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Filips von Zeſen

Aſſenat;

das iſt
Derſelben/ und des
Joſefs
Heilige
Stahts-Lieb- und Lebens-geſchicht/

mit mehr als dreiſſig ſchoͤnen Kupferſtuͤkken
gezieret.

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Zuͤ Amſterdam: /
Bei/ und in verlegung Kriſtian von Hagen/
Kupferſtecher/ im 1670 heiljahre.

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Ao!
Dem Durchleuchtigen/ Hochgebohrnem Fuͤrſten
und Herren/
Hꝛn Johan Georgen/
Fuͤrſten zu Anhalt/ Grafen zu

Askanien/ Herꝛn zu Zerbſt/ und Bern-
burg/ uu. aa. mm. Kuhrfuͤrſtlicher Durchl.
zu Brandenburg der Kuhr und Mark Stathal-
tern/ als auch algemeinem Obergebieter uͤber
Derſelben Reiterei/ u. a. m.
Seinem gnaͤdigſten Fuͤrſten/ und Herren.


DVrchleuchtiger/ Hoch-
gebohrner Fuͤrſt/ Gnaͤ-
digſter Herꝛ/

Dankbar zu ſein bin ich ſchul-
dig. Seiner Durchl. Ruhm zu
erhoͤben bin ich verpflichtet. Hier-
zu reitzet mich Ihre milde Gnade.
* iijHier-
[]Auftragsſchrift.
Hierzu treibet mich Ihre uͤber-
ſchwaͤngliche Guͤhte. Beide ha-
ben mir iederzeit voͤllig gebluͤhet.
Von beiden ſeind mir reiche fruͤch-
te geworden. Vor beides habe ich
auch untertaͤhnigſt gedanket:
doch bisher nur im hertzen/ und
kaum mit dem munde. Auch iſt
es nur zu weilen in geheim/ und
ſpahrſam mit der feder geſchehen.
Aber eine ſo ſtille Dankbarkeit iſt
nicht genug. Der heimliche
Ruhm iſt hier zu wenig: weil
S. Durchl. Tugend/ und Gna-
de ſo gar groß und offenbar iſt.
Beide muͤſſen dan oͤffentlich aus-
brechen. Meine Dankbarkeit mus
ich vor den ohren und augen der
Welt bezeugen. Vnd daruͤm faſ-
ſe ich auch dieſe feder. Dieſelbe zei-
get
[]Auftragsſchrift.
get der gantzen Welt an/ daß S.
Durchl. hieſige mitkommende
Egiptiſche Ebreerin von mir
geheiliget wird. Es iſt die ſchoͤne
Aſſenat/ eine Egiptiſche Fuͤr-
ſtin/ des Groͤſſeſten unter den E-
breern Gemahlin. Sie hat von
mir die Hochdeutſche ſprache ge-
lernet. Damit leſſet Sie ſich vor
S. Durchl. ohren hoͤren. Vnd
hiermit untergiebet Sie ſich zu-
gleich S. Durchl. ſchutze. Von
Ihr wil Sie/ als eine ankom-
mende Fremde/ beſchirmet ſein.
Vnd hieruͤm langet S. Durchl.
meine feder auch untertaͤhnigſt
an. Ja ich flehe fuͤr Sie. Ich fle-
he/ Sie mit einem guͤhtig-gnaͤdi-
* iiijgem
[]Auftragsſchrift.
gem blikke zubeſeeligen. Anders
darf von Seiner Durchl. aller-
guͤhtigſten angebohrenheit ich
auch nicht hoffen. Vnd daͤchte/
ja hofte ich anders/ ſo taͤhte ich
ſuͤnde. Ich wil dan keine worte
mehr machen. Die Aſſenat ſol
es nun ſelbſt tuhn. Vnd alſo leſ-
ſet Sie in Seiner Durchl. hand
derſelbe/ der anders nichts wuͤnd-
ſchet/ als in der taht zu ſein/ und
zu bleiben/ ſo lange er ahtemen
kan/


Seiner Hochfuͤrſtl. Durchl.
alleruntertaͤhnigſter/ dienſtſchuldigſter
Filip von Zeſen.



[]Ao!

Dem Deutſchgeſinten Leſer.


MIch deucht/ ich ſehe die
Welt ihr leſchhorn ruͤmp-
fen. Mich duͤnkt/ ſie zie-
het das maul. Ich hoͤre/ ſie
fraget: was ungewoͤhnli-
ches/ was ſeltſames/ was neues iſt dis?
Sie ſiehet/ daß ich dieſe Liebesgeſchicht
heilig nenne. Das komt ihr fremde
vor. Daruͤber verwundert ſie ſich. Dar-
uͤber kreuſet und kreutzet ſie mit dem zei-
ger. Freilich iſt es was neues/ was
fremdes/ was ſeltſames. Ja es iſt was
heiliges/ dergleichen auf dieſe weiſe noch
niemand verfaſſet.


Mit nicht-heiligen/ ja unheiligen
Liebesgeſchichten
hat man ſich lange
genug beluſtiget; mit weltlichen uͤberge-
nug ergetzet. Darzu hat der Grieche
Heliodor zuerſt die feder geſpitzt. So
gehet die gemeine rede. Die Spanier
und Waͤlſchen ſeind ihm gefolget: und
* vdieſen
[]Vorrede.
dieſen die Franzoſen/ mit den Engliſchen.
Endlich haben ſich auch de Hoch- und
Nieder-deutſchen
eingefunden. Aber
nun ſollen dieſe letzten in den Nicht-heili-
gen und weltlichen/ die erſten ſein in den
Heiligen. Hierzu veranlaßet ſie hieſige fe-
der. Hierzu wird ſie ihnen eine vorgaͤn-
gerin; indem ſie dieſe heilige Stahts-
lieb- und lebens-geſchicht
flieſſen leſſet.


Fragſtu/ waruͤm ich ſie heilig nenne?
Freilich iſt ſie heilig/ weil ſie aus dem
brunnen der heiligen Geſchichte Goͤtt-
licher Schrift gefloſſen. Zudem handelt
ſie von der Aſſenat/ die aus einer Egipte-
rin eine Ebreerin ward. Ja ſie handelt
vom Joſef/ der ein Nachkoͤmling und
Sohn der heiligen Ertzvaͤter war: und
ſelbſt ein Ertzvater worden; indem er
zween Stamvaͤter des heiligen Volks
der Ebreer gezeuget. Die Aſſenat war
nicht allein eine gebohrene Fuͤrſtin; ſon-
dern auch eines Geiſtlichen Tochter/
und ſelbſt eine geiſtliche Jungfrau.
Darnach ward ſie auch des Joſefs Ge-
mahlin/
[]Vorrede.
mahlin/ und zugleich eine Mutter des
Efraimiſchen und Manaſſiſchen Stam-
mes. Ja ſie ward eine Ertzmutter/
wie Joſef ein Ertzvater/ dieſer zween
Staͤmme des heiligen Volks Iſraels.
Darzu komt noch dieſes/ daß die Liebe
der Aſſenat ſo wohl/ als des Joſefs/
rein/ keuſch/ und heilig weſen.


Hier ſieheſtu dan klahr genug/ daß
ich dieſe Geſchicht nicht unbillich heilig
nenne: die ich noch uͤber das/ in ih-
rem gantzen grund-weſen/ wie ich ſie
in der heiligen Schrift/ und in den be-
ſten unter den andern gefunden/ heil
und unverruͤkt gelaßen; wiewohl ich ihr
zu weilen/ nach dieſer ahrt zu ſchreiben/
einen hoͤhern und ſchoͤneren ſchmuk und
zuſatz/ der zum wenigſten wahrſchein-
lich/ gegeben.


Sonſten ſeind alle dergleichen Liebs-
geſchichte faſt bloße Gedichte. Auch
iſt ſonſten zwiſchen dergleichen Ge-
ſchichtſchreibern/ und rechten Dicht-
meiſtern ſchier kein ander unterſcheid/
als
[]Vorrede.
als daß jene in gebundener/ dieſe in un-
gebundener rede ſchreiben. Aber dieſe
meine Geſchicht iſt/ ihrem grundweſen
nach/ nicht erdichtet. Ich habe ſie
nicht aus dem kleinen finger geſogen/
noch bloß allein aus meinem eigenen
gehirne erſonnen. Ich weis die Schrif-
ten der Alten anzuzeigen/ denen ich ge-
folget.


Jene werden daruͤm mit erdichteten
wunderdingen ausgezieret/ ja oft im
grundweſen ſelbſt erdichtet/ oder auf
dichteriſche weiſe veraͤndert; damit ſie
in den gemuͤhtern der Leſer uͤm ſo viel
mehr verwunderung gebaͤhren moͤchten.
In ihnen wird daruͤm die wahrheit mit
einer andern geſtalt vermummet/ und
mit wahrſcheinlichen/ auch oftmahls
kaum oder gar nicht wahrſcheinlichen
erdichtungen vermasket/ ja ſelbſten ver-
drehet; damit ſie uͤm ſo viel ſchoͤner/ uͤm
ſo viel herlicher/ uͤm ſo viel praͤchtiger ih-
ren aufzug tuhn moͤchten. Hier aber
haben wir keiner erdichtungen/ kei-
ner
[]Vorrede.
ner vermaskungen/ keiner verdrehun-
gen noͤhtig gehabt. Die nakte Wahr-
heit dieſer ſachen/ davon hieſige Ge-
ſchicht handelt/ konte ſolches alles ohne
das genug tuhn. Aus den hinten ange-
fuͤgten Anmaͤrkungen/ da ich meine ver-
faſſung/ aus den Schriften der Alten
und Neuen bewaͤhre/ wird es der Leſer
ſehen: wiewohl ich kaum die helfte/ da-
mit ich ſeiner geduld/ durch alzuuͤber-
fluͤßige weitſchweiffigkeit/ nicht mis-
brauchte/ anmaͤrken duͤrfen. Doch
wird verhoffendlich dieſe helfte den Lieb-
habern nicht weniger angenehm ſein/
als das gantze: weil ſie ihnen zum we-
nigſten die ſpuhr zeiget/ das gantze zu
erſpuͤhren. Dahin hat ſich auch mei-
ne feder bearbeitet. Ja daruͤm iſt mein
raht/ daß man ſolche Anmaͤrkungen
zuallererſt leſe. Dan wan man dieſe
wohl gefaſſet/ wird man die Ge-
ſchichtsverfaſſung ſelbſten mit groͤſſe-
rem nutzen ſo wohl/ als verſtande/ le-
ſen. Viel leichter wird man dan wiſſen/
wohin
[]Vorrede.
wohin ich ziele. Dan wird man ſe-
hen/ daß ich dieſes/ oder jenes nicht ver-
gebens und ohne vorbedacht/ noch aus
eigner eingebung geſetzet. Ja dan wird
faſt kein wort uͤmſonſt geſchrieben zu ſein
ſcheinen.


Hierbei ſol man auch dieſes wiſſen/
daß wir/ da/ die heilige Schrift ent-
weder zu kurtz redet/ oder aber gar
ſchweiget/ in vielen den Schriften der
Araber/ und Ebreer/ und dan des welt-
beruͤhmten Atanaſius Kirchers/ im
meiſten aber der Aſſenat Geſchicht/ und
der Verfaſſung des letzten Willens der
zwoͤlf Ertzvaͤter/
der Soͤhne Jakobs/
gefolget. Dieſe zwo letzte Schriften
haben die Juͤden/ aus neide/ wie man
ſchreibet/ lange zeit verborgen gehal-
ten. Endlich ſeind die Griechen dar-
hinter kommen/ und bemuͤhet geweſen/
ſie in die Griechiſche ſprache uͤberzu-
ſetzen. Hierinnen ſeind ſie ſo lange ge-
blieben/ bis ſie ein Engliſcher Linkolni-
ſcher Biſchof/ Robert der zweite/ aus
Grie-
[]Vorrede.
Griechenland bekommen/ und im 1242
jare/ mit huͤlfe Niklaſens des Griechen/
und des Albaniſchen Abts Geheimver-
pflegers/ in die Lateiniſche ſprache uͤber-
getragen: daraus man ſie nachmahls
auch in die Hoch- und Nieder-deutſche
gebracht.


Im uͤbrigen wuͤndſche ich/ daß der
Kuͤnſtler/ H. K. von Hagen/ im ent-
werfen der Bildriſſe/ welche ſich/ wie-
wohl ſie ſeine erſten fruͤchte ſeind/ ohne
mein zutuhn/ ſelbſt preiſen werden/ mei-
nem ſinne recht eigendlich folgen koͤn-
nen. Ich habe zwar mein beſtes ge-
tahn/ ihm denſelben deutlich genug zu er-
klaͤhren. Aber es ſcheinet/ daß ſich die
Kunſt nicht allezeit wil binden laßen.
Daruͤm hat ſie auch alhier was freier
abgeſchweiffet/ als mein ſin und wille
war. Doch wo iemand dieſe ſtummen
Gemaͤlde nicht vergnuͤgen/ da werden
es die beigefuͤgten redenden tuhn. Aus
denen wird man genug verſtehen/ wie ſie
ſein ſolten/ und wie die ſache ſelbſten ſich
befindet.


Wird
[]Vorrede.

Wird nun dieſes Werklein ange-
nehm ſein/ ſo ſol mein Moſes/ und
Simſon/ auf eben dieſelbe weiſe [be-
ſchrieben]
/ der Aſſenat folgen. In-
deſſen gehabe dich wohl/ lieber Leſer/
und beluſtige dich hiermit nach deinem
belieben/ ja beguͤnſtige/ wan ich deſſen
waͤhrt bin/ mit deiner liebe


deinen


Zeſen.


Filips[1]
[figure]

Filips von Zeſen
Aſſenat.
Das erſte Buch.


DEr liebliche Liljenmohnd war
nunmehr vorbei; die Sonnenwaͤn-
de durch den ruͤkgaͤngigen Kraͤbs ge-
ſchehen: der Niel ſtieg immer hoͤher
und hoͤher; und Oſiris begunte ſich
dem Jungferſchoße ſeiner himliſchen
Iſis algemach zu naͤhern/ als der
truͤbſeelige Joſef den Ort ſeines elendes erblikte.
Memfis/ die Koͤnigliche ſtadt/ ſahe er mit klaͤglichen
augen an. Mit traurigem und beaͤngſtigtem hertzen zog
er hinein. Das gantze volk fand er in angſt: und dieſe
angſt beaͤngſtigte ihn noch mehr. Er hoͤrete lauter ſeuf-
zer: und dieſe ſeufzer vermiſchete er mit den ſeinigen.


Aber das aͤngſtliche ſeufzen der Egipter hatte viel
ein anderes ziel. Dieſe abergleubiſche Leute ſeufzeten
zu ihren ſo vielerlei falſchen und lebloſen Abgoͤttern: er
aber zum einigen und wahrem lebendigem Gotte. Et-
liche baͤhteten den ohnmaͤchtigen gehoͤrneten Hammel-
goͤtzen/
ihren gewaͤhnten Schutzvater/ an. Andere
floͤheten zu ihrem algemeinen Wohltaͤhter/ dem guͤhti-
gen Oſiris: noch andere zu ihrer Ernaͤhrerin/ der
Amild-
[2]Der Aſſenat
mildreichen Iſis. Etliche rieffen den hundekoͤpfich-
ten Knef oder Anubis; und den kraftreichen So-
tis/
ſamt dem fruchtbahren Orus/ zu huͤlfe. Andere
ſchrien den dikbeuchichten Nielgoͤtzen Kanopus/ und
dergleichen laͤcherliche Ungottheiten an. Die meiſten
aber wendeten ſich bald zum ſchwartzen Fluhtgoͤtzen
Momft/ dem verſchaffer des wachſenden Niels; bald
zum ſchlammichten Ebbegoͤtzen Omft/ dem gebieter
des fallenden ſtrohms. Beide baͤhteten ſie an. Jener
ſolte verſchaffen/ daß der ſteigende Niel ihre aͤkker
durchwaͤſſerte/ und fruchtbar machte. Dieſer ſolte ge-
bieten/ daß er nicht alzuhoch aufſtiege/ und zu rechter
zeit wieder zuruͤktraͤhte; damit er das land nicht ver-
wuͤſtete. Manche hefteten auch zugleich waͤchſerne taͤf-
lein/ darauf geſchrieben ſtund/ was ſie ſo aͤngſtiglich be-
gehreten/ dieſem und jenem Goͤtzen an das bein: damit
er ihrer bitte/ wan ſie weggingen/ ja nicht vergeße. Und
das alles taͤhten ſie/ teils mit klopfen und ſtoßen vor die
bruſt/ teils mit bluhtruͤnſtigem aufritzen ihrer ſchul-
tern und aͤrme: dadurch ſie vermeinten erhoͤret/ und
mit gewuͤndſchter fruchtbarkeit des gewaͤchſes geſeegnet
zu werden. Ja daruͤm verfluchten und beſchwuhren ſie
auch zugleich alle miteinander des boßhaftigen Tifons
wuͤhtende macht; damit er/ durch ſeine grauſamkeit/
den liebreichen ſeegen ihrer guͤhtigen Wahngoͤtter nicht
verhinderte/ oder verderbete.


Hingegen demuͤhtigte ſich Joſef/ in ſeinem hertzen/
vor dem ewigen almaͤchtigem Gotte/ dem Gotte ſeiner
Vaͤter/ Abrahams/ Iſaaks/ und Jakobs. Ach!
ſprach er/ und erſeufzete hertzinniglich: ach Gott! ach
barmherziger Gott! ach grundguͤhtiger Vater! ich
bitte nicht fuͤr mich/ daß du mich aus dieſer leibeigen-
ſchaft erretteſt. Ich floͤhe nicht fuͤr mich/ daß du mich
aus dieſem jammer und elende reiſſeſt. Dis alles/ ja
mehr als dis/ haben meine manchfaͤltige ſuͤnden verdie-
net.
[3]erſtes Buch.

[figure]


[4]Der Aſſenat
net. Mein uͤbermuht hat es verſchuldet. Du tuhſt
wohl/ daß du mich zuͤchtigeſt. Es war dein Vaͤterlicher
wille/ daß mich meine Bruͤder verkauften. Und dar-
uͤm bitte ich fuͤr ſie/ daß du ihnen ihre miſſetaht ver-
gebeſt/ und ihre ſuͤnde nicht zurechneſt. Ja ich floͤhe
vor meinem Vater. Dan er iſt troſtloß/ das weis ich.
Erſcheine ihm mit deinem goͤttlichen troſte: Ach! er
aͤchtzet und graͤhmet ſich uͤm meinet willen. Er iſt
unruhig in ſeinem hertzen; ja betruͤbt iſt er/ betruͤbt
bis in den tod: und daruͤm laß ihn deinen frieden
befriedigen/ und deine freude erfreuen. Ach! mich
deucht/ ich ſehe ihn vor wehleiden zerſchmeltzen; vor
hertzlichen ſchmertzen in traͤhnen zerflieſſen. Mich
duͤnkt/ ich hoͤre ihn vor trauren wimmerleichen/ und
rufen: ach! mein Sohn/ mein Sohn/ mein lieber
Sohn/ wo biſtu? Wie kan es auch anders ſein? Er
liebte mich/ als ſeine ſeele. Ich war ſein einiger troſt.
Ich war ſeine einige freude; der einige ſtab ſeines alters.
Aber ach ſiehe! was hat er nun. Dieſer ſtab iſt ihm
entruͤkket: dieſe freude iſt ihm entzogen: dieſer troſt iſt
ihm geraubet. Ich bin nunmehr ſo weit von ſeinen au-
gen entfernet. Ach! es jammert mich meines lieben
Vaters/ meines frommen Vaters/ meines traurigen
Vaters. Das hertz bricht mir/ wan ich an ihn gedenke:
ja es bricht mir in tauſend ſtuͤkke/ wan mir in den ſin
kommet/ daß dieſes mein ungluͤk ſein graues haar
in die grube wird bringen.


Indem er alſo erſeufzete/ gelangte die Iſmaeliſche
Geſpanſchaft vor das haus/ da ſie ein zu kehren pflegte.
Joſef ſtieg vom Elefanten herunter. Die Kaufwah-
ren warden abgeloͤſet: die laſttiere in ihre ſtaͤlle ge-
bracht/ und alles auf die ſeite geſchaffet. Mitler weile
verſamlete ſich uͤm die Ismaeler heruͤm eine große maͤn-
ge volkes. Faſt iederman/ der in dieſer gegend ſich be-
ſand/ vergaß des Buß- und baͤht-tages. Alle Jung-
frauen
[5]erſtes Buch.
frauen lieffen herzu. Ja die alten Muͤtter ſelbſten ver-
mochten nicht in den heuſern zu bleiben. Die unver-
gleichliche ſchoͤnheit des Ebreiſchen Leibeignen machte
ſie alle entzuͤkt. Aller augen ſahen auf ihn. Niemand
konte/ ſelbſt mit tauſend anblikken/ ſein geſichte genug
ſaͤttigen. Je mehr ſie ihn anſahen/ ie ſchoͤner er ſchien.


Joſef war auch in warheit ſo wunderſchoͤn/ daß er
zu der zeit vor das allerſchoͤnſte geſchoͤpfe/ ja ſelbſt vor
das allervolkommenſte meiſterſtuͤkke der Zeugemut-
ter aller dinge nicht unbillich geſchaͤtzet ward. Ja es iſt
kein wunder. Sara war ſeine Vorgroßmutter; und
ſo uͤberaus ſchoͤn/ daß ſich zwee Koͤnige/ der von Egip-
ten/
und der von Gerar/ in ihre ſchoͤnheit verliebeten.
Rebekka war ſeine Großmutter; und eben ſo wun-
derſchoͤn/ daß es wenig fehlete/ der letztgemelte Koͤnig
der Filiſter hette ſich auch an ihr vernarret. Ja ſeine
Mutter ſelbſten/ die hold- und lieb-ſeelige Rahel/
fchien alle beide/ durch ihre mehr als menſchliche ſchoͤn-
heit/ weit zu uͤbertreffen. Ihr gantzer leib befand ſich ſo
ausbuͤndig zierlich gebildet/ und ſo uͤber die maße ſchoͤn/
daß der tadel ſelbſten keinen einigen fehler an ihr zu fin-
den wuſte. Ihre haut war ſo hochweis/ ſo klahr/ ſo
zahrt/ ſo rein/ und ſo ſanfte/ als ein erſtgefallener ſchnee.
Durch dieſe ſo reinklare haut ſchimmerten hier und
dar/ gleich als im allerweiſſeſten marmel/ die zaͤhrte-
ſten aͤderlein/ ſo wohl roht/ als blau: und auf den ahrti-
gen ſchneeber glein der wangen bluͤhete eine recht anmuh-
tige roſenroͤhte/ nicht zu hoch und nicht zu bleich. Alda
hatte ihren eigenen ſitz die Schaam/ die eigne/ wo nicht
einige zier des Frauenzimmers. Uber dem allerzier-
lichſten ſchneehuͤgel des kinnes erhub ſich des mundes
ſchlos/ mit ſtrahlrohten rubienwaͤllen uͤmgeben. Hier
wohnete die Liebe. Hier laͤchelte die freundligkeit. Hier
ſpielete die wohlredenheit. Unter der ſtirne/ der erho-
benen ſinnenburg/ ſtrahlete/ ja blitzelte das zweifache
A iijge-
[6]Der Aſſenat
geſtirne der allerliebſeeligſten augen/ wiewohl mit zuͤch-
tigen blikken/ ſo weit und mit ſolcher kraft heruͤm/ daß
ſie durch aller anſchauer hertzen ſtraks hindrungen. Ja
was wollen wir von ihrem ſterblichen/ wiewohl aller-
ſchoͤnſtem Leibe/ und von den allerlieblichſten leibes glie-
dern viel ſagen? Er war nur ein bloßes vergaͤngliches
bild/ und hinfaͤlliges haus ihrer unſterblichen noch tau-
ſendmahl ſchoͤneren Seele. Hieraus lieſſen ſich/ als
aus einem ſpiegel/ alle tugenden/ die eines Frauenzim-
mers ſeele iemahls beſeſſen/ hauffenweiſe ſchauen.
Hieraus brachen herfuͤr/ als mit einem hellen blitze/ die
recht himliſche ſchoͤnheiten. Hierdurch uͤberwand ſie
die allerhaͤrteſten hertzen. Hierdurch beſaͤnftigte ſie die
allerraueſten gemuͤhter. Hierdurch beguͤhtigte ſie die
allerboßhaftigſten geiſter. Ja hierdurch zog ſie aller
menſchen gunſt und gewogenheit auf ihre ſeite. Mit
einem worte zu ſagen/ Rahel/ die Mutter des ſchoͤ-
nen Joſefs/ war mit ſo fuͤrtreflichen/ ſo wohl in- als
aus-wendigen ſchoͤnheiten dermaßen ausgezieret/ daß
Jakob ſich nicht verdrieſſen lies vierzehen gantzer jah-
re/ wie verdrieslich auch ſonſten ſein dienſt immer-
mehr war/ uͤm ſolch-einen koͤſtlichen ſchatz zu dienen.
Ja er bekante es ſelbſten/ daß ihm alle dieſe jahre an-
ders nicht als einzele tage gedeuchtet.


Weil nun Joſefs Mutter/ Großmutter/ und Vor-
großmutter/ die alle drei aus einem und eben demſelben
geſchlechte entſproſſen/ welches zu der zeit den preis der
ſchoͤnheit vor andern verdienete/ ſo gar ſchoͤne geweſen:
waruͤm wolte man ſich dan viel verwundern/ daß der
zweig ſeinem ſtamme nachgeahrtet/ und die frucht
nicht weit vom ſtokke gefallen; indem dieſer ſchoͤne
Ebreer von ſeinen drei ſchoͤnen Muͤttern ſolche wunder-
wuͤrdige ſchoͤnheit gewonnen?


Daß aber des Tahre/ oder/ wie ihn die Araber nen-
nen/ Aſars/ Abrahams vaters/ Nachkommen vor
allen
[7]erſtes Buch.
allen andern damahligen Menſchen mit ſo wunderwuͤr-
diger ſchoͤnheit beſeeliget geweſen; davon wollen wir der
Arabiſchen/ Perſiſchen/ und Kaldeiſchen Weiſemeiſter
urteil vernehmen. Dieſe bezeugen/ daß des Joſefs
U
hranherꝛ oder uͤbervorgroßvater Tahre ein fuͤrtref-
licher Bildhauer/ und zugleich ein Verpfleger der Goͤ-
tzenheuſer des Nimrots geweſen: welcher ſeinen bil-
dern eine ſo uͤberaus ſchoͤne geſtalt geben koͤnnen/ daß
ſich viele/ die ſie geſehen/ ſtraks im erſten anblikke dar-
ein verliebet. Weil nun Abrahams Mutter ſolche
ſo kuͤnſtlichſchoͤn ausgearbeiteten bilder fort und fort
angeſehen/ und ihr derſelben ſchoͤnheit dermaßen tief
eingebildet/ daß alle ihre Kinder ihnen gantz aͤhnlich ge-
worden; ſo habe ſie ſolche ſchoͤnheit ihren nachkommen
bis in das vierde Glied gleichſam erblich und eigen ge-
macht. Und durch dieſe erbeigenſchaft hetten ſie ſaͤmt-
lich eine ſolche wunderſchoͤnheit gewonnen: wiewohl ſie
an der Lea etlicher maßen verdorben worden. Unter
allen aber were Joſef/ Jakobs ſohn/ als das hoͤchſte
Meiſterſtuͤkke der ſchoͤnheit/ der allerſchoͤneſte/ ja ſo un-
ausſprechlich ſchoͤn geweſen/ daß er dadurch die hoͤchſte
ſchoͤnheit der Engel ſelbſten uͤbertroffen. Im uͤbrigen
ſtehen auch viel Geſchichtſchreiber und andere in der
meinung: daß Labans Goͤtzenbilder/ die ihm Rahel/
ohne zweiffel ihrer fuͤrtreflichen ſchoͤnheit wegen/ ent-
fuͤhret/ und Jakob nach der zeit zu Sichem unter ei-
ner eiche begraben/ ein ſonderliches kunſtſtuͤkke des
Tahre/ und die meiſte urſache der ſchoͤnen geſtalt ſo
wohl des Joſefs/ als der Rahel/ geweſen; weil bei-
de Muͤtter/ der Rahel und des Joſefs/ ſie ohn unter-
laß vor augen gehabt/ und ihre ſchoͤne geſtalt einen ſo
tieffen und feſten eindruk in ihre einbildung getahn/
daß ihre Kinder denſelben gantz aͤhnlich geworden.


Und alſo ſchien es/ daß die Zeugemutter aller dinge
nicht allein alle ausbuͤndigſte ſchoͤnheiten der Mutter/
A iiijſon-
[8]Der Aſſenat
ſondern auch alle ſchoͤnſte ſchoͤnheiten ſeiner Groß- und
Vorgroßmuͤtter/ ſo wohl von der Mutter/ als des Va-
ters ſeiten zuſammengeſamlet/ und dem einigen Joſef
mitgeteilet/ ein gantz volkommenes meiſterſtuͤkke der al-
lerſchoͤnſten ſchoͤnheit herfuͤr zu bringen. Faſt eben auf
dieſen ſchlag verfuhr nach der zeit Apelles/ als er das
Goͤtzenbild der Schoͤnheit und Liebe volkoͤmlich
ſchoͤn zu mahlen geſonnen. Er erwehlete aus allen
Krotoniſchen Jungfrauen die allerſchoͤnſten zu einem
ſo fuͤrtreflichen kunſtſtuͤkke. Von einer ieden nahm er
die ſchoͤnſte ſchoͤnheit/ die an ihr vor andern zu finden.
Alle dieſe ſchoͤnſte ſchoͤnheiten brachte er zuſammen/ und
bildete ſie ab in dem einigen bilde. Und daher war die-
ſes bild oder gemaͤlde ſo uͤberaus ſchoͤn/ daß es mehr
durch eine goͤttliche/ als menſchliche hand entworfen zu
ſein ſchien.


Als nun der tag der nacht zu weichen/ und die Son-
ne dem Mohne das gebiet uͤber die oberſte helfte der erd-
kugel ein zu reumen begunte; da begab ſich Joſef/ mehr
vom ſchwermuhte/ als von der reiſe ermuͤdet/ ungegeſ-
ſen zur nachtruhe. Aber es war uͤmſonſt/ daß er zu ru-
hen gedachte. Es war vergebens/ daß er zu ſchlafen
vermeinte. Hier war weder ruhe/ noch ſchlaf zu finden.
Seine gedanken ſchweiften von einem orte zum an-
dern. Doch nirgend hielten ſie ſich laͤnger auf/ als bei
ſeinem Vater: deſſen bekuͤmmernuͤs ihn weit mehr be-
kuͤmmerte/ als ſein eigenes ungluͤk. Ach! ſprach er/
wan ich nur meinem Vater/ meinem lieben Vater die
unruhe ſeines hertzens benehmen koͤnte; ſo wolte ich al-
les meines elendes gern vergeſſen. Aber hier iſt kein
raht. Mein ungluͤk/ das uns beide voneinander geriſ-
ſen/ gehet ihn ſo wohl an/ als mich. Was ich leide/ das
fuͤhlet er. Was ich fuͤhle/ das druͤkket ihn/ das ſchmer-
tzet ihn/ das kraͤnket ihn. Und was noch das ſchlim-
meſte iſt/ ich ſehe deſſen kein ende. Morgen werde ich
dem
[9]erſtes Buch.
dem Koͤnige geſchenbet werden. Aus deſſen hand wird
mich niemand erretten. Meine leibeigenſchaft wird
waͤhren/ ſo lange ich lebe. Wo ſeind nun meine treu-
me/ die mir ſo viel gluͤkkes und ehre bedeuten ſolten?
Ach! wie iſt ihre bedeutung verſchwunden? Meine ein-
bildung hat mich betrogen. Meine hofnung iſt nun zer-
runnen. Ich gedachte zu herꝛſchen: aber nun ſehe ich/
daß ich ewig werde dienen muͤſſen. Ach weh mir! daß
ſich das blat alſo verkehret. Moͤchte ich doch nur ewig
dienſtbar ſein in meines Vaters hauſe! Moͤchten doch
nur meine Bruͤder ewig uͤber mich herſchen! Ach! wie
wohl ſolte mir ſein. Aber nun mus ich dienen in der
fremde. Fremde werden ihre grauſamkeit uͤber mich
ausſchuͤtten. Ach weh mir! ach weh mir! ach weh/
und immer weh!


In ſolchen truͤbſeeligen gedanken brachte er die
gantze nacht zu. Er ſtund zwar auf/ ſo bald der tag an-
gebrochen/ in willens/ im garten hinter dem hauſe/ ſei-
nen unmuht ein wenig zu vertreiben. Aber die ſchweer-
muht/ und die angſt ſeines hertzens folgeten ihm uͤberal
nach. Nirgend fand er ruhe. Nirgend wuſte er troſt
zu ſuchen. Alle uhrweſen ſchienen ihm zuwider. Alle ge-
ſchoͤpfe ſchienen ihn verlaßen zu haben. Nur allein die
Beume ſtelleten ſich mitleidendlich an. Alſo lies er ſich
beduͤnken. Alſo ſchlos er aus ihren abhangenden blaͤt-
tern. Alſo urteilete er aus ihren niedergebogenen zwei-
gen. Was er alhier ferner vor gedanken hatte/ iſt eher
zu errahten/ als aus zu ſprechen. Zuletzt begunte ihm
dieſer luſtort ſeine unluſt noch mehr zu heuffen. Und
daruͤm eilete er wieder hinaus. Aber im ausgehen
kahm ihm einer von den Iſmaelern entgegen. Auf!
ſprach er mit harter ſtimme/ auf! und mache dich flugs
faͤrtig. Itzund ſoltu dem Koͤnige uͤbergeben werden.
Dieſes wort Koͤnig war ihm als ein donner zu hoͤren.
Es gieng ihm als ein donnerkeul durchs hertze. Ja es
A ver-
[10]Der Aſſenat
erſchroͤkte ihn dermaßen/ daß er boͤbete und zitterte/ als
das eſpenlaub.


Nachdem nun Joſef ein zierliches ſommerkleid/
welches ihm die Kaufleute zu dem ende gegeben/ angele-
get; ward er/ ſamt den Koͤniglichen geſchenken/ ſtraks
auf die Burg gefuͤhret. Alda lag die Koͤnigin/ mit ih-
rem gantzen Frauenzimmer/ ſchon in den fenſtern/ und
wartete mit großem verlangen auf ſeine ankunft. Dan
der ruf war albereit den abend zuvor/ aus der ſtadt/ bis
in das koͤnigliche Schlos erſchollen/ daß ein uͤberaus
ſchoͤner Ebreer angelanget/ und heute dem Koͤnige ſolte
verehret werden. Es iſt mit keiner feder aus zu druͤk-
ken/ wie heftig dieſe neugierigen durch den erſten an-
blik des ſchoͤnen Leibeignen entzuͤkt warden. Man hatte
ihn beſchrieben/ als einen Engel: aber ſie ſahen ihn gar
vor eine Gottheit an. Hatte man geſtern ſeine ſchoͤn-
heit ſo uͤberlaut geprieſen; ſo ward ſie heute/ mit be-
ſtuͤrtztem ſtilſchweigen des gantzen Frauenzimmers/ be-
trachtet. Alle Jungfrauen ſtunden als erſtummet. Al-
le Fuͤrſtinnen erſtarreten. Ja die Koͤnigin ſelbſten
war faſt gantz aus ihr ſelbſten. Doch gleichwohl behiel-
ten ihre Sinnen noch ſo viel kraft/ daß eine iede bei ihr
ſelbſt zu wuͤndſchen vermochte einen ſo ſchoͤnen Engel/
in ihrer ſchlafkammer/ zum ſtaͤtigen leibwaͤchter zu ha-
ben. Eine guhte weile waͤhrete dieſes ſtilſchweigen.
Die Koͤnigin war die erſte/ welche zu reden begunte.
Ha! ſagte ſie/ ſol dieſes ein Leibeigner ſein? Sol dieſes
ein verkaufter Ebreer ſein? Das kan ich mir nimmer-
mehr einbilden. Vielmehr iſt er ein Ebreiſcher Gott;
oder aber ein Fuͤrſt: und iſt er keines von beiden/ ſo iſt
er doch zum wenigſten wuͤrdig ſolches zu ſein; ja wuͤr-
dig iſt er uͤber die gautze welt zu herſchen; wie er dan
ſchon in der taht beginnet.


Dieſe reden hoͤrete Nefrem: und maͤrkte ſchon/ was
die glokke geſchlagen. Seine Freulein Tochter ſahe er
be-
[11]erſtes Buch.
beſtuͤrtzt: die andern Fuͤrſtinnen erſtarret: die Stahts-
jungfrauen vernarret. Ja alles Frauenzimmer kahm
ihm anders nicht vor/ als uͤber die maße verliebt. Auch
betrog ihn dieſe einbildung nicht. Er war ein alter ab-
gelebter Fuͤrſt. Er war ein eiferſuͤchtiger/ und was
geitziger Herꝛ. Daher haſſete er die fuͤrtrefliche ſchoͤn-
heit des Ebreers. Daher liebete er die koſtbarkeit der
angebohtenen ſchaͤtze. Ja er haſſete den Joſef uͤm ſo
viel mehr; weil er ihm leichtlich einbilden konte/ daß ein
alter und nunmehr ausgemaͤrgelter Koͤnig bei ſeinem
Frauenzimmer/ durch ihn/ in die euſerſte verachtung
kommen wuͤrde. Zum wenigſten/ gedachte er/ wird ei-
ne unluſt unter dem Weibesvolke entſtehen. Die goͤtt-
liche ſchoͤnheit dieſes Ebreers wird ſie zur liebe/ die liebe
zur ſchaͤhlſichtigkeit/ die ſchaͤhlſichtigkeit zur unter-
lichen feindſchaft/ und dieſe endlich gar zu einer raſen-
den tolſinnigkeit bewegen. Alsdan wird alles bunt
durcheinander gehen. Alles wird in unordnung/ und
mein Hof in gefahr ſchweben. Ja wan ſich ſchon dieſes
unheil nicht erregen oder euſern moͤchte; ſo wird doch
eine ſo uͤbermaͤßige hertzentzuͤkkenden ſchoͤnheit meine
Gemahlin und Tochter/ wo nicht in der taht ſelbſten/
doch gewislich in den gedanken/ an ihrer keuſcheit ver-
letzen. Wolte ich ihn auch ſchon muͤnchen laßen; ſo
wuͤrde es mich zwar ein wenig/ ſie aber nichts helfen.
Vielmehr ſchmertzen wuͤrde man ihnen zuziehen; weil
man ihm dadurch die mittel/ ſie wuͤrklich zu vergnuͤ-
gen/ entzoͤge/ und ſie dannoch in der brunſt verzappeln
lieſſe. Aus dieſen wuͤchtigen urſachen (ſchlos er ſeine
gedanken) mus ich mich nohtdruͤnglich entſchluͤßen/
den ſchoͤnen Leibeignen nicht an zu nehmen. Sein er-
ſter/ ja kaum halber anblik hat mir mein Frauenzim-
mer ſchon gantz in ruhr geſetzt. Was wuͤrde wohl ge-
ſchehen/ wan ich ihn gar auf das ſchlos nehmen ſolte.
Nein! nein! man mus ihn aus dem wege ſchaffen.
Ich
[12]Der Aſſenat
Ich mus mir ſelbſten keine laus in den rok ſetzen. Er
mus fort! er mus fort!


Hierauf begab ſich Nefrem in den koͤniglichen Ver-
hoͤrſaal: darinnen alles von golde und edelen ſteinen
flinkerte. Sonderlich vermochte kein auge den praͤchti-
gen Reichsſtuhl/ ohne entzuͤkkung und ohne verblen-
dung/ an zu ſchauen. Dieſer war ein rechtes meiſterſtuͤk-
ke aus dichtem golde: dem die demanten/ perlen/ rubie-
nen/ ſaffiere/ und andere koͤſtliche ſteine ſeinen glantz
gleich als mit helleuchtenden feuerſtrahlen vermehre-
ten. Rund heruͤm/ ja oben und unten war er mit aller-
hand kuͤnſtlichen bildwerken gezieret. Dieſes alles hat-
te/ nach der geheimen Egiptiſchen bilderſchrift/ ſeine
ſonderliche bedeutung. Unter allen aber deutete der
große guͤldene Krokodil/ der gerade uͤber des Koͤniges
heupte ſchwebete/ auf den Koͤnig ſelbſten/ als aller Egip-
tiſchen Koͤnige ſinbild. Daher ward auch ſo wohl die-
ſer Nefrem/ als viel andere Egiptiſche Koͤnige vor
und nach ihm eine lange zeit/ Farao/ welches auf
Arabiſch ein Krokodil heiſſet/ gemeiniglich genennet.


Alhier war es/ da der Koͤnig der Iſmaeler geſchenke
empfing. Zu allererſt ward ihm Joſef/ als das aller-
edleſte und allerkoͤſtlichſte/ uͤberreichet. Darnach folge-
ten die andern. Hierunter war das Koͤnigliche uͤber-
aus kuͤnſtlich mit golde durchwuͤrkte Stahtskleid das
fuͤrnehmſte. Die guͤldene Krohne ſchaͤtzte man nicht
viel geringer. Auch waren die anderen ſchatzſtuͤkke ei-
nes ſo hohen waͤhrtes/ daß ſie vor koͤnigliche geſchenke
wohl beſtehen mochten. Muſai/ ein gebohrner und
vieler ſprachen kuͤndiger Elamiet/ fuͤhrete/ als der gan-
tzen Geſpanſchaft heupt/ das wort.


Gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er/ alhier erſcheinen
Seiner Majeſtaͤht untertaͤnigſte knechte vor
Seinem gnaͤdigſten angeſichte/ unſere ſchul-
digkeit demuͤhtigſt abzulegen. Wir bringen aus

unſe-
[13]erſtes Buch.

[figure]


[14]Der Aſſenat
unſerem armen vermoͤgen etliche geringſchaͤtzi-
ge geſchenke/ Seine gnade zu erwerben. Sie
ſeind zwar geringe: iedoch verhoffen Seiner
Majeſtaͤht knechte/ gleichwie ſie bitten/ daß
Er dieſelben eben ſo gnaͤdigſt/ als wir ſie unter-
taͤhnigſt einreichen/ an zu nehmen geruhen wer-
de. Solten ſie auch ſonſten uͤber verhoffen un-
angenehm ſein; ſo duͤrfen wir doch das
vertrauen ſchoͤpfen/ daß ſie dem Koͤnige dieſer
ſchoͤne Juͤngling gleichwohl angenehm machen
werde. Dan er wird mit unter unſere geſchenke
gezehlet. Und ſolches geſchiehet daruͤm/
daß durch ſeine ſo ſeltene ſchoͤnheit die gering-
ſchaͤtzigkeit der andern ein anſehen der koſtbar-
keit bekomme. Hiermit haben wir untertaͤhnigſt
anzeigen wollen/ daß wir Seiner Majeſtaͤht ge-
horſamſte knechte ſeind: auch Dieſelbe zugleich
demuͤhtigſt anfloͤhen/ daß Sie unſeren Kauf-
handel/ wie bisher geſchehen/ alſo auch hinfort/
in Ihren laͤndern frei und ungehindert zu treiben
gnaͤdigſt vergoͤnnen wolle.


Nefrem bedankte ſich der geſchenke wegen ſehr
freundlich. Er gewaͤhrte ſie auch ihrer bitte: und ge-
lobte ihnen bei der gottheit des Oſiris/ daß er nimmer-
mehr zulaßen wolte/ ihren freien Kaufhandel auf eini-
gerlei weiſe zu kraͤnken. Aber den Joſef ſchenkte er ih-
nen wieder/ mit angehaͤngter verſicherung/ daß ſie
gleichwohl deswegen an ſeiner gnade nicht wuͤrden zu
zweifeln haben. Er wolte ſeinem Koͤniglichen worte
dannoch folge leiſten.


Sehr fremde kahm dieſes des Koͤniges beginnen
den Kaufleuten vor. Es war ein wunderſeltzames
ding in ihren augen/ ein ſo uͤberaus koͤſtliches geſchenke
verſchmaͤhet zu ſehen. Keiner konte errahten/ woher es
ruͤhrete. Keiner konte begreiffen/ waruͤm der Koͤnig
eine
[15]erſtes Buch.
eine ſo wunderſeltene ſchoͤnheit verwuͤrfe. Dan nie-
mand von ihnen hatte achtung gegeben/ was ſich im er-
ſten eintritte mit dem Frauenzimmer zugetragen. Nie-
mand wuſte des Koͤniges argwahn. Auch hatte er ſich
deſſen weder mit worten/ noch gebehrden maͤrken laßen.


In dieſen wunderlichen gedanken begaben ſich die
Ismaeler/ mit dem verſchmaͤheten Leibeignen/ wieder
nach ihrem wuͤrtshauſe zu: und ließen alſo das gantze
Koͤnigliche Frauenzimmer in der euſerſten betruͤbnuͤs.
Es war keine Fraue/ die nicht ſeuftzete: kein Freulein/
das nicht weinete: keine Hofjungfer/ die es nicht hertz-
lich ſchmertzete/ daß ſich ein ſo klahres/ ſo fuͤrtrefliches/
ſo ſchoͤnes licht aus ihren augen ſo uhrploͤtzlich verloh-
ren. Ja die Koͤnigin ſelbſten/ welche Nefrems ſchlus
den ſchoͤnen Leibeignen nicht an zu nehmen allein wuſte/
wuͤndſchte dem Koͤnige tauſend und abermahl tauſend/
ja hundertmahl tauſend fluͤche auf den hals. Er allein/
ſagte ſie/ hat verurſachet/ daß dieſe wunderſchoͤne Gott-
heit uns mit ihrer gegenwart nicht allezeit beſeeliget.
Er allein iſt es/ der uns den anblik dieſer himli-
ſchen ſchoͤnheit misgoͤnnet. Er/ der neidſuͤchtige un-
menſch/ iſt es/ der uns dieſe luſt entzogen/ ſeine vie-
hiſche luſt/ uns unluſt an zu tuhn/ rechtſchaffen zu buͤs-
ſen. Itzt mus ich ſchweigen: aber mit der zeit ſol es
gedacht werden. Wir meineten/ die Sonne were in
unſerem ſchloſſe aufgegangen/ und wuͤrde uns nimmer-
mehr verlaßen. Ach! ſie war auch aufgegangen in dem
ſchoͤnen Leibeignen. Aber ploͤtzlich iſt ſie wieder ver-
ſchwunden. Oſiris hatte ſich in menſchlicher/ was
ſage ich? in goͤttlicher geſtalt zu uns geſellet. Aber ſei-
ner geſelſchaft hat uns unſer Wuͤhterich verluſtig ge-
macht. Dem allein haben wir zu dancken/ daß wir ohne
licht leben. Dem allein muͤſſen wir die ſchuld geben/ daß
uns/ an ſtat des hellen lichtes/ eine dunkele nachtdoͤm-
merung geblieben. Faſt eben ſo klaͤglich lies ſich auch
die
[16]Der Aſſenat
die koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris vernehmen. Dieſe
wolte vor unmuht baͤrſten/ vor hertzweh verſchmachten/
ja vor heftiger ſchmertzempfindligkeit gar ſterben. Aber
wir wollen dieſe traurigen auf der koͤniglichen burg las-
ſen/ und uns zum Joſef begeben/ zu ſehen/ was ſich
mit ihm in ſeinem Wuͤrtshauſe zutraͤget.


Die Ismaeliſchen Kaufleute hatten nunmehr das
mittagsmahl gehalten/ und ſich albereit zur reiſe nach
Nubien faͤrtig gemacht. Die Kamehle ſtunden ſchon
gantz beladen/ und warden eben vor das tohr gefuͤhret/
als Muſai ſeine mitgefaͤhrten folgender geſtalt anre-
dete. Liebe Geſpanſchafter/ ſagte er/ weil wir itzund
nach Nubien zu ziehen gedenken/ da uns der ſchoͤne
Leibeigne nichts nuͤtze ſein wird/ ſo beduͤnkt mich/ daß
es das beſte ſei/ ihn alhier/ bis zu unſerer wiederkunft/
bei einem Kaufmanne zu laßen. Dan in Egipten wird
er uns mehr gelten/ als dort. Die Nubier kauffen ih-
re Leibeignen nur uͤm einen geringen preis. Waruͤm ſol-
len wir ihn dan mitſchleppen? Indem er alſo redete/
erboht ſich ein Egiptiſcher Kaufman/ welcher eben dar-
zu kahm und zu Memfis wohnete/ alſobald/ ihn ſo
lange zu ſich zu nehmen. Weil nun Muſai dieſen Kauf-
man viel jahre gekant/ und wohl wuſte/ daß ihr Leibeig-
ner bei ihm am beſten verwahret ſein wuͤrde; ſo ward
er ihm/ mit aller bewilligung/ uͤbergeben. Und alſo
nahm der Kaufman den truͤbſeeligen Joſef mit ſich in
ſein haus: da ihm iederman/ ſonderlich ſeine Frau
und Toͤchter ſehr freundſeelig begegneten.


Vierzehen tage hatte Joſef bei dieſem neuen wuͤrte
zugebracht/ als eine Hofjungfrau deſſelben Toͤchter
beſuchte. Dieſe war uͤberaus verwundert/ daß ſie den
ſchoͤnen Leibeigenen alhier fand. Ja ſie wuſte zuerſt
nicht/ ob ſie ihren augen gleuben duͤrfte. Daruͤm ſaß
ſie eine guhte weile faſt als ſtum; und eben als iemand/
der den wunderſtein Bet angeſehen. Naͤhrlich wolte
ein
[17]erſtes Buch.
ein wort aus ihrem munde. Kaum gab ſie antwort de-
nen/ die ſie anſprachen: und antwortete ſie/ ſo war die
antwort zu weilen anders/ als man fragte. Sie redete
ſehr wenig: und wan ſie redete/ ſo ſchweifte ſie vielmahls
vom zwekke ſo gar ab/ daß es alle maͤrkten. Weil ſie nun
des Kaufmans Toͤchtern ſehr nahe befreundet war; ſo
trugen ſie keine ſcheu/ ihre Verwantin zu fragen: war-
uͤm ſie ſo ſtille ſei? waruͤm ſie ſo wenig redete? und wan
ſie redete/ waruͤm ihre reden vom wege ſo abſchweiffeten?
Ja ſie ſetzten hinzu/ ob ſie irgend verliebt ſei/ weil ſie in
ſo tieffer entzuͤkkung ſaͤße? Auf alle dieſe fragen bekan-
te die Hofjungfrau die runte wahrheit. Ja ſie ſcheuete
ſich nicht einmahl in Joſefs gegenwart ſich gantz offen-
hertzig heraus zu laßen. Ach! ſagte ſie/ ſolte ich nicht
entzuͤkt ſein? Solte ich nicht andere worte fuͤhren/ als
man von mir gewohnet? Dieſen augenblik iſt mir ein
gluͤk aufgeſtoßen/ das ich nimmermehr hoffen duͤrfen.
Hierauf wendete ſie ſich zum Joſef/ der eben am fen-
ſter ſaß. Iſt er nicht/ fragte ſie/ der ſchoͤne Juͤngling/
den die Ismaeler vor vierzehen tagen unſerm Koͤnige
verehren/ er aber ihn nicht annehmen wollen? Als ſie
Joſef mit ja beantwortet; ſo fuhr ſie weiter fort: weis
er dan wohl/ waruͤm der Koͤnig ſolches getahn? Joſef
antwortete/ nein: und ſie begunte alles zu erzehlen/ was
ſich bei ſeiner ankunft auf der Burg begeben.


Den abend zuvor/ ſagte ſie/ ehe das koͤnigliche
Frauenzimmer das gluͤk hatte ihn zu ſehen/ kahm Se-
fira/
Fuͤrſt Potifars/ des oberſten Kuͤchenmeiſters
und Halsrichters/ juͤngſte Gemahlin/ der Koͤniglichen
Fuͤrſt in Nitokris/ der ich bedient bin/ auf zu warten.
Nach wenigen wortgepraͤngen/ fing ſie ſtraks an zu er-
zehlen/ daß ſie/ im fahren durch die ſtadt/ eines uͤberaus
ſchoͤnen Leibeigenen ſei anſichtig worden. Derſelbe/ ſag-
te ſie/ ſei ſo ſchoͤn gebildet/ ſo lieblich vom weſen/ ſo ahr-
tig von gebehrden/ daß ſie zweifelte/ ob die welt iemahls
Beine
[18]Der Aſſenat
eine ſo volkommene ſchoͤnheit an einigem Juͤngling
erblikket. Und eben daſſelbe verurſachte ſie zu muht
maßen/ daß er irgend eines Fuͤrſten Sohn ſei; den di
Ismaeler ſeinem Vater geſtohlen. Sie koͤnte nimmer
mehr gleuben/ daß er ihnen/ ihrem vorgeben nach/ ver
kauft worden. Auch hette ſie fragen laßen: ob ſie ihr
wieder verkauffen wolten/ und wie teuer? Darauf ſe
ihr zur antwort worden: daß er vor kein geld/ aber wohl
vor des Koͤniges gnade zu kauffe were: dem er auch mor-
gen fruͤh ſolte verehret werden. Nach dieſem beſcheid
habe ſie ſich von ſtunden an nach der Koͤniglichen burg
zu begeben/ meinem gnaͤdigſten Freulein ſolche zeitung
zu bringen.


Kaum waren dieſe worte aus ihrem munde/ als ſie
ſchon der gantze Hof wuſte. Ein Edelknabe der Koͤni-
gin/ der meiner Fuͤrſtin eben etwas andienen ſolte/ hat-
te alles mit angehoͤret. Dieſer brachte es vor ſeine gnaͤ-
digſte Frau/ in gegenwart anderer: welche es wieder an-
dern erzehleten. Es iſt kaum zu gleuben/ wie behaͤnde
dieſe recht neue/ ja wohl recht ſeltzame zeitung von zim-
mer zu zimmer/ und endlich gar durch das gantze ſchlos
lief. Wo zween oder drei Hoͤflinge/ oder Hofjungfrauen/
ja ſelbſt Schuͤſſelwaͤſcherinnen beieinander ſtunden;
da redete man von nichts/ als von dieſem ſchoͤnen Leib-
eigenen. Jederman war begierig ihn zu ſehen. Jeder-
man verlangte nach dem morgenden tage. Ja ich hal-
te gaͤntzlich darvor/ daß ſchweerlich eine/ es ſei Frau oder
Jungfrau/ im Koͤniglichen Frauenzimmer war/ die
ſich nicht ſchon/ vom bloßen hoͤrenſagen/ in ihn verlie-
bet. Auch darf ich wohl melden/ daß das meiſte Frauen-
zimmer/ aus alzuheftigem verlangen/ dieſelbe nacht
ſchlafloß verſchloſſen. Kaum war der tag angebrochen/
als ſie ſchon alle in dem fenſtern lagen. Die meiſten
hatten ſich auch ſo aufgebutzt/ und ſo ausgezieret/ als
wan ſie denſelben tag/ als Breute/ ſolten zur traue ge-
hen.
[19]erſtes Buch.
hen. Gleichwohl hat keine von allen das gluͤk gehabt
denſelben/ den ſie zum Breutigam wuͤndſchten/ in der naͤ-
he zuſehen/ viel weniger zuſprechen. Mir allein hat itzund
das gluͤk ſo guͤnſtig ſein wollen/ daß mir beides wider-
faͤhret. Und daruͤm darf man ſich nicht verwundern/
daß ich im erſten anblikke ſchier aus mir ſelbſt geweſen.


Drei ſtunden waren vom tage ſchon verlauffen/
als der ruf in das ſchlos drang: der ſchoͤne Leibeigne ſei
itzt auf dem wege. Da ward vollend alles rege. Die
Kuͤchenmaͤgde ſelbſt lieffen/ von ihrer arbeit/ auf den
ſchlosplatz. Ich wolte dan auch die letzte nicht ſein. Bis-
her war ich noch mit den kleidern meiner Fuͤrſtin ge-
ſchaͤftig geweſen. Aber nun trieb mich die neugierigkeit
auch ans fenſter. Kaum war ich/ wiewohl etwas un-
achtſam/ hinzugetraͤhten/ als ich deſſelben/ den ieder-
man zu ſehen ſo ſehr verlangte/ ſchon von ferne gewahr
ward. Mich deucht/ ich fuͤhle noch itzt die wunde/ die
ſein allererſter anblik meinem hertzen gegeben. Wie dem
andern Frauenzimmer zu muhte geweſen/ laße ich un-
geſagt. Allein dieſes kan ich ſagen/ daß ich ſie alle/
teils beſtuͤrtzt/ teils erſtumt/ teils erſtarret/ ja wohl gar
vernarret/ daß ich ſo reden mag/ geſehen. Zu ihrer aller
gluͤkke war der Koͤnig eben bei der Koͤnigin. Auch blieb
er alda noch eine guhte weile ſtehen. Indeſſen muſten
die Kaufleute/ mit dem ſchoͤnen Leibeignen/ auf dem
ſchlosplatze/ vor unſerem geſichte/ warten. Ja ich gleu-
be/ daß das meiſte/ wo nicht gantze Frauenzimmer
wuͤndſchete/ daß ſolches warten etliche tage lang gewaͤh-
ret: ſolch-eine ergetzung ſchoͤpften ſie in dieſer ſchoͤnheit.
Aber der Koͤnigin was zu freimuͤhtig ausgelaßene
worte von dieſem ſchoͤnen Wunder verurſachten end-
lich den Koͤnig ſich in den Verhoͤrſaal zu verfuͤgen/ ja
gar zu entſchlieſſen/ das ſo ſchoͤne Geſchenke zuruͤk zu
ſenden. Und alſo ward er/ vor unſern augen/ wiewohl
alzugeſchwinde voruͤber/ wieder in die ſtadt gefuͤhret.


B ijHatte
[20]Der Aſſenat

Hatte uns kurtz zuvor ſeine ankunft beſtuͤrtzt ge-
macht/ ſo machte uns ſein ſo jaͤhligen entſtandenes
ſcheiden noch tauſendmahl beſtuͤrtzter. Uns war eben
zu muhte/ als wan wir nur einen fluͤchtigen ſchatten
geſehen. Es war auch in der taht ein ſchatte. Dan
als wir vermeinten ihn in den haͤnden zu haben/ flohe
er darvon; und wir hatten weniger/ als nichts. Nie-
mand war mehr betrogen/ als wir. Wir alle hatten
gehoffet/ wir wuͤrden nunmehr ſeiner geſelſchaft lange
zeit genieſſen. Aber dieſe Hofnung ward uns zu waſſer.
Kein ſchnee kan von der ſonnenhitze ſchneller zerſchmel-
tzen/ als dieſelbe zerſchmaltz. Ja mit ihr zerſchmaltz
auch/ und ward vereitelt alle unſere luſt/ alle unſere freu-
de: darauf ſich das gantze Frauenzimmer geſpitzet. Hier-
vor hatte es nun nichts anders/ als unluſt und trau-
ren. Wan ich an meine Fuͤrſtin gedenke/ wie ſie uͤber
ſeinen verluſt ſo jaͤmmerlich kaͤrmete/ ſo hertzlich erſeuf-
zete; ſo deucht mich/ ich werde noch itzund/ aus erbaͤrm-
nuͤs/ mit wehleiden geſchlagen. Von andern wil ich
nicht ſagen: die immer eine die andere/ durch wehkla-
gen/ zum wehleiden anreitzeten.


Joſef hatte dieſe reden halb mit verdruſſe/ halb mit
vergnuͤgung angehoͤret. Es verdros ihn/ daß man ſich
alzuviel an ſeiner ſo nichtigen ſchoͤnheit vergaffete/ ja
gar vernarrete. Hingegen vergnuͤgte ihn zugleich/ daß
man dadurch gleichſam ein hertzliches mitleiden/ ſeines
elendes wegen/ und ein ſo guhtes gemuͤhte/ ihm daſſelbe
zu benehmen/ oder zum wenigſten zu erleichtern/ ſpuͤh-
ren lieſſe. Die Jungfrau wolte noch mehr erzehlen:
aber Joſef fing ihr das wort auf. Ach! ſagte er/ was
kan doch ſchoͤnes ſein an einem ſo elenden und verſtoße-
nem menſchen/ als ich bin? Es iſt eine bloße hoͤfligkeit/
ja uͤbermaͤßige guhtahrtigkeit des Egiptiſchen Frauen-
zimmers/ daß es einen armen fremdling/ einen ſonſt
verachteten Leibeignen ſo gar hoch erhoͤbet. Wiewohl
ich
[21]erſtes Buch.
ich ſehr ungern von einer ſchoͤnheit/ die man an mir zu
ſein waͤhnet/ reden hoͤre; ſo mus ich dannoch auf ihre ſo
offenhertzige reden/ eben ſo offenhertzig bekennen/ daß
mir dieſelben nicht uͤbel gefallen. Ich habe daraus ihr
guhtes gemuͤhte erblikket; ja ihre hertzliche zuneugung
zu mir. Und daß ſie mir nicht etwan eine blaue dunſt/
ſich mir gefaͤllig zu machen/ vor die augen mahlen wol-
len/ kan ich ihr an ihren augen wohl anſehen. Sie hat
aus dem grunde des hertzens geredet. Ihre gedanken
hat ſie mir nakt und bloß/ und ohne einigen falſchen
uͤberzug oder ſchmuͤnke eroͤfnet. Ja ſie hat anders nichts
geredet/ als was ſie gemeinet. Das weis ich. Das ſtehet
vor ihrer ſtirne geſchrieben. Das zeiget das unfalſche
weſen der reinen und zuͤchtigen blikke ihrer liebſeeligen
Augen an. Ja der uͤmzug/ die bildung/ die zuͤge/ und
das ſaͤmtliche weſen ihres gantzen angeſichtes ſeind mir
deſſen gewiſſe zeugen. Die ſitzamen gebehrden ihres uͤbri-
gen gantzen leibes bekraͤftigen eben daſſelbe. Aus einem
munde/ der ſich mit ſolcher ſchaamhaftigen bewegung
eroͤfnet/ kan kein falſches wort gehen. Und eben daruͤm
koͤnnen mir ihr reden anders nicht als angenehm ſein.


Joſef hatte ihm vorgenommen die Jungfrau von
ſeinem eigenen ſelbſtande gantz ab zu lenken. Dan es
war ihm zuwider/ ſo viel von ſich ſelbſt zu hoͤren. Und
aus dieſen urſachen hatte er ſich/ ihre ſinnen und gedan-
ken auf ſie zuruͤkke zu wenden/ bisher bemuͤhet; damit
ſie ſich in ihr ſelbſten zu ſpiegeln anlaß bekaͤhmen. Ja
nun trachtete er ſie gar aus ihrer gantzen geſelſchaft zu
entfernen/ und an einen ſolchen ort zu fuͤhren/ da ſie
noch weniger gelegenheit hetten auf ihn zuruͤkke zu pral-
len. Die Jungfrau/ ſagte er/ hat im begin ihrer rede
Fuͤrſt Potifars gedacht. Von dem habe ich auch in
meinem Vaterlande gehoͤret. Er mus gewis ein
großer man ſein/ und bei dem Koͤnige in hohem
anſehen.


B iijJa
[22]Der Aſſenat

Ja freilich iſt er/ nahm ſie ihm das wort auf/ ſo
groß/ daß er nach dem Koͤnige die dritte ſtelle beſitzet.
Er iſt nicht allein der oberſte koͤnigliche Kuͤchenmeiſter/
und der oberſte Halsrichter/ den der Koͤnig uͤber alle
gefaͤngnuͤſſe/ ja uͤber leben und tod aller ſeiner untertah-
nen zu walten und zu ſchalten geſetzt; wie ich zum teile
ſchon geſagt: ſondern er iſt/ auch ein Fuͤrſt aller fuͤrſten
aus dem Rahte des Koͤniges. Er iſt der oberſte Haupt-
man der gantzen Ritterſchaft/ und des gantzen Reichs
Mahrſchalk. Zu allen dieſen hohen wuͤrden hat ihn
ſeine fuͤrtrefliche geſchikligkeit erhoben. Dan auſſer dem/
daß ihn ſeine angebohrenheit mit den allerherꝛlichſten
gaben/ die ein ſolcher tapferer Fuͤrſt iemahls beſitzen
mag/ mildiglich ausgezieret/ iſt er auch ſo gelehrt und
erfahren in allen dingen/ daß ſeine weisheit faſt unver-
gleichlich. Dieſe ſo wohl goͤttliche als weltweisheit hat
er in ſeinen jugendjahren von den Prieſtern zu Helio-
pel
eingeſogen. Da iſt er gebohren. Unter denen iſt er
erzogen. Von denen hat er die kunde der Goͤttlichen ge-
heimnuͤſſe/ der verborgenheiten der Natur/ und alle fuͤr-
trefliche wiſſenſchaften erlanget. Mit denen hat er ſich
in ihrer heiligen Sprache geuͤbet: welches ſonſt keinem
auſſerhalb der Prieſterſchaft vergoͤnnet wird. Und
eben daruͤm iſt er auch beſtimmet/ nach des hochbejahr-
ten Heliopoliſchen Ertzbiſchofs ableiben/ dieſe hohe und
heilige wuͤrde zu betraͤhten: zumahl weil er ein gebohr-
ner und ſelbſt aus Koͤniglichem bluhte entſproſſener
Fuͤrſt iſt. Hierzu kommet auch noch dieſes/ daß er/
wiewohl er im eheſtande lebet/ itzund vor unfruchtbar
geurteilet wird.


So hat er dan keine Leibeserben gezeuget? fiel ihr
Joſef in die rede. Er hat zwar/ fuhr die Jungfrau
fort/ bei der ein ſeiner Gemahlinnen zwei Kinder/
ein Freulein/ und ein junges Herꝛlein gehabt; davon
dieſes erſt neulich geſtorben: aber nach der zeit iſt er/ wie
man
[23]erſtes Buch.
man ſaget/ unfruchtbar worden. Das Freulein/ wel-
ches noch lebet/ heiſſet Aſſenat: die der hochfuͤrſtliche
Vater nicht lange nach ihrer gebuhrt den Goͤttern ge-
heiliget; wie ihm der goͤttliche Ausſpruch befohlen.
Woher und wie/ fragte Joſef abermahl/ hat man die-
ſen Ausſpruch bekommen; und was hielt er eigendlich
in ſich? Ich wil ihm alles/ antwortete die Jungfrau/
vom begin an erzehlen.


Potifar war ſchon etliche jahr verehligt geweſen:
aber die Goͤtter hatten ſeine Gemahlin noch nie mit Lei-
besfruͤchten geſeegnet: welches ihn ſehr ſchmertzete. Als
ſie nun endlich/ im fuͤnften jahre ihrer ehe/ mit einem
ſehr ſchoͤnen Freulein/ naͤhmlich der unvergleichlichen
Aſſenat/ niederkahm; da war der hochfuͤrſtliche Va-
ter ſo froh/ daß er vor großen freuden nicht wuſte/ was
er beginnen ſolte. Erſtlich richtete er ein großes und
ſehr koͤſtliches Kindermahl an. Darauf erſchien der
Koͤnig/ mit ſeiner Gemahlin/ ſelbſten: welche dieſes
neugebohrne Freulein/ dem Vater zu liebe/ vor ein Koͤ-
nigliches Kind und eine Tochter des Reichs erklaͤhre-
ten. Die fuͤrnehmſte Reichsfuͤrſten/ ſamt des Koͤniges
hohen Beamten/ ſtelleten ſich gleicher geſtalt ein. Die-
ſer tag war der froͤhlichſte/ den ich meine lebetage geſe-
ben. Alle freude/ die man erdenken kan/ war alda zu
finden. Die ſchaͤllenſpiele klungen. Die ſeiten ſprun-
gen. Die ſaͤnger ſungen. Die trompeter blieſen. Die
pfeiffer pfiffen. Die reientaͤntze warden geſchwungen.
Ja alles/ was beweglich war/ begunte vor freuden zu
huͤpfen. Und dieſe uͤberſchwaͤngliche luſt waͤhrete vom
mittage bis in die ſinkende nacht.


Acht tage nach ſolchem Fuͤrſtenmahle ſtellete der
froͤhliche Vater auch ein Prieſtermahl an. Hierzu
warden die fuͤrnehmſten Prieſter von Heliopel/ ſamt
dem Ertzbiſchoffe/ geladen. Dieſer gab der jungen
Aſſenat/ nach ſo viel tauſend gluͤkwuͤndſchungen/ die
B iiijman
[24]Der Aſſenat
man innerhalb zwoͤlf tagen dem Herꝛn Vater getahn/
auch endlich den ſeegen. Er legte die hånde kreutzweiſe
uͤber des Freuleins heupt/ und ſprach: Der allerguͤh-
tigſte Gott
Oſiris ſeegne dich/ und laße dich
wachſen. Die allerliebſeeligſte
Iſis/ die zweifa-
che Gottheit/ gebe dir langes leben/ geſundheit/
wohlluſt und freude. Ja alle Goͤtter des Him-
mels und der erde wollen alle wuͤndſche/ die dei-
nem Vater/ dir zu liebe/ geſchehen/ aufs beſte
erfuͤllen. Du heiſſeſt
Aſſenat. Ja ſchoͤne heiſtu.
Schoͤne wirſtu ſein an deinem leibe: daruͤm wer-
den dich lieben die Fuͤrſten. Die Gewaltigen
werden dich ehren.
Schoͤne wirſtu ſein an deiner
ſeelen: daruͤm werden dich lieben die Goͤtter.
Der Himmel wird dich ehren.
Nach volziehung
dieſes ſeegens ſetzte ſich der Ertzbiſchof/ ſamt der anwe-
ſenden Prieſterſchaft/ zur tafel: welche ſchon gedekt/
und mit koͤſtlichen ſpeiſen beſetzt ſtund. Dieſes Prie-
ſtermahl ward eben ſo froͤhlich/ als jenes/ volzogen.


Nachdem nun ſolche algemeine freude vorbei war/
entſchlos ſich Potifar die Goͤtter zu fragen: wie man
dieſes Freulein am beſten erziehen/ und was es
endlich vor ein gluͤk haben ſolte?
Die Goͤtter wa-
ren uͤber vier jahr mit der Aſſenat/ ſie im mutterleibe
zu bilden/ geſchaͤftig geweſen/ ehe ſie dieſelbe zur ausge-
buhrt kommen laßen. Daruͤm war der frohe Vater in
alwege neugierig zu wiſſen/ was doch aus einem ſol-
chen Kinde werden wuͤrde. Und dieſe neugierigkeit
trieb ihn ſo an/ daß er ſich/ ſtraks nach der entſchlieſ-
ſung/ ſamt der Aſſenat/ wiewohl ſie nur drei wochen
alt war/ als auch ihrer Amme/ nach Heliopel begab.
So bald er in dieſer heiligen ſtadt/ dem Ertzbiſchof-
lichen ſitze des gantzen Koͤnigreichs/ angelanget/ konte
er kaum ſo lange warten/ bis der Ertzbiſchof ſich ange-
kleidet/ mit ihm in das Heiligtuhm der Sonne zu ge-
hen.
[25]erſtes Buch.

[figure]


[26]Der Aſſenat
hen. Alhier war es/ da man das Freulein Aſſenat vor
dem Sonnenbilde niederlegte. Der Ertzbiſchof taͤht
erſt ſein gebeht. Darnach traht er zu einem Bekken;
welches vor dem Sonnenbilde mit Nielwaſſer gefuͤllet
ſtund. Alda ſprach er etliche beſchwoͤrungs worte: und
Potifar ſelbſt taͤht ſeine itztgemeldte zweifache frage.
Straks hierauf begunte ſich das waſſer zu bewegen.
Es ſprang wållen- oder vielmehr huͤgel-weiſe in die hoͤ-
he. Das war ein zeichen/ daß die Gottheit ſich/ die fra-
ge zu beantworten/ hinein begeben. Darnach drehete
ſich das waſſer/ als in einem kreuſe/ heruͤm. Endlich
hoͤrete man ein dunkeles ziſchen/ mit einer gleichſam
liſpelnden ſtimme: daraus man dieſe worte gantz ei-
gendlich vernehmen konte.


Imfal man dieſes Kind mir heiligt ſtraks itzund:

ſo wird es/ wan der Niel iſt zwanzig mahl geſtiegen/

in eines Fremden arm’ aufs hoͤchſt’ erhoͤhet liegen.

Egipten/ ſchikke dich zu ehren beider mund.

Weil nun Potifar dieſe des Sonnengottes Aus-
ſprache nicht eigendlich verſtehen konte; ſo ging er mit
dem Ertzbiſchoffe eine guhte weile daruͤber zu rahte.
Im erſten reimbande war ſeiner frage voͤrderſtes teil
zwar deutlich genug beantwortet: naͤhmlich daß er ſeine
Freulein tochter alſobald dem Sonnengotte heiligen
ſolte. Aber wie und auf waſſerlei weiſe ſolches begehret
wuͤrde/ war nicht angedeutet. Doch machte er dieſen
ſchlus. Weil er ſelbſt gefraget/ wie man das Freulein
Aſſenat am beſten erziehen ſolte? daß des Sonnen-
gottes
meinung ſei/ daß ſie zu Heliopel/ in der Son-
nenſtadt/
weil er alda ſein Heiligtuhm und wohnung
hette/ muͤſte erzogen/ und in ſolcher erziehung/ gleich-
ſam von der Welt abgeſondert werden.


Schweerlich konte Potifar ſich hierzu entſchlieſſen.
Schweerlich konte er ſo gar bald von ſeiner lieben Toch-
ter
[27]erſtes Buch.
ter ſcheiden: daruͤm er die Goͤtter/ ehe er ſie erlanget/
mit ſo viel tauſend ſeufzern/ ſo lange zeit angefloͤhet.
Doch weil der Sonnengott ſelbſt/ der das Auge der
gantzen welt iſt/ welches alles ſiehet/ ein vaͤterliches au-
ge auf ſie zu haben ſich gleichſam erklaͤhret; ſo gab er
ſich endlich willig darein/ ſie aus ſeinen augen zu las-
ſen. Ja ſolches taͤht er uͤm ſo viel williger; weil er hof-
nung hatte in kurtzer zeit ſelbſt zu Heliopel zu wohnen.
Dan der Ertzbiſchof/ ſprach er bei ſich ſelbſt/ iſt ſchon ſo
hoch bealtert/ daß er nicht lange mehr leben kan. So
bald er ſtirbet/ komme ich in ſein Ertzbiſchoftuhm/
und dan zugleich wieder zu meiner Tochter. Hierauf
fragte er den Ertzbiſchof: wo/ oder wem er ſeine Toch-
ter/ damit ſie den Goͤttern gebuͤhrender maßen moͤchte
geheiliget werden/ hinterlaßen ſolte? Dieſer gab ihm zur
antwort: Er kan ſie auf der Sonnenburg laßen/ wel-
che alda gerade gegen meinem ſchloſſe uͤber lieget. Und
hiermit taͤht er das Fenſter auf/ und zeigte ſie dem Po-
tifar.
Sie ſtehet doch/ fuhr er fort/ ohne das ledig.
Aſſenat kan ſie/ mit ihrem Frauenzimmer/ wohl be-
wohnen.


Wer war froher als Potifar/ als er von der Son-
nenburg
hoͤrete. Dieſe war vor ſeine Tochter die rech-
te wohnung: welche die Goͤtter durch den nahmen
ſelbſt darzu beſtimmet/ und eben unbewohnet gelaßen zu
haben ſchienen. Alda konte ſie uͤberaus wohl von der
welt abgeſondert leben/ und wan ſie erwachſen/ unge-
hindert den Goͤttern dienen. Dan ſie iſt rund heruͤm
mit zimlich großen gaͤrten und vorhoͤfen uͤmgeben: und
dieſe ſeind mit einer hohen und ſtarken mauer uͤm-
zogen; durch welche vier tohre/ mit eiſernen tohr-
fluͤgeln/ nach der Burg zu gehen. Und alſo kan Aſſe-
nat
von keinem menſchen in ihrer Gottesfurcht ge-
ſtoͤhret werden; weil niemand einiger zugang ver-
goͤnnet.


Auf
[28]Der Aſſenat

Auf dieſe Burg ward dan Aſſenat/ mit ihrer Am-
me/ von ſtunden an gebracht. Auch lies man ſtraks
alle zimmer mit koͤſtlichen prunktuͤchern auszieren/
und mit andrem haus- und zier-rahte uͤberflieſſig verſe-
hen. Potifar hatte beſchloſſen/ daß kein einiges mans-
bild/ ſo lange ſich Aſſenat alda aufhalten wuͤrde/ auf
dieſe heilige Burg/ kommen ſolte. Daruͤm muſte ſie
von lauter weibesbildern bedienet werden. Zur kuͤche/
zum keller/ und andern dergleichen dingen/ ja ſelbſt
zum anbau und wartung der Gaͤrte/ beſtellete man nie-
mand anders/ als weibesvolk. Nur allein die tohre
warden/ ein iedes/ achtzehen geharnſchten Kriegs-
knechten zu bewachen anvertrauet. Doch ſolte kei-
ner das hertz haben durch dieſe tohre hinein zu traͤh-
ten. Und ſolches alles geboht und verboht er bei leibes-
ſtrafe. Damit aber die nunmehr geheiligte Aſſenat
auch einige geheiligte Spielgeſelſchaft haben moͤchte/
ſo lies Fuͤrſt Potifar ſieben Toͤchterlein/ welche mit
ſeiner Freulein tochter in einer nacht gebohren/ und
aus anſehnlichen geſchlechtern entſproſſen/ hier und dar
aufſuchen. Dieſe alle warden/ mit ihren Ammen/ eben-
maͤßig auf die Sonnenburg gebracht. Alda ſolten ſie
mit der Aſſenat erzogen/ und kuͤnftig/ wan ſie erwach-
ſen/ zu ihren Stahtsjungfrauen gebraucht werden.


Nunmehr haben ſie alle/ die Fuͤrſtin/ und ihre ſieben
Spiel- oder Kammer-jungfrauen/ beinahe das neunde
jahr erreichet. Und eben ſo lange ſeind ſie auf dieſer
heiligen Burg geweſen. Vor ohngefaͤhr vier jahren hat
man ihnen eine Lehr- und Hofmeiſterin zugeordnet.
Dieſe iſt eine ſehr verſtaͤndige und tugendvolkommene
Frau/ aus einem vornehmen adlichem geſchlechte. In
ihrer jugend hat man ſie in aller Egiptiſchen weisheit/
ſonderlich die den Gottesdienſt angehet/ unterwieſen:
und hierinnen unterweiſet ſie wieder die junge Fuͤrſtin
Aſſenat/ mit ihren ſieben Geſpielen.


Es
[29]erſtes Buch.

Es ſeind keine ſechs wochen verlauffen/ da ſic die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin Nitokris/ als der Aſſenat nahe
Bluhtsverwantin/ die ich ſelbſten begleitet habe/ beſuch-
te. Ich hatte viel von dieſer jungen Fuͤrſtin unver-
gleichlicher ſchoͤnheit und wunderwuͤrdigen geſchiklig-
keit gehoͤret. Daruͤm war ich ſo luͤſtern ſie zu ſehen/ daß
ich meine gnaͤdigſte Fuͤrſtin inſtaͤndig anfloͤhete/ mich
vor andern mit zu nehmen. Und alſo ſahe ich das ſchoͤne
Wunder/ das Bild aller tugend und zierligkeit. Ich
hatte mir zuvor niemahls einbilden koͤnnen/ daß ſie ſo
gar ſchoͤne ſei/ als der gemeine ruf ging. Aber nun be-
fand ich in der taht/ daß man ihr nicht zuviel/ aber
wohl viel zuwenig Schoͤnheit zugeſchrieben. Darauf
ſtraks im erſten anblikke mein auge fiel/ das waren ihre
Augen. Darinnen vergafte und vertiefte/ ja verirrete
ſich mein auge dermaßen/ daß es ſich daraus ſo bald kei-
nes weges zuruͤk finden/ noch daran ſat genug ſehen
konte. Dieſe allerſchoͤnſten aͤugelein/ dieſe kleine ſon-
nen verurſachten/ ſo waren meine blikke in ihren blitz-
lenden flaͤmmelein verwuͤrret/ daß ich meiner augen ei-
ne lange weile nicht ſo viel maͤchtig ſein konte/ die uͤbri-
gen leibesglieder dieſes unvergleichlichen Engelbildes
an zu ſchauen. Ja es waren/ durch dis liebeflinkern/
ſelbſt alle meine ſinnen ſo gar aus mir herausgeruͤkt/
und ſo tief in dis karfunkellicht entzuͤkket/ daß ich an-
fangs ihre ſo klahre/ ſo reine/ ſo lieb- und hold-ſeelige
ſprache nicht hoͤrete. Je laͤnger ich der ſchoͤnſten Aſ-
ſenat
aͤuglein betrachtete/ ie mehr ich veraͤnderungen
ihrer blikke fand. Und ein blik war immer ſchoͤner/ als
der andere: einer war immer lieblicher/ als der ande-
re: einer war immer ſanfter/ als der andere. Endlich
kahmen die hertzentzuͤkkenden hauffenweiſe herausge-
drungen/ ja geſchoſſen. Dieſe waren ſo uͤberaus ſcharf/
und ſo maͤchtig/ ja ſo durch alles hindringende/ daß
das ſtaͤrkſte hertz ſelbſten ſich ihrer nicht zu erwehren ver-
mochte.
[30]Der Aſſenat
mochte. Ja ich laße mich leichtlich bereden/ daß ſich der
allerſchlaueſte und allerbehaͤndeſte vor ſolchen ſo tauſen-
terlei bewegungen nicht genug huͤhten ſolte. Doch was
wil ich viel ſagen/ eine einige bewegung ihrer ſuͤßen eng-
liſchen Euglein bewog mehr/ als tauſend anderer auch
wohl der ſchoͤnſten menſchlichen augen. Ja ſie hatte
nicht noͤhtig/ iemandes gunſt zu gewinnen/ den Limi-
ſchen Bilderſtein Hajaracht zu tragen.


Als ich mich nun endlich aus den ſtrahlen oder viel-
mehr ſchleifſtruͤkken und dohnen dieſer wunderſchoͤnen
Eugelein loß gemacht: da lies ich meine durch jene ent-
zuͤndeten blikke auf das allerlieblichſte Roͤſelein ihres
zahrten Mundes fliegen/ ſie durch deſſen zukkerſuͤßen ho-
nigtau/ wieder ab zu kuͤhlen. Alda ward nicht nur mein
auge/ ſondern auch mein ohr entzuͤkt. Ja mein mund
ſchlos ſich vor ihrem zu: und meine zunge machte die
ihrige verſtummet. Ich ſahe die lieblich- und lebendig- ja
hoch-rohten Lippen: die als ein anmuhtiges Zukkerroͤſe-
lein/ zwiſchen dem angenehmen hochweiſſem ſchnee ihrer
liljenhaut herfuͤrblinkten. Ich ſchauete mit verwunde-
rung an/ wie ſie dieſelben ſo ahrtig/ ſo zierlich zu bewe-
gen wuſte. Ich hoͤrete/ wan ſie ſich/ in ſolcher wohl-
anſtaͤndigen bewegung/ auftaͤhten/ eine recht Engliſche
ſtimme. Ja/ woruͤber ich gar beſtuͤrtzt ward/ ich ver-
nahm/ aus ihren ſuͤßen und zugleich majeſtaͤhtiſchen re-
den/ einen hohen verſtand/ eine gantz durchdringende
kraft der vernunft und ſinnen. Ich wuſte nicht/ ob ich
einen Menſchen/ ein Frauenzimmer/ oder einen Halb-
engel ſprechen hoͤrete: oder aber ob es gar ein volkomme-
ner Engel ſei/ der ſeinen himmel verlaßen/ uns gebrech-
lichen menſchen ſeine himliſche volkommenheit blik-
ken zu laßen. Ich ſahe die Wunderfuͤrſtin zwar eu-
ſerlich vor ein Freulein von acht jahren an. Und das
war ſie auch. Mehr jahre hatte ſie nicht. Aber wan
ich ſie innerlich betrachtete/ wan ich ihren fuͤrtrefli-
chen
[31]erſtes Buch.
chen verſtand/ in ihrer rede/ hoͤrete/ und in ihren
ſo uͤberaus hertzentzuͤkkenden gebehrden erblikte; ſo
wuſte ich nicht/ was ich von ihr urteilen ſolte. Ich
muſte geſtehen/ daß ihre achtjaͤhrige jugend ſo manches
zwanzig-ja dreiſſig jaͤhriges alter uͤbertraf. Ich muſte
bekennen/ daß ſie/ ſo jung als ſie war/ eben ſo reif am
verſtande ſei: und daß ſie dadurch ein volwachſenes
Frauenzimmer beſchaͤhmete. Ich muſte/ dan anders
konte ich nicht urteilen/ ſo hochvernuͤnftig fuͤhrete
ſie ihre reden/ daß in der gantzen welt kein Frauenzim-
mer zu finden/ das weiſer ſei/ oder nur an weisheit ihr
gliche. Es war mit luſt an zu ſehen/ es war mit ergetz-
ligkeit an zu hoͤren; wie ſie meine Fuͤrſtin ſo gar hoͤflich/
ſo uͤberausliebſeelig/ und mit ſo ſehr fuͤglich angebrach-
ten worten empfing. Ein iedes wort hatte einen ſonder-
lichen nachdruk. Kein einiges ward leer ausgeſprochen.
Nicht eines war uͤberfluͤßig. Alle miteinander ziereten
ihre rede ausdermaßen/ ja ſo/ daß nicht eines konte
entbehret werden. Und es ſchien/ daß ſie zuvor alle und
iede auf der goldwage ihres verſtandes abgewogen/ ehe ſie
eines darvon uͤber die behaͤnde zunge herausſchieſſenlies.


Wir verharreten bei ihr drei tage. Dieſe drei tage
kahmen uns kuͤrtzer vor/ als drei vierteilſtunden an un-
ſerm hofe. Dan dieſe zeit uͤber hielt ſie uns/ ſo lange
der tag waͤhrete/ auch wohl zu weilen ſchier eine halbe
nacht/ fort und fort geſelſchaft. Der tag war kaum an-
gebrochen/ verlangte meine Fuͤrſtin ſchon die ſchoͤne Aſ-
ſenat
zu ſehen: welche auch ihr zu liebe fruͤher auf-
ſtund/ als ſie ſonſt gewohnet. Dan dieſe zwo Fuͤrſtin-
nen liebeten einander dermaßen/ daß keine der andern
in der liebe nachgab. Und ob ſie ſchon ſo ungleiches al-
ter hatten/ indem Nitokris bei ſechs jahren aͤlter
war/ als Aſſenat; ſo ſchienen ſie gleichwohl eine ſeele zu
ſein. Ihre hertzen hatten ſich gleichſam ſo zuſammen-
verbunden/ daß eine ohne die andere kaum leben konte.


Ni-
[32]Der Aſſenat

Nitokris wuͤndſchte wohl tauſendmahl/ daß Aſ-
ſenat
an unſerem hofe/ und in ihrem zimmer wohnen
moͤchte. Und Aſſenat wuͤndſchte/ daß Nitokris auf
der Sonnenburg bleiben muͤſte. Aber alle dieſe wuͤnd-
ſche waren vergebens. Es muſte doch endlich geſchieden
ſein. Wir muſten wieder nach Memfis: und Aſ-
ſenat
muſte zu Heliopel bleiben. So hatte es das un-
uͤmgaͤngliche verhaͤngnuͤs der Goͤtter verſehen. So wol-
te es Nefrem/ und Potifar haben. Jener ſchrieb al-
le tage/ daß wir wieder nach hofe kommen ſolten: dan
er konte kaum einen tag ohne die Koͤnigliche Fuͤrſtin
leben/ ſo hertzlich lieb war ihm ſeine Tochter. Dieſer
hatte ein unveraͤnderliches geluͤbde getahn/ daß Aſſe-
nat
nicht eher von der Sonnenburg kommen ſolte/
als bis es den Goͤttern ſelbſt beliebte/ ſie/ durch den
Fremdling/ in deſſen armen ſie liegen ſolte/ von dannen
abhohlen zu laßen. Und daruͤm durfte ſie nicht von
dannen. Sie muſte bleiben/ wohin ſie ihr Herꝛ Vater
gleichſam verſchloſſen.


Alhier bei dieſen letzten worten/ erkuͤhnete ſich Joſef/
der Hofjungfrau in die rede zu fallen. Aber/ fragte er/
was vor eine deutung ſchlos Potifar aus dem andern
teile des Goͤttlichen Ausſpruches? Davon hat die
Jungfrau noch keine meldung getahn. Ich zweifele
nicht/ Potifar/ der in der Egiptiſchen ſo wohl goͤttli-
chen/ als weltlichen weisheit/ wie ſie vorhin ſelbſt ſagte/
erfahren iſt/ werde deſſelben auslegung auch eben ſo
nahe/ als des erſten/ getroffen haben. Und was ihm
darinnen gemangelt/ hat vielleicht der Ertzbiſchof ſelb-
ſten/ als ein alter/ in dergleichen dingen lange geuͤbter
und hocherfahrner Herꝛ/ ohne ſonderliche muͤhe/ die
wahrheit errahten koͤnnen.


Auf dieſe reden gab die Hofjungfrau zur antwort:
ſie hette von ihrem gnaͤdigſten Fraͤulein gehoͤret/ daß ſo
wohl der Ertzbiſchof/ als Fuͤrſt Potifar ſelbſten/ die
letz-
[33]erſtes Buch.
letzten drei reimbaͤnde alſo ausgeleget. Naͤhmlich/ daß
auf eine gewiſſe zeit/ welche die Goͤtter ihrer al-
wiſſenheit allein vorbehalten/ und alſo nicht
nennen wollen/ da der Niel zwanzig ellen hoch/
das iſt auf das hoͤchſte/ gewachſen/ ein Fremder
auslaͤndiſcher Herꝛ der
Aſſenat wuͤrde vermaͤhlet
werden. Und dieſer Herꝛſolte/ uͤm der Aſſenat
willen/ von den Egiptern/ weil ſie aus ihnen
entſproſſen/ und er ſelbſten ſie mit ſeiner bered-
ſamkeit an ſich ziehen wuͤrde/ ſo wohl/ als
Aſſe-
nat/ ſehr hoch geehret werden.


Wie verhelt es ſich eigendlich/ fragte Joſef aber-
mahl/ mit dem anwachſe des Niels? Ich habe viel
darvon/ aber noch nie die rechte beſchaffenheit gehoͤret.
Man hat mich berichtet/ daß es in Egipten/ ſonder-
lich uͤm Memfis heruͤm/ niemahls regnet: daher das
erdreich ſo austruknete/ daß es an vielen enden ſich ei-
ner manslaͤnge tief voneinander ſpaltete; und wo es
von menſchen oder vieh betraͤhten wuͤrde/ vielmahls
einen ſo dikken ſtaub von ſich gebe/ daß er ſchier die gan-
tze luft verfuͤnſterte/ und den reiſenden ſehr beſchweerlich
fiele. Aber die Goͤttliche vorſehung were dieſem unhei-
le/ damit es das gantze Egipten nicht als zu einer
ſtaubſee machte/ zu vorkommen. Sie hette den mangel
des regens/ durch den auf- und uͤber-lauf des Niels/
reichlich erſtattet. Sie hette verſchaffet/ daß dieſer flus
alle jahr einmahl/ und zwar in der duͤrreſten zeit/ uͤber-
lauffen/ und alſo das erdreich befeuchten/ ja durch den
aufgefuͤhrten fetten ſchlam gleichſam miſten/ und zum
akkerbaue geſchikt machen muͤſte. Wie es nun mit die-
ſem auf- und uͤber-lauffe des Niels eigendlich zugehet/
iſt mir nicht erzehlet. Daruͤm verhoffe ich ſo bittſeelig
zu ſein/ daß ich ſolches aus ihrem leutſeeligen und ver-
ſtaͤndigen reden ſchoͤpfen moͤge. Und daſſelbe verlange
ich uͤm ſo viel mehr zu wiſſen; damit ich gruͤndlich ur-
Ctei-
[34]Der Aſſenat
teilen koͤnne/ ob die erzehlte auslegung des Goͤttlichert
ausſpruches in allen ſtuͤkken/ dem eigendlichen verſtaͤn-
de nach/ getroffen ſei. Dan ich laße mich beduͤnken/ daß
gemelte Erklaͤhrung vom dem wahren und rechtem
grundziele zimlich weit abweichet/ und es nur ſeitwaͤrts
und nebenhin beruͤhret.


Die Jungfrau war uͤber dieſen reden ſehr erfreuet.
Ja ſie verlangte gleichſam mit ſchmertzen/ eine neue
und naͤhere Erklaͤhrung der dunkelen worte des Goͤtt-
lichen ausſpruches zu vernehmen. Was vor einen an-
genehmen dienſt/ dachte ſie bei ſich ſelbſt/ werde ich der
Koͤniglichen Fuͤrſtin tuhn/ wan ſie dieſelbe aus mei-
nem munde wird erzehlen hoͤren. Was vor einen lie-
ben dank werde ich bei der liebreichen Aſſenat erwer-
ben/ wan meine feder ihr ſolches offenbahren wird. Ja
mit was vor gnaͤdigen anblikken wird Fuͤrſt Potifar
ſelbſten mir begegnen: und was vor eine gnaͤdige Frau
werde ich wohl an der Fuͤrſtin Toote/ des Freuleins
Aſſenat Frau Mutter/ bekommen; wan ich ihnen die-
ſes werde erzehlen muͤſſen. Dan ich weis/ die Koͤnig-
liche Fuͤrſtin wird nicht lange ſchweigen koͤnnen. Sie
wird es der Fuͤrſtin Toote bald offenbahren; ſonder-
lich wan dieſes ſchoͤnen Juͤnglings neue Erklaͤhrung
der Aſſenat ein groͤſſeres gluͤk/ wie ich verhoffe/ als
die erſte/ verheiſſet. Ohne zweifel wird ſie es tuhn. Oh-
ne zweifel ſtekt was großes darhinter. Ich ſehe es die-
ſem ſchoͤnen Juͤnglinge an den augen an. Und daruͤm
wil ich ihm uͤm ſo viel lieber wilfahren. Daruͤm wil
ich ihm alles eroͤfnen/ was ich weis; und ſolches bald
bald.


Wohlan dan/ ſagte ſie zum Joſef/ weil er das
vertrauen zu meiner wenigen wiſſenheit traͤget/ daß ſie
ihm mehr als ihm bewuſt iſt/ wiewohl ich aus ſeinen
reden ſehe/ daß er ſchon viel weis/ zu offenbahren ge-
ſchikt ſei; ſo wil ich ſeine bitte vor einen befehl anneh-
men/
[35]erſtes Buch.
men/ und dieſem zur ſtunde gehohrſamlich nachleben.
Ich bin nur eine einfaͤltige Jungfrau. Ich bin nicht
geſchikt meine reden ordentlich vor zu bringen. Darzu
weis ich ſehr wenig. Doch was ich weis/ wil ich alles
entdekken: und geſchiehet ſolches ſchon durcheinander
verworfen; ſo laße ich mich doch damit vergnuͤgen/ daß
ich ſeinem befehle ſo guht/ als ich kan/ gehorche. Sein
verſtand wird das verworfene ſchon ordentlicher ent-
werfen. Seine geſchikligkeit wird das verworrene ſchon
auseinander entwuͤrren. Und ſeine ſcharfſinnigkeit
wird aus meiner undeutlichen rede gleichwohl den rech-
ten ſin und die rechte bedeutung zu ziehen wiſſen.


So bald der liebliche Mei- oder Roſen-mohnd vor-
bei iſt/ und der ruͤkgaͤngige Kraͤbs/ im Liljenmohnde/
die Sonne von ihrer hoͤchſten ſtraße/ wieder nach unten
zu/ gleichſam kraͤbs- oder ruͤk-gaͤngig gemacht: dan faͤl-
let in der nacht uͤber das Erdreich alhier ein fruchtbah-
rer Tau. Dieſer wird zwar des tages/ der großen duͤrre
wegen/ nicht vermaͤrket: doch gleichwohl iſt er ein gewiſ-
ſes zeichen und ein unfehlbarer vorbohte des im wachs-
tuhme begriffenen Nieles. Auf den ſechs oder ſieben
und zwanzigſten tag des Kraͤbs- oder Liljen-mohndes
faͤnget ſich dieſes wachſen bei uns gemeiniglich an. So
lange die Sonne im Kraͤbſe bleibet/ wird der anwachs
zwar noch wenig geſpuͤhret. Etwan zwee oder drei fin-
ger breit hoch erhoͤbet ſich der Niel auf ieden tag. Wan
ſie aber in den Leuen trit/ und der Hundesſtern aufge-
gangen/ dan ſteiget er immer hoͤher und hoͤher. Dan
waͤchſet er erſt einen halben fuß/ darnach eine ſpanne:
endlich gar eine elle/ und ſo fort zu zwoͤlf/ vierzehen/ ſech-
zehen/ ja aufs hoͤchſte zu zwanzig ellen zu: welches aber
gar ſelten/ und nur zu unſrem ſchaden/ ſonderlich wan
er ſolche zwanzig ellen noch uͤberſchreitet/ geſchiehet.
Wan er nicht hoͤher als zwoͤlf ellen waͤchſet/ wie es zu
weilen ſich zutraͤgt; dan hat man ein mis- und hungers-
C ijjahr
[36]Der Aſſenat
jahr zu gewarten. Waͤchſet er dreizehen ellen hoch/ dan
bringet er wohl etwas/ aber noch wenig fruchtbarkeit
mit ſich. Wan er aber vierzehen ellen erreichet/ macht
er das gantze Egipten/ durch die hofnung einer reichen
aͤrnte/ froͤhlich. Komt er auf funfzehen ellen in die hoͤhe/
ſo verheiſſet er uns getreidigs volauf. Ja wan er noch
eine elle hoͤher ſteiget/ dan haben wir aus einer mehr als
reichen aͤrnte/ allerlei wohlluſt/ und einen milden uͤber-
flus aller dinge zu gewarten. Seine hoͤchſte hoͤhe hat er
gemeiniglich/ wan die Sonne mitten im Leuen iſt. Als-
dan ſtehen alle laͤnder und aͤkker mit waſſer uͤberſchwaͤm-
met. Und alſo traͤnket er das erdreich/ wan es am dur-
ſtigſten iſt. Alſo machet er es fet/ wan es am mager-
ſten iſt. Ja er traͤnket es ſo wohl/ und macht es ſo fet/
daß es ein gantzes jahr genug hat. Von dieſer zeit an
beginnet er wieder zu fallen: aber viel viel langſamer/
als er geſtiegen. Dan er bleibet faſt in derſelben hoͤhe/
bis die Sonne in die Jungfrau gehet. Da ſinket er al-
gemach/ und lauffet von den laͤndern mehr und mehr
ab. Um das ende des herbſtmohndes/ wan die Sonne
in der Wage ſtehet/ iſt er erſt volkoͤmlich von den aͤkkern
abgelauffen/ und wieder in ſein eigenes ufer gefallen.
Und alſo pfleget der Niel/ wie er nach dem laͤngſten
tage zu ſteigen begonnen/ erſt recht von den feldern in
ſeinem buſem gefallen zu ſein/ wan man im herbſte tag
und nacht gleich geſehen. Alsdan wird/ nicht lange
darnach/ in den feuchten ſchlam/ damit er das erdreich
gleichſam uͤbertuͤnchet/ und alle aufgeſpaltene ritzen ge-
fuͤllet/ der ſamen ausgeſaͤet. Nach dieſer ſaatzeit/ die
gemeiniglich mit dem weinmohnde zu ende leuft/ ſtehet
gleichwohl der Niel in ſeinem buſen noch ſehr hoch;
und verharret in ſolchem ſtande faſt den gantzen win-
ter durch. Darnach beginnet er immer mehr und mehr
zu fallen. Und dieſes fallen waͤhret bis zum ausgange
des Roſenmohndes im folgenden jahre/ ja oftmahls
noch
[37]erſtes Buch.
noch laͤnger/ naͤhmlich ſo lange/ bis der neue anwachs
ſeinen anfang gewinnet.


Aber woher entſpringet der Niel? fragte Joſef
noch weiter: und wie komt es/ daß er eben mitten im
ſommer/ da man die groͤſte hitze hat/ da es/ in den mei-
ſten laͤndern/ am wenigſten regnet/ und die luft/ ſamt
dem erdreiche/ ſonderlich in Egipten/ am duͤrreſten
und trukneſten iſt/ ſo hoch/ ja ſelbſt oftmahls zu zwan-
zig ellen zu/ und druͤber/ in die hoͤhe ſteiget/ und viel
uͤmliegende laͤnder weit und breit uͤberſchwaͤmmet? Es
muͤſſen ohne zweifel uͤm dieſe zeit daſelbſten/ da er ſeinen
uhrſprung gewinnet/ nach der ſonderlichen beſchaffen-
heit deſſelben luftſtriches/ große ſchlag- und platz-regen
ſich niederſtuͤrtzen. Auch kan es wohl ſein/ daß alda
große und hohe gebuͤrge/ mit ſchnee uͤberdekket liegen:
welcher ſchnee von der großen ſonnenhitze uͤm dieſe jahrs-
zeit ſchmaͤltzet/ und den Niel/ ſonderlich wan gemelte
ſtuͤrtzregen darzu kommen/ ſo jaͤhligen und ſo uͤber die
maͤße ſchwaͤngert. Sonſten kan ich nicht begreiffen/ wo
eine ſolche maͤnge waſſers ſo eilend und ſo gar ploͤtzlich
herkommen ſolte: ſonderlich weil es hier zu lande das
gantze jahr durch gar nicht/ als nur nahe bei der ſee
ſehr wenig zu regnen pfleget.


Hierauf gab die Jungfrau zur antwort: dieſe beide
fragen zu eroͤrtern befindet ſich meine wiſſenſchaft zu
klein/ meine kuͤndigkeit zu ſchlecht. Sie handeln von
ſolchen dingen/ die ſich auſſerhalb Egipten begeben.
Die ſeind meinem verſtande fremde. Gleichwohl wil
ich ihm auch von dieſen fremden dingen etwas/ ja ſo
viel als mir bewuſt iſt/ entdekken.


Ich weis mich noch wohl zu beſinnen/ was der Ertz-
biſchof von Heliopel/ als er mit der Koͤniglichen Fuͤr-
ſtin/ dieſer ſache wegen/ voretlichen Wochen ſprache
hielt/ hiervon geurteilet. Naͤhmlich daß der Niel aus
dem abendteile des Koͤnigreichs Gojam/ im Reiche
C iijder
[38]Der Aſſenat
der Abiſſiner oder weiſſen Mohren gelegen/ ſeinen uhr-
ſprung hette. Alda lieſſen ſich/ im lande Sakela/ auf
einem ſehr breiten huͤgel eines tahles/ welches rund
heruͤm mit hohen bergen uͤmgeben/ zwee Brunnen ei-
nen ſtemwurf voneinander erblikken: welche man ge-
meiniglich des Niels augen zu nennen pflegte. Dieſe
Brunnen/ wiewohl der gantze huͤgel inwendig vol waſ-
ſers were/ davon auch ſeine gantze flaͤche vielmahls uͤber-
aus zitterte und boͤbete/ lieffen gleichwohl nicht uͤber.
Aber ihr waſſer ſtuͤrtzte ſich mit großer gewalt unten
am fuße des berges heraus. Alda wuͤrde er zu einem
fluſſe: welcher mit vielen anderen fluͤſſen hier und dar
vermehret/ durch unterſchiedliche laͤnder und Koͤnig-
reiche/ mit vielen krummen buchten heruͤm ſchweiffete/
und endlich nach Egipten zu ſeinen ſtrohm fortſetzete.


Woher aber dieſes Waſſer/ fuhr der Biſchof fort/
davon das eingeweide des berges/ ſamt ſeinem gantzen
bauche/ vol iſt/ und unſer Vater Niel entſpringet/ in
gemelte zwee brunnen komme; hiervon walten unter
den Naturkuͤndigern unterſchiedliche meinungen. Ich
wil allein die meinige beibringen. Weil dieſelbige ge-
gend/ da man ſagt/ daß ſich des Niels brunnen befin-
den/ uͤberal mit ſehr hohen bergen uͤmringet iſt; ſo hal-
te ich darfuͤr/ daß vom hange ſolcher berge das regen-
waſſer ſo wohl/ als der zerſchmoltzene ſchnee/ in das tahl
herunter ſchieſſet/ und unter der gemelten breiten huͤgel-
flaͤche ſolches gewaltiggroße gewiſſer verurſachet. Zu-
dem kan es auch wohl ſein/ weil faſt das meiſte Moh-
renland
vol dergleichen verborgener waſſerhoͤhlen ſein
ſol/ daß einer oder mehr fluͤſſe/ unter der erde hin/ von
den Mohnbergen oder anderswoher/ da ſich vom ge-
buͤrge viel waſſers ſamlet/ in mehr beruͤhrten Sakeli-
ſchen berg gefloſſen kommen/ und ſein eigenes waſſer
dermaßen heuffen/ daß der maͤchtige Vater Niel dar-
aus entſtehet.


Daß
[39]erſtes Buch.
[figure]

[40]Der Aſſenat

Daß aber Fluͤſſe unter der erde gefunden werden/ iſt
nichts neues. Helikon/ ein fllus in Mazedonien/
nachdem er einen guten ſtrich uͤber der erde hin gefloſſen/
ſtielet ſich gleichſam/ oder kreucht in dieſelbe hinein/ und
ſchieſſet ſo lange unter ihr hin/ bis er/ uͤber zwanzig
Griechiſche meilen/ ſich wieder heraus begiebet. Mehr
dergleichen beiſpiele beizubringen iſt unnoͤhtig. Dis ei-
nige ſey uns vor dieſes mahl genug.


Wan nun auf dem Sakeliſchen gebuͤrge/ als auch
auf den Mohnd- und anderen bergen/ in den heiſſen
ſommertagen/ da zugleich auch in ſelbigen gegenden
uͤberaus große ſchlagregen fallen/ der ſchnee von der hitze
der ſonne zerſchmeltzet/ und das ſchneewaſſer/ ſamt
dem platzregenwaſſer hauffenweiſe nach den Niels-
brunnen zugeſchoſſen kommet; ſo kan daraus anders
nichts folgen/ als daß der Niel ſteigen/ und endlich uͤber-
lauffen mus. Hierzu kommen auch die Hundeswinde/
welche ſeinen ſtrohm/ ſonderlich bei uns/ zuruͤkhalten/
und auftreiben; ja zugleich mit veruhrſachen/ daß der
Niel in unſerem Reiche etliche tage ſpaͤter ſteiget und
uͤberleuft/ als an denen oͤrtern/ da er ſeinen uhrſprung/
aus ſo vielem herzuflieſſendem gewiſſer/ gewinnet.


So viel und mehr nicht habe ich von des Ertzbiſchofs
reden/ die er gantz weitleuftig ausfuͤhrete/ behalten. Es
waren dinge/ daruͤm ſich das Frauenzimmer ſonſt we-
nig bekuͤmmert. Es waren ſachen/ die wir den gelehr-
ten an zu maͤrken/ und zu eroͤrtern befehlen. Sie gehen
uͤber unſern verſtand/ uͤber unſern beruf/ uͤber unſere
gefliſſenheit; die ſich ſo hoch nicht verſteigen. Daruͤm
habe ich ſie bloß mit einer uͤberhinfliegenden achtloßheit
angehoͤret. Iſt mir nun im nacherzehlen einiger irtuhm
entſchoſſen/ ſo wird er es mir verhoffendlich nicht ver-
uͤbeln.


Aber wir ſchweiffen von unſerem hauptziele zu weit
ab. Ich trage verlangen ſein urteil uͤber obgedachte Er-
klaͤh-
[41]erſtes Buch.
klaͤhrung des Goͤttlichen ausſpruches/ oder vielmehr
ſeine eigene neue zu vernehmen. Die zeit entſchießt uns
unvermaͤrkt: und die ſtunde iſt ſchon da/ die mir zu
ſcheiden gebietet. Mich deucht/ ich ſehe meine Fuͤrſt in
mir einen wink geben. Mich duͤnkt/ ich hoͤre/ daß ſie
nach mir fraget. Daruͤm/ kan ich bei ihm auch ſo bit-
ſeelig ſein/ wie er bisher bei mir geweſen; ſo laße er ihm
doch bald belieben/ mein kuͤhnes anmuhten zu ver-
gnuͤgen.


Joſef/ der lieber reden hoͤrete/ als ſelbſt redete/ fing
endlich ſolcher geſtalt an. Ich bin der Jungfer einen
nicht geringen dank ſchuldig. Die ſchuld/ damit ſie
mich ihr verhaftet gemacht/ kan ich ſchweerlich bezah-
len. Mein vermoͤgen iſt zu ſchlecht. Alles iſt arm/ was
an mir iſt. Die armuht iſt mein reichtuhm. Aber da-
mit iſt niemand gedienet. Damit kan ich nicht bezah-
len/ was ich ihr vor ihre gehabte muͤhe/ die ich ihr ſelb-
ſten gemacht/ zu bezahlen verpflichtet bin. Doch gleich-
wohl wil ich das haͤllerlein meiner armuht gegen ihren
dargereichten goldguͤlden ſetzen. Ja ich wil das ſand-
koͤrnlein meines verſtandes gegen den berg ihrer ſcharf-
ſinnigkeit auf die wage legen. Sie wil es doch nicht an-
ders haben. Sie gebietet: ich mus gehorchen. Und ſo
rede ich dan/ was meine ſchwache vernunft zu ergruͤn-
den/ meine leere ſinnen zu beſinnen/ und mein unreiffer
verſtand zu verſtehen ſich erkuͤhnen.


Fuͤrſt Potifar hat die Erklaͤhrung uͤber das erſte
Reimband der Goͤtterſprache ſehr wohl getroffen. Beſ-
ſer wuͤrde niemahls Oſiris ſelbſten ſeinen eigenen ſin
erklaͤhren. So viel vermag mein ſchwacher verſtand
noch wohl zu faſſen. Aber die uͤbrige erklaͤrung kan er
nicht begreiffen. Die ſcheinet ihm was zu uneigendlich.
Nach meinem ſchlechten urteile/ muͤſſen in der andern
reimzeile/ durch die worte zwanzig mahl/ nicht
zwanzig ellen/ die der Niel zuweilen auf ein mahl
C vund
[42]Der Aſſenat
und in einem jahre ſteiget/ ſondern zwanzig jahre ver-
ſtanden werden. Und alſo wird die vermaͤhlung der
Fuͤrſtin Aſſenat nicht auf eine ungewiſſe/ ſondern auf
eine gantz gewiſſe zeit angedeutet. Naͤhmlich nach dem
zwanzigſten jahre ihres altersſol ſie ſich mit ei-
nem Auslaͤnder vermaͤhlen. Mit dem wird ſie/
in Egipten ſelbſten/ zugleich in den hoͤchſten
Ehrenſtand erhoben werden. Ja das gantze
Egipten wird ihm und ihr muͤſſen nach dem
Munde ſehen/ ihr gebot zu erwarten:
welches
durch das wort mund/ in der Goͤtterſprache/ aus-
druͤklich angedeutet wird.


So wird dan der Auslaͤnder/ fiel ihm die Hofjung-
frau in die rede/ in Eglpten zum Koͤnige/ und das
Freulein Aſſenat/ mit ihm/ zur Koͤnigin erhoben wer-
den; weil ihnen beiden das gantze Egipten wird muͤſſen
nach dem munde ſehen/ ihr gebot zu empfangen? An-
ders kan ich/ redete Joſef weiter/ aus den worten des
Goͤtterſpruches nicht ſchlieſſen. Zum wenigſten wird
er der naͤchſte nach dem Koͤnige ſein. Und der Koͤnig
ſelbſten wird ihn uͤber alle maße ehren. Er wird ihm al-
le Koͤnigliche macht in ſeine haͤnde geben. Er wird ihm/
ſo wohl als ſeine untertahnen/ ſelbſten nach dem mun-
de ſehen/ ſeinen weiſen raht zu empfangen. Dem wird
er folgen. Nach dem wird er ſich richten. Seinen wor-
ten wird er gehorchen. Er wird tuhn und laßen/ was
der Auslaͤnder guht findet. Ja er wird ſich gleichſam
gantz und gar nach ſeinem winke richten. Und alſo wird
der Koͤnig nur dem nahmen nach Koͤnig ſein: der
Fremdling aber in der taht ſelbſten. Dieſer wird her-
ſchen an des Koͤniges ſtat/ ja als ein volmaͤchtiger und
freier Koͤnig ſelbſten. Er wird ſorge tragen vor des gan-
tzen Reichs wohlfahrt. Alsdan wird Egipten bluͤhen.
Alsdan wird die Koͤnigliche macht/ die nun noch zim-
lich gebunden iſt/ gantz frei und uͤber alles erhoben wer-
den.
[43]erſtes Buch.
den. Und dieſe freiheit wird ihr der fremde Herꝛ/ durch
ſeine große weisheit/ durch ſeine vaͤterliche vorſorge vor
das gantze Volk/ zu wege bringen. Willig werden ihm
alle Voͤlker zu fuße fallen. Willig werden ſie alle ihre
freiheit ſeiner macht uͤbergeben. Ja die Fuͤrſten ſelbſten
werden ſich ihm unterwerfen. Ihm werden die Gewal-
tigſten des Reichs dienen. Auch nur ſeinem winke wer-
den ſie gehorchen. Kein einiger wird ihm widerſpre-
chen. Nicht einer wird ſich ihm widerſetzen/ auch nicht
einmahl mukſen duͤrfen. Ja was noch mehr iſt/ ohne
ſeinen willen wird ſich niemand im gantzen Egipten un-
terſtehen duͤrfen auch nur ſeinen fuß zu bewegen. So
groß/ ſo maͤchtig/ und ſo fuͤrtreflich wird ſeine herlig-
keit ſein.


Mit großer verwunderung hoͤrete die Jungfrau alle
dieſe reden an. Ein iedes woͤrtlein ſchien ihr die Fuͤrſt in
Aſſenat zur maͤchtigſten Koͤnigin zu machen. Wer war
froher/ als ſie? Wer war zufriedener/ als ſie? Wer war
vergnuͤgter/ als ſie? Ihre geſchoͤpfte hofnung hatte ſie
nicht betrogen. Mehr guhtes hatte ſie gehoͤret/ als ſie
gehoffet. Sie ſahe den Joſef mit freundlichen augen
an. Mit den allerliebſeeligſten blikken winkte ſie nach
ihm zu. Vielmahls oͤfnete ſie den mund/ ihm/ der Fuͤr-
ſtin wegen/ zu danken. Aber ihre große freude zog dieſe
dankworte immer zuruͤkke. Ihre uͤbermaͤßige verwun-
derung druͤkte die lippen ſtraks wieder zu. Und alſo ſaß
ſie eine guhte weile/ in ſolcher freudigen gemuͤhtsbewe-
gung/ gleich als ſtum. Ach! ſprach ſie in ihrem hertzen/
welcher guhte Gott hat dieſen guhten Engel zu uns ge-
ſchikt/ uns eine ſo froͤhliche bohtſchaft zu verkuͤndigen?
Wir haben geſtern den Joſef vor einen Engel ange-
ſehen. Nun befinde ich in der taht/ daß er warhaftig
ein Engel iſt. Egipten mus ihn ehren. Egipten mus
ihn anbaͤhten. Egipten mus ihm danken/ vor eine ſo
angenehme zeitung/ die er bringet. Was ſol aber Aſ-
ſenat
[44]Der Aſſenat
ſenat tuhn? Die iſt ihm am allermeiſten verpflichtet.
Die iſt ihm am allernaͤchſten verbunden. Kan ſie ihm
ihren dank nicht ſtraks itzund blikken laßen/ wird ſie es
doch zu gelegener zeit uͤm ſo viel hertzbruͤnſtiger tuhn.
Mit der zeit wird es ſich alles wohl ſchikken. Inzwi-
ſchen wil ich/ wiewohl ich deſſen unwuͤrdig bin/ ihre
ſtelle vertraͤhten. Ihrentwegen wil ich ihm danken.
Ich wil/ ja mus es tuhn: ſtraks ſtraks.


Hiermit erhub ſich dieſe holdſeelige Jungfrau von
ihrem ſtuhle. Itzt ſtehe ich auf/ ſagte ſie/ meinen ab-
ſchied zu nehmen. Ich mus gehen/ dahin mich meine
Gebieterin beſtellet. Aber mein hertz wird hier bleiben.
Meine gedanken mus ich hier laßen/ ihm/ o allerleut-
ſeeligſter Engel/ vor ſeine ſo freudenreiche bohtſchaft
hertzinniglich zu danken. Ich meine die neue/ die naͤ-
here Erklaͤhrung des Ausſpruchs der Goͤtter. Seine
ſo klahre Erklaͤhrung meine ich/ die mir das hertz ge-
ruͤhret: ſeine ſo wahre Erklaͤhrung/ die mich aus mir
ſelbſt entfuͤhret: ſeine ſo ſchoͤne/ ſo herꝛliche/ ſo erfreu-
liche Erklaͤhrung/ davor ihm der aller erſinlichſte dank
gebuͤhret. Darf ich elendes Erdgeſchoͤpfe ihm/ o himli-
ſcher Engel/ der Fuͤrſtin Aſſenat wegen danken; ſo ge-
be er mir ſelbſten anlaß/ daß ich ihm mein dankbahres
gemuͤhte rechtſchaffen und in der taht kan blikken laßen.
Meine dienſte ſtehen bereit. Sie warten auf ſeinen
wink. Ich werde froh ſein/ wan ich gelegenheit bekom-
me/ an ſtat lediger dankworte/ ihm aus dankgeſintem
hertzen zu dienen. Worte ſeind bald ausgeſprochen.
Bald verſchwinden ſie auch. Ja ſie nuͤtzen weniger/ als
nichts. Sie fliegen/ mit der warmen ahtemsluft/ in die
kalte und weite weltluft. Alda zertreibet ſie der wind.
Alda ergreiffet und vereitelt ſie der ſturm. Zum wenig-
ſten macht er ſie zu ſonnenſteublein. Aber was koͤnnen
dieſe zu einem wuͤrklichen danke helfen. Wie koͤnnen
dieſe eines taͤhtigen dankes nahmen verdienen? weil ſie
nur
[45]erſtes Buch.
nur ſtaub ſeind/ ja weniger als ſtaub. Den ſtaub kan
man noch fuͤhlen. Den kan auch ein grobes/ ein dun-
keles auge ſehen. Aber ſolche ſteublein entſchluͤpfen uns
aus den haͤnden/ aus dem geſichte/ auch den allerbehaͤn-
deſten/ den allerſcharfſichtigſten. Und eben daruͤm wil
ich nicht viel worte machen/ ihm mit leeren worten zu
danken: die keines gegendankes/ ja keiner bohne waͤhrt
ſeind. Ich wil keine unnuͤtze wortgepraͤnge/ viel weni-
ger hochfliegende prahlworte gebrauchen: die uns nur
einen hohlen und leeren tohn/ wie ſcharf/ ja ſuͤße er auch
klinget/ ins ohr/ und keinen/ als einen ledigen dank in
die hand geben. Ich wolte ihm gern in der taht danken/
daß er meinen dank nicht nur hoͤren/ ſondern auch
wahrhaftig ſehen/ fuͤhlen und empfinden koͤnte. Und
daruͤm bitte ich ihn zu guhter letzte noch einmahl/ mir
gelegenheit zu einem ſolchen danke an die hand zu geben.
Hieſige meine bitte kan ſein befehl vergnuͤgen. Nach
volendung dieſer worte nahm ſie abſchied vom Joſef/
von ihren Bluhtsverwanten/ ja von allen im hauſe/
welche ſie ſaͤmtlich hertzlich ſeegnete; und begab ſich alſo
von ſtunden an wieder nach hofe.


[figure]
Der
[46]

Der Aſſenat
zweites Buch.


NUn wollen wir den ſchoͤnen
Leibeigenen/ mit ſeinen Hausjung-
frauen/ ein weilichen allein laßen;
und der Abgeſchiedenen nachſchlei-
chen. Wir wollen ihr das geleite ge-
ben; oder vielmehr von ferne folgen.
Wir wollen uns/ mit ihr/ nach hofe
begeben. Alda wollen wir/ mit ihr/ in der Koͤniglichen
Fuͤrſtin zimmer traͤhten; oder nur hinter der tuͤhre ſte-
hen bleiben/ zu horchen/ was dieſe Liebſeelige der Nito-
kris
erzehlen wird.


Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſtund eben bereit/ ihrer
Frau Mutter auf zu warten/ da ihre Kammerjung-
frau in das zimmer traht. Aber ſie ward bald anders
ſinnes/ als ihr dieſe Jungfrau heimlich ins ohr fliſter-
te: daß ſie den ſchoͤnen Leibeignen geſehen/ ja ſelbſt ge-
ſprochen. Von ſtunden an muſte iederman abtraͤhten.
Straks gab ſie dem Frauenzimmer einen wink. Allen
Stahts jungfrauen/ welche die Koͤnigliche Fuͤrſt in hat-
ten begleiten ſollen/ ward gebohten wieder in ihre zim-
mer zu gehen. Alle Edelknaben/ alle Lakkeien/ alle
Kammermaͤgdlein/ ja faſt alles/ was ſehen und hoͤren
konte/ warden auf die ſeite geſchaffet.


Als ſich nun die Fuͤrſtin mit ihrer Kammerjung-
frau allein ſahe; feierte ſie nicht lange zu fragen/ was
vor ein gluͤk ſie zum ſchoͤnen Leibeignen gefuͤhret? und
wo/ bei wem/ und in was vor einer geſelſchaft ſie ihn an-
getroffen? Flugs flugs! fuhr ſie fort/ erzehlet mir al-
les miteinander/ und verſchweiget mir nichts/ auch
nicht das geringſte.


Hier-
[47]zweites Buch.
[figure]

[48]Der Aſſenat

Hierauf berichtete Sie die Kammerjungfrau/ daß
ſie ihre Muhmen beſuchet. Alda hette ſie den ſchoͤnen
Leibeigenen gefunden. Wie iſt er dahin kommen? frag-
te die Fuͤrſt in weiter. Die Ismaeler haben ihn alda/
bei ihrem wegzuge/ in verwahrung gelaßen. So ſeind
dan eure Muhmen/ fiel ihr die Fuͤrſtin abermahl in die
rede/ gluͤkſeeliger/ als die Koͤnigin/ als ich ſelbſt/ und das
gantze koͤnigliche Frauenzimmer/ ja unſer gantzer hof?
Euch allein wil ich ausſchlieſſen; weil unter uns euch
allein die Goͤtter mit dem gluͤkke/ ihn muͤndlich zu ſpre-
chen/ beſeeliget. Aber was ſagte er guhtes? Das fuͤr-
nehmſte/ antwortete die Jungfrau/ das ich Ihrer Ho-
heit von ſeinen reden erzehlen kan/ iſt dieſes. Er erklaͤh-
rete die Goͤtterſprache/ die Potifar uͤber das Freulein
Aſſenat empfing/ viel anders/ und mit viel groͤſſerem
vorteile vor das Freulein/ als Potifar/ oder der Ertz-
biſchof. Ich wil es mit einem worte ſagen. Die Fuͤr-
ſtin Aſſenat wird die maͤchtigſte Koͤnigin in Egipten
werden. Was ſagt ihr mir vor ein wunder? redete Ni-
tokris
weiter. Aber kan der ſchoͤne Leibeigene/ die dun-
kelen und verborgenen reden der Goͤtter auslegen; ſo
wird er auch gewis wahrſagen/ und die geheimnuͤſſe
der treume erklaͤhren koͤnnen? Wie kahm er doch von
dem Freulein Aſſenat zu reden? Wer hat ihm von die-
ſem Ausſpruche der Goͤtter geſagt?


Die Kammerjungfrau redete ferner. Ich gedachte/
ſagte ſie/ in meiner rede/ von ohngefaͤhr des Fuͤrſten
Potifars. Da fing er mir dieſen nahmen auf/ und
fragte/ wer Potifar ſei? Ich gab ihm volkommenen
beſcheid auf ſeine frage. Er fragte weiter: ob dieſer
Fuͤrſt keine Leibeserben hette? Dieſe frage veruhrſach-
te/ daß ich von der Fuͤrſt in Aſſenat/ und von der Goͤt-
terſprache zu reden kahm. Und alſo gab ich ihm/ unter
andern/ anlaß eine neue Erklaͤhrung uͤber dieſelbe Goͤt-
terſprache zu machen. Dieſe nun fiel ſo gluͤtlich/ wie
ich
[49]zweites Buch.
ich geſagt/ vor die Fuͤrſtin Aſſenat aus. Seine eigene
worte waren ohngefaͤhr dieſe/ und zwar uͤber die drei
letzten zeilen; dan die erſte erklaͤhrete er eben alſo/ als
Potifar. Daß Freulein Aſſenat/ ſagte er/ wird
einem Auslaͤnder in ihrem ein und zwanzigſten
jahre vermaͤhlck/ und in Egipten ſelbſten/ mit
ihm zugleich/ in den allerhoͤchſten ehrenſtand er-
hoben werden. Ja das gantze Egipten wird
ihm und ihr nuͤſſen nach dem munde ſehen/ ihr
gebot zu empfangen.
Hierzu fuͤgte er/ daß dis letzte/
durch das wort nund/ in der Goͤtterſprache/ ausdruͤk-
lich angedeutetwerde. Als ich nun fragte: ob dan der-
ſelbe Fremdluͤg Koͤnig/ und das Freulein Aſſenat
Koͤnigin in Eipten werden ſolten? Da gab er zur ant-
wort: wird de Ausheimiſche nicht Koͤnig/ ſo wird er
doch der naͤchſe und gewaltigſte nach dem Koͤnige ſein.
Ja der Koͤnis wird ihm alle ſeine koͤnigliche gewalt
uͤbergeben; und ſein tuhn und laßen nach ſeinem mun-
de/ oder weiſen rahte richten. Nichts wird er tuhn oh-
ne ſeinen willen. Ohne dieſes Auslaͤnders willen/ wird
niemand/ in gantzen Egipten/ ſeinen fuß regen duͤr-
fen. Und alſo wird der Koͤnig nur dem nahmen
nach/ der Fremdling aber in der taht ſelbſten Koͤ-
nig ſein.


Nitokriskonte ſich uͤber dieſe reden nicht genug ver-
wundern. Nun maͤrkte ſie/ daß was großes aus der
Aſſenat werden wuͤrde. Nun ſahe ſie/ daß ſie ewig auf
der Sonnenburg zu bleiben von den Goͤttern nicht be-
ſtimmet ſei. Bisher hatte ſie die Tochter Potifars/
als die allerſchoͤnſte/ als die allerliebſeeligſte/ als die al-
lergeſchikteſte/ als die allerverſtaͤndigſte/ und allertu-
gendvolkomneſte Fuͤrſtin der gantzen welt geliebet. Nun
liebete/ ja ehrete ſie dieſelbe in ihrem hertzen/ als eine
kuͤnftige Gemahlin eines gewaltigen Koͤniges/ als eine
von den Goͤttern ſelbſt beſtimte Koͤnigin uͤber das gan-
Dtze
[50]Der Aſſenat
tze Egipten/ ja uͤber ſich ſelbſten. Und daruͤm wolte ſie
nicht/ daß iemand in der welt dieſe wuͤchtige ſache wiſ-
ſen ſolte. Daruͤm geboht ſie auch ihrer Kammerjung-
frau/ ſtille zu ſchweigen. Ja ſie gebo[h]t ihr ſelbſten/ ſich
gegen keinen menſchen verlauten zu [la]ßen/ daß ſie den
ſchoͤnen Leibeignen geſprochen. Dochlies ſie ihr zu/ der
Aſſenat alles zu offenbahren: weil ſiewohl wuſte/ daß
ſie es ſelbſten nicht ruchtbar machen w[uͤ]rde. Dan Aſſe-
nat/
ſagte ſie/ iſt ſo klug und ſo ſchlau/ ſo jung als ſie
iſt/ daß ſie es niemand/ auch nicht einnahl ihrer Hof-
meiſterin/ anvertrauen wird. Sie weil/ was und wo
ſie ſchweigen/ und reden ſol. Sie weil/ was ihr zu
tuhn/ und zu laßen ſtehet. [Und] daruͤm [moͤgt] ihr es ihr
kuͤhnlich ſchreiben. Es wird ſehr viel zu ihrem nach-
richte dienen. Guht iſt es/ daß ſie es weit: ja das beſte/
daß ſie es alles weis. Und eben aus di[e]ſen uhrſachen
wil ich euch uͤber acht tage zu ihr ſenden. Alsdan koͤn-
net ihr alles muͤndlich erzehlen/ was ihr wiſſet/ und
was euch duͤnkt/ das ihr zu wiſſen erſprislich iſt. Ja
von dieſem allem verhaͤhlet ihr nichts. Das wil ich.
Das rahte ich. Das gebiete ich.


Eben als die koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe le[tz]ten worte re-
dete/ ward ſie zur tafel gerufen. Auch kahmen ihre
Stahtsjungfrauen ſchon an/ ſie in den Speiſeſaal zu
begleiten. Die Fuͤrſtin erhub ſich alſobald von ihrer ſtel-
le: und das gantze Frauenzimmer folgte ihr nach. Nur
ihre vertraute/ die Kammerjungfrau/ die ihr dieſe zei-
tung gebracht/ blieb zuruͤkke. Dan ihre große begierde/
der Aſſenat die gemelte Erklaͤhrung des Joſefs kund
zu tuhn/ lies ihr keineruhe. Ja ſie trieb und ſtraͤngte
ſie darzu ſo heftig an/ daß ſie des eſſens/ ja ſelbſt des
ſchlafens vergaß. Sie nahm dan die feder/ und ſchrieb
dieſen


Brief
[51]zweites Buch.

Brief
an die junge Fuͤrſtin
Aſſenat.


GNaͤdigſtes Freulein/

Auf erlaubnuͤs der koͤniglichen Fuͤrſtin
ſetze ich meine feder auf dieſes papier. Ich be-
gehe eine faſt unverantwortliche kuͤhnheit. Doch
Die ſie mir erleubet/ wird ſie verantworten. Ja
ich ſchreibe an die allerliebſeeligſte
Aſſenat. Dar-
uͤm taͤhte ich ſchier ſuͤnde/ wan einigen arg-
wahn von Ihr ich/ Ihre ewiggetreue/ mein
guhtes vertrauen ſtoͤhren ließe. Und was noch
das allerwuͤchtigſte iſt/ ich ſchreibe von einer ſol-
chen ſache/ auf derer kunde die gantze wohlfahrt
dieſer ſchoͤnen Fuͤrſtin beruhet. Daruͤm wird
Sie mir eher gnade/ als ſtrafe anbieten. Aber
Ihrer guͤhte darf ich/ durch viel vergebliche wor-
te/ nicht laͤnger misbrauchen. Auch darf/ noch
kan ich daſſelbe nicht laͤnger verſchweigen/ wo-
von mein hertz vol iſt. Ich mus beichten/ daß
meine ſuͤnden verſchwinden. Und ſo beichtet
Ihr dan/ o leutſeeligſte Fuͤrſtin/ ihre treueſte
dienerin offenhertzig; daß ein fremder und wun-
derſchoͤner Leibeigner mir heute/ in unſerer
Stadt/ von ohngefaͤhr aufgeſtoßen. Dieſer ver-
mag alles deutlich zu erklaͤhren/ was die Goͤtter
verborgenes ſprechen. Er weis die Treume aus
zu legen. Er weis aus dem Geſtirne zu ſagen/
was kuͤnftig geſchehen ſol. Der Goͤtter Antwort
auf die frage/ welche ihnen Ihr Herꝛ Vater Ih-
rentwegen vorgetragen/ hat er mir viel anders
und viel klaͤhrer erklaͤhret/ als ſie ſonſten aus-

D ijgedeu-
[52]Der Aſſenat
gedeutet worden. Ich wil den inhalt mit kur-
tzen worten eroͤfnen.
Die Fuͤrſtin Aſſenat/ ſagte
er/
ſol nach dem zwanzigſten jahre ihres alters einem
fremden Herren vermaͤhlet/ und mit ihm/ in Egipten
ſelbſten/ auf die allerhoͤchſte ſtaffel der ehren erhoben
werden. Was er mehr hinzu ſetzte/ darf ich der
feder nicht vertrauen. Aber innerhalb acht ta-
gen wird Sie aus meinem munde ſelbſt/ die gan-
tze ſache uͤmſtaͤndlich vernehmen. Dan gegen
die zeit Ihr auf zu warten/ hat meine Fuͤrſtin
mich ſchon beuhrlaubet. Indeſſen ſei Sie den
Goͤttern befohlen/ und Ihrer beharlichen gna-
de ich/ imfal ichs verdiene/


Meines gnaͤdigſten Freuleins
ewig gehohrſamſte
Semeſſe.


Kaum war dieſer Brief verſiegelt/ als die koͤnigliche
Fuͤrſtin ſchon wieder von der tafel kahm. Straks im
erſten eintritte in ihr zimmer/ geboht ſie allen Jung-
frauen abermahl/ ſich in ihre eigene wohnungen zu be-
geben. Niemand durfte bei ihr bleiben/ als Semeſſe.
Ja ſie wolte dieſen gantzen abend niemand anders bei
ihr wiſſen/ als ſie: auch von niemand anders entkleidet
ſein/ als von ihr. Dieſes der koͤniglichen Fuͤrſtin gantz
ungewoͤhnliches beginnen verurſachte vielerlei gedan-
ken. Niemand konte errahten/ was geheimes ſie mit
der Kammerjungfrau zu tuhn/ oder zu reden hette.
Eine Jungfrau fragte die andre. Eine forſchete hier/
die andere dort. Dieſer ahnete was guhtes/ jener was
boͤſes. Ja ſie waren alle miteinander gleichſam ent-
ſetzt. Die meiſten bildeten ihnen ein/ daß ſich etwan eine
vom Frauenzimmer verbrochen. Und eine iede unter
dieſen lies ihr ſchwanen/ daß ihr das verbrechen viel-
leicht aufgebuͤrdet wuͤrde: daß ihre Fuͤrſtin mit der
Kammer-
[53]zweites Buch.
Kammerjungfrau deswegen zu rahte ginge. Alſo
machte ſie ihre unnoͤhtige ſorge ſehr bange. Alſo brach-
te ſie ihr unnuͤtzer argwahn in die euſerſte angſt.


Indeſſen daß ſich dieſe furchtſamen mit ſolcher be-
kuͤmmernuͤs ſchlugen/ fing Nitokris mit der Semeſſe
ihr kurtz zuvor zerſchlagenes geſpraͤche wieder an. Die
Fuͤrſtin fragte wohl hundert mahl: iſt der ſchoͤne Leib-
eigne auch freundlich? iſt er auch hoͤflich? iſt er auch
froͤhlich? iſt er auch wohl erzogen? Ja dieſe und derglei-
chen fragen hatten kein ende. Die Kammerjungfrau
beantwortete ſie alle/ mit großem ruhme vor ihn. Son-
derlich aber ruͤhmete ſie ſeine ſehr bedachtſame reden/
ſeine ausbuͤndige vorſichtigkeit im fragen/ ſeine fuͤrtref-
liche ſcharfſinnigkeit im antworten. Endlich fragte die
Fuͤrſten: ob ſie nicht verſtanden/ aus was vor einem ge-
ſchlechte er ſei? Nein/ antwortete die Jungfrau: aber
das weis ich wohl/ daß er Joſef heiſt/ und von He-
bron
aus Kanaan buͤrtig iſt. Als die Fuͤrſtin He-
bron
nennen hoͤrete/ traht ihr eine ſonderliche freude
von ſtunden an ins geſichte. Flugs flugs! ſagte ſie/
ruft ein Kammermaͤgdlein her. So bald das Kam-
mermaͤgdlein ankahm/ befahl ihr die Fuͤrſtin/ in die
Koͤnigliche kuͤche zu gehen/ und einen Ebreiſchen Juͤng-
ling/ den des Kochs bruder mit von Hebron gebracht/
zu ihr zu hohlen. Von dieſem Juͤnglinge/ ſagte die
Fuͤrſtin zur Semeſſe/ werden wir ohne zweifel das
herkommen des ſchoͤnen Leibeignen erfahren: ſonderlich
weil wir wiſſen/ wie er heiſſet. Dan jener iſt auch von
Hebron/ und erſt heute mit des Kochs bruder hierher
kommen. Ach! wie guht iſt es/ daß ihr den nahmen
Hebron nennetet. Dan er war mir ſchon entfallen:
wiewohl er erſt itzund uͤber der tafel genennet ward/ als
man erzehlete/ daß des Kochs bruder einen Ebreiſchen
Juͤngling mit ſich von Hebron gebracht/ und ihn
morgen mit nach Nubien nehmen wuͤrde. Fuͤrwahr!
D iijſing
[54]Der Aſſenat
ſing die Jungfrau an/ die Goͤtter haben es alſo geſchikt/
daß ich eben itzund dieſen nahmen nennen muͤſſen. Dan
hette ich ihn morgen genennet; ſo were es ſchon uͤm-
ſonſt/ und alzulange geharret geweſen.


Mitlerweile daß ſie alſo redeten/ gelangte der Ebrei-
ſche neukoͤmling an. Die Fuͤrſtin fragte ihn ſtraks/ wo
er herkaͤhme? Er gab zur antwort: von Hebron aus
Kanaan: da hette er ſich bei den Soͤhnen Ja-
kobs
aufgehalten/ und ihnen ihr vieh weiden helfen.
Weil ihn aber ſein Herꝛ/ einer luͤderlichen urſache we-
gen/ geſchlagen/ ſei er weggelauffen/ und habe ſich zu des
Kochs bruder vermietet/ der ihn mit in Nubien neh-
men wolte. Was hat es doch unter den Ebreern zu He-
bron/
fragte die Fuͤrſtin ferner/ vor fuͤrnehme Leute?
Jakob iſt der allerfuͤrnehmſte/ antwortete der Juͤng-
ling/ und ein ſehr maͤchtiger und gewaltiger Herꝛ. Er
iſt aus einem uhralten und großem geſchlechte entſproſ-
ſen: und ſein Vater Iſaak/ und Großvater Abraham
ſeind gleichesfals ſehr maͤchtige Leute/ und in großem
anſehen bei allen naͤchſtuͤmliegenden Voͤlkern geweſen.
Haſtu nicht zu Hebron/ fuhr die Fuͤrſtin mit fragen
fort/ einen ſehr ſchoͤnen Ebreiſchen Juͤngling gekennet/
welcher Joſef heiſſet; den die Ismaeler ſeinem Va-
ter/ wie man ſagt/ ſollen geſtohlen haben? Es hat ſich
wohl geſtohlen/ fing der Ebreer hierauf an: ſeine Bruͤ-
der/ die erſt im ſinne hatten ihn zu ermorden/ haben ihn
den Iſmaelern vor zwanzig ſilberlinge verkauft.


Die Fuͤrſtin ward froh/ als ſie ſchon ſo viel berichts
vom Joſef eingezogen. Daruͤm forſchete ſie immer
weiter und weiter nach. Wie heiſſet dan ſein Vater?
hielt ſie mit fragen an. Sein Vater/ gab der Juͤngling
zum beſcheide/ iſt eben derſelbige Jakob/ deſſen ich
itzund meldung ge[t]ahn. Hierauf befahl ſie dem Ebreer
zu erzehlen/ wan/ wie/ und waruͤm Joſef ſei verkauft
worden. Der Juͤngling gab zur antwort: wan es der
Koͤnig-
[55]zweites Buch.
Koͤniglichen Fuͤrſtin belie[b]t/ ſo wil ich dieſe geſchicht
von ihrem allererſten begin[ne]n/ den man ſonderlich in
Jakobs ehſtande erblikket/ aufs kuͤrtzeſte erzehlen.
Dan darinnen werden uns die urſachen/ waruͤm Jo-
ſef
verkauft worden/ alle miteinander und in einer
reihe nacheinander aufſtoßen. Weil nun die Fuͤrſtin
großes verlangen trug ſolches zu hoͤren; ſo befahl ſie
dem Juͤnglinge in ſeinem vorſa[tz]e nur fort zu fahren.
Hierauf fing der Ebreer folgendergeſtalt an.


Jakob/ Iſaaks aus der ſch[oͤn]en Rebekke ſohn/
iſt von Gott mit zwoͤlf Soͤhnen und einer Tochter ge-
ſeegnet. Er hatte vier weiber/ Lea und Rahel/ bei-
de des Labans/ der ſeiner Mutter [br]uder war/ ehleib-
liche toͤchter; darnach Bilha/ der Rahel Magd/
und dan Silpa/ der Lea Magd: wel[ch]e beide in La-
bans
hauſe gebohren. Mit der Lea ze[i]gete er erſtlich
den Ruben/ Simeon/ Levi/ und J[u]dah. Dar-
nach zeugete er mit Bilha den Dan/ und Naftali:
und mit Silpa den Gad/ und Aſar. Dieſe viere wa-
ren Soͤhne von den Mågden. Hierauf geba[h]r ihm Lea
wieder den Iſaſchar/ und Sebulon/ als auch eine
einige Tochter/ die wunderſchoͤne Dina: inwelche ſich
Sichem/ der Herꝛ von Salem/ Hemorsſohn/ ſo
heftig verliebte/ daß er von ihr nicht laßen konte. Aber
dieſe liebe gewan einen bluhtigen ausſchlag. Endlich
gebahr ihm auch die unvergleichlich ſchoͤne Ra[h]el/ wel-
cher Leib Gott ſo lange verſchloſſen hatte/ den Joſef:
und zu allerletzt den Benjamin; in deſſen geb[u]hrt die
fromme Mutter das leben einbuͤßete.


Dieſer des Jakobs vorletzter Sohn Joſef iſt ge-
wislich ein rechter ausbund und ſpiegel aller leibes-
ſchoͤnheit. Und dieſe ſo fuͤrtrefliche ſchoͤnheit iſt von ſei-
ner Mutter Rahel/ von ſeiner Großmutter Rebek-
ke/
und von ſeiner Obergroßmutter Sara/ w[el]che al-
le drei unvergleichlich ſchoͤne Frauen waren/ gl[ei]chſam
D iiijauf
[56]Der Aſſenat
auf ihn geerbet/ und als in ein meer der ſchoͤnheit zu-
ſammengefloſſen. Ja es ſcheinet/ daß ſich ſeine gebuhrt
nur daruͤm ſo viel jahre verzogen/ damit die Natur zeit
genug haben koͤnte ein ſolches Meiſterſtuͤkke der ſchoͤn-
heit zur allerhoͤchſten vokommenheit zu/ wie ſie dan in
der wahrheit getahn/ aus zu arbeiten.


Aber dieſe euſerlich leibesſchoͤnheit/ ob ſie ſchon kei-
ne feder beſchreiben/ keine zunge ausſprechen/ und kein
kunſtmahler abbilde[n] kan/ iſt gleichwohl gegen die an-
dern gaben/ darinn[en] die innerliche Seelenſchoͤnheit be-
ſtehet/ und damit ihn der Allerhoͤchſte ſo gar reichlich
geſeegnet/ nichts zu rechnen. Dan ihm iſt von ſeiner
Mutter/ neben [de]r uͤbertreflichen Leibesſchoͤnheit/ auch
eine uͤber die m[a]ße herliche Seelenſchoͤnheit angebohren.
Ja dieſe Se[el]enſchoͤnheit hat er noch volkommener/
und ich darf [w]ohl ſagen/ auf das allervolkomneſte von
ſeinem Vat[e]r/ Groß- und Ober-großvater/ die damit
vor andern [m]enſchen begabet/ ererbet. Und alſo ſeind
alle Seele[n]ſchoͤnheiten nicht allein ſeines Vaters und
ſeiner Mutter/ ſondern auch ſeiner vaͤterlichen und
muͤtterli[ch]en Voreltern alleſamt/ als aus ſechs ſpring-
brunne[n] in ihn/ als in eine tieffe ſee der Tugenden/ und
in ein [un]erſchoͤpfliches meer des verſtandes gleichſam
zuſam[m]en geronnen.


Aus dieſen urſachen wird nun niemand leugnen koͤn-
nen/ d[a]ß er wuͤrdig ſei ein Koͤnig aller koͤnige/ und ein
Herſ[ch]er uͤber das gantze Menſchliche geſchlecht zu ſein.
Sein Verſtand war in ſeiner erſten jugendbluͤhte ſchon
ſo rei[n]/ daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Seine
faͤhig[k]eit/ ſeine ſcharfſinnigkeit/ und ſein gedaͤchtnuͤs
war [ſch]on dazumahl ſo fuͤrtreflich; daß er alles/ was
er ſah/ und hoͤrete uͤberaus geſchwinde begreiffen/ uͤber-
aus f[aͤr]tig durchgruͤnden/ und uͤberaus feſte behalten
konte. Und eben daher kahm es/ daß er in ſeinem ſo
junge[n] und ſo zahrtem alter ſchon faͤhig war daſſelbe
ohne
[57]zweites Buch.
ohne muͤhe zu faſſen/ was ſeine Voreltern in ihrem
maͤnlichen alter anders nicht/ als ſchweerlich/ begriffen.


In dieſem noch weichlichem alter war es/ da er den
geheimnuͤſſen der großen Zeugemutter aller dinge ſchon
ſo nachforſchete/ ihre tiefſten abgruͤnde ſchon ſo ergruͤn-
dete/ und ihre verborgneſten geheimnuͤſſe ſchon ſo ent-
dekte/ daß er in kurtzer zeit in dieſen dingen zu einer ho-
hen wiſſenſchaft gelangete. Und alſo verſtund er/ neben
dem Akkerbau/ und der Viehzucht/ die eigenſchaften
der Menſchen und Tiere. Die wuͤrkungen und kraͤfte
der Kreuter und anderer Erdgewaͤchſe waren ihm nicht
unbekant. Daher wuſte er den manchfaͤltigen gebrechen
der Menſchen und des Viehes mit eben ſo manchfaͤlti-
gen heilſamen Artzneien vor zu kommen/ ja ſie ſelbſten zu
vertreiben. Und hierinnen uͤbertraf er alle ſeine Bruͤder
weit; unangeſehen daß er der juͤngſte auf einen war/ und
ſie ſelbſten ſchon ſo viel jahre vor ſeiner gebuhrt allen die-
ſen wiſſenſchaften taͤglich nachgeforſchet. Daher kahm
auch der uhrſprung ihres neides und haſſes. Dieſes
war die erſte urſache/ daß ſie ihm gram warden.


Ja er lies ſich nicht vergnuͤgen auf der erde zu blei-
ben. Sein verſtand ſtieg auch endlich gar bis an den
himmel. Alda erforſchete er/ aus dem lauffe der Ster-
ne/ den geheimen Rahtſchlus Gottes. Er ergruͤndete
ihre verborgene ſchrift. Daher wuſte er die kuͤnftige wit-
terung lange zuvor. Er wuſte was nach dieſem auf er-
den geſchehen ſolte. Ja aus dieſem Sternbuche erblikte
er den gantzen lauf der himliſchen und irdiſchen kraͤfte.
Hieraus wuſte er/ was dieſer und jener Menſch vor
Krankheiten unterworfen. Hieraus laſe er/ wan/ und
wie hart ihm dieſe oder jene Krankheit zuſtoßen wuͤrde:
und darnach wuſte er ſeine artzneien zu richten. Ich
wil mehr fagen. Er kahm endlich hierinnen ſo weit/ daß
ihm auch ſelbſt die ſtunde/ ja der zeitblik des todes der
Menſchen unverborgen war.


D [v]Zu
[58]Der Aſſenat

Zu ſolchem ſo fuͤrtreflichem Verſtande komt auch ei-
ne ſonderliche fuͤrtrefligkeit der Tugenden/ und leibes-
geſchikligkeiten. Zur Gottesfurcht ſcheinet er gebohren:
zur Froͤmmigkeit erkohren. Zur Demuht iſt er gezeuget:
zur Sanftmuht geneuget: zur Geduld erzielet. Die
Langmuͤhtigkeit/ die Beſtaͤndigkeit/ die Verſchwiegen-
heit/ die Aufrichtigkeit/ die Freundligkeit/ die Hold-
und liebſeeligkeit ſeind ihm als eigen. Dieſe wuͤrket ſei-
ne ſeele in ihm mit ſolcher kraft/ daß ſie auch ſelbſt die
bewegungen der augen/ und alle ſeine euſerliche leibes-
gebehrden verrahten. Ja die gantze leibesgeſtalt/ ob ſie
ſchon ohne bewegung daſtuͤnde/ wuͤrde ſie gleichwohl
entdekken.


Eine ſolche lange reihe dieſer und aller dergleichen
Tugenden wohnet in einem ſo ſchoͤnen leibe: der daruͤm
ſo gar ſchoͤn/ und ſo gar huͤbſch gebildet iſt/ weil er ſo
viel und ſo ſchoͤne gaͤſte beherberget/ und alle die haͤsli-
chen ausſchlieſſet. Dan Joſef weis von keinem eini-
gen Laſter. Selbſt der nahme bleibt ihm unbekant. Sei-
ne angebohrenheit treibet ihn zu nichts/ als zu eitel Tu-
gend. In ihm und an ihm lebet und ſchwebet auch
nichts/ als lauter Tugend. Und daher komt es/ daß er
ſich iederzeit bemuͤhet ſeinem Vater/ durch die allerer-
ſinlichſten ehrenbezeugungen und liebesdienſte/ gefaͤllig
zu werden. Dieſes augenmaͤrk hat er auch gluͤklich er-
reichet. Er iſt es worden/ was er zu werden ſuchte. Er
hat mehr erlanget/ als er zu erlangen verlangte. Sein
Vater liebte ihn ie laͤnger/ ie mehr. Die Vaͤterliche und
Kindliche liebe ſtritten gleichſam miteinander. Lange
waͤhrete dieſer ſtreit. Endlich behielt jene die oberhand.
Sie ward ſo uͤber aller maße hertzbruͤnſtig/ daß ſich ihre
flammen nicht laͤnger baͤrgen konten. Sie brach mit
gantzer gewalt heraus. Sie ſcheuete ſich weder vor Jo-
ſefs
Stief mutter/ der neidſuͤchtigen Lea/ noch vor ſei-
nen zehn misguͤnſtigen Stiefbruͤdern. Joſef muſte
ei-
[59]zweites Buch.
einen buntgeſtikten ſeidenen Rok tragen: welches eine
tracht war der Koͤnigskinder. Joſef muſte ſtaͤhts uͤm
ihn ſein. Jakob konte ſich kaum entſchlieſſen/ ſeinen
Joſef nur einen halben tag aus den augen zu laßen:
zumahl weil er in Joſefs angeſichte ſeiner ſeeligen
Rahel/ die er ſo hertzinniglich geliebet/ ſo aͤhnliches
und ſchoͤnes/ ja hundertmahl ſchoͤneres ebenbild erblik-
te. Und daruͤm huͤpfete ihm das hertz im leibe/ wan er
ſeinen Sohn ſahe. Ja er weinete vor freuden.


Aber wie dem Vater vor freuden die augen uͤberlief-
fen: ſo lief der Lea die galle vor unmuht und grim-
migkeit uͤber; indem ſie ſahe/ daß ihre Soͤhne dem Ja-
kob
ſo angenehm nicht waren/ als Joſef. Und alſo
haſſete und neidete ſie den Joſef/ ſeiner Tugend we-
gen: weil er daruͤm ſeinem Vater ſo lieb war. Auch
gewan dieſer ſtiefmuͤtterliche neid in den meiſt vergal-
ten hertzen nicht allein ihrer ſechs eigenen Soͤhne/ denen
er von ihr ſchon angebohren war/ ſondern auch in den
vier andern ſtiefbruͤdern des Joſefs ſo tieffe wurtzeln/
daß er von zeit zu zeit mehr und mehr anwuchs. Dieſe
Boͤſewichter lieſſen ihren has zwar zeitlich und deutlich
genug blikken. Aber Joſef ſchlug gleichwohl keine acht
darauf. Er gedachte/ es ſei einieder ſo aufrichtig und
redlich/ als er.


Wie heftig nun den Joſef ſeine Stiefmutter/ und
Stiefbruͤder/ ſeiner tugend wegen/ anfeindeten; eben
ſo heftig/ ja hertzlich liebete ihn ſein frommer Vater.
Ja Gott ſelbſt lies ihm ſeine liebe blikken. Der Hoͤchſte
ſelbſt liebte ihn zum hoͤchſten. Er offenbahrte ihm im
ſchlafe/ durch ein geſichte/ was ihm kuͤnftig begegnen
ſolte. Er zeigte ihm an/ im traume/ was vor ein gluͤk
ihm zuſtehen wuͤrde. Und hierdurch verſicherte Er ihn
der kuͤnftigen belohnung ſeiner Tugend. Hierdurch reitze-
te Er ihn an im tugendwege fort zu wandeln. Dieſe treu-
me veranlaßeten den Joſef/ auch endlich der Traum-
deu-
[60]Der Aſſenat
deuterei ob zu legen. Und hierinnen bekahm er/ durch
ſcharfes nachſinnen/ und beihuͤlfe ſeines Vaters/ eine
ausbuͤndige faͤhigkeit. Weil er nun in ſeinem hertzen
gantz nichts arges von ſeinen Bruͤdern gedachte/ ſo
ſcheuete er ſich auch nicht ſeine treume/ in gegenwart/
ihrer aller/ zu erzehlen.


Der erſte Traum war ihm/ als er/ zur zeit der ernte/
bei ſeinen Stiefbruͤdern/ der Bilha und Silpa kin-
dern/ geſchlafen/ in der erſten morgenwache begegnet.
Denſelben erzehlete er alſo. Mir treumete/ ſagte er zu
ſeinen Bruͤdern/ daß wir Garben auf dem felde
gebunden: und daß meine Garbe ſich aufgerich-
tet/ und geſtanden; eure aber rund uͤmher ſich
vor der meinigen geneuget.
Als nun Jakob dieſe
worte hoͤrete; da erſeuftzete er/ und ſchwieg ſtille. End-
lich aber/ damit er ſeinem Sohne aus dem traume huͤl-
fe/ erklaͤhrete er ihn alſo. Du biſt/ ſagte er/ der beſte
unter deinen Bruͤdern; daruͤm hat ſich deinen Garbe
aufgerichtet. Und daß ſie ſtehen geblieben/ die Garben
aber deiner Bruͤder ſich vor ihr geneuget: daß bedeutet
deine beſtaͤndigkeit/ und ihre unbeſtaͤndigkeit in der
tugend; ja daß deine Bruͤder des wegen mit hunger und
kummer geſtraft/ endlich aber dich/ in deinem gluͤk und
wohlſtande/ uͤm rettung und huͤlfe anfloͤhen werden.


Waren dem Joſef ſeine Bruͤder zuvor feind gewe-
ſen/ ſo warden ſie ihm itzund noch feinder. Faſt die mei-
ſten ergrimmeten und erboßten ſich dermaßen/ daß ſie
ihm kein freundliches wort zuſprechen konten. Was?
ſagten ſie/ ſolteſte unſer Koͤnig werden/ und uͤber uns
herꝛſchen? Und als ſie allein waren/ murreten ſie/ und
erbitterten ſich untereinander noch mehr: ſonderlich
Simeon/ und die Soͤhne der Maͤgde/ Dan/ Nafta-
li/ Gad/
und Aſer: die ihnen einbildeten/ daß ſie der
Vater am wenigſten achtete/ und Junker Joſef/ wie
ſie ihn ſchimpfsweiſe nenneten/ ihnen allen vorgezogen
wuͤrde.


Ru-
[61]zweites Buch.
[figure]

[62]Der Aſſenat

Ruben/ als auch Judah/ und Sebulon ver-
meinten ihnen den gefaſten argwahn aus dem ſinne zu
reden. Aber ſie grolleten und gruntzeten immerfort;
ſonderlich Simeon. Judah/ der ein verſtaͤndiger und
beſcheidener man iſt/ auch dem Joſef ſo abhold und
abguͤnſtig nicht war/ ſuchte ſie auf allerhand weiſe zu
beguͤhtigen. Was? ſagte er/ ſolte man auf treume
achten. Treume ſeind treume; und nichts mehr. Sol-
te man ſo toͤhricht ſein ſich uͤber einen traum zu betruͤ-
ben/ oder zu erfreuen? Joſef hat den tag zuvor uns im
garbenbinden geholfen. Das iſt ihm die nacht darauf
wieder vorkommen. Seine einbildung hat im ſchlafe
ihr ſpiel gehabt. Dieſe ruhet nimmer. Sie pflegt uns
allezeit/ ſo wohl wan wir ſchlafen/ als wan wir wa-
chen/ ihre bilder vor zu ſtellen. Und dieſe bilder nimt
ſie gemeiniglich von ſolchen dingen/ damit wir am mei-
ſten uͤmgehen. Faſt eben dergleichen hielt ihnen auch
Ruben/ und Sebulon vor. Aber es half alles nichts.
Ihr grol wuͤhtete und tobete gleichwohl ſo ſehr/ daß ſie
mit gantz unruhigem hertzen voneinander gingen.


Nicht lange darnach hatte Joſef noch einen andern
Traum. Es dauchte ihn: daß ſich die Sonne und
der Mohn/ und elf Sterne fuͤr ihm neugeten.

Da dieſen traum ſein Vater hoͤrete/ erſeuftzete er noch
mehr/ als vorhin. Und weil er ſahe/ daß ſeine andern
Soͤhne daruͤber knurreten; ſtrafete er ihn/ zum ſcheine/
in ihrer gegenwart. Was iſt das vor ein Traum? ſag-
te er. Sol ich und deine Mutter/ und deine Bruͤder
kommen/ und dich anbehten? Aber er behielt gleichwohl
alle dieſe worte in ſeinem hertzen. Er wuſte gewis/ daß
ihre bedeutung geſchehen wuͤrde. Ja er wuͤndſchte/
daß er ſie bald erfuͤllet ſehen moͤchte: und erfreuete ſich
ſchon in ſeinem hertzen/ ſeinen liebſten Sohn in ſolcher
herligkeit zu ſchauen. Wie ſehr ſich nun Jakob auf
ſeines Sohnes kuͤnftige gluͤkserhoͤhung freuete; eben ſo
ſehr
[63]zweites Buch.
ſehr betruͤbeten ſich daruͤber ſeine anderen Kinder. Ja
faſt die meiſten zitterten vor boßheit. Sie boͤbeten vor
gramſchaft; und vermochten weder zu eſſen/ noch zu
ſchlafen vor grimmigem zorne.


Joſef konte ſich noch nicht bereden/ daß ſie ihn haſſe-
ten/ ja ſo uͤberaus anfeindeten. Er vermochte ihnen
nichts boͤſes zu zu trauen. Das lief wider ſeine guht-
ahrtigkeit. Das ſtritte wider ſein aufrichtiges hertz.
Er maß ſie ab nach ſeinem maße. Wie er geahrtet war/
gedachte er weren ſie auch. Aber es befand ſich im aus-
kehrichte viel anders. Der endliche ausſchlag lehrete
ihn mit ſeinem ſchaden/ daß ihn ſeine garzuguhte ge-
danken betrogen. Der Vater ſelbſten lies ihm zwar
wohl ſchwahnen/ weil ſie ihren unmuht vor ihm nicht
ſo gar/ daß er ihn nicht gemaͤrket/ verbergen konten/
daß ſie dem Joſef ſeine vorſtehende hoheit misgoͤnne-
ten. Aber es war ferne von ihm zu gleuben/ daß Bruͤ-
der/ die noch darzu ſeine Soͤhne weren/ denen er viel ein
anders zutrauete/ von einer boßhaftigen gemuͤhtsre-
gung ſo weit koͤnten verleitet werden/ daß ſie ihrem
Mitbruder ſein gluͤk ſo gar feindſeelig beneideten. Und
daruͤm ſchlug er alle gedanken/ die ihm das gegenteil
vorhielten/ in den wind. Er war ſicher. Er vermuhtete
das beſte. Er wolte von nichts boͤſes hoͤren.


Auf den naͤchſten morgen nach dieſer begaͤbnuͤs/
machten ſich Joſefs zehen Stiefbruͤder mit den vieh-
heerden fruͤh auf. Sie nahmen zwar/ ihrer gewohnheit
nach/ ſehr freundlich abſchied vom Vater; und befah-
len dem Joſef/ ſeiner wohl zu pflegen. Aber ſie waren
ſo bald nicht auf das feld gekommen/ fing ſich unter ih-
nen/ ſonderlich unter der Maͤgde Soͤhnen/ das alte ge-
murre und geknurre ſchon wieder an. Doch knurrete
von dieſen niemand mehr/ als Dan und Gad. Dieſer
wuͤndſchte dem Joſef alle boͤſe druͤſen an den hals.
Jener verfluchte den tag/ da er gebohren. Beſſer
were
[64]Der Aſſenat
were es/ ſagte er/ daß er hette erde kauen muͤſſen/ als
ſeine Mutter. So weren wir von unſerer leibeigenſchaft
erloͤſet. Dan weren wir freie leute. Nun ſeind wir
dienſtbar. Nun trotzet uns der Hausjunker/ wie er
ſelbſten wil. Nun erzehlet er/ uns nur zum verdruſſe/
ſeine ſelbſt erdichteten treume. Ich weis gewis/ daß
er itzund mit dem Alten zu rahte gehet/ wie ſie es anfan-
gen ſollen/ daß ſeine treume nur bald erfuͤllet werden.
Mich deucht/ fing ihm Gad das wort auf/ ſie ſeind
ſchon alzuviel erfuͤllet. Hat ihn der Vater nicht ſchon
uͤber die maße verhaͤhtſchelt/ verzaͤhrtelt/ und verzogen?
Lieget er nicht ſchon zu hauſe/ als ein Dachs in ſeinem
loche/ und wil an keine arbeit? Wir hergegen muͤſſen ar-
beiten/ daß uns die ſchwahrte knakt. Und komt er ſchon
zu weilen zu uns ins feld/ ſo tuht er es nur daruͤm/ daß
er uns verkundſchaffe/ und bei dem Alten boßhaftig an-
gebe. Was mangelt wohl mehr/ daß er nicht ein Koͤnig
oder Fuͤrſt iſt/ als der bloße nahme? Traͤgt er nicht ſchon
koͤnigliche kleider? Wird er nicht albereit gehalten/ als
ein Koͤniglicher Fuͤrſt? Hat ihn der Vater nicht ſchon
vorlaͤngſt in ſeinem hertzen angebaͤhtet? Ehret er ihn
nicht ſchon mehr/ als iemand in der welt? Endlich wer-
den wir ſehen/ daß ihn der Vater gar zum einigen Erben
ſeines gantzen Hauſes einſetzen wird. Werden wir dan
nicht/ als huhrenkinder/ ausgeſtoßen werden? Wer-
den wir dan/ mit allen unſern kindern/ als Leibeigene/
dem Joſef nicht frohnen muͤſſen? Das wolte ich eben
ſagen/ fiel ihm Aſar in die Rede. Dan itzund wird der
endſchlus gemacht werden.


