielleicht anfangs Unord-
„nungen, Sittenloſigkeit hervorbringen, — viel-
A a„leicht
[366] „leicht ſchlummernde Keime des Fanaticiſmus wecken
„konnte. Der Kaiſer fand alſo beſſer, dieſen Men-
„ſchen die Rechte des Gewiſſens lieber in den Thei-
„len ſeiner Monarchie zu geſtatten, wo es auf die
„fuͤr das Ganze unſchaͤdlichſte Art geſchehen konnte.“


„Ueberhaupt iſt es freylich nicht zu leugnen, daß
„im Oeſterreichiſchen in Abſicht der Duldung noch
„lange nicht Alles geſchieht, was geſchehen koͤnnte, —
„was, wie ich gewiß uͤberzeugt bin, der Kaiſer
„wuͤnſcht und auch ſicher noch zu Stande bringen
„wird. Aber wer die Schwierigkeiten ſeiner Un-
„ternehmungen nur einigermaßen uͤberſieht, von
„denen man in proteſtantiſchen Laͤndern kaum eine
„Idee hat, wer da weiß, was es heißt, mit Dumm-
„heit und geheiligtem Vorurtheil, mit Bosheit und
„Eigenſinn, mit Traͤgheit und Unverſtand, und
„was das aͤrgſte iſt, mit gekraͤnktem Eigennutz
„und Stolz zu kaͤmpfen, der wird gewiß nicht ſich
„wundern, daß nicht noch mehr geſchieht, aber
„ſtaunen wird er uͤber das, was ſeit zwey Jahren
wirklich geſchehen iſt. Ich wenigſtens, der
„ich die Oeſterreichiſchen Staaten, beſonders die
„Großen und die Geiſtlichen ſeit vielen Jahren ge-
„nau kenne, geſtehe Ihnen, daß ich Joſephs
„Thaten, wodurch er Toleranz und Aufklaͤrung ver-
„breitet, waͤr’ ich nicht von ihrer Wahrheit uͤber-
„zeugt, unglaublicher als des fabelhaften Herkuls
„Ar-
[367] „Arbeiten finden wuͤrde. Ja ich wuͤrde ohne Be-
„denken den fuͤr wahnſinnig erklaͤrt haben, der mir
„vor 20 Jahren ſo etwas haͤtte vorausſagen wollen.
„Hat alſo der Kaiſer auch mit dieſen ſogenannten
„Deiſten (wie es freylich nicht zu laͤugnen iſt)
„nicht ſo verfahren, wie es geſchehn ſeyn wuͤr-
„de — wenn unſere Zeit ſchon reif genug waͤre,
„um nicht mehr Toleranz, ſondern allgemeines
„Recht der Gewiſſen
einzufuͤhren; ſo ſeyn Sie
„gewiß verſichert, daß Er nach den Umſtaͤnden
„nicht anders hat handeln koͤnnen. Soviel kann
„ich Ihnen auch verſichern, daß dieſe Leute bloß
„aus ihrem Vaterlande nach Ungarn, Siebenbuͤr-
„gen, Gallizien, der Bukowina, tranſportirt und
„von einander getrennt aber uͤbrigens im mindſten
„nicht uͤbel behandelt ſind. Alles, was weiter in
„den Zeitungen geſagt worden, iſt falſch. Das
„Vermoͤgen dieſer Menſchen iſt gar nicht confiſcirt,
„ſondern ihren Kindern unter 15 Jahren, oder in
„Ermangelung derſelben den naͤchſten Erben zuer-
„kannt worden. Nur die Dienſtfaͤhigen ſind zum
„Soldatendienſt angehalten, die Alten, Weiber und
„Kinder aber ſind von dem militaͤriſchem Departe-
„ment verpflegt, zum Theil als Krankenwaͤrter und
„zu andern Geſchaͤften beſtellt, andere aber, beſon-
„ders die unverheyrathete Weibsperſonen, bis ſie
„einen Dienſt gefunden, unentgeltlich erhalten wor-
A a 2„den.
[368] „den. Ausdruͤcklich iſt unterſagt, ihnen auf einige
„Weiſe uͤbel zu begegnen; auch ſollen Eheleute nicht
„getrennt werden, und die Geiſtlichen zwar ſie zu
„bekehren ſuchen, aber ohne alle Zudringlichkeit; *)
„auch iſt ihnen die Ruͤckkehr in ihr Vaterland und
„zu ihren Guͤtern nicht verwehrt, wenn ſie ihren
„Lehren entſagen und an eine der bis jetzt nur noch
„allein tolerirten religioͤſen Partheyen ſich anſchlieſ-
„ſen wollen. Ich habe dies Alles aus der Ver-
„ordnung des Hof-Kriegsraths, welche am
„11ten Maͤrz d. J. wegen dieſer Sache ergangen
„und von deſſen Praͤſidenten Haddick unterzeichnet
„iſt, treulich excerpirt und Sie koͤnnen gewiß ſeyn,
„daß dieſe Befehle puͤnktlich vollzogen werden.“


„Weniger befriedigend kann ich Ihre Frage:
was es eigentlich mit dem Syſtem dieſer Leute
„fuͤr eine Bewandniß habe? — und wie Dei-
„ſten unter boͤhmiſche Bauern kommen
?
„beantworten. Sie finden in Hrn. Meuſels
„hiſtoriſch. Litter
. 1783, 1tes und 5tes St.
„hieruͤber einige Nachrichten, die, wie ich ver-
„ſichern kann, ſehr authentiſch ſind und zu denen
„ich vor itzt nichts weiter zuzuſetzen weiß. Sie
„werden freylich wohl mit mir finden, daß in
„dieſem Religionsbegriffe nichts enthalten ſey, was
„deſſen
[369] „deſſen Anhaͤnger unfaͤhig machte, gute Buͤrger zu
„ſeyn. Es muß alſo in ſpeciellen Umſtaͤnden liegen,
„daß man ſie in Boͤhmen nachtheilig gefunden und
„lieber in ein Land hat verpflanzen wollen, das
„ſchon mehr an Verſchiedenheiten der Meynung ge-
„woͤhnt iſt.”


* * *


Nicht nur die Nachrichten dieſes Briefes ſchei-
nen mir intereſſant, ſondern mich duͤnkt auch, mein
wuͤrdiger Correſpondent hat die Sache gerade aus
dem richtigen Geſichtspunkt gefaßt. Allerdings iſt
bey jeder ſittlichen und politiſchen Reforme nichts
ſorgfaͤltiger zu vermeiden, als zu raſche, zu unvor-
bereitete Schritte. Die Freyheit zu denken, der
vollkommne Genuß der menſchlichen Gewiſſensrechte,
ſo wichtig und wohlthaͤtig ſie an ſich ſelbſt ſind, koͤn-
nen doch unter beſtimmten Umſtaͤnden und Lo-
cal-Bedingungen
, mehr nachtheilige als gute
Folgen hervorbringen; und auch die weiſeſte Regie-
rung kann durch gewiſſe Verhaͤltniſſe gezwungen
werden, ihre Wohlthaten zu beſchraͤnken, um nicht
aufzuhoͤren wohlthaͤtig zu ſeyn. Es giebt nun
einmal Claſſen von Menſchen, mit denen es ſo weit
gekommen iſt, daß ſie ganz vollkommne Geiſtesfrey-
heit nicht ertragen koͤnnen, ſo wie oft die in der
Sclaverey Geborne ſie ſich nicht nehmen laß [...] [...]ol-
A a 3len.
[370] len. Man muß alſo ſich begnuͤgen durch allmaͤlige
Fortſchritte erſt kuͤnftigen Generationen das Gluͤck
zu bereiten, deſſen die itzige noch nicht empfaͤnglich
iſt, und dem Vorurtheile etwas weichen, wenn
man ohne dieſes es nie bezwingen wuͤrde. Aber
ſelbſt im Weichen muß man den Sieger erkennen,
der einſt zuruͤckkommen und den geſchwaͤchten Feind
ganz baͤndigen wird. Auch im Kriege gegen die
Vorurtheile iſt Fabius der Zaudernde oft der wei-
ſere und gluͤcklichere, aber auch gewoͤhnlich von den
Zeitgenoſſen verkannt, um von der Nachwelt, die
das Ganze, das er bildete, nun gebildet uͤberſieht,
deſto mehr verehrt zu werden.


Einzelne Menſchen koͤnnen, nach dem Ein-
geben brauſender Leidenſchaften eine Reforme begin-
nen, die, wenn ſie nicht von Zeitumſtaͤnden auſſer-
ordentlich beguͤnſtigt wird, ſelten wichtige Folgen
haben wird. Aber nach einem feſten, ſich ſelbſt immer
nach den Zeitumſtaͤnden entwickelnden Plane mit
Ruͤckſicht nicht auf einige, ſondern auf alle Beduͤrf-
niſſe, alle Verhaͤltniſſe des Staats, mit Schonung
auch des nun einmal unter dem Schutz und mit Bey-
huͤlfe des Staats aufgewachſenen Vorurtheils, re-
formiren; dies iſt das Werk einer weiſen und auf-
geklaͤrten Regierung, welche die Menſchen und die
Art, ſie zu behandeln kennt und weiß, daß, um
wirk-
[371]wirklich Gutes und Großes hervorzubringen, man
es nicht in einem Jahre wollen muͤſſe. Ein wahr-
haft großer Regent arbeitet nicht fuͤr die Zeitung,
ſondern fuͤr die Geſchichte; die Groͤße und der
innere Werth ſeiner Thaten kann nur dann empfun-
den werden, wenn wir ihr ſchoͤnes Ganze, ihren bin-
denden Zuſammenhang zu uͤberſehn vermoͤgen. Ein-
zelne Theile koͤnnen auffallen, aber ſie gehoͤrten ins
Ganze, — das dann freylich auch nicht ſchoͤner ſeyn
kann, als der Stoff, in den es gearbeitet wurde,
zuließ. —


Jeder Leſer wird es fuͤhlen, daß dies der Ge-
ſichtspunkt iſt, aus dem man das Verfahren einer
weiſen Regierung betrachten muͤſſe; er wird meinen
Unglauben billigen, mit dem ich die Aechtheit jener
Ihrer unwuͤrdiger Nachrichten bezweifelte, und das
Vergnuͤgen theilen, mit dem ich itzt richtigere be-
kannt mache.


Der von meinem Hrn. Correſpondenten ange-
fuͤhrte Befehl des Hof-Kriegsraths iſt in dem
mir ſo eben zugekommenen 2ten St. des 54ſten Ban-
des
der Allgem. deutſchen Bibl. abgedruckt, und
ſtimmt mit dem was daraus angefuͤhrt worden, voll-
kommen uͤberein. Es iſt demſelben aber auch ein
aͤuſſerſt merkwuͤrdiges Verhoͤr beygefuͤgt, welches ein
proteſtantiſcher Geiſtlicher zu Preßburg mit einem
dieſer Deiſten angeſtellt hat. Ich darf vorausſetzen,
A a 4daß
[372] daß Keiner, den dieſe Sache intereßirt, es ungele-
ſen laſſen wird und ich will deshalb nur bemerken,
daß mir der Entſtehungsgrund des boͤhmiſchen
Deiſmus, den dieſer Mann, der es ſehr aufrichtig
gemeynt zu haben ſcheint, angiebt, ungemein auf-
fallend geweſen iſt. Weil den guten proteſtantiſchen
Bauern ehemals ihre Bibel und andere Erbauungs-
buͤcher immer genommen wurden, ſo kamen ſie end-
lich auf den ſimpeln Gedanken, ihre Erbauung und
Erkenntniß ihres Gottes — der vermuthlich nicht
von ihnen aus Buͤchern erkannt ſeyn wolle — nur
aus dem Buche zu ſchoͤpfen, das ihnen kein Prie-
ſter und Beamter nehmen konnte, — dem der Na-
tur und Vernunft
. — Wirklich eine unerwartete
Wendung, und ein Gedanke, der dem ungekuͤnſtelten
menſchlichen Gefuͤhle Ehre macht.


Auch liefert dieſes Protocoll noch einen neuen
Beweis, daß die Abſicht des großen Kaiſers keine
andre als die Verſetzung dieſer neuen, die Vorur-
theile zu ſehr erſchuͤtternden Religions-Parthey, aber
wie es ſich von ſelbſt verſtand, keine Unterdruͤckung
derſelben geweſen ſey. Nolo, waren ſeine Worte
zu den nach Wien abgeordneten Deputirten, veſtris
conſcientiis vim inferre
. Ferner ſieht man aus
dieſem Protocolle, daß die anfaͤngliche Verwirrung
in der Benennung dieſer Leute daher entſtanden ſey,
weil ſie wirklich ſich in zwey verſchiedene Partheyen
abtheil-
[373] abtheilten. Einige waren von der proteſtantiſchen
Religion zum reinen Deiſmus uͤbergegangen; andere
waren Juden geworden, gerade aus eben dem
Grunde, weil ſie ſahen, daß die Juden ſich nach
eignem Gewiſſen aus ihren Religionsbuͤchern er-
bauen durften, die den Proteſtanten genommen
wurden.


