[][][][][][][]
VORLESUNGEN
ÜBER DIE
ALGEBRA DER LOGIK
(EXAKTE LOGIK)


ZWEITER BAND.
ERSTE ABTEILUNG.

MIT VIEL FIGUREN IM TEXTE.

Dem Begründer die Ehre, auch wenn der
Nachfolgende es besser macht.

(Arabisches Sprüchwort.)


Wage, deinen Verstand zu gebrauchen!
(Sapere aude).

Horaz.


[figure]
LEIPZIG: ,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1891.

[]
[[I]]
VORLESUNGEN
ÜBER DIE
ALGEBRA DER LOGIK
(EXAKTE LOGIK)


ZWEITER BAND.
ERSTE ABTEILUNG.

MIT VIEL FIGUREN IM TEXTE.

Dem Begründer die Ehre, auch wenn der
Nachfolgende es besser macht.

(Arabisches Sprüchwort.)


Wage, deinen Verstand zu gebrauchen!
(Sapere aude).

Horaz.


[figure]
LEIPZIG: ,
DRUCK UND VERLAG VON B. G. TEUBNER.
1891.

[[II]]
[[III]]

Vorwort.


Die noch vor der Fertigstellung des Textes zum zweiten Bande
an den Verfasser herangetretenen Direktionsgeschäfte der technischen
Hochschule haben demselben nicht gestattet, über die verhältnissmässig
geringen Lücken seines Manuskripts im Lauf des Jahres hinweg-
zukommen, und glaubt derselbe, von manchen Seiten gedrängt, die
Herausgabe der seit fünf Monaten im Druck vollendeten ersten Ab-
teilung dieses Bandes nicht länger zurückhalten zu sollen. Die zweite
(und letzte) Abteilung dürfte bald nach den Herbstferien folgen.


Karlsruhe in Baden, im Juni 1891.



[[IV]]

Der zahlreichen Rückverweisungen halber geben wir unserm zweiten Bande
auch wieder mit bei den
Inhalt des ersten Bandes.


  • Seite
  • Anzeige und Vorwort III
  • Einleitung.
  • A. Vorbetrachtungen über Charakter und Begrenzung der zu lösenden Auf-
    gabe mit Bemerkungen über Induktion, Deduktion, Widerspruch und
    folgerichtiges Denken. Denkendes Subjekt, seine Vorstellungen und die
    Dinge. (Chiffre αι1) 1
  • B. Vorbetrachtungen über Zeichen und Namen. ϰ1ο2) 38
  • C. Über Begriffe. Einteilung, Definition und Kategorieen, Pasigraphie. Logik
    des Inhaltes oder des Umfangs? Über Urteile, Schlüsse und deren Folge-
    richtigkeit. Warum Algebra der Logik. π2ξ3) 80
  • Erste Vorlesung.
  • § 1. Subsumtion 126
  • § 2. Vorläufige Betrachtungen über Darstellbarkeit der Urteile als Subsum-
    tionsurteile 141
  • § 3. Euler’s Diagramme. Identischer Kalkul mit Gebieten einer Mannig-
    faltigkeit 155
  • Zweite Vorlesung.
  • § 4. Erste Grundlagen: Prinzip I und II, Definition von Gleichheit, 0 und 1,
    nebst Folgesätzen 168
  • Dritte Vorlesung.
  • § 5. Die identische Multiplikation und Addition. Peirce’s analytische
    Definition von Produkt und Summe 191
  • § 6. Kritische Untersuchungen über die gegebene Definition 201
  • § 7. Deutung von 0, 1, a b, a + b als Gebiete nebst zugehörigen Postulaten.
    Konsistente Mannigfaltigkeit 211
  • Vierte Vorlesung.
  • § 8. Interpretation für Klassen 217
  • § 9. Fortsetzung. Konsequenzen der Adjungirung einer Nullklasse. Reine
    Mannigfaltigkeit 237
  • Fünfte Vorlesung.
  • § 10. Die nicht von Negation handelnden Sätze. Reine Gesetze, von Mul-
    tiplikation und Addition je für sich 254
  • § 11. Gemischte Gesetze, den Zusammenhang zwischen beiden Operationen
    zeigend 270
  • Sechste Vorlesung.
  • Seite
  • § 12. Nichtbeweisbarkeit der zweiten Subsumtion des Distributionsgesetzes
    und Unentbehrlichkeit eines weiteren Prinzipes. — Prinzip zur Ver-
    tretung des unbeweisbaren Satzes 282
  • Siebente Vorlesung.
  • § 13. Negation (mit Postulat) und darauf zu gründende Sätze. — Ihre Ein-
    führung für Gebiete 299
  • § 14. Der Dualismus 315
  • § 15. Kritische Vorbemerkungen zum nächsten Paragraphen: Inwiefern nega-
    tive Urteile als negativ prädizirende anzusehen und disjunktiv prädi-
    zirende Urteile von den disjunktiven zu unterscheiden sind 319
  • Achte Vorlesung.
  • § 16. Deutung der Negation für Klassen. Satz des Widerspruchs, des aus-
    geschlossenen Mittels und der doppelten Verneinung im Klassen-
    kalkul. Dichotomie. Gewöhnliche Mannigfaltigkeit 342
  • § 17. Fernere Sätze für Gebiete und Klassen. Kontraposition, etc. 352
  • Neunte Vorlesung.
  • § 18. Verschiedenartige Anwendungen: Rechtfertigungen, Studien und
    Übungsaufgaben 365
  • Zehnte Vorlesung.
  • § 19. Funktionen und deren Entwickelung 396
  • Elfte Vorlesung.
  • § 20. Spezielle und allgemeine, synthetische und analytische Propositionen:
    Relationen und Formeln 434
  • § 21. Das Auflösungsproblem bei simultanen Gleichungen und Subsumtionen.
    Das Eliminationsproblem bei solchen 446
  • § 22. Fortsetzung, auch für mehrere Unbekannte 466
  • Zwölfte Vorlesung.
  • § 23. Die inversen Operationen des Kalkuls: identische Subtraktion und
    Division als Exception und Abstraktion. Die Negation als gemein-
    samer Spezialfall beider 478
  • § 24. Symmetrisch allgemeine Lösungen 496
  • Dreizehnte Vorlesung.
  • § 25. Anwendungsbeispiele und Aufgaben 521
  • Vierzehnte Vorlesung.
  • § 26. Besprechung noch andrer Methoden zur Lösung der bisherigem Kalkul
    zugänglichen Probleme.
  • Das primitivste oder Ausmusterungsverfahren von Jevons. Lotze’s
    Kritik, und Venn’s graphische Modifikation des Verfahrens 559
  • § 27. Methoden von McColl und Peirce573
  • Anhänge.
  • Seite
  • Anhang 1. Beiläufige Studie über Multiplikation und Addition. (Zu § 6.) 595
  • Anhang 2. Exkurs über Klammern. (Zu § 10.) 599
  • Anhang 3. Ausdehnung von Begriff und Sätzen über Produkt und Summe
    von zweien auf beliebig viele Terme. (Zu § 10.) 609
  • Anhang 4. Logischer Kalkul mit „Gruppen“ — hiernächst von Funktional-
    gleichungen, mit Algorithmen und Kalkuln. (Zu § 12.) 617
  • Anhang 5. Substrat zum vorigen Anhang und Material zu dessen Belegen. 633
  • Anhang 6. Zur Gruppentheorie des identischen Kalkuls. Geometrisch-
    logisch-kombinatorische Probleme von Jevons und Clifford.
    (Zu § 12, 19 und 24.) 647
  • Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen 700
  • Namenverzeichniss zum ersten Bande. 716
  • Inhalt des zweiten Bandes.
  • (Erste Abteilung.)
  • Fünfzehnte Vorlesung.
  • § 28. Übergang zum Aussagenkalkul. Taxirung von Aussagen nach ihrer
    Gültigkeitsdauer und Klasse der Anwendungsgelegenheiten 1
  • § 29. Übersichtlichste Darstellung der bisherigen Sätze in der Zeichensprache
    des Aussagenkalkuls.
    Das Summenzeichen Σ und das Produktzeichen Π25
  • § 30. Fortsetzung über Σ, Π. Aufhören des Dualismus 35
  • Sechzehnte Vorlesung.
  • § 31. Die Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet. Inkonsistenz. 49
  • § 32. Vom Gewicht der Aussagen. Direkte Verifikation der Sätze des Aus-
    sagenkalkuls durch diesen 63
  • Siebzehnte Vorlesung.
  • § 33. Herkömmliche Einteilung der kategorischen Urteile nach Qualität
    und Quantität. Modifizirte Deutung der universalen in der exakten
    Logik und Unzulänglichkeit des früheren Kalkuls zur Darstellung der
    partikularen Urteile 85
  • § 34. Die fünf möglichen Elementarbeziehungen Gergonne’s und die vier-
    zehn Grundbeziehungen in anschaulich geometrischer Einführung 95
  • § 35. Analytische Definition dieser Beziehungen und Zurückführung der-
    selben auf einander 106
  • Achtzehnte Vorlesung.
    Seite
  • § 36. Reduktion sämtlicher Beziehungen auf den Typus der Gleichung und
    ihrer Negation (der Ungleichung) 118
  • § 37. Entwickelung der Produkte und Summen von Grundbeziehungen 124
  • § 38. Erweiterung des Beziehungskreises durch Zuzug auch der negirten
    Gebiete 131
  • § 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt und ihre Darstellung
    durch vier primitive (De Morgan’s). Die möglichen Aussagen über
    n Klassen, und Peano’s Anzahl derselben 136
  • Neunzehnte Vorlesung.
  • § 40. Umschau über die gelösten und noch zu lösende Probleme. Mitchell’s
    allgemeine Form der gegebene Urteile zusammenfassenden Gesamt-
    aussage 179
  • § 41. Das Eliminationsproblem gelöst für ein paar typische Spezialfalle,
    dann allgemein (aus dem Rohen). Bemerkung das Auflösungsproblem
    betreffend 199
  • Zwanzigste Vorlesung.
  • § 42. Die Syllogismen der Alten. Traditionelle Übersicht derselben 217
  • § 43. Miss Ladd’s rechnerische Behandlung der fünfzehn giltigen Modi.
    Beispiele 228
  • § 44. Die inkorrekten Syllogismen der Alten und ihre Richtigstellung in
    der exakten Logik. Über Subalternation und Konversion. Zusammen-
    gesetzte Schlüsse 239
  • Einundzwanzigste Vorlesung.
  • § 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls im Kontrast mit dem Gebiete-
    kalkul. Dilemma, Modus ponens und tollens, disjunktiver Schluss.
    Formeln gemischter Natur 256
  • § 46. Diverse Anwendungen, Studien und Aufgaben, darunter: Wesen des
    indirekten Beweises, Hauber’s Satz, Mitchell’s Nebelbilderproblem,
    nochmals McColl’s Methode, etc. 277
  • Zweiundzwanzigste Vorlesung.
  • § 47. Definitionen des Individuums, Punktes, und ihre Zurückführung auf
    einander. Auf Individuen bezügliche Sätze. Duales Gegenstück zum
    Individuum 318
  • Dreiundzwanzigste Vorlesung.
  • § 48. Erweiterte Syllogistik 350
  • § 49. Studien über die „Klausel“ und noch ungelöste Probleme des Kalkuls. 371
  • (Zweite Abteilung.)
  • Vierundzwanzigste Vorlesung.
  • § 50. Über Logik der Beziehungen überhaupt. Anläufe und Theorieen von De
    Morgan
    und Peirce.
  • Fünfundzwanzigste Vorlesung.
  • § 51. Besondere Beziehungen. — Beziehung der eindeutigen Zuordnung und Ab-
    bildung mit Dedekind’s Theorie der Ketten zur streng logischen Be-
    gründung des Anzahl-Begriffes der Arithmetik und des Schlusses der voll-
    ständigen Induktion.
  • Sechsundzwanzigste Vorlesung.
  • § 52. Das Inversionsproblem der Funktions- und Knüpfungslehre.
  • § 53. Macfarlane’s rechnerische Behandlung der Probleme menschlicher Ver-
    wandtschaft.
  • Siebenundzwanzigste Vorlesung.
  • § 54. Über die Modalität der Urteile. Rückblick und Schlussbetrachtung.
  • Anhänge.
  • Anhang 7. McColl’s Anwendung des Aussagenkalkuls zur Ermittelung der
    neuen Grenzen mehrfacher Integrale bei Abänderung der Integrationsfolge.
  • Anhang 8. Kempe’s Zusammenhang des identischen Kalkuls mit der geo-
    metria situs.
  • Literaturverzeichniss nebst Bemerkungen.
  • Namenverzeichniss zum zweiten Bande.
  • Alphabetisches Sachregister.

Fernere Berichtigungen und Nachträge zum
ersten Bande.


  • Zu Seite I (Titelblatt).
    Es wird der Aufmerksamkeit des geehrten Lesers nicht entgangen
    sein, dass (anstatt … Und rings ist frische, grüne Weide) der Schluss
    des zweiten Motto’s lauten sollte:
    Von einem bösen Geist im Kreis herum geführt,
    Und rings umher liegt schöne grüne Weide.
    Die durch Zufallstücke herbeigeführte bedauerliche Entstellung des
    Citats konnte bei der Auflage mittelst Kartons und neuer Decken nur
    zum grössern Teile wieder gut gemacht werden.
  • Seite VI, Zeile 4 von oben ist zu bemerken, dass „das Vierteljahrhundert“ rhe-
    torisch, oder auch als eine nach den Regeln der Arithmetik bezüglich
    approximativer Zahlen abgerundete Zeitangabe aufzufassen ist: es sind
    nicht ganz, jedoch beinahe, anderthalb Vierteljahrhunderte seit Er-
    scheinen von Boole’s Laws of thought (1854) verstrichen gewesen.
    Vergl. die Besprechung im Literarischen Centralblatt für Deutschland
    1891. No. 13.

[IX]Fernere Berichtigungen und Nachträge zum ersten Bande.
  • Seite VIII bei § 15 st. Kritische Untersuchungen l. Kritische Vorbemerkungen.
  • „ IX bei Anhang 1 st. (Zu 6) l. (Zu § 6).
  • „ 48, Zeile 19 v. o. würde das Wort „Bedeutung“ besser durch „Sinn“ ersetzt,
    sodass der Passus lautete: „Der Name soll von einem bestimmt fest-
    stehenden oder konstanten Sinne sein“. Der Ausspruch würde dadurch
    auch äusserlich in Einklang kommen mit der später (S. 69 sq.) vom
    Verfasser vollzogenen Differenziirung jener bisherigen Synonyme im
    Zusammenhang mit derjenigen von „doppelsinnig“ und „zweideutig“ etc.
    Allerdings habe ich in Bd. 1 bei verschiedenen, jedoch auseinander-
    liegenden Betrachtungen das Wort „Bedeutung“ nicht durchweg im
    gleichen Sinne gebraucht, auf dessen Mehrsinnigkeit jedoch selbst
    wiederholt (S. 50 sq., 69 sq.) aufmerksam gemacht. Die hierauf ge-
    richtete ist so ziemlich die einzige von den zahlreichen Ausstellungen
    meines Rezensenten in den Göttingischen gelehrten Anzeigen, Herrn
    Husserl1, die ich als berechtigt empfinde, und anerkenne. Sollte man
    nicht in der That den Mars, oder die Erde, etc. auch „eine Bedeutung“
    des Gemeinnamens „Planet“ nennen dürfen? Doch trifft der Vorwurf
    nicht mich, sondern den Sprachgebrauch. Sapienti sat.
  • „ 191, Überschrift des § 5, wird bezüglich der Berechtigung, die fragliche
    Definition Herrn Peirce (und nicht Herrn McColl) zuzuschreiben,
    der Rückblick im § 54, zweite Abteilung des Bandes 2 zu ver-
    gleichen sein.
  • „ 214, rechts l. Fig. 9+ st. Fig. 9×.
  • „ 280, Zeile 9 v. u. st. 18) beidemal zu lesen 17).
  • „ 284, „ 17 v. o. st. § 20 l. § 19.
  • „ 302 und 305 möchte ich als wertvoll gerne folgendes in Bd. 1 noch auf-
    genommen haben.
    Die Art, wie Herr Robert Grassmann die Eindeutigkeit der
    Negation und den Satz der doppelten Verneinung beweist, bildet eine
    Variante der l. c. uns gegebenen Beweise, welche dadurch interessant
    erscheint, dass sie von dem Hülfstheorem 29), Bd. 1, S. 299 keinen
    Gebrauch macht, desselben enträt.
    Der Zusatz 1 zu Def. (6) knüpft an die Voraussetzungen:
    30×)a a1 = 0,a + a1 = 1,30+)
    30×')a a1' = 0,a + a1' = 1,30+')
    die Behauptung:
    a1' = a1,
    und wird von R. Grassmann wie folgt bewiesen.
    Nach Th. 21×), der Voraussetzung, 30+'), Prinzip III×, der Voraus-
    setzung, 30×) und Th. 21+) haben wir:
    a1 = a1 . 1 = a1 (a + a1') = a1a + a1a1' = 0 + a1a1' = a1a1'
    und ebenso — nur 30') mit 30) vertauscht:
    a1' = a1' . 1 = a1' (a + a1) = a1' a + a1' a1 = 0 + a1' a1 = a1a1',
    also a1' = a1 kraft Th. 4), q. e. d.
    Das Th. 31)
    (a1)1 = a
    wird so bewiesen.
    Nach Th. 21×), 30+), Pr. III×, Th. 30×) und 21+) ist:
    (a1)1 = (a1)1 . 1 = (a1)1 {a + a1} = (a1)1a + (a1)1a1 = (a1)1) a + 0 = (a1)1a,
    a = a . 1 = a {a1 + (a1)1} = a a1 + a (a1)1 = 0 + a (a1)1 = (a1)1a,

    also (a1)1 = a wieder nach Th. 4), q. e. d.
    Das Hülfstheorem 29) ist gleichwol von R. Grassmann in 5 p. 13
    implicite gegeben (siehe die Ergänzung unsres Literaturverzeichnisses
    am Schlusse des vorliegenden Bandes).

[X]Fernere Berichtigungen und Nachträge zum ersten Bande.
  • Seite 352. Auch bei dem Beweis der Theoreme 36) De Morgan’s, wo wir uns
    nochmals auf das Hülfstheorem 29) beriefen, würde dieses sich entbehren
    lassen mittelst folgender Variante der Beweisführung [bei der wir uns
    auch auf das Distributionsgesetz 27) nun schon berufen dürfen] — z. B.
    links vom Mittelstriche.
    Behauptung: Th. 36×) (a b)1 = a1 + b1.
    Beweis. Nach 21×), 30+), III×, 27×), 30×) und 21+) ist:
    a1 + b1 = (a1 + b1) . 1 = (a1 + b1){(a b) + (a b)1} = (a1 + b1) a b + (a1 + b1) (a b)1 =
    = a1a b + b1a b + (a1 + b1) (a b)1 = 0 + 0 + (a1 + b1) (a b)1 = (a b)1 (a1 + b1)

    und nachdem aus dem Zusatz zu Th. 33+), Bd. 1, S. 308 erkannt
    worden, dass a1 + b1 + a b = 1 ist — indem ja die linke Seite hier
    = a1 + a b1 + a b = a1 + a (b1 + b) = a1 + a . 1 = a1 + a
    sein muss — hat man auch nach 21×), diesem Ergebniss, 27×) etc. wie
    vorhin:
    (a b)1 = (a b)1 . 1 = (a b)1{a1 + b1 + a b} = (a b)1 (a1 + b1) + (a b)1a b =
    = (a b)1 (a1 + b1) + 0 = (a b)1 (a1 + b1),

    sonach a1 + b1 = (a b)1 kraft Th. 4), q. e. d.
    Ähnlich rechts vom Mittelstriche in etwas kürzerer Darstellung
    haben wir — zunächst wegen a + b + a1b1 = 1:
    (a + b)1 = (a + b)1{a + b + a1b1} = (a + b)1a1b1,
    a1b1 = a1b1 {a + b + (a + b)1} = a1b1 (a + b)1,

    als Beweis des Theorems 36+): (a + b)1 = a1b1.
    Man sieht jedoch auch, wie durch das Vorannehmen des Hülfs-
    theorems 29) alle jene Beweisführungen (von uns) vereinfacht wurden.
    Höchst interessant ist auch noch der Beweis, welchen Herr Peirce5
    p. 37 für die Theoreme 36) gibt.
    Zu dem Ende hat man sich dessen Th. 41) ihnen vorausgeschickt
    zu denken, für welches wir ja in der That Bd. 1, S. 364 auch einen
    Beweis gegeben haben, der von den Theoremen 36) unabhängig ist und
    sich als auf den spätesten Satz nur auf das Th. 33) berief. Nach
    Peirce hat man für die bekannten Formeln De Morgan’s
    Th. 36) (a b)1 = a1 + b1(a + b)1 = a1b1
    den folgenden
    Beweis. Nach Th. 30) ist:
    (a b) (a b)1 = 01 = (a + b) + (a + b)1
    oder wegen Def. (1) und dem Assoziationsgesetze 13):
    a b (a b)1 01 a + b + (a + b)1.
    Bringt man in diesen Subsumtionen gemäss Th. 41) regelrecht
    den Faktor a (von links) nach rechts, | das Glied a (von rechts) nach links,
    so kommt:
    b (a b)1 0 + a1 = a1a1 . 1 = a1b + (a + b)1
    und wenn darnach ebenso der Term b hinübergeschafft wird:
    (a b)1a1 + b1a1b1 (a + b)1,
    womit die Theoreme zunächst einseitig als Subsumtionen bewiesen er-
    scheinen.
    Um auch die umgekehrten Subsumtionen zu beweisen, wendet
    Peirce den Schluss der Konversion durch Kontraposition — cf. Th. 37),
    Bd. 1, S. 357 — an auf die Theoreme 6)
    [XI]Fernere Berichtigungen und Nachträge zum ersten Bande.
    a ba, a bb, aa + b, ba + b,
    wonach wir haben:
    a1 (a b)1(a + b)1a1
    b1 (a b)1(a + b)1b1
    und sich nach Def. (3) diese noch ausstehenden Subsumtionen:
    a1 + b1 (a b)1(a + b)1a1b1
    ergeben, somit die Sätze Th. 36) kraft Def. (1) bewiesen wären.
    Schade nur, dass wir zum Beweis unsres soeben gebrauchten Theo-
    rems 37) selbst der Theoreme 36) bedurften — sonach hier blos ein
    circulus in demonstrando vorlag — und dass Herrn Peirce’s blos auf
    den Aussagenkalkul zugeschnittene Deduktion jener Kontrapositions-
    regel sich auf den Klassenkalkul nicht übertragen zu lassen scheint!
    Ich verhehle mir keineswegs, dass in der späten Stellung, welche
    wir dem Theorem 37) (ab) = (b1a1) ungeachtet seiner Einfach-
    heit und seines hohen Grades von unmittelbarer Evidenz in dem Systeme
    unsrer Theorie anweisen mussten, sich möglicherweise noch eine Unvoll-
    kommenheit von deren, obzwar völlig korrekten, systematischem Auf-
    baue kund gibt. Wir hatten uns genötigt gesehen, zu dessen Beweise
    uns auf die Theoreme 20), 32) und 36), die von Gleichungen handeln,
    zu berufen, wogegen es natürlicher erschiene, namentlich das ent-
    sprechende Kontrapositionstheorem 32) für Gleichungen: (a = b) = (a1 = b1)
    umgekehrt kraft Def. (1) auf dasjenige 37) für Subsumtionen zu gründen.
    Ob aber solch umgekehrter Weg auch durchaus gangbar, ob es
    möglich ist, in seinem Verfolge ohne mehr oder verwickeltere Prinzipien
    zu postuliren als die sind, mit denen wir ausgekommen, das ganze
    Gebäude in gleicher Lückenlosigkeit und Korrektheit zu errichten —
    dies zu entscheiden müssen wir künftigen Forschungen und eventuell
    begabteren oder glücklicheren Denkern überlassen.
  • Seite 356, Zeile 4 v. u. st. a l. a1.
  • „ 377. Zu Aufgabe μ) macht Herr Wilhelm Rudeck in Glatz i. Schles. die
    treffende Bemerkung, dass man, um die Gültigkeit der Subsumtion
    a c1a b1 + b c1
    auf schuellstem Wege einzusehen, blos das Prädikat derselben gemäss
    Th. ι), Bd. 1, S. 376 in b c1 + c1a + a b1 umzuschreiben braucht, wonach
    sie sich dann in der That kraft Th. 6+) unmittelbar und elegant ergibt.
  • „ 379, Zeile 3 v. u. könnte nach einer Bemerkung von Lüroth das Peirce’sche
    Theorem v)(a bc + d) (a c1b1 + d)
    aus dessen Theoremen:
    ο×) (a bc) (a c1b1) und ο+) (ab + c) (b1c + a1),
    ja schon aus einem von ihnen, z. B. dem erstern ο×), etwa wie folgt
    abgeleitet werden:
    Wenn a bc + d ist, so folgt nach jenem a (c + d)1b1 oder
    a c1d1b1 und dies, durch beiderseitiges Addiren verbunden mit der
    aus Th. 6×) ohnehin selbstverständlichen Subsumtion a c1dd gibt:
    a c1b1 + d, q. e. d.
  • „ 384 möchte ich noch als ein paar geeignete Exempel:
    a x + b x1 + a b1 + a1b = a + b, a b + b (x + a1) + a (y + b1) = a + b
    unter χ) mit eingereiht wissen.
  • „ 391, Zeile 16 v. o. oder u. st. Th. 15×) l. Th. 17×).
  • „ 542, „ 17 v. u. st. dieselbe l. diese.
  • „ 553 sq. Herr Macfarlane macht mich darauf aufmerksam, dass ich bei
    der 30. Aufgabe den Wortlaut seiner zweiten Prämisse nicht in seinem
    Sinne verstanden, anstatt der seinigen also eine etwas andere Aufgabe
    [XII]Fernere Berichtigungen und Nachträge zum ersten Bande.
    behandelt und gelöst habe. Den Grund, weshalb mir solches entgehen
    durfte, wird man in meiner Schlussbemerkung zu der Aufgabe (auf
    S. 554) angedeutet finden.
    Das Missverständniss ist aber selbst ein lehrreiches, indem es durch
    einen Doppelsinn der Konjunktion resp. Präposition „ausgenommen“,
    „ohne“ veranlasst worden, somit geeignet ist, solchen Doppelsinn zutag
    zu fördern. Nach Herrn Macfarlane’s Angabe sollten die d x1 mit
    Ausnahme der e1y1 einerlei sein mit den f. Ich verstand dies in dem
    gewöhnlichen, auch Bd. 1, S. 488 auf 489 zur Sprache gebrachten
    Sinne, wonach man sagen kann: „die Europäer ohne die Russen“, ob-
    wol die Russen nicht alle auch Europäer sind, und folglich von diesen
    stricte nicht ausgenommen werden können. Herr Macfarlane wollte
    aber zugleich damit gesagt haben, dass die e1y1 auch wirklich von den
    d x1 ausnehmbar, in diesen also enthalten sein sollten; als zweite Prä-
    misse beabsichtigte er die Gleichung d x1e1y1 = f, zufolgedessen
    also zu unserm Ansatze: d x1 (e + y) = f noch die Valenzbedingung
    jener linkseitigen Differenz in Gestalt von e1y1d x1 hinzuzutreten hat.
    Dies bewirkt nun blos den Hinzutritt des Gliedes (d1 + x) e1y1 zum
    Polynom unsrer vereinigten Gleichung, S. 553, Z. 2 v. u. und hat —
    abgesehen vom Hinzukommen hie und da eines Terms auch bei den
    Zwischenrechnungen — blos die Folge, dass sich unsre Endergebnisse
    für die Elimination und Berechnung von x und y wie folgt modifiziren.
    Zum Polynom der auf 0 gebrachten Resultante kommt nunmehr der
    Term b1c1d1e1, zum Systeme der resultirenden Relationen also noch
    diese: 1 b + c + d + e hinzu; ebenso kommt zu dem von uns ge-
    gebnen Major (Prädikat) von x der Faktor b + c + e hinzu, sodass der-
    selbe in {a1 (b + c) + c} f1 übergeht; und endlich ist zum Minor (Sub-
    jekt) von y das Glied e1c als weiterer Summand hinzuzufügen.
    Damit besitzt der Leser nun zwei Übungsaufgaben, statt einer.
    Die in meiner Schlussbemerkung enthaltene Kritik des von Herrn
    Macfarlane zur Lösung angewendeten Verfahrens aber bleibt auch
    für die modifizirte Aufgabe leider in vollem Umfange bestehen.
  • Seite 579, Zeile 7 v. u. st. a1c1 = l. a1c1.
  • „ 582, „ 20 v. o. st. m p l. m × p.
  • „ 589, zum zweiten Absatze (gleichwie schon zu S. 559) ist anzuführen, dass
    die vom Verfasser abgegebenen Urteile über MacColl’s „Methode(n)“
    in Bd. 2, S. 305 noch eine wesentliche Modifikation erfahren (vergl.
    demnächst auch den Rückblick im § 54).
  • „ 601, Zeile 1 v. o. st. § 24 l. § 23.
  • „ 629, „ 13 v. u. st. Operationen l. Operation.
  • „ 642, „ 14 v. o. st. E1 = 0 l. E1 0.
  • „ 664, „ 14 v. o. st. 1 l. 1.
  • „ 671 ist es zu meinem grössten Bedauern nicht angeführt, dass die von
    Jevons noch mangelhaft vollzogene Aufstellung der Typen der mög-
    lichen universalen Aussagen über drei Klassen oder Begriffe, welche
    ich l. c. verbessert abgeleitet, zuvor und erstmals richtig — wenn auch
    ohne Herleitung — von Miss Ladd (Frau Franklin) in 1 gegeben
    war (p. 67 und 68). Ein Fehler im Texte auf p. 67, wo die Anzahl
    als twenty-six (statt twenty-two) angegeben erscheint, hatte mich ver-
    leitet, die Darlegung der begabten Verfasserin nicht, wie sie es ver-
    diente, genauer anzusehen. Nachdem ich jedoch bei abermaliger Revi-
    sion nach dem Erscheinen meines Bd. 1 der Priorität jener Forscherin
    inne geworden, hatte ich mich beeilt, dieselbe in einer Note 11 in
    Bd. 36 der Mathematischen Annalen unter Darlegung des Sachverhaltes
    anzuerkennen, und ist es mir tröstlich, auch hier für dieselbe eintreten
    zu können.
  • „ 680, Zeile 12 v. u. streiche das Wort: simultanen.
  • „ 685, „ 13 v. u. st. a1 + c1 l. b1 + c1.
  • „ 686, „ 14. v. u. st. E l. A und E.
  • „ 703, „ 14 v. o. sind die Worte „nun verstorbenen“ zu streichen. Einer
    [XIII]Fernere Berichtigungen und Nachträge zum ersten Bande.
    irreführenden Nachricht zufolge ist der Autor Dr. Ludwig Dieffen-
    bach
    , welcher munter im Kreise seiner Familie als Kreisgerichtsrat
    zu Lich im Grossherzogtum Hessen lebt, in Bd. 1 von uns todtgesagt
    worden, und gereicht es uns zu besondrer Freude, denselben wieder
    lebend melden zu können.
  • Seite 703, Zeile 6 v. u. st. quelque(s) l. divers.
  • „ 710, „ 1 v. u. st. incapities l. incapacities.
  • „ 711 wären auch Arbeiten von Poretzki (russisch) unserm Literatur-
    verzeichnisse einzureihen. Dies wird am Schluss der zweiten Abteilung
    unsres Bd. 2 geschehen und auch in § 54 auf solche eingegangen werden.

[]

Berichtigungen zum zweiten Bande.


  • Seite 95, Titel des § 34. Die fünf auf Gergonne zurückgeführten Sphären-
    verhältnisse („Elementarbeziehungen“) werden von Herrn Husserl1, 2
    als bekanntlich Euler zukommende bezeichnet. Ob dies berechtigt,
    konnte Verf. noch nicht entscheiden, da die ihm zugängliche Kries’sche
    Übersetzung von Euler’s Lettres gerade die Briefe über philosophische
    Gegenstände nicht enthält. Indessen hoffe ich, die Frage vor Abschluss
    des Bd. 2 zum Austrag zu bringen.
  • „ 227 unten hatte ich übersehen, dass Herr Peirce5, p. 28 Fussnote, ein
    gleiches schon vor Miss Ladd statuirte.
  • „ 205 ‥ 216. Der besonders wichtige Unterfall des Haupttheorems τ) im
    § 41, der sich ergibt, indem man dort (Bd. 2, S. 209) die sämtlichen
    Glieder mit x1 fortlässt, m. a. W. b = q = s = … = 0 nimmt (oder
    aber umgekehrt alle mit x behafteten Glieder unterdrückt, d. h.
    a = p = r = … = 0 denkt) gebührt Miss Ladd (Frau Franklin) 1,
    p. 45 und 46. Über diese in § 41 noch von mir übersehene Priorität
    wolle man demnächst auch den Rückblick im § 54 in der zweiten Ab-
    teilung des gegenwärtigen Bandes zu Rate ziehen.
[]

VORLESUNGEN
ÜBER DIE
ALGEBRA DER LOGIK


(EXAKTE LOGIK).


[][[1]]

Fünfzehnte Vorlesung.


§ 28. Übergang zum Aussagenkalkul. Taxirung von Aussagen nach
ihrer Gültigkeitsdauer und Klasse der Anwendungsgelegenheiten.


Die bisherigen Betrachtungen des Gebiete- und Klassenkalkuls
haben wir jeweils durch ein flächenförmiges, ein zweidimensionales
Substrat illustrirt. Dass dieser Umstand nebensächlich ist, wurde in-
dess schon in § 3 hervorgehoben; wir durften ebensogut eine höhere
oder auch eine niedrere Mannigfaltigkeit wählen.


Ohnehin hat die Veranschaulichung kein wesentliches Moment bei dem
Aufbau unsrer Disziplin gebildet. Wir haben deren Prinzipien einfach
axiomatisch hingestellt, und gingen dann streng analytisch zuwerke; bei
den auf diese Prinzipien gegründeten Schlüssen und Beweisen liess es sich
durchweg vermeiden, dass jemals an die Anschauung appellirt werden
musste. Ob — wie F. A. Lange meint — solche Anschaulichkeit bei den
ersten Prinzipien wenigstens erforderlich war, um das Gefühl der Evidenz
hervorzurufen, überliessen wir der Psychologie, zu entscheiden.


Veranschaulichungsmittel wurden von uns nur nebenher, aus didak-
tischen Gründen herbeigezogen, und in dieser Weise werden wir auch
fortfahren uns zu verhalten.


Wenn es (demnach) auch nach wie vor theoretisch unwesentlich
bleibt, so wird es doch in erzieherischer Hinsicht von Wichtigkeit —
um zu einer richtigen Auffassung des Folgenden erleichternd vorzu-
bereiten — dass wir die Aufmerksamkeit nunmehr auf eine Mannig-
faltigkeit von einer Dimension, auf eine „lineare“ Mannigfaltigkeit kon-
zentriren, die Deutung der Sätze des Gebietekalkuls in einer solchen
einüben.


Verstehen wir namentlich unter der identischen 1 die Mannig-
faltigkeit der Punkte einer nach beiden Seiten unbegrenzten geraden Linie
,
so gelten wiederum alle bisherigen Sätze.


Unter a, b, ‥ werden wir jetzt irgendwelche Punktgebiete dieser
Geraden zu verstehen haben.


Ein solches Gebiet wird im allgemeinen sein ein System von inner-
halb dieser Geraden liegenden von einander getrennten Strecken nebst
Schröder, Algebra der Logik. II. 1
[2]Fünfzehnte Vorlesung.
irgend welchen dazwischen oder ausserhalb dieser Strecken auf der Geraden
befindlichen isolirten Punkten. Unter Umständen kann auch ein nach der
einen Seite unbegrenzter Strahl, einer der beiden „Endstrahlen“ der Geraden
(von beliebigem Punkte an gerechnet) zu dem Gebiete gehören, oder auch
zwei solche Endstrahlen (die dann nicht übereinandergreifen sollen) aus
zwei verschiedenen Anfangspunkten nach rechts und links in’s Unendliche
gehend.


Auch für jeden einzelnen Anfangs- oder Endpunkt einer zu dem
Gebiet gehörigen Strecke resp. eines Endstrahles ist es als ausgemacht
vorauszusetzen, ob er zu dem Gebiet gerechnet werden solle oder nicht;
man kann z. B. sämtliche begrenzenden Punkte in das Gebiet einschliessen
oder aber, sie alle ausschliessen. [In Gestalt der reellen Zahlen verfügt
die Mathematik über die Mittel, wenn zwei Punkte der Geraden als bekannt
vorausgesetzt werden, die dann etwa mit der arithmetischen 0 und 1
benannt werden mögen, jeden dritten Punkt der Geraden vollkommen zu
bestimmen, seine Lage so unzweideutig zu beschreiben, dass er auch mit
ihm noch so nahe stehenden Punkten unmöglich verwechselt werden kann.]


Die isolirten Punkte können auch in der Nähe gewisser Stellen, ja
sogar längs gewisser Strecken, sich unendlich dicht häufen ohne doch da-
selbst ein stetig zusammenhängendes Gebiet auszufüllen; ebenso lassen sich
aus einer Strecke vereinzelte Punkte fortlassen, als nicht zu dem Gebiet
gehörig hinstellen, das im übrigen die Strecke enthalten soll, u. s. w. Es
muss der „Mannigfaltigkeitslehre“ überlassen bleiben, alle hier denkbaren
Möglichkeiten vollständig aufzuzählen und sie zu klassifiziren.


Die identische Eins bedeutet hier, wie schon gesagt, die ganze
unbegrenzte Gerade als das umfassendste der in ihr enthaltenen Punkt-
gebiete. Das Nullgebiet — hier schlechtweg als identische Null mit
0 zu bezeichnen — ist nicht etwa ein Punkt, sondern es enthält keinen
Punkt der Geraden, und da es ein Punktgebiet der Geraden sein soll,
so ist es ein leeres Gebiet, hat zur Bedeutung: „nichts“.


Es mag uns die Figur:

[figure]
Figure 1. Fig. 1.


ein Gebiet der geschilderten Art veranschaulichen in der als Horizontale
verlaufenden Geraden. Die Pfeilspitze rechts soll andeuten, dass der letzte
Strich als „Endstrahl“ unbegrenzt nach rechts fortzusetzen sei; wo die
Striche stumpf endigen, soll der Endpunkt der durch sie markirten Strecke
dem Gebiete eingerechnet sein, wo sie spitz auslaufen, ihm abgerechnet
werden; das Gebiet enthält vierzehn isolirte Punkte (die Mittelpunkte der
sie hier markirenden Tupfen), auch soll in der zweiten Strecke (von links)
ein isolirter Punkt (nur die Mitte der Lücke) fehlen.


Gleichwie früher für die Flächen meistens Kreise genommen wurden,
so soll aber jetzt zur Veranschaulichung eines Gebietes der Einfachheit
wegen vorzugsweise eine einfach zusammenhängende Strecke gewählt werden
(wo nicht anders bemerkt, mit Einschluss von deren Endpunkten).


[3]§ 28. Übergang zum Aussagenkalkul.

Eine Subsumtion ab wird dann zu veranschaulichen sein durch
die Alternative zwischen den beiden Figuren:

[figure]
Figure 2. Fig. 2.


[figure]
Figure 3. Fig. 3.


Und wenn zwei Strecken a, b einen Teil gemein haben, wie in Fig. 4,
so wird sich deren identisches Produkt a b als ebendieser gemeinsame
Teil darstellen, und ihre identische Summe a + b als die Strecke zu
welcher beide miteinander verwachsen, zusammenfliessen, so wie es
die genannte Figur versinnlicht.


[figure]
Figure 4. Fig. 4.

[figure]
Figure 5. Fig. 5.

Haben aber, wie in Fig. 5, die beiden Strecken keinen Teil (auch
nicht einen Endpunkt) gemein, so ist ihr Produkt a b = 0, mithin
einer wirklichen Veranschaulichung überhaupt nicht fähig, weshalb
wir dies Produkt auch nicht in die Figur eingetragen haben; ihre
identische Summe a + b ist dann ein Gebiet, ausschliesslich bestehend
aus den beiden getrennten Strecken als Teilen. (Hätten die Strecken
a, b nur einen Endpunkt gemein, so würde in diesen als einen iso-
lirten Punkt, das Gebiet a b sich zusammenziehen.)


Die Negation a1 einer Strecke a bedeutet endlich die ganze
„Aussenstrecke“, ohne die Endpunkte, von jener — bestehend aus den
beiden durch die Strecke a getrennten nach links und rechts von
ihren Begrenzungspunkten in’s Unendliche gehenden Endstrahlen unsrer
Geraden 1, was die Figur veranschaulicht:

[figure]
Figure 6. Fig. 6.


Umgekehrt ist die „Innenstrecke“ a auch die Negation dieses a1.


Von der Betrachtung unsrer Geraden, als einer räumlichen ein-
dimensionalen Mannigfaltigkeit, können wir übergehen zu derjenigen
einer andern — gleich ihr unbegrenzten — Mannigfaltigkeit von
einer Dimension, welche nicht räumlich ist. Eine solche ist die Zeit.


Den Punkten der Geraden lassen sich geradezu die Elemente der
Zeit
ein-eindeutigzuordnen, d. h. gegenseitig eindeutig, m. a. W. so zu-
ordnen, dass einem jeden Punkt (oder Element) der Geraden ein be-
stimmtes Zeitelement, ein bestimmter Moment oder Augenblick aus-
1*
[4]Fünfzehnte Vorlesung.
schliesslich entspricht, und umgekehrt auch jedem Zeitmomente je ein
bestimmter Punkt der Geraden. Zu dem Ende braucht man sich nur
die Gerade etwa von einem sich „gleichförmig“ bewegenden Punkte
— z. B. von links nach rechts hin durchlaufen zu denken.


Den Punkt mit konstanter, mit in der Zeit sich gleich bleibender,
unveränderlicher Geschwindigkeit sich bewegen zu lassen, also dass er in
gleichen Zeitabschnitten auch immer unter sich gleiche Wegestrecken be-
schreibt, ist nicht wesentlich für unsre Betrachtung, es ist dies nur die
nächstliegende aber auch die einfachste und bequemste der zur Verfügung
stehenden Vorstellungsweisen. Genügen würde schon die Annahme, dass
unser Punkt in einer irgendwie bestimmten Weise nur überhaupt die ganze
Gerade durchlaufe, ohne aber jemals stille zu stehen oder gar um-
zukehren, rückläufig zu werden, also in einem bestimmten Sinne, in der
gleichen Richtung stetsfort sich bewegend — so etwa, dass er jeden rechts
von der Stelle, wo er sich soeben befindet in endlicher Entfernung liegenden
Punkt auch in endlicher Zeit erreichen wird, und ebenso auch jede angeb-
bare zur linken von jener befindliche Stelle vor endlicher Zeit passirt
haben muss.


Der Ort auf der Geraden, wo der Punkt sich eben befindet ent-
spricht alsdann dem gegenwärtigen Augenblick, jede links davon be-
findliche Stelle einem bestimmten Moment der Vergangenheit, und jede
zur Rechten einem solchen der Zukunft — und umgekehrt. Man kann
irgend einen Punkt auf der Geraden betrachten als den Träger, das
Bild desjenigen Augenblicks, in welchem der sich bewegende Punkt
durch ihn hindurchging, -geht oder -gehen wird, und mit irgend
einem Zeitmoment in der Vergangenheit, als Gegenwart, oder in der
Zukunft, ist auch zugleich ein Punkt der Geraden gegeben als der-
jenige Ort, an welchem der sich bewegende Punkt sich in ihm befindet.
Es ist bezeichnend für die Berechtigung und Landläufigkeit dieser Zu-
ordnungsweise, dass die Sprache geradezu von „Zeitpunkten“ redet.


Wenn es nicht von vornherein als selbstverständlich erschiene,
so müsste es auf diesem Wege einleuchten und wird es obendrein
dadurch anschaulich, wie der identische Kalkul mit allen seinen
Gesetzen auch auf Gebiete von Zeitpunkten anwendbar ist.


Zur Versinnlichung etwaiger auf solche bezüglichen Betrachtungen
mittelst Figuren werden wir natürlich nur zu dem erwähnten Bilde,
zu der Geraden, unsre Zuflucht nehmen.


Die Eins bedeutet uns aber jetzt die ganze Mannigfaltigkeit der
Zeitpunkte, „die ganze Zeit“, welche sich zusammensetzt aus der nach
rückwärts unbegrenzten Vergangenheit, der Gegenwart und der nach
vorwärts unbegrenzten Zukunft, und mit einem Worte auch Ewigkeit
genannt werden mag.


[5]§ 28. Übergang zum Aussagenkalkul.

Zu ihrer bessern Unterscheidung von der bisherigen, eine räum-
liche Mannigfaltigkeit darstellenden oder auch im Klassenkalkul ver-
wendeten (und auch noch fernerhin in dieser Weise zu verwendenden)
1, möge die Eins, als Symbol der Ewigkeit gedeutet, mit einem Tupfen
versehen, die Ewigkeit durch das Zeichen 1߭ hinfort dargestellt werden.


Von einer Aussage, welche für diese ganze Zeit wahr zu sein be-
ansprucht, wird zu sagen sein, sie gelte „immer“, „stets“, und kann also
die „Gültigkeitsdauer“ einer solchen Aussage durch 1߭ ausgedrücktwerden.


Der identischen Null aber wird jetzt eine Zeitbestimmung ent-
sprechen, welche die Sprache mit dem Adverbium „nie“, „niemals
wiedergibt. Zur Unterscheidung von der 0 des Klassenkalkuls oder
auch des Kalkuls mit Gebieten überhaupt könnte man diese Null in
der Mannigfaltigkeit der Zeitpunkte ebenfalls mit einem Tupfen ver-
sehen, sie mit 0̇ darstellend; indessen erscheint es mir unbedenklich,
dies Unterscheidungsmerkmal wegzulassen: die gedachte Klasse, das
Gebiet ist hier wie dort ein leeres.


Einer Aussage die „Gültigkeitsdauer“ 0 zuschreiben heisst nun
also, dieselbe für eine jederzeit ungültige, für eine niemals — auch
nicht einen Augenblick — gültige erklären.


Ein ganz beliebiges Gebiet von Zeitpunkten bestehend vielleicht
aus mehreren getrennten Zeiträumen oder auch vereinzelten Augen-
blicken, so wie es z. B. die Fig. 1 veranschaulichen würde, könnten
wir jetzt kurz ein „Zeitgebiet“ nennen. Dafür werden wir aber
manchmal auch den Namen „(Zeit-)Dauer“ oder „Zeitraum“ selbst
gebrauchen, auch wenn das Gebiet (wie in dem angeführten Beispiele)
aus getrennten Zeitabschnitten, Perioden oder Epochen, eventuell nur
isolirten Zeitpunkten zusammengesetzt sein sollte. Namentlich werden
wir in diesem weiteren Sinne — da „Gültigkeitszeitgebiet“ unbehülf-
lich erscheint — „Gültigkeitsgebiet“ aber noch einen andern Sinn
liefert, Nebenbedeutungen hätte, von der „Gültigkeitsdauer“ einer Aus-
sage nunmehr zu sprechen haben [ohne jedoch im geringsten die Vor-
stellung von einer metrischen Beziehung mit diesem Wort zu verknüpfen].


Unstreitig haben schon alle bisherigen Betrachtungen ein „zeit-
liches
Moment“ enthalten, wenn dieses auch psychologisch sehr in den
Hintergrund des subjektiven Bewusstseins trat; sie waren in gewisser
Weise doch mit dem Zeitbegriff verwoben.


So wurden namentlich oft Voraussetzungen als gleichzeitig anzu-
nehmende hingestellt. Z. B. „Wenn ab und zugleich ba ist,
werde a = b geschrieben“ — so lautete die Definition (1) der Gleich-
[6]Fünfzehnte Vorlesung.
heit; „Wenn (gleichzeitig) ab und bc ist, so ist ac (und
muss es sein)“ — das Prinzip II.


Wenn ca und cb, so forderte ca b zu schreiben die
Def. (3×), und auch hier liegt schon in der Konjunktion „und“ die
Forderung der gleichzeitigen Adoptirung der Prämissen. Etc.


Zudem ist zu bemerken, dass unsre Überlegungen sich häufig
bewegten in der Form von „hypothetischen“ Urteilen, die mit den Kon-
junktionen „Wenn …, so …“ zwei Aussagen verknüpfen. Die Par-
tikel „wenn“ ist aber etymologisch und historisch sehr nahe verwandt
mit der Zeitpartikel „wann“. Man kann sie in den angeführten Bei-
spielen (sowie überhaupt) geradezu durch letztere ersetzen, ohne dass
dabei die Tragweite der Urteile, ihr logischer Gehalt, irgend eine
Änderung erlitte. Wohl aber wird allerdings der lebendige psycho-
logische Gehalt der Sätze dabei eine Modifikation erleiden, indem eben
dadurch jenes versteckt gewesene zeitliche Moment mehr in den Vorder-
grund des Bewusstseins geschoben wird — vielleicht auch auf Kosten
des „apodiktischen“ Charakters jener Sätze: was vorher lebhaft als
eine Denknotwendigkeit empfunden wurde, wird, falls wir „wann“ statt
„wenn“ sagen, nur mehr „assertorisch“ als ein Erlebniss, eine That-
sache der Wahrnehmung registrirt (bei II z. B.).


Endlich beanspruchten ja alle unsre Theoreme, stets gültig zu
sein. Es ist immer a ba nach Th. 6×). Und so weiter.


Im übrigen blieb das Bewusstsein ihrer Zeitlichkeit bei den Aus-
sagen wol latent, verschwommen; es schlummerte die Aufmerksam-
keit auf dieses Merkmal.


Wollen wir uns aber zu einer exakten Theorie der Urteile (wie
sie der Aussagenkalkul darstellen wird) nunmehr erheben, so erscheint
es geboten, auf jenes „zeitliche Moment“ sorgfältigst zu achten und
mit jeder Aussage die Vorstellung einer bestimmten Gültigkeitsdauer
derselben (oder eines nachher zu erwähnenden Surrogates, wonicht
Äquivalentes, für diesen Begriff) zu verknüpfen.


Irgend welche Aussagen — seien es kategorische, hypothetische,
disjunktive oder andere*) — könnten auch durch Buchstaben des
grossen lateinischen Alphabets repräsentirt werden und ihre Gültig-
[7]§ 28. Zum Aussagenkalkul.
keitsdauern durch die entsprechenden Buchstaben des kleinen, wo eine
Verwechselung beider irgend zu besorgen stünde.


Eine dem Sinne nach vollkommen bestimmte Aussage ist entweder wahr
(richtig, gültig, berechtigt) oder nicht wahr (falsch, ungültig, unzulässig).


Ist die Aussage sinnlos, oder bestehen Zweifel über den Sinn, die
Auslegung derselben, so lässt sich dies keineswegs behaupten; im letztern
Falle kann sie z. B. wahr sein im einen und falsch in einem andern Sinne.


Viel Streit entspringt aus mangelhafter Verständigung über den Sinn
der strittigen Aussagen, und schon darum ist es wichtig, über die Schwächen
unsres Verständigungsmittels, der Wortsprache, zu klarem Bewusstsein zu
kommen, indem man an sie anlegt den unveränderlichen Maasstab eines abso-
lut konsequenten, bestimmten und exakten Ausdrucksmittels, zu welchem
wir die Formelsprache unsres Kalkuls auszubilden haben. Wer einmal
jene Schwächen erkannt hat, wird auch weniger leicht durch die Ungeduld
sich abhalten lassen, bevor er in Streit eintritt, jene erforderliche Ver-
ständigung anzustreben.


Eine Aussage kann z. B. wohl Subjekt einer andern sein, oder —
noch allgemeiner — überhaupt ein Objekt, auf welches die gedachte zweite
Aussage sich irgendwie bezieht; aber sie darf nicht sich selbst zum Gegen-
stande haben, sie darf insbesondre nicht als ihr eigenes Subjekt auftreten.


Von dieser Beschaffenheit wäre z. B. der isolirt hingestellte Satz:
„Gegenwärtige Aussage ist unrichtig“, die von jemand ohne allen Bezug
auf vorangegangene oder nachfolgende Aussagen für sich hingestellte Be-
hauptung: „Ich sage hiermit eine Unwahrheit“.*) Solche Aussage kann
nicht wahr sein, weil es dann eben keine Unwahrheit, sondern eine Wahr-
heit wäre, die gesagt worden, und sie kann auch nicht unwahr sein, weil
es dann eben zur Wahrheit würde, dass sie unwahr ist.


Diese Aussage ist also in der That weder wahr noch falsch; dieselbe
ist aber sinnlos, indem sie sich auf einen Sinn beruft, solchen als bekannt
voraussetzt, den sie selbst erst geben, erklären sollte, aber, wie erkannt,
unmöglich haben kann. Die Aussage stempelt hier überdies mit Denk-
notwendigkeit sich zu einer solchen. — Ebenso sinnlos würde auch die andre
Aussage (isolirt hingestellt) sein: „Ich sage hiermit die Wahrheit“. Nur
würde die letztere in beregter Hinsicht sich sozusagen indifferent verhalten,
den Sinn blos ewig vermissen lassen.


Im Zusammenhang hiermit steht es, dass wenn etwa jemand wetten
wollte, dass er die eben damit eingegangene Wette verlieren (desgleichen,
falls man es vorzieht, dass er sie gewinnen) würde, solche Wette als eine
gegenstandslose niemals zum Austrag gebracht werden könnte.


Wir streifen hierbei auch den Fall des Sophisten Euathlos, der seinem
Rechtslehrer Protagoras das Unterrichtshonorar zu bezahlen versprach, nach-
dem er seinen ersten Prozess gewonnen haben würde, dann aber überhaupt
[8]Fünfzehnte Vorlesung.
keinen Prozess führte bis ihn sein Lehrer auf Zahlung des Honorars ver-
klagte. („In dem Prozesse musste in zwei verschiedenen Verhandlungen ein
verschiedener Spruch gefällt werden. Zunächst war die Bedingung des
Vertrages noch nicht eingetreten: Euathlus hatte bis dahin noch keinen
Prozess gewonnen, war also noch nicht zur Bezahlung verpflichtet. Er
musste also diesen Prozess gewinnen. Aber eben hierdurch veränderte sich
die Sachlage und es musste dem Protagoras das Recht gewährt werden,
auf Grund des veränderten Verhältnisses eine zweite Klage anhängig zu
machen, die nunmehr zu seinem Vorteil entschieden werden musste“. Ueberweg1
p. 360 sq.). Auf hier nur gestreifte Schwierigkeiten und die traditionellen
logischen Paradoxien geht Mr. Peirce in 10c mit grossem Scharfsinn ein.


Um den Sinn einer Aussage zu einem vollkommen bestimmten zu
machen, ist nicht erforderlich, dass dieselbe über alles Erdenkliche,
dass sie vollständige Auskunft gebe. Jede noch so ausführliche oder
detaillirte Aussage, mag sie auch von Weisheit strotzen, ist nur ein
verschwindend kleines Bruchstück aus der vollen Wahrheit, welche
die ganze Wirklichkeit beschreibend umfassen müsste; sie ist und
bleibt nur ein kurzer Auszug (an „abstract“), in welchem von einer
ungeheuren Mehrheit von Nebenumständen, für die Untersuchung un-
wesentlich erscheinenden Ereignissen, Verhältnissen und Beziehungen
abgesehen, abstrahirt wird; ja sogar auch wesentliche Beziehungen
verschwiegen, eventuell für fernere Aussagen aufgespart, der Fort-
setzung der Untersuchung oder Mitteilung vorbehalten werden.


Ich kann darum nicht umhin, die Formel des deutschen Zeugeneides
(wie ich sie wenigstens bei schöffengerichtlichen Verhandlungen kennen
gelernt habe) nach welcher Zeuge einfach schwören muss „nichts zu ver-
schweigen“
(statt etwa: „nichts, was nach des Zeugen bestem Ermessen für
die Untersuchung von Belang sein könnte“, oder vielleicht: „nichts, wonach
er gefragt wird“) schon in logischer Hinsicht zu beanstanden.


All’ unser Wissen, nicht nur, sondern auch unser Aussagen bleibt
Stückwerk. Bei den kategorischen Urteilen wenigstens — auf die
andern kommen wir noch eingehend zu sprechen — scheint für die
Bestimmtheit der Aussage es auszureichen, wenn Subjekt und Prädi-
kat derselben wohldefinirte Klassen sind, deren Determination — mag
sie näher auch in der Aussage selbst erst erfolgen — doch mittelst
anderweitig schon bekannter Klassen, mittelst gegebener Begriffe er-
folgt. [Bei dem Subjekt des oben angeführten Beispiels „Diese Aus-
sage ist unwahr“, war solches — in der suppositio realis, d. h. wenn
„diese Aussage“ nicht blos als grammatikalischer Satz, als Wortgefüge,
sondern dem Sinne nach genommen wird — wie erkannt, nicht der Fall.]


Soll eine verständliche Aussage mit solchem bestimmten Sinne
auch noch den Anspruch auf Wahrheit verbinden, so muss — ob zwar
[9]§. 28. Zum Aussagenkalkul.
sie unvollständig, nur ein Bruckstück der Wahrheit bleibt — doch
diejenige Auskunft wenigstens, welche die Aussage gibt, von ihr richtig
gegeben sein, d. h. es muss möglich bleiben, mit der Phantasie oder
auf Grund weiterer Forschungen, alles das, was die Aussage un-
erwähnt und darum offen gelassen, sowie auch, was sie allenfalls aus-
drücklich als unbestimmt hinstellte, wahrheitsgemäss noch nachzutragen,
und zwar ohne dass ein Widerspruch zu ihr selbst entsteht. Die Praxis
des Lebens kehrt sich nicht immer hieran, indem sie aus Rücksicht
auf die Schwierigkeiten der Mitteilung, auf die Unmöglichkeit, alles
Erforderliche auf einmal zu sagen, zuweilen gestattet, eine gemachte
Aussage durch nachträgliche Anführung von Einschränkungen oder
Ausnahmen teilweise wieder aufzuheben. In solchen Fällen ist jene
erste Aussage, mag sie auch grammatikalisch bereits abgeschlossen
sein, doch in logischer Hinsicht als eine unfertige anzusehen, welche
erst mit dem Hinzutreten der Einschränkungen ihre Vollendung erhält.


Ich glaube mich hier mit diesen wenigen Andeutungen begnügen zu
dürfen, wenn auch mit dem vollen Bewusstsein ihrer Unzulänglichkeit, indem
ich mir nicht verhehle, dass es wol zu den schwierigsten Aufgaben gehören
möchte, allgemein zu charakterisiren, wann eine Aussage sinnlos ist, wann da-
gegen sie einen vaguen, wann einen ganz bestimmten Sinn besitzt, gleichwie
im letzteren Falle, zu sagen, was es eigentlich heisst, dass sie wahr oder falsch sei.


Sinnlos ist z. B. die in unsrer fränkischen Provinz populäre Wetter-
regel: „Sobald ein Stück blauen Himmels zu erblicken ist, so gross, dass der
Schneider ein Paar Beinkleider daraus fertigen könnte, so gibt es an dem
Tag noch schönes Wetter.“ Hier nämlich (wie auch, wenn etwa jemand
sagte: „so gross wie eine Ellipse“) versagt die scheinbar gegebene Grössen-
bestimmung, und wollte mit solchem Ausspruch der Volkswitz wol nur die
Unsicherheit der Wetterprophezeiung überhaupt persifliren.


Ist die stets in einerlei Sinne verstandene, die Aussage konstanten
Sinnes einmal wahr, so bleibt sie dies auch in alle Ewigkeit und
musste es immer gewesen sein, sie gilt dann stets; ist sie falsch, so
kann ihr auch zu keiner Zeit Wahrheit zukommen, sie ist dann nie-
mals
wahr. Die Gültigkeitsdauer einer derartigen Aussage ist demnach
entweder die Ewigkeit 1߭, oder aber 0.


Wir werden künftig ganze Aussagen nicht selten mittelst Buch-
staben darstellen. Bedeutet a die Aussage: „2 × 2 ist 4“, und b die
Aussage: „2 × 2 ist 5“, so exemplifizirt uns a die (stets) wahre, b die
(stets) falsche Aussage.


So oft wir eine Aussage in Rechnung setzen, und zwar einerlei, ob
sie dabei durch einen Buchstaben vertreten, oder ob sie vollinhaltlich,
detaillirt (in einer Klammer) angegeben wird, soll sie als ihre Gültig-
keitsdauer
verstanden, ausgelegt werden.


[10]Fünfzehnte Vorlesung.

Für die obigen Beispiele dürfen wir demnach sagen, dass:
a = 1߭ und b = 0
ist. Anstatt — wie hienach berechtigt — zu schreiben:
(2 × 2 = 4) = 1߭,
wird man aber kürzer die Behauptung 2 × 2 = 4, oder a selbst, ein-
fach hinstellen. Wogegen die Falschheit der Behauptung, dass 2 × 2
gleich 5 sei, vorerst nicht einfacher darzustellen ist als mittelst des
Ansatzes:
(2 × 2 = 5) = 0.


Bedeutet c die Aussage: „Die Masse der Welt ist konstant“ und
d die Aussage: „Die Materie ist vergänglich“, so ist (nach den Grund-
lehren der Physik) ebenso c = 1߭ und d = 0, die erstere nämlich wahr,
die letztere falsch, und zwar nicht nur soeben, sondern überhaupt.


Man könnte gegen oben Gesagtes einwenden: der Ausspruch
„Caesar wurde ermordet“ sei vor oder während seiner Ermordung noch
nicht wahr gewesen, sei erst seitdem wahr. Wird das Tempus des
Verbums festgehalten, so ist dieser Einwand auch sicherlich berechtigt.
Allein dann haben wir, obzwar eine Aussage von grammatikalisch
konstanter Form, von sich gleich bleibendem Wortlaute, doch gerade
eben nicht eine solche konstanten Sinnes, indem das Tempus prae-
teritum, auf welches mit der Verbalform „wurde ermordet“ hin-
gewiesen wird, zu verschiedenen Zeiten eine verschiedene Bedeutung
beansprucht.


Aus diesem Beispiel wird ersichtlich, dass ein erzählendes (eventuell
auch ein beschreibendes) Urteil, soll es konstanten Sinn besitzen, mit
seinem Verbum nicht an die relative Gegenwart (Vergangenheit oder
Zukunft) d. i. die Gegenwart (etc.) der Aussage anknüpfen, darf, es darf
m. a. W. nicht auf den Zeitpunkt, in welchem die Aussage fällt, sich
beziehen, sondern es muss dasselbe vielmehr auf einen absolut be-
stimmten Zeitpunkt oder Zeitraum verweisen, wofern es solchen nicht
ganz unbestimmt lässt.


Letzteres wäre für unser Beispiel etwa der Fall, wenn wir sagten:
Die Ermordung Caesar’s ist ein Ereigniss in der Wirklichkeit, ist (eine)
historische Thatsache. Das andere, falls wir sagten: „Die Ermordung
Caesar’s fällt in das Jahr 44 v. Chr.“ In dieser Fassung ist der Satz
zu allen Zeiten wahr gewesen. Ebenso bei den Aussagen: „In die
Jahre 1870 und 71 fällt ein deutschfranzösischer Krieg“, „Am 28. Mai
1900 findet eine ringförmige Sonnenfinsterniss statt“. Letzteres ist
[11]§. 28. Schätzung von Aussagen nach den Zeiten ihrer Gültigkeit.
auch jetzt schon wahr, und brauchen wir hier nicht das Verbum
in das Futurum, dort es nicht in das Präteritum zu setzen. Der
Sprachgebrauch gestattet in solchen Fällen die Präsensform; doch ist
zu bemerken, dass bei völliger Unbestimmtheit sowol, als auch bei
absolut bestimmter Angabe eines Zeitraums oder Zeitpunktes, in welchen
ein Ereigniss fällt, in dem ein Zustand währt, jede Temporalflexion des
Verbums überflüssig ist, ja nachteilig wirken muss, präjudizirt, indem
das Präsens z. B. doch Vergangenheit und Zukunft auszuschliessen
scheint oder wenigstens sie unberücksichtigt lässt. (Vergl. Bd. 1, S. 153).


Nun kann aber in unsern Kultursprachen eine Aussage überhaupt
nicht gegeben werden, ohne dass in ihr das Verbum in einem ganz
bestimmten Tempus — sei es Präteritum, Präsens oder Futurum —
steht, und somit gibt sich hier wieder einmal eine Unvollkommenheit
der Wortsprache kund. Eine Armut, auch, derselben zeigt sich darin,
dass sie zum Ausdruck von wesentlich verschiedenen Beziehungen doch
der nämlichen Formen sich bedienen muss:


Es ist ein ganz anderes Präsens, in welchem die Kopula unsrer
Aussage steht, wenn wir sagen: „zwei mal zwei ist vier“, als wenn
wir sagen: „es ist vier Uhr (Nachmittags, hiesiger Zeit am hiesigen
Platze)“. Jenes ist das „aoristische“ Präsens: 2 × 2 ist nicht nur
soeben = 4, sondern war es auch stets und wird es immer sein; da-
gegen, wenn es soeben vier Uhr ist, so war es das vor einer halben
Stunde noch nicht, und wird es demnächst nicht mehr sein.


Es scheinen mir neben den zugehörigen unterscheidenden Formen sogar
auch die Namen zu fehlen für die verschiedenen Bedeutungen, die in Hin-
sicht der Auslegung des Verbums nach seinem Tempus logisch unter-
schieden werden müssen; ich wüsste wenigstens die zweite Art des Präsens
im Gegensatz zur ersten, die ich — schon etwas gewagt — die „aoristische“
nannte*), nicht mit einem gebräuchlichen Namen zu benennen. Jedenfalls
hat in beregter Hinsicht die altgriechische Sprache etwas schärfer unter-
schieden, als unsere modernen Sprachen, indem sie für gewisse Tempora
der Vergangenheit und Zukunft neben den gewöhnlichen auch aoristische
Formen schuf.


Im wissenschaftlichen Interesse wäre wol zu wünschen, dass es
neben dem gewöhnlichen Präteritum (mit seinen Abstufungen als Imper-
fektum, Perfektum und Plusquamperfektum), dem Präsens und dem
Futurum (nebst Abstufungen) auch ein Tempus generale (oder aoristicum)
gäbe — behufs Vermeidung der Umständlichheit, dass man eigentlich:
„war stets, ist, und wird stets sein“ (etc.) sagen müsste.


[12]Fünfzehnte Vorlesung.

Und ferner — als praktisch vielleicht in noch höherem Maasse
Bedürfniss — sollte man verfügen können über ein Tempus indefinitum
oder indeterminatum, eine Temporalform, die offen, unausgedrückt lässt,
ob von Vergangenheit, Gegenwart oder Zukunft die Rede; dieselbe
wäre nicht nur da zu gebrauchen, wo, wie erwähnt, genauere in der
Aussage enthaltene Zeitangaben die übliche Temporalflexion ihres
Verbums als überflüssig, ja einseitig, unvollständig oder irreführend
erscheinen lassen, sondern überhaupt, wenn es sich darum handelt,
von Ereignissen in zusammenfassender Schilderung (erzählend, be-
schreibend und eventuell vorhersagend) zu reden, die teilweise der Ver-
gangenheit, vielleicht der Gegenwart und teilweise auch der Zukunft
angehören mögen, bei denen es aber unbekannt oder nebensächlich ist,
inwiefern oder in welchen Verhältnissen sie das eine thun, oder das andere.


Umstände, unter denen solches von Belang würde, können leicht schon
bei der brieflichen Korrespondenz eintreten, wo die Gegenwart des Ab-
senders eine andere ist, als die des Empfängers. Dass aber in den Wissen-
schaften sich die erwähnte Armut der Wortsprache nicht schlimmer fühlbar
gemacht hat, und deshalb fortbestehen konnte, erklärt sich unschwer aus
der scharfen Sonderung jener in historische und physikalisch-mathematische
Wissenschaften, bei deren ersteren es niemals gleichgültig erscheint, ob ein
Ereigniss schon stattgefunden hat, oder erst stattfinden wird, wogegen die
letzteren sich durchweg mit sozusagen „ewigen“ Wahrheiten beschäftigen
und zu deren Ausdruck eben des aoristischen Präsens sich gewohnheits-
mässig bedienen. Ihnen schliessen auch die naturhistorischen Disziplinen
sich teilweise an.


Sollten (aber) in der Logik auch beschreibende oder erzählende
Urteile, Aussagen über historische, gegenwärtige oder künftige That-
sachen, als Aussagen konstanten Sinnes angesehen werden, so müssten
wir sie uns allemal in der erwähnten unbestimmten Temporalform,
eventuell versehen mit einer absoluten Zeitbestimmung, ausgedrückt
denken.


Uns an das mit der Wortsprache Gegebene haltend gelangen wir
dagegen zur Anerkennung des Vorkommens von Aussagen variablen
Sinnes
, deren Sinn nämlich sich mit dem Zeitpunkt, in welchem die
Aussage fällt, von selbst verschiebt, indem das Verbum mit seinem
Tempus an die „relative“ Gegenwart anknüpft, nämlich auf die Gegen-
wart der Aussage (eventuell von dieser aus zurück- oder vor-ver-
weisend) sich bezieht. [„Absolute“ Gegenwart würde ich dagegen den
durch Jahreszahl, Datum, Stunde und Minute etc., Berliner Zeit, fixirten
Moment, in welchem ich soeben schreibe, dermalen nennen.]


Von solcher Art ist wol die ungeheure Mehrzahl aller mensch-
[13]§ 28. Taxirung von Aussagen nach der Gültigkeitsdauer.
lichen Aussagen. Denselben kommt zumeist eine von 0 und 1߭ ver-
schiedene „Gültigkeitsdauer“ zu (sofern von einer solchen überhaupt
sich reden lassen wird), eine Gültigkeitsdauer, die nur eben ein ge-
wisses Gebiet von Zeitpunkten ausmacht. Ein einfaches Beispiel mag
dies verdeutlichen.


Stellen wir uns eine Person, einen „idealen Meteorologen“ (!) vor,
der Tag und Nacht am selben Fleck unter freiem Himmel stehend
beständig ausruft und wiederholt: „Es regnet“ (sc. soeben hier am
Platze), Es regnet, es regnet. So wird die Aussage wahr sein, so-
bald und solange wirklich Regentropfen auf dieses Individuum fallen,
und unwahr, sobald dies nicht der Fall ist. Die (auf gedachten Ort
bezogene) Aussage hat daher eine bestimmte Gültigkeitsdauer, welche
sich zusammensetzt aus den verschiedenen getrennten Zeiträumen, in
welchen wirklich Regenschauer sich über den Ort ergiessen (ergossen
haben und ergiessen werden).


Die Begriffe, Benennungen und Bezeichnungen des Aussagenkal-
kuls — ein Stück weit, aber nicht durchaus: auch die Prinzipien des-
selben — werden sich auch anwendbar erweisen auf die im geschil-
derten Sinne variablen Aussagen (die Aussagen variablen Sinnes bei
blos konstanter Form). Da einer solchen Aussage irgend welche Gültig-
keitsdauer (die 1߭ oder 0 nicht ausgeschlossen) zukommen kann, so er-
ledigen wir vorweg das Allgemeinere, wenn wir die ferneren Betrachtungen
jetzt an derlei Aussagen anknüpfen.


Zudem aber ordnen diesen variabelsinnigen Aussagen auch die-
jenigen konstanten Sinnes sich wirklich unter, indem z. B. die obigen
Aussagen a und b auch ihre Gültigkeitsdauern 1߭ und 0 behalten müssten,
wenn man das Präsens ihrer Kopula, anstatt wie oben als aoristisches,
nunmehr als gewöhnliches oder historisches auslegte, a nämlich deutete
als das Urteil: „2 × 2 ist soeben = 4“ und b als: „2 × 2 ist soeben 5“.


Eine Subsumtion:
angesetzt zwischen irgend zwei Aussagen, wird hienach bedeuten: Die
Zeit, während welcher die Aussage a wahr ist, sei ganz enthalten in
der Zeit, während welcher die Aussage b wahr ist, d. h. immer, wann
(whenever, solange, sooft, sobald, falls) a gilt, gilt auch b. Kürzer
werden wir hiefür oft sagen: „Wenn a gilt, so gilt b“; „a bedingt b“,
zieht es nach sich; „aus a folgt b“. Ausdrücklich muss jedoch bemerkt
werden, dass der Zusammenhang zwischen den Gültigkeiten von a und
b damit durchaus nicht hingestellt werden soll als ein logischer oder
denknotwendiger, auch nicht als ein kausaler, oder dergleichen. Die
[14]Fünfzehnte Vorlesung.
Subsumtion und die Redensarten, durch welche wir sie wiedergeben,
sollen vielmehr diesen Zusammenhang lediglich als einen faktisch be-
stehenden, thatsächlichen darstellen, es offen lassend, ob er denknot-
wendig, eventuell als ein „kausaler“ bestehe, oder vielleicht blos ein
empirisch ermittelter, für den Stand unsrer Erkenntniss „zufälliger“ ist.


Zum Exempel, es bedeute b die Aussage: „Es ist Tag (hier)“ —
für den Augenblick unter „Tag“ die Zeit verstanden, während welcher
die Sonne über dem Horizont steht*),
und a die Aussage: „die Sonne scheint (hier, unverhüllt von Wolken)“,
so gilt ab, d. h. Wenn die Sonne scheint, so ist es Tag.


Die Beziehung zwischen den Gültigkeitsdauern der beiderseitigen
Aussagen möge die Figur veranschaulichen:

[figure]
Figure 7. Fig. 7.


welche, durch Nächte getrennt, drei Tage b auf der Zeitlinie dar-
gestellt zeigt, an deren drittem die Sonne unausgesetzt schien, während
sie an den beiden vorhergehenden je zweimal längere Zeit von Wolken
verhüllt blieb, etc.


Allerdings ist in dem gewählten Beispiel das „Subjekt“ a (der Be-
dingungssatz) zugleich Erkenntnissgrund des „Prädikates“ b (des Folge-
satzes): aus dem Scheinen der Sonne kann gefolgert, geschlossen
werden, dass es Tag ist. Weil die Sonne scheint (sofern sie das thut),
darum muss es Tag sein.


Das kausale Verhältniss scheint hier eher umgekehrt zu liegen: weil
die Sonne über dem Horizont steht, darum kann sie überhaupt scheinen;
dass sie scheint ist eventuelle Folge, und Wirkung, ihrer Stellung über dem
Horizonte.


Jener Umstand ist aber, wie angedeutet, als ein Nebenumstand zu
betrachten, der in der Subsumtion ab sowol, als in deren verbaler
Umschreibung mittelst der Konjunktionen „wenn ‥, so ‥“ nicht ge-
fordert ist. Man könnte ebensogut, die vorige Aussage a z. B. fest-
haltend, unter b die Aussage verstehen: „Paris liegt an der Seine“,
oder etwa auch: „Carnot ist Präsident der französischen Republik.“
Und wiederum würde dermalen die Subsumtion ab gelten, die Be-
hauptung zulässig sein: Wenn (genauer: wann, während, solange, so-
[15]§. 28. Aussagen, nach Gültigkeitsdauer geschätzt.
bald, falls) hier die Sonne scheint, ist Carnot Präsident der französi-
schen Republik, (er ist es freilich auch, wenn sie nicht scheint) —
mit einer gewissen Gültigkeitsdauer (gleichwie der beiden Teilaussagen,
so auch) der ganzen Aussage.


Hier nun zu sagen: aus dem Scheinen der Sonne an hiesigem
Platze folge (zur Zeit), dass Carnot Präsident der französischen Repu-
blik sei, oder auch: der letztere Umstand sei von dem ersteren bedingt,
wäre allerdings nicht angemessen!


Wenn wir gleichwol — zwar nicht in solch konkreten Beispielen
wo ihre Unangemessenheit auf der Hand liegt, jedoch bei den Unter-
suchungen von allgemeinem Charakter — diese Redensarten gebrauchen, so
geschieht es, weil unsre Abmachungen auch die Fälle wirklichen Folgens
sämtlich mit umfassen, weil beabsichtigt ist, sie auf solche vorzugs-
weise anzuwenden (ohne dass es jedoch nötig fällt, die andern auszu-
schliessen), und vor allem, weil die Wortsprache uns Redewendungen
nicht zur Verfügung stellt, die für alle Fälle zutreffend genannt werden
könnten und demnach einer solchen Allgemeinheit gerecht zu werden
vermöchten, wie sie unsre Untersuchungen beanspruchen werden.


Man wird sich im Vorstehenden auch den Unterschied in der Bedeutung
der Konjunktionen „wenn“ (if) und „wann“ (englisch annähernd: when) zum
Bewusstsein gebracht haben. Während letztere als reine Zeitpartikel er-
scheint, pflegt erstere den versteckten Hinweis auf ein Prinzip zu enthalten,
das den Zusammenhang zwischen Bedingungssatz und Folgesatz des hypo-
thetischen Urteils beherrscht — bestehe dieses Prinzip nun als ein rein
logisches aus den Gesetzen des gewissen oder wahrscheinlichen Folgerns
unter Berufung auf die Evidenz, oder gründe es sich ausserdem auf irgend-
welche Satzungen, dogmatische Glaubenssätze oder auch Naturgesetze — in
welch’ letzterem Falle wir von einem kausalen Zusammenhange reden.


Jenes „wann“ kann unter Umständen auch durch „während“ (engl.
whilst) vertreten werden; es entspricht auch dem lateinischen „dum“, „so-
lange“. Z. B. „Dum spiro, spero“: solange ich atme (scilicet: und bei Be-
wusstsein bin), höre ich nicht auf zu hoffen. Dies gibt die Subsumtion
ab, wo a die Aussage bedeutet: ich atme, und b die: ich hoffe.


Betrachten wir dagegen den Satz: „Dolor, si longus, levis, si gravis,
brevis“ (ergo omnino fortiter sustinendus — vergl. Jevons9 p. 174), so
weist die konditionale Partikel „si“ in der That auf einen verborgenen ur-
sächlichen Zusammenhang, einen Grund hin: weil eben ein sehr heftiger
Schmerz bald Bewusstlosigkeit oder Tod herbeiführt und damit aufhört in
die Empfindung zu treten, als solcher zu existiren, so kann ein lang an-
haltender Schmerz nur ein minder heftiger, ein sehr heftiger nur von kurzer
Dauer sein — zum Trost für die von ihm Befallenen.


Das Beispiel ist instruktiv, insofern es im Bedingungssatze des einen
Urteils sowie im Folgesatze des andern als Prädikat selbst schon eine Zeit-
bestimmung, als da ist „von langer, resp. kurzer, Dauer zu sein“ enthält.
[16]Fünfzehnte Vorlesung.
Das „si“, „wenn“, hier etwa durch „solange“ oder „während“ „dum“ zu er-
setzen ginge durchaus nicht an, und dennoch wird sich jedes seiner beiden
Teilurteile als eine Aussagensubsumtion darstellen lassen, sobald wir mit
unsern Betrachtungen ein wenig weiter vorgeschritten sein werden (nämlich:
die Klasse der Fälle, wo der Schmerz ein lange anhaltender ist, ist ent-
halten in der Klasse der Fälle, wo er ein leichter ist, etc.). Einstweilen
mag das Beispiel dazu dienen, die Unvollständigkeit der bisherigen Be-
trachtungen zu erhärten, welche ich ausdrücklich als nur vorbereitende auf-
gefasst wünsche.


Zwei Aussagen a und b werden nun nach der Def. (1) der Gleich-
heit (für den auf die Mannigfaltigkeit 1߭ der Zeitpunkte angewendeten
Gebietekalkul) einander äquivalent, oder gleich, zu nennen sein, wenn
sowol ab als auch ba ist, d. h. wenn sie einander gegenseitig
bedingen, wenn immer, sobald die eine gilt, auch die andre Geltung
hat, und umgekehrt. Ihre Gültigkeitsdauern sind alsdann nicht nur,
metrisch betrachtet, gleich gross, sondern identisch die nämlichen,
einerlei, sie fallen in ein einziges Gebiet von Zeitpunkten zusammen.


Im übrigen mögen unter sich äquivalente Aussagen ihrem Inhalt
oder Sinne nach gänzlich von einander unabhängig sein. Alle stets
wahren Aussagen z. B. sind im Aussagenkalkul einander gleich zu
nennen, ebenso alle stets falschen.


Bedeutet z. B. a die Aussage: „2 × 2 ist 4“ und b die Aussage: „Die
Energie des Weltalls ist konstant“, so hat a = b zu gelten, es sind a und
b dann äquivalente Aussagen. Beide haben nämlich die Ewigkeit oder
ganze Zeit zur Gültigkeitsdauer; wir haben a = 1߭ und auch b = 1߭.


Die Gleichheit a = b würde ebenso bestehen, falls a die Aussage be-
deutete: „2 × 2 ist 5“ und b die Aussage: „Es gibt Hexerei“. Hier wäre
a = 0 und b = 0, wiederum also das Gebiet der Zeitpunkte, in welchen
die eine oder die andre wahr ist, das nämliche, und zwar das leere oder
Nullgebiet; sie gelten (wenn man hier noch so sagen will, doch „gleich-
zeitig“) nämlich alle beide nie.


Wegen dieser Unabhängigkeit ihres Inhaltes musste für die
Äquivalenz“ der Aussagen ein anderer Name gewählt werden als der
bekannte der „Äquipollenz“, welchen die traditionelle Logik zur Be-
zeichnung einer viel spezielleren Beziehung schon längst eingeführt hat.


Äquipollent nennt die Logik solche Urteile, die mit Denknotwendig-
keit gegenseitig aus einander folgen — wie beispielsweise das Urteil:
„Alle α sind β“ und das (durch Konversion daraus hervorgehende) „Was
nicht β ist, ist nicht α“.


Äquipollente Urteile sind auch immer einander äquivalent, oder im
Sinne des Aussagenkalkuls „gleich“, aber nicht umgekehrt. Über jene
greift diese Begriffsbestimmung dem Umfange nach weit hinaus (während
[17]§. 28. Aussagen in Reflexion auf ihre Gültigkeitsdauer.
sie hinsichtlich des Inhaltes hinter ihr zurückbleibt). Für die Wahl
des Ausdrucks „Äquivalenz“ war der englische Vorgang („equivalent
statements“) mitbestimmend. Wegen der grösseren Allgemeinheit un-
serer von der Äquivalenz der Aussagen handelnden Betrachtungen
gegenüber denen, die auf ihre Äquipollenz sich beziehen würden, geben
wir der ersteren Bezeichnung den Vorzug auch in Fällen, wo wir die
letztere gebrauchen dürften.


Zieht man Aussagen nach ihrer Äquivalenz in Betracht, frägt man
darnach, ob solche vorliege, oder nicht, so ist von dem charakteristischen
Inhalte jener Aussagen zu abstrahiren und auf ihre Gültigkeitsdauern
zu reflektiren.


Jedenfalls hindert nichts, eine Aussage, abgesehen von ihrem In-
halte A
(d. h. demjenigen, worüber sie uns Auskunft gibt), blos nach
ihrer Gültigkeitsdauer a in’s Auge zu fassen, und wer die Besorgniss
hegt, diese beiden Hinsichten in welchen Aussagen sich betrachten
lassen, zu vermengen, kann sie dadurch auseinanderhalten, dass er die
entsprechenden Buchstaben zweier verschiedenen Alphabete für die eine
und für die andre Deutungsweise verwendet. Der Übergang von der
einen zur andern Interpretation ist jedoch ein so leicht zu vollziehender
an welchen man sich bald gewöhnt und worin man rasch Übung er-
wirbt, dass uns solch’ ängstliches Auseinanderhalten hier unnötig er-
scheint.


Um nun also vom bisherigen Gebiete- und Klassenkalkul un-
mittelbar zum Aussagenkalkul fortzuschreiten und letztern auch mit
einem Schlage errichtet sowie begründet zu haben, braucht man blos
unter den Buchstabensymbolen a, b, c, … irgendwelche Aussagen (Be-
hauptungen, Urteile) zu verstehen und auszumachen, dass sobald mit diesen
Symbolen gerechnet wird
(sobald mittelst Negation, Multiplikation oder
Addition an denselben operirt, oder auch nur Subsumtionen oder
Gleichungen etc. zwischen denselben angesetzt werden), sie als ihre
Gültigkeitsdauern gedeutet werden sollen
, dass also unter irgend einer
Aussage a verstanden werden solle die Zeit (genauer: das Gebiet, die
Gesamtheit der Zeitpunkte), während welcher ebendiese Aussage wahr
ist, unter Ausschluss jedes Zeitpunktes, in dem sie nicht wahr ist.


Was hiernach eine Subsumtion ab, und eine Gleichung a = b
uns bedeuten werden, haben wir bereits auseinandergesetzt.


In Bezug auf erstere ist jedoch noch der „Grenzfälle“ Erwähnung
zu thun, wo das Subjekt oder Prädikat der Subsumtion ab durch
die Aussagensymbole 0 oder 1߭ vertreten erscheint.


Die Bedeutung auch dieser beiden Zahlensymbole im Aussagen-
Schröder, Algebra der Logik. II 2
[18]Fünfzehnte Vorlesung.
kalkul wurde bereits angegeben: Aussage 1߭ ist jede stets wahre Aus-
sage, und sie kann durch irgend eine von diesen, wie z. B. durch den
(arithmetischen) Satz dass 2 × 2 = 4 ist, oder auch durch den logi-
schen Satz: 0 0, mit gleichem Rechte vertreten, repräsentirt werden.
Wir haben auch:
(0 = 0) = 1߭.
Nullaussage dagegen ist jede stets (oder unbedingt) falsche Aussage,
wie z. B. die Behauptung, dass 2 × 2 = 5 sei, oder die, dass es Hexerei
gebe, oder die Subsumtion 1 0. Desgleichen haben wir:
(1 = 0) = 0.


Gleichwie die identische Null ihrer Definition (2) gemäss Subjekt
war zu jedem Prädikate und die 1 Prädikat zu jedem Subjekte, so ist
nun auch die Nullaussage ein zulässiger Bedingungssatz zu jedem Folge-
satze
, und eine Aussagezulässiger Folgesatz zu jedem Bedingungssatze.


Wir müssen demnach konsequenterweise z. B. folgende Urteile als kor-
rekt und gültig anerkennen — in Bezug auf welche nur zu bemerken ist,
dass, während die Konsequenz in der Aufrechterhaltung der formalen Sche-
mata für die Wissenschaft vom höchsten Wert erscheint, die verbale For-
mulirung derselben minderwertig ist.


  • Wenn 2 × 2 = 5 ist, so gibt es Hexerei (vergl. 0 0).
  • „ „ „ so scheint hier die Sonne (vergl. 0 a).
  • „ „ „ so ist 2 × 2 = 4 (vergl. 0 1߭).

Da die im Bedingungssatze ausgesprochene Voraussetzung eben niemals zu-
trifft, so sind alle drei Urteile vollkommen nichtssagende, beziehen sich auf
„nichts“, nämlich auf ein leeres Zeitgebiet. Sie aber als richtige an-
zuerkennen verpflichten uns die über letzteres der Allgemeinheit zuliebe ge-
troffenen Festsetzungen.


Im zweiten Falle (0 a) darf, obwol die Gültigkeitsdauer des Vorder-
satzes 0 war, und die 0 der Zeitbestimmung „niemals“ entspricht, das
Urteil doch nicht etwa mit: „Nie scheint hier die Sonne“ in Worte über-
tragen werden. Dies würde eine falsche Übersetzung sein, und wären be-
hufs näherer Erläuterung dessen, mutatis mutandis, die Bemerkungen zu
wiederholen, die wir in § 9 unter v) bezüglich verbaler Wiedergabe einer
Subsumtion 0 a im Klassenkalkul ausgeführt haben [die letztere durfte
auch nicht in Gestalt von „Nichts ist a“ dort wiedergegeben werden].
Wenn a die Aussage bedeutet: „Hier scheint die Sonne“, so wäre vielmehr
der vorige Satz („Nie scheint etc.“) mit a = 0 in der Formelsprache des
Aussagenkalkuls darzustellen.


Legt z. B. Emanuel Geibel dem in Sklaverei befindlichen Neger-
weibe in dem Schlummerliede, das sie ihrem Knaben singt, auf die Frage
an den grossen Geist: wann wird der Jammer deiner schwarzen Kinder enden?
die Antwort in den Mund:


„Ach das mag geschehen, wenn der Mississippi rückwärts fliesset, …
Wenn die weissen freien Pflanzer, wenn die Christen Menschen werden“,
[19]§ 28. Aussagen, als Gültigkeitszeiten gedeutet.
so lässt er sie (bei der Unterstellung, dass dies niemals eintreten werde)
eine die Hoffnungslosigkeit ausdrückende, logisch betrachtet eine leere Ver-
heissung geben.


Analog sind Urteile hier anzuerkennen, wie diese:


  • Wenn es Hexerei gibt, so ist 2 × 2 = 4 (vergl. wieder 0 1߭).
  • Wenn die Sonne scheint, so ist 2 × 2 = 4; (a 1߭).
  • Wenn die Masse der Welt konstant ist, so ist 2 × 2 = 4; (1߭ 1߭).

Der Nachsatz gilt hier nämlich an sich und ganz unabhängig von dem
Vorder- oder Bedingungssatze. Psychologisch mag das anders sein, aber
logisch sagt das hypothetische Urteil doch für den Fall, wo seine Hypo-
these nicht zutrifft, überhaupt nichts aus. Behaupte ich etwas für den
Fall (die Zeit), wo die Sonne scheint, so ist damit in keiner Weise präju-
dizirt für die Fälle, wo sie nicht scheint; es bleibt, wenn für den ersteren
behauptet ist, dass 2 × 2 = 4 sei, unbenommen zu denken, dass es auch
für die letzteren sich also verhalte, nur wird dies im Urteile eben frei-
gestellt, unentschieden oder offen gelassen.


Freilich ist, beim zweiten der obigen drei Beispiele (z. B.) zuzugeben,
dass dasselbe — ähnlich wie etwa das Urteil: „Einige Möpse sind Hunde“ —
bei aller logischen Korrektheit ein irreführendes, psychologisches Moment
enthält, weshalb denn auf das für ähnliche Fälle schon in § 1 Gesagte
zurückverwiesen sei. Wie dort, so sind auch hier die Urteile dem Vor-
wurf ausgesetzt, dass sie mit Umständlichkeit nur einen Teil der Wahrheit
ausdrücken, während „die ganze“ sich viel einfacher sagen liesse — in Ge-
stalt der Behauptung, dass 2 × 2 = 4. In logischer Hinsicht aber sind
solche Urteile nicht zu beanstanden.


Steht, entgegen den bisherigen Beispielen, die Null als Prädikat
oder die Eins als Subjekt, so haben den Theoremen 5) gemäss die
Urteile einen wirklichen Gehalt. Der letztere lässt sich dann aller-
dings auch einfacher darstellen, wird jedoch zu rhetorischen Zwecken,
zur Bekräftigung, nicht selten absichtlich in die umständlichere Form
gesetzt — oder auch aus Taktgefühl, um etwa direkte grobe An-
schuldigung zu vermeiden. Z. B. Das hypothetische Urteil: „Wenn das
mit rechten Dingen zugegangen ist, so ist 2 × 2 fünf!“ (a 0) um-
schreibt blos die Behauptung: „Das ist nicht mit rechten Dingen zu-
gegangen“, welche zusammenfällt mit der Verneinung des Urteils a
(= „Das ist mit rechten dingen zugegangen“), sonach mit der Be-
hauptung a = 0, dass letzteres Urteil ungültig. Vergl. hiezu die Be-
trachtung 1 des § 46 über das Wesen des apagogischen Beweises.


Das Urteil: „Wenn 2 × 2 (noch) vier ist, so bin ich unschuldig“
(1߭ a) kommt der Beteuerung gleich: (a) „Ich bin unschuldig.“ Psy-
chologisch weist es vielleicht darüber hinaus auf eine Notwendigkeit
hin, dieses auch anzuerkennen.


Tritt beides zugleich ein, steht nämlich die 1߭ als Subjekt und die 0
als Prädikat einer Aussagensubsumtion, so haben wir in Gestalt derselben:
2*
[20]Fünfzehnte Vorlesung.
0, eine absurde Aussage vor uns, deren Gültigkeitsdauer (wie schon
einmal erwähnt) eben selbst 0 ist.


Das identische Produkt und die identische Summe zweier Aussagen
a
und b können nunmehr selbst wieder als Aussagen gedeutet werden
in folgender Weise:


Es bedeutet a · b oder a b das Urteil, welches aussagt, dass die Aus-
sagen a und b beide (gleichzeitig, zugleich) gelten. Diese Aussage
hat in der That das den Gültigkeitsdauern von a und von b gemein-
same
Gebiet von Zeitpunkten zur ausschliesslichen Gültigkeitsdauer.


Ein Produkt von Aussagen stellt demnach das System derselben,
wenn sie als simultan geltende, koexistirende angesehen werden sollen,
vor; und umgekehrt lässt ein solches System stets als eine einzige
Aussage, nämlich als das identische Produkt seiner Gliederaussagen,
sich hinstellen und in die Zeichensprache des Aussagenkalkuls über-
setzen.


In Worten pflegt man die Faktoraussagen einfach selbständig hin-
zustellen — durch den Punkt als Interpunktionszeichen, oder auch
durch Kommata getrennt, zuweilen auch durch Konjunktionen, wie
„und“, „sowol ‥ als auch“ etc. verbunden. Z. B.: Nicht nur (a =) „der
Stoff, die Materie ist unvergänglich“, sondern auch (b =) „die lebendige
Kraft, Energie, lässt sich weder erzeugen, noch vernichten“ — ist solch’
ein Aussagenprodukt: a b.


Ferner bedeutet a + b das Urteil, welches aussagt, dass die Aus-
sage a oder die b gelte — und zwar das „oder“ im inklusiven Sinne
verstanden als „oder auch“ [vergl. § 8, ϑ)] sonach entweder die eine,
oder die andre von ihnen, oder aber beide zugleich. Diese Aussage
wird in der That zur ausschliesslichen Gültigkeitsdauer haben das-
jenige Gebiet von Zeitpunkten, zu welchem die Gültigkeitsdauern von
a und von b einander ergänzen, zusammenfliessen.


Eine Summe von Aussagen stellt demnach das System derselben
vor, wenn sie als alternativ geltende angesehen werden sollen, und um-
gekehrt wird sich jede „Alternative“ zwischen Aussagen — sofern sie,
wie wir es hier immer auffassen werden, als eine inklusive verstanden
wird, die den gegenseitigen Ausschluss ihrer Glieder nicht ausdrück-
lich fordert — stets darstellen lassen als eine einzige Aussage in Ge-
stalt der identischen Summe ihrer Gliederaussagen.


Die Wortsprache verbindet die Glieder der Alternative durch die
Konjunktion „oder“ resp. durch „entweder ‥, oder ‥“, wofern sie nicht
vorzieht, dieselben ganz getrennt hinzustellen, und blos zu bemerken,
dass von ihnen irgend eines, zum mindesten, zu gelten habe.


[21]§ 28. Taxirung von Aussagen nach der Klasse ihrer Anwendungsgelegenheiten.

Für die eventuelle Zusammenziehung von mehreren Aussagen,
mögen sie ein simultanes oder aber ein alternatives System bilden, in
ein einziges Urteil, einen grammatikalischen Satz mit nur einer Ko-
pula — für den Fall nämlich, wo die Gliederaussagen sämtlich das-
selbe Subjekt oder aber das nämliche Prädikat besitzen — werden die
Definitionen (3) maassgebend sein.


Den Klassenkalkul vermochten wir seinerzeit ein nicht unbeträcht-
liches Stück weit zu entwickeln, ohne jemals den Begriff der Negation
wesentlich vorauszusetzen oder hinzuzuziehen, und dem gemäss wollen
wir auch vom Negiren der Aussagen und der Darstellung der Aus-
sagennegation in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls erst später
(§ 31) handeln.


Wir könnten hiernach bereits zu Anwendungen des Aussagen-
kalkuls schreiten, wenn es nicht für viele, ja für die meisten Aussagen
noch Schwierigkeiten bereitete zu einer klaren Vorstellung von ihrer
„Gültigkeitsdauer“ zu gelangen. In den bisherigen Beispielen sind wir
solchen Schwierigkeiten noch aus dem Wege gegangen.


Was aber — fragen wir uns — soll nun etwa verstanden werden
unter der „Gültigkeitsdauer“ bei Aussagen wie diese:

  • „Es friert“ (ohne nähere Angabe eines Ortes, wo es frieren sollte);
  • „Das Dreieck A B C ist rechtwinklig“
  • „Die Funktion f (x, y) ist symmetrisch“
  • „Das Salz ist chemisch rein“, etc.


wo — in den letzten Fällen — nicht gesagt ist, von welchem Dreieck,
von welcher Funktion, von welchem Salz die Rede?


Man könnte solche Aussagen oder „unbestimmte singuläre“ Urteile,
in welchen das Subjekt (allgemeiner noch irgend ein Objekt) zwar nicht
als Klasse (im engeren Sinne) zu nehmen ist, vielmehr ein Individuum
vorstellt, welches aber nach Ort und Zeit nicht bestimmt (auch nicht
durch anderweitige Qualitäten etwa völlig determinirt) erscheint, am
besten wol „Gelegenheitsurteile“ nennen.


Die Wahrheit oder Falschheit einer solchen Aussage hängt ganz
und gar von der Gelegenheit ab, bei welcher sie ausgesprochen, ge-
macht wird. Sooft wir unter A B C zum Beispiel ein kraft seiner De-
finition, Erzeugung oder Konstruktion, kurz ein wirklich rechtwinkliges
Dreieck verstehen, wird die zweite Aussage wahr, andernfalles wird sie
falsch sein. Die dritte Aussage, auf irgend eine unsymmetrische Funktion
f (x, y) angewendet, ist falsch, auf eine symmetrische bezogen, richtig, etc.


Wollte man auch hier zur Vorstellung von einer „Gültigkeitsdauer“
gelangen, so müsste man sich die verschiedenen Momente vergegenwärtigen,
[22]Fünfzehnte Vorlesung.
in welchen eine bestimmte Person — sagen wir im zweiten Falle etwa ein
gewisser Mathematiker, Geometer — sich diese Aussage aneignet; die
Gültigkeitsdauer würde dann aus den Zeitmomenten sich zusammensetzen,
in welchen solches zutreffend geschieht, bei Ausschluss derjenigen, wo es
irrtümlich, zu Unrecht geschieht, und bezogen auf eine Mannigfaltigkeit,
bestehend aus den Zeitpunkten, wo es überhaupt geschieht. Oder, falls
wir den ganzen Zeitbereich erschöpfen wollten, so müssten wir einen idealen
Mathematiker fingiren, welcher alle erdenklichen Dreiecke A B C in einer
bestimmten Reihenfolge durchgehend, die (zweite) Aussage beständig im
Munde führt. Unzweifelhaft würde so ein bestimmtes Gebiet von Zeit-
punkten sich ergeben, für welches die Aussage richtig, und als dessen Er-
gänzung zur ganzen Zeit, ein anderes, für welches sie falsch ist, und jenes
wäre die fragliche Gültigkeitsdauer.


Wegen der Unbestimmtheit, Willkürlichkeit aber jener Reihenfolge des
Durchgehens, oder der Person, welche für eine solche sich zu entscheiden
hätte, entbehrt der ganze Begriff indess der erforderlichen Bestimmtheit,
ganz abgesehen davon, dass auch die Art, wie man zu seiner Konstruktion
gelangen sollte, etwas Gezwungenes an sich hat.


Bei den fraglichen „Gelegenheitsurteilen“ wird man darum gut
thun, den bisherigen Begriff der „Gültigkeitsdauer“ zu ersetzen durch
einen weiteren, und zwar an die Stelle ihrer Vorstellung treten zu
lassen diejenige von der Klasse der Anwendungsgelegenheiten der Aus-
sage, genauer: die Klasse derjenigen Gelegenheiten (occasions) bei
welchen die Aussage als eine wahre mit Fug und Recht gemacht werden
kann, bei welchen sie zutrifft.


Darnach wird, wenn a und b Gelegenheitsaussagen vorstellen, die
Subsumtion
zum Ausdruck bringen, dass die Klasse der Gelegenheiten, bei welchen
die Aussage a zutrifft, ganz enthalten, eingeordnet ist der Klasse der
Gelegenheiten, bei welchen die Aussage b zutrifft, d. h. wieder: „Wenn
a gilt, so gilt auch b“. Und bei äquivalenten Aussagen fallen beide
Klassen in eine zusammen, es bedingen jene einander gegenseitig, sind
immer zugleich wahr, oder falsch.


Beispielsweise möge a die Aussage bedeuten: „Das Viereck A B C D
ist eine Raute“, und b die Aussage: „Im Viereck A B C D stehen die
beiden Diagonalen auf einander senkrecht“, so gilt ab, d. h. Wenn
ein Viereck (A B C D) eine Raute ist, so sind seine Diagonalen zu ein-
ander normal. Das Subsumtionszeichen stellt hier wirkliche Unter-
ordnung vor, sintemal der Satz nicht umkehrbar ist, nämlich z. B.
auch im Deltoid*) die Diagonalen normal sind, ohne dass dasselbe eine
Raute (ein Rhombus, gleichseitiges Viereck) sein müsste.


[23]§ 28. Aussagen nach der Klasse ihrer Anwendungsgelegenheiten betrachtet.

Bedeutete ferner a die Aussage: „Die Ecken des Vierecks A B C D
liegen auf einem Kreise“, b die Aussage: „die Gegenwinkel des Vier-
ecks A B C D sind Supplemente“, so wäre a = b, denn eines bedingt
immer das andere nach bekannten geometrischen Sätzen. Die beiden
äquivalenten Aussagen a, b dürften hier gleichwol nicht „äquipollente“
genannt werden, weil sie erst auf Grund der AxiomeEuklid’scher
Geometrie denknotwendig auseinander folgen — diese Axiome aber an-
zunehmen erwiesenermassen keine Denknotwendigkeit gebietet.


Mit der Subsumtion nun, mit ihrer Deutungs- und Anwendungs-
fähigkeit, haben wir wiederum die Grundlage des ganzen identischen
Kalkuls gewonnen. Es stellt sich der Aussagenkalkul dergestalt als
eine spezielle Anwendungsweise des Klassenkalkuls dar.


Auch die früher aufgestellte „Gültigkeitsdauer“ bei denjenigen
Aussagen, bei welchen ungezwungen von einer solchen sich sprechen
lässt, kann jetzt ohne weiteres aufgefasst (oder umgedeutet) werden
als die Klasse derjenigen Gelegenheiten, bei welchen die betreffende
Aussage als eine zutreffende anwendbar ist, indem hier eben nur diese
Gelegenheiten an bestimmte Zeiten sich gebunden erwiesen. Ist die
Aussage z. B. „Es regnet soeben am hiesigen Platze“ im gegen-
wärtigen Zeitpunkt richtig, weil es wirklich draussen regnet, so ist
jetzt auch eine Gelegenheit, die Aussage als eine gültige zu machen,
und vice versā.


Es wird demnach das Gebäude unsres Aussagenkalkuls auf einer
völlig einheitlichen Grundlage ruhen.


Die Nullaussage entspricht wiederum einer leeren Klasse, die
keine einzige Gelegenheit berechtigter Anwendung der Aussage in sich
schliesst. Und die 1߭, der wir auch jetzt noch den Punkt belassen
wollen, mag man auffassen als die Gesamtklasse aller Gelegenheiten,
bei welchen überhaupt Aussagen zu machen sind — bei allen diesen
wird z. B. die Behauptung, dass 2 × 2 = 4, auch berechtigt erscheinen.


Es versteht sich, dass man die formalen Abmachungen des gegen-
wärtigen Paragraphen auch rein konventionell hätte hinstellen können. Ohne
jede Bezugnahme auf einen vorangehenden Klassenkalkul und ohne eigent-
liche Motivirung hätte einfach „ausgemacht“ werden können, was wir re-
kapitulirend zusammenstellen:


  • a = 1߭, oder a, solle heissen: die Aussage a gilt,
  • a = 0: sie gilt nicht; ab: wenn a gilt, so gilt b; a = b: wenn a gilt
    so gilt b, und umgekehrt; a b: es gilt zugleich a und b; a + b: es
    gilt a oder b; (a1 solle bedeuten die Verneinung der Aussage a, so-
    nach dasselbe, wie der Ansatz: a = 0).

Man könnte darnach die ersten Sätze des Aussagenkalkuls in Formeln
hinstellen, indem man einfach an den gesunden Verstand, das Gefühl der
[24]Fünfzehnte Vorlesung.
Evidenz appellirte, die komplizirteren Sätze hernach aus den einfacheren
beweisend. Auf diese Weise verfährt Herr McColl; nach ihm im wesent-
lichen auch Herr Peirce5, jedoch mit bedeutend tiefer eingehender und
verdienstlicherer Begründung, die sich, wie wir gesehen haben, fast ganz
auf den Klassenkalkul übertragen und für diesen verwerten liess (um welchen
übrigens Peirce sich zuvor 1a auch schon Verdienste erworben hatte).


Indem ich vorstehend den Zusammenhang zwischen Gebiete- oder
Klassenkalkul einerseits und Aussagenkalkul andrerseits näher darzulegen
versuchte, führte ich eine von Boole schon gegebene Anregung weiter
aus, die mir befolgenswert erscheint aus Gründen, auf welche ich schon
Bd. 1, S. 290 hingewiesen habe und am Schlusse des § 45 noch weiter ein-
gehen werde.


Vor einer naheliegenden Verwechselung muss übrigens noch ge-
warnt, es muss auf einen Umstand aufmerksam gemacht werden, der
sonst leicht eine Quelle der Verwirrung werden könnte:


Nachdem wir die „hypothetischen“ Urteile: „Wenn a gilt, so gilt b
— das sind sprachlich Konditionalsätze, die an eine Bedingung (Hypo-
thesis) eine Behauptung (Thesis) knüpfen — darstellen gelernt haben
durch eine Subsumtion des Aussagenkalkuls:
,
so ist für letztere neben der nach dem Bisherigen berechtigt erscheinen-
den Redensart: „a ist in b enthalten“ in einem gewissen — allerdings
ganz andern — Sinne auch die umgekehrte Redensart anwendbar und
sogar vorwiegend üblich: „a enthält b, oder begreift es unter sich (m.
a. W.: b ist in a mitenthalten)“ — vergleiche Bd. 1, S. 623 sq. Be-
deuten a und b Aussagen, so sagt der Engländer geradezu: „a im-
plies b“, und würde im Deutschen dem entsprechen: „a schliesst b in
sich“, „a involvirt b“. In Anbetracht, dass die Geltung von a allemal
auch die von b nach sich zieht, d. h. — mögen wir sagen — in „ex-
tensiver
“ Hinsicht, im Hinblick allerdings auf den Inhalt der Aussagen,
ist solches auch berechtigt, während in „intensiver*) Hinsicht, im Hin-
blick auf die Klassen der Anwendungsgelegenheiten wie gesagt die um-
gekehrte Beziehung stattfindet, wie sie die Fig. 1 (mit 2) des Bd. 1 versinn-
lichen würde; da würde denn auch auf Englisch zu sagen sein: „b implies
a“. Dadurch, dass wir uns im Aussagenkalkul des Verbums „Enthalten-
sein“ lieber gänzlich enthalten, statt dessen uns einer der unverfäng-
licheren synonymen Ausdrucksformen bedienend, werden wir im
Deutschen Missverständnissen am besten aus dem Wege gehn.


[25]§ 29. Übersetzung in die Zeichensprache des Aussagenkalkuls.

§ 29. Übersichtliche Darstellung der bisherigen Sätze in der Zeichen-
sprache des Aussagenkalkuls. Das Summenzeichen Σ
und das Produktzeichen Π.


Wir wiederholen nun die Definitionen, Prinzipien und Sätze des
Gebietekalkuls, indem wir uns der abkürzenden Schreibung des Aussagen-
kalkuls bedienen — wie sie im vorigen Paragraphen erläutert worden.


Die Buchstaben des kleinen lateinischen Alphabets sollen jetzt
wieder Gebiete unsrer bevorzugten Mannigfaltigkeit (der Fläche 1 der
Schultafel) vorstellen, oder auch — wenn man will — Klassen von
Individuen aus irgend einer „gewöhnlichen“ Mannigfaltigkeit von Ob-
jekten des Denkens.


Die Aussagen, welche ursprünglich in Betracht kommen, werden
sich auf eben diese Gebiete oder Klassen beziehen und sollen dann
primäre“ genannt werden.


Wol alle Theoreme des Gebietekalkuls behaupten etwas von diesen
primären Aussagen: sei es deren unbedingte und allgemeine Gültigkeit,
sei es die einseitige Abhängigkeit der einen als Behauptung von den
andern als Voraussetzung des Theorems hingestellten, sei es auch die
gegenseitige Abhängigkeit oder Äquivalenz gewisser einzelner oder
auch Gruppen von solchen primären Aussagen.


Wir mögen deshalb diese Theoreme oder Aussagen über (primäre)
Aussagen (nun) „sekundäre“ Aussagen nennen.


Anstatt wie früher mittelst verbalen Textes sollen nun diese
sekundären Aussagen durch Formeln in der Sprache des Aussagen-
kalkuls dargestellt werden, was auf eine blosse Übersetzung der Wort-
sprache in die Formelsprache hinauslaufen wird. Original und Über-
setzung sollen dabei jeweils durch die übereinstimmende Chiffrirung
aufeinander bezogen werden.


Das Übersetzen aber hat für uns einen doppelten Zweck.


Es mag einerseits des Objektes, Themas, der Theoreme halber ge-
schehen, für welche es eine Art Repetition bildet, bei der sie aber
meist in noch erheblich schärferer Fassung, übersichtlicher und kon-
ziser wiederum in Erinnerung gerufen werden; zugleich wird ein Über-
blick über die ganze Reihe der (etwa Hundert) wichtigeren Sätze
geschaffen, der sich zum Nachschlagen bei etwaigen Citaten für Jeden
der die Formelsprache zu lesen versteht, sonach auch für die Zukunft,
vorzugsweise empfiehlt.


Andrerseits aber soll jenes Übersetzen auch um seiner selbst
[26]Fünfzehnte Vorlesung.
willen geschehen. Es soll in das Verständniss jener Formelsprache,
die vor der Wortsprache eben gewisse Vorzüge besitzt, den Studiren-
den praktisch einführen, soll eine gewisse Übung und Geläufigkeit im
Gebrauche dieser Zeichensprache anbahnen, die für die Formulirung
und Bewältigung späterer schwierigerer Probleme wertvoll oder uner-
lässlich ist.


Wir werden uns hiernächst enthalten, Aussagen etwa auch durch
Buchstaben darzustellen. Wo immer eine Aussage mit ihrer Gültig-
keitsdauer in Rechnung zu setzen ist, soll dieselbe mit Subjekt, Kopula
und Prädikat vollinhaltlich angegeben, „spezifizirt“ in eine Klammer
geschrieben werden. Dergleichen in die sekundären Formeln ein-
gehende primäre Aussagen, welche somit als linke oder rechte Seite
einer Subsumtion oder Gleichung, oder ebendarin als Faktor, Summand,
vielleicht als Negand auch, auftreten, müssen demnach in diesen For-
meln jeweils ausgelegt, interpretirt werden als ihre „Gültigkeitsdauern“
oder „Klassen der Gelegenheiten ihrer berechtigten Anwendung“.


Die Ewigkeit 1߭, oder Gesamtklasse aller Gelegenheiten zu Aus-
sagen, werden wir von der Tafelfläche 1, wie ausgemacht, durch den
Tupfen unterscheiden.


Letztere 1 indess würde auch durch die erstere 1߭ sich durchweg er-
setzen lassen und durch sie wirklich zu ersetzen sein, falls man etwa die
Gebietsymbole a, b, c, x … ebenfalls als Aussagen deuten, den reinen
Aussagenkalkul
also (als eine spezielle Anwendung des Gebietekalkuls) in
sich selbst
ausdrücken wollte.


Unsre primären Aussagen würden dann schon als sekundäre, unsre
sekundären als tertiäre zu bezeichnen sein.


Solches zu thun ist jederzeit erlaubt. Es hiesse das aber von einer sehr
viel allgemeineren Theorie nur einen ganz speziellen Unterfall hervorhebend
darstellen — wie wir in den nächsten Paragraphen genauer darlegen werden.


Zur exakten Wiedergabe einiger Theoreme werden wir noch eines
Paares von neuen Zeichen bedürfen, die wir der Mathematik (zum,
wie sich im nächsten Paragraphen zeigt, vollkommen analogen Ge-
brauche) entlehnen, nämlich des „SummenzeichensΣ (Sigma) und des
ProduktenzeichensΠ (Pi).


Um nämlich auszudrücken, dass eine auf ein Gebiet x bezügliche
Aussage für jedes Gebiet x (aus unsrer Mannigfaltigkeit 1) gelte oder
gelten solle, werden wir das Zeichen (gesprochen: Pi nach x von …)
vor dieselbe setzen, und den entstehenden Ausdruck auch das Produkt,
genommen nach x, von der dahinterstehenden Aussage nennen.


Wenn mehreres, ein längerer oder komplizirter Ausdruck hinter dem
Zeichen steht, so frägt es sich, bis wohin die fragliche Aussage gehe, wo
[27]§ 29. Das Summenzeichen Σ und das Produktzeichen Π.
sie aufhört. Laut einer allgemeinen Übereinkunft erstreckt sich dabei die
letztere immer bis zu dem nächsten „freien“ Plus- oder Subsumtions- oder
Gleichheitszeichen, wenn wir „frei“ ein solches Zeichen nennen, welches
nicht von einer Klammer umschlossen ist, es sei denn von einer solchen,
welche auch das Π mit umschliesst; folgt aber überhaupt kein solcher
Klammerabschluss, kein solches Zeichen nach, so erstreckt sich die Aus-
sage natürlich bis an das Ende des Ausdrucks. Steht also insbesondre
ein Produkt hinter dem Π, so erstreckt sich die Wirkung dieses Zeichens
nicht etwa blos auf den ersten, den dem Π zunächst stehenden Faktor
desselben, sondern auf das ganze Produkt, indem die Malzeichen, selbst
wenn sie ausdrücklich (als Punkte) geschrieben sein sollten, der Wirkung
keinen Halt gebieten.


Dagegen das vor eine (ebenso sich begrenzende) Aussage gestellte
Zeichen (gesprochen: Summe nach x von …) soll uns andeuten,
dass die Aussage nicht notwendig für jedes, sondern nur für ein ge-
wisses
Gebiet x, oder auch für mehrere gewisse Gebiete x (unsrer
Mannigfaltigkeit 1) — kurz: für mindestens ein x — gelte, oder —
als Voraussetzung zum Beispiel — zu gelten habe. Der so entstehende
Ausdruck heisst dann auch die Summe, genommen nach x, von der da-
hinter stehenden (auf x bezüglichen) Aussage.


Ebenso wird das Zeichen andeuten, dass die dahinter stehende
(nach erwähnter Übereinkunft sich von selbst begrenzende) Aussage
für alle erdenklichen Gebietepaare x, y, welche aus unsrer Mn. 1 her-
vorgehoben werden können, in Anspruch genommen werde, und das
Zeichen , dass dieses nur für gewisse Wertepaare x, y, mindestens
aber für ein solches Wertepaar, geschehen solle. Etc.


Die Zeichen Π, Σ sind in solchem Sinne schon von Peirce und
Mitchell gebraucht. —


Die Motivirung dieser, auch den Mathematiker vielleicht anfangs be-
fremdenden Festsetzungen nebst den etwa nötigen ergänzenden Bemer-
kungen in Bezug auf die Gesetze und den regelrechten Gebrauch der
beiden Zeichen verschieben wir auf den nächsten Paragraphen.


Der Ausdruck hinter dem Zeichen Σ, Π, auf den dasselbe sich
bezieht, heisst das „allgemeine Glied“ der Summe, resp. der „allgemeine
Faktor
“ des Produkts, und das unter dem Zeichen angemerkte Symbol x
heisst die „Summationsvariable“ resp. „Produktationsvariable“; auch kommt
die gleiche Benennung (im Plural) den sämtlichen darunter angemerkten
Symbolen zu, wenn ihrer mehrere, wie x, y, ‥, sich angemerkt finden
sollten. —


Auf § 31 sq. verschieben wir thunlichst alle sonst vielleicht noch
w ünschenswert erscheinenden Erläuterungen und Erörterungen, um
den Überblick nicht zu beeinträchtigen.


[28]Fünfzehnte Vorlesung.

Prinzip I der Identität lautet:
I. , oder kürzer:
°I. .
Statt zu sagen: der letztere Satz gilt stets, kann man ihn einfach
hinstellen.


Wo in dieser Weise das Umschreiben, Transkribiren eines Theo-
rems in die Formelsprache des Aussagenkalkuls keine Vereinfachung
seines Ausdrucks liefert und deshalb besser unterlassen wird, wollen
wir, wie soeben, ein Ringelchen vor die Chiffre des Theorems setzen.


Prinzip II des Subsumtionsschlusses (Barbara):
II. .


Definition (1) der Gleichheit:
(1) Def. .


Diese Formel definirt primäre oder Gebietegleichheit (a = b) aus
der Subsumtion, und zwar vermittelst Ansetzung einer sekundären
oder Aussagengleichheit (nämlich der Äquivalenterklärung zweier pri-
mären Aussagen, wie sie das „freie“ Gleichheitszeichen andeutet).


Damit dieselbe — bei der im letzten Nebentext (S. 26) gekenn-
zeichneten Deutungsweise unsrer Formeln als solcher des „reinen Aussagen-
kalkuls“ — nicht als ein circulus in definiendo, eine Zirkeldefinition er-
scheine, sondern als Definition auch der Aussagengleichheit wirklich gelten
könne, muss die Berufung auf diesen Begriff und anderweitiger Gebrauch
des zugehörigen Beziehungszeichens in ihr selbst vermieden werden.


Dies ist leicht hinzubringen dadurch, dass man die Formel auflöst in
das (zwar „gleich“ 1߭ gesetzt zu denkende, hier aber besser nur schlecht-
weg hingestellte) Produkt zweier Subsumtionen:
,
welches nun erst kraft seines eigenen Sinnes sowie Schema’s in die oben
als Def. (1) hingestellte Gleichung zusammenzuziehen wäre.


Man bemerkt nämlich, dass ebenso wie die in ihr vorkommende Teil-
aussage (ab) (ba), so auch die ganze Aussage oder Festsetzung das
Produkt ist zweier vor- und rückwärts in einander übergehenden Subsum-
tionen, mithin von ebendieser Form: (AB) (BA), nur dass jetzt
A die Aussage (ab) (ba) und B die Aussage (a = b) bedeutet.
Nach der in ihr selbst gegebnen, für alle Aussagen — mögen sie a, b
oder A, B heissen — gelten sollenden Erklärung folgt sonach aus ihr
auch: A = B, das heisst: wir dürfen die Definition (1)', wie zu An-
fang, nun auch selbst als Gleichung (1) schreiben, und unter dieser ist
umgekehrt nichts anderes als das Subsumtionenprodukt (1)' zu verstehen.


Zusatz zu Def. (1): (a = b) = (b = a).


[29]§ 29. Übersichtliche Darstellung der bisherigen Sätze.

°1) Theorem. a = a.


2) Th.(ab) (b = c) (ac).


3) Th.(a = b) (bc) (ac).


4) Th.(a = b) (b = c) (a = c).


Die Definition (2) der identischen Null und Eins lautet:

°(2×) 0 a°(2+) a 1,

spricht aber die definitionsweise den Gebieten 0 und 1 beigelegte
Fundamentaleigenschaft in Form von Theoremen aus. Es würden
erst die Gleichungen:

(2×) Def. (xa) = (x = 0)(2+) Def. (ax) = (x = 1)

die Begriffserklärung ebendieser Gebiete 0, 1 auch in der für Defini-
tionen üblichen Form statuiren, indem sie ausdrücken, (links) dass
ein Gebiet x immer dann und nur dann*) 0 zu nennen sei, wenn das-
selbe in jedem Gebiet a enthalten, d. h. wenn für jedes a auch xa
ist, (rechts) etc.

5×) Th. (a 0) = (a = 0)5+) Th. (1 a) = (a = 1)

Definition (3) von Produkt und Summe (Peirce, McColl):

(3×) Def. (ca) (cb) = (ca b)(3+) Def. (ac) (bc) = (a + bc).

Dieselbe bestand aus den gesondert chiffrirten Teilen:

(3×)' (ca) (cb) (ca b)(3+)' (ac) (bc) (a + bc)
(3×)'' (ca b) (ca) (cb)(3+)'' (a + bc) (ac) (bc).
°6×) Th.a ba, a bb.°6+) Th.aa + b, ba + b.

Die Theoreme des § 6 waren subtilerer Art, auch im Grunde für
die Theorie entbehrlich; sie sollen deshalb auch hier als eine Ein-
schaltung isolirt werden, die von dem Anfänger sich überschlagen lässt.


7×) Th. = Def. (4×)7+) Th. = Def. (4+)
{(xc) (xa) (xb)} =
= (ca b)
{(cx) (ax) (bx)} =
= (a + bc).
[30]Fünfzehnte Vorlesung.
8×) Th.8+) Th.
(a bc) = (xa b) (xc)}(ca + b) = {(a + bx) (cx)},

wobei die in dieser Gleichung enthaltenen beiden Subsumtionen die
Theoreme 8)' und 8)'' gesondert vorstellen werden.


9×) Th. = Def. (5×)9+) Th. = Def. (5+)
{(xa) (xb) (xc)} =
= (a bc)
{(ax) (bx) (cx)} =
= (ca + b).
10×) Th.10+) Th.
(ca b) = {(a bx) (cx)}(a + bc) = {(xa + b) (xc)},

wobei wieder die aus der Gleichung nach Def. (1) leicht herauszu-
lesenden beiden Subsumtionen die Theoreme 10)' und 10)'' gesondert
vorstellen.


Für die Theoreme 11) muss wegen Raummangels der Mittelstrich
gebrochen werden.


11×) Th. {(xc) (xa) (xb)} {(xa) (xb) (xc)} = (c = a b) |
| 11+) Th. {(cx) (ax) (bx)} {(ax) (bx) (cx)} = (c = a + b),

oder nach Def. (1) zusammengezogen:

11×) {(xc) = (xa) (xb)} =
= (c = a b)
11+) {(cx) = (ax) (bx)} =
= (c = a + b).

Wie hier — in Th. 7) bis 11) der allgemeine Faktor selbst (hinter
dem Produktenzeichen) sich zu der anderen Seite der Proposition (Sub-
sumtion oder Gleichung) verhält, werden wir in § 32 sehen.


  • °12) Th. Kommutationsgesetze:
    °12×) a b = b a°12+) a + b = b + a.
  • °13) Th. Assoziationsgesetze nebst Zusatzdefinition von Produkt
    und Summe dreier in bestimmter Ordnung verknüpfter Opera-
    tionsglieder:
    [31]§ 29. Ihre Einkleidung in die Zeichensprache des Aussagenkalkuls.
    °13×) a (b c) = (a b) c = a b c°13+) a + (b + c) = (a + b) + c =
    = a + b + c.
  • °14) Th. Tautologiegesetze:
    °14×) a a = a°14+) a + a = a.
    15×) Th. (ab) (a cb c)15+) Th. (ab) (a + cb + c).
    16×) Th. (a = b) (a c = b c)16+) Th. (a = b) (a + c = b + c).
    17×Th. (ab) (a' b')
    (a a' b b')
    17+) Th. (ab) (a' b')
    (a + a' b + b').
    18×) Th. (ab) (a' = b')
    (a a' b b')
    18+) Th. (ab) (a' = b')
    (a + a' b + b').
    19×) Th. (a = b) (a' = b')
    (a a' = b b')
    19+) Th. (a = b) (a' = b')
    (a + a' = b + b').
  • 20) Th.(a = a b) = (ab) = (a + b = b).

°21×) Th.a · 1 = a°21+) Th.a + 0 = a.
°22×) Th.a · 0 = 0°22+) Th.a + 1 = 1.
  • °23) Th. Absorptionsgesetze:
    °23×) a (a + b) = a°23+) a + a b = a
    24×) Th. (a b = 1) = (a = 1) (b = 1)24+) Th. (a + b = 0) = (a = 0) (b = 0).
  • °25) Th. („Beweisbare“ oder Erste Subsumtion des Distribu-
    tionsgesetzes
    und seines dualen Gegenstückes):
    °25×) a b + a ca (b + c)°25+) a + b c (a + b) (a + c).

Die nächstfolgenden Formeln 26) bis 28) wurden als „Theoreme“
allerdings erst hinter Th. 34) bewiesen, mögen jedoch hier schon als
solche angeführt werden.


  • °26) Th. Zweite Subsumtion des Distributionsgesetzes nebst
    Gegenstück
    :
    °26×) a (b + c) a b + a c°26+) (a + b) (a + c) a + b c.
  • °27) Th. Distributionsgesetz (Erstes und zweites) nebst
    Gegenstück:
    °27×) a (b + c) = a b + a c
    b a
    + c a = (b + c) a
    °27+) (a + b) (a + c) = a + b c
    b c
    + a = (b + a) (c + a)
[32]Fünfzehnte Vorlesung.
  • °28) Th. Multiplikationsregel für Polynome nebst Gegenstück:
    °28×) (a + b) (c + d) =
    = a c + a d + b c + b d
    °28+) (a + c) (a + d) (b + c) (b + d) =
    = a b + c d.

Prinzip III×. |


[Der dual entsprechende Satz:
| III+.
wurde nicht zum Prinzip erhoben.]


29) Hülfstheorem (R. Grassmann2,5):

Definition (6) der Negation. Dieselbe spricht in der Gestalt:
°(6) Def.a a1 0, 1 a + a1
die der Negation a1 von a definitionsweise beigelegten Eigenschaften
in Form von Lehrsätzen aus. Dagegen formulirt als:
(6) Def.
oder auch:
leistet sie das gleiche auch in der Form einer Definition, indem sie
ausspricht, dass ein Gebiet x immer dann und nur dann als Nega-
tion a1 von a zu bezeichnen ist, wenn es mit a das Produkt 0 und
zugleich die Summe 1 liefert.


°30×) Th. Satz des Wider-
spruchs
:
°30+) Th. Satz des ausge-
schlossnen Mittels
:
a a1 = 0.a + a1 = 1.

°31) Th. Satz der doppelten Verneinung:
(a1)1 = a.


32) Th. nebst Zus. 1. (a = b) = (a1 = b1).
Zusatz 2. (a = b) {f (a) = f (b)}.


[°33×) Th.a b = (a + b) (a + b1) (a1 + b)°33+) Th.a + b = a b + a b1 + a1b
°Zusatz.°Zusatz.
a (a1 + b) = a b = (a + b1) ba + a1b = a + b = a b1 + b
°34×) Th.34+) Th.
0 = (a + b) (a + b1) (a1 + b) (a1 + b1)]1 = a b + a b1 + a1b + a1b1.

Hier kommt den links eingeklammerten Sätzen keine Wichtigkeit für
die Technik des Kalkuls zu.


[33]§ 29. Übersicht der Sätze.

°35) Th. Satz vom Dualismus (vergl. § 14):
.
Derselbe gehört eigentlich nicht zu den von unsrer Zeichensprache
beherrschten Sätzen, besitzt vielmehr seine besondre Symbolik.


°36) De Morgan’s Theoreme:

°36×) (a b)1 = a1 + b1°36+) (a + b)1 = a1b1,
oder a + b = (a1b1)1.a b = (a1 + b1)1.

37) Th. der (Konversion durch) Kontraposition:
(ab) = (b1a1).


38) Th.(a b1 = 0) = (ab) = (a1 + b = 1).


Zusatz.


(a b = 0) = (ab1) = (ba1), (a + b = 1) = (a1b) = (b1a).


39) Th.(a b1 + a1b = 0) = (a = b) = (a b + a1b1 = 1),
{(a + b) (a1 + b1) = 0} = (a = b) = {(a + b1) (a1 + b) = 1}


40) Th.(a cb c) (a + cb + c) = (ab)Schröder.
Zusatz 1.(a c = b c) (a + c = b + c) = (a = b),
Zusatz 2.(a cb) (ab + c) = (ab),Peirce.

41) Th. von Peirce:
(a bc) = (ab1 + c) = (ba1 + c), (ab + c) = (a b1c) = (a c1b).


°42+) Th.y = (x y + u x1) x + (x1y + v x) x1°42×) Th. Etc.

43) Th. (a = u b) = (ab) = (b = a + v).


°44+) Th.f (x) = f (1) x + f (0) x144×) f (x) = {f (0) + x} · {f (1) + x1}

Zusatz+. f (x, y) = f (1, 1) x y + f (1, 0) x y1 + f (0, 1) x1y + f (0, 0) x1y1,
Etc. (Boole und Peirce).


°Vorbemerkung zu Th. 45+):
(a x + b x1) + (a' x + b' x1) = (a + a') x + (b + b') x1,
(a x y + b x y1 + c x1y + d x1y1) + (a' x y + b' x y1 + c' x1y + d' x1y1) =
= (a + a') x y + (b + b') x y1 + (c + c') x1y + (d + d') x1y1, Etc.


°45+) Th.(a x + b x1) (a' x + b' x1) = a a' x + b b' x1,
(a x y + b x y1 + c x1y + d x1) (a' x y + b' x y1 + c' x1y + d' x1y1) =
= a a' x y + b b' x y1 + c c' x1y + d d' x1y1, Etc. (Boole.)


Schröder, Algebra der Logik. II. 3
[34]Fünfzehnte Vorlesung.

°46+) Th. (Schröder) (a x + b x1)1 = a1x + b1x1,
(a x y + b x y1 + c x1y + d x1y1)1 = a1x y + b1x y1 + c1x1y + d1x1y1, Etc.
Hülfstheorem zu Th. 47+) von Schröder:
(axb) = (a x1 + b x = x)


47+) Th. desgl.
(axb) = (ab) (x = a w1 + b w)


°48+) Th.a ba x + b x1a + b,
a b c da x y + b x y1 + c x1y + d x1y1a + b + b + c + d,

Etc. Diese Formeln drücken eigentlich noch nicht den ganzen Inhalt
des Theorems 48+) aus; um dies zu leisten müsste vielmehr die erste
ersetzt werden durch:
a bya + b) = (y = a x + b x1)
und würden analog mit etc. die folgenden umzuschreiben sein.


Zusatz:
(a u v + b u v1 + c u1v + d u1v1) = {a b c d + w (a + b + c + d)}.


49+) Th.(a x + b x1 = 0) = (bxa1),
oder, wenn man will = (ba1) (bx) (xa1).


Ferner ist hierzu anzuführen das Hülfstheorem des § 24 (Bd. 1,
S. 502):
(a x + b x1 = 0) = (x = b x1 + a1x),
und erscheint noch als eine nützliche Umschreibung (und Zusammen-
fassung) der beiden letzten Theoreme:
(a x + b x1 = 1) = (b1xa) = (x = a x + b1x1).


50+) Th. (Boole und Schröder):
(a x + b x1 = 0) = (a b = 0) (x = b u1 + a1u).


Hier hörte unsre Chiffrirung auf. Als Theoreme 51) mögen
noch angeführt sein die Ergebnisse aus dem § 23:


51×Th.(b x = a) = (ab) {x = a + u b1} |
| 51+) Th. (b + x = a) = (ba) {x = a (b1 + u)}

nebst den Zusätzen:

(b x = a) (b + x = 1) =
= (a b1 = 0) (x = a + b1)
(b + x = a) (b x = 0) =
= (a1b = 0) (x = a b1).
[35]§ 30. Fortsetzung über Σ, Π.

In Anbetracht, dass mit dem Vorstehenden der elementare Teil
unsrer Disziplin einen gewissen Abschluss gefunden hat, wollen wir
fortan die Nummernfolge überhaupt nicht weiter fortsetzen.


Dem Mathematiker ist die Mehrzahl der Sätze teils buchstäblich, teils
in der dem Subsumtionszeichen analogen Beziehung (gleich oder
kleiner) ohnehin geläufig, und wird derselbe eigentlich nur die Theoreme:
14), 22+), 23), 24), sodann diejenigen von Th. 30) ab, besonders zu be-
achten haben. Für den die in unserm Vorwort erwähnte Tertianerbildung
Besitzenden ist demnach, um für die Beherrschung unsrer Disziplin ge-
wappnet zu sein, das Gedächtniss nur mit wenig mehr als zwanzig Sätzen
zu belasten, die auf ungefähr ebensovielen Zeilen darstellbar sind und Der-
jenige von selbst behalten wird, der in den Sinn und Geist derselben ein-
gedrungen! Es kommt dazu noch, dass einzelne von den Sätzen in spä-
teren als in ihren Verallgemeinerungen schon mitenthalten sind. —


§ 30. Fortsetzung über Σ, Π. Aufhören des Dualismus.


Was die im vorigen Paragraphen eingeführten Summen- und
Produktenzeichen betrifft, so kann man im identischen Kalkul diese
Zeichen zunächst genau in derselben Weise verwenden, wie dies in der
Mathematik überhaupt geschieht, um das Anschreiben sehr zahlreicher
Summenglieder oder Produktfaktoren zu ersparen und die Arbeit auf
das einmalige Ansetzen des „allgemeinen Gliedes“, resp. „allgemeinen
Faktors“ zu reduziren.


In der Arithmetik geben die Schemata:

α) = a λ = a1 + a2 + a3 + … + an — 1 + ana λ = a1a2a3 .... an — 1an

über die Bedeutung der Zeichen Σ und Π Auskunft und regeln den Ge-
brauch derselben. [Man liest: Summe nach λ, (genommen) von 1 bis n,
von a λ. Etc.]


Durch seine Stellung im betreffenden Zeichen gibt sich hier der Buch-
stabe λ als der „laufende“ Zeiger oder die „Summationsvariable“ (resp.
„Produktationsvariable“) zu erkennen — in andern Fällen, wo die Druckerei
solcher typographischen Anforderung nicht gerecht zu werden vermag, er-
kennt man die laufende Zahl daran, dass sie als linke Seite einer über
und einer unter das Summenzeichen gesetzten Gleichung erscheint, wie bei
der Schreibung
β)
die man auch für die linke Seite von α) bezüglich hätte wählen können.


3*
[36]Fünfzehnte Vorlesung.

Um sich die Bedeutung eines mit dem Zeichen Σ oder Π in symbolischer
Abkürzung dargestellten Ausdrucks klar zu machen,
den Ausdruck zu inter-
pretiren, braucht man blos dem Zeiger λ alle ganzzahligen Werte von der
„unteren Grenze“ 1 bis zur „oberen Grenze“ n hin — mit Einschluss eben
dieser Grenzen — in dem allgemeinen Gliede resp. Faktor successive beizu-
legen; man erhält dadurch eine Reihe von einzelnen Termen:

a1, a2, a3, … an — 1, an,
welche bei Σ additiv, bei Π multiplikativ miteinander zu verknüpfen sind.


Hat man umgekehrt eine Summe, ein Produkt von lauter Gliedern
resp. Faktoren gleichen Baues, d. h. von Termen welche aus einem Buch-
stabenausdruck aλ dadurch hervorgehen, dass man für einen in ihm vor-
kommenden Buchstaben λ die Werte einer Sequenz von ganzen Zahlen der
Reihe nach einsetzt, so kann man immer die Zeichen Σ, Π behufs sym-
bolisch abgekürzter Darstellung des ganzen Ausdrucks mit Vorteil ver-
wenden. Es genügt dazu die Angabe des „allgemeinen“ Terms hinter dem
betreffenden Zeichen Σ oder Π und die Angabe der „Grenzen“, d. h. der
ersten und der letzten Zahl jener Sequenz (der „unteren“ nebst der „oberen“
Grenze), durch welche auch die zwischenliegenden Zahlen mitbestimmt er-
scheinen, sowie endlich die Charakterisirung der Summationsvariabeln als
desjenigen Buchstabens, für welchen eben die Werte jener Sequenz bei der
Interpretation des Ausdrucks eingesetzt werden müssen.


Man bemerkt, dass in der interpretirten oder „ausgeführten“ Summe
die Summationsvariable selbst gar nicht vorkommt; dieselbe war blos der
Stellvertreter für die Werte jener Sequenz, sozusagen der Träger derselben,
markirte blos die Stelle, wo letztere hinzuschreiben sind. Daher muss es
auch gleichgültig sein, welchen Buchstaben man als Namen für die Summa-
tionsvariable wählt, oder: die Bezeichnung der Summationsvariabeln ist gleich-
gültig — nur muss man Sorge tragen, dafür nicht einen schon anderweitig
in dem (ganzen) Ausdruck verwendeten Buchstaben zu nehmen,
entsprechend
dem in der ganzen Symbolik geltenden Grundsatze, dem Grundsatze für
alle systematische Bezeichnung: der Verwechselung von Verschiedenem
durch die Wahl einer unterscheidenden Bezeichnung für dasselbe vorzu-
beugen, insoweit selbiges in dem Rahmen einer Untersuchung zusammen
in Betracht kommt. Und ähnliches gilt beim Produkte. Oder wir haben:
γ) .
Der strenge Beweis für diese Formeln ergibt sich, indem man die Be-
deutung der beiderseitigen Ausdrücke der Definition gemäss ausführlich
hinschreibt, wo sie sich dann eben als augenscheinliche Identitäten heraus-
stellen.


[Zum Überfluss wäre an Beispielen leichtlich darzuthun, dass die
Nichtbeachtung der angeführten Rücksicht: für den laufenden Zeiger einen
noch unverwendeten, disponibeln Buchstaben zu uehmen, in Fehler führt.
Vergleiche hierüber z. B. den Anhang meines „Lebrbuch etc.“1.]


Handelt es sich um Untersuchungen über irgendwelche Summen oder
[37]§ 30. Fortsetzung über Σ, Π.
Produkte von irgendwieviel Gliedern, also um allgemeine Untersuchungen,
so kann man immer die aus dem Gebrauch der Zeichen Σ, Π resultirenden
Vorteile sich dadurch sichern, dass man sich für eine zweckmässige, eine
systematische Bezeichnung ihrer Terme von vornherein entscheidet, nämlich
wie in γ) numerirte Buchstaben, einen Buchstaben mit verschiedenen
Stellenzeigern, Suffixen oder Indices, wie a1, a2, a3, … an, dazu verwendet.


Und es steht dem nun nichts im Wege, auch ebendieses im identischen
Kalkul zu thun,
wenn also die Summen und Produkte nicht als arith-
metische sondern als identische aufgefasst werden. Kommen hier auch
Negationen in Betracht, so werden wir nur, um den Platz für den Nega-
tionsstrich offen zu halten, am besten obere Indices oder Exponenten
wählen vergl. Bd. 1, S. 261 sq.


Damit werden nun allerdings neben den Buchstaben und der 1 (even-
tuell auch der 0) als Gebietsymbolen auch ebensolche als Zahlzeichen ein-
geführt, und zwar für laufende Zeiger, Indices und Summengrenzen. Aber
eben wegen dieser ihrer Beschränkung auf einen bestimmten Platz im
Ausdrucke, steht eine Verwechselung derselben mit jenen nicht zu be-
fürchten.


Und indem wir von einer ganzen Reihe in Betracht kommender Gebiete
eines als das „erste“ mit a1, ein anderes als das „zweite“ mit a2, und so
weiter der Übersicht wegen benennen, wird man doch nicht sagen können,
dass dadurch das der Logik (im allerengsten Sinne) von rechtswegen
fremde Element der Zahl wesentlich in diese Disziplin hereingezogen werde;
es bleibt vielmehr die Angelegenheit nur eine untergeordnete Bezeichnungs-
oder Benennungsfrage.


Zur Illustration wollen wir einmal die namhaftesten unsrer bisherigen
Sätze, die eine Erweiterung auf beliebig viele Operationsglieder zugelassen
haben, in geschilderter Weise mittelst Summen- oder Produktenzeichen
darstellen.


Die Formel:
II.
stellt den n-gliedrigen Kettenschluss oder Sorites dar. Ausführlich inter-
pretirt würde diese Verallgemeinerung des Prinzipes II lauten:
II'.
und können hierin die sämtlichen in Klammer stehenden, d. h. hier nur auf
Gebiete (nicht auf Aussagen) bezüglichen Subsumtionszeichen auch durch-
weg in Gleichheitszeichen verwandelt werden, wodurch sich eine Erweite-
rung von Th. 4) ergäbe:
4)


Endlich dürfen von den linkerhand in II' auftretenden Subsumtions-
zeichen beliebige Gruppen durch Gleichheitszeichen ersetzt werden, wofern
[38]Fünfzehnte Vorlesung.
daselbst nur wenigstens ein Subsumtionszeichen übrig bleibt — in Er-
weiterung der Theoreme 2) und 3).


Die Erweiterungen der Definitionen (3) zu Sätzen:
(3×) (a0a1) (a0a2) … (a0an) = (a0a1a2an)
(3+) (a1a0) (a2a0) … (ana0) = (a1 + a2 + … + ana0)
ziehen sich zusammen zu:

und lassen dieselben sich noch einmal verallgemeinernd zusammenfassen zu
der Formel:
(3) .
Denn durch Anwendung des einen der beiden vorhergehenden Sätze auf das
innere Π-Zeichen, d. h. auf den allgemeinen Faktor des ersten oder letzten
Produktes erhält man:
— einen Ausdruck, der nach dem andern jener beiden Sätze alsbald in den
als mittleres Membrum von (3) angegebenen Ausdruck übergeht.