Ob ſchon Ruben/ und Judah/ als auch Sebu-
lon/
die noch auf Joſefs ſeite waren/ darwider redeten/
und einwendeten/ man muͤſte vom Vater ſo gar boͤſe ge-
danken nicht ſchoͤpfen; ſo blieben ſie doch auf ihrem
wahne gantz verſtokt/ und wolten keiner einigen ent-
ſchuldigung gehoͤr geben. Was wolt ihr viel ſagen? fing
Si-
[65]zweites Buch.
Simeon endlich auch an: welcher bisher vor großem
zorne nicht reden koͤnnen. Haben wir nicht dergleichen
beiſpiele ſchon in unſerem Geſchlechte? Ward Iſmael
nicht auch ausgeſtoßen? Iſt dem Eſau/ unſers Va-
ters bruder/ nicht faſt eben daſſelbe widerfahren? Hat
unſer Vater ſich nicht geſcheuet ſeinen leiblichen und
aͤlteſten Bruder/ ja zugleich ſeinen Vater ſelbſten zu be-
truͤgen; ſo wird er es uns nicht beſſer machen. Hat er
nicht dem Eſau den vaͤterlichen ſeegen entwendet?
Hat er ihm nicht das recht der erſten gebuhrt entzogen?
Ja hat er nicht auch ſeinem Schwieger- und unſrem
Muͤtterlichen Groß-vater/ mit allerhand liſtigen raͤn-
ken/ das ſeinige ſo vorteilhaftig abgezwakt? Dis hat
dieſer unſer Vater/ als ein kind/ ſeinem Vater/ als ein
Bruder/ ſeinem Bruder/ als ein Schwiegerſohn/ ſei-
nem Schwiegervater getahn. Was meinet ihr wohl/
daß er mit uns/ ſeinen kindern/ nicht auch ſo ſpielen
werde?


Judah/ als auch Ruben/ und Sebulon hatten
ſich bisher auf das euſerſte bemuͤhet/ ihren Vater/ ja
ſelbſt ihren Obergroßvater zu entſchuldigen: indem ſie
vorwendeten/ daß alles auf anſtiftung der Weiber ge-
ſchehen; deſſen man ſich itzund nicht zu befahren/ weil
Joſefs mutter todt ſei. Aber als ſie ſahen/ daß ſie ih-
rer Bruͤder neidiſche gemuͤhter/ durch ſolche reden/ nur
noch mehr wider den unſchuldigen Joſef erbitterten;
ſo ſtelleten ſie ſich endlich/ als wan ſie eben alſo geſonnen
weren. Wohlan dan! fing Ruben an/ weil ich ſehe/
daß wohl etwas boͤſes wider uns moͤchte vorgenommen
werden; ſo wollen wir mit unſern heerden was weiter
von Hebron wegtreiben. Ich weis/ daß bei Sichem/
in einem tahle/ eine ſehr fette weide vorhanden. Da
wollen wir uns/ mit dem viehe/ eine zeit lang aufhal-
ten/ zu ſehen/ was unſer Vater mit ſeinem Joſef im
ſchilde fuͤhret. Wuͤrde er ſich dan unterſtehen/ uns un-
Eſer
[66]Der Aſſenat
ſer erbteil zu entziehen; ſo hetten wir der ſache ſcho
vorgebauet. Die heerde hetten wir in unſerer hand
Ich wolte den wohl anſehen/ der ſie uns nehmen ſolt
Kein raht wird beſſer ſein/ als dieſer. Ich treibe for
Folget mir nach.


Niemand von allen war froher/ als die vier Maͤdg
ſoͤhne. Niemand prieſe dieſen fund mehr/ als ſie. Ru
ben
war nun der beſte man. Niemand war ſchlaue
als er. Niemand war kluͤger und verſchlagener/ als e
Ja niemand war weiſer/ als er: der ſo einen liſtige
rank er dacht/ einen ſo heilſamen raht erfunden/ ihre
gewaͤhnten unheile vor zu kommen. So unmuhts al
ſie zuvor geweſen/ ſo wohl waren ſie nun zu muhte
Nun wollen wir dieſen abend/ ſagte Gad/ rechtſcha
fen luſtig ſein. Der ſtein/ der uns druͤkte/ iſt vom he
tzen verſchwunden. Der kummer/ der es klaͤmmete
hat es verlaßen. Joſef mag nun treumen/ was er wi
Der Vater mag ihm geben/ und uns nehmen/ was e
wil. Beide moͤgen immerhin tuhn/ was ſie wolle
Wir haben unſer erbteil in der hand. Da wird es Jo
ſef
nicht heraus treumen/ und treumete er ſchon tau
ſend Treume von tauſend Garben/ von tauſend Ster
nen/ und tauſend Rindsheuptern darzu. Die Rinde
ſeind unſer: die Schafe nicht weniger. Sie werde
auch wohl unſer bleiben.


Indeſſen ergetzte ſich Jakob zu hauſe mit ſeine
Joſef. Allerhand reden fielen vor: aber keine/ die die
ſen argwaͤhniſchen nachteilig war. Ihre geſpraͤche lau
teten viel anders. Jakob ermahnte ſeinen Sohn. E
ermahnte ihn zur Tugend. Dan/ ſagte er/ wan du di
tugend lieben/ und feſt au ihr halten wirſt; ſo werde
deine Treume gewislich erfuͤllet werden. Gewislic
wird dich Gott zum großen Herꝛn machen. Das hoff
ich. Das wuͤndſche ich. Ja das weis ich gewis. Hier
mit fiel er ihm uͤm den Hals/ und kuͤſſete ihn hertzlich
Aber
[67]zweites Buch.
Aber/ fuhr er fort/ wan dich der Allerhoͤchſte alſo erhoͤ-
hen wird/ wilſtu dan auch deines Vaters und deiner
Bruͤder gedenken? Wilſtu ihnen auch helfen/ wan ſie
deiner huͤlfe noͤhtig haben/ und dich daruͤm anlangen
werden?


Auf dieſe reden fing Joſef bitterlich an zu weinen.
Ach! Vater/ hertzallerliebſter Vater/ gab er zur ant-
wort/ wie ſolte ich eurer vergeſſen? Wie ſolte ich mei-
nen Bruͤdern huͤlfe verſagen/ wan ſie meiner huͤlfe be-
noͤhtigt? Keines von beiden wird nimmermehr geſche-
hen. Auch werde ich nimmermehr zulaßen/ daß euer
graues heupt ſich vor mir/ etwas zu bitten/ neugen
ſolte. Nimmermehr wird ein ſolcher hochmuht mein
hertz beſitzen. Das ſei ferne von mir. Wuͤrde ich ſchon
ein Herꝛ uͤber die gantze welt; ſo wil ich dannoch euer
treueſter und gehohrſamſter Sohn verbleiben/ ſo lange
mir vergoͤnnet ſein wird/ euch in dieſer ſterbligkeit auf
allerlei weiſe gefaͤllig zu werden.


Mit dieſen und dergleichen freundlichen geſpraͤchen
brachten ſie den gantzen tag zu. Beide waren ſo wohl
zu frieden/ und ſo wohl vergnuͤgt/ daß ſie die kuͤnftige
nacht recht ſuͤße zu ruhen gedachten. Aber dieſe gedan-
ken warden ihnen bald vereitelt. Dieſe ruhe ward ih-
nen bald geſtoͤhret. Sie waren gewohnet/ daß die heer-
den gegen den abend zu hauſe kahmen. Itzund kahmen
ſie nicht. Auch hatte man von ihnen nicht die geringſte
zeitung. Niemand wuſte/ wo ſie weideten. Jederman
ward hieruͤber betruͤbt. Jederman vermuhtete ein un-
gluͤk. Die Weiber der Soͤhne Jakobs lieffen heruͤm/
und weineten. Etliche bildeten ihnen ein/ daß etwan
die Araber eingefallen/ und das vieh/ ſamt ihren maͤn-
nern/ weggeraubet. Andere argwaͤhneten ſonſt etwas.
Jene dachte dis/ dieſe das; ja alle das boͤſeſte: keine
das beſte. Jakob ſelbſten war uͤberaus bekuͤmmert
uͤm ſeine Soͤhne: und Joſef uͤm ſeine Bruͤder. Und
E ijſol-
[68]Der Aſſenat
ſolche bekuͤmmernuͤs mehrete das wehklagen der Wei-
ber/ das weinen der Kinder. Alſo ward dieſe nacht mit
trauren und unruhe zugebracht. Aber auf den Mor-
gen berichtete Rubens Ehliebſte/ daß ſie ihren man
ſagen gehoͤret/ er habe bei Sichem eine fette weide ge-
funden. Da ſtuͤnde das graß ſo geil/ daß es jammer
ſei/ ſolches nicht ab zu huͤhten. Ohne zweifel weren ih-
re maͤnner/ mit dem viehe/ dahin gezogen. Ohne zwei-
fel hetten ſie ſich alda verſpaͤhtiget/ daß ſie geſtern abend
nicht zu hauſe gekommen.


Straks auf dieſe worte/ und auf inſtaͤndiges anhal-
ten der weiber/ befahl Jakob ſeinem liebſten Sohne/
ſie zu fuchen. Auf! auf! ſagte er/ mein lieber Sohn.
Setze dich auf meinen Perſichen Gaul; damit du uͤm
ſo viel geſchwinder hin/ und wieder her gelangen koͤn-
neſt/ uns die zeitung zu bringen/ wie es uͤm meine Soͤh-
ne ſtehet. Seume dich unterweges ja nicht. Reite
tapfer fort: und laß uns deine zuruͤkkunft bald wie-
der erfreuen. Joſef hatte zwar itzund nur das ſieben-
zehende jahr erreichet/ und war ſeinem Vater ſo lieb/
daß er mehr vor ihn/ als vor alles in der welt/ ſorgete.
Gleichwohl konte ſich Jakob entſchlieſſen/ ihn zu einer
ſo gefaͤhrlichen verrichtung ab zu faͤrtigen. Daraus er-
blikte man ſonnenklahr/ daß er auch den andern Soͤh-
nen mit einer recht Vaͤterlichen liebe zugetahn war.
Und alſo machte ſich Joſef auf: und der Vater gab
ihm den ſeegen.


Als der abend zu nahen begunte/ bekahm dieſer be-
kuͤmmerte Bruder die Heerden/ bei Dotan/ ins geſich-
te: dan bis dahin waren ſie von Sichem abgetrieben.
Er fand ſie in guhtem wohlſtande. Auch erblikte er ſei-
ne Bruͤder von ferne. Er ſahe ſie/ auſſer gefahr/ friſch
und geſund. Da verſchwand alle ſeine bekuͤmmernuͤs.
Alle ſeine unruhe verlohr ſich. Da erfreuete ſich ſein
hertz. Ja es begunte vor freuden zu huͤpfen. Er wuͤndſch-
te
[69]zweites Buch.
te feinen Vater zugegen/ ihm ein teil ſeiner freude mit
zu teilen. Er wuͤndſchte/ daß ſeine augen ſehen moͤch-
ten/ was ihm zu ſehen aufſtieſſe. Und dieſen wundſch
wiederholete er wohl tauſend mahl.


Aber wie erfreuet der guhthertzige Joſef war/ ſeine
Bruͤder zu ſehen; ſo entruͤſtet warden ſie/ als ſie ihn
von weitem erblikten. Seht! ſeht! ſagte Gad: dort
komt unſer kundſchaffer/ unſer verraͤhter/ unſer unter-
traͤhter an. Er wird abermahl etwas bei uns ausſpuͤh-
ren wollen/ damit er uns bei dem Vater noch mehr in
die ſchmuͤtze bringe. Sie haben vielleicht zu hauſe kei-
nen plauderzeug mehr ihr geſchwaͤtze fort zu ſetzen.
Druͤm komt der plauderer/ der waͤſcher/ der treumer/
ſeine ausgeleerte waſchtaſche wieder zu fuͤllen. Sach-
te! ſachte! bruder/ fing der hoͤniſche Dan an. Du
giebeſt ihm auch alzu veraͤchtliche nahmen. Dadurch
beſchimpfeſtu ſeine hoheit. Dadurch begeheſtu ein ver-
brechen der verletzten Majeſtaͤht. Sieheſtu nicht/ daß
er in ſeinem koͤniglichen ſtahtsrokke einhertrabet? Bi-
ſtu dan blind/ daß du des Koͤniglichen roſſes unter ihm
nicht gewahr wirſt. Eile ſtraks Seiner Majeſtaͤht ent-
gegen/ und mache ſeinen traum wahr. Wirf dich vor
unſerem Fuͤrſten/ vor unſerem Koͤnige nieder. Baͤhte
ihn an. Bitte ihn uͤm vergaͤbnuͤs. Floͤhe ihn an uͤm ſei-
ne gnade. Eben daruͤm hat ihn doch der Vater auf ſein
allerkoͤſtlichſtes pferd geſetzt. Um nichts anders komt
er ſo praͤchtig aufgezogen/ als daß wir ihm mit dem al-
leruntertaͤhnigſten fußfalle begegnen ſollen. Nichts
anders hat er im ſinne/ als daß er uns durch ſeine Ma-
jeſtaͤht wil erſchroͤkken. Nun/ denkt er/ muͤſſen die Gar-
ben ſich vor mir buͤkken. Nun muͤſſen die Sterne/ ſelbſt
Sonne und Mohn ſich vor mir neugen. Ja keine an-
dere gedanken hat er/ als daß wir ihm/ als unſerem
Obergebieter und Koͤnige/ mit knechtiſchem gehohrſam/
huldigen ſollen.


E iijWas
[70]Der Aſſenat

Was huldigen? fing Simeon das wort auf. Wir
wollen ihm auf den kopf huldigen/ dem Traumkoͤnige/
dem Schwarmfuͤrſten/ der er iſt. Huldigen wollen wir
ihm/ daß er es fuͤhlen ſol. Sein bunter Fuͤrſtenrok
mus zerflauſchet; er mus in ſeinem bluhte gepurper-
faͤrbet werden. So bekoͤmt er eine recht koͤnigliche far-
be. Waruͤm fallen wir ihn nicht ſtraks an? Waruͤm
reiſſen wir ihn/ den hoffaͤrtigen Prahlfuͤrſten/ nicht
ſtraks zu bodem? Der ſtoltze hochtrabende kopf mus
herunter. Den aufgeblaſenen hochbruͤſtigen rumpf mus
die erde verſchlingen/ oder die ſchuͤndgrube den hunden
zu freſſen geben. Das ſei ihm geſchwohren. Zu dieſem
ſchwuhre ſeind wir alle verbunden.


Hiermit ging das fluchen/ das raſen/ das toben erſt
recht an. Faſt die meiſten wuͤhteten/ als die ein toller
hund gebiſſen. Ruben aber und Judah trahten aber-
mahl ins mittel. Dieſe ſuchten Joſefs leben zu retten.
Verſuͤndigt euch nicht/ ſagten ſie/ an eurem Bruder.
Beſudelt eure haͤnde ja nicht mit ſeinem unſchuldigen
bluhte. Dieſes bluht wird uns vor Gott anklagen/
und uͤm rache rufen. Dieſes bluht wird unſern alten
Vater in die grube bringen. Ja es wird unſer gewiſ-
ſen uns zu einem ewig nagendem wurme machen.
Dis allein wuͤrde vor uns ſtrafe genug ſein: ob ſchon
der Richter im Himmel ſtil darzu ſchwiege. Aber er
wird nicht ſchweigen. Er hat ſeine ſtrafruhte ſchon in
der hand. Was ſage ich von der ruhte? Sein ſchwert
hat er gewetzet. Damit dreuet er uns zu verderben. Ge-
denket doch an Kain/ der erſtgebohrnen aller Menſchen.
Er beging auch einen brudermord am Abel. Aber A-
bels
bluht ſchriehe zu Gott: und was Gott vor rache
aus geuͤbet/ iſt euch nicht unbekant.


Als ſie aber ſahen/ daß dieſe bluhtduͤrſtigen/ durch
ſolche reden/ nach Joſefs bluhte nur duͤrſtiger warden;
ſo hingen ſie den mantel nach dem winde. Sie ſtelleten
ſich
[71]zweites Buch.
ſich mit ihnen in ein horn zn blaſen. Sie billigten ihre
meinung. Doch/ ſagten ſie/ die ſache mus behuhtſam
angegriffen werden. Die knechte muͤſſen nichts darvon
wiſſen. Wir muͤſſen ihn heimlich aus dem wege reu-
men. Sonſt moͤchte es lautbar/ und wir wieder getoͤd-
tet werden. Zum wenigſten wuͤrde es uns zur ewigen
ſchande gereichen. Gad meinete/ durch zaudern wuͤr-
de man die gelegenheit verlieren. Wan dieſe einmahl
entwiſchet/ lieſſe ſie ſich ſchweerlich wieder faſſen. Ihr
gantzes hinterteil ſei mit einer ſchluͤpfrigen ahlhaut uͤ-
berzogẽ. Wan ſie den ruͤkken kehrete/ were ſie nicht wieder
zu erhaſchen. Daruͤm muͤſte ſie/ wan ſie ſich von vornen
zeigete/ feſt gehalten werden. Ich ſage nicht/ warf Ju-
dah
hierauf ein/ daß man die gelegenheit aus der hand
laßen ſol. Ich rahte nur/ daß man ſich derſelben kluͤglich
gebrauchen/ und ſich nicht uͤbereilen ſol. Mit der gelegen-
heit mus ſich zeit und ort fuͤgen. Wan der diebſtal ſol
verſchwiegen werden/ musnicht/ mit der tuͤhre/ der dieb
ins haus fallen. Sonſt wird er/ durch das gepolter ver-
rahten. Auch mus er nicht bei tage einbrechen. Der tag
hat alzuviel augen und ohren. Man mus nicht ſo ſtraks
zu plumpen. Heimlich und leiſe mus man ſchleichen.
Vorfichtig mus man handeln. Im dunkeln mus
man wandeln. Am rechten orte mus man beginnen.


Indem ſie alſo redeten/ ſtieg Joſef vom pferde/
und ging vollend zu fuße nach ihnen zu. Er neugte ſich
gantz ehrerbietig. Meldete ihnen des Vaters grus und
ſeegen an. Verſtaͤndigte ſie/ wie hoch er ſich ihrentwe-
gen bekuͤmmerte: wie hertzlich er ſich befahrete/ es moͤch-
te ihnen etwan ein ungluͤk begegnet ſein; weil ſie geſtern
abend nicht zu hauſe gekommen/ und man keine einige
zeitung von ihnen gehoͤret. Aus dieſen urſachen habe
ihn auch der Vater anher geſchikt/ den rechten grund zu
vernehmen.


Kaum hatte Joſef dieſe worte volendet/ als man
E iiijihn/
[72]Der Aſſenat
ihn/ ohne einige antwort/ ſchon zu greiffen begunte.
Simeon/ weil er der ſtaͤrkſte war/ muſte ſeine feuſte
darzu lehnen. Er muſte ihr haͤſcher/ ihr haͤnkersknecht/
und ſtokmeiſter ſein. Er muſte ihn binden/ und in ſeine
verwahrung nehmen. Unterdeſſen trahten die andern
ſeitwaͤrts ab. Sie berahtfragten ſich bei Ruben/ was
man weiter tuhn ſolte. Dieſer hette den Joſef gern ge-
rettet/ und wieder zu ſeinem Vater gebracht. Aber er
durfte ſich deſſen im geringſten nicht verlauten laßen,
Sie hatten ihm den tod geſchworen. Das wuſte er. Ja
er wuſte/ daß ihre neidiſche hertzen ſo gar erbittert weren/
daß/ wofern er von ſeiner lebens er haltung redete/ ſie ihn
ſtraks toͤdten wuͤrden. Und daruͤm ſprach er ſie alſo an.


Weil allen Soͤhnen Jakobs/ welche Rahel nicht
gebohren/ ein ungluͤk gedreuet wird; ſo were ich
wohl toͤhricht/ mir ein zu bilden/ daß ich und meine
kinder deſſen entohnigt ſein wuͤrden. Ich bin mit unter
derſelben zahl. Ich wuͤrde/ wan es ergehen ſolte/ dem
Joſef ſo wohl dienen muͤſſen/ als ihr. Ich wuͤrde eben
ſo wohl ſein leibeigner ſein muͤſſen/ als ihr. Meine er-
ſte gebuhrt wuͤrde mir nichts helfen. Der erſte wuͤrde
ſo wohl das joch tragen muͤſſen/ als der letzte. Und
daruͤm mus ich meinen ungluͤkke ſelbſt vorbauen. Dar-
uͤm mus ich meinem ſicherheit ſelbſt rahten. Ja daruͤm
mus ich nohtwendig rahten/ daß Joſef vertilget werde.
Hierinnen beruhet unſere algemeine wohlfahrt. Aber
daß wir unſere haͤnde ſelbſt an ihn legen ſollen/ rahte ich
itzund eben ſo wenig/ als vorhin. Dan alſo begingen
wir einen Brudermord. Ja wir begingen zugleich ei-
nen Vatermord. Was koͤnte greulicher gedacht wer-
den? Wan wir den Vater ſeines liebſten Sohnes be-
raubten/ wuͤrden wir ihn nicht zugleich ſeines lebens
berauben? Wuͤrden wir ihn nicht muhtwillig in ein un-
ausſprechliches hertzleid/ und durch dieſes gar in die
grube bringen? Ich wil mehr ſagen. Wuͤrde nicht Jo-
ſefs
[73]zweites Buch.

[figure]


[74]Der Aſſenat
ſefs bluht uͤber uns rache fordern? Wuͤrde nicht des Va-
ters fluch/ an ſtat des ſeegens/ uͤber uns kommen? Wuͤr-
de nicht Gottes fluch ſelbſt uns treffen? Wuͤrde nicht
unſer gewiſſen unaufhoͤrlich uns aͤngſtigen/ und ſo er-
ſchroͤklich foltern/ daß wir nicht wuͤſten/ wo aus oder
ein? Und daruͤm muͤſſen wir in alwege auf einen andern
und beſſern raht bedacht ſein. Wir haben einen eid-
ſchwuhr abgelegt/ zu Joſefs verderben. Der mus
volzogen ſein. Aber wie? Es mus zum wenigſten den
ſchein haben/ als hetten wir uns ſelbſt weder an Gott/
noch unſerem Vater/ noch unſerem Bruder vergriffen.
Nun wohlan! weil man aus zwei unuͤmgaͤnglichen boͤ-
ſen das beſte erwehlen mus; ſo wil ich aus einem zwei-
fachen rahte/ der in dieſem handel allein ſtat kan finden/
auch den beſten anrahten. Durch deſſen volziehung
wird unſer eidſchwuhr volbracht/ und Joſef gleich-
wohl nicht/ durch unſere hand ſelbſten/ uͤmgebracht
werden. Ich und Sebulon haben neulich/ in jenem
walde/ eine Wolfsgrube gefunden. Darein wollen
wir ihn werfen. Da wird er genug aus dem wege ge-
reumet/ und unſer eid volbracht ſein. Da moͤgen ihn
andere Vaͤter und Muͤtter/ ja andere Bruͤder/ nach
ſeinem traume/ dienſtlich ehren und anbaͤhten/ wie ſie
wollen.


Dieſen raht billigten und bewilligten ſie alle. Ja ſie
prieſen ſeinen klugen erfinder. Dem ward auch/ zuſamt
dem Judah/ und Sebulon/ alſobald die volziehung
anbefohlen. Hierauf zogen ſie dem ungluͤkſeeligen Jo-
ſef
ſeinen koͤſtlichen buntgeſtikten uͤberrok aus: welcher
faſt die erſte und fuͤrnehmſte urſache ihres neidiſchen
grolles geweſen. Ja ſie riſſen ihm auch ſelbſt den unter-
rok vom leibe. Und alſo ward er nach der Wolfsgrube
zugefuͤhret. Alda lies man ihn mit ſtruͤkken/ damit
er nicht beſchaͤdiget wuͤrde/ hinunter. Ruben aber
hatte bei ſich beſchloſſen/ ihn in der naͤchſtkuͤnftigen
nacht
[75]zweites Buch.
nacht heimlich wieder heraus zu ziehen/ und ſeinem
Vater zu bringen. Und eben zu dem ende ging er von
ſeinen bruͤdern weg. Er gab vor/ eine andere weide zu
ſuchen. Aber ſein einiger wundſch war ſeinen guhten
vorſatz zu volziehen. Er dankte Gott/ daß er ihm die-
ſen raht eingegeben. Er verlangte nach der nacht: und
das uͤbrige dieſes tages duͤnkte ihn ſo lang zu ſein/ als
ſonſt zween volle tage.


Mitlerweile erblikten die andern bruͤder/ auf der
heerſtraße von Gilead/ eine große Geſpanſchaft der
Iſmaeler. Dieſe hatten Wuͤrtze/ balſam/ und mirren
aus Arabien gehohlet. Damit gedachten ſie nach
Egipten. Sehet/ alhier/ ſagte Judah/ bekommen
wir das rechtgewuͤndſchte mittel/ Joſefs/ ohne bluht-
vergieſſen/ loß zu werden. Was hilft es uns/ daß ſich
unſere haͤnde an ihm vergreiffen? Er iſt ja unſer Bru-
der/ unſer fleiſch und bluht. Komt! wir wollen ihn den
Ismaelern verkauffen. Dieſen worten gehorchten die
andern. Von ſtunden an lieffen Gad und Judah
hin/ und zogen den Joſef aus der Wolfsgrube. Auch
verkauften ſie ihn vor dreiſſig ſilberlinge: wiewohl ſie
nur zwantzig bekanten. Aber ſie bedungen darbei: daß
die Keuffer ihn nicht wieder in der nachbarſchaft ver-
kauften. Er ſolte in ferne laͤnder gefuͤhret werden. Das
bedungen ſie ausdruͤklich. Dan ſie gedachten/ kommet
er ſo weit in die fremde/ ſo wird er uns nicht mehr im
wege ſtehen. Und ſo wird er ein ewiger leibeigner/ deſ-
ſen leibeigne wir zu werden uns beſorgeten. Aber Si-
meon/
der mitlerweile zu Sichem geweſen/ war viel
anders geſinnet. Dan als er wiederkahm/ und den
Joſef verkauft ſahe/ erzuͤrnete er ſich uͤber den Judah
dermaßen/ daß er ihm den tod dreuete. Auch were den
worten gewislich die taht gefolget; wo es Gott nicht
verhindert. Die hand/ damit er ihm dreuete/ verdorre-
te zuſehens. Und alſo konte er ſeine boßheit nicht vol-
brin-
[76]Der Aſſenat
bringen. Als nun die Ismaeler etliche meilen wegwa-
ren/ uͤberfiel die verkeuffer alle eine ploͤtzliche reue.
Itzund bedachten ſie erſt/ was vor ein ſchelmenſtuͤkke ſie
an ihrem Bruder veruͤbet. Itzund kahmen ſie erſt
wieder zu ſich ſelbſt. Itzund hetten ſie ihn auch uͤm
noch zehnmahl ſo viel gern wiedergekauft. Aber es war
zu ſpaͤhte.


Mit dieſer reue uͤberfiel ſie zugleich die nacht. Ru-
ben
war froh/ daß die gewuͤndſchte zeit/ den Joſef zu
erloͤſen/ herzu nahete. Er verzuͤgerte nicht lange. Er
ging/ ja er lief eilend nach der Wolfsgrube zu. Alle
tritte waren ſchritte. Alda faͤllete er einen mittelmaͤßi-
gen baum. Deſſen zakken hieb er rund heruͤm ſo weit
ab/ daß ſie zu leiterſproſſen dienen konten. Hiermit be-
gab er ſich zur grube: und lies den baum hinunter/ da-
mit Joſef an demſelben herauf ſtiege. Darnach legte
er ſich beuchlings darvor nieder. Joſef! rief er/ lieb-
ſter Bruder!
Aber der widerhal rief eben die worte
zuruͤkke. Er wiederhohlte ſie noch ein mahl/ mit viel
ſtaͤrkerer ſtimme. Der widerſchal rief ſie abermahl
nach. Endlich ſchrie er mit vollem halſe: Bruder
ſchlaͤfſtu?
Der gegenhal fragte gleich alſo: ob er ſchlief-
fe? Ja er wiederhohlete dieſe worte etliche mahl: und
wie oft er ſie wiederhohlte/ ſo oft warden ſie ihm nach-
geſprochen. Ruben gedachte an den widerſchal gantz
nicht. Daruͤm ward er uͤber dieſen nachruf ſeiner wor-
te ſo beſtuͤrtzt/ daß er nicht wuſte/ wie ihm geſchahe. Er
ſtund im zweifel/ ob Joſef ſelbſt/ oder aber ſein Geiſt/
mit ihm redete. Zum allerletzten rief er: Ach! liebſter
Bruder/ biſtu todt?
Da hoͤrete er/ was er fuͤrchtete
zu hoͤren/ und nicht zu hoͤren wuͤndſchte/ das letzte wort
todt widerſchallen. Ach! ſagte er darauf/ biſtu todt?
Ach! wolte Gott! ich were vor dich geſtorben.


Man kan ihm leicht einbilden/ wie dem guhten Ru-
ben
zu muhte geweſen. Die traͤhnen/ die er vergos/
wa-
[77]zweites Buch.
waren nicht zu zehlen: die ſeuftzet/ die aus ſeinem
hertzen ſtiegen/ noch viel weniger. Die ſchmertzen/ die er
fuͤhlete/ konte keine feder beſchreiben. Keine zunge war
ſo beredt/ ſeine hertzensangſt aus zu druͤkken. In ſol-
cher euſerſten betruͤbnuͤs brachte er die gantze nacht zu.
Ja vor großem wehleiden verfluchte er auch ſeine Bruͤ-
der. Er ſchalt das verhaͤngnuͤs. Er murrete wider
das geſtirne/ ja endlich gar wider Gott ſelbſten.
Und in ſolchen halbunſinnigen gemuͤhtsbewegungen
kahm er zu ſeinen Bruͤdern/ eben als die dunkele nacht
der liechten morgenroͤhte gewichen.


Hatte Ruben zuvor aus wehleiden gefluchet/ ſo
donnerte er itzund aus uͤbermaͤßigem zorne. Eine iede
rede war ein donnerſchlag: ein iedes wort ein donner-
keul. Seine augen wetterleuchteten. Ihre blikke blitz-
ten/ und ſchoſſen feurige ſtrahlen. Mit lauter donner-
ſchlaͤgen oͤfnete ſich ſein mund. Mit eitel donnerkeulen
bewegte ſich ſeine zunge. Seine ſtimme brummete
und ſummete. Ihr nachklang knaſterte und praſſelte.
Sein ahtemwind ſtuͤrmete ſo gewaltig/ daß er alles
gleichſam zerſchmetterte. Und ſeine ſprache brach mit
ſolchem greulichen gekrache heraus/ daß alles darvor er-
zitterte. Durch ein ſolches unwetter ſprach er ſeine
bruͤder an. Durch ein ſolches donnerwetter gab er ih-
nen den morgengrus. Ihr Brudermoͤrder! ſagte er/
welcher Teufel hat euch getrieben euren Bruder zu er-
morden? Welcher hoͤlliſche geiſt hat eure fauſt beweget/
an der Unſchuld ſelbſten einen mord zu begehen? Wel-
cher Engel der fuͤnſternuͤs hat euch ſo verblendet/ dem
das tagelicht zu rauben/ den der Himmel zu eurer Son-
ne beſtimmet? Welches Geſpaͤnſte des abgrundes hat
euch ſo bezaubert/ dem das leben zu nehmen/ den das
geſtirne zum erhalter des eurigen erkohren? Welche
Unholdin aus dem hoͤlliſchen giftpfuhle hat euer hertz
ſo vergiftet/ dem lieb- und hold-ſeeligen Joſef/ durch
das
[78]Der Aſſenat
das allerfeindlichſte/ ja mordtaͤhtigſte beginnen/ aus
dem mittel zu reumen? O ihr ehrvergeſſene ſchaͤnder
des gantzen ſtammes der redlichen Ebreer! o ihr
Gottsvergeſſene Hoͤllenbraͤnde! o ihr greuliche Nat-
terngezuͤchte der pech- und ſchwefel-ſuͤmpfe des Abgrun-
des! Ach! du gerechter Himmel! Dieſes wort fing ihm
Judah ploͤtzlich auf/ ſeinen zorn zu ſtillen. Der Him-
mel/ ſagte er/ iſt freilich gerecht. Er hat es ſo wohl
geſchikt/ daß er Joſefs leben in ſeine beſchirmung ge-
nommen.


Das ſage/ das klage ich eben/ fuhr Ruben fort/ daß
ihr ihm das leben genommen. So verſtund er dieſe re-
den; weil er/ aus uͤbermaͤßiger entzuͤkkung ſeiner ſin-
nen/ ſie nicht recht hoͤrete. Doch bekahm er endlich ſei-
nen verſtand ie mehr und mehr wieder. Er kahm wie-
der zu ſich ſelbſt. Und da vernam er erſt recht/ daß Jo-
ſef
noch lebete. Da ſahe er das geld/ darvor ihn ſeine
Bruͤder verkauft. Das verfluchte er. Das verſpiehe
er. Aber was wolte er tuhn. Es war geſchehen. Er
war verkauft. Das zeichen ſahe er vor augen. Daruͤm
ſagte er: beſſer verkauft/ als ermordet. Nun habe ich
noch dieſen troſt: Gott iſt getreu. Verleſſet ſchon den
Joſef ſein ungetreues Gebruͤder; ſo wird doch der
Himmel ihn nicht verlaßen. Aber womit bedekken wir
indeſſen dieſen haͤslichen ſchandflek vor der ehrbaren
welt? Womit troͤſten wir unſern alten Vater? Der
wird ſich todt graͤhmen/ wan er erfaͤhret/ daß ihr ſeinen
Sohn verkauft. Hierauf ſtiegen ihnen allen die traͤh-
nen ins geſichte. Sie wuͤndſchten es ungeſchehen. Aber
wuͤndſche ſeind winde; und fliegen mit den winden dar-
von. Dieſer wundſch nuͤtzte weniger/ als nichts. Nie-
mand war damit geholfen.


Nachdem ſie lange genug gekaͤrmet/ und ſich nun
muͤde gehaͤrmet hatten/ vermeinten ſie/ es ſei beſſer den
Vater in ein kurtzes hertzleid/ als in eine ewige bekuͤm-
mer-
[79]zweites Buch.
mernuͤs zu bringen. Sie beſchloſſen/ ihn/ auf Dans
einrahten/ zu bereden/ Joſef ſei todt. Er ſei von den
wilden tieren zerriſſen. So/ vermeinten ſie/ wuͤrde er
eher zu trauren aufhoͤren/ als wan ſie gerade zuſagten/
daß ſie ihn zum leibeignen verkauft: dadurch ſie ſich zu-
gleich in eine ewige ſchande ſtuͤrtzten. Und daruͤm ver-
wundeten ſie erſtlich dem Perſiſchen leuffer/ darauf
Joſef geritten/ die ſchenkel; damit man vermeinen
ſolte/ die woͤlfe hetten ihn alſo zerbiſſen. Hierauf fuͤh-
reten ſie ihn bei nachtzeit nach ihres Vaters hofe zu.
Nicht weit darvon lieſſen ſie ihn lauffen/ und aus be-
gierde zum futter/ ſeinen ſtal ſuchen. Und alſo lieſſen
ſie dieſes pferd ihrem Vater die erſte zeitung vom tode
ſeines Sohnes bringen.


Auf den morgen ſchlachteten ſie einen ziegenbok. In
deſſelben bluht tunkten ſie den bunten rok ihres Bru-
ders; nachdem ſie ihn zerriſſen. Und alſo ſchikten ſie
ihn/ mit Iſaſchar und Sebulon/ zum Vater. Se-
bulon
ſprach: Ach! Vater/ dieſen bluhtigen rok haben
wir gefunden. Siehe zu/ ob du ihn kenneſt. Jakob
kennete ihn alſobald/ und antwortete: es iſt meines
Sohnes rok. Ein boͤſes tier hat ihn gefreſſen. Ein
reiſſendes tier hat ihn zerriſſen. Ach! Joſef! Joſef!
wo ſeind nun deine Treume? O ihr betruͤglichen treu-
me! O ihr Himmel! waruͤm habet ihre meine deutun-
gen vereitelen/ und meine hofnung vernichtigen laßen?
Mit dieſen erbaͤrmlichen worten/ druͤkte er den Rok an
ſeine bruſt. Er kuͤſſete das bluht ſo hertzlich/ als wan
es ſeines Sohnes eigenes bluht geweſen. Und alſo
ward Jakob vergolten/ was er an ſeinem Vater I-
ſaak
verſchuldet. Er hatte ihn mit Eſaus/ ſeines
liebſten Sohnes/ Rokke betrogen. Nun muſten ihn
ſeine Soͤhne wieder mit ſeines liebſten Sohnes Joſefs
Rokke betruͤgen. Die ſchmertzen/ welche dieſer traurige
Vater uͤber einen ſo ungluͤklichen todes fal ſeines ſo lie-
ben
[80]Der Aſſenat
ben Sohnes empfand/ koͤnnen mit keinen gedanken er-
reichet/ viel weniger mit einiger feder beſchrieben wer-
den. Er zerris ſeine kleider. Er legte einen trauerſak uͤm
ſeine lenden; und beweinete ſeinen Sohn lange zeit. Es
kahmen zwar alle ſeine Soͤhne/ und Toͤchter/ ihn zu troͤ-
ſten. Aber er wolte ſich nicht troͤſten laßen. Ach! ſprach
er: ich werde mit leide zu meinem Sohne/ in die grube/
hinunterfahren. Ja er ſtellete ſich ſo gar erbaͤrmlich
an/ daß es ein ſtaͤhlernes/ ein demantenes hertz zum
mitleiden bewegen muſte. Wie es nun nach meinem
wegzuge weiter abgelauffen/ weis ich nicht. Aber das
weis ich wohl/ daß man vom ungluͤklichen Joſef keine
einige zeitung/ ſo lange er iſt verkauffet geweſen/ be-
kommen.


Die Koͤnigliche Fuͤrſtin war/ durch dieſe erzehlung/
uͤberaus vergnuͤgt. Ja ſie hette wohl eine gantze nacht
zugehoͤret. Sie fragte den Juͤngling vielmahls: ob er
vom Joſef gantz nichts mehr wuͤſte? Sie wolte gern
alles erfahren. Alles wolte ſie wiſſen. Als er aber ſag-
te/ daß ihm nichts mehr bewuſt ſei; da lies ſie ihn wie-
der von ſich: und verboht ihm/ bei verluſt ſeines lebens/
daß er ſich gegen niemand ſolte verlauten laßen/ waruͤm
ſie ihn entbohten/ oder was er ihr vom Joſef erzehlet.
Er ſolte reinen mund halten. Er ſolte auch des Jo-
ſefs
nicht einmahl erwaͤhnen. Und hiermit begab ſich
der Ebreer wieder hinunter in die kuͤche.


So bald er weg war/ brach die Fuͤrſtin gegen ihre
Kammerjungfrau alſobald mit dieſen worten heraus:
Joſef wird gewislich/ ſagte ſie/ derſelbe Fremdling
ſein/ davon die Goͤtter geſprochen. Er wird derſelbe
ſein/ der ſo volgewaltig uͤber Egipten ſol herſchen. Ich
hoͤre es aus allen uͤmſtaͤnden. Er iſt es/ dem Aſſenat
werden ſol. Er iſt es/ in deſſen armen ſie ruhen ſol. Er
wird es ſein/ und kein ander. Das weis ich. Das
wuͤndſche ich. Das hoffe ich: ja das gleube ich gantz ge-
wis.
[81]zweites Buch.
wis. Zur gluͤklichen ſtunde iſt dieſer Juͤngling hier an-
gelanget: der mir alle begaͤbnuͤſſe des Joſefs erzehlet.
Ja zur gluͤklichen ſtunde habt ihr den Joſef ſelbſten
geſprochen: der euch den Ausſpruch der Goͤtter ſo deut-
lich erklaͤhret. Dieſer tag iſt mir ein gluͤklicher tag. Die-
ſer abend iſt mir ein gluͤklicher abend: da mir die Goͤt-
ter beides ſo wunderbahrer weiſe geoffenbahret: da ich
ſo viel wunders erfahren/ ſo viel ſeltzames gehoͤret. An
dieſen abend wil ich gedenken/ ſo lange ich lebe. Und
wolten die Goͤtter/ daß ich den abend auch ſo gluͤklich
erleben moͤchte/ da Aſſenat in Joſefs armen ſol ru-
hen. Was vor freude wuͤrde wohl ich empfinden/ ein ſo
ſchoͤnes/ ein ſo edeles/ ein ſo liebes Paar gepaaret zu ſe-
hen. Anders iſt es nicht: es mus geſchehen. Der him-
mel hat es alſo verhaͤnget. Die Goͤtter haben es alſo
beſchloſſen. Und daruͤm wollen wir dem verhaͤngnuͤſſe/
mit ſtilſchweigen/ zu ſehen. Mit ſtilſchweigen laßet uns
die erfuͤllung dieſes Goͤttlichen rahtſchluſſes erwarten.
Wir koͤnnen nichts tuhn/ als ſchweigen/ und der zeit er-
warten. Daruͤm/ wan ihr gefraget werdet/ was ich mit
dieſem Ebreiſchen Juͤnglinge geredet; ſo gebet kurtzen
beſcheid: daß ihr nichts daruͤm wuͤſtet; daß ich in mei-
nem geheimen beizimmer allein mit ihm geſprochen;
daß ihr es nicht anhoͤret. Ich wil wohl wiſſen/ was ich
tuhn ſol. Niemand wird etwas aus meinem munde
erfahren: auch Aſſenat ſelbſt nicht; wiewohl ich ſie
liebe/ als meine ſeele. Und eben uͤm dieſer liebe willen/
wil ichs vor ihr verſchweigen: doch gleichwohl auch die
erſte ſein/ die ihr alles erzehlen wird. Aber ich mus zu-
vor die zeit erſehen/ da es ihr zu wiſſen dienet.


Hiermit ſtund die Koͤnigliche Fuͤrſtin auf/ ſich ent-
kleiden zu laßen. Die Kammerjungfrau verrichtete
dieſen dienſt: und ſchied endlich wohlvergnuͤget von ihr.
Wohlvergnuͤget ging ſie in ihre ſchlafkammer: da ſie/
eh ihr der ſchlaf die augen zuſchlos/ alles/ was ſie den
Fver-
[82]Der Aſſenat
vergangenen tag gehoͤret/ uͤberdachte. Und in dieſen
gedanken begab ſie ſich zur ruhe. Der ſchlummer uͤber-
fiel ſie: aber das hertz blieb wakker. Die gantze nacht
durch ſpieleten ihre gedanken. Die einbildung ſtellete
ihr den ſchoͤnen Leibeignen bald ſo/ bald anders vor.
Bald ſahe ſie die Aſſenat in ſeinen armen. Bald er-
blikte ſie ihn im Koͤniglichen ſtaht. Eben daſſelbe wi-
derfuhr auch der Koͤniglichen Fuͤrſtin. Und uͤm die
morgenſtunde hatte eine iede einen ſonderlichen traum.


Nitokris treumete: daß ſie einen ſchoͤnen und
jungen Stier zehn tage lang in Potifars hofe
ſahe/ und darbei ein junges ſchneeweiſſes
Faͤhrſichen; welche ſich beide ſehr freundlich ge-
gen einander gehabten. Darzu kahm endlich
eine junge Hindin: welche anfangs dem Stie-
re ſchmeuchelte; aber ihn/ als er ihr nicht auch
ſchmeuchlen wolte/ zuletzt in ein fuͤnſteres loch
ſtieß. Darinnen blieb er drei tage lang/ bis ihn
ein Krokodil wieder heraus gezogen: da dan
der Stier eben auch als in einen Krokodil ver-
aͤndert ſchien.


Aber Semeſſe hatte dieſen traum. Es kahm ihr
vor/ als wan ſie einen fremden Vogel/ nicht wu-
ſte ſie in was vor einem hauſe/ geſehen. Dieſer
Vogel war uͤberaus ſchoͤn von farbe/ und ſahe
faſt aus/ als ein Habicht. In einem bauer ſaß
ein junges Egiptiſches Stoͤrchlein; welches er
ſehr lieb hatte/ und oft vor den bauer flog/ mit
ihm zu ſpielen. Aber der bauer war rund umher
zu/ und die tuͤhre ſo wohl verwahret/ daß er
nicht hinein konte. Auch ward ſie einer jungen
Henne gewahr. Dieſe ging anfaͤnglich von ferne
uͤm den Habicht heruͤm. Darnach kahm ſie ihm
immer naͤher und naͤher. Endlich bewieſe ſie ihm
etliche liebeszeichen mit pikken. Der Habicht

aber
[83]zweites Buch.
aber kehrete ſich an nichts. Er ſtellete ſich/ als
verſtuͤnde er nicht/ was ſie meinete. Alda be-
fand ſich auch ein alter Hahn. Wan dieſer aus
ſeinem Huͤhnerhauſe herfuͤr traht/ verlies die
Henne den Habicht. Doch kahm ſie ſtraks wie-
der/ ſo bald der Hahn den ruͤkken gewendet. Sie
klukkerte/ ſie kuͤrrete rund uͤm den Habicht her-
uͤm. Sie pikte ihm erſt nach den pfoten/ und
dan nach dem ſchnabel. Endlich/ als er unbe-
weglich/ und ihr lieblen gleichſam zu verſchmaͤ-
hen ſchien/ ergrif ſie ihn mit dem ſchnabel beiden
federn. Er aber ris ſich loß/ und flohe darvon.
Eben kahm der alte Hahn wieder herfuͤr. Dem
lief die Henne/ mit des Habichts federn im
ſchnabel/ ſtraks entgegen. Eine guhte weile
klukkerten ſie miteinander. Ohne zweifel gab
die Henne dem Hahne zu verſtehen/ daß ihr der
Habicht gewalt zu fuͤgen wollen. Dan der Hahn
ſtellete ſich/ nach langem geklukkere/ gantz er-
grimmet an. Der kam/ der zuvor bleich gewe-
ſen/ war nunmehr gantz feurroht. In ſolchem
erboßten weſen lief er dem Habichte nach/ und
jagte ſich ſo lange mit ihm heruͤm/ bis er ihn in
ein kellerloch getrieben. Vor dieſem loche hielt
der Hahn drei ſtunden lang ſchildwache; damit
der Habicht nicht darvon kaͤhme. Aber ein Leus
jagte den Hahn vor dem loche weg; und erloͤſete
alſo den Habicht/ der ſich in einen Adler zu ver-
aͤndern ſchien/ aus ſeiner gefaͤngnuͤs.


Kaum hatte ſich Semeſſe aus ihrem bette erho-
ben/ als ſie ſchon nach der Nitokris zimmer zueilete/
ihr dieſen wunderſeltzamen Traum zu erzehlen. Aber
die Fuͤrſt in kahm ihr zu vor. Ach! Semeſſe/ Semeſ-
ſe!
ſchriehe ſie auf/ ſo bald ſie die Jungfer erblikte.
Ach! hoͤret doch/ was ich vor einen wunderlichen traum
F ijge-
[84]Der Aſſenat
gehabt. Und eben damit begunte ſie ihn zu erzehlen.
Als er geendiget war/ da erzehlte die Kammerjungfrau
den ihrigen auch. Beide ſtunden uͤber dieſe beiden treu-
me beſtuͤrtzt. Eine lange weile waren ſie ſprachloß. Die
Fuͤrſtin brach endlich in dieſe worte aus. Es ſeind/
ſagte ſie/ einerlei treume. Sie zielen auf einerlei ſelb-
ſtaͤnde. Doch der eurige iſt dunkeler/ als der meinige.
In dieſem finde ich den ort/ und die zeit/ da ſeine bedeu-
tung ſol erfuͤllet werden: in eurem aber nicht. Ich ſa-
he alles in Potifars hofe geſchehen: und zwar in zehen
tagen; darauf noch drei tage folgeten. Damit war al-
les zum ende. Ohne zweifel wird Aſſenat mit im ſpie-
le ſein: wo nicht auch Joſef. Ohne zweifel werden die
dreizehen tage dreizehen jahre bedeuten. Aſſenat iſt
itzund achtjaͤhrig/ aber nach dreizehen jahren wird ſie
im ein und zwanzigſten ſein. Dieſes jahr iſt eben daſ-
ſelbe/ das ihr die Goͤtter/ durch ihren Ausſpruch/ zu
ihrer vermaͤhlung mit dem fremden Herꝛn beſt immet.
Was ich geſtern aus der deutung des Goͤttlichen aus-
ſpruchs/ und aus der erzehlung des Ebreers vom Jo-
ſef/
geſchloſſen; daſſelbe wird ohne zweifel durch dieſen
meinen traum bekraͤftiget. Ja daß dieſer mein traum
gewislich wird wahr werden/ ſchlieſſe ich daraus: weil
der eurige auf eben daſſelbe zielet; zumahl weil wir
beide treume an einem morgen/ und zu gleicher zeit
gehabt.


Wen ſol aber/ fing die Kammerjungfrau an/ der
Stier/ und das Faͤhrſichen/ mit der Hindin; ja
was ſol es/ daß der Stier in einen Krokodil ſich ver-
aͤndert/ bedeuten? Der Stier/ den ich ſahe/ und euer
Habicht bedeuten einerlei: ſo auch mein Faͤhrſichen/
und eure junge Egiptiſche Stoͤrchin; meine
Hindin/ und eure Henne/ ja mein Krokodil/ und
euer Leue des gleichen. Aber auf wen ſie eigendlich zie-
len/ und was es bedeutet/ daß mein Stier in einen
Kro-
[85]zweites Buch.
Krokodil/ und euer Habicht in einen Adler veraͤn-
dert worden/ weis ich nicht zu ſagen. Auch weis ich
nicht/ worauf euer alter Hahn/ desgleichen ich in mei-
nem traume nicht finde/ zielen ſol. Ja was ſol ich ſa-
gen? Dieſe beiden treume ſeind mir viel zu wunderlich/
und meinem verſtande viel zu hoch. Wir muͤſſen einen
andern Traumdeuter ſuchen. Aber wo ſollen wir ihn
finden? Niemand wird hierzu geſchikter ſein/ als Jo-
ſef.
Daruͤm kleidet euch ſtraks an. Machet euch flugs
faͤrtig/ und gehet zu ihm. Erzehlet ihm alle beide treu-
me von ſtuͤklein zu ſtuͤklein. Aber in dem meinigen las-
ſet Potifars hof/ und die zeit der zehen/ und drei
tage
weg: weil uns beides ſchon klahr genug iſt/ alſo
daß wir keinen ausleger darzu beduͤrfen.


Semeſſe volbrachte dieſen befehl alſobald. Joſef
ſtund eben in der tuͤhre/ da ſie ankahm: Und die Jung-
frauen/ zuſamt der Mutter/ hatten ſich in der Iſis
Goͤtzenhaus begeben/ ihren Goͤtzendienſt zu verrichten.
Daher war ſie froh/ daß ſie ſo eine gewuͤndſchte gelegen-
heit angetroffen/ den Joſef allein zu ſprechen. Sie
gruͤßete ihn ſehr freundlich: und er unterlies auch
nicht/ ihr mit eben ſo freundlichem gegengruſſe zu be-
gegnen. Nach wenigen wortgepraͤngen diente ſie ihm
ſtraks an/ daß ſie/ ihrer Fuͤrſt in wegen/ was geheimes
mit ihm zu reden hette. Hierauf fuͤhrete ſie Joſef in
den ſaal: da ſie dan ihre worte ſtraks alſo anbrachte.
Meine Fuͤrſtin/ ſagte ſie/ hat in der naͤchſt verwichenen
nacht einen Traum gehabt; und ich ſelbſt zwar einen
andern/ doch einen ſolchen/ der jenem in allen ſtuͤkken
faſt gleich iſt. Weil nun dieſe zwee gleiche treume/ die
uns beiden/ auch in gleicher zeit/ ja in einer ſtunde/ zu-
gleich aufgeſtoßen/ was ſonderliches bedeuten werden;
ſo habe ich/ auf meiner Fuͤrſtin befehl/ die kuͤhnheit ge-
brauchen muͤſſen/ ihn uͤm eine gruͤndliche auslegung
derſelben an zu langen. Hierdurch wird er nicht allein
F ijjdie
[86]Der Aſſenat
die koͤnigliche Fuͤrſtin/ die ihm ohne dis ſchon ſehr hoch
gewogen/ zur hoͤchſten gnade/ ſondern auch mich ſelbſten
zur hoͤchſten wilfaͤrtigkeit verpflichten.


Joſef begunte ſeinen kleinen verſtand in dergleichen
dingen ſtraks vor zu wenden. Er entſchuͤldigte ſich aufs
hoͤchſte. Er ſuchte die allererſinlichſten ausfluͤchte. Er
wieſe ſie zu den Prieſtern/ die darinnen weit mehr geuͤ-
bet weren/ als er. Ja er ſchlug die Kaldeer vor/ derer
taͤgliches handwerk es ſei/ dergleichen geheimnuͤſſe zu er-
gruͤnden. Aber ie mehr er ausfluͤchte ſuchte/ ie mehr ſie
zufluͤchte fand. Je mehr er ſeinen verſtand verkleiner-
te/ ie groͤſſer ſie ihn machte. Ja/ ſagte ſie/ ſeine geſtrige
erklaͤhrung des Goͤttlichen ausſpruches iſt ſo unver-
gleichlich guht und ſo fuͤrtreflich geweſen/ daß wir/ in
einer ſo ſchweeren und wuͤchtigen ſache/ zu niemand
anders/ als allein zu ihm/ unſere zuflucht nehmen.
Kein Prieſter/ kein Kaldeer/ ja niemand im gantzen
Egipten hat eine ſo gruͤndliche/ eine ſo volkommene er-
klaͤhrung uͤber gemelten Ausſpruch tuhn koͤnnen/ als
er. Und eben daruͤm haben wir auch von niemand/ als
allein von ihm/ dergleichen auslegung unſerer treume
zu gewarten.


Weil nun Joſef ſahe/ daß alle ſeine einwendungen
nichts verfingen; ſo entſchlos er ſich endlich die Se-
meſſe/
ſo viel ihm muͤglich/ zu vergnuͤgen. Ich ver-
maͤrke wohl/ ſagte er/ daß ich geſtern meinen vorwitz/
aus unwitz/ alzubloß gegeben. Ich vernehme wohl/
daß meine alzumilde vermeſſenhelt ihre einbildung
uͤberteubet. Dan ich ſehe/ daß ſie mich vor denſelben
helt/ der ich nicht bin. Ich befinde/ daß ſie meinen ver-
ſtand hoͤher ſchaͤtzet/ als er gelten kan. Ja ich ſpuͤhre/ daß
ſie mit gewalt von mir zu wiſſen begehret/ was ich nicht
weis. Daruͤm/ ſolcher ihrer einbildung zu liebeln/ mus ich
noch vermeſſener werden. Ihr zu gefallen werde ich ge-
zwungen in einer angefangenen verwaͤgenheit/ die ich
ſonſt
[87]zweites Buch.
ſonſt vor einen fehler ſchaͤtze/ zu verharren. Ja was wil
ich ſagen? Das gebot der koͤniglichen Fuͤrſtin iſt mein
ſpohren. Und ſo mus ich/ ob ich ſchon ſonſten nicht
wolte. Hier ſteht der befehl. Dem mus ſich mein wil-
le unterwerfen. Kan ich nicht taͤhtig/ ſo mus ich doch
willig gehorchen. Und dieſer ſo willige gehorſam wird
die verwegenheit meiner taht entſchuldigen: ja ſelbſt
der koͤnigliche befehl meinen fehler bedekken. Wan es
ihr dan beliebt/ ſo laße ſie mich vernehmen/ was ſie ge-
treumet.


Hierauf erzehlete die Kammerjungfrau ihre Treu-
me/ wie es ihr die Fuͤrſtin befohlen. So bald ſie aus-
geredet/ fing Joſef an. Beide Treume/ ſprach er/ ſeind
einerlei/ wie ſie ſagt: und daher uͤm ſo viel leichter aus
zu legen. Dan einer erklaͤhret den andern. Auch was
dem andern fehlet/ ergaͤntzet der andere. Der ſchoͤne
junge Stier/
bedeutet einen ſchoͤnen Juͤngling: das
junge Faͤhrſichen/ eine ſehr zahrte Jungfrau/ die
noch nicht volkoͤmlich erwachſen: die Hindin/ eine
ſchoͤne hurtige Frau. Dieſe Frau wird in den Juͤng-
ling ſich verlieben. Sie wird ihn ſtraͤhlen; aber er wird
ſie nicht achten. Und weil er ihr keine gegenliebe bezei-
get; wird ſie ihn/ aus zorne/ verfolgen/ ja gar ins ge-
faͤngnuͤs bringen. Daß aber ein Krokodil den Stier
aus dem fuͤnſteren loche erloͤſet/ und der Stier darnach
ſelbſt als in einen Krokodil veraͤndert geſchienen; ſol-
ches bedeutet/ daß ein Egiptiſcher Koͤnig den Juͤng-
ling aus dem gefaͤngnuͤſſe loß/ und gleichſam zum Koͤ-
nige
in Egipten machen werde. Dan der Krokodil
iſt der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild: welche ſich auch
ſelbſt Faraonen/ das iſt Krokodillen/ zu nennen
pflegen.


In dem ihrigen bedeutet der fremde Vogel/ der
wie ein Habicht ausſahe/ eben auch einen Juͤng-
ling/
der fremde oder auslaͤndiſch/ und ſchoͤn/ auch
F iiijei-
[88]Der Aſſenat
eines fenrigen/ ja faſt Goͤttlichen verſtandes/
nach der eigenſchaft des Habichts/ ſein wird: die
junge Egiptiſche Stoͤrchin/ eine noch junge
Jungfrau/
die in Egipten gebohren: der wohl
verwahrte Vogelbauer/
darinnen dieſe Stoͤrchin
geſeſſen/ ein Kloſter/ oder ſonſten etwas/ darinnen
ſie/ in genauer verwahrung/ erzogen wird: die junge
Henne/
eine junge Hausfrau; welche dem Juͤng-
linge zuerſt von ferne/ darnach in der naͤhe ihre liebe
wird blikken laßen: der alte Hahn/ einen alten Eh-
man;
in deſſen gegenwart die junge Frau nicht wird
duͤrfen maͤrken laßen/ daß ſie den Juͤngling liebet. In
ſeinem abweſen aber wird ſie ihm uͤm ſo viel mehr lie-
beszeichen erweiſen. Ja/ weil er weder mit liebesblik-
ken/ noch mit lieblenden worten zur gegenliebe zu bewe-
gen iſt/ wird ſie ihn endlich gar mit gewalt darzu ziehen
wollen/ ihren willen zu volbringen. Er aber wird ihr
entſpringen. Hierauf wird die Frau den Juͤngling bei
ihrem alten Ehliebſten/ aus uͤbermaͤßigem zorne wegen
ihrer verſchmaͤhung/ faͤlſchlich anklagen/ und ihn bewe-
gen/ daß er den Juͤngling gefaͤnglich wird ſetzen laßen:
welches durch das jagen ins kellerloch angedeutet
wird. Daß aber ein Leue/ als ein koͤnigliches tier/
den Hahn vor dem loche wegtreibet/ und den fremden
Vogel/
der ſich darnach gleichſam in einen Adler/ der
auch ein koͤniglicher vogel iſt/ veraͤndert; ſolches bedeu-
tet/ daß ein Koͤnig den Juͤngling erloͤſen/ und in den
koͤniglichen ſtand erhoͤben wird.


Wan man nun dieſe beiden Treume/ deren der eine
den andern/ wie ich geſagt/ ſehr ahrtig erklaͤhret/ zu-
ſammenhelt; ſo kommet dieſe volkommene bedeutung
heraus. Naͤhmlich es wird ſich irgendwo ein jun-
ger und ſchoͤner Auslaͤnder/ welcher/ gleichwie
der Goͤttliche und der Sonne geheiligte
Habicht/
eines feurigen geiſtes iſt/ mit einem ſchoͤnen noch.
un-
[89]zweites Buch.
unmanbahrem Egiptiſchen Jungfreulein/ das
man in ſcharfer aufſicht und genauer bewah-
rung/ vielleicht in einem Kloſter/ erziehet/ zu-
ſammen aufhalten; und dieſes Jungfreulein
lieben/ auch ihrer gegenliebe genieſſen. Es wird
aber eine Ehfrau/ die ſchoͤne/ jung/ und mun-
ter/ auch deſſelben ortes/ da jene zween ſich be-
finden/ gebieterin iſt/ darzwiſchen kommen/
und in den Juͤngling ſich verlieben. Anfangs
wird ſie ſcheu tragen/ ihm ſolche liebe zu offen-
bahren: und daruͤm zuerſt von ferne ihm lie-
beln; darnach immer naͤher und naͤher kom-
men/ ihn ſtraͤhlen/ ja ſelbſt kuͤſſen: bis ſie end-
lich/ wan ſie ihre liebe verſchmaͤhen ſiehet/ ihn
mit gewalt zur unkeuſchheit zu ziehen ſich unter-
fangen wird. Er aber wird ihr entreiſſen: und
dadurch wird ſich ihre liebe in zorn veraͤndern.
Dieſer zorn wird ſie bewegen/ den Juͤngling bei
ihrem Ehherꝛn faͤlſchlich zu bezuͤchtigen: wel-
cher ihn unſchuldig ins gefaͤngnuͤs werfen/ und
genau bewahren wird. Den Juͤngling aber wird
endlich ein Egiptiſcher Koͤnig nicht allein aus
dem gefaͤngnuͤſſe erloͤſen/ ſondern ihn auch gar
in den Koͤnigsſtand erhoͤben.


Joſef hatte dieſe Treume zwar ſehr kluͤglich und
gruͤndlich ausgedeutet. Aber er wuſte gleichwohl nicht/
daß ſie ihn ſelbſten ſo nahe angingen/ und daß der junge
Stier und der fremde Vogel auf ihn zieleten. Er wu-
ſte nicht/ daß das junge Faͤhrſichen und die junge Egip-
tiſche Stoͤrchin die lieblichſchoͤne Aſſenat ſei: derer
Goͤttlichen ausſpruch er geſtern eben ſo deutlich erklaͤh-
ret. Doch wuͤrde er es ohne zweifel/ wan man ihm in
der Nitokris Traume nicht die zwei fuͤrnehmſten ſtuͤk-
ke verſchwiegen/ errahten haben. Dan da hette er des
Potifars haus/ und die zeit der vermaͤhlung der
F vAſ-
[90]Der Aſſenat
Aſſenat/ als auch der erhoͤhung des Fremdlings in
den Koͤnigsſtaht/ wie ſie beiderſeits von den Goͤttern
beſtimt war/ unſchweer gefunden. Weil nun dieſes
alles/ und noch darzu Joſefs eigene Treume die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin wuſte; ſo gab ihr ihre ſcharfſinnigkeit
und ſtaͤhtiges uͤberwegen dieſer des Jofefs traumdeu-
tung ſehr wunderliche gedanken ein. Den gantzen tag
betrachtete ſie ſo wohl die treume ſelbſten/ als derſelben
deutung. Semeſſe muſte ihr Joſefs worte wohl
hundert mahl wiederhohlen. Ein iedes legte ſie auf die
wageſchahle ihres verſtandes. Ein iedes deutwort
ſchien ihr eine ſonderliche verborgenheit zu begreiffen.
Und alſo verſtund ſie wohl etwas: aber lange nicht
alles.


Inmittels kahm der abend herbei. Nitokris war
eben aufgeſtanden zur tafel zu gehen/ als man ploͤtzlich
an ihre tuͤhre klopfete. Ein reitender Bohte war von
Heliopel angelanget. Dieſer brachte der Aſſenat fol-
gendes


Schreiben
an die lieb- und hold-ſeelige
Semeſſe.


IHr liebſtes brieflein empfange ich eben
itzund. Nichts gebe ich zur antwort/ als ei-
nen unſterblichen dank. Dieſen verſpreche ich mit
hertz und feder. Es ſeind zwar ſtumme geluͤbde:
doch wird ſie die rede meines mundes bald be-
kraͤftigen. Mein mund wird es ihr ſelbſten ins
ohr/ ja ins hertze ſprechen/ wie dankbar ich zu
ſterben geſonnen. Sie eile nur bald/ mir ihre ge-
genwart zu goͤnnen. Ich verlange darnach. Ja
ich verlange/ die volkommene Erklaͤhrung des

Goͤt-
[91]zweites Buch.

[figure]


[92]Der Aſſenat
Goͤtterſpruches aus ihrem munde zu hoͤren. Iſt
es muͤglich/ ſo finde ſie ſich morgen ein. Mor-
gen erwarte ich ihrer. Druͤm ſeume ſie nicht.
Inmittels wil ich gleichwohl/ daß ſie meinen
Traum wiſſe: damit ich bei ihrer uͤberkunft/
deſſelben deutung erfahre. Dieſen morgen/ da
ich kaum halb ſchlummerte/ deuchtete mich in

meines Herꝛn Vaters Hofe zu ſein. Alda ſahe ich
ein
fremdes ſchloßweiſſes tierlein; welches man ein
Hårmlein nente. Dieſes wolte meine Stiefmutter
mit ſchlamme beſudeln. Aber es war ſo behaͤnde/
daß ſie es nicht erwiſchen konte. Letzlich be/
kahm ſie es bei dem ende des ſchwantzes/ und
wolte es mit gewalt in den koht druͤkken. Aber
das Haͤrmlein ris ſo gewaltig/ daß es ihr nur ei-
nen
flauſch haare in der hand lies/ und darvon
flohe. Daruͤber erzůrnete ſich meine Stiefmut-
ter dermaßen/ daß ſie das liebliche tierlein in ein
fas einſpuͤnden lies. Aber ein
Leue ſties mit dem
kopfe dem faſſe den bodem ein. Da kahm das
Haͤrmlein heraus geſprungen/ und ward dem

Leuen gantz gleich. Hiermit ward ich eben wak-
ker. Sieſehe zu/ daß ſie bei dem ſchoͤnen Lerb-
eignen die deutung erfahre. Sie vergeſſe es ja
nicht. Bringt ſie mir dieſe mit/ wird ſie mir uͤm
ſo viel angenehmer ſein. Ich werde ihr/ und
ihm danken/ ſo lange ich ahteme. Die Koͤnig-
liche Fuͤrſtin ſei hertzlich gegruͤßet. Morgen ſol
Sie auch ein brieflein von mir empfangen. Un-
terdeſſen befaͤhle ich ſie den Goͤttern.


Aſſenat.


Dieſes ſchreiben verurſachte/ daß Nitokris von der
tafel blieb. Semeſſe muſte es ihr wohl zehn mahl vor-
leſen; ſonderlich des Freuleins Traum: welcher die
deu-
[93]drittes Buch.
deutung der ihrigen/ mit denen er faſt gantz uͤberein
kahm/ noch mehr bekraͤftigte. Es war zwar zimlich
ſpaͤhte. Gleichwohl ſchikte die Fuͤrſt in ihre Semeſſe
ſtraks zum Joſef. Noch dieſen abend wolte ſie die
deutung wiſſen: welche faſt auf eben den ſchlag aus-
fiel/ als der erſten zwee treume. Nur ward daß rein-
weiſſe Haͤrmlein/
das/ ſeiner angebohrnen ahrt nach/
ſein reines fel durchaus nicht beſudeln wil/ auf einen
eben ſo keuſchen/ als ſchoͤnen fremden Juͤngling

ausgedeutet.


Weil nun Aſſenat ſo gar ſehr nach der Semeſſe
verlangte/ ſo faͤrtigte ſie die Fuͤrſtin noch dieſen abend
ab; damit ſie mit dem fruͤheſten morgen aufſein moͤch-
te. Sie legte ihr faſt alle worte in den mund. Sie be-
fahl ihr alles/ was ſie reden/ und nicht reden ſolte. Auch
geboht ſie ihr/ auf alle gebehrden des Freuleins/ wan
ſie ihr dieſes oder jenes erzehlete/ achtung zu geben; als
auch auf alle ihre worte. Die ſolte ſie fleiſſig anmaͤr-
ken/ eigendlich behalten/ und ja nicht vergeſſen; damit
man aus beiden der Aſſenat verborgneſte gedanken
ergruͤnden koͤnte. Dan die Fuͤrſtin war begierig alles
zu wiſſen/ auch was in des Freuleins hertzen verhohlen
lag: welches/ wie ſie wohl wuſte/ ſeine meiſte gedanken
verſchwieg/ und als ein heiligtuhm/ heimlich bewah-
rete. Und hiermit wuͤndſchte ſie ihr gluͤk auf die reiſe.


[figure]
Der
[94]

Der Aſſenat
Drittes Buch.


SEfira brante noch. Das feuer/
das vor etlichen tagen der ſchoͤne Leib-
eigne in ihrem hertzen angezuͤndet/
war noch nicht verloſchen. Daruͤm
trug ſie verlangen zu wiſſen/ wo er
were. Daruͤm bemuͤhete ſie ſich/ ihn
aus zu kundſchaffen. In alle wuͤrts-
håuſer ſchikte ſie ihre diener. An allen orten vernahm
ſie/ wo er geblieben. Etliche wochen lang lies ſie ihn
ſuchen. Endlich erfuhr ſie/ daß ein Memfiſcher Kauf-
man ihn bewahrete. Nicht lange konte ſie ruhen.
Straks muſte ſie fort. Sie ſetzte ſich auf ihre praͤchtig-
ſte kutſche. Eben ſo pråchtig muſte der nachtrab ſein.
In ſolcher pracht lies ſie ſich ſehen. In ſolcher herlig-
keit fuhr ſie darnachzu. Gantz langſam muſten die pfer-
de gehen.


Recht gegen dem ſchoͤnen Leibeignen uͤber wohnete
ein Bildhauer. Vor deſſen tuͤhre hielt ſie ſtil. Sie be-
gehrete ſeine Kunſt zu beſichtigen. Man muſte ihr ein
Bild nach dem andern vor den wagen zur ſchaue brin-
gen. Aber es war ihr nicht zu tuhn/ dieſe lebloſen Bil-
der zu ſehen. Joſef lag ihr im hertzen. Deſſen leben-
diges bild begehrte ſie zu ſchauen. Aber dieſe augenwei-
de bekahm ſie vor das mahl nicht. Der ſchoͤne Leibeigne
war nirgend zu erblikken. Ihre hofnung zerſchmoltz.
Ihr verlangen war vergebens. Vergebens war ihr an-
ſchlag: uͤmſonſt ihr praͤchtiger aufzug. Und alſo muſte
ſie unverrichteter ſachen wieder nach hauſe.


Des folgenden tages kahm ſie noch viel praͤchtiger auf-
ge-
[95]drittes Buch.

[figure]


[96]Der Aſſenat
gezogen. Sie ſaß zwar in eben demſelben wagen: wel-
cher von lauterem ſilber und golde flinkerte/ und von drei
ſchneeweiſſen Pferden gezogen ward. Aber ihr ſchmuk
und ihre kleidung war viel koͤſtlicher/ als des vorigen
tages. Die demanten/ die perlen/ die rubiene/ damit ſie
ihren leib gezieret/ waren unſchaͤtzbar. Die kleider von
weiſſer ſeide/ mit guͤldenen roſen und liljen durchwuͤr-
ket/ gaben einen herlichen glantz von ſich. Vor der bruſt/
welche ſich mit zwee lieblichen ſchneehuͤgeln erhub/ trug
ſie einen buſch rohter und weiſſer Roſen. Aller dieſer
zierraht machte ihren ſchoͤnen leib noch viel ſchoͤner. Und
alſo ſaß ſie auf ihrem wagen anders nicht/ als eine Als-
goͤttin der liebe. Rund uͤmher lieffen die leibdiener/ auf
das zierlichſte gekleidet.


Dieſer ungewoͤhnliche ſchmuk der Sefira lokkete
die einwohner in allen gaſſen/ da ſie durchhin fuhr/
vor die tuͤhren. Die Jungfrauen im hauſe des ſchoͤnen
Leibeigenen warden auch luͤſtern dieſe ſo koͤſtlich ge-
ſchmuͤkte Fuͤrſtin zu ſehen. Joſef hatte zwar keine luſt
einige ſchoͤne Frau an zu blikken. Er flohe ſie vielmehr.
Er verbarg ſich vor ihren augen: damit ihr uͤppiger
anblik ihn nicht verunruhigte. Gleichwohl lies er ſich
itzund von ſeinen Hausjungfrauen bereden mit vor die
tuͤhre zu traͤhten. Eben kahm die Fuͤrſtin an. Eben
hielt ſie vor dem Bildhauer ſtil. Straks lies ſie die
augen auf den Joſef fallen. Straks veraͤnderte ſich
ihr gantzes weſen. Die roͤhte ihrer wangen verblich.
Die rede ihres mundes entwich. Die bewegung aller
ihrer glieder verging. Ja es war faſt nichts bewegli-
ches mehr an ihr/ als das auge. Dieſes rollete im heup-
te heruͤm/ als eine unruhe am uhrwerke. Es ſchos lau-
ter flinkernde ſtrahlen. Alle blikke waren ſtruͤkke. Ein
einiger traf tauſend hertzen. Ein einiger machte
tauſend ſchmertzen. Sie lies zwar den Bildhauer
rufen mit ihm zu reden. Aber ihre rede war ver-
wuͤr-
[97]drittes Buch.
wuͤrret/ ihre worte gebrochen/ ihre ſtimme gehaͤm-
met.


Als ſie nun eine halbe ſtunde alda verharret/ fuhr ſie
wieder fort. So bald ſie auf ihr Schlos gelanget/ er-
zehlte ſie dem Potifar: daß ein Kaufman in der ſtadt/
durch den dienſt eines Ebreiſchen Juͤnglinges/ auch
nur in wenig tagen am reichtuhme ſehr zugenommen.
Aber der ruf ginge/ daß man ihn diebiſcher weiſe aus
Kanaan entfuͤhret. Daruͤm ſtrafet/ ſagte ſie/ dieſe
boͤſe taht. Tuht dem Juͤnglinge recht. Nehmt ihn zu
eurem Hofmeiſter. Ich weis/ der Ebreiſche Gott wird
uns ſeegnen. Ja ich weis/ daß der himliſche ſeegen bei
ihm iſt. Was er tuht/ das gelinget. Was er anfaͤnget/
volendet er mit lauter gluͤkke. Dieſes gluͤk koͤnnen wir
haben/ wan wir es nur annehmen. Es ſtehet bei euch.
Wan ihr wollet/ werden wir gluͤklich ſein: wir werden
geſeegnet ſein: unſer reichtuhm wird ſich mehren.


Potifar achtete zuerſt dieſe worte wenig. Er ſchob
es von einem tage zum andern auf. Und dieſes zaudern
machte ſeine Gemahlin gantz ungeduͤltig. Weil ſie
nun ohn unterlaß anhielt; ſo befahl er endlich den
Kaufman vor gerichte zu fordern. So bald er erſchie-
nen/ ſprach Potifar zu ihm: Wie komt ihr darzu/ daß
ihr in das Ebreiſche land reiſet/ den Eltern ihre kinder
zu ſtehlen/ und verkauft ſie darnach vor Leibeigne? Der
Kaufman fiel nieder auf ſein angeſicht/ und baht uͤm
gnade. Mein Herꝛ/ ſagte er/ weſſen er mich bezuͤchtiget/
darvon weis ich gantz nichts. Ich weis mich unſchul-
dig/ und rein in meinem gewiſſen. Das verhelt ſich
nicht alſo/ fuhr Potifar fort. Wie komt ihr dan an
den Ebreiſchen Juͤngling/ den ihr in eurem hauſe ha-
bet? Der Kaufman antwortete: die Ismaeler haben
ihn in meiner verwahrung gelaßen/ bis ſie wiederkom-
men ihn ab zu hohlen. Aber Potifar gleubte ihm
nicht; und befahl ihn zu ſteupen. Unterdeſſen lies er
Gauch
[98]Der Aſſenat
auch den Joſef hohlen. Den fragte er: Biſtu frei/
oder leibeigen? Joſef antwortete: Ich bin ein Leib-
eigner. Der Fuͤrſt fragte weiter: Weſſen Leibeigner
biſtu? Joſef gab wieder zur antwort: der Ismaeler.
Wie biſtu dan ein Leibeigener worden? fuhr der Fuͤrſt
fort. Joſef gab ihm zu verſtehen: daß ihn die Ismae-
ler im Kananeiſchen lande gekauft. Potifar aber
wolte auch dieſes nicht gleuben. Daruͤm befahl er den
Joſef gefaͤnglich zu bewahren/ bis die Ismaeler wie-
derkaͤhmen.


So bald aber Sefira erfuhr/ daß Potifar den ſchoͤ-
nen Leibeignen gefaͤnglich eingezogen/ ſprach ſie zu ihm:
waruͤm ſetzt ihr einen geſtohlenen Freien gefangen?
Es were beſſer/ daß man den edelen Juͤngling loß lieſſe/
und euch geiſſelte. Waruͤm nehmt ihr ihn nicht lieber
zu eurem Haushalter? Der Fuͤrſt antwortete: es iſt
bei den Egiptern nicht gebreuchlich/ eines andern guht/
ohne bewieſene rechtmaͤßige uhrſache/ weg zu nehmen.
Und alſo muſte Joſef gefaͤſſelt bleiben: nachdem er
drei mohnden/ und fuͤnf tage bei dem Kaufmanne ge-
weſen. Auch brachte er in ſolchem elende noch vier und
zwanzig tage zu/ ehe die Ismaeliſchen Kaufleute wieder
kahmen/ und ihn loß machten. Dieſe hatten gehoͤret/
daß Jakob ſein Vater uͤm Joſefs willen ſehr betruͤbt
ſei. Daruͤm ſprachen ſie zu ihm: waruͤm habt ihr uns
geſagt/ daß ihr ein Leibeigener weret? da doch euer Va-
ter ein maͤchtiger Man iſt in Kanaan; dem es ſehr zu
hertzen gehet/ daß ihr verkauft ſeid. Joſef hette gern
geweinet. Aber er enthielt ſich. Und damit er ſeine
Bruͤder nicht beſchaͤmete/ gab er zur antwort: man
hat euch unrecht berichtet: ich bin ein Leibeigener.


Hierauf berieten ſich die Kaufleute/ wo ſie ihren
Leibeignen am beſten verkauffen ſolten; damit es ſein
Vater nicht erfuͤhre. Dan ſie fuͤrchteten ſich vor Ja-
kob.
Sie befahreten/ er moͤchte ſich an ihnen raͤchen.
Sie
[99]drittes Buch.
Sie wuſten/ daß er groß geachtet war vor Gott und
Menſchen. Unterdeſſen hielt Sefira bei ihrem Ehherꝛn
ſtark an/ daß er den ſchoͤnen Leibeignen kauffen ſolte. Dan
ich hoͤre/ ſagte ſie/ daß ſie ihn wieder verhandeln wollen.
Potifar ſchikte ſtraks hin/ und lies fragen: wie hoch
ſie ihn hielten? Weil er aber zu teuer war/ zerſchlug
ſich der kauf. So bald es Sefira verſtund/ ſandte ſie
ſelbſt einen andern ihn zu kauffen; mit befehl/ daß er
kein geld anſehen ſolte. Dieſer kaufte ihn vor achtzig
goldguͤlden: wiewohl er ſeine Fuͤrſtin berichtete/ er hette
hundert gegeben. Und alſo gelangte Joſef in Poti-
fars
ſchlos.


Sefira hatte nunmehr ihren wundſch erlanget. Nie-
mand war froher/ als ſie. Niemand war vergnuͤgter/
als ſie. Joſef muſte ſtraks auf das ſchoͤnſte gekleidet
ſein: nicht als ein Leibeigener. Als ein Hofjunker mu-
ſte er gehen. Alle neue trachten/ die am Koͤniglichen
hofe aufkahmen/ muſte er haben. Auch brachte ſie bei
ihrem Herren ſo viel zu wege/ daß er ihn nicht als einen
Leibeignen/ ſondern als einen Freien zu halten befahl.
Und Joſef ſelbſten wuſte ſich bei dem Fuͤrſten ſo be-
liebt zu machen/ daß er ihn endlich anders nicht/ als ſei-
nen eignen Sohn/ liebete. Er beſtelte ihn zum Hof-
meiſter. Er befahl ihm das gebiet uͤber alle ſeine Leib-
eigene. Ja er ſetzte ihn zuletzt gar uͤber ſein gantzes haus.
Damit er aber zu ſolcher beſtallung uͤm ſo viel geſchikter
were: ſo lies er ihn auch in aller Egiptiſchen weisheit
unterrichten. Man muſte ihm die geheime Bilder-
ſchrift eroͤfnen: darinnen alle Wiſſenſchaften und
Kuͤnſte verborgen lagen. Man muſte ihm alles zeigen/
was ſonſten niemand/ als den Prieſtern/ zu wiſſen ver-
goͤnnet. Und alſo kahm Joſef in kurtzem ſo weit/
daß er ſich nicht entziehen durfte mit den allergelehrte-
ſten im gantzen Egipten an zu binden. Ja nicht allein
dieſes/ ſondern auch ſeine ſonderliche guhtahrtigkeit/
G ijund
[100]Der Aſſenat
und angebohrne fuͤrtrefliche geſchikligkeit brachte ihn
in großes anſehen. Seine liebſeelige freundligkeit ge-
wan iedermans liebe. Seine holdreiche beſcheidenheit
lokte iederman zur gunſt. Um ſeiner demuht willen
ward er von iederman geehret. Ja er zog durch ſeine
Tugenden aller gemuͤhter an ſich. Selbſt die allerhaͤr-
teſten hertzen warden ihm gewogen. Selbſt die aller-
rauſten Menſchen wardem ihm geneugt. Selbſt die
allerunbaͤndigſten Leibeigenen machte er zahm. Sie
taͤhten alles/ was er wolte. Sein wink war ihr befehl.
Man war ſonſt gewohnet die Leibeignen mit ſchlaͤgen
zur arbeit zu treiben. Aber hier war es nicht noͤhtig.
Joſefs liebreiche ermahnung richtete mehr aus/ als
alle ſchaͤrfe. Eines ſeiner guhten worte galt mehr/ als
ſonſt tauſend fluͤche/ ja tauſend ſchlaͤge.


Dieſes alles ſahe die verliebte Sefira. Und daruͤm
ward ſie ie mehr und mehr verliebt. Auch gab ſie dieſe
liebe dem Joſef/ durch tauſend verliebte blikke/ gnug-
ſam zu verſtehen. Anfangs ſahe ſie ihn von ferne mit
ſpielenden augen an. Dan naͤher durfte ſie nicht kom-
men. Schaam und furcht/ die zwei groͤſten hindernuͤſ-
ſe der liebe/ ſtunden ihr im wege. Sie ſchaͤhmete ſich mit
worten ihre liebe zu entdekken. Die bloͤdigkeit ihrer acht-
zehenjaͤhrigen jugend hielt ſie zuruͤk. Sie fuͤrchtete
ſich vor ihrem Ehliebſten. Sie befahrete ſich/ ihre leute
moͤchten es maͤrken. Und alſo wuſte ſie keinen raht.
Ob ſie ſchon ihrem Joſef von weitem ſo viel hertzent-
zuͤkkende blikke gab; ob ſie ihm ſchon von ferne ſo man-
che liebesſeuftzer zuſchikte: ſo trafen doch alle dieſe feu-
rige liebesbohten nur ein kaltes hertz an. Joſef wolte
ihre ſtumme bohtſchaft nicht verſtehen/ ob er ſie ſchon
verſtund. Seine gebuhrtsahrt blieb im gluͤk und un-
gluͤk unveraͤndert. Seine [Tugend] behielt er/ wie ſie ihm
angebohren. Hingegen wuchs ihre liebe ie laͤnger ie
mehr. Ihr hertz brante liechterloh. Es ſtund in vollen
flam-
[101]drittes Buch.
flammen. Dieſe konte ſie nicht laͤnger ertragen. Un-
muͤglich war es ſie zu verbaͤrgen. Ausdruͤklich durfte
ſie dem Joſef nichts anmuhten. Sie war noch zu bloͤ-
de. Sie ſchaͤhmete ſich ihr anliegen heraus zu ſagen.
Zudem fuͤrchtete ſie ſich auch/ ſie moͤchte es ſo grob ma-
chen/ daß es ihr geſinde maͤrkte/ ja ihr Ehherꝛ ſelbſten
gewahr wuͤrde. Und daruͤm erdachte ſie dieſen liebes-
rank. Erſtlich wolte ſie/ durch die allererſinlichſten lie-
besbezeugungen/ in ihrem Ehliebſten ein ſo feſtes ver-
trauen zu ihrer tugend erwekken/ daß er nachmahls
nichts boͤſes/ wie boͤſe ſie es auch machte/ von ihr argwaͤh-
nen koͤnte. Wan ſie dieſes vorteil gewonnen; ſo wolte
ſie hernach trachten auch den Joſef zu gewinnen. Sol-
ches koͤnte ſie alsdan uͤm ſo viel ſicherer tuhn. Fragte
er nicht nach ihren guhten worten; ſo muͤſte er wohl ih-
rem befehle gehorchen.


Alſo bekahm Potifar die kuͤſſe/ die allein auf Joſef
zieleten. Alſo genos er die liebe/ die einem andern zu-
gedacht war. Dan Sefira lies ihm itzund mehr liebes-
zeichen blikken/ als ſie iemahls zu tuhn vermeinet. Und
damit ſie ſolches uͤm ſo viel anmuhtiger taͤhte: ſo nahm
ſie der zeit wahr/ wan ſie gegen den Joſef am heftig-
ſten entzuͤndet war. Wan ſie die groͤſten liebesſchmer-
tzen fuͤhlete/ hertzete ſie den Potifar am allermeiſten.
Wan Joſef ihr hertz am meiſten beſaß/ nahm ſie den
Potifar am hertzlichſten in den arm. Solcher geſtalt
ſtahl ſie dem Potifar das hertz. Durch dieſe ſcheinlie-
be betoͤhrete/ ja bezauberte ſie ihn ſo gar/ daß er ſie vor die
allerehrlichſte fraue hielt/ die der erdbodem iemahls er-
blikket.


Als nun Sefira ſahe/ daß ihr dieſer liſtgrif ſo
wohl gelungen; ſo vermeinte ſie ihr gewuͤndſchtes end-
ziel eben ſo gluͤklich zu erreichen. Ihren Ehherꝛn hatte
ſie in den ſchlaf gewieget: ſein mistrauen aus dem we-
ge geſchaffet: ſeine eiferſucht gedaͤmpfet. Und alſo war
G iijſie
[102]Der Aſſenat
ſie ſeinetwegen gantz ſicher. Nun trachtete ſie auch die
liebe/ die Joſef in ihrem hertzen erreget/ mit dem rech-
ten laabſaale zu ſaͤttigen. Und zu dem ende kahm ſie
von der ferne zur naͤhe: von den liebesblikken/ und
ſeufzern zum kuͤſſen. Des nachts ging ſie vor ſein bette/
als wan ſie ihn hette beſuchen wollen. Sie ſtellete ſich/
weil ſie kinderloß war/ als wan ſie ihn vor ihren ſohn
hielte. Unter dem ſcheine uͤmhaͤlſete ſie ihn. Sie hertz-
te ihn/ als eine Mutter.


Joſef dachte noch kein arges. Vielmehr hatte er
mitleiden mit ihr. Er baht Gott/ daß er ihr einen Sohn
gebe. Ja er bemuͤhete ſich einige Artzneien zu finden/
welche der Frauen fruchtbahrkeit befoͤrdern. Er nahm
die wurtzel vom Knabenkraude. Die duͤrrete er/ und
ſties ſie klein. Hierzu maͤngete er noch andere artznei-
mittel/ die zum Kinderzeugen dienlich. Als ſie nun wie-
derkahm/ ihm ihre muͤtterliche liebe/ wie ſie ſich ſtellete/
zu beweiſen; da gab er ihr dieſe Artznei. Er wieſe ihr
auch zugleich das Knabenkraut/ ſamt der wurtzel.
Dieſe wurtzel/ ſagte er/ iſt das fuͤrnehmſte/ das ich zu
hieſiger Artznei genommen. Sie iſt ſonderlich guht zum
Kinderzeugen: zuvorauswan man ein Knaͤblein begeh-
ret. Die euſerliche geſtalt der wurtzel zeiget es an. Dan
die Natur hat vielen Kreutern/ auch andern gewaͤch-
ſen ein ſolches euſerliches kenzeichen gegeben. Darbei
kan man zur ſtunde ſehen/ wozu ſie guht ſeind. Er hat-
te noch zwei andere kreuter mit aus dem garten genom-
men. Dieſe lagen eben vor ſeinem bette. Sie ſehe hier/
ſagte er: Dieſes kraut hat eine wurtzel/ wie ein hertz ge-
bildet. Daruͤm iſt ſie auch vor alle krankheiten des her-
tzens guht. Daruͤm wuͤrd es auch Hertzwurtz genen-
net. Und hier liegt noch ein anderes; welches Zahn-
kraut
heiſſet: weil es bluhmen/ als zaͤhne gebildet/ traͤ-
get; und daher auch vor die zufaͤlle der zaͤhne dienet.


Ich habe geſehen/ redete Joſef ferner/ daß ſie uͤber
ihr
[103]drittes Buch.

[figure]


[104]Der Aſſenat
ihre unfruchtbarkeit betruͤbt iſt. Sie wird/ naͤchſt der
huͤlfe Gottes/ den ich fleiſſig daruͤm bitten wil/ wohl be-
fruchtet werden. Sie habe nur einen guhten muht. Sie
traure nicht. Sie brauche dieſes mittel. Sie wird mit
einem jungen Herꝛlein erfreuet werden/ ehe ſie ſich deſſen
verſiehet. Ach! fing ſie ihm das wort auf/ wo ſolte die-
ſe freude herkommen? Woher ſol ich ein Soͤhnlein ge-
baͤhren? Mein Herꝛ iſt ein alter/ beinah ſechzigjaͤhriger
Fuͤrſt. Das Kinderzeugen iſt ihm vergangen: die luſt
ſelbſten darzu. Von ihm iſt nichts zu hoffen. Kan
man von heerlingen wohl weinbeere pfluͤkken? Kan
man aus leerem ſtrohe wohl Korn draͤſchen? Es iſt alles
uͤm ſonſt. Meine Frau ſei getroſt/ fing Joſef hierauf
an. Sie verzweifle nicht. Beides/ das ihrem Herren
vergangen/ wird ſich wohl wieder finden. Sie rufe nur
eifrig zu Gott/ und brauche darbei dieſes mittel.


Eben als Joſef dieſe worte redete/ ward eine tuͤhre
uͤber ſeiner ſchlafkammer eroͤfnet. Das geknarre hoͤre-
ten ſie gantz eigendlich. Darzu vernahmen ſie einen
ſchleichenden gang. Dieſes verurſachte/ daß die Fuͤr-
ſtin/ mit der Artznei/ eilend aus der Kammer lief. Ja
ſie lies ſelbſt das licht ſtehen/ und lief im dunkelen. Dan
ſie befahrete ſich/ ſie moͤchte verrahten werden. Man
kan ihm leichtlich einbilden/ mit was vor gedanken ſie
vom Joſef geſchieden. Wir wollen ihre verraͤhter
nicht ſein. Wer alhier ihre reden/ die ſie dem Joſef
zur antwort gegeben/ lieſet/ wird ſie ſelbſten unſchweer
errahten.


Mitlerweile erfuhr Nitokris/ daß Potifar den
Joſef ins gefaͤngnuͤs geworfen/ und hernach gar
gekauft. Nun ſahe ſie den ſchoͤnen Leibeigenen in Po-
tifars
Schloſſe. Sie ſahe ihn bei einer jungen wohlluͤ-
ſtigen Fraue. Daruͤber ſchoͤpfte ſie ſeltzame gedanken.
Hier/ dachte ſie/ wird es auf die bedeutung unſerer treu-
me ausdrehen. Hier haben wir nun den jungen Stier
und
[105]drittes Buch.
und den fremden Vogel/ das Faͤhrſichen und die junge
Stoͤrchin/ mit der Hindin und jungen Henne/ ſamt
dem alten Hahne/ beiſammen. Hier wird nun der Aſ-
ſenat
Stiefmutter das reinweiſſe Haͤrmlein zu beſu-
deln trachten. Hier iſt der ort der Schauburg. Hier
ſeind die Schauſpieler ſchon alle beieinander. Nun
wird das Schauſpiel beginnen. Es wird langſam ge-
ſpielet; und der anfang mit freuden gemacht werden.
Das mittel nach dem ende zu wird traurig; aber das
ende ſelbſt ſehr erfreulich und gluͤklich ſein. So lange
mus es waͤhren/ bis Aſſenat recht volkoͤmlich wird er-
wachſen ſein. Alſo hat es der Himmel verſehen. Die
Goͤtter haben es alſo beſchloſſen.


Eben als Nitokris in dieſen gedanken fortfahren
wolte/ ward ſie/ durch ein haſtiges klopfen an ihres
Zimmers tuͤhre/ geſtoͤhret. Semeſſe kahm ihr an zu
dienen/ daß der ſchoͤne Leibeigene da ſei/ ſie zu ſprechen.
Geſchwinde ſprang die Fuͤrſtin auf. Geſchwinde lief ſie
fort/ die tuͤhre ſelbſten zu eroͤfnen. So bald ſie den Jo-
ſef
erblikte/ reichte ſie ihm die hand zu/ und zog ihn al-
ſo in ihr zimmer. O ein ſeltzamer/ doch lieber Gaſt!
waren ihre erſte worte. Und hierauf boht ſie ihm ſtraks/
mit eigener hand/ einen ſtuhl ſich nieder zu laßen. Aber
Joſef neugte ſich zur erden nieder. Er weigerte ſich
dieſe unhoͤftigkeit zu begehen. Und Nitokris lies nicht
nach. Nicht eher wolte ſie ein wort hoͤren/ er hette ſich
dan zuvor geſetzet. So wil ichs dan tuhn/ fing er an/
nur ihrer Hoheit befehle zu gehorchen. Sonſten hette
ich meine bohtſchaft lieber auf den knichen/ wie es mir
alhier geziemen wil/ verrichtet.


Als ſie ſich nun beide niedergelaßen/ fragte die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin alſobald/ was er guhtes braͤchte?
Joſef gab zur antwort/ daß ihn ſeine gnaͤdige Fuͤrſtin
abgeſandt/ Ihrer Koͤniglichen Hoheit derſelben unter-
taͤhnige pflicht an zu melden/ und darbei zu vernehmen/
G vob
[106]Der Aſſenat
ob es Ihr gelegen kaͤhme einen beſuch auf ein halbes
ſtuͤndlein von ihr zu empfangen. Der Nitokris ge-
genantwort war dieſe. Wan ſeine Fuͤrſtin/ ſagte ſie/
belieben traͤget/ ihre Dienerin derſelben anſprache zu
wuͤrdigen; ſo mag ſie ſolches wohl unangemeldet tuhn.
Ihr beſuch komt mir niemahls ungelegen. Ich bin zu
ihren dienſten allezeit bereit. Dieſes kan er ihr/ mit an-
bietung meiner gegenpflicht/ aus meinem eigenen mun-
de vermelden. Hierbei bleibt es. So geſagt/ ſo getahn.


Auf dieſe worte erhub ſich Joſef ſeinen abſchied zu
nehmen. Aber Nitokris wolte ihn nicht laßen. Nein/
nein! ſagte ſie/ er mus ſo bald nicht von mir eilen. Das
gluͤk ſeiner gegenwart zu genieſſen/ hat uns/ ich weis
nicht was vor ein ungluͤk/ misgoͤnnet. Der himmel boht
uns daſſelbe zwar erſt an: aber es iſt nunmehr in ſeiner
Fuͤrſtin/ meiner Frau Muhme/ ſchoß gefallen. Dieſe
hat ihn ja ſonſten allezeit vor ihren augen. Daruͤm
wird und kan ſie ja nicht ſchaͤhl ſehen/ wan ich ihr ſeine
ſo liebe gegenwart nur auf ein vierteilſtuͤndlein entziehe.
Eine ſo ſtachlichte rede beantwortete Joſef anders
nicht/ als mit einer keuſchen roͤhte/ die auf ſeinen wan-
gen ploͤtzlich herfuͤrbrach. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin er-
blikte dieſe ſtumme antwort alſobald. Daruͤm trachte-
te ſie ihn aus der ſtillen ſchaam in ein munteres weſen
zu ſetzen. Vorerſt bedankte ſie ſich vor die muͤhwaltung/
die er/ in auslegung der neulichen Treume/ ihrentwe-
gen auf ſich genommen. Sie prieſe ſeinen ſo fuͤrtrefli-
chen verſtand in dergleichen dingen. Sie boht ihm ihre
gnade ſo volkoͤmlich an/ als ſie ein menſch iemahls von
ihr zu hoffen. Ja er ſolte das einige augenmaͤrk aller
ihrer gunſt ſein. Das ſagte ſie ihm mit hertz und mun-
de zu. Das beteuerte ſie mit einem hohe eide. Darnach
fragte ſie: wie es ihm bei Fuͤrſt Potifarn gefiele?


Joſef gab zur antwort: Ich kan nicht anders ſagen/
als wohl. Er helt mich nicht allein vor keinen Leibeige-
nen/
[107]drittes Buch.
nen/ wie Ihre Hoheit ſiehet; ſondern auch ſelbſt als ſei-
nen leiblichen Sohn. Wie koͤnte ichs beſſer wuͤndſchen?
Was koͤnte ich mehr begehren? Und ſo bin ich in mei-
nem ungluͤkke gluͤklich. Ich bin ein Leibeigener/ und
doch auch keiner. Ich lebe frei. Ich habe mehr zu ge-
bieten/ als mir gebohten wird. Ja hierbei habe ich
itzund noch dieſes gluͤk/ daß ihre Hoheit meine wenig-
keit ſo hoch ehret/ und ſo hoch erhoͤbet/ daß mir meine
bewuſte unwuͤrdigkeit eine ſchaamroͤhte daruͤber ins ge-
ſichte treibet. Das tuht eine Fuͤrſtin/ die ſo hoch geboh-
ren iſt/ daß ſie unter allen Egiptiſchen Fuͤrſt innen den
vorzug beſitzet. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſelbſten/ die der
Himmel erkohren den Egiptiſchen Reichsſtab zu fuͤh-
ren/ erweiſet mir dieſe hohe gnade. Ja was noch mehr
iſt/ dieſe hohe und große Fuͤrſtin erniedrigt und verklei-
nert ſich ſelbſten ſo gar/ daß ſie mir/ da ich doch nur ein
elender Leibeigener bin/ bei ihrem Koͤniglichen eide/ ver-
ſpricht ihre gantze gunſt uͤber mich unwuͤrdigen aus zu
ſchuͤtten. Und alſo bin ich nicht allein gluͤklich bei
meinem Herꝛn; ſondern auch bei andern/ uͤber mein
verdienſt. Ich bin gluͤklich innerhalb hauſes. Gluͤk-
lich bin ich auſſerhalb. Wie ſolte mir dan dieſer mein
itziger zuſtand/ den das gluͤk allenthalben uͤmgiebet/
nicht gefallen? Aber wie ſolche ſo uͤber die maße hohe
gnade uͤm ihre Hoheit ich elender Leibeigner verdienet/
weis ich nicht. Noch viel weniger weis ich in meinem
armen vermuͤgen einen dank zu finden; dadurch ich ſol-
ches/ in untertaͤhnigſt er gehorſamkeit/ der gebuͤhr nach
erkennen koͤnte.


Joſef wolte fortreden. Aber Nitokris fing ihm
das wort auf. Die ehre/ ſagte ſie/ die ich ihm erweiſe/
iſt ſchlecht. Die gunſt/ die ich ihm angelobet/ iſt eben ſo
unſchaͤtzbar: weil ich ſie ihm nicht erzeigen kan/ wie ich
von hertzen wuͤndſche. Zudem verdienet ſeine geſchiklig-
keit viel mehr. Seine Tugend iſt mehr ehre waͤhrt.
Sie
[108]Der Aſſenat
Sie uͤberwaͤget aller menſchen gunſt. Und ich weis ge-
wis/ weil er ſich ſelbſten ſo gar erniedriget/ daß ihn die
Goͤtter aufs hoͤchſte erhoͤhen werden. Wer ſich ſelbſt er-
hoͤhet/ wird erniedriget. Wer ſich ſelbſt erniedriget/
wird erhoͤhet. Das iſt ein unveraͤnderliches geſetze des
Himmels. Die Demuht hat einen guͤldenen bodem.
Sie bluͤhet immerdar. Sie bringet immerdar fruͤchte.
Wer dieſe tugend liebet und haͤget/ der wird ihrer fruͤch-
te genieſſen. Es kan ihm nicht fehlen. Er mus endlich
ſteigen. Iſt es nicht heute/ ſo iſt es morgen. So hat
es der Himmel beſchloſſen. Dieſer ſchlus ſtehet feſt.
Er ſtehet in den haͤrteſten marmel gegraben. Der finger
des allerhoͤchſten Gottes hat ihn ſelbſt darein geetzet.
Hingegen hat der Hochmuht einen bleiernen grund.
Ja dieſer grund ſtehet auf einem ſumfichten bodem.
Er bluͤhet zwar auch eine weile. Aber ſeine bluͤhten fal-
len ploͤtzlich ab. Dan verwehet ſie der wind. Der regen
vereitelt ſie. Die fruͤchte/ die er traͤget ſeind nichts: ja
weniger/ als nichts; weil das unzeitige abfallen der
bluͤßen ihren wachstuhm haͤmmet. Daher iſt es/ daß
der hochmuͤhtige ſo ploͤtzlich vergehet. Wan er vermei-
net am gewiſſeſten zu ſtehen/ faͤllet er uͤber einen hauffen/
ja verſinket in dem tiefſten mohraſt des Hoͤlliſchen ab-
grundes. Und alſo iſt der Demuht das ſteigen/ dem
Hochmuhte das fallen beſtimmet. Jene ziehet der Him-
mel/ und dieſen der Abgrund zu ſich. Und ob ſchon
der Hochmuht auch nach dem Himmel zuſteiget/ ja uͤber
alle Himmel hin zu ſteigen ſich vermiſſet; ſo wird er
doch/ in ſolcher ſeiner vermeſſenheit/ uhrploͤtzlich herun-
ter geſtuͤrtzet. Raſch faͤllet er zu bodem. Geſchwinde
verſchlinget ihn die tiefe. Da findet er ſein ewiges
grab. Da verbuͤrget ihn die gruſt der vergeſſenheit fuͤr
und fuͤr.


Die koͤnigliche Fuͤrſtin wolte den ſchlus dieſer worte
auf den Joſef ziehen. Auch wuͤndſchte er ſelbſten/ daß
er
[109]drittes Buch.
er ihr laͤnger zuhoͤren moͤchte. So wohl gefielen ihm ih-
re reden. Dis war ſeines hertzens luſt und freude.
Aber Semeſſe muͤßigte ſie darvon ab. Sie uͤberreich-
te ihr einen brief von der unvergleichlichen Aſſenat.
Und dieſen Nahmen nennete ſie/ daß ihn Joſef hoͤre-
te: den ſie zugleich ſeitwaͤrts anblikte. Zur ſtunde brach
Nitokris den brief auf. Joſef aber begehrte erlaub-
nuͤs ſeinen abſchied zu nehmen: den er auch bekahm.
Und die Fuͤrſtin ging mit ihm bis an die treppe. Ja ſie
befahl der Semeſſe ihn hinunter/ bis auf den ſchlos-
platz/ zu begleiten. Im hinabgehen rief ſie noch hinter
dem Joſef her/ daß er nicht vergeſſen ſolte ſie oft zu be-
ſuchen. Aber dieſes beſuchen ward ihm bald verbohten.
Dan Sefira hatte ihn itzund/ durch einen ſonderlichen
kuͤtzel getrieben/ zur Nitokris geſchikt. Sie wolte ihr
nur ſehen laßen/ daß der ſchoͤne Leibeigne nunmehr in
ihren haͤnden ſei. Nitokris ſolte wiſſen/ daß Sefira
gluͤklicher ſei/ als ſie/ und der gantze Koͤnigliche hof.
Aber hinfort ward ihm keine bohtſchaft mehr an das
Koͤnigliche Frauenzimmer befohlen. Ja Sefira war
ſo eiferſuͤchtig/ daß er ſich/ wan ſie von ihren Freundin-
nen beſucht ward/ kaum durfte ſehen laßen.


So bald Joſef zuruͤk kahm/ fragte ſeine Fuͤrſtin
ſcharf nach/ was die Koͤnigliche Fuͤrſtin mit ihm gere-
det. Er aber ſagte ihr nichts mehr/ als was zu ſagen
dienete. Nur allein prieſe er ihre ausbuͤndige hoͤfligkeit.
Er lobte ihre große demuht. Hierzu fuͤgte er/ daß ſie
ihm weit mehr ehre angetahn/ als er wuͤrdig. Er hette
ſie gern noch weitleuftiger geruͤhmet. Aber er muſte
mit ihrem ruhme kaͤrklicher verfahren/ als er geſonnen.
Weiter durfte er ſich nicht herauslaßen/ aus furcht/ er
moͤchte ſeine Fuͤrſtin zur ſchaͤhlſichtigkeit erwekken.
Sefira ſtellete ſich euſerlich/ als wan ihr das lob/ das
er der Nitokris/ wiewohl ſehr ſpahrſam/ und weit un-
ter ihren verdienſt/ zugeſchrieben/ ſehr wohl gefiele. Aber
im
[110]Der Aſſenat
im hertzen dachte ſie viel anders. Und in ſolchen gedan-
ten begab ſie ſich nach hofe.


Mitlerweile verrichtete Joſef ſeine geſchaͤfte. Er
trieb das geſinde zur arbeit: beſichtigte den neuen Gar-
tenbau: taͤht anordnung/ wie die felder ſolten abgemaͤſ-
ſen/ und eingeteilet werden. Zu dem ende nahm er die
maͤs ſchnuhr ſelbſten zur hand. Recht in der mitte ordne-
te er einen runten Kreus an. Da lies er acht beſondere
felder/ auch in die runte heruͤm/ von gleicher groͤſſe ma-
chen; faſt eben auf die weiſe/ wie der Egipter Gluͤks-
rad pflegt abgebildet zu ſein. In iedes feldes mitte ward
daſſelbe bild/ das alda im gemelten Gluͤks- oder Wahr-
ſager-kreuſe ſtehet/ aus weiſſen marmel gehauen/ auf
einen ſteinern fuß geſetzt: aber in des gantzen Kreuſes
mitte das bild der feuchtigkeit/ der Nielgoͤtze Kano-
pus/
in geſtalt eines waſſerſpruͤhenden dikbeuchichten
Kruges/ mit eines menſchen angeſichte obenauf. Zur
rechten hand des Kreuſes ſolte Momft/ der Fluht-
goͤtze/ ſtehen: zur linken aber Omft/ der Ebbegoͤtze.
Weiter hin ward Oſiris/ und Iſis/ ein iedes in ein
beſonderes feld/ geſtellet. Jener ſolte die Sonne/ und
dieſe die Erde abbilden. Voran ſolte Orus/ das ſin-
bild des fruchtbahren gewitters/ und der waͤchter Anu-
bis
ſtehen. Noch andere dergleichen bilder warden/ auf
Potifars befehl/ hier und dar in die gartenbette ge-
ſetzt. Unter denen war auch die ſo genente Zahara/
oder Sahare: welche die Egipter als eine Goͤttin der
Schoͤnheit und Liebe ehreten. Ohne zweifel zieleten ſie
damit auf Abrahams Fraue/ die wunderſchoͤne Sa-
ra:
darein ſich ehmahls der Egiptiſche Koͤnig Tau-
tis
verliebte. Alle dieſe bilder warden von den kuͤnſt-
lichſten Bildhauern aus ſchneeweiſſem marmel auf
das ſchoͤnſte gehauen. Joſef ordnete ſie alle/ wie und
wo ſie ſtehen ſolten. Auch lies er hier und dar aller-
hand Luſtbeume ſetzen. Naͤhmlich Zitronen- und Gra-
naten-
[111]drittes Buch.

[figure]


[112]Der Aſſenat
naten-beume/ Goldaͤpfel- und Balſam-beume/ Sant-
und Dattel-beume/ als auch Mirten und ſchwartze
Zimtbeume/ derer bluͤßen einen lieblichen geruch von
ſich geben. Von den Dattelbeumen lies er zwee und
zwee/ naͤhmlich ein Weiblein und Maͤnlein/ beieinan-
der ſetzen/ und beider zakken zuſammenflechten: dan
ſonſten bringen ſie keine frucht. Die Egiptiſche Feigen-
beume/ die Bruſtbeerenbeume/ und dergleichen mehr
warden laͤngſt den Luſtgaͤngen hin gepflantzet.


Mit dieſer gartenarbeit lieffen etliche wochen hin.
Joſef wendete ſeinen muͤglichſten fleis an alles aufs
beſte zu beſtellen; damit ſein Herꝛ luſt und nutzen/ er
aber lob und ehre darvon hette. In ſolcher zeit war er
gar wenig auf dem ſchloſſe. Und wan er ſchon dahin
kahm/ ſeiner andern geſchaͤfte wahr zu nehmen/ hatte
er ſeine gedanken doch meiſt im garten gelaßen. Alſo
muſte Sefira/ in aller dieſer zeit/ ſeiner gegenwart
miſſen. Alſo konte ſie ſeines angenehmen geſpraͤches
ſehr ſelten genieſſen. Und ob er ſchon des nachts auf
dem ſchloſſe ſchlief: ſo durfte ſie ſich doch nicht mehr
erkuͤhnen vor ſein bette zu kommen. Sie muſte ſich vor
den Leibeignen fuͤrchten/ welche uͤber ſeiner Kammer
ſchlieffen. Das neuliche knarren der tuͤhre hatte ſie
ſchuͤchtern gemacht. Sie fuͤrchtete/ man moͤchte ſie be-
ſchleichen. Sie befahrete das geſinde in argwahn/ und
ſich in verdacht und boͤſe nachrede zu bringen. Bei ſo
beſchaffener ſache wuſte ſie keinen raht ihre liebe zu ver-
gnuͤgen. Ihrem Ehherꝛn allein noch laͤnger uͤm den
mund zu gehen/ war ihr alzu verdrieslich. Sie lies
ſich beduͤnken/ daß ſie ihn ſchon genug gewonnen. Sie
urteilte/ daß ſie ihm das mistrauen/ das er etwan aus
ihrem uͤmgange mit dem Joſef/ hette ſchoͤpfen koͤnnen/
nun gantz benommen. Doch gleichwohl durfte ſie die
angefangene ſcheinliebe nicht ſinken laßen. Gefaͤhrlich
war es ſo ploͤtzlich nach der rechten ſcheibe zu zielen/ und
der erſten den ruͤkken zu kehren.


In
[113]drittes Buch.

In ſo ſeltzamen zuſtande befand ſich dieſe verliebte
Fuͤrſtin lange zeit/ ja etliche jahre/ ehe ſie gelegenheit
finden konte/ oder nehmen durfte/ dem Joſef ihre liebe
offenhertzig zu entdekken. Mitlerweile gelangete der neu-
angelegte Garten zu ſeiner volkommenheit. Potifar
trug belieben ein gaſtmahl darinnen an zu ſtellen. Hier-
auf warden die fuͤrnehmſten Herren des Reichs gela-
den. Dieſe fanden ſich ein. Sie machten ſich luſtig.
Sie waren guhter dinge. Potifar ſelbſt war ſo froͤh-
lich/ als ihn Joſef noch nie geſehen. Und mitten in
dieſer froͤligkeit erzehlte er ſeinen Gaͤſten/ was ihm
Joſef gefrommet. Er prieſe ſeine geſchikligkeit. Er
lobte ſeinen verſtand. Er erhub ſeine tugenden bis an
den himmel. Ja/ ſagte er/ ich habe meinen Joſef ſo
lieb/ und darf mich auf ihn ſo wohl verlaßen/ daß ich
ihm mein gantzes haus anvertraue. Ich laße ihn mit
dem meinigen walten und ſchalten/ wie er wil. Ich be-
kuͤmmere mich uͤm nichts. Ich eſſe nur/ und trinke.
Ich gehe ſorgloß ſchlafen. Ich ſtehe ſorgloß wieder auf.
Er allein traͤget ſorge vor uns alle. Und daruͤm wuͤnd-
ſche ich nichts mehr/ als daß ich ihm ſeine große treue
wohl belohnen moͤchte. Were meine liebe Tochter und
einige Erbin Aſſenat erwachſen; ſo ſolte er/ mit ihr/
alles des uͤberſchwaͤnglichen ſeegens/ den er mir zuge-
bracht/ genieſſen. Er/ und kein ander ſolte ihr vermaͤh-
let werden. Er/ und kein ander/ ſolte ihrer liebe/ vor
die unvergleichliche treue/ die er mir erweiſet/ genieſſen.


Joſef hoͤrete von ferne alle dieſe worte. Er ſahe das
dankbahre gemuͤht ſeines Herꝛn: welches ihm als ein
ſpohren war/ in ſeinem fleiſſe fort zu fahren. War er
vorhin fleiſſig geweſen/ ſo ward er es itzund noch tau-
ſendmahl mehr. Alle ſeine ſinnen und gedanken richte-
te er dahin/ daß er nur ſeinem Herꝛn gefallen moͤchte.
Er bemuͤhete ſich einig und allein ſeine gnade zu behal-
ten. Ja er ſtrebete darnach mit allen kraͤften/ ſie noch
Him-
[114]Der Aſſenat
immer zu vermehren. Faſt kein tag ging vorbei/ da er
nicht was neues erſan/ zu ſeines Herꝛn frommen. Und
darzu kahm ſo ein reicher ſeegen vom Himmel/ daß Po-
tifars
ſchaͤtze wuchſen uͤber allen reichtuhm der Egipti-
ſchen Fuͤrſten.


Wie ſehr nun Joſef trachtete ſeines Herꝛn nutzen
und wohlſtand zu ſuchen; ſo wenig ſchien er ſich uͤm ſei-
ner Fuͤrſtin innerliches leiden zu bekuͤmmern. Ja ie
mehr ſie ſich bei ihm zu zu tuhn begunte/ ie fremder er
ward. Je mehr ihre liebe ſich naͤherte/ ie abkehriger ſie
ihn verſpuͤhrete. Alle ihre mit lauter liebe erfuͤllete
blikke konten keinen einigen gegenblik erwerben. Und
alſo kahmen dieſe ſtumme reden vor eines tauben und
zugleich blinden tuͤhre. Ob auch ſchon/ nach den flam-
men dieſer blikke/ der feuerkwalm ihrer hertzensſeufzer
aus dem munde herfuͤr brach; ſo konte doch dieſe hertz-
bruͤnſtige gluht eben ſo wenig/ als der blitz ihrer augen/
ſein hertz entzuͤnden. Ja ob ſchon ihre ſeufzer mit ei-
nem hellen knalle loß ſchoſſen; ſo ging doch dieſer knal
zu einem ohre hinein/ zum andern wieder heraus. Der
weg nach Joſefs hertzen zu war ihm verleget. Da hin-
unter vermochte kein ſeufzer zu dringen. Alle ſtuͤrme
waren vor dieſer burg vergebens.


Weil nun dieſe ſtumme und undeutliche ſprache
nichts verfing; ſo entſchlos ſich Sefira ihr anliegen
deutlicher heraus zu ſprechen. Sie entſchlos ſich/ end-
lich das hertz zu nehmen/ mit ausdruͤklichen worten
den Joſef an zu reden. Sie entſchlos ſich/ frei heraus
zu ſagen/ was ihr fehlete. Das wil ich tuhn/ ſagte ſie.
Ja das mus ich tuhn; weil ich ihn ſo einfaͤltig im lie-
beshandel befinde/ daß er nicht einmahl weis/ was lie-
beszeichen ſeind. Man mus ihm/ an ſtat der frucht-
loſen zeichen/ die liebe ſelbſt in den mund geben. Hier
ſehe ich kein anderes mittel. Hier iſt kein ander raht.
Und nach dieſer entſchlieſſung wartete ſie nur auf die
zeit
[115]drittes Buch.
zeit/ da Fuͤrſt Potifar etwan in des Koͤniges geſchaͤf-
ten verreiſen muͤſte. Alsdan gedachte ſie ihr lange ge-
wuͤndſchtes ziel gewislich zu erreichen. Mitlerweile
ging ſie/ ihrer gewohnheit nach/ etliche mahl in die bad-
ſtube. Da ſaß ſie ſo lange/ bis ſie durchwarm geworden.
Hierauf beſtrich ſie ihr angeſicht/ ſamt dem bruͤſten und
dem halſe/ mit trahne vom Balſambaume gantz dik-
ke. Mit dieſem anſtriche blieb ſie noch eine guhte ſtun-
de ſitzen; damit die kraft des balſams durch die haut/
ſie rein und klahr zu machen/ auch vor runtzeln zu be-
wahren/ hindringen moͤchte. Ja ſie kahm nicht eher
aus der badſtube/ als bis der balſam gantz eingetruknet.
Auch wuſch ſie ihn nicht eher ab/ als nach drei tagen.
Da uͤberſtrich ſie erſt die haut mit oͤhle von bittern man-
deln. Darnach wuſch ſie ſich ſehr oft auf ieden tag
mit bohnenwaſſer. Dieſes ſchmuͤnken wiederhohlete
ſie ſo oft/ bis ſie ſchoͤn und huͤbſch genug zu ſein ver-
meinte.


Als nun dieſe gemelte zeit herzugenahet/ legte ſie
ſtraks ihren beſten ſchmuk an. Sie wuſch ihr angeſicht/
ſamt den haͤnden/ mit vielerhand wohlruͤchenden Waſ-
ſern. Auch lies ſie die tafel dekken/ und allerhand ein-
gemachte koͤſtliche lekkerbislein/ zuſamt den edleſten ge-
traͤnken/ aufſetzen. Nachdem ſie ſich vor dieſer tafel nie-
dergelaßen/ befahl ſie dem Joſef an zu melden/ daß er
ihr aufwarten ſolte. Unterdeſſen ſchikte ſie alle Kam-
mermaͤgdlein von ſich. Eine iede muſte an ihre gewoͤhn-
liche arbeit gehen. Joſef gehorchte ihrem befehle zur
ſtunde. Er traht zu ihr hinein/ und ward uͤberaus
freundlich empfangen. Ihr tuht ſehr wohl/ ſagte ſie/
daß ihr ſo bald kommet/ mir die zeit zu verkuͤrtzen. Und
dieſes ſprach ſie mit halbgebrochenen worten. Auch
ward ſie bald blas/ bald roht; und ſchwieg hiermit eine
guhte weile ſtil. Joſef maͤrkte hieraus zur ſtunde/ wie
hoch es an der zeit ſei. Aber er lies ſich nichts maͤrken.
H ijEr
[116]Der Aſſenat
Er ging an den ſchenktiſch: nahm eine Egiptiſche
Bohnenſchahle in gold eingefaſſet/ und ſchenkte ſie vol
melohnenwaſſers/ mit zukker verſuͤßet. Dieſe uͤber-
reichte er der Fuͤrſtin mit tieff er ehrerbietigkeit.


Indeſſen hatte ſich Sefira erhohlet. Ach! ſprach
ſie/ wie wohl wird mir dieſer trunk ſchmaͤkken/ den ich
von meines liebſten Sohnes hand empfange! Joſef
neugte ſich zur erde nieder/ und ſagte: wo ſolte mir die-
ſes gluͤk herkommen/ daß ich armer Leibeigner einer
ſo fuͤrtreflichen Fuͤrſtin Sohn ſein ſolte? Was Leib-
eigner? fing ſie ihm das wort auf. Ich habe euch nie
vor einen Leibeigenen erkant: aber wohl mich ſchon
laͤngſt vor die eurige. Und das bin ich auch noch in der
taht. Wan ich nun euch meinen Sohn nenne/ ſo tuhe
ich noch zu wenig. Ich achte euch mehr als meinen
Sohn. Joſef beantwortete dieſe reden allein mit ſtil-
ſchweigen/ und neugte ſich abermahl. Sefira fuhr
weiter fort. Ich ſehe/ daß ihr noch gantz einfaͤltig in der
liebe ſeid. Ich ſpuͤhre/ daß ihr meine liebesblikke/ ja ſelbſt
wan ich ſie ſchon mit hertzlichen ſeufzern beſeele/ nicht
veaſtehet. Schon etliche jahre her habe ich euch dieſe
liebeszeichen genug blikken laßen. Aber ich habe gantz
keine wuͤrkung von ihnen in eurer ſeelen geſpuͤhret.
Daruͤm mus ich von den zeichen zu den worten und
werken ſelſt kommen. Ich mus euch verſichern/ daß ich/
eine Fuͤrſtin/ die uͤber euch gebieten ſolte/ mich euch zu
eigen gegeben. Ja ich mus euch anfloͤhen/ und floͤhe
euch itzund an/ mit meinen ſchmertzen/ die ihr ſelbſten in
meinem hertzen erreget/ ein mitleiden zu haben. Von
euch bitte ich ihre linderung/ und hoffe ſie zu erbitten.
Und hiermit lieffen ihr die traͤhnen mildiglich uͤber die
wangen. Hiermit erſeufzete ſie ſo ſehr/ daß ſie kein wort
mehr machen konte.


Joſef ſtund hieruͤber beſtuͤrtzt. Er wuſte zu erſt nicht
was er tuhn ſolte. Und alſo befanden ſie ſich alle beiden
eine
[117]drittes Buch.
eine guhte zeit als erſtummet. Endlich brach er aus in
dieſe worte. Es tuht mir im hertzen weh/ daß meine
gnaͤdige Frau ſo gar boͤſe gedanken von ihrem getreue-
ſten diener zu haben ſich verlauten leſſet. Ich vermeinte/
daß ich Ihr/ und meinem Fuͤrſten/ denen ich nun et-
liche jahr her ſo redlich gedienet/ meine treue genug be-
zeuget hette. Aber nun ſehe ich/ daß man an ſolcher
meiner treue zweifelt. Nun maͤrke ich/ daß man ſie/ auf
eine ſo gar gefaͤhrliche weiſe/ zu bewaͤhren vorhat. Ich
kan hieraus anders nicht ſchlieſſen/ alß daß ſie mich bei
meinem Herꝛn ſchwartz zu machen geſonnen. Aber ach!
womit habe ich doch dieſes/ daß ſie meine treue ſo verfol-
get/ verdienet? Wie iſt mir dan meine gnaͤdigſte Fuͤrſtin
zu einer ſo erſchroͤklichen feindin worden? Was habe ich
ihr dan zu leide getahn? Worinnen habe ich mich ver-
brochen? Kan ich mit meinem bluhte ſolches verbre-
chen ausſuͤhnen; ſo wil ichs williglich hingeben.


Die Fuͤrſtin hatte keines weges vermuhtet/ daß
Joſef den ſin ihrer reden ſo gar verdrehen wuͤrde. Ehe
hette ſie ſich des einfals der himliſchen feſte/ als dieſer
antwort/ verſehen. Ach! mein Joſef/ fing ſie an/ wo-
her ſolte mir das kommen/ daß ich euch zu verſuchen
trachtete? Habt ihr dan nicht geſehen/ wie gnaͤdig ich
euch allezeit geweſen/ und wie hertzlich guht ichs mit
euch gemeinet? Ihr wiſſet ſehr wohl/ daß ich euch nur
daruͤm vor ſo eine große anzahl geldes erkauft/ daß ihr
bei uns in ehren leben ſoltet? Auch iſt euch nicht unbe-
wuſt/ daß ich meinen Herꝛn bewogen/ euch nicht als ei-
nen Leibeignen/ ſondern als einen Hofmeiſter/ ja gar als
einen Sohn zu halten. Und hierzu ſolt ihr noch dieſes
wiſſen/ daß ich meinem Herꝛn bloß uͤm eurentwillen/
bisher ſolche ungemeine liebe bewieſen. Daruͤm laßet
ja dieſen argwahn in eurem hertzen ſich nicht be-
wurtzeln. Gleubet hingegen gewis/ daß ich euch treulich
liebe. Ja gleubet ſicherlich/ daß dieſe meine reden aus
H iijkei-
[118]Der Aſſenat
keinem falſchen hertzen/ euch etwan hinterliſtig zu be-
waͤhren/ entſproſſen. Ich habe ſie daruͤm ſo offenhertzig
ausgelaßen/ damit ich euch zu einiger gegenliebe bewe-
gen moͤchte. Und hier mit ſtroͤhmeten die traͤhnen wie-
deruͤm uͤber ihr gantzes angeſicht hin.


Joſef fing abermahl an zu klagen. Ach! ſagte er/
wie mag doch meine gnaͤdige Fuͤrſtin ſo hoͤhniſch mit
mir ſpotten? Meinet ſie dan/ daß meine einfalt ſo tum
ſei/ ihr ein zu bilden/ daß ſie mich liebet? Meinet ſie/ ich
werde gleuben/ daß es ihr ernſt ſei/ mich zur gegenliebe
zu bewegen? Ach nein! ach nein! Ich ſehe ſie ſo from/
ſo treu/ und ehrlich an/ daß ich ſuͤnde taͤhre/ wan ich ih-
re ſchertzworte ſo verkehrt ausdeutete. Und wan ſie
auch ſchon daſſelbe/ was ich vor ſchertz aufnehme/ mit
gantzem ernſte meinete; ſo werde ich doch nimmermehr
die gedanken bekommen zu gleuben/ daß es wahr ſei.
Gott wird mich darvor bewahren. Ja viel weniger
werde ich dahin verfallen/ die treue/ die ich meinem
Herꝛn zu leiſten ſchuldig/ auf einigerlei weiſe zu kraͤnken.


Bei dieſen letzten worten/ lies ſich die Fuͤrſtin be-
duͤnken/ daß ſich iemand vor der tuͤhre bewegte. Dar-
uͤm hies ſie den Joſef eilend/ durch ihr ſchlafzimmer/
ſeinen abtrit nehmen. Auch hatten ſie ihre gedanken
nicht betrogen. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin war eben dar-
vor angelanget ſie zu beſuchen/ als ſie dem Joſef ihre
liebe zu verſtehen gegeben. Die tuͤhre hatte ſie offen/ und
nicht mehr als das prunktuch darvor haͤngen gefunden.
Daher waren ihr alle worte/ ſo wohl der Fuͤrſtin/ als
des Joſefs/ zu ohren gekommen. Sefira ſaß noch’eine
weile ſtil. Aber als ſie ſahe/ daß ſich auch das prunk-
tuch bewegete/ ging ſie darnachzu. Eben kahm Nito-
kris
hinein getraͤhten. Auf dieſen ſo unvermuhteten
anblik erſchrak die Fuͤrſtin. Und Nitokris fragte ſie
alſobald: waruͤm ſie ſo erſchrokken ausſehe? auch wo
der ſchoͤne Leibeigene geblieben? So hat ſie dan/ fing
Se-
[119]drittes Buch.
Sefira hierauf an/ unſere reden gehoͤhret? Ja freilch/
antwortete Nitokris. Aber was gedenkt die Frau
Muhme/ daß ſie ihres liebſten Diener mit ſo unziemli-
cher liebe begegnet? der doch ſo ehrlich iſt/ daß er ſie/ wie
ich verſtanden/ ſo beſcheidentlich ab zu leinen gedenket.
Wie komt ſie doch zu ſolcher tohrheit/ daraus ihr/ und
unſerm geſchlechte anders nichts/ als ein ſchaͤndliches
brandmårk/ zugefuͤget wird. Sie ſehe wohl zu/ was ſie
tuht. Und gewislich! ich wil ſie nimmermehr vor mei-
ne Muhme halten/ ſo fern ſie mir nicht angelobet von
ſolcher toͤhrichten liebe ab zu ſtehen.


Sefira beantwortete dieſe reden anders nicht/ als
mit weinen und ſeuftzen. Ja ſie weinete ſo bitterlich/
daß Nitokris/ aus hertzlichem mitleiden/ ſie troͤſtete.
Ach! ſprach ſie/ liebſte Frau Muhme/ ich komme nicht
zu euch/ euer hertz zu verunruhigen. Habet nur guhten
muht. Handelt vernuͤnftig. Laßet die Tugend euer
ziel ſein. Es wird ſich alles wohl ſchikken. Hierauf fiel
ſie auf ein anderes luſtigers geſpraͤche. Aber Sefira
ſaß allezeit betruͤbt. Keine luſt/ noch freude konte bei
ihr verfangen. Endlich baht ſie die Koͤnigliche Fuͤrſtin/
niemand zu ſagen/ was ſie gehoͤhret. Daran darf ſie
nicht zweifeln/ antwortete Nitokris. Sie iſt meine
Muhme. Ihre ehre iſt meine ehre: und ihre ſchande
meine ſchande. Alles/ was ihr zuſtoͤßet/ geht mich mit
an. Ich wuͤrde teil haben an ihrer unehre/ imfal dieſes
auskaͤhme. Daruͤm werde ich wohl ſo klug ſein zu
ſchweigen. Und hiermit nahm ſie ihren abſchied.


So bald die Koͤnigliche Fuͤrſtin weg war/ fing Se-
fira
jaͤmmerlich an zu klagen. Ach! ſagte ſie/ ach! ich
elende! ich troſtloſe! bin ich nun ſo ungluͤklich/ daß
Nitokris meine liebe wiſſen mus? O grimmiges ver-
haͤngnis! O ungluͤkſeelige Liebe/ die ich haͤge! O Jo-
ſef! Joſef!
in was vor einen jammer verſetzet mich dei-
ne ſchoͤnheit? Ich bitte dich/ und du biſt nicht zu erbitten.
H iiijIch
[120]Der Aſſenat
Ich floͤhe dich an/ und du erhoͤreſt mich nicht. Ich fal-
le dir zu fuße/ und du richteſt mich nicht auf. Du leſ-
ſeſt mich liegen in ſchmaach und verachtung. Iſt es
wohl muͤglich/ daß in einem ſo ſchoͤnen leibe ſo ein grau-
ſames hertze verborgen? Iſt es wohl muͤglich/ daß mir
derſelbe/ deſſen leben und tod in meiner gewalt ſtehet/
mir ſeine liebe verweigern darf? Vielleicht kuͤtzelſtu
dich noch darmit/ daß du deine Gebieterin hoͤhneſt?
Vielleicht iſt es deine luſt/ daß du mit mir ſpotteſt?
O unmenſchlicher Wuͤhterich! o grauſamer Haͤnker!
Doch was ſage ich! was klage ich uͤber dich? Du haſt
keine ſchuld. Du biſt ſo unmenſchlich/ ſo grimmig/ ſo
erſchroͤklich nicht. Der argwahn/ der zwiſchen mir und
dir einſtehet/ verhindert unſerer beider vergnuͤgung.
Dieſer giebet dir ſolche ſeltzame gedanken ein. Dieſer
macht dich furchtſam und ſchuͤchtern. Doch ich verhoffe
noch dis uͤbel aus dem wege geſchaft zu ſehen.


Unterdeſſen hatte die Koͤnigliche Fuͤrſtin den guh-
ten Joſef beklagt. Nun hatte ſie ſelbſten erfahren/
wie ſich ihre und der Aſſenat Treume zu erfuͤllen an-
gefangen. Sie wuͤndſchte wohl tauſendmahl/ daß der
ausgang ſchon vor handen. Sie hatte vor dieſem den
Joſef/ ſeiner unvergleichlichen ſchoͤnheit und geſchik-
ligkeit wegen/ geliebet. Nun liebte ſie ihn/ wegen ſeiner
tugend/ noch viel mehr. Dieſe war ihr/ aus ſeinen reden
zur Sefira/ auch ſo unvergleichlich vorgekommen/ daß
ſie ſich daruͤber nicht genug verwundern konte. Ja ſie
konte kaum gleuben/ daß er/ als ein Leibeigner/ durch ſei-
ner Gebieterin ſo ſeltene ſchoͤnheit/ und ſo gar freundli-
ches anſuchen/ zur gegenliebe nicht zu bewegen geweſen.
Gleichwohl war es gewis. Ihr eigenes ohr konte ſol-
ches bezeugen. Und daruͤm hielt ſie den Joſef in allem
ſo volkommen/ daß ſie zweifelte/ ob in der gantzen welt
ſeines gleichen zu finden. Sie erhub ihn uͤber alle ſterb-
lichen: und ſchaͤtzte die Aſſenat mehr als gluͤklich; weil
ſo
[121]drittes Buch.
ſo ein koͤſtlicher ſchatz ihr dermahleins ſolte zu eigen
werden.


Eine zeit darnach fing Sefira ihr altes Lied wieder
an. Sie beſtuͤrmte das keuſche hertz Joſefs aufs neue.
Sie gab ihm ihr begehren noch deutlicher zu verſtehen.
Ach! ſagte ſie/ iſt dan euer hertz ſo gar hart und unbe-
weglich/ daß es mit meinen ſchmertzen kein einiges mit-
leiden haben kan? Iſt es dan lauter demant? Iſt es dan
lauter ſtahl? Oder iſt es von der ahrt der grimmigen
tiere? Einen demant kan man mit boksbluhte/ wie man
ſaget/ bearbeiten. Das ſtahl wird durch das feuer
ſchmeidig: und das wildeſte und grimmigſte tier mit
guhten worten gezaͤhmet. Aber bei euch verfangen keine
worte/ wie guht und freundlich ſie ſeind. Das feuer
der liebe/ wie heftig es flakkert/ kan euch nicht entzuͤn-
den. Meine traͤhnen/ wie heuffig ſie flieſſen/ koͤnnen
euch nicht erweichen. Meine ſeuſtzer/ wie jaͤmmerlich
ſie aͤchtzen/ koͤnnen euch nicht bewegen. Ich elende! ich
truͤbſeelige! was ſol ich beginnen?


Hierauf ſtund ſie eine weile/ als entzuͤkt. Sie ſprach
kein wort. Sie bewegte ſich auch nicht. Endlich fing ſie
ploͤtzlich wieder an. Neulich klagtet ihr uͤber mich/ als
wan ich euch verſuchen wolte/ als wan ich euch in mei-
nes Herꝛn ungnade zu bringen trachtete. Aber es wa-
ren nur nichtige ausfluͤchte. Ach! liebſter Joſef/ ich
verſichere euch/ ja ich ſchwoͤre euch bei den hoͤchſten Goͤt-
tern/ daß ich euch wahrhaftig liebe/ daß ich euch hertzlich
meine. Eure ſchoͤnheit/ eure tugend liebe ich uͤber alles/
was in der welt iſt. Dieſe ſeind es/ die mir meine ſchmer-
tzen verurſachen/ ach! die allererſchroͤklichſten ſchmertzen!
die allerunertraͤglichſten ſchmertzen! Und daruͤm bitte
ich/ ja ich floͤhe euch an/ mir/ durch einige gegenliebe/
lindrung zu ſchaffen. Sonſt mus ich ſterben. Ich ſehe
ſonſt keine andere auskunft/ wo ich eurer liebe nicht ge-
nieſſe. Und hiermit ſank ſie in ohnmacht zur erde nieder.


H vJo-
[122]Der Aſſenat

Joſef erſchrak uͤber dieſen ploͤtzlichen zufal. Er het-
te gern das geſinde gerufen. Aber er durfte nicht. Auch
konte er nicht; ſo ſehr haͤmmete der ſchrik ſeine zunge.
Daruͤm hub er die Fuͤrſtin allein auf/ und ſetzte ſie ge-
maͤchlich in einen ruheſtuhl nieder. Da kahm ſie uͤber
eine weile wieder zu ſich ſelbſt. Und als ſie den Joſef
erblikte/ der ihr mit der hand ein ſtaͤrkwaſſer im ſchnupf-
tuche vor die naſenloͤcher hielt; da ſprach ſie mit
ſchwaͤchlicher und boͤbender ſtimme: Iſt noch ſo viel
liebe/ und ſo viel mitleidens bei euch? Aber ach! war-
uͤm ſucht ihr mir das leben wieder zu bringen/ das ſchon
verflogen war? Wiſſet ihr nicht/ daß ihr zugleich meine
ſchmertzen wiederbringet/ die mit dem leben verſchwun-
den? Mir war wohl: waruͤm lieſſet ihr mich nicht al-
ſo bleiben? Ihr ſuchet mich doch nur aufs neue zu pei-
nigen. Ihr erneuert doch nur meine angſt/ an ſtat daß
ihr ſie lindern ſoltet: welches anders nicht/ als durch
eine hertzliche gegenliebe/ geſchehen mag. Aber darzu
kan ich euch nicht bewegen. Und es ſcheinet/ als wan
eure grauſamkeit und meine liebe uͤm die wette ſtreiten/
zu ſehen/ welche die andere vertilgen kan.


Auf dieſe worte fing endlich Joſef auch an. Wie
ſchoͤpfet doch meine gnaͤdige Frau von mir ſo gar boͤſe
gedanken? Leiſte ich ihr dan nicht allen muͤglichſten ge-
hohrſam? Bin ich ihr nicht zugetahn mit euſerſter
treue? Erweiſe ich ihr dan nicht alle untertaͤhnigſte lie-
be? Ja ich verſichere ſie/ daß ich ſie uͤber alles liebe/ ſelbſt
ſo weit/ als mir immermehr geziemet. Weiter kan ſich
dieſe liebe nicht erſtrekken. Die treue/ die ich ihren Eh-
liebſten bezeugen mus/ leſſet ein mehres nicht zu. Ein
mehres kan und wird ſie auch ſelbſten nicht ſuchen. Ich
wil mehr ſagen. Ein kind kan ſeine Mutter/ unter de-
rer hertzen es gelegen/ hoͤher nicht lieben/ als ich ſie liebe.
Ja dieſe liebe ſteiget ſo hoch/ daß ich auch mein leben
vor ſie laßen wolte. Mein bluht wolte ich vor ſie ver-
gieſ-
[123]drittes Buch.
gieſſen. Was wil ſie dan mehr von mir haben? War-
uͤm ſchreibet ſie mir dan eine ſolche grauſamkeit zu?
Waruͤm bildet ſie ihr ein/ daß ich ſie/ indem ich ihr leben
zu laben gedenke/ nur zu peinigen geſonnen? daß ich ſie
nur daruͤm erhalten wolte/ damit ich ihre ſchmertzen er-
hielte? Ach! ich bitte/ ſie entſchlage ſich ſolches arg-
wahns. Sie ſchoͤpfe von mir andere gedanken. Sie
befriedige ſich ſelbſt. Sie ſtille ihr unruhiges hertz.


Ach! fing ihm Sefira das wort auf/ wie ſol ich
mein hertz ſtillen? Womit ſol ichs befriedigen/ wan ihr
es noch immer mehr und mehr verunruhiget? Ich
ſelbſt kan es nicht tuhn. Es ſtehet allein in eurer macht.
Wan ihr nur meinen willen volbringt/ ſo iſt mir gehol-
fen. Tuht ihr das; ſo ſolt ihr uͤber mich und alles das
meinige herſchen. Scheuet ihr etwan meinen Eh-
herꝛn? Befahret ihr euch/ daß ihr dadurch bei ihm in
verdacht kommen werdet? Ach! ich verſichere euch/ daß
er weder von mir/ noch von euch etwas boͤſes gedenken
kan. Und wan ihm von uns ſchon etwas zu ohren
kaͤhme; ſo wird er es doch nicht gleuben. Ich habe die-
ſen dingen ſchon vorgebauet. Ich kenne alle ſeine gedan-
ken. Ja ich weis ſein hertz.


Joſef ſuchte ſie mit gelindigkeit auf einen andern
weg zu bringen. Er ermahnte ſie von ihrem boͤſen vor-
nehmen abzuſtehen. Er erinnerte ſie ihrer pflicht und
ihrer treue/ die ſie ihrem Ehliebſten geſchwohren. Er
baht/ ſie moͤchte behertzigen/ in was vor erſchroͤkliche
ſuͤnde ſie beide ſich ſtuͤrtzten/ im fal er ihren begierden ge-
horchete. Er mahlte ihr die ſtrafe des Allerhoͤchſten/ die
darauf erfolgen wuͤrde/ aufs greulichſte vor. Er bilde-
te ihr das boͤſe gewiſſen/ das ſie hernach fort und fort
nagen wuͤrde/ zum allerabſcheulichſten ab. Ja er machte
ihr die hoͤlle ſo heis/ daß ſie anfing bitterlich zu weinen.
Und alſo ſchien ſie ſich zur reue zu lenken. Alſo ſchien
ſie leidweſen zu haben uͤber ihre ſuͤndige gedanken. Hier-
uͤber
[124]Der Aſſenat
uͤber war Joſef ſehr erfreuet. Und als ſie von ihm ge-
ſchieden/ rief er inbruͤnſtig zu Gott/ daß er ſie bei dieſer
reue erhalten moͤchte. Auch lies ſie ihn eine zeit lang zu
frieden. Eine guhte weile waͤhrete dieſe ſtille. Aber
endlich begunte der ſturm viel heftiger/ als zuvor. Uhr-
ploͤtzlich erhub ſich ein erſchroͤkliches unwetter. Unver-
ſehens kahmen lauter donner/ und lauter blitze auf den
ungluͤkſeeligen Joſef zugeſchoſſen.


Weil nun Sefira ſahe/ daß ihr die guhten worte
nichts geholfen; ſo entſchlos ſie ſich mit der ſchaͤrfe zu
verfahren. Und in ſolcher entſchlieſſung entboht ſie den
Joſef. Ihr Herꝛ war eben mit den Koͤnige aus gerit-
ten. Ihrem Frauenzimmer hatte ſie erleubet ſich im
garten zu erluſtigen. Und alſo befand ſie ſich in ihrem
zimmer gantz allein. Joſef maͤrkte/ ſtraks im erſten ein-
tritte/ was die glokke geſchlagen. Er ſahe es ihr an den
augen an/ daß zorn und liebe in ihrem hertzen ſtritten.
Er fragte/ mit tiefſter ehrerbietigkeit: was ſie ihm zu
befehlen hette? Ich befehle dir/ antwortete ſie mit har-
ter ſtimme/ daß du mich hinfort/ als deine Gebieterin/
ehreſt. Ich gebiete dir meinen worten gehorſam zu ſein.
Ja ich wil/ daß mein wille geſchehe. Dieſe worte klun-
gen dem Joſef/ als ein donner/ in ſeine ohren. Lieber het-
te er gewuͤndſcht/ daß man ihn in der Wolfskuhle ver-
hungern laßen/ als daß er alhier von dieſer Fraue/ die ſei-
ner keuſcheit das verderben dreuete/ ſo heftig ſolte beſtuͤr-
met werden. Was bildeſtu dir ein/ fuhr ſie fort/ daß du
dich wider deine Fraue ſo ſperreſt/ ja ihr ſo gar ſchimpflich
begegneſt? Weiſtu nicht/ daß dein leben und tod in meiner
macht ſtehet? Wan ich nur winke/ biſtu eintodter menſch.


Joſef wuſte nicht/ ob er ſchweigen/ oder antworten
ſolte. Er ſahe zween gegeneinander ſtreitende feinde
vor ſeinen augen. Dieſe waren Zorn und Liebe: welche
ihm alle beide den untergang dreueten; jener des le-
bens/ und dieſe der keuſchheit. Davon muſte er eines
weh-
[125]drittes Buch.
wehlen. Wolte er leben/ ſo muſte er lieben. Wolte er
dem Zorne entfliehen/ ſo muſte er der Liebe ſich unter-
werfen. Wolte er aber der Liebe entrinnen/ ſo muſte er/
auf gnade und ungnade/ dem Zorne/ ja dem tode ſelbſt
ſich ergeben. Er wehlete dan lieber das letzte. Er wol-
te lieber hundertmahl den tod leiden/ als einmahl in
unkeuſche liebe bewilligen. Ja er wolte lieber ſeine
Keuſchheit/ als ſein Leben/ erhalten. Und daruͤm ver-
ſuchte er noch einmahl mit glimpfe ſich aus dieſem lie-
besgarne zu wuͤklen. Ich weis nicht/ ſagte er/ ob es
meiner gnaͤdigen Frauen ernſt iſt/ mich mit ſo harten
worten zu erſchroͤkken; oder ob ſie nur ihre kurtzweile
mit ihrem Diener zu haben geſonnen. Zudem kan ich
nicht verſtehen/ was ſie meinet/ und was vor einen ge-
hohrſam ſie von mir erfordert.


Seht! ſeht! rief Sefira uͤberlaut/ wie er ſich ſo
albern ſtellet. Habe ichs dir nicht deutlich genug ge-
ſagt? Mein wille iſt/ daß du mich liebeſt. Mein befehl
iſt/ daß du dieſen willen erfuͤlleſt. Mein gebot iſt/ daß
du meine ſo hertzliche liebe/ die deine Tugend in mir ent-
zuͤndet/ mit gleicher gegenliebe vergelteſt.


Weil es dan nun meine Tugend iſt/ ſing ihr Joſef
das wort auf/ waruͤm Sie mich liebet. Ei wohlan! ſo
bitte ich untertaͤhnig/ daß ſie mich nicht veranlaße/ ſol-
che zu verlieren. Dieſer verluſt wuͤrde ja anders nichts
tuhn/ als mich ihrer liebe unwuͤrdig machen. Sie
wuͤrde/ ja muͤſte alsdan aufhoͤren mich zu lieben. An
ſtat der liebe wuͤrde mich ihr has verfolgen. Sie wuͤr-
de meine feindin werden. Ja ſie wuͤrde denſelben/ der
das ziel ihrer liebe/ die Tugend/ verſchertzet/ weder ſe-
hen/ noch hoͤren wollen. Was were ihr dan mit ſolchem
meinem zweifachen verluſte gedienet?


Sefira/ die ſich alſo ſelbſt ins netze gebracht/ konte
nicht weiter fort. Sie ſchwiegſtokſtille. Sie fand hier-
auf keine antwort. Aller vorteil war ihr abgeſchnit-
ten.
[126]Der Aſſenat
ten. Und dieſes ſchmertzte ſie dermaßen/ daß ſie aber-
mahl in ohnmacht fiel. Die augen warden ſtar. Der
mund erblaſſete. Ja das gantze angeſicht war als mit
einer todtenfarbe beſtrichen. Joſef rief von ſtunden
an ihre Stahtsjungfrauen. Dieſe kahmen eilend herzu
gelauffen. Sie ſchnuͤhreten die Fuͤrſtin auf/ damit ſie
luft bekaͤhme. Und als ſie ein wenig wieder zu ſich
ſelbſt gekommen/ begehrte ſie nach bette. Alhier war es/
da ſie auf allerhand liſtgriffe bedacht war/ den Joſef
zu uͤberliſtigen. Alhier ſuchte ſie allerhand ſchlingen
und ſtruͤkke hervor/ ihn zu uͤberſchnaͤllen.


Nachdem nun Sefira weder mit liebes-noch dreu-
worten etwas ausrichten koͤnnen; ſo verſuchte ſie ihr
heil noch auf eine andere weiſe. Sie ſtellete ſich/ als
wan ſie im Worte Gottes unterrichtet zu werden be-
gehrte. Und daruͤm prieſe ſie zuerſt Joſefs Tugend
und Gottesfurcht aufs hoͤchſte. Sie ruͤhmete ſein ed-
les gemuͤhte: welches von allen laſtern ſo weit entfer-
net/ als die ſonne von der erde. Ihr habet getahn/ ſag-
te ſie zu ihm/ was die Tugend gebietet; indem ihr mich
meiner ehpflicht erinnert. Ihr habet gebaͤhten/ was
euch eure Gottesfurcht befohlen; indem ihr bahtet euch
bei eurer tugend zu laßen. Mit dieſen und dergleichen
reden machte ſie gleichſam ein vorſpiel. Darnach kahm
ſie zur ſache ſelbſt. Wie ſol ich aber/ fuhr ſie fort/ un-
terdeſſen meine ſchmertzen ſtillen? Wer wird meine lie-
be vergnuͤgen? Daruͤm ach! liebſter Joſef/ weil ihr
mich ſo ſehr verwundet/ ſo toͤdtet mich doch nicht gar.
Es wuͤrde fuͤrwahr keine tugend ſein/ eine ſchwache
Fraue zu toͤdten. Imfal ihr meinen willen tuht/ ſo wil
ich meine Goͤtzen verlaßen. Ich wil eurem Gotte die-
nen. Ja ich wil darzu auch meinen Ehherꝛn ſelbſten
bereden. Und alſo wollen wir nach dem Geſetze eures
Gottes leben.


Joſef aber gab ihr zur antwort: daß dieſelben/ die
in
[127]drittes Buch.
in unkeuſchheit lebeten/ Gott nicht dienen koͤnten.
Gott ſei ein reines Weſen/ und wolte mit reiner ſeele
geehret ſein. Er hette kein gefallen an denen/ die ſich
mit Ehbruche beflekten. Daruͤm/ wan Sefira ſeinem
Gotte dienen wolte/ muͤſte ſie ihr Ehbette rein und un-
beflekt bewahren. Wolte ſie nach dem Geſetze ſeines
Gottes leben/ ſo muͤſte ſie ſich aller ehbrecheriſchen
liebe gantz entſchlagen. Dieſe worte gefielen ihr auch
nicht. Sie trieben ihr gemuͤht auf ſeltzame gedanken.
Ja ſie verurſachten ſie zu einer ſehr fremden ent-
ſchluͤßung.


Wohlan dan/ ſagte ſie/ weil uns meine Ehpflicht
im wege ſtehet; ſo wil ich gelegenheit ſuchen/ mich von
derſelben loß zu machen. Wolt oder duͤrft ihr keinen
Ehbruch begehen; ſo wil ich auf mittel bedacht ſein/
meinen Ehherꝛn aus dem wege zu reumen. Solches
kan heimlich geſchehen. Kein ſchlag/ kein ſtoß ſol es
verrichten. Ich wil keinen oͤffendlichen mord begehen.
Ich wil ihm keine wunde zufuͤgen: welche man ſehen
koͤnte; welche die taht verriete. Nein/ nein! ich wil be-
huhtſam handeln. Fuͤrſichtig wil ich verfahren. Nie-
mand ſol es maͤrken. Ein einiger gifttrank kan alles
verrichten. So bleiben wir auſſer verdacht. Und als-
dan wil ich euch zur ehe nehmen. Alsdan ſolt ihr mein
Ehgemahl ſein. Alsdan koͤnnen wir/ ohne Ehbruch/
unſere liebe vergnuͤgen.


Auf dieſe reden zerris Joſef ſein kleid. Er ſtund
gantz beſtuͤrtzt. Ein iedes wort ſchien ihm ſchon eine
mordpfrieme zu ſein. Ach! ſprach er/ Sie ſchaͤme ſich
doch vor Gott und den heiligen Engeln/ ſolche verzwei-
felte worte zu reden. Sie verzweifele doch nicht ſo gar.
Sie ergebe ſich doch den boͤſen nicht ſo gantz. Sie fuͤrch-
te den HERꝛn. Sie baͤndige die unbaͤndigkeit ihrer be-
gierden: und begehe ſolch-eine boͤſe taht nicht. Fuͤr-
wahr! imfal Sie von dieſem vorſatze nicht abſtehet;
ſo
[128]Der Aſſenat
ſo wil ich ihre boßheit offenbahren. Ich mus es tuhn
Mein gewiſſen dringet und zwinget mich darzu. Und
alſo muſte ſich Sefira vor dem Joſef fuͤrchten. Sie
durfte ihm in langer zeit nichts mehr von ihrer liebe ſa-
gen. Ach! ſprach ſie bei ſich ſelbſt/ hat mich dan Jo-
ſefs
ſchoͤnheit verwunden muͤſſen/ daß ſeine grauſam-
keit mich toͤdtete? Hat ihn dan der Himmel daruͤm mit
ſo fuͤrtreflichen Tugenden gezieret/ damit man ſeiner
Schoͤnheit nicht genieſſen koͤnte? Worzu dienet ein
ſchoͤner Apfel/ der zu eſſen verbohten? Zu nichts anders/
als daß er den mund waͤſſericht/ die zunge luͤſtern/ und
das hertz vol ſchmertzen machet. Ach weh mir! daß ich
ſo ungluͤklich geweſen den Joſef zu ſehen. Ach ich
angſtſeelige! wer wird mich noch aus dieſer angſt
erloͤſen? Ach ich armſeelige! wer wird ſich uͤber mich er-
barmen?


Weil nun Sefira ſich ihrer liebe gegen den Joſef
nicht kuͤhnlich mehr durfte verlauten laßen; ſo ſuchte
ſie ihn gleichwohl auf eine andere weiſe zu gewinnen.
Sie ſchikte ihm allerlei geſchenke. Alles/ was koͤſtlich
und ſchoͤn war/ muſte Joſef haben. Auch ſandte
ſie ihm die lieblichſten ſpeiſen. Aber ein Engel warnete
ihn/ darvon nicht zu eſſen. Dieſer reichte ihm ein meſ-
ſer in einer ſchuͤſſel zu. Daraus verſtund Joſef/ daß
man ſeiner ſeelen heimlich nachſtellete. Und daruͤm aß
er nichts von ihrer ſpeiſe. Er trunk nichts von ihrem
tranke. Dan beide waren mit Taturenſaamen/ ihn
verliebt zu machen/ vermiſcht.


Sefira ward es endlich gewahr/ daß er von ihrer
ſpeiſe nichts genoſſen. Daruͤm ſetzte ſie ihn deswegen
zur rede. Joſef antwortete: ſie war mit dem tode
erfuͤllet. Gott hat es mir/ durch ſeinen Engel/ geoffen-
bahret. Und ich habe ſie/ zur uͤberzeugung ihrer boß-
heit/ aufgehoben. Ich habe ſie bewahret; damit Sie/
durch dieſelbe/ zur reue bewogen wuͤrde. Nun ſol ſie
ſehen/
[129]drittes Buch.
ſehen/ daß demjenigen/ der mit keuſchem und reinem
hertzen Gott dienet/ die argliſtigkeit der boßhaftigen
kein uͤbels zu zu fuͤgen vermag. Und hiermit nahm
er die ſpeiſe/ und aß ſie in ihrer gegenwart. Der Gott
meiner Vaͤter/ ſagte er/ wird mich bewahren. Abra-
hams Engel wird mich beſchirmen.


Als ſie ſolches ſahe/ fiel ſie auf ihr angeſicht zur erde
nieder. Sie weineke bitterlich: und ſagte dem Joſef
zu/ daß ſie ſolches nicht mehr tuhn ſolte. Aber ihr hertz
brante gleichwohl immerfort. Die unliebe lies ihr keine
ruhe. Sie weinte/ ſie ſeuftzete tag und nacht. Sie aß/
noch trank nichts. Dieſes alles machte ſie ſo ungeſtalt/
daß ihr Ehherꝛ ſie fragte: waruͤm ſie ſo klaͤglich aus-
ſehe? waruͤm ſie das heupt ſo haͤngen lieſſe? Ach! gab
ſie zur antwort/ mein hertz tuht mir weh. Ich bin ſo
mat/ daß ich kaum ahtemen kan. Potifar trug ein
hertzliches mitleiden mit ihr. Er trug ſorge vor ſie;
wiewohl ſie nicht krank war.


Nicht lange darnach erhub ſich abermahl ein ſturm.
Sefira kahm/ im abweſen ihres Ehliebſten/ zum Jo-
ſef.
Ach! ſagte ſie/ ich verſchmachte vor wehleiden;
oder ich mus ſterben. Ich wil mir ſelbſt der angſt abhel-
fen. Ich kan/ noch mag ſie nicht laͤnger vertragen.
Ich mus mich ertraͤnken. Oder ich wil vom ſchloſſe her-
unter ſpringen/ den hals zu brechen; wo ihr meine be-
gierden nicht volbringet. Joſef ſahe wohl/ daß ſie der
Hoͤlliſche geiſt beſaß; daß ein Geiſt des abgrundes ſie
in die euſerſte verzweifelung geſtuͤrtzt. Daruͤm rief er
ihrentwegen zu Gott. Daruͤm trachtete er ihr dieſen
mismuht zu benehmen. Ach! ſagte er/ waruͤm iſt ſie
doch ſo gar entſtellet? Waruͤm gebaͤhrdet ſie ſich ſo ſehr
uͤbel? Wie leſt ſie die ſuͤnde ſo gewaltig uͤber ſich herſchen?
Wie leſt ſie ihren boͤſen begierden den zuͤgel ſo gar lang?
Welcher boͤſer Engel gibt ihr dieſe gedanken ein/ ihr
ſelbſt das leben zu nehmen? Sie gedenke doch/ wan Sie
Jdie-
[130]Der Aſſenat
dieſes volbraͤchte/ wie Sechon/ ihres Liebſten Bei-
ſchlaͤferin/ ihr gedaͤchtnuͤs vom erdbodem vertilgen
wuͤrde.


Aus dieſen reden begunte Sefira einigen troſt zu
ſchoͤpfen. Nuhn ſehe ich/ ſagte ſie/ daß Joſef die Se-
fira
aus ſeinem hertzen nicht gantz verwieſen. Nun
maͤrke ich/ daß ich noch in euren gedanken ſchwebe.
Nun ſpuͤhre ich/ daß ihr meiner nicht ſo gar vergeſſen.
Nun habe ich guhte hofnung/ daß ich endlich meinen
willen werde erfuͤllet ſehen. Joſef aber meinte es viel
anders. Sein gantzer vorſatz war ſie von einem ſo boͤſen
vornehmen gantz ab zu lenken. Er trachtete nach nichts
anders/ als ihre kranke vernunft zu heilen. Und daruͤm
ſeuftzete er denſelben gantzen tag und die folgende gantze
nacht zu ſeinem Gotte. Er baht/ mit weinenden augen/
daß doch endlich einmahl dieſe Egiptiſche Fraue von
ihrer blinden ſucht moͤchte erloͤſet werden.


Nicht lange darnach beging man eines der hoͤchſten
Egiptiſchen Feſte. Man feierte das gedaͤchtnuͤs der Ab-
goͤttin Iſis: welche/ nach ihren gewaͤhnten goͤtlichen
vielen verrichtungen und eigenſchaften/ ſo vielerlei zu-
nahmen fuͤhrete. Die Prieſter lieffen/ in lang-weiſſen
leinen roͤkken/ auf den gaſſen heruͤm. Sie beweineten
den ermordeten Oſiris. Sie heuleten/ ſie klagten/ ſie
ſchrien ſehr jaͤmmerlich. Sie ſchlugen vor die bruſt.
Sie hieben und peitſchten ſich wund. Etliche trugen
des hundekoͤpfichten Anubis goͤtzenbild auf dem heupte;
und in der rechten hand einen Fiechtenzweig; in der
linken aber einen Seewermuhtſtrauch. Andere ſchlu-
gen die Pauken/ blieſen in die Krumphoͤrner/ ſpieleten
mit dem heiligen helklingendem Schaͤllenbuͤgel/ und
auf andern bei ihnen gewoͤhnlichen Spielzeugen. Nach
volendeten feiergepraͤngen vermumten und verkleideten
ſich die Prieſter/ auf mancherlei weiſe/ wie die Faſt-
nachtsſpieler. Etliche gingen gekleidet als die Jaͤger:
an-
[131]drittes Buch.

[figure]


[132]Der Aſſenat
andere wie die Waldgoͤtzen; wieder andere gleich den
Alsgoͤttinnen der Freien kuͤnſte/ und ſo fort. Erliche
trugen der Iſis goͤtzenbild/ andere den ſchwartzweiſſen
Goͤtzenochſen/ des Oſiris ſinbild/ noch andere des
Orus/ wieder andere des Apis/ und des Harpokra-
tes
abgoͤttiſche bilder heruͤm. Hierauf kahmen aller-
hand Saͤnger und Seitenſpieler/ mit den heiligen
Schaͤllenſpielen/ trummeln/ pfeiffen und andern
Klingſpielen. Zu allerletzt trug einer die Weltkugel in
der hand/ mit wunderſeltzamen gebaͤhrden. Dieſem
Prieſterlichen aufzuge folgete der gemeine man
ſchwarmsweiſe durcheinander. Etliche trugen Kan-
nen/ Fruchthoͤrner/ Spiegel/ Kaͤmme/ Leuchten/ Lam-
pen/ und dergleichen zeug: andere Eppichtrauben/ und
allerhand Kraͤntze.


Weil nun Potifar dieſen heiligen feſtgepraͤngen
mit beiwohnen muſte/ ſo nahm Sefira der gelegenheit
wahr. Sie lies ihr zimmer/ ihr bette/ ja ihren leib/
gleichſam als hette ſie es dem hohen feſttage zu ehren ge-
tahn/ aufs lieblichſte und zierlichſte ſchmuͤkken. Der
bodem/ die tafeln/ und baͤnke waren mit allerhand
wohlriechenden waſſern beſpraͤnget; auch mit Roſen-
blaͤttern/ mit bluͤßen von Goldaͤpfel-Zitronen-ſchwar-
tzen Zimmet- und Tatur-beumen/ und andern lieb-
lichriechenden bluhmen/ als auch kreutern beſtreuet:
welches nicht allein mit einem anmuhtigen geruche die
luft erfuͤllete/ ſondern auch mit einer ſonderlichen luſt
die augen ergetzte. Die vorhaͤnge des bettes waren von
wẽiſſer ſeide/ mit guͤldenen bluhmen durchwuͤrkt/ und
voran mit roſenfaͤrbigen baͤndern recht zierlich aufge-
bunden. In dieſem ſo koͤſtlichen bette lag Sefira/ als
eine zweite Alsgoͤttin der Schoͤnheit und Liebe. Ihr
gantzer leib/ den ſie mit wohlriechenden waſſern ge-
waſchen/ und mit koͤſtlichen ſalben/ auch Oſſarmilche/
alle flekker zu vertreiben/ beſtrichen/ war gantz nakkend.
Nur
[133]drittes Buch.
Nur hatte ſie eine roſenrohte ſeidene dekke bis an die
bruſt daruͤber gedekt. Und dieſe war ſo zahrt und ſo
duͤnne/ daß ihre ſchneeweiſſe liljenhaut gantz eigendlich
durchhin blinkte. Um die aͤrme trug ſie nach oben zu
zwo koͤſtliche mit demanten verſetzte guͤldene ſpangen:
aber unten nach den haͤnden zu ſehr koſtbare Perlen-
ſchnuͤre. Dergleichen Perlenſchnuhr hing auch uͤm den
hals/ bis auf das milchmeer der ſchloßweiſſen bruͤſte:
welche ſich im ahtemhohlen/ waͤllenweiſe erhuben/ und
mit dieſen ſeemuſcheltoͤchtern gleichſam ſpieleten.
Mitten uͤber das heupt war auch eine ſolche Perlen-
ſchnur geſchlagen: und vor derſelben nach der ſtirne zu
ein koͤſtliches prunkſtuͤkke von demanten/ in gold einge-
faſſet/ zu ſehen. An beiden ohren hingen zwo ſehr
große Perlen.


Als nun alles ſolcher geſtalt auf das herlichſte und
wohlluͤſtigſte ausgeſchmuͤkket war/ und dieſe wohlluͤſti-
ge Fuͤrſtin in ſolchem lieblichen ſchmukke zu bette lag;
dadurch ſie auch ein ſtaͤhlernes hertz zur liebe bewegen
koͤnnen: da lies ſie den Joſef zu ſich rufen: da vermei-
nete ſie ihn/ durch alle dieſe wohlluͤſtige augenweide/ in
ihr liebesgarn/ oder auf ihren liebeskloben zu lokken: da
gedachte ſie das beſte lok-aß/ und die rechte beitze gefun-
den zu haben/ ihn endlich einmahl zu beruͤkken. Joſef
gehorchte zwar ihrem befehle: aber mit großem unwil-
len. Dan er wuſte wohl/ was er vor einen tantz wuͤr-
de tantzen muͤſſen. Er wuſte wohl/ was er fuͤr einen
harten ſtreit wuͤrde angehen muͤſſen: davor ihm albe-
reit grauſete/ ja der angſtſchweis faſt ausbrach. Dar.
uͤm/ eh er hinein traht/ rief er zuvor ſeinen Gott hertz-
inbruͤnſtig an/ ihn dermaßen zu ſtaͤrken/ daß er ſeinen
feind tapfer bekaͤmpfen/ und heldenmuͤhtig uͤberwinden
moͤchte. Und hierauf begab er ſich in das Fuͤrſtliche
zimmer. Er naͤherte ſich/ wiewohl mit niedergeſchlage-
nen ſchaamhaftigen blikken/ dem Fuͤrſtlichen bette. Er
J iijneugte
[134]Der Aſſenat
neugte ſich/ ſeiner gewohnheit nach/ auf das allerde-
muͤhtigſte; und fragte/ was der Fuͤrſtin ihm zu be-
fehlen beliebte?