Das kuͤrzere boͤhmiſche Protocoll ſetze ich aus
Hrn. Meuſels Journal hieher:



Wie heißet Ihr? Martin Barta, aus dem
„Dorfe Jaroßow. Was habt Ihr ſonſt fuͤr eine
„Religion gehabt
? Die Katholiſche, und dann
„die Helvetiſche.“


Was fuͤr einen Glauben habt Ihr jetzt?
„Den goͤttlichen, ſonſt den Iſraelitiſchen genannt, den
„naͤmlich Abraham vor der Beſchneidung gehabt.“


Worinn beſteht jetzt eure Religion? Ich
„glaube an einen Gott; und ſonſt nichts. An die
„Dreyfaltigkeit Gottes glaube ich nicht. Gott iſt im
„Himmel; Ich bin Gottes Sohn und den heiligen
„Geiſt habe ich in mir. Ich glaube weder an die
„Taufe noch an die Beſchneidung. Mein Geiſt iſt
„unſterblich. Was in der Bibel von einem Gott
„ſteht, das glaube ich; ſonſt nichts. Denn Moſes
„hat hineingeflickt (NB. neptaczal heißt es im
A a 5„Boͤh-
[374] „Boͤhmiſchen, welches auch bedeuten kann; viel Un-
„ſinn hinzu ſetzen) was er gewollt; er war ein
„Menſch, wie ich, und der Buchdrucker in Halle
„hat erſt in ſeiner Halliſchen Bibel, mit den lan-
„gen Citationen aus dem alten Teſtament ins Neue,
„und aus dem neuen ins alte, das Ding recht ver-
„wirrt; denn es iſt alles eins, was im neuen Te-
„ſtament ſteht, wie im alten. Aus dem alten Te-
„ſtament glaube ich die zehen Gebote, und aus dem
„neuen das Vater unſer, das uͤbrige, daß der Sohn
„Gottes gebohren worden und dergl. glaube ich
„nicht.”


Wer hat euch zu dieſer Religion angefuͤhrt?
„Der Geiſt des Herrn, den ich in mir habe.”


Wollet ihr zu eurer vorigen Religion zu-
„ruͤckkehren
? Ich will durchaus nicht. Die Helve-
„tiſche Verwirrung ſteht fuͤr nichts. Wenn nur
„Gott dieſe Helvetiſche Verwirrung nicht uͤber uns
„geſchickt haͤtte.”


So muͤſſet ihr euch beſchneiden laſſen, und
„muͤſſet fort aus eurem Vaterlande
. Wegen un-
„ſers einzigen Gottes wollen wir gern das Vaterland
„und alles verlaſſen; wir wollen fortgehen. Aber
„beſchneiden wollen wir uns nicht laſſen; denn
„es iſt nicht moͤglich, daß Gott der Herr, der den
„Menſchen ganz erſchuf, befohlen haͤtte, man ſollte
„ſich [...] in der Schaam beſchneiden laſſen.”


So
[375]

So intereſſant dieſe Nachrichten ſind, ſo verdienen
ſie doch noch mehr Aufklaͤrung. Denn immer bleibt
es ſehr ſonderbar, wie gemeine Bauern zu ſo richtigen,
hellen Begriffen kommen konnten, als in den beyden
Protocollen von ihnen dargelegt werden. Freylich
ſind ſie mit einigen Sonderbarkeiten gemiſcht, aber
ich wundere mich nur, daß dieſer ſo wenige ſind,
und daß Menſchen, in deren Kopfe Moſes und der
Halliſche Buchdrucker ſo nahe bey einander Ue-
gen, die großen Hauptwahrheiten der Vernunft,
ſo rein abzutrennen wußten, und da ſie in ihrem
alten Glauben ſo eine Totalreforme vornahmen, ge-
rade nicht mehr oder weniger wegwarfen und be-
hielten, als geſchehen iſt. Ich geſtehe, daß die
Ausſagen dieſer Menſchen, wenn ſie aͤcht vorgetra-
gen ſind, und ſelbſt ihre offene Simplicitaͤt mir Ach-
tung fuͤr ſie eingefloͤßt haben, und daß ich nichts in
ihnen finde, was ſie unfaͤhig machte, treue Buͤrger
und Unterthanen zu ſeyn. Was bedarf es hiezu
mehr als das Daſeyn und die Vorſehung Got-
tes, Unſterblichkeit und Vergeltung des Gu-
ten und Boͤſen
zu glauben? Iſt dieß nicht genug,
um uns zu guten und rechtſchaffenen Menſchen zu
machen? und kann — muß es dem Staat nicht ge-
nug ſeyn, uns dieſe zu wiſſen — Freylich koͤn-
nen, wie ich ſchon bemerkt ha [...]e, Verhaͤltniſſe ſeyn,
unter denen dieſes nicht genug iſt; Verhaͤltniſſe,
welche
[376] welche die Regierung noͤthigen, vors erſte noch mehr
zu fodern, weil die Vortheile der vollkommenſten
Gewiſſensrechte, ſo groß ſie an ſich ſind, doch in
dieſem Augenblick, unter dieſen Umſtaͤnden von
Inconvenienzen andrer Art uͤberwogen werden. Ich
zweifle nicht, daß dieſes hier der Fall war,
ich bedauere vielmehr, daß Umſtaͤnde, wie mein
Correſpondent ſie angegeben, es fuͤr itzt rath-
ſamer gemacht haben, eine unter der gemein-
ſten Klaſſe der Unterthanen unerwartet auf-
keimende Religion der Vernunft nur da zu dulden,
wo ſie weniger ungewohnt ſich zeigen konnte. Aber
hoffentlich wird Joſephs durch keinen Widerſtand
zu ermuͤdende Thaͤtigkeit, Ihm noch das hohe
Gluͤck bereiten, daß reine Vernunftreligion in dem
ganzen Umfang ſeiner weiten Monarchie ſich frey
zeigen kann, und daß Glaube an Gott und ein ver-
geltendes kuͤnftiges Leben, nebſt treuer Erfuͤllung
aller ſeiner Pflichten in dieſem Leben Alles ſeyn wird,
was Er von ſeinen Unterthanen fodern darf! —

[][][]
Notes
*)
So z. B. iſt Hr. H. S. 133 um nur das ge-
lindeſte Wort zu gebrauchen — uͤbereilt — ge-
nug, mich zu beſchuldigen, „ich haͤtte die ab-
„ſcheuliche Gewohnheit der Juden
, ihre
„Todten am Sterbetage zu begraben und damit
„viele Lebendige dem grauſamſten Tode zu uͤber-
„liefern vertheidigt, weil es eine alte Sitte und
„Statut ſey.“ Natuͤrlich gehoͤrte, wer dieß be-
hauptete, ins Irrhaus. Wer wollte alſo gegen
eine ſolche Beſchuldigung ſich rechtfertigen? Von
der erſten bis zur letzten Seite meiner Schrift
ſteht kein Wort von dieſer abgeſchmackten juͤdi-
ſchen Gewohnheit, weil mein Plan nicht war,
alle gute und boͤſe Gebraͤuche der Juden zu un-
terſuchen.
*)
Wenigſtens habe ich vor Erſcheinung dieſer
Schrift Herrn H. auch nicht dem Nahmen nach
gekannt, alſo ihn durch nichts beleidigen koͤn-
nen, als daß ich meine Meynung geſagt, die
nicht die ſeine war.
*)
Der Verjagung der Juden aus Boͤhmen im
Jahr 1744, die ich in meiner Schrift S. 96 be-
merkt,
*)
merkt, erwaͤhnt der Verfaſſer auch, und giebt
Verraͤtherey als ihre Urſache an, aber ohne den
mindeſten Beweis derſelben zu fuͤhren, ſo wenig
als er einen Grund anfuͤhrt, warum er die
Regierung tadelt, welche im folgenden Jah-
re die Unſchuld der Juden erkannte und ſie
zuruͤckrief.
*)
Ich habe doch S. 106 den Einfluß der Beſchaͤfti-
gung bey dem großen und kleinen Kaufmann deut-
lich unterſchieden. D.
*)
Ich habe dieſes nirgends geaͤuſſert, und in der
That nur im Allgemeinen meine Meynung uͤber dieſe
Materie ſagen wollen, ohne im Mindeſten auf irgend
einen beſondern Staat Ruͤckſicht zu nehmen. D.
*)
Iſt wohl ſehr uͤbertrieben. D.
*)
Wo Grundgefetze ſind, muͤſſen ſie beobachtet wer-
den. Sonſt, duͤnkt mich, muß bey Anſtellung von
Staatsbedienten von nichts Anderm die Frage ſeyn,
als von der — Faͤhigkeit. D.
**)
Dies eben iſt die große Frage: ob ein ſolcher nie
zu aͤndernder, ewiger, politiſcher Unterſchied da
ſey? Ich glaube es nicht. D.
*)
Herr Ritter Michaelis meynt hier das im Maͤrz
1782, nach dem einſtimmigen dringenden Verlangen
der Nation verabſchiedete Miniſterium. D.
*)
Mich duͤnkt daß Herr M. hierin ſo wohl im Allge-
meinen, als auch in Abſicht der Juden, ſo lange ſie
nicht voͤllig nationaliſirt ſind, ſehr recht habe. D.
*)
Ich habe es in meiner Schrift durchaus nicht
damit zu thun, daß die Juden ſtrenge nach ih-
rem Geſetze leben, ſondern nur damit, daß und
wie ſie beſſere und gluͤcklichere Glieder der
Geſellſchaft werden moͤgen
. Fuͤr die ihnen
in
*)
in Abſicht ihres Geſetzes zu verſtattende Frey-
heit bin ich alſo nur in ſo fern es dieſem Zwecke
nicht widerſpricht. Ich ſtimme daher der Abſchaf-
fung des abſcheulichen Mißbrauchs, von dem Herr
M. hier redet, von Herzen bey und wuͤrde dieſes
thun, wenn er auch wirklich in dem juͤdiſchen Ge-
ſetz gegruͤndet waͤre. D.
*)
Es iſt dieſes kein Druckfehler, und das Nicht wuͤr-
de meinen ganzen Sinn gerade umkehren. Die
Kuͤrze meines Ausdrucks muß Schuld ſeyn, daß
dieſe Stelle einem Michaelis dunkel ſeyn koͤnnen,
und dieſe Kuͤrze war alſo Fehler. Die Urkunde, von
der hier die Rede, iſt natuͤrlich falſch, nur weil man
im 14ten Jahrhundert ſo wenig Geſchichts- und di-
plomatiſche Kenntniſſe hatte, konnte man vielleicht
ſie fuͤr aͤcht annehmen, und wenn man alſo hiernach
die Vorfahren der deutſchen Juden an dem Tode
Chriſti unſchuldig glaubte, bewogen werden, beſſer
von dieſen zu denken und ſie menſchlicher zu behan-
deln. Dies war mein Sinn. D.
**)
Ich habe dieſe Seite mehrmalen mit Aufmerkſam-
keit durchgeleſen, aber keinen Druckfehler finden
koͤnnen. Die Bemuͤhung verſchiedener Freunde iſt
eben ſo vergeblich geweſen. D.
*)
Es verſteht ſich von ſelbſt, daß der Fuͤrſt Unrecht
haben wuͤrde, der die Juden zu Unterdruͤckung ſei-
ner uͤbrigen Unterthanen gebrauchte; aber ſoll die-
ſer
*)
ſer bloß moͤgliche (bey einer ſo lange Zeit ganz
unmilitaͤriſchen Nation gewiß ſehr unwahrſchein-
liche
) Fall, die Regierung abhalten, zu thun, was
Philoſophie und Politick einſtimmig verlangen?
*)
und Politick. Ich habe auf dieſes Letztere vor-
zuͤglich gedrungen, weil in Sachen der Art, die-
ſer Beweggrund am meiſten faͤhig iſt, Aufmerkſam-
keit und wirkliche Thaͤtigkeit hervorzubringen. Sonſt
bin ich feſt uͤberzeugt, daß in dieſem, wie in jedem
Falle, Menſchlichkeit
und aͤchte Politick gerade
ein und Daſſelbe ſey. D.
*)
Der wuͤrdige Hr. Verfaſſer ſchickte mir dieſe An-
merkungen ſogleich, als er die Michaeliſche Recen-
ſion geleſen hatte und mit ſeiner Erlaubniß mache
ich ſie itzt bekannt, ob ſie gleich eigentlich dazu nicht
beſtimmt waren.
*)
Des Zuſammenhangs wegen laſſe ich auch dieſe
Recenſion hier abdrucken.
*)
Aber dieſe veraͤnderte Lebensart wuͤrde ſicher dieß
Feuer laͤngſt gemaͤßigt haben. Es iſt eine allgemei-
ne
*)
ne Eigenſchaft der menſchlichen Natur, daß ſie in
jedes Clima ſich paßt, und faͤhig iſt allmaͤhlig zu
werden, was fuͤr daſſelbe ſich ſchickt. Mich duͤnkt
es liegt bey dieſem und aͤhnlichen Raiſonnemtnt im-
mer eine Verwechſelung der Wirkung mit der Ur-
ſache zum Grunde. D.
*)
Dieſe Benennung, „chriſtliche, mahometaniſche
Staaten
“ ſo gemein ſie auch iſt, ſcheint mir doch
den richtigen Begriffen von der Natur der buͤrgerli-
chen Geſellſchaft
widerſprechend. Dieſe kann mehre-
re religioͤſe umfaſſen, ſie ihren Zwecken unterord-
nen und mit ihnen vereinbar machen. Aber keine der-
ſelben gehoͤrt zum Weſen des Staats und der Be-
griff einer religioͤſen Geſellſchaft (zahlreich oder nicht
thut nichts zur Sache und iſt veraͤnderlich) muß nie
in den Begriff der buͤrgerlichen gemiſcht werden. D.
*)
Dieſe muß jene bewirken, ſo wie die politiſche
Herabwuͤrdigung
die ſitrliche bewirkt hat. Die-
ſen Geſichtspunkt, glaube ich, muß man nie verlaſ-
ſen; ſonſt wird das wahre Verhaͤltniß der Dinge
gerade umgekehrt. D.
*)
Ich ſchmeichle mir dieſen wichtigen Grundſatz in
meiner Schrift deutlich und ſtark genug ausgedruͤckt
zu haben. D.
**)
Ich kann verſichern, daß der Hr. Verf. dieſes
Briefes, kein Jude ſey. D.
*)
Ich muß hiebey bemerken, daß dieſes ein angeſe-
hener Geſchaͤftsmann ſagt, der gewiß viele Gelegen-
heit gehabt hat, hieruͤber Erfahrungen zu machen. D.
*)
Mich duͤnkt doch immer, man ſollte nie politiſche
Vortheile an religioͤſe Bedingungen knuͤpfen. D.
**)
Scheint mir gleichfalls nicht billig. Meiner Mey-
nung nach muß der Staat ſich ſchlechterdings um
die innere Einrichtung einer religioͤſen Geſellſchaft
nicht bekuͤmmern.D.
*)
Freilich iſt dieſe Antwort ganz in meinem Sinn. D.
*)
Dank ſey es der fortſchreitenden Aufklaͤrung unſe-
rer Zeiten, daß dieſe große und erſte aller politi-
ſchen Wahrheiten nicht nur, auch in den monar-
chichſten Staaten frey und offen gelehrt werden darf,
und daß das goͤttliche Recht der Koͤnige, auch ſo-
gar wenn ihm ein Wieland das Wort redet, kei-
nen
*)
nen Beyfall mehr findet, ſondern daß auch ſelbſt
unſere Regenten ihre wahre Wuͤrde und Beſtim-
mung laut anerkennen. Ohne den Verdacht auch nur
der kleinſten Schmeicheley — von dem Jede meiner
Schriften und vorzuͤglich dieſe u[n]befleckt zu erhalten
mein eifrigſter Wunſch iſt, — zu beſorgen, darf
ich kuͤhn es ſagen, daß kein Monarch von Eu-
ropa ſich hievon waͤhrend ſeiner langen Regierung
mehr durchdrungen gezeigt habe, als der, den wir
den unſern zu nennen, ſo gluͤcklich ſind. Aber viel-
leicht iſt es auch Er, der als Schriftſteller unter den
erſten in neuern Zeiten dieſen Gedanken mit Energie
und Klarheit ausgedruͤckt und in Umlauf gebracht hat.
Gleich im Anfang des Anti-Machiavels (p. 3. edit.
de la Haye
1741) giebt der erhabene Verfaſſer von
dem Urſprung der Gewalt der Fuͤrſten folgende Idee:
Les peuples ont trouvê neceſſaire pour leur repos,
et leur conſervation
d’avoir des juges pour regler
leurs differends, des protecteurs pour les mainte-