Ebenso ziehen sich die Erweiterungen der Theoreme 17):
17×) (a1b1) (a2b2) … (anbn) (a1a2anb1b2bn)
17+) (a1b1) (a2b2) … (anbn) (a1 + a2 + … + anb1 + b2 + … + bn)
zusammen zu:

wobei in Bezug auf Ersetzung der Gebiete verknüpfenden Subsumtions-
zeichen Ähnliches zu bemerken wäre, wie vorhin bei II; — in Erweiterung
der Theoreme 18) bis 19). Die Ausdehnung des Th. 19) ergibt sich
namentlich, wenn man beiderseits alle Zeichen in = verwandelt) das
mittlere oder freie aber stehen lässt).


Die Ausdehnungen der Theoreme 24):
24+) (a1 = 0) (a2 = 0) … (an = 0) = (a1 + a2 + … + an = 0)
24×) (a1a2an = 1) = (a1 = 1) (a2 = 1) … (an = 1)
stellen sich dar als:
[39]§ 30. Fortsetzung über Σ, Π.

°Weiter sind:

Die Erweiterungen der Distributionsgesetze, die wir schon Bd. 1, S. 311 in
extenso gegeben haben, und die Formel:

drückt die Multiplikationsregel für Polynome nebst ihrem dualen Gegen-
stück aus; es steht hier rechterhand eine sogenannte „Doppelsumme“, d. h.
eine Summe, deren allgemeines Glied selbst wieder ein Summenausdruck
ist, resp. ein „Doppelprodukt“. Und es würden diese Sätze sich fernerhin
leicht noch so verallgemeinern lassen, dass eine ganz beliebige Menge von
Summenzeichen beiderseits vorkäme rechts also (bei 28+) eine „mehrfache
Summe“ — und analog von Π-Zeichen bei 28×).


Endlich gibt die Erweiterung der Theoreme 36):

36×) (a1a2an)1 = a11 + a12 + … + a1n36+) (a1 + a2 + … + an)1 = a11a12a1n

in unserer Abkürzung.


Die gegebenen Beispiele werden wol genügen, um auch den Nicht-
Mathematiker in die Geheimnisse der Zeichen Σ und Π einzuweihen.


Ich lege auf diese Verwendungsweise (der Zeichen) selbst für unsere
Disziplin nur ein geringes Gewicht, werde auch kaum so von denselben
Gebrauch machen. Jedoch musste dieselbe hier dargelegt werden, um den
mathematisch weniger geschulten Leser mit dem Geiste der Zeichen ver-
traut zu machen und auf den für uns wichtigen Gebrauch derselben vor-
zubereiten, zu dessen Darlegung ich jetzt übergehe.


Bei diesem enthalten wir uns des Gebrauchs von Zahlzeichen (aus-
genommen 0 und 1) gänzlich, verwenden solche auch nicht mehr als Stellen-
zeiger.


[40]Fünfzehnte Vorlesung.

Wir fassen nur Formeln des Gebietekalkuls in’s Auge, und lassen
die Summations- (resp. Produktations) Variable — sie heisse x — so-
gleich eine vorgeschriebene Reihe von bestimmten Gebieten:
a, b, c, d, …
„durchlaufen“, d. h. successive mit einem jeden von diesen im Geiste
identifizirt, äusserlich durch dasselbe ersetzt werden. Wenn f (x) irgend
eine Funktion des identischen Kalkuls bezeichnet, so haben wir dann:
als Erklärung für die Bedeutung der linkerhand stehenden Ausdrücke.
Behufs Verringerung der Schwierigkeiten des Druckes kann man hier
(wo der früher von den „Summengrenzen“ etc. in Anspruch genom-
mene Platz frei geworden ist) die Variable x statt im Innern, auch
unterhalb des Zeichen Σ resp. Π anmerken, schreiben: f (x), f (x);
auch kann in der Gestalt:
die von der Variabeln zu durchlaufende Wertenreihe (Reihe von speziellen
Gebieten) gleich unterhalb der Zeichen Σ, Π angemerkt werden.


Unterlassen wir auch solche Anmerkung, indem wir z. B. die still-
schweigende Unterstellung fordern, dass a eine Wertenreihe a', a'', a''', …
b eine solche b', b'', b''', … zu durchlaufen habe, so gewinnt schon die
Mehrzahl unsrer vorigen Sätze ein durchsichtigeres, weniger schwer-
fälliges oder überladenes Ansehen, z. B.

(3×) (ab) = (ab)(3+) (ab) = (ab).

(3) oder (ab) = (ab),
wo die Suffixa unter den Zeichen Π, Σ nun auch ganz fortgelassen
werden mögen.


17×) Π (ab) (Π aΠ b)17+) Π (ab) (Σ aΣ b)

wobei es — als naheliegende abermalige Ausdehnung des früheren
Theorems 17) nun nicht einmal zu fordern nötig erscheint, dass die
Wertreihe der a und die der b aus gleichviel Werten bestehe [Es
durften ja einzelne von diesen Werten auch zusammenfallen, und
[41]§ 30. Fortsetzung über Σ, Π.
brauchen sie dann nach dem Tautologiegesetze nicht wiederholt zu
werden]. Etc. (den Rest sich noch einfacher zu schreiben überlassen
wir dem Leser).


Jedenfalls tritt durch solches Preisgeben des Beiwerks der Kern
der Sätze besser hervor. Da es für die Geltung dieser Sätze gleich-
gültig ist, wie viele es der von a oder b beiderseits zu durchlaufenden
Werte sein und wie diese Werte heissen sollen, so braucht letzteres in
den Sätzen auch nicht gesagt, nicht zum Ausdruck gebracht zu werden.


Wird zu einem Zeichen , keine Wertenreihe als die von dem
x zu durchlaufende ausdrücklich angeführt, so findet gewöhnlich einer
von den folgenden beiden Fällen statt:


Entweder diese Wertenreihe ist in unser Belieben gestellt; für
den ersten, zweiten, dritten, etc. Wert derselben können wir jedesmal
ein individuelles Gebiet nach Gutdünken nehmen, auch ist es gleich-
gültig ob die Reihe unbegrenzt fortgesetzt oder irgendwo abgebrochen
wird; auch die Anzahl der Werte steht dahin. Solches war in der
That bei den allgemeinen Sätzen der Fall, welche wir vorhin zu-
sammengestellt haben.


Oder diese Wertenreihe ist eine bestimmte, die Werte sind (wenn
auch ihre Reihenfolge als belanglos offen gelassen sein mag) in ihrer
Gesamtheit gegeben, durch eine allgemeine Abmachung ein für allemal
festgesetzt.


Bei den von Anfang als Rekapitulation der Sätze des identischen
Kalkuls in diesem Paragraphen gegebenen Formeln (welche überhaupt
Zeichen Σ oder Π enthalten — vergl. (2), 7) ‥ 11), 43), 47), 48) Zus.,
50) und 51) — war das letztere der Fall, und zwar sollte die von
der Variabeln x zu durchlaufende Wertenreihe bestehen aus allen denk-
baren Gebieten
, die Variable sollte sämtliche Gebiete oder Klassen der
Mannigfaltigkeit hier stets als Bedeutung nacheinander untergelegt be-
kommen (wobei Wiederholungen nicht einmal ausgeschlossen, aber be-
langlos).


Stellt nun Fx eine das Gebiet x betreffende Aussage vor, so wird
die Aussage
als ein identisches Produkt von Aussagen der Def. gemäss aussagen,
dass die Aussagen Fa, Fb, Fc, … gleichzeitig wahr seien, m. a. W. dass
die Aussage Fx sowol für x = a, als auch für x = b, x = c, etc. gelte.
Und das Urteil
[42]Fünfzehnte Vorlesung.
wird sogar — gemäss obiger Abmachung — besagen, dass die Aus-
sage Fx für jedes Gebiet x, mithin, dass sie ganz allgemein im Gebiete-
kalkul gelte.


Dagegen wird eine Aussage:
als eine identische Summe von Aussagen blos ausdrücken, konstatiren,
dass letztere alternativ gelten müssen: entweder die erste, oder auch
vielleicht die zweite, etc., „oder auch“ mehrere von ihnen zugleich,
vielleicht auch alle zusammen. Es können alle, es braucht aber nur
ein Term zuzutreffen. Und demgemäss wird das Urteil
schlechtweg besagen, dass die Aussage Fx wenigstens gelte für irgend
ein Gebiet x
, vielleicht für x = 0, oder vielleicht für x = 1, oder für
ein gewisses zwischenliegendes x, vielleicht sogar für mehrere, eine
ganze Klasse von solchen, vielleicht endlich — nicht notwendig — für
alle samt und sonders, „gewiss“ nur, für mindestens eines.


Hiernach erscheint nun die zu Anfang nur einfach als Konvention
von uns hingestellte Erklärung der Zeichen und als durchaus
motivirt; sie ist hiermit erkannt als vollkommen konform oder analog
(wenn auch nicht identisch) der sonstigen Verwendungsweise dieser
Zeichen in der gesamten Mathematik.


Man merke einfach, dass in der Zeichensprache des Kalkuls Π das
Symbol ist für das Pronomen „jedes“ (every), Σ dasjenige für „ir-
gend ein
“ (any, resp. some)*) — kürzer: für den unbestimmten
Artikel „ein“.


Jenes fordert gleichzeitiges, simultanes Vorstellen des dahinter ge-
setzten Termes in allen seinen Bedeutungen, dieses nur (fakultativ-)
alternatives in der einen oder andern, in gewissen oder irgend welchen
dieser Bedeutungen.


Mit Hülfe dieser beiden Zeichen, werden wir erfahren, lässt sich
jeder Grad von (bestimmter oder unbestimmter) Allgemeinheit an-
gemessen darstellen.


[43]§ 30. Aufhören des Dualismus.

Vor alle Formeln des § 29, welche Buchstaben a, b, c, x, … enthalten,
durften im Hinblick auf deren Allgemeingültigkeit natürlich auch die Zeichen
, , … unter jeweiliger Einklammerung der ganzen Formel geschrieben
werden. —


Die Entwickelung der Mathematik während des letzten Jahr-
hunderts hat bekanntlich die Erfahrung gebracht, dass die Über-
tragung des Begriffes der Summe oder des Produktes, aus einer end-
lichen
Menge von Zahlen auf eine unbegrenzte Menge von solchen, auf
eine „unendliche“ Reihe von Termen (Gliedern, Faktoren), an bestimmte
Voraussetzungen als einschränkende Bedingungen geknüpft ist, welche
in den „Konvergenzregeln“ („-Kriterien“) für unendliche Reihen, und
Produkte, von der Wissenschaft niedergelegt sind. Die Ausserachtlassung
dieser Konvergenzbedingungen, stellte sich heraus, führt in Fehler.


Für die identischen Produkte und Summen aus Gebieten oder
Klassen haben wir aber vorstehend die analoge Ausdehnung ganz
ohne weiteres vorgenommen, und wird daher durch die Analogie der
identischen mit den arithmetischen Disziplinen die Vermutung nahe
gelegt, ob nicht auch hier gewisse Vorsichtsmassregeln zu beachten
sein würden, ob nicht auch die identischen Produkte und Summen
aus unbegrenzten Mengen von Termen ihre „Konvergenzbedingungen“
haben?


Dass die Frage denknotwendig scheint verneint werden zu müssen
bildet ein interessantes Thema der Erkenntnisslehre, welches wir uns
hier begnügen, als solches blos angedeutet zu haben.


Noch ein andrer Umstand muss beim Überblicken der Formeln
des § 29 auffallen, den wir als


Anmerkung über den Dualismus zur Sprache bringen.


Die formalen Grundlagen des identischen Kalkuls, als da sind
Definitionen und (Axiome oder) Prinzipien*), desgleichen dann auch die
aus jenen Grundlagen abgeleiteten, gefolgerten Theoreme, zeigten bis-
lang jene in § 14 näher erörterte Eigenschaft des „Dualismus“. In
jedem Satze konnten mit übergeordnet und untergeordnet, also und
, zugleich auch 0 und 1, mal und plus die rollen tauschen, und
indem sie hierdurch in einander übergingen, entsprachen die Sätze mit-
unter schon sich selbst, zumeist aber paarweise einander — wie wir
sagten „dualistisch“ — wie wir nunmehr aber genauer werden sagen
müssen: „gebietsdual“.


[44]Fünfzehnte Vorlesung.

Nachdem wir nämlich alle Sätze aus ihrer früheren verbalen
Fassung in die Zeichensprache des Aussagenkalkuls umgeschrieben,
aus jener sie ganz in Formeln „übersetzt“ haben, kommen in ihnen
ausser den wie früher schon Gebietssymbole oder Klassen verknüpfenden
Beziehungs- und Operationszeichen auch vor: dieselben Zeichen als
solche, welche Aussagen verbinden (die jene Gebiete betreffen). Es tritt
neben dem Nullgebiet und dem Gebiet 1 auch eventuell jetzt in den
Formeln auf: die Nullaussage und die Aussage 1߭.


Faktisch ist die Anwendung der 0 als Aussage in der Rekapitulation
des § 29 durchweg vermieden, und ebenso die Aussage 1߭ durchweg, wo-
fern man bei den mit Ringelchen ausgezeichneten Chiffren sich an die an-
gegebene einfachste Fassung der Sätze hält. Leicht könnten jedoch die
Sätze auch in solcher Form dargestellt werden (wie es späterhin zum Teil
nicht vermeidlich), dass diese beiden Symbole häufig aufträten.


Also die „Beziehungszeichen“: , , = (zu denen später noch
weitere, wie ≠, treten werden) sowol, als auch die „Operations-
zeichen
“: mal oder · (eventuell unterdrückt und in Gedanken erst herbei-
zuschaffen, zu suppliren), sowie plus oder + und nicht oder 1 (Negations-
strich)*), dazu endlich auch „die beiden Zahlzeichen“: 0 und 1 (resp. 1߭)
des identischen Kalkuls — alle diese Zeichen haben wir nun und hin-
fort zu unterscheiden als „aussagenrechnerisch“ oder aber „gebietsrech-
nerisch
verwendete — man könnte wol auch sagen: sekundäre und
primäre.


Als solche geben sie auf den ersten Blick sich zu erkennen, indem die
letztern (oder primären Zeichen) an Buchstaben oder Buchstabenausdrücken
haften (die kein Beziehungszeichen enthalten), die erstern (oder sekundären)
aber an in Klammer stehenden Aussagen, oder Knüpfungen, Komplexen
solcher, die mindestens ein Beziehungszeichen in sich schliessen — sodass
eine Verwechselung von beiderlei Verwendungsweisen nicht zu besorgen steht.


Nimmt man in den Formeln des § 29 die durch den Satz des
Dualismus gestattete Vertauschung der Zeichen 0 mit 1, + mit ·,
mit , eventuell auch Π mit Σ, durchweg vor, nicht nur bei den als
primäre stehenden, sondern auch bei sekundären Zeichen, so ergeben
sich fast lauter falsche Sätze.


Gewissermassen zufällig richtig — weil ungeändert bleibend oder in
ihr duales Gegenstück (im herkömmlichen Sinne) übergehend — bleiben
blos der Zusatz zu Def. (1) sowie die Theoreme 5), 20), 32), 37), 38),
39), 41), das Hülfstheorem zu 47), und Th. 49).


Es genügt schon, bei den Grundlagen des Kalkuls jenes nach-
[45]§ 30. Aufhören des Dualismus.
zusehen, um die Unerlaubtheit des Prozesses im allgemeinen dar-
zuthun.


Schon Prinzip I in der Fassung des Aussagenkalkuls: (aa) = 1߭
schlechtweg dual umgeschrieben würde lauten:
(aa) = 0,
und somit geradezu in Widerspruch mit sich selbst treten; während näm-
lich der ursprüngliche Satz sagt, dass die Formel aa stets gelte, be-
hauptet der zweite oder dual umgeschriebene, dass sie (nämlich dieselbe
Formel, nur auf die zweite zulässige Art, nämlich von rechts nach links
als aa gelesen) niemals gelte.


Und ähnlich verhält es sich bei allen mit Ringelchen chiffrirten Theo-
remen, indem die durchgängig duale Umwandlung eines solchen Theorems
allemal hinauslaufen müsste auf die Verneinung seines dualen Gegenstücks
(im herkömmlichen Sinne), dessen Geltung doch mit ihm selbst ver-
bürgt ist.


Prinzip II, einfach dual umgeschrieben gäbe (sofern wir, statt und
, lieber major und minor tauschen):
(ca) (cb) + (ba)
und würde, was offenbar falsch ist, lehren, dass wenn c in a enthalten ist,
entweder es in dem nächsten besten Gebiet b, oder dieses in a enthalten
sein müsse.


Def. (1) der Gleichheit gäbe:
(ba) + (ab) = (a = b)
wonach a gleich b zu nennen wäre, wenn auch nur eines von den beiden
Gebieten, gleichviel welches, im andern enthalten ist.


Die Definitionen (2): (0 a) = 1߭ und (a 1) = 1߭ würden geben:
(a 1) = 0 und (0 a) = 0, würden also in Illustration des oben Ge-
sagten sich gegenseitig ableugnen.


Aus Def. (3) erhielten wir noch:
(a + bc) = (ac) + (bc), (ca b) = (ca) + (cb)
was ebenfalls leicht durch Beispiele als falsch darzuthun.


Etc. Und ähnlich, wie die Grundlagen schon die Umwandlung nicht
vertragen, so auch nicht das auf ihnen errichtete Gebäude von Konsequenzen.
Es würde beispielsweise Th. 40), Zus. 2 liefern:
(ba + c) + (b ca) = (ba),
was offenbar falsch. Etc.


Ebenso würden zumeist falsche Sätze sich ergeben, wenn man in
unsern Theoremen etwa die primären, gebietsrechnerisch verwendeten
Zeichen unverändert stehen liesse und nur die sekundären aussagen-
rechnerisch zu deutenden dem dualistischen Tausch unterwürfe — wie
[46]Fünfzehnte Vorlesung.
man dies im Anschluss an vorstehende Betrachtungen leicht ebenfalls
nachsehen wird.


Es gelten unsre Definitionen und Prinzipien „aussagendualum-
geschrieben nicht
mehr, mögen sie dabei gleichzeitig auch „gebietsdual“
transkribirt werden, oder nicht.


Diese Thatsache ist auf den ersten Blick überraschend. Wie ist
dieselbe mit dem Umstand in Einklang zu bringen, dass doch der
Aussagenkalkul nur eine besondre Anwendung des Gebietekalkuls ist,
in welchem der Dualismus durchweg herrscht?


Der scheinbare Widerspruch klärt sich in folgender Weise auf.


Schon die allgemeinste, schon eine Aussage von noch ganz offen
gelassenem Inhalte, lässt nicht als ein ganz beliebiges Gebiet sich
deuten (als eine ganz beliebige Klasse in der Mannigfaltigkeit der Ge-
legenheiten zu Aussagen), vielmehr kommt, sofern ihr Sinn nur kon-
stant festgehalten wird, einer der beiden Werte 0 oder 1߭ ihr not-
wendig zu. Bestimmte, mit Inhaltsangabe ausgestattete oder „spezifi-
zirte“ Aussagen, vollends, sind ganz spezielle Gebiete (mögen sie auch
vielleicht allgemeine Gebiete betreffen, über solche als ihr Thema etwas
aussagen). Wenn falsch, sind sie = 0, wenn richtig, = 1߭ zu denken.


Für spezielle Gebiete aber brauchte zu einer Proposition die dual ent-
sprechende keineswegs zu gelten.


Wenn — um das einfachste Beispiel zu nehmen — ab ist, braucht
nicht zugleich auch ba zu sein (sonst müsste ja in der That jede Ein-
ordnung auf identische Gleichheit hinauslaufen). Oder wenn für gewisse
Gebiete a, b, c beispielsweise ab + c sein sollte, so muss nicht notwendig
zugleich auch b ca gelten!


Nicht zu „Relationen“, sondern nur zu allgemeinenFormelndes
Gebietekalkuls
, die also richtig sind, was auch immer für Gebiete der
Mannigfaltigkeit die in sie eingehenden Buchstaben bedeuten, mussten
stets die dual entsprechenden gelten.


Da in dieser Weise z. B. a ba war, so musste zugleich auch aa + b
allgemein sein. Etc.


Von solchem Charakter scheinen zwar die in § 29 rekapitulirten
Theoreme zu sein — die wir in der That fortfahren mögen, auch in
ihrer dortigen Fassung, als allgemeineFormeln“ (und zwar des Aus-
sagenkalkuls) zu bezeichnen, sintemal sie eben für ganz beliebige Ge-
biete a, b, c, d, x, y, etc. Geltung beanspruchen — sie sind es aber in
Wahrheit (im vollen Sinne des Wortes) nicht: vielmehr stellen die-
selben sich sofort als blosse „Relationen“ (des Gebietekalkuls) dar, so-
[47]§ 30. Aufhören des Dualismus.
bald man die in sie eingehenden Aussagen durch Buchstaben ersetzt
(und letztere auf ihre Bedeutung im Gebietekalkul prüft):


Sollte man selbst die zugrunde gelegte Mannigfaltigkeit in ein
Individuum zusammenschrumpfen lassen, somit auf die beiden Gebiete
0 und 1߭ (welch’ letzteres dann dieses eine Individuum vorstellt) be-
schränken, — wie es hier angezeigt sein wird — so können doch
unsre sogenannten Formeln des § 29 im letzterwähnten Sinne in der
Regel nicht „Formeln“ sein. Dies wollen wir an einem Beispiel, etwa
bei Prinzip II, uns völlig zum Bewusstsein bringen.


Dasselbe mögen wir schreiben:
C AB,
wo C, A, B die Behauptungen (oder Aussagen) bedeuten:
C = (ab), A = (bc), B = (ac).


Die Voraussetzungen C und A unsres Satzes mögen hier nach Be-
lieben richtig oder falsch sein; sie sind (innerhalb der blos die Ge-
biete 0 und 1߭ umfassenden Mannigfaltigkeit) beliebige oder allgemeine
Symbole. Nicht so aber dann das Symbol B für die Behauptung des
Satzes. Dasselbe ist, nachdem die Werte von C und A festgelegt sind,
nicht mehr ganz willkürlich; es kann z. B. nicht 0 bedeuten, wenn C
und A die 1߭ zum Werte haben. Sogar in der Mannigfaltigkeit 0, 1߭
ist daher die Proposition C AB nicht allgemeingültig, keine Formel,
weshalb auch die dual entsprechende: BC + A hier nicht zu gelten
braucht. — Und diese Überlegung wird nicht beeinträchtigt durch den
Umstand, dass in unsern Aussagen A, B, C die Symbole a, b, c ganz
allgemeine oder beliebige Gebiete (der Tafelfläche z. B.) vorstellten. —


Das Versagen des Dualismus beim aussagendualen Umschreiben
der Sätze kann uns hiernach nicht mehr befremden.


Immer aber gelten unsre Formeln blos „gebietsdual“ umgeschrieben
ebenfalls wieder, d. h. man erhält aus ihnen immer wieder richtige
Formeln, wenn man nur die primären oder gebietsrechnerisch ver-
wendeten Zeichen 0 und 1, + und ·, Π und Σ, und umtauscht,
dagegen dieselben ungeändert stehen lässt, wo sie als sekundäre (als
Aussagen zu deutende, resp. solche verknüpfende, auf solche bezüg-
liche) auftreten.


Unsere Theoreme des identischen Kalkuls werden wir hinfort auch
in zweierlei Sinne zu citiren haben [so, wie dies mit den Prinzipien
wenigstens, auch wiederholt schon früher der Fall gewesen]: als solche
nämlich des allgemeineren, des Klassen- oder Gebietekalkuls, und ferner
[48]Fünfzehnte Vorlesung.
als solche des spezielleren, des reinen Aussagenkalkuls — wo unter
den kleinen Buchstaben, a, b, c, x, ‥ dann Aussagen zu denken sein
werden. Um Weitläufigkeiten zu vermeiden, ohne dass doch auf die
Angabe der beabsichtigten Verwendung jedes Citates verzichtet werden
müsste, mag künftig die letztere Citationsweise durch einen über die
Chiffre des Theorems gesetzten Horizontalstrich
angedeutet werden.


„Nach Pr. ĪĪ“ z. B. wird darnach heissen: „weil, wenn C aus B und
B aus A folgt, dann auch C aus A folgt“. „Nach Th. 6×)“ heisst: weil
das mehrern Gebieten gemeinsame Gebiet in irgend einem (einem jeden)
derselben enthalten ist; wogegen „nach Th. 6̄×)“ heisst: weil, wenn A nebst
B gilt, dann gewiss auch A (oder resp. B) gelten wird. „Nach Th. 2̅1̅×)“
heisst: weil eine selbstverständliche oder nach den gemachten Voraus-
setzungen ohnehin gültige Aussage (1߭) nach Belieben fortgelassen werden
mag, wo sie erwähnt worden, oder auch als simultan geltende angeführt
werden mag, wo sie noch nicht erwähnt worden. Etc.


[[49]]

Sechzehnte Vorlesung.


§ 31. Die Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.
Inkonsistenz.


Es wurde schon wiederholt im Kontext darauf hingewiesen, doch
ist erst hier der Ort, es im System eingereiht auszusprechen, dass
(nach der im § 28 über die Aussagensubsumtion AB getroffnen
Übereinkunft) das Prinzip I der Identität:
AA
im Aussagenkalkul die Bedeutung hat: Wenn A gilt, so gilt A. Das
heisst: Eine einmal als richtig erkannte Aussage (von bestimmtem Sinne)
darf, (indem dieser Sinn konstant festgehalten wird), bei beliebiger Ge-
legenheit wiederholt werden und muss allemal
, so oft sie ausgesprochen
wird, wieder als gültig anerkannt werden
. Mit noch andern Worten:
Was wahr ist, muss wahr bleiben. Zugeständnisse müssen, wenn ge-
macht, auch aufrecht erhalten, Abmachungen müssen gleichwie gegebene
Versprechen, gehalten werden. Ist zugegeben, dass eine Aussage A
gelte, so hat man dies von neuem zuzugeben, wann immer es — etwa
im Verlaufe von ferneren Argumentationen — in Erinnerung gebracht
werden sollte. Es ist geradezu die Forderung der Konsequenz im
Denken, die sich im Aussagenkalkul in das „Prinzip der Identität“ ein-
kleidet.


So unbestreitbar das Recht ist, mit welchem wir diesen Satz als einen
obersten Grundsatz der Logik in Anspruch nehmen, so erscheint es doch
nicht überflüssig, darauf aufmerksam zu machen, dass es missbräuchliche
Anwendungen dieses Grundsatzes gibt, erscheint es daneben angezeigt, auch
vor solchen zu warnen.


Für eine radikale Anwendung unsres Grundsatzes in allen Lebens-
lagen sollte hier keineswegs plädirt werden. Im gemeinen Leben darf
manches, was wahr ist, weder beliebig wiederholt, noch überhaupt nur aus-
gesprochen werden, und schon die Befolgung des Grundsatzes, „was wahr
ist, könne man ja sagen“, müsste sowol für Denjenigen, der es damit ver-
suchte, als für Diejenigen, die mit ihm in Berührung kommen, im all-
gemeinen eine Fülle von Unzuträglichkeiten im Gefolge haben, ja unberechen-
baren Schaden stiften — wie dies in einer bekannten Erzählung und darauf
Schröder, Algebra der Logik II. 4
[50]Sechzehnte Vorlesung.
gegründetem Lustspiele „Nur einen Tag die Wahrheit“, z. B., in anmutiger
Weise veranschaulicht worden.


Im gesellschaftlichen sowol als im dienstlichen Verkehr unter den
Menschen ist bekanntlich die Freiheit, eine Wahrheit auszusprechen oder
zu wiederholen, ausserordentlich und in ernstester Weise eingeschränkt durch
die Pflicht der Rücksichtnahme auf die möglichen oder voraussichtlichen
Wirkungen ihrer Äusserung, namentlich aber durch die Forderungen des
Anstandes, des Taktes und der Diskretion.


Vor geistig Unmündigen, vor ganzen und halben Kindern, Frauen
dürfen grosse Klassen von Wahrheiten überhaupt nicht ausgesprochen
werden. Das Gebiet, unter anderm, braucht hier nicht näher bezeichnet zu
werden, auf welchem auch die Kundgebung von Wahrheit mittelst Ab-
bildung, wie sie z. B. als Photographie mit äusserster Genauigkeit und Treue,
Wahrhaftigkeit, sich herstellen lässt, mit gesetzlichen Strafen aus gutem
Grunde verpönt ist. In der Bethätigung von Takt in seinen Äusserungen
wird ein Mensch nicht nur den etwa auszusprechenden oder anzudeutenden
Wahrheiten eine schonende Form zu geben suchen, in welcher sie die Ge-
fühle Derjenigen, an die sie gerichtet sind, nicht unnötig verletzen, die
Lebensinteressen der Nebenmenschen nicht ohne Not preisgeben oder schä-
digen, sondern er wird auch in vielen Fällen den Impuls zum Aussprechen
oder Wiederholen einer Wahrheit gänzlich hemmen. Den Anforderungen
des Taktes gesellen sich noch die ästhetischen des guten Geschmackes. Als
Geschäfts- und Dienstgeheimniss aber, auch als persönliche Angelegenheit
von privatem Charakter, als ein durch konfidenzielle Mitteilung erworbenes
Wissen oder „im Vertrauen“ Erfahrenes, ist manche Wahrheit sogar vor der
Veröffentlichung oder Preisgebung an Unbefugte sorgfältig zu hüten. Ihre
konsequente Verschweigung und sorgfältige Verheimlichung mag erscheinen
als Forderung der Freundespflicht, der Ehre und des Diensteides; auf
ihrer Preisgebung kann z. B. stehen die höchste Strafe des Vaterlands-
verrates. —


Da wir hier nicht eine Ethik zu schreiben vorhaben, so mag es bei
diesen Andeutungen sein Bewenden haben, die sicherlich für den Verständigen
genügen, der Freiheit wissenschaftlicher Forschung und Argumentation indess
auch wol keinen Eintrag thun.


Auch auf das Prinzip II als solches des Aussagenkalkuls haben
wir uns wiederholt schon vorgreifend berufen. Dasselbe, nämlich
ĪĪ. (AB) (BC) (AC)
stellt sich als der erste (und wichtigste) „hypothetische“ Syllogismus
dar, und spricht die Berechtigung aus, aus den als simultan gültig
vorausgesetzten Prämissen, als da sind der
Untersatz: Wenn A gilt, so gilt B,
und der Obersatz: Wenn B gilt, so gilt C,

die Konklusion zu ziehen: ergo Wenn A gilt, so gilt C.


Mit andern Worten: Wenn B von A und C von B bedingt wird,
[51]§ 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.
so wird auch C von A bedingt. Die Folgerung aus der Folgerung aus
einer Annahme ist auch eine Folgerung aus dieser Annahme.


Auch auf diesem Anwendungsfelde sind wir berechtigt, das Prinzip
als einen „Subsumtionsschluss“ zu bezeichnen. Derselbe erscheint uns
als das Prinzip der Stetigkeit, Kontinuität im Folgern oder Schliessen.


Wir haben begonnen, die „Prinzipien“ des Klassenkalkuls im Aus-
sagen
kalkul zu deuten und wurde in dieser Hinsicht zunächst Pr. I und
II erledigt, welche beiden sich als die einzigen Prinzipien des letzteren
darstellen, von denen auch schon im ersteren bei dessen mit Worten
geführten Überlegungen und Beweisführungen Gebrauch gemacht werden
musste.


Bei der aussagenrechnerischen Formulirung des letzteren Prinzipes
wurde indess, wie ersichtlich, schon Gebrauch gemacht — und zwar
unvermeidlicherweise — von dem Begriff und Zeichen des Aussagen-
produktes sowie von denen der Aussagenäquivalenz. Die(se) beiden
Begriffe der Gleichheit und des Produktes fanden im Klassenkalkul erst
hinter Prinzip II ihre Erklärung, die zugehörigen Zeichen auch erst
nach diesem ihre Einführung.


Sofern es möglich ist, sie selber ohne Berufung auf das Pr. II zu
begründen, müssten sie demnach im Aussagenkalkul dem Pr. II voran-
geschickt werden.


Hieraus wird offenbar, dass wir uns nicht mehr blos auf die Er-
örterung jener „Prinzipien“ (im engeren Sinne) beschränken dürfen,
sondern auch Definitionen und Postulate mit in den Bereich der Be-
trachtung ziehen müssen. Wir werden nicht umhin können, auch auf
die Grundlagen des Aussagenkalkuls überhaupt wenigstens einen Seiten-
blick zu werfen.


Wie wir anzunehmen uns berechtigt glauben, war der ganze
Klassenkalkul auf ein Minimum von axiomatisch zu fordernden Sätzen
zurückgeführt; er wurde nachgewiesen als beruhend auf einem Komplex
von „Prinzipien“, Definitionen und Postulaten, welche wir einerseits
als unerlässliche, nicht weiter reduzirbare oder zu vermindernde, andrer-
seits als zu seiner Begründung vollkommen hinreichende erkannten.


Von dem Klassenkalkul erschien aber der Aussagenkalkul uns blos
als eine spezielle Anwendung. Jedenfalls konnten die Grundlagen des
ersteren als ohne weiteres auch für letzteren gültige in Anspruch ge-
nommen werden.


Ein speziellerer Charakter wird indess dem Aussagenkalkul in der
That dadurch aufgeprägt — insoweit er sich wenigstens auf Aussagen
4*
[52]Sechzehnte Vorlesung.
von festem Sinne bezieht*) — dass zu jenen Grundlagen noch eine
weitere axiomatisch zu stellende Forderung hinzutritt, die zur Folge
hat, dass jedem eine Aussage repräsentirenden Buchstaben oder (zu-
sammengesetzten) Symbole immer nur eine der beiden Bedeutungen 0
oder 1߭ zukommt — dergestalt, dass der Aussagenkalkul zusammenfällt
mit einem Klassenkalkul, welcher eine neben dem Nichts nur ein ein-
ziges Individuum 1߭ enthaltende Mannigfaltigkeit 1߭ voraussetzte. Jener
adventiven Forderung werden wir (wie sich zu Anfang des § 32 zeigt)
am besten die Fassung geben:
(A = 1߭) = A
in welcher sie als das spezifische Prinzip des Aussagenkalkuls hingestellt
werden mag. Und somit wären wir also auch über die formalen Grund-
lagen des Aussagenkalkuls schon von vornherein im Klaren.


Wir wissen bereits, auf welchem Minimum von selbständigen
Elementen sein Gebäude ruhend angesehen werden kann, und die er-
kenntnisstheoretisch so hochwichtige Frage nach möglichster Verein-
fachung seiner Grundlagen ist keine dringliche mehr.


Beträchtlich würde gleichwol das Bild dieser Grundlagen sich
verschieben, versuchte man es, den Aussagenkalkul selbständig auf-
zubauen.


Obwol es uns rationeller erschien, den Gebiete- oder Klassenkalkul
als den allgemeineren ihm vorangehen zu lassen, wäre es dennoch
nicht unverdienstlich, ja von hohem Interesse, solch selbständige Be-
gründung des Aussagenkalkuls durchzusprechen. Zu dem Ende würde
Herrn Peirce’s Arbeit 5 zu revidiren sein unter schärferer Hervor-
hebung und Numerirung der als unmittelbar einleuchtend geforderten
Prinzipien und Postulate. Glauben wir auch — aus angeführten Gründen
sowie der noch nicht ganz überwundenen Schwierigkeiten des Unter-
nehmens halber — auf die vollständige Verwirklichung dieses Desidera-
tums hier verzichten zu dürfen, so soll doch die gegenwärtige Vor-
lesung einiges Material dazu beisteuern.


Die Subsumtion (2̄×) 0 A hingestellt als eine solche, welche
für jede Aussage A zu gelten habe, ist wohl geeignet, die Nullaussage
zu definiren, und ebenso ist die Subsumtion (2̄+) A 1߭ auch im Aus-
sagenkalkul darnach angethan, die Aussage 1߭ zu definiren. Die letztere
1߭ hätte darnach zu gelten, immer dann, wenn eine beliebig zu wählende
[53]§ 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.
Aussage A gilt, das heisst aber: sie hätte stets zu gelten — in An-
betracht, dass man für A auch eine stets gültige Aussage (dergleichen
es ja gibt*)) wählen kann. Sobald ferner die Aussage 0 gilt, muss
jede beliebige Aussage A gelten; da es aber auch stets ungültige Aus-
sagen A gibt*), so kann die Gültigkeitsklasse der Nullaussage nur
die leere sein. Es war demnach zunächst die Aussage 1߭ als das
Symbol jeder unbedingt gültigen und die Aussage 0 als der Reprä-
sentant jeder unbedingt falschen Aussage in Erinnerung zu rufen.


Was die Def. (1̄) der Aussagenäquivalenz betrifft, so wurde in
§ 29 gezeigt, wie der scheinbare circulus in definiendo, nämlich der
Gebrauch einer Äquivalenterklärung bei:
(A = B) = (AB) (BA)
sich vermeiden lässt.


Dagegen setzte diese Erklärung das Verstehen eines Aussagen-
produktes bereits voraus, dessen Definition derjenigen der Gleichheit
hier vorangestellt sein müsste — wie denn überhaupt die Reihenfolge
in der die Grundlagen vorzutragen wären, und zufolge dessen zum
Teil auch die Anordnung der Beweise im reinen, selbständig er-
richteten Aussagenkalkul sich zu Anfang als eine andre aufdrängt, als
wie sie im Klassenkalkul gegeben worden.


Durch die Def. (3̄×) (CA B) = (CA) (CB) in dieser
ursprünglichen oder in irgend einer der dieser äquivalenten Formen
kann aber das Aussagenprodukt A B nicht ohne circulus definirt werden,
weil rechterhand, behufs der Erklärung, selbst zu einem Aussagen-
produkt gegriffen wird — ganz abgesehen davon, dass auch (entgegen
dem vorhin Bemerkten) die Erklärung der Aussagenäquivalenz wieder
ihrerseits vorausgegangen sein müsste. Ohne dass man zwei Annahmen
(von Merkmalen) als gleichzeitig vorauszusetzende hinzustellen ver-
möchte, lässt sich überhaupt nichts definiren**) Das Aussagenprodukt
A B muss wohl oder übel direkt, vermittelst seiner Interpretation, de-
finirt werden als die Aussage, welche ausspricht, dass die Aussage A
und die B gleichzeitig gelten; und die Gleichzeitigkeit scheint zu den
Kategorieen oder Urbegriffen zu gehören.


Was wir im Gebietekalkul unter (3×) als eine Definition hinstellen
[54]Sechzehnte Vorlesung.
konnten, wird darnach jetzt, im reinen Aussagenkalkul, entweder als
ein Theorem oder aber als ein Prinzip auftreten.


Ich bin übrigens wirklich im Zweifel, ob sich in solchem Grenzfalle
die Unterscheidung zwischen diesen Begriffen (von Definition, Axiom resp.
Prinzip und Theorem) noch strenge würde durchführen lassen. Man ver-
gleiche, was in § 51 in Bezug auf Herrn Dedekind’s von ihm so ge-
nannten „Beweis“ des Prinzips II gesagt ist. Man wird erkennen, dass es
bei der Frage wesentlich auf die Art ankommt, wie man den Begriff des
„Beweises“ erfasst, denn nur durch das Vorhandensein oder die Möglichkeit
eines solchen soll sich das „Theorem“ vor dem „Axiom“ auszeichnen.


Verlangt man nun von dem „Beweise“ — denselben wol in dem ge-
bräuchlichsten Sinne (sonach etwas weiter) fassend — nur die Herbei-
führung der subjektiven Überzeugung, dass die zu beweisende Behauptung
mit den Definitionen (und den eventuell ausserdem noch zuvor statuirten
Axiomen) in objektiver Denknotwendigkeit gegeben sei, so muss man in
unsrer gegenwärtigen Disziplin alles als „bewiesen“ gelten lassen, sobald es
nur auf Grund gegebener Definitionen einleuchtet — und zwar einerlei, auf
welchem Wege dieses Gefühl der Evidenz zustande kommt — auch dann
insbesondere, wenn es sich unmittelbar aufdrängt. Wirkliche Axiome, wie
in Geometrie und Physik, sind hier ja gar nicht vorhanden, und Alles ist
mit den Definitionen nebst gewissen (das Zugeständniss der Wirklichkeit
des Definirten fordernden) Postulaten schon denknotwendig gegeben — auch
Dasjenige, was wir hier (zur Unterscheidung von jenen eigentlichen Axiomen)
als „Prinzip“ hinstellen.


Die Wissenschaft fasst den Begriff des „Beweises“ schon enger als das
gemeine Leben, und zwar bei ihrem Fortschreiten ganz merklich immer
enger und enger; vor allem sind die Mathematiker auch wählerisch in den
Mitteln der Erkenntniss
geworden; noch mehr müss(t)en die Philosophen
es sein.


So lässt denn die Geometrie z. B. bei ihren Beweisführungen nur
mehr die logische Evidenz gelten; und schliesst die geometrische, welche
auf der uns zur zweiten Natur gewordenen Raumanschauung beruht, in
ihren höheren Teilen wenigstens, gewissenhaft aus.


Die Arithmetik ist nunmehr völlig von der Anschauung oder Voraus-
setzung vergleichbarer und messbarer Grössen frei geworden und auf rein
logische Grundlagen gestellt; sie hat sich besonders dank den Arbeiten von
H. Grassmann, G. Cantor, Weierstrass und Dedekind zu einem
Zweige der reinen Logik entwickelt.


Am engsten, sind wir genötigt, den Begriff des „Beweises“ in der
Logik selbst zu fassen: die Arten, auf welche das Gefühl der Evidenz zu-
stande kommen kann, sollen hier zum Bewusstsein gebracht, schematisirt,
klassifizirt und rubrizirt werden. „Prinzipien“ nannten wir solche Sätze
oder auch Schlussweisen, welche nicht auf früher registrirte nach eben-
solchen zurückgeführt wurden und nebenbei gesagt sich auf noch einfachere
Sätze überhaupt nicht reduziren zu lassen scheinen. „Theoreme“ nannten
wir die Sätze, bei welchen solche Zurückführung — der sog. „Beweis“
gelang, und zwar lediglich unter bewusster Anwendung der registrirten
[55]§ 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.
Definitionen und Prinzipien (sei es unmittelbar, sei es mittelbar unter Zu-
zug von noch andern, indess schon ebenso bewiesenen Sätzen).


Wesentlich wird es darnach auf die Reihenfolge ankommen, in welcher
die Sätze untergebracht werden: je nachdem man sich für die eine oder
andere Ordnung entscheidet kann ein und derselbe Satz als Theorem oder
als Prinzip zu gelten haben. Die Reihenfolge ist naturgemäss eingeschränkt
durch die Anforderung, dass Begriffe und ihre Zeichen nicht angewendet
werden dürfen bevor sie, sei es definitionsweise, sei es als Urbegriffe, ein-
geführt worden sind.


Hierbei ist es nun aber noch fraglich, ob es möglich sein wird, auch
die ersten Grundlagen unsrer Erkenntniss im Aussagenkalkul in eine Kette
von logisch in bestimmter Weise sich auseinander entwickelnden Sätzen
aufzulösen, ob nicht vielmehr bei dem Versuche einer solchen Entwickelung
gewisse Zirkel unvermeidlich bleiben und die letzten Grundlagen sich uns
darstellen werden als ein gegebenes Flechtwerk oder Netz von miteinander
konsistenten Begriffen und Grundsätzen, bei dem man zwar von Knoten zu
Knoten die kreuz und die quere entlang zu wandern vermag, ohne jedoch
das Ganze in eine einfache Perlenschnur je auflösen zu können.


Glücklicherweise jedoch liegt in Gestalt des als Klassenkalkul errich-
teten identischen Kalkuls das gedachte Flechtwerk dermalen wenigstens
schon fertig vor unsern Augen.


Nehmen wir nach dem Gesagten nun das gleichzeitige Adoptiren
von (zwei) Voraussetzungen, imgleichen wie das Statuiren von (zwei)
Behauptungen als simultan geltender, in Anspruch als eine logische
Kategorie nach Art der Urbegriffe, so konnte auch die Aussagen-
gleichheit, wie in § 29 erläutert, definirt werden und wir verfügen
nächst dem Begriffe der Aussagensubsumtion, dem Prinzip Ī und dem
Begriff der 0 und 1߭ als der falschen und der wahren Aussage auch
über den Begriff der Äquivalenz, nach welchem, wie gezeigt, das Prin-
zip ĪĪ angereiht werden konnte.


Auf Grund der Erklärung des Aussagenproduktes erscheinen
jetzt auch die Formeln A BA und A BB des Theorems 6̅×) als
reiner Ausfluss des Prinzips Ī: wenn A und B zugleich gelten, so
gilt A.


Ebenso die beiden Subsumtionen:
(CA B) (CA) (CB) und (CA) (CB) (CA B)
welche sich zu unsrer frühern Def. (3̄×) zusammensetzten: Wenn A B
(d. h. eben A nebst B) gilt, wann C gilt, so gilt auch A wann C gilt,
und zugleich gilt B wann C gilt, sowie umgekehrt.


Was die Aussagensumme A + B betrifft, so hat man, scheint mir,
die Wahl, ob man sie mittelst der für jede Aussage C in Anspruch
zu nehmenden beiden Subsumtionen (3̄+):
(AC) (BC) (A + BC), (A + BC) (AC) (BC)
[56]Sechzehnte Vorlesung.
als definirt erachten will um dann zu postuliren die Interpretation
dieses A + B als derjenigen Aussage welche die Geltung von A oder
(von) B statuirt, oder ob man umgekehrt diese letztere Deutung von
A + B hinstellen will als die Begriffserklärung unsrer Aussagensumme
und dann die Geltung der Subsumtionen (3̅+) als unmittelbar ein-
leuchtende postuliren:


Wenn C gilt wann A oder B gilt, so muss auch C gelten wann
A gilt, zugleich muss C gelten wann B gilt, sowie umgekehrt.


Im letzteren Falle würde die Konzeption einer Alternative (von
Annahmen, resp. Behauptungen) zu einem logischen Urbegriffe ge-
stempelt. — Von dem auf solche Grundlagen zu stellenden Gebäude
von Sätzen will ich nur weniges einzeln hervorheben.


Durch die Theoreme 1̅2̅) und 1̅3̅) wird dargethan, dass bei simul-
tanen sowol als bei alternativen Aussagen die Reihenfolge und Grup-
pirung derselben gleichgültig ist (für ihren logischen Gehalt, ihre
Tragweite). Insbesondere gilt dies auch für solche Aussagen, welche
als Prämissen von Konklusionen zu figuriren haben.


Praktisch unterliegt freilich die Anwendung dieses Satzes gewissen
Einschränkungen, indem gewisse Aussagen, um verständlich zu werden, es
erfordern können, dass gewisse andere ihnen vorausgeschickt seien.


Der Beweis beim Kommutationsgesetze 1̅2̅×) z. B. scheint auf den
ersten Blick auf eine „Petitio principii“ einen Zirkelbeweis hinauszulaufen,
bei welchem von dem Satze den man beweisen will, bereits unterwegs
Gebrauch gemacht wird. Aus A BA und A BB gemäss Th. 6̅×)
schliesst man ja, dass A BB und A BA, darnach kraft (3̅×):
A BB A sei (desgleichen umgekehrt). Man gestattet sich demnach
augenscheinlich, auf jene zu Prämissen erhobenen beiden Subsumtionen
in der umgekehrten Ordnung als in welcher sie zuerst sich darboten,
sich zu berufen.


Die Erlaubniss dazu ist in der That aber durch das Prinzip Ī
schon garantirt, kraft dessen die als wahr zugegebene zweite Subsumtion
auch wieder anerkannt werden muss, wenn man sie — etwa als erste
— zu wiederholen beliebt.


Auf die im § 10 dargelegte Weise erst zu beweisen, dass Reihen-
folge und Gruppirung der Prämissen in unser Belieben gestellt ist,
erscheint dann freilich als ein Luxus, indem solches schon unmittelbar
aus Prinzip Ī hervorgeht.


Gilt z. B. A B C, so gilt auch A B nebst C, sowie A nebst B C
desgleichen gilt dann C B A. Denn muss jede einzelne Prämisse im
Falle des Wiederholtwerdens bei jeder Gelegenheit anerkannt werden,
[57]§ 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.
so auch jede Gruppe von Prämissen, diese in was immer für einer
Anordnung genommen — sintemal eben das Auftreten einer Prämisse
in solcher Gruppe resp. in der neuen Anordnung, doch nur eine der
Gelegenheiten bildet, bei denen sie anzuerkennen ist.


Von grosser Wichtigkeit und häufigster Anwendung im Aussagen-
kalkul ist noch das Th. 2̅1̅×):
A · 1߭ = A,
nach welchem eine (selbstverständlich) wahre Aussage nach Belieben
einer Prämisse zugefügt, oder auch bei solchen unterdrückt werden
darf. Z. B. Wenn A gilt, so gilt A und ist zugleich 2 × 2 = 4, so-
wie umgekehrt: wenn A gilt und 2 × 2 = 4 ist, so gilt A.


Das Prinzip III× kann im Aussagenkalkul zunächst durch ein ein-
facheres Prinzip vertreten werden — einfacher, weil es nur auf zwei
(statt drei) allgemeine Aussagen bezüglich, nämlich durch dieses:
Prinzip *ĪĪĪ. (A + B = 1߭) = (A = 1߭) + (B = 1߭),
d. h. Gilt A oder B, so muss entweder A gelten, oder auch es muss B
gelten
, und umgekehrt: Wenn A gilt oder B gilt, so gilt A oder B.


Auf Grund des letzteren schon wird sich nämlich die zweite Sub-
sumtion des Distributionsgesetzes 26×) und damit dieses selbst (das
volle Distributionsgesetz) beweisen lassen, und zwar wie folgt. Wir
wählen für den zu beweisenden Satz die Fassung:
2̅6̅×) (A + B) CA C + B C.
d. h. Gilt A oder B, und ausserdem C, so gilt A nebst C oder B
nebst C.


Denn nach der Voraussetzung — im Hinblick, wenn man will
auf Th. 6̅×) als (A + B) CA + B — gilt dann A oder B, wofür
nach Pr. ĪĪĪ gesagt werden darf: es gilt A, oder es gilt B. Da nun
nach Pr. I die Voraussetzung C bei beliebiger Gelegenheit wiederholt
werden darf mit dem Anspruche, alsdann auch anerkannt zu werden,
so können wir für letzteres auch sagen: es gilt A und zugleich (gilt)
C, oder es gilt B und zugleich C, d. h. aber: es gilt A C, oder es gilt
B C, was wiederum nach Pr. ĪĪĪ zusammenziehbar ist in: es gilt A C
oder B C, es gilt A C + B C, q. e. d.


Dass der obige Satz ĪĪĪ im Gebietekalkul nicht gilt, wurde schon
in § 12 hervorgehoben, ist auch zudem leicht durch das nächste beste
Beispiel zu belegen (zum Exempel bei beliebigem von 1 verschiedenem
A durch die Annahme B = A1).


Da der Satz als ein auf Gebiete A und B bezüglicher gleichwol
[58]Sechzehnte Vorlesung.
einen Sinn hätte, obzwar er dann ungültig wäre, so ist der Gefahr vor-
zubeugen, dass man ihn irrtümlich schon auf Gebiete anwende. Davor
zu warnen ist der oben seiner Chiffre vorgesetzte Stern * bestimmt.


Mit einem solchen wollen wir ähnlich alle Formeln auszeichnen,
denen nur die „engere Geltung“ als solchen des Aussagenkalkuls nicht
aber die „weitere“ auch im Gebietekalkul zukommt.


Nur da, wo letzteres ohnehin aus der Formel ersichtlich ist, mag
die Beisetzung des Sterns unterbleiben. Jenes spezifische Prinzip des
Aussagenkalkuls: (A = 1߭) = A zum Beispiel kann unmöglich für eine
Formel der Gebieterechnung gehalten werden weil dann rechts in der
Gleichung ein Gebiet stehen würde, während links eine Aussage figu-
rirt (auch dann, wenn A als Gebiet interpretirt wird), und die Gleich-
setzung solcher Aussage mit einer Kreisfläche A keinen Sinn oder
keine Berechtigung haben könnte. Vgl. hiezu noch § 45.


Nunmehr bleibt uns noch die Negation einer Aussage zu erörtern
mitnebst den auf sie bezüglichen Grundsätzen der Logik.


Betrachten wir die Aussage A selbst als ein Objekt des Denkens,
welches einer „gewöhnlichen“ Mannigfaltigkeit von denkmöglichen Ob-
jekten angehört, so müsste unter A1 verstanden werden: Alles (aus der
erwähnten Mannigfaltigkeit), was nicht eben diese Aussage A ist
in Anbetracht, dass ja für jedes Objekt des Denkens bereits der Be-
griff seiner Negation in § 13 aufgestellt worden ist.


Hierbei aber hätten wir die Aussage ohne Rücksicht auf ihren
Sinn oder Gehalt als einen blossen Schall, oder Wortgefüge in Betracht
gezogen, wir wären demnach auch nur dahin gelangt, die Negation der
Aussage A in der suppositio nominalis
zu bilden — vgl. Bd. 1, S. 44.


Analog würde als Negation von „Pferd“ in letzterer Unterstellung zu
bezeichnen sein: alles was nicht das Wort „Pferd“ ist, wogegen wir aber
als Negation des Pferdes vielmehr in der suppositio realis anzusehen hatten:
alles, was nicht ein Pferd ist.


Gleichwie nun aber die suppositio nominalis bei unsern Operationen
mit Klassen und Begriffen auszuschliessen war, so wird sie auch stets
auszuschliessen sein bei unsern auf Aussagen bezüglichen Konventionen
und Betrachtungen. Aussagen ziehen wir nach ihrer Geltung in Be-
tracht in Hinsicht dessen, was sie besagen. Es kommt uns darauf an,
den Begriff der Negation in der suppositio realis aufzustellen als einer
Aussagenverneinung in der üblichen landläufigen Bedeutung, und diese
wird als „Negation von A“ schlechtweg bezeichnet werden, von dieser
allein soll hier die Rede sein. Zu dem Ende müssen wir uns die im
§ 29 dem Aussagenkalkul gegebene Basis vergegenwärtigen.


[59]§ 31. Grundsätze der Logik im Aussagenkalkul gedeutet.

Im Aussagenkalkul bedeutete uns 1߭ die Mannigfaltigkeit aller
Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo eine Aussage gemacht wird oder
gemacht werden könnte. War A eine Aussage jeweils bestimmten
(wenn auch nicht notwendig gerade unveränderlichen, konstanten)
Sinnes, so sollte beim Rechnen unter A vorgestellt werden die Klasse
der Gelegenheiten resp. Zeitpunkte, wo die Aussage A wahr ist, so-
nach als eine logisch wohlangebrachte, berechtigte gefällt werden kann.


Unter der Negation von A, in Zeichen: A1, ist demnach zu ver-
stehen die Klasse der übrigen Gelegenheiten resp. Zeitpunkte nämlich
derer, in welchen die Aussage A nicht wahr, unberechtigt ist. Man
kann aber dieses Symbol A1 selbst wieder als eine Aussage interpre-
tiren: als diejenige Aussage nämlich, welche die Ungültigkeit der Aus-
sage A behauptet
. Die Behauptung A1, = „die Aussage A ist falsch“,
wird gerade bei denjenigen Gelegenheiten wahr und berechtigt sein,
und nur bei solchen, bei welchen eben die Aussage A nicht wahr und
unberechtigt ist (wofern sie, wie hinfort vorauszusetzen, Sinn hat).


Ist die Aussage A als Proposition in unsrer Zeichensprache, als
Subsumtion oder Gleichung eine spezifizirte, z. B. ist
A = (ab) resp. A = (a = b),
so kann ihre Negation auch ausgedrückt werden durch Anhängung
des Negationsstrichs an ihren spezifizirten Ausdruck, d. h. es bedeutet:
(ab)1 = A1 resp. (a = b)1 = A1.
Für diese, wie wir sehen werden, im Kalkul häufig vorkommenden
Formen von Propositionen führen wir aber noch eine kürzere Dar-
stellungsweise ein, und zwar dadurch, dass wir die Kopula, das Be-
ziehungszeichen der zu verneinenden Aussage mit einem Negations-
strich vertikal durchsetzen. Wir definiren also:
(ab) = (ab)1, (ab) = (a = b)1
was man lesen mag: a nicht-eingeordnet b, resp. a ungleich b; es mag
das Zeichen der Nichteinordnung, ≠ das Ungleichheitszeichen genannt
werden, die erstere Proposition selbst eine negirte Subsumtion, die
letztere eine Ungleichung.


Das erstere von diesen Urteilen ist eine wirkliche „Urteilsverneinung“
und sonach ein „verneinendes Urteil“ im Sinne Sigwart’s keineswegs aber
im Sinne der (mit Recht) noch herrschenden Terminologie und des Sprach-
gebrauches: im allgemeinen darf dasselbe durchaus nicht mit „a ist nicht b
und niemals mit „alle a sind nicht b“ in Worte übersetzt werden — vgl.
unsere Ausführungen in § 15 sowie am Schlusse des § 35.


Es besteht vielmehr ein Vorzug unsrer Zeichensprache darin, dass
wir die Negation einer Subsumtion durch eine Proposition nun auszudrücken
[60]Sechzehnte Vorlesung.
vermögen, in welcher Subjekt und Prädikat von jener selbst wieder als
Beziehungsglieder auftreten — denen man die gleiche Benennung als „Sub-
jekt“
und „Prädikat“ auch in der Nichteinordnung belassen mag — wo-
gegen der Wortsprache eine einfache Ausdrucksmöglichkeit von ähnlichem
Charakter nicht zur Verfügung steht (§ 15 und § 35 Schluss).


Von fundamentaler Bedeutung auch für den Aussagenkalkul sind
nun die drei Sätze, als da sind:


Der Satz des Widerspruchs:
3̅0̅×) A A1 = 0,
welcher statuirt, dass eine Aussage A von bestimmtem Sinne bei keiner
Gelegenheit
und zu keiner Zeit wahr und zugleich auch nicht wahr
sein könne
.


Der Satz des ausgeschlossenen Dritten:
3̅0̅+) A + A1 = 1߭
statuirend, dass immer eine Aussage A entweder wahr oder falsch sein
müsse
, dass es eine dritte Möglichkeit nicht gebe.


Endlich der Satz der doppelten Verneinung:
3̅1̅) (A1)1 = A zerfallend in die beiden Subsumtionen:
A (A1)1 und (A1)1A,
demzufolge, wenn A gilt, dann die Verneinung von A falsch sein
muss
, und umgekehrt, wenn die Verneinung von A nicht gilt, dann A
gelten muss
.


Der Leser wird gut thun, sich auch noch einige weitere der im
§ 29 zusammengestellten Sätze, wie namentlich die Theoreme 36), auch
als solche des Aussagenkalkuls auszusprechen und zum Bewusstsein
zu bringen.


Eine Bemerkung fordert noch das Th.
3̅7̅): (AB) = (B1A1)
heraus, welches auch hypothetische Urteile durch „Kontraposition kon-
vertiren“ lehrt.


Statt „Wenn A gilt, so gilt B“ kann darnach auch gesagt werden:
Wenn B nicht gilt, so gilt auch A nicht“ — und umgekehrt.


Indem man A und A1 oder B und B1 in obiger Formel vertauscht,
kann man auch als ihren Ausdruck nehmen:
(A1B) = (B1A), resp. (AB1) = (BA1)
d. h. Gilt B wann A nicht gilt, so gilt auch A, wann B nicht gilt,
desgl. Gilt B nicht, wann A gilt, so gilt auch A nicht, wann B gilt,
und vice versā.


[61]§ 31. Inkonsistenz.

Es ist darauf aufmerksam zu machen, dass aus allen drei Fassungen
eine paradox klingende Formulirung hypothetischer Urteile hervorgehen
kann, aus der zweiten z. B. dann, wenn es nicht vorkommt, unmöglich
oder undenkbar ist, dass B nicht gelte.


Wir haben dann für das Urteil: Wann A nicht gilt, so gilt B
(denn es gilt laut Voraussetzung ohnehin, gilt selbstverständlich, in
allen Fällen) als gleichberechtigt auch die Fassung, in der es unter
Umständen sich von vornherein dargeboten haben mochte: Wenn B
nicht gilt (was aber nicht vorkommen kann, undenkbar bleibt), so
gilt A.


Zu beachten ist also: dass mit einem Konditionalsatz, der eine
nicht realisirbare, eventuell absurde Bedingung zum Vordersatze hat,
doch gültige Urteile in unsrer Disziplin abgegeben zu werden ver-
mögen, deren wahrer Gehalt bei ihrer Konversion zutage tritt — und
werden ungesuchte Beispiele dazu sich unter anderm in § 47 darbieten.


Nach Th. 3̅8̅×) lassen übrigens die einander gleichwertigen Urteile:
AB1 und BA1
auch einen Ausdruck zu, bei welchem ihre Symmetrie bezüglich A
und B ersichtlich ist, nämlich den folgenden:
A B = 0.
Es konstatirt dieses mit jedem der beiden vorigen äquivalente Urteil,
dass die Aussagen A und B nicht gleichzeitig gelten, nie, bei keiner
Gelegenheit zusammen bestehen können, dass sie miteinander unver-
träglich
, inkompatibel, inkonsistent sind.


Stellen überhaupt A, B, C, … Aussagen vor, so kann man (mit
Miss Ladd1 p. 29), sobald eine Gleichung der Form:
A B C … = 0
besteht, die linke Seite derselben eine „Inkonsistenz“ (inconsistency)
nennen. Inkonsistenz nennen wir also ein Produkt von Aussagen, so-
bald dasselbe verschwindet — oder auch, in übertragenem Sinne: den
Ausspruch, dass dasselbe verschwinde.


Haben wir eine Inkonsistenz:
A B = 0
so können wir nach erwähntem Theoreme jeden Augenblick dafür
schreiben:
AB1 oder, nach Belieben: BA1.
In der That folgt, falls A und B nie zugleich wahr sind, dass wenn
A gilt, B nicht gelte, und wenn B gilt, A nicht gelten muss.


[62]Sechzehnte Vorlesung.

Ebenso ist die Gleichung
A B C = 0
äquivalent einer jeden der drei Subsumtionen:
A BC1, A CB1, B CA1,
d. h. können die Behauptungen A, B und C nicht zusammen richtig
sein, schliessen sie selbdritt einander aus, so muss, wenn A zugleich
mit B gilt, C ungültig sein, desgleichen mit vertauschten Buch-
staben. Etc. —


Und ferner würde folgen: C (A B)1, somit nach Th. 3̅6̅×):
CA1 + B1, analog BA1 + C1, AB1 + C1,
und vice versā, d. h. wenn A gilt, so muss entweder B oder C (oder auch
B nebst C) ungültig sein. Etc.


Als eine Inkonsistenz, und damit nach Belieben auch als eine
Subsumtion, lässt jederzeit auch das „disjunktive“ Urteil sich darstellen.


Es kann von Urteilen dieser Art als von zweigliedrigen oder auch
von mehrgliedrigen gesprochen werden, und fassen wir zunächst den
einfachsten Fall in’s Auge.


Disjunktives Urteil im weiteren Sinne“ — besser vielleicht, mit
einem Worte, „alternatives Urteil“ — nennen wir eine Aussage von
der Form:
A + B = 1߭
mithin besagend — vgl. S. 57, Pr. ĪĪĪ, welches nach § 32, ε) reine
Identität wird —: Entweder gilt A, oder es gilt B. Kürzer: Es gilt A oder B.


Im Sinne unsrer Addition ist der Fall, wo A und B zugleich
gelten, damit nicht ausgeschlossen.


Nach bekannten Sätzen ist nun dies Urteil äquivalent der In-
konsistenz:
A1B1 = 0,
d. h. es kommt nicht vor, dass weder A noch B gelte — und damit,
gemäss dem obigen Schema, ist es auch äquivalent einer jeden der
beiden Subsumtionen:
A1B und B1A,
d. h. wenn A nicht gilt, so muss B gelten; und: sooft B nicht gilt,
muss A gelten.


Dies bleibt auch bestehen, falls etwa obendrein noch
A B = 0
sein sollte, in welchem Falle nach Th. 3̅3̅+) unser Urteil die Form
annimmt:
[63]§ 32. Vom Gewicht der Aussagen.
A B1 + A1B = 1߭,
d. h. Entweder gilt A und dann nicht B, oder es gilt B und dann
nicht A, m. a. W. es gilt A oder aber B. Diese Form ist es wol, die
mit der traditionellen Logik als „disjunktives Urteil im engeren Sinne
hinzustellen wäre.


Unsre „alternativen“ Urteile umfassen also mit die „disjunktiven“,
und für beide ist vorstehend gezeigt, dass sie in die Form einer Sub-
sumtion gesetzt werden können — so wenigstens, falls sie, wie vor-
stehend zweigliedrig sind.


Dreigliedrig hätten wir als alternatives Urteil:
A + B + C = 1߭
und als disjunktives (im engeren Sinne):
A B1C1 + A1B C1 + A1B1C = 1߭.
Da aber eine mehrgliedrige Summe sich jederzeit als eine zweiglied-
rige ansehen lässt, so unterliegt die Ausdehnung der Betrachtungen
auf beliebig vielgliedrige Urteile nicht der geringsten Schwierigkeit.


In § 15 wurde vom disjunktiven Urteil A + B vorausgesetzt, dass
A und B verbale Urteile, Aussagen in der Wortsprache seien, mithin als
Subsumtionen zwischen Klassen sich darstellen. Von diesen wurde dort
indessen nur der Sonderfall A = (ab), B = (ac) in’s Auge gefasst,
wo gedachte Subsumtionen sich auf das nämliche Subjekt a beziehen —
und zwar behufs Lieferung des Nachweises, dass das eigentlich disjunktive
Urteil „Entweder alle a sind b, oder alle a sind c“ von dem blos „dis-
junktiv“ prädizirenden „alle a sind entweder b oder c“ im allgemeinen zu
unterscheiden ist. —


Über die Grundlagen des Aussagenkalkuls werden auch die nach-
folgenden Betrachtungen noch einiges Licht verbreiten.


§ 32. Vom Gewicht der Aussagen. Direkte Verifikation der Sätze
des Aussagenkalkuls durch diesen.


Es bedeute A eine Aussage die — in der Weise, wie wir dies
in § 28 erläutert haben — einen vollkommen bestimmten Sinn hat,
und zwar sei dieser Sinn konstant, er werde als solcher, sooft wir
von A sprechen, jederzeit festgehalten.


Die Proposition A = 1߭ sagt alsdann aus: die Aussage A gilt
stets, zu jeder Zeit, bei jeder Gelegenheit, wogegen die Proposition
A = 0 aussagt: die Aussage A gilt nie, zu keiner Zeit, bei keiner
Gelegenheit.


[64]Sechzehnte Vorlesung.

Beides zugleich kann nicht der Fall sein, d. h. wir haben die
Inkonsistenz:
α) (A = 1߭) (A = 0) = 0.


Obwol an sich schon evident, kann dies auch nach den Prinzipien
des identischen Kalkuls bewiesen werden, wofern man nur als Axiom
gelten lässt, dass:
β) 0 ≠ 1߭,
d. h. dass „allezeit“ von „nie“ verschieden ist. [Hierüber hinaus kann
wol nicht gegangen werden, denn es hiesse das ja verlangen, dass
die Existenz der Zeit (oder auch von Gelegenheiten) a priori be-
wiesen werde!]


Beweis. Nach dem Axiom haben wir:
(0 ≠ 1߭) = (0 = 1߭)1 = 1߭
und hieraus folgt durch beiderseitiges Negiren gemäss Th. 3̅2̅):
(0 = 1߭) = 0.
Nach Th. 4̅) haben wir aber:
(A = 1߭) (A = 0) = (0 = A) (A = 1߭) (0 = 1߭),
sonach: (A = 1߭) (A = 0) 0
und also auch = 0 nach Th. 5̅×), q. e. d.


Nach den Bemerkungen am Schlusse des vorigen Paragraphen
kann die Inkonsistenz α) auch ohne weiteres umgeschrieben werden zu:
γ) (A = 1߭) (A ≠ 0) und (A = 0) (A ≠ 1߭),
d. h. gilt A stets, so ist zu verneinen, dass es nie gelte, gilt es nie,
so ist zu verneinen dass es stets gelte.


Wir wollen nun zusehen, wie die vorausgesetzte Konstanz des
Sinnes der Aussage A in Formeln sich ausprägt. Es kann diese
Voraussetzung auf verschiedene Weisen formulirt werden, die sich auf
einander zurückführen lassen.


Es wurde schon hervorgehoben, dass wenn die Aussage A wahr
ist, sie bei Unveränderlichkeit ihres Sinnes allezeit wahr sein muss,
dann also A = 1߭ sein muss, wogegen, wenn sie falsch ist, sie dann
niemals wahr sein somit A = 0 sein wird.


Diese beiden (einander, wie gezeigt, ausschliessenden) Fälle machen
aber zusammen das ganze Bereich der Möglichkeiten aus, d. h. es
prägt sich die gedachte Voraussetzung darin aus, dass gelten wird:
*δ) (A = 1߭) + (A = 0) = 1߭
[65]§ 32. Vom Gewicht der Aussagen.
— eine Gleichung, die im ersterwähnten Falle auf 1߭ + 0 = 1߭, im
letzterwähnten auf 0 + 1߭ = 1߭ hinausläuft.


Bei konstantem Sinne — sagt δ) aus — ist eine Aussage entweder
stets wahr
, oder sie ist stets falsch.


Setzen wir diesen Satz δ) als richtig voraus, so lässt sich nun
auch (in gewissem Sinne) beweisen, dass allgemein:
ε) (A = 1߭) = A
sein muss, gleichwie umgekehrt aus ε) auch δ) ableitbar ist.


Die Gleichung ε) bringt ebenfalls eine unmittelbar einleuchtende
Thatsache zum Ausdruck, die schon erwähnte nämlich: dass es einerlei
(logisch gleichbedeutend) ist, ob man eine Behauptung A einfach aus-
spricht
, oder ob man behauptet, diese Behauptung A gelte (stets), sei
immer wahr.


Um ε) aus δ) abzuleiten, kann man erstlich, in Worten argumen-
tirend, sich begnügen, die Gleichung ε) einfach zu verifiziren für die
beiden Fälle, welche δ) zulässt.


Entweder nämlich — nach δ) — ist A = 1߭. In diesem Falle
geht ε) über in, sagt nichts anderes aus, als:
(1߭ = 1߭) = 1߭
und dies ist richtig, weil die Gleichung 1߭ = 1߭ stets wahr sein muss.


Oder es ist A = 0, dann stimmt abermals für ε) die Probe:
(0 = 1߭) = 0,
indem die Behauptung 0 = 1߭ niemals richtig ist.


Zweitens aber kann man auch mehr rechnend zuwerke gehen wie folgt.


Ist A = 1߭, so — haben wir eben gesehen — bewahrheitet sich ε),
d. h. wir haben:
(A = 1߭) {(A = 1߭) = A}.
Und ebenso, wenn A = 0 ist, bewahrheitete sich ε), d. h. wir haben:
(A = 1߭) {(A = 1߭) = A}.
Aus diesen beiden Subsumtionen erhalten wir durch überschiebendes Ad-
diren gemäss Th. 1̅7̅+) und 1̅4̅+) — oder auch direkt nach Def. (3̅+) —
mit Rücksicht, linkerhand, auf δ):
{(A = 1߭) = A}
sonach kraft Th. 5̅+): {(A = 1߭) = A} = 1߭, womit gefunden ist, dass die
in geschweifter Klammer {} links stehende Aussage stets wahr ist, daher
wir dieselbe auch einfach — in Gestalt von ε) — hinstellen mögen.


Bei letzterer Bemerkung ist, wie man sieht, von der mit in ε) stecken-
Schröder, Algebra der Logik. II. 5
[66]Sechzehnte Vorlesung.
den Subsumtion (A = 1߭) A — d. h. wenn die Aussage A stets gilt,
so gilt sie — implicite schon Gebrauch gemacht, sodass der Beweis nicht
ganz frei von dem Vorwurfe ist, als ein Zirkelschluss zu erscheinen. Immer-
hin hat derselbe den Wert, zu zeigen, dass wenn der denknotwendige
Übergang von der Behauptung {(A = 1߭) = A} = 1߭ zur Behauptung
(A = 1߭) = A selbst in dem vorstehenden besonderen Falle, gewisser-
massen nur ein mal zugegeben wird, dann der gleiche Übergang von
(A = 1߭) zu A und umgekehrt von A zu A = 1߭ auch allgemein zugegeben
ist. Wir können uns eben von der allgemeinen Denknotwendigkeit auch
im besonderen Falle nicht emanzipiren.


Indessen gibt der hier zutage getretene Umstand einen Beweggrund
ab, der Voranstellung des Satzes ε) vor δ) den Vorzug zu geben vor der
umgekehrten Anordnung.


Wir denken uns (demnach) jetzt den Satz ε) an die Spitze
gestellt.


Gilt derselbe für jede in Betracht kommende Aussage A, so muss
nach Th. 3̅2̅) auch sein:
(A = 0) = (A1 = 1߭) = A1
und hiernach weiter:
(A ≠ 0) = (A = 0)1 = (A1)1 = A,
endlich direkt:
(A ≠ 1߭) = (A = 1߭)1 = (A)1 = A1.


Durch Vergleichung folgt somit:
*ξ) (A ≠ 0) = (A = 1߭),
und
*η) (A ≠ 1߭) = (A = 0),
d. h. die Subsumtionen γ) gelten auch umgekehrt, sie gelten als
Gleichungen. Sobald eine Aussage nicht niemals wahr ist, muss sie
stets wahr sein und vice versā, d. h. auch sobald sie nicht stets wahr
ist, kann niemals dieselbe wahr sein.


Im Kalkul mit Aussagen konstanten Sinnes ist jede Ungleichung mit
der rechten Seite
0 äquivalent einer Gleichung mit der rechten Seite 1߭, und
kann ebenso eine Ungleichung mit der rechten Seite
umgeschrieben
werden in eine Gleichung mit der rechten Seite
0.


Es sei in Erinnerung gebracht, dass für Aussagen von veränderlichem
Inhalte obzwar konstantem Wortlaute, z. B. für die „Gelegenheitsaussagen“,
deren Sinn mit der Gelegenheit variirt, bei welcher sie angebracht werden
(§ 28), obiges nicht gilt.


Nehmen wir z. B. für A die Aussage: Das Dreieck Α Β Γ ist recht-
winklig, so ist
A ≠ 0,
[67]§ 32. Vom Gewicht der Aussagen.
weil es rechtwinklige Dreiecke gibt, die Aussage also in gewissen Fällen
— nämlich sooft man sie anwendet auf ein wirklich rechtwinkliges Drei-
eck Α Β Γ — wahr sein wird, und doch ist auch
A ≠ 1߭,
weil es auch nicht-rechtwinklige Dreiecke gibt, die unter Α Β Γ verstanden
werden können.


Für dergleichen Aussagen kann dann also auch das Th. ε) mit allen
denen, die dasselbe mit bedingen und wenigstens einem Teil von den
Sätzen, die es nach sich zieht, nicht zutreffen.


Ebenso gelten die Formeln ζ), η) selbstverständlich nicht, wenn A ein
beliebiges Gebiet vorstellen sollte.


Man ersieht hieraus von neuem, dass während die Formeln des Gebiete-
kalkuls sich ohne weiteres in solche des Aussagenkalkuls umdeuten liessen,
das Umgekehrte nicht der Fall ist, dass es vielmehr Formeln des Aussagen-
kalkuls gibt, die im Gebietekalkul nicht allgemein zutreffen. Der Gebiete-
kalkul ist allgemeiner, umfassender als der Aussagenkalkul,
schliesst letzteren
als einen wirklich nur besonderen (partikularen) Fall in sich.


Da nun nach Th. 3̅0̅+) zum Beispiel sein muss:
(A = 0) + (A = 0)1 = 1߭, oder also: (A = 0) + (A ≠ 0) = 1߭,
so ergibt sich hieraus durch Einsetzung der dem zweiten Term linker-
hand nach ζ) äquivalenten Aussage sogleich: (A = 0) + (A = 1߭) = 1߭,
d. h. es ist auch das Th. δ) aus ε) bewiesen.


In Verbindung mit α) zeigt δ), nach Def. (6̅), dass die Aussagen
A
= 0 und A = 1߭ die Negationen von einander sind.


Durch Hinzuziehung noch anderer Äquivalenzen kann man die
Formeln ζ), η) noch erweitern zu dem Tableau:
*ϑ) (A1 ≠ 1߭) = (A ≠ 0) = (A = 1߭) = (A1 = 0)
*ι) (A1 ≠ 0) = (A ≠ 1߭) = (A = 0) = (A1 = 1߭)
wo die rechts hinzugekommenen Ausdrücke sich durch beiderseitiges
Negiren nach Th. 32) aus dem vorhergehenden Ausdruck ergeben,
welcher ja selbst hier eine Gleichung ist. Nachdem somit die Gleich-
heit der drei letzten Ausdrücke in ϑ), ι) bereits erkannt ist, bleibt
nur noch der Hinzutritt des ersten Ausdrucks linkerhand daselbst zu
rechtfertigen. Setzt man aber in der mittleren Gleichung von einer
dieser beiden Zeilen A1 für A, so wird dadurch die Verbindung zwischen
dem ersten und letzten Ausdruck der andern von diesen beiden Zeilen
hergestellt.


Noch andre Zurückführungen der vier Ausdrücke ϑ) oder ι) auf ein-
ander würden sich nach dem Schema ergeben:
(AB) = (A1B1)
5*
[68]Sechzehnte Vorlesung.
welches durch Anwendung des Th. 3̅2̅) auf sich selbst zu gewinnen ist,
und auch als Formel des Gebietekalkuls gilt, nämlich aus Th. 32) kraft
3̅2̅) hervorgeht.


Man kann die beiden Satzgruppen ϑ) und ι) zusammenfassend,
das Ergebniss noch formell verallgemeinern zu:
*ϰ) (A1B1) = (AB) = (A = B1) = (A1 = B)
oder auch:
(A1B) = (AB1) = (A = B) = (A1 = B1)
denn in Anbetracht, dass B gleichwie jede Aussage konstanten Sinnes
nur entweder gleich 0 oder gleich 1߭ sein kann, gehen die Formeln ϰ)
das eine mal in ϑ) das andremal in ι) über.


Hier ist das erste und das dritte Gleichheitszeichen auch im Gebiete-
kalkul rechtskräftig, das zweite oder mittlere indessen nicht, samt den Ver-
gleichungen, die sich auf dieses stützen mögen.


Die Äquivalenz der drei letzten Aussagenausdrücke in ϰ) lehrt
folgendes: Bei einer Gleichung des Aussagenkalkuls ist es einerlei, ob man
den Negationsstrich an ihrer linken Seite, oder am Gleichheitszeichen
, oder
an ihrer rechten Seite anbringt. Die Operation des Negirens kann an-
statt an der Gleichung selbst, auch blos an einer Seite derselben voll-
zogen werden.


Überdies zeigt uns das Th. ϰ), dass im Kalkul mit Aussagen kon-
stanten Sinnes eine Ungleichung sich immer auch als Gleichung schreiben
lässt;
die Zeichen ≠ (und ) sind hier entbehrlich — was alles im
Gebietekalkul, wie wir sehen werden keineswegs der Fall ist.


Es kommt uns jetzt darauf an: jede Beziehung, welche zwischen
zwei Aussagen A und B behauptet werden kann
— aufgefasst als Klasse
der Gelegenheiten, bei denen diese Beziehung zutrifft — auszudrücken
durch A und B selber
— d. h. durch die Klassen der Gelegenheiten, wo
ebendiese Aussagen, einzeln genommen, zutreffen oder nicht zutreffen.


Als ausreichend wird es sich herausstellen, wenn dieses Problem
für eine Subsumtion
AB
gelöst wird.


Die Lösung liefert uns bereits das Theorem ε), indem wir dar-
nach kraft Th. 3̅8̅×) und 3̅2̅) oder unmittelbar kraft Th. 3̅8̅+) haben
müssen:
(AB) = (A B1 = 0) = {(A B1)1 = 1߭} = (A1 + B = 1߭) = A1 + B.


Hiermit ist nun der fundamentale Satz gewonnen:
λ) (AB) = A1 + B,
[69]§ 32. Vom Gewicht der Aussagen.
welchen schon Peirce8 gegeben, und zuvor McColl3 — indessen blos
als eine Subsumtion (implication), statt Gleichung. Man kann ihn
dahin aussprechen:


DieGültigkeitsklasseder Subsumtion AB ist die Klasse der
Gelegenheiten, wo A nicht gilt
, oder auch B gilt.


Anstatt den Satz, wie hier ausgeführt, auf das Prinzip ε) zurück-
zuführen, rechtfertigt Peirce denselben direkt durch eine Überlegung,
die wir jetzt ebenfalls anstellen wollen.


Wegen der Allgemeingültigkeit der Formel 0 B — kraft
Def. (2̄×) — ist die Subsumtion AB jedenfalls immer dann richtig,
wenn A = 0 ist, d. h. wenn die Aussage A ungültig ist; dies ist der
Fall in welchem A1 = 1߭ ist, oder die Aussage A1 gilt.


Ferner gilt die Subsumtion AB auch, sobald die Aussage B
gilt. Für B = 1߭ kommt sie nämlich auf die kraft Def. (2̄+) anzuer-
kennende Formel A 1߭ hinaus. Mit andern Worten: gilt B über-
haupt, gilt es stets, so gilt es auch dann, wenn A gilt.


Die Gültigkeitsklasse unsrer Subsumtion ist darnach allerminde-
stens A1 + B.


Wenn A gilt und zugleich B nicht gilt, d. h. also in den durch
den Ausdruck A B1 zusammengefassten Fällen, ist die Subsumtion jeden-
falls ungültig.


Da aber:
A1 + B + A B1 = 1߭
nach Th. 33+) Zusatz ist, so sind hiermit alle denkbaren Fälle erschöpft
und ist dargethan, dass A1 + B die volle Gültigkeitsklasse der Subsum-
tion AB sein muss, wie zu zeigen war.


Aus dem so gewonnenen Satze λ), wofern er als allgemeingültig
zugelassen wird, fliesst umgekehrt auch wieder das Prinzip ε), indem
nach bekannten Sätzen — cf. Th. 5̄+) etc. — sein muss:
(A = 1߭) = (1߭ A) = 1߭1 + A = 0 + A = A.


Die Aussage A B1 ist die Klasse für die Fälle der Ungültigkeit der
Subsumtion A
B; sie ist die Negation der Gültigkeitsklasse A1 + B
indem A B1 = (A1 + B)1. Dieselbe muss verschwinden, wenn die Sub-
sumtion (stets) wahr sein soll — in Übereinstimmung mit Th. 3̅8̅×);
die Gültigkeitsklasse A1 + B der Subsumtion dagegen muss alsdann
gleich 1߭ sein (und umgekehrt). Zur Verifikation der Aussage genügt
es jedoch, nur das eine von beiden nachzusehen.


Von Interesse ist aber noch eine dritte Aussage oder Klasse,
nämlich die A1B.


[70]Sechzehnte Vorlesung.

Diese stellt dasjenige vor, was allermindestens (das Minimum
dessen, was) zum Minor der Subsumtion addirt werden muss, damit
der Major herauskomme. In der That wird sein:
A · A1B = 0 und A + A1B = A + B = B
nach Th. 33+) Zus. und Th. 20+).


Durch die beiden Anforderungen, dass
A · X = 0 und A + X = B
sei, ist die Aussage, resp. Klasse X vollkommen bestimmt; es berechnet
sich X = A1B und ergibt sich daneben als Valenzbedingung für X oder
Bedingung für die Auflösbarkeit des vorstehenden Gleichungenpaares, dass
A B1 = 0, das heisst AB sein müsse.


Die vereinigte Gleichung heisst in der That:
0 = A B1 + (A + B1) X + A1B X1
und muss der arbiträre Term der Lösung, nämlich U (A + B1)1 = U A1B
im andern aufgehn, von A1B verschluckt werden — vergl. das Th. 51×)
in § 29.


Diese Klasse A1B kann füglich das „Gewichtder Subsumtion, des
Urteils oder der Aussage AB genannt werden —
— gleichwie man auch in der Arithmetik als „Gewicht einer Ungleichung“
A \< B bezeichnet: den Überschuss BA des grösseren Membrums über
das kleinere.


Nach § 23 hätte in der That auch im identischen Kalkul BA = B A1 = A1B
als Bedeutung dieser Differenz zu gelten, welche indessen hier nur unter
der Bedingung A B1 = 0 oder AB überhaupt einen Sinn hat.


Folgert man (hier wie dort) aus einer Subsumtion (resp. Un-
gleichung) eine andere von noch „grösserem“ Gewichte, so sagt man:
die Folgerung finde „a fortiori“ statt, die Konklusion gelte „um so
mehr
“, sobald die Prämisse gilt. Vergleichbar können freilich die Ge-
wichte zweier Aussagen nur dann genannt werden, wenn das eine der-
selben im andern als ein Teil enthalten ist, wo dann das dem andern
übergeordnete als das „grössere“ Gewicht zu bezeichnen sein wird.
(Exempel siehe nachstehend bei Pr. II.)


Ist das Gewicht einer Subsumtion gleich 0, so muss dieselbe eine
Gleichung sein.


In der That gilt dann neben der Valenzbedingung A B1 = 0 auch noch
die Gleichung X = A1B = 0, woraus nach Th. 24+) folgt:
A B1 + A1B = 0, oder gemäss Th. 39): A = B.
In diese Gleichung muss dann also die Subsumtion AB degeneriren.


Umgekehrt ist 0 das Gewicht jeder Gleichung, mag man diese vor-
[71]§ 32. Vom Gewicht der Aussagen.
oder rückwärts als Subsumtion lesen, denn 0 ist immer die zur einen
Seite disjunkte Ergänzung von ebendieser zur andern Seite der Gleichung.


Übrigens brauchen äquivalente Subsumtionen nicht gleiches Ge-
wicht zu haben [und vice versā: Subsumtionen von gleichem Gewicht
brauchen nicht äquivalent zu sein, abgesehen von der engeren Geltung].


Denn ist (AB) = (CD) so folgt zwar A1 + B = C1 + D nach
λ), und hieraus durch beiderseitiges Negiren auch A B1 = C D1; dagegen

[figure]
Figure 8. Fig. 8.


können diese Relationen doch sehr wohl bestehen,
ohne dass A1B = C1D sein müsste, sowie umgekehrt.


Ersteres zeigt die Figur 8, worin A ein Kreis,
B und D (überhalbkreisgrosse) Segmente, und C das
symmetrische Doppelsegment vorstellt.


Eine vierte Klasse: A + B1, die Negation
des Gewichts, als eine bei der Subsumtion
AB belangreiche zu betrachten, wird durch
die Betrachtung des Gewichts selbst überflüssig gemacht.


Nachdem für jede Subsumtion die gestellte Aufgabe der Ermit-
telung ihrer Gültigkeitsklasse gelöst ist, lässt sich die Frage auch für
jede Gleichung leicht beantworten. Nach Def. (1) ist ja die Gleichung
nichts als das Produkt zweier Subsumtionen:
(A = B) = (AB) (BA)
und setzt man hier für die Subsumtionen rechterhand ihre Gültigkeits-
klassen, gebildet nach dem Schema des Th. λ), ein, so ergibt sich nach
Ausmultiplizirung von (A1 + B) (B1 + A) als die gesuchte Darstellung:
μ) (A = B) = A B + A1B1
und damit zugleich ist auch gewonnen:
(AB) = A B1 + A1B.


Jenes heisst: die Gleichung zwischen zwei Aussagen ist immer dann
und nur dann erfüllt
, wenn sie beide zugleich gelten, oder alle beide nicht
gelten
— was sich bei der für uns maassgebenden Fassung der Aus-
sagenäquivalenz ohnehin versteht.


Ungültig ist die Gleichung in den Fällen A B1 + A1B, d. h. sobald
die eine Aussage gilt, die andere aber nicht gilt.


Soll die Gleichung wahr sein, sonach also — in Anbetracht ihres
konstanten Sinnes — stets wahr sein, so muss die letztere oder Un-
[72]Sechzehnte Vorlesung.
gültigkeitsklasse verschwinden — im Einklang mit Th. 39×) — die
Gültigkeitsklasse aber muss = 1߭ sein, nämlich die ganze Mannigfaltig-
keit der Gelegenheiten, resp. die ganze Zeit repräsentiren.


In der siebzehnten und folgenden Vorlesung werden wir alle denk-
baren Beziehungen zwischen Gebieten zurückführen auf Gleichungen
und Ungleichungen. Und da im eigentlichen Aussagenkalkul nach Th. ϰ)
die Ungleichung sich immer auch als Gleichung schreiben liess, so ist
es jedenfalls schon ausreichend, die gestellte Aufgabe für die Gleichung
gelöst zu haben in Gestalt des Theorems μ) — und zum Überfluss für
die Subsumtion durch Th. λ) — um sich ihrer Lösung auch für alle
denkbaren Propositionen zu versichern.


Nach § 28 durften nun in den Formeln des identischen Kalkuls,
wie sie in § 29 sich rekapitulirt finden, alle Gebiete 1, a, b, … auch
ausgelegt werden als Aussagen 1߭, A, B, … und mussten die Formeln
dabei ihre Gültigkeit behalten.


Für jedes richtige Theorem, jede gültige Formel aber muss dann
die Gültigkeitsklasse sich = 1߭ erweisen — oder was auf dasselbe hinaus-
kommt, muss die Ungültigkeitsklasse verschwinden.


Indem wir dieses nachsehen, haben wir ein bequemes Mittel, die
Gültigkeit jedes Satzes zu kontroliren, die Sätze des identischen Kal-
kuls vermittelst mechanischen Rechnens durch diesen selbst zu bewahr-
heiten und durch solche Verifikation sie als Sätze des Aussagenkalkuls
direkt zu beweisen.


Wir schreiten dazu, die Formeln des § 29 nochmals, nämlich jetzt
auch in dieser Hinsicht durchzunehmen. Dabei wollen wir aber die
kleinen Buchstaben von früher beibehalten (inklusive der 1 ohne Tupfen)
obzwar wir unter denselben jetzt nicht mehr beliebige Gebiete, sondern
beliebige Aussagen (von festem Sinne) uns vorzustellen haben.


Zur Anwendung zu kommen brauchen lediglich die Schemata ε)
nebst Korollar oder λ) und μ), oder im Überblick:
ν) (A = 1߭) = A, (A = 0) = A1, (AB) = A1 + B, (A = B) = A B + A1B1.


Doch kann man statt der Berufung auf das letzte Schema μ) sich
auch begnügen, gewissermassen die „Komparationsmethode“ anzuwenden,
nämlich bei einer behaupteten Äquivalenz zweier Aussagen die Gültig-
keitsklasse der einen sowie der andern für sich aufstellen, um sich
von der Übereinstimmung, Identität der beiden Klassen durch den
blossen Anblick (durch Inspektion) ihrer Ausdrücke zu überzeugen.
Dabei wird — damit diese Identität sich in der Form der beiden Aus-
[73]§ 32. Direkte Verifikation der Sätze des Aussagenkalkuls durch diesen.
drücke auch äusserlich kundgebe, zumeist erforderlich sein, dieselben
auf ihre einfachste Gestalt zu reduziren, wo nicht, sie nach den in
ihnen vorkommenden Symbolen erst beide zu entwickeln — gemäss § 19.


Ebenso können Subsumtionen AB nachgerechnet werden, indem
man zuerst das „Gewicht“ A1B derselben aufsucht, und sich überzeugt,
dass dasselbe zur Gültigkeitsklasse des Minor A (d. i. zu der „Voraus-
setzung“ des durch die Subsumtion ausgedrückten Satzes) addirt in
der That diejenige des Major B (oder der „Behauptung“ ebendieses
Satzes) liefert.


Bei der Ausführung*) wird dies leicht vollkommen deutlich zu
machen sein.


Prinzip I gibt die Gültigkeitsklasse (gemäss λ)):
(aa) = a1 + a = 1;
hier also stimmt die Probe.


Prinzip II lautete: AB, wenn für den Augenblick A diese
Behauptung:
A = (ab) (bc) und wenn B = (ac)
bedeutet. Nach Schema λ) wird hier:
A = (a1 + b) (b1 + c) = a1b1 + b c und B = a1 + c.


Nach § 21, η) rechts lässt die Konklusion B sich erreichen, indem
man in A den Eliminanden b tilgt.


Behufs direkter Verifikation mag man aber auch erstlich nach-
sehen, dass A1 + B = 1߭ ist; in der That wird:
A1 + B = a b1 + b c1 + a1 + c = b1 + b + a1 + c = 1 + a1 + c = 1.


Oder man mag nachsehen, dass A B1 = 0 ist:
A B1 = (a1b1 + b c) a c1 = 0 + 0 = 0.


Oder endlich man mag Minor und Major für sich entwickeln:
A = a1b1 (c + c1) + (a + a1) b c, B = (a1c + a1c1 + a c) (b + b1), also
A = a b c + a1b c + a1b1c + a1b1c1, B = A + (a b1c + a1b c1),
woraus ersichtlich wird, dass in der That A von B um das „Gewicht“:
A1B = a b1c + a1b c1
übertroffen ist. Dies zeigt (nebenbei), dass die Fälle, wo a und c gelten,
aber b nicht gilt, sowie wo a und c nicht gelten, aber b gilt, die-
[74]Sechzehnte Vorlesung.
jenigen sind, wo die Behauptung B des Satzes gilt, aber die Voraus-
setzung A desselben nicht gilt. Die Behauptung ac gilt immer,
wann die Voraussetzung (ab) (bc) zutrifft, aber ausserdem auch
noch in den erwähnten das Gewicht der Aussage II zusammensetzenden
Fällen.


In ähnlicher Weise, wie vorstehend, wollen wir immer die linke Seite
einer Subsumtion oder Gleichung mit A, ihre rechte mit B bezeichnen und
zunächst nur diejenigen Formeln des § 29 nachrechnen, bei denen kein
Produkten- oder Summenzeichen vorkommt.


Für die Def. (1) der Gleichheit haben wir dann:
A = (ab) (ba) = (a1 + b) (b1 + a) und B = (a = b) = a b + a1b1,
was übereinstimmt.


Bei Th. °1) würden wir als Gültigkeitsklasse nach Schema μ) erhalten:
(a = a) = a a + a1a1 = 1; doch genügt bereits vergleichendes Inspiziren
der beiden Seiten der in ihm behaupteten Gleichung.


Bei Th. 2) ist A = (ab) (b = c) = (a1 + b) (b c + b1c1) = b c + a1b1c1
und b1c + a1b c1 das Gewicht, mithin die Summe beider gleich dem Major:
B = (ac) = a1 + c. Ebenso:


Bei Th. 3) ist: A = (a = b) (bc) = a b c + a1b1 und a1b + a b1c das
Gewicht.


Bei Th. 4) ist: A = (a = b) (b = c) = (a b + a1b1) (b c + b1c1) = a b c + a1b1c1
und B = (a = c) = a c + a1c1 = A + (a b1c + a1b c1), woraus das Gewicht
ersichtlich ist als ein mit dem von Pr. II übereinstimmendes.


Def. °(2) gibt (0 a) = 01 + a = 1 + a = 1, (a 1) = a1 + 1 = 1,
wie es sein soll.


Zu Th. 5) bekommen wir bei

5×) A = (a 0) = a1 + 0 = a1,5+) A = (1 a) = 11 + a = 0 + a = a,
B = (a = 0) = (a1 = 1) = a1B = (a = 1) = a,

was übereinstimmt. Man kann aber auch rein mechanisch sogleich die
Gültigkeitsklasse des ganzen Theorems ansetzen:
{(a 0) = (a = 0)} = (a1 + 0 = a · 0 + a1 · 01) = (a1 = a1) = a1a1 + a a = a1 + a = 1,
{(1 a) = (a = 1)} = (11 + a = a · 1 + a1 · 11) = (a = a) = 1.


Zu Def. (3) haben wir bei

(3×) A = (ca) (cb) = (c1 + a) (c1 + b) =
= c1 + a b
(3×) A = (ac) (bc) = (a1 + c) (b1 + c) =
= a1b1 + c
B = (ca b) = c1 + a bB = (a + bc) = (a + b)1 + c = a1b1 + c.

Zu Th. °6) bei 6×): (a ba) = (a b)1 + a = a1 + b1 + a = 1 + b1 = 1,
bei 6+): (aa + b) = a1 + a + b = 1 + b = 1.


Gleicherweise wie vorhin bei Th. °1), Def. °(2) und Th. °6) ist bei
allen Sätzen des § 29, die eine mit Ringelchen versehene Chiffre haben,
[75]§ 32. Direkte Verifikation der Sätze des Aussagenkalkuls durch diesen.
direkt leicht nachzurechnen, dass sie die Gültigkeitsdauer resp. -klasse 1 be-
sitzen; nur bietet dies weiter kein Interesse: Beim Distributionsgesetz 27×)
z. B. hätte man blos nachzurechnen, dass:
a (b + c) · (a b + a c) + (a1 + b1c1) · (a1 + b1) (a1 + c1) = 1
ist, was sich nach den Gesetzen des Kalkuls auf den ersten Blick versteht,
weil der eine Faktor in jedem Gliede links identisch ist mit dem andern,
das eine Glied daselbst aber die Negation ist des andern. So auch bei
Th. °21×) wäre: (a · 1 = a) = a · 1 · a + (a1 + 0) a1 = a + a1 = 1. Etc.


Anders bei den übrigen Sätzen. Bei diesen verlohnt es, die Rechnung
jeweils, wie nachstehend durchzuführen, indem sich eine wirkliche Kontrole
ergibt und auch Aufschluss über das Gewicht des Satzes gewonnen wird
(sofern dasselbe nicht schon von vornherein als verschwindend, gleich 0, er-
kennbar war).


Zu Th. 15) ist A = (ab) = a1 + b, und bei 15×):
B = (a cb c) = a1 + c1 + b c = a1 + b + c1 = A + a b1c1,
das Gewicht also a b1c1; zu Th. 15+) analog a b1c, indem hier:
B = (a + cb + c) = a1c1 + b + c = a1 + b + c = A + a b1c.


Zu Th. 16) ist A = (a = b) = a b + a1b1, und bei 16×):


  • B = (a c = b c) = a c · b c + (a1 + c1) (b1 + c1) = a b c + a1b1 + c1 = a b + a1b1 + c1 =
    = A + (a b1 + a1b) c1, bei 16+):
  • B = (a + c = b + c) = (a + c) (b + c) + a1c1 · b1c1 = a b + c + a1b1c1 = a b + a1b1 + c =
    = A + (a b1 + a1b) c.

In den Theoremen 17) bis 19) wird man für die vorliegenden Rech-
nungszwecke bequemer α, β statt a', b' schreiben. Dann ist


Zu Th. 17) A = (ab) (αβ) = (a1 + b) (α1 + β), und
bei 17×) B = (a αb β) = a1 + α1 + b β = A + (a b1α1 + a1α β1),
„ 17+) B = (a + αb + β) = a1α1 + b + β = A + (a b1β + b α β1).


Zu Th. 18) ist A = (ab) (α = β) = (a1 + b) (α β + α1β1),
bei 18×) B = (a αb β) = A + (a b1α1 + a1α β1 + α1β),
„ 18+) B = (a + αb + β) = A + (a b1β + b α β1 + α1β).


Zu Th. 19) ist A = (a = b) (α = β) = (a b + a1b1) (α β + α1β1),
bei 19×) B = (a α = b β) = a b α β + (a1 + α1) (b1 + β1) = A + {b1α1 (a + β) + a1β1 (b + α)},
„ 19+) B = (a + α = b + β) = (a + α) (b + β) + a1b1α1β1 = A + {a β (b1 + α1) + b α (a1 + β1)}.


Zu Th. 20) ist (ab) = a1 + b und ebenso
(a = a b) = a · a b + a1 (a1 + b1) = a b + a1 = a1 + b,
(a + b = b) = (a + b) b + a1b1 · b1 = b + a1b1 = a1 + b.


[76]Sechzehnte Vorlesung.

Zu Th. 24) ist

(a b = 1) = a b und(a + b = 0) = a1b1 und
(a = 1) (b = 1) = a b(a = 0) (b = 0) = a1b1.

Zu Prinzip III× haben wir als Minor:
A = (b c = 0) = b1 + c1, und als Major B = 1, nämlich
B = {a (b + c) a b + a c} = a1 + b1c1 + a b + a c = a1 + b + c + b1c1 = a1 + 1,
sonach läuft dasselbe auf: b1 + c1 1 hinaus und erweist sich als richtig.


Zum Hülfstheorem 29) haben wir:
A = (a b = 0) (a c = 0) (a + b = 1) (a + c = 1) = (a1 + b1) (a1 + c1) (a + b) (a + c) =
= (a b1 + a1b) (a c1 + a1c) oder (a1 + b1c1) (a + b c) = a b1c1 + a1b c,

und B = (b = c) = b c + b1c1 = A + (a b c + a1b1c1),
wie durch Entwickelung des B auch nach a zu erkennen ist. Zudem ist
die Unterordnung von A unter B aus a1b cb c und a b1c1b1c1 nach
Th. 6×) und 17+) ersichtlich.


Zu Def. (6) ist A = (a x 0) (1 a + x) = (a1 + x1) (a + x) = a1x + a x1,
desgleichen B = (x = a1) = x a1 + x1a. Denselben Wert ergäbe:
A = (a x = 0) (a + x = 1).
Zu Th. 32) ist A = (a = b) = a b + a1b1, B = (a1 = b1) = a1b1 + a b.
Zu Th. 37) A = (ab) = a1 + b, B = (b1a1) = b + a1.
Zu Th. 38) ist: (a b1 = 0) = a1 + b, (ab) = a1 + b, (a1 + b = 1) = a1 + b.
Zu Th. 39) (a b1 + a1b = 0) = (a b + a1b1 = 1) = a b + a1b1, und
(a = b) = a b + a1b1.
Zu Th. 40) ist A = (a cb c) (a + cb + c) = (a1 + c1 + b c) (a1c1 + b + c) =
= a1c1 + a1b + a1c + b c1 + b c = a1 · 1 + b · 1 = a1 + b und B = (ab) = a1 + b.
Ebenso bei Zus. 2 ist A = (a cb) (ab + c) = (a1 + c1 + b) (a1 + b + c) = a1 + b.
Ferner bei Zus. 1 ist: A = (a c = b c) (a + c = b + c) =

= {a c · b c + (a1 + c1) (b1 + c1)} {(a + c) (b + c) + a1c1 · b1c1} = (a b c + a1b1 + c1) (a b + c + a1b1c1) =
= a b c + a1b1c + a b c1 + a1b1c1 = a b + a1b1, desgl. B = (a = b) = a b + a1b1.


Zu Th. 41) haben wir:
(a bc) = a1 + b1 + c = (ab1 + c), etc., (ab + c) = a1 + b + c = (a b1c) etc.


Beim Hülfstheorem zu Th. 47+) ist
A = (axb) = (ax) (xb) = (a1 + x) (x1 + b) = a1x1 + b x
und B = (a x1 + b x = x) = (a x1 + b x) x + (a1x1 + b1x) x1 = b x + a1x1.


Beim Th. 49×): (a x + b x1 = 0) = a1x + b1x1,
und (bxa1) = (bx) (xa1) = (b1 + x) (x1 + a1) = b1x1 + a1x;
[77]§ 32. Direkte Verifikation der Sätze des Aussagenkalkuls durch diesen.
hieran würde auch ein noch ferner hinzugesetzter Faktor (ba1), das ist
b1 + a1, nichts ändern.


Endlich bei den Zusätzen zu Th. 51) im § 29 wird

Prüfen wir nunmehr auch diejenigen Formeln des § 29, in welchen
Produkt- und Summenzeichen vorkommen.


Zu Def. (2×) haben wir:
A = (xa) = (x1 + a) = x1 und B = (x = 0) = x1,
was übereinstimmt, ebenso zu Def. (2+):
(ax) = (a1 + x) = x und (x = 1) = x.


Dass nämlich (x1 + a) = x1 ist, ergibt sich folgendermassen.
Nach dem auf unbegrenzt viele Faktoren ausgedehnten Theorem 27+)
muss sein:
(b + a) = b + a, ebenso (b + a1) = b + a1
und noch allgemeiner, wenn nur wieder b ein von a unabhängiges, be-
züglich des a konstantes Gebiet vorstellt:
{b + f (a)} = b + f (a).


Im oben vorliegenden Falle kommt dann noch in Betracht, dass
a = 0 desgleichen a1 = 0
sein muss, in Anbetracht, dass unter allen möglichen Faktoren a (resp. a1)
deren Produkt zu bilden ist, sich gewiss auch disjunkte finden, z. B.
ein bestimmtes Gebiet a und daneben auch dessen Negation a1, wonach
also das Th. 22×) in Kraft tritt.


Zu Th. 7×) haben wir:


{(xc) (xa) (xb)} = {x1 + c (x1 + a) (x1 + b)} =
= {x c1 + x1 + a b} = (c1 + a b + x1) = c1 + a b, also = (ca b),
[78]Sechzehnte Vorlesung.
und zu 7+): {(cx) (ax) (bx)} = {c1 + x (a1 + x) (b1 + x)} =
= (c x1 + a1b1 + x) = (a1b1 + c + x) = a1b1 + c, also = (a + bc).


Bei den nächsten Theoremen werde nur links vom Mittelstrich die
Rechnung durchgeführt, rechts dem Leser überlassen. Zu 8×):
{(xa b) (xc)} = (x1 + a bx1 + c) = {x (a1 + b1) + x1 + c} =
= a1 + b1 + c, also = (a bc). Zu 9×):
{(xa) (xb) (xc)} = {(x1 + a) (x1 + b) x1 + c} =
= {x (a1 + b1) + x1 + c)} = etc.


Zu 10×): {(a bx) (cx)} = (a1 + b1 + xc1 + x) =
= (a b x1 + c1 + x) = c1 + a b, etc.


Zu 11×) {(xc) = (xa) (xb)} = {x1 + c = (x1 + a) (x1 + b)} =
= {(x1 + c) (x1 + a) (x1 + b) + x c1 (x a1 + x b1)} = {x1 + a b c + x c1 (a1 + b1)} =
= a b c + (a1 + b1) c1, also = (c = a b).


Zu Th. 43) ist: (a = u b) = {a · u b + a1 (u1 + b1)} =
= (a1b1 + a b u + a1u1) = a1b1 + a b + a1 = a1 + b, also = (ab),
desgl. (b = a + v) = {b (a + v) + b1 · a1v1} = a b + b + a1b1 = a1 + b.


Hierbei war zu berücksichtigen, dass nach dem auf eine unbegrenzte
Gliedermenge verallgemeinerten Distributionsgesetz 27×), wenn a gegen
u konstant ist:
a f (u) = a f (u)
sein muss, und ferner dass hier
u = 1 sowie u1 = 1
sein wird, indem in der Summe aller erdenklichen Glieder sicher sich
auch solche finden, welche als die Negationen von einander sich zu 1
ergänzen.


Zu Th. 47+) ist einerseits (axb) = a1x1 + b x, wie oben, und
andrerseits
[79]§ 32. Direkte Verifikation der Sätze des Aussagenkalkuls durch diesen.
(ab) (x = a w1 + b w) =
= (a1 + b) {x (a w1 + b w) + x1 (a1w1 + b1w)} = (a1 + b) (x a + x b + x1a1 + x1b1) =

gleich dem vorigen Ausdruck.


Zu Th. 48+) ist (a bua + b) = (a1 + b1 + u) (u1 + a + b) =
= (a1 + b1) u1 + (a + b) u, aber auch: (u = a x + b x1) =
= {u (a x + b x1) + u1 (a1x + b1x1)} = u a + u b + u1a1 + u1b1. Etc.


Den Zusatz S. 34 betreffend hat man zu berücksichtigen, dass auch
u v = 1, u v1 = 1, u1v = 1, u1v1 = 1
sein wird, indem unter allen erdenklichen Produkten je zweier Gebiete auch
die vier Konstituenten der nach irgend zwei bestimmten entwickelten Eins
sich befinden. Darnach läuft die l. c. in § 29 angegebene Gleichung auf die
Identität a + b + c + d = a + b + c + d hinaus, von deren rechter Seite der
Term a b c d absorbirt worden. Dieser ergab sich aus a b c d = a b c d 1,
wo nun selbst
1 = 1
(nämlich = 1 + 1 + 1 + …) nach dem Tautologiegesetze 14+) ist.


In Th. 50+) ist die linke Seite: (a x + b x1 = 0) = a1x + b1x1, die rechte
aber: (a b = 0) (x = b u1 + a1u) = (a1 + b1) {x (b u1 + a1u) + x1 (b1u1 + a u)} =
= (a1 + b1) (x b + x a1 + x1b1 + x1a),
was ausmultiplizirt auf dasselbe hinausläuft. Ebenso würde mit dem Faktor
(x = b + u a1) die Probe stimmen. Für sich jedoch, d. h. ohne den Aus-
sagenfaktor, die Voraussetzung (a b = 0) ist verschieden:
(x = b u1 + a1u) = (a1bxa1 + b), (x = b + a1u) = (bxb + a1)
konform mit dem Th. 48+).


Endlich haben wir zu den Theoremen 51):
(ab) (x = a + u b1) = (a1 + b) {x (a + u b1) + x1a1 (u1 + b)} =
= (a1 + b) {x (a + b1) + x1a1} = x (a b + a1b1) + x1a1 = (b x = a),
(ba) {x = a (b1 + u)} = (b1 + a) {x a (b1 + u) + x1 (a1 + b u1)} =
= (a + b1) {x a + x1 (a1 + b)} = x a + x1 (a b + a1b1) = (b + x = a). —


Sonach bewahrheiten sich also wieder alle unsre Sätze und er-
weist sich die Theorie als eine durch und durch in sich gefestigte.


[80]Sechzehnte Vorlesung.

Als eine Nutzanwendung und Übungsaufgabe zu der in diesem
Paragraph gelehrten Methode wollen wir die Fragen beantworten:


ξ) Wie differiren die vier Aussagen x1, x2, x3, x4, wenn bedeutet:


x1 die Aussage: (a = b) (c = d), die also resultirt, wenn man die
Gleichung a = b mit der Gleichung c = d (schlechtweg) multiplizirt,
x2 die Aussage: a (c = d) = b (c = d), die sich dadurch ergibt, dass man die
Gleichung a = b beiderseits multiplizirt mit der Gleichung c = d, x3 die
Aussage: (a = b) c = (a = b) d, welche entspringt durch beiderseitiges
Multipliziren der Gleichung c = d mit der a = b, endlich x4 die Aus-
sage: a c = b d, die sich durch überschiebendes Multipliziren der beiden
Gleichungen a = b und c = d ergeben wird.


Vergl. § 10, unterhalb Th. 19), also Bd. 1, S. 268 sq.


Auflösung. Man hat: x1 = (a b + a1b1) (c d + c1d1),
x2 = x1 + (c d1 + c1d), x3 = x1 + (a b1 + a1b),
x4 = x1 + {(a + d) b1c1 + a1d1 (b + c)}

als „reduzirte“ Summen. [Unreduzirt würden die drei letztern den ein-
fachern Ausdruck haben: x4 = a b c d + (a1 + c1) (b1 + d1),
x2 = a b + a1b1 + c d1 + c1d, x3 = a b1 + a1b + c d + c1d1]
Hienach ist ersichtlich, dass alle vier Aussagen im allgemeinen ver-
schieden
sind, und darum die l. c. eingeführten vorstehend kursiv ge-
druckten Benennungen (Adverbien für die Art und Weise des Multi-
plizirens) zur Unterscheidung notwendig. Ferner ist ersichtlich:
x1x2, x1x3, x1x4 · Die oben angegebenen bei den Sym-
bolen rechterhand zu x1 noch hinzutretenden Glieder stellen das „Ge-
wicht“ dieser drei Folgerungen (von x2 aus x1, etc.) vor. Ausser dann,
wann x1 gilt, wird z. B. x2 ausschliesslich nur dann noch gelten, wenn
c oder aber d gilt. Etc.


Zwischen irgend zweien der drei Aussagen x2, x3, x4 besteht da-
gegen kein Zusammenhang, wonach allgemein die eine aus der andern
folgen müsste, überhaupt keine (von den Bedeutungen der Aussagen
a, b, c, d) unabhängige Beziehung, wie die Elimination von a, b, c, d
aus den beiden zugehörigen Gleichungen zeigen würde, indem sie auf
0 = 0 führte.


ο) Wie differiren ebenso die vier Aussagen:
y1 = (ab) (cd),
y2 = {a (cd) b (cd)}, y3 = {(ab) c (ab) d},
y4 = (a cb d)?


[81]§ 32. Gewicht von Aussagen.

Auflösung:
y1 = (a1 + b) (c1 + d)
y2 = a1 + b + c d1 = y1 + c d1, y3 = a b1 + c1 + d = y1 + a b1,
y4 = a1 + c1 + b d = y1 + (a b1c1 + a1c d1)

was ähnliche Bemerkungen liefert. Nebenbei erkennt man leicht auch
noch, dass:
y2 = {(cd) (ab)}, y3 = {ab) (cd)}
ist.


π) Zum Dritten wollen wir noch einmal zu den Studien des § 6 zurück-
kehren, die uns die Theoreme 7) bis 11) geliefert haben. Des Gebiets-
dualismus halber genügt es, diejenigen links vom Mittelstriche zu betrachten
und sollen die rechts höchstens als Ergebnisse mit berücksichtigt werden.


Man fasse unter den Chiffren die wir citiren, jeweils die Formeln des
§ 30 in’s Auge, worin die kleinen Buchstaben wieder Gebiete vorstellen
mögen. (S. 29 sq.)


Def. (3×) gab in einfachst denkbarer Form die Erklärung des Produkts
a b zweier Gebiete als eines Prädikates: (ca b) = (ca) (cb).


Als Subjekt dagegen konnte a b nicht einfacher als mittelst Th. 9×) =
Def. (5×) erklärt werden, welches sich auf Grund des Th. 8×) unmittelbar
aus Def. (3×) ergibt, indem man nach letzterer die Bedeutung von (xa b)
in das Th. 8×) substituirt.


Analog zu dieser Def. (5×) für a b als Subjekt war aber behufs Er-
klärung von a b als Prädikat auch noch eine Erklärungsweise, komplizirter
als Def. (3×), zulässig, welche als Def. (4×) in dem Th. 7×) ausgesprochen ist.


Zog man das zu 8×) analoge Th. 10×) hinzu, so konnte auf diese
Definitionen (4×) und (5×) eine unbegrenzte Reihe von immer komplizirter
erscheinenden Erklärungsweisen für a b als Prädikat resp. Subjekt gegründet
werden, die paarweise als gleich komplizirte oder einander analoge zu-
sammengehören. Von den zwei Reihen so erhältlicher Definitionen, von
denen also Def. (4×) und Def. (5×) die „Anfangsglieder“ vorstellen — während
nur der ersteren von diesen wirklich noch ein Glied in Gestalt der Def. (3×)
vorangeht — sollen nun wenigstens die beiden nächstfolgenden Glieder
noch in der Zeichensprache des Aussagenkalkuls dargestellt werden. Sie
lauten bezüglich:
ϱ) (ca b) = { [(ya) (yb) (yx)] (cx)},
σ) (a bc) = { [(yx) (ya) (yb)] (xc)},
und ergeben sich leicht, indem man für (a bx) in das Th. 10×) diejenige
Erklärung substituirt, welche das Th. 9×) dafür geben würde, resp. analog
für (xa b) in das Th. 8×) einsetzt den Wert dieser Aussage gemäss
Th. 7×). Dabei war nur zu beachten, dass nachdem der Name x als Pro-
duktationsvariable in dem einen der beiden im Geiste zusammenzuhaltenden
Schemata bereits vergeben ist, in dem andern Schema für die Produktations-
variable ein neuer Name, wie y, gewählt werden muss.


Schröder, Algebra der Logik. II. 6
[82]Sechzehnte Vorlesung.

Umgekehrt dagegen ist es keine leichte Anforderung an das mentale
Abstraktionsvermögen des Lesers, falls nun ϱ), σ) als Definitionen zugrunde
gelegt werden sollten, aus diesen Formeln selbst ihre Vereinfachungsfähig-
keit zu erkennen und von ihnen zu den Definitionsformen (4×) resp. (5×)
zurückzugelangen — so, wie wir in der That in § 6 die Zurückführung
der Def. (4×) auf die (3×) mittelst verbalen Räsonnements geleistet haben,
welches natürlich nun nachträglich auch ganz durch die Formelsprache des
Aussagenkalkuls ersetzt werden könnte.


τ) Schliesslich wollen wir untersuchen, in welcher Beziehung in den
Theoremen 7) bis 11) der allgemeine Faktor unter dem Produktenzeichen
selbst zur andern Seite der Gleichung steht. Diese Beziehung ist die
einer Überordnung, indem zu notifiziren ist, dass
Zu 7×) (ca b) {(xc) (xa) (xb)},
Zu 8×) (a bc) {(xa b) (xc)},
Zu 9×) (a bc) {(xa) (xb) (xc)},
Zu 10×) (ca b) {(a bx) (cx)},
Zu 11×) (c = a b) {(xc) = (xa) (xb)}.


Auf Grund der Def. (3×) sind diese Formeln leicht als solche, die im
Gebietekalkul allgemeine Geltung haben, syllogistisch zu beweisen, und ebenso
verifiziren sie sich als solche des Aussagenkalkuls nach der über ν) an-
gegebenen, durch das Bisherige genugsam illustrirten Methode.


Bei letzterem Verfahren wird augenscheinlich, dass die obigen Sub-
sumtionen nicht als Gleichungen gelten, sondern dass vielmehr der Major
jeweils den Minor um den Term x1, bei 10×) aber um das Glied x, über-
trifft. Aussagenrechnerisch bewahrheiten sich demnach die Formeln:
Zu *7×) {(xc) (xa) (xb)} = (ca b) + (x = 0)
etc. dagegen
Zu *10×) {(a bx) (cx)} = (ca b) + (x = 1).


Indessen kommt denselben nur die engere Geltung zu: die Formeln
müssen sicher zutreffen, wenn a, b, c, x, 1 Aussagen bedeuten, brauchen es
aber (wie wir sogleich sehen werden) keineswegs zu thun, falls diese Symbole

[figure]
Figure 9. Fig. 9


irgendwelche Gebiete vorzustellen haben. Die Formeln
mussten darum auch mit dem Sterne ausgezeichnet
werden.


In der That lassen leicht sich Beispiele nach-
weisen — wie Fig. 9 — in welchen
(xc) = 1߭, sowie
(xa b) = 1߭, somit auch
(xc) (xa b)

ist, und doch weder ca b noch x = 0 besteht, sodass beispielsweise die erste
unsrer Formeln, wie sie zuletzt unter „Zu *7×)“ angegeben, unmöglich für Ge-
biete allgemeingültig sein kann.


[83]§ 32. Gewicht von Aussagen.

Um nun zuzusehen, was in den obigen Subsumtionen dem Minor noch
hinzuzufügen ist, damit dieselben auch im Gebietekalkul gültig als Gleichungen
angeschrieben werden dürfen, mögen wir uns die Aufgabe noch etwas ver-
einfachen.


Nach der schon die weitere Geltung erwiesenermassen besitzenden
Äquivalenz der Def. (3×) können wir nämlich das Subsumtionenprodukt
(xa) (xb) durch die eine Subsumtion (xa b) ersetzen. Hernach
kommen a und b nicht mehr getrennt, sondern nur mehr noch in der Ver-
bindung a b vor, welche man bequemer durch ein einziges Gebietsymbol d
ersetzen wird. Schreibt man alsdann noch a und b für c und d (resp. d
und c), so ist offenbar, dass es sich nur noch um die Beantwortung der
folgenden Frage handelt.


υ) Es soll ermittelt werden, welche auf a, b, und x bezügliche
Aussage noch hinzugefügt werden muss zu dem Minor einer jeden der
folgenden vier Subsumtionen:
(ab) {(xa) (xb)}, (ab) {(bx) (ax)},
(a = b) {(xa) = (xb)}, (a = b) {(bx) = (ax)},

damit dieselbe in eine Gleichung übergehe, die für beliebige Gebiete
a
, b, x gültig.


Ich will die Betrachtung nur für die erste der vier angegebenen
Subsumtionen durchführen, den Rest dem Leser überlassend.


Zunächst ist die Subsumtion für ein beliebiges x richtig: Wenn a in
b enthalten, so muss, wenn x in a enthalten ist, es nach Pr. II auch in b
enthalten sein. Nach einem späteren Satze — ϑ×) des § 45 — würde sie
sich sogar als eine blosse Umschreibung des Pr. II in seiner im § 29 ihm
gegebenen aussagenrechnerischen Fassung (xa) (ab) (xb) hin-
stellen lassen.


Um jene Subsumtion in eine Gleichung mit der linken Seite (ab)
umzuwandeln, genügt es, rechts das Zeichen voranzuschreiben:
(ab) = {(xa) (xb)}.


In der That folgt wie erwähnt die Subsumtion rechterhand als eine
für jedes x gültige aus der zur linken. Und umgekehrt auch, wenn die
Subsumtion rechts: (xa) (xb) für jedes x gilt, so folgt auch die
ab zur linken. Dann gilt jene nämlich auch für x = a, und haben
wir (aa) (ab) oder 1߭ (ab), das ist nach Th. 5̅×): (ab) = 1߭.
Mit dieser Betrachtung sind wir aber unsrer obigen Aufgabe noch nicht
näher getreten.


Letztere fordert, dass wir die Subsumtion rechts, den Major
(xa) (xb), nach dem Minor (ab) „entwickeln“. Die Ent-
wickelung ergibt sich etwa, indem wir jenen mit der Gleichung
1߭ = (ab) + (ab)
beiderseitig multipliziren. Weil aber
6*
[84]Sechzehnte Vorlesung.
(ab) {(xa) (xb)},
so ist nach Th. 2̅0̅×), oder (AB) = (A B = A), auch:
(ab) {(xa) (xb)} = (ab),
sodass also unser Major als Faktor beim ersten Term sich unterdrücken
lässt, und nur noch beim zweiten angemerkt werden muss, wobei man
ihn auch verwenden mag in einer der beiden nach λ) und Th. 3̅3̅+)
Zusatz ihm äquivalenten Formen:
(xb) + (xa) oder (xb) + (xb) + (xa).
Mithin gibt die Gleichung:
{(xa) (xb)} = (ab) + (ab) {(xb) + (xb) (xa)}
die Lösung unsrer Aufgabe an.


Und ebenso haben wir mit der weiteren Geltung:
{(xc) (xa) (xb)} = (ca b) + (ca b) {(xa b) + (xc)}.


Der letzte Term — nicht aber der: (x = 0) — ist behufs Er-
zielung dieser weiteren Geltung dem ersten Terme noch hinzuzufügen
gewesen. Indessen könnte man freilich denselben durch Unterdrückung
des Faktors (ca b) noch weiter vereinfachen (und sogar auch den
ersten Term fortlassen).


Die Betrachtung dürfte lehrreich gewesen sein um den Gegensatz
zwischen engerer und weiterer Geltung deutlichst hervortreten zu lassen.


Die im Obigen behufs Verifikation einer jeden Subsumtion unsres
Aussagenkalkuls angeregte und auszuführen gewesene Probe, dass:
Minor + Gewicht = Major
sein muss (während Minor mal Gewicht verschwindet), lief hinaus auf den
rechnerischen Gültigkeitsnachweis von Formeln des Klassenkalkuls, die zu
den Übungsaufgaben des § 18 (Bd. 1, S. 384 sqq.) noch manche Beisteuer
liefern.


[[85]]

Siebzehnte Vorlesung.


§ 33. Herkömmliche Einteilung der kategorischen Urteile nach
Qualität und Quantität. Modifizirte Deutung der universalen in der
exakten Logik und Unzulänglichkeit des früheren Kalkuls zur Dar-
stellung der partikularen Urteile.


Die an die Formen der Wortsprache sich innigst anschmiegende
herkömmliche Logik teilt die kategorischen Urteile ein nach der so-
genannten „Qualität“ derselben in bejahende und verneinende, nach ihrer
Quantität“ in universale und partikulare.


Es entstehen durch die Kombination der beiden Einteilungsgründe
die vier Arten der

    • universell (allgemein)
    • oder partikular (besonders)
    • bejahenden (affirmativen) oder
    • verneinenden (negativen)


Urteile.


Die vier Buchstaben a, e, i, o, als die hervorgehobenen Vokale der
lateinischen Verbalformen:


asserit (es bejaht, versichert) und nego (ich verneine, leugne)
werden nach alter Übung mnemonisch verwendet, um diese vier Arten
von Urteilen unterscheidend kurz zu bezeichnen, und zwar sollte vor-
stellen:


  • a ein universell bejahendes Urteil, wie: Alle A sind B.
  • e ein universell verneinendes Urteil, wie: Alle A sind nicht B,
    oder mit anderen Worten: Kein A ist B.
  • i ein partikular bejahendes Urteil, wie: Einige A sind B.
  • o ein partikular verneinendes Urteil, wie: Einige A sind nicht B.

Die Bedeutung der vier Buchstaben im Gedächtniss fest zu halten,
zu memoriren, erleichtert der Doppelvers:
„Asserit a, negat e, sed universaliter ambo,
Asserit i, negat o, sed particulariter ambo“.


Diese vier Buchstaben selbst etwa als Beziehungszeichen hier zu ver-
wenden, die vier angeführten Schemata von Urteilen also mittelst:
[86]Siebzehnte Vorlesung.
A a B, A e B, A i B, A o B
auszudrücken, würde nicht ratsam erscheinen, in Anbetracht, dass wir schon
die Buchstaben (und zwar beider Alphabete, auch des kleinen) konventionell
zu verwenden pflegen zur Darstellung der Objekte zwischen welchen solche
Beziehungen stattfinden können, nämlich der Subjekt- und der Prädikat-
klassen.


Ausserdem erscheinen — vom Standpunkte der Mathematik nament-
lich — die vier Buchstaben gewissermassen so unglücklich gewählt, wie
nur möglich.


Eine derartige Verfügung über den Sinn des a würde jede ander-
weitige Verwendung des ersten Buchstabens des Alphabets präkludiren, vor-
weg ausschliessen. Dass e die Basis des natürlichen Logarithmensystems
und i = die imaginäre Einheit in der Mathematik bedeutet, müsste
wenigstens bei Anwendungen der Logik auf diese Disziplin sehr stören.
Und der Buchstabe o ist, wenigstens geschrieben, allzuleicht mit der 0 zu
verwechseln, sodass man ihm in der Wissenschaft überhaupt fast gänzlich
(und mit Recht) aus dem Wege geht. —


Um zunächst das Herkömmliche vorweg zu erledigen, so sei noch
angeführt, dass wenn das Subjekt A in den vier Urteilsformen als das
nämliche gedacht wird, desgleichen das Prädikat B, dann die Verhält-
nisse in welchen je eines der vier Urteile zu einem andern von ihnen
steht, als „Gegensätze“ bezeichnet und mit verschiedenen Namen be-
legt worden sind. Über diese Benennungen gewährt rasche Übersicht
das folgende die Figur eines vollständigen Vierecks bildende Schema.


[figure]
Figure 10. Fig. 10.

Dass wir in der That die Urteile a und o, desgleichen die e und i
— auch nach der für unsre Theorie maassgebenden Auffassung dieser
Urteile, ja gerade erst kraft des hier denselben beizulegenden Sinnes —
als einander kontradiktorisch entgegengesetzte, als Verneinungen von einander
zu bezeichnen haben auf Grund des Begriffs der Negation bei Aus-
sagen, dies wird sich, sofern es nicht ohnehin einleuchtet, noch syste-
[87]§ 33. Die herkömmliche Einteilung der kategorischen Urteile.
matisch durch den Aussagenkalkul rechtfertigen. Auch mag es angehen
die Aussagen a und e konträre (konträr entgegengesetzte) zu nennen.


Die Urteile a, i oder e, o subalterne, und gar die i, o subkonträre
zu nennen, erscheint als ziemlich sinnlos und gänzlich belanglos. —


Über den mit unsern vier Urteilen zu verknüpfenden Sinn sind
immerhin einige Auseinandersetzungen nötig, resp. in Erinnerung zu
rufen.


Im gemeinen Leben, wenn gesagt wird: Alle A sind B, wird die
Unterstellung gemacht, es wird als selbstverständlich vorausgesetzt,
dass es Dasjenige, wovon man reden will, nämlich solche A, auch
wirklich gebe. Dies ist begreiflich, da ohne weiteres keine Veran-
lassung ersichtlich ist, die jemand bestimmen könnte, über nichts und
wieder nichts Aussagen zu machen. Hier bleibt also in der Regel
ganz der Fall ausser Betracht, wo die Klasse A, das Subjekt der Aus-
sage eine leere ist, gar keine Individuen umfasst, die Bedeutung 0 hat,
wo es überhaupt keine A geben sollte.


Anders in der Wissenschaft, die einerseits auf die Allgemeinheit
ihrer Sätze das grösste Gewicht zu legen Grund hat, und darum, wenn
gesagt wird, alle A seien B, oder sollten B sein, in der Regel auch
die Fälle mitumfassen muss, wo die Anzahl dieser A gleich eins oder
gar gleich null (1 resp. 0 im arithmetischen Sinne) sein sollte. Unter-
suchungen, bei welchen A in Betracht kommen, gleichzeitig zu er-
ledigen mit solchen Untersuchungen, bei welchen solche A überhaupt
nicht in Betracht kommen können, weil es eben keine gibt, ist das
Bestreben und liegt im Vorteil der Wissenschaft, die wo irgend mög-
lich den beiden Klassen von Untersuchungen eine gemeinschaftliche,
eine allgemeine Behandlung angedeihen lassen wird. Dazu kommt
andrerseits noch, dass es sich in der Wissenschaft stets um die Er-
mittelung, Erkenntniss von noch Unbekanntem handelt. Da ist es
denn oft fraglich, ob eine begrifflich bestimmte Klasse A überhaupt
denkbar, respective wirklich ist, ob sie Individuen enthalten kann oder
muss. Die Untersuchung dreht sich alsdann gerade darum, ob diese
Klasse A (identisch) null ist, oder nicht, und müssen die an bestimmte
Voraussetzungen über das fragliche oder „problematische“ A an-
zuknüpfenden Schlüsse eben die beiden Möglichkeiten in Sicht behalten.


Aus diesem Grunde liessen wir in unsrer Theorie das Urteil a,
nämlich auch den in Worte gekleideten Satz: „Alle A sind B“ für
gleichbedeutend gelten mit dem Satze: „Alle A, sofern es welche gibt,
sind Bund erkennen denselben auch unbedingt für richtig an für den
[88]Siebzehnte Vorlesung.
Fall, wo es gar keine A geben sollte (sei es in der Mannigfaltigkeit des
zu denken Möglichen überhaupt — immerhin jedoch mit der Beschränkung,
die durch die Forderung einer „gewöhnlichen“ Mn. charakterisirt wurde,
vergl. § 7, 9 und 16 — sei es in der des realen, faktischen, thatsäch-
lich Wirklichen — je nach dem Felde auf dem wir uns eben mit den
Untersuchungen bewegen).


Die Subsumtion: AB, oder die nach Th. 38×) mit ihr äqui-
valente Gleichung: A B1 = 0 ist alsdann die exakte Wiedergabe des
Urteils a in der Zeichensprache unsres Kalkuls. Dass wir diese Sub-
sumtion für den Fall A = 0 anzuerkennen auch durch die Konsequenz
genötigt sind, wurde schon wiederholt betont. Vergl. § 9, ρ, σ).


Auch wenn die Klasse A nur ein Individuum enthält, das Urteil
a also ein „singuläres“ ist, bleibt das Gesagte in Kraft, und schliessen
wir uns damit in der That nur der allgemeinen Gepflogenheit in der
Logik an, die singulären Urteile mit zu den universalen zu rechnen,
sie unter diese zu subsumiren. Auch hier in der That gibt das Urteil
eine Aussage ab über die ganze Subjektklasse, was als das Wesen der
Universalität des Urteils angesehen wird.


Dasselbe, was bei den universal bejahenden Urteilen soeben aus-
einandergesetzt worden, wäre nun auch in Bezug auf die universal ver-
neinenden zu bemerken. Auch den Satz e, oder: „Alle A sind nicht-B
müssen wir hier für richtig anerkennen, wenn es keine A gibt, wenn
das Subjekt A die 0 bedeutet, A = 0 ist.


Das Urteil e wird hienach in unserm Kalkul mit AB1 oder
A B = 0 angemessen dargestellt. —


Über den Sinn des unbestimmten Zahlworts „einige“ (auch: „etliche,
gewisse, manche“ und mit einer noch ausserdem hinzutretenden Zahl-
bestimmung: „wenige, viele“) schwankt der Sprachgebrauch.


Dasselbe kann gebraucht werden im Gegensatz zualle“, im Sinne
also von „nicht alle“ oder „nur einige“. Diese, wol im ganzen seltenere
Verwendungsweise schliessen wir hier aus. Sollten wir das im Sinne
haben, so sagen wir ausdrücklich „nur einige“ — denn hier wird es
unerlässlich, wenn von „einige“ gesprochen wird, damit allemal den-
selben
, einen einheitlichen oder „ganz bestimmten“ Sinn zu verknüpfen.
Der Sinn kann Manches unbestimmt oder offen lassen, doch muss dies
immer auf die gleiche Weise geschehen, und nicht bald so bald anders;
das Unbestimmte muss in ein bestimmt abgegrenztes Gebiet ein-
gehegt sein.


Immer wird das Wort „einige“ gebraucht im Gegensatz zukeine“,
[89]§ 33. Fortsetzung. Modifizirte Deutung universaler Urteile.
für nicht-keine oder mindestens eines, wie dies auch das lateinische
non-nulli durch seine Zusammensetzung zu erkennen gibt. Und dies
ist der Sinn, den wir hier unentwegt festhalten werden.


Damit ist gesagt, dass wenn von „einigen“ Individuen die Rede
sein wird, diese sich insbesondere auch in der Einzahl befinden können.


Im gewöhnlichen Leben kann auch dieses anstössig erscheinen. Es
könnte Jemand, der vor Gericht eidkräftig erklärt hat, er sei am hellen
Tage von „einigen“ Individuen überfallen und durchgeprügelt worden, ris-
kiren, wegen falschen Zeugnisses zur Verantwortung gezogen zu werden,
wenn die Untersuchung schliesslich herausstellt, dass der Überfall nur von
einem Individuum verübt worden. Dies rührt daher,
dass „einige“ manchmal auch synonym gebraucht
wird mit „mehrere“, welches den Gegensatz ausdrückt
zu »einem oder keinem«. Genau genommen müsste
man aber, sollte ein Fall der geschilderten Art wirklich
vorkommen, gegen den Leiter der gerichtlichen Ver-
handlungen alsdann den Vorwurf erheben, die präzise
Fragestellung an den Zeugen versäumt zu haben.


In ingeniöser Weise veranschaulicht Mr. Peirce
die Tragweite, den genauen Sinn der (hier) mit

[figure]
Figure 11. Fig. 11.


den vier Urteilsformen a, e, i, o zu verknüpfen ist, durch eine der oben-
stehenden ähnliche Figur.


Ich will die vier Quadrate in welche das ganze Quadrat vor-
stehend zerlegt erscheint, kurz als „Quadranten“ bezeichnen. Dann
wird der Satz:


  • a) Alle Striche (im Innern des Quadranten) sind vertikal

gelten für die beiden oberen Quadranten, und zwar ausdrücklich auch
für den ganz leeren rechts oben, in welchem sich gar keine Striche
befinden. Der Satz:


  • e) Alle Striche sind nicht-vertikal (hier sogar schief, in Anbetracht,
    dass wagrechte fehlen), oder: Kein Strich ist vertikal

gilt für die beiden Quadranten rechterhand, und insbesondere auch
wieder für den leeren. Der Satz:


  • i) Einige Striche sind vertikal (stehen aufrecht)

gilt für die beiden Quadranten linkerhand und namentlich auch für
den links oben, in welchem nicht „nur einige“, sondern sogar „alle“
Striche scheitelrecht stehen. Endlich der Satz:


  • o) Einige Striche sind nicht-vertikal

gilt für die beiden untersten Quadranten und zwar ausdrücklich auch
für den rechts unten, in welchem nicht blos einige sondern sogar alle
vorhandenen Striche schief stehen.


[90]Siebzehnte Vorlesung.

Die vorstehenden Konventionen, zu welchen wir, wie auseinander-
gesetzt, durch die Konsequenz genötigt sind, haben aber in der That
einen Misstand im Gefolge. Es ist der Umstand, dass nun mitunter
das Wort „einige“ mehr besagen wird als „alle“, denn dieser letztern
können es auch „keine“ sein, während jener erstern „mindestens eines“
sein muss. Nach unsern Festsetzungen fiel „alle A“ mit „kein A“ zu
dem Begriffe des „Nichts“ zusammen, wenn es die A überhaupt nicht
gibt; es schliessen hier „alle“ und „keine“ einander nicht unbedingt
aus, während „einige“ und „keine“ dieses unbedingt thun. Als misslich
ist dieser Umstand, dass nun mit „einige A“ eventuell mehr A gefordert
oder gesetzt werden sollen, als mit „alle A“, insofern zu bezeichnen,
als er höchlich dem Sprachgefühl zuwiderläuft.


In der gewöhnlichen Umgangssprache nun macht sich dieser Miss-
stand allerdings nicht fühlbar — weil hier der Fall, dass ein Ding,
worüber man spricht, nicht existirt oder gar, nicht denkbar wäre,
nicht vorzukommen pflegt — so wenigstens in der Meinung Derer, die
davon sprechen — sonach der anstössige Fall hier ohnehin sich still-
schweigend ausgeschlossen findet.


In der Wissenschaft jedoch muss man an dergleichen Degenerations-
fällen — den Fällen, wo einzelne Begriffswörter von dem ursprünglich
für sie beabsichtigten Sinne anscheinend oder wirklich „ausarten“ (näm-
lich ganz andern Zwecken als den bei ihrer Bildung vorschwebenden
konsequenterweise dienstbar werden, indem man jene dabei gar nicht
mit vor Augen hatte) — sich nicht weiter stossen. Hier ist äusserste
Strenge im konsequenten Festhalten an den allgemeinen und als solche
wohlmotivirten Festsetzungen in erster Linie maassgebend; sich die Vor-
teile solcher Konsequenz zu sichern bleibt hier oberster Gesichtspunkt.


Es mag in dieser Beziehung erinnert werden an die „Segmente“ bei
subtraktiver Teilung einer Strecke, wo doch auch der eine „Abschnitt“
grösser ist als die ganze Strecke — während so manche andere Gebilde
der Geometrie, wie die unendlich entfernte Gerade resp. Ebene, der ima-
ginäre Kugelkreis etc., gewiss in noch viel höherem Grade den Anfänger
paradox anmuten — von derartigen Gebilden der Algebra ganz zu geschweigen.


Die universalen Urteilsformen a und e haben wir oben mit dem
Zeichensystem, über das wir bislang verfügten, zur Darstellung ge-
bracht, wir haben sie in Formeln gesetzt, in die Zeichensprache unsres
Kalkuls übersetzt oder eingekleidet.


Es zeigt sich, dass ohne weiteres in der That nur bei diesen solches
möglich ist — so wenigstens auf dem Standpunkte, auf welchem wir
vor dem Aussagenkalkul mit § 28 angelangt waren — und wollen wir
[91]§ 33. Boole’s Kalkul unfähig, partikulare Urteile darzustellen.
jetzt an die Frage herantreten, wie denn hier auch die partikularen
Urteilsformen i und o wiederzugeben sein würden?


Für den Bedarf unsres bisherigen Klassenkalkuls haben vollkommen
ausgereicht: die beiden Beziehungszeichen der Subsumtion und der Gleich-
heit und die
Operationen der drei Spezies (Multiplikation, Addition und
Negation) als ausgeführt an Klassen.


Hier ist nun zunächst die Thatsache zu konstatiren: dass mit diesen
Mitteln allein die partikularen Urteile nicht ausgedrückt werden können
,
dass also mit jenen beiden Beziehungszeichen und diesen drei Operationen,
ausgeführt an den zum Subjekt und Prädikatbegriffe gehörigen oder
beisteuernden beiden Klassen A, B und irgend welchen andern Klassen
das gesteckte Ziel sich unmöglich erreichen lässt.


Boole und nach ihm Jevons haben allerdings geglaubt, dies zu ver-
mögen — ein Irrtum, welchen ebenfalls geteilt zu haben Miss Ladd1
pag. 24 implicite mir fälschlich zuschreibt.


Die erstgenannten wähnten durch eine Gleichung:
w A = w B,
in welcher w ein unbestimmtes Klassensymbol vorstellt, das Urteil i dar-
stellen zu können: einige A sind B.


Dass aber solches nicht angängig ist, erkennt man augenblicklich, sofern
man nur bemerkt, dass speziell für w
= 0, desgleichen für w = A B, die obige
Gleichung immer identisch erfüllt ist
— ob einige A auch B sein mögen, oder nicht.


Es kann daher, solange man die Bedeutung von w offen lässt, durch
die Gleichung w A = w B keine Relation zwischen A und B ausgedrückt
werden. [In der That gibt Elimination von w aus ihr blos 0 = 0 zur voll-
ständigen Resultante.]


Wollte man aber vielleicht fordern, dass mit w die Vorstellung einer
Klasse verknüpft werde, welche eben diejenigen unter den A enthält, die
B sind, somit auch diejenigen unter den B, die A sind, eine Klasse, die
wir kürzer A B nennen mögen und bei welcher nur zu unterstellen bleibt,
dass sie keine leere, d. i. von 0 verschieden ist, so würde zu entgegnen
sein, dass eben diese Unterstellung die Hauptsache ist: Einige A müssen B
sein, sobald die Klasse A B keine leere, nicht gleich 0 ist, sowie um-
gekehrt — und dass, wenn solches feststeht, der Ansatz w A = w B ganz
entbehrlich, eine überflüssige Weitläufigkeit wird. Gerade das Wichtigste
zu einem blos mental zu ergänzenden Anhängsel, einem mit Stillschweigen
übergangenen Vorbehalte von einer nichtssagenden Formalie zu machen, kann
sich unmöglich empfehlen.