Sefira ſtellete ſich erſtlich an/ als were ſie noch ſehr
unbas. Daruͤm gab ſie ihm auch zur antwort: daß ſie
vermeinet hette was auf zu ſtehen/ und ſich auf den
ſaal zu begeben den heiligen Feſtgepraͤngen zu zu ſehen:
darzu ſie ſeiner huͤlfe benoͤhtiget. Aber ſie maͤrkte nun/
daß es ihre ſchwachheit noch nicht zulaßen wolte. Doch
koͤnte er ihr gleichwohl ein weilichen geſelſchaft halten.
Vielleicht moͤchte ſie ſich bald etwas ſtaͤrker befinden.
Hiermit wieſe ſie nach dem ſtuhle zu/ der vor dem bette/
recht gegen ihrem angeſichte uͤber/ ſtund/ an zu zeigen/
daß er ſich ſetzen ſolte. Und ſolches taͤht ſie nur daruͤm/
damit ſie ihn/ und er ſie/ recht in die augen bekaͤhme.


Joſef hatte eben/ weil man der Iſis feſt feierte/
den Egiptern zu gefallen/ ſein koͤſtlichſtes kleid anlegen
muͤſſen. Dieſes gab nicht allein ſeiner ſchoͤnheit einen
helleren glantz; ſondern auch der Sefira liebesgluht
eine groͤſſere kraft. Und daruͤm blikte ſie ihn uͤm ſo viel
oͤfter und verzuͤkter an; wiewohl ſie ihren anſchlag/ ihn
nicht ſtraks ſchuͤchtern zu machen/ eine lange weile ver-
barg. Seine blikke ſolten ſich zuvor mit den ihrigen ver-
einbahren. Sie ſolten von ihrer ausbuͤndigen ſchoͤnheit/
die ſo bloß und nakkend vor ſeinen augen lag/ zuvor
feuer ziehen/ ſein kaltes hertz in den brand zu helfen/
oder es zum wenigſten luͤſtern zu machen. Und zu dem
ende ſpielete ſie mit den blitzen ihrer liebesreitzenden au-
gen fort und fort auf ihn zu. Auch bewegte ſie viel-
mahls ihren oberſten leib dermaßen/ daß der zweifache
ſchneehuͤgel ihres fuͤllig-ſchoͤnen Buſems/ uͤber der dek-
ke/ gantz enbloͤßet zu liegen kahm. Hier ſahe man die
rechten lokvogel der liebe; die ſich/ mit ſo lieblicher/ wie-
wohl ſtummer ſtimme/ die weisheit ſelbſten zu betoͤhren
bemuͤheten.


Wel-
[135]drittes Buch.

Welcher Menſch hette wohl dieſe ſo lieblich entbloͤß-
te ſchoͤnheit/ ohne verzuͤkkung/ anſchauen koͤnnen?
Welcher menſch/ der dieſe ſo ſchoͤnen augen/ dieſe ſo
bluͤhenden wangen/ dieſen ſo lieblichen roſenmund/ ja
dieſes ſo zierlich gebildete angeſicht anſehen ſollen/ hette
wohl unbewegt und unverliebt bleiben koͤnnen? Ja
wen hette ſo ein ſchoͤner und noch darzu ſo ſchoͤn ausge-
ſchmuͤkter und in lauter wohlluſt entbloͤßter leib nicht
zur hoͤchſten liebe bewegen ſollen? Man kan ihm leicht-
lich einbilden/ daß Joſef/ bei dieſem anblikke/ nicht un-
angefochten geblieben. Er war noch in ſeiner beſten ju-
gend. Sein ſechs- und zwanzigſtes jahr war kaum zum
ende. Er beſtund eben/ als andere menſchen/ aus fleiſch
und bluhte. Er hatte eben die gemuͤhtsbewegungen/ als
andere. Aber gleichwohl ſchien er mehr ein meiſter uͤber
ſeine jugend/ uͤber ſein fleiſch und bluht/ ja uͤber alle ſeine
gemuͤhtstriften und begierden zu ſein/ als ſonſt alle ſterb-
lichen. Und ob er ſchon/ aus ſchuldiger ehrerbietigkeit/ die
augen von ſeiner Fuͤrſtin nicht ab/ noch ihr den ruͤkken
zu-kehren durfte; ſo blieb er gleichwohl/ allen liebes-an-
lokkungen/ allen bewegungen ſeines hertzens/ ja dem
fleiſch und bluhte zu trotz/ in ſeiner tugend beſtaͤndig.


Eine guhte ſtunde hatte Joſef alhier die anſtuͤr-
menden flammen der liebe vertragen. Es ſchien gefaͤhr-
lich zu ſein den ſtreit laͤnger zu wagen. Sein verſtand
riet ihm zur flucht. Er trug ſorge vor ſeine keuſcheit.
Er befahrte ſich/ daß der feind von auſſen endlich mit
voller gewalt in ſein hertz dringen/ und alda ſeine eigene
untertahnen/ ſeine feinde zu werden/ aufwuͤgeln moͤch-
te. Dieſe/ fuͤrchtete er/ moͤchten alsdan von innen hefti-
ger ſtuͤrmen/ als der feind von auſſen; ja ihn endlich
wohl gar uͤberwaͤltigen. Daruͤm wolte er dieſen ſo hef-
tigen einheimiſchen krieg nicht erwarten. Er wolte flie-
hen/ ehe dieſer ſelbſtreit ihn gaͤntzlich zu boden wuͤrfe.
Und alſo erkuͤhnte er ſich ſeinen abtrit zu nehmen/ mit
J iiijvor-
[136]Der Aſſenat
vorwenden ſeine geſchaͤfte zu verrichten. Aber es war
vergebens. Eine junge Katze pfleget mit der Maus zu
ſpielen/ ſo lange ſie ſtille liegt: wan ſie ſich aber bewegt/
tappet ſie mit der pfote zu/ und ſcharret ſie nach ſich; ja
wan ſie gar entlauffen wil/ giebet ſie ihr einen bis/ und
friſſet ſie endlich gantz auf. Der Leue/ wan er einen
Menſchen in ſeiner gewalt hat/ und er ſich nur ſtille helt/
tuht ihm kein leid: ſo bald er aber fliehen wil/ zerreiſſet
er ihn zur ſtunde. Eben alſo taͤht Sefira. Eben nach
dieſer katzen- und leuen-ahrt ſpielete ſie alhier mit unſe-
rem Joſef. So lange er ſtille ſaß/ taͤht ſie ihm kein
boͤſes. Sie ſtraͤhlte ihn nur. Sie liebelte ihm nur. Aber
ſo bald er aufſtund ſeinen abtrit zu nehmen; da fing ſie
erſt an ihn zu faſſen: da begunte ſie erſt zu zu taſten.
Was? ſagte ſie/ wolt ihr mich nun alle verlaßen? Wolt
ihr nun alle von mir lauffen. Ach! mein liebſter Joſef/
wie ſeid ihr ſo gar neidiſch/ mir den bloßen anblik eurer
ſchoͤnheit nicht laͤnger zu goͤnnen? Mag ich dan nun/
in meinem ungluͤk/ auch nicht einmahl ſo gluͤkſeelig
ſein/ euer liebliches angeſicht nach genuͤgen zu ſehen?


Joſef ſchlug/ auf dieſen erſten anfal/ die augen nie-
der/ und antwortete nichts. Und daruͤm fuhr die Fuͤr-
ſtin in ihrer rede fort. Wolt ihr nun/ ſagte ſie/ nicht ein-
mahl mit mir reden? Bin ich nun keiner antwort mehr
waͤhrt? Wiſſet ihr nicht/ daß ihr dadurch meiner guͤhte/
meiner liebe/ ja meiner demuht unverantwortlicher
weiſe misbrauchet? Wiſſet ihr nicht/ daß ich eure Ge-
bieterin bin/ der ihr zu gehohrſamen verpflichtet? Wiſ-
ſet ihr nicht/ daß ihr mein Leibeigener ſeid/ und ich
macht habe euch frei zu laßen/ und gluͤkſeelig zu machen/
oder aber zu ſtrafen/ ja ſelbſt zu toͤdten/ wie und wan es
mir beliebet? Das weis ich alles ſehr wohl/ ſing ihr
Joſef das wort auf. Aber wie und was ich meiner
gnaͤdigen Fuͤrſtin antworten ſolte/ wuſte ich nicht;
nachdem ſie abermahl anfing mit mir zu ſchertzen. Was
ſcher-
[137]drittes Buch.
ſchertzen? fiel ſie ihm in die rede. Es war mein gantzer
ernſt. Um ſo viel weniger konte ich antworten/ fuhr
Joſef fort. Were ihr anſuchen meiner tugend gemaͤß/
ich hette ſo lange nicht geſchwiegen. Ja mit dem werke
ſelbſt wolte ich ſtraks geantwortet haben. Aber die Tu-
gend geboht mir zu ſchweigen: weil ich doch nicht ant-
worten konte/ wie meine gnaͤdige Fuͤrſtin wuͤndſchte.


Sefira ſchwieg auf dieſe reden eine guhte weile ſtil.
Endlich fing ſie wieder an. Iſt dan der Gehorſam/ ſag-
te ſie/ nicht auch eine Tugend? Und dieſen ſeid ihr/ als
mein Leibeigner/ mir zu leiſten ſchuldig. Aber eure hals-
ſtarrigkeit verhindert euch ſolche den Leibeignen ſo gantz
eigene tugend zu erfuͤllen. Und weil ihr euch verhindern
laßet/ macht ihr die tugend zum laſter/ und das laſter
zur tugend. Der Gehohrſam iſt freilich eine tugend/
antwortete Joſef. Aber er mus zufoͤrderſt Gotte ge-
ſchehen: und dan erſt den Menſchen. Befielet ein
Menſch etwas/ das wider Gottes gebot iſt; ſo heiſt es:
man mus Gott mehr gehorchen/ als den Menſchen.
Wan meiner gnaͤdigen Gebieterin befehl nicht wider
Gottes gebot lieffe; ſo were es mir freilich vor eine un-
tugend und vor ein ſtrafbahres laſter zu zu rechnen/ wan
ich ihr nicht gehorchte. Aber nun iſt es keine untugend;
weil ſie begehret und gebietet/ was Gott verbietet. Und
daruͤm kan ſie meine weigerung wider Gottes gebot zu
ſuͤndigen/ oder meine halsſtarrigkeit/ wie es ihr zu teuf-
fen beliebet/ kein laſter nennen. Es iſt vielmehr eine tu-
gend/ die den nahmen der Beſtaͤndigkeit im gehorſame
Gottes verdienet.


Die Fuͤrſt in hatte ihr eingebildet/ daß ſie den Joſef
nunmehr ſo liſtiglich und ſo feſte beſtruͤkket/ daß er ſich
nicht heraus wuͤkkeln koͤnte. Aber ſie befand ſich in ih-
rer einbildung gantz betrogen. Der vogel/ den ſie gefan-
gen zu haben vermeinte/ ris ihre falſtruͤkke ploͤtzlich in
zwei. Ihr vom eiſendrahte gewaͤhnter garnſak ward
J vzum
[138]Der Aſſenat
zum ſpingewebe. Der wind blies ihn in ſtuͤkken. Jo-
ſefs
ahtem hauchte ihn voneinander. Der blitz des
Goͤttlichen gebots verſaͤngte ihn gar. Als ſie nun ſahe/
daß ſie mit dieſem einwurfe nichts ausgerichtet; ſo
trachtete ſie die Tugend ſelbſt zu vereitelen/ und aus
dem wege zu reumen. Ach! liebſter Joſef/ ſagte ſie/
was wolt ihr euch doch ſo viel auf die Tugend verlas-
ſen? Sie iſt doch nur ein eiteles nichts/ ein eingebilde-
ter wahn/ ein bloßes ſpiegelfechten. Kan dieſes ſo gar
nichtige ding euch wohl der leibeigenſchaft entſchlagen/
wie ich kan? Kan es euch wohl befoͤrdern/ und zu ehren
helfen/ als ich; wan ihr meinen willen volziehet? Ja
wird euch eure Tugend wohl beſchirmen/ wan ſich/ eu-
rer hartnaͤkkigkeit wegen/ meine liebe in einen has ver-
aͤnderte/ und ich bewogen wuͤrde mich erſchroͤklich an
euch zu raͤchen? Wuͤrde ſie euch wohl aus dem feuer
meines zornes erretten? Ich verſichere euch/ daß ſie
mehr/ als alzuunmaͤchtig ſein wuͤrde. Daruͤm/ mein
liebſter Engel/ nehmet der gelegenheit wahr/ die euch
itzund von ſich ſelbſt in die haͤnde faͤllet. Verſchertzt das
gluͤkke nicht/ das euch itzund angebohten wird. Laßet
uns in wohlluſt unſere jugend ergetzen. Laßet uns liebe
mit liebe vergelten. Wir ſeind allein. Niemand ſiehet
es. Niemand wird uns verrahten.


Der verraͤhter ſchlaͤfet/ noch ſchlummert nicht/ fing
ihr Joſef das wort auf. Unſer gewiſſen wuͤrde uns
verrahten/ ja noch darzu erſchroͤklich foltern. Gott/
der alle dinge ſiehet/ auch ſelbſt unſers hertzens gedan-
ken weis/ wuͤrde es ſehen. Die Engel/ ſo wohl boͤſe/ als
guhte/ ſeind bei und um uns her: die wuͤrden uns an-
klagen. Daruͤm haben wir uns wohl vor zu ſehen/ was
wir tuhn. Ich weis ſehr wohl/ was meine gnaͤdige
Fuͤrſtin vor eine macht uͤber mich hat. Aber darneben
iſt mir auch nicht unbewuſt/ daß Gott noch mehr macht
uͤber uns alle habe: und daß ſie keine macht hat mir ein
haar
[139]drittes Buch.
haar zu kruͤmmen/ wofern es ihr Gott nicht zuleſſet.
Solte ſich dan ihre Liebe in einen Zorn veraͤndern; ſo
wiſſe ſie/ daß mir ſolcher zorn lieber ſein wird/ als dieſe
ſuͤndliche Liebe/ damit ſie meine Keuſchheit verfolget.
Ob ſie mir auch ſchon das leben/ durch den allerſchroͤk-
lichſten tod nehmen ſolte; ſo wuͤrde ich doch darbei ein
unbeflektes gewiſſen behalten. Ich wuͤrde froh ſein/
daß ich meinem Herꝛn treulich gedienet; daß ich mich
an ihm/ durch beſudelung ſeines ehbettes/ nicht vergrif-
fen. Im uͤbrigen weis ich auch ſehr wohl/ daß die Tu-
gend in der welt augen ein veraͤchtliches nichtiges ding
iſt. Aber darneben weis ich auch/ daß ſie vor Gottes
augen uͤm ſo viel mehr in achtung kommet. Und ge-
ſetzt daß ſie mir ſelbſt/ in weltlichen dingen/ nichts nuͤtzen
ſolte; ſo nuͤtzet ſie doch meinem Herꝛn/ weil ſie mir ge-
bietet/ und mich antreibet ihm in allem getreu zu ſein.
Und dieſe treue wil ich nicht kraͤnken/ noch kraͤnken las-
ſen/ weil ich ahtemen kan. Ich wil meinem Gotte/
und nach ihm/ meinem Fuͤrſten getreu verbleiben bis
in den tod. Davon ſol mich weder freund/ noch feind ab
zu ziehen vermoͤgen. Davon ſol mich weder liebe/ noch
has/ noch etwas/ das in der gantzen welt iſt/ abwendig
machen. Ja nichts ſol meinen vorſatz/ meinen ſchlus
aͤndern. Dieſer ſchlus ſtehet ſo feſt/ daß ihn ihre ge-
dreuete rache nicht uͤmſtoßen/ noch ihr allergrimmigſter
zorn verſetzen kan. Und dis iſt das lied vom ende.


Weil nun Sefira ſahe/ daß ſie weder mit lieblen-
den/ noch dreuenden worten/ auch mit allen ihren liebes-
reitzenden gebehrden/ und allen ihren aufs anmuhtig-
ſte ausgeſchmuͤkten ſchoͤnheiten nicht das geringſte ge-
winnen konte; ſo entſchlos ſie ſich zu allerletzt den Jo-
ſef
mit gewalt zu ihrem boͤſen vorſatze zu ziehen. Und
zu dem ende lies ſie eine Zitrone vom bette fallen. Die-
ſe nahm Joſef auf/ und reichte ſie ihr zu. Aber ſie er-
wiſchte ihn bei dem rokke/ ihn aufs bette zu ziehen.
Auch
[140]Der Aſſenat
Auch baht ſie ihn mit den allerbeweglichſten worten:
Er ſolte ſie doch endlich einmahl ihre luſt buͤßen laßen.
Ja dieſe worte vermiſchete ſie mit ſeufzen und traͤhnen.
Joſef aber lies den Rok in ihrer hand/ lief zum zim-
mer hinaus/ und flohe darvon. Und alſo behielt der
erkaufte ſein freies gemuͤht: der geliebte enthielt ſich der
liebe: der gebaͤhtene ward nicht erbaͤhten; und der er-
griffene lies ſich nicht halten.


Straks machte Sefira ein ſolches er ſchroͤkliches ge-
ſchrei/ daß ihre Stahtsjungfrauen und Kammermaͤgd-
lein zugelauffen kahmen. Dieſe entſetzten ſich aus der
maßen uͤber ihrer Fuͤrſtin ſo abſcheuliche geſtalt. Kurtz
zuvor war ſie ihnen vorgekommen/ als eine Alsgoͤttin
der liebe. Nun ſahe ſie aus als eine leibliche Teufelin.
Der Zorn/ der has/ die rachgier blitzten ihr aus den au-
gen. Lauter donnerſchlaͤge/ lauter blitze gingen aus ih-
rem munde. Ein flammender dampf ſtieg aus ihrer
naſe. Ihre blikke waren feurige ſtrahlen: ihre worte
zerſchmetternde donnerkeule. Ihr haar hing gantz zer-
zauſet uͤber die zerkratzten wangen. Sie tobete/ ſie raſe-
te/ ſie wuͤhtete/ ſie fluchete/ ja ſie ſtellete ſich ſo ungebaͤhr-
dig/ daß die Jungfern genug zu tuhn hatten ſie wieder
zu beſaͤnftigen.


So bald dieſe halbtolle Fuͤrſtin ein wenig wieder zu
ihr ſelbſt gekommen/ ſing ſie an ihren Herꝛn ſelbſt zu be-
ſchuldigen. Sehet! ſagte ſie/ Er hat uns dieſen Ebrei-
ſchen knecht herein gebracht/ daß er uns zu ſchanden
mache. Er kahm zu mir in mein zimmer/ und wolte
mich nohtzuͤchtigen. Ich rief aber uͤberlaut. Da flohe
er darvon/ und lies mir ſeinen Rok in der hand. Eben
dieſe worte ſprach ſie auch zu ihrem Herꝛn/ ſo bald er zu
hauſe kahm. Ja/ fuͤgte ſie hinzu/ ſehet doch nur/ wie
mich der ehrvergeſſene ſchelm/ der ehbrecheriſche hund
zugerichtet/ als ich mich zur wehre ſtellete. Und hier-
mit wieſe ſie ihm auch den Rok; den ſie zum zeugnuͤſſe
be-
[141]drittes Buch.

[figure]


[142]Der Aſſenat
behalten. Endlich ſchlos ſie mit dieſen worten: Ich
habe meine ehre gerettet/ wie ihr ſehet. Nun moͤget ihr
vor die eurige eifern; und ihn/ den undankbaren/ den
treuloſen/ gebuͤhrlich abſtrafen.


Der guhte Potifar ward uͤber dieſen ſo ploͤtzlichen
unfal uͤber die maße beſtuͤrtzt. Er hatte dem Joſef
ſo ſehr viel guhtes zugetrauet. Er hatte ſeine tugend/
ſeine keuſchheit/ ſeine froͤmmigkeit allezeit ſo hoch ge-
ruͤhmet. Ja er hatte auf ſeine treue gantze ſchloͤſſer ge-
bauet. Nun erfuhr er das widerſpiel ſelbſt aus dem
munde ſeiner Gemahlin. Diejenige/ die ihn vor die-
ſem ſo manches mahl geprieſen/ klagte ihn nun ſelbſten
an. Er ſahe den Rok/ als ein zeichen der wahrheit/
ror ſeinen augen. Er ſahe ſeine Liebſte ſo gar entſtellet/
und ſo ſehr uͤbel zugerichtet. Und alſo konte er anfangs
anders nicht gedenken/ als daß es wahr ſei/ was ihm
ſo gantz unvermuhtlich zu ohren kahm. Er ward ge-
zwungen/ alle dieſe beſchuldigungen zu gleuben. Doch
gleichwohl konte er ſich noch nicht entſchluͤßen den Jo-
ſef/
nach dieſes verbrechens beſchaffenheit/ ſo ſtraks
zu ſtrafen. Er konte es uͤber ſein hertz nicht brin-
gen. Zorn und Liebe kaͤmpften hart widereinander.
Der zorn wolte durchaus haben/ er ſolte ihn vertil-
gen. Die liebe dagegen riet ihm/ gemach zu verfah-
ren. Er hatte zuvor keinen einigen tadel am Joſef be-
funden. Und daruͤm hatte er ihn von hertzen geliebet.
Ja er hatte ihn ſo hoch geliebet/ daß er ihm alles das
ſeinige anvertrauet; daß er ihn anders nicht gehalten/
als ſeinen Sohn; und was noch mehr iſt/ ihm ſeine ei-
nige Erbin und liebſte Tochter Aſſenat/ in ſeinem her-
tzen/ zur Gemahlin verſprochen.


Dieſe ſo hertzliche liebe konte der zorn nicht ſo gar
verhindern/ daß ſie den Potifar nachmahls nicht uͤber-
redet vom Joſef ein beſſers zu gleuben/ als man ihm
vorbrachte. Ja er vermochte ihm keinesweges ein zu
bil-
[143]drittes Buch.
bilden/ daß die ſache ſo groß ſei/ als man ſie machte.
Er muhtmaßete/ es muͤſte ein misverſtand darhinter
ſein. Er gedachte/ die krankheit ſeiner Gemahlin hette
ihr vielleicht dieſe boͤſe gedanken eingegeben. Und in
ſolchen gedanken entſchlos er ſich den Joſef ſo hart
nicht ab zu ſtrafen/ als ihm ſein erſter zorn gerahten.
Damit er aber ſeine Gemahlin einiger maßen vergnuͤg-
te/ ſo befahl er ihn ins gefaͤngnuͤs zu bringen/ da des
Koͤnigs gefangene lagen. Darinnen moͤchte er ſo lan-
ge liegen/ bis man des verbrechens beſchaffenheit gruͤnd-
lich entdekket.


[figure]

[144]

Der Aſſenat
Vierdes Buch.


ASſenat hatte inzwiſchen faſt al-
les erfahren/ was ſich mit dem ſchoͤnen
Leibeignen begeben. Sie wuſte/ daß ihn
ihr Vater von den Ismaelern gekauft.
Sie wuſte/ daß er ihm faſt zehen jahr ge-
dienet. Sie wuſte/ daß ihn Potifar uͤber ſein gantzes
Haus geſetzet; daß er ihm alles das ſeinige anvertrauet:
daß er/ durch Joſefs getreuen fleis und fuͤrtreflichen
verſtand im haushalten/ an reichtuͤhmern uͤber alle
maße zugenommen. Ja ihr war unverborgen/ daß ihr
Vater ihn deswegen uͤberaus geliebet/ und anders
nicht gehalten/ als ſeinen leiblichen Sohn. Auch war
ihr aus Potifars eigenem ſchreiben/ und aus ſeinem
munde ſelbſt bekant/ wie hoch er ihn iederzeit geprieſen.
Daruͤm konte ſie ihr nicht einbilden/ woher ſich das blat
ſo gar ploͤtzlich uͤmgekehret. Sie konte nicht begreiffen/
woher es kaͤhme/ daß Potifar ihn in das gefaͤngnuͤs ge-
worfen: davon der ruf ſchon zu Heliopel erſchollen.
Ihre verwunderung uͤber eine ſo uhrploͤtzkiche veraͤnde-
rung zwang ſie nach zu forſchen. Sie vernahm ein ge-
mummel unter dem volke/ daß Joſef unſchuldig ſei.
Und dieſes verurſachte ſie noch mehr die wahrheit zu
ergruͤnden. Man wolte damit nicht recht heraus. Man
redete in der ſtille darvon. Und einer ſagte dis/ der an-
dere das. Endlich bekahm ſie ein ſchreiben von der Koͤ-
niglichen Fuͤrſtin. Dieſe ſchrieb zwar anders nichts/
als daß ihr Vater den Schoͤnen Leibeigenen in haft be-
ſtellet; weil ihre Stiefmutter ihn bezuͤchtiget/ er hette
ihr
[145]vierdes Buch.
ihr unzucht angemuhtet. Gleichwohl muhtmaßete die
klugſinnige Fuͤrſtin/ daß hinter dieſem handel was an-
ders muͤſte verborgen liegen.


Als nun Aſſenat hieruͤber auf ſo mancherlei gedan-
ken gerahten; ſo geriet ſie endlich auch auf ihren Traum;
den ſie vor etlichen jahren von einem Haͤrmlein das ihre
Stiefmutter in den ſchlam druͤkken wollen/ und hernach
in ein fas einſperren laßen/ gehabt. Der Nitokris eben
gemeltes ſchreiben veruhrſachte/ daß Aſſenat den ſchoͤ-
nen Leibeignen vor daſſelbe Haͤrmlein hielt. Auch ur-
teilete ſie aus den uͤmſtaͤnden des traumes/ daß das
heimliche gemurmel der leute von Joſefs unſchuld
wahr ſein muͤſte. Daruͤm ſchrieb ſie an ihre Frau Mut-
ter Toote. Erſtlich berichtete ſie ihr alles/ was ſie von
Joſefs gefaͤnglicher haft erfahren. Darnach erzehlte
ſie ihr den oberwaͤhnten Traum von ſtuͤklein zu ſtuͤk-
lein: und fuͤgte ihre eigene erklaͤhrung darzu. Endlich
begehrte ſie zu wiſſen/ was ihre Frau Mutter von ſol-
cher begaͤbnus/ und von ihrem Traume vor ein urteil
faͤllete.


Eben hatte Toote dieſen brief empfangen/ als Ni-
tokris/
ſie zu beſuchen/ ankahm. Nachdem ſie ihn nun
beide geleſen/ fielen mancherlei fremde reden vor. Ni-
tokris
erzehlete/ was ſie einesmahls/ mit eigenen oh-
ren/ vor der Sefira zimmertuͤhre gehoͤret. Da Se-
fira
dem Joſef ſelbſten unzucht angemuhtet; aber eine
abſchlaͤgige und gantz ſcharfe antwort bekommen. Auch
fuͤgte ſie hinzu: daß ſie nachmahls dieſe geule Fuͤr-
ſtin ſelbſt ermahnet/ von ſo boͤſen begierden abzu-
ſtehen: und wo ſie ſolches nicht taͤhte/ wolte ſie ſich ih-
rer geſelſchaft entziehen/ und ſie nicht mehr vor ihre
Muhme halten. Auch habe ich/ ſagte ſie/ alles dieſes
heute fruͤh dem Potifar ſelbſten/ im vertrauen/ zu er-
kennen gegeben: damit er Joſefs unſchuld ſehen/ und
ihn nicht etwan faͤlſchlich anklagen moͤchte. Es iſt guht/
Kund
[146]Der Aſſenat
und ein großes gluͤk vor den Joſef/ daß ihn der Fuͤrſt
in das Koͤnigliche gefaͤngnuͤs legen laßen: da er nun-
mehr des Koͤnigs gefangener iſt; und weder Sefira/
noch Fuͤrſt Potifar ſelbſten macht uͤber ihn haben. Da
wird ihn die Fuͤrſtin wohl muͤſſen zu frieden laßen.
Von dannen wird ſie ihn nun nicht mehr heraus be-
kommen. Davor wil ich ſelbſt ſorge tragen; auch ver-
ſchaffen/ daß man ihn nicht als einen gefangenen hal-
ten ſol. Es wird ſich alles wohl ſchikken. Nach etlichen
anderen reden ſtund Nitokris auf/ und nahm ihren
abſchied. Auch baht ſie die Fuͤrſtin Toote reinen mund
zu halten; damit alles/ was ſie des Joſefs wegen mit-
einander vertraulich geſprochen/ unter der Roſe moͤch-
te geredet ſein. Sie ſolte ſich deſſen bei leibe gegen nie-
mand verlauten laßen. Niemand ſolte etwas davon
wiſſen.


Mitlerweile hatte der verdrus/ die ungeduld/ der
zorn/ die liebe und alle dergleichen heftige gemuͤhtstrif-
ten durcheinander und widereinander/ in der Se-
fira
hertzen/ dermaßen geſtritten/ daß ſie todtkrank zu
bette lag. Nitokris ging ſie ebenmaͤßig beſuchen/ zu
ſehen/ wie ſie ſich itzund anſtellen wuͤrde. Ach! ſagte ſie/
hertzliebſte Frau Muhme/ ich habe ein hertzliches mit-
leiden mit ihr; weil ich vernehme/ daß ſie etliche wochen
nacheinander bettlaͤgerig geweſen. Und daruͤm bin ich
anher kommen zu ſehen/ wie es mit ihrer Krankheit be-
ſchaffen.


Meine Krankheit/ fing Sefira an/ hatte zuerſt nicht
viel zu bedeuten. Aber der Ebreiſche Leibeigne hat
mich unlaͤngſt ſo heftig erzuͤrnet/ daß ich itzund faſt in
den letzten zuͤgen liege. Hat ſie der ſchoͤne Ebreer erzuͤr-
net? fing ihr Nitokris das wort auf. Das kan ich
nimmermehr gleuben. Wie ſolte die hertzliche liebe ſich
ſo ploͤtzlich in eine ſo widerwaͤrtige gemuͤhtsbewegung
veraͤndern? Sie mag es gleuben/ oder nicht/ antwor-
tete
[147]vierdes Buch.
tete Sefira: es iſt alſo. Und ſo muſte es ſein. Weil
man mir veruͤbelen wolte/ daß ich ihn liebte; ſo muſte
ich ihn haſſen. Sie ſelbſten ſagte mir neulich ins
geſichte: ich muͤſte von ſolcher liebe abſtehen/ wan ſie
meine Freundin und Muhme bleiben ſolte. Und ſol-
ches habe ich nun getahn. Ihre freundſchaft war
mir lieber/ als ſeine liebe. Aber hiervon iſt nichts
mehr zu ſagen. Was geſchehen iſt/ das iſt geſche-
hen: und zwar Ihr zu gefallen. Daruͤm laßet uns dieſe
ſache nicht mehr beruͤhren. Weil nun Nitokris ſahe/
daß ihrer Muhme dergleichen reden verdruͤßlich fielen;
ſo begunte ſie ein anderes geſpraͤche; wiewohl ſie es auch
nicht lang machte. Dan ihre einige ſorge war zu ver-
ſchaffen/ daß Joſef bei ſeinem neuen Wuͤrte ehrlich
moͤchte gehalten werden. Daruͤm eilete ſie wieder nach
der Koͤniglichen burg.


Mit den Koͤniglichen Gefaͤngnuͤſſen war es dazu-
mahl in Egipten faſt eben alſo beſchaffen/ als mit den
Zuchtheuſern in Europe. Die Koͤniglichen gefangene/
wan ſie arm waren/ muſten ihre koſt und kleider mit
ſchweerer arbeit verdienen. Waren ſie aber reich/ ſo
ward ihnen ein großes koſtgeld abgenommen: und dan
gingen ſie muͤßig. Beides trug der Schatzkammer des
Koͤniges/ als auch dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ein großes
jahrgeld ein. Und daruͤm warden wenig Verbrecher
mit dem Tode geſtraft. Alle muſten in dergleichen ge-
faͤngnuͤſſe tantzen. Und ihre rechtsſachen ſchob man
auf die lange harrebank; damit der genos uͤm ſo viel
groͤſſer waͤre. Weil nun Nitokris wohl wuſte/ daß
Joſef unter die zahl der armen gefangenen wuͤrde ge-
rechnet/ und mit harter arbeit belegt werden; ſo ſchikte
ſie dem Geſaͤngnuͤsmeiſter/ durch einen unbekanten
menſchen/ eine zimliche anzahl geldes. Darbei fuͤgte
ſie dieſen Befehlbrief.


Dem Koͤniglichen Gefaͤngnuͤsmeiſter wird
K ijhier-
[148]Der Aſſenat
hiermit ernſtlich befohlen den gefangenen Joſef/
Fuͤrſt Potifars geweſenen Diener/ aller arbeit zu
entſchlagen; und ihn mit an ſeine tafel zu ſetzen/
auch ſonſten ſo ehrlich zu halten/ daß gemelter
Gefangener oder iemand anders ſeinetwegen
ſich dermahleins nicht zu beſchweeren habe. Und
imfal der Gefaͤngnuͤsmeiſter/ dem deswegen
dieſes beigefuͤgte geld geſchikt wird/ ſich moͤchte
geluͤſten laßen dieſem befehle nicht in allem ge-
hohrſamlich nachzukommen; ſo ſol er wiſſen/
daß er ſich wider das Koͤnigliche Haus verbre-
chen/ und ſein leben deswegen in unvermeidli-
cher gefahr ſtehen werde. Wie nun ihm mehr-
gemelter befehl gnaͤdigſt erteilet wird; ſo wird er
es ihm angelegen ſein laßen demſelben untertaͤh-
nigſt nachzuleben/ und keinem/ auch nicht ei-
nem menſchen deſſen oͤfnung zutuhn.


Dieſem befehle gehorchte der Gefaͤngnuͤsmeiſter alſo-
bald. Von ſtunden an ward Joſef entfeſſelt. Flugs
ward er aller arbeit uͤberhoben. Straks zog er ihn an
ſeine tafel. Ja er gewan ihn endlich ſo lieb/ daß er ihn
allen andern gefangenen vorzog. Und ſolches taͤht er
nicht allein dem gemelten befehle zu gehohrſamen/ ſon-
dern auch aus eigener bewegung. Er ſahe Joſefs
große tugend. Er erblikte ſeinen fuͤrtreflichen verſtand.
Er verwunderte ſich uͤber ſeine unvergleichliche geſchik-
ligkeit: und daruͤm uͤbergab er ihm auch ſelbſt das ge-
biete uͤber alle gefangene; alſo daß er ſich keines dinges
mehr annahm. Was Joſef taͤht/ war wohl getahn.
Was er hies/ das muſte geſchehen. Alle gefangene
muſten ſeinem befehle gehorchen. Alles ſtund in ſeiner
hand: und was er anfing/ da gab der HErꝛ gluͤk zu. Al-
ſo war er in ſeinem ungluͤkke gluͤklich: in ſeinem gefaͤng-
nuͤſſe frei: in ſeiner knechtſchaft ein gebieter. Ja er hat-
te alhier ſo viel ledige ſtunden/ daß er ſich in der Stern-
deu-
[149]vierdes Buch.
deuterei unverhindert uͤben konte. Zu dem ende ging
er viel uͤm mit einem gefangenen Kaldeer. Den ent-
ſchlug er auch von ſeiner arbeit; damit er die geheimnuͤſ-
ſe dieſer Kunſt von ihm uͤm ſo viel beſſer erfahren koͤnte.
In kurtzer zeit gelangte er darinnen ſo weit/ daß er aus
dem ſtande des Geſtirnes in ſeiner gebuhrtsſtunde das
gantze gluͤk und ungluͤk ſeines Lebens erſahe. Er ſahe/
was ihm vormahls begegnet; was ihm itzund begegne-
te; und was ihm noch kuͤnftig begegnen wuͤrde. Er ſa-
he/ daß er uͤber zwei jahr auf eine hohe ſtaffel der ehren
wuͤrde erhoben werden. Auch unterſuchte er den ſtern-
ſtand in der gebuhrtsſtunde ſeines Vaters/ die ihm
noch wohl bewuſt war. Darinnen befand er/ daß Ja-
kob
kurtzkuͤnftig in ein fremdes land ziehen ſolte; und
alda wuͤrde er ſterben.


Solchergeſtalt uͤbte ſich Joſef in dieſer Kunſt/ die
verborgenheiten der Sternſchrift zu erforſchen/ tag und
nacht. Dieſes große Buch der Natur war ihm nun
nicht mehr dunkel zu leſen. Sein ſcharf ſinniger ver-
ſtand drung faſt durch alle deſſelben geheimnuͤſſe hin.
Jedoch war er in dieſer ſache ſo abergleubiſch nicht/ als
die Kaldeer. Er machte daraus keine nohtwendigkeit/
wie ſie. Er wuſte zwar/ daß Gott die Natur geſchaffen/
und daß Er ihren lauf eingerichtet. Aber er wuſte auch/
daß es in ſeiner macht ſtuͤnde/ ſie/ zuſamt ihrem lauf-
ſe/ zu aͤndern: welches Er gleichwohl ohne hochwuͤchti-
ge urſachen niemahls taͤhte. Er wuſte/ daß das Stern-
buch anders nicht/ als Gottes Warn- und zeichen-buch
ſei: dadurch Er zugleich den Menſchen ſeine Almacht/
ſo wohl im zorne das ungluͤk/ als in der guͤhte das gluͤk
kommen zu laßen/ vor augen geſtellet: daß Er naͤhm-
lich/ wan ſie in ihren ſuͤnden verharreten/ boͤſes/ und
wan ſie darvon abſtuͤnden/ guhtes tuhn koͤnte; aber
nicht alzeit wolte: indem Er das angezeigte oder ver-
ſprochene guhte/ wan ſie boͤſes taͤhten/ ſo wohl als das
K iijge-
[150]Der Aſſenat
gedreuete boͤſe/ wan ſie hingegen guhtes taͤhten/ nicht
tuhn wolte. Er wuſte/ daß Gott den menſchen hier-
durch nur vor ungluͤk zu warnen/ und ihm das kuͤnftige
gluͤk und ungluͤk anzuzeigen/ nicht aber gewis zuzufuͤ-
gen geſonnen: ja daß Er/ durch die ungluͤkszeichen/ ihn
zur reue/ und/ durch die gluͤkszeichen/ zur dankbarkeit zu
lokken trachtete. Und daruͤm gleubte Joſef keinesweges/
daß es nohtwendig geſchehen muͤſte/ was das Geſtirn
andeutete. Er gleubte vielmehr/ daß es in des Schoͤp-
fers macht ſtuͤnde/ dieſes/ wan es Ihm beliebete/ doch
nicht ohne erhoͤbliche urſachen/ zu aͤndern: nachdem Er
ſehen wuͤrde/ wie ſich der Menſch anlieſſe/ und in ſei-
nem wandel guht/ oder boͤſe verharrete. Ja er gleubte/
daß Gott dem Geſtirne keine macht uͤber den Menſchen
zu herꝛſchen eingepflantzet: ſondern Ihm ſolche macht
ſelbſten vorbehalten; und uͤber das geſtirn/ auch uͤber ihr
angedeutetes gluͤk oder ungluͤk zugleich herſchete. Und
dieſes beides veraͤnderte Er/ nachdem er urteilete/ daß
es dem Menſchen erſprieslich.


Alſo verlies ſich Joſef auf ſein inſtehendes durch
das geſtirn angedeutetes gluͤk keinesweges ſo feſt/ daß er
ihm einbildete/ es muͤſte alſo geſchehen. Sondern er
verlies ſich auf Gott allein: der es ihm durch dieſe
ſternzeichen zwar angedeutet/ aber gleichwohl ſolche an-
deutung gantz anders koͤnte ausfallen laßen; imfal er
ſich ſolches gluͤkkes ſelbſt unwuͤrdig machte/ oder daſſel-
be durch achtloßheit oder ſonſt verſchertzete. Ein Koͤ-
nig oder Fuͤrſt giebt manchem ſeiner untertahnen ein
zeichen ſeiner gnade/ und verſpricht ihm dadurch ein
großes gluͤk: aber er wil auch haben/ daß er ſich der wuͤrk-
lichen gnade/ und des gluͤkkes/ das er ihm verſpricht/
wuͤrdig mache; und daß er ſelbſt darnach ringe: weil
keinem eine gebrahtene taube von ſich ſelbſt in den
mund flieget. Dan wan er ſolche gnade/ durch uͤbeles ver-
halten/ oder unachtſamkeit/ verſchertzet; ſo veraͤndert
der
[151]vierdes Buch.

[figure]


[152]Der Aſſenat
der Fuͤrſt ſeine gnade in ungnade/ und leſſet ihm das
angezeigte oder verſprochene gluͤk keinesweges wider-
fahren. Auch dreuet ein Fuͤrſt ſeinem untertahnen
oftmahls eine ſtrafe: wan aber der untertahner ſich beſ-
ſert/ ſo reuet es den Fuͤrſten/ und leſt die ſtrafe nicht er-
gehen.


Eben alſo tuht Gott/ wan Er uns/ durch die Stern-
ſchrift/ auch ſonſten etwan ein gluͤk verſpricht/ oder ein
ungluͤk dreuet. Dreuet Er ein ungluͤk; ſo wil Er nicht/
daß der Menſch die Sterne/ oder das ungluͤk/ das Er
durch die ſterne dreuet/ ſondern Gott ſelbſt fuͤrchten/ und
mit bußfaͤrtigem leben und gebaͤht Ihm in die dreu-
und ſtraf-ruhte fallen ſol. Ja Er wil/ daß der Menſch
uͤber ſolches zeichen nicht verzagen/ noch ihm gewis ein-
bilden/ daß es alſo ergehen muͤſſe; ſondern daß er das
inſtehende ungluͤk mit tapferem muhte/ und mit vor-
ſichtigem handel und wandel ableinen und vermeiden
ſol. Und eben daruͤm offenbahret Gott demſelben/ den
Er liebet/ ſolches ungluͤk; und zeigt es auch allen zuvor/
durch die ſternſchrift/ an: doch giebt Er nicht allen den
verſtand ſie zu verſtehen. Verſpricht Er ihm aber ein
gluͤk; ſo wil Er nicht/ daß der Menſch meinen ſol/ er
habe es ſchon in den haͤnden/ und ſich mehr darauf ver-
laßen/ als auf Gott: ſondern Er wil/ daß der Menſch
ſolches/ durch inbruͤnſtiges gebaͤht/ tugendhaften wan-
del/ und ſeine eigene geſchikligkeit zugleich/ zu befoͤr-
dern trachte/ und ſich deſſen wuͤrdig mache.


Mit dieſem ruͤhmlichen zeitvertreibe brachte Joſef
ſeine muͤßigen ſtunden zu. Und darbei vergaß er alles
ſeines leides. Aber Sefira lag inzwiſchen in den allet-
groͤſten ſchmertzen. Die liebe/ der zorn/ die rache/ der
eifer/ die reue/ die furcht/ und alle dergleichen Seelen-
oder vielmehr Hoͤllen-geſpenſter aͤngſtigten ſie dermaßen/
daß ſie immer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher ward. Joſef
hatte im anfange/ in einem finſtern loche/ deſſen einiges
fen-
[153]vierdes Buch.
fenſter in ihrem hof ausging/ geſeſſen. Alhier hatte ſie
ſich bei naͤchtlicher weile vielmahls finden laßen/ einen
verſuch zu tuhn/ ob ſie den gefangenen Joſef nicht itzund
bewegen koͤnte. Sie hatte ihm angebohten/ ihn aus
dieſem loche zu erloͤſen/ ſo bald er nur angelobte ihren
willen zu volbringen. Aber Joſef liebte ſeine feſſel und
bande mehr/ als eine ſolche freiheit/ die er durch den
verluſt ſeiner keuſchheit erlangen ſolte. Nicht einen
einigen trieb/ der darnach zu wolte/ empfand er in ſei-
ner ſeele. Und alſo ſtellete ſie dem Keuſchen Joſef ſelbſt
in ſeinem gefaͤngnuͤſſe nach. Aber die treue vorſorge der
liebreichen Nitokris benahm ihr dieſen weg. Sie ret-
tete den Joſef aus dieſem loche. Und hiermit hatte
Sefira alle ihre hofnung verlohren. Hiermit veraͤn-
derte ſich ihre Liebeskrankheit in eine rechte Leibeskrank-
heit. Ja ſie ward ſo krank/ daß die Aertzte an ihrem le-
ben zu zweifeln begunten.


Als nun Sefira ſahe/ daß ihr ende vor handen/ ſo
dachte ſie auf mittel den Joſef aus dem wege zu reu-
men; damit er ja keiner andern zu teil wuͤrde. Ihre
eiferſucht trieb ſie ſo weit/ daß ſie beſchlos/ ihm einen
gifttrank beibringen zu laßen. Solchen giftigen an-
ſchlag entdekte ſie ihrer Kammerjungfrau. Aber dieſe
war viel zu ehrlich ſolches ſchandſtuͤkke zu verſchweigen.
Viel weniger wolte ſie damit zu ſchaffen haben. Sie
offenbahrte es der Nitokris. Dieſe ſchrieb an den Ge-
faͤngnuͤs meiſter ſtraks einen Brief; welcher alſo lau-
tete:


Diejenige hand/ welche neulich den Koͤnig-
lichen Gefaͤngnůsmeiſter gewuͤrdiget an ihn zu
ſchreiben/ befielet ihm noch einmahl den
Joſef
wohl in acht zu nehmen. Auch wird ihm in ge-
heim berichtet/ daß man vorhat gemelten Ge-
fangenen mit gifte zu toͤdten. Daruͤm wil ich/
daß er zur ſtunde gewarnet/ und wohl bewah-

K vret
[154]Der Aſſenat
ret werde. Wan es aber der Gefaͤngnuͤsmeiſter
verſeumet/ und ſolche ſchaͤndliche mordtaht vol-
zogen wuͤrde; ſo ſol des ermordeten unſchuldiges
bluht von ſeinen haͤnden gefoͤrdert werden. Ja
der Koͤnigliche Hof ſelbſten wird ihn zur verant-
wortung ziehen.


Dieſes alles taͤht die koͤnigliche Fuͤrſtin der ſchoͤnen
Aſſenat zu liebe: wiewohl ſie ihr ſelbſten noch zur zeit
nicht das geringſte maͤrken lies. Semeſſe beſtelte den
brief auch ſo heimlich/ daß niemand erfuhr/ wo er her-
kaͤhme. Joſef ſelbſten konte nicht errahten/ wer ſo
treulich vor ihn ſorgete. Daruͤm dankte er Gott/ der die
hertzen lenkte ſich uͤber ihn zu erbarmen. Auch baht er
hertzinniglich ſolche ſo große wohltaht tauſendfaͤltig zu
vergaͤlten. Und alſo warden alle der Sefira anſchlaͤge
vereitelt. Alle ihre giftige raͤnke gingen den kraͤbs-
gang. Gott ſorgete vor Joſef. Der Hoͤchſte nahm ſich
ſeiner an.


Potifar hatte bisher mit der Anklage wider den
Joſef verzuͤgert. Und wiewohl Sefira tag und nacht
uͤm rache gerufen/ ſo bekahm ſie doch nur eine leere ver-
troͤſtung. Er taͤht gantz nichts zur ſache. Die worte der
Nitokris lagen ihm ſtaͤhts im ſinne. Und daraus
konte er unſchweer ſchlieſſen/ daß dieſe ſache/ wan er ſie
viel ruͤhrete/ ihm und ſeiner Gemahlin mehr ſchimpfes/
als ehre/ bringen wuͤrde. Gleichwohl muſte dem Jo-
ſef
die Uhrſache ſeiner gefaͤngnuͤs ſchriftlich eingehaͤn-
diget werden. Das erforderte der Egipter Geſetz. Es
war eine alte gewohnheit. Und daruͤm befahl er eine
ſolche Schrift aufzuſetzen. Aber der Sefira ploͤtzlicher
tod veruhrſachte/ daß ſie nicht eingehaͤndiget ward. Al-
ſo blieb die gantze ſache ſtekken.


Etliche wochen nach der Sefira ableiben ſtarb auch
der Ertzbiſchof von Heliopel. In deſſen ſtelle war Po-
tifar
ſchon erwehlet. Dieſe muſte ſtraks beſetzt ſein.
Dar-
[155]vierdes Buch.
Daruͤm brach er eilend auf/ und zog nach Heliopel.
Gern hette er den Joſef aus dem Gefaͤngnuͤſſe erloͤſet.
Gern hette er ihn wieder gehabt. Gern hette er ihn wie-
der in ſein amt geſetzt. Aber er durfte nicht. Er be-
fahrete/ es moͤchte ihm/ und ſeiner verſtorbenen Ge-
mahlin zur ſchande gereichen. Daruͤm ſchwieg er
itzund gantz ſtil. Er erwaͤhnte des Joſefs mit keinem
worte. Gleichwohl vergaß er ſeiner nicht. Seine tugen-
den ſpieleten ſtaͤhts in ſeinen ſinnen. Doch lies er ſich
deſſen nichts maͤrken. Er gedachte: mit der zeit wird
es ſich alles wohl ſchikken.


Straks hierauf verſuͤndigten ſich wider den Koͤnig
zween ſeiner Kaͤmmerer/ der Mundſchenke/ und der
Oberſte der Baͤkker. Jener hatte ſich im einſchenken
des weinbechers verſehen: und dieſer ſehr viel des Koͤ-
niglichen getreidichs veruntrauet. Der Koͤnig ward
uͤber ſie ſehr zornig/ ſonderlich uͤber den Oberſten der
Baͤkker. Gleichwohl muſten ſie beide fort. Es half
kein vorbitten. Beide warf man ins gefaͤngnuͤs/ da
Joſef gefangen lag. Doch weil ſie ſo vornehme Beam-
ten waren/ lies man ſie ehrlich bewuͤrten. Joſef ward
beſtellet ihnen aufzuwarten. Fleiſſig verſahe er dieſe
beſtallung. Mit allen dienſten ging er ihnen zur hand.
Sie hatten nunmehr etliche tage geſeſſen/ als ſie Jo-
ſef
auf einen morgen ſehr traurig fand. Zur ſtunde
fragte er: was ihnen fehlete? Der Mundſchenke gab
zur antwort: uns hat heunte etwas getreumet/ und
wir haben niemand/ der es uns ausleget. Das ausle-
gen/ fuhr Joſef fort/ gehoͤret Gott zu: doch laßet hoͤh-
ren/ was es iſt. Der Mundſchenke fing an: Ich
ſahe vor mir einen Weinſtok ſtehen. Der
hatte drei Reben. Er gruͤhnete tapfer. Erbluͤ-
hete/ und trug fruͤchte. Endlich warden ſeine
trauben reif. Und ich hatte des Koͤnigs Be-
cher in der hand. Darein druͤkte ich den

ſaft
[156]Der Aſſenat
ſaft der weinbeeren aus: und reichte ihn dem
Koͤnige zu. Der Koͤnig nahm ihn/ und trank.


Dieſes iſt ein guhter traum/ fing Joſef hierauf an.
Die drei Reben ſeind drei tage. Uber drei tage
wird der Koͤnig ſein heupt erhoͤhen. Er wird
ihn wieder anſein amtſtellen. Ihm wird er den
Becher wieder zureichen/ wie zuvor.
Aber er ge-
denke meiner/ wan es ihm wohl gehet; und tuhe barm-
hertzigkeit an mir. Er vergeſſe nicht den Koͤnig zu er-
innern/ daß er mich aus dieſer haft erloͤſe. Dan ich bin
aus dem lande der Ebreer heimlich geſtohlen. Darzu
habe ich alhier nichts ſtrafwuͤrdiges getahn: und gleich-
wohl hat man mich gefangen geſetzt.


Als der oberſte Baͤkkereiverwalter hoͤrete/ daß ſeines
Mitgefangenen Traum ſo eine guhte deutung bekahm;
ſo erzehlete er ſeinen traum gleichesfals. Ich treume-
te/
ſagte er/ daß ich auf meinem heupte drei
weiſſe Koͤrbe truͤge. Im oberſten Korbelag al-
lerhand Gebakkenes vor den Koͤnig. Aber die
vogel fraßen aus dem korbe auf meinem heupte.
Joſef
antwortete: ich wolte ihm auch gern was guh-
tes goͤnnen: aber dis iſt des Traumes bedeutung. Die
drei Koͤrbe ſeind drei tage. Nach drei tagen
wird der Koͤnig ihm ſein heupt erhoͤben: er wird
ihn an den galgen haͤnken. Und alsdan wer-
den die vogel auf ſeinem Kopfe ſitzen/ und
ſein fleiſch freſſen.


Am dritten tage darnach beging der Koͤnig ſei-
nen Jahrstag. Ein herliches gaſtmahl hatte er ange-
ſtellet. Darzu waren alle ſeine Beamten geladen.
Und da erhub er das heupt des Oberſten Mundſchen-
kens: als auch des Oberſten Verwalters der Baͤkkerei.
Den Oberſten Mundſchenken ſetzte er wieder in ſein
ſchenkamt. Aber den Oberſten der Baͤkker lies er/ als
einen des diebſt als uͤberwieſenen/ an den galgen knuͤp-
fen.
[157]vierdes Buch.
fen. Und alſo begegnete beiden/ wie Joſef ihre treu-
me gedeutet. Aber der oberſte Mundſchenke vergaß des
Joſefs/ und gedachte nicht mehr weder ſeines dien-
ſtes/ nach der auslegung ſeines traumes. So gehet
es gemeiniglich bei Hofe. Die hofluft hat dieſe ahrt/
daß ſie das gedaͤchtnuͤs der wohltahten in einem hut
verzehret/ oder doch zum wenigſten benebelt. Kaum
hatte ſie der Mundſchenke eingeſogen/ da fuͤhlete er ih-
re wuͤrkung ſchon; und lies alſo den unſchuldigen
Joſef in ſeiner gefangenſchaft noch zwei jahre verzap-
peln.


Aber die aufrichtige Nitokris war weit anders ge-
ſinnet. Sie war zwar bei hofe gebohren; und mitten
im hofweſen erzogen. Gleichwohl hatte die ſchaͤrfe der
hofluft die lauterkeit ihres redlichen hertzens keineswe-
ges verletzen oder benebeln koͤnnen. Der Aſſenat zu lie-
be hette ſie den Joſef gern erloͤſet. Sefira war zwar
todt. Joſefs einige verfolgerin war den weg aller welt
gegangen. Die ſtund ihr nicht mehr im wege. Bei dem
Koͤnige/ ihrem Herꝛn Vater/ vermochte ſie ſehr viel.
Es were nur uͤm ein wort zu tuhn geweſen. Doch
gleichwohl durfte ſie es nicht wagen. Der wohlſtand
wolte es nicht zulaßen. Sie befahrete ſich eines uͤbelen
nachklangs; wan ſie ſich des Joſefs ſo eifrig und ſo oͤf-
fendlich annehme: wan ſie demſelben/ den ihre Muhme
bezuͤchriget/ als wan er ihre ehre zu kraͤnken ſich unter-
wunden/ das Wort redete. Und eben daruͤm war ſie
heftig bekuͤmmert. Sie trug ein großes mitleiden mit
ihm. Ja es ſchmertzte ſie uͤber alle maßen/ daß eine ſo
unvergleichliche ſchoͤnheit im gefaͤngnuͤſſe veralten ſol-
te. Noch mehr betauerte ſie ſeine himliſche Tugenden/
daß ſie ihre ſtrahlen nicht vor der gantzen welt ſolten
leuchten laßen. Aber was wolte ſie tuhn? Sie muſte
einer fuͤglichern gelegenheit erwarten. Unterdeſſen kon-
te der Sefira beſchuldigung in vergeſſenheit gerahten.
Mit
[158]Der Aſſenat
Mit der zeit konten die Roſen wohl bluͤhen. Ja ſie
ſtunden auch endlich in voller bluͤhte/ und gaben der
Nitokris anlaß ſie zu pfluͤkken.


Nach zwei jahren beging der Koͤnig wieder ſein
Jahrsfeſt. Und dieſes ward viel herlicher gefeiert/ als
alle die vorigen iemahls. Die fuͤrnehmſten Fuͤrſten des
Reichs kahmen nach Memfis/ dem Koͤnige gluͤk zu
wuͤndſchen. Ja ſelbſt der Adel aus den fuͤrnehmſten laͤn-
dern legte dieſe ſchuldigkeit ab. In der ſtadt kribbelte
und wibbelte alles von menſchen. Die Koͤnigliche
Burg war erfuͤllet mit Fuͤrſten. Auch kahm das fuͤr-
nehmſte Frauenzimmer des gantzen Egiptens der Koͤ-
nigin aufzuwarten. Alles huͤpfte vor freuden. Wo
man hinſahe/ war lauter luſt. Ja es ſchien/ als wan
ſich alle luſt und alle freude aus der gantzen welt itzund
in Memfis zuſammengefunden. In allen gaſſen
klungen die trummeln. Faſt in allen Heuſern ſungen
die ſaͤnger. Schier aus allen fenſtern halleten die trom-
peten. Beinah aus allen tuͤhren ſchalleten die Krump-
hoͤrner. Ja die lieblichſchallenden Klingelſpiele erfuͤlle-
ten die gantze ſtadt. Die Jungfrauen tantzeten bei
dreien. Bei drei mahl dreien fuͤhreten ſie den reihen.
Die Juͤnglinge ſprungen. Die ſchalmeien klungen.
Das jauchzen/ das frohlokken/ das gluͤkrufen hatte kein
ende. So lange Memfis geſtanden/ war ein ſo froͤh-
licher Mei nicht erſchienen. So eine froͤhliche Roſen-
zeit hatte man nie geſehen.


Die Aernte war eben vor der tuͤhre. Der Koͤnig be-
kahm luſt die Felder zu beſehen. Alle Fuͤrſten ſetzten ſich
zu pferde/ ihn zu begleiten. Der Adel folgte hauffenwei-
ſe. Die Koͤnigin ſelbſt erſchien/ bei dieſer feldluſt/ auf
einem gantz guͤldenem wagen. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin
Nitokris hatte ſie allein bei ihr ſitzen. Das andere
Frauenzimmer folgete. Eine Fuͤrſtin war immer koͤſt-
licher/ als die andere: eine Jungfrau immer geſchmuͤk-
ter/
[159]vierdes Buch.

[figure]


[160]Der Aſſenat
ter als die andere: ein Wagen immer praͤchtiger/ als
der andere. Der ſchmuk/ die pracht/ die freude zogen/
mit dieſer luſt fahrt/ gleichſam aus der ſtadt. Aber nach
zwo ſtunden kehrete alles wieder zuruͤk. Der gantze
ſchwalk begleitete den Koͤnig bis in die Burg. Alda
ſtunden die tafeln ſchon gedekt: die ſpeiſen bereitet: die
Mahrſchaͤlke faͤrtig den gaͤſten des Koͤniges ihre ſtellen
anzuweiſen. Es war eben mittag/ als die ſpeiſen aufge-
tragen warden. Und von der zeit an blieb man ſitzen bis
gegen den abend. Da erhub ſich der Koͤnig. Da ſtunden
die Fuͤrſten auf. Da ward der gantze Adel rege. Noch
eine zeit lang ergetzte man ſich ſtehende. Man hoͤrete den
Kunſtſaͤngern und Meiſterſpielern zu. Teils ſpracheten
miteinander. Teils trunken miteinander. Endlich
ward ein ſtilſchweigen/ durch die Mahrſchaͤlke/ geboh-
ten. Und damit traht der Reichskantzler hervor. Die-
ſer taͤht eine kurtzbuͤndige rede. Er dankte/ im nahmen
des Koͤniges/ der gantzen Verſamlung/ daß ſie/ ſeine
luſt zu vermehren/ mit ihrer gegenwart dieſes Koͤnig-
liche Feſt zieren wollen. Er dankte ihnen allen/ daß ſie/
dem Koͤnige zu liebe/ auf ſein ausgeſchriebenes Ge-
buhrtsmahl erſcheinen wollen. Endlich dankte er auch
den Goͤttern/ daß ſie dieſen froͤhlichen tag den Koͤnig
geſund erleben laßen. Ja er baht ſie zugleich/ daß ſie
ihm denſelben/ bei eben ſolcher geſundheit/ noch lange
erleben lieſſen. Hierauf rief einieder: Lange lebe der
Koͤnig! Und mit dieſem zurufe ſchieden ſie alle vonein-
ander.


Alſo nahm dieſer erſte tag des Koͤniglichen Feſtes
ſein gewuͤndſchtes ende. Alſo war dieſer erſte freudentag
mit vollen freuden volzogen. Und alſo begab ſich der
Koͤnig wohlvergnuͤget und wohlbeluſtiget zur ruhe.
Auch ruhete er die gantze nacht durch/ nach eignem
wundſche. Er ſchlief gantz ſanfte bis an den liechten
morgen. Da bekahm er einen wunderlichen Traum:
dar-
[161]vierdes Buch.
daruͤber er wakker ward. Aber er ſchlief ſtraks wieder
ein: und treumete noch einen andern/ der viel wunder-
licher ſchien; wiewohl er dem erſten nicht ungleich war.


Dieſe zween Treume/ ſonderlich weil ſie ſo ſtraks und
in einer ſtunde auf einander gefolget/ machten dem Koͤ-
nige ſehr fremde gedanken. Er bekuͤmmerte ſich daruͤber
den gantzen morgen. Er war uͤberaus unruhig in ſei-
nem geiſte. Ja er konte nicht ruhen/ er hette dan zuvor
ihre deutung erfahren. Und daruͤm lies er von ſtun-
den an alle Wahrſager/ und alle Weiſen zuſammenru-
fen. Straks muſten ſie kommen. Flugs ſolten ſie
ſolche treume auslegen. Geſchwinde wolte der Koͤnig
die deutung wiſſen. Er erzehlete ſie zwar von ſtuͤkken zu
ſtuͤkken: und ſie ſonnen ihnen auch eifrig nach. Aber
Gott benahm ihnen alle ihre weisheit. Der HERR
entzog ihnen allen ihren verſtand. Sie trahten zwar
zuſammen. Sie trugen alle ihre weisheit zuſammen.
Sie brachten alle ihre Traumbuͤcher zuſammen. Sie
ſuchten/ ſie forſcheten/ ſie berahtfragten ſich unterein-
ander. Aber ſie konten nichts finden/ ſie konten nichts er-
forſchen/ ja ſie ſahen keinen raht dieſe treume zu deuten.


Es fielen auch unter ihnen allerhand ſtreitreden vor.
Der eine teil wolte behaupten/ daß es rechte bedeutende
treume weren: ſonderlich weil ſie der Koͤnig in der
fruͤhſtunde/ da die ſpeiſen im magen ſchon gantz ver-
tauet geweſen/ und derſelben duͤnſte keine ſchweermuͤh-
tige einbildungen mehr wuͤrken koͤnnen/ gehabt hette.
Gleichwohl konten ſie keinesweges errahten/ was ſie
bedeuteten. Die meiſten aber ſtunden in der meinung/
daß es keine bedeutende oder vorſpielende/ ſondern nur
nachſpielende treume weren. Der Koͤnig/ ſagten ſie/
hette ſich geſtern auf dem felde erluſtiget. Da hette er
das Vieh in den Niel und wieder heraus ſteigen geſe-
hen. Da hette er die Kornaͤhren auf ihren haͤlmern er-
blikket. Das beides were ihm die nacht darauf/ im
Lſchla-
[162]Der Aſſenat
ſchlafe/ wieder vorgekommen. Dergleichen bilder hette
ihm die einbildung vorgeſtellet. Dieſe hette mit dem-
ſelben/ was ſie den vorigen tag gefaſſet/ bloß allein ihr
ſpiel gehabt. Und daruͤm bedeuteten dieſe treume/ weil
die einbildung von den Goͤttern ſelbſten darzu nicht we-
re getrieben worden/ nichts ſonderliches.


Eben als dieſe letzten ihrer meinung eroͤrterung vor-
brachten/ war noch ein alter Kaldeer hinein gekommen.
Der befeſtigte ſolche meinung auch. Unter andern ſag-
te er: daß dieſe Treume/ als auch alle die andern/ die
aus den tagsgedanken herruͤhreten/ nicht anders weren/
als der nachklang der ſeiten/ wan man ſie aufhoͤhrete
zu ſchlagen; welcher vom ſchlage gleichſam zuruͤkpral-
lete/ und/ wan dieſer nachlieſſe/ noch eine zeitlang waͤh-
rete. Zudem/ fuhr er fort/ pflegen dergleichen Treume/
die bloß allein aus der uͤbermaͤßigſten der vier Feuchtig-
keiten des menſchlichen leibes entſtehen/ eben ſo wenig
zu bedeuten. Naͤhmlich wan die Fluͤſſigen von waſ-
ſern/ ſuͤmpfen/ ſchif bruͤchen/
vom ertruͤnken/
und auf halten im fliehen; die Bluhtreichen von
gaſtmahlen/ luſtigen wieſen/ vogeln/ vom fluͤ-
gen/
als auch vom ſing- und ſeitenſpiele; die Ver-
galten
vom feuer/ vom fechten/ ſtreiten/ und mor-
den;
die Schwartzvergalten von ſchwartzen und
traurigen dingen/ von graͤbern/ Mohren/ Teu-
feln/
und dem tode/ treumen. Weil nun im Koͤnige
die Galle/ und dan die Fluͤſſe am meiſten herſchen: ſo
iſt es nicht fremde/ daß ihm im traume gedeuchtet/ als
wan eine Kuh oder Ahre die andere verſchlungen; wie
auch als wan die Kuͤhe aus dem waſſer weren geſtiegen.


Der Koͤnig hoͤrete dieſes alles mit an. Er maͤrkte
auf alle ihre worte. Aber als er ſahe/ daß aus ihren ſo
unterſchiedlichen ſtreit-reden nicht die geringſte deu-
tung ſeiner treume folgete; da ward er ſehr ungedul-
tig. Auch maͤrkte er/ daß dieſelben/ welche ſie vor bedeu-
tende
[136[163]]vierdes Buch.
tende Treume hielten/ mit ihrer deutung nicht heraus
wolten. Dan weil der Koͤnig eine Kuh und eine Ahre
die andere verſchlingen geſehen/ ſo urteilten ſie/ daß es
nichts guhtes bedeutete. Sie ſtunden und zauderten/
und durften nichts ſagen. Zuvor hatten die Traum-
deuter/ in auslegung der Koͤniglichen treume/ gemei-
niglich geſchmeuchelt. Sie hatten den Koͤnigen nichts/
als kuͤnftige gluͤkſeeligkeit/ verkuͤndiget. Und hierdurch
hatten ſie getrachtet ihre gunſt und gnade zu gewinnen.
Aber alhier wolte das ſchmeucheln keine ſtat finden.
Dieſe Treume ſchienen ihnen alzuboͤſe. Sie befahre-
ten ſich/ wan ſie ſchmeuchelten/ daß der ungluͤkliche
ausfal ſie bald beſchaͤmen wuͤrde. Schmeuchelten ſie
aber nicht/ und ſagten die wahrheit frei heraus; ſo het-
ten ſie anders nichts/ als des Koͤniges ungnade zu ver-
muhten. Und daruͤm wolten ſie lieber ſchweigen/ als
eines von beiden zu tuhn ſich erkuͤhnen; weil ſie ſich/
ſamt ihrer kunſt/ durch jenes ſo wohl/ als dieſes/ in ge-
fahr ſtuͤrtzen konten. Dieſes war ſo feſt bei ihnen be-
ſchloſſen/ daß der Koͤnig weder mit guhten/ noch dreu-
worten/ nicht das geringſte erlangen konte. Und ob er
ſchon befahl/ ſie ſolten die runte wahrheit nur unge-
ſcheuet herausſagen/ es moͤchte guht/ oder boͤſe ſein; ſo
blieben ſie doch bei ihrem ſchluſſe.


Es war niemahls erhoͤret/ ſo lange ein Koͤnig in E-
gipten geherſchet/ daß ein Koͤniglicher Traum nicht
hette koͤnnen gedeutet werden. Egipten hatte die fuͤlle
ſolcher Leute/ welche ſo faͤrtig in der Traumdeuterei wa-
ren/ daß ihnen ſonſt kein traum zu ſchweer oder zu dun-
kel fiel. Gleichwohl fand ſich alhier nicht einer. Nicht
einer durfte das hertz nehmen/ dieſe zween treume
zu deuten. Und hieruͤber ward nicht allein der Koͤnig/
ſondern auch die gantze verſamlung der Reichsſtaͤnde
zum hoͤchſten beſtuͤrtzt. Dieſe waren auch entbohten/ ihr
guhtduͤnken zu ſagen. Es betraf des Reichs wohlfahrt.
L ijDem
[164]Der Aſſenat
Dem gantzen Egiptiſchen Staht war daran gelegen/
daß die Koͤniglichen Treume recht gruͤndlich ausgele-
get wuͤrden. Einer dachte dis/ der andere das. Einer
gab dieſen/ der andere jenen raht. Aber aus allen dieſen
rahtſchlaͤgen ward kein endſchlus. Niemand wuſte/
wie man in dieſer wuͤchtigen ſache verfahren ſolte. End-
lich ward den Wahrſagern und Traumdeutern ein
tag zur bedenkzeit gegeben. Ja der Koͤnig befahl ihnen
ausdruͤklich/ daß ſie vor ihm/ bei verluſt ihres lebens/
ohne die deutung ſeiner treume nicht erſcheinen ſolten.
Und hiermit wanderten ſie hin.


Nitokris lag eben im fenſter/ als die Egiptiſchen
Weiſen und Traumdeuter vom Koͤnige kahmen. Sie
ſahe/ wie heftig ſie untereinander ſtritten. Sie maͤrk-
te es aus ihren gebaͤhrden/ daß etwas ſonderliches muͤſte
vor handen ſein. Geſchwinde ſchikte ſie hin zu erfahren/
was es were. Sie bekahm beſcheid/ daß der Koͤnig in
der vergangenen nachnacht zween unterſchiedliche Treu-
me gehabt: daruͤber er ſehr entſtellet ſei. Er hette des-
wegen alle Kaldeer/ ſamt den Egiptiſchen Traum-
deutern/ entbohten. Aber keiner wuͤſte ſie auszulegen.
Niemand von allen hette einigen beſcheid gegeben.
Selbſt die Reichsſtaͤnde weren deswegen uͤberaus be-
ſtuͤrtzt. Der Koͤnig hette ſie verſamlet/ ihr rahtsbeden-
ken einzuziehen. Aber da ſei kein raht zu finden.


Nun ſahe Nitokris die zeit gebohren/ da ſie den
Joſef erloͤſen koͤnte. Nun ſahe ſie die endliche erfuͤllung
ihres und der Semeſſe traumes vor der tuͤhre. Nun
war es keine zeit mehr zu ſchlafen. Vor drei tagen
hatte ſie dem Joſef in geheim ein ſtuͤkke geldes/ mit ei-
nem koͤſtlichen ſeidenen zeuge zum kleide/ geſchikt. Dar-
bei hatte ſie ſchriftlich erinnert/ daß er ſolches kleid aufs
zierlichſte und zur ſtunde ſolte verfaͤrtigen laßen. In
zwee tagen wuͤrde der Koͤnig ſeinen Jahrstag feiren.
Da moͤchte gelegenheit vorfallen den Joſef zu erloͤſen.
Dar-
[165]vierdes Buch.
Daruͤm/ wan er entbohten wuͤrde/ ſolte er in dieſem
neuen kleide erſcheinen.


Alſo hatte Nitokris ſchon in vorraht ſorge getra-
gen gegen dieſe zeit. Und das kahm auch itzund ſehr
wohl zu ſtatten. Ihr vorſatz war/ den Koͤnig ſtraks zu
beſuchen. Straks wolte ſie ihn des Joſefs geſchiklig-
keit offenbahren. Aber es konte nicht ſein. Die Reichs-
ſtaͤnde waren bei ihrem Herꝛn Vater verſamlet. Er
hielt mit ihnen raht uͤber ſeine Treume. Daruͤm wol-
te es ihr/ als einem Frauenzimmer/ nicht gebuͤhren/
bei ſo einer großen verſamlung der Herren/ den Koͤnig
anzuſprechen. Ja es wolte ihr/ als einer Tochter/
nicht geziemen/ den Vater in ſeinen ſo wuͤchtigen ge-
ſchaͤften durch ihre gegenwart/ zu ſtoͤhren. Gleich-
wohl hette ſie dem Joſef gern geholfen. Die gelegen-
heit darzu war da. Sie hatte ſie in den haͤnden. Es
war nicht rahtſam lange zu zaudern. Sie befahrete ſich/
ſie moͤchte ihr entſchluͤpfen. Endlich entſchlos ſie ſich
bei dem Koͤnige ſchriftlich deswegen einzukommen.
Es muſte gewagt ſein. Eher konte ſie nicht ruhen. Und
in dieſer entſchlieſſung entwarf ſie folgendes


Schreiben
an den
Koͤnig/ ihren Herꝛn Vater.


HErtzhochgeliebter/ Hoͤchſtgeehrter Herꝛ Vater/

Ich bin ſein Kind. Ich bin ſeine Tochter.
Ein Kind iſt mehr/ als andere/ verpflich-
tet ſeinem Vater zu dienen. Eine Tochter iſt
vor allen verbunden/ dem/ der ihr das leben ge-
geben/ mit ihrem leben zu helfen. Doch hier wird
ſo viel nicht erheiſchet. Ein guhter raht kan es

L iijal-
[166]Der Aſſenat
alles ſchlichten. Ich habe verſtanden/ daß der
Herꝛ Vater betruͤbt ſei uͤber ſeine Treume. Dar-
uͤm mus Denſelben ich/ als ſeine Tochter/ troͤ-
ſten. Ich habe vernommen/ daß Erungedul-
tig ſei; weil keiner von allen Traumdeutern ſie
auszulegen weis. Daruͤm erfordert meine kin-
despflicht/ Ihn aus ſolcher ungeduld/ durch
einen guhten raht/ zu reiſſen. Der Herꝛ Vater
betruͤbe ſich nicht. Er bekuͤmmere ſich nicht. Er
laße nur allen unmuht fahren. Wan ſonſt nie-
mand raht weis ſeine treume zu deuten; ſo weis
ichs. Ich weis raht. Und daruͤm wird es mir
verhoffentlich nicht veruͤbelt werden/ daß den
Herꝛn Vater/ in ſeinen geſchaͤften/ mit dieſer
ſchrift zu ſtoͤhren/ ich mich erkuͤhne. Aber ich wil
ihn/ ohne weiteren uͤmſchweif/ entdekken. Der-
ſelbe edele Ebreer/ welcher vor zwoͤlf jahren dem
Herꝛn Vater von den Ismaelern verehret ward/
und eine zeit her Fuͤrſt
Potifars Hofmeiſter ge-
weſen/ weis aller treume verſtand aus dem grun-
de zu erklaͤhren. Ja er weis nicht allein dieſes.
Er weis auch aus dem geſtirne alles zu ſagen/
was kuͤnftig geſchehen ſol. Selbſt die Ausſpruͤ-
che der Goͤtter ſeind ihm unverborgen. Alle ihre
heimligkeiten ſeind ihm offenbahr. Ich rede
darvon aus eigener erfahrenheit. Itzund befin-
det er ſich/ wiewohl gantz unſchuldig/ unter den
Koͤniglichen gefangenen. Wan es dem Herꝛn
Vater beliebt/ kan er ihn alda abhohlen laßen.
Ich weis gewis/ Er wird mehr vergnuͤgung
von ihm bekommen/ als ich ſagen kan. Sein
fuͤrtreflicher Verſtand/ ja mehr als menſchliche
Weisheit wird ſich ſelbſten genug dartuhn. Und
dieſes iſt der raht/ den ich weis. Dis iſt der raht/
den Ihm/ Hertzhochgeliebter Herꝛ Vater/ aus

ge-
[167]vierdes Buch.
getreueſter Kindespflicht hat entdekken wol-
len


Deſſelben gehohrſamſte Tochter
Nitokris.


Dieſes Schreiben ſchikte ſie alſobald dem Koͤnige zu.
Aber eh es ankahm/ hatte dem rahte der Nitokris der
Oberſte Mundſchenke ſchon den weg gebahnet. Dieſer/
nachdem er des Koͤniges ſo wohl/ als der Reichsfuͤrſten
beſtuͤrtzung vernommen/ begehrte gehoͤhret zu werden.
Es ward ihm zugeſtanden. Er traht auf; und redete
den Koͤnig alſo an. Gnaͤdigſter Koͤnig/ ſagte er/
itzund gedenke ich an mein ehmahliges verbre-
chen. Itzund erinnere ich mich des zorns/ den
der Koͤnig dazumahl auf ſeine knechte gewor-
fen. Itzund faͤllet mir ein/ was mir und dem
oberſten Baͤkkereiverwalter damahls/ im ge-
faͤngnuͤſſe/ begegnet. Wir hatten in einer nacht
einieder einen ſonderlichen Traum. Des mor-
gens waren wir deswegen beide betruͤbt. Ein-
ieder verlangte deſſelben deutung zu wiſſen. A-
ber wir hatten keinen ausleger. Da kahm
Joſef/
ein edler Juͤngling aus dem Geſchlechte der E-
breer/ der des Gefaͤngnuͤsmeiſters diener war/
zu uns hinein. Dieſer legte uns unſere treume
von ſtunden an aus. Und wie er ſie deutete/ ſo
iſt es ergangen. Ich kahm wieder an mein
Schenkamt: und jener an den Galgen.


Alſo war der Koͤniglichen Fuͤrſtin der Koͤnigli-
che Mundſchenke zuvorkommen. Und als der Koͤ-
nig ſahe/ daß das Schreiben ſeiner Freulein Toch-
ter des Mundſchenkens worte bekraͤftigte; da vergaß
er alles ſeines kummers. Alle ſeine traurigkeit ver-
lohr ſich. Er hatte ihm zuerſt vorgenommen dieſen
gantzen tag zu faſten. Aber nun ward er anders ſin-
L iiijnes;
[168]Der Aſſenat
nes; gleichſam als wan er ſchon vorher wuͤſte/ daß
ihm Joſef was guhtes anzeigen wuͤrde. Nun be-
fahl er die tafeln zu dekken; und allen ſeinen gaͤſten an-
zuſagen/ daß ſie ſich eilend zu des Koͤniges gaſtmahle
wieder einſtelleten. Auch hatte er dem Oberſten Mund-
ſchenken ſtraks befohlen/ daß er ſelbſten geſchwinde hin-
gehen ſolte/ den Joſef zu hohlen. Dieſem befehle ge-
horchte der Oberſte Mundſchenke zur ſtunde. Doch
ſchikte er ſeinen diener zuvor hin den Joſef anzudeu-
ten/ daß er ſich gefaſt machte/ wan er abgehohlet wuͤrde/
ſtraks vor dem Koͤnige zu erſcheinen.


Niemand war froher/ als Joſef/ da er dieſe froͤh-
liche zeitung bekahm. Seine freude war nicht auszu-
ſprechen. Keine feder konte ſie beſchreiben. Er machte
ſich flugs faͤrtig. Er wuſch ſich. Er reinigte ſich. Er
badete ſich. Auch lies er das erſte mahl ſeinen bahrt bu-
tzen. Und ſolches taͤht er alles nach der Egipter gewohn-
heit/ wan ſie vor ihren Koͤnigen erſcheinen ſollen. End-
lich zog er ſein neues kleid an: darzu er den ſeidenen
zeug/ nicht wuſte er von wem/ geſchikt bekommen. Alſo
ſtund nun Joſef bereit; und wartete mit ſchmertzli-
chem verlangen auf ſeine erloͤſung.


Indeſſen kahm der oberſte Mundſchenke ſelbſt an/
ihn abzuhohlen. Er ſaß auf einer koͤſtlichen Kutſche/
mit vielen dienern begleitet. Joſef muſte ſich neben
ihn ſetzen. Und alſo fuhren ſie beide nach der Koͤnigli-
chen Burg zu. So bald ſie alda angelanget/ ward Jo-
ſef
ſtraks in den Koͤniglichen ſaal gefuͤhret. Der Koͤnig
ſtund eben mitten unter den Reichsfuͤrſten/ als er hin-
eintraht. Dieſe verwunderten ſich alle/ ja der Koͤnig
ſelbſten uͤber ſeine herliche ſchoͤnheit. Sie verwunder-
ten ſich uͤber ſein anſaͤhnliches weſen. Alle ſahen ſeine
edele geſtalt gleich als beſtuͤrtzt an: ſonderlich als er ſich/
mit ſo hoͤflichen und wohlanſtaͤndigen gebaͤhrden/ zu
neugen wuſte. Der Reichskantzler aber winkte ihm/
was
[169]vierdes Buch.
was naͤher herbei zu traͤhten. Joſef gehorchte: und
jener ſprach ihn alſo an. Lieber Juͤngling/ ſagte er/
wir haben erfahren/ daß dir die Goͤtter verſtand
und weisheit gegeben die Treume zu deuten.
Weil ich nun auch zween Treume gehabt/ derer
bedeutung mir niemand ſagen kan; ſo haben
wir dich hohlen laßen/ ſolche von dir/ in des Koͤ-
niges gegenwart/ zu vernehmen. Wirſtu recht
zutreffen/ ſolſtu nicht allein deine freiheit/ ſon-
dern auch ſonſten eine ſonderliche Koͤnigliche
gnade darvontragen. Joſef
neugte ſich zur erde
nieder/ und antwortete: Das ſtehet in meiner macht
nicht. Gleichwohl kan mein Herꝛ/ was er getreumet/
erzehlen: und Gott wird ihm guhtes ankuͤndigen.


Hierauf erzehlete der Reichskantzler den erſten
Traum. Mir treumete/ ſagte er/ als wan ich an
einem Waſſer ſtuͤnde. Und aus dieſem waſſer
ſahe ich ſieben ſchoͤne und wohlleibichte Kuͤhe
an das land ſteigen. Dieſe blieben alda in der
weide des graſes gehen. Darnach ſahe ich noch
andere ſieben Kuͤhe/ welche gantz haͤslich und
mager/ aus eben demſelben waſſer aufſteigen.
Dieſe trahten neben jene/ an das ufer des waſ-
ſers; und fraßen ſie auf: doch blieben ſie mager
und duͤrre/ wie vorhin.
Hieruͤber entſetzte ich mich
dermaßen/ daß ich erwachte. Aber ich ſchlief ſtraks wie-
der ein: und da ſties mir noch einander traum auf.
Ich ſahe ſieben dikke und volle Kornahren auf
einem halme wachſen: darnach noch andere ſie-
ben duͤnne und verſaͤngte neben jenen aufgehen.
Und dieſe ſieben magere Ahren verſchlungen die
erſten ſieben.
Das ſeind meine beiden treume/ derer
auslegung ich zu wiſſen verlange.


So bald der Reichskantzler ausgeredet/ fing Joſef
an. Mein Herꝛ/ ſagte er/ iſt mir erleubet die wahrheit
L vzu
[170]Der Aſſenat
zu ſagen? und wil er es nicht uͤbel vermaͤrken? Der
Reichskantzler gab ihm erleubnuͤs: und Joſef fuhr
fort. So ſage ich dan/ ſprach er/ daß dieſe Treume ſei-
ne eigene Treume nicht ſeind. Alle uͤmſtaͤnde zeigen es
an/ daß ſie ein Koͤnig in Egipten getreumet. Dan
Gott verkuͤndiget hierdurch einem Egiptiſchen Koͤnige/
was unter ſeiner herꝛſchaft geſchehen ſol. Und ſoches
tuht er daruͤm/ damit er wiſſe/ was er kuͤnftig ruhn
und laßen ſol/ ſein Reich/ ſamt den untertahnen/
gluͤklich zu beherſchen/ und im erbaulichen wohlſtande
zu erhalten.


Woher weiſtu das/ fing der Reichskantzler wieder
an/ daß dieſe Treume Koͤnigliche Treume ſeind? Aus
den uͤmſtaͤnden/ antwortete Joſef; wie ich ſchon ge-
ſagt. Und die uͤmſtaͤnde ſeind dieſe. Durch das Waſ-
ſer/
darbei der Treumende geſtanden/ verſtehe ich den
Niel: der die Wohlfahrt und herꝛligkeit des gantzen
Egiptens bedeutet; weil es von ihm allein ſeine
fruchtbarkeit zu gewarten. Daß aber der Treumende
bei dem Niele geſtanden: dadurch verſtehe ich ſein ge-
biet uͤber den Niel/ und zugleich uͤber das gantze Egip-
ten.
Wem nun ein ſolcher Traum getreumet/ der
mus nohtwendig ein Egiptiſcher Koͤnig entweder ſchon
ſein/ oder doch bald werden. Hiermit gab der Koͤnig
dem Reichskantzler einen wink/ daß er mit dem Joſef
in das naͤchſte beizimmer abtraͤhten ſolte: welches auch
alsbald geſchahe. Und der Koͤnig ſelbſt folgete/ mit
dem Reichs-ſchatzmeiſter/ ihnen ſtraks nach.


Sobald dieſe beide zu jenen hinein getraͤhten/ fing
der Koͤnig zum Joſef an. Du haſt recht geurteilet/
daß die erzehlten Treume ein Koͤnig in Egipten getreu-
met. Ich bin es ſelbſt/ dem ſie begegnet. Daruͤm eroͤf-
ne mir ihre bedeutung. Joſef neugte ſich gegen den
Koͤnig zur erde nieder. Großmaͤchtigſter Koͤnig/ ſag-
te er/ beide Treume bedeuten einerlei. Die ſieben
ſchoͤ-
[171]vierdes Buch.

[figure]


[172]Der Aſſenat
ſchoͤne und fette Kuͤhe oder Ochſen/ ſeind ſieben
fruchtbahre oder wohlfeile jahre. Die ſieben guh-
te und volle Ahren gleichesfals. Aber die ſieben
magere und haͤsliche Ochſen oder Kuͤhe ſeind ſie-
ben unfruchtbahre und teure jahre. Die ſieben
leere und duͤrre Ahren ebenmaͤßig.
Hierdurch wird
dem Koͤnige angezeiget/ daß im gantzen Egipten ſie-
ben reiche Jahre
kommen; und ſtraks auf dieſe/ ſie-
ben magere Hungersjahre
folgen werden/ in wel-
chen man aller fuͤlle der vorigen ſieben fetten jahre vergeſ-
ſen/ und die teurung das land verzehren wird. Alsdan
wird aller vorraht/ den man in den ſieben fruchtbah-
ren jahren geſamlet/ aufgehen; und es wird dannoch
teuer ſein und bleiben. Und dieſes bedeuten die ſieben
magere Ochſen/ und die ſieben duͤrre Ahren;
welche die ſieben fette Ochſen/ und Ahren ver-
ſchlungen/ und gleichwohlſo mager geblieben/
daß man es nicht gemaͤrket/ daß ſie die fetten
gefreſſen.
Daß aber der Koͤnig dieſe zween einerlei
treume ſtraks aufeinander gehabt hat/ daſſelbe bedeu-
tet/ daß es Gott gar gewis und eilend tuhn werde.


Hierauf fragte der Koͤnig: Waruͤm haben dan die
fetten/ und mageren Ochſen eben aus dem Niele ſtei-
gen muͤſſen? Daruͤm/ gab Joſef zur antwort: weil der
Niel dem Egiptiſchen lande ſeine fruchtbarkeit und
fettigkeit/ wan er ſich hoch genug ergeuſt; oder aber
ſeine unfruchtbarkeit und magerheit/ wan er nicht
hoch genug/ oder alzuuͤbermaͤßig hoch aufleuft/ veruhr-
ſachet. Der Koͤnig fragte ferner: wie ſol man ihm
aber tuhn/ daß die Teurung in den ſieben unfruchtba-
ren jahren nicht alzuſehr uͤberhand nehme/ und meine
untertahnen vor hunger nicht gantz verſchmachten?
Hierzu weis ich keinen beſſeren raht/ antwortete Jo-
ſef/
als daß der Koͤnig ſich nach einem weiſen und ver-
ſtaͤndigem Manne uͤmtuhe/ und ihn uͤber das gantze E-
gip-
[173]vierdes Buch.
gipten ſetze. Dieſer koͤnte dan auch Amtleute verordnen
in allen laͤndern; und/ durch dieſelben/ den fuͤnften teil
aller fruͤchte in den reichen jahren einſamlen/ und gegen
die kuͤnftigen hungersjahre bewahren laßen. Und zu
dem ende muͤſten Koͤnigliche Kornheuſer gebauet wer-
den: da man das Getreidich/ zum vorrahte der laͤnder
und ſtaͤdte/ aufſchuͤtten; und in der folgenden teuren
zeit den nohtleidenden/ zu ihrem aufenthalt/ und nutze
des Koͤniges/ verkauffen koͤnne. Auf dieſe weiſe wuͤrde
nicht allein die wohlfahrt der untertahnen/ in ſo gar
boͤſer zeit/ erhalten; ſondern auch die Koͤnigliche macht
und herligkeit ſelbſten uͤm ein maͤrkliches vermehret/
und zu hoͤherer gluͤkſeeligkeit erhoben werden.


Dieſe rede gefiel dem Koͤnige uͤberaus wohl. Auch
konten ſie ſeine Beamten nicht genug preiſen. Joſef
muſte noch ein wenig im Beizimmer verziehen; und der
Koͤnig begab ſich/ mit dem Reichskantzler und Reichs-
ſchatzmeiſter/ wieder in den ſaal. Sein froͤhliches we-
ſen zeigte genug an/ daß ihn Joſefs erklaͤhrung uͤber
ſeine treume ſatſam vergnuͤget. Er erzehlete allen an-
weſenden Fuͤrſten die klugen reden des Joſefs. Er ruͤh-
mete ſeinen fuͤrtreflichen verſtand. Er lobete ſeine un-
vergleichliche geſchikligkeit in ſtahtsſachen. Er erhub
ſeine große fuͤrſichtigkeit/ ſeine weit ausſehenden an-
ſchlaͤge. Alles/ alles/ was er redete/ war anders nichts/
als den Joſef zu preiſen. Ja/ ſagte er endlich/ wie koͤn-
ten wir einen ſolchen Man finden/ in dem der Geiſt
Gottes iſt? Wem koͤnten wir ſolches hohe werk/ darzu
mir Joſef gerahten/ auszufuͤhren beſſer anvertrauen/
als dem Joſef ſelbſten? Wohlan dan! laßet ihn ſtraks
herkommen.


Mitlerweile war Fuͤrſt Potifar/ der neue Heliopli-
ſche Ertzbiſchof/ auch angelanget; und hatte alle reden
des Koͤniges mit angehoͤret. Er war verwundert uͤber
das ploͤtzliche gluͤk des Joſefs: der nunmehr aus einem
Leib-
[174]Der Aſſenat
Leibeignen ein Freigelaßener/ aus einem Gefangenen
ein Liebling des Koͤniges worden. Ja er ward noch
mehr verwundert/ als er den Joſef ſelbſten herein traͤh-
ten ſahe: als er ſahe/ daß er mitten unter die Reichs-
fuͤrſten geſtellet ward: als er hoͤrete/ daß ihn der Koͤnig
alſo anredete. Lieber Joſef/ ſo ſprach ihn der Koͤnig
an/ wir haben deinen verſtand geſehen. Wir ha-
ben deine weisheit vernommen. Deine faͤhigkeit
in der Stahtskunde iſt uns nunmehr nicht un-
bekant. Und weil dir Gott alles/ was wir aus
deinem munde gehoͤret/ hat kund getahn/ hal-
ten wir niemand ſo verſtaͤndig und weiſe/ als
dich. Du wirſt die ſtelle deſſelben/ den du uns zu
ſuchen gerahten/ am beſten vertraͤhten koͤnnen.
Und daruͤm ſetze ich dich itzund uͤber mein Haus.
Ja ich ſetze dich uͤber das gantze Egipten. Alles
uͤbergebe ich deiner macht. Nur des Koͤnigli-
chen Stuhles und Nahmens wil ich hoͤher ſein.
Deinem worte ſollen alle meine Voͤlker gehor-
chen. Hier ſtehen die Fuͤrſten des Reichs dein
gebot zu vernehmen. Siehe! ich bin
Farao: oh-
ne deinen willen ſol niemand im gantzen Reiche
ſeine hand/ oder ſeinen fuß regen.


Joſef neugte ſich hierauf gantz demuͤhtig zur erde
nieder. Er bedankte ſich untertaͤhnigſt vor die hohe
Koͤnigliche gnade. Er bedankte ſich vor die aufgetrage-
ne hohe wuͤrde. Er erkante das guhte vertrauen/ daß
der Koͤnig zu ſeiner wenigkeit gnaͤdigſt geſchoͤpfet. Er
verſicherte ihn ſeines gehohrſams/ und ſeines getreuen
fleiſſes/ ſo wohl in des Koͤniges/ als Reichsgeſchaͤften.
Ja/ ſagte er/ ich verhoffe/ durch meine treue/ allen ein
gnuͤgen zu tuhn. Und hiermit wuͤndſchten ihm alle
Reichsfuͤrſten gluͤk. Jederman war erfreuet. Poti-
far
ſelbſten/ der bisher ſtil geſchwiegen/ bezeugete nun-
mehr auch eine gantz uͤbermaͤßige freude. Er war froh/
daß
[175]vierdes Buch.
daß er die ehre hatte/ denſelben/ der ſein Hofemeiſter ge-
weſen/ in einen ſo hohen ehrenſtand erhoben zu ſehen.
Ja niemand ſchien ſo vergnuͤget/ als er. Niemand eu-
ſerte ſeine freude mehr/ als er. Mitten in ſolcher alge-
meinen freude begunte man/ auf befehl des Koͤnigs/ die
ſuͤßen ſeitenſpiele zu ruͤhren. Darnach blies man auch
die trompeten. Die trummeln warden geſchlagen. Und
dieſer freudentohn erhub ſich ſo hoch/ daß die gantze
Burg widertoͤhnete. Ja das jauchzen/ das frohlokken/
das freudengeſchrei/ daß ſich mit dieſem tohne vermi-
ſchete/ machte ihn ſo groß/ daß ihm die Burg viel zu aͤn-
ge ward. Er barſt in die ſtadt aus/ und drang durch
alle ihre gaſſen hin.


Indeſſen hatte man das gaſtmahl wieder bereitet.
Der Koͤnig lies ſich am oberſten ende/ unter einem him-
mel/ nieder: und Joſef muſte/ weil der Koͤnigliche
Fuͤrſt/ aus unbaͤsligkeit/ nicht zugegen war/ auf ſeinen
befehl/ allein neben ihm ſitzen. Hierauf verfuͤgten ſich
auch alle Reichsfuͤrſten/ und der gantze Adel an ihre
ſtellen. Ein wenig darnach kahm die Koͤnigin/ mit ei-
ner großen maͤnge Frauenzimmers/ in den ſaal getraͤh-
ten. Da erhuben ſich die Fuͤrſten; und blieben ſo lan-
ge ſtehen/ bis das Frauenzimmer ſeine ſtellen genom-
men. Der Herren tafeln ſtunden auf der rechten ſeite
des ſaals: und des Frauenzimmers auf der linken.
Zuoberſt ſaß die Koͤnigin/ und ein wenig von ihr ab die
Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris/ unter einem himmel.
Und alſo ſaß Nitokris an der Koͤnigin tafel in eben
der ſtelle/ darinnen Joſef bei dem Koͤnige ſich nieder-
gelaßen. Der Ertzbiſchof Potifar war unter allen Fuͤr-
ſten/ der dem Koͤnige am naͤchſten ſaß. Eben alſo war
auch ſeine Gemahlin Toote/ der Aſſenat Frau Mut-
ter/ der Koͤnigin/ unter allen Fuͤrſtinnen/ die naͤchſte.


Niemand unter dem gantzen Frauenzimmer wuſte
von Joſefs Erhoͤhung. Daruͤm waren ſie alle ver-
wun-
[176]Der Aſſenat
wundert/ als ſie dieſen neuen Gaſt neben dem Koͤnige
ſitzen ſahen. Selbſt die Koͤnigin konte nicht begreiffen/
was es bedeutete. Etliche urteileten/ er muͤſte aus Koͤ-
niglichem bluhte entſproſſen ſein. Andere gedachten
was anders. Der Nitokris allein kahm es nicht frem-
de vor. Sie wuſte/ was ſie getreumet. Sie wuſte/ was
die Fuͤrſtin Aſſenat/ und was Semeſſe vor treume
gehabt. Sie wuſte Joſefs eigene erklaͤhrung des Goͤt-
terſpruches wegen der Aſſenat erziehung. Ja ihr war
noch nicht entfallen/ was ſie vor etlichen jahren einen
Ebreer von Joſefs eigenen treumen erzehlen gehoͤhret.
Und daruͤm urteilete ſie ſtraks/ daß das jenige/ was
die Goͤtter uͤber den Joſef beſchloſſen/ itzund erfuͤllet
zu werden anfinge. Ja ſie begunte ihm/ in ihrem her-
tzen/ ſchon gluͤk zu wuͤndſchen. Sie dankte den Goͤt-
tern/ daß ſie den tag erlebet den anfang ſeiner herꝛlig-


Grundſtimme.


[figure]

SChoͤnes Reich der Schaͤllenbuͤgel/

Laß die zunge lieblich ſingen;

ſchwinge deine beiden fluͤgel

laß die ſuͤßen ſchaͤllen klingen:

uͤm den Niel was weiter aus.

weil ſich freuet Farons Haus.

Dem
[177]vierdes Buch.

keit zu ſehen. Auch wuͤndſchte ſie wohl tauſendmahl die
Aſſenat zugegen; dainit ſie das verſtoßene Haͤrm-
lein
nunmehr wahrhaftig in einen Koͤniglichen Leu-
en
veraͤndert ſehen moͤchte.


Mitten in dieſen wunderſeltzamen gedanken kahmen
zwee Koͤnigliche Heerolden in den ſaal. Dieſe teileten ſo
wohl an des Frauenzimmers/ als an der Herren tafeln/
einen Freudengeſang aus. Dadurch eroͤfnete der
Koͤnigliche Dichtmeiſter dem Frauenzimmer erſt die
augen. Nun ſahen ſie auf Joſefs heupte die Egipti-
ſche Krohne. Nun erblikten ſie den Egiptiſchen Reichs-
ſtab in ſeiner hand. Ja was ihnen bisher unſichtbar
geweſen/ das ward itzund ihren augen entdekket. Was
ſie bisher nicht verſtanden/ deſſen verſtand kahm ihnen
itzund in die haͤnde. Die Koͤnigin ſelbſt laſe dieſes
Freudenlied mit lauter ſtimme.


Oberſtimme.


[figure]

SChoͤnes Reich der Schaͤllenbuͤgel/

Laß die zunge lieblich ſingen;

ſchwinge deine beiden fluͤgel

laß die ſuͤßen ſchaͤllen klingen:

uͤm den Niel was weiter aus.

weil ſich freuet Farons Haus.

MDem
[178]Der Aſſenat
Dem neuerkohrnen
Egiptiſchem Schaltkoͤnige
Joſef
Gluͤkzu!

SChoͤnes Reich der Schaͤllenbuͤgel/

ſchwinge deine beiden fluͤgel

uͤm den Niel was weiter aus.

Laß die zunge lieblich ſingen;

laß die ſuͤßen ſchaͤllen klingen:

weil ſich freuet Farons Haus.

Unlaͤngſt dreute dir der Himmel/

durch ein ſchroͤklichs zorngetuͤmmel:

aber itzund hat er dir

einen Heiland auserkohren/

der zu deinem troſt gebohren.

Kom/ und ſchaue ſeine zier.

Kom/ und ſchaue/ wie er ſitzet/

wie Er/ als die Sonne/ blitzet

unter deiner Fuͤrſten ſchaar.

Kom/ und gruͤße dieſe Sonne/

deiner Laͤnder luſt und wonne.

Wuͤndſch’ Ihm tauſend guhter jahr.

Wuͤndſch’ Ihm tauſend freudenblikke:

wuͤndſch’ Ihm tauſendfaches gluͤkke.

Errif/ auf! was zauderſtu?

Auf!
[179]vierdes Buch.
Auf! dein mangel iſt erſetzet.

Kuͤſſe Den/ der dich ergetzet.

Ruf’/ ei! rufe laut/ gluͤkzu!

Joſef! rufe/ Joſef lebe!

Ja der treue Himmel gebe/

daß er lebe/ dir zum heil:

Er/ der deines heils Erhalter/

Er/ der deines gluͤks Verwalter/

Er/ dein beſtes freudenteil.

Mach’ Ihm dan auch wieder freude.

Schikk’ Ihm zu/ in weiſſer ſeide/

eine ſchoͤne Heilandin:

daß dein Heiland ſich ergetze/

ſeinen mund mit ihrem netze/

und erfriſche ſeinen ſin.

Zwiſchen deſſen werd’ ich dichten/

Ihm ein Brautlied zuzurichten.

Das ſol/ in dein Klingelſpiel/

meine frohe zunge ſingen.

Laß es nur baldbald gelingen.

Baldbald! was verziehſtu viel?

Hierauf trahten auch die Meiſterſaͤnger herfuͤr. Die-
ſe ſungen/ auf befehl des Koͤniges/ das gantze Lied/ mit
heller ſtimme. Ja ſie muſten es darnach noch einmahl
wiederhohlen; und die Klingel- und ſeiten-ſpiele dar-
unter gehen. Dieſer liebliche tohn machte die zuhoͤhrer
dermaßen verzuͤkt/ daß ſie des eſſens und trinkens ver-
gaßen. Ja das gantze Frauenzimmer war als erſtarret.
M ijAlle
[180]Der Aſſenat
Alle Fuͤrſtinnen/ alle Freulein und Jungfrauen ſas-
ſen unbeweglich. Sie ſaßen/ als die Bilder; daran
ſich nichts mehr/ als die augen/ durch ein inwendiges
kunſtwerk/ beweget. Allein ihre augen bewegten ſich.
Dieſe ſpieleten/ dieſe rolleten in ihren hoͤhlen heruͤm/
als ein geſchwindes uhrwerk. Sie funkelten/ ſie feuer-
ten: ſie warfen ihre ſtrahlen ohn unterlaß auf den
ſchoͤnen Joſef. Dem ſchikten ſie tauſend liebliche blikke
zu: ja tauſend wuͤndſche zugleich. Ein iedes Freulein
wuͤndſchte wohl tauſendmahl dieſelbe Heilandin zu
ſein/ die in Joſefs armen ruhen ſolte. Es war kein
wunder. Joſef war ohne das ſchoͤhn: und ſeine
ſchoͤnheit uͤbertraf alle Menſchenkinder. Aber nuhn
ſchien er tauſendmahl ſchoͤner; weil er/ als ein Egipti-
ſcher Nebenkoͤnig/ in der ſchoͤnſten herligkeit ſaß. Sie ſa-
hen ihn nun nicht mehr an/ als einen Fremden/ als ei-
nen gaſt in Egipten: ſondern als einen eingebohrnen
Fuͤrſten. Ja als einen Beherſcher des gantzen Egip-
tens ſahen ſie ihn an. Ich wil mehr ſagen: alle Freu-
lein/ alle Jungfrauen/ auch die Frauen ſelbſten ſahen
ihn an als einen/ der uͤber alle ihre hertzen herſchete.
Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie zu huldigen ſchuldig.
Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre frohndienſte zu lei-
ſten verpflichtet. Ihm/ gedachten ſie/ weren ſie ihre
ſchatzung der liebe zu geben verbunden. Und alſo konten
ſie ihre verliebte augen an der majeſtaͤtiſchen ſchoͤnheit
des Joſefs nicht genug ſaͤttigen. Were die Fuͤrſtin
Aſſenat gegenwaͤrtig geweſen; ich gleube gewis/ es
wuͤrde ohne ſchaͤhlſichtigkeit nicht abgelauffen ſein. Het-
te ſie dieſe ſpielenden blikke/ die alle auf Joſefs herliche
ſchoͤnheit zuſpieleten/ erblikket; ſie wuͤrde ihnen gewis
mit liebseifrenden blikken begegnet haben.


Aber Joſef lies ſich nichts anfechten. Er ſtellete
ſich/ als wuͤrde er deſſen nicht gewahr. Er ſahe ſich kaum
einmahl uͤm. Kaum lies er ſein auge auf etwas an-
ders
[181]vierdes Buch.
ders fliegen/ als auf den Koͤnig/ und die Reichsfuͤr-
ſten/ die in der naͤhe ſaßen. Kaum fuͤhrete er andere
reden/ als von ſtahtsſachen. Und dieſe alle waren
ernſthaftig; doch darbei auch uͤberaus freundlich und
holdſeelig. Eben alſo waren auch ſeine gebaͤhrden. Er
ſprach nicht ein wort/ das nicht zuvor als auf der gold-
wage abgewogen zu ſein ſchien. Und alſo waren alle
ſeine worte anders nicht/ als kletten/ die in der zuhoͤ-
renden hertzen haͤngen blieben. Zu zeiten/ wan er ſie ei-
ne weile/ mit einem ernſthaften fuͤrſtlichem weſen/ aus-
geſprochen/ laͤchelte er ein wenig darzu. Doch dieſes
taͤht er niemahls zur unzeit: auch nie zu viel. Der Koͤ-
nig/ der ein klugſinniger Fuͤrſt war/ maͤrkte auf alles
genau. Er konte nichts finden/ das den geringſten ta-
del verdienete. Jofef wuſte ſein gantzes weſen/ alle
ſeine gebaͤhrden/ und alle ſeine worte ſo ahrtig zu maͤßi-
gen/ daß ihm iederman mit verwunderung zuſahe/ mit
beſtuͤrtzung zuhoͤrete.


In dergleichen faͤllen pflegt ſich ſonſt der Neid gemei-
niglich mit einzumiſchen. Aber alhier ſchien dieſes la-
ſter gleich als gantz verbannet. Es war ein großes wun-
der. Wunder war es gewis/ daß den Joſef nicht einer
beneidete. Den Joſef/ ſage ich; der als eine Sonne
der Tugenden/ als ein Licht der Schoͤnheiten herfuͤr-
leuchtete: deſſen Verſtandes ſtrahlen den nebel der un-
wiſſenheit zertrieben: dem die Ehre hoͤfelte/ die Herꝛlig-
keit liebelte. Man pfleget ſonſten zu ſagen: wo Tugend
wohnet/ wo Verſtand hauſet/ wo Schoͤnheit ſich findet/
wo Ehre ſich hin verfuͤget; da blaͤſet und ſpeiet der Neid
ſein gift aus. Aber alhier allein war dieſe ſage falſch.
Hier war gantz kein Neid zu finden. Dis untier hatte
ſich in dieſem klahren Spiegel der Tugend/ der Weis-
heit und Schoͤnheit/ gleich als ein Baſiliske/ wie es
ſchien/ albereit zu Hebron blind geſpiegelt/ ja gar zu
tode geblaſen. Jederman ſahe den Joſef mit guͤnſti-
M iijgen
[182]Der Aſſenat
gen augen an. Der Misgunſt Unke war/ aus allen
hertzen/ in ſeinen miſtpfuhl verwieſen. Joſef ward
von iederman gelobet/ geliebet/ beguͤnſtiget. Niemand
hatte nur die gedanken ihn zu tadeln/ zu haſſen/ oder
unguͤnſtig anzublikken.


In ſolcher vergnuͤgung auf allen ſeiten ward dieſe
herliche mahlzeit volbracht. Der Koͤnig/ ſamt allen
Fuͤrſten/ und dem gantzen Adel/ erhub ſich zuerſt. Dar-
nach folgete die Koͤnigin/ mit allen Fuͤrſtinnen/ und
dem gantzen Frauenzimmer. Die Herren hielten dem
Koͤnige/ auf dem Tafelſaale/ noch eine zeit lang geſel-
ſchaft. Aber die Koͤnigin nahm/ mit dem Frauenzim-
mer/ ihren abtrit. Weil ſie nun alda/ wo bei dem Koͤ-
nige Joſef ſtund/ vorbei muſten; ſo rieffen ſie dem
neuerkohrnen Schaltkoͤnige/ im voruͤbergehen/ alle nach
der reihe gluͤk zu! Joſef bedankte ſich gegen eine iede
mit der allertiefſten ehrerbietigkeit. Nicht lange dar-
nach ſchieden die Herren auch voneinander.


Vor den Joſef hatte man auf der Burg zwei koͤſt-
liche Zimmer zubereitet. Dahin fuͤhrete ihn der Koͤnig
ſelbſten. Und als ſie alda ein wenig ſprache gehalten/
gingen ſie beide zur Koͤnigin. Leiſe befahl der Koͤnig die
tuͤhre zu eroͤfnen. Leiſe trahten ſie hinein. Unverſehens
uͤberraſcheten ſie das Frauenzimmer. Niemand ward
ihrer gewahr/ als da der Koͤnig redete. Die Koͤnigliche
Fuͤrſtin Nitokris war die erſte/ die den Joſef erblikte.
Straks gab ſie der Frau Mutter einen wink/ daß der
neue Schaltkoͤnig vorhanden. Die Koͤnigin wendete
ſich nach ihm zu/ ihn wilkommen zu heiſſen. Geſchwin-
de haſtete ſich Joſef ihr entgegen/ die zugereichte hand
zu kuͤſſen. Kurtz/ doch anmuhtig waren die erſten hoͤf-
ligkeiten auf beiden teilen. Joſef traht wieder in et-
was zuruͤk. Aber die Koͤnigliche Fuͤrſtin gab ihm/ durch
entbloͤßung ihrer hand und bewegung ihrer fuͤße/ ein
zeichen/ daß ſie ihn ebenmaͤßig empfangen wolte. Ei-
lend
[183]vierdes Buch.
lend naͤherte er ſich abermahl/ ihrem herzutritte zuvor-
zukommen. Noch etliche Fuͤrſtliche Freulein/ die auf
der Burg uͤbernachten ſolten/ begegneten ihm mit glei-
cher hoͤfligkeit. Es war ſchon zimlich ſpaͤte. Joſefs
beſcheidenheit wolte nicht geſtatten dem Frauenzimmer
laͤnger verdruͤßlich zu fallen. Daruͤm nahm er/ nach ei-
nem kurtzen geſpraͤche/ gebuͤhrender maßen abſchied.


Die Edelknaben leuchteten dem Joſef/ auf befehl
des Koͤniges/ nach ſeinem zimmer zu. Davor fand er
ſchon eine Koͤnigliche wache. Er fand ſchon eine Koͤ-
nigliche bedienung. Er fand ſchon ſeine Kammerdie-
ner/ ſeine eigene Edelknaben/ ſeine eigene Lakkeien.
Das war eine ploͤtzliche veraͤnderung. Vor zehen oder
zwoͤlf ſtunden war er noch ein Gefangner/ ein Leibeig-
ner/ ein dienſtbohte: er lag in einem betruͤbten gefaͤng-
nuͤſſe; er ſaß in einem dunkelen gewoͤlbe; er muſte tuhn/
was der Gefaͤngnuͤs meiſter ihn hies. Itzund aber war
er ein Freier/ ein Fuͤrſt/ ja ein Gebieter uͤber das gantze
Egipten. Er befand ſich auf einer koͤniglichen Burg/
in einem luſtigen zimmer. Er hatte ſeine leibwache/ ſei-
ne leibdiener. Die muſten ſein gebot ausrichten. Ja
er hatte ſelbſt die macht den Fuͤrſten zu befehlen. Jeder-
man muſte ſeinen worten gehorchen.


Das zimmer/ darinnen Joſef ſchlafen ſolte/ hatte
eine luſtige ausſicht in den Koͤniglichen garten/ und
nach dem Niele zu. Das andere hatte ſeine ausſicht auf
den ſchlosplatz. Beider ſchmuk war koͤniglich. Die
mauren rund uͤmher ſahe man mit uͤberaus koͤſtlichen
prunktuͤchern behaͤnget: und dieſe von reiner ſeide mit
golde durchwuͤrket. Der bodem war von weiſſem mar-
mel/ und ebenmaͤßig mit prunktuͤchern beleget: die dek-
ke mit zedernholtze uͤbertaͤfelt/ und uͤber und uͤber dichte
verguͤldet. Doch den waͤhrt des goldes und des holtzes
uͤbertraf die koͤſtligkeit der kunſt bei weitem. Das
ſchnitz- und bild-werk/ da die gantze Egiptiſche weisheit
M iiijal-
[184]Der Aſſenat
alhier ihre ſaͤmtliche kraft/ in ausbildung ihres verbor-
genen ſinnes/ angewendet/ war eben ſo unſchaͤtzbar/ als
wunderwuͤrdig. Das Bette ſtund als ein Koͤnigliches
gezelt aufgeſchlagen/ und auf das praͤchtigſte geſchmuͤk-
ket. Die ſeulen waren von dem reinſten und weiſſeſtem
elfenbeine auf das zierlichſte gedrehet: die uͤmhaͤnge
von klahrer weiſſer ſeide/ mit ſilbernem bluhmwerke
durchwuͤrket. Eben eine ſolche dekke war auch uͤber das
bette geſchlagen. Alhier begab ſich Joſef endlich zur
ruhe.


In der erſten morgenwache erſchienen ihm im
ſchlafe zwoͤlf Hirſche. Dieſe warden endlich zu
neunen/ und in den Laͤndern zerſtreuet.
Auch ſahe
er aus ſeines Bruders Judah nachkommen eine
Jungfrau/ in reine weiſſe ſeide gekleidet/ herfuͤr-
gehen. Dieſe gebahr ein unbeflektes Lam. Zur
linken hand des Lammes ſtund ein Leue. Und
alle Tiere ſtrenbeten ſich wider ihn/ und fielen
ihn an. Das Lam aber uͤberwand ſie/ und traht
ſie alle unter die fuͤße. Und uͤber ihm erfreueten
ſich die Engel/ die Menſchen/ und das gantze
Erdreich.


Mitten in ſocher algemeinen freude ward Joſef wak-
ker/ und dachte dieſem Geſichte nach. Er ſahe wohl/
daß es erſt in den letzten zeiten erfuͤllet; und aus dem
Stamme Judah der laͤngſt verheiſſene Heiland der
Welt
ſolte gebohren werden. Nun ſahe er dem Wei-
besſamen
entgegen/ welcher der Schlange den kopf zer-
traͤhten ſolte. Mitten in ſolchen gedanken erhub er ſich
aus ſeiner ruhe. So bald er rege ward/ kahm einer von
ſeinen Kammerdienern hinein. Der brachte ihm/ auf
befehl des Koͤniges/ ein uͤberaus koͤſtliches Kleid/ mit
allem zugehoͤre. Auch ward ihm ſtraks darauf eine Koͤ-
nigliche Befehlſchrift an den Schatzmeiſter des Koͤni-
ges eingereichet. Durch dieſe war ihm vergoͤnnet/ ſo
viel
[185]vierdes Buch.
viel gelder/ als er zu ſeiner ausruͤſtung/ auch ſonſten
noͤhtig/ aus der Koͤniglichen Schatzkammer zu hoͤben.


Unterdeſſen trug der Koͤnig verlangen den Joſef zu
ſprechen/ ehe die Reichsfuͤrſten ankaͤhmen. Daruͤm
ſchikte er einen ſeiner Kammerherren hin ihm anzudie-
nen/ daß er ſeiner wartete. Joſef gehorchte zur ſtunde.
Straks ging er hin die antwort ſelbſten zu bringen. Der
Koͤnig ſtund eben in der tuͤhre ſeines zimmers/ da er an-
kahm: und zog ihn bei der hand hinein. Sehr freund-
lich ſprach er ihn an. Aus der maßen liebſeelig empfing
er ihn. Nach etlichen gewechſelten grusreden/ fing er
ſtraks wieder an von ſeinen geſtrigen Treumen zu ſpre-
chen. Die deutung lag ihm noch immer im ſinne. Bald
fragte er dieſes/ bald jenes: und Joſef gab ihm auf
alles beſcheid. Unter andern begehrte er zu wiſſen/ wan
die ſieben fruchtbaren Jahre beginnen ſolten? Joſef
gab zur antwort: er vermeinte/ daß ſich das erſte ſchon
begonnen. Nun wohlan! fuhr der Koͤnig fort: ſo muͤſ-
ſen wir dan anſtalt machen/ daß unſer vorhaben mit
dem erſten ſeinen anfang gewinne. Mein Jahrsfeſt habe
ich beſchloſſen erſt uͤber ſechs tage zu endigen. Und dan
ſolt ihr den Landſtaͤnden/ und Reichsfuͤrſten/ als auch
der gantzen Ritterſchaft/ und dem gantzen Egiptiſchem
Volke/ mit oͤffendlichen gepraͤngen/ vorgeſtellet werden.
Unterdeſſen wil ich verſchaffen/ daß gegen die zeit alles
faͤrtig ſei. Ich wil euch eine ſonderliche Koͤnigliche
Hofſtat zuordnen. Ich wil haben/ daß ihr auf das
praͤchtigſte aufziehet. So mus es ſein. Einen ſolchen
ſtaht muͤſſet ihr fuͤhren: damit mein Volk euch fuͤrchte;
damit es euch gehorche.


Joſef bedankte ſich auf das allerdemuͤhtigſte vor die
ſo gar hohe gnade/ die ihm der Koͤnig anzutuhn belie-
bete. Er bedankte ſich vor die ſo gar große Koͤnigliche
vorſorge ſein anſehen und ſeine ehre zu erhoͤben. Auch
fuͤgte er darbei: daß er dem Koͤnige hierinnen nicht an-
M voder
[186]Der Aſſenat
oder ab-rahten wolte. Er unterwuͤrfe ſich ſeinem wil-
len gantz und gar. Seinem guhtduͤnken ſei er bereit zu
folgen: ſeinem befehle verbunden zu gehorchen: ſeinem
winke ſelbſten ſei er ſchuldig auf das untertaͤhnigſte
nachzuleben.


Eben als Joſef dieſes redete/ kahm ein Edelknabe
dem Koͤnige anzudienen/ daß die Reichsſtaͤnde verſam-
let weren. Hierauf fragte der Koͤnig den Joſef: ob
ihm beliebte mit in die Rahtsverſamlung zu gehen?
Joſef antwortete: dis ſtelle ich in des Koͤniges belie-
ben. Aber was duͤnkt euch? fuhr der Koͤnig fort:
ſehet ihr es vor guht an? Ich darf mich zwar nicht un-
terfangen/ redete Joſef weiter/ dem Koͤnige vorzu-
ſchreiben: aber auf ſeinen befehl mus ich mich erkuͤhnen
zu ſagen/ das es vor dieſes mahl ſich ſo wohl nicht fuͤgen
wil. Ich bin nun noch als ein fremder. Ich bin in
meinem gnaͤdigſt aufgetragenem Reichsgebiete noch
nicht beſtaͤhtiget. Wan aber dieſes geſchehen iſt; als-
dan wird es ſich beſſer ſchikken. Itzund moͤchte mir
ſolches veruͤbelt werden. Man moͤchte es ſo deuten/ als
wan ich gebietſuͤchtig were/ und das gebiet vor der zeit
ſuchte. Dieſes iſt mein geringfuͤgiges guhtduͤnken.
Doch des Koͤniges mus vorgehen. So koͤnt ihr euch
inmittelſt/ fing hierauf der Koͤnig an/ im garten erlu-
ſtigen. Wan es zeit zur tafel iſt/ wird man es euch
ſchon anmelden. Und hiermit begab ſich der Koͤnig in
den Rahtsſaal: Joſef aber hinunter in den Garten.


Semeſſe lag eben in ihrem zimmerfenſter/ das nach
dem garten zuging/ als Joſef hineinkahm. Straks lief
ſie zur Koͤniglichen Fuͤrſtin/ ihr ſolches anzumelden.
Dieſe ſeumete ſich nicht lange. Eine ſo gewuͤndſchte ge-
legenheit/ ihn allein zu ſprechen/ wolte ſie nicht ſchluͤpfen
laßen. Eilend ging ſie hinunter. Niemand folgte ihr/
als Semeſſe. Eben unter einem ſchattenreichen lau-
bergange traf ſie den Joſef an. Da konte ſie niemand
ſehen.
[187]vierdes Buch.

[figure]


[188]Der Aſſenat
ſehen. Da konten ſie frei und ungehindert ſprache hal-
ten. Sobald ſie Joſef erblikte/ ging er zu ihr zu. Nach
erwieſenen hoͤfligkeiten gegeneinander/ fing Nitokris
ſtraks an zu fragen: wie es ihm im gefaͤngnuͤſſe gegan-
gen? Ob er auch mangel gelitten? Ob man ihn auch
ehrlich gehalten? Als nun Joſef geantwortet: daß es
ihm im gefaͤngnuͤſſe beſſer gegangen/ als bei Fuͤrſt Po-
tifarn:
da fing die Fuͤrſtin an zu laͤchlen. Wie ſo?
fragte ſie ferner. Er hatte ja alda ungezweifelt mehr
luſt/ ſonderlich bei einer ſo ſchoͤnen und holdſeeligen
Fraue. Die Fraue war guht/ fing Joſef hierauf an:
aber ich war dannoch ungluͤklich. Ihre guhtheit konte
mir wenig helfen.


Weil nun Nitokris ſahe/ daß Joſef ſich nicht her-
auslaßen wolte/ und dieſe reden ihm nur verdruͤßlich
fielen: ſo fuͤhrete ſie ſeine gedanken wieder ins gefaͤng-
nuͤs. Aber/ fragte ſie/ wie ſtellete ſich der Gefaͤngnuͤs-
meiſter gegen ihn an? Sehr wohl/ antwortete Joſef:
und ich bin von ihm gehalten worden/ als wan ich ſein
ſohn geweſen. Das pflegt er ſonſt nicht zu tuhn/ fuhr
die Fuͤrſtin fort: daruͤm bin ich verwundert. Vielleicht
hat er einen guhten Freund gehabt/ der ſein Wort gere-
det. Vielleicht iſt iemand geweſen/ der ihm zu liebe
dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſolche guhtheit belohnet.


Aus dieſen verbluͤhmten reden muhtmaßete Joſef
von ſtunden an/ daß es die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſein muͤ-
ſte/ die ihn dem Gefaͤngnuͤsmeiſter ſo hoch anbefohlen.
Daruͤm gab er zur antwort: Ja freilich habe ich ſol-
ches einem großen Freunde zu danken; der große barm-
hertzigkeit an mir erwieſen: der dem Gefaͤngnuͤsmeiſter
alles/ was er mir guhtes getahn/ reichlich bezahlet. Be-
zahlet! fing ihm die Fuͤrſtin das wort auf. Hat ihm dan
iemand geld geſchikt? Ja freilich/ antwortete Joſef/
ihm/ und mir. Und das kleid/ das ich geſtern anhatte/
habe ich demſelben/ ja noch viel mehr/ ebenmaͤßig zu
dan
[189]vierdes Buch.
danken. Aber was iſt doch das vor ein Freund? fuhr die
Fuͤrſtin fort. Bis auf dieſe ſtunde/ antwortete Jo-
ſef/
habe ich ihm/ nur als einem unbekanten/ gedanket:
aber nunmehr habe ich hofnung ihm bald/ als einem
bekanten/ zu danken. Waruͤm ſolte er dieſes erſt itzund
tuhn koͤnnen? fragte Nitokris abermahl. Weil ich
den Freund oder die Freundin/ antwortete Joſef/ erſt
itzund/ aus ihren worten/ kennen lerne. So meinet er
dan/ daß ichs ſelbſten ſein ſol? gab Nitokris zur gegen-
antwort. In alwege/ antwortete Joſef wieder. Und
hiermit brach er aus in dieſe worte. Vorlaͤngſt habe
ich gewuͤndſcht/
ſagte er/ dieſe barmhertzige See-
le zu kennen. Tauſendmahl habe ich begehrt
das treuhertzige hertz zu wiſſen/ daß ſich meiner
ſo getrenlich augenommen. Aber es hat mir
nicht widerfahren koͤnnen. Dieſe ſtunde allein
hat es mir geoffenbahret. Ihr leutſeeliger mund
hat ſich ſelbſten verrahten. Keinen tag meines
lebens ſchaͤtze ich ſo gluͤklich/ als dieſen: der mich
ſo gluͤkſeelig gemacht/ daß ich dieſelbe mildtaͤh-
tige hand/ die mir ſo hohe gnade erwieſen/ in al-
leruntertaͤhnigſter dankbarkeit zu kuͤſſen ver-
mag. Ach! wie ſol ich ſolche ſo treue gunſt/ ſolche
mehr als gnaͤdige barmhertzigkeit erwiedern?
Mein bluht iſt zu wenig darzu: mein vermoͤgen
zu arm. Ich werde Ihr ſchuldner bleiben muͤſ-
ſen/ ſo lange ich ahteme: iedoch ein dankbarer
ſchuldener/ der ſein leben zu pfande ſetzet/ zum
zeichen/ daß er gern bezahlen wolte/ wan er
koͤnte.


Aber woher weis er/ daß ich ſeinetwegen dem Ge-
faͤngnuͤsmeiſter ſolte geld geſchikt haben? fiel ihm die
Fuͤrſtin in die rede. Daß er geld bekommen/ antwortete
Joſef/ mich ehrlich zu halten; das hat er mir ſelbſt ge-
ſagt/ auch die beigefuͤgten brkefe gewieſen. Aber weder
ich
[190]Der Aſſenat
ich/ noch er konten dazumahl errahten/ von wem ſolche
uͤberſchwaͤnglich große wohltaht kaͤhme. Und nun bin
ich begierig zu wiſſen/ was doch Meine allergnaͤdigſte
Fuͤrſtin bewogen/ mir unverdientem ſo gar große gnade
zu erweiſen? Vor mich ſelbſt/ antwortete Nitokris/
habe ichs nicht getahn. Eine Fuͤrſtin/ die er noch nie
geſehen/ aber auſſer allem zweifel bald wird ſehen/ und
mehr als mich kennen lernen/ hat mich hierzu bewo-
gen. Was von mir geſchehen iſt/ iſt alles ihr zu liebe ge-
ſchehen. Daruͤm iſt er gantz nicht verbunden mir zu
danken. Der dank gebuͤhret ihr. Ihr allein iſt er ver-
pflichtet zu danken.


Eben als die Koͤnigliche Fuͤrſtin dieſe worte redete/
hoͤreten ſie zur tafel blaſen. Und daruͤm nahm ſie ſtraks
ihren abſchied. Joſef aber blieb noch eine kleine weile
im garten. Darnach begab er ſich auch in ſein zimmer.
Alhier verzog er ſo lange/ bis ihm angeſagt ward zum
Koͤnige zu kommen. Mit großer ehrerbietigkeit begeg-
neten ihm alle Fuͤrſten. Sobald ſie ihn erblikten/ mach-
ten ſie raum. Sie trahten eilend voneinander in zwo
reihen; damit er ungehindert hindurch koͤnte. Nach ge-
ſchehenen ehrenbezeugungen zu beiden ſeiten/ ſetzte man
ſich ſtraks zur tafel. Einieder Fuͤrſt nahm ſeine ſtelle/ da
er des vorigen tages geſaͤſſen. Und Joſef lies ſich neben
dem Koͤnige nieder. Die luſt/ die freude/ die ergetzligkeit
ſchienen taͤglich zuzunehmen. Auch wuchs die unterli-
che liebe der Fuͤrſten mehr und mehr an. Die hertzliche
vertrauligkeit ward immer groͤſſer und groͤſſer/ ſo lange
dieſes Freudenmahl waͤhrete. Die vergnuͤgung/ die
der Koͤnig hieraus ſchoͤpfte/ kan keine feder beſchreiben.
Keine zunge vermag ſie auszuſprechen. Ja keine ge-
danken koͤnnen ſie faſſen. Er ſelbſten war ſo froͤh-
lich. Er erzeigte ſich ſo luſtig/ daß ſich iederman ver-
wunderte. Und dieſem vorgaͤnger folgeten alle ſeine
gaͤſte. Nicht einer verderbete das ſpiel. Die traurig-
keit
[191]vierdes Buch.
keit ſchien gantz verbannet: die unluſt verwieſen: die
ſchweermuͤhtigkeit verjaget.


Dieſer algemeinen luſt der Fuͤrſten gab des Frauen-
zimmers froͤhligkeit nichts zuvor. Die Fuͤrſtliche Ge-
mahlinnen ſchritten ſelbſt uͤber die ſchranken ihrer acht-
barkeit; welche ſie ſonſten ſo genau zu bewahren pflegen.
Die Freulein und Jungfrauen vergaßen ihrer ſtrengen
eingezogenheit. Ihrer ſonſt angebohrnen bloͤdigkeit/
und gewoͤhnlichen ſitſamkeit/ gaben ſie vor dieſes mahl
uhrlaub. Das kind der zucht/ die edele Schaamhaftig-
keit/ milterten und maͤßigten ſie dermaßen/ daß ſie ſo
uͤbermaͤßig nicht zuͤchteten/ ſo aus der weiſe nicht
prunkten/ ſo ohne ſchertzſpiele nicht ernſteten; wie ſie
ſonſten zuweilen gewohnet. Die gemeinſamheit/ die
offenhertzigkeit/ die freimuͤhtigkeit/ die ſprachſamkeit/
die ausgelaßenheit zur luſt und ergetzung hatten das
ſtoͤltzeln/ das praͤngeln/ ſamt dem alzuernſthaftigen
niedergeſchlagenem weſen/ verdrungen. Ihre augen
liebelten. Ihre wangen laͤchelten. Ihre ſtirnen ſpiele-
ten. Ihr mund entſchlos ſich. Ihre zunge ward geloͤſet.
Und alſo lies ſich das gantze antlitz aus in ein froͤhli-
ches anmuhtiges weſen. Ja der gantze leib ſaß/ wo er
ſaß/ und ſtund/ wo er ſtund/ in einer freudigen unge-
zwungenen bewegung.


In ſolcher unterlich einpaͤrigen luſt und freude
kahm der achte und letzte tag des Koͤniglichen Jahrfeſtes
herbei. Joſef begunte der hofluft/ als nunmehr ein
hofman von ſechs tagen/ alhand zu gewohnen. Bisher
war er noch zimlich eingezogen und ſtille geweſen. Er
hatte wenig geredet/ noch weniger geſchertzet. Aber
itzund fing er an dreiſter zu werden. Itzund machte er
ſich erſt bekant. Itzund lies er ſo ein freudiges und ſo
munters weſen blikken/ daß er mehr/ als iemahls zuvor/
die augen dieſer Fuͤrſtlichen verſamlung auf ſich zog.
Sobald er in den Saal traht/ redete er/ mit einer ſon-
der-
[192]Der Aſſenat
derlichen wohlanſtaͤndigkeit/ bald dieſen/ bald jenen
Fuͤrſten an. Und dieſe reden waren meiſtenteils mit
einem anmuhtigen ſchertze vermiſcht. Er gedachte:
ende guht/ alles guht. Er wolte dis Feſt/ das er mit ſtil-
le beginnen helfen/ mit freuden ſchlieſſen. Und daruͤm
erzeigte er ſich auch ſo luſtig/ und ſo froͤhlich/ als wan
ihn kein ungluͤk iemahls betroffen. Hatte man ihn
vor dieſem geruͤhmet/ ſo erhub man ihn itzund bis an
den himmel. Alle hertzen hingen ihm an. Alle gemuͤh-
ter waren ihm gewogen. Der Koͤnig ſelbſten hatte ein
ſolches wohlgefallen an ihm/ daß er uͤberlaut ſagte: dis
ſei der luſtigſte tag von allen/ weil ſich Joſef ſo luſtig
erzeigte. Ja es ſchien/ als wan er/ durch ſolche ſeine
froͤhligkeit/ die gantze froͤhliche verſamlung noch froͤhli-
cher gemacht.


Ohngefaͤhr drei ſtunden hatte man tafel gehalten.
Der Nachtiſch ward aufgetragen. Allerlei Zukkerge-
bakkenes/ allerlei eingemachte fruͤchte/ allerlei obſt/ al-
lerlei ſchaugerichte/ und allerlei lekkerſpeiſen warden
aufgeſetzt. Die tafeln ſtunden ſchon gleich als bedekt
mit guͤldenen ſchuͤſſeln vol dergleichen lekkerkoſt. In
dem augenblikke war es/ da ſich der Koͤnig ploͤtzlich er-
hub. Ploͤtzlich ſtund er auf/ und befahl dem Joſef/
und allen Fuͤrſten ihm zu folgen. Jederman war hier-
uͤber verwundert. Niemand wuſte/ was es bedeuten
ſolte. Alle ſtunden im zweifel. Endlich ging der Koͤnig
nach der Koͤnigin zu. Dieſe zog er/ bei der hand/ von
der tafel: und winkte dem Joſef/ daß er die Koͤnig-
liche Fuͤrſtin nehmen ſolte. Das taͤht er auch alſobald
mit der allerhoͤflichſten ehrerbietigkeit. Hierauf ward
den andern Herren befohlen dergleichen zu tuhn. Ein-
ieder geſelte ſich zu einer aus dem Frauenzimmer. Und
alſo ſtunden ſie alle gepaaret. Die Kunſtſpieler muſten
ſpielen/ und die Meiſterſaͤnger ſingen. Noch konte nie-
mand aus ſinnen/ was der Koͤnig zu tuhn geſonnen.
Die
[193]vierdes Buch.
Die meiſten gedachten/ man wuͤrde einen Reientantz
tuhn ſollen. Aber der Koͤnig befahl die tuͤhre zu oͤfnen:
und die ſaͤnger/ ſamt den ſpielern/ muſten forttraͤhten.
Alle gingen zur tuͤhre hinaus. Der Koͤnig/ mit der
Koͤnigin gepaaret/ folgete: und ihm die gantze gepaarte
verſamlung. Endlich gelangte man in den Koͤniglichen
Luſtgarten. Da hielt dieſe luſtige geſelſchaft einen uͤm-
gang. Dis geſchahe mit ſehr langſamen tritte. Zu-
weilen ſtund man auch ein wenig ſtil/ das geſicht was
mehr zu ergetzen.


An der uͤberſeite des Gartens war eine ſchoͤne waſ-
ſerkunſt in etlichen marmelſteinernen Bildern verbor-
gen. Dieſe Bilder ſtunden in einer langen reihe laͤngſt
dem gange hin. Eben als der Koͤnig und Joſef hier
vorbei waren/ ſingen die Bilder an ihre kunſt zu bewei-
ſen. Etliche ſehr duͤnne waſſerſtrahlen kahmen ihnen
ploͤtzlich aus den augen/ und aus dem munde/ ja ſelbſt
aus den ohren und bruͤſten geſchoſſen. Dadurch bekah-
men die voruͤbergehenden ein unverſehenes bad. Als ſie
nun von oben alſo befeuchtet waren; da ſprangen und
rieſelten auch von unten/ aus der erde ſelbſt/ etliche
zahrte waſſerſtrahten in die hoͤhe. Und dieſes geſchahe
allein auf der ſeite/ da das Frauenzimmer ging: wel-
ches/ ſo bald es die kalten waſſerſtrahlen/ unter den roͤk-
ken/ auf der bloßen haut fuͤhlete/ mit dem waſſer als
uͤm die wette zu ſpringen und zu huͤpfeln begunte. Dar-
uͤber erhub ſich ein großes gelaͤchter. Der Koͤnig befahl
den Kunſtſpielern luſtig aufzuſpielen. Dieſe Schoͤnen
ſolten nach dem tohne tantzen. Nach dem hohen und
niedrigem/ nach dem langſamen und geſchwindem klan-
ge ſolten ſie ihre fuͤße bewegen.


Nach dieſer kurtzweile begaben ſie ſich alle wieder
in den Saal. Ein ieder ſetzte ſich in ſeine ſtelle. Der
Nachtiſch ward vorgedienet. Die baͤcher gingen rund
heruͤm. Die geſundheit des Koͤniges und des neuen
NSchalt-
[194]Der Aſſenat
Schaltkoͤniges ward ſtehende getrunken. Man wuͤnd-
ſchte ihnen beiden gluͤk. Man rief/ durch den gantzen
ſaal: Lange lebe der Koͤnig! Nefrem lebe ge-
ſund! Lange lebe der Schaltkoͤnig! Joſef lebe geſund!
Dieſes freudige zurufen hatte faſt kein ende. Den gan-
tzen abend erklungen dieſe gluͤkswuͤndſche/ unter dem
ſchalle der trompeten. Sie hoͤreten nicht eher auf/ als
bis der Koͤnig ſich erhub. Sie lieſſen nicht eher nach/
als bis die gantze geſelſchaft bereit ſtund zu ſcheiden.
Und in dieſem augenblikke traht ein Heerold auf. Der
rief durch den gantzen Saal aus. Auf des Koͤnigs be-
fehl/ ſolten ſich morgen fruͤh alle Fuͤrſten und Staͤnde
des Reichs auf dem Reichsſaale verſamlen. Die gan-
tze Ritterſchaft ſolte ſich einfinden/ der beſtaͤtigung des
neuen Schaltkoͤniges beizuwohnen. Hiermit ſchieden
die Fuͤrſten voneinander. Hiermit beſchlos man das
Koͤnigliche Jahrsfeſt. Hiermit nahm dieſes freuden-
mahl ſein gewuͤndſchtes ende.


[figure]

[195]

Der Aſſenat
Fuͤnftes Buch.


DIe ſonne hatte mit ihren herfuͤrbre-
chenden ſtrahlen den Niel zu erleuch-
ten kaum begonnen: kaum hatte ſie
deſſelben ſtille fluht zu verguͤlden ange-
fangen: kaum hatte ſich ihr liebliches
antlitz uͤber die ſpitzen des gebuͤrges er-
hoben; als ein großes freudengetoͤhne die gantze koͤnig-
liche ſtadt Memfis erfuͤllete. Die Trompeten warden
geblaſen; die trummeln geruͤhret; die ſchaͤllenſpiele be-
weget; die zinken beſeelet; die zittern geſchlagen/ und
andere ſeitenſpiele geſpielet. Die Reichsſtaͤnde warden
rege. Die Ritterſchaft erhub ſich. Mit einem großen
geſchleppe zogen ſie nach der Burg zu. Einieder war
aufs koͤſtlichſte gezieret/ aufs praͤchtigſte geſchmuͤkket.
In dieſem herlichen gepraͤnge trahten ſie in den Reichs-
ſaal. Da war der Koͤnig/ mit den Reichsraͤhten/ ſchon
zugegen. Er ſaß auf einem koͤſtlichen Reichsſtuhle/
von hintenzu mit ſeinen Kammerherren und Hofjun-
kern uͤmringet. Auf der rechten hand hatte ſich der He-
liopelſche Ertzbiſchof/ mit dem Reichskantzler/ und
Reichsſchatzmeiſter/ niedergelaßen: und auf der linken
die Reichsraͤhte.


Als ſie nun alle beiſammen waren/ ſtund der Reichs-
kantzler auf/ und taͤht/ im nahmen des Koͤniges/ an die
Reichsſtaͤnde eine kurtzbuͤndige rede. Darinnen gab er
ihnen den willen des Koͤniges zu verſtehen/ auch war-
uͤm er ſie entbohten. Und dieſe rede beſchlos er mit zwo
fragen: erſtlich/ ob ſie alle geſonnen weren den Joſef
vor ihren Schaltkoͤnig zu erkennen? darnach/ ob ſie ihm
N ijhul-
[196]Der Aſſenat
huldigen wolten? Des Reichskantzlers rede beantwor-
tete der Reichsſtaͤnde Worthalter eben ſo kurtzbuͤndig:
und ſie ſelbſten rieffen auf die zwo vorgeſtellete fragen
einmuͤndig ja.


Auf dieſes ſo willige jawort erhub ſich/ auf befehl
des Koͤniges/ der Ertzbiſchof/ ſamt dem Reichskantzler
und Reichsſchatzmeiſter/ als auch allen Reichsraͤhten/
den Joſef zu hohlen. Nicht lange darnach brachten ſie
ihn gefuͤhret. Ein Hofmahrſchalk ging allein voran;
und Joſef/ zwiſchen dem Ertzbiſchoffe und dem Reichs-
kantzler/ hernach: denen alle die uͤbrigen folgeten. So-
bald ſie vor den Koͤnig gelanget/ begaben ſie ſich alle wie-
der in ihre ſtellen. Und Joſef blieb allein/ nachdem er
ſich auf das allerehrbietigſte geneuget/ vor dem Reichs-
ſtuhle ſtehen. Der Koͤnig gab ihm einen wink/ daß er
naͤhern ſolte. Er gehorchte zur ſtunde/ und traht dichte
vor die ſtufen des Reichsſtuhls. Darauf wiederhohle-
te der Koͤnig faſt alle worte/ die er vor ſechs tagen zu
ihm geredet/ als er ihn zum Schaltkoͤnige erwehlet.
Joſef neugte ſich abermahl zur erden nieder/ und als
er ſahe/ daß der Koͤnig ſich bewegte aufzuſtehen/ ſtieg er
bis auf die oberſte ſtufe des Reichsſtuhls/ und fiel alda
nieder auf ſeine kniehe.


Hierauf zog der Koͤnig ſeinen Siegelring vom fin-
ger/ und ſtekte ihn auf Joſefs finger. Darnach nahm
er auch eine guͤldene Kette/ die er am halſe trug; und
hing ſie uͤm Joſefs hals. Unten an dieſe Kette war
ein Bruſtpfennig/ darauf ein Elefant gepraͤget ſtund/
angegliedert. Der Elefant ſolte die Koͤnigliche Majaͤ-
ſtaͤht/ die ſich/ wie der Elefant/ vor niemand neuget/
bezeichnen. Hiermit uͤbergebe ich euch/ ſagte der
Koͤnig/ alle gewalt uͤber das gantze Egipten.
Ich bin
Farao: ohne euren willen ſol niemand
im gantzen Reiche/ ſeine hand/ oder ſeinen fuß
regen. Alles ſol euch/ und ihr niemand/ unter-

tahn
[197]fuͤnftes Buch.

[figure]


[198]Der Aſſenat
tahn ſein. Ich heiſſe Farao: und ihr ſolt Zafnat
Paaneach/ das iſt Heiland der Welt/ genennet wer-
den. Wir haben ein ſolches vertrauen zu euch/
daß wir es unnoͤhtig achten/ uns/ durch den eid
der treue/ euch zu verbinden. Ja wir zweiflen
keines weges/ ihr werdet ohne das/ eurer weis-
heit nach/ ſo zu herſchen wiſſen/ daß es uns nim-
mermehr gereuen wird euch zu unſrem Mither-
ſcher erkohren zu haben
.


Hiernach boht der Koͤnig dem Joſef die hand/ und
richtete ihn/ mit einem hertzlichen gluͤkswundſche/ wie-
der auf. Er hingegen neugte ſich gegen den Koͤnig drei-
mahl zu erde nieder; und bedankte ſich vor die hohe gna-
de/ vor das guhte vertrauen/ und den hertzlichen
wundſch des Koͤniges/ in alleruntertaͤhnigſter niedrig-
keit. Inzwiſchen ſtunden der Ertzbiſchof und der
Reichskantzler auf/ und fuͤhreten den neuen Schaltkoͤ-
nig auf einen beſonderen Reichsſtuhl. Dieſen hatte
man/ zur linken ſeite des Koͤniglichen Reichsſtuhls/
auf ein etwas erhobenes geſtelle geſetzt/ und mit den
allerkoͤſtlichſten prunktuͤchern ausgezieret. Sobald ſich
Joſef alhier niedergelaßen/ ſetzte ihm der Ertzbiſchof
eine koͤnigliche Krohne/ welche der Reichsſchatzmeiſter
auf einem weiſſen ſeidenem kuͤſſen nachtrug/ auf das
heupt. Hierauf gab ihm der Reichskantzler auch den
Reichsſtab/ deſſen ſpitze mit einem Storche/ und das
unterende mit einer klaue vom Fluspferde gezieret/ der
ebenmaͤßig durch einen Reichsraht nachgetragen ward/
in die hand: und der Ertzbiſchof ſprach endlich uͤber
ihn/ der gewohnheit nach/ den ſeegen.


Nach volendeten dieſen Kroͤhnungsgepraͤngen/ deu-
tete der Reichskantzler den Egiptiſchen Reichs ſtaͤnden
und der gantzen Ritterſchaft/ durch eine zierliche/ doch
kurtze rede/ die huldigung an. Sobald er ausgeredet/
ward ihnen der Eid ihrer gehohrſamkeit vorgeleſen; und
ſie
[199]fuͤnftes Buch.
ſie bekraͤftigten denſelben mit aufgerekten fingern. Der
Koͤnig hatte zwar anſtalt machen laßen/ daß Joſef/
ſtraks nach der Kroͤhnung/ durch die gaſſen der ſtadt
Memfis ſolte gefuͤhret werden/ dem Volke ſeinen
neuen Schaltkoͤnig zu zeigen. Aber die helfte dieſes ta-
ges war ſchon verlauffen. Der mittag war herbei ge-
nahet; und die tafeln zum Kroͤhnungsmahle albereit
gedekket. Daruͤm ward ſolches gepraͤnge bis auf den
kuͤnftigen morgen verſchoben: und das neugierige Volk
bekahm vor dieſes mahl ſeinen neuen Gebieter nicht zu
ſehen. Vor dieſes mahl muſte es ſein großes verlangen
mit geduld ſpeiſen: ein ſolches verlangen demſelben gluͤk
zu wuͤndſchen/ von deſſen wunderlichen gluͤksfaͤllen der
ruf uͤberal/ durch die gantze ſtadt/ erſchollen.


Mitlerweile ward das uͤbrige des tages in voller luſt
zugebracht. Und dieſe luſt uͤm ſo viel angenehmer zu
machen/ hatte der Koͤnig/ im Burggarten/ eine große
Laͤube laͤngſt der mauer hin aufrichten laßen. Alhier
gab der ſchatten eine kuͤhle luft/ das auf den bodem ge-
ſtreuete bluhmenwerk einen anmuhtigen geruch/ und
der luſt garten ſelbſt ein liebliches ausſehen. Hierunter
ward das Kroͤhnunsgmahl gehalten. Hier ergetzte ſich
der Koͤnig: und mit ihm der ausbund des gantzen E-
giptiſchen Adels. Hier ſaß Joſef nunmehr in voller
herligkeit/ und freude. Alles ſeines vorigen elendes/
und alles ſeines leides hatte er vergeſſen. An ſtat ſeiner
leibeigenſchaft/ hatte er das gebiet eines ſo maͤchtigen
Koͤnigreichs in ſeinen haͤnden. An ſtat ſeiner vorigen
ſchmaach und verachtung/ ward er itzund mit kniebeu-
gen geehret. An ſtat des knechtiſchen nahmens/ fuͤh-
rete er itzund einen koͤniglichen; und ward ein Heiland
der welt
genennet. An ſtat des Rokkes/ den ihm die
Ehbrecherin vom halſe geriſſen/ hatte ihn der Koͤnig in
reine weiſſe ſeide gekleidet. An ſtat der eiſernen ketten
ſeines gefaͤngnuͤſſes/ trug er eine guͤldene: an ſtat des
N iiijknech-
[200]Der Aſſenat
knechtiſchen feſſelringes/ einen Koͤniglichen Siegel-
ring/ zur bekraͤftigung ſeiner macht. An ſtat des zei-
chens der Leibeignen/ fuͤhrete er einen Koͤnigsſtab in
der hand/ und einen Koͤnigskrantz auf dem heupte. An
ſtat des ſchlammichten Stokhauſes/ hatte er eine Koͤ-
nigliche wohnung. Ja alles/ was er zuvor elendes
gehabt/ war nunmehr in lauter herligkeit veraͤndert.
So herlich ward ihm ſeine Gottesfurcht belohnet/ ſei-
ne Tugend bezahlet/ ſeine Keuſchheit vergolten.


Auf den morgen ward des Koͤniges zweiter Stahts-
wagen faͤrtig gemacht. Dieſer blinkte von lauter golde.
Vier ſchneeweiſſe pferde zogen ihn. Der pferdeſchmuk
ſchimmerte von koͤſtlichen ſteinen. Auf dieſem praͤchti-
gen wagen fuhr Joſef durch die fuͤrnehmſten gaſſen der
ſtadt. Zween Heerolden/ aus den aͤlteſten des Heers
erleſen/ ritten vor ihm her/ in goldgeſtikten koͤſtlichen
roͤkken: und vor dieſen vier Trompeter. So oft der
Stahtswagen vor einen marktplatz/ oder an eine neue
gaſſe kahm; da blieſen die Trompeter/ und die Heerol-
den rieffen mit lauter ſtimme vor dem Joſef aus: Dis
iſt der junge Koͤnigliche Vater; dis iſt der junge
Vater des Reichs
. Hinter dem Stahtswagen her
ritten etliche Hofjunkern des Schaltkoͤniges auf koͤſtli-
chen Arabiſchen und Perſiſchen pferden. Alle waren
auf das koͤſtlichſte gezieret. Zu beiden ſeiten des wagens
lieffen die Edelknaben/ die Kammerdiener/ die Lakkeien/
in uͤberaus zierlicher leibestracht. Die Menſchen lagen
in den fenſtern/ ſtunden auf den taͤchern/ warteten in
den tuͤhren/ lieffen und draͤngeten ſich auf den gaſſen.
Alle verlangeten den neuen Schaltkoͤnig zu ſehen. Wo
Joſef voruͤberfuhr/ da hoͤrete man ein großes freuden-
geſchrei. Das frohlokken/ das jauchzen/ das gluͤkzu/
das lebe lange hatte kein ende. Ob er ſchon lange vor-
bei war/ ſo klung doch der nachruf immer hinter ihm
her. Man rief ohn unterlaß/ ſo lange man den Stahts-
wagen
[201]fuͤnftes Buch.
wagen erblikken konte. Ja viele ſtreueten palmenzwei-
gen vor ihm her: andere vielerlei bluhmen. Damit la-
gen alle ſtraßen bedekt/ wo er durchhinfuhr.


Es war nun hoher mittag. Eben machte die ſonne
den kuͤrtzeſten ſchatten/ als Joſef wieder nach der Burg
zu kehrete. Unterdeſſen hoͤrete doch die freude des vol-
kes nicht auf. Wer nur etwas vermochte/ der hatte
ſeine nachbaren und freunde zu gaſte. Man teilete den
armen reichlich aus; ja etliche lieſſen ſie ſpeiſen. Dieſe
algemeine freude waͤhrete bis in die ſinkende nacht. Al-
le reden/ die man hoͤrete/ waren vom Joſef. Sein lob
erklung durch die gantze ſtadt. Eines ieden mund war
vol ſeines ruhmes. Sie prieſen ſeine fuͤrtrefliche ſchoͤn-
heit/ ſein uͤber aus leutſeeliges weſen. Die ihn niemahls
reden gehoͤret/ urteileten dannoch von ſeiner ſo volkom-
menen Tugend aus den Augen: die als zween unbetruͤg-
liche verraͤhter des hertzens weren. Sein gantzes Ange-
ſicht/ ſagten ſie/ da man die Seele/ als auf einem oͤf-
fentlichen markte/ mit den euſerlichen dingen handeln
ſiehet/ zeigt es genug an/ was vor edle ſchaͤtze ſein hertz
verbuͤrget. Wir ſeind gluͤklich/ daß wir einen ſolchen/
den die Goͤtter ſo volkommen geſchaffen/ uͤber uns her-
ſchen ſehen. Das gantze Egipten hat ein großes von
ihm zu hoffen. Wir alle haben dem Himmel nicht ge-
nug zu danken. An dieſen und mehr dergleichen reden
war des volkes vergnuͤgung gnugſam zu ſpuͤhren. Ja
ſie bezeugten/ durch ihre milde gaſtfreiheit/ und große
freude/ mehr als genug/ daß die worte mit dem hertzen
uͤbereinſtimmeten.


Noch zween tage blieb Joſef auf der Burg. Inner-
halb dieſer zeit redete er mit dem Koͤnige von allem/
was des Reichs wohlfahrt betraf. Fort und fort wa-
ren ſie beieinander. Alles/ was Joſef riet/ ward be-
liebet. Seine rahtſchlaͤge hatten ein weites ausſehen.
Sie gingen durch die inſtehenden ſieben reichen jahre/
N vbis
[202]Der Aſſenat
bis in die ſieben Mageren. Er erwug alles/ was zu
tuhn ſtuͤnde/ mit reiffem vor bedacht. Alle ſeine anſchlaͤ-
ge zieleten fuͤrnaͤhmlich auf zwei dinge: den Koͤnig
groß/ und die Untertahnen wohlfahrend zu machen.
Und daruͤm entſchlos er ſich das gantze Egipten zu be-
ſehen. Die beſchaffenheit der Koͤniglichen herſchaft
war ihm nunmehr aus dem munde des Koͤniges ſelb-
ſten bekant. Er hatte deswegen ſchon alles genau un-
terſuchet; auch albereit mittel gefunden/ ſie in einen
beſſeren ſtand zu bringen. Aber ſolches recht auszu fuͤh-
ren/ muſte er nohtwendig die gelegenheit aller Laͤnder
beſichtigen. Und dieſes muſte mit eheſtem geſchehen;
damit er ſeine ſchluͤſſe darnach anlegen koͤnte. So zog
er dan auf den dritten tag aus. Der erſte zug ging auf
Heliopel zu.


Dieſe ſchoͤne Stadt lag auf einem hohen ſchutte/ in
einer anmuhtigen aue des landes Geſſen/ zwiſchen
zween aͤrmen des Niels: zu welcher man/ durch einen
verborgenen gang unter der erden und dem Niele hin/
von Memfis gelangen konte. Die Ebreer nennen ſie
On; die Griechen aber Heliopel/ das iſt Sonnen-
ſtadt
; und die Araber Betſames/ Sonnenhaus/
oder Ainſemes/ Sonnenauge. Und dieſe drei letz-
te nahmen fuͤhrete ſie vom Sonnenſpiegel/ welcher alda
im Goͤtzenhauſe der Sonne gefunden ward/ und es mit
ſeinen ſtrahlen den gantzen tag durch erleuchtete. Egip-
ten hatte keine aͤltere ſtadt/ als dieſe. Mizraim/ des
Noah enkel/ und Hams zweiter ſohn/ der erſte Egip-
tiſche Koͤnig nach der Suͤndfluht/ hatte ſie gebauet.
Alhier hat er ſeinen Koͤniglichen ſitz gehabt: als auch
nach ihm ſein ſohn Mesramutiſis; und nach dieſem
der dreimahl große Hermes/ der Sonnenſeulen er-
finder/ und uhrhoͤber der heiligen Bilderſchrift/ ja der
gantzen Egiptiſchen weisheit. Und alſo war dieſer
Hermes der dritte Egiptiſche Koͤnig nach der Suͤnd-
fluht.
[203]fuͤnftes Buch.
fluht. Er war derſelbe Merkuhr/ den die Egipter Tot/
und Ftat/ das iſt den Gott der Goͤtter/ die Foͤnizier
Taut/ die Araber Idris/ die Ebreer Hador/ das
iſt einen fuͤrtreflichen Vernunftfechter/ nenten.
Ja er war in dieſer erſten Koͤniglichen und Prieſter-
lichen Egiptiſchen Stadt der erſte Prieſter. Er war
derſelbe/ der/ zu Abrahams zeiten/ die Egiptiſche
Prieſterſchaft geſtiftet. Er war derſelbe/ der den grund
geleget zum Heliopelſchen Ertzbiſchoftuhme. Einer von
deſſen nachſaſſen im Prieſtertuhme war itzund Fuͤrſt
Potifar: den die Ebreer einen großen Weltweiſen/ als
auch einen Vorſteher der Gelehrtheit und des goͤtzen-
dienſtes der Sonne nennen. Dieſen/ als ſeinen ehmah-
ligen Herꝛn/ wolte Joſef beſuchen. Ein Hofjunker
muſte voran reiten/ dem Ertzbiſchoffe ſolches anzu-
melden.


Sobald der Heliopelſche Ertzbiſchof Joſefs an-
kunft verſtanden; da lies er alles/ was er noͤhtig achte-
te/ einen ſo großen Gaſt auf das herlichſte zu bewuͤrten/
alſobald zuſchikken. Auch befahl er ſeine Freulein
Tochter/ die Fuͤrſtin Aſſenat/ von der Sonnenburg
zu hohlen. Dieſe hatte bis auf gegenwaͤrtige ſtunde
noch niemahls einiges Mansbild geſehen. Und daruͤm
war ſie ſchuͤchtern vor allen mansbildern. Ja ſie ver-
achtete ſie ſchier alle. Und dieſes wolte ihr/ faſt als eine
hofart und vermaͤſſenheit/ zugemaͤſſen werden. Son-
ſten war ſie in allen dingen den Ebreiſchen Toͤchtern
gleich/ und uͤberaus guhtahrtig/ auch ſo ſchoͤn/ daß ſie
vor die ſchoͤnſte des gantzen Reichs gehalten ward. Als
ſie nun ankahm/ gab ihr der Ertzbiſchof alſobald Jo-
ſefs
ankunft zu erkennen. Joſef/ ſagte er/ der Starke
Gottes/ wird zu uns kommen: und ich habe beſchloſ-
ſen/ dich mit ihm zu vermaͤhlen. Sie aber gab eine wei-
gerliche antwort: dan ihr war noch zur zeit unbekant/
daß der Koͤnig ihn zum Herſcher uͤber das gantze Egip-
ten
[204]Der Aſſenat
ten geſetzet. Nein/ nein! rief ſie uͤberlaut: ich wil kei-
nem Gefangenem oder Leibeigenem/ aber wohl einem
Koͤniglichen Fuͤrſten vermaͤhlet ſein. Und indem ſie
alſo redeten/ kahm einer von den tohrwaͤchtern dem
Ertzbiſchoffe anzumelden/ daß der Schaltkoͤnig ſchon in
der ſchlosgaſſe ſei. Als Aſſenat dieſe zeitung hoͤrete/
da eilete ſie geſchwinde nach ihrer Burg zu. Gleichwohl
trieb ſie ihre neugierigkeit ſo weit/ daß ſie luͤſtern ward
den Joſef zu ſehen. Und daruͤm blieb ſie oben uͤber dem
Burgtohre/ in einem fenſter/ ſtehen.


Unterdeſſen ging der Ertzbiſchof/ mit ſeiner Gemah-
lin Toote/ dem Joſef entgegen/ bis vor das Schlos-
tohr. Da empfingen ſie ihn mit der allertiefſten ehrer-
bietigkeit. Und er begab ſich/ ſamt ſeinem gantzen ge-
folge/ in den vorhof: deſſen tohre zur ſtunde wieder ge-
ſchloſſen/ und mit einer ſtaͤrkeren wache verſehen war-
den. Joſef ſaß auf dem zweiten Stahtswagen des
Koͤniges/ welcher mit golde gantz uͤberzogen/ und mit
uͤberaus kuͤnſtlichem bildwerke gezieret. Vier ſchnee-
weiſſe Pferde/ derer zeume/ gebis und ſchnallen von dich-
tem golde/ mit edelen ſteinen ausgeſetzt/ zogen dieſen wa-
gen. Er ſelbſten war gekleidet in reine weiſſe ſeide; und
daruͤber trug er einen ſammeten Rok mit golde ſehr
zierlich geſtikt. Auf ſeinem heupte ſtund eine guͤldene
Krohne/ mit zwoͤlf koͤſtlichen ſteinen/ daruͤber zwoͤlf
ſterne zu ſehen/ verſetzet. In der hand hielt er einen
guͤldenen Reichsſtab/ und einen Oehlzweig/ ſamt der
frucht. Vier Edelknaben gingen auf ieder ſeite des
wagens. Ihre langen uͤber die ſchultern fliegende haar-
lokken waren zierlich verguͤldet/ und eben ſo zierlich ge-
kruͤllet. Ihre kleider waren von ſchneeweiſſer ſeide/ mit
guͤldenen bohrten verbraͤhmet. In der rechten hand tru-
gen ſie einen wurfſpies/ und in der linken einen ſchild/
uͤberzogen mit golde. Der vor- und nach-trab war
nicht weniger koͤſtlich und praͤchtig.


In
[205]fuͤnftes Buch.

In dieſer pracht und herligkeit erblikte die junge Fuͤr-
ſtin Aſſenat den Joſef. Sie ſahe ſeine himliſche
ſchoͤnheit: und war betruͤbt uͤber die worte/ welche ſie
kurtz zuvor geſprochen. Ach! ſagte ſie/ ſehet! die Son-
ne vom himmel iſt auf ihrem wagen zu uns kommen.
Ich wuſte nicht/ daß Joſef Gottes Sohn were. Dan
keiner unter allen Menſchen hat eine ſolche ſchoͤnheit
koͤnnen zeugen. Keiner Frauen leib hat ein ſolches Licht
koͤnnen gebaͤhren. Mit klaͤglicher ſtimme ſprach ſie die-
ſe worte. Mit bereuenden ſeufzern klagte ſie ihre vorige
unbefonnenheit an. Mit traurigem weſen ging ſie nach
ihrem zimmer zu. Nicht ein wort kahm mehr aus ih-
rem munde. Sie war gleich als entzuͤkt: und in ſol-
cher entzuͤkkung ſetzte ſie ſich auf ihr bette.


Unterdeſſen begab ſich Joſef von dem wagen/ und
ging/ mit dem Ertzbiſchoffe Potifar/ in ſein ſchlos.
Straks wuſch man ihm/ nach der Egiptiſchen weiſe/
die fuͤße. Und er fragte mit gebietender ſtimme: was iſt
das vor ein Weibesbild/ das uͤber dem burgtohre im
fenſter lag? daß man ſie ſtraks aus dieſem Schloſſe
ſchaffe. Dan er befahrete/ ſie moͤchte ihm auch/ wie
viel andere getahn/ mit geſchenken verdruͤßlich fallen:
die er doch mit unwillen von ſich warf. Aber der Ertz-
biſchof gab ihm zur antwort: Mein Herꝛ/ ſagte er/ es
iſt meine Tochter/ die alle Mansbilder fliehet. Auch
hat ſie zuvor niemahls einiges Mansbild geſehen/ als
uns an dieſem heutigen tage. Doch wan es Meinem
Herꝛn beliebt/ ſo ſol ſie kommen ihn zu gruͤßen. Joſef
gedachte bei ſich ſelbſt/ wan ſie alles mansvolk fliehet/ ſo
wird ſie mich auch wohl zu frieden laßen. Und daruͤm
ſagte er zum Ertzbiſchoffe: wan eure Tochter ein ſolches
Freulein iſt/ ſo habe ich ſie lieb/ als were ſie meine Ge-
mahlin. Sobald die Mutter dieſes vernahm/ lief ſie ei-
lend auf die Burg ihre Tochter zu hohlen. Und ſie brach-
te ſie in den ſaal/ und ſtellete ſie vor Joſefs angeſicht.
Da
[206]Der Aſſenat
Da geboht ihr der Vater/ und ſagte: Meine Tochter/
gruͤße deinen Bruder/ der alle fremde Frauen haſſet/
gleichwie du alle Maͤnner. Und Aſſenat neugte ſich
mit ſehr zierlichen und ſchaamhaftigen gebaͤhrden/ und
ſprach: Gegruͤßet ſei der Geſeegnete des allerhoͤchſten
Gottes. Darauf antwortete Joſef/ und ſagte: Gott/
der alle dinge lebendig machet/ ſeegene Sie. Und Po-
tifar
befahl ſeiner Tochter ferner/ daß ſie den Joſef
kuͤſſen ſolte. Aber als ſie ſich ſolches zu tuhn naͤherte;
da ſtrekte Joſef ſeine hand aus/ beruͤhrete ihre bruſt/
und ſagte: Demſelben/ der dem lebendigen Gotte die-
net/ und iſſet das broht des lebens/ und trinket den
trank der unſterbligkeit/ geziemet nicht/ daß er eine
fremde mit ſeinem munde beruͤhre. Es geziemet ihm
nicht den mund einer ſolchen zu kuͤſſen/ welche die ſtum-
men und gehoͤhrloſen Abgoͤtter kuͤſſet/ und iſſet der
Goͤtzen broht/ und trinket/ aus den baͤchern der Abgoͤt-
terei/ den trank des todes und der fuͤnſternuͤs/ und
ſchmieret ſich mit oͤhle der unreinigkeit.