nir
*)
nir contre leurs ennemis dans la poſſeſſion de leurs
biens, des Souverains pour reunir tous leurs diffe-
rens interets en un ſeul interet commun; ils ont
donc dabord choiſi d’entre’eux, ceux qu’ils ont cru
les plus ſages, les plus equitables, les plus desin-
tereſſés, les plus humains, les plus vaillants pour
les gouverner. — C’eſt donc le bien des peuples,
que le ſouverain doit preferer à tout autre interet,
Le Sonverain bien loin d’etre le maitre abſolu
des peuples, qui ſont ſous ſa domination, n’en eſt
lui mênte, que le premier domeſtique
.
*)
Wenn zwiſchen demjenigen, was ich hieruͤber im
Anfange meiner Schrift und Hr. Moſes Mendels-
ſohn
in der Vorrede zu Manaſſeh S. 22 bemerkt,
ein Widerſpruch zu ſeyn ſcheint, ſo iſt er in der
That nur ſcheinbar, und wir denken hieruͤber ganz
einſtimmig. Meine Abſicht war den Satz der Be-
voͤlkerung mit Beſtimmtheit darzuſtellen. Es giebt
bekanntlich politiſche Schriftſteller, welche die zu
vermehrende Volksmenge fuͤr den letzten Zweck der
Geſellſchaft halten; dieß ſcheint ſie mir nicht, ſon-
dern nur das in den meiſten Faͤllen zweckmaͤßigſte
Mit-
*)
Mittel dieſen Zweck — das allgemein groͤßtmoͤglich-
ſte Wohl — zu erreichen, aber auch dieſes nur hy-
pothetiſch, weil doch der Fall ſich denken laͤßt, da
ein Land gerade ſo viel Menſchen hat, als es nach
allen ſeinen phyſiſchen und politiſchen Verhaͤltniſſen
ernaͤhren kann. Alle unſere groͤßere Staaten ſind
von der Wirklichkeit dieſes Falls noch unendlich weit
entfernt, und vielleicht erreichen ſie ihn nie; aber da
er moͤglich iſt, erfordert doch die philoſophiſche Genau-
igkeit der Begriffe ihn nicht zu uͤberſehn, und die un-
auf hoͤrliche Zunahme der Bevoͤlkerung iſt alſo nicht
abſolut, ſondern nur unter einer Bedingung, die
aber in allen unſern groͤſſern Staaten eintritt
,
das zweckmaͤßigſte Mittel zu Befoͤrderung der Wohl-
fahrt des Staats. Dieſes Raiſonnement ſcheint mir
noch itzt ſehr richtig, aber auch eben ſo ſehr, was
Hr. Moſes bemerkt, „daß der Regent durchaus hier-
auf keine Ruͤckſicht nehmen, die zunehmende Be-
voͤlkerung nie verhindern, ſondern der Natur ganz
ihren Lauf und das Gefaͤß ſich anfuͤllen laſſen muͤſſe,
bis es uͤberlaͤuft.“ Dieſe Meynung iſt um ſo mehr
auch die meinige, da ich ſehr zweifle, ob vielleicht
einer unſerer Staaten das ihm erreichbare Maaß
von Bevoͤlkerung je erreichen werde, weil eben die
Vermehrung immer neue Beſchaͤftigungsmittel, alſo
neue Quellen einer fortgehenden Zunahme eroͤfnet.
*)
Verſteht ſich in Abſicht der eigentlichen buͤrgerli-
chen, nicht der auf Grundverfaſſung beruhenden
Regierungs-Rechte, welches ich, um allen Mißver-
ſtand zu verhuͤten, lieber auch zum Ueberfluß wie-
derhole.
*)
Eine hieher gehoͤrige Nachricht, die ich ſo eben in
den oͤffentlichen Blaͤttern finde, iſt ſo merkwuͤr-
dig und ſo niederſchlagend, daß es wohl der Muͤhe
verlohnen wird, einige Leſer auf die innern Wider-
ſpruͤche derſelben, welche ſie fuͤr aͤcht zu halten
nicht erlauben, aufmerkſam zu machen. Nach
derſelben „ſollen gewiſſe Bauern in Boͤhmen,
„die man anfangs fuͤr eine Secte von Juden, Abra-
„hamiten oder Adamiten genannt, und zuletzt fuͤr
„Deiſten, ausgegeben, nicht ferner in dieſem Rei-
„che geduldet, ſondern von Haus und Hof vertrie-
„ben, an die tuͤrkiſche Graͤnze verſchickt, daſelbſt in
„verſchiedene Doͤrfer vertheilt und als Soldaten
„gebraucht werden. Binnen acht Tagen ſollen ſie
„ſich erklaͤren, ob ſie bey dem falſchen und unge-
„rechten deiſtiſchem Glaubenbleiben oder entweder zu
„dem alleinſeeligmachenden katholiſchen Glauben
„oder zu einer der andern rolerirten Religionen ſich
„bekennen wollen. Sollten ſie ſich erſt nach dieſem
„Termin zu Letzterem entſchlieſſen, ſoll es ihnen doch
„nicht helfen, ſondern ſie muͤſſen durchaus in dem
„beſtimmten kurzen Zeitraum ſich erklaͤren, oder
„widri-
*)
„widrigenfalls, mit ihren Weibern und Kindern in
„dieſer Welt ungluͤcklich und in der kuͤnftigen der
„Seeligkeit beraubt ſeyn
.“ Gewiß das ſind Verfuͤ-
gungen, die dem Begriffe, den uns JoſephII. bis
itzt von ſeinem erhabenen Geiſte gegeben hat, zu
geradezu widerſprechen, als daß man ſie fuͤr die ſei-
nigen anerkennen koͤnnte. Er, der ſeine Untertha-
nen auf eine ſo edle Art wieder in den Genuß der
natuͤrlichen Rechte des Gewiſſens ſetzen will, ſollte
ſie itzt ſo grauſam unterdruͤcken, die Natur aller
Ueberzeugungen des Verſtandes ſo ganz verkennen
wollen, daß er eine Friſt von acht Tagen zu An-
nehmung eines religioͤſen Lehrbegriffs feſtſetzen koͤnn-
te? Er, der mit ſo entſchloßnem, eines deutſchen
Kaiſers ſo wuͤrdigem Muthe, ſeinen Staat und ſei-
ne Unterthauen von dem Druck der Hierarchie be-
freyen wollen, ſollte in buͤrgerlichen Verordnun-
gen von einem allein ſeeligmachenden Glauben
reden, und denen ſeiner Unterthanen, welche ihn
nicht annehmen, nicht einmal erlauben, nach ihrer
eignen Einſicht, ſondern nur nach gewiſſen beſtimm-
ten Formeln, nicht ſeelig zu werden? Untertha-
nen,
*)
nen, die in Boͤhmen keine gute Buͤrger ſind, ſollen es
doch in Siebenbuͤrgen ſeyn, ſollen ſogar hier die Graͤnze
des Staats gegen einen Nachbar, der vielleicht nicht
immer ein freundſchaftlicher iſt, vertheidigen? Und
dieſe Vertheidigung ſoll Menſchen anvertrauet wer-
den, die von Haus und Hof verjag: ſind, denen man
ankuͤndigt, daß man ihre Weiber und Kinder in dieſer
und jener Welt ungluͤcklich machen wolle, und denen
man nach verlaufnen acht Tagen nicht einmal den
Uebergang zu einer beguͤnſtigtern Lehre und die
Ruͤckkehr in ihr Vaterland geſtatten will? — Vereini-
ge wer da kann, dieſe Widerſpruͤche; ich werde mich,
ohne die unwiderlegbarſten Beweiſe, nie uͤberzeu-
gen, daß eine von jedem Freunde der Menſchheit ſo
geprieſene Duldung ſich außer dem alleinſeeligma-
chenden Glauben
(ein Ausdruck, der des Canzleyſtils
einer aufgeklaͤrten Regierung ganz unwuͤrdig iſt)
nur auf wenige beſonders autoriſirte Religionspar-
theyen einſchraͤnke, und dann — bedauern, daß
auch
*)
auch hier wieder eine ſo ſchoͤne Morgenroͤthe ohne
Tag geblieben ſey.
Ohne Zweifel gehoͤrt dieſe Nachricht entweder zu
den voͤlligen Erdichtungen, mit denen ſo oft die
Zeitungen angefuͤllt ſind, oder Joſeph weiß nichts
von dieſen Verordnungen, die ſeines großen Nah-
mens ſo unwuͤrdig ſind, oder die Sache haͤngt ganz
anders zuſammen, als man ſie vorgeſtellt hat. Letz-
teres ſcheint mir der wahrſcheinlichſte Fall. Die
Erſcheinung ſelbſt, daß unter boͤhmiſchen Bauern
ſich ſeit ſo vielen Jahrhunderten wirkliche Verehrer
der reinen Vernunftreligion, ununterdruͤckt durch
Intoleranz, unverfuͤhrt durch Schwaͤrmerey, die ge-
rade in dieſem Lande ſo lange einheimiſch waren,
erhalten haͤtten, — dieſe Erſcheinung hat in der
That ſehr wenig Wahrſcheinlichkeit fuͤr ſich, ver-
dient aber ſehr die Aufmerkſamkeit und naͤhere Un-
terſuchung, und wer hieruͤber naͤhere und zuverlaͤſ-
ſige Aufklaͤrung geben kann, iſt ſie dem Publikum
und JoſephII. ſchuldig.
*)
S. hieruͤber Hrn. Moſes Mendelsſohn Schrei-
ben an Hrn. Lavater
. S. 17. 19.
*)
Ich verweiſe hier auf das vortrefliche Werk des
Hrn. Prof. Eberhard: Neue Apologie des So-
crates
, wo man umſtaͤndlich und mit der ausge-
breitetſten Gelehrſamkeit den Beweis findet, „daß
„die Verdammung der Andersdenkenden, Lehrſatz
„der alten Kirche war, der auch von den Reforma-
„toren beyder proteſtantiſchen beybehalten und ſich
„bis auf die neueſten Zeiten im Beſitzſtande erhal-
„ten hat,“ — und den, kann ich leyder hinzuſetzen,
auch ſelbſt die maͤchtigen philoſophiſchen Angriffe
eines Eberhards noch nicht ſehr merklich haben er-
ſchuͤttern koͤnnen. S. beſonders Th. I. S. 18 — 28.
*)
Tertullianus de Idololatria c. 30. p. 84. edit. Rigaltii.
At enim ſuperſunt alia ſpectacula, ille ultimus \&