Der allgemeinste Ausdruck für diejenige Klasse w, welche bei ganz
beliebig gegebenem Wertepaare A, B die Gleichung w A = w B schon ohnehin
erfüllt, würde beiläufig sein
w = u (A B + A1B1),
worin u eine arbiträre Klasse bedeutet.


[92]Siebzehnte Vorlesung.

Boole hat zuerst sogar verschiedene unbestimmte Faktoren links und
rechts in seiner Gleichung verwendet, hat für i geschrieben:
u A = v B
und dann bemerkt, dass man unbeschadet der Allgemeinheit für u und v
das nämliche unbestimmte Symbol w beiderseits verwenden könne.


Es bedarf kaum noch des Hinweises, dass auch hierdurch nichts ge-
wonnen wäre. Die Gleichung ist für irgend welche (auch für einander
ausschliessende) A und B schon ohnehin erfüllt durch
u = B z + A1x, v = A z + B1y,
oder, was ebenso allgemein, der Form nach aber etwas weniger einfach er-
scheint, durch:
u = A B z + A1x, v = A B z + B1y,
wo x, y, z vollkommen willkürlich. [Man braucht in der That nur in der
ersten Form A B z für z zu nehmen, um die letztere, in dieser B z + x,
A z + y für x, y zu nehmen, um die erstere zu gewinnen.] Und zwar würde
nebenbei gesagt, sich nachweisen lassen, dass sie hierdurch auf die allge-
meinste Weise erfüllt wird. Vergl. etwa § 25 Aufgabe 20, und anderes.


Die erwähnten Versuche zur Darstellung der partikularen Urteile im
identischen Kalkul sind hienach als misslungen zu bezeichnen.


Die Unmöglichkeit lässt allgemein sich leicht darthun durch die
folgende Überlegung:


Gesetzt das partikulare Urteil „Einige A sind B“ lasse überhaupt sich
ausdrücken durch ein System von Subsumtionen oder auch Gleichungen,
in welche die Klassen A und B nebst vielleicht irgend welchen andern
Klassen u, v, w, … eingehn, so würde dieses System von Relationen nach
Th. 24+) und den Ergebnissen des § 19 äquivalent sein mit seiner „ver-
einigten“ Gleichung, und diese, rechts auf 0 gebracht, müsste die Form
haben:
f (A, B) = 0,
wo man das Polynom linkerhand auch linear nach A und B entwickeln
könnte in der Form:
x A B + y A B1 + z A1B + t A1B1 = 0,
in welcher die Koeffizienten x, y, z, t von A und B unabhängig erschienen.


Diese Relation müsste, was auch A B1, A1B und A1B1 für Werte haben
mögen, erfüllt sein, sobald nur A B von 0 verschieden. Im Hinblick auf
Th. 24+) müssten daher die drei letzten Terme linkerhand allgemein ver-
schwinden, sonach — cf. § 25, 21. Studie*) — müssten ihre Koeffizienten
y, z, t gleich 0 sein, und wäre durch geeignete Bestimmung des von A, B
unabhängigen Koeffizienten x überdies zu bewirken, dass x A B = 0 ist, so-
bald A B von 0 verschieden, dagegen nicht gleich 0 wird, sobald A B = 0
[93]§ 33. Partikulare Urteile dem Boole’schen Kalkul unzugänglich.
sein sollte. Durch diese Forderung treten wir aber in Widerspruch zu
Th. 22×), welches unbedingt x · 0 = 0 anzuerkennen fordert. Somit ist die
behauptete Unmöglichkeit erwiesen.


Im Grunde könnten wir schon dieses Beweises uns überhoben erachten,
solange das Geforderte eben niemand zu leisten vermag.


Nach dem Vorangehenden wird nun ein Zeichen für nicht-gleich,
zu schreiben ≠, (oder einer von den möglichen Stellvertretern des-
selben, wie , vergl. § 36) erforderlich und hinreichend sein, dem
Mangel abzuhelfen. In der That wird
A B ≠ 0
das Urteil i ausdrücken: „Einige A sind B“ — also auch: „Einige B
sind A“ — eine Darstellung, die gegenüber dem Worttexte neben dem
Vorzug der Kürze auch denjenigen besitzt, eine symmetrische Beziehung
auch symmetrisch wiederzugeben (insofern nach dem Kommutationsgesetze
B A und A B ohnehin für einerlei gilt).


Desgleichen wird der Ansatz:
A B1 ≠ 0 aussagen, was o: „Einige A sind nicht B“.


Wesentlich erscheinen diese partikularen Urteile — die „bejahenden“
sowol als die nach der herrschenden Terminologie als „verneinende“
hinzustellenden — doch als „bejahende Existenzialurteile: Es gibt A die
B (resp. nicht B) sind — wird ein den vorstehend kursiv gedruckten
äquipollentes Urteil sein.


Z. B. für A = Säugetier, B = eierlegend, ist der Satz: Einige Säuge-
tiere legen Eier, logisch gleichbedeutend mit dem Satze: Es gibt eierlegende
Säugetiere (bekanntlich die Schnabeltiere, Ornithorhynchen, und noch ge-
wisse andre Edentaten Australiens und Neuguineas).


Einige Metalle schwimmen auf dem Wasser, =: Es gibt Metalle, die
auf dem Wasser schwimmen (resp., wenn man will, die im Wasser nicht
untergehen) — wie bekanntlich Kalium, Natrium und andre „Leichtmetalle“.


Auf der ersten Etappe in der Entwickelung unsrer Disziplin, wie
sie mit Bd. 1 zu einem Abschlusse gekommen, nämlich erst über die
Zeichen = und verfügend, vermochten wir nur die „verneinenden“
Existenzialurteile in Rechnung zu setzen. Fortan sind auch die be-
jahenden in unsre Zeichensprache einkleidbar und der Rechnung zu-
gänglich.


Zu dem Ende war es nur nötig, ein Zeichen einzuführen, welches
wie ≠ oder den Wert einer „verneinenden Kopula“ hat. Den Be-
sitz einer solchen haben wir in § 15 mit guten Gründen der Wort-
sprache abgesprochen, und es wird auch ein Vorzug des Kalkuls bleiben,
dass er über sie verfüge.


[94]Siebzehnte Vorlesung.

Wie in der That es schon im identischen Kalkul ein Postulat
gewesen ist, dass man jedes Gebiet negiren, seine Ergänzung, Nega-
tion bilden könne, so muss es fortan auch im Aussagenkalkul als ein
Postulat anerkannt werden, dass man zu jeder Aussage auch deren
Verneinung, Negation bilden könne.


Und als Verneinung der Gleichung a = b, sonach als (a = b)1
wurde schon in § 31 die Ungleichung ab definirt.


Dass aber diese Operation des Negirens, von welcher wir in Be-
zug auf Aussagen
systematisch“ im Klassenkalkul noch nicht Gebrauch
gemacht haben, weil eben hiezu in diesem noch keine Nötigung vor-
lag (allerdings aber aus didaktischen Gründen bereits häufig im er-
läuternden Worttexte) — dass diese Operation fortan eine unentbehr-
liche ist, wofern wir die letzten Ziele unsrer Theorie erreichen wollen,
dies dürfte schon aus den bisherigen Betrachtungen erhellen.


Selbst für den Aussagenkalkul, für den wir als Kalkul mit Aussagen
konstanten Sinnes in § 32 die Entbehrlichkeit des Ungleichheitszeichens
erkannt haben, dürfte aus der Einführung des letztern ein Gewinn zu er-
hoffen sein, indem es vielleicht auf Grund derselben möglich werden wird,
auch für die Aussagen von mit der Zeit fliessendem, fluktuirendem oder
variirendem Sinne bei konstantem Wortlaut (vgl. § 28) bestimmte Rech-
nungsregeln aufzustellen. Jedenfalls vermögen wir auch solche Aussagen
noch vermittelst dieses Zeichens wenigstens auszudrücken. Konnten wir
vermittelst des Ansatzes
A = 1߭ oder A1 = 0, resp. A = 0 oder A1 = 1߭
schon vordem statuiren, dass eine Aussage A stets resp. nie gelte, dass sie
eine „zeitlich universale“ sei, so werden wir jetzt auch in der Lage sein,
auszudrücken, dass die Aussage A manchmal, mitunter, zeitweilig gelte
resp. nicht gelte, dass sie „nach der Dimension der Zeit (in ihrer zeitlichen
Erstreckung) partikularen“ Charakter habe, und zwar in Gestalt des An-
satzes:
A ≠ 0 oder A1 ≠ 1߭ resp. A1 ≠ 0 oder A ≠ 1߭.
Wir wollen jedoch an dieser Stelle hierauf nicht weiter eingehen.


Als Quintessenz, sozusagen Moral, der vorstehenden Überlegungen
wollen wir nur die Wahrnehmung statuiren: dass die Beziehungen, an
deren Betrachtung wir uns bislang genügen liessen, nicht das ganze
Gebiet der für die Logik des Umfanges wichtigen Beziehungen er-
schöpfen, dass vielmehr noch Lücken in diesem Betreff auszufüllen sind.


Und diese Wahrnehmung mag uns veranlassen, nunmehr zu
forschen nach dem vollständigen System jener Beziehungen, die Frage
aufzuwerfen: in wie vielerlei und was für Beziehungen zwei Gebiete,
Klassen A, B (oder auch Begriffe hinsichtlich ihres Umfanges, in ex-
[95]§ 34. Die fünf Elementarbeziehungen Gergonne’s.
tensiver Hinsicht) überhaupt zu einander stehen können? — sodann die
Anfangs nur als Studium der Subsumtionsbeziehung hingestellte
Hülfsdisziplin des identischen Kalkuls über dieses umfassendere Unter-
suchungsfeld auszudehnen.


§ 34. Die 5 möglichen Elementarbeziehungen Gergonne’s und die
14 Grundbeziehungen in anschaulich geometrischer Einführung.


Indem wir der am Schluss des vorigen Paragraphen aufgeworfenen
Frage zunächst mit der Anschauung näher treten, wollen wir streng
dichotomisch“ verfahren, d. h. bei der Aufzählung der zwischen zwei
Gebieten A
, B denkbaren Beziehungsmöglichkeiten immer je zwei Ab-
teilungen machen, wovon die eine dem Fall entspricht, dass ein ge-
wisses Merkmal zutreffe, die andere dem Falle, wo dies nicht der Fall
ist. Auf diese Weise werden wir nach dem Satz des ausgeschlossenen
Dritten die Sicherheit erlangen, dass keine Möglichkeit übersehen oder
ausgelassen wird. Vergl. § 16.


Zwei Gebiete A und B haben entweder keinen Teil gemein (Fall „a“),
oder sie haben einen Teil gemein (Fall „a1“).*)


(Ein drittes ist nicht denkbar.)


Im letztern Falle ist der gemeinsame Teil entweder A selbst
(Fall a10), oder er ist es nicht (Fall a11).


Im erstern Unterfall a10 treten die zwei Möglichkeiten auf, wo der
gemeinsame Teil (zugleich auch) B ist (Fall a100), und wo er es nicht
ist (Fall a101).


Im zweiten Unterfall a11 ebenso: der gemeinsame Teil kann B
sein (Fall a110) oder auch B nicht sein (Fall a111).


Demnach haben wir folgende fünf Möglichkeiten (von viererlei
„Art“, weil eine bezüglich A und B unsymmetrisch ist, und doppelt
— durch a101 und a110 — vertreten erscheint):

Dieselben können versinnlicht werden durch die folgenden Figuren, zu
[96]Siebzehnte Vorlesung.
welchen wir der Übersicht wegen sogleich die für den betreffenden
Fall jeweils charakteristischen Formeln hinzusetzen,
Fall a.

[figure]

Hier ist A B = 0.

Figure 12. Fig. 12.


Fall a100 = δFall a101 = γFall a110 = βFall a111 = α
[figure]
[figure]
[figure]
[figure]
Figure 13. Fig. 13.
Figure 14. Fig. 14.
Figure 15. Fig. 15.
Figure 16. Fig. 16.
A B = A = B ≠ 0A B = AA B = BA B

Die 5 erwähnten Beziehungen, in welche A und B zu einander
treten können, nennen wir die „Elementarbeziehungen“ unsres Gebiete-
kalkuls, sowie überhaupt einer Logik des Umfanges.


In den vier letztern Fällen, zu deren Bezeichnung wir zugleich
die bequemeren Namen δ, γ, β, α eingeführt haben, wenden wir zu-
nächst eigentümliche Beziehungszeichen an, und zwar bezüglich
wie folgt:

A = BABABAB
gelesen:
A gleich BA untergeordnet BA übergeordnet BA schnittig mit B
identischsubordinirtsuperordinirtsekant
dfeg

doch werden sogleich zwingende Gründe zutage treten, diesen letztern
Propositionen grösstenteils noch eine weitergehende Bedeutung beizulegen
,
also dass die Fälle d, f, e mit denen δ, γ, β sich nicht völlig decken,
nämlich zwar mit ihnen gegeben sind, aus ihnen folgen, aber umge-
kehrt, sie nicht unbedingt nach sich ziehen, wogegen allerdings g
mit α vollkommen zusammenfällt.


Dieses Auseinandergehen, diese Diskrepanz der Urteile d, f, e mit
den die Elementarfälle statuirenden Aussagen δ, γ, β ist die unver-
meidliche Wirkung der früher von uns vollzogenen Adjungirung der
Null
, welche ja ihrerseits eine wohlmotivirte war und vollzogen werden
[97]§ 34. Elementar- und Grundbeziehungen, anschaulich eingeführt.
musste, um die identische Multiplikation A · B zu einer allgemein an-
wendbaren oder unbedingt ausführbaren Operation zu machen.


Wir sind nämlich bereits verpflichtet, die Gleichung
0 = 0
als richtig anzuerkennen, das Beziehungszeichen der Gleichheit also
als ein auch anwendbares gelten zu lassen, mit auszudehnen auf den
Fall, wo eines der beiden verglichenen Gebiete und dann also auch
das andre in 0 ausartet, degenerirt. Da für A = B = 0 auch
A B = 0 ist, so gehört dieser Fall aber gar nicht zu a1 (und folglich
auch nicht zu a100 oder δ), sondern zu a.


Ebenso finden wir für die Zulassung des Falles A = 0 bei f und
des Falles B = 0 bei e Bestimmungsgründe vor.


Beim Studium der Subsumtion kamen wir ja dazu, auch die Pro-
positionen
0 B, A 0
aufzustellen — cf. Def. (2×) — und sollte eine solche Subsumtion
0 B nach § 1 uns ausdrücken, dass entweder 0 = B oder aber
0 ⊂ B sei. Sooft nun also nicht gerade B = 0, das heisst, sooft
B ≠ 0 ist, müssen wir auch:
0 ⊂ B, entsprechend desgleichen A ⊃ 0
für ein von 0 verschiedenes A, stets gelten lassen. In diesen beiden
Fällen ist nun aber wiederum A B [ = 0 · B resp. A · 0] = 0, sodass
sie unter a, nicht aber unter a1 und γ, resp. β, fallen.


Die Zeichen =, ⊂ , ⊃ wurden schon in § 1 beschrieben, motivirt
und gerechtfertigt. Das Zeichen , in dessen Wahl ich mit Wundt zu-
sammentreffe, spricht für sich selbst, insofern es erstens zunächst nicht un-
geeignet
erscheint, vor allem nämlich gebührend symmetrisch ist — nicht
nur, was minder wichtig, in Bezug auf oben und unten, wo die Symmetrie
angezeigt erscheint in Ermangelung jeden Grundes, es nach diesen Rich-
tungen verschieden zu gestalten — sondern auch, was erheblicher, in Be-
zug auf links und rechts, wie es denn auch eine symmetrische Beziehung
zwischen den durch dasselbe als linke und rechte Seite zu verknüpfenden
Ausdrücken darzustellen hat: sooft AB, wird auch BA sich als
gültig erweisen, sodass man die Propositionen dieser Art nun ohne weiteres,
wird rückwärts lesen können. Zweitens aber empfiehlt sich jenes Zeichen
als das allergeeignetste dadurch, dass es die wirkliche, zwischen den Gebieten
A und B bestehende Beziehung in sich abbildet, den wesentlichen Teil der
Figur 16 kopirt:
man braucht die divergirenden Äste eines jeden der
beiden in unserm Zeichen einander durchsetzenden Bögen nur fortgesetzt
zu denken, sei es in’s Unbegrenzte, sei es — noch besser — so, dass sie
etwa je zu einem Ovale sich zusammenschliessen, so wird man die Kon-
turen der Gebiete A und B vollständig in dem Zeichen erblicken, und
Schröder, Algebra der Logik. II. 7
[98]Siebzehnte Vorlesung.
sehen, wie sie je nur einen Teil ihrer Fläche gemein haben. Das Zeichen
gibt aber nur den wesentlichen Teil der Figur wieder: es drückt die Exi-
stenz des gemeinsamen Gebietes A B dadurch aus, dass es dieses vollstän-
dig in seiner Mitte dem Blick darbietet, zugleich lässt es erkennen, dass
A sowol als B noch über diesen gemeinsamen Teil A B hinausgehen
(„overlap“) — wie weit noch? dieses eben lässt unser Zeichen — als
für die Beziehung nebensächlich — offen, dies allein verschmäht es, fertig
auszudrücken. Das Zeichen besitzt in der geschilderten Hinsicht sogar
einen Vorzug vor den Über- und Unterordnungszeichen, in Bezug auf
welche wir bereits Bd. 1, S. 131 auseinandergesetzt haben, dass und warum ein
ebenso getreues Nachbilden der Figur hier nicht angängig erscheint*), und
wie man sich dafür zu behelfen hat. Ebenso wie diese ist es eminent
mnemonisch.


Eine Proposition der vierten Art g, = α, das ist eine Aussage
der Form
AB
mögen wir eine „Schnittbeziehung“ nennen. Leider fehlt ein international
verwendbar erscheinendes Fremdwort, indem „Sektion“ anderweitig ver-
[99]§ 34. Elementar- und Grundbeziehungen, anschaulich eingeführt.
geben ist, Tmēsis zu unbequem auszusprechen. Vielleicht würde „Inter-
sektion“
schon einigen Beifall finden. Am liebsten möchte ich die Neu-
bildung „Sekanz“ riskiren, die wenigstens Anklänge findet, ohne selbst
lateinisch zu sein, doch im Latein zahlreiche Analoga besitzt. Die ältere
Logik scheint solche Beziehungen ganz ausser Betracht gelassen zu haben,
weshalb ein Name von alter Übung nicht zu finden ist. In neueren Werken
begegnet man zuweilen für die in jene Beziehung eingehenden (eventuell
den Klassen A, B zugeordneten) Begriffe dem Namen der „kreuzenden“
oder Kreuzungsbegriffe, und wir könnten darnach auch von der gedachten
Beziehung als von einer „Kreuzung“ reden.


Es erschiene dies nicht ganz unpassend, wenn dabei nur etwa an die
Kreuzung zwischen Pflanzenspezies oder von Rassen aus dem Tierreiche
gedacht wird. Dagegen verstiesse es höchlich gegen den mathematischen
Sprachgebrauch, welchen wir für unsre Disziplin einer Berücksichtigung in
erster Linie würdig erachten.


In Geometrie etc. wird der Fall, wo zwei Gebilde z. B. Körper,
Flächen oder Linien sich mit nur einem Teile ihrerselbst gegenseitig durch-
dringen, regelmässig als ein Schneiden derselben bezeichnet und der gemein-
same Teil heisst die Schnittfigur; so schneiden sich zwei Gerade in einem
Punkt, zwei Flächen zumeist in einer Linie, etc. Das Wort wird nicht
gebraucht, wenn die Schnittfigur mit dem einen Gebilde selbst zusammen-
fällt, das eine also ganz im andern liegt: man sagt nicht: der Punkt
schneide die Ebene, in der er liegt, und wenn gesagt wird, eine Gerade
schneide eine Ebene, so ist damit ausdrücklich der Fall ausgeschlossen, wo
die Gerade in die Ebene hineinfällt. Dieser Sprachgebrauch entspricht
also vollkommen der hier in Betracht kommenden Beziehung.


Als einander „kreuzende“ Gerade z. B. werden dagegen solche Gerade
in der Geometrie bezeichnet — entgegen wol dem Sprachgefühl im ge-
meinen Leben — die ohne einen Punkt gemein zu haben (und ohne in ein-
unddieselbe Ebene zu fallen) im Raume an einander vorbeigehen — ein
Fall, der nicht in α sondern in a sein Analogon fände.


Aus diesem Grunde — um hier nicht Verwirrung zu stiften, resp.
die schon vorhandene zu vermehren — werden wir uns der eben erwähnten
Benennung entbalten.


Will man die Urteile d, f, e, g in der Wortsprache darstellen, so
kann dies ohne Abweichung vom Sprachgebrauche nur mittelst je
zweier Sätze geschehen, und zwar:


  • d. Alle A sind B, und alle B sind A.
  • f. Alle A sind B, aber nicht alle B sind A.
    (sive: einige B sind nicht-A).
  • e. Alle B sind A aber einige A sind nicht-B.
  • g. Nur einige A sind B und nur einige B sind A.
    (sive: einige B sind nicht A).

Oder man muss gar für den letzten Fall zu drei Sätzen seine
Zuflucht nehmen, als da sind:


7*
[100]Siebzehnte Vorlesung.
  • g. Einige A sind B, aber einige A sind auch nicht B, und einige B
    nicht A.

Uber den Sinn dieser Aussagen in den auch hier bei d, f, e zu-
lässigen Degenerationsfällen wo es keine A (oder auch nur ein A)
resp. B gibt, ist der vorige Paragraph nachzusehen.


Es gelingt, dieselben Beziehungen auch je durch einen einzigen
Satz
auszudrücken, wenn man sich — über den Sprachgebrauch hinaus-
gehend — eines Verfahrens bedient, welches W. Hamilton*) aufgebracht,
und von welchem Jevons und Andere viel Aufhebens gemacht haben.
Dasselbe wird die Quantifikation des Prädikates genannt, und besteht
darin, dass man auch dem Prädikate (wie schon innerhalb des Sprach-
gebrauchs den verneinenden Artikel „keine“, so ausserhalb desselben)
die Zahlbestimmung „alle“ oder „einige“ beigesellt.


Hierdurch bekommen wir für:


  • d = (A = B): Alle A sind alle B.
  • f = (AB): Alle A sind nur einige B.
  • e = (AB): Nur einige A sind alle B.
  • α = g = (AB): Nur einige A sind nur einige B.

Man kann auch die Partikel „nur“ fortlassen, wenn man en bloc
erklärt, dass hier „einige“ auch im Gegensatz stehen solle zu „alle“.


Im übrigen sollten diese Urteile als umkehrbare, konvertible gelten
(wie früher, vergl. Bd. 1, S. 242, wenn wir sagten: „dies ist alles“,
oder: „dies ist einiges von dem, was man schuldet“, oder dergleichen),
die Kopula „sind“ sollte also die Kraft des Gleichheitszeichens haben,
das Urteil die Identität von Subjekt und Prädikat statuiren. Es wird
sich jedoch sogleich zeigen, dass dieses nicht durchaus angängig.


Bei „alle A“ und „alle B“ muss wieder auch der Fall zugelassen
sein, dass solche gar nicht in Betracht kommen können, weil es sie
gar nicht gibt, dass also die Bedeutung der betreffenden Klasse 0 oder
„nichts“ ist.


Bei d hat dies keine Schwierigkeit im Gefolge. Dagegen bei f
und e müsste man entweder zugeben, dass „nur einige“ B resp. A
sich auch auf 0 reduziren dürften — entgegen den fundamentalen, die
Bedeutung von „einige“ stipulirenden Festsetzungen — oder man muss
die Sätze f, e — anstatt, wie gesagt, als Gleichungen — in diesen
Grenzfällen doch nur als Subsumtionen auffassen, den letztern e dann
umkehrend in: Alle B sind nur einige A.


Am ungezwungensten würde man sagen:


[101]§ 34. Die fünf Elementarbeziehungen.
  • f. Alle A, falls es welche gibt, sind nur einige B,

und analog e, nur mit vertauschtem A und B; indessen hätten wir dann
abermals nicht einfache Sätze.


Am besten wird man auf das ganze Kunststück verzichten, indem
dasselbe augenscheinlich zuwiderläuft dem Grundsatze des „Quidquid
de omnibus valet, valet etiam de nonnullis ac de singulis“.


Gilt nämlich z. B. „Alle A sind alle B“, so wird doch (die An-
zahl der A grösser als 1 vorausgesetzt) gerade nicht gelten dürfen:
Jedes A ist alle B, und ebensowenig zu gelten brauchen: Einige A
sind alle B!


Jener Grundsatz aber beherrscht doch nun einmal notorisch unser
gesamtes Denken in Worten, und es kann nicht nur nicht vorteilhaft,
sondern auch nicht einmal unbedenklich sein, denselben mittelst der
„Quantifikation des Prädikates“ durchbrechen zu wollen. Der Versuch
erscheint mir als einer der Ausflüsse einer weitverbreiteten Tendenz
(in der auch Jevons vielfach sündigt), die Kopula gewaltsam als
Gleichheitszeichen zu deuten, das (in Wahrheit Subsumtions-)Urteil
als eine Identitätsbehauptung hinzustellen.


Für die „Elementarbeziehungen“ δ, γ, β hätten wir noch, analog,
die Formulirung:


  • δ. Alle Aund solche gibt es — sind alle B.
  • γ. Alle A, dergleichen es gibt, sind nur einige B.
  • β. — gerade wie γ, nur A und B vertauscht, oder auch selbständig
    Nur einige A sind alle B (und gibt es folglich Individuen dieser
    letzteren Klasse). —

Auch diese letztern drei Beziehungen vermittelst eigener Be-
ziehungszeichen darzustellen, werden wir selten Veranlassung haben.
Man mag etwa dieselben drei Zeichen, wie oben bei d, f und e wählen,
zur Unterscheidung nur mit einer darübergesetzten kleinen 0 versehen,
sodass (wenn wir vorgreifend auch noch den Fall a mit seinem später
zu motivirenden eignen Beziehungszeichen mit aufnehmen) wir die
folgende Übersicht haben:

I0. Tafel der Elementarbeziehungen.


[figure]

worin uns die drei ersten an die früheren Beziehungen erinnern mit
[102]Siebzehnte Vorlesung.
dem Zusatze, dass das Verschwinden, Nullsein jedes Terms zur Linken
oder Rechten ausgeschlossen werde. Für den terminus major, das Prä-
dikat der Unter- oder Überordnung f resp. e wird sich dies ohnehin
verstehen — siehe weiter unten, § 35, 40) und 40)' — aber für den
terminus minor, das Subjekt — mithin für eben den Term, gegen
welchen die über das Zeichen gesetzte 0 herabzugleiten droht — muss
dies ausdrücklich ausgeschlossen werden, und zeichnet gerade durch
diese Ausschliessung die Elementarbeziehung oder „elementare Unter-
ordnung
“ sich aus vor der Unterordnung (schlechtweg) f, die „elemen-
tare Überordnung
β vor der Überordnung e. Ebenso hebt sich die
elementare Gleichsetzung“ vermittelst des Zeichens ≗ („elementar
gleich“) von der gewöhnlichen Gleichsetzung, vermittelst =, dadurch
ab, dass sie die zu vergleichenden Dinge als existirend setzt, hinstellt
oder voraussetzt, auf Nullen also nicht anwendbar ist, wogegen die
letztere diese Frage nach der Existenz (innerhalb des Untersuchungs-
feldes) des Verglichenen offen lässt.


Im Gegensatz, grösstenteils, zu den 5 „Elementarbeziehungen“ be-
zeichne ich die durch die Formeln d, f, e, g dargestellten als „Grund-
beziehungen“. Diese letztern umfassen also diejenigen Modifikationen,
welche an den Elementarbeziehungen zufolge Adjunktion der Null an-
zubringen waren. Die Mannigfaltigkeit der „Grundbeziehungen“ wird
aber mit dem Bisherigen noch nicht ganz abgeschlossen sein.


Wir erinnern zunächst, dass behufs Anlehnung an die Wortsprache
ein Beziehungszeichen eingeführt werden musste, welches die Kopula
des Urteils wiedergibt. Das Subsumtionszeichen und seine Um-
kehrung (die man das Supersumtionszeichen nennen könnte), diese
beiden verdienen sicherlich, unter die Zeichen der logischen „Grund-
beziehungen“ aufgenommen zu werden. Und dies nicht nur wegen
ihrer Wichtigkeit als Bindeglieder zwischen Sprache und Kalkul,
sondern auch unter dem vorhin betonten Gesichtspunkte:


Der aus zwei Elementarfällen zusammengesetzte Kollektivfall
a10 = a100 + a101 statuirt in der That, dass zwischen A und B eine Sub-
sumtion, Einordnung
AB
stattfinde; doch ist hiermit die Bedeutung dieser letzteren wieder nicht
erschöpfend angegeben; vielmehr verlangt a10 noch obendrein, dass so-
wol A als B von
0 verschieden seien — indem unter dem Hauptfall a1,
in welchem a10 als Unterfall enthalten ist, das Produkt A B nicht ver-
schwinden darf — während bei der Subsumtion auch diese Fälle zu-
gelassen sind
.


[103]§ 34. Elementar- und Grundbeziehungen.

Ebenso kann man, wenn die Alternative zwischen den Elementar-
fällen a100 und a110, m. a. W. der Kollektivfall a100 + a110 vorliegt,
AB schreiben; indess fordert jener Kollektivfall noch ausserdem,
dass B und folglich auch A von 0 verschieden sei, wogegen letztere
Proposition auch diese Möglichkeiten zulässt.


Endlich ist noch für den Elementarfall a ein Zeichen zu verein-
baren, und damit auch für dessen Negation, den aus der Alternative
zwischen den vier übrigen Elementarfällen sich zusammensetzenden
Kollektivfall a1.


Nun werden wir ohnehin das Zeichen für die Negation einer
jeden Beziehung immer dadurch aufbauen, dass wir das Zeichen der
letzteren mit einem Vertikalstrich durchsetzen, dasselbe so gewisser-
massen ausstreichen — beziehungsweise, wenn in ihm bereits ein
solcher Strich vorhanden sein sollte, diesen tilgen.


Darnach steht es zunächst in unserm Belieben, für die Beziehung
a oder für die a1 ein ursprüngliches Zeichen auszudenken, und ziehen
wir das letztere vor, weil sich für diese Beziehung a1 naturgemäss das
in folgender Proposition vorgeschlagene Zeichen darbietet als das-
jenige
, welches die Zeichen der vier Unterfälle von a1in sich vereinigt;
wir drücken den Fall a1 aus durch den Ansatz:
AB
(gelesen: A, gebietgemein*), korrelativ B) — so wenigtens im Drucke,
wogegen schriftlich der bequemer zu schreibende Ansatz:
A (=) B
dafür eintreten mag, von welchem auch schon in 1 vielfältig von mir
Gebrauch gemacht ist, und dessen Zeichen durch hinreichende Ver-
längerung seiner Striche in das vergrösserte des vorigen überginge.


Im obigen Zeichen der Gebietgemeinschaft erblickt man in der
That: das Gleichheitszeichen zusammen mit den Zeichen der Unter-,
der Uberordnung und der Schnittigkeit, Sekanz. Allerdings sind aber
die drei erstern von diesen vier Zeichen hier nur in ihrer „elementaren
Bedeutung zu nehmen, bei welcher das Nullsein von A sowol als B
ausgeschlossen war — eine Bedeutung die oben durch eine über das
Zeichen gesetzte kleine Null jeweils vor der gewöhnlichen gekenn-
zeichnet wurde.


[104]Siebzehnte Vorlesung.

Strenge genommen müsste also auch hier noch eine solche 0 über
unser Zeichen geschrieben werden; doch unterlassen wir dieses,
nicht allein, um eine Überladung des Zeichens zu vermeiden, sondern
auch, weil jene 0 doch nur ein Unterscheidungsmerkmal sein sollte,
hier aber kein Anlass erfindlich sein wird, dem mit der ° versehenen
Zeichen ein gleiches ohne die ° mit einer abweichenden Bedeutung
gegenüberzustellen.


Von „Gebietgemeinschaft“ als von einer besonderen Relation kann
selbstverständlich nur unter Ausschluss, Ignorirung des Wertes 0, des
Nullgebietes gesprochen werden, welches letztere ja nur ein uneigentliches,
fiktives Gebiet vorstellt, das man einführte um von solch gemeinsamem
Gebiete stets reden zu können, auch wenn eigentlich gar keines vorhanden.


Der Vorgang hat ein Analogon in der Zahlentheorie, wo man auch
sagt, zwei Zahlen hätten keinen gemeinsamen Faktor oder Teiler (sie seien
teilerfremd, relativ prim), wenn sie nur den Teiler 1 gemein haben, der
sich überall von selbst versteht.


Wir sagen: zwei Gebiete seien nicht gebietgemein, gebietefremd (dis-
junkt), wenn sie nur das Nullgebiet gemein haben, welches allen ohnehin
gemeinsam ist.


Darnach wird nun der Fall der Elementarbeziehung a im Drucke
durch:
AB
gelesen: A disjunkt mit B,
und handschriftlich etwas bequemer mit:
A (≠) B
darzustellen sein, und haben wir in übersichtlicher Zusammenstellung
die sieben als „bejahende“ zu bezeichnenden sogenannten „Grund-
beziehungen
“ (die wir als Aussagen mit den nebenstehenden Buch-
staben des kleinen lateinischen Alphabets darstellen wollen), wozu
noch ebensoviele als deren Verneinungen hinzukommen:

II0. Tafel der 7 Paare von Grundbeziehungen:

[figure]
[105]§ 34. Die vierzehn Grundbeziehungen.

Zwei von diesen Grundbeziehungen: a und g = a111 = α sind zu-
gleich Elementarbeziehungen, deren übrige drei wir bereits unter l0
mit zur Darstellung gebracht haben.


Vertauscht man in unsern 14 zwischen A und B eine Grund-
beziehung behauptenden Aussagen a1, b bis g1 die beiden „Seiten“ oder
Gebiete A und B, so erhält man 14 neue Aussagen, die wir von den
vorigen durch einen Accent unterscheiden wollen, sodass nun auch
die Bedeutung der Symbole
a1', b', c' … g', a', b1', c1', … g1'
verständlich sein wird.


Das Bisherige sollte nun eigentlich blos zur Motivirung der Ein-
führung gerade dieser Beziehungen und der für sie erkorenen Be-
ziehungszeichen dienen, und ist es unsre nächste Aufgabe, den
Zusammenhang zwischen den verschiedenen Beziehungen in jeglicher
Hinsicht klarzulegen und zu begründen.


Zu dem Ende werden wir zunächst nach einer „analytischen“ Defi-
nition der sämtlichen Beziehungen uns umzusehen haben, worunter
zu verstehen ist: ihre Erklärung vermittelst der uns nach wie vor als
die fundamentale geltenden Beziehung der Subsumtion, und ihrer
Verneinung ; demnach werden alle Beziehungsurteile durch solche
vom Typus c oder c1 erst auszudrücken sein.


Zum Begriff dieser Subsumtionsbeziehung sind wir bei unserm
systematisch-kombinatorischen Vorgehen nur so nebenher gelangt. Die
Logik der Alten hat aber die Aufsuchung der Beziehungen in welchen
Klassen oder Begriffsumfänge zu einander treten können, überhaupt
nicht auf solche Weise angegriffen, sondern sich einfach an die Sprache
angelehnt
, welche uns unmittelbar nur die Möglichkeit bietet, ver-
mittelst der (salva venia) Kopula „ist“ oder „ist nicht“ von einem
Subjekte A ein Attribut oder Prädikat B zu bejahen oder zu ver-
neinen
. Indem sie noch den Umfang des Subjektbegriffes, falls ein solcher
vorhanden, durch Beisetzung der Zahlbestimmung „alle“ oder „einige“
— wie man sich in der That ausdrücken mag: — „quantifizirt“, ge-
langt die Sprache zu den bekannten vier Hauptformen von Urteilen,
die wir in § 33 besprochen haben.


Der Umstand dass die Sprache beim Prädikate auf die Quantifika-
tion
, und beim Subjekte auf Anwendung der Negation (Qualifikation?)
fast unbedingt verzichtet gibt ihr ein eigentümliches Gepräge (feature).


Den gegenteiligen Versuch De Morgan’s, durch welchen die Vier-
zahl der Urteilsformen noch zwei mal verdoppelt wird, halte ich für ein
[106]Siebzehnte Vorlesung.
müssiges Beginnen. Will man ergänzend eingreifen, so sehe man von
Ausdrucksformen in der Wortsprache, sofern vollends sie doch nicht legi-
tim, nicht durch den Usus sanktionirt sind, ab, man achte nur auf den
Sachverhalt selber und halte sich an dessen angemessenste Ausdrucks-
weisen, wie sie nur eine rationelle Zeichensprache schaffen mag.


Zu denken gibt es, dass jene vier urteilsformen sich mit den fünf
möglichen Elementarbeziehungen keineswegs decken! Die Urteile sind
doch gerade bestimmt, Beziehungen zwischen Begriffen zu konstatiren
— nach ihrem Inhalte und demzufolge auch nach ihrem Umfange.


Gegenüber der durch die Wortsprache geforderten Einteilung der
Urteile in die bekannten vier Klassen haben aber die fünf Elementar-
beziehungen, in welchen, wie gezeigt, hinsichtlich ihres Umfangs Be-
griffe überhaupt zu einander stehen können, lange nicht die gebührende
Beachtung gefunden, und finden dieselbe in Logikbüchern der ältern
Schule auch heute nicht.


Die Wahrnehmung dieser 5 Beziehungen ist vielmehr von des
Aristoteles Zeiten (anno minus 384 ‥—322 unsrer Zeitrechnung) bis
zum Anfang des gegenwärtigen Jahrhunderts (+ 1816) gänzlich unter-
blieben, wo sie, soviel bekannt, zuerst Gergonne1 ausdrücklich an
das Licht zog.


Dass eine Sprache, welche nur diese letztern Beziehungen wieder-
gäbe oder auszudrücken fähig wäre, viel exakter, präziser oder aus-
drucksvoller sein müsste, als unsre heutigen Wortsprachen, ist die
Grundidee von dieses Mathematikers „Dialectique rationelle“.


Auf dieselben 5 Beziehungen kommt 1877, wie es scheint unabhängig
von Gergonne, auch Fr. A. Lange1; Twesten1 stellte ihrer viere auf;
ausserdem finde ich Gergonne’s Arbeit nur bei Venn1 citirt.


Inwiefern diese Idee zutreffend ist, werden wir in § 48 sehen.


Jedenfalls gibt sich in dem Umstande, dass gedachte Beziehungen
so lange übersehen wurden, eine übermässige Abhängigkeit, Unfreiheit
der Denklehre von dem Gängelbande der in die Fesseln verbaler
Ausdrucksformen gebannten Ausdrucksgewohnheiten zu erkennen.


§ 35. Analytische Definition der Grund- und Elementarbeziehungen
und ihre Zurückführung auf einander.


Wir werden nunmehr mit den vorhin eingeführten Aussagen a1
bis g und α bis δ, sowie mit deren Negationen a bis g1 etc., welche
selbst wieder als Aussagen zu bezeichnen sind, zu rechnen bekommen
nach den Regeln des Aussagenkalkuls, wozu in Erinnerung gebracht
werden mag, dass sooft das Symbol irgend einer von diesen Aussagen
in Rechnung gesetzt wird, dasselbe zu deuten ist als die Klasse der
[107]§ 35. Analytische Definition jener Umfangsbeziehungen.
Gelegenheiten, bei welchen ebendiese Aussage anwendbar oder zulässig
ist, gilt.


Als vonhause verständlich und allein bekannt werde wieder nur
angesehen das Subsumtionszeichen , sei es zwischen Gebiete oder
Klassen gesetzt, sei es auch (insbesondere) zwischen Aussagen. Auch
verstehen wir von selbst das (identische) Produkt zweier Aussagen,
durch welches die Faktoraussagen als gleichzeitig gültige hingestellt
werden.


Mit diesen Mitteln ist auch bereits die Gleichheit, und ins-
besondre die Aussagenäquivalenz erklärt durch eine (unter anderm
nachher wieder zu rekapitulirende) allgemeine Festsetzung. Durch
diese Mittel hat auch die identische 0 und 1 des Gebiete- wie des
Aussagenkalkuls, es hat das identische Produkt zweier Gebiete oder
Klassen, sowie deren Summe, und damit auch (Produkt und) Summe
von Aussagen ihre Definition in der bisherigen Theorie bereits syste-
matisch gefunden, desgleichen endlich die Negation eines Gebietes und
speziell auch die einer Aussage.


Es kommt aber noch darauf an, nunmehr auch zu definiren die
sonstigen aufgezählten „Beziehungen“ als solche zwischen Gebieten
und damit auch wiederum als solche zwischen irgend denkbaren
Aussagen.


Am einfachsten definirt sich:
[10] b = c', somit auch b1 = c1',
das heisst: mittelst der Festsetzung:
{AB} = {BA}
wird als Sinn der Aussage linkerhand die Subsumtion rechterhand
hingestellt. Es findet damit die aus didaktischen Gründen schon am
Schluss des § 3, Bd. 1, S. 167, angeführte (dort unnumerirt gelassene)
Definition der eventuellen Überordnung hier im System nun ihre Stelle.


Weiter ist zu definiren:
[20] d = c c' = b c, sonach d1 = c1 + c1' = b1 + c1,
d. h. mittelst:
{A = B} = {AB} {BA} = {AB} {AB}
wird der Begriff der Gleichheit auf den der Subsumtion gegründet —
was wesentlich nur eine Reproduktion unsrer alten Def. (1) ist.


Hiernach erscheint der Gebrauch der Symbole b, c, d fortan
legitimirt.


[108]Siebzehnte Vorlesung.

Wir müssen uns demnächst auch auf die Aussagen A = 0 sowie
B = 0 berufen, weshalb wir auch diese mit Symbolen zu bezeichnen
haben, und zwar bedeute:
[30] h = {A = 0}, h' = {B = 0} = k.


Alsdann gelten folgende Hülfssätze, deren wir gelegentlich bedürfen.


Erstens. Ist A = 0, so gilt nach Def. (2×) auch AB, d. h.
es ist:
hc;
von dieser Subsumtion aber sind nach Th. 43), Anm. 2 (Bd. 1, S. 400)
folgende Umschreibungen zulässig:
c1h1, h = h c, c = h + c, h1 = h1 + c1, c1 = h1c1, h c1 = 0, h1 + c = 1߭.
Um darauf Bezug zu nehmen wollen wir von diesen allen nur die-
jenigen hervorheben, welche kein + Zeichen enthalten, — und analog
verfahren wir auch künftig in ähnlichen Fällen — demgemäss notiren
wir als ersten Hülfssatz:
10) hc, c1h1, h = h c, c1 = h1c1, h c1 = 0.
Vertauscht man hierin in Gedanken A und B, so erhält man dazu
noch ebenso:
10)' kb, b1k1, k = k b, b1 = k1b1, k b1 = 0.


Zweitens. Ist AB und B = 0, so folgt nach Th. 5×) auch
A = 0, d. h. es ist:
20) c kh, woraus: c h1k = 0, c h k = c k, c h1k1 = c h1, c1h1k = h1k.
Analog gilt desgleichen:
20)' b hk, b h k1 = 0, b h k = b h, b h1k1 = b k1, b1h k1 = h k1.


Drittens. Ist A = B und A = 0, so folgt nach Th. 4) auch
B = 0, d. h. es ist d hk und analog d kh. Endlich aus A = 0
und B = 0 folgt in gleicher Weise A = B, d. h. es ist auch h kd.
Somit ist zu notiren:
30) d hk, d h k1 = 0, d h k = d h, d h1k1 = d k1d1h k1 = h k1,
30)' d kh, d h1k = 0, d h k = d k, d h1k1 = d h1, d1h1k = h1k,
30)'' h kd, d1h k = 0, d h k = h k, d1h k1 = d1h, d1h1k = d1k,
oder, wenn wir einen Teil dieser Resultate zusammenfassen:
30)''' h k = d h = d k = d h k, d h1 = d k1 = d h1k1. —


[109]§ 35. Umfangsbeziehungen analytisch definirt u. aufeinander zurückgeführt.

Demnächst soll f definirt werden durch:
[40] f = c'1c = b1c, somit f1 = c' + c1 = b + c1,
{AB} = {AB} {BA} = {AB} {AB};
und analog e durch:
[50] e = f' = c' c1 = b c1, e1 = c1' + c = b1 + c,
{AB} = {BA} = {BA} {AB} = {AB} {AB}.


Viertens folgt dann, weil unter 10)' bereits b1k = 0 erwiesen ist,
dass auch b1c k = 0, oder:
40) f k = 0, f k1 = f, f1k = k, kf1, fk1,
und analog, weil c1h = 0 nach 10) ist:
40)' e h = 0, e h1 = e, e1h = h, he1, eh1.


Die letzten Subsumtionen rechts zeigen, dass in jeder Unter- oder
Überordnung der terminus major von
0 verschieden sein muss.


Fünftens. Sofort folgt aus den Definitionen [20], [40], [50] nach
Th. 30×) auch:
50) d e = 0, d f = 0, e f = 0,
woraus zu sehen ist, dass die Fälle d, e, f einander gegenseitig aus-
schliessen
. In Bezug auf Gleichheit d und Unterordnung f wurde dies
schon in § 1 betont.


Sechstens haben wir nach Th. 30×):
b = b · 1߭ = b (c + c1) = b c + b c1, ebenso c = b c + b1c
und mit Rücksicht auf die erwähnten Definitionen gibt dieses:
60) b = d + e, c = d + f, b1 = d1e1, c1 = d1f1.


Ausführlich angeschrieben lautet die zweite c = f + d dieser Glei-
chungen nun:
{AB} = {AB} + {A = B},
womit es gerechtfertigt erscheint, das Subsumtionszeichenalsunter-
geordnet oder gleich
zu lesen. Die Formel sagt nämlich als disjunktives
Urteil aus: wenn AB ist, so ist entweder A untergeordnet B; oder
aber [„oder aber“ wegen d f = 0, cf. 50)] es ist A gleich B — und
vice versa. Betrachtungen, welche wir motivirens halber in dem ein-
leitenden § 1 sogar zum Ausgangspunkt genommen, haben hiermit
[110]Siebzehnte Vorlesung.
auch im systematischen Aufbau der Theorie jetzt ihre rechtmässige
Stelle gefunden.


Siebentens mögen wir als Hülfssatz notiren:

70)f h = h k1und 70)'e k = h1k.

In der That muss sein:
f h = f k1h = b1c k1h = b1k1h = h k1
wo beim Übergang über jedes Gleichheitszeichen ein früherer Satz zur
Anwendung kommt; und zwar ist der erste Übergang gerechtfertigt,
weil nach Hülfssatz 40) f = f k1 ist, der zweite, weil nach Def. [40]
f = b1c, der nächste, weil nach Hülfssatz 10) c h = h ist, und der letzte
indem nach 20)' direkt b1h k1 = h k1 ist. Analog haben wir auch:
e k = e h1k = b c1h1k = c1h1k = h1k
zur Rechtfertigung der zweiten Formel unsres Hülfssatzes.


Man kann auch etwas kürzer auf 70) schliessen, indem man die letzte
Subsumtion von 40) beiderseits mit h multiplizirt, wodurch sich zunächst
f hh k1 ergibt.


Dass aber auch umgekehrt h k1f h sein muss, und darum Gleichheit
eintritt, ergibt sich sogleich aus der Überlegung, dass 0 B nach Def. (2×)
sein muss; wenn also, während A = 0 kraft h, und sonach AB ist,
d. h. c gilt, B ungleich 0 — in Formeln B ≠ 0 — vorausgesetzt wird
gemäss k1, so ist die Gleichheit A = B oder d ausgeschlossen und bleibt
mit Rücksicht auf 60) oder c = d + f nur mehr die Alternative AB
oder f übrig.


Nach Th. 6×) ist f hf, e ke, sonach folgt gemäss Th. 3) auch
aus 70) und 70)' dass
h k1f, h1ke.


Ersteres, oder (A = 0) (B ≠ 0) (AB) lässt auch in:
(B ≠ 0) (0 ⊂ B)
sich zusammenziehen, indem man für A den vorausgesetzten Nullwert
beiderseits einsetzt, wodurch links der erste Faktor in (0 = 0) = 1߭
übergeht und als ein stetsfort gültiger selbstverständlicher gemäss
Th. 2̅1̅×) unterdrückt werden darf. Dies Ergebniss lehrt, dass das Null-
gebiet wirklich untergeordnet
ist jedem von 0 verschiedenen Gebiete, und
bildet es sonach eine Umkehrung und Ergänzung zu 40).


Es bleiben jetzt noch die Grundbeziehungen a1 und g zu definiren
— die ersten und die letzten von allen.


Wir definiren:
[111]§ 35. Definition und Zusammenhang von Umfangsbeziehungen.
[60] a = {AB} = {A B 0} = {A B = 0}
welche letzten beiden Propositionen nach Th. 5×) ja äquivalent sind.


Durch Negiren jeder Seite dieser Aussagenäquivalenz gemäss Th. 32)
ergibt sich hienach auch die Definition von
a1 = {AB} = {A B 0} = {A B ≠ 0}.


Achtens. Da aus A = 0 auch A B = 0 nach Th. 22×) folgt, so
haben wir:
80) ha, a1h1, a1h = 0, a1h1 = a1, a h = h,
80)' ka, a1k1, a1k = 0, a1k1 = a1, a k = k,
und muss hienach namentlich sein:
80)'' a1 = a1h1 = a1k1 = a1h1k1
— letzteres gemäss Th. 14×), indem a1 = a1a1 = a1h, · a1k1 nach dem
Vorhergehenden ist.


Neuntens. Wenn neben A B = 0 auch AB gilt, so folgt
nach Th. 16×) A BB B, also 0 B oder 0 = B nach bekannten
Sätzen, d. h. wir haben:
90) a bk, a b k1 = 0, a b k = a b, a b1k1 = a k1, a1b k1 = b k1.


Analog ist (A B = 0) (AB) (A = 0), oder:
90)' a ch, a c h1 = 0, a c h = a c, a c1h1 = a h1, a1c h1 = c h1.


Durch beiderseitiges Multipliziren mit c1 resp. b1 folgt aus der letzten
rechts von den gewonnenen Gleichungen noch:
a1b c1k1 = b c1k1 und a1b1c h1 = b1c h1,
oder wegen Def. [40] und [50]:
a1e k1 = e k1, a1f h1 = f h1.


Nach 80) dürfen wir aber a1k1 und a1h1 durch a1 links ersetzen
und erhalten:

90)''a1e = e k1,90)'''a1f = f h1,

womit rechnerisch aus der Definition nachgewiesen ist, dass die Unter-
ordnung A
B nur soferne A ≠ 0 ist unter die Beziehung AB der
Gebietgemeinschaft fällt
, etc.


Zehntens. Ist A B = 0 und zugleich A = B, so folgt auch
A A = 0 oder A = 0, desgleichen B = 0. Also haben wir:
[112]Siebzehnte Vorlesung.
100) a dh, a d h1 = 0, a d h = a d, a d1h1 = a h1, a1d h1 = d h1,
100)' a dk, a d k1 = 0, a d k = a d, a d1k1 = a k1, a1d k1 = d k1;
in den letzten Gleichungen rechts dürfen wir aber linkerhand a1h1 oder
a1k1 nach 80)'' durch a1 selbst ersetzen, und erhalten namentlich — mit
Rücksicht noch auf 30)''':
100)'' a1d = d h1 = d k1 = d h1k1,
welches zeigt, dass die Gleichheit nur insofern unter die Wertegemein-
schaft fällt
, als ihre beiden Seiten von 0 verschieden sind.


Nachdem a1 bereits seine Erklärung gefunden hat, sein Gebrauch
legitimirt ist, definiren wir endlich die Schnittigkeitsbeziehung durch
die Festsetzung:
[70] g = a1b1c1
d. h. {AB} = {AB} {AB} {AB}
= {A B 0} {BA} {AB};

nach 60) wird dann also auch sein [für b1 und c1 ihre dortigen Werte
gesetzt]:
110) g = a1d1e1f1, woraus g1 = a + d + e + f
durch beiderseitiges Negiren entsteht.


Da nun 1߭ = g + g1 nach Th. 30×) ist, so erhalten wir durch Ein-
setzung vorstehenden Wertes:
120) 1߭ = a + d + e + f + g.


In der fünfgliedrigen Summe rechterhand sind die vier letzten
Terme schon ohnehin disjunkt, indem zu den schon gewonnenen
Gleichungen 50) kraft der Definitionen [70] in Verbindung mit [20]
[40] und [50] auch noch hinzutritt:
130) d g = 0, e g = 0, f g = 0.


[Das erstere Produkt wird ja in der That: a1b1c1 · b c, das zweite
a1b1c1 · b c1, das dritte a1b1c1 · b1c, ein jedes also 0 nach Th. 30×).]


Um nun die Summe vollends in eine reduzirte zu verwandeln,
brauchen wir blos nach dem Schema:
a + x = a + x a + x a1 = a + a1x
— im Grunde also unter Anwendung von Th. 33+) Zusatz — die Gleichung
120) umzuschreiben in:
1߭ = a + a1d + a1e + a1f + a1g,
so werden ausser den rechts (implicite erwähnten) Produkten der vier
[113]§ 35. Definition und Zusammenhang von Umfangsbeziehungen.
letzten Terme unter sich auch noch die vier Produkte aus dem ersten
Term in jeden folgenden verschwinden.


Hiemit ist die ganze Möglichkeit 1߭ der Beziehungen in 5 einander
gegenseitig ausschliessende Klassen zerfällt, die wir als die „Elementar-
fälle
“ zu bezeichnen haben.


Aus der Def. von g ist aber unmittelbar ersichtlich, dass:
140) a1g = g, sonach ga1, ag1, a g = 0, a g1 = a,
und hienach in Verbindung mit 100)'', 90)'' und 90)''' wird also:
150) 1߭ = a + d h1k1 + e k1 + f h1 + g
die Zerfällung in die fünf Klassen sein. Für letztere führen wir zum
Teil noch kürzere Namen ein, indem wir definiren:
[80] d h1k1 = δ, e k1 = β, f h1 = γ, g = α,
sodass nunmehr
160) 1߭ = a + α + β + γ + δ
bleiben wird.


Es ist dies eine Hauptgleichung, die man vorerst nicht aus den
Augen verlieren darf. Die fünf Terme rechterhand müssen nach Bis-
herigem, wie gesagt, disjunkt sein, ihre zehn Produkte zu irgend zweien
sind gleich 0. Es tritt hier also der Fall des Zusatz 2 zu Th. 28),
Bd. 1, S. 314 sq. auf: die Negation irgend eines Terms oder eines
Aggregates von Termen rechterhand ist jeweils das Aggregat der
übrigen Terme, z. B. a1 = α + β + γ + δ, etc.


Ein jeder dieser fünf Terme ist eine Aussage, welche eine be-
stimmte Beziehung zwischen den Gebieten A und B statuirt. Die fünf
Beziehungen nennen wir eben die „Elementarbeziehungen“, und haben
dieselben nunmehr auch analytisch definirt.


Wie immer die Gebiete A und B auch gegeben werden mögen,
so gilt notwendig immer eine von diesen Elementarbeziehungen und
dann nicht die übrigen.


Anmerkung. Anstatt d h1k1 hätten wir nach 100)'' auch einfacher,
jedoch auf Kosten der Symmetrie, blos d h1 oder d k1 in 150) und [80]
schreiben können. Umgekehrt dürfen wir nach 40)' und 40) für e auch e h1
und für f auch f k1 schreiben, also e k1 durch e h1k1 und f h1 durch f h1k1 er-
setzen. Endlich war unter 80)'' a1 = a1h1k1 erwiesen, wonach Def. [70] auch
g = g h1k1 liefert.


Als Definition der vier letzten Elementarfälle kann man daher auch
schreiben:
Schröder, Algebra der Logik. II. 8
[114]Siebzehnte Vorlesung.
[90] α = g h1k1, β = e h1k1, γ = f h1k1, δ = d h1k1
und mag der Hauptgleichung auch die Gestalt gegeben werden:
170) 1߭ = a + h1k1 (d + e + f + g).


Nach [80] verglichen mit 90)'' resp. 90)''' und 100)'' gelten übrigens
auch die Gleichungen:
180) β = a1e, γ = a1f, δ = a1d.


Wir haben oben die Elementarbeziehungen zurückgeführt auf die
Grundbeziehungen — vergl. [80] — zu denen die Aussagen h (oder A = 0)
und k (oder B = 0) nebst deren Negationen noch herangezogen wurden,
und welche sämtlich mittelst der Subsumtion ihre analytische Definition
gefunden hatten.


Man kann nun auch das Umgekehrte verlangen, fordern dass die
14 Grundbeziehungen nebst den vier Relationen h, k, h1, k1 gewisser-
massen in ihrer Verteilung auf die fünf Fächer blosgelegt, durch die
5 Elementarbeziehungen ausgedrückt werden.


Übersichtlich wird dies durch das Tableau geleistet:

III0)1߭ = a + α + β + γ + δ1߭ = a + α + β + γ + δ
a1 = α + β + γ + δ,a = a,
b = k + β + δ,b1 = k1a + α + γ,
c = h + γ + δ,c1 = h1a + α + β,
d = h k + δ,d1 = (h1 + k1) a + α + β + γ,
e = h1k + β,e1 = (h + k1a) + α + γ + δ,
f = h k1 + γ,f1 = (h1a + k) + α + β + δ,
g = α,g1 = a + β + γ + δ,
h = h a,h1 = h1a + α + β + γ + δ,
k = k a,k1 = k1a + α + β + γ + δ,

über welches wir behufs Markirung der 5 Abteilungen die Haupt-
gleichung 160) wiederholt geschrieben haben.


Zum Verständniss der Formeln ist erforderlich, sich gegenwärtig
zu halten, dass h und k ganz unter a fallen, also eigentlich durch ha,
ka überall zu ersetzen wären, wozu auch die unter 80) und 80)' er-
wiesene achte und neunte Gleichung links in III0) die Erlaubniss aus-
spricht. Diese beiden letzten Gleichungen der linksseitigen Kolonne
sind hiermit auch schon gerechtfertigt.


[115]§ 35. Analytischer Zusammenhang zwischen Umfangsbeziehungen.

Was die Begründung der Formeln im übrigen betrifft, so wurde
die erste links schon unter 160) aus dieser Hauptgleichung entnommen;
(die erste rechts ist eine analytische Identität); ebenso ergibt aus der
siebenten Gleichung links g = α, die als Definition galt, sich auch die
siebente rechts aus 160). — Ferner haben wir:
f = f h + f h1 = h k1 + γ nach 70) und [80],
e = e k + e k1 = h1k + β nach 70)' „ „,

womit die sechste und fünfte Gleichung links gewonnen. — Nach Th. 34+)
ist endlich:
d = d · 1߭ = d (h k + h k1 + h1k + h1k1) = d h k + d h1k1 = h k + δ
wegen 30) und 30)', sodann 30)''' und [80], womit auch die vierte
Formel links gewonnen. Mit dieser folgt dann sofort auch die dritte
und zweite links gemäss 60), indem sich bei der Addition dieses d mit
f resp. e das einemal
h k + h k1 = h, das andremal h k + h1k = k
zusammenzieht. — Um auch noch die Gleichungen rechterhand oder
die Ausdrücke für die Negationen unsrer Beziehungen zu gewinnen,
sucht man am besten nur die Ergänzung des unter a fallenden Terms
(innerhalb der Mannigfaltigkeit der Fälle a selbst) direkt auf, und ent-
nimmt die übrigen Terme aus der Hauptgleichung 160); um die For-
meln, so wie sie angegeben, zu beweisen, genügt es schon, die Probe
zu machen nach den Schemata des Th. 30). [Anstatt des Obigen hätte
man auch (h + k1) a resp. (h1 + k) a als ersten Term von e1 resp. f1
schreiben können.] —


Als eine Anwendung wollen wir jetzt hervorheben und beleuchten
den Unterschied der beiden in § 15 besprochenen Redensarten [dort
einfach β) und γ) genannt]:
β̂) A (ist nicht) B — und γ̂) A ist (nicht B)
oder auch:
Alle A (sind nicht) B resp. Alle A sind (nicht-B)
— unter den A die Elemente oder Punkte des Gebietes A verstanden,
desgl. unter den B oder den Nicht-B Punkte ebendieser Gebiete.


Letztere Redensart, γ̂), d. i. auch ohne Klammer geschrieben die:
A ist Nicht-B“ repräsentirt den Fall:
8*
[116]Siebzehnte Vorlesung.
{AB1} = {A B = 0} = a.


Ertere β̂) dagegen, seinerzeit erklärt als die Verneinung der Aus-
sage „A ist B“, repräsentirt den Fall:
{AB} = {AB}1 = c1 = h1a + α + β = h1a + g + e k1.


Jene γ̂) besagt: Kein A ist B, falls überhaupt es A’s gibt, und wird
versinnlicht durch die Figur 17, in welcher der Kreis A auch schwinden,

[figure]
Figure 17. Fig. 17.


gänzlich eingehen, fehlen kann. Abgesehen von
diesem Grenzfalle, dessen Möglichkeit die Um-
gangssprache
einfach übersieht, und für den sie daher
auch gar nicht ausgesagt haben will (weder Gültig-
keit noch Ungültigkeit für ihre Aussage bean-
sprucht) — abgesehen von diesem Grenzfalle ist
Vorstehendes der korrekte Sinn, der mit einer Aussage von der Form:
„Alle A sind nicht B“ oder „Kein A ist Bganz allgemein und von
rechtswegen
verbunden wird.


Durch das von uns im Einklang mit der herrschenden Termino-
logie (aber im Gegensatz zu neueren Theorieen) als ein universal ver-
neinendes
bezeichnete Urteil γ̂) wird eine Beziehung zwischen den Be-
griffsumfängen A und B ausgedrückt, die zugleich eine Elementar-

[figure]
Figure 18. Fig. 18.


[figure]
Figure 19. Fig. 19.


[figure]
Figure 20. Fig. 20.


beziehung und eine Grundbeziehung ist. Die Ver-
neinungspartikel „nicht“ gehört dabei zum Prädikate.


Diese Redensart β̂) dagegen sagt aus, was folgt:


Entweder: kein A ist B, während es A’s gibt (Fig. 18)
— wobei aber zugelassen ist, dass vielleicht es ein B
gar nicht gebe — [um hierauf hinzuweisen, haben wir
das Gebiet B blos durch einen Punkt hier dargestellt;
wir hätten auch die vorige Figur, Fig. 17, zur Dar-
stellung dieses Unterfalles von β) benutzen können, nur
ohne die dort beigefügte Erlaubniss der Unterdrückung
des Kreises A] —


Oder aber: nur einige A (deren es sonach gibt)
sind B und umgekehrt, nur einige B auch sind A
(Fig. 19).


Oder aber endlich: es gibt B’s, und diese alle sind
A’s
, aber nicht umgekehrt (Fig. 20).


Die Redensart β̂) drückt eine Beziehung aus, welche als Negation
einer Grundbeziehung auch selber zu den Grundbeziehungen gehört,
[117]§ 35. Zusammenhang zwischen Umfangsbeziehungen.
dagegen aber keine Elementarbeziehung ist. Von den fünf Elementar-
beziehungen vielmehr streicht sie zwei ganze und einen Bruchteil einer
dritten aus, und lässt den Rest als möglich zu. —


Es ist gewiss der Wortsprache zur Last zu legen, dass über
solche Fragen, wie die den Sinn einer Aussage „A ist nicht B“ be-
treffende, noch Meinungsverschiedenheiten und Streit überhaupt bestehen
können.


[[118]]

Achtzehnte Vorlesung.


§ 36. Reduktion sämtlicher Beziehungen auf den Typus der Gleichung
und ihrer Negation (der Ungleichung).


Es lassen sich in Bezug auf unsre zahlreichen Beziehungen manche
Fragen aufwerfen und viele Probleme stellen. Um jedoch nicht jetzt
schon in einer Menge von (vielleicht nicht uninteressanten) Spezial-
untersuchungen uns zu verlieren, und um ferner das Wichtigere ge-
bührend hervortreten zu lassen vor dem minder Wichtigen, streben
wir zunächst einmal mit ersterm einem Abschluss zu. Solchen zu ge-
winnen, suchen wir sämtliche Beziehungen auf einen gemeinsamen Typus
zurückzuführen
.


Dies gelingt, indem wir sie samt und sonders blos durch Gleichungen
und Ungleichungen
ausdrücken, das ist durch bejahte oder verneinte
Gleichungen
.


Auf mannigfache Weise haben wir gelernt, eine jede Subsumtion
umzuschreiben in eine Gleichung, z. B. es war:
{AB} = {A B = A} = {A + B = B} = {A B1 = 0}.


Nach § 18, ϱ) konnte auch umgekehrt jede Gleichung verwandelt
werden in eine Subsumtion nach dem Schema:
{A = B} = {A + BA B}.


Aus diesen Aussagenäquivalenzen folgt durch beiderseitiges Ne-
giren gemäss Th. 3̅2̅), dass auch jede Verneinung einer Subsumtion
sich schreiben lassen wird als eine Ungleichung, und jede Ungleichung
als verneinte Subsumtion; es muss z. B. sein:
{AB} = {A BA} = {A B1 ≠ 0}, {AB} = {A + BA B}.


Jedes Problem, dessen Einkleidung in die Zeichensprache möglich
war vermittelst Subsumtionen und Gleichungen, musste demnach sich
auch in Formeln kleiden lassen, wenn man ausschliesslich nur von
einem der beiden zugehörigen Beziehungszeichen Gebrauch machen darf;
[119]§ 36. Zurückführung auf den Typus der Gleichung und Ungleichung.
dasselbe lässt sich bereits in Subsumtionen allein formuliren, des-
gleichen schon ganz durch Gleichungen.


Dass aber die Zeichen dieser beiden Beziehungen, als bejahende
und =, nicht ausreichen zur Behandlung auch nur der Probleme der
alten Logik, insbesondre zur Einkleidung der partikularen (und Existenzial-)
Urteile, haben wir in § 34 erkannt.


Erst wenn neben den Operationen des identischen Kalkuls an Ge-
bieten oder Klassen und mit denselben Operationen an Aussagen auch
die Aussagenverneinung zugelassen war, konnte letzteres gelingen, wo-
gegen bei Ausschluss der Negation an Aussagen damit nicht durchzu-
kommen war, wo sonst man auch über sämtliche Operationen ver-
fügte. Mit andern Worten: es waren zwei Beziehungszeichen nötig,
ein bejahendes und ein verneinendes.


Dass wir uns nunmehr für die beiden Zeichen = und ≠ aus den
Grundbeziehungen d und d1 entscheiden, ist unsre Willkür.


Ebensogut könnten wir nach Vorbemerktem auch mit den beiden
Zeichen und aus c und c1 auskommen; ja es könnte das bejahende
Zeichen des einen Paares mit dem verneinenden des andern zum aus-
schliesslichen Gebrauch erkoren und bestimmt werden.


Wir lernen so jedoch zunächst einmal auf wenigstens eine Weise
zum Ziel zu kommen — und, wie sich zeigen wird, auf eine gute
Weise. Ob auf die beste, steht noch dahin. Es bleibt auch ferneren
Spezialforschungen vorbehalten, zu ermitteln, mittelst welcher andern
Paare von Zeichen man ebenfalls zur Lösung aller einschlägigen Auf-
gaben — aller im Gebiet der Logik des Begriffsumfanges überhaupt
erdenklichen Probleme — gelangen könnte, und auf welche Weise?
Ja, es wäre auch in Bezug auf die Beziehungszeichen der noch übrigen
Gruppe eigentlich erst noch nachzusehen, ob man nicht vielleicht mit
einem von diesen allein schon auskommen könnte. Man ersieht hier
die Möglichkeit von mehreren Algebra’s der Logik! Vergleiche über
diese Fragen auch Frau Franklin-Ladd1, 2, 3.


Ich erblicke darin einen Hauptvorzug der rechnerisch exakten Behand-
lungsweise der logischen Disziplin vor der herkömmlichen schulmässig-ver-
balen, dass sie nach allen Seiten einen Reichtum von Problemen in Sicht
stellt. Es war stets Merkmal einer in gesundem Fortschreiten begriffenen
Wissenschaft, bei jedem Zuwachs an Erkenntnissmaterial durch Herbei-
führung endgültiger Entscheidung über irgend eine Frage, zugleich eine
Fülle von neuen Fragestellungen aufzuwerfen und so zu fortgesetztem Forschen
anzuregen.


Sehen wir darauf hin uns die schulmässige formale Logik an, so finden
wir, wie schon Bd. 1, S. 121 ausgeführt, wohl interessante, hie und da auch
[120]Achtzehnte Vorlesung.
gründliche und neue Betrachtungen, wo etwa das Gebiet der Metaphysik,
Psychologie, etc. gestreift wird, auch geistreiche Bemerkungen über das
Wesen dieser oder jener Begriffe — nicht minder: verdienstliche An-
strengungen, die Schwierigkeiten der Darstellung und des Unterrichts zu
überkommen. Allein gerade in Bezug auf ihre Hauptaufgabe, die Ent-
wickeiung einer Kunstlehre und Technik des Denkens, scheint diese Wissen-
schaft sich einer grossen Selbstgenügsamkeit zu befleissigen, sich einer lang-
weiligen Abgeschlossenheit zu erfreuen (?); sie beschäftigt hier sich mit
einem stereotypen Kreise einiger wenigen ein bischen komplizirteren Formen
des Schlusses und nirgends wird ersichtlich, dass überhaupt noch etwas zu
thun übrig bleibt, noch weniger aber tritt zu Tage, nach welcher Richtung
hin etwa weitergearbeitet werden könnte und sollte.


Für die Darstellung aller Grund- und Elementarbeziehungen durch
Gleichungen und Ungleichungen erhalten wir folgenden Überblick:


  • IV0. a1 = {AB} = {A B ≠ 0}, a = {AB} = {A B = 0},
  • b = {AB} = {A1B = 0}, b1 = {AB} = {A1B ≠ 0},
  • c = {AB} = {A B1 = 0}, c1 = {AB} = {A B1 ≠ 0},
  • d = {A = B} = {A B1 + A1B = 0},
    d1 = {AB} = {A B1 + A1B ≠ 0},
  • e = {AB} = {A1B = 0} {A B1 ≠ 0},
    e1 = {AB} = {A1B ≠ 0} + {A B1 = 0},
  • f = {AB} = {A B1 = 0} {A1B ≠ 0},
    f1 = {AB} = {A B1 = 0} {A1B = 0},
  • g = α = {AB} = {A B ≠ 0} {A B1 ≠ 0} {A1B ≠ 0},
    g1 = α1 = {AB} = {A B = 0} + {A B1 = 0} + {A1B = 0},
  • β = {AB} {B ≠ 0} = {A1B = 0} {A B1 ≠ 0} {A B ≠ 0},
    β1 = {AB} + {B = 0} = {A1B ≠ 0} + {A B1 = 0} + {A B = 0},
  • γ = {AB} {A ≠ 0} = {A B1 = 0} {A1B ≠ 0} {A B ≠ 0},
    γ1 = {AB} + {A = 0} = {A B1 ≠ 0} + {A1B = 0} + {A B = 0},
  • δ = {A = B} {A ≠ 0} {B ≠ 0} = {A B1 + A1B = 0} {A B ≠ 0},
    δ1 = {AB} + {A = 0} + {B = 0} = {A B1 + A1B ≠ 0} + {A B = 0}.

Von diesen Formeln kommen diejenigen rechterhand für die Negationen
unsrer Beziehungen auf die andern links hinaus durch beiderseitiges Ne-
giren nach Th. 3̅2̅ und 3̅6̅). Und Behufs der Begründung dieser letztgenannten
ist auch nur weniges zu sagen.


[121]§ 36. Reduktion auf den Typus der Gleichung und Ungleichung.

Nämlich bei a ist allein auf die Def. [60] hinzuweisen, bei b und c auf
das Th. 38×), bei d auf Th. 39×). Die Formeln für e, f, g sind Wieder-
holungen der Definitionen [50], [40] und [70], nämlich e = b c1, f = b1c,
g = a1b1c1 mit Rücksicht auf die unmittelbar vorher gewonnenen Darstel-
lungen der Symbole rechterhand.


Bei β, γ, δ endlich sind die ersten Darstellungen zunächst nur Aus-
druck (ausführlichere Wiedergabe) der Definitionen [80]: β = e k1, γ = f h1,
δ = d h1k1. Durch blosses Einsetzen der voraufgehenden Werte von e, f, d
aber würde man hieraus etwas andere, als die dahinter angegebenen Dar-
stellungen von β, γ, δ erhalten, nämlich solche, in denen an Stelle des
letzten Faktors {A B ≠ 0} bezüglich stünde {B ≠ 0}, {A ≠ 0}, und
{A ≠ 0} {B ≠ 0} [oder auch einfacher aber unsymmetrisch nur einer von
diesen beiden Faktoren allein, gleichviel, welcher von beiden — wegen
d h1k1 = d h1 = d k1 unter 100)'']. Die angegebenen zweiten Darstellungen
von β, γ, δ fliessen jedoch sofort aus den Darstellungen 180) mittelst Ein-
setzung der gefundenen Werte für die Symbole rechterhand.


Anmerkung. Wo in IV0 die Gleichung A B1 + A1B = 0 auftritt,
könnte dieselbe nach Th. 24+) auch in das Produkt (A B1 = 0) (A1B = 0)
umgeschrieben werden, und da die beiden Aussagen äquivalent sind, müssen
nach Th. 3̅2̅) auch ihre Negationen es sein, woraus zu lernen, dass analog
die Ungleichung A B1 + A1B ≠ 0 auch in die Summe (A B1 ≠ 0) + (A1B ≠ 0)
verwandelt werden dürfte.


Es haben sonach alle Umfangsbeziehungen sich durch Aussagen
über Gleichheit oder Ungleichheit wirklich darstellen lassen.


Hieraus folgt aber die wichtige Erkenntniss, dass wir jede über
Beziehungen zwischen Klassen (oder Umfangsverhältnisse von Begriffen)
überhaupt erdenkliche Aufgabe gelöst haben werden, sobald es uns nur ge-
lingen wird, das allgemeinste auf Gleichungen und Ungleichungen bezüg-
liche Problem zu lösen
.


Diesem letztern Ziele werden wir demnach in Bälde zusteuern (§ 41
und 49 besonders).


Insofern mit einem Beziehungszeichen, bei Zulassung der Negation auch
an den solche Beziehung statuirenden Aussagen, immer schon dessen Ver-
neinung mitgegeben erscheint, können wir auch sagen:


Die Logik des Umfanges kommt mit den Operationen der identischen
drei Spezies
(zur Not schon mit Negation und Multiplikation, vergl. Th. 36)
Anm.) und einem einzigen Beziehungszeichen aus bei allen ihren Problemen
und Untersuchungen, und zwar namentlich mit dem Zeichen = der Gleich-
heit
, oder wenn man will auch mit dem Zeichender Subsumtion.


Praktisch werden die beiden Zeichen = und ≠, oder auch die beiden
und alle Dienste versehen.


Auf Grund der Darstellungen IV0 bewahrheiten sich unmittelbar
die folgenden Beziehungsäquivalenzen:


[122]Achtzehnte Vorlesung.
  • V0. (AB) = (BA) = (A1B) = (B1A) = (AB1) = (BA1),
    (AB) = (BA) = (A1B) = (B1A) = (AB1) = (BA1),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (A1B1) = (A1B) = (BA1),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (A1B1) = (A1B) = (BA1),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (A1B1) = (AB1) = (B1A),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (A1B1) = (AB1) = (B1A);
    (A = B) = (A1 = B1) = (B = A) = (B1 = A1),
    (AB) = (A1B1) = (BA) = (B1A1),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (A1B1),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (B1A1),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (A1B1),
    (AB) = (B1A1) = (BA) = (A1B1);
    (AB) = (BA),
    (AB) = (BA).

    • (AB) = (BA),
      (AB) = (BA),
      (AB) = (BA).
    desgleichen mit
    vertikal durch-
    strichenen Be-
    ziehungszeichen.

Einige von diesen sind uns bereits aus früheren Definitionen und
Theoremen bekannt, insbesondere aus Th. 32) und 37).


Andere lehren, dass wie die Gleichheit, so auch die Gebietgemein-
schaft
(Korrelation) und die Schnittigkeit (Sekanz) eine symmetrische Be-
ziehung ist
, dass man die beiden Seiten (Beziehungsglieder) jeder der-
artigen Relation vertauschen, die Beziehung ohne weiteres auch rückwärts
lesen darf. Und die Negation einer symmetrischen Beziehung ist eben-
falls immer wieder eine symmetrische Beziehung
. Auch die Gleichheit
als Elementarbeziehung (elementare Gleichheit) ist symmetrisch.


Für die übrigen, die unsymmetrischen Beziehungen drücken unsre
Formeln aus, dass man dieselben auch rückwärts lesen kann, indem man
ihr Beziehungszeichen umkehrt
. Ferner: durch beiderseitiges Negiren ent-
springen aus ihnen wieder richtige Beziehungen
, wofern man ebenfalls das
zu negirende Beziehungszeichen umkehrt
, oder, falls man das unmittelbar
negirte beibehalten will, dafür Major und Minor vertauscht
, und zwar gilt
dies sowol für die bejahenden als für die verneinenden unsymmetrischen
Beziehungen.


Die Negation einer Elementarbeziehung ist allerdings keine Ele-
[123]§ 36. Reduktion auf den Typus der Gleichung und Ungleichung.
mentarbeziehung, bietet nicht mehr das Interesse einer solchen. Die
ev. über ihr Zeichen gesetzte ∘ wäre samt diesem vom Negationsstrich
zu durchsetzen, weil in dieser Negation das Verschwinden des an-
gezogenen Terms nicht mehr ausgeschlossen, sondern vielmehr zugelassen
erscheint.


[Die meisten, alle nicht symmetrischen, von den Sätzen V0 sind
in doppelter Ausfertigung angeschrieben, nämlich für das Gebietepaar
A, B sowol als für das B, A.]


Um das Theorem {AB} = {BA}
ganz direkt zu beweisen, könnte man auch die bekannte, seinerzeit als
Definition der rechten Seite hingestellte Äquivalenz:
{AB} = {BA}
nach Th. 1̅9̅×) überschiebend multipliziren mit der andern:
{AB} = {BA}
welche sich aus dem Zusatze zu Def. (1): {A = B} = {B = A} durch
beiderseitiges Negiren nach Th. 3̅2̅), ergibt. Man hätte dabei blos zu be-
rücksichtigen, dass laut Definition von e und f nach [20] sein muss:
(b1c =) c d1 = f und (b c1 =) b d1 = e,
wie sich dies auch aus dem Tableau III0 bewahrheitet.


Ebenso lässt sich das Theorem:
{AB} = {A1B1}, also auch = {B1A1}
beweisen, indem man die nach Th. 37) bekannte Äquivalenz:
{AB} = {A1B1}
überschiebend multiplizirt mit der Gleichung:
{AB} = {A1B1}
welche sich aus dem Th. 32) durch Anwendung auf sich selbst ergab.


Die Formeln der ersten beiden Zeilen in V0 zeigen, dass das Zeichen
der Disjunktion“, welches die Gebietgemeinschaft verneint und zu-
gleich dem Elementarfall a entspricht, sich vertreten lässt durch das
Subsumtionszeichen , somit auch die Verneinung des erstern durch
die des letztern, d. h. dass ebenso das Zeichen der Gebietgemein-
schaft a1 entbehrlich gemacht werden kann durch dasjenige der Sub-
sumtionenverneinung oder Nicht-Einordnung. Gegenüber dem letzteren
hat aber das erstere Zeichen den Vorzug der Symmetrie.


Es ist demnach auchundein Paar von Beziehungszeichen,
welches für die Logik des Umfanges ausreichen würde, während mit einem
derselben allein (im frühern Sinne) nicht auszukommen wäre. Ebendieser,
die sie nur äusserlich anders gestaltet, bedient sich Miss Ladd in 1.


[124]Achtzehnte Vorlesung.

§ 37. Entwickelung der Produkte und Summen von Grundbeziehungen.


(Überschlagbar.)


Wir wollen nun an unsre Umfangsbeziehungen noch einige Studien an-
knüpfen, welche derjenige Leser überschlagen mag, der etwa rasch dem
Hauptprobleme und den Syllogismen zueilen möchte. Ein solcher wird auch
die übrigen Paragraphen gegenwärtiger Vorlesung vorerst überspringen
können, deren Thema wir jedoch für ein an sich kaum minder interessautes
und wichtiges erklären müssen. Wir reden demnächst nur von Beziehungen
zwischen durchweg denselben zwei Gebieten A und B.


Das Produkt von irgend zwei verschiedenen Elementarbeziehungen
ist 0, weil diese disjunkt sind, einander gegenseitig ausschliessen. Eine
Summe von solchen ist einfach hinzuschreiben und lässt sich nicht ver-
einfachen.


Dagegen kann man für die Produkte und Summen von Grund-
beziehungen verlangen, dass dieselben entwickelt werden, so, dass klar
zu sehen ist, wie viel jeweils davon unter eine jede der fünf Elementar-
abteilungen fällt.


Auf Grund der Tafel III0 des § 35 ist die Ermittelung dieser Ver-
knüpfungsergebnisse eine blosse Rechenübung. Wir bringen die Resul-
tate in übersichtliche Tabellen, die auch für rasches Nachschlagen
erwünscht sein können.


Bei der Bildung der Produkte von nach den fünf Fächern a, α, β,
γ, δ geordneten Summen ist der Vorteil zu beachten, dass das Aus-
multipliziren zu bewerkstelligen ist durch einfaches Übereinanderschieben,
Superponiren derselben, nämlich durch multiplikative Verknüpfung von
immer nur den gleichstelligen Termen — geradeso, wie bei nach den-
selben Argumenten entwickelten Funktionen in Th. 45+) geschildert —
weil die ungleichstelligen Terme hier ebenfalls disjunkt sein müssen —
vergl. den Zusatz Bd. 1, S. 422.


In sämtlichen Tafeln sind die lateinischen Symbole rechterhand durch
ihre Werte aus dem Tableau III0 ersetzt zu denken; insbesondere ist
also a unverändert zu lassen, h k, h k1 und h1k gemäss der ersten Zeile
von VI0 mit dem Faktor a versehen zu denken, während g rechts immer
den Elementarfall α vertritt.


Es sind die Tafeln dazu bestimmt, wenn über zwei Gebiete oder
Klassen A und B eine ganze Reihe von Aussagen gegeben sein sollte
, die
irgendwelche Elementar- oder Grundbeziehungen zwischen denselben als
simultan oder alternativ geltende oder nichtgeltende hinstellen
, den logischen
Gehalt der
aus all’ diesen Aussagen sich zusammensetzenden Kollektiv-
[125]§ 37. Produkte und Summen der Grundbeziehungen.
VI0. Produkte der Grundbeziehungen mit den Hülfs-
beziehungen
h, h1, k, k1.

h k = h k a,h k1 = h k1a,h1k = h1k a,h1k1 = h1k1a + a1.
a1h = 0,a1h1 = a1,a h = h,a h1 = h1a,
a1k = 0,a1k1 = a1,a k = k,a k1 = k1a,
b h = h k,b h1 = e + δ,b1h = h k1,b1h1 = h1k1a + α + γ,
b k = k,b k1 = β + δ,b1k = 0,b1k1 = b1
c h = h,c h1 = γ + δ,c1h = 0,c1h1 = c1,
c k = h k,c k1 = f + δ,c1k = h1k,c1k1 = h1k1a + α + β,
d h = h k,d h1 = δ,d1h = h k1,d1h1 = c1 + γ,
d k = h k,d k1 = δ,d1k = h1k,d1k1 = b1 + β,
e h = 0,e h1 = e,e1h = h,e1h1 = h1k1a + α + γ + δ,
e k = h1k,e k1 = β,e1k = h k,e1k1 = b1 + δ,
f h = h k1,f h1 = γ,f1h = h k,f1h1 = c1 + δ,
f k = 0,f k1 = f,f1k = k,f1k1 = h1k1a + α + β + δ,
g h = 0,g h1 = g,g1h = h,g1h1 = h1a + β + γ + δ,
g k = 0,g k1 = g,g1k = k,g1k1 = k1a + β + γ + δ.

VII0. Summen der Grundbeziehungen mit denh, h1, k, k1.

h + k = (h + k) a,h + k1 = e1 + β,h1 + k = f1 + γ,h1 + k1 = d1 + δ,
a1 + h = h + a1,a1 + h1 = h1,a + h = a,a + h1 = 1߭,
a1 + k = k + a1,a1 + k1 = k1,a + k = a,a + k1 = 1߭,
b + h = h + b,b + h1 = f1 + γ,b1 + h = h + b1,b1 + h1 = d1 + δ,
b + k = b,b + k1 = 1߭,b1 + k = a + α + γ,b1 + k1 = k1,
c + h = c,c + h1 = 1߭,c1 + h = a + α + β,c1 + h1 = h1,
c + k = k + c,c + k1 = c1 + β,c1 + k = k + c1,c1 + k1 = d1 + δ,
d + h = h + δ,d + h1 = f1 + γ,d1 + h = a + α + β + γ,d1 + h1 = d1 + δ,
d + k = k + δ,d + k1 = e1 + β,d1 + k = a + α + β + γ,d1 + k1 = d1 + δ,
e + h = (h + k) + β,e + h1 = h1,e1 + h = e1,e1 + h1 = 1߭,
e + k = k + β,e + k1 = d1 + δ,e1 + k = a + α + γ + δ,e1 + k1 = e1 + β,
f + h = h + γ,f + h1 = d1 + δ,f1 + h = a + α + β + δ,f1 + h1 = f1 + γ,
f + k = (h + k) + γ,f + k1 = k1,f1 + k = f1,f1 + k1 = 1߭,
g + h = h + α,g + h1 = h1,g1 + h = g1,g1 + h1 = 1߭,
g + k = k + α,g + k1 = k1,g1 + k = g1,g1 + k1 = 1߭.

[126]Achtzehnte Vorlesung.
VIII0. Produkte der Grundbeziehungen unter sich.

a1b = β + δ,a1b1 = α + γ,a b = k,a b1 = k1a,
a1c = γ + δ,a1c1 = α + β,a c = h,a c1 = h1a,
a1d = δ,a1d1 = α + β + γ,a d = h k,a d1 = (h1 + k1) a,
a1e = β,a1e1 = α + γ + δ,a e = h1k,a e1 = (h + k1a),
a1f = γ,a1f1 = α + β + δ,a f = h k1,a f1 = (h1a + k),
a1g = g,a1g1 = β + γ + δ,a g = 0,a g1 = a,
b c = d,b c1 = e,b1c = f,b1c1 = h1k1a + α,
b d = d,b d1 = e,b1d = 0,b1d1 = b1,
b e = e,b e1 = d,b1e = 0,b1e1 = b1,
b f = 0,b f1 = b,b1f = f,b1f1 = h1k1a + α,
b g = 0,b g1 = b,b1g = g,b1g1 = k1a + γ,
c d = d,c d1 = f,c1d = 0,c1d1 = c1,
c e = 0,c e1 = c,c1e = e,c1e1 = h1k1a + α,
c f = f,c f1 = d,c1f = 0,c1f1 = c1,
c g = 0,c g1 = c,c1g = g,c1g1 = h1a + β,
d e = 0,d e1 = d,d1e = e,d1e1 = b1,
d f = 0,d f1 = d,d1f = f,d1f1 = c1,
d g = 0,d g1 = d,d1g = g,d1g1 = (h1 + k1) a + β + γ,
e f = 0,e f1 = e,e1f = f,e1f1 = (h k + h1k1a) + α + δ,
e g = 0,e g1 = e,e1g = g,e1g1 = (h + k1a) + γ + δ,
f g = 0,f g1 = f,f1g = g,f1g1 = (h1a + k) + β + δ.

aussage möglichst rasch herauszuschälen, die Tragweite derselben über-
sichtlich zu machen, insbesondre nämlich diese Kollektivaussage nach
den fünf Elementarfällen
alsbald zu entwickeln.


Letzteres wird erreicht durch successive „Ausrechnung“, aussagen-
rechnerische Reduktion jener Kollektivaussage unter Benutzung der Tafeln.


Ein paar Beispiele mögen das Gesagte erläutern.


Sei etwa die Kollektivaussage folgende:
x = (AB) (AB) + (AB) (A ≠ O) (B = O) +
+ (AB) (AB) (AB),

so haben wir (aus Tafel II0 und § 35, [30] die Werte einsetzend, sodann
aus Tafel VIII0c1g = g, aus Tafel VI0a k = k, aus VIII0b1c = f und
a1f = γ, endlich aus III0g = α berücksichtigend):
[127]§ 37. Produkte und Summen der Grundbeziehungen.
IX0. Summen der Grundbeziehungen unter sich.

a1 + b = k + a1,a1 + b1 = k1,a + b = a + β + δ,a + b1 = a + α + γ,
a1 + c = h + a1,a1 + c1 = h1,a + c = a + γ + δ,a + c1 = a + α + β,
a1 + d = h k + a1,a1 + d1 = d1 + δ,a + d = a + δ,a + d1 = a + α + β + γ,
a1 + e = h1k + a1,a1 + e1 = e1 + β,a + e = a + β,a + e1 = a + α + γ + δ,
a1 + f = h k1 + a1,a1 + f1 = f1 + γ,a + f = a + γ,a + f1 = a + α + β + δ,
a1 + g = a1,a1 + g1 = 1߭,a + g = a + α,a + g1 = g1,
b + c = (h + k) + β + γ + δ,b + c1 = f1,b1 + c = e1,b1 + c1 = d1,
b + d = b,b + d1 = 1߭,b1 + d = e1,b1 + d1 = d1,
b + e = b,b + e1 = 1߭,b1 + e = d1,b1 + e1 = e1,
b + f = (h + k) + β + γ + δ,b + f1 = f1,b1 + f = b1,b1 + f1 = 1߭,
b + g = b + α,b + g1 = g1,b1 + g = b1,b1 + g1 = 1߭,
c + d = c,c + d1 = 1߭,c1 + d = f1,c1 + d1 = d1,
c + e = (h + k) + β + γ + δ,c + e1 = e1,c1 + e = c1,c1 + e1 = 1߭,
c + f = c,c + f1 = 1߭,c1 + f = d1,c1 + f1 = f1,
c + g = c + α,c + g1 = g1,c1 + g = c1,c1 + g1 = 1߭,
d + e = b,d + e1 = e1,d1 + e = d1,d1 + e1 = 1߭,
d + f = c,d + f1 = f1,d1 + f = d1,d1 + f1 = 1߭,
d + g = d + α,d + g1 = g1,d1 + g = d1d1 + g1 = 1߭,
e + f = (h1k + h1k) + β + γ,e + f1 = f1,e1 + f = e1,e1 + f1 = 1߭,
e + g = e + α,e + g1 = g1,e1 + g = e1,e1 + g1 = 1߭,
f + g = f + α,f + g1 = g1,f1 + g = f1,f1 + g1 = 1߭

x = g c1 + a h1k + a1c b1 = g + h1k + γ = h1k + α + γ
als die gesuchte Zerfällung der Aussage x in die fünf Elementarfächer.
Dieselbe lässt sofort übersehen, welche Möglichkeiten der von den Gebieten
A, B gebildeten Figur zugelassen und eventuell gefordert sind, welche da-
gegen ausgeschlossen — auch leuchtet das Ergebniss unmittelbar ein, wenn
man sich die Bedeutung der Beziehungszeichen zum Bewusstsein bringt. —


Was verlangt die Aussage:
y = (a1b1 + b c1 + c d1) (a b + b1c + c1d + d1a1)?
Antwort: y = (α + γ + e + f) (k + f + 0 + α + β + γ) =
= (h k1 + h1k + α + β + γ) (k + h k1 + α + β + γ) = (h k1 + h1k) + α + β + γ. —


[128]Achtzehnte Vorlesung.

Wenn z = e1f1 (c + e) (d1 + h) bedeutet, so wird man ebenso mittelst
der Zwischenrechnung:
z = {(h k + h1k1a) + α + δ} {(h + k) + β + γ + δ} {a + α + β + γ} = a (h + k) (h k + h1k1a)
dies leicht reduziren zu:
z = h k. Etc.


In dieser Weise können die hier gegebenen Tafeln auch dazu bei-
tragen, die Aufgabe der Reduktion einer Kollektivaussage auf den Typus
der Gleichung und Ungleichung gemäss § 36, Tafel IV0 und später
noch § 39, Tafel XVII0 vorbereitend zu erleichtern.


Für manch’ ein Untersuchungsfeld ist ständig h = 0 und k = 0,
nämlich von vornherein die Möglichkeit ausgeschlossen, dass A oder B
ein leeres Gebiet sei, „nichts“ bedeute, oder, wie wir auch sagen können
„sinnlos“ oder „undeutig“ werde. Dies wäre z. B. der Fall bei den
Anwendungen auf eine Mannigfaltigkeit, welcher die identische Null
nicht adjungirt ist, nicht angehört. Eine Exemplifikation bildet die
Rechnung mit vieldeutigen Zahlen-Ausdrücken, mehrdeutigen Funktionen,
welche für das ganze Zahlengebiet, „explizirt“ sind, niemals eines Wertes
entbehren oder undeutig ausfallen, wie ich sie in meinem Lehrbuch
der Arithmetik und Algebra 1 in Untersuchung gezogen habe. Da hier
h1 = 1߭, k1 = 1߭ ist, so wird δ = d, γ = f, β = e, und da ohnehin
stets α = g, so geht die „Hauptgleichung“ nebst dem Tableau III0
über in:

  • X0.
    • 1߭ = a + d + e + f + g,
      a1 = d + e + f + g, b = d + e, c = d + f,
      b1 = a + f + g, c1 = a + e + g,
      d1 = a + e + f + g, e1 = a + + g, f1 = a + + g, g1 = a + ,


wo nunmehr die Terme rechterhand sämtlich disjunkt sind.


Wir können dann sagen, dass von den vier Zeichen derWert-
gemeinschaft
“:
, , , = (entsprechend a1, b, c, d)
das erste in die drei letzten und die drei ersten in das letzte übergehen
oder ausarten können, wie ich dies schon 1 p. 148 bemerkte.


Die Tafeln VI0 und VII0 kommen dann von selbst in Wegfall,
und verlohnt es, zusammenzustellen, zu was sich die Tafeln VIII0 und
IX0 alsdann vereinfachen:
[129]§ 37. Produkte und Summen von Grundbeziehungen.
XI0. Multiplikationstabelle bei Ausschluss undeutiger Symbole.

———,a1b = b = d + e,a1c = c = d + f,a1d = d,a1e = e,a1f = f,a1g = g,
a b1 = a,——————,b c = d,b d = d,b e = e,b f = 0,b g = 0,
a c1 = a,b1c1 = a + g,——————,c d = d,c e = 0,c f = f,c g = 0,
a d1 = a,b1d1 = b1 = a + f + g,c1d1 = c1 = a + e + g,——————,d e = 0,d f = 0,d g = 0,
a e1 = a,b1e1 = b1 = a + f + g,c1e1 = a + g,d1e1 = b1 = a + f + g,——————,e f = 0,e g = 0,
a f1 = a,b1f1 = a + g,c1f1 = c1 = a + e + g,d1f1 = c1 = a + e + g,e1f1 = a + d + g,——————,f g = 0,
a g1 = a,b1g1 = a + f,c1g1 = a + e,d1g1 = a + e + f,e1g1 = a + d + f,f1g1 = a + d + e,——————,
———,a1b1 = f + g,a1c1 = e + g,a1d1 = e + f + g,a1e1 = d + f + g,a1f1 = d + e + g,a1g1 = e + d + f,
a b = 0,——————,b c1 = e,b d1 = e,b e1 = d,b f1 = b = d + e,b g1 = b = d + e,
a c = 0,b1c = f,——————,c d1 = f,c e1 = c = d + f,c f1 = d,c g1 = c = d + f,
a d = 0,b1d = 0,c1d = 0,——————,d e1 = d,d f1 = d,d g1 = d,
a e = 0,b1e = 0,c1e = e,d1e = e,——————,e f1 = e,e g1 = e,
a f = 0,b1f = f,c1f = 0,d1f = f,e1f = f,——————,f g1 = f,
a g = 0,b1g = g,c1g = g,d1g = g,e1g = g,f1g = g,——————.

Schröder, Algebra der Logik. II. 9
[130]Achtzehnte Vorlesung.
XII0. Additionstabelle bei Ausschluss undeutiger Symbole.

——————,a1 + b = a1 = etc.,a1 + c = a1 = etc.,a1 + d = a1 = etc.,a1 + e = a1 = etc.,a1 + f = a1 = etc.,a1 + g = a1 = etc.,
a + b1 = b1 = a + f + g,——————,b + c = d + e + f,b + d = b = d + e,b + e = b = d + e,b + f = d + e + f,b + g = d + e + g,
a + c1 = c1 = a + e + g,b1 + c1 = d1 = etc.,——————,c + d = c = d + f,c + e = d + e + f,c + f = c = d + f,c + g = d + f + g,
a + d1 = d1 = etc.,b1 + d1 = d1 = etc.,c1 + d1 = d1 = etc.,——————,d + e = b = d + e,d + f = c = d + f,d + g = d + g,
a + e1 = e1 = etc.,b1 + e1 = e1 = etc.,c1 + e1 = 1߭,d1 + e1 = 1߭,——————,e + f = e + f,e + g = e + g,
a + f1 = f1 = etc.,b1 + f1 = 1߭,c1 + f1 = f1 = etc.,d1 + f1 = 1߭,e1 + f1 = 1߭,——————,f + g = f + g,
a + g1 = g1 = etc.,b1 + g1 = 1߭,c1 + g1 = 1߭,d1 + g1 = 1߭,e1 + g1 = 1߭,f1 + g1 = 1߭,——————,
——————,a1 + b1 = 1߭,a1 + c1 = 1߭,a1 + d1 = 1߭,a1 + e1 = 1߭,a1 + f1 = 1߭,a1 + g1 = 1߭,
a + b = a + d + e,——————,b + c1 = f1 = etc.,b + d1 = 1߭,b + e1 = 1߭,b + f1 = f1 = etc.,b + g1 = g1 = etc.,
a + c = a + d + f,b1 + c = e1 = etc.,——————,c + d1 = 1߭,c + e1 = e1 = etc.,c + f1 = 1߭,c + g1 = g1 = etc.,
a + d = a + d,b1 + d = e1 = etc.,c1 + d = f1 = etc.,——————,d + e1 = e1 = etc.,d + f1 = f1 = etc.,d + g1 = g1 = etc.
a + e = a + e,b1 + e = d1 = etc.,c1 + e = c1 = a + c + g,d1 + e = d1 = etc.,——————,e + f1 = f1 = etc.,e + g1 = g1 = etc.,
a + f = a + f,b1 + f = b1 = a + f + g,c1 + f = d1 = etc.,d1 + f = d1 = etc.,e1 + f = e1 = etc.,——————,f + g1 = g1 = etc.,
a + g = a + g,b1 + g = b1 = a + f + g,c1 + g = c1 = a + e + g,d1 + g = d1 = etc.,e1 + g = e1 = etc.,f1 + g = f1 = etc.,——————,
[131]§ 38. Zuzug der negirten Gebiete.

§ 38. Erweiterung des Beziehungskreises durch Zuzug auch der
negirten Gebiete.


Es wurde schon unter Theorem 37) erwähnt, dass die Anwendung
desselben, oder der Schluss von einer Subsumtion AB auf die B1A1
(oder umgekehrt) genannt wird die Konversiondurch Kontraposition
des die betreffende Prämisse bildenden Subsumtionsurteils. Ebenso leistete
das Theorem 32) in Gestalt des Schlusses von einer Gleichung A = B
auf die A1 = B1 (oder umgekehrt) diese „Konversion durch Kontraposition“
für die umkehrbaren oder reziprokabelen Urteile.*)


Dies verallgemeinernd wollen wir nunmehr aus einer Beziehung irgend
welcher Art zwischen irgend zweien der vier Gebiete A, B, A1, B1 auf
jede damit äquivalente Beziehung zwischen wiederum zweien von diesen
Gebieten schliessen lernen.


Zu dem Ende ziehen wir ausser den sämtlichen in § 34 einge-
führten Beziehungen zwischen den Gebieten A und B selber auch
noch diejenigen in Betracht, welche aus jenen hervorgehen, wenn man
B oder A, oder beide Gebiete durch ihre Negationen B1 resp. A1
ersetzt.


Um zunächst diese zahlreichen Beziehungen als Aussagen syste-
matisch, übersichtlich und mnemonisch zu bezeichnen, lassen wir die
in § 34 den Symbolen a101, a110 und a111 untergelegte Bedeutung oder
gegebene Auslegung fallen und verwenden die Exponenten 01, 10 und
11 in einem neuen (bei a1 hiervon abweichenden) Sinne; wir machen
uns also unabhängig von gewissen in § 34 vorübergehend stipulirten,
zu einem Teil aber inzwischen schon überflüssig gewordenen, ohnehin
antiquirten Bezeichnungen.


Es werde fortan unter a101 verstanden die Aussage a1, wenn
darin A belassen, aber B durch B1 ersetzt wird,


unter a110 die Aussage a1, wenn umgekehrt darin A durch A1 er-
setzt, B belassen wird,


mit a111 werde die Aussage a1 bezeichnet, wenn darin A durch A1
und zugleich auch B durch B1 ersetzt wird.


Analog werde jetzt b01, b10 und b11 erklärt als die Aussage b,
nachdem in dieser bezüglich B durch B1, oder A durch A1, oder B
nebst A durch B1 und A1 ersetzt sind, und finde c01, c10, c11 und so
weiter bis g01, g10 und g11 (mit letzterem zugleich auch α01, α10, und α11)
und dann noch weiter β01, … bis δ11 die entsprechende Erklärung.


9*
[132]Achtzehnte Vorlesung.

Nach II0 haben wir also die Bedeutungen:
a101 = {AB1}, a110 = {A1B}, a111 = {A1B1},
a01 = {AB1}, a10 = {A1B}, a11 = {A1B1},
b01 = {AB1}, b10 = {A1B}, b11 = {A1B1},
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
δ01 = {AB1}, δ10 = {A1B}, δ11 {A1B}.

Diese Aussagen werden zum Teil auf frühere zurückkommen und
liefern uns dann Regeln der „Konversion“ im eigentlichen Sinne.


Zunächst sollen diese sämtlichen Aussagen nach den 5 Elementar-
fällen entwickelt, über die 5 Fächer verteilt werden.


Dazu bedürfen wir ausser den beiden h, k noch dreier weitern
Hülfsaussagen mit ihren Negationen, nämlich der folgenden:
m = {A1 = 0} = {A = 1}, m1 = {A1 ≠ 0} = {A ≠ 1},
n = {B1 = 0} = {B = 1}, n1 = {B1 ≠ 0} = {B ≠ 1},
l = {A1B1 = 0}, l1 = {A1B1 ≠ 0}.


Für die Aussage m brauchte man freilich kein neues Zeichen; man
könnte sie wegen m = h10 = h11 (sintemal für eine B nicht enthaltende
Aussage es einerlei, ob man B durch B1 ersetzt, oder nicht) konsequenter-
weise durch eines dieser beiden letzteren Symbole darstellen, während
h01 = h bedeuten würde, und ebenso könnte ja n = k10 = k11 genannt
werden, während k01 = k bleibt. Endlich ist ersichtlichermassen laut Defi-
nition l einerlei mit a11.


Allein für Hülfssymbole, die nicht nur als linke Seite von Aussagen-
äquivalenzen anzusetzen sind, sondern auch rechterhand in komplizirtere Aus-

[figure]
Figure 21. Fig. 21.


Fall l,
wo
A1B1 = 0.

drücke wiederholt eingehen werden, erscheinen uns diese systematisch ge-
wählten Zeichen als zu schwerfällig und ziehen wir vor, jene vorstehend
eingeführten einfacheren Namen dafür zu gebrauchen.


Nach Th. 34+) ist: 1 = A B + A B1 + A1B + A1B1. Bezüglich der
drei ersten von den vier rechts zusammengefassten Termen kommt das
Verschwinden immer auf eine unsrer früher betrachteten Beziehungen
[133]§ 38. Erweiterung des Beziehungskreises.
hinaus, indem {A B = 0} = a, {A B1 = 0} = c, {A1B = 0} = b ist.
Nunmehr haben wir aber in Gestalt von l auch ein Symbol, um aus-
zudrücken, dass auch der vierte und letzte Term verschwinde, oder
verschwinden solle.


Diesen Fall, der in der That Interesse beansprucht, versinnlicht
die Figur 21, in welcher A den (vertikal schraffirten) Aussenkreis von
A1, B den (horizontal schraffirten) Aussenkreis von B1 bedeutet.


In unserm früheren engeren Sinne des Wortes „Beziehung“ stellt
dieser Fall nur eine Beziehung zwischen A1 und B1 vor, im weiteren
Sinne können wir ihn auch als eine Beziehung zwischen A und B
hinstellen.


Für die Grund- und obigen Hülfsbeziehungen gibt die Lösung der
gestellten Aufgabe im Überblick die Tafel:
XIII0. Zerfällung der hinzugekommenen Grundbeziehungen.
m = m k + m β + m n δ, m1 = m1a + α + m1β + γ + m1n1δ,
n = n h + n γ + m n δ, n1 = n1a + α + β + n1γ + m1n1δ,
l = a11 = b01 = c10 = l a + l α + m β + n γ + m n δ,
l1 = a111 = b101 = c110 = l1a + l1α + m1β + n1γ + m1n1δ;
a101 = b111 = c1, a01 = b11 = c, a110 = c111 = b1, a10 = c11 = b;
b10 = c01 = a, b110 = c101 = a1;
d01 = d10 = l a, d101 = d110 = l1a + α + β + γ + δ, d11 = d, d111 = d1;
e01 = f10 = l α + m β + n γ + m n δ, e101 = f110 = a + l1α + m1β + n1γ + m1n1δ
e
10 = f01 = l1a, e110 = f101 = l a + α + β + γ + δ,
e11 = f, e111 = f1, f11 = e, f111 = e1;
g01 = α01 = l1α + m1β, g101 = α101 = a + l α + m β + γ + δ,
g10 = α10 = l1α + n1γ, g110 = α110 = a + l α + β + n γ + δ,
g11 = α11 = h1k1l1a + l1α, g111 = α111 = (h + k + l a) + l α + β + γ + δ

— worin bei denjenigen Zerfällungen, die auf solche der Tafel III0
zurückkommen, dieselben nicht wiederholt angegeben sind, sondern
durch die rechte Seite der Aussagenäquivalenz nur einfach auf diese
Tafel zurückverwiesen ist. Hiezu ist anzufügen die Tafel für die
XIV0. Zerfällung der noch hinzukommenden
Elementarbeziehungen
.

β01 = l α + m β,β101 = a + l1α + m1β + γ + δ,
β10 = k1l1a,β110 = (k + l a) + α + β + γ + δ,
β11 = h k1n1 + n1γ,β111 = (k + h n + h1a) + α + β + n γ + δ;
γ01 = h1l1a,γ101 = (h + l a) + α + β + γ + δ,
γ10 = l α + n γ,γ110 = a + l1α + β + n1γ + δ,
γ11 = h1k m1 + m1β,γ111 = (h + k m + k1a) + α + m β + γ + δ:
δ01 = h1l a,δ101 = (h + l1a) + α + β + γ + δ,
δ10 = k1l a,δ110 = (k + l1a) + α + β + γ + δ,
δ11 = h k + m1n1δ,δ111 = (h1 + k1) a + α + β + γ + m n δ.

Zu diesen Tafeln verdient noch angemerkt zu werden, dass die
wiederholt als Term in ihnen auftretende Aussage la bedeutet, dass
die Gebiete A und B Negationen von einander sind
. Nach Th. 24+)
und 39+) haben wir nämlich in der That:
l a = {A B = 0} {A1B1 = 0} = {A B + A1B1 = 0} = {A = B1} = {B = A1}.


Der Beweis ihrer Formeln — soweit (unter XIII0) die Aussagen
linkerhand nicht unmittelbar auf solche der Tafel III0 ohnehin zurück-
kommen — kann geleistet werden
erstens selbständig, nach dem Schema:
x = x a + x α + x β + x γ + x δ
— wo also x die Aussage linkerhand in irgend einer zu beweisenden
Formel vorstellt — indem man eine Reihe von Hülfssätzen dazu auf-
stellt, die sich analog wie die in § 35 beweisen lassen.


Als solche seien namhaft gemacht:
XV0. Hülfssätze.

mb,oderm b1 = 0,m b = m,m1b1 = b1,
nc,n c1 = 0,n c = n,n1c1 = c1,
ml,m l1 = 0,m l = m,m1l1 = l1,
nl,n l1 = 0,n l = n,n1l1 = l1;
d mn,oderd m n1 = 0, d m n = d m, d m1n1 = d n1, d1m n1 = m n1,
d nm,d m1n = 0, d m n = d n, d m1n1 = d m1, d1m1n = m1n,
m nd,d1m n = 0, d m n = m n, d1m n1 = d1m, d1m1n = d1n,

namentlich also: m n = d m = d n = d m n, d m1 = d n1 = d m1n1.
Sonach auch:

m f = 0oderm f1 = m, m1f = f;desgl.n e = 0, n e1 = n, n1e = e;
m γ = 0,m γ1 = m, m1γ = γ;n β = 0, n β1 = n, n1β = β;

[135]§ 38. Erweiterter Beziehungskreis.
m n1δ = 0, m1n δ = 0, m n δ1 = 0, also wie oben:
m n = m δ = n δ = m n δ, m1δ = n1δ = m1n1δ. Ferner:
m g = m α = 0, m1α = α; n g = n α = 0, n1α = α;
h m = 0, h m1 = h, h1m = m; k n = 0, k n1 = k, k1n = n;
m a = k l = k m, k l1 = k m1; n a = h l = h n, h l1 = h n1;
l b = m, l c = n, l d = m n; l β = m β, l γ = n γ, l δ = m n δ;
h k l = 0, h k l1 = h k, h k1l = h l = h n, h1k l = k l = k m;
m1k1a = k1a, n1h1a = h1a, m n a = 0.

Von diesen werden wir einige (der das Symbol l enthaltenden) auch
später noch gebrauchen, und reichen dieselben jedenfalls zum Beweise
des ersten Teils der Tafel XIII0 aus. Im übrigen möge die Formeln
in dieser Weise zu begründen als eine Fundgrube von Übungsaufgaben
dem Studirenden empfohlen sein.


Zweitens kann man aber auch sich begnügen, die Formeln
unsrer Tafeln blos durch Rechnung zu verifiziren auf eine Weise, die
wir im nächsten Paragraphen auseinandersetzen und die als das aller-
bequemste
Mittel erscheint, sich der Berechtigung zu ihrem Gebrauche
zu versichern. Das Verfahren erscheint zwar auf den ersten Blick als
weniger heuristisch, doch würden im Anschluss an dasselbe sich auch
Wege zeigen lassen, die Formeln systematisch durch Rechnung zu
entdecken.


Sieht man bei Tafel XIII0 von den Zerfällungen in die 5 Fächer ab,
so bleiben doch noch gewisse Aussagenäquivalenzen daselbst stehen, und
diese lösen das eingangs statuirte Problem, die „Konversion mittelst Kontra-
position“ der bisherigen Beziehungen zu leisten, soweit eine solche zulässig
erscheint. Das Wesentlichste von diesen Sätzen haben wir bereits im § 36
unter Tafel V0 zusammengestellt. Sie geben zugleich im Kreise der bis-
herigen Beziehungen die aus einer gegebenen Relation ziehbaren „unmittel-
baren Folgerungen“
an, soweit diese Folgerungen sich auch umkehren lassen.


Zufolge der Berücksichtigung auch von A1, B1 neben A, B sind
zu den alten Grund-, Hülfs- und Elementarbeziehungen im gegen-
wärtigen Paragraphen noch fernere Beziehungen hinzugekommen. Alle
zusammen wollen wir „urwüchsige Umfangsbeziehungen“ schlechtweg
nennen (im Hinblick auf ihre Interpretirbarkeit für die Logik der
Begriffsumfänge), und zwar „urwüchsige“ im Gegensatz zu den später
noch in’s Auge zu fassenden „abgeleiteten“ Umfangsbeziehungen.
Jene werden also entweder Grund- oder Elementarbeziehungen sein,
sei es zwischen A und B, sei es zwischen A und B1, oder zwischen
[136]Achtzehnte Vorlesung.
A1 und B, oder zwischen A1 und B1 — oder aber sie werden als die
„Hülfsbeziehungen“ das Verschwinden resp. Nichtverschwinden von
nur einem der Gebiete A, B selbst oder von seiner Negation aus-
drücken.


§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt und ihre
Darstellung durch vier primitive (De Morgan’s). Die möglichen
Aussagen. über n Klassen und Peano’s Anzahl derselben.


Am bequemsten wird man sämtliche Umfangsbeziehungen aus-
drücken durch die vier folgenden, welche „primitive Beziehungen“
heissen mögen:
XVI0. a = {A B = 0}, c = {A B1 = 0}, b = {A1B = 0}, l = {A1B1 = 0},
und deren Negationen:
a1 = {A B ≠ 0}, c1 = {A B1 ≠ 0}, b1 = {A1B ≠ 0}, l1 = {A1B1 ≠ 0}.


Für die Grund- und Elementarbeziehungen ist dies bereits in
§ 36, Tafel IV0 wesentlich geleistet, und erhalten wir aus den dortigen
Formeln — durch Einsetzung der für die rechterhand stehenden Aus-
sagen geltenden Symbole — unmittelbar den Anfang der nächst-
folgenden Tafel, sofern wir nur eines berücksichtigen und zwar dieses:


Nach Th. 24+) ist:
(A B1 + A1B = 0) = (A B1 = 0) (A1B = 0)
und wie hieraus durch beiderseitiges Negiren (Kontraposition) folgt auch:
(A B1 + A1B ≠ 0) = (A B1 ≠ 0) + (A1B ≠ 0). —
Ebenso ist aber auch ferner:
h = (A = 0) = (A B + A B1 = 0) = (A B = 0) (A B1 = 0)
und analog:
k = (B = 0) = (A B + A1B = 0) = (A B = 0) (A1B = 0).
Sonach werden auch die Hülfsrelationen — zunächst h, k — sich in
Faktoren der obigen vier Formen zerspalten lassen.


Die Fortsetzung der Tafel ergibt sich leicht, wenn man hierin,
sowie in IV0, B durch B1 oder (resp. und) A durch A1 ersetzt und
dann wieder rechterhand für die Aussagen selbst die zur Abkürzung
für sie eingeführten Symbole schreibt.


[137]§ 39. Die Umfangsbeziehungen durch die 4 De Morgan’s ausgedrückt.

XVII0. Tafel für die Darstellung sämtlicher bisherigen Um-
fangsbeziehungen zwischen Gebieten
A, B, A1, B1durch die
vier primitiven Beziehungen
.


XVIIa0. Die auxiliären Relationen.


h = a c, h1 = a1 + c1, k = a b, k1 = a1 + b1,
l = l, l1 = l1,
m = b l, m1 = b1 + l1, n = c l, n1 = c1 + l1.


XVIIb0. Grund- und Elementarbeziehungen fürA, B:
a = a, a1 = a1, b = b, b1 = b1, c = c, c1 = c1,
d = d11 = b c, d1 = d111 = b1 + c1,
e = f11 = b c1, e1 = f111 = b1 + c, f = e11 = b1c, f1 = e111 = b + c1,
g = α = a1b1c1, g1 = α1 = a + b + c,
β = a1b c1, β1 = a + b1 + c, γ = a1b1c, γ1 = a + b + c1,
δ = a1b c, δ1 = a + b1 + c1.


XVIIc0. Desgleichen mit Hinzuziehung vonA1, B1:

a111 = b101 = c110 = l1,a11 = b01 = c10 = l,
a101 = b111 = c1, a01 = b11 = c,a110 = c111 = b1, a10 = c11 = b,
b110 = c01 = a,b110 = c101 = a1,
d01 = d10 = a l,d101 = d110 = a1 + l1,
e01 = f10 = a1l, e101 = f110 = a + l1, e10 = f01 = a l1, e110 = f101 = a1 + l,
g01 = α01 = a1c1l1, g101 = α101 = a + c + l, g10 = α10 = a1b1l1, g110 = α110 = a + b + l,
g11 = α11 = b1c1l1,g111 = α111 = b + c + l,
β01 = a1c1l, β101 = a + c + l1, β10 = a b1l1, β110 = a1 + b + l, β11 = b1c l1, β111 = b + c1 + l,
γ01 = a c1l1, γ101 = a1 + c + l, γ10 = a1b1l, γ110 = a + b + l1, γ11 = b c1l1, γ111 = b1 + c + l,
δ01 = a c1l, δ101 = a1 + c + l1, δ10 = a b1l, δ110 = a1 + b + l1, δ11 = b c l1, δ111 = b1 + c1 + l.

Zwischen den vier primitiven Aussagen a, c, b, l selbst besteht übrigens
eine Relation, nämlich diese:
a1 + c1 + b1 + l1 = 1߭, also auch
a b c l = 0

zufolge des Theorems 34+) und 3̅2̅).


In der letzteren Fassung unsrer Relation als einer „Inkonsistenz“
[138]Achtzehnte Vorlesung.
lässt dieselbe in der That sich indirekt, durch „reductio ad absurdum“
beweisen:


Gälte nämlich zugleich:
(A B = 0) (A B1 = 0) (A1B = 0) (A1B1 = 0)
so hätten wir:
A B + A B1 + A1B + A1B1 = 0 + 0 + 0 + 0 = 0
und führte das Th. 34+) auf die Absurdität:
0 = 1.


Mit Hülfe der Ausdrücke in den Tafeln XVII0, die an Einfachheit
nichts zu wünschen übrig lassen, können nun sämtliche Formeln der
gegenwärtigen und der vorigen Vorlesung auf das leichteste verifizirt
werden und laufen sie durchweg auf analytische Identitäten, wo nicht
auf die Relation a c b l = 0, hinaus. Auch stehen mancherlei Kontrolen
zur Verfügung, indem man z. B. die angegebene Negation einer Rela-
tion aus dieser selbst ableiten oder auch direkt verifiziren kann. Etc.


Erinnert man sich der vier Urteilsformen der Wortsprache, so
fällt der Umstand auf, dass es wieder vier Urteilsformen waren —
— zusammen mit ihren Negationen aber acht Formen — durch
welche alle Umfangsbeziehungen sich so ungezwungen darstellen liessen.
Diese aber sind mit jenen nur zur Hälfte identisch.


Von den Buchstaben a, e, i, o haben wir von § 33 ab die beiden
a und e in einem Sinne gebraucht, der zu dem herkömmlichen dort-
selbst angegebenen in keiner Beziehung stand, vielmehr von demselben
wesentlich abwich. Nimmt man die Buchstaben wieder im früheren
in § 33 erläuterten Sinne, so sollen (zur Unterscheidung von der teil-
weise ihnen später beigelegten Bedeutung) dieselben nun in Gestalt
von â, ê, î, ô mit einem Circumflexe versehen werden.


Es zeigt sich, dass
â = c = (A B1 = 0),
ê = a = (A B = 0),
î = a1 = (A B ≠ 0),
ô = c1 = (A B1 ≠ 0). —


Jene acht Urteilsformen decken sich nicht ganz mit den sogenannten
„acht Propositionen“ De Morgan’s in deren gewöhnlichem Sinne, insofern
De Morgan, wenn er von „alle A“ spricht, das Verschwinden dieser Sub-
jektklasse auszuschliessen pflegt, sich also auf eine Mannigfaltigkeit bezieht,
welche das Nichts nicht adjungirt hat, und indem er ferner „einige A
[139]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
als im Gegensatz zu „alle A“ stehend aufgefasst wissen will. Diese Unter-
schiede sind keineswegs belanglos, vielmehr von tiefeinschneidender Wirkung.
Formell aber fallen die einen und die andern Urteilsformen zusammen.
Auch konnte De Morgan selbst nicht umhin, sie in unserm Sinne zu
nehmen, da wo er von denselben unter dem von ihm so genannten „ony-
matischen“ Gesichtspunkt spricht, unter welchem das Urteil sein soll die
Behauptung oder Verneinung der Verbundenheit (Concomitanz) zweier
Namen, sonach A B ≠ 0 bedeutete: die Namen A und B haben eine (und
A B = 0: sie haben keine) gemeinsame Anwendung. Vergl. Syllabus3,
p. 112 und 8.


Ich will die vier primitiven Aussagen XVI0 samt ihren Negationen
kurz „die acht De Morgan’schen Propositionen“ nennen. Aus ihnen
müssen alle denkbaren Urteile über die Klassen A und B sich zu-
sammensetzen lassen.


Der Frage, wie vielerlei und welche von einander verschiedenen Aus-
sagen sich über zwei bestimmte Gebiete
(A und B) in unsrer Zeichen-
sprache überhaupt abgeben lassen, sollen die weiteren Betrachtungen
gewidmet sein. Als „verschieden“ haben nur solche Aussagen zu
gelten, die nicht denknotwendig einander äquivalent sind, also auch
für mindestens einen der 5 Elementarfälle verschiedenes statuiren.


Zunächst ist es leicht sich über die möglichen Kombinationen zu
orientiren, in welchen die 8 De Morgan’schen Propositionen als simul-
tane
ausgesprochen werden können.


Es sind 28 „Amben“, nämlich Kombinationen (ohne Wieder-
holung) zu zweien möglich. Nach Abrechnung der vier inkompatiblen
a a1, c e1, b b1, l l1 bleiben 24. Von diesen erweisen sich unter den als
„urwüchsige“ aufgezählten Umfangsbeziehungen vertreten folgende zehn:

a c = ha b = ka l = d01 = d10c b = dc l = nb l = m
a l1 = e10 = f01c b1 = f
a1l = e01 = f10c1b = e

Nicht vertreten sind die vierzehn:

x) a c1a b1c l1b l1
a1ca1bc1lb1l
a1c1a1b1a1l1c1b1c1l1b1l1

welche wir so aufgestellt haben, dass sie sich mit den darüber
stehenden ohne weiteres zu dem vollständigen Tableau der (leidlich)
geordneten Binionen oder Amben zusammenschieben liessen.


[140]Achtzehnte Vorlesung.

Zu dreien könnte man die 8 Propositionen auf = 56
Arten ohne Wiederholungen kombiniren. Davon fallen aber als in-
kompatibel, unzulässig fort die 4 × 6 = 24, in welchen ein Faktor
mit seiner Negation zusammentrifft (wie a a1 verbunden mit c, b, l,
c1, b1 oder l1; etc.).


Von den 32 hienach noch zugelassenen Ternionen oder „Ternen“
ist unter unsern urwüchsigen Umfangsbeziehungen schon aufgezählt
gerade die Hälfte, nämlich die 16 folgenden:

a1c b = δa c1l = δ01a b1l = δ10c b l1 = δ11
a1c b1 = γa c1l1 = γ01a b1l1 = β10c b1l1 = β11
a1c1b = βa1c1l = β01a1b1l = γ10c1b l1 = γ11
a1c1b1 = g = αa1c1l1 = g01 = α01a1b1l1 = g10 = α10c1b1l1 = g11 = α11.

Nicht aufgenommen erscheinen die andern 16:

y) a c ba c la b lc b l
a c b1a c l1a b l1c b1l
a c1ba1c la1b lc1b l
a c1b1a1c l1a1b l1c1b1l.

Von den = 70 möglichen Quaternen könnte man
wieder diejenigen in Abrechnung zu bringen suchen, welche (weil sie
ein- oder zweimal ein Symbol samt seiner Negation zum Faktor haben)
als inkonsistente verschwinden. Bequemer lässt sich aber die Zahl
und Beschaffenheit der zulässigen Quaternen direkt ermitteln.


Man sieht, dass in einer solchen die vier Faktoren verschiedene
Buchstaben sein müssen. Denn käme in einer Quaterne ein Buchstabe
zweimal als Faktor vor, so könnte das, da eine tautologische Wieder-
holung ausgeschlossen ist, nur einmal mit und einmal ohne Negations-
strich sein, die Quaterne müsste also verschwinden. Jenachdem nun
in a c b l der erste, zweite, dritte oder vierte Faktor ohne oder mit
Negationsstrich steht, werden wir also 2 × 2 × 2 × 2 = 24 = 16
möglicherweise zulässige Quaternen erhalten.


Von diesen war aber die eine: a c b l, welche = 0, als Inkonsistenz
zu verwerfen. Und mit Rücksicht auf letztere kommen von den 15
übrigen Quaternen noch die folgenden viere auf (schon angeführte)
Ternen zurück:
[141]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
a c b l1 = a c b, a c b1l = a c l,
a c1b l = a b l, a1c b l = c b l,

wie man leicht nach dem Vorbild:
a1c b l = 0 + a1c b l = a c b l + a1c b l = (a + a1) c b l = 1߭ · c b l = c b l
auch für die übrigen beweist.


Demnach fallen nur noch in Betracht die 11 Quaternen:
z)

a c b1l1a1c b1l1
a c1b l1a1c b l1a1c1b l1
a c1b1la1c b1la1c1b1l
a c1b1l1a1c1b la1c1b1l1.

Mehr wie vier Faktoren, entnommen aus der Gruppe der acht
primitiven Propositionen: a, c, b, l, a1, c1, b1, l1, können nicht zu einem
Produkt zusammengefasst werden, ohne dass sich einer von den vier
Buchstaben zweimal vertreten findet, infolge welchen Umstandes aber,
wie vorhin ausgeführt, das Produkt dann verschwinden müsste.


Wir haben also die möglichen Produkte von De Morgan’schen
Propositionen mit Vorstehendem erschöpft.


Unter x), y) und z) ergaben sich 14 + 16 + 11 = 41 neue Pro-
positionen, die wir als „abgeleitete Beziehungen“ zu bezeichnen haben
werden. Sind diese nun aber auch wirklich zulässig, und sind sie
sämtlich unter sich und von den früheren verschieden?


Auf diese Fragen erlangen wir Antwort, indem wir zuvörderst
die hinzugekommenen Produkte sämtlich in die 5 Elementarfächer
zerfällen. Zu dem Ende braucht man nur die Tafel zu benutzen,
welche gewisse Teile aus den Tafeln III0 und XIII0 hervorhebend
zusammenfasst:
XVIII0. Zerfällung der Unionen von De Morgan’s
Propositionen
.

a = a, c = h + γ + δ, b = k + β + δ, l = l a + l a + m β + n γ + m n δ,
a1 = α + β + γ + δ, c1 = h1a + α + β, b1 = k1a + α + γ, l1 = l1a + l1a + m1β + n1γ + m1n1δ.
[Man beachte hiezu, dass h, = h a, und k, = k a, in das Fach a
fallen, und dass:
1߭ = a + α + β + γ + δ.]
Die Anwendung dieser Tafeln wird eine blosse Multiplikationsübung
sein, erleichtert durch den Prozess des Übereinanderschiebens.


[142]Achtzehnte Vorlesung.

Mit der sich hiernach ergebenden Zerfällung der neu hinzuge-
kommenen oder „zusammengesetzten“ Aussagen wollen wir aber so-
gleich auch diejenige der bisherigen „ursprünglichen“ Aussagen (soweit
sie multiplikative Kombinationen von De Morgan’schen Propositionen
sind) rekapitulirend in übersichtlicher Zusammenstellung verbinden, da
man letztere sonst aus verschiedenen Tafeln erst mühsam zusammen-
suchen müsste.


Wir haben dann die Tafeln:
XIX0. Zerfällung der Binionen De Morgan’scher Propositionen.

a c = ha b = ka l = l ac b = h k + δ
a c1 = h1aa b1 = k1aa l1 = l1ac b1 = h k1 + γ
a1c = γ + δa1b = β + δa1l = l a + m β + n γ + m n δc1b = h1k + β
a1c1 = α + βa1b1 = α + γa1l1 = l1α + m1β + n1γ + m1n1δc1b1 = h1k1a + α
c l = h n + n γ + m n δb l = k m + m β + m n δ
c l1 = h n1 + n1γ + m1n1δb l1 = k m1 + m1β + m1n1δ
c1l = h1l a + l α + m βb1l = k1l a + l α + n γ
c1l1 = h1l1a + l1α + m1βb1l1 = k1l1a + l1α + n1γ

XX0. Zerfällung der Ternionen von De Morgan’s
Propositionen
.

a1c b = δa c1l = h1l aa b1l = k1l ac b l1 = h k + m1n1δ
a1c b1 = γa c1l1 = h1l1aa b1l1 = k1l1ac b1l1 = h k1n1 + n1γ
a1c1b = βa1c1l = l α + m βa1b1l = l α + n γc1b l1 = h1k m1 + m1β
a1c1b1 = αa1c1l1 = l1α + m1βa1b1l1 = l1α + n1γc1b1l1 = h1k1l1a + l1α
a c b = h ka c l = h na b l = k mc b l = m n δ
a c b1 = h k1a c l1 = h n1a b l1 = k m1c b1l = h n + n γ
a c1b = h1ka1c l = n γ + m n δa1b l = m β + m n δc1b l = k m + m β
a c1b1 = h1k1aa1c l1 = n1γ + m1n1δa1b l1 = m1β + m1n1δc1b1l = h1k1l a + l α

[143]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
XXI0. Zerfällung der Quaternionen von De Morgan’s
Propositionen
.

a c b1l1 = h k1n1a1c b1l1 = n1γ
a c1b l1 = h1k m1a1c b l1 = m1n1δa1c1b l1 = m1β
a c1b1l = h1k1l aa1c b1l = n γa1c1b1l = l α
a c1b1l1 = h1k1l1aa1c1b l = m βa1c1b1l1 = l1α
[wozua c b l = 0und

a c b l1 = a c b, a c b1l = a c l, a c1b l = a b l, a1c b l = c b l
in Erinnerung gerufen werde.]


Bei der Aufstellung haben wir auch gelegentlich Gebrauch gemacht
von den Hülfssätzen XV0:
h l=h n, k l = k m, h l1 = h n1, k l1 = k m1, h1m = m, k1n = n, h k l1 = h k,
wonach insbesondre:
h1k l = h1k m = k m und h k1l = h k1n = h n
gesetzt werden durfte. —


Man sieht, dass die vier Elementarfälle α, β, γ, δ sich als ternäre
Aussagen darstellen.


Vermittelst der acht primitiven Propositionen können also über
zwei Gebiete A, B abgegeben werden:


  • 8 primitive Urteile, dazu
  • 24 binäre
  • 32 ternäre und ausserdem nur
  • 11 quaternäre Urteile

zusammen 75 Urteile, welche lediglich gleichzeitige (koexistirende, simul-
tane) De Morgan’sche Beziehungen statuiren und die wir kurz „mono-
mische
“ oder „einfache“ Aussagen nennen werden.


Der Anblick ihrer Zerfällungen in den vorstehenden Tafeln offen-
bart sofort, dass diese 75 Urteile durchweg zulässig und von einander
verschieden sind — letzteres schon durch die verschiedenartige Be-
setzung der Elementarfächer in ihnen, ersteres aber auch dadurch,
dass man sich die Bedeutung jedes Koeffizienten, mit welchem irgend
ein Elementarfall behaftet erscheint, zum Bewusstsein bringen und
durch eine Figur anschaulich exemplifiziren kann.


Mit Hülfe dieser Tafeln XVIII0 bis XXI0 wird nun jede noch so
komplizirte Aussage sich auf’s leichteste nach den 5 Elementarfällen
entwickeln lassen.


[144]Achtzehnte Vorlesung.

Jeder Komplex von auf dieselben Gebiete A, B bezüglichen Aus-
sagen muss auf eine Alternative zwischen diesen 75 hinauslaufen,
rechnerisch gesprochen durch eine Summe von solchen darstellbar sein.


Da in Bezug auf jede einzelne dieser 75 Aussagen die zwei Möglich-
keiten vorliegen, dass sie (als Summand) zugelassen oder ausgeschlossen
wird, so ergibt dies anscheinend die ungeheure Zahl von 275 — 1 über A
und B möglichen Aussagen — um 1 weniger als 275, weil der Fall, wo
jede Aussage ausgeschlossen wird, unzulässig ist, indem die Summe aller
= 1߭ sein, also mindestens eine derselben zutreffen muss.


Bei genauerem Zusehen jedoch stellt sich diese Zahl, wenn auch als
eine immer noch erhebliche, so doch als sehr bedeutend kleiner heraus.


Indem wir hiemit dem Problem näher treten: die Anzahl der Ur-
teile zu ermitteln, welche die Logik abzugeben vermag über zwei
oder auch
noch mehr Begriffe — wird es sich nur um die durchweg von ein-
ander verschiedenen (d. h. wie gesagt, niemals einander allgemein äqui-
valenten), Urteile handeln, und wird die Form, in der sie statuirt, aus-
gesagt werden, als ganz nebensächlich gelten.


Die Formel, welche für n Begriffe obiges Problem löst, ist von
Herrn Peano in dem Vorwort zu seiner Schrift 1 ohne eine Andeutung
über ihre Herleitung bekannt gegeben worden, und werde ich dieselbe
am Schluss dieses Paragraphen begründen.


Für n = 2 hatte ich die Aufgabe (ohne Kenntniss von Peano’s
Ergebnisse — vergl. Bd. 1, S. 713) auf zwei Wegen gelöst die hier
ebenfalls dargelegt werden sollen, und war ich zu einem mit dem
Herrn Peano’s sich übereinstimmend erweisenden Ergebniss gelangt.


Der erste Weg ist zwar länger und etwas mühsamer; er studirt
die möglichen Aussagen in ihrer Entwickelung nach den fünfGer-
gonne’
schen Elementarbeziehungen. Auf dem kürzeren zweiten Wege,
der sich auch zu beliebig viel Klassen ausdehnen liess, werden die
Aussagen lediglich betrachtet als nach De Morgan’s vier primitiven
Urteilen entwickelt.


Der erste Weg hat aber den Vorzug, die — soweit sich zur Zeit
übersehen lässt — beste Übersicht über die fraglichen Aussagen selbst
zu verschaffen; sein Zuwerkegehen bewährt sich auch für die Ent-
scheidung von Nebenfragen, die mit unserm Probleme zusammenhängen,
als z. B. der Frage nach Zahl und Art der lediglich universalen von
jenen Aussagen.


Schon darum möchte ich zuerst gedachten längeren Weg zu Ende
gehen, und werde behufs Darlegung des kürzesten zweiten das Problem
noch einmal ganz selbständig gegen Ende des Paragraphen aufnehmen,
[145]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
die Verallgemeinerung auf n Begriffe an die Fälle n = 1 und n = 2
alsdann anreihend.


Die Methode des Fortschreitens wird auf beiden Wegen wesent-
lich dieselbe sein und sich an einen Vorgang von Jevons anlehnen.


Zudem sind wir aber auch mit Begehung des längeren Weges
schon ziemlich weit gelangt und ohnehin im Zuge.


Wir finden im Ganzen — nämlich bei den obigen Kombinationen
und, als monomische Glieder wenigstens, sogar bei allen bisher er-
wähnten (sowie überhaupt erdenklichen) Aussagen — nur die folgenden
Möglichkeiten in den 5 Elementarfächern vertreten:

Die am Ende der ersten Kolumne unter dem
Strich (wegen XIII0) angeführten beiden Beziehungen:
m1a = k l1 + k1a, n1a = h l1 + h1a
bewahrheiten sich als Identitäten leicht aus Tafel
XVII0, oder auch als kleine Hülfssätze durch direkte
Überlegungen nach Art derjenigen, die zu unsern
andern Hülfssätzen führten.


Zu jeder der drei über a1 angeführten Möglich-
keiten einer Kolonne ist als vierte noch 0 hinzu-
zufügen als diejenige mit welcher — in Gestalt
von 0 · α, 0 · β, 0 · γ, 0 · δ — die betreffende Ele-
mentarbeziehung gar nicht (in der Aussage) ver-
treten erscheinen mag. Ebenso ist in der ersten
Kolonne zu den 25 (resp. 23 über dem Strich) an-
geführten Möglichkeiten noch als 26(resp. 24)ste
die Annahme 0, = 0 · a in Gedanken hinzuzu-
schlagen.


Darnach lassen durch irgendwelche Multiplika-
tionen zwischen den Aussagen einer jeden so durch
Adjunktion der 0, Nullaussage vervollständigten
Kolonne — die erste nur bis zum Strich genommen — sich jeden-
falls keine neuen Aussagen mehr gewinnen, keine, die nicht in eben-
Schröder, Algebra der Logik. II. 10
[146]Achtzehnte Vorlesung.
dieser Kolonne bereits einregistrirt wären, d. h. in Bezug auf die
Operation der Multiplikation bilden die Aussagen einer jeden von den
gedachten 5 Kolonnen mathematisch gesprochen eine „Gruppe“.*)


Bei einer jeden von den vier letzten Kolonnen thun sie dies auch
in Bezug auf die Operation der Addition: auch additiv lassen sich die
4 Aussagen einer jeden der vier Kolonnen von a1 nicht weiter zu
neuen Aussagen kombiniren; denn während das Addiren von 0 ohne-
hin nichts ändert, ist z. B. auch
α + l α = α, α + l1α = α, l α + l1α = α; etc.


Als additive Kombinationen der unter a unterscheidbaren mög-
lichen Aussagen in je den vier Elementarfällen erhalten wir demnach
4 × 4 × 4 × 4 = 44 = 28 = 256
welche unter sich verschieden und zulässig sein werden.


Nennen wir x die (noch unbekannte) Anzahl der Arten, auf
welche auch die 24 Aussagen der ersten Kolonne additiv miteinander
eigentümlich kombinirt werden können, so wird
x × 256 — 1
die gesuchte Anzahl der Urteile sein, welche die Logik des Umfanges
über zwei bestimmte Begriffe A und B abzugeben vermag.


[Um 1 ist wieder das arithmetische Produkt x × 256 zu ver-
mindern, weil diejenige Aussage unzulässig bleibt, bei welcher jede
von den 5 Elementaraussagen mit dem Faktor 0 versehen erschiene.
Dagegen ist die Aussage „Eins“ in obiger Auzahl mit eingerechnet,
obwol sie „nichtssagend“ ist, nämlich in Gestalt von
1, = a1 + α + β + γ + δ,
eine jede Möglichkeit offenlässt.]


Es würde x = 226 sein müssen, wären die additiven Kombinationen
der 26 unter a registrirten Fälle alle unter sich verschieden. Das sind
sie aber nicht, vielmehr kommen sie teilweise auf diese Fälle selbst oder
auf andere von ebendiesen Kombinationen zurück. Darum wird auch die
Zahl x erheblich kleiner sein. Um sie zu ermitteln, könnte man ver-
suchen, diese additiven Kombinationen etwa für die 24 in h, k, l, a1
monomischen von den 26 Aussagen selbst aufzustellen als Amben, Ternen
und so weiter bis zur „24-erne“ (vigintiquaterne) um eine jede derselben
auf ihre Verschiedenheit von den ihr vorhergegangenen zu untersuchen —
zu welchem Ende die kombinatorischen Summen etwa je zu „entwickeln“
[147]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
wären nach jenen vier in ihrer Gesamtheit vorkommenden Symbolen. Wegen
ihrer, sechzehn Millionen übersteigenden Anzahl (16 777 216) würde das
aber eine übergrosse Geduldsprobe werden.


Besser verfahren wir in der folgenden Weise, einen Gedankengang
verwirklichend, auf welchen bei einem analogen Problem schon Jevons9
verfallen ist (vergl. Bd. 1, Anhang 6), dessen noch verfehlte Anwendung
aber von Miss Ladd1 zuerst richtig gestellt worden.


Behufs Ermittelung der Zahl x „entwickeln“ wir den Elementar-
fall a (selbst) nach den vier Symbolen a, h, k, l, aus deren Kombi-
nationen — wenn man will ausschliesslich — die Unterfälle des a sich
zusammensetzen. Zu dem Ende braucht man nur a zu multipliziren
mit der Entwickelung der 1 nach den drei letztern Symbolen. Wegen
h k l = 0 fällt aber von den acht Gliedern (Konstituenten) dieser Ent-
wickelung das erste fort, und bleibt:
a = a (h k l1 + h k1l + h k1l1 + h1k l + h1k l1 + h1k1l + h1k1l1),
was mit Rücksicht auf die angeführte Relation noch weiter sich ver-
einfachen lässt zu:
a = a (h k + h l + h k1l1 + k l + h1k l1 + h1k1l + h1k1l1)
und mit Rücksicht auf die mehrerwähnten Hülfsrelationen auch ge-
schrieben werden könnte in einer der beiden Formen:
a = h k + h l + h k1l1 + k l + h1k l1 + h1k1l a + h1k1l1a,
a = h k + h n + h k1n1 + k m + h1k m1 + h1k1l a + h1k1l1a.

Bei diesen Summen sind wir nun sicher, dass sie „reduzirte“, dass
ihre Glieder unter sich „disjunkt“ sind.


Die sieben Glieder sind auch die Konstituenten der Entwickelung
jedes erdenklichen Unterfalles von a nach ebendiesen Symbolen h, k, l.


Die Logik des Umfanges mit ihren mannigfachen Beziehungs-
zeichen vermochte aber, wie wir gesehen haben, nur solche Unter-
fälle von a zu konstruiren, auszusprechen, zu beschreiben, in deren
Ausdruck lediglich die Symbole a, h, k, l auftreten. (Die Verwendung
der m und n liess sich ja im Elementarfall a umgehen, war daselbst
eine blos fakultative.) Also: jeder angebbare Unterfall von a ist eine
Funktion lediglich von a
, h, k und l, in deren Ausdruck ausser diesen
vier Buchstaben — die drei letztern negirt oder unnegirt genommen
keine weiteren Buchstabensymbole vorkommen.