Als nun Aſſenat Joſefs reden hoͤrete/ und ſich
gleichſam verſchmaͤhet ſahe; da ward ſie von hertzen be-
truͤbt. Sie weinete bitterlich. Die traͤhnen ſchoſſen/
als zwee ſchmertzenſtroͤhme/ mildiglich aus den augen.
Ja es fehlete wenig/ daß ſie/ vor uͤbermaͤßigen ſchmer-
tzen/ nicht gar in ohnmacht niederſunk. Joſef hatte
zwar nicht gern mit dem Frauenzimmer zu tuhn.
Kaum goͤnnete er ihnen/ daß ſie ihn anſehen mochten.
Er befahrete ſich ſtaͤhts/ daß dadurch der ſpiegel ſeiner
keuſchheit verdunkelt wuͤrde. Ja noch weniger lies er zu/
daß ſie ihn anruͤhreten. Daß eine Fraue den Einwoh-
ner des Paradieſes aus ſeiner herligkeit geſtoßen/ lag
ihm ſtaͤhts im ſinne. Daruͤm flohe er den uͤmgang mit
Weibesbildern/ als eine anſtekkende ſeuche. Gleichwohl
bewegte ihn Aſſenat zum mitleiden. Ihr betruͤbtes/
doch zugleich allerholdſeeligſtes und ſchaamhaftiges
we-
[207]fuͤnftes Buch.

[figure]


[208]Der Aſſenat
weſen zog ihn zur barmhertzigkeit. Hatte er ſich von ihr
kurtz zuvor nicht wollen kuͤſſen oder beruͤhren laßen; ſo
ruͤhrete er ſie itzund ſelbſten an. Er legte ſeine hand auf
ihr heupt/ und ſeegnete ſie. Und Aſſenat erfreuete ſich
uͤber ſeinem ſeegen in ihrem hertzen dermaßen/ daß ſie
vor großen freuden krank ward. Sie ging hin/ und
neugte ſich auf ihr bette. Da uͤberdachte ſie alle worte
des Joſefs. Da beherzigte ſie alle ſeine reden. Dieſe
wuͤrkten in ihr ein hertzliches leidweſen/ eine recht buß-
faͤrtige reue. Hertzlich bereuete ſie ihr abgoͤttiſches we-
ſen. Von hertzen war es ihr leid/ daß ſie bisher den
lebloſen Abgoͤttern gedienet. Sie verleugnete ſie alle:
und erkante den wahren lebendigen Gott.


Unterdeſſen machte ſich Joſef froͤhlich. Er aß und
trank. Und nach gehaltener tafel/ taͤht er/ mit dem
Ertzbiſchoffe/ einen luſtwandel: da er zugleich die gele-
genheit und fuͤrnehmſten gebeue der Stadt beſichtigte.
[Unter] andern beſahe er die fuͤrtrefliche Sonnenſpitze/
welche die allererſte war/ die man in der gantzen welt ge-
ſehen. Mizraim der erſte Egiptiſche Koͤnig nach der
ſuͤndfluht/ hatte dieſelbe/ auf Hermes Trismegiſts
angeben/ zu bauen beſchloſſen; aber ſein Sohn und
Nachſas Mesramutiſis volzogen. Dieſes geſchahe
uͤm das 2213 jahr nach erſchaffung der welt/ und vor
der heilgebuhrt im 1840. Vom erfinder derſelben/ dem
itztgenenten Hermes/ haben die noch heutiges tages in
Deutſchland und anderwaͤrts befindliche Irmenſeu-
len
oder Hermesſeulen ihren nahmen.


Weil nun Joſef ſahe/ daß dieſe Sonnenſeule aus
einem ſonderlichenund gantz ungemeinem Marmelſtei-
ne beſt und; ſo fragte er den Ertzbiſchof: woher dieſer
Marmel kaͤhme? Er antwortete: der Erfinder der
Sonnenſpitzen/ mein vorfahr Hermes Trismegiſt/
oder Tot/ wie wir ihn eigendlich nennen/ hat ihn aus
dem gebuͤrge gegen der ſtadt Tebe uͤber brechen laßen:
und
[209]fuͤnftes Buch.
und von dannen wird er noch itzund zu allen Egipti-
ſchen Sonnenſpitzen gehohlet. Kein ander wird zu den-
ſelben iemahls gebrauchet/ als dieſer. Daß aber der Er-
finder darzu eben dieſen Marmel erleſen/ hat er nicht
ohne ſonderliche uhrſachen getahn. Er hatte beſchloſſen
die Feuerſpitzen/ welche man bisher allein den Men-
ſchen zum gedaͤchtnuͤſſe gebauet/ in eine andere geſtalt
zu veraͤndern/ die zu ſeinem vorſatze geſchikter were.
Dieſer vorſatz war/ daß die Strahlen der Sonne/ wie
des Feuers durch jene/ hierdurch ſolten abgebildet; und
ihr/ der Sonne ſelbſten/ ſolche Spitzen geheiliget; auch
ſein ſin an denſelben/ durch eine verborgene Bilder-
ſchrift/ entworfen werden. Daher hat er dieſe neuer-
fundene Spitzen auch Sonnenſpitzen/ oder viel mehr
Sonnenfinger genennet: und ſie ſchlånker und gera-
der in die hoͤhe fuͤhren laßen; damit ſolche heilige
Schrift daran uͤm ſo viel beſſer koͤnte geleſen werden.
Weil er nun ſahe/ daß die Sonne/ der dieſe Spitzen/
wie jene den Menſchen/ zu ehren ſolten geſtiftet ſein/
ihre herſchaft uͤber die vier Uhrweſen am allermeiſten
ausuͤbete; ſo hat er auch/ zum baue derſelben/ einen
vierfaͤrbigen Stein/ der das geheimnuͤs ſolcher vier-
fachen Herſchaft der Sonne abbildete/ erkohren. Dan
dieſer Tebiſche Marmel/ desgleichen ſonſt nirgend ge-
funden wird/ hat gleichſam zur grundfarbe eine gold-
glaͤntzende roͤhte: welche bald mit Kriſtal- oder ametiſt-
hellen/ bald mit aſchgrauen oder waſſerfårbigen/ bald
mit ſchwartzen flekkern durchſchaͤkkert und eingeſpraͤn-
kelt iſt. Die gold- oder feuer-rohte farbe ſol das Feuer;
die durchſcheinenden Kriſtalflekker die Luft; die grau-
blauen oder waſſergrauen das Waſſer; und die ſchwar-
tzen oder grauſchwartzen die Erde bedeuten.


Wie groß aber/ fragte Joſef weiter/ und wie hoch
werden dieſe Sonnenſpitzen gemeiniglich aufgefuͤhret;
und was wird eigendlich vor ein maß im aufbaue der-
Oſel-
[210]Der Aſſenat
ſelben beobachtet? Die kleineſten Sonnenſpitzen/ ant-
wortete der Ertzbiſchof/ ſeind zehen oder zwoͤlf fuͤße/
die groͤſten hundert/ ja wohl hundert und vierzig hoch.
Auch ſeind ſie nicht alle gleich vierekkicht/ das iſt an ih-
ren ſeiten nicht alle von einerlei breite. Wan eine ihrer
vier ſeiten unten am grundſatze drei ellen breit iſt; ſo iſt
die gantze Seule/ vom unterſten grundſatze an/ bis an
den oberſten grundſatz der aufgeſetzten oder abgeſtumpf-
ten ſpitze/ dreiſſig ellen hoch. Und alſo befindet ſie ſich
allezeit zehn mahl ſo hoch/ als eine ſeite des unterſten
grundſatzes breit iſt. Die ſeite aber des oberſten grund-
ſatzes der abgeſtumpften ſpitze iſt allemahl uͤm das drit-
te teil ſchmaͤhler/ als die breite an des unterſten grund-
ſatzes ſeite. Daruͤm/ wan die ſeite unten am grundſatze
drei ellen breit iſt/ mus dieſelbe unter dem uͤberſatze der
abgeſtumpften ſpitze nur eine elle breit; und die hoͤhe der
aufgeſetzten oder abgeſtumpften ſpitze eben ſo hoch ſein/
als die ſeite des unterſten grundſatzes breit iſt. Wie
nun dieſe Sonnenſeulen oder Sonnenſpitzen von un-
ten auf bis an den oberſten guͤpfel zwar algemach ſchlaͤn-
ker und ſchlaͤnker werden/ aber nicht gantz gerade ſpitz zu
lauffen/ ſondern oben eine abgeſtumpfte ſpitze bekommen;
ſo lauffen hingegen die Feuerſpitzen/ oder/ wie man
ſie von ihrem nachmahligen gebrauche eigendlich nen-
nen kan/ die Grabſpitzen von ihrem viel breiterem
grundſatze nach oben zu/ mit allen ihren ekken und ſei-
ten/ in einem gantz geraden lauffe hin/ bis in das euſer-
ſte der ſpitze. Und was vor ein unterſcheid iſt zwiſchen
den Sonnenſtrahlen/ und Feuerſtrahlen; ein ſolcher
iſt auch zwiſchen den Sonnen- und Feuer- oder Grab-
ſpitzen: indem dieſe viel plumper und dikker/ ja viel
ſchieffer; jene aber viel ſchmaͤhler/ ſchlaͤnker/ und duͤn-
ner/ ja mehr aufgerichteter zu ſtehen pflegen.


Nachdem ſich Joſef im beſichtigen dieſer uhralten
Stadt/ daher alle Egiptiſche weisheit entſprungen/
und
[211]fuͤnftes Buch.
und faſt alle andere voͤlker ſie gehohlet/ bei zwo ſtunden
beluſtiget; da begab er ſich wieder auf das Ertzbiſchof-
liche ſchlos. Alhier verzog er noch ein halbes ſtuͤndlein:
welches mit allerhand gelehrten reden zugebracht ward.
Darnach nahm er ſeinen abſchied. Der Ertzbiſchof noͤh-
tigte ihn zwar bei ihm zu uͤbernachten. Aber ſo bitſeelig
konte er nicht ſein. Joſef reiſete weg. Gleichwohl
verhies er uͤber acht tage wiederzukommen. Seine rei-
ſe ging auf die ſtadt Tanis zu: welche die Ebreer
Zoan nennen. Dieſe hatte Mizraim ebenmaͤßig er-
bauet. Auch ward ſie nach der zeit der Egiptiſchen Koͤ-
nige Sitz: da Moſes ſo viel wunderwerke verrichtete.


Unterdeſſen legte Aſſenat ein ſchwartzes trauerkleid
an: und warf alle Goͤtzenbilder zum fenſter hinaus/
welches nach dem mittage zuging. Auch beſtreuete ſie ihr
heupt mit aſche/ lag auf den kniehen/ faſtete/ und wei-
nete ſieben tage nacheinander. In aller dieſer zeit hoͤre-
te ſie nicht auf zu baͤhten. Sie baͤhtete den lebendigen
Gott an/ den Gott Joſefs. Sie floͤhete/ ſie ſeufzete
tag und nacht; und lies nicht nach/ als bis ſie der Hoͤch-
ſte erhoͤret. Sie ward auch in warheit erhoͤret: und die
herligkeit Gottes erſchien ihr.


Auf den achten tag ſahe Aſſenat/ in der morgen-
doͤmmerung/ zum fenſter hinaus/ nach dem aufgange
zu. Da erblikte ſie den morgenſtern: und neben ihm
taͤht ſich der himmel auf. Ploͤtzlich erſchien ein großes
maͤchtiges Licht. Das ſahe ſie; und fiel in die aſche nie-
der/ auf ihr angeſicht. Mitlerweile lies ſich ein Man
vom himmel hernieder. Der ſtund bei ihrem heupte.
Er rief ſie bei ihrem nahmen. Aber aus furcht konte ſie
nicht antworten. Er rief zum andern mahle: Aſſe-
nat/ Aſſenat
. Da ermunterte ſie ſich/ und antwor-
tete: Herꝛ hier bin ich: ſage mir/ wer du biſt? Ich bin
ein Fuͤrſt/ gab er zur antwort/ des Hauſes Gottes/ und
ein Herzog der Heerſchaaren des HERꝛn. Stehe auf/
O ijund
[212]Der Aſſenat
und trit auf deine fuͤße; damit ich mit dir rede. Aſſe-
nat
richtete ſich auf. Sie ſahe den Man an: und er
war Joſef gantz gleich. Er war eben gekleidet/ wie Jo-
ſef
. Eben einen ſolchen Reichsſtab hatte er in der hand.
Eben eine ſolche Krohne trug er auf dem heupte. Aber
ſein angeſicht war/ als der blitz. Seine augen ſtrahle-
ten/ wie die Sonne. Und ſeine haare glaͤntzeten und
ſchimmerten/ als feuerflammen. Aſſenat erſchrak
uͤber dieſen anblik. Sie fuͤrchtete ſich/ und fiel wieder
auf ihr angeſicht. Der Engel aber troͤſtete ſie/ und rich-
tete ſie auf. Lege dein trauerkleid ab/ ſagte er. Tuhe
das guͤrtel deiner buße weg: und den ſak deiner reue
von deinen lenden. Waſche den ſtaub ab von deinem
heupte. Reinige dein angeſicht/ und deine haͤnde mit
dem lebendigen waſſer/ und lege deinen ſchmuk und zier-
raht an; damit ich mit dir rede.


Hierauf ging Aſſenat eilend hin/ in ihre kammer.
Eilend legte ſie ihren beſten ſchmuk an; und kahm wie-
der zum Engel. Da befahl ihr der Engel/ daß ſie ihr
heupt entbloͤßen/ und den ſchleier ablegen ſolte. Dan du
biſt/ ſagte er/ ein Freulein. Eine Jungfrau biſtu.
Daruͤm ſei ſtark/ und freue dich/ o Jungfrau Aſſe-
nat
. Dein gebaͤht iſt erhoͤret. Deine ſeufzer ſeind durch
die wolken gedrungen. Dein Nahme ſtehet ſchon in das
Buch des lebens geſchrieben. Daraus ſol er nimmer-
mehr vertilget werden. Von dieſem tage an ſolſtu/ als
eine gantz erneuerte und lebendig gemachte/ das geſeeg-
nete Broht des lebens eſſen/ und den Trank der unver-
gaͤngligkeit trinken: ja mit dem heiligen oͤhle ſolſtu ge-
ſalbet werden. Heute iſt dir Joſef zum Breutigam
gegeben. Und hinfort ſolſtu Vielzuflucht heiſſen.
Dan deine Bußfaͤrtigkeit hat dich bei dem Allerhoͤch-
ſten verſuͤhnet. Nun hat Er dir ſeine gnade geſchenket.
Du biſt eine Tochter des Allerhoͤchſten/ eine froͤhliche/
eine fort und fort lachende/ und eine zuͤchtige Jungfrau.


Alſo
[213]fuͤnftes Buch.

Alſo war Aſſenat nunmehr bekleidet mit weiſſem
ſammet der Heiligkeit. Sie war angetahn mit reiner
ſeide der Gottſeeligkeit. Im ungefaͤrbtem atlaſſe der
Keuſchheit ſchimmerte ſie/ als eine liebliche Lilje. Im
purper der Schaamhaftigkeit bluͤhete ſie/ als eine an-
muhtige Roſe. In allen Jungfreulichen Tugenden
gruͤhnete ſie/ als ein luſtiger Lorbeerbaum; und wuchs
auf/ als eine herliche Zeder. Ja ſie war volkommen
ſchoͤn/ als Sara; gantz holdſeelig/ als Rebekka;
uͤberaus lieblich/ als Rahel. Und in ſolchem herlichen
ſchmukke gefiel ſie Gott/ und ihrem Breutigam.


Die freude/ welche dieſe junge Fuͤrſtin uͤber ſolcher
froͤhlichen bohtſchaft empfand/ war unausſprechlich.
Auch freuete ſie ſich in wahrheit nicht uͤmſonſt. Die
hoͤchſte gnade des Allerhoͤchſten war ihr verkuͤndiget.
Der Himmel ſtund ihr offen: im Buche des lebens ihr
nahme: die lebensſpeiſe vor ſie bereitet. Die ſalbung
mit dem Oehle der heiligkeit war ihr verſprochen: Jo-
ſef
zum Breutigam geſchenket. Nichts konte ſie mehr
wuͤndſchen. Sie war in die volle gluͤkſeeligkeit verſetzet.
Die zeitliche und ewige hatte ſie beiſammen. Und dar-
uͤm trug ſie verlangen deſſen nahmen zu wiſſen/ der ihr
alle dieſe gluͤkſeeligkeit verkuͤndigte. Sie fragte den En-
gel/ wie er hieſſe? Er aber gab zur antwort: mein Nah-
me ſtehet mit dem finger Gottes in das Buch des Aller-
hoͤchſten geſchrieben; und alle dinge/ die in demſelben
buche ſtehen/ ſeind nicht auszuſprechen. Auch iſt es kei-
nem ſterblichen Menſchen nuͤtz ſolches zu hoͤren/ oder
zu ſehen.


Hierauf hielt Aſſenat den Engel bei dem ſaume
ſeines Rokkes. Ach! ſprach ſie/ habe ich gnade fuͤr dei-
nen augen gefunden/ ſo ſetze dich ein wenig auf mein
bette/ darauf noch kein Mansbild geſeſſen. Ich wil un-
terdeſſen hingehen/ und dir die tafel bereiten. Und der
Engel ſagte/ daß ſie es mit der haſt tuhn ſolte. Hierauf
O iijſetzte
[214]Der Aſſenat
ſetzte ſie ihm alſobald eine neue tafel vor: und etwas
brohtes/ und weines/ mit koͤſtlichen gewuͤrtzen/ darauf.
Der Engel begehrte auch einen Honigfladen. Und als
ſie betruͤbet ſtund/ weil ſie keinen hatte: da ſagte er/
daß ſie in ihrer ſpeiſekammer/ auf dem anrichttiſche/
zuſehen ſolte. Als ſie nun hinging zu ſehen/ da fand ſie
einen ſchoͤnen Fladen/ vom allerreineſten honige; der
ſo weis war/ als der ſchnee/ und gantz lieblich ſchmaͤkte.
Dieſen trug ſie dem Engel vor/ und ſagte: Ach! Herꝛ/
ich habe gantz keinen Fladen gehabt: aber mit deinem
heiligen munde haſtu es geſprochen; und es iſt alſo ge-
ſchehen. Daruͤm iſt auch ſein geſchmak eben ſo ſuͤße/ als
der ahtem deines mundes.


Der Engel erfreuete ſich inzwiſchen uͤber der Aſſe-
nat
hohem verſtande. Auch hub er ſeine hand auf/ und
legte ſie auf ihr heupt. Seelig biſtu/ ſagte er/ O Aſſe-
nat/
die du die Abgoͤtter verlaßen/ und an den lebendi-
gen Gott gegleubet haſt. Daruͤm ſolſtu/ und alle die-
ſelben/ die/ mit hertzlicher reue/ ſich zu dem HERRn be-
kehren/ von dieſem Fladen eſſen; den die Bienen des
Paradieſes Gottes von ſeinen edlen Roſen gemacht ha-
ben. Darvon eſſen alle Engel Gottes: und alle/ die
darvon eſſen/ werden in ewigkeit nicht ſterben. Und er
brach ein ſtuͤkke vom Fladen/ und aß darvon. Das
uͤbrige ſtekte er in der Aſſenat mund/ und ſagte zu
ihr: nun haſtu das Broht des lebens gegeſſen/ und biſt
mit dem Oehle der heiligkeit geſalbet. Von dieſem ta-
ge an ſolſtu gantz erneuert und geſund werden. Du ſolſt
eine Hofſtat ſein aller derſelben/ welche zum Nahmen
des almaͤchtigen Gottes/ des Koͤniges der ewigkeit/ ih-
re zuflucht nehmen. Hierauf ruͤhrete er den Fladen an/
da das ſtuͤkke war abgebrochen: und er ward wieder
gantz. Straks ruͤhrete er ihn/ mit dem euſerſten des
fingers/ noch einmahl an: und der ſtrichſeines fingers
ward zu bluhte. Aſſenat war verwundert/ als ſie ſol-
ches
[215]fuͤnftes Buch.
ches ſahe. Ja ſie verwunderte ſich noch vielmehr/ als
ſie gewahr ward/ daß ſich ein gantzer ſchwarm Bienen
darinnen bewegte: welche ſo weis waren/ als der ſchnee/
und fluͤgel hatten/ als ſammet/ mit vielerlei farben.
Dieſe Bienen flogen alle zuſammen uͤm die junge Fuͤr-
ſtin her/ und machten einen Honigfladen in ihrer hand.
Endlich geboht ihnen der Engel/ daß ſie wieder in ihr
vaterland kehren ſolten; und ſie flogen/ nach dem mor-
gen zu/ ins Paradies. Darnach ruͤhrete der Engel den
Fladen zum driten mahl an: und ein feuer ging von der
tafel auf/ welches den Fladen verzehrete; die tafel aber
blieb unbeſchaͤdiget: und der rauch dieſes feuers roch
uͤber alle maße lieblich.


Bisher war Aſſenat gantz allein bei dem Engel ge-
weſen. Aber itzund wuͤndſchte ſie/ daß ihre Stahtsjung-
frauen ſeiner angenehmen geſelſchaft auch genieſſen
moͤchten. Ach! ſagte ſie/ Herꝛ/ ich habe ſieben Jung-
frauen/ welche mit mir in einer nacht gebohren/ und mit
mir auch auferzogen ſeind. Koͤnte ich doch ſo bitſeelig
ſein/ daß ſie moͤchten geſeegnet werden/ gleich als ich.
Der Engel gewaͤhrete ſie ihrer bitte: und als die Jung-
frauen hineingetraͤhten waren/ ſeegnete er ſie/ und
ſprach: Der allerhoͤchſte Gott ſeegne euch/ und laße euch
werden zu ſieben Seulen der Stat der zuflucht. Hier-
auf befahl er/ daß die tafel wieder aufgehoben wuͤrde:
und ſobald ſolches geſchehen war/ verſchwand er vor ih-
ren augen.


Nicht wenig verwundert war Aſſenat. Nicht wenig
beſtuͤrtzt machte ſie dieſe begaͤbnuͤs. Ihr Frauenzimmer
erſchrak. Es geriet in eine ploͤtzliche furcht. Furcht und
zittern uͤberfiel ſie. Nicht wuſten ſie/ wie ihnen ge-
ſchahe. Inmittels erhub ſich unverſehens ein ſchal der
trompeten. Aſſenat ſchikte geſchwinde hin zu verneh-
men/ was es were. Man brachte bericht/ der Schalt-
koͤnig ſei vor dem tohre. Straks lief ſie hinab. Flugs
O iiijei-
[216]Der Aſſenat
eilete ſie dem Joſef entgegen. Er zog eben in den vor-
hof ein/ als ſie ihn erblikte. Sie nahete ſich haſtig.
Sie traht vor den wagen/ und gruͤßete ihn mit tiefſter
ehrerbietigkeit. Sie erzehlete ihm alles/ was ſich bege-
ben. Sie ſagte ihm alle worte des Engels. Nicht eines
ward verſchwiegen. Und Joſef erwog ſie in ſeinem her-
tzen. Aber er lies ſich nicht maͤrken/ was er bei ihm be-
ſchloſſen. Er ſchwieg ſtil. Doch ermahnte er ſie in ih-
rer Gottesfurcht zu verharren.


Nach gehaltenem mittagsmahle brach Joſef eilend
auf/ und zog wieder nach Memfis. Unterwegens
begegnete ihm die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris. Die-
ſe reiſete nach Heliopel/ die Aſſenat zu beſuchen. Bei-
de Stahtswagen hielten ſtil. Joſef ſtieg ab/ und ging
nach der Fuͤrſtin zu/ ſeine ſchuldigkeit abzulegen. Nach
geſchehenen gruͤſſen/ fragte ſie zur ſtunde: ob er die Fuͤr-
ſtin Aſſenat geſehen? und wie es ihr ginge? Eben dieſen
morgen/ gab er zur antwort/ habe ich die ehre gehabt ſie
zu ſprechen: und ich weis nicht anders/ als daß es ihr
wohl gehet. Das hat er vor ein großes gluͤk zu ſchaͤtzen/
fing die Fuͤrſtin hierauf an: dan ſie zu ſprechen iſt kei-
nem Herꝛn iemahls widerfahren. Es iſt ein ſehr guhtes
zeichen/ und ein vorſpiel/ daß er derſelbe Fremdling
ſein wird/ der in ihren armen ſchlafen ſol. Ja er iſt es
ſelbſten/ auf den der Goͤttliche Ausſpruch ſchon vor
zwanzig jahren gezielet. Nun ſehe ich deſſelben erfuͤl-
lung vor der tuͤhre. Ja nun ſtehet es allein bei ihm/
daß er ihr bald die tuͤhre eroͤfne. Bei ihm allein ſtehet
es/ uns einen froͤhlichen tag zu machen. Daruͤm was
er tuhn wil/ daß tuhe er bald. Mich ſelbſten verlanget
darnach.


Ich maͤrke wohl/ antwortete Joſef/ daß die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin mit ihrem diener zu ſchertzen geſonnen.
Ich ſchertze keinesweges/ fiel ihm Nitokris in die re-
de. Es iſt mein lauter ernſt. Und ſchon vor zehen oder
zwoͤlf
[217]fuͤnftes Buch.
zwoͤlf jahren habe ich die gedanken gehabt/ daß er derſel-
be ſei/ der kuͤnftig der Fuͤrſt in Aſſenat ſolte vermaͤhlet
werden. Und hierzu hat mich veruhrſachet die Aus-
ſprache der Goͤtter/ die er dazumahl ſelbſten erklaͤhrete.
Ja die drei Treume/ die er/ auf mein anſuchen/ gedeu-
tet/ haben mich darinnen bekraͤftiget. Alles iſt nun-
mehr erfuͤllet/ bis auf dis einige/ daß er in der ſchoͤnen
Aſſenat armen ruhen ſol. Er unterſuche die ſache
ſelbſten. Er denke ihr ſelbſten nach. Ich weis/ er wird
es anders nicht befinden. Und keine andere/ als die
liebſeelige Aſſenat/ iſt dieſelbe Fuͤrſtin/ der zu liebe ich
ihm alle die gunſt erwieſen/ die er iemahls von mir ge-
noſſen. Sie iſt dieſelbe/ die ich meinete/ als ich neulich
im Burggarten mit ihm redete. Mehr weis ich nun
nichts zu ſagen/ als ihm und ihr gluͤk zu wuͤndſchen.
Und hiermit nahm ſie ploͤtzlich ihren abſcheid/ damit ſie
vor abende nach Heliopel gelangen moͤchte.


Als nun Joſef zu Memfis angelanget/ da begab
er ſich ſtraks zum Koͤnige. Erſtlich erzehlte er ihm/ was
er verrichtet. Darnach taͤht er etliche vorſchlaͤge/ wie
man das Getreidich/ in den ſchon angefangenen reichen
jahren/ ſolte zum vorraht einſamlen. Delta oder Un-
ter-Egipten
hatte er nunmehr meiſt beſichtiget. Die-
ſer ſudwinkel beſtund fuͤrnehmlich in drei teilen. Dar-
uͤm war er geſonnen auch drei Kornverwalter alda zu
verordnen. Hierzu ſchlug er den Sohn des Kaufman-
nes/ bei dem er gewohnet/ eh er zu Fuͤrſt Potifarn
kahm/ und dan zween ſeiner geweſenen Mitgefangenen
vor. Auch ſolten ihnen noch fuͤnf andere Unterver-
walter zugefuͤget werden. Dieſe alle waͤhlete er aus den
beſten und treueſten/ die ihm bekant waren. Sonder-
lich ſahe er auf dieſelben/ von denen er ehmahls guhtes
genoſſen. Und ſolche befoͤrderte er vor allen andern/ wo-
zu ſie geſchikt waren. So dankbar war ſein hertz/ daß er
nicht eines vergaß. Der Koͤnig lies ihm alles gefallen.
O vWas
[218]Der Aſſenat
Was er taͤht/ war wohl getahn. Was er ſagte/ das
galt. Er ſetzte ein/ er ſetzte ab/ nach eigener wilkuͤhr.
Alles ſtund in ſeiner macht.


Nach abgehandelten Reichsgeſchaͤften/ kahm Jo-
ſef
endlich auf ſeine eigene. Er hatte nunmehr beinahe
das dreiſſigſte jahr uͤberſchritten. Auch ſolte er nun ſei-
ne eigene haus- oder hof-haltung fuͤhren. Darzu war
ihm eine Gehuͤlfin noͤhtig. Es war zeit zur heurraht zu
ſchreiten. Die gelegenheit boht ſich ſelbſten an. Die
Fuͤrſtin Aſſenat ſchien darzu von Gott verſehen. Ihr
einundzwanzigſtes jahr hatte ſie erreichet. Ob ſie ſchon
keine Ebreerin war/ ſo war ſie doch den Ebreiſchen Toͤch-
tern gleich. Zudem hatte ſie/ aus Goͤttlichem antriebe/
den Ebreiſchen Gottesdienſt uͤmhaͤlſet. Ja es ſchien/
als wan ſie zu Joſefs Gemahlin gebohren. Es ſchien/
als wan ſie darzu albereit in ihrer gebuhrt erkohren. Es
ſchien/ daß ſie darzu ſo ſonderlich erzogen. Kein Frauen-
zimmer fand ſich im gantzen Egipten/ das ſich zum Jo-
ſef
ſo wohl ſchikte/ als Aſſenat. Keine ſtund ihm ſo
wohl an/ als ſie. Und alſo entſchlos er ſich den Koͤnig
ſelbſten daruͤm anzuſprechen. Er wartete nicht lange.
Straks taͤht er ihm ſeinen ſchlus kund. Straks brach-
te er ſein begehren an. Zur ſtunde ward es gebilliget:
ohne verzug bewilliget. Der Koͤnig ſchikte flugs hin/
die Fuͤrſt in Aſſenat ſelbſten zu hohlen. Er befahl den
Ertzbiſchof/ ſamt ſeiner Gemahlin/ mitzubringen. Ei-
lend ſolten ſie kommen. Der wille des Koͤniges litte kei-
nen verzug. Er verlangte faſt mehr dieſe neue Braut
zu ſehen/ als Joſef ſelbſten.


Mitlerweile hatte die Koͤnigliche Fuͤrſtin den weg
glat gebahnet. Sie hatte der ſchoͤnen Aſſenat des Jo-
ſefs
herkommen entdekt. Sie hatte ihr alle ſeine gluͤks-
faͤlle geoffenbahret. Sie hatte ihr der Semeſſe
Traum/ ſamt dem ihrigen/ erzehlet. Alle erklaͤhrungen/
alle gedanken/ die ſie daruͤber gehabt/ hatte ſie ihr eroͤf-
net.
[219]fuͤnftes Buch.
net. Nichts/ ja gar nichts hatte ſie ihr verſchwiegen.
Und alſo ſahe Aſſenat augenſcheinlich/ daß der Him-
mel ſie ſchon vorlaͤngſt zur Gemahlin des Joſefs be-
ſtimmet. Ja auſſer dem/ was ihr der Engel geoffen-
bahret/ ſahe ſie aus dieſen erzehlungen/ daß die zeit ih-
rer vermaͤhlung vor handen. Daruͤm dankte ſie dem
Himmel fuͤr ſeine ſo treue vorſorge. Daruͤm machte ſie
ſich ie mehr und mehr bereit/ ihr verhingenes gluͤk dank-
barlich anzunehmen.


Als nun die Koͤniglichen Abgefaͤrtigten ankahmen/
die Aſſenat/ ſamt ihrem Herꝛn Vater und ihrer Frau
Mutter/ zu hohlen; da muhtmaßete ſie zur ſtunde/ daß
der Allerhoͤchſte ſeinen ſchlus uͤber ſie zu volziehen vor-
hette. Sie konte anders nicht tuhn/ als die Goͤttliche
ſchikkung annehmen/ und dem Koͤniglichen befehle ge-
horchen. Sie zog alſo bald mit. Des morgens ſehr fruͤh
brach man auf. Die Koͤniglichen Abgeordneten/ als
auch der Ertzbiſchof/ ſamt ſeiner Gemahlin/ fuhren
voraus. Die Fuͤrſtin Aſſenat folgete. Bei ihr ſaß
die Koͤnigliche Fuͤrſtin Nitokris. Straks hinter die-
ſen zwo Fuͤrſtinnen kahm Semeſſe/ mit den ſieben
Stahtsjungfrauen der Aſſenat/ auf vier ſonderlichen
kutſchen. Eben ſo viel kutſchen hatten auch die Kam-
mermaͤgdlein. Eine ſchoͤne reiterei von drei hundert
koͤpfen machte den nachſchwalk.


Sobald ſie bei Hofe angelangten/ ward der Ertzbi-
ſchof/ ſamt ſeiner Gemahlin und Freulein Tochter/
vor den Koͤnig gefuͤhret. Dieſer empfing ſie uͤberaus
freundlich/ ſonderlich die Fuͤrſtin Aſſenat: die er an-
ders nicht/ als ſeine Tochter/ nennete. Nach abgeleg-
ten wenigen hoͤfligkeiten/ redete er den Ertzbiſchof alſo
an: Ich habe gegenwaͤrtige ſeine Tochter/ ſo-
bald ſie gebohren war/ vor meine und des Reichs
Tochter angenommen. Und daruͤm bin ich ver-
pflichtet/ ſie zu verſorgen. Ich bin verbunden/

auf
[220]Der Aſſenat
auf ihre wohlfahrt bedacht zu ſein. Beſſer aber
kan und weis ich ſolches nicht zu tuhn/ als durch
eine guhte vermaͤhlung. Des Egiptiſchen
Reichs Schaltkoͤnig Joſef/ den ich gleichmaͤßig
vor meinen Sohn erkenne/ traͤget belieben zu
ihr. Und daher bin ich hertzlich erfreuet. Auch
wuͤndſchet nun mein hertz nichts mehr/ als daß
ihr belieben mit dem ſeinigen uͤbereinſtimme. Ja
ich hofe gewis/ ihr Ja werde dem ſeinigen be-
gegnen. Und in ſolcher hofnung/ bin ich bereit/
Sie mit Ihm zu vermaͤhlen. Aus meiner hand
ſol Er Sie/ als meine eigene Tochter/ empfan-
gen. Ich wil/ daß ſie meine untertahnen vor
ihre Schaltkoͤnigin erkennen. Und mit dieſem
meinem willen/ zweifle ich nicht/ werde ſich der
wille ihrer leiblichen Eltern vereinbahren
.


Der Ertzbiſchof bedankte ſich gegen den Koͤnig zum
alleruntertaͤhnigſten. Er bedankte ſich vor die hohe Koͤ-
nigliche gnade; vor die treue Vaͤterliche vorſorge; ja
vor das allerguͤhtigſte hertz/ das er ſeinem gantzen Hauſe
zuzutragen ſo gar gnaͤdig geruhete. Auch uͤbergab er ihm
ſeine Tochter gantz und gar/ mit ihr/ nach ſeinem aller-
gnaͤdigſten willen/ zu walten und zu ſchalten. Hierauf
wendete ſich der Koͤnig nach der Fuͤrſtin Aſſenat zu.
Meine Tochter/ ſagte er/ ich habe das guhte ver-
trauen zu ihr/ es werde meine gefaſte hofnung
auf ihrer ſeite nicht vergebens ſein
. Weil nun das
Freulein/ mit ſchaamhaftigen blikken/ die augen nieder-
ſchlug/ und keine antwort gab; ſo fragte der Koͤnig:
weſſen habe ich mich dan nun zu meiner Tochter
zu verſehen
? Mein dankbahres hertz/ antwortete ſie/
habe ich Seiner Majeſtaͤht ſchon vorlaͤngſt/ in allerun-
tertaͤhnigſter gehorſamkeit/ zu eigen gegeben; und eben
alſo uͤbergebe ichs itzund aufs neue. So wil dan mei-
ne Tochter/
fuhr der Koͤnig fort/ daß ich Sie mit
dem
[221]fuͤnftes Buch.
dem Schaltkoͤnige vermaͤhle? Mein wille hat hier
keine wahl/ gab Aſſenat zur antwort; weil er dem
willen Seiner Majeſtaͤht gantz untergeben iſt/ ſo daß er
auch Seinem winke gehorchen mus. Gehorchen
mus/
fing der Koͤnig das wort auf: das iſt mein
wille nicht. Sondern ich wil/ daß ſie willig/ und
nicht gezwungen ihr Jawort von ſich gebe
. Wie
es der allerhoͤchſte Gott ſchikket/ fuhr das Freulein
weiter fort/ und es der Koͤnig mittelt/ damit bin ich zu
frieden. Beides nehme ich willig an; weil ich wohl
weis/ daß es zu meinem aufnehmen gereichet. Wie ſolte
ich der Goͤttlichen ſchikkung/ und dem Koͤniglichen wil-
len/ die beide ſo guht ſeind/ widerſtreben? Es ſei ferne
von mir auch nur die gedanken zu haben.


Weil nun der Koͤnig ſahe/ daß Aſſenat von ſeinem
vorſchlage nicht abgeneugt were; ſo lies er den Schalt-
koͤnig hohlen. Dieſer erſchien alſobald. Sehr freundlich
empfing er ſeinen kuͤnftigen Vater/ ſeine kuͤnftige Mut-
ter/ ſeine kuͤnftige Gemahlin. Auf allen ſeiten offen-
bahrte ſich die freude. Die liebe/ die ſich bisher verbor-
gen gehalten/ euſerte ſich itzund mit voller kraft. Jo-
ſef
ſelbſten konte ſie nicht laͤnger verhehlen. Man er-
blikte ſie aus allen ſeinen gebaͤhrden. Alle ſeine worte
gaben ſie genug zu verſtehen. Es war mit luſt anzu-
ſehen/ wie er der Aſſenat ſo liebſeelig begegnete: und
ſie wieder ihn ſo holdſeelig anblikte. Der Koͤnig maͤrk-
te/ daß ſeine gegenwart die liebe/ ſich recht zu euſern/
verhinderte. Daruͤm ſagte er zum Ertzbiſchoffe: daß er
geſonnen ſei ein luſtgaͤnglein im Burggarten zu tuhn;
und wan es ihm beliebte/ ſo koͤnte er ihm/ mit ſeiner
Gemahlin/ geſelſchaft leiſten. Hierauf ging er ſtraks
nach der tuͤhre zu/ und der Ertzbiſchof/ ſamt ſeiner Ge-
mahlin/ folgete. Joſef nahm die Aſſenat bei der
hand/ in willens die geſelſchaft mit zu halten. Aber der
Koͤnig winkte ihm/ daß er bleiben ſolte. Wir drei/ ſag-
te
[222]Der Aſſenat
te er/ haben etwas heimlichs miteinander zu reden/ daß
ſie beide nicht wiſſen ſollen. Und vielleicht wollen ſie
zwei dergleichen tuhn/ da der dritte zu viel iſt. Daruͤm
koͤnnen ſie hier allein bleiben: und wir wollen auch al-
lein unſern luſtwandel verrichten. Bald wird es zeit
ſein das abendmahl zu halten. Dan wollen wir wieder-
kommen/ und uns miteinander ergetzen.


Alſo blieb Joſef mit der Fuͤrſtin Aſſenat im Koͤ-
niglichen zimmer. Die geſpraͤche/ die ſie in geheim
hielten/ wollen wir nicht offenbahren. Was alhier un-
ter der Roſe geredet worden/ gebuͤhret uns nicht nachzu-
ſchwatzen. Doch wollen wir dieſes ſagen/ daß der un-
terliche liebesvergleich in einem ſtuͤndlein volkoͤmlich ge-
troffen worden. Dan ſobald der Koͤnig/ mit ſeiner ge-
ſelſchaft/ wiederkahm/ und laͤchlende fragte: ob ſie nun-
mehr eins weren? da gab ihm Joſef zur anwort: Eins
iſt in alwege beſſer/ als zwei. Daruͤm haben wir uns
bemuͤhet/ dieſes zwei in Eins zu bringen. Und das iſt
auch gluͤklich geſchehen. O eine himliſche rechenkunſt/
die aus zweien Eins machet! rief der Koͤnig uͤberlaut.
Lange muͤſſe dieſes Eins waͤhren! Lange muͤſſe dieſe
Vereinigung tauren! Lange muͤſſe dieſes vereinbahrte
Paar leben! Der Himmel muͤſſe es ſeegnen! Ihm
muͤſſe kein boͤſes begegnen! Alles muͤſſe zum beſten ge-
deien.


Wie nun ſolche Vereinigung in geheim geſchloſſen
war; ſo ward ſie noch dieſen abend/ in gegenwart des
Koͤniges/ der Koͤnigin/ und beider hochfuͤrſtlichen
Eltern des Freuleins Aſſenat/ ja des gantzen Koͤnig-
lichen Frauenzimmers/ und aller Hofbedienten/ durch
ein oͤffentliches Verloͤbnuͤs volzogen. Und alſo bekahm
Joſef ſeines geweſenen Herꝛn Tochter zur Gemahlin;
und mit ihr/ zum Brautſchatze/ ſechzig tauſend guͤlde-
ne krohnen. So herlich ward ihm ſeine Tugend beloh-
net/ ſo reichlich ſeine Keuſchheit vergolten. Ja ſo koͤſt-
liche/
[223]fuͤnftes Buch.

[figure]


[224]Der Aſſenat
liche/ ſo fuͤrtrefliche/ ſo ſchoͤne fruͤchte trug ihm ſeine
Gottesfurcht. Aſſenat war die ſchoͤnſte/ die Tugend-
volkomneſte/ und/ naͤchſt der Koͤniglichen Fuͤrſtin
Nitokris/ die allerfuͤrnehmſte junge Fuͤrſtin des gan-
tzen Egiptens. Eine ſo fuͤrtrefliche Braut ward dem
Joſef zu teile. Ein ſo edeler ſchatz muſte die bitterkeit
ſeines gelittenen elendes verſuͤßen. Aus dem Hauſe/
da man ihm die meiſte ſchmaach zugefuͤget/ ward er mit
ehren gekroͤhnet/ mit freuden erfuͤllet/ mit wohlluſt ge-
ſaͤttiget. Jederman war/ mit ihm/ erfreuet. Jeder-
man wuͤndſchte den neuen Breuten gluͤk. Unter dem
getoͤhne der klingſpiele/ unter dem ſchalle der trompeten/
erhub ſich/ durch den gantzen ſaal/ ein froͤhlicher zuruf.
Und dieſer waͤhrete ſo lange/ bis die ſpaͤhte nacht ſie zu
ſcheiden noͤhtigte.


Auf den morgen ward der tag zum Beilager beſtim-
met. Inzwiſchen ſolte alles darzu auf des Koͤniges ko-
ſten/ faͤrtig gemacht werden. Inzwiſchen wolte Joſef
das Ober- und Mittel-Egipten durchreiſen. Alda
wolte er gleich alſo/ wie er im Unter-Egipten getahn/
zur einſamlung des getreidichs anſtalt machen. Nach
dieſer entſchlieſſung begab ſich der Ertzbiſchof/ ſamt ſei-
ner gemahlin und Freulein Tochter/ wieder nach He-
liopel.
Der Schaltkoͤnig begleitete ſie: und als man
daſelbſten angelanget/ beſahe er zugleich die heilige
Sonnenburg/ die zwanzigjaͤhrige wohnung der ſchoͤ-
nen Aſſenat.


Dieſe Burg lag recht vor dem Ertzbiſchoflichen
Schloſſe/ rundheruͤm mit Luſt-Baum- und andern
gaͤrten/ als auch einer ſtarken und hohen mauer uͤmge-
ben. Zwei tohre gingen in den hof des gemelten Schlos-
ſes/ und eben ſo viel nach der ſtadt zu: jene gegen mor-
gen und mittag/ dieſe gegen abend und mitternacht.
Auf der Morgenſeite lag der Luſtgarten: auf der mit-
tagsſeite der Baumgarten: auf der abendſeite der Kuͤ-
chen-
[225]fuͤnftes Buch.
chengarten; und auf der nordſeite der Tiergarten. Der
Luſtgarten war mit vielerhand bluhmen und andern
fremden gewaͤchſen bepflantzet. Hier ſchimmerten die
Roſen. Hier blinkten die Liljen. Hier lachten die
Narziſſen und Hiazinten. Hier bluͤheten die Ta-
tuhrſtauden
/ und das wohlriechende Moſchkraut.
Hier gruͤhneten die heiligen Kreuter und pflantzen; die
Seewermuht/ das Efeu: die heiligen ſtauden und
beume; der Rundbaum/ der Lorbeerbaum/ der
Magenbaum/ und andere dergleichen. Hier wuchs
das Knabenkraut/ die Hertzwurtz/ der Augen-
troſt
/ das Zahnkraut; derer euſerliche geſtalt ihre in-
nerliche kraft und wuͤrkung anzeigete. Hier ſtund
auch das wunderſeltzame Surnag: deſſen wurtzeln/
durch ihre entjungfernde manskraft/ das zahrte Frau-
enzimmer verſcheuchet. Von den andern beumen/ ſtau-
den/ pflantzen/ kreutern und bluhmen/ die ſich alhier
befanden/ wollen wir nichts melden.


Der Baumgarten war mit vielerhand Beumen rei-
henweiſe beſetzet. Dieſe alle ſtunden ſchnuhrgerade/ in
unterſchiedlichen ſchichten: in der erſten/ Goldaͤpfel-
beume/ Zitronenbeume/ Granahtaͤpfelbeume/
Feigenbeume
; in der zweiten/ Zipreſſenbeume/
Mirtenbeume/ Sant- oder Hartzbeume/ Kar-
neb- oder Horn-beume
/ daran das Johannes-
broht
waͤchſet; in der dritten/ die Muſenbeume/ die
Wollenbeume/ Atlenbeume/ Lablab- oder Bo-
nenbeume/ Alkannen
; in der vierden/ Schwartze
Zimmet- oder Schoten-beume/ Sebeſtenbeume/
Oehlbeume/ Dattelnbeume
/ derer maͤnlein man
mit den weiblein aneinander geflochten/ Tamarin-
den-
oder Sonnen-beume/ Bruſtbeerenbeume/
Balſambeume
/ und ſo fort.


Der Kuͤchengarten war mit allerhand Egiptiſchen
Kohl-muß- und andern Kuͤchen-kreutern beflantzet:
Pwelche
[226]Der Aſſenat
welche man ſo wohl roh/ als gekocht/ und eingemacht
zur ſpeiſe gebrauchte. Hier wuchſen die beruͤhmten E-
giptiſchen Bohnen.
Hier ſtund das Egiptiſche
Pappelnkraut
oder Bammia: deſſen vielekkichte
flaſchenfrucht ein angenehmes eſſen verſchafte. Son-
derlich befand ſich alhier der Egiptiſche Kohl in
großer maͤnge: deſſen verluſt die Kinder Iſraels in
der Wuͤſte mit ſchmertzen bejammerten. Darzu kah-
men allerhand ahrten der Melonen/ und eine große
anzahl kreuter/ und anderer fruͤchte/ die man alle zur
ſpeiſe zu nuͤtzen pflegte.


Der Tiergarten war mit allerhand Egiptiſchen ge-
heiligten Tieren verſehen; welche ſie als Goͤtter zu eh-
ren pflegten: als Krokodillen/ Katzen/ Hunde/
Boͤkke/ Widder/ Baͤhre/ Woͤlfe/ Leuen
/ und
dergleichen. Sonderlich aber ward alhier der Goͤtzen/
ochſe
/ der ſchwartz war und weis geflekkert/ in einem ſtal-
le ſehr heiliggehalten: als auch der Babian/ der dem Ab-
gotte Serapis geheiliget/ und zur erfindung des Waſ-
ſeruhrs anlaß gegeben. Gleichesfals ſahe man alda/ in
einem Vogelhauſe/ mancherlei Egiptiſche geheiligte
Vogel; als den Habicht/ den Eib oder Egiptiſchen
Storch
/ den Adler/ den Sonnenvogel/ und der-
gleichen mehr. Im vorhofe ſtund auf der rechten hand
ein Springbrun lebendiges waſſers/ welches in einen
großen ſteinernen trog geſchoſſen kahm. Hiermit pfleg-
te man die gaͤrte zu waͤſſern/ auf das ihre gewaͤchſe be-
kleiben moͤchten.


Mitten in dieſem weiten uͤmfange lag die Burg ſelb-
ſten/ mit zehen großen zimmern und ſaͤhlern verſehen.
Im erſten hatten die algemeinen Egiptiſchen guͤldenen
und ſilbernen Abgoͤtter/ denen die Fuͤrſtin Aſſenat
taͤglich gedienet/ geſtanden. Der bodem war mit glat-
ten vierekkichten marmelſtuͤkken belegt; die mauren
rund heruͤm mit edlen ſteinen geſchmuͤkt; und die ſeu-
len
[227]fuͤnftes Buch.
len von lauterem golde. Im andern ward der Fuͤrſt in
Kleiderſchmuk/ Geſchmeide/ Tafelzierraht/ Gold- und
ſilber-werk/ ſamt den Prunktuͤchern/ verwahret. Im
dritten hatten ſich allerhand Goͤtzen des Landes befun-
den; da die Fuͤrſt in ihr gebåht taͤglich verrichtet. Im
vierden/ welches ſehr groß/ und mit drei großen fenſtern
nach dem morgen/ mittage/ und mitternacht zu verſehn
war/ wohnete die Fuͤrſtin Aſſenat ſelbſten. Hierinnen
ſtund ein gantz guͤldenes bette/ mit ſammet/ und aller-
hand ſeidenem zeuge gezieret. In den uͤbrigen gemaͤchern
befand ſich der Aſſenat Frauenzimmer. Dieſe alle wa-
ren mit koͤſtlichen prunktuͤchern behangen/ und mit an-
derem ſchmukke uͤberfluͤßig verſehen.


Als nun Joſef alhier alles beſehen/ und ſich/ mit
ſeiner Aſſenat/ ein wenig ergetzt hatte; da nahm er
ſeinen abſchied/ die Laͤnder durchzureiſen. Der Ertzbi-
ſchof begleitete ihn bis an den Sonnenbrun/ der nicht
weit von Heliopel gelegen. Dieſen brunnen halten et-
liche vor denſelben/ in deſſen waſſer die Jungfraumut-
ter Marie des Kindleins Jeſus wuͤndeln gewaſchen/
als ſie nach der zeit/ mit ihm/ vor dem Koͤnige Hero-
des
in Egipten geflohen/ und ſich in dieſer gegend ver-
borgen gehalten. Auch zeiget man noch itzund alda/ bet
dem Flekken Matarea/ einen alten Egiptiſchen
Feigenbaum
/ welcher hohl und auf der einen ſeite
voneinander geborſten. In dieſem Baume ſol ſich ge-
melte Jungfrau Marie/ mit dem Heilkinde/ vor ih-
ren verfolgern einige tage lang verborgen haben. Etliche
fuͤgen hinzu/ daß gemelter Feigenbaum eben dazumahl
voneinander geborſten; und als die Mutter/ mit dem
Kindlein/ ſich darein verſtekt gehabt/ wieder zuſammen-
geſchloſſen worden/ ſo lange bis die verfolger vorbei ge-
weſen: da er ſich aufs neue geoͤfnet/ und mit ſolcher
oͤfnung bis auf den heutigen tag ſtehen geblieben.


Und alſo beſichtigte Joſef zum allererſten dieſe ſchoͤ-
P ijne
[228]Der Aſſenat
ne gegend des landes Geſſen; die er nachmahls vor
ſeinen Vater und ſeine Bruͤder/ ſie zu bewohnen/ er-
leſen. Hierauf reiſete er nach Bubaſt: da der goͤtzen-
dienſt der Katzen und Hunde fuͤrnehmlich im ſchwange.
Bei den Ebreern heiſſet es Pileſet; bei den itzigen Egip-
tern Azut oder Aziot. Nach dieſer ſtadt zu warden eh-
mahls alle Katzen/ die in Egipten ſtarben/ eingeſaltzen
geſchikt; und alda/ gleichwie die Habichte zu Butis/
mit heiligen gepraͤngen begraben. Von dannen ging die
reiſe ferner fort in die andern ſtaͤdte des Mittel-Egip-
tens. Endlich zog er auch in das Ober-Egipten; deſ-
ſen hauptſtadt das pråchtige Tebe/ der nachmahlige
Koͤnigliche ſitz/ war. Dieſe Stadt iſt ehmahls ſo ge-
waltig groß geweſen/ daß ſie mit hundert tohren geprah-
let. Als er nun alles beſichtiget/ und uͤberal anſt alt ge-
macht das getreidich einzuſamlen/ auch hierzu koͤnig-
liche Kornheuſer zu bauen befohlen; da begab er ſich
wieder nach Memfis.


Acht tage vor der beſtimten zeit des Beilagers kahm
Joſef in dieſer koͤniglichen ſtadt an. Eben hatte ſich
die Fuͤrſtin Aſſenat alda auch eingefunden/ die Koͤ-
nigliche Fuͤrſtin zu beſuchen. Eben ſtunden dieſe beide
Fuͤrſtinnen im fenſter/ als der Schaltkoͤnig zum Burg-
tohre hineinfuhr. Niemand war froher/ als Aſſenat/
da ſie ihren Breutigam erblikte. Kaum konte ſie ſich
halten/ daß ſie ihm nicht ſtraks entgegen lief. Kaum
konte ſie ſo lange warten/ bis er ſelbſten kahm ſeine
ſchuldigkeit bei ſeiner Braut abzulegen. Das gluͤk
wolte beiden ſo wohl/ daß der Koͤnig eben vor die ſtadt
geritten. Und alſo gab deſſen abweſen ihnen gelegen-
heit einander uͤm ſo viel eher wilkommen zu heiſſen.
Dieſes geſchahe mit den hoͤchſten freudenbezeugungen.
Niemahls hat die Morgenſonne den Erdkreus liebli-
cher gegruͤßet/ als beiderſeits gruͤſſe waren. Die holdſee-
ligen reden/ die anmuhtigen blikke ſpieleten durchein-
an-
[229]fuͤnftes Buch.
ander. Dieſe zeigeten an/ was jene nicht durften. Die
freudigen bewegungen des hertzens euſerten ſich durch
die augen/ die eignen werkzeuge der Liebe. War die
zunge bloͤde/ ſo waren dieſe deszukuͤhner.


Mitlerweile kahm der Koͤnig an. Unverſehens uͤber-
raſchete er dieſes liebe Paar. Unvermuhtlich traht er
zum zimmer hinein. Zur ſtunde ward ein ſtilſchweigen.
Joſef eilete ihm ſtraks entgegen/ die Koͤnigliche hand
zu kuͤſſen. Da veraͤnderte ſich der ſchertz in ernſt; der
liebeshandel in ſtahtsgeſchaͤfte. Der Schaltkoͤnig er-
zehlte den verlauf ſeiner reiſe. Seine verrichtungen
taͤht er kund. Der Koͤnig billigte ſie alle. Alles/ was
Joſef angeordnet/ gefiel ihm uͤber die maße. Die
Kornverwalter waren nunmehr durch das gantze Egip-
ten beſtellet. Hieruͤber ſolten auch Oberaufſeher verord-
net werden. Derer ſieben/ vermeinte Joſef/ wuͤrden
genug ſein. Naͤhmlich drei im Ober-Egipten; und ſo
viel im Unter-Egipten; aber im Mittel-Egipten nur
einer; weil er alda ſelbſten zugegen/ und neben dieſem
die aufſicht zu haben vermoͤchte. Die wahl dieſer ſieben
hohen Beamten uͤbergab er dem Koͤnige: und der Koͤ-
nig ihm wieder. Darbei blieb es. Auf dem Schaltkoͤ-
nige ſolte alles beruhen. Alle ſolten ihre aͤmter und be-
fehle nur aus Joſefs hand empfangen.


Weil nun des Koͤniges wille war/ das Joſef alles
allein nach ſeinem eigenen guhtduͤnken/ beſtellen ſolte;
ſo machte er ſeinen eigenen Hofmeiſter zum Oberaufſe-
her im Mittel-Egipten. Die uͤbrigen ſechſe waͤhlete er/
auf erleubnuͤs des Koͤniges/ aus den Koͤniglichen Hoͤf-
lingen. Dieſe alle waren aus dem fuͤrnehmſten Egip-
tiſchem Adel entſproſſen/ und darbei noch unverehligt.
Nach geſchehener wahl/ baht Joſef den Koͤnig ihm zu
erleuben/ daß er auf den abend ſeine Braut/ ſamt ih-
rem Frauenzimmer/ und den erwehlten Oberaufſe-
hern/ im koͤniglichen Luſtgarten bewuͤrten moͤchte. Al-
P iijles
[230]Der Aſſenat
les ward ihm zugeſtanden; und darzu dem Kuͤchen-
meiſter befohlen/ daß er ſolches Mahl auf das herlichſte
zurichten lieſſe. Hierauf ging der Koͤnig zu ſeiner Ge-
mahlin/ den Joſef bei ſeiner Liebſten allein zu laßen.
Auch ward gemelten ſechs Hoͤflingen angeſagt; daß
ſie dieſen abend des Schaltkoͤniges gaͤſte ſein ſolten;
und uͤber eine ſtunde in der Fuͤrſtin Aſſenat zimmer
ſich einfinden. Dieſe/ welche von ihren neuen Beſtal-
lungen noch nichts wuſten/ waren uͤberaus verwun-
dert. Sie konten ihnen nicht einbilden/ woher ihnen
ſolche ehre kaͤhme.


Nach verlauf der angeſagten zeit erſchienen die ein-
geladenen/ auf das praͤchtigſte gekleidet. Der Schalt-
koͤnig empfing ſie alle ſehr freundlich. Auch zeigete er
ihnen alſobald an/ mit was vor Beſtallungen er ſie
verſehen. Sie bedankten ſich auf das untertaͤhnigſte
vor ſolche ſo hohe gnade. Einieder gelobte mit mund
und hertzen an/ ſeinem befehle getreulich nachzukom-
men. Der Fuͤrſtin Aſſenat ſieben Stahtsjungfrauen
kahmen eben zum zimmer hinein getraͤhten/ die Fuͤrſtin
zur tafel zu begleiten. Und hiermit erhub ſich der
Schaltkoͤnig/ und nahm ſeine Liebſte bei der hand. Auch
befahl er ſeinem Hofmeiſter/ und den andern ſechs O-
beraufſehern dergleichen zu tuhn. Einieder ſolte vor ſich
eine Jungfrau erwehlen; und alſo gepaaret ihm fol-
gen. Sobald ſie in den garten gelanget/ lies ſich Joſef/
mit ſeiner Braut/ bei der tafel nieder: und die gaͤſte
folgeten ihm/ wie ſie gegangen/ zu paaren. Jederman
war froͤhlich. Joſef ſelbſten hatte ſeine ſonderliche luſt
an dieſer bunten reihe. Er fragte das Frauenzimmer:
ob ihnen dieſe gepaarte geſelſchaft nicht beſſer anſtuͤnde/
als ihr bisher gefuͤhrtes einſames leben? Termuhtis/
darzu ſich ſein Hofmeiſter geſellet/ gab offenhertzig zur
antwort: ſie wuͤndſchte vor ihr teil ſo gepaaret zu blei-
ben. Sie ſol es auch bleiben/ fing ihr Joſef das wort
auf:
[231]fuͤnftes Buch.
auf: und ich zweifle nicht/ es werde ihrem gatten eben
alſo belieben. Es kan mir nichts beſſer belieben/ fing der
Hofmeiſter hierauf an: und ich bin mit meiner gattin
mehr als wohl zu frieden. Hierauf rieffen ſie beiden al-
le gluͤkzu: und der Schaltkoͤnig fragte die uͤbrigen/ ob
ſie auch alſo geſonnen? Weil nun keine von den Jung-
frauen einige antwort gab; ſo antworteten endlich die
ſechs Hoͤflinge alle zugleich/ ſie wuͤndſchten nichts lie-
bers/ als fort und fort ſo gegattet zu leben: auch fuͤgten
ſie hinzu/ daß ſie nicht zweifelten/ ihre gattinnen wuͤrden
dergleichen wuͤndſchen; weil ſie ihr ja mit ſtilſchweigen
andeuteten.


Alle dieſe ſieben Jungfrauen waren aus dermaßen
ſchoͤn. Sie waren alle aus den fuͤrtreflichſten Adlichen
geſchlechtern entſproſſen. Und wie ſie/ dem alter und
ſtande nach/ alle gleich waren/ ſo waren ſie es auch in
der ſchoͤnheit. Keine hatte ſich weder hier/ noch dar ei-
nigen vorzug anzumaßen: ſo gleichmåßig ſchoͤn/ und
edel waren ſie alle. Und eben daruͤm war einieder gatte
mit ſeiner gewehlten gattin uͤber die maße vergnuͤget.
Keiner misgoͤnnete dem andern ſein teil. Einieder bil-
dete ihm ein/ er hette die ſchoͤnſte gewehlet. Der Schalt-
koͤnig ſprach endlich das letzte wort aus. Weil ich dan
ſehe/ ſagte er/ daß ſie ſaͤmtlich gepaaret ſein/ und bleiben
wollen; ſo wuͤndſche ich ihnen allen den himliſchen
ſeegen. Ja ich wil/ daß mein trautag ihr trautag ſei.
Ich wil/ daß meine freude die ihrige vermehre. Das
wil ich; damit meine luſt uͤm ſo viel volkommener ſei/
wan ich/ mit meiner traue/ die ihrige volziehen ſehe.


Mitlerweile war der ruf von dieſem neuen Liebes-
handel vor des Koͤniges ohren gelanget. Er ſaß noch/
uͤber der tafel. Aber aus neugierigkeit/ ſolche gepaarte
ſieben in ihrer vollen luſt zu ſehen/ ſtund er eher auf/ als
er gewohnet. Unvermuhtlich traht er in den garten. Die
Koͤnigin hatte er an der rechten/ und die Koͤnigliche
P iiijFuͤr-
[232]Der Aſſenat
Fuͤrſtin an der linken hand. Alſo nahete er der Som-
merlaube/ darunter alle dieſe Breute ſaßen. Eben wa-
ren ſie in ihrer beſten luſt/ als er ſie uͤberraſchete. Zur
ſtunde bewegte ſich alles. Alleſamt ſtunden ſie auf/ des
Koͤniges gegenwart zu ehren. Der Schaltkoͤnig Jo-
ſef
und die Fuͤrſtin Aſſenat trahten von ihrer ſtelle/
dem Koͤnige ſie zu uͤbergeben. Aber er winkte ihnen/ daß
ſie bleiben ſolten. Wir kommen nicht/ ſagte er/ ſie in
ihrer luſt zu ſtoͤhren; ſondern den neuen Breuten gluͤk
zu wuͤndſchen. Auf dieſe worte neugten ſie ſich alle mit
tiefſter ehrerbietigkeit. Mein Hof/ fuhr der Koͤnig fort/
hat heute von großem gluͤkke zu ſagen; weil er ſechzehen
Breute beieinander ſchauet. Das iſt nie erhoͤhret/ ſo
lange dieſe Burg geſtanden. Aber woher komt uns ein
ſo ploͤtzliches und ſo ſeltenes gluͤk? Ohne zweifel haben
wir es der Fuͤrſtin Aſſenat zu danken. Hiermit ging
er von ihnen/ nach dem hinterſten ende des gartens zu;
damit er ſie in ihrer freude nicht ſtoͤhrete.


Unterdeſſen ſetzten ſich alle dieſe Verlobten noch ei-
nen augenblik nieder. Nicht mehr als einmahl ward
heruͤm getrunken/ und dem Frauenzimmer noch etwas
vom nachtiſche vorgedienet. Darnach erhub ſich der
Schaltkoͤnig/ mit der Fuͤrſtin/ als auch alle ſeine gaͤſte.
Er nahm ſeine Liebſte bei der hand/ ſich zum Koͤnige
zu begeben: und die neuen Oberaufſeher/ ſamt ihren
Breuten/ folgeten ihm nach. Alſo gingen ſie gepaaret
nach hinten zu; da der koͤnig/ ſamt ſeiner Gemahlin
und Freulein Tochter/ unter einem laubergange ſaß.
Alda ergetzten ſie ſich mit allerhand kurtzweiligen ge-
ſpraͤchen. Allerhand ſchertzreden fielen vor. Allerhand
luſtſpiele warden begonnen. Aber Niemand ſchien lu-
ſtiger zu ſein/ als der Koͤnig. Er ſchertzte fort und fort.
Fort und fort erwaͤhnte er des unvermuhteten gluͤkkes/
das heute ſeinem Hofe zugeſtoßen. Dieſer abend/ ſagte
er/ ſei wuͤrdig/ daß ihn der hoͤchſte der Goͤtter auf ſei-
ner
[233]fuͤnftes Buch.
ner Amme fel mit guͤldenen buchſtaben anzeichnete; daß
deſſen gedaͤchtnuͤs im himliſchen Ertzſchreine verwahret
wuͤrde.


Es war nunmehr ſehr ſpaͤte. Es nachtete auf dem
gantzen oberſten weltkreuſe. Der fuͤnſtere ſchatten hat-
te die helfte der erdkugel uͤmgeben. Doch machten ihn
die fuͤnkelnden ſterne liechte. Der aufgehende mohn zer-
trieb ihn. Der Kanohpſtern ſchimmerte von ferne. Er
winkte durch die ſtille luft den Verliebten ein zeichen zu
geben/ daß ſie ſcheiden ſolten. Es war hohe zeit die
nachtruhe zu nehmen/ und die ermuͤdeten glieder/ durch
den ſchlaf/ zu erfriſchen. Der Koͤnig begab ſich endlich
aus dem garten. Die gantze geſelſchaft folgete bis vor
der Koͤnigin zimmer. Alda geſeegnete ſie der Koͤnig.
Bei der Fuͤrſtin Aſſenat ſchieden ſie zuletzt alle vonein-
ander. Einieder ging an ſeinen ort/ und begab ſich
wohlvergnuͤget zur ruhe.


Auf den andern tag bekahm Joſef luſt die naͤchſt-
gelegenen Grabſpitzen zu beſichtigen. Der Koͤnig
ſelbſt zog mit. Die Koͤnigin/ ſamt dem gantzen Koͤnig-
lichen Frauenzimmer/ folgete. Die Fuͤrſtin Aſſenat
hielt ihnen geſelſchaft. Der erſte zug ging auf die zwo
aͤlteſten zu: welche Schur/Schahaluaks Sohn/ vor
der Suͤndfluht/ auf der abendſeite des Niels gebauet.
Andere melden/ daß Enoch die eine geſtiftet: und
darein alle ſeine guͤhter/ und buͤcher/ auch was er ſonſt
koͤſtliches gehabt/ geſchaffet; weil er gewuſt/ daß die Er-
de/ mit waſſerfluhten/ kurtzkuͤnftig uͤberſchwaͤmmet
werden ſolte. Eine iede dieſer Grab- oder Feuer-ſpitzen
war vierekkicht/ gantz glat/ und drei hundert und ſie-
benzehen ellen hoch/ auch vierhundert und ſechzig auf
allen vier ſeiten breit. Man hatte ſie ſo ſtark/ ſo fuͤr-
ſichtig/ und ſo auf die waͤhre gebauet/ daß ſie weder
vom erdboͤben/ noch von den heftigſten ſturmwinden
den geringſten ſchaden leiden konten. Alle und iede ſtei-
P vne/
[234]Der Aſſenat
ne/ damit man ſie in die hoͤhe gefuͤhret/ waren zwo el-
len hoch/ und fuͤnfe lang. Inwaͤndig befanden ſich
ſieben gemaͤcher: welche man nach den ſieben Schweif-
ſternen genennet. In ieden gemache ſtund ein guͤldener
Goͤtze. Der eine wieſe mit der hand nach dem munde/
und hielt ein buch vor der ſtirne. Wan iemand nach
ihm zutraht/ taͤht er den mund auf. In dieſem lag ein
ſchluͤſſel an einer kette. Die oſtliche Grabſpitze ſolte Koͤ-
nig Schurids/ die weſtliche ſeines Bruders Hugits
begraͤbnuͤs ſein. Aber die Sabeer melden/ daß in der
einen Agatemon/ das iſt Set/ und in der andern
Hermes/ das iſt Enoch/ und Elmalum/ mit
dem Zab/ des Hermes Sohne/ begraben ſei.


Hierauf beſahe man auch die Grabſpitzen und
Grabhoͤhlen auf der morgenſeite des Niels/ vor der
ſtadt Memſis. Alda befand ſich der grund weit und
breit gantz ſteinicht und felſicht; wiewohl er mit ſande
anderthalben fuß hoch bedekt war. In und durch dieſen
ſteinichten grund hin waren die Grabhoͤhlen/ mit ih-
ren untererdiſchen gaͤngen/ gehauen: und auf demſel-
ben ſtunden die ungeheuer-großen gewaltigen Grab-
ſpitzen. Dieſe waren nicht aus ſteinen des grundes/
darauf ſie ſtunden/ gebauet; ſondern aus andern/ die
man von anderwaͤrts her/ mit großer muͤhe/ darzu ge-
hohlet. Und daruͤm hat man ſich uͤm ſo viel weniger zu
verwundern/ wan wir leſen: daß man mit dem baue der
groͤſten Grabſpitze wohl zwanzig jahre zugebracht/ ja
wohl dreihundert tauſend menſchen/ in waͤhrender zeit/
fort und fort daran arbeiten laßen. In dieſen Grab-
ſpitzen ſtunden die Leichen der Egiptiſchen Koͤnige/ und
anderer fuͤrnehmen Herꝛen: und in den ſteinernen
Grabhoͤhlen unter der erde der andern Einwohner. So
heilig und ſorgfaͤltig bewahreten die Egipter aller ihrer
Abgeſtorbenen leiber; damit ſie vor der gewalttaͤhtig-
keit des feuers/ des waſſers/ und der luft ewig befreihet
blie-
[235]fuͤnftes Buch.
blieben. Ja ſie ſalbeten ſie auch uͤberdas/ wider die
verwaͤſung/ mit allerhand kraͤftigen artzneien/ ehe ſie
in gemelte Grabſpitzen oder Grabgewoͤlbe beigeſetzt war-
den. Und darzu ſpahreten ſie keine koſten.


Mit verwunderung war es zu ſehen/ wie ſolche
Grabhoͤhlen ſo weit unter der erde hingingen. Eine war
immer groͤſſer und koͤſtlicher/ als die andere: und von
einer zur andern konte man allezeit durch ſchmahl aus-
gehauene gaͤnge gelangen. Dieſer hoͤhlen und gaͤnge ſa-
he man ſo viel; auch lieffen ſie ſo krum und ſo wunder-
ſeltzam in- und durch-einander heruͤm/ daß ſie anders
nicht/ als ein Irgarten zu ſein ſchienen. Sie erſtrek-
ten ſich nicht allein bis unter die Stadt/ derer meiſtes
teil auf dieſen Grabgewoͤlben ſtund; ſondern auch/ un-
ter der Sandſee hin/ ſelbſt bis an das Ammoniſche und
Serapiſche Goͤtzenhaus in der Sarkiſchen wuͤſte. Und
dieſes kahm den Prieſtern ſehr wohl zu ſtatten; weil ſie
ohne einiges ungemach/ vermittelſt dieſer hoͤhlen/ von
beiderſeits oͤrtern zuſammenkommen konten. Dan ſon-
ſten hetten ſie/ im reiſen uͤber der Sandſee hin/ nicht
allein der heftigen Sonnenhitze/ ſondern auch dem uͤber-
aus verdruͤslichen ſandſtaube unterworfen ſein muͤſſen:
darunter die reiſenden vielmahls/ wan es ein wenig
ſtuͤrmet/ erſtuͤkt/ und mit ſak- und pakke begraben wer-
den. Gemeiniglich waren ſolche Gewoͤlbe funfzehen/
oder zwanzig fuͤße lang/ und eben ſo breit; dergeſtalt
daß ſie recht vierekkicht lagen. Auch ſtunden in den ſel-
ben gemeiniglich vier reihen tafeln/ aus eben demſelben
ſteine gehauen. Jede tafel war ohngefaͤhr fuͤnf fuͤße
lang/ drittehalben breit/ und einen hoch. Hierauf
pflegte man die Leichen/ in hoͤltzernen/ auch wohl ſtei-
nernen ſaͤrgen/ zu ſetzen. An den ſeitenmauren ſahe
man etliche Bilder der Egiptiſchen Beſchirmgoͤtzen in ei-
ner laͤnglichrunten tafel/ mit vorwaͤrtsgebuͤkten geſich-
tern/ ihre aufſicht uͤber die leichen anzudeuten/ ausge-
hauen.
[236]Der Aſſenat
hauen. Dergleichen Beſchirmgoͤtze ſtund auch oben am
hauptende/ auf den ſarg geſchnitzt oder gehauen: wie-
wohl auf etlichen/ an deſſelben ſtat/ des Verſtorbenen
bildnuͤs geſehen ward. Am fußende ſtund vielmahls
ein Habicht/ und mitten auf der dekke des ſarges eine
verborgene bilderſchrift; welche gemeiniglich auf die be-
ſchirmung des Leichnams zielete.


Meiſtenteils war der todtenkaſten/ darinnen eine
Fraue lag/ oben auch als eine Fraue/ und darinnen
ein Mansbild lag/ auch als ein Mansbild geſtaltet.
Auf etlichen Frauenſaͤrgen ſahe man der Abgoͤttin
Iſis bild/ mit den ſinbildern der ſechs Gottheiten/
welche das boͤſe vertreiben ſolten: als den Orus/ in ge-
ſtalt eines knabens; den Anubis/ mit einem hundeskop-
fe; die Nefte/ welche die Egiptiſche Venus ſein ſol-
te/ als ein kniehendes Frauenbild; den Babian oder
Kinozefal/ als einen affen; den Oſiris/ in geſtalt
eines Habichts; und Arueris/ mit einem ſtruͤkke/ wie
auch alle die andern/ die gewalt der gegenſtreitenden
machten zu binden; damit ſie die Seele des abgeſtorbe-
nen uͤm ſo viel ungehinderter nach den ſieben him-
melskreuſen zufuͤhren moͤchten. Die Iſis hatte ei-
nen zierlich geſtikten ſchleier uͤm den kopf/ deſſen enden
auf die ſchultern hingen: und vor der bruſt ſieben ahr-
tig geſtikte ſchweiffe/ welche die ſieben Himmelskreuſe
bedeuteten. Zwiſchen iedem der erſten drei ſchweiffe
ſtunden zween von den gemelten ſechs Gottheiten: und
ein Frauenbild mit ausgeſtrekten armen in der mitte;
welche in ieder hand eine ſchlagfeder/ mit einem dreifa-
chen fluͤgel/ hielt/ und die Egiptiſche Jinx/ das iſt das
Goͤttliche ebenbild/ darnach alles geſchaffen worden/
bedeutete. Sonſten war gemelte Iſis mit einem zahr-
ten netze uͤberzogen.


Die Leichen ſelbſt/ welche gebalſemet in dieſen ſaͤr-
gen lagen/ waren mit duͤnnem leinwand oder ſeidenem
zeu-
[237]fuͤnftes Buch.

[figure]


[238]Der Aſſenat
zeuge/ das man mit wachſe/ peche und einer kreidich-
ten pappe ſteif und tauerhaftig gemacht/ zierlich und
dichte bewunden. Und auf dieſen gepapten wuͤndeln
ſtund gemeiniglich des Abgeſtorbenen bild/ mit unver-
gaͤnglichen farben/ gemahlet: welches die kenzeichen
ihres Goͤtzendienſtes/ mit den fruͤchten/ die man den
Goͤtzen zu weihen pfleget/ in den haͤnden hielt. Auch
ſahe man alda unterſchiedliche vielfaͤrbige baͤnder/
mit flinkerndem zeuge beſtreuet/ ſchweifsweiſe uͤber die
wuͤndeln hin gezogen oder zuſammengehaͤftet. Zwiſchen
dieſen ſchweiffen oder kreuſen befanden ſich vielerhand
heilige bildzeichen; die alle ihre ſonderliche bedeutungen
hatten.


Auf eben dieſelbe weiſe waren auch die meiſten Se-
rapen
oder Beſchirmgoͤtzlein/ welche man an die wuͤn-
deln der Leichen/ ſie vor den boͤſen geiſtern zu beſchir-
men/ feſt genaͤhet/ gewuͤndelt/ und mit verborgenen
ſinbildern gezieret. Dieſe beſtunden an ſich ſelbſten aus
gebakkenem tohne/ und hatten die långe eines fingers/
auch wohl einer hand. Etliche waren gebildet als eine
Frau/ andere als ein Man. Gemeiniglich hatten ſie
eben dieſelbe bilderſchrift vor der bruſt/ als die Leiche
ſelbſten: und dieſe kahm meiſtenteils auf folgenden ſin
aus: Der Beſchirmgott/ durch geheiligte ga-
ben/ und angenehme dienſte bewogen/ goͤnne
dieſer Leiche das leben/ und fuͤhre ſie in die Him-
liſchen kreuſe.
Oder aber alſo: Der Geiſt dieſes
leibes/ durch das leben der gnaͤdigen und vorſe-
henden Gottheit beſeeliget/ ſol durch das an-
baͤhten der Staͤbe des Orus/ der die jahre beher-
ſchet/ nach dem himmel zu fliegen.
Neben gemel-
ten Schirmgoͤtzlein lagen auch zu weilen mit im ſarge
etliche papierne Rollen/ mit Egipitiſchen Sinbildern
bemahlet. Darauf ſtund das Leicher gepraͤnge/ oder
vielmehr die abbildung der Goͤtzen/ welche man darinnen
der
[239]fuͤnftes Buch.
der Leiche/ auf heiligen bahren/ nachgetragen. Dan
die Egipter hatten die gewohnheit/ wan ſie ihrer ver-
ſtorbenen begraͤbnuͤſſe/ ſonderlich der Koͤnige/ Prieſter/
oder anderer vornehmen leute/ hielten/ daß ſie ihnen
die Bilder der fuͤrnehmſten Abgoͤtter/ in eben der ord-
nung/ als in den uͤmgaͤngen der hohen feſttage gebreuch-
lich/ nachtragen ließen. Und hierdurch waͤhneten ſie/
wan ihre Goͤtzen ſie ſolchergeſtalt gleichſam mit zu gra-
be begleiteten/ daß ſie ihre Seelen uͤm ſo viel eher in die
ſeelige wohnung fuͤhren/ und vor aller gewalt der ge-
genſtrebenden boͤſen Geiſter vertaͤhtigen wuͤrden. Ja
eben daſſelbe augenmaͤrk hatten ſie auch/ wan ſie die
gemelten rollen/ mit den bildnuͤſſen ſolcher Abgoͤtter be-
mahlet/ zu den leichen in die ſaͤrge legten.


In einer Grabſpitze ſahen ſie auch etliche Todtenge-
faͤße/ darinnen man die Leichen der Koͤniglichen Kin-
der gelegt hatte. Dieſe waren laͤnglichtrund/ uͤber dem
fuße dikbeuchicht/ und warden nach dem halſe zu im-
mer ſchmaͤhler und ſchmaͤhler. Etliche hatten oben auf
des Kanopus angeſicht/ andere einen Habichtskopf ſte-
hen. Rund uͤmher waren ſie mit Egiptiſchen Sinbil-
dern reihenweiſe gezieret. Bei dieſen Leichengefaͤßen/
als auch in etlichen Grabgewoͤlben unter der erde/ fan-
den ſie zugleich ewigbrennende Lichter oder Lampen.
Dieſe Lampen waren von gekochter kreide zubereitet.
Teils hatten die geſtalt eines hundes/ teils eines
Menſchen/ teils eines habichts/ teils eines ſtiers/
auch wohl einer ſchlange. Etliche branten mit drei/ an-
dere mit vier/ auch wohl mit acht/ ja zwoͤlf daachten.
Die daachte waren von unverbrenlichem ſteinichtem
flachſe: welche mit Steinoͤhl oder Juͤdenpeche/ durch
verborgene roͤhren/ die man aus den oͤhl- oder pech-
brunnen in die Lampen geleitet/ fort und fort befeuch-
tet und getraͤnket warden.


Mit ſolchen ewigen Lichtern wolte man die unſterb-
lig-
[240]Der Aſſenat
ligkeit der Seele bezeichnen; auch zugleich die unſterb-
lich gewåhnten Gottheiten der Egipter darnachzu zie-
hen/ die Leiche zu beſchirmen/ und die Seele/ durch ihre
ſtaͤhtige gegenwart/ zu verherlichen. Dan weil die E-
giptiſchen Weiſemeiſter ſahen/ daß die eigenſchaft des
Lichtes oder Feuers den Goͤttlichen wuͤrkungen ſehr
gleich war; ſo hielten ſie das Feuer vor ein ſolches ſicht-
bahres zeichen der Gottheit/ welches ſie/ durch eine
verborgene kraft/ luͤſtern machte das Licht mit ihrer ge-
genwart ſtaͤhts zu beſeeligen. Ja ſie waͤhneten/ wan
ihre Gottheiten alſo bei dieſen lichtern ſtaͤhts zugegen
weren/ daß ſie der Verſtorbenen Seelen/ damit ſie in
keine leiber der unvernuͤnftigen Tiere fuͤhren/ da ſie
elendiglich leben muͤſten/ bewahren wuͤrden. Eben zu
dem ende wendeten ſie auch ſo viel koſten an/ ihre Lei-
chen durch balſemen unverwaͤſelich/ und ihre Grab-
ſtaͤtten unvergaͤnglich zu machen; damit die Seelen/
imfal ſie nicht in den Himmel/ oder in andere Menſch-
liche leiber gelangten/ gleichwohl in oder bei dem graͤ-
bern ſo lange verbleiben moͤchten/ bis ſie nach verlauf
der ſieben tauſend jahre wieder in ihre eigene leiber
kehreten. Dan ſie hielten darvor/ daß die Seelen der
Menſchen/ wan ſie gottloß gelebet/ ſo lange uͤm die
graͤber heruͤm ſchwaͤrmeten/ bis ſie eines andern Men-
ſchen/ oder auch wohl Viehes leib angetroffen/ dahin-
ein zu fahren; ſonderlich wan der Leichnam/ ihr altes
wohnhaus/ verwaͤſet/ und die Gottheiten von dannen
weggewichen.


Nachdem man nun dieſe Grabſtaͤtten wohl beſichti-
get/ da zog man weiter fort/ nach dem Maͤriſchen
Irhofe
zu. Dieſes große weit uͤmfangene gebeu be-
ſtund in drei tauſend und fuͤnfhundert heuſern/ alſo
daß es eine große ſtadt zu ſein ſchien. Alda hatten alle
Egiptiſche Goͤtzen ihre Heiligtuͤhmer: darinnen unter-
ſchiedliche Grabſpitzen von vierzig ellen ſtunden. Auch
be-
[241]fuͤnftes Buch.
befand ſich eine Grabſpitze von vierzig ſchritten am eu-
ſerſten ende des gantzen baues. Dieſe war mit großen
ausgehauenen bildern allerlei tiere gezieret; und hatte ei-
nen gang unter der erden hin. Im eingange gelangte
man in ſo viel und ſo lange irgaͤnge; welche ſo wunder-
lich und ſo krum heruͤm durcheinander lieffen/ daß ſich
niemand/ ohne geleitsman/ weder hinein/ noch heraus
zu finden vermochte. Der gantze bau war in zwoͤlf un-
terſchiedliche Hoͤfe geteilet. Hier lagen/ in ſehr praͤch-
tigen gewoͤlben unter der erde/ zwoͤlf Koͤnige/ die die-
ſen Irhof gebauet/ als auch die heiligen Krokodillen
begraben. In allen dieſen Hoͤfen befanden ſich ſehr hohe
koͤſtliche ſåhler; und uͤm die plaͤtze heruͤm uͤberaus praͤch-
tige gaͤnge/ derer taͤcher auf porfierſteinernen bildſeulen
ruheten. Etliche bildeten die Goͤtzen ab/ andere die Koͤ-
nige: wieder andere hatten die geſtalt der ungeheuren
Rieſen/ und dergleichen Wundergeſchoͤpfe. Wan etli-
che tuͤhren aufgetahn warden/ hoͤrete man ein heftiges
donnern. Auch taͤhten ſich etliche der Goͤtzenheuſer von
ſich ſelbſten auf/ ſobald das feuer auf der brandhoͤhe
flammete: wan es aber verloſchen/ ſprangen ſie ploͤtzlich
wieder zu.


Inmittelſt nahete die beſtimte zeit zum Beilager des
Schaltkoͤniges herbei. Man verfuͤgte ſich wieder nach
Memfis. Da war eben der Koͤnigliche Fuͤrſt von
Libien angelanget. Aber er gab ſich nicht kund. Man
wuſte anders nicht/ als daß er ein Edelgeſteinhåndler
were. Davor wolte er auch gehalten ſein. Hierdurch
bekahm er gelegenheit die Koͤnigliche Fuͤrſtin zu ſpre-
chen. Etliche mahl kahm er zu ihr/ ſeine wahren fe-
hen zu laßen. Allezeit brachte er was ſonderliches/ was
neues/ was koͤſtlichers. Endlich lies er ihr eine ſehr
koͤſtliche Perlenſchnuhr zur ſchaue. Sie fragte/ was ſie
gelten ſolte? Er gab zur antwort: er hofte mehr darvor
zu bekommen/ als ſie waͤhrt ſei. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin
Qfragte
[242]Der Aſſenat
fragte wieder: wie ſie das verſtehen ſolte? und er ant-
wortete: einer Liebhaberin iſt nichts zu teuer. Sie be-
ſahe die Perlen. Sie befand ſie uͤberaus rein/ uͤberaus
klahr. Nicht eine konte ſie finden/ daran der geringſte ta-
del zu ſpuͤhren. Sie waren groß. Sie hatten einen ſchoͤ-
nen glantz. Ihrerecht runte glaͤtte ſtund ihr wunderwohl
an. Dieſe Perlen/ gedachte ſie bei ſich ſelbſt/ mus ich
haben/ und ſolten ſie auch noch ſo viel koſten. Daruͤm
behielt ſie die Schnuhr bei ſich/ ſie dem Koͤnige ſehen zu
laßen: und befahl dem verkeuffer auf den folgenden
morgen wiederzukommen. Er ſagte ja: aber der nicht
wiederkahm/ war er. In etlichen tagen lies er ſich nicht
blikken. Ob ſchon die Koͤnigliche Fuͤrſtin hin und wie-
der nach ihm vernehmen lies/ ſo war er doch nirgend zu
finden.


Joſef hatte nunmehr alles beſtellet/ was zu ſeinem
Trautage noͤhtig. Die eingeladenen gaͤſte begunten al-
gemach anzukommen. Der Ertzbiſchof/ ſamt ſeiner Ge-
mahlin/ war ſchon vorhanden. Der gantze Hof machte
ſich bereit gegen kuͤnftigen morgen. Alles Frauenzim-
mer verlangte die ſchoͤne Braut/ in ihrem koͤſtlichen
brautſchmukke/ zu ſehen. Nicht weniger verlangen
trugen ihre Stahtsjungfrauen dieſer liebſeeligſten
Fuͤrſtin geſelſchaft zu leiſten. Sie zehleten alle ſtunden/
ja alle zeitblikke. Auf den abend verſuchten die Kunſt-
ſpieler und Meiſterſånger die Brautlieder/ welche bei
der traue ſolten erſchallen. Dis war ein vorſpiel der in-
ſtehenden freude. Und hiermit erreichte dieſer letzte
hofnungstag ſein lang gewuͤndſchtes ende.



[243]

Der Aſſenat
Sechſtes Buch.


DIe Sonne hatte ſich uͤber das Ara-
biſche gebuͤrge ſchon vor zwo ſtunden
erhoben. Mit uͤberaus lieblichen
ſtrahlen blikte ſie die Stadt Memfis
an. Der klahre tag/ die heitere Luft
reitzeten alle Menſchen zur freude.
Aſſenat ſtund ſchon in ihrem koͤſtlichen Brautſchmuk-
ke. Ihr kleid war von reiner weiſſer ſeide/ mit ſilbernen
bluhmen/ aus denen die ſchoͤnſten demanten ſchimmer-
ten/ durchwuͤrkt. Ein guͤldenes Kroͤhnlein/ mit de-
manten und perlen verſetzt/ ſtrahlete von ihrem heup-
te: und eine Roſe von demanten vor ihrer bruſt. Eine
dreifache Perlenſchnuhr hing uͤm ihren hals/ und uͤm
beide haͤnde: auch ein Ohrengehaͤnke mit einer großen
Perle zu beiden ſeiten des heuptes.


In dieſem herlichen zierahte fiel Aſſenat nieder auf
ihre kniehe. Ihr gebaͤht ſtuͤrtzte ſie aus zum HERRN
aller herren. Zum allerhoͤchſten Gotte floͤhete ſie. Den
baht ſie mit hertzinbruͤnſtigen ſeuftzern/ daß er zu ihrer
vorſtehenden Ehe gedeihen und ſeegen verleihen moͤchte.
Ohngefaͤhr eine vierteilſtunde hatte ſie ſich in dieſer
andacht befunden/ als die Koͤnigin/ mit der Koͤnigli-
chen Fuͤrſtin/ ankahm/ die Hochfuͤrſtliche Braut zur
traue zu fuͤhren. Vierzehen Kammer- und Stahts-
jungfrauen folgeten. Dieſe waren beſtimmet die an-
dern ſieben Breute/ der Fuͤrſtin Aſſenat Stahts-
jungfrauen/ gleichergeſtalt zu begleiten. Die ordnung
ward gemacht: die glieder geſchloſſen. Je drei und
drei folgeten nacheinander.


Q iiIn
[244]Der Aſſenat

Indeſſen hatte ſich der Koͤnig mit dem Reichskantz-
ler/ auch in des Schaltkoͤniges zimmer verfuͤget/ ihn
ebenmaͤßig zu begleiten. Der Koͤnigliche Fuͤrſt/ der
ſonſt/ neben dem Koͤnige/ den Breutigam fuͤhren ſol-
len/ lag noch krank zu bette. Daruͤm muſte der Reichs-
kantzler ſeine ſtelle verſehen. Vierzehen der fuͤrnehm-
ſten Hofbedienten gelangten zugleich an/ den ſieben O-
beraufſehern eben daſſelbe zu erweiſen. Alle waren auf
das herlichſte/ und der Schaltkoͤnigliche Breutigam
gleicher weiſe/ wie ſeine Braut/ gekleidet. Auch trug
er auf dem heupte eine guͤldene Krohne/ die mit aus-
geſetzten edelen ſteinen flinkerte. Eben waren ſie in den
Trauſaal getraͤhten/ als das gepraͤnge der hochfuͤrſtli-
chen Braut/ mit den andern ſieben Breuten/ ankahm.


Ein Ebreiſcher Juͤngling/ den der Schaltkoͤnig et-
liche tage vorher in ſeinen dienſt genommen/ fuͤhlete ei-
nen ſonderlichen trieb zur Dichtkunſt. Fuͤrnehmlich
hatte er ſich geuͤbt in den Huͤrtengedichten/ der E-
breer eigenen erfindung. Dieſe pflegten unter andern/
wan ſie im heiſſen mittage/ unter dem ſchatten der beu-
me/ bei ihren heerden ruheten/ ein Schattenliedlein
von ihrer liebe zu ſpielen. Ein ſolches hatte gemelter
Juͤngling der Hochfuͤrſtlichen Braut zu ehren verfaſſet.
Und dieſes ward im eintritte derſelben in den Trau-
ſaal/ erſtlich auf Ebreiſch/ darnach in Egiptiſcher ſpra-
che geſungen. Die Klingel- und ſeiten-ſpiele gingen
darunter. Den Egiptern war es was neues/ was ſel-
tzames. Nie hatten ſie ſo ein anmuhtiges Liedlein ge-
hoͤret. Daher ſtunden alle zuhoͤrer entzuͤkt. Alle ihre
ſinne warden ihnen gleichſam entraft. Aber was ver-
ziehen wir den verſuch zu tuhn/ ſolches mit einer Hoch-
deutſchen zunge nachzuſingen. Wir wollen es wagen.
Und ſo ſingen wir dan verhochdeutſcht/ der ſchoͤnen
Aſſenat zum heiligen gedåchtnuͤſſe/ ſolches


Schat-
[245]ſechſtes Buch.
[figure]

[246]Der Aſſenat

Grund- oder unter-ſtimme.


[figure]

Schattenliedlein.
SO gehet und ſtehet die Schoͤnſte der Schoͤnen/

die Heerden zu hoͤhnen:

die hochweis am Bache zu Hebron geſchwaͤmmet/

ſeuberlich/ reinlich/ und zierlich gekaͤmmet.

Seht!
[247]ſechſtes Buch.

Hoch- oder Ober-ſtimme.


[figure]

O gehet und ſtehet die Schoͤnſte der
Schoͤnen/
die Heerden zu hoͤhnen:
die
hochweis am Bache zu Hebron geſchwaͤm-
met/
ſeuberlich/ reinlich/ und zierlich ge-
kaͤmmet.
Seht! wie Sie blinket/
und
blinkende winket.
So mus ſcheinen

Lieb’ im reinen.

Seht! wie ſie blinket.

und blinkende winket.

So mus ſcheinen

Lieb’ im reinen.

Q iiijDie
[248]Der Aſſenat
Die Schaͤflein/ die unter den Roſen ſich weiden/

in gruͤhnenden heiden/

beſchaͤhmet ihr ſanftes und ſtilles gemuͤhte/

ſelbſten in ihrer noch zaͤhrtlichen bluͤhte.

Alles iſt ſtille/

das weſen/ der wille.

Sanftes lieben

mus man uͤben.

Die Schaͤflein folgen dem Huͤrten getreulich.

So folget auch freilich

die treue Braut ihrem treueifrigem Gatten/

unter den ſchatten/ der Liebe zu ſtatten/

unter den ſchatten/

auf gruͤhnenden matten.

Treu’ im lieben

mus man uͤben.

Da kommet die Treue/ die Froͤmſte der Frommen.

Wir ſehen ſie kommen.

Sie kommet zur Traue/ zu eigen ihr leben

ihrem geliebeten Joſef zu geben:

den Sie zum lieben/

durch treue/ getrieben.

Treu verblieben

mehrt das lieben.

Nun fuͤge dich/ trautes Paar/ ehlich zuſammen/

zu nehren die flammen.

Auf Joſef! auf Aſſenat! ſchauet! von oben

hat ſich der ſeegen des Himmels erhoben.

Eh-
[249]ſechſtes Buch.
Ehliches lieben/

das treulich geblieben/

nimt die Krohne

hin/ zum lohne.

Nachdem man dieſes Schatten- oder Schaͤfer-
liedlein
geſungen und geſpielet/ da ward alles gantz ſtil;
und die Traue durch den Ertzbiſchof ſelbſt verrichtet.
Dieſer gab zuerſt den Schaltkoͤnig mit ſeiner Freulein
Tochter zuſammen: darnach auch die andern ſieben
Breute. Nach geſchehener einſeegnung/ wuͤndſchten
ihnen alle anweſenden gluͤk. Und dieſes geſchahe unter
dem lieblichen getoͤhne der ſeitenſpiele/ unter dem froͤh-
lichen halle der trompeten und krumphoͤrner; welcher die
gantze Burg erfuͤllete. Straks hierauf begab man ſich in
den Tafelſaal/ da ſchon alles zu einem koͤſtlichen Braut-
mahle bereitet ſtund.


Sieben tage lang waͤhrete dieſe freude. Der Koͤnig
ſpahrete keine koſten. Alles war auf das praͤchtigſte an-
geſtellet/ auf das herlichſte zugeruͤſtet. Alles muſte mehr
als koͤniglich zugehen. Es gebrach nichts am zierrahte/
der zu einem ſo praͤchtigen Beilager erfordert ward.
Es fehlete nichts an koͤſtlichen ſpeiſen. Allerlei getraͤnke
ward aufgeſchaffet. Allerlei Kunſtſpieler/ mit den be-
ſten Saͤngern/ die man finden konte/ muſten dieſe freu-
de vermehren. Jederman war froͤhlich. Alle luſt/ die
man erdenken konte/ ward veruͤbet.


Drei tage hatten die Herren an beſondern tafeln al-
lein geſeſſen: und das Frauenzimmer auch allein. Aber
am vierden bekahm der Koͤnig luſt eine bunte reihe zu ſe-
hen. Jede Braut ward ihrem Breutigam zur ſeite ge-
ſetzt: und das uͤbrige Frauenzimmer unter die andern
Herren verteilet. Eben als man dieſe bunte reihe zu ma-
chen begonnen/ ward dem Koͤnige bericht getahn/ der
Libiſche Koͤnigliche Fuͤrſt ſei zugegen. Dieſer ſtund
mitten unter den zuſchauern; und vermeinte/ niemand
wuͤr-
[250]Der Aſſenat
wuͤrde ihn kennen. Aber einer von den Hoͤflingen/ der
ſich in Libien aufgehalten/ ward deſſen von ohngefaͤhr
gewahr. Er ward dem Koͤnige heimlich gewieſen. Un-
vermaͤrkt ging er nach ihm zu. Die zuſchauer wichen
zuruͤk. So taͤht auch der Libier. Aber der Koͤnig er-
grif ihn bei der hand. Solchen gaͤſten/ ſagte er/ gebuͤh-
ret eine andere ſtelle. Wir ſeind erfreuet den Libiſchen
Fuͤrſten
zu ſehen. Noch mehr werden wir uns freuen/
wan deſſen gegenwart unſer Brautmahl zieren wird.
Der Libier neugte ſich mit tiefſter ehrerbietigkeit. Er
trachtete ſich zu entſchuldigen. Aber der Koͤnig wolte
von keiner entſchuldigung wiſſen. Er zog ihn nach der
tafel zu/ und fuͤgte ihn neben ſeine Freulein tochter Ni-
tokris.
Dieſe ward beſtuͤrtzt/ als ſie den Libier ſahe.
Noch wuſte ſie nicht/ wer er were. Noch ſahe ſie ihn vor
denjenigen an/ davor er ſich ſelbſten ausgeben. Daruͤm
konte ſie ihr nicht einbilden/ waruͤm ihn ihr Herꝛ Va-
ter ſo hoch ehrete. Eben trug ſie die Perlenſchnuhr/ die
er ihr neulich gelaßen. Daher erroͤhtete ſie ſich/ daß ſie
dieſelbe noch nicht bezahlet. Ihr erſtes wort/ das ſie
ſprach/ war ein verweis; weil er die bezahlung nicht ge-
fordert. Der Libier antwortete: die Perlenſchnuhr ſei
in guhter hand: ſeine bezahlung werde wohl folgen.


Mitlerweile eroͤfnete der Koͤnig dem Schaltkoͤnige/
wer dieſer neue gaſt ſei. Sonſt niemand muſte es wiſſen;
auch die Koͤnigin ſelbſt nicht. Und daruͤm warfen ſie
alle die augen auf ihn; ſonderlich als er mit der Koͤnig-
lichen Fuͤrſtin vertraulicher uͤmzugehen ſich erkuͤhnete/
als ſie meineten ihm zu geziemen. Dieſe war ſonſt uͤber-
aus leutſeelig. Gleichwohl nahm ſie ſolche kuͤhnheit
nicht aller dinge wohl auf. Aber ſie lies ſich nichts maͤr-
ken. Ehrete ihn der Koͤnig/ ſo konte ſie anders nicht
tuhn/ als ſich auch ehrerbietig zu erweiſen. Und dieſe
der Fuͤrſtin ehrerbietigkeit veruhrſachte noch mehr ver-
[wunderung]. Wunderliche gedanken ſchoͤpften ſie alle.
Je
[251]ſechſtes Buch.
Jederman verlangte das ende zu ſehen. Jederman
wuͤndſchte zu wiſſen/ was den Koͤnig bewogen dieſen Li-
bier
ſo hoch zu wuͤrdigen. Nach einer guhten weile ſtund
der Koͤnig ploͤtzlich auf. So ſtehende trunk er dem Schalt-
koͤnige die geſundheit des Koͤniglichen Fuͤrſtens aus Li-
bien
zu. Der Schaltkoͤnig erhub ſich gleichergeſtalt. So
taͤht auch der Libier/ mit tiefſter ehrerbietigkeit. War
man zuvor verwundert geweſen/ daß der Koͤnig dieſen
Libier ſo hoch geehret; ſo war man es itzund noch viel
mehr/ da er eine ſolche geſundheit anfing. Niemand kon-
te begreiffen zu was ende. Man geriet in die gedanken/
dieſer Libier were vielleicht ein Geſanter aus Libien.
Dan keiner bildete ihm ein/ daß er der Koͤnigliche Fuͤrſt
ſelbſten ſei: auch Nitokris nicht. In ſolchen zweifel-
haftigen gedanken warden ſie dieſen gantzen tag gelas-
ſen. So ſchied man auch voneinander. Inmittels hatte
der Koͤnig befohlen ſeinen ſchoͤnſten Stahtswagen an-
zuſpannen. Hiermit ward der Libier/ durch etliche
Hoͤflinge begleitet/ in ſein wuͤrtshaus gebracht. Dieſe
Hoͤflinge beſchenkte er alle mit koͤſtlichen guͤldenen ket-
ten. Der Koͤnigliche Kutſcher bekahm zweihundert
goldguͤlden. Wunderlich kahm ihnen diéſe große frei-
gebigkeit vor. Solche ungewoͤhnliche geſchenke veruhr-
ſachten allerhand gedanken. Noch denſelben abend be-
kahm die koͤnigliche Fuͤrſt in dieſes alles zu wiſſen. Auch
wolte ſie bei ihrem Herꝛn Vater ſich erkundigen/ wer
dieſer Libier ſei. Er aber gab ihr keinen andern be-
ſcheid/ als daß ſie ſich bis auf den morgen gedulden ſol-
te; da wuͤrde ſie es ſelbſt ſehen. Dieſe worte machten ſie
zimlich unruhig. Nun begunte ſie ihn hoͤher zu halten/
als einen Edelgeſteinhaͤndler; auch hoͤher/ als einen Ge-
ſanten. Nun betrachtete ſie erſt ſein weſen/ ſeine gebaͤhr-
den/ ſeine geſchikligkeit. Alles kahm ihr hoͤher und edeler
vor/ als eines ſolchen/ der nicht aus Koͤniglichem
bluht entſproſſen. Und mit ſolcher betrachtung brach-
te
[252]Der Aſſenat
te ſie die gantze zeit zu/ bis ſie endlich der ſchlaf uͤberfiel.


Auf den morgen entboht der Koͤnig den Reichskantz-
ler und Reichsſchatzmeiſter zu ſich. Dieſen eroͤfnete er
erſt itzund/ daß ſein geſtriger Gaſt der Koͤnigliche Fuͤrſt
aus Libien ſei. Sechs Koͤnigliche Stahtswagen
warden faͤrtig gemacht ihn wieder auf die Burg zu hoh-
len. Der Reichskantzler und Reichsſchatzmeiſter war-
den darzu befehlicht. Alle Hoͤflinge muſten zu pferde.
Alle waren auf das herlichſte und praͤchtigſte ausge-
ruͤſtet/ eben als ſolten ſie noch einen Breutigam einhoh-
len. In ſolcher pracht gelangten ſie vor das wuͤrtshaus
des Libiers. Da fanden ſie den koͤniglichen Fuͤrſten/
mit einem hauffen des Libiſchen Adels uͤmringet. Die-
ſe hatten ſich bisher in der ſtadt hier und dar unbekant
aufgehalten/ eben wie ihr Fuͤrſt. Aber itzund waren
ſie alhier/ auf ſeinen befehl/ alle zuſammengekommen.
Alle ſahe man auf das praͤchtigſte bekleidet: darzu auch
die diener. Der Koͤnigliche Fuͤrſt ſelbſten trug ein uͤber-
aus koͤſtliches und zierliches ſommerkleid von zahrtem
ſeidenen zeuge/ mit golde durchwuͤrkt. So bald er die
Abgeſanten erblikte/ eilte er ihnen entgegen. Sehr
freundlich empfing er ſie. Der Reichskantzler fuͤhrete
das wort. Er erſuchte den Libier/ im nahmen des
Schaltkoͤniglichen Breutigams und der Braut/ auf
ihrem beilager/ ſamt ſeinem bei ſich habendem Adel/ zu
erſcheinen. Sehr hoͤflich nahm er dis anbringen/ ſehr
froͤhlich dieſes erſuchen an. Zur ſtunde begab ſich ieder-
man entweder zu wagen/ oder zu pferde. Die Koͤnig-
lichen Hoͤflinge ritten voran. Darauf folgeten der
Reichskantzler und Reichsſchatzmeiſter/ ſamt etlichen
Bedienten des Libiers/ auf fuͤnf Stahtswaͤgen.
Endlich kahm der Koͤnigliche Fuͤrſt ſelbſten im praͤch-
tigſten Stahtswagen des Koͤniges: den eine große maͤn-
ge leibwaͤrter uͤmgab. Den nachtrab hatten etliche Li-
bier
zu pferde/ die das gantze gepraͤnge beſchloſſen.


Die
[253]ſechſtes Buch.

Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſtund eben im fenſter/ da der
koͤnigliche Fuͤrſt ankahm. Der Koͤnig ſelbſten ging ihm/
mit dem Schaltkoͤnige/ und etlichen Fuͤrſten/ bis faſt
an das tohr entgegen. Straks ſchwang ſich der Libier
vom wagen/ als er den Koͤnig erblikte. Mit ungemei-
nen freudenbezeugungen empfingen ſie ſich unterein-
ander. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſahe dieſes alles mit
großer verwunderung an. Nun zweifelte ſie nicht/ daß
dieſer Libier weit mehr ſei/ als ſie gewaͤhnet. Daruͤm
war es ihr lieb/ daß ſie ihm des vorigen tages hoͤflicher
begegnet/ als ihr wille geweſen.


Mitlerweile begaben ſich alle dieſe Herrn in den Ta-
felſaal: da ſie das Brautmahl ſchon wieder bereitet
fanden. Nicht lange darnach kahm das Frauenzimmer
auch an. Dem Koͤnige beliebte wiederuͤm eine bunte
reihe zu machen. Nichts liebers wuͤndſchte der Libier.
Nichts angenehmers konte ihm wiederfahren/ als bei
der Koͤniglichen Fuͤrſtin zu ſitzen. Dieſe hatte nun-
mehr wind bekommen/ daß er der Koͤnigliche Libiſche
Fuͤrſt ſei. Daruͤm baht ſie ihn/ ſo bald ſie gelegenheit
bekahm/ ihr nicht zu veruͤbeln/ daß ſie ihm bisher nicht
nach ſeinem Stande begegnet. Sie wendete ihre unwiſ-
ſenheit vor: die ſolte ihrer unhoͤfligkeit dekmantel ſein.
Er antwortete: daß ſie gantz nicht noͤhtig hette einige
entſchuldigung einzuwenden. Sie hette ihm mehr ehre
erwieſen/ als er wuͤrdig ſei; auch ſelbſten dazumahl/ da
er/ als ein Edelgeſteinhaͤndler/ die gnade gehabt ſie zu
ſprechen. Uber dieſem worte Edelgeſteinhaͤndler fing
die Fuͤrſtin an zu laͤchlen. Aber/ ſagte ſie/ ich bin noch
in ſeiner ſchuld. Wan und womit ſol ich ſeine Perlen-
ſchnuhr bezahlen? Die bezahlung/ gab der Fuͤrſt zur
antwort/ iſt ſchon geſchehen. Ich habe einen ſolchen
ſchatz darvor erlanget/ der mir lieber iſt/ als die gan-
tze Welt. Nitokris erroͤhtete ſich hieruͤber/ und wuſte
ſo ſtraks nicht/ was ſie zur wiederantwort geben ſolte.


In
[254]Der Aſſenat

In zwiſchen trunk man dem Libiſchen Koͤniglichem
Fuͤrſten die geſundheit der Neugetrauten zu. Und hier-
mit ward alles rege. Die kunſtſaͤnger hatten bisher ge-
ſchwiegen; aber nun erhuben ſie ihre ſtimmen. Die ſeiten-
ſpiele klungen darunter: und wan dieſe nachlieſſen/ er-
ſchalleten die trompeten. Hierdurch ward die freude
gleichſam wakker/ der geiſt zur luſt ermuntert/ und die
gantze geſelſchaft froͤhlich. Der Schaltkoͤnig ſelbſten
war ihr vorgaͤnger. Seine liebe Aſſenat half ihm ge-
treulich. Beide waren an dieſem tage ſo luſtig/ als ſie
noch niemahls geweſen. Und hiermit zogen ſie aller au-
gen auf ſich. Jederman ſahe dieſes liebe/ dieſes ſchoͤ-
ne/ dieſes froͤhliche paar an: doch niemand mehr/ als
der Libiſche Fuͤrſt. Dieſer konte ſich uͤber die Fuͤrſtliche
Braut nicht genug verwundern. Seine ſonderliche luſt
hatte er an ihren blikken/ die ihrem Breutigam ſo gar
lieblich begegneten. Ihr ſo gar holdſeeliges weſen/ ihre
ſo gar anmuhtige gebaͤhrden/ ja ihre gantze ſo ſchoͤne
leibesgeſtalt betrachtete er mit ſonderlicher aufmaͤr-
kung. Er betrachtete alle ihre reden/ alle ihre worte;
davon nicht eines ohne ſonderlichen nachdruk ausge-
ſprochen ward. Aber nichts gefiel ihm an unſerer Braut
ſo wohl/ als daß ſie ihrem Breutigam ſo liebſeelig zu
begegnen wuſte. Und dadurch machte ſie ihm den mund
waͤſſericht. Dadurch mehrete ſie ſein verlangen/ der-
gleichen teilhaftig zu werden. Auch entſchlos er ſich
dieſen augenblik/ ſtraks auf den folgenden morgen ſein
vorhaben zu volziehen. Und zu dem ende erſuchte er den
Koͤnig/ im ſcheiden/ daß er ihm gegen kuͤnftigen tag ei-
ne ſtunde zu beſtimmen belieben lieſſe; da er ihm in ge-
heim aufzuwarten geſonnen.


Weil nun der Koͤnig hierzu den folgenden gantzen
vormittag benennet/ ſo befahl er auf den morgen ſehr
fruͤh alles faͤrtig zu machen/ den Koͤniglichen Fuͤrſten
zu hohlen. Alle Herren/ und alle Hoͤflinge/ die des vo-
ri-
[255]ſechſtes Buch.
rigen tages die einhohlung getahn/ begaben ſich itzund
wieder/ in eben demſelben gepraͤnge/ vor die behauſung
des Libiers. Dieſer ſeumete ſich nicht lange. Straks
machte er ſich/ mit allen ſeinen leuten/ nach der Burg
zu. Der Koͤnig empfing ihn mitten auf dem platze/ und
fuͤhrete ihn ſtraks in den Burggarten. Zwiſchen deſſen
hielten der Reichskantzler und der Reichsſchatzmeiſter
den Libiſchen Hoͤflingen im Reichsſaale geſelſchaft.
Nach unterſchiedlichen hoͤflichen wortgepraͤngen/ gab
der Libier die uhrſache ſeiner ankunft in Egipten zu
verſtehen. Darneben zeigte er mit kurtzbuͤndigen wor-
worten an: daß ſeine liebe auf die Koͤnigliche Fuͤrſtin
Nitokris gefallen; daß er verhofte/ der Himmel hette
ſie zu ſeiner Gemahlin verſehen: daher were er ent-
ſchloſſen/ weil er ſelbſten gegenwaͤrtig ſei/ auch ſelb-
ſten/ mit eigenem munde/ ſeine werbung anzubrin-
gen. Er wolte nicht viel uͤmſchweiffe gebrauchen. Dar-
uͤm erſuchte er den Koͤnig mit kurtzen/ wiewohl hertz-
lich gemeinten worten/ ihm/ in ſolcher ſache/ dieſe bit-
ſeeligkeit zu goͤnnen/ daß er nicht traurig von ſeinem
angeſichte ſcheiden duͤrfte. Die Koͤnigliche Fuͤrſtin/
ſeine Freulein Tochter/ daruͤm er ihn demuͤhtigſt
anlangete/ hielte er ſo guͤhtig/ daß ſie ſein anſuchen nicht
ausſchlagen wuͤrde. Und an des Koͤniges gunſt und
zuneugung truͤge er gantz keinen zweifel; dergeſtalt/ daß
er gewis vertrauete die freiheit bald zu erlangen/ ihn
ſeinen Vater/ und ſich ſelbſten deſſelben gehohrſamſten
Sohn zu nennen.


Der Koͤnig bedankte ſich vor die guhte zuneugung/
die er zu ſeiner Tochter truͤge. Er bedankte ſich vor die
hohe ehre/ damit er ſein Haus zu wuͤrdigen geſonnen.
Ja er ſchaͤtzte ſich gluͤkſeelig/ von einem ſo fuͤrtref-
lichem Fuͤrſten Vater genennet zu werden. Weil er
aber in ſolcher ſache/ darzu vor allen dingen der wille
ſeiner Tochter erfordert wuͤrde/ den endſchlus nicht
machen
[256]Der Aſſenat
machen koͤnte; ſo wolte er ihn zuvoͤrderſt vor dieſe fe-
ſtung/ ſie zu gewinnen/ gewieſen haben. Eben als
der Koͤnig dieſe worte redete/ kahm zu guhtem gluͤkke
die Koͤnigliche Fuͤrſtin in den laubergang/ da ſie ſaßen.
Sie ging/ in tieffen gedanken/ eine guhte weile fort.
Und alſo ward ſie ihrer nicht eher gewahr/ als bis ſie
gantz nahe zu ihnen gelangte. So bald ſie des Libiſchen
Fuͤrſtens anſichtig ward/ kehrete ſie eilend zuruͤk. Aber
der Koͤnig rief; ſie ſolte ſtand halten. Und hiermit er-
huben ſie ſich/ ihr entgegen zu gehen. Iſt meine
Tochter
/ redete ſie der Koͤnig an/ nun ſo ſchuͤch-
tern worden/ daß ſie vor Menſchen fliehet?
Hier ſiehet ſie vor ihren augen zwee/ die ihr alle
liebe zu erzeigen gebohren. Der eine iſt ihr Vater:
der andere/ wan es den Goͤttern beliebet/ ihr
kuͤnftiges Ehgemahl.


Auf dieſe worte traht der Fuͤrſtin die ſchaamroͤhte
ſo ſtark insgeſichte/ daß ſie ſich gantz entfaͤrbete. Das
antlitz ſchlug ſie zuͤchtiglich nieder. Die bloͤdigkeit/ die
eingezogenheit/ die ſitſamkeit miſcheten ſich alle zuſam-
men unter ihre ſtille gebaͤhrden. Die ſchaam ſchlos ihre
lippen dermaßen/ daß ſie ſchier zu keiner bewegung zu
bringen. Der mund vermochte kein wort zu machen.
Die augen ſtunden in ihren hoͤhlen gantz ſtil/ und kaum
halb offen. Wan ein Mahler die Schaamhaftigkeit
abbilden wollen/ ſo hette er es eigendlicher nicht tuhn
koͤnnen/ als nach dieſem ſo niedergeſchlagenem weſen.
Eine guhte weile blieb ſie ſo ſchaamhaftig ſtehen. Eine
guhte weile durfte ſie nicht aufblikken/ weder nach dem
Koͤnige/ noch dem Koͤniglichen Fuͤrſten zu. Endlich
begunte ſie ihrer was maͤchtig zu werden. Endlich er-
hub ſich ein bliklein/ erſt nach dem Koͤnige/ und dan
nach dem Libier. Den blikken folgete die ſprache; wie-
wohl ſehr ſchwach/ und halb gebrochen. Sie begunte
ſich zu entſchuldigen. Sie wendete vor/ daß ihr nicht
gezie-
[257]ſechſtes Buch.

[figure]


[258]Der Aſſenat
geziemen wollen/ ſie in ihrem geſpraͤche zu ſtoͤhren. Das
ſei die uhrſache/ waruͤm ſie ſo ſtraks ihren zuruͤktrit ge-
nommen.


Der Koͤnig fuhr in ſeiner rede fort. Meine Toch-
ter/
ſagte er/ ſtoͤhret uns in unſerem geſpraͤche
nicht. Dan was wir geredet/ mag ſie alles wohl
hoͤren. Ja es iſt ihr noͤhtig/ daß ſie es hoͤret. Sie
mus es nohtwendig wiſſen. Ihr ſelbſten iſt zum
hoͤchſten daran gelegen. Der Koͤnigliche Fuͤrſt
aus Libien hat mich zu ſeinem Vater/ und Sie
zu ſeiner Gemahlin auserſehen. Dis iſt es/ das
er mir geoffenbahret. Davon haben wir itzund
ſprache gehalten. Nun liegt es allein an meiner
Tochter ſich zu erklaͤhren. Ihr wille wird der
meinige ſein: ihr ja mein ja/ ihr nein mein nein.

Hieruͤber erroͤhtete ſich Nitokris abermahl. Abermahl
ward ihre zunge gehaͤmmet. Sie ſchwieg ſtil. Sie ant-
wortete nichts. Der Koͤnig wendete ſich nach dem Li-
bier
zu. Wer ſchweigt/ der bewilliget/ ſagte er laͤchlen-
de. Dis pflegt/ gab der Fuͤrſt zur antwort/ zuvoraus
bei dem Frauenzimmer/ gemeiniglich wahr zu ſein.
Daruͤm wil ich hoffen/ daß es ſich alhier auch nicht an-
ders verhalte. Und hiermit traht er ein wenig ſeit-
waͤrts/ Vater und Tochter allein zu laßen.


Hertzliebſte Tochter/ fing der Koͤnig wieder an/
ihr ſeid es/ vor die ich die meiſte ſorge trage. Die
ſorge des Reichs habe ich dem Schaltkoͤnige uͤ-
bergeben. Nun gehet mir eure wohlfahrt allein
zu hertzen. Nun trachte ich allein euch gluͤkſeelig
zu machen. Die gelegenheit darzu ſtoͤßet uns
itzund auf. Der
Libiſche Fuͤrſt iſt euch mit liebe zu-
getahn. Er verlanget nach eurer gegenliebe. Er
traͤget belieben/ durch ſeine vermaͤhlung/ euch
zur Koͤnigin in
Libien zu machen. Groͤſſere gluͤk-
ſeeligkeit habet ihr nicht zu hoffen. Ich wuͤnd-

ſche
[259]ſechſtes Buch.
ſche vor mein teil nichts mehr/ als euch hierzu ge-
neugt zu ſehen. Eure bewilligung wird die mei-
nige ſein. Die Libiſche Krohne iſt ſo edel/ daß
ſie nicht auszuſchlagen. Iſt euer wille dem mei-
nigen gleich/ ſo wird ſie bald auf eurem heupte
glaͤntzen. Dieſer glantz wird
Egipten erfreuen.
Ich ſelbſten werde daruͤber zum hoͤchſten froh
ſein. Wan ich dieſes ſehe/ wil ich mit freuden
ſterben. Wohlan dan! erklaͤhret euch bald. Sagt
an/ was euch duͤnket.


Die Koͤnigliche Fuͤrſtin ſtund noch in etwas im zwei-
fel. Gleichwohl gab ſie ſo viel zu verſtehen/ daß ſie ge-
neugter ſei eine ſolche Krohne anzunehmen/ als abzu-
ſchlagen. Der Herꝛ Vater/ ſagte ſie/ kennet mein
gemuͤht. Er weis meinen kindlichen gehohr-
ſam. Er weis/ wie mein wille dem ſeinigen ie-
derzeit unterworfen geweſen. Und das ſol er
auch itzund ſein; ſonderlich in einer ſo hochwich-
tigen ſache/ da mein verſtand ſeiner weisheit
weichet. Ich ſtelle alles in ſein belieben. Seinem
winke wil ich folgen: ſeinem befehle gehorchen:
ſeinen ſchlus guht heiſſen. Ja alles/ was er ge-
bietet/ wil ich gehohrſamlich volbringen. Dis
iſt mein vorſatz: und der wird es auch bleiben/ ſo
lange ich ahteme.
So gebet ihr dan/ fing der Koͤnig
hierauf an/ mir die gantze ſache uͤber? Ja freilich/ gab
ſie zur antwort. Der Herꝛ Vater verſtehet alles beſſer/
als ich. Darzu bin ich verſichert/ daß er mir nichts
uͤbels weder goͤnnen/ noch rahten wird. Und hiermit
nahm ſie ihren abtrit nach ihrem zimmer zu; der Koͤnig
aber verfuͤgte ſich hin zu einem ſpringbrunnen/ bei dem
der Libiſche Fuͤrſt ſich niedergelaßen.


Iſt die zeitung guht? rief der Fuͤrſt dem Koͤnige fra-
gende entgegen. Ja/ antwortete dieſer: morgen fruͤh/
wan es ihm beliebet/ kan er einen Abgeſanten an unſern
R ijHof
[260]Der Aſſenat
Hof ſchikken/ und oͤffendlich uͤm meine Tochter waͤrben
laßen. Unterdeſſen wollen wir uns berahten. Der
wohlſtand wil das ſeinige auch haben. Drei ſtunden
vor dem mittags mahle ſollen ſich meine Raͤhte verſam-
ken. In derer gegenwart kan die ſache vorgetragen wer-
den. Ich ſelbſten wil die antwort tuhn. Hierauf hat
er ſich zu verlaßen. Der Koͤnigliche Fuͤrſt war uͤber ei-
ne ſo guhte entſchluͤßung zum hoͤchſten erfreuet. Zum
hoͤchſten bedankte er ſich deswegen gegen den Koͤnig. In
tiefſter demuht verpflichtete er ſich ihm/ mit ſeinem gan-
tzen vermoͤgen. Indeſſen nahete die tafelzeit herbei. Der
Koͤnig begab ſich/ mit dem Libier/ auf den tafelſaal.
Da war der Schaltkoͤnig eben angelanget. Ein hauffen
Adels ſtund uͤm ihn her. Straks kahm auch der Reichs-
kantzler an/ ſamt des Libiers Hofbedienten. Der Koͤ-
nig zog den Schaltkoͤnig auf die ſeite. Er fuͤhrete ihn
an ein fenſter. Da offenbahrte er ihm des Libiers an-
bringen/ ſich rahtes zu erhohlen. Dem Schaltkoͤnige
ſtund alles uͤber die maße wohl an. Auf dieſer Eh-
ſtiftung/
ſagte er von ſtunden an/ beruhet des gan-
tzen
Egiptens wohlfahrt. Die Libier haben viel
maͤchtige Bundsgenoſſen. Sie ſelbſten beſitzen
eine gewaltige macht. Sie grentzen an unſer
Reich. Wan wir/ vermittelſt der Koͤniglichen
Fuͤrſtin/ uns mit ihnen vereinigen; ſo werden
zugleich alle ihre Bundsverwanten mit uns ver-
einiget. Welcher feind wird uns dan anfallen
duͤrfen? Welche macht wird uns dan beſtuͤr-
men duͤrfen? Die vereinigung dieſer zwo maͤch-
tigen benachbahrten Krohnen wird allen ein
ſchroͤkken einjagen. Jederman wird
Egipten
fuͤrchten. Unſer Staht wird aufs herlichſte
bluͤhen. Wir werden in gewuͤndſchtem friede
leben. Unſer anſehen wird groß/ unſere wohl-
fahrt vermehret/ unſere macht geehret wer-

den.
[261]ſechſtes Buch.
den. Die Gewaltigſten der Welt werden un-
ſere freundſchaft ſuchen. Ja/ was noch das
allerfuͤrnehmſte iſt/ die Koͤnigliche macht kan/
durch dieſes mittel/ zur hoͤchſten freiheit gelan-
gen. Der Koͤnig kan hierdurch uͤber das gantze

Egipten das freie volgewaltige gebiete bekom-
men. Dan wird er ſagen koͤnnen/ deſſen ſich noch
kein Koͤnig vor ihm unterſtehen duͤrfen: dis wil
ich/ dis gebiete ich; ſo mus es geſchehen.


Eben als der Schaltkoͤnig dieſe worte geredet/ kahm
der Hofmahrſchalk ihnen anzudienen/ die ſpeiſen we-
ren ſchon aufgetragen. Straks trahten ſie nach der ta-
fel zu. Von ſtunden an ward alles rege. Einieder be-
kleidete ſeine gewoͤhnliche ſtelle. Zuerſt ſchwieg ieder-
man. Alles war ſtil. Aber auf dieſe ſtille brach die
froͤhligkeit jaͤhligen herfuͤr. Der Libier war der erſte/
der ſich luſtig erzeigte. Dem folgete die gantze geſelſchaft.
Das Frauenzimmer ſelbſten vergaß ſein zuͤchten. Die
eingezogenheit ward verbannet: die luſt beliebet; alle
freude veruͤbet. Und alſo ward dieſer tag der froͤhlichſte
von allen den vorigen des gantzen Beilagers.


Aber der folgende gab ihm nichts zuvor. Ja er war
derſelbe/ der ihn weit uͤbertraf. An jenem blieb die
froͤhligkeit/ gleich als eingeſchloſſen/ in der Burg.
Aber an dieſem brach ſie aus in die Stadt/ auf das
uͤmliegende land/ ja endlich gar durch das gantze Egip-
ten.
Die vermaͤhlung der Koͤniglichen Fuͤrſtin mit
dem Libier blieb nicht lange verſchwiegen. Kaum hat-
ten die Libiſchen Abgeſanten das jawort weg/ da der
ruf es ſchon uͤberal ausbreitete. Was vor freude die-
ſer ruf veruhrſachte/ kan keine feder beſchreiben. Das
frohlokken/ das jauchzen/ das freudengeſchrei klung
durch alle gaſſen der gantzen Stadt Memfis. Selbſt/
die ohren des Libiers warden darvon vol. Als er nun
auf die Burg fuhr/ da rief iederman gluͤkzu! Selbſt
R iijdie
[262]Der Aſſenat
die kleinen kinder/ die noch nicht ſprechen konten/ lal-
leten aus den fenſtern. Ja das froͤhliche zurufen hatte
alhier faſt kein ende. Es waͤhrete noch/ als der Libi-
er
ſchon laͤngſt in der Burg war.


Dieſer tag war der letzte des Schaltkoͤniglichen Bei-
lagers. An dieſem tage warden die Brautnahmen ver-
wechſelt. Nun hoͤrete Joſef auf Breutigam genen-
net zu werden. Nun uͤbergab er dieſen Nahmen dem
Libier. Heute ward Aſſenat eine Fraue. Heute ward
Nitokris eine Braut. Alſo machte das ende des ei-
nen Beilagers den anfang zum andern. Die Koͤnigli-
che Fuͤrſt in ward dem Libier verſprochen: das Ehver-
loͤbnuͤs geſchloſſen: der Trautag beſtimmet; und den
neuen Breuten gluͤkgewuͤndſchet. Und hiermit lief die-
ſer tag mit vollen freuden zum ende.


Auf den Morgen entſchlos ſich der Schaltkoͤnig
wieder eine reiſe zu tuhn. Er hatte vor ſeinem Beilager
zum bau etlicher Frucht- und Korn-heuſer anordnung
getahn. Nun wolte er ſehen/ wie das werk von ſtatten
ginge. Etliche ſolten auf die weiſe der Feuer-ſpitzen ge-
bauet werden: andere nur ſchlechthin/ als gemeine ge-
beue. In dieſen ſolte man das Korn von gegenwaͤrti-
gem/ und den zwei naͤchſtkuͤnftigen reichen jahren auf-
ſchuͤtten: in jenen die Fruͤchte von den vier letzten; und
darbei das Futter vor das vieh zugleich auflegen. Am
dritten tage ſetzte er dieſe reiſe fort. Seine liebe Aſſe-
nat
war ſeine gefaͤhrtin. Wo er hin zog/ begleitete ſie
ihn. Aſſenat konte ohne ihren Joſef/ und Joſef ohne
ſeine Aſſenat nicht ſein: ſo lieb hatten ſie einander.


Weil nun Joſef ſahe/ daß dieſe jahre ſich ſo gar
uͤberfluͤßig fruchtbar anlieſſen/ ſo nahm er nicht allein
den fuͤnften teil aller fruͤchte/ als des Koͤniges teil/ vor-
weg; ſondern er lies auch allen uͤberflus vor bahres geld
einkauffen. Ja er geboht bei leibesſtrafe/ daß nicht das
geringſte/ was der Menſch genieſſen koͤnte/ vor das
Vieh
[263]ſechſtes Buch.
Vieh verfuͤttert/ oder ſonſt unnuͤtzlich vertahn wuͤrde.
Alles muſte in des Koͤniges Kornheuſer und Scheunen
geluͤfert werden. Das bezahlete man/ nach dem damah-
ligen gemeinem/ wiewohl ſehr geringem preiſe/ mit koͤ-
niglichen geldern. Und alſo kahm eine große maͤnge zu-
ſammen. Alle Kornheuſer warden erfuͤllet. Man mu-
ſte derer immer mehr und mehr bauen.


Die große fruchtbarkeit des landes machte die
Egipter uͤbertaͤhtig und verzaͤhrtelt. Der uͤberflus be-
wegte ſie zu aller uͤppigkeit. Die uͤberaus wohlfeile zeit
veruhrſachte ſie ſchlaͤferig/ faul und hinlaͤßig zu wer-
den. Joſef/ der alles genau unterſuchte/ ward deſ-
ſen ſtraks gewahr. Dem muſte/ durch heilſame ſatzun-
gen/ bei zeiten vorgebauet werden. Bei zeiten muſte
man dieſem uͤbel ſteuren. Die fruchtbaren jahre fingen
erſt recht an: und gleichwohl nahm ſolches unheil ſchon
uͤberhand. In den kuͤnftigen war noch ein groͤſſeres zu
vermuhten. Das ſchien dem Reiche den untergang zu
dreuen. Dieſes alles erwog Joſef bei ſich ſelbſt. Und
daruͤm ſtiftete er Unterſuchungen des lebens. Allen
Egiptern ward auferlegt/ jaͤhrlich vor der Obrig-
keit zu erſcheinen. Einieder ſolte verpflichtet ſein re-
chenſchaft zu tuhn/ wie er lebete/ was er taͤhte/ womit
er ſich und die ſeinigen ernaͤhrete. Alles unweſen ſolte
vertilget/ aller muͤßiggang abgeſchaffet/ alles uͤppige le-
ben geſtrafet werden.


Mitlerweile nahete die beſtimte zeit zum Beilager
der Koͤniglichen Fuͤrſtin herbei. Der Schaltkoͤnig be-
gab ſich/ mit ſeiner Gemahlin/ wieder nach hofe. Eben
kahm der Hochfuͤrſtliche Breutigam auch an. Straks
folgeten die eingeladenen. Das Beilager nahm ſeinen
anfang/ mit ungemeiner pracht. Der Ertzbiſchof ver-
richtete die Traue. Jederman erzeigete ſich froͤhlich.
Die freude ſchien ſelbſten leibhaftig gegenwaͤrtig zu
ſein. Sie brach an allen enden herfuͤr. Aus allen win-
R iiijkeln
[264]Der Aſſenat
keln lachte die luſt. An allen ekken befand ſich lauter er-
getzung. Hiermit lieffen ſieben tage zum ende. Noch
ſieben tage letzte ſich die Koͤnigliche Fuͤrſtin. Hierauf
ward die heimfuͤhrung volbracht. Der Koͤnig begleite-
te ſeine Tochter bis an die grentzen des Reichs. So
weit zog auch mit der Schaltkoͤnig/ ſamt ſeiner Ge-
mahlin/ und den fuͤrnehmſten Reichsfuͤrſten. Die
Koͤnigin aber folgete der Koͤniglichen Fuͤrſtin bis in
Libien.


Nach volendeten dieſen ſtahtsgepraͤngen machte ſich
der Schaltkoͤnig wieder auf. Bald zog er hier- bald
dort-hin. Bald verordnete er dis/ bald das. Bald lies
er in dieſer/ bald in jener ſtadt neue Kornheuſer bauen.
Und dieſes bauen waͤhrete ſo lange/ bis die ſieben frucht-
bare jahre beinah zu ende gelauffen. Ein uͤberaus gros-
ſer vorraht ward geſamlet: ein großes geld ausgegeben.
Der gemeine man wuſte nicht zu was ende. Fremde
kahm ihm dieſes beginnen vor. Man war der Egipti-
ſchen fruchtbarkeit alle jahr gewohnet. Trug das land
nicht uͤberflieſſig/ ſo gab es doch zur nohtdurft ſeine
fruͤchte. Und daruͤm gedachte einer dis/ der andere das.
Joſef aber lies ſich nichts anfechten. Er fuhr in ſei-
nem beginnen fort. Er ſamlete von jahren zu jahren im-
mer mehr und mehr ein. Er ſpielete aufs kuͤnftige. Er
kaufte ſo viel getreide zuſammen/ daß alle Kornheuſer
gedruͤkt und geruͤttelt vol/ und alle Koͤnigliche Geld-
kaſten ledig warden. Dan des eingeſamleten getreides
war ſo uͤber die maße viel/ daß man endlich aufhoͤren
muſte zu zehlen.


Die koͤniglichen Beamten ſahen es zuerſt mit guh-
ten augen an. Aber zuletzt/ als man auch das koͤnigli-
che geſchmeide/ die koͤſtlichen ſchatzſtuͤkke/ ja alles was
ſeltzam und koſtbar in den kunſtkammern war/ anta-
ſtete; da begunten ſie zu murmeln. Seltzame reden fie-
len vor. Jener ſagte dis/ dieſer das. Jederman war
ver-
[265]ſechſtes Buch.
verwundert/ daß der Koͤnig dieſem Fremdlinge/ die-
ſem neuen Stahtsverpfleger ſo viel zulieſſe. Niemand
konte begreiffen/ wozu dieſer unraht dienen ſolte. Alle
hielten es vor eine tohrheit. Meinet dan dieſer Auslaͤn-
der/ ſagten etliche/ daß der Niel austruknen wird?
Waͤhnet er/ daß der Himmel dem lande ſeine gewoͤhn-
liche fruchtbarkeit zu entziehen beſchloſſen? Andere re-
deten was anders. Ja ja/ ſagten etliche ſpotweiſe/ der
Koͤnig mus auch leute haben/ die das geld unter den ge-
meinen man bringen. Es moͤchte ſonſt in den Schatz-
kammern verſchimmeln.


Als nun dieſe ſo ſeltzame reden auf das hoͤchſte gekom-
men/ und dem Reiche ſchon einen ſchaͤdlichen aufruhr zu
dreuen ſchienen; da kehrete ſich das blat uhrploͤtzlich uͤm.
Die fruchtbarkeit blieb aus. Die wohlfeile zeit ver-
ſchwand. Im einen jahre blieb der Niel zuruͤk; im an-
dern lief er ſo uͤbermaͤßig hoch auf/ daß er alles verderbe-
te/ alles verwuͤſtete. Keine felder konten beſtellet/ keine aͤk-
ker beſaͤet/ keine gaͤrte bepflantzet werden. Und alſo ward
nichts eingeaͤrntet. Der mangel entſt und an allen orten.
Die Teurung uͤberfiel das gantze Egipten. Der hunger
nahm zu. Die einwohner verſchmachteten. Die noht
zwang ſie ihren Schaltkoͤnig uͤm rettung anzuflehen.
Nunmehr verkehreten ſich ihre gedanken. Nun veraͤn-
derten ſich ihre reden. Nun ſahen ſie/ was Joſef ge-
tahn. Nun maͤrkten ſie/ wie vorſichtig/ wie kluͤglich er
gehandelt. Die ihn vor dieſem beſchimpfet/ prieſen
nun ſeine weisheit. Die ihn verſpottet/ erhuben ſeine
ſo treue vorſorge himmelhoch. Die ihn verlachet/ floͤ-
heten ihn an uͤm gnade. Ja ſie nenneten ihn ihren Er-
halter/ ihren Heiland/ ihren Reichsvater.


Aber ehe ſich dieſe teure zeit fand/ waren dem Jo-
ſef
von ſeiner lieben Aſſenat zween Soͤhne gebohren.
Den erſten hies er Manaſſe: dan Gott/ ſprach er/
hat mich alles meines ungluͤks/ und meines
R vgantzen
[266]Der Aſſenat
gantzen Vaͤterlichen hauſes vergeſſen laßen. Den
andern nennete er Efraim: weil ihn Gott im lan-
de ſeines elendes wachſend gemacht.
Hatte er
ſeine Aſſenat zuvor geliebet/ ſo liebte er ſie nun noch
tauſend mahl mehr. Auch gab ihre liebe der ſeinigen
nichts zuvor. Erſtlich liebte ſie ihn/ daß er ſie zur er-
kaͤntnuͤs des waren Gottes gebracht. Dan Joſef hat-
te nicht allein ſeiner Gemahlin/ ſondern auch dem Ertz-
biſchoffe ihrem Herꝛn Vater/ die Geheimnuͤſſe der
Goͤttlichen wahrheit geoffenbahret. Dieſer verbarg ſie
in ſeinem hertzen/ als einen koͤſtlichen ſchatz. Er behielt
ſie allein vor ſich. Er taͤht ſie niemand kund. Es ſchien
auch mehr unnuͤtz/ als erſprieslich zu ſein/ dieſe heili-
ge Wiſſenſchaft unter das im aberglauben erſoffene
voͤlklein zu bringen: zumahl weil es gewohnet war/ da-
mit es im gehohrſam verbliebe/ nur mit Abgoͤttereien
und falſchen Gottesdienſten abgeſpeiſet zu werden.
Darnach heuffeten ſolche liebe dieſe zwei lieben Ehpfaͤn-
de/ die ſie von ihrem hertzlieben Joſef hatte/ noch
mehr. Und darzu kahm auch endlich der uͤberſchwaͤng-
lich große reichtuhm; den ſo wohl ihr/ als ihrem Va-
ter/ Joſefs kluͤglicher handel veruhrſachte. Dan er hat-
te vor beiderſeits gelder/ in der wohlfeilen zeit/ eine
große maͤnge getreides eingekauft: und dieſe bekahmen
ſie hernach/ in der teurung/ tauſendfach wieder.


Im begin dieſer Teurung kahmen alle benachbahr-
ten Voͤlker/ die der hunger zum erſten druͤkte/ zum Koͤ-
nige. Darnach erſchienen auch die Egipter im Tebi-
ſchen gebiete. Alle begehrten Korn zu kauffen. Alle rief-
fen uͤm Broht. Aber der Koͤnig wieſe ſie zum Schalt-
koͤnige. Was der euch befielet/ ſagte er/ das tuht. Als
nun die teurung durch das gantze Egipten uͤberhand
nahm; da taͤht Joſef allenthalben die Kornheuſer auf/
und lies das getreide verkauffen. Straks lief der ruf
hiervon in alle laͤnder. Straks machten ſich alle Voͤlker/
Korn
[267]ſechſtes Buch.
Korn zu hohlen/ nach Egipten. Und alſo verkaufte
Joſef iederman getreide. Niemand zog leer weg. Al-
len fremdlingen ward geholfen. Man ſahe niemand
an. Der Auslaͤnder galt hier eben ſo viel/ als der
Egipter.


Auf einen morgen ward dem Schaltkoͤnige/ da er
eben mit ſeinen Soͤhnen ſchertzte/ angedienet; daß ze-
hen Ebreer ihn zu ſprechen begehrten. Das hertz pukte
dem Joſef ſtraks. Es ſagte ihm von ſtunden an/ daß
es ſeine Bruͤder weren. Eilend taͤht er ſein koͤſtliches
ſtahtskleid an. In ſolchem koͤniglichen ſchmukke traht
er in den Verhoͤrſaal: da alles von golde/ perlen und
edelen ſteinen flinkerte. Eine große maͤnge diener beglei-
tete ihn. Einieder zog uͤberaus praͤchtig auf. Und die-
ſes alles geſchahe daruͤm/ damit ihn ſeine Bruͤder nicht
kenneten. Hierauf befahl er ſie einzuhohlen. Einer ſei-
ner diener verrichtete dieſen befehl. Ihre ſchuhe muſten
ſie abloͤſen. Und alſo brachte man ſie baarfuͤßig vor den
Schaltkoͤnig. Da ward ihnen gebohten/ auf das ant-
litz nieder zu fallen/ und ihn koͤniglich zu ehren. Joſef
ſahe ſie rund heruͤm an. Seine Treume fielen ihm ein.
Er kante ſie ſtraks. Aber er ſtellete ſich gantz fremde.
Ja er redete ſie ſehr hart an. Woher komt ihr? fragte
er durch einen Kaldeiſchen Tahlmetſcher. Sie antwor-
teten auf Kaldeiſch: aus dem Lande Kanaan/ ſpeiſe
zu kauffen. Ihr ſeid Kundſchaffer/ fuhr er fort. Ihr
komt zu ſehen/ wo das Reich offen iſt. Nein/ mein
Herꝛ/ antworteten ſie abermahl. Seine knechte ſeind
kommen ſpeiſe zu kauffen. Wir ſeind alle eines ehrli-
chen Mannes ſoͤhne. Wir ſeind redlich: und ſeine knech-
te ſeind nie Kundſchaffer geweſen. Ihr ſeid freilich
Kundſchaffer/ wiederhohlte er ſeine vorigen worte: ja
ihr kommet zu ſehen/ wo das Reich offen ſtehet. Wir
ſeine knechte/ fuhren ſie in ihrer antwort ferner fort/
ſeind zwoͤlf bruͤder/ eines Mannes ſoͤhne im lande Ka-
naan:
[268]Der Aſſenat
naan: und der juͤngſte iſt noch bei unſrem Vater;
aber einer iſt nicht mehr vorhanden.


Joſef redete weiter. Das iſts/ ſagte er/ ihr ſeid Kund-
ſchaffer. Verraͤhter ſeid ihr. Man kan es euch an den
geſichtern anſehen. Die augen weiſen es aus. Ich wil
erfahren/ ob ihr wahr redet. Bei dem leben Faraons!
ihr ſolt nicht eher von hier kommen/ es komme dan euer
juͤngſter Bruder her. Sendet einen unter euch hin/ der
ihn hohle. Ihr unterdeſſen ſolt meine gefangene ſein.
Alſo wil ich eure reden bewaͤhren/ ob ſie gleichzu treffen/
oder nicht. Wird man ſie unwahrhaftig befinden/ ſo ſeid
ihr bei dem leben Faraons! Kundſchaffer. Hierauf lies
er ſie alleſamt drei tage gefaͤnglich bewahren. Da ver-
wieſe Ruben ſeinen Bruͤdern/ was ſie am Joſef ver-
uͤbet. Sehet! ſprach er/ habe ichs nicht lange geſagt/
daß euch eure boßheit endlich einmahl wuͤrde vergolten
werden. Alles dieſes habet ihr an eurem unſchuldigen
Bruder verdienet. Hettet ihr meinem rahte gefolget/
ſo wuͤrde dis ungluͤk euch nicht treffen. Uber dieſen wor-
ten begunten ſie alle kleinlaut zu werden. Keiner ver-
mochte nicht ein wort zu ſprechen. Kaum ruͤhreten ſie
ſich. Kaum bewegte ſich ein glied an ihrem leibe.


Am dritten tage lies ſie Joſef fragen; ob ſie ſich be-
dacht? Da taͤhten ſie alle einen fußfal. Ruben/ wel-
cher der behertztere war/ weil er ein reines gewiſſen hatte/
fuͤhrete das wort. Mein Herꝛ/ ſagte er/ wir ſeind nicht
anher kommen/ das land zu verkundſchaffen. Wir kom-
men nur/ als auf einen freien markt. Und daruͤm ha-
ben wir das vertrauen/ man werde uns das recht/ das
man auch den wildeſten Voͤlkern vergoͤnnet/ nicht wei-
gern. Doch/ imfal mein Herꝛ ſeinen knechten keinen
glauben zuſtellet/ ſo bitten wir untertaͤhnig/ daß erei-
nen ſeiner leute mitſchikke. Wir wollen ihn koſtfrei hal-
ten: und er wird befinden/ daß wir alle eines redlichen
Mannes ſoͤhne ſeind. Joſef antwortete: wolt ihr den-
ſel-
[269]ſechſtes Buch.
ſelben betruͤgen/ der den geiſt der unſterblichen Goͤtter
beſitzet? Duͤrft ihr wol ſo kuͤhne ſein/ mich zu uͤberzeu-
gen/ daß ich irre? Duͤrft ihr wohl leugnen/ was euch ſo
deutlich vor euren ſtirnen ſtehet? Ich ſage noch/ und
darbei bleibt es/ daß ihr ein greßes ſchelmenſtuͤkke ent-
weder ſchon begangen/ oder zu begehen im ſinne habet.


Hierauf gab ihnen der Tahl metſcher auch vor ſich zu
verſtehen: daß der Schaltkoͤnig die wahrheit redete.
Dan/ ſagte er/ wiſſet ihr nicht mehr/ daß ihr vor zwan-
zig jahren einer Arabiſchen Geſpanſchaft einen ſchoͤnen
Juͤngling verkauftet? Ich ſelbſt war mit bei dem kauf-
fe. Ich weis es alles noch ſehr wohl. Auch ſeind mir
eure geſichter nicht unbekant. Hieraus allein mus ich
gleuben/ daß ihr Verraͤhter/ oder zum wenigſten Men-
ſchendiebe ſeid. Daruͤm hat man ſich freilich vor euch
wohl zu huͤhten. Ja daruͤm kan ich nicht vorbei/ ſol-
ches meinem Herꝛn anzuzeigen. Dieſer Tahlmetſcher
war eben derſelbe Muſai/ deſſen wir droben gedacht.
Er war derſelbe/ der gemelter Geſpanſchaft hauptman
geweſen. Er war derſelbe/ der den Joſef kauffen/ und
wieder verkauffen helfen. Und durch einen ſonderlichen
gluͤksfal war er ſchon vor etlichen jahren zum Schalt-
koͤnige gelanget. Dem dienete er nicht allein als ein
Haushalter/ ſondern auch als ein Tahlmetſcher; weil
er vielerhand ſprachen kuͤndig.


Auf dieſe reden erblaſſeten ſie alle. Kein glied befand
ſich an ihrem leibe/ das nicht zitterte. Die taht war da.
Sie konten es nicht leugnen: wiewohl Ruben mit ei-
nem ſchwuhre beteuerte/ daß er weder den Muſai/
noch die Geſpanſchaft iemahls geſehen. Joſef aber re-
dete weiter: wolt ihr leben/ ſagte er/ ſo tuht/ was ich
euch befehle. Seid ihr redlich/ ſo laßt einen von euch in
eurem gefaͤngnuͤſſe liegen. Die andern koͤnnen hinzie-
hen/ und heimfuͤhren/ was man euch verkauffen wird.
Aber euren juͤngſten Bruder bringet zu mir. Dan wil
ich
[270]Der Aſſenat
ich euren worten gleuben/ und euch frei kennen/ daß
ihr nicht ſterben muͤſſet. Sie aber ſprachen untereinander
auf Ebreiſch/ damit es der Schaltkoͤnig/ und Muſai
nicht verſtehen ſolten: das haben wir verſchuldet an
unſrem Bruder. Wir ſahen die angſt ſeiner ſeelen/ da
er uns floͤhete; und wir wolten ihn nicht erhoͤren. Dar-
uͤm komt nun dieſe truͤbſaal uͤber uns. Ja Ruben
fuͤgte hinzu: ich ſagte es euch wohl/ ſprach er: verſuͤn-
diget euch nicht an dem Knaben. Aber ihr woltet nicht
hoͤren. Nun wird ſein bluht gefordert. Ach! ich be-
jammere unſern lieben alten Vater/ der durch ſeiner
kinder boßheit ſo gar ſehr betruͤbet wird.


Sie bildeten ihnen ein/ daß ſie der Schaltkoͤnig
nicht verſtuͤnde; weil er/ durch einen Tahlmetſcher/
auf Kaldeiſch mit ihnen redete. Aber er verſtund es
alles. Und daruͤm wendete er ſich von ihnen weg/ und
weinete bitterlich. Da er nun ausgeweinet hatte/ und
das wehleiden vorbei war; nahm er den Simeon/
weil er die meiſte ſchuld hatte/ mitten aus ihnen her-
aus/ und lies ihn vor ihren augen feſſeln. Hierauf taͤht
er befehl/ daß man ihre ſaͤkke mit Korne fuͤllete/ und ihr
geld darzu ſtekte/ einem ieden ſein teil in ſeinen ſak.
Auch lies er ſie mit zehrung wohl verſorgen. Und ſie
luden das getreidich auf die eſel/ und zogen von dan-
nen. Unterwegens taͤht einer ſeinen ſak auf/ ſeinem eſel
futter zu geben. Da ward er oben im ſakke ſeines geldes
gewahr. Sobald die Bruͤder ſolches ſahen/ entfiel ih-
nen der muht. Sie zitterten vor ſchroͤkken; und ſpra-
chen untereinander: waruͤm hat uns Gott das getahn?


Als ſie nun heim/ ins land Kanaan/ kahmen; da
erzehleten ſie ihrem Vater Jakob alles/ was ihnen in
Egipten begegnet war. Der man/ ſagten ſie/ der des
Koͤniges Verweſer/ und Herſcher des Reichs iſt/ redete
ſehr hart mit uns. Er hielt uns vor Kundſchaffer und
verraͤhter des landes. Wir aber antworteten ihm: daß
wir
[271]ſechſtes Buch.
wir redlich weren/ und nie Kundſchaffer geweſen; daß
wir mit uns zwoͤlfen alle einen Vater hetten; daß einer
nicht mehr vorhanden/ und der juͤngſte noch bei unſerem
Vater ſei. Hierauf begehrte der Herſcher des Reichs:
wir ſolten einen von uns allen bei ihm laßen/ und mit
dem getreidich hinziehen unſern juͤngſten Bruder zu
hohlen. Darbei/ ſagte er/ wil ich maͤrken/ daß ihr red-
lich ſeid. Und dan wil ich euch euren Bruder wiederge-
ben: auch moͤget ihr im Reiche waͤrben/ wo ihr wollet.


Da ſie nun die Saͤkke ausſchuͤtteten/ fand einieder
ſein buͤndlein geldes in ſeinem ſakke. Hieruͤber er-
ſchraken ſie/ ſamt ihrem Vater. Ach! ſagte Jakob/
dieſes alles geſchiehet mit einem gefaͤhrlichen vorſatze/
mich aller meiner kinder zu berauben. Joſef iſt eurent-
halben uͤmkommen. Den Simeon habt ihr ohne zwei-
fel/ durch eure unvorſichtigkeit/ verſchertzet. Und nun
wollet ihr den Bemjamin auch hinnehmen. Ja wer
weis/ ob ich nicht zugleich eurer aller entbaͤhren mus.
Es gehet nur alles uͤber mich. Ruben aber ſuchte ſei-
nen Vater zu bereden/ daß er den Benjamin mitziehen
lieſſe. Gib ihn nur/ ſagte er/ in meine hand. Ich wil ihn
wiederbringen. Und wan ich ihn nicht wiederbringe/ ſo
erwuͤrge meine zween ſoͤhne. Jakob antwortete: mein
Sohn ſol nicht mit euch ziehen. Dan ſein Bruder iſt
todt. Er iſt nur allein noch uͤbrig. Wan ihm ein un-
fal auf der reiſe begegnete/ wuͤrdet ihr nicht mein graues
haar mit hertzeleid in die grube bringen?


Mit der zeit ging das Korn auf. Die teurung ward
in Kanaan ie laͤnger ie groͤſſer. Jakob begehrte; daß
ſie wieder hinziehen ſolten/ was friſches zu kauffen.
Aber Judah gab ihm zur antwort: wan du unſern
Bruder mitſendeſt/ ſo wollen wir ziehen. Wo nicht/
ſo ziehen wir auch nicht. Dan der Herſcher des Reichs
ſagte zu uns: ihr ſolt mein angeſicht nicht ſehen/ es ſei
dan euer Bruder mit euch. Jakob aber fuhr fort: war-
uͤm
[272]Der Aſſenat
uͤm habt ihr ſo uͤbel an mir getahn/ daß ihr ihm ſagtet/
ihr hettet noch einen Bruder zu hauſe? Sie antworteten:
der Man forſchte ſo genau nach uns und unſrer freund-
ſchaft. Ja er fragte: lebet euer Vater noch? und habt
ihr auch noch einen Bruder? Wir gaben ihm beſcheid/
wie er fragte. Dan wer hette gedacht/ daß er uns befeh-
len wuͤrde unſern Bruder mitzubringen? Judah redete
weiter. Ach! lieber Vater/ ſagte er/ laß unſern Bru-
der mit mir ziehen/ daß wir uns aufmachen/ ehe wir
ſterben. Wilſtu dan/ daß wir/ uͤm ſeinet willen/ ja du
ſelbſten/ und er zugleich mit uns/ vor hunger ver-
ſchmachten ſollen? Wilſtu dan/ daß auch Simeon
wan wir nicht wiederkommen/ ſol hingerichtet werden?
Ei lieber! laß ihn mitreiſen/ damit wir leben. Ich
wil buͤrge fuͤr ihn ſein. Von meinen haͤnden ſoltu ihn
fordern. Wan ich ihn nicht wiederbringe/ und fuͤr dein
angeſicht ſtelle; ſo wil ich mein lebenlang die ſchuld tra-
gen. Hetteſtu ihn eher mitgelaßen/ ſo weren wir ſchon
wohl zweimahl wiederkommen.


Hierauf entſchlos ſich Jakob endlich/ ſeinen Ben-
jamin
mitzugeben. Mus es dan alſo ſein/ ſagte er;
ſo tuht es/ und nehmet ihn hin. Darzu nehmet auch
von des landes beſten fruͤchten mit euch. Bringet dem
Manne geſchenke. Bringet ihm Balſam/ Honig/ Ro-
ſienen/ und allerlei Wuͤrtze. Bringet ihm Mirren/
Datteln/
Feigen/ und Mandeln; ſo viel/ als ihr
in eure ſaͤkke zu bringen vermoͤget. Und alſo wird er
euch uͤm ſo viel mehr gnade erweiſen. Nehmet auch zum
einkauffe des getreides ſo viel geldes mit/ als genug iſt:
und darzu daſſelbe/ das ihr in euren ſaͤkken gefunden.
Der almaͤchtige Gott laße euch barmhertzigkeit finden
vor dem Manne/ daß ihr euren andern Bruder/ mit
dem Benjamin/ wiederbringet. Nun ſo ziehet hin
im friede. Ich aber mus ſein als einer/ der aller ſeiner
kinder beraubet iſt.


Al-
[273]ſechſtes Buch.

Alſo machten ſich die eilf Soͤhne Jakobs auf die
reiſe/ und kahmen in wenig tagen gluͤklich zu Memfis
an. Eben befand ſich Joſef bei der uͤberfahrt vor der
ſtadt. Er ſahe ſeine Bruͤder/ mit dem Benjamin:
und befahl dem Muſai/ ſie ſaͤmtlich auf ſein ſchlos zu
fuͤhren. Auch fuͤgte er hinzu: daß er ſolte ſchlachten/
und zurichten laßen: dan ſie ſolten das mittagsmahl
mit ihm halten. Als ſie nun ſahen/ daß ſie auf das
Schaltkoͤnigliche ſchlos gefuͤhret warden/ da erſchraken
ſie. Das hertz entfiel ihnen. Ach! ſagten ſie unterein-
ander/ wir werden uͤm des geldes willen/ das wir in un-
ſern ſaͤkken gefunden/ hierher gebracht. Man wil uns
eines diebſtals bezuͤchtigen. Man wil ein urteil uͤber
uns faͤllen; damit man uns zu leibeignen/ ſamt unſern
eſeln/ behalte. Und daruͤm redeten ſie mit dem Muſai
vor dem tohre. Mein Herꝛ/ ſagten ſie/ wir haben bei euch
vor dieſem getreide gekauft/ aber auf dem ruͤkwege alles
geld/ das wir darvor gegeben/ in unſern ſaͤkken wieder-
gefunden. Nuhn wiſſen wir nicht/ wie es hinein kom-
men. Daruͤm bringen wir daſſelbe/ als auch noch mehr
mit uns; alles/ was wir gekauft/ und noch kauffen
wuͤrden/ richtig zu bezahlen. Der Haushalter aber ant-
wortete: fuͤrchtet euch nicht. Euer geld iſt mir wor-
den. Euer Gott und eures Vaters Gott hat euch einen
ſchatz beſchceret in eure ſaͤkke. Ich habe die volle bezah-
lung bekommen.


Hierauf brachte ſie Muſai in ein Fuͤrſtliches zim-
mer; lies ihnen waſſer reichen/ die fuͤße zu waſchen/
und ihren eſeln futter geben. Auch fuͤhrete er ihren bru-
der Simeon zu ihnen: der ſie mit großen freuden em-
pfing. Sie aber gingen hinaus/ und eroͤfneten ihre ſaͤk-
ke. Daraus nahmen ſie die mitgebrachten fruͤchte/ wel-
che dem Schaltkoͤnige ſolten verehret werden. Von ei-
ner ieden ahrt legten ſie etwas zur ſchaue in unterſchied-
liche ſchuͤſſeln/ dem Schaltkoͤnige/ ſobald er wieder
Sheim
[274]Der Aſſenat
heim kaͤhme/ zu zeigen. Die uͤbrigen warden ordentli-
cher gepakt/ und alſo die geſchenke bereitet.


Auf den mittag begab ſich Joſef wieder auf ſein
ſchlos. Straks lies er ſeine Bruͤder vor ſich kommen.
Dieſe erſchienen mit ihren geſchenken/ und fielen vor
ihm zur erde nieder. Er aber empfing ſie uͤberaus
freundlich. Von ſtunden an fragte er nach ihrem Va-
ter. Wie gehet es/ ſagte er/ eurem Vater dem alten/
deſſen ihr ehmahls gedachtet? Iſt er noch bei leben?
Sie antworteten: es gehet meines Herꝛn knechte/ unſ-
rem Vater/ ſehr wohl/ auch lebet er noch. Hiermit neu-
geten ſie ſich abermahl/ und fielen zur erde nieder. Dar-
nach warf Joſef das auge auf ſeinen Bruder Ben-
jamin.
Iſt das/ fragte er/ euer juͤngſter Bruder/ von
dem ihr ſagtet? und ſtraks fing er an: Gott ſei dir
gnaͤdig/ mein ſohn. Weil ihm nun das hertz gegen ſei-
nen Bruder dermaßen entbrante/ daß er die traͤhnen
nicht laͤnger halten konte; ſo machte er ſich eilend auf
die ſeite. Eilend entwich er in ſein zimmer/ und weine-
te daſelbſt eine guhte weile.


Endlich/ als Joſef ſein angeſicht gewaſchen/ kahm
er wieder/ und hielt ſich hart. Straks befahl er die ta-
feln zu dekken/ und die ſpeiſen aufzutragen. Da kahm
ſeine liebe Aſſenat auch an: welche noch nicht wuſte/
daß es ſeine Bruͤder weren. Mit derſelben begab er ſich
an eine ſonderliche tafel. Gegen dieſer uͤber hatte man
eine andere vor ſeine Bruͤder gedekt: ja noch eine andere
vor die Egipter; dan dieſe durften mit den Ebreern
nicht eſſen/ weil es ein greuel war vor ihren augen.
Alle dieſe tafeln/ ob ſie ſchon unterſchiedlich/ und mit
unterſchiedlichen ſpeiſen bedienet warden/ hielt man
gleichwohl vor eine/ naͤhmlich des Schaltkoͤniges tafel.
Seine Bruͤder warden ihm recht ins geſicht/ und in
ſolcher ordnung ihres alters/ wie ſie in ihres Vaters
hauſe zu ſitzen pflegten/ geſetzet. Und hieruͤber verwun-
der-
[275]ſechſtes Buch.
derten ſie ſich alle. Alle teller/ alle ſchuͤſſeln waren von
lauterem golde. Auch trug man ihnen ihre ſpeiſen auf
von des Schaltkoͤniges tafel ſelbſten/ einem ieden ſein
teil. Aber dem Benjamin ward fuͤnf mahl mehr.
Alſo aßen und tranken ſie/ und waren guhtes muhtes.


Nach gehaltener tafel befahl Joſef ſeinem Haus-
halter/ daß er ihre ſaͤkke mit getreide fuͤllen ſolte/ ſo viel/
als ſie fortbringen koͤnten. Auch ſolte er in geheim ei-
nes ieden geld oben in ſeinen ſak legen; in Benjamins
aber auch ſeinen ſilbernen Trinkbecher darzu. Hiermit
machten ſie ſich des morgens fruͤh auf/ und zogen froͤh-
lich darvon. Aber dieſe freude waͤhrete nicht lange.
Kaum waren ſie eine ſtunde von der ſtadt/ als ſie etliche
zwanzig reiter hinter ihnen her eilen ſahen. Sie erſchra-
ken nicht wenig. Ploͤtzlich uͤberfiel ſie die furcht. Ja
dieſe heuffete ſich noch mehr/ als ſie den Muſai erblik-
ten/ und ihn von ferne rufen hoͤreten: Haltet ſtil/ ihr
diebe! haltet ſtil/ ihr leichtfaͤrtigen boͤſewichter! ihr
undankbaren vogel! Als er nun naͤher hinzukommen;
da verwieſe er ihnen ihre boßheit. Er bezuͤchtigte ſie des
diebſtals. Ihr habt/ ſagte er/ meines Herꝛn Trink-
baͤcher entwendet. Ihr habt ihm den Baͤcher geſtohlen/
damit er weiſſaget. Iſt das die dankbarkeit vor ſeine
erwieſene guhttaht. Hat euch euer Vater ausgeſchikt
denſelben zu beſtehlen/ der euch/ uͤm ſeinetwillen/ ſo
herlich bewuͤrtet? Straks gebt den dieb her/ ſamt dem
geſtohlnen: wo nicht/ ſo ſolt ihr alle miteinander an-
geſichts niedergehauen werden.


Waruͤm iſt mein Herꝛ ſo gar zornig? antwortete
Ruben. Waruͤm begegnet er uns mit ſolchen ſchmaach-
reden? Es ſei ferne von uns ein ſolches zu tuhn. Sein
Herꝛ hat uns geſtern als ehrliche leute befunden/ und
als liebe gaͤſte gnaͤdig bewuͤrtet. Woher komt nun dieſer
ploͤtzliche uͤberfal? Fraget ihr noch waruͤm? fuhr Mu-
ſai
gantz erhitzet fort. Daruͤm/ weil ihr diebe ſeid: weil
S ijihr
[276]Der Aſſenat
ihr meinen gnaͤdigen Fuͤrſten beſtohlen. An den galgen
mit ſolchen buben! Ruben antwortete wieder. Mein
Herꝛ ſehe zu/ was er tuht. Hat er etwas verlohren/ ſo
ſuche er nach/ bis er es findet. Unterdeſſen laße man
uns ungeſchaͤndet. Wir ſeind nicht gewohnet des dieb-
ſtals bezuͤchtiget zu werden. Wir haben ja das geld/ das
wir in unſern ſaͤkken fanden/ wiedergebracht. Wie ſol-
ten wir dan darzu kommen/ ſilber oder gold zu ſtehlen
aus ſeines Herꝛn ſchloſſe? Bei welchem der Baͤcher/
fing Judah gleichfals an/ gefunden wird/ der ſei des to-
des: und wir alle wollen meines Herꝛn knechte ſein.


Muſai war damit zu frieden. Zur ſtunde ſuchte er
rundheruͤm in allen ſaͤkken. Von des aͤlteſten ſeinem
fing er an. Er fuhr nach der reihe fort. Zuletzt kahm er
an des juͤngſten ſeinen. Da fand ſich endlich der Baͤcher
in Benjamins ſakke. Hierauf lies Muſai den taͤh-
ter ſtraks binden/ ihn wieder mit ſich zuruͤkzufuͤhren.
Noch heute/ ſagte er/ ſol dieſer dieb haͤngen; damit
er morgen nicht auch den Koͤnig ſelbſten beſtielet. Ihr
aber ziehet mit euren fruͤchten hin. Euch erkennen wir
frei. Mit euch haben wir nichts zu ſchaffen.