perpe-
*)
perpetuus judicii dies, ille nationibus inſperatus;
ille deriſus, cum tanta ſeculi vetuſtas \& tot eius
natiuitates uno igne haurientur! Quae tunc ſpecta-
culi latitudo? quid admirer! quid rideam! ubi gan-
deam
? ubi exultem? tot ſpectans reges, qui in coe-
lum recepti nuntiabantur, cum ipſo Jone \& ipſis
ſuis teſtibus in imis tenebris congemiſcentes? item
præſides, perſecutores Dominici nominis, ſaeuiori-
bus, quam ipſi contra Chriſtianos ſaeuierunt, flam-
mis inſultantibus liqueſcentes; praeterca ſapientes
illos philoſophos coram diſcipulis ſuis unà confla-
grantibus erubeſcentes, quibus nihil ad Deum per-
tinere ſuadebant, quibus animas aut nullas, aut
non in priſtina corpora redituras adſirmabant; etiam
poëtas non ad Rhadamanti, nec ad Minois, ſed ad
inopinati Chriſti tribunal palpitantes, Tunc ma-
gis tragoedi audiendi, magis ſcilicet vocales in ſua
propria calamitate, tunc hiſtriones cognoſcendi ſo-
lutiores multo per ignem tunc ſpectandus auriga, in

flam-
*)
flammea rota totus ruber, tunc xyſtici contemplan-
di, non in gimnaſiis, ſed in igne jaculati niſi quod
nec tunc quidem illos velim viſos, ut qui malim ad eos
potius conſpectum inſatiabilem conferre, qui in
Dominum deſaeuierunt. Hic eſt ille (dicam) fa-
bri aut quaeſtuariae filius, ſabati deſtructor, Sama-
rites, \& daemonium habens. Hic eſt quem à Juda
redemiſtis, hic eſt ille arundine \& colaphis diuer-
beratus, ſputamentis dedecoratus, felle \& aceto
potatus. Hic eſt, quem clam diſcentes ſubripuerunt,
ut reſſurrexiſſe dicatur, vel hortulanus detraxit, ne
lactucae ſuae frequentia commeantium adlaederen-
tur. Ut talia ſpectes, ut talibus exultes, quis tibi
praetor, aut conſul, aut quaeſtor, aut ſacerdos de
ſua liberalitate praeſtabit? \& tamen haec jam quo-
dammodo habemus per fidem, ſpiritu immaginante
[r]epræſentata.
*)
So ſehr die Reformatoren auch fuͤr ihre Abwei-
chungen von dem [h]errſchenden Lehrbegriff Duldung
bedurften und foderten, ſo konnten ſie doch faſt alle
zu den aͤchten Grundſaͤtzen einer allgemeinen Dul-
dung ſich nicht erheben. Sie machten fuͤr ſich auf die-
ſelbe, nicht als ein gemeines Recht aller Menſchen
Anſpruch, ſondern weil ſie allein glaubten, die
Wahrheit gefunden zu haben. Sie wollten nicht
bloß geduldet ſeyn, ſondern bekehren, und konnten
alſo, wenn ſie zuſammenhaͤngend denken wollten,
ihren Gegnern, die ihrer Wahrheit eben ſo gewiß
waren, nicht veruͤbeln, wenn ſie von dieſen eben ſo
verfolgt wurden, als ſie wieder Andere, welche von
ihren Begriffen abgiengen, verfolgten. Die Geſchichte
des Servets, der Haß der Lutheraner und Calvini-
ſten
*)
ſten und ſo manche faſt unalaublich harte Aeuſſerun-
gen der reformirenden Theologen aller Partheyen lie-
fern nur zu redende Beweiſe, wie ſehr ſie zu Letztrem ge-
neigt waren. Ich bemerke dieſes gewiß nicht in der
Abſicht, um die Achtung gegen Maͤnner zu ſchwaͤ-
chen, denen wir unſere itzige gereinigtern Begriffe
und wirklichen Genuß von Gewiſſensrechten ſo ſehr
mit verdanken; ſondern nur um zu zeigen, wie tief
die dem geſu[n]den Verſtande doch ſo unbegreifliche
und widerſprechende Lehre der Verfolgung, in dem
chriſtlichen Lehrſyſtem gegruͤndet war, da Maͤuner,
welche ſo hell ſahen und ſo viele Vorurtheile weg-
warfen, doch von dieſem ſich nicht loswickeln und
nicht ſehen konnten, wie ohne von dieſem einen frey
zu ſeyn, alle ihre Angriffe der uͤbrigen inconſequent
waͤren.
*)
waren. Zwingli war vielleicht der einzige, der die-
ſes anerkannte, aber dafuͤr auch von Luthern ſehr
harte Vorwuͤrfe leiden mußte. „Sage nun,“ ſind
ſeine Worte in der Schrift vom H. Sacrament,
„wer ein Chriſt ſeyn will, was darf man der Tanfe,
„Sacrament, Chriſtus, des Evangelii oder der Pro-
„pheten und heiligen Schrift, wenn ſolche gottloſe
„Heiden, Socrates, Atiſtides, ja der grewliche
„Numa, der zu Rom alle Abgoͤtterey erſt geſtifft
„hat, durchs Teufels Offenbahrung, wie St. Au-
„guſtinus ſchrybt, und Scipio der Epicurus, ſelig
„und heilig ſind, mit den Patriarchen, Propheten
„und Apoſteln im Himmel, ſo ſie doch nichts von
„Gott, Schrift, Evangelio, Geiſte, Taufe, Sa-
„erament oder chriſtlichen Glauben gewußt haben?
„Was
*)
„Was kann ein ſolcher Schreiber, Prediger und
„Lehrer anders glauben von dem chriſtlichen Glau-
„ben, als daß er ſey allerley Glauben gleich, und
„koͤnne ein jeglicher in ſeinem Glauben ſelig wer-
„den
, auch ein abgoͤttiſcher und Epicurer, wie Nu-
„ma und Scipio?“ Ich habe mich nicht enthalten
koͤnnen, dieſe merkwuͤrdige Stelle hieher zu ſetzen,
die ich gerade in Hrn. Prof. Meiſters beruͤhmten
Zuͤrichern
, I. S. 249 angefuͤhrt finde. Sie zeigt,
wie roh und wenig aufgehellt die Begriffe des ſonſt
ſo großen Mannes in dieſer wichtigen Sache waren.
Auch aus der Schrift von den Juden und ihren
Luͤgen
, die Luther 1543 ſchrieb, und worinn er den
Obrigkeiten deren Duldung mit ſeiner bekannten
Heftigkeit vorwirft, koͤnnte ich hievon noch mehr Be-
weiſe anfuͤhren, wenn es deren beduͤrfte.
*)
Nos etiam ad magiſtratus pro patria gerendos hor-
tatur Celſus, ſi ad tuendas leges pietatemque id fa-
cto opus eſt. Sed nos qui ſcimus in ſingulis civitati-
b[u]s aliam eſſe patriam à verbo Dei conſtitutam
, eos ut
Eccleſias regant hortamur, qui potentes ſermone et
quorum mores ſani ſunt. Qui dignitates amant, eos
repudiamus;
cogimus vero illos qui prae multa mo-
deſtia communem Eccleſiae curam in ſe facile reci-
pere nolunt. Itaque qui nobis ſapienter præſunt,
id illi coacti faciunt; coacti inquam à magno illo Re-
ge, quem Dei filium Deumque verbum eſſe per-
ſuaſum nobis eſt. Quod ſi qui in Eccleſia praeſunt, hoc
eſt Eccleſiae vocati Antiſtites, illi, quae ſecundum
Deum eſt, patriae, recte praeſunt, aut ex praeſcriptis
à Deo legibus praeſunt, propterea illi nullo modo ab hu-
manis contaminantur legibus
. Neque etiam ea cauſa
Chriſtiani magiſtratus recuſant, quod publica vitae
munia refugiant, ſed quod ſe diviniori et magis ne-
ceſſario Eccleſiae miniſterio ad hominum ſalutem ſer-
vent. Origenes contra Celſum
L. VIII. c. 75. edit.
de la Rue p. 798.
*)
Quod ſi velit Celſus duci etiam à nobis exercitum
ad tutandam patriam, ſciat id ipſum quoque à no-
bis fieri, ſed non ut ab hominibus videamur \& inde
gloriolam captemus. Nam in abſcondito noſtro \&
intima mente
, quaſi ſacerdotes, fundimus ad Deum
preces pro concivium noſtrorum ſalute. Quin patriae
magis proſunt Chriſtiani, quam reliqui homines
. Suos
enim cives erudiunt \&c. Origenes contra Celſum
L. V. ed. cit. p. 797.
*)
Et enim, ut ipſam cauſam coronae militaris ag-
grediar, puto prius conquirendum, an in totum
chriſtianis militia conneuiat
? Quale eſt alioquin de
accidentibus retractare, cum a praecedentibus cul-
pa ſit? Credemusne humanum ſacramentum diui-
no ſuperduci licere \& in alium dominum reſponde-
re poſt Chriſtum? \& eierare patrem ac matrem, \&
omnem proximum, quos \& Lex honorari, \& poſt
Deum diligi praecipit, quos \& Evangelium ſolo
Chriſto pluris non faciens, ſic quoque honorauit?
Licebit in gladio connerſari, Domino pronuntiante,
Gladio periturum, qui gladio fuerit uſus? Et prae-
lio operabitur filius pacis, cui nec litigare conneniet?