Entwickelt nach allen vier Argumenten wird er a in jedem Gliede
zum ausdrücklichen oder stillschweigenden Faktor haben — letzteres inso-
fern bei h und k der Faktor als ein selbstverständlicher unterdrückt
werden durfte — und zwar weil nach Th. 20×) a äquivalent ist: x = x a


10*
[148]Achtzehnte Vorlesung.

Denken wir uns solchen Unterfall entwickelt, so kann mit irgend
einem
der 7 Konstituenten als der zugehörige Koeffizient (in Ermangelung
eben noch andrer Buchstaben) nur entweder 0 oder 1 verknüpft sein,
d. h. der betreffende Konstituent ist in der Entwickelung entweder ganz
oder gar nicht
als Glied vorhanden.


Hieraus erhellt, dass jeder Unterfall von a auf eine Alternative
zwischen jenen 7 Konstituenten hinauslaufen, als Summe irgend einer
Gruppe von aus den sieben herausgegriffenen Gliedern darstellbar
sein muss.


Die Anzahl x der erdenklichen Unterfälle von a fällt darum zu-
sammen mit der Anzahl der möglichen additiven Kombinationen unsrer
sieben Konstituenten.


Diese Kombinationen lassen sich aber leicht vollständig auf-
stellen und noch leichter lässt ihre Anzahl sich a priori ermitteln.


Da in Bezug auf jeden einzelnen der 7 Konstituenten (ganz un-
abhängig von den übrigen) die zwei Möglichkeiten vorliegen, dass er
als Alternativfall zugelassen, nämlich als Glied in der Entwickelung
vertreten, oder aber ausgeschlossen, nicht als Glied vorhanden ist, so
haben wir:
x = 2 × 2 × 2 × 2 × 2 × 2 × 2 = 27 = 128.


Von dieser Anzahl der möglichen Unterfälle von a ist keine Einheit
in Abzug zu bringen, weil der Fall 0 · a wirklich vorkommen kann, der
Elementarfall a überhaupt nicht vorzuliegen braucht, sofern nämlich nur
von den übrigen Elementarfällen α, β, γ, δ dann allermindestens einer
vorliegt.


Hiermit ist nun auch endlich
128 × 256 — 1 = 27 × 28 — 1,
oder
215 — 1 = 32767
sage: dreissigzweitausend siebenhundert sechzigsieben gefunden als die
Anzahl der inhaltlich verschiedenen Aussagen
, Urteile, welche die Logik
des Umfanges über zwei bestimmte Gebiete
, Klassen, Begriffe A, B ab-
zugeben
, zu fällen vermag.


Es versteht sich übrigens, dass die hier eingeflochtenen auf Zahlen
bezüglichen Betrachtungen (zu denen immer schon die Kenntniss des Ein-
maleinses ausreicht) lediglich als ein Beiwerk unsrer Theorie anzusehen
sind, welche grundsätzlich die Zahlen ganz der Arithmetik überlässt und
wesentliche Schlüsse wol nirgends auf numerische Betrachtungen gründet.


Es verlohnt wol, die 128 sub a unterscheidbaren Fälle einmal
wirklich zusammenzustellen, zugleich damit für einen jeden derselben
auch die Angabe seines einfachsten Formelausdrucks zu verbinden.


[149]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.

Für erstern Zweck empfiehlt es sich, die sieben Terme der obigen
Entwickelung von a der Reihe nach mit den Ziffern 2 bis 8 kürze-
halber zu benennen und die additiven Kombinationen dieser sieben
Ziffern sodann streng systematisch (nach den Regeln der Kombina-
torik) aufzustellen, wodurch einer jeden als Unterfall von a möglichen
Alternative eine bestimmte Ordnungszahl (von 1 bis 128) zugeteilt wird.


Von diesen Unterfällen stellen wir aber jeweils diejenigen neben-
einander, welche in der Mannigfaltigkeit a Negationen von einander
sind, sodass die 128 Fälle in zwei Kolonnen auf 64 Zeilen unter-
gebracht werden. Die erste Kolonne geht dabei an ihrem Ende huf-
eisenförmig in die zweite über, deren Nummern demnach von unten
nach oben gelesen sich an diejenigen der ersten Kolonne anschliessen.


Als einfachsten Ausdruck eines Unterfalles geben wir erstens den-
jenigen an (eventuell, wo mehrere gleichberechtigt, einen solchen) der
aus den Symbolen h, k, l, a bei Berücksichtigung der Relation h k l = 0
mit minimalem Buchstabenaufwande in Aggregatform sich für ihn her-
stellen lässt. Zweitens aber fügen wir diesem Ausdruck auch noch
einen andern bei, wofern solcher nach den für seine Bildung aufzu-
stellenden Grundsätzen möglich und von dem vorigen äusserlich ver-
schieden erscheint.


Die zweite Form des Ausdrucks soll diejenige sein, welche für
A, B am einfachsten zu deuten wäre. In dieser Hinsicht fällt in Be-
tracht, dass eine Aussage, die eine Beziehung zwischen A und B sta-
tuirt, weniger leicht nach ihrem logischen Gehalt zu übersehen ist,
als wie Aussagen, die über A, resp. B nur je für sich aussagen. Die
Information z. B. dass (A ≠ 0) (A ≠ 1) (B = 1) sei, erscheint fass-
licher
, als etwa eine Information des Inhaltes, dass (A1B1 ≠ 0)
(A B = 0), und ist die Tragweite der letztern unstreitig weniger leicht
zu übersehen als die der vorigen; nicht leicht wird man sich auf sie
hin das Verhältniss zwischen A und B sofort anschaulich vorzustellen
vermögen. Der Interpretation zuliebe werden daher die Symbolea, l
und ihre Negationen thunlichst zu verdrängen sein durch die h, k, m,
n samt Negationen, indem eben letztere je nur über A oder B allein
eine Aussage abgeben.


Die Ausmerzung der Symbole l, l1, wo solche sich finden, gelingt nun
zuweilen ganz, nicht selten aber auch gar nicht, oder nur teilweise, näm-
lich bei einzelnen Gliedern; auch konnte ja a bei h und k stets unter-
drückt, ferner konnte m a durch k m, sowie n a durch h n ersetzt werden, etc.
Überhaupt genügt die Anwendung der Hülfssätze XV0 S. 134 sq. zur Er-
reichung des gesteckten Zieles und jedenfalls lassen sich die von mir auf-
gestellten Transformationsgleichungen, durch Einsetzung der Werte aus
[150]Achtzehnte Vorlesung.
Tafel XVII0 für sämtliche Symbole, stets leicht als Identitäten in a, c, b, l
verifiziren.


[Wo l, l1nicht zu beseitigen sind, wird sich erkennen lassen aus dem
Anblick der Formeln:
l a = h n + k m + u h1k1a, l1a = h n1 + k m1 + u1m1n1a,
in welchen u eine unbestimmte Aussage bedeutet, und die sich ergeben,
indem man das Gleichungenpaar m = b l, n = c l systematisch nach der
Unbekannten l resp. l1 auflöst, hernach mit a multiplizirt und die Hülfs-
relationen berücksichtigt.]


Zur Übung (und gelegentlichen Anwendung) mag man auch sich über-
zeugen, dass:

h (k1 + l) = h (k1 + m) = h (k1 + n) = h k1,k (h1 + l) = k (h1 + m) = k (h1 + n) = h1k,
h (k + l1) = h (k + n1) = h l1 = h n1,k (h + l1) = k (h + m1) = k l1 = k m1,
h1k + l1a = k + l1a,h k1 + l1a = h + l1a
[nämlich a (b + l1) = a (b l + l1) = a (b c l + b c1l + l1) = a (b c1l + l1) = a (b c1 + l1)],
h k1 + h1l a = h k1 + l a,h1k + k1l a = h1k + l a,
h k1 + k l1 = h + k l1 = h k1 + k m1 = h + k m1, h1k + h l1 = k + h l1 = h1k + h n1 = k + h n1,
(h1 + n1) a = n1a,(k1 + m1) a = m1a,
m (h1 + n1) a = m a = k m,n (k1 + m1) a = n a = h n,
(h1 + n1) (k1 + m1) a = m1n1a,
(h + k) (h1 + n1) (k1 + m1) = h n1 + k m1,
h n + k m + m1n1a = a,

etc. — Relationen, dergleichen manche noch aus dem Anblick unsrer
Tafel selbst entnommen werden können.


Nach diesen Vorbemerkungen erscheint als motivirt und gerecht-
fertigt nach Anordnung und Inhalt die nachfolgende Tafel, von welcher
indess zu wünschen ist, dass sie vielseitig geprüft werde, da nicht
ganz ausgeschlossen, dass vielleicht eine Vereinfachungsmöglichkeit
von mir noch übersehen wäre.


[151]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.

XXII0. Tafel der 128 Unterfälle von a.


1) 0 · a128 = 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = a
2 = h k l1 = h k127 = 3 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = (h1 + k1) a = h k1 + h1a = h1k + k1a
3 = h k1l = h l = h n126 = 2 + 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = (h1 + l1) a = h n1 + h1a = n1a
4 = h k1l1 = h k1n1125 = 2 + 3 + 5 + 6 + 7 + 8 = k + (h1 + l) a = k + h n + h1a
5 = h1k l = k l = k m124 = 2 + 3 + 4 + 6 + 7 + 8 = (k1 + l1) a = k m1 + k1a = m1a
6 = h1k l1 = h1k m1123 = 2 + 3 + 4 + 5 + 7 + 8 = h + (k1 + l) a = h + k m + k1a
7 = h1k1l a122 = 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 8 = h + k + l1a
8 = h1k1l1a121 = 2 + 3 + 4 + 5 + 6 + 7 = h + k + l a
9 = 2 + 3 = h (k + l) = h (k + n)120 = 4 + 5 + 6 + 7 + 8 = (h1 + k1l1) a = h k1n1 + h1a
10 = 2 + 4 = h l1 = h n1119 = 3 + 5 + 6 + 7 + 8 = (h1 + l) a = h n + h1a
11 = 2 + 5 = k (h + l = k (h + m)118 = 3 + 4 + 6 + 7 + 8 = (k1 + h1l1) a = h1k m1 + k1a
12 = 2 + 6 = k l1 = k m1117 = 3 + 4 + 5 + 7 + 8 = (k1 + l) a = k m + k1a
13 = 2 + 7 = h k + h1k1l a116 = 3 + 4 + 5 + 6 + 8 = h k1 + h1k + h1k1l1a
14 = 2 + 8 = h k + h1k1l1a115 = 3 + 4 + 5 + 6 + 7 = h k1 + h1k + h1k1l a
15 = 3 + 4 = h k1114 = 2 + 5 + 6 + 7 + 8 = k + h1a
16 = 3 + 5 = (h + k) l = h n + k m113 = 2 + 4 + 6 + 7 + 8 = (h1k1 + l1) a = m1n1a
17 = 3 + 6 = h l + h1k l1 = h n + h1k m1112 = 2 + 4 + 5 + 7 + 8 = h l1 + (h1l + k1l1) a = k m + h n1 + h1k1a
18 = 3 + 7 = k1l a111 = 2 + 4 + 5 + 6 + 8 = k + l1a
19 = 3 + 8 = h l + h1k1l1a = h n + h1k1l1a110 = 2 + 4 + 5 + 6 + 7 = h1l a + (h + k) l1 = k + h n1 + h1l a
20 = 4 + 5 = k l + h k1l1 = k m + h k1n1109 = 2 + 3 + 6 + 7 + 8 = k l1 + (k1l + h1l1) a = h n + k m1 + h1k1a
21 = 4 + 6 = (h k1 + h1k) l1 = h k1n1 + h1k m1108 = 2 + 3 + 5 + 7 + 8 = h k + (h1k1 + l) a = h k + h n + k m + h1k1a
22 = 4 + 7 = k1 (h l1 + h1l a) = k1 (h n1 + h1l a)107 = 2 + 3 + 5 + 6 + 8 = k + h l + h1l1a = k + h n + h1l1a
23 = 4 + 8 = k1l1a106 = 2 + 3 + 5 + 6 + 7 = k + l a
24 = 5 + 6 = h1k105 = 2 + 3 + 4 + 7 + 8 = h + k1a
25 = 5 + 7 = h1l a104 = 2 + 3 + 4 + 6 + 8 = h + l1a
26 = 5 + 8 = k l + h1k1l1a = k m + h1k1l1a103 = 2 + 3 + 4 + 6 + 7 = k1l a + (h + k) l1 = h + k m1 + k1l a
27 = 6 + 7 = h1 (k l1 + k1l a) = h1 (k m1 + k1l a)102 = 2 + 3 + 4 + 5 + 8 = h + k l + k1l1a = h + k m + k1l1a
28 = 6 + 8 = h1l1a101 = 2 + 3 + 4 + 5 + 7 = h + l a
29 = 7 + 8 = h1k1a100 = 2 + 3 + 4 + 5 + 6 = h + k
30 = 2 + 3 + 4 = h99 = 5 + 6 + 7 + 8 = h1a
31 = 2 + 3 + 5 = h k + (h + k) l = h k + h n + k m98 = 4 + 6 + 7 + 8 = {h1k1 + (h1 + k1) l1} a = h k1n1 + h1k m1 + h1k1a
32 = 2 + 3 + 6 = h l + k l1 = h n + k m197 = 4 + 5 + 7 + 8 = (h1l + k1l1) a = k m + h k1n1 + h1k1a
33 = 2 + 3 + 7 = h k + k1l a96 = 4 + 5 + 6 + 8 = h1k + k1l1a
34 = 2 + 3 + 8 = h (k + l) + h1k1l1a = h (k + n) + h1k1l1a95 = 4 + 5 + 6 + 7 = h1 (k + l a) + h k1l1 = h1k + h k1n1 + h1l a
35 = 2 + 4 + 5 = h l1 + k l = h n1 + k m94 = 3 + 6 + 7 + 8 = (h1l1 + k1l) a = h n + h1k m1 + h1k1a
36 = 2 + 4 + 6 = (h + k) l1 = h n1 + k m193 = 3 + 5 + 7 + 8 = (h1k1 + l) a = h n + k m + h1k1a
37 = 2 + 4 + 7 = h l1 + h1k1l a = h n1 + h1k1l a92 = 3 + 5 + 6 + 8 = h l + h1 (k + l1a) = h n + h1 (k + l1a)
38 = 2 + 4 + 8 = (h + k1a) l1 = h n1 + k1l1a91 = 3 + 5 + 6 + 7 = h1k + l a
39 = 2 + 5 + 6 = k90 = 3 + 4 + 7 + 8 = k1a
40 = 2 + 5 + 7 = h k + h1l a89 = 3 + 4 + 6 + 8 = h k1 + h1l1a
41 = 2 + 5 + 8 = k (h + l) + h1k1l1a = k (h + m) + h1k1l1a88 = 3 + 4 + 6 + 7 = k1 (h + l a) + h1k l1 = h k1 + h1k m1 + k1l a
42 = 2 + 6 + 7 = k l1 + h1k1l a = k m1 + h1k1l a87 = 3 + 4 + 5 + 8 = k l + k1 (h + l1a) = k m + k1 (h + l1a)
43 = 2 + 6 + 8 = (k + h1a) l1 = k m1 + h1l1a86 = 3 + 4 + 5 + 7 = h k1 + l a
44 = 2 + 7 + 8 = h k + h1k1a85 = 3 + 4 + 5 + 6 = h k1 + h1k
45 = 3 + 4 + 5 = h k1 + k l = h k1 + k m84 = 2 + 6 + 7 + 8 = h1k1a + k l1 = k m1 + h1k1a
46 = 3 + 4 + 6 = h k1 + h1k l1 = h k1 + h1k m183 = 2 + 5 + 7 + 8 = k (h + l) + h1k1a = k (h + m) + h1k1a
47 = 3 + 4 + 7 = k1 (h + l a)82 = 2 + 5 + 6 + 8 = k + h1l1a
48 = 3 + 4 + 8 = k1 (h + l1a)81 = 2 + 5 + 6 + 7 = k + h1l a
49 = 3 + 5 + 6 = h1k + h l = h1k + h n80 = 2 + 4 + 7 + 8 = h1k1a + h l1 = h n1 + h1k1a
50 = 3 + 5 + 7 = l a79 = 2 + 4 + 6 + 8 = l1a
51 = 3 + 5 + 8 = (h + k) l + h1k1l1a = h n + k m + h1k1l1a78 = 2 + 4 + 6 + 7 = (h + k) l1 + h1k1l a = h n1 + k m1 + h1k1l a
52 = 3 + 6 + 7 = k1l a + h1k l1 = h1k m1 + k1l a77 = 2 + 4 + 5 + 8 = k (h + l) + k1l1a = k (h + m) + k1l1a
53 = 3 + 6 + 8 = h l + h1l1a = h n + h1l1a76 = 2 + 4 + 5 + 7 = h l1 + h1l a = h n1 + h1l a
54 = 3 + 7 + 8 = h l + h1k1a = h n + h1k1a75 = 2 + 4 + 5 + 6 = k + h l1 = k + h n1
55 = 4 + 5 + 6 = h1k + h k1l1 = h1k + h k1n174 = 2 + 3 + 7 + 8 = h (k + l) + h1k1a = h (k + n) + h1k1a
56 = 4 + 5 + 7 = h1l a + h k1l1 = h k1n1 + h1l a73 = 2 + 3 + 6 + 8 = h (k + l) + h1l1a = h (k + n) + h1l1a
57 = 4 + 5 + 8 = k l + k1l1a = k m + k1l1a72 = 2 + 3 + 6 + 7 = k l1 + k1l a = k m1 + k1l a
58 = 4 + 6 + 7 = (h k1 + h1k) l1 + h1k1l a = h k1n1 + h1k m1 + h1k1l a71 = 2 + 3 + 5 + 8 = h k + (h + k) l + h1k1l1a = h k + h n + k m + h1k1l1a
59 = 4 + 6 + 8 = (h1 + k1) l1a = h k1n1 + h1k m1 + h1k1l1a70 = 2 + 3 + 5 + 7 = h k + l a
60 = 4 + 7 + 8 = (h1 + l1) k1a = k1n1a69 = 2 + 3 + 5 + 6 = k + h l = k + h n
61 = 5 + 6 + 7 = h1 (k + l a)68 = 2 + 3 + 4 + 8 = h + k1l1a
62 = 5 + 6 + 8 = h1 (k + l1a)67 = 2 + 3 + 4 + 7 = h + k1l a
63 = 5 + 7 + 8 = k l + h1k1a = k m + h1k1a66 = 2 + 3 + 4 + 6 = h + k l1 = h + k m1
64 = 6 + 7 + 8 = (k1 + l1) h1a = h1m1a65 = 2 + 3 + 4 + 5 = h + k l = h + k m
[154]Achtzehnte Vorlesung.

Verbindet man auf jegliche Weise irgend eine von diesen 128 An-
gaben mit irgend einer von den vieren in jeder nachstehenden Kolumne:
XXIII0. Tafel der 256 Unterfälle vona1:

10 · α0 · β0 · γ0 · δ
2l αm βn γm n δ
3l1αm1βn1γm1n1δ
4αβγδ

so erhält man die sämtlichen 32 768 Aussagen, welche die Logik
über A und B abzugeben vermag, von welchen aber eine (die erste)
als absurde oder Nullaussage in Abzug zu bringen sein wird.


Hienach ist eine übersichtliche Klassifikation, nebst Chiffrirung, ge-
wissermassen Etikettirung der 32 768 Aussagen in folgender Weise mög-
lich. Man wird eine jede derselben vermittelst einer „fünfziffrigen“ Zahl
darstellen und bestimmen können:
t, p, q, r, s
deren sozusagen — Ziffern durch Kommata getrennt werden mögen, von
welchen nämlich die erste „Ziffer“ t nur eine Quasi-Ziffer, nämlich irgend
eine von den Zahlen 1, 2, 3, 4, 5, … 127, 128 ist und auf die Tafel XXII0
verweist, wogegen die folgenden p, q, r, s wirkliche Ziffern sind, denen
aber immer nur einer der Werte 1, 2, 3, 4 zukommen kann, indem sie
auf die entsprechende Rubrik der Tafel XXIII0 hinweisen. Die sämtlichen
Aussagen erhalten hierdurch auch eine streng bestimmte Rangordnung oder
Reihenfolge, und ist insbesondre:
1, 1, 1, 1, 1
die Chiffre der ersten von ihnen, das ist der absurden oder Nullaussage, und
128, 4, 4, 4, 4
die Chiffre der letzten, nämlich der identischen oder nichtssagenden Aussage.


Man bemerkt, dass unter den Fällen der Tafel XXII0 sich
2 × 16 = 32
solche finden, die bezüglich A und B (sonach auch h und k nebst m
und n) symmetrisch sind, und zwar die folgenden:
1), 2, 7, 8, 13; 14, 16, 21, 29, 31, 36,
128 127 122 121 116 115 113 108 100 98 93
44, 50, 51, 58, 59.
85 79 78 71 70


Die übrigen sind, für sich betrachtet, unsymmetrisch, gruppiren
sich jedoch zu 2 × 24 = 48 symmetrischen Paaren von Aussagen.
Diese Paare sind folgende:
[155]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
(3,5), (4,6), (9,11), (10,12), (15,24), (17,20), (18,25),
(126,124) (125,123) (120,118) (119,117) (114,105) (112,109) (111,104)
(19,26), (22,27), (23,28), (30,39), (32,35), (33,40), (34,41),
(110,103) (107,102) (106,101) (99,90) (97,94) (96,89) (95,88)
(37,42), (38,43), (45,49), (46,55), (47,61), (48,62), (52,56),
(92,87) (91,86) (84,80) (83,74) (82,68) (81,67) (77,73)
(53,57), (54,63), (60,64).
(76,72) (75,66) (69,65)


Für irgend eine in De Morgan’schen Urteilen gegebene Aussage
F (a, b, c, l) wird man die Koeffizienten ihrer Entwickelung nach den
Gergonne’schen 5 Elementarfällen allemal erhalten können, indem
man sie bezüglich multiplizirt mit:
a, (α =) a1b1c1, (β =) a1b c1, (γ =) a1b1c, (δ =) a1b c
— ev. unter Benutzung eines McColl’schen Satzes Bd. 1, S. 589, wo-
nach insbesondre a F (i, b, c, l) ihr unter a fallender Teil sein wird.


Um nun mit Hülfe der Tafel XXII0 für irgend eine unter a fal-
lende noch so komplizirte Aussage den einfachsten oder typischen
Ausdruck rasch zu finden und so derselben ihre Stellung im logischen
Systeme anzuweisen — man könnte in Analogie mit der Naturgeschichte
sagen: um sie „zu bestimmen“ — wird man dieselbe (eventuell unter
Benutzung der Relationen:
m a = k l, n a = h l, m1a = k l1 + k1a, n1a = h l1 + h1a,
sowie derer aus Tafel XIX0: a c = h, a b = k, a c1 = h1a, a b1 = k1a, nach
welchen es unter a geradezu gestattet ist, c, b durch h, k zu ersetzen)
blos nach den Symbolen h, k, l, a zu „entwickeln“ brauchen. Man
sucht hierauf die Nummern ihrer so sich ergebenden Konstituenten im
ersten Teil der Tafel XXII0 auf; das Aggregat derselben muss eine
von den weiterhin darin aufgeführten additiven Kombinationen der
Ziffern 2 bis 8 sein, für welche man die Nummer nebst dem typischen
Ausdruck alsdann leicht in der Tafel entdecken wird.


Der Prozess kann sehr erleichtert werden, wenn man sich ein für alle
mal die beiden folgenden Hülfstafeln anlegt, in welchen wir die Produkte
der 24 monomischen Unterfälle von a vergl. S. 145) in die Symbole m, n,
m1, n1 und in dieser letzteren Produkte — solchergestalt „bestimmt“ — zu-
sammenstellen. Die nächste von diesen Tafeln soll ohne weitere Abkürzungen
gegeben werden.


[156]Achtzehnte Vorlesung.

XXIV0. Hülfstafel.


m a = 5,n a = 3,m1a = 124,n1a = 126,
m h = 0,n h = 3,m1h = h = 30,n1h = 10,
m k = 5,n k = 0,m1k = 12,n1k = k = 39,
m h1a = 5,n h1a = 0,m1h1a = 64,n1h1a = h1a = 99,
m k1a = 0,n k1a = 3,m1k1a = k1a = 90,n1k1a = 60,
m h k = 0,n h k = 0,m1h k = h k = 2,n1h k = h k = 2,
m h k1 = 0,n h k1 = n h = 3,m1h k1 = h k1 = 15,n1h k1 = 4,
m h1k = m k = 5,n h1k = 0,m1h1k = 6,n1h1k = h1k = 24,
m h1k1a = 0,n h1k1a = 0,m1h1k1a = h1k1a = 29,n1h1k1a = h1k1a = 29,
m l a = m a = 5,n l a = n a = 3,m1l a = 18,n1l a = 25,
m l1a = 0,n l1a = 0,m1l1a = l1a = 79,n1l1a = l1a = 79,
m h l = 0,n h l = h l = n h = 3,m1h l = h l = 3,n1h l = 0,
m k l = k l = m k = 5,n k l = 0,m1k l = 0,n1k l = k l = 5,
m h1l a = 5,n h1l a = 0,m1h1l a = 7,n1h1l a = h1l a = 25,
m k1l a = 0,n k1l a = 3,m1k1l a = k1l a = 18,n1k1l a = 7,
m h l1 = 0,n h l1 = 0,m1h l1 = h l1 = 10,n1h l1 = h l1 = n1h = 10,
m k l1 = 0,n k l1 = 0,m1k l1 = k l1 = m1k = 12,n1k l1 = k l1 = 12.,
m h1l1a = 0,n h1l1a = 0,m1h1l1a = h1l1a = 28,n1h1l1a = h1l1a = 28,
m k1l1a = 0,n k1l1a = 0,m1k1l1a = k1l1a = 23,n1k1l1a = k1l1a = 23,
m h k1l1 = 0,n h k1l1 = 0,m1h k1l1 = h k1l1 = 4,n1h k1l1 = h k1l1 = 4,
m h1k l1 = 0,n h1k l1 = 0,m1h1k l1 = h1k l1 = 6,n1h1k l1 = h1k l1 = 6,
m h1k1l a = 0,n h1k1l a = 0,m1h1k1l a = h1k1l a = 7,n1h1k1l a = h1k1l a = 7,
m h1k1l1a = 0,n h1k1l1a = 0,m1h1k1l1a = h1k1l1a = 8,n1h1k1l1a = h1k1l1a = 8,
[157]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.

Um auch die Produkte der 24 unter a fallenden (aus h, k, l und
deren Negationen zusammensetzbaren multiplikativen Kombinationen oder)
monomischen Unterfälle in m n, m n1, m1n und m1n1 übersichtlich anzugeben,
schreiben wir diese letztern Faktoren als Überschrift, jene erstern als Vor-
schrift an und geben da, wo die von der einen und der andern beherrschte
Kolonne und Zeile zusammenstossen, den Produktwert an durch seine Nummer
aus Tafel XXII0, sofern derselbe nicht etwa = 0 ist.


XXV0. Hülfstafel.


XXVI0. Hülfstafel.


Der Raumeinteilung halber haben wir neben die besprochene noch
eine weitere (und letzte) Hülfstafel: XXVI0 gesetzt, welche die analogen
[158]Achtzehnte Vorlesung.
Erleichterungen (wie XXIV0 für die Unterfälle von a) gewähren soll für
die Klassifikation aller möglichen Unterfälle von a1 und seinen vier Elementar-
fällen α, β, γ, δ. Obwol die Angaben dieser Tafel äusserst leicht aus dem
Anblick der Tafeln III0 und XIII0 zu entuehmen sind und sich auch unter
den Hülfsrelationen XV0 bereits mit angeführt finden, wird ihre Zusammen-
stellung doch der Bequemlichkeit des Studirenden dienen.


Als von hohem Interesse kann man noch die Frage aufwerfen:
wie viele (und welche) von den 32 767 Aussagen über A und B „zer-
fallen“?


Eine Aussage über ein gegebenes System von Begriffen (Klassen,
Gebieten) wird eine „zerfallende“ zu nennen sein, wenn es möglich ist,
sie aussagenrechnerisch aus lauter solchen Aussagen aufzubauen, in
deren jeder nur je von einem derselben die Rede ist — ohne jegliche
Erwähnung der übrigen Begriffe des Systemes.


Es würde umständlich sein, alle obigen Aussagen auf diese Möglich-
keit hin zu untersuchen, nämlich bei einer jeden zu entscheiden, ob sie
zusammensetzbar ist aus lauter nur A, sowie nur B betreffenden Teilaus-
sagen, oder nicht.


Dagegen ergibt sich leicht die Beantwortung der gestellten Frage,
wenn man die über A allein, somit auch die über B allein, abgebbaren
Aussagen systematisch aufsucht, sodann deren mögliche (multiplikative und
additive) Kombinationen.


Eine zerfallende Aussage über A und B muss sich ausschliesslich
aus den vieren:
h, k, m, n
als eine „Funktion“ des Aussagenkalkuls f (h, k, m, n) zusammensetzen.
Diese nach ihren 4 Argumenten entwickelt gedacht, setzt sich ihrer-
seits aus 24 = 16 Konstituenten zusammen, deren jeder entweder 0 oder
1 zum Koeffizienten haben muss. Diese Konstituenten sind:
h k m n, h k m n1, h k m1n, h k m1n1, h k1m n, h k1m n1, h k1m1n, h k1m1n1,
h1k m n, h1k m n1, h1k m1n, h1k m1n1, h1k1m n, h1k1m n1, h1k1m1n, h1k1m1n1.


Weil h m = 0 und k n = 0 gilt, verschwinden aber einzelne von
diesen Konstituenten selbst und zwar die 7 vorstehend unterstrichenen.
Und wegen
h m1 = h, h1m = m, k n1 = k, k1n = n
lassen die neun stehen gebliebenen bezüglich folgende Vereinfachung
ihres Ausdruckes zu:
h k, h n, h k1n1, k m, h1k m1, m n, k1m n1, h1m1n, h1k1m1n1.


[159]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.

Diese 9 Aussagen können jeweils selbständig, es können beliebige
Alternativen zwischen denselben statuirt werden. Dies gibt
29 = 512
mögliche verschiedene Aussagen. Von diesen verweist diejenige, bei
welcher alle 9 Konstituenten mit dem Koeffizienten 0 behaftet auf-
treten, auf die „identische“ Aussage 0 = 0 als den einzigen zulässigen
Fall unter den noch erdenklichen Aussagen, welche unsrer Definition
gemäss den „zerfallenden“ zugezählt werden müssen. Mithin sind 512
zerfallende Aussagen über A und B zulässig.


Diese von den 32 767 in Abzug gebracht, lassen 32 255 Aussagen
übrig, in welche mindestens eine „nicht zerfallende“, nämlich eine wirk-
liche Umfangsbeziehung zwischen A und B statuirende Aussage eingeht —
zum wenigsten als ein Glied oder Faktor eines Gliedes, d. i. als ein Alter-
nativfall oder als eine simultane Forderung oder Mitbedingung in einem
solchen. — Die Zahl 512 nebst den beiden sogleich noch abzuleitenden 166
und 47 (jene ungenau als 511 und 168) hatte ich in 9 bekannt gegeben.


Noch eine andere wichtige Frage über die 32 767 Aussagen be-
trifft ihre Scheidung in universale und (mit-)partikulare. Diese soll
jetzt (im Kontext) zur Entscheidung gebracht werden.


Beschränken wir die Logik wiederum auf ihre „erste Etappe“, wo sie
nur über Subsumtions- und Gleichheitszeichen, nicht aber über deren Ver-
neinung verfügt, sonach partikulare (oder affirmative Existenzial-) Urteile noch
nicht auszudrücken vermag, so ist 16 — 1 = 15 die Anzahl der jetzt über
zwei Klassen A, B zulässigen „einfachen“ oder monomischen Aussagen.


In der That können diesmal nur die vier primitiven Aussagen De Mor-
gan’
s als da sind (in den dortigen Bezeichnungen):
a, c, b, l
nicht aber deren Verneinungen abgegebeu werden. Hiermit dann lassen
sich herstellen die sechs binären:
a c, a b, a l, c b, c l, b l,
und die vier ternären Aussagen:
a c b, a c l, a b l, c b l,
zu welchen bisherigen 14 Aussagen sich als 15te noch die nichtssagende
0 = 0 gesellt die immer gilt, aussagenrechnerisch = 1߭ ist — wogegen
die absurde Aussage durch die hier einzig denkbare quaternäre Aussage
a c b l dargestellt würde, welche jedoch nie gelten kann, unzulässig, aussagen-
rechnerisch = 0 ist.


Wir haben also bei der eingeführten Beschränkung der Logik anstatt
(und von) den früheren 75 „einfachen“ oder „monomischen“ Urteilen nur
mehr 14 abgebbare.


[160]Achtzehnte Vorlesung.

Um jedoch völlig zu übersehen, wie weit der Bereich abgebbarer Aus-
sagen durch die Einführung des Ungleichheitszeichens ausgedehnt wurde,
wollen wir auch für die erste Etappe der Logik die Anzahl aller nur er-
denklichen Aussagen über zwei bestimmte Klassen A und B ermitteln,
indem wir nunmehr auch Alternativen oder additive Kombinationen zwischen
den gefundenen 15 „einfachen“ Aussagen mit zulassen.


Zu dem Ende haben wir eine ähnliche Untersuchung anzustellen, wie
sie oben ausgeführt worden. Dieselbe gestaltet sich aber jetzt, obwol es
sich um erheblich kleinere Zahlen handelt, nicht ganz so einfach.


Zunächst vergegenwärtige man sich, dass die obigen 14 belangreichen
(nicht nichtssagenden) „einfachen“ Urteile die Bedeutungen haben und in die
5 Elementarfächer zerfallen, wie folgt:
a = a, c = h + γ + δ, b = k + β + δ, l = l a + l α + m β + n γ + m n δ,
a c = h, a b = k, a l = l a, c b = d = h k + δ,
c l = n = h n + n γ + m n δ, b l= m = k m + m β + m n δ,
a c b = h k, a c l = h l = h n, a b l = k l = k m, c b l = m n δ,

wobei in Erinnerung zu nehmen, dass h und k ganz unter a fallen.


Sammeln wir die verschiedenen Vorkommnisse, welche sich vorstehend
unter den fünf Elementarfächern einregistrirt finden, so erhalten wir das
Tableau:

worin die Nummern in der ersten Kolonne
(gleichwie auch noch weiter folgende) auf die
Tafel XXII0 verweisen sollen.


Die 8 Elemente der ersten Kolonne können
durch multiplikative Verknüpfungen unter sich
nicht weiter vermehrt werden; sie bilden bereits
in Hinsicht der Multiplikation eine Gruppe.


Ein jedes von diesen Elementen findet
sich unter den (oben aufgezählten) „einfachen“ Urteilen und kann somit
abgegeben werden als eine selbständige Aussage.


An additiven Kombinationen oder denkbaren Alternativen zwischen
diesen 8 Aussagen sind, ausser ihnen selbst, nur noch die 11 folgenden
möglich:


[161]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
  • h + k = 100
  • h + l a = 101
  • h + k m = 65
  • k + l a = 106
  • k + h n = 69
  • h k + l a = 70
  • h (k + n) = 9
  • k (h + m) = 11
  • (h + k) l = h n + k m = 16
  • h + k + l a = 121
  • h k + h n + k m = 31

(die wir als Fortsetzung der ersten Kolonne obigen Tableaus ansetzen) —
sodass die Gesamtzahl der unter a unterscheidbaren Aussagen 19 beträgt.


Dass das System dieser 19 Aussagen nun auch hinsichtlich der Addition
eine Gruppe bildet, durch additive Verknüpfungen zwischen seinen Elementen
also nicht weiter vermehrt werden kann, wäre unschwer durchzuprobiren
nach der Methode der Vervollständigung einer Summenreihe, welche im An-
hang 6, Bd. 1, S. 653 sqq. auseinandergesetzt worden. Als Kontrole (oder
bequemer) kann man aber auch bemerken, dass die 19 Ausdrücke gerade
(und vollzählig) diejenigen aus der Tafel XXII0 sind, in welchen kein ein-
ziges Symbol mit Negationsstrich vorkommt.


Ebenso konnte auch unser Tableau schon aus demjenigen der S. 145
abgeschrieben werden, indem man die Ausdrücke fortliess, in welchen
Negationen von h, k, l, m, n vorkommen.


Könnten nun auch in den folgenden vier Kolumnen unsres Tableau’s
je die dreierlei Aussagen ganz unabhängig von einander (und von den
unter die erste Kolumne fallenden) statuirt werden, so wäre die Sache sehr
einfach und müsste:
19 × 3 × 3 × 3 × 3 — 1 = 1538
die gesuchte Zahl der Aussagen sein.


Diese ist aber nur eine obere Grenze, welche von unsrer gesuchten
Zahl keinenfalls überschritten, auch nicht erreicht werden kann.


Ausser m n δ, welches in Gestalt von c b l selbständig zugelassen oder
ausgeschlossen werden mag, sind nämlich die acht Aussagen in den zwei
letzten Zeilen der vier letzten Kolonnen unsres Tableau’s nicht unabhängig
von einander
, überhaupt nicht einzeln abgebbar.


Haben wir doch nach früherem:
l α = a1c1b1l, m β = a1c1b l, n γ = a1c b1l,
α = a1c1b1, β = a1c1b, γ = a1c b1, δ = a1c b,

wo die Faktoren a1, c1 und b1 ohne Ungleichheitszeichen nicht darstellbar
sein würden. [Dass gleichwol m n δ = a1c b l ohne solches darstellbar ist,
beruht auf dem Zufall, dass wegen a c b l = 0 auch a1c b l = c b l sein musste.]


Schröder, Algebra der Logik. II. 11
[162]Achtzehnte Vorlesung.

Abgesehen also von der selbständigen Aussage m n δ können die unter
die vier letzten Kolonnen fallenden Aussagen überhaupt nur abgegeben
werden in den additiven Kombinationen, welche sich bei den sechs [resp. 7]
von den (14) einfachen Urteilen:
c, b, l, c b, c l, b l, [c b l]
oben angegeben finden, und diese sieben nur steuern überhanpt zu den vier
letzten Elementarfällen bei.


Es wird nichts übrig bleiben, als: die additiven Kombinationen dieser
7 Fälle nunmehr vollständig aufzusuchen nach dem Verfahren, welches in
Bd. 1, Anhang 6, S. 655 sq. bei der Summenreihe auseinandergesetzt worden.
Der siebente Fall bleibt beim Kombiniren ausser Betracht, weil er in allen
vorhergehenden schon mitenthalten ist; nur für sich allein muss er einmal
aufgeführt werden. Wir geben die Kombinationen sogleich auch immer
entwickelt nach den 5 Elementarfällen an. Es sind ihrer (18 resp. ein-
schliesslich der Nullaussage:) 19:

0
c = h+ γ + δa c
b = k+ β + δa b
l = l a+ l α + m β + n γ + m n δa l
c b = h k+ δa c b
c l = h n+ n γ + m n δa c l
b l = k m+ m β + m n δa b l
c b l =m n δa c b l = a · 0 = 0
c + b = (h + k)+ β + γ + δa (c + b)
c + l = (h + l a)+ l α + m β + γ + δa (c + l)
b + l = (k + l a)+ l α + β + n γ + δa (b + l)
c b + l = (h k + l a)+ l α + m β + n γ + δa (c b + l)
c l + b = (h n + k)+ β + n γ + δa (c l + b)
c + b l = (h + k m)+ m β + γ + δa (c + b l)
c (b + l) = h (k + n)+ n γ + δa c (b + l)
(c + l) b = (h + m) k+ m β + δa b (c + l)
(c + b) l = (h n + k m)+ m β + n γ + m n δa l (c + b)
c + b + l = (h + k + l a)+ l α + β + γ + δa (c + b + l)
c b + c l + b l = (h k + h n + k m)+ m β + n γ + δa (c b + c l + b l)
a
[163]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.

Die ersten Glieder rechterhand sind die in das Fach a fallenden Alter-
nativen. Man erhält dieselben durch die vier primitiven Propositionen aus-
gedrückt, indem man der linken Seite der Gleichung den Faktor a beisetzt.
Wir haben diese Ausdrücke den andern (in einer neuen Kolonne) gegen-
übergestellt, und darunter noch die Proposition a geschrieben, weil es dann
gerade die 19 Aussagen des vorhergehenden Systemes sind, die auch selb-
ständig (und als unter a einzig mögliche) abgegeben werden konnten, und
deren additive Kombinationen mit denen der andern Kolonne nun allein noch
zu ermitteln sein werden.


Wären letztere von jenen unabhängig, so wäre die gesuchte Zahl der
Aussagen jetzt wieder ganz einfach gefunden in Gestalt von
19 × 19 — 1 = 360.


Das sind sie aber (in ihren ersten Gliedern) augenscheinlich nicht, und
darum ist auch diese Zahl wieder nur als eine „obere Grenze“ für die ge-
suchte zu betrachten, diesmal aber als eine der Wahrheit näher kommende
„schärfere“ oder „bessere“ Grenze.


Es scheint abermals nichts übrig zu bleiben, als dass man wirklich
die 19 Fälle rechts je mit den 19 Fällen links in der Kolonne additiv
durchkombinire und diejenigen Aussagen herausschreibe, welche auf eine
frühere nicht zurückkommen.


Sofern es auf eine Ermittelung der fraglichen Aussagen selbst mit-
ankommt, dürfte dies in der That das beste sein. Sofern es aber blos auf
die Ermittelung ihrer Anzahl ankäme, kann man noch fast zwei Drittel der
Arbeit sparen durch Rücksichtnahme auf die Symmetrie der Aufgabe.


Wenn nämlich z. B. a c mit den 19 Fällen der ersten Kolumne additiv
kombinirt nur 13 neue Aussagen liefert, so muss dasselbe auch mit a b und
mit a l der Fall sein, und diese müssen alle durch ihr erstes Glied oder
das System der darauf folgenden Glieder sich unterscheiden. Ebenso wegen
der Symmetrie hinsichtlich c, b, l braucht man nur zu konstatiren, dass
a c b an neuen Aussagen*) 5, darnach
a (c + b) 10, a (c b + l) 4, a l (c + b) 2, a (c + b + l) 8
und a (c b + c l + b l) 1 (eine) durch seine additive Kombination mit den
Aussagen der ersten Kolumne liefert. Die Nullaussage der einen Kolumne
gibt mit den Aussagen der andern verknüpft je 18 zulässige Aussagen;
ebenso aber auch die Aussage a der letzten Kolumne mit denjenigen der
erstern. Sonach ergibt sich die gesuchte Anzahl als:
3 × (18 + 13 + 5 + 10 + 4 + 2) + 8 + 1 = 165,
wobei, wie sich dies gehört, die absurde Aussage nicht eingerechnet worden,
indessen auch die nichtssagende oder leere Aussage nicht auftritt, mit
welcher letztern zusammen wir 166 Aussagen hätten.


So gross ist also die Anzahl der Urteile, welche eine Logik, die sich
11*
[164]Achtzehnte Vorlesung.
nur in universalen Urteilen bewegen darf, über zwei Klassen oder Begriffe
A, B zu fällen vermag.


Wurde hienach durch die Zulassung auch partikularer Urteilsformen
die Menge der „einfachen“ Urteile von 14 auf 75 (res. von 15 auf 76) und
die der Urteile überhaupt von 166 auf 32 767 erhöht, so erweiterte sich
also durch den genannten Prozess, welcher die Logik von ihrer ersten
Etappe auf die zweite erhob, der Bereich der abgebbaren Aussagen jener
Art auf mehr als das Fünffache, und der der abgebbaren Aussagen über-
haupt auf mehr als das 197-fache!


So schon, wenn nur zwei Klassen in Betracht gezogen werden. Mit
Bezug auf Urteile über drei oder mehr Klassen würden natürlich diese Ver-
hältnisszahlen sich noch rapide steigern.


Wir wollen indess die 165 in universalen Urteilen möglichen Aus-
sagen selber im Überblick angeben und zwar (so elegant es uns möglich)
ausgedrückt in den 4 primitiven Symbolen a, c, b, l und unter Zusammen-
stellung aller derer, die aussagenrechnerisch als vom selben Typus er-
scheinen. Zur Kontrole ist die Anzahl der Repräsentanten eines jeden
Typus auch leicht vom Mathematiker a priori zu ermitteln.


Die einander dual entsprechenden „Typen“ sollen durch den Mittel-
strich getrennt nebeneinander gestellt und als ein und derselbe „Haupt-
typus“
angesehen werden.


Vier von den Typen sind als sich selber dual entsprechende zugleich
Haupttypen und werden an der durchgehenden Schreibung (unter Fehlen
des Mittelstriches) zu erkennen sein. Von einem der übrigen Haupttypen
(an sich dem fünften) die sich demnach in zwei Typen spalten, wird nur
der eine Typus in dem Tablean vertreten sein, indem sein duales Gegen-
stück auf die absurde Aussage hinausläuft.


Im ganzen sind es (27 resp.) 26 Typen, welche 16 Haupttypen kon-
stituiren und entsprechend der unten gegebenen Zusammenstellung aus
4 + 2 × 6 + 2 × 4 + 2 × 12 + 1 + 2 × 4 + 2 × 12 + 2 × 6 + 2 × 3 +
+ 4 + 12 + 2 × 12 + 2 × 4 + 2 × 6 + 4 + 2 × 1 = 165

Ausdrücken bestehen.


XXVII0. Tafel der als universale möglichen Urteile.


a, c, b, l
a c, a b, a l, c b, c l, b la + c, a + b, a + l, c + b, c + l, b + l
a c b, a c l, a b l, c b la + c + b, a + c + l, a + b + l, c + b + l
a + c b, a + c l, a + b la (c + b), a (c + l), a (b + l)
a c + b, a c + l, a b + c(a + c) b, (a + c) l, (a + b) c
a b + l, a l + c, a l + b(a + b) l, (a + l) c, (a + l) b
c + b l, b + c l, l + b cc (b + l), b (c + l), l (b + c)
(a c b l = 0)a + c + b + l
a (c + b + l),a + c b l,
(a + c + b) l,a c b + l,
(a + c + l) b,a c l + b,
(a + b + l) ca b l + c
a (c + b l), a (b + c l), a (l + c b)a + c (b + l), a + b (c + l), a + l (c + b),
(a + c b) l, (a + c l) b, (a + b l) ca (c + b) + l, a (c + l) + b, a (b + l) + c,
(a c + b) l, (a c + l) b, (a b + c) l(a + c) b + l, (a + c) l + b, (a + b) c + l,
(a b + l) c, (a l + c) b, (a l + b) c(a + b) l + c, (a + l) c + b, (a + l) b + c
a c (b + l), a b (c + l), a l (c + b)a + c + b l, a + b + c l, a + l + c b
(a + c) b l, (a + b) c l, (a + l) c ba c + b + l, a c + c + l, a l + c + b
(a + c) (b + l), (a + b) (c + l), (a + l) (c + b)a c + b l, a b + c l, a l + c b
a (c + b) + c b, a (c + l) + c l, a (b + l) + b l, c b + b l + l c
a (c + b) + c l, a (c + b) + b l, a (c + l) + c b, a (c + l) + b l, a (b + l) + c b, a (b + l) + c l
a c + c b + b l, a c + c l + l b, a b + b c + c l, a b + b l + l c, a l + l c + c b, a l + l b + b c
a (c + b) + c b l,a (c + b + l) + c b,
a (c + l) + c b l,a (c + b + l) + e l,
a (b + l) + c b l,a (c + b + l) + b l,
a c b + (c + b) l,(a + c + b) l + c b,
a c l + (c + l) b,(a + c + l) b + c l,
a b l + (b + l) c,(a + b + l) c + b l,
a (c + b l) + c b,a (c + b) + (b + l) c,
a (c + b l) + c l,a (c + l) + (b + l) c,
a (b + c l) + c b,a (c + b) + (c + l) b,
a (b + c l) + b l,a (b + l) + (c + l) b,
a (l + c b) + c l,a (c + l) + (c + b) l,
a (l + c b) + b la (b + l) + (c + b) l
a (c b + b l + l c),a + c b + b l + l c,
a c (b + l) + c b l,a (b + l) + c + b l,
a b (c + l) + c b l,a (c + l) + b + c l,
a l (c + b) + c b la (c + b) + l + c b
a c (b + l) + b la (b + l) + c b + b l + l c
a b (c + l) + c la (c + l) + c b + b l + l c
a l (c + b) + c ba (c + b) + c b + b l + l c
a (c + b l) + c b la (c + b + l) + (b + l) c
a (b + c l) + c b la (c + b + l) + (c + l) b
a (l + c b) + c b la (c + b + l) + (c + b) l
a (c + b + l) + c b l, a (c + b l) + (b + l) c, a (b + c l) + (c + l) b, a (l + c b) + (c + b) l
a (c b + b l + l c) + c b la (c + b + l) + c b + b l + l c

Dass die 165 Ausdrücke der vorstehenden Tafel „in Hinsicht der
Multiplikation sowol als der Addition“ eine Gruppe bilden, nämlich dass
mittelst der beiden direkten Operationen des identischen Kalkuls durch Ver-
knüpfung irgendwelcher von ihnen kein Ausdruck gebildet werden kann, der
nicht einem unter ihnen identisch gleich sein müsste, ist oben zwar keines-
wegs mühelos erkannt worden.


Ohne Vergleich mühevoller dürfte es aber sein, diesen Nachweis der
erwähnten Gruppennatur unseres Systems von Ausdrücken direkt zu leisten,
indem man die Ausdrücke auf jede erdenkliche Weise zu zweien multi-
plizirte, desgleichen addirte. Dies würde 13 530 Operationen einer jeden
Sorte erfordern, von denen allerdings nach Konstatirung des im System
vorliegenden Dualismus die eine Sorte unterbleiben könnte, und die Menge
erforderlicher Operationen der andern Sorte durch Rücksichtnahme auf die
Symmetrie sich noch weiter reduziren lassen würde. Nicht ganz so hoff-
nungslos dürfte allerdings ein systematisches Interaddiren sein, angewendet
auf die 14 monomischen Produkte, S. 159, und, mit Rücksicht auf deren
Symmetrie in drei Abteilungen, so geführt, dass jeder neu gewonnene Typus
sogleich permutando mit allen seinen Repräsentanten angesetzt und nur
(passiv) mit jenen zu dem Prozess des Interaddirens herangezogen würde.


Dass die Aussagen sämtlich verschieden sind wäre unter anderm leicht
durch ihre Zerfällung in die 5 Elementarfächer zu erkennen. Diese liest
sich jedesmal leicht aus der Tafel S. 162 heraus, indem man den a als
Faktor enthaltenden Term des Ausdrucks in der zweiten Kolumne derselben
aufsucht, den andern Term in der ersten Kolumne; dann hat man nur noch
des letztern erstes Glied rechterhand additiv zu vermehren um das in der
Zeile jenes erstern Terms darüber oder darunter stehende. —


„In Hinsicht der Negation“ bilden die 165 Ausdrücke keine Gruppe,
indem ihre Negationen sich sämtlich nicht in der Tafel vertreten finden.
Sie bilden also auch nicht eine „Gruppe“ schlechtweg, in dem Sinne, wie
dieser Begriff eingangs des Anhangs 6 in Bd. 1 erklärt worden — das
wäre: eine Gruppe „in Hinsicht aller drei Spezies des identischen Kalkuls“.


Schliesslich werde die Frage beantwortet, wie viele von den gefundenen
166 rein universalen Aussagen „zerfallen“, oder was auf dasselbe hinaus-
kommt, wie viele (und welche) von den weiter oben gefundenen 512 zer-
[167]§ 39. Die denkbaren Umfangsbeziehungen überhaupt.
fallenden Aussagen rein universaler Natur sind, nämlich behufs ihrer
Statuirung mit dem Subsumtions- oder Gleichheitszeichen auskommen, ohne
die Anwendung eines Ungleichheits- oder auch negirten Subsumtionszeichens
zu erfordern, durch welche letztere ja sich uns stets partikulare Urteile
charakterisirten.


Die fraglichen „universalen zerfallenden“ Aussagen werden am besten
wol wieder a priori aufgesucht.


Sie sind aus den Symbolen:
0, 1, h, k, m, n
lediglich durch Multiplikation und Addition — unter Ausschluss jedoch der
Negation — aufzubauen, und kommt es also darauf an, die Symbole dieser
Reihe zu einer „Gruppe“ in Hinsicht blos jener beiden direkten Spezies zu
ergänzen.


Dies mag kunstlos wie folgt geschehen.


Wegen h m = 0 und k n = 0 treten als multiplikative Kombinationen
blos die vier binären (oder Binionen) hinzu:
h k, h n, k m, m n
während Ternionen und höhere multiplikative Kombinationen nicht vor-
kommen. In Hinsicht der Multiplikation allein bilden also die bisherigen
zehn Symbole bereits eine Gruppe, und sind zu einer solchen auch in Hin-
sicht der Addition nur mehr durch „Interaddiren“ noch zu ergänzen, wobei
die Elemente 0 und 1 beiseite gelassen werden mögen.


Nun sieht man unschwer, dass von den aus den 8 übrigen Elementen
durch Addition zu bildenden
= 28 Amben, = 56 Ternen, = 70 Quaternen
bezüglich 8, 40 und 68 auf Grund der Tautologie und Absorptionsgesetze
in Wegfall kommen, nämlich nichts Neues liefern, m. a. W. auf frühere
additive Kombinationen hinauslaufen müssen, mithin in der That nur hinzu-
kommen werden die
20 Amben:
h + k, h + m, h + n, k + m, k + n, m + n; h + k m, h + m n, h n + k, k + m n,
h k + m, h n + m, h k + n, k m + n; h (k + n), (h + m) k, h k + m n, h n + k m,
(h + m) n, (k + n) m,
16 Ternen:
h + k + m, h + k + n, h + m + n, h + k + m n, h + k m + n, h + (k + n) m,
k + m + n, h n + k + m, (h + m) n + k, h k + m + n, h (k + n) + m, (h + m) k + n;
h k + h n + k m, h k + h n + m n, h k + k m + m n, h n + k m + m n,
2 Quaternen:
h + k + m + n, (h + m) (k + n),

während höhere additive Kombinationen zu fünf oder mehrern zwischen
obigen acht monomischen Aussagen nicht in Betracht kommen können.


[168]Achtzehnte Vorlesung.

Bei Einrechnung der identischen und Ausschluss der absurden Aussage
gibt also die Zahl:
1 + 8 + 20 + 16 + 2 = 47
die Antwort auf die gestellte Frage. —


Nachdem freilich Tafel XXVII0 gewonnen ist, lässt sich die Frage am
allerbequemsten erledigen, indem man diejenigen von den 165 Ausdrücken
der Tafel aufsucht, welche lediglich (vergl. h, k, m, n in XVII0) aus den
acht Monomen a c, a b, c l, b l, a c b, a c l, a b l, c b l additiv aufgebaut er-
scheinen. Man findet deren bezüglich 12, 29 und 5 auf den drei Seiten
über die sich die Tafel erstreckt.


Nach diesem Exkurse wenden wir uns nunmehr dem allgemeineren
Probleme zu.


Problem. Gesucht die Anzahl der inhaltlich verschiedenen Urteile
(Aussagen), welche die formale Logik zu fällen (abzugeben) vermag über
n Begriffe
(Klassen).


Nach Herrn Peano1 lautet die Lösung:
.


Für*)n = 1 berechnet sich dies zu:
,
und in der That sind folgende sieben:
0 = 0, A = 0, A = 1, A ≠ 0, A ≠ 1, (A = 0) + (A = 1), (A ≠ 0) (A ≠ 1)
die über eine Klasse A ausschliesslich fällbaren Urteile, deren letzte
sechs jedoch auch in den bezüglich äquivalenten Formen statuirt werden
könnten:
A1 = 1, A1 = 0, A1 ≠ 1, A1 ≠ 0, (A1 = 1) + (A1 = 0), (A1 ≠ 1) (A1 ≠ 0),
(A = 0) + (A1 = 0), (A ≠ 0) (A1 ≠ 0),
(A1 = 1) + (A = 1), (A1 ≠ 1) (A ≠ 1).


Um jenes nachzuweisen, braucht man sich blos davon zu über-
zeugen, dass (in unsrer früheren Bezeichnung) die sieben Aussagen
1߭, h, m, h1, m1, h + m, h1m1
zusammen mit der unzulässigen weil absurden Aussage 0 eine „Gruppe“
bilden, und gelingt dieser Nachweis leicht bei Berücksichtigung der in
Tafel XV0 schon mit aufgeführten Hülfssätze:
h m = 0, h m1 = h, h1m = m, h + m1 = m1, h1 + m = h1, h1 + m1 = 1߭
[169]§ 39. Die möglichen Aussagen über n Klassen.
welche übrigens sämtlich nur als Umschreibungen der ersten un-
mittelbar einleuchtenden Inkonsistenz nämlich (A = 0) (A = 1) = 0
erscheinen.


Von vornherein, nämlich sofern Erwähnung jeder andern Klasse
neben A ausgeschlossen, verboten ist, lassen sich als „primitive“
Urteile über A offenbar nur solche Aussagen hinstellen, in welchen
behauptet erscheint, dass A (oder A1) gleich, oder ungleich, 0 oder 1
ist. Und aus diesen (scheinbar 8, wirklich 4) primitiven müssen alle
erdenklichen Aussagen sich mittelst der drei Spezies des Aussagen-
kalkuls alsdann zusammensetzen. Damit treten aber, wie erkannt, zu
ihnen nur noch zweie ausser der nichtssagenden oder identischen Aus-
sage 1߭ hinzu, und ist die Peano’sche Zahl erwiesen.


Die vier primitiven Aussagen h, m, h1, m1 würden in Worten sich
etwa wie folgt darstellen:


  • h = (A = 0) = Es gibt keine A = Nichts ist A;
  • m = (A = 1) = Es gibt nichts, was nicht A wäre = Alles ist A;
  • h1 = (A ≠ 0) = Es gibt A = Etwas (Einiges) ist A;
  • m1 = (A ≠ 1) = Es gibt Nicht-A’s = Nicht alles ist A = Etwas ist nicht A.

Und darnach sind auch leicht die beiden abgeleiteten Urteile h1m1
und h + m in Worte zu kleiden.


Von jenen vier primitiven Aussagen sind aber zweie die Negation
der beiden andern. Jede Aussage über A allein kann also nur eine
Funktion im identischen Kalkul f (h, m) dieser beiden Argumente sein,
und lässt sich nach diesen entwickelt annehmen.


Die Gesamtheit 1߭ aller Möglichkeiten nach denselben Argumenten
h, m entwickelt zerfällt aber nur in die drei Konstituenten:
1߭ = h m1 + h1m + h1m1
sintemal h m = 0 sein, der erste Konstituent des allgemeinen Entwicke-
lungsschema’s also verschwinden muss.


Von diesen drei Konstituenten (wo die 3 augenscheinlich entstand
aus 22 — 1) kann in unsrer Entwickelung von f (h, m) ein jeder nur
entweder mit dem Koeffizienten 0 oder aber mit dem 1߭ auftreten.
Somit erhalten wir
2 × 2 × 2 = 23 = 8
Möglichkeiten. Von diesen ist jedoch die eine auszuschliessen, bei
welcher alle drei Konstituenten mit dem Koeffizienten 0 behaftet
[170]Achtzehnte Vorlesung.
wären, mithin die Behauptung: f (h, m) gilt, also f (h, m) = 1߭, auf die
Absurdität 0 = 1߭ hinauslaufen würde. Die gesuchte Anzahl muss
darnach gleich 8 — 1 oder 7 sein.


Dies war ein zweiter und vielleicht der direkteste Weg, zu Peano’s
Anzahl zu gelangen — womit sich der erste Unterfall des allgemeinen
Problems erledigte.


Für n = 2 erhalten wir nach Peano’s Formel:
als die Anzahl der über zwei Begriffe A, B abgebbaren Aussagen —
in Übereinstimmung mit dem schon oben von uns Gefundenen.


Um dieses Ergebniss nunmehr auch auf dem kürzesten Wege ab-
zuleiten, will ich bei dem hohen Interesse, welches das Problem zu
bieten scheint, über dasselbe gewissermassen einen selbständigen Vor-
trag halten (ohne auf früheres dabei Bezug zu nehmen).


Als Ausdrucksmittel, über welche wir Verfügung haben, setze ich
die gewöhnlichen voraus, aus welchen die schulmässige Logik die
Prämissen und Konklusionen ihrer (einfachen kategorischen) Syllogis-
men schmiedet. Diese Ausdrucksmittel erscheinen sämtlich in dem
Satzfragmente vertreten:
Alle oder einige A sind nicht B, und … “


Wir verfügen über die Kopula „sind“ (oder „ist“), über die Binde-
wörter, Konjunktionen „und“ und „oder“, und über die Verneinungs-
partikel „nicht“, endlich über die unbestimmten (adjektivischen) Zahl-
wörter oder numeralen Adjektive „alle“ sowie „einige“.


Bestimmte Zahlwörter hingegen sind natürlich auszuschliessen, ansonst
wir ja in Gestalt von:


Nur ein A ist B, Gerade zwei A sind B, Drei A sind B, etc.
ersichtlich eine unbegrenzte Menge von Aussagen oder Urteilen abzugeben
vermöchten.


Es sind mithin nur die obigen sechs Worte, auf deren Gebrauch
wir bei den in Frage kommenden Urteilen sollen angewiesen sein.


Nach Bd. 1, S. 353 sq. könnte sogar von den beiden Konjunktionen
irgend eine entbehrt werden, sodass wir zur Not schon mit fünf Worten
auskämen.


Sicherlich, wenn ein Unbefangener veranlasst würde, eine Vermutung
darüber niederzulegen, wie vielerlei Urteile sich mit diesem einfachen Wort-
vorrate über A und B wol fällen lassen möchten, so würde derselbe un-
geachtet vorgängiger Warnung die Zahl noch immer viel zu niedrig greifen!


[171]§ 39. Die möglichen Aussagen über n Klassen.

Gegenüber den Gepflogenheiten der Wortsprache gestatten wir
uns allerdings die Freiheit, die Verneinungspartikel auch beim Subjekt
des Urteils anzubringen, mithin auch Urteile zu bilden wie dieses:
Alle Nicht-A sind B („Quali-fikation des Subjektes“! — der sogenannten
„Quantifikation des Prädikates“ dagegen mögen wir entraten).


Wir sind darnach im stande, über A und B zunächst die acht
De Morgan’schen Urteile zu statuiren:
a = (A B = 0), b = (A1B = 0), c = (A B1 = 0), l = (A1B1 = 0),
a1 = (A B ≠ 0), b1 = (A1B ≠ 0), c1 = A B1 ≠ 0), l1 = (A1B1 ≠ 0),
und sei erinnert, dass in Worten lautet:
a = (Alle A sind nicht B), a1 = (Einige A sind B),
woraus nun aber die andern Urteile hervorgehen werden mittelst Er-
setzung von A durch A1, oder nicht-A, ev. von B durch B1, d. h.
nicht-B, und ersichtlich wird, dass wirklich durchaus mit unsern sechs
Worten auszukommen ist.


Dabei bleiben schon Vereinfachungen unbenommen, wie man denn
z. B. c sprechen wird = (Alle A sind B) nämlich „nicht nicht-B“, etc.


Sozusagen als ein verfügbarer Luxus steht uns übrigens alsbald eine
viel grössere copia verborum und Fülle von Ausdrucksweisen zu Gebote.


So mag a auch = (Kein A ist B) gesprochen werden, und neben
„alle“ und „einige“ verfügen wir auch über das numerale Adjektiv „keine“.


Ferner mag c = (Jedes A ist B) lauten, etc.


Auch stehen uns schon bejahende sowol als verneinende Existenzial-
urteile zu Gebote. So wäre die Aussage: (Nichts ist A), = (Es gibt keine
A) äquivalent der als simultane zusammengesetzten Aussage: (Alle A sind
B) und zugleich (Kein A ist B, sive: Alle A sind nicht B); wogegen die
Aussage: (Es gibt A) = (Etwas ist A) auf die Alternative von De Mor-
gan’
schen Urteilen hinausliefe: Entweder „einige A sind Boder „einige A
sind nicht B“ — wobei das „zugleich“ sowie das „entweder“ blos rheto-
rische Verzierung. Wir verfügen somit auch schon über „nichts“, etwas und
„alles“. „Alles ist A“ käme hinaus auf „Nichts ist nicht-A“. Etc. Wir
verfügten, falls wir wollten, auch über das Relativpronomen, könnten reden
von den A, welche B sind, z. B. a1 übersetzen mit: Es gibt A, die B sind.
Etc. Mit „und“ zugleich wird uns „sowol als auch“, mit „entweder ‥ oder“
wird uns mittelst Verneinung auch „weder ‥ noch“ gegeben erscheinen. Etc.
Doch dies nur nebenbei.


Wir brauchen nun blos zu untersuchen, wie vielerlei Aussagen
sich mittelst der Partikeln „und“, „oder“ (und „nicht“, die aber schon
entbehrt werden könnte) aus den acht De Morgan’schen Urteilen
aufbauen lassen, so werden wir eine Zahl erhalten, die jedenfalls nicht
grösser sein kann, als die gesuchte Anzahl der überhaupt erdenklichen
[172]Achtzehnte Vorlesung.
Aussagen über A und B. Dieselbe kann aber auch nicht kleiner sein,
als diese gesuchte Anzahl, sofern sich zeigen lässt, dass jede erdenk-
liche Aussage über A oder B sich als eine Funktion
F (a, b, c, l)
des Aussagenkalkuls aus den vier primitiven De Morgan’s muss zu-
sammensetzen lassen.


In der That ist ein jedes kategorische Urteil über A und B ent-
weder ein universales und dann durch eine Gleichung, oder es ist ein
partikulares und dann durch eine Ungleichung mit der rechten Seite 0
darstellbar. Und andre als kategorische Urteile können wir mit
unserm Wort-Kapitale zunächst nicht bilden; aus solchen erst, als
Elementen, werden hernach auch mittelst der Bindewörter „oder“ und
„und“ sich zusammengesetzte Aussagen ableiten lassen, die als dis-
junktive Urteile oder Alternativen resp. als simultane Aussagen, Aus-
sagensysteme sich hinstellen lassen.


Die Negation an Aussagen kann ausser Betracht bleiben, indem sie
an einer zusammengesetzten Aussage sich allemal „ausführen“ lässt, wo-
durch Summen in Produkte, sowie umgekehrt, gemäss Th. 36) übergehen;
indem sie ferner an den als Elemente einer solchen auftretenden kategori-
schen Urteilen ausgeführt, lediglich bewirkt, dass die universalen in parti-
kulare, und diese in jene sich umwandeln.


Solche elementare Aussage nun, geschrieben als Gleichung oder
Ungleichung mit der rechten Seite 0, wird als Polynom linkerhand
einen Ausdruck aufweisen, der als eine Funktion (identischen Kalkuls)
von den Argumenten A und B, somit als f (A, B) zu bezeichnen ist,
nämlich aus diesen Argumenten ganz und gar mittelst der Partikeln
und, oder, nicht“ sich aufbaut*), m. a. W. aus A, B, A1, B1, blos mit
den beiden ersten von diesen Partikeln.


Jenes Polynom f (A, B) kann nach den Argumenten „entwickelt“
werden, und setzt sich aus irgendwelchen von den Konstituenten der 1:
1 = A B + A B1 + A1B + A1B1
notwendig additiv zusammen — indess (bei Gleichung) nicht aus allen
vieren, weil die Gleichung f = 0 dann auf 1 = 0 hinausliefe (auch
[173]§ 39. Die möglichen Aussagen über n Klassen.
bei Ungleichung im Grunde nicht, weil in solchem Falle die Aussage
als 1 ≠ 0 eine nichtssagende würde und als simultan abgegebne zu
unterdrücken wäre etc.). Nach den auch auf drei Terme α, β, γ zu
verallgemeinernden Schemata (die irgend welche von unsern 4 Kon-
stituenten rechts repräsentiren sollen):
(α + β = 0) = (α = 0) (β = 0), (α + β ≠ 0) = (α ≠ 0) + (β ≠ 0)
liefe also die Aussage f = 0 sowol wie die f ≠ 0 auf lauter „primi-
tive“ oder De Morgan’sche Urteile hinaus. Und jede Funktion von
solchen Produkten oder Summen De Morgan’scher Urteile muss
wiederum eine Funktion auch von diesen Urteilen selbst sein, d. h.
wir haben F (a, b, c, l) als die allgemeinste Aussage, wie oben be-
hauptet worden.


Diese Funktion F können wir uns ihrerseits wieder nach ihren
vier Argumenten a, b, c, l entwickelt denken. Die Entwickelung prä-
sentirt sich als irgend eine additive Kombination gebildet aus den
Konstituenten der Entwickelung der 1߭ des Aussagenkalkuls, welche
ja alle erdenklichen Gelegenheiten zu einer Aussage in eine Klasse
zusammenfasste, sie vereinigte zu der Klasse der überhaupt möglichen
Fälle. Von den 24 = 16 Konstituenten dieser Entwickelung ver-
schwindet aber der erste. Wir haben die Inkonsistenz:
a b c l = 0
weil, wie schon S. 138 ausgeführt, die gleichzeitige Geltung der vier
linkseitigen Faktoraussagen die Forderung 1 = 0 involviren würde.


Und somit haben wir:
1 = a b c l1 + a b c1l + a b c1l1 + a b1c l + a b1c l1 + a b1c1l + a b1c1l1 +
+ a1b c l + a1b c l1 + a1b c1l + a1b c1l1 + a1b1c l + a1b1c l1 + a1b1c1l + a1b1c1l1

Jeder von diesen 24 — 1 = 15 Konstituenten ist in der Entwickelung
unsrer Aussage F (a, b, c, l) = 1߭ entweder gar nicht oder ganz als
Glied vertreten, nur können nicht sämtliche Konstituenten darin den
Koeffizienten 0 haben, weil sonst die Aussage auf 0 = 1߭ hinauskäme.
Wir haben also an möglichen Bildungsweisen des F diese
,
wovon die erwähnte letzte in Abzug zu bringen ist, und 215 — 1 als
die hiermit gefundene Anzahl der über A und B abgebbaren Aus-
sagen bleibt.


Unter Festhalten der Reihenfolge obiger 15 Konstituenten könnte man
[174]Achtzehnte Vorlesung.
die Koeffizienten 0 und 1, mit denen behaftet sie in der Entwickelung
unsres Aussagenpolynoms F auftreten, jeweils zu einer fünfzehnstelligen
dyadischen Systemzahl zusammenstellen, und würden so alle 215 = 32 768
überhaupt denkbaren Aussagen eine bestimmte Reihenfolge erhalten, wobei
die erste derselben mit der Nummer 0̅0̅0̅ …̅ 0̅0̅, als absurde, unzulässig,
die letzte 1̅1̅1̅ …̅ 1̅1̅, als identische, selbstverständlich zu nennen wäre —
wie dies schon Herr Franklin1 bemerkte.


Auf diese Weise würde ihre Mannigfaltigkeit sich aber doch bei
weitem nicht so gut übersehen lassen, als bei unsrer früheren Anordnung
derselben. —


Zum Schluss dieser Betrachtung noch ein paar Bemerkungen.


Von Interesse ist noch die Frage nach Zahl und Art der Typen, in
welche unsre 32 767 Aussagen sich einordnen.


Vom Typus einer solchen kann man in zweierlei Hinsicht reden:
„aussagenrechnerisch“ indem man gleichen Typus allen den Aussagen zu-
schreibt, welche durch Vertauschungen unter den acht De Morgan’schen
Urteilen a, b, ‥ l1 in einander übergeführt werden können. [Diese Frage,
die vom geringeren Interesse, dürfte unschwer im Anschluss an Clifford’s
Untersuchungsergebnisse in Bd. 1, Anhang 6 zu beantworten sein.] Zweitens
„klassenrechnerisch“, indem man zum selben Typus nur diejenigen Aus-
sagen zählt, welche durch Vertauschungen unter den Klassensymbolen A,
B, A1, B1 in einander überführbar sind. Hiernach müssten schon a1, b1,
c1, l1 als partikulare Urteile unter einem ganz andern Typus rangiren als
wie die universalen a, b, c, l.


Vor allem wäre hier in Rücksicht zu ziehen, dass die folgenden fünf
Systeme von Vertauschungen „gestattet“ erscheinen, nämlich die ganze
Aussagengruppe nur in sich selbst transformiren:

1)(A, A1) (a, b) (c, l)4)(A, B) (b, c)
(a1, b1) (c1, l1)(A1, B1) (b1, c1)
2)(B, B1) (a, c) (b, l)5)(A, B1) (a, l)
(a1, c1) (b1, l1)(B, A1) (a1, l1)
3)(A, A1) (B, B1) (a, l) (b, c)
(a1, l1) (b1, c1)

Darnach wäre leicht darzuthun, dass z. B. bei einer „Aushebung“ (die
bei Clifford den einen Typus der monomischen Aussage lieferte) sich be-
reits fünferlei Typen mit 4 + (4 + 2) + 4 + 1 = 15 Formen ergeben, die
wir je in einer Zeile zusammenstellen:

1. Typ.a1b c l, a b1c l, a b c1l, a b c l1;
2. Typ.a1b1c l, a1b c1l, a b1c l1, a b c1l1;
3. Typ.a1b c l1, a b1c1l;
4. Typ.a b1c1l1, a1b c1l1, a1b1c l1, a1b1c1l;
5. Typ.a1b1c1l1.
[175]§ 39. Peano’s Anzahl der Aussagen über n Klassen.

Wie viele Typen gibt es nun aber bei zwei, und mehr (bis zu 14)
Aushebungen, und wie viele im Ganzen? Hier signalisirt sich wiederum
ein Problem, bei dem die Lösung noch schwieriger sein dürfte als bei dem
von Clifford behandelten und auf das auch schon Miss Ladd1 p. 67
hinweist. —


Fasste man den Begriff des sog. „einfachen Syllogismus“ so weit, wie
erdenklich, so würde eine vollständige Syllogistik nunmehr die Aufgabe
haben, aus einem jeden von den 32 767 Urteilen die über A und B ge-
fällt werden können, in Verbindung mit einem jeden von den 32 767 Ur-
teilen, die (ebenso) über B und C sich fällen lassen, den „Mittelbegriff“
B zu eliminiren somit die Konklusion aufzusuchen, welche aus solchen zwei
Prämissen in Bezug auf A und C eventuell fliesst, sofern nämlich diese
Prämissen nur überhaupt eine gültige (von B unabhängige) Folgerung zu
ziehen gestatten (yield).


Von diesen 32 7672 = 1 073 676 289 Untersuchungen würden aber
nur 32 767 × 16 384 = 536 854 528 in der Hinsicht unter sich ver-
schieden sein, dass sie nicht durch blosse Vertauschung von A und C auf
andere von ihnen zurückkommen, und auch diese Zahl liesse sich noch
wegen Vertauschbarkeit von B und B1 auf etwas mehr als die Hälfte
reduziren.


In dem Umstand, dass die Bewältigung einer solchen Menge von Auf-
gaben doch nicht mehr praktikabel sein würde, liegt für uns eine Mahnung,
uns nicht in Einzeluntersuchungen zu verlieren, vielmehr bald darauf aus-
zugehen, die Methoden des Schliessens ganz allgemein weiterzuentwickeln.


Um nunmehr allgemein Peano’s Formel abzuleiten, die Anzahl
der über n Begriffe A, B, C … abgebbaren Aussagen zu ermitteln,
wollen wir die allgemeinsten Überlegungen gelegentlich durch den
Hinblick auf den Fall n = 3 noch besonders illustriren, wo A, B, C
die gegebenen Begriffsumfänge oder Klassen sein werden.


Jede erdenkliche Aussage, sofern sie sich aus einfacheren Aus-
sagen zusammensetzt, kann ganz aus Gleichungen nebst Verneinungen
solcher, als Ungleichungen, aussagenrechnerisch aufgebaut werden.


Eine Gleichung, in welche die Klassen A, B, C, … eingehen,
hätte allgemein die Form:
φ (A, B, C, …) = ψ (A, B, C, …);
sie kann aber rechterhand auf Null gebracht werden, wonach sie
lauten wird:
f (A, B, C, …) = 0,
wo wie φ, ψ, so auch f irgend welche Funktion — nach dem im iden-
tischen Kalkul gültigen Funktionsbegriffe — sein wird. Und bei der
Verneinung einer solchen Gleichung tritt nur das Ungleichheits-
zeichen ≠ an die Stelle ihres Gleichheitszeichens.


[176]Achtzehnte Vorlesung.

Das „Polynom“ einer solchen Gleichung oder Ungleichung ist irgend
ein Element der „Gruppe“ G (A, B, C, …) als deren Elementezahl wir in
Bd. 1, Anhaug 6 die Zahl 2n gefunden haben. Es kann daher auch nur 2n
solcher Gleichungen geben, von welchen jedoch die absurde 1 = 0 in Ab-
zug zu bringen wäre, desgleichen sind 2n Ungleichungen denkbar, von
welchen die Verneinung der absurden als nichtssagende zulässig bleibt.
Indessen soll von diesen Ergebnissen hier gar kein Gebrauch gemacht
werden.


Die linke Seite unsrer rechts auf 0 gebrachten Gleichung oder
Ungleichung kann nach ihren n Argumenten A, B, C, … „entwickelt“
gedacht werden. Da von andern Klassen als ebendiesen nicht ge-
sprochen werden durfte, so können als Koeffizienten in gedachter Ent-
wickelung nur mehr 0 und 1 auftreten. Das heisst: unser Polynom
f (A, B, C, …), oder f, setzt sich additiv zusammen aus irgend welchen
(nur bei der Gleichung nicht gerade sämtlichen) Konstituenten der
Entwickelung der identischen Eins nach denselben Argumenten, welche
lautet:
1 = A B C ‥ + … + A1B1C1
und wie bekannt 2n Glieder besitzt.


Sind a, b, c, d, … die zu f zusammentretenden Glieder, sodass
f = a + b + c + d + …, so lässt sich aber nach Th. 24+) die Gleichung
f = 0 zerspalten in das Produkt (System) einfacherer Gleichungen:
(f = 0) = (a = 0) (b = 0) (c = 0) (d = 0) …
und demgemäss lässt auch nach Th. 3̅2̅) und 3̅6̅) die Ungleichung
f ≠ 0 sich zerlegen in die Summe (Alternative) von einfacheren Un-
gleichungen:
(f ≠ 0) = (a ≠ 0) + (b ≠ 0) + (c ≠ 0) + (d ≠ 0) + …


Jede Funktion von lauter irgendwie gebildet gewesenen Glei-
chungen und Ungleichungen wird also auch sein: eine Funktion von
diesen einfacheren Gleichungen und Ungleichungen, und nur von
diesen — die sich ergeben, indem man die 2n Konstituenten obiger
Entwickelung (der 1) einzeln = resp. ≠ 0 setzt.


Diese einfacheren Propositionen wollen wir die „primitiven“ nennen
und mit α, β, γ, … α1, β1, … bezeichnen. Sie kommen (höchstens) in
der Anzahl zwei mal 2n in Betracht, stellen sich dar als 2n Aussagen
nebst deren (ebensovielen) Verneinungen, sodass wir häufig auch nur
von den 2n primitiven Aussagen α, β, γ, … reden mögen — ihre
Negationen als selbstverständlich dazu gehörige mit Stillschweigen
übergehend.


Für n = 3, wo 23 = 8, ist:
[177]§ 39. Peano’s Anzahl der Aussagen über n Klassen.
α = (A B C = 0), β = (A B C1 = 0), γ = (A B1C = 0), δ = (A B1C1 = 0),
ε = (A1B C = 0), ζ = (A1B C1 = 0), η = (A1B1C = 0), ϑ = (A1B1C1 = 0);
α1 = (A B C ≠ 0), β1 = (A B C1 ≠ 0), . . . . . . . . . . . .
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . ϑ1 = (A1B1C1 ≠ 0)
der vollständige Überblick derselben.


Unser Ergebniss war: Jede über die n Klassen A, B, C, … abgeb-
bare Aussage
, auch jedes erdenkliche System und jede Alternative von
solchen Aussagen, ist eine Funktion (im identischen Kalkul, in seiner
Anwendung als Aussagenkalkul) von den 2n primitiven Aussagen, und
nur von diesen
, aus denen sie ausschliesslich aufgebaut erscheint. Die
(Gesamt-) Aussage hat die Form:
F (α, β, γ, …).
Bei n = 3 ist sie mithin darstellbar durch
F (α, β, γ, δ, ε, ζ, η, ϑ).


Diese Funktion kann nach ihren 2n Argumenten „entwickelt“
werden. Die Entwickelung setzt sich zusammen aus irgendwelchen
Konstituenten, hervorgehoben aus der identischen Entwickelung der
Aussagen-Eins:
1߭ = α β γ δ ‥ + … + α1β1γ1δ1
nach ebendiesen Argumenten. Solche Entwickelung hat a priori
2m Glieder, wenn
m = 2n
die Zahl der Argumente vorstellte. Von diesen Gliedern ist aber das
erste aussagenrechnerisch gleich null, nämlich:
α β γ δ … = 0
eine Inkonsistenz, indem das gleichzeitige Erfülltsein der linkseitigen
Faktoraussagen stipuliren würde: das gleichzeitige Verschwinden sämt-
licher 2n Konstituenten jener Entwickelung der Klassen-Eins 1 nach
den n Argumenten A, B, C, …, mithin, da ihre Summe bekanntlich
eben gleich 1 ist, auf die absurde Forderung 1 = 0 hinausliefe.


Es wird also von unsern 2m Gliedern das erste zu unterdrücken
sein, und bleiben nur
r = 2m — 1
Konstituenten zur Summe 1߭ vereinigt stehen.


Unsre Funktion (Aussage) F kann nur sein eine additive Kombi-
nation von irgend welchen dieser r Glieder. Nicht nur weil in F
keine andern als die m primitiven Aussagen α, β, γ, … als Argumente
Schröder, Algebra der Logik. II. 12
[178]Achtzehnte Vorlesung.
oder Parameter des Funktionsausdrucks vorkamen, sondern auch schon
aus dem Grunde, weil im Aussagenkalkul bekanntlich alle Symbole
lediglich der Werte 0 oder 1߭ fähig sind, können als Koeffizienten in
der Entwickelung von F nur die beiden 0 und 1߭ auftreten. D. h.
jeder unsrer r Konstituenten ist in dieser Entwickelung entweder gar
nicht, oder ganz, als Summand vertreten; wir haben für jeden dieser
Konstituenten zwei Möglichkeiten, und können daher im Ganzen auf:
Arten die Funktion F zusammengesetzt denken.


Von diesen läuft aber eine auf die Aussagenabsurdität 1߭ = 0
hinaus, diejenige nämlich bei welcher alle unsre r Konstituenten un-
vertreten blieben, zum Koeffizienten 0 erhielten. Dann müsste näm-
lich auch F als deren Summe den Wert 0 haben; soferne aber F
ausgesagt, statuirt, als gültig hingestellt wird, hätten wir F = 1߭ an-
zuerkennen und gelangten so zu einem Widerspruche.


Die gesuchte Anzahl der zulässigen Aussagen ist hiermit:
2r — 1
und dies geht in Peano’s Ergebniss über*), wenn in den Ausdruck
die obigen Werte von r und m rückwärts eingesetzt, restituirt
werden; q. e. d.


Bei n = 3 ist m = 23 = 8 und:
1߭ = α β γ δ ε ζ η ϑ1 + α β γ δ ε ζ η1ϑ + α β γ δ ε ζ η1ϑ1 + … + α1β1γ1δ1ε1ζ1η1ϑ1
mit r = 28 — 1 = 255 Gliedern, und lassen sich
2255 — 1 = (rund) 57 896 × 1072
zulässige Bildungsweisen von F denken. Mithin gibt es über drei Begriffe
A
, B, C mehr als fünfzigsieben tausend Trillionen Quadrillionen (inhaltlich
verschiedene) fällbare Urteile.


Und über vier Klassen A, B, C, D lassen sich
verschiedene Aussagen abgeben, das sind ihrer so viele als eine Zahl an-
gibt, die sich mit 19 729 Ziffern schreibt — die drei ersten Ziffern sind
100 und folgt auf sie eine 2 oder 3. —


[[179]]

Neunzehnte Vorlesung.


§ 40. Umschau über die gelösten und noch zu lösende Probleme.
Mitchell’s allgemeine Form der gegebene Urteile zusammen-
fassenden Gesamtaussage.


Indem wir eine Rekapitulation gewisser früheren Sätze noch nahe-
liegend ergänzen, — so, wie es durch den Hinzutritt, behufs Mit-
einbeziehung, der Ungleichheitszeichen geboten erscheint — wollen
wir mit Miss Christine Ladd1 (nunmehr Frau Franklin) zunächst
folgende Theoreme des identischen Kalkuls hervorheben — wobei,
Raummangels halber, der Mittelstrich zu brechen ist:
α) .
In diesen sollen a, b wieder irgendwelche Gebiete vorstellen, und fakul-
tativ dürfen sie also selbst auch Aussagen bedeuten.


Die Theoreme links vom Strich, d. i. in den beiden ersten Zeilen
sind denen rechts oder in den zwei letzten Zeilen gebietsdual (nicht
aber aussagendual) entsprechend, und brauchen wir daher nur etwa
auf die letztern näher einzugehen.


Die erste rechts ist das bekannte Th. 24+); die zweite geht
daraus durch beiderseitiges Negiren (Kontraposition) gemäss Th. 3̅2̅)
und 3̅6̅×) hervor.


Die dritte sagt weiter nichts aus, als dass — nach Th. 22×) —
ein Produkt verschwinden muss, wenn einer seiner Faktoren ver-
schwindet; es drückt nämlich die linke Seite oder Prämisse der Aus-
sagensubsumtion: (a = 0) + (b = 0) die Annahme aus, dass entweder
a oder b für sich verschwinde (oder auch beide zusammen), wo dann
immer auch a b verschwinden muss, d. h. die Konklusion oder Be-
hauptung der Aussagensubsumtion, ihre rechte Seite, notwendig gilt;
12*
[180]Neunzehnte Vorlesung.
doch ist der Schluss nicht umkehrbar, indem, wie wir wissen, ein
Produkt a b auch verschwinden kann, ohne dass einer seiner Faktoren
0 wird — welche vielmehr nur disjunkt zu sein brauchen. Aus der
dritten Formel geht die vierte wiederum durch Kontraposition gemäss
Th. 3̅7̅) und 3̅6̅+) hervor.


Von zweien sind die sämtlichen Sätze α) leicht auf beliebig viele
Operationsglieder auszudehnen, wofür sie lauten:
β) ,
und wo die Summen- und Produktenzeichen sich über eine beliebige
Reihe von Gebietsymbolen a, a', a'', … erstrecken — nur: in einer
jeden Formel beiderseits über die nämliche Reihe.


Eine Gleichung kann man sich jederzeit rechts auf 0 gebracht
denken, oder auch, wenn man will, auf 1. Dasselbe gilt darnach auch
von einer Ungleichung. Vergl. die Theoreme 39) und 3̅2̅). Nach
letzterem, wenn z. B. (a = b) = (a b1 + a1b = 0) ist, muss ja auch:
(ab) = (a b1 + a1b ≠ 0) sein, etc.


Mit Rücksicht hierauf können wir nun sagen, dass die Theoreme
der ersten Zeile von α) oder β) lehren: Ein Produkt von Gleichungen
und eine Summe von Ungleichungen kann stets in eine einzige Gleichung
resp. Ungleichung (in eine Proposition der nämlichen Art) zusammen-
gezogen und durch diese ausreichend vertreten werden. Wir könnten
passend auch den Ausdruck wählen: eine „Konjunktion“ von Glei-
chungen und eine „Disjunktion“ von Ungleichungen.


Sind die Gleichungen resp. Ungleichungen etwa Voraussetzungen
eines Theorems oder Problems, Data, Prämissen, so wird das Produkt
(wie bekannt) ein System von simultan geltenden, koëxistirenden, gleich-
zeitig zu adoptirenden, die Summe aber ein System von alternativ
geltenden
Annahmen ausdrücken — das Wort „alternativ“ in dem
schon wiederholt erläuterten Sinne genommen. [Und ähnlich auch,
falls jene Behauptungen vorstellten.]


Also: simultane Gleichungen sowie alternative Ungleichungen lassen
je zu einer einzigen Relation derselben Sorte sich zusammenziehen.


Das Umgekehrte dagegen scheint nicht möglich zu sein.


Eine Summe von Gleichungen (alternative Gleichungen) oder ein
Produkt von Ungleichungen (simultane Ungleichungen) gestatten zwar
nach den Formeln der zweiten Zeile von α) oder β) einen Schluss
[181]§ 40. Umschau über gelöste und noch zu lösende Probleme.
von ihnen hin auf eine einzige Beziehung, resp. zu ihnen hin von einer
einzigen Beziehung derselben Sorte, welcher Schluss jedoch nachweis-
lich nicht umkehrbar ist, sodass keine Äquivalenz stattfindet.


Mit dieser Thatsache des Denkrechnens oder rechnenden Denkens
haben wir uns abzufinden; sie drückt unsern ferneren Untersuchungen
ein bestimmtes Gepräge auf.


Auf Grund derselben lässt sich nunmehr schon absehen, es lässt
sich darnach ermessen, welche Form — in Gestalt einer einzigen Glei-
chung oder Ungleichung des Aussagenkalkuls — den Daten eines
Problemes
allgemein gegeben werden kann.


Immer mögen wir voraussetzen, dass die Data eines gedachten
beliebigen Problems in Worten und Wortverknüpfungen oder Sätzen
darstellbar und dargestellt seien, sich also in Gestalt einer Reihe oder
Kette von Aussagen, Urteilen präsentiren — nennen wir sie das „Prä-
missensystem“ oder das „System der Data“!


Diese Voraussetzung wird man kaum als eine wirkliche Beschränkung
ansehen können. Sintemal die Wortsprache die ursprüngliche Form des
Gedankenvollzuges ist, dürfte, was in ihr überhaupt nicht ausdrückbar sein
sollte, geradezu als undenkbar zu bezeichnen sein. Wenigstens könnte
solches nicht zum Gegenstand einer gemeinsamen Betrachtung gemacht
werden — vergl. Bd. 1, S. 126. Die Ersetzbarkeit selbst einer Anschau-
ung eines Bildes, oder einer Abbildung, ja eines symphonischen Musik-
stücks mit allen Feinheiten seiner Klangwirkung, durch eine blos verbale
Beschreibung, erscheint allerdings als ein sehr gewagtes Postulat. Sie ist
aber wenigstens ein Ideal, welches wir beliebig nahe erreichen können —
wenn auch freilich nur mit einem ganz unverhältnissmässigen Aufwand von
Mühen. Vermöchten wir doch Figuren in der Fläche sowol als Gestalten
im Raume nötigenfalles mittelst Koordinaten zu fixiren, die Bestandteile
von Mischfarben durch Angabe ihrer Wellenlänge oder Stelle im Spektrum
zu beschreiben, desgleichen die Intensitäten von Licht und Schatten, Tem-
peratur, Dichte und Zusammensetzung der Materie, ihre Bewegung in Zahl
und Maass für jede Stelle im Raume auszudrücken, nicht minder, wie wir
die Fähigkeit besitzen Tonhöhen, Dauer und Intensität etc. genauer noch
als durch die gedruckten Noten mittelst Worten zu bestimmen. Weniger
weit ist die Sprache noch in der Hinsicht entwickelt, dass sie auch die
Eindrücke des Geruchs- oder Geschmacksinnes, Schmerzgefühle und Anderes,
ausreichend darzustellen vermöchte.


In letzter Instanz sollen nun die Aussagen unsres Prämissen-
systems lediglich Relationen zwischen Klassen einer (gewöhnlichen)
Mannigfaltigkeit, z. B. also Beziehungen zwischen Begriffsumfängen
(und damit, wenn man will auch zwischen Begriffen nach ihrem In-
halte betrachtet) konstatiren.


Diese hier zu machende Voraussetzung enthält formell eine wirk-
[182]Neunzehnte Vorlesung.
liche und sehr bedeutende Einschränkung der Klasse von Problemen,
auf welche unsere Methoden zunächst nur anwendbar sein werden.


Wie bedeutend diese Einschränkung ist wird in § 50 völlig deutlich
werden.


Einstweilen sei blos angeführt, dass wenn wir z. B. auch nur sprechen
wollen von der „Farbe eines (gewissen) Salzes“, wir genötigt sind, eine
Beziehung herzustellen und in’s Auge zu fassen zwischen dem Begriff der
Farbe und dem des Salzes (überhaupt, oder auch dieses bestimmten, ge-
dachten Salzes insbesondere), welche nicht aufgefasst werden kann als eine
Relation im Sinne der Paragraphen 32 bis 36 zwischen den Umfängen der
genannten Begriffe — eine Beziehung nämlich, allerdings wie gesagt zwischen
diesen Begriffen, welche eben aber keine Umfangsbeziehung ist, welche
durchaus nicht erscheint als eine Beziehung zwischen der Klasse der Farben
und der Klasse der (eventuell der erwähnten) Salze.


Dergleichen Beziehungen, wie sie namentlich durch den Genitivus, so-
wie auch vermittelst der Kasus überhaupt und der Präpositionen sprach-
lich ausgedrückt zu werden pflegen, fallen nicht ohne weiteres in das
Ressort des bisherigen identischen Kalkuls, und werden wir uns hier
der Notwendigkeit bewusst, auf die Logik der Umfangsbeziehungen (die
„logic of absolute terms“ nach De Morgan und Peirce’s Ausdrucks-
weise) folgen zu lassen eine Logik der Beziehungen überhaupt („logic of
relatives“).


Es sind in der That nur die alleräusserlichsten, sozusagen rohesten
Beziehungen — jene Relationen der citirten Paragraphen, die Relationen
zwischen Klassen — mit denen wir uns hier noch abgeben.


Aber sie erscheinen auch als die elementarsten Beziehungen; sie bilden
wenigstens den äussern Rahmen, in welchen sich das ganze Bild der Denk-
prozesse notwendig einordnet. Denn ist es auch behufs Aufbaues des Sub-
jekt- und Prädikatbegriffes selbst aus andern gegebenen Begriffen zumeist
erforderlich noch ganz andre Beziehungen, als wie blosse Umfangsbeziehungen,
zwischen den letzteren beizuziehen — wie beispielsweise die Beziehung
zwischen einem handelnden „Subjekte“, seiner Handlung, Thätigkeit, und
dem „Objekte“ dieser letztern — so läuft doch das primäre Urteilen selbst
(wie in § 1 und 2 schon erläutert) logisch immer auf die Konstatirung
einer Umfangsbeziehung zwischen dem (wie gesagt irgendwie zustande ge-
kommnen, konstruirten) Subjekt- und Prädikatbegriffe unfehlbar hinaus.
Und wie die Geometrie voraufgehen muss der Kinematik und Mechanik,
diese wieder der Elasticitätslehre, so muss auch unser elementarer Teil
der Logik erst gründlich abgehandelt und wissenschaftlich ausgestaltet sein,
bevor man hoffen kann, eine exakte Behandlung auch der feineren und
feinsten Untersuchungen auf logischem Gebiete zu verwirklichen, bevor
man überhaupt erfolgreich an diese wird herantreten können. (Bd. 1.)


In der zeitweiligen Beschränkung auf scharf umgrenzte Klassen von
Aufgaben liegt die einzige Möglichkeit des Fortschritts in den Wissen-
schaften, und kann man den Himmel der Erkenntniss nicht auf einmal
herunterholen — vergleiche Goethe’s „In der Beschränkung zeigt sich
der Meister“, auf das wir schon einmal (Bd. 1, S. 521) anspielten.


[183]§ 40. Aufbau der Gesamtaussage eines Prämissensystems.

Ein kategorisch abgegebenes Urteil A wird eben dadurch hin-
gestellt, als stets oder zeitweilig gültig, was durch eine Formel
γ) A = 1߭ resp. A ≠ 0
ausdrückbar ist.


Nach § 32, ϑ) kann dafür auch
δ) A1 = 0 resp. A1 ≠ 1߭
genommen werden. Die Fassung γ) werden wir bei der resultirenden
Gesamtaussage vorziehen und sie erscheint ja als die natürlichste,
weil sie die zu statuirende Behauptung selbst zum „Polynome“, zur
linken Seite hat; bei den letzten Teilaussagen dieser Gesamtaussage
dagegen werden wir gleichwol häufig — einer rechnerischen Gepflogen-
heit zuliebe — auch Ausdrucksformen δ) benutzen, uns nämlich zu-
meist Gleichungen sowol wie Ungleichungen rechterhand auf 0 ge-
bracht denken.


Bei bestimmtem und konstant festgehaltenem Sinne des Urteils A
sind — wie wir gesehen haben — die beiden Propositionen γ) ein-
ander äquivalent, bedingen sich gegenseitig [und ebenso also auch die
beiden Propositionen δ)].


Wir wollen sie trotzdem zunächst jeweils gesondert als zwei ver-
schiedene Fälle aufführen in der vaguen, vielleicht trügerischen Hoff-
nung, es möchten gewisse Momente der zu entwickelnden Theorie sich
später einmal auch auf solche Urteile mit übertragen lassen, deren
Sinn in der im § 29 geschilderten Weise veränderlich oder wie bei
den Gelegenheitsurteilen unbestimmt ist, wo ja, wie erkannt worden,
die Fälle A = 1߭ und A ≠ 0 dann wirklich zu unterscheiden wären.


Ohnehin müssen auch diese beiden Fälle von Aussagen wohl
unterschieden werden, sobald die Aussagen A = 1 oder A ≠ 0 pri-
märe sind, in ihnen nämlich A ein Gebiet oder eine Klasse vorstellt,
was bei den letzten Teilaussagen die in Betracht kommen können,
vorauszusetzen sein wird.


Wird eine Aussage A kategorisch verneint, so setze man A1 an,
schreibe eventuell:
ε) A1 = 1߭ resp. A1 ≠ 0
oder auch
ζ) A = 0 resp. A ≠ 1߭
vergl. § 32, ι). Überall natürlich ist, wenn A selbst eine Gleichung
sein sollte, dessen Negation A1 als die entsprechende Ungleichung —
und umgekehrt — anzusetzen.


[184]Neunzehnte Vorlesung.

Einzelaussagen A, B, C, … aus welchen unser „Prämissensystem“
sich zusammensetzt, werden nun entweder (als bejahte oder verneinte)
kategorisch hingestellt oder sie erscheinen durch Konjunktionen mit-
einander verbunden, vermittelst Bindewörtern in Abhängigkeit von ein-
ander gesetzt.


Im erstern Falle sind sie selbst (resp. ihre Negationen) zu schlecht-
weg anzunehmenden, zu „Voraussetzungen“ des Problemes gestempelt;
man bringe dann eine jede derselben, wie vorstehend angegeben, in
Formeln, und setze, wenn es ihrer mehrere sein sollten, das Produkt
derselben:
η) A B C
an. Ebenso verfahre man aber auch, wenn solche Einzelaussagen etwa
mittelst der Konjunktion „und“ („sowie“, etc. resp. mit „sowol ‥ als
auch“, „nicht nur ‥, sondern auch“ und dergleichen) zu einem zu-
sammengesetzten sogenannten „kopulativen“ Urteil verknüpft erscheinen
sollten, wodurch sie ja ebenfalls als gleichzeitig anzuerkennende, simultan
zu adoptirende gekennzeichnet werden.


Sind die Einzelaussagen A, B, C, … mittelst der Konjunktionen
„(Entweder), … oder, … oder, …“
verknüpft zu einem zusammengesetzten sog. „disjunktiven Urteile“ so
werden sie damit als alternativ geltende hingestellt. In diesem Falle
setze man ihre identische Summe
ϑ) A + B resp. A + B + C, etc.
an, wobei, wenn etwa jenes „oder“ als das ausschliessende, exklusive
gemeint sein sollte [vergl. § 8, η)] diese Ausdrücke durch
ι) A B1 + A1B, resp. A B1C1 + A1B C1 + A1B1C, etc.
zu ersetzen wären.


Verbindungen von Einzelaussagen A, B, C … mittelst
„Weder …, noch …, noch …“
zu einem sog. „remotiven Urteile“ sind einfach durch das Produkt ihrer
Negationen:
ϰ) A1B1C1
darzustellen — sie werden damit in der That als gleichzeitig nicht-
geltende erklärt.


[Da A1B1C1 die Negation von A + B + C nach Th. 36+) ist, so
erscheint das „remotive“ Urteil als die Verneinung des „disjunktiven“
— bei dem von uns hier festgehaltenen Sinne des letzteren, wo in
[185]§ 40. Aufbau der Gesamtaussage des Prämissensystems.
ihm das Bindewort „oder“ als das miteinschliessende, inklusive gemäss
§ 8, ϑ) ausgelegt wird — sonach genauer als verneinte „Alternative“.]


Von den Einzelaussagen unsres „Prämissensystems“ können endlich
irgend welche mittelst der Konjunktionen
„Wenn …, so …“
verknüpft erscheinen zu sog. „hypothetischen Urteilen“ und wird damit
die Annahme oder Verwerfung der einen abhängig gemacht von der-
jenigen der andern.


Sooft solches bei zwei Aussagen A, B zu erblicken ist, so kann
das hypothetische Urteil (bekanntlich) nach einem der folgenden (acht)
Schemata in eine Relation (und zwar entweder Gleichung oder Un-
gleichung) des Aussagenkalkuls umgeschrieben werden:


Wenn A gilt, so gilt (stets) B, gibt:
λ) AB oder A B1 = 0.


Wenn A gilt, so gilt (stets) B nicht, gibt:
μ) AB1 oder A B = 0.


Wenn A gilt, so gilt manchmal B, gäbe:
ν) A B ≠ 0.


Wenn A gilt, so gilt B manchmal nicht, gäbe:
ξ) A B1 ≠ 0.
ο) Heisst aber der Vordersatz: „Wenn A nicht gilt“, so ist in diesen
Formeln nur A durch A1 zu ersetzen.

A gilt, ausser wenn B gilt“ gibt z. B. hienach: B1A. Etc.


So wenigstens, wenn das Urteil „Wenn A gilt, so gilt B“ in dem
in § 28 schärfer als im gewöhnlichen Leben präzisirten Sinne ge-
nommen wird, wobei auch der Fall, wo A überhaupt nicht gilt, mit
seine Berücksichtigung findet.


Soll über letzteren Fall, in welchem A die Nullaussage vorstellt, nicht
mit ausgesagt werden — wie dies bei den meisten Urteilen im gewöhn-
lichen Leben vorkommen mag — so schadet es wenigstens nicht, diese
Nullaussage in den Bedingungssatz A noch mit einzubeziehen als einen
wesentlich irrelevanten, nämlich „nichtssagenden“ Fall, in welchem wir nur
eben durch die Konsequenz gezwungen sind, das hypothetische Urteil AB
als erfüllt anzuerkennen.


Sollte dieses Urteil auch eine Voraussetzung bilden, an welche der
Folgesatz B ausdrücklich nur dann zu knüpfen ist, wenn die Voraussetzung
A wirklich zutrifft, so hindert allerdings nichts, dieser Voraussetzung den
Faktor A ≠ 0 beizufügen, also mit A (A ≠ 0) B das hypothetische Urteil
zu übersetzen. Bei konstantem Sinn der Aussagen wird jedoch
(A ≠ 0) = (A = 1߭) = A
[186]Neunzehnte Vorlesung.
nach § 32 ζ) und ε) sein, und sieht man sogleich, dass der Minor der Sub-
sumtion auf A · A, = A, das Urteil selbst also doch nur auf das frühere
AB hinausläuft.


Anders wenn — ein häufig vorkommender Fall — der Konditionalsatz
stillschweigend mit ausdrückt, dass die Voraussetzung A wirklich eintreffe
(? z. B. wenn wir sagen: „Wenn der Herbst kommt, etc.“ — und er kommt
ja in der That zuweilen). Hier ist dann A ≠ 0, beziehungsweise A = 1߭
oder A, als Faktor dem ganzen Urteile ausdrücklich beizufügen, dieses also
nicht blos mit AB, sondern mit (A ≠ 0) (A B1 = 0), etc. darzustellen.


Dem hypothetischen Urteile äquivalent zu erachten ist die (gram-
matikalisch lockrere) Verbindung von Teilsätzen mittelst „Sei (Es möge
sein, Gesetzt, dass ‥)…, dann ist, soll sein …“. Dieselbe bietet den
Vorteil, dass man nicht so sehr, wie bei der vorigen Ausdrucksweise
zum Abschluss des Satzes gedrängt wird, dass man vielmehr, wenn
etwa die Darlegung des Bedingungs- oder Vordersatzes längere Aus-
einandersetzungen erfordert, Zwischenbemerkungen nötig macht, die-
selben samt dem Nachsatze oder Folgesatze auf mehrere grammati-
kalisch getrennte, scheinbar unabhängig dastehende Sätze bequemer
und in aller Gemütsruhe verteilen kann.


Diese Urteilsform: „Gesetzt, es sei …, dann soll gefunden werden…“
und dergleichen ist gerade in der Wissenschaft, bei Angabe der Daten
eines Problemes beliebt.


Urteile, die durch die Konjunktion „weil“, „denn“, etc. oder durch
„folglich“ („daher“, „also“, etc.) miteinander verknüpft wären würden eine
Folgerung darstellen (mit Erwähnung der Konklusion vor oder nach den
— mehr oder weniger vollständig angeführten — Prämissen), und sind wir
berechtigt, solche aus unserm „Prämissensysteme“ oder „System der Data“
auszuschliessen, indem es erst der Resolution oder Auflösung des Problemes
obliegen wird, die Folgerungen zu ziehen.


Was noch andere Konjunktionen, wie
„zwar, aber, sondern, vielmehr, dennoch, obgleich, trotzdem, nichtsdesto-
weniger, geradeumsomehr, sogar, ja“, etc.

betrifft, so haben dieselben zumeist keinen logischen, vielmehr nur einen
psychologischen Gehalt: sie heben Kontraste hervor, machen auf das Ver-
hältniss der durch sie verknüpften Teilaussagen (welches auch ohne sie be-
steht) — als ein gegensätzliches z. B. — nebenher aufmerksam; sie diri-
giren die Erwartung
des Hörers oder Lesers, welche durch den Vordersatz
(ersten Teilsatz) in einem bestimmten Sinne angeregt wird, dieselbe zügelnd,
hemmend, einschränkend, auf eine Enttäuschung vorbereitend, eventuell auch
steigernd.


Die logische Tragweite der Gesamtaussage müsste dabei (aber) die-
selbe bleiben, wenn die so verknüpften Einzelaussagen auch ohne die ge-
nannten Bindewörter mit dürren Worten nebeneinander gestellt würden —
sozusagen steif und hölzern, mit Verzicht auf rhetorische Schönheit.


[187]§ 40. Aufbau der Gesamtaussage des Prämissensystems.

Es ist darum gerechtfertigt, wenn wir solche — man könnte sagen
„(blos) rethorische“ — Konjunktionen hier nicht weiter berücksichtigen —
unbeschadet dessen, dass ein eingehendes Studium derselben allerdings ver-
dienstlich sein würde. — Des weitern vergleiche man noch § 50 und 54. —


Die vorstehend aufgezählten Urteilsformen der
kategorischen (sei es vereinzelt abgegebenen, sei es zu „kopulativen“
verknüpften) Urteile, der
disjunktiven (und ihrer Verneinung, der „remotiven“) Urteile, endlich der
hypothetischen Urteile —

sind nun die einzigen Urteilsformen der Sprache, welche die alte Logik
anerkannte und als solche in Betracht zog.*)


Wird, dass mit ihnen alle Formen erschöpft seien, auch von
Neueren bestritten, so können sie doch jedenfalls als ausreichend dafür
angesehen werden, dass innerhalb ihres Rahmens alle möglichen Data
von Problemen ihren Ausdruck zu finden vermögen.


Lassen auch wir sie als die einzigen Urteilsformen gelten, so ist
durch das Vorstehende erkannt, dass sich das Prämissensystem eines
Problems stets in Form einer einzigen Relation und zwar einer Gleichung
oder Ungleichung:
π)

  • 𝖠
    • = i
    • ≠ 0


wird darstellen lassen, wo die linke Seite Α, wenn sie nicht selbst eine
Funktion des Gebiete- oder Klassenkalkuls im Sinne des § 19, sonach
also π) schon eine primäre Aussage ist, immer einen aus andern Aus-
sagen, den „Teilaussagen“ der Data zusammengesetzten (eventuell sehr
komplizirten) Ausdruck des Aussagenkalkuls vorstellt.


Wir werden diese Relation kurz „die vereinigte Aussage“ oder „Ge-
samtaussage
“ der Data unsres Problemes nennen, und ihre linke Seite
Α wird als das „Polynom“ dieser vereinigten Aussage zu bezeichnen sein.


Wäre die als Gesamtaussage π) sich darstellende Proposition keine
„Relation“, sondern eine „Formel“, so wäre das Prämissensystem ein „nichts-
sagendes“; unser Problem würde alsdann jeglicher Data ermangeln, es be-
ruhte auf keinerlei Voraussetzungen (ausser den ohnehin überall als denk-
notwendig anzuerkennenden), dann käme π) auf die Identität 1߭ = 1߭ oder
≠ 0 zurück.


Als ein Ausdruck des Aussagenkalkuls ist unser Polynom Α auf-
gebaut aus andern und diese vielleicht abermals aus andern etc. Teil-
aussagen nicht blos vermittelst der drei Operationszeichen, als da sind
[188]Neunzehnte Vorlesung.
des Negationstriches und der beiden Knüpfungszeichen + und ·, son-
dern auch unter Beihülfe der beiden Beziehungs- oder „Vergleichungs“-
zeichen = und ≠.


Wir nehmen die Anzahl der hierdurch dargestellten Operationen
und ausgeführteu Vergleichungen als eine endliche an.


In einem gewissen Sinne allerdings kann diese Anzahl auch als eine
unbegrenzte gelten oder zugelassen werden, nämlich insofern einzelne Prä-
missen auch als allgemeingültige, für jeden denkbaren Wert gewisser Sym-
bole, x, y, … zum Beispiel, zu adoptirende hingestellt werden mögen;
dies vermögen wir ja durch Voransetzen der Symbole , , … vor die-
selben in geschlossener Form auszudrücken, während analog ihr Zutreffen
nur für gewisse x, y, ‥ mittelst , , … bekanntlich darzustellen war.
Das Auftreten solcher Symbole mag vorerst noch ausser Betracht bleiben,
da wir es dabei wesentlich doch nur mit Produkten und Summen zu thun
haben werden, dieser Fall also unter die demnächst ohnehin zu erledigenden
Kategorieen fallen wird.


Eine regellos unbegrenzte Menge von operativen und vergleichenden
Aussagenverknüpfungen als Prämissen eines Problems hinzustellen ist hin-
gegen noch keiner bisherigen Logik beigefallen und dürfte sich auch einer
systematischen Behandlung entziehen.


Wenn nun also die im Ausdruck Α unsrer Gesamtaussage (sei es
als Neganden, Faktoren, Summanden, sei es als „allgemeine Terme“
von Produkten Π und Summen Σ, sei es endlich als linke oder rechte
Seite von „Vergleichungen“ vorkommenden Teilaussagen nur in endlich
begrenzter Menge vorhanden sind, so werden wir bei der Inspektion
dieses unsres Ausdruckes Α als auf dessen Elemente zuletzt auf Aus-
sagen stossen, die entweder schlechtweg durch Buchstaben symbolisirt
sind, oder nach ihrem wirklichen Inhalte, als von Gebieten oder
Klassen handelnde, „spezifizirt“ angegeben sind. Diese nennen wir die
letzten Teilaussagen“ (ultimate partial statements) oder „primären Unter-
aussagen“ unsrer Gesamtaussage.


Dagegen diejenigen (eventuell selbst noch sehr zusammengesetzten)
Teilaussagen, aus welchen unser Polynom Α lediglich mittelst der
Operationen der drei Spezies des identischen Kalkuls aufgebaut ist
(also ohne dass solche selbst noch durch Gleichheits- oder Ungleich-
heitszeichen unter sich verbunden erscheinen) mögen die der vereinigten
Aussage zunächst unterstehenden Teilaussagen genannt werden, oder
kürzer: die „unmittelbaren Unteraussagen“.


Für die Art, wie die Gesamtaussage Α aus ihren unmittelbaren
Unteraussagen zusammengesetzt sein kann (resp. muss), lässt sich ein
allgemeines Schema aufstellen.


[189]§ 40. Mitchell’s allgem. Form der Data zusammenfassenden Gesamtaussage.

Nach seiner oben geschilderten Zusammensetzung ist nämlich das
Polynom Α weiter nichts, als eine „Funktion“ (im identischen Kalkul,
im Sinne des § 19) von diesen unmittelbaren Unteraussagen.


Nach § 13 und § 19 kann diese Funktion immer in ihre „letzten
Aggreganten
“ zerlegt werden, d. h. wir können ohne Beschränkung der
Allgemeinheit sie in Form eines Aggregates (einer Summe) von Mo-
nomen gegeben annehmen.


Die Faktoren dieser Monome sollen ja selbst Aussagen sein, und
sind darum in letzter Instanz entweder Gleichungen oder Ungleichungen.
In beiden Fällen können wir sie uns rechts auf 0 gebracht denken.
Stellen wir dabei diejenigen, welche Gleichungen sind, nebeneinander,
und fassen ebenso die Ungleichungen unter ihnen in eine Gruppe zu-
sammen, so erhalten wir:
ϱ) Α = Σ Π (A = 0) Π (B ≠ 0)
als die denkbar allgemeinste Form der Gesamtaussage Α.


Nach Th. 24) oder β) des gegenwärtigen Paragraphen lässt aber
(in jedem Glied der vorstehenden Summe) das Produkt der Gleichungen
σ) Π (A = 0) = (Σ A = 0)
sich immer in eine einzige Gleichung zusammenziehen. Und wenn wir
nun, einen Wechsel der Bezeichnung vornehmend, den Ausdruck Σ A
kürzer durch das Symbol A selbst vertreten lassen, so ist hiemit er-
kannt, dass
τ)

  • Α, = Σ (A = 0) Π (B ≠ 0)
    • = 1߭
    • ≠ 0


die allgemeine Form der Gesamtaussage ist.


Schreiben wir das allgemeine Glied rechterhand ausführlicher, indem
wir unter Verzicht auf das zusammenfassende Zeichen Π ein wirk-
liches Produkt von Ungleichungen ansetzen, so ist also unser Ergeb-
niss dieses:


Die Aussage, welche alle Data eines beliebigen Problems zusammen-
fassend darstellt, sie zu einer Gesamtaussage in sich vereinigt, kann stets
ausgedrückt werden in der Form:
υ
)

  • Σ (A = 0) (B ≠ 0) (C ≠ 0) (D ≠ 0) …
    • = 1߭
    • ≠ 0


wo die Symbole A, B, C, D, … sowie deren Anzahl von Glied zu Glied
wechseln mögen.


Es dürfen sogar die Faktoren der einen oder andern Sorte, nämlich
die eine Gleichung, oder die ganze Gruppe von Ungleichungen in einzelnen
Gliedern (der Summen linkerhand) auch ausfallen, fehlen. Doch kann man,
[190]Neunzehnte Vorlesung.
wenn etwa in einem Gliede die Gleichung (A = 0) fehlen sollte, dieselbe
dennoch als vorhanden hinstellen, indem es freisteht, und man zu dem Ende
nur nötig hat, sich unter A die 0 zu denken, wo dann der Faktor (A = 0)
den Wert 1߭ annimmt, nämlich als die Aussage:
(0 = 0), = 1߭
und als eine stets gültige anzuerkennen ist, weshalb jener Faktor nach
Belieben weggelassen oder auch zugefügt werden kann, cf. Th. 2̅1̅×). Ebenso
braucht man, wo zu einer Gleichung keine Ungleichungen weiter hinzu-
treten sollten, sich in unserm Schema blos B = C = D = … = 1߭ resp. 1
zu denken, wo dann ebenso diese Ungleichungsfaktoren sämtlich den Wert
(1 ≠ 0) = 1߭
erhalten werden und ihre Zufügung ohne Einfluss ist. Man kann so auch
für die erwähnten beiden Vorkommnisse das Schema unsres allgemeinen
Gliedes in υ) als das allgemein zutreffende aufrecht erhalten.


Von der Annahme aus, dass für unser Prämissensystem ein ver-
baler Ausdruck vorliege, dass die Prämissen eines zu lösenden Problems
ursprünglich in der Wortsprache niedergelegt gewesen seien, sind wir
vorstehend zu der Einsicht in den notwendigen Bau τ) oder υ) der
vereinigten Aussage dieser Prämissen gelangt. Auf Grund der Ergeb-
nisse des § 36 hätten wir augenscheinlich zu derselben Einsicht auch
gelangen müssen, wofern wir etwa die Annahme zum Ausgangspunkte
nehmen wollten, dass unsre Prämissen in der Zeichensprache des Kalkuls
gegeben gewesen wären in Gestalt von irgendwelchen Umfangsbeziehungen
und Funktionen von solche statuirenden Aussagen.


Dual entsprechend liesse sich auch beweisen, dass ebensogut der
Gesamtaussage auch die Form gegeben werden kann, zunächst nur
mittelst Zerlegung in ihre letzten Faktoren:
φ) Α = Π {Σ (A ≠ 0) + Σ (B = 0)}
worin jetzt aber den A und B andere Bedeutungen, als wie in ϱ), zu-
kommen möchten, die Zeichen Π und Σ auch neue Erstreckung haben
werden. Und dann mittelst der zu σ) analogen Vereinfachung:
χ) Σ (A ≠ 0) = (Σ A ≠ 0),
wenn wieder Σ A durch ein einziges Buchstabensymbol vertreten wird:
ψ)

  • Π {(A ≠ 0) + Σ (B = 0)}
    • = 1߭
    • ≠ 0.

Doch wird man praktisch vor der vorstehenden jener ersten Form
υ) in der Regel den Vorzug geben, weil man nach der aus der Arith-
metik überkommenen Gewöhnung bequemer mit Summen von Monomen
[191]§ 40. Mitchell’s allgemeine Form der Gesamtaussage der Data.
(Produkten) als mit Produkten von Polynomen (Summen) rechnet,
namentlich auch lieber die Multiplikationsregel für Polynome sowie
das (erste) Distributionsgesetz, als wie deren duales Gegenstück an-
wendet.


Anstatt des Symbols 1߭ rechterhand in υ) und ψ) könnte man,
falls es beliebt (und für gewisse Fälle werden wir vielleicht es vor-
ziehen) auch 0 schreiben, desgleichen für die 0 rechts 1߭, in Anbetracht,
dass statt Α = 1߭ auch Α1 = 0 als damit gleichbedeutend gesagt werden
kann, imgleichen wie auch (Α ≠ 0) = (Α1 ≠ 1) gilt. Der Negation Α1
von Α würde sich aber, kraft der Allgemeinheit der vorausgeschickten
Erwägungen, ebenfalls die Form der linken Seite von υ), oder nach
Belieben ψ), erteilen lassen. Auf diese Weise könnte man also hin-
bringen, dass in unsern Formeln durchweg nur 0 als rechte Seite
sämtlicher Vergleichungen erschiene, oder auch wenn man will, durch-
weg nur
1߭.


Die vorstehenden Sätze υ) und ψ) hat schon Herr Mitchell1 gegeben.
Beispiele zu denselben werden wir in Bälde bringen.


Die Faktoren (A = 0), (B ≠ 0), (C ≠ 0), … in υ) waren die un-
mittelbaren
Unteraussagen der Gesamtaussage Α.


Es kann sein, dass sie zugleich deren letzte Unteraussagen sind.


Der Fall, wo dies nicht zutrifft, lässt sich aber auf den Fall, wo es
zutrifft
, wie wir sehen werden, stets zurückführen, wofern wir nur mit
Aussagen von bestimmtem Sinne operiren und diesen konstant festhalten
.


Zunächst beachte man, dass, falls es zutrifft, jene Faktoren pri-
märe
Urteile sein werden, d. h. Urteile nicht wieder über Urteile,
sondern solche, welche von den Dingen selbst handeln, Urteile über
gewisse Klassen von Dingen. Es werden dann also die linken Seiten
A, B, C, … jener Faktoraussagen nicht wieder Aussagen repräsen-
tiren, sondern Klassensymbole sein, oder — können wir im Hinblick
auf § 3 auch sagen — Gebietssymbole.


Die Gesamtaussage Α ist in diesem Falle eine sekundäre zu nennen.


Eine weitere Vereinfachung ihrer Form scheint alsdann sich allgemein
nicht erzielen zu lassen. Namentlich wird es nicht gestattet sein, die Un-
gleichungen B ≠ 0, C ≠ 0, etc. in die Gleichungen B = 1, C = 1, etc.
umzuschreiben, welche (die 1 durch die mit Tupfen 1߭ ersetzt) mit jenen
nur dann sicher äquivalent sein müssten, wenn B, C etc. selbst wieder
Aussagen von konstant festzuhaltendem Sinne vorstellten.


Betrachten wir jetzt aber auch den Fall, wo die Gesamtaussage
eine höhere als sekundäre ist, und nehmen zunächst einmal an, dass
alle unsre Symbole A, B, C, D, … selbst wieder Aussagensymbole seien.


[192]Neunzehnte Vorlesung.

Sofern wir dann nur mit Aussagen konstanten Sinnes zu thun
hatten, d. h. die Data unsres Problems in lauter Aussagen von absolut
bestimmtem Sinne eingekleidet wurden und dieser Sinn jeweils un-
verändert festgehalten wird, können die Sätze des § 32, ζ und η) nun-
mehr angewendet werden. Weil nach diesen
(A = 0) = (A1 = 1߭) = A1, (B ≠ 0) = (B = 1߭) = B, etc.
ist, wird also der Ausdruck υ) sich dann vereinfachen zu
ω)

  • Σ A1B C D
    • = 1߭
    • ≠ 0


worin nunmehr linkerhand alle sichtbar gewesenen („expliziten“) Ver-
gleichungszeichen verschwunden sind.


Das Urteil hat nunmehr die Form Β = 1߭ (wofür auch Β1 = 0
genommen werden kann) oder Β ≠ 0 angenommen, wobei die er-
wähnten Vergleichungszeichen in Β nicht mehr vorkommen.


In derselben Weise kann man diese Aussagen-Vergleichungszeichen
beseitigen, falls etwa einzelne Faktoren im Polynom von υ) schon pri-
märe Urteile sein sollten, nur andere nicht. Man wird in jedem Gliede
der Summe die Gruppe der nicht primären (also sekundären oder höheren)
Faktoren zusammennehmen und aus ihr — nach dem soeben schon an
dem Schema der allgemeinsten Aussage dargelegten Vorbilde — alle
äussersten Vergleichungszeichen beseitigen können und dann successive
auch die inneren, falls noch gewisse Symbole A, B, … abermals Aus-
sagen über Aussagen, somit selbst Gleichungen oder Ungleichungen
zwischen Aussagen sein sollten.


Auf diese Weise lassen links in υ) alle auf Aussagen bezüglichen
Vergleichungszeichen (welche also Aussagen = oder ≠ 0 oder 1߭, d. h.
für gültig oder ungültig erklären) sich unfehlbar beseitigen. Mit andern
Worten: es können successivedie quartären Aussagen in tertiäre, und
diese in sekundäre umgeschrieben werden.


Der obige Prozess der Ausmerzung der Vergleichungszeichen kann
solange fortgesetzt werden, bis man auf solche Zeichen = oder ≠ stösst,
welche nicht mehr auf Aussagen sondern auf Klassen von Dingen resp.
Gebiete sich beziehen, solche der 0 oder 1 vergleichend.


Sobald also A ein Gebiet vorstellt (und erst dann) wird der fort-
schreitenden Vereinfachung unsrer Gesamtaussage mittelst des Schema’s
(A ≠ 0) = (A = 1߭) = A
Einhalt geboten sein, aus dem Grunde, weil eben dieses Schema nur
im Aussagenkalkul gilt.


[193]§ 40. Mitchell’s Gesamtaussage der Data.

Und die „letzten“ Unteraussagen unsres Problems werden in der
That als von dieser Beschaffenheit vorauszusetzen sein.


Andernfalles würde das ganze Problem ein „reines“ Problem des Aus-
sagenkalkuls zu nennen sein, indem es sich auf lauter nicht spezifizirte
Aussagen, Aussagen von unbestimmtem Inhalte oder allgemeine Aussagen
A, B, C, … in letzter Instanz bezöge. Wir erhielten dann eine Gesamt-
aussage Α = 1߭ oder Α1 = 0, in welcher Α1 eine Funktion von jenen Elementar-
aussagen im identischen Kalkul — ohne Vergleichungszeichen nur mittelst
der drei Spezies aufgebaut — vorstellte.


Alle Aufgaben aber, welche sich in Bezug auf eine solche Gleichung
erdenken lassen, sind als durch die vorhergegangene schon wesentlich von
Boole aufgestellte Theorie (bis etwa § 22 oder 27) bereits gelöst zu be-
trachten — so namentlich die Entscheidung der Frage, ob die Gleichung
analytisch erfüllt, oder aber eine synthetische, eine Relation ist, und im
letzteren Falle die Probleme der Elimination von gewissen Symbolen und
Berechnung von andern, sogenannte „Auflösung“ der Gleichung. Diesen
Fall haben wir demnach nicht weiter zu betrachten nötig.


Wir sind freilich bei der vorstehenden mit „Andernfalles“ beendigten
Enumeration, Aufzählung der denkbaren Fälle scheinbar nicht vollständig
gewesen. Aus liessen wir den Fall, wo in unserm Prämissensystem neben
spezifizirten auch unbestimmte
Aussagen vorkämen. Obwol dies logisch
denkbar, kann der Fall doch praktisch nicht in Betracht kommen. Ab-
gesehen davon, dass im natürlichen Entwickelungsgange der Wissenschaft
dergleichen Probleme sich niemals ungesucht darbieten möchten, wäre der
Fall auch jeweils sofort in der Weise zu erledigen, dass man die auf blos
unbestimmte Aussagen bezüglichen Aussagenfaktoren daraufhin prüfte, ob
sie als analytische Formeln identisch erfüllt sind oder nicht, im ersteren
Fall sie dann durch 1߭, im letzteren durch 0 ersetzte.


Hienach ist erkannt, dass der Fall, wo die vereinigte Aussage υ)
eine sekundäre ist, also in ihr A, B, C, D, … schon Gebietssymbole
vorstellen, das allgemeinste Problem umfasst. Mit diesem werden wir
uns demnach allein noch abzugeben haben.


Die von Herrn Mitchell1 pag. 95 sq. ausgesprochene Ansicht, dass es
in unsrer Disziplin auch „Probleme von drei und mehr Dimensionen“ gebe,
erscheint hiernach nicht haltbar — abgesehen davon, dass auch der Aus-
druck „Dimension“ hier wol besser durch den „Probleme von der dritten
oder einer höheren Ordnung“ zu ersetzen wäre.


Das allgemeinste Problem des Schliessens lässt schon in eine sekun-
däre Gesamtaussage seiner Data sich einkleiden
— ist, wenn man will,
ein Problem der zweiten Ordnung.


Die vorstehenden Betrachtungen, durch welche nachgewiesen ist, dass
unbeschadet der Allgemeinheit des Problems die Faktoraussagen in υ) immer
als primäre angesehen werden dürfen, besitzen anscheinend eine noch über
den identischen Kalkul hinausreichende Allgemeingültigkeit. Ganz in die
Schröder, Algebra der Logik. II. 13
[194]Neunzehnte Vorlesung.
genannte Disziplin hinein werden sie erst gebannt durch die oben er-
wähnte das Problem formell einschränkende Voraussetzung, dass durch die
letzten Unteraussagen nur Umfangsrelationen, nur Beziehungen zwischen
Klassen, konstatirt sein sollten. Diese Voraussetzung hatte zur Folge, dass
die Gebietsymbole oder Klassen A, B, C, D, … in υ) nur als Funktionen
im Gebietekalkul
zu denken waren, welche aus andern Gebietsymbolen oder
Klassen a, b, c, … x, y, … lediglich mittelst der drei Spezies des iden-
tischen Kalkuls sich zusammensetzen.


Wogegen ohne die genannte Voraussetzung neben diesen auch andere
Knüpfungsarten und Beziehungszeichen (irgendwie z. B. Begriffe verbindend)
in ihrem Ausdruck zugelassen sein würden, welche als dem bisherigen
Kalkul fremde erst in der „Logik der Beziehungen überhaupt“ einzuführen
sind oder eingeführt werden.


Da aber, wie schon S. 182 ausgeführt, auch für die Logik der Be-
ziehungen der identische Kalkul wiederum den äussern Rahmen bildet,
wie denn unser gesamtes Denken sich auch immer nur in Subsumtionen
bewegt (vergl. § 2), so kann jenes Hinausgreifen über das bisherige Gültig-
keitsbereich doch nur ein scheinbares sein. Eine andre Frage ist, ob nicht
die Hinzuziehung von Zahlbestimmungen ein solches wirklich in sich schlösse.


Ehe wir uns dem Probleme weiter zuwenden, wollen wir mit Miss
Ladd noch eine Gruppe von speziellen Folgerungen aus den eingangs
dieses Paragraphen unter α) und β) zusammengestellten Theoremen
hervorheben, und zwar die folgende:

  • α')
    • (a b = 1) (a = 1),(a + b = 0) (a = 0),
      (a ≠ 1) (a b ≠ 1)(a ≠ 0) (a + b ≠ 0)
      (a = 1) (a + b = 1),(a = 0) (a b = 0),
      (a + b ≠ 1) (a ≠ 1)(a b ≠ 0) (a ≠ 0),

— wo die Summen und Produkte von zweien auch über beliebig viele
(ausser dem beiderseits vorkommenden a noch ganz beliebig anzu-
nehmende) Terme ausgedehnt werden könnten.


Die vorstehenden Formeln α') ergeben sich in der That aus denen
α) gemäss den Theoremen 6̄).


Beispielsweise haben wir (rechts vom Mittelstriche) nach dem Schema
A BA auch: (a = 0) (b = 0) (a = 0) und hieraus, in Verbindung
mit dem ersten Theorem rechts unter α): (a = 0) (b = 0) = (a + b = 0)
folgt gemäss Th. 3̅): (a + b = 0) (a = 0), d. i. das erste Theorem
rechts in α').


Ebenso ist nach dem Schema AA + B auch:
(a ≠ 0) (a ≠ 0) + (b ≠ 0),
und hieraus in Verbindung mit dem zweiten Theoreme rechts unter α)
[195]§ 40. Umschau über noch zu lösende Probleme.
folgt gemäss Th. 2): (a ≠ 0) (a + b ≠ 0), das ist das zweite Theorem
rechts unter α'). Man könnte dieses aber auch durch beiderseitiges Negiren
gemäss Th. 37) aus dem ersteren ableiten. Etc.


Die Sätze drücken Thatsachen aus, die uns eigentlich mit den
Theoremen 22) und 24) bereits gegeben waren, nämlich: Verschwindet
eine Summe
, so muss irgend ein Term derselben ebenfalls verschwinden.
Ist ein Term von
0 verschieden, so kann auch die Summe nicht 0 sein.
Verschwindet ein Faktor
, so auch das Produkt. Und verschwindet ein
Produkt nicht
, so muss ein beliebiger Faktor auch von 0 verschieden sein,
kann nicht verschwinden.


Worauf wir nun aber besonders hinweisen möchten, ist dieses.


Vier von den Theoremen α') — die vier durch Unterwellen hervor-
gehobenen — zeigen linkerhand im Minor oder der Voraussetzung der
Subsumtion ein Gebietsymbol b, welches rechterhand, im Major oder
der behaupteten Folgerung derselben, nicht vorkommt: sie leisten die
Elimination dieses Symbols b aus jenen Voraussetzungen, lehren, einen
von dem Werte des b ganz unabhängigen Schluss aus denselben (in
Bezug auf a allein) ziehen. [Ebenso bei der schon angedeuteten Ver-
allgemeinerung des Theorems α') würde die Elimination aller übrigen
Terme ausser a durch dasselbe geleistet erscheinen.]


Interessant ist es wiederum, die Art wahrzunehmen auf welche die
Elimination hier geleistet wird. Der Anblick der Resultante (rechts in der
Subsumtion) gegenübergehalten der gegebenen Relation oder Eliminations-
basis (zur Linken) zeigt, dass die Elimination auf die denkbar einfachste
Weise zu vollziehen ist: durch Tilgung des Eliminanden. In Worten: Soll
ein Symbol, welches als Faktor auftritt in einem
= 1 oder ≠ 0 gesetzten
Produkte, desgleichen eines, welches als Summand steht in einer
≠ 1 oder
aber
= 0 gesetzten Summe, aus dieser Relation eliminirt werden, so braucht
man dasselbe blos darin zu unterdrücken.


Die vier nicht unterwellten von unsern Theoremen α') enthalten
im Folgesatz einen Term b (von willkürlich anzunehmendem Werte),
der im Bedingungssatz der Subsumtion nicht erwähnt wird; sie lehren,
solchen Term neu einzuführen, leisten die „Introduktion“ desselben —
das ist das Gegenstück zur Elimination!


Diese beiden Probleme werden nun in Bezug auf b als „Elimi-
nanden“ oder „Introduzenden“ durch die Sätze α') allerdings nur ge-
löst für Bedingungssätze oder Prämissen von einem gewissen Baue,
von sehr speziellem Charakter — eben dem in α') angegebenen, wobei
nämlich jenes b nur als Faktor oder Summand eines mit der 0 oder
1 verglichenen Produkts resp. Summenausdrucks auftritt oder auf-
treten soll.


Man kann aber in Bezug auf ein beliebiges Symbol x oder ein
13*
[196]Neunzehnte Vorlesung.
System von mehreren solchen x, y, z, … die Idee dieser beiden Pro-
bleme auch allgemein erfassen, dieselbe für ein ganz beliebiges Prä-
missensystem konzipiren. Während wir für das Eliminationsproblem
dies bereits früher gethan haben, ist die Idee des Introduktionspro-
blems hier neu aufgetaucht, und müssen wir diesem noch einige
Worte widmen.


Gleichwie die Data eines gedachten beliebigen Problemes sich
mit dem Kapital oder Vorrat an Zeichen, über welche der Kalkul ver-
fügt, stets zu einer Gesamtaussage vereinigt denken und auch wirklich
vereinigen liessen, so muss dies auch der Fall sein mit den verlangten
Lösungen des Problemes, mit dessen „Solution“, welche zu bezeichnen
ist als eine Konklusion, die sich entreissen lässt den zu Prämissen
genommenen Daten. Auch sie wird mittelst der Wortsprache darstell-
bar sein durch eine Verkettung, ein System von Urteilen. Auch für
die Solution gibt es eine Gesamtaussage.


Vergleichen wir nun die vereinigte Aussage der Lösung mit der-
jenigen der Data des Problemes in Hinsicht auf die Buchstabensym-
bole, die in der einen und in der andern vorkommen, so ist eine
Mannigfaltigkeit von Fällen denkbar und können die denkbaren auch
wirklich vorkommen:


Die Lösung kann genau dieselben Symbole enthalten, wie das
Prämissensystem — keine mehr und keine weniger. Wir haben dann
weder ein Eliminations- noch ein Introduktionsproblem vor uns, sondern
ein „reinesProblem des Folgerns. Dasselbe kann noch umkehrbar sein
oder auch nicht. Im erstern Falle, wo aus dem Lösungensystem auch
wieder das System der Data, aus der vereinigten Aussage der Lösung
die Gesamtaussage der Daten folgt, mag man es als ein blosses Trans-
formationsproblem
bezeichnen.


Einfachste Exempel zu diesem und dem andern Falle stellen vor:
der Schluss von a = b auf b = a, sowie der von a = b auf ab. Es
steht nichts im Wege, dass man, diese Schlüsse oder Folgerungen zu ziehen,
als ein Problem hinstelle — das eine als die Aufgabe: wenn a = b ist,
die Frage zu beantworten, wem b gleich sein müsse?, das andre als die
Aufgabe: unter derselben Voraussetzung eine Subsumtion anzugeben, welche
zwischen a und b besteht.


So ist auch noch der Schluss von a = b auf a b1 + a1b = 0 ein Trans-
formationsproblem zu nennen, sobald man, denselben zu ziehen, formulirt
als die Aufgabe: die rechte Seite der gegebenen Gleichung auf 0 zu bringen.
Und dergleichen mehr.


Die Lösung kann ferner zu enthalten haben: nur einen Teil der
im Prämissensystem auftretenden Symbole und keine demselben fremden
[197]§ 40. Umschau über noch zu lösende Probleme.
im Ganzen also weniger Symbole; dann haben wir ein reines Eli-
minationsproblem
vor uns.


Sie kann auch enthalten: die sämtlichen im Prämissensystem vor-
kommenden Symbole und dazu noch einige mehr (welche dann, weil
im Prämissensystem unerwähnt gelassen, vollkommen unbestimmt oder
willkürlich bleiben werden). In diesem Falle lag ein reines Intro-
duktionsproblem
vor.


Beispiele wurden unter α') soeben angeführt. Auch diese beiden
Probleme können zugleich reine Transformationsprobleme sein, wie z. B.
die Gleichung des Th. 40) oder Zusatz in § 29 zeigt, und andere mehr.
Liest man diese Gleichung als Subsumtion von links nach rechts, so leistet
sie die Elimination des c, liest man sie als Subsumtion von rechts nach
links, so introduzirt sie das beliebige c. Und da die durch beide Subsum-
tionen ausgedrückten Folgerungen umkehrbar sind, trifft das Kennzeichen
des Transformationsproblemes zu.


Endlich kann die Solution enthalten: nur einen Teil der im
Prämissensystem erscheinenden Symbole, dafür aber auch einige dem-
selben fremde. Alsdann ist das Problem von gemischtem Charakter:
ein Eliminationsproblem in Hinsicht auf die fehlenden und ein Intro-
duktionsproblem in Hinsicht auf die überzähligen Symbole.


Als einer der einfachsten Fälle von Elimination und Introduktion stellt
sich nach Peirce die Anwendung der Theoreme 6×) resp. 6+) im Aussagen-
kalkul dar: A BA und AA + B, indem diese lehren, dass man bei
gültigen Aussagen einen Faktor stets unterdrücken, einen Summanden nach
Belieben zufügen, anreihen darf.


Man wird hier die Lösung der Aufgabe wol in zwei Anläufe zer-
legen können, indem man durch einen besonderen Prozess die auszu-
merzenden Symbole eliminirt, durch einen zweiten die neu einzuführen-
den introduzirt. —


Unter einem der ersten Klasse angehörigen Probleme, bei welchem
also der Bestand an Symbolen unverändert zu bleiben hätte, kann man
sich, wofern dasselbe nicht als ein völlig unbestimmtes erscheinen
soll, nur*) ein Problem vorstellen, bei welchem über die Form der
[198]Neunzehnte Vorlesung.
Lösung (oder der als Konklusion zu deduzirenden Gesamtaussage) be-
stimmte Vorschriften gegeben sind. In Bezug auf solche Probleme
ist einfach zu verweisen auf die Gesetze des identischen Kalkuls (mit
Gebieten und spezieller auch mit Aussagen), welche uns ja mit den
Bedingungen für die Äquivalenz und Unterordnung von Aussagen
schon bekannt gemacht haben und uns die Regeln zur Umformung
solcher an die Hand geben. In Bezug auf alle uns erdenklich ge-
wesenen Anforderungen, die man an eine Lösung stellen könnte haben
wir ohnehin in dieser Disziplin bereits dargethan, ob und wie die-
selben erfüllbar. Allein nur das Auflösungsproblem harrt noch seiner
Erledigung auch für die zweite Logikstufe.


Von den beiden übrig bleibenden Problemen, dem Eliminations-
und dem Introduktionsprobleme hat das erstere einen völlig bestimmten
Charakter.


Das Eliminationsproblem gipfelt in der Forderung: alles Das-
jenige, was ohne Rücksicht auf die Eliminanden — „unabhängig“ von
denselben — auf Grund des Prämissensystems ausgesagt werden kann,
erschöpfend anzugeben. Eliminationen zu vollziehen erscheint geradezu
als das Hauptproblem der Lehre vom Schliessen, und zwar liegt dieses
im Wesen der Deduktion begründet. Fast immer kommt es ja beim
Folgern darauf an, blos einen Teil der in den Daten aufgespeicherten
Kenntnisse zu verwerten, dasjenige zu formuliren und schliessend aus-
zusondern, was dieselben in gewissen Hinsichten, was sie abgesehen
von gewissen Dingen oder Klassen (oder auch Kenntnissen) über die
andern lehren. Mit diesem Problem werden wir uns darum auch vor-
wiegend zu befassen haben.


Das andere, das Introduktionsproblem dagegen erscheint als ein
vagues, unbestimmtes. Es verlangt das „Inseriren“ von neuen Termen,
fordert die Herstellung einer richtigen Aussage, welche sich zugleich
mit über Dinge, Klassen erstrecke, über welche die Prämissen gar
keine Information enthalten. Die in Bezug auf solche Dinge von der
gesuchten Lösung zu gebende Information kann doch nur eine „nichts-
sagende“, nur eine scheinbare werden. Wir dürfen ja doch nicht
hoffen, aus den Dimensionen eines Schiffes z. B., und der Anzahl und
Höhe der Maste, das Alter seines Kapitäns berechnen zu lernen!


Die Unbestimmtheit bleibt auch bestehen, wenn man das Intro-
duktionsproblem etwa mit Peirce dahin formulirt: zu ermitteln, welche
*)
[199]§ 41. Das Eliminationsproblem der zweiten Logikstufe.
Prämissen eine gegebene Konklusion liefern („which premises yield a given
conclusion“). Denn solcher Prämissen gibt es sicherlich eine unbe-
grenzte Fülle.


Unerachtet der zwischen beiden Problemen oben zutage getretenen
(von Miss Ladd an’s Licht gezogenen) Analogie sind sie also doch
für die Wissenschaft von äusserst ungleichem Werte.