Es iſt nicht zu beſchreiben/ wie jaͤmmerlich dieſe Bruͤ-
der taͤhten. Alle zerriſſen ihre kleider. Alle kehreten/ mit
dem Benjamin/ nach der Stadt zu. Zur ſtunde gingen
ſie auf des Schaltkoͤniges ſchlos. Da taͤhten ſie einen
fußfal. Joſef aber ſagte zu ihnen: wie habt ihr euch
duͤrfen unterfangen ein ſolches zu tuhn? Wiſſet ihr
nicht/ daß es ein man/ als ich bin/ errahten koͤnte?
Judah fing endlich an/ und ſagte: ach! mein Herꝛ/
was ſollen wir reden? oder was ſollen wir nicht reden?
und womit ſollen wir uns rechtfaͤrtigen? Gott hat die
miſſetaht deiner knechte gefunden. Siehe da? wir/
und der/ bei dem man den Baͤcher gefunden/ ſeind mei-
nes Herrn knechte. Joſef aber antwortete: das ſei
ferne von mir. Der man/ bei dem der Baͤcher gefun-
den
[277]ſechſtes Buch.

[figure]


[278]Der Aſſenat
den iſt/ ſol mein knecht ſein. Ihr aber ziehet hinauf/ zu
eurem Vater/ mit frieden.


Zwiſchen deſſen ſtunden ſie alle miteinander in großer
angſt. Und dieſe angſt machte ihnen Ruben/ durch
ſtaͤhtige ſtichelworte/ noch immer groͤſſer und groͤſſer.
Unaufhoͤrlich verwieſe er ihnen die taht/ am Joſef be-
gangen. Und ſolches taͤht er ſo uͤberlaut/ daß es der
Schaltkoͤnig ſelbſt hoͤrete; wiewohl er ſich ſtellete/ als
verſtuͤnde er ihre ſprache nicht. Auch rief er etliche mahl:
ach Joſef! Joſef! wie viel ſeeliger biſtu/ als wir. Ach!
du magſt todt/ oder lebendig ſein/ ſo biſtu doch aller die-
ſer ſchmertzen/ die wir uͤm deines liebſten Bruders wil-
len leiden/ uͤberhoben. Dan du ſieheſt es nicht/ was wir
ſehen. Du weiſt nicht/ daß er ſo unſchuldig in ewige
dienſtbarkeit geraͤht.


Unter allen aber war niemand mehr bekuͤmmert/ als
Judah. Niemand war mehr in angſt/ als er; weil
er ſeinen Vater beredet/ daß er den ungluͤklichen Ben-
jamin
mitziehen laßen. Daruͤm warf er ſich auch noch
einmahl vor den fuͤßen des Schaltkoͤniges nieder. Mein
Herꝛ/ ſagte er/ laße ſeinen knecht ein wort reden vor ſei-
nen ohren. Und ſein zorn ergrimme nicht uͤber ſeinen
knecht. Dan Mein Herꝛ iſt eben als Farao. Keiner
von uns allen darf wieder in unſer vaterland. Keiner
darf wieder vor unſern Vater kommen/ wo wir unſern
Bruder nicht mitbringen. Ich am allermeiſten werde
die ſchuld tragen muͤſſen. Darzu habe ich mich verpflich-
tet. Darzu habe ich mich verpfaͤndet. Dan ich bin es/ der
unſern Vater beweget/ ihn mitzuſchikken. Auf mei-
nes Herꝛn befehl habe ich ſolches getahn. Weil mein
Herꝛ ſagte/ wir ſolten ſein angeſicht nicht ſehen/ wan
unſer Bruder nicht mitkaͤhme; ſo muſte ſolches geſche-
hen. Meinem Herꝛn zu gehohrſamen/ muſte ſein knecht/
unſer Vater/ beredet werden. Und daruͤm muſte ich
mich ſelbſten zum buͤrgen ſtellen. Kan ich nun ſo viel
gnade
[279]ſechſtes Buch.
gnade maͤchtig ſein/ ſo behalte mein Herꝛ mich/ an mei-
nes Bruders ſtat/ zum leibeignen; und laße den Juͤng-
ling/ mit ſeinen Bruͤdern/ hinauf ziehen. Dan/ ohne
ihn/ darf ich nach hauſe nicht kommen. Ich wuͤrde den
jammer meines Vaters/ deſſen ſeele an ſeines Sohnes
ſeele haͤnget/ ſehen muͤſſen. Ich wuͤrde ſehen muͤſſen/
daß er vor großem hertzleide ſtuͤrbe. Ja ich wuͤrde hoͤren
muͤſſen/ daß ich ſeine grauen haare mit jammer hinun-
ter in die grube gebracht.


Dieſes alles hatte Joſef bisher getahn/ ſeine Bruͤ-
der zu verſuchen. Er wolte erfahren/ ob ſie mit dem
Benjamin auch ſo tuͤkkiſch handeln wuͤrden/ als mit
ihm. Er wolte wiſſen/ ob ſie ſeinem Bruder eben ſo we-
nig liebe zutruͤgen/ als ihm: und ob ſie denſelben eben
ſo boßhaftig verlaßen wolten/ als ihn. Weil er nun
mehr liebe bei ihnen befand/ als er ihm eingebildet; ſo
brach ihm endlich das hertz. Es ward muͤrbe: es ſchmoltz
ihm im leibe. Er konte ſich laͤnger nicht halten. Er
rief; daß iederman von mir hinausgehe! Als nun kein
menſch mehr vor ihm ſtund/ als ſeine Bruͤder; da gab
er ſich ihnen zu erkennen. Da fing er ſo laut an zu wei-
nen/ daß es die Egipter/ und das geſinde des Koͤni-
ges hoͤreten. Da ſprach er zu ſeinen Bruͤdern: Ich bin
Joſef. Lebet mein Vater noch? Und ſeine Bruͤder
konten ihm nicht antworten: ſo erſchraken ſie vor ſei-
nem angeſichte. Joſef aber fuhr fort: traͤhtet doch her
zu mir/ ſagte er. Und ſie trahten herzu. Da ſprach er:
ich bin Joſef/ euer Bruder/ den ihr den Ismaelern
verkauftet. Nun bekuͤmmert euch deswegen nicht: ja
denket nicht/ daß ich daruͤm zuͤrne/ weil ihr mich hierher
verkauft habt. Dan uͤm eures lebens willen hat mich
Gott fuͤr euch hergeſandt. Zwei jahr haben wir ſchon
teure zeit gehabt. Nun ſeind noch fuͤnf jahre vorhan-
den/ daß man weder pfluͤgen/ noch aͤrnten wird. Aber
Gott hat mich fuͤr euch hergeſandt/ daß er euch uͤbrig be-
S iiijhal-
[280]Der Aſſenat
halte auf erden/ und euer leben errette/ durch eine große
errettung. Ja Gott hat es getahn/ nicht ihr. Gott hat
mich dem Koͤnige zum Vater geſetzt/ und zum Herꝛn
uͤber ſein gantzes Haus: ja zum Fuͤrſten uͤber das gantze
Egipten. Eilet nun/ und ziehet hinauf zu meinem
Vater. Machet euch ſtraks auf/ ihm anzumelden/ daß
ich noch lebe. Saget ihm/ daß mich Gott zum Herꝛn
uͤber das gantze Egipten geſetzt hat. Sprecht zu ihm/
das leſt dir Joſef ſagen: kom herab zu mir. Du ſolt
im lande Geſſen wohnen/ und nahe bei mir ſein. Sa-
get zu ihm/ daß er/ mit ſeinen Kindern/ mit ſeinen
Kindeskindern/ und mit ſeinem kleinen und großem
Viehe/ herabkomme. Ich wil ihn verſorgen; damit er
nicht verderbe/ mit ſeinem hauſe/ und allem/ was er
hat: dan die teurung wird noch fuͤnf jahre waͤhren.
Berichtet ihn/ daß eure eigene augen/ und meines Bru-
ders Benjamins augen ſelbſten geſehen/ daß ich
muͤndlich mit euch geredet. Ja verkuͤndiget meinem
Vater alle meine herꝛligkeit in Egipten/ und alles/
was ihr geſehen. Eilet/ und komt bald hernieder/ mit
meinem Vater.


Hierauf fiel er ſeinem Bruder Benjamin uͤm den
hals/ und weinete: und Benjamin weinete gleiches-
fals an ſeinem halſe. Auch kuͤſſete er alle ſeine Bruͤder/
und weinete uͤber ſie. Endlich redeten ſie miteinander;
und warden froͤhlich. Niemand aber war froͤhlicher/
als Benjamin/ und Ruben. Eben kahm die lieb-
ſeelige Aſſenat auch hinein/ ihre Schwaͤger wilkom-
men zu heiſſen. Sie hatte ihre zwei junge Herlein bei
der hand: welche ihre Vettern ebenmaͤßig empfingen.
Zum wilkommen verehrete ſie iedem Schwager ein Fei-
erkleid; dem Benjamin aber zwei. Es war ihr leid/
daß ſieihre freude/ aus unkuͤndigkeit der Ebreiſchen
ſprache/ ihnen nicht mit eigenem munde bezeugen konte.
Doch erſetzte ſolches ihr aͤlteſtes Herlein Manaſſe.
Die-
[281]ſechſtes Buch.
Dieſer war ihr Tahlmetſcher: dan er hatte einen eige-
nen Sprachmeiſter/ der ihn im Ebreiſchen und Kaldei-
ſchen unterwieſen.


Zwiſchen deſſen kahm der ruf auf die Koͤnigliche
Burg/ daß des Schaltkoͤniges Bruͤder kommen we-
ren. Da erhub ſich eine große freude. Es gefiel dem
Koͤnige/ ja allen ſeinen leuten ſo uͤberaus wohl/ daß
er von ſtunden an hinſchikte/ den Schaltkoͤnig zu hoh-
len. Dieſer ſtund eben dazumahl bei dem Koͤnige in
hoͤchſten gnaden; weil er ihm ſo wohl/ als dem gantzen
Reiche/ ſo gar großen nutzen ſchaffete. Dan er erhielt
das Reich vor andern Reichen und laͤndern im hoͤchſten
wohlſtande. Er errettete die untertahnen vom hunger.
Er ſtiftete hoͤchſterſpriesliche Satzungen. Er meh-
rete die koͤniglichen Schaͤtze. Er erhub die Koͤnigliche
Macht. Ja er machte den Koͤnig ſo reich/ und ſo maͤch-
tig/ daß er der gewaltigſte ward unter allen benachbahr-
ten Koͤnigen. Und daruͤm liebte ihn der Koͤnig uͤber al-
le maßen. Er ſuchte allerhand mittel ihm ſeine dank-
barkeit blikken zu laßen. Keine gelegenheit lies er vor-
bei/ ihm ſeine ſo treuen dienſte zu belohnen. Faſt kein
augenblik verging/ da er ihm nicht eine neue gnade wi-
derfahren lies. Ja er hatte den Joſef ſchon ſo reich
gemacht/ und ſo hoch erhoben/ daß es faſt unmuͤglich
war ein mehres zu tuhn.


Weil nun der Koͤnig erfahren/ daß Joſefs Vater
noch lebte/ und ſeine Bruͤder ihm ſelbſt die zeitung
gebracht; ſo lies er auch uͤber dieſe ſolche ſeine gnade
gantz uͤberſchwaͤnglich gehen. Befehlet euren Bruͤdern/
fagte er zum Joſef/ daß ſie ihre tiere mit des Reichs be-
ſten fruͤchten beladen/ und hin nach hauſe ziehen. Auch
ſaget zu ihnen alſo: nehmet euren Vater/ und euer ge-
ſinde/ und komt zu mir. Ich wil euch guͤhter geben in
Egipten: und ihr ſollet das mark der laͤnder eſſen. Ja
gebietet ihnen/ und ſprechet: nehmet mit euch aus
S vEgip-
[282]Der Aſſenat
Egipten ſo viel waͤgen/ als ihr noͤhtig habet zu euren
Kindern und weibern; und fuͤhret ſie alle/ mit eurem
Vater/ zu mir. Sehet euren hausraht nicht an. Dan
die guͤhter des gantzen Egiptens ſollen euer ſein.


Joſef taͤht alſo/ wie der Koͤnig geſagt hatte. Er
verſchafte ſeinen Bruͤdern waͤgen; und gab ihnen zeh-
rung mit auf den weg. Auch gab er einem ieden ein
Feſtkleid; dem Benjamin aber fuͤnfe/ mit dreihun-
dert ſilberlingen darzu. Ja er ſchikte ſeinem Vater ze-
hen eſel mit Egiptiſchen guͤhtern/ und eben ſo viel mit
getreide beladen. Zudem verſorgte er ſie mit broht und
ſpeiſen auf den ruͤkweg. Hierbei gingen auch des Koͤ-
niges geſchenke von guͤldenen und ſilbernen geſchirren/
und andern koͤſtlichen ſachen: welche zwoͤlf reiter aus
den Koͤniglichen Einſpaͤnnigern begleiten muſten. End-
lich als alles zum aufbruche faͤrtig war/ da befahl Jo-
ſef
ſeinen bruͤdern noch zu guhter letzte: ſie ſolten ſeinem
Vater nicht ſagen/ daß er von ihnen verkauft worden.
Dan er fuͤrchtete/ Jakob wuͤrde ſich deswegen uͤber ſie
entruͤſten. Daruͤm hatte er auch beſchloſſen/ ihn ſelb-
ſten zu bereden/ daß er den wilden tieren entronnen/ und
den Ismaelern in die haͤnde gerahten: welche ihn in
Egipten verkauft hetten.


Alſo reiſeten Joſefs Bruͤder/ unter Koͤniglichem
geleite/ fort/ und gelangten in wenig tagen friſch und
geſund zu Hebron an. Zur ſtunde verkuͤndigten ſie ih-
rem Vater: daß Joſef noch lebte; und daß er/ nach
dem Koͤnige/ der groͤſte Herꝛ in Egipten ſei. Aber
Jakobs hertz dachte viel anders. Er konte ſich gantz
nicht bereden ihnen zu gleuben. Doch als ſie ihm alle
worte des Joſefs erzehlet/ und er die wagen/ ſamt den
geſchenken/ ſahe/ die er ihm ſchikte; da ward ſein geiſt
wieder lebendig. Da gedachte er an Joſefs Traum/
den er von den eilf Sternen/ von der Sonne und vom
Mohnde/ die ſich alle dreizehen vor ihm geneuget/ ge-
habt
[283]ſechſtes Buch.
habt hatte. Da ſahe er/ daß dieſe dreizehende zahl/ die
dreizehen jahre bedeutet/ nach welchen Joſef zu ſeiner
herligkeit erhoben worden. Dan im ſiebenzehenden jah-
re ſeines alters hatte Joſef dieſen Traum/ und im
dreiſſigſten/ naͤhmlich dreizehen jahre darnach/ ward
er Schaltkoͤnig: und dieſe hohe ſtahtswuͤrde hatte er
eben itzund neun jahre beſeſſen. Und daruͤm ſprach
Israel: ich habe genug/ daß mein Sohn noch lebet.
Ich wil hin/ und ihn ſehen/ eh ich ſterbe.


Straks ward alles zur reiſe faͤrtig gemacht. Ge-
ſchwinde muſte ſich iederman ruͤſten. Flugs warden
die guͤhter gepakt/ die waͤgen beladen/ die eſel belaͤſti-
get. Eilend lies man die Viehheerden zuſammentrei-
ben. In der haſt muſte alles geſchehen. Und alſo mach-
te ſich Jakob alſobald auf/ mit allem was er hatte.
Aber als er nach Berſaba/ bei den Brunnen des Ei-
des/ gelanget: da opferte er zuvor dem Gotte ſeines
Vaters Iſaaks; damit Er ſeine reiſe begluͤkken/ und
zugleich auch anzeigen moͤchte/ ob ſie vor ſein Geſchlecht
erſprieslich ſein wuͤrde. Dan er beſorgete ſich/ ſeine
Nachkommen moͤchten in der Egiptiſchen wohlluͤſtigen
fruchtbarkeit kuͤnftig ſo große luſt ſchoͤpfen/ daß ſie al-
da gar blieben/ und das land Kanaan/ das ihnen
Gott verſprochen/ einzunehmen vergeſſen wuͤrden.


Hierauf erſchien ihm der HERR des nachtes im
geſichte. Jakob/ Jakob/ rief Er: und Jakob ant-
wortete/ hier bin ich. Da ſprach der HERR zu ihm:
Ich bin Gott/ der Gott deines Vaters. Fuͤrchte dich
nicht hinab/ in Egipten/ zu ziehen. Dan daſelbſt
wil ich dich zu einem großen Volke machen. Ich
wil mit dir hinab ziehen. Ich wil dich fuͤhren: und
Joſef ſol ſeine haͤnde auf deine augen legen. Deſſen
Nachkommen werden lange zeit herſchen: und aus ih-
nen wil ich einen Fuͤrſten erwekken: der das verſproche-
ne Land mit gewaltiger hand einnehmen/ und unter
dein Geſchlecht austeilen wird.


Straks
[284]Der Aſſenat

Straks auf den morgen brach Jakob von Berſa-
ba
auf. Seine Soͤhne fuͤhreten ihn/ ſamt ihren Kin-
dern und Weibern/ auf den waͤgen/ die der Koͤnig ge-
ſchikt hatte. Alles Vieh/ und alle habe/ die ſie in Ka-
naan
erworben hatten/ nahmen ſie mit: und kahmen
alſo in Egipten/ Jakob/ und ſein Saame mit ihm.
Judah eilete mit ſtarken tagereiſen voran/ dem Jo-
ſef
ſeines Vaters ankunft zu verkuͤndigen. Straks
ſetzte ſich der Schaltkoͤnig/ mit ſeiner Gemahlin/ auf
ſeinen wagen/ und zog ins land Geſſen/ ſeinem Va-
ter entgegen. Sobald er ihn ſahe/ fiel er ihm uͤm den
hals/ und weinete lange an ſeinem halſe. Jakob aber
ſprach zum Joſef: ich wil nun gerne ſterben/ nachdem
ich dein angeſicht geſehen. Dan nun bin ich verſichert/
daß du noch lebeſt.


Aſſenat/ und alle Egipter verwunderten ſich uͤber
Jakobs ſo anſehnliche und gleichſam bluͤhende geſtalt.
Dan ſein altertuhm war noch ſo ſchoͤn als eine jugend;
ſeine lippen ſo roht/ ſein angeſicht ſo lebendig von farbe/
ſeine augen ſo klahr und helle/ als eines dreiſſigjaͤhrigen
Mannes. Auch war er an ſchultern/ kniehen/ beinen und
ſeenen ſo ſtark/ als ein held: und ſein haar auf ſeinem
heupte ſo weis/ als der ſchnee. So weis war auch ſein
bahrt; der ſich bis uͤber die bruſt recht zierlichausbreitete.
Ja ſie verwunderten ſich auch uͤber die maͤnge ſo wohl/
als anſehnligkeit ſeiner Kinder und Kindeskinder; derer
dazumahl/ den Ertzvater ſelbſten mitgerechnet/ ſieben-
zig ſeelen beieinander waren. Aſſenat empfing den
Ertzvater mit uͤberaus großen freudenbezeugungen:
und er gab ihr den ſeegen/ und kuͤſſete ſie.


Mitlerweile redete Joſef mit ſeinen Bruͤdern/ und
gab ihnen/ unter andern/ zu verſtehen/ daß er dem Koͤ-
nige andienen wolte: ſein Vater/ mit ſeinem gantzen
Hauſe/ ſei angelanget; auch hetten ſie alle ihre habe/
und alles ihr vieh mitgebracht. Daruͤm/ wan der Koͤ-
nig
[285]ſechſtes Buch.
nig ſie fordern lieſſe/ und fragte: was ihr tuhn und ge-
werbe ſei? ſolten ſie antworten: daß ſie leute weren/ die
gewohnet mit Vieh uͤmzugehen/ eben wie ihre Vaͤter
getahn. Dan er wolte gern/ daß ſie/ im lande Geſſen/
ſaͤmtlich beieinander allein und abſonderlich wohnen
moͤchten; weil alle Viehhuͤrten/ und die das Vieh
ſchlachteten/ den Egiptern/ die es vor Goͤtter hielten/
ein greuel weren.


Hierauf begab ſich Joſef ſtraks zum Koͤnige/ und
ſagte ihm ſolches an. Auch baht er zugleich/ daß der
Koͤnig ſeinen Bruͤdern/ weil ſie mit der viehzucht ſich
naͤhreten/ vergoͤnnen moͤchte im lande Geſſen zu woh-
nen. Dan alda war eine fette viehweide/ eine rechte
ſchmaltzgrube. Alda hatte Joſef und Aſſenat viel
eigene liegende gruͤnde. Zudem gehoͤhrete das gantze
land ohne das ſeiner Gemahlin Vater/ als Heliopel-
ſchem Ertzbiſchoffe/ zu. Kein beſſeres und gelegneres
hetten ſie wuͤndſchen koͤnnen/ als dieſes; da ſie von al-
len Egiptern abgeſondert wohnen/ und ihr tuhn und
weſen allein haben mochten. Alſo konte ſich kein unwil-
le unter beiden erregen. Alſo konten ſie die Egipter/
welche kein vieh mochten ſchlachten ſehen/ nicht aͤrgern.


Straks darnach fuͤhrete Joſef auch fuͤnf ſeiner
juͤngſten Bruͤder zum Koͤnige: welcher ſie ſehr freund-
lich empfing. Von ſtunden an fragte er: was ihre nah-
rung ſei? Sie antworteten: des Koͤniges knechte ge-
hen mit Vieh uͤm/ wie unſere Vaͤter getahn. Wir
ſeind kommen alhier zu wohnen. Dan im lande Ka-
naan
war nichts/ als misgewachs/ zu finden: und wir
hatten kein futter mehr vor unſere heerden: ſo hart druͤk-
ten die misjahre das land. Daruͤm bitten wir unter-
taͤhnigſt/ daß der Koͤnig im lande Geſſen ſeinen knech-
tenzu wohnen vergoͤnne. Hierauf wendete ſich der Koͤ-
nig nach Joſef zu. Es iſt euer Vater/ ſagt er/ und es
ſeind eure Bruͤder/ die zu euch ſeind kommen. Das
gantze
[286]Der Aſſenat
gantze Egipten ſtehet euch offen. Laßt ſie im beſten
lande wohnen. Laßt ſie wohnen im lande Geſſen. Wan
auch leute unter ihnen zu finden/ die ihr wiſſet/ daß ſie
tuͤchtig ſeind; ſo ſetzt ſie uͤber mein Vieh.


Endlich brachte Joſef ebenmaͤßig ſeinen Vater hin-
ein/ und ſtellete ihn vor den Koͤnig. Den ſeegnete Ja-
kob.
Der Koͤnig aber/ welcher uͤber ſein hohes/ und
zugleich geruhiges alter verwundert war/ fragte ihn:
wie alt er ſei? Der Ertzvater antwortete: der jahre mei-
ner walfahrt ſeind hundert und dreiſſig. Wenig und
boͤſe iſt die zeit meines lebens/ und langet nicht an die
zeit meiner Vaͤter/ in ihrer walfahrt. Nach etlichen
wenigen reden mehr ſeegnete Jakob den Koͤnig aber-
mahl/ und nahm ſeinen abtrit. Joſef aber verſchafte
ſeinen Bruͤdern wohnungen am beſten orte des landes:
naͤhmlich uͤm Heliopel heruͤm; wie der Koͤnig befoh-
len. Ja er verſorgete ſeinen Vater/ und ſein gantzes
Haus. Er verſorgete ſeine Bruͤder/ nachdem ein ieder
kinder hatte.


Eben damahls ward die Teurung in allen laͤndern
rund heruͤm ie laͤnger ie groͤſſer. Nirgend war broht zu
finden. Egipten und Kanaan verſchmachteten vor
hunger. Im erſten und itzt verfloſſenem zweiten mis-
jahre hatte Joſef/ durch den verkauf des getreides/ al-
les gemuͤntzte gold und ſilber aus Egipten und Ka-
naan
zuſammengebracht. Nun ging es an das ſilber-
werk. Nun brachte man dem Joſef alle ſilberne und
guͤldene geſchirre. Alle ringe/ alle edele ſteine/ alle ſchatz-
ſtuͤkke muſten herhalten: ja alles was ſeltzam und koͤſt-
lich war. In der wohlfeilen zeit hatte der Schaltkoͤnig/
zum einkauffe des getreides/ vier Einhoͤrner aus der koͤ-
niglichen kunſtkammer zu gelde gemacht. Aber ehe vier
hungers jahre verlieffen/ waren derer zwoͤlfe vor han-
den. Ja er loͤſete vor Korn/ in den erſten drei teuren
jahren/ hundert mahl mehr wieder ein/ als er in den vo-
rigen
[287]ſechſtes Buch.
rigen wohlfeilen ſieben jahren ausgegeben. Dan alle
ſchaͤtze aus Aſien und Afriken brachte Joſef/ durch
dieſes mittel/ in die Schatzkammer des Reichs und des
Koͤniges zuſammen. Zudem zogen auch viel menſchen
aus den uͤmliegenden reichen und laͤndern/ ihr leben zu
erhalten/ in Egipten.


Alſo hatte zu der zeit das Egiptiſche Reich ſeines
gleichen nicht/ weder an geldmitteln/ noch an macht der
manſchaft/ noch auch an lebensmitteln/ in der gantzen
welt: welches man/ naͤchſt Gott/ niemand/ als dem ei-
nigen Joſef/ zu danken. Daruͤm liebte ihn auch ieder-
man. Jederman ehrete ihn/ als einen Vater/ als ei-
nen Heiland und Erhalter des gantzen Egiptens. Es
war faſt kein haus zu finden/ da Fuͤrſt Joſefs Bild-
nuͤs/ neben dem Koͤniglichen/ nicht hing. Ja ſie hetten
ihn oͤffendlich/ wie ſie es ſchon heimlich taͤhten/ gar vor
einen Gott angebaͤhtet; wo es Joſef nicht ernſtlich
verbohten. Und alſo war es weit gefehlet/ daß ihn ei-
niger Egiptiſcher Fuͤrſt/ wie bei andern Hoͤfen gewoͤhn-
lich/ beneiden ſollen. Joſef verhielt ſich gegen iederman
ſolchergeſtalt/ daß er allen hohen Heuptern allen eifer/
und alle misgunſt benahm. Sie muſten ihn lieben.
Anders konten ſie nicht tuhn. Joſef war derſelbe/ der
alles verſorgete. Er war derſelbe/ der ſeinen Beſchuͤtzer
beſchuͤtzte. Er war des Koͤniges Augapfel; der ſtab/
darauf er ſich lehnete. Ja er war alles in allen.


Die Mohren und Araber ſpanneten zuſammen.
Sie kahmen mit gewafneter hand Egipten zu uͤber-
fallen. In ihren laͤndern litte man hunger. Der ſahe
ihnen aus den augen. Der machte der Araber grauſa-
me geſtalt noch grauſamer; ihr wuͤhtendes hertz noch
wuͤhtender; ihre reuberiſche ahrt/ noch reuberiſcher/
noch bluhtduͤrſtiger. Sie unterſtunden ſich die Egipti-
ſchen Kornheuſer zu pluͤndern. Sie unterfingen ſich
das getreidig wegzurauben. Aber Joſef begegnete ih-
nen
[288]Der Aſſenat
nen mit einer gewaltigen macht. Man ſchlug ſie zum
Reiche hinaus. Ihr Feldherꝛ ward gefangen. Den
ſtelte Joſef/ ohne einiges loͤſegeld/ auf freien fuß.
Darzu verehrte er ihm eine zimliche maͤnge getreides.
Darzu vergoͤnte er allen Arabern ein ſicheres geleite.
Sie mochten frei und ungehindert in Egipten kom-
men/ getreide zu kauffen. Aber nicht mehr als hundert
auf ein mahl. Hetten ſie kein geld mehr/ ſo moͤchten
ſie vieh bringen. Kein lebensvorraht ſolte ihnen gewei-
gert werden. Durch ſolche freigebigkeit und verguͤnſti-
gung/ beguͤhtigte Joſef dieſe wilden Voͤlker dermas-
ſen/ daß ſie ſich uͤberaus friedlich erzeigten. Ja ſie
ſchaͤtzten ſich gluͤklich/ daß man ihnen lebensmittel/ vor
geld oder geldeswaͤhrt/ zukommen lieſſe.


Inmittelſt wuchs die Teurung immer mehr und
mehr an. Die hungersnoht ward ie laͤnger ie groͤſſer.
Kein geld/ noch andere ſachen/ die man zu gelde ma-
chen konte/ getreide zu kauffen/ waren mehr vor han-
den. Die Egipter ſchrien uͤm broht. Sollen wir/
nun/ ſagten ſie zum Schaltkoͤnige/ vor hunger ſterben/
weil wir kein geld haben? Joſef antwortete: ſchaffet
euer vieh her. Da brachten ſie das vieh: und er gab ih-
nen broht uͤm ihre pferde/ ſchafe/ rinder und eſel. Al-
ſo ernaͤhrete er ſie daſſelbe jahr/ uͤm alles vieh/ das ſie
hatten/ mit brohte. Da nun dieſes vierde jahr uͤm
war/ kahmen ſie im fuͤnften wieder zu ihm. Wir koͤn-
nen/ ſagten ſie/ unſrem Herꝛn nicht verhalten/ daß alles
geld und alles vieh hin iſt zu unſrem Herꝛn. Nun haben
wir fuͤr ihn nichts mehr uͤbrig/ als nur unſre leiber und
unſre felder. Waruͤm ſollen wir ſterben fuͤr unſrem Her-
ren? Er kauffe uns und unſer land/ und gebe uns broht
und ſaamen. Wir und unſer land wollen dem Koͤnige
leibeigen ſein: damit wir leben und nicht ſterben/ auch
unſer feld nicht veroͤde. Alſo kaufte Joſef dem Koͤni-
ge das gantze Egipten. Dan die Egipter/ weil die
hun-
[289]ſechſtes Buch.
hungersnoht ſo gar groß war/ verkauften/ einieder/ ſei-
nen akker. Dergeſtalt ward das gantze land/ mit allen
einwohnern/ dem Koͤnige eigen. Und Joſef teilete das
Volk aus in die ſtaͤdte. Aber der Prieſter feld kaufte er
nicht. Die behielten ihre freiheit/ und aͤkker. Dan der
Koͤnig hatte verordnet/ daß ſie von dem benanten/ da-
mit er ſie begnadiget/ ernaͤhret wuͤrden.


Als nun Joſef alle Egipter gekauft hatte/ da
ſprach er zu ihnen: heute habe ich euch und euer feld dem
Koͤnige zu eigen gekauft. Da habet ihr ſaamen/ und
beſaͤet das feld. Von dem gewaͤchſe ſolt ihr den fuͤnften
dem Koͤnige geben. Vier teile ſollen euer ſein. Damit
koͤnt ihr euer haus/ und eure kinder verſorgen. Sie
antworteten alle: wan wir nur leben/ und gnade fin-
den fuͤr unſrem Herren/ ſo wollen wir dem Koͤnige
gern leibeigen ſein. Alſo machte Joſef ein ewiges ge-
ſetz uͤber der Egipter feld: daß der fuͤnfte dem Koͤni-
ge gegeben wuͤrde. Aber der Prieſter feld blieb frei.


Hingegen hatte der Schaltkoͤnig/ ſo lange die teu-
rung waͤhrete/ die gantze maͤnge des volkes zu ſpeiſen.
Das muſte er tuhn/ wan er diejenigen/ die er dem
Koͤnige zu leibeignen gekauft/ nicht wolte verhungern
laßen. Er beſtellete dan uͤberal Ausſpender der lebens-
mittel. Durch dieſe lies er iedem taͤglich nur ſo viel rei-
chen/ als die nohtdurft erheiſchete. Davor muſten ſie
zu hofe dienen. Sie muſten dem Koͤnige froͤhnen. Weil
in den noch waͤhrenden misjahren der akker nur verge-
bens beſtellet ward; ſo warden ſie zu andern frohndien-
ſten angehalten. Joſef lies niemand ledig gehen. Kei-
nem lies er den muͤßiggang zu. Sie warden zum baue
der Staͤdte/ Schloͤſſer/ Tuͤrne/ und anderer gebeue ge-
brauchet. Teils muſten an den Grab- und Sonnen-ſpi-
tzen helfen. Andere muſten Waſſerleitungen/ und
Fiſchteiche graben. Noch andere die Taͤmme uͤm den
Niel und vor den aͤkkern ausbuͤßen und erhoͤhern.


TAuch
[290]Der Aſſenat

Auch lies Joſef/ nach ſeiner eignen erfindung/ ein
Nielsmaß bauen: welches den groͤſten/ kleinſten/
und mittelmaͤßigen anwachs des Niels eigendlich an-
wieſe. Dieſes ſtund am Ufer des fluſſes. Rund uͤm-
her war eine ſtarke ſteinerne mauer gezogen. Von hier
ging man/ durch eine ſteinerne treppe/ hinunter an den
brunnen: deſſen waſſer/ mit dem Niele/ zugleich ſtieg/
und fiel. Mitten in dieſem Waſſer/ das durch roͤhren
aus dem Niele dahin geleitet ward/ ſtund das Nielmaß
ſelbſten. Es war eine lange marmelſteinerne Seule/
mit etlichen gewiſſen zeichen nach oben zu. An denen
konte man ſehen/ wie hoch ſich der Niel taͤglich erhub.
Alſo hielt Joſef nicht allein alle Egipter zur arbeit;
ſondern ſtiftete ihm auch/ durch ſolche herliche gebeue/
ein ewiges gedåchtnuͤs. Ja er zierete dadurch das gan-
tze Egipten.


Endlich fand Joſef vor die muhtwilligen faullen-
tzer/ und andere verbrecher noch eine andere arbeit. Die
ward ihnen zur ſtrafe auferlegt. In den Mohrenlaͤn-
diſchen Bergen giebt es ſehr viel Goldadern: durch wel-
che zu weilen der Niel faͤllet/ und den Goldſand abſpuͤh-
let. Dieſen fuͤhret er/ unter dem andern ſchlamme/
mit ſich in Egipten. Aus ſolchem ſchlamme lies Jo-
ſef/
mit waſchen und reinigen/ den goldſand ſamlen.
Der ward hernach gantz klein zu ſtaube gerieben/ und in
ſchmaͤltzkruͤgen geſchmoltzen. Auch ſchikte er ein teil ge-
melter verbrecher an die Egiptiſchen grentzen/ nach Ara-
bien
und dem Mohrenlande zu. Alda hatte er/ im ge-
buͤrge/ befunden/ daß durch etliche weiſſe marmelrotſen
hin goldadern lieffen. Dieſe goldadern muſten ſie/ ſamt
den ſteinen/ aushakken/ und in moͤrſeln zum ſtaube ſtos-
ſen: darnach den ſtaub auf breiten marmeltafeln noch
kleiner reiben/ und dan mit waſſer ſo vielmahls abſpuͤh-
len/ bis ſie das gold vom ſteinichten zeuge geſondert.
Endlich ward dieſer geriebene und gereinigte goldſt aub/
mit
[291]ſechſtes Buch.
mit blei und anderem ertzwerke/ in ſchmaͤltztoͤpfe/ welche
man oben mit erde feſt vermachte/ getahn/ und auf ei-
nem kohlfeuer geſchmoltzen. Und alſo zeigete Joſef
den Egiptern/ durch die Scheidekunſt/ auch das gold-
machen: darinnen ſie ſich nach der zeit immer mehr und
mehr geuͤbet. Doch hielten ſie es ſo heimlich/ daß es an-
dere voͤlker nicht nachtuhn ſolten.


Eben uͤm dieſe zeit/ da Joſef am allergeſchaͤftigſten
war den Egiptern das muͤßiggehen abzugewoͤhnen/ trug
ſich was wunderſeltzames zu. Der Koͤnigliche Fuͤrſt
ſahe die Aſſenat ohngefaͤhr auf der Koͤniglichen burg
wandeln. Er ſahe ihre fuͤrtrefliche ſchoͤnheit. Er erblik-
te ihr allerliebſeeligſtes weſen. Zur ſtunde ward er ver-
liebt. Ein ſtrahl ihrer ſchoͤnen augen verwundete ſein
hertz. Dis brante vor liebe. Und dieſe liebe trieb ihn
zu einer fremden entſchlieſſung. Er entſchlos ſich den
Schaltkoͤnig aus dem wege zu reumen/ und die Aſſe-
nat
zu ehligen. Dieſes vornehmen offenbahrte er dem
Gad und Simeon. Er ſuchte ſie zu vermoͤgen/ den
Joſef zu toͤdten. Eine große maͤnge goldes und ſilbers
verhies er ihnen. Darzu ſolten ſie zu großen aͤmtern be-
foͤrdert werden. Die verheiſſungen waren groß. Aber
ihre bruͤderliche treue war noch groͤſſer. Sie wolten an
ihrem Bruder/ dem ſie ſo viel guhtes zu danken/ keine
verraͤhter/ keine meuchel moͤrder werden. Sie taͤhten/
als hoͤreten ſie nicht. Sie ſchlugen keine achtung auf
ſeine worte.


Weil nun dieſer anſchlag dem koͤniglichen Fuͤrſten
nicht gelungen/ ſo war er auf einen andern bedacht.
Mit liſt ſuchte er ſie zu gewinnen. Mit luͤgen vermeinte
er zu ſeinem ziele zu bekommen. Er verfuͤgte ſich dan al-
lein zu der Magd ſoͤhnen/ dem Dan und Gad. Die-
ſen rieb er die ohren. Er gab ihnen zu verſtehen: daß
ihnen Joſef den tod gedreuet. So bald ihr Vater das
heupt legte/ ſolten ſie hingerichtet werden. Sie weren
T ijnur
[292]Der Aſſenat
nur Maͤgdekinder. Sie hetten ihn den Ismaelern ver-
kauft. Und noch itzund beneideten ſie ihn. Daruͤm
wolte er nicht zulaßen/ daß ſie mit ſeinen Bruͤdern er-
ben ſolten. Dieſes alles hette Joſef vor den ohren des
Koͤniges geredet. Er ſelbſten were darbei geweſen. Was
meinet ihr nun/ fuhr der Koͤnigliche Fuͤrſt fort? was
urteilet ihr von dieſen reden? Habt ihr nun nicht uhrſa-
che genug eurem untergange bei zeiten vorzukommen?
Wan euer Vater todt iſt/ wird es zu ſpaͤhte ſein.
Straks mus es geſchehen. Itzund muͤſt ihr den Joſef
aufreiben. Ich wil euch etliche reiter darzu verſchaf-
fen. Morgen wird er/ mit ſeiner Gemahlin/ von He-
liopel
nach Memfis reiſen. Unterwegens wartet
ihm auf den dienſt. Schlaget ihn todt. Nehmet die
Aſſenat gefangen/ und fuͤhret ſie in den buſch. Da
wil ich zu euch kommen. Ja ich ſelbſten wil auch mei-
nen Vater aus dem wege reumen. Zu gleicher zeit wil
ichs tuhn. Und dieſes mus ich tuhn; weil er dem Jo-
ſef
als ein Vater iſt: damit er ſeinen tod nicht rechen
koͤnne.


Mit dieſen liſtigen reden lieſſen ſich Dan und Gad
fangen. Darzu kahmen noch große verheiſſungen. Zur
ſtunde entſchloſſen ſie ſich. Alſobald griffen ſie zur ſa-
che. Straks machten ſie ſich auf. Geſchwinde muſten
ihnen dreiſſig reiter folgen. In einem buſche wolten ſie
zuſammenkommen. Da ſolte man auf Joſef lauren.
Unterdeſſen ging der Koͤnigliche Fuͤrſt des nachts nach
des Koͤniges ſchlafkammer zu. Da gedachte er ſeinen
Vater hinzurichten. Aber dieſer anſchlag ſchlug ihm
fehl. Gott bewahrte den Koͤnig. Die leibwaͤchter wolten
ihn nicht hinein laßen. Dem Koͤnige/ ſagten ſie/ hat das
heupt weh getahn. Nun hat er ſich ein wenig zur ruhe
begeben. Und wir haben befehl/ niemand/ auch nicht
den Koͤniglichen Fuͤrſten/ zu ihm einzulaßen. Das
hat er uns ausdruͤklich gebohten.


Weil
[293]ſechſtes Buch.
[figure]

[294]Der Aſſenat

Weil nun der Koͤnigliche Fuͤrſt alhier nichts ſchaf-
fen konte/ ſo nahm er funfzig kriegsknechte zu ſich. Mit
denen eilete er nach dem orte der lauerwache zu; da Gad
und Dan in bereitſchaft ſtunden. Eben brach die mor-
genroͤhte herfuͤr/ als er alda ankahm. Nicht lange dar-
nach nahete ſich die Schaltkoͤnigin Aſſenat. Mit ſie-
ben hundert teils reitern/ teils fußgaͤngern ward ſie be-
gleitet. Straks fiel der Koͤnigliche Fuͤrſt auf den vor-
trab an. Unverſehens ward er uͤberraſchet. Ploͤtzlich er-
hub ſich der ſtreit. Alſobald warden alle/ die nicht ſtraks
zum gewehre kommen konten/ niedergehauen. Ben-
jamin
ſaß eben bei der Schaltkoͤnigin auf ihrem wa-
gen. Dieſer ſahe den Koͤniglichen Fuͤrſten mit gewalt
auf ſie zu dringen. Geſchwinde ſprang er aus der kut-
ſche. Haſtig nahm er einen ſtein. Damit ſchleiderte er
dem Fuͤrſten in ſeine linke ſeite/ und traf ihn ſo wohl/
daß er ploͤtzlich vom pferde ſtuͤrtzte.


Mitlerweile waren alle der Aſſenat leute/ bis auf
einen/ niedergemaͤtſelt. Der hatte ſich mit der flucht
gerettet/ und dem Simeon und Levi angezeiget/ was
ſich begeben. Straks nahmen dieſe alle ſtreitbare maͤn-
ner/ die bei ihnen waren/ mit ſich; und eileten/ die
Schaltkoͤnigin zu retten. Unvermuhtlich fielen ſie auf
die Straßenſchaͤnder zu. Viele ſchlugen ſie todt. Dan
und Gad aber flohen in das Papierſchilf/ da es am
dikkeſten ſtund.


Benjamin/ welcher/ mit der Schaltkoͤnigin/ noch
im fliehen begriffen/ ward deſſen ſtraks gewahr. Zur
ſtunde kante er ſeine Bruͤder. Flugs lies er uͤmkehren.
Er fand Simeon und Levi ſehr erhitzt/ und im vor-
ſatze den Dan und Gad zu toͤdten. Aber er ward ein
friedemacher. Er beſaͤnftigte ihren zorn. Er verſuͤh-
nete die Bruͤder. Der koͤnigliche Fuͤrſt lag noch auf der
ſchaarmuͤtzelſtat. Man hub ihn auf. Man wuſch und
verband ſeine wunde. Alſo brachte man ihn zu ſeinem
koͤnigli-
[295]ſechſtes Buch.
koͤniglichen Vater. Dem erzehlete man die gantze be-
gaͤbnuͤs. Der Koͤnig ſtrafte die ſache nicht. Er dankte
ihnen vielmehr/ daß ſie ſeines Sohnes geſchohnet/ und
ihn nicht gar todt geſchlagen. Gleichwohl ſtarb er auf
den dritten tag darnach.


Dieſer tod des Koͤniglichen Fuͤrſtens ging dem Koͤ-
niglichen Vater ſo zu hertzen/ daß er ihm in kurtzer zeit
folgete. Neun und neuntzig jahr alt war er/ da er ſtarb.
Sein Reich befahl er dem Joſef: welcher eben zwoͤlf
jahr Schaltkoͤnig geweſen. Dan ſein zweiter Koͤnigli-
cher Sohn und kuͤnftiger Nachſas/ den ihm Gott in ſei-
nem hohen alter gegeben/ lag itzund noch an ſeiner Mut-
ter bruſt. An deſſen ſtat ſolte Joſef ſo lange herſchen/
bis er die jahre erreichet gekroͤhnet zu werden. Dieſes
verrichtete er auch ſo treulich/ daß man ihn/ durch das
gantze Egipten/ anders nicht nennete/ als den Vater
des jungen Koͤniges. Ja er wolte rechtſchaffen dank-
bar ſein/ vor die uͤberſchwaͤngliche gunſt/ die ihm der
alte Koͤnig Nefrem erwieſen. Daruͤm lies er ihm auch
vor der ſtadt Memfis/ eine praͤchtige Grabſpitze bauen.
Kaum war Nefrem verblichen/ als er hierzu ſchon
anſtalt machte. Straks warden die ſteine gehauen/ und
herzu gefuͤhret. Faſt das gantze Egipten muſte helfen.
Auch war iederman willig. Keinen antreiber hatte
man noͤhtig. Niemand wolte der letzte ſein/ mit eigener
hand ſeinem Koͤnige die letzte ſchuldigkeit abzuſtatten.
Friſch ging der bau fort. Noch zwei jahre waͤhrete der
hunger: und faſt ſo lange der ſtilſtand des akkerbaues.
Daruͤm ward ſolcher bau in ſo kurtzer zeit weiter ge-
bracht/ als man ſonſt in zwoͤlf jahren tuhn koͤnnen.
Dan als der miswachs aufhoͤrete/ ſtund er meiſt in ſei-
nem vollen weſen.


Nunmehr beſaͤnftigte ſich der zorn des Himmels.
Seine ruhte verſchwand. Die misjahre lieffen zum en-
de. Seine vorige ahrt nahm der Niel wieder an. Bis-
T iiijher
[296]Der Aſſenat
her hatte er ſich/ als ein karger ſtiefvater/ erwieſen.
Nun ward er uͤm ſo viel milder. Recht våterlich erzeig-
te er ſich uͤber Egipten. Reichlich ergos er ſich. Reich-
lich befeuchtete er das lechzende land. Mildiglich traͤnk-
te er die duͤrſtigen aͤkker. uͤberflieſſig befruchtete er die
unfruchtbaren felder. Indeſſen war Joſef ſchon her-
uͤm gezogen. Er hatte zur ſaatzeit ſchon anſtalt gemacht.
Er hatte die aͤkker ausgeteilet: die landguͤhter des Koͤ-
niges eigenen leuten ausgelehnet; ja alles/ was den
landbau betraf/ durch das gantze Egipten verſorget.
Dieſe Land- und lehn-guͤhter ſolten ſie beſitzen und nuͤ-
tzen/ als ihr eigentuhm. Davor ſolte dem Koͤnige von
den eingeaͤrnteten fruͤchten der fuͤnfte teil jaͤhrlich gege-
ben werden. Und hierdurch ward ſo wohl den untertah-
nen/ als dem Koͤnige/ maͤrklich geholfen. Dieſem/
weil er/ und alle ſeine nachkommen zu ewigen zeiten ein
großes jaͤhrliches einkommen zu hoffen: und jenen/
weil ſie ſo unvermuhtlich wieder zu Landguͤhtern
kahmen.


Nach verrichtung ſo vieler muͤhſeeligen ſtahts ge-
ſchaͤfte/ zog Joſef/ mit ſeiner Aſſenat/ nach He-
liopel/
ſich mit ſeinem Vater und Schwiegervater ei-
ne zeit lang zu ergetzen. Alda nahm er ſeinen ſitz auf der
Sonnenburg: die er/ ſeiner Gemahlin zu liebe/ ſchon
mit pråchtigen gebeuen ergroͤſſert. Auch hatte er nahe
darbei den grund gelegt zu einem nicht weniger praͤchti-
gem Schuhlbaue. Dieſen bau ſetzte er/ durch ſeine ge-
genwart/ dermaßen fort/ daß er in ſechs mohnden vol-
endet ward. Inmittels hatte er zu Lehrern albereit die
beruͤhmteſten Sternſchauer/ und in andern kuͤnſten er-
fahrneſten Maͤnner entbohten. Dan er war geſonnen
alhier eine Schuhle zu ſtiften/ darinnen die jugend in
der großen Lehrkunſt ſolte unterwieſen werden. Auch
ging alles nach ſeinem ſinne gluͤklich fort. Es war kei-
ne Kunſt/ die alhier nicht bluͤhete: keine Wiſſenſchaft/
die
[297]ſechſtes Buch.
die nicht zu ihrer muͤglichſten volkommenheit gelangete.
Die Maßkunſt ſtieg uͤberaus hoch: die Sternſchauerei
noch hoͤher. Alle Deutkuͤnſte ſo wohl der haͤnde/ geſich-
ter/ geſtalten und gebaͤhrden der Menſchen/ als des Ge-
ſtirnes ſelbſten/ warden alhier geuͤbet. Ja man lehrete/
wie man aus den zeichen und zuͤgen der euſerlichen ge-
ſtalt die innerliche kraft und beſchaffenheit aller geſchaf-
fenen dinge erkennen ſolte. Und alſo erzog und erzielete
dieſe Schuhle viel fuͤrtrefliche gelehrte Leute. Sie brach-
te der Gelehrten welt einen uͤberſchwaͤnglichen ſchmuk/
einen uͤberaus großen nutzen; und ihrem Stifter einen
ewigen nahmen.


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[298]

Der Aſſenat
Siebendes Buch.


ASſenat hatte den ſchrik/ den ihr
der Koͤnigliche Fuͤrſt/ durch ſein gewalt-
taͤhtiges beginnen/ eingejagt/ noch nicht
vergeſſen. Er lag ihr noch in allen glie-
dern. Ja er hatte ſich ſo eingewurtzelt/
daß er ſie immer mehr und mehr ſchwaͤchete. Von der
zeit an hatte ſie keine recht froͤhliche ſtunde gehabt: wie-
wohl der Schaltkoͤnig alle mittel/ ſie zu erluſtigen/ ge-
ſuchet. Auch tåht er es noch alle tage/ bald durch luſt-
fahrten/ bald durch ergetzliche geſpreche/ bald durch an-
dere kurtzweile. Aber alles half ſehr wenig. Ihre leben-
dige farbe verlohr ſich von tage zu tage mehr und mehr.
Ihr liebliches angeſicht ward immer bleicher und blei-
cher. Ihre zuvor klahre helleuchtende augen verlohren
ihren glantz ie laͤnger ie mehr. Die ehmahls ſo lieblich/
ſo froͤhlich/ ſo anmuhtig ſpielenden blikke warden im-
mer ſchwaͤcher und ſchwaͤcher/ immer trauriger und
trauriger: ja die gebaͤhrden ingeſamt allezeit niederge-
ſchlagener. Und alſo lies es ſich mit ihr/ wo nicht zum
tode/ doch zum wenigſten zu einer gefaͤhrlichen krank-
heit an.


Auf einen mittag war Joſef/ mit ſeiner lieben Aſ-
ſenat/
bei ſeinem Vater zu gaſte. Bei dieſem mahle
befanden ſich auch ihre zween Soͤhne/ Manaſſe und
Efraim: als auch Joſefs zwee Bruͤder/ der aͤlteſte
Ruben/ und der juͤngſte Benjamin. Man trachtete
die Aſſenat auf allerlei weiſe froͤhlich zu machen. Der
Ertzvater Jakob ſelbſten ſchien ſeine jugendlichen ſpie-
le wieder hervor zu ſuchen. Allerhand ſchertzworte lies
er
[299]ſiebendes Buch.

[figure]


[300]Der Aſſenat
er aus. Allerhand kurtzweile ſtellete er an. Und dieſes
alles geſchahe unter dem lieblichſten getoͤhne der helklin-
genden ſchaͤllenſpiele/ unter dem anmuhtigſten klange
der ſingenden ſtimmen. Ja es ging ſo hertzlich froͤh-
lich/ ſo lieblich luſtig/ ſo anmuhtig vertraulich zu/ daß
es ein halbhimliſches wohlleben zu ſein ſchien. Dadurch
vermeinte man die traurige Aſſenat zu erfroͤhlichen/
ihren unmuht zu vertreiben/ ihre ſchwaͤchligkeit zu er-
friſchen. Aber wiewohl ſie ſich froͤhlich zu ſein zwang/ ſo
hatte es doch keinen beſtand. Es waͤhrete nur eine kleine
weile. Ploͤtzlich erblaſſete ſie/ als eine leiche. Jaͤhligen
ward ſie ſtille. Die lippen warden todtenbleich: die au-
gen halb gebrochen. Der ahtem blieb zuruͤk. Sie ſank
auf ihres Liebſten ſchoß nieder. Jederman erſchrak. Die
luſt verſchwand. Die ſaͤnger ſchwiegen. Die ſchaͤllen-
ſpiele warden nicht mehr beweget. Die gantze geſelſchaft
ward traurig. Joſef ſtrich ihr ſtraks ſeinen ſchlag-
balſam unter die naſe. Der Ertzvater tunkte ſein tafel-
tuͤchlein in eſſig/ und hielt es ihr vor. Benjamin
nahm ſafran und ein wenig goldes. Damit rieb er in-
wendig das unterſte glied des goldfingers an ihrer lin-
ten hand/ ihr hertz zu ſtaͤrken. Hierauf erhohlte ſie ſich
ein wenig. Hierauf kahm ſie/ aus ihrer ohnmacht/
wieder zu ſich ſelbſt. Und ſo bald ſie ſprechen konte/ be-
gehrte ſie zu bette.


Zwiſchen deſſen warden zween Aertzte gehohlet. Einer
ſolte das Hertz/ der andere das ſchweere durch ſchroͤkken
entſtellete gebluͤhte genaͤſen. Dan dazumahl war es bei
den Egiptern gebreuchlich/ daß ein ieder Artzt nur ein
glied des menſchlichen leibes artzneien muſte. Dieſe ur-
teileten aus allen uͤmſtaͤnden/ daß die unbaͤsligkeit der
Schaltkoͤnigin von einem jaͤhligen ſchroͤkken herruͤhre-
te. Hiernach richteten ſie auch ihre artzneien. Hier-
nach ward die gantze genaͤſung angeſtellet. In drei ta-
gen brachten ſie es ſo weit/ daß ſie wieder ſo viel kraͤfte
be-
[301]ſiebendes Buch.
betahm/ daß ſie gehen und ſtehen konte. Aber ſich in die
luft zu wagen/ weil es eben winterte/ wolten ſie ihr
nicht rahten. Daruͤm blieb ſie noch acht tage bei dem
Schwiegervater/ ſich was mehr zu erhohlen. Auch er-
hohlte ſie ſich/ und bekahm ihre kraͤfte zimlich wieder:
aber ihre vorige bluͤhende farbe nicht. Die blieb auſſen/
ſo lange ſie lebete.


Nach verfloſſenen acht tagen begab ſie ſich wieder auf
ihre Sonnenburg. Alda trug ſie belieben die meiſte
zeit ihres uͤbrigen lebens zu verſchlieſſen. Joſef be-
muͤhete ſich unterdeſſen ſie zu ergetzen/ ſo viel als er kon-
te. Auch beſuchte ſie der Ertzbiſchof/ ihr Vater/ faſt al-
le tage. Mit dem fuͤhrete Joſef viel reden/ die den
wahren Gottesdienſt betrafen. Unter andern eroͤfnete
er ihm auch den Nahmen Gottes/ Jehovah: welchen
Er ſelbſt ſeinem Obergroßvater dem Abraham zum
allererſten geoffenbahret. Darneben erklaͤhrete er deſ-
ſelben ſin und eigendlichen verſtand. Dieſes gefiel dem
Ertzbiſchoffe ſo wohl/ daß er in das Heliopelſche Goͤ-
tzenhaus der Sonne von ſtunden an dieſe worte mit
guͤldenen buchſtaben/ in Egiptiſcher ſprache/ ſchreiben
lies: Ich bin/ der da war/ der da iſt/ und der da
ſein wird: meine dekke hat niemand iemahls
aufgedekt.
Auch warden ſie nachmahls in die mei-
ſten Egiptiſchen Goͤtzenheuſer gleichesfals geſchrieben.
Ja ſelbſt uͤber der Weisheit Goͤtzenbilde/ welches an-
ders nicht/ als die Iſis oder Aſſenat ſelbſten/ ſein ſol-
te/ laſe man/ in ihrem Goͤtzenbaue zu Sais/ folgende
uͤberſchrift: Ich bin das algemeine Alles/ das ge-
weſen iſt/ das noch iſt/ und das zukuͤnftig ſein
wird: meine ſtrahldekke hat kein ſterblicher ie-
mahls aufgedekt.


Aſſenat ſelbſten/ welche nunmehr der Welt ſchon
abgeſtorben zu ſein ſchien/ hatte ihre ſonderliche luſt in
dergleichen geſpråchen. Faſt von nichts anders/ als
dem
[302]Der Aſſenat
dem lebendigen Gotte/ wolte ſie hoͤren In keinen an-
dern/ als in Goͤttlichen dingen/ ſchoͤpfte ſie freude.
Schwatzte ſchon iemand von der Welt/ und weltli-
chen ſachen; ſo gingen doch unterdeſſen alle ihre gedan-
ken nach dem Himmel und den himliſchen dingen zu. Da
war ihr gantzes hertz. Dieſes ging ihr/ mit den ohren/
zugleich auf/ wan ihr liebſter Joſef davon zu ſprachen
begunte. Immerfort reitzte ſie ihn darzu an. Fort und
fort fragte ſie dis und das/ bald vom Goͤttlichen weſen/
bald vom zuſtande der Engel/ bald von der freude der
Menſchen/ die ſie in jenem leben zu gewarten. Und
wan der Schaltkoͤnig ſeiner reichsgeſchaͤfte wegen ver-
reiſen muſte; ſo lies ſie ihr unterdeſſen allezeit etwas
aus dem Buche Enochs/ welches ihr Jakob vereh-
ret/ durch ihren Sohn Manaſſe/ vorleſen/ und in
die Egiptiſche ſprache uͤberſetzen. Ja dieſes Buch hat-
te ſie ſo lieb/ daß ſie es nachmahls/ als es gantz uͤberge-
ſetzt war/ ſelbſten allezeit laſe. Und konte ſie eine und
andere dunkele rede nicht verſtehen/ ſo ſuchte ſie bei ih-
rem Gemahle derſelben erklaͤhrung.


Zu dieſer der Aſſenat Gottesfurcht/ kahm auch ei-
ne ſonderliche Barmhertzigkeit gegen die nohtduͤrftigen.
Eine große Liebe gegen ihren bedraͤngten und nohtleiden-
den naͤchſten lies ſie leuchten. Die hungrigen ſpeiſete ſie.
Die durſtigen traͤnkte ſie. Den kranken verſchafte ſie
artzneien. In den ſieben hungersjahren ermahnete
ſie ihren Ehherꝛn taͤglich/ der armen nicht zu vergeſſen.
Auch warden ſie/ auf ihr ſtaͤhtiges anhalten/ ſo wohl
verſorget/ daß kein einiger noht litte. Und noch itzund
er hielt ſie ihrer viele. Ihre milde hand ſtund gegen ſie
allezeit offen. Des Morgens/ wan ſie aus ihrem bette
ſich erhoben/ fand ſich ſchon eine große maͤnge vor ihrer
tuͤhre. Die pflegte ſie ihre gaͤſte zu nennen. Denen tei-
lete ſie reichlich mit. Sehr freundlich ſprach ſie ihnen zu.
War iemand von dieſen ihren gaͤſten krank/ dem erſchien
ſie
[303]ſiebendes Buch.
ſie als eine Aertztin/ als eine Heilandin. Mit eigner
hand richtete ſie die genaͤßmittel zu. Auch muſten ihre
Stahtsjungfrauen taͤglich waſſer brennen aus aller-
hand kreutern. Zu gewiſſen zeiten/ da ſie am kraͤftig-
ſten waren/ lies ſie dieſelben ſamlen. Hierzu hatte ſie
ihre ſonderliche Kreuterweiber. Die brachten ihr tåg-
lich/ was ſie begehrete. Und alſo begab ſich Aſſenat/
uͤm der armen kranken willen/ auf die Artzneikunſt.
Darinnen kahm ſie in kurtzer zeit zu ſo hohen verſtande/
daß ſie faſt alle krankheiten gluͤklich genaͤſete. Dadurch
erlangte ſie einen großen ruhm durch das gantze Egip-
ten.
Ihre Weisheit lobeten alle. Ihren verſtand in
der Heilkunſt erhub man bis an den himmel. Ja es
kahm endlich ſo weit/ daß ſie der gemeine man/ auch
ſchon vor ihrem tode heimlich/ und nach demſelben oͤf-
fendlich/ vergoͤttlichte. Man machte ſie zu einer Goͤt-
tin der Weisheit. Man ehrete ſie als eine Goͤttin der
Artzneikunſt. Man ſchrieb ihr derſelben erfindung zu.
Und weil ſie zugleich die armen mit brohte verſorget/
båhtete man ſie auch an als eine Frucht- und Zehr-goͤt-
tin. Alle dieſe ehre geſchahe ihr unter den nahmen
Iſis.


Mitlerweile hatte der Ertzvater Jakob erfahren/
wie ſeine ſoͤhne Dan/ und Gad ſich an ſeiner Schwie-
gertochter verbrochen. Er hatte vernommen/ daß ſie
uhrſache waren an ihrer unbaͤsligkeit. Er hatte ver-
ſtanden/ daß ſie dem Koͤniglichen Fuͤrſten/ in ſeinem
boͤſen anſchlage/ die hand gebohten: ohne welche zu ei-
ner ſo frefelhaften unterwindung er nie wuͤrde gekom-
men ſein. Daher war er uͤber ſie zornig. Daher durf-
ten ſie vor ſein angeſicht eine lange weile nicht kommen.
Er wolte ſie vor ſeine Kinder nicht mehr erkennen. Ja
ſie ſolten kein anteil an ſeiner verlaßenſchaft haben.
Gantz ſolten ſie ausgeſtoßen und enterbet ſein. Aſſe-
nat
aber beſaͤnftigte ſeinen zorn. Ihre langmuͤhtigkeit
war
[304]Der Aſſenat
war ſo groß/ daß ſie ihnen alles vergab. Ihre leidſam-
heit war ſo uͤbermaͤßig/ daß ſie ſolches verbrechens auch
nicht einmahl wolte gedacht haben. Eine ewige undacht
ſolte zwiſchen ihr und ihnen ſein. Daruͤm baht ſie ih-
ren Schwiegervater/ wan er ſie lieb hette/ als ſeine Toch-
ter/ daß er ſeinen Soͤhnen ſolchen fehler verzeihen wol-
te/ gleichwie ſie ſelbſten ihnen alles verziehen. Er ſolte
keinen has tragen. Er ſolte an kein boͤſes gedenken. Er
ſolte von nun an die ſonne nicht mehr uͤber ſeinen zorn
untergehen laßen. Ja ſie lies nicht eher nach/ als bis
ſie ihn beguͤhtiget/ und ſeine Soͤhne bei ihm ausge-
ſuͤhnet.


Nachdem es dieſe Liebſeelige ſo weit gebracht hatte;
nachdem ſie dieſe verſuͤhnung geſtiftet: da lies ſie ſich
beduͤnken/ als hette ſie alle ihre geſundheit wieder ge-
wonnen. Vor großen freuden befand ſie ſich auch eine
guhte zeit ſehr wohl. Eine guhte weile ſpuͤhrete ſie keine
beſchweerung. Alles ihr ungemach ſchien als ver-
ſchwunden. Der Schaltkoͤnig war hieruͤber von hertzen
erfreuet; als auch mit ihm der gantze hof. Nie war er
milder geweſen gegen die duͤrftigen. Nie hatte er ſo rei-
che armenſpenden ausgeteilet/ als itzund. Und hierdurch
teilete er zugleich den armen ſeine freude mit. Dieſe
frohlokten. Dieſe ruͤhmeten ſeine freigebigkeit. Ja ſie
wuͤndſchten ihm/ und ſeiner Aſſenat tauſend geſun-
der jahre.


Aber wie nichts unbeſtaͤndiger iſt/ als die zeit; ſo
ſeind auch alle/ die in der zeit leben/ mit lauter unbe-
ſtaͤndigkeit uͤmfangen. Und wie nichts veraͤnderlicher/
nichts fluͤchtiger iſt/ als die zeit; ſo iſt auch die zeitliche
geſundheit/ die zeitliche freude/ ja alles was zeitlich
iſt/ der flucht und veraͤnderung unterwofen. Wan die
freude auf das hoͤchſte gekommen/ dan mus man den-
ken/ daß die traurigeikeit bald folgen werde. Man hat-
te ſich uͤber die ſcheinbare geſundheit der Aſſenat kaum
er-
[305]ſiebendes Buch.
erfreuet; da ward/ durch einen jaͤhligen uͤberfal/ ſol-
che freude ſchon geſtoͤhret. Ploͤtzlich fiel ſie in eine hefti-
ge krankheit. Die hielt ſo hart an/ daß ſie innerhalb
neun tagen geſund und todt war.


Als nun die Schaltkoͤnigin vermaͤrkte/ daß ihr ende
herzunahete; da ermahnte ſie ihre zween Soͤhne/ ihr
vertrauen auf den wahren lebendigen Gott/ den Gott
ihres Vaters Joſefs/ zu ſetzen. Dem ſolten ſie an-
hangen. Den ſolten ſie lieben und ehren. Der wuͤrde
ihr ſchirm und ſchild ſein; und ihnen geben/ was ih-
nen erſprieslich. Auch baht ſie ihren lieben Ehherꝛn/
ihre ſtelle zu vertraͤhten/ und nicht nur als ein Vater/
ſondern auch als eine Mutter/ vor ihre Ehpflantzen
ſorge zu tragen. Endlich nahm ſie abſcheid von allen/
und befahl ihre Seele dem Schoͤpfer aller dinge. Und
alſo ſtarb die fromme Aſſenat im einundvierzigſten
jahre ihres alters/ und im zwanzigſten ihrer ehe; als
Joſef das funfzigſte/ Manaſſe das neunzehende/ und
Efraim das achtzehende lebensjahr erreichet.


Dieſer ſo fruͤhzeitige hintrit einer ſo tugendvolkom-
menen und alles ruhmes wuͤrdigen Fuͤrſtin veruhrſach-
te eine große trauer durch das gantze Egipten. Je-
derman war betruͤbt. Das gantze Volk vergaß aller
ſeiner freude. Die Armen beweineten ihre Ernaͤhrerin.
Die Kranken beklagten ihre Aertztin. Die Bedraͤng-
ten bejammerten ihre Erretterin. Die Angefochtenen
betrauerten ihre Beſchirmerin. Wo man ſich hinwen-
dete/ da hoͤrete man ein klaͤgliches kaͤrmen/ ein erbaͤrm-
liches jammern; zuvoraus im Schaltkoͤniglichen Ho-
fe. Da konte man nicht aufhoͤren zu kaͤrmen. Die
Stahtsjungfrauen wolten ſich kaum troͤſten laßen; ſo
gar hatte ſie der ſchmertz beſeſſen. Die Hoͤflinge waren
als vor den kopf geſchlagen. Das gantze Hofgeſinde
ging und wimmerleichte. Ja die zween hinterlaßene jun-
ge Herren waren faſt aus ihnen ſelbſt uͤber den verluſt
Vihrer
[306]Der Aſſenat
ihrer Mutter. Der Schaltkoͤnig aber blikte zwar ſeiner
lieben Gemahlin mit uͤberaus traurigen augen nach.
Gleichwohl wuſte er ſeine traurigkeit dermaßen zu maͤs-
ſigen/ daß ſich iederman daruͤber verwunderte. Er wu-
ſte ſeine ſchmertzen dermaßen zu verbergen/ daß man
ihm euſerlich kaum einige traurigkeit anſahe. Und
was wolte er auch viel trauren uͤber eine ſo liebe Seele/
die der Himmel ſelbſt liebete/ ja ſie ſo liebete/ daß er ſie
ſeiner freude teilhaftig gemacht. So wolte es Gott ha-
ben. Das war ſein gnaͤdiger wille. Wider den wolte
Joſef/ durch eine alzuuͤbermaͤßige trauer/ nicht mur-
ren. Vielmehr unterwarf er ihm ſeinen willen. Viel-
mehr war er zu frieden/ daß Gott ſeine Gemahlin aus
ſo vielen truͤbſaalen geriſſen.


Sobald die trauerzeit vorbei war/ ward der Aſſe-
nat
Leiche/ durch die gewoͤhnlichen traͤger/ in das
Balſemhaus gebracht/ gebalſemet zu werden. Den
Balſemern befahl man ihren beſten fleis zu tuhn. Kei-
ne koſten ſolten ſie ſpahren. Daruͤm bedung man auch
keinen preis. Keine gemahlte Leichenbilder/ darnach
das balſemen ſonſten geſchahe/ warden gezeiget. Man
nahm es an auf das allerkoͤſtlichſte zu balſemen. Und
das ward auch treulich verrichtet. Erſtlich zogen ſie mit
einem krummen eiſen/ durch die naſeloͤcher/ das Ge-
hirn aus dem heupte. Das legten ſie in ihren zugerichte-
ten ſiedendheiſſen pechbalſam/ ſo lange/ bis er ſich gantz
hinein gezogen. Dieſer Pechbalſam war aus Juͤdenlei-
me und todtenpeche/ mit mirren/ hartze vom balſam-
baume/ zimmet und andern dergleichen ſachen vermaͤn-
get/ geſotten. Darnach ſchnitten ſie mit einem ſchar-
fen Mohrenlaͤndiſchem ſteine das weiche des leibes von-
einander. Das eingeweide nahmen ſie heraus. Die-
ſes reinigten ſie zuerſt/ und ſpuͤhleten es mit Foͤnizi-
ſchem weine wohl ab. Darnach beſtreueten ſie es mit
geſtoßenen gewuͤrtzen/ mit mirren/ zimmet und andern
wohl-
[307]ſiebendes Buch.
wohlriechenden ſachen: doch hierzu nahmen ſie keinen
Weihrauch/ als welcher den Goͤttern geheiliget. Da-
mit fuͤlleten ſie auch das hohle des Leibes: und fuͤgten
das eingewand wieder hinein. So bald dieſes geſche-
hen/ legten ſie den Leichnam ſiebenzig tage lang in ſaltz.
Nach verlauf dieſer ſiebenzig tage/ ward er gewaſchen;
und uͤber und uͤber mit ſeidenen tuͤchern/ wuͤndelweiſe
geſchnitten/ nachdem man zuvor ein guͤldenes blech un-
ter die zunge geleget/ uͤmwunden. Hierauf lieſſen ſie ihn
in obgemeltem ſiedendheiſſem Pechbalſam ſo lange wei-
chen/ bis der balſam ſich in die innerſten teile des leibes
hineingezogen. Und dan ward der Leichnam erſt her-
ausgenommen/ und bei dem feuer ſo lange getruknet/
bis es alle feuchtigkeit verzehret.


Dieſe ſo koͤſtlich gebalſemte Leiche ſchikte man end-
lich wieder auf die Sonnenburg. Da ward ſie noch
mit andern ſeidenen wuͤndeln uͤmwunden/ und in ei-
nen mit dichtem golde uͤberzogenen ſark/ aus einem
Egiptiſchen feigenbaume gehauen/ geleget. Dieſe wuͤn-
deln oder vielmehr dekkleider beſtrich man mit einer
kreidichten pappe/ darunter wachs und pech gemaͤnget.
Und ſolches geſchahe daruͤm/ damit ſie nicht verfaulen/
und die heilige Bilderſchrift uͤm ſo viel eher und feſter
faſſen koͤnten. Auf das oberſte dekkleid/ das man gantz
uͤberguͤldete/ ward der Aſſenat Bildnuͤs/ und noch an-
dere bilder der Egiptiſchen Prieſterſchrift/ mit unver-
gånglichen farben/ gemahlet. Auch ſchrieb man recht
vor ihre bruſt den Nahmen Gottes Jehovah/ mit
Ebreiſchen buchſtaben. Auf den ſark/ der nach unten
zu immer ſchmaͤhler und ſchmaͤhler gehauen/ ſtund ihr
Bildnuͤs ebenmaͤßig geſchnitten/ und mit allerhand
farben uͤbermahlet. Vor der bruſt dieſes bildnuͤſſes wa-
ren ſieben ringweiſe gezogene ſtriche oder kreuſe/ mit et-
lichen kenzeichen der heiligen Bilderſchrift aus gezieret/
zu ſehen. Gemelte ſchrift kahm auf folgenden ſin aus:
V ijDer
[308]Der Aſſenat
Der da war/ der da iſt/ und der da ſein wird/
mache/ durch ſeine Goͤttliche kraft/ die Abgeſtor-
bene ſeelig.


Nachdem nun der Aſſenat Leichnam wider die ver-
weſung mit balſemen/ und mit dem koͤſtlichſten leichen-
ſchmukke genug verſehen war; da ward ſie endlich in
ihres Vaters/ des Heliopelſchen Ertzbiſchofs/ pråchti-
ges Grabmahl/ mit gewoͤhnlichen trauergepraͤngen/
beigeſetzt. Die liebe/ die ihr Joſef in ihrem leben zu-
getragen/ konte er nicht vergeſſen/ ſo lange er lebete.
Daruͤm vermochte ihn auch niemand zu bereden zur
zweiten vermaͤhlung zu ſchreiten. Man ſchlug ihm
zwar dieſe und jene Fuͤrſtin vor. Man ſuchte ihn/ durch
gaſtereien/ mit dem ſchoͤnſten und fuͤrnehmſten Frauen-
zimmer bekant zu machen. Aber er hatte beſchloſſen ein
einſames leben zu fuͤhren. Er hatte den witwenſtand
erwehlet. Er hatte die keuſchheit zu ſeiner liebſten er-
leſen. Darbei blieb er beſtaͤndig. Davon konte niemand
ihn abbringen. Hatte er in ſeiner jugend das Frauen-
zimmer geflohen; hatte er ihren uͤmgang vermieden: ſo
taͤht er es itzund noch vielmehr. Er hielt ſich ſtaͤhts al-
lein/ als ein einſamer Turtelteubrich/ dem ſein Teub-
lein geſtorben. Ob er ſchon in der beſten zeit ſeines le-
bens war/ ob er ſchon ſeine beſte kraft noch hatte; ſo war
es doch ferne von ihm auf eine andere Gemahlin zu den-
ken. Noch ſechzig jahre lebte er nach ſeiner liebſten Aſ-
ſenat
tode. Aber in aller dieſer zeit kahmen ihm nicht
die geringſten fråuersgedanken in den ſin. Er war einig
und allein bedacht/ Gott und dem Koͤnige zu dienen.


Aber Manaſſe und Efraim/ Joſefs ſoͤhne/ die
nunmehr ihre jahre zu erreichen begunten/ waren ge-
neugter zur ehe. Sie waren ſo ſcheu vor der Liebe nicht.
Sie mochten ein ſchoͤnes Frauenzimmer wohl ſehen.
Und hierinnen ahrteten ſie weder Vater/ noch Mutter
nach. Es war auch kein wunder. Sie warden erzogen
als
[309]ſiebendes Buch.

[figure]


[310]Der Aſſenat
als junge Fuͤrſten. Sie hatten ihr anteil an der herlig-
keit ihres Vaters. Sie zogen auf in koͤſtlichen kleidern.
Sie waren ohne einige ſorge. Sie lebten in hoͤchſter
gluͤkſeeligkeit. Sie hatten uͤberal einen freien zutrit.
Die ſchoͤnheit/ die ihnen von beiden Eltern angebohren/
machte ſie beliebt. Die tugend/ die geſchikligkeit/ die
liebſeeligkeit/ die alle ihr eigentuhm waren/ brachten ſie
in gunſt. Daher war auch kein Frauenzimmer/ das
ihnen nicht mit liebesblikken begegnete. Und davor flo-
hen ſie keinesweges. Sie waren nicht ſchuͤchtern. Sie
durften ihnen wohl unter augen traͤhten.


Aſanel/ eine einige Tochter und erbin des Reichs-
ſchatzmeiſters/ war dem Manaſſe mit liebe ſehr zuge-
tahn/ und er ihr auch nicht weniger. Lange zeit lag dieſe
liebes gluht unter der lodderaſche verborgen. Techos/
des Reichskantzlers Sohn/ kahm endlich darzwiſchen.
Er begunte bei der Aſanel auch haken anzuſchlagen. Er
gab ihr ſeine liebe zu erkennen. Sie aber wieſe ihn ab.
Sie gab vor/ daß ſie ihrem Vater auf ſeinem todbette
verſprochen/ unverehligt zu bleiben. Daher moͤchte er
ſeine liebe nur auf eine andere werfen. Bei ihr were
nichts auszurichten. Sie hette gaͤntzlich beſchloſſen in
ewiger keuſchheit zu leben. Sie hette ihr feſtiglich vor-
geſetzt keinen ihre lebetage zu lieben. Das ſei ihr ſchlus;
den wolte ſie nicht uͤmſtoßen. Das ſei ihr vorſatz; der
ſtuͤnde nimmermehr zu veraͤndern. Techos hoͤrete die-
ſes mit traurigem hertzen an. Er verſtumte ſo gar/ daß
eine guhte weile kein wort aus ſeinem munde ging.
Doch ſchoͤpfte er endlich wieder muht. Er hielt aber-
mahl an. Und dieſes anhalten waͤhrete ſo lange und
mit ſolcher ungeſtuͤhmigkeit/ bis Aſanel ihm endlich
geboht nimmermehr wieder vor ihr angeſicht zu
kommen.


Inzwiſchen hatte Manaſſe einen freien zutrit.
In deſſen gegenwart war Aſanel viel anders geſinnet.
Viel
[311]ſiebendes Buch.
Viel anders klungen ihre reden. Dem Techos kahm
dieſes zu ohren. Was wolte er tuhn? Er konte ſich
nicht raͤchen. Wider den Schaltkoͤniglichen Fuͤrſten
durfte er nichts vornehmen. Das ſchmertzte ihn am
allermeiſten. Und dieſer ſchmertz bewog ihn zu einer
fremden entſchlieſſung. Er lies ſich oͤffendlich verlau-
ten/ ihm das leben zu verkuͤrtzen. Auch ſchrieb er ſol-
ches der Aſanel ſelbſten. Dieſer brief war ſo klaͤglich/
und ſo vol der allertraurigſten reden/ daß er ſie zum mit-
leiden bewog. Sie beklagte ſein ungluͤk. Sie bejammer-
te ſeine ſchmertzen. Sie hette ſie ihm gern benommen.
Aber ſie fand keinen raht. Endlich offenbahrte ſie es
dem Manaſſe. Sie erzehlte die gantze ſache. Ma-
naſſe
riet ihr des Techos liebe auf eine andere zu len-
ken. Aber wie? fragte die Aſanel; Manaſſe gab zur
antwort: unter meines Großvaters Jakobs leuten/
hat einer eine ſehr ſchoͤne Tochter/ die beweglich ſchwa-
tzen und meiſterlich liebeuglen kan. Dieſe wil ich/ aufs
ſchoͤnſte gebutzt/ zu ihr ſenden. Unterdeſſen kan ſie dem
Techos einen zutrit vergoͤnnen. Wan er ankoͤmt/ las-
ſe ſie ihn durch dieſes ſchoͤne Maͤgdlein in den ſaal fuͤh-
ren/ und eine zeit lang allein unterhalten. Sich ſelbſten
kan ſie entſchuldigen/ daß ſie eben fremde leute bei ihr
hette: doch wolte ſie bald zu ihm kommen. Auch mus
man dem Maͤgdlein eingeben/ daß ſie ſich aufs aller-
freundlichſte gegen ihn anſtelle. Ich weis/ ſie wird ihn
ſtraks verliebt machen. Straks wird ſie ſeine liebe ge-
winnen.


Aſanel nahm dieſen vorſchlag an. Sie lies dem
Techos ihren willen/ ihn zu ſprechen/ zuentbieten.
Das ſchoͤne Maͤgdlein ward ihr geſchikt. Den verlieb-
ten Techos muſte ſie empfangen/ und/ an der Aſanel
ſtat/ unterhalten. Uberaus lieblich blikte ſie ihn an.
Aus der maße freundlich waren ihre reden: welche ſie
mit einem anmuhtigen laͤchlen vermiſchte. Einieder
V iiijblik
[312]Der Aſſenat
blik war ein pfeil: einiedes wort eine angel: einie der
lach ein ſtruͤk. Techos ward auf einmahl verwundet/
gefangen/ und verſtruͤkt. Hatte ihn Aſanel verliebt
gemacht/ ſo machte ihn die ſchoͤne Ebreerin noch tau-
ſendmahl verliebter. Und dieſe liebe war ihm ſo ſuͤße/
daß er der bitterkeit aller ſeiner ſchmertzen vergaß. Der
verdrus/ den ihm Aſanel zugefuͤget/ war gantz ver-
ſchwunden. Ja er wuͤndſchte wohl tauſendmahl/ daß
Aſanel ihm nimmermehr ihre gegenwart goͤnte. Und
alſo zog Techos von dieſer ſeine liebe gantz ab/ und
warf ſie auf die ſchoͤne Ebreerin.


Als nun Aſanel endlich hineinkahm/ da war ſie
zum hoͤchſten verwundert/ daß ſie ihren Liebhaber ſo gar
ploͤtzlich veråndert ſahe. Sie wolte ſich entſchuldigen/
daß ſie ſo lange von ihm geblieben. Er aber gab zur ant-
wort: ihm were gleichwohl die zeit nicht lang gefallen.
Er habe ſich bei der ſchoͤnen Ebreerin ſo wohl befun-
den/ daß ihm eine ſtunde ſchnaͤller/ als ein augenblik/
vergangen. Aſanel war froh/ daß ihr dieſer liſtgrif ſo
wohl gelungen. Sie war froh/ daß ſie des Techos
auf dieſe weiſe loß worden/ und zugleich ſeinen gefa-
ſten fremden vorſatz vereitelt. Nun konte ſie die lie-
be/ die ſie dem Manaſſe zutrug/ ſicherer blikken
laßen. Nun durfte ſie dieſelbe ſo gantz nicht mehr ver-
bergen.


Manaſſe kahm des andern morgens ſeiner Aſanel
aufzuwarten/ und zugleich aus ihrem munde zu ver-
nehmen/ ob die ſchoͤne Ebreerin daß Wild/ in ihrem
gehaͤge/ gefangen. Seine erſte worte/ nach erwieſenen
hoͤfligkeiten/ waren: wie iſt geſtern der fang gelungen?
Seind der Ebreerin pfleile auch maͤchtig genug gewe-
ſen den Hirſch zu faͤllen? Aſanel antwortete: die ſchoͤne
Ebreerin
hat ihr meiſterſtuͤkke in der jagt dermaßen
erwieſen/ daß ſie billich eine Jagt- und Liebe-goͤttin zu
nennen. Ihr pfeil wuſte ſie ſo behaͤnde und ſo gerade zu
ſchieſ-
[313]ſiebendes Buch.
ſchieſſen/ daß ſie des Techos hertz recht in die mitte ge-
troffen. Eh ich ankahm/ war ſchon alles geſchehen.
Techos war gantz verwundet; und die Jaͤgerin ſahe/
mit muͤßigen haͤnden/ zu/ wie ſein hertz zappelte/ ſeine
augen dreheten/ ſeine haͤnde boͤbeten. Manaſſe frag-
te weiter: wie iſt es endlich abgelauffen? Seine Liebſte
gab zur antwort: ſehr wohl. Dan da wir noch ein vier-
teilſtuͤndlein miteinander ſprache gehalten/ brachte
Techos dieſelbe/ die ihn verwundet/ auf ſeiner kutſche
nach hauſe. Ob ſie nun alda ſeine wunde wird verbun-
den haben/ weis ich nicht.


Eben als ſie von dieſer jagt redeten/ kahm die Jaͤge-
rin ſelbſt an. Eben traht die ſchoͤne Ebreerin in das
zimmer. An ihrem goldfinger erblikte Aſanel zur ſtun-
de den Demantring/ den Techos geſtern an ſeinem ohr-
finger getragen. Daruͤber war ſie zum hoͤchſten verwun-
dert. Und daruͤm fragte ſie ſtraks: ob man ihr gluͤk
wuͤndſchen ſolte? Der ſchoͤnen Ebreerin ſtieg/ unter
einem lieblichen laͤchlen/ eine gelinde/ doch anmuhtige
roͤhte ins angeſicht. Eben ſo anmuhtig war auch ihre
antwort. Wan Sie mich urteilet in dem ſtande zu
ſein/ ſagte ſie/ daß man mir gluͤk wuͤndſchen ſol; ſo habe
ich ſolches gluͤk Ihr allein zu danken. Und eben daruͤm
bin ich auch fruͤher/ als Sie begehret/ anher kommen.
Aber woher urteilet Sie ſolches? fing ſie zu fragen an.
Aus dem zeichen an ihrem goldfinger/ gab Aſanel zur
antwort. So ſol dieſer Ring das zeichen ſein? fragte
die ſchoͤne Ebreerin ferner. Den habe ich ſchon lange
gehabt. Er iſt freilich ein unfehlbahres zeichen/ antwor-
tete Aſanel; ja ein rechtes wahrzeichen. Und eben ſo
lange iſt es nicht/ als ich ihn den Techos tragen ſahe.
Aber wie iſt er ſo bald an ihren finger gerahten? Weil
nun die ſchoͤne Ebreerin ſahe/ daß Aſanel den ring
alzu wohl kennete; ſo wolte ſie ihr zugeſtoßenes gluͤk
nicht laͤnger verbergen. Sie beichtete frei heraus/ und
P vſag-
[314]Der Aſſenat
ſagte: daß ihr Techos denſelben nur vor einer ſtunde
zugeſchikt. Auch wieſe ſie zugleich ſein beigefuͤgtes


Schreiben
an die Schoͤnſte und liebſeeligſte der
Ebreerinnen.


Mein Schoͤne

IHre ſchoͤnheit/ ihre freundſeeligkeit/ ihre
klugſinnigkeit hat mich gefangen. Und ich
wil auch gern gefangen bleiben. Zum zeugnuͤſſe
deſſen ſchikke ich Ihr eingelegten Ring/ mit bit-
te/ ihn guͤnſtig anzunehmen. Dieſe gunſt wird
mir genug ſein/ mich zu verſichern/ daß ſie mich
eben ſo treulich meinet/ als ich Sie. Die liebe/
welche Sie in meinem hertzen angezuͤndet/ hat
mich zu dieſer entſchlieſſung bewogen. Und
hierbei kan Sie feſtiglich gleuben/ daß ſolche lie-
be beſtaͤndig ſein werde. Dergleichen hoffe ich
auch von Ihr. Anders darf ich nicht hoffen.
Das gebietet oder verbietet ihre Tugend. Ihre
leutſeeligkeit leſt es nicht zu. Ja ich taͤhte ſuͤnde/
wan ich zweifelte. Und alſo lebe ich vergnuͤgt.
Mein hertz iſt geruhig: mein gemuͤht befriedigt.
Gegen den abend verhoffe ich die ehre zu haben
Sie zu ſehen. Ich wolte/ daß er ſchon da were.
So ſehr verlanget mich nach ihrer gegenwart.
Doch ich zweifle nicht mit eheſtem den tag zu ſe-
hen/ welcher der anfang ſein wird unſerer ſtaͤhti-
gen beiwohnung. In deſſen bin und verbleibe
ich/ bis an meinen letzten ahtemzug/


Meiner Schoͤnen
treuergebneſter
Techos.


War
[315]ſiebendes Buch.

War Aſanel uͤber den Ring verwundert geweſen/ ſo
war ſie es uͤber dieſen Brief noch vielmehr. Kaum
konte ſie ihr einbilden/ daß ihn Techos geſchrieben.
Aber ſie kennete ſeine hand. Daruͤm muſte ſie es gleu-
ben. Sehet! ſagte ſie/ wie maͤchtig die Liebe iſt. Sie
kan den hochmuht zu bodem ſchmeiſſen. Sie kan den
trotz baͤndigen. Techos war vor dieſem ſo hochmuͤhtig/
daß er ſich uͤber alles erhub: und itzund erniedrigt er ſich
dermaßen/ daß er gleichſam auf den kniehen vor ihr
lieget. Er war ſo trotzig/ daß er niemand etwas zuvor-
gab: und nunmehr hat er ſich durch einen blik ihrer
ſchoͤnen augen ſo gar feſſeln laßen/ daß er ſich willig un-
ter ihr joch buͤkket. Sie iſt in wahrheit gluͤklich: weil
ſie ſo viel vermocht/ als das gantze Egiptiſche Frauen-
zimmer nicht vermoͤgen konte. Er bildete ihm ein/
man muͤſte ihn wohl ohne das lieben. Er gab gewislich
nicht viel guhte worte. Er trotzete/ ich weis nicht wor-
auf. Er pochete/ ich weis nicht womit. Und gleich-
wohl wolte er geliebet ſein. Das habe ich Ihr ja zu-
vor geſagt/ fing Manaſſe hierauf an. Ich wuſte es
wohl/ daß es alſo gehen wuͤrde. Dieſe kunſt kan gegen-
waͤrtige ſchoͤne Ebreerin. Dieſe kraft haben die ſtrah-
len ihrer augen. Damit kan ſie alles/ was gewaltig iſt/
uͤberwaͤltigen. Alſo ſchertzete Manaſſe: und nach
etlichen mehr dergleichen reden/ ſchieden ſie vonein-
ander.


Mitlerweile nahete die zeit herbei/ daß Jakob ſter-
ben ſolte. Daruͤm lies er ſeinen ſohn Joſef zu ſich ru-
fen/ ihm zu ſagen/ wie es mit ihm/ nach ſeinem tode/
ſolte gehalten werden. Habe ich gnade fuͤr dir gefunden/
ſagte er/ ſo lege deine hand unter meine huͤfte. Gelobe
mir an/ daß du die liebe und treue an mir tuhn wolleſt/
mich nicht in Egipten zu begraben. Dan ich wil in
Kanaan/ bei meinen Vaͤtern/ liegen. Da lieget A-
braham
und Sara. Da ruhet Iſaak und Rebek-
ka.
[316]Der Aſſenat
ka. Da habe ich meine Lea/ und meine liebſte Ka-
hel
hingeleget. Ja ſelbſt Adam/ unſer algemei-
ner Vater/ und Eva/ unſerer aller Mutter/ liegen
alda/ zu Hebron/ begraben. Da wil ich dan auch lie-
gen. Dahin fuͤhre mich aus Egipten/ und laß mich in
unſer erbbegraͤbnuͤs ſetzen. Joſef antwortete: ich wil
tuhn/ wie du geſagt haſt. Israel aber ſprach weiter:
ſo ſchwoͤre mir. Und Joſef ſchwuhr ihm. Da neugte
ſich Jakob vor Joſefs Reichsſtabe/ und wendete ſich
zu baͤhten/ nach dem hauptende/ nach dem heiligen Lan-
de zu.


Als nun Israel kurtz darnach ſehr krank war/ da
machte ſich Joſef/ mit ſeinen zwee Soͤhnen/ auf/ ihn
zu beſuchen. Zur ſtunde ſagte man ihm an: ſiehe! dein
ſohn Joſef komt zu dir. Und Israel machte ſich ſtark/
und ſetzte ſich im bette. Der almaͤchtige Gott/ ſagte er
zu Joſef/ erſchien mir zu Lus/ im lande Kanaan;
und ſeegnete mich. Siehe! ſprach er/ Ich wil dich
wachſen laßen. Ich wil dich mehren/ und zum hauffen
Volks machen. Ich wil dieſes Land deinem Saamen
nach dir ewiglich zu eigen geben. So ſollen nun deine
zween Soͤhne/ Efraim und Manaſſe/ die dir in E-
gipten gebohren worden/ eh ich hinein kommen/ mein
ſein/ gleichwie Ruben und Simeon. Welche du aber
nach ihnen zeugeſt/ ſollen dein ſein; und genennet wer-
den/ wie ihre Bruͤder in ihrem erbteile. Dan da ich aus
Meſopotamien kahm/ ſtarb mir Rahel zu geſchwin-
de weg/ in Kanaan/ nicht weit von Efrat; alſo daß
ich keine kinder mehr von ihr bekahm. Und ich begrub
ſie daſelbſt am wege bei Efrat/ die nun Betlehem
heiſſet.


Nachdem Jakob dieſes geſagt hatte/ ſahe er die
Soͤhne Joſefs/ und ſprach: wer ſeind dieſe? dan ſei-
ne augen waren dunkel worden vor alter/ daß er nicht
wohl ſehen konte. Joſef antwortete: es ſeind meine
Soͤh-
[217[317]]ſiebendes Buch.
Soͤhne/ die mir Gott alhier gegeben. Und Jakob ſag-
te: bringe ſie her zu mir/ daß ich ſie ſeegne. Joſef
brachte ſie zu ihm. Und er kuͤſſete und hertzete ſie. Sie-
he! ſagte er zu Joſef/ ich habe dein angeſicht geſehen/
das ich nicht gemeinet hette. Und Gott hat mich auch
deinen Saamen ſehen laßen. Hierauf nahm ſie Joſef
von ſeinem ſchoße/ und neugte ſich zur erde gegen ſein
angeſicht. Er nahm ſie aber beide/ Efraim in ſeine
rechte hand/ gegen Iſraels linke; und Manaſſe in
ſeine linke hand/ gegen Israels rechte; und alſo ſtelte er
ſie vor ihn. Doch ſtrekte Israel ſeine rechte hand aus/
und legte ſie auf Efraims des juͤngſten heupt/ und ſeine
linke auf Manaſſes heupt: dergeſtalt/ daß ſie kreutz-
weiſe zu liegen kahmen. Das taͤht er wiſſendlich: dan
er wuſte wohl/ das Manaſſe der erſtgebohrne war.
Und er ſeegnete den Joſef/ und ſprach: Gott/ fuͤr dem
meine Vaͤter/ Abraham und Iſaak/ gewandelt ha-
ben/ Gott/ der mich meine lebetage/ bis auf dieſen tag/
ernaͤhret hat/ der Engel/ der mich von allem uͤbel erloͤſet/
der ſeegne die Juͤnglinge/ daß ſie nach meinem/ und
nach meiner Vaͤter/ Abrahams/ und Iſaaks/ nah-
men genennet werden/ daß ſie wachſen/ und vervielfaͤl-
tiget werden auf erden.


Als aber Joſef ſahe/ daß ſein Vater die rechte hand
auf Efraims heupt legte/ gefiel es ihm uͤbel. Und er
nahm ſeines Vaters rechte hand/ ſie von Efraims
auf Manaſſes heupt zu legen. Nicht alſo/ ſagte er/
mein Vater. Dieſer iſt der erſtgebohrne. Lege deine
rechte hand auf ſein heupt. Aber ſein Vater weigerte
ſich/ und ſprach: ich weis es wohl/ mein Sohn/ ich
weis es wohl. Dieſer ſol auch ein Volk werden/ und
wird groß ſein: aber ſein juͤngſter Bruder wird groͤſſer/
als er/ ja ſein ſaame ein ſehr großes Volk werden. Und
alſo ſeegnete er ſie/ und ſprach: wer in Israel iemand
ſeegnen wil/ der ſage: Gott ſetze dich/ wie Efraim und
Ma-
[218[318]]Der Aſſenat
Manaſſe. Solcher geſtalt ſetzte er Efraim dem
Manaſſe vor. Weiter ſprach Jakob zu Joſef:
ſiehe! ich ſterbe; und Gott wird mit euch ſein. Er
wird euch wieder in das Land eurer Vaͤter bringen.
Ich habe dir ein ſtuͤkke landes gegeben/ auſſer deinen
Bruͤdern. Das habe ich/ aus der hand der Amoriter/
mit meinem bogen und ſchwerte gewonnen.


Auch lies Jakob alle ſeine Soͤhne zuſammenru-
fen. Verſamlet euch/ ſagte er/ daß ich euch verkuͤndi-
ge/ was euch in kuͤnftigen zeiten begegnen wird. Komt
zu hauffe/ und hoͤret zu/ ihr Kinder Jakobs. Hoͤret
euren Vater Israel. Ruben/ mein erſter Sohn/
du biſt meine kraft/ und meine erſte macht/ der oberſte
im opfer/ und der oberſte im reich. Er fuhr leichtfaͤrtig
dahin/ wie waſſer. Du ſolt nicht der Oberſte ſein. Dan
du biſt auf deines Vaters lager geſtiegen. Daſelbſt
haſtu/ im aufſteigen/ mein bette beſudelt. Nun folgen
die Bruͤder Simeon/ und Levi. Ihre ſchwerter
ſeind moͤrderiſche waffen. Meine Seele komme nicht
in ihren raht. Dan in ihrem zorne haben ſie den Man
erwuͤrget: und in ihrem muhtwillen haben ſie den Och-
ſen verderbet. Verflucht ſei ihr zorn/ daß er ſo heftig
iſt; und ihr grim/ daß er ſo ſtoͤrriſch iſt. Ich wil ſie
zerteilen in Jakob/ und zerſtreuen in Israel. Ju-
dah
du biſt es. Dich werden deine Bruͤder loben. Dei-
ne hand wird deinen feinden auf dem halſe ſein. Fuͤr
dir werden deines Vaters kinder ſich neugen. Judah
iſt ein junger Leue. Du biſt hoch kommen/ mein Sohn/
durch großen ſieg. Er hat niedergekniehet/ und ſich ge-
lagert/ wie ein Leue/ und wie eine Leuin. Wer wil ſich
wider ihn auflehnen. Es wird der Reichsſtab von
Judah nicht entwendet werden/ noch ein Meiſter
von ſeinen fuͤßen/ bis der Held kommet. Und dem-
ſelben werden die Voͤlker anhangen. Er wird ſein
Fuͤllen an den Weinſtok binden/ und ſeiner Eſelin
ſohn
[219[319]]ſiebendes Buch.

[figure]


[320]Der Aſſenat
ſohn an den edelen Reben. Er wird ſein kleid im
weine waſchen/ und ſeinen mantel im weinbeeren-
bluhte. Seine augen ſeind roͤhtlicher/ dan wein;
und ſeine zaͤhne weiſſer/ dan milch. Sebulon wird
am anfurte des Meers wohnen/ und am anfurte
der ſchiffe. Er wird reichen bis an Sidon. Iſaſchar
wird ein beinerner Eſel ſein/ und ſich lagern zwiſchen
die grentzen. Und er ſiehet die ruhe/ daß ſie guht iſt;
und das land/ daß es luſtig iſt. Er hat aber ſeine ſchul-
tern geneuget zu tragen; und iſt ein zinsbahrer knecht
worden. Dan wird Richter ſein in ſeinem Volke/ wie
ein anderes Geſchlecht in Israel. Dan wird eine
Schlange werden auf dem wege/ und eine Natter auf
dem ſteige. Er wird das Pferd in die ferſen beiſſen/ daß
ſein Reiter zuruͤkfalle. HERꝛ/ ich warte auf dein heil.
Gad geruͤſtet/ wird das heer fuͤhren/ und wieder
heruͤmfuͤhren. Vom Aſer komt ſein fettes Broht: und
er wird den Koͤnigen zugefallen ſein. Naftali iſt ein
ſchnaͤller Hirſch/ und giebt ſchoͤne rede. Joſef wird
wachſen. Er wird wachſen/ wie an einer kwaͤlle. Die
Toͤchter lauffen auf die mauren den ſchoͤnen Juͤngling
zu ſchauen/ in koͤniglicher pracht. Und wiewohl ihn
die Schuͤtzen zoͤrgen/ und wider ihn kriegen/ und ihn
verfolgen; ſo bleibet doch ſein boge feſt/ und die aͤrme
ſeiner haͤnde ſtark/ durch die haͤnde des Maͤchtigen in
Jakob. Aus ihnen ſeind kommen Huͤrten und Steine
in Israel. Von deines Vaters Gott iſt dir geholfen/
und von dem Almaͤchtigen biſtu geſeegnet: mit ſeegen
des himmels von oben herab/ mit ſeegen von der tieffe/
die hierunten liegt/ mit ſeegen an bruͤſten und beu-
chen. Die ſeegen deines Vaters gehen ſtaͤrker/ dan
die ſeegen meiner Voreltern/ nach wundſche der Ho-
hen in der welt; und ſollen kommen auf das heupt
Joſefs/ und auf die ſcheitel des Naſir unter ſeinen
Bruͤdern. Benjamin iſt ein reiſſender Wolf. Des
mor-
[321]ſiebendes Buch.
morgens wird er den raub freſſen; aber des abendes ihn
austeilen.


Alſo ſeegnete Jakob ſeine zwoͤlf Soͤhne/ einen ieden
mit ſeinem ſonderlichen ſeegen. Und als er alle dieſe
ſeegen volbracht hatte/ geboht er ihnen und ſagte: Ich
werde verſamlet zu meinem volke. Begrabet mich bei
meine Vaͤter/ in der hoͤhle auf dem akker Efrons aus
den kindern Hets: in der zweifachen hoͤhle/ die gegen
Mamre lieget/ im lande Kanaan; die Abraham
kaufte/ zuſamt dem akker/ vom Efron aus Hets kin-
dern zum Erbbegraͤbnuͤſſe. Alda haben ſie Abraham
begraben/ und Sara ſeine frau. Alda haben ſie auch
Iſaak begraben/ ſamt ſeiner Fraue Rebekka. Alda
habe ich ebenmaͤßig die Lea begraben/ in der hoͤhle des
akkers/ der von den kindern Hets gekauft iſt. Alda wil
ich auch/ daß man mich begraben ſol. Als nun Jakob
alle dieſe und andere gebohte mehr an ſeine kinder vol-
endet hatte/ da taͤht er auf dem bette ſeine fuͤße zuſam-
men/ und verſchied/ und ward verſamlet zu ſeinem
Volke. Joſef aber fiel auf ſeines Vaters angeſicht/
und weinete uͤber ihm/ und kuͤſſete ihn. Alſo ſtarb Ja-
kob/
als er ſiebenzehen jahr in Egipten geweſen/ im
hundert und ſiebenundvierzigſten ſeines alters/ und
im ſechsundfunfzigſten des alters ſeines Sohns
Joſefs.


Sobald die erſten trauertage verlauffen/ befahl Jo-
ſef
den Aertzten/ die ihm bedient waren/ ſeines Vaters
Leichnam zu balſemen. Und ſie balſemeten ihn vierzig
tage lang. Auch beweineten ihn die Egipter ſiebenzig
tage. Nach verlauf dieſer zeit redete Joſef mit den
Hofbedienten des jungen Koͤniges: der nunmehr das
funfzehende jahr erreichet. Mein Vater/ ſagte er/ hat
einen eid von mir genommen/ als er ſterben wolte/ daß
ich ihn im lande Kanaan/ in ſeinem eigenen Grab-
mahle/ begraben ſolte. Daruͤm erweiſet mir die freund-
Xſchaft/
[322]Der Aſſenat
ſchaft/ und redet mit dem Koͤnige/ daß er mich laße.
Ich wil hinauf ziehen meinen Vater zu begraben/ und
wiederkommen. Die Hofbedienten gehorchten ihm al-
ſobald. Und der Koͤnig gab ſeinen willen darein. Alſo
zog Joſef hinauf ſeinen Vater zu begraben. Und es
begleiteten ihn alle Bedienten des Koͤniges/ die fuͤr-
nehmſten ſeines Hauſes/ und die fuͤrnehmſten des gan-
tzen Egiptens. Auch zogen mit ihm/ alle ſeine Leute/
alle ſeine Bruͤder/ und das geſinde ſeines Vaters. Nur
ihre kinder/ ſamt ihrem viehe/ lieſſen ſie im lande Geſ-
ſen.
Und alſo hatte Joſef ein uͤberausgroßes heer
bei ſich.


Da ſie nun an die Tenne des Dornbuſches kah-
men/ welche jenſeit dem Jordan lieget/ hielten ſie eine
ſehr große und bittere klage. Und Joſef trug leid uͤber
ſeinen Vater ſieben tage. Die Kananeer/ des landes
einwohner/ ſahen dieſes Leichengepraͤnge bei der Tenne
des Dornbuſches/ und ſprachen untereinander; die
Egipter halten alda eine große klage. Und daher heiſſet
man den ort der Egipter klage. Hierauf taͤhten die
Kinder Israels/ wie er ihnen befohlen hatte; und
fuͤhreten und begruben ihn in die zweifache Hoͤhle des
akkers/ den Abraham vom Efron gekauft hatte/ mit
der Hoͤhle/ zum Erbbegraͤbnuͤſſe.


Nachdem ſie nun ihren Vater begraben hatten/ tru-
gen die Bruͤder Joſefs ſcheu mit ihm in Egipten zu-
ruͤkzuziehen. Dan ſie fuͤrchteten ſich/ er wuͤrde nun-
mehr/ weil ihr Vater todt ſei/ alle boßheit/ die ſie an
ihm veruͤbet/ raͤchen. Daruͤm ſchikten ſie Ruben/ als
welcher an ihrem verbrechen keine ſchuld hatte/ zu ihm
ab. Und durch dieſen lieſſen ſie ihm anmelden: dein
Vater befahl uns vor ſeinem tode/ dir ſeinet wegen zu
ſagen: lieber! vergib deinen Bruͤdern ihre miſſetaht
und ihre ſuͤnde/ damit ſie uͤbel an dir getahn haben. So
vergib dan nun ei lieber! die miſſetaht uns/ den knech-
ten
[323]ſiebendes Buch.
ten des Gottes deines Vaters: und vergilt uns ja
nicht/ was wir an dir verſchuldet. Rechne uns die
ſchmaach/ damit wir dich beleidiget/ nicht zu: und laß
uns allen deine gnade widerfahren.


Dieſe worte gingen dem Joſef ſo nahe zu hertzen/ daß
er bitterlich zu weinen anfing. Ja er ward noch hefti-
ger zum wehleiden beweget/ als ſie ſelbſten kahmen/
und ſich vor ihm auf die kniehe niederwarfen; als er
hoͤrete/ daß ſie ſagten: ſiehe! wir ſeind deine knechte.
Das hertz brach ihm. Sehr freundlich/ ſehr liebſeelig
ſprach er ſie an. Fuͤrchtet euch nicht/ ſagte er: dan ich
bin unter Gott. Ihr gedachtet es boͤſe zu machen: aber
Gott gedachte es guht zu machen. Er gedachte es ſo zu
machen/ daß er taͤhte/ was er getahn hat zur erhaltung
vieler voͤlker; wie itzt am tage iſt. Daruͤm ſetzet alles
misvertrauen bei ſeite. Gedenket/ daß unſer ſeeliger
Vater mir meine Soͤhne genommen/ und ſie zu ſeinen
Soͤhnen/ und euch zu Bruͤdern gemacht. Gedenket/
daß ich euch hierdurch naͤher verbunden bin/ als zuvor
iemahls. Ja gedenket/ daß unſer Vater dieſes unter
andern zufoͤrderſt daruͤm getahn/ daß ich/ nach ſeinem
abſterben/ eurer aller Vater und eurer aller Verſorger
ſein ſolte. Und das wil ich auch ſein. Nicht allein euer
Bruder/ ſondern auch euer/ ja eurer kinder Vater wil
ich ſein. Ich wil ſo wohl vor euch/ und eure kinder/ als
meine leiblichen kinder/ vaͤterlich ſorgen. Das ſage ich
zu. Das gelobe ich. Das ſchwoͤhre ich bei dem Gotte
meiner Vaͤter/ Abrahams/ Iſaaks/ und Jakobs.


Als Joſef zu reden aufhoͤrete/ fingen ſeine Bruͤder
vor freuden an zu weinen; und verſprachen ihm allen
kindlichen gehohrſam. Ja ſie verſprachen bei ihm zu le-
ben und zu ſterben. Hierauf machten ſie ſich ſaͤmtlich
auf. Joſef und ſeine Bruͤder/ und alle/ die mit ihm
hinauf gezogen waren den Ertzvater zu begraben/ wen-
deten ſich wieder nach Egipten. Alda blieb das Haus
X ijIs-
[324]Der Aſſenat
Israels im lande Geſſen wohnen. Und ſie wuchſen
in Egipten und vermehreten ſich uͤber die maße. Jo-
ſef
aber lebete nach ſeines Vaters abſterben noch vier-
undfunfzig jahr: und als er das neunzigſte erreichet/
und nunmehr/ nach dem letzten willen des verſtorbenen
Koͤnigs Nefrems/ an des jungen koͤniglichen Fuͤr-
ſtens ſtat/ achtund vierzig geherſchet; da ſetzte er ihn auf
den koͤniglichen Reichsſtuhl/ und uͤbergab ihm die Vaͤ-
terliche Krohne.


Mitler zeit hatte ſich Joſef der herſchaft ſo getreu-
lich angenommen/ daß er des Koͤnigreichs wohlſtand
immer hoͤher und hoͤher gebracht/ ja die koͤnigliche
macht dermaßen erhoben/ daß kein Koͤnig in der Welt
war/ der ſo freimaͤchtig herſchete/ als der Egiptiſche.
Auch ſahe er nunmehr ſeine lieben Soͤhne/ den Ma-
naſſe
und Benjamin/ nach hertzens wundſche ver-
maͤhlet. Ja er ſahe Efraims kinder/ bis in das drit-
te glied. Er ſahe Machirs/ des Sohnes erſtgebohr-
nen Manaſſes/ kinder; welche wieder kinder zeu-
geten auf ſeinem Schoſſe.


Aber als Joſef nunmehr das hunderte jahr ſeines-
alters erreichet; da begunten ihn ſo wohl/ als alle kin-
der Israels/ etliche Raͤhte des Koͤniges anzufein-
den. Der große anwachs der Ebreer war ihnen ein
dorn in den augen. Sie konten nicht vertragen/ daß
ein fremdes Volk in Egipten ſo maͤchtig ward. Mit
neidiſchen augen ſahen ſie ihre wohlfahrt an. Mit al-
lerhand tuͤkkiſchen anſchlaͤgen ſuchten ſie dieſelbe zu faͤl-
len. Zwei jahre nacheinander rieben ſie dem Koͤnige
die ohren. Ohn unterlaß trachteten ſie ihn wider dis
unſchuldige Volk aufzureitzen. Joſef/ ſagten ſie/ iſt
alt. Er iſt ausgemaͤrgelt und unvermoͤgend. Seinen
verſtand hat er verlohren. Seine weisheit iſt ihm ent-
gangen. Ja er iſt gantz kindiſch worden. Nun iſt es
zeit ſein Volk unterzutraͤhten. Nun hat der Koͤnig die
beſte
[352[325]]ſiebendes Buch.
beſte gelegenheit daſſelbe zu zeumen/ eh es uns zu maͤch-
tig wird. Man mus ihm ein joch uͤm den hals werfen.
Man mus es froͤhnen laßen; damit es nicht alzuwohl-
luͤſtig werde. Man mus ihm den kitzel mit hofedienſten
vertreiben. Die koͤnnen dem Koͤnige großen nutzen
ſchaffen. Mit dieſen und dergleichen worten hielten ſie
fort und fort an. Der Koͤnig aber gab ihnen wenig ge-
hoͤhr. Nicht das geringſte konten ſie ausrichten. Ja
als ſie ihm endlich ſo gar verdruͤßlich fielen/ und den
Joſef ſo uͤberaus kindiſch einbilden wolten: da gab er
endlich eine ſolche antwort/ die eben ſo wohl in ihren
ohren nicht klung. Wohlan dan/ ſagte er/ weil ihr den
Joſef vor ſo gar kindiſch haltet/ ſo laßet uns erfahren/
ob es wahr ſei. Niemand hat bisher raht gewuſt die
große ſumpfichte gegend/ im Nieder-Egipten/ bei der
ſee zum lande zu machen. Nun wollen wir verſuchen/
was Joſefs kindiſcher raht hierinnen vermag.


Hierauf entboht der Koͤnig den Joſef alſobald.
Der entbohtene erſchien: und als er gefraget ward/ ob
er raht wuͤſte ſolches Geſuͤmpfe trukken zu machen?
da antwortete er von ſtunden an/ ja. So ziehet dan
hin/ fuhr der Koͤnig fort/ und tuht euer beſtes. Neh-
met ſo viel volkes mit euch/ als ihr darzu noͤhtig habt.
Straks machte ſich Joſef faͤrtig. Zur ſtunde lies er
2000 Graͤber aufbieten. Und mit dieſen fing er das
werk an. Erſtlich warden drei tieffe graͤben nach dem
Niele zu gezogen. Darnach lies er hierein das waſſer
des gantzen Sumpfes/ und aus den uͤmliegenden Pfuͤh-
len leiten/ und in den Niel lauffen. Innerhalb ſie-
benzig tagen war dieſes alles verrichtet/ und alles waſ-
ſer abgezapfet; dergeſtalt daß die gantze gegend bloß
und trukken lag.


Nach volzogener arbeit reiſete der Koͤnig/ ſamt ſei-
nen Raͤhten/ darnachzu/ das neue land zu beſichtigen.
Niemand hatte mehr ehre/ als der Schaltkoͤnig. Nie-
X iijmand
[326]Der Aſſenat
mand ward mehr geprieſen/ als er; wiewohl gegen et-
licher Raͤhte dank/ welche nun rechtſchaffen beſchaͤhmet
ſtunden. Sehet! ſagte der Koͤnig zu ihnen/ ſehet hier!
dieſes werk iſt kein werk von ſiebenzig tagen/ ſondern von
tauſend: und gleichwohl hat es der Schaltkoͤnig in ſie-
benzig tagen volendet. Nach dieſer rede des Koͤniges
ward ſolches neugemachte Land auch Elfium/ das iſt
von tauſend tagen/ genennet.


Zuvor war der gemelte gantze landſtrich ein ſtuͤnken-
der dampfichter ſumpf geweſen; welcher unter den her-
uͤmwohnenden Menſchen viel boͤſe ſeuchen veruhrſachet.
Nun aber war es ein trukkenes/ zum akkerbau geſchik-
tes/ und wohnbares land. Zuvor hatte ſein fauler
ſchlam anders nichts/ als drachen/ ſchlangen/ nattern/
und dergleichen giftiges ungeziefer/ erzielet; welche die
luft noch mehr vergifteten. Nun aber begunte er ſchon
mit Menſchen bewohnet/ und mit allerhand fruͤchten
bebauet zu werden. Ja er iſt nach der zeit ſo fruchtbahr
worden/ daß er mehr getreides getragen/ als ſonſten
faſt alle Egiptiſche laͤnder: auch uͤberdas ſo geſund und
luſtig/ daß der Koͤnig/ als er dieſe gegend nachmahls
wieder beſuchet/ mit verwunderung uͤberlaut ausgeru-
fen: ſehet! ein teil des himliſchen Reichs. Daher
ſol auch Schagen/ da ſich ſolches begeben/ bis auf den
heutigen tag das Reich Gottes ſein genennet wor-
den. Ja es ſcheinet zugleich/ daß/ dieſer luſtigen ge-
legenheit wegen/ die Egiptiſchen Koͤniglichen Fuͤrſten/
nach der zeit zu Safe/ welches Joſef alda gebauet/
ihren hof gehalten.


Nicht allein dieſes gemelte Safe/ ſondern auch
mehr andere ſtaͤdte hat Joſef alhier geſtiftet. Darun-
ter iſt dieſelbe/ welche/ nach dem gantzen Landſtriche/
Elfium oder Fium genennet worden/ die fuͤrnehmſte.
Vor alters ſol ſie Abid oder Abutich/ und Piton/
nach einer großen Schlange dieſes ortes/ die viel men-
ſchen
[327]ſiebendes Buch.
ſchen und viehes erwuͤrget/ und endlich vom Herkules/
darunter etliche den Joſef verſtehen/ erleget worden/
geheiſſen haben. In dieſer ſtadt hat Joſef ſehr viel
herliche und große gebeue aufgefuͤhret: auch ſelbſten
ſein Grab bauen laßen; wiewohl etliche ſchreiben/ daß
dieſes zu Nitriote/ in einem winkel zwiſchen zween aͤr-
men des Niels/ bei dem Seebuſem Meris/ geſtanden.
Den gemelten und andern ſtaͤdten dieſes ortes hat er zu-
gleich ein gewiſſes land und ſonderliche grentzen gege-
ben: welche er alle nach der kunſt abgemaͤſſen; und hier-
durch den Egiptern mit einem das Landmaͤſſen ge-
wieſen.


Die aͤrme des Niels/ welche uͤber Alkeir oder dem
alten Memfis/ nach dem Mohrenlande zu/ durch die
ehmahls gantz duͤrren Lantſtriche ſtreichen/ hatte der
Schaltkoͤnig ſchon zuvor graben laßen/ und dadurch
dieſelben laͤnder auch fruchtbahr gemacht. Und alſo
waren ihm die Egipter nur hiervor zum hoͤchſten ver-
pflichtet. Auch erkenneten ſie ſolches/ in der taht/ mit
der hoͤchſten dankbahrkeit/ nicht allein bei ſeinem leben/
ſondern auch/ ja noch viel mehr/ nach ſeinem tode. Sei-
ne Misgoͤnner aber/ die ihn in des Koͤniges ungnade zu
bringen getrachtet/ warden alle/ teils durch den ſchlag/
teils durch einen andern uͤberfal/ ploͤtzlich hingeruͤkt.
Das war der lohn vor ihre undankbahrkeit. Das
war die ſtrafe vor ihre boßheit; welche zuletzt allen Neid-
haͤmmeln das garaus ſpielet.


Alſo trachtete Joſef ohn unterlaß/ auch ſelbſten in
ſeinem hohen alter/ des Koͤnigreichs frommen und nu-
tzen zu ſuchen. Allezeit erſon er was neues. Immerzu
erdachte er was ſonderliches. Die wohlfahrt des
Reichs/ das aufnehmen des Koͤniges/ die nahrung der
Untertahnen behertzigte er mit ſolchem eifer/ daß er al-
le ſeine ſinnen und gedanken darnachzu lenkte. Den ei-
gennutz kente er nicht. Nur der algemeine war ihm be-
X iiijwuſt.
[328]Der Aſſenat
wuſt. Er wolte ſein amt treulich verwalten. Und das
taͤht er auch redlich. Er war ein ſolcher getreuer
Stahtsman/ daß ich zweifle/ ob ſeines gleichen in der
gantzen Welt zu finden. Und eben daruͤm ſeegnete ihn
Gott ſo uͤberfluͤßig. Er ſuchte keinen reichtuhm: gleich-
wohl kahm er ihm von ſich ſelbſt ſo reichlich in den ſchoß.
Selbſt im ſchlafe fiel er ihm zu. Wan er ſaß/ und ſich
uͤm die algemeine wohlfahrt bekuͤmmerte; da truͤpfte/
da flos/ da ſchos ein guͤldener regen vom Himmel. In-
deſſen er vor andere ſorgete/ ſorgete der Himmel vor
ihn: und belohnete ihm ſeine treue mit uͤberſchwaͤng-
lichen guͤhtern.


Wir wollen mehr ſagen? Joſef war ein rechter
Lehrſpiegel vor alle Stahtsleute. Er gab ein lehrbild
allen Beamten der Koͤnige und Fuͤrſten. Vor dieſen
edlen Spiegel moͤchten alle Stahtsleute/ alle Amtsleu-
te/ alle Befehlshaber traͤhten/ und ſich beſpiegeln. Hier
moͤchten ſie lernen/ wie man/ durch liebe zur algemei-
nen wohlfahrt/ ſeine eigene befoͤrdert; wie man durch
treue reich wird/ und aus vermeidung ſeines eigennu-
tzes gleichwohl einen großen nutzen ziehet. Dan wan ſie
dieſem Spiegel folgen/ ſo wird ihre eigene wohlfahrt/
ihr eigener reichtuhm/ ihr eigener nutz von ſich ſelbſten
bluͤhen. So wird er gruͤhnen/ und nicht verwelken. So
wird er wachſen/ und nicht verſchwinden. So wird er
beſtehen/ und nicht vergehen.


Aber darbei muͤſſen ſie auch nicht ihre eigene ehre
ſelbſt ſuchen. Und ſolches werden ſie gleichmaͤßig aus
dieſem Spiegel ſehen. Joſef ſuchte keinen ruhm/ kei-
ne ehre vor ſich. Er trachtete allein treulich/ redlich und
aufrichtig ſeinem Naͤchſten zu dienen. Gleichwohl fiel
ihm ein uͤberſchwaͤnglich großer ruhm/ und eine unver-
gaͤngliche ehre zu. Hette er in befoͤrderung der algemei-
nen wohlfahrt ſeine eigene ehre geſucht; hette er ſolches
nur daruͤm getahn/ damit er geruͤhmet wuͤrde: ſo we-
ren
[329]ſiebendes Buch.
ren gewislich ſeine anſchlaͤge/ wie weislich und kluͤglich
ſie auch erſonnen waren/ ſo wohl nicht gelungen. Auch
wuͤrden ſie ihm nimmermehr zu ſolcher ehre gediehen
ſein. Keines weges wuͤrde er ſolchen ruhm vor aller
Welt erlanget haben. Und wir ſelbſt wuͤrden dieſen
lobſpruch ihm nicht zueignen koͤnnen. Und alſo gab
Joſef in alle ſeinem tuhn Gott allein die ehre. Aus
einfaͤltigem hertzen taͤht er alles; und was er taͤht/
ſchrieb er Gott zu. Und daruͤm ward auch ſein tuhn ge-
ſeegnet. Daruͤm ging alles ſo wohl von ſtatten. Dar-
uͤm fiel ihm auch reichtuhm und ehre zu. Dieſe waren
der lohn ſeiner ſo einfaͤltigen treue.


Nach der zeit/ da Jakob dieſe welt geſeegnet/ waren
ihm faſt die meiſten ſeiner Soͤhne ſchon gefolget. Aber
Benjamin und Naftali lebeten noch. Die hatte Jo-
ſef
unter ſeinen Bruͤdern ſonderlich lieb: dieſen/ weil
ihn Bilha/ ſeiner Mutter magd/ auf ihrer huͤfte
gebohren/ und ihn Rahel daher/ als ihren eigenen
ſohn/ geliebet: jenen aber am allermeiſten/ weil er ſein
einiger leiblicher Bruder war. Beide muſten faſt ſtaͤhts
uͤm ihn ſein; ſonderlich Benjamin. Und hatte er ie-
mand was wuͤchtiges anzumelden/ ſo ward Naftali
ausgeſchikt. Dan dieſer war geſchwinde vom geiſte/
und raſch auf den fuͤßen. Daruͤm hatte ihn auch ſein
Vater zu allerhand bohtſchaften gebraucht/ ja ſelbſt in
ſeinem letzten willen einem Hirſche verglichen. Hatte
Joſef einige muͤßige ſtunden/ ſo ergetzte er ſich mit ih-
nen in geſpraͤchen von vielerhand dingen. Sonderlich
aber hoͤrete er von denen/ die ſich/ in ſeinem abweſen/
unter ſeinen Bruͤdern begeben/ gern reden. Unter an-
dern erzehlete ihm Naftali auf eine zeit ſeine treume:
darinnen ſich Joſef alle mahl mitbefunden. Und daher
hatte Jakob gemuhtmaßet/ daß Joſef noch lebete.


Im vierzigſten jahre ſeines alters hatte er folgenden
Traum. Er ſahe die Oehlberge auf der oſt ſeite der ſtadt
X vJe-
[330]Der Aſſenat
Jeruſalem: und die Sonne/ ſamt dem Mohne/
ſtille ſtehen. Auch hoͤrete er ſeinen Großvater Iſaak
zu ſeinen Bruͤdern ſagen: lauft hin/ einieder nach ſei-
nem vermoͤgen: dan die Sonne und der Mohn koͤn-
nen ergriffen werden. Darauf lieffen ſie alle zugleich ſo
ſtark/ als ſie konten/ darnachzu. Levi ergrif die Son-
ne; Judah
aber den Mohn: und ſie warden beide/
mit den Lichtern/ aufgehoben. Hierauf gab ein Juͤng-
ling dem Levi/ der gleich als die Sonne glaͤntzete/
zwoͤlf Palmenzweige. Judah aber/ der wie der
Mohn blinkte: hatte zwoͤlf ſtrahlen unter ſeinen
fuͤßen. Beide ergriffen und hielten einander. Darnach
ſahe er einen Stier mit großen hoͤrnern/ und Adlers-
fluͤgeln
auf dem ruͤkken. Dieſer ſtund uͤber dem Erd-
bodem. Und ſie wolten ihn ergreiffen: aber Joſef kahm
ihnen zuvor/ und fing ihn; auch ward er/ mit ihm/ in
die hoͤhe gehoben. Endlich ſahe er eine heilige ſchrift/
welche alſo lautete: die Aſſirer/ Meder/ Elami-
ter/ Galater/ Kaldeer/ und Sirer ſollen/ durch
gefaͤngnuͤſſe/ den Reichsſtab beſitzen.


Sieben mohnde darnach hatte er abermahl einen
Traum. Er ſahe ſeinen Vater Jakob/ mit allen ſei-
nen Soͤhnen/ in der Jammiſchen ſee ſtehen. Und
ein Schif/ mit getruknetem Fleiſche beladen/ kahm/
ohne ſchiffer und ſteuerman/ mit vollem lauffe geſegelt.
Auf dieſem ſchiffe ſtund geſchrieben: dis iſt Jakobs
ſchif.
Und Jakob ſagte zu ſeinen Soͤhnen: laßt uns
in unſer ſchif gehen. Aber ſobald ſie in das ſchif getraͤh-
ten waren/ da erhub ſich ein großes unwetter/ und der
wind ſtuͤrmete dermaßen/ daß alles erkrachte. Hierauf
ging Jakob von ihnen/ nach dem ruder zu. Der ſturm
ſchlug ſie von einer ſeite zur andern/ und trieb ſie ſee-
waͤrtsein. Das ſchif ward bald hier/ bald dort gegen
den grund angeſchmiſſen; und bekahm ſo große ſpalten/
daß es vol waſſers lief. In dieſer gefahr flohe Joſef in
das
[331]ſiebendes Buch.
das Boht/ das am ſchiffe hing: und die andern Bruͤ-
der ergriffen zehen breter. Hierauf hielten ſie ſich feſt/
und warden/ durch den ſturm/ einer hierhin/ der andere
dorthin/ voneinander getrieben. Aber Levi zog einen
ſak
an/ und baht den HERꝛn vor ſie alle. Sobald
nun dieſer große ſturm geſtillet war/ gelangte das Boht
unbeſchaͤdigt zu lande. Und Jakob kahm endlich auch
an/ alſo daß ſie ſich ſaͤmtlich erfreueten.


Joſef hoͤrete/ mit großer aufmaͤrkung/ allen dieſen
und dergleichen erzehlungen zu. Er erwog ſie bei ſich in
ſeinem hertzen: und ſahe wohl/ was der Allerhoͤchſte
mit Levi und Judah beſchloſſen. Auch ſagte er zu
ſeinen Bruͤdern: dis ſeind keine eitele Treume. Gott
wil uns dadurch anzeigen/ was kuͤnftig geſchehen ſol.
Gewislich wird einieder erfuͤllet werden zu ſeiner zeit.
Und daruͤm beweiſet den Staͤmmen Levi/ und Ju-
dah
ihre gebuͤhrende ehre. Dan aus dieſen Staͤmmen
wird das Lam Gottes entſpruͤßen: durch deſſen
gnade wird das Heidentuhm/ ſamt Israel/ erhalten
und ſeelig werden. Sein Reich wird ein ewiges unver-
gaͤngliches Reich ſein. Aber mein Reich ſol in meinen
Kindern volendet werden/ als eine bewahrung der Aep-
fel. Dan nach der aͤrnte wird man es nicht mehr ſehen.


Mitlerzeit maͤrkte Joſef/ daß ſeine ſterbeſtunde ſich
alhand zu nahen anfinge. Daruͤm lies er/ bei geſunden
tagen/ ſeine Soͤhne/ Manaſſe und Efraim/ ſamt ih-
ren Kindern/ als auch ſeine Bruͤder/ die noch bei leben
waren/ zu ſich kommen. Die ermahnete er alle/ daß ſie
bruͤderlich/ friedlich/ und eintraͤchtig untereinander le-
ben: auch ſich beſtaͤndig an den Gott ihrer Vaͤter/ Abra-
hams/ Iſaaks
und Jakobs/ halten/ und ihn nicht
verlaßen ſolten. Ja er gab ihnen zugleich zu verſtehen:
es ſei ihm wohl bewuſt/ daß ſie/ nach ſeinem tode/ von
den Egiptern ſehr wuͤrden geplaget und beaͤngſtiget wer-
den. Aber der Allerhoͤchſte wuͤrde ſie heimſuchen/ und
aus
[332]Der Aſſenat
aus Egipten in das Land Kanaan fuͤhren: welches
er ſchon vorlaͤngſt ihren Vaͤtern verſprochen. Und
daruͤm muſten ſie ihm/ mit einem eide/ angeloben/ daß
ſie ſeinen Leichnam alsdan/ wan ſie Gott heimſuchte/
mit ſich hinweg fuͤhren wolten. Dan imfal ihr meine
Gebeine/ ſagte er/ mit euch fuͤhret/ ſo wird Gott/ wider
die Egipter/ im lichte/ mit euch ſein; und der Teufel/
in der fuͤnſternuͤs/ mit den Egiptern. Auch befahl er
ihnen zugleich/ daß ſie ihre Mutter Silpa ebenmaͤßig
mitnehmen/ und zur Bilha/ nicht weit von ſeiner
Mutter Rahel/ begraben ſolten.


Kurtz hiernach gelangte/ von Aſtarot aus dem lan-
de Uz/ ein Bluhtsverwanter des beruͤhmten und
maͤchtigen Jobs/ des Fuͤrſtens zu Edom/ an. Die-
ſer brachte dem Joſef eine ſehr betruͤbte zeitung. Er
erzehlte ihm/ wie Job auf einen tag viererlei ſehr gros-
ſe ungluͤksfaͤlle gehabt. Eben an dem tage/ ſagte er/ da
ſeine ſieben Soͤhne/ ſamt ſeinen drei Toͤchtern/ die er
mit euer Schweſter Dina gezeuget/ in des erſtgebohr-
nen hauſe ſaßen/ und guhter dinge waren; da kahm ein
bohte zum Job/ und zeigete ihm an/ daß die Sabeer
aus dem reichen Arabien die Rinder vom pfluge/
ſamt den Eſelinnen aus der weide/ weggeraubet/ und
alle ſeine Knechte/ bis auf ihn/ der allein entronnen/
todtgeſchlagen. Als dieſer noch redete/ kahm einander/
der brachte die zeitung: das feuer Gottes ſei vom Him-
mel gefallen/ und hette Schaͤfer und Schafe verbrant/
alſo daß nur er allein uͤbrig geblieben. Kaum hatte der
knabe ausgeredet/ da kahm abermahl einander/ welcher
meinen Vetter mit dieſen worten anredete: die Kal-
deer/
ſagte er/ kahmen/ mit drei hauffen/ auf die Ka-
mehle gefallen/ nahmen ſie weg/ und hieben alle Huͤhter
nieder. Ich allein bin darvon gelauffen/ damit ich die
zeitung braͤchte. Naͤhrlich waren ihm dieſe worte aus
dem munde/ da kahm der vierde. Der brachte die aller-
be-
[333]ſiebendes Buch.
betruͤbteſte zeitung. Ach! ſagte er/ eure Soͤhne und
Toͤchter aßen und trunken im hauſe ihres aͤlteſten Bru-
ders; da kahm ein großer ſturmwind aus der Wild-
nuͤs/ und ſties ſo gewaltig auf die vier [e]kken des hau-
ſes/ das es uͤber einen hauffen fiel/ und alle menſchen
erſchlug/ bis auf mich/ der ich allein der gefahr ent-
kommen.


Weil nun dieſer fromme Job ſich dem Joſef
nicht allein ſeiner Schweſter Dina wegen/ ſondern auch
von ſeinem Obergroßvater Abraham her/ deſſen Bru-
ders Nahors ſohn er war/ mit bluhtsfreundſchaft zu-
getahn befand; ſo ging ihm ſein ungluͤk ſehr nahe zu her-
tzen. Er erſchrak und entſetzte ſich ſo heftig uͤber dieſer
unvermuhteten zeitung/ daß er eine guhte weile kaum
reden konte. Ja als er vernahm/ daß dem frommen
Job des andern tages darauf noch ein fuͤnftes ungluͤk
zugeſtoßen/ und ſein gantzer leib uͤber und uͤber mit boͤ-
ſen blattern geſchlagen worden: da ward er noch viel-
mehr zum wehleiden bewegt. Ach! ſagte er/ geſchiehet
dieſes am gruͤhnen holtze/ was wird am duͤrren geſche-
hen? Job iſt ſchlecht und recht; er iſt Gottesfuͤrchtig;
er meidet das boͤſe: und hierinnen hat er ſeines gleichen
nicht. Gleichwohl hat ihm ein ſo gar großes ungluͤk be-
gegnen muͤſſen. Gleichwohl iſt ihm ein ſo unertraͤgli-
ches kreutz aufgelegt worden. Ach! wir arme Menſchen/
was ſeind wir? Mus der froͤmmeſte alſo leiden; was/
werde dan ich/ und einander/ die wir lange ſo from nicht
ſeind/ leiden muͤſſen? Doch was wil ich ſagen? Es iſt
ein zeichen/ daß Gott ihn hertzlich liebet; weil er ihn ſo
vaͤterlich zuͤchtiget. Dan es iſt einmahl gewis/ daß wir
ſchweerlich anders/ als durch viel truͤbſaal/ und zeitli-
ches leiden/ zur ewigen freude gelangen koͤnnen. So
mus es ſein. Darzu ſeind wir in dieſer zeitligkeit be-
ſtimt. Ich habe das meinige auch erfahren. Meine
ſeelige Liebſte hat kreutzes und leidens genug/ und ich ih-
rent-
[334]Der Aſſenat
rentwegen/ ausgeſtanden. Meine liebe Aſſenat. Hier
blieb die rede ſtekken. Weiter konte ſie nicht fort. Der
ſchmertz haͤmmete die zunge. Endlich folgeten die traͤh-
nen/ welche ſtrohmsweiſe uͤber die wangen floſſen.


Die tafel zum abendeſſen war ſchon gedekt. Die
ſpeiſen warden aufgetragen. Aber den Schaltkoͤnig
hatte der ſchmertz ſo eingenommen/ daß er nicht eſſen
konte. Daruͤm befahl er ſeinem Sohne Efraim/ und
ſeinem Bruder Benjamin/ die eben bei ihm waren/
daß ſie ihrem angelangten Bluhtsfreunde geſelſchaft
halten ſolten. Er inzwiſchen begab ſich zu bette/ nach-
dem er gegen ſeinen gaſt ſich zum beſten entſchuldiget.
Efraim begleitete ihn in ſein ſchlafzimmer: da er
ihm/ im ſcheiden/ abermahl befahl/ dem Gaſte zu ſagen/
daß er auf den morgenden tag ihm ſelbſt geſelſchaft zu
halten verhofte.


Aber Joſef/ es ſei/ daß das ſchroͤkken uͤber das un-
gluͤk des Jobs/ oder der ſchmertz uͤber das andenken ſei-
ner lieben Aſſenat ihn uͤbermeiſtert/ brachte die gantze
nacht ſchlafloß zu. Und darbei war er ſo ſchwach/ daß
er kaum luft zu hohlen vermochte. Ja ſein hertz befand
ſich anders nicht/ als zwiſchen zwei bretern eingeklaͤm-
met. Er vermeinte zwar als der tag angebrochen/ auf-
zuſtehen. Aber er war ſo mat/ daß er nicht konte. Sei-
ne Leibaͤrtzte warden gehohlet. Dieſe urteileten von
ſtunden an aus ſeinem weſen und ſchlage/ daß dieſe
machtloßheit aus einer heftigen gemuͤhtsbewegung
herruͤhrete: welche das hertz und heupt verletzet. Dar-
uͤm verordnete ihm der eine ſtraks etliche Hertzartzneien.
Der andere verſchrieb ihm einige Hauptmittel die ver-
unruhigten ſinnen zu beſaͤnftigen/ und den ſchlaf zu er-
wekken. Dieſe taͤhten zwar ihre wuͤrkungen/ ſo viel ſie
in einem alten und ſchwachem leibe vermochten. Der
Schaltkoͤnig fuͤhlete zwar einiger maßen linderung.
Das hertzklopfen verlohr ſich. Die ohnmaͤchtigkeit lies
nach.
[335]ſiebendes Buch.
nach. Der ſchlaf fand ſich wieder. Doch gleichwohl
hatte er ſo viel kraͤfte nicht/ daß er aufſtehen konte. Auch
vermochte der Magen keine ſpeiſe anzunehmen.


Zween tage lang blieb er ohne einige nuͤtzung der
ſpeiſe liegen. Endlich richtete ihm der Magenartzt auch
eine Magenartznei zu. Dieſe wuͤrkte ſo viel/ daß er luſt
bekahm zuerſt ein Huͤhnerſuͤplein einzuſchlurfen: dar-
nach auch vom Huͤhnlein ſelbſten zu eſſen. Doch meiſt
behalf er ſich mit Mandelmuͤſern. Hierdurch bekahm
er ſo viel kraͤfte/ daß er am fuͤnften tage ſich aus dem
bette erhub/ ja ſelbſten ſeinem Gaſte bei der tafel geſel-
ſchaft hielt. Aber dieſe erhohlung der kraͤfte waͤhrete
nicht lange. Kaum konte er ſo lange ſitzen/ als die mahl-
zeit waͤhrete. Sobald die Tafel aufgehoben war/ mu-
ſte er ſich wieder legen. Seine ſchwaͤchligkeit wolte nicht
geſtatten laͤnger aufzubleiben.


Der Koͤnig hatte mitlerweile des Schaltkoͤniges
unbaͤsligkeit zu wiſſen bekommen. Straks faͤrtigte er
den Reichskantzler ab ihn zu beſuchen. Und als er ver-
ſtund/ daß gefahr darbei were; da ſchikte er auch zween
ſeiner Leibaͤrtzte zu ihm. Dieſe ſolten zuſehen/ ob die ge-
fahr ſo groß ſei/ als er gehoͤret. Nach eingezogenem be-
richte/ beſuchte er den Kranken ſelbſt. Zwo gantze ſtun-
den waͤhrete dieſer beſuch. Der Koͤnig bezeugte ſein
hertzliches mitleiden: und Joſef ſeine ſchuldigſte
dankbarkeit. Nach volendeten hoͤfligkeiten ward befoh-
len/ daß iederman hinausgehen ſolte. Hierauf fing der
Koͤnig ſtraks an von Reichsgeſchaͤften zu reden. Aller-
lei worte/ und wiederworte fielen vor. Endlich erſuchte
er den Schaltkoͤnig/ daß er ſeinen letzten Willen/ ent-
weder ſelbſt/ oder durch einen vertrauten/ aufſetzte.
Dan/ ſagte er/ ihr ſeid nunmehr hochbejahret. Das al-
ter ſchwaͤchet eure kraͤfte. Hierzu iſt dieſe krankheit ge-
ſtoßen. Leichtlich moͤchte noch ein anfal darzu kommen/
der euch ploͤtzlich aus unſern augen ruͤkte. Daruͤm iſt
mein
[336]Der Aſſenat
mein begehren/ daß ihr bei zeiten anordnung tuht/ wie
es nach eurem hintritte/ in einem und dem andern/
was den Staht und deſſelben beherſchung betrift/ ſol
gehalten werden. Bei euch beruhen alle geheimnuͤſſe
des Reichs. Ihr allein habet wiſſenſchaft von den ver-
borgneſten ſachen des Stahts. Von euch allein auch
haben wir einen guhten raht zu gewarten.


Weil nun Joſef dieſes alles ſchon lange verſorget/
ſo gab er folgende antwort. Die gantze verfaſſung/ ſag-
te er/ iſt vorlaͤngſt geſchehen. Ich ſelbſten habe ſie mit
eigener hand aufgeſetzt. Und darbei ſeind etliche Bei-
lagen; die der Koͤnig/ zu ſeinem nachrichte/ vor ſich allein
und in geheim behalten ſol. Geſtern habe ich alles mei-
nem Sohne Efraim wohlverſiegelt zugeſtelt. Dem iſt
auch befehl geſchehn/ ſolches dem Koͤnige/ ſo bald meine
ſeele von mir geſchieden/ in geheim zu uͤberreichen. Der
Koͤnig verlangte ſie zu ſehen/ ſonderlich die Beilagen; da-
mit er vom Joſef ſelbſten noch einige erklaͤhrungen dar-
uͤber einziehen koͤnte. Straks ward hingeſchikt/ ſie zu hoh-
len. Efraim brachte ſie ſelbſten. Der Koͤnig empfing ſie
aus ſeiner hand. Er entſiegelte ſie/ und laſe ſie durch.
In den Beilagen ſtunden etliche heimligkeiten des
Stahts; ſonderlich wie der Koͤnig ſein freimaͤchtiges
gebiet erhalten ſolte. Auch ward darinnen weitleuftig
erklaͤhret/ durch was mittel und wege Joſef die koͤnig-
liche macht zu ſolcher freiheit gebracht. Alles gefiel dem
Koͤnige uͤberaus wohl. Er dankte dem Joſef vor ſeine
ſo getreue vorſorge: welcher auch noch zum uͤberfluſſe
ſein gantzes Rahtsbedenken muͤndlich wiederhohlte/
und mit deutlichern reden erklaͤhrete. Hierinnen ſchoͤpf-
te der Koͤnig eine ſolche vergnuͤgung/ daß er auch uner-
ſuchet und aus eigenem triebe dem Joſef die hand zu-
reichte/ und mit einem hohen eidſchwuhre verſprach/
daß er ſolches/ nach ſeinem tode/ ſeinen Kindern ver-
gelten/ und ſie befoͤrdern/ und beſchirmen wolte/ wo
und
[337]ſiebendes Buch.
und wan ſie ſeiner befoͤrderung und beſchirmung benoͤh-
tigt. Der Schaltkoͤnig bedankte ſich vor ſolche hohe
gnade: als auch/ daß der Koͤnig ſich ſo weit erniedriget/
ſeinen Diener zu beſuchen. Und hiermit geſeegneten ſie
einander; und der Koͤnig begab ſich wieder auf die
Burg.


Vor dem Schaltkoͤniglichen Schloſſe hatte ſich in-
deſſen eine große maͤnge volkes verſamlet. Niemand
wuſte/ was es bedeutete/ daß der Koͤnig den Joſef be-
ſuchete/ und ſich ſo lange bei ihm verweilete. Der eine
urteilete dis/ der andere das. Man ſtekte die koͤpfe zu-
ſammen. Man fuͤhrete wunderliche reden. Der Schalt-
koͤnig hatte ſich ſonſten faſt alle tage auf der Burg be-
funden. Aber in acht tagen war er alda nicht geſehen:
auch nie auf der gaſſe vernommen. Etliche tage nach-
einander waren die Aertzte bei ihm aus- und ein-gegan-
gen. Auch hatte man zween koͤnigliche Leibaͤrtzte vor et-
lichen ſtunden aus ſeinem Schloſſe kommen ſehen.
Aus allen dieſen begaͤbnuͤſſen muhtmaßeten die mei-
ſten/ daß ihr Schaltkoͤnig krank ſei. Und in ſolcher
muhtmaßung warden ſie noch mehr geſtaͤrket/ als ſie
den Koͤnig trauriger/ dan er pflegte/ wiederkehren ſa-
hen. Ja das alberne einfaͤltige volk wolte ſelbſt aus
dem langſamen tritte der koͤniglichen Pferde einige
traurigkeit ſchlieſſen. Sehet doch! ſagten etliche/ wie
die unvernuͤnftigen tiere ſo traurig gehen/ wie ſie die
koͤpfe haͤngen laßen. Gewislich muͤſſen ſie es maͤrken/ daß
der Verſorger/ der Verpfleger/ der Heiland des gantzen
Egiptens krank iſt. Ja die alten Muͤtterchen fingen
ſchon an zu weinen. Die kinder folgeten; wiewohl ſie
nicht wuſten waruͤm. Man ſahe ein erbaͤrmliches we-
ſen. Die nicht weineten/ ſeufzeten und aͤchzeten: und
die keines von beiden taͤhten/ gaben gleichwohl/ durch
ihre hinlaͤſſige gebaͤhrden/ ihre traurigkeit gnugſam an
den tag. Nunmehr gleubeten alle/ daß Joſef krank ſei:
ja etliche gar/ daß er ſchon geſtorben. Und dieſe mach-
Yten
[338]Der Aſſenat
ten den tod des Schaltkoͤniges ſtraks durch die gantze
ſtadt ruchtbar. Dis geruͤchte lief ſo eilend von hauſe zu
hauſe/ daß es auch endlich ſelbſt in des Manaſſe
ſchlos drung. Dieſer erſchrak uͤber alle maße. Ja er
geriet dergeſtalt aus ſich ſelbſten/ daß er zuerſt nicht wu-
ſte/ was er tuhn ſolte.


Mitlerweile kahm Efraim an. Der berichtete/ daß
der Koͤnig ſelbſten ihren Vater beſuchet. Da faſſete
Manaſſe wieder muht. Doch gleichwohl lag ihm
dieſer falſche ruf ſo feſt in den gedanken/ daß er nicht
eher ruhen konte/ er hette dan ſeinen Vater ſelbſt geſe-
hen. Geſchwinde lies er anſpannen. Eilend ſetzte er ſich
mit ſeinem Sohne Machir/ der eben bei ihm war/
zu wagen. Straks eilete er nach dem kranken Vater
zu. Nicht haſtig genug konten ihm die pferde gehen.
In einem hui gelangte er vor dem ſchloſſe an. Da fand
er alles vol menſchen. Nicht allein die gaſſen waren er-
fuͤllet/ ſondern auch die heuſer rund heruͤm. Kaum
konte er durch das gedraͤnge hin kommen. Naͤhrlich
konte der wagen das tohr erreichen. Manaſſe verlang-
te ie mehr und mehr. Des Schaltkoͤniges Leibwaͤchter
warden ſeiner gewahr. Die machten ihm raum/ und
trieben den drang zuruͤk. Alſo gelangte er endlich in das
ſchlos. Das erſte/ das er fragte/ war dieſes: ob der Va-
ter noch lebte? ſo zweifelhaftig war er inſeinen gedanken.


Als er nun in die kammer traht/ da fand er den
Schaltkoͤnig ſehr ſchwach. Kaum konte er ſich nur et-
was aufrichten ſeinem Sohne die hand zu bieten. Ma-
naſſe
fragte zur ſtunde: wie es mit ſeiner krankheit be-
ſchaffen? Ach! gab Joſef zur antwort/ ſehr uͤbel. Vor
einer halben ſtunde befand ich mich zimlich wohl. Aber
dieſen augenblik bin ich ſo ſchwach worden/ daß ich kaum
ahtemen kan. Ich maͤrke wohl/ daß ſich meine Sterbe-
ſtunde nahet. Wo iſt doch mein Sohn Efraim/ und
mein Bruder Benjamin? Laßet ſie flugs hohlen. Nicht
lange darnach erſchienen ſie beide/ ſamt ihren Kindern.
Da
[339]ſiebendes Buch.
Da wiederholete Joſef eben dieſelben worte/ die er zuvor
in ſeinen geſunden tagen/ zu ihnen geſprochen. Auch fuͤg-
te er noch mehr hinzu. Sonderlich aber ermahnte er ſie
zur Gottesfurcht/ und zur unterlichen einigkeit. End-
lich gab er allen den ſeegen: und hiermit ſtrekte er ſeine
fuͤße aus/ und verſchied ſo ſanfte/ daß er ausging/ als
ein licht. Dieſes begab ſich im 110 jahre ſeines alters/
im 80 ſeines Fuͤrſtentuhms/ im 61 nach ſeiner lieben
Aſſenat tode/ und im 67 nach ſeines Vaters Jakobs/
als er eben 93 jahr in Egipten geweſen.


Straks hierauf warden reitende bohtſchaften ausge-
ſchikt den uͤbrigen Kindern Israels zu Heliopel/ und
im gantzen Lande Geſſen/ den tod ihres algemeinen
Vaters Joſefs anzumelden; damit ſie ihn gebuͤhrender
maßen betrauren moͤchten. Und hierdurch erſchol der
ruf durch das gantze Egipten. Ploͤtzlich lief er von
laͤndern zu laͤndern/ von ſtaͤdten zu ſtaͤdten/ von heuſern
zu heuſern/ bis er endlich das gantze Reich erfuͤllete. Da
erhub ſich uͤberal ein großes trauren/ ein heftiges klagen/
ein erbaͤrmliches jammern. Das gantze Israel be-
weinte den Joſef/ als ſeinen Vater/ als ſeinen Ernaͤh-
rer/ als ſeinen Beſchirmer. Und die Egipter gaben ih-
nen nichts zuvor. Sie betraureten ihn ſaͤmtlich/ als ei-
nen Vater ihres Vaterlandes/ als einen Erhalter und
Vermehrer ihrer Wohlfahrt/ als einen Stifter ſo vieler
heilſamer Satzungen. Ja die Armen bejammerten ihn/
als ihren Verſorger: die Bedraͤngten/ als ihren Noht-
helfer/ und Erretter: die Bauren als ihren Lehnver-
pfleger: die Buͤrger/ als ihren Friedeſchild: die Stahts-
leute/ als ihr Auge und Oberheupt: der Adel/ als ſeine
Stuͤtze: die Fuͤrſten/ als ihre Krohne. Selbſt der Koͤ-
nig betrauerte ihn/ als die edleſte/ die koͤſtlichſte Perle/
die von ſeiner Krohne gefallen.


Und alſo nahm das gantze Egipten/ ſamt dem gan-
tzen Israel/ die trauer an. Von hertzen waren ſie be-
truͤbt. Mildiglich vergoſſen ſie die traͤhnen. Jederman
Y ijkaͤr-
[340]Der Aſſenat
kaͤrmete. Jung und alt weinete. Selbſt die kleinen kin-
der ſchienen dieſen tod zu bejammern. Es iſt auch kein
wunder. Joſef war ein Herꝛ/ deſſen Tugenden eben
ſo unvergleichlich/ als ſein Gluͤk wunderſeltſam/ gewe-
ſen. Er fuͤhrte/ in ſeiner großen gewalt/ ein gantz unta-
delhaftes leben. Er lies iederman recht und gerechtigkeit
widerfahren. In ſeinem groͤſten gluͤkke/ und hoͤchſtem
ehrenſtande uͤberhub er ſich keines weges. Vielmehr war
er niedrig und demuͤhtig. Ja er war uͤberaus langmuͤh-
tig/ uͤberaus ſanftmuͤhtig/ uͤberaus barmhertzig. Er hat-
te mitleiden gehabt mit allen Egiptern/ eben als mit ſei-
nen eigenen gliedmaßen. Er hatte ihnen alles guhtes be-
wieſen. Mit raht und taht hatte er ihnen geholfen. Die
algemeine wohlfahrt hatte er uͤber alle maße vermehret:
das Reich in geruhigem frieden allezeit erhalten: des Koͤ-
niges macht uͤber alles erhoben; und doch darbei der Un-
tertahnen beſtes niemahls verſeumet.


Faſt auf eben dieſelbe weiſe/ wie man die Aſſenat
balſemen laßen/ ward Joſefs Leiche gebalſemet: auch
eben alſo ausgezieret/ und in einen koͤſtlichen ſarg geleget.
Als dieſes alles verrichtet war/ folgete das Leichengepraͤn-
ge. Die Leiche ward auf einem gantz verſilbertem wagen
gefuͤhret. Dieſen zogen vier pferde/ mit einem uͤberzuge
von weiſſem ſeidenem zeuge/ der/ uͤber die fuͤße hin/ bis
auf die erde hing/ bekleidet. Hinter dem Leichenwagen
her ritte ſein Hofmeiſter/ mit einer guͤldenen Krohne in
der hand. Hierauf folgete der Mahrſchalk/ mit einem
Reichsſtabe/ gleichmaͤßig zu pferde. Dieſem ritte nach
ein Kammerjunker mit des Schaltkoͤniges Schwerte.
Hierauf kahmen ſeine zween Soͤhne/ Manaſſe und
Efraim/ mit ihren Soͤhnen: und dan Joſefs Bruͤ-
der/ die noch bei leben waren. Auf dieſe weiſe ward des
Schaltkoͤniges Leiche nach dem Grabmahle zu/ das er
ihm ſelbſt bauen laßen/ gefuͤhret/ und alda beigeſetzt. In
eben demſelben Grabmahle blieb ſie eine lange zeit
ſtehen. Aber endlich ward ſie von dannen in die Koͤ-
nig-
[341]ſiebendes Buch.

[figure]


[342]Der Aſſenat
nigliche Schatzkammer gebracht. Dan die Zeuberer und
Zeichendeuter hatten dem Koͤnige gerahten/ daß er ja
zuſehen ſolte/ ſie wohl zu verwahren. Wan er ſolches nicht
taͤhte/ und Joſefs Leichnam aus Egipten tragen lieſſe;
ſo wuͤrden große plagen uͤber die Egipter kommen/ ja eine
ſo dikke fuͤnſternuͤs das gantze Egipten uͤberfallen/ daß
keiner den andern/ ſelbſt bei brennenden lichtern/ wuͤrde
ſehen koͤnnen. Zudem hatte man ausgekundſchaffet/ daß
Joſef vor ſeinem abſterben ſelbſt befohlen/ ſeinen Leich-
nam in das Land Kanaan zu tragen; auch darbei von
eben derſelben fuͤnſternuͤs geweiſſaget.


Nach Joſefs ſeeligem hintritte vermehreten ſich
die Kinder Israels in kurtzen jahren dermaßen/
daß ſie in ihren ſtaͤdten/ welche ſie bisher gehabt/ nicht
raumes genug fanden zu wohnen. Und daruͤm muſte
man noch etliche neue bauen. Ja die Muͤtter in Is-
rael
gaben den Egiptiſchen nichts zuvor. In einer eini-
gen tracht brachten ſie zu weilen vier/ ſechs/ ja acht kin-
der zur welt. Und dieſe große fruchtbarkeit veruhrſach-
te das ſtaͤhtige trinken des Nielwaſſers: welches die
Aekker und Leiber nicht allein fet/ ſondern auch ſo frucht-
bahr machte/ daß beide ſo uͤberaus reichlich fruͤchte tru-
gen. Man pfleget den Fluͤſſen ſonſten gemeiniglich den
nahmen Vater zu geben. Aber keinem ſcheinet ſolcher
nahme ſo rechtmaͤßig und ſo eigentuͤhmlich zuzukom-
men/ als dem Niele: der ſo ein reicher fruchtbarer Va-
ter und Erzieler iſt nicht allein der Erdgewaͤchſe/ ſondern
auch der Menſchen/ daß Egipten darinnen ſchier alle
Reiche der Welt uͤbertrift. Und eben daruͤm war auch ſein
waſſer in ſolchem waͤhrte/ daß man es iederzeit als was
heiliges verwahret/ ja als ein ſonderbahres geſchenk/ in
ferne laͤnder den Gewaltigſten der Welt zugeſchikt. Ich
wil mehr ſagen/ ſeine große fruchtbarkeit hat auch den al-
ten Egiptern ſelbſten anlaß gegeben/ daß ſie ihrem Niele/
wie wir droben gemeldet/ Goͤttliche ehre angetahn/ und
ſo vielerlei ehrennahmen gegeben.


Wir
[343]ſiebendes Buch.

Wir haben ſchon in etwas beruͤhret/ daß die abergleu-
biſchen Egipter ihren Joſef/ da er noch lebete/ goͤttlich
geehret: wiewohl in geheim und in der ſtille; weil er es
ſelbſten ſo ernſtlich verbohten. Aber dieſes Verbot ſchien/
nach ſeinem tode/ verjahret zu ſein/ und nichts mehr zu
gaͤlten. Ihre gemuͤhter waren ihm dermaßen zuge-
tahn/ daß ſie ihn nunmehr oͤffendlich gantz und gar vor
einen Gott aufwarfen. Sie baueten ihm zu ehren Goͤ-
tzenheuſer; ſonderlich zu Memfis. Ihm zu ehren rich-
teten ſie Goͤtzenbilder auf. Dieſe baͤhteten ſie an. Hiervor
fielen ſie nieder; und ehrten ſie als Goͤtter. Dieſem neuen
Gotte muſten alle die alten Abgoͤtter weichen. Die ehre/
ja die nahmen die ſie jenen gegeben/ eigneten ſie nun die-
ſem zu. Er ward der anſehnlichſte/ der fuͤrnehmſte/ der
hoͤchſte unter allen. Damit auch der nahme Joſef ſelb-
ſten uͤm ſo viel herlicher und goͤttlicher ſchiene/ ſo veraͤn-
derten ſie ihn: ſie ſetzten die buchſtaben uͤm; ſie verwech-
ſelten ſie mit ihren verwanten/ und machten Apis dar-
aus. Eben daſſelbe taͤhten ſie auch mit dem Nahmen
Aſſenat: den ſie ſo verzwikten und ſo verwandelten/ daß
ſie nur deſſelben fuͤrnehmſten grundbuchſtaben s behiel-
ten/ und Iſſe/ darnach Iſis daraus machten.


Joſef hatte dem Reiche fuͤrnaͤhmlich dreierlei Guht-
tahten erwieſen. Erſtlich hatte er den Koͤniglichen zwei-
fachen Traum gedeutet: an deſſen deutung dem gantzen
Stahte ſo ſehr viel gelegen. Darnach hatte er einen ſo
heilſamen raht gegeben: und dan alle Egipter ſo weislich
und treulich verſorget; indem er ihnen vorraht und le-
bensmittel verſchaffet. Dieſe dreifache wohltaht abzu-
bilden ſchien kein fuͤglichers ſinbild zu ſein/ als der Och-
ſe/
aus des Koͤniges Traume; als auch die Kornahre/
aus eben demſelben. Beides hatte ihnen Gott ſelbſt
gleichſam vorgeſchrieben. Und daruͤm eigneten ſie jenes/
naͤhmlich den Ochſen/ dem Joſef zu: und dieſes/
naͤhmlich die Kornahren/ der Aſſenat/ mit dem nah-
men Iſis. Unter andern war es auch kein wunder/ daß
Y iiijbei-
[344]Der Aſſenat ſiebendes Buch.
beiderlei Goͤtzendienſt ſich ſo bald ausbreitete/ und ſolche
tieffe wurtzeln in den abgoͤttiſchen hertzen der Egipter ge-
wan. Die Aſſenat war eine Tochter/ ja noch darzu ei-
ne einige Erbin des algemeinen Egiptiſchen Ertzbiſchofs.
Und Joſef war ihr vermaͤhlet. Er war des Ertzbiſchofs
Eidam geweſen. Darzu hatte er der Prieſterſchaft uͤber-
aus viel gunſt und wohltahten erwieſen. Und eben dar-
uͤm trieben die Prieſter/ die auch das meiſte darbei ver-
mochten/ das werk mit gantzer macht fort. Mit allem ei-
fer ſtrebeten ſie darnach/ ſo wohl dem Joſef/ als der Aſ-
ſenat/
eine ewige Goͤttliche ehre zu ſtiften. Hierzu half
auch nicht wenig der alte Ertzbiſchof ſelbſt: und deſſel-
ben nahe verwandſchaft mit den maͤchtigſten des Reichs/
ja mit dem Koͤnige ſelbſten.


Es war ohne dis bei den Egiptern der gebrauch/ daß
ſie das gedaͤchtnuͤs ihrer Wohltaͤhter mit zugeheiligten
Sinbildern erhielten. Sie waren gewohnet ihren Nah-
men hierdurch zu verewigen/ ja zu vergoͤttlichen/ und auf
die ſpaͤhte Nachwelt fortzupflantzen. Und ſolches geſcha-
he alhier/ aus itzt erzehlten uhrſachen/ uͤm ſo viel mehr/
uͤm ſo viel eifriger/ uͤm ſo viel herlicher. Ja uͤm der Aſ-
ſenat
willen/ widerfuhr dem Joſef uͤm ſo viel groͤſſere
ehre: wiewohl ſie uͤm ſeinetwillen auch nicht wenig mehr
ehre bekahm. Eines half dem andern. Eine uhrſache
ſtaͤrkte die andere. Und alſo erlangten beide die hoͤchſte
ehre: welche/ wiewohl nur etliche hundertjaͤhrige zeiten
im goͤtzendienſte/ nunmehr uͤber die dreitauſend dreihun-
dert jahre gewaͤhret/ ja noch waͤhren wird/ ſo lange die
welt ſtehet. Mit einem worte: die ehre/ der ruhm/ das
lob des Joſefs und der Aſſenat ſeind/ mitten in der zer-
ſtoͤhrung des Ebreiſchen und Egiptiſchen Stahts/ ge-
blieben bis hierher/ und werden auch bleiben bis alles
Irdiſche ſehen wird ſein endliches


Ende.


Filips
[[345]]

Filips von Zeſen
Kurtzbuͤndige
Anmaͤrkungen;
darinnen etliche dunkele oͤrter/
und Goͤtzennahmen/ die in hieſiger der

Aſſenat Verfaſſung vorfallen/ erklaͤhret;
und die Zeugnuͤſſe ſo wohl der Heiligen/ als unterſchied-
licher anderer Schriften/ daraus dieſelbe zuſam-
mengefloſſen/ zu ihrer bewaͤhrung/ angefuͤhret/
auch zugleich vieler widrige meinungen dar-
getahn und erwieſen werden.


[[346]][347]Ao!

Anmaͤrkungen.


Zu des erſten blats erſten zeilen.


WIe man den drei luſtigſten und
gleichſam vor andern bluͤhenden mit-
telſten/ und ſtraks aufeinander fol-
genden Mohnden unſerer jahre ge-
meiniglich die drei fuͤrnehmſten
Bluhmen zueignet/ naͤhmlich dem
fuͤnften die Roſen/ dem ſechſten die
Liljen/ dem ſtebenden die Naͤglein; weil eine iede
dieſer Bluhmen in einem/ als ihrem eignen/ derſelben
Mohnden am erſten oder meiſten zu bluͤhen pfleget: ſo
haben wir auch dieſe Mohnden ſelbſt/ einen ieden/ nach
ſeiner zugeeigneten Bluhme/ benahmet. Naͤhmlich den
erſten benahmen wir den Roſenmohnd; den Karl
der Große
den Wonnemohnd/ der Sternſchauer/
nach ſeinem eigenen Sternzeichen/ den Zwillings-
mohnd/
und die gemeine gewohnheit den Mai- als
auch den Bluͤh- oder Bluhmen-mohnd nennet:
den andern den Liljenmohnd; den wir auch ander-
waͤrts den Sommermohnd/ vom beginne des Som-
mers
in demſelben/ als auch den Kraͤbsmohnd/
vom Kraͤbſe/ dem ſo genenten vierden Stern- oder
himmels-zeichen des Tierkreuſes/ welches in dieſer
mohndzeit die ſonne durchlauffet/ benahmet: und dan
den dritten den Naͤgleinmohnd; den man auch/ nach
ſeinem zugeeigneten Sternzeichen/ wie er anders gemei-
niglich/ vom heumachen in demſelben/ der Heu-
mohnd
heiſſet/ den Leuenmohnd nennen koͤnte.
Sonſten fuͤhret der mittelſte von dieſen dreien gemei-
niglich den nahmen des Brachmohndes/ vom blos-
ſen brachen und uͤmpfluͤgen der aͤkker/ das in dieſem
mohnde geſchiehet. Und wie die Lateiner den nåchſtvor-
her-
[348]Kurtzbuͤndige
hergehenden/ von der Maja/ des Merkuhrs mutter/
[...] τὸ μαίεοϑτμ, oder vielmehr à Majoribus, das iſt
den aͤlteren oder maͤchtigern und groͤſſern/ Majus heiſ-
ſen: alſo heiſſen ſie auch dieſen/ von der Abgoͤttin Ju-
no/
oder vielmehr von den juͤngern oder der jugend/
à juvenum ſive juniorum honore, Junius; als ſagte man
der Jugendmohnd/ oder der Juͤnglinge mohnd/
Juvenum ſive juniorum, aut Juventæ deæ menſis. Ju-
nonius
menſis
wird er auch vom Feſtus/ und von an-
dern Junonialis genennet. Juno ſelbſten ſagt bei dem
Ovidius/ im erſten ſeiner Jahrbuͤcher:


Nec tamen ignores, vulgique errore traharis:

Junius à noſtro nomine nomen habet.