Et vincula \& carcerem \& tormenta \& ſupplicia ad-
miniſtrabit, nec ſuarum ultor iniuriarum? jam ſta-
tiones, magis faciet quam Chriſto? aut \& Do-
minico die, quando nec Chriſto? \& excubabit
pro templis, quibus renuntiauit? \& coenabit illic
ubi Apoſtolo non placet? \& quos interdiu exorciſ-
mis fugauit, noctibus defenſabit, incumbens \& re-
quieſcens ſuper pilum, quo perfoſſum eſt latus Chri-
ſti? vexillum quoque portabit aemulum Chriſti? \&
ſignum poſtulabit à principe, qui iam à Deo acce-
pit? mortuus etiam tuba inquietabitur aeneatoris,
qui excitari à tuba angeli expectat? \& cremabitur

ex
*)
ex diſciplina caſtranſi Chriſtianus, cui oremare non
licuit; cui Chriſtus merita ignis indulſit? Quanta
alia in delictis circumſpici poſſunt caſtrenſtum mu-
nium, transgreſſioni intorpretanda? Ipſum de ca-
ſtris lucis in caſtra tenebrarum nomen deferre,
transgreſſio eſt. Plane ſi quos militia praeuentos
fides poſterior inuenit, alia conditio eſt, ut illorum
quos Joannes admitebat ad launerum, ut Centurio-
num fideliſſimorum, quem Chriſtus probat, \& quem
Petrus catechicat; dum tamen fuſcepta fide atque ſigna-
ta, aut deſerendum ſtatim ſit, ut à multis actum:
aut
omnibus modis cauillandum, ne quid aduerſus
Deum committatur, quae nec ex militia permitun-
tur, aut nouiſſime perpediendum pro Deo quod
aeque fides pagana condixit. Nec enim delictorum
impunitatem, aut martyriorum immunitatem mili-
tia promittit. Nuſquam Chriſtianus aliud eſt. Unum
euangelium, \& idem Jeſus; negaturus omnem ne-
gutorem, \& confeſſurus oinnem confeſſorem Dei;
\& ſalvam facturus animam pro nomine eius amiſ-
ſam, perditurus autem de contrario aduerſus no-
men eius lucri habitam. Apud hunc tam mites eſt,
paganus fidelis; quam paganus eſt, miles infidelis.
Non admittit ſtarim fidei necoſſitates. Nulla eſt ne-
ceſſitas delinquendi, Nam \& ad ſacrificandum \&

directe
*)
Ita neque militare juſto licebit, cujus militia eſt in
ipſa juſtitia, neque vero accuſare quenquam crimine
capitali
, quia nihil diſtat utrum ne ferro, an ver-
bo potius occiſio ipſa prohibetur. Itaque in hoc
Dei precepto nullam prorſus exceptionem fieri
oportet, quia occidere hominem ſit ſemper nefas, quem
Deus ſanctum animal eſſe voluit. Lactantius de vero
cultu.
L. VI. c. 20. edit. Thyſii p. 426
.
**)
Ich weiß wohl, daß man zuweilen dieſe in unſern
Zeiten
*)
directo negandum, neceſſitate quis premitur, tor-
mentorum ſine poenarum: tamen nec illae neceſſitati
diſciplina conniuet; quia potior eſt neceſſitas ti-
mendae negationis \& obeundi martyrii, quam eua-
dendae paſſionis \& implendi officii. Tertullianus de
Corona
c. 11. edit. cit. p. 117.
**)
Zeiten ſo beleidigend auffallende Aeuſſerungen damit
hat entſchuldigen wollen, daß man ſie nur fuͤr beſonde-
re Meynungen einzelner Kirchenvaͤter ausgegeben, nach
denen man die Meynungen der ganzen Parthey nicht
beurtheilen duͤrfe. Aber woher ſoll man dann rich-
tigere Begriffe von den Grundſaͤtzen dieſer Parthey
hernehmen, wenn man aus den Schriften ihrer
groͤßten und verehrteſten Lehrer, wie die ſind, wel-
che ich angefuͤhrt habe, ſie nicht entlehnen kann?
Man darf auch nur einige dieſer Schriften im Zu-
ſammenhange leſen, um ſich zu uͤberzeugen, wie der
Geiſt jener einzelnen Stellen der ganzen Denkart
ihrer Verfaſſer angemeſſen iſt. Ich will indeß gern
zugeben, daß andre Lehrer das Gegentheil der an-
gefuͤhrten Saͤtze behauptet haben und daß man un-
ter den aͤltern Chriſten (wie dieſes Hr. D. Semler
mit Recht oft erinnert) ſehr unterſcheiden muͤſſe.
Aber ſoviel bleibt doch gewiß, daß jene mit dem
Wohl der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſchlechterdings
unvertraͤgliche Saͤtze ſich wenigſtens in dem chriſt-
lichen Religionsſyſtem der angeſehenſten Lehrer,
alſo auch ohne Zweifel eines betraͤchtlichen Theils
der Chriſten uͤberhaupt, befunden, und doch itzt ſich
aus demſelben ganz verlohren haben.
*)
Der Quacker und Mennoniten, welche dieſe
Lehren noch itzt in den heiligen Buͤchern aller Chri-
ſten finden und auch mit der angefuͤhrten Autoritaͤt
der Kirchenvaͤter unterſtuͤtzen, und ſich der Erhal-
tung des aͤlteſten chriſtlichen Glaubens ruͤhmen.
Bar-
*)
Barelay in ſeiner Apology for the true Chriſtian
Divinity \&c.
1678, p. 397 fuͤhret auch eine Menge
Stellen der Kirchenlehrer fuͤr die Unrechtmaͤßig-
keit aller Eyde
an. Von dem Lehrbegriff der Menno-
niten
hat Hr. Conſiſt. Rath Walch (in ſeiner neue-
ſten Religionsgeſchichte Th. VIII.) neuerlich eine ſehr
genaue und zuverlaͤßige Nachricht gegeben. Nach der-
ſelben S. 443 und 459 haͤlt ein Theil dieſer Par-
they die Verwaltung obrigkeitlicher Aemter einem
Chriſten ſchlechterdings, und die Vertheidigung ge-
gen Unrecht oder den Gebrauch der Waffen ſo ſehr
unerlaubt, daß ſelbſt in einer Rechtsſache die obrig-
keitliche Huͤlfe zu ſuchen oder ſeine Waaren auf
mit Geſchuͤtz verſehene Schiffe zu laden, unerlaubt
iſt.
*)
Juſtinus Martyr (im Dialogo cum Tryphone c.
80.) ſagt ausdruͤcklich, daß er und viele Chriſten dieſe
Hofnung naͤhrten, ohgleich Andere, die doch auch
wahre
*)
Herr Lavater in ſeinen Ausſichten in die Ewig-
keit
, Th. I. S. 191: „die Lehre von dem tauſend-
„jaͤhrigen Reiche verdiente wohl ſchon darum eine
„Unterſuchung, weil die Kirchenlehrer der drey er-
„ſten Jahrhunderte ſie ohne Bedenken angenom-
„men und geglaubt haben; ſie glaubten ſie in den
„Schriften des alten ſowohl als des neuen Teſta-
„ments zu finden. Die Vaͤter welche naͤchſt an die
„ayoſtoliſchen Zeiten reichten, reden mit einer ſol-
„chen
*)
wahre Chriſten waͤren, ihr nicht beypflichteten. Ire-
naͤus
(L. V. c. 32. 33.) leitet gleichfalls dieſe Mey-
nung aus dem Unterricht des Papias, eines Schuͤ-
lers Johannis, ab.
*)
„chen Beſtimmtheit und Gewißheit von dieſer Lehre,
„daß man unmoͤglich begreifen kann, wie ſie, ohne
„wichtige Gruͤnde dafuͤr in der Schrift zu finden ſich
„ſo entſcheidend und einſtimmig hieruͤber haͤtten
„ausdruͤcken koͤnnen. Es ſind die beruͤhmten Nah-
„men eines Juſtinus Martyr, Irenaͤus, Ter-
„tulian, Lactantius, Sulpitius
u. a. m. Allein
„man darf auch nur einige von den Schriftſtellen,
„worauf ſich dieſe Lehre gruͤndet, unpartheyiſch an-
„ſehen, um ſich zu uͤberzeugen, daß ſie nichts we-
„niger als eine blos menſchliche Hipotheſe, oder ein
„grundloſer Einfall ſey.“ Wenn ich nicht irre, iſt
auch ein anderer beruͤhmter Bibel-Erklaͤrer, den
man weniger, als vielleicht Hr. Lavater, einer
zu regen Einbildungskraft beſchuldigen wird, Hr.
Michaelis, bloß aus exegetiſchen Gruͤnden dieſer
Meynung geneigt.
*)
Natuͤrliche Alliirte ſind Staaten, deren Intereſſe
nach ihrer Lage und Verhaͤltniſſen nicht leicht in Col-
liſion kommen kann, aber gleichmaͤßig die Einſchraͤn-
kung eines dritten fodert, deſſen Uebermacht bey-
den gefaͤhrlich ſeyn wuͤrde. Nur dieſe koͤnnen die ge-
genſeitige Zunahme ihrer Staͤrke wuͤnſchen.
*)
Man findet uͤber den Unterſchied der alten und
itzigen Kriegskunſt ſehr intereſſante Bemerkungen
in einem ohnlaͤngſt erſchienenem Werke des Hrn.
Hauptmann Manvillon:Eſſay ſur I’Influence de
la poudre à Canon dans l’Art de la guerre mo-
derne,
welches auch fuͤr den forſchenden Geiſt eines
unmilitariſchen Lefers ſehr viele Nahrung enthaͤlt,
und, nach dem Urtheil der Kenner, in ſeiner Art
claſſiſch iſt.
*)
Hr. Mauvillon behauptet in dem angefuͤhrten
Werke S. 170 mit Recht, daß auch die moͤrderiſch-
ſten Erfindungen im Kriege eine wahre Wohlthat fuͤr
die Menſchheit waͤren, weil ſie den Krieg furchtba-
rer machen und erſchweren, und daß es ein ungegruͤn-
detes Vorurtheil ſey, welches nur die einmal herge-
brachten, aber nicht neue und bisher unbekannte
Waffen und Mittel dem Feinde zu ſchaden, fuͤr er-
laubt halte. In der That iſt dieſe letzte Meynung
ſehr gemein, aber es gehoͤrt nur wenig Nachdenken
dazu, um ſich wider ſie zu erklaͤren. Iſt das Schieß-
pulver dadurch unſchuldiger gemacht, daß es ſeit
Jahrhunderten gebraucht worden, und war der er-
ſte, der eine Flinte oder Kanone abfeuerte, ein
groͤßerer Menſchenfeind, als die itzt eben daſſelbe
thun? Und in welchem Zeitpunkt iſt das Recht
neue Mittel des Angriffs oder der Vertheidigung
zu erfinden, erloſchen? Der Zweck des Krieges iſt,
ſeinem Feinde den moͤglichſt groͤßten Schaden zu
thun; alle Mittel, die zu dieſem Zwecke dienen,
ſind gut; und je groͤßer, je ſicherer und unvermeid-
[l]icher der Schaden iſt, den Jeder im Kriege zu er-
warten
*)
warten hat, deſto mehr wird der Krieg vermieden
werden. „Die Erfindung des Geſchuͤtzes, ſagt ein
„vortreflicher engliſcher Schriftſteller, (Hr. Smith
Unterſuchung der Natur und Urſachen von Natio-
nalreichthuͤmern, II. S. 396) „die bey dem erſten
„Anblick ſo verderblich zu ſeyn ſcheint, beguͤnſtigt
„gewiß ſowohl die Fortdauer, als die Ausbreitung
„der Civiliſation.“ Einer der groͤßten Maͤnner und
Feldherrn unſers Jahrhunderts, der letztverſtorbene
Graf von Schaumburg-Lippe ſtimmt dieſem
Grundſatze bey. „Je vollkommner, (ſind ſeine Wor-
te, nach Hrn. Schmalz Denkwuͤrdigkeiten deſ-
ſelben S. 71) „die Kriegswiſſenſchaften ſind, deſto
„ſeltner werden Kriege gefuͤhrt, deſto mehr entfernt
„ſich die Art ſie zu fuͤhren vom wilden Erwuͤrgen.“
Die Menſchlichkeit unſers Kriegesrechts muß ſich
alſo nicht durch den Gebrauch unvollkomnerer oder
ſchwaͤcherer Waffen auszeichnen; dieß waͤre gerade
am wenigſten menſchlich, ſondern durch mildere Be-
handlung der Gefangnen, Schonung der nicht krie-
genden Unterthanen, Verabſcheuung zweckloſer Ver-
heerung u. ſ. w.
*)
Der Beweis dieſes Satzes iſt ſehr einleuchtend und
ſoviel ich weiß, am beſten in einer intereſſanten Ab-
handlung gefuͤhrt, die ſich in dem Magazin der
Regierungskunſt
S. 182 befindet.
*)
S. Abh. vom Geldumlauf, II. S. 101 ꝛc.
**)
Freylich koͤnnten dieſe Vorzuͤge noch vollkommner
ausgebildet und vortheilhafter erhoͤhet werden, wie
dieſes auf eine vortrefliche Art von einem Manne
ausgefuͤhrt iſt, der durch ſein eignes Muſter am be-
ſten beweißt, zu welcher Wuͤrde und wahrem Adel
ſein Stand erhoben werden koͤnne, ich meyne von
dem
**)
dem Hrn. Oberſten von Scholten, in der Ab-
handlung: was muß ein Officier wiſſen, wenn
er die Pflichten ſeines Standes erfuͤllen will ꝛc.