Die Unbestimmtheit des Introduktionsproblemes in seiner letzten
von Peirce gegebenen Fassung wird erst schwinden, wenn den Prä-
missen eine bestimmte Form zugemutet, vorgeschrieben wird. Dann
aber läuft das Problem auf die Fragestellung hinaus, ob es, falls die
Konklusion erfüllt ist, ein gewisses x (eben den Introduzenden) geben
wird, welcher die fragliche Prämisse erfüllt.


Z. B.: falls a b = 0, gibt es dann ein (oder irgendwelche) x derart,
dass a x + b x1 = 0 ist, kann dann überhaupt diese Gleichung erfüllt sein?


Diese Frage musste aber bei dem Eliminationsprobleme schon
ohnehin erledigt werden, als wir darauf ausgingen uns zu vergewissern,
ob die Eliminationsresultante für x, welche die Theorie aufstellen
lehrt, auch die vollständige Resultante gewesen.


Soweit also das Introduktionsproblem wissenschaftlichen Wert haben
kann, deckt es sich mit den Untersuchungen über die Vollständigkeit der
Eliminationsresultanten und kommt bei dem Eliminationsprobleme schon
von selbst zur Erledigung.


§ 41. Das Eliminationsproblem gelöst für ein paar typische Spezial-
fälle, dann allgemein (aus dem Rohen). Bemerkung, das
Auflösungsproblem betreffend.


Vermögen wir nur aus der vereinigten Aussage der Data irgend
ein
Klassensymbol x zu eliminiren, so sind wir auch im stande, aus
der Eliminationsresultante ebenso noch ein zweites Symbol y, aus der
neuen Resultante noch ein drittes z, und so weiter zu eliminiren.
Kurz: wir vermögen dann auch eine beliebige Gruppe oder Menge von
Symbolen x
, y, z, … aus jener zu eliminiren.


Es erscheint darum die Elimination eines einzigen Symboles x als das-
jenige Problem, mit welchem wir uns vorwiegend zu beschäftigen haben.


Nach den Endergebnissen des vorigen Paragraphen stellt die
Relation υ):

  • Σ (A = 0) (B ≠ 0) (C ≠ 0) (D ≠ 0) …
    • = 1߭
    • ≠ 0


das Prämissensystem des allgemeinsten Problemes vor, welches im
[200]Neunzehnte Vorlesung.
identischen Kalkul überhaupt in Betracht kommen kann — wofern
in ihr A, B, C, D, … als Gebietsymbole und zwar als „Funktionen“
von irgendwelchen andern Gebietsymbolen a, b, c …, x, y, … ge-
geben gedacht werden.


Diese Funktionen lassen aber nach § 19 — einerlei ob sie x alle
wirklich enthalten oder nicht — sich sämtlich nach x linear und
homogen „entwickeln“, sodass unsre Gesamtaussage der Daten die
Form haben muss:
α)

  • Σ (a x + b x1 = 0) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) …
    • = 1߭
    • ≠ 0'


wo die Koeffizienten a, b, p, q, r, s, … unabhängig sind von x.


Die uns noch zur Lösung verbleibende Hauptaufgabe besteht nun
darin, aus dieser Aussage α) das Symbol x zu eliminiren, d. h. aus
ihr eine andere Aussage abzuleiten, welche nicht nur mit Notwendig-
keit aus ihr folgt, sondern auch jede in α) über die übrigen Symbole
a, b, p, q, r … enthaltene Information, jede aus α) zu schöpfende
das x unerwähnt lassende Belehrung unter sich begreift, in sich zum
Ausdruck bringt. Kurz: es ist die volle Resultante der Elimination
des x zu finden.


Herr Mitchell betrachtet die Form α) nicht. Er gibt aber einen
Teil der nachher an sie von uns zu knüpfenden Folgerungen wenigstens
implicite, nämlich eingekleidet in eine ihm eigentümliche Symbolik, deren
Verewigung, wenn sie auch mitunter eine kleine Raumersparniss ermöglicht,
mir nicht wünschenswert erscheint. Zur eigentlichen Lösung des allge-
meinen Problems hat seine Symbolik Herrn Mitchell doch nicht geführt,
und selbst wenn sie zu einer auch dazu geeigneten sich ummodeln, modi-
fiziren liesse (was mir nicht der Fall zu sein scheint), müsste ich doch
auf die hier zu verwirklichen gesuchte Befolgung einheitlicher Grundsätze
im ganzen Bezeichnungssystem unsrer Disziplin
nach wie vor das grösste Ge-
wicht legen. Ich werde auf das Verhältniss der Mitchell’schen Resultate
zu den hier vorzutragenden erst bei der allgemeinen Lösung zurückkommen.


Wir lösen die Aufgabe zunächst für ein paar Spezialfälle.


Aus einer Gleichung a x + b x1 = 0 können wir schon längst das
Symbol x eliminiren, indem wir nach Th. 50+) haben:
β) (a x + b x1 = 0) (a b = 0);
und zwar ist die Aussage rechterhand als die volle Resultante der
Elimination des x aus der Gleichung linkerhand nachgewiesen.


Wie nun gestaltet sich die Resultante der Elimination des x für
eine Ungleichung p x + q x1 ≠ 0?


Die Antwort auf diese Frage wird durch die Behauptung ge-
geben, dass
[201]§ 41. Das Eliminationsproblem gelöst für typische Spezialfälle.
p + q ≠ 0
die Eliminationsresultante sein muss.


Behufs Beweises ist zunächst zu zeigen, dass die letztere in der
That aus der Prämisse folgt, d. h. dass wirklich ist:
γ) (p x + q x1 ≠ 0) (p + q ≠ 0).


Diesen Satz erhalten wir aber in der That, wenn wir die —
nach der letzten Formel des Tableau’s § 40, α') S. 194 gültigen beiden
Propositionen:
(p x ≠ 0) (p ≠ 0) und (q x1 ≠ 0) (q ≠ 0)
gemäss Th. 1̅7̅+) überschiebend addiren, und das Ergebniss dieser
Verknüpfung:
(p x ≠ 0) + (q x1 ≠ 0) (p ≠ 0) + (q ≠ 0)
in die damit äquivalente Behauptung γ) — gemäss dem Schema
(a ≠ 0) + (b ≠ 0) = (a + b ≠ 0) des Tableau’s α) zu Anfang des § 40
— umschreiben.


Es ist nun ferner auch die Vollständigkeit der gefundenen Resul-
tante B = (p + q ≠ 0) darzuthun. Zu dem Ende ist zu zeigen, dass
wenn diese Resultante B erfüllt ist, es immer ein die Prämisse
A = (p x + q x1 ≠ 0)
erfüllendes x geben wird.


Dies lässt sich auf zwei Arten verwirklichen.


Da (p + q ≠ 0) = (p ≠ 0) + (q ≠ 0) ist, so wird, wenn B er-
füllt ist, entweder p ≠ 0 sein — in diesem Falle genügt die Annahme
x = p — oder es wird q ≠ 0 sein — alsdann genügt es x1 = q, so-
mit x = q1 anzunehmen — um hinzubringen, dass die Relation A sich
denknotwendig erfülle.


Noch kürzer ist es, mit einem Schlage zu bemerken, dass unter
der Voraussetzung B in Gestalt von
x = p + q1, wofür x1 = p1q,
auf alle Fälle ein Gebiet x angebbar ist, welches die Relation A er-
füllt, indem dann eben p x + q x1 = p + q selbst wird, mithin ≠ 0 ist.


Es sei an dem vorstehenden Beispiel nochmals zum Bewusstsein ge-
bracht, was wir in § 21 bereits allgemein darlegten: was denn durch
solche Vollständigkeit der Resultante garantirt wird?


Nachdem soeben gezeigt ist, dass es unter der Annahme B immer
ein die Relation A erfüllendes x gibt, während AB war, ist klar, dass
ausser B keine weitere (unabhängige) Relation zwischen p und q (oder
auch nur Bedingung für eines dieser beiden Gebiete) mehr aus A folgen
[202]Neunzehnte Vorlesung.
kann. Denn folgte noch aus A eine solche Relation C, die möglicherweise
auch nicht erfüllt sein könnte, während doch B erfüllt ist, so gäbe es
unter jener Voraussetzung B doch schon ein A erfüllendes x; d. h. ver-
ständen wir ebendieses unter dem Buchstaben x, so wäre A erfüllt, woraus
dann B nebst C als erfüllt folgen würde, entgegen der Unterstellung, dass
B ohne C erfüllbar sei. Wir kämen damit zu dem Widerspruch, das ge-
dachte C zugleich als erfüllt und nicht erfüllt annehmen zu müssen; folg-
lich kann es ein solches C nicht geben, und unsre Resultante B muss
schon jede aus A fliessende Information über p und q enthalten, muss
eben die volle Resultante sein.


Streng genommen wird bei den obigen Schlüssen der Satz ange-
wendet, dass wenn a = b und b ≠ 0 ist, dann auch a ≠ 0 sein muss,
wonach es also auch in einer Ungleichung gestattet ist, Gleiches für
identisch Gleiches zu substituiren;
in Formeln:
δ) (a = b) (a ≠ 0) (b ≠ 0).


Der Beweis ist leicht zu führen durch folgende Überlegung. Wegen
1߭ = (b = 0) + (b ≠ 0) ist nach Th. 2̅1̅×), 2̅7̅×), 2̅1̅+) und 6̄×):


  • (a = b) (a0) = (a = b) (a ≠ 0) (b = 0) + (a = b) (a ≠ 0) (b ≠ 0) =
    = 0 + „ (b ≠ 0),

indem (a = b) (b = 0) (a ≠ 0) (a = 0) (a ≠ 0) = 0
nach Th. 4), 1̅5̅×), 3̅0̅×) und 5̄×) ist.


Als einen ferneren kleinen Hülfssatz möchte ich hier noch das
folgende Theorem einschalten, welchem ebenfalls die „weitere Geltung“
zukommt:
ε) (ab) (a ≠ 0) (b ≠ 0).


Dasselbe stellt fest, dass ein Gebiet, welchem ein von 0 verschie-
denes eingeordnet ist
, das also ein nicht verschwindendes Gebiet in
sich enthält, auch von 0 verschieden sein muss, unmöglich selbst ver-
schwinden kann.


Um den Satz zu beweisen, brauchen wir blos zu bedenken, dass nach
Th. 38) nebst 21×), 30+) und 27×) sodann nach 21+) und 6̄×) endlich
dem oben eitirten Satze § 40, α') ist:
(ab) (a ≠ 0) = (a b1 = 0) (a b + a b1 ≠ 0) = (a b1 = 0) (a b ≠ 0)
(a b ≠ 0) (b ≠ 0); indem wieder a ≠ 0 in (a b ≠ 0) + (a b1 ≠ 0) zerfällt;

oder auch: nachdem δ) bereits bewiesen, ist es gestattet, in a b + a b1 ≠ 0 die
linke Seite durch das ihr gleiche a b + 0 = a b zu ersetzen. —


Man kann übrigens auch den Beweis des Satzes analog wie bei δ)
von diesem unabhängig führen:


[203]§ 41. Das Eliminationsproblem gelöst für typische Spezialfälle.
  • (ab) (a ≠ 0) = (ab) (b = 0) (a ≠ 0) + (ab) (b ≠ 0) (a ≠ 0) =
    (a = 0) (a ≠ 0) + „ =
    = 0 + „ =
    = „ (b ≠ 0).

Darnach aber könnte man auch den Beweis von δ) mittelst
(a = b) = (ab) (ba) (ab),
also (a = b) (a ≠ 0) (ab) (a ≠ 0) (b ≠ 0)
auf den von ε) zurückführen.


Nachdem wir unter β) und γ) aus einer Gleichung, sowie aus
einer Ungleichung ein Gebiet x eliminiren gelernt haben, können wir
den Ergebnissen der Untersuchung noch eine etwas grössere Trag-
weite beilegen. In der gleichen Weise wird dies auch am Schlusse
jeder noch weiterhin gelösten Eliminationsaufgabe dann ausgeführt zu
denken sein.


Bezeichnen wir die linke Seite unsres Ergebnisses β) oder γ)
mit A, die rechte Seite desselben mit B, sodass
AB
dies Ergebniss darstellt, so können wir nun sagen: Sooft
ζ
)

  • A
    • = 1߭
    • ≠ 0

ist, muss auch bezüglich sein

  • B
    • = 1߭
    • ≠ 0.

Für den Fall der oberen Beziehung, der Gleichheit mit 1߭, ergibt
sich dies in Anbetracht, dass der Satz:
(AB) (A = 1߭) (B = 1߭)
nur als eine umständlichere Fassung des Th. 5̄+) erscheint, die sich
mittelst Th. 3) aus demselben ergibt, indem darnach sein muss:
(1߭ = A) (AB) (1߭ B) = (1߭ = B).


Für den Fall der unteren Beziehung, Ungleichheit mit 0, ergibt
es sich auf Grund des Hülfssatzes ε), indem wir diesen für A, B statt
a, b in Anspruch nehmen.


Bei konstantem Sinn der Aussagen A und B ist nun allerdings die
untere Beziehung nach § 32, ζ) äquivalent der oberen, sodass die eine
der soeben ausgeführten beiden Überlegungen überflüssig erscheint, die
zweite durch die erste entbehrlich gemacht wird.


Allein die Betrachtung thut zugleich dar, dass man von der Auflage,
unter A und B Aussagen von festem Sinne zu denken, sich hier wenigstens
auch befreien könnte, dass unter A und B in unsern Ergebnissen sogar
Aussagen von mit der Zeit veränderlichem „fliessendem“ Sinne (in der in
[204]Neunzehnte Vorlesung.
§ 28 dargelegten Weise) verstanden werden dürften. Auch dann noch
würde ζ) zu der daselbst links angegebenen Prämisse rechts wiederum die
Eliminationsresultante zur Konklusion geben; oder: Auch wenn die Prä-
misse A nur manchmal gilt
, muss die Resultante B auch manchmal gelten
— allermindestens nämlich eben dann, wann A zutrifft.


Nehmen wir jetzt auch in Angriff die Aufgabe. Aus zwei oder
mehr simultanen Ungleichungen:
(p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) …
ein Gebietsymbol x zu eliminiren.


Auflösung. Multiplizirt man die nach dem vorigen Unter-
suchungsergebnisse γ) geltenden Subsumtionen:
(p x + q x1 ≠ 0) (p + q ≠ 0), (r x + s x1 ≠ 0) (r + s ≠ 0), …
nach Th. 1̅7̅×) überschiebend miteinander, so erhält man den Satz:
η) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) … (p + q ≠ 0) (r + s ≠ 0) …
und erkennt man hieraus — wenn man will, auch unter Inanspruch-
nahme der soeben unter ζ) ausgeführten Überlegung, für A und B
gedeutet als linke und rechte Seite von η) — dass in diesem Satze
die Aussage rechterhand eine richtige Resultante der Elimination des x
aus der linkseitigen Annahme vorstellen muss.


Diese Resultante ist auffallenderweise dieselbe, als ob wir ein
System voneinander unabhängig beliebiger Klassen x, y, … aus den
Prämissen
(p x + q x1 ≠ 0) (r y + s y1 ≠ 0) …
zu eliminiren gehabt hätten. Und dieser Umstand wird von vornherein
die Vollständigkeit der in η) gegebenen Eliminationsresultante fraglich,
ja unwahrscheinlich erscheinen lassen. Es muss ja doch etwas zu be-
deuten haben, dass es das nämliche Gebiet x ist, welches zugleich mit
der ersten auch die noch folgenden Ungleichungen simultan erfüllt!


Die Frage nach dieser Vollständigkeit der angeführten Resultante
ist in der That hier, ganz strenge genommen, nicht zu bejahen, über-
haupt aber im obigen Probleme entfernt nicht so einfach zu beant-
worten, wie in den vorhergehenden Fällen. Ich habe diese Frage bei
dem allgemeinsten Eliminationsprobleme ohnehin eingehend zu be-
sprechen, und will dieselbe bis dahin zurückstellen.


Von den drei bis jetzt behandelten Spezialproblemen, deren Lösungen
durch β), γ) und η) gegeben werden, begreift unser drittes η) das
[205]§ 41. Das Eliminationsproblem gelöst für typische Spezialfälle.
zweite γ) als besondern Fall unter sich, und brauchen wir deshalb blos
von den beiden β) und η) noch weiter zu sprechen.


Wie schon in § 21 — Bd. 1, S. 456 — gezeigt, lässt sich durch
eine leichte Umschreibung dem erstern durch β) gelösten Probleme
eine solche Gestalt geben, dass für beide Probleme die Elimination
ganz in der gleichen Weise vollziehbar, das Eliminationsverfahren für
sie ein einheitliches wird.


Dies wird nämlich dadurch erreicht, dass man die Gleichung, aus
welcher x zu eliminiren war (und darnach ebenso die Resultante der
Elimination), anstatt auf 0, rechts stets auf 1 gebracht ansetzt. Als-
dann ist bekanntlich das Untersuchungsergebniss β) zu ersetzen durch:
ϑ) (a x + b x1 = 1) (a + b = 1)
und lehrt der Anblick von ϑ) sowol als von η) folgendes: Man kann
die Elimination des x aus den Prämissen links einfach dadurch voll-
ziehen
, dass man den Eliminanden x und seine Negation x1ohne weiteres
unterdrückt
, diese beiden Symbole sozusagen aus den Prämissen aus-
radirt
(„erase“).


Jedoch mit einem Vorbehalte; man merke etwa: Nur darf hiebei kein
Summenglied zerstört werden
, („provided no aggregant term is destroyed“).
Weil nämlich x und x1 nur als Faktoren wegfallen, und deren Koeffizienten
stehn zu bleiben haben, so sind die letztern, wo sie etwa, weil = 1, un-
erwähnt geblieben, ausdrücklich anzufügen, bevor man an das Radiren geht.
M. a. W.: Ähnlich, wie in der Arithmetik beim „Heben“, „Streichen“ von
Nennerfaktoren in einem Bruche gegen ihnen gleiche des Zählers bekannt-
lich im letzteren die 1 als übrig bleibender Faktor angesetzt werden muss,
sobald alle Zählerfaktoren sich wegheben, so muss natürlich auch hier der
möglicherweise nicht angeschrieben gewesene Faktor 1 als Koeffizient hin-
zugedacht und wirklich angesetzt werden, wenn bei der Ausradirung des x
(oder x1) kein Faktor mehr stehen bleiben würde. So ist z. B. nur:
(x + q x1 ≠ 0) (1 + q ≠ 0) = (1 ≠ 0) = 1߭;
die Elimination des x gibt also hier eine nichtssagende Resultante, nicht
aber dürfte (q ≠ 0) als Resultante hingestellt werden; und analog wird sein:
(p x + x1 ≠ 0) = (p x + 1 · x1 ≠ 0) (p + 1 ≠ 0) = (1 ≠ 0) = 1߭
wobei abermals die Resultante von selbst erfüllt, keine Relation mehr ist. Desgl.
(x + b1x1 = 1) (1 = 1) = 1߭, (a1x + x1 = 1) (1 = 1) = 1߭.


Als ein letztes Spezialproblem behandle ich die fundamentale


Aufgabe. Aus einer simultan mit einer Gleichung geltenden Un-
gleichung:

(a x + b x1 = 0) (p x + q x1 ≠ 0)
das Gebietsymbol x zu eliminiren.


[206]Neunzehnte Vorlesung.

Auflösung. Die volle Resultante lautet:
(a b = 0) (p a1 + q b1 ≠ 0)
und gilt sonach auch der Satz:
ι) (a x + b x1 = 0) (p x + q x1 ≠ 0) (a b = 0) (p a1 + q b1 ≠ 0).


Beweis. Derselbe besteht aus zwei Teilen. Der erste hat die
Richtigkeit von ι), der zweite die Vollständigkeit der Resultante dar-
zuthun.


Erster Teil. Gilt die Prämisse, so gilt nach Th. 6×) des Aus-
sagenkalkuls auch a x + b x1 = 0, welches nach Th. 24) in
(a x = 0) (b x1 = 0)
zerfällt; es gelten also auch — abermals kraft Th. 6̅×) — diese beiden
Faktorenaussagen für sich. Dieselben können aber nach Th. 38×) in
Subsumtionen umgeschrieben werden, d. h. es gelten, wegen:

(a x = 0) = (xa1),(b x1 = 0) = (x1b1)

die beiden Subsumtionen rechterhand. Aus diesen folgt aber durch
beiderseitiges Multipliziren nach Th. 15×):

p xp a1,q x1q b1

und hieraus durch überschiebendes Addiren gemäss Th. 17+):
p x + q x1p a1 + q b1.


Wenn in dieser Subsumtion die linke Seite ≠ 0 ist (und sie soll
es ja laut Voraussetzung sein), so muss auch nach dem Hülfstheorem ε)
die rechte Seite ≠ 0 sein, d. h. wir haben:
ϰ) (p x + q x1 ≠ 0) (p a1 + q b1 ≠ 0).
Und überschiebendes Multipliziren dieser Subsumtion mit der ohnehin
schon geltenden β) liefert uns das Theorem ι), welches zu beweisen
gewesen.


Man übersieht hier leicht, wie wir den ganzen Beweis auch ohne
jeden verbalen Text blos in Formeln des Aussagenkalkuls hätten
führen können.


Zweiter Teil. Dass die angeführte Resultante auch das volle Er-
gebniss der Elimination des x sein muss, geht daraus hervor, dass
wenn sie erfüllt ist, wenn also a b = 0 und p a1 + q b1 ≠ 0 ist, sich immer
in Gestalt von

λ)x = b + a1p q1,x1 = b1 (a + p1 + q)

[207]§ 41. Das Eliminationsproblem gelöst für typische Spezialfälle.
ein x angeben lässt, welches die Prämisse erfüllt, wie man dies leicht
nachrechnet. Hiefür wird nämlich a x + b x1 = a b also in der That = 0
und
p x + q x1 = p (a1q1 + b) + q b1 =*)p a1 + q b1 + p a b = p a1 + q b1 + 0 = p a1 + q b1
also in der That ≠ 0.


Noch allgemeiner könnte man auch:
μ) x = b + a1p q1 + a1 (p q + p1q1) u
nehmen, wo u beliebig.


Ich will dies auch heuristisch noch begründen. Um es zu finden
stellte ich mir die Aufgabe, während a b = 0 angenommen wird, ein solches
x zu ermitteln, dass zugleich a x + b x1 = 0 und
p a1 + q b1p x + q x1
ist, sodass, wenn etwa die linke Seite dieser Subsumtion ≠ 0 ist, es um
so mehr auch die rechte sein muss. Nach Th. 38×) ist aber letztere Sub-
sumtion einerlei mit der Gleichung:
(p a1 + q b1) (p1x + q1x1) = 0 oder b1p1q x + a1p q1x1 = 0
und somit ist die vereinigte Gleichung der beiden zu erfüllenden:
(a + b1p1q) x + (b + a1p q1) x1 = 0.


Es folgt nach den Methoden des § 21 eliminando nur die laut Voraus-
setzung ohnehin erfüllte Relation a b = 0, und endlich solvendo der an-
gegebene allgemeine Ausdruck μ) für x, welcher für u = 0 in den zuerst
angeführten λ) übergeht, für u = 1 aber uns x = b + a1 (p + q1) als einen
andern geeigneten Wert für x von bemerkenswerter Einfachheit des Aus-
drucks liefern würde.


Anmerkung zuι).


Analog wie γ) ist auch leicht der noch etwas allgemeinere Satz
zu beweisen:
ν) (p x + q y ≠ 0) (p + q ≠ 0),
indem dies in der That durch überschiebendes Addiren aus den nach § 40,
ά) S. 194 geltenden Subsumtionen:
(p x ≠ 0) (p ≠ 0), (q y ≠ 0) (q ≠ 0)
gemäss § 40, α) S. 179 erhalten wird.


Der Satz lässt sich in derselben Weise, wie für binomische, so auch
für beliebig vielgliedrige polynomische Summen unmittelbar beweisen, des-
[208]Neunzehnte Vorlesung.
gleichen auch mittelbar, successive, von jenen auf diese ausdehnen. Es gilt
z. B. auch:
ξ) (p x + q y + r z ≠ 0) (p + q + r ≠ 0)
Etc. und können wir sagen: Wenn eine lineare (und zunächst homogene)
Funktion beliebig vieler Variabeln ungleich 0 ist, so muss auch die Summe
ihrer Koeffizienten ungleich
0 sein.


Gilt der Satz aber für eine homogene lineare Funktion bei einer be-
stimmten Anzahl von Gliedern oder Variabeln, so muss er auch für die all-
gemeine, nicht homogene, lineare Funktion von ebensoviel Gliedern (mithin
von einer Variabeln weniger) gelten, indem man, um ihn für diese zu er-
halten, nur die letzte von den erwähnten Variabeln gleich 1 zu denken
braucht. So erhalten wir z. B. aus dem letzten Satze für drei Variabeln
durch die Annahme z = 1 auch den Satz:
ο) (p x + q y + r ≠ 0) (p + q + r ≠ 0),
durch welchen für die allgemeine lineare Funktion von zwei Variabeln das
Theorem dargestellt wird.


Die Formeln ν), ξ), ο) geben rechterhand die volle Resultante der
Elimination von x, y und eventuell z aus der Proposition linkerhand an, wie
man durch die Annahmen x = p, y = q und ev. z = r mit Leichtigkeit
beweist. Und ähnlich für noch mehr Summanden. Auch hier entsteht die
Resultante durch Tilgung der Eliminanden. —


Nach ν) haben wir nun insbesondere:
π) (p a1 + q b1 ≠ 0) (p + q ≠ 0).


Multiplizirt man dies „beiderseits“ (nicht „überschiebend“!) mit
(a b = 0), so folgt aus dem Ergebnisse:
(a b = 0) (p a1 + q b1 ≠ 0) (a b = 0) (p + q ≠ 0)
in Verbindung mit ι) a fortiori auch:
(a x + b x1 = 0) (p x + q x1 ≠ 0) (a b = 0) (p + q ≠ 0),
oder:
ϱ) (a1x + b1x1 = 1) (p x + q x1 ≠ 0) (a1 + b1 = 1) (p + q ≠ 0).


Auch bei diesem Problem erhält man also, wofern man nur eine
bestimmte Form des Ansatzes — nämlich die linkerhand in ϱ) —
wählt, als richtige Folgerung eine Resultante der Elimination, indem
man die Eliminanden x, x1 aus der Prämisse herausradirt.


Diese Resultante wird aber im allgemeinen durchaus nicht die
volle Resultante sein; vielmehr wird dieselbe entschieden weniger aus-
sagen, als wirklich in Bezug auf a, b, p, q aus der Prämisse gefolgert
werden kann.


Es ist nämlich leicht zu sehen, dass die Subsumtion π) nicht umkehr-
[209]§ 41. Das Eliminationsproblem allgemein gelöst (aus dem Rohen).
bar ist. Zu dem Ende braucht man z. B. nur a1 mit p und b1 mit q dis-
junkt zu denken, so wird der Major der Subsumtion π), das ist p + q ≠ 0
erfüllt sein können, während der Minor derselben: 0 + 0 ≠ 0 dies nicht ist.


Die Subsumtion π) wird also zumeist als eine wirkliche Unterordnung
gelten; es wird die in ϱ) gegebene Resultante wirklich weniger sagen, als
die in ι), und unser erstes Ergebniss ist weitergehend, ist das umfassendere.
D. h. die eigentliche Lösung der Eliminationsaufgabe liefert jene allerdings
wunderbar einfache Radirmethode des Eliminirens schon bei dem vor-
liegenden Spezialproblem nicht mehr!


Wir können nunmehr ohne weiteres zu Lösung des allgemeinen
zu Anfang dieses Paragraphen charakterisirten Eliminationsproblemes
übergehen.


Die Resultante der Elimination des x aus der vereinigten Aus-
sage α) ist:
σ)

  • Σ (a b = 0) (p a1 + q b1 ≠ 0) (r a1 + s b1 ≠ 0) ....
    • = 1߭
    • ≠ 0


und dies beruht auf dem Satze*):

  • τ)
    • Σ (a x + b x1 = 0) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) ....
      Σ (a b = 0) (p a1 + q b1 ≠ 0) (r a1 + s b1 ≠ 0) ....,


in welchem die Glieder und deren Faktoren in den beiderseitigen
Summen einander genau entsprechen.


Der Satz wird leicht erhalten, indem man zunächst nach Th. 1̅7̅×),
überschiebend multiplizirt die folgenden kraft des Theorems ι) gel-
tenden Subsumtionen:
(a x + b x1 = 0) (p x + q x1 ≠ 0) (a b = 0) (p a1 + q b1 ≠ 0),
(a x + b x1 = 0) (r x + s x1 ≠ 0) (a b = 0) (r a1 + s b1 ≠ 0),
. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

wobei man links wie rechts den wiederholt auftretenden ersten Faktor
dem Tautologiegesetze 1̅4̅×) entsprechend nur einmal schreiben wird.


Das Ergebniss:
υ) (a x + b x1 = 0) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) …
(a b = 0) (p a1 + q b1 ≠ 0) (r a1 + s b1 ≠ 0) …

Schröder, Algebra der Logik. II. 14
[210]Neunzehnte Vorlesung.
drückt als ein allgemeiner Satz aus, dass irgend ein Glied der Summe
links in τ) eingeordnet ist dem entsprechenden Gliede rechts, dieses
involvirt.


Denkt man sich solches nun für jedes Glied jener Summe hinge-
schrieben, so braucht man blos die Subsumtionen der entstehenden
Reihe nach Th. 1̅7̅+) überschiebend zu addiren, und wird das Theo-
rem τ) — noch ohne die Summenzeichen, ausführlichst, angeschrieben
— gewinnen. Der Prozess läuft aber darauf hinaus, die vorstehende
Subsumtion „beiderseits“ zu „summiren“, d. h. der linken und rechten
Seite derselben das Summenzeichen voranzuschreiben.


Herrn Peirce’s Schüler O. H. Mitchell gibt als Resultante der Eli-
mination des x aus α) — wie gesagt in seine ihm eigentümliche Symbolik
verhüllt — blos die Folgerung:

  • Σ (a1 + b1 = 1) (p + q ≠ 0) (r + s ≠ 0) …
    • = 1߭
    • ≠ 0


welche, wie wir unter ι) bis ϱ) ausgeführt haben, nur einen Teil von dem
darstellt, was wirklich gefolgert werden kann. Er wirft die Frage nach
der Vollständigkeit der Eliminationsergebnisse (gleichwie auch die übrigen
Schriftsteller über rechnende Logik) überhaupt nicht auf, lässt diese un-
untersucht und haftet an der Regel des Eliminirens mittelst Tilgung der
Eliminanden, die — für die einfachsten Fälle schon von Miss Ladd be-
merkt — von ihm auch auf die andern Probleme mit ausgedehnt wird.


Dass diese Methode zwar zu richtigen Schlüssen führt, aber im all-
gemeinen zu wenig sagende, nicht weit genug gehende Ergebnisse liefern
muss, haben wir bereits dargethan.


Leicht sieht man, dass unsre Lösung auf Grund des Satzes τ)
auch die früheren β) und η) — sowie ι) — mit unter sich begreift.
Lässt man die Ungleichungen fort und beschränkt die Summe auf ein
einziges Glied, so hat man das alte (schon von Boole gegebene)
Theorem β) wieder. Und η) ergibt sich durch die Annahme a = b = 0,
wofür dann a1 = b1 = 1 wird, also unser Ausdruck p a1 + q b1 in p + q,
etc. übergeht.


Die Frage aber, ob nun auch die angegebene notwendig geltende
und unbedingt richtige Resultante σ) das volle Ergebniss der Elimi-
nation des x aus der vereinigten Aussage α) der Data unsres all-
gemeinsten Problemes darstelle, ist strenge genommen zu verneinen.
Es wird uns diese Frage noch zu schwierigen aber instruktiven Unter-
suchungen veranlassen, bei denen ein näheres Eingehen auf den Be-
griff des
Individuums“ nötig wird, für die eine exakte Definition dieses
Begriffes voranzuschicken ist.


Ich will diese Untersuchungen lieber auf einen späteren Zeitpunkt
[211]§ 41. Allgemeine Lösung des Eliminationsproblems aus dem Rohen.
verschieben, um zunächst erst einmal von den bisherigen Ergebnissen
einige Anwendungen zu bringen.


Durch die gedachten Untersuchungen wird sich herausstellen, dass
unsrer obigen Resultante σ), damit sie vollständig werde, noch eine
gewisse weitere Forderung hinzugefügt werden muss, die ich die
Klausel“ nennen will. Deren Ausdruck K in Form einer Aussage
wird also, da sie simultan mit unsrer bisherigen Resultante erfüllt
sein muss, der letzteren noch als ein Faktor beizuschreiben sein.


Der Inhalt der Klausel K erweist sich als von einer eigentüm-
lichen Natur: dieselbe drückt die Forderung aus, dass gewisse Arten
oder Gruppen
, von speziellen Individuenverteilungen unter die Klassen
a
, b, p, q, r, sauszuschliessen sind. Wenn bestimmte Individuen
die erwähnten Klassen gerade auf eine solche Art zusammensetzen,
welche von der Klausel für unzulässig erklärt werden muss, so er-
scheint dies gegenüber der unendlichen Mannigfaltigkeit der denkbaren
Möglichkeiten, auf welche jene Klassen überhaupt aus Individuen zu-
sammengesetzt sein können, gewissermassen als ein grosser Zufall.


Bis auf den Ausschluss gewisser von ihr unberücksichtigt ge-
lassenen „Zufälligkeiten“ — werden wir also sagen können — ist unsre
Resultante σ) wirklich die vollständige; sie löst das Eliminationsproblem
wenigstens im allgemeinen, genauer gesagt „aus dem Rohen“, und gibt
das Gros, die Hauptmasse von dem an, was in Bezug auf die Para-
meter der Data gefolgert werden kann. —


Ist in der Prämisse oder vereinigten Aussage der Daten α) die
Summe auf ein einziges Glied beschränkt, so wird auch die Konklusion
oder Resultante nur aus einem Gliede bestehen und unsre allgemeinste
Formel τ) wird in υ) als in einen speziellen Fall ihrerselbst übergehen:
die Gesamtresultante ist somit die Summe der Einzelresultanten, welche
sich durch die Elimination des Eliminanden aus den einzelnen Gliedern
der
[in der Form α) dargestellten] Prämissenaussage ergeben.


Man braucht sich also beim Eliminationsgeschäfte immer nur mit
einem einzigen Gliede dieser Prämissenaussage abzugeben und um
deren übrige Glieder gar nicht dabei zu bekümmern — sonach blos
das einfachere Schema υ) statt des komplizirteren τ) in’s Auge fassend.


Dies ist auch a priori einleuchtend, in Anbetracht, dass die Summe
der Prämissenglieder auf eine Alternative zwischen diesen verschiedenen
Annahmen hinausläuft, die, ob sie zwar einander nicht notwendig aus-
schliessen, doch je für sich adoptirt werden können — das Zutreffen
oder Nichtzutreffen der übrigen dabei offen gelassen.


Der gleiche Sachverhalt muss sich darum auch forterhalten, wenn
14*
[212]Neunzehnte Vorlesung.
wir etwa später anstatt der nach dem Schema φ), τ) gebildeten viel-
mehr die durch Zuzug der „Klausel“ vervollständigten Resultanten in’s
Auge fassen werden.


Die Glieder der resultirenden und die der Prämissenaussage ent-
sprechen nach dem Gesagten einander gegenseitig eindeutig und sollen
die zugeordneten „korrespondirende“ Glieder heissen. Jedes Glied der
Konklusion ist die Resultante (der Elimination von x aus) zu seinem
korrespondirenden Glied der Prämissenaussage.


In einem solchen Glied der Resultante, mithin bei dem Major von
υ), möge derjenige Faktor — hier (a b = 0) — welcher eine Gleichung
ist, der „Boole’sche Faktor“ genannt werden (und analog auch bei
der Prämissenaussage). Derselbe kann natürlich auch, anstatt mecha-
nisch nach dem gegebenen Schema, gewünschtenfalles unter Anwendung
irgend welcher andern Methoden — wie solche in der 14ten Vorlesung
auseinandergesetzt — sowie der raffinirtesten zur Vereinfachung der
Arbeit ersinnbaren Kunstgriffe hergestellt werden.


Anscheinend verdient es im allgemeinen den Vorzug, den Boole-
schen Faktor schon in den Prämissen rechts auf 1 — statt wie oben
auf 0 — gebracht anzusetzen, für a x + b x1 = 0, also a1x + b1x1 = 1 zu
nehmen, aus dem Grunde, weil man alsdann die Faktoren a1, b1 mit
welchen die p, q, r, s, … bei der Elimination des x zu multipliziren
sein werden, schon als Koeffizienten vorgebildet findet, mithin sie nicht
erst negando auszurechnen braucht.


Ersetzen wir die Bezeichnungen a1, b1 hernach durch die a, b, so
erhält unser Theorem in der That die folgende eleganteste und zu-
weilen auch bequemst anzuwendende Gestalt:
φ) Σ (a x + b x1 = 1) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) …
Σ (a + b = 1) (p a + q b ≠ 0) (r a + s b ≠ 0) …

worin es auch erlaubt, sich die Summen eingliedrig zu denken, mithin
die Summenzeichen wegzulassen.


Beim Operiren nach diesem Schema wird man jedoch behufs Her-
stellung der „vereinigten“ Boole’schen Gleichungen, anstatt des bisher
gewohnten Theorems 24+), das Th. 24×) nämlich (a = 1) (b = 1) = (a b = 1)
zum Vorbild nehmen, d. h. man wird die Polynome der zu vereinigenden
Gleichungen jeweils miteinander multipliziren müssen, wo wir bisher
summirten. Und da das Multipliziren nun, mit den oft noch unent-
wickelten Aggregaten, welche als Polynome der Boole’schen Faktoren
auftreten, so sehr viel unbequemer auszuführen ist, als wie das Ad-
diren derselben, und diesem Unterschied gegenüber die Arbeit des Ne-
[213]§ 41. Simultane Elimination, aus dem Rohen.
girens der Koeffizienten oft kaum in Betracht kommt, m. a. W. da die
Vorarbeiten des Eliminationsgeschäftes viel mehr in’s Gewicht zu fallen
pflegen als dieses selber, so muss ich ungeachtet der hervorgehobenen
theoretischen Vorzüge der Formel φ) vor dem Schema τ) in der
Praxis doch häufig vorziehn mich des letztern zu bedienen. —


Was noch das Eliminationsproblem bei mehreren Eliminanden x,
y, z, … betrifft, so kann man sich überzeugen, dass unsre Resultante
aus dem Rohen die nämliche wird, wenn man erst x, dann y, wie
wenn man umgekehrt erst y, dann x aus der vereinigten Aussage der
Data eliminirt. Letztere, nach x und y entwickelt, hat die Form:
χ) Σ (Ax, y = 1) Π (Bx, y ≠ 0),
wo
Ax, y = a x y + b x y1 + c x1y + d x1y1
und
Bx, y = p x y + q x y1 + r x1y + s x1y1
bedeuten wird, und in den folgenden Faktoraussagen des Produktes Π
(die bei jedem einzelnen Gliede der Summe Σ in unabhängig beliebiger
Anzahl gegeben sein mögen) nur die Koeffizienten p, q, r, s andere
und andere Werte haben mögen, deshalb auch mit Accenten (oder
zweiten oberen Indices) behaftet zu denken sind (gleichwie in den ver-
schiedenen Gliedern der irgendwievielgliedrigen Summe Σ die sämt-
lichen Koeffizienten a, b bis s durch erste obere Indices unterscheid-
bar gemacht sein sollten).


Wollen wir x eliminiren, so sind nach x zu ordnen die
Ax, y = (a y + b y1) x + (c y + d y1) x1
und die
Bx, y = (p y + q y1) x + (r y + s y1) x1.
Die Resultante lautet nach der Regel φ):
Σ (Ay = 1) Π (By ≠ 0),
wo
Ay = (a y + b y1) + (c y + d y1) = (a + c) y + (b + d) y1,
By = (p y + q y1) (a y + b y1) + (r y + s y1) (c y + d y1) = (p a + r c) y + (q b + s d) y1

bedeuten muss.


Hieraus nach derselben Regel nun auch y eliminirt gibt die
Resultante:
ψ) Σ (A = 1) Π (B ≠ 0),
wo
[214]Neunzehnte Vorlesung.
A = (a + c) + (b + d) = a + b + c + d,
und
B = (p a + r c) (a + c) + (q b + s d) (b + d) = p a + q b + r c + s d
ist.


Wollen wir dagegen erst y eliminiren, so sind auch nach y zu
ordnen:
Ax, y = (a x + c x1) y + (b x + d x1) y1,
Bx, y = (p x + r x1) y + (q x + s x1) y1

und ergibt sich als Resultante:
Σ (Ax = 1) Π (Bx ≠ 0),
wo
Ax = (a x + c x1) + (b x + d x1) = (a + b) x + (c + d) x1,
Bx = (p x + r x1) (a x + c x1) + (q x + s x1) (b x + d x1) = (p a + q b) x + (r c + s d) x1

bedeutet. Wird hieraus nun x regelrecht eliminirt, so ergibt sich die-
selbe Resultante ψ) wie vorhin, nur dass die A und B zuerst in den
Formen erscheinen:
A = (a + b) + (c + d), B = (p a + q b) (a + b) + (r c + s d) (c + d)
was aber reduzirt auf das Obige hinausläuft.


Wir wollen ψ) die rohe Resultante der simultanen Elimination
von x und y aus der Prämisse χ) nennen.


Weiter folgt dann, dass simultane Elimination des Paares x, y
von Symbolen und darauf folgende von z dasselbe Ergebniss liefern
muss, wie Einzelelimination von x und darauf folgende Simultanelimi-
nation des Paares y, z, und zwar weil beide Prozesse auf die succes-
sive Elimination von x, dann y, dann z hinauskommen müssen. Man
sieht hienach:


Auch die rohe Elimination ist bei beliebig vielen Eliminanden eine
kommutative und assoziative Operation.


Den gleichen Nachweis auch für die volle Elimination zu leisten,
ist ein noch offenes Problem, weil wir die vollen Resultanten noch
nicht anzugeben vermögen. Vorher schon gelänge er wol a priori.


Das bei ψ) ersichtliche Bildungsgesetz für die rohe Resultante
der simultanen Elimination ist von zweien leicht auf beliebig viele
Eliminanden in gleicher Weise auszudehnen, und lässt sich, nachdem
die Aussagenfaktoren der Data nach dem System der Eliminanden
ent-
wickelt
sind, diese rohe Resultante der simultanen Ausmerzung des
ganzen Eliminandensystems augenblicklich hinschreiben, ohne dass
man nötig hätte zum Verfahren des successiven Eliminirens erst seine
Zuflucht zu nehmen. Die Regel dazu lautet:


[215]§ 41. Bemerkung, das Auflösungsproblem betreffend.

Behufs Herstellung der Resultante unterdrücke man erstens in den
Boole’schen Faktor
aussagen, welche rechts auf 1 gebrachte Glei-
chungen
sind, die sämtlichen Konstituenten (nachdem diejenigen Koeffi-
zienten, welche etwa gleich 1 waren, ausdrücklich als solche
angeschrieben worden), und zweitens ersetze man in denjenigen Faktor-
aussagen, welche rechts auf 0 gebrachte Ungleichungen sind, jeden
Konstituenten durch denjenigen Koeffizienten
, welchen das mit dem vor-
liegenden gleichnamige Glied der zugehörigen Boole’schen Faktoraussage
besass
.


Die also gewonnene rohe Resultante ist wieder eine berechtigte
Konklusion aus der Prämissenaussage; sie muss sicher gelten, wenn
für irgendwelche Wertsysteme — auch nur für ein gewisses Wert-
system — der Eliminanden die Prämissen Gültigkeit haben. Dagegen
gewährt ihr Erfülltsein noch nicht die Garantie, dass es unter allen
(sonst dabei noch zulässigen) Umständen auch ein Wertsystem der
Eliminanden geben müsse, welches die Prämissen wahr macht. —


Wir konnten in der Entwickelung unsrer Disziplin des identischen
Kalkuls zwei Etappen unterscheiden. Auf der ersten Etappe mit § 27
angelangt, ist sie nur erst im stande solche Probleme zu lösen, in
deren Daten und Solutionen lediglich universale Urteile in Betracht
kommen. Bis dahin operirt die Disziplin immer nur mit Subsumtions-
und Gleichheitszeichen, und das allgemeinste bei dieser Einschränkung
erdenkliche Problem löst unsre Theorie vermittelst des Theoremes 49+)
oder 50+), welches als das Haupttheorem der ersten Etappe zu be-
zeichnen ist — im Wesentlichen schon von Boole gegeben.


Um auch die Behandlung von Problemen in ihr Bereich zu ziehen,
sich zugänglich zu machen, bei denen partikulare Urteile mit in Be-
tracht kommen, und sich damit zur zweiten Etappe zu erheben, war
die Disziplin genötigt, den früheren Beziehungszeichen noch das Un-
gleichheits
zeichen (oder auch das verneinte Subsumtionszeichen) zuzu-
gesellen. Als das Haupttheorem auf dieser Etappe erscheint uns dann
die Folgerung von σ) aus α), oder das Theorem τ) resp. φ).


Freilich löst dasselbe nur mehr die eine von den beiden auf der
vorigen Etappe durch Th. 49+) resp. 50+) gelösten Aufgaben; es leistet
nur die Elimination des x aus α) — lässt dagegen die Frage nach
der „Berechnung“ des x oder die Aufgabe, „die Aussage α) nach der
Unbekannten x aufzulösen“ beiseite. Unter solcher „Auflösung“ würde
strictissime zu verstehen sein: die Angabe aller derjenigen Gebiete
oder Klassen x (ausgedrückt in Form einer Gleichung die links x iso-
[216]Neunzehnte Vorlesung.
lirt, rechts x gar nicht enthält durch die „Parameter“ a, b, p, q, r,
s, …) welche für x in die Aussage α) eingesetzt, dieselbe erfüllen, sie
zu einer wahren oder richtigen Aussage machen — und zwar bei be-
liebig gegebenen Parameterwerten, wofern dieselben nur die volle Resul-
tante der Elimination des x in gleicher Weise bewahrheiten oder
erfüllen. Das Erfülltsein ebendieser Resultante ist ja, wie leicht zu
sehen, die unerlässliche aber auch hinreichende Bedingung für die
Auflösbarkeit von diesem Prämissensysteme α) — vergl. § 21.


Ich enthalte mich, dieses Auflösungsproblem hier zu behandeln
— nicht nur, weil mir dasselbe mehr nur theoretisches als praktisches
Interesse zu besitzen scheint, sondern auch wegen der sich als sehr
beträchtlich anlassenden Schwierigkeiten desselben. Jedenfalls wollte
ich aber nicht unterlassen, arbeitsmutige Forscher hier auf dasselbe
aufmerksam zu machen. Vergl. hiezu noch § 49.


An die Lösung könnte erst gegangen werden, nachdem unsre
„Resultante aus dem Rohen“ durch gründliche Ermittelung der „Klausel“
zur vollen ergänzt worden.


[[217]]

Zwanzigste Vorlesung.


Untersuchen wir mit dem erworbenen Erkenntnisskapital nun vor
allem die sogenannten „Syllogismen“. Man unterscheidet deren „ein-
fache
“, in welche nur zwei Prämissen (und drei Terme oder Glieder)
eingehen und „zusammengesetzte“, bei denen die Zahl der Prämissen
(und Terme) eine grössere sein wird.


Der Sorites, Kettenschluss, ist ein schon bekanntes Beispiel eines
zusammengesetzten Syllogismus.


Nur die ersteren, die einfachen Syllogismen, verlohnt es, mit einer
gewissen Vollständigkeit durchzugehen.


Ferner unterscheidet man „kategorische“ Syllogismen und „hypo-
thetische
“. Bei erstern sind die vorkommenden Terme: Klassen (oder
Begriffe) und die sie betreffenden Schlussglieder (Prämissen sowie
Konklusion) demgemäss kategorische Urteile. Bei letzteren sind die
Schlussglieder hypothetische Urteile, die Terme nämlich Aussagen.


Prinzip II des Klassenkalkuls ist der schon bekannte erste Haupt-
fall Barbara des kategorischen Syllogismus — vergl. § 4.


Dasselbe Prinzip ĪĪ, im Aussagenkalkul gedeutet — vergl. § 32
— illustrirt den hypothetischen Syllogismus Barbara.


So gehen überhaupt aus den kategorischen die gleichnamigen
hypothetischen Syllogismen hervor durch eine blosse Umdeutung, in-
dem man nämlich die Klassenterme der erstern nun als Aussagen
interpretirt. Mit der Theorie von jenen wird darum zugleich auch
die von diesen wesentlich erledigt, und wird es genügen, am Schlusse
nur einen Seitenblick auf sie zu werfen.


Aus diesen Gründen haben wir uns zunächst nur mit den „ein-
fachen kategorischen
“ Syllogismen zu beschäftigen.


§ 42. Die Syllogismen der Alten. Traditionelle Übersicht derselben.


Gemeinsamer Charakter der einfachen (kategorischen) Syllogismen
ist der: dass sie Schlüsse sind, die lehren, aus zwei Aussagen (kate-
gorischen Urteilen), in welche irgendwie quantifizirt als Subjekt, oder
[218]Zwanzigste Vorlesung.
irgendwie qualifizirt als Prädikat drei Begriffe eingehen, deren einer
— der sogenannte Mittelbegriff — demnach doppelt vorkommt, eine
dritte Aussage zu folgern, welche diesen Mittelbegriff nicht mehr ent-
hält, mit andern Worten: den Mittelbegriff zu eliminiren.


Die zwei Prämissen enthalten je ein Subjekt und ein Prädikat.
Sollen daher im Ganzen nur drei Begriffe in sie eingehen, so muss
in der That von diesen einer in jeder von den beiden Prämissen vor-
kommen. Diesen „Mittelbegriff“ — seinem Umfange nach betrachtet,
m. a. W. die demselben zugeordnete Klasse — nennen wir M, des-
gleichen S den sogenannten „Unterbegriff“, d. i. denjenigen, welcher
als Subjekt, und P den „Oberbegriff“, d. i. denjenigen, welcher als
Prädikat in die Konklusion eingeht, wobei wir, wie üblich, absehen
von der allfälligen Quantifikation (durch Verbindung mit „alle“ oder
„einige“, eventuell „kein“), sowie von allenfallsiger Qualifikation
(mittelst vorgesetzter Verneinungspartikel „nicht“), durch welche in
den drei als Prämissen und Konklusion in Betracht kommenden Ur-
teilen diese Begriffe modifizirt erscheinen können.


Die eine der beiden Prämissen enthält neben M das Subjekt S
der Konklusion und wird der Untersatz (die Assumtion, propositio
minor) des Syllogismus genannt. Die andre, neben M das Prädikat P
der Konklusion enthaltende Prämisse heisst der Obersatz (propositio
major) desselben — ganz so, wie dies für den ersten Syllogismus
„Barbara“ bereits in § 4 dargelegt wurde.


Je nach der Art, wie die drei Begriffe S, M, P in den Prämissen
als Subjekte oder Prädikate verteilt sind, werden die gültigen, resp.
von der Schullogik für gültig erklärten
Syllogismen in verschiedene
Figuren“ (σχήματα bei Aristoteles) eingeteilt. Man wird bald er-
kennen, dass solcher Figuren viere denkbar sind, und dass alle denkbaren
Figuren auch wirklich gültige Syllogismen unter sich begreifen.


Jenachdem ferner die einen oder andern von den drei beim Syllo-
gismus in Betracht kommenden Sätzen („Schlussgliedern“: Untersatz,
Obersatz und Schlusssatz) als universale oder partikulare, bejahende
oder verneinende Urteile sich darstellen, haben wir noch verschiedene
Modi“ (bei Aristotelesτϱόποι) von Syllogismen zu unterscheiden.


Die drei ersten Figuren mit ihren modi hat im wesentlichen Aristo-
teles
gegeben. Die modi der vierten Figur wurden von seinen Schülern
Theophrastos und Eudemos hinzugefügt und später von Galenos zu einer
eigenen (der vierten) Figur zusammengefasst. Vergl. Ueberweg1 p. 282. 292.


Der Modi sind mehrere bei jeder von den vier Figuren — im
Ganzen 19 — wozu aber noch 5 (durch „Subalternation“) „abge-
[219]§ 42. Die Syllogismen der Alten.
schwächte“ Formen kommen, während auch bei einem von den 19 Haupt-
modi (dem „Bamalip“) die Konklusion schon eine abgeschwächte ist,
nämlich nach der Meinung der Alten nur einen Teil von dem aussagt,
was geschlossen werden konnte.


Die Scholastik gab den Modi dreisilbige Namen, deren Vokale
als a, e, i, o im Sinne des § 34 zu erkennen geben, zu welcher Art
von Urteilen der Untersatz, der Obersatz und der Schlusssatz gehören.


Auch die Konsonanten sind nicht ganz willkürlich, indessen auch
nicht konsequent gewählt, weshalb es nicht verlohnt, ihre Wahl hier zu
motiviren, auch zahlreiche Verbesserungsvorschläge und Abweichungen vor-
kommen — vergl. z. B. den wenigstens konsequenten, dafür aber etwas
eintönig ausgefallenen Vorschlag von Miss Ladd1 p. 40. Im übrigen sind
die scholastischen Benennungen nach unserm heutigen Empfinden als äusserst
geschmacklos gewählte zu bezeichnen. Dieselben sind nach Ueberweg1
p. 344 besonders durch Petrus Hispanus (gestorben 1277 als Pabst
Johann XXI) in dessen „Summulae logicales“ in allgemeine Aufnahme
gekommen.


Sie werden in den „versus memoriales“ aufgezählt:
Bārbără Cēlārēnt prīmāe*), Dărĭī, Fĕrĭōquĕ.
Cēsărĕ, Cāmēstrēs, Fēstīnŏ, Bărōcŏ sĕcūndāe.
Tērtĭă
**)grāndĕ sŏnāns rĕcĭtāt: Dārāptĭ, Fĕlāptōn,
Dīsāmīs, Dătĭsī, Bōcārdŏ, Fĕrīsōn. Quārtāe
Sūnt Bămălīp, Călĕmēs, Dĭmătīs, Fĕsăpō, Frēsīsōn.

oder in etwas anderer Version (De Morgan2 p. 131):
Barbara, Celarent, Darii, Ferioque prioris.
Cesare, Camestres, Festino, Baroko, secundae.
Tertia Darapti, Disamis, Datisi, Felapton,
Bokardo, Ferison habet. Quarta insuper addit
Bramantip, Camenes, Dimaris, Fesapo, Fresison.

— in Analogie zu welchen in der um 1250 verfassten Ἐπιτομὴ des Nike-
phoros Blemmides
sich die Worte finden:

I.γϱάμματα ἔγϱαψε γϱαφίδι τεχνιϰός.
IV.γϱάμμασιν ἔταξε Χάϱισι πάϱϑενος ἱεϱόν.
II.ἔγϱαψε ϰάτεχε μέτϱιον ἄχολον
III.ἅπασι σϑεναϱός, ἰσάϰις ἀσπίδι ὁμαλός, φέϱιστος.

— wobei die zweite Zeile die (früher der ersten Figur zugezählten) Modi
der vierten Figur mit umgestellten Vordersätzen enthält und der Schrift
wahrscheinlich erst später zugefügt wurde.


Die als „abgeschwächte“ noch hinzutretenden Formen des Syllogismus
hat (Basel 1560) Joh. Hospinianus, nach ihm auch Leibniz aufge-
stellt. (l. c.)


[220]Zwanzigste Vorlesung.

Nach Lambert wird die erste Figur (wie schon teilweise erwähnt)
auch genannt:
das „dictum de omni et de nullo“,
die zweite Figur das „dictum de diverso“,
dritte „ „ „ „ exemplo“,
vierte „ „ „ „ reciproco“ —

und begnügen wir uns, dies blos anzuführen, ohne auf die Motivirung der
Benennungen einzugehen.


Vom Standpunkte unsrer Theorie müssen wir nun aber eine An-
zahl von diesen Modi für inkorrekt erklären, darunter namentlich auch
sämtliche „abgeschwächten“ Formen, überhaupt nämlich alle diejenigen
Schlüsse, vermittelst welcher aus lauter universalen Prämissen ein parti-
kulares Urteil gefolgert wird
. Diese werden uns, genauer betrachtet,
als Enthymeme erscheinen, die eine wesentliche Prämisse mit Still-
schweigen übergehen — sobald diese aber ausdrücklich formulirt und
den übrigen Prämissen ergänzend zugefügt wird, dann offenbar auf
drei Prämissen beruhen und damit aufhören werden, „einfache“ Syllo-
gismen, ja „Syllogismen“ überhaupt zu sein.


Wir werden dieses eingehend darzulegen haben. Um jedoch die
unter die genannte Rubrik fallenden Formen angeblicher Syllogismen der
traditionellen Liste von vornherein als solche charakterisiren zu können,
sei uns gestattet, solches in kürzester Weise vermittelst des Zusatzes
falsch“ zu thun.


Ich gebe nun vor allem das Wesen der 19 + 5 = 24 Modi oder
traditionellen Formen der gemeinhin als gültig anerkannten Syllogis-
men samt dem Schema der zugehörigen Figuren möglichst übersicht-
lich an, wobei ich in den Schlüssen selbst die drei Termini S, M, P
als Klassensymbole mit a, b, c zu bezeichnen vorziehe.


Die Übersichtlichkeit wird erhöht, wenn wir uns zur Darstellung
der Schlüsse einer Formelsprache bedienen.


Ich wähle dazu zum Teil die legitime Formelsprache unsres
Gebietekalkuls, insofern ich ein Subjekt „alle a“ einfach durch den
Namen der Klasse, das Symbol a selbst, ein Prädikat „nicht-b“ mittelst
Negationsstrichs durch b1 darstelle …


Weil aber bei den partikularen Urteilen die legitime Darstellung
sich schon allzuweit von dem sprachlichen Ausdruck entfernt — vergl.
§ 33 — greife ich zum andern Teil für den Augenblick auch noch
zu einer sonst in unserm Kalkul nicht zulässigen — wenn man will
„illegitimen“ — hier nur einmal konventionell ad hoc zu adoptirenden
Ausdrucksweise, indem ich „einige a“, „einige b“ durch a' resp. b'
darstelle.


[221]§ 42. Die Syllogismen der Alten.

Wir wissen bereits aus § 2 und 4, dass diese Schreibweise sich all-
gemein nicht empfehlen kann, weil solches a' = „einige a“ in getrennten
Aussagen ganz Verschiedenes bedeuten kann und es oberster Grundsatz
aller Rechnungsmethoden ist, Verschiedenes, wo es in einer Rechnung zu-
sammentrifft, auch durch die Bezeichnung zu unterscheiden — ein Grundsatz,
durch dessen Befolgung wir uns erst die Berechtigung erkaufen, die Be-
deutung der Zeichen beim Rechnen aus den Augen verlieren zu dürfen
und mechanisch zu operiren nach den Gesetzen des Kalkuls, welche erst
dann uns niemals in Fehler zu führen vermögen. Bei den vorliegenden
Anwendungsbeispielen wird allerdings in je einem einzelnen Modus des
Schliessens dem a' resp. b' auch durchweg dieselbe Bedeutung gewisser-
massen zufällig zukommen. Es musste aber überhaupt bei partikularen
Urteilen zu andern Darstellungsmitteln Zuflucht genommen werden — § 33.


Die Kopula „sind“ (oder „ist“) stelle ich durchweg durch das Sub-
sumtionszeichen dar, was bei den universalen Urteilen die legi-
time Darstellung ist, bei den partikularen aber (wie oben angedeutet)
eigentlich nicht angeht (nämlich insofern ausgeschlossen erscheint, als
hier die Bezeichnung des partikularen Subjekts mittelst Accentes ein
unzulänglicher Notbehelf bleibt).


Um unsre Syllogismen in Worte zu kleiden, übersetze man also:

  • α)
    • ab mit: Alle a sind b
    • a' b „ Einige a sind b
    • ab1 „ Alle a sind nicht-b, oder: Kein a ist b
    • a' b1 „ Einige a sind nicht-b.

Darnach wird denn der Leser leicht aus der nachstehenden Tafel
die Syllogismen, auch in Worte gefasst, ablesen — wofern wir nur
noch die Bemerkung hinzufügen, dass das Punktedreieck ∴ mit „also“
zu übersetzen ist, mithin die Konklusion einleiten soll. Dieses in
mathematischen Schul- und Fachschriften englischer Sprache fast all-
gemein üblichen Schlüssels:
∴ für „folglich“, ergo, therefore
— im Gegensatz zu welchem bekanntlich auch
·.· für „weil“, quoniam, because.
gebraucht wird (resp. für „denn“, nam, resp. enim, for) — bediene
ich mich hier aus zwei Gründen.


Einmal, um behufs Vermehrung der Übersicht noch die Klammern
zu sparen
. Korrekt müsste ja z. B. der Syllogismus Barbara darge-
stellt werden durch:
(ab) (bc) (ac)
wofür wir jetzt zu schreiben vorziehen:
[222]Zwanzigste Vorlesung.
ab, bcac
— womit ersichtlich wird, dass jener Schlüssel ∴ im Grunde nur das
Subsumtionszeichen
des Aussagenkalkuls vertritt.


Sodann aber gebe ich diesem Schlüssel ∴ auch darum vor
den Vorzug, weil ich sonst — was mir widerstrebt — genötigt wäre,
eine Reihe von geradezu falschen Subsumtionen des Aussagenkalkuls
in unsrer Tafel aufzuführen, die man als „enthymematische“ mit ∴
oder „folglich“ eingeleitete Schlüsse doch immerhin wird gelten lassen
können; in einem verbalen Schlusse wird man das Verschweigen einer
Prämisse noch unbeanstandet passiren lassen können; in einer Formel
aber einen wesentlichen Faktor der einen Seite fortzulassen, bleibt un-
statthaft. — Gemäss Th. 6̅): A BAA + C darf man zwar in einer
gültigen Aussage einen beliebigen Aussagenfaktor (B) weglassen, und
einen beliebigen Summanden (C) zufügen (S. 197). Gilt aber A BD,
so wird nicht schon AD zu gelten brauchen. —


Von den „abgeschwächten“ Formen, welche sich nur durch die
Konklusion von den ungeschwächten Modi unterscheiden, fügen wir
nur letztere und den Namen bei.


Wir haben darnach die
β)  Übersicht der traditionellen Syllogismen.

SMpropositiominor
Erste Figur.Schema:MPmajor
SPconclusio.


Barbara.ab,bcac.[Barbaria' c falsch.]
Celarent.ab,bc1ac1.[Celaronta' c1 falsch.]
Darii.a' b,bca' c.
Ferio.a' b,bc1a' c1.
SM
Zweite Figur.Schema:PM
SP


Cesare.ab,cb1ac1.[Cesaroa' c1 falsch.]
Camestres.ab1,cbac1.[Camestrosa' c1 falsch.]
Festino.a' b,cb1a' c1.
Baroco.a' b1,cba' c1.


[223]§ 42. Traditionelle Übersicht der Syllogismen.

MS
Dritte Figur.Schema:MP
SP


Darapti.ba,bca' cfalsch.
Felapton.ba,bc1a' c1falsch.
Disamis.ba,b' ca' c.
Datisi.b' a,bca' c.
Bocardo.ba,b' c1a' c1.
Ferison.b' a,bc1a' c1.


MS
Vierte Figur.Schema:PM
SP


Bamalip.ba,cba' cfalsch.
Calemes.ba1,cbac1.[Calemosa' c1 falsch.]
Dimatis.ba,c' ba' c.
Fesapo.ba,cb1a' c1falsch.
Fresison.b' a,cb1a' c1.

Vorstehende 19 Formen des Syllogismus gehen nun durch blosse
Buchstabenvertauschung vielfach in einander über.


Setzt man c1 für c, so geht hervor


  • Celarent aus Barbara
  • Ferio „ Darii
  • falsch Felapton „ falsch Darapti
  • Bocardo „ Disamis
  • Ferison „ Datisi,

desgleichen umgekehrt, wenn c für c1 gesetzt wird.


Vertauschung von b und b1 erzeugt:


  • Camestres aus Cesare
  • Baroco „ Festino.

Darnach bleibt also nur noch selbständig zu rechtfertigen von der

  • γ)
    • I. Figur: Barbara, Darii
    • II. „ : Cesare, Festino
    • III. „ : falsch Darapti,
       Disamis, Datisi
    • IV. „ : sämtliche Modi. —

[224]Zwanzigste Vorlesung.

Weiter kann man bemerken, dass a' für a gelesen gibt:

  • Darii aus Barbara
  • (Ferio „ Celarent)
  • Festino „ Cesare
  • (Baroco „ Camestres),


desgleichen b und b' vertauscht gibt:

  • Datisi aus Disamis
  • (Ferison „ Bocardo).

Die bejahenden partikularen Urteile kann man aber auch noch
rückwärts lesen — ein Verfahren, das die alte Logik als „einfache
Konversion“ (conversio simplex) bezeichnet. Aus § 34 wissen wir,
dass der hier mit a' b wiedergegebene Satz „Einige a sind b“ im
identischen Kalkul in Gestalt von a b ≠ 0 seinen exakten Ausdruck
findet, was der Kommutativität der Multiplikation halber mit b a ≠ 0
einerlei ist, und daher auch mit „Einige b sind a“, hier also b' a
ausgedrückt werden mag.


Die erste (partikularbejahende) Prämisse a' b in dieser Weise
als b' a rückwärts gelesen („konvertirt“) führt nun:


  • Datisi in Darii
  • Ferison „ Ferio
  • Fresison „ Festino

und umgekehrt über.


Die zweite (partikularbejahende) Prämisse rückwärts gelesen
erzeugt
Dimatis aus Disamis
und vice versā.


Will man dasselbe Konversionsverfahren auch auf die partikular
bejahenden Konklusionen anwenden, so muss man zugleich damit auch
die Buchstaben c und a vertauschen, damit nach vollzogener Konver-
sion wiederum durch c das Prädikat, durch a das Subjekt der Kon-
klusion bezeichnet erscheine. Es wird dabei der Schlusssatz a' c
zuerst in c' a und hernach in a' c übergehen, d. h. allemal unge-
ändert derselbe bleiben. Dagegen bedingt dieses Verfahren auch noch
die gleichzeitige Umstellung der beiden Prämissen, indem durch die
Vertauschung von a und c der Untersatz zum Obersatze, und umge-
kehrt, gestempelt wird. Auf diese Weise geht:


  • Dimatis aus Darii
  • falsch Darapti „ sich selber

[225]§ 42. Die Syllogismen der Alten.
  • Datisi aus Disamis
  • falsch Bamalip „ falsch Barbari

hervor, und umgekehrt.


Nach alledem blieben, genau genommen, als nur mehr selbständig
zu behandelnde Modi von der

  • δ)
    • I. Figur: Barbara, II: Cesare, III: falsch Darapti, IV: falsch Bamalip,
    • sowie Calemes — nebst den abgeschwächten Formen (ohne Barbari).

Endlich lassen durch Kontraposition auch die universal ver-
neinenden Urteile sich rein umkehren (konvertiren), indem wegen:
(ab1) = (ba1) = (a b = 0)
die Redensarten: „Kein a ist b“, und „Kein b ist a“ äquivalent sein
müssen. Auf diese Weise geht
Calemes aus Camestres, (desgleichen in b und c:)
Cesare aus Celarent, Festino aus Ferio,
falsch Fesapo aus falsch Felapton, Fresison aus Ferison

hervor. Der gleiche Prozess bei a und c, wie oben wieder mit einer
Vertauschung dieser verbunden, führt überdies noch ineinander über:
Celarent und Calemes, Cesare und Camestres,
sodass, wie leicht zu sehen, sämtliche gültigen Modi mittelbar auf
die der ersten Eigur in γ), ja auf den Barbara schon zurückgeführt
wären — zum Teil jedoch in verwickelter Weise.


Dieserhalb, sowie wegen rechnerischer Unterschiede in der Be-
handlung partikularer und universaler Aussagen, wollen wir doch nur
die Buchstabenvertauschung (von c, c1 resp. b, b1) zur Reduktion der
Anzahl gelten lassen, uns also mit den unter γ) zusammengestellten
Modi demnächst beschäftigen.


Man ersieht bereits aus vorstehenden Betrachtungen: die Unter-
scheidung der Modi findet grossenteils nach höchst unwesentlichen, rein
äusserlichen Gesichtspunkten statt. Jenachdem man z. B. einunddie-
selbe Beziehung a b ≠ 0 mittelst „Einige a sind b“ oder mittelst
„Einige b sind a“ in Worten auszudrücken beliebt, kann man einen
(und wesentlich denselben) Syllogismus nicht blos unter einen andern
Modus, sondern zuweilen selbst unter eine andere Figur bringen.


Die traditionelle Klassifikation der Syllogismen macht, im Lichte
unsres Kalkuls betrachtet, einen ähnlichen Eindruck, wie wenn man etwa
in der Arithmetik die Gleichungen des ersten Grades mit einer Unbekannten
in vier Klassen einteilen wollte, je nachdem sie sich in der Form darbieten:
a x = b, x a = b, b = x a, b = a x.


Was nun die Frage der Vollständigkeit der Aufzählung betrifft,
so muss die letztere insofern zunächst der Einseitigkeit geziehen werden,
Schröder, Algebra der Logik. II. 15
[226]Zwanzigste Vorlesung.
als der Sprachgebrauch eine Verneinung beim Subjekte und eine Parti-
kularisirung ein Quantifiziren beim Prädikate willkürlich ausschliesst.
Es würde uns gleichwol nicht verdienstlich erscheinen, diese Einseitig-
keit zu ergänzen, und etwa noch durch die Berücksichtigung von Prä-
missen, wie: „Alle nicht-a sind … einige b“, die Menge der Schluss-
formen zu vermehren.


Innerhalb der durch die erwähnte Ausschliessung bedingten
Schranken ist die Liste als eine vollständige zu bezeichnen. Dass alle
hier nicht aufgeführten Syllogismen, welche aus Urteilen der üblichen
vier Arten zusammengesetzt werden könnten, falsche Schlüsse sein
müssen, würde sich in der That durch eine kombinatorische Unter-
suchung nachweisen lassen, die sich recht mühsam darstellt für Den,
der an den Urteilsformen der Wortsprache klebt.


Mit a als Subjekt und b als Prädikat lässt die Wortsprache eben
nur die vier Urteile α) zu; wird b mit a vertauscht, so gibt dies noch-
mals vier; im Ganzen also sind 8 Urteile möglich, in welche als Subjekt
oder Prädikat zwei bestimmte Klassen a und b eingehen. Ebenso haben
wir 8 zwischen b und c denkbare Urteile. Die Kombination von diesen
als Obersätzen mit jenen als Untersätzen liefert 8 × 8 Paare von Urteilen
die als Prämissen in’s Auge zu fassen wären. Zu jedem von diesen 64 Prä-
missenpaaren sind nun wieder 4 Urteile zwischen a und c als Konklusion
denkbar — und zwar nur 4, nicht aber 8, weil in der Konklusion a als
Subjekt, c als Prädikat zu stehen hat und dieses Verhältniss nicht umge-
kehrt werden darf, beziehungsweise seine Umkehrung auf eine Vertauschung
von Obersatz und Untersatz hinausliefe, somit [in Anbetracht, dass die
Reihenfolge der Prämissen nach Prinzip I oder Th. 12×) des Aussagen-
kalkuls gleichgültig sein muss] auf eine blosse Wiederholung bereits auf-
gezählter Schlussformen hinauskommen müsste.


[figure]
Figure 22. Fig. 22.

Wir hätten darnach 8 × 8 × 4 = 256 Sätze-
tripel durchzugehen, und würde nach Abzug der 24
in Tafel β) angeführten, bei den 232 übrigen dar-
zuthun sein, dass dieselben ungültige Schlüsse liefern.


In jedem einzelnen Falle eines unstichhaltigen
Syllogismus wird man solchen Nachweis immer leicht
dadurch liefern, dass man denselben durch Gebiete
(Kreise, Sphären) a, b, c exemplifizirt, bei welchen
sich die Prämissen als erfüllt zeigen, die angebliche
(oder fragliche, problematische, bestrittene) Konklusion aber als nicht erfüllt
herausstellt — wie beispielsweise dies die Figur 22 uns leisten würde für
den Schluss:
ab, b' ca' c.


Im übrigen soll, gedachten Vollständigkeits-Nachweis in solcher Weise
zu liefern, als eine gerechte Strafe denjenigen Lesern überlassen bleiben,
die eine verbale Behandlung jeder rechnerischen vorziehen.


Übrigens vergleiche man dazu noch § 48, in welchem gezeigt wird,
[227]§ 42. Die Syllogismen der Alten.
dass die in Frage kommenden Prämissen bei Elimination des Mittelbegriffs
gleichwol — in der grossen Mehrzahl der Fälle — noch eine gültige Kon-
klusion zu ziehen gestatten oder „liefern“, wenn solche auch nicht von dem
oben in Frage gezogenen Gehalte ist; als Resultanten ergeben sich doch
meistens gewisse Existenzialurteile! —


Sehr viel einfacher wird die Untersuchung über die Vollständig-
keit unsres Syllogismensystems sich gestalten, wenn man sich hinsicht-
lich der Urteilsformen ausschliesslich an die Zeichensprache hält, wo-
rüber man weiter unten S. 234 nachsehen möge.


Weshalb wir aber in unsrer Theorie gezwungen sind, nur 15 von
den 24 Schlussformen als korrekte Syllogismen anzuerkennen, die 9
übrigen (nämlich 4 von den Hauptmodi und die 5 abgeschwächten
Formen) für Enthymeme, für Schlüsse mit einer Prämisse mehr, als
angegeben
, zu erklären, ja dieselben, wenn sie als vollständige Schlüsse
oder als „Syllogismen“ hingestellt werden sollten, geradezu ungültig,
falsch zu nennen — dies wird die rechnerische Bebandlung der tradi-
tionellen Formen unwiderleglich zeigen.


Einstweilen mag uns ein Textbeispiel das Wesen der Sache offen-
baren. Ich wähle ein solches für den ersten, der für falsch erklärten
Hauptmodi: Darapti.


Die folgenden beiden Prämissen erscheinen uns unangreifbar:
Alle gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecke (b) sind
gleichseitige Dreieke (a).

Alle gleichseitigen rechtwinkligen Dreiecke (b) sind rechtwinklig (c).


Die Konklusion sollte nun lauten:
ergo: Einige gleichseitige Dreiecke (a') sind rechtwinklig (c).


War von sphärischen Dreiecken die Rede, so ist die Konklusion
auch noch (materiell) richtig. — War aber von ebenen Dreiecken die
Rede, so ist die Konklusion augenscheinlich unwahr — ob zwar die
Prämissen (vergl. § 9, ϱ) noch immer gültig bleiben; der Schluss
musste daher formell unberechtigt sein. Erweist sich der Schlusssatz
auch nur in einem Falle als unrichtig, während die Prämissen wahr
sind, so ist der ganze Schluss nicht stichhaltig.


Um den Schluss zu einem gültigen zu machen, das Enthymem zu
ergänzen, muss noch eine (wie anzunehmen, von den Alten stillschweigend
gemachte) Voraussetzung den Prämissen beigefügt werden. Es ist hier
die, dass es b gebe, dass b ≠ 0 sei. Mit dieser weiteren Prämisse werden
wir den Schluss in § 44 noch systematisch in Angriff nehmen; derselbe
ist dann freilich (wie gesagt) kein Syllogismus mehr.


Die Lostrennung der inkorrekten Syllogismen auf Grund der Bemerkung
S. 220 ist wol zuerst von Miss Ladd1 vollzogen.


15*
[228]Zwanzigste Vorlesung.

§ 43. Miss Ladd’s rechnerische Behandlung der 15 gültigen Modi.
Beispiele.


Es ist das Verdienst einer „brilliant young lady-mathematician“*)
— Miss Ladd, nunmehr Frau Professor Fabian Franklin, die 15 gül-
tigen Syllogismen auf einen gemeinsamen Ausdruck gebracht zu haben,
dieselben auf eine Weise, die wir jetzt darlegen wollen, mit einer
einzigen Formel zu begründen.


Für die beiden ersten Modi der ersten und zweiten Figur — diese
vier sind die einzigen, die kein partikulares Urteil enthalten — war
dies allerdings im Wesentlichen schon durch Boole’s Eliminations-
theorem gegeben, welches sich in unsrer Vereinfachung als das Th. 50+)
darstellt, und auf eben dieses Theorem läuft auch die in Rede stehende
einheitliche Behandlung wieder wesentlich hinaus. In der Art aber,
wie diese Zurückführung nun ausgeführt wird (an der noch die
Boole’sche Disziplin scheiterte) wird man nicht umhin können, einen
ganz erheblichen Fortschritt zu erblicken.


Das Th. 50+) lehrte unter anderm, die Elimination eines Gebietes
aus einer (in Bezug auf dasselbe linearen homogenen) Gleichung (mit
der rechten Seite 0) zu vollziehen, und mögen wir uns den auf diese
Elimination bezüglichen Teil des Satzes durch die Formel dargestellt:
A0) (α β + γ β1 = 0) (α γ = 0)
in Erinnerung rufen.


Mit Rücksicht auf Th. 24+) kann aber die Gleichung linkerhand
zerfällt werden in das Produkt zweier Gleichungen, wonach die Formel
äquivalent erscheint mit
A1) (α β = 0) (β1γ = 0) (α γ = 0)
und nach Th. 3̅8̅×) also auch mit:
A) (α β = 0) (β1γ = 0) (α γ ≠ 0) = 0.


DieseInkonsistenzist nun die Formel, welche alle gültigen Syllo-
gismen in sich schliesst
.


Wirft man den dritten Faktor gemäss Th. 3̅8̅×) nach rechts, so
kommt man auf die schon angegebene Subsumtion A1) zurück (die
bei Vertauschung von α und γ nebst β und β1 ungeändert bleibt).
[229]§ 43. Miss Ladd’s rechnerische Behandlung der 15 gültigen Modi.
Ebenso kann man aber auch den zweiten oder ersten Faktor nach
rechts werfen und darnach die Formel umschreiben in:
A2) (α β = 0) (α γ ≠ 0) (β1γ ≠ 0)
A3) (β1γ = 0) (α γ ≠ 0) (α β ≠ 0)
— vergleiche auch § 31. Die beiden Subsumtionen A2) und A3)
würden sich übrigens durch gleichzeitige Vertauschung von α mit γ
und β mit β1 in einander überführen lassen und stellen dieselben
wesentlich nur einen Satz vor.


Miss Ladd stellt die Formel A) hin als einen besondern Fall der
allgemeineren Inkonsistenz:
B) (α β = 0) (γ δ = 0) {α γ (β + δ) ≠ 0} = 0
welche ihrerseits nur eine Umschreibung ist der Subsumtion:
B1) (α β = 0) (γ δ = 0) {α γ (β + δ) = 0},
die sich sozusagen von selbst versteht, in Anbetracht, dass unter den Vor-
aussetzungen linkerhand die beiden Terme des Polynoms der rechten Seite
beim Ausmultipliziren verschwinden, die Aussage rechterhand sich also be-
wahrheitet, in (0 = 0) = 1߭ übergeht.


Aus B) ergibt sich A) durch die Annahme δ = β1, für welche also
β + δ = β + β1 = 1 wird und als Faktor unterdrückt werden darf.


Mit dieser Betrachtung ist implicite auch eine neue Ableitung resp.
Demonstration des Theorems A0) von Miss Ladd gegeben, welche als ori-
ginell zu bezeichnen ist.


Aus der gemeinsamen Hauptformel A), und zwar in ihrer Um-
schreibung A1), geht nun der Syllogismus
Barbara hervor, indem man setzt:
α = a, β = b1, γ = c1
oder noch besser:
α = c1, β = b, γ = a.


Hierduch ergibt sich in der That:
(a b1 = 0) (b c1 = 0) (a c1 = 0)
was nach Th. 38×) äquivalent ist mit:
(ab) (bc) (ac).


Man kann jedoch natürlich auch selbständig zuwerke gehen. Um aus
den Prämissen a b1 = 0 und b c1 = 0 das Mittelglied b zu eliminiren, bilde
man die vereinigte Gleichung a b1 + c1b = 0 und erhält als die Eliminations-
resultante: a c1 = 0 oder ac. Elegant gewinnt man rechnerisch die Kon-
klusion, indem man den Untersatz a b1 = 0 mit c1, den Obersatz b c1 = 0
mit a durchmultiplizirt und die Ergebnisse überschiebend addirt, das
Th. 30+) b1 + b = 1 berücksichtigend, vergl. Peano1 p. 16. —


[230]Zwanzigste Vorlesung.

Diese Betrachtung kann nicht als Beweis des Syllogismus Barbara
angesehen werden, dessen wir ja als „Prinzip II“ zum Beweise der
hier angewendeten Sätze selbst benötigten. Vielmehr hat dieselbe
nur den Wert einer Kontrole und das Verdienst, zu zeigen, dass auch
der Syllogismus Barbara in unsrer Hauptformel A) mitenthalten ist.


Als Beweise für dieselben sind nun aber anzusehen die analogen
Zurückführungen der übrigen gültigen Syllogismen als welche wir
wesentlich nur diejenigen des Tableau § 42, γ) noch abzuhandeln haben.


Aus A3) und damit indirekt aus A) fliesst:


  • Darii, indem man setzt:
    α = a, β = c, γ = b,

wodurch entsteht:
(a b ≠ 0) (b c1 = 0) (a c ≠ 0)


was sich lesen lässt als:
(a' b) (bc) (a' c).


Mit demselben Erfolge könnte man demnach auch in A2) setzen:
α = b, β = c1, γ = a.


Ebenso fliesst:


  • Cesare aus A1) für α = c, β = b, γ = a, nämlich:
    (a b1 = 0) (b c = 0) (a c = 0),
    (ab) (cb1) (ac1).
  • Festino aus A2) für α = b, β = c, γ = a, somit:
    (a b ≠ 0) (b c = 0) (a c1 ≠ 0),
    (a' b) (cb1) (a' c1)

desgl. also auch aus A3) für α = a, β = c1, γ = b.


  • Disamis aus A3) für α = c, β = a, γ = b, somit:
    (a1b = 0) (b c ≠ 0) (a c ≠ 0),
    (ba) (b' c) (a' c)

desgl. also auch aus A2) für α = b, β = a1, γ = c.


  • Datisi ergibt sich auf dieselbe Weise wie oben Darii, indem man
    nur unter Konversion des Untersatzes der dort resultirenden Aus-
    sagensubsumtion dieselbe liest als:
    (b' a) (bc) (a' c).

Hiermit sind nun die gültigen Modi der drei ersten Figuren
erledigt.


[231]§ 43. Miss Ladd’s Behandlung der 15 gültigen Modi.

Die vierte Figur enthält noch drei gültige Modi. Es ergibt sich:


  • Calemes aus A1) für α = a, β = b, γ = c:
    (a b = 0) (b1c = 0) (a c = 0)
    (ba1) (cb) (ac1).
  • Dimatis wie Disamis, nur ist die dort resultirende Aussagensubsum-
    tion jetzt (unter Konversion des Obersatzes) zu lesen als:
    (ba) (c' b) (a' c).

Fresison genau wie Festino, nur mittelst Konversion des Untersatzes
gelesen als:
(b' a) (cb1) (a' c1).


Nach dem über § 42, γ) Gesagten sind zugleich mit den vorstehend
behandelten 9 Modi (die wie man sah nur 6 verschiedene Schemata
im Aussagenkalkul lieferten) auch die noch übrigen 6 gültigen Modi
bereits bewiesen.


Zur Bequemlichkeit des Unterrichtenden stellen wir indess auch diese
mit ihren Formeln im Aussagenkalkul und deren Zurückführung auf die
Hauptformel noch kurz zusammen. Man erhält:


  • Celarent wie Cesare, die Formel unter Konversion des Obersatzes lesend als:
    (ab) (bc1) (a' c1).
  • Ferio wie Festino, die dortige Formel unter Konversion des Obersatzes
    gelesen als:
    (a' b) (bc1) (a' c1).
  • Camestres wie Calemes, die Formel unter Konversion des Untersatzes
    gelesen als:
    (ab1) (cb) (ac1).
  • Baroco aus A2) für α = b1, β = c, γ = a
    sowie aus A3) für α = a, β = c1, γ = b1:
    (a b1 ≠ 0) (b1c = 0) (a c1 ≠ 0)
    (a' b1) (cb) (a' c1).
  • Bocardo aus A3) für α = c1, β = a, γ = b
    oder aus A2) für α = b, β = a1, γ = c1:
    (a1b = 0) (b c1 ≠ 0) (a c1 ≠ 0)
    (ba) (b' c1) (a' c1).

[232]Zwanzigste Vorlesung.

Ferison wie Festino, die Formel unter Konversion des dortigen Unter-
sowol als Obersatzes gelesen als:
(b' a) (bc1) (a' c1). —


Im Ganzen zählen wir also bei den 15 gültigen Modi jetzt 8 ver-
schiedene Formeln des Aussagenkalkuls, welche sich unter Barbara,
Darii, Cesare, Festino, Disamis, Calemes, Baroco und Bocardo
vorstehend der Reihe nach angegeben finden. Verschieden sind die
8 Formeln insofern, als sie, miteinander verglichen entweder ver-
schiedenen Bau zeigen (überhaupt nicht durch Buchstabenvertauschung
in einander übergeführt werden können), oder, wenn sie einerlei Bau
haben, doch wenigstens für einen von den sechs Termen a, a1, b, b1,
c, c1 einen andern enthalten.


Unter dem höheren Gesichtspunkt des Kalkuls ist daher überhaupt
nur von acht gültigen Syllogismen zu reden. Aus diesen entspringen die
15 Modi, indem die Wortsprache da und dort die Möglichkeit bietet,
einunddieselbe Formel auf verschiedene Weise in Worte zu fassen. Wir
geben sogleich einen Überblick über diese Verteilung der 15 Modi auf
die 8 Formen, indem wir die gleichwertigen Modi untereinanderstellen.


Zuvor wollen wir nur noch bemerken, dass unsre acht Formen
auch nur von zweierlei Typus sind. Entweder nämlich illustriren sie
das Eliminationstheorem, welches durch den Satz A1) dargestellt wird,
oder aber dasjenige, welches die Formeln A2) und A3) übereinstimmend
ausdrücken. Die beiden Sätze sind verschieden, sie können augen-
scheinlich nicht durch blossen Buchstabenwechsel in einander ver-
wandelt werden [wenngleich wir sie als logisch mit einander und dem
einen A) äquivalent erkannt haben], weil der erste Satz drei Gleichungen,
der zweite neben nur einer Gleichung zwei Ungleichungen enthält.


Es zerfallen also die 8 Formen des Syllogismus in zwei Gruppen
— die eine, wie sich zeigt von drei Formen (mit 5 Modi), die andre
von fünf Formen (mit 10 Modi), und zwar wie folgt:
C)

Erste Gruppe.
CesareBarbaraCalemes
CelarentCamestres.
Zweite Gruppe.
BocardoDariiFestinoDisamisBaroco.
DatisiFerioDimatis
Ferison
Fresison
[233]§ 43. Miss Ladd’s Behandlung der 15 gültigen Modi.

Dergestalt dass die untereinanderstehenden Modi — wenn dar-
gestellt als Subsumtionen des Aussagenkalkuls, deren Minor sowol
als Major mittelst Gleichungen oder Ungleichungen (mit der rechten
Seite 0) ausgedrückt erscheint — wie gesagt, identisch die nämliche
Formel oder Aussage liefern. Wogegen ein Buchstabenwechsel er-
forderlich ist und hinreicht, um die nebeneinanderstehenden Formen
in einander überzuführen. Die Syllogismen der ersten Gruppe laufen
auf den Satz A1), die der zweiten auf den durch A2) [sowie A3)] dar-
gestellten Satz hinaus.


Die ähnliche Bildung der im Tableau C) in einer Kolumne
stehenden Namen weist unverkennbar darauf hin, dass schon die
älteren Logiker die hier dargelegte engere Verwandtschaft unter den
Modi herausgefühlt haben.


Formeln aber, die sich durch blossen Buchstabenwechsel in ein-
ander*) transformiren lassen — wie z. B. a b = b a und c d = d c
drücken immer denselben Satz aus und sind nicht wesentlich ver-
schieden.


Es gibt hienach wesentlich nur zwei Arten von gültigen syllo-
gistischen Schlüssen, als deren Typus man etwa Barbara und Darii
(oder Festino) hinstellen mag. In diesen — in deren einem oder aber
dem andern — ersetzen die übrigen Modi samt und sonders nur ge-
wisse Buchstaben durch andere!


Es sind jetzt alle gültigen Syllogismen aus den Prinzipien des
identischen Kalkuls bewiesen und auf eine gemeinsame Quelle zurück-
geführt.


Wer auf letzteres weniger Wert legen sollte kann natürlich die Eli-
mination des Mittelgliedes nachdem er die Prämissen in Formeln gesetzt
hat, in jedem Falle einfach der Regel υ) des § 41 gemäss ausführen.


Man überzeugt sich leicht, dass jedesmal die behauptete Kon-
klusion des Syllogismus sich als die vollständige Resultante ergibt, und
genügt es, um dies nachzusehen, das Schema A2) — z. B. — in’s
Auge zu fasseu, worin unter den Prämissen auch eine Ungleichung
figurirt — in Anbetracht, dass wir in Bezug auf Gleichungen — bei
A1) — die Sache längst erledigt haben.


[234]Zwanzigste Vorlesung.

Der Eliminand heisst hier α. Sagten wir x dafür, so könnten
wir die Prämissen von A2) wie folgt schreiben:
(β x + 0 · x1 = 0) (γ x + 0 η x1 ≠ 0).
Als Resultante ergibt sich schon nach dem Satze ι) des § 41:
(β · 0 = 0) (γ β1 = 0 · 01 ≠ 0) = (0 = 0) (β1γ ≠ 0) = 1߭ · (β1γ ≠ 0) = (β1γ ≠ 0)
wie dies eben der Satz A2) behauptet.


Ob man bei dieser Elimination vorzieht, so, wie es vorstehend geschah,
und wie ich es im allgemeinen thue, alle Aussagen auf das Prädikat 0
einzurichten (mit rechts auf 0 gebrachten Subsumtionen, Gleichungen und
Ungleichungen zu operiren), oder ob man mit Herrn Mitchell1 lieber
für das Subjekt 1 sich entscheidet (etwaige Subsumtionen links, die
Gleichungen und Ungleichungen einerseits auf 1 bringend), erscheint dabei
als ein nebensächlicher Umstand, bleibt in subjektives Belieben gestellt,
Geschmacksache.


Ich hege die Überzeugung, dass es nicht möglich sein wird, die
Syllogistik jemals in einer schöneren Weise zu erledigen, als es durch
Miss Ladd begründet ist — wie wir vorstehend darzustellen versucht
haben: in weniger als eine Formel lassen die Syllogismen sich zuver-
lässig nicht komprimiren, und dabei an Durchsichtigkeit und Einfach-
heit die Formel A) noch zu übertreffen erscheint undenkbar.


Obiges dürfte wenigstens dann anzuerkennen sein, wenn auch dem
historisch Gewordenen sein Recht in der Syllogistik gewahrt bleiben,
wenn der Zusammenhang ihrer Betrachtungen mit der Gesamtheit der
Schlussformen der Wortsprache dabei aufrecht erhalten werden soll.


Sieht man freilich ab von den traditionellen Modi und Figuren,
und hält sich von vornherein lediglich an das Problem als ein rech-
nerisch in der Zeichensprache zu lösendes, so lassen die Betrachtungen
sich äusserlich noch erheblich viel mehr, als es vorstehend geschehen,
zusammendrängen — wie denn schon Herr Cayley1 gezeigt hat, dass
das Problem der Syllogistik alsdann lediglich hinausläuft auf dasjenige
der Elimination von b aus den folgenden sechs Paaren von Prämissen:

(a b = 0) (b c = 0),(a b = 0) (b1c = 0),
(a b = 0) (b c ≠ 0),(a b = 0) (b1c ≠ 0),
(a b ≠ 0) (b c ≠ 0),(a b ≠ 0) (b1c ≠ 0),

in welchen, wie man leicht nachweist, alle innerhalb des Rahmens der
gewöhnlichen Syllogistik erdenklichen Prämissensysteme der Art nach
enthalten sind, aus denen sie nämlich durch blossen Buchstabenwechsel,
als da ist: Vertauschung von b mit b1, resp. von a mit a1, c mit c1,
und vielleicht auch von a mit c, vollständig hervorgehen müssen.


[235]§ 43. Beispiele.

Wir können um so mehr darauf verzichten, die Lösung des Pro-
blemes auch für diese Art seiner Stellung hier wiederholend durchzu-
gehn, als es sich so in § 48 mit einem noch viel umfassenderen Auf-
gabenkreise behandelt zeigen wird. Erwähnt sei nur, dass Herr Voigt1,
von andern Gesichtspunkten aus zu einer ähnlichen Übersicht, wie
Cayley, gelangend, mit Recht darauf hinweist p. 38, dass die Lehre
von den Syllogismen eine Materie sei, deren Bewältigung früher auch
einem guten Kopfe wol ein gutes Teil von Kopfzerbrechen und Mühe
verursachte, und dass nichts die Zweckmässigkeit der algebraischen Logik
besser beweise als diese Thatsache, dass mit ihrer Hülfe eine solche Dis-
ziplin sich in jene wenigen Regeln (nur eine!) zusammenfassen lässt. —


Nachdem die Theorie hiermit erledigt, mögen noch einige Bei-
spiele zu den verschiedenen gültigen Modi gegeben werden, dergleichen
sofort zur Hand zu haben dem Lehrer sicherlich willkommen ist.


Zu Barbara finden sich solche schon in § 4 zur Genüge angeführt.


Zu Celarent. Die theoretischen Überzeugungen sind vom Willen
unabhängig. Was vom Willen unabhängig ist, kann nicht durch Straf-
gesetze erzwungen werden. Ergo: Theoretische Überzeugungen können nicht
durch Strafgesetze erzwungen werden. (Ueberweg.) — Anderes Beispiel:
Hasen und Kaninchen sind Nagetiere.
Kein Nager ist ein Wiederkäuer.

Ergo: Hasen und Kaninchen sind keine Wiederkäuer.*)


Zu Darii. Einige Raubvögel sind Eulen. Die Eulen sind Nachtvögel.
Einige Raubvögel müssen also Nachtvögel sein. (R. Grassmann.) Eben-
dazu: Einige Gase sind Metalle (z. B. Wasserstoffgas, Quecksilberdampf).
Alle Metalle sind gute Leiter der Elektrizität. Folglich: Einige Gase sind
gute Leiter. — Desgleichen (wenn man will, auch zu Disamis, etc.):


Krisen des Handels und der Industrie (sog. „Krache“) sind periodisch.
Solche Krisen pflegen die Menschen zu überraschen. Also gibt es Ereig-
nisse, die mit periodischer Regelmässigkeit eintreten und gleichwol die
Menschen überraschen. (F. A. Lange1, p. 82.)


NB: Durch Verwendung einer Prämisse, wie diese: Katastrophen zu
deren Zustandekommen (wie z. B. bei einer Panik) das Gemüt der Menschen
wesentlich mitwirkt, lassen sich dadurch unschädlich machen oder ver-
hindern, dass man sie rechtzeitig vorhersieht und ihnen vorzubeugen sucht
— als Obersatz, sowie etwa: Gegenwärtig naht wieder eine Handelskrise
— als eines Untersatzes — und geschickt darauf gebaute Schlüsse würden
zu geeigneter Zeit sich offenbar grosse Summen gewinnen resp. retten
lassen — sodass sich der „Wert der Syllogistik“ unter Umständen nach
Millionen berechnen lassen dürfte. — Desgleichen:


Alle Quadrate sind Vierecke. Einige Parallelogramme sind Quadrate.
Ergo: Einige Parallelogramme (sogar alle!) sind Vierecke. (Ueberweg.)


[236]Zwanzigste Vorlesung.

Das Beispiel zeigt, dass auch die Modi der ersten Figur unter Um-
ständen wenig wertvolle Konklusionen liefern können, was stets zu thun
Kant2 zu Unrecht denen der drei andern Figuren vorwirft.


Zu Ferio. „Einige Genüsse sind nachteilig. Nichts Nachteiliges ist
erstrebenswert. Ergo: Einige Genüsse sind nicht erstrebenswert.“


Zu Cesare. Diamant zeigt keine Doppelbrechung. Dieser Krystall
zeigt Doppelbrechung. Also ist er kein Diamant. (Sigwart.)


Desgleichen: Kein griechisches Wort geht auf m aus; praeambulum
geht auf m aus; also ist es kein griechisches Wort. (Pommer.)


Zu Camestres. Der Astronom Leverrier schloss: Die Gesamtheit
der Planeten bestimmt die Störungen des Uranus in seiner Bewegung um
die Sonne. Die zur Zeit bekannten Planeten*) sind nicht ausreichend zur
Erklärung der beobachteten Störungen des Uranus. Also bilden sie nicht
die Gesamtheit der Planeten — eine negative Einsicht, welche die Ent-
deckung des Neptun vorbereitete. (Ueberweg.) Man bemerkt, dass die
Konklusion hier eigentlich als Ungleichung aufgefasst sein will, womit über
die Folgerung ac1 oder a c = 0 noch hinausgegangen ist, nämlich von
da, in Verbindung mit a ≠ 0 noch auf ac geschlossen ist.


Zu Festino. Einige Schwimmvögel sind Enten. Kein Schwan ist
eine Ente. Gewiss also sind einige Schwimmvögel nicht Schwäne.


(R. Grassmann.)


Zu Baroco. Manche nützliche Dinge sind gar nicht selten. Alle Edel-
steine sind selten. Folglich sind manche nützliche Dinge nicht Edelsteine.


Zu Disamis. Die Käfer sind Insekten (Kerfe). Einige Käfer sind
Wassertiere. Ergo: Einige Insekten sind Wassertiere. (R. Grassmann.)


Zu Datisi. „Einige Zufriedene sind arm. Alle Zufriedenen sind be-
neidenswert. Ergo: Einige Arme sind beneidenswert.“


Zu Bocardo. Manche von den der Zauberei angeklagten Personen
haben sich selbst nicht für unschuldig gehalten. Alle der Zauberei Ange-
klagten waren eines eingebildeten Verbrechens beschuldigt. Ergo: Einige
eines blos fingirten Verbrechens Beschuldigte haben sich selbst (nicht) für
(un-)schuldig gehalten. (?Ueberweg.) — Desgleichen:


Der Rhombus ist gewöhnlich nicht gleichwinklig. Der Rhombus ist
ein gleichseitiges Polygon. Also: Manche gleichseitige Polygone sind nicht
gleichwinkling.


Es ist nicht angängig, mit Pommer1 schlechtweg zu sagen: der
Rhombus ist nicht gleichwinklig — wo dann der Schluss unter den Modus
(falsch-)Felapton fallen würde — sintemal es auch gleichwinklige Rhomben
gibt, als da sind die Quadrate.


Zu Ferison. Das Eisen ist nicht organisch. Einiges „Eisen(?)“ ist
kohlenstoffhaltig. Also ist nicht alles, was Kohlenstoff enthält, organisch.
(Pommer.)


Zu Calemes. Der Storch ist ein Sumpfvogel (Stelzengänger.) Kein
Sumpfvogel ist ein Schwimmvogel. Ein Schwimmvogel kann also kein
Storch sein. (R. Grassmann.)


[237]§ 43. Beispiele.

Zu Dimatis. Käfer sind Insekten. Einige Wassertiere sind Käfer.
Einige Insekten, also, sind Wassertiere. (R. Grassmann.)


Zu Fresison. Einige Mongolen sind von blonder Rasse. Kein Ger-
mane ist ein Mongole. Also sind einige blonde Rassen nicht Germanen.


Obwol sie hier als „falsch“ bezeichnet sind und theoretisch erst
im nächsten Paragraphen erledigt werden, wollen wir um mit der
Exemplifikation der traditionellen Syllogismen zu Ende zu kommen,
hier sogleich auch die übrigen Modi anreihen.


Vor allen die Modi Darapti und Felapton, obwol eigentlich Enthy-
meme, kommen mit der als „reservatio mentalis“ eben hinzugedachten er-
forderlichen Ergänzung (auf Grund als existirend anerkannter Individuen
der Subjektklasse) doch ungemein häufig zur Anwendung; sie spielen in
den Raisonnements der Wissenschaften sowol als des gemeinen Lebens un-
bestreitbar eine Rolle. Einige Beispiele werden dies erkennen lassen:


Zu (falsch) Darapti. Die 2 ist eine Primzahl; 2 ist eine gerade
Zahl; ergo: Einige Primzahlen (mindestens eine, und in der That nur diese
eine) sind gerade. [Enthymematisch war zu unterstellen: Es gibt eine
Zahl 2; solche existirt!]


„Die Eulen sind Raubvögel; die Eulen sind nützlich(e Tiere); ergo:
Einige Raubvögel sind nützlich.“


„Kalium ist Metall; Kalium schwimmt auf dem Wasser; ergo: Einige
Metalle schwimmen auf dem Wasser.“


Die Wale sind Säugetiere; die Wale haben Flossen; also: Einige
Säugetiere haben Flossen. (R. Grassmann.)


Es gibt Steine, die Eisen anziehen, weil (der Magnet) das Magneteisen
ein Stein ist und Eisen anzieht. (Pommer.)


Die Rytina Stelleri (Seekuh) hätte eines der nützlichsten Tiere werden
können. Sie wurde vom Menschen ausgerottet. Also wurden einige der
(potentiell) nützlichsten Tiergattungen vom Menschen ausgerottet. —


Zu (falsch) Felapton. Man sage: „nicht gehegt oder geschont oder
erhalten“ statt „ausgerottet“ im letzten Beispiel.


Natrium ist Metall; Natrium geht im Wasser nicht unter (sinkt nicht
etc.); ergo: Einige Metalle gehen im Wasser nicht unter. Etc.


Zu (falsch) Fesapo. Alle Fische atmen durch Kiemen. Kein Wal-
fisch ist ein Fisch. Ergo: Einige Kiemenatmer sind nicht Walfische — so-
gar alle, was aber nicht „folgte“!


Die Pferde sind Säugetiere. Kein Wiederkäuer ist ein Pferd. Also:
Einige Säugetiere sind nicht Wiederkäuer. (R. Grassmann.) —


Zu (falsch) Bamalip. Die Wale (Cetaceen) sind Säugetiere; die
Walrosse sind Wale. Also müssen einige Säugetiere Walrosse sein. (Der-
selbe.) [Die vollständige Konklusion würde sein: Alle Walrosse sind
Säugetiere.]


Die übrigen abgeschwächten Modi zu exemplifiziren überlassen wir dem
Leser. Desgleichen in Bezug auf sämtliche Modi zu thun, wird als eine
vorzügliche Denkübung vielseitig empfohlen. Gute Beispiele zu ersinnen,
[238]Zwanzigste Vorlesung.
ist in der That nicht leicht, als namentlich solche, die für sich hingestellt
herausgerissen aus dem Zusammenhange solcher Überlegungen, in welchen
sie vielleicht verwertet vorkommen, schon irgend einen Nutzen, eine weitere
Verwendbarkeit der gezogenen Konklusion erkennen liessen. Das ist aber
auch viel verlangt! Dergleichen gute Beispiele sind immer noch als rar
zu bezeichnen, und möge der kritisch aufgelegte Leser, der an dem einen
oder andern von den angeführten Beispielen kein Gefallen findet, selbst
deren bessere aufstellen! —


Nicht unwichtig ist noch die Frage, wie man einem Syllogismus
schon äusserlich ansehen könne, ob er gültig ist — genauer gesagt,
einem Schlusse „von syllogistischer Form“, welcher nämlich aus zwei
kategorischen Urteilen über drei Terme ein drittes ableitet, das den
doppelt vorkommenden Term nicht mehr enthält, sondern nur noch
die beiden andern Terme.


Frau Franklin-Ladd gibt 1 p. 41 hiefür eine Regel, welche
darauf hinausläuft, den Syllogismus in eine Inkonsistenz zu verwandeln
und mit dem Schema A) zu vergleichen, welches, wie gezeigt, ja
alle gültigen Syllogismen in sich zusammenfasst.


Zu dem Ende bilde man zunächst das kontradiktorische Gegenteil
zur Konklusion
— indem man dieselbe nach den Regeln der Kontra-
position konvertirt, somit
für „alle a sind c“ sagt: „einige a sind nicht c
für „einige a sind c“ sagt: „kein a ist c“ — oder umgekehrt. Die
so konvertirte Konklusion halte man mit den beiden Prämissen zu-
sammen. Von diesen drei Urteilen müssen dann zweie universal, das
übrig bleibende partikular sein
, und falls man jene (oder auch alle
dreie) als Existenzialurteile formulirt, muss der den beiden universalen
gemeinsame Term mit entgegengesetzter Qualität
(einmal negirt einmal
unnegirt) vorkommen, ein jeder von den beiden andern Termen aber
mit durchweg der gleichen Qualität. Dann und nur dann wird der
Syllogismus gültig sein.


Für „alle A sind B“ sage man also: „nichts ist A und zugleich
nicht-B“ und für „kein A ist B“ eventuell: „nichts ist A und B zugleich“.


[Als unwesentlich kann es dagegen unterbleiben, für „einige A sind
B resp. nicht B“ auch noch zu sagen „es gibt A, die B resp. nicht-B
sind“, oder „etwas ist A und B, etc.“, weil in dieser Fassung die Terme
bezüglich mit der nämlichen Qualität auftreten, wie in der vorigen.]


Diese Zumutung scheint mir eine geringere zu sein als diejenige der
Frau Franklin-Ladd, welche fordert hinzubringen, dass die universalen
Urteile „mit einer verneinenden Kopula“ (!), das partikulare Urteil mit
einer bejahenden ausgedrückt werde — wodurch leicht die Nötigung ent-
steht zur Bildung von Sätzen mit negativem Subjekte, ausserdem aber auch
[239]§ 44. Die inkorrekten Syllogismen der Alten.
noch unbequeme Satzbildungen entstehen, wie: „Spartaner sind-nicht nicht-
Griechen“.


So ist z. B. der Schluss (ibidem):


„Alle Menschen sind sterblich. Einige Sterbliche sind glücklich. Also
sind einige Meuschen glücklich“ äquivalent der Inkonsistenz:


Nichts ist Mensch und nicht-sterblich (oder: kein Mensch ist unsterb-
lich
). Einige Sterbliche sind glücklich. (Alle Menschen sind unglücklich
oder:) Nichts ist Mensch und glücklich
welche ungültig ist aus dem doppelten Grunde, weil der dem ersten und
dritten Urteil gemeinsame Term „Mensch“ beidemal mit derselben Quali-
tät, und obendrein der Term „sterblich“ mit entgegengesetzten Qualitäten
vorkommt.


Man bemerkt sogar, dass die obige Umschreibung von universal
verneinenden Urteilen („kein A ist B“ in „nichts ist A und B“) unter-
bleiben kann, wofern man nur sich hütet, die in dem verneinenden Artikel
keinliegende negative Qualität dem einen oder andern Terme zuzu-
schreiben
. Und dies vorausgesetzt könnten wir auch statt „alle A
sind B“ ganz ungezwungen sagen: „kein A ist nicht-B“. Sodass —
anstatt der oben geforderten Umschreibung in Existenzialurteile —
am besten wol die Forderung eintritt: dafür zu sorgen, dass die uni-
versalen Urteile mit dem verneinenden Artikel
keinbeginnen, worauf
dann lediglich zu kontroliren bliebe, dass der denselben gemeinsame
Term, und von allen nur dieser, entgegengesetzte Qualitäten aufweise.


So ist das auch noch von Frau Franklin aufgeführte Beispiel:


Nur Griechen sind tapfer. Alle Spartaner sind Griechen. Ergo:
Alle spartaner sind tapfer — äquivalent der Inkonsistenz:


Kein Tapferer ist nicht-Grieche. Kein Spartaner ist nicht-Grieche.
Einige Spartaner sind nicht-tapfer
und darum ungültig aus ähnlichen Gründen wie die vorige. —


Am übersichtlichsten dürfte sich allemal solche Umschreibung in der
Zeichensprache des Kalkuls gestalten. —


Zum Schlusse seien hier wenigstens noch erwähnt Cunynghame’s
„syllogistische Karten“ und in ihrem Betreff auf Jevons9 p. 107 ‥ 110
verwiesen.


§ 44. Die inkorrekten Syllogismen der Alten und ihre Richtig-
stellung in der exakten Logik. Über Subalternation und Konversion.
Zusammengesetzte Schlüsse.


Von den noch übrigen Syllogismen zerfallen zunächst die vier
Hauptmodi in die zwei Gruppen:


  • Darapti und Bamalip
  • Felapton
  • Fesapo

[240]Zwanzigste Vorlesung.

derart, dass wieder die drei untereinanderstehenden wesentlich nur ein-
unddenselben (falschen) Satz der Elimination zum Ausdruck bringen,
der sich aber unterscheidet von dem des isolirten Modus.


Die Unrichtigkeit der drei erstern lässt sich auf zwei Wegen dar-
thun. Einmal durch Exemplifikation, wie wir dies am Schlusse des
§ 42 bezüglich Darapti schon zeigten. Sodann: indem man den Mittel-
term b regelrecht aus den Prämissen eliminirt. Man findet alsdann:
0 = 0 als Eliminationsresultante, und da diese bereits als vollständig
erwiesen ist [indem bei der Elimination nur das Th. 50+) in’s Spiel
kommt], so folgt also keine Relation zwischen den beiden andern
Termen.


In der That heissen bei Darapti a1b = 0 und b c1 = 0 die beiden
Prämissen; es ist (a1 + c1) b + 0 · b1 = 0 die vereinigte Gleichung derselben,
also (a1 + c1) · 0 = 0 oder 0 = 0 die (volle) Resultante der Elimination von b.


Bei Felapton und Fesapo tritt nur c für c1 ein. Hier haben wir also
die Elimination:
(a1b = 0) (b c = 0) = {(a1 + c) b = 0} (0 = 0)
und unterscheiden beide Modi sich überhaupt nur dadurch, dass der Ober-
satz b c = 0 bei ersterm als bc1, bei letzterm als cb1 in Worte ge-
kleidet wird.


Im Hinblick auf die(se) Koincidenz der drei genannten Modi ge-
nügt es, nur mehr den ersten derselben, Darapti, noch richtig zu
stellen. Wir haben schon bei der Exemplifikation darauf hingewiesen,
dass, um ihn zu ergänzen, die Annahme b ≠ 0 den Prämissen noch
hinzugefügt werden muss. Der Schluss
α) (ba) (bc) (b ≠ 0) (a c ≠ 0)
oder
β) (a1b = 0) (b c1 = 0) (b ≠ 0) (a c ≠ 0)
ist dann richtig, und lässt sich durch Elimination von b aus der
Aussage:
{(a1 + c1) b + 0 · b1 = 0} {1 · b + 0 · b1 ≠ 0}
gemäss der Regel ι) des § 41 beweisen, welche als Resultante liefert:
{(a1 + c1) · 0 = 0} · {1 · (a1 + c1)1 + 0 · 01 ≠ 0} = (0 = 0) (1 · a c + 0 · 1 ≠ 0)
oder (a c ≠ 0) — in Anbetracht, dass der Faktor (0 = 0), = 1߭ nicht
geschrieben zu werden braucht. Wie man sieht, stellt die Konklusion,
d. h. der Satz „Einige a sind c“ dann auch die volle Resultante der
Elimination des b aus den Prämissen dar.


Ebenso wären:
[241]§ 44. Ihre Richtigstellung in der exakten Logik.

  • γ)
    • (ba) (bc1) (b ≠ 0)
    • resp. (ba) (cb1) (b ≠ 0) (a c1 ≠ 0),


welche zusammenfallen zu
δ) (a1b = 0) (b c = 0) (b ≠ 0) (a c1 ≠ 0)
die berichtigten Modi Felapton und Fesapo.


Alle drei berichtigten Schlüsse sind nun aber, wie schon ange-
deutet, keine „Syllogismen“ mehr, indem sie drei Prämissen enthalten,
von denen eine keine „Subsumtion“, sondern ein „Existenzialurteil“
ist, indem ferner auch der sogenannte Mittelbegriff hier seinen Namen
nicht in dem früheren Sinne verdient, sintemal er drei mal in den
Prämissen vorkommt.


Von diesen drei inkorrekten Syllogismen unterscheidet dagegen
der vierte Bamalip sich dadurch, dass hier sehr wohl aus den Prä-
missen ein gültiger Schluss auf a und c (unabhängig von b) zu ziehen
ist. Und zwar ist dieser Schluss kein anderer als der von Barbara,
mit vertauschtem a und c:
(ba) (cb) (ca).


Von dem hiermit etablirten Ergebnisse: „alle c sind a“ zu
schliessen auf „einige a sind c“ ist aber (in unsrer Disziplin) nicht
ohne weiteres gestattet. Es ist dies nur dann erlaubt, wenn man
weiss, dass der minor c der Konklusion (welcher als major des Modus
Bamalip figurirt) nicht 0 ist, in Worten: dass es c gibt.


In der That ist erst:
ε) (cb) (ba) (c ≠ 0) (a c ≠ 0)
der richtig gestellte Schluss Bamalip, und beweist sich derselbe syste-
matisch, indem man aus der Prämisse:
(a1b + c b1 = 0) (c b + c b1 ≠ 0)
regelrecht b eliminirt, wodurch sich ergibt:
(a1c = 0) (c a + c c1 ≠ 0) oder (ca) (a c ≠ 0),
welches in der That (a c ≠ 0) nach Th. 6̄×) ist. Man sieht jedoch,
dass diese Konklusion „einige a sind c“ hier nicht die volle Resul-
tante der Elimination von b vorstellt.


Die volle Resultante kann nach Belieben dargestellt werden durch
das soeben gefundene Ergebniss: (ca) (a c ≠ 0) oder auch noch
einfacher
durch: (ca) (c ≠ 0), welches man leichter erhalten kann,
indem man nur aus den b enthaltenden Prämissen, d. i. aus den beiden
Schröder, Algebra der Logik. II. 16
[242]Zwanzigste Vorlesung.
ersten Faktoren (cb) (ba) der Hypothesis des in ε) berichtigten
Schlusses Bamalip diesen Mittelterm b gemäss Barbara oder Prinzip II
eliminirt, und die Resultante ca hernach mit dem dritten (b ohne-
hin nicht enthaltenden) Faktor c ≠ 0 der Voraussetzung als einer
simultan geltenden Aussage multiplikativ verknüpft. In Worten wird
die volle Konklusion darnach am besten ausgedrückt, indem man sagt:
Alle c sind a und es gibt c.


Die Äquivalenz jener beiden Konklusionen lässt sich auch leicht
direkt nachweisen; dieselbe konstituirt einen kleinen Satz des Klassen-
kalkuls
, welcher (wenn wir die Buchstaben c, a durch a, b ersetzen)
lautet:
ξ) (ab) (a b ≠ 0) = (ab) (a ≠ 0).


Um ihn zu beweisen, bemerke man erstlich, dass (a b ≠ 0) (a ≠ 0)
nach bereits gegebenem Satze § 40, α') ist, woraus durch beiderseitiges
Multipliziren mit (ab) die eine von den beiden in der behaupteten
Gleichung enthaltenen Subsumtionen gewonnen ist, nämlich:
(ab) (a b ≠ 0) (ab) (a ≠ 0).


Zweitens beachte man, dass nach bekanntesten Sätzen:
(ab) (a ≠ 0) = (a b1 = 0) (a b + a b1 ≠ 0) = (a b1 = 0) { (a b ≠ 0) + (a b1 ≠0)}
sein wird. Wegen der Voraussetzung a b1 = 0 darf aber in der Summe
a b + a b1 der letzte Term als verschwindend unterdrückt werden, wodurch
wir (a b1 = 0) (a b ≠ 0) oder (ab) (a b ≠ 0) als Folgerung erhalten, so-
mit auch die umgekehrte Subsumtion bewiesen ist:
(ab) (a ≠ 0) (ab) (a b ≠ 0)
— oder anders: es durfte oben beim Ausmultipliziren der letzte Term als
Inkonsistenz unterdrückt werden. — Am schnellsten folgt ξ) aus Th. 20×)
und § 41, δ).


[Um den vorhin ausgeführten Schluss
(c = 0) {f (c) ≠ 0} {f (0) ≠ 0}
(bei welchem wir a b1 kürzer durch c dargestellt haben) rein rechnerisch zu
begründen, kann man auch so verfahren. Es ist nach Th. 6̄×):
(c = 0) {f (c) ≠ 0} (c 0)
und ferner ist: (c = 0) {f (c) = f (0)} — sowie überhaupt:
(b = a) {f (b) = f (a)}
— in Anbetracht, dass es in jedem Funktionsausdruck nach Th. 32),
Zus. 2, vergl. § 29, gestattet ist, Gleiches für Gleiches zu setzen. Dies
gibt also auch a fortiori:
(c = 0) {f (c) ≠ 0} {f (c) = f (0)}
und dieses wiederum:
[243]§ 44. Richtigstellung der inkorrekten Syllogismen.
(c = 0) {f (c) ≠ 0} {f (c) = f (0)} {f (c) ≠ 0},
z. B. wenn beiderseits mit dem letzten Faktor multiplizirt.


Nach dem bereits rechnerisch bewiesenen Th. δ) des § 41 folgt ferner:
{f (c) = f (0)} {f (c) ≠ 0} {f (0) ≠ 0},
sonach a fortiori: (c = 0) {f (c) ≠ 0} {f (0) ≠ 0},
q. e. d. Der hiemit bewiesene Schluss ist nur ein besondrer Fall, eine
Exemplifikation des folgenden:
(b = a) {f (b) ≠ c} {f (a) ≠ c},
welcher leicht rechnerisch ebenso zu beweisen wäre.]


Ebenso wie der hauptmodus Bamalip verhalten sich die fünf
Nebenmodi oder abgeschwächten Formen:
Barbari, Celaront, Cesaro, Camestros, Calemos,
welche ja mit dem korrespondirenden Hauptmodus (demjenigen, dessen
Name mit dem ihrigen bis auf die Endsilbe übereinstimmt) jeweils
die Prämissen gemein haben und deshalb in der That einen gültigen
Schluss, nämlich die Konklusion des Hauptmodus zulassen. Diese
gibt nun aber die Konklusion des nebenmodus nicht vollständig,
sondern angeblich „abgeschwächt“ wieder.


Untersuchen wir jedoch die Berechtigung zu dem bei dieser Ab-
schwächung beobachteten Verfahren.


Bei den in Frage kommenden 5 Hauptmodi (Barbara, Celarent,
Cesare, Camestres und Calemes) — es sind das diejenigen der ersten
Gruppe von C) des § 43 — ist die Konklusion und volle Eliminations-
resultante ein universales Urteil, und zwar ist dieses bejahender Art:
ac bei dem ersten, verneinender: ac1 bei den vier letzten dieser
5 Modi. Die übrigen traditionellen Syllogismen dagegen entbehren
einer universalen Konklusion.


Es frägt sich daher nur, ob die Abschwächung eines universalen
Urteils, wie
„Alle a sind c, resp. nicht-c
in ein partikulares:
„Einige a sind c, resp. nicht c
gestattet ist, wie dies die traditionelle Logik behauptet, indem sie
diesen Prozess als eine Schlussfolgerung durch „Subalternation“ be-
zeichnet. Vergl. Fig. 10 in § 33, S. 86.


Die exakte Logik zeigt, dass dies nicht der Fall sein kann, indem
für a = 0, das ist für den Fall, wo es keine a gibt, die Prämisse
16*
[244]Zwanzigste Vorlesung.
ac resp. ac1 noch wahr ist, die Konklusion a c ≠ 0 resp. a c1 ≠ 0
aber sich als falsch herausstellt.


Erst wenn zu der genannten Prämisse auch noch die Annahme
a ≠ 0, d. h. die Voraussetzung, dass es Individuen von der Klasse
des Subjektes gebe, als eine weitere Prämisse hinzugefügt ist, wird der
Schluss stichhaltig. Wir haben dies für das bejahende Urteil (mit
vertauschtem a und c) schon unter Bamalip gezeigt, und das Ergeb-
niss der Betrachtung in einem besondern Satze ξ) formulirt. Ersetzt
man in ξ) b durch c resp. c1, so gelangt man, dies Theorem rückwärts
lesend und auf die linke Seite das Th. 6̄×) des Aussagenkalkuls an-
wenden, zu den Schlüssen:
(a ≠ 0) (ac) (a c ≠ 0), (a ≠ 0) (ac1) (a c1 ≠ 0)
welche die obige Angabe rechtfertigen.


Dieselben zeigen zugleich, wie die in ihrer bisherigen Fassung
noch lückenhaften oder enthymematischen „abgeschwächten Modi“ zu
gültigen Schlüssen — mit unfehlbar richtiger, wenngleich unvollstän-
diger Konklusion — zu ergänzen sind: dies hat einfach zu geschehen
durch Hinzufügung des Faktors a ≠ 0 zu dem Produkte der bereits
angeführten Prämissen. So wird denn:
(a ≠ 0) (ab) (bc) (a c ≠ 0)
— d. i. ε) mit vertauschtem a und c — den nunmehr richtig ge-
stellten Schluss Barbari darstellen, und sind darnach auch die übrigen
abgeschwächten Formen jetzt leicht berichtigt hinzuschreiben.


Zu merken ist hienach: dass ein Folgern durch Subalternation in
der exakten Logik unzulässig ist
.


Und da mit dieser Art von Schlussfolgerungen sich auch noch
eine andere Folgerungsweise der traditionellen Logik: die sogenannte
Konversion durch Limitation“, „conversio per accidens“ auf das naheste
verwandt erweist, so wollen wir den Anlass ergreifen, die „Konversion“
überhaupt zu besprechen.


Die Konversion gehört (ebenso wie die „Subalternation“) zu den
sogenannten „unmittelbaren Folgerungen“. Als solche, soweit sie in
den Rahmen des Klassenkalkuls fallen, kann man bezeichnen: die Ab-
leitung eines kategorischen Urteils aus (nur) einem andern.


Wir haben deren bereits eine grosse Menge kennen gelernt, darunter
solche, bei denen ausser den beiden als Subjekt und Prädikat in der Prä-
misse auftretenden Termen in der Konklusion auch noch andere Terme als
neu introduzirte vorkommen — wie z. B. den Schluss von ab auf
a cb c — desgleichen solche, bei denen Terme sich eliminirten, heraus-
[245]§ 44. Über Subalternation und Konversion.
fielen — wie bei dem Schlusse von ab c auf ab, oder von a b ≠ 0
auf a ≠ 0.


Im engsten Sinne sollen die „unmittelbaren Folgerungen“ blos an-
geben — wenn ein kategorisches Urteil (von einer der vier Arten)
zwischen zwei Termen gegeben ist, welche andern kategorischen Urteile
(wiederum von einer dieser vier Arten) in Bezug auf diese nämlichen
beiden Terme
daraus gefolgert werden können.


Eine solche Folgerung heisst Konversion, wenn Subjekt und Prädi-
kat der Prämisse in der Konklusion bezüglich auftreten als Prädikat
und Subjekt — wenn dieselben mithin beim Schliessen ihre Rollen
getauscht, ihren Charakter verkehrt, konvertirt haben.


Die Frage ist also, falls man für A als Subjekt und B als Prädi-
kat die vier Urteile a, e, i, o des § 33 hinschreibt und dasselbe her-
nach thut für B als Subjekt und A als Prädikat: welches von den
erhaltenen acht Urteilen:

AB,AB1,A B ≠ 0,A B1 ≠ 0
BA,BA1,B A ≠ 0,B A1 ≠ 0

aus irgend einem andern von ihnen gefolgert werden könne?


Es liessen sich 8 × 7 = 56 Paare von Urteilen aus diesen 8 Ur-
teilen herstellen, von welchen also jeweils die Frage zu beantworten
wäre, ob das zweite Urteil des Paares aus dem ersten folgt oder nicht.


Die Frage lässt sich indessen summarisch dahin erledigen: Zu-
folge der Äquivalenz von einzelnen laufen die acht Urteile auf nur
sechs verschiedene hinaus, nämlich auf die nachfolgend in Klammern
angeführten:

(AB) = (A B1 = 0),(BA ) = (B A1 = 0),
(AB1) = (A B = 0) = (B A = 0) = (BA1),
(A B ≠ 0) = (B A ≠ 0),
(A B1 ≠ 0),(B A1 ≠ 0)

und von diesen wird der Leser, auf Gebiete oder auch auf Klassen
(inclusive 0 oder 1) exemplifizirend, mit grösster Leichtigkeit darthun,
dass kein einziges aus einem andern gefolgert werden kann. Diese sechs
sind gänzlich unabhängig von einander.


Jede Subsumtion, angesetzt zwischen zweien von diesen sechserlei
Aussagen, läuft zudem nicht auf eine Formel, sondern vielmehr auf eine
Relation hinaus (vergl. § 20 und 32) — ein Umstand, dessen empirische
Verifikation vereinfacht werden kann durch die Bemerkung, dass die sechs
Aussagen zerfallen in zwei Tripel von einander paarweise entsprechenden:
[246]Zwanzigste Vorlesung.

A B = 0,A B1 = 0,A1B = 0,
A B ≠ 0,A B1 ≠ 0,A1B ≠ 0

dergestalt, dass die entsprechenden eines Paares immer Negationen von
einander sind, während die eines jeden Tripels mittelst Buchstaben-
vertauschung in einander überführbar.


Die verbale Logik unterscheidet nun: die einfache Konversion,
conversio simplex (S. 224) als einen auf das bejahende partikulare Urteil
anwendbaren Prozess des Schliessens, durch welchen aus
„Einige A sind B“ folgt „Einige B sind A
und zu dem die Berechtigung im Hinblick auf die Kommutativität der
Multiplikation daraus erhellt, dass
A B ≠ 0 oder also auch B A ≠ 0
der gemeinsame Ausdruck der beiden Urteile ist — vergl. § 41, δ).


Sodann die Konversion durch Kontraposition, auch kurz blos Kontra-
position genannt, anwendbar auf das verneinende universale Urteil,
mittelst welcher aus
„Kein A ist B“ oder „Alle A sind nicht-B
auch folgt:
„Kein B ist A“ oder „Alle B sind nicht A“ —
und deren Berechtigung aus den Theoremen 38) und 37) erhellt, unter
deren letzterem sie auch bereits erwähnt wurde; in Anbetracht dass
eben (A B = 0) = (AB1) = (BA1) einander äquivalente Aus-
drücke für Prämisse sowol als Konklusion sind (S. 225).


Bei diesen beiden Arten der Konversion bleibt Qualität und
Quantität des Urteils unverändert; es stimmen in beiderlei Hinsichten
Prämisse und Konklusion miteinander überein. Aus diesem Grunde
pflegt eine jede dieser Konversionen als eine „reine“, conversio pura
bezeichnet zu werden, im Gegensatz zu einer vermeintlich zulässigen
„unreinen“ Konversion, conversio impura, bei welcher in der Schluss-
folgerung das Urteil in mindestens einer dieser beiden Hinsichten ab-
geändert erscheint.


In Bezug auf die Quantität wäre dies in der That der Fall bei
der oben erwähnten „Konversion durch Limitation“, conversio per ac-
cidens, gemäss deren man aus
„Alle A sind B“ resp. „Kein A ist B
glaubte folgern zu dürfen:
„Einige B sind A“ resp. „Einige B sind nicht-A


Eine solche Folgerung ist nun aber hier ganz und gar nicht be-
rechtigt, indem jede auf die oben schon zurückgewiesene „Subalternation“
[247]§ 44. Über Subalternation und Konversion.
hinausläuft — die erste links nämlich dadurch, dass man ihre Kon-
klusion vermittelst der berechtigten conversio simplex sich umschreibt
in die damit äquivalente: „Einige A sind B“, die letztere rechts da-
gegen, nachdem man ihre Prämisse in „kein B ist A“ oder „Alle B
sind nicht A“ durch Kontraposition umgeschrieben.


Es ist also ferner zu merken: Von den Konversionen der traditio-
nellen Logik ist nur die conversio pura in der exakten Logik zulässig.


Unreine Konversion könnte nur gerechtfertigt erscheinen bei Zugrunde-
legung einer Mannigfaltigkeit, welcher die Null nicht adjungirt worden, bei
welcher also es sozusagen verboten wäre auch von dem Nichts mit zu
reden, vielmehr das kategorische Urteil stets die Existenz des Subjektes
postulirte (und das hypothetische Urteil immer nur dann an einen Be-
dingungssatz auch einen Folgesatz knüpfen dürfte, wenn die Bedingung
des erstern als verwirklicht, resp. allerwenigstens als realisirbar, nachge-
wiesen worden). Auf dieser Basis ist eine konsequente Logik indessen noch
nicht geschrieben; auch müsste einer solchen ein gutes Teil von Einfach-
heit und Allgemeinheit der Gesetze — wie solche der exakten Logik eigen
— abgehn.


Dann freilich könnten wir ein Urteil, wie „Alle Möpse sind Hunde“
auch zweimal konvertiren — so wie es Lotze1 p. 105 andeutet — und
würde erstmals sich durch die (oben zurückgewiesene) unreine Konversion
ergeben: „Einige Hunde sind Möpse“, und daraus durch abermalige, und
zwar jetzt durch die berechtigte, nämlich reine Konversion: „Einige Möpse
sind Hunde“.


Anlässlich dieses Beispiels wollen wir noch einer falschen Auffassung
entgegentreten‥


Die Prämisse des letzten Schlusses könnte als Konklusion der vorher-
gehenden Prämisse auch in der exakten Logik gelten, wenn man diese
durch den Zusatz „Es gibt Möpse“ ergänzte und so den hier ein Enthy-
mem zu nennen gewesenen Schluss vervollständigte.


Auch ohne solche Herleitung mag man aber auch den Satz: „Einige
Hunde sind Möpse“ als einen materiell richtigen adoptiren und auf ihn als
auf eine Prämisse vermittelst der berechtigten einfachen Konversion den
Schluss bauen: „Ergo, einige Möpse sind Hunde“.


Wenn man hienach nicht mehr zu dem ursprünglichen Urteil (Alle
Möpse sind Hunde) zurückkommt, vielmehr die logischen Operationen hier
nur „den Erfolg gehabt haben, einen Teil der Wahrheit aus dem Wege
zu schaffen“, so kann man Lotze’s Ausführungen doch im ganzen bei-
stimmen: wenn er jenes auch als eine „Unschicklichkeit“ bezeichnet, so
lässt er doch den Schluss sowol als seine Konklusion wenigstens als rich-
tig gelten.


Darüber hinaus geht aber zu meiner Verwunderung F. A. Lange1,
p. 57 und 58 (vergl. auch p. 67): „Aus der vollständigen Erkenntnis, dass
alle Körper der Gravitation unterworfen sind, kann ich nimmermehr die
unvollständige Erkenntniss ableiten, dass mindestens ein Teil der Körper
Gewicht hat. Aus der Gewissheit kann nimmermehr die Ungewissheit
[248]Zwanzigste Vorlesung.
folgen. … Sagt man ‥ aus dem Urteil »alle Menschen sind sterblich«
folge das Urteil »mindestens einige Menschen sind sterblich«, so leitet man
aus der Gewissheit die Ungewissheit ab, was offenbar widersinnig ist.“


Dies ist durchaus nicht gelten zu lassen: Selten ist ja die Konklusion
logisch äquivalent mit, eine blosse Umschreibung, Transformation von der
Prämissengruppe, und niemals reicht sie beim deduktiven Schliessen noch
über diese binaus, Bei fast jeder deduktiven Folgerung wird vielmehr ein
Teil der in den Prämissen enthaltenen Informationen unterdrückt, fallen
gelassen, eliminirt. Und könnte man mit demselben Rechte schon in Be-
zug auf das deduktive Schliessen überhaupt die obige Phrase anwenden:
aus dem Wissen folge die Unwissenheit, was absurd sei, um daraufhin
dasselbe ganz zu verwerfen. Unter der Herrschaft dieser Phrase verrät
Lange eine totale Verkennung des eigentlichen Wesens der Deduktion,
die mit den sonst so treffenden Ausführungen des scharfsinnigen Meisters
schwer vereinbar erscheint.


So lassen wir ja bei Anwendung des Syllogismus Barbara auch alle-
mal unsere Kenntniss von dem Mittelgliede b fallen! In der Arithmetik
dürfte z. B. ein Schluss von a = b + 5 auf a \> b auch keine Folgerung
genannt werden, indem er aus der „Gewissheit“, dass die Zahl a die b um
5 übertrifft, die „Ungewissheit“ folgen liesse, um wie viel denn a grösser
ist, als b!


Noch mehr: bei jeder Abstraktion schon, auch bei der Bildung eines
Begriffes, lassen wir die Kenntniss der notae accidentales, der zufälligen
oder nebensächlichen Merkmale der unter ihn fallenden Individuen zurück-
treten, verblassen, und wäre ebendarum auch die Begriffsbildung selbst zu
verwerfen!


Analog haben wir nun oben bei der Ableitung des Schlusssatzes:
„Einige Möpse sind Hunde“ nur einfach den Teil unsres Wissens fallen
lassen, welcher uns darüber aufklärte, in uns die Überzeugung forterhielt,
dass auch die übrigen Möpse Hunde seien. Wir reklamirten eben das
Recht, auf diesen Wissensteil verzichten zu dürfen oder enthielten uns,
davon Gebrauch zu machen, und hatten eine vollkommen korrekte Folge-
rung. Ein Vorteil, freilich welcher aus solchem Verzicht resultiren könnte,
ist in dem erwähnten Beispiel ohne weiteres nicht abzusehen und in Bezung
auf das psychologisch irrefübrende Moment, welches in dem Schlusssatze
gelegen und denselben auch für die Diskussionen des gemeinen Lebens un-
geeignet erscheinen lässt, wären ähnliche Bemerkungen am Platze, wie die,
welche wir schon in § 4 an ein anderes typisches Beispiel angeknüpft haben.


Zutreffend sagt De Morgan2 p. 56: „Einige“ in der Logik heisst
„eines oder mehr und vielleicht alle“. Wer da sagt „einige sind ‥“, dem
darf nicht die Meinung untergelegt werden „die übrigen (the rest) seien
nicht ‥“
. In gewöhnlicher Rede würde der Satz ‥: „Einige Pferde sind
von ihren Reitern durch ihre Gestalt unterscheidbar“ für falsch erachtet
werden, indem die gewöhnliche Verkehrssprache wenn sie das umständlichere
(„complex“) partikulare Urteil fällt, dem „einige sind“ die Nebenbedeutung
unterlegt, dass auch einige nicht sind. Der Studirende kann nicht sorg-
fältig genug in dieser Hinsicht sein.


Wenn aber De Morgan noch hinzufügt, eine partikulare Proposition
[249]§ 44. Über Subalternation und Konversion.
sei (in der Logik) nur eine eventuell partikulare (a „may be particular“),
so können wir dies hier nur cum grano salis gelten lassen, hier, wo das
partikulare Urteil sich immer wesentlich vom universalen unterscheidet
dem in der exakten Logik ja nichts von einer Existenzbehauptung anhaftet.


Das partikulare Urteil schliesst uns das entsprechende universale nicht
aus; vielmehr schliesst es das letztere möglicherweise ein, sagt aber im
letzteren Falle noch mehr als dieses. —


Unvermerkt — etwa mit Lotze’s Qualifikation jener Folgerung als
einer „Unschicklichkeit“ — ist uns mit den letzten Betrachtungen auch
die Frage des Wertes eines Folgerungsverfahrens, wie z. B. auch der syllo-
gistischen Figuren wieder näher gerückt worden.


Der Wert eines Schlussmodus ist überhaupt nicht eine Angelegen-
heit der Logik, sondern ausschliesslich Sache derjenigen Personen, die
von ihm Gebrauch machen. Jenachdem er deren augenblickliche
Zwecke fördert, oder aber deplacirt erscheint, wird ihm gelegentlich
Wert oder Unwert zukommen. Jener hängt lediglich ab von der Ge-
legenheit, bei welcher, von der Art und Weise auf welche, und von
den Zwecken zu welchen der Schlussmodus in Anwendung gebracht
wird, und vermessen möchte es erscheinen, a priori für alle diese
Möglichkeiten mit einem anerkennenden oder mit einem abfälligen
Urteile absprechen zu wollen.


Aus diesem Grunde will ich auch die in § 4 schon begonnenen
kritischen Erörterungen über den Wert der Syllogistik, nun, wo sie
vollendet ist, nicht mehr weiter ausspinnen insbesondre auch, auf An-
griffe wie die von Trendelenburg oder Kant2 (vergl. die falsche
Spitzfindigkeit der syllogistischen Figuren!) — die schon vielfach
anderwärts Widerlegung gefunden haben — hier nicht weiter ein-
gehen, mich vielmehr begnügen, nur eines noch hervorzuheben.


Von Verfechtern der Logik des Inhalts wird häufig gegen die
„Gedankenlosigkeit“ der partikularen Urteilsformen geeifert und ins-
besondre auch deren moderne Ausdrucksform mit „Einige A sind B
(gegenüber der griechischen und lateinischen mit τίς, aliquis) be-
mängelt.


Das wird begreiflich, wenn man in’s Auge fasst, dass genau genommen
partikulare Urteilsformen der Inhaltslogik gar nicht zugänglich sind zufolge
des von ihr erhobenen Anspruches immer „nach dem Begriffe“ zu denken,
insbesondre also auch nur begrifflich bestimmte Subjekte zuzulassen.


Sagen wir nun z. B.: Einige Menschen sind schwarz, so frägt es sich,
durch welches Merkmal das Subjekt „Einige Menschen“ denn hier begriff-
lich bestimmt sein m. a. W. von welchen Menschen das Prädikat denn
Geltung haben soll? Gewiss nicht von den Weissen, sondern gerade nur
von den schwarzen unter den Menschen. So kommt die Logik des In-
[250]Zwanzigste Vorlesung.
haltes denn konsequenterweise dahin, den Subjektbegriff hier als durch das
Prädikat selbst bestimmt ansehen zu müssen, und notwendig müsste ihr
das partikulare Urteil erscheinen als ein blos identisches Urteil wie: Die
schwarzen Menschen sind schwarz (oder wenn man will: sind schwarze
Menschen)! Dies ist dann freilich „gedankenlos“.


Hand in Hand damit geht eine Geringschätzung auch der Schluss-
formen, die sich auf partikulare Urteilsformen gründen oder auf die
Bildung solcher hinauslaufen.


Wer gegen die partikulare Urteilsbildung eifert verkennt indess
ganz den eminent induktiven Charakter unsres gesamten Erkenntniss-
materials. All unser synthetisches (nicht-analytisches) Wissen ver-
danken wir unmittelbar oder mittelbar dem Induktionsverfahren. Unsre
allgemeinen Wahrheiten positiven Inhaltes, sofern sie nicht schon aus
andern ihresgleichen deduktiv gefolgert, sondern unmittelbar der Wahr-
nehmung oder Beobachtung entnommen wurden, kurz: in letzter In-
stanz
sind sie alle durch induktive Verallgemeinerung aus partikularen
Urteilen hervorgewachsen, in welchen zunächst die beobachteten Einzel-
fälle zusammengefasst worden. Diese induktive Bedeutung des parti-
kularen Urteils hebt schon F. A. Lange1 p. 60 sq. gebührend und
treffend hervor:


„Das partikulare Urteil kann sich thatsächlich nur auf die Be-
obachtung einzelner bestimmter Fälle stützen.“ … Die Unbestimmt-
heit, welche dem Subjekte desselben anhaftet, „kann zunächst als Aus-
druck der Vermutung gelten, dass es noch in andern Fällen ebenso
sein werde, wie in den gefundenen; dahinter aber birgt sich das
Suchen nach dem Allgemeinen“.


„Dies gesuchte Allgemeine ist keineswegs immer der Subjektsbegriff
selbst, sondern in den meisten Fällen eine spezifische Differenz, ein durch-
schlagendes Merkmal, durch welches sich aus dem gegebenen Gattungs-
begriff eine wohlbegrenzte Spezies ausscheidet. Sehr häufig aber, und bei
den wichtigsten Entdeckungen, wird auch im Verfolg des induktiven Pro-
zesses der gegebene Subjektsbegriff selbst durch das Resultat der Forschung
verdrängt oder einer totalen Umbildung unterworfen. Die Auffindung des
neuen Subjektsbegriffs ist … vorbereitet durch den Verkehr des Geistes
mit dem Gegenstande der Forschung, aber an sich willkürlich, wagend und
neuen Zersetzungen und Umbildungen ausgesetzt.“


„Wiewohl die nähere Betrachtung dieses induktiven Prozesses
keineswegs in die formale Logik gehört, so ist es doch natürlich und
geboten“, eine Urteilsform, welche in diesem Prozess allein schon ihre
Berechtigung hat, in die Technik hereinzuziehen und sie hier ausführ-
lich zu behandeln, auch sie auf die Schlussformen, in die sie eingeht, zu
untersuchen. —


[251]§ 44. Hypothetische Syllogismen. Zusammengesetzte Schlüsse.

Was nun die hypothetischen Syllogismen betrifft, so kommen für
unsre Disziplin wesentlich nur diejenigen Modi in Betracht, in welchen
keine partikularen Schlussglieder vorkommen. Da nämlich partikulare
Urteile durch Ungleichungen, universale durch Gleichungen darzustellen
sind (und umgekehrt), so laufen im Aussagenkalkul nach § 32, ζ) und
η) auch die ersteren auf letztere hinaus. Hier ist speziell das parti-
kular bejahende und das partikular verneinende Urteil:
(a b ≠ 0) resp. (a b1 ≠ 0)
äquivalent dem „zerfallenden“ universalen Urteile:
(a b = 1߭), = (a = 1߭) (b = 1߭) resp. (a b1 = 1߭), = (a = 1߭) (b = 0)
wonach a gilt und zugleich b auch gilt, resp. nicht gilt.