Die uhrſache der alſo geſchehenen benahmung dieſer
zween mohnden zeiget Makrobins an: naͤhmlich weil
Romulus/ der ſtifter und uhrhoͤber der ſtadt Rohm/
das Roͤhmiſche volk in Aeltere und Juͤngere/ oder
Groͤſſere und Kleinere/ damit jene mit raht/ und
dieſe mit taht/ das iſt mit waffen/ dem Stahtsweſen
behuͤlflich weren/ geteilet; ſo habe er nachmahls/ dieſen
zweiteilen zu ehren/ gemelten zween Mohnden ſolche
nahmen gegeben. Fulvius Nobilior, ſchreibt er l. 1 Sa-
turnal. cap.
12, in Faſtis Romulum dicit, poſtquam po-
pulum in majores, minoresve ſeu juniores diviſit, ut alte-
ra pars conſiliis, altera armis rempublicam tueretur, in
honorem utriusque partis, hunc Majum, ſequentem
Junium menſem vocâſſe.
Daher ſagt auch Ovidius
an obangezogenem orte:


Junius eſt Juvenum; qui fuit ante, Senum.

Es iſt aber das Wort Junius aus Juvenius zuſammen-
gezogen; wie Junior aus Juvenior: welches von Juve-
nis,
und dieſes ſcheinbahrlich von juvo, das iſt ich hel-
fe/
entſprungen. Hiervon ſchreibet Kriſtian Bek-
man
in ſeinen Grundforſchungen der Lateiniſchen
ſpra-
[349]Anmaͤrkungen.
ſprache alſo: Sed Juvenis, νεαρὸς unde? Fortè à Juvo:
an poſſis aliunde, in incerto ſitum. Ut ita Juvenis ſit
vegetus, promtus ad laborandum, aut juvandum.
Unter
den Griechen ſcheinen die Atehner dieſen mohnd auch
von βαιὸς, das iſt klein/ ἑϰατομζαιὼν genennet zu ha-
ben. Bei den Beoziern aber hies er ἱπποδρόμιος, das
iſt Rosſpielmohnd/ der mohnd des Roslaufs/
darinnen die Renſpiele gehalten warden; wie Plu-
tarch
bezeuget: bei den Mazedoniern δέσιος, der
Bindemohnd/ wie Suidas meldet: bei dem Ga-
lenus/
und Joſef dem Juͤdiſchen Geſchichtſchreiber
λωὸς, als ſagte man der beſſere mohnd/ oder der
mohnd nach hertzens wundſche;
welches wort
die Mazedonier ebenmaͤßig gebrauchten: bei dem Plu-
tarchen
κρόνιος, der Saturnsmohnd: bei den Egip-
tern/ wie etliche wollen/ παυνὶ; welchen nahmen Ptolo-
meus/
wiewohl andere bayne ſchreiben/ gebrauchet:
und bei den Ebreern תמוּך.


Wan dieſer mohnd/ darinnen ſich die ſonne von ih-
rer hoͤchſten hoͤhe wieder zuruͤck/ nach untenzu/ gewendet/
und gleichſam kraͤbsgaͤngig worden/ vorbei iſt; dan
faͤnget der Niel in Egipten zu wachſen an. Seneca l. 4
quæſt. natural. c. 2: Natura ita diſpoſuit, ut Nilus ſol-
ſtitio æſtivo incipiat inundare Ægyptum, \& æquino-
ctio auctumnali deſinat.


Zur 5/ 6/ und 7 Zeile.


DUrch den Oſiris/ als welchem die Egipter/ unter
andern/ die guͤhtigkeit der Sonne zueigneten/ ver-
ſtehen wir auch alhier die Sonne: und durch die Iſis
das ſternzeichen der Jungfrau; darnachzu die Son-
ne/ durch den Leuen/ lief/ als Joſef in Egipten an-
kahm. Hiervon kan geleſen werden unſer Dichteriſcher
Sternhimmel/ Cœlum Aſtronomico-Poëticum, in
Virginis ſigno: Voſſius de Idololatr. p.
355.


Zu
[350]Kurtzbuͤndige

Zu der 9 zeile des 1 blats.


MEmfis/ die werkſtat der Goͤtter/ und fruchtbare
mutter der ungeheuren bauwerke/ eine ſehr beruͤh-
mete Egiptiſche hauptſtadt/ da die Koͤnige eine zeit
lang ihren ſitz gehabt. Athanaſius Kircherius Oedipi
Ægypt. part. 1, pag.
26, 27. Ihr eigendlicher Egipti-
ſcher nahme war Monf/ wie der Ebreer Balmis
meldet/ oder vielmehr Momf oder Momft; wel-
ches/ wie es der Araber Abenef erklaͤhret/ Gott des
waſſers/
oder das waſſer Gottes oder des
HERꝛn
bedeutet. Daraus haben nachmahls die
Griechen den noch gebreuchlichen nahmen Μέμφις; und
die Ebreer ihr Mef oder Mof מוף, oder Nof נוף,
(Ptolomeus ſchreibet im 5 h. des 4 b. Nofet) gebil-
det: bei denen dieſe ſtadt ſonſten auch Migdol/ das
iſt ein Turn/ ja zuweilen Mafes/ und Mizraim/
nach ihrem erſten ſtifter/ heiſſet. Eben gemelter Kir-
cher
meldet/ in ſeiner Egiptiſchen Landbeſchreibung
am 27 bl. daß Hams ſohn Mizraim ſich/ mit ſeinen
leuten/ nach der ſuͤndfluht zum allererſten in dieſe ge-
gend begeben; und ſeine gezelte/ auf den huͤgeln uͤm
Memfis heruͤm/ weil das uͤbrige land nach der ſee zu
meiſtenteils noch unter waſſer lag/ aufgeſchlagen. Als
aber nach der zeit die uͤmliegende gegend trukner und
wohnbahr worden/ habe er alda die erſte ſtadt/ die er
nach ſeinem nahmen Mizraim/ gleichwie auch endlich
den gantzen landſtrich/ genennet/ am ufer des Niels ge-
ſtiftet. Hierzu fuͤgt er/ daß man zuletzt dieſer ſtadt/ als
man geſehen/ daß ſie/ mit dem uͤmliegenden lande/
durch den Niel/ ie laͤnger ie fruchtbarer worden/ den
nahmen Monft oder Momfta/ das iſt das waſſer
Gottes/
als wolte man ſagen die ſtadt des waſſers
Gottes oder des Niels/
gegeben. Herodotus be-
zeuget in ſeiner Euterpe gleichmaͤßig/ daß der erſte E-
giptiſche Koͤnig Menis oder Μνεῦις, der niemand an-
ders
[351]Anmaͤrkungen.
ders/ als Mizraim/ iſt/ gemelte ſtadt Memfis ge-
bauet. Eben daſſelbe ſchreibet auch Promiſius im E-
breiſchen Wortbuche dem Mizraim zu. Aber Ro-
bert Steffan/
in ſeinem Wortbuche der eignen nah-
men/ nennet ihren ſtifter Ogdous: welches vielleicht
des Mizraims zunahme geweſen. Seine eigene worte
ſeind dieſe: Memphis, Ægypti urbs, quam Ogdous rex
Ægypti condidit, ambitus ſtadiorum centum \& quin-
quaginta, urbem omnium Ægypti præclariſſimam op-
portuniori totius ejus oræ loco, ubi Nilus in plures
ſciſſus partes, efficit formam Deltæ. Quo fit, ut tanquam
in Nili clauſtro poſita aditum præbeat, prohibeatque ad
ſuperiora loca navigantibus, \&c. Unde \& poſteri re-
ges ferè omnes, relictis Thebis, eam ſibi regiam delege-
runt; ut ſcribit Diodorus Siculus l. 2. Hodie Alcairum
vulgò vocant.
Daß aber etliche wollen/ Epafus/
der Jo ſohn/ den ſie auch vor den Egiptiſchen Abgott
Apis halten/ habe die ſtadt Memfis gebauet/ und
nach ſeiner gemahlin/ eines Egiptiſchen Koͤniges toch-
ter/ nahmen alſo genennet; das ſtreitet gantz und gar
wider die geſchichte der Egipter. Und hiervon kan He-
rodotus
im 2 und 3 b. Eliahn im 10 h. des 11 b. ſei-
ner Tieregeſch. und Voſſius vom uhrſprunge der Ab-
goͤtterei am 113/ und 215 bl. geleſen werden.


Sabellikus/ Poſtellus/ und andere meinen/ daß
das heutige Alkair/ welches itzund des gantzen Egip-
tens
hauptſtadt iſt/ eben daſſelbe uhralte Memfis ſei.
Aber ſie irren: weil Memfis und Alkair wohl drei
meilen/ wie der Ebreer Benjamin in ſeinem Reiſe-
buche bezeuget/ voneinander/ und jenes/ nach Herodo-
tus
und der meiſten Alten zeugnuͤſſe/ auf der abendſei-
te/ dieſes aber auf der morgenſeite des Niels gelegen.
Ja noch mehr irren dieſelben/ welche das alte Egipti-
ſche Babilon/ das vom Deltiſchen ekke nur 14 oder
15000 ſchritte lag/ wie Strabo meldet/ deſſen verfalle-
ne ſteinhauffen man auch noch itzund auf der oſtſeite
des
[352]Kurtzbuͤndige
des Niels ſiehet/ mit dem mehrgemelten Memfis ver-
miſchen/ und vor eine ſtadt halten wollen: da doch des
letzteren verfallene ſchuͤtte/ ſamt deſſelben uͤbriggeblie-
benen Grabſpitzen/ auf der abendſeite des Niels/ nach
dem rohten Meere zu/ recht gegen Alkair uͤber/ geſehen
werden; auch der aus Memfis verzwikte nahme Men-
chis/
wie Poſtellus meldet/ alda noch itzund zu fin-
den. Dieſer Poſtellus nennet es/ in ſeinen Morgen-
laͤndiſchen Geſchichten/ Mitzir/ Foſtat/ Nitzrula-
tik.
Mitzir und Miſſir heiſſet das heutige Alkair/
auch bei den Tuͤrken; und bei den Arabern Mizir und
Mazar oder Maſer/ מעף; auch Maſſar bei den Ar-
meniern: welche nahmen alle aus Mizraim/ oder die-
ſer vielmehr aus jenen gebildet. Bochardus in Phaleg.
p.
293. Die Kaldeer aber nennen es Alchabir: dar-
aus Alkair gebildet zu ſein ſcheinet. Doch meldet
Marmol/ daß Alkair ein Arabiſches wort ſei/ aus
elkahira/ das iſt eine verſamlung oder kloſtergeſel-
ſchaft.
Und andere fuͤgen hinzu/ daß dieſe ſtadt/ wel-
che zuvor Mezere oder Mesre geheiſſen/ ſolchen nah-
men von einem darbeigelegenem Schloſſe bekommen.
Dieſes ſchlos hette ein Stathalter des Koͤniges Mo-
hes
nahe darbei wider die feindlichen einfaͤlle gebauet/
und nach der Koͤnigin nahmen Kairet genennet: der-
geſtalt daß nach der zeit auch die naͤchſtgelegene ſtadt
ſelbſten denſelben nahmen Kairet/ der endlich in Kai-
ro
oder Alkair veraͤndert worden/ bekommen/ und ih-
ren alten Mesre algemach verlohren. Auch hat das
obgemelte Egiptiſche Babilon ſelbſten/ wie Strabo
meldet/ ſeinen anfang von einem ſchloſſe deſſelben nah-
mens/ welches die hierher gezogenen Babilonier geſtif-
tet/ bekommen. Und wiewohl es mit der zeit zerſtoͤhret
worden/ ſo hat ſich doch nachmahls die unfern darvon
gelegene neue ſtadt Alkair ſo weit/ naͤhmlich auf 30
meilen in die runte/ wie Beauvau meldet/ ausgebreitet/
daß ſie itzund das alte Babilon in ihrem uͤmkreuſe
mit-
[353]Anmaͤrkungen.
mitbegreiffet. Daher ſchreibet Brokard ſehr wohl:
daß Babilon und Alkair zwo ſtaͤdte weren/ aber in ei-
ne zuſammengefuͤget. Ja daher wird auch Alkair von
etlichen in das alte und neue geteilet. Durch das neue
verſtehen ſie Alkair/ welches auch/ nach Marmols
und Leons des Afrikers zeugnuͤſſe/ eine noch neue
und junge ſtadt iſt: durch das alte aber das Egiptiſche
Babilon; davon der Juͤdiſche Geſchichtſchreiber Jo-
ſef
im 5 h. des 2 b. meldet/ daß es Kambiſes auf des
alten Letuspels ſtelle gebauet. Dieſes liegt itzund/
wie Belloon und Peterdella Valla melden/ ſehr wuͤ-
ſte/ und unbemauret; wiewohl ihm Kruſius eine
mauer von 24 meilen zuſchreibet. In einer Kirche al-
hier/ die den Griechiſchen und Armeniſchen Kriſten zu-
komt/ werden noch itzund in einem gewoͤlbe etliche ſtuͤk-
lein von den balken des hauſes/ darinnen die Jungfrau-
mutter Marie ſol gewohnet haben/ auf deſſen ſtein-
hauffen man auch dieſe Kirche gebauet/ gewieſen.


Ob aber uͤm dieſelbe zeit/ als Joſef in Egipten an-
gelanget/ der koͤnigliche Hof zu Memfis geweſen/
wird von vielen in zweifel gezogen. Dan Dreſſerus
ſetzet darvor/ in ſeinen tauſendjaͤhrigen Geſchichten am
152 bl. die ſtadt Tanis/ welche er 68 meilen von He-
bron
abgelegen zu ſein ſchreibet: und Samuel Greif-
fenſohn
in ſeiner Geſchicht vom Joſef/ die Stadt
Tehbe; die aber alzuweit nach Mohrenland zu lieget.
Robert Steffan in ſeinem Wortbuche der eigenen
nahmen/ Dezimator in ſeinem Schatze der Lateini-
ſchen Sprache/ und viel andere mehr ſcheinen auch in
der meinung zu ſein: daß der Egiptiſchen Koͤnige Hof
eher zu Tehbe geweſen/ und von dar erſt nach Mem-
fis/
von Memfis nachmahls nach Alexandrien/
und endlich nach Alkeir verleget worden. Weil aber
die Geſchicht der Aſſenat ſelbſten/ welche die Ebreer
verfaſſet/ als auch Joſefs letzter Wille/ denen beiden
Zwir
[354]Kurtzbuͤndige
wir in unſerer verfaſſung am ſicherſten zu folgen erach-
tet/ bezeugen/ daß dazumahl der Koͤnigliche Hof zu
Memfis geweſen: ſo haben wir dieſe ſtadt billich vor
allen andern behalten; zumahl weil ſie bei weitem ſo
fern von Heliopel/ und dem Heiligen lande nicht ab-
gelegen/ als Tehbe/ und alſo unſere gantze geſchicht
wahrſcheinlicher wird/ wan wir den Koͤniglichen Hof
uͤm dieſelbe zeit alhier geweſen zu ſein ſchreiben. Zu-
dem befinden wir/ wie es auch die heilige Schrift nicht
undeutlich anweiſet/ daß erſt nach Joſefs lebezeit/ als
Moſes aufkommen/ die koͤnigliche Hofhaltung zu
Tanis geweſen. Auch ſcheiner es/ daß ſie zu unter-
ſchiedlichen mahlen von Memfis weg/ und doch wieder
dahin verleget worden. Und alſo kan es wohl ſein/ daß
die Koͤnige/ nach Joſefs tode/ ihren ſitz von Memfis
nach Tanis/ und von dar wieder nach Memfis/ ja
endlich von hier nach Tehbe verſetzet; weil die ſtadt
Tehbe ſehr ſpaͤhte/ und faſt erſt recht beruͤhmt geworden
zu ſein ſcheinet/ als der ruhm der ſtaͤdte Memfis/ und
Tanis abzunehmen begonnen.


Zu der 11/ 12 und 13 zeile.


EHmahls pflegten die Egipter uͤm dieſe zeit des jahrs
ein trauerfeſt zu halten/ weil ſie ſahen/ daß die Son-
ne ſich von ihrer hoͤchſten hoͤhe/ naͤhmlich aus dem ſtern-
zeichen des Kraͤbſes/ hinunter nach dem Steinbokke zu
begab/ und ſich daher beſorgeten/ ſie wuͤrde ſich gantz
von ihnen entfernen. Achilles Tatius l. περὶ παντὸς, ſive
de univerſo: Quondam Ægyptii Solem videntes à Can-
cro ad Capricornum deſcendere, \& longiores contrahere
dies, lugere conſueverant; veriti ne paulatim Sol eos
relinqueret. Quod tempus incidebat in Jaſiorum fe-
ſtum. Simulatque conſcendere cœperat, ac dierum ſpa-
cia producere; tunc albati eoronatique procedebant.

Aber
[355]Anmaͤrkungen.
Aber nach der zeit haben ſie die wahrheit mit maͤhrlein
vermiſchet: dergeſtalt daß ſie itzund fuͤrnaͤhmlich das
abweſen des Oſiris beweineten; den Iſis/ ihrem wah-
ne nach/ mit großer hertzensangſt ſuchete: wie Plu-
tarch
in ſeinem buche von der Iſis und dem Oſiris
weitleuftig beſchreibet.


Zur 18 und 19 zeile.


DUrch den Hammelgoͤtzen verſtehen wir den alten
Libiſchen Abgott Jupiter Hammon oder Am-
mon
/ Αμοȣ̃ν, wie ihn die Egipter nennen/ das iſt/ den
Sandichten Jupiter; wie es etliche nach dem Grie-
chiſchen worte ἄμμον, welches ſand heiſſet/ erklaͤhren
wollen. Dan dieſer Abgott ſol ſeinem ſohne Oſiris/
wie Nikolaus Perottus/ Higinus aus dem Her-
mippus/ Atenagoras
im 5 b. von der liebe/ und an-
dere erzehlen/ in der Libiſchen ſandichten wuͤſte/ als
ein Hammel geſtaltet/ erſchienen ſein: daher er auch
nachmahls als ein Hammel oder Widder/ oder mit
Hammelshoͤrnern abgebildet ward. Wan wir aber
dieſen Hammon bei dem lichte beſehen/ ſo befinden
wir/ daß er kein ander geweſen/ als der alte verfluchte
Ham/ des Noha ſohn/ und Mizraims vater/ ſelb-
ſten: den die Libier und Egipter/ ja alle Afriker als ei-
nen Abgot geehret/ und in einem ſchiffe/ zum gedaͤcht-
nuͤſſe der Suͤndfluht/ ſo oft ſie ihn uͤm raht fragen wol-
ten/ wie Kurtz bezeuget/ heruͤm getragen. Und wer
mehr hiervon zu wiſſen begehret/ der kan/ in unſrem
Dichteriſchen Sternhimmel/ das Sternzeichen des
Widders/ dahin wir den Leſer wollen gewieſen haben/
aufſchlagen.


Zu der 21 zeile.


OSiris war anders nichts/ als des Hams ſohn
Mizraim oder Miſorim/ der erſte Egiptiſche Koͤ-
Z ijnig
[356]Kurtzbuͤndige
nig nach der ſuͤndfluht. Und unter dieſem nahmen/
der aus Miſorim/ durch verſetzung der buchſt aben/
gebildet/ wie bei den Heiden/ wan ſie ihre Wohltaͤh-
ter vergoͤtlichten/ gebreuchlich/ ehreten die Egipter
fuͤrnehmlich die liebreiche Kraft der irdiſchen und him-
liſchen dinge. Als erſtlich die Sonne/ ſo fern ſie den
liechtloſen Mohn erleuchtet/ und das kalte Erdreich
erwaͤrmet: darnach den Niel/ ſo fern er/ durch ſeinen
uͤberlauf das trukne und durſtige land traͤnket und
fruchtbar machet; wie Seldenus erweiſet. Und
alſo war Oſiris dort eine himliſche/ hier eine irdiſche
Gottheit; ich wil ſagen ein Sonnen- und Flus-
goͤtze:
den ſie ehreten/ als andere Voͤlker ihren Apol-
lo
oder Foͤbus/ und Bachus oder Liber; indem ſie
ihm die erfindung des Weinbaues/ und Gerſteſaͤens/
wie Auguſtien bezeuget/ zuſchrieben. Auch ſcheinet es/
daß ſie ihm den nahmen Oſiris uͤm ſo viel lieber gege-
ben; weil ſie geſehen/ daß Oſir vielaͤugig/ welches
ſonſt der Sonne/ die ſie die einige Gottheit des him̃els
nenten/ zugeeignet wird/ bedeutet. Dan die Sonne
wirft ihre ſtrahlen uͤberal hin/ und beſchauet gleich als
mit vielen augen den gantzen erdkreus/ ſamt der ſee:
daher auch Homerus/ im 3 ſeiner Trojanerin/ ſie alſo
anredet:

Ἡέλιος ϑ̕ὅς πτίντ̕ ἐφορῷς, και παντ̕ ἐπακου῾εις.


Das iſt/ o Sonne/ die du alles ſieheſt/ und alles
hoͤreſt. Und Eſchiel
ſagt in ſeinem Prometeus;
Καὶ τ̏ πανόπτην κὑκλον ἡλίον καλῶ. Das iſt/ ich nenne
ihn den Sonnenkreus/ der alles ſiehet
. Ja Oſi-
ris
ſelbſten gab dem Zipriſchen Koͤnige Nikokreon/
als er ihn fragte/ was er vor ein Gott ſei/ folgende
antwort:


Ἐιμὶ ϑεὸς, τοῖος [...] μαθεῖν, οἷον κ̕ άγὼ ἐίπω,

ὀνϱάνιος κ [...]σμος κεφαλὴ, ὁ άςὴρ [...] ϑάλαοσα,

γαῖα
[157[357]]Anmaͤrkungen/
γαῖα [...] μοὶ πόδες εἰσὶ, τὰ δ̕ ον῎ατ̕ ὀν αἰϑέρι κεῖΤαι,

ὄμμά τε τηλαυγὲς, λαμπρὸν φάος ἠελίοιο.

Das iſt/ Ich bin ein Gott. Aber ein ſolcher bin
ich/ wie ich mich ſelbſt nenne. Die himliſche welt
iſt mein heupt/ das geſtirn die ſee/ die erde mei-
ne fuͤße; aber meine ohren ſeind im himmel. Ich
bin das Auge/ das alles ſiehet/ das glaͤntzende
licht der Sonne
. Und daruͤm haben ſie auch dem
Oſiris/ ſo fern er die Sonne bezeichnete/ zum ſinbilde
einen Reichsſtab mit einem Auge zugeeignet/ der Son-
ne/ die ſie auch Jupiters Auge nenten/ ſcharfſichtig-
keit und macht/ damit ſie durch alles hindringet/ anzu-
deuten. Macrob. Saturnal. l. 1, c. 21. Pierius Hiero-
glyphic. p. 332, 545. Natal. Comes l. 2, c. 2. Voſſius
de Idololatr. orig. \& progreſſu p. 119, 198, 224, 316,
355, 422, 692, \& 710, l. 2. Oſiris quatenus naturale,
non animale eſt numen, partim eſt cœleſtis, \& idem
ac Sol: partim ſubcœleſtis, \& idem eſt ac humor pota-
bilis
; qualis aqua Nilotica.
Ja ſie nenneten den Oſi-
ris
/ ſo fern er die Sonne war/ auch Sirius/ und
Sirus; welches ſonſten des Hundeſterns eigner
nahme: wie Diodoor in 1 b. bezeuget. Suidas:
Σεὶρ, Σειρὸς ὁ ἥλιος, καὶ Σείριος. Heſichius: Σείριος
ὁ ἥλιος, καὶ ὁ τον κόνος ἀςὴρ, das iſt/ Sirius heiſt
die Sonne/ und der Hundeſtern. Siris
ward
ſonſt auch der Niel genennet. Daher ſagt Dioniſius
Afer
:


Σῖρις ὑϖ̕ Αιθιόπων κικλήσκεταί. ὁι δον` Συήνης

ἐνναέται ςρεϕθέντι μετ̕ ον῎νομα Νεῖλον ἔθεντο.

das iſt/ von den Mohren wird er Siris genen-
net. Aber die Siener haben ihm den nahmen
Niel gegeben
: vielleicht daruͤm/ weil das wort Νεῖλος
die zahl der 365 Jahrstage begreiffet; als Ν 50, Ε 5,
Ι 10, Λ 20, ο 70, Σ 200.


Z iijSonſten
[358]Kurtzbuͤndige

Sonſten hatte dieſer Abgott Oſiris bei andern
voͤlkern noch uͤberaus viel andere nahmen; welche zum
teil Auſonius in ſeinem 29 kurtzbuͤndigem gedichte
folgender geſtalt angezogen:


Ogygia me Bacchum vocat,

Oſirin Ægyptus putat,

Myſtæ Phanacen nominant,

Dionyſon Indi exiſtimant,

Romana ſacra Liberum,

Arabica gens Adoneum,

Lucaniacus Pantheum.

Die Griechen nenten ihn gemeiniglich Bachus; und
die Lateiner/ ſeine fuͤrtrefligkeit anzuzeigen/ Liber, das
iſt Sohn/ naͤhmlich des Jupiters. Beide nahmen
haben einerlei bedeutung: und dieſer ſcheinet von je-
nem entſproſſen zu ſein. Bachus Βα´κχος iſt aus
ברבוש Bar-Chus, das iſt der Sohn desChus, des
ſohns Hams/ gebildet. Dieſer war Nimrod/ des
Ninus vater/ der erſte herſcher zu Babilon: das bei
den Alten des beſten Weines wegen beruͤhmet. Χαιρέας
[...] ὀν Βαϐυλῶνι οἶνον ϕησὶ γένεοϑ [...] τ̏ καλούμενον νεκταρ, das
iſt/ Chæreas autem Babylone Vinum dicit eſſe, quod
Nectar vocant,
ſagt der von Atehn. Und daruͤm iſt
Nimrod/ das iſt Barchus/ vor den erfuͤnder und
Abgott des weines gehalten worden. Sonſt heiſſet er
auch Belus: daher das Lateiniſche wort bellum,
das iſt Krieg/ ſol entſproſſen ſein: weil dieſer Belus
oder Nimrod zum allererſten gekrieget/ oder vielmehr
zum allererſten/ wie Higinus im 274 lehrgedichte an-
gezeichnet/ im kriege den degen gefuͤhret; da die Egip-
ter und alle Afriker zuvor mit pruͤgeln gefochten. Bei
den Kaldeern heiſſet Nimra, גמדא ein Tiger;
welches auf den nahmen Nimrod ſpielet. Daher war-
den dem Barchus oder Bachus die Tigerfelle zum
k leide/
[159[359]]Anmaͤrkungen.
kleide/ und die Tiger ſelbſten ſeinem wagen zuge-
eignet. Eben alſo waren Luſus und Lyſa, von denen
Luſitanien/ anders Portugal/ ſol genennet ſein/
des Barchus/ gefaͤhrten; wie Plinius aus dem
Varro im 1 h. des 3 b. fuͤrgiebet. Luſum enim, ſchreibt
er/ Liberi patris, ac Lyſam cum eo bacchantem, nomen
dediſſe Luſitaniæ, \& Pana præfectum ejus univerſæ,
i. e. Spaniæ.
Dieſes hat er ohne zweifel aus den maͤhr-
lein der Foͤnizier: welchen wohl bekant war/ das לוז
luz bei den Ebreern und Sirern/ eben wie Laus bei den
Arabern/ ein mandelbaum/ auch eine mandel
heiſſet; daher ſie durch ſolches gedichte andeuten wol-
len/ wie ſehr wohl ſich die Mandeln zum Weine
ſchikken. Eupolis ſagt/ bei dem von Atehn/ im
2 buche:


Δίδον μασᾶοϑς, Ναξίας ἀμυγδάλας,

ὀινόντε πίνειν Ναξίων α̕π̕ α̕μπέλων.

das iſt/ gib zu eſſen der Naxier Mandeln/ darnach
ſchenke
Wein von Naxiſchen weinſtoͤkken. Naͤhm-
lich weil die bittere Mandeln/ welche ſonſten auch
das luhmichte Nielwaſſer/ zerſtoßen und darein gewor-
fen/ in einem tage klahr und trinkbar machen/ der
trunkenheit widerſtehen; wie die Aertzte einhaͤllig be-
kraͤftigen. Dioſkorides ſchreibet im 1 b. von den man-
deln/ und Plinius im 8 h. ſeines 2 b. man ſol ihrer fuͤnfe
vor dem trunke genieſſen. Faſt eben daſſelbe bezeuget
Avizenna im 2 b. von den Mandeln; als auch der
von Atehn
/ und Plutarch/ im 1 ſeiner Frageſtuͤk-
ke/ mit der geſchicht von des Druſus Artzte. Auch wil
der Mandelbaum bei dem Weinſtokke ſo gerne
ſtehen/ daß man die Mandelbeumlein/ wie Teo-
fraſt
bezeuget/ unter die weinſtoͤkke zu pflantzen pfleg-
te; weil ſie ihnen gantz nicht ſchaͤdlich/ indem ſie mit
weniger nahrung vergnuͤget/ zeitlich fruͤchte tragen/
Z iiijund
[160[360]]Kurtzbuͤndige
und wenig ſchattens von ſich geben. Weil nun לוז lus
bei den Ebreern einen Mandelbaum/ mit der
frucht
zugleich/ eben wie das ſonſt gemeinere שקר ſa-
ked,
bedeutet; ſo bin ich verwundert/ waruͤm etliche
neue uͤberſetzer dieſes wort im 37 ſpr. des 30 h. im bu-
che der Schoͤpfung/ corylus oder Haſeln gegeben: da es
doch Hieronimus ſchon vor ſo langer zeit virgas amyg-
dalinas,
das iſt Mandelruhten uͤbergeſetzet. Es wa-
ren auch in alwege Mandelſtaͤbe/ welche Jakob
ſtreiffenweiſe ſchaͤhlete/ und den ſchafen in die trinkren-
nen legte; damit ſie bunte/ und geſtreifte låmlein brin-
gen ſolten. Aber das wort καρυΐνην, welches die 70
Tahlmetſcher alhier gebrauchet/ hat ſie/ nach meiner
muhtmaßung/ betrogen; weil κάρυον eine hartſchah-
lichte frucht
/ aber nicht ins beſonder eine Haſelnus/
ſondern ins gemein eine iede frucht mit harten ſchah-
len/ wie die Mandeln auch haben/ bedeutet. Zu-
dem haben die 70 Tahlmetſcher das wort סקרים ſake-
dim,
das ſonſt eigendlich Mandeln heiſſet/ im 11
ſpr. des 43 h. aus dem buche der Schoͤpfung/ und im
8 ſpr. des 8 h. aus dem 4 b. Moſ. auch κάρυα gegeben:
welches wir alſo beileuftig erinnern wollen.


Wer nun dieſes/ was wir alhier/ durch veranlaßung
des nahmens Luſus/ angefuͤhret/ betrachtet/ der wird
leichtlich ſehen koͤnnen/ waruͤm wir auf den Trau-
pfenning
/ den der fuͤrtrefliche Kuͤnſtler Kriſtof
Rudolfs zu Amſterdam
verfaͤrtiget/ unter ande-
ren/ einen Zierkrantz von Weinreben/ mit Mandel-
zweigen
durchflochten/ abbilden laßen/ und in der
uͤberſchrift Bar-Chus vor Bacchus geſetzet: naͤhmlich


Bar-Chus amygdalinis Lyſæ fit amabilis ulnis.

Nun kommen wir zum nahmen Liber. Alſo haben die
Lateiner den Oſiris oder Barchus/ nach der redens-
ahrt der Ebreer/ zubenahmet; welche die Fuͤrſten חזרים
horim,
[361]Anmaͤrckungen.
horim, das iſt Soͤhne oder Kinder/ eben auf die wei-
ſe/ wie die Spanier ihre Koͤniglichen Fuͤrſten und Fuͤr-
ſtinnen/ oder des Koͤniges erſtgebohrne Soͤhne und
Toͤchter Hiſpaniæ Infantes, das iſt Kinder von
Spanien
/ zu nennen pflegen. Im 17 ſpr. des 10 h.
im Salomoniſchen Prediger ſtehet: Wohl dir land/
deſſen Koͤnig ein Sohn iſt der
חזרים das iſt der
Kinder
/ naͤhmlich der wohlerzogenen/ wohlgerahte-
nen/ der Edelen/ der Herren/ der Helden. Alſo nen-
net Eſaias im 12 ſpr. des 34 h. die Babiloniſchen Fuͤr-
ſten: da der Kaldeer ſetzet בגיהירין beni herin, das iſt
Soͤne der Kinder
/ filios liberorum, ſive heroum.
Dan hiervon ſcheinet das wort heros, als auch unſer
Herꝛ entſproſſen zu ſein. Und alſo nennet Metodius
den Nimrod
nicht unrecht ἀδελφὸν τῶν ἡρώων: gleich-
wie auch die Lateiner den BarchusLiber, das iſt ei-
nen Sohn
/ naͤhmlich des Hams oder Chus; als
welche Herren und Edele mit rechte heiſſen mochten/
weil ihnen ein ſo großes teil der Welt zum erbe zuge-
gefallen.


Wie nun die Egipter den nahmen Oſiris/ als auch
Sirius und Sirus oftmahls der Sonne zueigneten/
ſo verſtunden zu weilen die Lateiner unter dem nah-
men Liber ebenmaͤßig die Sonne: und alſo mus er
bei dem Virgiel im 1 ſeiner Feldgedichte verſtanden
werden/ da er ſpricht:


Vos, ô clariſſima mundi

ſidera, labentem cœlo quæ ducitis annum,

Liber \& alma Ceres.

Ja den nahmen Dioniſus/ der aus יהזהבסּי Jehova
Niſſi,
das iſt der HERR mein Panier/ wie die
uͤberſchrift der aufgerichteten Siegeshoͤhe im 17. h. des
2 buchs Moſ. lautet/ und aus dem Griechiſchen worte
Διος, das iſt Jupiter/ zuſammengeflikt ſcheinet/ und
Z veben
[362]Kurtzbuͤndige
eben auch des Oſiris oder Barchus zunahme war/
findet man gleicher geſtalt der Sonne zugeeignet. Eu-
molp
in den gedichten des Weingottes:


Ἀςροϕαῆ Διόνυσον, ὀν α̕κτίνεσσι πυρωπόν.

das iſt/ den erleuchteten Dioniſen/ den feurigen
unter den ſtrahlen
. Und Orfeus in ſeinen Lobge-
ſaͤngen:


Πρῶτος δ̕ ἐς ϕάος ἦλϑε. Διόνυσος δ̕ ἐπεκλήϑη,

ον῞νεκα δινεῖται και̕ ἀπείρὸν ὄλυμπον.

das iſt/ er iſt zuerſt an das licht kommen. Dioni-
ſus aber heiſſet er/ weil er uͤm den großen und
langen himmel uͤmgewaͤltzet wird
. Bald darauf
fuͤgt eben derſelbe hinzu:


Η῞λιος, ὅν Διόνυσον ἐπήκλησιν καλέονσι.

das iſt/ die Sonne/ welche ſie mit dem zunahmen
Dioniſen heiſſen.


Etliche nennen den Oſiris auch Omfis; welches
Hermeus/ bei dem Plutarch/ einen Wohltaͤhter
erklaͤhret: und die Aſſirer אחד Achad/ das iſt Ei-
ner
; darunter ſie gleichmaͤßig die Sonne verſtunden.
Dahin hat auch ohne zweifel Eſaias/ im 17 ſpr. des
66 h. mit dem worte אחד geſehen. Und dieſer nahme
komt der Sonne ſonderlich zu/ eben wie das lateiniſche
Sol von ſolus, das iſt alleineinig; weil ſie das einige
licht iſt/ und allein aus ſich ſelbſten leuchtet. Makro-
bius
ſetzet im 23 h. ſeines 1 b. der Saturniſchen feier-
tage zwar Adad. Adad, ſagt er/ nomen dederant. Ejus
nominis interpretatio ſignificat unus,
das iſt/ ſie haben
ihm den nahmen
Adad gegeben. Dieſes nah-
mens tahlmetſchung heiſet
Einer. אחד adad aber
heiſſet nicht Einer; ſondern אחד achad, oder/ nach
der Sirer und Kaldeer mundahrt/ חד chad. Daher
halte
[363]Anmaͤrkungen.
halte ich/ daß/ durch das abſchreiben oder druͤkken/ vor
das ח ein ד ſei eingeſchlichen.


Epifanius/ Hieronimus/ Tertullian/ Ire-
neus
im 24 h. ſeines 1 b. wider die Ketzer/ als auch
Skaliger in einem briefe an den Kaſaubonus/ ge-
denken eines Abgottes Abraxas: darunter gleiches-
fals die Sonne verſtanden ward. Dieſer nahme hat
vielen Gelehrten zu ſchafen gemacht: und niemand hat
den rechten uhrſprung ergruͤnden koͤnnen. Aber ich hal-
te gaͤntzlich darfuͤr/ daß er aus אברך abrech, wie der
Heerold vor des Joſefs ſtahtswagen ausrufen muſte/
da man ihn zum Schaltkoͤnige uͤber Egipten gemacht/
und in einem oͤffentlichen gepraͤnge dem Volke ſehen
lies/ gebildet/ und dem juͤngſten Oſiris/ das iſt dem
Joſef/ als ein goͤttlicher nahme/ zugeeignet worden.
Hieronimus helt dieſen Abraxas mit dem Perſiſchen
Sonnengoͤtzen Mitra oder Mitres/ welches/ wie es
Skaliger im 6 buche von der zeit verbeſſerung erklaͤh-
ret/ ein Herꝛ heiſſet/ vor einen und eben denſelben Ab-
gott; vielleicht daruͤm/ weil beide nahmen die zahl der
jahrstage begreiffen: wiewohl in Μίθρης 365 nach der
Perſer jahrrechnung/ in Αϐραξ aber nur die tage des ge-
meinen jahrs zu finden; als α 1, β 2, ρ 100, α 1, ξ 200.
Aber es ſcheinet/ daß dieſer Mitres erſtlich der Egip-
ter eigener Sonnengoͤtze geweſen: von denen ihn die
Perſier nachmahls entlehnet. Dan Mitras hies der-
ſelbige Egiptiſche Koͤnig/ der die Sonnenſeulen ge-
bauet/ und ſelbſt in der Sonnenſtadt hof gehalten.


Aber es wuͤrde zu lang fallen/ wan wir alle zu- und
bei- oder ehren-nahmen des Oſiris erzehlen und erklaͤh-
ren wolten; welches wir unſerem Dichteriſchen
Sternhimmel der ſieben Ir- oder ſchweif-ſterne

vorſpahren: daruͤm laßet uns in der folge nur allein
noch ſehen/ wie die Egipter dieſe Oſiriſche Gottheit
abgebildet. Weil Oſiris oder Mizraim den bau des
ge-
[364]Kurtzbuͤndige
getreides/ der durch Ochſen geſchahe/ wie wir droben
gemeldet/ erfunden; ſo haben ihm die Egipter zuerſt
den Ochſen/ als ſein und des Akkerbaues eignes ſin
bild/ geheiliget. Darnach ward auch ſein goͤtzenbild zu
weilen mit einem gehoͤrnten helme von Ochſenfellen ge
zieret; und er endlich ſelbſten unter der geſtalt eines
Ochſen/ ja gar in einem lebendigen Ochſen/ de
ſchwartz mit weiſſen flekkern uͤberſchaͤkkert/ und im Oſi-
riſchen heiligtuhme verſperret ſt und/ heiliglich geehret.
Bos ſocius hominum in ruſtico opere, \& Cereris mini-
ſter,
das iſt/ der Ochſe iſt des Menſchen mitgeſelle
bei dem akkerbau/ und der Zehrungsgoͤttin
frohndiener oder tageloͤhner
/ ſagt Varrol. 2, R. R.
c. 5. Plin. Nat. Hiſtor. l. 8, c.
45. Daher ward auch
bei leibesſtrafe verbohten die Rinder zu ſchlachten.
Ælian. l. 5. Var. Hiſt. c. 14. Ja daher war auch der
Ochſe den Egiptern ſo heilig/ und ein ſinbild ihres O-
ſiris
. Zu Heliopel hatten ſie einen Stier der Sonne/
welche ſie unter dem nahmen Oſiris/ wie wir ſchon ge-
nug erwieſen/ ehreten/ geweihet: auch ward er alda/
mit der Sonne zugleich/ weil ſie beiden die uhrſache
des wachstuhms der fruͤchte zuſchrieben/ goͤttlich ge-
ehret. Dieſen Heliopelſchen Stier oder Ochſen
nenneten ſie Mnevs Μνεῦις: und den zu Memfis/
der juͤnger war/ und dem juͤngſten Oſiris/ das iſt dem
Joſef/ auch der Iſis und dem Mohne/ wie etliche
wollen/ oder vielleicht der Aſſenat/ als der juͤngſten
Iſis/ geheiliget/ Apis und Serapis. Strabo l. 17. Ti-
bullus
l. 1, eleg. 7. Herodotus l. 2, 3. Ælianus l. 11.
hiſt. anim. c. 11. Diodorus l. 1, \& 3. Plutarchus l. de
Iſide \& Oſiride. Ammian. Marcellinus l. 22. Proſper
Aquitanicus
l. 3 de prædict. c. 38. Rufinus l. 2 hiſt. Ec-
cleſiaſt. c. 22, 23. Jul. Maternus. Suidas. Hugo Gro-
tius
in Sophomphania. Voſſius Idololatr. l. 1, c. 29, \&
l. 2, p.
501.


Son-
[365]Anmaͤrkungen.

Sonſten bildeten ſie den Oſiris auch ohne gemelten
Helm von Ochſenfellen und hoͤrnern ab: zu weilen in
einem ſchiffe/ wie den Hammon/ aber mit einem Kro-
kodille darunter/ der es gleichſam forttrug; zu weilen
auf einem trageſtuhle/ in geſtalt eines unbebahrteten
Juͤnglings/ mit einer Fuhrmanspeitſche in der rechten
hand/ und mit Kornahren und dem Blitze in der lin-
ken: welches alles Ammons oder Jupiters/ und des
Oſiris oder der Sonne vereinbahrte macht anzeigete.
Euſebius, Plutarchus de Iſ. \& Oſir. Joh. Pierius Hie-
roglyph. p. 622. Voſſius Idololat. p.
355. Und dieſes
bildes angeſicht ſtelleten ſie allezeit gegen den untergang/
alſo daß die Egipter ſich nach dem morgen zu wende-
ten/ wan ſie es anbaͤhteten: dagegen die Kinder Is-
raels
nach dem abende zu gekehret ihren Gottesdienſt
verrichteten. Ja ſie ehreten den Mizraim auch uͤber-
das hiermit/ daß ſie nicht allein/ nach ſeinem nahmen/
den erſten mohnd im jahre Μεσορὶ nenneten; ſondern
auch ſein ſinbild den Ochſen oder Stier/ zu ſeinem
ewigen gedaͤchtnuͤſſe/ in den himmel ſetzten. Dan wie
ſie/ ſeinem Vater dem Ham oder Ammon zu ehren/
den Widder zum erſten und fuͤrnehmſten Sternbilde
des Tierkreuſes machten; ſo gaben ſie auch/ dem Miz-
raim
oder Oſiris zu ehren/ dem Stiere/ in eben dem-
ſelben Tierkreuſe/ die naͤchſte und zweite ſtelle. Samuel
Bochard. in Phaleg. p. 293. Voſſius Idolol. l. 2, p. 501,
\& l. 1. c. 29, \& p.
224.


Daß man aber die alten Egiptiſchen Koͤnige ſo gar
hoch und heilig geehret/ ſcheinet daruͤm geſchehen zu
ſein/ wie Iſokrates in der lobrede des Buſiris mei-
net; damit das gemeine volk uͤm ſo viel mehr angetrie-
ben wuͤrde den koͤniglichen ſatzungen und befehlen/ als
goͤtlichen/ zu gehorchen. Auch war dieſer gantze Goͤtzen-
dienſt der Egipter anders nichts/ als eine nachahmung
und vergleichung der Natur und alten geſchichte. Dan
die
[366]Kurtzbuͤndige
die Egiptiſchen Prieſter/ die in beiderlei uͤberaus wohl
erfahren/ maͤrkten auf alles/ worinnen die Natur mit
den geſchichten uͤbereinkahm/ und ſtelleten nach beiden
allen ihren goͤtzendienſt/ und alle ihre heilige gepraͤnge
an; dergeſtalt daß ſie/ durch einen vermiſchten goͤtzen-
dienſt/ der geſchehenen dinge gedaͤchtnuͤs/ mit der Na-
tur zugleich/ vorſtelleten: jenes den verſtorbenen Koͤni-
gen zu ehren/ und ihren nachgelaßenen befreundten zum
troſte; dieſes aber den anfangenden lehrlingen zum un-
terrichte/ damit ſie beides die heiligen Satzungen und
die natuͤrlichen Wiſſenſchaften begreiffen moͤchten; wie
Apulejus in letzten ſeiner Mileſiſchen buͤcher bezeuget.


Aber hierbei muͤſſen wir auch beileuftig erinnern/
daß uns Mizraim mehr ein nahme des volkes/ das
Hams zweiter ſohn gezeuget/ als ſein eigener/ zu ſein
ſcheinet. Und alſo muhtmaßen wir/ daß er eigendlich
Men oder Menes/ wie er ſonſten genennet wird/ ge-
heiſſen. In dieſer meinung iſt auch Bochard in ſei-
nem Faleg/ da er am 292 bl. alſo ſchreibet: Misrajim
non eſt nomen hominis. Id non patitur forma dualis.
Itaque cum in Chami filiis ſecundus cenſetur Misra-
jim
, nomine Misrajim intellige partem incolarum ter-
Misrajim, id eſt Ægipti.
Ja ich halte darfuͤr/ daß
die Egipter erſtlich Miſorim/ darnach aber/ als ſie
ſich in zwei laͤnder oder teile geteilet/ Miſorajim und
zuſammengezogen Miſrajim ſeind genennet worden;
weil man befindet/ wie auch Oroſius/ im 2 h. des 1 b.
ſeiner geſchichte/ und Aetikus/ in ſeiner Aſiſchen be-
ſchreibung/ bezeugen/ daß dieſes Reich in das Ober-
ſte
/ da der Niel nur einen arm hat/ und in das Unter-
ſte
/ da er in viele ſich zerteilet/ vor alters ſei unterſchie-
den worden. Auch wird von Miſorim oder Miſo-
rajim
die einzele zahl Maſor oder Mazor מעוד in
der heiligen Schrift oftmahls gefunden. Naͤhmlich
im 2 b. der Koͤnige 19/ 24: בל יאזד םצזד alle Fluͤſſe
Ma-
[367]Anmaͤrkungen.
Maſors; und bei dem Eſaias 19/ 6: וחרבו
יאדי מעוד und die fluͤſſe Maſors ſollen truk-
ken werden
; dabei Kimchi anmaͤrket/ daß
Maſor eben ſo viel ſei/ als Mizraim. Bei dem Mi-
cha
ſtehet auch im 7/ 12: von Maſor/ das iſt von
Egipten/ bis an den flus זצד גהד , naͤhmlich Eu-
frat
/ da Kanaans grentze iſt. Dieſes Maſor מצוד
heiſſet ein feſter ort/ auch wohl ein aͤnger oder
ſchmaler; weil צוד zuſammenaͤngen/ und צד
ſchmahl oder aͤnge bedeutet. Beides komt Egip-
ten
zu: welches zuerſt vor andern Reichen der welt
von natur uͤber die maße feſt iſt; wie Diodor am 18
bl. des 1 b. und am 478 des 5/ als auch Strabo am
819 bl. des 16 b. uͤberfluͤßig bezeugen: und darnach
auch gantz ſchmahl und aͤnge; weil es von der ſee ab/
bis nach Siene zu/ ſehr lang/ aber gantz nicht breit iſt:
daher auch Eſaias 18/ 2/ die Egipter גוי מּמשך ein
lang ausgeſtrektes/ oder in die laͤnge gezogenes
volk
nennet.


Zu des 2 blates 1 zeile.


ISis war des Oſiris ſchweſter und gemahlin/ eine
algemeine Egiptiſche Abgoͤttin; welcher man fuͤr-
naͤhmlich die erfindung des gebrauchs der Fruͤchte/
und dan der Buchſtaben/ ja der Artzneikunſt ſelbſten/
wie Auguſtien 18/ 4/ von der Stadt Gottes meldet/
zuſchrieb. Sonſten bezeichnete ſie auch die gantze der
Sonnen macht unterworfene Natur: da ſonderlich
der Mohn/ und die Erde in betrachtung kommen.
Daher ſagt Euſebius im 6 h. des 1 b. von der vorbe-
reitung der Heilverkuͤndigung/ daß Oſiris die Son-
ne
/ und Iſis der Mohn ſei. Auch iſt ſie zugleich die
Erde; gleich wie Oſiris der Niel und alle trinckba-
re feuchtigkeit
: ja ſelbſten die Luft; da ſie von den
Egiptern
[368]Kurtzbuͤndige
Egiptern auch Minerva/ wie gemelter Euſebius
am obangezogenen orte/ im 2 h. des dritten b. bezeuget/
genennet ward.


Oſiris war allein maͤnliches geſchlechtes: Iſis aber
beides man und Fraue. Eine fraue war ſie/ ſo Fern ſie
Oſiris/ das iſt die Sonne den Mohn/ erleuchtet/
und gleichſam ſchwaͤngert/ ja der Niel die Erde be-
feuchtet und fruchtbar machet: und ein Man/ ſo fern
ſie als der Mohn betrachtet wird/ und alſo das em-
pfangene licht durch die luft ausleſſet/ und dem waſ-
ſer ſo wohl als der erde die kraft zu gebaͤhren giebet:
daher auch die Egipter den Mohn die Mutter der Er-
de nenten. Μητέρα τὴν σελήνην τον῀ κόσμον καλον῀ςι, και ῥύσιν
ἔχειν ἀρσενόθηλην ὄιονεαι, das iſt/ ſie nennen den
Mohn eine mutter der welt/ und waͤhnen/ daß
er beiderlei natur einflus habe
: ſchreibet Plutarch
im b. von der Iſis. Luna Ægyptiis, ſagt Voſ-
ſius
von der Abgoͤtterei urſprunge am 422 bl. bifariam
conſideratur. Primò quatenus lumen accipit à ſole, quo
modo fæmineæ eſt virtutis, \& Iſis dicitur: deinde qua-
tenus lumen per aëra in terras, \& aquas diffundit, ad
ſtirpium \& animantium generationem; quo pacto
jam viri partes ſuſtinet, \& Oſiridis quoque nomen ha-
bet. Jo. Raviſius Textor in Theatro ſuo, p. 843, 863.
Agellius l. 1 Noct. Attio. c. 28. Elias Schedius de Diis
Germ. p.
135. Daher ſagten etliche unter den Latei-
nern nicht allein in weiblicher endung Luna, welches
aus Lucina, zuſammen gezogen ſcheinet; ſondern auch
in maͤnlicher Lunus; wie Spartzian in ſeinem Ka-
rakelle
bezeuget. Quia Lunam magis ratione princi-
pii activi, ut dignioris, id eſt maſculini, attenderent;
quàm paſſivi, ſive fęminei; eò ſacerdotes Carreni pro Lu-
na Lunum
dicere juſſerunt. Voſſius de Idolol. l. 2. p.
466,
690, 696. Und alſo war Iſis ſo wohl/ als Oſiris/ eine
himliſche und irdiſche Gottheit: welcher/ nach ihren ſo
vielerlei
[369]Anmaͤrkungen.
vielerlei wuͤrkungen und eigenſchaften/ auch vielerlei
nahmen/ daher ſie μυϱιώνυμα, das iſt die Gottheit mit
tauſend nahmen
/ hies/ zugeeignet worden. Dan
wie alle der Heiden maͤnliche Goͤtzenſchaften der eini-
gen Sonne/ nach des Makrobius zeugnuͤſſe im 1 b.
zugeeignet warden; ſo eignete man auch dem einigen
Mohne alle/ die weibliches geſchlaͤchtes waren/ zu.
Daher ſagt Ariſtoteles/ in ſeinem buche von der Welt:
εἷς [...] ων πολυώνυμος ἐςὶ, κατονομαζόμενος το῀ις πάϑεσι
πᾶσιν ἅπερ αὐτὸς νεοχμεῖ: das iſt/ der einige Gott
hat vielerlei nahmen; indem er nach allen ſeinen
wuͤrkungen/ die er ſelbſten tuht/ genennet wird
.
Servius in l. 1 Georgic. Virgil. Und alſo ward die
Iſis/ welche zuvoͤrderſt des Mohnes gottheit be-
zeichnete/ Luna oder Lucina, Latona, Juno, Hecate,
Proſerpina, Diana, Olympias,
πολύμορφος δάιμων, Ily-
thia, Lilith, Anaitis, Cabar, Rhamnuſia, Peſſinuncia,
Tellus, Erthum
oder Ertha, Rhea, Cybele, Ceres, Mul-
timammea, Minerva, Pallas, Bellona, Venus, Aſtarte,

u. ſ. f. genennet. Ammian. Marcellinus l. 22. Capito-
linus
in Pertinace \& Macrino. Trebellius Pollio in Cel-
ſo. Auguſtinus l. 2 de Civit. Dei, c. 9. Turnebus Adverſ.
l. 22, c. 24. Salvianus c. 8 de provid. Dei. Apuleius.
Athan Kircher.
Panth. Ebreor. c. 16, \&c.
Diodohr
meldet/ daß Iſis von den Egiptern als eine Goͤttin
der gebuhrt ſei geehret worden: daher ſie den nahmen
Latona, oder Lucina, quòd ejus operâ fœtus in lucem
prodeat,
bekommen. Katullus:


Tu Lucina dolentibus
Juno dicta puerperis.
()

Goropius wil auch/ am 106 bl. des 5 b. ſeiner Her-
matehne/ aus dem Plutarch erweiſen/ daß durch die
Iſis die Goͤttliche Weisheit verſtanden werde;
und daß der nahme Iſis ſo viel heiſſe/ als iſtiſt. Daß
A aIſis
[370]Kurtzbuͤndige
Iſis und Zeres einerlei ſeind/ bezeuget Apuleius
im 2 b.


Wie hoch dieſe Iſis durch das gantze Egipten ſei
gehalten worden/ iſt zufoͤrderſt daraus abzunehmen;
weil die Egipter ſonſten nicht alle einerlei Abgoͤtter
ehreten/ wie Herodotus in ſeiner Euterpe meldet/
als allein die Iſis/ und den Oſiris: die dem gantzen
Egipten/ als die hoͤchſten und guͤhtigſten Gottheiten/
gemein waren. Darnach bezeugen es auch unterſchied-
liche uͤberſchriften/ die man/ ihr zu ehren/ hier und dar
in ihren heiligtuͤhmern angeſchrieben. Naͤhmlich/ Ich
Iſis bin alles/ das da ſein wird/ das da iſt/ und
geweſen iſt; und meinen vorhang hat kein ſterb-
licher iemahls aufgedekt
. Faſt dergleichen uͤber-
ſchrift ſtund zu Sais im Goͤtzenhauſe der Minerve/
wie Plutarch im buche von der Iſis meldet: naͤhm-
lich/ Ich bin alles/ was geweſen iſt/ was da iſt/
und was daſein wird: meine flammendekke hat
keiner unter den ſterblichen iemahls aufgedekt
.
Und anderwaͤrts befand ſich dieſe: Te, Tibi una, quæ
es omnia, Dea ISIS.
In etlichen warden ihr auch
die ehrennahmen/ Koͤnigin/ Fraue/ Herſcherin/
uͤberwinderin/ unuͤberwindliche/ ſiegsprahlen-
de/ fruchtbringende
/ und dergleichen zugeeignet.
Zudem heiligten die Egipter teils dieſer ihrer Abgoͤt-
tin/ teils dem Oſiris faſt alles/ was ihnen nutzen bei-
brachte. Dan ihr war heilig der Hundeſtern/ und
ward ſelbſten nach ihrem nahmen Iſis genennet/ ja
dem Morgenſterne vorgezogen: weil der Niel/ ſo bald
der Hundeſtern aufgegangen/ zu wachſen anfing; da-
her ſie auch waͤhneten/ daß dieſer ſtern ſolchen wachs-
tuhm wuͤrkte. Porphyrius in Scholiis ad Aratum p. 19.
Voſſius de Idololatr. p.
226, 498. Auch war ihr hei-
lig das ſternzeichen der Jungfrau/ wie dem Oſiris/
oder der Sonne daſſelbe des Leuens; und ward auch
nach
[371]Anmaͤrkungen.
nach ihr Iſis benahmet: weil der Niel/ wan die Son-
ne durch dieſes zeichen lief/ auf das hoͤchſte geſtiegen/
und die felder zur fruchtbarkeit befeuchtete. Ja der
gantze Tierkreus/ den die alten Egipter Olimpon
nenten/ daher ſie auch den nahmen Olimpias be-
kommen/ war ihr geweihet. Euſebius in Chronicis l. 1.
Langius de annis Chriſti l. 1, p.
171. Auch kan man
hiervon unſern Dichteriſchen Sternhimmel/ im
zeichen der Jungfrau/ und des Hundegeſtirnes/
leſen.


Wie nun dieſe Abgoͤttin ſo mancherlei nahmen ge-
habt/ ſo hat man ſie auch auf mancherlei weiſe abgebil-
det. Zuweilen begrif man in einem bilde faſt alle zei-
chen/ die ihre manchfaͤltige macht und auswuͤrkungen
andeuteten. Dergleichen ſeind in den bilderſtuͤkken die-
ſes Buͤchleins hier und dar zu finden. Auf dem tittel
wird ſie mit vielen bruͤſten/ daher ſie auch Multimam-
mea,
das iſt die Vielbruͤſtige/ heiſſet/ entworfen.
Dieſes bild war mit verborgenen roͤhren ſo kuͤnſtlich
zugerichtet/ daß die hitze der angezuͤndeten lichter un-
ter der hohlen ſchirmdekke uͤber dem heupte/ durch ſol-
che roͤhren/ die milch/ welche unten im bekken ſtund/
ſtraks hinauf in die bruͤſte zog; alſo daß ſie/ ſo lange
die lichter branten/ ſtaͤhts mit milche floſſen: welche/
als kleine ſtrahlen/ herunter in das bekken geſchoſſen
kahm/ und von dar wieder hinauf gezogen ward. Und
hierdurch machten die Prieſter dem gemeinen voͤlklein
eine ſolche blaue dunſt vor die augen/ daß es anders
nicht gleubete/ als daß ihre gewaͤhnte große Mutter der
Goͤtter ſolche milch von ſich ſelbſten flieſſen lieſſe. Kir-
cherius Oedipi Ægypt. tom. 2, part. 2, p.
333. Der-
gleichen zwei gekuͤnſtelte Goͤtzenbilder des Oſiris und
der Iſis ſtunden auch zu Sais. Das Oſiriſche gab
Wein/ und das Iſiſche Milch von ſich/ ſo bald das
feuer auf der goͤtzenhoͤhe angezuͤndet ward: ja ein Tra-
A a ijche
[372]Kurtzbuͤndige
che/ wie ein Habicht geſtaltet/ bewegte ſich unterdeſſen
mit einem heftigen ziſchen. So bald aber das feuer ver-
loſch/ ſtund alles ſtil. Hero in Automatis. So kuͤnſt-
lich und argliſtig wuſten die Egiptiſchen Prieſter das
arme volk zu betruͤgen/ und in ihrer abergleubiſchen
gottesfurcht zu erhalten. Sonſten ward mehr gemel-
dete Iſis/ wan ſie den Mohn allein andeuten wolten/
gemeiniglich mit hoͤrnern gebildet; weil der Mohn im
ab- und zu-nehmen gehoͤrnet/ und ihm der Ochſe/ der
ebenmaͤßig gehoͤrnet/ als des Akkerbaues ſinbild/ gleich
ſo wohl/ als der Sonne/ geheiliget war/ ſonderlich zu
Memfis; wie Elian in 11 h. des 11 b. ſeiner Tier-
geſchichte/ Diodor im 1 b. und Plutarch von der Iſis
und dem Oſiris/ bezeugen.


Herodotus ſchreibet in ſeiner Euterpe: τὸ γὰρ τῆς
Ἴσιος ἄγαλμα ἐὸν γυναικήίοκ, βον´κερών ἐςι, κατάπερ ἕλληνες
τὴν Ἰνο῀ν γράϕονσι, das iſt/ der Iſis Bildſeule/ welche
ein weibesbild iſt/ hat Ochſenhoͤrner; gleichwie
die Griechen die Jo zu bilden pflegen
. Dieſe Jo
war Inachs tochter/ die er mit des Foroneus ſchwe-
ſter gezeuget; und wird auch vor die Egiptiſche Iſis/
gleichwie ihr ſohn Epafus vor den Egiptiſchen A-
pis
/ gehalten: wiewohl es die Egipter bloß vor ein ei-
teles geſchwaͤtze der luͤgenhaftigen Griechen annehmen;
bei denen nichts gemeiner war/ als daß ſie anderer Voͤl-
ker Abgoͤtter ihnen zueigneten. Daß aber die Egiptiſche
Koͤnigin Iſis/ die mutter des Libiſchen Herkels/
nachdem ihr gemahl/ der Koͤnig Oſiris/ von ſeinem
bruder Tifon ermordet worden/ zum Gambriven in
Deutſchland ſei kommen/ das Getreidich/ welches den
menſchen zuvor unbekant/ unter andern gewaͤchſen ge-
funden/ und ſolches zu ſåen/ zu mahlen/ zu bakken/ auch
den gebrauch der wolle/ des oͤhls/ und des weines geleh-
ret/ und daher von den Schwaben vor eine Goͤttin
gehalten und aufgeworfen worden/ bezeuget/ ſamt an
dern/
[373]Anmaͤrkungen.
dern/ Aventinus im 1 ſeiner Bojiſchen Jahrbuͤcher-
Auch ſchreibet von den reiſen der Iſis Diodoor aus
Sizilien
: der in ſeinem 1 buche folgendes ſchriftmahl
anziehet: Ich Iſis bin die Koͤnigin dieſes
Reichs/ welche Merkuhr unterwieſen; die ſol-
che ſatzungen gegeben/ die niemand aufhoͤben
kan. Ich bin Gottes des juͤngſten Saturns
erſtgebohrne tochter. Ich bin des Koͤniges Oſi-
ris gemahlin. Ich bin dieſelbe/ welche den ſterb-
lichen zum allererſten die Fruͤchte gezeiget. Ich
bin des Koͤniges Orus mutter. Ich bin dieſel-
be/ die im ſterne des Hundes aufgehet. Mir zu
ehren iſt die ſtadt Bubaſt gebauet. Gehabe dich
wohl/ Egipten meine ernaͤhrerin
. Gleichesfals
ſagt Tazitus im buche von den ſitten der Deutſchen:
Pars Svevorum \& Iſidi ſacrificat. Unde cauſa \& origo
peregrino ſacro, parum comperi; niſi quòd ſignum
ipſum in modum Liburnæ figuratum, docet advectam
religionem.
Und daß ſonderlich zu Augſpurg/ wel-
ches/ wie Muͤnſter im 3 b. ſchreibet/ unter Schwa-
ben
gehoͤret/ der Iſis goͤtzendienſt im ſchwange gegan-
gen/ bezeuget/ neben andern maͤrkzeichen/ der Kien-
apfel
oder die Zwirbelnus im wapen dieſer ſtadt;
weil der Kien- oder Fiechten-baum der großen
Mutter der Goͤtter/ das iſt der Iſis/ heilig war. Ja
dergleichen anzeigungen des Iſiſchen goͤtzendienſtes
findet man auch anderwaͤrts ſo wohl im Nieder- als
Hoch-deutſchlande. Eisleben/ eine ſtadt in der
Grafſchaft Mansfeld/ da der Deutſche Moſes/ der
große Luhter/ welcher das Deutſche Israel aus der
Egiptiſch-Roͤhmiſchen dienſtbarkeit gefuͤhret/ geboh-
ren worden/ hat ihren nahmen zweifels ohne von dieſer
Iſis; als auch das Eiſenkraut/ Iſidis herba. Ob-
gemelter Aventien ziehet im 2 buche ſeiner Bojiſchen
Jahrgeſchichte folgende uͤberſchrift an/ welche man in
A a iijBaͤuern/
[374]Kurtzbuͤndige
Baͤuern/ als ein hinterlaßenes gedenkmahl der Roͤh-
miſchen kriegsleute/ gefunden.


ISIDI.
MYRIONIMÆ.
SACRUM.
FESINUS. T. IULI.
SUTURNINI. G. P. P.
SERRARI. POSUIT.
FORTUNATUS.
EIUSDEM. SER. T. S.
FACIUNDUM
CURAVIT.


Eine andere hat man auch im Niederdeutſchlande/
zum zeichen/ daß die Roͤhmer alda die Iſis ebenmaͤßig
geehret/ gefunden; und zwar folgende:


ISIDI. SACRUM.
SEX. POMPEIUS. SEX. L. SYRUS.
MIL. LEG. V. AUG. V. S. L. M.


Servius bei dem 8 b. vom Eneas wil/ das Iſis ſo
viel heiſſet/ als Erde. Iſis autem Ægyptiorum linguâ
terra eſt, quam Iſin eſſe volunt. Macrob. l. 1 Saturnal.
c. 20: Iſis cunctâ religione celebratur: quæ eſt vel terra,
vel natura rerum ſubjacens ſoli. Hinc eſt, quòd conti-
nuatis uberibus corpus deæ omne denſetur; quia vel
terræ, vel rerum naturæ alta nutritur univerſitas.
Aber
Diodor ſchreibet/ daß Iſis ſo viel geſagt ſei als alt;
und daß ſie dieſen nahmen von der alten und ewigen er-
zielung bekommen. Andere wollen/ daß Iſis aus dem
Ebreiſchen ביון, das iſt eine maͤnnin oder Jung-
frau
entſprieſſet; und daß die Egiptiſchen Prieſter da-
mit auf die gebuhrt unſers Heilandes aus einer Jung-
frau/ davon ſie vielleicht aus dem munde der Ebreer ge-
hoͤret/ ein auge gehabt. Doch hier von genug.


Zur
[375]Anmaͤrkungen.

Zur 2 zeile des 2 blats.


ANubis/ des Tifons und der Nefte/ die des Oſi-
ris
und der Iſis bruder und ſchweſter waren/ eini-
ger ſohn/ welcher ſonſt auch Enef oder Knef/ wie
Kircher/ Tiſius und andere melden/ genennet wird/
war ebenmaͤßig ein Egiptiſcher Abgott. Man bildete
ihn gemeiniglich mit einem hundeskopfe: weil er/ als
er dem Oſiris/ ſeinem vetter/ im Kriege gedienet/ ei-
nen Hund zum waffenzeichen/ oder einen Helm oder
ſturmhuht vom hundesfelle getragen; oder auch weil
er ein Jaͤger geweſen; oder aber/ wie Tiſius meinet/
weil der Niel bei angebrochenem klahren ſcheine des
Hundeſternes/ vor den auch Anubis ſelbſten von et-
lichen genommen wird/ in Egipten ſich ergieſſet. Da-
her ſagt Lukahn im 8 buche:


Non in templa tuam Romana accepimus Iſin,

Semideumque Canem.

und Virgiel im 8 vom Eneas:


Omnigenumque deûm monſtra, \& latrator Anubis.

Aber wer mehr von der hundeko̊pfichten geſtalt des A-
nubis
zu wiſſen luſt hat/ der ſchlage das 268 und fol-
gende blaͤtter unſers Dichteriſchen Sternhimmels
auf; da wir alles weitleuftig ausgefuͤhret. Etliche/
ja die Egipter ſelbſten/ ſtehen in der meinung/ daß dieſer
Anubis/ und Saturn einen und eben denſelben Ab-
gott bezeichnen: weil Κύων bei den Griechen ein hund
heiſſet; und Saturn ſo wohl bei den Ebreern/ als Is-
maelern und Perſern/ wie Aben Esra bezeuget/ Ki-
jun
genennet wird. Und daruͤm haben viele nicht be-
greiffen koͤnnen/ waruͤm die 70 Tahlmetſcher vor das
Ebreiſche wort ביון Kijun/ im 26 ſpr. des 25 hauptſt.
bei dem Amos/ in der Griechiſchen uͤberſetzung/ das
Egiptiſche Ραιφὰν oder Ρεφὰν geſetzet: weil Ρεϕὰν oder/
A a iiijwie
[376]Kurtzbuͤndige
wie etliche leſen/ Ρεμϕὰν, welches wort noch itzund bei
den Koptern in Egipten uͤblich/ ein gantz anderer Egip-
tiſcher Abgott geweſen/ als Anubis; nåhmlich eben
derſelbe/ den andere voͤlker Saturn genennet. Auch
verſtehet Plautus ſelbſten/ in einem ſeiner Schauſpie-
le/ durch das wort Ciun nicht den Anubis/ ſondern
den Saturn; wie Samuel Petit im 2 h. des 2. b.
ſeiner Anmaͤrkungen anweiſet. Aber die gemelten 70
uͤberſetzer/ weil ſie in Egipten ſchrieben/ haben das ei-
gentliche alte Egiptiſche wort lieber gebrauchen wollen;
wie es auch der Bluhtzeuge Steffan/ im 43 ſpr. des
7 h. der Apoſtelgeſchichte/ behalten: ἀνελάϐετε τὴν σκή-
νην ον῟ Μολὸχ, καὶ τὸ ἄςρον ον῟ θεον῀ ὑμῶν Ραιφὰν. Ihr nah-
met die huͤtte des Molochs an/ und den Stern
eures goͤtzen Refans
: das iſt/ ihr machtet euch den
Mars/ welcher eben derſelbe als der Egiptiſche Mo-
loch
war/ und den ſchweifſtern des Saturns zu Ab-
goͤttern.


Sotis/ ἡ Σῶϑις, das iſt der Hundesſtern/ oder
das Hundegeſtirn/ ſonſt gemeiniglich σεὶριος, Si-
rius
genennet/ war gleichesfals ein Egiptiſcher Abgott:
deſſen wuͤrkung die Egipter den auf- und uͤber-lauf des
Niels zuſchrieben; wie wir am 252 und 263 bl. un-
ſers Dichteriſchen Sternhimmels weitleuftig an-
gewieſen. Und daruͤm gaben ſie ihm die naͤchſte ſtelle
nach der Sonne und dem Mohne/ dergeſtalt daß ſie ihn
allen andern ſternen/ ja ſelbſt dem Morgenſterne vorzo-
gen. Prophyrius in antro Nympharum: Ægyptiis prin-
cipium anni eſt, non Aquarius, uti Romanis, ſed Cancer.
In cancro enim eſt
Sothis, quam Canis ſidus Grœci dicunt.
Neomenia autem ipſis eſt
Sothidis ortus, quæ generationis
mundi ducit initium.
Ja die Egipter fingen nicht allein
ihr Großes jahr/ welches aus vier Sonnenjahren
beſtund/ vom aufgange des Sotis oder hundeſternes
an; ſondern nenneten es auch ſelbſt/ nach ſeinem nah-
men/
[377]Anmaͤrkungen.
men/ das Sotiſche jahr/ annum Sothidis ſive Canicu-
larem. Voſſius
de Idololatr. l. 1, c. 28. Langius de An-
nis Chriſti l. 1, p. 224. Nic. Cauſſinus de Symbolica
Ægypt. ſapient. p.
83. Auch kan hierbei unſer Dich-
teriſcher Sternhimmel
/ Cœlum Aſtronomico-poë-
ticum,
am 266 bl. geleſen werden. Es ward aber nicht
allein der Zungenſtern des Hundegeſtirnes/ der dem
Oſiris/ wie der Stirnſtern in eben demſelben Stern-
zeichen der Iſis/ eigentlich geheiliget/ abſonderlich
Sirius genennet; ſondern auch das gantze Sternzeichen
ingeſamt: wie wir am itzt angezogenen orte mit meh-
rem angezeiget. Und unter dieſem nahmen iſt auch
der Hundeſtern ſo wohl bei den Lateiniſchen/ als Grie-
chiſchen Dichtmeiſtern nicht wenig bekant.


Virgilius 4 Georgiκῶν:


Jam rapidus torrens ſitientes Sirius Indos

ardebat cœlo.

Idem:


Præcipueque vigil fervens cùm Sirius ardet.

Et 10 Æneidos:


Non ſecus ac liquidâ ſi quando nocte cometæ

ſanguinei lugubre rubent, aut Sirius ardor,

ille ſitim, morbosque ferens mortalibus ægris,

naſcitur.

Hierbei hat Servius angemaͤrket: Sirius ſtella eſt in
ore Canis,
quæ, quantum in ipſa eſt, peſtifera eſt: ſed pro
qualitate adjacentium aut vincitur, aut majoribus uti-
tur viribus. Hinc eſt, quòd, cùm tempore certo ori-
tur, non ſemper noxia eſt.
Man hat ſich aber alhier
nicht wenig zu verwundern/ daß die Dichtmeiſter/ ſon-
derlich die Lateiniſchen/ den Sirius gemeiniglich/ nach
des Hundegeſtirnes boßhaftiger/ und nicht liebreicher
kraft und eigenſchaft/ beſchreiben: da doch durch dieſen
nahmen/ der ſonſt alles/ was guͤhtig und liebreich iſt/
A a vbedeutet/
[378]Kurtzbuͤndige
bedeutet/ wie wir im mehr gemelten Dichteriſchem
Sternhimmel
erwieſen/ allein das widerſpiel ſolte
verſtanden werden.


Statius l. 3 Silvarum:


Acer anhelantes incendit Sirius agros.

Idem:


Illos implacido lethalis Sir ius igni.

Lucanus libro 10:


rapidus qua Sirius ignes

exerit.

Valerius Flaccus l. 1:


Sic cùm ſtabulis, \& meſſibus ingens

ira Deûm, \& Calabri populator Sirius arvi

incubuit.

Nonnus:


Μετὰ Σείριον, ἀςέρα Μαίρης,

αἰϑέρος ἀςὸν ἐγώ σε, [...] ἀςερόεντα τελέοςω

ἄγχι κυνὸς πρότερον, ςαϕυλὴν ἵνα και σὺ πεπαίνης

βότρυος ἐς λιϑείαν ἀκοντίζων σέϑεν αἴγλἱω.

das iſt/ ſagt Oſiris oder Bachus zu ſeinem Hunde/
oder vielmehr zum Anubis/ oder aber Kaleb/ der des
Moſes/ welchen Voſſius vor den dritten Oſiris
helt/ getreuer mitgefaͤhrte war: ich wil dich nach
dem
Sirius/ der Mirjam oder Marien ſterne/
(dan Maira ſcheinet aus Maria oder Mirjam/
dem nahmen der ſchweſter des Moſes/ gebildet zu
ſein) zum buͤrger des Himmels/ und mit vielen
ſternen/ bei dem voͤrderſten
Hunde/ leuchten ma-
chen; damit du die weinbeeren zeitigeſt/ indem
du deine ſtrahlen auf die trauben wirfeſt
.


Zur dritten zeile des 2 blats.


ORus oder Horus/ ὧρος, den die Egipter auch
Kemin nenten/ des Oſiris und der Iſis ſohn/
war
[379]Anmaͤrkungen.
war ebenmaͤßig ein Egiptiſcher Abgott; welchen ſie vor
den herſcher der zeit oder der jahre/ wie aus den
uͤberſchriften der gebalſemten leichen zu ſehen/ hielten:
wiewohl ihm ſonſten eigendlich nur das vierde und
letzte teil ihres Sotiſchen oder großen jahres/ wie das
erſte teil dem Sotis oder dem Hundesſterne ſelbſten/
das zweite der Iſis/ und das dritte dem Oſiris/ zu
beherſchen zugeeignet war. Und davor hielten ſie ihn/
ſo fern er aus dem himliſchen Oſiris und der him-
liſchen Iſis
/ das iſt aus der Sonne und dem
Mohne/ gezeuget zu ſein verſtanden/ und der himli-
ſche Orus
genennet ward. So fern er aber irdiſch/
und aus dem irdiſchen Oſiris und der irdiſchen
Iſis
/ das iſt aus der zuſammenfuͤgung des Niels
und der Erde/ gebohren zu ſein betrachtet ward; als-
dan bezeichnete er ſo wohl der erde/ als der luft frucht-
bare geſtalt zum wachstuhme der dinge geſchikt/ das
iſt das fruchtbahre gewitter/ die wolken/ den regen/ den
tau/ u. d. g. Daher ſagt Voſſius vom uhrſpr. der
Abgoͤtterei am 614 bl. Ex Nili \& Iſidis concubitu
naſcitur Orus; nempe ſubcœleſt is; quo indicatur tum aë-
ris, tum terræ temperies, rebus producendis apta.
Und
uͤm dieſer milterung der luft willen/ ſcheinet er auch
zum teil von den Egiptern mit unter die Artzneigoͤtter
gerechnet zu ſein: da ſie ihn Harpokrates nenten;
wie Kircher am 354 bl. des 2 t. ſeines Egiptiſchen
Oedipus bezeuget. Ja er ward zu weilen gar vor den
Apollo/ den Sonnen- und Artznei-goͤtzen/ ſelbſt
genommen/ Macrob. l. 1 Saturn. c. 21. Wie nun dem
Orus die Luft gleichſam zugeignet war: ſo beſaß ſeine
mutter Iſis die oberſte helfte der Erde/ ſo weit ſie
nåhmlich von der ſonne erleuchtet wird/ und der tag
reichet; und ſeiner mutter ſchweſter Nefte/ des Ti-
fons
gemahlin/ die andere und unterſte helfte der
Erdkugel/ ſo weit ſie die nacht uͤberſchattet; Anubis
aber/
[380]Kurtzbuͤndige
aber/ der Nefte ſohn/ den Kreusendiger/ alſo daß er
die oberſte und unterſte helfte der erde/ gleich als ein
hund/ bewachte/ und gleichſam anbaͤllete/ wie Plutarch
meldet. Iſidi terram dedere, ſagt auch Voſſius/ qui
horizonte noſtro continetur. Nephthyi partem terræ
pedibus noſtris adverſam. Ipſum horizonta Anubi-
dis
eſſe dixerunt: qui filius Typhonis, cuique dedica-
runt canem; quòd hemiſphærii utriuſque cuſtos ſit.


Zur 4 zeile des 2 blats.


KAnopus/ welches etliche Kanobus/ nach dem
Griechiſchen Κάνωϐος, ſchreiben/ war des Troji-
ſchen Koͤniges Menelaus ſchifshaupman/ aus La-
konien
buͤrtig: wiewohl Ariſtides ſolches leugnet/
und den Hekateus/ der es bejahet/ in ſeiner Rede
von den uhrſachen des wachſenden Niels/ widerleget;
auch darbei fuͤget/ daß Kanopus/ eine nach gemel-
ten Lakoniers nahmen alſo genente Egiptiſche ſtadt/
etliche hundert jahre vor des Menelaus ankunft in
Egipten ſchon dieſen nahmen gefuͤhret. Daß er aber in
gemelter ſtadt von einem natterſtiche geſtorben/ und
begraben worden/ bezeugen Strabo im 17 b. und Ta-
zitus
im 2 ſeiner Jahrbuͤcher/ als auch Sulpitz.
Nach ſeinem tode ſol ihm Menelaus/ ſeine große
treue zu vergelten/ ein Goͤtzenhaus/ deſſen Euſtatius/
und Dioniſius gedenken/ bei dem Kanopiſchen Niel-
hafen geſtiftet haben. Ja die Egipter ſelbſt haben ihn
als einen Waſſergoͤtzen geehret/ und Neptuhn/ wie
Steffanus bezeuget/ genennet. Sein gotzenbild/ wie
Euſebius in 2 b. ſeiner Kirchengeſch. meldet/ ward
mit einem uͤberaus dikken bauche/ und ſehr fettem
wanſte gebildet; vielleicht daruͤm/ weil der Niel/ den
man ihm zueignete/ fet machte: da doch die Egip-
ter ſonſt allen ihren Abgoͤttern eine ſchlanke geſtalt ga-
ben.
[381]Anmaͤrkungen.
ben. Dan ſie hielten darvor/ wie Plutarch bezeuget/
daß die ſchlanke leibesgeſtalt dem Goͤttlichen bilde am
gleicheſten ſei. Daher muſten auch die Prieſter gantz
nicht fet ſein. Das war ihnen ein greuel. Daruͤm
lebten ſie ſo uͤber die maße maͤßig/ ſchreibt Porfirius/
und Tiſius vom Stahtsweſen der Egipter. Daruͤm
trunken ſie auch das Nielwaſſer/ welches die eigen-
ſchaft hat fet zu machen/ ſehr ſpahrſam. Ja damit die
geheiligten Ochſen/ Mnevs/ und Apis/ nicht fet
wuͤrden/ gab man ihnen kein Nielwaſſer zu trinken.
Wie nun die Egipter mit rohthaͤhrichten und blaſſen
Menſchen nicht gern uͤmgingen/ ſo ſahen ſie auch die
fetten waͤnſte nicht gern. Daruͤm war ihnen auch der
Koͤnig Menis/ ſeines ſchmeerbauches/ und wohlluͤ-
ſtigen ſchlemmeriſchen lebens wegen/ ſo verhaſſet/ daß
ſie ihm nicht allein die Sau zum ſinbilde gaben/ ſon-
dern auch ſelbſt eine ſeule zu Tebe lieſſen aufrichten/
welche mit lauter fluͤchen wider dieſen koͤnig beſchrie-
ben; wie bei dem Pierius im 9 b. ſeiner Egipt. Bil-
derſchriften zu leſen.


Sonſten bildeten die Egipter dieſen ihren Abgott
Kanopus gemeiniglich ab mit einem runten Waſ-
ſerkruge; welcher einen dikken bauch/ und oben auf
dem halſe des Kanopus kopf ſtehen hatte. Auch
war an demſelben ein handgrif/ darauf eine zuſammen-
geflochtene Natter/ vielleicht daruͤm/ weil den Kano-
pus
eine natter getoͤdtet/ ſich erhub. Apuleius in ulti-
mo Mileſiarum: ejus orificium non altiuſculè eleva-
tum, in canalem porrectum, longè rivulo promine-
bat. Et aliâ parte multum recedens, ſpatioſâ dilatatio-
ne adhærebat anſa, quam contorto nodulo ſuperſede-
bat aſpis ſqameæ cervicis ſtricto tumore ſublimis.
Zu
weilen waren dieſe Kruͤge glat und ohne ſchrift/ zu wei-
len mit wunderlichen heiligen ſchriftzeichen und ſin-
bildern der Egipter gezieret. Weil Kanopus ein
Schif-
[382]Kurtzbuͤndige
Schifinan/ wie geſagt/ geweſen/ ſo heiligten ihm die
Egipter auch das Sternzeichen des Schiffes; und
nenneten nicht allein deſſelben groͤſſeſten ſtern/ der am
mittagsruder ſtehet/ ſondern auch das ſchif ſelbſten
nach ſeinem nahmen; wie wir in unſrem Dichteriſchen
Sternhimmel am 325 bl. beruͤhret. Aber von dieſem
Abgotte koͤnnen geleſen werden Stephanus in Κάνωϐος;
Suidas in Κάνωπος; Rufinus Hiſt. Eccl. l. 2, c. 26; Petr.
Crinitus
l. 11 de honeſta diſciplina; item Voſſius Theol.
gentil. l. 1, c.
31.


Zur 7 und 8 zeile des 2 blats.


MOmft/ Momphta, Monphta, das iſt Gott des
waſſers
/ oder Waſſer Gottes/ wie es Abene-
fi
erklaͤhret/ war ein Abgott des wachſenden Niels/ in-
crementi Nilotici præſes numen,
ſagt Kircher im 1 t.
ſeines Egiptiſchen Oedipus/ am 115 bl. Ihm war der
Leue heilig: und das Leuengeſtirn/ ſamt dem
Leuenmohnde/ ſtunden unter ſeinem gebiete. Da-
her pflegte der Pfaffe dieſes Abgottes/ wan er dem
Niele ſeinen goͤtzendienſt leiſtete/ mit einer Leuenhaut
bekleidet zu ſein.


Omft/ Omphta, war der Abgott des fallenden
Niels: daher ihm auch das ſternzeichen der Wage/
ſamt dem herbſt mohnde/ darinnen der Niel faͤllet/ ge-
heiliget.


Zur 14 und 15 zeile des 2 blats.


DIe Egipter pflegten ihren Goͤtzen waͤchſerne Ta-
feln/ darauf ihre bitte geſchrieben ſtund/ an die
kniehe zu haͤngen. Daher ſagt Juvenahl:


Propter quæ fas eſt genua incerare Deorum.

Zur
[383]Anmaͤrkungen.

Zur 18 und 19 zeile des 2 blats.


CYprianus in carmine de Chriſtiano apoſtatâ:


Mente fremunt, lacerantq; corpus, fundunt-

que cruorem.

Lactantius l. 1 Inſtit. Apulejus l. 8 Metamorph. Herodot.
l. 2. Clemens Alexandrinus Stromat. l. 6, p. 465, \& l. 7,
c, 8. Guido Pancirollus rer. memorabil. deperdit. l. 1.
Beroald. ad Apuleji l. 11 Mileſ. Voſſius Theol. gentil.
p.
203.


Zur 22 und 23 zeile des 2 blats.


TIfon/ Typhon, Typhaon, Typhoëus, den die E-
gipter auch Set/ Bebon/ und Smi nenneten/
des Oſiris und der Iſis/ als auch der Nefte/ ſeiner
gemahlin/ bruder/ ward vor den anfang alles boͤſen/
gleichwie Oſiris alles guhten/ gehalten; weil jener ein
wuͤhterich/ der auch ſelbſt ſeinen bruder Oſiris ermor-
det/ dieſer aber ein frommer koͤnig geweſen. Ja ſie eig-
neten jenem alles boͤſe/ das in der gantzen Natur war/
und dieſem alles guhte zu. Und daruͤm pflegten ſie ihm
auch/ ſeine wuͤhtende macht zu beſaͤnftigen/ Eſel und
rohte Kuͤhe zu opfern: und trugen ſchwartze kleider.
Beſiehe hiervon weiter Atanaſius Kirchern im 1 t.
ſeines Egipt. Oedipus/ in der 2 abteil. am 23 bl. als
auch unſern Dichteriſchen Sternhimmel/ am 114/ 253
und 288 bl.


Zur 12 und 13 zeile des 5 blats.


ALs Abraham im lande Kanaan/ zwiſchen Be-
tel
und Ai/ wohnete/ uͤberfiel das land eine große
teurung. Daruͤm begab er ſich/ mit ſeiner fraue Sara/
in das naͤchſtgelegene Egipten: dem/ ſeiner uͤber-
ſchwaͤnglichen fruchtbahrkeit wegen/ keine misjahre/
die
[384]Kurtzbuͤndige
die man mit recht misjahre nennen konte/ bewuſt wa-
ren. Als nun Abraham in Egipten kahm/ dieſes
ſeind Moſes im 12 hauptſtuͤkke ſeines 1 b. eigene wor-
te; da ſahen die Egipter das weib/ daß es faſt
ſchoͤne war. Und die Fuͤrſten des Farao ſahen
ſie/ und preiſeten ſie fuͤr ihm. Da ward ſie in des
Farao haus gebracht. Und er taͤht Abraham
guhtes uͤm ihret willen: und er hatte ſchafe/ rin-
der/ eſel/ knechte und maͤgde/ eſelinnen/ und ka-
mehle. Aber der HErꝛ plagte Farao mit großen
plagen/ als auch ſein haus/ uͤm Sara Abra-
hams weibes willen
/ u.a.m. Dieſen Farao oder
Egiptiſchen koͤnig nennet der Araber Abdalla Ben
Geled
/ in ſeiner erzehlung der Egiptiſchen koͤnige/
Tautis: welcher bei andern auch Faunus und Sa-
ruch
heiſſet. Seine eigene worte lauten verdeutſcht al-
ſo: Tautis war derſelbe Farao/ welcher die Sare
des Abrahams Fraue behielt. Dieſem folgete ſei-
ne tochter
Hazubah; dan er hatte keinen ſohn.
Sie war aber die erſte Frau/ welche uͤber
Egipten
herſchete. Als ſie todt war/ beſaß das Koͤnig-
reich
Amhaz Alfa/ die tochter Mamums/ des
ſohns
Malia: und nach dieſer/ Alvalid. Sie lebe-
ten eine lange zeit/ und vermehreten ſich derge-
ſtalt/ daß ſie das gantze
Egipten erfuͤlleten. Sie
waren aber aus dem ſtamme des Amaleks/ des
ſohns Luds/ des ſohns Sems. Und nach
Al-
valids abſterben/ herſchete nach ihm Alrian. Die-
ſer war dazumahl Koͤnig/ als
Joſef in Egipten
verkauft ward: den er auch/ weil er ſeinen traum
auslegte/ aus dem gefaͤngnuͤſſe zog/ und zu den
groͤſten wuͤrden in
Egipten erhub. Als Alrian Ben
Alvalid geſtorben war/ beſaß nach ihm das Koͤ-
nigreich
Daran: bei deſſen lebezeit Joſef/ friede
ſei uͤber ihm/ geſtorben
/ u.ſ.f.


Die-
[385]Anmaͤrkungen.

Dieſer Tautis aber war kein ander/ als der weltbe-
kante wahrhaftig dreimahlgroße Hermes/ oder
Hermes Trismegiſt
/ der gantzen Egiptiſchen Weis-
heit ſpringbrun und uhrhoͤber/ ja der erfinder der Son-
nenſeulen/ ſamt der heiligen Egiptiſchen Bilderſchrift:
welchen die Foͤnizier/ wie Euſebius im 7 h. des 1 b. be-
bezeuget/ Taut; die Egipter Tot/ auch Ftat/ das
iſt den Gott der Goͤtter/ und Hermes; die Ara-
ber aber Idris/ oder Adris nach dem Ebreiſchen Ha-
dores
/ das iſt/ einen fuͤrtreflichen Vernunft-
fechter
/ diſputatorem inſignem, genennet. Die Ara-
ber pflegen zwar alle dieſe nahmen/ in ihren ſchriften/ ge-
meiniglich dem Enoch zuzueignen; den ſie ſonſt Ha-
nuch
/ auch zugleich ſelbſt Oſiris/ naͤhmlich den al-
lererſten/ nennen; wie aus dem Ahmed Ben Joſef
Eltifaſi/ Abenefi/ Kaab Elchabar
zu ſehen:
welcher letztere/ in ſeinen Sarazeniſchen Geſchichten/
unter andern auch dieſes ſchreibet: Es war aber
Adris ein ſchneider/ und der erſte/ der kleider ge-
macht hat; und ſo oft er die nahtel durchzog/ lo-
bete er Gott/ und heiligte Ihn
. Dieſes bezeuget
auch Vaſiab/ als auch Ismael Schiahin: welcher
ſaget/ daß er ihm ſelbſt das erſte kleid gemacht/ da die
menſchen zuvor mit tierefellen uͤmhaͤnget geweſen; ja
er habe zum erſten/ im wege Gottes/ die waffen ge-
brauchet/ und wider Kabiels ſoͤhne/ Kains nach-
kommen/ geſtritten; auch zuerſt das maß und gewicht
erfunden. Ja es ſcheinet/ daß die Araber und Kal-
deer alles/ was die Griechen und andere vom Oſiris
geſchrieben/ dem Enoch oder Adris/ wie ihn die mei-
ſten nennen/ zugeeignet. Aber der zweite und rechte Her-
mes Trismegiſt
/ der die erſten Sonnenſeulen/ uͤm
das 2213 weltjahr/ oder uͤm das 1840 vor der Heilge-
buhrt/ erfunden/ und die Egiptiſche Prieſterſchaft
geſtiftet/ war/ nach der ſuͤndfluht/ nicht allein der erſte
B bPrieſter
[386]Kurtzbuͤndige
Prieſter in Egipten/ ſondern auch der dritte Koͤnig; der
dem Mizraim/ und Mesramutiſis folgete. Da-
hin kahm er erſt/ aus Waͤlſchland/ zum Mizraim;
dem er/ ſeiner großen weisheit wegen/ ſo lieb war/ daß
er ihm alle ſeine heimligkeiten anvertrauete/ ja ihn zu
ſeinem geheimen Rahte machte. Nach deſſen/ und dan
auch ſeines ſohnes und reichserbens tode/ erhub ihn
ſeine weiheit gar auf den Egiptiſchen reichsſtuhl. Und
alſo war er eben dazumahl koͤnig/ als Abraham/ mit
der Sara/ vor der teurung in Egipten flohe. Von
ihm bezeugen auch die Ebreer in ihrem Buche/ welches
בית מלביצדק, das iſt das Haus Melchiſedeks/
genennet wird: daß er eine ſehr große weisheit beſeſſen;
daß er einer aus Kanaans nachkommen geweſen;
daß er viel gelehrte Leute erzogen/ die nach ihm Adris
genennet worden. Eben daſſelbe/ und noch mehr meldet
auch von ihm der Araber Alkandi/ bei dem Gelal-
dien
. Aber wir hetten des Juͤden Abraham Za-
chuts
/ der uͤm das 1502 heiljahr geſchrieben/ ſchier
vergeſſen. Dieſer nennet/ in ſeinem Buche Juchaſin,
das iſt der Stambeſchreibung/ den Egiptiſchen Koͤ-
nig/ der zu Abrahams zeiten geherſchet טוטיס Tu-
tis
: aber er meldet/ daß er der funfzehende nach der
ſuͤndfluht/ und der erſte aus dem geſchlechte der Kob-
ter
geweſen. Saumbeni neunder ſohn/ ſchreibt
er/ hies Tutis. Dieſer war der erſte Farao/ der
zu Abrahams zeiten gelebet/ und geſtorben iſt/
auch einen kleinen Sohn hinterlaßen. An deſ-
ſen ſtat herſchete ſeine mutter
Kuria. Naͤhm-
lich dieſelbe/ die der
Saren ihre magd Hagar ge-
geben
. Andere wollen/ daß Hagar des koͤnigs Tauts
tochter ſelbſten geweſen. Jonatan der Kaldeer/ in-
dem er das 16 h. des Buchs der ſchoͤpfung erklaͤhret/
ſchreibet alſo: dieſe Sara hatte eine Egiptiſche
magd/ die
Agar hies/ בדת פדעח eine tochter
Faraons:
[387]Anmaͤrkungen
Faraons: die er ihr zur magd gab/ als er uͤm
deſſent willen/ weil er ſie genommen/ nach dem
worte des HERꝛn geſchlagen ward
. Und der
Ebreiſche Schriftmeiſter Selomo ſetzet/ in ſeinen
Anmaͤrkungen bei dieſem orte/ hinzu: daß Farao/
als er die zeichen geſehen/ die uͤm der Sara willen ge-
ſchahen/ zu ſeiner tochter Agar geſagt hette: Es iſt
beſſer/ daß du in dieſem hauſe eine Magd/ als in
einem andern eine Fraue biſt
.


Abimelech der koͤnig der Filiſter/ welcher zu Gerar
hof hielt/ lies nach der zeit Saren/ weil ſie ſo ſchoͤne
war/ ebenmaͤßig zu ſich hohlen. Und daruͤm verſchlos
der HERꝛ alle muͤtter des hauſes Abimelechs ſo
hart/ daß keine gebaͤhren konte. Auch erſchien Er ihm
des nachts im traume/ und ſprach zu ihm: ſiehe da! du
biſt ein man des todes/ uͤm des Weibes willen/
das du genommen haſt: dan ſie iſt eines Man-
nes Ehweib
. Weil aber Abimelech ſolches aus
einfaͤltigem hertzen getahn/ indem er/ nach Abra-
hams
und der Saren eigenem berichte/ nicht anders
wuſte/ als daß ſie mehr nicht/ als ſeine ſchweſter ſei/ wie
ſie dan auch vom vater/ wiewohl nicht von der mut-
ter/ ſeine ſchweſter war: ſo bewahrete ihn Gott/ daß er
nicht wider ihn ſuͤndigte; indem er nicht zulies/ daß
er ſie beruͤhrete: wie Moſes im 20 h. des Buches der
ſchoͤpfung weitleuftiger hiervon ſchreibet.


Daß aber dieſe Sare ſo uͤberaus ſchoͤn geweſen/ kan
uͤberdas auch daraus geſchloſſen worden/ weil die
Egipter ihre Abgoͤttin der ſchoͤnheit und liebe Za-
hara
oder Sahara genennet: welches wort ſie/ nach
meiner muhtmaßung/ nirgend anders her/ als aus dem
nahmen Sara/ gebildet; auch damit keine andere/ als
des Abrahams Fraue/ die wunderſchoͤne Sara/ ver-
ſtanden. Sonſten wird itzund Libien von den einwoh-
nern auf Arabiſch Sara oder Zaara oder Zahara/ das
B b ijiſt
[388]Kurtzbuͤndige
iſt eine Wuͤſte oder Einoͤde/ weil es alda viel wuͤſte-
neien giebet/ genennet: wiewohl die Araber dieſen nah-
men nur einem teile deſſelben/ das ſteinicht und kieſe-
licht iſt/ zu geben pflegen.


Zur 14/ 15/ und 16 zeile des 5 blats.


DIe ſchoͤnheit dieſer Rebekka/ des Betuels
tochter/ und Iſaaks Ehfraue/ giebet Moſes im
16 ſpr. des 24 h. und im 7 ſpr. 26 h. ſeines 1 b. gnug-
ſam zu verſtehen. Auch erzehlet er im letztgemelten h.
was ſich mit ihr zu Gerar begeben.


Zur 17 und folgenden zeilen des 5 blats.


DEr Rahel/ die eine tochter Labans des Bruders
der Rebekke/ und Jakobs Ehfraue war/ aus-
buͤndige ſchoͤnheit beſchreibet Moſes ebenmaͤßig/ im
17 ſpr. des 29 h. ſeines 1 buches/ zwar kurtz/ doch deut-
lich genug.


Zur 20 und folgenden zeilen des 6 blats.


HIervon ſchlage den 18/ 20/ und 30 ſpr. des itzt
angezogenen 29 h. auf.


Zur 5 und folgenden zeilen des 7 blats.


TAhre oder Tarah/ Nahors des erſten dieſes nah-
mens ſohn/ und enkel Sarugs/ Abrahams va-
ter/ war ein fuͤrtreflieher Bildhauer; wie viel Ge-
ſchichtſchreiber der Ebeeer/ Araber und anderer mor-
genlaͤndiſchen voͤlker bezeugen. Ja er machte nicht al-
lein die Goͤtzenbilder; ſondern dienete ihnen/ ſeinen
eignen gemaͤchten/ auch ſelbſt. Er ſelbſt war es/ der am
allererſten/ nach der ſuͤndfluht/ und dem Babelſchen
Turn-
[389]Anmaͤrkungen.
Turnbaue/ den Goͤtzendienſt wieder aufgebracht; wie
Epifanius bezeuget. Daher wollen ihrer viel urtei-
len/ daß ſein ſohn Haran/ ihm zur ſtrafe/ eher ſei
weggeruͤkt worden/ als er: welches zuvor noch niemahls
geſchehen/ als mit dem einigen Abel; den aber nicht
Gott/ ſondern Kain/ wegruͤkte. Und daß er ein Goͤ-
tzendiener geweſen/ deutet die heilige Schrift ſelbſten
an/ im 24 h. des buchs Joſua: welcher alda die Staͤm-
me Iſraels alſo anredet: Naͤhmlich/ ſo ſagt der
HERꝛ/ der Gott Iſraels: eure Vaͤter wohne-
ten vor zeiten jenſeit dem waſſer
/ Tarah/ Abra-
hams
und Nahors Vater; und dieneten an-
dern Goͤttern. Da nahm ich euren Vater
Abra-
ham jenſeit des Waſſers/ und lies ihn wandern
im gantzen lande Kanaans
/ u. ſ. f. Die uͤberſe-
tzung der 70 Aelteſten lautet alhier alſo: πέραν τοῦ
ποταμοῦ οἱ πατέρες ὑμῶν ἀπ᾽ ἀρχῆς, ϑάρα ὁ πατὴρ ἀσο ραὰμ,
καὶ ὀ πατὴρ Ναχὼρ, καὶ ἐλάτρσυσαν ϑεοῖς ἑτέροις. Zudem
bezeuget Serenus: daß Abraham/ als er/ im ſech-
zigſten jahre ſeines alters/ ſeinen vater Tarah vom
goͤtzendienſte abgemahnet/ und nichts ausgerichtet/
das Goͤtzenhaus endlich gar angezuͤndet: da dan Ha-
ran/ Abrahams
juͤngſter bruder/ indem er die goͤtzen
aus der flamme retten wollen/ mit dem goͤtzenbaue zu-
gleich verbrant ſei. Was aber fuͤr ein goͤtzendienſt in
Abrahams vaterlande ſei im ſchwange gegangen/ zei-
get Moſes Ben Majemon in ſeinem ſo genenten
More Nevochim/ im 30 h. des 3 b. weitleuftig an.
Unter andern ſchreibet er/ daß man alda das Feuer
geehret; und gegleubet/ daß keine andere Goͤtter weren/
als die Sterne; ja daß man die Sonne vor den
groͤſten unter allen Goͤttern gehalten/ und den Mohn
naͤchſt ihr: welcher meinung Abraham widerſpro-
chen/ und angezeiget/ daß einander wuͤrker und her-
ſcher ſei/ als die Sonne/ u. a. m. Hieraus ſiehet man/
B b iijdaß
[390]Kurtzbuͤndige
daß Sonne/ Mohn/ und Sterne nach der ſuͤnd-
fluht die allererſten Goͤtter oder vielmehr goͤtzen gewe-
ſen: und daß man das griechiſche wort ϑεὸς, das ſo viel
heiſſet/ als Gott/ und von ϑέειν, das iſt lauffen/ ge-
bildet/ ihrer ſtaͤhtigen bewegung und ewigen lauffes
wegen/ ihnen am allererſten zugeeignet; dergeſtalt/ daß
es von ihnen entſproſſen/ und nachmahls auch andern
ſich gar nicht/ oder nicht alzeit bewegenden/ und bald
vergaͤnglichen dingen/ die man vergoͤtlichte/ gegeben
worden. Plato in Cratylo: ϕάινοντάι μοι ὁι πρῶτοι τῶν
ἀνθρώπων περὶ τὴν Ἑλλάδα τούτους μόνους ϑεοὺς ἡγεισϑαι,
οὕσπερ νῦν πολλοὶ τῶν βαρζάρων, Ἥλιον, καὶ Σελήνην, καὶ Γῆν,
καὶ Ἄςρα, καὶ Ὀυρανὸν. Das iſt/ die Griechenland
zuerſt bewohnet/ ſcheinen mir die Sonne/ den
Mohn/ die Erde/ die Sterne/ und den Him-
mel/ wie noch itzund viel Ungriechen tuhn/ al-
lein vor Goͤtter gehalten zu haben. Und weil
ſie ſahen
/ fuͤget er ſtraks darauf hinzu/ daß alle
dieſe dinge fort und fort lieffen; ſo haben ſie die-
ſelben von dieſer eigenſchaft
des lauffens/ οὗ ϑέειν,
ϑεοὺς, das ſo viel geſagt iſt/ als goͤtter/ genennet.
Es iſt auch kein wunder/ das dieſe voͤlker/ denen der
wahrhaftige lebendige Gott unbewuſt war/ die
Sterne/ ihrer ſtaͤhtigen bewegung halben/ vor goͤtter
gehalten; ſonderlich aber die Sonne: welche ihnen un-
auf hoͤhrlich und ſo ſchnaͤl zu lauffen ſchien/ auch man-
chem noch ſcheinet; wiewohl ſie ein uͤberaus großer
klump/ und hundert und ſechzig mahl groͤſſer iſt/ als
die Erdkugel/ daß ſie in einer einigen ſtunde zehnmahl
hundert tauſend meilen fort gelauffen zu ſein angeſe-
hen wird. Aber hiervon kan Ludwich Karrio im
2 b. Laktantz im 5 h. des 2 b. Prudentz auch im 2 b.
wider den Simmachus/ als auch unſer Dichteri-
ſcher Sternhimmel
/ am 261 und 262 bl. geleſen
werden.


Zur
[391]Anmaͤrkungen.

Zur 18 zeile des 7 blats.


LEa/ Jakobs Ehfrau/ und Joſefs Stiefmut-
ter/ die des Labans aͤlteſte tochter war/ hatte ein
bloͤdes geſichte
/ ſagt Moſes in 17 ſpr. des 29 h. ſei-
nes 1 buches. Etliche ſchreiben/ daß ſie uͤberſichtig
geweſen: andere/ ſie habe einen ſtern in den augen
gehabt.


Zur 24 und folgenden zeilen des 7 blats.


VOn dieſen Goͤtzenbildern des Labans ſchreibet
Moſes im 30/ 32/ 33/ 34/ 35 ſpr. des 31 h. und
im 2 und 4 ſpr. des 35 h. ſeines 1 buches. Die Ebreer
nennen ſie Terafim; welches etliche aus Serafim
gebildet zu ſein meinen. Kauſſinus gedenket der Te-
rafim
auch/ in ſeinen Anmaͤrkung bei dem Horus
Apollo
/ am 110 blatte: aber wie ſie alda beſchrieben
werden/ kommen ſie mit den Labaniſchen gantz nicht
uͤberein. Seine eigene worte ſeind dieſe: Nec diſſimi-
les erant Theraphim, quorum meminit Elias Thesbi-
tes
in Lexico Ebræo, ad eandem vocem, diriſſima pror-
ſus ſimulachra, \& nefariis imbuta ſuperſtitionibus.
Mactabant quippe puerum primogenitum, cujus ca-
put à corpore revulſum ſale \& aromatibus condiebant;
hinc illi laminam imponebant, eam que immundi ſpiri-
tus nomine \& charactere ſignatam, mox odore \& ſuffi-
tu, cereisque accenſis, venerabantur. Et quamquam hoc
ſecretis parietibus occultabatur ſcelus, nonnunquam
tamen etiam occiſorum infantum præſegmina, laminis
\& bracteis incluſa, ſuperſtitioſoque ritu excantata ge-
ſtabant.
Sonſten hatten die Egipter ihre Serapen
oder Serapides: welche kleine von ſteinmaͤlhle gebakke-
ne und mit verborgenen ſinbildern beſchriebene goͤtzen-
bilder waren; die ſie den Leichen/ ſie vor aller gewalt
der
[392]Kurtzbuͤndige
der boͤſen geiſter zu beſchirmen/ an ihr todtenkleid feſt
naͤheten. Mit dieſen Beſchirmgoͤtzlein ſollen/ wie et-
liche meinen/ des Labans Goͤtzenbilder oder Terafim
eine und eben dieſelbe geſtalt gehabt haben. Auch helt ſie
der große Kircher am 297 bl. ſeines Eg. Oedip. beide
vor einerlei: dem ich zween abriſſe von dergleichen
Egiptiſchen Serapen ſelbſten zugeſchikt; die er auch
mit in gemeltes buch einverleibet. Der nahme ſolcher
Serapen oder Beſchirmgoͤtzlein ſcheinet vom Egip-
tiſchen Ochſengoͤtzen Serapis entſproſſen zu ſein.
Und dieſer Ochſe ſei des Argiviſchen Koͤniges Apis
oder Epafus/ der in Egipten geſegelt/ und daſelbſten
geſtorben/ ſinbild geweſen/ meinen Klemens von
Alexandrien
/ und Auguſtien in ſeinem buche von
der ſtadt Gottes. Aber Suidas/ Julius Mater-
nus/ Rufinus
im 23. h. ſeines 2 b. der Kirchengeſch.
der Ebreiſche Schriftgelehrte/ Aben Esra/ Hu-
go Groht
in ſeiner Sofomfania/ Voſſius von
der Abgoͤtterei/ im 29 h. des 1 b. auch am 501 bl. des
2 b. und anderswaͤrs mehr/ eignen dieſes Sinbild
dem Joſef zu: aus deſſen nahmen auch der goͤtzen-
nahme Apis gebildet ſcheinet. Der letzte ſchreibet hier-
von alſo: In templo Joſepho formatum eſt ſimula-
chrum, ob diviſionem frumenti, quo famis tempore
ſubvenit Ægyptiis, \&c. Joſeph defuncto, inſtitue-
runt in honorem ejus templum apud Memphim, in
quo bos quaſi optimi agricolæ indicium aleretur, ha-
bens quædam honoris inſignia: qui ex nomine ejus
Apis appellatus, \&c. Joſephi nomen immutârunt in
ſacris, ut auguſtius videretur numen, \&c. Is honos ini-
tio tantùm fuit civilis: propterea eum Joſeph admiſit.
Tamen degeneravit poſt mortem in divinum, \&c.
Die-
ſes bekraͤftigt auch der Araber Abnefi/ wan er alſo
ſchreibt: Und Joſef ſagte zum Koͤnige; ſetze mich
uͤber den ſchatz des landes; dan ich wil ein ge-

treuer
[393]Anmaͤrkungen.
treuer bewahrer ſein. Und der Koͤnig ſetzte ihn
uͤber alle Koͤrnheuſer: auch ward Joſef gleich
als ein koͤnig uͤber das gantze Egipten; und ſie
nenneten ihn Apis
. Dieſes wort heiſſet in Egipti-
ſcher ſprache ſo viel als ein Ochſe. Alſo ward auch
gemelter Ochſe/ den man ſehr zaͤhrtlich hielt/ ſo lange
er lebete/ genennet. Aber nach ſeinem tode/ da er in
einem todtenkaſten eingeſchoſſen lag/ nennete man ihn
Serapis. Dieſen nahmen ſol man ebenmaͤßig obge-
meltem verſtorbnen Koͤnige Apis oder Epafus/ oder
vielmehr ſeinem todtenkaſten oder ſarge/ darinnen er
lag/ weil er mit einer Ochſenhaut uͤberzogen war/ ge-
geben/ und ihn goͤttlich geehret haben: wiewohl hiervon
die Egipter nichts wiſſen wollen. So bald der Goͤtzen-
ochſe todt war/ ſuchten ſie einen andern/ der eben alſo/
wie der abgelebte/ ſchwartz von farbe/ und mit weiſſen
flekkern durchſpraͤnkelt; und ehreten ihn an des vorigen
ſtelle. Was aber Serapis geſagt ſei/ davon ſeind unter-
ſchiedliche erklaͤhrungen. Etliche wollen/ Serapis
heiſſe ſo viel als Sarapis/ das iſt der fuͤrſt Apis
oder Ochſe/ oder ein fuͤrſt des oder der Ochſen:
welche dem Koͤnige die ſieben fruchtbare jahre verkuͤn-
diget. Andere ſagen/ es heiſſe ſo viel als σόρος ἀπις,
oder σο ράπις, das iſt der kaſten des Apis/ oder
der Ochſenkaſten; wie es Plutarch/ Luzian/ und
Varro deuten: dan σόρος heiſt ein kaſten. Wieder
andere meinen/ es ſol ſo viel geſagt ſein/ als ein Korn-
kaſten des Apis
/ das iſt des Ochſen; weil Joſef/
welcher der letzte Oſiris/ Apis/ und Serapis zu-
gleich iſt/ auch im 33 h. des 5 b. Moſes einem Ochſen
verglichen wird/ das getreide in kaſten aufſchuͤtten
und verwahren/ auch in der teurung wieder ausſpen-
den laßen. Dem ſei nun wie ihm wolle/ ſo ſiehet man
doch hieraus genug/ daß dieſe blinde heiden nichts ge-
wiſſes von Gott gewuſt haben; und daher etliche ihren
Oſiris/
[394]Kurtzbuͤndige
Oſiris/ Apis/ oder Serapis auf der erde/ andere im
himmel geſucht/ und dieſer ihn als einen Menſchen/
naͤhmlich/ unter andern/ als einen ſchoͤnen Juͤngling/
mit einem korbe vol getreides/ und brohtes auf dem
heupte/ andere als einen bunten oder ſchwartzweiſſen
Ochſen abgemahlet/ ja einer dieſes/ ein ander ein an-
deres ſinbild des Oſiris und Serapis erdacht.


Zur vorletzten zeile des 10 blats.


WIe derſelbe Egiptiſche koͤnig/ unter deſſen her-
ſchaft Joſef in Egipten kommen/ geheiſſen/ da-
von ſeind vielerlei unterſchiedliche meinungen. Die H.
Schrift giebet ihm/ ihrer gewohnheit nach/ nur den
bloßen algemeinen koͤniglichen Ehrennahmen Farao:
ſo tuhn auch die meiſten Geſchichtſchreiber. Doch der
Araber Abdalla Ben Geled nennet ihn mit dem
eigenen abſonderlichem nahmen Alrian; deſſen worte
wir droben bei der 12 zeile des 5 blats angezogen: und
der Ebreer Abraham Zachut ohne geſchlechtswort
bloß דיאן Rian/ wan er alſo ſchreibet: Hierauf her-
ſchete
Eman; nach dieſem Valid der ſohn des Do-
ma; dem ſein ſohn Rian folgete. Dieſer iſt Joſefs
Farao: nach welchem koͤnig ward Maadan/ und
dan derſelbe/ der
Talma heiſſet: welcher des
Moſes/ unſers Meiſters/ uͤber welchem ſei friede!
Farao iſt/ und als ein ſtein in den abgrund ver-
ſunken
. Aber alle dieſe nahmen/ weil ſie von der Egip-
tiſchen mundahrt ſo gar abweichen/ ſeind mir/ als viel-
leicht von den Arabern oder Ebreern erdichtete/ nicht
wenig verdaͤchtig. Euſebius hingegen nennet ihn/
dem Maneton zur folge/ Amaſis; welcher/ als er
25 jahre geherſchet/ dem Chebron die herſchaft hinter-
laßen: unter welchen Kircher Joſefs verkauffung
ſetzet. Samuel Greiffenſohn giebt ihm zwar kei-
nen
[395]Anmaͤrkungen.
nen andern nahmen/ als den algemeinen Farao. Aber
ſeinen ſohn nennet er am 138 bl. in der Geſchicht vom
Joſef/ woher weis ich nicht/ Tmaus: und ſchreibet/
daß dieſer Tmaus/ nach ſeines vaters ableiben/ eben
ſolte zum koͤnige gekroͤhnet werden/ als er den Joſef aus
dem gefaͤngnuͤſſe hohlen laßen ſeine treume zu deuten:
welches wider alle Geſchichtſchreiber/ die ich hiervon
geleſen/ auch wider der Aſſenat geſchicht/ und die Ver-
faſſung des letzten willens Joſefs ſelbſten ſtreitet. An-
dere gedenken auch eines Koͤniges/ der zu Joſefs zeiten
in Egipten geherſchet/ den ſie Konchares heiſſen.
Dieſer ſol der 25 Egiptiſche koͤnig/ und eben derſelbe
ſein/ nach deſſen kroͤhnung im fuͤnften jahre/ und nach
Mizraim im 700/ das oben erwaͤhnte große Sotiſche
jahr ſei eingeſetzt und begonnen worden; wie Lange
am 222 bl. des 1 b. von den jahren nach der Heilge-
buhrt/ aus dem Euſebius/ anziehet. Weil aber die
meiſten/ auch der Aſſenat Geſchicht ſelbſten denſelben
Farao oder Koͤnig/ der damahls herſchete/ als Joſef
verkauft ward/ Nefrem/ oder Nefrem Tomeſtor
nennen; ſo haben wir lieber dem meiſten hauffen fol-
gen/ und den nahmen Nefrem in unſerer geſchicht
vor allen andern behalten wollen.


Zur 30 zeile des 17 blats.


NItokris Νίτωκρϊς, war des Egiptiſchen Koͤniges
einige Tochter. Euſebius meldet am 21 bl. des
1 ſeiner Zeitbuͤcher/ daß dieſer Nahme eben ſo viel heiſ-
ſe/ als Ἀϑηνᾶ νικηφόρος, das iſt Atehne oder Minerve
die uͤberwinderin
. Und das heiſſet er auch. Dan
Nit oder Neith bedeutete bei den Egiptern eben ſo viel/
als Minerva oder Pallas/ das iſt/ die Alsgoͤttin
der Weisheit
; wie Plato/ wan er von der ſtadt
Sais/ da dieſe Alsgoͤttin/ als ihre ſtifterin/ geehret
ward/
[396]Kurtzbuͤndige
ward/ und derſelben gebiete ſchreibet/ bezeuget: und in
der Arabiſchen ſprache/ die der Egiptiſchen ſehr nahe
verwant iſt/ heiſſet קהד Kaharauͤberwinden/ und
קהד Kahar,ſieg/ oder uͤberwindung. Daher iſt der
nahme אלקאהדה Alcahira, das iſt/ eine uͤberwinde-
rin
; weil ſie Muaſſus im zeichen des Mars/ der
ein uͤberwinder der Welt iſt
/ erbauet; wie Elma-
zin
am 227 bl. ſeiner Sarazeniſchen Geſchichte bezeu-
get. Und alſo iſt der nahme Nitokris aus Nit oder
Neit/ und kar/ als ſagte man Nitokaris/ oder Nit-
karis
/ zuſammengefloſſen; und kan beſſer nicht/ als ei-
ne ſieghafte Minerve verdeutſchet werden.


Zur 18 und folgenden zeilen des 12 blats.


DEr Krokodil iſt der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild:
1/ weil er Egipten eigen iſt/ und ſonſt nirgend/ zum
wenigſten ſo groß nicht/ gefunden wird; 2/ weil er ein
land- und waſſer-tier iſt/ wie Pierius am 69/ und 186
bl. des 2 t. ſeiner Eg. ſinbilder bezeuget/ und die Egip-
tiſchen Koͤnige auch zu waſſer und lande gebieten;
3/ weil er gegen die boͤſen boͤſe/ und gegen die guhten
guht und dankbar zu ſein pfleget/ wie Pierius eben-
maͤßig am 97 bl. ſeines 2 t. meldet; 4/ weil er die boß-
heit anzeiget/ wie Diodohr im 1 b. anmaͤrket; 5/ weil
er augen hat/ die gleichſam aus der tieffe herfuͤr ragen;
6/ weil er des aufganges/ und des niederganges ſinbild
iſt/ jenes durch itztgemelte aus der tieffe herfuͤr ragende
augen/ und dieſes durch ſeinen niedergebogenen und
unter ſich ſehenden kopf: dan er iſt ἀυτόκυπτον καὶ κατω-
ϕὲς τὸ ζῶον, von natur ein niederſehendes und
nach der erde zu gebuͤktes tier
; wie Horus Apol-
lo
in ſeinen Egiptiſchen Bilderſchriften angemaͤrket.
Dahin zielet auch Ezechiel im 3 ſp. des 29 h. Siehe!
Ich wil an dich/ Farao/ du Koͤnig in Egipten
/
du
[397]Anmaͤrkungen.
du großer Trache (d. i. Krokodil) der du in deinem
waſſer
(im Niele) liegeſt/ u.ſ.f. und im 2 ſpr. des
32 h. Du biſt als ein Leue unter den Heiden/ und
als ein Meertrache
(Waſſer- oder Niel-trache/ das
iſt ein Krokodil/ aus der gattung der Trachen oder
großen Schlangen) und ſpringeſt in deinen ſtroͤh-
men/ und truͤbeſt das waſſer mit deinen fuͤßen

(pfohten) und machſt ſeine ſtroͤhme luhmicht. Ja
eben dahin zielete auch der Keiſer Auguſt/ als er/
nachdem er Egipten erobert/ eine muͤntze/ mit einer Pal-
me
/ und einem Krokodil/ ſchlagen lies.


In der Arabiſchen ſprache/ davon die Egiptiſche ſehr
viel woͤrter entlehnet/ heiſſet der Krokodil פדעון Fa-
raon
; von פדש Faris oder פדד Farid/ das iſt ab-
ſondern
; weil er ein gar ſonderliches tier/ das von
den andern laͤndern der welt gleichſam abgeſondert/
und Egipten allein eigen iſt. Aus dieſer wurtzel ent-
ſprieſſet auch das nenwort פדיד parid oder ſarid/ das
iſt der Rundbaum/ Zizyphus oder lotus, der gar ein
ſonderlicher baum iſt; nicht das Rundkraut/ davor
es etliche halten: welches wir daruͤm alſo nennen/ weil
alles/ wie Jamblich bezeuget/ daran rund iſt/ naͤhm-
lich die blaͤtter/ ſamt den bluhmen/ und der frucht: da-
durch die runduͤmſchweiffende und drehende goͤttliche
bewegung oder wuͤrkung des gemuͤhtes angedeutet
wird; daher es auch die Egipter ihrem hoͤchſten Abgot-
te Oſiris geheiliget. Dan alles/ was rund iſt/ wird bei
ihnen vor goͤttlich/ oder der goͤttlichen natur gleich und
gemaͤß gehalten. Daher trugen auch die Prieſter rund-
geſchohrne kolben. Und Empsdokles/ als er gefragt
ward/ was Gott ſei? antwortete: Er iſt ein runter
Kreus/ deſſen mitteltuͤpfel uͤberal iſt/ und der
uͤmſchweif oder uͤmzug nirgend
.


Hier aus ſehen wir/ daß das wort Farao/ wie die
Egipter vor zeiten etliche ihrer Koͤnige nacheinander/
mit
[398]Kurtzbuͤndige
mit dieſem algemeinen nahmen/ genennet/ nicht Koͤnig
bedeutet/ wie der Geſchichtſchreiber Joſef wil/ wan er
ſchreibet: ὁ φαραὼν κατ᾽ Ἀιγυπτίους βασιλέα σημάινει, das
iſt/ Farao heiſſet bei den Egiptern Koͤnig. Zu-
dem wan dieſes wahr were/ ſo wuͤrde die h. Schrift/ wie
ſie vielmahls tuht/ nicht ſagen/ der Koͤnig Farao:
welches eine ungereimte zuſammenfuͤgung zweier einer-
lei bedeutenden worte were/ ſo fern Farao vor ſich Koͤ-
nig
bedeutete. Aber die Egipter hatten in ihrer ſprache
gantz ein anderes wort/ welches ſo viel als Koͤnig be-
deutete/ wie er/ im 1 b. wider den Apion/ ſelbſten be-
zeuget; da er das wort ὑκσὼς auf griechiſch giebet βα-
σιλεὶς ποιμένας, koͤnige huͤrten: τὸ γὰρ ὑκ`, ſagt er/ κατ᾽
Ιερὰν γλῶσσαν βασιλέα σημάινει, dan das woͤrtlein ὑκ
Huͤk oder Hik heiſſet in der heiligen ſprache koͤnig.
Dieſes ſcheinet aus dem Ebreiſchen הק hok/ das iſt
geſetz/ herzuſtammen: auch wird das wort מהוקק
das ſonſt eigendlich einen geſetzgeber bedeutet/ von
den 70 Aelteſten bald ἡγούμενος, das iſt fuͤhrer/ ge-
bieter
/ bald βασιλεὺς d. i. koͤnig/ bald ἄρχων, das iſt/
Fuͤrſt/ gegeben. Ja wir ſehen zugleich aus allem/ was
wir alhier vom Krokodille gemeldet/ daß Farao auch
nicht ſo viel geſagt ſei als Baro, das iſt Freiherꝛ; wie
Dreſſerus am 155 bl. ſeiner tauſendjaͤhrigen Ge-
ſchicht waͤhnet. Aber laßet uns hiervon Kr. Bek-
mans
erklaͤhrung hoͤren. Pharao, פדעה, ſchreibt er
in ſeinem Buche vom uhrſprunge der Lateiniſchen
ſprache/ id eſt, homo multis privilegiis \& immunitatibus
gaudens, exemtus jure communi:
ex quo ſine omni du-
bio eſt nobis uſitatum Baro, etiam Germanorum aſſen-
ſu. Radix eſt
פדע, id eſt, privilegio affecit, liberum red-
didit, feriatus eſt,
ut liberè \& ſine jugo, aut absque la-
bore vivat. Inde enim aliquis non ineptè quoque deri-
vet latinum privus; niſi J. Cæſaris Scaligeri etymon
malis: item germanicum
frei. Literæ enim tanquam
ma-
[399]Anmaͤrkungen.
teria, \& ſignificatio tanquam forma, aſſentit. Ich mus
zwar geſtehen/ daß man den nahmen Farao ſehr wohl
vom ebreiſchen פדע, para, das iſt frei machen/ mit
freiheit begaben
/ oder feiern/ herleiten koͤnte. Aber
dieſes ſtehet uns im wege/ daß kein Egiptiſcher Koͤ-
nig vor Joſefs zeiten/ der ihnen zuerſt die volle freie
macht ihres gebietes zu wege gebracht/ alſo daß ſie dan
erſt frei und an keine geſetze gebunden waren/ ein freier
herꝛ
oder gebieter geweſen: da ſie doch ſchon lange zu-
vor/ ja ſelbſt der erſte nach der ſuͤndfluht Menis/ der
Memfis gebauet/ das iſt Mizraim/ wie etliche mel-
den/ den nahmen Farao gefuͤhret. Jedoch wan man
ſagte/ daß Farao ſo viel geſagt ſei/ als ein freigebohr-
ner
/ das iſt ein Sohn oder kind/ wie das wort ָכָּד,
bar, welchs ohne zweifel aus gemelter wurtzel פדע gebil-
det/ bedeutet; ſo moͤchte man es noch wohl gelten laßen:
zumahl weil die Edelen oder Fuͤrſten/ ihrer fuͤrtref-
ligkeit wegen/ dieſen ehrennahmen gefuͤhret; wie wir
droben bei dem nahmen des Nimrods/ Barchus
und Liber, erinnert. Und ich halte gaͤntzlich darvor/
daß das wort Baro nirgend anders her/ als aus dem
worte בד, bar, gebildet/ auch anders nicht/ als nach
gemelter bei den Morgenlaͤndern gewoͤhnlicher redens-
ahrt/ ſol verſtanden werden.


Alſo war der nahme Farao bei den alten Egiptern
ein algemeiner ehrennahme der Koͤnige/ oder ein nah-
me der Koͤniglichen wuͤrde: eben wie/ nach Alexan-
dern
/ bei eben denſelben der nahme Ptolemeus/ bei
den Filiſtern der nahme Abimelech/ bei den Juͤden
der nahme Herodes; und noch bei den Perſern iſt der
nahme Sofi/ bei den Tartern der nahme Ham oder
Cham, bei den Sinern der nahme Hoangt/ bei den
Japanern der nahme Vo oder Dairi/ bei den Abiſſi-
nern oder weiſſen Mohren der nahme Preſtagan/ da-
vor man gemeiniglich verdorben Preſte Jan, oder Prie-
ſter
[400]Kurtzbuͤndige
ſter Jan ſaget/ bei den voͤlkern im Guineiſchen Koͤ-
nigreiche Kajor/ uͤm das Gruͤhne Ekke heruͤm/
der nahme Burdomel oder Budomel/ ja bei den
Deutſchen/ wie ehmahls bei den Roͤhmern Cæſar oder
Auguſtus, itzund Keiſer.


Hierbei muͤſſen wir nohtwendig erinnern/ daß etli-
che Holl aͤnder einen groben fehler begehen/ wan ſie dem
Siniſchen Großherꝛn/ als auch dem Japaner/
und Abiſſiner den nahmen Keiſer zueignen: da ſie
doch wohl wiſſen/ oder billich wiſſen ſolten/ daß die-
ſer nahme Keiſer oder Cæſar niemand/ als allein
den Roͤhmiſchen oder Roͤhmiſch-Deutſchen Welt-
herren/ den ſie vom erſten derſelben/ der das Roͤhmi-
ſche Weltreich angefangen/ naͤhmlich Julius Zeſarn
herhaben/ als ein algemeiner erbnahme und als ein erb-
eigentuhm zukommet; ja daß die Siniſchen bei den
Sinern ſelbſten von ihrem dritten erwehltem Groß-
herꝛn Hoangt/ Hoangti/ auch die Japaniſchen
Vo
oder Dairi/ und die Abiſſiniſchen Preſtagan/
das iſt rechtgleubig/ oder Padeſcha Preſtagan/
das heiſſet ein rechtgleubiger koͤnig/ wie es auch in
Perſiſcher ſprache lautet/ eigendlich genennet werden.
Dadurch tuhn ſie/ die Hollaͤnder/ nicht allein ſelbſt der
hoͤheit der Roͤhmiſch-Deutſchen Weltherren zu kurtz/
indem ſie ihren eigenen und vom erſten Roͤmiſchen
Weltherꝛn angeerbten hohen Ehrennahmen/ ſo gantz
wildfremden Herren/ die nicht das geringſte teil am
Roͤhmiſchen Weltreiche haben/ zuzueigenen ſich ſo un-
beſonnen erkuͤhnen; ſondern ſie veranlaßen auch man-
che Hochdeutſchen/ naͤhmlich dieſelben/ die nicht beſſer
wiſſen/ ſolcher geſtalt zu einer gefaͤhrlichen nachfolge:
ja ſie geben ihren groben unverſtand und achtloßheit
an den tag/ indem ſie nicht einmahl acht ſchlagen/ daß
kein Lateiniſcher Schreiber/ auch nicht der allertum-
meſte/ iemahls den nahmen Cæſar einem andern/ als
den
[401]Anmaͤrkungen.
den Roͤmiſchen oder Roͤhmiſch-Deutſchen Weltherren/
in ſeinen ſchriften gegeben. Eben alſo haben bisher/ mit
dem nahmen Keiſer/ auch alle Hochdeutſchen ruͤhm-
lich getahn: wiewohl der misbrauch bei etlichen neu-
lingen/ die es/ als was ſonderliches/ den Hollaͤndern
abgeſehen/ ſchon einzureiſſen beginnet; und man
mir ſelbſt in meiner verhochdeutſchung etlicher in
niederdeutſcher ſprache von gemelten fremden Voͤl-
kern geſchriebener Geſchichte/ mit einer uͤbel gewa-
ſchenen hand/ die woͤrter Großkoͤnig oder Groß-
herꝛ
in das wort Keiſer/ ohne meine bewilli-
gung/ veraͤndert. Ja was wil ich viel ſagen? Sol-
te wohl ein Siner des Siniſchen Großherꝛn eignen
algemeinen Ehrennahmen Hoangt/ oder ein Japa-
ner der Japaniſchen Vo oder Dairi/ oder ein Abiſſi-
ner der Abiſſiniſchen Preſtagan/ wan ſie in ihrer
mutterſprache von uns Hochdeutſchen ſchrieben/ un-
ſrem Weltherꝛn oder Keiſer zueignen? Ich halte nein.
Und eben daruͤm iſt es eine große tohrheit/ wan wir
unſerer Weltherren gantz eigenen Ehrennahmen Kei-
ſer
ſo luͤderlich wegwerfen/ und ihrem Hoangt/ ihrem
Vo oder Dairi/ und ihrem Preſtagan zuſchreiben
wollen. Ich mus zwar geſtehen/ daß alhier der nah-
me Koͤnig/ wie man bisher gemelte große Herren/
darunter der Abiſſiner allein 72 koͤnigreiche beſitzet/
wie Markus Antohn/ Sabellikus/ und P. Ges-
lin
/ in ſeiner heiligen Weltbeſchreibung/ bezeugen/
aus mangelung anderer deutſchen woͤrter/ gemeinig-
lich genennet/ viel zu wenig ſei. Daruͤm bin ich auch
ſchon vorlaͤngſt bewogen worden andere hochdeutſche
woͤrter/ dadurch ihre macht uͤm ſo viel beſſer und ei-
gendlicher angedeutet wuͤrde/ aus dem brunnen unſe-
rer wortreichen ſprache zu bilden/ oder vielmehr zuſam-
menzufuͤgen. In meiner Helikoniſchen Hechel iſt
hiervon ebenmaͤßig erinnerung geſchehen. Wir wol-
C clen
[402]Kurtzbuͤndige
len al hier ein teil derſelben wieder hohlen. Die Ehrennah-
men Ertzkoͤnig/ oder Großkoͤnig/ oder auch Groß-
herꝛ
/ pflege ich denen hohen Heuptern/ welche unter-
ſchiedliche Koͤnige unter ihrem gebiete haben/ und da-
her nicht ſchlechthin Koͤnige koͤnnen genennet werden/
zu geben. Das wort Ertzkoͤnig habe ich/ nach dem
ſchon vorlaͤngſt uͤblichem worte Ertzhertzog; Groß-
koͤnig
/ und Großherꝛ/ nach dem auch laͤngſt ge-
breuchlichem nahmen Großfuͤrſt/ Großhertzog/
gebildet. Jenen ehrennahmen/ naͤhmlich Ertzher-
tzog
/ pflegen die Oeſterreichiſchen Heupter zu fuͤh-
ren; dieſe aber/ naͤhmlich Großfuͤrſt/ der Mosko-
vier
/ und Großhertzog/ der von Florentz. Den
Moskoviſchen oder Ruſſiſchen Großfuͤrſten
pflegen etliche neue Schreiber auch Keiſer zu nen-
nen; vielleicht weil er ſich ſelbſten Tzar/ welches von
Cæſar gebildet ſcheinet/ in ſeiner ſprache nennet. Ja
viel derſelben/ unter denen die Hollaͤnder die erſten/
wollen dem Siniſchen Großherren/ weil er viel
Koͤnigreiche beſitzt/ wie auch dergleichen andern Ge-
waltigen/ den nahmen Keiſer ebenmaͤßig zueignen.
Aber wie unrecht ſolches ſei/ wiſſen dieſelben/ welche
wiſſen/ daß der Ehrennahme Cæſar, oder Keiſer/ wel-
ches wir aus jenem gebildet/ vom zunahmen des erſten
Roͤmiſchen Weltherꝛn herruͤhret/ und auf ſeine
Nachfolger fortgepflantzet ſei/ ja daher keinem andern
Gewaltigen von rechtswegen zukomme/ als den Roͤ-
miſchen Weltherren
; davor noch itzund die Deut-
ſchen Keiſer
gehalten werden. In etwas koͤnte es
hingehen/ wan etliche den Großtuͤrken auch Keiſer
nennen: weil er das Griechiſche teil des Roͤmi-
ſchen Weltreichs
beſitzt/ und daher zum teil ein
Nachfolger des erſten Roͤhmiſchen Weltherꝛn iſt.
Sonſt iſt es gantz ungereimt/ und wider die ehre des
Roͤhmiſchen Weltreichs gehandelt/ wan man ſo zu-
plumpet/
[403]Anmaͤrkungen.
plumpet/ und den hohen Ehrennahmen/ der/ aus er-
waͤhnten uhrſachen/ den Roͤhmiſchen Weltherren allein
und gantz eigen zukoͤmt/ auch andern/ die nicht ein
doͤrflein von gemeltem Reiche beſitzen/ zueignen wil/
u. a. m.


Zur 24 zeile des 14 blats.


DIe Egipter pflegten ihre geluͤbde und eidſchwuͤhre
ſonſt gemeiniglich bei dem auf dem Filiſchen In-
lande beigeſetztem Oſiris zu tuhn; wie Voſſius am
202 b. vom uhrſprunge und fortgange der Goͤtzenſchaft
angemaͤrket.


Zur 9 zeile des 16 blats.


NUbien iſt ein land in Afriken bei dem Niele/ mit
Egipten und Libien benachbahrt; deſſen einwoh-
ner meiſt Araber ſeind.


Zur 14 und folgenden zeilen des 16 blats.


HIervon ſtehen in Joſefs letztem Willen folgen-
de worte: Als wir in Egipten kahmen/ zank-
ten und ſtritten ſie ſonderlich uͤm meinet willen/
welcher von ihnen mich zum ſchatze haben ſolte.
Und ſie warden miteinander eins/ daß ich in
Egipten/ bei einem
Kaufmanne/ bleiben ſolte/
welcher ihnen in ihrer handlung bedient war/
ſo lange/ bis ſie mit ihren kaufwahren wieder zu-
ruͤkkaͤhmen. Und der HERꝛ verſchafte/ daß
mich der Kaufman ſehr lieb gewan/ und mir
ſein gantzes haus anvertrauete. Auch machte
ihn der HERꝛ ſehr gluͤklich/ und ſeegnete ihn
in allem/ ſo lange ich bei ihm war: ja er gab ihm
viel goldes und ſilbers. Und ich wohnte bei ihm
drei mohnden und fuͤnf tage
.


C c ijZur
[404]Kurtzbuͤndige

Zur letzten zeile des 16 blats.


DEr wunderſtein Bet wird auf dem Berge
Alard/ der zwiſchen Nubien und Zinchanke
lieget/ gefunden. Von dieſem ſchreiben die Araber/
daß er dieſelben/ welche ihn was lange anſehen/ ſtum
machet. Auch erzehlen ſie/ daß Alexander der
Große
/ den ſie Askander nennen/ von dieſen ſteinen
das Schlos der verwunderung bauen laßen: und
daß ihm ſein Lehrmeiſter Ariſtoteles/ den ſie Arka-
to Talis
nennen/ den raht gegeben; er ſolte eben ſo viel
leibeigne/ als andere leute/ ſolche ſteine zu hohlen/ ſenden.
Die leibeignen ſolten die ſteine/ mit offenen augen be-
ſichtigen und ausleſen; ſeine leute aber mit bedekten
augen/ darbei ſtehen/ und wan ſie vernommen/ daß
die leibeignen ſtum worden/ die ausgeleſenen ſteine
kauffen.


Zur 27 und 28 zeile des 17 blats.


DEs Potifars gemahlin/ welche den Joſef zur
unkeuſchheit angereitzet/ hat weder in der heiligen
Schrift/ noch in der Aſſenat Begaͤbnuͤs/ noch auch
in Joſefs letztem Willen/ keinen eignen Nahmen.
Samuel Greiffenſohn aber nennet ſie/ in ſeiner
Lebensbeſchreibung des Joſefs/ woher zeigt er nicht
an/ Saliche: und andere/ denen der beruͤhmte Ritter
Jakob Kats/ in ſeinem Selbſtreite/ und wir eben-
maͤßig/ gefolget/ Sefira.


Zur 9 und 10 zeile 18 blats.


DAß die Iſmaeler den Joſef dem Koͤnige/ ſeine
gnade zu erlangen/ zum geſchenke uͤberreichet/ er
aber ihn nicht behalten wollen/ zeiget S. Greiffen-
ſohn
[405]Anmaͤrkungen.
ſohn/ in Joſefs Lebensbeſchreibung am 61 und fol-
genden blaͤttern/ aus den Arabern/ an.


Zur 8 und folgenden zeilen des 21 blats.


WIe Polemon die Augen des gemuͤhts tuͤh-
ren
nennet; ſo nennet der Prediger das Ange-
ſicht des gemuͤhtes gaſſe
/ und die Augen die
ſchauer durch die fenſter
; weil im angeſichte ſich
alle ſinne befinden/ und die Seele/ als auf einem of-
fenen markte/ mit den euſerlichen dingen handelt und
wandelt. Daruͤm hat auch der Schoͤpfer den Augen
den hoͤchſten ſitz/ recht vor der ſinnenburg/ gegeben; da-
mit ſie/ als von einer hohen warte/ uͤm ſo viel fuͤglicher
uͤm ſich ſehn/ und eben ſo fuͤglich geſehen werden koͤnten.
Durch jenes fuͤhren ſie uns/ ſagt Plato/ zur erkaͤntnuͤs
Gottes; indem wir naͤhmlich zuvoͤrderſt den himmel/
und deſſelben heers ſo unterſchiedliche und wunderliche/
doch eben ſo richtige/ als ſtaͤhtige bewegungen an-
ſchauen: durch dieſes geben ſie unſer hertz/ ſamt ſei-
nen neugungen und gedanken/ kund. Und alſo erkun-
digen wir/ durch die Augen/ was auſſer uns/ und
machen auch/ durch eben dieſelben/ kund/ was in uns
geſchiehet. Ja wie ſie gemeiniglich die wahrheit eher
und beſſer kund geben/ als der Mund; ſo erkundigen ſie
auch ein ding viel eher/ viel richtiger/ viel wahrhafti-
ger/ als die Ohren. Daher iſt das ſprichwort/ das
Auge bezeuget/ was der mund ſchweiget
: und
ὠτίων πιςότεροι ὀϕθαλμοὶ, die Augen ſeind glaub-
wuͤrdiger/ als die Ohren
. Ja Plautus ſagt: plu-
ris eſt oculatus teſtis unus, quàm decem auriti,
ein
Augenzeuge gilt mehr/ als zehen Ohrenzeugen
.
Dan vom hoͤrenſagen komt manches ſchlagen.
Euripides
ſagt in ſeinem Jupiter:
Ἐις ὄμματ᾽ ευνου φωτὸς εἰσϕλέψαι γλυκύ:
C c iijdas
[406]Kurtzbuͤndige
das iſt/ es iſt ſuͤße und lieblich in eines guhten
mannes Augen zu ſchauen
. Πολλὰ μὲν ὀφθαλμοὶ
τῶ ἀνθροπίνων ἤθων ἑρμηνευουσι, d. i. die Augen zei-
gen viel der menſchlichen ſitten an
/ ſagt Filo-
ſtratus
. Iſt das Auge guht/ ſo iſt das gemuͤhte guht:
und dan bewegt es den anſchauer/ der auch guht iſt/
zur Liebe; ja ſo wird das Griechiſche ſprichwort wahr:
ἐκ οὗ ὁρᾷν γίνεται τὸ ἐρᾷν, Liebe bluͤhet/ wo man
ſiehet
; oder anſchauen wuͤrkt trauen. Unſer Hei-
land ſagt bei dem Heilverkuͤndiger Matteus im 22
ſpr. ſeines 6 hauptſtuͤkkes: Das Auge iſt des leibes
licht. Wan dein Auge einfaͤltig iſt/ ſo wird dein
gantzer leib liecht ſein: wan aber dein Auge ein
ſchalk iſt/ ſo wird dein gantzer leib fuͤnſter ſein
.
Ἀνδρες ἀγαθοὶ ὀρτῶς βλέπουσι ὄμμασι, die guhten und
frommen ſehen gerade aus den augen
/ ſeind Xe-
nofons
worte im 7 b. das iſt/ ſie ſehen aufrichtig und
redlich/ nicht ſchalkhaftig/ tuͤkkiſch und betruͤgeriſch
aus: ſie laßen aus den Augen blikken/ daß ihr gantzer
leib vol tugend ſei; daß ihren gantzen menſchen die tu-
gend erleuchtet/ und kein laſter verfuͤnſtert: ja ihrer Au-
gen einfaͤltige blikke zeigen an/ daß ſie derſelben meiſter
ſo wohl ſeind/ als der haͤnde. Ὄυ μόνον δεῖ τὰς χείρας
ἔχειν παρ᾽ ἀυτῷ, ἀλλὰ καὶ τοὺς ὀφθαλμοὺς, es geziemet
ſich nicht allein die Haͤnde in ſeiner macht zu ha-
ben/ ſondern auch die Augen
; ſagte Iſokrates
zum Sofokles/ als er einen ſchoͤnen Knaben alzuver-
liebt lobete; wie Plutarch im leben der zehen Red-
ner bezeuget.


Zur 2 und folgenden zeilen des 22 blats.


DPotifar/ den Flavius Joſef/ im 2 b. ſeiner
Juͤdiſchen Geſchicht/ Petefres nennet/ die drit-
te ſtelle nach dem Koͤnige
beſeſſen/ iſt aus Joſefs
letztem
[407]Anmaͤrkungen.
letztem Willen zu ſehen; da Joſef alſo ſpricht: als ich
hineingebracht war/ baͤhtete ich den Fuͤrſten an/
und taͤht ihm ſeine gebůhrliche ehre: dan er war
der dritte nach dem Koͤnige im ſtaht/ und ein
Oberſter uͤber alle Geſchnittenen
. Daß er auch
der oberſte koͤnigliche Kuͤchenmeiſter geweſen/ be-
zeuget/ an itztgemeltem orte/ Joſef/ der ihn einen Fuͤr-
ſten oder Oberſten uͤber Faraons kuͤche
nennet/
ebenmaͤßig: als auch Joſef der Juͤdiſche Geſchicht-
ſchrelber; wiewohl er nur ſchlechthin ſaget/ er ſei uͤber
Faraons Koͤche geſetzt geweſen
. Ja daß er zugleich
des Oberſten Halsrichters beſtallung gehabt/ mel-
den die Kaldeer: welche ihn einen Meiſter der ge-
toͤdteten
/ und einen Fuͤrſten uͤber die Halsſa-
chen
nennen. Aber Moſes nennet ihn im 36 ſpr.
des 37/ und im 1 des 39. h. ſeines 1 B. des Farao
Kaͤmmerer/ und Hofmeiſter
; welcher auch ge-
meiniglich mit uͤber die Kuͤche zu gebieten pfleget: und
der Aſſenat Geſchicht ſtraks im anfange/ den ober-
ſten Hauptman der Ritterſchaft Faraons. Etli-
che ſagen
/ fuͤget ſie hinzu/ Potifar ſei ein oberſter
Fuͤrſt uͤber die Kuͤche geweſen: und das iſt der
wahrheit auch wohl gleich. Dan bei vielen Voͤl-
kern iſt der Fuͤrſten Vorkoſter oder Trank- und
ſpeiſe-koſter/ das iſt Vorſchneider/ ehrlicher
und anſehnlicher/ als der Hofmeiſter
. Eben
dieſelbe Geſchicht ſchreibet auch in der folge dieſes:
Und Joſef kahm in des Heliopelſchen Landes
grentzen/ deſſen Landsfuͤrſt Potifar war/ ein
Prieſter/ und Fuͤrſt aller Fuͤrſten aus dem
Rahte Faraons
.


Ob nun der Potifar/ der den Joſef gekauft/ eben
derſelbe Potifar geweſen/ deſſen Tochter er ehligte/ den
Moſes einen Prieſter zu On/ und Joſef der Ge-
ſchichtſchreiber einen Prieſter zu Heliopel/ welches
C c iiijeinerlei
[408]Kurtzbuͤndige
einerlei iſt/ nennet; davon ſind unterſchiedliche mei-
nungen. Hieronimus meinet/ in ſeinen Anmaͤrkun-
gen uͤber das Buch der Schoͤpfung/ daß Joſefs Keuf-
fer eben derſelbe geweſen/ der ihm nachmals ſeine Toch-
ter vermaͤhlet. In dieſer meinung ſtehen ebenmaͤßig die
meiſten Ebreer: welche darbei fuͤgen/ daß Potifar/ aus
Goͤttlicher ſchikkung/ ſeine maͤnligkeit/ weil er den Joſef
zum misbrauche/ naͤhmlich zum dienſte ſeiner geulheit/
gekauffet/ verlohren; daher man ihn auch nachmahls
zum oberſten Prieſter zu Heliopel erwehlet: welches
Amt niemand/ als dergleichen Maͤnner/ und die von
den edleſten entſproſſen/ bedienen koͤnnen. In mehr-
gemelter Geſchicht der Aſſenat ſeind/ unter andern/
auch folgende worte zu leſen. Potifar war nicht
aus des koͤniges Kammerdienern: dan dieſe
ſchneidet man ſehr jung. Aber die Ebreer mel-
den/ daß er den Joſef/ der ſo uͤberaus ſchoͤn war/
geſehen/ und ihn daruͤm gekauft/ damit er ſei-
ner misbrauchte. Doch der HErꝛ bewahrete
den Joſef/ weil er einem Geſchnittenen gantz
gleich war. Als nun die Egipter ſahen/ daß
Potifar unfruchtbahr zu ſein ſchien; ſo machten
ſie ihn/ nach ihrer gewohnheit/ zum Biſchof-
fe zu Heliopel. Und alſo iſt er viel ehrlicher und
anſehnlicher im Prieſtertuhme geweſen/ als er
zuvor im weltlichen Fuͤrſtenſtande war
. Hier-
mit ſtimmet faſt uͤberein Rupertus/ im 27 und 32
h. des 8 b. Beſiehe ferner/ was Salian am 309/ und
321 bl. des 1. t. ſeiner Jahrgeſchichte meldet. Hinge-
gen wil Auguſtinus/ daß des Joſefs Schwieger-
vater ein ander Potifar geweſen/ als derſelbe/ der ihn
gekauft. Und dieſer meinung pflichten bei Lipoma-
nus/ Oleaſter/ Pererius
/ als auch mehrgemelter
S. Grieffenſohn/ und Voſſius; welcher am 218 bl.
vom Goͤtzendienſte/ unter andern/ alſo ſchreibet: Aſnath
filia
[409]Anmaͤrkungen.
filia non carceris Præfecti, nomine פוטַיפַר; qui Jo-
ſephum
ab Iſmaëlitis emerat (nam, ob impudicitiam
uxoris perſpectiſſimam, talis hominis filiam meritò
fuiſſet avarſatus) ſed Cohen, hoc eſt Sacerdotis vel po-
tius principis viri ſive Præfecti in On, hoc eſt Heliopoli,
cui nomen
פזֹטזפֶדַע Potiphera. Alhier wil Voſſius
damit beweiſen/ daß Aſſenat nicht deſſelben Potifars
Tochter geweſen/ der den Joſef gekauft: weil er erſt-
lich eine ſolche Gemahlin gehabt/ die ihrer unkeuſch-
heit wegen einen ſo boͤſen nachklang bekommen; und
darnach auch Potifar/ jener aber/ naͤhmlich Joſefs
Schwiegervater/ Potifera genennet werde. Aber war-
uͤm Joſef eben die Tochter deſſelben/ deſſen gemahlin
ein ſolches brandmaͤrk hatte/ fliehen ſollen/ kan ich nicht
ſehen. War die Gemahlin leichtfaͤrtig/ das konte we-
der dem Potifar/ nach der Aſſenat zugemaͤſſen wer-
den. Zudem war ſie nur ihre Stiefmutter/ auch ſchon
geſtorben/ als ſich Joſef mit der Aſſenat vermaͤhlte:
ja Aſſenat ſelbſten hatte ſie noch nie geſehen; weil ſie
ſtraks nach ihrer gebuhrt gen Heliopel gebracht/ und
alda/ gleich als in einem Kloſter/ erzogen ward. Und
alſo konte ihr das uͤbele verhalten ihrer Stief-mutter/
in derer gegenwart ſie nicht erzogen/ keines weges nach-
teilig ſein/ wan ſie auch ſchon ihre leibliche mutter ge-
weſen. Was die nahmen Potifar/ welches uͤber-
flus
oder ein fetter Ochſe heiſſen ſol/ wie es Heide-
nius
erklaͤhret/ und Potifera belanget; dieſe/ wie-
wohl ſie zween unterſchiedliche nahmen zu ſein ſchei-
nen/ konte doch gar wohl einer allein ſuͤhren. Jo-
ſefs
Obergroßvater ward erſt Abram/ darnach Abra-
ham
/ und ſeine Obergroßmutter erſt Sarai/ dar-
nach Sara genennet; wie Moſes im 17 h. des 1 b.
bezeuget. Eben alſo nennet die heilige Schrift den
Koͤniglichen Kaͤmmerer und Hofmeiſter/ im 37 und
39 h. des Buchs der Schoͤpfung/ erſtlich Potifar;
C c vdarnach
[410]Kurtzbuͤndige
darnach aber/ als er Heliopelſcher Biſchof oder Prie-
ſter zu On/ von dannen er auch buͤrtig/ wie Heide-
nius
meldet/ worden/ im 41 h. eben deſſelben buches/
zweimahl Potifera. Zudem wird dieſer letzte nahme
ſonſten bei keinem Geſchichtſchreiber gefunden. Ja
Joſef ſelbſten bekennet in ſeinem letzten Willen/ daß
er ſeines Herꝛn Tochter geehliget. Seine eigene wor-
te an ſeine Soͤhne und Bruͤder ſeind dieſe: uͤberwaͤ-
get es wohl; dan ihr ſehet vor euren augen/ daß
ich/ uͤm meiner langmuͤhtigkeit willen/ meines
Herꝛn Tochter zur ehe bekommen; und 60000
guͤldne Krohnen mit ihr/ zum brautſchatze
.


Zur 10 zeile des 24 blats.


DEr nahme Aſſenat oder Asnat/ welchen Flavi-
us Joſef Aſanete/ Bochart Askenes
oder
Aſcenes ſchreiben/ wird alhier vom Arabiſchen worte
Asna/ welches ſchoͤn heiſſet/ hergeleitet. Im Mit-
tagsteile des Egiptiſchen Koͤnigreichs liegt eine Stadt/
welche zuvor Siene genennet ward. Weil aber dieſer
nahme mit dem Arabiſchen Worte Zeicha oder Seicha,
das iſt haͤslich/ faſt gleich lautet; ſo haben ihr nach-
mahls die Araber/ weil ſie eine ſehr ſchoͤne ſtadt iſt/ den
nahmen Asna gegeben; wie Livius Sanutus in ſei-
nem 9 buche bezeuget. Sonſten heiſſet Asnat auch ſo
viel als eine Heilandin oder Aertztin; oder vielmehr/
als ſagte man Aſſa-neit/ die Aertztin Minerve/
die heilmachende Weisheit. Dan Nit oder Neit
iſt in der Egiptiſchen Sprache ſo viel/ als Minerve;
wie wir bei dem 17 und am 395 bl. angewieſen.


Zur 3 und folgenden zeilen des 26 blats.


JUlius Sirenus ſchreibet im 18 h. ſeines 9 b. vom
Verhaͤngnuͤſſe: daß die Egipter und Sirer/ wan
ſie
[411]Anmaͤrkungen.
ſie den Abgott uͤm raht fragen wollen/ ein Baͤkken mit
Waſſer gefuͤllet/ und darnach den Abgott mit gewiſſen
Worten angerufen: welcher ihnen aus dem Waſſer/
mit einem haͤslichen ziſchen geantwortet. Auch hette
er ſie im Waſſer das bild oder die geſtalt des dinges/
oder des menſchen/ darnach ſie gefraget/ ſehen laßen.
Sonſten geſchahe ſolches auch durch das Wachs: und
dieſes ward Ceronomantia, wie jenes λεκονομαντία,
genennet. Kircherius Oedipi Ægypt. tom. 2, part. 2,
pag.
445.


Zur 29 zeile des 26 blats.


HEliopel/ Ἡλιόπωλις oder ἡλίου μητρό πολις, wie
ſie Arrianus nennet/ das iſt Sonnenſtadt/ So-
lis oppidum,
wie ſie Plinius im 9 h. des 5 b. und Me-
la auch
im 9 h. des 3 b. benahmen/ welche Mitres/ das
iſt Mizraim/ gebauet/ und die Iſraeler ergroͤſſert/
hat von den Griechen dieſen nahmen bekommen. Die
Ebreer und Kaldeer nennen ſie אזן, On/ das iſt un-
recht
; vielleicht daruͤm/ weil Iſraels Kinder alda
ſo vieles unrecht gelitten; als auch die 70 uͤberſetzer
im griechiſchen/ jenen zur folge: Ptolemeus aber
Onion: und der Araber Abenefi/ wie Simon Se-
ti
bezeuget/ Ainſchems oder Ainſemes/ das iſt Au-
ge
oder brun der ſonne; andere Betſames oder
Betſemes/ das iſt haus der ſonne. Nomen ſuum
adhuc integrè tuetur; non quidem græcè, ſed arabicè,

ſagt Guilaldien/ wie auch Bekahn im 6 b. von
Spanien; und der Ebreer Raſſe/ in ſeinem ſo ge-
nenten Mikra haggedola/ uͤber das 30 h. Ezechiels
alſo: On/ die Egiptiſche ſtadt/ wird in der un-
ebreiſchen ſprache Betſames
/ oder Ainſemes/
das iſt Haus oder Auge der ſonne genennet. Ral-
bag
/ und Aben Esra meinen/ in ihren Anmaͤr-
kungen
[412]Kurtzbuͤndige
kungen uͤber das 14 h. des buchs Moſ. daß On oder
Heliopel/ und Rameſſe/ da die Ebreer wohneten/
eine ſtadt geweſen. Und dieſes ſcheinet auch der wahr-
heit nicht unaͤhnlich zu ſein: weil Rameſſe dichte
bei Heliopel/ wie andere bezeugen/ gelegen. Aber He-
liopel
lag im winkel zwiſchen zwee Nielaͤrmen/ und
Rameſſe auf der andern ſeite/ uͤber dem Niele/ nach
Kanaan zu. Daher urteile ich/ daß nichts mehr/ als
der euſerſte ſchmahle Nielarm/ zwiſchen beiden ſtaͤdten
gelegen; und man ſie dannenher gleichwohl/ weil ſie ſo
nahe beieinander geſtanden/ vor eine ſtadt gehalten.
Auch mus es in ſolchem verſtande angenommen wer-
den/ wan etliche ſchreiben/ daß die Kinder Iſraels
Heliopel
gebauet/ oder vielmehr groͤſſer gebauet und
erweitert.


Es ſcheinet aber/ daß beide ſtaͤdte ihren nahmen von
der Sonne bekommen/ oder vor eine ſtadt ſeind gehal-
ten worden; weil man in beiden die Sonne geehret:
wiewohl nur in der rechten und alten Sonnenſtadt
das Goͤtzenhaus der Sonne ſtund. Von dieſem
Goͤtzenhauſe ſchreibet der Araber Artefi/ in ſelbigem
hauptſtuͤkke/ da er beweiſet/ daß alles aus einem tuͤpf-
lein entſprieſſet/ folgender geſtalt: Es war aber zu
Heliopel das Heiligtuhm der Sonne: und in
demſelben ſtunden zwoͤlf Sonnenſeulen/ welche
die zwoͤlf himliſchen Zeichen des Tierkreuſes/
und der Uhrweſen verborgenheiten bedeuteten
.
Dieſes gebeu/ wie ſonſten auch alle der Sonne zuge-
weihete Goͤtzenheuſer/ ſtieg mit einer runten mauer in
die hoͤhe/ und hatte oben ein halbruntes gewoͤlbetes
tach/ mit vielen loͤchern durchpohret: alſo daß dadurch
die ſonne den gantzen tag/ bald durch dieſes/ bald durch
jenes/ einen ſtrahl auf des Oſiriſchen oder Serapi-
ſchen goͤtzenbildes mund in das heiligtuhm hinein
ſchos. Daher vermeinte das einfaͤltige blinde volk/
das
[413]Anmaͤrkungen.
das dieſes von den Prieſtern erſonnene betruͤgliche
kunſtſtuͤkke nicht wuſte/ daß ihr Sonnengoͤtze Oſiris/
den ſie vor die Seele der Sonne hielten/ von ihr aus
liebe mit ſtaͤhtigem kuͤſſen geehret wuͤrde. Ja es kah-
men auch zugleich/ durch eben dieſelben loͤcher der
maur/ die ſtrahlen der Sonne fort und fort auf den
Sonnenſpiegel/ der recht gegen uͤber hing/ herab ge-
ſchoſſen/ alſo daß das Heiligtuhm/ durch den wider-
ſchein/ und das zuruͤkprallen der ſtrahlen/ den gantzen
tag durch erleuchtet ward; wie die Arabiſchen Ge-
ſchichtſchreiber Abenhakem/ Aben Saira/ und an-
dere melden. Es waren aber die Egiptiſchen Goͤtzen-
heuſer der Sonne daruͤm rund gebauet; weil die Son-
ne/ die Welt/ ja Gott/ wie die Egipter meineten/
ſelbſten eine runte geſtalt hetten. Cornel. à Lapide in
Geneſ. p.
684. Auſſer dieſem Goͤtzenhauſe der Son-
ne/ befanden ſich auch zu Heliopel/ unter andern/ die
zwoͤlf Goͤtzenheuſer der zwoͤlf Egiptiſchen Hauptman-
ſchaften; darinnen iede Hauptmanſchaft ihren beſon-
deren Tiergoͤtzen ehrete. Zudem hatte man alda viel
Schuhlen/ und eine große maͤnge Kloͤſter. Cornel. à
Lapide in Geneſ. p. 316. Dreſſerus Millenar. 3, p.
154.


Zur 28 und folgenden zeilen des 27 blats.


VOn dieſer Sonnenburg/ meldet die Geſchicht
der Aſſenat folgendes: Eſ lag eine Burg bei Po-
tifars hauſe/ welche groß und hoch war. In derſelben
ſtund ein Schlos/ mit zehen zimmern verſehen. Das
erſte war groß/ und aus der maße gezieret; der bodem
mit marmel belegt/ und die mauren mit edlen ſteinen
ausgeſetzt: ja die ſeulen waren von lauterem golde.
Hierinnen ſtunden die guͤldenen und ſilbernen Abgoͤtter
der Egipter: denen Aſſenat taͤglich dienete. Im andern
ward der Aſſenat zierraht/ welcher in golde/ ſilber/ ede-
len ſteinen/ und vielerlei koͤſtlichen prunktuͤchern be-
ſtund/ bewahret. Im dritten waren allerhand Goͤtter

des
[414]Kurtzbuͤndige
des Landes; als auch das Baͤhthaus/ da Aſſenat ihr gebaͤht
alle tage verrichtete. In den uͤbrigen wohneten Jung-
frauen/ welche uͤberaus ſchoͤn waren/ und der Aſſenat
dieneten. Mit dieſen hatte kein Mansbild iemahls ge-
ſprochen. Aber in der Aſſenat zimmer ſelbſten waren
drei fenſter: das erſte/ welches nach dem morgen zu
ſtund/ ſehr groß: das andere ging nach dem mittage zu/
und das dritte gegen mitternacht. Auch befand ſich al-
hier ein guͤldenes Bette/ mit ſammet und golde/ und mit
ausgewuͤrktem leinwand uͤmhangen/ ja von auſſen mit
hiazinten/ purpur/ und koͤſtlichem zeuge gezieret. Dar-
auf ſchlief Aſſenat allein: und kein mansbild hatte dar-
auf iemahls geſeſſen. Um dieſes ſchlos heruͤm ging ein
großer vorhof/ mit einer großen mauer von vierekkichten
ſteinen uͤmzogen. In denſelben Vorhof gelangte man
durch vier eiſerne Tohre: welche von achtzehen ge-
harnſchten maͤnnern bewahrt warden. Auf der rechten
ſeite des vorhofs ſtund ein Brun des lebendigen und
ſehenden waſſers: darneben ſich ein ausgehauener ſtein
befand/ in welchen das brunnenwaſſer gelauffen kahm/
alle beume/ die im vorhofe ſtunden/ zu befeuchten
.


Zur 18 und folgenden zeilen des 28 blats.


VOn dieſer der Aſſenat ſpielgeſelſchaft ſpricht ihre
eben angezogene Geſchicht alſo: Aſſenat ſagte zum
Engel; Herꝛ/ ich habe ſieben Jungfrauen: die ſeind
mit mir auferzogen/ und in einer nacht gebohren
/ u. a. m.


Zur 8 zeile des 30 blats.


IM Afrikſchen lande Lime findet man allerhand
wunderliche Bilderſteine/ wie Aben Gezar und
Marmol bezeugen. Die Araber nennen ſie ins ge-
mein Hagaracht/ und die Spanier los Hechizos.
Auf oder in dieſen ſteinen hat die natur ſelbſten bald
einen arm/ bald einen kopf/ bald ein anderes teil des
menſchlichen leibes/ ja zu weilen auch einen gantzen
Menſchen abgebildet. Man pfleget ſie zur zauberei und
zum
[415]Anmaͤrkungen
zum wahrſagen zu gebrauchen. Sonderlich aber helt
man dieſelben in großem waͤhrte/ in welchen die geſtalt
eines volkommenen Menſchen abgebildet iſt; weil man
feſtiglich gleubet/ daß in denſelben eine kraft verborgen/
der Fuͤrſten und Koͤnige gunſt/ wan man ſie traͤget/
zu gewinnen.