Deſſau 1782. Ueberhaupt verdiente die noch moͤg-
liche Verbeſſerung der itzigen Einrichtung der ſte-
henden Armeen, vorzuͤglich die Mittel, ſie aus ſich
ſelbſt zu rekrutiren und den Soldaten feſter an das
Vaterland zu binden — die reifeſte Erwaͤgung aller
großen Staaten. Aber dieſe Materie fodert eine
eigene Unterſuchung, und ich darf hier um ſo weni-
ger in dieſelbe eingehen, da ich durch das Inter-
reſſante des Gegenſtandes ſchon vielleicht zu einer
Ausſchweifung von meinem Hauptzweck verleitet hin.
*)
Stat. Lithuanicum c. 12. art. 9. „Die in Litthauen
„wohnende Tartarn und Juden duͤrfen von Niemand
„mit Geld zu Soldaten geworben werden; muͤſſen
„aber bey dem allgemeinen Aufgebot mit zu Felde
„ziehn.“
*)
Hartſincks Beſchryving van Guiana. Amſt. 1770.
T. 2. p.
706.
*)
Dupont du Commerce des Indes, p. 36.
*)
S. Galliani Dialogue ſur le Commerce de bled p. 142.
*)
Dieſe wichtige, die Aufmerkſamkeit aller Staaten
ver-
*)
Man findet hievon eine ſehr lehrreiche und authen-
tiſche Nachricht in den hiſtoriſch- politiſch- geo-
graphiſch-ſtatiſtiſchen, militaͤriſchen Beytraͤgen
die Koͤnigl. Preußiſche und benachbarte Staa-
ten betreffend
, II, p. 26 u. ſ. w. Gruͤnde und Ge-
geng uͤnde ſind hier genau geſamlet; letztere haben
damals obgeſiegt, ſie ruͤhren unſtreitig von ſehr
praktiſchen Geſchaͤftsmaͤnnern her, ich bin aber von
ihnen nicht uͤberzeugt worden, ob es mir gleich ſehr
angenehm geweſen, ſie in ihrer ganzen Staͤrke ken-
nen zu lernen.
*)
verdienende Unternehmung iſt umſtaͤndlich beſchrie-
ben in einer im Jahr 1777 zu Wien gedruckten
Schrift: Unterricht uͤber die Verwandlung der
K. K. Boͤhmiſchen Domainen in Bauerguͤter
.
4. aus der ich einen vollſtaͤndigen Auszug in meinen
Materialien fuͤr die Statiſtick ꝛc. II, p. 252 u. ſ. w.
geliefert habe. Lehrreiche Anmerkungen uͤber die-
ſelbe findet man in des Hrn. Buͤſch vortreflichem
Werke uͤber den GeldumlaufII, S. 402 u. f.
*)
Von den Gruͤnden werden uns vermuthlich die Hrn.
Verfaſſer der Geſchichte der Koͤnig!. Preuß. Do-
mainen
in der Fortſetzung der angefuͤhrten Beytraͤ-
ge
unterrichten.
*)
Siehe Moſaiſches RechtIV. Th. §. 202, wo ge-
zeigt
*)
zeigt wird, daß der Unterſchied reiner und unrei-
ner Thiere nichts anders, als die bey allen Voͤlkern
ſich findende Sitte in Abſicht zur Nahrung gewoͤhn-
licher und nicht gewoͤhnlicher Thiere ſey, die bey den
Juden von Moſes durch geſetzliche Beſtaͤtigung bin-
dender und bleibender gemacht worden, und ſich theils
aus Nachahmung aͤhnlicher aͤgyptiſcher Sitte, theils
einer im Clima von Palaͤſtina gegruͤndeten Diaͤte-
tick, oder auch aus der Abſicht des Geſetzgebers, ſein
Volk von den benachbarten immer abgeſondert zu
erbalten, erklaͤren laſſe.
*)
Dieß iſt nicht ganz richtig. Auch in den Manu-
faktu-
*)
fakturen arbeiten nur ſolche Unzuͤnftige, deren Ge-
ſchaͤft ohnedem nicht zuͤnftig iſt. Aber eigentliche
unzuͤnftige Weber koͤnnen auch hier nicht mit zuͤnf-
tigen arbeiten.
*)
Im Maͤrz 1776 wurden von Tuͤrgor die Zuͤnfte
aufgeboben, im Auguſt deſſelben Jahrs aber von
ſeinem Nachfolger, Cluͤgny unter gewiſſen Modi-
fikationen wieder hergeſtellt. Ich habe von dieſer
wichtigen Veraͤnderung eine umſtaͤndliche Nachricht
gegeben in meinen Materialien fuͤr die Statiſtik
u. ſ. w. II, p. 32 u. f.
*)
Ueber das fuͤr und wider dieſer Materie iſt ſchon
ſehr
*)
ſehr viel Gutes und auch praktiſch Brauchbares ge-
ſagt, aber erſchoͤpft und auf beſtimmte, in den mei-
ſten unſerer itzigen Staaten anwendbare Grundſaͤtze
gebracht, ſchei[n]t ſie mir noch nicht. Die wichtigen
Gruͤnde wider die Zunfverfaſſung ſind in neuern
Zeiten vorzuͤglich von den Phyſiokraten, und unter
den Deutſchen von Hr. Schlettwein mit ſehr viel
Einſicht und Nachdruck entwickelt worden. Unter
ihren Gegnern zeichnen ſich beſonders Hr. Schloſ-
ſers
Aufſaͤtze in den Ephemeriden der Menſchheit
1776 und 1777 durch aͤchten Scharfſinn und prakti-
ſche Bemerkungen aus. Die Gruͤnde beyder Par-
theyen und auch aͤlterer Schriftfteller findet man
mit vielem Fleiße und ſehr gutem eigenen Urtheil ge-
ſammlet in Hr. Firnhabers hiſtoriſch-polit. Be-
trachtung der Innungen
. Hannover 1782. 8.
Auch in Hr. D. Kruͤnitz oͤkonom. Encyclopaͤdie
Th. XXI, iſt der Artikel von den Handwerkern
mit vielem Fleiß und der bekannten Beleſenheit die-
ſes Gelehrten ausgearbeitet.
*)
S. Patriotiſche PhantaſienI. S. 287 u. ſ. w.
II, S. 285 und an mehrern Orten.
*)
Freylich erſcheint dieſe Materie aus einem andern
Geſichtspunkte, nach ſehr wichtigen Gruͤnden, in
einem andern Lichte. Die Begriffe ſind hier noch
nicht bis zu der Deutlichkeit aufgehellt, die ihre
Wichtigkeit verdiente, und zu der ein philoſophiſcher
Kopf, der die Menſchen in verſchiedenen Lagen und
Verhaͤltniſſen gruͤndlich kennte und ohne vorgefaßte
Meynung lange und genau beobachtet haͤtte, ſie lei-
ten koͤnnte. Mein Zweck erlaubt mir hier nicht,
auch nur in die kleinſte Eroͤrterung dieſes ſo viel
umfaſſenden Gegenſtandes auszugleiten.
*)
Naͤ[m]lich die Reichsabſchiede und Policeyord-
nungen
von 1530, 1548 und 1577.
*)
Sogar noch mit der Beſtimmung, daß die erſte
Generation wenigſtens 30 Jahre lang eine ſoge-
nannte ehrliche
Lebensart getrieben haͤtte. Siehe
Keichsſchl. wegen Abſchaffung der Handwerks-
Mißbraͤuche
de 1731. Art. 4. Eine Einſchraͤnkung,
die allerdings die Sache unmoͤglich zu machen ſchien,
denn wie ſollte dieſe erſte Generation zu dieſer drey-
ſigjaͤhrigen ehrlichen Beſchaͤftigung kommen, da ihr
der Zugang zu derſelben verſagt war? Denn wenn
gleich die unzuͤnfrigen Gewerbe dieſe Cloſſe nicht
geradezu ausſchlieſſen, ſo macht doch auch hier das
gar zu maͤchtige Vorurtheil ihre Duldung beynahe
unmoͤglich. Dieſe Betrachtung hat in dem Reichs-
ſchluſſe von 1772 die bemerkte Veraͤnderung bewirkt.
**)
Einige Reichsſtaͤnde waren wirklich der Meynung,
daß auch diejenigen zu Handwerken zugelaſſen werden
ſollten, welche die Arbeit der Nachrichter ſchon ge-
trieben haͤtten, aber ſie verlaſſen wollten. Man
vereinigte ſich indeß am Ende fuͤr ihre Ausſchlieſ-
ſung, (jedoch mit Vorbehalt ihrer Ehrenhaftmachung
und alsdenn obrigkeitlich zu verfuͤgenden Annah-
me) weil man die gemeine Meynung zu empfind-
lich anzugreiffen, und wegen der Verbindung der
Zuͤnfte
**)
Zuͤnfte mit der ſtaͤdtiſchen Verfaſſung zu viele In-
convenienzien beſorgte, der Fall auch ohnedem nur
ſelten vorkommen wuͤrde. Auch mir ſcheinen dieſe
Gruͤnde das Uebergewicht zu haben, nur, muß ich
geſtehen, wuͤnſchte ich aus dem Reichsſchluß und
den meiſten ſich darauf gruͤndenden deutſchen Lan-
desgeſetzen den Ausdruck: die verwerfliche
Arbeit ihrer Eltern
, weg, weil dem Geſetzgeber
eine ſo unentbehrliche Arbeit nicht verwerflich ſeyn
darf. Auch will ich noch eine intereſſante Erfah-
rung hier anfuͤhren, welche die Beſorgniß wider-
legt, man moͤchte einen Mangel an Abdeckern und
Nachrichtern haben, wenn man nicht die ungluͤck-
lichen Nachkommen der itzigen auf immer an dieſes
Geſchaͤft feſſelte, das, glaubt man, freywillig Nie-
mand uͤbernehmen wuͤrde. — Die Erwaͤhnung die-
ſes Grundes auf dem Reichstage veranlaßte im Jahr
1771 in der Mark Brandenburg eine Unterſuchung
uͤber das Herkommen dieſer Leute, und man fand,
daß die Haͤlfte derſelben nicht Nachrichter zu Vaͤtern
gehabt,
**)
gehabt, ſondern aus Noth, Verzweiflung und Lie-
derlichkeit dieß Geſchaͤft freywillig uͤbernommen ha-
be; dagegen hatten viele Soͤhne der hieſigen Ab-
decker ſich in die Fremde verlaufen, wahrſcheinlich
in der Abſicht dort unbekannt das Geſchaͤft, zu dem
die Geburt ſie hier verdammte, zu verlaſſen.
*)
Herr D. Kruͤnitz fuͤhrt daſſelbe an in der Oeco-
nom. Encyclopaͤdie
, XXI, S. 502.
*)
Es iſt uͤbrigens bekannt genug, daß auch ohne
Reichsſchluß und Aſſociation jeder Reichsſtand dieſe,
ſo wie andere Verſuͤg[u]ngen in Handwerksſachen, in
ſeinem Lande allein zu treffen, vollkommen befugt
iſt, da dieſes Recht allerdings mit zur Landesho-
heit gehoͤrt, und nur wegen der Schwierigkeit der
Ausfuͤhrung in einzelnen und beſonders kleinen
Staaten, ohne Concurrenz der uͤbrigen und benach-
barten, zu einem Gegenſtande der reichstaͤglichen
Berathſchlagung gemacht iſt. Die Staͤnde haben
ſich nicht nur dieſe ihre Befugniß, nach Befinden
beſondere Ordnungen und Einrichtungen wegen der
Handwerke zu machen, ſondern auch das Recht die
Zuͤnſte ganz abzuſchaffen, ausdruͤcklich vorbehal-
ten, wie dieſes noch 1672, da das Project des erſt
1731 mit der Kayſerlichen Ratifikation verſehenen
Reichsſchluſſes entworfen wurde, geſchehen iſt.
Merkwuͤrdig, wie ich aus den Comitialacten dieſes
Jahrs erſehen habe, iſt, daß damals mehrere Stim-
men ſehr nachdruͤcklich ſich fuͤr die gaͤnzliche und
allgemeine Abſchaffung der Zuͤnfte erklaͤrten, die
ſie der Induͤſtrie und Nabrung der Unterthanen ſehr
nachtheilig bielten.
*)
Ich habe ein Beyſpiel gehoͤrt, wie der unerleuch-
tete Religionshaß oft auch dieß erſchwere. Vor ei-
nigen Jahren kam ein junger Jude, der die Mahle-
rey gelernt hatte, nach einer beruͤhmten Stadt
Deutſchlands, um durch den Gebrauch der dorti-
gen Gallerie es in ſeiner Kunſt noch weiter zu brin-
gen. Aber man verſtattete ihm nicht den Beſuch
der Gallerie, weil er beſchnitten war.
*)
In Diſſert. de interr. inept. §. 48, wo er das roͤ-
miſche Geſetz, welches einen Juden unfaͤhig erklaͤrt,
gegen einen Chriſten ein Zeugniß abzulegen, gerade-
zu und gewiß mit gukem Recht ungereimt nennt.
**)
Im Tract. jurid. de Juramentis Judæorum. Frft.
\& Lipſ.
1748.
***)
In einer kleinen Schrift: Beantwortung
der Frage, ob die Zulaſſung eines Juden-