In Betracht kommen also nur die beiden ersten Modi der ersten
sowie der zweiten Figur, als da sind:
II. Barbara: (ab) (bc) (ac), Celarent: (ab) (bc1) (ac1),
Cesare: (ab) (cb1) (ac1), Camestres: (ab1) (cb) (ac1).
Der erstere ist das Schema des (reinen) „hypothetischen Schlusses“
den wir schon früh erwähnten:


Wenn a gilt, so gilt b; Wenn b gilt, so gilt c. Ergo: wenn a gilt,
so gilt c.


Und ebenso besagen die folgenden:


Wenn a gilt, so gilt b; Wenn b gilt, so gilt c nicht. Ergo: wenn a
gilt, so muss c nicht gelten.


Wenn a gilt, so gilt b; Wenn c gilt, so gilt b nicht. Ergo: wenn a
gilt, so kann c nicht gelten.


Wenn a gilt, so gilt b nicht; Wenn c gilt, so gilt b. Ergo: wenn a
gilt, so gilt c nicht.


Der erstere ist auszudehnen — indem man mehr als zwei
Prämissen in Betracht zieht — zu dem „zusammengesetzten hypo-
thetischen Schlusse“, bei welchem man entweder „episyllogistisch
schliessen mag:
(ab) (bc) (cd) (ad)
entsprechend der Goclenius’schen, oder „prosyllogistisch“:
(cd) (bc) (ab) (ad)
entsprechend der Aristotelischen Anordnung der Prämissen beim
Kettenschlusse im Klassenkalkul — oder auch mit ungeordneten (irgend-
[252]Zwanzigste Vorlesung.
wie geordneten) Prämissen.*) Auch lässt sich dabei jede einzelne Sub-
sumtion noch vor- oder rückwärts lesen, wie z. B. ab als: „Wenn
a gilt so gilt b“ sowol wie als: „b gilt, wann a gilt“; der Terminus
minor involvirt den major, bedingt, zieht ihn nach sich; der major
folgt aus dem minor, wird von ihm bedingt, etc. —


Da die Einteilungsgründe, unter welchen die verbale Logik die
zusammengesetzten Syllogismen, und überhaupt Schlüsse, zu klassifiziren
pflegt, vom Standpunkte unsrer Algebra als sehr wenig wissenschaft-
liche erscheinen und auch in keiner Weise zu vollständigen Auf-
zählungen führen, so wollen wir nicht allzuweit in dieses Gebiet ein-
treten, und von den traditionellen Schlussformen nur die geläufigsten
mit berücksichtigen — mögen sie nun als kategorische im Klassen-
kalkul oder als hypothetische im Aussagenkalkul gedeutet werden.


Durch Verbindung der beiden Modi der ersten Figur, welche also
den Mittelbegriff beidemal unnegirt enthalten, mit den Definitionen (3)
entstehen die zusammengesetzten Schlüsse:
(sa) (sb) (sc) … (a b cp) (sp) |
| (sa + b + c ‥) (ap) (bp) (cp) ‥ (sp)

(in welchen natürlich auch noch p1 für p gesagt werden kann und)
welche einander dual entsprechen. Den ersten derselben — die Prä-
missen bis zur vorletzten incl. in (sa b c …) zusammengezogen —
führt Sigwart1 p. 412 und 413 als „Schluss aus einem konjunktiven
Urteil“ an: Die s sind sowol a als b als c; was a, b und c zugleich
ist, ist p, ergo: die s sind p.


Der zweite wird oft als „Induktionsschluss“ angeführt: man über-
zeugt sich darnach zum Beispiel empirisch, dass allen s das Prädikat p
zukommt, indem man das gleiche nachweist für alle Kategorieen, Unter-
abteilungen einer die s unter sich begreifenden Klasse: Die s sind ent-
weder a, oder b, oder c; die a sind p, die b sind p, die c sind p;
ergo: die s sind p. Insbesondere kann man auch den Nachweis für
[253]§ 44. Zusammengesetzte Schlüsse.
die sämtlichen Individuen der Klasse s beibringen, und ist überhaupt
eine der häufigsten Anwendungsweisen des Satzes die, bei der das erste
Subsumtionszeichen sich als ein Gleichheitszeichen präsentirt.


Apelt1 p. 17 führt als Beispiel an: Die Planeten sind: Merkur,
Venus, Erde, Mars, etc. bis Neptun.


  • Merkur bewegt sich von West nach Ost um die Sonne;
  • Venus „ „ „ „ „ „ „ „ „
  • die Erde „ „ „ „ „ „ „ „ „
  • Mars „ „ „ „ „ „ „ „ „
  • . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
  • Neptun bewegt sich von West nach Ost um die Sonne.

Ergo: die Planeten bewegen sich von West nach Ost um die Sonne.
(Vergl. Sigwart1 p. 414.)


Ich möchte für diesen Schluss höchstens die Bezeichnung als
„eines blos zusammenfassenden Induktionsschlusses“ gelten lassen, weil
von der im Wesen der „Induktion“ liegenden Ausdehnung unsres Er-
kenntnissbereiches
nicht das geringste bei ihm zu verspüren ist, den-
selben aber am liebsten: das Dilemma im Klassenkalkul, „Dilemma
für Klassen
“ genannt wissen — in Anbetracht, dass mit ihm das, nur
eben aussagenrechnerisch gedeutete, das Dilemma schlechtweg, der
Form nach völlig zusammenfällt — vergleiche § 45.


Verbindet man die beiden der obigen vier Modi, welche den
Mittelbegriff auch einmal negirt enthalten sonach der zweiten Figur
angehören, mit den Theoremen 36), so entstehen nach dem Schema
Cesare die beiden ersten, nach dem Camestres die beiden letzten von
den vier folgenden Schlüssen:
(sa b c ‥) (pa1 + b1 + c1 ‥) (sp1) |
| (sa + b + c ‥) (pa1b1c1 ‥) (sp1),
(pa b c ‥) (sa1 + b1 + c1 ‥) (sp1) |
| (pa + b + c ‥) (sa1b1c1 ‥) (sp1).
Den letzten derselben führt Sigwart1 p. 416 als „Schluss aus einem
Divisions-Urteil in der zweiten Figur“ an: die p sind (p ist) teils a,
teils b, teils c; s ist weder a noch b noch c; ergo: s ist nicht p.


Der Schluss bleibt auch in Kraft, wenn die Einteilungsglieder des p
einander gegenseitig ausschliessen, wie in:
(pa b1c1 + a1b c1 + a1b1c) (sa1b1c1) (sp1)
— wie einerseits durch regelrechtes Eliminiren von a, b, c aus der ver-
einigten Gleichung der Prämissen:
[254]Zwanzigste Vorlesung.
p (a b + a c + b c + a1b1c1) + s (a + b + c) = 0
zu sehen ist, welches die successiven Resultanten liefert:
p b c + s (b + c) + s p b1c1 = 0, s c + s p c1 = 0, s p = 0 —
am besten aber, mittelst a b1c1 + a1b c1 + a1b1ca + b + c nach Th. 6×) und
17+), auf den vorigen Schluss zurückgeführt wird.


Weiter seien noch angeführt die vier Schlüsse:
(sa b c ‥) (ap) (sp) | (sa) (a + b + cp) (sp);
(sa b c ‥) (pa1) (sp1);
(pa b c ‥) (sa1) (sp1),

deren erste beide einander dual entsprechen, wogegen wir zu den
beiden letzten die dual entsprechenden nicht aufgeführt haben, weil
sie in mindestens einem Schlussgliede ein negirtes Subjekt (aller-
mindestens als Term) enthalten würden. Durch Einschaltung der
nach Th. 6) ohnehin gültigen Subsumtion: (a b ca) — beim
zweiten Schlusse der: (aa + b + c ‥) — zwischen die Prämissen
gehen die beiden ersten in dreigliedrige Kettenschlüsse über, und ähn-
lich durch Zusammenziehung der nunmehrigen beiden ersten Prämissen
gemäss II läuft der dritte Schluss auf Cesare, der vierte auf Camestres
hinaus.


Auch diesen letzteren führt Sigwart1 p. 413 als „Schluss aus einem
konjunktiven Urteil“ an, denselben dem oben bereits erwähnten zur Seite
stellend, woraus zu ersehen, wie unter dem verbalen Gesichtspunkte oft
wenig Verwandtes zusammengebracht wird. —


Die hier begonnenen Betrachtungen über zusammengesetzte Schlüsse
werden im nächsten Paragraphen noch weiter fortgesetzt werden.


Wenn wir oben sagten, dass nur die universalen Syllogismen oder
auch zusammengesetzteren Schlüsse, als „hypothetische“, genauer: aus-
sagenrechnerisch zu deutende, (für uns) in Betracht kämen, so er-
scheint es doch als bemerkenswert, dass hiezu noch ein Zugeständniss
zu machen ist: Auch wenn wir die affirmativen Existenzialurteile
a ≠ 0 — die ja die bejahenden sowol als die verneinenden partiku-
laren
Urteile a b ≠ 0 resp. a b1 ≠ 0 mit unter sich begreifen — etwa
interpretirten nach dem Schema:

  • a ≠ 0 solle heissen, dass die Aussage a manchmal, zuweilen, (nicht
    niemals), gilt —


so würden alle jene Schlussformen doch allerdings in Kraft bleiben
und eventuell sich als unmittelbar einleuchtende darstellen lassen.


[255]§ 44. Zusammengesetzte Schlüsse.

Bei Aussagen a von unveränderlichem Sinne, auf dergleichen allein
nur unser Kalkul anwendbar erscheint, ist solches indessen nicht mög-
lich, ohne dass dann a auch stetsfort gilt. Und wenn wir für Aus-
sagen von mit der Zeit oder Anwendungsgelegenheit variirendem Sinne
jene partikularen Schlussformen in Anspruch nehmen wollten, so
müsste, um sie als wissenschaftlich begründete einzubürgern, doch erst
die Art und Weise dieses Variirens näher definirt resp. gehörig ein-
geschränkt, etwa auf den Fall konstanten Wortlauts restringirt werden;
auch würden wir allem Anschein nach Schlüsse erhalten, die weder
in der Wissenschaft, noch im gemeinen Leben bislang eine Rolle
spielen. —


[[256]]

Einundzwanzigste Vorlesung.


§ 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls im Kontrast mit dem
Gebietekalkul. Dilemma, Modus ponens und tollens, disjunktiver
Schluss. Formeln gemischter Natur.


In der fünfzehnten Vorlesung haben wir den Aussagenkalkul als
besondern Fall des Gebietekalkuls hervorgehoben. Alle Formeln des
letzteren galten auch im erstern, aber nicht umgekehrt; der Aussagen-
kalkul erwies sich als der formelreichere.


Dies ist nicht zu verwundern. Kann doch der Aussagenkalkul
nichts anderes sein als der Gebietekalkul in Verbindung mit der ihm
gemachten Auflage
, dass die allgemeinen Gebietsymbole in demselben ledig-
lich der Werte
0 und 1 fähig sein sollten!


So wenigstens insoweit man die Formeln desselben in’s Auge fasst,
die auch für Gebiete deutungsfähig erscheinen; dies erhellt aus dem An-
blick der Formeln ζ) und η) des § 32. Freilich kommen dann auch noch
Formeln im Aussagenkalkul hinzu, die im Gebietekalkul gar nicht inter-
pretabel wären. Alle diese erwiesen sich als blosse Konsequenzen der
Formel ε) des § 32, aus welcher auch die vorhin genanuten hervorgingen.


Und fortgesetzt werden auch alle ferneren Eigentümlichkeiten des
Aussagenkalkuls sich lediglich als Folgerungen dieser einen Annahme ε)
darstellen lassen. Genauer hätten wir also zu sagen: der Aussagenkalkul
hebt sich aus dem Gebietekalkul hervor durch Hinzuziehung der Annahme
§ 32, ε):
(a = 1߭) = a
— mitsamt ihren Konsequenzen — zu den ohnehin gültigen Sätzen des
letzteren.


Diese Annahme, jene Einschränkung, gestattet begreiflicherweise
eine Menge von Folgerungen, die wenn sie fehlt, nicht gezogen werden
können. Der Umstand schon, dass jedes Symbol nur entweder 0 oder
1 bedeuten dürfe, gibt dem Aussagenkalkul ein besonderes Gepräge,
das dem allgemeinen Gebietekalkul, in welchem ausser 0 und 1 auch
alle erdenklichen Zwischenwerte zwischen diesen beiden Grenzen zu-
gelassen sind, abgehen wird.


[257]§ 45. Formeln gemischter Natur.

Bis zu einem gewissen Grade hat sich uns dies schon in § 32
bestätigt.


Teils lernten wir dort solche Sätze kennen — wie die mit Stern
versehenen δ), ζ), η) — die im Gebietekalkul zwar gelten können, aber
nicht allgemein gelten, teils auch solche Sätze, die — wie ε), λ), μ),
ν) — daselbst überhaupt keinen Sinn haben, ganz unverständlich oder
deutungsunfähig erscheinen.


Was sollte man in der That sich unter einem Satze, wie λ)
(ab) = a1 + b
denken, wenn a und b nicht Aussagen, sondern irgendwelche Gebiete, z. B.
der Tafelfläche, vorstellen? Es erscheint doch absurd, die Aussage, das
Urteil linkerhand, die behauptete Subsumtion (ab) mit dem Gebiete
rechterhand in λ), mit der Fläche a1 + b zu identifiziren!


Dergleichen im Gebietekalkul zunächst überhaupt nicht deutungs-
fähige Formeln des Aussagenkalkuls mögen hier „Formeln von ge-
mischter Natur
“ heissen. Es kommen in denselben ausser einfachen
Symbolden, wie 0, 1߭, A, B, …, die uns gewisse oder auch irgendwelche
Aussagen (von nur nicht näher angegebenem, oder von ganz offen ge-
lassenem Inhalte) vertreten, auch „spezifizirte“ Aussagen vor, wie AB,
C, A = B, welche über jene Aussagen selbst wieder etwas —
und zwar etwas ganz Bestimmtes — aussagen.


Es ist klar, dass jene einfachen Symbole alsdann nicht als (Punkt-)
Gebiete, Flächen z. B., gedeutet werden können, wenn sie mit solchen
spezifizirten Aussagen durch Rechenoperationen oder Vergleichungs-
zeichen verknüpft, solchen vielleicht eingeordnet, oder gleich gesetzt
erscheinen.


Da müsste denn doch erst eine Erklärung gegeben worden sein, was
unter dem Produkt — z. B. — aus einer Aussage und einer Fläche ver-
standen werden solle, was die Subsumtion zwischen letztern auszudrücken
habe, etc.


Im Klassenkalkul könnte bei Zugrundelegung einer gewissen Mannig-
faltigkeit 1̱, jenes Produkt allerdings als bereits erklärt hingestellt werden,
insofern dasselbe als „Nichts“ zu interpretiren und mit 0̱ zu bezeichnen
wäre, sintemal es nichts gibt, was zugleich jene Aussage und diese Fläche
ist. Nur wäre zu beachten, dass nach § 9, χ, ψ) diese 0̱ von dem Null-
gebiet 0 unsrer Punktmannigfaltigkeit, der Tafelfläche 1, wohl zu unter-
scheiden bleibt. In jener höheren Mn. könnte man auch die etwa zwischen
einer Subsumtion und einer Fläche behauptete Ungleichheit allenfalls (als
eine verständliche Behauptung) noch gelten lassen, indem es eben ganz
und gar nicht zu rechtfertigen wäre, dieselben für identisch gleich zu er-
klären. Das Ungleichheitszeichen ≠ hätte dann aber sozusagen wieder
einen andern Sinn, als wenn es in der niederen Mn. zwischen zwei Flächen-
Schröder, Algebra der Logik. II. 17
[258]Einundzwanzigste Vorlesung.
symbole gesetzt wird: jene Ungleichheit wäre eine ganz selbstverständliche,
analytische, und sie zu konstatiren: „nichtssagend“. — Wir wollen in dieser
Richtung nicht weiterfahren: das Gesagte wird bereits genügen um erkennen
zu lassen, dass dergleichen Deutungsversuche bei unsern gemischten Formeln
sicherlich ein nutzloses und müssiges Beginnen blieben. —


Indessen haben wir mit derartigen Formeln, mit Formeln von
dieser und jener Art, nur so weit Bekanntschaft gemacht, als nötig
war, jene Verifikation des identischen Kalkuls durch sich selbst
(mittelst mechanischen Rechnens) vornehmen zu können, wie sie in
§ 32 durchgenommen wurde. Im Übrigen konzentrirten wir unsre
Aufmerksamkeit auf die Formeln des Gebietekalkuls, welche also für
beide K alkuln, auch für den mit Aussagen, maassgebend sind.


Demgegenüber wollen wir jetzt auf die dem Gebietekalkul fremden
Sätze und Forme ln des Aussagenkalkuls unser Hauptaugenmerk richten,
solche thunlichst systematisch und vollständig aufsuchen.


Dieselben werden teils „gemischter Natur“ sein, wodurch sie sich
auf den ersten Blick als solche nur in der einen Disziplin gültige,
(weil nur in ihr interpretable) zu erkennen geben. Teils aber auch
werden sie „reine“ Sätze oder Formeln sein (soll heissen: solche von
reinem Charakter), die auch eine Deutung der in sie eingehenden
Buchstaben als Flächen oder Gebiete, Klassen zulassen würden, dann
aber keine allgemeine Geltung zeigen, die also im Gebietekalkul auf
den ersten Blick zu urteilen zwar gelten könnten aber nicht gelten
müssen, nicht unbedingt, notwendig gelten — welch’ letzteren mit
einem Stern auszuzeichnenden wir „die engere Geltung“ vindiziren.


Von den zahlreichen Formeln dieser beiden Sorten ist nur eine
kleine Gruppe von einiger, dann aber auch zumeist von grosser Wichtig-
keit und wirklich vielfach für unser Denken maassgebend. Es sind das
im allgemeinen diejenigen Formeln, in welchen nur unverneinte Um-
fangsbeziehungen vorkommen und wollen wir diese thunlichst von den
übrigen gesondert in den Vordergrund stellen.


Um sogleich mit einem Paar von Sätzen zu beginnen, welche
Herrn Peirce entgangen zu sein scheinen, so haben wir zu den seiner-
zeit in Theoremform ausgesprochenen Definitionen (3×) und (3+) — cf.
§ 29 — merkwürdigerweise im Aussagenkalkul die folgenden Gegen-
stücke. Hier ist nicht minder auch:

*α×) (a bc) = (ac) + (bc)*α+) (ca + b) = (ca) + (cb),

wenn wir wiederum Buchstaben des kleinen Alphabets auch für Aus-
sagen mitverwenden.


[259]§ 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls.

In der That ist bei α×) die linke Seite:
A = (a bc) = (a b)1 + c = a1 + b1 + c,
und die rechte:
B = (ac) + (bc) = a1 + c + b1 + c = a1 + b1 + c
— gemäss dem Schema λ) des § 32. Ebenso sind bei α+) die beiden
Seiten dieser Gleichung äquivalent ihrer Gültigkeitsklasse, welche sich für
sie als die nämliche: c1 + a + b erweist und auch als die Aussage zu
deuten ist, dass entweder c nicht gilt oder auch a oder b gilt.


McColl3 p. 16 gibt von den obigen Sätzen wenigstens diejenigen
beiden Teilsätze, die in denselben mitgegeben erscheinen, wenn man die
Gleichungen als Subsumtionen rückwärts liest, und zwar indem er diese Ein-
ordnungen wol als selbstverständliche hinstellt.


Ich habe die Sätze systematisch gefunden, indem ich mir die Aufgabe
stellte — bei α×) z. B. — wenn
z = (a bc), x = (ac), y (bc)
definirt wird, unter Elimination von a, b, c die Aussage z als Unbe-
kannnte durch x und y auszudrücken. Die Ausführung ist in einer Hin-
sicht lehrreich.


Wir haben alsdann:
z = a1 + b1 + c, x = a1 + c, y = b1 + c
und können die Aufstellung der „vereinigten Gleichung“ von diesen dreien,
sowie die successive Elimination von a, b und c konform den Methoden
des § 21 füglich dem Leser überlassen. Die Resultante lautet:
0 = x1y1z + (x + y) z1
und ist dieselbe äquivalent ihrer Auflösung nach z, als welche sich zu-
nächst ergibt:
z = x + y + u x1y1,
wo u eine unbestimmte Aussage vorstellt. Diese letztere u ist aber hier
nicht arbiträr oder willkürlich, weil z nicht blos durch die zur Auflösung
vorgelegte Gleichung bestimmt erscheint, sondern von vornherein, schon
anderweitig, gegeben ist. Einsetzung der Werte von x, y, z in die letzte
Gleichung — wie sie angezeigt erscheint durch die Forderung, nunmehr
die Probe der gefundnen Auflösung zu machen — gibt:
a1 + b1 + c = a1 + b1 + c + u a b c1,
oder:
A = A + u A1.


Damit aber diese Gleichung gelten könne, muss
u A1 = 0
sein, wie man erkennt, indem man nach Th. 39) die Gleichung rechter-
hand auf 0 bringt, oder auch — noch bequemer — indem man sie beider-
17*
[260]Einundzwanzigste Vorlesung.
seits mit A1 multiplizirt. Hiernach ist denn gefunden, dass u x1y1 = u a b c1 = 0
hier sein muss, m. a. W. dass u = 0 eine zulässige und die zweckmässigste
von den für u zulässigen Annahmen wäre, und es bleibt:
z = x + y
als der zu entdecken gewesene Satz, q. e. d.


Die Sätze α) sind ebenso einfach als diejenigen der Def. (3),
welche für unsern identischen Kalkul von so fundamentaler Bedeutung
waren.


Während aber diese (3) nicht blos für Aussagen, sondern auch
für beliebige Gebiete gültig bleiben, ist solches bei α×) und α+), wie
schon angedeutet, nicht der Fall, und um das zu beweisen, genügt be-
reits der Hinweis auf ein Beispiel, in welchem sie nicht zutreffen.


Ein solches bietet die Figur 8×, resp. 8+ des § 6 — Bd. 1, S. 205.
Daselbst erblickt man linkerhand ein Gebiet c, in welchem zwar das Ge-
biet a b enthalten ist, ohne dass jedoch entweder a oder b in diesem c ent-
halten wäre (m. a. W. während weder a noch b in ihm enthalten ist).
Ebenso rechterhand ein in a + b enthaltenes c, welches gleichwol weder
in a noch in b enthalten ist.


In Worten klingt der Satz α+) vollkommen selbstverständlich:


Wenn a oder b gilt sobald c gilt, so muss entweder a gelten, wann
c gilt, oder es muss b gelten, wann c gilt, und umgekehrt.


Und er bildet offenbar ein Prinzip von welchem in unsern Über-
legungen (wenn auch unbewusst) auf das häufigste Gebrauch ge-
macht wird.


Hiezu kommt noch, dass der Satz α+) auch im Klassenkalkul Geltung
beansprucht, wenn unter dem Zeichen c nicht von einer Klasse, sondern
von Individuen einer solchen gesprochen wird — vergleiche § 47 — wie
wir denn bei jenem angeblichen resp. vorgreifenden „Beweise“ des Distri-
butionsgesetzes in § 12 uns in ebendiesem Sinne auf ihn berufen mussten.


Weniger einleuchtend klingt der Satz α×): Wenn die Aussage c
gilt, sobald die Aussagen a und b gleichzeitig gelten, so muss ent-
weder c gelten wann a gilt, oder es muss c gelten wann b gilt —
und umgekehrt.


Dennoch ist auch dieser Satz korrekt und lassen beide Sätze mit
dem gemeinen Verstand auch in folgender Weise sich begreifen:


Wir haben für die drei Aussagen a, b, c a priori folgende Möglich-
keiten, wie sie gültig oder ungültig sein können, was die Symbole 1߭
resp. 0 andeuten:
[261]§ 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls.

Zu α×)a, b, cZu α+)a, b, c
×0 0 0*×0 0 0*
×0 0 1߭*0 0 1߭
0 1߭ 0*×0 1߭ 0*
×1߭ 0 0*×1߭ 0 0*
×0 1߭ 1߭*0 1߭ 1߭*
1߭ 0 1߭*1߭ 0 1߭*
1߭ 1߭ 0×1߭ 1߭ 0*
×1߭ 1߭ 1߭*×1߭ 1߭ 1߭*

Von diesen erfüllen die rechts mit Stern ausgezeichneten die Annahme:

a bcca + b

sintemal 0 0, 0 1߭ und 1߭ 1߭, dagegen nicht 1߭ 0 ist. Für die
links mit Kreuz bezeichneten gilt sogar:

(ac) (bc),(ca) (cb),
für die erste links unbezeichnete gilt
nur ac, für die zweite nur bc.
für die letzte links unbezeichnete gilt
nur ca, für die vorletzte nur cb.

Die Kontrole stimmt also, indem die 7 Fälle, wo mindestens eine von
diesen letztern Aussagen mithin die rechte Seite des Theorems zutrifft,
zusammenfallen mit den 7 rechts besternten Fällen in welchen auch die
andre Seite des Theorems zutraf.


Der siebente Fall links und der zweite rechts ist der einzige, wo die
eine (und dann ebenso auch die andre) Seite dieser Aussagenäquivalenz
nicht zutrifft, etwas Falsches besagt. In jenen 7 Fällen lief unser Theo-
rem auf die Identität 1߭ = 1߭, in diesem einen Falle auf 0 = 0 hinaus,
d. h. es bewahrheitete sich durchaus.


Dehnt man die Sätze α) auch auf beliebig viele Operationsglieder
(Terme) aus und verwendet dann zu ihrer abgekürzten Darstellung
Produkt- und Summenzeichen, so entstehen bei der Annahme

c = 0c = 1߭

mit Rücksicht auf Th. 5̄) die beiden ersten von den folgenden vier
Sätzen:

*β×) (Π a = 0) = Σ (a = 0)*β+) (Σ a = 1߭) = Σ (a = 1߭)
(Π a ≠ 0) = Π (a ≠ 0)(Σ a ≠ 1߭) = Π (a ≠ 1߭)

aus welchen die darunter gesetzten durch beiderseitiges Negiren, Kontra-
position, gemäss Th. 3̅2̅) und 3̅6̅) hervorgehn.


Dieselben bilden das Gegenstück zur ersten Zeile der Theoreme
§ 40, β), erweisen sich indessen als blosse Umschreibungen von eben-
[262]Einundzwanzigste Vorlesung.
diesen auf Grund der Formeln § 32, ζ) und η). Analog könnte man
dann auch noch die Formeln der zweiten Zeile von § 40, β) für den
Aussagenkalkul um-schreiben. —


Die bemerkenswertesten (bis jetzt bemerkten) Formeln gemischter
Natur will ich zunächst im Überblick hinsetzen. Sie sind, auf zwei
allgemeine Aussagen a, b bezüglich, diese:

γ×)a (ba)γ+)a1 (ab)
δ×)a {(ab) b}δ+)b1 {(ab) a1}
ε×)(ab) abε+)(ab) b1a1
ζ×){(ab) a} = aζ+){(ab) b1} = b1
η×)(ab) + b = (ab) = (ab) + a1(η+

und auf drei allgemeine Aussagen a, b, c bezüglich:
ϑ×) {a (bc)} = (a bc) = {b (ac)} |
| ϑ+) {a1 (cb)} = (ca + b) = {b1 (ca)}

— mit raummangelshalber gebrochenem Mittelstriche; es soll dabei
die Chiffrirung Bezug haben auf denjenigen Satz, welcher sich durch
Vergleichung des mittleren Terms mit einem der beiden äussersten
ergibt, wogegen die Gleichsetzung der beiden extremen Terme citirt
werden mag als:

ϑ×0) {a (bc)} = {b (ac)} |ϑ+0) {a1 (cb)} = {b1 (ca)}.

Ähnlich wie bei ϑ) sollen die Chiffren gedeutet werden bei den
Formeln:
ι×) {a1 + (bc)} = (a bc) = {b1 + (ac)} |
| ι+) {a + (cb)} = (ca + b) = {b + (ca)}

welche sich als eine blosse Umschreibung der Formeln ϑ) nach § 32,
λ) erweisen; desgleichen bei den Formeln:
ϰ×) {(ca) b} (ab) {c (ab)} (γ× |
| ϰ+) {(bc) a1} (ab) {c1 (ab)} (γ×

— aus denen nebenher ersichtlich ist, dass a fortiori:
λ×) {(ab) c} {a (bc)} somit (a bc). |
| λ+) {(bc) a1} {c1 (ab)} somit (ab + c).


Die wichtigsten von diesen Sätzen dürften die ε) und ϑ) sein.


Viele von diesen Sätzen finden sich in 5 und 8 zerstreut bei Peirce,
[263]§ 45. Formeln gemischter Natur.
so namentlich γ×), δ×), die beiden, wie wir sehen werden, schon altbe-
kannten ε), ferner ϑ×0) und ϰ×). Formel ζ×) gibt Peirce nur als Sub-
sumtion statt Gleichung, vergl. 8 p. 189, Z. 3 v. u., auch war ihm bei γ+)
eine kleine Ungenauigkeit zu berichtigen — vergl. die (mir separat zu-
geschickten) Corrigenda seines Aufsatzes 5, Z. 10 und 14 v. o. Seine
Formel 5 p. 31, Z. 2 u. 3 v. o. a (ab) + b nebst Herleitung (und
Satz am Schluss von p. 30) ist falsch und durch unser η) zu ersetzen.
Nicht zu billigen dürfte auch in 8 p. 188 sqq. die Art sein, wie Klammern
weggelassen werden.


Ausser dergleichen kleinen Berichtigungen lag mir ob, die Sätze dua-
listisch zu ergänzen, was bei den gemischten Formeln weniger nahe liegt
als bei den andern, und weiter unten eine besondere Erläuterung bean-
spruchen wird; auch glaube ich mit ϑ×) den wahren Grund für die Äqui-
valenz ϑ×0) hervorgehoben zu haben, welcher letztern übrigens Herr Peirce
eine zu grosse Wichtigkeit beizulegen scheint, indem er sie 8 p. 188 sogar
zu einem Prinzip erheben will.


Zunächst die Sätze aussagenrechnerisch zu beweisen ist nach den
in § 32 vorgetragnen Methoden eine blosse Rechenübung.


Hiefür bedarf es z. B. nur der Ansätze:

zu γ×) ab1 + a,δ×) a (a1 + b)1 + b = a b1 + b = a + b,
zu ε×) (a1 + b) a = a bb,ζ×) (a1 + b)1 + a = a b1 + a = a,
zu ϑ×) a1 + b1 + c = (a b)1 + c,ϰ×) (c1 + a)1 + b = a1c + ba1 + b.

Um sodann die nebeneinandergestellten Formeln als einander dua-
listisch entsprechende zu erkennen, muss man die gemischten sich erst
in reine Formeln umgeschrieben denken.


Jede Formel gemischter Natur im Aussagenkalkul lässt sich in der
That immer in eine solche von reinem Charakter umschreiben. Das Ver-
fahren besteht darin, dass man von den „nicht spezifizirten“ nämlich
blos durch einen Buchstaben (wie a oder a1) dargestellten Aussagen,
welche in der gemischten Formel vorkommen, alle diejenigen in spezi-
fizirte Aussagen umwandelt, welche nicht als Gebiete oder Klassen
gedeutet werden könnten, indem sie eben mit spezifizirten Aussagen
wie (ab), (a = 0), (b ≠ 1߭) etc. verknüpft erscheinen, sei es rech-
nerisch mittelst eines Operationszeichens wie ·, +, sei es vergleichend
mittelst des Zeichens einer Umfangsbeziehung, wie Einordnung,
Gleichheit oder deren Verneinungen. Zu jener Umwandlung aber
verhilft das Schema ε) des § 32, nach welchem wir für a blos
zu sagen brauchen: (a = 1߭) und für a1 auch werden sagen dürfen:
(a = 0).


Lässt man hernach den Tupfen über der 1߭ weg und deutet alle
einfachen Symbole (anstatt als Aussagen) jetzt als Gebiete oder
[264]Einundzwanzigste Vorlesung.
Klassen*), so ist es ein Leichtes, die Formeln gemäss den am Schlusse
des § 30 gegebenen Andeutungen „gebietsdual“ umzuschreiben und so
eventuell erst ihr duales Gegenstück zu ermitteln.


In der That bekommen wir nun solchergestalt aus dem Obigen
das Tableau von „reinen“ Formeln:

γ×) (a = 1) (ba)γ+) (a = 0) (ab)
δ×) (a = 1) {(ab) (b = 1)}δ+) (b = 0) {(ab) (a = 0)}
ε×) (ab) (a = 1) (b = 1)ε+) (ab) (b = 0) (a = 0)
*ζ×) {(ab) (a = 1)} = (a = 1)*ζ+) {(ab) (b = 0)} = (b = 0)
η×) (ab) + (b = 1) = (ab) = (a = 0) + (ab) η+)
*ϑ×) {(a = 1) (bc)} = (a bc)*ϑ+) {(a = 0) (cb)} = (ca + b)
*ϰ×) {(ca) (b = 1)} (ab)*ϰ+) {(bc) (a = 0)} (ab)

aus welchem ersichtlich ist, dass wir mit der dualen Umschreibung
nur zuweilen auch noch eine Buchstabenvertauschung verbunden hatten.


In dieser Fassung zeigen die meisten dieser Formeln sogar die
weitere Geltung, worauf die Abwesenheit des Sternes hinweisen soll,
und auch die besternten Gleichungen ζ), ϑ) gelten für alle Klassen
wenigstens einseitig, nämlich rückwärts als Subsumtionen gelesen.


Es erscheinen nämlich die Formeln γ) als blosse Umschreibungen der
Definitionen (2), desgleichen die η), welche aus denen γ) — die erstere γ×)
in der Gestalt (b = 1) (ab) geschrieben — nach Th. 2̅0̅+) hervorgehen.


Ebenso erscheinen δ) und ε) als blosse Umschreibungen der Theo-
reme 5).


Dass auch im Klassenkalkul:

ζ×'') (a = 1) {(ab) (a = 1)}ζ+'') (b = 0) {(ab) (b = 0)}

versteht sich nach dem Schema γ×) A (BA) von selbst — vergleiche
weiter unten die Formulirung dieses Schema’s in Worten. Desgleichen gilt
daselbst:

ϑ×'') (a bc) {(a = 1) (bc)}ϑ+'') (ca + b) {(a = 0) (cb)}.

Denn ist — links z. B. — a bc, so reduzirt sich, wenn a = 1 ist, eben
a b zu 1 · b oder b, und gilt also auch bc; ist dagegen a nicht gleich 1,
mithin (a = 1) = 0, so gilt die Behauptung des Theorems ohnehin, auch
wenn b nicht c sein sollte; und desgleichen für den Fall, wo a b nicht
c wäre, sagt das Theorem nichts aus, und gilt als ein „nichtssagendes“
auf die Prämisse 0 verweisendes jedenfalles.


[265]§ 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls.

Dass aber — um es wenigstens links vom Mittelstriche durchzu-
sprechen — die vorwärtigen Subsumtionen:
*ζ×') {(ab) (a = 1)} (a = 1), *ϑ×') {(a = 1) (bc)} (a bc),
*ϰ×) {(ca) (b = 1)} (ab)
nur die engere Geltung haben werden, sieht man so: Ad ζ×') Entweder
ist b so beschaffen, dass (ab) = 1߭ oder so, dass (ab) = 0 ist. Im
ersten Falle muss in der That nach der Voraussetzung des Satzes und
Th. 5×) (a = 1) = 1߭ sein oder a = 1 gelten. Im letzteren Falle aber
trifft die Voraussetzung des Satzes für ein beliebiges a schon zu, ohne dass
doch a = 1 sein müsste. Also braucht der Satz nicht zu gelten. Und an
die Annahme (a = 1) resp. (ca) der hypothetischen Prämisse von ϑ×)
resp. ϰ×) lässt sich eine ähnliche Überlegung anknüpfen. Ist bei ϑ×) wirk-
lich a = 1, so muss laut Hypothesis bc, also wegen a bb auch
a bc sein, wogegen für den andern Fall sich nichts behaupten lässt. Etc.


Überhaupt lassen die Formeln sowol in ihrer letzten, wie auch
in ihrer früheren Fassung sich auf die mannigfaltigste Weise als selbst-
verständliche erkennen, sich auf andere und teilweise auch aufeinander
zurückführen.


Um dies hervortreten zu lassen, will ich auch die Formel λ) des § 32:
(ab) = a1 + b aus dieser ihrer gemischten Schreibung noch, wie oben
angegeben, in eine reine Formel umsetzen, wonach sie lauten wird:
§ 32, *λ) (ab) = (a = 0) + (b = 1)
und offenbar nur die engere Geltung besitzen kann.


Darnach, sowie auch schon bei der gemischten Schreibweise, erscheinen
die Formeln γ) als unmittelbare Konsequenzen ebendieser kraft des Theo-
rems 6̄+). Ebenso lassen sich aus ihr die Formeln ε) und η) ableiten. Jene,
z. B. ε×), indem man beiderseits mit (a = 1) multiplizirt, rechts ausmulti-
plizirend das Th. § 32, α) (a = 0) (a = 1) = 0 berücksichtigt und endlich
nach Th. 6̄×) schliesst (ab) (a = 1) = (a = 1) (b = 1) (b = 1). Diese,
z. B. η×), indem man beiderseits (b = 1) addirt und rechterhand das Tauto-
logiegesetz 1̅4̅+) berücksichtigt.


Wir wollen die Formeln jetzt wieder in ihrer konziseren Fassung
— als gemischte Formeln S. 262 — in’s Auge fassen und sie zunächst
einmal in Worte kleiden:


  • γ×) Gilt a, so gilt es auch dann, wann b gilt.
  • γ+) Gilt a nicht, so ist man hier berechtigt zu sagen es gelte b, wann
    a gilt — was immer für ein Urteil b auch vorstellen mag.
  • δ×) Wenn a gilt, so muss, wenn b aus a folgt, auch b gelten.
  • δ+) Gilt b nicht, so kann, wenn b aus a folgt, auch a nicht gelten.

Hiernächst möchte ich etwas vorgreifend das Theorem ϑ) ein-
schalten:


[266]Einundzwanzigste Vorlesung.
  • ϑ×) Es ist einerlei, ob wir sagen:
    Wenn a gilt, so muss, falls b gilt, auch c gelten“, oder ob wir sagen:
    Wenn a und b zugleich gelten, so gilt auch c.

Mit dem gleichen Rechte — symmetriehalber, weil a b = b a
dürfen wir also für ersteres auch sagen: „Wenn b gilt, so muss, falls
a gilt, auch c gelten
“ — was der Inhalt des Theorems ϑ×0) von
Peirce ist.


Nach diesem Grundsatze ϑ×) gehen nun offenbar die Theoreme ε)
aus denen δ) oder umgekehrt hervor, und besagen beide somit im
Grunde dasselbe.


Nach dem Schema:
{A (BC)} = (A BC)
werden wir nämlich haben
{a [(ab) b]} = {a (ab) b},
etc. Die Formel aber zur Linken des Gleichheitszeichens, mithin den
Satz δ×), leitet Peirce in interessanter Weise aus der Identität:
des Prinzips Ī nach dem ihm, wie erwähnt, als Prinzip geltenden Satze
ϑ×0) {A (BC)} = {B (AC)}
ab, indem er einfach die unterstrichenen beiden Minoren miteinander ver-
tauscht; da nun die Identität = 1߭ ist, gilt, so muss darnach auch ihre
legitime Transformation = 1߭ sein, gelten. Und ähnliches mehr.


Dies angeführte Beispiel mag ein Bild davon geben, was für mancher-
lei Schlussweisen in diesem Teile unsrer Disziplin möglich und effektvoll
sind. Die Mannigfaltigkeit erscheint hier fast zu gross, um einigermassen
erschöpft werden zu können. Und doch kann die Disziplin erst dann in
ihrer Schönheit hervortreten, wenn man das Zusammengehörige auch voll-
ständig vereinigt, wogegen die verzettelten Fragmente solche Schönheit
noch vermissen lassen werden.


  • ϑ+) nebst ϑ+0) besagt: Folgt b aus c falls a nicht gilt, so muss, falls
    c gilt, a oder b gelten, sowie umgekehrt, und muss auch a aus c
    folgen wenn b nicht gilt.

Obwol sie, wie gezeigt, nur unwesentlich von denen δ) sich unter-
scheiden, wollen wir doch die Formeln ε) auch für sich noch betrachten.


  • ε×) (ab) ab ist bekannt als der „modus ponens des gemischten
    hypothetischen Schlusses“ (auch als ein „konstruktiver“ Syllo-
    gismus):
    Zugegeben: wenn a gilt, so gilt b. Nun gilt a. Ergo: gilt b. Und
  • ε+) (ab) b1a1 als der „modus tollens“ desselben (ein „destruktiver“
    [267]§ 45. Modus ponens und tollens. Dilemma.
    Syllogismus): Wenn a gilt, so gilt b. Nun gilt b nicht. Ergo gilt
    auch a nicht.

Die Prämisse a bei dem modus ponens, b1 bei dem modus tollens,
heisst die „Assumtion“.


Die Bezeichnung des hypothetischen Schlusses als eines „gemischten“
soll den Gegensatz ausdrücken zu dem „reinen“ hypothetischen Schlusse,
welcher nach Prinzip ĪĪ stattfindet: (ab) (bc) (ac) — vergleiche
den Schluss des § 44. —


Exempel. Wenn er sich wohl befindet, so kommt er. In der That
ist er aber wohl, also kommt er. Resp. Nun kommt er aber nicht, also
muss er unwohl sein.


Dagegen würden die Schlüsse:


  • Wenn er sich wohl befindet, so kommt er sicher. Nun kommt er; also
    befindet er sich wohl. Resp. Wenn er sich wohl befände, so käme er.
    Nun ist er aber krank, also kommt er nicht —

einfach Fehlschlüsse sein. (Vergl. Jevons 9 p. 145.)


Sich ähnlich auch mit der verbalen Formulirung der noch übrigen
Sätze ζ), η), ϰ) und λ) abzufinden, überlassen wir dem Leser. Dass
die mit denen ϰ) oben verschmolzenen Formeln sich nach dem ange-
merkten Schema γ×) hinzuergeben, wird ersichtlich, wenn man die Aus-
sage (ab) mit einem Buchstaben — d zum Beispiel — bezeichnet.


Was wir aber aus dem Bisherigen in Worte gekleidet haben, be-
kundet, dass auch in den gemischten und eigentümlichen Formeln des
Aussagenkalkuls wichtige Sätze niedergelegt sind, die vielfach unsere
verbalen Überlegungen und Diskussionen beherrschen, und schon des-
halb verdienten, zum Bewusstsein gebracht zu werden. —


Es dürfte hier der Ort sein, mit der am Schlusse des § 44 be-
gonnenen Betrachtung der traditionellen zusammengesetzten Schlüsse
zu Ende zu kommen.


Als „Dilemma“ wird bekanntlich bezeichnet der dort schon ange-
führte Schluss:
(sa + b + c …) (ap) (bp) (cp) … (sp)
wenn für den Aussagenkalkul gedeutet, wo er lauten wird: Wenn s gilt,
so gilt entweder a, oder b, oder c, . . . . Wenn nun a gilt, so gilt p,
wenn b gilt, so gilt p, wenn c gilt, gilt p, . . . . Ergo: wenn s gilt, so
gilt p.
Bewiesen dachten wir uns denselben durch Zusammenziehung
— gemäss Def. (3+) — aller seiner auf die erste folgenden Prämissen
in: (a + b + cp), und Anwendung von Prinzip II.


Damit solches „Dilemma“ seiner Namenbildung entspreche, ist übrigens
der obige Schluss wol auf nur zwei Terme des Major a + b … einge-
[268]Einundzwanzigste Vorlesung.
schränkt zu denken, und wäre ohne diese Einschränkung streng genommen
nur die Bezeichnung desselben als des erweiterten Dilemma’s (Polylemma)
zulässig.


Wie weit übrigens in der Auffassung des „Dilemma“ die Autoren
auseinandergehen, geht z. B. daraus hervor, dass Jevons6 p. 167 sq. des-
gleichen Keynes1 p. 241 im Einklang mit Whately und Mansel2 p. 108
hinstellen als „simple constructive dilemma“ den aussagenrechnerischen
Schluss:
(ab) (cb) (a + c) b,
als „complex constructive dilemma“ diesen
(ab) (cd) (a + c) b + d
und endlich als „destructive dilemma“ diesen:
(ab) (cd) (b1 + d1) a1 + c1
wobei sie noch — in Erschwerung der Übersicht — die Aussagen a, b, …
in Gestalt von A ist B, C ist D, … spezifiziren.


Der erste von diesen Schlüssen kommt mittelst Def. (3):
(ab) (cb) = (a + cb),
der zweite mittelst Th. 17+):
(ab) (cd) (a + cb + d)
auf den modus ponens, der dritte mittelst Th. 17×):
(ab) (cd) (a cb d)
kraft Th. 36×) auf den modus tollens zurück. —


Das „Epicheirem“ der Scholastik verdient als ein unvollständiger
(lückenhafter, enthymematischer) Schluss in dieser Theorie überhaupt keine
Berücksichtigung. —


Auch frühere Schlussformen können nunmehr oft dilemmatisch
bewiesen werden. Z. B. die durch
α') (xa) + (xb) + … (xa + b + …) |
| (ax) + (bx) + … (a bx)

dargestellten, welche in den auf beliebig viele Terme ausgedehnten
Formeln α) vom Eingang dieses Paragraphen mit enthalten sind.


Links z. B. wird man zu dem Ende blos aus jedem Alternativfall der
Hypothesis vermittelst des Theorems 6+) gemäss Prinzip II auf die Thesis
des Satzes zu schliessen brauchen, so von xa. mit Rücksicht auf
aa + b + … auf xa + b + …; ebenso von xb wegen ba + b + …
auf xa + b + …, etc. Und analog wird rechts die Überlegung beweis-
kräftig sein: nach der Voraussetzung ist entweder ax, und wegen
[269]§ 45. Dilemma. Disjunktiver Schluss.
a ba — cf. Th. 6×) — dann auch a bx, oder es ist bx
und wegen a bb dann auch a bx, oder etc.; sonach zieht die
Voraussetzung in allen Fällen auch die Behauptung nach sich.


Man bemerkt, dass während den als Gleichungen angesetzten
Formeln α) blos die engere Geltung zukam, den im Sinne von α') als
Subsumtionen angesetzten sogar die weitere Geltung zukommen muss:
diese gelten auch für Klassen, Gebiete, Systeme, jene blos für Aus-
sagen. —


Als „disjunktiven Schluss“ führt Sigwart den folgenden an
mit dem „modus ponendo-tollens“:
(ab c1 + b1c) (ab) (ac1):
Wenn a gilt so gilt entweder b oder (aber) c. Nun muss, wenn a
gilt, b gelten. Also wird dann c nicht gelten,
und mit dem „modus tollendo-ponens“:
(ab c1 + b1c) (ab1) (ac):
Wenn a gilt, so gilt b oder aber c. Falls a gilt, gilt nun aber b
nicht. Also muss, wenn a gilt, c gelten.


Desgleichen für mehr disjunkte Terme, z. B. für dreie:
(ab c1d1 + b1c d1 + b1c1d) (ab) (ac1d1),
( „ „ ) (ac1d1) (ab),
( „ „ ) (ab1) (ac d1 + c1d),

etc. welche Schemata leicht in Worte zu kleiden, z. B.: Wenn a gilt,
so gilt entweder b, oder c, oder d — und zwar jeweils allein (ohne
die beiden andern). Nun gilt, wenn a gilt, b; also gilt dann weder c
noch d. Etc.


Um alle diese Schlüsse direkt rechnerisch zu beweisen wird man die
vereinigte Gleichung der Prämissen für einen jeden derselben herstellen
und aus derselben b — im vorletzten Falle c nebst d — eliminiren. Für
jene erhält man unschwer:
a (b1 + c) = 0, resp. a (b + c1) = 0, resp.
a (b1 + c + d) = 0, a (b1 + c + d) = 0, a (b + c d + c1d1) = 0,

— in Anbetracht dass b c + b d + c d + b1c1d1 die Negation ist von
b c1d1 + b1c d1 + b1c1d,
wonach sich die drittletzte und die vorletzte Prämisse als äquivalent er-
weisen.


Die zugehörigen Resultanten sind bezüglich:
[270]Einundzwanzigste Vorlesung.
a c = 0, a c1 = 0, a (c + d) = 0, a b1 = 0, a (c d + c1d1) = 0,
woraus auch zu ersehen, dass keine abgeschwächten Schlüsse vorliegen,
dass vielmehr die obigen Konklusionen die vollen Resultanten darstellen.


Gebrauchte man statt des ausschliessenden das einschliessende „oder“
— vergl. § 8, ζ, ‥ ϑ) — so ginge von den angeführten fünf Formen
(während die erste und dritte keine Konklusion liefert) die zweite, vierte
und fünfte Form über in:
(ab + c) (ab1) (ac),
(ab + c + d) (ac1d1) (ab), (ab + c + d) (ab1) (ac + d).

Von diesen drei Schlüssen fallen die letzten beiden aber unter das Schema
des ersten, wie man sieht, wenn man in ihm c + d für c setzt, eventuell
nachdem man b mit c vertauschte.


Und jener erste ist ein gültiger Schluss, welcher leicht durch Elimina-
tion von b aus seiner vereinigten Prämissengleichung a b1c1 + a b = 0, oder
wieder a (b + c1) = 0, zu rechtfertigen. Es ist mir unbekannt, ob er in
der traditionellen Logik einen Namen erhalten:


Wenn a gilt, so gilt b oder auch c. Nun gelte, wenn a gilt, b nicht.
Dann muss, wenn a gilt, c gelten.


Da er aber sich einfacher darstellt und auch zu seiner Rechtfertigung
ein wenig weniger Rechnung erforderte, so erseheint es naturgemäss, auf
ihn mittelst der Bemerkung, dass
b c1 + b1cb + c, also (ab c1 + b1c) (ab + c)
ist, den „modus tollendo-ponens“ zurückzuführen, wodurch die selbständige
Begründung des letztern erspart wird. —


Im weitern Verfolg der spezifischen Gesetze des Aussagenkalkuls
(im Vergleiche zum Gebietekalkul) gelangen wir nunmehr zu den
minder wichtigen wenn auch noch bemerkenswerten Partieen derselben.


Sehr paradox erscheint auf den ersten Blick das als allgemein-
gültig in der That hinzustellende Formelpaar des Aussagenkalkuls:

*μ×) (ab) (ca)*μ+) (ab) (bc)

dessen erste Formel von Peirce8 p. 187 gegeben ist — paradox aus
dem Grunde, weil die Aussage c, über welche die Konklusion rechts
berichtet, in der Prämisse links gar nicht vorkommt, diese also keiner-
lei Information über jene Aussage enthalten kann, während man
nichtsdestoweniger berechtigt ist, den Schluss von der Aussage linker-
hand auf die rechterhand als einen „deduktiven“ zu bezeichnen.


Leicht ist zunächst der Beweis für die Formeln zu führen. Dieselben
besagen, dass
[271]§ 45. Kontraste des Aussagenkalkuls mit dem Gebietekalkul.

(a1 + b)1c1 + a oder a b1a + c1a b1b1 + c

sei, und gelten — in Anbetracht, dass nach den Theoremen 6×) und 6+):

a b1a und aa + c1a b1b1 und b1b1 + c

ist — a fortiori, gemäss Prinzip II.


In Worten könnte man (sich versucht fühlen) das Theorem μ×)
— z. B. — so aus(zu)sprechen: Wenn b nicht aus a folgt, so folgt a
aus c
— und zwar, was auch immer für Aussagen, Urteile, Sätze oder
Theoreme die drei Symbole a, b, c vorstellen mögen!


Gegenüber von Laien in Bezug auf unsre Disziplin wäre allerdings
diese Ausdrucksweise zu beanstanden, indem sie in der That ein sehr stark
irreführendes psychologisches Moment enthält, einesteils darin wurzelnd,
dass wir mit dem Worte „folgen“ gewohnt sind, die Vorstellung eines
denknotwendigen Zusammenhangs zwischen der Voraussetzung und der
Folgerung zu verknüpfen. Ein solcher Zusammenhang liegt bei dem ganzen
Satze vor; derselbe lehrt, eine wirkliche und berechtigte Folgerung (ca)
aus einer Voraussetzung (ab) ziehen. Nicht aber muss solcher Zu-
sammenhang auch innerhalb der beiden durch „wenn“ ‥ „so“ verknüpften
Teilurteile des Satzes oder Elemente des Schlusses gedacht werden (wenn-
gleich sein Bestehen beim einen, bei dem andern oder bei allen beiden
hier nicht ausgeschlossen ist); vielmehr ist hiebei nur an das faktische,
vielleicht ganz extralogische und zufällige Zusammenbestehen ihrer Kon-
klusion mit ihrer Prämisse zu denken, wie dasselbe durch jenen Satz:
„Wann c gilt, dann gilt a“ genauer ausgedrückt würde — ein Verhältniss,
Verhalten, für welches jedoch unter den Substantiven und Verben die
Wortsprache angemessen kurzer Ausdrucksformen entbehrt. Sagten wir
für einmal auch: die Geltung von c „zieht“ diejenige von a „thatsächlich
nach sich“, „ist von“
derselben „vielleicht zufällig begleitet“, so würde doch
bei jedem Versuche, die Redensart abzukürzen wieder jenes Missverständ-
niss nahe gelegt oder wenigstens zugelassen werden.


Zudem ist in unsrer Disziplin allemal noch auf den Fall, wo die Vor-
aussetzung nie gilt, vielleicht gar nicht gelten kann, mit Rücksicht zu
nehmen in der Weise, wie dies in § 28 auseinandergesetzt worden. Und
der Kontrast dieser Forderung mit dem Unterbleiben ebendieser Rücksicht
bei den Überlegungen, Räsonnements des gewöhnlichen Lebens verursacht
in erster Linie das paradoxe Ansehen des Th. μ×) in seiner ihm oben ge-
gebenen verbalen Fassung.


Bringen wir uns die Bedeutung des Satzes noch deutlicher zum Be-
wusstsein, suchen wir ihn auch mit dem gemeinen Verstande zu begreifen.


Wie schon erwähnt kann jede Aussage nur entweder gelten (= 1߭ sein),
oder nicht gelten (= 0 sein). Von den vier Möglichkeiten:


  • a = 0, b = 0
  • a = 0, b = 1߭
  • a = 1߭, b = 0
  • a = 1߭, b = 1߭

[272]Einundzwanzigste Vorlesung.

hebt die Voraussetzung unsres Satzes, welche ja die Subsumtion ab ver-
neint, die dritte hervor, wo a gilt, b nicht gilt.


Für die drei andern Fälle haben wir dagegen ab, nämlich 0 0,
0 1߭ und 1߭ 1߭ — alles zuwider der Hypothesis ab.


Unser Theorem sagt nun aus: Wenn a gilt (und zugleich b nicht gilt),
so gilt entweder a, oder es gilt c nicht.
Faktisch tritt sicher die erste Alter-
native ein — ganz einerlei, ob die zweite noch dazu gesetzt wird oder
nicht: es gilt einfach a, und folglich gilt dieses a auch dann, wenn c gilt.


Die Annahme: a = der Behauptung, dass 2 × 2 = 4 ist (welche
unbestritten gilt), b = der Behauptung: Es gibt Hexerei (welche entschieden
nicht gilt) und c = der Behauptung: Der dreidimensionale Raum ist Quer-
schnitt einer vierdimensionalen Mannigfaltigkeit — würde eine Illustration
zu dem Satze liefern, ganz einerlei, ob letztere c für wahr oder für falsch
gehalten wird (ihre Richtigkeit ist bekanntlich noch unentschieden) — mag
das Theorem exemplifiziren.


Man sieht auch, dass der vorhin in Klammer gesetzte Zusatz „(und
zugleich b nicht gilt)“ vollkommen überflüssig ist. Der Satz muss sich
vereinfachen lassen zu: a (ca) — sein Gegenstück ebenso zu: b1 (bc)
— und in dieser vereinfachten Gestalt fallen die Theoreme in der That
zusammen mit den schon angeführten γ).


Insbesondre ist es natürlich gestattet, in μ×) auch c = b, resp.
in μ+) c = a, anzunehmen wodurch die beiden Formeln übergehn in:
*ν) (ab) (ba):
Ist es unrichtig, dass b gilt, wann a gilt, so muss a gelten, wann b gilt.


Verbindet man diesen Satz mit den vier Gleichungen von Def. (3)
und α), so ergeben sich die acht Schlüsse:

  • *ξ
    (ca b) (ac) + (bc)(a + bc) (ca) + (cb)
    (a bc) (ca) (cb)(ca + b) (ac) (bc)
    (ca) + (cb) (a bc)(ac) + (bc) (ca + b)
    (ac) (bc) (ca b)(ca) (cb) (a + bc)

welche auf ihn auch zurückgeführt werden könnten, sonach weiter in Zu-
sammenhang gebracht werden durch die Äquivalenzen:

ο) (ca b) = (ca) + (cb)(a + bc) = (ac) + (bc)
*π) (a bc) = (ac) (bc)(ca + b) = (ca) (cb),

die sich aus jenen (3) und α) durch beiderseitiges Negiren gemäss Th. 3̅2̅)
und 3̅6̅) ergeben, und deren ersterer natürlich, gleichwie der Def. (3) selbst,
die weitere Geltung zukommt. Sie ist von Peirce5 schon gegeben.


Hiezu ist noch anzuführen, dass wegen
a ba + b
auch sein wird:
[273]§ 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls.

(a + bc) (a bc)(ca b) (ca + b)

gemäss Prinzip II und Th. 6̄) — vergl. auch die noch allgemeineren unter
υ) des § 32 angeführten Schemata von Aussagensubsumtionen.


Daraus aber ergibt sich durch Kontraposition:

ϱ) (a bc) (a + bc)(ca + b) (ca b)

und mit Rücksicht hierauf haben wir auch:

*σ) (a bc) (ca + b)(ca + b) (a bc)

als a fortiori folgende, mithin abgeschwächte Formen von den zwei ersten
Paaren der (über’s Kreuz zusammengehaltenen) Schlüsse ξ).


Demgegenüber erscheint bemerkenswert, dass sogar auch:

*τ) (ca b) (a + bc)(a + bc) (ca b)

als zwei verstärkte Formen ebendieser Schlüsse und somit auch von ν)
gelten müssen, indem dieselben leicht direkt zu rechtfertigen sind.


Weiter mögen von den Gesetzen der Nicht-Einordnung (non-implica-
tion) noch angeführt sein die beiden ein gewisses Gegenstück zu den
wichtigen ϑ) bildenden gemischten Formeln:
υ×) {(ab) c} = (ab + c) = {(ac) b} |
| υ+) {(ba) c1} = (b ca) = {(ca) b1}

von deren erster Peirce wenigstens die Äquivalenz der beiden extremen
Terme anführt in den (mir separat zugeschickten) Corrigenda seiner Ab-
handlung 5.


Und endlich gehört hierher der die weitere Geltung besitzende Schluss:
φ) (ac) (ab) + (bc)
welcher sich einerseits durch Kontraposition aus Pr. II ergibt, und andrer-
seits bei direkter Begründung auf die Subsumtion a c1a b1 + b c1 hinaus-
läuft, die unserm Beispiel μ) in § 18 zugrunde gelegen.


Die Zerlegung einer Subsumtion des Aussagenkalkuls in eine Alter-
native von Gleichungen nach dem oben S. 265 im Kontext angeführten
Schema *λ) des § 32):
(ab) = (a = 0) + (b = 1߭)
nennt Herr Peirce5, p. 20 unten, einen „Dialogismus“. Als „kanonische“
Form desselben bezeichnet er aber ibid. p. 31 den soeben aufgestellten
Satz φ). Es scheint mir hiernach der Begriff des „Dialogismus“ bei Peirce
selbst noch einigermassen zu schwanken. Ebenda bezeichnet er als „minor
indirect dialogism“ den Satz:
χ) {x (bc)} {x (ac)} + (ab)
und als „major indirect dialogism“ den:
ψ) {x (ab)} {x (ac)} + (bc);
desgleichen stellt er die Sätze auf:
Schröder, Algebra der Logik. II. 18
[274]Einundzwanzigste Vorlesung.

  • ω)
    • {(ac) x} {(ab) x} + (bc),
    • {(ac) x} {(bc) x} + (ab).


Dieselben sind zunächst sämtlich leicht in der geschilderten Weise zu veri-
fiziren oder als gültige Sätze des Aussagenkalkuls zu beweisen; sie kommen
bezüglich auf die Subsumtionen hinaus:

x (b1 + c) x (a1 + c) + a b1,x (a1 + b) x (a1 + c) + b c1,
a c1x1a b1x1 + b c1,a c1x1b c1x1 + a b1,

die als analytische Formeln des Gebietekalkuls (indem man z. B. rechts
auf 0 brächte) leicht vollends zu erhärten wären.


Ich muss indessen gestehen, dass ich mit all’ den im gegenwärtigen
Kontext genannten Sätzen nichts Rechtes auzufangen wüsste und dass mir
dieselben mehr nur als Kuriosa des Aussagenkalkuls erscheinen, denen
kaum ein höherer Wert als der von Übungsbeispielen für Anfänger zu-
kommen dürfte.


Sofern sich die Sätze auf die (merkwürdigerweise?) dem verbalen
Schliessen fremde
Beziehung der Nichteinordnung, des Nichtimgefolge-
habens bei ihren Prämissen oder Konklusionen berufen, dürften sie
am besten ganz von der Theorie ignorirt werden, und möchte ich als
den vornehmsten Zweck unsrer diesbezüglichen Darlegungen die eben
hiermit geübte Kritik derselben hinstellen. Diese Sätze, deren Menge
leicht noch weiter, ja in’s Unbegrenzte zu vermehren wäre — zunächst
z. B. indem man auch noch Gegenstücke zu den Formeln γ), δ), ε), ‥
aufsuchte — steigern nur — wenn etwa gar als zu memorirende hin-
gestellt — die Belastung des Gedächtnisses auf ersichtlich mehr als
das Doppelte von der Auflage des Gebietekalkuls, und das ohne Not,
ohne entsprechenden Gewinn! Sind wir doch auch ohne sie schon
den allgemeinsten Aufgaben des Gebiete- (einschliesslich Aussagen-)
kalkuls näher getreten und haben bereits gelernt, derselben zu ent-
raten! — Endlich aber zerfallen ja alle diese Beziehungen, indem
(ab) = a b1 = (a = 1߭) (b = 0)
sein muss — ein Umstand, im Hinblick auf welchen Obiges schon
weniger merkwürdig erscheinen wird. —


Gilt eine Formel im identischen Kalkul auch dann, wenn man die
als einfache Symbole in ihr vorkommenden Buchstaben beliebig als
Gebiete einer gewöhnlichen Mannigfaltigkeit interpretirt — desgleichen
die einfachen Symbole 0, 1 in der aus Def. (2) bekannten Weise als
bestimmte Gebiete — so haben wir bislang ihr „die weitere Geltung“
zugeschrieben.


Dagegen wurde gesagt, die Formel besitze blos „die engere Gel-
tung“, wenn sie zwar im Aussagenkalkul gilt, d. h. richtig ist, sobald
[275]§ 45. Besonderheiten des Aussagenkalkuls.
man die in sie eingehenden Buchstabensymbole als irgendwelche Aus-
sagen (konstanten Sinnes) interpretirt (dazu die 0 und 1߭ als die ge-
wiss falsche resp. wahre Aussage) ohne dass ihr jedoch die weitere
Geltung zukäme. Sie konnte in diesem Falle, vermittelst des Schema’s
(a = 1߭) = a oder ε) und dessen Folgesätzen ν) des § 32, sofort in
eine analytische Identität des Gebietekalkuls umgeschrieben und somit
gerechtfertigt werden. Vor dieser Verwandlung aber wird sie ent-
weder — als eine Formel „gemischter Natur“ — im Gebietekalkul
überhaupt nicht deutungsfähig erscheinen, oder, wenn sie doch in ihm
deutungsfähig ist, wird sie daselbst nicht durchaus gelten. Im letzteren
Falle haben wir ihre Chiffre durch einen Stern ausgezeichnet, um vor
ihrer rückhaltlosen Anwendung zu warnen. Gültig zu bleiben braucht
solche Formel nur dann, wenn man alle vorkommenden Gebietesym-
bole auf den Bereich der beiden Werte 0 und 1߭ verweist, für jeden
Buchstaben nur einen beliebigen dieser beiden Werte — in jedem
einzelnen Falle gleichviel welchen von beiden — zulässt.


Die Formeln des § 29 besassen sämtlich die weitere Geltung, wo-
gegen wir im gegenwärtigen Paragraphen fast lauter solche Formeln
zusammengestellt und solche vorzugsweise aufgesucht haben, denen
nur die engere geltung zukommt.


Hier drängt sich nun die nicht unwichtige Frage auf: wie kann
man bei einer richtigen Formel des Aussagenkalkuls entscheiden, ob
ihr die weitere oder blos die engere Geltung zukommt?


Träfe schon letztere nicht zu, so könnte die Formel überhaupt keine
Geltung (in ihrer vollen Allgemeinheit, als solche) beanspruchen, auch die
„weitere“ nicht — denn eine Proposition des Gebietekalkuls soll sie all-
gemein gelten oder „Formel“ sein, muss auch für die Werte 0 oder 1
ihrer Buchstabensymbole sich erfüllt zeigen. Wir müssen also bei jeder
Formel (die als solche für uns in Betracht kommen kann) voraussetzen,
dass sie wenigstens im engeren Sinne, als „Formel des Aussagenkalkuls“ gelte.


Umgekehrt: Gilt eine Formel für alle Wertsysteme ihrer Buchstaben,
die aus Nullen und Einsern gebildet werden können, so ist sie im Aus-
sagenkalkul richtig, geniesst mindestens der engeren Geltung, da alsdann
nichts hindert, ihre Buchstaben als irgendwelche (nach Belieben konstant
richtige oder konstant falsche) Aussagen zu deuten.


Die aufgeworfene Frage ist nun wie folgt zu beantworten.


Jede Formel, gewonnen durch Übertragung der im identischen
Gebietekalkul bewiesenen Sätze in die Zeichensprache des Aussagen-
kalkuls — überhaupt jede in jenem beweisbare, aus dessen Grund-
lagen deduzirbare Formel — muss zweifellos „die weitere Geltung“
haben:


Gelingt es auf dem angedeuteten Wege nicht, eine fragliche Formel
18*
[276]Einundzwanzigste Vorlesung.
zu begründen [welche sich dennoch nach dem Prinzip (a = 1) resp.
(a = 1߭) = a als richtig erweist], so kann derselben nur die engere
Geltung zukommen, sobald man auch nur eine Interpretation der Sym-
bole in Gestalt von Gebieten nachweisen kann, für welche die Formel
augenscheinlich nicht zutrifft.


Beispielsweise zeigt so die Figur 23, in welcher ab, und gleich-
wol nicht ca ist, dass die Formel μ×) der weitern Geltung entbehrt.


[figure]
Figure 23. Fig 23.

Richtige Formeln des Aussagenkalkuls,
bei welchen es weder gelänge, sie aus den
bisherigen Grundlagen des Gebietekalkuls ab-
zuleiten, noch auch (mit Leichtigkeit) ge-
länge, sie für diesen (wofern sie überhaupt in
ihm deutungsfähig) durch ein Beispiel als im
allgemeinen falsch nachzuweisen, sind bisher nicht entdeckt worden,
aus welchem Umstande, wenn er in dieser Weise fortbesteht, induk-
torisch die Überzeugung zu schöpfen ist, dass wir die Grundlagen des
Gebietekalkuls bereits vollständig besitzen.


Ob mit vorstehender Beantwortung der Frage die Wissenschaft das
letzte Wort über dieselbe gesprochen hat, muss allerdings dahingestellt
bleiben. Man empfindet es als ein Desideratum, dass die Frage — statt
in jedem Falle eine spezielle Untersuchung, eventuell vergebliche Deduk-
tionsversuche und den schliesslichen Rekurs auf die Anschauung zu er-
heischen — durch blos mechanisches Rechnen, Operiren nach einem all-
gemeinen Schema, möchte zur Entscheidung gebracht werden können —
in ähnlicher Weise etwa, wie von der Analysis die Frage nach der Auf-
lösbarkeit eines Gleichungensystems
durch das Theorem von der Funktional-
determinante
bekanntlich allgemein erledigt ist. Dieser Vergleich eröffnet
hier einen Ausblick auf ein weiteres Problem der Forschung. —


Abgesehen von der grösseren Allgemeinheit und Tragweite, die
wir durch die Begründung des identischen Kalkuls als eines Gebiete-
kalkuls gegenüber der McCollPeirce’schen als eines Aussagen-
kalkuls erzielten, scheint mir die in diesem Buche durchgeführte
Voranstellung der Exposition des erstern — unter Vermeidung des
Gebrauches jeglicher Abkürzungen, welche die Formelsprache des
letzteren gestatten würde — auch in didaktischer Hinsicht einen Vor-
zug vor den andern Behandlungsweisen zu bieten insofern, als der
Anfänger beim Studium von Herrn Peirce’s Aufsatze 5 etc., sich vor
eine ähnliche Schwierigkeit gestellt sehen wird, wie wenn er eine ihm
fremde Sprache aus einer zumeist in dieser selbst geschriebenen Gramma-
tik erlernen sollte. Zudem musste es die Übersicht fördern, dass wir
beide Kalkuln sozusagen auseinander entwirrten. —


[277]§ 46. Anwendungen. Wesen des indirekten Beweises.

§ 46. Diverse Anwendungen, Studien und Aufgaben, darunter:
Wesen des indirekten Beweises, Hauber’s Satz, Mitchell’s Nebel-
bilderproblem, nochmals McColl’s Methode, etc.


1. Studie. Wesen desindirekten“ (oder „apagogischen“) Beweises.
Dieser, auch „reductio ad absurdum“ (bei Aristotelesἀπαγωγὴ εἰς
τὸν ἀδύνατον
) genannt, stellt sich im Aussagenkalkul wie folgt dar,
und rechtfertigt sich dadurch das Beweisverfahren als solches.


Die Voraussetzungen eines (indirekt) zu beweisenden Theorems
mögen mit A bezeichnet werden und was das Theorem alsdann be-
hauptet mit B. Das Theorem spricht darnach aus, dass aus der „An-
nahme“ A die „Behauptung“ B (faktisch) folge, d. h. dass sei
AB.
Auch der Fall, wo unser Theorem als voraussetzungslos erscheinen,
eine Behauptung B ohne weiteres als gültig hinstellen sollte, ist unter
diesem Schema mitbegriffen, indem man sich alsdann unter A nur ein
identisches (analytisches) Urteil vorzustellen braucht, wie z. B. das
Urteil: 0 = 0, welches im Aussagenkalkul den Wert 1߭ besitzt indem
es stetsfort gilt; in der That wird ja hiedurch die Subsumtion AB
auf 1߭ B, gemäss Th. 5̄+) also auf B = 1߭, das ist auf die Be-
hauptung B hinauskommen.


Wir mögen also die Subsumtion AB als das allgemeine
Schema für jedes erdenkliche Theorem hinstellen.


Um ein solches apagogisch zu beweisen, bemerke man, dass nach
Th. 21×), 30+) und 27×):
A = A B + A B1
ist. Man ziehe nun aus der Annahme, dass A gelte, B aber nicht
gelte, d. h. also aus der Annahme A B1 Schlüsse und suche aus der-
selben einen Widerspruch zu deduziren. Gelingt dies, so wird der
Beweis apagogisch geleistet sein. Gesetzt, es gelinge.


Der Widerspruch bestehe darin, dass aus A B1 gefolgert ist, eine
Aussage C müsse gelten, während andrerseits gefolgert oder ander-
weitig bekannt, längst anerkannt und feststehend ist, dass sie nicht
gelte, d. h. dass C1 gelte. Ersteres, in Formeln gesetzt, gibt:
A B1C, letzteres: A B1C1
— auch dann, wenn die Folgerung keine logische oder denknotwendige
sein sollte; wenn nämlich C1 nur anerkanntermassen gilt, so ist es ja
[278]Einundzwanzigste Vorlesung.
= 1߭ und muss nach Def. (2+) A B1 1߭, also in der That A B1C1
sein. Aus beiden Ergebnissen fliesst nach Def. (3×):
A B1C C1.
Da aber C C1 = 0 nach Th. 30×) ist, so haben wir A B1 0 oder
nach Th. 5×): A B1 = 0. Es bleibt demnach gemäss Th. 21+) oben:
A = A B, oder kraft Th. 20×): AB, wie zu zeigen gewesen.


Rascher noch folgt auch dasselbe gemäss Th. 38×) sobald einmal
A B1 0 erkannt ist. —


Eine etwas einfachere Modifikation der in Rede stehenden „re-
ductio“ ist die, dass aus der Annahme A B1 gefolgert wird: eine sich
unmittelbar als ungültig, „absurd“, zu erkennen gebende Proposition C,
wie z. B. das Ergebniss, dass 0 = 1 sei.


Ist auf diese Weise dargethan, dass in der That
A B1C
so haben wir auch, da C = (0 = 1) = 0 sein muss, wie vorhin
A B1 0, A B1 = 0,
somit nach Th. 38×):
AB,
d. h. das behauptete Theorem ist bewiesen.


Bei dieser Modifikation kommt der dem gefolgerten widersprechende
Satz:
C1 = (0 ≠ 1) = 1߭,
welcher als selbstverständlich gültig anzusehen, formell gar nicht,
m. a. W. nicht ausdrücklich zur Sprache und der „Widerspruch“ als
solcher nicht notwendig zum Bewusstsein. —


Noch weiter vereinfacht erscheint das Beweisverfahren in dem
bereits oben als mitzugelassen gekennzeichneten Falle, wo die Voraus-
setzung A des zu beweisenden Theorems als eine selbstverständliche
gilt und darum nicht ausdrücklich als solche erwähnt sein mochte;
dies ist derjenige Fall, wo das Theorem als ein „voraussetzungsloses“
lediglich hinausläuft auf die Behauptung der Gültigkeit einer Pro-
position B.


In diesem Falle können wir auch den Faktor:
A = (0 = 0) = 1߭
bei A B1 als einen belanglosen unterdrücken, und haben blos die
Überlegung:
[279]§ 46. Wesen des indirekten Beweises.
B1C = 0, sonach B = 1߭, q. e. d.
— gemäss Th. 2), 5×) und 32). —


Unter Umständen lässt sich auch die Sache so darstellen, dass
die absurde Behauptung C mit der Negation A1 der selbstverständ-
lichen A zusammenfällt, dass also C = A1 — indem man z. B. von
vornherein C1 als die eventuell stillschweigende Voraussetzung A des
Theorems (mithin C1 = A) gelten lässt.


In diesem Falle vereinfacht sich der Charakter des apagogischen
Beweises auf das äusserste: das Theorem AB wird alsdann be-
wiesen, indem man die Folgerung: B1A1 zieht und auf diese nur
das Th. 37), das ist die „Konversion durch Kontraposition“ anwendet. —


Die „reductio ad absurdum“ erscheint als eine der gefährlichsten von
den Waffen, mit welchen der Irrtum sich verteidigt. Indem er ihrer sich
bedient, pflegt er dem Ansturm neuer Erkenntnisse (die ihm den garaus
machen würden) am erfolgreichsten Widerstand entgegenzusetzen, deren
Anerkennung hintanzuhalten.


In der That lässt auch keine Beweisform so leicht wie diese zu rhe-
torischen Zwecken, im Dispute, sich missbrauchen. Der Grund dieser Eigen-
tümlichkeit ist unschwer zu sehen.


Man sagt: Wenn die Behauptung A des Gegners richtig wäre, so
würde ja dies und das, ein Urteil B, daraus folgen. Dieses letztere ist
augenscheinlich absurd, also kann auch die Behauptung A unmöglich zu-
gegeben werden.


Schade nur, dass man so selten sich die Mühe nimmt, die Art, wieso
B aus A denn folgen würde, genauer darzulegen! Dieser Schluss gerade,
auf dessen Rechtfertigung alles ankäme (indem das Urteil B ja wirklich
absurd sein mag) wird als ein enthymematischer meist unvollendet ge-
lassen. Oft fehlt sogar jegliche Andeutung über die Art seines Zustande-
kommens, zufolge dessen der Opponent ausser Stand gesetzt ist, den Fehler
in dem mentalen Raisonnement des Argumentirenden selbst zu entdecken,
zu packen und bloszustellen, vielmehr sich darauf wird beschränken müssen,
gegen die Berechtigung zum Ziehen desselben nur eben Protest einzulegen.
In der Regel aber wird der Hörer durch Herbeiziehung irgend einer ober-
flächlichen Analogie (blos) verleitet diesem so flüchtig ausgeführten Schlusse
zuzustimmen. Oder es werden auch anerkannte Wahrheiten in einem viel
weiteren Sinne als ihnen rechtmässig zukommt, zur Rechtfertigung des-
selben herangezogen und läuft das Verfahren hinaus auf eine grossartige
Übertreibung. Fast immer werden thatsächliche Momente, die für das
Zustandekommen einer wirklich richtigen Konklusion wesentlich mitzuwirken
hätten, dabei übergangen, ausser Acht gelassen.


So hat man zur Bekämpfung des „Determinismus“ z. B. aus diesem
auf ethischem Gebiete, in Bezug auf sittliche Verhaltungsregeln für den
Einzelnen, sowie für die Gesellschaft gegenüber Schuldbeladenen, in leicht-
[280]Einundzwanzigste Vorlesung.
fertigster Weise die absurdesten Folgerungen zu ziehen beliebt (Folge-
rungen, die nebenbei gesagt durch die genau entsprechende Anwendung
auf Verunglückte oder Kranke sich meistens selber würden ad absurdum
führen lassen). —


Sage ich z. B.: Die Eingeweidewürmer des Menschen (in unsern Kultur-
landen, die Oxyuris etc. — jedoch mit Ausnahme der Taenia-Arten, für
welche eine ganz andere Verbreitungsweise nachgewiesen ist) rühren von
dem Essen grünen Salates her (der bei seiner Düngung mit der Gülle be-
tropft worden) — so wird mir vielleicht von dem Einen schon diese
Möglichkeit überhaupt in Abrede gestellt unter dem Hinweise auf die dem
Salatgenusse üblichermassen vorhergehende Waschung der Blätter mit kaltem
Wasser (als ob durch solche auch angetrocknete mikroskopische Eier mit
Sicherheit beseitigt werden müssten!). Wogegen ein Anderer (dem die Er-
kenntniss unwillkommen, weil er ein Liebhaber guten Salates) entgegnen
wird: Nein! Das kann nicht sein, denn sonst müssten ja alle Menschen
welche haben! —


Einen auffallenden Beitrag, der hier auch materiell von Interesse,
liefert in dem „Jahrbuch über die Fortschritte der Mathematik“ von 1886,
Bd. 18, p. 36, Herr Michaelis in Gestalt des Räsonnements mit welchem
er eine von F. A. Lange aufgestellte Theorie bekämpft: Es kann nicht
sein, dass die Grundsätze der Logik (und insbesondre der Satz des Wider-
spruchs) auf räumlicher Anschauung beruhen, denn sonst wäre die „letzte
Konsequenz“ ja die: „die Lchrbücher der Logik in Bilderbücher zu ver-
wandeln“
(!).


Notabene: ich will hiermit keineswegs für materielle Richtigkeit der
bekämpften Ansicht von Lange eintreten, sondern wende mich blos gegen
die benutzte Argumentation. Um die mir hier so unberechtigt erscheinende
„Reductio“ durch eine berechtigte zu widerlegen, werfe ich die Frage auf:
Liesse nicht genau dieselbe Schlussweise sich auch anwenden, um darzu-
thun, dass die Axiome der Geometric unmöglich auf Raum-Anschauung
basiren können? —


2. Hülfssatz — unter anderm zu Hauber’s Theorem. Gebiete,
die einzeln je in disjunkten Gebieten enthalten sind, müssen selbst dis-
junkt sein.


Einfachster Fall dieses Satzes ist der, wo nur zwei disjunkte
Gebiete a und b in Betracht kommen. Wenn dann x in a und y in
b enthalten ist, so müssen auch x und y disjunkt sein. In Formeln:
α) (xa) (yb) (a b = 0) (x y = 0).


Dieser Satz ist kein anderer als der schon als Übungsaufgabe
(nach De Morgan) unter μ1) des § 18 von uns angeführte und be-
wiesene. Den Beweis werden wir nachher in der 4. Aufgabe ganz in
der Zeichensprache geführt reproduziren.


[281]§ 46. Studie. Hülfssatz zum Hauber’schen Satze.

Generalisiren lässt der Satz sich auf verschiedene Weise. Man könnte
ihn samt dem erwähnten Beweisverfahren sogleich auf beliebig viele Symbol-
paare ausdehnen in der Gestalt:
β) (xa) (yb) (zc) … (a b c … = 0) (x y z … = 0).
In der That folgt aus den vorausgesetzten Subsumtionen durch über-
schiebendes Multipliziren nach Th. 17×), dass x y za b c … sein muss,
wo nun aber die rechte Seite laut der vorausgesetzten Gleichung durch O
ersetzt werden darf nach Th. 2) und schliesslich nur zu beachten bleibt,
dass Einordnung unter die Null Gleichheit bedeutet nach Th. 5×), sonach
x y z … = 0 sein muss, q. e. d.


Dies wäre nun aber ein anderer als der obige Satz. Für dreie oder
mehr Symbolpaare wird jener vielmehr lauten:


Wenn a, b, c, … unter sich disjunkt sind und x in a, y in b, z
in c, … ganz enthalten, so müssen auch x, y, z, … unter sich dis-
junkt sein.


Oder in Formeln:
γ) (xa) (yb) (zc) … (a b = 0) (a c = 0) (b c = 0) …
(x y = 0) (x z = 0) (y z = 0) …


Um dies auf die nächstliegende und einfachste Art zu beweisen
braucht man sich nur den Satz α) für jedes erdenkliche Paar von Ge-
bieten aus der Reihe der a, b, c, … (mitsamt dem zugehörigen aus
der Reihe der x, y, z, …) hingeschrieben zu denken, resp. wirklich
unter die Proposition α) noch die Propositionen zu setzen:
(xa) (zc) (a c = 0) (x z = 0),
(yb) (zc) (b c = 0) (y z = 0),
. . . . . . . . . . . . .

und dann alle miteinander überschiebend zu multipliziren — nach
Th. 1̅7̅×). Linkerhand sich wiederholende Faktoren kraft des Tautologie-
gesetzes 1̅4̅×) nur einmal schreibend wird man so das Theorem γ)
gewonnen haben.


Obwol wir hiermit im wesentlichen zu Ende sind, ist es doch
lehrreich, sowol den Beweis, als auch die Ausdrucksformen unsres
Theorems noch verschiedentlich zu variiren.


Behufs Beweises von α) könnte man auch einfach gemäss den Sche-
mata λ) und μ) des § 32 die „Gültigkeitsklassen“ der verschiednen (Faktor-)
Aussagen zur Linken und Rechten dieser Subsumtion ansetzen. Dieselbe
kommt dann auf:
(x1 + a) (y1 + b) (a1 + b1) x1 + y1
oder nach Th. 38×) nebst 36+) und 31) auf die Gleichung:
[282]Einundzwanzigste Vorlesung.
x y (x1 + a) (y1 + b) (a1 + b1) = 0
hinaus, welche als eine identisch richtige oder „analytische“ nachzurechnen
nur mehr eine blosse Multiplikationsübung ist.


Dies Verfahren gestaltet sich aber um so umständlicher, je mehr
Symbole in Betracht kommen.


Anstatt solchermassen „independent“ ziehen wir deshalb einmal vor,
den Beweis des allgemeinen Satzes „rekurrirend“ zu führen, für drei Sym-
bole nämlich auf Grund des für zweie bereits bewiesenen Satzes, ebenso
dann für viere, indem wir auf den für dreie bewiesenen Satz zurück-
verweisen, und so fort — im Grunde so den „Schluss“ von n auf n + 1
Symbole anwendend. Die Ausführung dieses Programmes gestaltet sich
ganz leicht, wie folgt.


In α) denken wir uns alle Buchstaben mit Accent versehen, oder
schreiben wirklich die Formel so an:
(x' a') (y' b') (a' b' = 0) (x' y' = 0).
Nehmen wir an, dass hierin die (von vornherein beliebig zu deutenden,
weil allgemeinen) Gebiete x', y', a', b' folgende Werte haben:
x' = x + y, y' = z, a' = a + b, b' = c,
so ist erkannt, dass:
(x + ya + b) (zc) (a c + b c = 0) (x z + y z = 0),
und nach Th. 24+) kann darin — wofern man die Glieder nicht beisammen
lassen will — (a c + b c = 0) durch (a c = 0) (b c = 0), desgleichen
(x z + y z = 0) durch (x z = 0) (y z = 0)
ersetzt werden.


Multiplizirt man die Subsumtion dann noch überschiebend mit der α)
selbst, nach Th. 1̅7̅×), so erhält man für drei Symbolpaare die zu be-
weisende Subsumtion γ) genau — bis auf den Umstand, dass linkerhand
ausser den sechs in ihr angegebenen Aussagenfaktoren auch noch als
siebenter der Faktor (x + ya + b) steht. Dieser kann aber ohne weiteres
unterdrückt werden. Da nämlich nach Th. 17+):
(xa) (yb) (x + ya + b),
so ist nach Th. 2̅0̅×), d. i. (AB) = (A B = A):
(xa) (yb) (x + ya + b) = (xa) (yb)
auch ohne den dritten Faktor.


Hiermit ist denn die Formel γ) mit Wegfall der Punkte „…“ bewiesen.


Um jetzt den Satz für vier Symbolpaare a, b, c, d nebst x, y, z, u
zu erhalten, braucht man blos in der mit accentuirten Buchstaben ange-
setzten Formel α) anzunehmen:
x' = x + y + z, y' = u, a' = a + b + c, b' = d
und die sich ergebende Subsumtion:
[283]§ 46. Hülfssatz zum Hauber’schen Satze.
(x + y + za + b + c) (ud) (a d + b d + c d = 0) (x u + y u + z u = 0)
nachdem
(a d + b d + c d = 0) = (a d = 0) (b d = 0) (c d = 0)
und
(x u + y u + z u = 0) = (x u = 0) (y u = 0) (z u = 0)
eingesetzt sind, mit der für drei Symbolpaare vorhin bewiesenen Subsum-
tion — γ) ohne die Punkte — überschiebend zu multipliziren, beachtend,
dass dann links der Faktor (x + y + za + b + c) von den ohnehin vor-
handenen Faktoren (xa) (yb) (zc), aus deren Produkt er ja von
selbst mit folgt, überflüssig gemacht, verschluckt wird.


Und so weiter. —


Endlich mögen wir aber, nachdem für zwei Symbolpaare der Satz
unter α) schon bewiesen ist, denselben für eine unbestimmte Menge solcher
auch apagogisch beweisen. Ich führe dies um so lieber aus, als von ver-
schiednen Seiten das Nichtvorkommen apagogischer Beweisführungen gerade
in der Logik selbst schon mit Befremden konstatirt worden ist. Zudem
eröffnen die Betrachtungen in ihrem ersten Teil uns neue Gesichtspunkte:


Zunächst lässt das Theorem α) sich auch in der Gestalt schreiben:
δ) (x y ≠ 0) (xa) (yb) (a b ≠ 0)
indem man etwa — konform den Ausführungen am Schlusse des § 31
— die Subsumtion α) durch Herübernehmen ihrer rechten Seite erst
in eine Inkonsistenz umschreibt und diese durch Hinüberwerfen ihres
Gleichung-faktors wieder in eine Subsumtion umwandelt, oder auch,
indem man mit einem Schlage gemäss dem unter Th. 4̅1̅) mitgegebenen
Schema: (A BC) = (A C1B1) die beiden Terme in α), welche
Gleichungen sind, als Ungleichungen auf die andere Seite bringt.


Nebenbei sei hier darauf aufmerksam gemacht dass diese Formel
δ) regelrechtes Exempel ist eines „zusammengesetzten Syllogismus“,
und zwar eines solchen mit drei Prämissen und den beiden Mittel-
oder besser gesagt „Zwischen-Gliedern“ x und y, lautend: Einige x
sind y, alle x sind a, alle y sind b, ergo: einige a sind b.


Das gleiche ist auch mit α) der Fall, nur dass hier als die Zwischen-
glieder, Eliminanden a und b erscheinen; dieser Syllogismus würde lauten:
Alle x sind a, alle y sind b, kein a ist b, ergo: kein x ist y.


Hier wäre schon Boole’s Th. 50+) zum Vollzug der Elimination (von
a und b aus der vereinigten Gleichung der Prämissen x a1 + y b1 + a b = 0)
ausreichend.


Es kann dieser Schluss deshalb auch durch unsre allgemeine Eli-
minationsmethode, etwa nach dem Schema ι) des § 41 gewonnen und
gerechtfertigt werden, wobei sich herausstellt, dass die Konklusion als
die volle Resultante der Elimination der Zwischenglieder zu bezeichnen.


[284]Einundzwanzigste Vorlesung.

Um dies behufs Illustration jener Methode systematisch durchzuführen,
wird man links in δ) die beiden Subsumtionen in ihre vereinigte Gleichung
zusammenziehen, wonach die Voraussetzung des behaupteten Th. δ) lautet:
(a1x + b1y = 0) (x y ≠ 0),
oder, wenn wir dieselbe jetzt für die regelrechte Elimination von y prä-
pariren: {(a1x + b1) y + a1x y1 = 0} {x y + 0 · y1 ≠ 0}.
Hieraus nach dem Schema y eliminirt, gibt:
{(a1x + b1) · a1x = 0} {x · (a + x1) b + 0 · (a + x1) ≠ 0},
oder (a1x + 0 · x1 = 0) (a b x + 0 · x1 ≠ 0)
und hieraus endlich x eliminirt, gibt:
(a1 · 0 = 0) (a b · a + 0 · 1 ≠ 0),
das ist a b ≠ 0, wie zu zeigen war — indem die erste Faktoraussage,
welche den Boole’schen Bestandteil der Resultante vorstellt, als identisch
erfüllte, nämlich als (0 = 0) = 1߭, zu unterdrücken war.


Somit in der Lage, uns auf das Theorem δ) berufen zu dürfen,
mögen wir das allgemeine Theorem γ) nunmehr leicht wie folgt in-
direkt beweisen.


Gesetzt das Produkt irgend zweier Symbole aus der Reihe x, y, z, …
sei (unter den Voraussetzungen des Theorems γ) nicht gleich O, so mögen
wir unter x und y uns ebendiese beiden vorstellen und werden also x y ≠ 0
haben. Halten wir dieses Ergebniss zusammen mit den beiden unter den
Voraussetzungen des Theorems befindlichen Subsumtionen xa und yb,
so erkennen wir die Voraussetzungen des Theorems δ) als augenscheinlich
erfüllte und sind wir nach diesem zu der Folgerung berechtigt, dass
a b ≠ 0 sein müsse.


Diese Folgerung widerspricht aber der unter den Daten des Theorems
γ) befindlichen Voraussetzung, dass a b = 0 sei, und war folglich jene An-
nahme x y ≠ 0 eine unzulässige; es muss vielmehr x y = 0 sein, welches
Wertepaar aus der Reihe x, y, z, … wir auch unter x und y uns vor-
stellen mögen, q. e. d.


Die Ausdrucksformen unsres Satzes betreffend kann man in γ)
auch die Gleichungsfaktoren links und rechts je in eine einzige Faktor-
gleichung gemäss Th. 24+) zusammenziehen, sodass die Formel lautet:
ε) (a b + a c + b c + … = 0) (xa) (yb) (zc) … (x y + x z + y z + … = 0)


Dem Polynom dieser Gleichung konnte man — bei Benutzung vor-
stehender Form — in unserm obigen rekurrenten Beweise dann dasjenige
jeder noch weiter als Faktor hinzutretenden (rechts 0 habenden) Gleichung
unmittelbar angliedern.


[285]§ 46. Hauber’s Theorem.

Auch für eine beliebige (eventuell selbst unbegrenzte) Anzahl
Symbole lässt unser Theorem sich wie folgt in Formeln setzen:
(aϰ aλ = 0) (xϰaϰ) (xϰ xλ = 0),
wo der Apostroph über dem Summenzeichen andeuten soll, dass dem Index λ
jeweils nur die von x verschiedenen Werte aus der von diesem letztern In-
dex zu durchlaufenden Wertenreihe beigelegt werden sollen. Will man
aber solch’ aparte Symbolik vermeiden, so ist unser Theorem korrekt durch
die Formel:
ζ) (aϰ aλ = 0) (xϰaϰ) (xϰ xλ = 0)
für die n Symbolpaare
a1, a2, ‥ an
x
1, x2, ‥ xn

darzustellen, und hindert nichts, darin auch n = ∞ zu nehmen.


Mit Leichtigkeit auch würde im Anschluss an dieses Schema jener
Schluss von n auf n + 1 nunmehr sich in der Zeichensprache ausgeführt
darstellen lassen.


Schliesslich kann man im allgemeinen Ausdruck γ), ε) oder ζ) unsres
Theorems natürlich auch die Prämisse zur Linken durch deren vereinigte
Gleichung ersetzen. Zu dem Ende sind die Subsumtionen xa, etc. zu-
nächst in Gleichungen a1x = 0, etc. umzuschreiben. Um dies bei ζ) aus-
zuführen müssen wir entweder zum wagrechten Negationsstrich unsre Zu-
flucht nehmen, oder anstatt der unteren Indices für x und a jetzt obere
verwenden. Thun wir letzteres, so entsteht:
η) { (aϰ1xϰ + aϰ aλ) = 0} (xϰ xλ = 0)
als wol konziseste aber dennoch vollkommen ausdrucksvolle Darstellung des
Theorems, wobei rechts die volle Resultante der Elimination von a1, a2, ‥
an aus der vereinigten Aussage der Data linkerhand steht. —


Da das in Worte gekleidete Theorem jedermann auch unmittelbar
einleuchtet, so sind vorstehende Betrachtungen nur unter dem Gesichts-
punkt der Methode zu würdigen.


3. Hauber’s Theorem.*)


Wenn eine Gattung in die (disjunkten) Arten x, y, z, … zerfällt,
[286]Einundzwanzigste Vorlesung.
desgleichen in die disjunkten Arten a, b, c, … und wenn wir wissen:
alle x sind a
, alle y sind b, alle z sind c, … so muss auch umgekehrt
gelten: alle a sind x
, alle b sind y, alle c sind z, ….


[Es ist nicht nötig auch die Arten x, y, z, … ausdrücklich als
disjunkte vorauszusetzen — eine Bemerkung, durch welche Hauber’s
Satze anscheinend eine kleine Erweiterung zuteil wird. Und zwar
leuchtet dieses augenblicklich auf Grund des vorausgeschickten Hülfs-
satzes ein.]


Aussagenrechnerisch stellt sich der Satz in Gestalt der folgenden
Formel dar:
ϑ) (a b = 0) (a c = 0) (b c = 0) … (x + y + z ‥ = a + b + c ‥) (xa) (yb) (zc) …
(ax) (by) (cz) … (x y = 0) (x z = 0) (y z = 0) …

wo der mittlere Faktor links statuirt, dass es dieselbe Gattung sein
soll, welche nach zweierlei Einteilungsprinzipien in gleichviele Arten
a, b, c, … und x, y, z, … zerfällt, wogegen die letzte Faktorengruppe
rechts im Einklang mit unserm Hülfssatze kund gibt, dass auch die
letztern Arten disjunkt sein werden.


Es genügt, den Satz, dem wir nachher noch eine etwas elegantere
Fassung geben werden, zunächst für die dichotomische Einteilung zu
beweisen, wo er lautet:
ι) (a b = 0) (x + y = a + b) (xa) (yb) (ax) (by) (x y = 0).
Einsetzung der Gültigkeitsklassen der Teilaussagen gibt hier wieder:
(a1 + b1) {(x + y) (a + b) + x1y1a1b1} (x1 + a) (y1 + b) (a1 + x) (b1 + y) (x1 + y1),
oder: (a1 + b1) {(x + y) (a + b) + x1y1a1b1} (x1 + a) (y1 + b) (a x1 + b y1 + x y) = 0
was leicht zu verifiziren durch geschicktes Ausmultipliziren. Dies be-
weist den Satz auch für die weitere Geltung, weil das Produkt jener
Gültigkeitsklassen nach Th. 24×) zugleich das Polynom ist der (rechts
auf 1 gebrachten) vereinten Gleichung von Minor resp. Major der Sub-
sumtion ι). Man konnte auch die vereinte Nullgleichung des Minor:
a b + a1b1 (x + y) + (a + b) x1y1 + a1x + b1y = 0
nach x, y entwickeln zu: x y + (b + a1) x y1 + (a + b1) x1y + (a + b) x1y1 = 0
und sich überzeugen, dass hieraus die vereinte Nullgleichung des Ma-
jors, a x1 + b y1 + x y = 0, wenn vollends nach x, y entwickelt, kraft
Th. 24+) folgt.


Von der dichotomischen Einteilung, d. i. auf Grund von ι) kann
der Beweis nunmehr auf die tricho-, tetra- etc. tomische Einteilung
genau in derselben Weise ausgedehnt werden — sonach mittelst der
nämlichen für die accentuirten Buchstaben auszuführenden Substitu-
[287]§ 46. Hauber’s Theorem.
tionen etc., wie sie oben im Kontext bei dem vorausgeschickten Hülfs-
theorem ausführlichst angegeben wurden.


Von Venn1 ist ein scheinbar viel einfacherer Beweis des Satzes ge-
geben. Derselbe kommt aber nur durch einen Beweisfehler zustande,
nämlich dadurch, dass (l. c.) p. 275 auf Zeile 16 und 15 v. o. ein wie
mir scheint gänzlich ungerechtfertigter und verfehlter (nämlich Z. 16 auf
einen circulus in demonstrando, eine petitio principii hinauslaufender, Z. 15
aber völlig sinnloser) Ansatz gemacht wird. (Jener kommt dadurch zu-
stande, dass Herr Venn mit dem Minuszeichen — was nicht erlaubt
nach den Regeln der Arithmetik operirt, nämlich erst a = b in ab = 0,
sodann aber (a + b) — (c + d) in (ac) + (bd) umschreibt. Behufs
Richtigstellung wäre von unserm § 23 nähere Kenntniss zu nehmen. Der
Fall, bei einem sonst so sorgfältigen Schriftsteller, gibt aber eine Warnung
ab: in der Logik den Gebrauch des Minuszeichens lieber zu vermeiden.) —


Behufs Vereinfachung konnte man, nachdem das Hülfstheorem α) be-
reits bewiesen ist, den Faktor (x y = 0) rechts in ι) auch weglassen, weil
diese Folgerung bereits gezogen erscheint.


Linke Seite unsres Theorems ϑ) ist ein Produkt von vielen Fak-
toren. Nach dem Schema unter ϑ×) des § 45:
(A BC) = {A (BC)}
können auch einzelne Malzeichen zur Linken in Subsumtionszeichen
verwandelt werden, wenn man jeweils alles auf sie folgende in eine
Klammer einschliesst.


Zur Rechten, im Major dagegen können nach Th. 6̄×), weil
A BA, auch beliebige Faktoren unterdrückt werden, ohne dass
das Theorem aufhört ein richtiges zu sein, während dann allerdings
dasselbe ein eventuell weniger sagendes wird.


Endlich kann man im Major beliebige Faktoren aus dem Minor
wiederholen kraft Th. 2̅0̅), weil auch (AB) (AA B), sowie
nach Th. 15×) (A BC) (A BB C) sein wird.


Von der zweiten Erlaubniss Gebrauch machend unterdrücken wir
in ϑ) zunächst das letzte Faktorensystem (x y = 0) ‥ und geben dem
Satze kraft der ersten Erlaubniss die Form:
ϰ) (a b = 0) (a c = 0) (b c = 0) … (a + b + c ‥ = x + y + z ‥)
{(xa) (yb) (zc) ‥ (ax) (by) (cz) …}

und im Major des Majors wiederholen wir (nach der dritten) den Minor
des letztern, wobei nach Def. (1) das Produkt je zweier entgegen-
gesetzten Subsumtionen sich in eine Gleichung zusammenziehen wird.
So entsteht:
λ) (a b = 0) (a c = 0) (b c = 0) … (a + b + c ‥ = x + y + z ‥)
{(xa) (yb) (zc) ‥ (x = a) (y = b) (z = c) ‥}

[288]Einundzwanzigste Vorlesung.
wonach nun die vollzogene Unterdrückung der Faktorengruppe (x y = 0) ‥
bei der Konklusion sich als belanglos zu erkennen gibt, weil sie als
blosse Wiederholung der vorausgesetzten (a b = 0) ‥ wegen der Gleich-
heit der correspondirenden Symbole beider Reihen erscheinen würde.


Man kann darnach sowol ϰ) als λ) als den vollen Ausdruck des
Hauber’schen Satzes gelten lassen, obwol sich beide Formeln zufolge
Wegfalles jenes Faktorensystems etwas einfacher als ϑ) darstellen.


Schliesslich kann man dem Theorem auch die hinsichtlich der
beiden Symbolreihen a, b, ‥ und x, y, … symmetrische Gestaltung
geben:
μ(a b = 0) ‥ (x y = 0) ‥ (x + y ‥ = a + b ‥)
{(xa) (yb) ‥ = (ax) (by) ‥}

welche wol der Hauber’schen Fassung am nächsten kommt. —


4. Studie. Wichtige Erwägungen von allgemeiner Natur wollen
wir anknüpfen an die Aufgabe (De Morgan2 p. 123): Aus A folgt B
und aus C folgt D; aber B und D sind unverträglich miteinander.


Zu beweisen, dass auch A und C inkonsistent sind. In Formeln,
dass: (AB) (CD) (B D = 0) (A C = 0).
Man sieht, dass der Satz mit α) unsres Hülfssatzes unter 2. zusammen-
fällt, nur für Aussagen anstatt für Gebiete gedeutet. Ein Beweis ist
demnach schon dort gegeben.


Hier jedoch wollen wir ihn nochmals, und zwar ganz in der Zeichen-
sprache
geben, um daran eine (wichtige) Bemerkung zu knüpfen. Jenes
kann geschehen mittelst des Ansatzes:
(AB) (CD) (B D = 0) (A CB D) (B D = 0) (A C 0) (A C = 0)
gemäss den Theoremen 17×) nebst 1̅5̅×, 2) und 5+) — q. e.d.


Auffallen muss es, dass beim Übergang über das erste freie Sub-
sumtionszeichen hier zwei Theoreme auf einmal angewendet wurden:
Nach Th. 17×), welches auch für Gebiete gilt, und darum keinen
Strich übergesetzt bekommen soll, obwol A, B, C, D hier zufällig
Aussagen (unspezifizirte) bedeuten, schlossen wir einerseits, dass
(AB) (CD) (A BC D)
sei. Diesen Schluss verknüpften wir aber obendrein beiderseits mit
dem nämlichen Faktor (B D = 0), wofür wir die Berechtigung aus
Th. 1̅5̅×) schöpfen, das als ein für spezifizirte Aussagen in Anspruch
genommenes hier jedenfalls mit überstrichener Chiffre zu citiren war.


Solch gelegentliches Miteingreifen des Th. 1̅5̅×) — und gerade nur
[289]§ 46. Studien.
ebendieses, wonicht in seiner doppelten Anwendung, als Th. 1̅6̅×) —
dürfte sich gar nicht vermeiden lassen. Es scheint unmöglich zu sein
— und ich behaupte es, solange nicht das Gegenteil dargethan wird
— in der Zeichensprache, ganz in Formeln — jeden Beweis solcher-
gestalt zu führen, dass beim Übergang über jedes ein „ergo“ bedeu-
tendes Subsumtionszeichen nie mehr als ein Theorem des identischen
Kalkuls auf einmal zur Anwendung komme.


Alle unsere Überlegungen führen wir gleichsam unter der Herr-
schaft eines
(Aussagen-)Faktors, welcher das Fortbestehen der Prämissen
unsres Schliessens, zu denen auch alle selbstverständlichen oder ana-
lytischen Wahrheiten gezählt werden dürfen, das Fortbestehen der-
selben während irgend eines gerade eben vollzogenen Schlusses garan-
tirt, und im Grunde nur eine Wirkung des Prinzips Ī der Identität
im Aussagenkalkul ist, demzufolge einmal als wahr Anerkanntes solches
stillschweigend oder ausdrücklich bleibt, auch immer wieder in Er-
innerung gebracht, überall als wahr angemerkt werden darf — womit
auch Th. 2̅1̅×) im Zusammenhange steht. Ganz ähnlich, wie auch
über unsern rechnerischen Schlüssen im Klassenkalkul jeweils die
(„gewöhnliche“) Mannigfaltigkeit 1 schwebt, die den Betrachtungen
zugrunde gelegt ist und mit der dieselben sozusagen zum Schnitt
kommen
, während sie ausserhalb, darüber hinaus, keine Geltung bean-
spruchen dürfen. —


Es kann jetzt als eine vorzügliche Übung dem Studirenden em-
pfohlen werden, die Beweisführungen für die fundamentalen Sätze
unsrer Disziplin, wie sie in Bd. 1 in der üblichsten Form, nämlich in
verbaler Einkleidung gegeben worden sind, nochmals zu repetiren, so
wie wir dies mit den Sätzen selbst in § 29 schon ausgeführt haben,
und zwar indem man auch diese Beweisführungen gänzlich in der
Zeichensprache des Aussagenkalkuls darstellt. Ganz besonders wären
so die Paragraphen 10 und 11 zu berücksichtigen.


Als ein ferneres Exempel sei so noch das Th. 20) hier bewiesen,
wobei wir uns des Dualismus halber blos an den einen Teil desselben:
Th. 20×) (a b = a) = (ab) zu halten brauchen.


Für diesen führt schon McColl9 den Beweis wesentlich in fol-
gender Weise. (Es ist:)
Schröder, Algebra der Logik. II. 19
[290]Einundzwanzigste Vorlesung.
wobei wir das beim Übergang über ein jedes Gleichheitszeichen in Be-
tracht gekommne Theorem, eventuell das Prinzip oder die Definition,
mit ihrer Chiffre unter demselben angemerkt haben, neben 6̄×) und Ī
es aber unterliessen, auch das noch mit in Betracht gekommne Th. 1̅6̅×)
ausdrücklich anzuführen, kraft dessen in der That erst es erlaubt er-
scheint, z. B. aus (aa) = 1߭ zu schliessen auf
(aa) (ab) = 1߭ · (ab)
gemäss dem [für B = 1߭ in Anspruch zu nehmenden] Schema:
(A = B) (A C = B C)
desselben [in welchem A unsre Aussage (aa) und C die (ab)
hier vertrat].


Analog wäre in etwas kürzerer Darstellung:
der dual entsprechende Beweis für das Th. 20+) — welchen wir dem-
ungeachtet auch noch hersetzen, gerade um daran zu zeigen, wie man
in Praxi abkürzend zuwerke gehen mag. In der Regel wird man in
der That auf die Pedanterie verzichten, welche mit peinlicher Sorg-
falt alle mit zur Anwendung kommenden Sätze in erschöpfender Voll-
ständigkeit zu citiren fordert: man wird als selbstverständlich (resp.
auf Grund der Voraussetzungen einer Untersuchung geltende Aussagen-
faktoren immer ohne weiteres unterdrücken, oder nach Belieben auch
anfügen, ohne sie erst durch die 1߭ dargestellt, aus dieser oder in
diese umgeschrieben zu haben, und ohne sich auf das Th. 2̅1̅×) alle-
mal ausdrücklich zu berufen.


Stellt — um auch auf den in der Klammer vorstehend angedeu-
teten Fall einzugehen — eine Aussage A irgend eine Annahme vor,
die unter den Voraussetzungen einer zu führenden Untersuchung figu-
rirt, so mögen wir etwa B die vereinigte Aussage aller übrigen Hypo-
thesen von ebendieser nennen, und wird A B das Prämissensystem
jener Untersuchung sein. Ist dann C irgend eine Behauptung, die
kraft der Untersuchung notwendig gelten muss, also eine Konklusion
aus dem Prämissensysteme, und nennen wir D den Komplex aller
übrigen Ergebnisse dieser Untersuchung (vereinigt gedacht zu einer
Gesamtaussage), so wird C D das Konklusionensystem, und der Ansatz:
[291]§ 46. Studien und Aufgaben.
A BC D
das gesamte Untersuchungsresultat ausdrücken.


Da nun C DC nach Th. 6×) ist, haben wir auch nach Pr. II:
A BC
und dies nach Th. 15×) beiderseits mit A multiplizirt, gibt wegen 14×):
A BA C
womit gezeigt ist, dass — unter den Voraussetzungen der Untersuchung
— jeder (als Konklusion) gültigen Behauptung C nach Belieben auch
irgend eine A von jenen Voraussetzungen als ein Faktor zugesetzt
werden mag.


Das Umgekehrte versteht sich ebenfalls von selbst: jeder laut
Voraussetzung gültige Faktor A bei einer Behauptung A C kann auch
beliebig unterdrückt werden. Denn haben wir: A BA C, so folgt
wegen A CC auch A BC.


Dies sind Thatsachen, die man beim aussagenrechnerischen Ar-
beiten beständig vor Augen haben muss, und die auch McColl und
Peirce schon besonders betonten. —


5. Aufgabe. De Morgan2 p. 124.


Gegeben: Jedes a ist b oder aber c;


  • d ist sowol b als auch c, ausgenommen wenn b ein e ist, wo es keins
    von beiden sein wird.

Man ziehe die Schlussfolgerung: Kein a ist d.


Auflösung. Die Data lauten: ab c1 + b1c, und:
(be)1 (db c), (bc) (db1c1),
oder:
b e1d1 + b c, b1 + ed1 + b1c1.


Die vereinigte Gleichung dieser Data lautet:
a (b c + b1c1) + d {b c1e1 + b1c + (b + c) e} = 0
wo der Inhalt der geschwungenen Klammer auch in b c1 + b1c + b c e
zusammenziehbar wäre. Um e zu eliminiren braucht man hievon nur
das letzte Glied zu unterdrücken, und aus der nach b und c ent-
wickelten Resultante:
a (b c + b1c1) + d (b c1 + b1c) = 0
gibt endlich die Elimination von b und c zugleich gemäss Zusatz
zu Th. 50+):
a d d a = 0 oder a d = 0
19*
[292]Einundzwanzigste Vorlesung.
wie zu finden gewesen. Statt b und c für sich, wenngleich auf ein-
mal, zu eliminiren, kann man dies auch mit dem ganzen Ausdruck
b c1 + b1c (als x betrachet, nebst seiner Negation b c + b1c1 = x1) thun,
wo man dann zur Resultante a d = 0 ganz unmittelbar geführt wird. —


Wir wollen nunmehr das allgemeine Eliminationsverfahren auch
an ein paar komplizirteren Aufgaben illustriren.


6. Aufgabe (O. H. Mitchell1 p. 85).


Was kann unabhängig von x und y aus den zwei Prämissen ge-
schlossen werden:


  • 10) Entweder einige a, die x sind, sind nicht y, oder alle d sind x
    und y zugleich;
  • 20) Entweder einige y sind sowol b als auch x, oder alle x sind ent-
    weder nicht y, oder c und nicht b —?

Auflösung. Der Ansatz lautet: 10 · 20) = 1߭, das heisst:
{(a x y1 ≠ 0) + (dx y)} {(y b x ≠ 0) + (xy1 + c b1)} = 1߭.
Hier haben wir nur die beiden Subsumtionen noch in Gleichungen zu
verwandeln, um Alles durch den Typus der Gleichung und Ungleichung
ausgedrückt zu haben. Entweder werden dabei nach § 41 die Glei-
chungen mit der rechten Seite 1 angesetzt und dann das Schema φ)
ibid. angewendet, oder es ist mit rechts auf 0 gebrachten Gleichungen
zu operiren, wobei das Schema τ) ibid. zur Anwendung zu kommen
hat. Wir erhalten nach letzterem Modus:
{[d (x1 + y1) = 0] + (a x y1 ≠ 0)} {[x y (b + c1) = 0] + (b x y ≠ 0)} = 1߭
und dies gibt links ausmultiplizirt vier Glieder.


Das erste wird:
{(b + c1) x y + d (x1 + y1) = 0} {d y1 + d (b + c1) y = 0} {d (b + c1) = 0} = (db1c)
— entsprechend dem von Mitchell so genannten „Boolean part“
des Ansatzes, welcher keine partikularen Prämissen enthält.


Das zweite Glied wird:
{d (x1 + y1) = 0} {b x y ≠ 0} = {d y1x + d x1 = 0} {b y x + 0 · x1 ≠ 0}
(d y1d = 0) {b y (d1 + y) + 0 · d1 ≠ 0} = (d y1 = 0) (b y ≠ 0) =
= (0 · y + d y1 = 0) (b y + 0 · y1 ≠ 0) (0 · d = 0) (b · 1 + 0 · d1 ≠ 0) = (b ≠ 0),
wenn man allemal erst x, dann y der genannten Regel gemäss eli-
minirt [vergl. schon das Th. § 41, ι); wir haben die auszuführenden
[293]§ 46. Aufgabe von Mitchell.
Prozesse zur Verdeutlichung hier ausführlichst dargelegt; der auch nur
einigermassen geübte Rechner wird natürlich viel weniger anzuschreiben
benötigt sein].


Das dritte Glied wird ebenso:
{(b + c1) y x = 0} {a y1x ≠ 0} {a y1 (y1 + b1c) ≠ 0} = (a y1 ≠ 0) (a ≠ 0).


Endlich wird das vierte Glied — nach § 41, η):
{a y1x ≠ 0} {b y x ≠ 0} (a y1 ≠ 0) (b y ≠ 0) (a ≠ 0) (b ≠ 0) K,
wo die „Klausel“ K die Forderung kürzehalber vorstellen soll, dass
die Klassen a und b nicht zugleich einunddasselbe Individuum
(ausschliess-
lich
) vorstellen dürfen. Obwol dieses Thema noch nicht systematisch
behandelt ist, vielmehr erst in § 49 in Angriff genommen wird, sieht
man hier bei einigem Nachdenken doch leicht direkt ein, dass diese
Forderung unerlässlich und hinreichend ist, damit es ein y geben
könne und müsse, welches (bei nicht verschwindenden a und b) die
Relationen a y1 ≠ 0 und b y ≠ 0 gleichzeitig erfüllt.


Darnach sind die Data des Problems der Summe unsrer vier
Resultanten, somit:
(db1c) + (b ≠ 0) + (a ≠ 0) + (a ≠ 0) (b ≠ 0) K
wo nun aber der letzte Term von den zwei vorhergehenden absorbirt
wird — ein Zufall, der Herrn Mitchell’s Lösung zugute kommt.
Mithin ist
(b d = 0) (dc) + (a + b ≠ 0) = 1߭
die gesuchte Konklusion und zwar die volle Eliminationsresultante für
x, y. In Worten:


Entweder kein d ist b und alle d sind c (d. h. alle d sind c aber
nicht b), oder es gibt a oder b.


Fernere Elimination von c würde blos noch den Wegfall des
Faktors (dc) in obiger Resultante bewirken.


Wer mit rechts auf 1 gebrachten Gleichungen zu operiren vorzieht,
hat für das erste, zweite und dritte Glied bezüglich die Ansätze zu machen:
(d1 + x y = 1) (x1 + y1 + b1c = 1) = {d1 (x1 + y1) + b1c x y = 1} (d1 + b1c = 1)
wo beim Ausmultipliziren der beiden Polynome zur Linken das Glied b1c d1
absorbirt wurde; resp.:
(d1 + x y = 1) (b x y ≠ 0) = {(d1 + y) x + d1x1 = 1} (b y x + 0 · x1 ≠ 0)
(d1 + y + d1 = 1) {b y (d1 + y) + 0 · d1 ≠ 0} = (d1 + y = 1) (b y ≠ 0) =
= (1 · y + d1y1 = 1) (b y + 0 · y1 ≠ 0) (1 + d1 = 1) (b · 1 + 0 · d1 ≠ 0) = (b ≠ 0);
[294]Einundzwanzigste Vorlesung.
(x1 + y1 + b1c = 1) (a x y1 ≠ 0) = {(y1 + b1c) x + 1 · x1 = 1} (a y1x + 0 · x1 ≠ 0}
(y1 + b1c + 1 = 1) {a y1 (y1 + b1c) + 0 · 1 ≠ 0} = (a y1 ≠ 0) = (0 · y + a y1 ≠ 0)
(0 + a ≠ 0) = (a ≠ 0)
während für das vierte Glied der nämliche Ansatz bleibt wie oben. Dies
einmal zur Vergleichung der beiden Verfahrungsweisen!


Das Resultat befindet sich in Übereinstimmung mit demjenigen Mit-
chell’
s. Obwol derselbe die Klausel K übersieht und auch, wie in § 41
gezeigt, eine zur Gewinnung der vollen Resultante nicht ausreichende
Methode anwendet, rächen sich diese beiden Umstände in dem vorliegenden
Exempel aus leicht erkennbaren (zum Teil vorhin angedeuteten) Gründen
nicht, und gilt dasselbe auch von seiner Lösung der nachfolgenden Auf-
gabe, welche ich bezeichne als


7. Herrn O. H. Mitchell’s Nebelbilderproblem1 p. 93 ‥ 95.


Sechs ebene Figuren a, b, c, d, e, f auf einer Tafel (Fläche, Ge-
sichtsfeld) verändern während einer Stunde (1߭) beständig ihre Grösse,
Gestalt und Lage unter den folgenden Einschränkungen.


I0. Die Fläche, welche c und d zusammen bedecken, ist stets ein-
geschlossen in der Fläche, welche a und b zusammen überdecken, oder
auch: manchmal (d. i. während eines gewissen Teils der Stunde) fällt
e mit dem gemeinsamen Flächenteile von d und f zusammen.


II0. Der Teil von a, welcher ausserhalb e fällt ist stets enthalten
in dem über b hinaus fallenden Teile der d und f gemeinsamen Fläche,
oder auch: während der ganzen Stunde trifft es für einen Teil der
Tafel zu, dass alle darin befindlichen Teile von b zugleich in c und e
hineinfallen.


III0. Entweder verschwinden a und d, während e die ganze Tafel
bedeckt, oder die Tafel*) wird stets von b oder c überdeckt.


Was kann nun erstens über die Beziehungen zwischen a, c, e
und f unabhängig von b und d geschlossen werden; zweitens welche
Beziehungen folgen zwischen a, c, e ohne Rücksicht auf b, d, f?


Auflösung. Der Ansatz des Problemes drückt sich durch die
Relation aus:
I0. II0. III0 = 1߭, in welcher bedeutet:
I0 = (c + da + b) + {(e = d f) ≠ 0},
II0 = (a e1d f b1) + (b c e ≠ 0),

III0 = (a = 0) (d = 0) (e = 1) + (b = 1) + (c = 1),
oder, für die nachherigen Rechnungszwecke umgeformt:
[295]§ 46. Mitchell’s Nebelbilderproblem.
I0 = {a1b1 (c + d) = 0} + {(d f e1 + (d1 + f1) e = 0) ≠ 0},
II0 = {a e1 (b + d1 + f1) = 0} + (b c e ≠ 0),

III0 = (a + d + e1 = 0) + (b1 = 0) + (c1 = 0).


Von den beiden Teilden von I0 herrührend haben wir eigentlich
zwei Probleme, wobei die Lösung des ersten sich auf die ganze Stunde,
die des zweiten aber auf einen von 0 verschiedenen, sonst aber unbe-
stimmten Teil der Stunde sich beziehen wird.


Diese beiden Teile sondern sich beim Ausmultipliziren von selbst, so-
dass ich es bei Problemen dieser Gattung für überflüssig halten muss
(worauf indess Herr Peirce8 bei der Logik der Beziehungen so grosses
Gewicht legt, p. 194 oben) mit Herrn Mitchell eigens doppelte Indices
einzuführen und den Aussagen als Suffixa beizusetzen, deren erster sich
auf das Universum der Klassen, deren zweiter sich auf das Universum der
Zeit (resp. der Gelegenheiten zu Aussagen) beziehen sollte (und als 1 an-
zusetzen wäre für die in genannter Hinsicht universalen, als u oder v für
partikulare Aussagen).


Bezeichnen wir mit I1, I2, II1, II2, III1, III2, III3 die verschiedenen
Glieder der vorstehend zerlegten drei simultanen Prämissen, so er-
halten wir beim Ausmultipliziren die nachstehend angegebenen Partial-
produkte, aus denen wir erst b und d, zuletzt f regelrecht eliminiren
— cf. υ) des § 41.


  • I1 II1 III1 = (a + b1c + d + e1 = 0) (a + d + e1 = 0) (a + e1 = 0)
  • I1 II1 III2 = (b1 + a e1 = 0) (a e1 = 0)
  • I1 II1 III3 = {c1 + a1b1 + a e1 (b + d1 + f1) = 0} {c1 + a e1 (d1 + f1) = 0}
    (c1 + a e1f1 = 0) (c1 = 0)
  • I1 II2 III1 = (a + d + e1 + b1c = 0) (b c e ≠ 0) (a + e1 + b1c = 0) (b c e ≠ 0)
    (a + e1 = 0) (a1c e ≠ 0)
  • I1 II2 III2 = (b1 = 0) (b c e ≠ 0) (c e ≠ 0)
  • I1 II2 III3 = (c1 + a1b1 = 0) (b c e ≠ 0) (c1 = 0) (c e ≠ 0).

Vom dritten Produkt hat man, solange nur b, d eliminirt sein sollen,
die vorletzte, falls b, d und f zu eliminiren sind aber die letzte der an-
gegebenen Resultanten zu nehmen, bei allen übrigen Produkten gilt die
letzte Resultante für beide Fälle.


Wird die Summe der Resultanten gebildet, so geht das sechste Glied
im fünften, das vierte im ersten augenscheinlich ein; dieses erste jedoch
wird selbst vom zweiten absorbirt, indem
(a + e1 = 0) =(a e1 + a e + a1e1 = 0) = (a e1 = 0) (a e = 0) (a1e1 = 0) (a e1 = 0)
ist, sonach lautet die Resultante für die Elimination von b und d:
[296]Einundzwanzigste Vorlesung.
(a e1 = 0) + (c1 + a e1f1 = 0) + (c e ≠ 0) = 1߭,
oder
ν) (ae) + (c = 1) (ae + f) + (c e ≠ 0) = 1߭,
und für die Elimination von b, d, f, wo nur der zweite Term durch (c1 = 0)
zu ersetzen ist:
ξ) (ae) + (c = 1) + (c e ≠ 0) = 1߭.


Dies sind die Antworten auf die gestellten Fragen, soweit sie den
ersten Teil des Problems betreffen, nämlich sich auf die ganze Stunde 1߭
beziehen.


Behufs Ermittelung des andern Teils der Lösung lassen wir das
„≠ 0“ bei I2 zunächst unbeachtet und berücksichtigen es erst wieder beim
Gesamtergebnisse. Alsdann werden die Partialprodukte mit den zugehörigen
Resultanten:


  • I2 II1 III1 = (1 = 0) = 0
  • I2 II1 III2 = (b1 + a e1 + d e1f + d1e + e f1 = 0) (a e1 + e f1 = 0) (a e1 = 0)
  • I2 II1 III3 = (c1 + a b e1 + a d1 + a f1 + d e1f + d1e + e f1 = 0)
    (c1 + a e1 + e f1 = 0)*) (a e1 + c1 = 0)
  • I2 II2 III1 = (1 = 0) (b c e ≠ 0) = 0
  • I2 II2 III2 = (b1 + d e1f + d1e + e f1 = 0) (b c e ≠ 0) (b1 + e f1 = 0) (b c e ≠ 0)
    (e f1 = 0) (c e f ≠ 0) (c e ≠ 0)
  • I2 II2 III3 = (c1 + d e1f + d1e + e f1 = 0) (b c e ≠ 0) (c1 + e f1 = 0) (b c e ≠ 0)
    (c1 + e f1 = 0) (c e f ≠ 0) (c1 = 0) (c e ≠ 0)

Unter Fortlassung des ersten und vierten Partialproduktes, welches un-
möglich stattfinden kann, haben wir als Summe der vorletzten Resultanten,
d. h. solange f noch nicht eliminirt ist:
(a c1 + e f1 = 0) + (e f1 = 0) (c e f ≠ 0) ≠ 0
indem von den vier stehenbleibenden Gliedern das zweite im ersten, das
vierte im dritten eingeht nach dem Schema:
(α + β = 0) = (α = 0) (β = 0) (α = 0).


Ebenso entsteht nach Elimination auch des f:
(a e1 = 0) + (c e ≠ 0) ≠ 0,
und mag man behufs verbaler Interpretation die beiden Resultate
schreiben:
[297]§ 46. Studien über Theoreme von Peirce.
ο) (ef) {(ae) + (c e ≠ 0)} ≠ 0
— indem wegen ef auch e f = e sein wird, resp.
π) (ae) + (c e ≠ 0) ≠ 0.


Die Ergebnisse ν), ο), sodann ξ), π) lehren in Worten:


Entweder während der ganzen Stunde ist a ganz in e enthalten,
oder c bedeckt die ganze Tafel während a von e nebst f überdeckt
wird, oder c und e haben einen Teil gemein,


Oder während eines Teils der Stunde („manchmal“) ist e ganz in
f eingeschlossen, während (entweder) a in e eingeschlossen erscheint,
oder c und e in einander greifen.


Beziehungsweise:


Immer ist a in e enthalten oder c bedeckt die Tafel oder ragt in e
hinein, oder (nur) manchmal ist a in e enthalten oder ragt c in e hinein.


Da (A = 1߭) (A ≠ 0), so wird man in ξ) den ersten und dritten
Term gegen die beiden in π) weglassen können, und kann letzteres Resul-
tat einfacher darstellen durch:


Entweder c bedeckt stets die ganze Tafel oder manchmal ist a
in e enthalten oder ragt c in e hinein.


8. Studie.


In 5 p. 34 u. 35 gibt Peirce in der Formelsprache des Aussagen-
kalkuls ein paar Theoreme des Gebietekalkuls, denen ich in nächster
Nummer ein paar analoge zugesellen werde. Für alle viere, die von
eigentümlicher Beschaffenheit sind, vermag ich aber keine Gelegenheit
für ihre Anwendung oder etwaige Verwertung abzusehn, sodass sie
hier nur als Kuriosa des identischen Kalkuls und Übungen im Aus-
sagenkalkul dargestellt und bewiesen werden sollen.


Herrn Peirce’s Theoreme lauten:

ϱ×) (a bc) = (ap) (bq)ϱ+) (ca + b) = (pa) (qb)

wo die Summe jeweils auszudehnen ist über alle möglichen Gebiete
p, q welche die unter das Summenzeichen gesetzte Gleichung erfüllen.


Noch besser, vielleicht, wird man die Theoreme so schreiben:

σ (a bc) = (p q = c) (ap) (bq)(ca + b) = (p + q = c) (pa) (qb)

wo die Summen auszudehnen sind, sich erstrecken sollen über alle
denkbaren Gebietepaare p, q.


Dass dieses auf das vorige hinauskommt, wird klar, wenn man
— z. B. links vom Mittelstriche — bedenkt, dass für jedes Wertepaar
p, q, für welches etwa p qc ist, der Faktor (p q = c) = 0 sein, mit-
[298]Einundzwanzigste Vorlesung.
hin das betreffende Glied verschwinden, sozusagen von selbst in der
Summe fehlen wird.


Beweis der Theoreme (nach Peirce).


Wenn ap und zugleich bq,
so folgt nach Th. 17×):
a bp q
und für p q = c folgt also nach Th. 2):
a bc.
Das heisst, es ist zu einer ein-
zigen Aussage zusammengefasst:
(p q = c) (ap) (bq) (a bc).
Da diese Subsumtion nun für jedes
Wertepaar p, q gilt, so folgt durch
Summirung aus der für alle diese
Paare hingeschrieben gedachten Sub-
sumtion nach Th. 17+) und 14+) —
oder unmittelbar gemäss Def. (3̄+)':
Σ (p q = c) (ap) (bq) (a bc).
Umgekehrt, wenn a bc ist, so
muss c + a b = c sein nach Th. 20+).
Es ist aber c + a b = (c + a) (c + b).
Sonach ist erkannt, dass:
(a bc) {(c + a) (c + b) = c}.
Nennen wir hier:
c + a = p, c + b = q,
wo dann also p q = c sein wird, so
ist für diese p, q zugleich ap und
bq nach Th. 6+), mithin gilt:
(a bc) (p q = c) (ap) (bq)
wenigstens für jene gewissen p, q.
Das Glied rechterhand ist aber nach
Th. 6+) jeder Summe, die es ent-
hält, folglich auch a fortiori:
(a bc) Σ (p q = c) (ap) (bq).
Nach 17+) ist:
(pa) (qb) (p + qa + b).
Dies beiderseits mit (p + q = c) mul-
tiplizirt und rechts beachtet, dass
nach Th. 3):
(c = p + q) (p + qa + b) (ca + b)
sein muss, gibt nach Prinzip II:
(p + q = c) (pa) (qb) (ca + b),
und wenn dies für alle p, q hinge-
schrieben gedacht wird, nach Def. (3̄+)'
in ihrer bekannten Erweiterung auf
unbegrenzt viele Terme:
Σ (p + q = c) (pa) (qb) (ca + b).
Ferner haben wir:
(ca + b) = {c (a + b) = c} =
(a c + b c = c)
nach Th. 20×) und 27×).
Nennen wir a c = p, b c = q, so
wird erstlich pa, qb nach Th. 6×)
sodann, wie eben gezeigt: p + q = c
sein und gilt im ganzen:
(ca + b) (p + q = c) (pa) (qb).
[Rechnerisch erhalten wir dies aus
dem vorigen Ergebnisse durch beider-
seitiges Multipliziren mit:
(a ca) (b cb)
unter Einsetzung der Werte von p, q.]
Und da nun das Glied wieder der
Summe eingeordnet, so muss sein:
(ca + b) Σ (p + q = c) (pa) (qb).

Das Theorem ist hiermit als Subsumtion vor- und rückwärts bewiesen
und muss nach Def. (1) folglich als Gleichung gelten. —


[299]§ 46. Analoga zu Peirce’s Theoremen.

9. Fortsetzung.


Meine Analoga zu den Theoremen σ) lauten:
τ(ca b) = (p q = c) (pa) (qb) |
| (a + bc) = (p + q = c) (ap) (bq)

und könnten dieselben auch in einer der Peirce’schen ϱ) noch näher
kommenden Gestalt angeschrieben werden, indem man wieder den
ersten Faktor des allgemeinen Gliedes nur als Bedingung („Erstreckung“)
unter das Summenzeichen setzte.


Beweis derselben.


Nach 17×) ist:
(pa) (qb) (p qa b)
und dies nach Th. 1̅5̅×) beiderseits
mit der den Namen c einführenden
Gleichung (p q = c) multiplizirt, gibt,
wenn man rechts berücksichtigt dass
nach Th. 3):
(c = p q) (p qa b) (ca b)
ist, nach II:
(p q = c) (pa) (qb) (ca b),
wo der linken Seite nach Def. (3̄+)'
nun auch ein Σzeichen vorange-
schrieben werden kann.
Ferner ist nach Th. 20×):
(ca b) = (c · a b = c) =
(c a · c b = c).
Nennen wir nun c a = p, c b = q, so
ist gefolgert: p q = c und muss zu-
gleich nach Th. 6×) sein: pa und
qb, sonach im ganzen:
(ca b) (p q = c) (pa) (qb)
wenigstens für diese p, q. Hier darf
nun rechts auch ein Σ vorgeschrieben
werden weil das Glied der Summe
eingeordnet,
Nach 17+) ist:
(ap) (bq) (a + bp + q)
und dies mit (p + q = c) beiderseits
nach Th. 1̅5̅×) multiplizirt wird wegen
(a + bp + q) (p + q = c) (a + bc)
— nach Th. 2) — geben:
(p + q = c) (ap) (bq) (a + bc)
und lässt sich links hier auch ein
Summenzeichen vorschreiben aus dem
schon wiederholt angeführten Grunde.
Desgleichen ist nach Th. 20+):
(a + bc) = {(a + b) + c = c} =
{(a + c) + (b + c) = c}.
Wird a + c = p, b + c = q ge-
nannt, so ist gefunden: p + q = c,
zugleich nach Th. 6+) ap und
bq mithin
(a + bc) (p + q = c) (ap) (bq)
für die vorstehend definirten p, q.
Der rechten Seite darf man unbe-
schadet der Gültigkeit der Subsum-
tion ein Σ vorsetzen,

und ist hienach das Theorem als Subsumtion vor- und rückwärts bewiesen;
es muss als Gleichung gelten.


[300]Einundzwanzigste Vorlesung.

Anmerkung 1.


In den Theoremen ϱ) oder σ) darf, wie leicht zu sehen, die
Gleichung
p q = c resp. p + q = c
auch durch die Subsumtion
p qc resp. cp + q,
desgleichen in denen τ) durch
cp q resp. p + qc
ersetzt werden.


Bei den Umkehrungen (oder zweiten Teilen der Beweise) ist nur zu
beachten, dass (p q = c) (p qc) nach Def. (1) und Th. 6̄× ist, etc.


Anmerkung 2.


Durch Kontraposition ergeben sich aus den vier Theoremen σ)
und ϱ) — oder τ) und Gegenstück — noch vier entsprechende Formeln
welche auf Un-Subsumtionen bezüglich sind und Produkte Π von
Summen [Binomen oder Trinomen je nachdem man ϱ) oder σ), etc.
konvertirt] aufweisen.


Die ersten beiden von diesen führt Peirce p. 37 an, doch über-
lassen wir ihren Ansatz dem Leser.


10. Aufgabe.


x zu eliminiren aus den beiden Unsubsumtionen:
a xb oder ab + x1
und
cd + x oder c x1d.


Dass die nebeneinanderstehenden von diesen äquivalent sein müssen,
folgt durch Kontraposition gemäss Th. 3̅2̅) aus Th. 41). Wir mögen
uns darum an die erste Form einer jeden halten.


Auflösung. Nun ist
(a xb) (cd + x) = (a xb)1 (cd + x)1 = (a b1x = 0)1 (c d1x1 = 0)1 =
= (a b1x ≠ 0) (c d1x1 ≠ 0).

Um hieraus x zu eliminiren, haben wir das Schema η) des § 41 an-
zuwenden als den hier in Betracht kommenden und schon ausreichenden
Spezialfall des allgemeinen Eliminationstheorems τ) daselbst.


Darnach ergibt sich als die Resultante:
(a b1 + 0 ≠ 0) (0 + c d1 ≠ 0), = (a b1 ≠ 0) (c d1 ≠ 0), =
= (ab) (cd).


[301]§ 46. Studien zu Peirce’s Methode.

Dies ist aber blos die Resultante „aus dem Rohen“. Um sie zur
vollen Resultante zu machen ist noch erforderlich und hinreichend,
dass man derselben eine Klausel K als Faktor beifüge. Obwol wir
uns die systematische Entwickelung derselben erst in § 49 vornehmen,
sei sie doch für den vorliegenden Fall hier angegeben, da sie un-
schwer auch mit dem gemeinen Verstande zu begreifen.


Die Klausel K fordert, dass falls die Klassen a b1 und c d1 sich je
auf ein einziges Individuum zusammenziehen sollten, dieses nicht bei
beiden das nämliche Individuum sein darf.


Andernfalles müsste ja dieses eine Individuum den Klassen x und
x1 gleichzeitig angehören (damit eben a b1x ≠ 0 und zugleich c d1x1 ≠ 0
sein könnte) — was unmöglich.


Sonach wäre, wenn K den Inhalt jener Forderung bedeutet:
(ab) (cd) K
die volle Resultante.


Auch abgesehen von der Klausel jedoch ist zu sehen, dass die
Resultante nicht etwa erhältlich ist, indem man die von Peirce an-
gegebene Resultante aus den unverneinten Subsumtionen
(a xb) (cd + x),
das ist die Subsumtion (a cb + d) — vergl. § 27, Bd. 1, S. 577 —
einfach negirte. Hierdurch würde nämlich entstehen:
a cb + d oder a c b1d1 ≠ 0.
Nach dem entsprechenden Schema aus § 40, α) ist aber nur:
(a b1 · c d1 ≠ 0) (a b1 ≠ 0) (c d1 ≠ 0),
somit
(a cb + d) (ab) (cd)
und findet im allgemeinen keineswegs Äquivalenz statt. Die Figur 24
z. B. zeigt, dass sehr wohl ab und zugleich cd sein kann, ohne
dass doch a cb + d zu sein brauchte, da im Gegen-
teil das vorstehend schraffirte a cb + d, ja schon
b hier ist.


Aus den Prämissen des Problems darf nun blos
auf K (ab) (cd) geschlossen werden, keineswegs
aber auf a cb + d, was eine in Hinsicht des
fehlenden Faktors K noch unvollständige, in jeder

[figure]
Figure 24. Fig. 24.


andern Hinsicht aber viel zu weit gehende und darum unberechtigte
Behauptung sein würde — im Gegensatz zu den Mitchell’schen zwar
richtigen aber nicht weit genug gehenden Resultanten.


[302]Einundzwanzigste Vorlesung.

11. Aufgabe.


x zu eliminiren aus den beiden negirten Subsumtionen:
a xb oder ab + x1
und
c xd oder cd + x1.


Auflösung. Da
(a xb) (c xd) = (a b1x ≠ 0) (c d1x ≠ 0)
so ergibt sich ähnlich wie bei der vorigen Aufgabe:
(a b1 + 0 ≠ 0) (c d1 + 0 ≠ 0), = (a b1 ≠ 0) (c d1 ≠ 0) oder (ab) (cd)
als die Resultante aus dem Rohen. Diese ist aber jetzt selbst auch
schon die volle Resultante. Eine Klausel tritt nicht hinzu, oder wenn
wir eine solche fingiren wollen, ist sie als K = 1߭ zu denken. Es
wird hier nämlich immer ein x, = a b1 + c d1, geben, welches die Prä-
missen erfüllt.


Hienach ist bemerkenswert, dass während die unnegirten Subsum-
tionen a xb und c xd als solche von derselben Form nach
Peirce’s Wahrnehmung keine Resultante (der Elimination des x) er-
gaben (es sei denn: 0 = 0), die negirten oder Unsubsumtionen doch
eine solche liefern und zwar, bis auf die Klausel, die nämliche Resul-
tante, wie wenn die eine von ihnen in die andere Kategorie gehörte
(das x nicht im Minor, sondern im Major gehabt hätte).


Ob es nun nach den bei dieser und der vorigen Aufgabe ge-
machten Wahrnehmungen (denen weitere betreffs der Elimination aus
Sub- nebst Unsubsumtion anzureihen wären) möglich und lohnend sein
würde, die in § 27 dargelegte Peirce’sche Methode nach des letzteren
Absichten auch auf die durch Zulassung von Unsubsumtionen er-
weiterten Probleme auszudehnen, müssen wir noch dahin gestellt sein
lassen.


12. Studie. Jevons9 p. 207.


Von den Data:


Keines der a ist b ausser denjenigen (a), die c und d zugleich
sind; von diesen aber sind nur einige b;


Entweder c oder d fehlt nie, ausgenommen wo a oder b vorliegt,
in welchem Falle sie (d. h. c und d) beide fehlen
— verlangt Jevons blos die Einkleidung.


Dieser Aufgabe ist aber seine Symbolik, weil sie über ein negirtes
Beziehungszeichen nicht verfügt und sich zum Aussagenkalkul noch nicht
[303]§ 46. Studie.
emporgearbeitet, entfernt nicht gewachsen. Er begnügt sich darum auch
mit blossen Andeutungen und Vermutungen.


Wir erhalten in möglichst engem Anschluss an den Worttext:
{a (c d)1b1} (a c d b ≠ 0) (a c d b1 ≠ 0) [(a + b)1 ≠ 0)
(c1 = 0) + (d1 = 0)] (a + bc1d1).


Der erste Faktor, besagend: diejenigen a, welche nicht »c und d zu-
gleich« sind, sind nicht-b (m. a. W. keines derselben ist b) wird sich in
a b (c1 + d1) = 0 umschreiben lassen.


Ebenso der vierte Faktor welcher besagt: falls nicht » a oder b «, d. h.
falls weder a noch b vorliegt, so fehlt entweder c nie oder es fehlt b nie, in
(a1b1 ≠ 0) (c = 1߭) + (d = 1߭), resp. a1b1c + d oder a1b1c1d1 = 0
— wozu jedoch nachher noch eine Bemerkung vonnöten.


Endlich ist der letzte Faktor besagend, dass wo a oder b vorliegt, c
und d beide fehlen, zu schreiben als (a + b) (c + d) = 0 und gibt die ver-
einigte Gleichung der drei bisher erwähnten Faktoren:
(a + b) (c + d) + a b (c1 + d1) + a1b1c1d1 = 0,
oder a (b + c + d) + a1 {b (c + d) + b1c1d1} = 0,
noch besser, rechts auf 1 gebracht:
a b1c1d1 + a1 {b c1d1 + b1 (c + d)} = 1.


Der zweite Faktor des Ansatzes besagte, dass einige a c d (einige a
die c und d zugleich sind) b seien, der dritte Faktor, dass einige a c d
auch nicht-b seien, womit im ganzen wiedergegeben ist, dass nur einige
a c d auch b sind.


Schreibt man nun die vereinigte Aussage der Data innerlich nach
allen Symbolen entwickelt wie folgt:
(a b1c1d1 + a1b c1d1 + a1b1c d + a1b1c d1 + a1b1c1d = 1) (a b c d ≠ 0) (a b1c d ≠ 0),
so ist dieselbe zur Elimination irgend einer Symbolgruppe vorbereitet.