Zur 15 und folgenden zeilen des 33 blats.


DIodor der Sizilier bezeuget im 28 h. des 11b.
es ſei in Egipten kein winter: es regne wenig/ ja
uͤm Memfis heruͤm gantz nicht; weil es unweit vom
duͤrren himmelsſtriche gelegen: nur bei der ſee ſpuͤhrete
man gegen den winter einigen regen.
Hiermit ſtim-
met Plinius uͤberein/ wan er in ſeinem 18 b. ſchreibet:
In Egipten hat man entweder ſehr ſelten regen/ oder
wohl gar keinen: dan Gott macht durch den uͤberlauf des
Niels das erdreich fruchtbar/
u. a. m. Beſiehe hier-
von unſern Dichteriſchen Sternhimmel/ am 238/
239/ 252/ 263 bl.


Zur 13 und folgenden zeilen des 35 blats.


PLinius ſchreibet im 9 h. des 5 b. Der Niel be-
ginnet alle jahr/ im neuen mohne nach der ſon-
nenwende/ zu wachſen; und zwar algemach und
ſpahrſam/ ſo lange die ſonne durch den Kraͤbs leuft;
uͤberflieſſig aber/ wan ſie den Leuen durchwandert. End-
lich faͤlt er wieder/ in der Jungfer/ auf eben dieſelbe wei-
ſe/ wie er geſtiegen. U
nd Teon am 19 bl. ſeiner An-
maͤrkungen uͤber den Aratus: Das gantze zeichen des
Leuen iſt der Sonne geheiliget. Dan da ſteiget der Niel/
und gehet der Hundesſtern auf/ uͤm die eilfte ſtunde.
Und von hier beginnet man das jahr/
u. a. m. Aber
Teon irret/ indem er dem beginne des Niliſchen
wachſens eine gewiſſe ſtunde zuſchreibet; da man doch
befindet/ daß der Niel in einem jahre wohl gantze tage
fruͤher/
[416]Kurtzbuͤndige
fruͤher/ im andern ſpaͤhter waͤchſet/ nachdem die witte-
rung iſt an denen oͤrtern/ da er entſpringet. Etliche
pflegen den anfang ſeines auflaufs in den 12 brach- oder
liljen-mohndes/ und den begin ſeines falles auf den 14
aͤrntmohndes/ da die Hundestage ſich endigen/ zu ſe-
tzen. Andere dagegen ſetzen beiderlei anfang wohl 14
oder 15 tage ſpaͤhter: welches auch mit der erfahrung
beſſer uͤbereinſtimmet. Gleichwohl trift auch dieſer
ſatz ſo gewis nimmermehr ein/ daß er nicht zuweilen
auf einen oder zween/ ja wohl mehr tage ſolte verruͤkt
werden; dergeſtalt daß es nur falſch und vergebens iſt
eine gewiſſe ſtunde ſetzen wollen. Zudem bezeuget auch
die erfahrung/ daß zu unſern zeiten der Niel viel ſpaͤh-
ter das erdreich uͤberſchwaͤmmet/ auch lange ſo hoch
uͤber den aͤkkern nicht ſtehet/ wan er ſchon auf das hoͤch-
ſte geſtiegen/ als er vor etlichen hundert jahren getahn.
Die uhrſache deſſen iſt das durch den jaͤhrlich zugefuͤhr-
ten ſchlam immer mehr und mehr erhoͤhete erdreich.
Daher dan itzund der anwachs von ſechzehen ellen/ der
im aͤrntmohnde ſich begiebet/ nur die Koͤniglichen aͤk-
ker uͤberwaͤſſert: und der von achtzehen erſt die andern.
Aber der von zwoͤlfen giebet dem lande gantz keine feuch-
tigkeit: und der von zwanzigen uͤberſchwaͤmmet es al-
zugewaltig/ ja ſo/ daß er die beume auswaͤſchet und das
erdreich verwuͤſtet. Wie die Egipter durch einen be-
wahrten erdkloß erfahren/ wan der tau vor dem wach-
ſen des Niels faͤllet/ ſchreibet Proſper Alpinus/ Voſ-
ſius/
und andere. Von der laͤnge der zeit aber/ in wel-
cher der Niel ſteiget/ ſeind die Naturkuͤndiger
ſehr uneins. Herodotus/ Diodohr/ Marzellus/
und andere ſchreiben ihm 98/ ja wohl 100 tage zu: Ari-
ſtides faſt 4 mohnden. Die meiſten aber wollen/ daß
er 40 tage wachſe/ und 40 tage falle.


Zur
[417]Anmaͤrkungen.

Zu den 2 letzten zeilen des 35 blats.


PLinius in 9 h. des 5 b. Ægyptus duodecim cu-
bitis in altitudinem aſcendentis Nili famen ſentit;
in tredecim etiamnum eſurit: quatuordecim cubiti hi-
laritatem afferunt; quindecim ſecuritatem; ſedecim
delitias.


Zur 9 und 10 zeile des 36 blats.


MItten in dem Leuen/ oder etwas uͤber die mitte/
hat der Niel ſeine hoͤchſte hoͤhe/ naͤhmlich eine ſol-
che/ als zur fruchtbarkeit genug iſt.


Zur 20 und folgenden zeilen des 36 blats.


EBen derſelbe Plinius ſchreibet am itzt angezogenen
orte: Sementem faciunt Ægyptii ſole jam Libram
tenente.
Und alſo war in Egipten uͤm den herbſt-
mohnd keine aͤrnte/ wie in Europe. Dan uͤm den
fruͤhling/
ſagt Filo der Juͤde/ im leben des Moſes/
waren alle fruͤchte der erde und etlicher beume
im Juͤdiſchen lande/ in Egipten/ und Babi-
lonien reif.


Zur 7 und folgenden zeilen des 37 blats.


LAnge ſchreibet an 218 und 223 bl. von den jahren
der Heilgebuhrt: Als die Weiſen in Egipten ſahen/
daß alda ſich etwas zutrug/ das man ſonſten nirgend ie-
mahls geſehen naͤhmlich daß der Niel jaͤhrlich ſechzehen
ellen hoch auflief/ und ihr gantzes land waͤſſerte und deſ-
ſen uhrſache fleiſſig nach forſcheten; ſo gleubten ſie/ daß
der helleuchtende Hundesſtern/ der ihnen uͤm dieſe zeit/
unter dem nahmen
Sous/ aufging/ dieſes große wun-
derwerk der natur wuͤrkte. Und daruͤm hielten ſie ihn vor

D deinen
[418]Kurtzbuͤndige
einen Gott/ und begunten auf ſeine zeit fleiſſiger ach-
tung zu geben.
Ja ſie hielten darvor/ daß uͤm dieſe
jahrszeit/ da der Hundesſtern aufging/ die Welt er-
ſchaffen worden. Proclus l. 4 in Tim. Platonis: Ægyp-
tii horoſcopum mundi fecerunt Cancrum, eo quod
lucida Canis cum ſigno Cancri oriatur.
Auch ehreten
ſie nicht allein den Hundesſtern/ welchen ſie den uͤber-
lauf des Niels zu wuͤrken waͤhneten/ als einen Abgott:
ſondern auch den Niel ſelbſten; weil er ihr land frucht-
bar machte. Daher ſagt Solinus im 35 h. Nilo mul-
tas ſuperſtitiones, imò ferè divinos honores exhibent.

Plinius im 46 h. des 8 b. Voſſius aber ſchreibet/ in
ſeinem Buche von der Abgoͤtterei/ vom uͤberlauffe des
Niels alſo: Ægyptii quidem habent exitus, oſtiaque
Nili: Æthiopes autem fontes. Nam ab aſperis rupibus,
qui Lunœ montes dicuntur, decurrit in Ægyptum,
per Æthiopiam. Rex Abyſſinorum ſcribitur Rex Goyo-
me, ubi Nilus oritur
, \&c. Creſcere incipit mox à ſol-
ſtitio circa xv Kal. quinctil. Cujus cauſa ſunt perpe-
tui imbres juxta circulum æquinoctialem: ubi eſt
hiems, quando æſtas eſt illis, qui ſub tropico cancri,
\& cis eum, habitant. His igitur imbribus ſeptentrio-
nem verſus confertim ruentibus, tota inundatur
Ægyptus, \&c.
Faſt eben daſſelbe von den Nielsbrun-
nen findet man in der Arabiſchen Landbeſchrei-
bung.
Dan ſie ſagt auch/ daß der Niel von den
Mohndesbergen ſeinen uhrſprung/ und zehen
brunnen/ habe.
Hierzu fuͤget ſie: daß die erde in der
flaͤche/ da endlich die zehen Nielsbrunnen zuſammen-
ſchoͤſſen/ unten hohl ſei: ja das gantze benachbahrte land
bei den Mohndesbergen ſei unterwaſchen. Beſiehe hier-
von auch unſern Dichteriſchen Sternhimmel/
am 252 bl.


Zu
[419]Anmaͤrkungen.

Zu den letzten zwo zeilen des 37 blats.


HIer von kan Atanaſ. Kircher am 59 und fol-
genden bl. ſeiner Egiptiſchen Landbeſchreibung/ als
auch Iſaak Voſſius/ des großen Gerhards ſohn/
vom uhrſprunge des Niels und anderer fluͤſſe/ welche
beide dieſes alles ſehr weitleuftig ausfuͤhren/ geleſen
werden.


Zur 16 und folgenden zeilen des 38 blats.


DIe Egiptiſchen Prieſter ſchrieben dem uͤberlauffe
des Niels dreierlei uhrſachen zu; daher ſie ihrem
Nielgoͤtzen auch drei Waſſerkruͤge/ wider der Dicht-
meiſter gewohnheit/ die iedem Flusgoͤtzen nur einen
geben/ zueigneten. Die erſte uhrſache war das Egip-
tiſche Erdreich ſelbſten/ welches aus ſeinem eigenen
ſchlunde den Niel mit waſſer vermehrete: die andere
das Meer; worinnen Eutimenes den Egiptiſchen
Prieſtern beifiel: die dritte der ſchlagregen/ der uͤm die
zeit des Nieliſchen uͤberlaufs am mittagsende des
Reichs meiſt zu fallen pflegte; weil als dan die jahrs-
winde/ wie Demokritus waͤhnete/ die regenwolken
darnachzu trieben. Anaxagoras aber legt es auf den
ſchnee/ der auf dem morgenlaͤndiſchen gebuͤrge lieget/
und gegen die zeit des Nieliſchen uͤberlaufs ſchmaͤltzet:
und Eforus ſcheinet die obangezogene erſte uhrſache
der Egipter zu behaupten wollen; indem er vorgiebt/
daß das Egiptiſche Erdreich bimsſteinhaftig und loͤ-
chericht ſei/ alſo daß es den winter durch die feuchtig-
keit und naͤſſe einſoͤge/ und des ſommers uͤm die ſon-
nenwende/ gleichſam wieder ausſchwitzte/ und dadurch
den Niel ſchwaͤngerte. Thales einer der ſieben Weiſen
aus Griechenland/ waͤhnete/ daß die jahrswinde den
ſtrohm des Niels zuruͤktrieben/ und ihn alſo zum auf-
D d ijſchwaͤllen
[420]Kurtzbuͤndige
ſchwaͤllen braͤchten. Andere/ ſonderlich die heutigen
Naturkuͤndiger/ unter denen Odaart Lopes/ in
ſeiner beſchreibung des Koͤnigreichs Kongo/ nicht
der geringſte/ ſchreiben es dem ſtaͤhtigen und ſtarkem
regen zu; welcher gegen Oſtern durch das gantze Moh-
renland zu fallen beginnet/ und faſt zwanzig wochen
lang anhaͤlt. Solche taͤgliche regen/ ſagt gemelten
Lopes/ waͤhren fuͤnf gantze mohnden/ vom
Oſtermohnde bis auf den aͤrntmohnd.
Und dis
iſt es/ daruͤber Tahles/ Eforus/ Anaxagoras/
Oenopides/ Timeus/ Eudoxus/ Agatarchi-
des/ Herodotus/ Plutarch/
ja faſt alle Egipti-
ſche Prieſter und andere ihre koͤpfe/ etliche tauſend
jahre nacheinander zerbrochen. Dem ſei nun wie ihm
wolle/ ſo iſt es doch einmahl gewis/ daß die ſchwaͤnge-
rung des Niels fuͤrnehmlich aus gemelten ſchlagregen
zum teile/ zum teil auch aus den gewaltigen ſchneefluh-
ten von den gebuͤrgen/ welche dan eigentlich die Haupt-
brunnen des Niels machen/ entſtehet. Und dieſe Haupt-
brunnen hat endlich Peter Pais/ deſſen worte bei
Kirchern zu leſen/ im 1618 jahre/ darnach ſo vielen
verlanget/ entdekket.


Der Sirer Moſes Barzefa wil/ in ſeinem buche
vom Garten Eden/ des Niels uhrſprung gar aus dem
Paradieſe herleiten. Dan er ſagt: er habe ſich von
dar unter die erde begeben/ und ſei darunter/
ja ſelbſt unter der ſee/ ſo lange hingelauffen/ bis
er endlich in Etiopien wieder heraus geſprun-
gen: da er/ mit dem ſchnee- und regen-waſſer
vermehret/ ſich ſo hoch ergoͤſſe.
Auch nennen ihn
die Etiopier ſelbſten die Ader des Paradieſes/
und den brunnen goͤttlicher waſſer/ankaata marat
ſchamatawi:
Homerus einen flus/ der aus dem
Himmel oder Jupiters ſchoße gefallen: Par-
inenon
von Bizanz den Egiptiſchen Jupiter:
Die
[421]Anmaͤrkungen.
die Arabiſchen Dichter Ibunſarid/ und Eldeburg
giatellarthim,das Leben der erde: und die Egipter
ſelbſten des Oſiris arm; auch ſagen ſie/ daß er
gleich als eine Mittelader aus des Oſiris hertzen floͤſ-
ſe: dan ſie ſahen/ daß er von den Zairiſchen bergen her/
die nicht weit vom Mohnesgebuͤrge liegen/ durch Egip-
ten in geſtalt eines armes ſchieſſet/ und nach der ſee zu
ſich/ als eine hand mit fingern/ ausbreitet; indem er
oberhalb Memfis fuͤnf aͤrme bekommet. Ja er ward
bei ihnen auch ein nachahmer des Himmels/ ἀντίμι-
μος τοῦ οὐϱανοῦ, wie Heliodoor im 9 b. ſchreibet/ ge-
nennet: weil er/ an ſtat des regens vom himmel/ das
duͤrſtige erdreich traͤnket. Daher redet ihn auch Ti-
bullus/
im 7 ged. ſeines 1 b. alſo an:


Te propter, nullos Tellus tua poſtulat imbres,

arida nec pluvio ſupplicat herba Jovi.

Zur 2 und folgenden zeilen des 40 blats.


DEr flus Helikon/ ἑλικὼν flieſſet in Mazedonien
bei der ſtadt Dium voruͤber; und ſcheinet eben der-
erſelbe zu ſein/ der bei dem Likofron ζεφύϱος, bei
dem Ptolemeus ϕαϱύζος, und bei dem Livius im
4 b. Baphyrus heiſſet: weil Pauſanias bezeuget/ daß
er flus Helikon ebenmaͤßig ζαϕύϱας genennet wer-
e. Sonſten findet man auch einen flus in Sizilien/
er gleichmaͤßig Helikon/ vom Fanellus aber Oli-
erio,
oder Veria vom Leander/ genennet wird.


Zur 18 und folgenden zeilen des 54 blats.


IM 12 h. des buches der Schoͤpfung ſpricht Gott zu
Abraham: Ich wil dich zum großen Volke
achen/ und dich ſeegnen. Ich wil dir einen
roßen nahmen machen: und du ſolt ein ſeegen

D iijſein.
[422]Kurtzbuͤndige
ſein. Ich wil ſeegnen/ die dich ſeegnen/ und
verfluchen die dich verfluchen. Und in dir ſol-
len geſeegnet ſein alle Geſchlechter auf erden.

Im folgenden 17 ſpr. Abraham hatte ſchafe/
rinder/ eſel/ knechte und maͤgde/ eſelinnen und
kamehle.
Im 2 ſpr. des 18 h. Abraham aber war
ſehr reich vom viehe/ ſilber und golde.
Im 3
und 4 ſpr. Lot aber/ der mit Abraham zog/ hat-
te auch ſchaffe/ rinder/ und huͤtten. Und das
land mochte es nicht ertragen/ daß ſie beieinan-
der wohneten: dan ihre habe war groß.
Im 15
und 16 ſpr. ſagt Gott zu Abraham: Alles land/
das du ſieheſt/ wil ich dir geben/ und deinem ſaa-
men ewiglich. Und ich wil deinen Saamen ma-
chen/ wie den ſtaub auf erden.
Im 14 h. eben
deſſelben buchs wird erzehlet: wie Abraham 318
knechte/ die in ſeinem hauſe gebohren waren/ gewaf-
net/ und vier Koͤnige die uͤber fuͤnf andere Koͤnige ge-
ſieget/ und ſeinen vetter Lot/ gefaͤnglich wegfuͤhre-
ten/ geſchlagen und in die flucht getrieben: auch wie
ihm/ nach der ſchlacht/ der Koͤnig von Sodom in
das feld ſei entgegen gegangen; und Melchiſedek/ der
koͤnig von Salem/ broht und wein heraus getragen/
und ihn geſeegnet. Die große verheiſſungen/ die Gott
dem Abraham ferner tuht/ ihn/ und ſeine nachkom-
men uͤberaus gewaltig zu machen/ ſeind im 15 h. auch
in etlichen folgenden mehrgemelten buchs weitleuftig
zu leſen; ſonderlich im 16. Im 23 h. nennen ihn die
Kinder des Hets einen Fuͤrſten Gottes unter ih-
nen. Im 35/ 36/ 37 ſpr. des 24 h. ſagt Abrahams
knecht: der HErꝛ hat meinen herꝛn reichlich ge-
ſeegnet: und er iſt groß worden. Und Er hat
ihm ſchafe und ochſen/ ſilber und gold/ knechte
und maͤgde/ kamehle und eſel gegeben. Darzu
hat
Sara/ meines herꝛn/ weib einen Sohn
(Iſaak)
[423]Anmaͤrkungen.
(Iſaak) gebohren meinem herꝛn: dem hat er
alles gegeben/ was er beſitzt/
u. ſ. f. Von dieſem
Iſaak/ Abrahams ſohne/ lautet der 13/ 14 und
16 ſpr. des 26 h. alſo: Und Iſaak ward ein großer
Man/ ging und nahm zu/ bis er ſehr groß
ward: daß er viel guhtes hatte an kleinem und
großem viehe/ und ein großes geſinde: daß
auch Abimelech
(der koͤnig) zu ihm ſprach: zeuch
von uns; dan du biſt uns zu maͤchtig worden.

Im folgenden 26/ 28 und 31 ſpr. komt der koͤnig der
Filiſter ſelbſten zu Iſaak/ und leſt ſich mit ihm in ei-
nen bund ein; damit er ihnen keinen ſchaden taͤhte.
Hieraus ſehen wir klaͤhrlich/ wie maͤchtig Abraham/
Iſaak/
und Jakob geweſen: welche aus Sems/
des Noah ſohnes/ und aus Ebers/ der Sems
enkels ſohn war/ nachkommen/ naͤhmlich aus Faleg/
Regu/ Serug/ Nahor/ Tarah/
entſproſſen;
daher ſie/ und ihre nachkommen/ nach dem Eber/
mit dem algemeinen nahmen Ebreer genennet wor-
den. Auch kan von Jakobs achtbarkeit/ Hedio/
Rufinus
im 2 h. und Fl. Joſef im 2 des 2 b. gele-
ſen werden.


Zur 10 und folgenden zeilen des 55 blats.


DIeſe gantze erzehlung von Jakobs Ehe/ Efrauen/
und Kindern [findet] man im 29/ 30/ und 35 h. des
Buchs der ſchoͤpfung.


Zur 14 und folgenden zeilen des 55 blats.


VOn der Bilha und Silpa ſagt Naftali in ſei-
nem letzten Willen ſtraks im angefange alſo:
ich bin von Bella geboren: welche Rahel dem Jakob an
ihre ſtat beilegte/ mit nicht geringem ruhme vor ſich

D d iiijſelbſten,
[424]Kurtzbuͤndige
ſelbſten. Auch gebahr ſie mich auf der Rahel huͤfte; da-
her ich den nahmen
Neptalim bekahm. Und Rahel
hatte mich lieb/ weil ich auf ihrer huͤfte gebohren. Auch
kuͤſte ſie mich/ da ich noch jung war/ und ſagte viel-
mahls: Gott laße mich auch deinen bruder/ aus eben
demſelben leibe/ daraus du gekommen biſt/ ſehen; und
gebe/ daß er dir gleich ſei: daher ward mir auch
Joſef
in allem nach der Rahel begehren/ aͤhnlich. Bella aber/
meine mutter/ war des
Rohteus/ Delboreus bruders/
tochter/ der
Rebekke Kindermuhme; welche mit der Ra-
hel auf einen tag gebohren. Und
Rohteus war ein Kaldeer/
aus Abrahams geſchlechte/ ein gottesfuͤrchtiger/ freier
und edeler man. Dieſen kaufte
Laban/ als er gefangen
war; und gab ihm ſeine bluhtsfreundin
Eva zur fraue:
welche eine tochter gebahr/ die der vater nach dem
ſchloſſe/ darauf er gefangen gelegen/ Selfa
(Silpa)
benahmte. Darnach kahm ſie auch mit der Bella nieder/
und ſagte: mit einer ſeltſamen begierde eilete meine
tochter. Dan ſo bald ſie gebohren war/ fiel ſie an die
bruſt zu ſaugen.


Zur 22 und folgenden zeilen des 55 blats.


DIe begaͤbnuͤs der Dina und des Sichems be-
ſchreibet das 34 h. gemelten Buchs.


Zur 2 und folgenden zeilen des 56 blats.


SO lange war Sara/Joſefs mutter/ unfrucht-
bar/ bis alle der Lea ihrer ſchweſter/ als auch
der zwo Mågde Kinder gebohren waren: und da ge-
bahr ſie erſt den Joſef; wie aus dem 29 und 30 h. mehr
gemeldeten Buchs der ſchoͤpfung zu ſehen.


Zur 15 und vorher- als auch nach-gehenden
zeilen des 57 blats.


FLav. Joſef. ſchreibet hiervon im 2 h. des 2 b.
ſeiner Juͤdiſchen geſchichte folgender geſtalt: der
Vater
[425]Anmaͤrkungen.
Vater liebte den Joſef vor ſeinen andern kin-
dern/ ſo wohl ſeiner fuͤrtreflichen leibesgeſtalt/
als der tugenden ſeines gemůhts wegen: dan er
war der allerverſtaͤndigſte. Und dieſe vaͤterli-
che liebe machte/ daß ihn ſeine bruͤder haſſeten
und neideten.
Beſiehe zugleich/ was S. Greiffen-
ſohn/
in der Lebensgeſchicht des Joſefs hiervon weit-
leuftig ſchreibet.


Zum ende des 58/ und beginne des 59 blats.


MOſes ſpricht hiervon im 3 und 4 ſpr. des 37 h.
ſeines 1 b. alſo: Iſrael hatte Joſef lieber/ dan
alle ſeine
kinder; daruͤm daß er ihn im alter ge-
zeuget: und machte ihm einen
bunten Rok. Da
nun ſeine bruͤder ſahen/ daß ihn ihr Vater lieber
hatte/ dan alle ſeine bruͤder; waren ſie ihm
feind/ und konten ihm kein freundliches wort
zuſprechen.


Zur 7 und folgenden zeilen des 60 blats.


VOn dieſem traume des Joſefs ſchreibet Mo-
ſes/
im 2/ 4/ 5/ 6 und 7 ſpr. des 37 h. ſeines 1 b.
als auch Flav. Joſef an obangezogenem orte. Matth.
Dreſſerus
Iſag. Hiſtor. millenar. 3, p. 149: Manſit
enim (Joſeph) domi uſque ad annum ætatis 17, au-
divitque conciones patris, \& avi; \& didicit officia œco-
nomica inter fratres ſuos ex ancillis
natos, omiſſis fratri-
bus reliquis ſuperbis. Hinc mores quoque illius fue-
runt modeſti prorſus, \& ab omni faſtu \& ſimulatione
remoti. Propter hanc ſimplicitatem \& moderationem
charus fuit præ cæteris fratribus patri ſuo. Nihil enim
diſſimulabat; nihil inſidioſè occultabat: ſed quæ vi-
derat à fratribus ſuis ſuſcipi aut geri nefariè, ea ad pa-

D d vtrem
[426]Kurtzbuͤndige
trem deferebat, non quidem, ut proditor, ſed ut filius,
Deo \& parentibus debitam pietatem \& obedientiam
præſtans. Erat enim eo nomine charus patri, quòd
ex chariſſima conjuge Rachele natus eſſet, multis \&
diuturnis votis expetitus, videlicet anno ætatis Jacobi
91, \&c.


Aber alles dieſes erklaͤhret Gad/ in ſeinem Letzten
willen/ unter andern noch deutlicher. Joſef/ ſagt er/
huͤhtete mit uns der heerde/ ohngefaͤhr dreiſſig tage
lang. Weil er aber ſehr zahrt und ſpilde war/ ſo ward
er/ der großen hitze wegen/ krank. Und daruͤm ging er
wieder nach
Hebron/ zu ſeinem vater: welcher ihn bei
ſich behielt; dan er hatte ihn lieb.
Joſef aber ſagte ſei-
nem vater daß die kinder der
Bella und Selfa das guht
unnuͤtzlich durchbraͤchten und verpraſſeten/ daß es Ru-
ben und
Judah nicht wuͤſten. Dan er hatte geſehen/ daß
ich ein Lam aus eines baͤhren rachen/ den ich todt ſchlug/
gezogen/ und das lam geſchlachtet/ weil es doch daruͤber
ich betruͤbt war/ nicht laͤnger leben konte. Daſſelbe ver-
zehrte ich mit meinen bruͤdern: und er verriet uns bei
dem vater. Solches vertrugen wir ſo lange/ bis er in

Egipten verkauft ward. Und der geiſt des haſſes beſaß
mich ſo ſehr/ daß ich den
Joſef weder ſehen/ noch hoͤ-
ren mochte. Dan er beſtrafte uns oͤffendlich/ daß wir
das Lam/ ohne
Judah/ gegeſſen. Auch gleubte der va-
ter alles/ was er ſagte. Aber nun/ meine Kinder/ be-
kenne ich meine ſuͤnden: der ich vielmahls den vorſatz
gehabt ihn zu toͤdten. Dan ich haſſete ihn mit gantzem
hertzen: und trug ihm gantz keine barmhertzigkeit zu.
Ja uͤm ſeine treume haſſete ich ihn dermaßen/ daß
ich auch trachtete ihn zu toͤdten/ und zu verſchlingen/
gleichwie ein kalb das graß von der erde verſchlinget.
Und daruͤm verkauften wir auch ihn/ ich und
Judah/ den
Iſmaelern vor dreiſſig ſilberlinge: davon wir zehen die-
biſcher weiſe behielten/ und nicht mehr als zwantzig un-
ſern bruͤdern wieſen. Ja ich war ſo geldgeitzig/ daß ich
ihn uͤm ein ſtuͤkke geldes wohl wolte ermordet haben.
Aber der Gott unſerer vaͤter errettete ihn aus meinen
haͤnden/ damit ich nichts gottloſes voldringen moͤchte/

u. a. m. Dieſes habe ich zuletzt erkant/ nachdem ich/ uͤm
Joſefs
[427]Anmaͤrkungen
Joſefs willen/ zur reue getrieben ward/ u. a. m. Und
daruͤm/ weil meine leber vol ungnade war gegen
Joſef/
bin ich auch ungnaͤdig gepeiniget worden/ und habe das
urteil/ mit großen ſchmertzen/ eilf mohnden lang gefuͤh-
let: alſo daß die zeit meiner ſtrafe/ mit der zeit/ darinnen
ich
Joſefs verkauffung ſo hart triebe/ gleich ſein muſte/
u. a. m. Ich ſprach dem Joſef/ in gegenwart unſers va-
ters/ freundlich zu: aber ſo bald ich hinaus war/ ver-
dunkelte mir der geiſt des haſſes meinen verſtand/ und
trieb meine ſecle fort und fort an/ ihn uͤmzubringen.


Zur 8 und 11 zeile von untenauf des 60 blats.


DIeſes bezeuget Moſes im 8 ſpruche des 37 h. ſei-
nes 1 b. als auch Flav. Joſef/ an obangezoge-
nem orte/ am 150 bl.


Zur 21 und folgenden zeilen des 62 blats.


DEr zweite Traum Joſefs wird im 10 ſpruche des
37 h. des B. der ſchoͤpf. erzehlet. Hiervon ſagt
Flavius Joſef alſo: Gott aber ſtritte wider ih-
re
(der bruͤder Joſefs) misgunſt/ und lies dem
Joſef noch ein anderes geſichte/ welches viel
wunderlicher war/ als das vorige/ ſehen/
u. ſ. f.
Dieſen traum erzehlte er/ in gegenwart ſeiner
bruͤder/ von denen er kein boͤſes argwaͤhnete/
dem Vater/ der ſich nicht wenig daruͤber ergetz-
te; mit bitte/ daß er ihn auslegte. Der Vater
war auch in wahrheit recht froh/ als er die be-
deutung des traumes reiflich erwog/ und dar-
aus urteilete/ daß ſeinem ſohne eine große gluͤk-
ſeeligkeit angekuͤndiget wuͤrde: als welcher der-
mahleins ſo wuͤrdig geachtet ſein ſolte/ daß ihn
ſo wolhl ſeine Eltern/ als Bruͤder/ anbaͤhten
wuͤrden. Durch die Sonne und den Mohn
verſtund er Vater und Mutter; weil der eine

alles
[428]Kurtzbuͤndige
alles vermehrete und naͤhrete/ die andere den
dingen ihre geſtalt und kraft einpflantzte: durch
die Sterne aber die Bruͤder; weil die zahl uͤber-
einkahm/ und ſie von der ſonne und dem mohne
ihre kraft hetten. Und Jakob hat zwar eine
ſolche deutung nicht unweislich gemacht. Aber
Joſefs bruͤder warden darůber ſehr traurig und
unmuhts; nicht anders/ als wan irgend einem
fremden/ und nicht ihrem bruder/ ſolche gluͤk-
ſeligkeit angezeiget wuͤrde; da ſie doch/ als ſei-
nes gluͤks und geſchlechts teilgenoſſen/ alles
guhten mit ihm zu genieſſen hatten/
u. a. m.
Moſes erzehlet dieſes mit gantz kurtzen worten/
wan er im 11 ſpr. des obangefuͤhrten h. ſaget;
und ſeine bruͤder neideten ihn: aber ſein Vater
behielt dieſe worte.


Zur 25 und folgenden zeilen des 63 blats.


DIeſes beſchreibet Moſes wieder gantz kurtz im 12
ſpruche des 37 h. Flav. Joſef aber ein wenig
weitleuftiger: ſie beſchloſſen/ ſagt er/ den Juͤng-
ling aus den wege zu reumen. Und nach ge-
nehmgefundenem ſchluſſe/ als das getreide nun
eingeaͤrntet war/ begaben ſie ſich/ mit dem vieh/
auf das Sichemſche feld/ welches eine ſehr guh-
te weide hatte/ ohne vorbewuſt des Vaters;
und nahmen alda der huͤrten ſorge wahr. Aber
als niemand von den heerden kahm/ und Ja-
kob keine gewiſſe zeitung von ihnen hoͤrete; da
ward er/ ſeiner ſoͤhne wegen/ bekuͤmmert/ und
traurig/ alſo daß er den Joſef ausſchikte zu ſe-
hen/ wie es uͤm ſeine bruͤder ſtunde/ und ihm
die bohtſchaft zu bringen/ was ſie machten.


Zur
[429]Anmaͤrkungen.

Zur 18 zeile des 64 blats.


DEr Vater hatte dem Joſef einen bunten Rok
machen laßen; wie Moſes im 3 ſpr. des 37 h.
ſeines 1 b. anzeiget. Dieſes war eine tracht der Koͤnig-
lichen kinder. Samuel ſagt auch im 18 ſpr. der 13 h.
ſeines 2 b. von der Tahmar/ des Abſalons ſchweſter/
welche Ammon/ ihr bruder/ genohtzuͤchtiget/ alſo:
Und ſie hatte einen bunten Rokan: dan ſolche
Roͤkke trugen des Koͤniges toͤchter/ wan ſie
Jungfrauen waren.


Zur 3 zeile des 65 blats.


DIeſe geſchicht von Iſmaels ausſtoßung/ der
Abrahams aus ſeiner magd Hagar ſohn war/
beſchreibet Moſes im 21 hauptſt. ſeines 1 buchs.


Zur 4 und folgenden zeilen des 65 blats.


WIe Jakob ſeinem bruder Eſau/ der nachmahls
Edom genennet ward/ ſeine erſte gebuhrt/ durch
ein Linſengemuͤſe/ abgekauft/ beſchreibet uns Moſes
im 25 h. ſeines 1 b. vom 29 ſpr. bis zum ende des
hauptſtuͤkkes. Wie er aber eben demſelben Eſau ſei-
nen ſeegen hinterliſtiglich entwendet/ und zugleich ſei-
nen Vater Iſaak betrogen/ meldet Moſes gleiches-
fals im 27 h. des 1 b. Wie er ferner dem Laban ſei-
nem Schwiegervater/ der ihm das ſeinige vorenthal-
ten wolte/ durch einen ſonderlichen liſtgrif/ begegnet/
das leſen wir eben auch im Buche der ſchoͤpffung faſt
am ende des 30 h.


Zur 19 zeile des 65 blats.


DRuben/ Judah/ und Sebulon dem Jo-
ſef
nicht aller dinge abhold geweſen/ ja ſein leben/
als
[430]Kurtzbuͤndige
als ihn etliche der andern uͤmzubringen trachteten/ zu
retten geſuchet/ kan nicht allein zum teil aus dem 21/
22/ 26/ 29/ und 30 ſpruche des 37 h. als auch aus
dem 16/ 18/ 32/ 33/ und 34 ſpr. des 44 h. im Buche
der Schoͤpfung geſehen werden: ſondern es be-
zeugen es auch viele unter den zwoͤlf Ertzvaͤtern/
des Jakobs Soͤhnen/ einieder in ſeinem letzten
Willen/ noch ausfuͤhrlicher. Ruben/ weil er ſich
ſelbſten/ aus eingezogenheit/ deſſen nicht ruͤhmen wil/
ſchweiget zwar darvon gantz ſtil: aber Simeon bricht
aus in dieſe worte: in der zeit beneidete ich den Joſef/
weil ihn ſein vater lieb hatte/ dergeſtalt/ daß ich mir fe-
ſtiglich vorgenommen/ ihn zu toͤdten. Dan der Fuͤrſt
des irtuhms ſante in mein hertz den geiſt des neides und
verblendete mein gemuͤht und meinen verſtand der-
maßen/ daß ich mich ſelbſt vor meinem vater
Jakob nicht
ſcheuete. Aber ſeiner vaͤter Gott ſante ſeinen Engel/
der ihn aus meiner hand errettete. Als ich nach
Sichem
gegangen war/ ſalbe zu hohlen vor die heerden/ und Ru-
ben nach Dotan/ da alles/ was uns noͤhtig/ zu be-
kommen war; hatte ihn
Judah/ unſer bruder/ den Is-
maelern verkauft. Daruͤber war
Ruben/ als er wieder-
kahm/ betruͤbt: dan er hatte beſchloſſen ihn ſeinem Va-
ter unverletzt wiederzubringen. Aber ich ward auf den

Judah/ weil er ihn lebendig aus unſern haͤnden gelaßen/
ſo ergrimmet/ daß ich fuͤnf mohnde lang auf ihn grolle-
te. Und Gott verhinderte mich/ daß ich meine haͤnde
an ihn nicht legen konte: dan die helfte meiner rechten
hand verdorrete/ und blieb alſo bis auf den ſiebenden tag/

u. a. m. Ja Sebulon zeiget ſolches ſo wohl vom Ru-
ben
und Judah/ als von ſich ſelbſten/ noch deutlicher
und weitleuftiger an/ wan er unter andern alſo ſpricht:
ich wuſte nicht/ daß ich ſuͤndigte/ auch dachte ich ſo weit
nicht/ als ich/ aus unwiſſenheit/ wider den
Joſef mis-
handelte: da ich vor meinem Vater verſchwieg/ was ſich
mit meinen bruͤdern begeben; wiewohl ich in geheim
ſehr weinete. Dan ich fuͤrchtete mich vor meinen bruͤ-
dern: welche mitein ander beſchloſſen/ daß derſelbe/ der
die ſache lautbar machen wuͤrde/ mit dem ſchwerte ſolte

getoͤdtet
[431]Anmaͤrkungen.
getoͤdtet werden. Gleichwohl gab ich ihnen/ als ſie ihn
toͤdten wolten/ mit vielem weinen zu verſtehen/ daß ſie
dieſe boßheit nicht begehen ſolten. Aber
Simeon und
Gad lieffen auf den Joſef zu/ ihn zu erwuͤrgen. Da
fiel
Joſef auf ſein angeſicht/ und ſagte zu ihnen: O mei-
ne bruͤder/ erbarmet euch meiner/ erbarmet euch uͤber
die glieder unſers Vaters
Jakobs; und ſchlagt doch eure
haͤnde an mich nicht/ damit ihr kein unſchuldiges bluht
vergieſſet: dan ich habe nichts wider euch mishandelt:
und habe ich ja mishandelt/ ſo unterweiſet mich/ durch
eine bruͤderliche zuͤchtigung; aber legt eure haͤnde
nicht an mich. Das bitte ich euch uͤm der liebe
Jakobs un-
ſers vaters willen. Indem er dieſe worte redete/ ward ich
dermaßen zum mitleiden bewogen/ daß mir meine traͤh-
nen hauffenweiſe uͤber die bakken lieffen; daß mein bluht/
ja alle meine glieder erſtarreten.
Joſef weinte/ und ich
mit ihm. Mein hertz boͤbete/ und meine gebeine zitter-
ten dermaßen/ daß ich nicht mehr ſtehen konte. Als er
nun ſahe/ daß ich mit ihm weinete/ und daß ſie zuge-
lauffen kaͤhmen/ ihn todt zu ſchlagen; da flohe er hinter
mich/ und baht uͤm gnade. Hierauf fing
Ruben auch an.
Bruͤder/ ſagte er/ laßet uns ihn nicht toͤdten: ſondern wir
wollen ihn in jene grube werfen; die unſere vaͤter gru-
ben/ aber kein waſſer fanden. Und eben daruͤm lies
Gott kein waſſer hinein kommen/ damit ſie dem
Joſef zur
beſchirmung und lebenserrettung dienen ſolte. Ja er
lies es alſo geſchehen/ daß ſie ihn den Ismaelern ver-
kauften. Auch bewilligte ich in die ſuͤnde/ am
Joſef
begangen gantz nicht. Aber Simeon und Gad mit noch
andern ſechs bruͤdern/ nahmen vor
Joſef geld/ und kauf-
ten vor ſich/ vor ihre weiber/ und vor ihre kinder ſchuhe;
und ſagten: laſt es uns nicht unter die fuͤße traͤhten; dan
es iſt bluhtgeld vor unſern Bruder. Aber in der unter-
traͤhtung laßet uns das untertraͤhten/ das er ſagte/ er
ſolte uͤber uns herſchen: und wir wollen ſehen/ was ſei-
ne treume bedeuten und auswuͤrken ſollen. Daruͤm ſte-
het in
Enochs Buche geſchrieben: denen/ die ihren Bruͤ-
dern keinen ſaamen erwekken wolten/ habe ich aufge-
ſchnallet die ſchuhe
Joſefs. Auch warden ihnen/ als
ſie in Egipten kahmen/ von
Joſefs dienern/ vor dem
tohre/ die ſchuhe entſchnallet und abgezogen: und alſo
muſten ſie den
Joſ[e]f/ als den Koͤnig ſelbſten/ anbaͤh-
ten.
[432]Kurtzbuͤndige
ten. Ja ſie baͤhteten ihn nicht allein an/ ſondern fielen
auch ſchaamroht vor ihmnieder/ und warden alſo in ge-
genwart der Egipter beſchaͤhmet. Zudem hoͤreten die
Egipter alles das boͤſe/ das wir
Joſef getahn hatten.
Als nun
Joſef in die grube geworfen war/ trugen mei-
ne bruͤder die ſpeiſen auf zu eſſen. Aber ich aß in zwee
tagen und zwo naͤchten nichts; indem ich uͤber den
Joſef
betruͤbt und mit wehleiden geſchlagen war. Auch aß
Judah mit ihnen nicht: dan er bewachte die grube; weil
er fuͤrchtete/
Simeon und Gad moͤchten hinlauffen ihn
zu toͤdten. Mitlerweile/ indem ſie ſahen/ daß ich nicht
aß/ ſtelleten ſie mich auch bei die grube/ ihn zu bewahren/
bis er verkauft war. Und er lag drei tage und drei naͤchte
in der grube. Darnach verkauften ſie ihn ungeſpeiſet.
Als nun
Ruben hoͤrete/ daß man ihn/ in ſeinem abwe-
ſen/ verkauft/ ward er ſehr ungehalten/ und weinete.
Ach! ſagte er/ wie ſol ich nun duͤrfen unter meines va-
ters augen kommen? Auch nahm er das geld/ und wol-
te den kaufleuten nacheilen: aber er fand niemand. Dan
ſie hatten die heerſtraße verlaßen/ und ſich ſtilſchweigens
ſeitwaͤrts abgelenket. Und alſo koſtete
Ruben in drei
tagen kein broht. Daruͤm ging
Dan zu ihm/ und ſagte:
weine nicht/ und ſei uͤm den Juͤngling nicht traurig.
Ich weis wohl/ was wir zu unſerm Vater
Jakob ſagen
wollen. Wir wollen einen Bok ſchlachten/ und mit
deſſelben bluhte
Joſefs Rok beſpraͤngen. Dan wollen
wir hingehen/ und zu unſrem vater ſpraͤchen: Siehe zu/
ob dieſer Rok deines Sohnes
Joſefs Rok ſei. Dan ſie
hatten ihm/ da ſie ihn verkauffen wolten/ den Rok/ den
ihm ſein vater gegeben/ ausgezogen/ und dagegen ein
altes zerlumptes kleid von einem Leibeigenen zugewor-
fen.
Simeon/ der den Rok zu ſich genommen/ wolte ihn
zuerſt nicht hergeben; ſondern ihn/ aus zorneifer daß

Joſef noch lebete/ und daß er ihn nicht ſtraks getoͤdtet/
zerhauen. Aber die bruͤder ſtunden alle wider ihn auf/
und ſagten: waruͤm wilſtu den Rok nicht hergeben/ da
du doch dieſes uͤbel in
Iſrael allein begangen? Hierauf
gab er den rok von ſich: und ſie taͤhten/ wie
Dan geſagt
hatte/
u. a. m. Um dieſer uhrſache willen/ hat mich der
HErꝛ geſegnet/ und ſo gnaͤdig angeſehen/ daß ich nie-
mahls in einige krankheit fiel; da hingegen alle meine
bruͤder allezeit krunken muſten. Auch warden ihre kin-

der
[433]Anmaͤrkungen.
der mit krankheit geſchlagen/ und muſten/ uͤm Joſefs
willen/ dahin ſterben; weil ihre vaͤter ſo gar unbarmhertzig
mit ihrem Bruder gehandelt. Aber meine kinder/ wie
ihr wohl wiſſet/ ſeind allezeit geſund und friſch geb[l]ie-
ben. Ja ich war einesmahls am Seeufer in
Kanaan aus-
gefahren vor unſern Vater zu fiſchen: da erſoffen ihrer
viel in der ſee; aber ich kahm darvon. Dan ich war der
erſte Menſch/ der ſich unterfing mit einem ſchiffe die ſee
zu befahren. Gott gab mir weisheit und verſtand dar-
zu. Ich hing den ſchiffen hinten das rudel an. Ich ſpan-
nete die ſegel an den maſt. Und alſo fuhr ich laͤngſt dem
ufer hin/ und fing fiſche vor meines vaters hausgeſinde/
bis wir in Egipten kahmen/ u. a. m. Als wir in Egip-
ten reiſeten/ vergolt uns
Joſef das boͤſe/ das wir an ihm
begangen/ nicht: ſondern erbarmte ſich unſerer/ ſo bald
er mich erblikte.


Zur 22 zeile des 65 blats.


DAbraham den Iſmael ſeinen ſohn/ ſamt
der mutter Hagar/ ausſties/ hatte Sara/ ſeine
ehfraue/ veruhrſachet; wie wir im 5 und 6 ſpr. des
16 h. und noch mehr im 9/ 10 und folgenden ſpr. des
21 h. im Buche der ſchoͤpfung leſen. Daß auch Re-
bekke/
des Iſaaks ehfraue/ ihren ſohn Jakob be-
redet und veranlaßet den vater zu betruͤgen/ und den
Eſau uͤm ſeinen vaͤterlichen ſeegen zu bringen/ bezeu-
get Moſes gleichfals/ im 27 h. ſeines 1 b.


Zur 31 und folgenden zeilen des 65/ als auch
zur 53. des 68 blats.


BEſiehe hiervon den 12 und 17 ſpr. des 37 h. im
Buche der ſchoͤpfung: auch was wir droben bei der
25 zeile des 63 bl. aus dem Flav. Joſef angemaͤrket.


Zur 6 und folgenden zeilen des 69 und 70 blats.


HIervon ſtehet im 18/ 19/ 20/ und folgenden ſpr.
des mehr gemelten 37 h. aus dem Buche der ſchoͤp-
E efung
[434]Kurtzbuͤndige
fung zu leſen: als auch droben in unſerer Anmaͤrkung
bei der 19zeile des 65 bl.


Zum 70/ 71/ 72/ und 74 blatte.


WAs Ruben alhier ſeine bruͤder zu beſaͤnftigen und
Joſefs leben zu retten/ vorbringet/ daſſelbe iſt
faſt alles/ wiewohl kuͤrtzer verfaſſet/ im 3 hauptſt. des
2 b. der Juͤdiſchen Geſchichte des Flavius Joſefs
zu leſen.


Zur 19 und folgenden zeilen des 74 blats.


HIervon meldet Moſes/ wiewohl mit ſehr kurtzen
worten/ im 22 ſpr. des 37 h. ſeines 1 Buches:
aber was weitleuftiger Flav. Joſef in ſeinen Juͤdi-
ſchen geſchichten/ ſonderlich aber Greiffenſohn in
Joſefs
Lebens-beſchreibung.


Zur 9 und folgenden zeilen des 75 blats.


DIeſes findet man im 25 und folgenden ſpr. des
37 h. aus dem Buche der ſchoͤpfung.


Zur 19 und folgenden zeilen des 75 blats.


IN der heil. Schrift ſtehet zwar/ im 28 ſpr. mehr-
gemelten h. daß Joſef vor 20 ſilberlinge ſei ver-
kauft worden: aber Gad bekennet ſelbſten/ in ſeinem
letzten Willen/ daß er und Judah/ im abweſen der
andern bruͤder/ 30 ſilberlinge/ davor Judas auch un-
ſern HERꝛn und Heiland verkaufte/ von den Ismae-
lern bekommen; wiewohl ſie nur 20 bekant gemacht.
Seine eigene worte haben wir droben in den Anmaͤr-
kungen bei der 7 zeile des 60 blattes angefuͤhret. Sa-
muel
[435]Anmaͤrkungen.
muel Greiffenſohn/ in Joſefs Lebensbeſchreibung
am 30 bl. als auch mehr andere/ ſetzen ebenmaͤßig
dreiſſig ſilberlinge; wiewohl Dreſſer der h. Schrift
folget/ und eben alſo nur von 20 meldet: welche er auf
5 Reichstahler unſers geldes rechnet.


Zu den 8 letzten zeilen des 75 blats.


VOm Simeon/ welcher/ mit den zwee Maͤgdeſoͤh-
nen/ Dan und Gad/ den Joſef am meiſten
verfolgete/ handelt Sebulon/ in ſeinem letzten Wil-
len/ gantz weitleuftig: deſſen worte wir in den An-
maͤrkungen bei der 19 zeile des 65 bl. angefuͤhret; als
auch des Simeons eigene/ aus ſeinem letzten Willen/
welche der Leſer alda nachſchlagen kan.


Zum anfange des 76 blats.


WIe leid es nachmahls Joſefs bruͤdern geweſen/
daß ſie ihn verkauffet/ bezeugen ihrer viel in ihrem
letzten Willen. Simeon ſelbſten/ nachdem er ſeine ſtra-
fe erzehlet/ bricht aus in dieſe worte: ich ward gewahr/
und erkante/ daß mir ſolches uͤm Joſefs willen zuſties.
Ich bereuete meine ſchuld/ und weinete. Ich baht den
HERꝛn/ daß er mir meine hand wieder heilete: und
ich nahm vor/ mich vor aller boßheit/ neidſucht/ und aller
tohrheit zu huͤhten. Ich bekante/ daß ich uͤbels getahn
hette vor dem HERꝛn/ und vor unſrem Vater
Jakob/
am Joſef meinem bruder/ den ich beneidete/ u. a. m.
Und mein Vater fragte mich/ was mir fehlete/ weil ich
ſo traurig ſei? Und ich brachte ihm eine luͤgen vor/ und
ſagte: mein hertz tuht mir weh. Ich war betruͤbter/ als
ſie alle: dan es war meine ſchuld/ daß
Joſef verkauft
ward. Und als wir in
Egipten reiſeten/ und Joſef mich
binden lies/ als einen kundſchaffer; da erkante ich/ daß
ich nicht unrecht litte: und ich ward deswegen nicht un-
willig. Aber
Joſef war ein aufrichtiger Man/ in dem
der geiſt Gottes wohnete. Er war barmhertzig und gnaͤ-

E e ijdig/
[436]Kurtzbuͤndige
dig/ und hatte keine gedanken mir einiges boͤſes zu tu hn;
ſondern liebte mich/ als ſeine andern bruͤder. Daruͤm/
meine kinder/ ſcheuet allen hitzigen has und neid/ und
wandelt in einfaͤltigkeit eurer ſeelen/ und mit guhtem
hertzen. Nehmet ein beiſpiel an eures Vaters Bruder:
damit Gott euch gnade herligkeit und ſeegen wider-
fahren laße; wie ihr ſehet/ daß ihm geſchehen iſt. Nie-
mahls und zu keiner zeit verwieſe er uns ſolches: ſondern
er hatte uns lieb/ als ſeine eigene ſeele/ ja mehr als ſeine
kinder. Er hat uns groß gemacht/ und uns allen reich-
tuhm/ vieh/ und fruͤchte mildiglich geſchenket/
u. a. m.
Daruͤm hatte Joſef ein liebliches und ſchoͤnes angeſicht:
dan in ihm war keine galle/ noch etwas boͤſes. Sein ant-
litz war rein/ und von des geiſtes gramſchaft unbeflekt.


Dan ſpricht auch zu ſeinen Kindern/ in ſeinem letz-
ten Willen/ faſt dergleichen/ und zwar unter andern alſo:
ich bekenne euch heute/ meine Kinder/ daß ich mich in
meinem hertzen erfreuete auf den tod
Joſefs/ des guhten
und wahrhaftigen Mannes/ und mich beluſtigte in ſei-
ner verkauffung; weil ihn unſer Vater lieber hatte/ als
uns. Dan der geiſt der eiferſucht und der aufgeblaſen-
heit ſagte zu mir: und du biſt ja auch ſein ſohn. Auch
boht mir einer von Belials geiſtern ſeine huͤlfe/ und ſag-
te: nim dieſes ſchwert/ und toͤdte damit den
Joſef; dan
wan er todt ſein wird/ ſol dich dein Vater lieb haben.
Dieſer iſt der geiſt des zornes/ der mir riet/ daß ich den

Joſef/ wie ein Pardel den bok/ verſchlingen ſolte. Aber
der Gott meines Vaters
Jakobs lies ihn in meine haͤnde
nicht kommen/ daß ich ihn allein gefunden hette. Auch
lies er nicht zu/ daß ich dieſe boßheit veruͤbte; damit zwee
Reichsſtaͤbe in Iſrael ſolten entbunden und erworben
werden/ u. a. m.
Was Gad ebenmaͤßig von ſich
ſelbſten bezeuget/ das haben wir droben in den An-
maͤrkungen bei der 7 zeile des 60 bl. angefuͤhret.


Zur 8 und folgenden zeilen des 78 blats.


MOſes erzehlet dieſes im 29 und 30 ſpr. des 37
hauptſt. in ſeinem 1 buche kuͤrtzlich alſo: Als
nun
[437]Anmaͤrkungen.
nun Ruben wieder zur grube kahm/ und den
Joſef darinnen nicht fand: da zerris er ſein kleid;
und ging zu ſeinen bruͤdern/ zu denen er ſprach:
der Juͤngling iſt nicht da. Wo ſol ich hin?
Et-
was deutlicher/ wiewohl auch ſehr kurtz ſpricht hier-
von Flavius Joſef: Ruben aber kahm bei der
nacht/ ohne vorbewuſt ſeiner bruͤder/ zum brun-
nen/ und wolte den Joſef erretten. Weil er
ihn nun vergebens rief/ argwaͤhnete er/ daß er/
in ſeinem abweſen/ uͤmgebracht worden/ und
beſchuldigte damit ſeine bruͤder/
u. a. m.


Zur 30 und folgenden zeilen des 79 blats.


JAkob hatte ſeinen Vater Iſaak mit ſeines ſoh-
nes Eſaus kleidern/ die er auf ſeiner Mutter ein-
rahten angezogen/ geteuſchet; und ihm alſo des Vaters
ſeegen/ den er dem Eſau zu geben geſonnen/ abbetro-
gen: wie Moſes im 27 h. ſeines 1 b. erzehlet.


Zur 29 und 30 zeile des 87 blats.


VOm Krokodil haben wir droben/ in den An-
maͤrkungen bei dem 12 blatte/ die uhrſachen ange-
fuͤhret/ waruͤm er der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild ſei;
auch darbei angezeiget/ daß er von den Arabern farao
genennet werde: welche ihn itzund/ mit den Egipti-
ſchen Juͤden/ auch Korbi heiſſen; wie Megiſter be-
zeuget. Kircher giebet ihm ſonſten in ſeinem Egipti-
ſchen Wortbuche den nahmen Picharouki; und Hero-
dotus
meldet/ daß ihn die alten Egipter/ die uͤm die ſtadt
Elefantine heruͤm gewohnet/ Champfe, die Siener
aber/ wie Strabo aufgezeichnet/ Suchus, und die
Griechen oder vielmehr Joner Κϱοκοδειλὸν, ἀπὸ τοῦ
δειλαίε [...] κϱοκὸν, weil er den geruch des Safrans
E e iijſcheuet/
[438]Kurtzbuͤndige
ſcheuet/ genennet. Den die Indier Kayman heiſ-
ſen/ iſt zwar auch von der ahrt der Krokodillen/ aber viel
kleiner/ als die Egiptiſchen; wiewohl er ſo ſtark zubeiſ-
ſen kan/ daß er einem menſchen mit einem biſſe ploͤtz-
lich den fuß abloͤſet. Er wird gemeiniglich unter die
gattungen der Schlangen gezehlet: welches auch ſein
ſchwantz aus weiſet/ der eben ſo lang iſt als der rumpf;
in deſſen ruͤkkengrahte man 60 wuͤrbelbeine zehlet.
Sein lauf iſt ſehr ſchnaͤl: aber des ſteiffen ruͤkken-
grahts wegen/ kan er ſich uͤbel uͤmdrehen oder kruͤm̃en.
Wan ihn der hunger/ den er vier tage vertragen kan/
druͤkket; ſo pfleget er zu weinen/ wie ein Menſch/ die
menſchen/ wie man ſagt/ anzulokken/ damit er ſie fref-
en moͤge. Daher werden die betruͤgeriſchen traͤhnen
Krokodilstraͤhnen genennet. Wer mehr vom Kro-
kodille zu wiſſen begehret/ der kan den Aldrovand/
und Jonſtohn von den Tieren aufſchlagen.


Zu den drei letzten zeilen des 87 blats.


DEn Habicht nennen die Egipter Bai-et/ das iſt
ſeelen-hertz/ oder eine behertzte ſeele; weil ſei-
ne feurige natur mit der Seelen natur uͤbereinkommet.
Daher iſt er auch bei ihnen der Seele ſinbild: derer uͤm-
ſchweif/ wie die Egipter meinen/ das Hertz iſt. Daß
aber die Seele eine feurige eigenſchaft an ſich habe/
darinnen ſtimmen/ mit den Egiptern/ die Griechen
und Roͤhmer uͤberein. Unter den Roͤhmern ſagt Fa-
bius
in ſeiner 10 Rede: Animam flammei vigoris im-
petum, perennitatemque non ex noſtro igne ſumen-
tem, ſed quo ſidera volant, \& quo ſacri torquentur
axes, inde venire, unde rerum omnium auctorem pa-
rentemque ſpiritum ducimus, nec interire, nec ullo
mortalitatis affici fato. Sed quoties humani corporis
carcerem effregerit, \& exonerata membris mortalibus

levi
[439]Anmaͤrkungen
levi ſe igne luſtraverit, petere ſedes in aſtra. Ja es ha-
ben etliche dafuͤr gehalten/ daß die Seele nicht allein
von den ſternen ihre feurige eigenſchaft ſchoͤpfe/ ſondern
auch gar/ nach ihrer ausfahrt aus dem menſchlichen
leibe/ wie Ariſtofanes bezeuget/ zum ſterne werde.
Auch iſt der Habicht eben daher der Sonne ſinbild;
ja Gottes ſelbſten. Daruͤm ward der Abgott Oſi-
ris
bei den Egiptern gemeiniglich/ durch einen Ha-
bicht/
abgebildet; eben wie ſonſten durch einen Stier/
oder Ochſen.


Zur 3 zeile des 88 blats.


WIe der Habicht des Oſiris und der Sonne/
ſo war der ſchwartze Egiptiſche Storch oder
Eib/Ibis, der Iſis/ und des Mohnes ſinbild;
als auch des krummen Tierkreuſes/ der unterſchied-
lichen und mancherlei kruͤmmen wegen/ die er mit den
fuͤßen und den halſe machet: dadurch er auch/ unter
allen tieren zuvoͤrderſt/ den Egiptern zur erfindung
der zahlen und buchſtaben anlaß gegeben; wie Atana-
ſius Kircher
in ſeinem Egiptiſchen Oedipus weit-
leuftig ausgefuͤhret. Ja er wird zugleich vor einen
erfinder oder angeber der Spruͤtzmittel und des Ab-
ſpuͤhlers/
den wir ſonſt mit einem undeutſchen wor-
te Kliſtier nennen/ gehalten; weil er/ wie Plinius
8/ 27/ bezeuget/ wan er verſtopft oder krånklich iſt/
mit ſeinem ſchnabel das Nielwaſſer aufnimt/ und in
das hinterteil/ dadurch der unflaht und uͤberſchus der
ſpeiſe von ihm gehet/ hinein ſpruͤtzet/ ſolches durch- oder
abzuſpuͤhlen. Sonſten war dieſer Egiptiſche
Storch
auch ein ſinbild des Hertzens; weil er faſt
wie ein hertz geſtaltet: und daher dem Merkuhr/ als
dem beherſcher des hertzens und der vernunft/ heilig;
wie Horus Apollo/ in ſeiner 34 Aufgabe der Egip-
tiſchen Bilderſchriften/ angemaͤrket.


E e iiijZur
[440]Kurtzbuͤndige

Zur 6 und 7 zeile des 93 blats.


DAs Haͤrmlein oder Armelein/ welches bei den
Franzoſen hermine, bei den Englaͤndern hermin,
bei den Lateinern mus Armeniacus, Ponticus und Al-
pinus,
unter dem gemeinen manne mus armelinus, ar-
melina
und harmela, auch ſonſten muſtela alba, das
iſt ein weiſſes Wieſelchen/ genennet wird/ iſt ein
ſchneeweiſſes tierlein/ und helt ſein fel ſo rein/ daß es
lieber ſterben/ als ſolches beſudeln wil. Und daruͤm
haben wir es auch dem keuſchen Joſef auf dem erſten
Kupfer dieſes buches/ als ein ſinbild ſeiner keuſcheit/
zugefuͤget. Ja daruͤm hat es auch Ritter Kats/ vor
ſeinem Selbſtreite/ der gantzen ehrbahren Jugend/
als ein feldzeichen/ in einem ſchilde/ rund uͤmher mit
einem aufgeworfenen ſchlamme beſetzet/ zugeeignet.
Darbei unter andern dieſe reimbaͤnde zu leſen:


Ghy ziet in dezen ring een van de netſte dieren/

reyn over zijn gewaat/ reyn over zijn manieren.

Ghy ziet in dezen ring den WittenArmelijn,

genegen uitter aart om niet beſmet te zijn.

Het ſlik omvangt het beeſt: daar is niet uit te raken/

of zijn gepꝛezen bont moet tot den dꝛek genaken.

Doch/ mits het reyne dier dit boven al ontſiet/

zoo valtet in de pꝛaam vooꝛ honger en verdꝛiet.

De keus is wonderſcherp. Het moet vooꝛſeker ſterven:

of anders zal het ſlik zijn witte vacht bederven.

Ziet! wat een reynen aart. Het beeſt in dezen noot/

gaat met een baſt beſluit/ en kieſt de bleeke doot.

Men ſietet even ſtaagh ſijn reyne leden mijden/

om/ als het nedervalt/ niet in het ſlik te glijden.

Daar leyt het kleine dier ter aarden uitgeſtrekt/

en geeft zijn leſte ſucht om niet te zijn bevlekt.

Eſſendo la propria natura dell’ Armellino di partir
prima la morte, per ſame \& per ſeto, che imbrattarſi,

cercan-
[441]Anmaͤrkungen.
cercando di ſuggire, di non paſſar per il brutto, per non
machiare il candore e la politezza della ſua pretio-
ſa pelle. Paul. Jovius Dialog. dell’ Impreſe Mi-
litari \& Amoroſ. Malo mori, quàm pollui.


Zum 96/ 97 und 98 blatte.


DIeſe begaͤbnuͤs erzehlet Joſef ſelbſten in ſeinem letz-
ten Willen/ mit kurtzen worten/ folgender geſtalt:
in dieſer zeit fuhr die vorgemelte Memfiſche Frau/ des
Potifars gemahlin/ mit einem großen gepraͤnge vor un-
ſerem hauſe uͤber/ und warf ihre augen auf mich: dan die
Geſchnittenen hatten ihr von mir bericht getahn. Und
ſie ſagte zu ihrem Ehherꝛn: daß ein Kaufman/ durch den
dienſt eines Ebreiſchen Juͤnglings/ ſei reich geworden:
von dem der ruf ginge/ daß man ihn im Lande
Kanaan
diebiſcher weiſe genommen. Daruͤm tuht dem Juͤnglin-
ge recht; und nehmt ihn zu eurem Haushalter oder Hof-
meiſter. Der Ebreiſche Gott wird euch ſeegnen und gluͤk-
lich machen: dan die himliſche gnade wohnet ihm bei. Und

Potifar gab ihr endlich gehoͤr/ entboht den Kaufman zu
ihm/ und ſagte: was komt mir von euch zu ohren? Ich
hoͤre/ daß ihr in der Ebreer land ziehet die Menſchen
zu ſtaͤhlen/ und verkauffet ihre kinder. Der Kaufman fiel
nieder auf ſein angeſicht/ und ſagte: Herꝛ/ ich bitte uͤm
gnade: doch darvon/ deſſen ihr mich beſchuldiget/ weis ich
gantz nichts.
Potifar fuhr fort/ und ſagte: wie komt ihr
dan an den Ebreiſchen Juͤngling? Der Kaufman ant-
wortete: die Iſmaeler haben mir befohlen ihn zu bewah-
ren/ bis ſie wiederkommen.
Potifar aber gleubte ihm
nicht/ und befahl/ ihn zu geiſſeln. Unterdeſſen daß man
den Kaufman zuͤchtigte/ ſprach
Potifar: laßet den Juͤng-
ling herkommen. Und als ich hineingebracht war/ baͤh-
tete ich den Fuͤrſten an/ und taͤht ihm ſeine gebuͤhrende
ehre: dan er war der dritte nach dem koͤnige Farao im
ſtaht/ ein Oberſter uͤber alle Geſchnittenen/ und hatte ei-
ne Gemahlin/ auch kinder/ und eine Beiſchlaͤferin. Straks
zog er mich auf die ſeite/ und fragte: biſtu frei/ oder leib-
eigen? Und ich antwortete: ich bin ein Leibeigner. Dar-
auf fragte er ferner: weſſen leibeigner biſtu? Ich antwor-

E e vtete;
[442]Kurtzbuͤndige
tete; der Ismaeler. Und er fragte wieder: wie biſtu
dan ihr leibeigner worden? Ich gab zum beſcheide: ſie
haben mich in
Kanaan gekauft. Aber er wolte es nicht
gleuben/ und ſagte/ du baſt gelogen. Und daruͤm lies er
mich nakkend geiſſeln. Dieſes ſahe ſeine Gemahlin durch
das fenſter; und lies ihrem Ehherren ſagen: ihr tuht
nicht recht/ daß ihr einen geſtohlenen freien ſchlaget und
zuͤchtiget. Hierauf befahl er mich/ weil ich bei meinen
worten blieb/ gefaͤnglich zu bewahren/ bis mein herꝛ
wiederkaͤhme. Aber ſeine Gemahlin ſagte zu ihm: war-
uͤm ſetzt ihr doch den edelen Juͤngling gefangen? Es
were beſſer/ daß man ihn loß lieſſe/ und euch geiſſelte.
Sie war luͤſtern/ in ihrer ſuͤndlichen luſt und begierde/
mich zu ſehen: aber ich gedachte kein arges. Und
Potifar
ſagte zu ihr: es iſt bei den Egiptern nicht ehrlich/ daß
man eines andern guht/ ohne vorbewuſt und gehoͤrigen
beweis/ wegnimt. Dieſes ſprach er von dem Kaufman-
ne/ und von mir: und ich muſte gefeſſelt bleiben. Aber
nach 24 tagen kahmen die Iſmaeler wieder. Dieſe/ weil
ſie erfahren/ daß
Jakob mein Vater uͤm meinetweillen be-
truͤbt war/ ſagten zu mir: waruͤm habt ihr uns berich-
tet/ daß ihr ein Leibeigner weret? Wir wiſſen nun ſehr
wohl/ daß euer Vater ein maͤchtiger Man iſt im lande

Kanaan. Er betruͤbet ſich in dieſer ſache/ und iſt ſehr trau-
rig. Ich hette hierauf gern geweinet: aber ich hielt mich
hart/ damit ich meine bruͤder nicht beſchaͤhmen moͤchte;
und ſagte: es iſt dem nicht alſo/ ich bin ein Leibeigner.
Da berieten ſie ſich miteinander/ wo ſie mich am beſten
verkauffen moͤchten; damit ich bei ihnen nicht gefunden
wuͤrde. Dan ſie fuͤrchteten ſich vor
Jakob/ und befahre-
ten/ er moͤchte ſich an ihnen rechen; weil ſie wohl wuſten/
daß er vor Gott und Menſchen groß geachtet were.
Hierauf ſagte der Kaufman zu ihnen: ſo erloͤſet ihn dan
aus
Potifars urteile. Als ſie dieſes hoͤreten/ begehreten
ſie mich wieder/ und ſprachen: daß ſie mich uͤm ein ſtuͤkke
geldes gekauft. Und
Potifar lies mich loß.


Alles dieſes erzehlet Joſef in ſeinem letzten Willen;
welchem ich alhier/ als auch ſonſten/ gefolget. Dar-
uͤm wundere ich mich/ daß Samuel Greiffenſohn
dieſe gantze begaͤbnuͤs/ in Joſefs Lebensbeſchreibung/
ſo gar anders anfuͤhret: und/ ich weis nicht woher/
den
[443]Anmaͤrkungen.
den Potifar zu einem Witwer machet; der die Sefi-
ra/
die er Selicha nennet/ und vor der Aſſenat ſchwe-
ſter tochter ausgiebet/ erſt nach der zeit/ als Joſef
ſchon lange in ſeinen dienſten geweſen/ geehliget. Wer
luſt hat/ der kan das 62/ 63/ 66/ 68/ 69/ und 80 blat
bei gemeltem Greiffenſohn aufſchlagen.


Zu den erſten 12 zeilen des 99 blats.


HIervon ſpricht erſt angezogener letzter Wille Jo-
ſefs
ferner alſo: Aber die Memfiſche Frau gab
ihrem Gemahl ein/ daß er mich kauffen ſolte.
Dan ich verſtehe/ ſagte ſie/ daß ſie ihn verkauf-
fen wollen. Und
Potifar ſchikte einen Geſchnit-
tenen zu den
Iſmaelern/ zu fragen/ wie teuer ſie
mich hielten. Weil er aber mit ihnen nicht han-
deln wolte/ kehrte er wieder zuruͤk: und ſagte zu
ſeiner Frau/ daß ſie eine alzugroße anzahl gel-
des vor den Juͤngling begehreten. Hierauf
faͤrtigte die Frau von ſtunden an einen andern
Geſchnittenen ab/ mit befehl/ daß er mich
kauffen ſolte. Wan ſie auch ſchon/ ſagte ſie/
20 guͤldene krohnen begehren/ ſo ſpahre doch
kein geld: ſondern kauffe den Juͤngling/ und
bringe ihn zu mir. Und er gab 80 goldguͤlden
vor mich: wiewohl er zu ſeiner Frauen ſagte/
er hette 100 gegeben. Ich wuſte zwar dieſen
einkauf: aber ichſchwieg ſtil/ damit der Ge-
ſchnittene nicht unterfraget wuͤrde.


Zur 13 und folgenden zeilen des 99 blats.


DIe gantze uͤbrige geſchicht des Joſefs und der
Sefira erzehlet Moſes im 39 h. ſeines 1 b. bis
auf den 21 ſpr. kurtzbuͤndig: und was weitleuftiger
Fl.
[444]Kurtzbuͤndige
Fl. Joſef/ der Juͤdiſche Geſchichtſchreiber/ im 3 h.
des 2 b. von der aͤlte der Juͤden; da er unter andern
auch anzeiget/ daß Potifar den Joſef in den freien
kuͤnſten unterweiſen laßen/ und ihn ehrlicher gehalten/
als ſeine andern knechte.


Zum 102 blatte.


JOſef ſagt in ſeinem letzten Willen: des mor-
gens fruͤh erwachte ich zu dem HERꝛn/
und weinte uͤm die Fraue von Memfis; weil
ſie mich keines weges unangefochten lies. Des
nachtes kahm ſie zu mir/ als hette ſie mich be-
ſuchen wollen. Und erſtlich ſtellete ſie ſich/
weil ſie keinen Sohn hatte/ als wolte ſie mich
vor ihren Sohn halten. Ich aber baht den
HERꝛn/ daß er ihr ein gewuͤndſchtes Kind
beſcheeren moͤchte. In aller dieſer zeit uͤmhaͤl-
ſete ſie mich/ als ihren Sohn; und ich wuſte es
nicht.


Das Knabenkraut/ deſſen wurtzel wie Geulen
oder Hoden gebildet/ wird von den Griechen ὄϱχις und
κύνος ὄϱχις, daher das Lateiniſche Cynoſorchis, das
iſt Hundesgeulen/covillon de chien, coglion de cane,
Teſticulus canis,
oder Teſticulus allein bei dem Dio-
ſkorides/
ſonſten auch Satyrion, weil es zur geulheit
antreibet/ genennet. Bei den Hochdeutſchen hat es
den nahmen Knabenkraut; weil es die wuͤrkung ha-
ben ſol/ diejenige/ die es einnimt/ mit einem Knaͤblein
zu befruchten.


Hertzwurtz haben wir von der geſtalt ſeiner wur-
tzel/ und wuͤrkung in den Hertzkrankheiten alſo genen-
net. Sonſten heiſſet es bei den Aertzten gemeiniglich
Anthora.


Zahnkraut/dentaria bei den Lateinern/ hat dieſe
beide
[445]Anmaͤrkungen.
beide nahmen von ſeiner kraft die zaͤhne guht und vor
wehthum zu bewahren; als auch von der geſtalt der
bluhmen welche der innerlichen kraft dieſes kraudes
euſerliches kenzeichen iſt.


Zur 10 und folgenden zeilen des 110 blats.


DIe abbildung dieſes achtfeldichten Gluͤks- oder
Wahrſager-rades/ welches die heilige Schrift
Urim vethumim nennet/ findet man bei Kirchern in
ſeinem Egiptiſchen Oedipus am 472 b. Von den al-
hier genenten Goͤtzenbildern haben wir droben in den
Anmaͤrkungen bei dem 1/ und 2 bl. als auch bei der 12
und 13 zeile des 5 bl. uͤberfluͤßig gehandelt.


Zur 1 zeile des 112 blats.


DEr Balſembaum waͤchſet weder in Egipten/
noch Sirien von ſich ſelbſt/ wie Teofraſt/ Dio-
ſkorides/ Plinius/ Juſtinus/ Strabo/
und ande-
re vorgegeben; ſondern wird dahin aus dem Gluͤkli-
chen Arabien/
das ſein eignes vaterland iſt/ gebracht/
und in die Luſtgaͤrte gepflantzet. Dergleichen Balſem-
beume waren mit unter den geſchenken/ welche die koͤ-
nigin von Saba/ die der Salmantiſche Ebreer/
in ſeinem buche Juchaſim/ am 136 bl. Nikolaa/
und Salomons Gemahlin/ die ihm einen ſohn
David gebohren/ Joſefus aber Nikaule/ und der
Nubiſche Landbeſchreiber בלקיס Belkis nen-
nen/ dem koͤnige Salomon verehrete; wie Flavius
Joſef
im 8 b. der Juͤdiſchen Geſchichte meldet. Die
zaͤklein dieſer beume ſeind hartzhaftig/ und kleben/ im
angreiffen/ an die finger. Sie haben einen lieblichen ge-
ruch: wiewohl noch mehr die bluͤßen/ derer fuͤnfe/ als
ein kroͤhnlein/ an einem ſtiele haͤngen. Der Balſem/
welchen
[446]Kurtzbuͤndige
welchen die Aertzte/ nach dem Griechiſchen/ gemeinig-
lich Opobalſamum nennen/ truͤpfet des ſommers au
der aufgeritzten rinde des baums. Zuerſt wan er a
die luft komt/ wird er weislich/ darnach gruͤhn/ da
goldfaͤrbig/ und endlich honiggelbe. Wan er aus de
beumen rinnet/ reucht er ſo uͤberaus ſtark/ daß er kopf
weh/ ja oftmahls naſenbluhten veruhrſachet. Abe
dieſer widrige geruch wird mit der zeit in einen gantz a
genehmen veraͤndert. Faſt zu unzehlichen gebreche
und krankheiten wird er gebrauchet/ ſo wohl innerhalb
als auſſerhalb des menſchlichen leibes. Beſiehe auch
was wir am 115 blatte gemeldet.


Der Santbaum/ welcher den Pflaumbeume
faſt gleich iſt/ ohne daß er mit ſcharfen dornen bewach
ſen/ und dieſe ahrt an ſich hat/ daß ſeine blaͤtter mit
der ſonnen untergange zu/ und mit ihrem aufgang
wieder auf-gehen/ iſt eben derſelbe baum/ daraus das
ſo genente und bei uns ſehr gebreuchliche Arabiſche
hartz
flieſſet: wiewohl etliche fuͤrgeben/ daß ſolches
hartz auch von andern/ als Pflaum- und Kirſchen-
beumen/ welche doch weder in Egipten/ noch in Ara-
bien
zu finden/ einge ſamlet werde.


Der ſchwartze Zimmetbaum/ der von den La-
teinern Caſſia fiſtula, und daher von unſern undeut-
ſchen Kaſſelfiſteln/ von den Arabern aber Sagiar el
Selichet,
das iſt Schohtenbaum/ und von den Tuͤr-
ken Chai’ar Xambar, das iſt ſchwartze Kaſſie/ ge-
nennet wird/ iſt unſerem Waͤlſchen Nusbaume faſt
gleich/ ohne daß er laͤngere blaͤtter hat/ und an nuͤſſe ſtat
lange pfeiffen oder ſchohten traͤget: die man in der
artznei zu vielerhand gebrechen/ ſonderlich wider die
verſtopfung des ſtuhlganges gebrauchet. Die bluͤßen
dieſes baumes/ welche goldgaͤlbe ſeind/ und faſt das
gantze jahr durch bluͤhen/ ruͤchen uͤber die maße lieblich/
ſonderlich in der fruͤhſtunde. Daher pflegen auch die
Egipter
[447]Anmaͤrkungen.
Egipter ſich unter dieſen beumen mit luſtwandeln oft
zu ergetzen.


Zur 4 und 5 zeile des 112 blats.


HIervon kan Proſper Alpien in ſeinem Buche
von den Egiptiſchen Pflantzen/ als auch Vesling/
in ſeinen Anmaͤrkungen hieruͤber geleſen werden.


Zur 7 und folgenden zeilen des 114 blats.


JOſef gedachte alhier an dieſen ſpruch. Sæpe fa-
miliaritas implicavit, ſæpe occaſio peccandi volun-
tatem fecit. Iſidorus Soliloqu. l.
2. Und Innocens in-
tuitus aſpectu fit nocens. Gregorius.
Daruͤm flohe er
den uͤmgang/ die gemeinſchaft/ die gelegenheit/ den an-
blik/ ja alles miteinander/ das ſeiner keuſcheit ſchaͤdlich
ſein konte.


Zur 7 zeile des 115 blats.


BEi dem 112 blatte haben wir den Balſem-
baum/
und den Balſem ſelbſten/ der aus ſeiner
rinde flieſſet/ auch aus dem gruͤhnen holtze und zakken
gekocht wird/ welcher aber lange ſo kraͤftig nicht iſt/
beſchrieben. Daß aber der Balſem oder trahn des
Balſembaumes die kraft habe des Frauenzimmers
angeſicht ſchoͤn und huͤbſch zu machen/ auch vor run-
tzeln und aͤlte zu bewahren/ alſo daß es allezeit jung
bleibet; davon ſchreibet Proſper Alpinus/ als auch
andere Aertzte.


Zu den letzten 3 zeilen des 115 blats.


HIervon ſagt der Schauſpielſchreiber Plautus:
Qui amore vincuntur, vinctam habent linguam,
ut non audeant hiſcere.


Zur
[448]Kurtzbuͤndige

Zu den 3 erſten zeilen des 116 blats.


DIe Egiptiſche Bohne/ wird von den Arabern
Kulkas, von den Griechen und Lateinern κολοκα-
σία, Colocaſia, auch Cyamon, und faba Pharia ge-
nennet. Dioſcorides l. 2, c. 99. Plinius l. 21, c. 15:
Eſt in Ægypto nobiliſſima Colocaſia, quam Cyamon
alii vocant. Hanc è Nilo metunt.
Proſper Alpien/
als auch andere geben vor/ daß ſie in Egipten gantz
nicht bluͤhet/ aber wohl auſſerhalb/ in andern laͤn-
dern; und ziehen auch die uhrſache an: naͤhmlich weil
das Egiptiſche erdreich alzufet und alzugeul ſei; daher
ſich die wurtzeln ſo ſehr beſtaudeten/ vermehreten/ und
ausbreiteten/ daß ſie dem gewaͤchſe die kraft entzoͤgen/
bluhmen und fruͤchte zu tragen. Aber wan dem alſo
were/ woher hetten dan die Egipter ihre ſo genenten
Bohnenſchahlen/ oder ihre trinkgefaͤße aus Boh-
nenſchahlen/
daraus ſie ihr Niel- und Melohnen-
waſſer zu trinken pflegen? Doch muhtmaßen wir/ daß
durch die Bohnenſchahle ein Bohnenblat muͤſſe
verſtanden werden; gleichſam als were das blat des
Bohnengewaͤchſes zur Trinkſchahle/ das iſt zum
Trinkbaͤcher/ gebeuget und gemacht. Und hierzu
veranlaßen uns des Plinius worte/ wan er am itzt
angezogenem orte ſchreibet: Ægyptii adeò Nili ſui
dotibus gaudent, ut implexis Colocaſiæ foliis in variam
ſpeciem vaſorum
potare gratiſſimum habeant.
Daß
Plinius alhier die gemelten Bohnenſchahlen/ oder
trinkgefaͤße aus Egiptiſchen Bohnenblaͤttern/
welche von den Griechen/ als dem Nikander/ und
andern/ κι [...]ώρια, und von den Lateinern Ciboria ge-
nennet werden/ beſchreibet und meinet/ hat Hadrian
Junius
im 20 h. des 1 B. ſeiner Anmaͤrkungen ſehr
wohl geurteilet. Κιζώριον aber/ oder κιζώτιον ſol/ nach
des Dioſkorides erklaͤhrung/ ſo viel geſagt ſein/ als
ein
[449]Anmaͤrkungen.
ein kaͤſtlein/ oder ſchiflein/ kaͤhnlein/ darinnen die
Egiptiſche Bohne/ mit feuchtem ſchlamme beſchlagen/
wan man ſie ſaͤete/ ins waſſer gelaßen werde. Son-
ſten nennet eben derſelbe das Egiptiſche Bohnenblat
einen Schinken; weil es ſo groß und breit/ auch der
geſtalt nach/ einem ſchinken nicht ungleich iſt. Daher
hat es auch Teofraſt mit einem Teſſaliſchen huhte
verglichen. Horatz gedenket des Egiptiſchen Trink-
baͤchers aus Bohnenblaͤttern in ſeinem 7 liede des 1 b.
ebenmaͤßig:


Oblivioſo lævia Maſſico

Ciboria exple.

Aus dieſen von Bohnenblaͤttern gemachten Trink-
gefaͤßen pflegten die Egipter/ die hitzige leber/ und den
magen zu kuͤhlen/ gemeiniglich ihr Melohnenwaſ-
ſer/
mit Zukker/ auch zu weilen mit Amber/
Moskes/
und Roſenwaſſer vermiſchet/ zu trin-
ken. Dieſes waſſer aber nahmen ſie von derſelben ahrt
ihrer Melohnen/ welche Batechia el mavi heiſſet/ und
viel groͤſſer und gelber iſt/ als die Europiſche Meloh-
ne/ auch inwendig nichts/ als kernen und ein ſuͤßes
waſſer/ zu haben pfleget. Sonſten haben ſie noch eine
andere ahrt/ welche ſie Abdellavi nennen; und dan eine
dritte/ die Chajar heiſſet. Dieſe iſt unangenehm und
waͤſſericht vom geſchmakke; und ihre kerne kuͤhlen un-
ter allen Melohnenkernen am allermeiſten.


Zur 25 und folgenden zeilen des 116 blats.


UNâ hâc in re blanditur ac ſupplicat, quæ in cæte-
ris imperabat. Pel. ad Demetriadem.
Der
Juͤngling/
ſagt eben derſelbe/ ward von ſeiner
Fraue begehrt/ doch gleichwohl zu keiner begier-
de bewegt. Er ward gebaͤhten/ und flohe

F fgleich-
[450]Kurtzbuͤndige
gleichwohl. Das ehrliche Hertz konte/ weder
durch die kraft der bluͤhenden Jugend/ noch
durch das große anſehen Derſelben/ die ihn an-
ſuchte/ auf einige weiſe zur unzucht verleitet wer-
den. Dan ob er ſchon/ nicht allein durch das
anlokkende geſicht/ ſondern auch durch taͤh-
tige uͤmhaͤlſung/ von einer Fraue genugſam
gereitzet ward; ſo hat er ſie dannoch nicht be-
gehret.


Zur 3 und folgenden zeilen des 119 blats.


ADulterium cum ſervo ſordidius apud veteres ap-
pellatum fuit; cùm ſola cohabitatio cum ſer-
vo ſervitute coërceretur. Videbatur enim in ſervitu-
tem conſenſiſſe, quæ ſervo ſeſe conjunxiſſet. Tacitus.


Zur 14 und folgenden zeilen des 123 blats.


JOſef ſpricht/ in ſeinem Letzten Willen/ alſo: Wie oft
hat mich die Egiptiſche Frau gedreuet zu toͤdten. Wie
oft hat ſie mich/ nachdem ſie mir viel dampfes angetahn/
wieder zu ſich holen laßen? Wie oft hat ſie mich gedreuet
zu toͤdten/ wan ich weigerte mit ihr zu tuhn zu haben?
Gleichwohl ſagte ſie zu mir: ihr ſolt uͤber mich und alle
das meinige herſchen; ſofern ihr euch mir uͤbergebet/ nnd
meinen willen tuht. Ihr ſolt unſer Herꝛ und herſcher
ſein. Aber ich gedachte der worte meines Vaters Jakobs:
und ging in meine ſchlafkam̃er/ baͤhtete den HERꝛn an/
und faſtete ſieben tage. Doch ſchien ich in den augen der
Egiptiſchen Fraue ſo wohl bei leibe/ als einer/ der in aller
wohlluſt gelebet: dan die uͤm des HERren willen faſten/
bekommen eine angenehme geſtalt. Den wein/ den ich
bekahm/ trank ich nicht: und nachdem ich drei tage gefa-
ſtet hatte/ nahm ich meine taͤgliche koſt/ und gab ſie den
armen und kranken/ u. a. m. Zuletzt ſuchte ſie mich zur
hurerei zu bewegen. Aber ſo bald ich ſolches verſtund/
ward ich betruͤbet bis in den tod. Und als ſie weggegan-

gen
[451]Anmaͤrkungen.
gen war/ kahm ich wieder zu mir ſelbſt; und befand mich
eine lange zeit betruͤbt uͤm ihret willen. Dan ich ſahe ihren
betrug den ſie im ſinne hatte. Und ich ermahnte ſie mit
den worten des Allerhoͤchſten/ ob ich ſie vielleicht bewe-
gen moͤchte von ihren boͤſen begierden abzuſtehen Man-
chesmahl gab ſie mir ſolche guhte worte/ als ein heiliger
man. Manches mahl prieſe ſie/ doch nicht ohne argliſt/
meine keuſcheit gegen ihren Ehherꝛn. Auch ſagte ſie ſo
wohl offentlich/ als heimlich/ zu mir: Scheuet meinen
Ehherꝛn nicht: dan er iſt eurer keuſcheit ſo feſt verſichert/
daß er es nicht gleubeu wird/ imfal man ihm etwas von
uns ſagte. Um aller dieſer dinge willen lag ich auf der
erden/ angetahn mit einem ſakke: und baht den HErꝛn
inbruͤnſtig/ daß er mich doch von dieſer Egiptiſchen
Fraue erloͤſete.


Zur 21 und folgenden zeilen des 124 blats.


FLavius Joſef ſchreibet/ in ſeinen Juͤdiſchen
Geſchichten unter andern alſo: Joſef wolte lie-
ber alles/ was leidelich iſt/ leiden/ als ihren willen
erfuͤllen. Und wiewohl einen knecht nicht gezie-
met ſich gegen den willen ſeiner Fraue zu ſetzen;
ſo iſt doch dieſes werk ſo ſchaͤndlich/ daß man ſich
deſſen billich entſchlagen ſolte.
Maluit liber cri-
minis mori, quàm potentiæ criminoſæ conſortium eli-
gere. Ambroſius l. de Joſeph c.
5.


Zur 15 und folgenden zeilen des 126 blats.


JOſef ſpricht hiervon/ in ſeinem Letzten Willen/
alſo: Nachdem ſie/ durch dieſes mittel/ nichts
erwerben konte/ ſo kahm ſie wieder mit ande-
ren reden aufgezogen: naͤhmlich wie ſie Got-
tes Wort lernen wolte. Indem ihr wollet/ ſag-
te ſie/ daß ich meine Goͤtzen verlaßen ſol/ ſo tuht
meinen willen. Dan wil ich auch ſo viel tuhn/
daß ſie mein Gemahl ebenmaͤßig verlaßen ſol:

F f ijund
[452]Kurtzbuͤndige
und alſo wollen wir nach dem Geſetze Gottes
eures HERren wandeln. Darauf gab ich ihr
zur antwort: Wie Gott von denen/ die in un-
reinigkeit lebten/ nicht koͤnte/ noch wolte gech-
ret ſein. Auch hette er kein gefallen an denen/
die mit Ehbruche ſich beſudelten. Sie aber
ſchwieg: und begehrte gleichwohl ihr begehren
zu volbringen. Ich hingegen faſtete/ und baͤh-
tete; damit mich Gott von ihr erloͤſen moͤchte.


Zur 12 und folgenden zeilen des 127 blats.


HIervon ſpricht Joſef abermahl/ in ſeinem Letzten
Willen/ folgender geſtalt: Wieder auf eine an-
dere zeit ſagte ſie zu mir: wolt ihr keinen ehbruch
begehen/ ſo wil ich meinen Ehherꝛn toͤdten: und
dan wil ich euch zur ehe nehmen. Als ich dieſes
vernahm/ zerris ich mein kleid/ und ſprach:
Fraue/ ſchaͤhmet euch vor Gott ſolcher dinge;
und fuͤrchtet den HERꝛn. Tuht ein ſo boͤſes
ſtuͤkke nicht/ noch verzweifelt nicht ſo gar/ daß
ihr euch dem boͤſen ſo gantz ergebet. Dan ſo fern
ihr nicht ablaßet/ wil ich euer boßhaftiges vor-
nehmen offenbahren. Und ſie fuͤrchtete/ ich
moͤchte ihre boßheit iemand zu erkennen geben/

u. a. m. Ornet prudentiam verecundia, quodque
præcipuum in fæminis ſemper fuit, cunctas in te virtu-
tes pudor ſuperet. Hieronimus ad Colant. l. 2. Epiſt. 20.
Quod unum habent in malis bonum, perdunt peccan-
di verecundiam. Seneca l. de vita beata, c. 12. Et Va-
lerius Flaccus:


Heu! non revocabilis unquam

ceſſit ab ore pudor.

Zur
[453]Anmaͤrkungen.

Zur 20 und folgenden zeilen des 128 blats.


DArnach/ ſpricht Joſef in ſeinem letzten Willen weiter/
ſuchte ſie mich zu verfuͤhren mit geſchenken. Sie
ſchikte mir alles/ was das hertz erſinnen mochte/ was
ſchoͤn und koͤſtlich war zum gebrauche der menſchen: und
dieſes ſchikte ſie mir mit allerhand ſpeiſen. Aber als der
Geſchnittene dieſe ſpeiſen brachte/ ſahe ich auf/ und er-
blikte einen erſchroͤklichen Man/ der mir ein Meſſer in
einer ſchuͤſſel zureichte. Daraus verſtund ich/ daß ſie
meiner ſeelen nachſtellete. Und wan er weg war/ wei-
nete ich. Auch aß ich weder itzt/ noch ſonſten von ihrer
ſpeiſe. Auf einen tag hiernach kahm ſie zu mir/ und ſag-
te: waruͤm habt ihr von der ſpeiſe/ die ich euch geſchikt/
nicht gegeſſen? Und ich antwortete: daruͤm daß ihr ſie
mit dem tode erfuͤllet. Ja wiſſet/ daß ich mit den Ab-
goͤttern keine gemeinſchaft habe/ noch ihnen diene; ſon-
dern dem HERꝛn allein diene. Dieſer/ der Gott mei-
nes Vaters/ hat mir/ durch ſeinen Engel/ eure boßheit
geoffenbahret. Und daruͤm habe ich die ſpeiſe bewahret/
euch zu beſtrafen: ob ihr vielleicht dadurch/ wan ihr ſie
erbliktet/ zur reue moͤchtet bewogen werden; oder aber
damit ihr ſehen moͤchtet/ daß denen/ die dem HERꝛn
in reiner keuſcheit dienen/ keine argliſt derer/ die boß-
heit wuͤrken/ ſchaden/ noch einige kraft haben kan. Und
ich nahm/ und aß ſie/ in ihrer gegenwart/ indem ich
ſagte: der Gott meiner Vaͤter/ und Abrahams Engel
wird mich bewahren. Hierauf fiel ſie vor mir plat auf
ihr angeſicht zur erde nieder/ und weinete. Und nach-
dem ich ſie aufgehoben hatte/ ermahnte und unterrichtete
ich ſie mit vielen ſchoͤnen lehren. Auch verſprach ſie mir
dergleichen nicht mehr zu tuhn. Aber ſie weinte und ſeuf-
zete aus dem grunde ihres hertzens: dan es brante vor
großer begierde ehbruch mit mir zu begehen. Ihre an-
gen ſchlug ſie nieder auf die erde/ und lies das heupt haͤn-
gen. Als ihr Ehherꝛ ſolches ſahe/ fragte er ſie: was iſt
euch? Waruͤm laßt ihr den kopf haͤngen? Und ſie ant-
wortete: mein hertz tuht mir ſo weh/ daß ich kaum ahte-
men kan. Er aber trug ſorge vor ſie/ wiewohl ſie nicht
krank war.


F f iijAuch
[454]Kurtzbuͤndige

Auch ſpricht Ruben/ in ſeinem letzten Willen/
hier von folgende worte: Weil ſich Joſef von aller-
lei weibern enthalten und bewahrt hat/ ja alle
ſeine gedanken von aller huhrerei und beflek-
kung gereiniget; ſo iſt er angenehm geweſen bei
Gott und Menſchen. Fuͤrwahr! die Egipti-
ſche Fraue taͤht ihm viel dampfes an: welche die
Zeuberer hohlen lies/ und gab ihm betruͤgliche
artzneien. Aber in ihn kahmen keine boͤſe begier-
den. Daruͤm hat ihn Gott/ der Gott meiner
Vaͤter/ vor dem ſichtbaren und unſichtbarem
tode befreiet/
u. a. m.


Tatura iſt bei den Egiptern eine gattung des
Nachſchattens/ vom DodoneusStramonia genen-
net. Mattiolus meldet/ daß dieſes kraut dem Nacht-
ſchatten welcher ſonſt Solanus heiſſet/ zwar gleich ſei/
aber einen geruch habe als Schlaf kraut/opium, mit
weiſſen wohlruͤchenden bluhmen/ und dunkelbraunen
gekerbten blaͤttern. Aus der bluhme komt eine runt-
hafte frucht/ mit einer dornichten ſchahle/ wiewohl ſie
auch zuweilen keine dornen hat: welche von etlichen
vor die nus Metel bei dem Avizenne gehalten wird.
In dieſer frucht lieget ein gelber ſame/ der zuletzt bleich
wird; und faſt eben die kraft hat/ als das Slafkraut.
Dan er machet die menſchen tum/ tutzig/ trunken und
ſinneloß; ja ſie fallen in einen ſo tieffen ſchlaf/ der wohl
drei tage lang waͤhret. Daher pflegen ihn die Egipti-
ſchen Straßenreuber den reiſenden Kaufleuten/ klein
zerſtoßen/ und mit honige vermiſcht/ einzugeben/ ſie
trunken und ſchlafend zu machen; damit ſie ihnen ihr
geld und guht abnehmen koͤnnen. Dergleichen pflegen
auch die Huhren in Egipten und Oſt-Indien zu tuhn/
wan ſie einen Juͤngling zu ihrem willen zu bringen
trachten. Dem geben ſie gemelten ſaamen gemeinig-
lich im weine zu trinken: darauf er ſo ſinloß wird/ daß
er
[455]Anmaͤrkungen.
er nicht weis/ was er tuht/ oder redet/ auch nicht ein-
mahl/ wan er wieder zu ſich ſelbſt kommen/ was er ge-
tahn oder geredet.


Zur 19 und folgenden zeilen des 129 blats.


ALs ihr Ehherꝛ/ ſeind abermahl Joſefs worte/ wieder
von hauſe war/ beſtuͤrmete ſie mich aufs neue/ und
ſagte: ich verſchmachte dan/ oder ich mus ſterben. Ich
wil mich ſelbſten erſeuffen: oder ich wil irgend von oben
hinunterſpringen/ und den hals brechen; wofern ihr
mein begehren nicht volbringet. Als ich nun ſahe/ daß
der geiſt Belials ſie beſaß/ rief ich den HERꝛn an; und
ſprach zu ihr: Waruͤm ſeid ihr ſo entſtellet/ und waruͤm
gebaͤhrdet ihr euch ſo uͤbel? Gedenket doch/ ihr verblen-
dete in den ſuͤnden/ daß Sechon/ eures Ehherꝛn Beiſchlaͤ-
ferin/ die euch feind iſt/ euren kindern manche ſchlaͤge ge-
ben/ und euer gedaͤchtnuͤs von der welt vertilgen wird/
im fal ihr euch ſelbſten das leben nehmet. Hierauf ant-
wortete ſie: Nun ſehe ich gleichwohl noch/ daß ihr mei-
ner nicht gantz vergeſſen/ noch mich aus eurem hertzen
verbannet. Es iſt mir gnug/ das ihr mein und meiner
kinder leben beſchirmet. Ich habe guhte hofnung/ daß
ich noch heute bekommen werde/ was ich ſuche. Aber ſie
erkante nicht/ daß ich ſolches aus der furcht meines Got-
tes ſagte/ und nicht uͤm ihret willen. Dan imfal ſich ie-
mand einigen boͤſen Gemuͤhtsbewegungen und begier-
den unterwirft/ der wird derſelben leibeigner und dienſt-
knecht/ wie dieſe gemelte Fraue. Und wan er etwas
guhtes hoͤret/ weil er von ſolcher anfechtung uͤberwun-
den iſt; ſo nimt er daſſelbe ſtraks zum vorteil ſeiner boͤ-
ſen begierden/
u. a. m.


Zur 22 und folgenden zeilen des 150 blats.


GUido Panzirol bezeuget/ aus dem Plinius/
am 26 bl. des 1 b. von den verlohrnen gedenkwuͤr-
digen dingen: daß der Egiptiſchen Prieſter kleider aus
dem allerzaͤhrteſten/ weichſtem/ und weiſſeſtem lein-
F f iiijwande
[456]Kurtzbuͤndige
wande oder baumwollenem zeuge gemacht geweſen;
und nicht aus wolle von den tieren. Beroaldus ad Apu-
leji l. 11. Mileſiacor.
Daher ſagt Ovidius:


Nunc Dea linigerâ colitur celeberrima turbâ.

und Marzial:


Linigeri faciunt calvi, ſiſtrataque turba.

als auch Juvenal:


Qui grege linigero circundatus \& grege calvo.

Tertullian nennet/ in ſeinem buche von der Kriegs-
helden Krohne/ des HERꝛn Kriſtus Gewand das
eigene kleid des Oſiris/ naͤhmlich ſeiner oder der Iſis
Prieſter. Daß aber dieſe Prieſter das haar nicht al-
lein auf dem heupte/ ſondern auch uͤber den gantzen
leib abgeſchohren/ damit kein unflaht daran bleiben
moͤchte/ bezeuget Herodotus in ſeiner Euterpe. Da-
her nennet ſie auch Laktantz im 1 b. ſeiner Unter-
weiſ. deglabra pectora; und Marzialpilatam co-
hortem,
einen geſchohrnen hauffen.


Nunciat octavam Phariæ ſua turba juvencæ,

\& pilata redit jamque ſubitque cohors.

Pilata cohors iſt hier in keinem andern verſtande geſagt/
als eine geſchohrne ſchaar/ die aller haare entbloͤßet.
Und dieſes iſt in gemelten Dichtmeiſters 6 b. klaͤhr-
lich zu ſehen/ wan er alſo ſpricht:


Exſtirpa, mihi crede, pilos de corpore toto;

teque pilare tuas teſtificare nates.

Daher komt auch das wort expilator, welches ei-
gendlich einen ſolchen reuber bedeutet/ der alles ſo
rein hinweg raubet/ daß er auch faſt nicht ein
haͤrlein an der beraubten leibe uͤbrig leſſet.


Seewermuht/ welches von den Lateinern abſyn-
thium marinum,
von den Griechen στρίφιον, oder
ἀψύν-
[457]Anmaͤrkungen.
ἀψύνθιον σιρίφιον, nach dem Serifiſchen Inlande
der Egeiſchen ſee/ da es uͤberfluͤßig waͤchſet/ genennet
wird/ war der Iſis heilig; gleichwie dem Oſiris
der Eppich/ und das Rundkraut. Daher ward
es auch/ mit den Fiechtenzweigen/ in den Iſiſchen
feſt gepraͤngen heruͤm getragen. Es pfleget eben uͤm die
zeit/ wan der Niel waͤchſet/ zu bluͤhen.


Die Seitenſpiele warden an den heiligen tagen
daruͤm gebraucht/ damit/ durch derſelben ſuͤßen klang/
das volk zur heiligen andacht bewegt/ und von weltli-
chen gedanken abgehalten wuͤrde. Von allen dieſen
Feſtgepraͤngen ſchreibet Apulejus in ſeinem 8 und
11 b. weitleuftig.


Zur 16 und folgenden zeilen des 132 blats.


ALs nun der heilige Feſttag/ ſchreibet Flavius Joſef im
3 b. des 2 b. vor handen war/ welchen auch die Frauen
zu begehen pflegten; da ſtellete ſie ſich gegen ihren Eh-
herꝛn krank/ ſuchte die einſamkeit/ und dadurch gelegen-
heit den
Joſef zu gewinnen. Und als ſie dieſelbe gefun-
den/ ſprach ſie ihn/ mit den allerſchoͤnſten und ſuͤßeſten
worten/ floͤhendlich an. Es were zwar/ ſagte ſie/ viel
beſſer geweſen/ daß ihr meiner erſten bitte nicht wider-
ſtanden/ und entweder das anſehen der bittenden/ oder
die heftigkeit der liebe etwas bei euch gelten laßen; wel-
che mich zwinget zu vergeſſen/ daß ich eure Fraue bin/
indem ich euch mit ſo untertaͤhnigen worten anfloͤhen
mus. Jedoch werdet ihr klug ſein/ wan ihr euch noch
itzund bekwaͤhmet/ und alſo euren vorigen fehler verbeſ-
ſert. Iſt es euch auch etwan daruͤm zu tuhn geweſen/
daß ihr aufs neue woltet gebaͤhten ſein; ſo tuhe ich nun
daſſelbe viel inbruͤnſtiger/ als zuvor iemahls. Dan eben
daruͤm habe ich mich krank gemacht/ und eure lie-
be geſelſchaft aller freude dieſes Feſtes vorgezogen.
Oder habt ihr mir vielleicht nicht zugetrauet/ daß ichs
mit ernſte meinete; ſo koͤnt ihr nunmehr gewis
ſchlieſſen/ daß ich euch nicht betruͤglich verſuchet/
weil ich in ſolcher meinung beſtaͤndig verharre.

F f vDar-
[458]Kurtzbuͤndige
Daruͤm wehlet entweder die angebohtene wohlluſt zu
gebrauchen/ und derſelben die euch aufs hoͤchſte liebet/ zu
gehorchen/ daraus ihr auch noch groͤſſeren nutzen zu ge-
warten; oder aber machet euch gefaſt meinen grimmi-
gen zorn und euſerſte ungnade/ ſo fern ihr eure gewaͤhnte
keuſcheit meiner gnade vorziehet/ zu vertragen. Und das
ſolt ihr wiſſen/ daß euch dieſe keuſcheit nichts helfen
wird/ wan ich euch bei meinem Ehherꝛn angeben werde/
daß ihr mich habet nohtzuͤchtigen wollen. Dan ob ihr
ſchon die wahrheit ſagtet/ ſo wuͤrde doch Potifar meinen
worten mehr gleuben/ als den eurigen. Aber
Joſef
konte auf alle dieſe worte/ welche ſie noch darzu mit
traͤhnen bezeugete/ weder aus mitleiden bewogen/ noch
aus ſchroͤkken gezwungen werden/ von ſeiner vorge-
ſetzten keuſcheit abzuweichen. Und alſo hielt er beſtaͤn-
dig an dieſen ſo unbilligen anfechtungen zu widerſtehen:
ja er wolte lieber alles leiden/ als des angebohtenen ge-
nieſſen; indem er wohl wuſte/ daß er ſich der rechtfaͤrti-
gen ſtrafe teilhaftig machte/ ſo fern er einer Fraue zu ge-
fallen/ dergleichen etwas beginge/
u. a. m.


Zu den 2 letzten zeilen des 132 blats.


IN den Egiptiſchen ſuͤmpfen waͤchſet das kraut/
das die Arabiſchen Aertzte Beid el Oſſar, oder
ſchlechthin Oſſar und el Uſar nennen/ und man auch
in Europe/ da es in etlichen Kreutergaͤrten zwar gruͤh-
net und bluͤhet/ aber keine frucht bekomt/ zu bringen
pfleget. Aus deſſen gebrochenen oder angeknikten oder
aufgeritzten zakken/ und bleichgruͤhnen jungen blaͤttern
leuft eine ſcharfe und bittere milch; welche von der ſon-
nenhitze zuſammenrinnet/ und nach der gleicheit mit
dem Manna oder zukker/ Man und Saccar el Uſar ge-
nennet wird. Mit dieſer Milch pflegen die Egiptiſchen
Jungfrauen ihre haut zu beſtreichen/ ſie ſchoͤn/ klahr/
und glat zu machen. Dan ſie vertreibet nicht allein die
ſonnen- oder ſommer-ſproſſen/ und andere flekker; ſon-
dern ſie beiſſet zugleich das haar aus. Daher pflegt
man
[459]Anmaͤrkungen.
man auch die Tierheute/ ſie kahl zu machen/ in dieſer
milch einzuweichen. Die bluhmen ſeind ſafrahngaͤlbe/
und haͤngen knuͤtſchelweiſe an den guͤpfeln der zakken/
nach der erde zu gebogen. Die frucht ſiehet faſt aus wie
ein paar kamehlsbaͤlle: daher auch der nahme Oſſar,
das iſt ein bal/ den fruͤchten/ mit dem kraude/ gegeben
wird. Den ſaamen uͤmgiebet eine ſehr ſanfte wolle:
welche man zum zunder gebrauchet/ auch die betten/
und ſo genenten matratzen damit fuͤllet.


Zu den 6 letzen zeilen des 134 blats.


AUch hat ſie/ ſagt Joſef in ſeinem letzten Willen/
vielmahls ihre aͤrme/ bruſt/ und beine ent-
bloͤßet; da mit ſie mich zur liebe bewegen moͤchte.
Dan es war eine ſchoͤne Frau/ und wohlausge-
zieret mich zu betruͤgen. Aber der HERꝛ be-
wahrte mich fuͤr allen ihren anmuhtungen.
Chæ-
rea apud Terentium in Eunucho: Ego verò occaſionem
tam optatam, tam inſperatam amitterem? tum ego pol!
verè is eſſem, cui aſſimulabar.
Aber ſo gedachte Joſef
mit nichten.


Zur 10 zeile des 135 blats.


COntinens eſt, qui ſe continet ab externâ laſciviâ,
ſed non ſine dolore. Intus enim cupiditatum flam-
mis vexatur; ſed nolens volens ſeſe continet. Paræus
ad c. Geneſ. 39. \& Num.
9.


Zu den 8 letzten zeilen des 136 blats.


IN poteſtate, inquit Imperator, ſunt ſervi domino-
rum: quæ quidem poteſtas juris gentium eſt. Nam
apud omnes peræque gentes animatvertere poſſumus,

penes
[460]Kurtzbuͤndige
penes dominos in ſervos vitæ necisque poteſtatem
fuiſſe. l. 1. paragr. 1, ff. de his, qui ſui, vel alieni juris
ſunt.


Zur 23 zeile des 138 blats.


PLutarchus Erot. Dulce pomum, ubi cuſtos abeſt.
Ovidius Remed. Amor.
2:


Quisquis amas, loca ſola nocent, loca ſola caveto.

Solitudo enim eſt, quæ etiam virum fortem præcipi-
tat in reatum. Petr. Bleſ. Epiſt. 9. Et Magna pars
peccatorum tollitur, ſi peccaturis teſtis aſſiſtat. Seneca.


Zur 25 und folgenden zeilen des 138 blats.


SUndige nicht: dan Gott ſiehet es/ die Engel ſeind
darbei/ der Teufel wird dich anklagen/ dein Ge-
wiſſen wird zeuge ſein/ und die hoͤlle deine ſtrafe. Ocu-
lum in te intendit ſuum, qui tuum fecit. Auguſtinus,
de Verbo Dom. Parietibus oculi hominum ſubmoven-
tur. Divinum autem numen nec viſceribus ſub-
movetur, quo minus totum hominem perſpiciat ac
norit. Lactantius. Deus totus oculus, quia omnia vi-
det; totus manus, quia omnia operatur; totus pes, quia
ubique eſt. Auguſtin. ſup. Pſ. 120. Intra omnia, nec
incluſus; extra omnia, nec excluſus. Hildebertus. So-
lius DEI eſt in duobus locis, \& per totum mundum in
eodem momento inveniri. Athanaſius q. 26 ad An-
tioch. Quid prodeſt non habere conſcium, habenti con-
ſcientiam. Lactant. l. 6, c. 24, ex Senecâ. Mala conſcien-
tia delictorum noſtrorum ipſa eſt teſtis, \&c.
Das
boͤſe Gewiſſen iſt ſelbſten unſerer ſuͤnden zeuge/
ſelbſten unſer richter/ ſelbſten unſer haͤnker/
ſelbſten unſer gefaͤngnuͤs. Es klaget uns auch

ſelb-
[461]Anmaͤrkungen.
ſelbſten an/ es richtet/ verurteilet/ und verdam-
met uns ſelbſten/
ſagt Barnard.Conſcientia cu-
jusque propria certum eſt teſtimonium judicii divini.
Richterus Axiom.
48. Daruͤm ſagt unſer Joſef bei
dem Flavius Joſef ſehr wohl: Satius eſſe conſcien-
tiæ rectè factorum, quàm peccati latebris fidere,
das
iſt/ es ſei beſſer ſich auf ſein guhtes Gewiſſen/
als auf eine ungewiſſe bedekkung ſeiner ſuͤnden/
zu verlaßen.


Zur 9 zeile des 139 blats.


DAn auſſer dem/ daß den Joſef ſeine Gottesfurcht/
welche Barnard die tuͤhrhuͤhterin des gemuͤhts
nennet/ hiervon abhielt; ſo wuſte er auch ſehr wohl/
daß die Ehbrecher in Egipten/ nach Diodohrs
zeugnuͤſſe/ mit verluſt des maͤnlichen gliedes geſtraft
warden. Daher ſagt Horatz:


Quin etiam illud

accidit, ut quidam teſtes, caudamque ſalacem

demeteret ferro.

Zudem war die ſtrafe der Leibeigenen/ die einen Eh-
bruch begangen/ bei den Alten noch viel ſchaͤrfer;
wie Aerod. im 19 h. des 8 b. von den Juͤdiſchen ſa-
chen bezeuget.


Zum beginne des 140 blats.


GLeichwohl/ ſpricht Joſef in ſeinem letzten Wil-
len/ zog ſie mich nachmahls mit gewalt bei
den kleidern/ damit ich ſie fleiſchlich erkennen
ſolte. Und als ich ſahe/ daß ſie mit aller gewalt
unſinnig war/ indem ſie mich bei den kleidern
feſt hielt; da lief ich weg. Und Flavius Joſef

ſchreibet hiervon alſo: Aber ſie hielt viel heftiger
an:
[462]Kurtzbuͤndige
an: und weil ſie mit worten nichts ausrichtete/
ſo ſchlug ſie die hand an den Juͤngling/ ihn mit
gewalt zu ihrem willen zu zwingen. Da ſprang
Joſef/ welcher des weibes unbaͤndige ungeſtuͤh-
migkeit nicht laͤnger vertragen wolte/ indem er
auch ſeinen rok/ daran ſie ihn feſt hielt/ im ſtiche
lies/ zur kammer hinaus. Hierauf beſchlos ſie/
teils weil es ſie ſchmertzete/ daß ihr anſuchen
abgeſchlagen worden/ teils auch weil ſie ſich be-
fahrete/ ihr Ehherꝛ moͤchte ihr boͤſes vorhaben
erfahren/ den
Joſef bei zeiten faͤlſchlich anzuge-
ben/ und ſich alſo an ihm zu raͤchen. Dan ſie/
als eine argliſtige frau/ gedachte ihm mit der
anklage zuvorzukommen. Und daruͤm ſaß ſie
betruͤbt und entruͤſtet: auch ſtellete ſie ſich/ als
wan dieſer aus vergebens verhofter ſaͤttigung
ihrer begierden entſtandener unmuht ein recht-
maͤßiger zorneifer wegen ihrer angefochtenen
keuſcheit ſei/
u. a. m. Ambroſius lib. de Joſeph, c.
5. Magnus vir Joſeph, qui venditus, ſervile neſcivit
ingenium; adamatus, non adamavit; rogatus, non ad-
quievit; comprehenſus, aufugit.


Pel. ad Demetriadem: Concupiſcitur à domina Ado-
leſcens, nec ad concupiſcentiam provocatur: rogatur,
\& fugit: caſtum animum nec ætas adoleſcentiæ per-
movet, nec diligentis auctoritas: nec aſpectu ſolùm,
ſed ipſo penè complexu, provocatus à fæmina, fæmi-
nam non concupivit.


Zur 15 zeile des 140 blats.


AMici, qui ſeſe mereri omnia præſumunt, ſi quid-
quam non extorſerint, atrociores ſunt ipſis quo-
que hoſtibus. Aurelius Victor. Aut amat, aut odit Mu-
lier: nihil eſt tertium. P. Syrus. Sic omne coactum

tra-
[463]Anmaͤrkungen.
tragicum habet exitum. Baldus addit. neque ab initio
c. de Nupt.


Zur 28 und folgenden zeilen des 140 blats.


SCelere velandum eſt ſcelus. Seneca in Hippolito.


Zur 21 und folgenden zeilen des 148 blats.


HIiervon ſchreibet Moſes im 39 h. ſeines erſten
buches/ in den drei letzten ſpr. mit kurtzen worten:
als auch Joſef ſelbſten ſtraks im anfange ſeines letz-
ten Willens.


Zum anfange des 193 blats.


DIeſes erzehlet Joſef in ſeinem letzten Willen fol-
gender geſtalt: als ich alſo gebunden und gefeſſelt
lag/ ward die Egiptiſche Frau vor ſchmertzen krank. Und
ſie ſtund/ und horchte/ wie ich den HERꝛn lobete/ und
ihm dankte/ in der fuͤnſternuͤs meines gefaͤngnuͤſſes.
Dan ich prieſe meinen Gott mit froͤhlicher ſtimme/ und
machte ſeinen ruhm groß; weil Er mich/ durch dieſe ge-
fangenſchaft/ von der Egiptiſchen Frauen erloͤſet. Aber
ſie fing auch alhier an/ mich von neuen zu beſtuͤrmen.
Wohlan dan/ ſagte ſie/ nehmt meinem vorſchlag an/
und tuht/ was ich begehre; ſo wil ich euch von euren
banden befreien/ und aus dieſem fuͤnſtern loche erloͤſen.
Aber ſo weit konte ſie mich nicht bringen/ daß ich auch
nur die gedanken bekommen/ boͤſes zu tuhn. Dan Gott
liebet denſelben/ der in einem dunkelen gefaͤngniſſe ſitzet/
und in reinligkeit faſtet/ vielmehr/ als einen andern/ der
mit ſeiner Braut in wohlluͤſten lebet. Und wan iemand
in ſauberheit lebet/ und begehret ruhm und ehre; ſo be-
komt er ſie von dem Allerhoͤchſten/ gleichwie ich ſie be-
kommen habe/ ſo fern es Ihn guht duͤnket. Ja ſie kahm
in ihrer krankheit vielmahls vor mein gefaͤngnuͤs/ und
wan ſie mich baͤhten hoͤrete/ fiel ſie mir uͤm ſo viel mehr
verdruͤßlich. Aber ſo bald ich ihr ſeufzen vernahm/
ſchwieg ich ſtil/ u. a. m.


Zur
[464]Kurtzbuͤndige

Zur 12 und folgenden zeilen des 155 blats.


HIeſige geſchicht beſchreibet Moſes im 40 haupt-
ſtuͤkke ſeines erſten buchs zwar weitleuftig genug/
doch gleichwohl ſetzt er nicht ausdruͤklich hinzu/ waruͤm
der Koͤnig ſeine zween Kaͤmmerer zum gefaͤngnuͤſſe
verdam̃et. Aber die Arabiſchen Geſchichte nennen ihre
verbrechen mit ausgedruͤkten worten: als auch mehr-
gemelter Greiffenſohn in Joſefs Lebensbeſchrei-
bung.


Zurletzten zeile des 160 blats.


DIeſen zweifachen Traum des Koͤniges erzehlet
Moſes/ im 41 hauptſtuͤkke ſeines 1 buchs/ aus-
fuͤhrlich: als auch Flavius Joſef in ſeinen Juͤdiſchen
Geſchichten/ und Pierius am 28 bl. ſeiner heiligen
Bilderſchriften.


Zur 10 und folgenden zeilen des 162 blats.


SUnt enim Somnia ex diurna cogitatione quaſi in ſi-
dibus ceſſantis impulſus extremæ quædam motio-
nes, quæ ex impulſu reſultant, eoque ceſſante adhuc
aliquandiu perdurant; inquit Gregor. Nicenus Tract. de
opificio hominis c.
13. Wer mehr von den Treumen zu
wiſſen begehret/ der kan des Apomaſaris/ ſonder-
lich aber des Artemidorus Traumbuͤcher/ aufſchla-
gen; als auch den Ariſtoteles in ſeinem Buche von
den Treumen/ und unſren Schatz der ungeſund-
heit/
im 21 haupſt. des 2 B. am 162 bl. u. a. m.


Zur 7 zeile des 167 blats.


DIeſes erzehlet Moſes/ im 9 und folgenden ſpr.
des 41 h. ſeines 1 buches.


Zu
[465]Anmaͤrkungen.

Zu den 3 letzten zeilen des 172 blats.


ALles dieſes findet man im 33 und folgenden ſpr.
des 41 haupſt. im Buche der Schoͤpfung.


Zur 5 zeile des 178 blats.


DUrch das Reich der Schaͤllenbuͤgel verſtehen
wir alhier Egipten. Es iſt eine raͤhtſleriſche re-
dens ahrt/ aus dem Eſaias genommen: welcher ſein
18 hauptſtuͤkke alſo anfaͤnget: [...]
[...]: das iſt/ weh dem Lande
des Klingels oder der Schaͤllen mit dem rande/

Cymbali orarum, id eſt Siſtri, (da die Iſiſchen Prieſter
mit Klingelſpielen oder Schaͤllenbuͤgeln ſpielen) jen-
ſeit den fluͤſſen des Kuſiſchen Arabiens/
trans
flumina Chus
, id eſt Arabiæ Chuſææ:
welches Bil-
der
(das Heupt des Oſiris) in die See ſendet/ und
zwar in gefaͤßen oder ſchiffen vom Papierſchilfe
auf den waſſern.
Oder kuͤrtzer und eigendlicher:
weh dem Reiche/ das die Schaͤllenſpiele ge-
brauchet/ und uͤber den Arabiſchen fluͤſſen lie-
get: welches ſeine Goͤtzenbilder in die See ſen-
det/ mit ſeinen ſchiffen aufden waſſern.
Dieſes
iſt/ nach meinem urteile/ die eigendlichſte erklaͤhrung
der worte des Eſaias/ und derſelben verſtandes: der
auch Hieronimus/ in ſeiner uͤberſetzung ziemlich na-
he/ ja unter allen uͤberſetzern am naͤchſten kommet;
welche alſo lautet: terræ Cymbalo alarum, quæ
eſt trans flumina Æthiopiæ. Qui mittit in mare lega-
tos, \& in vaſis papyri ſuper aquas.
Das iſt/ weh
dem lande der Schaͤllenfluͤgel/ das uͤber den
Mohrenlaͤndiſchen fluͤſſen liegt. Der Geſanten
in die ſee ſchikt/ und in faͤſſern vom papierſchilfe
uͤber den waſſern/
u. a. m. Aber die ſiebenzig Tahl-
G gmet-
[466]Kurtzbuͤndige
metſcher gehen weiter darvon ab/ wan ſie die gemelten
Ebreiſchen worte der Weiſſagung in die Griechiſche
ſprache folgender geſtalt uͤbertragen: ὀυαὶ γῆς πλάων πτε-
ρύγων ἐπέκεινα πτταμᾶν ἀιϑιοπίας; ὁ ἀποςέλλων ὀν ϑαλάσ-
σῃ ὄμηϱα, καὶ ἐπιςολὰς βι [...]λίνας ἐπάνω τοῦὗδατος. Dieſes
hat der Lateiniſche uͤberſetzer alſo gegeben: Væ terræ
navium alarum, trans flumina Æthiopiæ. Qui mittit
in mari obſides, \& epiſtolas papyraceas ſuper aquam.

Das iſt/ weh dem lande der ſchiffe mit fluͤgeln
oder ſegeln/ uͤber den fluͤſſen des Mohrenlan-
des: der im meere buͤrgen oder pfandsleute/ oder
vielmehr pfaͤnde ausſchikket/ als auch Sende-
ſchreiben vom papierſchilfe/ uͤber dem waſſer.

Eben ſo weit weichet auch der Kaldeiſche uͤberſetzer oder
erklaͤhrer vom Ebreiſchen grundverſtande folgender ge-
ſtalt ab: væ terræ, ad quam veniunt in navibus de terra
longinqua, \& vela eorum extenſa ſunt, quaſi aquila,
quæ volat alis ſuis; quæ eſt trans flumina Æthiopiæ.
Quæ mittit in aquis nuncios, \& in trieribus ſuper fa-
ciem aquarum.
Das iſt/ weh dem lande/ dahin
man aus fernen laͤndern auf ſchiffen kommet/
und derer ſegel ſich ausbreiten/ wie ein Adler/
wan er mit ſeinen fluͤgeln fluͤget; das uͤber den
fluͤſſen des Mohrenlandes iſt. Welches in den
waſſern Bohten ausſendet/ und in dreirudrich-
ten ſchiffen uͤber den flaͤchen der waſſer.
Ja un-
ſere Hochdeutſche uͤberſetzung komt dem eigendlichen
ſinne des Eſaias nicht naͤher; wan ſie alſo lautet:
weh dem lande/ das/ unter den ſegeln/ im ſchat-
ten faͤhret/ diſſeit den waſſern des Mohrenlan-
des: das Bohtſchaften auf dem Meere ſendet/
und in Rohrſchiffen auf den waſſern faͤhret.

Hier ſehen wir/ daß der uͤberſetzer in betrachtung gezo-
gen/ daß Eſaias im Juͤdiſchen lande geſchrieben/ und
daher Egipten nicht beſchreiben koͤnnen/ als ein land
uͤber
[467]Anmaͤrkungen
uͤber den Mohrenlaͤndiſchen fluͤſſen; weil Mohrenland/
nach dem Juͤdiſchen lande zu rechnen/ nicht diſſeit/ ſon-
dern jenſeit Egipten lieget. Daruͤm hat er auch/ ob
ſchon alle vorigen uͤberſetzer das wort jenſeit gebraucht/
darvor lieber diſſeit ſetzen wollen: damit ſeine uͤber-
ſetzung nicht wider die gelegenheit der laͤnder lauffen
moͤchte. Aber er hette gantz nicht noͤhtig gehabt/ daß
woͤrtlein jenſeit in diſſeit zu veraͤndern/ wan er ge-
wuſt hette/ daß Eſaias durch das wort בוש Chus,
nicht Mohrenland/ ſondern Arabien/ verſtanden.
Und hierinnen hatten ihn die vorigen uͤberſetzungen/
als auch die meinungen der Kirchenvaͤter und anderer
verleitet. Dan faſt alle alte Schreiber/ als Filo/ Jo-
ſefus/ Euſebius/ Hieronimus/ Euſtatius/
der
Verfaſſer des Alexandriſchen Zeitbuches/ ja alle Alt-
vaͤter haben das land Kus vor Mohrenland ge-
halten: auch ſelbſt die alten Ebreer und Araber;
den einigen Jonatan ausgenommen/ welcher in ſei-
ner Erklaͤhrung des 6 ſpr. im 10 hauptſt. des buchs der
Schoͤpfung vor das Ebreiſche בוש Chus עדביא Ara-
bia
geſetzet. Und daß dieſe letzte erklaͤhrung beſſer und
wahrhaftiger ſei/ hat der fuͤrtrefliche Bochart in ſei-
nem Faleg am 238 und 239 bl. eben ſo gelehrt/ als
weitleuftig/ eroͤrtert. Die fluͤſſe aber des Kuſſiſchen
Arabiens/
welches ein teil des gluͤklichen und ſteinich-
ten Arabiens iſt/ und zwiſchen Egipten und dem Juͤdi-
ſchen lande lieget/ ſeind Beſor/ der ſich in die Mittel-
laͤndiſche ſee ergieſſet; der flus Trajan/ welcher bei
der Heldenſtadt in das Rohte meer ſich ſtuͤrtzet; Koris/
deſſen Herodotus in ſeiner Talia gedenket/ und an-
dere. Nur eines wollen wir noch errinnern: naͤhm-
lich daß ſo vieler/ ja faſt aller alten irtuhm aus der ei-
nigen uͤberſetzung der ſiebenzig uͤberſetzer entſproſſen:
welche/ weil ſie hierinnen geirret/ auch nachmahls alle
ihre nachfolger irren gemacht.


G g ijDas
[468]Kurtzbuͤndige

Das obgemelte Ebreiſche wort [...], welches die
meiſten fluͤgel erklaͤhren/ haben wir rand verdeut-
ſchet: weil [...] uͤberal vor den rand oder das euſer-
ſte ende
eines ieden dinges/ ſo wohl der fluͤſſe und der
erde/ als der kleider und gebeue/ genommen wird. Und
alſo iſt ein klingel oder eine zimbel der raͤnder oder
mit raͤndern [...] ein Schaͤllenſpiel mit
raͤndern oder mit einem buͤgel uͤmgeben: welches die
Griechen von σάιομαι, d. i. ruͤtteln/ bewegen/ σεῖςρον,
die Lateiner ſiſtrum nennen. Dan es iſt eine gattung der
ſo genenten Zimbeln: die Eſaias alhier, billich [...]
das iſt/ ein klingendes ſpielzeug/ vom [...]klingen/
tinnire, heiſſet. Dieſe Klingelſpiele waren von ertz/
von ſilber/ auch wohl von golde; wie Apuleius im 11
ſeiner Verwandlungsbuͤcher bezeuget: und hierinnen
von den gemeinen Klingeln oder Zimbeln unterſchieden/
daß dieſe rund waren/ als ein runter baͤcher/ und als
ein blat vom Nabelkraude geſtaltet/ wie Turnebus
aus dem Schribonius Largus im 33 h. des 26 b.
anweiſet; jene aber ei- oder laͤnglich-rund/ mit einem
rande/ daran etliche ſchaͤllen hingen/ und/ im bewegen
und anſchlagen/ einen lieblichen klang von ſich gaben.
Guido Pancirollus l. 1. rer. memorab. deperditar. p. 29.
Alexand. ab Alexandro l. 7, c. 8. Demſterus paralipo-
men. ad Roſini Antiquitat. Rom. c. ult. l.
2.


Von dieſem Klingelſpiele/cymbalo marginato,
id eſt, ſiſtro,
hat Eſaias das Egiptiſche land terram
ſiſtratam,
gleichwie andere die Egipter/ oder vielmehr
ihre Prieſter ſelbſt/ ſiſtratam turbam, genennet; weil
naͤhmlich das Schaͤllenſpiel oder der Klingelbuͤgel ihr
eigenes ſpielzeug war. Marziahl:


Linigeri fugiunt calvi, ſiſtrataque turba.

Ovidius l. 3 Eleg.


Quid nunc ſacra juvant? quid nunc Ægyptia proſunt


Siſtra.

Idem
[469]Anmaͤrkungen.

Idem de Ponto l. 1, Eleg. 1:


Jactantem Phariâ tinnula Siſtra manu.

Juvenalis:


Iſis \& irato feriat mea lumina Siſtro.

Dan es war der Iſis/ als ihr eignes ſpielzeug/ gehei-
liget/ und ward von ihren Prieſtern/ wan ſie ihre feier-
tage begingen/ ſtaͤhts gebrauchet. Daher ſingt auch
Tibul/ im 3 ged. des 1 buchs:


Quid tua nunc Iſis tibi Delia? quid mihi proſunt

illa tuâ toties æra repulſa manu?

Wie nun/ bei mehr gemeltem Eſaias/ des Egip-
tiſchen reichs eigene kenzeichen das Klingelſpiel/ und
deſſen gelegenheit uͤber den Kuſiſchen oder Ku-
ſiſch-Arabiſchen fluͤſſen
ſeind; ſo ſchreibet ihm eben
derſelbe noch ein drittes zu: naͤhmlich die ſendung
der Goͤtzenbilder in dieſee/ in papiernen faͤſſern/
uͤber den waſſern.
Alhier geben etliche das Ebrei-
ſche wort [...]Bohten/ geſanten/ oder boht-
ſchaften/
auch briefe; wir aber Bilder oder viel-
mehr Goͤtzenbilder/ vom zeitworte [...], das iſt bil-
den.
Dan alſo nennet eben derſelbe Eſaias im 16
ſpr. des 45 h. die Bildhauer oder Bildſchnitzer
[...]. Und hierdurch verſtehet der Weiſ-
ſager anders nichts/ als des Oſiris Heupt:
welches von den Egiptern zu Alexandrien jaͤhrlich
in die ſee geworfen/ und von dar in ſieben tagen vom
Teufel nach Biblus getrieben ward; wie Luzian/
in ſeinem buche von der Siriſchen Goͤttin/ bezeuget.
Auch melden Zirillus/ und Prokopius/ in ihren
Anmaͤrkungen uͤber den Eſaias faſt eben daſſelbe.
Macrobius l. 1 Saturnal. Elias Schedius de Diis Germ.
p.
74. Die Papierne faͤſſer/ oder Gefaͤße aus Pa-
pierrohre oder Papierſchilfe/
ſeind auch anders
G f iijnichts/
[470]Kurtzbuͤndige
nichts/ als Egiptiſche ſchiffe/ die man vor alters aus
dieſem Egiptiſchen rohrſchilfe zu machen pflegte; wi
Teofraſt/ und Plinius bezeugen. Des letzten wor-
te ſeind dieſe[:]Ex ipſo papyro navigia texunt, \&
è libro vela tegetesque.


Zur 6 zeile des 178 blats.


HIer haben wir auf die ſehr ſchmahle laͤnge des
Egiptiſchen Reichs/ da der Niel mitten durch
hin flieſſet/ alſo daß er zu beiden ſeiten laͤngſthin ein aͤn-
ges zwiſchen den gebuͤrgen liegendes land/ als zwee
eingezogene fluͤgel/ hat/ ein auge gehabt. Und die
ſer ſchmahlen laͤnge wegen/ nennet Eſaias in eben
dieſem itztgemeltem 18 h. die Egipter [...]
gentem in longitudinem extenſam,ein ausge-
ſtrektes/ und in die laͤnge gezogenes volk:
wel-
ches/ in unſerer Hochdeutſchen uͤberſetzung/ uneigend-
lich/ ein volk/ das ausgemaͤſſen iſt/ gegeben wird.
Hiervon ſiehe/ was wir droben in den Anmaͤrkungen
am 367 bl. geſagt.


Zur 11 zeile des 178 blats.


MIt dieſen worten zielen wir auf die koͤniglichen
Treume: welche Joſef gedeutet/ und raht ertei-
let/ wie dem gedreueten uͤbel koͤnte begegnet werden.


Zur letzten zeile des 178 blats.


ERrif/ alſo ſchreibt es Leo der Afriker: welches
eben ſo viel iſt/ als das Arabiſche [...] mit dem
vorangefuͤgtem Arabiſchen geſchlechtsworte: das vor
dem Randers nicht ausgeſprochen wird. Sonſt wird
es gemeiniglich ohne das geſchlechtswort gebraucht/
als
[471]Anmaͤrkungen.
als ϱὶ [...] oder ϱι [...]ὶ, welches in der alten Egiptiſchen
ſprache/ wie Horus im 7 h. des 1 b. ſeiner Bilder-
ſchriften bezeuget/ eine Birne geheiſſen. Und alſo
ward eigendlich daſſelbe teil des Egiptiſchen Reichs/
das itzund den nahmen Delta fuͤhret/ nach ſeiner oben
zugeſpitzten/ und unten breitlichten geſtalt/ von den
Egiptern genennet; wiewohl man dadurch auch zuwei-
len das gantze Egipten verſtund. Die Ebreer haben
daraus [...]Rahab gemacht: und dieſes wort wird in
der h. Schrift vielmahls ebenmaͤßig vor das gantze
Egipten gebraucht: als im 11 ſpr. des 89 Harfenlie-
des/ im 9 ſpr. des 51 h. bei dem Eſaias/ und bei dem
Job im 12 ſpr. des 26 h. wiewohl es in dieſem letzten
orte vielleicht in einem gantz andern verſtande ſtehen
ſol. Sonſten iſt auch Errif/ welches wir alhier gleich-
maͤßig vor das gantze Egipten genommen/ ein nah-
me der 5 Landſchaft oder Reichshauptmanſchaft des
Koͤnigreiches Fes: welche an die mittellaͤndiſche ſee
ſtoͤßet/ ſehr viel berge begreiffet/ und ein rechtes Wein-
land iſt; wiewohl der wein ſchwartz von farbe.


Zur 1 zeile des 179 blats.


HIermit haben wir auf den Nahmen Joſef anſple-
len wollen: welcher auf ſo genente Kabaliſtiſche
weiſe/ die uhrſachen/ waruͤm ihn Jakob alſo genen-
net/ anzuzeigen/ folgender geſtalt entknoͤhtelt wird:


[...]Joſef. [...] Gott


[...]hat mir benommen


[...]den mangel.


[...]Gott


[...]ſetze mir hinzu/


[...]mit hinzuſetzen/ einen andern


[...]Joſef/ das iſt Sohn.


G g iiijZur
[472]Kurtzbuͤndige

Zur 12 zeile des 179 blats.


HIiermit haben wir auf den Nahmen Aſſenat
oder Asnat gezielet: welcher ſchoͤn/ und zugleich
auch eine Heilandin/ Heilmacherin/ oder Aertztin
heiſſet: wie auch auf Joſefs ehrennahmen/ der ihm
nachmahls zugeeignet ward.


Zu den 3 letzten zeilen des 181 blats.


DEr Baſiliske/ wan ihm ein ſpiegel vorgehaͤnget
wird/ blaͤſet mit ſeinem giftigen ahtem/ indem er
ſein bildnuͤs darinnen erblikket/ und es vor einen an-
dern Baſilisken anſiehet/ ſo ſtark und ſo lange dar-
auf zu/ den gewaͤhnten Baſilisken im ſpiegel todt zu
blaſen/ bis er ſich ſelben todt blaͤſet: und daruͤm wird
er vor ein ſinbild der Neidhaͤmmel gehalten.


Zur 11 und folgenden zeilen des 184 blats.


DIeſen Traum erzehlet Joſef ſeinen Soͤhnen ſelbſt/
in ſeinem Letzten willen.


Zur 18/ 24/ und folgenden zeilen des 196 blats.


IM 41 haupſtuͤkke des Buches der Schoͤpfung/
vom 39 ſpruche bis auf den 43 erzehlet Moſes die-
ſe begaͤbnuͤs mit kurtzen worten: als auch die Geſchicht
der Aſſenat/ und Joſef der Juͤdiſche Geſchichtſchrei-
ber. Bei gemeltem hauptſtuͤkke des Moſes kan eben-
maͤßig Korneliusà Lapide, in ſeinen Anmaͤrkungen/
geleſen werden.


Vom Elefanten/ daß er der Koͤnige ſinbild gewe-
ſen/ ſchreibet Johan Pierius im 2 b. ſeiner heiligen
Bil-
[473]Anmaͤrkungen.
Bilderſchriften am 15 und 16 bl. weitleuftig. Daß
er ſich nicht neugen oder beugen koͤnne/ und keine ge-
lenke in den kniehen habe/ wird von etlichen bejahet/
von andern verneinet; wie bei dem Aldrovanden/
Jonſtohn/
und andern zu leſen.


Zur 1 und 2 zeile des 198 blats.


[...]Tſaphnath Paaneach, der Egiptiſche
Ehrennahme des Joſefs/ den ihm der Koͤnig im 45
ſpr. des 41 h. aus dem Buche der Schoͤpfung giebet/
wird auf unterſchiedliche weiſe geleſen/ und erklaͤhret.
Die ſiebenzig uͤberſetzer/ die ihre uͤberſetzung in Egip-
ten ſelbſt gemacht/ ſchreiben Ψοντονφανὲχ: welches Hie-
ronimus
Salvator mundi, das iſt Heiland der welt/
giebet; andere in großer anzahl/ einen Ausleger der
geheimnuͤſſe/
oder Verkuͤndiger zukuͤnftiger
dinge.
Viel leſen Zophnath Paneah, auch Saphe-
nath paneah;
und wollen das erſte wort vom Griechi-
ſchen σοφὸς, das iſt weiſe/ oder ein weiſer/ herleiten.
Aber dazumahl wuſten die Egipter von der Griechi-
ſchen ſprache noch nichts. Der ſeelige Luhter giebt es
einen Heimlichen Raht. Doch hiervon kan Ama-
ma
uͤber das Buch der Schoͤpfung/ als auch Kir-
chers
Koptiſcher Vortrab/ im 5 hauptſt. und Jo-
han Vikkars
uͤber das 105 Harfenlied geleſen
werden.


Zur 26 zeile des 198 blats.


DIe Reichsſtaͤbe der Egiptiſchen Koͤnige hatten
auf der ſpitze einen Storch oder Storchskopf/
und endigten ſich unten mit einer klaue oder einem fu-
ße vom Fluspferde/
aus golde oder anderem ertze ge-
macht; wie Suidas/ und des Ariſto fanes Ausle-
G g vger/
[474]Kurtzbuͤndige
ger/ als auch Tiſius am 151 bl. und Joh. Pierius
am 170/ und 295 bl. melden. Weil nun der Storch
bei den Egiptern ein ſinbild der froͤmmigkeit und tu-
gend/
das flußpferd aber der boßheit und untu-
gend
war; ſo wolten ſie hiermit andeuten/ daß die-
ſelben/ die den Egiptiſchen Reichsſtab fuͤhreten/ die Tu-
gend und froͤmmigkeit erhoͤben/ und ihr folgen; die un-
tugend aber und boßheit mit fuͤßen traͤhten und un-
terdruͤkken ſolten. Dan wie der Storch ſeine Eltern
ſo liebet und ehret/ daß er ſie im alter ſpeiſet/ ja ſelbſt
auf ſeinen fluͤgeln forttraͤget; ſo pfleget das Flus-
pferd/
welches Hippopotamus genennet/ und im
Niele/ auch zu weilen bei demſelben auf dem lande
gefunden wird/ ſeinen Vater ſtraks in der erſten ju-
gend frefentlich anzufallen/ und ſeine geulheit an der
Mutter zu buͤßen; wie Plinius im 25 h. ſeines
8 b. und Ariſtoteles im 7 des 2 b. ſeiner Tiergeſchich-
te bezeugen. Und dieſes beides hat den Egiptiſchen
Prieſtern zur erfindung beider ſinbilder anlaß gege-
ben. Auch iſt Keiſer Hadrian eben daher bewogen
worden/ einen Storch auf ſeine Muͤntzen/ mit dieſer
beiſchrift/ Pietas Auguſta, bilden zu laßen.


Zur 10 und folgenden zeilen des 200 blats.


HIervon ſchreibet Moſes alſo: und (der Koͤnig)
lies ihn auf ſeinem andern wagen fahren/
und vor ihm her ausrufen: der iſt des Landes
Vater.
So hat der ſeelige Luhter das wort Abrech
verdeutſchet. Aber Hieronimus giebet es/ pater re-
gis tener annis,
das iſt/ der zahrte und junge Va-
ter des Koͤniges:
und Onkelus/ als auch Sa-
lomon Jarchi/
und Judah/ der juͤngere Va-
ter.


Zur
[475]Anmaͤrkungen.

Zur 16 zeile des 201 blats.


DAher hat Polemon die Augen/ als bohten des
Hertzens/ des Gemuͤhts tuͤhren genennet: und
der Heilverkuͤndiger Matteus ſaget in ſeines 6 h. 22
ſpr. das Auge iſt des leibes licht. Wan dein au-
ge einfaͤltig iſt/ ſo wird dein gantzer leib liecht
ſein. Wan aber dein auge ein ſchalk iſt/ ſo wird
dein gantzer leib fuͤnſter ſein.
Aber beſiehe/ was
wir hiervon bei der 8 zeile des 21 blats geſagt.


Zur 16 und folgenden zeilen des 202 blats.


VOn der Stadt Heliopel haben wir droben bei der
29 zeile des 26 blats ſchon uͤberfluͤßig gehandelt.


Das land Geſſen/ wie es Hieronimus/ und nach
ihm die meiſten nennen/ wird von den ſiebenzig uͤber-
ſetzern γέσεμ, Geſem/ von andern Goſſen/ auch Go-
ſen/
denen der ſeelige Luhter gefolget/ und vom Ar-
tapan/
bei dem Euſebius/ Καίσαν, Kaͤſan benah-
met. Auch ſchreibet Benjamin/ daß es zu ſei-
ner zeit Bulzir Zalbiz geheiſſen: und etliche wol-
len/ daß es itzund Tebais genennet werde.


Vom Hermes Trismegiſt haben wir bei der 12
zeile des 5 blats ebenmaͤßig genug geſprochen.


Zur 11 zeile des 203 blats.


DEs Juͤdiſchen Schriftgelehrtens Elieſers ’wor-
te vom Potifar lauten alſo: [...]
[...], hoc eſt, Philoſophus
magnus, ac Prœſes literarum, \& cultus Solis, \&c.


Zur
[476]Kurtzbuͤndige

Zur 20 und folgenden zeilen des 203 blats.


ALles dieſes beſchreibet die Geſchicht der Aſſenat
weitleuftig/ und faſt mit eben denſelben worten/
welche wir alhier gebrauchen: ja die gantze begaͤbnuͤs/
wie ſie auf dem 204 und folgenden blaͤttern folget.


Zur 10 zeile des 206 blats.


HIeronimus/ im 1 b. wider den Jovian/ ſagt
von dem Weibesvolke alſo: Mulieris tactus quaſi
contagioſus eſt ac venenatus, viroque fugiendus non
minus, quàm rabidiſſimi canis morſus.
Und Dioge-
nes
urteilete von ihnen/ nach ſeiner weiſe: Mulier ſpe-
cioſa eſt templum ædificatum ſuper cloacam.


Zur 28 und folgenden zeilen des 206 blats.


DIe Keuſchheit iſt ein ſpiegel/ der allein
durch das anſchauen/ und anhauchen ver-
dunkelt wird/
ſagt Egidius. Und Hieronimus
ſchreibet in ſeinen Briefen: Memento ſemper, quòd
Paradyſi colonum de poſſeſſione ſua Mulier ejecerit.


Zur 24 und 25 zeile des 208 blats.


DAß dieſes uͤm das 2213 weltjahr/ nicht lange vor
Abrahams tode/ geſchehen ſei/ meldet Kircher in
ſeinem Egiptiſchen Oedipus. Andere ſetzen es uͤm das
1840 jahr vor der Heilgebuhrt. Ja faſt kein Schrei-
ber komt hierinnen mit dem andern in der jahrzahl
uͤberein.


Zum anfange des 109 blats.


HIervon ſchreibet Plinius im 8 h. ſeines 36 B.
von den ſitten der Egipter: da er zugleich meldet/
daß
[477]Anmaͤrkungen.
daß Mitres/ das iſt Mizraim/ der in der Sonnen-
ſtadt geherſchet/ oder ſein ſohn Misramutiſis/ den
die Araber Nakraus nennen/ der erſte geweſen/ der
die Sonnenſpitzen zu bauen angefangen: und daſſelbe
ſei ihm/ durch einen traum/ befohlen worden. Aber
dieſes hat er ohne zweifel nur daruͤm vorgegeben/ da-
mit es/ als eine eingebung der Gotter/ uͤm ſo viel hoͤ-
her geachtet wuͤrde. Doch hiervon ſchreibet der Araber
Abenefi viel anders.


Wer von den Sonnenſeulen mehr zu wiſſen begeh-
ret/ der leſe obgemelten Plinius im 8/ 9 und 10 h. des
36 buches; als auch Iſidoren im 31 h. des 18 b.
Blonden im 1 b. ſeines wiedererneuerten Rohms;
den Polidorus Virgilius im 11 h. des 3 b. von den
Erfindern der dinge; den Panzirol im 1 b. von den
verlohrnen dingen am 66/ 178/ und 179 bl. die Araber
Abulfeda/ Artefi/ Aben Vaſchia/ und Kirchern
in ſeinem Werke von den Feuerſeulen/ als auch im
Egiptiſchen Oedipus/ und in der Pamfiliſchen
Sonnenſeule. Dieſe Seulen waren alle aus Tebi-
ſchem Marmel: und man lieſet nur von einer einigen
bei dem Teofraſt/ die aus vier Smaragden/ 40 ellen
hoch/ aufgefuͤhret geweſen/ und in einem Egipti-
ſchen Goͤtzenhauſe des Jupiters geſtanden. Plinius
im 5 h. des 37 b.


Zur 14 zeile des 209 blats.


DIeſen Seulen/ welche wir nicht eigendlicher/ als
Sonnenſpitzen/ nennen koͤnnen/ wird von den
Lateinern/ ihrer ſpitzigen und ſchlanken geſtalt nach/ ge-
meiniglich der uhrſpruͤnglich griechiſche nahme Obe-
liſcus
gegeben; welches ſo viel heiſſet als ein kleiner
Brahtſpis.
Dan ὀ [...]ηλίςκος, veruculum, iſt das
verkleinerungswort von ὄ [...]ηλος, veru,brahtſpis.
Sie
[478]Kurtzbuͤndige
Sie moͤchten zwar mit beſſerem fuge/ als ſo gar große
Seulen/ große Brahtſpiſſe heiſſen: aber es ſchei-
net/ daß ihnen dieſer verkleinerungsnahme zuerſt aus
ſchertze gegeben/ und darnach alſo behalten worden.
Die Araber nennen ſie ſonſten Meſſalet Pharaun, das
iſt/ Faraons ſpitzen oder nahteln: und die Waͤlſchen/
ihnen zur folge/ Aguglia; welches wort ſie aus dem
Lateiniſchen acus, das iſt/ eine nahtel/ oder etwas/
das oben ſpitzig und ſcharf iſt/
gebildet. Daß man
ſie aber in der Hochdeutſchen ſprache Nahteln/ oder
in der Niederdeutſchen Naalden/ welches eigendlich
Nadelen heiſſen ſolte/ nach der Araber meſſelet, und
der Waͤlſchen aguglia nennen wil/ das leſſet beider
worte uhrſprung und uhrſpruͤngliche bedeutung in
unſerer ſprache nicht zu. Dan ſo wohl das Niederdeut-
ſche nadel/ oder verſetzt naalde/ als das Hochdeutſche
Nahtel/ iſt aus naht gebildet/ und heiſſet eigend-
lich ein werkzeug/ damit man eine naht naͤhet. Was
hat nun eine Sonnenſpitze mit der naht oder dem
naͤhen zu tuhn/ und was vor eine gleicheit hat ſie mit
einer geoͤhrten Nahtel/ oder einem dinge/ damit
man naͤhet. Daruͤm komt den Sonnenſpitzen der
nahme Nahtel/ zumahl weil dieſe rund/ und jene
vierekkicht ſeind/ anders nicht/ als gantz uneigendlich/
zu: ja noch viel uneigendlicher den Grabſpitzen/ wel-
che die Hollaͤnder auch Gꝛafnaalden nennen; weil
dieſe ſo gar vierſchroͤhticht plump und dikke ſeind/ daß
man ſie eher Zaunſtaken/ oder lieber Truͤmmel/ als
nahteln/ nennen koͤnte: ja der nahme Zaunſtake/
oder Truͤmmel ſelbſt were zu wenig ihre ſo ſehr dikke
klumpfichte geſtalt damit zu verſtehen zu geben. Zu-
dem was haben wir noͤhtig ein ſo gar uneigendliches
wort zu ſuchen/ da wir ſo ein guhtes und eigendliches/
naͤhmlich Spitze/ haben: welches zu beiderlei ſeulen
ſich uͤberaus wohl ſchikket; weil es nicht allein ein
ſcharf-
[489[479]]Anmaͤrkungen.
charf- und ſchlank-ſpitziges/ ſondern auch ein ſtumpf-
nd plump-ſpitziges ding bedeutet. Beſſer hat Her-
es Trismegiſt
ſelbſten ſeinen erfundenen Son-
enſeulen
den nahmen Sonnenfinger zugeeignet:
eil nicht allein die Strahlen der Sonne/ ſondern auch
ie Sonnenſeulen/ die er nach ihnen gebildet/ den fin-
ern der geſtalt nach beſſer gleichen: und die ſonnenſtrah-
en ſeind auch als finger; damit die Sonne gleichſam
m ſich greiffet/ und ihre herſchaft in den vier Uhr-
eſen ausfuͤhret; ja manchem ſo hart auf den kopf und
die augen taſtet/ wan er lange darinnen ſtehet/ daß
r es eine guhte weile fuͤhlet.


Zur letzten des 210/ und erſten 3. des 211 blats.


HIervon beſiehe den Vorbericht unſers Helikoni-
ſchen Roſentahls/
oder des Ertzſchreines der
Deutſchgeſinneten Genoſſenſchaft Roſen-
unft/
am 2 und 3 blatte. Daß Moſes in der
Egiptiſchen weisheit ſei unterwieſen geweſen/ lieſet
nan in der Zwoͤlfbohten Geſchicht/ im 7 hauptſtuͤkke:
a daß er darinnen in kurtzer zeit ſo zugenommen/ daß
r alle Egipter/ durch ſcharfſinniges nachdenken/ uͤber-
roffen/ bezeuget Filo der Juͤde/ als auch Juſtinus
er Weiſemeiſter/ in ſeinem Buche von den Heidni-
chen fragen/ und Klemens im 5 ſeiner Prunk-
ekken.


Zur 9 zeile des 211 blats.


TAnis/ τάνις, wird bei dem Ezechiel/ im 30 h.
TafnisThaphnis, davor Hieronimus Zohan
der Zoan lieſet/ und vom AntoninusThanis, vom
Egeſippus aber Thamna genennet. Dieſer ſtadt we-
en findet man ſo vielerlei meinungen/ daß das ende
dar-
[480]Kurtzbuͤndige
darvon weg iſt. Etliche halten es vor des Prolomeus
πελούσιον, Peluſe/ oder Eliopel/ oder Helviopel;
Arias Montanus
vor Sin/ und Libna/ derer die
heilige Schrift gedenket; Benjamin vor Kaftor
bei dem Amos im 9 h. andere vor Tenes/ und vor
Damiate/ oder des Steffans ταμίαπς. Aber weil
Damiate dichte bei der ſee lieget/ und Tanis nicht/
welches von etlichen wohl 100 meilen darvon geſetzt
wird; ſo kan unſer Tanis keines weges Damiate
ſein; ja eben ſo wenig Heliopel/ davor man es auch
wil gehalten haben. Stephanus: Τάνις, ἡ πόλις τῆς Αι-
γύπτου, παλ [...]μῶν ὀνομαζομένη Θάϕνις, das iſt/ Tanis
iſt eine Egiptiſche ſtadt/ die vor alters Tafnis hies.
Zwiſchen dieſer Stadt und Farbete/ welche nahe bei-
einander lagen/ war der Kinder Iſraels heerlager;
von dannen ſie Moſes durch das Rohte Meer fuͤh-
rete.


Zur 13 und folgenden zeilen des 211 blats.


ALles dieſes findet man in der Aſſenat Geſchicht/
welcher wir in allem gefolget.


Zur 22 und 23 zeile des 217 blats.


DElta iſt das Mitternaͤchtige teil des Egiptiſchen
Reichs/ bei der ſee gelegen/ daruͤm wir es auch al-
hier den Nordwinkel genennet. Hiervon beſiehe
weiter/ was wir bei der letzten zeile des 178 blats/
auch anderwaͤrts erinnert.


Zur 11 zeile des 222 blats.


VOr alters pflegte man eine Roſe uͤber die tiſche
zu haͤngen/ damit einieder/ ſo bald er ſie erblikte/
ein-
[481]Anmaͤrkungen.
eingedenk wuͤrde/ daß er daſſelbe/ was er hoͤrete/ ver-
ſchweigen
ſolte. Daher iſt uns noch das ſprichwort
geblieben/ wan wir einem guhten freunde etwas ſon-
derliches/ das verſchwiegen ſol bleiben/ offenbahren/
daß wir zu ſagen pflegen: dis ſei unter der Roſe ge-
redet.
Und alſo iſt die Roſe ein ſinbild der Ver-
ſchwiegenheit;
und zwar daruͤm/ weil ſie der Liebe ge-
heiliget; derer tuhn und weſen verſchwiegenheit er-
fordert.


Eſt Roſa flos Veneris, cujus quo ſurta laterent,

Harpocrati Matris dona dicavit Amor,

Inde Roſam menſis hoſpos ſuſpendit amicis,

convivæ ut ſub eâ dicta tacenda ſciant.

Und eben dieſe Verſchwiegen heit iſt eine von den fuͤr-
nehmſten uhrſachen/ waruͤm einieder Mitgenoſſe in
der Edelen Roſenzunft der Deutſchgeſinneten die
Roſen/ oder etwas darvon/ in ſeinem Zunftzeichen
fuͤhret.


Zu den 3 letzten zeilen des 222 blats.


ERwaͤgt es bei euch ſelbſt/ ſagt Joſef in ſeinem
letzten Willen/ ihr ſehet vor euten augen/ daß ich/
uͤm meinerlang muͤhtigkeit willen/ meines Herꝛn
Tochter zur Gemahlin bekommen; und 100 guͤl-
dene talenten/
das ſeind 60000 guͤldene kronen/ mit
ihr. Dan Gott ſchikte es alſo/ daß meine lang-
muͤhtigkeit mich befoͤrderte: uñ darzu gab er mir
eine ſolche ſchoͤnheit/ daß ich war als eine Bluh-
me uͤber alle/ die in
Iſrael ſchoͤn waren/ u. a. m.


Zum 224 blatte.


DAß der Koͤnig dem Joſef ſieben tage lang das
freudenfeſt ſeines Beilagers/ mit allem/ was
H hdarzu
[482]Kurtzbuͤndige
darzu erfordert ward/ verſehen laßen/ findet man in der
Aſſenat Geſchicht/ mit kurtzen worten/ folgender ge-
ſtalt beſchrieben. Des andern tages baht Joſef
den koͤnig/ daß er ihm die Aſſenat zur gemahlin
geben ſolte. Und Farao gab ſie ihm/ und ſetzte
eine guͤldene Krohne auf ſein haͤupt/ ja richtete
ihm ſieben tage lang das Beilager aus.


In eben derſelben Geſchicht findet man auch die
Sonnenburg faſt eben alſo/ wiewohl viel kuͤrtzer/ als
wir getahn/ beſchrieben.


Zum 225 blatte.


VOm kraude Datura haben wir bei der 20 zeile des
128 blats ausfuͤrlich gehandelt.


Bei der ſtadt Alkeir wachſen auf den feldern
zwei Kreuter/ welche einander faſt aͤhnlich ſeind: als
Moſchkraut/ und das ſo genente Bammie. Bam-
mie
ſchieſſet wohl vier oder fuͤnf ellen hoch auf/ und iſt
an bluhmen und blaͤttern dem Kaͤschen- oder Pap-
pelnkraude
zimlich gleich; ohne daß die blaͤtter an lan-
gen ſtielen haͤngen/ groͤſſer/ ja faſt ſo groß als Kuͤrbsblaͤt-
ter/ und was rauch und haaricht ſeind; auch die bluh-
me bleichgaͤlbe/ und fuͤnfblaͤttericht iſt. Die gantze
frucht/ welche zu weilen funf- zu weilen zehn-ekkicht/
und den wilden Gurken nicht ungleich/ wird von den
Egiptern in fleiſchſuppe gekocht; und der ſamen auch
abſonderlich/ als bei uns die Erbſen und Bohnen/
zur ſpeiſe zugerichtet. Das Moſchkraut nennen die
Egipter ſonſt ſchlechthin Moſch/ und deſſelben ſaa-
men Abelmoſch; weil es einen geruch hat/ wie der
Oſt indiſche Moskus oder Muskes/ dem auch ſein
ſaame/ dem geſchmak und der farbe nach/ gleich iſt: und
daruͤm wird hiermit der Moſchſaame/ den man ſo
uͤber-
[483]Anmaͤrkungen.
uͤberfluͤßig auch in Egipten ſelbſt nicht hat/ als den ſo
genenten Indiſchen Muskes/ verfaͤlſchet/ und alles
vor Moſchſaamen verkauft; wiewohl der unter-
ſcheid/ weil der Muskes ſeinen lieblichen geruch bald
verlieret/ mit der zeit erkant ward. Vor etlichen jahren
ward mir ein teil ſolcher Muskeskoͤrner aus Oſt-
indien mitgebracht: welche zwar im anfange/ da ſie
noch friſch waren/ einen lieblichen geruch hatten/ aber
denſelben in kurtzer zeit/ mit der ſchwartzgrauen far-
be/ gantz verlohren/ und verblichen. Das Kraut ſelb-
ſten ſchieſſet auf/ wie das itzt gemelte Bammie. Aber
die blaͤtter gleichen mehr den blaͤttern des Leuſekrau-
des/
und ſeind uͤber und uͤber mit weislichten haaren
beſetzt; auch ſpruͤßen die bluhmen zwiſchen dem ſtaͤngel
und den ſtielen der blaͤtter herfuͤr. Aus dieſen bluhmen
werden runte ſchwaͤrtzlichte heuslein; darinnen kleine
bitterhaftige koͤrner von eben derſelben farbe ſitzen. So
wohl das kraut/ als der ſaame/ wird zu den Artzneien
ſehr viel gebraucht; ſonderlich vor das aufſteigen der
Baͤhrmutter/ und die ausgebliebenen Mohndſtun-
den.


Seewaͤrmuht/ iſt in den Anmaͤrkungen bei dem
150 blatte ſchon genug beſchrieben: da der Leſer nach-
ſehen kan.


Efeu oder Ep-heu/ welches wir ins gemein
Wintergruͤhn/ die Griechen Κιοςὸς, κλύμενος, διονυ-
σία, die Lateiner/ Hedera von hærere, wie Feſtus wil/
weil es an den mauren und rinden der beume gleich
als feſt klebet/ und ſich anklammert/ auch laͤngſt denſel-
ben in die hoͤhe ſteiget/ daruͤm es die Niederdeutſchen
klimop heiſſen/ als auch grote Veil/ die Franzoſen
aber Lierre, und die Waͤlſchen Hellera, auch Hedera
nennen/ war dem Oſiris geheiliget. Daher hatte es
auch in der Egiptiſchen ſprache den nahmen χενόσιρις,
Chenoſiris, das iſt Planta Oſiridis,des Oſiris ge-
H h ijwaͤchs
[484]Kurtzbuͤndige
waͤchs oder pflantze; wie Plutarch im buche von der
Iſis und dem Oſiris bezeuget. Und von dieſem
Egiptiſchen Nahmen ſcheinet das wort [...]channa,
oder [...]vechanna, im 80 Harfenliede/ entſproſſen
zu ſein: daruͤber ſonſten die Tahlmetſcher ihre koͤpfe
dermaßen zerbrochen/ daß man wohl ſiebnerlei verdeut-
ſchungen findet/ welche meiſt alle vom rechten verſtan-
de ſehr weit abirren. Aber der Heilige Geiſt hat al-
hier ein Egiptiſches wort gebrauchen willen/ anzudeu-
ten/ daß er von einem ſolchen Gewaͤchſe oder einer ſol-
chen Pflantze handelte/ die aus Egipten in das heilige
Land verſetzet und fortgepflantzet worden. Und alſo
koͤnnen wir das work [...] an gemeltem orte anders
nicht geben/ als ϕυτὸν, plantam,ein gewaͤchſe/ oder
eine pflantze; weil es kein Ebreiſches/ ſondern
Egiptiſches wort iſt.


Aber die Egipter hatten nicht allein dieſes gewaͤchſe
dem Oſiris/ ſondern auch die Griechen ihrem Wein-
und Baͤchergoͤtzen/
den Bachus oder Dioniſen/
darunter Oſiris/ wie wir droben bei der 18 zeile des
1 blats angemaͤrket/ verſtanden ward/ gewiedmet.
Waruͤm ſie ſolches getahn/ wird im erſten teile unſe-
res Schatzes der Ungeſundheit/ am 46 blatte/ an-
gezeiget. Daß aber Plutarch/ in ſeinen Roͤhmiſchen
Fragen/ meinet/ daß das Efeu trunken und raſend
mache/ weil es die raſenden und halbtolſinnigen Goͤ-
tzendienerinnen des Bachus zu eſſen pflegten; ſolches
kan nicht allein mit demſelben/ was der gelehrte Ateh-
ner
im 5 h. ſeines 15 b. aus dem Griechiſchen Artzte
Filonides/ erzehlet/ ſondern auch mit der erfahrung
ſelbſten widerleget werden. Dan die Alten pflegten
anfangs das heupt/ wan es vom trunke weh taͤhte/ mit
einem ſchlechten bande zu binden: darnach aber/ an
des bandes ſtat/ einen Krantz von Efeu daruͤber
zu ſtuͤlpen; weil dieſes kraut zugleich der Trunken-
ſchaft/
[485]Anmaͤrkungen.
ſchaft/ ja der Raſerei ſelbſten widerſtehet; wie Ter-
tullian/
von der Kriegskrohne/ und Euſebius in ſei-
ner Vorbereitung/ bezeugen. Und daher haben es auch
ohne zweifel die alten Dichtmeiſter zu ihren kraͤntzen er-
wehlet; damit hierdurch ihre ſinnen/ die vom vielen
und ſcharfem nachdenken erhitzt/ und in eine raſerei ge-
rahten/ moͤchte beſaͤnftiget werden. Aber hiervon kan
ebengemelter Schatz der Ungeſundheit am 12
blatte des 2 teils geleſen werden. Auch ſcheinet es/ daß
die Kraͤntze und krohnen hiervon ihren uhrſprung ge-
wonnen; und daß der erſte Krantz von Efeu geweſen/
nicht allein in geſelſchaften der Zechenden/ ſondern auch
der Dichtmeiſter/ und Helden. Daß ihn die Dichtmei-
ſter getragen/ meldet Horatz in ſeinem erſten gedichte
von ſich ſelbſt/ wan er ſpricht:


Me doctarum Hederœ præmia frontium

Dis miſcent ſuperis.

und Ovidius zielet auch dahin/ wan er/ im 3 buche
ſeiner Kunſt zu lieben/ ſchreibet:


Nunc Hederœ ſine honore jacent, operataque doctis

cura vigil Muſis, nomen inertis habet.

Nach der zeit hat man auch Mirtenkraͤntze/ Roſen-
kraͤntze/ Lorbeerkraͤntze/
und dergleichen mehr auf-
zuſetzen pflegen; damit nicht allein das geſicht/ ſondern
auch der geruch moͤchte ergetzet werden: wiewohl der
Dichter Empedokles die Lorbeerkraͤntze gantz ver-
bieten wil; vielleicht daruͤm/ weil die Lorbeerblaͤtter
alzuſtark riechen/ und alzuſehr erhitzen.