eyde-
***)
eides wider einen Chriſten bedenklich ſey?
Halle, 1778. — Aus einer zu Mantua im Jahr
1775 gedruckten Schrift: Lettera Apologetica nell'
occaſione di certo libro ſotto il titolo di Diſſertazione del-
la Religione e del Giuramento degli Ebrei.
4.
welche
mir ohnlaͤngſt in die Haͤnde gefallen, habe ich ge-
lernt, daß auch in Italien die Eiſenmengeriſchen
Anklagen gemacht, aber auch dort eben ſo buͤndig
und faſt mit denſelben Gruͤnden, wie es ſchon laͤngſt
in Deutſchland geſchehen, beantwortet ſind. Auch
dieſer Verfaſſer bemerkt, daß die groͤßten Kenner
des juͤdiſchen Religionsſyſtems immer die Falſchheit
dieſer Beſchuldigungen anerkannt haben.
*)
Man findet dieſe Materie umſtaͤndlich und ſehr
gut von zwey wuͤrdigen Maͤnnern ausgefuͤhrt, dem
Hrn Hofrath Oesfeld in ſeiner Schrift von den
Eidesleiſtungen
Berlin 1779 und von Hrn. Aſſi-
ſtenzrath Klein in ſeinen vermiſchten Abhand-
lungen uͤber Gegenſtaͤnde der Geſetzgebung und
Kechesgelebrſamkeit
, Leipz. 1780 1tes Stuͤck. Ein
neueres ausfuͤhrliches mit Gelehrſamkeit und philo-
ſophiſchem Geiſt geſchriebenes Werk haben wir von
Hrn. Prof. Malblanc erhalten; Doctrinæ de Jure-
jura-
*)
jurando e genuinis legum \& antiquitatis fontibus illu-
ſtrata, Norimb.
1781 in welchem gleichfalls eine weiſe
Einſchraͤnkung der Eyde ſehr empfohlen wird. Auch
in Hrn. von Sodens Entwurf zu einem peinli-
chen Geſetzbuch
, Deſſau 1782, 2tes Heft S. 23 u. f.
finder man uͤber dieſe Materie und fuͤr die Abſchaf-
fung des Eydes uͤberhaupt, nur die Zeugeneyde
ausgenommen, Gruͤnde, denen man bey ruhiger
Unterſuchung und eigner Welteifahrung ſchwerlich
ſeine Beyſtimmung wird verſagen koͤnnen. Moͤchte
doch nur die Aufmerkſamkeit der Regenten endlich
auf ein Uebel geleitet werden, das ihrer heilenden
Hand eben ſo beduͤrftig, als durch ſie geheilt zu
werden faͤhig iſt!
*)
Die Ungerechtigkeit und Inconſequenz dieſer Ge-
ſetze, welche die Inden nicht zum Erfuͤllungseyde ge-
gen Chriſten zulaſſen wollen, hat ſelbſt den unbilligen
Haß des Geſetzgebers gegen die ungluͤckliche Nation
vora[u]sgeſetzt, der vorhin angefuͤhrte philoſophiſche
Rechtsgelehrte Hr. Klein in den erwaͤhnten Ab-
handlungen
S. 80 und f. auf eine uͤberzeugende
Art gezeigt. Einen gleichen Zweck hat eine im vo-
rigen Jahre zu Wittenberg herausgekommene Diſ-
ſertation des Hrn. D. Menkende Judao jurisjuran-
di ſuppletorii haud incapace,
wo auch ein neuerli-
ches Urtheil der daſigen Juriſtenfacultaͤt angefuͤhrt
wird, das einen Juden zum Erfuͤllungseyde zuge-
laſſen hat, dem mehrere gleichfoͤrmige Erkenntniſſe
anſehnlicher Gerichtshoͤfe und Facultaͤten beygefuͤgt
werden koͤnnten. Dieſe neuern Schriften ſind mir
um ſo mehr angenehm geweſen, da oft auch noch
von unſern erſten und ſonſt uͤber jede Partheylichkeit
erhabenen Rechtsgelehrten dieſem Vorurtheil, ob-
gleich ohne weitern Beweis, practiſch beygeſtimmt
wird. S. z. B. Puffendorff Obſervat. II, p. 294. Con-
ſtat
*)
ſtat, heißt es daſelbſt, Judæos religioni non ducere,
Chriſtianos decipere damnoque afficete. Merito
igitur Iudex cavet, ne Judœum contra Chriſtianum
ad jusjurandum ſuppletorium admittat \&c,
Indeß
ſtreiten, wie ich ſchon bemerkt habe, gleich wichtige
Autoritaͤten (auf die es doch nicht ſehr ankommen
kann) fuͤr die gegenſeitige billige Meynung, unter
denen ich keine groͤßere, als die Praxis des Kaiſerl.
Reichs-Cammergerichts
anfuͤhren kann, nach wel-
cher die Juden zum Erfuͤllungseyde allerdings ge-
laſſen werden. S. Mynſinger Obſervat. Centur. V, Obſ.
VI. p.
382.
*)
S. Entdrecktres Judenthum Th. II, Cap. 9. p.
489—515.
**)
Ich habe Eſtors Schrift von der Mißlichkeit
der Judeneyde
nicht zur Hand, kann aber nach
dem, was ich daraus angefuͤhrt finde, nicht vermu-
then, daß dieſer Gelehrte den Eiſenmengeriſchen
Gruͤnden neue hinzugeſetzt habe.
*)
Moſaiſches RechtIII, §. 144.
**)
Der vorher angefuͤhrte anonymiſche italiaͤniſche Ge-
lehrte behauptet in der Lettera Apologetica p. 63,
daß die Entbindung allemal nur denn ſtatt finde,
wenn ein Geluͤbde nicht erfuͤllt werden koͤnne.
*)
In der roͤmiſch-katholiſchen Kirche hat dieſe erlaſ-
ſende Macht unſtreitig einen weit groͤßern Umfang
und mehrere Freyheit, als ihr nach dem juͤdiſchen
Syſtem je zugeſtanden worden.
*)
In der Schrift: de Juramentis ſecundum Leges
Hebræorum, edit. Miegii.
1672.
*)
Der Rabbi Salmon Zevi ſchreibt (ſind Eiſen-
mengers
Worte) in ſeinem Buche, dem juͤdiſchen
Theriat, gegen Brenzens abgeſtreiften juͤdiſchen
Schlangenbalg
, die lanere Wahrheit, wenn er
ſich alſo verlauten laͤßet:
Ich will hier auch Gnuͤgen bringen, daß der
Abgefallene luͤget, und daß Col niddre nicht auf

einen
*)
einen Eyd geher, welchen ein Jude dem andern,
oder ein Jude gegen einen Goi thut. Es geher
allein auf die Geluͤbde, die einer auf ſich nimmt,
mit einem Geluͤbde, oder mit einem Eyd, wie
die Schrift
(Nummer. 30, v. 3.) ſagt: wann
jemand dem Herrn ein Geluͤbde thut, oder
einen Eyd ſchwoͤret, daß er ſeine Seele
(das
iſt ſich ſelbſten) verbindet. Wann einer ein Ge-
luͤbde thut, als Faſten, oder anderes, ſo hilft
Col niddre darzu, daß er ſich darvon durch
einen fuͤrtreflichen Mann, das iſt, durch einen,
der im Geſetz ſehr wol erfahren iſt, oder durch
drey ſchlechte Maͤnner kann entbinden laßen.
Siehe die Aufloͤſung
(uͤber Col niddre) in den
Machſoren, oder in allen Gelehrten, die daruͤ-
ber geſchrieben haben, daß Col niddre auch
nicht zu den Geluͤbden etwas hilft, wann ſich
einer darauf verlaͤßet, und an Col niddre ge-
denket, ehe er das Geluͤbde thut, und thut das
Geluͤbde doch, ſo muß er es halten. Aber kein
Menſch in der Welt kann ſagen, daß Col nid-
dre einen Eyd, (welchen man einem andern
thut) aufloͤſe, ſonſten moͤgte ein Jude gegen
den andern auch falſch ſchwoͤren. Es ſtehet ja
kein Chriſt noch Jude darinnen ausgeſchloſſen
.
In
*)
In dem Buche Arba Turim heißt es:
Es nutzet aber dieſe Vernichtung (eines Ge-
luͤbdes und Eydes und die Entbindung davon)
zu nichts anders, als nur zu den Geluͤbden,
die einer von ſich ſelbſten thut, und zu dem
Eyd, welchen einer von ſich ſelbſten ſchwoͤret.
Was aber das Geluͤbde angehet, welches einen
ſein Nebenmenſch (oder Naͤchſter) geloben ma-
cher; oder den Eyd, welchen eines Nebenmenſch,
oder das Gericht einen ſchwoͤren laͤßer, ſo nutzet
denſelben die Vernichtung und Losſprechung
nichts
.
Der Rabbi Mordechai Jephe ſagt:
Es nutzet dieſe Vernichtung nichts, als zu
denjenigen Geluͤbden, die man von ſich ſelbſten
gelobet, und zu dem Eyde, den man von ſich
ſelbſten ſchwoͤret. Zu demjenigen Geluͤbde aber,
das einen ſein Naͤchſter geloben laͤßet, oder
dem Eyde, welchen einen ſein Naͤchſter, oder
das Gericht zu ſchwoͤren, auferleger, nutzer we-
der die Vernichtung, noch einiges Beding:
Dann ſiehe, er gelobet und ſchwoͤret nach der
Meynung ſeines Naͤchſten, und nach der Mey-
nung des Gerichts
.
In
*)
In ſeinen Noten zu dem vorhinangefuͤhrten Trac-
tat des Maimonidesde Juramentis.
**)
In Synag. Jud. p. 530 \&c. der Edition von 1661,
denn in der erſten von 1641 p. 370 hatte dieſer Ge-
lehrte noch der ungereimten Erklaͤrung des Col nid-
dre
beygepflichtet, ſie aber nach reiferer Einſicht
verworfen.
***)
In Animadverſ. ad Theriaoam Judaicam Salamo-
nis Zevi, p.
183.
*)
In dem zu Sultzbach, (ſetzt Eiſenmenger hinzu,)
gedruckten Machſor wird auch alſo geleſen: die Ent-
bindung nutzet zu nichts, als zu den Geluͤb-
den, die einer von ſich ſelbſten thut; aber nicht
zu dem, was einen ſein Naͤchſter oder das
Gericht geloben, und ſchwoͤren laͤßet
. So wird
auch in dem alten Prager Machſor in dem Com-
mentario, oder der Auslegung uͤber gedachtes Col
niddre, die ganze Sache von nichts anders als den
Geluͤbden erklaͤret.
*)
Dieſe Partheylichkeit iſt ſo groß, daß ſie auch jedem ge-
nauern Unterſucher dieſer Materie auffallen muͤſſen,
wie dieſes beſonders Wolfart und Heisler in den
angefuͤhrten Schriften bezeugen. Auch der beruͤhmte
und gewiß unpartheyiſche aͤltere Boͤhmer (in jure
Eccl. Proteſt. L. V. tit.
6. §. 50) bemerkt ſehr richtig:
Ut plurimum tales fabulæ ab iis originem traxere,
qui a judaica ſuperſtirione ad nos tranſierunt, qui-
bus non facile credendum, quippe qui odio ſectæ
ejuratæ inaniſſima ſæpe commenta proferunt, ut
ægre iis faciant, quorum odia non ſine ratione me-