Wir geben die volle Resultante der Elimination zunächst von a.
Diese lautet:
(b1 + c1d1 = 1) (0 ≠ 0) (0 ≠ 0)
wo die 0 links im zweiten Faktor aus b c d · b1c1d1 im dritten aus b1c d · b1c1d1
entstanden ist — und lässt durch ihre beiden letzten Faktoren erkennen,
dass das System der Data ein inkonsistentes sein muss.


In der That garantirt der letzte Faktor des Ansatzes, dass unter
anderm auch a b c d = 0 sei im Widerspruch zum zweiten Faktor desselben.


Die Unverträglichkeit ist Jevons entgangen.


Bemerkt muss aber noch werden, dass die Fassung der Data an Un-
klarheit leidet, indem im ersten Absatz von a, b, c, d als Klassen oder
Gattungsnamen die Rede ist, der Logik des Umfangs entsprechend im
zweiten Alinea jedoch ebendavon als von (den) Merkmalen (welche solchen
Gattungen zukommen) entsprechend einer Logik des Inhaltes.


[304]Einundzwanzigste Vorlesung.

13. Aufgabe, McColl Math. Quest. vol. 34, p. 40 und 41, ge-
löst von C. J. Monro.


Aus den Prämissen (die aussagenrechnerisch interpretirt zu denken
sind)
a b fc x + d e y, a f1yc x1 + d1e
sollen x und y eliminirt werden.


Auflösung. Man findet nach irgend einer der zur Verfügung
stehenden Methoden:
a b fc + d e. —


Recht bequem ist hier McColl’s Verfahren, Bd. 1, S. 591, ein wenig
nach Peirce modifizirt: Man schreibt behufs Elimination des y die beiden
Prämissen in Gestalt der drei Subsumtionen an:

  • a b f (c1 + x1)
    • d e
    • y
    ,  a f1 (c1 + x) (d + e1) y1.

Überschiebendes Multipliziren der beiden letzten gibt hier, wegen der
links konkurrirenden Faktoren f und f1, blos eine Identität 0 0. [Bei
meiner Methode hätte man genau die gleiche Wahrnehmung an den Koef-
fizienten von y1 und y in der rechts auf 0 gebrachten vereinten Gleichung
zu machen gehabt.] Resultante nach y ist daher die erste der obigen
drei Subsumtionen, welche zerfällt in die zweie

    • a b f c1
    • a b f x1
    d e


und da der letzteren von diesen: a b f (d1 + e1) x nur 0 x1 gegenüber-
gestellt werden kann, so ist schon die erste von ihnen die gesuchte Resul-
tante nach x.


14. Studie. (Nochmals McColl’s Methode.)


Um zum Zweck der Methodenvergleichung McColl’s Zuwerke-
gehen vollständig erläutert zu haben, will ich auch wenigstens eine
komplizirtere Aufgabe hier genau in seiner Weise aussagenrechnerisch
behandeln, wie solche Bd. 1, S. 592 im Kontexte bereits theoretisch
von mir charakterisirt worden, und wähle ich dazu die 28. Aufgabe
des § 25, ibid. S. 552, bei der aus dem Aussagenprodukte
F (x, y) = (a b xc d e) (b c yd e) {c + d + e1 (a1 + b + x) (b1 + c + y)} (a1x = b1y)
das Symbol y zu eliminiren, x zu berechnen gewesen.


Wenn man will, so kann man schon allgemein nach den Schemata μ)
des § 32 diese ganze Aussage in ein Klassensymbol (in „ihre Gültigkeits-
klasse“) umschreiben wie folgt:
F (x, y) = (a1 + b1 + x1 + c d e) (b1 + c1 + y1 + d e) {c1d1e + (a1 + b + x) (b1 + c + y)} ·
· {a1b1x y + (a + x1) (b + y1)}.


[305]§ 46. Nochmals McColl’s Methode.

Wenn man es dagegen vorzieht — und dieses scheint McColl zu
thun — so braucht solches Umschreiben nur für die Werte 0 und 1 von
x oder y nach Bedarf ausgeführt zu werden. Der Gang der Rechnung ist
nämlich einfach dieser. Man hat:

x yF (1, 1)x1yF (0, 1)
x y1F (1, 0)x1y1F (0, 0)

woraus durch überschiebendes Addiren:

xF (1, 1) + F (1, 0),x1F (0, 1) + F (0, 0)

und sich mittelst Kontraposition die Lösung in McColl’scher Ansatzweise
ergeben wird als:

F1 (1, 1) F1 (1, 0) x1,F1 (0, 1) F1 (0, 0) x.

Die Ausführung gestaltet sich im Hinblick auf die Theoreme 21) und
22) etc. wie folgt:
x y (a1 + b1 + c d e) (b1 + c1 + d e) (a1b1 + a b) = a1b1 + a b c d e,
x y1 (a1 + b1 + c d e) (c1d1e + b1 + c) a = a (b1 + c d e),
xb1 + a c d e, b (a1 + c1 + d1 + e1) x1;
x1y (b1 + c1 + d e) (c1d1e + a1 + b) b = b (c1 + d e),
x1y1c1d1e + (a1 + b) (b1 + c) = a1b1 + a1c + b c + c1d1e,
x1b + a1 + c1d1e, a b1 (c + d + e1) x.


So originell diese Methode ist, so sticht der behufs ihrer Anwendung
geforderte Arbeitsaufwand doch unvorteilhaft ab schon gegen den bei seiner
Lösung der vorstehenden Aufgabe (siehe l. c.) von Monro geforderten,
obwol dieser sich noch der schwerfälligen Boole’schen Schemata bedient
(auch abgesehen davon, dass er für die bekannten Parameter c d e und
c + d + e1 des Problems von vornherein kürzere Zeichen einführt). —


Ich möchte hier übrigens das auf S. 559 des Bd. 1 von mir Ge-
sagte in etwas modifiziren. Dort hatte ich diejenige Methode Herrn
McColl’s im Auge, welche er allgemein schematisirt hat, wie S. 591
geschildert — welche er aber nicht anwendet!


Wogegen das praktisch von ihm bethätigte vorstehend illustrirte
Verfahren (Kontext der S. 592) allerdings verdient, als eine vierte von
den übrigen wesentlich verschiedene und obzwar selten, so doch zu-
weilen auch vorteilhaftere Methode anerkannt zu werden. —


15. Aufgabe, McColl, Math. Questions, vol. 34, p. 69.


Unter welcher Voraussetzung dürfen wir auf Grund der drei Aus-
sagensubsumtionen („implications“):
Schröder, Algebra der Logik. II. 20
[306]Einundzwanzigste Vorlesung.
a b1 + a1bd x, a x + b yc, c dy
den Schluss ziehen, dass entweder x oder aber y gelten müsse.


Auflösung. Es handelt sich darum, das (von x und y freie) Sub-
jekt zu dem gegebnen Prädikate x y1 + x1y zu finden.


Um dieses systematisch nach der im Zusatz 4 zu Th. 50) von Boole
gegebnen Methode zu thun, adjungiren wir zu dem Prämissensysteme die
Gleichung:
z = x y1 + x1y,
eliminiren x und y aus demselben, beziehungsweise aus dessen vereinigter
Gleichung und erhalten (nicht ohne einige Rechnung):
a b1c1 + (a b1 + a1b) d1 = 0, {a c1 + (a b1 + a1b) c d} z + a1b c1z1 = 0
wo dann der zweite Teil dieser Resultante nach z aufgelöst geben wird:
a1b c1za b c + a1 (b1 + c1),
indem der Koeffizient von z durch den ersten zu a (b1 + c1) + a1b c reduzir-
bar. Sonach gibt:
a1b c1x y1 + x1y
die Antwort auf die gestellte Frage, d. h.: wenn b gilt während a und c
nicht gelten, so muss x ohne y oder y ohne x gelten.


In McColl’s Manier hätte man, da das gesuchte Subjekt zu z durch
Kontraposition aus einem Prädikate von z1, = x y + x1y1, zu schliessen sein
wird, zunächst die Ansätze zu machen:
x y (a b1 + a1bd) (a + bc) (c d 1) = (a b + a1b1 + d) (a1b1 + c) = a1b1 + a b c + c d
x1y1 (a b1 + a1b 0) (0 c) (c d 0) = (a b + a1b1) (c1 + d1), sonach:
x y + x1y1a1b1 + a b + c d, also (a b1 + a1b) (c1 + d1) x y1 + x1y.
Dies stimmt erst mit dem einfachern oben ermittelten Ergebniss überein,
wenn man die oben vermerkte Resultante der Elimination von x, y mit
berücksichtigt. Um diese auch mit McColl zu gewinnen, sind ausser vor-
stehenden auch noch die Ansätze nicht zu umgehen:
x y1 (a b1 + a1bd) (ac) (c d 0) = (a b + a1b1 + d) (a1 + c) (c1 + d1)
x1y (a b1 + a1b 0) (bc) (c d 1) = (a b + a1b1) (b1 + c)

durch deren additive Überschiebung mit jenen entsteht:
1 a b + a1b1 + c d + a1d, oder konvertirt: (a b1 + a1b) (a c1 + d1) = 0.
Durch all’ dies wird aber das Verfahren wieder umständlicher als das vor-
hergehende nach Boole von mir modifizirte.


16. Aufgabe, McColl, „Math. Questions“, Vol. 33, p. 60, 61 mit
Lösung von Monro und Elizabeth Blackwood.


Wann wird aus den (aussagenrechnerisch zu deutenden) Prämissen:
[307]§ 46. McColl’s zweite Methode.
a b x + a1b1x1c1y + c y1, d e y + d1e1y1a1x + a x1
zu folgern sein, dass x oder y wahr ist?


Auflösung. Man adjungire dem Prämissensystem die Gleichung
z = x + y, eliminire x und y und wird erhalten: 0 · z + a1 (b1c1 + d1e1) z1 = 0,
eine Gleichung, deren Auflösung nach z:
a1 (b1c1 + d1e1) z 1
das gesuchte Subjekt zu x + y erkennen lässt.


In McColl’scher Manier schliesst man hier recht bequem — viel be-
quemer als vorstehend — und in der That wol am besten:
x1y1 (a1b1c) (d1e1a) = (a + b + c) (d + e + a) = a + (b + c) (d + e)
und daraus kontraponirend:
a1 (b1c1 + d1e1) x + y (= z). —


Manches Verfahren hat also vor den übrigen keine unbedingten
Vorzüge, vielmehr, von Fall zu Fall wechselnd, bald Vorzüge, bald
Nachteile und es verdient alsdann, gleich diesen, beachtet zu werden.
Von jedem Verfahren, allerdings, dürfte sich dergleichen doch nicht
wol behaupten lassen. —


17. Aufgabe von W. B. Grove, „Math. Questions“, Vol. 34,
p. 80 sq., gelöst von Elizabeth Blackwood.


Wenn mein Sohn entweder Jurisprudenz oder Theologie studiren
soll (is to enter either the law or the church), so muss er entweder
nach Oxford oder nach Cambridge gehen. Geht er nach Oxford ohne
Jus oder nach Cambridge ohne Theologie zu studiren, so fällt ihm
ein Legat bei seines (offenbar etwas schrulligen!) Onkels Tode zu.
Er wird desselben jedoch nur (höchstens)*) dann verlustig gehen,
wenn er weder nach Oxford geht noch Theologie studirt sowie, wenn
er weder nach Cambridge geht noch Jus studirt (if he will not go
to ‥ and at the same time will not enter the ‥). Ich bestimme, dass
er entweder Jus oder Theologie studire. Wird er alsdann das Legat
erhalten, oder nicht?


20*
[308]Einundzwanzigste Vorlesung.

Auflösung. Es möge bezüglich α, β, m, n, x die Aussagen vor-
stellen: Er wird Jus resp. Theologie studiren, nach Oxford resp. Cam-
bridge gehen, das Legat erhalten. So gilt F (x), das heisst:
(α + βm + n) (m α1 + n β1x) (x1m1β1 + n1α1) (α + β) (αβ1) (mn1)
indem die letzten beiden (Aussagen-) Faktoren, nämlich (α β + m n = 0),
als selbstverständliche unterstellt werden obzwar sie im Problem nicht
ausdrücklich statuirt worden. Gesucht das Subjekt (als der Bedingungs-
satz) zu x, welches durch Kontraposition aus dem Prädikate zu x1 zu
gewinne. Es ist aber gemäss McColl: x1F (0), wo
F (0) = (α1β1 + m + n) (m1 + α) (n1 + β) (n1 + β) (m1β1 + n1α1) (α + β) (α1 + β1) (m1 + n1) = 0,
wie man sich überzeugt durch Ausmultipliziren. Dabei war der zweite,
dritte und vierte Faktor aus (m α1 + n β1 0) (1 m1β1 + n1α1) ent-
standen, gleich den übrigen gemäss den Schemata § 32, μ).


Haben wir also x1 0, so folgt: 1߭ x, d. h. er wird unfehlbar
das Legat erhalten.


18. Aufgabe*), Christine Ladd-Franklin, „Math. Questions“,
Vol. 42, p. 66 u. 67, 1885. Lösung von Macfarlane, ihr, und Andern.


Für eine gewisse Klasse von Dingen (a certain lot of objects)
gelten die Prämissen:
a = b x1 + b1y, cd1x + d y1,
gesucht was über a, b, c, d ohne Rücksicht auf x, y ausgesagt
werden kann.


Auflösung. Bringen wir gemäss Th. 39) die Gleichung rechts
auf 1, die Ungleichung auf 0, so lautet die vereinigte Aussage der Data:
{a (b x1 + b1y) + a1 (b x + b1y1) = 1} {c (d1x1 + d y) + c1 (d1x + d y1) ≠ 0}
und sind aus dieser x und y zu eliminiren. Anordnung nach y und x
gibt leicht:
[{(a b1 + a1b) x + a x1} y + {a1x + (a b + a1b1) x1} y1 = 1] ·
· [{(c d + c1d1) x + c x1} y + {c1x + (c d1 + c1d) x1} y1 ≠ 0]

woraus nach dem Schema φ) des § 41 als Resultante von y fliesst:
{(a1 + b1) x + (a + b1) x1 = 1} ·
· {(a b1 + a1b) (c d + c1d1) x + a c x1 + a1c1x + (a b + a1b1) (c d1 + c1d) x1 ≠ 0}

und hieraus weiter als Resultante von x:
[309]§ 46. Aufgaben und Studien.
(a1 + b1) {(a b1 + a1b) (c d + c1d1) + a1c1} + (a + b1) {a c + (a b + a1b1) (c d1 + c1d)} ≠ 0,
indem der Boole’sche Faktor der Resultante auf (1 = 1) = 1߭ hinaus-
läuft. Ausmultiplizirend erhalten wir zunächst:
(a b1 + a1b) (c d + c1d1) + a1c1 + a c + (a b + a1b1) (c d1 + c1d) ≠ 0
oder thunlichst reduzirt:
(ac1) + (a b1 + a1bc d1 + c1d).


Dieses (zuverlässig richtige) Ergebniss stimmt nicht mit dem von den
Lösern gewonnenen. Herr Macfarlane u. s. w. ersetzt die Ungleichung
AB durch eine Gleichung A + v = B + w, wo v, w unbestimmt sein
sollen aber nicht gleichzeitig O sein dürfen etc. Dies ist zwar ein Umweg,
indessen angängig. Das unrichtige Resultat ergab sich ihm zufolge unge-
rechtfertigten Operirens mit dem Minus-Zeichen, dessen Gesetze aus der
Arithmetik in den identischen Kalkul nicht ohne weiteres übertragen werden
dürfen und dessen Anwendung daher im letzteren besser ganz vermieden
wird. Wir haben schon beim Hauber’schen Satze Veranlassung gehabt,
darauf aufmerksam zu machen, wie das gleiche Verfahren, vor welchem
hier gewarnt wird, auch andere namhafte Autoren schon in Fehler führte.
Herrn Macfarlane’s und Frau Franklin’s Ergebniss lautet:
a (b d1 + b1d) ≠ c1 (b d1 + b1d).


Das unsrige kann auch geschrieben werden in der Gestalt:
(ac1) + (a b + a1b1c d + c1d1),
und ist dahin zu interpretiren: entweder die a sind nicht einerlei mit
den Nicht-c, oder was a und b oder keins von beiden ist fällt nicht
durchaus zusammen mit dem, was c und d oder keins von beiden ist.


Diese Aussage lässt sich indess noch weiter vereinfachen. Nach Th. 3̅3̅+)
Zusatz können wir nämlich unsre Resultante auch schreiben:
(ac1) + (a = c1) (a b + a1b1c d + c1d1).
Unter der Voraussetzung a = c1 oder c = a1, sonach in unserm letzten
Aussagenfaktor, dürfen wir aber das Symbol c auch durch a1 ersetzen.
Wir erhalten, wenn wir auch den zugefügten Aussagenfaktor (a = c1) wieder
unterdrücken:
(ac1) + (a b + a1b1a1d + a d1).


Nun lässt sich (als eine Bereicherung unsres § 19) das folgende
allgemeine Theorem:
(a x + b x1 = c x + d x1) = (a x = c x) (b x1 = d x1)
unschwer nach Th. 24+) und 39) rechnerisch beweisen.


Dasselbe lässt sich auch leicht auf beliebig viele Argumente aus-
dehnen zu dem noch allgemeinern Satze:


Wenn zwei Funktionen (im identischen Kalkul) einander gleich
sind
, und dieselben nach irgend welchen, aber beide nach den näm-
[310]Einundzwanzigste Vorlesung.
lichen Argumenten „entwickelt“ werden, so müssen die gleichnamigen
Glieder ihrer beiderseitigen Entwickelungen bezüglich je für sich schon
übereinstimmen
(woraus aber nicht auf die Gleichheit von deren Koef-
fizienten geschlossen werden darf!) — ein Satz dessen Umkehrung
auch, im Hinblick auf Th. 17+), als selbstverständlich erscheint.


Am leichtesten beweist sich dieser Satz wol dadurch, dass man
die Gleichung zwischen den beiden Funktionen durchmultiplizirt mit
irgend einem Konstituenten ihrer Entwickelung, wo dann die mit
diesem ungleichnamigen Glieder alle wegfallen werden.


Durch Kontraposition folgt aus obigem Theoreme:
(a x + b x1c x + d x1) = (a xc x) + (b x1d x1).


Hiernach zerfällt der zweite Teil unsrer Resultante in:
(a ba d1) + (a1b1a1d), oder {a (b d + b1d1) ≠ 0} + {a1 (b d + b1d1) ≠ 0},
was sich nach bekanntem Schema § 40, α) zusammenzieht in:
b d + b1d1 ≠ 0 oder bd1.
In der That: wenn die b mit den Nicht-d sich nicht decken, sei es sofern
sie unter a fallen, sei es sofern sie unter nicht-a fallen, so können sie
überhaupt nicht mit ihnen zusammenfallen. Hienach ist:
(ac1) + (bd1)
der einfachst mögliche Ausdruck unsrer Resultante und leicht zu interpre-
tiren. Behufs verbalen Ausdrucks mag man die Fassung vorziehen:
(a c ≠ 0) + (a1c1 ≠ 0) + (b d ≠ 0) + (b1d1 ≠ 0),
was besagt: entweder einige a sind c, oder es gibt Dinge die beides nicht
sind, oder es gibt Dinge die sowol b als d oder keins von beiden sind.


Der McColl’schen Technik ist das vorstehende Problem über-
haupt nicht zugänglich.


19. Studie. Um eine Idee zu geben, auf welche Weise es mög-
lich ist, Probleme des Klassenkalkuls auch mittelst des Aussagenkal-
kuls schon einzukleiden und zu lösen, wollen wir die Art darlegen,
wie McColl die Venn’sche Aufgabe unter σ1) des § 18 in Angriff
nimmt (siehe ebenda S. 392).


Wir sprechen im Folgenden von irgend einem aber immer von
demselben
Buche aus dem Haufen, und lassen A' die Aussage bedeuten:
(die Person) A beansprucht es (claims it), B' die Aussage: B bean-
sprucht es, C' die: C beansprucht es; und ferner a die Aussage: es ist
deutsch, b die Aussage: es ist politisch, c die: es ist gebunden, d die
Aussage: es ist eine Novelle.


Alsdann gibt Einkleidung der Data augenscheinlich die Gleichungen:
[311]§ 46. Wichtige Studie.
A' = a b + a1c d, B' = b c + b1a d, C' = a c + c1b d
und zwar Gleichungen, weil sie als Aussagensubsumtionen vor- und
rückwärts zu gelten haben.


Aus diesen folgen nun rechnerisch ganz dieselben Antworten auf
die gestellten Fragen, welche wir l. c. bereits gegeben haben, mit dem
kleinen Unterschied nur, dass hier die Buchstaben A, B, C einen Ac-
cent tragen. Zum Beispiel: A' B' = b c (a + d), A' B' C' = a b c, und
interpretiren diese sich auch eben dahin — resp.: Wenn A und B es
(ein Buch) zugleich beanspruchen, so ist es sicher politisch und ge-
bunden, sowie deutsch oder Novelle, und umgekehrt, wenn es solcher
Art ist, wird es von A und B beansprucht. desgleichen wenn es
deutsch, politisch und gebunden ist, dann und nur dann, dann aus-
schliesslich wird es von allen drei Personen beansprucht.


Suchen wir nun aber die Grenzen der Anwendbarkeit solchen
Verfahrens zu erkenne.


Auf den ersten Blick scheint dasselbe auf den ganzen Klassen-
kalkul sich ausdehnen zu lassen, und in der That ist dies auch für
seine erste Etappe der Fall, solange und insoweit der Kalkul sich blos
mit universalen Urteilen abgibt, nämlich sich in lauter Subsumtionen
oder Gleichungen bewegt.


Anstatt eine Subsumtion:


ab oder die ihr äquivalente Gleichung a b1 = 0 als eine zwischen
Klassen bestehende zu deuten
, statt sie mit „alle a sind b“ zu übersetzen,
kann man sie allemal auch als eine Aussagensubsumtion auslegen:


Man spreche nur von irgend einem aber durchweg demselben Objekte
oder Individuum der den Betrachtungen zugrunde liegenden Mannig-
faltigkeit 1, und lasse a die Aussage bedeuten: „es gehört zur Klasse a
und b die Aussage: „es gehört zur Klasse b“. Das hypothetische Urteil:
wenn es zur Klasse a gehört, so gehört es auch zur Klasse b, das ist
die Aussagensubsumtion ab sagt dann offenbar genau dasselbe, wie
die obige Klassensubsumtion, nämlich wie das Urteil: alle a sind b.
Dasselbe gilt auch von der als Aussagenäquivalenz aufgefassten Glei-
chung: a b1 = 0, regelrecht gedeutet als: es ist nie wahr, dass es (ein
Individuum) zur Klasse a und zugleich nicht zur Klasse b gehöre.


Versuchen wir aber das gleiche Umdeutungsverfahren auch auf
die verneinte Aussagensubsumtion oder die Ungleichung anzuwenden:
ab mit andern Worten: a b1 ≠ 0,
die uns im Klassenkalkul ein partikulares Urteil darstellt, besagend:
einige a sind nicht b — ich will bei diesem Beispiel bleiben, da es ja
[312]Einundzwanzigste Vorlesung.
leicht ist, sich auch b noch durch b1 ersetzt zu denken — so lässt es
uns im Stiche (vergl. S. 274).


Nach bekannten Sätzen, vornehmlich ζ) des § 32, muss nämlich sein:
(ab) = (a b1 ≠ 0) = (a b1 = 1߭) = (a1 + b = 0) =
= (a1 = 0) (b = 0) = (a = 1߭) (b = 0)

und dies ist kein partikuläres Urteil mehr, sondern wiederum jetzt
eine universale Aussage, und zwar eine „zerfallende“, welche behauptet,
dass alle Individuen der Mn. zur Klasse a, keines zur Klasse b gehöre
(„Alles ist a, nichts ist b“ innerhalb der Mn.).


M. a. W. Für irgend ein gedachtes Individuum ist es stets wahr,
dass „es“ zur Klasse a, nie dass es zur Klasse b gehört; und so in
der That muss es sein, wenn es dem Schema a b1 ≠ 0 gemäss nicht
unrichtig (somit richtig) ist, dass es zur Klasse a, aber nicht zu der
b gehöre.


Es dokumentirt sich also die Unfähigkeit des reinen Aussagen-
kalkuls, auch partikulare Urteile einzukleiden — unbeschadet dessen,
dass er gerade hiezu dem Klassenkalkul unentbehrlich gewesen — für
sich allein also die Probleme auf der zweiten Stufe („Etappe“) der
Logik mitumfassen oder auch nur in Angriff nehmen zu können.


Versuchte man etwa, um jenen auch dazu tauglich zu machen, Summen-
und Produktzeichen , , einzuführen, welche sich über alle Individuen ι
der Mannigfaltigkeit 1 zu erstrecken hätten, so würde man ebendamit, weil
solche Individuen ι irgendwelche Objekte und keine Aussagen mehr sind,
aus dem Rahmen des Aussagenkalkuls heraus und in den des Klassenkal-
kuls über-treten.


Der Aussagenkalkul selbst muss dazu stets unfähig bleiben, da
er eben als ein nur auf Aussagen konstanten Sinnes anwendbarer kein
Mittelding zwischen stets und nie (wahr) kennt.


Mit Unrecht also glaubt McColl in dem Umstand, dass seine Sym-
bole stets „statements“ bedeuten — im Gegensatz zu Boole, wo sie
„Dinge“ vorstellten — einen Vorzug seiner Theorie vor der Boole’schen
erblicken zu dürfen; es liegt in diesem Umstande vielmehr eine grosse Be-
schränkung, und ist von ihm, wie Venn1 p. 372 ausführt, obendrein über-
sehen, dass auch Boole4 schon in den mit „On secondary propositions“
und „Methods in sec. prop.“ überschriebeuen Kapiteln, die aussagenrechue-
rische Deutung seiner Propositionen als eine mit zulässige gegeben hat.


In der That bemerken wir auch, dass alle von McColl gerechneten
Beispiele und gestellten Aufgaben nur der ersten Stufe der Logik angehören.


Und weiter ist es, als mit dem Gesagten übereinstimmend, von Inter-
esse noch folgendes zu beachten.


McColl’s in § 27 angegebene Regel zur Lösung des Eliminations-
[313]§ 46. Wichtige Studie.
problemes ist auch auf Systeme von Boole’schen Prämissen ausdehnbar,
resp. noch anwendbar:


Nach Mitchell’s in § 40 aufgestellter Form der allgemeinsten Gesamt-
aussage muss eine solche beim Wegfall aller partikularen oder Ungleichungs-
Faktoren von der Gestalt sein — vergl. § 41, α):
Σ (a x + b x1 = 1) und dies ist Σ (a + b = 1)
welch letztere Aussage die Resultante der Elimination des x aus jener
vorstellt.


Um McColl’s Regel zu proben, haben wir uns die Prämissenaussage
als eine Subsumtion: φ (x) ψ (x) angesetzt zu denken. Und da sie nach
Th. 5̄+) als: 1߭ Σ (a x + b x1 = 1) ansetzbar ist, dürfen wir also unter
φ (x) die 1߭, unter ψ (x) die Aussage rechterhand Σ (a x + b x1 = 1) uns
vorstellen, müssen ebendamit die Symbole φ (x) und ψ (x) hier identifiziren.


Da hienach
φ (0) = 1߭, φ (1) = 1߭, φ1 (0) = 0, φ1 (1) = 0
sein wird, reduzirt sich McColl’s in § 27 gegebene Resultante zu:
ψ1 (0) ψ1 (1) = 0 oder ψ (0) + ψ (1) = 1߭.


Nun ist:
ψ (0) = Σ (b = 1), ψ (1) = Σ (a = 1),
und wird mithin die nach McColl’s Regel gebildete Resultante die Gültig-
keit der Aussagen behaupten:
Σ (a = 1) + Σ (b = 1);
und dies stimmt mit dem Obigen, in Anbetracht, dass im Aussagenkalkul
nach § 45, α+) oder β+) eben sein wird:
(a + b = 1) = (a = 1) + (b = 1)
wie denn vorstehend die 1 ohne Tupfen als einerlei mit 1߭ zu gelten hatte.


Identifizirte man dagegen ψ (x) mit der allgemeineren Mitchell’schen
Gesamtaussage:
Σ (a x + b x1 = 1) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) …,
wonach wir hätten:
ψ (1) = Σ (a = 1) (p ≠ 0) (r ≠ 0) ‥, ψ (0) = Σ (b = 1) (q ≠ 0) (s ≠ 0) ‥
so ergäbe sich als Resultante der Elimination von x aus 1߭ ψ (x) eine
Aussage:
ψ (1) + ψ (0),
welche verglichen mit unsrer richtigen Resultante rechts in φ) des § 41:
Σ (a + b = 1) (p a + q b ≠ 0) (r a + s b ≠ 0) …
viel zu viel behauptet, deren Geltung zwar durch diese als eine möglicher-
weise zutreffende nicht ausgeschlossen ist, welche jedoch keineswegs zu gelten
braucht
. —


[314]Einundzwanzigste Vorlesung.

20. Studie. Wenden wir uns zum Schlusse von der Betrachtung
der Methoden in der Algebra der Logik nochmals zu derjenigen der
daselbst geltenden Sätze oder Theoreme überhaupt, so ist die Zahl der
letzteren und ihrer Ausdrucksformen bei der Mannigfaltigkeit zur Ver-
fügung stehender Beziehungszeichen natürlich Legion.


Blos mit dem Subsumtions- und Gleichheitszeichen und ohne Ein-
führung (Introduktion) neuer Terme kann doch eine Subsumtion schon
in den folgenden einander äquivalenten Formen angesetzt werden, die
wir zunächst aus § 19, Th. 43) Anmerkung 2 und § 18, Aufg. α1)
rekapitulirend in der Sprache des Aussagenkalkuls zusammenstellen,
denselben noch einige weitere hinzufügend:
(ab) = (b1a1) =
= (a b1 0) = (1 a1 + b) = (aa b) = (a + bb) = (a1 + b1a1) = (b1a1b1) =
= (a b1 = 0) = (a1 + b = 1) = (a b = a) = (a + b = b) = (a1 + b1 = a1) = (a1b1 = b1) =
= (a b1b) = (aa1 + b) = (b1a1 + b) = (a b1a1) =
= (a b1a1b) = (a b1a1 + b) = (a + b1a1 + b) =
= (a b1a b + a1b1) = (a b1 + a1ba1 + b) = etc.

worin auch a mit b, oder b mit b1, oder beides, vertauscht werden mag.


Hiezu beachte man, dass die Rückwärtsansetzung gewisser einfacheren
von diesen Subsumtionen auf die Äquivalenzen führt:
(ba b1) = (a1 + bb1) = (b = 0) = (b1 = 1),
(a1a b1) = (a1 + ba) = (a1 = 0) = (a = 1)

während ebendiese als Gleichungen angesetzt liefern:
(a b1 = b) = (a1 + b = b1) = (a + b = 0) = (a = b = 0),
(a1 = a b1) = (a1 + b = a) = (a b = 1) = (a = b = 1).


Hier mögen auch die von Rob. Grassmann1 gegebenen Theoreme
noch Erwähnung finden (S. 171 im Kontext schon implicite vorgekommen):

(ab) (ab1) = (a = 0)(b = a) (b1a1) = (a = 1),

welche leicht aus Def. (3) und Th. 30) nebst Th. 5) beweisbar.


Und ebenso haben wir — vergl. auch § 18, ϱ) — für eine Glei-
chung schon die Formen:
(a = b) = (a1 = b1) =
= (a b1 + a1b 0) = (1 a b + a1b1) = (a + ba b) = (a1 + b1a1b1) =
= (a1b + a1b = 0) = (a b + a1b1 = 1) = (a + b = a b) = (a1 + b1 = a1 + b1) =
= (a b1 + a1ba b) = (a + ba b + a1b1) = (a1 + b1a b + a1b1) = (a b1 + a1ba1b1)
= etc.


[315]§ 46. Studien.

Zieht man aber gar noch andere Beziehungszeichen mit heran,
so wächst die Menge der Sätze unabsehbar.


Zu den wichtigsten unter diesen gehören wol die auf Ungleichungen
bezüglichen, von welchen wir eine Gruppe zu Anfang und Ende des
§ 40 zusammengestellt haben, denselben späterhin gelegentlich —
§ 41, δ), ε) und § 44, ζ) — noch weitere hinzufügend.


Demnächst aber möchten vor allem noch diejenigen Sätze Be-
achtung verdienen, welche die im Subsumtionszeichen mit zugelassene
Beziehung der Unterordnung für sich, oder getrennt von der Gleich-
heit, betreffen.


Geht man die im § 29 übersichtlich zusammengestellten Sätze des
identischen Kalkuls darauf hin durch, um zuzusehen, welche Modifika-
tionen sie erfahren, wenn statt eines vorkommenden Subsumtions-
zeichens oder Zeichens der eventuellen Unterordnung ein solches der
wirklichen oder definitiven Unterordnung eintritt, so wird man auf
folgendes Tableau von Formeln oder Sätzen geführt, welchen wir die
alte Chiffrirung belassen wollen, derselben nur — zur Unterscheidung
— Accente beifügend.


I'. (aa) = 0.
II'. (ab) (bc) (ac), II''. (ab) (bc) (ac)


in welchen beiden Fällen die Konklusion zugleich die volle Resultante
der Elimination von b aus der Prämisse ist; dagegen würde bei
II'''. (ab) (bc) (ac)
sie es nicht sein, vielmehr die volle Resultante lauten: (ac) K, wo
die „Klausel“ K statuirt, dass a1 und c nicht einunddasselbe Indi-
viduum sein dürfen — vergl. § 48. Ebenso geben wieder volle Resul-
tanten die Schlüsse:

2)' (ab) (b = c) (ac),3)' (a = b) (bc) (ac).
(1)' (ab) (ba) = (ab) (ba) = (ab) (ba) = 0,
(1)'' (ab) (ab),(1)''' (ab) (ab).
(2×)' (a ≠ 0) = (0 ⊂ a)(2+)' (a ≠ 1) = (a ⊂ 1).
5)' (a ⊂ 0) = 0 = (1 ⊂ a).
(3×)' (ca b) (ca) (cb) (ca b) |
(3+)' | (a + bc) (ac) (bc) (a + bc)
wo(ca) (cb)(ac) (bc)
(ca) (cb)(ac) (bc)

[316]Einundzwanzigste Vorlesung.
für die mittlere Aussage bezüglich auch eintreten dürfte. Eine Aqui-
valenz etwa zwischen dieser und der ersten Aussage findet jedoch hier
nicht statt.


15×)' (ab) (a cb c)15+)' (ab) (a + cb + c)
17×)' (ab) (αβ) (a αb β)17+)' (ab) (αβ) (a + αb + β)
17×)'' (ab) (αβ) (a αb β)17+)'' (ab) (αβ) (a + αb + β)
18×)' (ab) (α = β) (a αb β)18+)' (ab) (α = β) (a + αb + β)

in welchen acht Sätzen rechts keineswegs ⊂ für geschrieben
werden dürfte!


37)' (ab) = (b1a1);


auch für die Unterordnung ist also die kontraposition rein zulässig.


38)'

    • (a b1 = 0) (a1b ≠ 0)
    • (a1 + b = 1) (a1b ≠ 0)

    = (ab) =
    • (a1 + b = 1) (a + b1 ≠ 1)
    • (ab1 = 0) (a + b1 ≠ 1)

40)' (a cb c) (a + cb + c), desgleichen (a cb c) (a + cb + c),
desgl. (a cb c) (a + cb + c) (ab);
dagegen findet zwischen den modifizirten Aussagen des Peirce’schen
Zusatzes 2) zu Th. 40):
(a cb) (ab + c), (a cb) (ab + c), (a cb) (ab + c)
mit (ab) keine Einordnung oder Folgebeziehung statt, und ebenso-
wenig eine zwischen denen
(a bc), (ab1 + c), (ba1 + c)
(ab + c), (a b1c), (a c1b)

seines Theorems 41), welche als Subsumtionen — d. h. noch nicht zu
Unterordnungen modifizirt — in jeder Zeile einander äquivalent ge-
wesen. —


Für sich steht noch der Satz da:
(aa1) = (a = 0), (a1a) = (a = 1),
0 ⊂ 1.


Vorstehendes ist die ganze Ausbeute.


Zu rechtfertigen sind die Sätze leicht im Hinblick auf die erste
Gleichung 38)'
(ab) = (a b1 = 0) (a1b ≠ 0)
und zum Teil auch schon auf Grund von (1)", und mag ihren Beweis
zu liefern dem Leser zur Übung überlassen sein.


[317]§ 46. Studien.

Demnächst würden wol Hervorhebung zu verdienen scheinen die
Eigenschaften der von uns als „Schnittigkeit“, Sekanz, hingestellten
Beziehung
ab.


F. A. Lange will Urteile von dieser Form „reziprok-partikulare
genannt wissen, was wir als hinreichend ausdrucksvoll und ganz zu-
treffend nur anerkennen könnten, wenn (wie im gemeinen Leben, aber
nicht in der exakten Logik) „einige“ ausschlösse „alle“, m. a. W. wenn
das partikulare Urteil a b ≠ 0 das universale ab oder a b1 = 0 gar
nicht zuliesse. —


Da wir von auf diese Urteilsform bezüglichen Sätzen keinen Ge-
brauch zu machen haben werden, überlassen wir die nicht undankbare
Aufgabe ihrer Aufsuchung zur Selbstbethätigung dem Leser.


[[318]]

Zweiundzwanzigste Vorlesung.


§ 47. Definitionen des Individuums, Punktes, und ihre Zurück-
führung auf einander. Auf Individuen bezügliche Sätze. Duales
Gegenstück zum Individuum.


Um zur Motivirung der Definitionen und von da zur Aufstellung
der Gesetze unsres identischen Kalkuls zu gelangen, sind wir ausge-
gangen von der Betrachtung von Punktgebieten unsrer bevorzugten
Mannigfaltigkeit (der Ebene der Tafel) sowie auch vom Studium der
Klassen (von Individuen), die aus einer gewöhnlichen Mannigfaltigkeit
hervorgehoben werden können.


Wir setzten damit den landläufigen Begriff des „mathematischen
Punktes“, sowie den des „Individuums“ einer Klasse, anscheinend von
vornherein voraus — indessen, wie man bei genauerem Zusehen, bei
nur einiger Sorgfalt erkennen wird: doch immer nur unwesentlich
so in der That z. B. bei manchen Betrachtungen in unsrer Einleitung,
so auch vielleicht gelegentlich bei kritischen Auseinandersetzungen, bei
den Betrachtungen betreffend die Übertragung von Ansätzen des Klassen-
kalkuls aus der Zeichensprache in die Wortsprache und bei den An-
wendungsbeispielen.


Gewissenhaft enthielten wir uns jedoch jeglichen „Argumentirens
auf die Individuen
“ bei allen wesentlichen Teilen unsrer Theorie, wo
immer deren Auf- und Weiterbau in Frage kam, und nie — wird man
finden — dass hierbei vorausgesetzt, statuirt oder Berufung darauf ge-
nommen wurde, dass ein Symbol — a zum Beispiel — ein Individuum
vorstelle.*)


Die Buchstaben selbst freilich, und andre Zeichen, behandelten wir
jederzeit als individuelle Symbole in unsrer Zeichensprache.


Zum Aufbau des Gebietekalkuls (jedoch) bedurften wir bislang
[319]§ 47. Definitionen des Individuums, Punktes.
den Begriff des Punktes nicht. Was ein Punkt ist, braucht man noch
gar nicht zu wissen und es würde die Fundamente unsres Kalkuls un-
erschüttert lassen, wenn meinethalben jemand den Punkt z. B. erklären
wollte „für einen Winkel, dem die Schenkel ausgerissen sind“, oder
wenn gar der „Punkt“ als ein Unding sich erwiese! Falls jemand nur
begriffen was zu verstehn ist unter einem System, Gebiete (z. B. einer
Fläche, einem Körper), und was die Einordnung eines solchen Gebietes
in ein anderes, des Teiles in ein Ganzes, bedeutet, so konnte er der
ganzen Entwickelung des Kalkuls folgen.


Sicher haben wir damit den erdenklich einfachsten Ausgangspunkt
erwählt, oder — um das Wort „‥ punkt“ auch hier zu vermeiden:
unserm Kalkul die greifbarste und erdenklich einfachste Grundlage
gegeben; und sind wir damit all’ den metaphysisch-geometrischen Spe-
kulationen und endlosen Erörterungen über die unsäglich vielfach ven-
tilirte Frage, das Wesen des Punktes betreffend, aus dem Wege ge-
gangen. „Punkt“ und „Individuum“ erschienen als noch gar nicht
rezipirt, noch nicht aufgenommen in unsre Theorie.


Nachdem solchergestalt aber eine Formelsprache gewonnen und
naturgemäss begründet ist, welche sich als fähig erwies, alle erdenk-
lichen Beziehungen zwischen Gebieten oder zwischen Klassen exakt
zum Ausdruck zu bringen, kann man sich die Frage vorlegen, welche
Eigenschaften nun ein Gebiet haben muss, damit es ein „Punkt“ zu
nennen sei, und welche eine Klasse, wofern sie, als eine „singulare“
in ein einziges „Individuum“ zusammenschrumpfen soll.


Diese Frage ist eine theoretisch wichtige und interessante. Ohne
ihre Erledigung könnte unsre Theorie nicht zur Vollendung kommen,
müsste sie hinfort doch eine Lücke aufweisen. Daher stellen wir uns
jetzt die Aufgabe, wenn wenigstens der Begriff des Gebietes, der
Klasse überhaupt als bekannt gilt und das Verständniss der Formel-
sprache des Kalkuls vorausgesetzt werden darf, zur Definition des
Punkts und Individuums
herabzusteigen.


Der Punkt lässt sich auch als „Individuum“ der Punktmannig-
faltigkeit hinstellen*); ich wähle deshalb den Buchstaben i zur Be-
zeichnung des zu definirenden Gebildes, und sollten mehrere Individuen
in Betracht kommen, so unterscheide ich dieselben mittelst oberer
Indices, sie mit i1, i2, i3, … benennend.


Um nicht alles doppelt aussprechen zu müssen — einmal für
Punkte, und dann nochmals, mutatis mutandis, für Individuen — halte
[320]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
ich mich hier vorwiegend wieder an das geometrische Substrat unsrer
„bevorzugten“ Mannigfaltigkeit.


Die fragliche Definition lässt sich in sehr verschiedenen Ausdrucks-
formen geben, deren eine von Peirce herrührt. Ich möchte eine
andere an die Spitze stellen, und werden wir die eine auch auf die
andre zurückzuführen haben.


Auf das charakteristische Merkmal des Individuums weist schon
der Name hin. Zunächst will er „etwas“ bezeichnen, nicht „nichts“.
Es wird also
i ≠ 0
zu gelten haben.


Sodann fordert der Name die Unteilbarkeit des Individuums: der
Punkt kann nicht gespalten werden; er kann nicht in zwei getrennte
(disjunkte) Gebiete zugleich hineinragen (wie dies andere Gebiete sehr
wohl können).


Ragt ein Gebiet a mit einem Teile in ein Gebiet x hinein, so
kommt dies in unsrer Formelsprache dadurch zum Ausdruck, dass
wir die Ungleichung a x ≠ 0 anzuerkennen haben. Ebenso wenn a in
y hineinragt, wird a y ≠ 0 zu gelten haben. Schliessen die Gebiete
x und y einander aus, so kann doch beides noch zugleich der Fall
sein. Soll aber a ein Individuum, einen Punkt i vorstellen, so kann
es nicht zugleich der Fall sein, d. h. wir haben:
α) (x y = 0) {(i x ≠ 0) (i y ≠ 0) = 0}
und zwar dieses für jedes Wertepaar x, y aus der Mannigfaltigkeit
unsrer Gebiete.


Hiernach gelangen wir zu der folgenden Definition des „Indivi-
duums“ oder „Punktes“ i:
(α) (i ≠ 0) [(x y = 0) {(i x ≠ 0) (i y ≠ 0) = 0}] = 1߭.


Es lässt sich indessen zeigen, dass es nicht nötig ist, die Defini-
tion in solcher Allgemeinheit zu fassen.


Statt des beliebigen Paares disjunkter Gebiete x, y genügt es,
ein Paar x, x1 zu nehmen, von denen blos das eine willkürlich anzu-
nehmen ist, das andre hernach als dessen Negation bestimmt erscheint.
Die beiden Gebiete x und x1 erfüllen die in der Definition zu machende
Voraussetzung, dass ihr Produkt verschwinde, immer, erfüllen sie schon
von selber, ohne dass man nötig hätte dies erst noch ausdrücklich
zu postuliren, indem nach Th. 30×) ja x1x = 0 sein muss.


Wir werden so schon einfacher als Definition eines Individuums,
Punktes i hinstellen können:
[321]§ 47. Zurückführung von Punktdefinitionen aufeinander.
(β) (i ≠ 0) {(i x ≠ 0) (i x1 ≠ 0) = 0}, = 1߭
und diese möchte ich als die maassgebende Definition hier zu
Grunde legen
.


In Worten könnte man etwa sagen: Ein Gebiet i ist immer dann
und nur dann ein „Punkt“ zu nennen, wenn es ohne doch zu ver-
schwinden oder ein leeres zu sein, nie zugleich mit einem Gebiete und
dessen Negation Teile gemein haben kann.


Das „Nullgebiet“ hat diese letztere Eigenschaft auch: was auch x für
ein Gebiet vorstellen möge, wird es mit x und x1 nie gleichzeitig teil-
gemein sein, indem es als ein „nichts“ enthaltendes ohnehin mit keinem
Gebiete „etwas“ gemein haben kann. Hieraus erhellt, dass der Aussagen-
faktor (i ≠ 0) in der Def. (β) nicht fortgelassen werden darf ansonst sie
uns nicht i, sondern „0 oder i“ definiren würde. Bei Unterdrückung dieses
ersten Faktors würde (β) ausdrücken: die Definition des Begriffes „entweder
ein Individuum oder gar Nichts“
.


Zunächst sieht man leicht, dass diese Definition (β) aus der (α)
notwendig mit folgt, oder dass:
(α) (β).


Man braucht sich in der That in (α) nur zu jedem x das zugehörige
y gleich x1 vorzustellen, so geht die Prämisse, Bedingung unter dem Pro-
duktzeichen über in (x x1 = 0) = 1߭, und da nach Th. 5̄+) die Einordnung
von 1߭ unter eine Aussage) Gleichheit ist, nach § 32, ε) aber (1߭ = A) = A
gesetzt werden kann, so erhalten wir — unter A den Ausdruck in der
geschweiften Klammer {} von (α) somit nun auch von (β) verstehend —
die durch (β) dargestellte Vereinfachung der linken Seite von (α).


Die linke Seite von (β) hebt aber nur gewisse Faktoren aus derjenigen
von (α) hervor und lässt die Faktoren beiseite, bei welchen y von x1 ver-
schieden genommen wird. Nach Th. 6̄×) ist das Produkt in seinem Faktor
enthalten, die linke Seite von (α) somit der von (β), und da die erstere
gleich 1߭ ist, so muss nach Th. 5̄+) auch die letztere es sein, q. e. d.


Damit die Äquivalenz der Definitionen (α) und (β) erwiesen sei,
ist aber jetzt noch zu zeigen, dass auch umgekehrt:
(β) (α),
d. h. dass wenn (β) für ein gewisses i erfüllt ist, für eben dieses auch
(α) stets erfüllt sein muss.


Dieser Nachweis kann so geliefert werden. Gilt (β), so muss nach
Th. 2̅4̅×) auch jeder Faktor des Produktes linkerhand = 1߭ sein, gelten.
Wir haben also:
β) (i x ≠ 0) (i x1 ≠ 0) = 0
für irgend ein x. In dieser allgemeinen Formel mögen wir auch x y1 für
x somit x1 + y für x1 setzen; sonach gilt für beliebige x, y:
(i x y1 ≠ 0) (i x1 + i y ≠ 0) = 0.


Schröder, Algebra der Logik. II. 21
[322]Zweiundzwanzigste Vorlesung.

Der linken Seite eingeordnet, und somit — cf. Th. 5̄×) — ebenfalls
gleich 0, ist aber das Produkt (i x y1 ≠ 0) (i y ≠ 0), indem nach § 40, α')
S. 194 sein muss: (i y ≠ 0) (i x1 + i y ≠ 0). Nehmen wir jetzt aber
x y = 0 an, so folgt:
x y1 = x y1 + x y = x
und entsteht:
(i x ≠ 0) (i y ≠ 0) = 0
unter der genannten Annahme. Nimmt man die Subsumtion, die dieses
ausdrückt:
(x y = 0) {(i x ≠ 0) (i y ≠ 0) = 0}
welche also gilt, d. h. = 1߭ ist, gleichzeitig für alle Wertepaare x, y in
Anspruch, oder — mathematisch zu reden — nimmt man das Produkt Π
nach x und y von derselben und multiplizirt das = 1߭ gesetzte noch über-
schiebend mit (i ≠ 0) = 1߭, so hat man aber die Gleichung (α) gewonnen,
sie als Folgerung aus (β) abgeleitet, q. e. d.


Damit ist gezeigt, dass (β) die Forderung der Unteilbarkeit des
Individuums in der That hinlänglich zum Ausdruck bringt.


Die Gleichung β), welche „allgemeiner Faktor“ des Produktes Π
in (β) ist, kann man nun aber noch verschiedentlichst umgestalten,
und analog auch die (noch allgemeinere) Subsumtion α).


Solche Umwandlungen beruhen grossenteils auf spezifischen Sätzen
über das Individuum, die aus der Def. (β) fliessen, und erscheint es
darum angezeigt, zunächst eine Gruppe solcher Sätze aufzustellen.
Diese will ich — anstatt in den Symbolen x oder x1 und y — nun
in den Klassensymbolen a, b anschreiben.


Wir hatten bereits als
α) (a b = 0) {(i a ≠ 0) (i b ≠ 0) = 0}
β) (i a ≠ 0) (i a1 ≠ 0) = 0.


Da letztrer Satz sich als eine Inkonsistenz darstellt, so kann er
nach Th. 3̅8̅) Zusatz oder § 31 auch angesetzt werden in den beiden
Formen:

β') (i a ≠ 0) (i a1 = 0),β'') (i a1 ≠ 0) (i a = 0)

womit wir auch zwei neue Formen (β') und (β'') für die Def. (β)
durch Einsetzung erhalten würden.


Auch der Satz α) lässt als eine Inkonsistenz sich anschreiben:
α') (a b = 0) (i a ≠ 0) (i b ≠ 0) = 0,
wie man am schnellsten erkennt, indem man das letzte in ihm vorkommende
Gleichheitszeichen kraft Th. 5̄×) in verwandelt und alsdann von dem
[323]§ 47. Definition und Sätze vom Punkte.
Schema § 45, ϑ×) Gebrauch macht, die Einordnung unter 0 wieder in
Gleichheit verwandelnd. [Man kann jedoch auch zuerst den Major von α)
in eine Subsumtion β') oder β'') umschreiben, dann von dem genannten
Schema Gebrauch machen und die so gewonnene Subsumtion in die Inkonsi-
stenz zurücktransformiren.] Durch Kontraposition der rechten Seite von α)
oder auch durch Umformung der Inkonsistenz α') mit Rücksicht auf Th. 36)
ergibt sich unter anderm:
α'') (a b = 0) (i a = 0) + (i b = 0).


Durch Kontraposition erhalten wir ferner aus β):
γ) (i a = 0) + (i a1 = 0) = 1߭
als eine der β) stets äquivalente Aussage.


Bei deren Einsetzung in (β) kann man die Abkürzung eintreten
lassen, für (A = 1߭) blos A zu schreiben, und erhält:
(γ) (i ≠ 0) {(i x = 0) + (i x1 = 0)} = 1߭
als eine bemerkenswerte Form der Individuumsdefinition.


γ) lehrt: lst i Individuum, Punkt, so muss für irgend ein Gebiet a
entweder sein i a = 0 oder i a1 = 0.


Analog liesse sich die Inkonsistenz α') verschiedentlich als Subsumtion
anschreiben, wie wir dies bereits durch α'') exemplifizirt haben.


Auch gibt dieselbe durch Kontraposition den Satz:
δ) (a b ≠ 0) + (i a = 0) + (i b = 0) = 1߭,
welcher leicht zu deuten. Und diesem entspricht die Definitionsform:
(δ) (i ≠ 0) {(x y ≠ 0) + (i x = 0) + (i y = 0)}, = 1߭.
Etc.


Bemerkenswert erscheint nun aber, dass bei der vorstehenden ver-
balen Fassung des Satzes γ) das „oder“ hingestellt werden darf als
das in § 8, η) erläuterte „oder aber“, indem hier beide Fälle einander
ausschliessen, nicht gleichzeitig eintreten können.


Dies beruht auf dem Satze:
ε) (i a = 0) (i a1 = 0) = 0
welchen man leicht beweist, indem man die linke Seite gemäss Th. 24+)
zusammenzieht in (i a + i a1 = 0), welches = (i = 0) = 0 ist, wie aus
(i ≠ 0) = 1߭ durch Kontraposition folgt.


Es ist hienach unmöglich, dass ein Punkt i unsrer Mannigfaltigkeit
weder einem Gebiet a noch seiner Negation angehöre.


Da auch ε) eine Inkonsistenz ist, lässt sich der Satz wieder in
Subsumtionenform anschreiben als
21*
[324]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
ε') (i a = 0) (i a1 ≠ 0) sowie ε'') (i a1 = 0) (i a ≠ 0)
und ergibt sich aus ihm noch durch Kontraposition:
ζ) (i a ≠ 0) + (i a1 ≠ 0) = 1߭
— mit ε) zusammen ein gewisses Gegenstück zu β) und γ).


Kraft Definition (1) der Gleichheit zieht aber die Subsumtion β')
mit ε'') und β'') mit ε') sich zusammen zu der Gleichung:
η
) (i a ≠ 0) = (i a1 = 0) resp. (i a = 0) = (i a1 ≠ 0)
die auch direkt aus β) und ε) durch Berufung auf Th. 2̅4̅+), und 3̅9̅+)
als (A B + A1B1 = 0) = (A = B1), gefolgert werden könnte, des-
gleichen mittelst der Th. 3̅0̅).


Und diese Gleichung bildet nun das Band durch welches die fol-
genden Aussagen vollends verknüpft erscheinen, deren Äquivalenz wir
in a sowol als in a1 mithin sozusagen doppelt statuiren wollen:

  • ϑ)
    • (i a ≠ 0) = (i a = i) = (ia) = (i a1 = 0) = (ia1) = (a1i1) = etc.
    • (i a = 0) = (i a1 = i) = (ia1) = (i a1 ≠ 0) = (ia) = (ai1) = etc.

Es sind nämlich die beiden zwischen die Aussagen von η) ein-
geschalteten Aussagen in der ersten Zeile von ϑ) lediglich Umschrei-
bungen (nach bekannten Sätzen) der letzteren von ihnen, genauer:
ia ist eine Transscription von i a1 = 0 nach Th. 38×) und i a = i
eine Umwandlung von ia gemäss Th. 20×). Hienach bleibt von
den Formeln des Tableaus ϑ) nur etwa noch die folgende zu recht-
fertigen, welche einen bemerkenswerten Satz vorstellt:
ι) (ia) = (ia1).
Dieselbe läuft aber, wenn man die Subsumtion rechts und die Sub-
sumtionenverneinung links auf den Typus der Gleichung resp. Un-
gleichung reduzirt, d. h. sie in rechts auf 0 gebrachte Propositionen
dieser Gattung umschreibt — cf. Th. 38×) — direkt auf die zweite
Gleichung η) hinaus und erscheint als mit dieser schon bewiesen.


Der Satz ι) ist der erste von den beiden, auf welche schon in
§ 15 vorgreifend hingewiesen wurde und von welchem wir ausführlich
gezeigt haben, dass er für eine ganz beliebige Klasse i nicht zutreffen
würde. Er besagt:


Sobald das Subjekt eines verneinenden Urteils ein Individuum ist,
muss es einerlei sein, ob die Negationzur Kopula“, oder ob sie zum
Prädikate geschlagen wird.


Kraft ϑ) lassen sich die darnach auf einen hinauslaufenden Sätze
[325]§ 47. Auf Individuen bezügliche Sätze.
β), ε) und γ), ζ) noch in mannigfachster Weise anschreiben, und seien
hervorgehoben:
ϰ)  

(ia) (ia1) = 0,(ia) + (ia1) = 1߭,
(i a = i) (i a1 = i) = 0,(i a = i) + (i a1 = i) = 1߭,
(i a = i) (i a1 ≠ 0) = 0,
(i a ≠ 0) (i a1 = i) = 0,
(i a = i) + (i a1 ≠ 0) = 1߭,
(i a ≠ 0) + (i a1 = i) = 1߭,
(ia) (ai1) = 0,(ia) + (ai1) = 1߭,

etc. Doch darf nicht übersehen werden, dass dieselben nicht mehr
gleichermassen für das Individuum charakteristisch sein werden. So
z. B. gelten die Relationen der zweiten Zeile auch dann, wenn man
unter i kein Individuum sondern 0 versteht — wie denn auf dem be-
tretenen Wege, durch Berücksichtigung der Relationen ϑ), teilweise
sich reine Identitäten, wie (i a = 0) (i a ≠ 0) = 0 etc. ergeben.


Ersetzt man demnach in den Definitionen (β) oder (γ) des i als
eines Individuums den allgemeinen Faktor hinter dem Π durch einen
erst kraft solcher Definition ihm äquivalenten Ausdruck, so kann man
zwar sicher darauf rechnen, einen richtigen vom Individuum i gelten-
den Satz zu erhalten, allein dieser wird sich nicht ohne weiteres, er
wird für sich allein nicht immer schon als eine ausreichende Definition
des Individuums sich hinstellen lassen.


Nur wenn die Umformungen jenes allgemeinen Faktors ohne
solchen Zirkel einer Benutzung der Definition selbst und namentlich
also der aus ihr geflossenen Relationen η), nach allgemeinen Schemata
des identischen Kalkuls erfolgt, erhalten wir unfehlbar wieder eine
Definition von i — in erneuter Gestalt.


Z. B. da (i a = 0) = (ia1) bereits gilt, wenn i auch eine be-
liebige Klasse vorstellte, so wird
(λ) (i ≠ 0) {(ix) + (ix1)} = 1߭
uns eine vollkommneDefinition des i als eines „Individuums“ vor-
stellen — und zwar ist diese von allen wol die durchsichtigste und
am meisten zum Citiren geeignet. Man könnte sie auch in der Form
ansetzen:
(λ') (i ≠ 0) {(ix) + (xi1)} = (i ist ein Individuum).


Lehrreich dürften in beregter Hinsicht auch noch diese Betrach-
tungen sein.


Da die Glieder in γ) wegen ε) disjunkt sind, so kann man kraft
Th. 3̅3̅+) die Summe A + B dortselbst, welche = A B1 + A1B + A B ist,
[326]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
hier, wo nun A B = 0 folgte, vereinfachen zu A B1 + A1B, dem bereits
erwähnten A oder aber B entsprechend, und hat den Satz:
μ) (i a = 0) (i a1 ≠ 0) + (i a ≠ 0) (i a1 = 0) = 1߭
oder auch, sozusagen (ausdrucks-)„voller“:
ν) (i a = 0) (i a1 = i) + (i a = i) (i a1 = 0) = 1߭
insofern hier sogleich die von 0 verschiednen Terme des vorigen Ansatzes
mit ihrem Werte i angegeben erscheinen.


Benutzt man μ) — in x statt a angesetzt — als allgemeinen Faktor
zu einer Individuumsdefinition so ist bemerkenswert, dass alsdann der
Faktor (i ≠ 0) in dieser fortgelassen werden darf, dass nämlich als „Defi-
nition“ auch genommen werden kann:
(μ) {(i x = 0) (i x1 ≠ 0) + (i x ≠ 0) (i x1 = 0)}.
Dass alsdann i ≠ 0 sei, folgt schon von selbst, indem nach § 40, α'):
(i x1 ≠ 0) (i ≠ 0), (i x ≠ 0) (i ≠ 0)
somit kraft Th. 2̅0̅×):
(i x1 ≠ 0) = (i ≠ 0) (i x1 ≠ 0), (i x ≠ 0) = (i ≠ 0) (i x ≠ 0)
ist, wonach denn bei (μ) sich (i ≠ 0) als gemeinsamer und von selbst
stets mit vorhandener Faktor ohnehin vorziehen liesse. Auch im übrigen
wäre es nicht schwer von (μ) vollends auf (γ) zurückzuschliessen.


Benutzte man dagegen als allgemeinen Faktor den in x angesetzten
Ausdruck ν), so dürfte die ausdrückliche Beisetzung des Faktors (i ≠ 0)
nicht unterbleiben; wohl aber wäre es zulässig, den Ansatz zu verein-
fachen zu:
(ν) (i ≠ 0) {(i x = i) + (i x1 = i)},
indem (i x = i) = (i x1 = 0) etc., und A A = A zu nehmen ist. —


Auf eine mit der meinigen (β), (γ) oder (λ) wesentlich zusammen-
fallende Definition des Individuums ist selbständig auch Herr Voigt1
(zwar lange nach mir) gekommen, mit deren Veröffentlichung jedoch mir
selbst zuvorgekommen; ebenso trifft derselbe in der Aufstellung von manchen
auf das Individuum bezüglichen Sätzen mit mir zusammen. Ich habe an
meiner einschlägigen Darstellung, seit ich von seiner Arbeit Kenntniss ge-
nommen, nichts mehr geändert.


Herr Peirce5 p. 43 definirt das Individuum i selbständig, und
zwar, sofern wir seine Definition ganz in Formeln setzen, auf die
folgende Weise*):
(ξ) (i ≠ 0) {(xi) (x = 0) = 1߭.


[327]§ 47. Zurückführung der Punktdefinitionen aufeinander.

Dies ist, wenn wir die vorkommende Unterordnung gemäss § 36
auf den Typus der Gleichung und Ungleichung zurückführen, äqui-
valent mit:
(ο) (i ≠ 0) {(i1x = 0) (i x1 ≠ 0) (x = 0)} = 1߭.


Man begreift zunächst intuitiv die Berechtigung auch dieser Defi-
nition: Soll eine Klasse x dem Individuum i wirklich untergeordnet
(und nicht gleich demselben) sein, also weniger als dieses eine Indi-
viduum enthalten, so muss sie gar nichts enthalten, völlig leer sein;
und umgekehrt wird dieses Verhalten von i jeder beliebigen Klasse x
gegenüber in Verbindung mit der Auflage, selber ≠ 0 zu sein, cha-
rakteristisch für das Individuum sein. Ein Gebiet muss ein Punkt
sein, wenn es ohne selbst zu verschwinden, echte Teile überhaupt
nicht enthalten kann.


Wir stellen uns aber auch die Aufgabe, systematisch die Aqui-
valenz der beiden Definitionen (ξ) oder (ο) und (β) nachzuweisen,
was auf den ersten Blick zwar nicht ganz naheliegend erscheint, in-
dessen gleichwol nicht schwer ist.


Um (ο) aus (β) zu folgern, ist blos zu zeigen, dass auf Grund
von (β) die Voraussetzung (i1x = 0) (i x1 ≠ 0) die Konsequenz haben
muss: x = 0. Nach Th. 6×) ist nun aber:
(i1x = 0) (i x1 ≠ 0) (i x1 ≠ 0)
und nach der aus (β) bereits gewonnenen Subsumtion β'') ist:
(i x1 ≠ 0) (i x = 0),
sodass aus jener Voraussetzung auch i x = 0 a fortiori folgt. Sonach
ist dann x = i x + i1x = 0 + i1x = i1x und da nach dem andern Teil,
*)
[328]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
oder Faktor, jener Voraussetzung ebendieses i1x = 0 zu denken ist,
so ist durch Vergleichung — cf. Th. 4) — auch x = 0 nachge-
wiesen, q. e. d. —


Sonach ist erkannt, dass
(β) (ξ).


Um umgekehrt auch (β) aus (ξ) oder (ο) abzuleiten, zu zeigen,
dass auch
(ξ) (β)
ist, erscheint es bequem, sich des indirekten Beweisverfahrens zu be-
dienen — über welches § 46, 1 zu vergleichen. Ich thue dies um so
lieber, als schon wiederholt bemerkt und als auffallend verzeichnet
worden ist, dass gerade in der Logik von diesem Beweisverfahren nie-
mals Gebrauch gemacht worden sei.


Es ist darzuthun, dass auf Grund von (ο) die Inkonsistenz β) be-
stehen muss.


Gesetzt nun, sie bestehe nicht, d. h. es gebe ein x, für welches
i x ≠ 0 und zugleich i x1 ≠ 0 ist, so lässt sich, wenn (ο) gilt, aus
dieser Annahme ein Widerspruch ableiten.


Gilt nämlich i x1 ≠ 0, so ist i x ein solches X, welches von der
in (ο) mitenthaltenen Forderung:
(i1X = 0) (i X1 ≠ 0) (X = 0)
die Voraussetzung linkerhand erfüllt, indem für X = i x sicher
i1X = i1i x = 0 und i X1 = i (i1 + x1) = i x1 ≠ 0
ist, und welches demnach von ihr auch die Folgerung rechterhand:
X = 0 erfüllen muss. Auf diese Weise gelangen wir aber zu dem
Ergebniss: i x = 0 entgegen der andrerseits gemachten Annahme
i x ≠ 0. Es war demnach die Annahme unzulässig, d. h. es muss sein:
(i x ≠ 0) (i x1 ≠ 0) = 0,
und dieses allgemein für jedes x, womit (β) gewonnen ist.


Auch ohne die apagogische Beweisform lässt sich dies zeigen, indem
man in der eben geschilderten Weise aus (ο) folgert, dass:
(i x1 ≠ 0) (i x = 0),
sonach die Inkonsistenz unter dem Zeichen Π bei (β') oder (β) allgemein
bestehen muss.


Ungeachtet ihres so verschiedenen Ansehens sind demnach die
Definitionen (β) und (ξ) nur Umschreibungen von einander.


[329]§ 47. Auf Individuen bezügliche Sätze.

Der allgemeine Faktor in der Def. (ο) lässt sich übrigens auch
als eine Inkonsistenz ansetzen, wodurch entsteht:
(π) (i ≠ 0) {(x ≠ 0) (i x1 ≠ 0) (i1x = 0) = 0} = 1߭
und durch Vergleichung mit (β) zu sehen ist, dass auf den Typus der
Gleichung und Ungleichung reduzirt die Def. (β) einfacher ist als die (ξ).


Durch Kontraposition dieser Inkonsistenz entsteht noch als Gegen-
stück zu (γ):
(ϱ) (i ≠ 0) {(x = 0) + (i x1 = 0) + (i1x ≠ 0)} = 1߭.
Auch mag bemerkt werden, dass in (ξ) das Subsumtionszeichen er-
setzt werden dürfte durch ein Gleichheitszeichen. Überhaupt dürfen
wir die Sätze registriren, die in den Definitionen (ξ) bis (ϱ) als all-
gemeine Faktoren mitenthalten sind, sich aber aus ihnen herausge-
schält viel einfacher präsentiren:
σ) (ai) = (a = 0),
(i1a = 0) (i a1 ≠ 0) = (a = 0),
(a ≠ 0) (i a1 ≠ 0) (i1a = 0) = 0,
(a = 0) + (i a1 = 0) + (i1a ≠ 0) = 1߭. —


Soviel über die Definitionsweisen des Individuums, deren Gleich-
wertigkeit und die beim Nachweis der letzteren in Betracht kommenden
Sätze. —


Von auf das Individuum bezüglichen Sätzen überhaupt wurde aber
bei den verbalen Betrachtungen des § 15 vorgreifend auf zweie hin-
gewiesen, deren einen erst wir unter ι) gerechtfertigt haben. Schuldig
sind wir es noch, auch den andern in die Theorie aufzunehmen und
zu beweisen. Ihn drückt die Formel aus:
τ) (ia + b) = (ia) + (ib)
welche zu gelten beansprucht für ganz beliebige Klassen a, b und
irgend ein Individuum i.


Auch Ende § 12 bei einem vorgreifenden (Schein-)Beweise des
Distributionsgesetzes wurde an diesen Satz appellirt, und ist dessen
Formelausdruck geradeso beschaffen, wie wenn a, b und i beliebige
Aussagen wären — cf. § 45, α+). Er besagt:


Wenn ein Individuum »a oder b« ist, so muss entweder dasselbe
a sein
, oder dasselbe muss b sein. M. a. W.


Sobald das Subjekt ein Individuum ist, kann ein disjunktiv (desgl.
[330]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
ein alternativ) prädizirendes Urteil immer als ein disjunktives (resp. alter-
natives
*)Urteil angesehen werden.


Der Beweis ergibt sich wie folgt. Die zu beweisende Gleichung zer-
fällt nach Def. (1) in zwei Subsumtionen. Von diesen muss die eine:
(ia) + (ib) (ia + b)
ohnehin gelten, unabhängig davon, ob i ein Individuum vorstellt
oder nicht.


Auch für eine beliebige Klasse c haben wir nämlich:
(ca) = (ca) · 1߭ = (ca) (aa + b) (ca + b)
und ebenso: (cb) (ca + b),
woraus durch überschiebendes Addiren mit Rücksicht auf das Tauto-
logiegesetz, oder kürzer noch kraft Def. (3̄+) folgt:
(ca) + (cb) (ca + b).
Es muss demnach nur noch die umgekehrte Subsumtion:
(ia + b) (ia) + (ib),
oder:
(i a1b1 = 0) (i a1 = 0) + (i b1 = 0)
dargethan werden. Letztere ergibt sich aber nach dem Schema der
für x, y in Anspruch genommenen Subsumtion α''):
(x y = 0) (i x = 0) + (i y = 0)
sobald man nur in dieser sich x = i a1, y = i b1 denkt, wobei ja auch
x y = i a1b1 und i x = i i a1 = i a1, ebenso i y wieder = i b1 sein wird.


Von zwei Gliedern ist selbstverständlich das Th. τ) auch auf be-
liebig viele Terme auszudehnen:
(ia + b + c + ‥) = (ia) + (ib) + (ic) + ‥
oder
(ia) = (ia)
über welches Gebiet von Werten a sich auch immer die Summe beider-
seits erstrecken möge.


Untersuchen wir noch, ob auch die zu τ) gebietsdulae Gleichung:
?) (a bi) = (ai) + (bi)
[331]§ 47. Auf Individuen bezügliche Sätze.
für ein Individuum gelten muss, ganz ebenso, als ob — vergl. § 45,
α×) — a, b, i drei Aussagen wären.


Da
(ac) = (a ba) (ac) (a bc)
und ebenso

(bc) (a bc)

ist, so muss nach Def. (3̄+) ohnehin sein:
(ac) + (bc) (a bc)
und dies bleibt natürlich auch bestehen, wenn die beliebig zu denken ge-
wesne Klasse c = i eine singuläre sein sollte.


Für letztre lässt es sich auch so beweisen. Wir haben — vergl.
§ 35, S. 109:
(ab) = (ab) + (a = b), und nach σ) (ai) = (a = 0),
sonach gilt der Satz:
υ) (ai) = (a = 0) + (a = i).
Desgleichen ist
(bi) = (b = 0) + (b = i)
und
(a bi) = (a b = 0) + (a b = i).
Die zu beweisende Relation (ai) + (bi) (a bi) läuft also hinaus auf:
(a = 0) + (b = 0) + (a = i) + (b = i) (a b = 0) + (a b = i).
Nun ist schon bekanntermassen:
(a = 0) (a b = 0) sowie (b = 0) (a b = 0).
Ferner haben wir:
(a = i) = (a = i) {(a b = 0) + (a b ≠ 0)} (a b = 0) + (a = i) (a b ≠ 0);
aber:
(a = i) (a b ≠ 0) (i b ≠ 0) = (i b = i) = (a b = i),
sonach:
(a = i) (a b = 0) + (a b = i), ebenso (b = i) (a b = 0) + (a b = i)
und durch überschiebendes Addiren der vier (Subsumtionen-)Ansätze ge-
winnen wir die behauptete Subsumtion.


Es wäre nun also noch die umgekehrte Subsumtion:
(a bi) (ai) + (bi)
zu prüfen.


Dass diese aber nicht zu gelten braucht, zeigt ein Beispiel. Nehmen wir
a = i + c = i + c i1 und b = i + d = i + d i1, wo c d = 0
ist, an, so ist a b = i, also die Prämisse links erfüllt; dagegen ist weder
[332]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
ai noch bi, wofern nur c i1 und d i1 von 0 verschieden, also a und
b dem i wirklich übergeordnet genommen werden — eine Anforderung,
welche in Verbindung mit der c d = p für Gebiete im Allgemeinen leicht
zu erfüllen ist (wofern nämlich nur die Mannigfaltigkeit 1 neben i noch
mindestens zwei Individuen enthält wo dann schon die Annahme: a = i + i2,
b = i + i3 genügen wird). Die Konklusion also zeigt sich als gleichwol
nicht erfüllt und der Satz kann keine Geltung haben.


Der Umstand, dass hienach vom Individuum i der Satz τ) gilt,
der dazu gebietsduale Satz ?) aber nicht gilt, lässt erkennen, dass der
Begriff des Individuums gebietsdual sich selber nicht entsprechen kann.


Dies zeigt auch die Inspektion, genauere Ansicht der Def. (β)
selber.


Sehen wir in der That zu, was dieser Definition — oder, noch
besser, der (λ) — gebietsdual für eine Definition entsprechen würde,
d. h. schreiben wir dieselbe einmal gebietsdual um! Das hiebei ein-
zuhaltende Verfahren ist vom Schlusse des § 30 in Erinnerung zu
bringen.


Dasselbe würde uns liefern:
(λ`) (i` ≠ 1) {(xi`) + (x1i`)} = 1߭.
Wir haben gleichzeitig i` für i gesagt, weil es nicht mehr ein Indi-
viduum i zu sein braucht, welches die in (λ`) dual umgeschriebenen
Definition (λ) zu erfüllen braucht. Was vielmehr i` bedeuten, welches
Gebilde die Definition (λ`) bestimmen wird, bleibt eben erst zu
untersuchen.


Wir behaupten, dass es die Negation eines Individuums sein wird,
dass man also für i` geradezu i1 sagen kann.


Aus der für das Individuum i geltenden Ungleichung i ≠ 0 folgt
durch beiderseitiges Negiren: i1 ≠ 1, und vice versa.


Die „Kontraposition“ ist nämlich auch bei Ungleichungen gestattet,
d. h. nach bekannten Sätzen haben wir schematisch:
(ab) = (a = b)1 = (a1 = b1)1 = (a1b1)
und sonach insbesondere:
(i ≠ 0) = (i1 ≠ 1).


Wir können ferner die beiden Subsumtionen in (λ) vermittelst
Kontraposition umschreiben wie folgt:
(ix) = (x1i1), (ix1) = (xi1)
sodass die Definition (λ) auch in die Form gesetzt werden mag:
(λ') (i1 ≠ 1) {(x1i1) + (xi1)} = 1߭
[333]§ 47. Duales Gegenstück zum Individuum.
in welcher sie die Mission erfüllt, anstatt das Individuum selbst nun-
mehr die Individuumsnegation direkt zu definiren, sintemal in ihr gar
nicht mehr von i, sondern blos noch von i1 die Rede ist, mit dem
Begriff des Individuums zugleich aber derjenige seiner Negation be-
stimmt oder gegeben sein musste.


Stellen wir noch in (λ') die beiden Glieder der unter dem Zeichen
Π stehenden Summe gemäss dem Kommutationsgesetze 12+) der Addi-
tion um, so zeigt die Vergleichung dieser Definition von i1 mit der-
jenigen (λ`) von i`, dass die beiden Definitionen bis auf den Namen
des zu Definirenden
vollkommen, sozusagen Wort für Wort, überein-
stimmen, weshalb der von beiden definirte Begriff denn auch derselbe
sein muss; ein i` welches die erste Def. erfüllt, wird, wenn mit i1 be-
zeichnet, auch die zweite erfüllen, und umgekehrt — q. e. d. —


Auch wenn wir uns jedoch jener Gliederumstellung enthalten, lässt
sich dasselbe Resultat gewinnen, obzwar auf einem Umwege. Dieser bietet
indessen einige lehrreiche Momente dar:


Ohne die Berücksichtigung des Th. 12+) geht aus der Vergleichung
des allgemeinen Faktors in (λ') mit dem von (λ`) hervor, dass — auch
abgesehn von dem einmal accentuirten, einmal mit Suffix versehenen i
die beiden noch nicht übereinstimmen, sondern dass in ihnen x und x1
obendrein noch ausgetauscht erscheinen.


Nach § 30 war indessen bei einem mittelst des Zeichens Π in Ab-
kürzung zusammengefassten Produkte die Bezeichnung der Produktations-
variabeln gleichgültig. Folglich können wir (um ganz penibel zuwerke zu
gehen) in (λ') rechts auch y für x schreiben, wodurch entsteht:
(i ≠ 0) {(y1i1) + (yi1)} = 1߭
und hierin mögen wir nach demselben Prinzip auch x1 für y schreiben,
wodurch wir als Def. von i1 erhalten:
(i ≠ 0) {(xi1) + (x1i1)} = 1߭.


Es war m. a. W. nach genanntem Prinzip gestattet, in (λ') auch x
mit x1 zu vertauschen.


Die letzte Fassung stimmt nun mit der obigen (λ`) auch im allge-
meinen Faktor überein, unterscheidet sich aber dadurch noch von ihr, dass
hier , dort vor besagten Faktor gesetzt erscheint.


Solcher Umstand aber muss überall da gleichgültig sein, wo wir —
wie hier — mit einem „absoluten“ Produkte zu thun haben, d. h. mit
einem solchen, welches über alle erdenklichen Werte der Produktations-
variabeln (aus der Mn. 1) sich zu erstrecken hat:


Wir haben, mag F (x, x1) eine „Gebietsfunktion“ von x, oder mag es,
noch allgemeiner, eine „Aussagenfunktion“ vorstellen, offenbar:
[334]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
F (x, x1) = F (x, x1)
— auch dann, wenn die Funktion F nicht, wie in dem obigen Beispiele,
symmetrisch hinsichtlich ihrer beiden Argumente ist, indem, wenn x alle
denkbaren Gebietwerte durchläuft, auch x1 dies thut, und umgekehrt.


Solches ist nicht etwa ein eigenes Prinzip, sondern läuft auf das
Kommutationsgesetz 1̅2̅×) der Aussagenmultiplikation, sonach im Grunde
auf das Prinzip Ī hinaus, in Anbetracht dass für irgend ein bestimmtes x
sowol F (x, x1), als auch F (x1, x) Faktor in jedem der beiden obigen Pro-
dukte sein wird, jedoch in der umgekehrten Ordnung zwischen die übrigen
Faktoren eingeschaltet, wofern wir beiderseits genau dieselbe Wertenreihe
von der betreffenden Variabeln durchlaufen lassen.


Ergebniss der Betrachtung ist also: Gebietsdual entspricht der De-
finition und dem Begriffe des Individuums die Definition und der Begriff
der Negation eines Individuums.


Unzweifelhaft hat dies schon Herr Peirce richtig gefühlt, wenn er
es auch nicht ausdrücklich ausspricht, wie in 5 p. 42 sq. aus seiner Gegen-
überstellung von „individual“ und „simple“ zu erkennen ist.


Die Negation eines Individuums nennt Herr Peirce „a simple“
— doch leuchtet ein, dass wir einer fatalen Nebenbedeutung halber
das Wort „ein Simpel“ nicht in die deutsche Sprache herübernehmen
können.


Eher möchten wir die Benennung insoweit adoptiren, dass wir
den entfernteren Anklang weniger scheuend, dafür ein „Simplum“ sagen
(sollten wir uns dadurch auch der Neubildung eines lateinischen Haupt-
wortes schuldig machen).


Für unsre bevorzugte Mannigfaltigkeit bedeutet das Individuum
einen Punkt der Tafelfläche, das (zugehörige) Simplum die ganze Tafel-
fläche
, einen einzigen (diesen einen) Punkt derselben ausgenommen.


Es wird sich zeigen, dass wir auf die Simpla nicht weiter Rück-
sicht zu nehmen brauchen, indem alle Forderungen, welche sich künf-
tig auf Individuen beziehen sollten — wie z. B. die bei der „Klausel“
zu erörternden — ihre dualen Gegenstücke von selbst finden. Nämlich
wenn eine Anforderung bezüglich Verteilung von Individuen auf ge-
wisse Klassen erfüllt sein wird, so muss auch deren duales Gegenstück
durch die zugehörigen Simpla ohnehin erfüllt sein, und vice versā —
vorausgesetzt nur, dass man über die bisherige Gepflogenheit hinausgehend
bei der Herstellung solchen Gegenstücks auch alle Klassen in ihre
Negationen verwandle
. Man erhält hiebei „ein“ duales Gegenstück im
weiteren Sinne, sozusagen nur „der Art nach“ von der jene Anforderung
statuirenden Aussage — nennen wir es: die ihr „kontrapositionell“,
oder „kontrapositiv“ entsprechende Aussage. Und diese muss mit jener
[335]§ 47. Duales Gegenstück zum Individuum.
in der That immer gleichzeitig erfüllt sein, weil beide Aussagen ein-
ander im Grunde äquivalent sind und kraft der Theoreme 36) eben
durch Kontraposition in einander übergehen.


Zur Erläuterung sei bemerkt: (gebietsdual) einander kontrapositiv ent-
sprechende Aussagen können als „der Art nach“ einander schlechthin ge-
bietsduale hingestellt werden, sobald man die in sie eingehenden Buch-
stabensymbole als völlig allgemeine Klassensymbole deutet, und zwar bei
jeder von den beiden Aussagen für sich, ohne Rücksichtnahme auf die
andere, d. h. absehend von den Beziehungen, welche durch etwaige Über-
einstimmung der Namen festgelegt erscheinen zwischen den Elementen der
beiden Aussagen. So ist z. B. (b + ca) exakt das duale Gegenstück
zur Aussage (ab c); aber (b1 + c1a1) ist es wenigstens der Form oder
Art nach, ist es ebenfalls unter dem Vorbehalte, dass man gleichwie a, b, c,
so auch a1, b1, c1 als schlechthin allgemeine, völlig unbestimmte oder will-
kürliche Gebietssymbole auffasst, unbekümmert darum, dass a1 gerade die
Negation von a uns darzustellen hatte, b1 die von b, etc.


Diese Aussage b1 + c1a1 nun ist als das kontrapositive Gegenstück
äquivalent der Aussage ab c. Etc.


Stellt nun z. B. als Bedingung für die Zulässigkeit einer gewissen
Folgerung sich (die) heraus, dass eine Klasse a keine singuläre sein, kein
Individuum vorstellen dürfe, dass also (ai) gelte, so ist von selbst
auch als Bedingung ebendafür hinstellbar, was der Art nach das duale
Gegenstück der vorigen ausmacht, dass (a1i1) gelte, d. h. dass die
Negation von a kein Simplum vorstelle. Denn diese Bedingung fällt als
kontrapositives Gegenstück mit jener zusammen und braucht die eine nicht
mehr ausgesprochen zu werden sofern die andre es wurde.


Oder — um noch eines der häufigst vorkommenden Beispiele aus der
technischen Praxis unsres Kalkuls anzuführen — involvirt eine Konklusion
etwa die Forderung dass zwei Klassen a und b1nicht in ein und dasselbe
Individuum zusammenschrumpfen dürfen, gehört mithin zu unsern Folge-
rungen
diese, dass {(a = i) (b1 = i) = 0} gelten müsse, so wird hiezu
auch deren der Art nach duales, nämlich kontrapositives Gegenstück:
{(a1 = i1) (b = i1) = 0}
als Folgerung gelten müssen — die Produkte natürlich allemal nur aus-
gedehnt über alle diejenigen Klassen i, welche der Definition des Indivi-
duums genügen. Etc.


Macht also auch der durch den ganzen identischen Kalkul sich hin-
durchziehende
Gebietsdualismus“ keineswegs halt vor der Definition
und Theorie des Individuums, so zeigen sich doch in der letzteren die
beiden einander dual zugeordneten Zweige stets in einen verwachsen
oder wenigstens der Art nach verschmolzen. Und so ist es denn als
eine erfreuliche Thatsache zu verzeichnen, dass wir uns mit den
Simplen überhaupt nicht herumzuschlagen brauchen, weshalb denn
[336]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
auch solch aparte Benennung für die Individuumsnegation als kein
sehr dringendes Bedürfniss erscheint. —


Im Bisherigen wurde — wie ich hoffe der Hauptsache nach —
die Theorie der Eigenschaften des Individuums erledigt insoweit es
nötig fällt, ein solches in’s Auge zu fassen. Wir könnten freilich
dieser noch manche Sätze zufügen, wie z. B.:
(ia) = 0,
etc. wollten wir noch andere Beziehungszeichen, als die bisher ver-
wendeten, mit in den Kreis der Betrachtungen ziehen.


Systematisch hätte sich dieser nunmehr anzureihen die Theorie
derjenigen Sätze welche handeln von mehreren Individuen zugleich.


Solche Sätze, wie:
φ) (i1i2) = 0, (i1i2) = 0,
(i1i2) = (i1 = i2), (i1i2) = (i1i2 = 0),
(i1i2 + i3 + …) = (i1 = i2) + (i1 = i3) + …

lassen sich auf dem nunmehr gewonnenen Standpunkte jeweils mit
grosser Leichtigkeit — und ohne je ein neues Prinzip, Postulat oder
Axiom erforderlich zu machen — auf die Grundlagen des bisherigen
Kalkuls zurückführen, aus diesen selbst beweisen.


Sie pflegen jedoch auch ohne solche Zurückführung einen unge-
heuren Grad von unmittelbar einleuchtender Evidenz zu besitzen.


Was den Beweis der vorstehenden betrifft, so gibt auf den Typus der
Gleichung und Ungleichung gemäss § 36 reduzirt:
(i1i2) = (i1i12 = 0) (i11i2 ≠ 0)
und kann nach η) — darin a mit i12 resp. i11 identifizirt — der erste
Faktor in (i1i2 ≠ 0), der zweite in (i1i2 = 0) umgeschrieben werden, wo
dann beide einander direkt widersprechen, die Inkonsistenz
(i1i2 ≠ 0) (i1i2 = 0) = 0
zusammensetzend. Man mag indess auch nach der ersten Formel σ):
(i1i2) in (i1 = 0) umschreiben, was mit dem zufügbaren Faktor
1߭, = (i1 ≠ 0) die Inkonsistenz liefern, das Produkt 0 geben wird. Ähnlich
läuft (i1i2) auf eine Inkonsistenz hinaus.


Ferner ist nun
(i1i2) = (i1i2) + (i1 = i2),
worin die erste Glied-Aussage rechts soeben als = 0 erwiesen worden.


Nachdem so auch die dritte Formel φ) bewiesen, haben wir nach
dieser mittelst Kontraposition: (i1i2) = (i1i2), und dies ist nach ι)
gleich (i1i12) mithin = (i1i2 = 0), q. e. d.


[337]§ 47. Postulate zur Punktdefinition.

Endlich braucht man behufs Beweises der letzten Formel φ) nur von
dem Satze τ) Gebrauch zu machen und rechts die dritte Formel φ) an-
zuwenden.


Nachdem wir aber eingangs das Individuum definirt haben, ist
die Frage zu diskutiren, ob denn das Definirte auch denknotwendig exi-
stirt
, ob oder unter welchen Bedingungen der Definition ein Sinn, eine
Bedeutung zukommt? Ich halte die vorstehende für eine der aller-
schwierigsten Fragen, und weiss mir nicht anders zu helfen, als indem
ich ihre Beantwortung im bejahenden Sinne axiomatisch fordere, die-
selbe (vorerst) als ein Postulat hinstelle. Und zwar genügt es an-
scheinend nicht, etwa blos die Anerkennung zu verlangen:


Postulat ((4)) dass in jeder Klasse a, die nicht 0 ist, Individuen
(genauer: mindestens ein Individuum als ihr eingeordnete Unterklasse)
enthalten sein müssen, m. a. W. dass wir immer ein solches anzugeben
vermögen.


Wird freilich ein solches i1 als unter a enthalten zugegeben, so-
dass i1a, so können wir die Ergänzung dieses einen Individuums
zur Klasse a als eine neue Klasse a i11 in’s Auge fassen, und für die-
selbe das nämliche Postulat abermals in Anspruch nehmen. Auch sie
muss, wenn sie nicht 0 ist, wieder mindestens ein Individuum i2 ent-
halten, sodass i2a i11.


Dieses muss von i1 notwendig verschieden sein, denn wenn es
damit zusammenfiele, so gelangten wir zu dem Widerspruch mit der
Def. (α), dass i1 den beiden einander ausschliessenden Klassen x = i1
und y = a i11 gleichzeitig eingeordnet wäre [m. a. W. dass innerhalb
der Mannigfaltigkeit a
— die mit 1 bezeichnet werden könnte — dann
i1 eingeordnet sein müsste den beiden einander negirenden Klassen
x = a i1 und x1 = a i11, im Widerspruch zu β)]. Auf diese Weise er-
gäbe sich also die Nötigung, i2 so, wie wir es gethan, verschieden
von i1 zu bezeichnen.


Auf die Ergänzung a i11i12 von i2 zur Klasse a i11 lässt sich das-
selbe Postulat dann wiederum anwenden: sie muss, sofern sie nicht 0
ist, abermals ein Individuum i3 enthalten, sodass i3a i11i12 ist, und
zwar ein Individuum, welches von den bisherigen i1 und i2 verschieden.


In dieser Weise fortschliessend kämen wir zu der Darstellung:
a = i1 + a i11 = i1 + i2 + a i11i12 = i1 + i2 + i3 + a i11i12i13 = … =
a = i1 + i2 + i3 + … + ir + a i11i12i13i1r,

oder:
χ) a = iϰ + a i1ϰ,
Schröder, Algebra der Logik. II. 22
[338]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
behufs deren rechnerischer Verifikation man lediglich von den Theo-
remen Th. 33+) Zusatz, und mit Rücksicht auf die Voraussetzungen:
i1a, i2a i11, i3a i11i12, … ira i11i12i13i1r — 1
auch von dem in Th. 20+) mitenthaltenen Satze:
(ba) (b + a = a)
Gebrauch zu machen hätte.


Nennen wir nun das letzte Glied der obigen allgemeinen Dar-
stellung χ) von a für den Augenblick „das rteResiduum der Klasse a“,
so würde doch auf Grund des Postulates ((4)) allein niemals der Nach-
weis zu erbringen sein, dass bei hinreichend weit getriebener, nötigenfalls
unbegrenzter
Fortsetzung des vorstehend geschilderten Folgerungsver-
fahrens (oder Prozesses des Schliessens) das Residuum der Klasse
schliesslich*) = 0 werden müsse.


Wir dürften uns daher wol genötigt sehen, dem obigen Postu-
late ((4)) noch ein zweites hinzuzufügen, welches als die Anerkennung
formulirt werden kann:


Postulat ((5)): dass das identische Produkt jeder Klasse in die
Negationen sämtlicher in ihr enthaltenen Individuen verschwindet
, m. a. W.
dass wir imstande seien, bei irgend einer vorgelegten Klasse, einem
Gebiete, den Prozess der Residuenbildung wenigstens in der Idee (wenn
auch nicht in der Praxis) solange fortzusetzen, bis wir auf das Resi-
duum 0 kommen.


Darnach wird denn in der That das Residuum der Klasse, welches
nach Absonderung von mehr und mehrern ihrer Individuen von ihr
übrig bleibt, zuletzt zu vernachlässigen sein, und mögen wir auch
unsre beiden Postulate in das eine zusammenfassen:


Postulat ((4)). ((5)): Jede von 0 verschiedene (nicht inhaltsleere)
Klasse lässt sich darstellen als eine identische Summe von lauter (unter
sich verschiedenen) Individuen.


Jedes räumliche Gebiet insbesondere kann angesehen werden als
ganz und gar zusammengesetzt aus mathematischen Punkten — des-
gleichen jedes zeitliche Gebiet aus Augenblicken [und jede („stetige“)
Mannigfaltigkeit (auch) überhaupt aus ihren Elementen].


Und zwar erscheint der „mathematische Punkt“ hierselbst als ein
wohldefinirter Begriff: Als bekannt sollte ja gelten, was unter einem
räumlichen Gebiete, Raumteil zu verstehen ist. Ich sage hiefür mit Ab-
[339]§ 47. Postulate zur Punktdefinition.
sicht nicht geometrischer „Körper“, weil dieser Begriff mit zu engem
Umfange, als im Gegensatz zu Fläche, Linie sowie Punkt stehend ge-
braucht zu werden pflegt — weit eher wäre die Bezeichnung des räum-
lichen Gebietes als eine „Figur“ zulässig. Der „Raumteil“ ist nun
Punkt zu nennen, dann und nur dann, wenn er, mit i bezeichnet, der
Definition (λ) genügt, in welcher dem Symbole x alle erdenklichen
räumlichen Gebiete oder Raumteile innerhalb des ganzen Raumes 1
als Bedeutung untergelegt werden müssen.


Wir mögen hienach schreiben:
ψ) a = i1 + i2 + i3 + …


Die Forderung, für die Logik der Begriffsumfänge dies anzuer-
kennen, scheint in der That in der ganzen Natur unsres Denkens
begründet.


Unter einer Klasse können wir uns nur denken: das, was vor-
stellen wird ein zusammenfassender oder kollektiver Name für ver-
schiedene einzelne Dinge
, wenn derselbe durch die Vorschrift distribu-
tiver
Verwendung zu einem „generellen“ oder „Gattungsnamen“
gestempelt wird (und dadurch unterschieden wird von dem „Kollektiv-
namen“ im engeren Sinne, bei welchem solche Verwendung ausge-
schlossen oder wenigstens nicht gefordert ist, bei welchem besagte
Vorschrift wegfällt, fehlt).


Die Klasse, als dargestellt durch einen Gemeinnamen oder viel-
deutigen Term, kann selbst wieder in weitere*) Unterklassen zerfallen
und so fort. Als auf deren letzte Elemente müssen wir aber bei einer
jeden gedachten Klasse schliesslich kommen auf eindeutige Terme, die
Individuen der Klasse repräsentirend, deren Namen eben als Eigen-
namen ganz bestimmte Objekte des Denkens bezeichnen. Denn ur-
sprünglich von den letzteren ausgehend haben wir uns historisch erst
zu dem Begriff der Klasse erhoben.


Umgekehrt allerdings ist der genetische Gang bei den Gebieten
einer „stetigen“ Mannigfaltigkeit. Ist diese z. B. räumlicher Natur, so
erscheint die Vorstellung des Raumteils, Körpers (hernach analog die
des Flächen- und des Linienteils) als die ursprünglichere, derjenigen
des Punktes gegenüber, und muss von da erst zum Begriffe des mathe-
matischen Punktes herabgestiegen werden!


Obwol ich damit aus dem Rahmen der mir hier gesetzten Aufgabe
22*
[340]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
ein wenig heraustrete, will ich den schwierigen Versuch wagen, die Art,
wie meines Erachtens solches auszuführen ist, genauer darzulegen, und
zwar sowol in streng-wissenschaftlicher Hinsicht als auch in didaktischer Hin-
sicht im Hinblick auf die Schwierigkeiten des ersten Elementarunterrichts
in der Geometrie und die an diesen zu stellende Anforderung, sich wenigstens
nicht in Widerspruch mit der strengen Wissenschaft zu setzen.


In jener erstgenannten Hinsicht liegt die Sache ziemlich einfach. Beim
streng wissenschaftlichen Verfahren ist die Logik, gleichwie allen andern
Disziplinen, so auch der Geometrie vorangeschickt zu denken, und zwar
mit Einschluss auch der Betrachtungen des gegenwärtigen Paragraphen.
„Punkt“ haben wir dann wie oben erwähnt ein räumliches Gebiet, einen
Raumteil zu nennen, der eben (mit i bezeichnet) unsrer Definition (λ)
genügt.


Dass einerseits solche Definition zulässig oder denkmöglich ist, dass sie
mit den sonstigen Gesetzen des menschlichen Denkens keinen Widerspruch
in sich schliessen kann, vielmehr mit ihnen konsistent, verträglich ist, zeigt
das Substrat der „Individuen“ bei den wohldefinirten Klassen (von Objekten
des menschlichen Denkens), welche wir als etwas uns Gegebenes reklamiren
dürfen, über das wir verfügen. Die Deutungsfähigkeit des durch (λ) defi-
nirten i als eines Individuums einer gewöhnlichen Mannigfaltigkeit, inner-
halb deren beliebige Klassen x resp. x1 sich bilden lassen, thut die Existenz
des also Definirten (auf einem gewissen Felde wenigstens) unleugbar dar,
und schliesst die Möglichkeit eines verkapptenWiderspruchs solcher Defi-
nition mit den Gesetzen des logischen Denkens ebendamit aus.


Da (resp. solange) aber andrerseits die Existenz des durch (λ) zu
Definirenden auf dem hier vorliegenden Felde — für das räumliche Sub-
strat, in der Geometrie — nicht bewiesen ist, ja unbeweisbar erscheint,
so wird allen au die adoptirte Definition des Punktes weiterhin zu knüpfen-
den Folgerungen, allen Sätzen der Geometrie, in denen von „Punkten“ die
Rede ist, hinfort zuzuerkennen sein: ein „hypothetischer“ Charakter, der
Charakter von Schlüssen, unter deren Prämissen die Geltung jener Defini-
tion, die Existenz von etwas ihr Genügendem eben als „Punkt“ zu Bezeich-
nenden, wesentlich mit figurirt. Die Geometrie wird sich gegenüber dem
Punkte gerade ebenso verhalten, wie die Geomechanik zu den absolut
starren Körpern. Und sie büsst damit gar nichts ein von ihrer Erhaben-
heit und Strenge.


Beim geometrischen Elementarunterricht kann indess jener streng
wissenschaftliche Weg begreiflich nicht beschritten werden.


Nach meinem (subjektiven) Erachten dürfte hier am besten in folgender
Weise vorzugehen sein, wobei man auf Grund gewisser axiomatisch au-
zuerkennender Eigenschaften des Raumes zu einer genetischen Begriffs-
erklärung von Punkt, Ort, Bewegung, Körper, Fläche, Linie, und Grenze,
gelangen wird.


Wie üblich denken wir den Raum uns definirt als eine Form der
Materie, nämlich des der Erscheinungswelt zugrunde liegend gedachten
Wirklichen, und zwar als den Komplex derjenigen Merkmale dieser (raum-
erfüllenden) Substanz, welcher übrig geblieben, nachdem man von allen den
[341]§ 47. Didaktische Schwierigkeit der Punkteinführung i. d. Elementargeometrie.
sogenannten „physikalischen“ Merkmalen dieser letzteren, als Farbe, Gewicht,
Kräften, … abgesehen oder abstrahirt hat.


Man gehe nun aus von der Thatsache der „Teilbarkeit des Raumes“.
Anzuerkennen ist: dass der Raum ein Mannigfaltiges ist, an (oder in)
welchem sich Teile unterscheiden lassen.


[Gemeinhin wird ja ein Raumteil durch seine Begrenzung erst „be-
stimmt“; dass die Vorstellung einer Grenze aber nicht unerlässlich ist zur
Konzeption eines Raumteiles überhaupt, scheint mir das schon einmal ge-
brachte Beispiel eines Landstrichs oder einer Himmelsgegend, des Schau-
platzes einer Handlung, etc. darzuthun. Jedenfalls wird, wer über den
Begriff der Grenze noch nicht verfügt, diesen vielmehr erst erklären soll,
vorerst auch nicht von Flächen oder Linien reden dürfen, für den wird
der Raumteil zunächst immer ein geometrischer „Körper“ sein.]


Zwei Raumteile müssen sich durch (mindestens) ein Merkmal von ein-
ander unterscheiden, ansonst sie identisch (einerlei, der nämliche, nur ein
Raumteil) wären, zusammenfielen, sich „deckten“.


Dasjenige Merkmal (oder der Komplex derjenigen Merkmale) durch
welches sich ein Raumteil von allen andern unterscheidet, heisst seine
Lage (sein Ort) im Raume. [Auch von zwei konzentrischen Kugeln von
verschiedener Grösse, z. B. ist hienach zu sagen, dass sie sich durch ihre
Lage, den von ihnen eingenommenen Platz, noch unterscheiden.] Die Exi-
stenz eines solchen Merkmalkomplexes scheint postulirt werden zu müssen.
[Das Postulat läuft hinaus auf die Anerkennung des Nichtverschwindens
des identischen Produkts von all den Merkmalkomplexen durch welche sich
der gedachte Raumteil einzeln von je einem andern und zwar so von jedem
unterscheidet.]


(Postulat:) Es gibt Raumteile, die sich nur durch ihre Lage unter-
scheiden; diese heissen „kongruent“.


Geht man (mit der Aufmerksamkeit) von einem Raumteil zu einem
andern ihm kongruenten über, so wird gesagt, der erstre habe seinen Platz
gewechselt, sich in die Lage des zweiten begeben, oder „bewegt“. [Ge-
nauer bewegt sich in der Erscheinungswelt die den Raumteil erfüllende
und durch diese Erfüllung denselben charakterisirende Materie in dem —
samt seinen Teilen — als ruhend zu bezeichnenden Raume.] Kongruente
Raumteile sind also solche, die durch „Bewegung“ zur Deckung gebracht
werden können, und ist „Bewegung“ im Raume möglich. —


Auch an irgend einem Raumteile lassen immer noch weitere Teile
sich unterscheiden, und ebenso an dessen Teilen, oder die Teilbarkeit des
Raums ist eine unbegrenzte, der Raum ist ohne Ende teilbar — eine That-
sache, deren Anerkennung wir einstweilen als das Postulat von der „Kon-
tinuität“ des Raumes bezeichnen. Der (echte) Teil mag kleiner als das
Ganze genannt werden.


Für die Sinne erreicht man durch fortgesetzte Teilung, Hervorhebung
von immer kleinerem Teile eines Raumteiles, sehr bald eine sog. Grenze:
die Grenze der Wahrnehmbarkeit des hervorgehobnen Raumteils. In der
Idee kann aber dieser Prozess fortschreitender Teilung immer noch weiter
[342]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
fortgesetzt werden. Gleichwol wird man auch hier aus Ermüdung irgendwo
stehen bleiben, und das Ergebniss ist der vorgestellte Punkt.


„Mathematischen Punkt“ nennen wir dagegen einen solchen Raumteil,
bei welchem wir den erwähnten Teilungsprozess solange fortgesetzt an-
nehmen bis sich an dem zuletzt hervorgehobnen Teile keine weiteren Teile
mehr unterscheiden lassen würden. Einen solchen kann man sich wohl
„denken“ aber nicht mehr vorstellen und er bleibt ein Ideal, das wir mit
unsrer Vorstellung nur mehr beliebig nahe zu erreichen vermögen.


Nennen wir „ausgedehnt“ ein jedes Mannigfaltige, an welchem sich
noch (verschiedene) Teile unterscheiden lassen, so wird also anzuerkennen
sein, dass der Punkt „keine Ausdehnung“ habe. Zur Definition des Punktes
kann aber dieses negative Merkmal in der That nur verwendet werden
indem man es verbindet mit der positiven Anforderung, dass der Punkt
einen Raumteil vorzustellen habe. Erklärte man in der thatsächlich noch fast
allgemein verbreiteten Weise für einen „Punkt“ schlechtweg das, was keine
Ausdehnung besitzt, so müsste in der That auch das Nichts, ein Augenblick,
ein (cum grano salis) Pfiff, Schreck (!), und dergleichen mehr, als Raum-
punkt anerkannt werden. Jedenfalls sollte der Raumpunkt doch etwas
Räumliches sein, etwas an oder in dem Raume, und solange es nicht ge-
lungen, den Punkt in wissenschaftlich befriedigender Weise als ein blosses
Merkmal des Raums zu definiren — „Merkmal“ hier als im Gegensatz zu
„Teil“ verstanden (die Teile eines Dinges sind ja auch Merkmale desselben)
— wird man in der That den Punkt als einen „Teil“ des Raumes zu
charakterisiren haben.


Ein jeder Punkt kann frei im Raume bewegt und in die Lage jedes
andern Punktes gebracht werden. Jedenfalls: bringt man zwei Punkte
mittelst Lagenänderung des einen, oder beider, in eine solche Lage, dass
sie ein räumliches Gebiet, einen Raumteil gemein haben (und die Möglich-
keit scheint postulirt werden zu müssen), so werden sie zusammenfallen,
sich decken müssen, denn das ihnen gemeinsame räumliche Gebiet muss
mit dem einen sowol als mit dem andern von ihnen identisch sein, ansonst
wir zu dem Widerspruch mit dem Begriffe des Punktes gelangen würden,
an diesem echte Teile (als den gemeinsamen und den nicht gemeinsamen
Teil) unterschieden zu haben. M. a. W.: Alle Raumpunkte sind einander
kongruent, unterscheiden sich von einander lediglich durch ihre Lage; der
Punkt markirt nur einen „Ort“ im Raume, und besitzt ausser diesem einen
kein weiteres Merkmal. [Dieses „eine“ ist dann freilich noch ein sehr zu-
sammengesetztes Merkmal, sodass sich als mit ihm gegeben gleichwol noch
unbegrenzt viele Merkmale für einen bestimmten Punkt schon hervor-
heben lassen.]


Es wurde schon darauf hingedeutet, dass wir einen Raumteil „schlecht-
weg“, welcher nicht als das ideale Ergebniss eines Prozesses von unbegrenzt
fortgesetzten Raumteilungen zu bezeichnen ist, einen geometrischen Körper
zu nennen haben.


Analysiren wir nun aber unsre Anschauung von einem ganz bestimmten
geometrischen Körper, so nehmen wir wahr, dass sich an ihm solche Punkte
[343]§ 47. Behebungsversuch.
vorfinden, von welchen wir mit der Anschauung*) nicht zu unterscheiden
vermögen, ob sie zu gedachtem (Raumteil oder) Körper, oder ob sie zum
übrigen Raume gehören.


Die Gesamtheit, das System, den Inbegriff ebendieser Punkte nennen
wir die „Grenze“ des Körpers. Dieselbe scheidet die zum Körper gehörigen
Punkte von den nicht zu ihm gehörigen, und ist, weil solche Scheidung
gegenseitig, ihrem Begriffe gemäss auch zugleich als die Grenze des Aussen-
raumes (gegen den Körper) zu bezeichnen.


Wir nennen sie eine Fläche. Es sind an ihr zwei „Seiten“ zu unter-
scheiden: ein Punkt wird auf der einen oder auf der andern Seite von ihr
liegen, jenachdem er dem von ihr begrenzten Körper oder aber dem Aussen-
raume angehört (in demselben „liegt“). Wir sagen: der Raum sei aus-
gedehnt zu beiden Seiten der Fläche und schreiben (was zuerst noch eine
vague Redensart) der Fläche eine Ausdehnung (Dimension) weniger als
dem Raume zu. Der so gewonnene Flächenbegriff ist freilich noch nicht
der allgemeinste.


Auch die Fläche erweist sich wieder als ein Mannigfaltiges, an welchem
sich weitre Teile unterscheiden lassen; auch sie ist noch „ausgedehnt“.
Vergegenwärtigen wir uns einen bestimmten Teil der Fläche (schlechtweg),
so werden wir dessen inne, dass an ihm sich Punkte vorfinden, bezüglich
deren unsre Anschauung nicht zu unterscheiden vermag, ob sie zu dem
Flächenteile oder ob sie zur Aussenfläche gehören. Ihre Gesamtheit bildet
die „Grenze“ der Fläche, heisst eine Linie (Kurve); und wird der letztern
eine Ausdehnung weniger, als der (zu ihren beiden Seiten ausgedehnten)
Fläche zugeschrieben.


Wieder offenbart sich uns die Linie als ein Mannigfaltiges, das Teile
besitzt, noch ausgedehnt ist, und wenn ein bestimmter Teil der Linie in’s
Auge gefasst wird, so muss auch dieser eine „Grenze“ haben, die ihn von
der Aussenlinie scheidet. Dieser Grenze ist eine Ausdehnung weniger, als
der Linie, zuzuschreiben.


In der Thatsache nun dass letztere Grenze allemal als ein System
(im einfachsten Falle: Paar) von Punkten sich herausstellt, wo dann am
Punkte keine Teile mehr unterscheidbar sind, gibt sich erstmals die „drei-
fache Ausdehnung“ des Raumes kund.


Es wäre nun die Reihe der so gewonnenen geometrischen Gebilde,
als: Körper, Fläche, Linie und Punkt, genetisch nochmals in der umge-
kehrten Ordnung durchzugehen, vom Punkt aus nämlich durch (die erst
als eine physikalisch mögliche einzuführende) „stetige“ Bewegung zu
erzeugen.


Wird „Bahn“ eines geometrischen Gebildes das System, die Gesamt-
heit seiner successiven Lagen bei einer Bewegung genannt, so wäre zu-
nächst zu konstatiren, dass die Linie auch erzeugt werden kann als die
[344]Zweiundzwanzigste Voriesung.
Bahn eines sich bewegenden Punktes; die Fläche als Bahn einer Linie,
wenn bei der Bewegung der letzteren jedoch auch gestaltliche Änderungen,
Deformationen zugelassen werden, bei welchen sie nur ihren Charakter als
Linie zu wahren hat, etc. Und wie umgekehrt die Bahn einer Linie ent-
weder selbst wieder nur eine Linie (z. B. bei dem sich in sich herum-
schwingenden Kreise) oder aber eine Fläche ist, ebenso die Bahn einer
Fläche selbst wieder nur eine Fläche (wie bei der auf der Kugelfläche
gleitenden Haube derselben) oder aber ein Körper, so würde endlich darauf
hinzuweisen sein, wie in der Thatsache, dass die Bahn eines Körpers stets
wieder nur ein Körper ist, wiederum die Dreidimensionalität des Raumes
zutage tritt (ein Faktum, dem man später auch noch einen schärferen Aus-
druck wird zu geben vermögen). —


Ich schliesse hiermit die begonnene Skizze, bei der ich lediglich den
Zweck verfolgte die vier Arten der geometrischen Gebilde auf eine mit
der (über allem Zweifel erhabenen) wissenschaftlichen Punktdefinition har-
monirende Weise in die Elementargeometrie einzuführen.


Ob es mir vorstehend gelungen, wenigstens anzudeuten, wie dies in
einer haltbaren Weise geschehen könnte, wage ich keineswegs zu ent-
scheiden, vielmehr würde ich es begrüssen, wenn durch Kritik und Ver-
besserungsvorschläge etwaige Schwächen, Inkonsequenzen oder Lücken in
diesen Überlegungen an den Tag gebracht und behoben werden sollten.


Möglich auch, dass alle derartigen Versuche ein blosser Notbehelf
(auf Kosten der Wissenschaftlichkeit zugunsten der Didaktik) bleiben, und
dass wir eben erst nach (und vermittelst) Schöpfung des Reiches der
Zahlen — gemäss Dedekind1 — in den Stand gelangen, die Natur
unsrer Raumanschauung zu untersuchen, dieselbe völlig zu verstehen, an-
gemessen zu beschreiben und aus den mit ihr so enge verwachsenen Axiomen
streng logisch zu konstruiren. —


Es muss als wünschenswert erscheinen, dass wir über ein ange-
messen kurzes Symbol verfügen, welches ausdrückt, dass ein Gebiet a
ein Punkt sei, resp. dass die Klasse a eine singuläre, nämlich a ein
Individuum bedeute. Wählen wir als solches etwa das Symbol:
Ja
so wird nach (λ) diesem der Wert der nachstehend rechts ihm gleich-
gesetzten Aussage zukommen:
(ω) Ja = (a ≠ 0) {(ax) + (ax1)}.
Dasselbe wird = 1߭ sein, falls a wirklich ein Punkt ist, und = 0 in
jedem andern Falle. Und zugleich damit ist dann auch
J1a
erklärt als die Verneinung von Ja, besagend, dass a nicht singulär
[345]§ 47. Symbolisirung des Punktbegriffes.
kein Punkt sei — eine Aussage in Bezug auf deren Werte 0 und 1߭
es sich gerade umgekehrt verhält, wie im vorigen Falle.


Als Produktationsvariable in (ω) ist allemal (eventuell an Stelle
des x) ein noch disponibler, nicht schon anderweitig in der Unter-
suchung vergebener Buchstabe verwendet zu denken, sodass z. B. Jx
zu bedeuten hätte:
Jx = (x ≠ 0) {(xy) + (xy1)}. —


Dies vorausgesetzt wollen wir unsre Zeichensprache noch dahin
auszubilden suchen, dass wir imstande sein werden, ein identisches
Produkt, eine identische Summe, auszudehnen, zu erstrecken über alle
Individuen i einer gegebenen Klasse a (oder über alle Punkte solchen
Gebietes) und gerade nur über diese.


Zu dem Ende empfiehlt es sich, ja ist es unerlässlich, eine Fest-
setzung zu treffen, die sich auch für spätere Untersuchungen wichtig
erweisen wird, über das „Produktaus einer Klasse (resp. einem Ge-
biete) a und einer Aussage A.


Die letztere A als eine Aussage von festem Sinne (dergleichen für
uns ja immer nur in Betracht kommen) hat entweder den Wert 0̇ oder
den Wert 1߭, jenachdem sie falsch oder wahr ist — wenn wir für den
Augenblick auch die Nullaussage mittelst übergesetzten Tupfens von
dem Nullgebiete, der Nullklasse 0 unterscheiden.


Wir machen nun aus, dass uns
(α1) a · 0̇ = 0̇ · a = 0 und a · 1߭ = 1߭ · a = a
bedeuten solle. Hiernach wird denn auch der Sinn des Produktes
a A oder A a
auf alle Fälle feststehen. Das Produkt einer Klasse in eine Aussage
ist erstere selber, wenn die letztere wahr ist, dagegen die Nullklasse,
sobald sie falsch ist (stets ist es also wieder eine Klasse, und nicht
eine Aussage).


Wichtigster Anwendungsfall ist dieser, wo die Aussage A gedachte
Klasse a selbst betrifft. Um dies hervortreten zu lassen, wollen wir
jene mit Aa bezeichnen.


Indem wir alsdann einem etwa als Glied einer Summe auftretenden
Klassenterme a solchen Aussagenfaktor Aa beifügen, werden wir hin-
gebracht haben, dass jene Klasse in der Summe
(β1) Σ a Aa
wirklich vertreten ist, sobald sie die Voraussetzung Aa erfüllt, dagegen
[346]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
thatsächlich unvertreten ist, als Glied faktisch fehlt, sobald in Bezug
auf sie jene Voraussetzung nicht zutrifft!


Von ferne streift auch einmal Herr Peirce9 c p. 188 durch Ein-
führung sonderbarer numerischer Koeffizienten an unsre Abmachung (α1).


Der erste Teil dieser Konvention scheint übrigens gar nichts Neues
zu sein, vielmehr mit dem Th. 22×) a · 0 = 0 ohnehin zusammenzufallen,
sintemal wir ja den Punkt über der Aussagennull stets fortzulassen pflegten.
Ein wenig Sorgfalt lässt jedoch erkennen, dass solches zu glauben eine
Täuschung wäre, und dass Produkte aus Klassen und Aussagen bis jetzt
nie vorgekommen sind.


Um zunächst zur Erläuterung und Übung ein Beispiel zu bringen,
so wird man sich leicht auf Grund der Tautologie und Absorptions-
gesetze der Addition überzeugen, dass allgemein:
γ1) (ba) b = a
ist — die Summe über alle erdenklichen Gebiete b unsrer bevorzugten
Mannigfaltigkeit erstreckt gedacht.


Denn unter diesen b figurirt auch a selber, welches links multiplizirt
erscheint in die Aussage (aa), = 1߭, sodass zunächst a selbst ein Glied
jener Summe ist; fernere Glieder sind alle b, welche in a enthalten sind,
weil auch für diese ba gelten, = 1߭ sein wird; diese aber werden von
dem a verschluckt. Jedes b dagegen, welches nicht in a enthalten, er-
scheint in (ba), = 0 multiplizirt und fällt somit aus der Summe heraus.


Stellt nun i ein variables Gebiet unsrer Mannigfaltigkeit vor, und
bedeutet f (i) eine gegebene Klassenfunktion, so wird Ji die Forderung
ausdrücken, dass i ein Punkt sei und gibt von den beiden Ausdrücken:
δ1) Ji f (i), Ji (ia) f (i)
der erste an: die Summe der f (i) gebildet für alle Punkte i unsrer
Mannigfaltigkeit 1, und nur für solche — obzwar man das i (wie
früher die Summationsvariabele stets) alle Gebiete der Mannigfaltigkeit
überhaupt im Geiste durchlaufen zu lassen hat. Und ebenso wird der
zweite Ausdruck darstellen: die Summe der f (i) erstreckt über alle
diejenigen Individuen i, welche der Klasse a angehören — und nur
über solche.


Sobald i kein Punkt ist, wird nämlich der Faktor Ji, sobald es
nicht in a enthalten ist, wird der Faktor (ia) verschwinden und
damit der Term aus der Summe herausfallen. Die Deutung findet
sonach ganz in der gleichen Weise statt; wie sie [auch ohne eine
spezifische Abmachung, wie (α1)] ohnehin zu erfolgen hätte gemäss
den Regeln des reinen Aussagenkalkuls, falls f (i) etwa eine Aussagen-
funktion, Aussage über i, vorstellte.


[347]× 47. Einkleidung der Punktpostulate in die Symbolik.

Wir haben damit das eine der uns vorgesetzten Ziele erreicht,
sofern nämlich Summen dabei in Betracht kamen.


Um auch für die Produkte Analoges zu verwirklichen, müssen
wir die zu (α1) dual entsprechende Festsetzung treffen:
(ε1) a + 0̇ = 0̇ + a = a, a + 1߭ = 1߭ + a = 1,
durch welche auch die Summe
a + A oder A + a
aus einer Klasse a und einer Aussage A als eine Klasse erklärt wird
für alle (erdenklichen) Fälle (der Gültigkeit sowol als Ungültigkeit
der Aussage).


Fügen wir darnach dem Faktor a eines Produktes eine (ihn be-
treffende) Aussage A1a als Summanden hinzu, so wird die letztere und
damit die genannte Summe den Wert Eins annehmen sobald die Vor-
aussetzung Aa von a nicht erfüllt ist; und somit bleibt in solchem
Falle der Faktor ohne allen Einfluss auf den Wert des Produktes,
fällt sozusagen aus diesem heraus. Dagegen wird der Faktor a un-
geändert bleiben, indem nur A1a, gleich null, zu ihm hinzutritt, er
wird mithin schlechtweg im Produkte vertreten sein, sobald die For-
derung Aa von dem a erfüllt ist; dergestalt, dass
ζ1 {a + A1a
das Produkt vorstellt von allen denjenigen Klassen resp. Gebieten a,
welche die Bedingung Aa erfüllen und nur von diesen — obzwar die
Variable a doch alle erdenklichen Gebiete der Mn. durchläuft.


Beispielsweise mag man sich überzeugen, dass, analog zu γ1) gilt:
η1) {b + (ab)} = a,
wobei der zweite Term aus (ab)1 entstanden ist.


Hiernach wird uns von den beiden Ausdrücken
ϑ1) {f (i) + J1i}, {f (i) + J1i + (ia)1}
der erste vorstellen: das Produkt der Funktionswerte f (i) gebildet für
alle Punkte der Mn. 1, und der zweite: gebildet für alle Punkte des
Gebietes a selbst — und ausschliesslich für diese. Wir haben damit
auch unser zweites Vorhaben verwirklicht.


Überhaupt dürfte klar geworden sein, wie sich unsre Schemata β1)
und ζ1) nochmals verallgemeinern lassen, indem man das Operations-
glied a durch f (a) in ihnen ersetzt. Es stellt:
ι1) f (a) Aa resp. {f (a) + A1a}
[348]Zweiundzwanzigste Vorlesung.
die Summe resp. das Produkt der f (a) vor, ausschliesslich erstreckt über
alle diejenigen a, welche die Bedingung Aa erfüllen — und zwar einer-
lei, ob f (a) ein Klassenterm ist, oder ob es selbst eine Aussage über a,
wie Ba, bedeutet.


Hievon wollen wir endlich eine Anwendung machen, um unsre
Individuen betreffende Postulate ((4)) und ((5)) ganz in Formeln
zu setzen.


Es lautet Postulat
((4)) (a ≠ 0) Ji (ia)
was auch geschrieben werden kann als:
1߭ = (a = 0) + Ji (ia)
und Postulat
((5)) a {i1 + J1i + (ia1)} = 0.


Bei genauerem Zusehen werden dieselben ohne weiteres verständ-
lich sein, nur ist bezüglich des letztern zu bemerken, dass die Nega-
tion von (ia) kraft ι) eben durch (ia1) ersetzt werden durfte.


Als Ausdruck des Satzes ψ), zu welchem beide Postulate sich
vereinigten, erhalten wir zudem:
((4)) · ((5)) a = i Ji (ia)
eine Formel, die vor ψ) den Vorzug besitzt, analytische Geltung zu
haben, nämlich die Klasse a als die identische Summe aller ihrer Indi-
viduen allgemeingültig darzustellen. —


Obwohl ich der Meinung bin, dass schon die Logik der Individuen
allein noch einer reichen Weiterentwickelung fähig sein wird, müssen
wir hier abbrechen, uns begnügend nur das Elementarste dargestellt
zu haben, was sich bei einer ersten Inangriffnahme ergeben.


In Bezug auf dieses vermag ich nicht zu sagen, ob und wie weit ich
vielleicht in Einzelnem mit Herrn Peano’s2, 3 Ergebnissen wesentlich zu-
sammengetroffen, da mir noch nicht die Musse zuteil geworden, mich in die
scharfsinnigen Arbeiten dieses Autor’s hinlänglich zu vertiefen.


Auf dem Individuumsbegriffe fusst ja namentlich auch der Begriff
der Anzahl! Und leicht ist es z. B. zunächst die Nullzahl und die
Einzahl nunmehr exakt zu definiren.


Nennen wir Numerus von a, in Abkürzung num. a, die „Anzahl“
der Individuen einer Klasse a, so definirt der Ansatz:
(num. a = 0) = (a = 0)
[349]§ 47. Definition von Null- und Einzahl.
die Zahl 0 (linkerhand) vermittelst des als bekannt vorausgesetzten
Begriffes der identischen Null (welche rechts vorkommt) oder des
Nichts. Der Ansatz:
(num. a = 1) = Ja,
wozu (ω) nachzusehen ist, gibt die exakte Definition der Einzahl.


Auch die Zahl 2 könnte als Anzahl (der Individuen einer Klasse a)
in unsrer Zeichensprache unschwer definirt werden z. B. durch den
Ansatz:
(num. a = 2) = Jx Jy (xy) (a = x + y)
etc.; doch werden für die höheren Anzahlen statt solcher speziellen
besser wol generelle Definitionen — vielleicht in „rekurrenter“ Weise
— aufgestellt. —


[[350]]

Dreiundzwanzigste Vorlesung.


§ 48. Erweiterte Syllogistik.


Am Schlusse des § 39 haben wir die grösste Erweiterung ange-
deutet, deren die Theorie der „einfachen“ Syllogismen (mit zwei Prä-
missen und einem Mittelgliede) überhaupt fähig wäre. Da es nun
unthunlich ist, die eine Viertel-Milliarde übersteigende Menge der mög-
lichen Prämissenkombinationen auf ihre jeweilige Konklusion prüfend
durchzugehen, so wollen wir uns auf ein kleines Feld innerhalb dieser
ungeheuren Mannigfaltigkeit beschränken und als solches ein möglichst
interessantes auswählen.


Vor allem wollen wir die von Gergonne — vergl. § 34 — an-
geregte Idee der „Dialectique rationelle“ verfolgen und zusehen, wie
unser Schliessen sich gestalten würde
, wenn wir (möglichst) immer nur
in
Elementarbeziehungendächten und urteilten.


Eine ähnliche Untersuchung kann dann auch für die 4 „primi-
tiven
“ resp. die 8 Beziehungen De Morgan’s und endlich für unsre
Grundbeziehungen“ durchgeführt werden — wo nicht für alle funda-
mentalen und „urwüchsigen“ Umfangsbeziehungen überhaupt (vergl.
S. 135).


Um diese Untersuchungen vorbereitend zu erleichtern wollen wir
die Benennungen für die urwüchsigen Umfangsbeziehungen zwischen A
und B
, wie sie in der 17. und 18. Vorlesung eingeführt und gebraucht
wurden, beibehalten, denselben aber noch der grösseren Deutlichkeit
zuliebe, das Gebietepaar A, B als Exponenten beisetzen.


Ein Partie von diesen Beziehungen ist in Tafel IV0 des § 36,
S. 120, bereits auf den Typus der Gleichung und Ungleichung redu-
zirt angegeben worden. Für die Zwecke der uns obliegenden Elimi-
nationen empfiehlt es sich aber, die in diesen Darstellungen auftreten-
den Gleichungen als die Boole’schen Bestandteile jener Aussagen
rechterhand auf 1 (anstatt wie dort auf 0) gebracht anzusetzen.
Durch Einbezug auch der negirten Gebiete A1, B1 kam ferner zu
[351]§ 48. Erweiterte Syllogistik.
jenen in Tafel IV0 berücksichtigten Beziehungen noch eine weitere
Partie hinzu, die wir uns ebenso auf Gleichungen und Ungleichungen
reduzirt darzustellen haben werden (was früher als nur implicite ge-
leistet zu erachten).


Aus diesen Gründen müssen wir uns eine neue Zusammenstellung
der etwa in Betracht zu ziehenden einfachen Umfangsbeziehungen an-
legen. Als solche empfiehlt sich die nachfolgende Tafel, die eines
weiteren Kommentars nicht mehr bedürfen wird:


Tafel der fundamentalen Beziehungen zwischen A, B, A1, B1.


Hülfsbeziehungen.


1’. h = hA, B = hA, B1 = mA1, B1 = mA1, B = (A1 = 1)


2’. k = kA, B = kA1, B = nA1, B1 = nA, B1 = (B1 = 1)


3’. m = mA, B = mA, B1 = hA1, B1 = hA1, B = (A = 1)


4’. n = nA, B = nA1, B = kA1, B1 = kA, B1 = (B = 1)


Negation derselben.


11’. h1 = h1A, B = h1A, B1 = m1A1, B1 = m1A1, B = (A ≠ 0)


21’. k1 = k1A, B = k1A1, B = n1A1, B1 = n1A, B1 = (B ≠ 0)


31’. m1 = m1A, B = m1A, B1 = h1A1, B1 = h1A1, B = (A1 ≠ 0)


41’. n1 = n1A, B = n1A1, B = k1A1, B1 = k1A, B1 = (B1 ≠ 0)


Beziehungen, welche nur Grundbeziehungen sind.


5’. d = dA, B = dA1, B1 = (A B + A1B1 = 1)


6’. dA, B1 = dA1, B = (A B1 + A1B = 1)


7’. e = eA, B = fA1, B1 = (A + B1 = 1) (A B1 ≠ 0)


8’. eA, B1 = fA1, B = (A + B = 1) (A B ≠ 0)


9’. fA, B1 = eA1, B = (A1 + B1 = 1) (A1B1 ≠ 0)


10’. f = fA, B = eA1, B1 = (A1 + B = 1) (A1B ≠ 0)


Ihre Verneinungen.


51’. d1 = d1A, B = d1A1, B1 = (A B1 + A1B ≠ 0)


61’. d1A, B1 = d1A1, B = (A B + A1B1 ≠ 0)


71’. e = e1A, B = f1A1, B1 = (A1 + B = 1) + (A1B ≠ 0)


[352]Dreiundzwanzigste Vorlesung.

81’. e1A, B1 = f1A1, B = (A1 + B1 = 1) + (A1B1 ≠ 0)


91’. f1A, B1 = e1A1, B = (A + B = 1) + (A B ≠ 0)


101’. f1 = f1A, B = e1A1, B1 = (A + B1 = 1) + (A B1 ≠ 0).


Beziehungen, welche zugleich Grund-, Elementar- und
primitive Beziehungen sind
(zusammen mit ihren Negationen die
8 Beziehungen De Morgan’s).


11’. a = aA, B = cA, B1 = bA1, B = lA1, B1 = (A1 + B1 = 1)


12’. c = cA, B = aA, B1 = bA1, B1 = lA1, B = (A1 + B = 1)


13’. b = bA, B = aA1, B = cA1, B1 = lA, B1 = (A + B1 = 1)


14’. l = lA, B = aA1, B1 = cA1, B = bA, B1 = (A + B = 1)


Negationen derselben.


111’. a1 = a1A, B = c1A, B1 = b1A1, B = l1A1, B1 = (A B ≠ 0)


121’. c1 = c1A, B = a1A, B1 = b1A1, B1 = l1A1, B = (A B1 ≠ 0)


131’. b1 = b1A, B = a1A1, B = c1A1, B1 = l1A, B1 = (A1B ≠ 0)


141’. l1 = l1A, B = a1A1, B1 = c1A1, B = b1A, B1 = (A1B1 ≠ 0)


(Nicht-primitive, resp.) Die übrigen Beziehungen, welche zu-
gleich Grund- und Elementarbeziehungen sind
.


15’. g = gA, B = (A B ≠ 0) (A B1 ≠ 0) (A1B ≠ 0) = αA, B = α


16’. gA, B1 = (A B ≠ 0) (A B1 ≠ 0) (A1B1 ≠ 0) = αA, B1


17’. gA1, B = (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (A1B1 ≠ 0) = αA1, B


18’. gA1, B1 = (A B1 ≠ 0) (A1B ≠ 0) (A1B1 ≠ 0) = αA1, B1


Verneinungen derselben.


151’. g1 = g1A, B = (A1 + B1 = 1) + (A1 + B = 1) + (A + B1 = 1) = α1A, B = α1


161’. g1A, B1 = (A1 + B1 = 1) + (A1 + B = 1) + (A + B = 1) = α1A, B1


171’. g1A1, B = (A1 + B1 = 1) + (A + B1 = 1) + (A + B = 1) = α1A1, B


181’. g1A1, B1 = (A1 + B = 1) + (A + B1 = 1) + (A + B = 1) = α1A1, B1


Die Beziehungen, welche nur Elementarbeziehungen sind.


19’. β = βA, B = (A + B1 = 1) (A B ≠ 0) (A B1 ≠ 0)


20’. βA, B1 = (A + B = 1) (A B ≠ 0) (A B1 ≠ 0)


[353]§ 48. Erweiterte Syllogistik.

21’. βA1, B = (A1 + B1 = 1) (A1B ≠ 0) (A1B1 ≠ 0)


22’. βA1, B1 = (A1 + B = 1) (A1B ≠ 0) (A1B1 ≠ 0)


23’. γ = γA, B = (A1 + B = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0)


24’. γA, B1 = (A1 + B1 = 1) (A B1 ≠ 0) (A1B1 ≠ 0)


25’. γA1, B = (A + B = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0)


26’. γA1, B1 = (A + B1 = 1) (A B1 ≠ 0) (A1B1 ≠ 0)


27’. δ = δA, B = (A B + A1B1 = 1) (A B ≠ 0)


28’. δA, B1 = (A B1 + A1B = 1) (A B1 ≠ 0)


29’. δA1, B = (A B1 + A1B = 1) (A1B ≠ 0)


30’. δA1, B1 = (A B + A1B1 = 1) (A1B1 ≠ 0)


Verneinungen ebendieser.


191’. β1 = β1A, B = (A1 + B1 = 1) + (A1 + B = 1) + (A1 + B ≠ 0)


201’. β1A, B1 = (A1 + B1 = 1) + (A1 + B = 1) + (A1B1 ≠ 0)


211’. β1A1, B = (A + B1 = 1) + (A + B = 1) + (A B ≠ 0)


221’. β1A1, B1 = (A + B1 = 1) + (A + B = 1) + (A B1 ≠ 0)


231’. γ1 = γ1A, B = (A1 + B1 = 1) + (A B1 ≠ 0)


241’. γ1A, B1 = (A1 + B = 1) + (A + B = 1) + (A B ≠ 0)


251’. γ1A1, B = (A1 + B1 = 1) + (A + B1 = 1) + (A1B1 ≠ 0)


261’. γ1A1, B1 = (A1 + B = 1) + (A + B = 1) + (A1B ≠ 0)


271’. δ1 = δ1A, B = (A1 + B1 = 1) + (A B1 + A1B ≠ 0)


281’. δ1A, B1 = (A1 + B = 1) + (A B + A1B1 ≠ 0)


291’. δ1A1, B = (A + B1 = 1) + (A B + A1B1 ≠ 0)


301’. δ1A1, B1 = (A + B = 1) + (A B1 + A1B ≠ 0).


Hiezu ist hervorzuheben, dass die nach A und B unsymmetrischen
Beziehungen als paarweise auftretende wie folgt auf einander zurück-
kommen:
kA, B = hB, A, nA, B = mB, A, eA, B = fB, A, bA, B = cB, A, βA, B = γB, A
(desgleichen, A und B vertauscht), wogegen:
dB, A = dA, B, aB, A = aA, B, lB, A = lA, B, gB, A = gA, B oder αB, A = αA, B,
δB, A = δA, B

symmetrische Beziehungen sind. Und analog auch deren Negationen.


Schröder, Algebra der Logik. II. 23
[354]Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Eine nach A und B unsymmetrische Beziehung kann indess nach
A und B
1symmetrisch sein.


Ferner mag erinnert werden, dass man, um alle Propositionen
nach A und B „entwickelt“ zu besitzen, nur nötig haben wird, in 1’
bis 41’ die folgenden Symbole durch die ihnen gleichgesetzten zu
ersetzen:
A1 = A1B + A1B1, B1 = A B1 + A1B1, A = A B + A B1, B = A B + A1B,
desgleichen in 7’ bis 10’, 71’ bis 14’, 151’ bis 26’ und 191’ bis 301’ die
folgenden Ausdrücke:
A1 + B1 = A B1 + A1B + A1B1, A1 + B = A B + A1B + A1B1,
A + B1 = A B + A B1 + A1B1, A + B = A B + A B1 + A1B. —


Mit vorstehenden 30 Paaren von Beziehungen, sind diejenigen er-
schöpft, welche man im Hinblick auf ihre unmittelbar intuitive An-
schaulichkeit als die „fundamentalen“ Beziehungen bezeichnen mag.


Die 8 ersten von ihnen: 1’ ‥ 41’ sind freilich nicht als eigentliche Be-
ziehungen (Relationen zwischen A und B) zu bezeichnen, indem sie augenschein-
lich je nur über eines dieser beiden Symbole für sich etwas aussagen oder
eine Information geben. Nach einem Vorgang aus der Lehre von den
höheren algebraischen Kurven und Gleichungen müssten sie, als Beziehungen
aufgefasst, „zerfallende“ genannt, unter diese eingerechnet werden. „Zer-
fallend“ haben wir S. 158 eine Beziehung zwischen A und B genannt,
wenn sie (additiv oder) multiplikativ (oder irgendwie) zerlegbar ist (nach
den Gesetzen des Aussagenkalkuls) in lauter solche Teilaussagen, deren
jede nur von einem dieser beiden Symbole handelt ohne Erwähnung des
andern — Beispiele:
(A = 1) (B ≠ 0), (A = 1) + (B ≠ 0), (A = 1) (B ≠ 0) + (A = 0).
Die oben vorliegenden Hülfsbeziehungen zerfallen nun, wenn man will, in
eine Aussage, die nur das eine der beiden Symbole — z. B. A — betrifft,
von diesem aber wirklich etwas aussagt, und eine Aussage, das andre Symbol
— dann B — betreffend, die über dieses aber vollkommen nichtssagend,
eine leere Aussage ist — wie es z. B. die Angabe, dass 0 · B = 0 ist, sein
würde. Solche Angabe kann man sich zu der andern jederzeit als Faktor
hinzugefügt denken; am besten wird man sie unterdrücken. — Übrigens
können auch die Hülfsbeziehungen formell als solche, als scheinbar wirk-
liche Beziehungen angesetzt werden, indem man z. B. nach oben gegebener
Andeutung „entwickelnd“ schreibt:
h = (A1B + A1B1 = 1), etc.


Die erwähnte Analogie von gewissen Beziehungen mit den zerfallenden
(„degenerate“) Kurven oder reduziblen algebraischen Gleichungen hat bei
einer andern Gelegenheit auch Herr Peirce8 p. 180 bemerkt.


[355]§ 48. Erweiterte Syllogistik.

Unsre 60 Propositionen (unter denen ihre Negationen eingerechnet
sind) erweisen sich als von 14erlei Art, wenn wir zu einerArt“ immer
diejenigen Propositionen zählen, welche durch blosse Vertauschungen
unter den Buchstaben A, B, A1, B1 aufeinander zurückführbar wären.
Und zwar werden die 7 positiven von diesen 14 Arten konstituirt
durch die Systeme der Propositionen:
1’ ‥ 4’, 5’ ‥ 6’, 7’ ‥ 10’, 11’ ‥ 14’, 15’ ‥ 18’, 19’ ‥ 26’, 27’ ‥ 30’,
und analog — den Negationstrich beigesetzt — die 7 negativen.


Als typische Repräsentanten für diese Arten fundamentaler Be
ziehungen können die folgenden Symbole dienen:
h (oder k, m, n); d; (e oder) f; (a oder) c (oder b, l); g resp. α; γ (oder β); δ
nebst ihren Negationen. Auch genügen die hervorgehobenen, wenn
mit geeignetem Gebietepaar als Exponenten versehen, zur Darstellung
aller einschlägigen Beziehungen. Den sechs letzteren entsprechen die
Beziehungszeichen:
=, ⊂, , , , ≗,
wo für das Subsumtionszeichen — bei Bevorzugung von a anstatt c
als Repräsentanten auch zu nehmen gestattet. —


Als „einfache“ Beziehungen im Sinne des § 40, nämlich als aus
den 8 De Morgan’schen 11’ bis 141’ in Gestalt von lediglich multi-
plikativen Kombinationen (oder „monomisch“) zusammengesetzte, sind
von den 75 überhaupt möglichen vorstehend nur die 34 folgenden
vertreten:
1’ ‥ 4’, 5’ ‥ 10’, 11’ ‥ 14’, 111’ ‥ 141’, 15’ ‥ 18’, 19’ ‥ 30’. —


Nunmehr ist es keine Kunst, sich unsre 60 fundamentalen Pro-
positionen wie in den Buchstaben A, B, so auch in denen B, C hin-
zuschreiben.


Kombinirte man jede der 60 Propositionen in A, B mit der ihr
gleichnummerigen und jeder folgenden in B, C multiplikativ zu einer
Simultanaussage — indem man Sorge trägt, je zwei simultane Glei-
chungen in eine einzige solche als Boole’schen Bestandteil des Prä-
missensystems zu vereinigen gemäss dem Schema
(a = 1) (b = 1) = (a b = 1),
dies Produkt a b jeweils nach dem Eliminanden B entwickelnd — so
ergäben sich die = 1830 Prämissen(systeme), welche bei der
23*
[356]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
zuletzt angedeuteten Erweiterung der Syllogistik auf ihre vom „Mittel-
gliede“ B unabhängige Konklusion zu untersuchen wären (durch Ver-
tauschung von B und B1 jedoch noch um nahe die Hälfte vermindert
werden könnten).


Ein reiner Syllogismus läge vor, so oft die Konklusion sich wieder
als eine Fundamentalbeziehung zwischen A und C darstellt.


Kein Schluss wäre zulässig, sooft die Konklusion auf (1 = 1) (1 ≠ 0)
hinausliefe. Und widersprechend, inkompatibel würden die Prämissen
zu nennen sein, falls (0 = 1) oder (0 ≠ 0) als Faktor in der „ganzen“
Konklusion aufträte (wogegen „andernfalles“ blos einzelne Glieder der
letztern zu unterdrücken sein würden).


Die Konklusion ergibt sich allemal zunächst als Resultante aus
dem Rohen
mit der grössten Leichtigkeit und rein mechanisch durch
Elimination von B nach der Regel φ) des § 41 — S. 212.


Diese Resultante aus dem Rohen ist zugleich schon die volle
Resultante und bedarf keiner „Klausel“ mehr zu ihrer Ergänzung, in
allen den Fällen, wo in der Prämisse selbst, resp. in den Gliedern ihrer
vereinigten Aussage, nirgends mehr als eine Ungleichung auf einmal
als Faktor auftritt.


Eine Klausel kann nur erforderlich werden (als Zusatzfaktor zum
entsprechenden Glied der rohen Resultante) da, wo in einem Glied der
Prämissenaussage zwei oder mehrere Ungleichungen in das Produkt
eingehen. Jedoch wie die Untersuchungen des nächsten Paragraphen
darthun, wird eine Klausel in solchem Falle auch dann nicht erforder-
lich, wenn die zusammentretenden Ungleichung-Faktoren den Elimi-
nanden B durchweg in der gleichen Weise enthalten, nämlich ent-
weder nur unnegirt, als B, B, B, ‥ oder nur negirt als B1, B1, ‥


Unerlässlich wird in der Regel eine gewisse Klausel erst da, wo
Ungleichungen, die B als solches enthalten, zusammentreten mit solchen
Ungleichungen, in denen B1 explicite vorkommt.


Wie aus dem Anblick von 15’ bis 18’ erhellt, können bis zu
sechs Ungleichungen in unsern Prämissensystemen zusammentreten,
und sind in Hinsicht der Klausel diejenigen Prämissensysteme am un-
günstigsten gestellt (sofern deren Ermittelung eben nicht leicht er-
scheint), welche Annahmen vom Typus g oder α enthalten.


Obwol die Theorie noch nicht so weit entwickelt ist, um für
eine so grosse Menge von teilweise heterogenen Ungleichungsfaktoren
schon systematisch die Klausel mit Zuverlässigkeit als eine vollstän-
dige aufstellen zu können, gelingt indess ihre Ermittelung doch bei
den vorliegenden Problemen nicht allzuschwer vermittelst des gemeinen
[357]§ 48. Erweiterte Syllogistik.
Verstandes zufolge des günstigen besonderen Umstandes, dass in unsern
Ungleichungen als Koeffizienten von B oder B1 nur A, A1, C, C1 auf-
treten werden, sonach nur zweierlei von einander unabhängig be-
liebige Gebietsymbole in Betracht zu ziehen sind.