Der Rundbaum/ wird von den Griechen λωτὸς,
und von den Lateinern Lotus genennet. Wir aber ha-
ben ihm den nahmen Rundbaum/ wie auch dem E-
giptiſchen kraude/ das auch Lotus genennet wird/ den
nahmen Rundkraut gegeben; weil an allen beiden
H h iijalles/
[486]Kurtzbuͤndige
alles/ naͤhmlich die Wurtzel/ das blat/ die bluhme/ und
die frucht/ mit dem Saamen/ rund iſt/ wie Jamblich
bezeuget. Der baum iſt in Afriken ſehr gemein/ wird
faſt ſo groß als ein Birnbaum/ und hat ſolche ſuͤße
Fruͤchte/ die an groͤſſe den Bohnen gleich ſeind/ und wie
die Trauben reiffen/ daß auch ein Afrikſches Land und
Volk/ dem dieſe fruͤchte zur ſtåhtigen ſpeiſe gedienet/
darvon den nahmen bekommen. Ja daher wird auch
das ſprichwort λωτὸν φαγεῖν, das iſt/ von der frucht
des Rundbaumes eſſen/
von einem ſolchen geſagt/
dem fremde laͤnder ſo angenehm und ſuͤße ſeind/ daß er
ſeines Vaterlandes vergiſſet. Homerus Odyſſ. 1. Pli-
nius
l. 13, c. 17, \& l. 21, c. 17. Theophraſtus hiſt. pl.
l. 7, c.
14. Auf gemeltes ſprichwort zielet auch Ovidius/
wan er in ſeinem 4 buche ſchreibet:


Nec deguſtanti Lotos amara fuit.

als auch Virgiel/ wan er dieſem baume das wort im-
pia
zueignet/ indem er in ſeiner Muͤkke/ folgender ge-
ſtalt ſpricht:


Inter quas impia Lotos,

impia, quæ ſocios Ithaci mœrentis abegit.

Mit dem worte Ithacus meinet er den Uliſſes/ welcher
in dieſem ſo genenten Inlande herſchete/ und durch
ſturm in Afriken angetrieben war; da er ſo viel ver-
druſſes/ und ſo viel muͤhe hatte/ ſeine gefaͤhrten wieder
von dannen wegzubringen. Das holtz von dieſem bau-
me ward ſehr viel zu den Schalmeien oder Pfeiffen ge-
nommen; weil der klang/ der aus ſolchen pfeiffen gehet/
uͤberaus hel und lieblich zu ſein pfleget. Und daher
wird die Schalmeie bei den Orfeus ſelbſten λωτὸς ge-
nennet.


Καί ῤ̕ ἡ μὲν λωτοὺς, ἡ δ̕ ἆυ χέλην ἔκ [...]αλε χειρῶν.

In eben dem verſtande brauchet auch das wort λωτὸς
Euripides in ſeiner Foͤnizerin.


Das
[487]Anmaͤrkungen.

Das Rundkraut waͤchſet in den Egiptiſchen waſ-
ſergraͤben/ wie bei uns die Seebluhmen/ oder das
Seebluhmenkraut/Nymphæa oder alga paluſtris,
dem es ſehr gleich iſt/ und daher auch Egiptiſches
Seebluhmen-kraut
genennet wird. Ein ieder ſtaͤn-
gel/ der eben ſo lang/ als das waſſer tief iſt/ hat nur ein
blat/ welches oben auf dem waſſer ſchwimmet/ und ſich
allezeit nach der Sonne/ wie man ſchreibet/ zuwendet:
oder aber nur eine bluhme; welche gleichesfals auf
dem waſſer ſchwimmet/ und wan ihre blaͤtter abgefal-
len/ einen runten knopf bekoͤmt. Die bluhme wird von
den Egiptern Arais el nil, das blat aber Biſelnil, und
die wurtzel Biarum genennet. Die blaͤtter ſeind rund
heruͤm gekaͤrbet. Sonſt kommen ſie mit den blaͤttern
der weiſſen Seebluhmen ſehr uͤberein: gleichwie
auch ihre bluhmen; die einen lieblichen geruch haben/
und vor alters zu den Siegeskraͤntzen genommen war-
den/ wie Heliodor bezeuget. Die Egipter pflegen/ in
den heiſſen ſommertagen/ die ſtaͤngel/ mit den knoͤpfen/
welche ſuͤße/ ſaftig/ und ſehr kuͤhlende ſeind/ zu eſſen.
Auch wird von den knoͤpfen/ und bluhmen ein artznei-
ſaft gepreſſet/ und mit zukker vermaͤnget: den die Ara-
ber Sarbet nufar nennen/ und wider alle innerliche ent-
zuͤndungen gebrauchen. Theophraſt. hiſt. plant. l. 4, c.
10. Herodotus l. 2. Plinius l. 13, c. 17, \& l, 22, c. 21.
Homerus Iliad.
ξ, Odiſſ. δ. Dioſcorides l. 4, c. 111, 112.
Atbenœus l.
14.


Von den folgenden Kreutern haben wir in den An-
maͤrkungen bei dem 102 blatte geſprochen.


Surnag/ iſt ein kraut/ welches ſonſt auf der abend-
ſeite des berges Atlas heuffig waͤchſet. Deſſen wurtzel
hat eine ſonderliche kraft den Saamen zu vermehren/
und die luſt zum beiſchlafen zu erwekken. Ja dieſe kraft
erſtrekket ſich auch ſo weit/ daß ſie die jungen Maͤgdlein/
wan ſie nur ihr waſſer darauf abſchlagen/ ihrer Jung-
H h iiijfer-
[488]Kurtzbuͤndige
ferſchaft beraubet; und daruͤm haben wir ihre kraft
eine entjungfernde Manskraft genennet. Auch
bezeugen die Bergleute alhier/ daß ihre Toͤchter/ welche
das vieh auf gemeltem gebuͤrge zu huͤhten pflegen/
wan ſie ihr waſſer auf dieſe wurtzel gelaßen/ nicht nur
ihre Jungferſchaft verlohren/ ſondern auch uͤber den
gantzen leib aufgeſchwollen weren.


Vom Sant-baume/ als auch vom Schwartzen
Zimmetbaume/
und Balſembaume/ haben wir
bei der 1 zeile des 112 blattes weitleuftig gehandelt.


Karneb oder Karob/ das iſt Mutter der Hoͤr-
ner.
Alſo nennen die Araber in Egipten denſelben
baum/ darauf das ſo benahmte Johannesbroht
waͤchſet/ von der hornhaftigen geſtalt dieſer fruͤchte. Er
koͤnte ſonſten auch Schohtenbaum heiſſen; weil ſei-
ne fruͤchte anders nicht/ als Schohten/ ſeind/ und auch
alſo ausſehen: und die fruͤchte ſelbſten Johannes-
ſchohten;
welche der Teuffer Johannes in der Wuͤ-
ſte ſol gegeſſen haben: daher ſie auch den nahmen Jo-
hannesbroht
bekommen. Die Araber gebrauchen
von dieſem baume anders nicht/ als gemelte frucht:
daraus ſie einen ſehr ſuͤßen ſaft ziehen/ damit die
Schwartzen Zimmetpfeiffen/ wan ſie noch gruͤhn
ſeind/ als auch die Tamarinden/ und der Ingber/
an zukkers oder honigs ſtat/ eingemacht werden. Und
weil dieſer ſaft oder honig den leib/ eben als das mark
der ſchwartzen Zimmetpfeiffen/ zu oͤfnen pfleget; ſo neh-
men ſie ihn auch vielmahls zu den Abſpuͤhlern oder
Kliſtieren.


Die Muſenbeume/ die man/ mit der frucht/ ſon-
ſten ſchlecht hin Muſa oder Maus nennet/ wachſen
in Egipten/ ſonderlich aber in Mohrenland/ und
Guinee/ als auch in Sine; in deſſen Landbeſchreibung
dieſer Baum ausfuͤhrlich beſchrieben wird.


Der Wollenbaum/ den die Araber Gotne el fe-
giar
[489]Anmaͤrkungen
giar nennen/ iſt derſelbe baum/ darauf die Baum-
wolle
waͤchſet. Erſtlich bekomt er eine bleichgelbe bluͤße/
mit purpurfaͤrbigen ſpitzen an den blaͤttern: darnach
aus derſelben eine gruͤhne frucht oder nus/ welche ſo
groß iſt/ als ein apfel. Aus dieſer frucht/ ſo bald ihre
ſchahle ſich/ im reiffen/ oͤffnet/ komt eine ſchloßweiſſe
wolle/ mit dunkelbraunen koͤrnern/ gekrochen. Aber die-
ſe Wolle oder Baumwolle waͤchſet auch an einem
Kraude in Kandien/ Zipern/ Apulien/ und Si-
rien;
welches man Wollenkraut nennet: und wird
aus gemelten laͤndern heuffig in Egipten gefuͤhret.


Die Atlenbeume ſeind den Tamariskenbeumen
faſt gleich/ ohne daß ſie viel hoͤher/ ja zu weilen ſo hoch/
als ein Eichenbaum/ aufſchieſſen/ auch laͤngere und
ſchmåhlere blaͤtter haben; welche vol gruͤhner haare
ſitzen. Ihre fruͤchte ſeind ſo groß/ als eine nus/ und
anders nicht als Galaͤpfel.


Lablab/ iſt ein baum/ welcher/ mit vielen ranken/
wie ein Weinſtok/ auch eben ſo hoch aufſchieſſet/ und
an geſtalt und blaͤttern den Roͤhmiſchen Bohnen gantz
gleich iſt. Zwei mahl im jahre bekomt er bluͤßen: wel-
che den Roͤhmiſchen Bohnenbluͤßen faſt aͤhnlich; und
zu langen und breiten ſchohten werden/ darinnen
ſchwartze und roͤhtlichte Bohnen/ mit dunkelbraunen
flekkern/ wie die Roͤhmiſche Bohnen/ ſitzen. Und daher
haben wir ihn auch Schohten- oder Bohnen-baum
genennet. Gemelte Bohnen gebrauchen die Egipter
zur ſpeiſe/ eben wie wir die unſrigen: als auch zum
tranke/ den etliche vor den ſo genenten Koffee-trank
halten.


Alkanne/ oder Elhanne iſt ein vielzakkichter
gruͤhnblaͤtterichter baum oder vielmehr hoher ſtrauch:
deſſen blaͤtter den oͤhlblaͤttern/ und bluͤßen den Flieder-
bluͤßen/ welche das Egiptiſche Frauenzimmer zur luſt
mit in das bad zu nehmen pfleget/ faſt gleich ſeind. Mit
H h vden
[490]Kurtzbuͤndige
den blaͤttern/ daraus eine gaͤlbe farbe gemacht wird/
treiben die Egipter einen großen kaufhandel. Auch
mahlen mit derſelben ſafte die Frauen ein zeichen auf
die naͤgel der finger/ gleich als einen halben mohnd:
darauf es lange zeit ſtehen bleibet/ eh es vergehet. Ja
ſie faͤrben mit dem ſtaube der zerſtoßenen Blaͤtter/
den ſie Archenda nennen/ und mit waſſer befeuchten/
ihre haͤnde und fuͤße: welches ſie vor eine große ſchoͤn-
heit halten.


Die Sebeſtenbeume/ die man auch Bruſtbee-
renbeume
nennen koͤnte/ weil ihre fruͤchte/ welche die
Hochdeutſchen Artzneihaͤndler zu weilen auch Bruſt-
beeren
heiſſen/ vor alle gebrechen der bruſt dienen/ ſeind
zweierlei: wilde/ und zahme. Die zahmen tragen groͤſ-
ſere Beeren/ als die wilden: und werden eher reif. Die
bluͤßen ſeind weis: und die fruͤchte/ die darauf folgen/
den kleinen runten pflaumen nicht ungleich; auch ha-
ben ſie dreiekkichte kerne.


Der Dattelnbaum iſt eine gattung der Palmen-
beume.
Die Araber nennen ihn ſo wohl/ als die
frucht/ Dachel. Er iſt zweierlei geſchlechtes: ein Maͤn-
lein und Weiblein; welche beide mit den zakken muͤſſen
zuſammengefuͤget werden/ damit ſie einander gleichſam
uͤmarmen und kuͤſſen koͤnnen: ſonſt tragen die Weib-
lein keine frucht. Auch pfleget man den ſtaub/ der in
den huͤlſen/ welche die Araber dux nennen/ darinnen die
Datteln wachſen/ ſitzet/ auf die zakken der Weiblein/
ſie fruchtbar zu machen/ vielmahls zu ſtreuen; wie-
wohl Vesling/ in ſeinen Anmaͤrkungen uͤber den Al-
pien/
eine andere uhrſache der fruchtbarkeit dieſer beu-
me beibringet. Kein baum giebet ſo großen nutzen/ als
dieſer. Dan die fruͤchte ſeind nicht allein eine guhte
ſpeiſe/ und zu vielen gebrechen eine artznei; ſondern auch
das holtz ſelbſten/ mit dem baſte/ und der rinde/ als auch
den blaͤttern/ wird/ im bauen der heuſer/ und ſchiffe/
auch
[491]Anmaͤrkungen.
auch ſonſten/ zu vielerhand dingen/ gebraucht. Und
daruͤm halten die Araber den baum in ſolchen ehren/
daß ſie faſt einem ieden teile deſſelben/ und nachdem
dieſe beſchaffen/ einen ſonderlichen nahmen geben. Ein
blat nennen ſie Zaaf: einen zakken mit datteln/ Sa-
marrich:
eine junge unreiffe Dattel/ Talla; eine
was groͤſſere/ Nin; eine halb reiffe/ Ramich; eine
gantz reiffe/ Bellan; eine verfaulte/ Rotob; und eine
getruͤknete/ Tamar. Ja eben daher iſt es kommen/
daß man den Sieges-helden die Palmenzweige/ als
ein zeichen ihrer fuͤrtrefligkeit/ zugeeignet. Es iſt
ein wunder/ daß dieſer baum/ der ſo gar duͤnne und
kurtze wurtzeln hat/ und unten am ſtam-ende ſo gar
ſchlank iſt/ die große laſt ſeines heuptes/ mit ſo vielen
zakken und fruͤchten/ tragen kan/ und daß er von den
winden nicht uͤmgeworfen wird. Und dieſes hat den
Egiptern zu dem wahne/ daß er von der luft lebete/ an-
laß gegeben. Ja wir koͤnten daher auch ſelbſten anlaß
nehmen/ dieſen Palm- oder Datteln-baum den
ſchmaͤchtigen/ doch darbei weiſen und vielgeſchaͤftigen
Leuten/ als ein Sinbild/ zuzueignen. In der Grie-
chiſchen ſprache wird ſeine frucht δάκτυλος, bei dem
Dioſkorides/ im 67 h. ſeines 1 b. als auch andern/
genennet: und eben daraus ſcheinet das wort Dattel
gebildet zu ſein. Sonſten heiſſet δάκτυλος eigendlich
ein finger: und nach dem finger/ weil ſein erſtes
glied lang/ und die zwei letzten kurtz ſeind/ haben die
Dichtmeiſter/ bei dem Plutarchen in ſeinem Buche
von der Singekunſt/ dieſelbe gattung der Schritte
ihrer Reimbaͤnde/ derer erſtes glied auch lang/ und die
zwei andern kurtz ſeind/ ebenmaͤßig δάκτυλος geneñet.
Wir geben ihnen/ in unſrem Hochdeutſchen Helikon/
gemeiniglich den nahmen des Dattelſchrittes/ oder ei-
nes Lang-gekuͤrtzten: und den Reim ſelbſten heiſſen
wir einen Dattel- oder Palmen-reim; ja die gantze
Reim-
[492]Kurtzbuͤndige
Reimahrt/ die Datel- oder Palmen-ahrt. Auch
wird dieſer Reimgattung ſolcher nahme nicht unbil-
lich zugeeignet: weil ſie/ unter andern uhrſachen/ alle
andere Reim-ahrten/ eben wie der Datteln- oder
Palmen-baum/ alle andere beume/ uͤbertrift; in-
dem ſie viel ſchweerer zu machen/ und/ wan ſie wohl
gemacht worden/ die allerzierlichſte und fuͤrtreflichſte
zu ſein pfleget. Ja man kan auch dan erſt denſelben vor
einen Dichtmeiſter halten/ wan er ſein Meiſterſtuͤkke
mit dieſer Datel- oder Palmen-ahrt/ indem er ſie wohl
zu machen weis/ erwieſen/ und alſo den Palmenzweig/
als ein zeichen ſeiner fuͤrtrefligkeit/ darvon getragen.
Aber hiervon kan unſer Hochdeutſcher Helikon/
und unſere Helikoniſche Leiter/ da wir von der
Dattel- oder Palmen-ahrt ausfuͤhrlich handeln/
geleſen werden.


Die Damarinden- oder Sonnen-beume werden
von den Egiptern Terelſide/ von den Arabern aber
Tamarhendi/ das iſt/ eine Indiſche frucht/ weil
ſie aus Indien/ in Arabien/ und Egipten/ ge-
bracht worden/ genennet. Wir haben ihnen den nahmen
Sonnenbeume gegeben: weil ihre blaͤtter/ welche fort
und fort gruͤhnen/ und den Mirtenblaͤttern gleich
ſeind/ ſich ſtaͤhts nach der Sonne zu kehren; auch/ mit
ihrem untergange/ ſich ſchlieſſen/ und mit ihrem auf-
gange/ wieder oͤfnen. Ja dieſe blaͤtter bewegen ſich/ im
zuſchlieſſen dermaßen/ und gehen mit ſolcher kraft zu-
ſammen/ daß ſie auch die naͤchſthaͤngenden ſchohten mit
einklaͤmmen/ und nicht eher loß laßen/ als bis die ſon-
ne wieder aufgehet. Die gruͤhnen Schohten oder fruͤch-
te dieſes baumes/ welche eigendlich Tamarinden/
das iſt Indiſche fruͤchte/ genennet werden/ machen
die Araber mit Zukker ein; und genieſſen ſie/ wan ſie
durch wuͤſteneien/ in heiſſem wetter/ reiſen/ vor den
durſt und brand. Dan ſie treiben alle verbrante feuch-
tigkeiten/ durch den ſtuhlgang/ ab.


Von
[493]Anmaͤrkungen.

Vom Balſambaume haben wir droben in den
Anmaͤrkungen bei der 1 zeile des 112 blats/ ſchon ge-
nug geſprochen.


Zum 226 blatte.


DIe Egiptiſchen Bohnen ſeind ebenmaͤßig in
den Anmaͤrkungen bei der 3 zeile des 116 blats
gnugſam betrachtet: wie auch Bammia bei dem vo-
rigen 225 blatte.


Von den Egiptiſchen Melohnen/ haben wir in
den Anmaͤrkungen zu den 3 erſten zeilen des 116 blats
gehandelt.


Der Babian/ oder vielmehr Bafian vom baf-
fen
und klaffen der hunde/ das er nachtuht/ des-
wegen er auch ſo wohl/ als von der geſtalt/ bei den Grie-
chen κυνοκέϕαλος, cynocephalus, das iſt Hundes-
kopf/
caniceps, heiſſet/ genennet/ iſt eine ſonderliche
gattung der Affen: und daher heiſſet er auch Cerco-
pitecus;
und bei uns Hundesaffe.Luc. in Hermat.
Plin. l. 7, \& l. 8, c. 54. Agellius l. 9, c. 4. Pancirollus
in Nov. repert. p.
406. welcher alhier/ unter andern/
meldet/ wie Hermes Trismegiſt/ oder die Egipti-
ſchen Priſter/ nach dem zwoͤlfmahligem waſſer-abſchla-
gen/ und eben ſo vielmahligem baffen und baͤllen des
Bafians in einem tage/ indem er ſolches/ ſo oft eine
ſtunde verlauffen/ allezeit wiederhohlet/ das Waſſer-
uhr erfunden/ wie auch die einteilung des tages in
zwoͤlf ſtunden. Ohne zweifel hat hier von unſer wort
ſtunde ſeinen uhrſprung: weil dieſe ſtuͤndliche zeit
uͤber/ des Bafians waſſer/ ſamt ſeinem gebaffe/ gleich-
ſam ſtil ſtund; oder aber/ weil nachmahls in den waſ-
ſer- und ſand-leuffern/ wan eine ſtunde vorbei war/ des
waſſers oder ſandes lauf ſtund/ und zu lauffen auf-
hielt/ indem alles waſſer/ oder aller ſand ausgelauffen.
Von
[494]Kurtzbuͤndige
Von einem ſolchen Waſſeruhre/ das/ in der Egipti-
ſchen ſtadt Achante/ die tage und ſtunden eines gan-
tzen jahres angezeiget/ meldet Pierius in ſeinem 6 bu-
che von den heiligen Bilderſchriften/ am 57 und 58 bl
Daß aber der Bafian dem Serapis geheiliget gewe
ſen/ bezeuget Viktorinus/ mit dem Tullius. Und
Plinius meldet/ daß er auch dem Merkuhr zuge
weihet worden. Was er vor eine wunderliche gleichein
ſtimmigkeit mit dem Mohne habe/ zeiget Pierius a
56 bl. des gemelten buches an. Von der geſtalt und
dem gebrauche des Waſſeruhrs kan Apuleius/ i
ſeinem 3 buche vom guͤldenen Eſel/ geleſen werden
als auch in ſeiner erſten Verantwortungs-ſchrift/ und
Wilhelm Budeusad l. ult. § defenſores. ff. de Mu-
neribus.


Der Adeler vom Adel/ den er vor allen andern
Vogeln beſitzet/ daher er auch vor ihren koͤnig gehalten
wird/ alſo genennet/ ſcheinet daruͤm von den Lateinern
Aquila, als ſagte man Acula, benahmet zu ſein; weil
er ein ſo gar ſcharfes geſichte hat/ daß er auch mit un-
verwanten augen in die ſtaͤrkſten ſonnenſtrahlen hinein
ſehen kan. Plinius meldet im 3 h. ſeines 10 b. von
ſechs ahrten der Adler: als da ſind/ der Bein- oder
ſtein-brecher/
Oſſifragus oder Oſſifraga, welcher der
ſtårkeſte und groͤſte unter allen iſt/ und daruͤm alſo
geneñet wird/ weil er die beine von der hoͤhe auf den ſtei-
nen in ſtuͤkke fallen leſſet: der Bunte Adler/Hete-
ropus,
deſſen rechtes bein himmelblau/ das linke/ mit
dem ſchnabel/ dunkelbraun und weislicht/ der leib auch
dunkelbraun/ mit ſchwartzen flekkern durchſchaͤkkert/
gleichwie der hals/ ſamt der bruſt/ das uͤbrige aber
ſchwartz gefaͤrbt: der Entenſtoßer oder Entendieb/
Aquila Anataria, und Clanga oder Planga: der Flek-
adler/
Aquila nævia, oder Schildkroͤhtenfreſſer/
welcher die ſchildkroͤhten von der hoͤhe herab auf einen
ſtein
[495]Anmaͤrkungen
ſtein in zwei fallen leſſet. Und durch einen ſolchen
ſchildkroͤhtenwurf hat Eſchiles/ der Trauerſchauſpie-
le erfinder/ wie Kwintilian bezeuget/ ſein leben ein-
gebuͤßet. Dan als er unter dem bloßen himmel bloßes
heuptes ſaß/ da warf ihm einer von dieſen Adlern/ der
ſeine glatze vor einen ſtein anſahe/ im fluͤgen eine
Schildkroͤhte auf das heupt/ dergeſtalt daß es zer-
ſchmettert ward; wie Valerius Maximus im 12 h.
ſeines 9 b. erzehlet. Beſiehe auch unſere Horaziſche
Sittenlehre/
am 64 und 65 bl. des 2 Teiles. Der
Fiſchadler/Haliæetus, Aquila marina, welcher der
ſchwaͤchſte unter allen: der Weisſchwantz/Pygargus,
welcher am allerlaͤngſten lebet; weil er ſein weiblein
ſelten/ und anders nicht/ als mit großen ſchmertzen der
augen/ beſteiget. Welcher unter dieſen ſechs geſchlech-
tern der Adler den Egiptern ſei heilig geweſen/ ſtehet
im zweifel. Doch urteilen etliche/ daß es der erſte/
naͤhmlich der Beinbrecher/ als der edleſte/ guhtahr-
tigſte und ſtaͤrkeſte/ ſei. Waruͤm er aber dem Jupiter
geheiliget/ und unter das Geſtirne geſetzt worden/
darvon kan unſer Dichteriſcher Sternhimmel am
175/ 176/ 177 und 178 blatte geleſen werden.


Von den uͤbrigen Tieren und Vogeln haben wir
ſchon hier und dar meiſtenteils erklaͤhrung getahn.
Daruͤm wollen wir nur allein noch etwas vom Son-
nenvogel
beibringen. Alſo nennen wir den vogel
Foͤnix auf Hochdeutſch/ gleichwie er auch bei den La-
teinern Avis Titania, und Soligena heiſſet: weil er/
durch die aufgehenden ſonnenſtrahlen/ gleichſam wie-
dergebohren wird/ und derſelben glaͤntzende farbe fuͤh-
ret; daher er auch ϕοίνιξ heiſſet/ und nicht vom bau-
me Foͤnix/ welcher eine gattung der Palmen iſt/
und/ nachdem er verwelket/ ſich aus ſich ſelbſten ver-
ſuͤnget/ wie Plinius in 2 h. des 10 b. meinet. Von
ſeinem alter/ als auch vom orte/ da er ſich aufhelt/
und
[496]Kurtzbuͤndige
und dem tode/ den er ihm ſelbſt antuht/ oder vielmehr
ſeiner verjuͤngung/ ſeind ſehr viel unterſchiedliche mei-
nungen: davon unſer Dichteriſcher Sternhim-
mel/
am 311/ 312 und 313 bl. als auch Pierius in
ſeinen heiligen Bilderſchriften/ am 198/ 199 bl. kan
geleſen werden. Unter andern gedenken auch dieſes
Vogels Hieronimus an den Preſidius/ Klau-
dian/ Tzezes
im 5 b. ſeiner Geſch. Ateneus im 14 b.
Filoſtratus/ Herodotus im 2 b. Seneka im 4
Sendeſchr. Solinus/ Mela/ Albertus/ Ortel in
Titana,Adamantzius/ Laktantz/ im 10 b. 2. h.
Ovidius im 15 ſeiner Verwandlungsbuͤcher/ und im
2 ſeiner Liebsgedichte/ Artemidor von den treumen/
Tazitus im 14 ſeiner Jahrgeſch. Aldrovand/ und
Jonſtohn am 152 bl. ſeiner Tiergeſch. Kauſſinus/
von den Egiptiſch. Sinbild. am 71 und 127 bl. Ter-
tullian
von der Auferſtehung des fleiſches. Etliche
wollen gleichwohl nicht geſtehen oder gleuben/ daß ie-
mahls ein ſolcher Vogel in der welt geweſen/ unange-
ſehen daß es ſo unzehlich viel Schreiber bejahet. Und
dieſe/ ob ſie ſchon ſo unterſchiedlich davon ſchreiben/
ſeind doch in dem alle einhaͤllig/ daß der Sonnenvo-
gel
ſich verjuͤnget oder ſelbſt wiedergebaͤhret. Ja die
meiſten ſtimmen auch hierinnen zuſammen/ daß ſol-
ches in der Sonnenſtadt/ das iſt zu Heliopel in
Egipten/ wie die Prieſter alda ſelbſten bezeugen/ ge-
ſchehe: wiewohl Ovidius ſchreibet/ daß der alte
Sonnenvogel
ein neſt von vielerhand koͤſtlichen ge-
wuͤrtzen auf einen Palmenbaum mache/ und ſich
darinnen/ indem die heiſſen ſonnenſtrahlen das gewuͤrtz
angezuͤndet/ verbrennen laße; ja daß erſt darnach der
junge Sonnenvogel/ der aus des alten aſche ge-
wachſen/ ſolches neſt/ als des alten grab/ und des
jungen wiege/ nach Heliopel/ vor das Goͤtzenhaus
der Sonne trage: da der allererſte Sonnenvo-
gel/
[497]Anmaͤrkungen.
gel/ wie der von Atehn meldet/ ſol entſproſſen
ſein.


Muͤnſter ziehet/ in ſeiner Weltbeſchreibung/ ei-
nen Brief des Mohrenlaͤndiſchen Koͤniges von dieſem
Vogel an den Pabſt zu Rohm an; darinnen unter an-
dern dieſe worte ſtunden: In unſerem Gebiete be-
findet ſich der Vogel Foͤnix/ deſſen lebensjah-
re ſich auf 300 erſtrekken. Dieſer flieget uͤm das
ende ſeines lebens ſo hoch gegen den Himmel
auf/ damit er durch die ſonne angezuͤndet wer-
de. Hierauf ſchwingt er ſich wieder herunter in
ſein neſt; da er gantz verbrennet. Aber aus der
aſche wird ein Wurm gebohren; daraus endlich
ein ander ſolcher Vogel waͤchſet.
Man beſchreibet
ihn ſo groß als einen Adler/ mit goldſtrahlenden federn
uͤm den hals heruͤm/ und auf dem uͤbrigen leibe pur-
purroht; auch mit einem himmelbauen ſchwantze/
welcher mit roſenfaͤrbigen flekkern durchſpraͤnkelt/ und
auf dem heupte mit einer zierlichen federkrohne.


Zur 24 zeile des 227 blats.


MAtarea oder Mattaria/ welches zwiſchen ei-
nem kleinen Seepfuhle und einem Waſſergraben/
7000 ſchritte von Alkeir/ und 250 von Heliopel lie-
get/ iſt in den Geſchichten/ als ein ort/ dahin die
Jungfrau-Mutter mit dem Heilkinde Jeſus/ vor dem
Wuͤhteriche Herodes geflohen/ gnugſam bekant: wie
auch der alte Egiptiſche Feigenbaum alda; wel-
cher nicht ſehr hoch iſt/ aber ſeine mit vielen reiſern be-
wachſene zakken zimlich weit ausbreitet. Die Egipter
nennen ihn Giumez oder Giumes/ und die Egipti-
ſche Kriſten/ Tin el Pharaon, das iſt Faraons feige:
die Griechen aber συκάμορος, als wolten ſie ſagen Fei-
gen-maulbeerbaum/ oder ein Maulbeerbaum

J imit
[498]Kurtzbuͤndige
mit Feigen; weil der gantze baum/ dem ſtamme/ den
zakken/ fruͤchten/ der milch und farbe nach/ dem Fei-
baume/
mit der geſtalt aber und groͤſſe der blaͤtter/
dem Maulbeerenbaume gleichet; wiewohl ſeine
blaͤtter dikker ſeind/ und des winters niemahls abfal-
len. Aber er waͤchſet nicht allein in Egipten/ ſondern
auch im heiligen Lande ſo heuffig/ daß er in der heiligen
Sprache nicht in der einzelen/ ſondern mehrern zahl
[...] genennet wird. Seine fruͤchte pflegen wir
ſonſt Adams-feigen zu nennen. Eben ein ſolcher
baum war derſelbe/ darauf Zacheus/ bei dem Heil-
verkuͤndiger Lukas im 19 h. geſtiegen/ den HERren
Kriſtus zu ſehen. Daruͤm haben die uͤberſetzer/ wel-
che das wort συκομοράια an gemeltem orte Maul-
beerenbaum
gegeben/ die rechte ahrt des baumes
nicht getroffen. Dan es war gantz kein Maulbeer-
baum;
weil er dem Feigenbaume bei weitem mehr
gliche/ als jenem/ ja gantz andere fruͤchte/ naͤhmlich
Feigen/ trug. Dieſe Feigen ſeind von innen hohl/
auch ſonſten an geſtalt von den andern gemeinen feigen
in etwas unterſchieden. Sie wachſen auch nicht/ wie
jene/ oben an den zakken/ ſondern dicht bei dem ſtamme:
welcher allezeit mus aufgeritzt werden/ wan der baum
tragen ſol; ſonſt bleibt er unfruchtbar/ eben wie jener/
daran der HERꝛ Kriſtus keine Feigen fand/ und
ihn deswegen verfluchte. Dergleichen beume/ wel-
che ſehr alt werden/ auch/ wan ein zweig darvon in die
erde geſtekt wird/ ſich bald bewurtzeln/ und in die hoͤhe
ſchieſſen/ pflegt man laͤngſt den Nielstaͤmmen hin/
wie bei uns die Weiden bei den waſſergraͤben/ zu
pflantzen; damit das erdreich/ durch ihre wurtzeln/
zuſammengehalten/ und vom Niele nicht abgeſpuͤhlet
werde. Und eben daher lieſet man bei dem beruͤhmten
Rechtsgelehrten Ulpian/ da er von auſſerhalbgewoͤhn-
lichen Mistahten handelt/ dieſe ſatzung: daß nie-
mand
[499]Anmaͤrkungen.
mand ſich unterfangen ſol einen Egiptiſchen
Feigenbaum auszurotten.
Daß aber der uhralte
Egiptiſche Feigenbaum bei Matarea keinen men-
ſchen/ der in unehren gezeuget iſt/ unter ſeinen Zakken
ſol hingehen laßen/ wie etliche ſchreiben/ ſcheinet nur ein
maͤhrlein zu ſein. Hierunter gehoͤhren auch manche er-
zehlungen vom Sonnenbrunnen; welcher nicht weit
darvon lieget/ und von den Tuͤrken ſelbſt/ eben wie ge-
melter Baum/ gleichſam vor heilig gehalten wird.


Zum 128 Blatte.


BUbaſt/ βού [...]αςο, lieget/ nicht weit von Heliopel/
am euſerſten arme des Niels/ nach Kanaan zu.
Ziegler meinet/ daß es Vicus Judæorum ſei: wiewohl
Wiſſenburg daran zweifelt. Joſefus meldet/ aus
dem Maneton/ daß es vor alters Avaris geheiſſen:
welches etliche Caſtra Judæorum nennen.


Tebe/ welches Theodor aus Sizilien ſehr herꝛlich
beſchrieben/ pflegen viele Dioſpolis/ auch wohl Buſi-
ris/
und die Ebreer No-ammon/ oder Ammon-no
zu nennen. Etliche wollen es vor eine nicht ſehr alte
Stadt halten. Gleichwohl meldet Kircher/ im 1 teile
ſeines Egipt. Oedipus am 85 blatte/ daß Misraim
ihren grund geleget: und andere/ daß Buſiris ſie ge-
bauet/ oder vielmehr ihren bau vermehret/ und die ſtad
erweitert. Homerus nennet ſie ἑκατόμπυλον, das iſt ei-
ne hundert-tohrige. Auch ſchreibet Juvenal/ in ſei
nem 15 Schimpfgedichte:


Atque vetus Thebe centum jacet obruta portis.

Und dieſe Tohre ſollen alle haͤngende geweſen ſein/ wi
etliche wollen/ alſo daß die Koͤnige gantze kriegs heere i
ſolcher ſtille aus und ein gefuͤhret/ daß es die buͤ
gerſchaft nicht einmahl gewahr worden. Andere ſchre
J i ijben
[500]Kurtzbuͤndige
ben/ daß es keine haͤngende Tohre geweſen: ſon-
dern hundert unter der ſtadt hin gantz uͤberwoͤlbete
Schwibbogen;
dadurch die Koͤnige ihre voͤlker
gleichſam unſichtbar aus der ſtadt/ und wieder hinein
fuͤhren koͤnnen. Wieder andere halten dieſe 100 tohre
vor ſo viel fuͤrſtliche Schloͤſſer: noch andere vor ſo viel
Prunktuͤhren der Goͤtzenheuſer; oder auch Pfer-
deſtaͤlle/
bei dem Niele/ da man in einem ieden 200
pferde geſtallet. Von der macht dieſer herlichen Stadt
ſagt Kato bei dem Steff an von Bizantz/ daß ſie
30300 Doͤrfer/ 700000 Menſchen/ 3700 morgen lan-
des/ und 400 waͤlſche meilen in ihrer laͤnge/ begriffen;
und Euſtatius ſchreibet dieſer laͤnge noch 20 waͤlſche
meilen mehr zu: da doch Strabo im 17 b. welches
auch gleublicher/ nur 80 zehlet; ja Diodor ihren uͤm-
kreus auf 140 uͤmſchraͤnket. Aber hiervon ſchreibet
Bochart/ in ſeinem Faleg am 314 und 315 blate/
ausfuͤrlicher. Zu Strabons zeiten lag dieſe praͤch-
tige ſtadt ſchon uͤber einen hauffen/ und ward nur ſtuͤk-
weiſe bewohnet.


Zur 3 zeile des 229 blats.


DAher iſt das Griechiſche ſprichwort: ἐκ τοῦ ὀρᾷν γί-
νεσϑ [...] τὸ ἐρᾷν. Und wir ſagen faſt eben auf den
ſchlag: durch ſchauen/ komt trauen. Ja eben da-
her gebrauchet der beruͤhmteſte Schauſpielſchreiber un-
ter den Lateinern/ vor chariſſimus, das wort oculiſſi-
ms,
das iſt/ einer den man nie aus den augen laͤſ-
ſel vor großer liebe;
mit einem worte/ der Aller-
lioſte.
Dan die Augen ſeind die fuͤhrer/ und zugleich
anzeiger der Liebe. Sehr ahrtig ſpielet Katullus/
wan er an ſeinen Mitbuhler ſchreibet:


Quinti, ſi tibi vis oculos debere Catullum,

aut aliud, quod charius eſt oculis:

eri-
[501]Anmaͤrkungen.
eripere ei noli multò quod charius illi

eſt oculis, ſi quid charius eſt oculis.

Der verſtand iſt: wan du wilſt/ daß Katullus
dich mehr/ als hertzlich/ lieben ſol; ſo mache ihm
daſſelbe/ das er mehr/ als hertzlich/ liebet/ wan
man ie etwas mehr/ als hertzlich/ lieben kan/
nicht abwendig.
Aber hiervon beſiehe/ was wir bei
der 8 zeile des 21 bl. angemaͤrket.


Zur 1 zeile des 233 blats.


Διϕθέρα, diphthera, das iſt/ ein fel von einem tie-
re.
Alſo nennet man gemeiniglich des Jupiters Ge-
ſchichtbuch;
darinnen er alles/ was geſchiehet/ auf-
zuzeichnen gewaͤhnet wird. Wir heiſſen es alhier ſeiner
Amme fel;
weil es vom Pergament aus der zie-
gen Amalteen felle/ welche ihn geſeuget/
wie die
alten Dichtmeiſter gedichtet/ ſol geweſen ſein.Mel-
chior Guilaldinus
, in tractatu de Papyro; Pancirollus l.
2, tit. 13, p.
627. Sonderlich kan hiervon unſer
Dichteriſcher Sternhimmel am 90/ 91/ 126/ 127/
und 128 bl. geleſen werden; da wir ausfuͤhrlich erklaͤh-
ret/ wer dieſe Amaltee eigendlich geweſen/ und was
die alten Dichtmeiſter darvon gedichtet. Von dieſem
Felle/ oder vielmehr Tagebuche des Jupiters ſeind
unter den Griechen unterſchiedliche ſprichwoͤrter ent-
ſtanden. Wan einer etwas/ das unbekant/ ſeltzam/
oder ſo alt und verjahret zu ſein ſchien/ daß niemand
mehr darvon wuſte/ oder aber was ſonderliches ſein ſol-
te/ vorbrachte; ſo pflegte man gemeiniglich zu ſagen:
ἀρχαιό τερα διφθέρας λαλεῖς, du bringeſt dinge vor/
die aͤlter ſeind/ als Jupiters Ziegenfel/
das iſt/
Verzeichnuͤs. Dieſem zur folge haben wir an einen
kluͤgelſuͤchtigen Naſeweiſen/ der ihm mehr zu wiſſen
einbildete/ als alle andere Menſchen/ eines mahls ge-
ſchrieben:


J i iijDu
[502]Kurtzbuͤndige
Du haſt der Amme fel des Jupiters durchſchauet.

Das ruͤhmt auch Koridon/ der deinen worten trauet.

Doch duͤnkt mich/ daß es nicht in dieſes Fel geſchehn:

es war ein Huͤrtenbeltz/ darein du haſt geſehn.

Dan das wort diphthera heiſſet bei dem Ariſtofanes/
da er von einem Ziegenhuͤrten redet/ und dem Lu-
zian/
auch ein lederner oder beltzerner Mutzen/
aus Ziegen- oder Schafs-fellen/ den die Huͤr-
ten/ Schaͤfer/ und Schaͤferinnen tragen/
rheno,
paſtoritius, Arnacis
Varroni.
Daher wird ein Huͤr-
te
bei dem Pollux Διϕϑερίτης, und eine Huͤrtin
διϕτερίπς genennet. Auch pflegten die alten Griechen
von ihrem Jupiter/ wan er/ nach langem verzuge/
iemand boͤſes oder guhtes vergolt/ zu ſagen: ὁ Ζεὺς κα-
τεῖδε χρόνιος ἐις τὰς διϕϑέρας, das iſt/ Jupiter hat
endlich einmahl in ſein Ziegenfel geſehen.
Faſt
eben dahin zielet auch unſer ſprichwort: Gott kan
uns wohl eine zeit lang unſere zeche borgen;
oder
durch die finger ſehen. Daß man aber nicht allein
vor alten zeiten auf der Tiere felle geſchrieben/ ſon-
dern auch noch itzund; ſolches bezeuget unſer Perga-
ment/
welches ſo viel geſagt iſt/ als Pergamiſches
ſchreibefel.
Dan in der beruͤhmten Aſiſchen ſtadt
Pergam oder Pergamus/ die der fuͤrtrefliche Artzt
Galenus/ als ſein Vaterland/ wie Leuenklau
ſchreibet/ noch beruͤhmter gemacht/ ſeind nach Var-
rons
und Plinius im 11 h. des 13 b. zeugnuͤſſe/ die
Schreibefelle zum erſten erfunden; und nach ihrem
nahmen Pergament oder Pergameen/Charta
Pergamena,
gleichwie das wort Charta ſelbſt von der ſo
benahmten Tiriſchen ſtadt/ genennet worden. Man
ſchreibet zwar die erfuͤndung des Pergaments dem
Eumenes zu/ welcher eben eine ſolche Buͤcherei/ als
Ptolemeus Filadelf/ zu Alexandrien in Egip-
ten/
[503]Anmaͤrkungen.
ten/ angefangen/ zu ſtiften geſonnen: weil aber Jo-
ſefus
in ſeinen Juͤdiſchen Geſchichten meldet/ daß
Eleaſar/ der Hohe Prieſter zu Jeruſalem/ die Hei-
lige Schrift auf ſehr zahrtes Pergament geſchrie-
ben/ gemeltem Ptolemeus/ ſchon vorher durch die
ſiebenzig uͤberſetzer zugeſchikt; ſo iſt wahrſcheinlich/ daß
Eumenes der erſte erfinder nicht ſei/ ſondern nur an-
ſtalt gemacht/ daß das Pergamentmachen eifri-
ger fortgeſetzet worden. Zudem ſeind die meiſten buͤ-
cher in der Alexandriſchen Buͤcherei/ welche ſich/
als ſie unter dem Koͤnige Baſiliskus verbrante/ auf
120000 belieffen/ meiſtenteils auf Pergament ge-
ſchrieben geweſen. Unter andern war in dieſer herli-
chen Buͤcherei ein Trachenfel oder Eingeweide
von einem Trachen/
120 fuͤße lang: darauf man
alle Werke des Homerus/ ſamt der Geſchicht der
Helden/ mit guͤldenen buchſtaben geſchrieben; wie Jo-
han Zonaras
im 3 teile ſeiner Jahrbuͤcher aufge-
zeichnet.


Zur 23 und folgenden zeilen des 233 blats.


DIeſes alles findet man bei dem Araber Joſef
Ben Altifaſi/
und Ben Salamas/ in ſeinem
Garten der Wunder der welt: welcher auch zugleich
meldet/ daß des Schurs Großvater Schariak/ ge-
weſen.


Zur 8 und folgenden zeilen des 234 blats.


EBen derſelbe Salamas erzehlet dieſes gleichfals
an gemeltem orte. Hierbei kan auch Peter Bello-
nius/
da er von den Egiptiſchen Grabſpitzen han-
delt/ geleſen werden; als auch Fuͤrſt Radziviel in ſei-
nem Reiſebuche.


I i iiijZum
[504]Kurtzbuͤndige

Zum 236 blatte.


VOn allen dieſen Goͤtzenbildern iſt droben/ in den
Anmaͤrkungen bei dem erſten und andern blatte/
auch hier und dar in der folge gehandelt wor-
den. Auch kan hierbei Kirchers Egiptiſcher Oe-
dipus/
da er dieſe Goͤtzenbilder/ mit den heiligen
Bilderſchriften der Leichen/ weitleuftiger erklaͤhret/
geleſen werden.


Zum 238 blatte.


VOn den Sarapen haben wir ebenmaͤßig in den
Anmaͤrkungen bei der 27 zeile des 7 bl. gnugſame
erklaͤhrung getahn. Von den Papiernen Rollen/ die
man in die Saͤrge zu legen pflegte/ kan obgemelter
Kircher in ſeinem buche von den Gebalſemten und
ausgeduͤrreten Leichen der Egipter geleſen werden. So
kan man auch hiervon den Guhterus/ in ſeinem bu-
che von den Geiſtern/ da er unter andern beweiſet/
daß die Roͤhmer in den Leichengepraͤngen den Egiptern
faſt gantz gefolget/ aufſchlagen. Niemand aber hat al-
les/ was zu den Egiptiſchen gebalſemten Leichen gehoͤ-
ret/ beſſer und ausfuͤhrlicher beſchrieben/ als gemelter
Kircher in ſeinem Buche von der Egiptiſchen Bilder-
ſchrift; als auch Johan Nardius/ in ſeinen An-
maͤrkungen uͤber den Lukretz/ und Peterdella Valle.


Zum ende des 239 blats.


VOn den ewig brennenden Lichtern/ ob ſie die Al-
ten zu machen gewuſt/ fallen vielerhand unter-
ſchiedliche meinungen vor. Die ſolches bejahen/ fuͤh-
ren etliche beiſpiele zum beweis an: als unter andern
das ewig brennende Licht/ welches im 1401 jahre/
ſamt
[505]Anmaͤrkungen.
ſamt des Pallas Rieſenleichnam/ ein bauer/ nicht
weit von Rohm bei der Tiber/ gefunden/ mit dieſer
Grabſchrift/ welche Volaterran aufgezeichnet:


Filius Evandri PALLAS, quem lancea Turni

militis occidit, mole ſuâ jacet hîc.

Dieſe Lampe hatte ſchon uͤber 2000 jahre gebrant/ und
brante noch/ gegen wind und waſſer/ bis ſie unverſe-
hens ein loch bekahm/ und die feuchtigkeit heraus lief;
da ſie ſtraks verloſch. Noch ein anderes ewig brennen-
des Licht hat man zur zeit Pabſt Pauls des dritten/
auf dem Appiſchen wege vor der Stadt Rohm/ in des
Zizerons Tochter begraͤbnuͤſſe/ gefunden; und darbei
dieſe Grabſchrift:


TULLIOLÆ FILIÆ MEφ.

Den unverbrenlichen ſteinichten Flachs/ davon
dieſe ewigbrennende daachte/ welche die Franzoſen
menthe ſans fin heiſſen/ gemacht waren/ nennen die
Griechen ἀσ [...]έςινον Asbeſtinum, welches man von ἄσ [...]ε-
ςον, das iſt unausleſchlich/ gebildet. Dieſer Flachs
ward aus einem eiſenfaͤrbigem ſteine gemacht; wie
Plinius im 10 h. des 37 buchs aufgezeichnet. Von
etlichen wird der ſtein ἀμίαντος, amiantus genennet:
wiewohl andere jenen von dieſem unterſcheiden. Ἀμίαν-
τος heiſſet ſonſt rein/ unbeſudelt/ unbeflekt. Da-
her ἀμίαντος λίθος, lapis intemeratus, immaculatus,
ein unbeflekter ſtein. Plinius nennet ihn linum
vivum,
lebendigen flachs: die Griechen aber
ἄσ [...]εςον und ἀσ [...]εςινὸν λίνον, unausleſchlichen lei-
nen flachs.
Die Hochdeutſchen geben ihm vielerlei
nahmen: als Federweis/ Erdflachs/ Salman-
derhaar/ Katzenſilber/ Glimmer/ Pliant/ As-
beſt/
und Amiant. Der ſtein ſelbſten waͤchſet auf
J i vdem
[506]Kurtzbuͤndige
dem Inlande Zipern/ iſt dem gegrabenen Allaun faſt
gleich/ und wan er ins feuer geworfen wird/ bleibt er
unverſeeret/ und rein. Auch hat man ehmahls tuͤcher
darvon gemacht; welche/ wan ſie beſchmutzt waren/ aus-
gebrant/ und durch das feuer/ wie das Leinwand durch
das waſſer/ rein gemacht warden. Plinius l. 36, c. 19.
Dioſcorides l. 5, c. 119, 148. Georg. Agricola, En-
celius
, \&c,


Zum ende des 240 blats.


DIeſer Irhof wird Labyrinthus ad Lacum Mæri-
dis
genennet/ und lag nach Krokodilsſtadt zu/
wie Herodotus/ und Plinius melden: da auch
Maͤris ſol begraben liegen. Herodotus teilet ihn in
zwoͤlf Hoͤfe/ Plinius aber in ſechzehen. Hierinnen
lag/ unter andern/ des Simendis oder Iſmendis
Grabbau/ zwee morgen landes lang/ und 45 ellen hoch.


Zur 18 und folgenden zeilen des 244 blats.


DAß die Ebreer der Huͤrtenlieder erfinder gewe-
ſen/ haben wir in einem Gedichte vor unſrem Sa-
lomoniſchen Geiſtlichem Huͤrten-liede/ oder Ho-
hem Liede/
wie es ins gemein genennet wird/ als
auch noch mehr in einem unter der Hoͤchſtpreiswuͤrdi-
gen Deutſchgeſinneten Genoſſenſchaft Sende-
ſchreiben/
erwieſen. Von den Schatten-liedern/
das ſeind Huͤrtenlieder unter dem ſchatten/ wel-
che die Waͤlſchen itzund/ mit einem neuen nahmen/
Madrigalen nennen/ hat Kaſpar Ziegler/ ein Leip-
ziger/
im 1653 jahre einen zimlichen Unterricht her-
aus gegeben. Aber ich wundere mich/ daß er ſchreiben
darf: das kleinſte Schattenliedlein habe bei den Waͤl-
ſchen weniger nicht/ als fuͤnfreimbaͤnde/ und das laͤng-
ſte niemahls mehr als funfzehn; ja er hette nur eines
von ſechzehen bei Johan Baptiſt Leonen geſehen.
Aber
[507]Anmaͤrkungen
Aber ich finde bei dem Ritter Guarin eines von ein-
undzwanzig reimen/ ja ein anderes gar von dreiund-
zwanzigen/ nicht liederweiſe eingeteilet/ ſondern in ei-
nem zuge hin: und bei eben demſelben noch ein anderes
mit vielen Saͤtzen; darinnen ieder ſatz nur vier reime
begreiffet. Gleichwohl wil ich gern geſtehen/ daß ich die-
ſem Ritterlichen Dichtmeiſter/ und mehr andern der
Waͤlſchen/ die dergleichen getahn/ hierinnen keines
weges folgen wolte; ſondern das gantze Schatten-
liedlein/ wan es in einem ſatze beſtehet/ mit gemel-
tem Ziegler/ viel lieber auf das allerhoͤchſte mit funf-
zehen reimbaͤnden ſchlieſſen. Vor dieſem haben die
Waͤlſchen vom worte Madrigaal gantz nichts ge-
wuͤſt; ſondern dergleichen Schattenliedlein/ derer
Petrarche ſelbſten etliche gemacht/ zu und nach ſeiner
zeit/ nur ſchlecht hin Canzonein lied/ oder Canzo-
nette
ein liedlein genennet. Aber laßet uns hoͤren/
was der Koͤnigliche Franzoͤſiſche Geheimverpfleger
und Tahlmetſcher/ der hoͤchſtloͤblichen Deutſchgeſin-
neten Genoſſenſchaft
Mitglied/ unter dem Zunft-
nahmen des Deutſchliebenden/P. Benſe-dupuis, in
ſeinem Apollo von der Waͤlſchen und Spaniſchen
Dichterei/
am 177/ und 178 bl. hiervon ſchreibet. Le
Madrigal,
ſagt er/ peut eſtre comparé auſſi bien,
que le Sonnet, à l’ Epigramme des Latins \& des Grecs,
c’eſt le moindre de tous les Poëmes Liriques: \& la ſeule
difference, qu’il y peut avoir entre l’Epigramme, \& le
Madrigal, eſt, que le Madrigal ſe chante, \& l’ Epi-
gramme
non. Je ne trouve point que le mot de Ma-
drigal
ait eſté connu des Anciens, au moins ay-je pris
garde, que dans les vieilles impreſſions de Petrarque
il n’en eſt de tout point fait de mention: \& ceux, qui
ont commenté les premiers cét Autheur, ſe ſont con-
ten tez d’appeller du nom commun de Chanſon, ou du
diminutif Chanſonette, ce que modernes appellent Ma-

drigal
[508]Kurtzbuͤndige
drigal. Bembo meſme en ſes Aſolans ne luy donne point
d’autre nom, non plus qu’Horace n’appelle pas moins
Odes, celles de huict vers, que celles, qui en contien-
nent cinquante. Ainſi cét Autheur au dernier Livre
parlant de la Chanſon, qui fit chantée par cette Da-
moiſelle, qui ſervoit d’Eſchanſon à la Reine, la qualifie
de Chanſonette. Queſta Canzonnetta cantò tanta pia-
cevolezza, e con maniere coſi nuove
, \&c. Et Lodovico
Dolce
, en ſon Traité de la Poëſie vulgaire, l’allegue
puor exemple des Madrigaux, qui ſortent des ſuiets
Ruſtiques, pour traitter de matieres plus relevées.


Amor la tua virtute

non è dal monde, e da la gente inteſa,

che dal viltate offeſa

ſegue ſuo danno, e fugge ſua ſalute.

Mà ſe foſſer tue lodi conoſciute

tra noi, ſi come là, doue riſplende

più del tuo vivo raggio,

dritto camino e ſaggio

prenderia noſtra vita, che no’l prende;

e tornerian con la prima beltade

gli anni de l’oro, e la felice etade.

Lorentz Franzoſien von Florentz beſchreibet das
Schattenliedlein/ daß es eine gattung der Ge-
ſaͤnge/ oder zuſammenfuͤgung der Reimbaͤnde
ſei/ welche die Huͤrten zu ſingen pflegen.
Ma-
drigale
,
ſagt er/ una ſorte di canzone, o compoſizion
di verſi, che ſolevano cantare i paſtori.
Und an einem
andern orte ſchreibet eben derſelbe: Madriale o Madri-
gale
, poëſia lirica, non ſoggetta à regola di rime,
das iſt/
das Schattenliedlein iſt eine liederdichterei/ den
geſetzen des reimes nicht unterworfen.
Hierzu fuͤ-
get er auf Spaniſch: Madrigal villanzico, das iſt/ das
Madrigaal iſt ein Feldgeſang/ ein Geſang/ den
man
[509]Anmaͤrkungen.
man auf dem lande oder felde ſinget: welches
eben ſo viel geſagt iſt/ als ein Schaͤferlied/ oder Huͤr-
tengeſang.
Alſo erklaͤhret auch des Spaniſche wort
Villaneſcas der Herꝛ Iſola in einem an mich abgelaße-
nem ſchreiben/ da er von den Schattenliedern han-
delt. Villaneſcas, ſchreibet er/ canzoni, che ſoglion
cantare i contadini,
das iſt/ ein geſang/ den die
landleute oder bauren zu ſingen pflegen.
Aber ein
ander beſchreibet das Spaniſche wort Villanzico,
nicht als ein Feld- oder Huͤrten-lied/ ſondern als
einen Freudengeſang auf ein froͤhliches feſt: una
ſorta di canzonetta allegra, che ſi canta in feſte d’alle-
grezza, come per natale, \&c.
Und bei dem Korne-
lius Kilian
wird es Cantio celerior Italica, ſive Mu-
ſica levicula
genennet. Dem ſei nun wie ihm wolle/ ſo
erſcheinet doch aus allen uͤmſtaͤnden/ daß dieſe Lie-
derahrt
vor alters anders nichts/ als eine gattung
der Schaͤfer- oder Huͤrten-lieder/ geweſen; und
darnach erſt zu allerhand andern vorfaͤllen/ als ein
kurtzbuͤndiges Sin-gedicht/ gebraucht worden.
Dan wir ſehen augenſcheinlich in allen dergleichen al-
ten Liederahrten/ daß ſie von nichts anders/ als von
buͤſchen/ beumen/ wieſen/ taͤhlern/ weiden/ bluhmen/
fluͤſſen/ baͤchen/ vogeln/ ſchatten/ und dergleichen in
buͤſchen und auf feldern befindlichen dingen handeln.
Aber wir wollen den beruͤhmten Deutſchliebenden
noch einmahl hoͤren/ was er am 179 bl. ſeines obge-
melten Apollons hiervon urteilet. Les Italiens,
ſchreibet er/ l’appellent Madrigale, \& par ſincope Ma-
driale
, du nom Mandra, qui veut dire troupeau, berge-
rie, loge
ou caverne, où les bergers ſe retirent. Le mot
de Mandra eſt Grec, \& ſignifie caverne: \& de là vient,
qu’en la primitive Egliſe celuy, qui eſtoit Superieur
entre ces anciens Pere Grecs, qui vivoient dans les de-
ſerts, \& qui n’avoient pour demeure que les antres

\& les
[510]Kurtzbuͤndige
\& les cavernes, qu’ils y pouvoient rencontrer, ſ’ap-
pelloit Archimandrita, c’eſt à dire, Chef de troupeau.
De ſorte qu’il nous faut dire, que le Madrigalen ſon
commencement n’eſtoit autre choſe qu’une Chanſon pa-
ſtorale
\& ruſtique, que les Bergers chantoient dans leus
Bergeries, ou pluſtoſt, comme dit Couarruvias autheur
Eſpagnol, dans les Cavernes, où ils ſe retiroient ſur
le midy, pour laiſſer paſſer la grande chaleur. Et de
fait Petrarque en ceux, qu’il nous a laiſſez, qui ſont
en fort petit nombre, ne parle que d’eaux, de rivieres,
de fontaines, de ruiſſeaux, de glace, d’arbres, de bois,
d’herbes, de fleurs, d’oiſeaux, d’ ombrages \& autres cho-
ſes champeſtres, \& boſcageres
. Mais à preſent l’on ſ’en
peut ſervir pour toutes ſortes de ſuiet. Et nous pou-
vons dire des Madrigaux ce, que Ceſar Scaliger dit
des Epigrammes, Epigrammatum genera tot ſunt, quot
rerum
, il y a d’autant de ſortes de Madrigaux, qu’il y
a de ſortes de ſujets. Et à quelque matiere que le Ma-
drigal
puiſſe eſtre appliqué, pourveu que le ſuiet en
ſoit bien pris, que la pointe ſoit ſubtile, \& ſans cette
contrainte, que Hugo Grotius condamne ouvertement
dans les Epigrammes, nihil poteſt eſſe tam fatuum, quàm
extortum Epigramma
; il ſera touſjours de miſe, \&
pourra paſſer pour bon.
Hier ſiehet man/ daß der
Deutſchliebende das wort Madrigal herleitet vom
Griechiſchen μάνδρα: welches ſo viel heiſſet/ als ein
ſtal/ oder eine bucht des viehes/ oder die Huͤrden/
darinnen man die ſchafe des nachtes einſperret; als
auch eine hoͤhle/ bei dem Teokritus in ſeinem 5 Ge-
dichte; ja ſelbſten ein ort/ da der wein/ in den Wein-
bergen/ gekeltert
wird. Vom worte gal/ das dem
gemelten μάνδρα, daraus man das ν oder n wegge-
laßen/ zu ende beigefuͤget wird/ erinnert er zwar nichts.
Aber ich halte/ daß es ſo viel heiſſen ſol/ als ein lied
oder geſang/ oder vielmehr hal/ ſchal/ klang. Dan
gallen
[511]Anmaͤrkungen.
gallen hat bei den alten Deutſchen hallen oder ſchal-
len/
auch wohl ſingen und klingen bedeutet: wie das
noch itzt uͤbliche niederdeutſche galm/ das iſt ein hal/
oder widerſchal/ ein zuruͤkprallender klang/ und
unſer Nachtigal/ welches ſo viel heiſſen ſol/ als
ein Vogel/ der des nachtes gallet/ hallet/ ſinget/
klaͤhrlich bezeugen. Und alſo heiſſet das wort Madrigal
ſo viel als ein Stal- oder Huͤrden-lied/ ein Heer-
den-
oder Huͤrten-geſang/ oder aber ein Hoͤhlen-
lied;
welches die Huͤrten oder Schaͤfer bei ihren Huͤr-
den oder Heerden in den hoͤhlen geſungen. Wir haben
es lieber ein Schattenlied geben wollen; weil es die
Huͤrten/ wan ſie uͤm den heiſſen mittag/ vor der ſon-
nenhitze/ entweder in den hoͤhlen/ oder unter dikbelaub-
ten beumen/ unter dem ſchatten geruhet/ zu ſingen
pflegen. Es iſt auch nichts fremdes/ daß die Waͤlſchen
das letzte wortglied gal in Madrigale von den Deut-
ſchen
entlehnet; weil nicht allein ſie/ ſondern auch die
Spanier/ ob ſie uns ſchon ſo fern entlegen/ ja noch weit
mehr die Franzoſen mit vielen andern woͤrtern derglei-
chen getahn. Die Waͤlſchen haben auch das wort gal-
lillo,
das iſt/ ein gloͤklein/ oder auch die Luftroͤh-
re im ſchlunde oder halſe/
dadurch der hal und
klang der ſtimme gehet oder gemacht wird. Dieſes
iſt nirgend anders her/ als aus unſerem alten deutſchen
gallen (daraus auch galm/ eben wie aus hallen/
hals/
und halm/ den die Huͤrten zur pfeiffe gebrau-
chen/ gebildet) entſproſſen. Ja eben daher hat das La-
teiniſche wort Gallus, das iſt ein Hahn/ der durch
ſeinen haͤllen hal den tag anzeiget/ ſelbſten/ und nicht
vom alten nahmen der Franzoſen Gallus, wie etliche/
weil die Haͤhne zuerſt in Frankreich ſollen entſproſſen/
oder in großer maͤnge/ zum fechten oder Hahnenkampfe/
erzogen ſein/ fuͤrgeben/ ſeinen uhrſprung gewonnen.
Dan dieſer Voͤlker nahme Gallus, oder zuerſt des gan-
tzen
[512]Kurtzbuͤndige
tzen Reichs/ Gallia, iſt ohne zweifel vom Hahne/ den
ſie Gallus vom gallen oder hallen genennet/ indem er
ſich alda hauffenweiſe befunden/ entſprungen. Und al-
ſo heiſſet Gallia ſo viel als Hahnenland: gleichwie
Spanien Kaninenland/ und Luſitanien/ wel-
ches nun Portugal genennet wird/ Mandelnland/
weil man in jenem viel Kaninen/ und in dieſem viel
Mandelnbeume gefunden/ dem uhrſprunge der
woͤrter nach/ bedeuten. Dan Spanien hat ſeinen
nahmen nicht vom Waldgoͤtzen Pan/ wie Soſtenes
im 13 b. und andere treumen/ ſondern vom Ebrei-
ſchen oder Foͤniziſchem worte [...]ſaphan, daß iſt
ein kanien/ daraus [...]Sphanija oder Spania gebil-
det: und Luſitanien auch nicht vom erdichteten Lu-
ſus/
wie Plinius/ aus dem Varro/ im 1 h. des 3 b.
meldet/ ſondern von [...]lus, das iſt eine Mandel oder
ein Mandelbaum/ bekommen. Und dieſe nahmen
ſcheinen ihnen die Foͤnizier oder Kananeer/ als ſie
von den Kindern Iſraels aus Kanaan verjagt wor-
den/ und ſich in dieſen laͤndern niedergelaßen/ gege-
ben zu haben. Mir iſt im uͤbrigen auch ſehr wohl be-
kant/ daß andere das wort Madrigale lieber von madre
herleiten wollen/ alſo daß es ihnen ſo viel ſein ſol/ wie
ſie ſchreiben/ als Madre della gale, das iſt eine Mut-
ter der lieder.
Und dieſes gefaͤllet mir auch nicht
uͤbel; weil ein Schattenliedlein in der taht und
wahrheit/ indem es ſo klein iſt/ eine Mutter/ das iſt
ein uhrſprung/ begin oder anfang der andern lie-
der
und geſaͤnge genennet werden kan. Dan in dem
verſtande wird/ ſo wohl im Waͤlſchen/ als Spaniſchen/
das wort madre, als auch matrize vielmahls ge-
braucht: naͤhmlich madre della ſtampa, cioè la forma che
getta le lettere, o i caratteri,
das iſt/ ein werkzeug/ dar-
ein die drukbuchſtaben gegoſſen/ oder darnach
ſie gebildet werden:
matriz de la emprenta; welches
unſere
[513]Anmaͤrkungen.
unſere Schriftgieſſer/ den Waͤlſchen zur folge/ auch
Matrizen/ als wolten ſie ſagen/ die Mutter oder
Muͤtter der Buchſtaben/ zu heiſſen plegen. So be-
nahmen wir auch die Muſchel/ darinnen die Perlen
wachſen/ oder daraus ſie ihren uhrſprung haben/ Per-
lenmutter/
wie die Spanier Madreperla, und die Waͤl-
ſchen Madre de perlas, d. i. nacar, o concha de perlas.
Madre del rio, Madre del fiume,
das iſt ein uhrſprung
der fluͤſſe/ ein ſpring/ ein kwaͤl/
ſagen die Spa-
nier und Waͤlſchen gleichfals auf eben den ſchlag. Von
mehr andern erklaͤhrungen handelt der Hochgelehrte
von Kempen/ unter den Deutſchgeſinten der Un-
ſterbliche/
in ſeinem Berichte von den Schattenliedern
oder ſo genenten Madrigalen. Wie nun die Waͤl-
ſchen dieſe Schattenliedlein auf ſo vielerlei weiſe
machen/ kan man bei ihren Dichtmeiſtern ſehen: als
bei dem Hieronimus Pret/ Sachet/ Bokaz/
Arioſt/ Bembus/ Bernia/ Navager/ Taſſus/
Stiglian/ Orſien/ Peter Michaeln/
und andern;
als auch bei der edlen Roͤhmerin Margareta Ko-
ſta/
in ihren Liebesbriefen: vor allen aber bei den zween
beruͤhmten Rittern/ Marin und Guarin/ die in
dieſer Liederahrt auch alle neuen und alten uͤbertref-
fen. Unter andern findet man bei dem letzten ein ſo
zu nennen zuſammengeketteltes Schattenlied/
von 84 Reimzeilen; darinnen die ſaͤtze zuweilen 14/
zuweilen 4/ zuweilen 6/ zuweilen 12/ zuweilen 10
Reimbaͤnde haben.


Zum 246/ 247/ 248 blatte.


IN dieſem Schattenliedlein werden die zur Eh-
lichen Liebe gehoͤrige eigenſchaften
beſchrie-
ben: naͤhmlich im 1 ſatze geben wir zu erkennen/ daß ſie
rein/ ungefaͤrbt/ ohne falſchen ſchein und aller
dinge unbeflekt
ſein mus; gleichwie die reinen
K kSchaͤflein
[514]Kurtzbuͤndige
Schaͤflein/ die erſt aus der ſchwaͤmme kommen: im 2/
daß ſie ſanfte/ lieblich/ anmuhtig/ und ohne eini-
gen zorneifer/ oder andere heftige gemuͤhtsbe-
wegungen
ſei; gleichwie die ſanftmuͤhtigen und ge-
duͤltigen Schaͤflein: im 3/ daß ſie auf unverfaͤlſch-
ter Treue
beruhe; indem die Braut ihrem Gatten
eben ſo treulich folget/ als die Schaͤflein ihrem Schaͤ-
fer: im 4/ daß ſie beſtaͤndig in ſolcher Treue bleibet;
indem ſich die Braut endlich mit ihrem Breutigam
in liebe und treue der maßen verbindet/ daß beider Lie-
be mehr und mehr zunimt: und im 5/ daß die ſolcher
geſtalt reine/ ſanftmuͤhtige/ treue/ beſtaͤndige und
endlich vereinbahrte Liebe mit ſeegen vom Himmel
gekroͤhnet werde/ und den hoͤchſten preis/ die ſchoͤnſte
krohne des ruhmes/ darvon trage.


Zur 20 zeile des 262 blats.


DJoſef die meiſten Feuerſpitzen in Egipten/
zur bewahrung des getreides/ bauen laßen/ haben
viele darvor gehalten: derer meinung auch Nazian-
zenus
beipflichtet/ und zugleich ſaget/ daß ſolches der
nahme πυραμὶς ſelbſten guht hieſſe; weil πυρὸς ſo viel
geſagt ſei/ als weitzen/ oder getreide/ und daher
πυραμὶς auch eine Weitzen- oder Korn-ſcheune be-
deute; wie dergleichen gebeue noch itzund von den Egip-
tern genennet wuͤrden. Iſidorus l. 15, c. 2. Chaſſaneus
in Catalogo gloriæ mundi part. 12, conſid. 75. Pierius
l. 39. Hierogl. de Meta. Etymologus. Jul. Solinus. Pli-
nius
l. 36, c.
12. Zu Karaffar oder Maſſar/ zwo
meilen von Alkeir/ findet man noch itzund ſieben alte
gebeue/ welche vor Joſefs Kornheuſer/ wie Beauvau
ſchreibet/ gehalten werden.


Zur 32 und folgenden zeilen des 262 blats.


COrnelius à Lapide, in verſ. 34, 35, 36 capitis 41
Geneſeos: Omnes Ægyptii hoc ſeptennio fertilitatis,

juſſu
[515]Anmaͤrkungen.
juſſu regis, compulſi ſunt quintam partem frugum ſuarum
vendere Regi, ſer vandam in ſeptennium ſterilitatis: aut
certè, ut vult
Toſtatus, durante iſto ſeptennio fertilitatis
vetuit rex frumentum Ægypto efferri, \& exteris vendi.
Frumentum ſcilicet non trituratum, non excuſſum, ut ſi-
mul jumentis recondatur ſuum pabulum, puta ſtramina,
paleæ, \&c. ut
Philo annotat.
Andere wollen/ daß dieſer
fuͤnfte teil/ den der Koͤnig/ oder Joſef vor den Koͤnig/
vorweg genommen/ mit koͤniglichen geldern ſei bezahlet
worden: wieder andere/ daß man ihnen andere mittel
und wahren/ als holtz aus den koͤniglichen buͤſchen/
ſteine/ und dergleichen dinge/ darvor gegeben.


Zur 20 zeile des 263 blats.


HIervon ſchreibet Herodotus/ und andere. Auch
haben die Griechen und Roͤhmer nachmahls/ den
Egiptern zur folge/ dergleichen Unterſuchungen des
lebens/
welche ſie Judica Cenſoria nenten/ ebenmaͤßig
angeſtellet. Pancirolius l. 1. R er. deperditar. memorab.
p.
282. Sonderlich hat Solon die Satzung/ dadurch
alle Egipter verbunden waren/ ihre nahmen bei ihren
Reichshauptleuten anzugeben/ und zu ſagen/ wovon
ſie ſich erhielten/ bei den Atehnern aufgebracht. Jo.
Raviſius Textor
in Theatro Hiſtorico l. 3, c. 6, de Æ-
gypt. legib. p.
234.


Zum 264 und 265 blatte.


VOn dieſer des Joſefs Korneinſamlung handelt
auch Greiffenſohn in Joſefs Lebensbeſchrei-
bung/ am 170/ 171/ 172 bl. weitleuftig.


Zur 16 zeile des 226 blats.


ISokrates ſchreibet/ in ſeiner lobrede des Buſi-
ris/
die uhrſache des Goͤtzendienſtes bei den Egip-
tern den Koͤnigen zu; und meinet/ daß er daruͤm ein-
K k ijgeſetzt
[516]Kurtzbuͤndige
geſetzt ſei/ damit das gemeine volk den Koͤniglichen ge-
bohten gehorchen lerne. Thyſius in Deſcript. Ægyp-
ti p.
137.


Zur 17 zeile des 267 blats.


BEſiehe in der Anmaͤrkung bei der 19 zeile des 65
blats/ was Ruben/ in ſeinem Letzten willen/ hier-
von ſaget: als auch das 42 heupſt. des Buchs der
Schoͤpfung/ von den folgenden begaͤbnuͤſſen.


Zur 13 zeile des 268 blats.


DElrio meinet/ daß Joſef ſeine Bruͤder daruͤm
drei tage im gefaͤngnuͤſſe liegen laßen: damit ſie
vor das dreifache verbrechen/ an ihm begangen/ naͤhm-
lich weil ſie vorgehabt ihn zu toͤdten/ ihn in die grube
geworfen/ und dan verkauft/ drei tage lang buͤßen
moͤchten. Aber ſolches koͤnte beſſer auf die drei tage/
ſo lange ſie ihn in der grube liegen und hungern laßen/
gedeutet werden.


Zur 17 und 18 zeile des 270 blats.


DJoſef daruͤm den Simeon vor allen andern
binden laßen/ weil er die meiſte ſchuld hatte/ daß er
zum leibeignen war verkauffet worden/ iſt des Gen-
nadius/ Filo/ Teokritus
und vieler Altvaͤter mei-
nung. Auch iſt ſolches aus der heiligen Schrift ſelb-
ſten genug abzunehmen.


Zum 273 und 274 blatte.


HIervon ſchreibet Moſes vom 16 ſpruche an/ bis
an das ende des 43 hauptſtuͤkkes ſeines 1 buches.


Zum
[517]Anmaͤrkungen.

Zum 275/ und folgenden zwei blaͤttern.


DIeſes wird im 44 haupſtuͤkke des Buches der
Schoͤpfung/ auch noch weitleuftiger vom Sa-
muel Greiffenſohn/
in Joſefs Lebensbeſchreibung
am 198/ 199/ und 200 blatte/ erklaͤhret.


Zum 279/ und 280 blatte.


HIeſige begaͤbnuͤs erzehlet Moſes ebenmaͤßig im
45 hauptſtuͤkke des Buchs der Schoͤpfung; als
auch Greiffenſohn/ und Joſef/ der Juͤdiſche Ge-
ſchichtſchreiber.


Zum 282 blatte.


HIerbei kan gemelter Greiffenſohn am 214/ 215/
216 blatte geleſen werden. Auch kan man Joſefs
und Benjamins Letzten willen nachſehen/ wie Jo-
ſef
ſeiner Bruͤder uͤbeltaht/ an ihm begangen/ allezeit
zu vertuſchen/ und guht zu machen getrachtet.


Zu den dreiletzten zeilen des 283 blats.


DIeſer Fuͤrſt/ der das gelobte Land eingenommen/
und unter die Kinder Iſraels ausgeteilet/ war
Joſua/ des Nuns ſohn/ der zuvor Hoſea hies/ aus
dem Stamme Efraims/ des ſohns Joſefs/ entſproſ-
ſen; wie aus dem 13 hauptſtuͤkke des 4 buchs Moſes
zu ſehen.


Zum 284 blatte.


DIeſe beſchreibung der leibesgeſtalt Jakobs findet
man in der Aſſenat Geſchicht: da/ unter andern/
auch von der anzahl der Kinder Iſraels/ die/ mit ihrem
K k iijVater/
[518]Kurtzbuͤndige
Vater/ in Egipten kahmen/ dieſe worte zu leſen: dar-
uͤm zog Jakob/ durch ein geſicht von Gott ge-
ſtaͤrkt/ mit 66 Seelen in Egipten; alſo daß ihrer/
er/ und Joſef/ mit ſeinen zwee Soͤhnen/ darzu
gerechnet/ 70 beieinander waren. Und Jakob
war 130 jahr alt/ als ihn Joſef vor des Koͤniges
angeſicht brachte. Im andern jahre des Hun-
gers/ am 22 tage des zweiten mohndes/ kahm
Iſrael/ mit ſeinem gantzen Geſchlechte/ in
Egipten/
u. a. m. Hierbei iſt zu maͤrken/ daß die
Geſchicht der Aſſenat/ als auch das Buch der Schoͤp-
fung/ im 46 hauptſtuͤkke/ da ebenmaͤßig nur 70 Seelen
gezehlet werden/ die Seelen der Weiber nicht mitge-
rechnet/ wie die Geſchicht der Zwoͤlfbohten/ im 14 ſpr.
des 7 hauptſt. getahn; da von 75 Seelen meldung ge-
ſchiehet. Aber Hievon kan Lange in ſeinem Buche
von den Jahren nach der Heilgebuhrt/ am 262 blatte
geleſen werden.


Zur 6 und 7 zeile des 285 blats.


BEi den worten des 34 ſpruches am ende des
46 hauptſtuͤkkes im Buche der Schoͤpfung/
[...]Alle Schafhuͤrten wa-
ren den Egiptern ein greuel/
finden ſich vielerlei
unterſchiedliche meinungen. Etliche/ unter denen
auch einer iſt der fuͤrtrefliche Bochart am 374 blatte
ſeines Kanaans/ halten darvor/ daß die Viehhuͤrten
daruͤm den Egiptern ein greuel geweſen; weil die Foͤ-
niziſchen Huͤrten/ derer ſechſe 242 jahre/ wie Mane-
ton/
bei dem Afriker/ bezeuget/ uͤber ſie geherſchet/ ih-
re Goͤtzenheuſer zerſtoͤhret/ ihre ſtaͤdte verbrant/ ſie ſelb-
ſten teils erwuͤrget/ teils mit harter dienſtbarkeit bele-
get/ und allen muhtwillen an ihnen veruͤbet: wie Jo-
ſef
der Juͤdiſche Geſchichtſchreiber in ſeinem 1 b. wi-
der
[519]Anmaͤrkungen.
der den Apion meldet; welcher aber der Foͤnizier be-
gaͤbnuͤſſe mit den geſchichten der Iſraeler vermiſchet.
Hingegen meinet der Ebreer Rambam/ und ande-
re/ daß die Egipter daruͤm die Viehhuͤrten verflu-
chet/ weil ſie das Vieh/ welches jene vor Goͤtter gehal-
ten/ geſchlachtet: dan ſie hetten durch den Widder den
Hammon/ durch das Kalb den Apis/ durch den
Ochſen den Oſiris/ durch den Bok den Priapus/
als welche ſie vor eigene wohnungen dieſer Abgoͤtter
hielten/ geehret; und daruͤm geweinet/ und getrauret/
wan eines von dieſen Goͤtzentieren geſtorben. Ja daher
were es kommen/ daß die Ebreer dieſe Tiere zu heili-
gen Schlachtgaben/ und zum tode beſtimmet; damit
dieſer gottloſe Gottesdienſt/ durch einen gantz wider-
waͤrtigen/ verdammet/ vernichtiget/ und ſolcher greuel
vertilget/ ja die ſuͤnde zugleich ausgeſuͤhnet wuͤrde. Faſt
eben daſſelbe leſen die Ebreer in ihrem Buche Tam-
tam:
da unter andern auch ſtehet/ daß die Ebreer
die Leuen/ Baͤhren/ Tieger/ und dergleichen ande-
re tiere daruͤm zu ihrem Gottesdienſte nicht gebrau-
chet/ weil es die Egipter getahn. Gemelter Ram-
bam
fuͤget hinzu: daß die Egipter/ aus oberzehlten
uhrſachen/ das Himliſche zeichen den Widder geeh-
ret: ja etliche Sabeer ſelbſt die Teufel/ weil ſie in
geſtalt eines Widders oder Bokkes erſchienen; und
daher auch Seirim/ das iſt Boksgeiſter genennet:
von denen unſer Dichteriſcher Sternhimmel am
53/ 54 und 55 bl. kan geleſen werden.


Zum anfange des 290 blats.


HIervon meldet die Sarazeniſche Geſchicht von
Joſefs tahten in Egipten/ als auch die Nubi-
ſche Landbeſchreibung:
mit denen alle Arabiſche
Geſchichtſchreiber uͤberinſtimmen. Von dieſem Niel-
K k iiijmaße
[520]Kurtzbuͤndige
maße kan auch Strabo geleſen werden. Ob nun das
Nielmaß/ das die itzigen Egipter auf dem Nieliſchen
Inlande Michias haben/ welches ein Maß heiſſet/
und gegen der alten ſtadt Milfrulhetich/ nicht weit
von Alkeir/ uͤber gelegen iſt/ eben daſſelbe ſei/ das Jo-
ſef
geſtiftet/ darvon laßen wir andere urteilen. Man
beſchreibet es/ daß es ein runtes gebeu/ und in der mit-
te mit einem vierekkichten Waſſertroge/ der 18 ellen
tief/ verſehen ſei: und daß mitten im gemelten Waſ-
ſertroge eine ſeule ſtehe/ die eben ſo hoch/ auch in eben
ſo viel ellen geteilet/ als der trog tief iſt; darein das
Nielwaſſer unter der erde hin/ durch eine roͤhre/ gelei-
tet wird. Hierher pflegen alle jahr uͤm die zeit/ wan
der Niel zu wachſen beginnet/ vom Stahtsrahte etli-
che Beamten geſchikt zu werden: welche den anwachs
des Niels beſichtigen/ und deſſelben hoͤhe/ durch Kin-
der/ mit gelben binden uͤm das heupt/ in der
ſtadt Alkeir ausrufen laßen. Auch pfleget man/ un-
ter waͤhrendem auflauffe des Niels/ ſo wohl in andern
ſtaͤdten/ als in Alkeir/ durch alle gaſſen die trummeln
zu ſchlagen/ und mit trompeten zu blaſen: und gemel-
te kinder/ welche/ bei ihrem ausrufe/ das volk Gott zu
fuͤrchten ermahnen/ werden von einem ieden mit ge-
ſchenken begabet. Beſiehe/ was Leo der Afriker in
ſeinem 8 teile/ als auch Kircher/ im Egiptiſchen
Oedipus/
hiervon ſchreibet.


Zur 20 und folgenden zeilen des 290 blats.


KIrcherius Oedipi Ægypt. tom. 2, part. 2, pag. 430.
Diodorus Siculus l. 3, c.
2. Zu dieſer Goldarbeit
warden nicht allein alle zum tode verwieſene und ande-
re verbrecher/ ſondern auch ihre ſaͤmtliche bluhtsver-
wanten/ und alle gefangene feinde verdammet.


Zu
[521]Anmaͤrkungen.

Zu den erſten 7 zeilen des 291 blats.


ES ſcheinet daß die Scheidekunſt/ ſonderlich dieſel-
be/ die mit dem Goldmachen eigendlich uͤmgehet/
von den Egiptern entſproſſen iſt; wie hiervon Panzirol
von den neuen erfindungen/ am 313 blatte/ Suidas/
Libavius/ Parazelſus/
von dem die Scheidekunſt
am allererſten Ars ſpagirica, ἀπὶτοῦ σπᾶν, \& ἀργείρειν,
das iſt vom zerteilen oder ſcheiden/ und zuſammen-
ſamlen/
genennet worden/ als auch Zedrenus/ Pe-
trus Severinus/ Tohmas Muffet/ Teobald
Hogenlande/ R. Lullius/ Paul Skaliger/ Mo-
reſinus der Schotte/ Fenot/ Karrer/ Niklaß
Mirandulanus/ Fernel/ Kardanus/ Kleopa-
tra/
eine Jungfrau von Tafunt/ Maria die Juͤ-
din/ Roſinus von Alexandrien
an ſeine Schweſter
Teoſebie/ Seidel/ und viel andre mehr/ die von die-
ſer Scheidekunſt oder Scheidefůgekunſt/ wie ſie
nach des Teofraſts meinung koͤnte genennet werden/
geſchrieben/ in ihren buͤchern bezeugen.


Zum 291/ und folgenden 3 blaͤttern.


DIeſe gantze begaͤbnuͤs wird/ in der Aſſenat Ge-
ſchicht/ weitleuftig erzehlet.


Zum 296/ und 297 blatte.


DReſſerus Millenario 3, p. 154: Hoc officii genere
functus eſt (Joſeph) annis 80, uſque ad finem vi-
tæ, factumque eſt, ut annigloriæ ſexies ſuperârint annos
miſeriæ ejus
. In tanto enim temporis ſpacio non ſo-
lùm Politicâ ſapientiâ \& auctoritate anteivit omnibus
Ægyptiis, ſed veram etiam doctrinam de Deo, \& at-
tium notitiam atque profeſſionem in ille regno fun-

K k vdavit
[522]Kurtzbuͤndige
davit atque propagavit. Nec dubium eſt, quin Helio-
poli Scholam
, in qua Aſtronomia, \& cæteræ artes bonæ
explicatæ ſunt, conſtituerit, \& immunitatibus magnis
ornârit; ex qua Dionyſius Areopagita etiam prodiit, \&c.
In hac Schola, quæ poſtmodum Iſéum dicta, imprimis
floruit Matheſis, Aſtronomia, Aſtrologia, Phyſiogno-
mia, Chiromantia, Ars
item de Signaturâ rerum, aliæque
ejusmodi artes.


Zur 20 und 21 zeile des 300 blats.


DIeſes Mittel pflegt man den Ohnmaͤchtigen zu
gebrauchen; weil ſolcher geſtalt die ſtaͤrkende kraft
des Goldes und Safrans/ durch die Luft- oder
Hertz-aͤderlein/ die unter dem vorletzten finger/ der da-
her auch der Hertzfinger heiſſen koͤnte/ lieget/ und
von dar nach dem hertzen zu gehet/ in das matte und
ſchwache hertz/ ſeine geiſter zu ſtaͤrken/ gefuͤhret wird.
Auch pfleget man eben daruͤm meiſtenteils einen guͤl-
denen Ring
an dieſem finger/ den man deswegen ge-
meiniglich den Goldfinger nennet/ zu tragen; wie
Jakob Horſt im 5 b. des 3 teils von den verborgenen
wundern der Natur/ am 182 und 183 bl. bezeuget.


Zur 30 zeile des 300 blats.


DIeſe Aertzte warden Cephalici,Kopfsaͤrtzte/
Cordiaci,Hertzensaͤrtzte/Ophthalmici,Au-
genaͤrtzte/
u. ſ. f. genennet. Proſper Alpinus lib. de
Medicina Ægypt.


Zur 22 zeile des 301 blats.


HIervon kan Eugubinus/ Pierius/ und andere
geleſen werden.


Zur
[523]Anmaͤrkungen

Zur 26 zeile des 301 blats.


DIeſes bezeuget Plutarch/ in ſeinem buche vom
Oſiris/ und der Iſis.


Zur andern helfte des 306 blats.


VOm balſemen der Egiptiſchen Leichen hat Hero-
dotus
in ſeinem zweiten buche/ naͤhmlich in der
Euterpe/ gantz weitleuftig und ausfuͤhrlich geſchrie-
ben: dem wir auch alhier/ was die Fuͤrſtlichen Leichen
betrift/ meiſtenteils gefolget. Beſiehe gleichfals unſere
Anmaͤrkung bei dem 238 blatte. Der Arabiſche Artzt
Hali haͤlt darvor/ daß die Egipter ihre Leichen mit
Asfalt/ welches wir Juͤdenpech nennen/ und mit
Hahrtze vom Balſembaume/ das der Artznei-
haͤndler Opobalſamum iſt/ als auch mit Mirren/
und dergleichen gewuͤrtzen gebalſemt. Hingegen mei-
net Johan Nardius/ daß ſie nichts anders als ge-
meltes Juͤdenpech darzu genommen; weil alle ge-
balſemte Leichen keinen andern geruch hetten/ als nach
dieſem Peche. Asfalt/ ἄσφαλτος, welches Suidas
vom beraubenden wortteilichen α, und σφαλλεσϑαι, das
iſt/ mit den fuͤßen bewegt werden/ zappeln/ auf-
ſpringen/
herleitet/ heiſſet eigendlich das hahrtz
oder pech/ welches auf dem Todten meere/ das aus
den verſunkenen ſtaͤdten Sodoma und Gomorra/
auf 8 meilen lang/ entſtanden/ und daher ἀσφαλτίτης,
das iſt/ das Hahrtzmeer/ oder das unbewegliche
oder todte meer/ weil alles darinnen todt iſt/ genen-
net wird/ zu ſchwimmen pfleget. Honterus Coſmo-
graph. l.
3:


Jordanusque ſacer geminis è fontibus ortus,

tandem Aphaltitæ dir is immergitur undis.

Von dieſem Juͤdenpeche ſchreibet Dioſkorides im
100 h.
[524]Kurtzbuͤndige
100 h. des 1 b. und Plinius im 15 h. des 3 b. als auch
Solinus/ Juſtinus/ und Kornelius Tazitus
weitleuftig. Auch wollen etliche/ daß man zu ſolchem
Juͤdenpeche/ damit es beſſer fluͤßen moͤchte/ den duͤn-
nen Babiloniſchen Juͤdenleim genommen: den die
Gricchen νάφϑα nennen/ und Dioſkorides im 10 h.
des 1 b. als auch Plinius im 105 h. des 2 b. Strabo/
im 16 b. und Plutarch/ mit mehr andern/ beſchrieben.
Viele halten dieſen Juͤdenleim vor das ſo genente
Peter- oder ſtein-oͤhl; welches in unterſchiedlichen
Egiptiſchen oͤrtern/ mit gantzen pfuhlen/ gefunden
wird: daraus es die alten Egipter/ durch roͤhren/ un-
ter der erde hin/ in ihre ewigbrennende Grablampen
geleitet; wie der Araber Schianga/ in ſeinen Ge-
ſchichten von den gedenkwuͤrdigſten Egiptiſchen din-
gen bezeuget. Wan dieſes Balſempech alſo zubereitet
war/ und die Leichen darinnen eine zeit lang gelegen;
ſo hatte es ſich mit ſolcher kraft ſelbſt in die allerinner-
ſten teile hinein gezogen/ ja den gantzen leib dergeſtalt
zuſammengezogen/ daß er faſt halb eingekruͤmpft/ und
aus einer mansleiche eine kinderleiche geworden zu ſein
ſchien. Daher darf man ſich auch nicht verwundern/
daß alle ſolche gebalſemte Leichen/ die man heute zu ta-
ge findet/ von den unwiſſenden/ mehr von Kindern/ als
erwachſenen Menſchen/ weil ſie alle ſo klein ſeind/ an-
geſehen werden. Ich ſelbſten habe eine Hand/ die von
einem gebalſemten Koͤnige ſein ſol/ und mir vom Herꝛn
Johan Georg Brandauen in meine Kunſtkam-
mer verehret worden. Dieſe ſcheinet/ auch ſelbſten
den knochen nach/ ſo klein/ als were ſie von einem drei-
oder vier-jaͤhrigem Kinde. Von gemeltem Juͤden-
peche/
aus dem Sodom-Gomorriſchen Todtzen-
pfuhle/ hat mir ebenmaͤßig der Edele Boͤhmer/ Herꝛ
Paul Jahn/ Ritter von Malta/ unter den hoͤchſt-
loͤblichen Deutſchgeſinneten der Vermehrende/ ein
ſtuͤklein/
[525]Anmaͤrkungen.
ſtuͤklein/ weil es bei uns ſonſt ſehr ſelten gefunden
wird/ vor etlichen jahren zugeſchikt. Andere hingegen
geben vor/ daß ſolcher alſo zugerichtete Pechbalſam die
kraft allein nicht haben koͤnte die Leiber der menſchen
unverwaͤſelich zu machen: und daher muͤſten die Egip-
ter nohtwendig Saltz darunter gemiſchet haben.
Aber ob ſchon das Saltz die Leiber eine zeit lang vor der
verderbligkeit bewahret/ ſo verzehret es doch dieſelben
auch zugleich algemach ſolcher geſtalt/ daß ſie endlich
gantz verſchwinden. Und hiervon haben wir ein wahres
zeugnuͤs an einem Leichnam/ welcher/ wie Baronius
in ſeinen Kirchengeſchichten ſchreibet/ in den Saltz-
bergen zu Saltzburg gefunden worden. Dieſer hat-
te eine ſchneeweiſſe haut/ und augen/ als wan ſie lebe-
ten. Auch ſchien er an allen gliedern noch gantz volkom-
men/ und das haar unverdorben zu ſein: ja er war ſo
ſteif/ als ein ſtake. Aber als er dreitage in der luft ge-
legen/ ward er gantz und gar zu waſſer. Und daruͤm
haben die Egipter nur die Leichen der armen und
ſchlechten leute 70 tage lang in ſaltz geleget: aber zum
balſam der fuͤrnehmen gantz kein ſaltz genommen.
Hierbei iſt zu maͤrken/ daß nach dem einfalle des Perſi-
ſchen Koͤniges Kambiſes in Egipten/ welcher uͤm
das 3430 jahr nach erſchaffung der welt geſchehen/
das Balſamen der leichen/ weil der uͤberwinder alle
Prieſter verjagte/ und alle dergleichen gewohnheiten ab-
ſchaffete/ gantz aufgehoͤret. Und daruͤm ſeind alle ge-
balſemte Leichen/ welche itzund aus den graͤbern uͤm
das alte Memfis heruͤm aufgegraben werden/ vor ge-
melter zeit gebalſemet.


In Guinale/ einem Koͤnigreiche des Landes der
Schwartzen/
auf dem Guineiſchen bodem/ werden
die Koͤnige auch gebalſemet; aber ihr eingeweide zuerſt
vor dem Abgotte verbrant/ und dan die Aſche darvon
wieder in den gebalſemten Leichnam getahn.


Zur
[526]Kurtzbuͤndige

Zur 8 zeile des 307 blats.


EIn ſolches Goldblechlein/ welches ein wenig
mehr/ als zwee Ungriſche Dukaten/ wuͤget/ findet
man noch itzund unter der zunge faſt aller vornehmen
gebalſemten Leichen/ die in Egipten aufgegraben wer-
den. Und daruͤm pflegen die Araber und andere
Voͤlker/ die zu unſerer zeit in Egipten wohnen/ wan
ſie einige gebalſemte Leichen bekommen/ dieſelben/ aus
begierde zum golde/ vor dem munde ſtraks aufzubre-
chen/ und das gold heraus zu nehmen.


Zum ende des 315 blats.


HIervon ſchreibet Moſes/ im 29/ und folgenden
ſpr. des 47 h. ſeines 1 buches/ und im 31 und 32
ſpr. des 49 h.


Zur 2 und 3 zeile des 316 blats.


DAdam und Eva/ nachdem ſie aus dem Pa-
radieſe
verſtoßen worden/ ſich in Kanaan nie-
dergeſetzt/ und alda zu Hebron/ welche zuvor Kiriat-
Arbe/
das iſt/ die ſtadt der Viere/ geheiſſen/ begra-
ben worden/ lieſet man im Buche Bereſit Rabba:
dem auch Hieronimus/ im Grabſpruche der Paule/
zum teile gefolget. Und hiervon kan Sixtinus
Amama
uͤber den 15 ſpr. des 14 h. aus dem Buche
des Joſua geleſen werden.


Zur 9 und 10 zeile des 316 blats.


ALſo erklaͤhren etliche Jakobs letzte worte des 47
h. im Buche der Schoͤpfung. Und hieruͤber kan
Korneliusà Lapide geleſen worden. Die folgende
gantze Geſchicht wird ebenmaͤßig im 48 und 49 h.
weitleuftig erzehlet.


Zur 13 zeile des 217 blats.


TErtullian/ von der Tauffe/ und der Altvater von
Damask/ im 12 h. des 4 b. ſtehen in der mei-
nung/
[527]Anmaͤrkungen.
nung/ daß dieſe des Jakobs uͤbereinander geſchraͤnkten
haͤnde oder aͤrme das Kreutz unſers Heilandes vorge-
bildet. Und Rupertus ſaget: Efraim ſeind die
Heiden/ welche durch die kreutzweiſe uͤbergeſchlagenen
haͤnde/ das iſt durch das Kreutz unſers Heilandes/ dem
ſie gegleubet/ dem Manaſſe/ das iſt den Juͤden/ ſeind
vorgezogen worden.


Zur 16 zeile des 218 blats.


HIervon ſpricht Ruben in ſeinem Letzen willen/ zu
ſeinen Kindern alſo: Sehet! Ich nehme heu-
te Gott vom himmel zum zeugen/ damit ihr
nicht wandelt in der unwiſſenheit der Jugend/
und in Huhrerei: darinnen ich mich alzuſehr
verbrochen/ indem ich meines Vaters Ehbette
beſudelt. Ich ſage euch in der wahrheit/ daß
mich der HERR ſehrſchlug; daß er mich ſieben
mohnden lang in meinem eingeweide plagte.
Und hette
Jakob/ mein Vater/ den HERꝛn vor
mich nicht gebaͤhten/ dan Erſuchte mich zu toͤd-
ten; ſo were ich vergangen. Ich war dreiſſig
jahr alt/ als ich dieſes uͤbel vor dem HERren be-
ging: und war ſieben mohnden lang ſiech; da
man anders nicht meinte/ als daß ich ſterben
wuͤrde. Aber ſieben jahre lang trug ich reue vor
dem HERren/ mit guhtem hertzen. Ich trunk
keinen Wein/ noch einigen andern ſtarken trank.
Ich aß auch kein Fleiſch/ noch koſtete einige lek-
kerſpeiſe: ſondern weinete und kaͤrmete uͤber
meine ſuͤnde; weil ſie ſehr groß war.
u.a.m.


Zur 21 zeile des 320 blats.


ALſo werden von etlichen die letzten worte des 21 ſpr.
im 49 h. des buchs der Schoͤpfung erklaͤhret. Li-
pomanus. Cajetanus. Cornel. à Lapide
in hunc locum.


Zum
[528]Kurtzbuͤndige

Zum ende des 321 blats.


DIeſes erzehlet Moſes im letzten hauptſtuͤkke ſei-
nes erſten buchs.


Zur 25 zeile des 323 blats.


JOſef ſaget in ſeinem Letzten willen von ſeinen Bruͤ-
dern alſo: Ich hielt ihre Kinder vor meine
kinder; und meine Kinder als ihre diener und
leibeignen. Ihre Seele war meine ſeele: alles
ihr weh/ mein weh; und alle ihre krankheit/ mei-
ne krankheit; ja mein land/ ihr land; mein raht/
ihr raht. Und ich erhub mich unter ihnen nicht/
in hofahrt/ meiner weltlichen herꝛligkeit wegen;
ſondern war unter ihnen/ als der geringeſte/

u.a.m.


Zum anfange des 324 blats.


IN der Aſſenat Geſchicht wird gemeldet: daß Jo-
ſef/
nach koͤnig Nefrems tode/ 48 jahr/ an des koͤ-
niglichen Fuͤrſtens ſtat/ geherſchet; und ihm dan erſt
die Krohne aufgeſetzt. Das folgende von Joſefs
Soͤhnen/ und derſelben Kindern erzehlet Moſes im
50 h. des 1 b.


Zum ende des 324 blats.


DIeſe geſchicht/ wie ſie auf den naͤchſten blaͤttern
folget/ erzehlet/ aus dem Ben Abed Hakem/
der Araber Gelaldin/ in ſeinem erſten b. von den E-
giptiſchen Koͤnigen.


Zur 23 zeile des 326 blats.


DIodor ſchreibet auch/ daß die Egiptiſchen koͤnige
dieſes Land ein Geſchenk der unſterblichen
Goͤtter/
andere eine Gabe des Merkuhrs genennet.


Zum
[529]Anmaͤrkungen.

Zum ende des 326 blats.


ELphyum oder Phyum liegt an einem kleinen arme
des Niels/ nicht weit von Munie; welches 180
meilen von Alkeir entfernet. Leo Africanus 8 part.
Livius Sanutus, Villamont, Maginus, Guiliam de Tyr,
Kircher
Oedip. Ægypt. tom. 1, p.
8. Benjamin
ent es in ſeinem Reiſebuche πυθὼν; deſſen in den St-
illiſchen Ausſpruͤchen/ am 180 bl. erwaͤhnet wird.
Und Ortel ſchreibet/ daß es zwoer ſtaͤdte freiheiten und
orrechte gehabt.


Zur 6 zeile des 327 blats.


ZU oder bei Nitriote/ ſchreibet/ Sanut/ ſol Jo-
ſefs
Grab/ ein altes Gebeu/ auf dem ekke von zween
rmen des Niels/ noch ſtehen.


Zur 3 zeile vor dem ende des 329 blats.


NAftali/ nachdem er/ in ſeinem letzten willen/ ſeine
Treume erzehlet/ fuͤget folgende worte hinzu:
Daſagte mein Vater/ ich halte/ daß Joſef noch
bet: dan ich ſehe/ daß ihn der HERꝛ allezeit
it euch zehlet. Und er fuhr weinende fort: Ach!

Joſef/ mein Sohn/ du lebeſt/ und ich ſehe dich
icht; auch ſieheſtu deinen Vater nicht
/ u. a. m.


Zur 16 und folgenden zeilen des 331 blats.


FAſt eben dieſelben worte ſeind in Joſefs Letztem wil-
len zu leſen: als auch die folgenden zu ende dieſes
31/ und im anfange des 132 blats. Hierher gehoͤren
uch die worte/ welche bei Simeons Letztem willen
inten angefuͤget ſtehen: Aber Joſefs gebeine wer-
en von den Egiptern in des Koͤniges Schatz-
ammer bewahret. Dan die Zauberer ſagten zu
nen: wan ſie
Joſefs gebeine wegtragen lieſſen/
wuͤrde uͤber das gantze Egipten eine fuͤnſter-
uͤs kommen/ mit großen plagen/ alſo/ daß nie-
and/ auch bei dem lichte ſelbſt/ ſeinen bruder
ennen ſolte.


L lZur
[530]Kurtzbuͤndige

Zur 12 und folgenden zeilen des 132 blats.


AStarot/ da Job ſeinen ſitz gehabt/ wird uͤber den
Jordahn/ in das land des halben ſtammes Ma-
naſſe
/ 14 meilen von Jeruſalem geſetzt. Bis hier-
her/ naͤhmlich bis an den Jordahn/ erſtrekte ſich/ vom
der ſtadt Damaskus ab/ das land Uz/ des ſohnes
Arams. Hieronimus meinet/ daß gemelte ſtadt da-
her dieſen nahmen bekommen/ weil man die Abgoͤttin
der ſchoͤnheit und liebe/ welche bei den Sirern Aſtarot/
auch Aſtarte heiſſet/ alda geehret. Und Bernhard
von Breitenbach
ſchreibet/ daß man des Jobs grab
den reiſenden alda noch zu zeigen pflegte. Viele muht-
maßen/ daß Job aus des Eſaus nachkommen ent-
ſproſſen. Aber es ſcheinet der wahrheit gemaͤßer zu
ſein/ was Hieronimus/ in den Ebreiſchen fragen/
und Luhter/ uͤber das Buch der Schoͤpfung/ ſchrei-
ben: naͤhmlich daß Job aus dem Uz/ der ein ſohn
Nahors/ des bruders Abrahams geweſen/ herge-
ſtammet: daher er auch Nahors ſohn genennet wird.
Und etliche meinen/ daß er ein koͤnig in Edom gewe-
ſen: andere/ daß er Jakobs Tochter/ die Dina/ geeh-
liget. Von ſeiner uͤberſchwaͤnglich großen wohlfahrt
und herligkeit/ nach ausgeſtandenen truͤbſalen/ lieſet
man bei dem Suidas.Euſeb. l. 1. demonſtrat. Evang.
Dreſſer. mill. 3. p.
157.


Zur 7 zeile des 339 blats.


LEvi ſagt zwar in ſeinem Letzten willen: Joſef ſei
im 118 jahre ſeines alters geſtorben. Aber ich halte/
daß es ein drukfehler iſt/ und daß die drukſetzer die nich-
tigkeit 0 vor eine 8 angeſehen. Dan nicht nur Moſes/
im letzten ſpruche ſeines erſten buches/ ſondern auch al-
le andere Geſchichtſchreiber/ ja der Aſſenat Geſchicht
ſelbſten/ ſchreiben ihm einhaͤllig nicht mehr als 110 jah-
re zu. Gemelte der Aſſenat Geſchicht wird mit fol-
genden worten geſchloſſen: Und Joſef ward in einen
ſarg gelegt/ im 110 jahre ſeines alters/ und im 80 ſeines

Fuͤr-
[531]Anmaͤrkungen.
Fuͤrſtentuhms/ von der erſten Verheiſſung/ dem Abra-
ham/ auf der ſtraße nach Meſopotamten/ getahn/ im 287/
und nach Ab[raham] gebuhrt/ von welcher das dritte al-
ter beginnet/ im 361 aber vom anfange der Welt an/ im
2309. Und Ju[da] iſt bis auf die zeit da die kinder
Iſraels
aus Egipten gingen/ nicht bewegt worden. Sie andern
Bruͤder ſeind nach ihrem tode meiſt alle weggefuͤhret/
und zu
Hebron begraben; ja darnach wieder zu Sichem.
In welchem jahre nach erſchaffung der Welt Joſef
geſtoͤrben/ ſeind die Geſchichtſchreiber nicht einig. Etli-
che ſetzen das 2390; aber ich muhtmaße/ daß dieſe zahl
verſetzt ſei/ und 2309 heiſſen ſol. Andere zehlen gar
das 2399; da vielleicht die erſte 9 vor eine 0 eingeſchli-
chen: wieder andere noch anders. Die meiſten aber
ſetzen/ daß er im 2761 jahre vor der Heilgebuhrt/ und
im 633 nach der ſuͤndfluht gebohren; auch im 1651
ebenmaͤßig vor der Heilgebuhrt/ und im 743 nach der
ſuͤndfluht geſtorben ſei. Hiervon hetten wir ſehr viel
zu ſagen: aber weder die zeit/ nach der hieſige raum/
noch auch des Leſers geduld wil ſolche weitſchweiffig-
keit leiden.


Zur erſten helfte des 340 blats.


HInter Joſefs letzten willen findet man folgende
worte angefuͤget: Das gantze Iſrael/ und das gan-
tze
Egipten/ beweineten ihren Joſef/ mit einer großen
trauer. Dan er war barmhertzig und mitleidende gegen
die Egipter/ eben als gegen ſeine eigene gliedmaßen/ ge-
weſen: und er taͤht ihnen alles guhtes. Er war ihnen al-
lezeit zugetahn mit guhtem rahte/ und in allen dingen
behuͤlflich.


Zur erſten zeile des 342 blats.


BEſiehe hiervon die Anmaͤrkung bei der 16 zeilt
des 331 blats.


Zur 17 zeile des 342 blats.


DIeſes bezeugen unterſchiedliche Ebreiſche Ausleger
des Buches der Schoͤpfung. Avizenna bringet
L l ijviererlei
[532]Kurtzbuͤndige
viererlei uhrſachen bei/ waruͤm der Niel ſo fruchtbar
ſei. Hiervon ſchreiben auch Galenus/ Ariſtoteles/
Plutarch/ Johan Pierius
/ l. 46 Hier. Tit. de
tribus Urnis; Joh. Langius Epiſtol. Medicinal. l. 1,
epiſtol. 31; Alexander ab Alex. l. 14 Genial. dier. c. 17;
Pancirollus de Nov. repert.
und viel andere. Daher iſt
es kommen/ daß Egipten ſo uͤberaus volkreich/ ja ſo
reich an Staͤdten geweſen. Dan alda zehlet Diodor
18000 fuͤrtrefliche Staͤdte; und zu ſeiner zeit ohn-
gefaͤhr 1300000 Einwohner/ ja vor ſeiner zeit 1700000.
Beſiehe was Bochart in ſeinem Faleg/ am 314 bl.
hiervon ſchreibet.


Zum ende des 342 blats.


DIe Babiloniſchen Koͤnige haben das Nielwaſſer
unter ihren ſchaͤtzen/ als was ſeltſames und ſonder-
bahres/ das ſie ſo weit hohlen laßen/ bewahret. Ja die
Egipter ſelbſten pflegten es/ als ein ſonderliches geſchen-
ke/ in fremde laͤnder zu ſenden. So ſchikte es der Koͤ-
nig Filadelf ſeiner Tochter Berenize/ welche dem
Antioch vermaͤhlet war/ in Sirien zu; wie Johan
Lange
/ an obangezogenem orte/ ſchreibet.


Zur 18 zeile des 343 blats.


DIeſes bezeuget Abenesra/ Abenefi/ und Sui-
das.
Die Arabiſchen worte des Abenefi lauten
in unſrer ſprache/ alſo: Und Joſef ward gleich als
ein Koͤnig des gantzen Egiptens; und ſie nen-
neten ihn
Apis.


Iſſe/ oder/ wie das Ebreiſche lautet/ Iſcha/ [...]
das iſt eine Maͤnnin/ Fraue/ Virago, iſt aus [...]
Iſch, das iſt ein Man/ vir, gebildet/ und heiſſet hier
ſo viel/ als eine Frau der frauen; wie man die fuͤr-
nehmſten Alsgoͤttinnen genennet findet. Beſiehe un-
ſern Dichteriſchen Sternhimmel/ im Sternzei-
chen der Jungfrau.


Ende.


Blat-[[533]]

Appendix A Blatweiſer.


Appendix A.1 A.


  • ABimelech nimt dem Abraham die Sara/   387
  • Abiſſine begreift 72 koͤnigreiche/ 401. wie deſſelben
    Oberherſcher genennet wird/   399/ 400
  • Abrahams macht/   421/ 422
  • Abraxes/ eines abgottes nahme/ woher er gebildet/ und wem er
    gegeben worden/   363
  • Adam und Eva liegen zu Hebron begraben/   316/ 526
  • Adler/ deſſen mancherlei ahrten/   494/ 495
  • Adris/ was es bedeutet/ und wer alſo geheiſſen/   385
  • Alkair/ eine Egiptiſche ſtadt/ woher ihr nahme entſproſſen/ und
    was er bedeutet/ 352/ 396. Ob ſie das alte Memfis ſei/ 351.
    begreift itzund das alte Babilon/   353
  • Alkannenbaum/   489
  • Alrian herſchte in Egipten zu Joſefs zeiten/   384/ 394
  • Amaſis ebenmaͤßig/   394
  • Amiantſtein/ wie er auf Hochdeutſch heiſſet/   505
  • Angeſicht/ ein markt der Seele/   201
  • Apelles/ womit er ſeinem Venusbilde eine volkommene ſchoͤnheit
    gegeben/   8
  • Anubis ein Egiptiſcher Abgott/ 2. wer er geweſen/ und waruͤm
    man ihn mit einem hundskopfe gebildet/   375
  • Apis/ ein goͤtzennahme/ ſcheinet aus Joſef gebildet/ 392. was er
    auf Egiptiſch heiſſet/ 393. Unterſcheid zwiſchen Apis/ und
    Serapis/ 393. Seine unterſchiedliche goͤtzenbilder/   394
  • Artznei vor die unfruchtbahrkeit/ 102; und ohnmacht/   300/ 522
  • Aertzte der Egipter unterſchiedlich/   522
  • Asbeſt/ und Asfalt/ was es iſt und heiſſet/   505/ 523
  • Aſſenat/ die juͤngſte Iſis/ 364. ob ſie deſſelben Potifars/ der den
    Joſef gekauft/ oder eines andern tochter geweſen/ 23/ 407/
    408/ 409. wird gebohren/ und vom Koͤnige zur tochter ange-
    nommen/ 23: vom Ertzbiſchoffe geſeegnet/ 24: und auf die
    Sonnenburg gebracht/ 28. ihre ſchoͤnheit und geſchikligkeit/
    29/ 30/ 31/ 203/ 213/ 224. ihr traum/ 92. Siehet den Joſef
    zum erſten mahle/ und was ſie von ihm geurteilet/ 204/
    205. wird durch ſeine reden bekehrt/ 206/ 207. Ein En-
    gel erſcheinet/ und bringt ihr eine froͤhliche bohtſchaft/ 211/
    212/ 213. Ihr verloͤbnuͤs mit dem Joſef/ und brautſchatz/
    222/ 410/ 481: vermaͤhlung/ und beilager/ 243/ 244/ 249.
    Sie ſteht in gefahr geraubt zu werden/ 291/ 292. ihre unbaͤs-
    L l iijlig-
    [[534]]Blatweiſer.
    ligkeit/ 298/ 300; ergetzung in Goͤttlichen dingen/ 301/ 302;
    große tugend/ und kunſtgefliſſenheit/ 302/ 303/ 304. Wird
    zur Goͤttin der Weisheit und Artzneikunſt gemacht/ und unter
    dem nahmen Iſts geehret/ 303. Ihr tod/ 305. ſie wird gebal-
    ſemt/ 306/ 307: und beig ſetzt/ 308: ihr nahme in einen goͤt-
    lichen veraͤndert/ 343. ihr ſinbild/ 343. ihres nahmens be-
    deutung/   410/ 472
  • Aſtarot/ woher es dieſen nahmen habe/   530
  • Atlenbaum/   489
  • Augen/ verraͤhter des hertzens/ 21/ 201/ 405/ 406: auch fuͤhrer
    und anzeiger der liebe/   500
  • Augſpurg/ woher es den Kuͤhnapfel im wapen fuͤhret/   373

Appendix A.2 B.


  • BAbian oder Bafian/ dem Serapis heilig/ gab anlaß zur er-
    findung des Waſſeruhrs/   226/ 236/ 493/ 494
  • Babilon/ eine alte Egiptiſche ſtadt/   351/ 352/ 353
  • Bachus iſt aus Bar Chus gebildet/ und war des Nimrods bei-
    oder ehren-nahme/ 358. Waruͤm man vor ſeinen wagen die
    Tieger geſpannet/ 359: und ihn Liber genennet/   358/ 360
  • Balſemen der Egiptiſchen leichen/   306/ 307
  • Balſembaums beſchreibung/   115/ 446/ 447
  • Bammia/ ein Egiptiſches kraut/   225/ 482
  • Baro, ein Freiherꝛ/ woher es gebildet/ und was es eigendlich be-
    deutet/   399
  • Baſiliske/ ein ſinbild der Neidhaͤmmel/   472
  • Bellum, woher es gebildet/   358
  • Bet/ ein ſtummachender wunderſtein/   16/ 404
  • Bilderſtein Hagaracht/ was er wuͤrket/   414
  • Bilha/ weſſen tochter ſie geweſen/   424
  • Brachmohnd/ waruͤm er alſo genennet werde/ und waruͤm er auch
    Liljenmohnd heiſſet/ 347. Seine unterſcheidliche andere nah-
    men in andern ſprachen/   348/ 349
  • Bruſtbeeren- oder Sebeſten-baum/   490
  • Bubaſt/ eine Egiptiſche ſtadt/   228/ 499
  • Buͤcherei zu Alexandrien/   503

Appendix A.3 C.


  • CÆſar oder Keiſer/ der Roͤhmiſchen Weltherren algemei-
    ner ehrennahme/ ob er andern dergleichen hohen Heuptern
    koͤnne gegeben werden/   400/ 401/ 402/ 403
  • Charta, woher es alſo genennet ſei/   502
  • Chebron, ein Egiptiſcher Koͤnig zu Joſefs zeiten/   394
  • Chenoſiris, ein Egiptiſches gewaͤchs/   483

D. Da-
[[535]]Blatweiſer.

Appendix A.4 D.


  • DAran/ ein Egiptiſcher Koͤnig/ unter welchem Joſef geſtor-
    ben/   384
  • Dattelnbaum wird beſchrieben/ 490/ 491. traͤgt keine frucht/
    wan nicht ein maͤnlein und weiblein zuſammengepflantzet wer-
    den/   112/ 225
  • Dattel- oder Palmen-reime/   491/ 492
  • Delta/ das Egiptiſche nordteil.   217/ 480
  • Deutſchgeſinnete Genoſſenſchaft/ waruͤm ſie die Roſe zum alge-
    meinen ſinbilde gewehlet/   481
  • Dina/ Jakobs tochter/ dem Job vermaͤhlet/   530
  • Diogenes/ womit er ein ſchoͤnes weib vergleicht/   476
  • Dioniſus/ des Weingoͤtzen zunahme/ woher er gebildet/   361
  • Diphthera, was es ſei/   501/ 502

Appendix A.5 E.


  • EBreer haben die Huͤrtenlieder erfunden/ 244/ 506. waruͤm
    ſie die Ochſen/ widder/ und boͤkke geopfert/ 519. woher ſie
    alſo genennet/   423
  • Efeu/ deſſen unterſchiedliche nahmen/ 483. Ob es treumen/
    und trunken mache/   484
  • Egipten/ wie es die h. Schrift nennet/ 366/ 471: und Eſaias
    mit 3 kenzeichen beſchreibet/ 465/ 469/ 470. woher es ſo volk-
    reich ſei/ 342/ 532. hat faſt keinen regen: daruͤm es der Niel
    befeuchtet und miſtet/ 33/ 37/ 415. hat einen bimsſteinhafti-
    gen grund/ 419. ſeiner einwohner und ſtaͤdte zahl/   532
  • Cgipter/ wie ſie die h. Schrift nennet/ 366/ 367/ 470. ihr Goͤ-
    tzendienſt/ 1/ 2/ 383. deſſen uhrſprung/ und eigendliche beſchaf-
    fenheit; auch waruͤm ſie ihre Koͤnige zu goͤttern gemacht/ 365/
    515. hielten alles/ was rund iſt/ vor goͤttlich/ oder der goͤttli-
    chen natur gleich/ 397: und etliche Tiere vor goͤtter/ 519. hat-
    ten zweierlei Goͤtzenochſen/ 364. eigneten allen ihren goͤtzen ei-
    nen ſchlanken leib zu/ 381. hefteten ihnen waͤchſerne tafeln an
    die beine/ 2/ 282. Haſſeten rohtbaͤhrtichte und blaſſe men-
    ſchen/ 381. waruͤm ſie die Huͤrten verflucht/ 285/ 518/ 519.
    ihre eidſchwuͤhre/ 403: ſaatzeit/ 417. ſtraften der verbrecher
    bluhtsverwanten zugleich/ 520. wie ſie ihre Koͤnige genent/
    379/ 398/ 399. derſelben nahmen zu und nach Abrahams und
    Joſefs zeiten bei den Arabern/ 384. wo dieſe hof gehalten/ 353/
    354. ihrer reichsſtaͤbe geſtalt/ 198/ 473. ihrer Prieſter klei-
    der/ 455/ 456. ihre h. ſinbilder auf ſaͤrgen und leichen/ 236/
    238. wer ſie erfunden/ 202/ 385. ihr Sotiſches oder großes
    jahr/ 376; ward in 4 teile geteilt/ 379: wan es eingeſetzt wor-
    L l iiijden/
    [[536]]Blatweiſer.
    den/ 395. Ihrer Frauen fruchtbarkeit/ 342. wie dieſe
    ſich ſchoͤn und jung gemacht/ 115: und die flekker der haut
    vertrieben/ 132. Wie/ und waruͤm ſo ſorgfaͤltig ſie ihre todten
    vor der verwaͤſung bewahret/ 234/ 235. ihrer ſaͤrge geſtalt/
    236. ihre ewigbrennende grablichter/ 239/ 240. wovor ſie das
    Feuer gehalten/   240
  • Egiptiſcher Feigenbaum/ darinnen ſich Maria/ mit dem Heil-
    kinde/ verborgen gehalten/ 227. ſeine beſchreibung/   497/ 498
  • Egiptiſche Bohne/ und Bohnenſchalen/   448/ 449
  • Ehbruchs mit einem knechte ſtrafe/   450/ 461
  • Ehlicher liebe eigenſchaften/   513/ 514
  • Eib/ ein Egiptiſcher ſtorch/ der Iſis und des Mohnes ſinbild/
    erfindet den Abſpuͤhler/   439
  • Eisleben/ wird von der Iſis alſo genent/   373
  • Eiſenkcaut/ Iſidis herba,  373
  • Elefant der koͤnigl. majeſtaͤt ſinbild/   196/ 472
  • Elfium/ woher es alſo genennet ſei; und deſſelben große fruchtbar-
    keit/   326/ 529
  • Enef/ ſonſt Anubis/ ein Egiptiſcher Abgott/   110/ 375
  • Enoch/ wie er von den Arabern genennet wird/ 385. Sol der er-
    ſie Schneider und erſte kriegsman geweſen ſein; auch das maß/
    und gewicht erfunden haben/ 385. Sein Buch wird der Aſ-
    ſenat verehret/ 302. ſeine Feuerſpitze/   233/ 234
  • Epafus/ der Jo ſohn/ ward vor den Egiptiſchen Apis und Se-
    rapis gehalten/ 351/ 372/ 392/ 393. Ob er die ſtadt Mem-
    fis gebauet/   351
  • Errif was es heiſſet/ und vor ein land ſei/   470/ 471
  • Ertzkoͤnig/ wonach es gebildet/   402
  • Eſalas/ waruͤm er Egivten das reich der Schaͤllenbuͤgel/ und
    die einwohner ein lang ausgeſtrektes volk nennet/ 465
    367. Der anfang ſeines 18 hauptſt. wird erklaͤhret/   465/ 466/
    469/ 470

Appendix A.6 F.


  • FArao/ was es auf Arabiſch heiſſet/ 397. War der Egipti-
    ſchen koͤnige algemeiner nahme/ und bedeutete nicht koͤnig/
    wie der Geſchichtſchreiber Joſef wil/   398/ 399
  • Feldgeſaͤnge der Epanier/   508/ 509
  • Feuer/ ein ſi[c]htbahres zeichen der Gottheit/   240
  • Feuerſpitzen- oder Grabſeulen/ zu welchem ende man ſie gebauet/
    209/ 262/ 514. Worinnen ſie von den Sonnenſpitzen un-
    terſchieden/ 210. Die bei Memſis werden beſchrieben.   233/
    234/ 235

Filiſter
[[537]]Blatweiſer.
  • Filiſter/ wie ſie ihre Koͤnige genennet/   399
  • Fluspferd/ ein ſinbild der beßheit/   474
  • Foͤnix/ oder Sonnenvogel/   495/ 496
  • Foͤnix/ eine ahrt der Palmenbeume/   495
  • Foͤnizier haben vielen laͤndern nahmen gegeben/   512
  • Foͤniziſche Huͤrten herſcheten uͤber Egipten/   518

Appendix A.7 G.


  • GAl/ und Gallen/ alte Deutſche woͤrter/   510/ 511
  • Gallillo, ein Franzoͤſiſches wort/   511
  • Gallia, was es eigendlich heiſſet/   511/ 512
  • Gallus, ein hahn/ iſt aus gallen gebildet/   511/ 512
  • Gefaͤngnuͤſſe/ wie ſie in Egipten beſchaffen/   147
  • Geſſen/ ein Egiptiſches land/   202/ 475
  • Gewiſſen/ was es ſei/   460
  • Gluͤks- oder Wahrſager-rad/   110/ 445
  • Gojam/ ein Abiſſiniſches Koͤnigreich/ da/ im lande Sakela/
    die Nielsbrunnen entſpringen/   37/ 38
  • Goldfinger/ waruͤm er alſo genennet wird/   522
  • Goldmachen bei den Egiptern/ 290/ 291. Ob es von ihnen
    entſproſſen/   521
  • Gott wird beſchrieben/ 460. was er ſei/ nach des Empedokles ur-
    teile/   397
  • Goͤtter/ waruͤm ſie bei den Griechen ihren nahmen vom lauffen
    bekommen/ und [...], d. i Leuffer/ genennet worden/   390
  • Goͤtzenbilder der Egipter/ welche milch/ und wein von ſich gaben/
    371. warden den leichen nachgetragen/ und waruͤm/   239
  • Goͤtzendienſt des Geſtirnes der erſte/   390
  • Grabhoͤhlen bei Memfis werden beſchrieben/ 234/ 235/ 236.
    lieffen unter der Sandſee hin/ bis in die Sarkiſche wuͤſte/   235
  • Grablichter/ welche ewig brennen/   239/ 504/ 505
  • Grabſpitzen werden beſchrieben/   210
  • Großkoͤnig/ oder Großherꝛ/ wonach ſie gebildet/   402

Appendix A.8 H.


  • HAbicht wie er von den Egiptern genennet werde/ 438.
    Waruͤm er der Sonne ſinbild ſei/ 439. Ward zu Butis
    begraben/   228
  • Hagar/ der Sara magd/ ſol des Hermes Trismegiſts toch-
    ter geweſen ſein/   386/ 387
  • Halm/ und hals/ aus hallen gebildet/   511
  • Haran/ des Tahre ſohn/ war der erſte unter den Menſchen/ die
    Vor ihren vaͤtern geſtorben/ und waruͤm/   389

L vHaͤrm-
[[538]]Blatweiſer.
  • Haͤrmlein/ der Keuſcheit finbild/   440
  • Helikon/ ein flus/ ſchteſt unter der erde hin/   40/ 421
  • Heliopel/ die Egiptiſche Ertzbiſchoflliche ſtadt/ wird beſchrieben/
    202/ 210. wie ſie ſonſt heiſſet/ 411: und woher/   412
  • Hermes Trismegiſt/ wie ihn die Egipter und Foͤnizier genennet/
    203/ 385. Wan er die Sonnenſeulen erfunden/ und die Egip-
    tiſche Prieſterſchaft geſtiftet/ 203/ 385. war der dritte Egip-
    tiſche Koͤnig nach der ſuͤndfluht; und aus Waͤlſchland zum Miz-
    raim kommen/   202/ 203/ 208/ 386.
  • Hertzwurtz/ deſſen geſtalt und wuͤrkung/   102/ 225/ 444
  • Heumohnd/ waruͤm er der Naͤgleinmohnd heiſſet/   347
  • Hundedienſt zu Bubaſt/   228
  • Hundeſtern/ des Nieliſchen auflaufs uhrſache/ 417/ 418 waruͤm
    ihn die Egipter dem Morgenſterne vorgezogen/   376
  • Huͤrtenlieder/ wer ſie erfunden/   506

Appendix A.9 J.


  • JAkobs ehſtand/ 55: leibesgeſtalt/ 284/ 517: liebe gegen
    Joſef/ 58/ 59: ſein betrug am Eſau/ Laban/ und Iſaak
    ſelbſt begangen/ 65. Ob er Haſel- oder Mandel-ſtaͤbe in die
    trinkrennen gelegt/ 360. wird berichtet/ ein wild habe den
    Joſef zerriſſen/ 79. erfaͤhret/ daß er noch lebet/ 282. reiſet zu
    ihm/ 283/ 284. koͤmt in Egipten/ und bleibt im land Geſ-
    ſen/ 284/ 286. mit wie viel Seelen er dahin kommen/ 284/
    518. nimt Efraim und Manaſſe zu Soͤhnen an/ 316. Seegnet
    ſie/ 317: als auch ſeine zwoͤlf Soͤhne/ 318/ 320. was ſeine
    uͤbereinander geſchraͤnkten haͤnde in der einſeegnung bedeutet/
    527. Stirbet/ 321. wird in Kanaan begraben/   322
  • Japaner/ wie ſie ihre Oberheupter nennet/   399
  • Idris oder Adris ward Enoch/ auch Hermes Trismegiſt genen-
    net/   385
  • Jinx/ das Goͤttliche ebenbild/   236
  • Jo/ des Inachs tochter/ ward von etlichen vor die Egiptiſche Iſis
    gehalten/   372
  • Jobs/ des Fuͤrſten zu Edom/ ungluͤksfaͤlle/ 332/ 333/ 530. Er
    war Nahors/ Abrahams bruders/ ſohn/ und der Dina/
    Jakobs
    tochter/ vermaͤhlet/ 333. ſein grab/   530
  • Johannesbroht/ woher es alſo heiſſet/   488
  • Johannesbrohts- oder Horn-beume/   225
  • Joſef/ Jakobs ſohn/ der juͤngſte Oſtris/ Apis/ und Serapis/ 54
    364/ 392/ 393/ 532. Joſefs nahme wird erklaͤhret/ 471: als
    auch
    [[539]]Blatweiſer.
    auch ſein Stahtsnahme/ 198/ 200/ 473/ 474. Sein gantzes
    geſchlecht wird erzehlet/ 54/ 55/ 56. Seine große ſchoͤnheit und
    geſchikligkeit/ woher ſie entſproſſen/ 5/ 6/ 7/ 8/ 55/ 56/ 57/
    58. Seine Keuſcheit und tugend/ 112/ 447/ 449/ 454. War-
    uͤm ihn ſeine bruͤder gehaſſet/ 57/ 60/ 63/ 425: als auch
    ſeine Stiefmutter/ 59. Seine treume/ 60/ 62/ 184/ 282/
    283/ 425/ 427. Man wirft ihn in die Wolfs-grube/ 74/
    431. verkauft ihn vor 30 ſilberlinge/ 75/ 426/ 434. Er
    komt in Egipten/ 1. wird dem Koͤnige geſchenkt/ 12: aber
    nicht angenommen/ 14/ und waruͤm/ 11/ 19. Wie derſel-
    be koͤnig geheiſſen/ 384/ 394/ 395. Erklaͤhret den Aus-
    ſpruch der Goͤtter uͤber die Aſſenat/ 41/ 42/ 43: und der Ni-
    tokris/ und Semeſſe treume/ 87/ 88: als auch der Aſſenat/
    92 93: und darnach des Koͤniges/ 169/ 170/ 172/ 173. wird
    auf Potifars befehl gefaͤnglich bewahret/ 98/ 441: und
    ſeiner gemahlin verkauft/ 99/ 443: die ſich in ihn verliebt/
    94/ 100: ihm ſehr zuſetzet mit worten/ 116/ 117/ 121/
    123: und bedreuungen/ 124/ 125/ 450: auch vielerhand
    raͤnken/ 126/ 127/ 129/ 133/ 134/ 451/ 453/ 457/ 459.
    Er giebt ihr eine artznei wider die unfruchtbarkeit/ 102/ 444:
    ermahnet und beſtraft ſie/ 123/ 127/ 128 129/ 137/ 138/ 139/
    452. wird durch einen Engel gewarnet/ 128/ 453: auf an-
    klage der Sefira ins gefaͤngnuͤs geworfen/ 140/ 142/ 143.
    Da deutet er der koͤniglichen Beamten treume/ 155/ 156.
    wird vom koͤnige daraus erloͤſet/ 168: zum Schaltkoͤnige ge-
    macht/ 174/ 196/ 198. Spricht/ und ſeegnet die Aſſenat/
    206/ 208. verlobt ſich mit ihr/ 222. helt beilagerr/ 244/
    249. leſt Feuerſpitzen zur bewahrung der fruͤchte bauen/
    262/ 514. Seine anordnung in den 7 reichen jahren/
    262/ 263. Stiftet Unterſuchungen des lebens/ 263/ 515.
    Samlet uͤberaus viel getreides ein/ 264: daruͤber fremde
    urteile fallen/ 265. Seine 2 Soͤne/ 265/ 266. Seine
    Bruͤder kommen zu ihm; und waruͤm ſie bahrfuͤßig erſchei-
    nen muͤſſen/ 267/ 273/ 431. Seine reden zu ihnen/ 267/
    268/ 269/ 276/ 278. Waruͤm er ſie 3 tage gefangen gehal-
    ten; und den Simeon allein binden laßen/ 268/ 270/ 516.
    Er offenbahrt ſich ihnen/ 279. entbietet ſeinen Vater zu ſich/
    280. Seine guhtahrtigkeit gegen ſeine bruͤder/ 282/ 323/
    517/ 528. macht den Koͤnig/ durch wiederverkauffung des
    getreides/ uͤberaus reich/ 286/ 287; ja die Untertahnen
    alle leibeigen/ 288/ 289. Bauet das Nielmaß; und erfin-
    det vor die faulentzer und verbrecher/ indem er die Egipter zu-
    gleich
    [[540]]Blatweiſer.
    gleich das goldmachen lehret/ eine ſonderliche arbeit/ 290/
    291. ſteht in gefahr/ der Aſſenat wegen/ 291/ 292. Der
    ſterbende Koͤnig befielt ihm das reich/ 295. Seine anord-
    nung nach den 7 hungersjahren/ 296. Stiftet eine Schuh-
    le zu Heliopel/ 296/ 522. Begraͤbt ſeinen Vater/ 322.
    uͤbergiebt dem jungen Koͤnige die krohne/ 351. wird ange-
    feindet/ und verleumdet/ 324/ 325. macht einen Sumpf wohn-
    und fruchtbar/ und dadurch ſeine feinde zu ſchanden/ 325/
    326. Erfindet das Landmaͤſſen: und wie er das duͤrre land
    fruchtbar gemacht/ 327. iſt ein treuer Stahteman/ 328.
    wird krank/ 334. Seine verfaſſung zu des Egiptiſchen ſtahts
    erhaltung/ 336. Eroͤfnet darbei dem Koͤnige ſein rahtsbe-
    denken/ 336. Stirbet/ 339. Sein alter/ 530/ 531. ſein lob/
    und leichengepraͤnge/ 339/ 340. Sein grab/ 327/ 529. war-
    uͤm man ſeine Leiche nachmahls in des koͤnigs Schatzkammer
    bewahrt/ 342/ 529. wird zum hoͤchſten Gotte gemacht/ 343.
    ſein ſinbild/   343
  • Joſua/ aus Joſefs nachkommen entſproſſen/   517
  • Irmenſeulen/ woher ſie alſo genennet/   208
  • Iſaaks macht/ 423. wie er den Eſau betrogen/   65/ 429
  • Iſis eine Egiptiſche Abgottin/ 2/ 349. Wer ſie geweſen/ und
    was ſie bezeichnet/ 367. Ward von den Egiptern Miner-
    ve
    genennet/ 368. War Man und Fraue zugleich/ 368.
    waruͤm man ſie die tauſendnahmige genennet/ 369. Ihre
    mancherlei nahmen/ 369. Was der nahme Iſis heiſſet/ 369/
    374/ 532. Wie man ſie gebildet/ 371/ 372/ 374/ 532.
    iſt in Deutſchland geweſen/ 372: auch alda geehret worden/
    und waruͤm/ 372/ 373. Ihre unterſchiedliche uͤberſchriften/
    301/ 370/ 373/ 374. Ihr war die oberſte helfte der erde
    zugeeignet/ 379: wie ihrem ſohne/ Orus/ die luft/ 380.
    Die Vielbruͤſtige/ wie ihr bild fort und fort milch aus den bruͤ-
    ſten flieſſen laßen/   371
  • Iſiſches feſt/ und Prieſteruͤmgang wird beſchrieben/   130/ 132
  • Jupiter Hammon/ ein Libiſcher Abgott/ wer er geweſen/ und
    waruͤm man ihn als einen Hammel gebildet/ 355: den
    man ihm zu ehren an den himmel geſetzt/   365
  • Jupiters geſchichtbuch/   501
  • Juͤden/ wie ſie ihre Koͤnige genennet/   399
  • Juͤdenleim/   524
  • Juͤdenpech/   523/ 524
  • Junius, waruͤm er alſo genennet worden/   348
  • Juvenis, woher es ſtammet/   348

Kaiman
[[541]]Blatweiſer.

Appendix A.10 K.


  • KAiman/ eine ahrt der Krokodillen/   438
  • Kajorer/ wie ſie ihre Koͤnige nennen/   400
  • Kanopus/ ein Egiptiſcher Abgott/ 2/ 100. Wer er geweſen/
    380. wie man ihn abgebildet/ 381. Ein ſtern am himliſchen
    Schiffe/   382
  • Karl der große/ wie er den Meimohnd heiſſet/   347
  • Kaſſelfiſteln- oder Schwartzer Zimmet-baum/   446
  • Katzen werden zu Bubaſt geehret/ und begraben/   228
  • Keiſer/ ob dieſer nahme auch andern/ als den Roͤhmiſchen Welt-
    herren/ koͤnne gegeben werden/   400/ 401/ 402
  • Keuſcheit/ was ſie ſel/   476
  • Kijun/ und Saturn/ ſeind einerlei nahmen/ 376. Waruͤm es die
    70 uͤberſetzer Refan gegeben/   375
  • Kiriat-Arbe/ was es heiſſet/   526
  • Knef/ ein Egiptiſcher Abgott/ 2. Wer er geweſen/ und wie man
    ihn gebildet/   375
  • Knabenkraut/ deſſen geſtalt und wuͤrkung/   102/ 225/ 444
  • Konchares/ ein Egiptiſcher Koͤnig zu Joſefs zeiten/   395
  • Koͤnigliche algemeine Ehrennahmen unterſchiedlicher Voͤlker/
      399
  • Kreuter/ derer kraft und wuͤrkung an der euſerlichen geſtalt zu
    erkennen/   102/ 225
  • Krohnen/ und kraͤntze/ woher ſie entſprungen/   484/ 485
  • Krokodil/ waruͤm er der Egiptiſchen Koͤnige ſinbild ſei/ 12/ 87/
    396. waruͤm er alſo/ und wie er ſonſt/ genennet werde/   437/
    438
  • Krokodillengraͤber im Maͤhriſchen Irhofe/   241
  • Krokodilstraͤhnen/   438
  • Kuria/ eine Egiptiſche Koͤnigin/ des Merkuhrs gemahlin/ die
    der Sara ihre Magd Hagar gegeben/   386
  • Kus oder Chus, was es vor ein land bedeutet/   467

Appendix A.11 L.


  • LAbans Goͤtzenbilder/ ein kunſtſtuͤkke des Tahre/ was ſie/
    durch ihre ſchoͤnheit/ gewuͤrket/ 7. Die Ebreer nennen
    ſie Terafim: und ob ſie mit den Serapen der Egipter einer-
    lei geweſen/   391/ 392

Lablab/
[[542]]Blatweiſer.
  • Lablab/ ein baum in Afriken/   489
  • Lea/ des Jakobs Ehfrau/ worinnen ſie von ihrem Geſchlechte
    abgeahrtet/   7/ 391
  • Lebensunterſuchungen zu Joſefs zeiten/   515
  • Leichen/ waruͤm ſie vom balſem einkruͤmpfen/   524
  • Leichenbalſemen der Egipter/ 306/ 523/ 524: der Guinaler/
    525. Ob man ſaltz darzu genommen; und wan es aufgehoͤret/
      525
  • Leichengepraͤnge auf papiernen rollen entworffen/   138/ 139
  • Leichenſchmuk der Egipter/   236/ 237
  • Luna, ſcheinet aus Lucina zuſammengezogen/   368
  • Lunus vor Luna,  368
  • Luſitanien/ woher es alſo genennet/   359/ 512
  • Luſus und Luſa/ waruͤm man ſie dem Bachus zu gefaͤhrten gege-
    ben/   359

Appendix A.12 M.


  • MAdrigal, oder Schattenlied/   506/ 507/ 508/ 509
  • Majus, waruͤm er alſo genennet worden/   348
  • Mandeln machen das Nielwaſſer klahr und trinkbar/ und wider-
    ſtehen der trunkenheit/   359
  • Maͤhriſcher Irhof wird beſchrieben/   240/ 241/ 506
  • Maſor iſt ſo viel/ als Egipten/   366/ 367
  • Matarea/ ein ort/ dahin Maria/ mit dem Heilkinde/ vor dem
    Herodes geflohen/   227/ 497
  • Matrizen/ ein baſtartdeutſches wort der Schriftgieſſer/   513
  • Meimohnd/ waruͤm er auch Roſenmohnd heiſſet/   347
  • Melohnen/ ihre dreierlei ahrten/ und nahmen bei den Egiptern/
      449
  • Melohnentrank der Egipter/   449
  • Memfis/ eine Egiptiſche ſtadt/ 1/ 350. Was ſie ſonſten vor nah-
    men gefuͤhret/ und wer ſie gebauet/ 350/ 351/ 352. Ob alhier
    der Koͤnig hof gehalten/ als Joſef in Egipten angelanget/
      353
  • Men/ oder Menes/ des Mizraims eigener nahme/   366
  • Menelaus der koͤnig von Troja ſtiftet ſeinem Schifshauptmanne
    Kanopus ein Goͤtzenhaus/   380
  • Mems/ ein Egiptiſcher koͤnig/ ward von ſeinen untertahnen/ weil
    er ſo fet war/ uͤberaus gehaſſet/   381
  • Minerve/ wie ſie die Egipter genennet/   395
  • Mitres/ eines Abgottes nahme/ woher er entſproſſen/   363

Miz-
[[543]]Blatweiſer.
  • Mizraim/ Hams ſohn/ der ſtadt Memfis ſtifter/ und uhrhoͤber
    des Egiptiſchen Koͤnigreichs nach der ſuͤndfluht/ wie er ſonſten
    geheiſſen/   202/ 350/ 351/ 355/ 366.
  • Mizraim ſcheinet mehr eines Volkes/ als Mannes/ nahme zu
    ſein/   366
  • Moloch war ſo viel/ als Mars/   376
  • Momft/ ein Egiptiſcher Abgott/ 2/ 381. Des wortes bedeu-
    tung/   350/ 382.
  • Mohn ward bei den Egiptern als eine Gottheit geehret/ 368:
    unter welcher ſie alle andere Weibliche Gottheiten verſtunden/
      369
  • Moſchkraut/   225/ 482
  • Moſes war in der Egipter weisheit unterwieſen/   211/ 489
  • Muſenbaum/   488

Appendix A.13 N.


  • NAchtigal/ was es eigendlich heiſſet/   511
  • Naftall/ waruͤm ihn Jakob einem Hirſche verglichen/   329
  • Nefrem Tomeſtor/ ein Egiptiſcher koͤnig zu Joſefs zeiten/ 395.
    Die uhrſache ſeines todes/   295
  • Nefte/ der Iſis ſchweſter/ beſaß/ nach der Egipter wahne/ die
    unterſte helfte der Erdkugel/ 379: und ihr ſohn/ Anubis/ den
    Kreusendiger/   380
  • Niel/ wan/ und wie er in Egipten zu wachſen anfaͤnget/ 35/ 349/
    415/ 416/ 417. Wie er von den Mohren genennet wird; und
    waruͤm ihn die Siener den Niel geheiſſen/ 357. Waruͤm ihn die
    Goͤtzenochſen nicht trinken durften; und die Prieſter nur ſpaar-
    ſam/ 381. Seine unterſchiedliche hoͤhe bringt unterſchiedli-
    che fruchtbarkeit/ 35/ 36/ 417. Wan er auf das hoͤchſte ge-
    ſtiegen/ und wie lange er faͤllet/ 36/ 417. Woher er ſeinen
    uhrſprung habe; und wie er ſo jaͤhligen/ und in der duͤrreſten
    zeit ſo hoch geſchwaͤngert werde/ 37/ 38/ 40/ 417/ 418/ 419/
    420. Waruͤm er mit recht Vater zu nennen/ 342. Seine
    fruchtbarkeit/ 531. Ward goͤttlich geehret/ 418: und als ein
    geſchenk großen Herꝛn zugeſchikt/ 342/ 532. Waruͤm er itzt
    das land ſpaͤhter und ſo hoch nicht uͤberſchwaͤm̃et/ 416. War-
    uͤm man ihm drei waſſerkruͤge zugeeignet/ 419 ſeine ehren-
    nahmen/ und geſtalt/   420/ 421/
  • Nielmaß wird beſchrieben/   520
  • Nikolaa/ die koͤnigin von Saba/ die den Salomon beſuchet/ wie
    ſie ſonſt genennet wird/   445

Nimrod
[[544]]Blatweiſer.
  • Nimrod/ des Ninus vater/ waruͤm er Bachus/ oder vielmehr
    Barchus genennet worden/   358
  • Nit oder Neit heiſſet bei den Egiptern ſo viel/ als Pallas/
    oder Minerve/   395
  • Nitokris heiſſet eine ſieghafte Minerve/   395/ 396
  • Nubien/ ein land bei dem Niele/   403

Appendix A.14 O.


  • OMfis/ des Bachus zunahme/ was er bedeutet/   362
  • Omft/ ein Egiptiſcher Abgott/   2/ 382
  • On/ eine Egiptiſche Stadt/ waruͤm ſie alſo genennet werde/ und
    was der nahme bedeutet/ 411. wie auch waruͤm ſie Heliopel/
    das iſt Sonnenſtadt/ oder Ainſemes und Betſames/ das
    iſt Haus und Auge der Sonne/ heiſſet/ 202/ 411. Ob
    ſie mit Rameſſe eine ſtadt geweſen/ 412. Hatte zwoͤlf hei-
    ligtuͤhmer der zwoͤlferlei Tiergoͤtzen der Egiptiſchen Haupt-
    manſchaften/   413
  • Opobalſamum, was es ſei/   523
  • Orus oder Horus/ ein abgott der Egipter/ den ſie auch Kemin
    nenten/ wer er geweſen/ 2/ 238/ 378/ 379: und waruͤm ſie
    ihn Harpokrates hieſſen/   379
  • Oſiris/ ein Egiptiſcher Abgott/ 1/ 349. Wer er geweſen/ und
    woher dieſer Nahme gebildet/ 355/ 356. Was die Egipter
    darunter verſtanden/ 356. Waruͤm ſie ihm einen Reichsſtab
    mit einem auge zugeeignet/ 157. Was er ſonſt vor andere nah-
    men gehabt/ 356/ 357/ 358/ 361/ 362/ 363. Seine ſinbil-
    der/ und gemaͤlde/ 364/ 365. War nur maͤnliches geſchlech-
    tes/ 368. ward durch den Habicht abgebildet/   439
  • Oſſar/ ein kraut/ wozu es guht/   458

Appendix A.15 P.


  • PAlmen- oder Dattel-reime/ werden in der Dichtkunſt vor ein
    Meiſterſtuͤk gehalten/   492
  • Papierne Leichenrollen der Egipter/   504
  • Pergament/ woher es alſo genennet ſel/   502
  • Perſer/ wie ſie ihre Koͤnige nennen/   399
  • Potifar/ was er geweſen/ und vor aͤmter bedienet/ 22/ 406/ 407.
    Zeuget im 5 jahre ſeiner ehe die Aſſenat/ 23. Fraget den Ab-
    gott/ wie er ſie erziehen ſol/ 24/ 25. Heiligt ſie dem Oſiris/
    und
    [[545]]Blatweiſer.
    und leſt ſie auf der Sonnenburg/ als in einem Kloſter/ mit
    ſieben adlichen Toͤchterlein/ welche mit ihr in einer nacht geboh-
    ren/ 27/ 28. Seine gemahlin Sefira kauft den Joſef/ und
    er ſelbſt ſetzt ihn uͤber alles das ſeinige/ 99/ 100. Wieft ihn
    endlich/ auf faͤlſchliche anklage derſelben/ ins gefaͤngnuͤs/ 143.
    Wird Ertzbiſchof zu Heliopel/ 154/ 155. Wie ihn die Ebreer
    genennet/ 203. Er erlernete vom Joſef die geheimnuͤſſe der
    goͤttlichen wahrheit/ 260/ 301. Des nahmens Potifar deu-
    tung/   409
  • Pyramis, was es bedeutet/   514

Appendix A.16 R.


  • RAhel/ Joſefs mutter/ wird ihrer ſchoͤnheit nach beſchrieben/
    5/ 6/ 388: daher auch Jakob 14 jahr uͤm ſie gedienet/
      6
  • Rameſſe/ ob es Heliopel ſei/   412
  • Rebekka/ Joſefs Großmutter/ was ſie durch ihre ſchoͤnheit ver-
    uhrſachet/   5/ 388
  • Refan war der Egiptiſche Saturn/   375/ 376
  • Rian/ ein Egiptiſcher koͤnig zu Joſefs zeiten/   304
  • Roͤhmer folgeten den Egiptern in den leicher gepraͤngen/   504
  • Roͤhmiſcher Weltherren algemeiner ehrennahme/   400
  • Roſe/ waruͤm man ſie uͤber die tiſche gehaͤngt/   480/ 481
  • Ruben ſuchet/ unter allen bruͤdern/ am allermeiſten Joſefs leben
    zu retten/ 70/ 72/ 74/ 75/ 76/ 77/ 268. hatte Jakobs ehbet-
    te beſudelt/   527
  • Rundbaum/ waruͤm er farid oder parid heiſſet/   397/ 485
  • Rundkraut/ 485/ 486/ 487. waruͤm es des Oſtris ſinbild war/
      397

Appendix A.17 S.


  • SAbeer/ waruͤm ſie die Teufel geehret/   519
  • Safe/ der Egiptiſchen koͤniglichen Fuͤrſten ſitz/   326
  • Saliche/ Potifars gemahlin/   404
  • Saltz/ ob es die leiber unverwaͤſelich mache/   525
  • Sandſee/   235
  • Santbaum/   446
  • Sara wird/ ihrer ſchoͤnheit wegen/ von zwee Koͤnigen geliebet/ 5.
    M mWie
    [[546]]Blatweiſer.
    Wie der Egiptiſche/ der ſie genommen/ geheiſſen/ 384/ 386.
    Der andere war Abimelech/ der Filiſter koͤnig/ 387. Wird
    von den Egiptern zur Goͤttin der ſchoͤnheit gemacht/   110/ 387
  • Sara oder Zahara wird Libien auf Arabiſch genennet/ und
    waruͤm/   387/ 388
  • Saturn/ ob er eben derſelbe ſei/ als Anubis/   375
  • Schafhuͤrten/ waruͤm ſie den Egiptern ein greuel geweſen/   285/
    518
  • Schagen/ waruͤm es das Reich Gottes genennet worden/   326/
    528
  • Schaͤllenbuͤgel/ was es vor ein ſeitenſpiel ſei/   468
  • Schattenlieder/   506/ 507/ 508/ 509/ 510/ 511/ 512/ 513
  • Scheidekunſt/ wie ſie Parazelſus nennet/   521
  • Schiffe vom papierſchilfe/   469/ 470
  • Schlafkraut/ opium,  454
  • Schlos der verwunderung Alexanders des großen/   404
  • Schohtenbaum/ daran die Johannesſchohten/ oder das Johan-
    nesbroht waͤchſet/   488
  • Sebeſtenbaum/   490
  • Sefira/ der Aſſenat ſtiefmuttrr/ verliebt ſich in den Joſef/ 94/ 96.
    Sie kauft ihn/ 99. Begegnet ihm mit liebesblikken/ die er in den
    wind ſchlaͤget/ 100. Ihr liſtgrif zu ihrem ziele zu kommen/ 101.
    Giebt ihre liebe was deutlicher kund/ und ſtellet ſich/ als hielte
    ſie den Joſef vor ihren Sohn/ 102/ 444. Hierauf bricht ſie
    gar heraus/ und eroͤfnet ihre rechte meinung/ 116/ 117/ 118/
    121/ 122/ 123. Auf guhte worte folgen bedreuungen/ 124/
    125: auf dieſe allerlei raͤnke/ 126/ 128/ 129/ 133/ 453/ 456.
    Sie tuht den vorſchlag/ ihren Ehherꝛn aus dem mittel zu reu-
    men/ und dan den Joſef zu ehligen/ 127. Endlich wil ſie ihn
    mit gewalt zur unzucht zwingen; er aber entfliehet/ 139/ 140/
    458/ 464. Hierauf bezuͤchtigt ſie ihn faͤlſchlich bei ihrem
    Herꝛn/ der ihn ins gefaͤngnuͤs wuͤrft/ 140/ 141/ 142/ 462.
    Ja beſtuͤrmet ihn ſelbſt im gefaͤngnuͤſſe; und ſuchet ihn mit
    gifte zu toͤdten/ 153/ 463. Daruͤber ſtuͤrbet ſie ploͤtzlich/ 154.
    Wie ſie bei andern heiſſet/   404
  • Sebulon/ der erſte ſchiffer/   433
  • Seele ſol zum ſterne werden/   439
  • Seewaͤrmuht/ der Iſis heilig/   456/ 457
  • Serapen der Egipter/ was/ und wie ſie geſtalt geweſen/ 238/ 391.
    Ob ſie mit den Terafim einerlei geſtalt gehabt/ und woher das
    wort Serapides entſproſſen/   392

Se-
[[547]]Blatweiſer.
  • Serapis/ der Egiptiſche Ochſengoͤtze/ wird beſchrieben; und
    weſſen ſinbild er ſei/   392/ 393
  • Silpa/ weſſen tochter ſie geweſen/   424
  • Simeon feindet/ unter allen bruͤdern/ den Joſef am meiſten an/
    65/ 70/ 72. Waruͤm ihm ſeine hand verdorret/ 75. Waruͤm
    Joſef eben ihn gefaͤnglich behalten/   270/ 516
  • Siner/ wie ſie ihre Beherſcher oder Oberheupter genennet/   399
  • Sirius/ der Hundeſtern/ ward von den Egiptern vor einen gott ge-
    ehret/   376/ 377
  • Siſtrum, was es vor ein ſeitenſpiel ſei/   468/ 469
  • Solon/ was er vor eine ſatzung zu Atehn eingefuͤhret/   515
  • Sonne/ die einige Gottheit des himmels/ 356. wird unter vieler-
    lei nahmen geehret/ 356/ 357/ 358/ 362. Waruͤm man ſie
    Jupiters Auge genennet/ 357: und die Sirer Achad/ 362.
    Ward in einem Ochſen geehret/ 364: deſſen bild man ſelbſt
    an den Himmel ſetzte/ 365. wie viel ſie groͤſſer iſt/ als die Er-
    de/ 390. Ihr warden alle maͤnliche Gottheiten zugeeignet/
      369
  • Sonne/ Mohn/ und Sterne/ die erſten Goͤtter/   390
  • Sonnenſoitzen/ wer ihr erſter ſtifter ſei/ 477. wo/ wan/ von wem/
    und zu welchem ende ſie erfunden worden/ 203/ 208/ 209/ 385.
    Ihre geſtalt/ ihr zeug/ und gantzer bau wird beſchrieben/ 208/
    209/ 210. wie ſie die Griechen/ Araber/ Waͤlſchen/ Hollaͤn-
    de/ und ihr erfinder ſelbſt genennet/ 477/ 478/ 479. Ob ſie
    Nahteln heiſſen koͤnnen/ 478. eine aus vier Smaragden/   477
  • Sonnenburg/ der Aſſenat zwantzigjaͤhrige wohnung/ wird be-
    ſchrieben/   224/ 225/ 226/ 227/ 413/ 414
  • Sonnenbrun/ darinnen die Mutter Gottes des Heilkindleins
    Wuͤndeln gewaſchen/   227/ 499
  • Sonnenheiligtuhm/ 412. waruͤm es rund geweſen/   413
  • Sotis/ ein Egiptiſcher abgott/   2/ 376
  • Spanien/ woher dieſer nahme komt/   359/ 512
  • Stahtsleute/ wie ſie ſollen beſchaffen ſein/   328/ 329
  • Sterndeuterei/ wie weit man darinnen gehen ſol/   149/ 150
  • Sternzeichen haben keine macht uͤber den menſchen zu herſchen/
      150
  • Storch/ ein finbild der froͤmmigkeit/   474
  • Stunde/ woher es entſprungen/   493
  • Surnag/ ein Wunderkraut des berges Atlas/   225/ 487

M m ijT. Tah-
[[548]]Blatweiſer.

Appendix A.18 T.


  • TAhre oder Aſar/ des Abrahams Vater/ ein fuͤrtreflicher
    Bildhauer/ und wiederaufrichter des verfaͤllenen Goͤtzen-
    dienſtes/ 6/ 7/ 388/ 389. Was ſeine bilder in den anſchauen-
    den gewuͤrket/ 7. Waruͤm ſein Sohn Haran eher wegge-
    ruͤkt worden/ als er; und was vor Goͤtzen gedienet/   389
  • Talma/ der Egiptiſche Koͤnig/ der im rohten Meere erſoffen/
      394
  • Tamarinden- oder Sonnen-baum/   492
  • Tanis/ eine Egiptiſche Hauptſtadt/   211/ 353/ 354/ 479
  • Tartern/ wie ſie ihre Oberherſcher nennen/   399
  • Tatura/ was es ſei/   454
  • Tautis/ der dritte Egiptiſche Koͤnig/ der die Sara behielt/ wer er
    geweſen/ 384/ 385. Abraham Zachut nennet ihn Tutis/
    und den 15 Koͤnig/   386
  • Tebe/ eine Egiptiſche ſtadt/   228/ 353/ 499/ 500
  • Terafim/ was ſie vor Goͤtzenbilder geweſen/   391
  • Teufel/ waruͤm man ſie Boksgeiſter genennet/   519
  • Tifon ein Egiptiſcher boſer Abgott/ 2/ 383. War der anfang
    alles boͤſen/ wie Oſiris alles guhten/   383
  • Tmaus/ ein Egiptiſcher koͤnig zu Joſefs zeiten/   395
  • Todtengefaͤße der kinder/   239
  • Todtes meer/ waruͤm es alſo heiſſet/   523
  • Toote/ der Aſſenat mutter/   34
  • Tot/ oder Taut/ wer er geweſen/   385
  • Trachenfel mit dem gantzen Homerus beſchrieben/   503
  • Treume aus den tagesgedanken/ werden dem nachklange der ſei-
    ten verglichen/ 162/ 464. Die aus der uͤbermaͤßigſten der 4
    feuchtigkeiten entſtehen/ bedeuten nichts/ 162. Des Koͤnigs/
    daruͤber die Egiptiſchen Traumdeuter ihr urteil faͤllen/ 161/
    162: des Joſefs/ 60/ 62/ 184: der Nitokris/ und Se-
    meſſe
    / 82/ 83: der Aſſenat/ 92: des Koͤniglichen Mund-
    ſchenkens/ und Baͤkkeret-verwalters/ 155/ 156: des Naf-
    tali
    /   329/ 330
  • Tuͤrke/ ob ihm der nahme Keiſer zukomme/   402
  • Tzar/ des Muskauers Stahtsnahme/ woher er gebildet/   402.

Appendix A.19 V.


  • VErſchwiegenheit/ ihr ſinbild/   481

Wahr-
[[549]]Blatweiſer.

Appendix A.20 W.


  • WAhrſagung aus dem Waſſer/ und Wachſe/   410/ 411
  • Waſſeruhrs erfindung/   226/ 493/ 494
  • Welt/ wan ſie erſchaffen worden/ der Egipter meinung/   418
  • Wollenbaum/   488
  • Wollenkraut/   489

Appendix A.21 Z.


  • ZAcheus/ auf was vor einen baum er geſtiegen/   498
  • Zahara/ oder Sahare/ eine Egiptiſche Abgoͤttin der
    Schoͤaheit und liebe/ wer ſie geweſen/   110/ 387
  • Zahnkraut/ deſſen geſtalt und wuͤrkung/   102/ 225/ 444
  • Zwillingsmohnd iſt der Mei/   347

[figure]
Druk-
[[550]]

Appendix B Drukfehler.


AM 4 bl. in der 6 zeile/ ſol ſtehen/ vor meinen Vater. bl. 5/
9 z. allervolkomneſte. bl. 6/ 30 z. ſeinem baume nachge-
ahrtet/ und die frucht nicht weit vom ſtamme gefallen. bl. 8.
20 z. vom ſchweermuhte. bl. 9/ 1 z. geſchenket. bl. 22/ 33 z.
bei der einen. bl. 42/ 22 z. Ihm wird er ſo wohl/ als. bl. 43/
25 z. zuruͤk. bl. 46/ 10 z. verfuͤgen. bl. 60/ 19 z. deine Garben.
bl. 70/ 20 z. den erſtgebohrnen. bl. 72/ 24 z. meiner ſicherheit.
bl. 81/ 24 z. nicht angehoͤret. bl. 83/ 11 z. bei den federn: 21 z.
feuerroht. bl. 90/ 18 z. brachte von der Aſſenat. bl. 92/ 22 z.
Hiermit verlies mich der ſchlaf. bl. 110/ 13 z. aus weiſſem
marmel. bl. 115/ in der letzten z. Aber er ſtellete ſich/ als maͤrk-
te er nichts. bl. 116/ in der letzten z. alle beide. bl. 127/ 32. z.
dem boͤſen. bl. 157/ 4 z. noch der auslegung. bl. 160/ 25 z.
daß ſie ihn denſelben. bl. 162/ 11 z. nichts anders: 28 z daß
ihn im traume gedeuchtet. bl. 136/ 19 z. Das war bei ihnen
ſo feſt. bl. 155/ 17 z. uͤber ſie heftig erzuͤrnet. bl. 164/ 31 z.
mit einem koͤſtlichen ſeidenem. bl. 166/ 20 z. aller treume dun-
kelen verſtand. bl. 170/ 7 z. Und ſolches. bl. 180/ 3 z. dan die
augen. bl. 182/ 22 z. Sachte befahl. bl. 185/ 1 z. auch ſon-
ſten bedurfte; 32 z. die der Koͤnig ihm anzutuhn. bl. 189/ 4 z.
lebe ich der hofnung. bl. 201/ 2 z. ſtreueten Palmenzweige.
bl. 208/ 25 z. uͤm das 1840. bl. 217/ 24 z. Dieſer Nordwin-
kel. bl. 225/ 3 z. fremden gewaͤchſen: 8 z. Seewaͤrmuht/ das
Efeu: 13 z. anzeigete: 29 z. Schohtenbeume/ Sebeſten- oder
Bruſtbeeren-beume: 32 z. Sonnenbeume/ Balſambeume.
bl. 231/ 13 z. aus der maße: 15 z. Und wie ſie der ſchoͤnheit/
und dem ſtande: 17 z. auch im alter: 18 z. ſo gleichmaͤßig jung/
ſchoͤn/ und. bl. 232/ 23 z. So taͤhten auch alle ſeine Gaͤſte.
bl. 236. 29 z. welche in ieder hand eine. bl. 242/ 9 z. ſie den Koͤ-
nig: 22 z. Nicht weniger trugen verlangen. bl. 248/ 9. z. Die
Schaͤfelein. bl. 250/ 16 z. ausgegeben. bl. 253/ 17 z. wider-
fahren. bl. 262/ 34 z. leibesſtrafe. bl. 268/ 29 z. das ver-
trauen. bl. 272/ 30 z. das ihr in. bl. 275/ 34 z. Fragt ihr
noch/ waruͤm? Fraget ihr noch/ woher? 35 z. Daruͤm/ und da-
her/ weil. bl. 276/ 13 z. des aͤlteſten ſakke: 15 z. kahm er auch
an des Juͤngſten ſeinen. bl. 283/ 23 z. alda gar bleiben. bl.
289/ 34 z. noch andere. bl. 303/ 9 z. zu ſo hohem verſtande.
bl. 304/ 32 z. unterworfen: 34 z. traurigkeit. bl. 324/ 18. z.
des Sohnes ſeines erſtgebohrnen. bl. 338/ 7 z. daß eben itzund
der Koͤnig. bl. 342/ 35 z. ehrennahmen zugeeignet. bl. 353.
5 z. rerſtehen ſie das eigendlich alſo genente Alkair. bl. 366/
12 z.
[[551]] 12 z. Apalejus im letzten: 23 z. Ægypti. bl. 372/ 16 z. βέκι-
ρώι [...] bl. 377/ 34 z. eigenſchaft/ beſchrieben. bl. 386/ Ju-
chaſim.
bl. 389/ [...] u. a. m.
Zudem bezeuget Zedrenus. bl. 396/ 5 z. Daher iſt der nahme
Alkair: 6 z. weil Muaſſus dieſe Stadt im zeichen. bl. 423/
33 z. im anfange. bl. 466/ bei dem Orfeus. bl. 478/ 12 z.
meſſalet. bl. 492/ 16 z. Tamarinden. bl. 349/ [...]. bl. 361
31 z. [...]. bl. 367/ 17 z. [...]. bl. 498/ [...].


Dieſes haben wir im durchblaͤttern fuͤrnehmlich angemaͤrket.
Das uͤbrige wird der guͤnſtige Leſer ſchon ſelbſt verbeſſern. Hier-
mit Gotte befohlen!


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CC-BY-4.0
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Zitationsvorschlag für diese Edition
TextGrid Repository (2025). Zesen, Philipp von. Assenat. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). https://hdl.handle.net/21.11113/4bppz.0