tuunt,
*)
tuunt. Nirgend trifft dieſes mehr zu, als bey der
Beſchuldigung, mit der ich es hier zu thun habe,
da Eiſenmenger, wie auch ſchon Heisler erinnert,
keine einzige Stelle juͤdiſcher Lehrer, ſondern bloß
Ueberlaͤufer zu ihrem Beweiſe anfuͤhrt.
*)
Beſonders von den Roͤmern ſ. Malblanede Jureju-
rando L. III. c.
37, 38.
**)
S. Michaelis, moſaiſches Recht, V. §. 256.
*)
In dem Rechtsbuche Schulchem Aruch heißt es:
Wann einer einem Gewaltthaͤtigen (oder
Zwang gebrauchenden) ein Geluͤbde thut, oder

einen
*)
einen Eyd ſchwaͤret, ſo iſt es kein Geluͤbde, und
kein Eyd. Deswegen thut man den Moͤrdern
und Zoͤllnern ein Geluͤbde, wann es ein Zoͤll-
ner iſt, der ohne Befehl des Koͤnigs ſtehet,
oder wenn er von einem mehr (Zoll) nehmen
will, als ihm geſetzt, (und zu nehmen verord-
net) iſt, und kann man ihm ein Geluͤbde thun,
oder einen Eyd ſchwoͤren, daß man frey von
ihm komme, und ſagen, alle Fruͤchte in der Welt
ſollen mir (zu eſſen) verboten ſeyn, wenn
ich nicht von des Koͤnigs Hauß bin, damit
er des Moͤrders loß werde: oder, wann nicht
dasjenige, das ich bringe, von des Koͤ-

nigs
*)
nigs Hauß iſt, damit er von dem Zoll frey wer-
de. Er gedenker aber in ſeinem Herzen, ſie ſol-
len mir nur heut verboten ſeyn, wiewohl er es
ſchlechthin aus ſeinem Munde redet: denn es
iſt bey uns feſt und gewiß (und erweißlich) daß
die Worte, welche im Herzen ſeynd, vor keine
Worte gehalten werden, und daß ſolches bey
einem Zwang-gebrauchenden zu thun erlaubet
ſey, wann derſelbe auch ſchon von einem nicht
begehret, daß er ein Geluͤbde thun ſoll, und
er von ſich ſelbſten ein Geluͤbde thut, oder er
ein mehrers angelobet, als derſelbe erfodert
hat: oder wann derſelbe von ihm begehret hat,
daß er ein Geluͤbde thun ſoll, und er ſchwoͤret
ihm, ſo iſt ſolches fuͤr nichts zu halten, dieweil
er alles, was er thut, nur wegen des Zwanges
thut, und damit er ſeine Worte gegen den Ge-
waltthaͤtigen bekraͤftigen moͤge, doch aber alles
nach der Nothwendigkeit der Sachen
.
*)
Heisler iſt vermuthlich durch die bemerkte zwey-
deutige Eiſenmengeriſche Ueberſetzung des Worts:
Anaſſ, verleitet worden (S. l. c. p. 26) auch den
Fall mit zu den erlaubten zu rechnen „wenn Jemand
„einem offenbaren Unrecht, ſo ihm ein Anderer
„thun will, nicht anders als durch einen Eyd ent-
„gehn
*)
„gehn kann.“ — Dieſe Erlaubniß koͤnnte allerdings
ſehr gemißbraucht werden, da faſt in jedem Rechts-
handel jede Parthey ihr Recht fuͤr offenbar haͤlt,
alſo wenn ſie nicht anders es erhalten koͤnnte, ſich
einen falſchen Eyd erlauben wuͤrde. Nach den hier
entwickelten Grundſaͤtzen gehoͤrt aber dieſer Fall
durchaus nicht zu denen, in welchen es verſtattet iſt,
ſeinen Worten einen andern Sinn zu geben, welche
vielmehr allein auf die unrechtmaͤßige Gewalt
Deſſen
, der uns einen Eyd abdringt, beſchraͤnkt
ſind.
*)
Sogar in der vorhin angefuͤhrten Stelle findet ſich
hievon ein Beweis, da nicht nur gegen den, der
nicht Zoͤllner iſt, ſondern auch gegen den wirkli-
chen Zoͤllner, wenn er nur zuviel fodert, die Selbſt-
vernichtigung des Eydes
erlaubt wird, da doch
nicht dem, der Zoll giebt, ſondern dem dazu be-
ſtellten oͤffentlichen Bedienten, der Tarif, nach
welchem Zoll gefodert wird, am beſten bekannt ſeyn
muß, und Jenem nur, wenn er ſich berechtigt haͤlt,
eine Beſchwerde bey dieſes Obern uͤbrig bleibt.
Noch bedenklicher ſind die S. 511 von Eiſenmenger
angefuͤhrte rabbiniſche Stellen, nach welchen ſogar
einem Simeon erlaubt iſt, eydlich zu erhaͤrten, daß
er von dem bey ihm niedergelegten Gelde des Raͤu-
bers
*)
bers nichts wiſſe, wenn der Koͤnig es mit Unrecht
wegnehmen will. Man ſieht wie gefaͤhrlich es ſeyn
wuͤrde, die Erkenntniß uͤber dieſes Unrecht dem,
der Parthey iſt, zu uͤberlaſſen, und wie geſchwinde
man ſich immer weiter verirren koͤnne, wenn man
einmal durch die allemal ſchaͤdlichen caſuiſtiſchen
Sophiſtereyen von dem geraden Wege der Wahr-
heit abgeleitet iſt.
*)
Der Rabbi Bechai ſagt:
Welcher einen Eyd uͤbertritt, der verlaͤngnet das
Fundament (nemlich Gott,) und ſchlieſſet ſich
ſelbſten aus von der Summa des Eydes, und
hat kein Theil an dem ewigen Leben.
Welcher einen Eyd uͤbertritt, der thut eben
ſo viel, als wenn er den gebenedeyeten Gott
verleugnete, und demſelben abſagte, dann der
zweck eines Eydes beſtehet darinnen, daß,
gleich wie Gott wahrhaftig iſt, alſo ſoll auch
ſein (nemlich des Menſchen) Wort wahrhaftig
ſeyn. Wenn er aber ſein Wort nicht haͤlt, ſiehe
ſo verlaͤugnet er den gebenedeyeten Gott.
Es iſt unter allen Suͤnden keine ſo ſchwer,
als wenn man einen Eydſchwur uͤbertritt.
Wer einem Goi, oder Heyden, (das heißt ei-
nem der kein Jud iſt,) ſchwoͤret, und den Eyd

uͤber-
*)
uͤbertritt, derſelbige entheiliger den Nachmen
Gottes; und lernen wir ſolches (Ezechiel 17, v.
13 ꝛc.) von dem (Koͤnig) Zidkia, welcher dem
Nebucad-Nezar geſchworen, und ſeinen Eyd
uͤbertreten hat, und deswegen beſtraft iſt wor-
den, (wie 2 Reg. 25, v. 7. und Jeremiaͤ 39, v. 6.
zu leſen iſt,) und dieſes iſt, was der Ezechiel
(im 17 Capitel v. 5) geſagt hat: Er nahm auch
von dem Saamen des Landes, und ſetzte
ihn in einem fruchtbaren Boden ꝛc. Hieraus
kann man lernen, was fuͤr eine ſchwere Sache
es ſey, wann man einem Goi von den Voͤl-
kern einen Eyd ſchwoͤrer, und ſeinen Eyd uͤber-
tritt, wie groß ſeine Strafe ſey, daß ſie bis
an den Himmel reichet, und das wegen der
Entheiligung des Nahmens Gottes. Deswe-
gen auch ſaget die Schrift, (Levit. 19, v. 12.)
Ihr ſollet nicht falſch ſchwoͤren bey meinen
Nahmen
(dann) ich bin der Herr, der dich
deswe-
*)
deswegen ſtrafet, wann du auf einige Wei-
ſe, ja auch einem Goi, falſch ſchwoͤreſt,
dieweil du den Nahmen (Gottes) entheili-
geſt.

Der Rabbi Iſaac Abuhaf.
Wir lernen in dem Medraſch-Tanchuma, daß
ein jeder, welcher mit Eyden ſich verſuͤndiget,
(und dieſelbe uͤbertritt) den heiligen gebenedeye-
ren Gott verlaͤugne, und in Ewigkeit keine
Vergebung zu gewarten habe, dieweil (Exodi
20, v. 7.) geſagt wird: Dann der Herr wird
den nicht unſchuldig halten, der ſeinen Nah-
men vergeblich nimmt.
*)
Ueber Juden. Deſſau. 8. 1783.
*)
Sehr zu wuͤnſchen iſt es, daß die weiſen und
menſchlichen Ermunterungen des unter den Juden
ſehr beruͤhmten Gelehrten Hrn. Weſſely in den
Worten der Wahrheit und des Friedens an die
geſammte juͤdiſche Nation, vorzuͤglich an die-

jenigen,
*)
Hr. D. hat auch neulich den ſo unrecht ver-
geſſenen Tractatus theologico-politicus dieſes groſ-
ſen Mannes wieder in Erinnerung gebracht und
deſſen Vorrede in den erwaͤhnten Berichten 5tes
St. S. 564 u. f. uͤberſetzt. Hr. D. bemerkt mit
Recht, daß unſere Zeit Spinoza’n noch nicht hin-
ter ſich denken muͤſſe; ſie iſt allerdings mehr, als
die ſeinige, faͤhig ihn zu verſtehen, zu nutzen und
zu berichtigen, ohne ihn zu verdammen.
*)
jenigen, ſo unter dem Schutze des Kaiſers
Joſeph
II.wohnen. Berlin 1782. bey den
Glaubensgenoſſen des vortreflichen Verfaſſers Ein-
druck machen moͤgen, deſſen Einſicht und Herzen
dieſe kleine urſpruͤnglich hebraͤiſche Schrift ſehr
viel Ehre macht. Bey der Staͤrke des noch zu
herrſchenden Vorurtheils iſt es nicht befremdend,
daß Geſinnungen, wie dieſe, Hrn. Weſſely von
einigen juͤdiſchen Eiferern einen ſehr heftigen Ta-
del und Verdammungsurtheile zugezogen haben.
*)
Das Forſchen nach Licht und Recht in einem
Schreiben
an Hrn. Moſes Mendelsſohn. Berlin
1782.
**)
Jeruſalem oder uͤber religioͤſe Macht und
Judentum von Moſes Mendelsſohn. Berlin

1783.
*)
Man findet von ihnen eine kurze und deutliche
Nachricht in Hrn. O. C. R. Buͤſchings Ge-
ſchichte der juͤdiſchen Religion
, §. 52, nebſt An-
zeige der Quellen, ſich weiter zu belehren. Hier-
nach ſind ihre zehn vornehmſte Glaubensartikel,
in denen man nichts finden wird, was die Karai-
ten
verhinderte gute Buͤrger zu ſeyn, folgende:
1) Alle Weltkoͤrper und was in denſelben iſt,
ſind erſchaffen. 2) Der Schoͤpfer derſelben iſt uner-
ſchaffen; 3) er hat nicht ſeines gleichen; 4) er hat
ſeinen Knecht Moſes geſandt; 5) durch denſelben hat
er ſein vollkommenes Geſetz gegeben; 6) ein Glaͤu-
biger
*)
biger muß die Sprache des Geſetzes, und die Aus-
legung deſſelben verſtehen, es muß aber der Wort-
verſtand des Geſetzes durch vernuͤnftige Regeln
der Auslegungskunſt beſtimmet werden; 7) der
hochgelobte Gott hat auch die uͤbrigen Propheten
durch den prophetiſchen Geiſt regieret; 8) der
hochgelobte Gott wird die Menſchenkinder am
Tage des Gerichts wieder lebendig machen;
9) und einem jeden nach ſeinen Werken vergelten;
10) er hat ſein Volk in ſeiner Gefangenſchaft
nicht verworfen, ob er es gleich gezuͤchtiget; es
gebuͤhret ſich alſo, daß es an einem jedem Tage
ſein Heil durch den Meßias, den Sohn Davids
annehme.
*)
S. Jeruſalem. Zweyter Abſchnitt. S. 128 u. f.
*)
Wem dieſer Ausdruck zu hart ſcheint, dem will ich,
wenn er auch ſonſt nichts von Polen wuͤßte, nur
aus dem erwaͤhnten Aufſatze S. 177 das Factum
aufuͤhren, daß durch ein Geſetz von 1517 die Canz-
leytaxen bey Proceſſen nur fuͤr den Adel be-
ſtimmt, in Abſicht der Buͤrger aber, arbitrio et
voluntati Cancellariae
lediglich uͤberlaſſen ſind.
*)
Wird es nur moͤglich ſeyn, dieſe in der Aus-
uͤbung wirklich zu verhindern?

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Rechtsinhaber*in
Kolimo+

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden. Ueber die bürgerliche Verbesserung der Juden. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpst.0