Man sieht: welche Fülle von Aufgaben zur Bethätigung des An-
fängers, die einzeln schon nicht ohne Reiz sein werden und in ihrer
Gesamtheit für die Erkenntnisslehre von Belang sein müssen!


Auch dieses Feld von nahe tausend Untersuchungen, welches sich
somit aus der erwähnten Überviertel-Milliarde möglicher hevorhebt,
ist uns hier noch allzu ausgedehnt.


Behufs fernerer Einschränkung desselben wollen wir einerseits die
8 Pseudorelationen oder Hülfsbeziehungen als minderen Interesses bei-
seite lassen, und andrerseits (sofern sie nicht vom Typus a, mithin
zugleich auch Grundbeziehungen sind) die Negationen der Elementar-
beziehungen. Die Verneinungen der Elementarbeziehungen sind selber
keine Elementarbeziehungen, sie bieten also auch nicht das Interesse
von diesen dar.


(Verneinte Grundbeziehungen dagegen, wie Ungleichung und Un-
subsumtion wird man besser den Grundbeziehungen zuzählen.)


Auf diese Weise wird von unsrer Tafel der Anfang 1’ bis 41’ und
das Ende 191’ bis 301’ weggeschnitten; es fallen 28 Propositionen
ausser Betracht und beschränkt sich unser Untersuchungsfeld auf die
32 dazwischenliegenden Propositionen 5’ bis 30’, das ist auf wenig
mehr als die Hälfte von den ursprünglichen 60.


Von den verbleibenden beiden Hauptabteilungen der Grundbe-
ziehungen (mit der Unterabteilung der De Morgan’schen) und der
(unverneinten) Elementarbeziehungen hat es auch wieder mehr Inter-
esse, nur diejenigen jeweils als Prämissen zu kombiniren, die zur
selben Abteilung gehören — damit allfällig zutage trete, welches An-
gesicht die Syllogistik zeigen würde für ein Denken, das sich konse-
quent nur in dem Rahmen dieser einen Sorte von Beziehungen bewegte.
Und somit sind unsre Aufgaben uns auf das klarste vorgezeichnet.


Als die leichteste wollen wir zuerst die
Syllogistik der De Morgan’schen Relationen
erledigen. Hier sind etwa = 36 Prämissenpaare durchzugehen,
die wir durch multiplikatives Nebeneinanderstellen ihrer Nummern an-
deuten. Die erste Aussage aber ist allemal in A, B, die zweite in
B, C angesetzt zu denken, was wir der Druckersparniss wegen nicht
ausdrücklich markiren. Die Konklusion folgt hinter dem freien Sub-
sumtionszeichen.


[358]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
  • 11’ · 11’ = (A1 + B1 = 1) (B1 + C1 = 1) = (A1C1B + B1 = 1) (1 = 1) = 1߭.
  • 11’ · 12’ = (A1 + B1 = 1) (B1 + C = 1) = (A1C B + B1 = 1) (1 = 1) = 1߭.
  • 11’ · 13’ = (A1 + B1 = 1) (B + C1 = 1) = (A1B + C1B1 = 1) (A1 + C1 = 1) = aA, C,

Camestres, Calemes, desgleichen in C, A angesetzt: Celarent und
Cesare.


  • 11’ · 14’ = (A1 + B1 = 1) (B + C = 1) = (A1B + C B1 = 1) (A1 + C = 1) = cA, C.
  • 11’ · 111’ = (A1 + B1 = 1) (B C ≠ 0) = (A1B + B1 = 1) (C B ≠ 0)
    (C A1 ≠ 0) = b1A, C,

in C, A angesetzt: Ferio, Festino, Ferison, Fresison.


  • 11’ · 121’ = (A1 + B1 = 1) (B C1 ≠ 0) = (A1B + B1 = 1) (C1B ≠ 0)
    (C1A1 ≠ 0) = l1A, C.
  • 11’ · 131’ = (A1 + B1 = 1) (B1C ≠ 0) = (A1B + B1 = 1) (C B1 ≠ 0) (C ≠ 0).
  • 11’ · 141’ = (A1 + B1 = 1) (B1C1 ≠ 0) = (A1B + B1 = 1) (C1B1 ≠ 0) (C1 ≠ 0).
  • 12’ · 12’ = (A1 + B = 1) (B1 + C = 1) = (C B + A1B1 = 1) (C + A1 = 1) = cA, C,

Barbara.


  • 12’ · 13’ = (A1 + B = 1) (B + C1 = 1) = (B + A1C1B1 = 1) (1 = 1) = 1߭.
  • 12’ · 14’ = (A1 + B = 1) (B + C = 1) = (B + A1C B1 = 1) (1 = 1) = 1߭.
  • 12’ · 111’ = (A1 + B = 1) (B C ≠ 0) = (B + A1B1 = 1) (C B ≠ 0) (C ≠ 0).
  • 12’ · 121’ = (A1 + B = 1) (B C1 ≠ 0) = (B + A1B1 = 1) (C1B ≠ 0) (C1 ≠ 0).
  • 12’ · 131’ = (A1 + B = 1) (B1C ≠ 0) = (B + A1B1 = 1) (C B1 ≠ 0)
    (C A1 ≠ 0) = b1A, C,

in C, A angesetzt: Baroco.


  • 12’ · 141’ = (A1 + B = 1) (B1C1 ≠ 0) = (B + A1B1 = 1) (C1B1 ≠ 0)
    (C1A1 ≠ 0) = l1A, C.
  • 13’ · 13’ = (A + B1 = 1) (B + C1 = 1) = (A B + C1B1 = 1) (A + C1 = 1) = bA, C,

in C, A: Barbara.


  • 13’ · 14’ = (A + B1 = 1) (B + C = 1) = (A B + C B1 = 1) (A + C = 1) = lA, C.
  • 13’ · 111’ = (A + B1 = 1) (B C ≠ 0) = (A B + B1 = 1) (C B ≠ 0)
    (C A ≠ 0) = a1A, C,

Disamis, Dimatis, desgleichen in C, A: Darii und Datisi.


[359]§ 48. Erweiterte Syllogistik.
  • 13’ · 121’ = (A + B1 = 1) (B C1 ≠ 0) = (A B + B1 = 1) (C1B ≠ 0)
    (C1A ≠ 0) = c1A, C,

Bocardo.


  • 13’ · 131’ = (A + B1 = 1) (B1C ≠ 0) = (A B + B1 = 1) (C B1 ≠ 0) (C ≠ 0).
  • 13’ · 141’ = (A + B1 = 1) (B1C1 ≠ 0) = (A B + B1 = 1) (C1B1 ≠ 0) (C1 ≠ 0).
  • 14’ · 14’ = (A + B = 1) (B + C = 1) = (B + A C B1 = 1) (1 = 1) = 1߭.
  • 14’ · 111’ = (A + B = 1) (B C ≠ 0) = (B + A B1 = 1) (C B ≠ 0) (C ≠ 0).
  • 14’ · 121’ = (A + B = 1) (B C1 ≠ 0) = (B + A B1 = 1) (C1B ≠ 0) (C1 ≠ 0).
  • 14’ · 131’ = (A + B = 1) (B1C ≠ 0) = (B + A B1 = 1) (C B1 ≠ 0)
    (C A ≠ 0) = a1A, C.
  • 14’ · 141’ = (A + B = 1) (B1C1 ≠ 0) = (B + A B1 = 1) (C1B1 ≠ 0)
    (C1A ≠ 0) = c1A, C.
  • 111’ · 111’ = (A B ≠ 0) (C B ≠ 0) (A ≠ 0) (C ≠ 0).
  • 111’ · 121’ = (A B ≠ 0) (C1B ≠ 0) (A ≠ 0) (C1 ≠ 0).
  • 111’ · 131’ = (A B ≠ 0) (C B1 ≠ 0) (A ≠ 0) (C ≠ 0) ϰ,

wo ϰ fordert, dass A und C nicht dasselbe Individuum sein dürfen.


  • 111’ · 141’ = (A B ≠ 0) (C1B1 ≠ 0) (A ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ

wo ϰ verlangt, dass A und C1 nicht das nämliche Individuum seien.


  • 121’ · 121’ = (A B1 ≠ 0) (C1B ≠ 0) (A ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ

wo ϰ desgleichen.


  • 121’ · 131’ = (A B1 ≠ 0) (C B1 ≠ 0) (A ≠ 0) (C ≠ 0).
  • 121’ · 141’ = (A B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0) (A ≠ 0) (C1 ≠ 0).
  • 131’ · 131’ = (A1B ≠ 0) (C B1 ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) ϰ,

wo ϰ verlangt, dass A1 und C nicht einerlei Individuum seien.


  • 131’ · 141’ = (A1B ≠ 0) (C1B1 ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ

wo kraft ϰ jetzt A1 und C1 nicht einunddasselbe Individuum sein dürfen.


  • 141’ · 141’ = (A1B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C1 ≠ 0). —

Das ganze Tableau ist nicht symmetrisch in Bezug auf A und C,
auch nicht in Bezug auf die Konklusionen von einerlei Typus; es
kommt z. B. cA, C einmal öfter als Konklusion vor, als die übrigen Rela-
tionen vom gleichen Typus. Die mangelnden Symmetrieen würde das
[360]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
Tableau obiger 36 Schlüsse aber erlangen, wenn man ihm noch die-
jenigen hinzufügte, welche sich durch Vertauschung von A und C in
den nicht ohnehin bezüglich beider symmetrischen der angegebenen
Schemata ergeben. Das so ergänzte Tableau von 8 × 8 = 64 Schluss-
folgerungen würde die „erweiterte Syllogistik“ im engeren Sinne re-
präsentiren.


In der That enthalten aber auch schon die angegebenen 36 Sche-
mata alle 15 gültigen Modi der verbalen Logik wenigstens der Art
nach unter sich — wir haben sie durch Beifügung ihrer Namen aus
§ 43 kenntlich gemacht — und ausserdem enthalten sie noch mehr.


Sie enthalten zunächst auch solche vollgültige Syllogismen, in
welche als Prämisse eingeht oder wo als Konklusion resultirt eine Aus-
sage von der Form 14’ oder 141’ der l oder l1-Sorte.


Dergleichen Urteile, wie A + B = 1 oder, was dasselbe sagt:
A1B1 = 0, und ferner A1B1 ≠ 0, konnte die Wortsprache nicht in Be-
rücksichtigung ziehen, da sie in Gestalt der Aussagen:
„Alle Nicht-A sind B“ oder „Kein Nicht-A ist nicht B
resp. „Einige Nicht-A sind nicht B“ (oder auch A und B vertauscht)
sich ja genötigt gesehen hätte, die Verneinung auch beim Subjekte
zuzulassen. Und auf der andern Seite passten doch die korrekten
Formen der Aussage:
„Alles ist A oder B“ oder „Nichts ist weder A noch B
resp. „Etwas (Einiges) ist weder A noch B“, „Es gibt Dinge, die
weder A noch B sind“ nicht in den Rahmen der gebräuchlichen Urteils-
schablone.


Nur die bis jetzt angeführten Schlüsse, wo die Konklusion auf
eines der Symbole a, c, b, l (oder Negation davon) hinausläuft, sind
hier als reine Syllogismen zu bezeichnen, in Anbetracht, dass nur in
ihnen auch die Konklusion wieder eine De Morgan’sche Relation
zwischen A und C ist.


Im ganzen kommen sechserlei Arten von Schlüssen und ebensoviele
Formen der Konklusion vor, falls wir den Fall des nichtssagenden
Schlusses, wo eigentlich gar kein Schluss sich ziehen lässt, mitein-
rechnen. Bei diesen ist die Konklusion von einer der folgenden Formen:
1 = 1, C ≠ 0, A + C = 1, A C ≠ 0, (A ≠ 0) (C ≠ 0) und (A ≠ 0) (C ≠ 0) ϰ,
oder auch irgendwelches Gebietsymbol durch seine Negation ersetzt.


Die erste Art beiseite zu lassen ist man berechtigt. Im übrigen
berücksichtigt die verbale Logik nur Schlüsse der dritten und vierten
Art, diese aber wie wir gesehen haben nicht vollzählig, die von ihr
[361]§ 48. Erweiterte Syllogistik.
berücksichtigten dafür meistens in umschreibenden Wiederholungen
aufführend.


Überraschen wird es, dass nur bei so wenig Prämissenkombina-
tionen kein Schluss zulässig ist — von unsern 36 Fällen nur in fünfen.
Dass für die andern Fälle Schlüsse ziehbar und wie sie beschaffen
sind, hat die verbale Logik übersehen, was ihr wenigstens so weit zur
Last fällt, als sich deren Prämissen noch schablonenmässig in Worte
fassen liessen.


Beispielsweise (bei 121’ · 121’) aus den Prämissen:
„Einige A sind nicht B“ und „einige B sind nicht C
folgt keineswegs nichts — ohne Rücksicht auf B; vielmehr lässt in
Bezug auf A und C sich vollgültig schliessen:


Erstens: es gibt A; zweitens: es gibt Dinge die nicht C sind;
drittens: alles, was A ist und alles was nicht C ist kann unmöglich
blos aus einem und demselben Individuum bestehen.


Reichlich wird durch unrsre Ergebnisse illustrirt und exemplifizirt,
dass die beiden Regeln der traditionellen Logik:
Ex mere particularibus nil sequitur“, sowie
Ex mere negativis nil sequitur“ —

vergl. z. B. Ueberweg1, Inhaltsverzeichniss — vor dem Richterstuhl
der exakten Logik für falsch zu erklären sind!


Vorstehend hatten wir vollberechtigte Konklusionen sogar aus
Prämissen, die beides: partikular und verneinend zugleich sind! Und
wie unsre dritte Konklusion zeigt, lässt sich die traditionell behauptete
Regel, dass aus solchen Prämissen nichts folge, selbst dann nicht
aufrecht erhalten, wenn man mit Voigt1 p. 32 dieselbe dahin auslegt:
dass die Konklusion aus dergleichen Prämissen nicht mehr besage, als
was schon direkt aus den einzelnen Urteilen zu entnehmen ist. Stimmt
dies auch in der That hier für die beiden ersten von unsern Kon-
klusionen, so stimmt es doch augenscheinlich nicht für die dritte, wird
es bei einer „Klausel“ doch niemals zutreffen!


Man möge Konklusionen von der Form eines bejahenden oder vernei-
nenden Existenzialurteils, wie sie hier mit in Berücksichtigung gezogen
werden, doch ja nicht geringschätzen! Eine Aussage, wie C ≠ 0 (d. h. es
gibt Dinge, die C sind, es gibt C) scheint allerdings auf den ersten Blick
herzlich wenig Information über die Klasse der C in sich zu bergen.


Jedoch wenn wir uns C zum Beispiel als Produkt zweier andern Klassen
D und E gegeben denken, wenn wir einmal C = D E annehmen, so wird
jene Aussage in Gestalt von D E ≠ 0 auf das partikular bejahende Urteil
hinauskommen: „einige D sind E“, wogegen ihre Verneinung: C = 0, als
DE1 in Worte gefasst, das universal verneinende Urteil gäbe: kein D
ist E. Um die Geltung oder Nichtgeltung derartiger Urteile dreht sich ja
[362]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
aber fast die gesamte formale Logik, und was in dieser Disziplin für Pro-
dukte D E vom höchsten Belang erscheint, das muss auch für die ursprüng-
lichen Klassen A oder C (die in jedem Anwendungsfalle solche Produkte
werden, in Form derselben auftreten könnten) als wichtig anerkannt werden.
Es hiesse in der That die ganze formale Logik und alle ihre Schlüsse
gering achten, wollte man solcher Relation keine Bedeutung beimessen!


Endlich aber müssen wir auch um seiner selbst willen lernen, die
Schlüsse, die sich ziehen lassen, in jedem denkbaren Falle vollständig zu
ziehen, ganz unbekümmert um den mutmasslichen Wert oder Unwert dieser
Schlüsse — dessen Mutmassung doch a priori jedes verlässlichen Anhaltes
ohnehin entbehren dürfte.


„Abgeschwächte Formen“ des Schlusses können nur in den zehn
letzten Fällen des Tableau’s gebildet werden. Sie würden entstehen,
wenn man von den zwei oder drei Aussagenfaktoren der Konklusion
einen oder zweie unterdrückte — so beispielsweise beim Fortlassen
der Klausel ϰ. Es kann füglich unsre „Resultante aus dem Rohen“
da, wo sie nicht auch die volle ist, schon eine abgeschwächte Form
der vollen Konklusion genannt werden; desgleichen ist Herrn Mit-
chell’
s Resultante als eine sehr stark abgeschwächte Konklusion zu
bezeichnen. —


Unverträgliche Prämissen kommen in vorstehender Syllogistik der
De Morgan’schen Urteilsformen nicht vor.


Um nun auch die Gergonne’sche Idee zu prüfen, haben wir die
4 × 5 = 20 Elementarbeziehungen:
11’ ‥ 14’, 15’ ‥ 18’, 19’ ‥ 30’
in ähnlicher Weise unter sich zu kombiniren, was für die ersten vier
derselben bereits im obigen Tableau geschehen ist. Wir werden davon
die Ergebnisse ( = 10 an der Zahl) gelegentlich zu wiederholen
haben. Im Ganzen sind = 210 Kombinationen durchzugehen.


Um deren Konklusionen mit möglichster Druckersparniss anzugeben,
empfiehlt es sich, nach diesen zu ordnen. Es treten solche von 24
verschiedenen Formen auf, welche also nicht durch blosse Buchstaben-
vertauschung, wie z. B. Verwandlung eines Klassensymbols in seine
Negation, sich auf einander zurückführen lassen. Für jede Sorte
wollen wir am Schlusse im Kontext ein Paradigma vorrechnen.


Behufs konzisester Darstellung der Konklusionen führen wir für
die bei ihnen auftretenden Klauseln folgende Abkürzungen ein. Es
bedeute:


[363]§ 48. Erweiterte Syllogistik.
  • ϰ die Forderung, dass C nicht singulär, nicht ein Individuum sei
  • ϰ' „ „ „ C1 „ „ „ „ „ „
  • λ „ „ „ A „ „ „ „ „ „
  • λ' „ „ „ A1 „ „ „ „ „ „
  • μ „ „ „ A und C nicht einunddasselbe Individuum seien
  • ν „ „ „ AC1 „ „ „ „
  • ϱ „ „ „ A1C „ „ „ „
  • σ „ „ „ A1C1 „ „ „ „

Alsdann wird zu beachten sein, dass
ϰ μ = ϰ, ϰ ϱ = ϰ, λ μ = λ, λ ν = λ, ϰ' ν = ϰ', ϰ' σ = ϰ', λ' ϱ = λ', λ' σ = λ'.
Denn wenn z. B. C nicht ein Individuum sein darf, so versteht sich
ohnehin, dass C und A, sowie dass C und A1 nicht einunddasselbe
Individuum werden sein dürfen; etc.


Darnach gewinnt nun die
Syllogistik der Gergonne’schen Elementarbeziehungen
das folgende Ansehen.


Unzulässig, inkonsistent, einander widersprechend sind die Prä-
missen in gar keinem Falle. Niemals also wird als Konklusion die
Nullaussage, 0, hinzustellen sein.


Kein Schluss ist zulässig, m. a. W. die Konklusion 1߭ resultirt
nur in folgenden 5 Fällen, welche sich schon in der Syllogistik der
De Morgan’schen Relationen aufgezählt fanden:
11’ · 11’, 11’ · 12’, 12’ · 13’, 12’ · 14’, 14’ · 14’.


In allen andern 205 Fällen lässt ein gültiger Schluss sich ziehen.


Dieser Schluss ist selbst wieder (als zwischen A und C bestehend)
eine Gergonne’sche Elementarbeziehung und liegt mithin ein reiner
Syllogismus in dieser Syllogistik vor bei 60 Fällen, welche, da β und
γ vom selben Typus sind, von viererlei Form erscheinen. Es resultirt
nämlich die Konklusion:


  • (A1 + C1 = 1) = aA, C aus 11’ · 13’; (A1 + C = 1) = aA, C1 aus 11’ · 14’ und 12’ · 12’;
  • (A + C1 = 1) = aA1, C aus 13’ · 13’; (A + C = 1) = aA1, C1 aus 13’ · 14’;
  • (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) = αA, C aus 15’ · 27’, 16’ · 29’;
  • (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) = αA, C1 aus 15’ · 28’, 16’ · 30’;
  • (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) = αA1, C aus 17’ · 27’, 18’ · 29’;
  • (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) = αA1, C1 aus 17’ · 28’, 18’ · 30’;

[364]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
  • (A + C1 = 1) (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) = βA, C aus
    13’ · 19’, 14’ · 21’, 19’ · 19’, 19’ · 27’, 19’ · 30’, 20’ · 21’, 20’ · 28’, 20’ · 29’;
  • (A + C = 1) (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) = βA, C1 aus
    13’ · 20’, 14’ · 22’, 19’ · 20’, 19’ · 28’, 19’ · 29’, 20’ · 22’, 20’ · 27’, 20’ · 30’;
  • (A1 + C1 = 1) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) = βA1, C aus
    11’ · 19’, 12’ · 21’, 21’ · 27’, 21’ · 30’, 22’ · 28’, 22’ · 29’;
  • (A1 + C = 1) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) = βA1, C1 aus
    11’ · 20’, 12’ · 22’, 21’ · 28’, 21’ · 29’, 22’ · 22’, 22’ · 27’, 22’ · 30’;
  • (A1 + C = 1) (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) = γA, C aus 23’ · 27’, 24’ · 29’, 23’ · 23’, 24’ · 25’;
  • (A1 + C1 = 1) (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) = γA, C1 aus 23’ · 28’, 24’ · 30’, 23’ · 24’, 24’ · 26’;
  • (A + C = 1) (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) = γA1, C aus 25’ · 27’, 26’ · 29’;
  • (A + C1 = 1) (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) = γA1, C1 aus 25’ · 28’, 26’ · 30’, 26’ · 26’;
  • (A C + A1C1 = 1) (A C ≠ 0) = δA, C aus 27’ · 27’, 28’ · 29’;
  • (A C1 + A1C = 1) (A C1 ≠ 0) = δA, C1 aus 27’ · 28’, 28’ · 30’;
  • (A C + A1C1 = 1) (A1C1 ≠ 0) = δA1, C1 aus 30’ · 30’.

Bei den 145 übrigen Kombinationen haben wir folgende Schlüsse.


Die (wenig sagende) Konklusion
(C ≠ 0) (C1 ≠ 0)
folgt aus:
11’ · 21’, 11’ · 22’, 12’ · 19’, 12’ · 20’, 13’ · 21’, 13’ · 22’, 14’ · 20’.


Nennen wir den mehrfach auftretenden Bestandteil einer Kon-
klusion:
(A ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) (C1 ≠ 0)
für den Augenblick zur Abkürzung: P, so fliesst die Konklusion:

P ϰ λ aus 15’ · 15’, 16 · 17’;P ϰ' λ aus 15’ · 16’, 16’ · 18’;
P ϰ' λ' aus 18’ · 18’;
P ϰ λ σ aus 15’ · 17’;P ϰ λ' ν aus 17’ · 17’;
P ϰ' λ ϱ aus 15’ · 18’, 16’ · 16’;P ϰ' λ' μ aus 17’ · 18’.

Ferner fliesst die Konklusion


  • (A C1 ≠ 0) (C ≠ 0) aus 14’ · 19’; (A1C ≠ 0) (C1 ≠ 0) aus 11’ · 17’;
  • (A1C1 ≠ 0) (C ≠ 0) aus 11’ · 18’;
  • (A C ≠ 0) ϰ aus 14’ · 25’, 13’ · 23’; (A C1 ≠ 0) ϰ' aus 14’ · 26’, 13’ · 24’;

[365]§ 48. Erweiterte Syllogistik.
  • (A1C ≠ 0) ϰ aus 11’ · 23’, 12’ · 25’; (A1C1 ≠ 0) ϰ' aus 11’ · 24’, 12’ · 26’;
  • (A C ≠ 0) ϰ λ aus 19’ · 23’, 20’ · 25’; (A C1 ≠ 0) ϰ' λ aus 19’ · 24’, 20’ · 26’;
  • (A1C ≠ 0) ϰ λ' aus 21’ · 23’, 22’ · 25’; (A1C1 ≠ 0) ϰ' λ' aus 21’ · 24’, 22’ · 26’;
  • (A C ≠ 0) (A1 ≠ 0) ϰ aus 25’ · 25’; (A C ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ aus 13’ · 17’, 14’ · 15’;
  • (A C ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ aus 19’ · 22’, 20’ · 20’;
  • (A C1 ≠ 0) (A1 ≠ 0) ϰ' aus 25’ · 26’; (A C1 ≠ 0) (C ≠ 0) ϰ' aus 13’ · 18’, 14’ · 16’;
  • (A C1 ≠ 0) (C ≠ 0) λ aus 19’ · 21’;
  • (A1C ≠ 0) (A ≠ 0) ϰ aus 23’ · 25’; (A1C ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ aus 12’ · 15’;
  • (A1C ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ' aus 21’ · 22’;
  • (A1C1 ≠ 0) (A ≠ 0) ϰ' aus 23’ · 26’, 24’ · 24’; (A1C1 ≠ 0) (C ≠ 0) ϰ aus 12’ · 16’;
  • (A1C1 ≠ 0) (C ≠ 0) λ' aus 21’ · 21’;
  • (A C ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ aus 15’ · 20’, 16’ · 22’;
  • (A C1 ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) λ aus 15’ · 19’, 16’ · 21’;
  • (A1C ≠ 0) (A ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ' aus 17’ · 20’, 18’ · 22’;
  • (A1C1 ≠ 0) (A ≠ 0) (C ≠ 0) λ' aus 17’ · 19’, 18’ · 21’;
  • (A C ≠ 0) (A1 ≠ 0) ϰ λ aus 15’ · 25’, 16’ · 23’;
  • (A C1 ≠ 0) (A1 ≠ 0) ϰ' λ aus 15’ · 26’, 16’ · 24’;
  • (A1C ≠ 0) (A ≠ 0) ϰ λ' aus 17’ · 25’, 18’ · 23’;
  • (A1C1 ≠ 0) (A ≠ 0) ϰ' λ' aus 17’ · 26’, 18’ · 24’;
  • (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) ϰ aus 13’ · 15’, 14’ · 17’;
    (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) λ aus 15’ · 23’, 16’ · 25’;
  • (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) ϰ' aus 13’ · 16’, 14’ · 18’;
    (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) λ' aus 17’ · 23’, 18’ · 25’;
  • (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ϰ aus 11’ · 15’, 12’ · 17’;
    (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) λ aus 15’ · 24’, 16’ · 26’;
  • (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ϰ' aus 11’ · 16’, 12’ · 18’;
    (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) λ' aus 17’ · 24’, 18’ · 26’;
  • (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ σ aus 15’ · 22’, 16’ · 20’;
  • (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ' ν „ 17’ · 22’, 18’ · 20’;
  • (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) (C ≠ 0) λ ϱ „ 15’ · 21’, 16’ · 19’;
  • (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) (C ≠ 0) λ' μ „ 17’ · 21’, 18’ · 19’;

[366]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
  • (A1 + C1 = 1) (C1 ≠ 0) aus 11’ · 30’, 12’ · 28’;
  • (A1 + C = 1) (C ≠ 0) „ 11’ · 29’, 12’ · 27’;
  • (A + C1 = 1) (C1 ≠ 0) „ 13’ · 30’, 14’ · 28’;
  • (A + C = 1) (C ≠ 0) „ 13’ · 29’, 14’ · 27’;
  • (A1 + C1 = 1) (A1C ≠ 0) aus 11’ · 27’, 12’ · 29’;
  • (A1 + C = 1) (A1C1 ≠ 0) „ 11’ · 28’, 12’ · 30’;
  • (A + C1 = 1) (A C ≠ 0) „ 13’ · 27’, 14’ · 29’;
  • (A + C = 1) (A C1 ≠ 0) „ 13’ · 28’, 14’ · 30’;
  • (A1 + C1 = 1) (A1C1 ≠ 0) ϰ' aus 11’ · 26’, 12’ · 24’;
  • (A1 + C = 1) (A1C ≠ 0) ϰ „ 11’ · 25’, 12’ · 23’;
  • (A + C1 = 1) (A C1 ≠ 0) ϰ' „ 13’ · 26’, 14’ · 24’;
  • (A + C = 1) (A C ≠ 0) ϰ „ 13’ · 25’, 14’ · 23’;
  • (A1 + C1 = 1) (A1C1 ≠ 0) ϰ' λ' aus 21’ · 26’, 22’ · 24’;
  • (A1 + C = 1) (A1C ≠ 0) ϰ λ' „ 21’ · 25’, 22’ · 23’;
  • (A + C1 = 1) (A C1 ≠ 0) ϰ' λ „ 19’ · 26’, 20’ · 24’;
  • (A + C = 1) (A C ≠ 0) ϰ λ „ 19’ · 25’, 20’ · 23’;
  • (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) σ = αA, Cσ aus 15’ · 30’, 16’ · 28’;
  • (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ϱ = αA, C1ϱ „ 15’ · 29’, 16’ · 27’;
  • (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ν = αA1, Cν „ 17’ · 30’, 18’ · 28’;
  • (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) μ = αA1, C1μ „ 17’ · 29’, 18’ · 27’;
  • (A1 + C1 = 1) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) μ ϱ = aA, CαA1, C1μ aus
    23’ · 29’, 24’ · 27’;
  • (A1 + C = 1) (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ν σ = aA, C1αA1, Cν aus
    23’ · 30’, 24’ · 28’;
  • (A + C1 = 1) (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) μ ϱ = aA1, CαA, C1ϱ aus
    25’ · 29’, 26’ · 27’;
  • (A + C = 1) (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) ν σ = aA1, C1αA, Cσ aus
    25’ · 30’, 26’ · 28’;
  • (A C + A1C1 = 1) (A C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ν = δA, CδA1, C1ν aus 27’ · 30’, 28’ · 28’;
  • (A C + A1C1 ≠ 1) (A C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ϱ = δA, CδA1, C1ϱ „ 29’ · 29’;

[367]§ 48. Erweiterte Syllogistik.
  • (A C1 + A1C = 1) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) μ = δA, C1δA1, Cμ aus 27’ · 29’;
  • (A C1 + A1C = 1) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) σ = δA, C1δA1, Cσ „ 29’ · 30’.

Die letztern dreizehn sind gewissermassen überreiche Schlüsse, so-
fern bei ihnen noch mehr als eine Gergonne’sche Elementarbeziehung
zu folgern ist.


Paradigmata.
15’ · 27’ = (C B + C1B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B ≠ 0) (A B1 ≠ 0)
(A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) λ = (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) = αA, C;
der Boole’sche Faktor der Konklusion wird hier:
(C + C1 = 1) = (1 = 1) = 1߭
und ist also zu unterdrücken; ferner ist der nach dem Eliminationsschema
sich ergebende Faktor C C ≠ 0 oder C ≠ 0 in der Konklusion zu unter-
drücken, da er durch den ausserdem auftretenden Faktor A C ≠ 0 derselben
überflüssig gemacht wird. Nach bekannten Sätzen haben wir nämlich:
(A C ≠ 0) (C ≠ 0), sonach (A C ≠ 0) (C ≠ 0) = (A C ≠ 0)
— eine Überlegung, wie sie ungemein häufig zur Vereinfachung der nach
dem Schema sich ergebenden Konklusionen anzubringen ist.


Die Klausel ergibt sich im vorliegenden Falle, indem man in den
Ungleichungsfaktoren des Prämissensystems den Koeffizienten A von B1
zusammenhält mit einem jeden der Koeffizienten A, A1 und C von B, und
statuirt, ausspricht, dass er mit diesem nicht in ein Individuum zusammen-
fallen dürfe. Da nun A mit A nicht zu einem solchen zusammenfallen,
d. h. A nicht selbst eine singuläre Klasse, ein Individuum vorstellend, sein
darf, so erscheint es überflüssig, noch ausdrücklich zu fordern, dass auch
A mit C nicht zu einem Individuum zusammenfallen dürfe, weil dies doch
nur möglich würde, wenn A selbst ein solches wäre. Mit seiner Negation
A1 aber kann A ohnehin nie etwas gemein haben. Die ganze Klausel re-
duzirt also hier sich zu λ.


Die Anmerkung dieses Faktors bei der Konklusion wird indess hier
schliesslich überflüssig, weil die zwei ersten Faktoren derselben:
(A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0)
denselben ohnehin (als „Klausel“ bei der Elimination von C) bedingen.


Überlegungen nach Art der vorstehend ausführlich dargelegten spielen
ungemein häufig mit, wenn die Resultante oder Konklusion auf ihre ein-
fachste Ausdrucksform gebracht wird. —


  • 13’ · 19’ = (A B + C1B1 = 1) (C B ≠ 0) (C1B ≠ 0)
    (A + C1 = 1) (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) = βA, C. —
  • 27’ · 27’ = (A C B + A1C1B1 = 1) (A B ≠ 0) (C B ≠ 0)
    (A C + A1C1 = 1) (A C ≠ 0) = δA, C. —

[368]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
  • 11’ · 21’ = (A1C1B + B1 = 1) (C B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0) (C ≠ 0) (C1 ≠ 0). —
  • 15’ · 15’ = (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B ≠ 0) (C1B ≠ 0) · (A B1 ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (A ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ λ = P ϰ λ,

wo die Klausel jedenfalls fordert, dass weder A noch C (das sind die
beiden Koeffizienten von B1) in ein Individuum zusammenfallen dürfe mit
A, A1, C oder C1 (nämlich mit irgend einem der vier Koeffizienten von B).
Für A und A1 sowie für C und C1 versteht sich dies ohnehin; für A und
C aber sowie für A und C1 wird es von selbst der Fall sein, wenn es
für A und A der Fall ist, d. h. unter der Bedingung λ; ebenso für C
und A, sowie C und A1, wenn es für C und C der Fall ist, d. h. unter
der Bedingung ϰ.


Was aber die Frage nach der Vollständigkeit der angegebnen Klausel,
resp. Konklusion hier betrifft, so behalten wir uns für den vorstehenden
und den nächstfolgenden Typus des Schliessens noch eine Bemerkung vor.


  • 15’ · 17’ = (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B ≠ 0) · (A B1 ≠ 0) (C B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0)
    (A ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ λ σ = P ϰ λ σ

wo die Klausel jedenfalls fordern wird, dass von den drei Klassen A, C, C1,
welche als Koeffizienten von B1 auftreten, keine in ein Individuum sich
zusammenziehe mit einer von den drei Klassen A, A1 und C, welche als
Koeffizienten von B in der Prämisse erscheinen. Dies ist der Fall, wenn
A nicht singulär und C nicht singulär ist, ausserdem aber auch A1 und C1
nicht in ein Individuum zusammenfallen, d. h. unter den Bedingungen λ,
ϰ und σ.


Die zehn Schlüsse des vorstehenden und des vorhergehenden Typus,
welche die Prämissen 15’ ‥ 18’ unter sich kombiniren, sind diejenigen, bei
welchen die Frage nach der Vollständigkeit der Resultante oder Konklusion
am schwierigsten zu erledigen ist, sintemal bei denselben (und nur bei
ihnen) sechs Ungleichungen als Faktoren im Prämissensysteme auftreten —
die sich, je nachdem sie B oder B1 enthalten, jeweils in zwei Gruppen
von entweder 4 und 2, oder aber von 3 und 3 Faktoren sondern.


Diese Schlüsse sind die einzigen der uns beschäftigenden Syllogistik,
bei welchen wir jene Frage nach der Vollständigkeit unsrer Konklusion
noch offen lassen wollen, weil ihre völlige Erledigung uns nötigen würde,
auf die verschiedenen Möglichkeiten spezieller Individuenverteilung zwischen
die Klassen A und C (sowie B) einzugehen, und auch die Anforderungen
zu statuiren, welche das Prämissensystem an die ganze Mannigfaltigkeit 1
stellt, aus der diese Klassen nebst ihren Negationen hervorgehoben sein
sollen — von welcher letztern sich erweist, dass sie eine gewisse Minimal-
zahl von Individuen mindestens enthalten müsse.


Vielleicht regen diese Bemerkungen einen Studirenden zu noch ein-
gehenderen Forschungen über den Gegenstand an.


  • 14’ · 19’ = (B + A C1B1 = 1) (C B ≠ 0) (C1B ≠ 0) (C ≠ 0) (A C1 ≠ 0). —
  • 14’ · 25’ = (B + A C B1 = 1) (C B ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (C ≠ 0) (A C ≠ 0) ϰ = (A C ≠ 0) ϰ. —

[369]§ 48. Erweiterte_Syllogistik.
  • 19’ · 23’ = (A C B + B1 = 1) (A B ≠ 0) (C B ≠ 0) (A B1 ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (A C ≠ 0) (A ≠ 0) (C ≠ 0) λ ϰ = (A C ≠ 0) ϰ λ. —
  • 25’ · 25’ = (B + A C B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (A ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) (A C ≠ 0) ϰ = (A C ≠ 0) (A1) ≠ 0) ϰ. —
  • 13’ · 17’ = (A B + (B1 = 1) (C B ≠ 0) (C B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0)
    (A C ≠ 0) (C ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ = (A C ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ. —
  • 15’ · 20’ = (B + C B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B ≠ 0) (C1B ≠ 0) (A B1 ≠ 0)
    (A ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) (C1 ≠ 0) (A C ≠ 0) λ =
    = (A C ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ. —
  • 15’ · 25’ = (B + C B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B ≠ 0) · (A B1 ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (A ≠ 0) (A1 ≠ 0) (C ≠ 0) (A C ≠ 0) ϰ λ = (A C ≠ 0) (A1 ≠ 0) ϰ λ;

auch hier ist die Vollständigkeit der Konklusion nicht ganz leicht zu er-
weisen. Sie würde jedoch sich erweisen lassen, indem man die Möglich-
keiten, wie die Klassen A, A1, C mit wenig Individuen (den Bedingungen
der Konklusion entsprechend) besetzt werden können, systematisch durch-
ginge und zeigte, dass und wie jedesmal ein den Forderungen der Prä-
missen genügendes B sich konstruiren lässt. —


  • 13’ η 15’ = (A B + B1 = 1) (C B ≠ 0) (C1B ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (C ≠ 0) ϰ = (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) ϰ. —
  • 15’ · 23’ = (C B + B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B ≠ 0) · (A B1 ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (C ≠ 0) (A ≠ 0) ϰ λ = (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) λ

mit der gleichen Bemerkung wie im vorvorigen Falle. —
15’ · 22’ = (C B + B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) · (A B1 ≠ 0) (C B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0)
(A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A ≠ 0) (C ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ ϱ σ = (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ σ
mit gleicher Bemerkung. Dass ϱ hier unterdrückt werden durfte folgt mit
Rücksicht darauf, dass wegen (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) auch ϰ ohnehin gelten
muss, und dass, wie vorbemerkt, ϰ ϱ = ϰ ist. Da ϰ aber durch die schon
angemerkten Faktoren der Konklusion mitbedingt ist, braucht es seinerseits
nicht angeführt zu werden. —


  • 11’ · 30’ = (A1 + C B + C1B1 = 1) (C1B1 ≠ 0) (A1 + C1 = 1) (C1 ≠ 0). —
  • 11’ · 27’ = (A1 + C B1 = 1) (C B ≠ 0) (A1 + C1 = 1) (A1C ≠ 0). —
  • 11’ · 26’ = (A1B + C1B1 = 1) (C1B ≠ 0) (C1B1 ≠ 0)
    (A1 + C1 = 1) (A1C1 ≠ 0) (C1 ≠ 0) ϰ' = (A1 + C = 1) (A1C1 ≠ 0) ϰ'. —

Schröder, Algebra der Logik. II. 24
[370]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
  • 21’ η 26’ = (A1B + C1B1 = 1) (A1B ≠ 0) (C1B ≠ 0) · (A1B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0)
    (A1 + C1 = 1) (A1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ' ϰ' =
    = (A1 + C1 = 1) (A1C1 ≠ 0) ϰ' λ'. —
  • 15’ · 30’ = (C B + C1B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) · (A B1 ≠ 0) (C1B1 ≠ 0)
    (A C ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (C1 ≠ 0) λ σ =
    = (A C ≠ 0) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) σ = αA, Cσ. —
  • 23’ · 29’ = (C1B + A1C B1 = 1) (A B ≠ 0) (A1B ≠ 0) (C B1 ≠ 0)
    (C1 + A1 = 1) (A C1 ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) μ ϱ =
    = (A1 + C1 = 1) (A C1 ≠ 0) (A1C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) μ = aA, CαA1, C1μ

wo ϱ unterdrückbar, da λ' ohnehin gelten muss und λ' ϱ = λ' ist. —


  • 27’ · 30’ = (A C B + A1C1B1 = 1) (A B ≠ 0) (C1B1 ≠ 0)
    (A C + A1C1 = 1) (A C ≠ 0) (A1C1 ≠ 0) ν = δA, CδA1, C1ν. —

[Es war dem Verfasser bei der Korrektur nicht vergönnt, alle beab-
sichtigten Kontrolrechnungen durchzuführen; daher ist noch vielseitige
Prüfung der Angaben zu wünschen.]


Aus der Vergleichung erhellt, dass die Syllogistik für die Ger-
gonne’
schen Urteilsformen beträchtlich komplizirter sein wird als die-
jenige für die De Morgan’schen, welche letztere, wie sie schon in
der erstern mitenthalten ist, auch ihrerseits wieder die gewöhnliche
Syllogistik der verbalen Urteilsformen unter sich begreift.


Einen Vorzug grösserer Exaktheit aber besitzt keine Syllogistik
vor der andern, wofern eine jede nur, wie vorstehend, eine korrekte
Darstellung nach den Regeln unsrer Disziplin gefunden.


Um Anspruch auf vollkommene Genauigkeit zu erlangen, mussten
diese Syllogistiken auch solche Formen von Schlüssen mit in Berück-
sichtigung ziehen, bei denen die Konklusion nicht in den Kreis der
Urteilsformen fällt, aus welchem die Prämissen zu entnehmen waren.
(Diese stellen sich als eine verhältnissmässig grosse Reihe von Schluss-
formen dar, und ihrer Vernachlässigung machte sich die verbale Syllo-
gistik schuldig.)


Jener Umstand aber lässt wol den Wert einer Syllogistik über-
haupt zurücktreten gegenüber dem Werte der Methode, durch welche
in ihr, gleichwie in den noch viel allgemeineren Eliminationsproblemen,
die in der Logik des identischen Aussagenkalkuls erdacht werden können,
jeweils die Konklusion (als Resultante) zu gewinnen ist.


[371]§ 49. Studien über die Klausel.

§ 49. Studien über die Klausel und noch ungelöste Probleme
des Kalkuls.


In § 41 haben wir gelernt aus dem allgemeinsten Prämissen-
system, welches über Gebiete (oder Klassen) überhaupt erdacht und
in Bezug auf solche zugrunde gelegt werden kann, ein Gebietsymbol
x zu eliminiren. Wir dachten uns die Prämissen des Systems zu einer
Gesamtaussage vereinigt. Dieser konnte die Gestalt des Minor, der
Hypothesis, Voraussetzung in der Subsumtion α) des § 41 gegeben
werden:
10) Σ (a x + b x1 = 1) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) …
— wo alle auf den Gleichungfaktor folgenden Aussagenfaktoren nur
Ungleichungen mit der rechten Seite 0 sein dürfen — und war dies
also die allgemeinste „Gesamtaussage der Data“ welche sich, während
in ihnen von einem Gebiet x die Rede ist, im Gebietekalkul formu-
liren lässt.


Um aus diesen Prämissen das Gebiet x zu eliminiren, brauchten
wir blos die Gesamtaussage anzusetzen, welche durch den Major, die
Thesis oder Behauptung genannter Subsumtion § 41, α) dargestellt
wird und lautet:
20) Σ (a + b = 1) (p a + q b ≠ 0) (r a + s b ≠ 0) …


Wie bereits Beispiele zeigten, durfte aber diese Konklusion nicht
als die volle Resultante der Elimination des x hingestellt werden —
wir nannten sie einstweilen: die „Resultante aus dem Rohen“ und
wird sich diese Benennung in Bälde rechtfertigen.


Die erwiesene Beziehung zwischen den Aussagen 10) und 20) war
nun diese:
10) 20);
aus 10) folgt allemal 20), genauer: wenn für irgend ein x, für (ein)
gewisse(s)x, die Hypothesis 10) erfüllt ist, so gilt sicher die Be-
hauptung 20).


Im allgemeinen zu verneinen war jedoch die Frage, ob auch um-
gekehrt, unter der Annahme 20) gefolgert werden könne, dass 10) für
gewisse x erfüllt sei, m. a. W. dass es dann überhaupt ein x gebe,
welches in die Aussage 10) eingesetzt (unter dem Symbol x in der-
selben verstanden) dieselbe zu einer wahren Aussage mache.


Zu erledigen blieb daher noch die Frage nach der vollen Resul-
tante der Elimination des x aus den Daten 10), d. h. es bleibt zu er-
24*
[372]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
mitteln diejenige zwischen den Parametern a, b, q, r, s, … von 10)
erforderliche Beziehung, welche erstens, sobald 10) für irgendwelches
x gilt, notwendig erfüllt sein muss, und zweitens garantirt, dass so-
bald sie erfüllt ist, es auch immer mindestens ein x gebe, für welches
10) gilt.


Nennen wir diese uns noch unbekannte volle Resultante für den
Augenblick: 30), so ist sie in der Formelsprache begrifflich bestimmt
durch die beiden Forderungen:
10) 30) und 30) 10),
wo die Summe rechts auszudehnen ist über alle erdenklichen x.


Aus den zwei ersten der drei Subsumtionen über die wir jetzt
verfügen, folgt aber nach Def. (3×) die erstere von den beiden folgenden:
10) 20) · 30), 20) · 30) 10),
deren letztere aus der dritten kraft Prinzip II hervorgeht, in Anbe-
tracht, dass nach Th. 6̄×) ja 20) · 30) 30) sein muss.


Vergleicht man aber diese beiden Subsumtionen mit den beiden
vorigen, welche uns die volle Resultante 30) definirten, so offenbart
sich, dass man als solche anstatt 30) selbst auch das Aussagenprodukt
20) · 30) nehmen könnte: auch 20) · 30) ist volle Resultante.


In der That lässt auch direkt sich zeigen, dass
20) · 30) = 30), nämlich 30) 20)
sein muss — vergl. Th. 2̅0̅×); und zwar wie folgt.


Wir denken uns die erste Subsumtion: 10) 20) für jedes erdenk-
liche x hingeschrieben; sie muss allemal gelten, denn stellt x ein
solches Gebiet vor, welches 10) erfüllt, so gilt sie erwiesenermassen;
stellt x aber ein solches Gebiet vor, welches 10) nicht erfüllt, so wird
für dieses die Aussage 10) gleich 0 sein, somit die Subsumtion 10) 20)
auf 0 20) hinauslaufen und nach Def. (2̄×) ohnehin gelten. Also:
die Subsumtion 10) 20) gilt für jedes x, und für alle diese hinge-
schrieben gedacht, hat sie immer den nämlichen Major 20), da in
diesem ja x gar nicht vorkommt. Es lässt sich hiernach das Schema
der Def. (3̄+) anwenden; es muss nämlich die Summe der Minoren dem
Major eingeordnet sein, oder wir haben:
10) 20).
Im Hinblick auf die dritte unsrer Subsumtionen folgt hieraus a for-
tiori: 30) 20), wie behauptet worden.


[373]§ 49. Studien über die Klausel.

Mit alledem ist formell bewiesen, was auch selbstverständlich:


Aus der vollen Resultante folgt auch unsre Resultante aus dem Rohen.


Die letztere kann zur erstern ergänzt werden durch Hinzufügung
einer weiteren die Parameter betreffenden Bedingung
, die ihr als eine
simultan zu gelten habende natürlich beizusetzen ist, in Gestalt eines
(Aussagen-)Faktors, und für welche wir bereits den Namen der „Klausel
K vordem eingeführt haben.


Für die Klausel K kann nötigenfalles die volle Resultante 30) selbst
genommen
, es darf K = 30) gesetzt werden.


Indessen ist auch denkbar, dass unsre Resultante aus dem Rohen
20) bereits gewisse Forderungen oder Bedingungen als Faktoraussagen
enthält, die sich auch in der vollen Resultante wiederfinden werden,
und dann nach dem Tautologiegesetze 1̅4̅×) in der Klausel K nicht
wiederholt zu werden brauchen.


Die Klausel K braucht nur diejenigen — zur Existenzbehauptung
eines 10) erfüllenden x notwendigen und hinreichenden — Bedingungen
zu statuiren, welche sich nicht bereits in unsrer Resultante aus dem
Rohen 20) erwähnt finden. M. a. W. ist — im Gegensatz zur bereits
definirten „vollen Resultante“ 30) die „Klausel“ lediglich zu definiren
durch die Forderung, dass:
20) · K = 30)
sei. —


Wenden wir noch die gleiche Überlegung, welche oben in Bezug
auf unsre erste Subsumtion 10) 20) auseinandergesetzt worden, auf
die zweite 10) 30) an, so gelangen wir analog zu dem Ergebnisse:
10) 30)
und dieses mit der dritten Subsumtion zusammengehalten gibt nach
Def. (1) der Gleichheit:
10) = 30).
Dies lehrt: Volle Resultante der Elimination eines Eliminanden x aus
einem Prämissensysteme
10) ist eine Aussage, welche äquivalent ist der
Summe der Prämissenaussagen genommen nach dem Eliminanden x
,
welche diesen aber gar nicht enthält (sollte genauer heissen: erwähnt,
sodass eben x nicht in ihr vorkommt). —


Bezeichnen wir zur Abkürzung das allgemeine Glied der Summe
in 10) mit Ax und das korrespondirende Glied der Summe in 20) mit
A, sodass etwa:
[374]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
10) = Σ Ax = Ax + Ax' + Ax'' + …
20) = Σ A = A + A' + A'' + …

so wissen wir bereits, dass auch je für sich:
AxA, Ax' A', Ax'' A'', …
ist. Sollte dies nicht aus § 41 erinnerlich sein, so geht es augenblick-
lich aus dem allgemeinen Theorem φ) daselbst S. 212, das ist aus
unsrer Subsumtion 10) 20) hervor, indem man selbige für eine ein-
gliedrige
Summe Σ in Anspruch nimmt.


Für das Glied Ax der Prämissenaussage, die als eine Summe von
Gliedern (als alternativen Annahmen) sich darstellte, ist nun A zwar
eine richtige Resultante der Elimination des x, aber im allgemeinen
nicht die volle; vielmehr kann und muss es zu dieser erst ergänzt
werden durch multiplikative Hinzufügung einer gewissen Klausel k (die
nur gleich i̇ zu denken ist, falls einmal zufällig A schon die volle
Resultante sein sollte). Es wird m. a. W. aus Ax sich mehr noch, als
blos A, in Bezug auf die Parameter folgern lassen, und was sich im
Ganzen folgern lässt, ist die volle Resultante A · k. Etc. Somit werden
erst durch:
AxA k, Ax' A' k', Ax'' A'' k'', …
die vollen Einzelresultanten der Prämissenglieder darzustellen sein,
oder: es müssen auch die einzelnen Glieder unsrer Resultante aus dem
Rohen ihre eignen Klauseln haben.


Sind letztere bekannt, so — behaupten wir — ist auch die Ge-
samtklausel K oder volle Resultante 30) gefunden, und zwar wird sie
lauten:
30) = K = A k + A' k' + A'' k'' + … = Σ A k.


Dass in der That dieses K eine notwendige Bedingung für die
Geltung von 10) vorstellt, somit eine berechtigte Folgerung aus 10)
oder „eine“ Resultante ist, erhellt durch überschiebendes Addiren, Sum-
miren der vorausgehenden Subsumtionen gemäss Th. 1̅7̅+), wodurch
sich ergibt:
10), = Σ AxΣ A k.


Dass diese Bedingung K aber auch hinreicht, um die Existenz
eines 10) erfüllenden x zu garantiren, dass sie mithin die volle Resul-
tante ist, erkennt man unschwer mittelst dilemmatischen Schlusses.
Vergl. § 45, S. 267.


Die rechnerische Ausführung gestaltet sich im Detail freilich etwas
umständlich, wie folgt.


[375]§ 49. Studien über die Klausel.

Gilt Σ A k, ist diese Voraussetzung erfüllt, so muss wegen
(Σ A k = 1߭) = Σ (A k = 1߭)
— vergl. § 45, β+) — auch mindestens eine ihrer Gliederaussagen gelten;
und sei etwa A k selbst ebendiese.


Wir haben dann, weil A k volle Resultante für Ax sein sollte:
A kAx,
und umsomehr [weil nach Th. 6̄+) AxΣ Ax, das Glied der Summe ein-
geordnet ist und diese Subsumtion wieder nach x gemäss Th. 1̅7̅+) sum-
mirt werden kann, sonach auch AxΣ Ax sein muss]:
A kΣ Ax oder A k 10).
Gälte zugleich mit A k, was nicht ausgeschlossen ist, auch A' k', so hätten
wir kraft derselben Schlüsse auch A' k' 10). Gilt aber — was eben-
falls zugelassen — A' k' nicht, so ist es = 0 und haben wir wiederum
A' k' 10) kraft Def. (2×), und so weiter.


Wir können uns also die Subsumtionen:
A k 10), A' k' 10), A'' k'' 10), …
als jedenfalls gleichzeitig zutreffende nach Def. (3+) zusammenziehen in
Σ A k 10), oder 30), = K 10),
was noch zu zeigen gewesen. —


Man könnte wähnen, dass die Bedingung K auch nicht notwendig er-
füllt zu sein brauche, indem man sich etwa folgenden Fall vergegenwärtigt.


Gesetzt, es gilt A in 20), aber nicht A k, sodass es kein x geben
muss und wird, welches Ax in 10) erfüllt. So wäre denkbar, dass es als-
dann doch noch ein x gibt, welches ein anderes Glied von 10) als Ax, zum
Beispiel Ax' erfüllt — sodass also der Zusatz von k zu A als nicht er-
forderlich sich darstellt.


Dieses allerdings ist richtig. Allein dann hätten wir wegen Ax' A' k'
dafür die Gewissheit, dass A' k' erfüllt ist (als Konklusion und Resultante,
sintemal es laut ebengemachter Annahme ein Ax' erfüllendes x gibt).


Sicher wäre dann auch die Alternative Σ A k = 1߭ erfüllt, eben wegen
des Erfülltseins des zweiten Gliedes A' k' = 1߭ linkseitiger Summe, und ob
— was das erste Glied betrifft — bei dem zufällig miterfüllten A auch
der Faktor k noch miterfüllt ist oder nicht, bleibt sich egal.


Wir können darnach behufs Ermittelung der Klausel oder vollen
Resultante von den Summenzeichen in 10) und 20) absehen und brauchen
uns nur noch mit Aufsuchung der vollen Resultante des allgemeinen
Gliedes Ax in 10) zu beschäftigen. Eine ähnliche Vereinfachung
[376]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
unsrer Aufgabe wird sich nachher nochmals anbringen lassen, nach-
dem wir auch dieses allgemeine Glied noch weiter in monomische
Unterglieder zerlegt haben werden.


Dies steht im Einklange mit einer schon in § 41 gegebenen An-
deutung (S. 211).


Auch dass der angegebene Ausdruck 30) für K, als Faktor zu 20)
gesetzt nur sich selbst wiedererzeugt, dass hier:
20) · K = 30) oder K selbst
wird, ist leicht nachzurechnen, und läuft auf einen Satz des identischen
Kalkuls hinaus, den wir durch die Formel darstellen wollen:
40) (a + b + c + …) (a α + b β + c γ + …) = a α + b β + c γ + …
und den man einerseits durch Ausmultipliziren nachweisen kann, wo-
bei eben alle andern Partialprodukte ausser den rechts angegebenen
von diesen nach Th. 23+) absorbirt werden, der aber andrerseits auch
aus Th. 6×) und 17+), wonach: a α + b β + … a + b + … sein muss,
kraft Th. 2̅0̅×) folgt. [Der Satz ist auch schon von andrer Seite be-
merkt worden.] —


Anstatt nun erst die Resultante aus dem Rohen anzugeben und
dieser dann als Korrektiv und Ergänzung K die volle Resultante bei-
zufügen, wird man einfacher sogleich die letztere selbst aufsuchen
— wofern man nicht eben mit der erstern sich von Anfang be-
gnügt hatte.


Die volle Resultante Σ A k ergibt sich aber, indem man den Gliedern
jener Resultante aus dem Rohen die nötigen Klauseln einzeln beigesellt
. —


Nach diesen Vorbetrachtungen wollen wir jetzt einmal den ein-
fachsten Fall erledigen: wo der Boole’sche Gleichungfaktor fehlt und
nur zwei Ungleichungfaktoren vorliegen, mithin die Prämisse lautet:
(p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0).


Zerlegt nach dem Schema (a + b ≠ 0) = (a ≠ 0) + (b ≠ 0) des
§ 40, α) und ausmultiplizirt führen die beiden Faktoraussagen zu einer
Zerfällung der Prämissen in die Alternative von vier Möglichkeiten:
(p x ≠ 0) (r x ≠ 0) + (p x ≠ 0) (s x1 ≠ 0) +
+ (q x1 ≠ 0) (r x ≠ 0) + (q x1 ≠ 0) (s x1 ≠ 0)

deren volle Resultanten getrennt aufgesucht werden dürfen.


[377]§ 49. Studien über die Klausel.

Für den ersten und vierten Fall fällt die volle Resultante mit
der rohen zusammen; es ist:
(p x ≠ 0) (r x ≠ 0) (p ≠ 0) (r ≠ 0), (q x1 ≠ 0) (s x1 ≠ 0) (q ≠ 0) (s ≠ 0)
und sobald hier die Thesis rechts zur Hypothesis gemacht, als An-
nahme erfüllt ist, gibt es auch immer ein x resp. x1, welches der
Hypothesis links genügt. Für den ersten Fall nämlich ist ein solches
angebbar in Gestalt von x = p + r, für welches ja p x = p, r x = r,
mithin laut Annahme ≠ 0 sein wird, und ebenso für den letzten Fall
in Gestalt von x1 = q + s.


Hier also ist eine Klausel überhaupt nicht erforderlich; beziehungs-
weise ist dieselbe als k, = 1߭, zu denken.


Anders für die beiden mittleren Fälle, wo die Formeln:
(p x ≠ 0) (s x1 ≠ 0) (p ≠ 0) (s ≠ 0) und (q x1 ≠ 0) (r x ≠ 0) (q ≠ 0) (r ≠ 0)
uns blos die Resultante aus dem Rohen geben und die Konklusionen
durch Zufügung einer Klausel k' resp. k'' zu den vollen Resultanten als:
(p ≠ 0) (s ≠ 0) k' resp. (q ≠ 0) (r ≠ 0) k''
erst ergänzt werden müssen.


Es möge nur die Klausel k' aufgesucht werden; aus ihr muss
sich dann k'' ergeben indem man blos die Buchstaben p, s durch r,
q ersetzt.


Nach der jetzt jedenfalls zur Voraussetzung zu erhebenden Thesis
(p ≠ 0) (s ≠ 0) der rohen Resultante müssen die (nicht verschwinden-
den) Symbole p, s als Gebiete gedeutet mindestens einen Punkt, im
Klassenkalkul mindestens ein Individuum enthalten. Um nicht Alles
doppelt aussprechen zu müssen, wollen wir uns nach Gutdünken nur
an die eine oder nur an die andere Auffassung halten.


Bekanntlich wird eine Klasse eine „singuläre“ genannt, wenn sie
blos ein Individuum in sich begreift (wie z. B. bezogen auf die Mannig-
faltigkeit 1 des Wirklichen die Klasse „Gott“ — nach der mono-
theistischen Weltanschauung). Der singulären Klasse entspricht im Ge-
bietekalkul ein isolirter geometrischer Punkt auf der Tafelfläche 1.


Ich behaupte jetzt, dass die Bedingung oder Klausel k' zum not-
wendigen und ausreichenden Inhalt haben wird: die Forderung, dass
falls die Klassen p und s gleichzeitig singuläre sein sollten
, sie verschieden
sein müssen
, dass sie also nur nicht gerade (identisch) ein und dasselbe
Individuum ausschliesslich umfassen
dürfen. (Analog hernach k'' in Be-
zug auf r und q.)


Setzen wir zunächst die Gebiete p und s als teilbar voraus, so ist
[378]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
für alle 5 denkbaren Elementarbeziehungen, in denen diese beiden
Gebiete zu einander stehen können, ein x angebbar, welches die Forde-
rung (p x ≠ 0) (s x1 ≠ 0) erfüllt, und um so mehr also auch der An-
forderung (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) genügen wird. Ein solches
machen wir durch die fünf Figuren (Fig. 25 … Fig. 29) anschaulich,

[figure]
Figure 25. Fig. 25.


[figure]
Figure 26. Fig. 26.


[figure]
Figure 27. Fig. 27.


[figure]
Figure 28. Fig. 28.


[figure]
Figure 29. Fig. 29.


Exempel: p1s1 = 0

[figure]
Figure 30. Fig. 30.


denen wir — zum Überfluss — als sechste (Fig. 30) noch die Angabe
eines x für den Fall der De Morgan’schen Grundbeziehung p1s1 = 0
beifügen — indem wir diesmal (im Gegensatz zur Venn’schen Ge-
pflogenheit) mittelst Schraffirens das Nichtverschwinden eines Teil-
gebietes für das gewählte x oder x1 andeuten.


Ein aus nur zwei Punkten bestehendes Gebiet wäre bereits in dem
obigen Sinne „teilbar“ zu nennen, und könnte man den einen der beiden
Punkte desselben zu x, den andern zu x1 in der erforderlichen Weise
schlagen, so dass die Produkte p x und s x1 von 0 verschieden ausfallen,
sogar auch im Elementarfalle δ der Identität von p und s. Kurz: die vor-
stehenden Figuren, durch deren Hinsetzung wir uns eine textuelle Beschrei-
bung des zu konstruirenden Gebietes x für die verschiedenen Fälle erspart
haben, halten auch noch Stand, wenn etwa eines der Bilinea p x und s x1
in einen Punkt degeneriren sollte.


Wie aber, wenn sich eines der beiden Gebiete p, s selbst, oder
das andre, oder beide, auf einen Punkt reduzirt, dem Individuum im
Klassenkalkul entsprechend, wenn die Gebiete p, s nicht mehr beide teil-
bar sind?


[379]§ 49. Studien über die Klausel.

Wird p ein Punkt, so muss er nur in x hereintreten, besser ge-
sagt, muss man x so wählen, dass es denselben einschliesse, will man
hinbringen, dass p x ≠ 0 werde; und zwar wird alsdann p x = p selber
ebendieser Punkt sein.


Ist s ein Punkt, so muss, wenn s x1 ≠ 0 sein soll, x1 denselben
ein- mithin x denselben ausschliessen. Für das Individuum s = i haben
wir ja in § 47 erkannt, dass (i x1 ≠ 0) = (i x = 0); und zwar wird in
diesem Falle s x1 = s selber eben jener Punkt sein.


Beiden Forderungen zugleich kann man im Allgemeinen genügen.
Dagegen ist dies immer dann und nur dann unmöglich, wenn p, = s, den
nämlichen
Punkt vorstellt, indem, wenn wir diesen etwa mit i bezeich-
neten, das Erfülltsein der Forderung (i x ≠ 0) (i x1 ≠ 0) einen Wider-
spruch zu der fundamentalen Eigenschaft des Individuums i konsti-
tuiren würde, q. e. d.


Schliesslich hält es auch nicht schwer, die Partialklauseln sowol
als die Totalklausel oder Konklusion und volle Resultante ganz in
Formeln zu setzen. Zur Abkürzung wollen wir uns dabei der am
Schlusse des § 47 eingeführten Symbole Ji und J1i bedienen, welche
uns die Aussagen darstellten dass i Individuum, resp. nicht Individuum
sei, und dort bereits spezifizirt in unsrer Zeichensprache angesetzt
wurden. Man hat als das Ergebniss der Untersuchung:
50) k' = {(p = s) J1p}, k'' = {(q = r) J1q},
und kann man der erstern z. B. auch noch die Formen geben:
60) k' = {Jp Js (ps)} = {Jp Js (p = s) = 0} = {J1p + J1s + (ps)}
zu deren Zurückführung auf die erste noch in Betracht zu ziehen ist,
dass nach dem Satze von der Ersetzbarkeit von Gleichem durch
Gleiches auch (p = s) JpJs sein muss.


Konklusion und volle Resultante der Elimination des x aus den
Prämissen zur linken ist also der Major der Subsumtion:
70) (p x + q x1 ≠ 0) (r x + s x1 ≠ 0) K,
wo:
80) K = (p ≠ 0) (r ≠ 0) + (p ≠ 0) (s ≠ 0) k' + (q ≠ 0) (r ≠ 0) k'' + (q ≠ 0) (s ≠ 0)
bedeutet. Um aber hierin deutlich zu erblicken, in welchen Fällen die
Teilklauseln k', resp. k'' ganz unerlässlich sind, wird man die beiden
innern Glieder, was ja erlaubt ist, noch multipliziren mit den Nega-
tionen der beiden äusseren Glieder — cf. Th. 3̅3̅+) Zusatz — wodurch
[380]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
sich nach Unterdrückung identisch verschwindender Terme die Summe
jener beiden wie folgt darstellt:
90) (p ≠ 0) (q = 0) (r = 0) (s ≠ 0) k' + (p = 0) (q ≠ 0) (r ≠ 0) (s = 0) k''.


Um nunmehr allgemein das Problem der „Klausel“ so weit zu
führen als es uns thunlich erscheint, wollen wir zunächst die Prä-
misse 10) — sowie dann auch die Konklusion 20) — uns übersicht-
licher schreiben, indem wir bei der erstern eine bestimmte Anzahl n
von Ungleichungsfaktoren gegeben voraussetzen und in diesen die Koef-
fizienten durchgängig mit den beiden Buchstaben p und q bezeichnen,
letztere nur mittelst oberer Indices ϰ = 1, 2, … n von einander unter-
scheidend. Nennen wir auch S die Prämisse und P die Konklusion,
sodass uns
SP
den Schluss der Elimination von x, „Eliminationsschluss“ nach dem
Schema unsres Theorems φ) des § 41 darstellt, so werden wir haben:
100) S ≡ (a x + b x1 = 1) (pϰ x + qϰ x1 ≠ 0),
110) P ≡ (a + b = 1) (pϰ a + qϰ b ≠ 0)
und wird es sich darum handeln, die Konklusion P, welche sich als
„Resultante aus dem Rohen“ präsentirte, durch (multiplikative) Hinzu-
fügung einer noch unbekannten Klausel K zur „vollen Resultante“ R
(der Elimination des x aus S) zu ergänzen, sodass
SP · K = R
sein wird und das Erfülltsein von R allemal die Garantie in sich
schliesst, dass es auch ein S erfüllendes x gebe.


Notwendige oder unerlässliche — aber zuweilen noch nicht hin-
reichende — Bedingung für die Existenz eines solchen x war die Aus-
sage P, die wir demnach jedenfalls als durch die Parameter a, b, pϰ,
qϰ der Data S erfüllt anzunehmen haben.


Ein solches x müsste zunächst dem Boole’schen Faktor
a x + b x1 = 1
von S genügen. Und da laut P gewiss
a + b = 1, oder a1b1 = 0, a1b, b1a,
sonach auch
[381]§ 49. Studien über die Klausel.
120) a1b = a1, a1 + b = b, a + b1 = a, a b1 = b1
ist, wird es immer ein solches x geben. Der allgemeinste Ausdruck
für jedes solche x muss nach unserm Th. 50+) sein:
x = a u + b1u1 = a (u + b1) = b1 + a u, x1 = a1u + b u1 = b (u1 + a) a1 + b u1
worin u als Gebiet oder Klasse vollkommen beliebig bleibt.


Einsetzung dieser Werte von x und x1 verwandelt nun in S die
durch den Boole’schen Faktor ausgedrückte Forderung in eine auf
Grund von a + b = 1 identisch erfüllte. Der Boole’sche Faktor geht
dadurch in den Aussagenfaktor 1߭ über, welcher nach Th. 2̅1̅×) unter-
drückt werden darf, nicht weiter angemerkt zu werden braucht, und
da hiemit
p x + q x1 = (p a + q a1) u + (p b1 + q b) u1 = p b1 + q a1 + p a u + q b u1
wird, so erhalten wir die beiden Darstellungen von S:
S = {(pϰ a + qϰ a1) u + (pϰ b1 + qϰ b) u1 ≠ 0}
130) S = {pϰ b1 + qϰ a1 + pϰ a u + qϰ b u1 ≠ 0}.
Für diese bleibt nunmehr zu untersuchen, falls nur P gilt, unter
welchen ferneren Bedingungen sie durch irgend ein u erfüllbar sein
werden.


Ungeachtet des etwas komplizirteren Ausdrucks dieser Forderung
S, gegenüber ihrem früheren Ausdrucke, erscheint die Aufgabe durch
die vollzogene Umformung doch wesentlich vereinfacht, indem jetzt S
nur mehr aus Ungleichungen als Faktoren zusammengesetzt, der
Boole’sche Gleichungsfaktor weggefallen ist, und während früher x
durch diesen letzteren in seiner Veränderlichkeit beschränkt erschien,
nunmehr u innerhalb der Mannigfaltigkeit 1 ganz unumschränkt vari-
abel ist.


In den zwei Reihen von paarweise untereinander gestellten n und
n Gebieten oder Klassen:

  • 140)
    • p1a, p2a, … pn a,
    • q1b, q2b, … qn b


können nun diese oder jene auch null sein oder verschwinden, jedoch
niemals zwei untereinanderstehende zugleich, indem nach P für jeden
unter den Werten 1, 2, … n ausgewählten Index ϰ sein muss:
pϰ a + qϰ b ≠ 0.


[382]Dreiundzwanzigste Vorlesung.

[Im Ganzen können also von jenen 2 × n Symbolen höchstens n
verschwinden, in jeder Kolonne kann von den zwei Symbolen höchstens
eines 0 sein.]


Darnach lässt es sich durch folgende Überlegung rechtfertigen,
weshalb wir unsre Konklusion P als die „Resultante aus dem Rohen
schon hinstellen durften.


Sobald nur die nicht verschwindenden von jenen 2 × n Gebieten
hinlänglich teilbar sind, sobald sie hinreichend viele Punkte, die Klassen
genug Individuen enthalten — namentlich also auch, falls sie deren
eine unbegrenzte Menge [und wie sich zeigen wird, sicher schon, falls
sie nur allesamt n oder mehr Punktindividuen] umfassen sollten —
gibt es unfehlbar ein Gebiet u, welches die Forderung S erfüllt.
Unsrer Resultante P ist alsdann keine weitere Forderung mehr hinzu-
zufügen und darf sie als die ganze oder Resultante schlechtweg hin-
gestellt werden. Die (uns noch unbekannte) Klausel des allgemeinen
Problems muss unter obiger Voraussetzung unzweifelhaft von selbst
erfüllt sein (das ist: = 1߭ werden).


Wo immer z. B. die in unsrer Resultante P auftretenden Terme,
sofern sie existiren, Flächen vorstellen, desgleichen wo sie in Linien
degeneriren, wird schon die Frage nach der Klausel belanglos, und
erst wo man mit Systemen isolirter Punkte zu thun hat, die in end-
lichen Mengen auftreten, kann solche in Betracht kommen.


Bei gar vielen, vielleicht den allermeisten Problemen, bei denen
man nur über die im allgemeinen Schema P nicht unvertretnen Klassen
anderweitig informirt, von vornherein in beregter Hinsicht orientirt ist,
wird man also unsre Resultante P ohne weiteres für voll nehmen können,
und nur da eine gewisse Vorsicht zu beobachten haben, wo auch
Klassen in Betracht kommen könnten, die nur aus wenig Individuen
bestehen
.


Um obiges einzusehen, braucht man nur ein gewisses Gebiet u
synthetisch zu konstruiren, es dergestalt zusammenzusetzen, dass für
keinen der n Werte des ϰ die beiden Glieder pϰ a u und qϰ b u1 gleich-
zeitig verschwinden. Gelingt dies, so wird nämlich ein jeder Faktor
der Anforderung S zufolge Nichtverschwindens des zweiten Doppel-
gliedes pϰ a u + qϰ b u1 in 130) erfüllt, = 1߭, sein, ganz ohne Rücksicht
darauf, ob etwa das erste Doppelglied pϰ b1 + qϰ a1 schon seinerseits
≠ 0, oder ob dasselbe = 0 ist.


Dies lässt sich nun oft — und so auch unter den angegebnen
Voraussetzungen — erreichen, indem man die zu konstruirende Klasse
u einschliessen lässt gewisse Individuen aus den nicht verschwindenden
[383]§ 49. Studien über die Klausel.
Klassen der ersten Zeile von 140) zugleich aber sie ausdrücklich aus-
schliessen
lässt gewisse Individuen aus den werthabenden Klassen der
zweiten Zeile von 140). Im übrigen mag dann die Zusammensetzung
von u in’s Belieben gestellt, offen gelassen bleiben, und ist es als
gleichgültig nachweisbar, welche andern Individuen oder gar Gebiete
dem u noch ausserdem zugeschlagen oder abgesprochen werden mögen.
Dortbei wird lediglich zu beachten sein, dass die von u auszu-
schliessenden, sonach in u1 eingeschlossenen Individuen niemals iden-
tisch seien mit den von u einzuschliessenden, dass vielmehr sie durch-
weg verschieden bleiben von jenen. Und sofern uns nur genügend
Individuen (in jedem Bedarfsfalle mindestens eines) zur Einverleibung
in u oder u1 zur Verfügung stehen, ist unser Vorhaben realisirbar:


Man gehe etwa die Symbole 140) kolonnenweise von links nach
rechts fortschreitend durch und schlage aus jeder nicht verschwinden-
den Klasse der ersten Zeile ein Individuum zu u, sowie aus jeder nicht
verschwindenden (das heisst ja: mindestens ein Individuum enthaltenden)
Klasse der zweiten Zeile ein Individuum zu u1, indem man Sorge trägt,
dass kein in der einen Zeile verwendetes Individuum, wenn es etwa
gleichzeitig auch einer Klasse der andern Zeile angehören sollte, in
dieser wiederverwendet wird. Unzulässig bleibt es ja, dass einunddas-
selbe Individuum i den beiden einander exkludirenden Klassen u und
u1 zugleich zugeschlagen werde. Man wird also in solchem Falle bei
jener Klasse blos zu einem neuen Individuum zu greifen haben (ge-
nauer: zu einem in der andern Zeile noch nicht als verwendet vor-
gekommenen) und man vermag dies, falls ein solches vorrätig; dass
letzteres aber der Fall sei, wurde ausdrücklich vorausgesetzt.


Gleichgültig ist es dagegen, ob in einer Zeile ein Individuum wieder-
holt verwendet wird, oder nicht. Man mag, wenn mehrere Klassen der
ersten Zeile ein Individuum gemein haben sollten aus ihnen allemal blos
dieses nämliche wieder zu u schlagen und ebenso wird die Beisteuer, der
Beitrag, an Individuen, welchen jede nicht verschwindende Klasse der
zweiten Teile an u1 abzugeben hat, für beliebig viele von diesen, selbst auch
für alle, gemeinsam, der nämliche sein dürfen.


Ganz sicher wird nämlich auf diese Weise hingebracht — und
diese Möglichkeit darzuthun, darauf kam es uns ganz allein an —
dass in den beiden Reihen von je n Gliedern
150) p1a u, p2a u, … pn a u
q
1b u1, q2b u, … qn b u1

niemals zwei untereinander stehende zugleich verschwinden, indem das
identische Produckt aus pϰ a in u oder das aus qϰ b in u1 doch aller-
[384]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
mindestens jenes aus dem ersten Faktor in den zweiten eingefügte
Individuum als ein beiden Faktoren gemeinsames Element enthalten
muss, von jenen ersten Faktoren aber mindestens einer nicht inhalts-
leer war. q. e. d. —


Erst wenn bei jenem Versuche, eine die Forderung S erfüllende
Klasse u zu konstruiren, im Herausgreifen von Individuen aus den
Klassen 140) resp. 150) bei einer solchen Individuenmangel einträte,
und daraus die Nötigung erwüchse, z. B. in der zweiten Zeile als Bei-
steuer der betreffenden Klasse zu u1 auf ein Individuum zu reflektiren,
welches als ein auch Klassen der ersten Zeile angehöriges dortselbst
schon wegen drohenden Individuenmangels zu u hatte geschlagen
werden müssen — erst dann könnte der Nachweis, ja die Existenz
einer S erfüllenden Klasse u zur Unmöglichkeit werden. Und Auf-
gabe der Klausel ist es eben, diese Fälle der Nichtexistenz eines S
erfüllenden x resp. u ohne Nennung von x oder u zu charakterisiren
und auszuschliessen.


Um dies Ziel zu verfolgen, wollen wir uns die Aussagen P und S
zunächst noch etwas vereinfachen. Bemerkend, dass wegen 120) auch:
pϰ b1 = pϰ a b1 und qϰ a1 = qϰ b a1
sein muss, wollen wir die Abkürzungen einführen, zu nennen:
160) pϰ a = rϰ, qϰ b = sϰ für ϰ = 1, 2, … n.


Dann lautet die zu erledigende Frage: ob oder wann es unter
der Voraussetzung P, das ist
170) (a + b = 1) (rϰ + sϰ ≠ 0)
ein Gebiet, eine Klasse u geben wird, welche erfüllt die Forderung S,
das heisst die Forderung:
180) (rϰ b1 + sϰ a1 + rϰ u + sϰ u1 ≠ 0).


Führen wir auch noch für die nachfolgend in Klammer gesetzten
Aussagen zur Abkürzung die beigesetzten Namen ein:
190) (rϰ b1 + sϰ a1 ≠ 0) = Cϰ, (rϰ u + sϰ u1 ≠ 0) = Dϰ,
so lautet unsre Forderung:
[385]§ 49. Studien über die Klausel.
200) (Cϰ + Dϰ).
Oder, wenn:
210) rϰ b1 + sϰ a1 = cϰ, rϰ u + sϰ u1 = dϰ
genannt wird, sodass:
220) Cϰ = (cϰ ≠ 0), Dϰ = (dϰ ≠ 0)
bedeutet, so soll also für jedes ϰ = 1, 2, … n entweder cϰ ≠ 0 oder
dϰ ≠ 0 sein — in Anbetracht, dass (c + d ≠ 0) = (c ≠ 0) + (d ≠ 0).


Ist jenes der Fall, d. h. (sooft für ein bestimmtes ϰ) gilt Cϰ, ist
also Cϰ = 1߭, so wird auch
Cϰ + Dϰ = 1߭ + Dϰ = 1߭
sein ganz ohne Rücksicht darauf, ob Dϰ gilt (= 1߭ ist) oder nicht gilt
(= 0 ist).


Eine wirklich an u zu stellende Anforderung wird also ein Faktor
von S nur dann statuiren, nur für diejenigen ϰ aussprechen, für welche
Cϰ nicht gilt, das heisst C1ϰ gilt*) oder
cϰ = 0, rϰ b1 + sϰ a1 = 0
ist. Erst für solchen Fall wird die Forderung Dϰ = 1߭ einzu-
springen haben oder dϰ ≠ 0 durch geeignete Bestimmung von u zu
erfüllen sein.


Wir haben hienach die verschiedenen Fälle durchzugehen, die in
Bezug auf das Verschwinden (Nichterfülltsein) oder Nichtverschwinden
(Erfülltsein) der Aussagen C1, C2, … Cn denkbar sind, oder — wissen-
schaftlicher zu reden — wir haben uns die ganze Mannigfaltigkeit 1߭
der möglichen Fälle gemäss § 19 zu „entwickeln“ nach diesen n Sym-
bolen als Argumenten um sodann bei jedem der 2n Glieder dieser Ent-
wickelung zuzusehen, welche Forderungen auf Grund dieser Glieder-
aussage als einer geltend angenommenen Voraussetzung die Bedingung
S an u stellt, und wann sie durch ein solches erfüllbar ist.


Jedes Glied besagter Entwickelung ist von der Gestalt des Pro-
duktes sämtlicher Ċ Aussagen:
230) C1C2Cn
— in diesem nur irgendwelche mit Negationsstrich versehen, und ist
jenes mit solchen auf jede erdenkliche Weise versehen oder nicht ver-
sehen und als Glied der Summe 1߭ hingesetzt zu denken.


Schröder, Algebra der Logik. II. 25
[386]Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Verstehen wir unter
den „Binomialkoeffizienten zum Exponenten n und vom Index h“, unter
(n)0, = (n)n, die Zahl 1 verstehend, so ist bekanntlich:
2n = 1 + (n)1 + (n)2 + … + (n)n — 1 + (n)n
und gibt das allgemeine Glied (n)h der rechten Seite an: die Anzahl der-
jenigen Glieder jener Entwickelung, in welchen genau h von den n Fak-
toren Cϰ ohne Negationsstrich auftreten; wo nebenbei gesagt auch stets
(n)nh = (n)h sein wird, also andrerseits auch ebensoviele Glieder mit h
negirten Faktoren vorkommen werden.


Es stelle nun
α1, α2αh
irgend eine Kombination („zur hten Klasse“ und „ohne Wiederholungen“)
hervorgehoben aus den „Elementen“
1, 2, 3, … n
vor [und später
β1, β2, … βnh
das System, die Kombination, der nh dann übrig gebliebenen von
diesen n Elementen] — unter h irgendeine der Zahlen 0, 1, 2, … n
verstanden (wobei für h = 0 jene erstere Kombination, für h = n
diese letztere ein leeres System bedeutet). So ist die laut S an die
Voraussetzung:
zu knüpfende Forderung diese:
Dα1 Dα2Dαh oder Dα
und hinsichtlich ihrer Erfüllbarkeit durch u zu untersuchen.


Die in der Arithmetik zumeist mit C(h) (1, 2, … n) bezeichnete hte
Klasse der Kombinationen ohne Wiederholungen aus den Elementen 1,
2, … n kann man sich auch in Gestalt einer „kombinatorischen Summe“
vollständig hinschreiben, und zwar ist diese Klasse der „geordneten“ Kom-
binationen:
240) α1α2α3αh — 1αh
selbst eine wohlgeordnete, wofern man nur die Summationsvariabeln ihre
Werte je von der untern zur oberen Grenze durchlaufen lässt. Zum
Beispiel:
[387]§ 49. Studien über die Klausel

Die Kombinationen selbst wurden hierbei durch einfaches (gleichsam
multiplikatives) Nebeneinanderstellen der in sie eingehenden Elemente an-
gedeutet, die „Klasse“ derselben durch additive Verknüpfung aus diesen
Kombinationen zusammengesetzt.


Es würde hienach auch keiner Schwierigkeit unterliegen, nur
höchstens umständlich werden, wollte man sich die Glieder besagter
Entwickelung, übersichtlich geordnet nach der Zahl der in ihnen vor-
aussetzungsmässig verschwindenden Faktoren Cϰ, wirklich vollständig
hinschreiben.


Stellt Sλ ein solches Glied vor, und bedingt die Geltung des-
selben, dass eine gewisse („Partial“-)Klausel Kλ als Konsequenz (und
hinreichende Bedingung dafür dass es dann ein Sλ erfüllendes u gebe)
erfüllt sein muss, so haben wir
SλKλ für λ = 1, 2, 3, … 2n,
somit
Sλ = SλKλKλ,
oder auch nach dem modus ponens dargestellt:
(SλKλ) = 1߭, Sλ = Sλ · 1߭ = Sλ (SλKλ) Kλ
und dazu:
,
mithin:
250) Sλ Kλ = Sλ (SλKλ)
als vollen Ausdruck der gesuchten Gesamtklausel K unsres Problemes.
Mit Worten:


A priori trifft jedenfalls eine der Voraussetzungen Sλ zu. Als
Konsequenz derselben muss auch Kλ gelten, und umgekehrt, wenn Kλ
gilt, so war als erkannt vorausgesetzt dass S für den Fall Sλ erfüll-
bar ist durch ein u. Also wird wenn K gilt (dilemmatischer Schluss)
25*
[388]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
S jedenfalls durch ein u erfüllbar sein; auch musste, wenn S gilt, K
gelten, d. h. K ist die gesuchte Klausel.


Den Zusatz des Faktors Kλ oder (SλKλ) zum Gliede Sλ im
Ausdruck dieses K wird man natürlich sparen in allen den Fällen, wo
sich Kλ als = 1߭, das ist als ohnehin erfüllt herausstellt, wo nämlich
im Falle Sλ keine weitere Anforderung, als etwa die: 0 = 0, an die
Parameter von S zu stellen ist und resultirt.


Es kommt demnach nur mehr auf die Ermittelung jener „Partial-
klauseln“ Kλ an.


Diese werden wirklich = 1߭ in wenigstens 1 + n von den 2n Fällen.


Gilt nämlich S1, als das Anfangsglied besagter Entwickelung, oder:
C1C2Cn
selbst, so werden, wie oben ausgeführt, sämtliche Faktoren S in 180)
schon gleich 1߭ sein, und fällt jegliche Anforderung an u ohnehin fort.


Gilt ferner (für α = 1, 2, ‥ n):
Sα + 1 oder C1C2Cα — 1C1α Cα + 1Cn
d. h. ist nur einer der Faktoren Cϰ mit Negationsstrich versehen er-
füllt, die übrigen ohne solchen, so wird im Ausdrucke von S nur durch
den einen Faktor Cα + Dα, welcher sich auf 0 + Dα, = Dα reduzirt,
eine Anforderung an u gestellt, die nämlich, dass rα u + sα u1 ≠ 0
werde, und diese ist ohne weiteres erfüllbar, sintemal laut P ja
rα + sα ≠ 0 war, sonach von den beiden Termen rα und sα höchstens
einer verschwinden konnte. Und braucht man, um dies einzusehen
nur von dem (von einem) nicht verschwindenden dieser beiden Terme
in Gedanken ein Individuum zu dem als Faktor zu ihm hinzutretenden
Gebiete u resp. u1 zu schlagen; so wird das Produkt denn in der
That auch mindestens dieses Individuum enthalten, und ≠ 0 sein.
Auch rechnerisch zeigt die Annahme:
u = r s1v1 + (r + s1) v
dass wirklich stets
r u + s u1 = r + s somit ≠ 0
hier gemacht werden kann (für die obern Indices α oder — genauer —
α1, von r und s).


Die eben erledigten Fälle entsprachen den Kombinationen zur
h = 0ten und zur h = 1ten Klasse (der negirten Symbole Cϰ).


Für h = 2, wo also zwei Faktoren Cϰ in 190) mit Negations-
strich versehen auftreten, wird ein Fall vorliegen, welcher sich seinem
Schema nach mit der, unsrer allgemeinen Betrachtung als einfachstes
[389]§ 49. Studien über die Klausel.
Beispiel vorausgeschickten Spezialuntersuchung deckt. Hier muss näm-
lich für Sλ als C1α1C1α2Cβ1Cβ2Cβn — 2 erfüllt werden:
Dα1Dα2 oder (rα1u + sα1u1 ≠ 0) (rα2u + sα2u1 ≠ 0)
und wurde erkannt, dass wenigstens in zweien der vier hiebei zu unter-
scheidenden Unterfälle
(rα1 ≠ 0) (rα2 ≠ 0), (sα1 = 0) (rα2 = 0) (rα1 ≠ 0) (sα2 ≠ 0),
(rα1 = 0) (sα2 = 0) (sα1 ≠ 0) (rα2 ≠ 0), (sα1 ≠ 0) (sα2 ≠ 0)

eine Klausel auftritt, fordernd, dass im zweiten resp. dritten derselben
die Klassen ra1 und sa2 resp. sa1 und ra2 nicht in einunddasselbe Indi-
viduum degeneriren dürfen.


Wenn so überhaupt in einem Gliede besagter Entwickelung der 1߭
irgendwelche 2 bis n Faktoren Cϰ negirt als Faktoren auftreten, das
Nichterfülltsein dieser Annahmen Cϰ zur Voraussetzung stempelnd, so
werden auch bedingte Klauseln sich der Konklusion beigesellen.


Es genügt von diesen Fällen nur den noch in’s Auge zu fassen,
welcher der h = nten Kombinationsklasse entspricht, indem dieser für
die übrigen vorbildlich ist. Hier haben wir also das letzte Glied be-
sagter Entwickelung, nämlich
C11C12C1n oder (cϰ = 0), = (cϰ = 0) gleich
260) b1rϰ + a1sϰ = 0
als Annahme zugrunde zu legen [woraus sich, nebenbei gesagt, auch
in Verbindung mit a1b1 = 0 keine Relation für die rϰ und sϰ durch
Elimination von a und b ergibt]. Und die Forderung S schliesst in
sich, dass dann u sich so bestimmen lassen müsse, dass
D1D2Dn = (dϰ ≠ 0)
oder
270) (rϰ u + sϰ uν ≠ 0)
erfüllt sei.


Für die übrigen Werte von h als 2, 3, … n — 1 sind die An-
nahmen und Forderungen vom gleichen Baue, nur dass ϰ dann weniger
Werte zu durchlaufen hat als Produktations- und Summationsvariable.
Es werden die an den letzten Fall anzuknüpfenden Schlüsse dann
[390]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
gleichsam nur für ein niedrigeres n in Anspruch zu nehmen sein, wo-
bei aber eine solche Bezeichnungsweise der Terme vorliegt, dass die
Indices ϰ der in Betracht kommenden nicht mehr eine reine Sequenz,
sondern eine solche nur mit Auslassungen bilden.


Wird der allgemeine Faktor von 270) in rϰ u ≠ 0) + (sϰ u1 ≠ 0)
zerlegt, so zerfällt das Produkt durch Ausmultipliziren in die Alter-
native von Termen:
280) (rα1u ≠ 0) (rα2u ≠ 0) … (rαh u ≠ 0) · (sβ1u1 ≠ 0) … (sβnhu1 ≠ 0)
wo die Summe sich zu erstrecken hat über die sämtlichen Wertsysteme
α1, α2, ‥ αh welche als Kombinationen zur hten Klasse (für h = 0, 1 ‥ n)
aus der Sequenz 1, 2, 3, ‥ n hervorhebbar sind, und β1, β2, … βnh
allemal die zugehörige Kombination nhter Klasse vorzustellen hat,
welche die nh übrigen Terme jener Sequenz vorstellen werden.


Es braucht hier nur das allgemeine Glied dieser Summe auf seine
Konsequenzen einschliesslich der zugehörigen Klausel untersucht zu
werden. Das heisst, wenn wir noch nh = k kürzer nennen, wo
dann h + k = n sein wird, so ist typisch für die allein noch zu er-
ledigende Klasse von Problemen: die Aufgabe, zu ermitteln, welche
Bedingung für die Parameter:
290) r1, r2, ‥ rn
s
1, s2, ‥ sn

des Problems erforderlich und hinreichend ist, damit es ein Gebiet u
gebe, welches die Forderung erfüllt:
300) (r1u ≠ 0) (r2u ≠ 0) … (rh u ≠ 0) · (sh + 1u1 ≠ 0) … (sh + ku1 ≠ 0).


Notwendig oder erforderlich, unerlässlich ist die Bedingung:
310) (r1 ≠ 0) (r2 ≠ 0) ‥ (rh ≠ 0) · (sh + 1 ≠ 0) ‥ (sn ≠ 0),
da (rϰu ≠ 0) (rϰ ≠ 0) und (sλ u1 ≠ 0) (sλ ≠ 0) —
welche Bedingung als die unter P mitzugelassene Möglichkeit anzu-
sehen ist, in welcher die aufzusuchende Klausel in Betracht kommen
wird. Diese Bedingung wird aber eventuell eben noch weiter zu ver-
klausuliren sein damit sie auch eine hinreichende werde.


Nichts weiter wird ihr hinzuzufügen sein, wenn von den in 280)
zusammengefassten Forderungen der zweierlei Arten rϰ u ≠ 0 und
sϰ u1 ≠ 0, welche wir durch den Punkt getrennt haben, die eine Art
unvertreten ist, d. h. also für h = 0 (wo k = n), resp. für k = 0 (wo
[391]§ 49. Studien über die Klausel.
h = n ist). In diesen Fällen kommen nur die Parameter der einen
Zeile von 290) in Betracht, und genügt es im ersten Falle:
u1 = s1 + s2 + … + sn,
im letzteren:
u = r1 + r2 + … + rn
zu nehmen um hinzubringen, dass für jedes ϰ:
sϰ u1, = sϰ, ≠ 0 resp. rϰ u, = rϰ, ≠ 0
werde.


Anders verhält es sich in den übrigen Fällen wo Ungleichungen
der einen Art, die sich auf u beziehen zusammentreffen mit solchen
der andern Art, die auf u1 bezüglich. Hier möge nun:
320) r1 + r2 + … + rh = r, sh + 1 + sh + 2 + … + sn = s
genannt werden, wobei nicht aus dem Gedächtniss zu verlieren sein
wird, dass nach 310) die sämtlichen Glieder dieser Summen r und s
von 0 verschieden sind.


Haben r und s keinen Teil gemein, ist r s = 0, so ist es leicht,
u so anzunehmen dass die Forderung 300) erfüllt wird: Man lasse u
einfach r einschliessen und s ausschliessen, sodass
(ru) (su1), = (u r = r) (u1s = s), = (u1r = 0) ( u s = 0) = (s u + r u1 = 0)
ist. Wegen
rϰr also rϰ r = rϰ
ist dann auch
rϰ u = rϰ r u = rϰ r = rϰ ≠ 0, ebenso sϰ u1 = sϰ ≠ 0
für die Werte ϰ = 1, 2, … h resp. h + 1, … n dieses Index.


Eine Klausel kann daher nur für r s ≠ 0 in Betracht kommen.
Es möge für den Augenblick
r s = t
heissen, sodass t ≠ 0. Und es bedeute hiernächst immer ϰ irgend
einen der Indices 1, 2, ‥ h von r, dagegen λ einen der Indices h + 1,
h + 2, … h + k = n von s.


Alsdann kann es sich ereignen, dass alle oder einige der Aggre-
ganten rϰ von r sowie der Aggreganten sλ von s über t hinausgreifen,
sodass für gewisse ϰ, λ ist:
rϰ t1 = rϰ s1 ≠ 0, sλ t1 = sλ r1 ≠ 0.*)


Diese hinübergreifenden Teile der erstern Sorte oder r-Reihe sind
[392]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
dann sämtlich disjunkt denen der letzteren Sorte oder der s-Reihe,
weil in den einander ausschliessenden Gebieten r, und r1, desgleichen
auch in denen s1 und s, enthalten — cf. § 46, 2. Hülfssatz. Hierauf
beruht es dass man in Bezug auf sie jedenfalls die Forderungen er-
füllen kann, welche 300) in sich schliesst, indem man nämlich die
rϰ s1 zu u, die sλ r1 zu u1 schlägt. Die betreffenden Aggreganten können
dann einfach samt den auf sie bezüglichen Faktorungleichungen der
Forderung 300) aus der ganzen Betrachtung fortgelassen werden und
wird nur mehr darnach zu trachten sein: durch geeignete Verteilung
auf u und u1 des Bestandes der dann gänzlich innerhalb t fallenden Indi-
viduen der übrigen r und s Aggreganten auch den Rest der auf sie
bezüglichen in 300) als Faktorungleichungen ausgedrückten Anforde-
rungen zu erfüllen. Dass heisst: man hat die Aufsuchung der Klausel
nur noch für eine Minderzahl von Symbolen und Propositionen weiter-
zuführen.


Im ungünstigsten Falle kann diese „Minderzahl“ allerdings zu-
sammenfallen mit der bisherigen Anzahl n (wo sie natürlich solche
Bezeichnung streng genommen nicht verdient hätte). Und diesen Fall
wollen wir jetzt voraussetzen und allein noch weiter verfolgen, weil
er typisch ist für die andern Fälle, in denen man nur mit weniger
Symbolen rϰ, sλ und auf sie bezüglichen Faktoranforderungen sich
herumzuschlagen hätte.


Wir setzen also voraus dass von vornherein keines der Gebiete rϰ
sλ
über t hinausgreife, d. h. dass für jedes ϰ, λ:
rϰ s1 = 0, sλ r1 = 0
sei. Alsdann ist aber auch:
r s1 = (r1 + r2 + ‥ + rh) s1 = 0, s r1 = (sh + 1 + ‥ + sn) r1 = 0,
d. h. wir haben
r s1 + r1s = 0
oder
r = s = r + s = r s = t.


Das Problem der Klausel gipfelt hienach in der schwierigen
Aufgabe:


Wenn zwei Reihen von nicht verschwindenden Gebieten ge-
geben sind:
r1, r2, … rh, und sh + 1, sh + 2, … sn,
derart dass die Gebiete einer jeden von diesen beiden Reihen zusammen
genau die nämlichen Individuen oder Punkte umfassen, dass nämlich
330) r1 + r2 + ‥ + rh = sh + 1 + sh + 2 + ‥ + sn
[393]§ 49. Studien über die Klausel.
ist, die Fälle zu charakterisiren, in welchen es unmöglich ist, aus jedem
Gebiete rϰ der einen Reihe (mindestens) ein Punktindividuum zu einer
Klasse u und zugleich aus jedem Gebiete sλ der andern Reihe (mindestens)
ein Punktindividuum zur Negation u
1dieser Klasse zu schlagen.*)


Ist es erst gelungen, diese Fälle zu charakterisiren oder vollstän-
dig aufzuzählen, so wird es ein leichtes sein, ihre Ausschliessung zu
fordern, und die Aussage, welche solche Forderung statuirt, wird die
betreffende, auf die beim vorliegenden Problem zugrunde gelegten An-
nahmen bezügliche Teil-Klausel sein.


Vollständig gelingt die Beantwortung dieser Frage in den beiden
einfachsten Fällen des jetzt zu erledigenden Problemes, nämlich in
denen wo entweder h = 1 oder aber k = nh = 1 ist, wo also fast
alle Ungleichungsfaktoren zur einen Sorte und nur einer zur andern
Sorte gehört.


Ich will dieselbe für den letztern Fall k = 1 aussprechen und
begründen; alsdann ist nur eine Vertauschung der Buchstaben r und s,
sowie von h mit k erforderlich, um die Antwort auch für den andern
Fall zu erhalten.


Sei also — h = n — 1 gedacht —:
r = r1 + r2 + … + rh = s = s1
so lautet die notwendige und hinreichende Bedingung für die Bestimm-
barkeit eines solchen u, dass sein Produkt in jedes der rϰ ≠ 0 und
zugleich das Produkt seiner Negation u1 in das eine s1 ≠ 0 ist,
wie folgt:


Sind einzelne von den Klassen rϰ singuläre, das ist Individuen, so
darf nicht die Summe der übrigen
(der nicht singulären) Klassen rϰ ein-
geordnet sein der Summe von allen diesen
.


Da jene Summe 0 wäre, wenn kein rϰ mehr übrig, nämlich alle
rϰ
Individuen wären, und die 0 jedem Gebiete eingeordnet ist, so ist
hiemit insbesondre auch der Fall ausgeschlossen, wo alle rϰ Individuen
wären. —


Dass obige Bedingung notwendig ist, erkennt man so. Ist sie
nicht erfüllt, ist also die Summe der nicht singulären Klassen der r-
Reihe in der Summe ihrer singulären Klassen enthalten, so muss Σ rϰ
oder r ganz in u hineinfallen. Jede singuläre Klasse rϰ muss nämlich
als das einzige in ihr zur Verfügung stehende Individuum unweiger-
[394]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
lich zu u geschlagen werden, u sein; dasselbe ist dann auch mit
der Summe aller singulären rϰ, und da in dieser die Summe der
übrigen laut Annahme schon enthalten ist mit der Summe aller rϰ
der Fall. Nun haben wir ru, und wegen r = s1 auch s1u oder
s1u1 = 0; unmöglich bleibt es hienach zu bewirken, dass s1u1 ≠ 0
werde, q. e. d.


Dass sie hinreicht, beweise ich so. Sind eventuell einzelne rϰ Indi-
viduen, so bilde man deren Summe und schlage sie zu u (eventuell
ist sie 0). Für jede Klasse rϰ (eventuell keine), welche mit dieser
Summe wertgemein ist, ein Individuum gemein hat, ist dann sicher
die Forderung rϰ u ≠ 0 erfüllt.


Da jedoch nach der Annahme die übrigen rϰ nicht alle eingeordnet
jener Summe sein können (weil sonst auch deren Summe es sein
müsste) so greift mindestens eines dieser rϰ über jene Summe hinaus
(liegt eventuell ganz ausserhalb derselben). Dann braucht man nur
ein Individuum aus dem hinausgreifenden Teil (resp. dem ganz ausser-
halb liegenden rϰ) zu u1 zu schlagen, um für s1 die Forderung s1u1 ≠ 0
erfüllt zu haben.


Diejenigen Klassen rϰ, für welche die Forderung rϰu ≠ 0 dann
noch zu erfüllen bleibt, liegen durchweg ganz ausserhalb jener Summe
der singulären Klassen rϰ, und da sie ihrerseits nicht singulär sind,
enthält eine jede derselben mindestens zwei Individuen, sonach ausser
dem bereits zu u1 geschlagenen Individuum (wenn sie dieses überhaupt
enthielt) noch mindestens ein neues Individuum (eventuell als ein ihrer
mehrern oder sämtlichen gemeinsames), und man braucht nun blos
das letztere je noch zu u zu schlagen um alle Forderungen durchweg
erfüllt zu haben, q. e. d.


Beispielsweise würde so die „Konjunktur“ oder spezielle Zusammen-
setzungsweise der (‚Individuenverteilung auf die) Klassen der r-Reihe:
r1 = i1, r2 = i2, r3 = i3, r4 = i1 + i2, r5 = i1 + i3 | s1 = i1 + i2 + i3
— desgleichen mit r5 = i1 + i2 + i3, etc. (bei h = 5, k = 1) unzulässig sein.
Dagegen die Konjunktur:
r1 = 1, r2 = 2, r3 = 1 + 2, r4 = 1 + i̱̱3, r5 = 2 + i̱̱3 | s1 = 1 + 2 +i̱̱3
würde zulässig sein, und wären blos die einmal unterstrichenen Individuen
zu u, das zweimal unterstrichene zu u1 zu schlagen.


Das hier bethätigte Verfahren des einmaligen Unterstreichens von
jedem notwendig zu u und des zweimaligen von jedem ersichtlich zu u1 zu
schlagenden Individuum empfiehlt sich sehr, wenn man eine vorgelegte Kon-
junktur schnellstens auf ihre Zulässigkeit prüfen will. Die Fälle wo ein
zwingender Grund vorliegt, sich für das eine oder andere zu entscheiden
[395]§ 49. Studien über die Klausel.
(nämlich ein bestimmtes i entweder zu u oder zu u1 zu schlagen), hat man
vorweg aufzusuchen, die Ansätze nötigenfalls auch ausser der Reihe über-
fliegend (skimming), um dann nur noch bei den übrigen Individuen, bei
denen solch zwingender Grund nirgends zutage tritt, alle Möglichkeiten
ausprobiren zu müssen. Unzulässig wird die Konjunktur sein, wenn ein
Individuum übrig bleibt oder man schon vorher auf ein solches stösst, bei
welchem einerseits die Nötigung es nur einmal zu unterstreichen zusammen-
trifft mit der kategorischen Forderung, es zweimal zu unterstreichen —
wofern dabei nur alle Möglichkeiten, wo vielleicht die Entscheidung in
unser Belieben gestellt schien, auch durchprobirt worden. Andernfalles,
nämlich wenn man ohne solchen Konflikt mit Unterstreichen aller Individuen
zu Ende zu kommen vermag, wird die Konjunktur als zulässig erwiesen
und zugleich eine Bestimmungsweise von u, die alle Forderungen erfüllt,
gefunden sein.


Als ein wesentlicher Bestandteil der Klausel wurde oben der Satz
gefunden:


Besteht die eine der beiden Parameter-Reihen (Gebieten oder Klassen
rϰ, sλ) aus nur einem solchen Aggreganten, so darf nicht bei der andern
Reihe die Summe ihrer nicht singulären Klassen enthalten sein in der
Summe ihrer singulären.


Was nun die Klausel in den Fällen h und k 2 betrifft, so
lassen gewisse von den bereits statuirten Anforderungen als not-
wendige sich auch allgemein begründen.


Niemals wiederum dürfen alle Aggreganten der einen Reihe Indi-
viduen, singuläre Klassen sein. Und es darf auch kein Aggregant der
einen Reihe mit einem solchen der andern Reihe zu einem und dem-
selben Individuum zusammenfallen, oder kürzer gesagt: keine singuläre
Klasse der einen darf identisch sein mit einer Klasse der andern Reihe.


Nie darf auch ein Aggregant der einen Reihe blos Summe aus lauter
singulären Aggreganten der andern Reihe sein
— wie unschwer zu
rechtfertigen.


Die letzte Forderung involvirt auch die beiden vorhergehenden,
macht sie, wie man leicht sieht, überflüssig.


Dass dieselbe aber noch nicht hinreicht, zeigen die Fälle h = 2,
k = 2, sowie h = 3, k = 2, in welchen ich ausserdem die nach-
stehenden Konjunkturen als unzulässig ermittelte.


Für
r = r1 + r2 = s = s1 + s2
sind noch obendrein unzulässig die beiden Konjunkturen:

  • 340)
    r1 = i1, r2 = i2 + i3s1 = i2, s2 = i1 + i3
    „ „s1 = i1 + i2, s2 = i1 + i3

[396]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
— desgleichen in letzter r und s vertauscht, sowie überhaupt irgend
welche Umstellungen mit den (oberen) Indices der r, der s, und der
i vorgenommen. Für
r = r1 + r2 + r3 = s = s1 + s2
sind es zum wenigsten auch die folgenden fünfe:

  • 350)
    r1 = i1, r2 = i2, r3 = i3 + i4s1 = i3, s2 = i1 + i2 + i4
    r1 = i1, r2 = i2 + i3, r3 = i2 + i4s1 = i2, s2 = i1 + i3 + i4
    „ „ „s1 = i1 + i2, s2 = i3 + i4
    „ „ „s1 = i1 + i2, s2 = i1 + i3 + i4
    r1 = i1 + i2, r2 = i1 + i3, r3 = i1 + i4s1 = i1, s2 = i2 + i3 + i4

Ausserdem sind aber wieder unzulässig die Fälle in welchen zweie
von den drei rϰ mit einem der beiden s eine von den Konjunkturen
eingehen, welche bei h = 2, k = 2 als unzulässig nachgewiesen wurden.


Die Vollständigkeit dieser Liste von Ausnahmen vermag ich in-
dess noch nicht zu verbürgen und lasse das Problem hier stehen —
nachdem es jetzt wenigstens bis zum Charakter eines rein kombina-
torischen Problems entwickelt worden — in der Hoffnung, dass es
durch fernere Forschungen seiner Lösung vollends entgegengeführt
werden möchte.


Dass es übrigens zur Unzulässigkeit einer Konjunktur nicht ein-
mal erforderlich ist, dass einzelne Aggreganten zu Individuen zusammen-
schrumpfen, mag noch das Beispiel zeigen:
r1 = i1 + i2, r2 = i2 + i3, r3 = i3 + i4, r4 = i1 + i4 + i5;
s1 = i1 + i3, s2 = i1 + i4, s3 = i2 + i4, s4 = i2 + i3 + i5.

Wissen wir, dass für ein unbekanntes u gilt:
(r1u ≠ 0) (r2u ≠ 0) ‥ (r4u ≠ 0) · (s1u1 ≠ 0) ‥ (s4u1 ≠ 0),
so wissen wir von den Parametern r1, r2, ‥ r4, s1, ‥ s4 unter anderm
auch sicher, dass dieselben aus fünf Individuen nicht auf vorstehende
Weise zusammengesetzt sein können und gehört solches Wissen zu
der als Resultante der Elimination von u zu bezeichnenden Kon-
klusion.


Als Abkürzung bei Darstellung und Aufsuchung der auszu-
schliessenden Konjunkturen wird es sich empfehlen eine Schreibweise
einzuhalten, die dadurch erläutert werden möge, dass wir in ihr die
vorstehend angeführten bisher ermittelten Fälle wiederholend zusammen-
stellen:
[397]§ 49. Noch ungelöste Probleme des Kalkuls.

360) 1, 232, 13; 1, 2, 343, 124; 12, 23, 34, 14513, 14, 24, 235.
12, 13; 1, 23, 242, 134
„ „12, 34
„ „12, 134
12, 13, 141, 234;

Um z. B. die Unzulässigkeit der letzten nachzuweisen sind zwei Proben
erforderlich. Die eine
ergibt, dass es unzulässig, das Element 1 des Aggreganten 12 zum Gebiet
u zu schlagen, indem hernach im Hinblick auf den Aggreganten 13 das
Element 3 zu u1 geschlagen werden muss, darnach vom Aggreganten 23
notwendig das Element 2 zu u zu schlagen ist, und einerseits von 34 das
Element 4 zu u, andrerseits von 14 und 24 aber zu u1 geschlagen werden
müsste, was den Konfliktsfall ausmacht.


Die andere Probe besteht in der Verfolgung der Möglichkeit vom
Aggreganten 12 das Element 2 zu u zu schlagen:
wonach denn von 24 sicher die 4 zu u1, darnach von 34 die 3 zu u, von
13 die 1 zu u1 gehören wird und in bezug auf 5 der Konflikt zutage
tritt, dass es als letztübriges Element von 145 zu u, als ebensolches aber
von 235 zu u1 geschlagen werden müsste. —


Auffallen muss es, dass bei den an 270) geknüpften Schlüssen
von der Voraussetzung 260) weiter gar kein Gebrauch zu machen ge-
wesen. Die letztere trägt darnach überhaupt nur dazu bei, die Fälle
zu charakterisiren, in welchen die ermittelten Klauseln unerlässlich
werden, ohne jedoch dabei von irgend einem Einfluss auf diese selbst
zu sein. In letztern kommen die Gebiete a und b überhaupt nicht
explicite vor, sondern immer nur in den Verbindungen rϰ und sϰ, in
denen sie allerdings als Faktor stecken. —


Ein noch weit schwierigeres Problem als bei einem Eliminanden
x muss die Vervollständigung unsrer „Resultante aus dem Rohen“ zur
vollen Resultante dann darbieten, wenn zwei oder mehr Gebietsym-
bole oder Klassen x, y, z, … als simultan zu eliminirende in Betracht
kommen.


Dieser würden streng genommen auch Schlüsse zuzuzählen sein,
die sich eventuell ziehen lassen in Bezug auf eine Minimalzahl von
Individuen, welche die den Daten zugrunde liegend gedachte Mannig-
faltigkeit 1 allermindestens enthalten muss.


[398]Dreiundzwanzigste Vorlesung.

Jedenfalls zeigt die Algebra der Logik auch hierin den Charakter
einer echten Wissenschaft, dass sie dem Forschenden gewichtige noch
ungelöste Probleme darbietet. —


Vorstehender § 49 war schon tel, quel geschrieben, als mir das
Manuskript einer Arbeit des Herrn Voigt zur Mitbegutachtung (Korreferat)
überwiesen wurde, der sich auf meine Anregung mit dem oben charakte-
risirten Probleme beschäftigt hatte von dem Standpunkte aus, auf welchem,
nachdem Herr Mitchell1 (und Miss Ladd1, vergl. § 54) es zu lösen be-
gonnen, dasselbe durch meine Mitteilung 6 gebracht und gelassen war. Das
Erscheinen von Voigt’s Doktorarbeit fällt in die Zeit der Drucklegung meines
gegenwärtigen zweiten Bandes, dessen so viel grösserer Umfang natürlich eine
längere Drucklegungszeit erforderte. Begreiflich wird man manche Anklänge
in meinen vorstehenden und der Voigt’schen Betrachtungen finden, wie ich
denn schon in § 47 zu konstatiren gehabt (S. 326), dass Herr Voigt mir mit
der Publikation meiner Definition und gewisser Sätze vom Individuum, auf
welche er selbständig verfallen, zuvorgekommen. [Letzteres würde umge-
kehrt liegen, wenn ich auf der Heidelberger Naturforscherversammlung die
zweite angezeigte Mitteilung nicht wegen vorgerückter Zeit zurückgezogen
hätte — cf. 9 ebenda.]


Es ist nicht meine Aufgabe, hier über die mehrseitigen Verdienste
der Voigt’schen durchaus lesenswerten Arbeit mich zu verbreiten [auf
deren eines ich auch in § 41, S. 209, hinzuweisen Veranlassung hatte].
Ich darf und will mich vielmehr begnügen, die Quintessenz der Voigt’schen
Arbeit, soweit sie eben auf jenes Problem Bezug hat, das uns im gegen-
wärtigen Paragraphen beschäftigte, noch darzulegen und kurzmöglichst zu
begründen.


Wenn ein System „eingliedriger partikularer“ Forderungen zu er-
füllen ist:
(x p1 ≠ 0) … (x pm ≠ 0) · (x1q1 ≠ 0) … (x1qn ≠ 0)
und es ist die Zerfällung der Parameter p, q in Individuen gegeben, so
muss es möglich sein, aus jedem der p mindestens je ein Individuum
zu x und zugleich aus jedem der q mindestens je ein Individuum zu x1 zu
schlagen (wie dies schon weiter oben, sowie in 6 von mir ausgesprochen).


Um dies zu entscheiden, wird also auf jede mögliche Weise aus
jedem p ein Individuumglied und zugleich aus jedem q ein solches aus-
zuheben
und zuzusehen sein, ob und wie die gerade ausgehobnen Indi-
viduen aus den p zu x, die aus den q zugleich zu x1 geschlagen
werden könnten.


Alle nur erdenklichen Aushebungsweisen geht man nun nach
Voigt durch, wenn man im Hinblick auf die Multiplikationsregel der
Polynome die m + n Individuensummen:
p1p2pm q1q2qn
[399]§ 49. Studien über die Klausel und noch ungelöste Probleme des Kalkuls.
formell“ ausmultiplizirt. Das allgemeine Glied des entwickelten (ex-
pandirten) Produkts hat die Form:
i1i2im j1j2jn,
wenn iϰ irgend ein Individuum aus pϰ, dagegen jϰ eines aus qϰ (bei
ϰ = 1, 2, … m resp. n) für den Augenblick bezeichnet.


Sooft nun keines der j mit irgend einem der i identisch ist, mit
welchen es zusammen ausgehoben worden und vorstehend zu einem
Einzelprodukte vereinigt erscheint, kann man sämtliche ausgehobnen i
zu x und sämtliche ausgehobnen j zu x1 schlagen und erhält eine
partikulare („elementare“) Lösung (Auflösung nach x) der Prämissen-
aussage.


Die vorliegende Aushebung ist dagegen unbrauchbar zu solchem
Zwecke, sooft eines der j mit einem der i zusammenfällt, sooft also
das Glied
, wegen i i1 = 0 verschwinden würde, falls man in ihm die j
mit Negationsstrich versehen hätte
. [In der vorgängigen Versehung aller
j mit Negationsstrichen — schon vor dem Ausmultipliziren — besteht
darnach wesentlich Herrn Voigt’s „symbolisches Verfahren“, alle
Lösungen x zu finden.] Und zwar auch nur dann, ausschliesslich in
diesem Falle, wird die betrachtete Aushebung unbrauchbar sein (eine
Lösung x abzugeben) vorausgesetzt, dass man auf das ohnehin eigent-
lich immer stattfindende Verschwinden jedes identischen Produkts von
verschiedenen Individuen, wie i1i2, welches ja schon = 0 wäre, etc. bei
jenem „formellen“ Ausmultipliziren keine Rücksicht nimmt. —


Vorstehendes ist wol der Kern der von Herrn Voigt gegebenen
Lösung des Auflösungs- und Eliminationsproblems — von ihm auch
noch auf „mehrgliedrige partikulare Forderungen“ entsprechend ausgedehnt
(die er, nebenbei gesagt, ebenso wie universale in Gleichungenform ansetzt
mittelst Einführung von 0 resp. 1 verschieden zu denkender unbestimmter
Klassen).


Jene Arbeit als eine „Lösung“ gedachter Probleme zu bezeichnen ist
zutreffend in einem bestimmten Sinne des Wortes, nicht zutreffend in
einem andern.


Die Auflösung nach einer Unbekannten x erscheint in der That
vollständig geleistet insofern, als ein rein mechanisches Verfahren gegeben
ist, als die „Wurzeln“ alle möglichen Arten aufzufinden, wie jene Unbe-
kannte aus den in die Parameterklassen p, q eingehenden Individuen über-
haupt zusammengesetzt werden kann. Vermissen lässt die „Lösung“ dagegen
einen ebendiese Wurzeln übersichtlich zusammenfassenden Gesamtausdruck:
also eine allgemeine Formel für die Wurzel.


Das Eliminationsproblem aber erscheint nur insofern „gelöst“, als die
Zusammensetzung der Parameterklassen p, q aus Individuen als eine gegebene
angesehen, dabei benutzt werden darf. Die Resultante tritt alsdann in
[400]Dreiundzwanzigste Vorlesung.
Gestalt der Forderung auf, dass das obige Verfahren zur Auffindung sämt-
licher Wurzeln nicht durchweg versage, dass nicht sämtliche Glieder jenes
durch „formelles“ Ausmultipliziren zu gewinnenden Aggregates verschwinden.
Und wenn hienach Herr Voigt die notwendige und hinreichende Bedingung
für die Existenz von Wurzeln auch ganz richtig formulirt, so erscheint
solche Formulirung doch immer noch als eine zu nahe Umschreibung der
Aufgabenstellung selber. Jede rein analytische Lösung eines formal-logischen
Problemes wird ja denknotwendig hinauslaufen auf eine blosse Transforma-
tion („Umschreibung“) dessen, oder eines Teils von dem, was in den Daten
des Problems implicite statuirt war. Und so trifft der Begriff der Lösung
für unser Eliminationsproblem auch hier schon in einem gewissen Sinne zu.
Ohne damit den Verdiensten der Voigt’schen Arbeit zu nach treten zu
wollen, muss ich aber betonen, dass solche Lösung in einem rigoroseren
Sinne immer noch zu wünschen bleibt:


Es bleibt die „Klausel“ oder vollständige Resultante der Elimination
des x noch zu ermitteln in Gestalt einer solchen Aussage, welche von den
Parameterklassen p, q selber spricht, nicht aber von den in diese eingehenden
Individuen, welche vielmehr eben die durch die Data des Problems den p,
q in Hinsicht ihrer zulässigen Zusammensetzungsweisen aus Individuen auf-
erlegten Beschränkungen in Gestalt einer von diesen p, q selbst zu erfüllen-
den Bedingung aussagenrechnerisch charakterisirte! [so wie es für den ein-
fachsten Fall mittelst 90) S. 381 von uns geschehen].


Die Lösung dieser Aufgabe steht noch aus und würde sie mir als der
Schlussstein erscheinen, welcher das Gewölbe der zweiten Logiketage ab-
schliesst, ev. deren Kuppelbau krönt. Diese sei darum auch angelegentlich
den Forschern empfohlen.


[]
  • Holzmüller, Dr. Gustav, Direktor der Kgl. Gewerbeschule zu Hagen,
    Einführung in die Theorie der isogonalen Verwandt-
    schaften
    und der conformen Abbildungen, verbunden mit An-
    wendungen auf mathematische Physik. Mit 26 lithographirten
    Tafeln. [VIII u. 284 S.] gr. 8. 1882. geh. n. ℳ. 11. 20.
  • Klein, Felix, o. ö. Professor der Geometrie a. d. Universität Leipzig, über
    Riemann’s Theorie der algebraischen Functionen
    und ihrer
    Integrale. Eine Ergänzung der gewöhnlichen Darstellung. [VIII und
    82 S. mit Figuren im Text.] gr. 8. 1882. geh. n. ℳ. 2. 40.
  • ———— Vorlesungen über die Theorie der elliptischen Mo-
    dulfunctionen
    . Ausgearbeitet und vervollständigt von Dr. Robert
    Fricke
    . 2 Bände. Erster Band. Grundlegung der Theorie. Mit
    zahlreichen in den Text gedruckten Figuren. [XX u. 764 S.] gr. 8.
    1890. geh. n. ℳ. 24. —
    [Der II. Band folgt 1892].
  • Koenigsberger, Dr. Leo, ord. Prof. an der Universität zu Heidelberg, die
    Transformation
    , die Multiplication und die Modular-
    gleichungen der elliptischen Functionen
    . [VII u. 196 S.]
    gr. 8. 1868. geh. n. ℳ. 4. —
  • ———— Vorlesungen über die Theorie der elliptischen Func-
    tionen
    nebst einer Einleitung in die allgemeine Functionenlehre. Mit 62
    Holzschnitten im Text. 2 Theile. gr. 8. 1874. geh. n. ℳ. 21. 60.
    Einzeln: I. Teil. [VIII u. 431 S.] n. ℳ. 14. —
    II. — [VII u. 219 S.] n. ℳ. 7. 60.
  • ———— Vorlesungen über die Theorie der hyperelliptischen
    Integrale
    . [IV u. 170 S.] gr. 8. 1878. geh. n. ℳ. 4. 80.
  • ———— zur Geschichte der Theorie der elliptischen Tran-
    scendenten in den Jahren
    1826—1879. [104 S.] gr. 8.
    1879. geh. n. ℳ. 2. 40.
  • Krause, Martin, Professor der Mathematik an der Universität zu Rostock,
    die Transformation der hyperelliptischen Funktionen
    erster Ordnung
    . Nebst Anwendungen. [VII u. 276 S.] gr. 8.
    1886. geh. ℳ. 10. —
  • Krazer, Dr. Adolf,Theorie der zweifach unendlichen Theta-
    reihen
    auf Grund der Riemann’schen Thetaformel. [VII u. 66 S.]
    gr. 4. 1882. geh. n. ℳ. 3. 60.
  • Lindemann, Dr. F., Professor an der Universität zu Freiburg i. B., Unter-
    suchungen über den Riemann-Roch’schen Satz
    . [40 S.]
    gr. 8. 1879. geh. ℳ. 1. —
  • Lommel, Dr. Eugen, Professor der Experimentalphysik an der Univer-
    sität zu München, Studien über die Bessel’schen Functionen.
    [VII u. 135 S.] gr. 8. 1868. geh. n. ℳ. 3. —
  • Meyer, Dr. A., ord. Professor an der Universität zu Lüttich, Vorlesungen
    über Wahrscheinlichkeitsrechnung
    . Deutsch bearbeitet von
    Emanuel Czuber. [XII u. 554 S.] gr. 8. 1879. geh. n. ℳ. 12. —

[]
  • Neumann, Dr. Carl, ord. Professor der Mathematik an der Universität zu
    Leipzig, Vorlesungen über Riemann’s Theorie der Abel’schen
    Integrale. Zweite vollständig umgearbeitete und wesentlich ver-
    mehrte Auflage. Mit zahlreichen in den Text gedruckten Holz-
    schnitten und einer lithographirten Tafel. [XIV u. 472 S.] gr. 8.
    1884. geh. n. ℳ. 12. —
  • ———— Theorie der Bessel’schen Functionen. Ein Analogon zur
    Theorie der Kugelfunctionen. [VIII u. 72 S.] gr.8. 1867. geh. n. ℳ. 2. —
  • ———— über die nach Kreis-, Kugel- und Cylinderfunc-
    tionen fortschreitenden Entwicklungen
    , unter durchgängiger
    Anwendung des Du Bois-Reymond’schen Mittelwerthsatzes. [VIII u.
    140 S.] gr. 4. 1881. geh. n. ℳ. 7. 20.
  • Neumann, Dr. Franz, Professor der Physik und Mineralogie an der
    Universität zu Königsberg, Beiträge zur Theorie der Kugel-
    functionen
    . I. u. II. Abtheilung. [In einem Band.] [156 S.] gr. 4.
    1878. geh. n. ℳ. 8. —
  • ———— Vorlesungen über mathematische Physik, gehalten
    an der Universität Königsberg. Herausgegeben von seinen Schülern
    in zwanglosen Heften. 6. Heft: Vorlesungen über die Theorie
    des Potentials und der Kugelfunktionen
    . Herausgegeben von
    Dr. Carl Neumann, ord. Professor der Mathematik an der Uni-
    versität Leipzig. Mit Figuren im Text. [XVI u. 364 S.] gr. 8.
    1887. geh. n. ℳ. 12. —
  • Prym, Dr. Friedrick, o. ö. Professor der Mathematik an der Universität
    Würzburg, Untersuchungen über die Riemann’sche Theta-
    formel und die Riemann’sche Charakteristikentheorie
    .
    [VIII u. 112 S.] gr. 4. 1882. geh. n. ℳ. 6. —
  • Rausenberger, Dr. Otto,Lehrbuch der Theorie der periodischen
    Functionen einer Variabeln mit einer endlichen Anzahl
    wesentlicher Discontinuitätspunkte nebst einer Einleitung
    in die allgemeine Functionentheorie
    . Mit in den Text ge-
    druckten Figuren. [VIII u. 476 S.] gr. 8. 1884. geh. n. ℳ. 10. 80.
  • Riemann’s, Bernhard,gesammelte mathematische Werke und
    wissenschaftlicher Nachlass. Herausgegeben unter Mitwirkung von R.
    Dedekind von H. Weber. [VIII u. 526 S.] gr. 8. 1876. geh. n. ℳ. 16. —
  • Roch, Dr. G.,de theoremate quodam circa functiones Abelianas.
    [12 S.] 4. 1864. geh. ℳ. —. 60.
  • Schottky, Dr. F., Privatdocent an der Universität Breslau, Abriss
    einer Theorie der Abel’schen Functionen von drei
    Variabeln
    . [162 S.] gr. 8. 1880. geh. n. ℳ. 4. —
  • Schröder, Dr. E., Professor an der technischen Hochschule in Karls-
    ruhe, der Operationskreis des Logikkalkuls. [VI u. 37 S.]
    gr. 8. 1877. geh. ℳ. 1. 50.
  • ———— Vorlesungen über die Algebra der Logik (exakte
    Logik
    ). 2 Bände. Erster Band. Mit viel Figuren im Texte.
    [XII u. 717 S.] gr. 8. 1890. geh. n. ℳ. 16. —
  • ———— ———— Zweiter Band. Erste Abteilung. Mit viel Figuren
    im Texte. gr. 8. 1891. geh. n. ℳ. 12. —

[][][]
Notes
*)
Ob es noch andere Urteilsformen ausser den aufgezählten gibt, ist strittig,
fraglich. Mir scheint z. B. der als Dr. Fischer’s Ausspruch bekannte und be-
rüchtigte Satz: „Afrika ist, wo es (für den Europäer) gesund ist, unfruchtbar,
wo es fruchtbar ist, ungesund“
— dessen materielle Wahrheit wir dahin gestellt
sein lassen — zu keiner der drei erwähnten Abteilungen eigentlich zu gehören.
*)
„Ich lüge jetzt“ — bei Lotze — in Vereinfachung des alten Sophisma’s
von dem Kretenser, welcher behauptet haben sollte, dass alle Kretenser beständig
lögen — was nur möglich und wahr zugleich sein konnte, wenn er es selbst
nicht glaubte.
*)
D. h. die „unbegrenzte“; Grammatiker sprechen auch von einer „durativen
Bedeutung des Präsens und — bei Sentenzen — von einer „gnomischen“.
*)
Der Einfachheit halber will ich mich auf die Berücksichtigung der Strahlen-
brechung und des Unterschiedes zwischen mathematischem und physischem Hori-
zont des Ortes hier nicht einlassen.
*)
Bekanntlich Gestalt des Papierdrachens, aus zwei gleichschenkligen Drei-
ecken zusammengesetzt.
*)
Man könnte sich hier versucht fühlen, auch diese beiden in Anhang 4
motivirten Benennungen umzutauschen, die Vorsilben in- und ex- gerade umge-
kehrt zu verwenden.
*)
Dieses liegt in dem vor- und rückwärts als Subsumtionszeichen im Geiste
zu lesenden freien (d. h. uneingeklammerten) Gleichheitszeichen.
*)
Das Pronomen „irgend ein“ wird nicht selten auch gebraucht im Sinne von
„ein ganz beliebiges, sonach auch jedes“. Dieses soll hier nicht gemeint sein.
*)
Postulate zähle ich nicht zu den „formalen“ Grundlagen.
*)
Auch die Zeichen Σ und Π wären an dieser Stelle mit aufzuzählen.
*)
Und soweit allein erscheint er in unserm Buche sowie in den bisherigen
Forschungen ausgebildet.
*)
Es ist damit auf gewisse Postulate des Aussagenkalkuls hingewiesen, deren
Analoga im Klassenkalkul ausführlicher in § 7 besprochen sind.
*)
Es ist damit auf gewisse Postulate des Aussagenkalkuls hingewiesen, deren
Analoga im Klassenkalkul ausführlicher in § 7 besprochen sind.
**)
Wenigstens müsste hier die Gleichzeitigkeit der beiden speziellen Annahmen
CA und CB postulirt werden, um diejenige irgend zweier Annahmen oder
Aussagen A und B zu definiren.
*)
Die Keime zu den Entwickelungen finden (wie gesagt) sich schon bei Peirce8
— mit einer sonderbaren Auffassung — vergl. ibid. pag. 192 auf 193, und, früher
noch, bei McColl3.
*)
Diese wäre naheliegend noch etwas zu vertiefen, da ein Wert A = 0, oder
B = 0 jetzt ausgeschlossen.
*)
Wir sehen damit gänzlich ab von der mit den Buchstaben a, e, i, o im
vorigen Paragraphen verknüpften herkömmlichen Bedeutung.
*)
Auf diesem Umstand beruht es wol schon vonhause aus, dass schwer-
lich das Ideal eines vollkommen ausdrucksvollen und zugleich konsequenten Be-
zeichnungssystems für alle unsre Beziehungen überhaupt zu verwirklichen sein
möchte. Vielmehr ist mit einem kleinen Kompromisse vorlieb zu nehmen:
Vom Zeichen ist insbesondre zu merken, dass dasselbe als ein einfaches
oder ursprüngliches zu gelten habe. Dasselbe darf nicht etwa als ein aus ⊃
und ⊂ zusammengesetztes angesehen und mit: ⊂ oder ⊃ gedeutet werden, so
wie uns z. B. bisher zu gelten hatte:
Als eine fernere Unvollkommenheit unsres Systems von Beziehungszeichen
verhehle ich mir auch keineswegs, betone ich vielmehr diesen Umstand: dass
wenn wir ein solches als Alternative zusammengesetztes Zeichen mittelst verti-
kaler Durchstreichung negiren, wobei nach Th. 36) gelten muss:
auch keineswegs die Alternative zwischen den beiden Beziehungen ⊄ und ≠,
deren Zeichen sich doch aus dem resultirenden herauslesen lassen, demselben
als Bedeutung wird untergelegt werden dürfen, sondern vielmehr das Bestehen
jener beiden Beziehungen hier als ein gleichzeitiges gefordert wird!
Unschwer könnten unsre Bezeichnungsprinzipien auch als solche formulirt
und durch gewisse Regeln (als Exceptionen) so verklausulirt werden, dass allge-
mein jede missverständliche Deutung der Zeichen ausgeschlossen wäre. Doch
scheint es mir schon ausreichend, jene Prinzipien stillschweigend bei der indivi-
duellen Einführung der einzelnen Zeichen nur einfach zu bethätigen. Die Unver-
meidlichkeit solcher Exceptionen thut dem rationellen und mnemonischen Cha-
rakter unsres Bezeichnungssystems keinen Eintrag, und enthält den Hinweis, dass
man, wie zumeist auch sonst im Leben, so auch auf diesem Felde, eben mit einem
Kompromisse sich zu begnügen habe. Solcher bleibt der baaren Systemlosigkeit
doch bei weitem vorzuziehen.
*)
Die Priorität gebührt nach Jevons11 dem Botaniker G. Bentham.
*)
Stellen A und B vieldeutige Zahlenausdrücke vor, so ist „wertgemein“
(resp. „Wertgemeinschaft“) der passendste Ausdruck. In diesem Sinne habe ich
das Zeichen schon vielfach auf seine Brauchbarkeit erprobt und als ein in der
„absoluten Algebra“ ganz unentbehrliches erkannt.
*)
Die man auch konvertible nennen könnte — „konvertibel“ jedoch in
andrem Sinne, nämlich mittelst einfacher Umkehrung der „conversio simplex“.
In Bezug auf die Umkehrung mittelst „Kontraposition“ würden alle Urteile als
konvertible zu bezeichnen sein.
*)
Man überzeugt sich davon unschwer, auch bei der (nur bis zum Strich
genommen) ersten Kolonne, unter Berücksichtigung der Hülfsrelationen XV0, doch
wird dieser Nachweis durch spätere Betrachtungen überflüssig gemacht.
*)
Die also unter den Kombinationen aus den vorhergehenden Triaden gleich-
gebauter Ausdrücke nicht schon vertreten sein mussten.
*)
Will man nicht 𝔫 verwenden, so ist von der frühern Bedeutung des n
als einer Aussage zeitweilig abzusehen.
*)
Wird „einige A“ mit A', „einige nicht-A“ mit A1', und analog in B, etc.
dargestellt, so scheint bei Zulassung von Ausdrücken, wie (A' B1 + A1' B)', sich aller-
dings noch ein weiteres Feld von erdenklichen Aussagen, als dasjenige, worauf
unsre Untersuchung sich beschränkt, auf den ersten Blick zu ergeben.
*)
Herr Peano bringt auch die identische Aussage 1߭ = 1߭, (oder 0 = 0),
bei welcher keiner von den r Konstituenten (als Glied der Alternative) fehlen
würde, hiervon noch in Abzug; er findet: 2r — 2.
*)
Die Unterscheidung dieser Formen ist für die rechnende von noch ge-
ringerem Belange als für die verbale Logik, da sie in mannigfaltigster Weise auf-
einander zurückgeführt werden können. Vergl. den Schluss des § 31, z. B. —
*)
Wir dachten uns unser Problem so gefasst, dass aus einer die Data zu-
sammenfassenden Gesamtaussage abzuleiten ist eine von ihr bedingte als die
Lösung hinzustellende Gesamtaussage. Probleme, deren Lösung einfach durch die
Antwort „Ja“, oder „Nein“, zu geben ist, würden als bestimmte „Fragen“ zu be-
zeichnen sein, und könnten als Probleme der formalen Logik sich nur darum
drehen, ob aus einer gegebenen Aussagengruppe Α eine andere gegebene Β denk-
notwendig folgt, oder nicht.
Die Antwort würde hier dadurch herbeizuführen sein, dass man die Subsum-
tion Α Β zwischen den beiden Gesamtaussagen darauf hin untersuchte, ob sie
*)
als eine „analytische“ identisch gilt oder nicht, wofür — soweit nur Umfangs-
und Aussagenbeziehungen in Betracht kommen — in § 21 und 33 die Methoden
bereits auseinandergesetzt sind. Vergl. auch § 46, 1. Studie.
*)
Die Zwischenrechnung kann so geführt werden:
= p (a1b1q1 + b) + q b1 = p b + q b1 + p a1b1q1 + p a1b1q = p (a1b1 + b) + q b1 =
= p (a1 + b) + q b1 = p (a1 + a b) + q b1 = etc.
*)
Ich habe denselben in der mathematischen Sektion der deutschen Natur-
forscherversammlung in Strassburg i. E. 1885 mitgeteilt 6 — zuvor auch schon in
dem von Clebsch gegründeten Karlsruher Mathematischen Kränzchen.
Einen merkwürdigen Beweis für diesen ohne die Herleitung publizirt ge-
wesenen Satz hat Herr Voigt1 gegeben, der, wenn er auch dem meinigen an
Einfachheit nachsteht, doch durch die ausserordentliche Verschiedenheit und Ori-
ginalität des Gedankengangs beachtenswert ist.
*)
Scilicet: sunt modi figurae.
**)
sc. figura.
*)
So laut brieflicher Mitteilung seitens eines namhaften Gelehrten und
Forschers an der Universität Cincinnati, auf Grund von dessen mir bekannter
Zuverlässigkeit ich den Ausdruck gerne zu dem meinigen mache.
*)
Dies muss immer gegenseitig sein. Geht aus einer ersten Formel eine
zweite dadurch hervor, dass man α für a, β für b, etc. in sie einsetzt, so wird
man auch aus der zweiten Formel die erste erhalten durch die Substitution von
a für α, b für β, etc. Es genügt, sich hievon an einem allgemeinen Schema
F (a, b, c …) und F (α, β, γ …) zu überzeugen.
*)
Als im Gegensatz zu dieser Konklusion stehend vergleiche man im dritten
Buch Mosis: Kap. XI, Vers 4 bis 6, sowie 5 Moses XIV, 7.
*)
Als Kollektivum. Beide Prämissen sind hier singuläre Urteile.
*)
Bei der Mannigfaltigkeit der Weisen, auf welche Syllogismen zu zu-
sammengesetzten Schlüssen verknüpft, kombinirt werden können, dient es der
Bequemlichkeit Namen zu haben für die Beziehungen, in welchen die verknüpften
Syllogismen zu einander stehen können. So wird ein Syllogismus, welcher eine
Prämisse eines andern Syllogismus beweist oder begründet, (als Konklusion) liefert,
ein Prosyllogismus des letzteren genannt, und dieser, welcher als eine Prämisse
die Konklusion des ersteren enthält, derselben bedarf, heisst ein Episyllogismus
von jenem.
*)
Ohne Rücksicht darauf, ob sie dann auch mit der „weiteren Geltung“
fortbestehen werden.
*)
Hauber’s Schrift 1 des Literaturverzeichnisses ist mir nicht zu Gesicht ge-
kommen und halte ich mich bezüglich seines Satzes an die Angaben des Herrn
Venn1 p. 275.
*)
Kleine Unklarheit im Texte: mit „it“ könnte auch e gemeint sein.
*)
Diese Vereinfachung zu erzielen erfordert ein wenig Rechnung: Anwendung
des Th. ι) des § 18.
*)
„under no other circumstances.“ Der Zusatz des Aufgabenstellers, welcher
laut dessen Fassung der Aufgabe die positive Assertion enthält, dass der Sohn
unter den Umständen m1β1 + n1α1 auch sicher das Legat erhalten werde, ist über-
flüssig und auch von der Löserin nicht berücksichtigt. Derselbe würde dem F (x)
einen Faktor hinzufügen:
(m1β1 + n1α1x1) oder {x (m + β) (n + α) = m α + n β}
der für x = 0 sich irrelevant erweist.
*)
Bd. 1, S. 590, Mitte, sollte statt der 18. auf die 19. Studie verwiesen sein.
*)
Ausgenommen, wie gesagt, da, wo wir die Ungültigkeit gewisser Sätze
exemplifizirten — oder bei vorgreifendem Hinweis auf die „Klausel“.
*)
Wogegen meistens es weniger passend erschiene, das Individuum einen
„Punkt“ in seiner Klasse zu nennen.
*)
Er fällt damit eigentlich aus der Rolle des Aussagenkalkuls, in welchem
sich seine ganze Abhandlung 5 bewegt — wol ihm unbewusst — heraus, über-
*)
schreitet die von ihm sich selbst gesteckten Grenzen und begibt sich auf das
Gebiet des weiteren oder Klassenkalkuls. Der Aussagenkalkul wäre blos imstande,
die Einheit 1߭ als „das Individuum“ zu erklären, vermöchte aber für sich allein
ein „Individuum überhaupt“ gar nicht zu definiren. Und zwar deshalb, weil sein
Hinausgreifen über den Boole’schen Kalkul zufolge vermeintlichen Besitzes einer
verneinenden Kopula, kraft Formel ζ) S. 66 ein illusorisches ist, vielmehr in ihm
schon jede Ungleichung, sowie Subsumtions-Verneinung auf eine Gleichung oder
Subsumtion sich denknotwendig reduzirt, sonach auch in ihm die echte Unter-
ordnung (deren Zeichen ⊂ ja oben verwendet wird) unfähig ist, sei es so, wie
Peirce5 p. 21 es versucht, sei es überhaupt nur, definirt zu werden! Für Aus-
sagen A, B müsste in der That, wie leicht, auch nach S. 120, zu sehen:
(AB) = (A = 0) (B = 1߭)
schon gelten.
*)
Das „alternative“ Urteil ist, wie schon erwähnt, allgemeiner als das „dis-
junktive“ (aufgefasst im Sinne der traditionellen Logik) insofern es nicht aus-
drücklich fordert (indessen es doch auch mit zulässt), dass die Glieder der Alter-
native einander gegenseitig ausschliessen, „disjunkt“ seien.
*)
NB. Was heisst jedoch in dem letzteren Falle, auf den mit „nötigenfalls“
hingewiesen ist, dieses „schliesslich“?
*)
Selbstverständlich „engere“ — man wolle „weitere“ hier als „fernere“
oder „neue“ verstehen.
*)
Diese Verklausulirung ist wesentlich, indem sie den Vorbehalt einschliesst,
dass es gleichwol — nach Schöpfung des Zahlenreiches, mittelst Fixirung der
Raumpunkte durch Zahlensysteme — gelingen mag, auch die zur Begrenzung
des Körpers beitragenden Punkte von ihm selbst und von dem Aussenraume zu
unterscheiden.
*)
Unter C1ϰ verstehen wir die Negation (Cϰ)1 von Cϰ.
*)
Wegen t1 = r1 + s1 und rϰ r1 = 0, d. h. rϰr, etc.
*)
Dies habe ich schon in 6 der unter meinem Namen im Literaturverzeich-
niss angeführten Schriften mitgeteilt.

Dieses Werk ist gemeinfrei.


Holder of rights
Kolimo+

Citation Suggestion for this Object
TextGrid Repository (2025). Collection 3. Vorlesungen über die Algebra der Logik. Vorlesungen über die Algebra der Logik. Corpus of Literary Modernity (Kolimo+). Kolimo+. https://hdl.handle.net/21.11113/4bpps.0